Ratings - Bonitätsbeurteilungen durch Dritte im System des Finanzmarkt-, Gesellschafts- und Vertragsrechts: Eine rechtsvergleichende Untersuchung 9783161532832, 9783161520433

Von privaten Rating-Agenturen veröffentlichte Beurteilungen der Bonität von Unternehmen, Staaten und Finanzinstrumenten

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Ratings - Bonitätsbeurteilungen durch Dritte im System des Finanzmarkt-, Gesellschafts- und Vertragsrechts: Eine rechtsvergleichende Untersuchung
 9783161532832, 9783161520433

Table of contents :
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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungen
Erster Teil: Ratings als Marktinformationen
§ 1 Ratings als Untersuchungsgegenstand
I. Einleitung
II. Der Funktionswandel des Ratings: Von der privaten Marktinformation zum Bestandteil rechtlicher Regelungen
1. Die Marktinformationsfunktion des Ratings
2. Die Regulierungsfunktion des Ratings
III. Methode und Gang der Untersuchung
1. Rechtsvergleichung als Methode und Spektrum der untersuchten Rechtsordnungen
a) Deutschland
b) Schweiz
c) U.S.A
d) Hongkong
2. Gang der Untersuchung
Erster Abschnitt: Grundlagen
§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte: Charakteristika und Abgrenzung
I. Das Rating als Bonitätsbeurteilung
1. Die Bonität als alleiniger Aussagegegenstand eines Ratings
a) Bonität, Kreditrisiko und Kreditwürdigkeit
b) Risiken jenseits des Aussagegehalts des Ratings
c) Das verbreitete Missverständnis des Ratings als „allgemeines Gütesiegel“
d) Mangelnder Empfehlungscharakter von Ratings
2. Das Rating als subjektive Meinung der Rating-Agentur mit Prognosecharakter
3. Ratings als relative Einstufungen in Bonitätskategorien
II. Ratings als symbolhaft ausgedrückte Bonitätseinstufungen
1. Das „Ratingkürzel“
a) Ratingskala für langfristige Verbindlichkeiten der Rating-Agentur Moody’s
b) Ratingskala für langfristige Verbindlichkeiten der Rating-Agenturen Standard & Poor’s und Fitch
c) Weitere Ratingskalen
2. Die begleitenden Ratingberichte
III. Ratinggegenstände
1. Emittentenratings
2. Emissionsratings
a) Anleihen
b) Strukturierte Finanzinstrumente (Verbriefungen)
c) Vorzugsaktien (preferred stock)
3. Sovereign Ratings
IV. Das Rating als Aussage eines Dritten
1. Rating-Agenturen und andere Anbieter von Ratings
2. „Externe“ und „interne“ Ratings
3. Stellung der Rating-Agentur zwischen Emittenten (Kapitalnachfragern) und Investoren (Kapitalanbietern)
a) Geschäftsmodelle der Rating-Agenturen: „investor pays“ und „issuer pays“
b) „Beauftragte“ und „unbeauftragte“ Ratings
aa) Beauftragte oder „solicited“ Ratings
bb) Unbeauftragte, „unsolicited“ oder „investor related“ Ratings
§ 3 Die historische Entwicklung des Ratings
I. Die Kreditauskunfteien als Vorgänger der Rating-Agenturen
II. Entstehung und Ausbau des Ratings durch Rating-Agenturen in den U.S.A
1. Gründung und Wachstum der Rating-Agenturen
2. Der Übergang vom „investor pays“- zum „issuer pays“- Geschäftsmodell in den 1970er Jahren
III. Die Internationalisierung des Ratings
1. Die zunehmende Verwendung von Ratings außerhalb der U.S.A
2. „Ratingskandale“ als Kehrseite der gestiegenen Bedeutung der Rating-Agenturen
3. Ratings und die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum (ab 2010)
Zweiter Abschnitt: Die Marktinformationsfunktion des Ratings
§ 4 Grundlagen der Marktinformationsfunktion des Ratings
I. Ratings als private Marktinformationen
1. Die Bedeutung von Bonitätsinformationen am Finanzmarkt
2. Die Rating-Agenturen als Informationsintermediäre
a) Bedeutung der Marktinformationsfunktion des Ratings für die Marktteilnehmer
b) Bedeutung der Marktinformationsfunktion des Ratings für die Funktionsfähigkeit der internationalen Finanzmärkte
II. Ratings im Informationssystem des Finanzmarkts
1. Private Marktinformationen und gesetzliche Pflichtpublizität
2. Rating-Agenturen und andere Informationsintermediäre („gatekeeper“)
§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt: Empirische Befunde und informationstheoretische Begründung
I. Einleitung
II. Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung
1. Marktreaktionen auf Ratingveröffentlichungen als Beweis ihres Informationswertes
a) Anleihenkurse
b) Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps)
c) Aktienkurse
2. Auffälligkeiten in den Marktreaktionen und Rückschlüsse auf den Informationswert des Ratings
a) Marktanpassungen bereits vor Ratingänderungen – Irrelevanz für Informationswert und „through the business cycle“-Methode der Rating-Agenturen
b) Stärkere Marktreaktionen bei Herabstufungen von Ratings als bei Heraufstufungen
c) Besonders heftige Marktreaktionen bei Ratingänderungen an der „investment grade“-/„non-investment grade“-Schwelle
d) Marktreaktionen auch auf die Veröffentlichung unbeauftragter Ratings
III. Theoretische Begründung auf der Grundlage informationsökonomischer Modellannahmen
1. Neoklassische Theorie: Hypothese des effizienten Kapitalmarktes und Rationalmodell
a) Informationsökonomische Begründung der empirischen Marktreaktionen auf Ratings bei informationseffizientem Kapitalmarkt
aa) Fehlender Informationswert von Ratings am informationseffizienten Kapitalmarkt?
bb) „Regulatory license theory“ (Partnoy): Regulierungsfunktion des Ratings als alleiniger Grund für Marktreaktionen am informationseffizienten Kapitalmarkt
cc) Kritik
(1) Verarbeitung vertraulicher Emittenteninformationen im Rating als (teilweise) Erklärung des Informationswerts selbst an informationseffizienten Märkten
(2) Fehlende Erklärbarkeit der Marktreaktionen allein durch die Regulierungsfunktion des Ratings
b) Hypothese des effizienten Kapitalmarktes und Rationalmodell als Grundlagen geltender gesetzlicher Publizitätsregelungen
aa) U.S.-amerikanisches Kapitalmarktrecht: Efficient Market Hypothesis als anerkannte Grundlage des gesetzlichen Publizitätssystems
bb) Deutsches, schweizerisches und Hongkonger Kapitalmarktrecht: Efficient Market Hypothesis und Rationalmodell als Grundlage einzelner Publizitätspflichten
2. Neoinstitutionalistische Theorie
a) Informationswert von Ratings infolge von Informationskostenvorteilen?
b) Fehlende Erklärbarkeit der Marktreaktionen auf Ratingänderungen, die ausdrücklich keine Neubewertung der Bonität signalisieren
aa) Marktreaktionen auf die technische Verfeinerung der Moody’s-Ratingskala (1982)
bb) Marktreaktionen auf die Herabstufung des ThyssenKrupp-Ratings infolge einer internen Ratingmethodeänderung (2003)
IV. Eigener Erklärungsansatz: Die Codierung der Information als Grund des Informationswertes von Ratings
1. Die Aufnehmbarkeit der in Ratingkürzeln codierten Informationen durch die Informationsadressaten
a) Mangelnde Berücksichtigung der begrenzten Informations-aufnahmekapazität „realer“ Marktteilnehmer durch Rationalmodell und Verhaltensökonomik
b) Die Codierung der Information als Grund für die effektive Aufnahme von Ratings durch „reale“ Marktteilnehmer
2. Die einfache Verarbeitbarkeit der in Ratingkürzeln codierten Bonitätseinstufungen
a) Informationsverarbeitung und Verhaltensökonomik
b) Der standardisierte, global einheitliche Aussagegehalt von Ratings
V. Zusammenfassung
Zweiter Teil: Regulierung durch Ratings: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich
Erster Abschnitt: Regulierung von Banken
§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)
I. Einleitung
II. Rechtslage vor „Basel II“
1. „Basel I“
a) Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht
b) „Basel I“ und die begrenzte regulatorische Verwendung von Ratings
aa) Ratingunabhängige Kreditrisikobewertung unter „Basel I“
bb) Revidierter Basel I-Akkord (1996): Ratings als Bewertung des Marktrisikos
2. EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG: Fakultative Bewertung des Marktrisikos durch Ratings
3. Einzelne Rechtsordnungen
a) Deutsches und europäisches Recht: Zögerliche Ratingverwendung für Zwecke der Marktrisikobewertung
b) Schweizer Recht: Starkes Abstellen auf Ratings für Zwecke der Marktrisikobewertung
c) U.S.-amerikanisches Recht: Bereits frühes Abstellen auf Ratings
aa) Bedeutung von Ratings im Verfahren der aufsichtsbehördlichen Bankenzulassung (ab 1930)
(1) Rating von Anleihen im Bankenportfolio und Beurteilung der finanziellen Lage der Bank
(2) Baldige Überlagerung durch ratingbasierte Anlagevorschriften
bb) Ratings und Marktrisikobewertung nach „Basel I“
d) Hongkonger Recht: Abstellen auf „investment grade“-Rating für Zwecke der Marktrisikobewertung
III. „Basel II“
1. Der Basel II-Akkord und seine regulatorische Verwendung von Ratings
2. Die ratingbasierte Bewertung von Kreditrisiken unter „Basel II“ im Einzelnen
a) Standardansatz: Die Maßgeblichkeit externer Ratings
aa) Externe Ratings als Risikogewichtung der Bankaktiva
bb) Kritik an der zentralen regulatorischen Bedeutung des Ratings
b) IRB-Ansatz: Die Maßgeblichkeit „interner“ Ratings
c) Eigenmittelunterlegung bei Verbriefungen: Die durchgehende Maßgeblichkeit externer Ratings
3. Erfordernis der staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen als Voraussetzung für die regulatorische Ratingverwendung
4. Begrenzte Änderungen durch „Basel III“
5. Umsetzung und praktische Relevanz der ratingspezifischen Regelungen des Basel II/III-Akkords in den einzelnen Rechtsordnungen
a) Deutschland
b) Schweiz
c) U.S.A
aa) Vor „Basel III“: Verwendung von Ratingbezugnahmen nur im IRB-Ansatz (Verbriefungen)
bb) Seit „Basel III“: Vollständiger Verzicht auf Ratingbezugnahmen
d) Hongkong
IV. Zusammenfassende Würdigung
1. Rechtsvergleichender Befund
2. Bewertung der Regulierungsfunktion des Ratings im Basler Akkord
3. Zweckwidrige Lücke in den Ratinganforderungen des Eigenmittelrechts? Die ratingunabhängige Privilegierung von Staatsanleihen in Bankenportfolien
§ 7 Die Bedeutung von Ratings im Rahmen sonstiger rechtlicher Vorgaben für Banken und andere Finanzinstitute
I. Die Beschränkung zulässiger Bankeninvestitionen auf Finanzinstrumente mit einem bestimmten Mindestrating
1. U.S.-amerikanisches Recht: Umfassendes Verbot von Bankeninvestitionen in Fremdkapitaltitel privater Emittenten unterhalb des „investment grade“
a) Der Glass–Steagall Act und seine Anlagevorschriften für Banken
aa) Mindestbonitätsvorgaben für Bankeninvestitionen
bb) Die Erfindung des ratingabhängigen „investment grade“
b) Übernahme der „investment grade“-Grenze durch andere Bankenaufsichtsbehörden
c) Folgen der strikten Mindestratingvorgabe
aa) Erhöhte Bedeutung des Ratings am Anleihenmarkt
bb) Durchbruch für die Regulierungsfunktion des Ratings im U.S.-amerikanischen Recht
d) Beseitigung der geschriebenen Mindestratingvorgabe infolge des Dodd–Frank Acts (2013)
aa) Selbstbeurteilung der Bonität durch investierende Bank statt Drittbeurteilung der Bonität durch Rating-Agenturen
bb) Gleichwohl fortdauernde Bedeutung des Ratings
cc) Ergebnis: Primär formelle Umgestaltung der Regelung
2. Deutsches Recht: Beschränkte ratingbasierte Vorgaben für Investitionen bestimmter Spezialbanken in Fremdkapitaltitel
a) Investitionen von Bausparkassen in Schuldverschreibungen mit „investment grade“-Rating (§ 4 Abs. 3 Nr. 5 BausparkG)
b) Deckungsstockfähigkeit ausländischer öffentlicher Schuldverschreibungen nach § 4 Abs. 1 PfandBG
II. Die Sicherung der Liquidität von Banken und anderen Finanzinstituten
1. Präventive Anforderungen an die Bankenliquidität
a) Hohe Ratingeinstufung als Indikator der kurzfristigen Liquidierbarkeit von Schuldverschreibungen
b) Bewertung
2. Präventive Anforderungen an die Liquidität anderer Finanzinstitute
a) Die U.S.-amerikanische „net capital rule“ für broker-dealer
aa) Die „net capital rule“ als ratingbasierte Liquiditätsregelung (bis 2014)
bb) Auswirkungen auf die Regulierungsfunktion des Ratings im Allgemeinen
(1) Schaffung der Kategorie der „Nationally Recognized Statistical Rating Organization“ (NRSRO)
(2) Übernahme des „NRSRO“-Begriffs auch in andere ratingbasierte Regelungen
cc) Streichung ausdrücklicher Ratingbezugnahmen aus der „net capital rule“ infolge des Dodd–Frank Acts (2014)
b) Liquiditätsanforderungen an Finanzintermediäre im Hongkonger Recht
3. Sicherung der Bankenliquidität durch Zentralbanken
a) Mindestrating als Voraussetzung für die Zentralbankfähigkeit von Sicherheiten
aa) Liquiditätszufuhr über geldpolitische Instrumente
bb) Anlassbezogene Liquiditätszufuhr (lender of last resort)
b) Zweck und Folgen der regulatorischen Ratingverwendung
III. Weitere ratingbasierte Vorgaben
1. Vorgaben zur Unternehmensverfassung von Banken
2. Bonitätsanforderungen an Sicherungsmechanismen für Banken und andere Finanzinstitute
IV. Zusammenfassende Würdigung
Zweiter Abschnitt: Regulierung von Markteintritt und -teilnahme an den Finanzmärkten
§ 8 Rating und Zugang zum Kapitalmarkt bei Anleihen
I. Ein allgemeines Ratingobligatorium?
1. Status quo: Kein Ratingobligatorium in den untersuchten Rechtsordnungen
2. Ratingobligatorien als Mittel der Marktregulierung
a) Verfolgte Regelungszwecke
b) Bewertung
II. Rating und die Zulassung von Anleihen zu organisierten Märkten
1. „Investment grade“-Rating als Voraussetzung der Börsenzulassung in der Schweiz (1985–1990)
a) Ratingerfordernis für Anleihen ausländischer Emittenten in den Richtlinien der Schweizerischen Zulassungsstelle
b) Kritik und Abschaffung des Ratingerfordernisses
2. „B“-Mindestrating als Voraussetzung für die Börsenzulassung am New York Stock Exchange
3. Rating als Voraussetzung für die Zulassung zu „Mittelstandssegmenten“ deutscher Börsen (seit 2010)
a) Ausgestaltung der Ratingerfordernisse
b) Zweck der Ratingerfordernisse
c) Bewertung: Missverständnisse hervorrufendes Ratingerfordernis auf einem Marktsegment für Privatanleger
aa) Erfordernis lediglich eines Emittentenratings als Problem
bb) Dominanz zwar behördlich, aber nicht am Markt anerkannter Rating-Agenturen als Problem
4. „Investment grade“-Rating als Grund für verfahrensmäßige Privilegierung bei der Börsenzulassung in Hongkong
5. „Investment grade“-Rating als Grund für steuerliche Privilegierung in Hongkong
6. Tendenz: Markteintrittspublizität statt regulatorische Bonitätsanforderungen
III. Faktischer Zwang zum Rating: Das Rating als Markteintrittsvoraussetzung bei „traditionellen“ Anleihen
1. Rating als standardisierte und international verständliche Marktinformation
2. Ratingbasierte Anlagebeschränkungen für institutionelle Investoren
3. Rating als Voraussetzung für öffentliche wie private Anleiheplatzierungen
IV. Zusammenfassung
§ 9 Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität
I. Einleitung
II. Pflicht zur Angabe von Ratings in Wertpapierprospekten
1. Deutsches und europäisches Prospektrecht
a) Richtigkeit und Vollständigkeit des Wertpapierprospekts nach §§ 21 f. WpPG (§ 44 BörsG a.F.)
aa) Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a.M. zur Prospekthaftung bei der Bond-DM-Anleihe
bb) Die herrschende Gegenansicht im Schrifttum
cc) Stellungnahme
(1) Ziel der Prospektpublizität als entscheidender Ansatzpunkt
(2) Inhalt und Grenzen der ratingbezogenen Prospektpublizität
b) Ratingspezifische Anforderungen nach der EG-ProspektVO
aa) Verhältnis von EG-ProspektVO und deutschem Prospekthaftungsrecht (§§ 21 ff. WpPG)
bb) Pflicht zur Angabe von Ratings in Prospekten nach der EG-ProspektVO
c) Zwischenergebnis: Ratings und Prospektpflicht im unionsrechtlich harmonisierten deutschen Recht
2. Schweizerisches Prospektrecht
a) Pflicht zur Angabe von Ratings in Emissionsprospekten
aa) Selbstregulierung durch die Schweizerische Bankiervereinigung
bb) Gesetzliche Prospektpflicht (Art. 1156 i.V.m. Art. 652a OR)
b) Pflicht zur Angabe von Ratings in Kotierungsprospekten
c) Zwischenergebnis: Ratings und Prospektpflicht in der Schweiz
3. U.S.-amerikanisches Prospektrecht
a) Keine Pflicht zur Angabe von Ratings in Prospekten
aa) Freiwilligkeit von Ratingangaben im Prospekt
bb) Historische Versuche der SEC zur Einführung einer Pflicht zur Angabe von Ratings in Prospekten
b) Förderung der freiwilligen Ratingangabe durch regulatorische Privilegien
aa) Rule 436(g) zum Securities Act of 1933 (1982–2010)
(1) Die Entbehrlichkeit des Einverständnisses von NRSROs zur Ratingangabe im Prospekt
(2) Die Freistellung der NRSRO von der Prospekthaftung als Ausgleich
(3) Die Aufhebung der Rule 436(g) durch den Dodd–Frank Act (2010)
bb) Ratings in „tombstone advertisements“
c) Empfehlungen zu Inhalt und Form von Ratingangaben
4. Hongkonger Prospektrecht
5. Zusammenfassung
III. Reduktion gesetzlicher Publizitätsvorgaben bei Emissionen mit bestimmtem Mindestrating: Das Rating als Prospektsubstitut
1. U.S.-amerikanisches Recht: Ausnahme kurzfristiger Schuldverschreibungen mit hohem Rating von der Registrierungs- und Prospektpflicht (§ 3(a)(3) Securities Act of 1933)
2. U.S.-amerikanisches Recht: Einschränkung der Registrierungs- und Prospektpflicht für Fremdkapitaltitel mit „investment grade“- Rating (bis 2011)
a) Stark reduzierter Prospektinhalt bei Anleihen und preferred stock mit „investment grade“-Rating (Form S–3 zum Securities Act of 1933) (bis 2011)
aa) Abgestufte gesetzliche Markteintrittspublizität unter Zugrundelegung der Efficient Market Hypothesis
bb) Das „investment grade“-Rating als Beweis der effektiven Emittentenüberwachung durch die Rating-Agenturen sowie als Investoreninformation
cc) Kritik an der Regulierungsfunktion des Ratings in Form S–3
dd) Aufhebung der Ratingbezugnahme in Form S–3 in Umsetzung des Dodd–Frank Acts (2011)
b) „Shelf registration“ bei Anleihen und preferred stock mit „investment grade“-Rating (Rule 415 zum Securities Act of 1933) (bis 2011)
3. Schweizer Prospektrecht: Emissionsrating als Substitut für Angaben zur Emittentenfinanzlage bei Anleihen deutscher Bundesländer
IV. Zusammenfassende Würdigung
1. Rechtsvergleichender Befund
a) Regelungsphilosophien der Prospektrechte
b) Prospektpflichtigkeit von Ratings
c) Rating als Prospektsubstitut
2. Bewertung
§ 10 Ratings am Markt für komplexe Finanzinstrumente
I. Einleitung
1. „Komplexe“ Finanzinstrumente als faktisches und rechtliches Phänomen
a) Spielarten komplexer Finanzinstrumente
b) Komplexe Finanzinstrumente als Schuldverschreibungen besonderer Art
c) Dominanz institutioneller Investoren
2. Ratingabhängigkeit des Marktes für komplexe Finanzinstrumente
a) Bedeutung des Marktes aus Sicht der Rating-Agenturen
b) Mangel an aufnehm- und verarbeitbaren Informationen über komplexe Finanzinstrumente als Grund der Ratingbedeutung aus Sicht der Investoren
c) Bedeutung der Regulierungsfunktion des Ratings
II. Ratings und Regulierung des Marktzugangs für komplexe Finanzinstrumente
1. Rating als rechtliche Voraussetzung für die Zulassung komplexer Finanzinstrumente zu organisierten Märkten
a) Hongkonger Recht: „A“-Rating als Voraussetzung für die Börsenzulassung bestimmter strukturierter Finanzinstrumente
b) Schweizer Recht: Rating als Voraussetzung für die Börsenzulassung von Asset-Backed Securities
2. U.S.-amerikanisches Recht: „Investment grade“-Rating als Substitut für aufsichtsrechtlichen Anlegerschutz bei strukturierten Finanzinstrumenten (Rule 3a–7 zum Investment Company Act of 1940)
a) Rule 3a–7 als ratingabhängige Freistellung von dem umfassenden Anlegerschutzregime des Investment Company Act of 1940
b) Rating durch Rating-Agenturen als Ersatz für die aufsichtsbehördliche Überwachung der Corporate Governance des Emittenten
aa) Zweck des „investment grade“-Mindestratings
bb) Die Mindestratingvorgabe der Rule 3a–7 im Einzelnen
(1) „Investment grade“-Schwelle auch bei strukturierten Finanzprodukten
(2) Regulatorische Ermöglichung eines Ein-Rating-Standards am Markt für strukturierte Finanzprodukte
(3) Anerkennung und Unabhängigkeit der Rating-Agentur
(4) Fortlaufende Überwachung der Finanzproduktstrukturen als Aufgabe der Rating-Agenturen
c) Fortbestand der Ratingbezugnahmen in Rule 3a–7 trotz des Dodd–Frank Acts
3. Mindestrating als rechtliche Voraussetzung für den Erwerb komplexer Finanzinstrumente durch regulierte institutionelle Investoren
a) U.S.-amerikanisches Recht: Einheitliches Mindestrating für Investitionen in „mortgage related securities“ (Secondary Mortgage Market Enhancement Act of 1984)
aa) Förderung privater Hypothekenkreditverbriefungen als Regelungsziel
bb) Einführung eines einheitlichen „AA“-Mindestratings für Investitionen durch institutionelle Investoren als Mittel
cc) Auswirkungen des einheitlichen Mindestratings und Kritik an der regulatorischen Ratingverwendung
dd) (Einstweilen schwebende) Beseitigung des Mindestratings infolge des Dodd–Frank Acts
b) Ratingabhängige Eigenmittelanforderungen beim Erwerb strukturierter Finanzinstrumente durch Banken („Basel II“)
c) U.S.-amerikanisches Recht: Ausnahmslose Ratingvorgabe für den Erwerb von Asset-Backed Securities durch Geldmarktfonds
III. Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität bei komplexen Finanzinstrumenten
1. Pflicht zur Angabe bestehender Ratings in Prospekten und funktionsäquivalenten Dokumenten
a) Selbstregulierung in der Schweiz: Pflicht zur Ratingangabe im vereinfachten Prospekt für strukturierte Produkte
b) U.S.-amerikanisches Recht: Pflicht zur Ratingangabe in Registrierungserklärungen für Asset-Backed Securities (Regulation AB)
c) Hongkonger Recht: Pflicht zur Ratingangabe in der „formellen Bekanntgabe“ der Börsenzulassung strukturierter Produkte
d) Deutsches und europäisches Recht: Keine ausnahmslose Pflicht zur Ratingangabe in Prospekten für komplexe Finanzinstrumente
2. Reduktion gesetzlicher Publizitätsvorgaben bei komplexen Finanzinstrumenten mit „investment grade“-Rating: Das Rating als Prospektsubstitut
a) Anlegerschutz durch Markteintrittspublizität vs. flexible Emissionsdurchführung bei Asset-Backed Securities
b) Vorschläge zur ratingunabhängigen Neuregelung von „shelf registrations“ und Kritik
aa) Neugefasster Regelungsvorschlag der SEC (2011)
bb)Bewertung
3. Platzierung komplexer Finanzinstrumente jenseits der gesetzlichen Markteintrittspublizität
a) Ausnahmen von der gesetzlichen Markteintrittspublizität
b) Die Erstellung „privater“ Ratings als Folge
IV. Zusammenfassende Würdigung
1. Rechtsvergleichender Befund
a) Ratings als gesetzliche Marktzugangsvoraussetzung
b) Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität
c) Inhaltliche Besonderheiten der regulatorischen Ratingverwendung
2. Marktgetriebene Besonderheiten der „Gatekeeper“-Rolle der Rating-Agenturen
a) Das Rating als Beurteilung der Bonität komplexer Finanzinstrumente
aa) Modellbasierte Beurteilung
bb) Beurteilung nach Tranchen
cc) Keinerlei Aussagegehalt des Ratings zu sonstigen Risiken
b) Rating-Agenturen als „Berater“ bei der Emission komplexer Finanzinstrumente mit maßgeschneiderter Bonität
3. Erhöhte Wettbewerbsintensität unter den Rating-Agenturen und „rating shopping“
a) Modelldivergenzen als ratinganbietergetriebene Voraussetzung
b) „Ein-plus-Rating(s)“-Standard als weitere (ratingnachfragergetriebene) Voraussetzung
§ 11 Ratings und gesetzliche Marktteilnahmepublizität
I. Einleitung
II. Information des Marktes über Bonitätsurteile: Die Publizitätspflichtigkeit von Ratings und Ratingänderungen
1. Publizitätspflicht des Emittenten
a) Deutsches Recht: Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 WpHG
aa) Ratings und der Begriff der „Insiderinformation“ i.S. des §13 Abs. 1 WpHG
(1) Das Rating als nicht öffentlich bekannter Umstand
(2) Eignung der Information zur Kursbeeinflussung
bb) Ausschließlich aufgrund öffentlich bekannter Umstände erstellte Bewertungen (§ 13 Abs. 2 WpHG) – unsolicited ratings
cc) Weitere Voraussetzungen einer Emittentenpflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen
(1) Ratings als Insiderinformationen, die den Emittenten „unmittelbar“ betreffen, § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG?
(2) Vertraulichkeitsausnahme, § 15 Abs. 3 WpHG
b) Schweizerisches Recht: Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten gemäß Art. 53 KR
aa) Rating als kursrelevante Tatsache, Art. 53 Abs. 1 Satz 1, 2 KR
bb) Irrelevanz eines öffentlichen Bekanntseins des Ratings?
cc) Eintritt externer Ratings „im Tätigkeitsbereich“ des Emittenten, Art. 53 Abs. 1 Satz1 KR?
dd) Suspendierung der Ad hoc-Publizitätspflicht bei Vertraulichkeit, Art. 54 KR
ee) Ergebnis
c) Marktteilnahmepublizitätspflicht des Emittenten nach U.S.-amerikanischem Recht
aa) Form 8–K
bb) Rule 15c2–12: Continuing Disclosure Agreements bei öffentlichen Anleihen
cc) Marktteilnahmepublizität aufgrund von Börsenrichtlinien
d) Hongkonger Recht
2. Eigene Ad hoc-Publizitätspflicht der Rating-Agentur
a) Deutsches und europäisches Recht: Publizitätspflicht der Rating-Agentur
b) Schweizer, U.S.-amerikanisches und Hongkonger Recht: Keine Ad hoc-Publizitätspflicht von Rating-Agenturen
III. Rating-Agenturen als privilegierte Informationsempfänger: Ad hoc-Publizität und informationelle Gleichbehandlung
1. Die informationelle Privilegierung der Rating-Agenturen im deutschen und europäischen Recht
a) Die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Informationsadressaten im Rahmen der Ad hoc-Publizität
aa) Insiderrechtliches Weitergabeverbot (§ 14 Abs. 1 Nr.2 WpHG)
bb) Ad hoc-Publizitätspflicht (§ 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG)
b) Die begrenzte Privilegierung zur Vertraulichkeit verpflichteter Informationsadressaten durch § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG
aa) Die (gestrichene) ratingspezifische Ausnahme von der Publizitätspflicht im Kommissionsvorschlag zur EG-Marktmissbrauchsrichtlinie
bb) Die eingeschränkte Ad hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG und die Emittentenkommunikation mit Rating-Agenturen
2. Schweizerisches Recht: Strikte informationelle Gleichbehandlung ohne Privilegien zugunsten der Rating-Agenturen
3. U.S.-amerikanisches Recht: Informationelle Privilegierung der Rating-Agenturen durch die Regulation FD
a) Kommunikation mit Informationsintermediären als Regelungsgegenstand der Regulation FD
b) Spezifische Nichtanwendbarkeit auf Rating-Agenturen (2000–2010)
c) Streichung der spezifischen Privilegierung von Rating-Agenturen in Umsetzung des Dodd–Frank Acts (2010)
d) Gleichwohl fortgeltende informationelle Privilegierung von Rating-Agenturen
4. Hongkonger Recht: Strikte informationelle Gleichbehandlung ohne Privilegien zugunsten der Rating-Agenturen
IV. Organisatorische Absicherung der informationellen Gleichbehandlung: Die Pflicht der Rating-Agenturen zur Führung von Insiderverzeichnissen
1. Deutsches Recht: Pflicht der Rating-Agentur zur Führung eines Insiderverzeichnisses gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG
2. Keine Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen in der Schweiz
V. Zusammenfassende Würdigung
1. Publizitätspflicht des Emittenten bezüglich Ratingänderungen
2. Publizitätsrechtliche Privilegierung der Rating-Agenturen als Informationsempfänger
3. Publizitätsrechtliche Pflichten der Rating-Agenturen
Dritter Abschnitt: Regulierung von Marktteilnehmern
§ 12 Die ratingbasierte Regulierung institutioneller Investoren am Beispiel von Fonds
I. Einleitung
II. Gesetzliche Vorgaben für Investitionen durch Fonds
1. Deutsches und Schweizer Recht: Keine allgemeinen Ratingvorgaben für Investitionen durch Fonds
2. U.S.-amerikanisches und Hongkonger Recht: Strikte Mindestratings für Investitionen durch trust funds
a) U.S.-amerikanisches Recht: „legal investment lists“
b) Hongkonger Recht: „A“-Mindestrating
3. Indirekt wirkende Mindestratings für Investitionen durch Geldmarktfonds
a) U.S.-amerikanisches Recht: Rule 2a–7 zum Investment Company Act
aa) Rule 2a–7 zwischen ratingbasierter Bewertungsregelung und Marktzugangsstandard
bb) Inhalt, Zweck und Wirkungen der Ratingvorgabe in Rule 2a–7
(1) Die Sicherung der Portfolioqualität durch Mindestratingvorgabe
(2) Ratingvorgabe als Begrenzung von Kredit- und allgemeinem Marktrisiko
(3) Auswirkungen der Ratingvorgabe
(a) Auswirkungen auf den Markt für Commercial Paper
(b) Auswirkungen auf die Pflicht der Fondsleitung zur eigenständigen Bonitätsprüfung
(c) (Bloße) Prüfungspflicht des Fonds bei Ratingherabstufungen
cc) (Bislang) Fortbestand der Ratingbezugnahmen in Rule 2a–7 trotz des Dodd–Frank Acts
b) Europäisches und deutsches Recht
aa) OGAW-Richtlinie, CESR-Leitlinien und Fondskategorien- Richtlinie der BaFin
bb) Künftige Beseitigung der regulatorischen Ratingverwendung durch EU-GeldmarktfondsVO?
4. Mindestratings und Risikobegrenzung bei bestimmten Anlagetechniken
a) EG-Recht (OGAW-Richtlinie): Ratings und Gegenparteirisiko bei Investitionen richtlinienkonformer Fonds in Geldmarktinstrumente
b) Ratings und ausreichende Sicherheiten bei Wertpapierleihen (Securities Lending)
aa) Schweizer Recht: Effektenleihe durch Effektenfonds
bb) Deutsches Recht: Wertpapier-Darlehen durch richtlinienkonforme Fonds (bis 2013)
c) Ratings und Zulässigkeit von Pensionsgeschäften
aa) Schweizer Recht: Ratings und zulässiger Gegenstand von Pensionsgeschäften
(1) Mindestrating bei Reverse Repos
(2) Ratingvorgabe zur Begrenzung von Kredit- oder Marktrisiko?
bb) U.S.-amerikanisches Recht: Mindestratings bei Pensionsgeschäften
(1) Mindestratingvorgabe für den Gegenstand privilegierter Pensionsgeschäfte (Rule 5b–3)
(2) Ratingvorgabe zur Begrenzung von Markt- und Liquiditätsrisiko
(3) Keine Auswirkung des Dodd–Frank Acts auf Fortbestand der Ratingbezugnahme in Rule 5b–3
d) Schweizer Recht: Ratings und Gegenparteirisiko bei Derivatgeschäften
III. Private Regelsetzung zu Investitionen durch Fonds: Ratingbezugnahmen in internen Anlagerichtlinien
1. Regulierungsfunktion des Ratings in internen Anlagerichtlinien
2. Das „investment grade“ als einheitliches Mindestrating
IV. Verbot eines übermäßigen Rückgriffs auf Ratings
1. Europäisches und deutsches Fondsrecht: Verbot des übermäßigen Rückgriffs auf Ratings
2. Zweck der Regelung und Bewertung
V. Ratings als Konkretisierung allgemeiner Sorgfaltsmaßstäbe für Investitionen durch Fonds
VI. Zusammenfassende Würdigung
1. Rechtsvergleichender Befund
2. Bewertung
§ 13 Ratings im Recht der Unternehmensfinanzierung
I. Einleitung
II. Rechtliche Bedeutung des Ratings für die Fremdfinanzierung von Unternehmen
1. Fehlende rechtliche Determinierung der Finanzierungsstruktur von Unternehmen
2. Rating-Agenturen als private Standardsetzer
a) Ratinginduzierte Eigenkapitalquote als Grenze der Fremdfinanzierung
b) „Hybride“ Formen der Unternehmensfinanzierung als ratinggetriebenes Phänomen
3. Pflicht der Unternehmensleitung zur Beauftragung einer Rating-Agentur?
III. Eigenkapitalfinanzierung: Ratings im Recht der Kapitalaufbringung und -erhaltung
1. Deutsches Recht
a) Die „Vollwertigkeit“ von Ansprüchen gegen den Gesellschafter als Kriterium des modernisierten Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsrechts
b) Die Funktion des Ratings in der Vollwertigkeitsbeurteilung
aa) Die Verwendung von Ratings als Vollwertigkeitsindikatoren in der wissenschaftlichen Diskussion
(1) Die „außerhalb jedes vernünftigen Zweifels stehende“ Kreditwürdigkeit des Gesellschafters i.S. des „November- Urteils“ als „AAA“-Bonität?
(2) Ratings und die „Vollwertigkeit“ von Ansprüchen gegen den Gesellschafter seit MoMiG und ARUG
bb) Stellungnahme
(1) Rechtssicherheit durch das Abstellen auf Bonitätsbeurteilungen durch einen unabhängigen Dritten
(2) Die Ratingbeachtung als „safe harbour“?
c) Die Pflicht der Geschäftsleitung zur fortlaufenden Bonitätsüberwachung
aa) Informationspflichten: Nutzung von Ratings in ihrer Marktinformationsfunktion
bb) Reaktionspflichten: Vertragliche Verwendung von Ratings in ihrer Regulierungsfunktion
2. Schweizer Recht
§ 14 Ratings und die Pflicht zur guten Unternehmensführung (Corporate Governance)
I. Ratings als Informationsgrundlage für unternehmerische Entscheidungen
1. Unternehmerische Entscheidungen mit Bonitätsbezug: Fallgruppen
2. Pflicht der Geschäftsleiter zur Ratingbeachtung
a) „Business judgment rule“ und Anforderungen an die Informationsgrundlage unternehmerischer Entscheidungen
b) Recht der Geschäftsleiter zur Ratingbeachtung
aa) Untauglichkeit von Ratings als Informationsgrundlage infolge mangelnder Unabhängigkeit der Rating-Agenturen?
bb) Stellungnahme
c) Pflicht zur Ratingbeachtung
3. Ratingbeachtung durch Geschäftsleiter als „safe harbour“?
II. Zusammenarbeit mit Rating-Agenturen und unternehmensinterne Corporate Governance
1. Organzuständigkeit für die Zusammenarbeit mit Rating-Agenturen
2. Kommunikation mit Rating-Agenturen und Verschwiegenheitspflicht der Unternehmensleitung (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AktG)
3. Organschaftliche Pflichten der Unternehmensleitung im Ratingkontext
a) Pflichten bei der Zusammenarbeit mit Rating-Agenturen
b) Pflicht zur Vermeidung existenzbedrohender „rating trigger“
III. Ratingerhaltung als übergeordnetes Ziel unternehmerischen Handelns?
§ 15 Ratings in der Anlageberatung
I. Einleitung
II. Die rechtliche Ordnung der Anlageberatung in den untersuchten Rechten
1. Deutsches Recht
2. Schweizer Recht
3. U.S.-amerikanisches Recht
4. Hongkonger Recht
III. Die Rolle von Ratings im Rahmen der Anlageberatung
1. Die Pflicht des Anlageberaters zum Hinweis auf bestehende Ratings
a) Existenz, Voraussetzungen und Begründung der Pflicht
aa) Voraussetzungen der Hinweispflicht
bb) Begründung der Hinweispflicht
b) Hinweispflicht nur bezüglich der Ratings bekannter Rating- Agenturen?
c) Pflicht des Anlageberaters zur Erläuterung des Ratings
d) Ratinghinweis als per se ausreichende Aufklärung über das Bonitätsrisiko („safe harbour“)?
2. Pflicht des Anlageberaters zum Hinweis auf das Fehlen eines Ratings?
3. Keine fortdauernde Hinweispflicht auf Ratingänderungen nach getätigter Anlage
IV. Zusammenfassende Würdigung
Vierter Abschnitt: Ratings in der privaten Regelsetzung
§ 16 Die Regulierungsfunktion des Ratings aufgrund vertraglicher Inbezugnahmen („rating trigger“)
I. Einleitung
II. Ratingbasierte Zinsanpassung
1. Der Einfluss des Ratings auf die Zinskonditionen bei Finanzierungsvereinbarungen
2. Ratingbasierte Zinsklauseln („pricing grids“): Zweck und Gestaltungsformen
3. Rechtliche Anforderungen an ratingbasierte Zinsklauseln
a) Die Unabhängigkeit der Rating-Agentur als Grund für die Inhaltskontrollfreiheit von „rating triggern“
b) Die Unabhängigkeit der Rating-Agentur als Grund für die Vereinbarkeit von „rating triggern“ mit dem Transparenzgebot
4. Folgen und Risiken
III. Ratingbasierte Besicherungspflichten
1. Ratingbasierte Besicherungsklauseln: Zweck und Gestaltungsformen
2. Gefahr eines „Klippeneffekts“
IV. Ratingbasierte Vertragsbeendigung
1. Ratingbasierte Kündigungsrechte: Zweck und Gestaltungsformen
2. Gefahr eines „Klippeneffekts“
V. Zusammenfassende Würdigung
Fünfter Abschnitt: Ergebnisse
§ 17 Die Regulierungsfunktion des Ratings in der zusammenfassenden Analyse
I. Die Regulierungsfunktion des Ratings im rechtsvergleichenden Befund
1. Die Bedeutung der Regulierungsfunktion in den einzelnen Rechtsordnungen
2. Die Bedeutung der Regulierungsfunktion auf den unterschiedlichen Sachgebieten
3. Typologie der Ratingbezugnahmen in rechtlichen Regelungen
a) Ratings als Bestandteil materiellrechtlicher Vorgaben
aa) Ratings als Auslöser unmittelbar wirkender rechtlicher Gebote oder Verbote
bb) Ratings als Risikomaßstab in mittelbar verhaltenssteuernden rechtlichen Vorgaben
b) Die Rolle von Ratings im System der gesetzlich geregelten Publizität
aa) Ratings als Gegenstand gesetzlicher Publizitätspflichten
bb) Ratings als Ersatz gesetzlicher Publizitätspflichten
4. Neuere Tendenzen zur Zurückdrängung der Regulierungsfunktion des Ratings
a) Rechtsvergleichender Befund
b) U.S.-amerikanisches Recht: Vorgaben des Dodd–Frank Acts und deren Folgen
aa) Begrenzter Anwendungsbereich des Abschaffungspostulats
bb) Fortdauernde regulatorische Bedeutung von Ratings trotz Streichung expliziter Ratingbezugnahmen
c) Risiken der Zurückdrängung der Regulierungsfunktion des Ratings
II. Gründe für die Regulierung durch Ratings und Rückwirkungen auf die Marktinformationsfunktion des Ratings
1. Gründe für die Regulierung durch Ratings
2. Potentielle Rückwirkungen auf die Marktinformationsfunktion des Ratings
III. Missverständnisse bezüglich des Aussagegehalts von Ratings und daraus resultierende Gefahren
1. Missverständnisse unter Marktteilnehmern
2. Missverständnisse unter Regelsetzern
a) Beispiele
b) Kritik
IV. Der Synchronisierungseffekt des Rechts: Das ubiquitäre Abstellen auf „investment grade“ und „non-investment grade“
1. Das Entstehen der Dichotomie von „investment grade“ und „non-investment grade“
2. Die globale Übernahme der „investment grade“-Schwelle in ratingbasierte Rechtsregeln
3. Der Synchronisierungseffekt des Rechts
V. Fazit: Bedarf für eine Regulierung des Ratings
§ 18 Die adressatengerechte Ausgestaltung gesetzlicher Publizitätsregelungen als Postulat
I. Publizität als zweckgerichtetes Regelungsinstrument
1. Adressatenmodelle des geltenden Publizitätsrechts
a) U.S.A
b) Deutschland, Schweiz und Hongkong
2. Mangelnde Berücksichtigung der begrenzten Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität „realer“ Publizitätsadressaten
3. Die Adressatengerechtheit als Leitgedanke eines Systems abgestufter Publizitätsregelungen
II. Bedingungen der Adressatengerechtheit von Publizitätsregelungen
1. Adressatengerechter Informationsumfang
a) Reduktion der Informationsmenge
b) Die Entkoppelung von Information und Haftung als Vorschlag
2. Adressatengerechte Informationscodierung
III. Funktionelle Grenzen des Publizitätsrechts
Dritter Teil: Regulierung des Ratings: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens
§ 19 Einleitung
I. Schutzbedürfnis und Schutzrichtungen
1. Schutz vor unzutreffenden Bonitätsbeurteilungen
2. Schutz vor systemischen Auswirkungen des Ratings
3. Besonderer Schutz staatlicher Emittenten als Ziel der Ratingregulierung?
a) Aufsichtsrechtliche Sonderregeln zu sovereign ratings im EU-Recht
aa) Erwogenes Verbot unbeauftragter Ratings von EU-Staatsanleihen
bb) Bestehende Sondervorschriften der EG-RatingVO
b) Stellungnahme
II. Gang der Darstellung
Erster Abschnitt: Grundfragen
§ 20 Markt und Wettbewerb der Rating-Agenturen
I. Wettbewerb als marktendogener Kontrollmechanismus
1. Die oligopolistische Struktur des Marktes der Rating-Agenturen
2. Die Erhöhung des Wettbewerbs als Desiderat
a) Die Gründung lokaler Rating-Agenturen als Lösung
b) Die Gründung staatlicher Rating-Agenturen als Lösung
c) Die staatliche Anerkennung weiterer Rating-Agenturen für regulatorische Zwecke als Lösung
II. Der Markt der Rating-Agenturen als natürliches Oligopol
1. Ausgangsbefund: Konstant geringe Anzahl an Rating-Agenturen trotz wechselnder Marktbedingungen
2. Die Ursachen des natürlichen Oligopols
a) Herrschender Erklärungsansatz: Anbieterbedingtes natürliches Oligopol
aa) Der langjährige track record als Markteintrittshürde
bb) Kritik
b) Eigener Erklärungsansatz: Nachfragerbedingtes natürliches Oligopol
aa) Komplexitätsreduzierende Wirkung eines Informationsanbieteroligopols
bb) Belege
(1) Die Tendenz zur Vereinheitlichung der Ratingskalen
(2) Die „Zwei-plus-Ratings“-Usance
(a) „Zwei-plus-Ratings“-Usance als oligopolperpetuierende Investorenpräferenz
(b) Gegensatz: Keine Geltung der „Zwei-plus-Ratings“- Usance am Markt für komplexe Finanzinstrumente
cc) Oligopolistische Marktstruktur bewirkt Informationsäquilibrium
3. Folgen für Wettbewerbsmechanismus und staatliche Regulierung
a) Beschränkter Wettbewerb am natürlich-oligopolistischen Ratingmarkt
b) Vor- und Nachteile des beschränkten Wettbewerbs am Ratingmarkt
III. Die rechtliche Ordnung des Wettbewerbs auf einem dauerhaft oligopolistischen Ratingmarkt
1. Kartellverbot
2. Veröffentlichung unbeauftragter Ratings als unlauterer Wettbewerb?
IV. Fazit: Begrenzte wettbewerbsgetriebene Selbstregulierung des Marktes für Bonitätsinformationen und resultierender Regulierungsbedarf
1. Lediglich eingeschränkter Anreiz zur Ruferhaltung am natürlich-oligopolistischen Ratingmarkt
2. Bedarf für eine Ergänzung der Marktmechanismen durch eine rechtliche Regulierung des Ratingwesens
3. Materielle Regulierung internationaler Oligopolisten durch nationales Recht: „Race to the top“
§ 21 Der Institutionsschutz der Rating-Agenturen
I. Einleitung
II. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im U.S.-amerikanischen Recht
1. Die Rating-Agenturen und das First Amendment
a) Der „Marktplatz der Ideen“ und die freie Information der Öffentlichkeit als Schutzziel
b) Die Marktinformationsfunktion der Rating-Agenturen als Grund ihres Institutionsschutzes durch das First Amendment
aa) Der Regelfall: Öffentlich verfügbare Ratings
(1) Bedeutung der unbeauftragten Ratingerstellung und -aktualisierung
(2) Ratings als nicht lediglich „commercial speech“
bb) Der Ausnahmefall: „Private“ Ratings
cc) Irrelevanz der zusätzlichen Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen
c) Ergebnis: Öffentlich zugängliche Ratings als „the world’s shortest editorials“
2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch das First Amendment
a) Schutz vor staatlicher Regulierung
b) Schutz im Rahmen von pre-trial discoveries
aa) Institutionsschutz durch das First Amendment
bb) Einfachgesetzlicher Institutionsschutz durch journalistenschützende „shield laws“
c) Schutz vor Schadensersatzhaftung: Der „actual malice“- Standard
aa) Voraussetzung: Der Ratinggegenstand als „matter of public concern“
bb) Haftung der Rating-Agentur nur für nachweisbar falsche Äußerungen und die (irrelevante) Einordnung von Ratings als „Meinung“
cc) Haftung der Rating-Agentur nur bei nachweisbar gröbstem Verschulden: Der „actual malice“-Verschuldensmaßstab
dd) Beweisbelastung des Klägers
ee) Umfang des Institutionsschutzes
3. Ergebnis
III. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im Recht der Europäischen Union
1. Die Rating-Agenturen und die Medien- und Meinungsäußerungsfreiheit des EU-Primärrechts
a) Schutz durch die Medienfreiheit (Art. 11 Abs. 2 GR-Charta)
b) Schutz durch die Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 GR-Charta, Art. 10 Abs. 1 EMRK)
2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch Medien- und Meinungsäußerungsfreiheit
a) Schutz vor unionsrechtlicher Regulierung
b) Schutz vor Schadensersatzhaftung
IV. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im deutschen Recht
1. Die Rating-Agenturen und die Meinungs- und Pressefreiheit des Grundgesetzes
a) Schutz durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG)
b) Schutz durch die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG)
2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch Meinungs- und Pressefreiheit
a) Schutz vor staatlicher Regulierung
b) Schutz vor Schadensersatzhaftung
V. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im Schweizer Recht
1. Die Rating-Agenturen und die Medien- und Meinungsfreiheit der Bundesverfassung
a) Schutz durch die Medienfreiheit (Art. 17 BV)
b) Schutz durch die Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV)
2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch Medien- und Meinungsfreiheit
a) Schutz vor staatlicher Regulierung
b) Schutz vor Schadensersatzhaftung
VI. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im Recht Hongkongs
1. Der Schutz der Presse und der Meinungsäußerung im Hongkonger Verfassungsrecht
2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch Presse- und Meinungsfreiheit
a) Schutz vor staatlicher Regulierung
b) Schutz vor Schadensersatzhaftung
VII. Zusammenfassende Würdigung
Zweiter Abschnitt: Präventive Kontrolle der Rating-Agenturen
§ 22 Staatliche Zulassungs- und Registrierungserfordernisse für Rating-Agenturen
I. Einleitung
1. Zulassung und Registrierung als präventive Kontrolle der Rating-Agenturen in ihrer Marktinformationsfunktion
2. Begriffliches
II. Die staatliche Zulassung von Rating-Agenturen
1. Kein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach U.S.-amerikanischem Recht
a) Entwurf eines Credit Rating Agency Duopoly Relief Act of 2005 und Entwürfe zum Dodd–Frank Act (2010)
b) Unvereinbarkeit von „prior restraint“ mit dem First Amendment
2. Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach Europäischem Unionsrecht (seit 2010)
a) „Registrierung“ nach der EG-RatingVO: Zulassungserfordernis oder bloßes Anerkennungserfordernis für Zwecke der regulatorischen Bezugnahme?
b) Institutionsschützende Grenzen
aa) Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK als abschließende Sonderregelung?
bb) Anforderungen des Art. 10 Abs. 2 EMRK an vorherige Publikationsbeschränkungen
(1) Zweck und Klarheit des Zulassungserfordernisses nach der EG-RatingVO
(2) Fehlende Verhältnismäßigkeit des Zulassungserfordernisses nach der EG-RatingVO
c) Ergebnis: Unvereinbarkeit des Zulassungserfordernisses mit höherrangigem Unionsrecht
3. Kein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen und Garantie der Zulassungsfreiheit der Presse nach deutschem Recht
4. Kein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach Schweizer Recht
5. Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach Hongkonger Recht (seit 2011)
a) Erbringung von Ratingdienstleistungen als regulierte Tätigkeit i.S.d. Securities and Futures Ordinance
b) Institutionsschützende Grenzen
III. Staatliche Registrierungserfordernisse für Rating-Agenturen
1. Institutionsschützende, insb. verfassungsrechtliche Grenzen
2. Begrenzter Nutzen einer Registrierungspflicht
IV. Zusammenfassende Würdigung
§ 23 Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke ihrer Regulierungsfunktion
I. Einleitung
1. Die Notwendigkeit der staatlichen Anerkennung einer Rating- Agentur als Voraussetzung ihrer Regulierungsfunktion
2. Die Freiwilligkeit der Anerkennung als Charakteristikum
II. Bestehende Regelungen zur staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen
1. Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen im EU-Recht
a) Zulassung von Rating-Agenturen nach der EG-RatingVO und deren Anerkennungswirkung
b) Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke der „Basel II“/„Basel III“-Umsetzung
aa) Vorgaben der EG-Bankenrichtlinie für die mitgliedstaatliche Anerkennung von Rating-Agenturen (bis 2013)
bb) Pauschale Anerkennung nach der EG-RatingVO zugelassener Rating-Agenturen durch die EU-CRR (seit 2014)
2. Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen im deutschen Recht
a) Anerkennung für Zwecke der Eigenmittelanforderungen an Banken (2007–2013)
b) Blankettnormen zur Anerkennungsfrage
3. Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen im U.S.-amerikanischen Recht
a) Anerkennung als Nationally Recognized Statistical Rating Organizations (NRSRO)
aa) Bestätigung des Anerkanntseins der Rating-Agentur am nationalen Markt: Das „no-action letter“-Verfahren der SEC (bis 2007)
bb) Formelle Anerkennung als NRSRO gemäß § 15E Securities Exchange Act of 1934 (seit 2007)
(1) Charakteristika des reformierten Anerkennungsregimes (Credit Rating Agency Reform Act of 2006)
(2) Bewertung: Das Verhältnis von staatlicher Anerkennung und Marktakzeptanz der Rating-Agenturen
b) Anerkennung durch sonstige U.S.-amerikanische Regulierungsbehörden
4. Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen nach Schweizer Recht
a) Die „pragmatische“ Anerkennung am Markt beachteter Rating- Agenturen
b) Anerkennung seit „Basel II“ (Art. 6 ERV)
5. Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen in Hongkong
a) Anerkennung als External Credit Assessment Institution (ECAI) durch die HKMA
b) Anerkennung durch die HKMA für den Bereich der Pensionsgeschäfte mit dem „Lender of Last Resort“
c) Gemischte Anerkennung für Zwecke der Gewinnbesteuerung
d) Anerkennung durch die Securities and Futures Commission
e) Anerkennung im Trust- und im Versicherungsrecht: Gleichwertigkeit mit den beiden großen Rating-Agenturen als Voraussetzung
f) Anerkennung durch die Mandatory Provident Fund Scheme Authority
g) Anerkennung durch die Hongkonger Börse für Zwecke der Börsenzulassungsvoraussetzungen
h) Fazit zur Anerkennungsregelung in Hongkong
III. Die Charakteristika der staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen im Rechtsvergleich
1. Die Voraussetzungen für die staatliche Anerkennung
a) Anforderungen an die Governance der Rating-Agentur als Anerkennungsvoraussetzung
aa) Vorgabe allgemeiner Grundsätze für die Ratingmethode (Schweizer und Hongkonger Anerkennungsrecht)
bb) Publizitätsvorgaben nebst einzelnen spezifischen Verbotstatbeständen (U.S.-amerikanische NRSRO-Anerkennung)
cc) Detaillierte Organisations- und Verhaltensregeln (EG-RatingVO)
b) Die Erstellung beauftragter oder unbeauftragter Ratings als Kriterium
c) Die Marktakzeptanz der Rating-Agentur als Anerkennungsvoraussetzung
2. Die Wirkungen einer staatlichen Anerkennung
a) Rechtliche Relevanz der Anerkennung allein für Zwecke der Anlass gebenden regulatorischen Ratingverwendung
b) Ausstrahlungswirkungen der Anerkennung
3. Die Regulierung der Rating-Agenturen durch aufsichtsrechtliche Anerkennungsfolgepflichten und das Paradoxon zusätzlicher Transparenz
a) Keine inhaltliche Regulierung und Überwachung der Ratingtätigkeit durch staatliche Stellen
b) Die Ausweitung der „Transparenz“ als Kern der Ratingregulierung
aa) Ermöglichung der Ratingkontrolle durch den Markt als Zweck der Transparenzpflichten
bb) Die Marktkontrolle komplexitätsreduzierender Informationsintermediäre mittels komplexitätserhöhender Transparenzpflichten als Paradoxon
4. Global tätige Rating-Agenturen als Adressaten nationaler und regionaler Anerkennungsregelungen
a) Koordination durch anerkannte Rating-Agentur und „race to the top“
b) Äquivalenzlösung der EG-RatingVO
Dritter Abschnitt: Pflichten der Rating-Agenturen
§ 24 Begründung von Organisations- und Verhaltenspflichten für Rating-Agenturen
I. Einleitung
II. Anwendbarkeit gesetzlicher Organisations- und Verhaltenspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf Rating-Agenturen
III. Anwendbarkeit gesetzlicher Organisations- und Verhaltenspflichten für Finanzanalysten auf Rating-Agenturen
1. Deutsches und europäisches Recht: Umstrittene Nichtanwendbarkeit des § 34b WpHG und der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie auf Rating-Agenturen
a) Ratings als „indirekte“ Empfehlungen?
b) Widersprüchlichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben
c) Ergebnis: Keine Anwendung von § 34b WpHG und EG-Marktmissbrauchsrichtlinie auf Rating-Agenturen
2. U.S.-amerikanisches Recht: Anwendbarkeit der Regulierung für „Investment Adviser“ infolge freiwilliger Registrierung der Rating-Agenturen
a) Die „freiwillige“ Registrierung nach dem Investment Advisers Act
b) Die unklaren Rechtsfolgen der Registrierung
3. Schweizer und Hongkonger Recht: Nicht bindende Verhaltensstandards für Finanzanalysten ohne Anwendbarkeit auf Rating-Agenturen
IV. Selbstregulierung der Rating-Agenturen durch freiwillige Verhaltenskodizes
1. Globale Vorbereitung und Koordination der Selbstregulierung durch die IOSCO
a) Der IOSCO-Kodex als Muster für freiwillige Verhaltenskodizes der Rating-Agenturen
b) Das Durchsetzungsproblem: Die Überwachung der freiwilligen Kodexkonformität durch die Kapitalmarktöffentlichkeit
2. Regionale Regulierung der Selbstregulierung in der Europäischen Union
3. Bewertung
V. Ergebnis: Pluralität einschlägiger Rechtsquellen
§ 25 Einzelne Organisations- und Verhaltenspflichten der Rating-Agenturen
I. Pflicht der Rating-Agenturen zur Unabhängigkeit
1. Die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen als Grundvoraussetzung für die Erfüllung ihrer Marktinformations- und Regulierungsfunktion
2. Gefährdung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch ihre Beauftragung und Bezahlung durch die Emittenten
a) Interessenskonflikte aufgrund des „issuer pays“-Modells als Gefährdungsgrund
b) Sicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen
aa) Der Anreiz der Rating-Agenturen zur Ruferhaltung als ausreichende Sicherung?
bb) Spektrum der Lösungsansätze
(1) Gesetzliche Offenlegungspflichten der Rating-Agenturen als Lösung
(2) Die Ersetzung des „issuer pays“-Modells durch ein alternatives Beauftragungs- oder Bezahlungsmodell als Lösung
(a) Einführung einer Bezahlung durch die Investoren
(αα) Vorgeschlagene „investor pays“-Modelle
(ββ) Kritik
(b) Einführung einer Beauftragung durch staatliche Behörden oder private Plattform
cc) Eigener Ansatz: Ausgleich spezifischer Fehlanreize durch spezifische gesetzliche Verbote
(1) Die Bedeutung von Marktstruktur und -usancen für die Sicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch Marktmechanismen
(a) Marktsegmente mit „Zwei-plus-Ratings“-Usance
(b) Marktsegmente, auf denen ein Rating ausreicht
(2) Verbot der Abhängigkeit der Ratingeinstufung von der Bezahlung
(3) Verbot der lediglich nachträglichen Beauftragung und Bezahlung der Rating-Agentur nach Wahl des Emittenten (sog. Provisionsmodell)
(a) Das „Provisionsmodell“ (commission model)
(b) Fehlanreize und Unabhängigkeitsgefährdung
(c) Regelungsbedarf und -ansätze
(4) Umsatzbezogener Ausschlussgrund für Rating-Agenturen
3. Gefährdung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch gesellschaftsrechtliche Verflechtung mit anderen Unternehmen
4. Gefährdung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch ihre Konsultation bereits im Rahmen der Strukturierung später zu ratender Finanzinstrumente
a) Kombination aus „Beratung“ und späterem Rating als Gefährdungsgrund
b) Bewertung
5. Zusammenfassung
II. Pflicht der Rating-Agenturen zur Vorhaltung einer ausreichenden Kapitalausstattung
1. Schweizer, U.S.-amerikanisches und Europäisches Recht: Unspezifische Vorgabe einer hinreichenden Kapitalisierung
2. Hongkonger Recht: Spezifische Vorgaben zur Kapitalisierung
III. Pflicht der Rating-Agenturen zur Transparenz
1. Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit
a) Transparenzgegenstände
b) Spezifische Gefahren der Transparenz von Ratingmodellen und -methoden für strukturierte Finanzinstrumente
2. Transparenz gegenüber staatlichen Aufsichtsbehörden
3. Transparenz gegenüber konkurrierenden Rating-Agenturen
IV. Pflicht der Rating-Agenturen zur Geheimhaltung von Unternehmensdaten
V. Sorgfaltspflichten der Rating-Agenturen bei der Ratingerstellung
1. Deutsches und Schweizer Recht: Übertragbarkeit prozedural-materieller Sorgfaltsstandards für Warentests auf die Ratingerstellung?
a) Die „Stiftung Warentest“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und deren Rezeption im schweizerischen Schrifttum
b) Übertragbarkeit der „Stiftung Warentest“-Formel auf Rating- Agenturen?
c) Ergebnis
2. Ratingspezifische Sorgfaltspflichten
a) Sorgfalt bei der Erhebung der Tatsachengrundlage der Ratings
aa) Grundsatz: Keine Rechtspflicht zur Datenüberprüfung
bb) Aufsichtsrechtliche Organisationspflichten zur Sicherung der Datenqualität bei komplexen Finanzinstrumenten
b) Sorgfalt bei der Vornahme der Bonitätsbeurteilung
aa) Die „Objektivität“ der Ratingmethode
bb) Pflichten bei der Vornahme der Bonitätsbeurteilung als einer subjektiven Meinung über ein künftiges Ereignis
VI. Mitwirkungs- und Widerspruchsrechte der Emittenten vor Veröffentlichung des Ratings
1. Stellungnahmerecht des Emittenten
2. Widerspruchsrecht des Emittenten
VII. Pflichten der Rating-Agenturen bezüglich der Publikation des Ratings
1. Art und Weise der Ratingpublikation
2. Besonderheiten bei unbeauftragten Ratings
a) Pflicht zur Kennzeichnung unbeauftragter Ratings
b) Zeitpunkt der Ratingpublikation
3. Besonderheiten bei Ratings für komplexe Finanzinstrumente
4. Besonderheiten bei Ratings von EU-Staatsanleihen
a) Zeitpunkt der Ratingpublikation
aa) Vorgaben der EG-RatingVO: Jahreszeitplan und Freitagsregel
bb) Vereinbarkeit mit höherrangigem europäischem Recht
b) Inhalt der Ratingpublikation
aa) Verbot der pauschalen Ankündigung von Ratingüberprüfungen bezüglich einer Ländergruppe
(1) Vorgaben der EG-RatingVO zum zulässigen Inhalt von Ratingüberprüfungsankündigungen
(2) Unvereinbarkeit mit höherrangigem europäischen Recht
bb) Verbot von Empfehlungen zur staatlichen Politik durch Rating-Agenturen
(1) Vorgaben der EG-RatingVO zum zulässigen Inhalt von Ratingberichten und -ausblicken
(2) Unvereinbarkeit mit höherrangigem europäischen Recht
VIII. Ratingspezifische Folgepflichten
Vierter Abschnitt: Haftung der Rating-Agenturen
§ 26 Grundfragen der zivilrechtlichen Haftung im Ratingkontext
I. Funktionen der zivilrechtlichen Haftung
1. Haftung als individueller Ausgleichsmechanismus
2. Haftung als präventiver Schutz- und Steuerungsmechanismus
II. Haftungskonstellationen im Ratingkontext
1. Haftung der Rating-Agenturen und Gang der Darstellung
2. Weitere Haftungskonstellationen
3. Haftung der Rating-Agenturen nach dem U.S.-amerikanischen FIRREA
III. Die Haftung global agierender Informationsintermediäre nach nationalem Haftungsrecht und die Sonderrolle des U.S.-amerikanischen Rechts für die Ratinghaftung
1. Kollisionsrechtliche Bestimmung des anwendbaren Haftungsrechts im Erkenntnisverfahren
a) Der U.S.-Staat New York als Sitz und Ort der Hauptverwaltung der größten Rating-Agenturen
b) Begrenzte kollisionsrechtliche Relevanz nicht-amerikanischer „Niederlassungen“ der größten Rating-Agenturen
2. Der Institutionsschutzstandard des U.S.-amerikanischen Rechts als indirekter globaler Mindeststandard
a) Das Recht des U.S.-Staates New York als regelmäßige lex fori executionis
b) Der New Yorker Libel Terrorism Protection Act of 2008 und der SPEECH Act
3. Ergebnis
§ 27 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber dem Emittenten beim beauftragten Rating
I. Haftung der Rating-Agentur wegen Verletzung einer Pflicht aus dem Ratingvertrag
1. Der Ratingvertrag
a) Vertragstypologische Einordnung
b) Kollisionsrechtliche Behandlung
2. Haftungsbegründende Pflichtverletzung der Rating-Agentur
a) Die Veröffentlichung eines „falschen“ Ratings als Pflichtverletzung
aa) Denkbare Ansatzpunkte für die Einordnung eines Ratings als „falsch“
bb) Die Unmöglichkeit der Ermittlung der „Richtigkeit“ eines Ratings
(1) Prognosecharakter des Ratings und für die Beurteilung der „Richtigkeit“ maßgeblicher Zeitpunkt
(2) Das Rating als relatives Wahrscheinlichkeitsurteil
(3) Das Rating als Meinung der Rating-Agentur
b) Pflichtverletzung der Rating-Agentur bei der Ratingerstellung
aa) Ausdrückliche vertragliche Sorgfalts- und Verfahrenspflichten
bb) Stillschweigend vertraglich vereinbarte Sorgfalts-und Verfahrenspflichten
(1) U.S.-amerikanisches Recht: Stillschweigende Sorgfalts- und Verfahrenspflichten als Umgehung des institutionsschützenden „actual malice“-Standards
(2) Deutsches und schweizerisches Recht: Ansätze für umfangreiches, stillschweigend vereinbartes Sorgfalts- und Verfahrenspflichtenprogramm
(a) Ableitung des Pflichtenprogramms aus dem Ratingvertrag selbst?
(b) Aufsichtsrechtliche Folgepflichten in ihrer Regulierungs-funktion anerkannter Rating-Agenturen als vertragliche Pflichten
(c) Pflichtenregelungen in freiwilligen Verhaltenskodizes der Rating-Agenturen als vertragliche Pflichten
cc) Kausalität der Verfahrenspflichtverletzung für das Ratingergebnis
c) Beweislast für die Pflichtverletzung
d) Kenntnisnahme des Emittenten vom Erstrating vor dessen Veröffentlichung und Folgen für die Haftung (volenti non fit iniuria)
3. Verschulden der Rating-Agentur
a) Deutsches und Schweizer Recht: Vermutete Fahrlässigkeit
b) U.S.-amerikanisches Recht: „Actual malice“-Verschuldensmaßstab auch bei vertraglicher Haftung
4. Vertragliche Haftungsbeschränkungen zugunsten der Rating-Agentur
a) Deutsches Recht
b) Schweizerisches und Hongkonger Recht
c) U.S.-amerikanisches (New Yorker) Recht
5. Ergebnis
II. Haftung der Rating-Agentur wegen fraudulösen Verhaltens
III. Haftung der Rating-Agentur aufgrund fahrlässiger Ruf- oder Vermögensschädigung
1. Grundlagen einer deliktischen Haftung der Rating-Agentur aufgrund fahrlässiger Rufschädigung
a) U.S.-amerikanisches Recht: Haftung der Rating-Agentur nach dem law of defamation
b) Deutsches und Schweizer Recht
2. Grundlagen einer deliktischen Haftung der Rating-Agentur aufgrund fahrlässiger Vermögensschädigung
a) U.S.-amerikanisches Deliktsrecht
aa) Haftungsvoraussetzungen
bb) Kein deliktischer Vermögensschutz bei bestehender Vertragsbeziehung: Die Economic Loss Rule
b) Deutsches Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen
c) Schweizer Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen mangels Schutzgesetz zugunsten des Emittentenvermögens
3. Der „volenti non fit iniuria“-Einwand gegenüber dem beauftragenden Emittenten
a) Bei Erstratings
b) Bei Folgeratings
IV. Haftung der Rating-Agentur wegen Verletzung aufsichtsrechtlicher Pflichten nach Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1, 3 EG-RatingVO
1. Dogmatische Haftungskonzeption
a) Art. 35a EG-RatingVO als hybride unionsrechtliche Haftungsgrundlage
b) Kollisionsrechtliche Bestimmung des ergänzend anwendbaren nationalen Rechts
aa) Keine Einschlägigkeit des internationalen Privatrechts für vertragliche Schuldverhältnisse
bb) Einschlägigkeit des internationalen Privatrechts für deliktische Schuldverhältnisse (Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO)?
cc) Anknüpfung gem. Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Rom II-VO an den Sitz der zulassenden Aufsichtsbehörde?
dd) Anknüpfung gem. Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Rom II-VO an den Sitz der Rating-Agentur (Herkunftsmitgliedstaat) als vorzugswürdige Lösung
2. Personeller Anwendungsbereich: Haftung nur europäischer Rating-Agenturen
3. Haftungsbegründende Pflichtverletzung
a) Verstoß der Rating-Agentur gegen Anhang III zur EG-RatingVO
b) Kausale Auswirkung des Verstoßes auf ein Rating
c) Verstöße gegen Anhang III und ihre potentielle Ratingergebnisrelevanz im Überblick
aa) Verstöße gegen Informationspflichten gegenüber der ESMA oder gegen Publizitätspflichten
bb) Verstöße gegen überwachungsbezogene Organisations-pflichten
cc) Verstöße gegen ratingerstellungsferne allgemeine Organisationspflichten
dd) Verstöße gegen ratingerstellungsferne Verhaltenspflichten
ee) Verstöße gegen ratingerstellungsbezogene Organisations- und Verhaltenspflichten
4. Beweislast für die Pflichtverletzung
5. Haftungsausschlüsse im Ratingvertrag und deren Wirksamkeit
6. Verschuldensmaßstab: Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Rating-Agentur
7. Ersatzfähiger Schaden des Emittenten
8. Ergebnis
V. Zusammenfassung
§ 28 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber dem Emittenten für unbeauftragte (unsolicited) Ratings
I. Haftung der Rating-Agenturen für Ruf- und Vermögensschädigung nach deutschem Recht
1. Haftung für Kredit gefährdende Tatsachenäußerungen, § 824 BGB
2. Haftung für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Emittenten, § 823 Abs. 1 BGB
a) Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch ungefragte Ratingveröffentlichung („Heberger“-Rechtsprechung)
b) Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch ungerechtfertigt niedrige Ratingeinstufung
3. Haftung für die Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, § 823 Abs. 1 BGB
a) Schutz vor bonitätsbezogenen Werturteilen
b) Keine Anwendbarkeit der „Stiftung Warentest“-Rechtsprechung auf Rating-Agenturen
4. Ergebnis
II. Haftung der Rating-Agenturen für Rufschädigung nach schweizerischem Recht
1. Haftung wegen Verletzung der Persönlichkeit des Emittenten, Art. 28 ZGB
a) Der geschäftliche Ruf von Unternehmen als Schutzgegenstand
b) Drittwirkung der Pressefreiheit
2. Haftung wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens, Art. 3 UWG
III. Haftung der Rating-Agenturen für Rufschädigung nach U.S.-amerikanischem Recht
1. Verdrängung deliktischer Ansprüche nach Gliedstaatenrecht durch den Credit Rating Agency Reform Act of 2006?
2. Hindernisse einer deliktischen Haftung für unbeauftragte Ratings
IV. Haftung der Rating-Agenturen für Rufschädigung nach dem Recht Hongkongs
§ 29 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber abonnierenden Investoren
I. Einleitung
II. Haftung der Rating-Agenturen wegen Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag mit dem Abonnenten
1. Abonnementvertrag als Grundlage vertraglicher Pflichten zu Ratinginhalt und -erstellung?
a) U.S.-amerikanisches Recht
b) Deutsches und Schweizer Recht
aa) Keine Beratungs- oder Auskunftspflicht der Rating- Agenturen
bb) Vertragliche Bestimmung des geschuldeten Publikationsinhalts
2. Haftungsbeschränkungen zugunsten der Rating-Agentur
a) Kollisionsrechtliche Bestimmung des auf den Abonnementvertrag anwendbaren Rechts
b) Deutsches, schweizerisches, Hongkonger und französisches Recht: Vertragliche Haftungsausschlüsse und deren Wirksamkeit
c) U.S.-amerikanisches Recht: Institutionsschützende Wirkungen der Pressefreiheit
3. Ergebnis
III. Haftung der Rating-Agenturen aufgrund sonstiger Grundlagen
§ 30 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit
I. Einleitung
II. Prospekthaftung der Rating-Agenturen
1. Deutsches Recht: Keine Prospekthaftung von Rating-Agenturen nach §§ 21ff. WpPG (§§44 ff. BörsG a.F.)
2. Schweizer Recht: Prospekthaftung von Rating-Agenturen nach Artt. 752, 1156 Abs. 3 OR
3. U.S.-amerikanisches Recht: Keine Prospekthaftung von Rating- Agenturen nach §§ 11ff. Securities Act of 1933
4. Hongkonger Recht: Allenfalls theoretische Prospekthaftung von Rating-Agenturen nach §§ 38C, 40 Companies Ordinance
III. Haftung der Rating-Agenturen wegen vorsätzlicher Schädigung der Investoren
1. Mangelnde Beweisbarkeit vorsätzlichen Fehlverhaltens als rechtsordnungsübergreifendes Problem
2. Insbesondere: Securities fraud und Institutionsschutz der Rating- Agenturen nach U.S.-amerikanischem Recht
a) Darlegung von scienter ohne pre-trial discovery-Möglichkeit
b) Reduzierter pleading standard bei Klagen gegen Rating-Agenturen (seit 2010) und Beweis von „actual malice“ nach dem First Amendment
IV. Deliktische Haftung der Rating-Agenturen für fahrlässig verursachte Vermögensschäden
1. Deutsches Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen
2. Schweizer Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen wegen fehlender Rechtspflicht zum Schutz des Investorenvermögens
3. U.S.-amerikanisches Recht
a) Haftungsvoraussetzungen
aa) § 552 Restatement (Second) of Torts
bb) Negligent misrepresentation
b) Haftungsmildernde Wirkung des institutionsschützenden „actual malice“-Standards
4. Hongkonger Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen mangels Sorgfaltspflicht gegenüber dritten Investoren
V. Rechtsgeschäftsähnliche Informationsdritthaftung der Rating-Agenturen
1. Deutsches Recht: Rechtsgeschäftsähnliche Expertenhaftung nach § 311 Abs. 3 BGB
a) § 311 Abs. 3 BGB als Ankernorm und Verhältnis zur vertraglichen Dritthaftung
aa) § 311 Abs. 3 BGB als Ankernorm
bb) Keine Verdrängung, aber Zurückführung der Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
b) Die „Inanspruchnahme besonderen Vertrauens“ als Haftungsvoraussetzung und -beschränkung
aa) Abstraktes Vertrauen der Investorenöffentlichkeit in Expertise der Rating-Agenturen nicht ausreichend
bb) Beschränkung der Vertrauensinanspruchnahme durch notwendigen Bezug zu konkreter Vertragsanbahnung
(1) Dogmatische Herleitung des Erfordernisses
(a) Wortlaut des § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB
(b) Bisherige Rechtsprechung zur Sachwalter-und Gutachterhaftung
(c) Mittelbare Drittwirkung der Pressefreiheit (Art.5 Abs. 1 Satz 2 GG)
(2) Anwendung auf die Informationserstellung und -veröffentlichung durch Rating-Agenturen
cc) Beschränkung der Vertrauensinanspruchnahme durch Inhalt der Ratingveröffentlichung
c) Ergebnis
2. Schweizer Recht: Vertrauenshaftung der Rating-Agenturen?
a) Die Grundsätze der Vertrauenshaftung
b) Haftung der Rating-Agenturen aus enttäuschtem „Ratingvertrauen“?
c) Ergebnis
VI. Haftung der Rating-Agenturen infolge einer Schutzwirkung des Ratingvertrages mit dem Emittenten zugunsten dritter Investoren
1. Kollisionsrechtliche Bestimmung des anwendbaren Rechts
2. Verletzung einer Pflicht aus dem Ratingvertrag als haftungsauslösender Umstand
3. Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Rating-Agenturen auch gegenüber dritten Investoren
a) Nach deutschem Recht: Der Ratingvertrag als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten dritter Investoren
aa) Leistungsnähe der allgemeinen Investorenöffentlichkeit
bb) Im Vertrag verankertes Gläubigerinteresse am Schutz dritter Investoren
(1) Relevanz der gegenläufigen Interessen von Emittent und Investoren
(2) Beschränkung des Kreises der in die Schutzwirkung einbezogenen Dritten
(a) Kriterien der Rechtsprechung
(b) Anwendung auf Ratingverträge
cc) Erkennbarkeit von Leistungsnähe und Gläubigerinteresse
dd) Keine Schutzbedürftigkeit dritter Investoren aufgrund bestehender Ansprüche gegen den Emittenten
ee) Ergebnis
b) Nach Schweizer Recht: Keine vertraglichen Schutzwirkungen zugunsten Dritter bei gegenläufigem Gläubigerinteresse
c) Nach U.S.-amerikanischem Recht: Keine Einordnung dritter Investoren als „third-party beneficiaries“
d) Nach Hongkonger Recht: Kein vertraglicher Drittschutz
4. Ergebnis
VII. Haftung der Rating-Agentur wegen Verletzung aufsichtsrechtlicher Pflichten nach Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1, 2 EG-RatingVO
1. Ergänzend anwendbares Haftungsstatut
2. Haftungsbegründender Tatbestand
a) Pflichtverletzung der Rating-Agentur und Beweislast
b) Nachweis vertretbaren Anlegervertrauens auf das Rating
3. Bewertung
VIII. Zusammenfassende Würdigung
1. Zusammenfassung der Ergebnisse
2.Würdigung
Fünfter Abschnitt: Kontrolle der Regulierungsfunktion
§ 31 Systemische Risiken der Regulierungsfunktion des Ratings und ihre Vermeidung
I. Problemstellung
II. Ratingbezugnahmen in Regelungen staatlichen Ursprungs
1. Abschaffung oder Reduktion staatlicher Ratingbezugnahmen
a) Vollständige Abschaffung staatlicher Ratingbezugnahmen?
aa) Ansatz in Rechtsetzung und Schrifttum
bb) Das Problem der fehlenden regelungstechnischen Alternative
(1) Credit Spreads
(2) Risikobeurteilung durch staatliche Behörden
(3) Risikobeurteilung durch andere unabhängige Dritte
(4) Risikobeurteilung durch den Regulierten selbst
cc) Ergebnis
b) Beschränkung staatlicher Ratingbezugnahmen auf Fälle der Kreditrisikoregulierung
2. Systemrisikoreduzierende Ausgestaltung staatlicher Ratingbezugnahmen
a) Tatbestände staatlicher Ratingbezugnahmen
b) Rechtsfolgeanordnungen staatlicher Ratingbezugnahmen
c) Risiken
3. (Ergänzende) Verpflichtung regulierter Marktteilnehmer zur Vornahme eigener Bonitätseinschätzungen
a) Rechtsvergleichende Bestandsaufnahme
b) Zweck der Regelungen
c) Bewertung
III. Ratingbezugnahmen in privaten Regelwerken („rating trigger“)
1. Offenlegungspflichten für „rating trigger“ als Lösung?
a) Rechtsvergleichender Befund zu gesetzlichen Offenlegungspflichten
aa) Offenlegung von „rating triggern“ als Teil der Markteintrittspublizität
bb) Offenlegung von „rating triggern“ als Teil der Marktteilnahmepublizität
(1) U.S.-amerikanisches Recht: Pflicht zur Offenlegung von Ratingklauseln mit „wesentlicher“ Bedeutung im Rahmen der Regelpublizität
(2) Deutsches und europäisches Recht: Pflicht zur Offenlegung (auch ratingabhängiger) Change of Control-Klauseln im jährlichen Lagebericht
(3) Offenlegung von „rating triggern“ als Teil der anlassabhängigen Marktteilnahmepublizität
b) Beschränkte Tauglichkeit der Risikoprävention durch Offenlegung
2. Ausgleich systemischer Wirkungen von „rating triggern“ durch kompensierende aufsichtsrechtliche Regelungen
3. Gesetzliche Verbote vertraglicher Ratingbezugnahmen und ihre Grenzen
4. Adressatengerechte Publizität als Lösung: Die Offenlegung vertraglicher Ratingbezugnahmen gegenüber den Rating-Agenturen
Schlussbetrachtung
Literatur- und Quellenverzeichnis
Verzeichnis der zitierten Entscheidungen
Europäischer Gerichtshof
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Deutschland
England
Frankreich
Hong Kong
Italien
Österreich
Schweiz
Vereinigte Staaten von Amerika
Sachverzeichnis

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 180

Ulrich G. Schroeter

Ratings – Bonitätsbeurteilungen durch Dritte im System des Finanzmarkt-, Gesellschaftsund Vertragsrechts Eine rechtsvergleichende Untersuchung

Mohr Siebeck

Ulrich G. Schroeter, geboren 1971; Studium der Rechtswissenschaft in Freiburg i.Br. und Lausanne; 2005 Promotion; 2011 Habilitation; seit 2012 Professor an der Universität Mannheim und Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Internationales Unternehmensund Finanzmarktrecht, Europäisches Wirtschaftsrecht; Direktor des Instituts für Unternehmensrecht an der Universität Mannheim (IURUM).

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT.

e-ISBN PDF 978-3-16-153283-2 ISBN 978-3-16-152043-3 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2014 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Textservice Zink in Schwarzach aus der Stempel Garamond gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau im Wintersemester 2010/11 als Habilitationsschrift angenommen. Mein herzlicher Dank gilt meinem akademischen Lehrer Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M. für die Betreuung der Arbeit und die Erstbegutachtung sowie Professor Dr. Uwe Blaurock für die Zweitbegutachtung, die er ungeachtet seiner zwischenzeitlichen Emeritierung übernahm. Die Arbeit entstand während meiner Zeit als wissenschaftlicher Assistent am Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Abt. II in Freiburg, an die ich gern zurückdenke. Recherchen zum schweizerischen Recht fanden vor allem bei Besuchen an der Universität Basel statt, diejenigen zum Hongkonger und zum U.S.-amerikanischen Recht während mehrmonatiger Forschungsaufenthalte an der University of Hong Kong und der New York University School of Law. Die an der Bonham Road und am Washington Square verbrachten Monate sind mir in vielerlei Hinsicht in besonders positiver Erinnerung geblieben. Ein persönlicher Dank gilt Andreas Maywald für seine stete Gastfreundschaft in der Duane Street. Rechtsvergleichende Untersuchungen bergen stets in gleichsam potenziertem Maße die Gefahr, in ihren Detaildarstellungen zum geltenden Rechtszustand durch Reformen überholt zu werden. Dies gilt umso mehr auf dem Gebiet des Finanzmarktrechts, sofern dort – wie im Nachgang zur globalen Finanzkrise der Jahre 2007–09 – nahezu zeitgleich rechtsordnungsübergreifend Neuregelungen vorgenommen werden. Ich habe mich daher nach Abschluss des Habilitationsverfahrens dazu entschlossen, vor Publikation der Arbeit die wichtigsten angekündigten Rechtsreformen auf gesetzlicher und untergesetzlicher Ebene (namentlich in den U.S.A. durch den Dodd–Frank Act, aber auch im EU-Recht und in Hongkong) abzuwarten und diese noch in den Text einzuarbeiten. Dies hat die Veröffentlichung notwendigerweise verzögert, bringt die Untersuchung aber auf den aktuellen Stand der Finanzmarktgesetzgebung, ohne dass letztlich grundlegende inhaltliche Neuausrichtungen des Textes erforderlich wurden. In der vorliegenden Fassung befindet er sich auf dem Stand Januar 2014. Die Arbeit wurde mit dem Hochschulpreis 2011 des Deutschen Aktieninstituts (1. Preis in der Kategorie Dissertationen und Habilitationen), dem StiftungsFörderpreis 2012 der Stiftung Kapitalmarktrecht für den Finanzstandort Deutschland sowie dem Förderpreis 2013 der Esche Schümann Commichau Stiftung Hamburg ausgezeichnet. Den Vorständen und wissenschaftlichen Beiräten der Institutionen gilt mein Dank für die wissenschaftliche Anerkennung.

VI

Vorwort

Bei der für die Drucklegung erforderlichen Aktualisierung des Fußnotenapparates, der Erstellung des druckreifen Manuskripts und der Anfertigung der Verzeichnisse haben meine Sekretärin Jutta Metz, meine Assistenten Maria Krämer, Jonas von Göler und Heinrich Nemeczek, meine wissenschaftliche Mitarbeiterin Rabea Döllinger und meine studentischen Mitarbeiter Jana Beringer, Jule Schneckener, Julia Franziska Stein, Matthias Hausdorf, Martin Stache und Johannes Wicke an der Universität Mannheim wertvolle Hilfe geleistet. Ihnen gebührt mein aufrichtiger Dank. Dank gilt schließlich Herrn Dr. Franz-Peter Gillig und Frau Ilse König im Verlag Mohr Siebeck, die sich deutlich über das übliche Maß hinaus um die Drucklegung verdient gemacht haben. Dem Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT danke ich für den gewährten Druckkostenzuschuss. Mannheim, im Mai 2014

Ulrich Schroeter

Inhaltsübersicht Erster Teil: Ratings als Marktinformationen § 1 Ratings als Untersuchungsgegenstand

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

Erster Abschnitt: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14

§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte: Charakteristika und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Die historische Entwicklung des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . .

14

Zweiter Abschnitt: Die Marktinformationsfunktion des Ratings . . . . . . .

50

§ 4 Grundlagen der Marktinformationsfunktion des Ratings . . . . . . . § 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt: Empirische Befunde und informationstheoretische Begründung . . .

50

41

58

Zweiter Teil: Regulierung durch Ratings: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich Erster Abschnitt: Regulierung von Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 § 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 § 7 Die Bedeutung von Ratings im Rahmen sonstiger rechtlicher Vorgaben für Banken und andere Finanzinstitute . . . . . . . . . . . . 137 Zweiter Abschnitt: Regulierung von Markteintritt und -teilnahme an den Finanzmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 § § § §

8 9 10 11

Rating und Zugang zum Kapitalmarkt bei Anleihen . . Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität . . . . . Ratings am Markt für komplexe Finanzinstrumente . . Ratings und gesetzliche Marktteilnahmepublizität . . . .

. . . . . . . .

173

. . . . . . . .

198

. . . . . . . .

244

. . . . . . . .

292

Dritter Abschnitt: Regulierung von Marktteilnehmern . . . . . . . . . . . . 335 § 12 Die ratingbasierte Regulierung institutioneller Investoren am Beispiel von Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 13 Ratings im Recht der Unternehmensfinanzierung . . . . . § 14 Ratings und die Pflicht zur guten Unternehmensführung (Corporate Governance) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 15 Ratings in der Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . .

335

. . . . . . .

377

. . . . . . .

400

. . . . . . .

422

VIII

Inhaltsübersicht

Vierter Abschnitt: Ratings in der privaten Regelsetzung . . . . . . . . . . . . 445 § 16 Die Regulierungsfunktion des Ratings aufgrund vertraglicher Inbezugnahmen („rating trigger“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Fünfter Abschnitt: Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 § 17 Die Regulierungsfunktion des Ratings in der zusammenfassenden Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 § 18 Die adressatengerechte Ausgestaltung gesetzlicher Publizitätsregelungen als Postulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 Dritter Teil: Regulierung des Ratings: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens § 19 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 Erster Abschnitt: Grundfragen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522

§ 20 Markt und Wettbewerb der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . 522 § 21 Der Institutionsschutz der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . 556 Zweiter Abschnitt: Präventive Kontrolle der Rating-Agenturen . . . . . . . 604 § 22 Staatliche Zulassungs- und Registrierungserfordernisse für Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604 § 23 Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke ihrer Regulierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 632 Dritter Abschnitt: Pflichten der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . 681 § 24 Begründung von Organisations- und Verhaltenspflichten für Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 § 25 Einzelne Organisations- und Verhaltenspflichten der RatingAgenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702 Vierter Abschnitt: Haftung der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . 777 § 26 Grundfragen der zivilrechtlichen Haftung im Ratingkontext § 27 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber dem Emittenten beim beauftragten Rating . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 28 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber dem Emittenten für unbeauftragte (unsolicited) Ratings . . . . . . . . . . . . . . § 29 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber abonnierenden Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 30 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . 777 . . . . . 791 . . . . . 852 . . . . . 873 . . . . . 885

Fünfter Abschnitt: Kontrolle der Regulierungsfunktion . . . . . . . . . . . . 956 § 31 Systemische Risiken der Regulierungsfunktion des Ratings und ihre Vermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 956 Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 985

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLVII

Erster Teil

Ratings als Marktinformationen § 1 Ratings als Untersuchungsgegenstand I. Einleitung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

II. Der Funktionswandel des Ratings: Von der privaten Marktinformation zum Bestandteil rechtlicher Regelungen . . . . . .

5

1. Die Marktinformationsfunktion des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Regulierungsfunktion des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5 6

III. Methode und Gang der Untersuchung

. . . . . . . . . . . . . . . . . .

1. Rechtsvergleichung als Methode und Spektrum der untersuchten Rechtsordnungen . . . . . . . a) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) U.S.A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Hongkong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

8

. . . . . .

8 9 10 11 11 13

Erster Abschnitt: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14

§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte: Charakteristika und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14

I. Das Rating als Bonitätsbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Bonität als alleiniger Aussagegegenstand eines Ratings . . . a) Bonität, Kreditrisiko und Kreditwürdigkeit . . . . . . . . . . b) Risiken jenseits des Aussagegehalts des Ratings . . . . . . . c) Das verbreitete Missverständnis des Ratings als „allgemeines Gütesiegel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mangelnder Empfehlungscharakter von Ratings . . . . . . . 2. Das Rating als subjektive Meinung der Rating-Agentur mit Prognosecharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ratings als relative Einstufungen in Bonitätskategorien . . . . .

15

. . . . . . . . . . . . . . .

15 15 16

. . . . . . . . . .

16 17

. . . . . . . . . .

19 21

X

Inhaltsverzeichnis

II. Ratings als symbolhaft ausgedrückte Bonitätseinstufungen . . . . . . 1. Das „Ratingkürzel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ratingskala für langfristige Verbindlichkeiten der Moody’s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ratingskala für langfristige Verbindlichkeiten der Standard & Poor’s und Fitch . . . . . . . . . . . c) Weitere Ratingskalen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die begleitenden Ratingberichte . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . Rating-Agentur . . . . . . . . . . . Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

.

23

. . .

24 27 27

III. Ratinggegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Emittentenratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Emissionsratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Strukturierte Finanzinstrumente (Verbriefungen) c) Vorzugsaktien (preferred stock) . . . . . . . . . 3. Sovereign Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

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. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

. . . . . .

IV. Das Rating als Aussage eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rating-Agenturen und andere Anbieter von Ratings . . . . . . . . . . . 2. „Externe“ und „interne“ Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellung der Rating-Agentur zwischen Emittenten (Kapitalnachfragern) und Investoren (Kapitalanbietern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschäftsmodelle der Rating-Agenturen: „investor pays“ und „issuer pays“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Beauftragte“ und „unbeauftragte“ Ratings . . . . . . . . . . . . . . aa) Beauftragte oder „solicited“ Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unbeauftragte, „unsolicited“ oder „investor related“ Ratings . .

22

.

27 28 28 29 30 30 31 34

. .

34 35

.

36

. . . .

36 38 38 39

§ 3 Die historische Entwicklung des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

I. Die Kreditauskunfteien als Vorgänger der Rating-Agenturen

. . . .

II. Entstehung und Ausbau des Ratings durch Rating-Agenturen in den U.S.A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gründung und Wachstum der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . 2. Der Übergang vom „investor pays“- zum „issuer pays“Geschäftsmodell in den 1970er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Die Internationalisierung des Ratings

41 43 43 44

. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

1. Die zunehmende Verwendung von Ratings außerhalb der U.S.A. . . . . 2. „Ratingskandale“ als Kehrseite der gestiegenen Bedeutung der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ratings und die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum (ab 2010) . . . . . .

46

Zweiter Abschnitt: Die Marktinformationsfunktion des Ratings . . . . . . .

50

47 48

§ 4 Grundlagen der Marktinformationsfunktion des Ratings . . . . . . . .

50

I. Ratings als private Marktinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

1. Die Bedeutung von Bonitätsinformationen am Finanzmarkt . . . . . . .

50

Inhaltsverzeichnis

XI

2. Die Rating-Agenturen als Informationsintermediäre . . . . . . . . . . . a) Bedeutung der Marktinformationsfunktion des Ratings für die Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung der Marktinformationsfunktion des Ratings für die Funktionsfähigkeit der internationalen Finanzmärkte . . . . .

51

II. Ratings im Informationssystem des Finanzmarkts . . . . . . . . . . .

54

1. Private Marktinformationen und gesetzliche Pflichtpublizität . . . . . . 2. Rating-Agenturen und andere Informationsintermediäre („gatekeeper“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt: Empirische Befunde und informationstheoretische Begründung . . . I. Einleitung

52 53

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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung . . . . . . . . . .

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1. Marktreaktionen auf Ratingveröffentlichungen als Beweis ihres Informationswertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anleihenkurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps) . . . . . . . . c) Aktienkurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auffälligkeiten in den Marktreaktionen und Rückschlüsse auf den Informationswert des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Marktanpassungen bereits vor Ratingänderungen – Irrelevanz für Informationswert und „through the business cycle“-Methode der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stärkere Marktreaktionen bei Herabstufungen von Ratings als bei Heraufstufungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Besonders heftige Marktreaktionen bei Ratingänderungen an der „investment grade“-/„non-investment grade“-Schwelle . . . . d) Marktreaktionen auch auf die Veröffentlichung unbeauftragter Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Theoretische Begründung auf der Grundlage informationsökonomischer Modellannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Neoklassische Theorie: Hypothese des effizienten Kapitalmarktes und Rationalmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informationsökonomische Begründung der empirischen Marktreaktionen auf Ratings bei informationseffizientem Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fehlender Informationswert von Ratings am informationseffizienten Kapitalmarkt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) „Regulatory license theory“ (Partnoy): Regulierungsfunktion des Ratings als alleiniger Grund für Marktreaktionen am informationseffizienten Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . cc) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XII

Inhaltsverzeichnis

(1) Verarbeitung vertraulicher Emittenteninformationen im Rating als (teilweise) Erklärung des Informationswerts selbst an informationseffizienten Märkten . . . . . . . . . . . (2) Fehlende Erklärbarkeit der Marktreaktionen allein durch die Regulierungsfunktion des Ratings . . . . . . . . . b) Hypothese des effizienten Kapitalmarktes und Rationalmodell als Grundlagen geltender gesetzlicher Publizitätsregelungen . . . . . aa) U.S.-amerikanisches Kapitalmarktrecht: Efficient Market Hypothesis als anerkannte Grundlage des gesetzlichen Publizitätssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Deutsches, schweizerisches und Hongkonger Kapitalmarktrecht: Efficient Market Hypothesis und Rationalmodell als Grundlage einzelner Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neoinstitutionalistische Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informationswert von Ratings infolge von Informationskostenvorteilen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlende Erklärbarkeit der Marktreaktionen auf Ratingänderungen, die ausdrücklich keine Neubewertung der Bonität signalisieren . . . aa) Marktreaktionen auf die technische Verfeinerung der Moody’s-Ratingskala (1982) . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Marktreaktionen auf die Herabstufung des ThyssenKruppRatings infolge einer internen Ratingmethodeänderung (2003) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Eigener Erklärungsansatz: Die Codierung der Information als Grund des Informationswertes von Ratings . . . . . . . . . . . . .

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1. Die Aufnehmbarkeit der in Ratingkürzeln codierten Informationen durch die Informationsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mangelnde Berücksichtigung der begrenzten Informationsaufnahmekapazität „realer“ Marktteilnehmer durch Rationalmodell und Verhaltensökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Codierung der Information als Grund für die effektive Aufnahme von Ratings durch „reale“ Marktteilnehmer . . . . . . . 2. Die einfache Verarbeitbarkeit der in Ratingkürzeln codierten Bonitätseinstufungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informationsverarbeitung und Verhaltensökonomik . . . . . . . . . b) Der standardisierte, global einheitliche Aussagegehalt von Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V. Zusammenfassung

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XIII

Inhaltsverzeichnis

Zweiter Teil

Regulierung durch Ratings: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich Erster Abschnitt: Regulierung von Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 § 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I. Einleitung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Rechtslage vor „Basel II“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. „Basel I“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht . . . . . . . . . . . . . . b) „Basel I“ und die begrenzte regulatorische Verwendung von Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ratingunabhängige Kreditrisikobewertung unter „Basel I“ . . bb) Revidierter Basel I-Akkord (1996): Ratings als Bewertung des Marktrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG: Fakultative Bewertung des Marktrisikos durch Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einzelne Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Deutsches und europäisches Recht: Zögerliche Ratingverwendung für Zwecke der Marktrisikobewertung . . . . . . . . . . . . . . . b) Schweizer Recht: Starkes Abstellen auf Ratings für Zwecke der Marktrisikobewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) U.S.-amerikanisches Recht: Bereits frühes Abstellen auf Ratings . aa) Bedeutung von Ratings im Verfahren der aufsichtsbehördlichen Bankenzulassung (ab 1930) . . . . . . . . . . . . (1) Rating von Anleihen im Bankenportfolio und Beurteilung der finanziellen Lage der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Baldige Überlagerung durch ratingbasierte Anlagevorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ratings und Marktrisikobewertung nach „Basel I“ . . . . . . d) Hongkonger Recht: Abstellen auf „investment grade“-Rating für Zwecke der Marktrisikobewertung . . . . . . . . . . . . . . .

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III. „Basel II“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Der Basel II-Akkord und seine regulatorische Verwendung von Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die ratingbasierte Bewertung von Kreditrisiken unter „Basel II“ im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Standardansatz: Die Maßgeblichkeit externer Ratings . . . . . aa) Externe Ratings als Risikogewichtung der Bankaktiva . . . bb) Kritik an der zentralen regulatorischen Bedeutung des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) IRB-Ansatz: Die Maßgeblichkeit „interner“ Ratings . . . . . . c) Eigenmittelunterlegung bei Verbriefungen: Die durchgehende Maßgeblichkeit externer Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XIV

Inhaltsverzeichnis

3. Erfordernis der staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen als Voraussetzung für die regulatorische Ratingverwendung . . . . . 4. Begrenzte Änderungen durch „Basel III“ . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umsetzung und praktische Relevanz der ratingspezifischen Regelungen des Basel II/III-Akkords in den einzelnen Rechtsordnungen . . . . . a) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) U.S.A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vor „Basel III“: Verwendung von Ratingbezugnahmen nur im IRB-Ansatz (Verbriefungen) . . . . . . . . . . . . . . . bb) Seit „Basel III“: Vollständiger Verzicht auf Ratingbezugnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Hongkong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Rechtsvergleichender Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Bewertung der Regulierungsfunktion des Ratings im Basler Akkord . . 131 3. Zweckwidrige Lücke in den Ratinganforderungen des Eigenmittelrechts? Die ratingunabhängige Privilegierung von Staatsanleihen in Bankenportfolien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

§ 7 Die Bedeutung von Ratings im Rahmen sonstiger rechtlicher Vorgaben für Banken und andere Finanzinstitute . . . . . . . . . . . . 137 I. Die Beschränkung zulässiger Bankeninvestitionen auf Finanzinstrumente mit einem bestimmten Mindestrating . . . . . 137 1. U.S.-amerikanisches Recht: Umfassendes Verbot von Bankeninvestitionen in Fremdkapitaltitel privater Emittenten unterhalb des „investment grade“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Glass–Steagall Act und seine Anlagevorschriften für Banken aa) Mindestbonitätsvorgaben für Bankeninvestitionen . . . . . . bb) Die Erfindung des ratingabhängigen „investment grade“ . . b) Übernahme der „investment grade“-Grenze durch andere Bankenaufsichtsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgen der strikten Mindestratingvorgabe . . . . . . . . . . . . . aa) Erhöhte Bedeutung des Ratings am Anleihenmarkt . . . . . bb) Durchbruch für die Regulierungsfunktion des Ratings im U.S.-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beseitigung der geschriebenen Mindestratingvorgabe infolge des Dodd–Frank Acts (2013) . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Selbstbeurteilung der Bonität durch investierende Bank statt Drittbeurteilung der Bonität durch Rating-Agenturen . bb) Gleichwohl fortdauernde Bedeutung des Ratings . . . . . . . cc) Ergebnis: Primär formelle Umgestaltung der Regelung . . . 2. Deutsches Recht: Beschränkte ratingbasierte Vorgaben für Investitionen bestimmter Spezialbanken in Fremdkapitaltitel . . . . a) Investitionen von Bausparkassen in Schuldverschreibungen mit „investment grade“-Rating (§ 4 Abs. 3 Nr. 5 BausparkG) . .

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XV

Inhaltsverzeichnis

b) Deckungsstockfähigkeit ausländischer öffentlicher Schuldverschreibungen nach § 4 Abs. 1 PfandBG . . . . . . . . . . . . . . .

149

II. Die Sicherung der Liquidität von Banken und anderen Finanzinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Präventive Anforderungen an die Bankenliquidität . . . . . . . . . . a) Hohe Ratingeinstufung als Indikator der kurzfristigen Liquidierbarkeit von Schuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Präventive Anforderungen an die Liquidität anderer Finanzinstitute a) Die U.S.-amerikanische „net capital rule“ für broker-dealer . . . aa) Die „net capital rule“ als ratingbasierte Liquiditätsregelung (bis 2014) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswirkungen auf die Regulierungsfunktion des Ratings im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schaffung der Kategorie der „Nationally Recognized Statistical Rating Organization“ (NRSRO) . . . . . . . . . (2) Übernahme des „NRSRO“-Begriffs auch in andere ratingbasierte Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Streichung ausdrücklicher Ratingbezugnahmen aus der „net capital rule“ infolge des Dodd–Frank Acts (2014) . . . . b) Liquiditätsanforderungen an Finanzintermediäre im Hongkonger Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sicherung der Bankenliquidität durch Zentralbanken . . . . . . . . . a) Mindestrating als Voraussetzung für die Zentralbankfähigkeit von Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Liquiditätszufuhr über geldpolitische Instrumente . . . . . . . bb) Anlassbezogene Liquiditätszufuhr (lender of last resort) . . . b) Zweck und Folgen der regulatorischen Ratingverwendung . . . .

III. Weitere ratingbasierte Vorgaben

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1. Vorgaben zur Unternehmensverfassung von Banken . . . . . . . . . . . 2. Bonitätsanforderungen an Sicherungsmechanismen für Banken und andere Finanzinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168 169

IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Zweiter Abschnitt: Regulierung von Markteintritt und -teilnahme an den Finanzmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 § 8 Rating und Zugang zum Kapitalmarkt bei Anleihen

. . . . . . . . . .

173

I. Ein allgemeines Ratingobligatorium? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. Status quo: Kein Ratingobligatorium in den untersuchten Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ratingobligatorien als Mittel der Marktregulierung . . . a) Verfolgte Regelungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XVI

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II. Rating und die Zulassung von Anleihen zu organisierten Märkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. „Investment grade“-Rating als Voraussetzung der Börsenzulassung in der Schweiz (1985–1990) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ratingerfordernis für Anleihen ausländischer Emittenten in den Richtlinien der Schweizerischen Zulassungsstelle . . . . . . b) Kritik und Abschaffung des Ratingerfordernisses . . . . . . . . . . 2. „B“-Mindestrating als Voraussetzung für die Börsenzulassung am New York Stock Exchange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rating als Voraussetzung für die Zulassung zu „Mittelstandssegmenten“ deutscher Börsen (seit 2010) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgestaltung der Ratingerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweck der Ratingerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung: Missverständnisse hervorrufendes Ratingerfordernis auf einem Marktsegment für Privatanleger . . . . . . . . . . . . . aa) Erfordernis lediglich eines Emittentenratings als Problem . . . bb) Dominanz zwar behördlich, aber nicht am Markt anerkannter Rating-Agenturen als Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. „Investment grade“-Rating als Grund für verfahrensmäßige Privilegierung bei der Börsenzulassung in Hongkong . . . . . . . . . 5. „Investment grade“-Rating als Grund für steuerliche Privilegierung in Hongkong . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Tendenz: Markteintrittspublizität statt regulatorische Bonitätsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . 179 . . 179 . . 181 . . 182 . . 183 . . 183 . . 185 . . 185 . . 186 . . 187 . . 188 . . 189 . . 190

III. Faktischer Zwang zum Rating: Das Rating als Markteintrittsvoraussetzung bei „traditionellen“ Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Rating als standardisierte und international verständliche Marktinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Ratingbasierte Anlagebeschränkungen für institutionelle Investoren . . . 194 3. Rating als Voraussetzung für öffentliche wie private Anleiheplatzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

IV. Zusammenfassung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

§ 9 Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität . . . . . . . . . . . . . 198 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 II. Pflicht zur Angabe von Ratings in Wertpapierprospekten

. . . . . . 199

1. Deutsches und europäisches Prospektrecht . . . . . . . . . . a) Richtigkeit und Vollständigkeit des Wertpapierprospekts nach §§ 21 f. WpPG (§ 44 BörsG a.F.) . . . . . . . . . . . aa) Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a.M. zur Prospekthaftung bei der Bond-DM-Anleihe . . . bb) Die herrschende Gegenansicht im Schrifttum . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ziel der Prospektpublizität als entscheidender Ansatzpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . 199 . . . . . . . 199 . . . . . . . 200 . . . . . . . 201 . . . . . . . 201 . . . . . . . 202

XVII

Inhaltsverzeichnis

2.

3.

4. 5.

(2) Inhalt und Grenzen der ratingbezogenen Prospektpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ratingspezifische Anforderungen nach der EG-ProspektVO . . . aa) Verhältnis von EG-ProspektVO und deutschem Prospekthaftungsrecht (§§ 21 ff. WpPG) . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Pflicht zur Angabe von Ratings in Prospekten nach der EG-ProspektVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis: Ratings und Prospektpflicht im unionsrechtlich harmonisierten deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schweizerisches Prospektrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflicht zur Angabe von Ratings in Emissionsprospekten . . . . . aa) Selbstregulierung durch die Schweizerische Bankiervereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gesetzliche Prospektpflicht (Art. 1156 i.V.m. Art. 652a OR) . b) Pflicht zur Angabe von Ratings in Kotierungsprospekten . . . . . c) Zwischenergebnis: Ratings und Prospektpflicht in der Schweiz . . U.S.-amerikanisches Prospektrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Pflicht zur Angabe von Ratings in Prospekten . . . . . . . aa) Freiwilligkeit von Ratingangaben im Prospekt . . . . . . . . . bb) Historische Versuche der SEC zur Einführung einer Pflicht zur Angabe von Ratings in Prospekten . . . . . . . . . . . . . b) Förderung der freiwilligen Ratingangabe durch regulatorische Privilegien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rule 436(g) zum Securities Act of 1933 (1982–2010) . . . . . . (1) Die Entbehrlichkeit des Einverständnisses von NRSROs zur Ratingangabe im Prospekt . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Freistellung der NRSRO von der Prospekthaftung als Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Aufhebung der Rule 436(g) durch den Dodd–Frank Act (2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ratings in „tombstone advertisements“ . . . . . . . . . . . . . c) Empfehlungen zu Inhalt und Form von Ratingangaben . . . . . . Hongkonger Prospektrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Reduktion gesetzlicher Publizitätsvorgaben bei Emissionen mit bestimmtem Mindestrating: Das Rating als Prospektsubstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. U.S.-amerikanisches Recht: Ausnahme kurzfristiger Schuldverschreibungen mit hohem Rating von der Registrierungs- und Prospektpflicht (§ 3(a)(3) Securities Act of 1933) . . . . . . . . . . . . . 2. U.S.-amerikanisches Recht: Einschränkung der Registrierungsund Prospektpflicht für Fremdkapitaltitel mit „investment grade“Rating (bis 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stark reduzierter Prospektinhalt bei Anleihen und preferred stock mit „investment grade“-Rating (Form S–3 zum Securities Act of 1933) (bis 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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232

XVIII

Inhaltsverzeichnis

aa) Abgestufte gesetzliche Markteintrittspublizität unter Zugrundelegung der Efficient Market Hypothesis . . . . . . . bb) Das „investment grade“-Rating als Beweis der effektiven Emittentenüberwachung durch die Rating-Agenturen sowie als Investoreninformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kritik an der Regulierungsfunktion des Ratings in Form S–3 . dd) Aufhebung der Ratingbezugnahme in Form S–3 in Umsetzung des Dodd–Frank Acts (2011) . . . . . . . . . . b) „Shelf registration“ bei Anleihen und preferred stock mit „investment grade“-Rating (Rule 415 zum Securities Act of 1933) (bis 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schweizer Prospektrecht: Emissionsrating als Substitut für Angaben zur Emittentenfinanzlage bei Anleihen deutscher Bundesländer . . .

. . 232

. . 233 . . 235 . . 236

. . 237 . . 238

IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Rechtsvergleichender Befund . . . . . . . . . . a) Regelungsphilosophien der Prospektrechte b) Prospektpflichtigkeit von Ratings . . . . . c) Rating als Prospektsubstitut . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 10 Ratings am Markt für komplexe Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . 244 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 1. „Komplexe“ Finanzinstrumente als faktisches und rechtliches Phänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Spielarten komplexer Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . b) Komplexe Finanzinstrumente als Schuldverschreibungen besonderer Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dominanz institutioneller Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ratingabhängigkeit des Marktes für komplexe Finanzinstrumente . . a) Bedeutung des Marktes aus Sicht der Rating-Agenturen . . . . . . b) Mangel an aufnehm- und verarbeitbaren Informationen über komplexe Finanzinstrumente als Grund der Ratingbedeutung aus Sicht der Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bedeutung der Regulierungsfunktion des Ratings . . . . . . . . .

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II. Ratings und Regulierung des Marktzugangs für komplexe Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Rating als rechtliche Voraussetzung für die Zulassung komplexer Finanzinstrumente zu organisierten Märkten . . . . . . . . . . . . . . a) Hongkonger Recht: „A“-Rating als Voraussetzung für die Börsenzulassung bestimmter strukturierter Finanzinstrumente . . . . . . b) Schweizer Recht: Rating als Voraussetzung für die Börsenzulassung von Asset-Backed Securities . . . . . . . . . . . . . . . . 2. U.S.-amerikanisches Recht: „Investment grade“-Rating als Substitut für aufsichtsrechtlichen Anlegerschutz bei strukturierten Finanzinstrumenten (Rule 3a–7 zum Investment Company Act of 1940) . .

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XIX

Inhaltsverzeichnis

a) Rule 3a–7 als ratingabhängige Freistellung von dem umfassenden Anlegerschutzregime des Investment Company Act of 1940 . . . . b) Rating durch Rating-Agenturen als Ersatz für die aufsichtsbehördliche Überwachung der Corporate Governance des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zweck des „investment grade“-Mindestratings . . . . . . . . . . bb) Die Mindestratingvorgabe der Rule 3a–7 im Einzelnen . . . . . (1) „Investment grade“-Schwelle auch bei strukturierten Finanzprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Regulatorische Ermöglichung eines Ein-Rating-Standards am Markt für strukturierte Finanzprodukte . . . . . . . . . (3) Anerkennung und Unabhängigkeit der Rating-Agentur . . . (4) Fortlaufende Überwachung der Finanzproduktstrukturen als Aufgabe der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . c) Fortbestand der Ratingbezugnahmen in Rule 3a–7 trotz des Dodd–Frank Acts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mindestrating als rechtliche Voraussetzung für den Erwerb komplexer Finanzinstrumente durch regulierte institutionelle Investoren . . . . . a) U.S.-amerikanisches Recht: Einheitliches Mindestrating für Investitionen in „mortgage related securities“ (Secondary Mortgage Market Enhancement Act of 1984) . . . . . . aa) Förderung privater Hypothekenkreditverbriefungen als Regelungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einführung eines einheitlichen „AA“-Mindestratings für Investitionen durch institutionelle Investoren als Mittel . . . cc) Auswirkungen des einheitlichen Mindestratings und Kritik an der regulatorischen Ratingverwendung . . . . . . . . . . . . dd) (Einstweilen schwebende) Beseitigung des Mindestratings infolge des Dodd–Frank Acts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ratingabhängige Eigenmittelanforderungen beim Erwerb strukturierter Finanzinstrumente durch Banken („Basel II“) . . . . c) U.S.-amerikanisches Recht: Ausnahmslose Ratingvorgabe für den Erwerb von Asset-Backed Securities durch Geldmarktfonds . . . .

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III. Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität bei komplexen Finanzinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 1. Pflicht zur Angabe bestehender Ratings in Prospekten und funktionsäquivalenten Dokumenten . . . . . . . . . . . . . . . . a) Selbstregulierung in der Schweiz: Pflicht zur Ratingangabe im vereinfachten Prospekt für strukturierte Produkte . . . . . . . b) U.S.-amerikanisches Recht: Pflicht zur Ratingangabe in Registrierungserklärungen für Asset-Backed Securities (Regulation AB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Hongkonger Recht: Pflicht zur Ratingangabe in der „formellen Bekanntgabe“ der Börsenzulassung strukturierter Produkte . . . d) Deutsches und europäisches Recht: Keine ausnahmslose Pflicht zur Ratingangabe in Prospekten für komplexe Finanzinstrumente

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2. Reduktion gesetzlicher Publizitätsvorgaben bei komplexen Finanzinstrumenten mit „investment grade“-Rating: Das Rating als Prospektsubstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anlegerschutz durch Markteintrittspublizität vs. flexible Emissionsdurchführung bei Asset-Backed Securities . . . . . . . b) Vorschläge zur ratingunabhängigen Neuregelung von „shelf registrations“ und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Neugefasster Regelungsvorschlag der SEC (2011) . . . . . . bb) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Platzierung komplexer Finanzinstrumente jenseits der gesetzlichen Markteintrittspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausnahmen von der gesetzlichen Markteintrittspublizität . . . . b) Die Erstellung „privater“ Ratings als Folge . . . . . . . . . . . .

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IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Rechtsvergleichender Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ratings als gesetzliche Marktzugangsvoraussetzung . . . . . . b) Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität . . . . . . . . c) Inhaltliche Besonderheiten der regulatorischen Ratingverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Marktgetriebene Besonderheiten der „Gatekeeper“-Rolle der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Rating als Beurteilung der Bonität komplexer Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Modellbasierte Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beurteilung nach Tranchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keinerlei Aussagegehalt des Ratings zu sonstigen Risiken . b) Rating-Agenturen als „Berater“ bei der Emission komplexer Finanzinstrumente mit maßgeschneiderter Bonität . . . . . . . 3. Erhöhte Wettbewerbsintensität unter den Rating-Agenturen und „rating shopping“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Modelldivergenzen als ratinganbietergetriebene Voraussetzung b) „Ein-plus-Rating(s)“-Standard als weitere (ratingnachfragergetriebene) Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 11 Ratings und gesetzliche Marktteilnahmepublizität . . . . . . . . . . . . 292 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 II. Information des Marktes über Bonitätsurteile: Die Publizitätspflichtigkeit von Ratings und Ratingänderungen . . . . . . . . . . . . 293 1. Publizitätspflicht des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Deutsches Recht: Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 WpHG . . . . . . . . aa) Ratings und der Begriff der „Insiderinformation“ i.S. des § 13 Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Das Rating als nicht öffentlich bekannter Umstand (2) Eignung der Information zur Kursbeeinflussung . .

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bb) Ausschließlich aufgrund öffentlich bekannter Umstände erstellte Bewertungen (§ 13 Abs. 2 WpHG) – unsolicited ratings . . . . cc) Weitere Voraussetzungen einer Emittentenpflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . (1) Ratings als Insiderinformationen, die den Emittenten „unmittelbar“ betreffen, § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG? . . . . . (2) Vertraulichkeitsausnahme, § 15 Abs. 3 WpHG . . . . . . . . b) Schweizerisches Recht: Ad hoc-Publizitätspflicht des Emittenten gemäß Art. 53 KR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rating als kursrelevante Tatsache, Art. 53 Abs. 1 Satz 1, 2 KR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Irrelevanz eines öffentlichen Bekanntseins des Ratings? . . . . . cc) Eintritt externer Ratings „im Tätigkeitsbereich“ des Emittenten, Art. 53 Abs. 1 Satz 1 KR? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Suspendierung der Ad hoc-Publizitätspflicht bei Vertraulichkeit, Art. 54 KR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Marktteilnahmepublizitätspflicht des Emittenten nach U.S.-amerikanischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Form 8–K . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rule 15c2–12: Continuing Disclosure Agreements bei öffentlichen Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Marktteilnahmepublizität aufgrund von Börsenrichtlinien . . . d) Hongkonger Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigene Ad hoc-Publizitätspflicht der Rating-Agentur . . . . . . . . . . a) Deutsches und europäisches Recht: Publizitätspflicht der Rating-Agentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schweizer, U.S.-amerikanisches und Hongkonger Recht: Keine Ad hoc-Publizitätspflicht von Rating-Agenturen . . . . . . .

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III. Rating-Agenturen als privilegierte Informationsempfänger: Ad hoc-Publizität und informationelle Gleichbehandlung . . . . . . 317 1. Die informationelle Privilegierung der Rating-Agenturen im deutschen und europäischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Informationsadressaten im Rahmen der Ad hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Insiderrechtliches Weitergabeverbot (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ad hoc-Publizitätspflicht (§ 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG) . . . . . b) Die begrenzte Privilegierung zur Vertraulichkeit verpflichteter Informationsadressaten durch § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG . . . . . aa) Die (gestrichene) ratingspezifische Ausnahme von der Publizitätspflicht im Kommissionsvorschlag zur EG-Marktmissbrauchsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die eingeschränkte Ad hoc-Publizitätspflicht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG und die Emittentenkommunikation mit Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Schweizerisches Recht: Strikte informationelle Gleichbehandlung ohne Privilegien zugunsten der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . 3. U.S.-amerikanisches Recht: Informationelle Privilegierung der Rating-Agenturen durch die Regulation FD . . . . . . . . . . . a) Kommunikation mit Informationsintermediären als Regelungsgegenstand der Regulation FD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Spezifische Nichtanwendbarkeit auf Rating-Agenturen (2000–2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Streichung der spezifischen Privilegierung von Rating-Agenturen in Umsetzung des Dodd–Frank Acts (2010) . . . . . . . . . . . . d) Gleichwohl fortgeltende informationelle Privilegierung von Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Hongkonger Recht: Strikte informationelle Gleichbehandlung ohne Privilegien zugunsten der Rating-Agenturen . . . . . . . . . .

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IV. Organisatorische Absicherung der informationellen Gleichbehandlung: Die Pflicht der Rating-Agenturen zur Führung von Insiderverzeichnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 1. Deutsches Recht: Pflicht der Rating-Agentur zur Führung eines Insiderverzeichnisses gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG . . . . . . 329 2. Keine Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen in der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330

V. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 1. Publizitätspflicht des Emittenten bezüglich Ratingänderungen . . . . . . 331 2. Publizitätsrechtliche Privilegierung der Rating-Agenturen als Informationsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 3. Publizitätsrechtliche Pflichten der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . 334

Dritter Abschnitt: Regulierung von Marktteilnehmern

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§ 12 Die ratingbasierte Regulierung institutioneller Investoren am Beispiel von Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 II. Gesetzliche Vorgaben für Investitionen durch Fonds

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1. Deutsches und Schweizer Recht: Keine allgemeinen Ratingvorgaben für Investitionen durch Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. U.S.-amerikanisches und Hongkonger Recht: Strikte Mindestratings für Investitionen durch trust funds . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) U.S.-amerikanisches Recht: „legal investment lists“ . . . . . . . b) Hongkonger Recht: „A“-Mindestrating . . . . . . . . . . . . . . 3. Indirekt wirkende Mindestratings für Investitionen durch Geldmarktfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) U.S.-amerikanisches Recht: Rule 2a–7 zum Investment Company Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rule 2a–7 zwischen ratingbasierter Bewertungsregelung und Marktzugangsstandard . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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bb) Inhalt, Zweck und Wirkungen der Ratingvorgabe in Rule 2a–7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Sicherung der Portfolioqualität durch Mindestratingvorgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ratingvorgabe als Begrenzung von Kreditund allgemeinem Marktrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Auswirkungen der Ratingvorgabe . . . . . . . . . . . . . . (a) Auswirkungen auf den Markt für Commercial Paper . (b)Auswirkungen auf die Pflicht der Fondsleitung zur eigenständigen Bonitätsprüfung . . . . . . . . . . . (c) (Bloße) Prüfungspflicht des Fonds bei Ratingherabstufungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) (Bislang) Fortbestand der Ratingbezugnahmen in Rule 2a–7 trotz des Dodd–Frank Acts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europäisches und deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) OGAW-Richtlinie, CESR-Leitlinien und FondskategorienRichtlinie der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Künftige Beseitigung der regulatorischen Ratingverwendung durch EU-GeldmarktfondsVO? . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mindestratings und Risikobegrenzung bei bestimmten Anlagetechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) EG-Recht (OGAW-Richtlinie): Ratings und Gegenparteirisiko bei Investitionen richtlinienkonformer Fonds in Geldmarktinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ratings und ausreichende Sicherheiten bei Wertpapierleihen (Securities Lending) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schweizer Recht: Effektenleihe durch Effektenfonds . . . . . bb) Deutsches Recht: Wertpapier-Darlehen durch richtlinienkonforme Fonds (bis 2013) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ratings und Zulässigkeit von Pensionsgeschäften . . . . . . . . . aa) Schweizer Recht: Ratings und zulässiger Gegenstand von Pensionsgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mindestrating bei Reverse Repos . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ratingvorgabe zur Begrenzung von Kreditoder Marktrisiko? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) U.S.-amerikanisches Recht: Mindestratings bei Pensionsgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Mindestratingvorgabe für den Gegenstand privilegierter Pensionsgeschäfte (Rule 5b–3) . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ratingvorgabe zur Begrenzung von Marktund Liquiditätsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine Auswirkung des Dodd–Frank Acts auf Fortbestand der Ratingbezugnahme in Rule 5b–3 . . . . . . . . . . . . d) Schweizer Recht: Ratings und Gegenparteirisiko bei Derivatgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Private Regelsetzung zu Investitionen durch Fonds: Ratingbezugnahmen in internen Anlagerichtlinien . . . . . . . . . . . 367 1. Regulierungsfunktion des Ratings in internen Anlagerichtlinien . . . . . 367 2. Das „investment grade“ als einheitliches Mindestrating . . . . . . . . . . 369

IV. Verbot eines übermäßigen Rückgriffs auf Ratings . . . . . . . . . . . . 370 1. Europäisches und deutsches Fondsrecht: Verbot des übermäßigen Rückgriffs auf Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 2. Zweck der Regelung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371

V. Ratings als Konkretisierung allgemeiner Sorgfaltsmaßstäbe für Investitionen durch Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 VI. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 1. Rechtsvergleichender Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

§ 13 Ratings im Recht der Unternehmensfinanzierung . . . . . . . . . . . . 377 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 II. Rechtliche Bedeutung des Ratings für die Fremdfinanzierung von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 1. Fehlende rechtliche Determinierung der Finanzierungsstruktur von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rating-Agenturen als private Standardsetzer . . . . . . . . . . a) Ratinginduzierte Eigenkapitalquote als Grenze der Fremdfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Hybride“ Formen der Unternehmensfinanzierung als ratinggetriebenes Phänomen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflicht der Unternehmensleitung zur Beauftragung einer Rating-Agentur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Eigenkapitalfinanzierung: Ratings im Recht der Kapitalaufbringung und -erhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 1. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „Vollwertigkeit“ von Ansprüchen gegen den Gesellschafter als Kriterium des modernisierten Kapitalaufbringungsund -erhaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Funktion des Ratings in der Vollwertigkeitsbeurteilung . . aa) Die Verwendung von Ratings als Vollwertigkeitsindikatoren in der wissenschaftlichen Diskussion . . . . . . . . . . . . . (1) Die „außerhalb jedes vernünftigen Zweifels stehende“ Kreditwürdigkeit des Gesellschafters i.S. des „NovemberUrteils“ als „AAA“-Bonität? . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ratings und die „Vollwertigkeit“ von Ansprüchen gegen den Gesellschafter seit MoMiG und ARUG . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtssicherheit durch das Abstellen auf Bonitätsbeurteilungen durch einen unabhängigen Dritten . . . . .

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(2) Die Ratingbeachtung als „safe harbour“? . . . . . . . . c) Die Pflicht der Geschäftsleitung zur fortlaufenden Bonitätsüberwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Informationspflichten: Nutzung von Ratings in ihrer Marktinformationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . bb) Reaktionspflichten: Vertragliche Verwendung von Ratings in ihrer Regulierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schweizer Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 14 Ratings und die Pflicht zur guten Unternehmensführung (Corporate Governance) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 I. Ratings als Informationsgrundlage für unternehmerische Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 1. Unternehmerische Entscheidungen mit Bonitätsbezug: Fallgruppen . . 2. Pflicht der Geschäftsleiter zur Ratingbeachtung . . . . . . . . . . . . . a) „Business judgment rule“ und Anforderungen an die Informationsgrundlage unternehmerischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . b) Recht der Geschäftsleiter zur Ratingbeachtung . . . . . . . . . . . . aa) Untauglichkeit von Ratings als Informationsgrundlage infolge mangelnder Unabhängigkeit der Rating-Agenturen? . . . . . . . bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Pflicht zur Ratingbeachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ratingbeachtung durch Geschäftsleiter als „safe harbour“? . . . . . . .

II. Zusammenarbeit mit Rating-Agenturen und unternehmensinterne Corporate Governance

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402 403

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403 405

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406 406 410 411

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413

1. Organzuständigkeit für die Zusammenarbeit mit Rating-Agenturen . 2. Kommunikation mit Rating-Agenturen und Verschwiegenheitspflicht der Unternehmensleitung (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AktG) . . . . . . . . . 3. Organschaftliche Pflichten der Unternehmensleitung im Ratingkontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflichten bei der Zusammenarbeit mit Rating-Agenturen . . . . . b) Pflicht zur Vermeidung existenzbedrohender „rating trigger“ . .

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413

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415

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416 416 417

III. Ratingerhaltung als übergeordnetes Ziel unternehmerischen Handelns? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 § 15 Ratings in der Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 I. Einleitung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

422

II. Die rechtliche Ordnung der Anlageberatung in den untersuchten Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 1. 2. 3. 4.

Deutsches Recht . . . . . . Schweizer Recht . . . . . . U.S.-amerikanisches Recht Hongkonger Recht . . . .

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423 425 427 428

XXVI

Inhaltsverzeichnis

III. Die Rolle von Ratings im Rahmen der Anlageberatung . . . . . . . . 430 1. Die Pflicht des Anlageberaters zum Hinweis auf bestehende Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Existenz, Voraussetzungen und Begründung der Pflicht . . . aa) Voraussetzungen der Hinweispflicht . . . . . . . . . . . . bb) Begründung der Hinweispflicht . . . . . . . . . . . . . . b) Hinweispflicht nur bezüglich der Ratings bekannter RatingAgenturen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Pflicht des Anlageberaters zur Erläuterung des Ratings . . . d) Ratinghinweis als per se ausreichende Aufklärung über das Bonitätsrisiko („safe harbour“)? . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflicht des Anlageberaters zum Hinweis auf das Fehlen eines Ratings? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine fortdauernde Hinweispflicht auf Ratingänderungen nach getätigter Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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430 431 431 433

. . . . . 435 . . . . . 437 . . . . . 438 . . . . . 441 . . . . . 442

IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 Vierter Abschnitt: Ratings in der privaten Regelsetzung . . . . . . . . . . . . 445 § 16 Die Regulierungsfunktion des Ratings aufgrund vertraglicher Inbezugnahmen („rating trigger“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 II. Ratingbasierte Zinsanpassung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446

1. Der Einfluss des Ratings auf die Zinskonditionen bei Finanzierungsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ratingbasierte Zinsklauseln („pricing grids“): Zweck und Gestaltungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtliche Anforderungen an ratingbasierte Zinsklauseln . . . . . a) Die Unabhängigkeit der Rating-Agentur als Grund für die Inhaltskontrollfreiheit von „rating triggern“ . . . . . . . . b) Die Unabhängigkeit der Rating-Agentur als Grund für die Vereinbarkeit von „rating triggern“ mit dem Transparenzgebot 4. Folgen und Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . 446 . . . . 447 . . . . 448 . . . . 449 . . . 450 . . . . 452

III. Ratingbasierte Besicherungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 1. Ratingbasierte Besicherungsklauseln: Zweck und Gestaltungsformen . . 454 2. Gefahr eines „Klippeneffekts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455

IV. Ratingbasierte Vertragsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 1. Ratingbasierte Kündigungsrechte: Zweck und Gestaltungsformen . . . . 456 2. Gefahr eines „Klippeneffekts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458

V. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459

XXVII

Inhaltsverzeichnis

Fünfter Abschnitt: Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 § 17 Die Regulierungsfunktion des Ratings in der zusammenfassenden Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 I. Die Regulierungsfunktion des Ratings im rechtsvergleichenden Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 1. Die Bedeutung der Regulierungsfunktion in den einzelnen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bedeutung der Regulierungsfunktion auf den unterschiedlichen Sachgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Typologie der Ratingbezugnahmen in rechtlichen Regelungen . . . a) Ratings als Bestandteil materiellrechtlicher Vorgaben . . . . . . aa) Ratings als Auslöser unmittelbar wirkender rechtlicher Gebote oder Verbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ratings als Risikomaßstab in mittelbar verhaltenssteuernden rechtlichen Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rolle von Ratings im System der gesetzlich geregelten Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ratings als Gegenstand gesetzlicher Publizitätspflichten . . bb) Ratings als Ersatz gesetzlicher Publizitätspflichten . . . . . . 4. Neuere Tendenzen zur Zurückdrängung der Regulierungsfunktion des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsvergleichender Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) U.S.-amerikanisches Recht: Vorgaben des Dodd–Frank Acts und deren Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begrenzter Anwendungsbereich des Abschaffungspostulats . bb) Fortdauernde regulatorische Bedeutung von Ratings trotz Streichung expliziter Ratingbezugnahmen . . . . . . . . . . c) Risiken der Zurückdrängung der Regulierungsfunktion des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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461

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463 466 466

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478

II. Gründe für die Regulierung durch Ratings und Rückwirkungen auf die Marktinformationsfunktion des Ratings . . . . . . . . . . . . . 480 1. Gründe für die Regulierung durch Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Potentielle Rückwirkungen auf die Marktinformationsfunktion des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

481 484

III. Missverständnisse bezüglich des Aussagegehalts von Ratings und daraus resultierende Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 1. Missverständnisse unter Marktteilnehmern 2. Missverständnisse unter Regelsetzern . . . a) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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486 488 488 490

IV. Der Synchronisierungseffekt des Rechts: Das ubiquitäre Abstellen auf „investment grade“ und „non-investment grade“ . . . 491 1. Das Entstehen der Dichotomie von „investment grade“ und „non-investment grade“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

492

XXVIII

Inhaltsverzeichnis

2. Die globale Übernahme der „investment grade“-Schwelle in ratingbasierte Rechtsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 3. Der Synchronisierungseffekt des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495

V. Fazit: Bedarf für eine Regulierung des Ratings . . . . . . . . . . . . . . 496 § 18 Die adressatengerechte Ausgestaltung gesetzlicher Publizitätsregelungen als Postulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 I. Publizität als zweckgerichtetes Regelungsinstrument . . . . . . . . . . 498 1. Adressatenmodelle des geltenden Publizitätsrechts . . . . . . . . . . . a) U.S.A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutschland, Schweiz und Hongkong . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mangelnde Berücksichtigung der begrenzten Informationsaufnahmeund -verarbeitungskapazität „realer“ Publizitätsadressaten . . . . . . 3. Die Adressatengerechtheit als Leitgedanke eines Systems abgestufter Publizitätsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . 500 . . 500 . . 501 . . 502 . . 505

II. Bedingungen der Adressatengerechtheit von Publizitätsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 1. Adressatengerechter Informationsumfang . a) Reduktion der Informationsmenge . . . b) Die Entkoppelung von Information und 2. Adressatengerechte Informationscodierung

. . . . . . . . . . Haftung . . . . .

. . . . als . .

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorschlag . . . . . . . . . . . . .

506 506 508 509

III. Funktionelle Grenzen des Publizitätsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 510

Dritter Teil

Regulierung des Ratings: Die rechtliche Ordnung des internationalen Ratingwesens § 19 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 I. Schutzbedürfnis und Schutzrichtungen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . 514

1. Schutz vor unzutreffenden Bonitätsbeurteilungen . . . . 2. Schutz vor systemischen Auswirkungen des Ratings . . . 3. Besonderer Schutz staatlicher Emittenten als Ziel der Ratingregulierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufsichtsrechtliche Sonderregeln zu sovereign ratings im EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erwogenes Verbot unbeauftragter Ratings von EU-Staatsanleihen . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bestehende Sondervorschriften der EG-RatingVO b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . 514 . . . . . . . . . 515 . . . . . . . . . 515 . . . . . . . . . 516 . . . . . . . . . 516 . . . . . . . . . 517 . . . . . . . . . 518

II. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520

XXIX

Inhaltsverzeichnis

Erster Abschnitt: Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 § 20 Markt und Wettbewerb der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . 522 I. Wettbewerb als marktendogener Kontrollmechanismus . . . . . . . . 522 1. Die oligopolistische Struktur des Marktes der Rating-Agenturen 2. Die Erhöhung des Wettbewerbs als Desiderat . . . . . . . . . . a) Die Gründung lokaler Rating-Agenturen als Lösung . . . . b) Die Gründung staatlicher Rating-Agenturen als Lösung . . . c) Die staatliche Anerkennung weiterer Rating-Agenturen für regulatorische Zwecke als Lösung . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . .

. . . .

522 524 526 528

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529

II. Der Markt der Rating-Agenturen als natürliches Oligopol . . . . . . 531 1. Ausgangsbefund: Konstant geringe Anzahl an Rating-Agenturen trotz wechselnder Marktbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ursachen des natürlichen Oligopols . . . . . . . . . . . . . . . . a) Herrschender Erklärungsansatz: Anbieterbedingtes natürliches Oligopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der langjährige track record als Markteintrittshürde . . . . . bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigener Erklärungsansatz: Nachfragerbedingtes natürliches Oligopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Komplexitätsreduzierende Wirkung eines Informationsanbieteroligopols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Belege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Tendenz zur Vereinheitlichung der Ratingskalen . . . (2) Die „Zwei-plus-Ratings“-Usance . . . . . . . . . . . . . . (a) „Zwei-plus-Ratings“-Usance als oligopolperpetuierende Investorenpräferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b)Gegensatz: Keine Geltung der „Zwei-plus-Ratings“Usance am Markt für komplexe Finanzinstrumente . . cc) Oligopolistische Marktstruktur bewirkt Informationsäquilibrium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen für Wettbewerbsmechanismus und staatliche Regulierung . . a) Beschränkter Wettbewerb am natürlich-oligopolistischen Ratingmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vor- und Nachteile des beschränkten Wettbewerbs am Ratingmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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532 533

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547

III. Die rechtliche Ordnung des Wettbewerbs auf einem dauerhaft oligopolistischen Ratingmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 1. Kartellverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veröffentlichung unbeauftragter Ratings als unlauterer Wettbewerb? . .

549 550

IV. Fazit: Begrenzte wettbewerbsgetriebene Selbstregulierung des Marktes für Bonitätsinformationen und resultierender Regulierungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 1. Lediglich eingeschränkter Anreiz zur Ruferhaltung am natürlicholigopolistischen Ratingmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

553

XXX

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2. Bedarf für eine Ergänzung der Marktmechanismen durch eine rechtliche Regulierung des Ratingwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 3. Materielle Regulierung internationaler Oligopolisten durch nationales Recht: „Race to the top“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554

§ 21 Der Institutionsschutz der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . 556 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 II. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im U.S.-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 1. Die Rating-Agenturen und das First Amendment . . . . . . . . . . . a) Der „Marktplatz der Ideen“ und die freie Information der Öffentlichkeit als Schutzziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Marktinformationsfunktion der Rating-Agenturen als Grund ihres Institutionsschutzes durch das First Amendment . . . . . . . aa) Der Regelfall: Öffentlich verfügbare Ratings . . . . . . . . . . (1) Bedeutung der unbeauftragten Ratingerstellung und -aktualisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ratings als nicht lediglich „commercial speech“ . . . . . . bb) Der Ausnahmefall: „Private“ Ratings . . . . . . . . . . . . . . cc) Irrelevanz der zusätzlichen Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis: Öffentlich zugängliche Ratings als „the world’s shortest editorials“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch das First Amendment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz vor staatlicher Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz im Rahmen von pre-trial discoveries . . . . . . . . . . . . . aa) Institutionsschutz durch das First Amendment . . . . . . . . . bb) Einfachgesetzlicher Institutionsschutz durch journalistenschützende „shield laws“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutz vor Schadensersatzhaftung: Der „actual malice“Standard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzung: Der Ratinggegenstand als „matter of public concern“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Haftung der Rating-Agentur nur für nachweisbar falsche Äußerungen und die (irrelevante) Einordnung von Ratings als „Meinung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Haftung der Rating-Agentur nur bei nachweisbar gröbstem Verschulden: Der „actual malice“-Verschuldensmaßstab . . . dd) Beweisbelastung des Klägers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Umfang des Institutionsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . 557 . . 558 . . 560 . . 561 . . 561 . . 562 . . 563 . . 564 . . 565 . . . .

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565 565 567 568

. . 568 . . 570 . . 571

. . 574 . . . .

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576 577 578 579

III. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im Recht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 1. Die Rating-Agenturen und die Medien- und Meinungsäußerungsfreiheit des EU-Primärrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581

XXXI

Inhaltsverzeichnis

a) Schutz durch die Medienfreiheit (Art. 11 Abs. 2 GR-Charta) . . b) Schutz durch die Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 GR-Charta, Art. 10 Abs. 1 EMRK) . . . . . . . 2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch Medien- und Meinungsäußerungsfreiheit . . . . . . . . . . . a) Schutz vor unionsrechtlicher Regulierung . . . . . . . . . . . . . b) Schutz vor Schadensersatzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . .

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581

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581

. . . . . . . . .

583 583 584

IV. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im deutschen Recht . . . . 585 1. Die Rating-Agenturen und die Meinungs- und Pressefreiheit des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) b) Schutz durch die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) . . 2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch Meinungs- und Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz vor staatlicher Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz vor Schadensersatzhaftung . . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . . . . .

585 585 586

. . . . . . . . . . . . . . .

590 590 591

V. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im Schweizer Recht . . . . 592 1. Die Rating-Agenturen und die Medien- und Meinungsfreiheit der Bundesverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz durch die Medienfreiheit (Art. 17 BV) . . . . . . . . b) Schutz durch die Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 16 BV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch Medien- und Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz vor staatlicher Regulierung . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz vor Schadensersatzhaftung . . . . . . . . . . . . . .

. . . . . . . . . . . .

593 593

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595

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596 596 597

VI. Institutionsschutz der Rating-Agenturen im Recht Hongkongs . . . 598 1. Der Schutz der Presse und der Meinungsäußerung im Hongkonger Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen des Institutionsschutzes der Rating-Agenturen durch Presse- und Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz vor staatlicher Regulierung . . . . . . . . . . . . . b) Schutz vor Schadensersatzhaftung . . . . . . . . . . . . .

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598

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600 600 601

VII. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 Zweiter Abschnitt: Präventive Kontrolle der Rating-Agenturen . . . . . . . 604 § 22 Staatliche Zulassungs- und Registrierungserfordernisse für Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604 I. Einleitung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

604

1. Zulassung und Registrierung als präventive Kontrolle der Rating-Agenturen in ihrer Marktinformationsfunktion . . . . . . . . 2. Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

604 605

XXXII

Inhaltsverzeichnis

II. Die staatliche Zulassung von Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . 606 1. Kein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach U.S.-amerikanischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entwurf eines Credit Rating Agency Duopoly Relief Act of 2005 und Entwürfe zum Dodd–Frank Act (2010) . . . . . . . . . . . . b) Unvereinbarkeit von „prior restraint“ mit dem First Amendment 2. Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach Europäischem Unionsrecht (seit 2010) . . . . . . . . . . . . . . a) „Registrierung“ nach der EG-RatingVO: Zulassungserfordernis oder bloßes Anerkennungserfordernis für Zwecke der regulatorischen Bezugnahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Institutionsschützende Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK als abschließende Sonderregelung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anforderungen des Art. 10 Abs. 2 EMRK an vorherige Publikationsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zweck und Klarheit des Zulassungserfordernisses nach der EG-RatingVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fehlende Verhältnismäßigkeit des Zulassungserfordernisses nach der EG-RatingVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis: Unvereinbarkeit des Zulassungserfordernisses mit höherrangigem Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen und Garantie der Zulassungsfreiheit der Presse nach deutschem Recht . . . . . . . 4. Kein Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach Schweizer Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zulassungserfordernis für Rating-Agenturen nach Hongkonger Recht (seit 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erbringung von Ratingdienstleistungen als regulierte Tätigkeit i.S.d. Securities and Futures Ordinance . . . . . . . . . . . . . . . b) Institutionsschützende Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . 607 . . 607 . . 609 . . 611

. . 611 . . 614 . . 614 . . 615 . . 616 . . 616 . . 619 . . 619 . . 621 . . 622 . . 623 . . 624

III. Staatliche Registrierungserfordernisse für Rating-Agenturen . . . . . 626 1. Institutionsschützende, insb. verfassungsrechtliche Grenzen . . . . . . . 626 2. Begrenzter Nutzen einer Registrierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 629

IV. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630 § 23 Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke ihrer Regulierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 632 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 632 1. Die Notwendigkeit der staatlichen Anerkennung einer RatingAgentur als Voraussetzung ihrer Regulierungsfunktion . . . . . . . . . . 632 2. Die Freiwilligkeit der Anerkennung als Charakteristikum . . . . . . . . 634

II. Bestehende Regelungen zur staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 1. Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen im EU-Recht . . . . 635

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a) Zulassung von Rating-Agenturen nach der EG-RatingVO und deren Anerkennungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke der „Basel II“/„Basel III“-Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorgaben der EG-Bankenrichtlinie für die mitgliedstaatliche Anerkennung von Rating-Agenturen (bis 2013) . . . . . . . . . bb) Pauschale Anerkennung nach der EG-RatingVO zugelassener Rating-Agenturen durch die EU-CRR (seit 2014) . . . . . . . . Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anerkennung für Zwecke der Eigenmittelanforderungen an Banken (2007–2013) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Blankettnormen zur Anerkennungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen im U.S.-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anerkennung als Nationally Recognized Statistical Rating Organizations (NRSRO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bestätigung des Anerkanntseins der Rating-Agentur am nationalen Markt: Das „no-action letter“-Verfahren der SEC (bis 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Formelle Anerkennung als NRSRO gemäß § 15E Securities Exchange Act of 1934 (seit 2007) . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Charakteristika des reformierten Anerkennungsregimes (Credit Rating Agency Reform Act of 2006) . . . . . . . . . (2) Bewertung: Das Verhältnis von staatlicher Anerkennung und Marktakzeptanz der Rating-Agenturen . . . . . . . . . b) Anerkennung durch sonstige U.S.-amerikanische Regulierungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen nach Schweizer Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „pragmatische“ Anerkennung am Markt beachteter RatingAgenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anerkennung seit „Basel II“ (Art. 6 ERV) . . . . . . . . . . . . . . Die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen in Hongkong . . . a) Anerkennung als External Credit Assessment Institution (ECAI) durch die HKMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anerkennung durch die HKMA für den Bereich der Pensionsgeschäfte mit dem „Lender of Last Resort“ . . . . . . . . . . . . . . c) Gemischte Anerkennung für Zwecke der Gewinnbesteuerung . . . d) Anerkennung durch die Securities and Futures Commission . . . . e) Anerkennung im Trust- und im Versicherungsrecht: Gleichwertigkeit mit den beiden großen Rating-Agenturen als Voraussetzung . f) Anerkennung durch die Mandatory Provident Fund Scheme Authority . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Anerkennung durch die Hongkonger Börse für Zwecke der Börsenzulassungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Fazit zur Anerkennungsregelung in Hongkong . . . . . . . . . . . .

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III. Die Charakteristika der staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen im Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . 657 1. Die Voraussetzungen für die staatliche Anerkennung . . . . . . . . . . a) Anforderungen an die Governance der Rating-Agentur als Anerkennungsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorgabe allgemeiner Grundsätze für die Ratingmethode (Schweizer und Hongkonger Anerkennungsrecht) . . . . . . . . bb) Publizitätsvorgaben nebst einzelnen spezifischen Verbotstatbeständen (U.S.-amerikanische NRSRO-Anerkennung) . . . . . cc) Detaillierte Organisations- und Verhaltensregeln (EG-RatingVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Erstellung beauftragter oder unbeauftragter Ratings als Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Marktakzeptanz der Rating-Agentur als Anerkennungsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Wirkungen einer staatlichen Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Relevanz der Anerkennung allein für Zwecke der Anlass gebenden regulatorischen Ratingverwendung . . . . . . . . . . . . . b) Ausstrahlungswirkungen der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Regulierung der Rating-Agenturen durch aufsichtsrechtliche Anerkennungsfolgepflichten und das Paradoxon zusätzlicher Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine inhaltliche Regulierung und Überwachung der Ratingtätigkeit durch staatliche Stellen . . . . . . . . . . . . . . b) Die Ausweitung der „Transparenz“ als Kern der Ratingregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ermöglichung der Ratingkontrolle durch den Markt als Zweck der Transparenzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Marktkontrolle komplexitätsreduzierender Informationsintermediäre mittels komplexitätserhöhender Transparenzpflichten als Paradoxon . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Global tätige Rating-Agenturen als Adressaten nationaler und regionaler Anerkennungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Koordination durch anerkannte Rating-Agentur und „race to the top“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Äquivalenzlösung der EG-RatingVO . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dritter Abschnitt: Pflichten der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . 681 § 24 Begründung von Organisations- und Verhaltenspflichten für Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681 II. Anwendbarkeit gesetzlicher Organisations- und Verhaltenspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683

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III. Anwendbarkeit gesetzlicher Organisations- und Verhaltenspflichten für Finanzanalysten auf Rating-Agenturen . . . . . . . . . . 684 1. Deutsches und europäisches Recht: Umstrittene Nichtanwendbarkeit des § 34b WpHG und der EG-Marktmissbrauchsrichtlinie auf Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ratings als „indirekte“ Empfehlungen? . . . . . . . . . . . . . b) Widersprüchlichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben . c) Ergebnis: Keine Anwendung von § 34b WpHG und EG-Marktmissbrauchsrichtlinie auf Rating-Agenturen . . . . 2. U.S.-amerikanisches Recht: Anwendbarkeit der Regulierung für „Investment Adviser“ infolge freiwilliger Registrierung der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „freiwillige“ Registrierung nach dem Investment Advisers Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die unklaren Rechtsfolgen der Registrierung . . . . . . . . . . 3. Schweizer und Hongkonger Recht: Nicht bindende Verhaltensstandards für Finanzanalysten ohne Anwendbarkeit auf Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Selbstregulierung der Rating-Agenturen durch freiwillige Verhaltenskodizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694 1. Globale Vorbereitung und Koordination der Selbstregulierung durch die IOSCO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der IOSCO-Kodex als Muster für freiwillige Verhaltenskodizes der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Durchsetzungsproblem: Die Überwachung der freiwilligen Kodexkonformität durch die Kapitalmarktöffentlichkeit . . . . 2. Regionale Regulierung der Selbstregulierung in der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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V. Ergebnis: Pluralität einschlägiger Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . 700 § 25 Einzelne Organisations- und Verhaltenspflichten der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702 I. Pflicht der Rating-Agenturen zur Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . 702 1. Die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen als Grundvoraussetzung für die Erfüllung ihrer Marktinformations- und Regulierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gefährdung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch ihre Beauftragung und Bezahlung durch die Emittenten . . . . . . . . . . . a) Interessenskonflikte aufgrund des „issuer pays“-Modells als Gefährdungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen . . . . . . . . aa) Der Anreiz der Rating-Agenturen zur Ruferhaltung als ausreichende Sicherung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Spektrum der Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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(1) Gesetzliche Offenlegungspflichten der Rating-Agenturen als Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Ersetzung des „issuer pays“-Modells durch ein alternatives Beauftragungs- oder Bezahlungsmodell als Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Einführung einer Bezahlung durch die Investoren . . . . Vorgeschlagene „investor pays“-Modelle . . . . . . .  Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b)Einführung einer Beauftragung durch staatliche Behörden oder private Plattform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eigener Ansatz: Ausgleich spezifischer Fehlanreize durch spezifische gesetzliche Verbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Bedeutung von Marktstruktur und -usancen für die Sicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch Marktmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Marktsegmente mit „Zwei-plus-Ratings“-Usance . . . . . (b)Marktsegmente, auf denen ein Rating ausreicht . . . . . . (2) Verbot der Abhängigkeit der Ratingeinstufung von der Bezahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verbot der lediglich nachträglichen Beauftragung und Bezahlung der Rating-Agentur nach Wahl des Emittenten (sog. Provisionsmodell) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Das „Provisionsmodell“ (commission model) . . . . . . . (b)Fehlanreize und Unabhängigkeitsgefährdung . . . . . . . (c) Regelungsbedarf und -ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Umsatzbezogener Ausschlussgrund für Rating-Agenturen . 3. Gefährdung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch gesellschaftsrechtliche Verflechtung mit anderen Unternehmen . . . . 4. Gefährdung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch ihre Konsultation bereits im Rahmen der Strukturierung später zu ratender Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kombination aus „Beratung“ und späterem Rating als Gefährdungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Pflicht der Rating-Agenturen zur Vorhaltung einer ausreichenden Kapitalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 735 1. Schweizer, U.S.-amerikanisches und Europäisches Recht: Unspezifische Vorgabe einer hinreichenden Kapitalisierung . . . . . . . 735 2. Hongkonger Recht: Spezifische Vorgaben zur Kapitalisierung . . . . . . 736

III. Pflicht der Rating-Agenturen zur Transparenz

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1. Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 738 a) Transparenzgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 738 b) Spezifische Gefahren der Transparenz von Ratingmodellen und -methoden für strukturierte Finanzinstrumente . . . . . . . . . . 740

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2. Transparenz gegenüber staatlichen Aufsichtsbehörden . . . . . . . . . . 3. Transparenz gegenüber konkurrierenden Rating-Agenturen . . . . . . .

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IV. Pflicht der Rating-Agenturen zur Geheimhaltung von Unternehmensdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 744 V. Sorgfaltspflichten der Rating-Agenturen bei der Ratingerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745 1. Deutsches und Schweizer Recht: Übertragbarkeit prozedural-materieller Sorgfaltsstandards für Warentests auf die Ratingerstellung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „Stiftung Warentest“-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und deren Rezeption im schweizerischen Schrifttum . . . . . . . . b) Übertragbarkeit der „Stiftung Warentest“-Formel auf RatingAgenturen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ratingspezifische Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sorgfalt bei der Erhebung der Tatsachengrundlage der Ratings . . aa) Grundsatz: Keine Rechtspflicht zur Datenüberprüfung . . . . bb) Aufsichtsrechtliche Organisationspflichten zur Sicherung der Datenqualität bei komplexen Finanzinstrumenten . . . . . b) Sorgfalt bei der Vornahme der Bonitätsbeurteilung . . . . . . . . aa) Die „Objektivität“ der Ratingmethode . . . . . . . . . . . . . bb) Pflichten bei der Vornahme der Bonitätsbeurteilung als einer subjektiven Meinung über ein künftiges Ereignis . . . . . . .

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VI. Mitwirkungs- und Widerspruchsrechte der Emittenten vor Veröffentlichung des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757 1. Stellungnahmerecht des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Widerspruchsrecht des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VII. Pflichten der Rating-Agenturen bezüglich der Publikation des Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761 1. Art und Weise der Ratingpublikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten bei unbeauftragten Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflicht zur Kennzeichnung unbeauftragter Ratings . . . . . . . . . . b) Zeitpunkt der Ratingpublikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderheiten bei Ratings für komplexe Finanzinstrumente . . . . . 4. Besonderheiten bei Ratings von EU-Staatsanleihen . . . . . . . . . . . a) Zeitpunkt der Ratingpublikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorgaben der EG-RatingVO: Jahreszeitplan und Freitagsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vereinbarkeit mit höherrangigem europäischem Recht . . . . . b) Inhalt der Ratingpublikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verbot der pauschalen Ankündigung von Ratingüberprüfungen bezüglich einer Ländergruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorgaben der EG-RatingVO zum zulässigen Inhalt von Ratingüberprüfungsankündigungen . . . . . . . . . . . . (2) Unvereinbarkeit mit höherrangigem europäischen Recht . .

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bb) Verbot von Empfehlungen zur staatlichen Politik durch Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773 (1) Vorgaben der EG-RatingVO zum zulässigen Inhalt von Ratingberichten und -ausblicken . . . . . . . . . . . . . . 773 (2) Unvereinbarkeit mit höherrangigem europäischen Recht . . . 774

VIII. Ratingspezifische Folgepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 775 Vierter Abschnitt: Haftung der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . 777 § 26 Grundfragen der zivilrechtlichen Haftung im Ratingkontext . . . . . 777 I. Funktionen der zivilrechtlichen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . 777 1. Haftung als individueller Ausgleichsmechanismus . . . . . . . . . . . . . 777 2. Haftung als präventiver Schutz- und Steuerungsmechanismus . . . . . . 778

II. Haftungskonstellationen im Ratingkontext . . . . . . . . . . . . . . . . 779 1. Haftung der Rating-Agenturen und Gang der Darstellung . . . . . . . . 779 2. Weitere Haftungskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 780 3. Haftung der Rating-Agenturen nach dem U.S.-amerikanischen FIRREA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 781

III. Die Haftung global agierender Informationsintermediäre nach nationalem Haftungsrecht und die Sonderrolle des U.S.-amerikanischen Rechts für die Ratinghaftung . . . . . . . . . 783 1. Kollisionsrechtliche Bestimmung des anwendbaren Haftungsrechts im Erkenntnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der U.S.-Staat New York als Sitz und Ort der Hauptverwaltung der größten Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begrenzte kollisionsrechtliche Relevanz nicht-amerikanischer „Niederlassungen“ der größten Rating-Agenturen . . . . . . . . 2. Der Institutionsschutzstandard des U.S.-amerikanischen Rechts als indirekter globaler Mindeststandard . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Recht des U.S.-Staates New York als regelmäßige lex fori executionis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der New Yorker Libel Terrorism Protection Act of 2008 und der SPEECH Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 27 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber dem Emittenten beim beauftragten Rating . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 791 I. Haftung der Rating-Agentur wegen Verletzung einer Pflicht aus dem Ratingvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792 1. Der Ratingvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertragstypologische Einordnung . . . . . . . . . . . . . b) Kollisionsrechtliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsbegründende Pflichtverletzung der Rating-Agentur a) Die Veröffentlichung eines „falschen“ Ratings als Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XXXIX

aa) Denkbare Ansatzpunkte für die Einordnung eines Ratings als „falsch“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Unmöglichkeit der Ermittlung der „Richtigkeit“ eines Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Prognosecharakter des Ratings und für die Beurteilung der „Richtigkeit“ maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . (2) Das Rating als relatives Wahrscheinlichkeitsurteil . . . . . . (3) Das Rating als Meinung der Rating-Agentur . . . . . . . . . b) Pflichtverletzung der Rating-Agentur bei der Ratingerstellung . . . aa) Ausdrückliche vertragliche Sorgfalts- und Verfahrenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Stillschweigend vertraglich vereinbarte Sorgfaltsund Verfahrenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) U.S.-amerikanisches Recht: Stillschweigende Sorgfaltsund Verfahrenspflichten als Umgehung des institutionsschützenden „actual malice“-Standards . . . . . . . . . . . . (2) Deutsches und schweizerisches Recht: Ansätze für umfangreiches, stillschweigend vereinbartes Sorgfaltsund Verfahrenspflichtenprogramm . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ableitung des Pflichtenprogramms aus dem Ratingvertrag selbst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b)Aufsichtsrechtliche Folgepflichten in ihrer Regulierungsfunktion anerkannter Rating-Agenturen als vertragliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Pflichtenregelungen in freiwilligen Verhaltenskodizes der Rating-Agenturen als vertragliche Pflichten . . . . . . cc) Kausalität der Verfahrenspflichtverletzung für das Ratingergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beweislast für die Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kenntnisnahme des Emittenten vom Erstrating vor dessen Veröffentlichung und Folgen für die Haftung (volenti non fit iniuria) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verschulden der Rating-Agentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Deutsches und Schweizer Recht: Vermutete Fahrlässigkeit . . . . . b) U.S.-amerikanisches Recht: „Actual malice“-Verschuldensmaßstab auch bei vertraglicher Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vertragliche Haftungsbeschränkungen zugunsten der Rating-Agentur a) Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schweizerisches und Hongkonger Recht . . . . . . . . . . . . . . . c) U.S.-amerikanisches (New Yorker) Recht . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Haftung der Rating-Agentur wegen fraudulösen Verhaltens . . . . . 817 III. Haftung der Rating-Agentur aufgrund fahrlässiger Ruf- oder Vermögensschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 818 1. Grundlagen einer deliktischen Haftung der Rating-Agentur aufgrund fahrlässiger Rufschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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a) U.S.-amerikanisches Recht: Haftung der Rating-Agentur nach dem law of defamation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsches und Schweizer Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundlagen einer deliktischen Haftung der Rating-Agentur aufgrund fahrlässiger Vermögensschädigung . . . . . . . . . . . . . . . a) U.S.-amerikanisches Deliktsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kein deliktischer Vermögensschutz bei bestehender Vertragsbeziehung: Die Economic Loss Rule . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsches Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schweizer Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen mangels Schutzgesetz zugunsten des Emittentenvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der „volenti non fit iniuria“-Einwand gegenüber dem beauftragenden Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bei Erstratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bei Folgeratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Haftung der Rating-Agentur wegen Verletzung aufsichtsrechtlicher Pflichten nach Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1, 3 EG-RatingVO . . . . . 830 1. Dogmatische Haftungskonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 35a EG-RatingVO als hybride unionsrechtliche Haftungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kollisionsrechtliche Bestimmung des ergänzend anwendbaren nationalen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Einschlägigkeit des internationalen Privatrechts für vertragliche Schuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einschlägigkeit des internationalen Privatrechts für deliktische Schuldverhältnisse (Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO)? . . . . . . . . cc) Anknüpfung gem. Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Rom II-VO an den Sitz der zulassenden Aufsichtsbehörde? . . . . . . . . . . . . . . . dd) Anknüpfung gem. Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Rom II-VO an den Sitz der Rating-Agentur (Herkunftsmitgliedstaat) als vorzugswürdige Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Personeller Anwendungsbereich: Haftung nur europäischer Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftungsbegründende Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verstoß der Rating-Agentur gegen Anhang III zur EG-RatingVO b) Kausale Auswirkung des Verstoßes auf ein Rating . . . . . . . . . c) Verstöße gegen Anhang III und ihre potentielle Ratingergebnisrelevanz im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verstöße gegen Informationspflichten gegenüber der ESMA oder gegen Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verstöße gegen überwachungsbezogene Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verstöße gegen ratingerstellungsferne allgemeine Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XLI

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4. 5. 6. 7. 8.

dd) Verstöße gegen ratingerstellungsferne Verhaltenspflichten ee) Verstöße gegen ratingerstellungsbezogene Organisationsund Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweislast für die Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . Haftungsausschlüsse im Ratingvertrag und deren Wirksamkeit Verschuldensmaßstab: Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit der Rating-Agentur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ersatzfähiger Schaden des Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V. Zusammenfassung

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§ 28 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber dem Emittenten für unbeauftragte (unsolicited) Ratings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 852 I. Haftung der Rating-Agenturen für Ruf- und Vermögensschädigung nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 853 1. Haftung für Kredit gefährdende Tatsachenäußerungen, § 824 BGB 2. Haftung für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Emittenten, § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch ungefragte Ratingveröffentlichung („Heberger“-Rechtsprechung) . . . . . . b) Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch ungerechtfertigt niedrige Ratingeinstufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftung für die Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . a) Schutz vor bonitätsbezogenen Werturteilen . . . . . . . . . . . . b) Keine Anwendbarkeit der „Stiftung Warentest“-Rechtsprechung auf Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Haftung der Rating-Agenturen für Rufschädigung nach schweizerischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 863 1. Haftung wegen Verletzung der Persönlichkeit des Emittenten, Art. 28 ZGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der geschäftliche Ruf von Unternehmen als Schutzgegenstand b) Drittwirkung der Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens, Art. 3 UWG .

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III. Haftung der Rating-Agenturen für Rufschädigung nach U.S.-amerikanischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 867 1. Verdrängung deliktischer Ansprüche nach Gliedstaatenrecht durch den Credit Rating Agency Reform Act of 2006? . . . . . . . . . . 2. Hindernisse einer deliktischen Haftung für unbeauftragte Ratings . . . .

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IV. Haftung der Rating-Agenturen für Rufschädigung nach dem Recht Hongkongs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 870

XLII

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§ 29 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber abonnierenden Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873 II. Haftung der Rating-Agenturen wegen Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag mit dem Abonnenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 874 1. Abonnementvertrag als Grundlage vertraglicher Pflichten zu Ratinginhalt und -erstellung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) U.S.-amerikanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsches und Schweizer Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Beratungs- oder Auskunftspflicht der RatingAgenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vertragliche Bestimmung des geschuldeten Publikationsinhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsbeschränkungen zugunsten der Rating-Agentur . . . . . . . a) Kollisionsrechtliche Bestimmung des auf den Abonnementvertrag anwendbaren Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsches, schweizerisches, Hongkonger und französisches Recht: Vertragliche Haftungsausschlüsse und deren Wirksamkeit . . . . . c) U.S.-amerikanisches Recht: Institutionsschützende Wirkungen der Pressefreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Haftung der Rating-Agenturen aufgrund sonstiger Grundlagen . . . 884 § 30 Haftung der Rating-Agenturen gegenüber der allgemeinen Investorenöffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 885 II. Prospekthaftung der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 886 1. Deutsches Recht: Keine Prospekthaftung von Rating-Agenturen nach §§ 21 ff. WpPG (§§ 44 ff. BörsG a.F.) . . . . . . . . . . . . 2. Schweizer Recht: Prospekthaftung von Rating-Agenturen nach Artt. 752, 1156 Abs. 3 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. U.S.-amerikanisches Recht: Keine Prospekthaftung von RatingAgenturen nach §§ 11 ff. Securities Act of 1933 . . . . . . . . . 4. Hongkonger Recht: Allenfalls theoretische Prospekthaftung von Rating-Agenturen nach §§ 38C, 40 Companies Ordinance .

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III. Haftung der Rating-Agenturen wegen vorsätzlicher Schädigung der Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 892 1. Mangelnde Beweisbarkeit vorsätzlichen Fehlverhaltens als rechtsordnungsübergreifendes Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . 892 2. Insbesondere: Securities fraud und Institutionsschutz der RatingAgenturen nach U.S.-amerikanischem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 893 a) Darlegung von scienter ohne pre-trial discovery-Möglichkeit . . . . . 894

XLIII

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b) Reduzierter pleading standard bei Klagen gegen Rating-Agenturen (seit 2010) und Beweis von „actual malice“ nach dem First Amendment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Deliktische Haftung der Rating-Agenturen für fahrlässig verursachte Vermögensschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 896 1. Deutsches Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schweizer Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen wegen fehlender Rechtspflicht zum Schutz des Investorenvermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. U.S.-amerikanisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 552 Restatement (Second) of Torts . . . . . . . . . . . . . . bb) Negligent misrepresentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haftungsmildernde Wirkung des institutionsschützenden „actual malice“-Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Hongkonger Recht: Keine deliktische Haftung für fahrlässige Vermögensschädigungen mangels Sorgfaltspflicht gegenüber dritten Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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V. Rechtsgeschäftsähnliche Informationsdritthaftung der Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 908 1. Deutsches Recht: Rechtsgeschäftsähnliche Expertenhaftung nach § 311 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 311 Abs. 3 BGB als Ankernorm und Verhältnis zur vertraglichen Dritthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 311 Abs. 3 BGB als Ankernorm . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Verdrängung, aber Zurückführung der Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter . . . . . . . b) Die „Inanspruchnahme besonderen Vertrauens“ als Haftungsvoraussetzung und -beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abstraktes Vertrauen der Investorenöffentlichkeit in Expertise der Rating-Agenturen nicht ausreichend . . . . . . . . . . . . bb) Beschränkung der Vertrauensinanspruchnahme durch notwendigen Bezug zu konkreter Vertragsanbahnung . . . . . (1) Dogmatische Herleitung des Erfordernisses . . . . . . . . (a) Wortlaut des § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . (b)Bisherige Rechtsprechung zur Sachwalterund Gutachterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Mittelbare Drittwirkung der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Anwendung auf die Informationserstellung und -veröffentlichung durch Rating-Agenturen . . . . . . . . . cc) Beschränkung der Vertrauensinanspruchnahme durch Inhalt der Ratingveröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schweizer Recht: Vertrauenshaftung der Rating-Agenturen? . . . . .

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a) Die Grundsätze der Vertrauenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . 922 b) Haftung der Rating-Agenturen aus enttäuschtem „Ratingvertrauen“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 923 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 925

VI. Haftung der Rating-Agenturen infolge einer Schutzwirkung des Ratingvertrages mit dem Emittenten zugunsten dritter Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 926 1. Kollisionsrechtliche Bestimmung des anwendbaren Rechts . . . . . 2. Verletzung einer Pflicht aus dem Ratingvertrag als haftungsauslösender Umstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung der Rating-Agenturen auch gegenüber dritten Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nach deutschem Recht: Der Ratingvertrag als Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten dritter Investoren . . . . . . . . . aa) Leistungsnähe der allgemeinen Investorenöffentlichkeit . . . bb) Im Vertrag verankertes Gläubigerinteresse am Schutz dritter Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Relevanz der gegenläufigen Interessen von Emittent und Investoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beschränkung des Kreises der in die Schutzwirkung einbezogenen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Kriterien der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . (b)Anwendung auf Ratingverträge . . . . . . . . . . . . . cc) Erkennbarkeit von Leistungsnähe und Gläubigerinteresse . . dd) Keine Schutzbedürftigkeit dritter Investoren aufgrund bestehender Ansprüche gegen den Emittenten . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nach Schweizer Recht: Keine vertraglichen Schutzwirkungen zugunsten Dritter bei gegenläufigem Gläubigerinteresse . . . . . c) Nach U.S.-amerikanischem Recht: Keine Einordnung dritter Investoren als „third-party beneficiaries“ . . . . . . . . . . . . . d) Nach Hongkonger Recht: Kein vertraglicher Drittschutz . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VII. Haftung der Rating-Agentur wegen Verletzung aufsichtsrechtlicher Pflichten nach Art. 35a Abs. 1 Unterabs. 1, 2 EG-RatingVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 946 1. Ergänzend anwendbares Haftungsstatut . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsbegründender Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . a) Pflichtverletzung der Rating-Agentur und Beweislast . . b) Nachweis vertretbaren Anlegervertrauens auf das Rating 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VIII. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 952 1. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 952 2. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 954

XLV

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Fünfter Abschnitt: Kontrolle der Regulierungsfunktion . . . . . . . . . . . . 956 § 31 Systemische Risiken der Regulierungsfunktion des Ratings und ihre Vermeidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 956 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 956 II. Ratingbezugnahmen in Regelungen staatlichen Ursprungs . . . . . . 958 1. Abschaffung oder Reduktion staatlicher Ratingbezugnahmen . . . a) Vollständige Abschaffung staatlicher Ratingbezugnahmen? . . . aa) Ansatz in Rechtsetzung und Schrifttum . . . . . . . . . . . . bb) Das Problem der fehlenden regelungstechnischen Alternative (1) Credit Spreads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Risikobeurteilung durch staatliche Behörden . . . . . . . (3) Risikobeurteilung durch andere unabhängige Dritte . . . (4) Risikobeurteilung durch den Regulierten selbst . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung staatlicher Ratingbezugnahmen auf Fälle der Kreditrisikoregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systemrisikoreduzierende Ausgestaltung staatlicher Ratingbezugnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatbestände staatlicher Ratingbezugnahmen . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgeanordnungen staatlicher Ratingbezugnahmen . . . . c) Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. (Ergänzende) Verpflichtung regulierter Marktteilnehmer zur Vornahme eigener Bonitätseinschätzungen . . . . . . . . . . . . a) Rechtsvergleichende Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . b) Zweck der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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969 970 970 971

III. Ratingbezugnahmen in privaten Regelwerken („rating trigger“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 972 1. Offenlegungspflichten für „rating trigger“ als Lösung? . . . . . . . . . a) Rechtsvergleichender Befund zu gesetzlichen Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Offenlegung von „rating triggern“ als Teil der Markteintrittspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Offenlegung von „rating triggern“ als Teil der Marktteilnahmepublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) U.S.-amerikanisches Recht: Pflicht zur Offenlegung von Ratingklauseln mit „wesentlicher“ Bedeutung im Rahmen der Regelpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Deutsches und europäisches Recht: Pflicht zur Offenlegung (auch ratingabhängiger) Change of Control-Klauseln im jährlichen Lagebericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Offenlegung von „rating triggern“ als Teil der anlassabhängigen Marktteilnahmepublizität . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkte Tauglichkeit der Risikoprävention durch Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

.

972

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973

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973

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975

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XLVI

Inhaltsverzeichnis

2. Ausgleich systemischer Wirkungen von „rating triggern“ durch kompensierende aufsichtsrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . 980 3. Gesetzliche Verbote vertraglicher Ratingbezugnahmen und ihre Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 981 4. Adressatengerechte Publizität als Lösung: Die Offenlegung vertraglicher Ratingbezugnahmen gegenüber den Rating-Agenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 983

Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 985 Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 989 Verzeichnis der zitierten Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1063 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1083

Abkürzungen Abschn. Acad. Management Rev. AFV-EBK

Abschnitt Academy of Management Review Verordnung der EBK über die Anlagefonds (AFV-EBK) vom 24. Januar 2001 in der Fassung vom 22. März 2005, in Kraft bis zum 15. Februar 2007 (Schweiz) AFV-EBK a.F. Verordnung der EBK über die Anlagefonds (AFV-EBK) vom 27. Oktober 1994 (Schweiz) AJP Aktuelle juristische Praxis Ala. L. Rev. Alabama Law Review Am. Bankr. Inst. J. American Bankruptcy Institute Journal Am. Bus. L.J. American Business Law Journal Am. J. Comp. L. American Journal of Comparative Law Amer. Econ. Rev. American Economic Review AMF Autorité des marchés financiers (Frankreich) ÄnderungsVO Nr. 513/2011 Verordnung (EU) Nr. 513/2011 des Europäischen zur EG-RatingVO Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, ABl. EU vom 31.5.2011, Nr. L 145, S. 30 ff. ÄnderungsVO Nr. 462/2013 Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen zur EG-RatingVO Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen, ABl. EU vom 31.5.2013, Nr. L 146, S. 1 ff. AnSVG Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz), BGBl. I 2004, S. 2630 AnwBl Anwaltsblatt APLR Asia Pacific Law Review (Hongkong) Asia Pac. Bus. Rev. Asia Pacific Business Review AVO Verordnung über die Beaufsichtigung von privaten Versicherungsunternehmen vom 9. November 2005, in Kraft seit dem 1. Januar 2006 (Schweiz) BankG Bundesgesetz vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz) (Schweiz) Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. Banking and Financial Services Policy Report Banking L.J. Banking Law Journal BankV Verordnung vom 17. Mai 1972 über die Banken und Sparkassen (Bankenverordnung, BankV) in der Fassung vom 26. September 2006, in Kraft seit dem 1. Januar 2007 (Schweiz) BankV a.F. Verordnung vom 17. Mai 1972 über die Banken und Sparkassen (Bankenverordnung, BankV) in der Fassung vom 30. September 2005, in Kraft bis zum 31. Dezember 2006 (Schweiz) Basel II-Akkord Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen, Überarbeitete Rahmenvereinbarung (Juni 2006) Basel III – EigenkapitalBasler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel III: Ein globaler anforderungen Regulierungsrahmen für widerstandsfähigere Banken und Bankensysteme (Juni 2011)

XLVIII Basel III – Liquiditätsanforderungen

Abkürzungen

Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Basel III: Mindestliquiditätsquote und Instrumente zur Überwachung des Liquiditätsrisikos (Januar 2013) B.C. L. Rev. Boston College Law Review Begr. Begründer BEHG Schweizerisches Bundesgesetz über die Börsen und den Effektenhandel (Börsengesetz) vom 24. März 1995 B.F.R.L. Banking and Finance Law Review (Kanada) BFuP Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis BGE Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts BGer Bundesgericht (Schweiz) B.J.I.B. & F.L. Butterworths Journal of International Banking & Financial Law BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht B.R. Bankruptcy Reporter BRAO Bundesrechtsanwaltsordnung Brook. J. Int’l L. Brooklyn Journal of International Law Brook. L. Rev. Brooklyn Law Review BuB Bankrecht und Bankpraxis Buff. L. Rev. Buffalo Law Review Bus. Law. Business Lawyer Bus. L. Today Business Law Today Bus. & Soc. Rev. Business and Society Review BV Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGK Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts BVA Bundesversicherungsamt CA Cour d’appel (Frankreich) Cal. L. Rev. California Law Review CalPERS California Public Employees’ Retirement System Cap. Chapter Cardozo Stud. L. & Literature Cardozo Studies in Law and Literature Case W. Res. J. Int’l L. Case Western Reserve Journal of International Law Case W. Res. L. Rev. Case Western Reserve Law Review Cass. Corte Suprema di Cassazione (Italien) Cass. civ. Cour de cassation, Chambre civile (Frankreich) CCZ Corporate Compliance Zeitschrift – Zeitschrift zur Haftungsvermeidung im Unternehmen CEBS Committee of European Banking Supervisors CEBS-Anerkennungsleitlinien Guidelines on the recognition of External Credit Assessment Institutions vom 20. Januar 2006 CESR Committee of European Securities Regulators (Ausschuss der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden) CFL Corporate Finance Law C.F.R. Code of Federal Regulations CGFS Committee on the Global Financial System Chapman L. Rev. Chapman Law Review China Bus. Rev. China Business Review CMLJ Capital Markets Law Journal CML Rev. Common Market Law Review

Abkürzungen Colum. Bus. L. Rev. Colum. L. Rev. Company L. Conn. Ins. L.J. Conn. L. Rev. Corp. L. Rev. CRA Code of Conduct Hong Kong DAJV-NL DBW DCGK DePaul Bus. L.J. Det. C. L. Rev. Die Bank Dodd–Frank Act DogmJ

DStR DStRE DTR Durchführungsrichtlinie zur EG-OGAW-Richtlinie

Durchführungsrichtlinie 2003/ 125 zur EG-Marktmissbrauchsrichtlinie

DV DVBl. E. EBA EBAV EBOR ECAI ECMI Econ. Notes Econometrica EG-Abschlussprüferrichtlinie 2006/43

XLIX

Columbia Business Law Review Columbia Law Review The Company Lawyer Connecticut Insurance Law Journal Connecticut Law Review The Corporation Law Review Securities and Futures Commission (Hong Kong), Code of Conduct for Persons Providing Credit Rating Services (June 2011) Newsletter der Deutsch-Amerikanischen Juristen-Vereinigung Die Betriebswirtschaft Deutscher Corporate Governance Kodex DePaul Business Law Journal Detroit College Law Review Die Bank – Zeitschrift für Bankpolitik und Praxis Dodd–Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act vom 21. Juli 2010 (U.S.A.) Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts (ab 1893 Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts) Deutsches Steuerrecht Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst Disclosure and Transparency Rules der Financial Services Authority (Vereinigtes Königreich) Richtlinie 2007/16/EG der Kommission vom 19. März 2007 zur Durchführung der Richtlinie 85/611/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im Hinblick auf die Erläuterung gewisser Definitionen, ABl. EU vom 20.3.2007, Nr. L 79, S. 11 ff. Richtlinie 2003/125/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten, ABl. EU vom 24.12.2003, Nr. L 339, S. 73 ff. Die Verwaltung Das Deutsche Verwaltungsblatt Erwägung European Banking Authority Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung European Business Organization Law Review External Credit Assessment Institutions European Capital Markets Institute Economic Notes Econometrica – Journal of the Econometric Society Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über die Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EU vom 9.6.2006, Nr. L 157, S. 87 ff.

L EG-Bankenrichtlinie

Abkürzungen

Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (Neufassung), ABl. EU vom 30.6.2006, Nr. L 177, S. 1 ff., in Kraft bis zum 31. Dezember 2013 EG-Börsenrichtlinie Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EU vom 6.7.2001, Nr. L 184, S. 1 ff. EG-EBAV-Richtlinie Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, ABl. EU vom 23.9.2003, Nr. L 235, S. 10 ff. EG-Insiderrichtlinie Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13. November 1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABl. EG vom 18.11.1989, Nr. L 334, S. 30 ff. (mit Wirkung zum 12.4.2003 aufgehoben) EG-Kapitaladäquanzrichtlinie Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (Neufassung), ABl. EU vom 30.6.2006, Nr. L 177, S. 201 ff., in Kraft bis zum 31. Dezember 2013 EG-Marktmissbrauchsrichtlinie Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU vom 12.4.2003, Nr. L 96, S. 16 ff. EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGMR-E Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Deutschsprachige Sammlung EG-OGAW-Richtlinie Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (Neufassung), ABl. EU vom 17.11.2009, Nr. L 302, S. 32 ff. EG-Prospektrichtlinie Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU vom 31.12.2003, Nr. L 345, S. 64 ff. EG-ProspektVO Durchführungsverordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung, ABl. EU vom 30.4.2004, Nr. L 149, S. 1 ff. (zuletzt geändert durch Delegierte Verordnung (EU) Nr. 759/2013 der Kommission, ABl. EU vom 8.8.2013, Nr. L 213, S. 1 ff.) EG-RatingVO Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen, ABl. EU vom 17.11.2009, Nr. L 302, S. 1 ff. EG-Transparenzrichtlinie Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Trans-

Abkürzungen

EG-Übernahmerichtlinie

E.H.R.L.R. EHRR EIOPA EJCL ERV

ESMA ESMA-VO

ESZB-Satzung EU-AIFM-Richtlinie

EU-CRD IV

EU-CRR

EU-DurchführungsVO Nr. 583/2010

EuR Europ. J. Finance F.2d F.3d FamRZ Fin. Analysts J.

LI

parenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU vom 31.12.2004, Nr. L 390, S. 38 ff. Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. EU vom 30.4.2004, Nr. L 142, S. 12 ff. European Human Rights Law Review European Human Rights Report European Insurance and Occupational Pensions Authority Electronic Journal of Comparative Law Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung für Banken und Effektenhändler (Eigenmittelverordnung, ERV) vom 1. Juni 2012 (Stand am 1. März 2013) (Schweiz) Europäische Wertpapier-und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority) Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier-und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/ 2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. EU vom 15.12.2010, Nr. L 331, S. 84 ff. Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010, ABl. EU vom 1.7.2011, Nr. L 174, S. 1 ff. Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/ EG, ABl. EU vom 27.6.2013, Nr. L 176, S. 338 ff. Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012, ABl. EU vom 27.6.2013, Nr. L 176, S. 1 ff. Verordnung (EU) Nr. 583/2010 der Kommission vom 1. Juli 2010 zur Durchführung der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die wesentlichen Informationen für den Anleger und die Bedingungen, die einzuhalten sind, wenn die wesentlichen Informationen für den Anleger oder der Prospekt auf einem anderen dauerhaften Datenträger als Papier oder auf einer Website zur Verfügung gestellt werden, ABl. EU vom 10.7.2010, Nr. L 176, S. 1 ff. Europarecht European Journal of Finance Federal Reporter, 2d Series (U.S.A.) Federal Reporter, 3d Series (U.S.A.) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Financial Analysts Journal

LII Finance Devel. FinAnV

FINMA FINMAG

Fin. Manage. Fin. Markets, Inst. & Instruments Fin. Rev. Fin. Stab. Rev. FIRREA First Amend. L. Rev. Fla. St. U. L. Rev. Fn. Fordham Int’l L.J. Fordham J. Corp. & Fin. L. Fordham L. Rev. Fordham Urb. L.J. FR FRBNY C.I. FRBNY Econ. Pol. Rev. FRBNY Q. Rev. FS F.Supp. GAO Geo. L.J. Geo. Wash.L. Rev. GesKR GewO Governance GR-Charta GS Harv. Bus. L. Rev. Harv. J. L. & Pub. Pol’y Harv. L. Rev. Hastings Bus. L.J. HGB HKD HKIMR HK Lawyer HKLJ HKLRD HKMA Hong Kong Listing Rules Hrsg.

Abkürzungen Finance and Development Finanzanalyseverordnung – Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3522), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2007 (BGBl. I S. 1430) Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Schweiz) Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz) vom 22. Juni 2007, in Kraft seit dem 1. Januar 2009 (Schweiz) Financial Management Financial Markets, Institutions and Instruments The Financial Review Financial Stability Review (Belgische Nationalbank) Financial Institutions Reform, Recovery, and Enforcement Act of 1989 (U.S.A.) First Amendment Law Review Florida State University Law Review Fußnote Fordham International Law Journal Fordham Journal of Corporate and Financial Law Fordham Law Review Fordham Urban Law Journal Federal Register (U.S.A.) Federal Reserve Bank of New York, Current Issues in Economics and Finance Federal Reserve Bank of New York Economic Policy Review Federal Reserve Bank of New York Quarterly Review Festschrift Federal Supplement United States Government Accountability Office Georgetown Law Journal George Washington Law Review Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht (Schweiz) Gewerbeordnung Governance: An International Journal of Policy, Administration, and Institutions Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12. Dezember 2007 Gedächtnisschrift Harvard Business Law Review Harvard Journal of Law & Public Policy Harvard Law Review Hastings Business Law Journal Handelsgesetzbuch Hong Kong Dollar Hong Kong Institute for Monetary Research Hong Kong Lawyer Hong Kong Law Journal Hong Kong Law Reports & Digest Hong Kong Monetary Authority Rules governing the Listing of Securities on the Stock Exchange of Hong Kong Limited, zuletzt geändert am 1. Januar 2009 Herausgeber

Abkürzungen hrsgg. ILR Ind. L.J. Indus. Manage. Rev. InhKontrollV

Int. Adv. Econ. Res. Int. Economy Int’l Fin. L. Rev. Int. J. Finance Econ. Int. J. Ind. Organ. Int. Rev. L. & Econ. Int. Tax Rev. Inv. Lawyer InvG IOSCO IRZ J. Acc. Aud. & Fin. J. Acct. & Econ. JARAF J. Bank. Regul. J. Banking & Fin. Jb.J.ZivRWiss. J. Bus. J. Bus. Fin. & Acct. J. Bus. & Tech.L. J. Competition L. & Econ. J. Corp. L. J. Econ. Behav. Organ. J. Econ. & Bus. J. Econ. & Fin. J. Econ. Surveys J. Fin. J. Fin. Econ. J. Fin. & Quant. Analysis J. Fin. Res. J. Fin. Transf. J. Fixed Income J.I.B.L.R. J. Int’l Money & Fin. J. Int’l Sec. Markets J. L., Econ. & Organ. J. Law & Econ. J. Legal Stud. J. Monet. Econ. J. Money, Credit & Banking JOI J. Priv. Int. L. J. Pub. Policy J. Pub. Pol’y & Marketing J. Struct. Fin.

LIII

herausgegeben International Law Reports Indiana Law Journal Industrial Management Review Inhaberkontrollverordnung – Verordnung über die Anzeigen nach § 2c des Kreditwesengesetzes und § 104 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (InhKontrollV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. März 2009 International Advances in Economic Research International Economy International Financial Law Review International Journal of Finance and Economics International Journal of Industrial Organization International Review of Law and Economics International Tax Review Investment Lawyer Investmentgesetz vom 15. Dezember 2003, seit dem 22. Juli 2013 außer Kraft International Organization of Securities Commissions Zeitschrift für internationale Rechnungslegung Journal of Accounting, Auditing and Finance Journal of Accounting and Economics Journal of Applied Research in Accounting and Finance Journal of Banking Regulation Journal of Banking & Finance Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler Journal of Business Journal of Business Finance and Accounting Journal of Business and Technology Law Journal of Competition Law and Economics Journal of Corporation Law Journal of Economic Behavior and Organization Journal of Economics and Business Journal of Economics and Finance Journal of Economic Surveys Journal of Finance Journal of Financial Economics Journal of Financial and Quantitative Analysis Journal of Financial Research Journal of Financial Transformation Journal of Fixed Income Journal of International Banking Law and Regulation Journal of International Money and Finance Journal of International Securities Markets Journal of Law, Economics, & Organization Journal of Law and Economics Journal of Legal Studies Journal of Monetary Economics Journal of Money, Credit and Banking Journal of Investing Journal of Private International Law Journal of Public Policy Journal of Public Policy & Marketing Journal of Structured Finance

LIV Jusletter KAG

KAGB KG

KKV

KKV-FINMA

KMG

Konzern KoR KR K&R KStZ KuK LA Lawyer Law & Pol’y Int’l Bus. Lewis & Clark L. Rev. LiqV Listing Rules SEHK LPG MaRisk MBEA Proc. McGill L.J. Metr. Corp. C. MiFID

MiFID-Durchführungsrichtlinie 2006/73

Abkürzungen Jusletter (Schweiz) Bundesgesetz über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagengesetz – KAG) vom 23. Juni 2006, in Kraft seit dem 1. Januar 2007 (Schweiz) Kapitalanlagegesetzbuch vom 4. Juli 2013, in Kraft seit dem 22. Juli 2013 Bundesgesetz über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz – KG) vom 6. Oktober 1995 (Schweiz)/ Kammergericht (Deutschland) Verordnung über die kollektiven Kapitalanlagen (Kollektivanlagenverordnung – KKV) vom 22. November 2006, in Kraft seit dem 1. Januar 2007 (Schweiz) Verordnung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht über die kollektiven Kapitalanlagen vom 21. Dezember 2006, in Kraft seit dem 15. Februar 2007 (Schweiz) Bundesgesetz über das öffentliche Anbieten von Wertpapieren und anderen Kapitalveranlagungen und über die Aufhebung des Wertpapier-Emissionsgesetzes (Kapitalmarktgesetz – KMG) vom 6. Dezember 1991 mit nachfolgenden Änderungen (Österreich) Der Konzern Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung Kotierungsreglement der SIX Swiss Exchange in der Fassung vom 21. April 2010, in Kraft seit dem 1. Mai 2010 Kommunikation & Recht Kommunale Steuer-Zeitschrift Kredit und Kapital Los Angeles Lawyer Law and Policy in International Business Lewis & Clark Law Review Verordnung über die Liquidität der Institute (Liquiditätsverordnung – LiqV) vom 14. Dezember 2006 Rules Governing the Listing of Securities on the Stock Exchange of Hong Kong Limited, zuletzt geändert am 31. Dezember 2012 Landespressegesetz Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), Rundschreiben 15/2009(BA) der BaFin vom 14. August 2009 Proceedings of the Midwest Business Economics Association McGill Law Journal The Metropolitan Corporate Counsel Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/ EWG des Rates, ABl. EU vom 30.4.2004, Nr. L 145, S. 1 ff. Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl. EU vom 2.9.2006, Nr. L 241, S. 26 ff.

Abkürzungen Minn. J. Int’l L. Minn. L. Rev. Mio. Miss. L.J. MittRhNotK MJ MLR Mrd. NAIC NBER Macro Annual N.C. L. Rev. Notre Dame L. Rev. NVwZ Nw. U. L. Rev. NY L.J. N.Y. Times Mag. N.Y.U. J. L. & Bus. N.Y.U. J. Legis. & Pub. Pol’y NZG NZS NZZ ÖBA OCIE OGAW Okla. L. Rev. PaPKG PfandBG PFKapAV Psych. Rev. Publ. Man. Public Budg. Finance OGH Q. J. Bus. & Econ. QLR Q. Rev. Econ. & Bus. Q. Rev. Econ. & Fin. RatingVAG

RDV Rep. Rev. Banking & Fin. L. Rev. crit. dr. int. privé Rev. Econ. Stud. Rev. Financ. Stud. Rev. Gen. Psychol. Rom I-VO

LV

Minnesota Journal of International Law Minnesota Law Review Million(en) Mississippi Law Journal Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Maastricht Journal of European and Comparative Law Modern Law Review Milliarde(n) National Association of Insurance Commissioners (U.S.A.) National Bureau of Economic Research Macroeconomics Annual North Carolina Law Review Notre Dame Law Review Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Northwestern University Law Review New York Law Journal New York Times Magazine New York University Journal of Law and Business New York University Journal of Legislation and Public Policy Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Neue Zürcher Zeitung Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenwesen Office of Compliance Examinations and Inspections Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren Oklahoma Law Review Preisangaben- und Preisklauselgesetz Pfandbriefgesetz Pensionsfonds-Kapitalanlagenverordnung Psychological Review Public Management Public Budgeting and Finance Oberster Gerichtshof (Österreich) Quarterly Journal of Business and Economics Quinnipiac Law Review Quarterly Review of Economics and Business Quarterly Review of Economics and Finance Ausführungsgesetz zur Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung – RatingVAG) vom 14. Juni 2010, in Kraft seit dem 19. Juni 2010 Recht der Datenverarbeitung Reports of Judgments and Decisions of the European Court of Human Rights Review of Banking and Financial Law Revue critique de droit international privé Review of Economic Studies Review of Financial Studies Review of General Psychology Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht

LVI Rom II-VO

SA SAG San Diego L. Rev. sbr S.Ct. SEA SEC SEC Dock. Seton Hall Legis. J. SGb SIFMA SolvV

ST Stan. J. L. Bus. & Fin. Stan. L. Rev. StB St. John’s L. Rev. St. Mary’s L.J. Syracuse L. Rev. SZW SZW/RSDA Tex. Int’l L.J. Tex. L. Rev. Transnat’l L. & Contemp. Probs. Transnat’l Law. Tul. L. Rev. Tz. U.C. Davis Bus. L.J. U. Cin. L. Rev. U. Ill. L. Rev. U. Miami L. Rev. Unif. L. Rev. U. Pa. L. Rev. U. Pitt. L. Rev. Utah L. Rev. VAG

Va. J. Int’l L. Va. L. & Bus. Rev. Va. L. Rev. Val. U. L. Rev. VermVerkProspV

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Abkürzungen VersR Vill. L. Rev. VSWG Vt. L. Rev. VuR VVDStRL Wash. & Lee L. Rev. Wash. U. L.Q. wbl Wirtschaftsdienst Wis. Int’l L.J. WiSt Wm. & Mary Bus. L. Rev. WpDVerOV

WPg WpHG Yale J. on Reg. ZBJV ZBl ZErb ZEV ZfB zfbf ZG ZInsO ZKredW ZP ZR

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Erster Teil

Ratings als Marktinformationen

§ 1 Ratings als Untersuchungsgegenstand I. Einleitung Ratings, als Buchstabenkürzel ausgedrückte Bonitätsbeurteilungen, die durch eine kleine Gruppe international tätiger Rating-Agenturen erstellt und veröffentlicht werden, rufen an den Finanzmärkten wie auch in der allgemeinen Öffentlichkeit seit jeher starke Emotionen hervor. Man schreibt den Rating-Agenturen in farbenreichen Metaphern die Macht eines absoluten Herrschers zu und konstatiert, wir lebten deshalb „mit einem Stück Absolutismus in unserer Mitte“1, bezeichnet Ratings als „Schicksal“2 oder „Schreckgespenst“3 und spricht den Rating-Agenturen eine „nahezu biblische Autorität“4 zu, bei deren Bonitätsbeurteilungen es sich angesichts des Fehlens einer Berufungsmöglichkeit um „eine moderne Form des Gottesurteils“5 handele. Der U.S.-amerikanische Autor Thomas Friedman charakterisierte die Rating-Agenturen in einem viel zitierten Ausspruch wie folgt: „There are two superpowers in the world today in my opinion. There’s the United States, and there’s Moody’s Bond Rating Service. The United States can destroy you by dropping bombs, and Moody’s can destroy you by downgrading your bonds. And believe me, it’s not clear sometimes who’s more powerful.“6 Die erkennbare Emotionalität, die in den zitierten Stellungnahmen zum Ausdruck kommt, muss auf den ersten Blick überraschen, handelt es sich bei Ratings doch um eher technische Informationen, die sich an die Finanzmärkte und deren rationale Marktteilnehmer richten.7 Sie mag sich zum einen dadurch erklären, 1

Däubler, NJW 2003, 1096, 1097; ders., BB 2003, 429, 430. Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387, 388. 3 Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 93. 4 Goodman, Fin. Analysts J. (May/June 1968), 59, 60: „Through a series of circumstances, they have assumed almost Biblical authority throughout the American investing economy and have an enormous influence on banks, trustees, institutional investors, and individuals. The issuer, underwriter, and taxpaying public are also directly affected by the decisions reached by the small handful of men in each organization“ (Hervorhebungen im Original). 5 Mues, ZBB 1996, 252, 256; Strunz-Happe, WM 2004, 115; Wenzel, WM 1996, 1605, 1609. 6 Thomas L. Friedman, Interview in The Newshour with Jim Lehrer vom 13. Februar 1996; zitiert nach Gerke/Mager, BFuP 2005, 203; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 620; dems., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 66; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341; Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 35; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 192. Dazu die Einschätzung von Coffee, Gatekeepers, S. 283: „Friedman overstated only marginally“. 7 Sinclair, The New Masters of Capital, S. 179: „Despite its bean-counter image, bond rating is something that stirs great passions …“. Zum Rationalmodell und alternativen theoretischen Ansätzen innerhalb der Informationsökonomik siehe noch § 5 III. 2

§ 1 Ratings als Untersuchungsgegenstand

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dass eine Bonitätsbeurteilung nicht lediglich als Einstufung des wirtschaftlichen Kreditrisikos,8 sondern zugleich als allgemeines Werturteil über den betroffenen Schuldner empfunden wird.9 In dem veralteten Begriff des „Kredits“, mit dem lange Zeit auch Ruf und Ansehen einer Person bezeichnet wurden,10 kam dies noch sichtbar zum Ausdruck. Zum anderen dürfte eine Rolle spielen, dass fast alle Ratings, die heute öffentlich zugänglich publiziert werden, von denselben drei U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen – Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch – stammen11 und die Aufgabe der allgemeingültigen Beurteilung von Bonitätsfragen daher in wenigen Händen konzentriert zu sein scheint. Der Einfluss der Rating-Agenturen, ja ihre Macht12 wird daher im Ergebnis von niemandem bestritten. Vor dem beschriebenen Hintergrund erstaunt es, dass die Praxis des Ratings bis in jüngere Zeit kaum Gegenstand rechtswissenschaftlicher Abhandlungen gewesen ist,13 wirft sie doch zahlreiche interessante Rechtsfragen auf.14 Der Bedarf für eine rechtliche Durchdringung dieses Phänomens erschließt sich dabei schon aufgrund der Bedeutung der Rating-Agenturen und ihrer Ratings an den heutigen Finanzmärkten: Wenn Ratings 80% der gesamten Weltkapitalströme be-

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Siehe zu Bonität, Kreditrisiko und Kreditwürdigkeit noch näher § 2 I 1 a). So im Schweizer Schrifttum Wiegand/Geiger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 99, 103; im U.S.-amerikanischen Schriftum Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 629: „the concept of ,credit‘, broadly defined as the promise to pay in the future, includes notions of trust and credibility“. 10 Im deutschen Recht klingt dies sprachlich noch in § 824 Abs. 1 BGB an, der es für schadensersatzpflichtig erklärt, durch unwahre Tatsachenbehauptungen „den Kredit eines anderen zu gefährden“; ähnlich im Schweizer Recht § 9 Abs. 1 UWG. 11 Nach gängigen Zahlen werden 95% der weltweit verfügbaren Ratings durch diese drei Rating-Agenturen erstellt; vgl. statt vieler Europäische Kommission, Impact Assessment (2008), S. 9 f. Die verbleibenden 5% des globalen Marktes für Ratings werden durch ca. 150 kleinere, überwiegend lediglich national tätige oder auf einzelne Branchen spezialisierte Rating-Agenturen abgedeckt. Siehe zu den drei großen Rating-Agenturen die detaillierten Angaben bei Langohr/Langohr, Rating Agencies, S. 386 ff. 12 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 130; Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 490; ders., ZGR 2007, 603, 609; Claussen, in FS Hopt (2010), S. 1695, 1708; Däubler, BB 2003, 429, 431; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 133; Großfeld, NZG 2005, 1, 4; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 186: „immenses Machtpotential“; Krimphove/Kruse, ZKredW 2005, 413: „die mächtigsten Akteure im Finanzgeschäft“; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 128; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 640; Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 342; ders., 89 Cornell L. Rev. (2004), 394, 406; Meister, BFuP 2005, 258; Nagy, 94 Minn. L. Rev. (2009), 140, 141; Niedostadek, Rating, Rn. 2; Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65: „… credit ratings are enormously valuable and important. Rating agencies have great market influence …“; Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 2; Vetter, WM 2004, 1701, 1709; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1349. 13 So die kritischen Hinweise bei Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 133; Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387, 389; dems., NZG 2005, 1, 4; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 41: „Rechtsfragen des Ratings sind im deutschen Recht juristisches Neuland“; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 436; dems., RabelsZ 64 (2000), 517, 532. 14 Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387, 389; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 877; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 436. 9

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

einflussen15 und eine Ratingherabstufung auf betroffene Unternehmen wie ein wirtschaftlicher Atomschlag wirkt,16 wenn die Rating-Agenturen ganze Volkswirtschaften zu destabilisieren vermögen,17 aber gleichzeitig die „größte unkontrollierte Machtstruktur im Weltfinanzsystem“18 geblieben sind – in diesem Fall ist unverkennbar, dass es einer Ordnung und Kontrolle des Ratings durch das Recht bedarf. Der Ausbruch der globalen Finanzkrise 2007–09,19 die verbreitet auf Fehlentwicklung im Bereich des Ratings zurückgeführt wird,20 hat dies erneut deutlich werden lassen. Hinzu kommt, dass Ratings in jüngerer Zeit selbst vermehrt zum Bestandteil gesetzlicher und vertraglicher Rechtsregeln gemacht und den Rating-Agenturen auf diesem Wege Regulierungsaufgaben zugewiesen werden,21 welche die originäre Funktion des Ratings verändern und der rechtlichen Erfassung bedürfen. Der Untersuchung der damit umrissenen Themen – der Regulierung des Ratings einerseits und der Regulierung durch Ratings andererseits – ist die vorliegende Abhandlung gewidmet. In sprachlicher Hinsicht kann der Anglizismus „Rating“ (vom englischen to rate, für „schätzen, bewerten, beurteilen“) dabei sowohl den Beurteilungsvorgang und als auch das Beurteilungsergebnis (etwa das sprichwörtliche „AAA“) bezeichnen.22 Im Fortgang der Untersuchung wird er im einen wie im anderen Sinne verwandt. Deutschsprachige Begriffsäquivalente (wie dasjenige der Bonitätsbeurteilung23) haben dagegen weder im allgemeinen noch im wissenschaftlichen Sprachgebrauch eine vergleichbare Verbreitung erlangt.

15 Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 93. 16 Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 342; ders., 89 Cornell L. Rev. (2004), 394, 406: „a rating downgrade effectively functions like a corporate nuclear bomb“. 17 Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 2: „Rating agencies have the power to destabilize whole national economies, municipal governments, major corporations.“ 18 So ein Ausspruch des Präsidenten der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) Jochen Sanio aus dem Jahre 2003 (zitiert nach Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32; Theilacker, ZKredW 2005, 177). Zustimmend Strunz-Happe, BFuP 2005, 231, 232. 19 Vgl. noch näher § 3 III 2. 20 Vgl. nur Erwägungsgrund 10 zur EG-RatingVO: „Es wird allgemein die Auffassung vertreten, dass die Ratingagenturen einerseits die verschlechterte Marktlage nicht früh genug in ihren Ratings zum Ausdruck gebracht haben und dass es ihnen andererseits nicht gelungen ist, ihre Ratings rechtzeitig anzupassen, als sich die Krise auf dem Markt schon zugespitzt hatte“, sowie die weiteren Nachw. in § 3 III 2. 21 Zur Regulierungsfunktion des Ratings sogleich näher unter II 2. 22 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 435 Fn. 256; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 405. 23 Dieser wurde bis Ende 2013 in §§ 52 ff. SolvV a.F. benutzt.

§ 1 Ratings als Untersuchungsgegenstand

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II. Der Funktionswandel des Ratings: Von der privaten Marktinformation zum Bestandteil rechtlicher Regelungen Fragt man nach den Gründen des spürbaren Einflusses der Rating-Agenturen und ihrer Ratings, so muss im Ausgangspunkt festgehalten werden, dass den Rating-Agenturen keinerlei originäre Macht zukommt: Es handelt sich lediglich um private Gesellschaften, die Informationen publizieren, die von anderen wiederum wahrgenommen oder aber schlicht ignoriert werden können. „Macht“ kommt Rating-Agenturen mit anderen Worten nur dann zu, wenn sie ihnen und ihren Ratings durch Dritte verliehen wird.24 Eine entsprechende Zuweisung von Macht (oder, vorsichtiger formuliert, Einfluss) an die Rating-Agenturen erfolgt dabei zum einen durch den Markt und die Marktteilnehmer, zum anderen durch das Recht. Man kann daher zwischen zwei Funktionen des Ratings und der Rating-Agenturen unterscheiden,25 die im Folgenden als Marktinformationsfunktion26 und Regulierungsfunktion27 bezeichnet werden.

1. Die Marktinformationsfunktion des Ratings Die originäre Funktion des Ratings besteht in der Information des Marktes und seiner Marktteilnehmer, vor allem aktueller und potentieller Erwerber von Anleihen, über die Bonität des jeweiligen Schuldners und damit das Kreditrisiko, das sie bei Investitionen in dessen Anleihen eingehen. Ratings sind also private Marktinformationen, die von den Rating-Agenturen publiziert werden, die dafür wiederum von den Auftraggebern des Ratings und den Abonnenten von Ratingpublikationen eine Vergütung erhalten. Die so umrissene Marktinformationsfunktion kann dabei durch die Rating-Agenturen nur erfolgreich ausgeübt werden, wenn die Informationsadressaten – also die Marktöffentlichkeit – die publizierten Ratings als wertvolle Informationen ansehen, ihnen also einen Informationswert zubilligen.28 Es ist daher das Vertrauen der Ratingnutzer, aus dem der Einfluss der Rating-Agenturen an den internationalen Finanzmärkten erwächst.29 Ratings sind dabei natürlich nicht die einzigen Marktinformationen, die den Marktteilnehmern zur Verfügung stehen, sondern treten neben eine Fülle ande24

Eichel, BFuP 2005, 257. In diesem Sinne in der Rechtsprechung auch In re Fitch, 21.5.2003, 330 F.3d 104, 106 (2nd Cir. 2003); Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 165 (S.D.N.Y. 2009); im Schrifttum Brister/Kennedy/Liu, 21 J. Bus. Fin. & Acct. (1994), 511; Hill, 35 Conn. L. Rev. (2003), 1145, 1154. Eine andere Funktionskategorisierung findet sich etwa bei Stemper, Rahmenbedingungen, S. 74 ff. 26 Dazu sogleich unter 1. 27 Dazu unter 2. 28 Macey, 65 U. Chi. L. Rev. (1998), 1487: „Indeed, the only reason that rating agencies are able to charge fees at all is because the public has enough confidence in the integrity of these ratings to find them of value in evaluating the riskiness of investments.“ 29 Eichel, BFuP 2005, 257. 25

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

rer vorhandener Informationen, denen am Markt jedoch überwiegend keine vergleichbare Bedeutung zugesprochen wird.30 Dies wirft die Frage auf, worin sich die Ratings der Rating-Agenturen von den Informationen sonstiger Informationsintermediäre31 unterscheiden – eine Fragestellung, die sich auf Marktinformationen als tatsächliches Phänomen bezieht und daher nur unter Rückgriff auf empirische Befunde und Erkenntnisse der Informationsökonomik beantwortet werden kann.32 Vor allem tritt mit Ratings aber eine Form der privaten, freiwilligen Publizität neben die Offenlegung von Informationen, die durch die zahlreichen gesetzlichen Publizitätsregeln vorgeschrieben wird33 und einen Grundpfeiler des „Informationsmodells“ der modernen Kapitalmarktregulierung darstellt.34 Diese Koexistenz von privater und gesetzlicher Publizität ist dabei nicht neu; namentlich in den U.S.A. versorgen Rating-Agenturen den Anleihemarkt schon länger mit Bonitätsbeurteilungen, als es die Securities and Exchange Commission (SEC) gibt.35 Die Marktinformationsfunktion des Ratings rückt gleichwohl das allgemeine Verhältnis zwischen privater und gesetzlich geregelter Publizität in den Vordergrund,36 das in jüngerer Zeit noch dadurch verkompliziert wird, dass neuere gesetzliche Publizitätsanforderungen ihrerseits Ratings tatbestandlich einbinden oder sogar als Ersatz für andernfalls verlangte Offenlegungen genügen lassen.

2. Die Regulierungsfunktion des Ratings Im Gegensatz zur Marktinformationsfunktion ist die Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen und ihrer Ratings nicht originärer, sondern derivativer Natur: Sie wird den Rating-Agenturen von dritter Seite zugewiesen, indem staatliche und private Regelsetzer in rechtlichen Regelungen auf die Ratings der RatingAgenturen verweisen und diese damit zur Verfolgung des jeweiligen Regelungszwecks in Dienst nehmen. Auf diese Weise wird die Regulierungsfunktion als 30 Vgl. etwa zum Unterschied zwischen Rating-Agenturen und Abschlussprüfern Pixley, Emotions in Finance, S. 148: „Compared to accountancy firms, they [d.h. die Rating-Agenturen] are a source of fear.“ 31 Zur Funktion der Rating-Agentur als Informationsintermediär sowie zu sonstigen Informationsintermediären (wie etwa den in der vorstehenden Fußnote genannten Abschlussprüfern) siehe noch § 4. 32 Dazu § 5. 33 Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1086: „Arguably, bond ratings and public disclosure are alternative means to inform investors about the quality of debt.“ 34 Vgl. nur Merkt, Unternehmenspublizität, S. 224 ff. 35 Die ersten Ratings im heutigen Sinne wurden im Jahre 1909 veröffentlicht, und 1924 deckten die großen Rating-Agenturen bereits nahezu 100% des Anleihenmarktes der U.S.A. ab. Zur Einrichtung der SEC kam es dagegen erst im Jahre 1934, nachdem zuvor der Securities Act of 1933 und der Securities Exchange Act of 1934 erlassen worden waren. Vgl. zur Geschichte des Ratings noch § 3. 36 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 226 ordnet die freiwillige Publizität als „zumindest gleichberechtigte, wenn nicht gar logisch vorrangige weil originäre (‚natürliche‘) Erscheinungsform der Unternehmenspublizität“ ein.

§ 1 Ratings als Untersuchungsgegenstand

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zweite, zusätzliche Funktion des Ratings begründet,37 die sich an dessen Marktinformationsfunktion anschließt und durch die Rating-Agenturen bei Ratingerstellung gleichsam automatisch (und, so wird man anmerken müssen, ungefragt und ohne gesonderte Vergütung38) miterfüllt wird. Auch das Phänomen dieser „Regulierung durch Ratings“ ist nicht neu, sondern kommt im U.S.-amerikanischen Bankenrecht bereits seit dem Jahre 1936 vor.39 Sein Umfang und vor allem seine internationale Verbreitung haben in den letzten Jahrzehnten allerdings stark zugenommen40 und damit die Bedeutung der Regulierungsfunktion für die Rating-Agenturen wie für die Finanzmärkte in jüngerer Zeit beträchtlich erhöht. Dies zeigt sich etwa daran, dass ratingbasierte Rechtsvorschriften mittlerweile auch außerhalb der U.S.A. in den meisten Rechtsordnungen anzutreffen sind und namentlich durch den „Basel II“-Akkord aus dem Jahre 2005, der zahlreichen Staaten der Welt zum Vorbild für die Reform des Eigenmittelrechts der Banken diente,41 in den Rang eines internationalen Regulierungsstandards erhoben wurde.42 Die rechtliche Bezugnahme auf Ratings fügt sich dabei als Spielart der privaten Regelsetzung in eine allgemeine Entwicklung ein, die eine zunehmende Indienstnahme privater Akteure auch für Zwecke der staatlichen Regulierung mit sich gebracht hat43 und weiter mit sich bringen wird.44 Die zunehmende Regulierungsfunktion des Ratings, die von den RatingAgenturen selbst sehr kritisch betrachtet wird,45 wirft eine Reihe von Schwierigkeiten auf, deren Inhalt, Ausmaß und rechtliche Bewältigung bislang kaum untersucht wurde.46 Problematisch erscheint zum einen, dass durch die rechtliche 37 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 100; Brister/Kennedy/Liu, 21 J. Bus. Fin. & Acct. (1994), 511; Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 5; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 5. 38 Treffend Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 213: „the regulatory use of credit ratings is an example of free-riding: the regulators use ratings, and the CRAs’ analytical resources, without having paid for them, in order to satisfy their own needs.“ 39 Siehe näher § 3 II 1 und § 7 I 1 a). 40 Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 148; Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 298: „government reliance on ratings is swiftly expanding worldwide“. 41 Siehe zum Basel II-Akkord im Einzelnen noch § 6 III. 42 Becker, ZG 2009, 123, 132. 43 Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 3: „representative of a growing trend toward private ordering of traditionally public functions“. 44 Vgl. im deutschen Finanzmarktrecht etwa § 4 Abs. 3 FinDAG, der es der BaFin erlaubt, sich zur Erfüllung kapitalmarktrechtlicher Aufsichtsfunktionen privater Institutionen zu bedienen, zu denen auch Rating-Agenturen zählen (Höfling, Gutachten F zum 68. DJT (2010), S. F 41). 45 Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 105; Berblinger, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 21, 50; sowie der bekannte Ausspruch von Thomas J. McGuire, Executive Vice President von Moody’s, im Jahre 1995: „the weight of government regulators on private institutions can be enormous. Eight hundred pound gorillas should be careful where they sit“ (McGuire, Ratings in Regulation: A Petition to the Gorillas, zitiert nach Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 623 Fn. 15). 46 Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 37.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

Indienstnahme von Ratings die Rolle der Rating-Agenturen verändert wird,47 die nicht länger nur private Informationsintermediäre sind, sondern eine quasi-öffentliche Funktion wahrnehmen:48 Die Regulierung durch Ratings wirft damit die Frage nach einer Regulierung des Ratings49 auf und lässt zugleich erwarten, dass Rückwirkungen auf seine originäre Marktinformationsfunktion eintreten können.50 Eine starke Strömung in der Literatur ist insoweit bereits heute der Ansicht, dass der Einfluss der Rating-Agenturen allein aus seiner Regulierungsfunktion resultiert.51 Zum anderen ist bislang nicht geklärt, welche Auswirkungen rechtliche Bezugnahmen auf Ratings für das System der Finanzmarktregulierung und sein Funktionieren besitzen können – auch hier steht eine Untersuchung aus rechtswissenschaftlicher Sicht noch aus.52

III. Methode und Gang der Untersuchung Die beschriebene Lücke soll durch die vorliegende Untersuchung geschlossen werden, die dem Rating in seiner Marktinformations- und in seiner Regulierungsfunktion gewidmet ist.

1. Rechtsvergleichung als Methode und Spektrum der untersuchten Rechtsordnungen In methodischer Hinsicht verfolgt die Arbeit dabei zum einen – wie bereits angesprochen – einen interdisziplinären Untersuchungsansatz und greift auf empirische und theoretische Erkenntnisse der Ökonomie zurück, soweit dies zur Erklärung von Informationserstellungs-, -übermittlungs-, -aufnahme- und -verarbeitungsvorgängen im Rahmen rechtlicher Regelungszusammenhänge hilfreich ist. Zum anderen setzt die Untersuchung die Methode der Rechtsvergleichung ein, um die Ansätze unterschiedlicher Rechtsordnungen im Umgang mit Ratings fruchtbar zu machen.53 Die Rechtsvergleichung liegt dabei nicht zuletzt deshalb 47 Goodman, Fin. Analysts J. (May/June 1968), 59, 60; Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 78; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 5. 48 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 66; Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1918; Lupica, 28 Rev. Banking & Fin. L. (2008), 639, 653; Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1014. 49 Dazu der Dritte Teil der vorliegenden Untersuchung. 50 Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 22. Siehe dazu noch § 17 II 2. 51 Siehe zur sog. regulatory license theory noch näher in § 5 III 1 a) bb). 52 Vgl. in diesem Sinne aus jüngerer Zeit die Beschlüsse des 68. Deutschen Juristentages in Berlin 2010, Abteilung Öffentliches und Privates Wirtschaftsrecht, Beschluss Nr. 22: „Voraussetzungen und Konsequenzen normativer Inbezugnahmen von Ratings sind zu überdenken“. Aus der U.S.-amerikanischen Literatur etwa Dombalagian, 55 Buff. L. Rev. (2007), 1, 51: Ratings „present myriad unforeseen regulatory problems that could give regulators pause“. 53 Einen rechtsvergleichenden Untersuchungsansatz hat im Ratingkontext bislang vor allem Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481 ff. verwandt. Methodisch geht es hier wie dort um Mikrorechtsvergleichung (vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 1 II), die sich in der vorliegen-

§ 1 Ratings als Untersuchungsgegenstand

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nahe, weil es sich bei Ratings um international, ja weltweit gleichermaßen verständliche Informationen handelt, die daher typischerweise in verschiedenen Rechtsordnungen gleichzeitig rezipiert und in ihrer Marktinformations- wie auch Regulierungsfunktion verwandt werden:54 Ein globales Phänomen wie das Rating verlangt schon aus diesem Grund in besonderem Maße nach der Berücksichtigung von Erfahrungen aus unterschiedlichen Staaten. Hinzu kommt, dass die Finanzmärkte, an die sich Ratings als Informationen primär richten, ihrerseits zunehmend grenzüberschreitend verschmelzen55 und nationale Rechte daher einerseits in ihrer Regelungsmacht relativieren,56 andererseits aber jede Finanzmarkttransaktion der potentiellen Anwendbarkeit mehrerer Rechtsordnungen aussetzen.57 Auch insofern verspricht ein Rechtsvergleich verschiedener Regelungsansätze bei der Regulierung durch wie der Regulierung des Ratings Erkenntnisgewinn.58 Vor diesem Hintergrund behandelt die vorliegende Untersuchung vier Rechtsordnungen, die zum einen mit Blick auf die Abdeckung unterschiedlicher Regionen der Welt und zum anderen der gleichmäßigen Berücksichtigung der beiden großen Rechtsfamilien des Civil Law und des Common Law59 ausgewählt wurden:60 a) Deutschland Am deutschen Finanzmarkt wie im deutschen Recht haben Ratings erst vergleichsweise spät Bedeutung erlangt, später als in jeder der anderen hier untersuchten Rechtsordnungen. Dass Ratings in Deutschland noch in den 1980er Jahren als Besonderheit des U.S.-amerikanischen Kapitalmarkts galten61 und zu dieser Zeit nur einige Dutzend deutsche Unternehmen über ein Rating der großen U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen verfügten,62 lag allerdings vor allem daran, dass der deutsche Anleihemarkt überhaupt erst ab dem Jahr 1990 größere wirtschaftliche Bedeutung erlangte, nachdem das bis dahin geltende staatliche

den54Arbeit freilich nicht nur auf die rechtliche Lösung einzelner, sondern einer ganzen Reihe von Sachproblemen und Interessenskonflikten bezieht, die durch das faktische Phänomen des Ratings aufgeworfen und untereinander verbunden werden; siehe zu den fließenden Grenzen zwischen Mikro- und Makrovergleichung Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 31. 55 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 94; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 186; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 876. 55 Vgl. nur Philipps/Rechtschaffen, 21 Fordham Int’l L.J. (1998), 1754; Rudolf, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 1 Rn. 58. 56 Allgemein Nimmer, Information Law, Stand: 6/2003, § 1:6. 57 Rudolf, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 1 Rn. 16. 58 Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 5. 59 Zur letzteren groben Einordnung nur Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 18 I. 60 Vgl. zur Auswahl der zu vergleichenden Rechtsordnungen aus methodischer Sicht Constantinesco, Rechtsvergleichung II, S. 49 ff. 61 Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347. 62 Vgl. mit näheren Angaben Theilacker, ZKredW 2005, 177.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

Genehmigungserfordernis für Unternehmensanleihen63 weggefallen war.64 Die Rolle der Rating-Agenturen als Informationsintermediäre weitete sich danach schnell aus.65 Eine Regulierungsfunktion erlangten Ratings in Deutschland vor allem durch entsprechende Vorgaben der EG (und später der EU), deren Richtlinien das deutsche Kapitalmarktrecht seit jeher maßgeblich prägen.66 Heute finden sich regulatorische Bezugnahmen auf Ratings in unionsrechtlich präformierten wie auch autonom gestalteten Regelungen des deutschen Rechts.67 b) Schweiz Der Schweizer Finanzmarkt konnte dagegen bereits früher Erfahrungen mit Ratings sammeln,68 weil er traditionell einen hohen Anteil ausländischer Anleiheemittenten aufweist und diese ihre Bonität schon durch Ratings der international bekannten Rating-Agenturen nachzuweisen suchten, als Schweizer Emittenten noch allein auf ihren marktbekannten Namen vertrauen konnten. In der Schweiz fanden sich aus diesem Grund bereits ab Mitte der 1980er Jahre rechtliche Bezugnahmen auf Ratings, die sich in ihrem persönlichen Anwendungsbereich einstweilen allein an ausländische Anleiheschuldner richteten69 und im Wege der Selbstregulierung durch die Interessenvereinigung der schweizerischen Banken sowie die privatrechtlich verfassten Schweizer Börsen geschaffen wurden. Die hervorgehobene Rolle der Selbstregulierung zeichnet das Schweizer Finanzmarktrecht generell aus und macht es schon deshalb als weitere europäische, aber von der Rechtsharmonisierung innerhalb der EU nicht direkt betroffene Rechtsordnung zu einem lohnenden Untersuchungsgegenstand.70 Darüber hinaus weist die Schweiz im Ratingkontext noch eine weitere Besonderheit auf, weil neben den internationalen Rating-Agenturen, die in der Schweiz durchweg keine eigenen Niederlassungen unterhalten und insoweit von ausländischen Standorten aus tätig werden,71 auch die großen Schweizer Banken – vor allem UBS, Credit Suisse und Zürcher Kantonalbank – Ratings einheimischer Unternehmen wie auch staatlicher Emittenten und 63

§§ 795, 808a BGB a.F. Siehe dazu noch näher § 8 I. Für Anleihen des DM-Euroanleihemarkts wurden Ratings seit 1988 vergeben; Nöth, KuK 1995, 535, 539. 65 Zur historischen Entwicklung § 3 III. 66 Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 136; Merkt, in FS Hopt (2010), S. 2207, 2222; Weber, NJW 2006, 3685, 3686. 67 Eine Untersuchung des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht stellte im Jahre 2000 noch lapidar fest, dass Deutschland als einziges der zwölf Mitgliedsländer Ratings nicht für regulatorische Zwecke verwende (Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 41: „The exception is Germany“) – dies traf schon damals nicht zu und ist heute erst recht überholt. 68 Im Jahre 1990 verfügten bereits 68% der börslich oder außerbörslich in der Schweiz gehandelten Anleihen über ein Rating; Rohr, Emissionsrecht, S. 295. 69 Vgl. zu den diesbezüglichen Regelungen § 8 II 1 a) sowie § 9 II 2 a) aa). 70 Mittlerweile nehmen auch zahlreiche gesetzliche Normen des Schweizer Rechts auf Ratings Bezug. 71 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 56. Zu den (wenigen) kleinen Schweizer Rating-Agenturen vgl. Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 187 ff. 64

§ 1 Ratings als Untersuchungsgegenstand

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Emissionen erstellen und veröffentlichen, und zwar unabhängig davon, ob die betreffenden Emittenten zum eigenen Kundenkreis zählen.72 Dieses international ungewöhnliche Phänomen beweist, dass Ratings als Marktinformationen nicht zwingend durch spezialisierte Rating-Agenturen erstellt werden müssen, und ermöglicht Vergleiche zwischen Rating-Agenturen und diesen funktionsäquivalenten, aber parallel selbst als Marktteilnehmer auftretenden Informationsintermediären.73

c) U.S.A. Die Vereinigten Staaten von Amerika stellen für jede rechtsvergleichende Untersuchung von Ratings in gewisser Weise die „Leitrechtsordnung“ dar, weil Ratings in den U.S.A. in ihrer Marktinformations- wie auch Regulierungsfunktion auf die längste Geschichte zurückblicken und bis heute die breiteste Verwendung finden. Dass das U.S.-amerikanische Recht auch darüber hinaus aus vielerlei Gründen eine erhebliche Ausstrahlungswirkung auf andere Rechtsordnungen ausübt, ist häufig aufgezeigt worden74 und braucht hier nicht wiederholt zu werden. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung ist schließlich auf den Umstand hinzuweisen, dass die drei großen, den globalen Ratingmarkt dominierenden75 Rating-Agenturen Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch sämtlich ihren Gesellschaftssitz und ihre Hauptverwaltung in New York unterhalten,76 weshalb dem U.S.-amerikanischen Recht (einschließlich des Rechts des U.S.-Gliedstaates New York) auch als Heimatrecht der wesentlichen Ratinganbieter eine herausgehobene Bedeutung zukommt.77 d) Hongkong Mit dem Recht Hongkongs wird schließlich das Recht eines der wichtigsten Finanzplätze Asiens78 in die Untersuchung einbezogen. Hongkong ist seit dem 72 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 56; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 139. 73 Es überrascht vor diesem Hintergrund nicht, dass die ratingerstellenden Banken nach Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 139 am Markt als weniger unabhängig als die Rating-Agenturen eingestuft werden. 74 Vgl. nur Merkt, ZHR 171 (2007), 490 ff.; spezifisch zum Kapitalmarktrecht Otto, WM 2010, 2013. 75 Siehe dazu noch § 20. 76 Eine gewisse Ausnahme gilt allerdings für die Rating-Agentur Fitch, die unter dem Dach einer Holding (Fitch Group) parallel zwei operativ tätige Gesellschaften betreibt (die in New York registrierte Fitch Inc. und die in London registrierte Fitch Ltd) und auch faktisch Hauptverwaltungen sowohl in New York als auch in London unterhält; sie beschreibt sich daher selbst als „dualheadquartered“. 77 Deipenbrock, WM 2005, 261, 262; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 437; Möschel, ZRP 2009, 129, 132. Zu den kollisionsrechtlichen Auswirkungen siehe § 26 III. 78 Kwan/Stott, Stand: Release 1 (Oct. 2007), Rn. 12.001; Lee, 16 Wis. Int’l L.J. (1997–98), 687, 710. Der Erhaltung der internationalen Bedeutung des Finanzplatzes wird in Hongkong durch Art. 109 Basic Law sogar Verfassungsrang eingeräumt: „The Government of the Hong Kong Special Administrative Region shall provide an appropriate economic and legal environment for the maintenance of the status of Hong Kong as an international financial centre.“

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

1. Juli 1997 als Sonderverwaltungsregion Teil der Volksrepublik China, nachdem es bis dahin 142 Jahre lang britische Kronkolonie gewesen war. Innerhalb Chinas verfügt es seitdem über ein autonomes Rechtssystem, das weiterhin aus dem bis zum Souveränitätswechsel (dem sog. handover) geltenden englischen Common Law und den Gesetzen der Hongkonger Legislative besteht;79 das Hongkonger Recht stellt sich aus kollisionsrechtlicher Sicht also als eigenständige Teilrechtsordnung80 innerhalb der Volksrepublik China dar. Die Folge ist, dass das Finanzmarkt- wie auch Vertragsrecht Hongkongs bis heute im Wesentlichen dem englischen Recht folgt, und zwar einschließlich der Rechtsprechung englischer Gerichte, der zwar seit dem handover nicht länger bindende Wirkung, aber doch weiterhin interpretatives Gewicht zukommt.81 Der Hongkonger Finanzmarkt war dabei lange Zeit kaum reguliert, sondern durch eine geradezu sprichwörtliche Freiheit der Marktteilnehmer (einschließlich des Bankenwesens) gekennzeichnet.82 Dies wurde erst in den letzten Jahrzehnten zugunsten einer strikteren staatlichen Gesetzgebung geändert,83 obgleich der Selbstregulierung der Marktteilnehmer weiterhin – insofern vergleichbar der Situation in der Schweiz – ein hoher Stellenwert eingeräumt wird.84 Der Regulierung mittels Ratingbezugnahmen kommt dabei in Hongkong eine beträchtliche Bedeutung zu, was sich auch durch den ausgesprochen hohen Anteil ausländischer Emittenten am Hongkonger Anleihemarkt85 und das daraus resultierende Bedürfnis nach international verständlichen Bonitätsinformationen erklären mag. Die drei großen internationalen Rating-Agenturen sind in Hongkong jedenfalls durchgehend mit eigenen Niederlassungen präsent.86 Die Bedeutung Hongkongs als Standort für das Ratinggeschäft wurde in jüngerer Zeit dadurch bestätigt, dass hier im Jahre 2013 die Universal Credit Rating Group (UCRG) als 79 Art. 8 Basic Law: „The laws previously in force in Hong Kong, that is, the common law, rules of equity, ordinances, subordinate legislation and customary law shall be maintained, except for any that contravene this Law, and subject to any amendment by the legislature of the Hong Kong Special Administrative Region.“ 80 Vgl. etwa Art. 22 Abs. 1 Rom I-VO. 81 Norton/Arner, Hong Kong SAR: Financial Regulation, S. 255, 259. 82 Zur Rechtslage in den 1960er Jahren plastisch Emery, Financial Institutions of Southeast Asia, S. 117: „even barber shops in Hong Kong were more closely regulated than banks“; zu den 1980er Jahren Gunningham, 15 Law & Soc. Inquiry (1990), 1, 31: „the market was ,free‘ in the sense that there were no rules at all“. 83 Norton/Arner, Hong Kong SAR: Financial Regulation, S. 255, 262. 84 Norton/Arner, Hong Kong SAR: Financial Regulation, S. 255, 256; Skully, Financial Institutions and Markets in Hong Kong, S. 28, 39. 85 Gemessen am Marktwert sind 83–93% der am Hongkonger Markt gehandelten Emissionen solche ausländischer Emittenten (an der New Yorker Börse NYSE hingegen nur 3%); vgl. Chen/ Poon, in: Vandenbrink/Hew, Capital Markets in Asia, S. 5. Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 1.20 beschreiben den Hongkonger Anleihemarkt als „both highly sophisticated and materially underused“; ähnlich Donald, Hong Kong Stock and Futures Exchanges, Rn. 2.027. 86 Securities and Futures Commission, Consultation Paper (19 July 2010), Tz. 2; Arner/Chau/ Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 372; Park/Rhee, in: BIS, Asian bond markets, S. 202, 215 (mit Zahlen).

§ 1 Ratings als Untersuchungsgegenstand

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neue internationale Rating-Agentur gegründet wurde, die – als Joint Venture bestehender Rating-Agenturen aus China, Russland und den U.S.A.87 – ab 2020/25 von Hongkong aus Ratings an den globalen Finanzmärkten anbieten will.

2. Gang der Untersuchung Die folgende Untersuchung gliedert sich in drei Teile, unter denen der Erste Teil (§§ 1–5) die Charakteristika von Ratings als Marktinformationen sowie ihre Wirkung an den Finanzmärkten behandelt. Der Zweite Teil (§§ 6–18) untersucht rechtsvergleichend die Regulierung durch Ratings in den oben genannten Rechtsordnungen und die Folgen, die sich daraus für das geltende Recht der Marktpublizität ableiten lassen. Der Dritte Teil (§§ 19–31) erörtert schließlich die Regulierung des internationalen Ratingwesens als Reaktion auf die Risiken, die sich aus dem Einfluss und aus der systemischen Bedeutung der Rating-Agenturen für einzelne Marktteilnehmer sowie für die Stabilität der Finanzmärkte insgesamt ergeben.

87 Gründungsgesellschafter der UCRG sind die chinesische Rating-Agentur Dagong Global Credit Rating, die (kleine) U.S.-amerikanische Rating-Agentur Egan-Jones und die russische Rating-Agentur RusRating.

Erster Abschnitt: Grundlagen

§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte: Charakteristika und Abgrenzung Trotz seiner Bedeutung als Phänomen war der Begriff des „Ratings“ bis in jüngste Zeit gesetzlich nicht definiert. Im Jahr 2009 wurde sodann fast zeitgleich sowohl im U.S.-amerikanischen Recht als auch im europäischen Gemeinschaftsrecht erstmals eine Legaldefinition geschaffen, die ein „Rating“ knapp als „assessment of the creditworthiness of an obligor as an entity or with respect to specific securities or money market instruments“1 oder – umständlicher, aber in der Sache gleichbedeutend – als „Bonitätsurteil in Bezug auf ein Unternehmen, einen Schuldtitel oder eine finanzielle Verbindlichkeit, eine Schuldverschreibung, eine Vorzugsaktie oder ein anderes Finanzinstrument oder den Emittenten derartiger Schuldtitel, finanzieller Verbindlichkeiten, Schuldverschreibungen, Vorzugsaktien oder anderer Finanzinstrumente, das anhand eines festgelegten und definierten Einstufungsverfahrens für Ratingkategorien abgegeben wird“2 umschreibt. Eine ganz ähnliche Begriffsdefinition findet sich seit 2011 auch im Hongkonger Recht.3 Diese Definitionen entsprechen im Kern dem Ratingbegriff, der in der internationalen Diskussion schon zuvor anerkannt war.4 Wie im Fortgang der Untersuchung deutlich werden wird, macht der Begriff des „Ratings“ allein jedoch anscheinend nur unzureichend deutlich, was mit einem Rating genau gemeint und was, vor allem, ein Rating nicht ist; sowohl unter Marktteilnehmern und Wissenschaftlern als auch nationalen Gesetzgebern und Aufsichtsbehörden sind jedenfalls eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffsverständnisse und -missverständnisse nachweisbar.5 Da das Rating ursprünglich nicht als rechtliche Kategorie, sondern als tatsächliches Phänomen entstand, empfiehlt es sich daher, seine Charakteristika vorab im Wege ihrer Abgrenzung von verwandten Erscheinungen zu entwickeln.

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So § 3(a)(60) Securities Exchange Act of 1934 zum Begriff des „credit rating“. So Art. 3 Abs. 1 lit. a EG-RatingVO. 3 Siehe Schedule 1 zur Securities and Futures Ordinance (Cap. 571) zum Begriff „credit ratings“: „opinions, expressed using a defined ranking system, primarily regarding the creditworthiness of (a) a person other than an individual; (b) debt securities; (c) preferred securities; or (d) an agreement to provide credit“. 4 Deipenbrock, WM 2007, 2217, 2219. 5 Vgl. dazu vor allem § 17 III. 2

§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte

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I. Das Rating als Bonitätsbeurteilung Im deutschen Sprachgebrauch kann der Anglizismus „Rating“, wie bereits erwähnt,6 sowohl als Beschreibung eines Beurteilungsvorgangs als auch eines Beurteilungsergebnisses verwandt werden. Stellt man auf letzteren Begriffssinn ab, so bedarf zuvörderst der Klärung, was durch ein Rating beurteilt wird und wozu Ratings keine Aussage treffen.

1. Die Bonität als alleiniger Aussagegegenstand eines Ratings a) Bonität, Kreditrisiko und Kreditwürdigkeit Ratings im hier verwandten Wortsinn beurteilen die Bonität einer Person oder eines Wertpapiers7 und sind damit Einschätzungen der Wahrscheinlichkeit der versprechensgemäßen (d.h. vollständigen wie termingetreuen) Erfüllung von Zinsund Tilgungsverpflichtungen.8 Gleichbedeutend spricht man von einer Beurteilung der Kreditwürdigkeit9 oder, in mittlerweile veraltetem Sprachgebrauch, des „Kredits“ eines Schuldners;10 ein Bezug, der in der englischen Sprache noch ungleich präsenter ist, weil dort üblicherweise nicht allein von ratings (also Bewertungen oder Einstufungen irgendwelcher Art), sondern präziser von credit ratings die Rede ist.11 Aus der Perspektive eines Gläubigers oder potentiellen Gläubigers (Investors) betrachtet, beurteilt ein Rating das Kreditrisiko12 oder Ausfallrisiko,13 das mit einer Kapitalüberlassung verbunden ist, also die Wahrscheinlichkeit, dass die Zins- und Rückzahlung nicht wie versprochen erfolgen wird.14 Manche Rating-Agenturen lassen zudem in ihr Bonitätsurteil einfließen, wie hoch die Ausfallquote in letzterem Fall voraussichtlich sein würde, während andere insoweit nicht differenzieren15 – der Aussagegehalt der Ratings unterschiedlicher Agenturen ist insofern also nicht einheitlich. 6

Siehe schon § 1 I. Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387; Leuering, Praxisprobleme der Ad-hoc-Mitteilungspflicht, S. 171, 185; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 622; Vetter, WM 2004, 1701. 8 Merkt, RabelsZ 64 (2000), 517, 531; Presber, in: Derleder/Knops/Bamberger, 1. Aufl., § 30 Rn. 13; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 193. 9 Engert, GmbHR 2007, 337, 339; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 472 f.; Luttermann/ Wicher, ZIP 2005, 1529, 1532; Volk, ZBB 2005, 273, 274. 10 So etwa der seit 1896 unveränderte Wortlaut des § 824 Abs. 1 BGB, wo mit dem „Kredit eines anderen“ ebenfalls dessen Bonität gemeint ist; vgl. OLG Frankfurt a.M., 6.11.1988, NJW-RR 1988, 562, 564; Palandt/Sprau, § 824 Rn. 8; sowie unten § 28 I 1. 11 Vgl. in diesem Sinne auch die oben im Text wiedergegebene Legaldefinition in § 3(a)(60) Securities Exchange Act of 1934. 12 Aus bankbetriebswirtschaftlicher Sicht Norden/Weber, Bewertung von Ratingsystemen durch Markt und Staat, S. 31, 33. 13 Arendts, WM 1993, 229, 230. 14 Blaurock, ZGR 2007, 603 f.; Presber, in: Derleder/Knops/Bamberger, 1. Aufl., § 30 Rn. 13; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 302; Scholz, BFuP 2005, 259; Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 6. 15 Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43. 7

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

b) Risiken jenseits des Aussagegehalts des Ratings Neben dem Kreditrisiko sind Investitionen am Finanzmarkt potentiell noch einer Fülle weiterer Risiken ausgesetzt, wie etwa Liquiditätsrisiken, Marktrisiken, Volatilitätsrisiken und Währungsrisiken. Ein Rating trifft zu keinem dieser sonstigen Risiken irgendeine Aussage,16 und zwar weder unmittelbar noch mittelbar. Diese Begrenzung des sachlichen Aussagegehalts eines Ratings ergibt sich im Grunde bereits aus seiner Eigenschaft als Bonitätsbeurteilung; die Rating-Agenturen weisen darauf zudem in ihren Publikationen durchgehend deutlich hin.17 Es überrascht daher, dass nicht selten – unzutreffend – davon ausgegangen zu werden scheint, das Rating einer Rating-Agentur bilde alle Risiken eines Investitionsobjektes umfassend ab18 und signalisiere daher bei einer hohen Ratingeinstufung, namentlich dem sprichwörtlichen Triple-A („AAA“), die vollständige Risikofreiheit einer Investition. Dieses evidente Missverständnis dürfte einer der zentralen Gründe für das zu beobachtende (und viel kritisierte) Phänomen sein, dass Marktteilnehmer sich bei Investitionsentscheidungen übermäßig oder gar ausschließlich auf Ratings stützen und es unterlassen, eine eigene Risikobewertung vorzunehmen. Wie noch im Einzelnen zu zeigen sein wird,19 ist dasselbe Missverständnis aber auch bei staatlichen Regelsetzern anzutreffen,20 die Ratings in ihren Rechtsvorschriften als Indikator für Risiken einsetzen, zu denen ein Rating schlicht nichts aussagt – eine regulatorische Fehlentwicklung, die ihrerseits zum Entstehen systemischer Risiken beitragen kann. c) Das verbreitete Missverständnis des Ratings als „allgemeines Gütesiegel“ Eng verwandt mit dem soeben umschriebenen Missverständnis ist eine weitere Fehlvorstellung, nämlich die des Ratings als „allgemeines Gütesiegel“21 zugunsten des beurteilten Unternehmens bzw. Wertpapiers. Sie entfernt sich noch weiter vom begrenzten Aussagegehalt eines Ratings, indem sie in ihm eine allgemeine, über eine bloße Risikoeinschätzung hinausgehende Bewertung des

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Scholz, BFuP 2005, 259. Vgl. etwa den standardisierten abschließenden Hinweis jeder Publikation der Rating-Agentur Moody’s, der stets den Satz enthält: „Ratings treffen keinerlei Aussage über andere Risiken, wie z.B. Liquiditätsrisiken, Marktwertrisiken oder Kursvolatilität.“ 18 Zu weit oder jedenfalls zu undifferenziert etwa Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 547: Rating als „assessment of the relative risk of an obligation“; Sullivan, 94 Minn. L. Rev. (2010), 2136, 2139: „… their highest rating, indicating a very low risk of default and corresponding loss of value“. 19 Siehe § 17 III 2. 20 Vgl. etwa die oben (vor I.) zitierte Legaldefinition von „credit ratings“ des Hongkonger Aufsichtsrechts (Schedule 1 zur Securities and Futures Ordinance), in der von „opinions […] primarily regarding the creditworthiness“ (meine Hervorhebung) die Rede ist. 21 In diesem Sinne etwa Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 52; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 286; Schröder, ZBB 2010, 280, 285: „TÜV-Gütesiegel der Finanzmärkte“; Strier, 113 Bus. & Soc. Rev. (2008), 533, 535: „Their ultimate stamp of approval, an AAA rating, is the closest thing bond investors can get to a fool-proof guaranty.“ 17

§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte

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Ratinggegenstandes erkennen will, welche die „Qualität“22 oder den „tatsächlichen Wert“ eines Wertpapiers ausdrückt.23 Tatsächlich sind Ratings jedoch keine Urteile über die „Güte“ eines Unternehmens24 oder den Wert eines Finanzinstruments,25 wie der europäische Gesetzgeber nunmehr sogar ausdrücklich klargestellt hat.26 Auch die Corporate Governance eines Unternehmens ist nicht Gegenstand eines (Bonitäts-)Ratings, obwohl die Güte der Unternehmensführung die Kreditwürdigkeit beeinflussen und daher als Gesichtspunkt in Ratingeinstufung einfließen kann; unterscheidbar wird sie jedoch nur durch sog. „Corporate Governance-Ratings“ bewertet,27 die von Ratings im hier behandelten Sinne streng zu trennen sind. Da es lediglich eine Einschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit darstellt, trifft ein Rating schließlich keine Aussage zur Rendite eines Finanzinstruments28 oder der Angemessenheit seines Marktpreises (regelmäßig also seines Kurses), weil beide außer durch die Bonität noch durch andere Faktoren (wie namentlich die Verzinsungshöhe) beeinflusst werden. d) Mangelnder Empfehlungscharakter von Ratings Als bloße Bonitätsbeurteilung fehlt einem Rating zudem jeder Empfehlungscharakter, weshalb es unstreitig keine Empfehlung zum Kaufen, Halten oder Verkaufen des beurteilten Wertpapiers darstellt. Dieser Umstand, den die RatingAgenturen seit jeher in ihren Ratingpublikationen betont haben,29 ist im deutschen,30 schweizerischen31 und U.S.-amerikanischen Schrifttum32 einheitlich an22 So etwa Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 2, die Ratings als „Qualitätseinschätzung aller am Markt befindlichen Wertpapiere“ beschreiben. 23 Unzutreffend (oder zumindest ungenau) daher etwa Plumbers’ Union Local No. 12 Pension Fund v. Nomura Asset Acceptance Corp., 20.1.2011, 632 F.3d 762, 775 (1st Cir. 2011): „The ratings are opinions purportedly expressing the agencies’ professional judgment about the value and prospects of the certificates“ (Hervorhebung im Original). 24 Zutreffend Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 53. 25 Zutreffend Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 622; a.A. Sullivan, 94 Minn. L. Rev. (2010), 2136, 2139. 26 Art. 3 Abs. 2 lit. c EG-RatingVO. 27 Vgl. zu diesen Marsch-Barner, in: ders./Schäfer, Hdb. börsennotierte AG, § 2 Rn. 40; Prigge/ Offen, ZBB 2007, 89 ff. 28 Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 548; a.A. wohl Merkt, RabelsZ 64 (2000), 517, 531 f. 29 Vgl. den Standardhinweis der Rating-Agentur Moody’s: „Bei Ratings handelt es sich weder um finanzielle noch Anlageratschläge, noch um Empfehlungen, bestimmte Wertpapiere zu kaufen, zu verkaufen oder zu halten. Ratings treffen keinerlei Aussage über die Eignung einer Kapitalanlage für bestimmte Investoren.“ 30 Blaurock, ZGR 2007, 603, 604; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 44; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 200; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 287: „auf keinen Fall“; Vetter, WM 2004, 1701, 1702: „nicht im strengen Sinne“. 31 Lombardini, Droit bancaire suisse, Kap. XXIV Rn. 73; Rohr, Emissionsrecht, S. 236; Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 3 Rn. 27. 32 Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 42; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 202; Pixley, Emotions in Finance, S. 149; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 341. Im kanadischen Schrifttum ebenso Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 622.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

erkannt und wurde auch in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung bestätigt;33 die EG-RatingVO enthält nunmehr zudem eine ausdrückliche legislative Klarstellung in dieser Hinsicht.34 Dass Ratings nichts zur Eignung einer Kapitalanlage für bestimmte Investoren sagen können, ergibt sich dabei schon daraus, dass es sich um standardisierte Aussagen handelt, die auf die Präferenzen eines einzelnen Investors gar nicht abstellen können.35 Es ist ihnen aber nach Wortlaut und Zweck auch der Charakter einer nicht-individualisierten Anlageempfehlung fremd, weil eine Einschätzung der wirtschaftlichen Eignung eines Investitionsobjektes die Bewertung weiterer Faktoren jenseits der Bonität erfordern würde, mit der Rating-Agenturen nicht befasst sind:36 Eine mit „AAA“ geratete Anleihe kann sich schließlich als schlechte Investition darstellen, wenn sie mit 110% ihres Nennwerts notiert, während eine Anleihe mit „BBB“-Rating bei einem entsprechend niedrigen Kurs eine exzellente Anlage sein kann.37 Die Ratings der RatingAgenturen unterscheiden sich darin von den Anlageempfehlungen der Finanzanalysten,38 die gelegentlich ebenfalls als „Ratings“ bezeichnet werden.39 Dabei ist unverkennbar, dass Ratings innerhalb des Entscheidungsprozesses vieler Investoren eine wichtige Rolle spielen, weil das Kreditrisiko generell einen zentralen Faktor bei der Anlageauswahl darstellt und bestimmte (institutionelle) Investoren infolge rechtlicher Anlagevorschriften sogar gezwungen sind, nur Fremdkapitaltitel mit einem bestimmten Mindestrating zu erwerben.40 Wenn aus diesem Grund gelegentlich festgestellt wird, dass Ratings de facto wie eine Anlageempfehlung wirken,41 so darf nicht übersehen werden, dass diese Wirkung aus dem Umgang der Adressaten mit der Bonitätsinformation herrührt und nicht bedeutet, dass den Ratings ein solcher Aussagegehalt innewohnt – eine Differenzierung, der für die Anwendbarkeit mancher Finanzmarktregelungen entscheidende Bedeutung zukommt.42

33 First Equity Corp. of Florida v. Standard & Poor’s, 28.9.1987, 670 F.Supp. 115, 116 (S.D.N.Y. 1987): „The publication [Standard & Poor’s Corporation Records] does not, however, include any investment recommendations by the publisher, nor does it endorse any of the securities it lists“; Commercial Financial Services v. Arthur Andersen, 6.4.2004, 94 P.3d 106, 111 (Okla.Civ.App. Div. 4 2004). 34 Art. 3 Abs. 2 lit. b EG-RatingVO. 35 Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 158. 36 Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 299; ders., 8 Duke J. Comp. & Int’l L. (1998), 235, 253. 37 Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 549; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 622. 38 Pixley, Emotions in Finance, S. 149. 39 So zur Schweizer Finanzmarktpraxis Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 3 Rn. 27; zu den U.S.A. Jennings, 32 St. Mary’s L.J. (2001), 543, 609. 40 Siehe zu dieser „Regulierungsfunktion“ des Ratings zunächst § 1 II sowie ausführlich den Zweiten Teil dieser Untersuchung. 41 Niedostadek, Rating, Rn. 219; Schön/Cortez, IRZ 2009, 11, 17; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 196; Vetter, WM 2004, 1701, 1702. 42 Siehe namentlich zur Anwendung der aufsichtsrechtlichen Regelungen über Finanzanalysten auf Rating-Agenturen noch § 24 III.

§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte

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2. Das Rating als subjektive Meinung der Rating-Agentur mit Prognosecharakter Da eine Bonitätsbeurteilung sich nach dem Gesagten auf die Wahrscheinlichkeit der künftigen Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen durch den Emittenten bezieht, handelt es sich dabei stets um eine Prognose.43 Ratings beziehen sich mit ihrer Aussage also nicht auf die Gegenwart, sondern auf die Zukunft,44 und unterscheiden sich darin von Sachverständigengutachten, Warentests, anwaltlichen Rechtsgutachten und Jahresabschlusstestaten, mit denen sie häufig (aber insoweit unzutreffend) gleichgesetzt45 werden. Durch ihre Ratings bestätigt eine RatingAgentur also nicht etwa, dass das geratete Unternehmen mit einer bestimmten Sicherheit nicht ausfallen wird, sondern drückt ihre subjektive Einschätzung der Wahrscheinlichkeit aus, mit der eine künftige Rückzahlung empfangener Gelder erfolgen wird. Darüber hinaus ist eine solche Prognose eine Meinung der Rating-Agentur.46 Legt man das im Rechtsvergleich weitgehend konsentierte Abgrenzungskriterium zugrunde, dem zufolge eine Tatsache sich dadurch auszeichnet, dass sie einem Beweis zugänglich ist,47 so ist eine Ratingeinstufung keine Tatsache,48 son-

43 KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433 („Scope-Fondsrating“): „prognostische Einschätzung“; Bauer, Regulierung der Rating-Agenturen, S. 40; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 45; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 200; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 286; Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 184; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 881; Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1691: „inherently forward-looking“; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 128; Niedostadek, Rating, Rn. 218; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1022; Peters, Haftung und Regulierung, S. 53; Scholz, BFuP 2005, 276, der Ratings mit Wettervorhersagen vergleicht; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 32; Veil/Veil/Teigelack, § 21 Rn. 14: „prognostischer Charakter“. 44 Eine punktuelle Ausnahme gilt für Ratings in der untersten Ratingkategorie („C“ auf der Moody’s-Skala und „SD“/„D“ auf der Fitch-Skala – siehe dazu noch im Text unter II.), weil diese Einstufungen einen bereits eingetretenen Zahlungsausfall signalisieren sollen. 45 So Möschel, ZRP 2009, 129, 132 zu Ratings und Testaten. 46 Abel, RDV 2006, 108; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1850; Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 548; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 2; García Alcubilla/Ruiz del Pozo, Credit Rating Agencies, S. 58; Hitselberger/Lynch, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2009 Supplement, § 7.01; Hunt, 60 S. C. L. Rev. (2009), 749, 763; Moloney, EC Securities Regulation, S. 688; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341; Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 219; Rohr, Emissionsrecht, S. 236; Schaller, Finanzanalysten-Recht, § 3 Rn. 27; Scholz, BFuP 2005, 276; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 193; St. Charles, 19 Minn. J. Int’l L. (2010), 399, 400; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137; von Schweinitz, WM 2008, 953; Wittig, in GS Bosch (2006), S. 293, 294. 47 So zur EMRK EGMR, 8.7.1986 – Lingens ./. Österreich, EuGRZ 1986, 424 Tz. 46; zum deutschen Recht BGH, 24.1.2006, BGHZ 166, 84 Tz. 63 („Kirch ./. Deutsche Bank AG und Breuer“); zum Schweizer Recht BGer, 30.8.1988, BGE 114 II, 385, 387; BGer, 24.1.1992, BGE 118 IV, 41, 44; zum U.S.-amerikanischen Recht Milkovich v. Lorain Journal Co., 21.6.1990, 497 U.S. 1, 21, 110 S.Ct. 2695 (1990). 48 Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 548; Glöckle, Zukunftsbezogene Publizität, S. 158; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 286.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

dern eine subjektive, wertende Schlussfolgerung,49 welche die Rating-Agentur auf Grundlage der ihr vorliegenden Informationen über den Emittenten, die Emission, die volkswirtschaftliche Lage u.s.w. – wozu regelmäßig auch oder sogar vorwiegend Tatsachen gehören – getroffen hat. Einem Beweis ist dieses Beurteilungsergebnis nicht zugänglich, und zwar auch deshalb nicht, weil es sich auf die Zukunft bezieht. Tatsächlich sind die Schlüsse, die aus einer bestehenden wirtschaftlichen Situation für Kreditwürdigkeit und künftige Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens ableitbar sind, häufig heftig umstritten, und zwar ebenso zwischen Darlehensgebern und Darlehensnehmern wie auch zwischen RatingAgenturen und Emittenten (die ihre eigene Bonität typischerweise als besser einschätzen, als dies im Rating zum Ausdruck kommt50). Die Qualifikation einer Bonitätsbeurteilung als Meinung und ihrer Veröffentlichung durch die RatingAgenturen als Meinungsäußerung51 ist in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung schon häufig bestätigt worden;52 im neueren Hongkonger Aufsichtsrecht wird der Charakter von Ratings als Meinungen sogar gesetzlich festgeschrieben.53 An der Einordnung eines Ratings als subjektivem Werturteil ändert sich dadurch nichts, dass Rating-Agenturen ihre Ratings erklärtermaßen auf Grundlage von Tatsachen (also objektiver Grundlage) und unter Anwendung (von gelegentlich so bezeichneten54) objektiven Methoden erstellen:55 Die Ratingeinstufung selbst, und dies ist allein maßgeblich, kommt letztlich durch eine subjektive Auswertung und Gewichtung der zugrunde liegenden Faktoren zustande, wird damit in entscheidender Weise durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt56 und stellt folglich eine Meinung dar.57 Darin un49 So aus der deutschen Rechtsprechung auch KG, 12.5.2006, WM 2006, 1432, 1433 („ScopeFondsrating“): wertende Beurteilung. 50 Treffend Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 549 Fn. 18: „This is to be expected because everyone loves his own baby.“ 51 Blaurock, ZGR 2007, 603; Boos, BFuP 2005, 267; Vetter, WM 2004, 1701, 1704. Siehe zur Einordnung als Meinungsäußerung im verfassungsrechtlichen Sinne noch näher in § 21. 52 In re Fitch, 21.5.2003, 330 F.3d 104, 106 (2nd Cir. 2003); In re Lehman Brothers MortgageBacked Sec. Litig., 11.5.2011, 650 F.3d 167, 183 (2nd Cir. 2011): „The rating issued by a Rating Agency speaks merely to the Agency’s opinion of the creditworthiness of a particular security“; Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 522 (6th Cir. 2007); J & R Marketing, SEP v. General Motors Corp., 5.3.2008, 519 F.3d 552, 555 (6th Cir. 2008); Plumbers’ Union Local No. 12 Pension Fund v. Nomura Asset Acceptance Corp., 20.1.2011, 632 F.3d 762, 775 (1st Cir. 2011); In re National Century Financial Enterprises, Inc., Investment Litig., 22.7.2008, 580 F.Supp.2d 630, 639 (S.D.Ohio 2008). Geringfügig anders dagegen King County, Wash. v. IKB Deutsche Industriebank, 3.1.2013, 916 F.Supp.2d 442, 449 (S.D.N.Y. 2013): „fact-based opinion“. 53 Schedule 1 zur Hongkonger Securities and Futures Ordinance zum Begriff „credit ratings“: „opinions, expressed using a defined ranking system, primarily regarding the creditworthiness …“. 54 Siehe dazu noch näher § 25 IV. 55 A.A. wohl Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1850, die dies für „widersprüchlich“ hält. 56 So die bekannte Formel des deutschen Verfassungsgerichts in BVerfG, 22.6.1982, BVerfGE 61, 1, 9 („Wahlkampf“). 57 Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 23.8.2007, 499 F.3d 520, 522 (6th Cir. 2007): „considers several objective factors, but is ultimately derived from the subjective weighing of those factors“; vgl. auch Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 485: „heavy reliance on human judgment“.

§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte

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terscheiden sich Ratings von den Veröffentlichungen der Kreditauskunfteien (credit reporting agencies), die mit Rating-Agenturen zwar historisch verwandt sind und als Informationsintermediäre auch eine ähnliche Funktion besitzen,58 deren Kreditauskünfte aber Tatsachenangaben über den betreffenden Schuldner zusammenstellen.

3. Ratings als relative Einstufungen in Bonitätskategorien Schließlich zeichnen sich Bonitätsbeurteilungen in Form von Ratings noch dadurch aus, dass die Rating-Agenturen darin eine relative Einschätzung der Bonität ausdrücken,59 ohne eine absolute Bemessung der Ausfallwahrscheinlichkeit vorzunehmen.60 Das jeweilige Bonitätsurteil wird in Form eines symbolhaften Ratingkürzels (regelmäßig einer Buchstabenkombination) zusammengefasst, das einer feststehenden Ratingskala von neun bzw. zehn Ratingkategorien nebst Unterkategorien61 entnommen ist: Ein Rating von „BBB+“ beschränkt sich daher auf die Aussage, dass das Ausfallrisiko des betreffenden Wertpapiers als höher eingeschätzt wird als dasjenige einer Anleihe mit „A–“-Rating, aber geringer als eines mit „BBB“ gerateten Wertpapiers, ohne jedoch eine Meinung über das absolute Ausfallrisiko auszudrücken.62 Auch eine Beurteilung mit „AAA“ soll also nicht heißen, dass das so geratete Unternehmen mit Sicherheit nicht ausfallen wird, sondern nur, dass es im Vergleich mit anderen Investitionsmöglichkeiten (also relativ) als sicher gilt.63 An dieser Beschränkung auf relative Bonitätseinschätzungen ändert sich dadurch nichts, dass die großen Rating-Agenturen regelmäßig die in der Vergangenheit tatsächlich eingetretenen Ausfallraten nach Ratingkategorien aufgeschlüsselt publizieren:64 Diese Information der Marktöffentlichkeit soll erkennbar nicht bedeuten, dass für die einzelnen Ratingkategorien für die Zukunft eine bestimmte absolute (Höchst-)Ausfallrate garantiert wird. Empirische Untersuchungen legen allerdings nahe, dass dies von Seiten der Ratingnutzer 58 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 85. Siehe zu Kreditauskunfteien als historische Vorgänger der Rating-Agenturen noch § 3 I. 59 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878; Arendts, WM 1993, 229, 230; Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 78; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 608; Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 547; Findeisen, DAJV-NL 2008, 64; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 472; García Alcubilla/ Ruiz del Pozo, Credit Rating Agencies, S. 59; Hanqvist, in: Perspectives on Credit Rating Agencies, S. 177, 183; Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1532; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 622; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 193; Siebel, BFuP 2005, 266; Tönningsen, ZBB 2011, 460, 461. Dem entspricht die Definition in Art. 3 Abs. 1 lit. h EG-RatingVO. 60 ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 4; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 472; Kiff, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 34; St. Charles, 19 Minn. J. Int’l L. (2010), 399, 400. 61 Dazu sogleich im Text unter II. zu den Ratingskalen der drei großen internationalen RatingAgenturen Fitch, Moody’s und Standard & Poor’s. Andere Agenturen verwenden andere Skalen mit einer divergierenden Anzahl von Ratingkategorien. 62 ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 4; Müller, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 327, 338. 63 Hitselberger/Lynch, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2009 Supplement, § 7.01; Niedostadek, Rating, Rn. 94. 64 Zutreffend Kiff, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 34, 35. Dies verkennen Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 83; Wirsch, Konzern 2009, 443, 447.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

möglicherweise missverstanden wird.65 Im Übrigen dürfte eine Verwendung „absoluter“ Bonitätskategorien weder praktikabel noch sinnvoll sein, weil auf diese Weise die Änderung marktweit wirkender Umstände (wie namentlich volkswirtschaftlicher Rahmenbedingungen) stets eine flächendeckende Anpassung aller Ratings erfordern würde66 – ein Ansatz, dem jedenfalls eine erhebliche prozyklische Wirkung innewohnen würde.

Mit der Einstufung in Ratingkategorien geht zugleich eine gewisse Gleichsetzung heteronomer Gesellschaften einher,67 der es an mathematischer Präzision mangelt, weil alle Unternehmen innerhalb derselben Kategorie als bonitätsgleich ausgewiesen werden.68 Diese Ungenauigkeit wird zugunsten der Erreichung einer gewünschten Komplexitätsreduktion hingenommen und nur dadurch teilweise ausgeglichen, dass die Ratingkategorien seit einiger Zeit durch Hinzufügung nachgestellter Zeichen („+/–“ bzw. „1/2/3“) weiter ausdifferenziert und zudem in die begleitenden Ratingberichte genauere Angaben über das bewertete Unternehmen aufgenommen werden.

II. Ratings als symbolhaft ausgedrückte Bonitätseinstufungen Als weiteres Charakteristikum eines Ratings ist zu nennen, dass die Bonitätsbeurteilung nicht lediglich als berichtender Text, sondern vielmehr „codiert“ in Form von Symbolen („AAA“, „Baa3“) ausgedrückt wird. Diese Art der Informationsdarstellung wird zwar in den anfangs zitierten Legaldefinitionen nicht explizit erwähnt, ist aber im Schrifttum zu Recht als prägende Eigenschaft von Ratings anerkannt.69 Die an den internationalen Finanzmärkten aktiven RatingAgenturen verwenden – soweit ersichtlich – durchgehend derartige „Codierungen“ ihrer Bonitätsinformationen. Im Einzelnen zerfällt jedes veröffentlichte Rating damit in zwei Bestandteile, nämlich das in Buchstabenform codierte Ratingkürzel,70 das im Sprachgebrauch vielfach allein als „Rating“ bezeichnet wird, sowie den begleitenden Ratingbericht.71 Mit dieser Unterteilung geht bei vielen 65

ESME, Role of Credit Rating Agencies (Juni 2008), S. 4: „This is an area where there is probably an understandable disconnect with the users of ratings where they tend to take the historic long-term default experience by rating category as an indicator or a measure of future default.“ 66 IMF, Sovereign Credit Ratings (Okt. 2010), S. 6. 67 Rottmann/Seitz, KuK 2008, 59, 62. 68 Durch die Verwendung von Kategorien unterscheiden sich Ratings zugleich von „Rankings“, die Wertpapiere (im gängigen Sprachgebrauch vor allem Aktien) in einer nummerierten Rangfolge auflisten; Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 77; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346. Im Schrifttum werden beide Begriffe aber nicht selten verwechselt, so etwa bei Hauptmann, in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 3 Rn. 75 und Schlitt, in MünchKommAktG, § 33 WpÜG Rn. 105. 69 In diesem Sinne in der deutschen Literatur Arendts, WM 1993, 229, 230: „ähnlich einer Zensur“; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1850; Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 273; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 193; Wittig, in GS Bosch (2006), S. 293, 294; in der schweizerischen Literatur Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 53. 70 Siehe unter 1. 71 Dazu unter 2.

§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte

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(aber nicht allen) Rating-Agenturen zugleich ein Unterschied in der Verfügbarkeit der Information einher: Während die Ratingkürzel von denjenigen Agenturen, die das „issuer pays“-Geschäftsmodell72 verwenden, kostenfrei öffentlich zugänglich gemacht werden und auch dauerhaft zugänglich bleiben, stehen die begleitenden Ratingberichte regelmäßig nur zahlenden Abonnenten zur Verfügung.

1. Das „Ratingkürzel“ Das Bonitätsurteil der Rating-Agentur wird in Form eines „Ratingkürzels“ ausgedrückt, das die Ratingkategorie angibt, der die Rating-Agentur das beurteilte Unternehmen oder Wertpapier zugeordnet hat. Da die hierzu eingesetzte Ratingskala von jeder Agentur selbst entwickelt wird und viele Rating-Agenturen zudem unterschiedliche Skalen für lang- und kurzfristige Verbindlichkeiten unterhalten, sollten am internationalen Ratingmarkt ganz uneinheitliche Ratingkürzel anzutreffen sein. Tatsächlich haben sich weltweit allein zwei Ratingskalen als prägend herausgestellt,73 nämlich einerseits die Ratingskala für langfristige Verbindlichkeiten der Rating-Agentur Moody’s74 und andererseits die ebenfalls für langfristige Verbindlichkeiten eingesetzte Ratingskala der Rating-Agenturen Standard & Poor’s und Fitch75 (die beide dieselbe Skala verwenden). Ein bestimmtes, diesen Skalen entnommenes Ratingkürzel signalisiert dabei unabhängig vom Typ des Ratingobjektes und seiner geographischen Ansiedlung stets dieselbe Bonitätseinschätzung;76 einem als „A“ gerateten chinesischen Unternehmen kommt nach Meinung der Rating-Agenturen also dieselbe Ausfallwahrscheinlichkeit zu wie einer als „A“ gerateten U.S.-amerikanischen Asset-Backed Security. Auf diese Weise fungieren die Ratingkürzel als international einheitliche wie auch international verständliche Bonitätsinformation.77 In der Ökonomie spricht man insoweit von einem informationellen Netzwerkeffekt.78 a) Ratingskala für langfristige Verbindlichkeiten der Rating-Agentur Moody’s Aaa

Aaa-geratete Verbindlichkeiten sind von höchster Qualität und bergen ein minimales Kreditrisiko.

Aa

Aa-geratete Verbindlichkeiten sind von hoher Qualität und bergen ein sehr geringes Kreditrisiko.

72

Siehe dazu noch unter IV 3 a). Vgl. Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 220 sowie unten § 20 II 2 b) bb) (1). 74 Dazu sogleich unter a). 75 Dazu unter b). 76 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 6; Schwarcz, 8 Duke J. Comp. & Int’l L. (1998), 235, 253: „ratings as worldwide standards“. 77 Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 204. 78 Zur Vergleichbarkeit von Ratings in diesem Sinne Krämer, zitiert bei Balzer, ZBB 2004, 329; aus dem ökonomischen Schrifttum Varian, Microeconomics, Tz. 35.4. 73

24

Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

A

A-geratete Verbindlichkeiten werden der „oberen Mittelklasse“ zugerechnet und bergen ein geringes Kreditrisiko.

Baa

Baa-geratete Verbindlichkeiten sind von mittlerer Qualität. Sie bergen ein moderates Kreditrisiko und weisen mitunter spekulative Elemente auf.

Ba

Ba-geratete Verbindlichkeiten weisen spekulative Elemente auf und bergen ein erhebliches Kreditrisiko.

B

B-geratete Verbindlichkeiten werden als spekulativ angesehen und bergen ein hohes Kreditrisiko.

Caa

Caa-geratete Verbindlichkeiten sind von geringer Qualität und bergen ein sehr hohes Kreditrisiko.

Ca

Ca-geratete Verbindlichkeiten werden als hochgradig spekulativ angesehen. Ein Zahlungsausfall ist möglicherweise bereits eingetreten oder steht kurz bevor. Es bestehen gewisse Aussichten auf Zins- und/oder Kapitalrückzahlungen.

C

C-geratete Verbindlichkeiten stellen die niedrigste Kategorie dar. Ein Zahlungsausfall ist in der Regel bereits eingetreten. Es bestehen geringe Aussichten auf Zins- und/oder Kapitalrückzahlungen.

Moody’s verwendet in den Ratingkategorien „Aa“ bis „Caa“ zusätzlich numerische Unterteilungen. Der Zusatz „1“ bedeutet, dass eine entsprechend bewertete Verbindlichkeit in das obere Drittel der jeweiligen Ratingkategorie einzuordnen ist, während „2“ und „3“ das mittlere bzw. untere Drittel anzeigen. b) Ratingskala für langfristige Verbindlichkeiten der Rating-Agenturen Standard & Poor’s und Fitch Die beiden Rating-Agenturen Standard & Poor’s und Fitch verwenden bei der Beurteilung langfristiger Verbindlichkeiten dieselben Ratingkürzel,79 weisen diesen jedoch – wie im Folgenden erkennbar – nicht völlig einheitliche Bedeutungen zu. AAA

S&P: An obligor rated ‚AAA‘ has extremely strong capacity to meet its financial commitments. ‚AAA‘ is the highest issuer credit rating assigned by Standard & Poor’s. Fitch: ,AAA‘ ratings denote the lowest expectation of default risk. They are assigned only in cases of exceptionally strong capacity for payment of financial commitments. This capacity is highly unlikely to be adversely affected by foreseeable events.

AA

79

S&P: An obligor rated ‚AA‘ has very strong capacity to meet its financial commitments. It differs from the highest-rated obligors only to a small degree.

Zum historischen Hintergrund noch § 20 II 2 b) bb) (1).

§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte

25

Fitch: ,AA‘ ratings denote expectations of very low default risk. They indicate very strong capacity for payment of financial commitments. This capacity is not significantly vulnerable to foreseeable events. A

S&P: An obligor rated ,A‘ has strong capacity to meet its financial commitments but is somewhat more susceptible to the adverse effects of changes in circumstances and economic conditions than obligors in higher-rated categories. Fitch: ,A‘ ratings denote expectations of low default risk. The capacity for payment of financial commitments is considered strong. This capacity may, nevertheless, be more vulnerable to adverse business or economic conditions than is the case for higher ratings.

BBB

S&P: An obligor rated ,BBB‘ has adequate capacity to meet its financial commitments. However, adverse economic conditions or changing circumstances are more likely to lead to a weakened capacity of the obligor to meet its financial commitments. Fitch: ,BBB‘ ratings indicate that expectations of default risk are currently low. The capacity for payment of financial commitments is considered adequate but adverse business or economic conditions are more likely to impair this capacity.

BB

S&P: An obligor rated ,BB‘ is less vulnerable in the near term than other lower-rated obligors. However, it faces major ongoing uncertainties and exposure to adverse business, financial, or economic conditions, which could lead to the obligor’s inadequate capacity to meet its financial commitments. Fitch: ,BB‘ ratings indicate an elevated vulnerability to default risk, particularly in the event of adverse changes in business or economic conditions over time; however, business or financial flexibility exists which supports the servicing of financial commitments.

B

S&P: An obligor rated ,B‘ is more vulnerable than the obligors rated ,BB‘, but the obligor currently has the capacity to meet its financial commitments. Adverse business, financial, or economic conditions will likely impair the obligor’s capacity or willingness to meet its financial commitments. Fitch: ,B‘ ratings indicate that material default risk is present, but a limited margin of safety remains. Financial commitments are currently being met; however, capacity for continued payment is vulnerable to deterioration in the business and economic environment.

CCC

S&P: An obligor rated ,CCC‘ is currently vulnerable, and is dependent upon favorable business, financial, and economic conditions to meet its financial commitments. Fitch: Default is a real possibility.

CC

S&P: An obligor rated ,CC‘ is currently highly vulnerable. Fitch: Default of some kind appears probable.

26 C

Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

Fitch: Default is imminent or inevitable, or the issuer is in standstill. Conditions that are indicative of a ,C‘ category rating for an issuer include: a. the issuer has entered into a grace or cure period following nonpayment of a material financial obligation; b. the issuer has entered into a temporary negotiated waiver or standstill agreement following a payment default on a material financial obligation; or c. Fitch Ratings otherwise believes a condition of ,RD‘ or ,D‘ to be imminent or inevitable, including through the formal announcement of a coercive debt exchange.

R (S&P)

S&P: An obligor rated ,R‘ is under regulatory supervision owing to its financial condition. During the pendency of the regulatory supervision, the regulators may have the power to favor one class of obligations over others or pay some obligations and not others. Please see Standard & Poor’s issue credit ratings for a more detailed description of the effects of regulatory supervision on specific issues or classes of obligations.

SD (S&P)/ RD (Fitch)/ D

S&P: An obligor rated ,SD‘ (selective default) or ,D‘ has failed to pay one or more of its financial obligations (rated or unrated) when it came due. A ,D‘ rating is assigned when Standard & Poor’s believes that the default will be a general default and that the obligor will fail to pay all or substantially all of its obligations as they come due. An ,SD‘ rating is assigned when Standard & Poor’s believes that the obligor has selectively defaulted on a specific issue or class of obligations but it will continue to meet its payment obligations on other issues or classes of obligations in a timely manner. A selective default includes the completion of a distressed exchange offer, whereby one or more financial obligation is either repurchased for an amount of cash or replaced by other instruments having a total value that is less than par. Fitch: ,RD‘ ratings indicate an issuer that in Fitch Ratings’ opinion has experienced an uncured payment default on a bond, loan or other material financial obligation but which has not entered into bankruptcy filings, administration, receivership, liquidation or other formal winding-up procedure, and which has not otherwise ceased business. This would include: a. the selective payment default on a specific class or currency of debt; b. the uncured expiry of any applicable grace period, cure period or default forbearance period following a payment default on a bank loan, capital markets security or other material financial obligation; c. the extension of multiple waivers or forbearance periods upon a payment default on one or more material financial obligations, either in series or in parallel; or d. execution of a coercive debt exchange on one or more material financial obligations.

§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte

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D: ,D‘ ratings indicate an issuer that in Fitch Ratings’ opinion has entered into bankruptcy filings, administration, receivership, liquidation or other formal winding-up procedure, or which has otherwise ceased business. […]

Standard & Poor’s und Fitch ergänzen die oben wiedergegebenen Ratingkürzel um „+“- und „–“-Zusätze, wobei „+“ innerhalb einer Ratingkategorie das oberste Drittel, das Fehlen eines Zusatzes das mittlere und „–“ das unterste Drittel bedeutet. c) Weitere Ratingskalen Daneben unterhalten die drei vorstehend genannten wie auch die übrigen RatingAgenturen noch weitere Ratingskalen, unter denen die Skalen für kurzfristige Verbindlichkeiten – mit den deutlich uneinheitlicheren Staffelungen „P–1“/„P– 2“/„P–3“/„Not Prime“ (Moody’s), „A–1“/„A–2“/„A–3“/„B“/„C“/„D“ (Standard & Poor’s) und „F–1“/„F–2“/„F–3“/„B“/„C“/„RD“/„D“ (Fitch) – die größte praktische Bedeutung besitzen.

2. Die begleitenden Ratingberichte Ratingberichte ergänzen die Ratingkürzel um eine ausführliche Begründung der Bonitätseinstufung. Sie können im Falle der bloßen Bestätigung einer vorherigen Ratingeinstufung vergleichsweise knapp gehalten sein, während sie bei Veröffentlichung eines Erstratings typischerweise eine detaillierte Darstellung der Ausstattung des beurteilten Finanzinstruments und/oder eine umfangreiche Erläuterung der finanziellen und wirtschaftlichen Lage des betroffenen Emittenten enthalten.

III. Ratinggegenstände Gegenstand einer Bonitätsbeurteilung kann theoretisch jeder Schuldner von Zahlungsleistungen wie auch jede einzelne Zahlungsverpflichtung sein. Bei durch Rating-Agenturen erstellten Ratings unterscheidet man vor allem zwischen Emittenten- und Emissionsratings. Beide können auch dort eine Rolle spielen, wo es um die Kreditwürdigkeit souveräner Schuldner (also Staaten oder staatliche Untergliederungen) geht; man spricht hier als Oberbegriff von sovereign ratings.80

80

Dazu unter 3.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

1. Emittentenratings Ein Emittentenrating, das alternativ auch als „Unternehmensrating“,81 „borrower rating“82 oder „corporate credit rating“83 bezeichnet wird, beurteilt die Bonität eines Unternehmens in seiner Gesamtheit,84 also dessen allgemeine Kreditwürdigkeit.85 Als geschichtlich älteste Ratingart ist es am engsten mit der Kreditauskunft als Vorgängerin des heutigen Ratings verwandt, welche traditionell die künftige Zahlungsfähigkeit von Kaufleuten bewertete.86 In der heutigen Praxis sind Emittentenratings deutlich seltener als Emissionsratings, weil sie sich regelmäßig nur für solche Unternehmen lohnen, die (wie vor allem Banken und Versicherungen) ständig und in unterschiedlichen Formen an den Finanzmärkten Kapital aufnehmen.87 In der Sache beurteilen Emittentenratings die Ausfallwahrscheinlichkeit ungesicherter, nicht nachrangiger (senior unsecured) Verbindlichkeiten des Emittenten;88 die Emissionsratings einzelner Finanzinstrumente des Unternehmens können folglich davon abweichen.89 Eine besondere Bedeutung besitzt ein Emittentenrating schließlich für solche Unternehmen, die bereits aufgrund ihres Unternehmensgegenstandes eine zweifelsfreie Bonität signalisieren müssen – zu nennen sind hier insbesondere Versicherungen, deren voraussichtliche Zahlungsfähigkeit bei Eintritt eines Versicherungsfalles durch sog. financial strength ratings beurteilt wird,90 die sich folglich als eigenständige Unterform des Emittentenratings einordnen lassen.

2. Emissionsratings Emissionsratings beurteilen die Kreditwürdigkeit des Emittenten bezüglich eines bestimmten Finanzinstruments, also die Wahrscheinlichkeit, dass die Zahlungsverpflichtungen aus diesem Wertpapier rechtzeitig und vollständig erfüllt werden. Wie noch im Einzelnen zu zeigen sein wird, stellt ein Emissionsrating heute auf den meisten Finanzmärkten der Welt eine faktische Markteintrittsvoraussetzung dar, ohne die eine Emission gar nicht platziert werden kann.91

81 Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 90; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346. 82 Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 298. 83 Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1850. 84 Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346. 85 Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1850; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 53. 86 Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 118. 87 Vgl. Däubler, BB 2003, 429. 88 Müller-Masiá/Hahnenstein/Holzberger/Söhlke, Verwendung von Ratinginformationen in der modernen Banksteuerung, S. 55, 89 Fn. 92. 89 Siehe dazu unter 2 a). 90 Vgl. Glennie v. Abitibi-Price Corp., 26.1.1996, 912 F.Supp. 993, 997 f. (W.D.Mich. 1996). 91 Siehe § 8 III.

§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte

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a) Anleihen Die Urform des Emissionsratings sind Ratings „traditioneller“ Anleihen, also von Schuldverschreibungen oder (nach deutscher Diktion) „Rentenpapieren“. Bei ihrer Erstellung gehen die Rating-Agenturen von der Bonität des emittierenden Unternehmens aus,92 berücksichtigen aber zudem die Ausgestaltung der konkreten Anleihe,93 die etwa durch Besicherungen wie namentlich Garantien zu einer besseren Ratingeinstufung94 oder bei Nachrangigkeit der Anleihe (subordinated bonds) zu einem schlechteren Emissionsrating führen können.95 Bei demselben Emittenten können daher sowohl Emissions- und Emittentenrating als auch die Ratings mehrerer Emissionen untereinander divergieren.96 Dem Rating einer Anleihe kommt heute im Übrigen noch über seine originäre Funktion als Bonitätseinstufung hinaus Bedeutung zu, da es über die Zugehörigkeit der Emission zu einer von zwei Anleiheklassen bestimmt: So unterscheiden die Gepflogenheiten der internationalen Finanzmärkte streng zwischen „investment grade“-Anleihen, die über ein Rating zwischen „AAA“ und „BBB–“ verfügen, und sog. „High Yield“-Anleihen, deren Rating bei „BB+“ oder darunter und somit im „non-investment grade“-Bereich liegt.97 Für Anleihen der letztgenannten Klasse hat sich neben dem Begriff des „high yield“, der an die infolge der hohen Ausfallwahrscheinlichkeit ebenso hohe Verzinsung anknüpft, gleichberechtigt die Bezeichnung junk bond (Schrottanleihe) eingebürgert,98 die sogar in U.S.amerikanischen Gerichtsurteilen verwendet wird.99 Das Rating weist jede Anleihe damit automatisch einer dieser beiden Klassen zu und bestimmt dadurch mittelbar über die Ausgestaltung der Emission und die in Frage kommenden Investoren, weil der Markt (ebenso wie zahlreiche Rechtsvorschriften) konsequent zwischen „investment grade“ und „non-investment grade“ unterscheidet – eine Trennung, die besonders plastisch darin zum Ausdruck kommt, dass in den „non-investment grade“-Bereich herabgestufte Emittenten vielfach als fallen angels bezeichnet werden.100 92 Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 473; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 90; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346. 93 Hahn, Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen, S. 273; Krämer, StB 2004, 14, 16; Norden/Weber, Bewertung von Ratingsystemen durch Markt und Staat, S. 31, 35. 94 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 92 f.; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 4. 95 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 883 mit Beispielen aus der deutschen Praxis; Hurst, 30 Company L. (2009), 61; Schwarcz, Structured Finance, Stand: Release 1 (2004), § 8:9 Fn. 89. 96 Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 42; Krämer, StB 2004, 14, 16; Lowis/Heischkamp, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 405, 409; Niedostadek, Rating, Rn. 84. 97 Strauch, in: Eilers u.a., Unternehmensfinanzierung, Kap. C Rn. 176. 98 Vgl. etwa Merkt/Göthel, U.S.-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 428 ff. 99 So etwa in In re Worlds of Wonder Sec. Litig., 20.1.1993, 814 F.Supp. 850, 854 (N.D.Cal. 1993); Compuware Corp. v. Moody’s Investors Services, 26.5.2005, 371 F.Supp.2d 898, 899 (E.D.Mich. 2005). 100 Kusserow/Dittrich, WM 2000, 745, 746 Fn. 21; Strauch, in: Eilers u.a., Unternehmensfinanzierung, Kap. C Rn. 175.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

b) Strukturierte Finanzinstrumente (Verbriefungen) Ein weiterer wichtiger Ratinggegenstand sind strukturierte Finanzinstrumente (Verbriefungen) in ihren diversen Spielarten (mortgage-backed securities, assetbacked securities, Collateral Debt Obligations und andere), für deren Platzierung an den Finanzmärkten ein Rating die praktisch unverzichtbare Voraussetzung darstellt. Rechtlich sind Finanzmarkttitel dieser Art, die in der vorliegenden Untersuchung unter dem (untechnischen) Oberbegriff der „komplexen Finanzinstrumente“ zusammengefasst werden, nach fast allen nationalen Rechten als Schuldverschreibungen zu qualifizieren;101 sie weisen in ihrer wirtschaftlichen wie juristischen Ausgestaltung im Einzelnen jedoch so vielgestaltige Unterschiede zu „traditionellen“ Anleihen auf, dass sie in einem gesonderten Kapitel zu behandeln sein werden.102 Obwohl der Markt für geratete komplexe Finanzinstrumente noch deutlich jünger ist als der Markt für Anleihen, erlebte er ab dem Jahr 2000 ein so rasantes Wachstum, dass strukturierte Finanzprodukte im Januar 2008 erstmals der weltweit wichtigste Finanztiteltyp (gemessen am ausstehenden Volumen) waren.103 Infolge der globalen Finanzkrise ist dieses Volumen zwischenzeitlich allerdings wieder stark zurückgegangen. Mit Blick auf ihr Rating liegt eine Besonderheit der strukturierten Finanzprodukte darin, dass ihr Emissionsrating kaum durch die Bonität des Emittenten beeinflusst wird, weil Finanzinstrumente dieser Art typischerweise durch bloße Zweckgesellschaften emittiert werden; das Kreditrisiko hängt daher letztlich allein von der Qualität der verbrieften Forderungen, der „Struktur“ des Instruments und den begleitenden Sicherungsmechanismen (credit enhancements) ab. Deren Beurteilung durch die Rating-Agenturen gelang aus verschiedenen, an anderer Stelle noch näher zu behandelnden Gründen104 weniger gut als bei Anleihen überkommenen Typs und trug damit nach überwiegender Ansicht zum Entstehen der globalen Finanzmarktkrise 2007–09 bei, obgleich hier auch eine übertriebene Orientierung der Marktteilnehmer an den Ratings – die auch bei komplexen Finanzinstrumenten allein deren Bonität, nicht aber deren generelle „Risikofreiheit“ beurteilen – eine Rolle gespielt haben dürfte. c) Vorzugsaktien (preferred stock) Daneben geben Rating-Agenturen auch Emissionsratings für Vorzugsaktien (preferred stock) ab,105 und auch die eingangs erwähnte Legaldefinition des „Rating“ in der EG-RatingVO erstreckt sich explizit auf Bonitätsurteile „in Bezug 101 Zum deutschen Recht Kamlah, WM 1998, 1429, 1430; zum Schweizer Recht Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1210; zum Hongkonger Recht Lejot, 38 HKLJ (2008), 585, 586. 102 Siehe § 10. 103 Benmelech/Dlugosz, NBER Macro Annual 2009, 161, 166. 104 Siehe § 10. 105 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 3; Hurst, 30 Company L. (2009), 61.

§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte

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auf eine Vorzugsaktie“.106 Dies mag auf den ersten Blick überraschen, weil Rating-Agenturen im Allgemeinen nur Kreditwürdigkeitsbeurteilungen abgeben, soweit Forderungen von Fremdkapitalgebern (debt) betroffen sind, nicht hingegen bei Eigenkapitalpositionen (equity).107 Auch bei Vorzugsaktien108 handelt es sich aber nach deutschem Aktienrecht um Mitgliedschaften und nicht um Gläubigerrechte,109 und im schweizerischen110 wie auch im U.S.-amerikanischen Aktienrecht111 wird dies ebenso gesehen.112 Die Rating-Agenturen legen insoweit jedoch eine wirtschaftliche Betrachtung zugrunde, da eine Orientierung an den dogmatischen Kategorien nationaler Gesellschaftsrechte für einen global tätigen Informationsintermediär weder praktikabel noch zielführend wäre – wirtschaftlich sind aber auch stimmrechtslose Vorzugsaktien deutscher Prägung, die in dieser Form in vielen ausländischen Aktienrechten gar nicht bekannt sind,113 als hybrides Finanzierungsinstrument zwischen Stammaktien und Schuldverschreibung zu qualifizieren114 und daher theoretisch „ratingtauglich“. Ratings von Vorzugsaktien (preferred stock ratings) beurteilen damit im Ergebnis die relative Sicherheit der geschuldeten Dividendenzahlung.115

3. Sovereign Ratings Der historische Ausgangspunkt für die Entwicklung von Ratings war die Notwendigkeit, die Bonität privater Schuldner zu beurteilen, die sich durch die Begebung von Anleihen zu finanzieren versuchten. An den heutigen Finanzmärkten tritt daneben allerdings in großem Umfang auch die öffentliche Hand als Kapitalnachfrager auf, also Staaten, staatliche Untergliederungen wie Bundesländer, Städte und Kommunen, Unternehmen oder Betriebsgesellschaften in staatlichem Auftrag oder Trägerschaft und internationale Organisationen. Tatsächlich ist in drei der hier untersuchten Staaten (nämlich Deutschland, der Schweiz und den 106

Art. 3 Abs. 1 lit. a EG-RatingVO. So Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 6 zu „pure equity securities“; Serfling/Pries, Die Bank 1990, 381 (zu Stammaktien); offener hingegen Merkt, Unternehmenspublizität, S. 435 Fn. 257. Auch K. Schmidt/Lutter/Seibt, § 23 Rn. 53 ordnet Ratings als „Möglichkeit des Selbstschutzes der Aktionäre“ ein. 108 § 12 Abs. 1 Satz 2, §§ 139 ff. AktG. 109 G. Bezzenberger, in Großkomm-AktG, Stand: 1.1.1999, § 139 Rn. 4; Hüffer, § 139 Rn. 4, § 140 Rn. 1; Schröer, in MünchKomm-AktG, § 139 Rn. 4; von Caemmerer, in GS II, S. 285, 287: „Hier werden Aktien in gewisser Weise obligationsähnlich gemacht, ohne ihren Charakter als Beteiligungen zu verlieren.“ § 57 Abs. 2 AktG stellt ein Zinsverbot für Aktien auf; in jüngster Zeit für dessen Aufhebung eintretend Otto, WM 2010, 2013, 2022. 110 Artt. 654, 656 OR. 111 Vgl. Merkt/Göthel, U.S.-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 468 ff. 112 Zum schweizerischen Recht Böckli, Schweizer Aktienrecht, § 4 Rn. 157, 165. 113 Claussen, in: Semler/Peltzer, Arbeitshandbuch, § 3 Rn. 150; Dauner-Lieb, in KK-AktG, § 12 Rn. 7. 114 Siebel, ZHR 161 (1997), 628 ff.; Schröer, in MünchKomm-AktG, § 139 Rn. 2. Aus bankenaufsichtsrechtlicher Sicht ebenso Schulte-Mattler, Die Bank 1994, 28, 29. 115 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 „Disclosure of Security Ratings in Registration Statements“ (Proposed rulemaking) vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 411. 107

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

U.S.A.) die öffentliche Hand der volumenmäßig bedeutendste Emittent von Anleihen und anderen Finanztiteln.116 Etwas anderes gilt im hier gesetzten Rahmen nur für die Sonderverwaltungsregion Hongkong, deren Regierung im Jahre 2009 – aus westlicher Sicht kaum vorstellbar – erstmals allein deshalb Staatsanleihen am Markt platzierte, um durch die Schaffung einer benchmark die Entwicklung des privaten Hongkonger Anleihemarktes zu unterstützen;117 zum Zweck der Haushaltsfinanzierung hätte die Hongkonger öffentliche Hand der so aufgenommenen Gelder nicht bedurft (!).118 Die drei großen internationalen Rating-Agenturen beurteilen heute durchgehend auch die Bonität souveräner Emittenten und ihrer Emissionen (vor allem Staatsanleihen);119 man spricht insofern von Sovereign Ratings.120 In den U.S.A. existiert daneben ein gesonderter Ratingmarkt für Anleihen unterstaatlicher Emittenten (municipal securities), der über 50 000 Kommunen, Städte, Bezirke, Schuldistrikte und kommunale Behörden umfasst und daher sowohl in Volumen wie auch Unübersichtlichkeit erheblich ist.121 Ratings sind für Investoren auch hier eine Orientierungshilfe, die als unverzichtbar angesehen wird.122 Hinsichtlich Beurteilungsvorgang und Aussagegehalt entsprechen Sovereign Ratings im Grundsatz den Ratings privater Emittenten,123 weisen aber insoweit einen Unterschied auf, als die Bonität souveräner Emittenten nicht nur von deren voraussichtlicher Zahlungsfähigkeit, sondern auch ihrer Zahlungswilligkeit abhängt:124 Da Staaten jedenfalls faktisch nicht in demselben Maße zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten aus Anleihen gezwungen werden können wie private Unternehmen, weil die völkerrechtlich geschützte Staatenimmunität der zwangs116 Für Deutschland Grüning/Hirschberg, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 16 Rn. 30; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.124 („mit Abstand“); für die Schweiz Taisch, Finanzmarktrecht, Kap. 6 Rn. 26. 117 Sog. Government Bond Programme auf Grundlage von § 3 Loans Ordinance (Cap. 61). Zuvor war die Position der Regierung insoweit zurückhaltender gewesen; siehe Hsu/Arner/Tse/ Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 1.23: „… has proven unwilling to date to ,overfund‘ by itself issuing debt substantially surplus to any government or infrastructural borrowing requirement“. 118 Vgl. Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 1.22: „a history of persistent general government surpluses prevented the development of a meaningful benchmark risk-free yield curve until recently“; Norton/Arner, Hong Kong SAR: Financial Regulation, S. 255, 316; Kwan/Stott, Stand: Release 1 (Oct. 2007), Rn. 12.001. 119 Zur geschichtlichen Entwicklung siehe Cantor/Packer, 1 FRBNY C.I. (June 1995), 1, 2 ff.; Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 31. 120 Siehe allgemein IMF, Sovereign Credit Ratings (Okt. 2010), S. 1 ff.; Bruner/Abdelal, 25 J. Pub. Policy (2005), 191 ff.; zum Rating deutscher Gebietskörperschaften vgl. Budäus, in: Hill, Zukunft des öffentlichen Sektors (2006), S. 167 ff. 121 Vgl. dazu noch in § 11 II 1 c) bb). 122 Budäus, in: Hill, Zukunft des öffentlichen Sektors (2006), S. 167, 170; in den U.S.A. schon früh Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 98. 123 Cantor/Packer, 1 FRBNY C.I. (June 1995), 1. 124 Cantor/Packer, 1 FRBNY C.I. (June 1995), 1, 4; auch Budäus, in: Hill, Zukunft des öffentlichen Sektors (2006), S. 167 (für einen „erweiterten Bonitätsbegriff“). Die Zahlungswilligkeit wird von vielen allerdings generell als Aspekt der Bonität eingeordnet; vgl. etwa Blaurock, ZGR 2007, 603; Marten/Köhler, in FS Lück (2003), S. 483, 486.

§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte

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weisen Durchsetzung entsprechender Ansprüche entgegensteht,125 können sich politische Anreize auswirken, die so bei anderen Emittenten keine Rolle spielen. Die statistische Ausfallwahrscheinlichkeit ist daher bei souveränen Emittenten vergleichsweise hoch126 – sie hat in der Vergangenheit auch keineswegs nur Entwicklungsländer betroffen, sondern ebenso U.S.-amerikanische127 und Schweizer128 Gemeinden – und die Prognosegenauigkeit der Rating-Agenturen zugleich geringer.129 Insgesamt rufen Bonitätsurteile über Staaten nicht selten starke politische Reaktionen hervor,130 weil diese mittelbar den Gestaltungsspielraum der betreffenden Regierungen beeinflussen131 – auf der anderen Seite dürften Ratings unabhängiger Rating-Agenturen in diesem Bereich eine noch wichtigere präventive Informationsfunktion zukommen als bei privaten Schuldnern, weil eine repressive Durchsetzung der gegebenen Rückzahlungsversprechen ungleich schwieriger ist. Sovereign Ratings besitzen darüber hinaus noch eine weitere wichtige Funktion, indem sie mittelbar die Ratings derjenigen privaten Unternehmen beeinflussen, die in dem betreffenden Staat niedergelassen sind: Die großen Rating-Agenturen gehen nämlich traditionell davon aus, dass kein Unternehmen für seine Fremdwährungsverbindlichkeiten eine bessere Ratingeinstufung erhalten kann als sein Heimatstaat, wodurch das Staatsrating faktisch die privaten Ratings nach oben begrenzt (sog. sovereign ceiling).132 Die Begründung für diesen methodischen Ansatz der Agenturen ist währungswirtschaftlicher Natur und geht auf die Erfahrung zurück, dass Regierungen in Zeiten ökonomischer Schwierigkeiten häufig eine Devisenbewirtschaftung einführen, die den lokalen Unternehmen die Bedienung von Fremdwährungsschulden unmöglich macht oder erschwert (sog. Transfer- und Konvertibilitätsrisiko).133 In der Gruppe der hier untersuchten Staaten hatte die sovereign ceiling in Deutschland und der Schweiz allerdings faktisch bislang schon deshalb keine Auswirkungen, weil das Staatsrating dort seit langem auf der Höchstnote „AAA“ liegt; für die U.S.A. galt bis zur Aufsehen erregenden Herabstufung um eine Schwelle auf „AA+“ 125

Vgl. hierzu Schroeter, EWiR 2006, 557 f. Vgl. Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 650 Fn. 148. 127 So wurde 1994 etwa der kalifornische Bezirk Orange County zahlungsunfähig. 128 Vgl. zum Ausfall einer Anleihe der Schweizer Gemeinde Leukerbad im Jahre 1999 BGer, 21.2.2006, 4C.20/2005. Zu deutschen Kommunen umfassend Hornfischer, Insolvenzfähigkeit von Kommunen, S. 117 ff. 129 Cantor/Packer, 1 FRBNY C.I. (June 1995), 1, 4; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 702. 130 Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 188; vgl. auch Däubler, BB 2003, 429, 431; Stemper, WM 2011, 1740, die von in Spanien erhobenen Strafanzeigen gegen die drei großen internationalen Rating-Agenturen berichtet, nachdem diese die Ratings spanischer Staatsanleihen herabgestuft hatten. Siehe auch § 3 III 3 sowie § 19 I 3. 131 Siehe hierzu Rosenbaum, Der politische Einfluss von Rating-Agenturen, S. 119 ff.; Justensen, 35 J. Corp. L. (2009), 193, 194: „credit raters often have more sway over foreign fiscal policy than the U.S. government“; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 94. 132 Cantor/Packer, 1 FRBNY C.I. (June 1995), 1, 2; Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 298; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 95. 133 Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 106; Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387, 397. 126

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

(durch Standard & Poor’s) im Jahre 2011134 dasselbe. Das sovereign rating Hongkongs hat hingegen über die Jahre hinweg häufiger geschwankt135 und hatte daher für lokale Unternehmen (vor allem Banken) entsprechende Bonitätsschranken zur Folge.136

IV. Das Rating als Aussage eines Dritten Im Unterschied zu Bonitätseinschätzungen, die jedes Unternehmen im Geschäftsverkehr bezüglich der Kreditwürdigkeit potentieller Vertragspartner vornimmt – ein Ausfluss des Grundsatzes caveat creditor137 – wurden als „Ratings“ lange Zeit nur solche Bonitätsbeurteilungen bezeichnet, die durch einen unabhängigen Dritten abgegeben werden.138 Dieses enge Verständnis des Ratingbegriffes, an dem nach hier vertretener Ansicht festgehalten werden sollte, ist allerdings in jüngerer Zeit in Frage gestellt worden.139

1. Rating-Agenturen und andere Anbieter von Ratings Als Bonitätsbeurteilungen erstellende Dritte sind zuvörderst natürlich die Rating-Agenturen zu nennen. Die Legaldefinitionen, die dieser Begriff in jüngerer Zeit erfahren hat,140 tragen dabei zur Eingrenzung wenig bei, wie der Versuch der EG-RatingVO – „,Ratingagentur‘ [ist] eine Rechtspersönlichkeit, deren Tätigkeit die gewerbsmäßige Abgabe von Ratings umfasst“ – deutlich macht. Praktische Bedeutung hat die begriffliche Abgrenzung vermutlich deshalb nie erlangt, weil der internationale Ratingmarkt seit jeher durch nur drei Rating-Agenturen dominiert wird, die nach gängigen Zahlen zusammen 95% der weltweit publizierten Ratings erstellen: Die beiden U.S.-amerikanischen Agenturen Standard & Poor’s und Moody’s mit je ca. 40% Marktanteil, und die über Hauptverwaltungen in New York und London verfügende Agentur Fitch mit weiteren 15%.141 Eine Erhebung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich aus dem Jahre

134

Vgl. dazu nur Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1054 („unprecedented step“). Im August 2013 verfügte die Sonderverwaltungsregion Hongkong – die innerhalb der Volksrepublik China Währungsautonomie besitzt, und auf deren Bonität es daher ankommt – bei Standard & Poor’s über ein Rating von „AAA“ und bei Moody’s von „Aa1“. Fitch beurteilte Hongkong mit „AA+“, setzte aber die „Country Ceiling“ bei „AAA“ an. 136 Vgl. hierzu Park/Rhee, in: BIS, Asian bond markets, S. 202, 217 (zur Lage im Jahr 2004, als die Hongkonger sovereign ceiling noch bei „A+“ lag). 137 So zum Schweizer Recht BGer, 15.11.1994, BGE 120 II 331, 336 E. 5a („Swissair“). 138 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 632. 139 Siehe zur neueren Gegenüberstellung von „externen“ und „internen“ Ratings sogleich unter 2. 140 Vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. b EG-RatingVO sowie zum englischsprachigen Äquivalent (credit rating agency) § 3(a)(61) Securities Exchange Act of 1934. 141 Die Zahlen variieren je nach Quelle geringfügig; in Europäische Kommission, Impact Assessment (2008), S. 9 f. werden für Standard & Poor’s 41%, für Moody’s 38% und Fitch 14% Marktanteil genannt. 135

§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte

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2000 ergab, dass weltweit zwischen 130 und 150 Rating-Agenturen operieren,142 von denen die große Mehrzahl jedoch nur kleine oder kleinste Marktanteile besitzt und zudem regelmäßig nur in einem einzelnen Staat oder/und einem bestimmten Finanzmarktsektor tätig ist.143 Der Markt der Rating-Agenturen ist daher traditionell ein Markt mit oligopolistischer Marktstruktur144 – ein Umstand, der häufig kritisiert wird und Anlass für verschiedenste Bestrebungen war (und ist), mittels derer man einen erhöhten Wettbewerb unter den Ratinganbietern zu erreichen versucht. Daneben werden Ratings im hier verwandten Wortsinn in einzelnen Staaten noch durch andere Dritte erstellt,145 wie etwa durch Zentralbanken146 und in der Schweiz – im internationalen Vergleich ungewöhnlich – durch dortige Großbanken, welche die Bonität staatlicher und privater Emittenten unabhängig davon beurteilen, ob diese zum eigenen Kundenkreis zählen.147

2. „Externe“ und „interne“ Ratings Noch neueren Datums sind die Begriffe des „externen“ und „internen“ Ratings, die erstmals durch den „Basel II“-Akkord zur Eigenmittelausstattung von Banken eingeführt wurden148 und seitdem zum Teil auch außerhalb seines Anwendungsbereiches Verwendung finden.149 Als „externes Rating“ bezeichnet der „Basel II“-Akkord eine Bonitätsbeurteilung durch eine anerkannte RatingAgentur,150 mithin ein „Rating“ im hier verwendeten Wortsinn, wohingegen ein „internes Rating“ die Bonitätseinschätzung eines Kreditinstituts bezüglich seiner eigenen Schuldner meint151 – eine Beurteilung, die also nicht durch einen Dritten erfolgt und deshalb im überkommenen (und vorzugswürdigen) Sinn gar kein Rating ist.152

142

Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 14. Zu den wenigen mittelgroßen Rating-Agenturen mit internationaler Relevanz zählen die kanadische Dominion Bond Rating Service (DBRS), die U.S.-amerikanische, auf den Versicherungssektor spezialisierte Agentur A.M. Best sowie die japanischen Rating-Agenturen Rating and Investment Information und Japan Credit Rating Agency. 144 Siehe dazu noch näher in § 20. 145 Norden/Weber, Bewertung von Ratingsystemen durch Markt und Staat, S. 31, 35. 146 Art. 2 Abs. 2 lit. d EG-RatingVO. In Europa erstellt u.a. die französische Zentralbank Bonitätsbeurteilungen. 147 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 56; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 139. 148 Siehe zum Basel II-Akkord noch näher in § 6 III. 149 So etwa jüngst im Kommissionsvorschlag vom 4.9.2013 für eine EU-GeldmarktfondsVO; siehe dazu noch § 12 II 3 b) bb). 150 Basel II-Akkord, Tz. 90 ff. 151 Basel II-Akkord, Tz. 211 ff. 152 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 56. 143

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

3. Stellung der Rating-Agentur zwischen Emittenten (Kapitalnachfragern) und Investoren (Kapitalanbietern) Indem Rating-Agenturen Bewertungen der Bonität von Emittenten und ihrer Emissionen erstellen und anderen Marktteilnehmern zugänglich machen, agieren sie als Informationsintermediäre.153 Sie nehmen damit als unabhängige Dritte eine Stellung zwischen den Emittenten (Kapitalnachfragern) auf der einen und den Investoren (Kapitalanbietern) auf der anderen Seite ein und stehen mit beiden Gruppen in einer tatsächlichen Beziehung. Wie diese Beziehung beschaffen ist und ob zu der tatsächlichen noch eine rechtliche (Sonder-)Verbindung hinzutritt, wird durch das (typischerweise so bezeichnete) Geschäftsmodell der jeweiligen Rating-Agentur154 sowie den Anlass für die konkrete Ratingerstellung155 bestimmt. a) Geschäftsmodelle der Rating-Agenturen: „investor pays“ und „issuer pays“ Man unterscheidet insoweit zwei Geschäftsmodelle, die auf dem globalen Ratingmarkt anzutreffen sind, nämlich das „investor pays“-Modell und das „issuer pays“-Modell. Bei dem „investor pays“-Modell handelt es sich um das historische Ursprungsmodell der Ratingbranche,156 das sich dadurch auszeichnet, dass die Rating-Agentur Bonitätsbeurteilungen auf eigene Initiative sowie – seltener – den Wunsch einzelner Investoren hin erstellt und diese gegen Bezahlung interessierten Investoren und anderen Marktteilnehmern zugänglich macht.157 Letzteres geschieht üblicherweise in Form eines Abonnements, aufgrund dessen der Abonnent während eines bestimmten Zeitraums regelmäßig die Ratings der RatingAgentur (also Ratingkürzel und dazugehörige -berichte) bezieht, heute regelmäßig in Form eines Datenbankzugangs. Nicht-Abonnenten besitzen unter dem „investor pays“-Modell hingegen keinen Zugang zu den Ratings der betreffenden Agentur, weil sie ja nicht dafür bezahlt haben; weder Ratingkürzel noch -berichte werden öffentlich publiziert. Ein Rating stellt sich in dieser Form also nicht als Information des gesamten Marktes, sondern lediglich abonnierender Marktteilnehmer dar. Das „investor pays“-Modell war bis in die 1970er Jahre das allein praktizierte Geschäftsmodell der U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen, wird heute aber nur noch von den zahlreichen kleineren Rating-Agenturen sowie, in vergleichbarer Form, von Kreditauskunfteien angewandt. Die Rating-Agenturen Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch – die bereits damals den U.S.-amerikanischen Ratingmarkt dominierten – gaben das „investor pays“-Modell hingegen Anfang der 1970er Jahre auf und stellten auf das bis heute praktizierte „issuer pays“-

153

Siehe dazu noch § 4. Dazu unter a). 155 Unter b). 156 Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung instruktiv Berghoff, VSWG 92 (2005), 141 ff. 157 In den frühen Jahren waren die Ratings noch in voluminösen Ratingverzeichnissen abgedruckt; vgl. Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 83 f.; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48. 154

§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte

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Modell um.158 Als Grund wird vor allem eine technische Entwicklung genannt, nämlich die zunehmende Verbreitung des Fotokopiergeräts:159 Da die Abonnenten, bei denen es sich fast durchweg um institutionelle Marktteilnehmer (Banken, broker-dealer, Versicherungen, Fondsgesellschaften) mit Bedarf für zahlreiche Exemplare der in Papierform vertriebenen Ratingpublikationen handelte, nunmehr günstig Kopien der Ratingberichte erstellen konnten, ging die Anzahl an Abonnements stark zurück.160 Das damit entstandene „free rider“-Problem161 veranlasste die großen Rating-Agenturen dazu, ein neues Geschäftsmodell einzuführen.

Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch etablierten aus diesem Grund das sog. „issuer pays“-Modell, welches heute schon aufgrund der anhaltenden Marktdominanz dieser drei Agenturen den faktischen Marktstandard darstellt. Nach diesem Modell beauftragen die Emittenten die Rating-Agenturen mit einer Ratingerstellung, sofern sie an einer Bonitätsbeurteilung Interesse haben, und entrichten dafür ein Honorar. Das Ratingkürzel wird sodann allgemein zugänglich publiziert und steht damit der gesamten Investorenöffentlichkeit kostenfrei als Information zur Verfügung, während der ebenfalls erstellte begleitende Ratingbericht – wie bereits im Text erwähnt162 – nur Abonnenten der Rating-Agentur gegen gesonderte Vergütung zugänglich gemacht wird. Das beschriebene „issuer pays“-Modell bedeutet also nicht, dass die Bezahlung der Rating-Agentur ausschließlich durch die Emittenten erfolgt (obgleich die von diesen entrichteten Ratinghonorare zwischen 85%163 und 95%164 des Einkommens der Rating-Agenturen ausmachen), denn Abonnementverträge mit institutionellen Investoren bestehen weiterhin – sie eröffnen jedoch den Abonnenten nicht länger den alleinigen Zugang zu Ratings, sondern vielmehr den Zugang zu umfangreicheren Bonitätsinformationen. In der Sache handelt es sich damit im Grunde um eine Mischform von „issuer pays“- und „investor pays“-Modell. Der zentrale Kritikpunkt an dem „issuer pays“-Geschäftsmodell liegt darin, dass die Rating-Agentur von dem Emittenten, dessen Bonität sie beurteilen soll, beauftragt und bezahlt wird, wodurch die Agentur einem evidenten Interessenskonflikt ausgesetzt ist. Die dadurch begründete strukturelle Gefahr für ihre Rolle als unabhängiger Dritter ist Gegenstand umfangreicher Diskussionen, die im Text noch aufzufächern sein werden.165 Ihr steht freilich als Vorteil gegenüber, dass so eine kostenfrei zugängliche Information der Finanzmarköffentlichkeit über Bonitätsfragen von allgemeinem Interesse gesichert werden kann, die auf158

Vgl. dazu noch § 3 II 2. U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 105; Mathis/McAndrews/Rochet, 56 J. Monet. Econ. (2009), 657, 658; White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 47. 160 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 4. 161 Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 623; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 479. 162 Oben II. 163 So Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 220. 164 So Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 72. 165 Siehe § 25 I 2. 159

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

grund der public good-Eigenschaften publizierter Ratings166 auf anderem Wege nur schwierig erreichbar ist. b) „Beauftragte“ und „unbeauftragte“ Ratings Richtet man das Augenmerk nicht auf das Geschäftsmodell der Rating-Agenturen im Allgemeinen, sondern auf die konkrete Bonitätsbeurteilung, so kann des Weiteren zwischen „beauftragten“ und „unbeauftragten“ Ratings unterschieden werden.167 Diese Begrifflichkeit knüpft unausgesprochen an das Vorliegen eines Ratingauftrages von Seiten des Emittenten an und birgt damit die Gefahr von Missverständnissen; sie hat sich aber im internationalen Sprachgebrauch allgemein durchgesetzt und wird daher auch hier verwandt. aa) Beauftragte oder „solicited“ Ratings Vom Emittenten „beauftragte“ Ratings sind unter dem „issuer pays“-Modell der praktische Regelfall.168 Die Erstellung solcher Bonitätsbeurteilungen beginnt mit Abschluss eines Ratingvertrages zwischen Emittent und Rating-Agentur und folgt sodann einem standardisierten Beurteilungsverfahren, dessen Ablauf im Detail schon häufig dargestellt wurde.169 Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung genügt es, die wesentlichen Verfahrensschritte knapp zu umreißen:170 Die Erstellung eines erstmaligen Ratings beginnt mit der Zusammenstellung eines Teams von Ratinganalysten, welche zunächst die öffentlich zugänglichen Informationen über den Emittenten und ggfs. die zu beurteilende Emission, die ökonomischen Bedingungen der Branche sowie des Sitzstaates einschließlich makroökonomischer Faktoren zusammenstellt und sodann, wenn erforderlich, zusätzliche Informationen bei dem Emittenten anfordert. Nicht selten werden der Rating-Agentur in diesem Zusammenhang Geschäftsinterna und -pläne zugänglich gemacht, die im Übrigen streng vertraulich behandelt werden.171 Es schließt sich ein Gespräch mit dem Management des Emittenten an, das häufig mit einer Betriebsbesichtigung vor Ort verbunden wird und von Emittentenseite üblicherweise sehr ernst genommen wird; typischerweise nehmen CEO und CFO des 166 Gerke/Bank, Finanzierung, S. 335; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 445; Listokin/ Taibleson, 27 Yale J. on Reg. (2010), 91, 96; Manns, 81 Geo. Wash.L. Rev. (2013), 749, 758; Masciandaro, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 50, 52; Portes, Rating agency reform, S. 145, 147; Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14; Sinclair, The New Masters of Capital, S. 151; von Randow, ZBB 1995, 140, 147 Fn. 60. 167 Der Unterschied zwischen beiden Ratingformen wird allgemein für wesentlich gehalten; vgl. nur Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 281. 168 Blaurock, ZGR 2007, 603, 604. Es kommen aber unter dem „issuer pays“-Modell daneben auch unbeauftragte Ratingerstellungen vor; vgl. dazu sogleich unter bb). 169 Vgl. nur U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 106 f.; Krämer, StB 2004, 60, 61 ff.; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 42 ff. 170 Siehe zu den rechtlichen Pflichten der Rating-Agentur während des Ratingverfahrens noch § 25. 171 Siehe hierzu noch § 4 I 2 a) sowie aus informationstheoretischer Sicht § 5 III 1 a) cc) (1).

§ 2 Ratings als Bonitätsbeurteilungen durch Dritte

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Unternehmens an einem solchen Treffen teil.172 Nach Auswertung aller so gesammelten Informationen verfassen die Ratinganalysten einen Bericht an ein sog. „Ratingkomitee“, das aus leitenden Mitarbeitern der Agentur zusammengestellt wird und letztlich über die Ratingeinstufung abstimmt. Das so festgelegte Rating (d.h. Ratingkürzel und Ratingbericht) werden dem Emittenten vor Veröffentlichung zur Stellungnahme vorgelegt und dann, ggfs. nach Vornahme von Korrekturen, auf der Internet-Homepage der Rating-Agentur sowie in ihren Datenbanken veröffentlicht. Nach Veröffentlichung eines Ratings schließt sich eine laufende Beobachtung des Emittenten durch die Rating-Agentur an, die bei Veränderung der Bonitätssituation eine Anpassung des Ratings nach oben (Upgrade) oder unten (Downgrade) vornimmt. bb) Unbeauftragte, „unsolicited“ oder „investor related“ Ratings Das Gegenstück zum beauftragten Rating ist das „unbeauftragte“ Rating, das auch im deutschen Sprachgebrauch vielfach alternativ als unsolicited bezeichnet wird.173 Es zeichnet sich dadurch aus, dass der Anstoß für seine Erstellung nicht vom Emittenten ausgeht, sondern von der Rating-Agentur oder – in der Praxis seltener – einzelnen Investoren.174 Unterstellt man, dass die Veröffentlichung jedes Ratings dem Informationsinteresse der Investorenschaft dient, so mag man unbeauftragte Ratings alternativ auch als investor related titulieren. Unbeauftragte Ratings sind heute der zahlenmäßige Ausnahmefall,175 was schlicht darauf zurückgeht, dass die drei marktbeherrschenden Rating-Agenturen dem „issuer pays“-Geschäftsmodell folgen und daher vor allem beauftragte Ratings erstellen.176 Bei den kleineren, nach dem „investor pays“-Modell arbeitenden Rating-Agenturen ist die unbeauftragte Ratingerstellung dagegen der Regelfall, weil eine Vergütung hier ja allein durch die Investoren erfolgt und eine vertragliche Beziehung mit dem Emittenten nicht eingegangen wird.177 Sofern man nicht auf die Anzahl der erstellten Ratings, sondern die Anzahl der RatingAgenturen abstellt, ist die Erstellung unbeauftragter Ratings daher sogar der Normalfall.178

172 Aus der betriebswirtschaftlichen Literatur Jewell/Livingston, 8:4 Fin. Markets, Inst. & Instruments (1999), 1, 8; Krämer, StB 2004, 60, 63. 173 Die deutsche Textfassung der EG-RatingVO verwendet ausweislich ihres Art. 3 Abs. 1 lit. x den Ausdruck „nicht angefordertes Rating“. 174 Niedostadek, Rating, Rn. 86; Vetter, WM 2004, 1701, 1703; Witte/Bultmann, in: Achleitner/ Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 92. 175 Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 453; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1851; Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 77. 176 Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 40 charakterisiert das „issuer pays“-Modell daher als „am Vertragsrating orientiertes Geschäftsmodell“. 177 Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 220; Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 302. 178 Dies gilt auch für die Ratingerstellung durch Schweizer Großbanken, die durchgehend „unbeauftragt“ erfolgt; vgl. Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 65.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

Daneben werden unbeauftragte Ratings gelegentlich auch durch die drei großen Rating-Agenturen erstellt, obgleich diese in einem solchen Fall in Ermangelung eines vergütungspflichtigen Auftrags von Emittentenseite keine Bezahlung erhalten.179 Es sind diese, durch „issuer pays“-Agenturen „systemfremd“ erstellten und publizierten unsolicited ratings, die ganz im Mittelpunkt der Diskussion stehen – sie erfahren auch deshalb die größte Aufmerksamkeit, weil diese Spielart unbeauftragter Ratings allgemein zugänglich veröffentlicht wird, während unbeauftragte Ratings kleinerer „investor pays“-Agenturen nur deren Abonnenten erreichen. Ihren Grund finden unbeauftragte Ratingerstellungen durch die drei großen internationalen Rating-Agenturen in deren Bemühen, für einzelne Marktsegmente eine ausnahmslose Ratingabdeckung zu bieten;180 für kleinere „issuer pays“-Agenturen stellen sie zudem einen Weg dar, sich erstmals eine Marktpräsenz und damit künftig Ratingaufträge zu erarbeiten.181 Sowohl in Deutschland als auch der Schweiz werden unsolicited ratings dagegen nicht selten sehr kritisch gesehen,182 weil man allein auf Grundlage öffentlich zugänglicher Informationen erstellte Bonitätsbeurteilungen für wenig aussagekräftig hält183 und befürchtet, der Emittent können dadurch zur Erteilung eines (bezahlten) Ratingauftrages gezwungen werden.184 Im Ergebnis besteht immerhin Einigkeit, dass die unbeauftragte Veröffentlichung von Ratings nicht per se unzulässig ist,185 obgleich in jüngster Zeit auf EU-Ebene tatsächlich ein Verbot unbeauftragter Ratings von EU-Staatsanleihen diskutiert wurde.186 Auf de lege lata bestehende Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gegen die Rating-Agenturen wegen unsolicited ratings wird noch in § 28 einzugehen sein.

179 Eine im Jahre 1998 unter U.S.-amerikanischen Emittenten durchgeführte Umfrage ergab, dass 9% der Emittenten von Standard & Poor’s, 11% von Moody’s und sogar 40% von Fitch ein (oder mehrere) unsolicited ratings erhalten hatten; Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 106. 180 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 5; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 2; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 74. 181 Vgl. Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 51 f.; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 637. 182 Aus der deutschen Literatur Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 199; Möllers, JZ 2009, 861, 866; aus der schweizerischen Literatur Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 74; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 160. Auch im U.S.-amerikanischen Schrifttum finden sich Bezeichnungen wie „hostile ratings“ (so Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 79). 183 Blaurock, ZGR 2007, 603, 647; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 57; Vetter, WM 2004, 1701, 1703. 184 Blaurock, ZGR 2007, 603, 647; Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 36; Möllers, JZ 2009, 861, 866; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 160; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 95 f. Zu unbeauftragten Ratingerstellungen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht siehe § 20 III 2. 185 Zum deutschen Recht Blaurock, ZGR 2007, 603, 647; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 199; zum Schweizer Recht Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 159; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 476. 186 Siehe dazu noch näher in § 19 I 3 a) aa).

§ 3 Die historische Entwicklung des Ratings Die Geschichte der Rating-Agenturen und ihrer Ratings ist bereits mehrfach ausführlich dargestellt worden1 und soll an dieser Stelle nicht nochmals im Einzelnen nachgezeichnet werden. Die folgende Darstellung beschränkt sich daher in gebotener Knappheit auf diejenigen historischen Entwicklungen, welche die Rolle der Rating-Agenturen an den internationalen Finanzmärkten bis heute beeinflussen und deshalb für das Verständnis der sich anschließenden Untersuchung hilfreich sind.

I. Die Kreditauskunfteien als Vorgänger der Rating-Agenturen Lässt man die Geschichte der Kapitalmärkte bereits mit der Gründung der Holländischen Ostindien-Kompanie und der Bank von Amsterdam als einer QuasiZentralbank im Jahre 1609 beginnen,2 so traten Rating-Agenturen in der Historie des Kapitalmarktes erst verhältnismäßig spät auf.3 Als ihre Vorgänger gelten – neben englischen Schiffsklassifizierungsgesellschaften wie Lloyd’s Register of Shipping, die ab 1760 die Seetüchtigkeit von Schiffen mit Buchstabenkürzeln bewerteten4 – vor allem die Kreditauskunfteien (mercantile rating agencies), deren Auskünfte (ebenso wie Ratings) der Investoreninformation dienen.5 Die erste Kreditauskunftei wurde im Jahre 1841 in New York durch Louis Tappan gegründet6 und sammelte bonitätsrelevante Informationen über Kaufleute durch ein Netz sog. Kreditkorrespondenten, die sich persönlich vor Ort ein Bild über die Vermögensverhältnisse und auch den Charakter des einzelnen Schuldners machten.7 Die dabei erhobenen Tatsachen wurden sodann in Berichten niedergelegt, die interessierten Geschäftspartnern und Gläubigern gegen eine Gebühr zugänglich gemacht wurden. Zu den Kreditkorrespondenten, die für die damaligen Aus1 In deutscher Sprache Berghoff, VSWG 92 (2005), 141 ff. (allerdings vorrangig zur Geschichte der Kreditauskunfteien); in englischer Sprache Sinclair, The New Masters of Capital, S. 22 ff.; Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19 ff. 2 So Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 20. 3 García Alcubilla/Ruiz del Pozo, Credit Rating Agencies, S. 1; Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19: „rating agencies are hardly an integral part of capital market history“. 4 Auf diese funktionelle Parallele hinweisend Ebenroth/Dillon, 24 Law & Pol’y Int’l Bus. (1993), 783, 794. 5 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 85; ausführlich Berghoff, VSWG 92 (2005), 141, 145 ff. 6 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 2; Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 85. 7 Berghoff, VSWG 92 (2005), 141, 148; Vlassis, 43 Va. L. Rev. (1957), 561.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

kunfteien tätig waren, zählten mit Abraham Lincoln, Ulysses S. Grant, Grover Cleveland und William McKinley nicht weniger als vier spätere Präsidenten der Vereinigten Staaten.8 Eine Neuausrichtung erfuhr das Geschäft der Kreditauskunfteien ab den 1850er Jahren, als neu gegründete U.S.-amerikanische Eisenbahngesellschaften ihren immensen Kapitalbedarf zunehmend über die Begebung von Anleihen zu finanzieren begannen, ohne dass eine nennenswerte gesetzlich vorgeschriebene Unternehmenspublizität existierte.9 Am damit begründeten U.S.-amerikanischen Anleihenmarkt, der noch für Jahrzehnte im Wesentlichen ein Markt für Eisenbahngesellschaftsanleihen bleiben sollte,10 entstand ein erheblicher Bedarf an Informationen über die weithin unbekannten Emittenten dieser Anleihen. Dies erkannte Henry Poor, der im Jahre 1854 mit der Zusammenstellung und Veröffentlichung von Finanzdaten über die diversen Eisenbahngesellschaften in Buchform begann;11 ab 1868 wurde Poor’s Manual of the Railroads of the United States als forthin jährlich erscheinender Band publiziert.12 Diese Nachschlagewerke, die bald in vergleichbarer Form auch durch andere Kreditauskunfteien veröffentlicht wurden,13 beschränkten sich jedoch auf die Zusammenstellung von Tatsachenangaben14 über die einzelnen Emittenten, die gelegentlich durch eine zusammenfassende Bewertung ergänzt wurden. Obgleich damit bereits ein „Rating“ im allgemeinen Sinn des Wortes vorgenommen wurde,15 gab es Bonitätsurteile in Form von Ratingkürzeln bislang noch nicht. Schon die frühen Kreditauskunfteien hatten dabei mit dem „Trittbrettfahrer-Problem“ zu kämpfen, das ab den 1970er Jahren auch die Rating-Agenturen traf und schließlich zur Umstellung vom „investor pays“- auf das seitdem gängige „issuer pays“-Geschäftsmodell führte:16 Ihre Kunden hatten einen erkennbaren ökonomischen Anreiz, die erstellten Nachschlagewerke (reference books) nach deren kostenpflichtigem Erwerb mit anderen Kunden zu teilen, um auf diese Weise Kosten zu sparen. Die Kreditauskunfteien versuch-

8

Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 26 Fn. 2. Berghoff, VSWG 92 (2005), 141, 145 ff.; Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 22. 10 Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 22. 11 Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 22. 12 Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 24. 13 Vgl. zur Geschichte der Kreditauskunftei Dun & Bradstreet, die im Jahr 1962 ihrerseits die Rating-Agentur Moody’s erwerben sollte, Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 300. 14 Als ein U.S.-amerikanisches Gericht im Jahre 1897 die Angemessenheit der durch einen Trustee getätigten Investition in Anleihen einer Eisenbahngesellschaft zu beurteilen hatte, bestätigte es, dass das vom Trustee konsultierte Poor’s Manual detaillierte Angaben zum Ausbaustand der jeweiligen Bahnstrecke und der Anzahl der verfügbaren Lokomotiven, Passagier- und Frachtwagons enthalte und es folglich „must be conceded under the evidence, that the trustees used all the care that a person of ordinary care and prudence would use in determining upon an investment of his personal funds“; In re Bartol, 11.10.1897, 182 Pa. 407, 416. 15 Die Kreditauskunfteien bezeichneten ihre zusammenfassenden Bewertungen in der Tat als „ratings“; vgl. Vlassis, 43 Va. L. Rev. (1957), 561. 16 Siehe dazu schon § 2 IV 3 a). 9

§ 3 Die historische Entwicklung des Ratings

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ten dieser Zweitverwertung dadurch entgegenzuwirken, dass sie ihre reference books nicht verkauften, sondern nur vorübergehend vermieteten und die Bücher dabei mit einem Schloss versahen, zu dem es lediglich einen Schlüssel gab.17

II. Entstehung und Ausbau des Ratings durch Rating-Agenturen in den U.S.A. 1. Gründung und Wachstum der Rating-Agenturen Die erste Publikation eines Ratings im heutigen Sinne erfolgte sodann im Jahre 1909 durch John Moody,18 dem Begründer von Moody’s Investors Service. Das schnelle Wachstum des Marktes für Rating-Agenturen führte in den folgenden Jahren zur Gründung von Poor’s Publishing Company (1916) und der Standard Statistics Company (1922) sowie im Jahre 1924 zur Aufnahme des Ratinggeschäfts durch die bereits 1913 gegründete Fitch Publishing Company – sämtlich Namen, die sich bis heute am Ratingmarkt erhalten haben. Die 1920er Jahre waren dabei auch für die Rating-Agenturen „goldene Jahre“, in denen sie Bonitätsbeurteilungen für über 3000 Emittenten unterhielten und jährlich eine Gesamtzahl von Ratings erstellten, die erst im Jahre 1994 wieder erreicht werden sollte.19 Es deutete sich zudem bereits an, dass mit den Ratings eine international einsetzbare Art der Marktinformation erfunden worden war, denn schon damals waren 15% der gerateten Emittenten außerhalb der U.S.A. ansässig; zudem eröffneten die ersten Rating-Agenturen Büros in London.20 Schon in den 1930er Jahren konnte ein U.S.-amerikanischer Autor daher konstatieren, dass „[b]ond ratings have become an institution in the American field of investment“.21 In der Tat agierten die Rating-Agenturen damit bereits zu einem Zeitpunkt als Garanten einer privaten Marktpublizität, als es die Securities and Exchange Commission (SEC) noch gar nicht gab.22 Im Jahre 1936 kam es sodann zum Erlass der ersten aufsichtsrechtlichen Regelung, die explizit auf die Ratings der privaten Rating-Agenturen Bezug nahm und damit die Regulierungsfunktion des Ratings begründete: Der Comptroller of the Currency, eine der U.S.-amerikanischen Bankenaufsichtsbehörden, verwies darin auf „recognized rating manuals“, anhand derer die für den Erwerb durch Ge17

Berghoff, VSWG 92 (2005), 141, 155. Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 2. 19 Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 22: „The 1920s were, in fact, the golden age of rating agencies.“ Im Jahre 1924 deckte Moody’s mit seinen Ratings nahezu 100% des Anleihenmarktes der U.S.A. ab; vgl. Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 638 f. 20 Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 22. 21 Harold, Bond Ratings as an Investment Guide, S. 3. 22 Die SEC wurde im Jahre 1934 eingerichtet, nachdem zuvor in Reaktion auf die Börsenkrise im Oktober 1929 der Securities Act of 1933 und der Securities Exchange Act of 1934 erlassen worden waren, die bis heute als die wichtigsten Gesetze des U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrechts fungieren. 18

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

schäftsbanken zugelassenen Wertpapiere zu bestimmen seien.23 Mit dieser Vorschrift, die (einschließlich ihrer Ratingbezugnahme) bis zum Jahr 2012 galt, war die Entwicklung zur Dichotomie von Marktinformations- und Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen angestoßen. Sie erhellt zugleich, dass den am damaligen U.S.-amerikanischen Finanzmarkt anerkannten Rating-Agenturen Fitch Publishing, Moody’s Investors Service, Poor’s Publishing und Standard Statistics schon nahezu ebenso lange eine (freilich ungefragt zugewiesene) Rolle in der U.S.-amerikanischen Finanzmarktregulierung zukommt wie der SEC, die selbst erst kurz zuvor ihre Tätigkeit aufgenommen hatte. Nachdem die Konkurrenten Standard Statistics und Poor’s Publishing wenig später zu Standard & Poor’s fusioniert hatten,24 hatte sich der Kreis der drei „großen“ Rating-Agenturen konsolidiert, die bis heute den internationalen Ratingmarkt beherrschen.25

2. Der Übergang vom „investor pays“- zum „issuer pays“-Geschäftsmodell in den 1970er Jahren Nachdem die Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, in denen der U.S.-amerikanische Anleihemarkt im Wesentlichen stagnierte, zunächst auch für die Rating-Agenturen ohne entscheidende Entwicklungen geblieben waren – erwähnenswert ist allein, dass Standard & Poor’s 1966 durch den Medienkonzern McGraw-Hill erworben wurde26 – kam es in den frühen 1970er Jahren sodann zu einer bedeutsamen Änderung im Geschäftsmodell der Rating-Agenturen.27 Bis zu diesem Zeitpunkt hatte diese ihr Einkommen allein aus dem Verkauf ihrer diversen Ratingpublikationen an Abonnenten bezogen, zu denen vor allem institutionelle Investoren und sonstige Unternehmen zählten; nicht abonnierende Privatanleger konnten Ratings folglich nur in öffentlichen Bibliotheken einsehen.28 Dieses „investor pays“-Geschäftsmodell bedeutete einerseits, dass alle Ratings auf Initiative der Rating-Agentur und ohne Auftrag oder Bezahlung durch den Emittenten vorgenommen wurden, hieß aber andererseits auch, dass Ratings der Öffentlichkeit nicht kostenfrei zugänglich gemacht werden konnten. Nachdem die Fortentwicklung der Kopiertechnik dazu geführt hatte, dass ab den 1960er Jahren zunehmend bezahlbare Fotokopiergeräte Verbreitung fanden, hielten die großen Rating-Agenturen das bisherige „investor pays“-Modell infolge des ent-

23 Treasury Department, Comptroller of the Currency, Regulations Governing the Purchase of Investment Securities, and Further Defining the Term „Investment Securities“ as Used in Section 5136 of the Revised Statutes as Amended by the Banking Act of 1935 vom 15. Februar 1936, Sec. II. Siehe zu dieser Regelung im Einzelnen noch § 7 I 1 a) aa). 24 Die beiden Rating-Agenturen fusionierten im Jahre 1941. 25 Siehe zur oligopolistischen Marktstruktur noch § 20. 26 Vgl. Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 412. 27 Siehe dazu im Einzelnen schon § 2 IV 3 a). 28 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 83: „The individuals who consult the rating books in the public libraries are legion.“

§ 3 Die historische Entwicklung des Ratings

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standenen „free rider“-Problems nicht länger für tragfähig29 und stellten ab 1970 auf das „issuer pays“-Geschäftsmodell um, das bis heute vorherrscht.30 Voraussetzung für diesen Schritt war freilich zudem, dass Emittenten überhaupt bereit waren, für die bislang kostenfreie Bonitätsbeurteilung durch die Rating-Agenturen zu zahlen. Diese Bereitschaft entstand, nachdem im Jahre 1970 die Eisenbahngesellschaft Penn Central zusammenbrach und von ihr begebene kurzfristige Schuldverschreibungen (Commercial Paper) in Höhe von 82 Mio. USD ausfielen31 – ein Vorgang, der das Investorenvertrauen am Markt für Commercial Paper tiefgreifend erschütterte.32 Da die Penn Central-Schuldverschreibungen zwar durch eine Kreditauskunftei,33 aber durch keine Rating-Agentur beurteilt und vor allem keinerlei öffentlich zugängliche Informationen über deren Bonität verfügbar gewesen waren,34 verlangten die Investoren nunmehr ein öffentlich publiziertes Rating als Voraussetzung dafür, überhaupt in Commercial Paper zu investieren.35 Ratings waren damit zu einer kriseninduzierten Markteintrittsvoraussetzung geworden, die es den großen Rating-Agenturen von nun an erlaubte, von den Emittenten eine Vergütung für ihre Tätigkeit zu verlangen.36

III. Die Internationalisierung des Ratings Seit den 1980er Jahren ist die Entwicklung des Ratings ganz durch seine zunehmende Internationalisierung gekennzeichnet,37 infolge derer den drei großen Rating-Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch heute die Rolle globaler Informationsintermediäre zukommt.

29 Becker/Milbourn, 101 J. Fin. Econ. (2011), 493, 500; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 623; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 478 f.; García Alcubilla/Ruiz del Pozo, Credit Rating Agencies, S. 5; Zimmer, in FS Hopt (2010), S. 2689, 2693. 30 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 105; Mathis/McAndrews/Rochet, 56 J. Monet. Econ. (2009), 657, 658; White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 47. 31 Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 347; White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 47: „a significant event for credit rating agencies“. 32 Stigum/Crescenzi, Stigum’s Money Market, S. 980: „it shook the market“. 33 Die Commercial Paper von Penn Central waren durch The National Credit Office (NCO), eine Tochter der Kreditauskunftei Dun & Bradstreet, Inc., bis zur Insolvenz als „prime“ bewertet gewesen; vgl. University Hill Foundation v. Goldman, Sachs & Co., 27.10.1976, 422 F.Supp. 879, 886 (S.D.N.Y. 1976). 34 Mallinckrodt Chemical Works v. Goldman, Sachs & Co., 13.9.1976, 420 F.Supp. 231, 236 (D.C.N.Y. 1976): „The NCO rating is not like a bond rating that is published and quoted for the world to see, nor is the rating available to the general public.“ 35 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 4; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 65; Haghshenas, 8 First Amend. L. Rev. (2010), 452, 461 f.; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 347. 36 Von Emittentenseite wurde der Übergang zu „issuer pays“-System teilweise allerdings auch deshalb begrüßt, weil man sich hiervon eine bessere Personalausstattung der Agenturen (und dadurch präzisere Ratings) versprach; so etwa Goodman, Fin. Analysts J. (May/June 1968), 59, 65. 37 Darbellay, Regulating Ratings, S. 22; St. Charles, 19 Minn. J. Int’l L. (2010), 399, 402.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

1. Die zunehmende Verwendung von Ratings außerhalb der U.S.A. Treibkraft dieser Entwicklung war die zunehmende „Globalisierung“ der bis dahin im Wesentlichen nationalen Finanz- und Kapitalmärkte,38 die ab den frühen 1980er Jahren zunehmend zu einer Platzierung von Anleihen im Ausland sowie, gleichsam gegenläufig, zur Tätigung von Investitionen auf ausländischen Märkten führte. Durch beide Tendenzen wuchs die Nachfrage nach international verständlichen Informationen über die Bonität ausländischer Emittenten und Emissionen, welche die Rating-Agenturen durch ihre standardisierten, verständlich codierten Ratings in unvergleichbarer Weise bedienen konnten.39 Infolgedessen fanden Ratings zunächst dadurch in nicht-amerikanische Finanzmärkte Eingang, dass sich dort finanzierende U.S.-amerikanische Unternehmen ihre Ratings als Bonitätsnachweis „mitbrachten“; dies geschah etwa in der Schweiz, wo in den 1980er Jahren mehr Wertpapiere U.S.-amerikanischer Emittenten gehandelt wurden als irgendwo sonst außerhalb Nordamerikas40 und Ratings schon ab 1985 auch in ihrer Regulierungsfunktion eingesetzt wurden, soweit es um Schuldverschreibungen ausländischer Schuldner ging.41 In Deutschland begannen im selben Zeitraum diejenigen (großen) Unternehmen ein Rating zu beauftragen, die sich am U.S.-amerikanischen Kapitalmarkt finanzierten,42 jedoch ohne diese Ratings auch auf ihrem Heimatmarkt zu verwenden,43 wo die Unternehmensfinanzierung traditionell vorwiegend über Bankkredite erfolgt.44 Letzteres ergab sich erst ab den späten 1980er Jahren, als die großen U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen begannen, unter deutschen Unternehmen um Ratingaufträge zu werben und verschiedentlich auch unbeauftragte Ratings veröffentlichten.45 Ab den frühen 1990er Jahren eröffneten die drei großen RatingAgenturen schließlich sämtlich Büros in Deutschland, die bald in Form von Tochtergesellschaften verselbständigt wurden;46 fast zeitgleich gründeten sie auch Niederlassungen in Hongkong,47 das zu diesem Zeitpunkt noch eine britische Kronkolonie war. (Der Schweizer Ratingmarkt wird dagegen bis heute durch 38

Siehe § 8 III 1. Siekmann, DV 43 (2010), 95, 104. 40 Vgl. Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 11 sowie näher § 8 II 1. 41 Vgl. zu den diesbezüglichen Regelungen § 8 II 1 a) sowie § 9 II 2 a) aa). 42 Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 84; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 92. 43 Kritisch Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 84: „Ganz offensichtlich wird die Notwendigkeit, hier [in Deutschland] ein Rating zu unterhalten, nicht erkannt.“ Vgl. auch OLG Celle, 25.11.1992, NJW-RR 1993, 500, 501 („Bond-DM-Anleihe“): „anders als in Deutschland, wo Ratingsysteme bislang nicht angewendet werden, ist es in anderen Ländern üblich, dass sich jeder Emittent einer Bonitätsbeurteilung in Form des sog. Rating unterzieht …“. 44 Boos, BFuP 2005, 261. 45 Vgl. Littmann, Wirtschaftswoche vom 25.8.1989, S. 77 f.: „rüde Methoden“. 46 Den Auftakt machte 1991 Moody’s, 1992 folgte Standard & Poor’s und 1999 schließlich Fitch. 47 Park/Rhee, in: BIS, Asian bond markets, S. 202, 215 (mit Zahlen); Smith/Walter, in: Levich/ Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 301 f. 39

§ 3 Die historische Entwicklung des Ratings

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ausländische Niederlassungen der internationalen Rating-Agenturen bedient.48) Da vergleichbare Expansionsentwicklungen auch auf den Finanzmärkten anderer Staaten stattfanden und die Ratingnutzung sich im Laufe der Zeit stetig ausweitete, darf das Rating ab Mitte der 1990er Jahre als international gängige Marktinformation gelten.

2. „Ratingskandale“ als Kehrseite der gestiegenen Bedeutung der Rating-Agenturen Mit der zunehmenden Bedeutung des Ratings nahm freilich auch die Kritik an den Rating-Agenturen beständig zu. Neben einem allgemeinen Unbehagen bezüglich der „Macht“ der Rating-Agenturen, das in zahlreichen der einleitend zitierten Aussagen über die Agenturen49 zum Ausdruck kommt, äußert sich dieses Phänomen vor allem darin, dass nahezu jede Finanzkrise seit den 1990er Jahren mit einem angeblichen „Versagen“ der Rating-Agenturen in Zusammenhang gebracht zu werden pflegt – nicht immer, wie noch zu belegen sein wird,50 mit sachlicher Begründung. Typischerweise wird den Agenturen dabei zum Vorwurf gemacht, ihre Ratings nicht oder nicht rechtzeitig gesenkt zu haben, um die Marktteilnehmer vor dem drohenden Zusammenbruch eines Unternehmens oder ganzer Volkswirtschaften zu warnen; entsprechende Vorwürfe werden u.a. bezüglich der asiatischen Finanzkrise (1997),51 des Zusammenbruchs der U.S.-amerikanischen Unternehmen Enron (2001)52 und WorldCom (2002)53 sowie der italienischen Gesellschaft Parmalat (2003)54 vorgebracht. Sie weisen dadurch auf Missverständnisse bezüglich des Aussagehalts von Ratings und dessen Grenzen hin, die unter Marktteilnehmern häufig nachweisbar sind,55 denn ein Rating besitzt zum einen lediglich Prognosecharakter56 und Rating-Agenturen sind zum anderen ebenso wenig wie sonstige Marktteilnehmer, Abschlussprüfer und Aufsichtsbehörden davor gefeit, durch kriminelles Verhalten einer Unternehmensleitung getäuscht zu werden.57 Es darf folglich nicht vorschnell im Wege der Rück48

Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 56. Siehe § 1. 50 Siehe zum Fall Enron etwa unten § 17 II 2. 51 Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 110 ff.; Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 219; a.A. Caliari, 19 Transnat’l L. & Contemp. Probs. (2010), 145, 195. 52 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 108 ff.; Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 457 f.; Blaurock, ZGR 2007, 603, 613; Hill, 35 Conn. L. Rev. (2003), 1145; dies., 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 70; Moloney, EC Securities Regulation, S. 648; Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14: „spectacular failure“. Siehe dazu jedoch noch näher in § 17 II 2. 53 Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531. 54 Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481; Moloney, EC Securities Regulation, S. 690. 55 Siehe noch § 17 III 1. 56 Dazu bereits § 2 I 2. 57 Zutreffend Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 883; Gerke/Mager, BFuP 2005, 203; Millon, 60 Wash. & Lee L. Rev. (2003), 309, 324. 49

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

schau darauf geschlossen werden, dass bei einer unzutreffenden Bonitätsprognose auch ein Fehlverhalten der Rating-Agentur vorliegt. Eine wesentliche Mitverantwortung wird den Rating-Agenturen schließlich auch am Ausbruch der globalen Finanzkrise gegeben,58 als deren Beginn üblicherweise das Jahr 2007 genannt und die in der vorliegenden Untersuchung durchgehend (und möglicherweise ungenau) als „globale Finanzkrise 2007–09“ bezeichnet wird.59 Im Vorfeld dieser Krise war es nun bei dem Rating komplexer Finanzinstrumente60 in der Tat zu beträchtlichen Fehlentwicklungen gekommen, die diese Einschätzung als zutreffend erscheinen lassen. Im Ergebnis hat die globale Finanzkrise 2007–09 vor allem bei der Regulierung der Rating-Agenturen eine ganze Reihe neuerer Entwicklungen ausgelöst,61 welche die rechtliche Ordnung des Ratingwesens maßgeblich umgestaltet haben und im Fortgang der Untersuchung daher wiederholt zu thematisieren sein werden.

3. Ratings und die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum (ab 2010) Als jüngster erwähnenswerter Abschnitt in der Geschichte des internationalen Ratings ist schließlich die „Staatsschuldenkrise“ innerhalb der Euro-Währungszone zu nennen, in der ab März 201062 mehrere hochverschuldete Staaten (Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, Zypern) durch Hilfsmaßnahmen der EUMitgliedstaaten und der Europäischen Zentralbank in ganz erheblichem Umfang gestützt wurden.63 Die großen internationalen Rating-Agenturen nahmen im Verlauf der Krise verschiedentlich Herabstufungen der sovereign ratings der betroffenen EU-Staaten vor und erfuhren hierfür heftige Kritik von Vertretern dieser Staaten64 und der EU-Kommission,65 welche die von ihnen prognostizierten 58 Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2010, S. 119; Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 458 f.; Alexander, ZBB 2011, 337, 338; Cinquegrana, ECMI Policy Brief Nr. 12 (Feb. 2009), 1; Claussen, in FS Hopt (2010), S. 1695, 1709; Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 232; Diomande/Heintz/Pollin, The Economists’ Voice 6 (June 2009), Art. 6, 1; Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1092; Hill, 15 Chapman L. Rev. (2011), 133; Hurst, 30 Company L. (2009), 61; Möllers, JZ 2009, 861, 864; Nagy, 94 Minn. L. Rev. (2009), 140; Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 403; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1028; Poser/Fanto, Broker-Dealer Law and Regulation, Stand: 2009 Supplement, § 1.02[A]; Rhee, 32 Banking & Fin. Serv. Pol’y Rep. (March 2013), 14; Sanio, ZKredW 2008, 16, 18; Siekmann, DV 43 (2010), 95, 102; Theilacker, ZKredW 2009, 643. So auch Erwägungsgrund 10 zur EG-RatingVO. 59 Ob die Finanzkrise im Jahre 2009 als beendet gelten konnte oder tatsächlich noch länger andauerte, wird unterschiedlich beurteilt, ist aber wohl keiner zweifelsfreien Feststellung zugänglich. 60 Vgl. zu diesem Ratingsektor noch § 10. 61 Siehe etwa zum U.S.-amerikanischen Dodd–Frank Act die Ausführungen vor § 6. 62 Das erste Hilfsprogramm für die Hellenische Republik wurde von 16 Staaten der Eurozone im März 2010 beschlossen und im April 2010 von der griechischen Regierung beantragt. 63 Die „Krise“ dauerte bei Abschluss des vorliegenden Manuskripts noch an. 64 So etwa der damalige griechische Premierminister Giorgos Papandreou Anfang 2011 mit dem Vorwurf, die Rating-Agenturen „are seeking to shape our destiny and determine the future of our children“ (vgl. Schroeter, JARAF 6(1) (2011), 14, 15). 65 Vgl. die Rede von EU-Kommissar Michel Barnier „The new European Securities and Markets Authority: helping enhance the resilience of financial markets“ (Paris, 11. Juli 2011), SPEECH/

§ 3 Die historische Entwicklung des Ratings

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positiven Auswirkungen der vereinbarten Hilfsprogramme als nicht hinreichend gewürdigt ansahen. Dass von Emittentenseite Kritik an Ratingherabstufungen geübt wird, ist dabei als solches nicht ungewöhnlich, sondern entspricht einem gängigen Verhaltensmuster sowohl unter privaten als auch staatlichen Emittenten – als 2004 vorübergehend eine Herabstufung des „AAA“-Ratings der Bundesrepublik Deutschland erörtert wurde, setzte auch in Deutschland sogleich eine Debatte über die Legitimatität der Macht von Rating-Agenturen ein.66 Im Übrigen erwiesen sich die tendenziell skeptischeren Prognosen der Rating-Agenturen während der Euro-Staatsschuldenkrise im Nachhinein als durchaus begründet, wie schon daran deutlich wird, dass private Investoren durch den griechischen Schuldenschnitt Anfang 2012 nicht weniger als 107 000 000 000 € (107 Mrd. €) investiertes Kapital verloren; darüber hinaus werden Annahmen, die den staatlichen Hilfsprogrammen zugrunde lagen, mittlerweile auch von den verantwortlichen Stellen als übermäßig optimistisch eingestuft.67

Historische Bedeutung für das Ratingwesen kommt der Euro-Staatsschuldenkrise demgegenüber deshalb zu, weil sie der Auslöser für eine gesonderte Behandlung von sovereign ratings sowohl im Rahmen der Regulierung durch Ratings68 als auch der Regulierung des Ratings69 war, die es zuvor so nicht gegeben hatte. Dieses neue, im Rechtsvergleich einstweilen nur im EU-Recht nachzuweisende Phänomen wirft schwierige Fragen auf, weil die öffentliche Hand hier einerseits als Inhaberin souveräner Regelungsgewalt über Finanzmarktakteure (einschließlich der Rating-Agenturen) und andererseits als bedeutende Kapitalnachfragerin auf den Finanzmärkten70 (und damit potentielles Ratingobjekt), mithin in einer Doppelfunktion auftritt. Sie unterliegt daher selbst einem Interessenskonflikt, auf den im Laufe der Untersuchung noch verschiedentlich zurückzukommen sein wird. 66 11/514: „It is an issue of financial stability. It is an issue of political responsibility and democracy. Who can justify and accept that private companies have such power over populations who are committed to efforts which are unheard of? We need to be more demanding when it comes to how CRAs rate sovereign debt. These ratings play a crucial role not only for the rated countries but for all our countries: a downgrading has the immediate effect of making a country’s borrowing more expensive, it makes states weaker, and there are possible effects of contagion on neighbouring economies. The objective is not to break the thermometer: clearly some Member States face real difficulties. But one can’t just not take into account the fact that these Member States are members of a European Union, they benefit from the solidarity of its members; and they are subject to internationally agreed aid packages.“ (Weniger als acht Monate später nahm die Hellenische Republik den im Fortgang des Textes erwähnten Schuldenschnitt vor.). 66 Berghoff, VSWG 92 (2005), 141. 67 Vgl. nur International Monetary Fund, Greece: Ex-post Evaluation of Exceptional Access under the 2010 Stand-by Arrangement (20. Mai 2013), S. 29: „In the event, the judgments underlying both Criteria 3 (good prospects of regaining access to private capital markets) and 4 (a reasonably strong prospect of the program’s success taking into account institutional and political capacity to deliver adjustment) proved to be too optimistic and with the benefit of hindsight, it is debatable whether these criteria were met at the time.“ 68 Siehe zur Freistellung der Staatsanleihen verschiedener EU-Staaten von den traditionell ratingbasierten Anforderungen der EZB an die Zentralbankfähigkeit von Sicherheiten § 7 II 3 b). 69 Siehe dazu noch § 19 I 3. 70 Vgl. dazu schon § 2 III 3.

Zweiter Abschnitt: Die Marktinformationsfunktion des Ratings

§ 4 Grundlagen der Marktinformationsfunktion des Ratings Die originäre Funktion des Ratings besteht, wie bereits festgestellt,1 in der Information des Finanzmarktes und seiner Marktteilnehmer über Kreditrisiken. Da diese Marktinformationsfunktion sich darüber hinaus auch als Basis der daran anknüpfenden rechtlichen Verwendung des Ratings, also seiner Regulierungsfunktion2 darstellt, ist es erforderlich, im Folgenden überblicksartig ihre Rolle innerhalb des Informationssystems des Finanzmarktes3 zu behandeln. Es soll dabei an dieser Stelle einstweilen nur um die allgemeinen Grundlagen dieser Informationsfunktion gehen, bevor im nächsten Kapitel näher auf empirische Befunde zum Informationswert von Ratings und dessen informationstheoretische Begründung aus Sicht der Ökonomie eingegangen wird.

I. Ratings als private Marktinformationen 1. Die Bedeutung von Bonitätsinformationen am Finanzmarkt Im Ausgangspunkt ist dabei anerkannt, dass die Verfügbarkeit von Informationen eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren von Märkten im Allgemeinen und Finanzmärkten im Besonderen ist: Informationen sind, so wird gesagt, das Blut in den Adern des Finanzmarktes.4 Der Grund hierfür liegt in der Informationsasymmetrie, die zwischen den verschiedenen Marktteilnehmern – vor allem Kapitalnachfragern und Kapitalanbietern (Investoren) – existiert5 und bei ihrem Fortbestehen den nicht ausreichend informierten Marktteilnehmer davon abhalten könnte, in ihrem Risikogehalt für ihn nicht einschätzbare Markttransaktionen vorzunehmen.

1

Siehe § 1 II 1. Zur Regulierungsfunktion des Ratings und ihrem derivativen Charakter bereits § 1 II 2. 3 In terminologischer Hinsicht werden die Begriffe des „Kapitalmarktes“ auf der einen und des „Finanzmarktes“ auf der anderen Seite bislang, soweit ersichtlich, nicht streng unterschieden, sondern (zumindest im deutschsprachigen juristischen und ökonomischen Schrifttum) weitgehend austauschbar verwandt (vgl. in diesem Sinne auch Merkt, in FS Hopt (2010), S. 2207 f.). Die vorliegende Untersuchung schließt sich dem an und benutzt beide Termini als Synonyme, wenngleich manches dafür spricht, „Finanzmarkt“ und „Finanzmarktrecht“ als die jeweils umfassenderen der Begriffe zu verstehen (in diesem Sinne etwa Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 14.26 f.). 4 Dombalagian, 55 Buff. L. Rev. (2007), 1; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.277. 5 Scholz, BFuP 2005, 265: „ein dauerhaftes Merkmal sämtlicher Märkte“. 2

§ 4 Grundlagen der Marktinformationsfunktion des Ratings

51

Informationsasymmetrien bestehen dabei fast immer zum Nachteil der Anleger, denen gegenüber das kapitalnachfragende Unternehmen über einen Wissensvorsprung verfügt. Zwingend ist diese Informationsverteilung freilich nicht, wie das Beispiel des § 27a WpHG zeigt, dessen Mitteilungspflichten einen Wissensvorsprung des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft ausgleichen sollen.

Auf dem Markt für Anleihen und strukturierte Finanzinstrumente, auf dem es um zeitlich beschränkte Kapitalüberlassung gegen Verzinsung und Rückzahlung des überlassenen Kapitals geht,6 entsteht die entscheidende Informationsasymmetrie zuvörderst dadurch, dass der Emittent seine eigene wirtschaftliche Lage weitaus besser kennt als der Investor.7 Der Investor benötigt damit Informationen über die Kreditwürdigkeit (die Bonität) des Emittenten, um eine informierte Investitionsentscheidung treffen zu können, weil er nur auf deren Grundlage die Wahrscheinlichkeit der versprechensgemäßen Rückzahlung seines Kapitals einschätzen kann.8 Während die Bonität des Vertragspartners bei jeglichem Vertragsschluss Gegenstand von Informationsasymmetrien ist, kommen am Anleihemarkt (debt market) noch zwei weitere Faktoren asymmetrieverstärkend hinzu: Zum einen sind die einzelnen Finanzinstrumente selbst vielfach höchst komplex ausgestaltet, sodass das Informationsdefizit der Investoren aus diesem Grund besonders ausgeprägt ist,9 und zum anderen wird an den Finanzmärkten – die zunehmend zu einem globalen Finanzmarkt zusammenwachsen – eine praktisch unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher Finanzprodukte angeboten, woraus eine zusätzliche Intransparenz resultiert.10

2. Die Rating-Agenturen als Informationsintermediäre Die Rating-Agenturen tragen in ihrer Marktinformationsfunktion zum teilweisen Abbau der beschriebenen Informationsasymmetrie bei11 und fungieren am 6 Die wirtschaftliche Bedeutung dieses Finanzmarktsektors ist beträchtlich, weil Anleihen die volumenmäßig bedeutsamsten Kapitalmarkttitel darstellen; vgl. Gottmann, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 78. 7 Langohr/Langohr, Rating Agencies, S. 9; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 622; Scholz, BFuP 2005, 265. 8 Deipenbrock, BB 2003, 1849; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 417; Ohler, AfP 2010, 101, 102. 9 Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 65; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 202; Stürner, in FS Canaris I (2007), S. 1489, 1491. 10 Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 101; Koller, ZBB 2007, 197, 198. Vgl. White, 30 Regulation (Spring 2007), 48: „Consider the fact that, at the end of September 2006, there was over $8 trillion of corporate, state and local government, and asset-backed structured finance bonds outstanding – much of it rated by only a (literal) handful of bond rating companies.“ 11 Deipenbrock, WM 2005, 261; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 195 f.; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 30; Listokin/Taibleson, 27 Yale J. on Reg. (2010), 91, 95 f.; Marten/Köhler, in FS Lück (2003), S. 483, 485; Masciandaro, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 50, 52; Möllers, JZ 2009, 861; Moloney, EC Securities Regulation, S. 687; Norden/Weber, Bewertung von Ratingsystemen durch Markt und Staat, S. 31, 45; Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 222; Schwarcz, in:

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

Finanzmarkt daher als Informationsintermediäre.12 Sie erfüllen diese Aufgabe dadurch, dass sie der allgemeinen Investorenöffentlichkeit (im praktischen Regelfall des „issuer pays“-Ratingmodells, bei dem die erstellten Ratings kostenfrei öffentlich zugänglich gemacht werden13) oder zumindest denjenigen Investoren, welche die kostenpflichtigen Publikationen der Rating-Agentur abonniert haben (beim „investor pays“-Modell) ihre eigene Beurteilung der Bonität von Emittenten und Emissionen zugänglich machen.14 Die Marktinformationsfunktion des Ratings besitzt damit an den heutigen Finanzmärkten eine erhebliche Bedeutung für die Marktteilnehmer,15 aber auch für die Funktionsfähigkeit des Finanzmarkts als Institution.16 a) Bedeutung der Marktinformationsfunktion des Ratings für die Marktteilnehmer Unter den Marktteilnehmern sind Ratings zuvörderst für die Investoren von Bedeutung, weil sie ihnen eine eigene Informationsbeschaffung über die Bonität des jeweiligen Emittenten weitgehend abnehmen. Der darin liegende Vorteil wird überwiegend in der Senkung der Informationskosten der Anleger17 gesehen, weil die Investoren die notwendige Informationserhebung selbst nur zu höheren Kosten durchführen könnten.18 Tatsächlich dürften der Aufwand, der durch die Vornahme eigener Bonitätsanalysen auf Seiten der Investoren entstünde, angesichts von Komplexität und Anzahl der am Finanzmarkt angebotener Finanzinstrumente sogar als prohibitiv einzustufen sein.19 Es spricht daher viel für die 12 Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 302; ders., U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 10; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 76 ff.; Vetter, WM 2004, 1701; von Schweinitz, WM 2008, 953; Weber/ Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 5; skeptischer hingegen Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 138. 12 Coffee, Gatekeepers, S. 283; Haar, JZ 2008, 964, 969; Leyens, in: Beiträge für Hopt (2008), S. 423; Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europ. Unternehmens- u. KapitalmarktR, § 17 Rn. 87; Masciandaro, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 50, 53; Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 12; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 78; Wagner, in FS Blaurock (2013), S. 467, 468; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 5. 13 Siehe § 2 IV 3 a). 14 Siehe zur Rolle der Reputation des Informationsintermediärs noch unter II 1. 15 Dazu sogleich unter a). 16 Unter b). 17 Vgl. zur zentralen Rolle der Informationskosten etwa Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. (1984), 549, 593 ff. 18 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 94; Blaurock, ZGR 2007, 603, 608; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 415 f.; Lannoo, Intereconomics 2008, 265; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 622; von Randow, ZBB 1995, 140, 142. 19 Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 233: „‚do-it-yourself‘ financial analysis of opaque debt instruments is no more feasible for most financial institutions than ‚do-it-yourself‘ brain surgery“; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 660: „even the most sophisticated market participants are unable to generate accurate methods of estimating credit risks, despite the importance of doing so“.

§ 4 Grundlagen der Marktinformationsfunktion des Ratings

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Annahme, dass das Rating über die Senkung von Informationskosten hinaus überhaupt erst ermöglicht, dass Investoren sich über die Bonität der Kapitalnachfrager am Markt informieren können. Die Bedeutung des Ratings für die Emittenten stellt sich sodann als Reflexwirkung des Nutzens auf Investorenseite dar: Der Einsatz von Ratings ermöglicht es dem Emittenten, gegenüber der Finanzmarktöffentlichkeit seine Bonität zu signalisieren und damit Investorenkreise zu erschließen, die andernfalls durch die bestehende Informationsasymmetrie von einer Anlage abhalten würden.20 Im Vordergrund steht auch hier eine Kostenersparnis, weil die Nutzung der RatingAgenturen als Informationsintermediäre auch dann, wenn der Emittent – wie im Rahmen des „issuer pays“-Modells – die Bezahlung der Ratingerstellung übernimmt, für diesen zu niedrigeren Kapitalkosten führt.21 Dieser Kostenvorteil lässt sich zum Teil auf eine Besonderheit des beauftragten Ratings zurückführen, das es dem Emittenten nämlich ermöglicht, für ihn positive, aber vertrauliche Informationen durch das Rating „verschlüsselt“ an den Finanzmarkt weiterzugeben: Teilt der Emittent der Rating-Agentur während des Ratingverfahrens geschäftliche Interna mit, die sich positiv auf seine Kreditwürdigkeit auswirken, aber nicht allgemein (und damit auch gegenüber Konkurrenten) offen gelegt werden sollen,22 so werden diese über die verbesserte Ratingeinstufung an den Finanzmarkt kommuniziert, bleiben in ihrem Inhalt aber weiterhin vertraulich.23 Die beschriebene Spielart der Marktkommunikation fehlt hingegen, wenn der Emittent bonitätsrelevante Informationen direkt offen legt, und verleiht der Marktinformationsfunktion des Ratings aus Emittentensicht einen zusätzlichen Wert. b) Bedeutung der Marktinformationsfunktion des Ratings für die Funktionsfähigkeit der internationalen Finanzmärkte Darüber hinaus ist anerkannt, dass Rating-Agenturen als Informationsintermediäre zur Funktionsfähigkeit der internationalen Finanzmärkte beitragen, indem 20

Scholz, BFuP 2005, 265; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 196. Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1102; Hennrichs, in FS Hadding (2004), S. 875, 876; Moloney, EC Securities Regulation, S. 687 f.; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 353. Vgl. das Zitat des Vorstandes eines deutschen Unternehmens (bei Großfeld, NZG 2005, 1, 4): „Gekostet hat das Rating praktisch nichts. Die jährlichen Rechnungen von den Rating-Unternehmen [werden] durch geringere Finanzierungskosten mehr als aufgewogen.“ 22 Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 181 (S.D.N.Y. 2009): „… the Rating Agencies’ access to non-public information that even sophisticated investors cannot obtain“; KG, 24.8.1995, NJW-RR 1996, 1060, 1062; Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 455; Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 290; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 79. 23 Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 487; ders., ZGR 2007, 603, 608; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 419. Siehe aus Perspektive der Informationsökonomik zu dieser Form der Marktkommunikation § 5 III 1 a) cc) (1). Kritisch zum sich daraus ergebenden Unterschied zwischen beauftragten und unbeauftragten Ratings Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1128. 21

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

sie die Markttransparenz24 und damit auch die Markteffizienz25 zumindest wesentlich erhöhen. Eine weiter gehende Auffassung geht zutreffend sogar davon aus, dass Ratings eine effiziente Kapitalallokation an den heutigen Finanzmärkten überhaupt erst ermöglichen,26 weil eine eigene Bonitätsanalyse durch die Investoren – die in Übereinstimmung mit der neoinstitutionalistischen ökonomischen Theorie27 regelmäßig als Vergleichsmaßstab herangezogen wird – in Anbetracht der großen Zahl analysebedürftiger Finanzinstrumente und ihrer zunehmenden Komplexität effizient gar nicht stattfinden könnte, wenn derselbe Beurteilungsvorgang durch eine Vielzahl von Investoren durchgeführt werden müsste.28 Im Ergebnis kann daher konstatiert werden, dass Rating-Agenturen heute einen unverzichtbaren Bestandteil des zunehmend globalisierten Finanzmarktes darstellen:29 „Gäbe es keine Rating-Agenturen, müssten sie erfunden werden.“30

II. Ratings im Informationssystem des Finanzmarkts Das Rating steht in seiner Marktinformationsfunktion am Finanzmarkt freilich nicht allein, sondern tritt innerhalb eines Informationssystems neben weitere Informationen unterschiedlicher Herkunft. Von Bedeutung ist insoweit zum einen sein Verhältnis zur gesetzlichen Pflichtpublizität und zum anderen zu den Marktinformationen sonstiger Informationsintermediäre.

1. Private Marktinformationen und gesetzliche Pflichtpublizität Emittenten, die zum Zweck der Fremdkapitalaufnahme an den Finanzmarkt herantreten, werden heute in allen hier untersuchten Rechtsordnungen weitgehenden gesetzlichen Publizitätspflichten unterworfen.31 Da die gesetzlich geregelte 24 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 79; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 4; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 186; Krämer, in: Bankrechtstag 2004, S. 3, 30; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 121. 25 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 883; Meeh-Bunse/Sattler, DB 2012, 1449; Millon, 60 Wash. & Lee L. Rev. (2003), 309, 314; Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 293; Sullivan, 94 Minn. L. Rev. (2010), 2136, 2137. 26 Findeisen, DAJV-NL 2008, 64, 65; aus dem ökonomischen Schrifttum Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 204. 27 Vgl. noch § 5 III 2. 28 Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 623; Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 412. 29 In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litig., 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 820 (S.D.Tex. 2005): „credit rating agencies […] perform an essential service for economy and efficiency of the capital markets“; Deipenbrock, BB 2003, 1849, 1850; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 132; Haar, JZ 2008, 964, 969; Hopt/Voigt, in: dies., Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 9, 131; Vetter, WM 2004, 1701; Witte/Henke, DB 2013, 2257. 30 So Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 204. 31 Vgl. namentlich Merkt, Unternehmenspublizität, S. 350 ff.

§ 4 Grundlagen der Marktinformationsfunktion des Ratings

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Markteintritts- und Marktteilnahmepublizität ebenfalls bezweckt, aktuelle und potentielle Investoren über die für ihre Investitionsentscheidungen relevanten Umstände in Kenntnis zu setzen,32 soll sie ihnen auch eine Einschätzung von Emittenten- oder Emissionsbonitäten erlauben. Ratings als private Marktinformationen treten damit neben die Informationen, die infolge der gesetzlichen Pflichtpublizität an den Markt gelangen, und spielen aus Sicht der Investoren mit diesen zusammen. In sachlicher Hinsicht überschneiden sich private Rating- und gesetzliche Pflichtpublizität dabei allerdings von vornherein nur in begrenztem Maße, weil der Informationsinhalt von Ratings deutlich enger ist als die Offenlegung, welche von den gängigen gesetzlichen Publizitätspflichten angestrebt wird: Während Letztere nämlich üblicherweise eine Information der Investoren über sämtliche Faktoren bewirken wollen, die für deren Anlageentscheidungen erheblich sein können, beschränken sich Ratings auf die alleinige Beurteilung des Kreditrisikos und sagen über andere Risikofaktoren nichts aus. Ein weiterer Unterschied liegt in der Grundlage der jeweiligen Publizitätsform, die bei der gesetzlichen Pflichtpublizität in der staatlichen Anordnung besteht: Die genannten Informationen werden dem Markt von Seiten des Emittenten zur Verfügung gestellt, weil das Gesetz dies verlangt. Im Falle der privaten Publizität durch Veröffentlichung von Ratings fungiert hingegen die Reputation der Rating-Agenturen als Grundlage, von der die Marktakzeptanz der privaten Informationen abhängt: Nur sofern ein Informationsintermediär über eine ausreichende Glaubwürdigkeit unter den Investoren (und letztendlichen Ratingadressaten) verfügt, wird seinen Informationen am Markt Beachtung geschenkt und damit erreicht, dass er weiterhin Aufträge für seine Dienstleistungen erhält.33 Die Voraussetzungen, unter denen ein reputational intermediary über einen hinreichenden Ruf am Markt verfügt, sind im Schrifttum im Einzelnen herausgearbeitet worden;34 es besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass die auf dem internationalen Finanzmarkt tätigen Rating-Agenturen diese Voraussetzungen erfüllen.35 32

Vgl. zum U.S.-amerikanischen Markteintrittspublizitätsrecht nur Pinter v. Dahl, 15.6.1988, 486 U.S. 622, 638, 108 S.Ct. 2063 (1988): „The primary purpose of the Securities Act is to protect investors by requiring publication of material information thought necessary to allow them to make informed investment decisions concerning public offerings of securities in interstate commerce“; zum deutschen Recht allgemeiner BVerfG, 26.6.2002, BVerfGE 105, 252, 267 („Glykolwarnung“): „Die Rechtsordnung zielt auf die Ermöglichung eines hohen Maßes an markterheblichen Informationen und damit auf Markttransparenz.“ 33 Choi, 92 Nw. U. L. Rev. (1998), 916, 961; Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. (1984), 549, 605; Hsueh/Kidwell, 17:1 Fin. Manage. (1988), 46, 47; Leyens, in: Beiträge für Hopt (2008), S. 423, 425; Meeh-Bunse/Sattler, DB 2012, 1449, 1450; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 624; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 415; Schwarcz, 8 Duke J. Comp. & Int’l L. (1998), 235, 252. 34 Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. (1984), 549, 613 ff. 35 Amihud/Garbade/Kahan, 51 Stan. L. Rev. (1999), 447, 481; Haar, JZ 2008, 964, 969; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 426; Masciandaro, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 50, 53; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 295 f.; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 624; a.A. Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 703.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

Nicht geklärt ist hingegen, ob das Interesse der Rating-Agenturen an der Erhaltung ihres Reputationskapitals allein ausreicht, um sie zur Erstellung qualitativ hochwertiger Ratings an- und von einer Rücksichtnahme auf zahlende Emittenten abzuhalten – eine Problematik, die im Fortgang der Untersuchung noch vertieft zu erörtern sein wird.36

2. Rating-Agenturen und andere Informationsintermediäre („gatekeeper“) Schließlich treten die Rating-Agenturen in ihrer Marktinformationsfunktion noch neben eine Reihe weiterer Informationsintermediäre, die den Finanzmarkt ebenfalls mit Informationen versorgen. Im U.S.-amerikanischen Schrifttum hat sich insoweit der Oberbegriff der „gatekeeper“ etabliert, zu denen neben den Rating-Agenturen37 etwa Finanzanalysten, Abschlussprüfer, Investmentbanken, Rechtsanwälte und lead plaintiffs in class action suits gerechnet werden.38 Ihr gemeinsames Merkmal wird traditionell in der Fähigkeit gesehen, durch die Gewährung oder Verweigerung ihres fachlichen Plazets den Marktzugang für den Emittenten zu öffnen oder zu verschließen.39 Die gängige Zuordnung der RatingAgenturen zu dieser (deskriptiven) Kategorie darf freilich nicht den Blick auf die Unterschiede verstellen, die sie als Informationsintermediäre gegenüber anderen „gatekeepern“ auszeichnen:40 So erstellen Rating-Agenturen reine Bonitätsbeurteilungen, während Finanzanalysten Kauf- oder Verkaufsempfehlung abgeben41 und zudem üblicherweise nicht als unabhängige Dritte agieren, sondern als „sell side“- oder „buy side“-Analysten tätig werden.42 Abschlussprüfer bestätigen durch ihre Testate dagegen lediglich, dass die Buchführung der Gesellschaft unter Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen erfolgte und die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage im Jahresabschluss zutreffend dargestellt ist,43 ohne jedoch etwas über die Bonität auszusagen.44 Ratings werden schließlich – anders als Finanzanalysen oder Testate – nach ihrer Veröffentlichung als Marktinformation laufend aktualisiert und bieten der Marktöffentlichkeit daher keine lediglich einmalige, sondern kontinuierliche Bo-

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Siehe § 25 I 2. Coffee, in: Fuchita/Litan, Financial Gatekeepers, S. 177, 179; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 608; Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1104; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 35; Hatchett, 63 Ala. L. Rev. (2012), 407; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 535; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 197; Lerch, BKR 2010, 402, 403; Sack/Juris, 238 NY L.J. (5. Nov. 2007); Schwarcz, 8 Duke J. Comp. & Int’l L. (1998), 235, 253; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 193; Veil/Veil/Teigelack, § 21 Rn. 3. 38 Coffee, in: Fuchita/Litan, Financial Gatekeepers, S. 177, 179; Kraakman, 2 J. L. Econ. & Organ. (1986), 53, 62. 39 Vgl. Kraakman, 2 J. L. Econ. & Organ. (1986), 53, 54. 40 Zutreffend Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1692. 41 Findeisen, DAJV-NL 2008, 64. 42 Drinkuth, Fehlerhafte Finanzanalysen, S. 167, 169 f.; Kuthe, ZIP 2004, 883, 887; Spindler, NZG 2004, 1138, 1139. 43 § 322 Abs. 3 Satz 1 HGB. 44 Assmann, AG 2004, 435, 448. 37

§ 4 Grundlagen der Marktinformationsfunktion des Ratings

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nitätsinformation,45 die zudem (wiederum anders als die meisten Finanzanalysen) kostenfrei zugänglich ist. Die entscheidende Besonderheit von Ratings im Vergleich zu anderen Marktinformationen dürfte aber nicht in ihrem Inhalt (dem „Was“), sondern in der Form der Information (dem „Wie“) liegen: Es ist gerade die „Codierung“ ihrer Bonitätsbeurteilungen in Form standardisierter Ratingkürzel,46 welche die Marktinformationen der Rating-Agenturen von anderen Informationen abhebt und ihnen – wie im folgenden Kapitel informationstheoretisch zu untermauern sein wird – zu einem herausragenden Informationswert verhilft.

45 Baudenbacher-Tandler, Anlegerrisiken, S. 171; Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 93; Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 484; Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 14; Heinke/Steiner, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, S. 655, 684 f.; Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 413. 46 Zu den Ratingskalen der drei führenden Rating-Agenturen siehe bereits § 2 II 1.

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt: Empirische Befunde und informationstheoretische Begründung I. Einleitung Im Gegensatz zur Rechtswissenschaft befasst sich die Ökonomie bereits seit langem mit der Erforschung von Ratings. Die zahlreichen Untersuchungen in der ökonomischen Forschung konzentrierten sich dabei bislang – kaum überraschend – ganz auf die Marktinformationsfunktion von Ratings,1 während die Rolle ihrer Regulierungsfunktion keine wesentliche Beachtung fand.2 Für die Zwecke der vorliegenden rechtswissenschaftlichen Untersuchung sind die Erkenntnisse der Ökonomie zur Marktinformationsfunktion des Ratings gleichwohl aus zweierlei Gründen von Interesse: Zum einen können sie Aufschluss darüber geben, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise Ratings als Informationen durch die Marktteilnehmer wahrgenommen und verwandt werden, ob und warum ihnen also – in der Diktion der Ökonomie – ein „Informationswert“ zugemessen wird. Erst dieses Verständnis ermöglicht sodann die sachgerechte rechtswissenschaftliche Untersuchung der Rechtsregeln, die das Rating zum Gegenstand haben, sich damit also auf die Erstellung, Übermittlung und Aufnahme von Bonitätsinformationen beziehen und diese rechtlich ordnen. Zum anderen setzt das Recht Informationen in vielerlei Hinsicht selbst als Mittel ein, um einen Regelungszweck zu verwirklichen, indem es die Erstellung, Übermittlung und (obgleich vielfach nur implizit) auch die Aufnahme von Informationen zum Bestandteil rechtlicher Regelungen macht. Im Rahmen der folgenden Kapitel steht insoweit die „Regulierung durch Ratings“ im Vordergrund; das Phänomen ist jedoch allgemeiner Natur: Das gesamte Informationsmodell der modernen Marktregulierung beruht gedanklich auf der Aufnahme und Verarbeitung der publizitätspflichtigen Informationen durch die Informationsadressaten und kann ohne sie nicht funktionieren. In jedem dieser Zusammenhänge ist folglich auch von juristischem Interesse, ob und wie die Informationen durch die Regelungsadressaten tatsächlich verwandt werden, weil davon das Erreichen des Regelungsziels abhängt3 – auch hier können Erkenntnisse der Ökonomie helfen.4 1

Zu dieser bereits soeben in § 4. Eine Ausnahme aus jüngster Zeit ist die Untersuchung von Horsch, Rating und Regulierung, S. 271 ff. 3 Vgl. allgemein Assmann, in Großkomm-AktG, Stand: 1.3.1992, Einl. Rn. 356. 4 In diesem Sinne auch Merkt, Unternehmenspublizität, S. 190. 2

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

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Im Folgenden sind aus diesem Grund zunächst die bisherigen Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung zur Rolle von Ratings an den Kapitalmärkten5 zusammenzufassen,6 bevor auf die informationstheoretische Begründung der Befunde eingegangen wird.7 Die dabei in gebotener Knappheit zu behandelnden Erklärungsansätze der Informationsökonomik sind dabei auch deshalb von Bedeutung, weil sie – wie zu zeigen sein wird8 – zugleich die theoretische Grundlage für zahlreiche der rechtlichen Publizitätsvorschriften bilden, die in den verschiedenen Rechtsordnungen mit Ratings in ihrer Marktinformations- und Regulierungsfunktion zusammenwirken. Da die gängigen Theorieansätze der Ökonomie im Ergebnis nicht erklären können, warum Kapitalmärkte die empirisch nachgewiesenen Reaktionen auf Ratingveröffentlichungen zeigen, soll abschließend ein eigener Erklärungsansatz vorgestellt werden, der in Gestalt der Informationscodierung einen entscheidenden Unterschied zwischen Ratings und sonstigen Marktinformationen zur Begründung heranzieht.9

II. Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung Die Frage, inwieweit der Veröffentlichung von Ratings durch die Kapitalmarktteilnehmer ein Informationswert zugemessen wird, ist in der Vergangenheit Gegenstand umfangreicher empirischer Untersuchungen gewesen. Der Eigenschaft von Ratings als internationale Marktinformationen10 entspricht es, dass diesbezügliche ökonomische Studien auf den unterschiedlichsten nationalen Finanzmärkten durchgeführt wurden, wodurch auch Rückschlüsse auf den Einfluss der jeweiligen externen Marktbedingungen auf den Informationswert von Ratingveröffentlichungen ermöglicht werden. Im Ergebnis wissen wir daher verhältnismäßig genau, auf welche Ratingveröffentlichungen die Finanzmärkte wie reagieren – weniger klar (und in theoretischer Hinsicht umstritten) ist hingegen, warum sie dies im Einzelnen tun.11

5 Die Begriffe des „Kapitalmarkts“ und des „Finanzmarktes“ werden für die Zwecke der vorliegenden Unterschung, wie bereits in § 4 festgestellt, grundsätzlich als Synonyme verwandt (vgl. auch Merkt, in FS Hopt (2010), S. 2207 f.). Da der ältere Terminus des „Kapitalmarktes“ sich jedoch gerade im ökonomischen Schrifttum zur Informationseffizienz von Märkten formelartig verfestigt hat, wird er im folgenden Zusammenhang allein benutzt. 6 Unter II. 7 Unter III. 8 Siehe vor allem III 1 b). 9 Unter IV. 10 Siehe dazu schon § 1 III. 11 Siehe dazu noch näher unter III, IV.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

1. Marktreaktionen auf Ratingveröffentlichungen als Beweis ihres Informationswertes Um den Informationswert von Ratings zu prüfen, bedient sich die empirische Kapitalmarktforschung üblicherweise des Mittels der Ereignisstudie: Untersucht wird, ob der Sekundärmarkt sich nach Veröffentlichung einer Ratinganpassung seinerseits anpasst.12 Sofern dies der Fall ist, wird diese Marktreaktion als Beweis des Informationsgehalts des Ratings eingeordnet; eine Methode, die in der ökonomischen Forschung zu Ratings allgemein anerkannt ist.13 Die einschlägigen Ereignisstudien, die an dieser Stelle schon aufgrund ihrer beträchtlichen Anzahl nicht im Einzelnen darzustellen sind,14 haben vor allem Reaktionen am Markt für Fremdkapital (in Gestalt von Anleihenkursen sowie, in jüngerer Zeit, der Konditionen von Credit Default Swaps)15 untersucht, konnten aber – auf den ersten Blick überraschend – auch an den Aktienmärkten Marktreaktionen nachweisen.16 Wie bereits vorweggenommen werden kann, belegen die empirischen Untersuchungen dabei fast ausnahmslos, dass die Finanzmärkte den veröffentlichten Ratings einen Informationswert zubilligen.17 12 Deutlich seltener finden sich Untersuchungen am Primärmarkt, welche die Beeinflussung des Anlegerverhaltens bei Neuemissionen durch Ratings in den Blick nehmen (so Gabbi/Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59 ff.). 13 Vgl. nur Ederington/Yawitz/Roberts, 10 J. Fin. Res. (1987), 211, 212: „certainly a logical and proper test of whether or not rating changes have any informational content“. 14 Überblicksartige Nachweise finden sich bei Cantor, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2565 ff.; Heinke/Steiner, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, S. 655, 662 ff. (Ereignisstudien aus den Jahren 1974–2000); Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 32 ff. (Ereignisstudien aus den Jahren 1974–2003). 15 Unter a) und b). 16 Dazu unter c). 17 Berger/Davies/Flannery, 32 J. Money, Credit & Banking (2000), 641, 665; Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 106; Campbell/Taksler, 58 J. Fin. (2003), 2321, 2334; Cornell/Landsman/ Shapiro, 4 J. Acc. Aud. & Fin. (1989), 460, 479; Dichev/Piotroski, 56 J. Fin. (2001), 173, 202; Ederington/Goh, 33 J. Fin. & Quant. Analysis (1998), 569, 572; Ederington/Yawitz/Roberts, 10 J. Fin. Res. (1987), 211, 223; Followill/Martell, 21 J. Econ. & Fin. (Summer 1997), 75, 81; Gabbi/Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59, 72; Glascock/Davidson/Henderson, 26 Q. J. Bus. & Econ. (Summer 1987), 67, 77; Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2007; dies., 39 Q. Rev. Econ. & Fin. (1999), 101, 111; Grier/Katz, 49 J. Bus. (1976), 226, 239; Griffin/Sanvincente, 37 J. Fin. (1982), 103, 118; Hand/Holthausen/Leftwich, 47 J. Fin. (1992), 733, 752; Hite/Warga, Fin. Analysts J. (May/ June 1997), 35, 43 (freilich auf Grundlage methodisch fragwürdiger Annahmen); Holthausen/Leftwich, 17 J. Fin. Econ. (1986), 57, 85; Hull/Predescu/White, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2789, 2802 f.; Ingram/Brooks/Copeland, 38 J. Fin. (1983), 997, 1002; Jewell/Livingston, 8:4 Fin. Markets, Inst. & Instruments (1999), 1, 41 f.; Katz, 29 J. Fin. (1974), 551, 558; Kisgen, 61 J. Fin. (2006), 1035, 1038 f.; Kish/Hogan/Olson, 39 Q. Rev. Econ. & Fin. (1999), 363, 375; Liu/Seyyed/Smith, 26 J. Bus. Fin. & Acct. (1999), 337, 354; Liu/Thakor, 16 J. Money Credit & Banking (1984), 344, 350; Matolcsy/Lianto, 19 J. Banking & Fin. (1995), 891, 900 f.; May, 34 J. Banking & Fin. (2010), 2822, 2835; Moloney, EC Securities Regulation, S. 713: „Rating announcements clearly carry considerable informational content“; Nayar/Rozeff, 49 J. Fin. (1994), 1431, 1440; Nöth, KuK 1995, 535, 557; Poddig/Fieberg/Frädrich/Grigat/Moys, ZBB 2013, 60, 66; Reiter/Ziebart, 26 Fin. Rev. (1991), 45, 72; Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 551; dies., 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 154; Wansley/Clauretie, 8 J. Fin. Res. (1985), 31, 41; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 53 f.; Zaima/McCarthy, 23 Fin. Rev. (1988), 483, 497.

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

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a) Anleihenkurse Die größte Gruppe unter den Ereignisstudien untersucht dabei, ob die Änderung von Ratings (durch downgrades oder upgrades) sich auf die Kurse der betreffenden Anleihen bzw. deren Rendite auswirkt. Entsprechende Reaktionen der Anleihekurse wurden am U.S.-amerikanischen Kapitalmarkt bereits in den 1920er und 1930er Jahren empirisch nachgewiesen,18 und auch die weit überwiegende Anzahl neuerer Untersuchungen belegt für den Zeitraum nach einer Ratingänderung eine signifikante Marktpreis- (d.h. Kurs-)anpassung19 bzw. eine Anpassung der Rendite der Anleihe,20 die vor dem Hintergrund der überwiegend festen Verzinsung traditioneller Anleihen ebenfalls auf einer Kursanpassung beruht. Eine im Auftrag der EG-Kommission erstellte Studie über in den Jahren 1997–2001 emittierte Unternehmensanleihen wies nach, dass sich auch Unterschiede im Credit Spread dieser Papiere – also der Renditedifferenz zu einer laufzeitkongruenten, risikolosen Anleihe mit ansonsten gleichen Charakteristika – zu 94% auf deren Ratingeinstufung zurückführen lassen.21 Im Ergebnis wird aus der beschriebenen Empirie zu Marktreaktionen geschlossen, dass Ratings nach Ansicht der Marktteilnehmer ein originärer, d.h. nicht bereits zuvor in den Kursen abgebildeter Informationsgehalt zukommt.22 Im Gegensatz dazu hatten einige ältere, überwiegend noch aus den 1970er Jahren stammende Untersuchungen festgestellt, dass auf Ratingänderungen keine signifikanten Kursoder Renditeanpassungen folgten, und hatten daraus auf einen mangelnden Informationswert der Ratings geschlossen.23 Diese älteren empirischen Befunde werden im juristischen Schrifttum bis heute durch eine Gruppe von Autoren herangezogen, die den Marktein18

Vgl. Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 645. Grier/Katz, 49 J. Bus. (1976), 226, 239; Holthausen/Leftwich, 17 J. Fin. Econ. (1986), 57 ff.; Jewell/Livingston, 8:4 Fin. Markets, Inst. & Instruments (1999), 1, 41 f.; Liu/Thakor, 16 J. Money Credit & Banking (1984), 344, 350 (für U.S.-amerikanische municipal bonds); Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 551; dies., 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 154; Zaima/McCarthy, 23 Fin. Rev. (1988), 483, 497. 20 Campbell/Taksler, 58 J. Fin. (2003), 2321, 2334; Ederington/Goh, 33 J. Fin. & Quant. Analysis (1998), 569, 572; Ederington/Yawitz/Roberts, 10 J. Fin. Res. (1987), 211, 223; Hand/Holthausen/Leftwich, 47 J. Fin. (1992), 733, 734 ff.; Hite/Warga, Fin. Analysts J. (May/June 1997), 35, 43; Ingram/Brooks/Copeland, 38 J. Fin. (1983), 997, 1002; Katz, 29 J. Fin. (1974), 551, 558; Kish/Hogan/Olson, 39 Q. Rev. Econ. & Fin. (1999), 363, 375; Liu/Seyyed/Smith, 26 J. Bus. Fin. & Acct. (1999), 337, 354; May, 34 J. Banking & Fin. (2010), 2822, 2835; Nöth, KuK 1995, 535, 557; Reiter/ Ziebart, 26 Fin. Rev. (1991), 45, 72; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 53 f. 21 London Economics, Quantification of the Macro-Economic Impact of Integration of EU Financial Markets (November 2002), S. 81. 22 Ederington/Goh, 33 J. Fin. & Quant. Analysis (1998), 569, 570: „Clearly, the market views most downgrades as informational events“; Jewell/Livingston, 8:4 Fin. Markets, Inst. & Instruments (1999), 1, 3; Moloney, EC Securities Regulation, S. 713; Norden/Weber, Bewertung von Ratingsystemen durch Markt und Staat, S. 31, 46; Richter, WM 2008, 960, 963; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 633; von Randow, ZBB 1995, 140, 149. 23 Peavy/Scott, 38 J. Econ. & Bus. (1986), 255, 268; Wakeman, Bond Rating Agencies and the Capital Markets (1978); ders., in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 411; Weinstein, 5 J. Fin. Econ. (1977), 329, 345. 19

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

fluss von Ratings ausschließlich auf deren Regulierungsfunktion zurückführen will (sog. regulatory license theory)24 – da der Markt den Ratingveröffentlichungen in den 1970er Jahren keinen Informationsgehalt zugemessen habe und der regulatorische Einsatz von Ratings ab Mitte der 1970er Jahre in den U.S.A. deutlich zugenommen habe, müsse daraus abgeleitet werden, dass die heute nachweisbaren Marktreaktionen auf Ratingänderungen allein Auswirkungen von ratingbasierten Rechtsvorschriften seien.25 Die besseren Gründe sprechen jedoch dafür, dass sich die vereinzelt fehlende Feststellbarkeit von Marktreaktionen vor allem auf methodische Besonderheiten der damaligen Studien zurückführen lässt,26 die nämlich nicht mit tagesaktuellen Kursdaten, sondern mit monatlichen Durchschnittswerten arbeiteten: Der Nachweis einer messbaren Kursreaktion hing daher davon ab, dass während des betreffenden Monats keine sonstigen Ereignisse mit gegenläufigem Kurseinfluss auftraten, und zwang die Autoren im Umkehrschluss zu der Annahme, dass ein veränderter Monatsdurchschnittskurs ausschließlich auf die erfolgte Ratingänderung zurückzuführen sei – eine Unterstellung, die von Autoren entsprechender ökonomischer Studien gelegentlich selbst als „heroisch“ eingestuft wurde.27

Die vorstehend genannte Empirie bezieht sich dabei – wie empirische Untersuchungen mit Ratingbezug generell – vorwiegend auf den U.S.-amerikanischen Anleihemarkt. Marktreaktionen wurden jedoch darüber hinaus auch bei Anleihen Schweizer28 und Hongkonger Emittenten29 sowie am deutschen Anleihemarkt30 nachgewiesen, wo sie in ganz ähnlichem Umfang wie in den U.S.A. auftreten und ebenso als empirischer Beleg des Informationsgehalts von Ratings gewertet werden.31 Dieser tatsächliche Befund lässt zum einen den Schluss zu, dass Kursreaktionen auf Ratingänderungen jedenfalls nicht entscheidend von den Besonderheiten des jeweiligen Rechts- und Marktsystems abhängen, treten sie doch bei Anleihen an den unterschiedlichsten Finanzplätzen in vergleichbarer Form auf. Er deutet zum anderen bereits an, dass die Grundthese der regulatory license theory – die regulatorische Verwendung von Ratings als alleiniger Grund für deren Markteinfluss – nicht richtig sein kann: Dass empirische Untersuchungen schon am deutschen Anleihemarkt der Jahre 1986–94 Kursreaktionen auf 24

Siehe dazu noch näher unter III 1 a) bb). So namentlich Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 660. 26 So auch Followill/Martell, 21 J. Econ. & Fin. (Summer 1997), 75 f. 27 So Hite/Warga, Fin. Analysts J. (May/June 1997), 35, 37 (deren empirische Untersuchung auf diese Weise Kursreaktionen auf Ratingänderungen „nachweisen“ konnte): „we make the heroic assumption that price reactions in the month of a rating change are driven largely by the rating change“. 28 So in der Untersuchung von Gabbi/Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59, 61. 29 So bei Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98 ff. 30 Kaserer, ÖBA 1995, 263, 265 (DM-Auslandsanleihen 1989–93); Nöth, KuK 1995, 535, 548, 557 (Anleihen am DM-Euroanleihemarkt 1988–91); Rottmann/Seitz, KuK 2008, 59, 63 ff., 71 (Euro-Festkuponanleihen am deutschen Anleihemarkt 1996–2003, wobei die untersuchten Anleihen 45% des gesamten Anleihemarktes in Deutschland abdeckten); Steiner/Heinke, 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 145 (Anleihen am deutschen Anleihemarkt 1986–94); dies., ZfB 2000, 541, 551 (DM-Auslandsanleihen 1986–1994); Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 36 f. (EUR-Anleihen 1999–2004). 31 von Randow, ZBB 1995, 140, 149. 25

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

63

Ratingänderungen nachweisen konnten,32 ließe sich nach der genannten Theorie nämlich nur damit erklären, dass ratingbasierte Regelungen auch am deutschen Anleihemarkt in diesem Zeitraum entsprechende An- und Verkaufsvorgänge erzwungen hätten. Das deutsche Recht wies vor 2007 jedoch – wie bereits eingangs erwähnt33 und in den folgenden Kapiteln noch im Einzelnen auszuführen – noch keinerlei gesetzliche Vorschriften mit Ratingbezugnahmen auf,34 und es erscheint zumindest sehr zweifelhaft, ob die betreffenden Marktreaktionen allein durch vereinzelte untergesetzliche Ratingbezugnahmen, vertragliche „rating trigger“,35 private Anlagerichtlinien36 oder aber ausländische ratingbasierte Rechtsvorschriften verursacht werden konnten. Der Rechtsvergleich spricht vielmehr für die Annahme, dass Ratings unabhängig von der nationalen Marktumgebung ein originärer Informationswert zukommt und die Regulierungsfunktion des Ratings seine Marktinformationsfunktion lediglich ergänzt (sowie möglicherweise beeinflusst37), ohne diese jedoch zu verdrängen. b) Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps) Die Reaktionen an den Märkten für Anleihen wurden in jüngerer Zeit durch empirische Untersuchungen am Markt für Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps) bestätigt, die Auswirkungen von Ratingänderungen auf die Prämie nachweisen konnten, die am Markt für die Absicherung des Ausfalls von Anleiheschuldnern verlangt wird.38 Die betreffenden Marktanpassungen belegen ebenfalls den Informationswert von Ratings,39 vermögen den Zusammenhang zwischen Bonitätsbeurteilungen durch die Rating-Agenturen und der Markteinschätzung des Kreditrisikos aber noch präziser abzubilden als Kursänderungen, weil Anleihenkurse neben dem Kreditrisiko noch weitere Risikofaktoren inkorporieren,40 die durch ein Rating nicht ausgedrückt werden. Auch am Markt für Credit Default Swaps treten Reaktionen auf Ratingänderungen nicht nur bezüglich U.S.-amerikanischer, sondern ebenso europäischer und asiatischer Emittenten auf.41

32 So die Untersuchungen von Kaserer, ÖBA 1995, 263, 265; Nöth, KuK 1995, 535, 548; Steiner/ Heinke, 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 145; dies., ZfB 2000, 541, 551. 33 Siehe § 1 III 1 a). 34 Es bestanden zuvor vereinzelt schon aufsichtsrechtliche Ratingbezugnahmen auf untergesetzlicher Ebene, die aber ebenfalls erst ab dem Jahr 2000 (und damit nach dem oben genannten Zeitraum) geschaffen wurden; siehe dazu überblicksartig § 17 I 1. 35 Siehe § 15. 36 Siehe § 12 III. 37 Siehe zu Wechselwirkungen zwischen beiden Funktionen noch § 17 II 2. 38 Hull/Predescu/White, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2789, 2802 f.; Norden/Weber, 28 J. Banking Finance (2004), 2813, 2825 f. 39 Hull/Predescu/White, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2789, 2802 f. 40 Cantor, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2565, 2570. 41 Norden/Weber, 28 J. Banking Finance (2004), 2813, 2825 f.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

c) Aktienkurse Schließlich sind Kursreaktionen auf Ratingänderungen in einer Vielzahl von Untersuchungen auch am Aktienmarkt nachgewiesen worden: Die Herabstufung des Anleiheratings eines Emittenten hatte danach ein Absinken der Aktienkurse des betreffenden Unternehmens zur Folge, während Ratingheraufstufungen regelmäßig42 zu steigenden Aktienkursen führten.43 Entsprechende Änderungen der Aktienkurse wurden wiederum vor allem bei Aktien nachgewiesen, die an den U.S.-amerikanischen Börsen notiert sind, traten aber gleichermaßen auch bei Aktien an deutschen Börsen auf.44 Die beschriebenen Marktreaktionen überraschen gleich in mehrerer Hinsicht: So ist zunächst nicht ersichtlich, welchen unmittelbaren Informationswert die Bonitätsbeurteilung der Fremdkapitalverbindlichkeiten eines Unternehmens für dessen Aktionäre besitzen soll, haben diese doch – im Gegensatz zu Anleiheinhabern – weder Zins- noch Kapitalrückzahlungen zu erwarten. Die Beurteilung des Kreditrisikos durch Rating-Agenturen ist daher für Aktionäre jedenfalls im Ausgangspunkt nicht von Interesse. Erblickt man in einem Rating hingegen über seinen originären Aussagegehalt hinaus eine Information zu den Zukunftsaussichten des Unternehmens,45 so leuchtet nicht ein, warum eine Ratingherabstufung fast durchgehend zu einem Sinken des Aktienkurses führt,46 sich der Marktpreis der Aktien also parallel zu demjenigen der Anleihen desselben Unternehmens entwickelt: Diese Parallelität liegt aus ökonomischer Sicht nicht ohne weiteres nahe, weil für Eigenkapitalgeber (Aktionäre) sehr wohl gut sein kann, was für

42 Die Kursreaktionen auf Heraufstufungen blieben in ihrem Umfang allerdings vielfach hinter den Reaktionen bei Herabstufungen zurück; siehe zu diesem allgemeinen Phänomen noch unten II 2 b). 43 Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 106; Cornell/Landsman/Shapiro, 4 J. Acc. Aud. & Fin. (1989), 460, 479; Dichev/Piotroski, 56 J. Fin. (2001), 173, 202; Followill/Martell, 21 J. Econ. & Fin. (Summer 1997), 75, 81 (für review announcements); Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2003 f.; dies., 39 Q. Rev. Econ. & Fin. (1999), 101, 111; Glascock/Davidson/Henderson, 26 Q. J. Bus. & Econ. (Summer 1987), 67, 77; Griffin/Sanvincente, 37 J. Fin. (1982), 103, 118; Hand/Holthausen/Leftwich, 47 J. Fin. (1992), 733, 734; Holthausen/Leftwich, 17 J. Fin. Econ. (1986), 57, 84 f.; Jorion/Liu/Shi, 76 J. Fin. Econ. (2005), 309, 320 f.; Matolcsy/Lianto, 19 J. Banking & Fin. (1995), 891, 900 f. (nur für Downgrades); May, 34 J. Banking & Fin. (2010), 2822, 2835; Nayar/Rozeff, 49 J. Fin. (1994), 1431, 1447; Poddig/Fieberg/Frädrich/Grigat/Moys, ZBB 2013, 60, 66; Wansley/Clauretie, 8 J. Fin. Res. (1985), 31, 40; Zaima/McCarthy, 23 Fin. Rev. (1988), 483, 497. Keine Kursreaktionen am Aktienmarkt wurden hingegen festgestellt durch Pinches/Singleton, 33 J. Fin. (1978), 29, 42 (Aktienkursanpassungen erfolgten bereits 15–18 Monate vor Ratingänderungen); Slovin/Sushka/Hudson, 7 J. Int’l Money & Fin. (1988), 289, 300 (bei veränderten Ratings von Schuldverschreibungen mit kurzer Laufzeit (Commercial Paper)) – vgl. hierzu aber die Methodenkritik durch Nayar/Rozeff, 49 J. Fin. (1994), 1431, 1441 mit Fn. 14. 44 Beckert, Ratings und Aktienkurse: Das Zusammenspiel von Anleiheratings und Aktienkursen, S. 7 ff. 45 So Nayar/Rozeff, 49 J. Fin. (1994), 1431. 46 Empirische Untersuchungen, die in Reaktion auf Ratingverschlechterungen steigende Aktienkurse nachweisen konnten, sind vereinzelt geblieben; vgl. aber Kliger/Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879, 2881.

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

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Fremdkapitalgeber (Anleiheinhaber) schlecht ist.47 In der modernen Finanzierungstheorie wird sogar davon ausgegangen, dass eine Änderung der Unternehmensbonität typischerweise zu einem Vermögenstransfer von Anleiheinhabern zu Aktionären (bzw. umgekehrt) führt und sich Anleihe- und Aktienkurs daher in entgegengesetzte Richtungen entwickeln müssten, weil das Eingehen größerer Risiken (wie etwa durch eine Erhöhung der leverage des Unternehmens, also des Verhältnisses von Eigen- zu Fremdkapital48) nur den Aktionären nützt, die von einem größeren Gewinn profitieren, wohingegen die Anleiheinhaber allein am Risikozuwachs teilnehmen.49 Eine Ratingherabstufung, die ein sinkendes Kreditrisiko signalisiert, sollte danach regelmäßig zu einem sinkenden Aktienkurs führen, denn „good news for bondholders is actually bad news for stockholders“.50 Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn die Ratingänderung eine Veränderung des Unternehmenswertes signalisiert, weil diese Information das Interesse von Aktionären wie Anleiheinhabern in gleicher Weise betrifft.51 Die vorstehend beschriebene Hypothese haben Goh und Ederington empirisch zu testen versucht: Sie untersuchten die Auswirkungen von 428 Ratingänderungen aus den Jahren 1984–86 auf die Aktienkurse des emittierenden Unternehmens und differenzierten dabei nach den Gründen für die jeweilige Ratingänderung, welche die Rating-Agentur Moody’s gemeinsam mit dem Rating veröffentlicht hatte.52 Die gefundenen Ergebnisse bestätigten die Ausgangshypothese nur zum Teil: Ratinganpassungen, zu deren Begründung auf eine Veränderung der finanziellen Aussichten oder der Leistungsfähigkeit des Emittenten verwiesen wurde, führten zwar erwartungsgemäß zu fallenden Aktienkursen (weil diese Entwicklung für Fremd- wie Eigenkapitalgeber gleichermaßen negativ ist). Dagegen hätten Ratingherabstufungen, die aufgrund einer Veränderung in der leverage des Unternehmens vorgenommen wurde, eigentlich zu steigenden Aktienkursen führen müssen, weil eine größere leverage für Anleiheinhaber zwar negativ, für Aktionäre jedoch positiv ist. Diese erwartete Marktreaktion trat jedoch nicht ein; die Aktienkurse blieben vielmehr unverändert.53

Die Erklärung der beschriebenen Kursreaktionen am Aktienmarkt fällt nicht leicht; auf Grundlage der neoklassischen ökonomischen Theorie und ihrer An47 Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 104: „Any reduction in bond value is wealth expropriated from bondholders to stockholders“; Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001; Holthausen/Leftwich, 17 J. Fin. Econ. (1986), 57, 66; Merkt, RabelsZ 64 (2000), 517, 532. 48 Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2003 f. 49 So namentlich das ökonomische option pricing model (vgl. Galai/Masulis, 3 J. Fin. Econ. (1976), 53 ff.); Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 104; Enriques/Macey, 86 Cornell L. Rev. (2001), 1165, 1166: „the interests of fixed claimants conflict with the interests of equity claimants whenever a firm makes a decision about how to allocate capital“; Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2002; Kliger/Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879, 2893; Merkt, RabelsZ 64 (2000), 517, 532; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1806; Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 413; Zaima/McCarthy, 23 Fin. Rev. (1988), 483 ff. 50 Kliger/Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879, 2893. 51 Holthausen/Leftwich, 17 J. Fin. Econ. (1986), 57, 66. 52 Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001 ff. 53 Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2007.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

nahme informationseffizienter Finanzmärkte54 sind sie kaum begründbar. Nach hier vertretener Ansicht stellt die empirisch nachweisbare Beachtung von Ratingveröffentlichungen auch durch Eigenkapitalgeber ein erstes Anzeichen dafür dar, dass der Informationswert von Ratings an den Finanzmärkten maßgeblich auf ihrer Codierung beruht, welche die Aufnahme der Ratinginformation auch durch „reale“ Marktteilnehmer mit begrenzter Informationsaufnahmekapazität erst ermöglicht:55 Weil Ratings damit zu denjenigen (wenigen) Marktinformationen zählen, die für Anleiheinhaber wie auch Aktionäre unschwer aufnehm- und verarbeitbar sind, werden sie auch durch Aktionäre aufgenommen (für die sie im Grunde nicht bestimmt sind), während die begleitenden Ratingerläuterungen aufgrund ihrer mangelnden Codierung vermutlich unbeachtet bleiben.56 In den Marktreaktionen am Aktienmarkt zeichnet sich freilich bereits eine Schwierigkeit ab, die im Laufe der vorliegenden Untersuchung noch in anderen Zusammenhängen offenbar werden wird: Die aus Sicht der ökonomischen Theorie „unrichtige“ Reaktion der Aktionäre, die Ratingherabstufungen anscheinend als negative, Ratingheraufstufungen hingegen als positive Nachrichten verstehen, deutet auf die unzutreffende Einordnung des Ratings als „allgemeines Gütesiegel“57 hin, bei welcher der tatsächlich beschränkte Aussagegehalt des Ratings als bloße Bonitätsbeurteilung verkannt wird.58

2. Auffälligkeiten in den Marktreaktionen und Rückschlüsse auf den Informationswert des Ratings Die Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung beschränken sich jedoch nicht auf den allgemeinen Befund, dem zufolge Ratingveröffentlichungen durch die Marktteilnehmer ein Informationswert zugemessen wird. Sie konnten darüber hinaus vielmehr verschiedene Auffälligkeiten in den Marktreaktionen auf Ratings ermitteln, die als tatsächlicher Ausgangspunkt für eine theoretische Begründung der so erheblichen Bedeutung des Ratings als Marktinformation dienen können.

54

Siehe dazu noch unten III 1 a). Näher unten IV. 56 Dies könnte die durch Goh und Ederington ermittelten Marktreaktionen erklären, die anscheinend nicht nach dem mitgeteilten Grund der Ratingänderung differenzieren: Weil dieser Grund nicht in dem Ratingsymbol, sondern nur in den begleitenden schriftlichen Erläuterungen zur Ratinganpassung kommuniziert wurde, mag er durch die Aktionäre am Markt schlicht nicht aufgenommen worden sein. 57 Dieses Missverständnis findet sich gelegentlich auch im ökonomischen Schrifttum; so etwa bei Meixner, Aktienmärkte und Rolle der Rating-Agenturen, S. 304. Siehe bereits § 2 I 1 c). 58 Siehe hierzu noch § 17 III 1. 55

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

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a) Marktanpassungen bereits vor Ratingänderungen – Irrelevanz für Informationswert und „through the business cycle“-Methode der Rating-Agenturen Eine erste Beobachtung, die erstmals bereits in den 1930er Jahren59 und seitdem in einer Reihe von Ereignisstudien60 gemacht wurde, bezieht sich auf den Umstand, dass eine Änderung der Marktpreise teilweise nicht nur nach Veröffentlichung des Ratings erfolgt, sondern bereits vor diesem Zeitpunkt einsetzt. Da letztere Kursbewegungen nicht kausal durch die (spätere) Ratingpublikation verursacht worden sein können, ist hieraus vereinzelt geschlossen worden, Ratings könne kein Informationswert zukommen, weil der Markt die Ratinganpassungen vorwegnehme und die Rating-Agenturen dem Markt lediglich folgen.61 Dieser Schluss vermag jedoch aus mehreren Gründen nicht zu überzeugen. So taugt er schon logisch nicht zur Widerlegung der Informationswertthese, denn das Einsetzen von Marktbewegungen vor einer Ratingveröffentlichung ändert nichts an dem sie stützenden Befund, dass Ratingveröffentlichungen selbst nachweisbar zu statistisch relevanten Marktreaktionen führen: Dass der Markt bereits zuvor auf andere bonitätsrelevante Informationen reagiert hat, schließt in keiner Weise aus, dass er später (und stärker) auf Ratings reagiert.62 Darüber hinaus übersieht die hier kritisierte Literaturauffassung, dass die „verzögerte“ Anpassung ihrer Bonitätsbeurteilungen durch die Rating-Agenturen mit einem methodischen Grundansatz erklärbar ist, den alle großen Agenturen verwenden, nämlich der sog. „through the business cycle“-Methode:63 Danach passen die RatingAgenturen ihre veröffentlichten Ratings erklärtermaßen erst an, wenn sie zuversichtlich sind, dass die beurteilte Zahlungsfähigkeit sich dauerhaft geändert hat (und nicht aufgrund zyklischer Umstände lediglich vorübergehend schwankt), wodurch sich zwangsläufig eine Verzögerung der Ratinganpassungen im Vergleich zu den Marktpreisen ergibt, die jede Bonitätsschwankung sogleich abbilden, sich daher aber ständig ändern.64 Ratings stellen sich folglich nicht etwa als 59 Vgl. Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 89: „… a rating policy which in turn has a tendency to follow the market, although often after a substantial lapse of time …“. 60 Goh/Ederington, 39 Q. Rev. Econ. & Fin. (1999), 101, 106; Hettenhouse/Sartoris, 16 Q. Rev. Econ. & Bus. (1976), 65, 78; Hite/Warga, Fin. Analysts J. (May/June 1997), 35, 37; Hull/Predescu/ White, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2789, 2800; Kaplan/Urwitz, 52 J. Bus. (1979), 231 ff.; Norden/ Weber, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2813, 2837; Poddig/Fieberg/Frädrich/Grigat/Moys, ZBB 2013, 60, 65; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 44. 61 So namentlich Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 620; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65; ebenso Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 411; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 6. 62 Dies wird auch daran deutlich, dass zahlreiche der empirischen Untersuchungen, die Marktanpassungen bereits vor Ratingänderungen nachweisen, selbst zum Ergebnis gelangen, dass Ratings Informationswert besitzen. 63 Wie hier Gabbi/Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59, 72; Hull/Predescu/White, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2789, 2800; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 106 f. 64 Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 3; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 106 f.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

„langsamer“ Bonitätsindikator dar, der die im Marktpreis abgebildeten Informationen lediglich nachvollzieht – es handelt sich aufgrund der „through the cycle“Methode vielmehr von vornherein um ein aliud. Markpreisanpassungen, die Ratingänderungen zeitlich vorausgehen, sprechen daher nicht gegen den Informationswert von Ratings. b) Stärkere Marktreaktionen bei Herabstufungen von Ratings als bei Heraufstufungen Eine weitere Auffälligkeit liegt darin, dass die Finanzmärkte auf Ratingherabstufungen erheblich stärker reagieren als auf Heraufstufungen, die Marktteilnehmer sich in ihrer Reaktion also asymmetrisch verhalten. Diese Erscheinung wurde in einer großen Anzahl empirischer Studien nachgewiesen.65 Ihre Erklärung ist bislang nicht überzeugend gelungen: Im ökonomischen Schrifttum wird als mögliche Begründung angeführt, dass Rating-Agenturen größere Ressourcen auf die Entdeckungen von negativen als von positiven Entwicklungen verwenden66 und – in der Stoßrichtung ähnlich – die Unternehmen ihrerseits gute Nachrichten früher und bereitwilliger veröffentlichen als schlechte,67 weshalb Anlässe für Ratingheraufstufungen am Markt bereits bekannt und in die Kurse eingepreist seien. Dieser Erklärungsansatz, der auf Grundlage der neoklassischen Markttheorie argumentiert, verkennt jedoch zum einen, dass eine besonders konzentrierte Beobachtung negativer Unternehmensentwicklungen durch die Rating-Agenturen nichts darüber aussagt, warum der Markt auf daraus resultierende Ratingänderungen stärker reagiert als auf gute Nachrichten. Zum anderen unterstellt er, dass Ratingherabstufungen deshalb Marktreaktionen hervorrufen, weil sie auf durch das Unternehmen noch nicht kommunizierten Informationen beruhen, die der Rating-Agentur im Gegensatz zum Markt gleichwohl bekannt sind – dies kann jedoch allenfalls auf beauftragte

65 Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 106; Dichev/Piotroski, 56 J. Fin. (2001), 173, 202; Ederington/Goh, 33 J. Fin. & Quant. Analysis (1998), 569, 572; Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2006 f.; dies., 39 Q. Rev. Econ. & Fin. (1999), 101, 106; Griffin/Sanvincente, 37 J. Fin. (1982), 103, 118 (für Aktienkurse); Hand/Holthausen/Leftwich, 47 J. Fin. (1992), 733, 744 (für Anleihenwie Aktienkurse); Holthausen/Leftwich, 17 J. Fin. Econ. (1986), 57, 68 f.; Hull/Predescu/White, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2789, 2802 f.; Liu/Seyyed/Smith, 26 J. Bus. Fin. & Acct. (1999), 337, 340; Matolcsy/Lianto, 19 J. Banking & Fin. (1995), 891, 900 f.; May, 34 J. Banking & Fin. (2010), 2822, 2835 (nur für Änderungen von Aktien-, nicht auch für Anleihenkurse); Nayar/Rozeff, 49 J. Fin. (1994), 1431, 1443; Poddig/Fieberg/Frädrich/Grigat/Moys, ZBB 2013, 60, 65; Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 554; dies., 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 145 f.; Stickel, 8 J. Acct. & Econ. (1986), 197 ff.; Wansley/Clauretie, 8 J. Fin. Res. (1985), 31, 41; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 48 ff.; Zaima/McCarthy, 23 Fin. Rev. (1988), 483, 497 (für Anleihen- wie Aktienkurse). 66 Ederington/Goh, 33 J. Fin. & Quant. Analysis (1998), 569, 584; Richter, WM 2008, 960, 963; Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 555. 67 Ederington/Goh, 33 J. Fin. & Quant. Analysis (1998), 569, 584; Holthausen/Leftwich, 17 J. Fin. Econ. (1986), 57, 71; Matolcsy/Lianto, 19 J. Banking & Fin. (1995), 891, 901: „good news travels faster than bad news“; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 54.

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

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Ratings zutreffen, aber der Markt reagiert (wie noch zu zeigen sein wird68) nachweisbar auch auf die Herabstufung unbeauftragter Ratings. Eine alternative Erklärung wird in der Regulierungsfunktion des Ratings gesehen, welche sich nur bei Herabstufungen auswirke, weil ratingbasierte Anlagevorschriften in diesem Fall zur (kurswirksamen) Veräußerung des herabgestuften Wertpapiers zwingen können, während ein spiegelbildlicher Zwang zum Kauf unbekannt ist.69 Die beschriebene Auswirkung ratingbasierter Rechtsregeln auf den Marktpreis von Anleihen erscheint durchaus naheliegend. Sie vermag die beobachteten Preisbewegungen aber allein nicht zu erklären, weil „asymmetrische“ Marktreaktionen auf Downgrades auch am deutschen Anleihemarkt in einem Zeitraum nachgewiesen wurden, zu dem Ratings in Deutschland jedenfalls gesetzlich noch gar nicht zu Regulierungszwecken eingesetzt wurden;70 zudem treten übermäßige Verkaufsreaktionen auch bei Aufnahme von Ratings in die Watchlist mit negativem Ausblick71 sowie am Aktienmarkt72 auf, obgleich diese Reaktionen durch ratingbasierte Rechtsregeln nicht verlangt werden.73 Es sprechen daher gute Gründe für die Annahme, dass zu den Auswirkungen der Regulierungsfunktion des Ratings noch „anomale“ Verhaltensmuster der Marktteilnehmer hinzutreten, wie sie in der Verhaltensökonomie (behavioral finance-Forschung) identifiziert wurden. Solche Verhaltensmuster bewirken eine Nutzung von Marktinformationen, die von dem rationalen Entscheidungsmodell der neoklassischen ökonomischen Theorie abweicht: So soll etwa ein Überreaktionseffekt (overreaction effect) im Verhalten von Anlegern eintreten können, wenn diese mit dramatischen und unerwarteten Nachrichten konfrontiert werden,74 was asymmetrisch-übertriebene Marktreaktionen auf Ratingherabstufungen erklären könnte.75 In dieselbe Richtung weisen auch Forschungsergebnisse der Psychologie, denen zufolge negative Nachrichten auf Menschen generell eine stärkere Wirkung ausüben als positive Neuigkeiten.76

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Unter d). Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 555; dies., 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 150. 70 So namentlich durch die vorstehend zitierten Untersuchungen von Steiner und Heinke, die jeweils Ratings deutscher Anleihen der Jahre 1986–94 betrafen. 71 Followill/Martell, 21 J. Econ. & Fin. (Summer 1997), 75, 81; Hull/Predescu/White, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2789, 2802 f.; Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 555; dies., 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 146. 72 Griffin/Sanvincente, 37 J. Fin. (1982), 103, 118; Hand/Holthausen/Leftwich, 47 J. Fin. (1992), 733, 744; Matolcsy/Lianto, 19 J. Banking & Fin. (1995), 891, 901; Zaima/McCarthy, 23 Fin. Rev. (1988), 483, 497. 73 So für negative Watchlist-Ankündigungen auch Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 557. 74 De Bondt/Thaler, 40 J. Fin. (1985), 793 ff.; auch Klöhn, Spekulation, S. 111 ff. 75 Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 53. 76 So etwa Baumeister/Bratslavsky/Finkenauer/Vohs, 5 Rev. Gen. Psychol. (2001), 323 ff. unter dem plastischen Titel „Bad Is Stronger Than Good“; aus dem juristischen Schrifttum Fleischer, in FS Priester (2007), S. 75, 86. 69

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

c) Besonders heftige Marktreaktionen bei Ratingänderungen an der „investment grade“-/„non-investment grade“-Schwelle Die empirisch nachgewiesenen Marktreaktionen auf Ratingänderungen zeichnen sich schließlich noch durch eine weitere Auffälligkeit aus: Kurs und Rendite von Anleihen wie auch Aktien ändern sich nämlich immer dann besonders stark, wenn eine Ratingänderung über die „investment grade“-/“non-investment grade“-Schwelle77 hinweg erfolgt, also bei einer Herabstufung von „BBB–“78/ „Baa3“79 auf „BB+“/„Ba1“ oder tiefer,80 aber auch bei einer gegenläufigen Heraufstufung in den „investment grade“-Bereich hinein.81 Die betreffenden Reaktionen des Marktes auf solche Ratingänderungen fallen durchgehend deutlich heftiger aus als bei anderen Änderungen, welche sich über dieselbe Anzahl von Ratingklassen erstrecken, aber den „investment grade“-Bereich nicht verlassen. Die Ratingskalen selbst bieten für diesen Unterschied keinen Anlass, unterteilen sie doch das Bonitätsspektrum erklärtermaßen in gleichmäßige Ratingklassen ein. Die beschriebenen Markteffekte an der „investment grade“-/„non-investment grade“-Schwelle wird man auf die Regulierungsfunktion des Ratings zurückführen können, weil dieser Schwelle – wie noch im Einzelnen zu zeigen sein wird – vor allem in ratingbasierten Anlagevorschriften für institutionelle Investoren eine besondere Bedeutung zukommt. Zurückgehend auf eine Regelung des U.S.amerikanischen Bankenrechts der 1930er Jahre82 schreiben heute nämlich eine Vielzahl gesetzlicher Vorschriften wie auch interner Anlagerichtlinien ein „investment grade“-Rating als Mindestvoraussetzung für den Erwerb und das Halten von Finanztiteln vor83 mit der Folge, dass diese bei einer Herabstufung in den „non-investment grade“-Bereich abgestoßen werden müssen – eine rechtliche Vorgabe, die einen plötzlichen Kursverfall bewirken kann.84 Daneben können ratingbasierte Anlagevorschriften aber auch zu einem übermäßigen Kursanstieg führen, weil eine Heraufstufung in das „investment grade“ ein Wertpapier einem

77 Zur Dichotomie von „investment grade“ und „non-investment grade“ sowie ihrem historischen Hintergrund siehe noch näher § 7 I 1 a) bb). 78 Standard & Poor’s, Fitch. 79 Moody’s. 80 Brister/Kennedy/Liu, 21 J. Bus. Fin. & Acct. (1994), 511, 521 f.: „uniquely large jump in yield premium per unit of default risk as ratings deteriorate from BBB to BB“; Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 106; Goh/Ederington, 39 Q. Rev. Econ. & Fin. (1999), 101, 110; Holthausen/Leftwich, 17 J. Fin. Econ. (1986), 57, 84 f.; Johnson, 13 J. Fixed Income (2004), 25, 34 f.; May, 34 J. Banking & Fin. (2010), 2822, 2835 f.; Steiner/Heinke, 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 150; Wansley/Glascock/Clauretie, 19 J. Bus. Fin. & Acct. (1992), 733 ff. 81 Hite/Warga, Fin. Analysts J. (May/June 1997), 35, 43. 82 Siehe § 7 I 1 a). 83 Siehe § 17 IV. 84 Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 545. Die beschriebenen Markteffekte können zudem zur Folge haben, dass zu Regulierungszwecken zugelassene Rating-Agenturen mit einer Herabstufung unter die „investment grade“-Schwelle länger zögern als andere Agenturen, deren Ratings keine Regulierungsfunktion zukommt (so die empirischen Befunde bei Johnson, 13 J. Fixed Income (2004), 25, 34) – eine problematische Wechselwirkung, die in § 17 II 2 noch zu erörtern sein wird.

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

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beträchtlichen Kreis regulierter Investoren zugänglich macht, der dieses zuvor nicht erwerben durfte85 – der verbreitete regulatorische Einsatz des „investment grade“ vermag daher beide beobachteten Markteffekte zu erklären. d) Marktreaktionen auch auf die Veröffentlichung unbeauftragter Ratings Schließlich wurde in Ereignisstudien nachgewiesen, dass der Markt nicht nur solchen Ratings einen Informationsgehalt zuspricht, die im Auftrag des Emittenten erstellt wurden, sondern dass die Veröffentlichung unbeauftragter (unsolicited) Ratings dieselben Marktreaktionen hervorruft.86 Von Bedeutung ist diese Erkenntnis für die theoretische Begründung des Informationsgehalts von Ratings,87 weil sie belegt, dass der Zugang der Rating-Agentur zu vertraulichen Emittenteninformationen nicht (oder jedenfalls nicht allein) der Grund für die Ratingrelevanz in den Augen der Marktteilnehmer sein kann,88 denn solche vertraulichen Angaben finden in unbeauftragte Ratings eben typischerweise keinen Eingang.

III. Theoretische Begründung auf der Grundlage informationsökonomischer Modellannahmen Die theoretische Begründung des Informationswertes von Ratings ist höchst umstritten. Ihre Klärung ist zum einen Voraussetzung für das Verständnis, woraus die empirisch nachgewiesene Bedeutung des Ratings als Marktinformation resultiert und wie die vorstehend beschriebenen Auffälligkeiten in den Marktreaktionen89 erklärbar sind. Zum anderen beeinflussen informationsökonomische Modellannahmen auch die Auslegung und Anwendung gesetzlicher Publizitätsvorschriften, vor deren Hintergrund (und, nicht selten, als deren Tatbestandsmerkmal) Ratings ihre Wirkung entfalten, und die im Fortgang der Arbeit noch zu untersuchen sein werden.90 Es ist an dieser Stelle zunächst auf die Begründungsansätze der neoklassischen91 und sodann der neoinstitutionalistischen ökonomischen Theorie92 einzugehen, bevor anschließend ein eigener Erklärungsansatz vorgestellt wird.93

85 86 87 88 89 90 91 92 93

Dies übersehen Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 545. Behr/Güttler, 32 J. Banking & Fin. (2008), 587, 598; Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 106. Dazu sogleich unter III., IV. Hierzu noch unter III 1 a) cc) (1). Oben unter II 2. Siehe zusammenfassend § 17 I 3 b). Sogleich unter 1. Unter 2. Dazu IV.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

1. Neoklassische Theorie: Hypothese des effizienten Kapitalmarktes und Rationalmodell Ausgangspunkt sind die informationsökonomischen Modellannahmen der neoklassischen ökonomischen Theorie in Gestalt der Hypothese des effizienten Kapitalmarktes (Efficient Capital Market Hypothesis) sowie des Rationalmodells. Die Efficient Capital Market Hypothesis (häufig auch knapper als Efficient Market Hypothesis bezeichnet) ist in ihren drei theoretischen Grundformen (schwach, halbstreng und streng)94 schon häufig im deutschsprachigen juristischen Schrifttum dargestellt worden;95 sie soll an dieser Stelle nicht nochmals in ihren Einzelheiten präsentiert werden. Entscheidend ist, dass diese Theorie in ihrer halbstrengen Form eine informationelle Effizienz des Kapitalmarktes unterstellt,96 aufgrund derer sämtliche öffentlich bekannten Informationen umgehend in den aktuellen Marktpreis eingehen, Marktteilnehmer also allein aufgrund solcher Informationen den Markt nicht schlagen können.97 In der ökonomischen Literatur wird für entwickelte Kapitalmärkte überwiegend von der Belegbarkeit der halbstrengen Informationseffizienz ausgegangen.98 Das „Rationalmodell“ der neoklassischen rational choice-Theorie nimmt demgegenüber nicht den Markt, sondern das Individuum in den Blick99 und kann insoweit als theoretischer Unterbau der Informationseffizienzhypothese in ihrer halbstrengen Form betrachtet werden.100 Es geht dabei in seinen einzelnen, hier nicht aufzufächernden Spielarten101 von dem Modell des rationalen, nutzenmaximierenden homo oeconomicus aus,102 der seine Entscheidungen nach Auswertung 94

Grundlegend Fama, 25 J. Fin. (1970), 383 ff. Vgl. etwa Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, S. 129 f.; Sauer, Haftung für Falschinformation, S. 127 ff.; Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, S. 91 ff. 96 Vgl. zur Abgrenzung der informationellen Effizienz von der ebenfalls unterstellten fundamentalen Effizienz, der Allokationseffizienz und der institutionellen Effizienz überblicksartig Klöhn, Spekulation, S. 60. 97 Statt vieler Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. (1984), 549, 557 f.; Langevoort, 140 U. Pa. L. Rev. (1992), 851. 98 Restatement (Third) of Trusts (Prudent Investor Rule), § 227 General Note on Comments e through h: U.S.-amerikanischer Kapitalmarkt als „highly efficient“; Craft, 14 DePaul Bus. L.J. (2001), 119, 128; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 1 Rn. 28; Schröder, Unternehmenspublizität und Kapitalmärkte, S. 97 f., 100 f.; Sester, ZGR 2009, 310, 328. Für Anleihemärkte wird dies teilweise skeptischer gesehen (vgl. Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 17.8.2012, 888 F.Supp.2d 431, 473 (S.D.N.Y. 2012): „Rated notes do not trade in an efficient market like shares of publicly-traded stock“; Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2004, 1, 19; Steiner/ Heinke, ZfB 2000, 541, 543: „zwar in hohem Maße, aber nicht vollständig effizient“); für den Markt für strukturierte Finanzinstrumente ebenfalls zurückhaltend Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 656. Generell a.A. D. Schneider, DB 1993, 1429, 1432 ff. 99 Kirchgässner, Homo Oeconomicus, S. 12. 100 Avgouleas, ECFR 2009, 440, 443; Klöhn, Spekulation, S. 89. 101 Siehe zu diesen die überblicksartige Darstellung bei Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. (2000), 1051, 1060 ff. 102 Die klassische Formel von Brunner/Meckling, 3 J. Money, Credit & Banking (1977), 70, 71 umschreibt diesen als „resourceful, evaluating, maximizing man“ (REMM). 95

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

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sämtlicher relevanter Informationen trifft und zu diesem Zweck über eine unbegrenzte Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität verfügt.103 Das Rationalmodell wird im Schrifttum verbreitet als präziseste theoretische Vorhersage menschlichen Verhaltens gesehen.104 Die Hypothese des effizienten Kapitalmarktes und das Rationalmodell spielen allerdings nicht nur für die informationsökonomische Erklärung des Informationswerts von Ratings am Kapitalmarkt eine Rolle, auf die sogleich einzugehen ist, sondern bilden darüber hinaus auch die theoretische Grundlage zahlreicher gesetzlicher Publizitätsregelungen. Ihre insoweit bestehende Bedeutung für das Informationsmodell der modernen Finanzmarktregulierung wird noch gesondert zu thematisieren sein.105

a) Informationsökonomische Begründung der empirischen Marktreaktionen auf Ratings bei informationseffizientem Kapitalmarkt Eine verbreitete Ansicht im ökonomischen und juristischen Schrifttum geht davon aus, dass Ratings an informationseffizienten Kapitalmärkten keinerlei Informationswert zukomme106 und sich die nachgewiesenen Marktreaktionen allein auf die Regulierungsfunktion des Ratings zurückführen lassen.107 Wie zu zeigen sein wird,108 kann dieser theoretische Erklärungsansatz jedoch letztlich nicht überzeugen. aa) Fehlender Informationswert von Ratings am informationseffizienten Kapitalmarkt? Ausgangspunkt ist dabei die Feststellung, dass Informationsintermediäre an einem informationseffizienten Kapitalmarkt (mit halbstrenger Effizienz) keine Existenzberechtigung besitzen, weil alle zugänglichen Informationen ja ohne weiteres in den aktuellen Marktpreis einfließen und darin abgebildet werden.109 103 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 38 Fn. 51; Paredes, 81 Wash. U. L. Q. (2003), 417, 434: „The starting point for analyzing how people behave and think […] is rationality – the assumption that individuals are able to anticipate and consider all relevant factors in making choices and that they have unlimited computational capabilities“; Simon, 69 Q. J. Econ. (1955), 99: „This man is assumed to have knowledge of the relevant aspects of his environment which, if not absolutely complete, is at least impressively clear and voluminous. He is assumed also to have a well-organized and stable system of preferences, and a skill in computation that enables him to calculate, for the alternative courses of action that are available to him, which of these will permit him to reach the highest attainable point on his preference scale.“ 104 So etwa Coffee, 70 Va. L. Rev. (1984), 717, 719; Eidenmüller, JZ 1999, 53, 55; ders., JZ 2005, 216, 218; Posner, 50 Stan. L. Rev. (1998), 1551 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S. 64 f. 105 Siehe im Text unter b). 106 Dazu unter aa). 107 Dazu unter bb). 108 Dazu unter cc). 109 Heinke/Steiner, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, S. 655, 659, 665; Horsch, Rating und Regulierung, S. 94 f.; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 414; Wappenschmidt, Ratinganalyse, S. 21.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

Auch durch Rating-Agenturen erstellte Ratings könne daher kein Informationswert zukommen;110 diese vollzögen vielmehr nur bereits am Markt bekannte Informationen nach („ratings changes lag the market“).111 bb) „Regulatory license theory“ (Partnoy): Regulierungsfunktion des Ratings als alleiniger Grund für Marktreaktionen am informationseffizienten Kapitalmarkt Eine mögliche Erklärung für die gleichwohl nachweisbare Bedeutung des Ratings an den Kapitalmärkten versucht sodann die von dem U.S.-amerikanischen Autor Partnoy entwickelte sog. „regulatory license theory“,112 die im internationalen Schrifttum erhebliche Gefolgschaft gefunden hat113 und oben im Text114 bereits angesprochen wurde. Partnoy meint, das Paradoxon der höchst einflussreichen Rating-Agenturen, deren Ratings aber kein Informationswert zukomme, erkläre sich durch die vielen rechtlichen Inbezugnahmen von Ratings: Ratings seien nicht deshalb für Kapitalmarktteilnehmer wertvoll, weil sie zutreffend und verlässlich sind, sondern weil sie die mit regulatorischen Vorgaben verbundenen Kosten senken.115 Zu Regulierungszwecken anerkannte Rating-Agenturen besäßen folglich eine „regulatorische Lizenz“; deren ursprüngliche Marktinformationsfunktion werde heute ganz durch ihre Regulierungsfunktion verdrängt.116 cc) Kritik Der obige theoretische Erklärungsansatz für die nachgewiesenen Marktreaktionen auf Ratingänderungen überzeugt nicht, und zwar in keinem seiner beiden argumentativen Bestandteile.

110 Heinke/Steiner, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, S. 655, 659; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 662; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 414; Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 543; Wappenschmidt, Ratinganalyse, S. 21; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 6; Weinstein, 5 J. Fin. Econ. (1977), 329, 331. 111 Siehe dazu bereits oben in I 2 a). 112 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 681 ff.; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 66 ff.; auch Flannery/Houston/Partnoy, 158 U. Pa. L. Rev. (2010), 2085, 2090. 113 Bonewitz, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 391, 400 ff.; Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 167; Darbellay, Regulating Ratings, S. 22; Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1695 f.; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 342 Fn. 4; Portes, Rating agency reform, S. 145 f.; Steiner/ Heinke, ZfB 2000, 541, 545; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 106; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 5; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 50; Wilmarth, U. Ill. L. Rev. 2002, 215, 469 f. 114 Unter II 1 a). 115 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 681; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 66; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 50. 116 Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 66: „Put simply, credit ratings are important because regulations say they are.“

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

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(1) Verarbeitung vertraulicher Emittenteninformationen im Rating als (teilweise) Erklärung des Informationswerts selbst an informationseffizienten Märkten So geht die informationstheoretische Ausgangsthese, Ratings könne an informationseffizienten Märkten kein originärer Informationswert zukommen, schon dann fehl, wenn man – wie bei der Beschreibung bestehender Kapitalmärkte ganz herrschend – das Modell einer halbstrengen Informationseffizienz zugrunde legt: Da nach deren Annahme nämlich (nur) öffentlich zugängliche Informationen sogleich in den Marktpreis einfließen, stellen Äußerungen von Informationsintermediären dann neue (und daher marktpreisbeeinflussende) Informationen dar, wenn diese nicht-öffentliche Informationen an den Markt geben. Dies ist bei den Rating-Agenturen – in entscheidendem Unterschied zu sonstigen Informationsintermediären – deshalb der Fall, weil sie bei Erstellung beauftragter Ratings mit der Unternehmensleitung des betroffenen Emittenten in einen Dialog eintreten, in dessen Verlauf den Rating-Agenturen typischerweise detaillierter Einblick in vertrauliche Unternehmensdetails (wie Informationen zu den einzelnen Bilanzund GuV-Positionen, dem aktuellen Geschäftsverlauf, Einzelheiten der Unternehmensstrategie, der Finanzplanung und künftigen Projekten) gewährt wird, die das Unternehmen weder gegenüber der Marktöffentlichkeit noch einzelnen Investoren offenlegen würde.117 Im Schrifttum wird insofern konstatiert, dass die Vertreter einer Rating-Agentur, die das zu bewertende Unternehmen analysieren und das Gespräch mit dem Management und einzelnen Spezialisten führen, „danach meist ein größeres Insiderwissen haben als ein durchschnittliches Aufsichtsratsmitglied“.118 Dem Unternehmen eröffnet dieses Verfahren die Möglichkeit, die Bonitätsbeurteilung in seinem Sinne zu beeinflussen und zugleich über das erteilte Rating mittelbar vertrauliche Informationen an den Markt zu signalisieren, die es als solche nicht öffentlich bekannt geben möchte.119 Es ist diese Eigenschaft (nämlich die inhärente Kommunikation ansonsten nicht zugänglicher Emittenteninformationen), aufgrund derer Ratings auch unter Zugrundelegung der Efficient Markt Hypothesis an einem halbstreng-informationseffizienten

117 KG, 24.8.1995, NJW-RR 1996, 1060, 1062: „Die noch wesentlich weiterreichenden Angaben über Positionen der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung sowie über den aktuellen Geschäftsverlauf, die von internationalen Rating-Agenturen als Grundlage für ihre Bonitätsbewertung gefordert werden …“; Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 2.9.2009, 651 F.Supp.2d 155, 181 (S.D.N.Y. 2009): „… the Rating Agencies’ access to non-public information that even sophisticated investors cannot obtain“; Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 85; Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 104; Franken/Heinsius, in FS Budde (1995), 213, 221; Kliger/ Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 242; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 634; Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 290; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 79. 118 Däubler, BB 2003, 429, 431. 119 Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2002; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 419; Kliger/Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

Markt ein Informationswert zukommen kann120 – ein Ergebnis, das durch Befunde der empirischen Kapitalmarktforschung gestützt wird.121 Der privilegierte Zugang zu Unternehmensinformationen, der Rating-Agenturen durch die Emittenten freiwillig (d.h. aus Eigeninteresse) gewährt wird,122 wirft allerdings Fragen nach der informationellen Gleichbehandlung der Marktteilnehmer auf. Der U.S.-amerikanische Gesetzgeber reagierte hierauf im Jahre 2000 mit dem Erlass der Regulation FD, welche Emittenten im Grundsatz jede privilegierte Weitergabe vertraulicher Unternehmensinformationen verbietet, die Rating-Agenturen hiervon jedoch – als einzige Informationsintermediäre, anders als etwa Finanzanalysten – ausnimmt.123 Ihr damit nunmehr exklusives Informationsprivileg hatte zur Folge, dass sich die Marktreaktionen auf Ratingänderungen am U.S.-amerikanischen Kapitalmarkt nachweisbar erheblich verstärkten, weil jetzt allein Rating-Agenturen nicht-öffentliche Emittenteninformationen an den Markt kommunizierten;124 der Informationswert von Ratings hatte daher in den U.S.A. deutlich zugenommen.125

Die Verarbeitung nicht öffentlich bekannter Informationen durch die RatingAgenturen vermag die Marktreaktionen auf Ratings allerdings nicht vollständig zu erklären, weil diese sich nur bei beauftragten Ratings (und dem damit einhergehenden privilegierten Zugang zum Emittenten) niederschlägt: Die im Text dargestellten empirischen Befunde126 belegen jedoch, dass der Markt auch auf unbeauftragte Ratings gleichermaßen reagiert, obgleich diese regelmäßig allein auf Grundlage ohnehin öffentlich zugänglicher Informationen erstellt wurden.127 Nach den Annahmen der neoklassischen Informationsökonomik dürfte unbeauftragten Ratings daher keinerlei Informationswert zukommen.128 120 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 6; Everling, Die Bank 1991, 308, 314: „besondere Informationsqualität“; Heinke/Steiner, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, S. 655, 661; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 275; Masciandaro, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 50, 54; Moloney, EC Securities Regulation, S. 713; Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 543; van Aubel, Anleiherating und Bonitätsrisiko, S. 64. Dies gesteht auch Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 634 Fn. 63 zu. 121 Berger/Davies/Flannery, 32 J. Money, Credit & Banking (2000), 641, 666; Ederington/Yawitz/Roberts, 10 J. Fin. Res. (1987), 211, 223. 122 Vgl. Franken/Heinsius, in FS Budde (1995), S. 213, 221: „bemerkenswert, dass die RatingAgenturen über keinerlei Rechtsanspruch auf diese Informationen verfügen, aufgrund ihrer Marktposition jedoch auch sensible Informationen erhalten“. 123 Siehe zur Regulation FD noch näher in § 11 III 3 (dort auch zur Haltung der übrigen Rechtsordnungen zu dieser Sachfrage). 124 So die Ergebnisse der empirischen Untersuchung von Jorion/Liu/Shi, 76 J. Fin. Econ. (2005), 309, 313. 125 Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 243; Richter, WM 2008, 960, 963; Zhang, 25 QLR (2007), 573, 588 Fn. 136. 126 Oben II 2 d). 127 Dies kann anders sein, wenn die Rating-Agentur dem Emittenten gleichwohl eine Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und der Emittent daraufhin im selben Umfang vertrauliche Informationen zugänglich macht, wie er dies gegenüber einer von ihm selbst ausgesuchten Agentur getan hätte; vgl. Smith/Walter, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 289, 311 f. 128 Behr/Güttler, 32 J. Banking & Fin. (2008), 587, 588 f.; Lerch, BKR 2010, 402, 404; Byoun/ Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 104.

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

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Der Markteinfluss auch unbeauftragter Ratings wurde im viel beachteten Fall Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s129 deutlich: Im September 1993 beabsichtigte der im U.S.-Staat Colorado gelegene Schuldistrikt Jefferson County School District No. R-1, eine Refinanzierungsanleihe im Nennwert von USD 110 325 000,00 am U.S.amerikanischen Kapitalmarkt zu platzieren. Der Schuldistrikt beauftragte Standard & Poor’s und Fitch mit der Erstellung von Ratings für die Anleihe, nicht aber Moody’s, obgleich letztere Rating-Agentur in der Vergangenheit ebenfalls beauftragte Ratings für Emissionen des Schuldistrikts erstellt hatte. Nachdem die Anleihe am Tag ihres Erstangebots binnen kurzer Zeit bereits fast vollständig gezeichnet worden war, kündigte Moody’s über seine „Rating News“ ein ausdrücklich als unsolicited gekennzeichnetes negatives Rating des Emittenten an. Kurz darauf blieben jegliche weiteren Kaufangebote aus und mehrere bestehende Angebote wurden storniert, sodass der Emittent gezwungen war, die Verzinsung der Anleihe zu erhöhen, um diese trotz des durch Moody’s angekündigten unbeauftragten Ratings platzieren zu können.

Der vorstehende Fall ist deshalb bemerkenswert, weil der Markt darin auf ein unbeauftragtes Rating reagierte, obwohl für dieselbe Emission zwei beauftragte (d.h. unter Zugang zu vertraulichen Emittenteninformationen erstellte) Ratings vorlagen, die eine positivere Bonitätsbeurteilung ausdrückten: Dies beweist, dass die Investoren dem unbeauftragten Rating einen originären Informationswert zumessen,130 den es an einem informationseffizienten Kapitalmarkt nicht besitzen dürfte. Damit steht zugleich fest, dass die tradierte neoklassische Informationsökonomik keine schlüssige theoretische Begründung für den Informationswert von Ratings bieten kann.131 (2) Fehlende Erklärbarkeit der Marktreaktionen allein durch Regulierungsfunktion des Ratings Der Erklärungsansatz der „regulatory license theory“,132 der die Begründung des Markteinflusses der Rating-Agenturen allein in ihrer Regulierungsfunktion sieht, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen.133 Gegen ihn spricht vor allem der Umstand, dass Marktreaktionen auf Ratings empirisch auch in solchen Staaten nachgewiesen wurden, in denen die rechtliche Indienstnahme von Ratings zu je-

129 Jefferson County School District No. R-1 v. Moody’s Investors Services, 4.4.1997, 988 F.Supp 1341, 1344 (D.Colo. 1997); aff’d. 4.5.1999, 175 F.3d. 848 ff. (10th Cir. 1999). 130 Eine gelegentlich vorgeschlagene Erklärung für den Informationswert unbeauftragter Ratings, der zufolge diese signalisieren, dass Emittenten mit schlechter Bonität deshalb keine RatingAgentur beauftragt haben, um die Veröffentlichung eines schlechten Ratings zu vermeiden (Ellis, 7. J. Fixed Income (1998), 35, 40 f.; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 637), scheidet daher aus. 131 Siehe daher zu Erklärungsansätzen der neoinstitutionalistischen Ökonomie unter 2., bevor unter IV. ein eigener Erklärungsansatz präsentiert wird. 132 Oben III 1 a) bb). 133 Wie hier Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 65: „Partnoy overstates the case“; Lucas/Goodman/Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 24; Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 225; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 633; Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 36.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

nem Zeitpunkt (wie etwa am deutschen Anleihemarkt der 1980er und 1990er Jahre) kaum vorkam;134 die dort verzeichneten Marktpreisänderungen können also nicht durch regulatorische Ratingverwendungen verursacht worden sein. Das damalige Fehlen gesetzlicher Ratingbezugnahmen im deutschen Recht schließt freilich nicht völlig aus, dass sich die Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen auf anderem Wege doch am deutschen Finanzmarkt auswirken konnte: So ist zum einen denkbar, dass Anleihenverkäufe und dadurch verursachte Kursbewegungen schon in den 1980er und 1990er Jahren auf „rating trigger“ in privaten Verträgen135 und internen Anlagerichtlinien institutioneller Investoren136 zurückgingen (empirische Erkenntnisse hierzu liegen für diesen Zeitraum nicht vor). Zum anderen bestanden ratingbasierte Regulierungen gesetzlicher und vertraglicher Art in anderen Rechtsordnungen, die folglich das Investitionsund Deinvestitionsverhalten ausländischer Akteure am deutschen Anleihemarkt gesteuert haben mögen – auch dies ist freilich nicht mehr als eine Vermutung.

Auch an denjenigen Finanzmärkten, an denen ratingbasierte Rechtsregeln nachweislich eingreifen, vermag die Regulierungsfunktion von Ratings zudem jedoch weder zu erklären, warum Emittenten ihre Anleihen üblicherweise nicht lediglich durch eine, sondern durch zwei oder mehr Rating-Agenturen bewerten lassen,137 während nach den meisten rechtlichen Ratingbezugnahmen ein Rating genügt,138 noch warum sie auch Ratings im „non-investment grade“-Bereich veröffentlichen lassen, stellt sich ein regulatorischer Vorteil doch typischerweise erst ab dem „investment grade“ ein.139 Schließlich weist der Markt der Rating-Agenturen traditionell auch solche Agenturen auf, die nicht für regulatorische Zwecke anerkannt sind und daher keine Regulierungsfunktion besitzen – der Wert ihrer Ratings für die Marktteilnehmer ist daher nicht mit einer „regulatorischen Lizenz“ begründbar.140 Allerdings liegt nahe, dass die Regulierungsfunktion des Ratings die Marktreaktionen mit beeinflusst (wenn auch nicht allein bewirkt). Die regulatorische Verwendung von Ratings kann insbesondere die übermäßig starken Marktpreisänderungen bei Überschreiten der Schwelle vom „investment grade“ zum „non-investment grade“141 erklären, die durch den informationellen Gehalt der Ratingänderung nicht begründbar ist, weil diese Schwelle in rechtlichen Vorschriften besonders häufig Verwendung findet.142 Es ist daher von einem Zusammenwirken von Regulierungs- und Marktinformationsfunktion auszugehen,143 134

Oben II 1 a). Siehe § 15. 136 Siehe § 12 III. 137 Vgl. zu der „Zwei-plus-Ratings“-Usance an den Anleihemärkten noch näher § 20 II 2 b) bb) (2). 138 Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 66; Rousseau, 51 McGill L.J. (2006), 617, 634. 139 Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 67. 140 Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 225. 141 Oben II 2 c). 142 Siehe noch § 17 IV. 143 So auch Kettering, 29 Cardozo L. Rev. (2008), 1553, 1697. 135

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

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wobei noch offen ist, wie der die Marktinformationsfunktion ausfüllende Informationswert von Ratings informationsökonomisch zu untermauern ist.144 b) Hypothese des effizienten Kapitalmarktes und Rationalmodell als Grundlagen geltender gesetzlicher Publizitätsregelungen Die beschriebenen Modelle der neoklassischen ökonomischen Theorie – das Modell des informationseffizienten Kapitalmarktes und die Vorstellung des homo oeconomicus als typisierten Marktteilnehmers – vermögen nach alledem den Informationswert von Ratings und die Bedeutung der Rating-Agenturen an den Finanzmärkten nicht überzeugend zu erklären. Für den Fortgang der Untersuchung kommt diesem Befund noch aus einem weiteren Grund Bedeutung zu, weil die genannten informationsökonomischen Modelle nämlich – ausgesprochen oder unausgesprochenen – zahlreichen der geltenden gesetzlichen Publizitätsregelungen zugrunde liegen, deren Zusammenspiel mit Ratingveröffentlichungen zu erörtern sein wird:145 Ratings als Form der privaten Marktpublizität wirken an den Finanzmärkten nicht isoliert, sondern vor dem Hintergrund und im Wechselspiel mit der gesetzlich vorgeschriebenen Publizität. Als Ausgangspunkt mag daran erinnert werden, dass jeder Regelsetzer von einem bestimmten Bild der Akteure ausgehen muss, deren Verhalten von einer zu schaffenden Regelung gesteuert werden soll.146 Dies gilt für die Schaffung von Informationspflichten147 ebenso wie für die Setzung jeder anderen Norm. Da Gesetzesvorschriften auf eine Vielzahl von Regelunterworfenen Anwendung finden sollen und daher nicht auf die konkreten Eigenschaften des einzelnen Regeladressaten zugeschnitten werden können, muss hierzu mit einem Modell gearbeitet werden. Das Adressatenmodell, das der jeweilige Regelsetzer dabei zugrunde legt, zeitigt – wie im Fortgang der Untersuchung deutlich werden wird – vor allem in zweierlei Hinsicht Folgen: Zum einen kommt ihm für die Auslegung der betreffenden Publizitätsregelung maßgebliche Bedeutung zu, und zum anderen kann es entscheidend beeinflussen, ob die Regelung die ihr zugedachte Aufgabe in der praktischen Rechtsanwendung zu erfüllen vermag oder nicht. Letzteres hat wiederum Auswirkungen auf die Nutzung von Ratings als Form der „privaten“ Kapitalmarktpublizität, mittels derer Marktteilnehmer als dysfunktional oder unzureichend empfundene gesetzliche Publizitätsregeln zu ergänzen versuchen: Gerade dort, wo ein Adressatenmodell der gesetzlichen Kapitalmarktpublizität von den Eigenschaften und Bedürfnissen „realer“ Marktteilnehmer abweicht, greifen diese auf Ratings zurück. 144

Siehe daher noch unter 2. sowie unter IV. Dazu in § 9 II, III, § 10 III, § 11 II, III sowie zusammenfassend in § 17 I 3 b). 146 Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217; Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. (2000), 1051, 1070. 147 Vgl. zum deutschen Verbraucherinformationsrecht Schoch, NJW 2010, 2241, dem zufolge die dortigen gesetzlichen Informationsregeln „auf einer bestimmten Grundannahme zum Marktsystem, auf einem bestimmten Verbraucherbild und auf einem gewissen Vertrauen in die verhaltenssteuernde Wirkung von Informationen“ beruhen. 145

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

Die Möglichkeit einer Definition des Adressatenmodells, bei dem es bei der Regulierung der Finanzmärkte vorrangig um das Bild des typisierten Investors geht, ist in den hier untersuchten Rechtsordnungen in ganz unterschiedlicher Weise genutzt worden.148 Die Unterschiede beziehen sich allerdings vor allem auf das „Wie“ des Definitionsvorgangs, der teilweise durch die ausdrückliche Festlegung eines übergreifenden einheitlichen Modells, teilweise hingegen durch lediglich normspezifische Modellannahmen erfolgt. Im Hinblick auf das ausgewählte Adressatenmodell (also das „Was“) wird dagegen international fast einheitlich auf die Efficient Market Hypothesis und das Rationalmodell abgestellt. aa) U.S.-amerikanisches Kapitalmarktrecht: Efficient Market Hypothesis als anerkannte Grundlage des gesetzlichen Publizitätssystems Am eindeutigsten bekennt sich das Publizitätssystem des U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrechts – bestehend vor allem aus den Vorgaben des Securities Act of 1933, des Securities Exchange Act of 1934 sowie der konkretisierenden untergesetzlichen Regelungen, die seit den 1970er Jahren im Sinne eines integrated disclosure system verstanden und angewandt werden149 – zur Hypothese effizienter Kapitalmärkte. So hat die SEC zu verschiedenen Anlässen explizit betont, dass die von ihr erlassenen Regelungen unter Zugrundelegung der Efficient Market Hypothesis konzipiert wurden.150 Deren Modellannahmen versteht die SEC dabei – und dies ist bemerkenswert – nicht lediglich als Hypothese, sondern als Spiegel der tatsächlichen Gegebenheiten am U.S.-amerikanischen Kapitalmarkt, qualifiziert sie diese doch ausdrücklich als Abbild der „realities of the marketplace“.151 Auch das Schrifttum erkennt in der Efficient Market Hypothesis die systematische (also nicht nur punktuelle) Grundlage der gesetzlichen Publizitätsregelungen der U.S.A.152 Diese hat schließlich auch in der U.S.-amerikanischen 148

Siehe dazu noch § 18 I 1. Vgl. näher Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 15 ff. 150 So etwa in SEC Release 33–6235, IC–11327 „Proposed Comprehensive Revision to System for Registration of Securities Offerings“ vom 2. Sep. 1980, 20 SEC Dock. (1980), 1175, 1177: „the market accordingly acts efficiently“; SEC Release 33–6331, 23 SEC Dock. 288, 290 f. (1981): „… the Commission’s belief that the market operates efficiently for these companies …“, „recognizes the applicability of the efficient market theory“; SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39– 700, IC–12264, AS–306 „Adoption of Integrated Disclosure System“ (Final rules) vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1267: „…, in reliance on the efficient market theory, …“; SEC Release 33–6499, 34–20384, 35–23122 „Shelf Registration“ (Final Rule) vom 17. Nov. 1983, 48 FR 52889 ff. (23. Nov. 1983): „Forms S–3 and F–3 recognize the applicability of the efficient market theory“. 151 So in SEC Release 33–6331, 34–18007, IC–11888 vom 6. Aug. 1981, 46 FR 41902 ff.: „Thus, the eligibility criteria are designed to recognize the realities of the marketplace by matching a registrant to the form which will furnish investors with the appropriate disclosure for delivery in the prospectus.“ 152 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 604 Fn. 161; Cohen, 40 Bus. Law. (1985), 987, 992 ff.; Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 652 f.; Fox, 109 Col. L. Rev. (2009), 237 ff.; Gilson/ Kraakman, 70 Va. L. Rev. (1984), 549, 553; Gordon/Kornhauser, 60 N.Y.U. L. Rev. (1985), 761, 149

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

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Rechtsprechung Anerkennung gefunden, die vor allem bei Entwicklung der fraud on the market-Theorie explizit die Annahme eines informationseffizienten Kapitalmarkts zugrunde gelegt hat.153 bb) Deutsches, schweizerisches und Hongkonger Kapitalmarktrecht: Efficient Market Hypothesis und Rationalmodell als Grundlage einzelner Publizitätspflichten In den übrigen hier untersuchten Rechtsordnungen finden sich dagegen kaum allgemeine Aussagen zu den informationsökonomischen Modellannahmen, die dem gesetzlichen Publizitätssystem insgesamt zugrunde liegen. Dieser Umstand dürfte nicht zuletzt darauf zurückzuführen sein, dass die interdisziplinäre theoretische Durchdringung des Rechts der Unternehmenspublizität in diesen Staaten noch hinter derjenigen zurückbleibt, die sich in den U.S.A. während der vergangenen Jahrzehnte entwickeln konnte.154 Nimmt man hingegen nicht das gesamte Publizitätssystem, sondern einzelne Publizitätsregelungen in den Blick, so wird schnell deutlich, dass auch in Deutschland, in der Schweiz und in Hongkong das Modell des informationseffizienten Kapitalmarkts sowie des rational handelnden homo oeconomicus Pate gestanden hat: Im deutschen Kapitalmarktrecht erlangte die Frage nach dem ökonomischen Adressatenmodell zunächst mittelbar, nämlich über kapitalmarktrechtsharmonisierende Richtlinien der EG Bedeutung, deren Vorgaben nach überwiegender Ansicht auf dem ökonomischen Konzept informationseffizienter Kapitalmärkte basieren.155 Im deutschen juristischen Schrifttum führte dies zu (streitigen) Diskussionen, die sich insbesondere um die Regelung des Insiderrechts und die gesetzliche Pflicht zur Ad hoc-Publizität156 entspannen.157 Hinsichtlich der heute geltenden Vorschriften in §§ 12 ff. WpHG ist allerdings anerkannt, dass sie auf der Hypothese eines effizienten Kapitalmarktes in ihrer halbstrengen Form beruhen,158 und der in § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG angesprochene „verständige Anle810153ff.; Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 150; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 16; Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329 f. Deutlich skeptischer hingegen Langevoort, 140 U. Pa. L. Rev. (1992), 851, 876 ff. 153 Basic, Inc. v. Levinson, 7.3.1988, 485 U.S. 224, 247, 108 S.Ct. 978 (1988): „Because most publicly available information is reflected in market price, an investor’s reliance on any public material misrepresentations, therefore, may be presumed for purposes of a Rule 10b–5 action“; Craft, 14 DePaul Bus. L.J. (2001), 119, 127 f.; Sauer, Haftung für Falschinformation, S. 126. 154 Vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 191 ff. 155 Zur EG-Börsenrichtlinie Mülbert, WM 2001, 2085, 2094 f.; zu gemeinschaftsrechtlichem Insiderrecht und Ad hoc-Publizität (früher geregelt in der EG-Insiderrichtlinie, heute in der EGMarktmissbrauchsrichtlinie) Fleischer, ZGR 2001, 1, 30; Mülbert, a.a.O.; zur EG-Transparenzrichtlinie Möllers, JZ 2009, 861, 863; allgemein zur Bezugnahme auf „Kapitalmarkteffizienz“ in EG-Richtlinien Sester, ZGR 2009, 310 ff. 156 Zu dieser noch in § 11 II. 157 Vgl. auf der einen Seite Hopt, AG 1995, 353 ff.; auf der anderen Seite D. Schneider, DB 1993, 1429 ff. 158 Vgl. BT-Drucks. 12/6679, S. 46: „Haben die Marktteilnehmer von der Tatsache Kenntnis genommen, werden sie die Information in ihre Dispositionen einfließen lassen mit der Folge, dass

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ger“ wird in der Literatur zudem als homo oeconomicus verstanden, mittels dessen das deutsche Insiderrecht also auf das ökonomische Rationalmodell Bezug nimmt.159 Im Gegensatz zum U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrecht wird in Deutschland allerdings bislang kaum davon ausgegangen, dass das gesetzliche Publizitätsrecht in seiner Gesamtheit auf neoklassische ökonomische Modellannahmen zurückgeführt werden kann,160 wenngleich dies zum deutschen Verbraucherschutzrecht durchaus vertreten wird.161 Zudem sind bestimmte Folgerungen, die in den U.S.A. aus der Efficient Market Hypothesis gezogen werden, in der deutschen Rechtsprechung ausdrücklich abgelehnt worden, wie der BGH namentlich zur Frage der Anknüpfung an das enttäuschte allgemeine Anlegervertrauen in die Integrität der Marktpreisbildung (fraud on the market-Theorie)162 und die instanzgerichtliche Rechtsprechung zum ökonomischen, auf der Annahme effizienter Märkte beruhenden CAPM-Modell163 judiziert hat. Das einschlägige Adressatenmodell muss im deutschen Recht daher weiterhin ausgehend von der konkreten Publizitätsnorm bestimmt werden.164 Auch im Schweizer Kapitalmarktrecht hat die Hypothese informationseffizienter Märkte bislang noch nicht die umfassende Akzeptanz erfahren, die sie in den U.S.A. genießt; es besteht aber eine zunehmende Literaturansicht, der zufolge die Publizitätspflichten des Schweizer Rechts auf der Efficient Market Hypothesis beruhen.165 Überwiegend wird aber wohl die Interpretation der einzelnen Rechtsvorschrift als ausschlaggebend angesehen. Die Rechtsprechung des BGer hat die U.S.-amerikanische fraud on the market-Theorie schließlich ebensich159die Information in den Börsen- oder Marktpreisen niederschlägt.“ Aus dem Schrifttum Büche, Ad-hoc-Publizität, S. 33; Fleischer, ZGR 2001, 1, 30; Klöhn, Spekulation, S. 147; Möllers, AcP 208 (2008), 1, 7; Schwark/Zimmer/Zimmer/Kruse, § 15 WpHG Rn. 7. 159 Pawlik, in KK-WpHG, § 13 Rn. 87; Schmolke, ZBB 2007, 454, 460; Veil, ZBB 2006, 162, 163. 160 Schwark, in FS Hadding (2004), S. 1117, 1136. 161 Kroeber-Riel/Weinberg, Konsumentenverhalten, S. 248 mit der These, man habe dort verbreitet das Leitbild des „rationalen Handelns internalisiert“; zustimmend Koller, in FS U. Huber (2006), S. 821, 825. 162 BGH, 19.7.2004, BGHZ 160, 134 („Infomatec“); BGH, 4.6.2007, NJW 2008, 76, 78 („Comroad IV“). 163 LG Frankfurt a.M., 13.6.2006, NZG 2006, 868, 872 („SAI Automotive“): „Tatsächlich ist dieses Verfahren – welches grundsätzlich zur Bewertung einer Aktienanlage entwickelt wurde und nicht zur Bewertung eines Unternehmens – jedoch nur unter der Annahme ‚vollkommener Kapitalmärkte‘ sinnvoll, wenn sich alle Informationen korrekt in den Kursen widerspiegeln und unternehmensspezifische Risiken durch Diversifikation keine Relevanz für den Unternehmenswert haben. Die Realität spricht jedoch gegen vollkommene Kapitalmärkte. Gründe für diese Unvollkommenheiten sind durch Transaktionskosten, Konkurskosten, Informationsdefizite der Aktionäre, schlecht diversifizierte Portfolios sowie Verfahren zur Bewertung der unsicheren Zahlungen psychologisch bedingte Bewertungsfehler der Investoren am Aktienmarkt. So führt ein hoher Vermögensanteil in einem einzelnen Unternehmen zu einer Bedeutung unternehmensspezifischer Risiken, die im Betafaktor des CAPM nicht erfasst werden – wohl aber im Rating.“ 164 Veil, ZBB 2006, 162, 164. 165 Watter, in Basler Komm., Art. 1 BEHG Rn. 11; ders., a.a.O., Art. 752 OR Rn. 26a; Weber, SWZ/RSDA 1993, 55, 58.

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falls nicht übernommen, rekurriert in Fällen der Kapitalmarktinformationshaftung argumentativ aber doch auf Elemente der Informationseffizienz.166 Im Kapitalmarktrecht Hongkongs werden Efficient Market Hypothesis und Rationalmodell zwar im Schrifttum als Grundlage einzelner Publizitätsregeln benannt.167 Die Hongkonger Regulierungsbehörden lassen sich hingegen nicht vorrangig von informationstheoretischen Erwägungen leiten, sondern verfolgen einen pragmatischen Ansatz, der Abweichungen tatsächlicher Marktgegebenheiten von ökonomischen Modellannahmen im Blick behält: So ermittelte die Securities and Futures Commission durch regelmäßige Umfragen, dass nicht weniger als zwei Drittel der Hongkonger Investoren ihre eigene Informiertheit und ihren Sachverstand am Finanzmarkt als ungenügend einstufen168 und so vom Bild des umfassend informierten Marktteilnehmers divergieren. Im Schrifttum wird darüber hinaus auf eine Tendenz zum glücksspielartigen Verhalten verwiesen, welches am Hongkonger Kapitalmarkt nachgewiesen werden kann und bei modellhaft-rational agierenden Investoren ebenfalls nicht (oder jedenfalls nicht in dieser Häufigkeit) vorkommen könnte.169 Der vorstehende Befund zu den informationsökonomischen Modellen, die gesetzlichen Publizitätsregelungen zugrunde liegen, wird im Fortgang der Untersuchung anhand der jeweiligen Publizitätsnormen zu überprüfen sein. Dies gilt sowohl für die drei Rechtsordnungen, die kein explizites allgemeines Adressatenmodell kennen, als auch für das U.S.amerikanische Recht, weil einzelne Vorschriften in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht selten doch von neoklassischen Modellannahmen abweichen.

2. Neoinstitutionalistische Theorie Einen alternativen informationsökonomischen Begründungsansatz für den Informationswert von Ratings stellt die neoinstitutionalistische ökonomische Theorie bereit,170 die – anders als die neoklassischen Theorieansätze – die Existenz von Informationsasymmetrien an den Finanzmärkten sowie dadurch verursachte Transaktionskosten in Rechnung stellt, zu denen namentlich Informationskosten der Marktteilnehmer zählen. Sie geht daher davon aus, dass Marktpreise infolge 166 Vgl. BGer, 28.8.2006, BGE 132 III 715, E. 3.2.1: „Unter der Annahme eines effizienten Kapitalmarktes darf der Erwerber nämlich davon ausgehen, dass die Preisbildung am Markt unter Einbezug der Informationen aus dem Emissionsprospekt zustande gekommen ist …“. Vgl. zum Kausalitätsnachweis in Prospekthaftungsfällen im Folgenden noch § 30 II 2. 167 Vgl. in diesem Sinne Kwan/Chiu/Shen, Stand: Release 0 (June 2007), Rn. 10.053 (zu den Listing Rules der Hongkonger Börse); Lejot, 38 HKLJ (2008), 585, 590. 168 Securities and Futures Commission, Retail Investor Survey (Oct. 2001), S. 2; dazu Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 1.60: „They are informationally impaired …“. 169 Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 1.62 f. Vgl. zur Börse als Glücksspielersatz aus Sicht der Verhaltensökonomik Choi/Pritchard, 56 Stan. L. Rev. (2003), 1, 15 f. 170 Vgl. im Einzelnen Heinke/Steiner, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, S. 655, 683 ff.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 343 ff.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

der Kosten der Informationserhebung nicht sämtliche öffentlich zugänglichen Informationen widerspiegeln, sondern diejenigen nicht, deren Erhebung unökonomisch wäre.171 a) Informationswert von Ratings infolge von Informationskostenvorteilen? Auf dieser theoretischen Grundlage lässt sich der Informationswert von Ratings mit der Begründung bejahen, dass die Rating-Agenturen den Investoren Bonitätsinformationen kostengünstiger und effizienter zur Verfügung stellen können, als diese durch die Investoren selbst erhoben werden könnten.172 Die Marktreaktionen auf Ratingveröffentlichungen stellen sich danach als Reaktionen auf neue Informationen (Signale) über die Kreditwürdigkeit der Kapitalnachfrager am Markt dar, die durch die Investoren selbst bislang aus Kostengründen nicht erhoben wurden.173 b) Fehlende Erklärbarkeit der Marktreaktionen auf Ratingänderungen, die ausdrücklich keine Neubewertung der Bonität signalisieren Auch auf dieser informationsökonomischen Basis ist allerdings Voraussetzung jeden Informationswertes eines Ratings, dass dieses überhaupt eine neue Aussage über die Bonität des Ratingobjektes ausdrückt.174 Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass der Markt nachweisbar auch auf solche Ratingänderungen reagiert, die ausdrücklich keine Neubewertung der Bonität signalisieren, sondern lediglich technische Anpassungen der Ratingstufe ohne eigenen Aussagegehalt darstellen. Zu informationswertindizierenden Marktreaktionen auf „bonitätsaussagefreie“ Ratingänderungen kam es in der Vergangenheit bei zumindest zwei Gelegenheiten: aa) Marktreaktionen auf die technische Verfeinerung der Moody’s-Ratingskala (1982) Das erste Beispiel rein „technischer“ Ratinganpassungen ergab sich im Jahre 1982, als die Rating-Agentur Moody’s seine bisherige Ratingskala durch das erstmalige Hinzufügen der Ziffern 1, 2 oder 3 verfeinerte. Diese Änderung erforderte es, sämtliche zu diesem Zeitpunkt erteilten Ratings zeitgleich auf die neue, diffe171

Grossman/Stiglitz, 70 Amer. Econ. Rev. (1980), 393, 404; Ho/Michaely, 23 J. Fin. & Quant. Analysis (1988), 53, 54; Wappenschmidt, Ratinganalyse, S. 25. 172 Byoun/Shin, MBEA Proc. 2002, 98, 104; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 72; Ingram/ Brooks/Copeland, 38 J. Fin. (1983), 997, 998; Lowis/Heischkamp, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 405, 415 ff.; Pinto, 54 Am. J. Comp. L. (2006), 341, 342 Fn. 4; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 414; Steiner/Heinke, 6 Int. J. Finance Econ. (2001), 139, 140; van Aubel, Anleiherating und Bonitätsrisiko, S. 64; Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 412; Wappenschmidt, Ratinganalyse, S. 28 f. Zum Einfluss von Ratings auf die Informationskosten von Emittenten und Investoren bereits § 4. 173 Heinke/Steiner, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, S. 655, 689. 174 Auch die Neue Institutionenökonomik hält nämlich im Übrigen am Bild des rationalen Akteurs fest; vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 3 ff.

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

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renzierte Ratingskala umzustellen, wobei die entsprechenden Anpassungen der ausstehenden Ratings auf keine Bonitätsänderung zurückgingen, wie Moody’s ausdrücklich klarstellte.175 Die Kreditwürdigkeit der gerateten Unternehmen blieb vor und nach der Ratinganpassung vielmehr vollständig gleich, jene war also allein „technischer“ Natur.176 Wie Kliger und Sarig in einer Ereignisstudie über 916 U.S.-amerikanische Unternehmen feststellten, änderten sich deren Anleihe- und Aktienkurse am Tag der Ratinganpassung gleichwohl maßgeblich, indem Anleihenkurse bei positiven Ratinganpassungen (also bei Hinzufügung des Denominators „1“) stiegen und bei negativen Ratinganpassungen (Hinzufügung des Denominators „3“) fielen, während sich die Aktienkurse der Unternehmen gerade gegenteilig verhielten.177 Diese Kursänderungen stellten damit eine Reaktion auf die „technische“ Ratinganpassung dar, obgleich die beurteilten Unternehmensbonitäten sich erklärtermaßen nicht geändert hatten. Im Übrigen konnten auch regulatorische Bezugnahmen auf Ratings nicht der Grund sein, weil diese damals allein an Ratingklassen (und nicht Denominatoren) anknüpften. Es handelt sich mithin um einen empirischen Beweis für den originären Informationswert selbst rein „technischer“ Ratingänderungen,178 der in theoretischer Hinsicht weder auf Grundlage der neoklassischen noch der neoinstitutionalistischen Informationsökonomie erklärbar ist. bb) Marktreaktionen auf die Herabstufung des ThyssenKrupp-Ratings infolge einer internen Ratingmethodeänderung (2003) Ein weiteres Beispiel stellen die heftigen Marktreaktionen auf rein „technische“ Ratinganpassungen dar, welche die Rating-Agentur Standard & Poor’s im Jahre 2003 in Umsetzung einer geänderten internen Ratingmethode vornahm.179 Standard & Poor’s entschloss sich zu diesem Zeitpunkt zu einem Methodenwechsel bei der Behandlung von Pensionsrückstellungen und qualifizierte den Finanzierungsstatus von Pensionsverpflichtungen, die nicht durch vom gerateten Unternehmen separierte Vermögenswerte gedeckt sind, für Zwecke der Bonitätsbeurteilung nunmehr uneingeschränkt (und nicht lediglich anteilig) als Fremdkapi-

175 Vgl. Liu/Seyyed/Smith, 26 J. Bus. Fin. & Acct. (1999), 337, 339, die darin mit Recht eine „extraordinary opportunity“ zur Prüfung eines originären Informationswertes der Ratinganpassungen erkennen. 176 Liu/Seyyed/Smith, 26 J. Bus. Fin. & Acct. (1999), 337, 354. 177 Kliger/Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879, 2880. Die Ratinganpassungen fanden sämtlich am 26. April 1982 statt. 178 Kliger/Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879, 2881; Liu/Seyyed/Smith, 26 J. Bus. Fin. & Acct. (1999), 337, 340. 179 Im ökonomischen Schrifttum zogen die Auswirkungen dieses Vorgangs am Markt eine erhebliche Aufmerksamkeit auf sich; vgl. Gohdes/Meier, BB 2003, 1375 ff.; Heubeck/Seeger, DB 2004, 993 ff.; Lowis/Heischkamp, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 405, 406 f.; Meixner, Aktienmärkte und Rolle der Rating-Agenturen, S. 306 f.; Park/Rhee, in: BIS, Asian bond markets, S. 202, 218; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 59 ff. Aus Sicht der Politikwissenschaften Rosenbaum, Der politische Einfluss von Rating-Agenturen, S. 66 f.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

tal.180 Diese Umstellung, die erst nach ausführlichen Konsultationen mit der Marktöffentlichkeit vorgenommen wurde, zog bei einer Reihe gerateter Emittenten eine Ratinganpassung nach sich, obgleich sich die finanzielle Lage der Unternehmen gar nicht verändert hatte. Im Falle der ThyssenKrupp AG führte sie zu einer besonders brisanten181 Herabstufung des Emittenten- wie verschiedener Emissionsratings vom „investment grade“- in den „non-investment grade“-Bereich,182 weil die Fremdkapitalquote des Unternehmens nach den geänderten internen Beurteilungsmaßstäben von Standard & Poor’s von 45% auf 60% angestiegen war.183 Die Marktreaktionen auf die darauf folgende Ratingherabstufung waren dramatisch:184 Innerhalb kürzester Zeit fiel nicht nur der Kurs der größten Anleihe der ThyssenKrupp AG um 8%,185 sondern auch der Aktienkurs brach um 6% ein;186 die verursachten zusätzlichen Zinskosten werden im Schrifttum auf 30 Mio. € pro Jahr beziffert.187 Die Heftigkeit der Marktreaktionen wird deshalb als auffällig eingestuft, weil die Ratingherabstufung in den Pressemitteilungen und Ratingberichten von Standard & Poor’s ausdrücklich nicht mit einer Änderung der objektiven Risikosituation des Unternehmens, sondern allein mit einem agenturinternen Methodenwechsel begründet wurde.188 Zudem rechneten die beiden anderen großen Rating-Agenturen Moody’s und Fitch Pensionsrückstellungen weiterhin nur anteilig dem Fremdkapital zu.189 Die Ratingänderung kommunizierte daher nach neoinstitutionalistischer Theorie keine neuen Informationen über die Unternehmensbonität, sondern nur über die relative Einstufung der Bonität durch eine von drei am Markt akzeptierten Informationsintermediären – ein Vorgang, der den beobachteten Kursverfall als kaum erklärbar erscheinen lässt.190 Nicht fernliegend ist allerdings die Annahme, dass sich im genannten Fall die Regulierungs180

Gohdes/Meier, BB 2003, 1375, 1378. Gohdes/Meier, BB 2003, 1375; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 59. 182 Standard & Poor’s hatte am 7. Februar 2003 zunächst zehn europäische Emittenten mit dem Ausblick „Credit watch negative“ auf die Beobachtungsliste gesetzt und stufte sodann am 21. Februar 2003 – dem Tag der Hauptversammlung der ThyssenKrupp AG – das Emittentenrating von ThyssenKrupp um zwei Ratingstufen auf „BB+“ sowie das Emissionsrating der ausstehenden ThyssenKrupp-Anleihen auf „BB“ herab. 183 Gohdes/Meier, BB 2003, 1375, 1378. 184 Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 204; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 60. Die heftige Kritik in der Wirtschaftstagespresse referiert Rosenbaum, Der politische Einfluss von Rating-Agenturen, S. 66. 185 Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 204 (mit Grafik des Kursverlaufs). 186 Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 884; Blaurock, ZGR 2007, 603, 610. 187 Däubler, NJW 2003, 1096; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 7; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 196. 188 Aus Sicht der Ökonomie Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 205: „ein interessanter Vorfall“; Lowis/Heischkamp, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 405, 407. 189 Vgl. im Einzelnen Gerke/Pellens, Forschungsgutachten (2004), S. 20 ff. 190 Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 205; Heubeck/Seeger, DB 2004, 993; Lowis/Heischkamp, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 405, 407; Wehrhahn, Einfluss von Ratingänderungen auf Credit Spreads, S. 61 (einen Überreaktionseffekt konstatierend). 181

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

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funktion des Ratings auswirkte und eine Veräußerung von ThyssenKrupp-Anleihen durch institutionelle Investoren erzwang, weil interne Anlagerichtlinien häufig ein „investment grade“-Mindestrating verlangen.191 Den Verfall auch des Aktienkurses kann dies hingegen kaum erklären, denn Investitionen in Aktien unterliegen üblicherweise keinen Ratinganforderungen.

IV. Eigener Erklärungsansatz: Die Codierung der Information als Grund des Informationswertes von Ratings Da die empirischen Befunde zum Informationsgehalt von Ratings192 nach alledem weder durch neoklassische noch neoinstitutionalistische Ansätze der Informationsökonomie überzeugend erklärt werden können, soll im Folgenden ein eigener, alternativer Erklärungsansatz vorgestellt werden. Dieser knüpft an die Feststellung an, dass sich Ratings von anderen Marktinformationen maßgeblich durch die Codierung der übermittelten (Bonitäts-)Information unterscheiden, also durch den Ausdruck der Bonitätsbeurteilung in Form eines Buchstabenkürzels („AAA“, „B+“ usw.), das an einer länder- wie branchenübergreifend einheitlichen Skala193 ausgerichtet ist. Nach hier vertretener Auffassung ist der Einfluss von Ratingveröffentlichungen an den Finanzmärkten vor allem dadurch erklärbar, dass die Marktteilnehmer die in Ratingkürzeln codierten Informationen tatsächlich aufnehmen können, während andere Marktinformationen mit ihrer Veröffentlichung zwar am Markt verfügbar sind, aber infolge der begrenzten Informationsaufnahmekapazität „realer“ Marktteilnehmer194 – die in der überkommenen Informationsökonomik weitgehend ignoriert wird – letztlich keinen Eingang in deren tatsächlichen mentalen Entscheidungsvorgang finden.195 Darüber hinaus erleichtert die Ausrichtung der aufnehmbar codierten Bonitätsinformationen an einer leicht verständlichen Ratingskala auch die Verarbeitung durch die Marktteilnehmer und trägt damit deren ebenfalls begrenzter Informationsverarbeitungskapazität Rechnung.196 Es ist also die Aufnehm- und Verarbeitbarkeit der in Ratingkürzeln codierten Bonitätsinformationen durch „reale“ Marktteilnehmer, welche den Markteinfluss und Informationswert von Ratings begründet. Im Einzelnen:

191

So die Erklärung bei Däubler, NJW 2003, 1096; Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 204. Unter II. 193 Siehe zu den Ratingskalen der großen Rating-Agenturen bereits § 2 II 1. 194 Im Text wird hier und im Folgenden von dem „realen“ Marktteilnehmer gesprochen, um deutlich zu machen, dass es den (einheitlichen) Marktteilnehmer in der Realität nicht gibt: Es liegt insofern unweigerlich eine Typisierung vor, die hier jedoch anhand empirischer Erkenntnisse und nicht theoretischer Modelle vorgenommen wird. 195 Dazu sogleich unter 1. 196 Dazu unter 2. 192

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

1. Die Aufnehmbarkeit der in Ratingkürzeln codierten Informationen durch die Informationsadressaten a) Mangelnde Berücksichtigung der begrenzten Informationsaufnahmekapazität „realer“ Marktteilnehmer durch Rationalmodell und Verhaltensökonomik Die Modelle der neoklassischen Theorie der Informationsökonomik – die Hypothese des informationseffizienten Kapitalmarktes wie auch das Rationalmodell – blenden den Schritt der Informationsaufnahme durch den einzelnen Marktteilnehmer bewusst aus, indem sie für ihre Zwecke dessen unbeschränkte Informationsaufnahmekapazität unterstellen.197 Die Codierung von Informationen besitzt auf dieser theoretischen Grundlage keine Bedeutung, und Marktreaktionen hängen allein vom Inhalt der Information ab, gleich ob dieser in Form eines knappen oder mehrere hundert Seiten langen Textes, in allgemeinverständlicher Sprache oder in Fachterminologie, als Tabelle, Zeichnung oder Formel übermittelt wird:198 Die kommunizierte Information gilt in jedem dieser Fälle als „verfügbar“ (available), und dies reicht im Modell eines informationseffizienten Marktes mit rationalen Marktteilnehmern aus. Die Informationsaufnahme spielt aber auch in den diversen neueren Erklärungsansätzen, die unter dem Oberbegriff der Verhaltensökonomik (behavioral economics) zusammengefasst werden,199 überwiegend keine eigene Rolle. So stellte etwa Simon’s frühes Modell der begrenzten Rationalität (bounded rationality) zwar den begrenzten Informationszugang (access to information) und die beschränkte kognitive Informationsverarbeitungskapazität (computational capacity) des Individuums in Rechnung,200 setzte den Informationszugang des Adressaten aber erkennbar mit dem Zugänglichmachen der Information, regelmäßig also deren Veröffentlichung durch den Informierenden gleich. Dass die Aufnehmbarkeit einer zugänglichen Information durch deren Präsentation beeinflusst (und möglicherweise verhindert) werden kann, wird in diesem Zusammenhang hingegen vernachlässigt. Neuere verhaltensökonomische Ansätze berücksichtigen Faktoren wie die Komplexität von Informationen hingegen durchaus, behandeln diese jedoch überwiegend als Frage der logisch nachgelagerten Infor-

197

Vgl. Fama, 25 J. Fin. (1970), 383, 387: „a frictionless market in which all information is freely available“; Paredes, 81 Wash. U. L. Q. (2003), 417, 434: „… the assumption that individuals are able to anticipate and consider all relevant factors in making choices …“; Simon, 69 Q. J. Econ. (1955), 99: „This [rational economic] man is assumed to have knowledge of the relevant aspects of his environment which, if not absolutely complete, is at least impressively clear and voluminous.“ 198 Vgl. Schmolke, ZBB 2007, 454, 460. 199 Eine Systematisierung ist schwierig, da sich die Verhaltensökonomik noch in einem vergleichsweise frühen Stadium ihrer Entwicklung befindet. Vgl. Choi/Pritchard, 56 Stan. L. Rev. (2003), 1, 10: „Instead of a theory, behavioral economics relies on a hodgepodge of evidence showing the ineffectiveness of human decisionmaking in various circumstances (often in a controlled, laboratory setting).“ 200 Simon, Models of Man: Social and Rational, S. 241 f.

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

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mationsverarbeitung,201 so vor allem der Verwendung von „Daumenregeln“ (heuristics) durch Investoren:202 Als Beispiele nennt man etwa das alleinige Abstellen auf den Ruf der emissionsbegleitenden Investmentbank als Indikator einer risikoarmen Investition, um dadurch die Lektüre des umfangreichen Emissionsprospekts zu sparen,203 die Annahme der Investoren, einfach verständlichen Informationen komme ein höherer Wahrheitsgehalt zu als komplexen Informationen,204 oder – allgemeiner – die Tendenz, Informationen zu ignorieren, die unseren Interessen, Wünschen oder Glaubenssätzen zuwiderlaufen und damit kognitive Dissonanzen auslösen würden,205 sowie die im Vergleich stärkere Wahrnehmung leicht verfügbarer Informationen.206 Auch diese Erklärungsansätze unterstellen daher implizit, dass Umfang und Art der Darstellung einer Information – nach hier verwandter Terminologie: deren „Codierung“ – nicht verhindert, dass diese durch den Adressaten aufgenommen wird und daher für eine kognitive Verarbeitung überhaupt zur Verfügung steht, denn niemand kann gar nicht aufgenommene Informationen deshalb ignorieren, weil ihr Inhalt seinen Interessen zuwiderläuft.207 Der Hintergrund der weitgehenden Gleichsetzung von Informationsverfügbarkeit und Informationsaufnahme in der behavioral economics-Forschung mag damit zusammenhängen, dass diese typischerweise mit Experimenten in einer Laborumgebung arbeitet, in denen dem Probanden gezielt bestimmte Informationen zur Verfügung gestellt und sodann die Folgen für dessen Entscheidungsfindung untersucht werden. In solchen Laborszenarien mag in der Tat unterstellt werden können, dass die vorgelegten Informationen, die zudem in ihrer Menge begrenzt sind, durch die Probanden tatsächlich aufgenommen werden. Diese kontrollierte Situation unterscheidet sich jedoch maßgeblich von der Situation des „realen“ Investors an den Finanzmärkten, der – heute vor allem über das Internet – ständig mit einer fast unüberschaubaren Masse an verfügbaren Informationen konfrontiert wird: Es ist diese „reale“ Situation, aus der sich Marktreaktionen an den realen Finanzmärkten entwickeln und die daher auch Ausgangspunkt für die Erklärung des Informationswertes von Ratings sein muss.

b) Die Codierung der Information als Grund für die effektive Aufnahme von Ratings durch „reale“ Marktteilnehmer Dass die modellartige Annahme einer unbegrenzten Informationsaufnahmekapazität die kognitiven Fähigkeiten des durchschnittlichen Investors nicht akkurat widerspiegelt, ist freilich seit langem bekannt; dies wurde schon bei Schaffung 201 202 203 204

Vgl. etwa Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. (2000), 1051, 1077. Siehe dazu noch unten 2. Choi/Pritchard, 56 Stan. L. Rev. (2003), 1, 7 ff., 13. Choi/Pritchard, 56 Stan. L. Rev. (2003), 1, 13 f. Vgl. zur sog. „illusion of truth“ Reber/Schwarz, 8 Consciousness & Cognition (1999),

338 ff. 205

Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218. Goldberg/von Nitzsch, Behavioral Finance, S. 207; Hirshleifer, 56 J. Fin. (2001), 1533, 1541 f.; Koller, ZBB 2007, 197, 198. 207 Anders Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218, der schon die Informationsaufnahme verneint. 206

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

des U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrechts in den 1930er Jahren als Argument gegen den Einsatz umfassender Publizitätspflichten vorgebracht.208 In der informationsökonomischen Theorie209 wie auch im juristischen Schrifttum zum Informationsmodell der Kapitalmarktregulierung210 geht man allerdings traditionell davon aus, dass zumindest professionelle Marktteilnehmer zur Aufnahme auch umfangreicher und inhaltlich komplexer Informationen fähig sind und diese daher mittelbar auch den sonstigen Marktteilnehmern zugänglich machen, und zwar entweder durch ihre Tätigkeit als professionelle Informationsintermediäre (wie etwa als Finanzanalyst oder Anlageberater) oder aber als Verwalter von „smart money“, welche die ausgewerteten Informationen in Investitionsentscheidungen umsetzen und dadurch in den Marktpreis einfließen lassen. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben jedoch grundsätzliche Zweifel aufkommen lassen, ob dieses Vertrauen auf professionelle Marktteilnehmer gerechtfertigt ist;211 man konstatiert eine „signifikante Durchlöcherung“ der Theorie informationseffizienter Märkte.212 Hintergrund ist vor allem der Umstand, dass auf dem Markt für strukturierte Finanzinstrumente, der Ausgangspunkt für die globale Finanzkrise 2007–09 war, nahezu ausschließlich professionelle Marktteilnehmer auftreten.213 Diese hätten nach den überkommenen informationstheoretischen Annahmen die Informationen über die dort gehandelten Finanzprodukte, die in Übereinstimmung mit den publizitätsrechtlichen Vorgaben publiziert wurden214 und daher „zugänglich“ (available) waren, auch aufnehmen müssen. Die tatsächlichen Befunde weisen jedoch mit großer Deutlichkeit darauf hin, dass auch professionelle Marktteilnehmer die komplexen Informationen in Prospekten und Registrierungserklärungen offenkundig nicht in Betracht zogen und ihre Investitionsentscheidung daher ohne deren

208 So Douglas, 23 Yale Rev. (1934), 521, 524 mit dem Vorwurf, die meisten Investoren verfügten weder über „the time, money, nor intelligence to assimilate the mass of information in the registration statement“ (daher für materielle Regulierung eintretend). 209 Coffee, 70 Va. L. Rev. (1984), 717, 728 f.; Kripke, 28 Bus. Law. (1973), 631, 632 ff.; Gilson/ Kraakman, 70 Va. L. Rev. (1984), 549, 638. 210 Grundmann, Europ. Gesellschaftsrecht, Rn. 649; Koch, BKR 2012, 485, 486; Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht und Unternehmenspublizität, S. 200 f.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 417; Mülbert, WM 2001, 2085, 2095, 2098 f. 211 Alexander, ZBB 2011, 337, 338 f.; Koch, BKR 2012, 485; Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 349; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 660; Spindler, AG 2010, 601: die Finanzmarktkrise habe grundlegende Annahmen über rationales Verhalten auf Märkten in ihren Grundfesten erschüttert; Stürner, in FS Canaris I (2007), S. 1489, 1493 f.; Zimmer, Gutachten G zum 68. DJT (2010), S. G 15; ders., in FS Hopt (2010), S. 2689, 2691 f. 212 Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 349: „The assumption that sophisticated traders can decode opaque, complicated, or obscure financial reporting is very much in doubt. This, in turn, creates a significant hole in the theory of market efficiency.“ 213 Zur unveränderten Dominanz institutioneller Investoren am Markt für komplexe Finanzinstrumente noch § 10 I 1 c). 214 Es ist weitgehend unstreitig, dass die bestehenden gesetzlichen Publizitätspflichten bei der Platzierung komplexer Finanzinstrumente fast ausnahmslos erfüllt wurden; vgl. in diesem Sinne Avgouleas, ECFR 2009, 440, 444; Schwarcz, Utah L. Rev. 2008, 1109, 1113.

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

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Kenntnis trafen.215 Entsprechende Beobachtungen waren zuvor schon im Zusammenhang mit dem Enron-Zusammenbruch im Jahre 2001 gemacht worden, als veröffentlichte Informationen zu den komplizierten Scheingeschäften des Konzerns ebenfalls von keinen professionellen Marktteilnehmern aufgenommen worden waren.216 Diejenigen Marktinformationen, die hingegen durchgehend rezipiert und zur (häufig alleinigen) Entscheidungsgrundlage professioneller Investoren gemacht wurden, waren die Ratingeinstufungen der Rating-Agenturen.217 Es kann daher im Sinne eines Zwischenergebnisses festgehalten werden, dass „reale“ Marktteilnehmer generell über eine lediglich begrenzte Informationsaufnahmekapazität verfügen und dieser Umstand auch durch Marktmechanismen nur unreichend ausgeglichen wird, weil professionelle Marktteilnehmer ebenfalls einer solchen kognitiven Beschränkung unterliegen. Das oben im Text anhand empirischer Untersuchungen demonstrierte und auch im Vorfeld der globalen Finanzkrise wiederum zu beobachtende Phänomen, dass die Veröffentlichung von Ratings stets zu Reaktionen auf Seiten der Marktteilnehmer führt, während sonstige Publikationen mit Risikohinweisen keinen vergleichbaren Effekt haben, lässt sich damit begründen, dass Ratingkürzel durch die Marktteilnehmer besser aufgenommen werden können als andere Informationen, die daher nicht (oder nur in einem geringeren Maße) in Investitionsentscheidungen einfließen. Das entscheidende Merkmal ist dabei die verständliche Codierung der Bonitätsbeurteilung in Gestalt des Ratingkürzels („A+“, „Baa“ u.ä.), die anderen Marktinformationen fehlt. Dass der einfache Buchstabencode, den die Rating-Agenturen verwenden, zu einer schnellen Erfassbarkeit und unproblematischen Verständlichkeit der kommunizierten Information führt, wird im Schrifttum nicht selten als Besonderheit von Ratings herausgestellt;218 mit den Worten von Coffee ist es gerade diese „condensation of highly nuanced information into a single symbol [which] makes ratings easily

215 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 56; Alexander, ZBB 2011, 337, 339; Amtenbrink/ de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1922; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 567; Koch, BKR 2012, 485, 486; Lynch, 59 Case W. Res. L. Rev. (2009), 227, 281; Spindler, AG 2010, 601, 612: fehlende Informationsbeschaffung selbst durch professionelle Marktteilnehmer. 216 Macey, 81 Wash. U. L.Q. (2003), 329, 349. 217 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 56; Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 34; Avgouleas, ECFR 2009, 440, 453; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 567; Schön/Cortez, IRZ 2009, 11, 17. 218 Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 550; Le Portz, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 319; Niedostadek, Rating, Rn. 20; Philipps/Rechtschaffen, 21 Fordham Int’l L.J. (1998), 1754, 1762 f.; Pixley, Emotions in Finance, S. 149: „Here, ‚trust in numbers‘ is radically simplified – no lengthy reports are required for a quick assessment“; Theilacker, ZKredW 2009, 643; Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 412. Aus dem ökonomischen Schrifttum Krämer, StB 2004, 14, 16; Liu/Seyyed/Smith, 26 J. Bus. Fin. & Acct. (1999), 337; MüllerMasiá/Hahnenstein/Holzberger/Söhlke, Verwendung von Ratinginformationen in der modernen Banksteuerung, S. 55, 56: „komplexitätsreduzierende Verdichtung von umfangreichen Bonitätsanalysen auf nur eine einzige Dimension“ als wesentlicher Vorteil des Ratings; van Aubel, Anleiherating und Bonitätsrisiko, S. 70: „Komplexitätsreduktionsfunktion“.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

comprehensible to even the dullest user and enables the market to respond quickly and, more or less, uniformly to changes in ratings“.219 Die Aufnehmbarkeit der in Ratingkürzeln ausgedrückten Bonitätsinformationen erklärt auch die im Text berichteten Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung, die mit überkommenen informationstheoretischen Ansätzen nicht begründbar sind: So lassen sich die zu beobachtenden Marktreaktionen auch auf unbeauftragte Ratings (die keine vertraulichen Emittenteninformationen kommunizieren)220 und sogar auf Ratingänderungen, die überhaupt keine Neubewertung der Bonität signalisieren (wie Anpassungen anlässlich der technischen Verfeinerung der Moody’s-Ratingskala und der Änderung interner Ratingmethoden durch Standard & Poor’s)221 darauf zurückführen, dass weder die Eigenschaft als unbeauftragtes Rating noch der besondere Anlass für die Ratinganpassung aus dem (geänderten) Ratingkürzel selbst ersichtlich sind. Letztere Informationen finden sich nämlich allein in begleitenden Ratingberichten sowie Pressemitteilungen, denen es aber an einer unschwer aufnehmbaren Codierung mangelt und die daher von den Investoren gar nicht aufgenommen wurden. Aus diesem Grund führten die betreffenden Ratinganpassungen zu denselben Marktreaktionen wie andere Herauf- und Herabstufungen, denn nur die neue Ratingeinstufung wurde von Seiten der Marktteilnehmer als Information aufgenommen und beeinflusste deren Reaktion am Markt. Die Maßgeblichkeit der Informationscodierung erklärt des Weiteren auch die unterschiedslosen Reaktionen von Aktienkursen auf Ratingänderungen, die nach den empirischen Erkenntnissen ohne Ansehen der jeweiligen Begründung für die Ratinganpassung erfolgten222 – auch hier ergaben sich die Anpassungsgründe der Rating-Agentur nur aus den Ratingberichten, während die Aktieninvestoren allein auf das Ratingkürzel blickten. Die unterschiedlichen Marktreaktionen auf in Ratingkürzeln codierte Bonitätsinformationen einerseits und in gängiger Textform publizierte Ratingberichte andererseits erhellt zugleich, dass die Reputation des Informationsverfassers – die eine mögliche Begründung für die Beachtung von Ratings am Markt für strukturierte Finanzinstrumente unter Außerachtlassung der von den Emittenten stammenden Informationen sein könnte223 – nicht der entscheidende Grund sein kann, denn Ratingkürzel und Ratingbericht stammen von demselben Informationsverfasser.

Im Ergebnis entscheidet folglich nicht der Inhalt der Marktinformation, sondern deren Codierung darüber, ob sie durch die Marktteilnehmer aufgenommen wird und daher deren Entscheidungen überhaupt beeinflussen kann. Der Einsatz der Ratingkürzel erweist sich damit als wichtigster Grund für die Bedeutung der Bonitätsinformationen der Rating-Agenturen am Markt: Drei Buchstaben sagen mehr als tausend Worte. 219 220 221 222 223

Coffee, Gatekeepers, S. 284. Oben II 2 d). Oben III 2 b). Oben II 1 c). Zur Rolle der Reputation von Informationsintermediären bereits § 2 II 1.

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2. Die einfache Verarbeitbarkeit der in Ratingkürzeln codierten Bonitätseinstufungen Darüber hinaus erleichtert die Verwendung standardisierter Ratingkürzel auch die Verarbeitung der aufgenommenen Information durch den Marktteilnehmer. Die Unterscheidung der kognitiven Informationsaufnahme von deren anschließender Verarbeitung ist dabei auf theoretischer Ebene möglich, aber in praktischer Hinsicht schwierig, weil es sich jeweils um Vorgänge im Innern des Informationsrezipienten handelt. Bei der Erklärung empirischer Befunde, die nach außen wahrnehmbare Reaktionen von Marktteilnehmern auf die Veröffentlichung bestimmter Informationen zurückzuführen versuchen, muss daher häufig offenbleiben, ob das Fehlen einer Reaktion auf eine mangelnde Informationsaufnahme, eine mangelnde Informationsverarbeitung oder eine nach Aufnahme und Verarbeitung getroffene Entscheidung gegen eine Reaktion zurückzuführen ist. a) Informationsverarbeitung und Verhaltensökonomik Während die klassische Informationstheorie dem homo oeconomicus neben einer unbegrenzten Informationsaufnahmekapazität auch eine vollkommene Fähigkeit zur Informationsverarbeitung zuerkennt,224 stellt die Verhaltensökonomik die beschränkte Informationsverarbeitungskapazität des Individuums in Rechnung.225 Obwohl die verhaltensökonomische Forschung sich überwiegend mit „irrationalen“ Präferenzen, also Abweichungen von dem Ziel der wirtschaftlichen Nutzenmaximierung im Rahmen der Entscheidungsfindung befasst, hat sie auch – wie im Text226 bereits angedeutet – kognitive „Anomalien“ bei der Informationsverarbeitung beobachtet. Soweit die Verarbeitung komplexer Informationen in Rede steht, lassen sich die dabei ermittelten Abweichungen vom Modell des homo oeconomicus häufig sowohl mit einer willensgetragenen Entscheidung des Informationsadressaten227 („es ist zu aufwändig und teuer, eine Bilanz zu analysieren, weshalb ich mich an der Anlageempfehlung meines Finanzanalysten orientiere“)228 als auch mit einer begrenzten Fähigkeit zur Informationsverarbeitung („ich verstehe Bilanzen nicht und kann sie daher gar nicht analysieren, weshalb ich mich an der Anlageempfehlung meines Finanzanalysten orientiere“) erklären. Es mehren sich dabei in jüngerer Zeit die Stimmen, die vor allem auf eine

224

Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 38 Fn. 51. Langevoort, 140 U. Pa. L. Rev. (1992), 851, 862. Schon früh Simon, 69 Q. J. Econ. (1955), 99, 101 zu „limits on computational capacity“. 226 Oben IV 1 a). 227 Langevoort, 140 U. Pa. L. Rev. (1992), 851, 860: „The temptation to call these various predictable behaviors irrational is not quite apt. They may simply reflect coping strategies (heuristics) used in a stressful world with too much information and too many choices.“ 228 Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. (2000), 1051, 1076: „the cost of processing information, or those imposed by cognitive limitations, create a constraint on maximizing behavior“. 225

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

begrenzte Informationsverarbeitungsfähigkeit verweisen, und zwar sowohl bei privaten wie bei professionellen Marktteilnehmern.229 b) Der standardisierte, global einheitliche Aussagegehalt von Ratings Die Ratingkürzel der großen Rating-Agenturen bieten auch im Bereich der Informationsverarbeitung verschiedene Vorteile, die sie von komplexeren Informationen wie etwa Prospekten, Bilanzen, Lageberichten (und auch begleitenden Ratingberichten der Rating-Agenturen selbst) unterscheiden und ihre einfache Verarbeitung sichern: So erspart bereits der Umstand, dass die Rating-Agenturen bei der Ratingerstellung die öffentlich verfügbaren Informationen über den beurteilten Emittenten bzw. das beurteilte Finanzinstrument ausgewertet und deren Essenz zu dem Ratingsymbol „verdichtet“ haben, den Marktteilnehmern die eigene Lektüre dieser Informationen.230 Die codierten Ratingkürzel selbst sind unschwer verständlich und auch deshalb kognitiv einfach verarbeitbar, weil sie stets denselben, vergleichsweise simplen Ratingskalen entnommen sind, die sich zudem agenturübergreifend weitgehend ähneln.231 Da die großen Rating-Agenturen ihre Ratingskalen, unter denen der jeweiligen Skala für langfristige Verbindlichkeiten232 die prägende Bedeutung zukommt, global einheitlich verwenden, fungieren die Ratingkürzel dabei als „Weltfinanzsprache“, die unabhängig von Sprachgrenzen verständlich ist und damit ein wesentliches Hindernis überwindet, welches der Aufnahme und Verarbeitung fremdsprachiger Texte entgegensteht und dauerhaft entgegenstehen wird.233 Die Codierung der Bonitätsinformation in Form einfach verständlicher, standardisierter und global einheitlich verwandter Ratingkürzel bewirkt daher eine einfache Verarbeitbarkeit der Information, die komplexeren Informationen fehlt und damit die beträchtlichen Marktreaktionen auf Ratingveröffentlichungen erklären kann. In der Informationsökonomik spricht man von einem informationellen Netzwerkeffekt.234

229 Avgouleas, ECFR 2009, 440, 453; Spindler, AG 2010, 601, 602; Stürner, in FS Canaris I (2007), S. 1489, 1493 f. 230 Dalley, 34 Fla. St. U. L. Rev. (2007), 1089, 1102: „formatting function“ der Rating-Agenturen; Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 550: „telescopic quality“ des Ratings als Grund seiner Beachtung; Krämer, StB 2004, 14, 16; Le Portz, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 319; Marten/Köhler, in FS Lück (2003), S. 483, 488: Ratingkürzel als „auf einen Blick“ erfassund vergleichbare Information; Müller-Masiá/Hahnenstein/Holzberger/Söhlke, Verwendung von Ratinginformationen in der modernen Banksteuerung, S. 55, 56; Philipps/Rechtschaffen, 21 Fordham Int’l L.J. (1998), 1754, 1762 f.; Pixley, Emotions in Finance, S. 149; Theilacker, ZKredW 2009, 643; Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 412; van Aubel, Anleiherating und Bonitätsrisiko, S. 70: „Komplexitätsreduktionsfunktion“. Anders wohl Seibt, Diskussionsbeitrag, in: Joos/Storm, Diskussionsbericht, S. 209, 212. 231 Vgl. dazu noch § 20 III. 232 Siehe § 2 II 1. 233 Everling, Die Bank 1991, 308, 310; Krämer, StB 2004, 14, 16; Loges/Zeller, in: Suyter, Risikomanagement (2004), S. 283, 284; Müller, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 327, 340; Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 300. 234 Krämer, zitiert bei Balzer, ZBB 2004, 329; Varian, Microeconomics, Tz. 35.4.

§ 5 Der Informationswert von Ratings am Kapitalmarkt

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Die einfache Verarbeitbarkeit der Ratingkürzel mag darüber hinaus dadurch gefördert werden, dass die gängigen Ratingkürzel in der Sache an Zensuren aus dem Schulunterricht erinnern235 und damit an eine Bewertungsordnung anknüpfen, die nahezu jedem Informationsrezipienten seit langem bekannt ist. Besonders deutlich wird dies vor allem bei einem Blick auf das U.S.-amerikanische Schulnotensystem, in dem die Noten von „A+“ (Bestnote) bis „F“ (nicht bestanden) reichen und damit eine auffällige Ähnlichkeit mit den gängigen Ratingskalen gerade der U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen aufweisen.236

V. Zusammenfassung Die außerordentlich zahlreichen empirischen Studien, die zur Ermittlung des Informationswertes von Ratingveröffentlichungen durchgeführt wurden, gelangen praktisch einheitlich zum Ergebnis, dass die Marktteilnehmer Ratings einen originären Informationswert zuerkennen. Herauf- und Herabstufungen von Ratings ziehen durchgehend nachweisbare Marktreaktionen nach sich, die bei Ratingänderungen über die „investment grade“-Schwelle hinweg besonders heftig ausfallen.237 Überraschend ist, dass nicht lediglich die Kurse am Anleihenmarkt, sondern auch die Aktienkurse auf Ratings reagieren238 und diese Reaktionen auch dann auftreten, wenn es sich um die Änderung eines unbeauftragten (unsolicited) und daher ohne Zugang zu nicht-öffentlichen Emittenteninformationen erstellten Ratings handelt239 oder die Ratingänderung ausnahmsweise gar keine Bonitätsänderung signalisiert, weil sie – wie in der Vergangenheit vereinzelt geschehen – erklärtermaßen lediglich der „technischen“ Anpassung an veränderte interne Ratingkriterien240 oder geänderte Ratingsymbole241 dient. Die letztgenannten empirischen Beobachtungen können auf Grundlage überkommener informationsökonomischer Modellannahmen – nämlich einerseits der neoklassischen Theorie (in Gestalt der Hypothese des effizienten Kapitalmarktes und des Rationalmodells)242 und andererseits der neoinstitutionalistischen Theorie (mit ihrem Fokus auf Transaktions- und damit auch Informationskosten)243 – nicht erklärt werden, weil die Marktteilnehmer danach nicht hätten reagieren dürfen, brachten die Ratings doch in diesen Fällen keinerlei neue Infor235 Arendts, WM 1993, 229, 230; Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 76; Evans, 46 Val. U. L. Rev. (2012), 1091, 1101; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 533; Marten/Köhler, in FS Lück (2003), S. 483, 485; Niedostadek, Rating, Rn. 93. 236 Im U.S.-amerikanischen Schrifttum wird diese Ähnlichkeit häufig herausgestellt; vgl. etwa Mulligan, From AAA to F: How the Credit Rating Agencies failed America and what can be done to protect Investors, 50 B.C. L. Rev. (2009), 1275 ff. 237 Dazu oben unter II 2 c). 238 Dazu oben unter II 1 c). 239 Dazu oben unter II 2 d). 240 Dazu oben unter III 2 b) bb). 241 Dazu oben unter III 2 b) aa). 242 Dazu oben unter III 1. 243 Dazu oben unter III 2.

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Erster Teil: Ratings als Marktinformationen

mationen an den Markt. Ein eigener, hier vorgestellter Erklärungsansatz244 führt den Informationswert von Ratings daher auf die „Codierung“ der Bonitätsinformation in Form von Ratingkürzeln („AAA“, „B+“ usw.) zurück, die eine erleichterte Aufnahme und Verarbeitung der Information erlauben. Dass Ratings infolge dieser Codierung auch durch „reale“ Marktteilnehmer tatsächlich aufgenommen werden können, die entgegen neoklassischer Modellannahmen lediglich eine begrenzte Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität besitzen, erklärt ihre Auswirkungen am Markt und unterscheidet sie von komplexeren Marktinformationen, die weit seltener aufgenommen werden und in Investitionsentscheidungen Eingang finden. Damit ist auch erkennbar, warum Marktteilnehmer nicht zwischen beauftragten und unbeauftragten Ratings oder nach den Anlässen der einzelnen Ratingänderungen differenzieren, denn diese Aspekte ergeben sich nur aus den (nicht gleichermaßen verständlich codierten) Ratingberichten und werden daher vermutlich weniger gut rezipiert als das zugehörige Ratingkürzel. Für den weiteren Fortgang der Untersuchung ist die erarbeitete informationstheoretische Begründung des Informationswertes von Ratings in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: So erhellt sie zum einen die theoretische Grundlage für die originäre Funktion des Ratings, nämlich seine Marktinformationsfunktion,245 und wirkt sich damit auf die Anwendung diesbezüglicher Rechtsregeln aus, wie namentlich im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung der Rating-Agenturen.246 Zum anderen stellt sie mittelbar die theoretischen Grundannahmen in Frage, die den gesetzlichen Publizitätsregimen der hier untersuchten Rechtsordnungen zugrunde liegen und überwiegend auf dem neoklassischen Modell eines informationseffizienten Kapitalmarktes mit rational handelnden Marktteilnehmern beruhen.247 Da Ratings nicht nur faktisch mit der geltenden Pflichtpublizität zusammenwirken, sondern ihnen selbst – wie noch zu zeigen sein wird – eine vielfach entscheidende Rolle im Rahmen des Publizitätsrechts zugewiesen wird, können die unterschiedlichen informationstheoretischen Ansätze manche Inkonsistenzen erklären, die bei der Anwendung ratingbasierter Publizitätsregeln auftreten.

244 245 246 247

Dazu oben unter IV. Siehe § 1 II. Siehe §§ 26 ff. Dazu oben unter III 1 b).

Zweiter Teil

Regulierung durch Ratings: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich Im Zweiten Teil der Untersuchung ist die bereits angesprochene Regulierungsfunktion des Ratings1 nun rechtsvergleichend in ihren einzelnen Erscheinungsformen wie auch ihrer allgemeinen Bedeutung näher zu erforschen. Die folgenden Kapitel stellen daher eine Bestandsaufnahme der rechtlichen Bezugnahmen auf Ratings in den Rechtsordnungen Deutschlands, der Europäischen Union, der Schweiz, der Vereinigten Staaten von Amerika und Hongkongs dar, wobei der Rechtsstoff zunächst in funktional-rechtsvergleichender Methode2 nach Sachproblemfeldern geordnet aufgefächert und untersucht wird,3 bevor in zwei abschließenden Kapiteln die Regulierung durch Ratings systematisch gewürdigt4 und (allgemeiner) Folgerungen für eine sachgerechte Ausgestaltung gesetzlicher Publizitätsregelungen gezogen5 werden. Die Beschreibung des rechtlichen Einsatzes von Ratings stellt dabei – wie stets bei rechtsvergleichenden Werken – notwendigerweise eine Momentaufnahme dar, die gerade auf den hier schwerpunktmäßig betroffenen, schnelllebigen Teilgebieten des Finanzmarkt- und des Gesellschaftsrechts in manchen Aspekten bald überholt sein kann. Einzelne nationale Rechtsvorschriften sind daher vorrangig als Anschauungsmaterial des denkbaren Lösungsvorrats für einzelne Sachprobleme6 von Interesse, das nationalen Gesetzgebern und Regulierungsbehörden sowie – im modernen Finanzmarktrecht von ständig zunehmender Bedeutung – auch international koordinierenden Gremien7 als Inspiration dienen könnte und sollte. Nimmt man das gesamte Zeitspektrum von der ersten regulatorischen Ratingverwendung im Jahre 19368 bis in die jüngere Zeit in den Blick und lässt man Veränderungen bloßer Einzelregelungen außer Acht, so ist als rechtsgebiets- wie 1

Siehe schon § 1 II sowie § 5 III 1 a) bb). Vgl. hierzu Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 25 ff.; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 3 II sowie De Coninck, RabelsZ 74 (2010), 318, 322 ff. 3 Siehe im Folgenden §§ 6–16. 4 Siehe § 17. 5 Dazu § 18. 6 Vgl. zur diesbezüglichen Funktion rechtsvergleichender Untersuchungen Constantinesco, Rechtsvergleichung II, S. 372 f.; Rheinstein, Rechtsvergleichung, S. 13; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, § 2 II. 7 Siehe im Fortgang des Textes etwa § 6 II 1 a) (zum Basler Ausschuss für Bankenaufsicht), § 24 IV 1 (zur Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO)) und § 31 (zu den ratingbezogenen Arbeiten des Financial Stability Boards). 8 Siehe zu dieser schon § 3 II 1 und noch näher § 7 I 1 a). 2

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

rechtsordnungsübergreifende Entwicklung – wie hier bereits vorwegzunehmen ist – eine ständige Zunahme ratingbasierter Rechtsvorschriften erkennbar. Erst in jüngster Zeit ist in Reaktion auf die globale Finanzkrise 2007–09 insoweit eine gegenläufige Tendenz sichtbar geworden, weil nunmehr bewusst auf eine Zurücknahme ratingbasierter Regulierung gedrängt wird. Am zweifellos stärksten ausgeprägt hat sich letztere Tendenz in den U.S.A. gezeigt, und zwar in Gestalt des 2010 erlassenen Dodd–Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act (Dodd–Frank Act9): Dieses 849 Druckseiten starke Reformgesetz, mit dem die U.S.-amerikanische Legislative auf die zahlreichen Fehlentwicklungen an den Finanzmärkten vor und während der globalen Finanzkrise reagierte, enthält einen ganzen Abschnitt mit der Überschrift „Improvements to the Regulation of Credit Rating Agencies“,10 der sich – entgegen seiner missverständlichen Benennung – nicht nur der Regulierung des Ratings,11 sondern auch der Regulierung durch Ratings annimmt. Durch die einschlägigen Vorschriften des Dodd–Frank Acts hob der Kongress zum einen mit unmittelbarer Wirkung einzelne gesetzliche und untergesetzliche ratingbasierte Bestimmungen des U.S.-amerikanischen Finanzmarktrechts auf12 – ein direktes gesetzgeberisches „Durchgreifen“, das gelegentlich zu vorhersehbaren, aber vom Kongress anscheinend nicht vorhergesehenen Marktverwerfungen führte13 und daher in der Sache kaum als sinnvoll eingestuft werden kann. Zum anderen erließ er ein an alle Bundesfinanzaufsichtsbehörden gerichtetes allgemeines Gebot, dem zufolge jede Behörde binnen eines Jahres sämtliche ratingbasierte Rechtsvorschriften in ihrem Zuständigkeitsbereich zu erfassen14 und durch einen alternativen Bonitätsmaßstab zu ersetzen15 hat. In dessen Befolgung wurden seit 2011 zahlreiche untergesetzliche Ratingverweise aufgehoben und durch taugliche oder weniger taugliche Regelungsalternativen ersetzt; viele Neuregelungen stehen allerdings weiterhin aus. Auf Ebene der Europäischen Union lässt sich in jüngster Zeit ebenfalls das allgemeine Ziel einer Zurückdrängung der Regulierungsfunktion des Ratings nach9

Das Gesetz ist benannt nach Christopher Dodd (zum Zeitpunkt der Aushandlung des Gesetzes Vorsitzender des Committee on Banking, Housing, and Urban Affairs des Senats) und Barnett „Barney“ Frank (damals Vorsitzender des Committee on Financial Services des Repräsentantenhauses). Vgl. zum Gesetz Heppe/Tielmann, WM 2011, 1883: „die größte Kapitalmarktreform seit dem New Deal“. 10 §§ 939–939H Dodd–Frank Act. 11 Siehe zu den diesbezüglichen Neuregelungen durch den Dodd–Frank Act noch § 17 I 4 b). 12 Durch § 939(a), § 939G Dodd–Frank Act. Innerhalb des Dodd–Frank Acts stellen solche Vorschriften eine Ausnahme dar, weil die meisten Normen lediglich die Grundlage für untergesetzliche Rechtssetzungstätigkeiten schaffen; vgl. Heppe/Tielmann, WM 2011, 1883. 13 Siehe zur gesetzlichen Aufhebung der Rule 436(g) zum Securities Act of 1933 durch den Dodd–Frank Act und deren Folgen noch § 9 I 3 b) aa) (3) (zum Anleihenmarkt) und § 10 III 1 b) (zum Markt für strukturierte Finanzinstrumente). 14 § 939A(a) Dodd–Frank Act. 15 § 939A(b) Dodd–Frank Act. Hinzu trat in § 939B Dodd–Frank Act eine spezielle Vorgabe, welche die SEC binnen 90 Tagen zur Aufhebung der Ratingbezugnahmen in der Regulation FD zwang (siehe dazu noch § 11 III 3).

Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

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weisen, das hier jedoch weniger radikal verfolgt wird: Zwar statutierte der Unionsgesetzgeber im Jahre 2013 die Vorgabe, bis zum 1. Januar 2020 alle Vorschriften im Unionsrecht zu streichen, die die Nutzung oder Abgabe von Ratings zu aufsichtsrechtlichen Zwecken erfordern oder gestatten, aber eben nur – und hierin liegt ein wichtiger Unterschied zum U.S.-amerikanischen Dodd–Frank Act – „sofern geeignete Alternativen für die Bewertung des Kreditrisikos gefunden und umgesetzt worden sind“.16 Damit wird ein zentrales Problem der beschriebenen Umgestaltungstendenz erkannt und angesprochen, das in den folgenden Kapiteln noch verschiedentlich zu behandeln sein wird: Was soll an die Stelle der rechtlichen Ratingbezugnahmen treten?17 Im Gegensatz zu den U.S.A. und der EU nehmen die nationalen Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden in Deutschland, der Schweiz und Hongkong18 bislang eine abwartende Haltung ein; der regulatorische Einsatz von Ratings ist in diesen Rechtsordnungen daher (jenseits einzelner Regeländerungen im üblichen Umfang) im Wesentlichen unverändert geblieben.

16

Art. 5c EG-RatingVO, eingefügt durch ÄnderungsVO Nr. 462/2013 zur EG-RatingVO. Siehe dazu insbesondere in § 31 II 1. 18 Vgl. Securities and Futures Commission, Consultation Paper (19 July 2010), Tz. 6: „… another related issue is to review the use of ratings for regulatory purposes. As the discussions on this area are still evolving, the SFC will continue to monitor the development in this area closely and assess its implications.“ 17

Erster Abschnitt: Regulierung von Banken

§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“) I. Einleitung Der Themenkomplex, der mehr als jeder andere dazu beigetragen haben dürfte, die Regulierungsfunktion des Ratings zum Gegenstand des wissenschaftlichen Diskurses unter Rechtswissenschaftlern wie auch Ökonomen zu machen, ist die risikoabhängige Bestimmung der Eigenmittelanforderungen an Banken.1 Der Grund hierfür liegt in dem Zusammentreffen zweier Faktoren, nämlich zum einen in der zentralen Bedeutung der Bankenregulierung für die Stabilität des Finanzsystems und zum anderen in dem Umstand, dass bei deren Ausgestaltung im internationalen Vergleich besonders häufig und umfassend auf Ratings zurückgegriffen wird.2 Banken sind die wichtigsten Finanzintermediäre, die an den nationalen wie internationalen Finanzmärkten tätig sind,3 und besitzen schon deshalb eine volkswirtschaftlich zentrale Bedeutung.4 Banken (oder, in der Diktion des deutschen Gesetzesrechts, Kreditinstitute5) werden in den meisten Rechtsordnungen einer umfangreichen aufsichtsrechtlichen Regulierung unterstellt, um ihre Funktionsfähigkeit sowohl im Interesse des Finanzsystems insgesamt als auch im Interesse ihrer Gläubiger sicherzustellen.6 Darüber hinaus soll die Regulierung aber auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Stabilität der Banken sichern,7 weil nach den Erfahrungen bereits der Bankenkrise von 1931 schon der Zusammenbruch einer größeren Bank zu einer Kettenreaktion (run on the bank) herbeiführen

1 So aus Sicht der Rechtswissenschaften Luttermann/Wicher, ZIP 2005, 1529, 1532; Schwarcz, in: Ferran/Goodhart, Regulating Financial Services, S. 297, 299; aus Sicht der Ökonomie Gerke/ Mager, BFuP 2005, 203, 213; Hartmann-Wendels/Lieberoth-Leden/Mählmann/Zunder, Entwicklung eines Ratingsystems, S. 1, 3. 2 Joint Forum, Stocktaking on the use of credit ratings (June 2009), S. 2; IMF, Sovereign Credit Ratings (Okt. 2010), S. 8. 3 Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1780. 4 Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Dez. 2007, § 10 KWG Rn. 17; Zeitler, WM 2001, 1397. 5 § 1 Abs. 1 KWG. 6 Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Dez. 2007, § 10 KWG Rn. 17; Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1075; Schelm, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 2.152; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1780. 7 Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Dez. 2007, § 10 KWG Rn. 17; Zeitler, WM 2001, 1397.

§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)

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kann,8 durch die weitere Banken und Finanzinstitute und schließlich die Stabilität des Finanzsystems insgesamt gefährdet wird.9 Die globale Finanzkrise 2007– 09 hat dieses systemische Risiko in jüngerer Zeit erneut demonstriert. Das Bankrecht versucht ihm durch verschiedene Mechanismen zu begegnen, unter denen das Stellen von Eigenmittelanforderungen an Kreditinstitute die vielleicht wichtigste Bedeutung besitzt.10 Diese sollen sicherstellen, dass die von Banken eingegangenen Risiken ihre Risikotragfähigkeit nicht übersteigen, und verpflichten jede Bank daher zur Vorhaltung angemessener Eigenmittel zur Abdeckung des Adressenausfall- und Marktrisikos sowie theoretisch auch anderer Risiken,11 denen sie infolge ihrer Geschäftstätigkeit ausgesetzt ist.12 Die vorgeschriebenen Eigenmittel (verbreitet, aber unpräzise auch bezeichnet als „Eigenkapital“) fungieren also als „Risikopuffer“ (capital cushion), der unerwartete Verluste abfedern soll.13 Aus Perspektive der Banken stellen sich gesetzliche Eigenmittelanforderungen dabei zum einen als bedeutsamer Kostenfaktor dar, der ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinflusst14 und bestimmte risikobehaftete Geschäfte im Extremfall schlicht unrentabel machen kann.15 Zum anderen bewirken sie, dass die Eigenmittel eines Kreditinstituts über dessen zulässiges Gesamtgeschäftsvolumen bestimmen (sog. Maßstabsfunktion).16 Beides hat zur Folge, dass Kreditinstitute ein spürbares ökonomisches Interesse daran besitzen, die Eigenmittelvorgaben möglichst lax zu halten.17

Die wirtschaftlichen Auswirkungen regulatorischer Eigenmittelanforderungen hängen vor diesem Hintergrund entscheidend von der Frage ab, welche Risiken durch die Banken mit Eigenmitteln „unterlegt“ werden müssen. Die Bedeutung 8 Avgouleas, ECFR 2009, 440, 458; Conroy, 63 Fordham L. Rev. (1995), 2395, 2413; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1780 f. 9 Sigrist, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 1, 2; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 3. 10 Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1772: „the capital adequacy regime is the single most important set of rules in both international and domestic banking law“; Kolassa, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 137 Rn. 1. 11 So lassen sich Eigenmittelanforderungen theoretisch auch zur Abfederung etwa von Liquiditätsrisiken einsetzen (Hunt, 60 S. C. L. Rev. (2009), 749, 766), die aber in den hier untersuchten Rechtsordnungen bislang anders (aber gleichwohl ratingabhängig) reguliert werden; vgl. dazu noch § 7 II. 12 Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Dez. 2007, § 10 KWG Rn. 19; Brocker, in: Derleder/Knops/Bamberger, § 65 Rn. 29; Schwennicke/Auerbach/Auerbach/Fischer, § 10 KWG Rn. 29; Weber, Börsenrecht, Art. 12 BEHG Rn. 1. 13 Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 129 Rn. 1; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1776; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 3; aus schweizerischer Sicht plastisch St. Weber, in FS Ress (2005), S. 1599, 1600: „Geldrucksack“. 14 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Boos, § 10 KWG Rn. 5; Fischer, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 129 Rn. 4. 15 Doetsch/Horn, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008, § 13.03[A]. 16 Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Dez. 2007, § 10 KWG Rn. 4a; Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 129 Rn. 4; Schulte-Mattler/Manns, WM 2011, 2069, 2072; Windbichler, GesellschaftsR, § 32 Rn. 8. 17 So Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 129 Rn. 4.

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

der Regulierungsfunktion des Ratings in diesem Bereich rührt nun daher, dass bei der Bestimmung des sog. „Risikogewichtes“ verbreitet auf die Ratings privater Rating-Agenturen abgestellt wird, und zwar vor allem seit Verabschiedung einer Empfehlung zur international konvergenten Regelung der Eigenmittelmessung und -anforderungen durch den Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (des sog. „Basel II-Akkords“), der eine starke regulatorische Ratingverwendung vorsieht.18 Da „Basel II“ in den meisten entwickelten Staaten der Welt als Muster der nationalen Eigenmittelregulierung diente, erhielten Ratings auf diese Weise einen unmittelbaren Einfluss auf die Bestimmung des vielleicht wichtigsten Risikomaßstabs der internationalen Finanzsysteme.19 Dieser Einfluss wird auch durch die Reformen kaum reduziert, die seit 2011 zur Ergänzung und Verschärfung der Basel II-Regeln vorgeschlagen worden sind („Basel III“).20

II. Rechtslage vor „Basel II“ Entgegen einer verbreiteten Wahrnehmung begann die regulatorische Indienstnahme von Ratings in diesem Bereich allerdings nicht erst mit Schaffung des Basel II-Akkords im Jahre 2005, sondern nahm tatsächlich schon mit dessen Vorgängerregelwerk („Basel I“) ihren Anfang.

1. „Basel I“ a) Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision) ist ein Gremium der Bankenaufsichtsbehörden, das im Jahre 1974 – in Reaktion auf den vorausgegangenen Zusammenbruch der deutschen Herstatt-Bank – von den Zentralbankgouverneuren der G 10-Länder gegründet wurde und das gewöhnlich in der Bank für internationalen Zahlungsausgleich in Basel tagt, wo auch sein ständiges Sekretariat angesiedelt ist. Der Basler Ausschuss setzt sich heute aus Vertretern der Zentralbanken und Bankenaufsichtsbehörden aus 27 Ländern21 zusammen und gilt als der weltweit wichtigste Regelgeber auf dem Gebiet des Bankenaufsichtsrechts,22 obgleich er über keinerlei originäre Recht18

Siehe zum im Jahre 2005 verabschiedeten Basel II-Akkord noch unter III. Gerke/Mager, BFuP 2005, 203, 213. 20 Siehe dazu noch unter III 4. Der Inhalt von „Basel III“ soll erst ab dem 1. Januar 2019 umfassend zur Anwendung gelangen, aber in Teilbereichen bereits vor diesem Datum umgesetzt werden. 21 Der Mitgliederkreis wurde letztmalig im Juni 2009 ausgeweitet und erreichte damit die genannte Zahl von Mitgliedern, zu denen neben Deutschland, der Schweiz und den U.S.A. auch Hongkong zählt. (Obgleich Hongkong kein souveräner Staat, sondern lediglich eine chinesische Sonderverwaltungsregion ist, verfügt es über einen eigenen, von demjenigen der Volksrepublik China unabhängigen Sitz im Gremium.). 22 Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 5: „top global banking regulator“; Zulauf, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 27, 29: „wohl wichtigster und wahrscheinlich auch qualitativ bester internationaler ‚Standardsetter‘“. 19

§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)

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setzungskompetenz verfügt, sondern lediglich unverbindliche Empfehlungen verabschieden kann.23 Die von ihm empfohlenen Regelungen, die üblicherweise als „soft law“ eingeordnet24 und gelegentlich plastisch als „juristisches Rauschen“25 umschrieben werden, werden gleichwohl in der Praxis besser befolgt als manch völkerrechtlicher Vertrag.26 Sie stellen gerade auf dem Gebiet der Eigenmittelanforderungen an Banken, auf dem der Ausschuss mit dem Basel I-Akkord und dessen Nachfolger („Basel II“, teilweise reformiert durch „Basel III“) gleich zwei auch mit Blick auf Ratings einflussreiche Regelwerke geschaffen hat, den international maßgeblichen Standard dar.27 b) „Basel I“ und die begrenzte regulatorische Verwendung von Ratings Die ersten Empfehlungen des Basler Ausschusses zu diesem Bereich wurden in einem Dokument mit dem Titel „Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen“ verabschiedet, das anfänglich als „Basler Akkord“, heute hingegen üblicherweise als „Basel I“ bezeichnet wird. Sein Inhalt wurde im Laufe der Zeit in mehr als 100 Ländern übernommen. aa) Ratingunabhängige Kreditrisikobewertung unter „Basel I“ In der Ursprungsfassung von „Basel I“ aus dem Jahre 1988, dessen Regeln gelegentlich treffend als „grobschlächtig, aber dafür einfach“ beschrieben wurden,28 waren Ratings als Regulierungsinstrumente allerdings noch gar nicht vorgesehen:29 Unter „Basel I“ wurde nämlich noch nicht auf die Bonität des individuellen Schuldners abgestellt, sondern eine Unterteilung der Schuldner in wenige, abstrakte Klassen vorgenommen und die Eigenmittelanforderungen einheitlich für jede dieser Klassen bestimmt.30 Kredite an Unternehmen waren danach ohne Ansehen der Bonität des einzelnen Unternehmens mit 8% der ausgereichten Kreditsumme zu unterlegen. Vor allem von Seiten U.S.-amerikanischer Autoren wurde harsch kritisiert, dass einem Darlehen an ein mit „AAA“ geratetes Unternehmen damit unter „Basel I“ dasselbe Risikogewicht zugewiesen wurde wie ei-

23 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schulte-Mattler, § 1 SolvV Rn. 9; Felsenfeld, Banking Regulation, S. 409; Hennrichs, ZGR 2006, 563, 564; Hirte/Heinrich, ZBB 2001, 388, 390; Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 3 Rn. 284; Ohler, in: Derleder/Knops/Bamberger, § 76 Rn. 1. 24 Felsenfeld, Banking Regulation, S. 409; Hirte/Heinrich, ZBB 2001, 388, 390; Lee, 16 Wis. Int’l L.J. (1997–98), 687, 712; Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 6 Rn. 284; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1789; Zulauf, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 27, 31. 25 So St. Weber, in FS Ress (2005), S. 1599, 1609. 26 So Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 205; Zeitler, WM 2001, 1397. 27 Alexander, ZBB 2011, 337, 340; Becker, ZG 2009, 123, 131; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1781; Zulauf, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 27, 29. 28 Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 159; Sigrist, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 1, 3. 29 Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 33 f. 30 Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 159; Hennrichs, ZGR 2006, 563, 564; Litten/Cristea, WM 2003, 213, 215.

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

nem „spekulativen“ Kredit an ein Unternehmen, das lediglich über ein Rating im „non-investment grade“-Bereich verfügt.31 bb) Revidierter Basel I-Akkord (1996): Ratings als Bewertung des Marktrisikos Ihre Premiere im Rahmen der Eigenmittelregulierung von Kreditinstituten feierten Ratings sodann mit der Revision des Basel I-Akkords durch die „Änderung der Eigenkapitalvereinbarung zur Einbeziehung der Marktrisiken“ vom Januar 1996.32 Durch diese Revision wurde der sachliche Anwendungsbereich des Basel I-Akkords, der sich bis dahin nur auf Kreditrisiken bezogen hatte, auf Marktrisiken (namentlich Zinsänderungs-, Aktienkurs-, Fremdwährungs- und Edelmetallrisiken) erweitert, für die nunmehr ebenfalls Eigenkapital vorzuhalten war.33 Obgleich der so geänderte Basel I-Akkord weithin als ein wichtiges Beispiel für die regulatorische Indienstnahme von Ratings bezeichnet wird,34 spielten Ratings in seinem Anwendungsbereich genau genommen nur eine ganz punktuelle Rolle:35 Es wurde auf sie im Bereich der Eigenmittelunterlegung des sog. „spezifischen Kursrisikos“ Bezug genommen,36 d.h. des Risikos ungünstiger Kursentwicklungen eines bestimmten Wertpapiers aufgrund von Faktoren, die beim jeweiligen Emittenten liegen.37 Während der Eigenkapitalbedarf für Staatspapiere durch die geänderten Basel I-Regeln insoweit auf 0%38 und für „sonstige“ Wertpapiere auf 8% festgelegt wurde, lag die Eigenmittelquote bei den dazwischen angesiedelten „qualifizierten“ Wertpapieren bei lediglich 0,25– 1,6% (abhängig von der Restlaufzeit). Für die Einstufung als „qualifiziertes“ Wertpapier wurde dabei grundsätzlich39 ein Emissionsrating der Einstufung „investment grade“ verlangt, soweit es sich um Papiere eines privaten Emittenten handelte.40 31 Conroy, 63 Fordham L. Rev. (1995), 2395, 2432 f.; Wilmarth, U. Ill. L. Rev. 2002, 215, 458 m.w.N.; ebenso aus Sicht der deutschen Banken von Boehm-Bezing, WM 2000, 1001. Aus ökonomischer Perspektive Altman/Saunders, 25 J. Banking & Fin. (2001), 25, 26. 32 Die reformierten Regelungen – die ja wiederum separat durch die einzelnen Staaten umgesetzt werden mussten – waren ab Ende 1997 anzuwenden. 33 Vorangegangen war ein Konsultationspapier des Basler Ausschusses vom April 1993; vgl. hierzu Schulte-Mattler, Die Bank 1994, 28 ff. 34 So etwa Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 1: „key example“. 35 Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 33 f. 36 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Änderung der Eigenkapitalvereinbarung zur Einbeziehung der Marktrisiken (Januar 1996), sub. A.1 I, S. 10 ff. 37 Vgl. Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 119; von Randow, ZBB 1995, 140, 153. 38 Siehe zu dieser bis heute fortbestehenden Privilegierung von Staatsanleihen noch unter IV 3. 39 Von diesem Erfordernis konnten die zuständigen Behörden allerdings unter bestimmten Voraussetzungen einen Dispens erteilen; vgl. dazu kritisch Zimmermann, Berücksichtigung von Risiken, S. 89: „unter bankaufsichtlichen Vorsichtsaspekten bedenklich“. 40 Der Basel I-Akkord in seiner geänderten Fassung von 1996 verlangte diesbezüglich (in einer nicht eben klar formulierten Vorschrift) entweder ein „investment grade“-Rating von mindestens zwei von der nationalen Behörde bestimmten Rating-Agenturen, oder aber ein „investment grade“-

§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)

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Bemerkenswert erscheint auf den ersten Blick, dass Ratings unter dem geänderten Basel I-Regime von 1996 also bei der Berechnung der Eigenmittelunterlegung von Marktrisiken – also des Risikos, dass gehaltene Wertpapiere aufgrund von Kursverlusten an Wert verlieren41 – herangezogen wurden, wohingegen sie heute nach „Basel II“42 primär bei der Behandlung von Kreditrisiken eine Rolle spielen.43 Zu Marktrisiken treffen Ratings aber, wie in der Literatur zutreffend betont wird, im Grundsatz gar keine Aussage,44 was die Indienstnahme von Ratings im vorliegenden Zusammenhang fragwürdig erscheinen lassen könnte. Hinter der Basel I-Regelung stand jedoch nicht der Gedanke, dass eine hohe Bonität generell (auch) ein geringes Kursrisiko zur Folge hat: Unter „Basel I“ wurde vielmehr streng zwischen spezifischem Kursrisiko einerseits und allgemeinem Markt- oder Kursrisiko andererseits unterschieden (sog. „Building Block Approach“), die als zu trennende Kursrisikoarten separat zu erfassen und gesondert mit Eigenmitteln zu unterlegen waren.45 Auf Ratings wurde dabei ausschließlich bei der Bewertung des spezifischen Kursrisikos abgestellt, welches vor allem aus bonitätsinduzierten, d.h. von der Zahlungsfähigkeit des einzelnen Emittenten abhängigen Kursänderungen erwächst46 – der Börsenkurs einer Anleihe sinkt, weil die Bonität des Emittenten und damit die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung gesunken ist (weshalb ein etwaig bestehendes Rating abgesenkt wurde) –, und damit eine enge inhaltliche Verwandtschaft mit dem Kreditrisiko aufweist. Letzteres wird auch dadurch deutlich, dass die Abgrenzung von Kredit- und besonderem Kursrisiko im Rahmen bankenaufsichtsrechtlicher Regelungen nicht selten Schwierigkeiten verursacht47 und daher im Ergebnis wahlweise Zuordnungen zugelassen werden.48 Für die Bewertung des genannten besonderen Marktri41 Rating von einer Rating-Agentur sowie ein weiteres, nicht unterhalb von „investment grade“ angesiedeltes Rating von einer weiteren, von der nationalen Behörde bestimmten Rating-Agentur. 59 Kessler, BB 2013, 1098, 1099; Tokley, Banking Law, Stand: Issue 0, Kap. II Rn. 951. 42 Siehe dazu noch unten III. 43 Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 60. 44 Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1918; Darrow/Hitselberger/Cummings, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2002–2 Supplement, § 7.01[A]; Hunt, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 109, 158; Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 402; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 357; Serfling/Pries, Die Bank 1990, 381; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 4. Vgl. schon früh Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 81: „Interesting is, however, Moody’s emphatic refusal to allow an interpretation of ratings which would link them with ‚market price movements‘“; 104: „price fluctuations need have nothing to do with the quality of the paper but may be a consequence of changing interest rates“. Empirische Nachweise bei Reilly/Joehnk, 31 J. Fin. (1976), 1387, 1398. 45 Boos/Schulte-Mattler, Die Bank 1997, 610; Schulte-Mattler, Die Bank 1994, 28, 29. Zur theoretischen Unterscheidung zwischen diesen beiden Risikotypen in der Ökonomik (Alpha und Beta) vgl. knapp Coffee, 70 Va. L. Rev. (1984), 717, 748. 46 Hannemann/Schneider/Hanenberg, MaRisk, S. 554; Schulte-Mattler, Die Bank 1994, 28, 29. 47 So auch Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Findings on the interaction of market risk and credit risk (May 2009), S. 1: „As the same economic factors tend to affect both risks, drawing a clear distinction between them in practical risk measurement and management is, however, very difficult.“ 48 Vgl. Hannemann/Schneider/Hanenberg, MaRisk, S. 555, 560 (zur deutschen MaRisk).

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

sikos stellen Bonitätsbeurteilungen durch Rating-Agenturen im Ergebnis also in der Tat einen geeigneten Parameter dar. Die beschriebenen ratingbasierten Regelungen zum besonderen Marktrisiko wurden auch im Zuge der Weiterentwicklung der Basler Eigenkapitalvereinbarung beibehalten49 und finden sich bis heute (in allerdings ausdifferenzierterer Form) im Basel II-Akkord.50

2. EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG: Fakultative Bewertung des Marktrisikos durch Ratings Schon drei Jahre vor Revision des Basel I-Akkords war es auf europäischer Ebene zur Einführung einer Regelung gekommen, die ebenfalls zur Marktrisikobewertung auf Ratings zurückgreift: Die EG-Kapitaladäquanzrichtlinie sah in ihrer Ursprungsfassung aus dem Jahre 1993 vor, dass in diesem Zusammenhang solche Wertpapiere als „qualifizierte Aktiva“ behandelt werden können, die hinreichend liquide sowie durch mindestens zwei von den zuständigen Behörden anerkannten Rating-Agenturen hinsichtlich ihres Ausfallrisikos geratet worden sind.51 Die betreffende Richtlinienbestimmung, die sich durch eine auffällige Ähnlichkeit mit der bereits erörterten „Basel I“-Vorschrift auszeichnet und diese möglicherweise inspiriert hatte,52 wies dem Rating gleichwohl in zweierlei Hinsicht eine begrenztere Regulierungsfunktion zu: Zum einen nannte sie selbst kein bestimmtes Mindestrating,53 und zum anderen – und dies war entscheidend – schrieb sie die Maßgeblichkeit des Ratings nicht zwingend vor, sondern stellt dessen Berücksichtigung ausdrücklich in das Ermessen der (mitgliedstaatlichen) Aufsichtsbehörden54 und besaß daher nur fakultativen Gehalt. Diese „EscapeKlausel“55 wurde etwa von Deutschland genutzt, um einstweilen von einer regulatorischen Ratingverwendung absehen zu können.56 Trotz ihrer vergleichsweise schwachen Ausgestaltung kam der punktuellen Ratingklausel der EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG deshalb Bedeutung zu, weil sie die erste Bezugnahme des europäischen Gemeinschaftsrechts auf Rating-Agenturen darstellte57 und damit dazu beitrug, dass sich der Einsatz ratingbasierter Regelungen auch in Europa ausweitete.58 Gerade die zeitlich nahezu pa49

Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 8 Rn. 206. Basel II-Akkord, Tz. 710 ff.; vgl. Fischer/Klanten/Fischer, Rn. 2.338 ff. 51 Art. 2 Nr. 12 Unterabs. 2 EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG. 52 Vgl. Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer-Fall 1994), 1, 7. 53 Schulte-Mattler, Die Bank 1994, 28, 30. 54 Art. 2 Nr. 12 Unterabs. 3 EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG; Schulte-Mattler, Die Bank 1994, 28, 30. 55 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 127. 56 Siehe sogleich unter 3 a). 57 BT-Drs. 15/2815, S. 4; Deipenbrock, WM 2005, 261, 262 Fn. 28; von Randow, ZBB 1995, 140, 153: „eine neue Dimension“. Kritisch Siebel, BFuP 2005, 273: „existierendes Negativbeispiel“ für regulatorische Ratingbezugnahmen. 58 Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 204; Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 24; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 126: Weichenstellung. 50

§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)

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rallele Erstnutzung der Regulierungsfunktion des Ratings auf europäischer wie auch internationaler Ebene dürfte einen entscheidenden Anstoß zur verstärkten rechtlichen Ratingnutzung in den folgenden Jahren gegeben haben.

3. Einzelne Rechtsordnungen Die Bedeutung der ratingbasierten Marktrisikobewertung lässt sich an den beschriebenen Regelungen jedoch nur unzureichend ablesen, weil erst deren Umsetzung in nationales Recht für die regulierten Kreditinstitute bindend war. Trotz der ausgeprägten Internationalisierung des Bankengeschäfts kommt es insoweit in rechtlicher Hinsicht bis heute auf das nationale (und nur innerhalb der EU teilweise harmonisierte) Bankrecht an,59 in dem die Regulierungsfunktion des Ratings ganz unterschiedlich ausgestaltet wurde: a) Deutsches und europäisches Recht: Zögerliche Ratingverwendung für Zwecke der Marktrisikobewertung Obgleich zwischen dem Erlass der EG-Kapitaladäquanzrichtlinie (im März 1993) und des revidierten Basel I-Akkords (im Januar 1996) fast drei Jahre lagen, wurden beide in Deutschland schließlich gleichzeitig umgesetzt,60 nämlich durch die Ende 1997 in Kraft getretene 6. KWG-Novelle.61 Diese richtete sich zwar weitestgehend an den Vorgaben beider Regelwerke zum Marktrisiko aus,62 übernahm die darin enthaltene Regelung zum regulatorischen Einsatz von Ratings – die auch in der bindenden EG-Kapitaladäquanzrichtlinie nur fakultativ vorgesehen war – nicht in das deutsche Aufsichtsrecht. Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, das damals die in Deutschland insoweit zuständige Behörde war, wies zur Begründung darauf hin, dass zu diesem Zeitpunkt in KWG und einschlägigem Grundsatz I63 nirgends auf die Einstufung von Risikoaktiva durch private Rating-Agenturen abgestellt wurde64 – auch eine nur beschränkte Ratingbezugnahme hätte daher einen konzeptionellen Richtungswechsel bedeutet, den man aus grundsätzlichen Erwägungen vermeiden wollte.65 Deutschland scherte 59 Kritik erfährt dieser Zustand aus ganz unterschiedlichen Richtungen: Während teilweise das Fehlen verbindlicher internationaler Regelungen beklagt wird (so etwa Lee, 16 Wis. Int’l L.J. (1997–98), 687, 722: „banking is international, while banking regulation is national“), kritisieren andere, dass die Eigenkapitalregeln des Basler Ausschusses nur noch „im Sinne eines staatsnotariellen Aktes vom Gesetzgeber übernommen“, aber inhaltlich nicht verantwortet werden (Becker, ZG 2009, 123, 126; Mayen, AnwBl 2010, 611). 60 Boos/Schulte-Mattler, Die Bank 1997, 610. 61 Vgl. zur 6. KWG-Novelle Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Dez. 2007, § 10 KWG Rn. 11; Mielk, WM 1997, 2200 ff. 62 Boos/Schulte-Mattler, Die Bank 1997, 610. 63 Bei dem sog. „Grundsatz I“ handelte es sich um Verwaltungsvorschriften des BAKred, welche die Eigenkapitalanforderungen an Kreditinstitute im Einzelnen regelten; vgl. Mielk, WM 1997, 2200, 2201. 64 Vgl. Zimmermann, Berücksichtigung von Risiken, S. 170, 186 f. 65 Boos/Schulte-Mattler, Die Bank 1997, 610, 614.

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

also einstweilen aus dem zu verzeichnenden internationalen Trend hin zur ratingbasierten Marktrisikobewertung aus. Dies änderte sich erst im Jahre 2007 mit Umsetzung der neu gefassten EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 2006/49/EG, infolge derer das deutsche Recht66 bei der Marktrisikobewertung nunmehr erstmals auf Ratings abstellte. Die einschlägige Nachfolgeregelung findet sich mittlerweile auf Ebene des Unionsrechts in der EU-CRR,67 welche diese Ratingbezugnahmen unverändert fortführt.68 b) Schweizer Recht: Starkes Abstellen auf Ratings für Zwecke der Marktrisikobewertung Das schweizerische Bankenaufsichtsrecht übernahm die Regelungen des geänderten Basel I-Akkords im Jahre 199769 und setzte Ratings seitdem bei der Bewertung des „spezifischen Risikos“70 im Rahmen des Marktrisiko-Standardverfahrens für Zinsinstrumente ein. Die erforderlichen Eigenmittel für das spezifische Risiko von Zinsinstrumenten berechneten sich dabei abgestuft nach Klassen, in welche die Zinsinstrumente aufgeteilt wurden.71 Die einschlägige Bankenverordnung (BankV)72 übernahm in diesem Zusammenhang zunächst für die „qualifizierten Zinsinstrumente“ (zu unterlegen mit lediglich 2,5% Eigenmitteln) die ratingbasierte Definition des revidierten Basel I-Akkords73 in das schweizerische Recht und verlangte damit ein „investment grade“ als notwendige Bonität,74 fügte darüber hinaus aber noch zwei weitere – als solche nicht im Basel I-Akkord vorgesehene – Ratingbezugnahmen hinzu: Zum einen schuf sie die Kategorie der „High Yield-Zinsinstrumente“, die Schuldtitel mit einem „Rating wie ‚Caa‘, ‚CCC‘ oder tiefer“ umfasste75 und für Zwecke der Eigenmittelunterlegung mit 10% viermal höher gewichtet wurde als qualifizierte Zinsinstrumente.76 Eine solche gesonderte Klassifizierung von Ti-

66

§§ 294 ff. SolvV a.F. Die Regelungen dieser Verordnung gelten seit dem 1. Januar 2014. 68 In Artt. 336 ff. EU-CRR. 69 Vgl. Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 120. 70 Das Begriffsverständnis entsprach dabei demjenigen nach „Basel I“; vgl. Bingert/Heinemann, in Basler Komm., Art. 4 BankG Rn. 82. 71 „Sonstige Zinsinstrumente“ wurden nach Art. 12m Abs. 2 BankV a.F. mit einem Satz von 8% belegt. 72 Näher konkretisiert wurden die Vorgaben der BankV durch das EBK-Rundschreiben 97/1 Eigenmittelunterlegung Marktrisiken vom 22.10.1997 (mit späteren Änderungen), Rn. 29 ff. Das Rundschreiben wurde zum 31. Dez. 2007 aufgehoben und durch EBK-Rundschreiben 06/2 Marktrisiken vom 29.9.2006 ersetzt. 73 Siehe dazu schon oben II. 74 Art. 14 lit. f BankV a.F. Die Vorschrift enthielt allerdings in ihrer Nr. 3 eine Auffangnorm für Zinsinstrumente ohne Rating, die solchen mit einem Investment-Grade-Rating vergleichbar sind, und machte damit von der im Basel I-Akkord vorgesehenen Möglichkeit eines Dispenses von der Ratinganknüpfung Gebrauch. 75 Art. 14 lit. g BankV a.F. 76 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 121. 67

§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)

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teln mit erheblich größerem Kursrisiko ließ „Basel I“ zwar zu,77 ohne bei ihrer Definition jedoch selbst auf Ratings abzustellen.78 Zum anderen ergänzte das Schweizer Recht die im Basel I-Akkord enthaltene Unterscheidung zwischen OECD- und Nicht-OECD-Staaten als Schuldner durch eine Bezugnahme auf das sovereign rating der Staaten – eine regulatorische Ratingverwendung, die in anderen Rechtsordnungen so nicht vorkam.79 In der schweizerischen Rechtsprechung hatten Rating-Agenturen bei Fragen der Eigenmittelunterlegung schon zuvor eine Rolle gespielt, nämlich im CS Holding-Entscheid des Schweizer Bundesgerichts aus dem Jahre 1990: In diesem Entscheid, in dem es um die Reichweite der Gruppen- und Konglomeratsaufsicht in Eigenmittelfragen ging, stellt das Bundesgericht fest, dass die unterschiedliche Einstufung der Schweizerischen Kreditanstalt (Credit Suisse) und ihrer (deutlich schlechter gerateten) U.S.-amerikanischen Schwestergesellschaft CS First Boston durch die internationalen Rating-Agenturen nicht bedeute, dass es an einem faktischen Beistandszwang i.S. des § 12 BankV fehle; aus dem Bericht der Rating-Agentur Moody’s gehe vielmehr klar hervor, dass die Bank- und Finanzgesellschaften der CS Holding-Gruppe eine wirtschaftliche Einheit bilden.80 Das Bundesgericht griff also schon zu diesem verhältnismäßig frühen Zeitpunkt auf Ratings zurück, um Regelungen des schweizerischen Bankenaufsichtsrechts in ihrer Anwendung auf international tätige Banken zu konkretisieren.

Die oben beschriebenen schweizerischen Regelungen zur ratinggestützten Berechnung der Eigenmittelunterlegung für das spezifische Marktrisiko gelten bis heute fort, finden sich mittlerweile allerdings in der Eigenmittelverordnung (ERV).81 Die ursprünglich verwandte Kategorie der „High Yield-Zinsinstrumente“ fiel dabei weg und ging in der blasser benannten Kategorie der „Zinsinstrumente der Ratingklassen 6 oder 7“ (d.h. „B“ oder „CCC“/„Caa“) auf,82 für die nunmehr sogar 12% Eigenmittel vorgehalten werden müssen. c) U.S.-amerikanisches Recht: Bereits frühes Abstellen auf Ratings Auf die längste Tradition können ratingbasierte Eigenmittelanforderungen bei Banken in den U.S.A. zurückblicken, wo sie bereits in den 1930er Jahren eingeführt wurden83 und damit die weltweit erste Zuweisung einer Regulierungsfunk77 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Änderung der Eigenkapitalvereinbarung zur Einbeziehung der Marktrisiken (Januar 1996), sub. A.1 I, S. 11 f. 78 Vgl. Schulte-Mattler, Die Bank 1994, 28, 30: Ermessen der nationalen Behörden bzgl. der Einführung einer Sonderkategorie für „junk bonds“. 79 Basler Ausschuss, Working Paper on Credit Ratings (2000), S. 3, 41. 80 BGer, 11.12.1990, BGE 116 Ib 331, 341 („CS Holding“). 81 Die Legaldefinition des „qualifizierten Zinsinstruments“ findet sich in Art. 4 lit. g ERV; die Berechnung der vorzuhaltenden Eigenmittel bestimmt sich nach Art. 84 Abs. 1 ERV i.V.m. Anh. 5 zur ERV. Detailfragen werden geregelt in FINMA, Rundschreiben 2008/20 Marktrisiken Banken vom 20.11.2008, Rn. 93 ff. sowie zuvor bereits im EBK-Rundschreiben 06/2 Marktrisiken vom 29.9.2006, Rn. 93 ff. 82 Vgl. Anh. 5 zur ERV sowie FINMA, Rundschreiben 2008/20 Marktrisiken Banken vom 20. November 2008, Rn. 94. 83 Dazu sogleich unter aa).

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

tion an Ratings markierten – zu einem Zeitpunkt, zu dem Rating-Agenturen in anderen Rechts- und Wirtschaftsordnungen noch kaum bekannt waren.84 In jüngerer Zeit setzte das U.S.-amerikanische Bankenrecht zudem die bereits beschriebenen Empfehlungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht um,85 deren ratingbezogene Inhalte vielfach ohnehin auf Vorschläge der amerikanischen Aufsichtsbehörden zurückgingen. aa) Bedeutung von Ratings im Verfahren der aufsichtsbehördlichen Bankenzulassung (ab 1930) Das U.S.-amerikanische Bankenaufsichtsrecht wies von privaten Rating-Agenturen erteilten Bonitätsbeurteilungen erstmals im Jahre 1930 eine Rolle zu, die seitdem stetig an Bedeutung zugenommen hat. Zum damaligen Zeitpunkt existierten freilich noch keine gesondert normierten Eigenmittelanforderungen an Banken (diese wurden erst in den 1980er Jahren eingeführt);86 die Überwachung von Kreditinstituten wurde vielmehr über das behördliche Zulassungsverfahren vorgenommen, das Banken vor Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit zu durchlaufen haben. (1) Rating von Anleihen im Bankenportfolio und Beurteilung der finanziellen Lage der Bank Zu diesem Zweck verlangten die einschlägigen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen – die in den U.S.A. traditionell zersplittert und daher unübersichtlich sind, weil die Zuständigkeit für die Bankenaufsicht auf mehrere Behörden verteilt ist87 – für die Aufnahme in das Federal Reserve System, dass sich die betreffende Bank in einer guten finanziellen Lage (financial condition) befand88 und allgemeinen Anforderungen an Sicherheit und Zuverlässigkeit („safety and soundness“) genügte. Ein praktisch identischer Maßstab galt auch für die Zulassung von state banks. Die aufsichtsbehördliche Überprüfung der Eigenkapitalausstattung wurde nun im Rahmen der Anwendung dieser Generalklauseln durchgeführt,89 bei der man auf Ratings zur Bewertung der Anleihen im Portfolio der Bank zurückgriff: Nachdem das Federal Reserve Board im Jahre 1930 insoweit zunächst

84

Allerdings hatten die U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen bereits in den 1920er Jahren über ihre Niederlassungen in London auch europäische, vor allem englische Anleihen geratet; vgl. oben § 3 II 1. 85 Dazu unten bb). 86 Conroy, 63 Fordham L. Rev. (1995), 2395, 2398; Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 11/2007, § 9.01[1]. 87 Dies beklagend etwa Macey/Miller/Carnell, Banking Law and Regulation, S. 70. 88 Federal Reserve Board, Regulation H: Membership of State Banks and Trust Companies, 1930, S. 5 (zitiert nach Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 26). Diese Vorschrift ist bis heute in der Regulation H (12 C.F.R. § 208.3(b)(1)) enthalten. 89 Malloy, Banking Regulation, § 2.03[B], § 7.02[B][2]; Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 11/2007, § 9.01[1]; vgl. auch Felsenfeld, Banking Regulation, S. 69.

§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)

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lediglich in einer internen Richtlinie auf Ratings verwiesen hatte,90 ordnete das United States Treasury Department sodann im folgenden Jahr durch den zuständigen Comptroller of the Currency an, dass von Banken gehaltene Anleihen künftig nur dann mit den Erwerbskosten angesetzt werden konnten, wenn sie über ein Rating von „BBB“ oder besser (nach heutiger Diktion also „investment grade“) verfügten.91 Schlechter geratete Anleihen mussten dagegen mit dem Marktwert angesetzt („mark to market“) und daher ggfs. teilweise abgeschrieben werden,92 was sich unmittelbar auf die finanzielle Lage der Bank auswirkte. Diese veröffentlichte Entscheidung stellte die erste Ratingbezugnahme durch eine staatliche Regulierungsbehörde dar und erregte damals erhebliches Aufsehen;93 es wurde sogar auf der ersten Seite des Wall Street Journal über sie berichtet.94

(2) Baldige Überlagerung durch ratingbasierte Anlagevorschriften Obwohl die beschriebene, auf Bundesebene geschaffene Regelung in der Folgezeit auch von zahlreichen Bankenaufsehern in einzelnen U.S.-Gliedstaaten übernommen wurde95 und damit in einer weithin geltenden, ratingbasierten Eigenmittelanforderung resultierte,96 wurde sie in ihrer praktischen Auswirkung bald von einer weiteren, ebenfalls auf Ratings Bezug nehmenden Regulierung überlagert: Bereits im Jahre 1935 wurde nämlich eine an anderer Stelle97 noch näher zu erläuternde Regelung erlassen, die einen Erwerb von Anleihen ohne „investment grade“-Rating durch Banken nunmehr einfach verbot und damit zur Folge hatte, dass die – weiterhin geltenden – Bewertungsregelungen faktisch nicht mehr zur Anwendung gelangen konnten. Sie stellte sich damit letztlich als bloßes Durchgangsstadium auf dem Weg zu einer noch intensiveren ratingbasierten Regulierung des U.S.-amerikanischen Bankenwesens dar.

90 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 687; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 70. 91 Entscheidung des Comptroller of the Currency J.W. Pole, undatiert (nach anderen Quellen erlassen am 11. September 1931); zitiert nach Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 26 f.; Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 277. 92 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer-Fall 1994), 1, 6; Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 277; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 334 Fn. 232. 93 Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 27; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 687 f. 94 The Wall Street Journal vom 12. September 1931, S. 1 mit einem Beitrag unter dem Titel „75% of Bank Bond Valuations Safe“. 95 Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer-Fall 1994), 1, 6; Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 27; Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 277; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 688. 96 Am 1. Juli 1938 einigten sich die U.S.-amerikanischen Bankenaufsichtsbehörden sogar formell auf einheitliche Richtlinien über die Bewertung von Bankenaktiva (Fed. Res. Bull. (July 1938), 563 ff.), deren Abschnitt „The Appraisal of Bonds in Bank Examinations“ maßgeblich auf Ratings abstellte; vgl. im Einzelnen Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 279 f. 97 Siehe § 7 I 1 a).

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

bb) Ratings und Marktrisikobewertung nach „Basel I“ Nachdem 1983 eine Kompetenz zur direkten Festlegung von Eigenkapitalanforderungen geschaffen worden war,98 erließen die verschiedenen Bankenaufsichtsbehörden der U.S.A. – das Federal Reserve Board of Governors, das Office of the Comptroller of the Currency, die Federal Deposit Insurance Corporation und das Office of Thrift Supervision – schließlich sämtlich ausdrückliche Richtlinien zur Eigenkapitalausstattung,99 die mit dem Basel I-Akkord übereinstimmten100 und später auch dessen ratingbasierte Regelungen zur Marktrisikobewertung übernahmen.101 d) Hongkonger Recht: Abstellen auf „investment grade“-Rating für Zwecke der Marktrisikobewertung Im Gegensatz zu den vorstehend behandelten Rechtsordnungen blieb das Hongkonger Bankensystem lange Zeit praktisch unreguliert.102 Die Eigenmittelregeln des Basel I-Akkords werden in Hongkong – das selbst erst seit 2009 Mitglied im Basler Ausschuss ist – jedoch seit Ende 1989 befolgt,103 um dem internationalen Standard auf diesem Gebiet gerecht zu werden,104 und 1997 wurde trotz anfänglich skeptischer Einschätzungen105 auch die durch Änderung von „Basel I“ neu gefassten Eigenkapitalanforderungen durch eine Anpassung der Banking Ordinance in Hongkong umgesetzt.106 Auf dieser Grundlage nahm die Hong Kong Monetary Authority (HKMA) als zuständige Aufsichtsbehörde sodann die Implementierung der neuen Vorgaben vor,107 namentlich durch Erlass einer „Guideline on Maintenance of Adequate Capital against Market Risk“.108 Nach dieser 98 Nämlich durch den International Lending Supervision Act of 1983; vgl. Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 11/2007, § 9.01[3]. 99 Nämlich 12 C.F.R. Part 3, app. A (für national banks), 12 C.F.R. Part 208, app. A (für state member banks), 12 C.F.R. Part 225, app. A (für bank holding companies), 12 C.F.R. Part 325, app. A (für FDIC-insured state non-member banks) und 12 C.F.R. Part 567 (für savings associations). 100 Shenker/Colletta, 69 Tex. L. Rev. (1991), 1369, 1415; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1796. 101 Doetsch/Horn, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 13.03[A]; Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 11/2007, § 9.01[4]. 102 Tokley, Banking Law, Stand: Issue 17, Kap. II Rn. 1: „randomly, and vastly, under-regulated“. 103 Hsu, Laws of Banking, S. 205; ders., 28 Law & Pol’y Int’l Bus. (1997), 649, 676; Norton/Arner, Hong Kong SAR: Financial Regulation, S. 255, 260. 104 Vgl. Yam, BIS Review 116/2009, 1, 2: „As an international financial centre, Hong Kong must adopt international standards and best practices“. 105 Tokley, Banking Law, Stand: Issue 0, Kap. II Rn. 953. 106 Die Änderung betraf Schedule 7 Abs. 6 der Banking Ordinance. Vgl. die Einschätzung bei Tokley, Banking Law, Stand: Issue 6, Kap. III Rn. 1251: „One of the most important issues covered in the Banking Ordinance …“. 107 Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 3.34; Norton/Arner, Hong Kong SAR: Financial Regulation, S. 255, 260. 108 HKMA, Guideline on Maintenance of Adequate Capital Against Market Risk vom 14. November 1997, geändert am 8. März 2002. Der Erlass dieser statutory guideline geschah auf Grundlage von Sec. 16(10) Banking Ordinance.

§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)

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Guideline wurden Papiere mit „investment grade“-Mindestrating nach Vorbild des geänderten Basel I-Akkords für Zwecke der Marktrisikoberechnung privilegiert;109 eine entsprechende Regelung findet sich (mit durch „Basel II“ weiter ausdifferenziertem Inhalt) im Hongkonger Recht bis heute.110

III. „Basel II“ 1. Der Basel II-Akkord und seine regulatorische Verwendung von Ratings Vor allem die im Text angesprochene Kritik an der „Grobschlächtigkeit“ des Basel I-Akkords, der die Schuldner der Bank ohne Ansehen ihrer konkreten Zahlungsfähigkeit in wenigen allgemeinen Kategorien zusammenfasste,111 führte Mitte der 1990er Jahre dazu, dass der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht die Vorbereitungen für eine Überarbeitung des Regelwerkes aufnahm.112 Ergebnis war der im Jahre 2005 schließlich verabschiedete Basel II-Akkord,113 der ab 2007 schrittweise zur Anwendung gelangte und als bedeutendste Änderung der Bankenregulierung seit Jahrzehnten114 eingestuft wurde. Das vorrangige Ziel von „Basel II“ war es, die Regulierung der Eigenmittelanforderungen der Banken stärker mit den tatsächlich eingegangenen ökonomischen Risiken in Einklang zu bringen.115 Aus Sicht des Ratings ist der Akkord dabei deshalb von großem Interesse, weil er zu diesem Zweck so entscheidend und umfassend auf die regulatorische Indienstnahme der Rating-Agenturen und ihrer Bonitätsbeurteilungen setzt, dass das Regelwerk allgemein als internationaler Durchbruch des Ratings als aufsichtsrechtliche Determinante116 angesehen wird: Im internationalen Schrifttum besteht daher weitgehende Einigkeit, dass infolge des Basel II-Akkords sowohl die Regulierungsfunktion des Ratings im Allgemeinen117 als auch, gleichsam im Sinne einer Wechselwirkung, seine originäre Markt109 Completion Instructions for the Return of Market Risk Exposures of an Authorized Institution incorporated in Hong Kong (Form MA(BS)3A (Rev. 98)), Tz. 23. 110 Nämlich in § 287(1) i.V.m. Table 28 Banking (Capital) Rules (Cap. 155L). 111 Statt vieler Caliari, 19 Transnat’l L. & Contemp. Probs. (2010), 145, 153. 112 Vgl. zur Entstehung des Basel II-Akkords im Einzelnen Wittig, ZHR 169 (2005), 212 ff. 113 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen – Überarbeitete Rahmenvereinbarung (Nov. 2005) mit 284 Druckseiten. 114 Statt mancher Niedostadek, Rating, Rn. 31. 115 Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 3 Rn. 318; von Boehm-Bezing, WM 2000, 1001. 116 Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 33; ähnlich Kravitt/Maher/Klyman, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2001–1 Supplement, § 8.07[C][2][c][i]: „This is a revolutionary development“; Moloney, EC Securities Regulation, S. 689: „from the regulatory perspective, the most notable development“ hinsichtlich der Verwendung von Ratings; Haar, JZ 2008, 964, 969; Marten/Köhler, in FS Lück (2003), S. 483, 497; Schwarcz, U. Ill. L. Rev. 2002, 1, 2; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 4. 117 Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 204; Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 24: „massive boost“ für die regulatorische Rating-

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

informationsfunktion deutlich zunahm.118 In der ökonomischen Literatur wird ebenfalls (durchaus kritisch) konstatiert, durch „Basel II“ sei der Einfluss der Rating-Agenturen „geradezu zementiert“ worden.119

2. Die ratingbasierte Bewertung von Kreditrisiken unter „Basel II“ im Einzelnen Obwohl der Basel II-Akkord Ratings in ihrer Regulierungsfunktion auch weiterhin – wie schon das reformierte Basel I-Regelwerk120 – zur Bewertung des besonderen Marktrisikos nutzt, setzt er sie vorrangig zur Qualifizierung der Kreditrisiken von Banken ein. Eine zentrale Bedeutung121 kommt dem Rating durch anerkannte Rating-Agenturen dabei im Rahmen des sog. „Standardansatzes“ zu (dazu sogleich unter a)), während der alternative „Internal Rating Based Approach“ trotz seines insoweit missverständlichen Namens gar nicht auf Ratings im hier verwandten Sinne abstellt, sondern auf Bonitätseinschätzungen durch die regulierte Bank selbst (dazu unter b)). Die Wahl zwischen beiden Ansätzen liegt dabei bei dem einzelnen Kreditinstitut. Eine gesonderte, in besonders weitgehendem Maße ratingbasierte Regulierung erfährt schließlich die Eigenmittelunterlegung für Verbriefungen c)). a) Standardansatz: Die Maßgeblichkeit externer Ratings Der „Standardansatz“,122 der als „Herzstück“ des Basel II-Akkords eingestuft wird,123 greift zur Messung des Kreditrisikos, dem eine Bank ausgesetzt ist, maßgeblich auf Ratings zurück, die – da in Gestalt der Rating-Agentur von einem unabhängigen Dritten stammend – als „externe“ Ratings bezeichnet werden.124 aa) Externe Ratings als Risikogewichtung der Bankaktiva Diese Ratings werden dabei zum Zwecke der Risikobewertung der Aktiva der Bank eingesetzt, die nämlich nicht mehr (wie noch unter „Basel I“) mit ihrem einfachen Nennwert in die Eigenmittelberechnung eingehen, sondern nach ihrer 118 verwendung; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 474: Basel II „has expanded the quasi-regulatory role of major rating agencies“; Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387, 397; Lucas/Goodman/ Fabozzi, 14 J. Struct. Fin. (Summer 2008), 21, 24; Meier, ST 2009, 945, 946; White, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 41, 55. 136 Boos, BFuP 2005, 261, 262; Darbellay, Regulating Ratings, S. 50; Emmenegger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 43, 51; Park/Rhee, in: BIS, Asian bond markets, S. 202, 203; Schalast, BKR 2006, 193, 194; Strunz-Happe, WM 2004, 115; dies., BFuP 2005, 231, 232; Witte/Bultmann, in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 100; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347. 119 Gerke/Mager, BFuP 2005, 203. 120 Siehe dazu schon oben II. 121 Dies betont etwa Hertig, EBOR 2006, 625, 631. 122 Basel II-Akkord, Tz. 50 ff. 123 So Wittig, in GS Bosch (2006), S. 293, 299. 124 Zur Unterscheidung zwischen „externen“ und „internen“ Ratings schon in § 2 IV 2.

§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)

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Ausfallwahrscheinlichkeit gewichtet werden: So müssen etwa Forderungen der Bank an Wirtschaftsunternehmen, die mit „AAA“ bis „AA–“ geratet sind, nur zu 20% mit der Eigenmittelquote von 8% unterlegt werden, während bei einem Rating von „A+“ bis „A–“ bereits 50%, bei „BBB+“ bis „BB–“ 100% und unterhalb von „BB–“ sogar 150% des Forderungsnennwerts zu unterlegen sind.125 Bei Forderungen an Unternehmen ohne externes Rating wird nach dem Standardansatz grds. ein Risikogewicht von 100% angesetzt.126 Die Bonitätsbeurteilung des Schuldners durch die Rating-Agentur entscheidet nach alledem also über den „Nenner“ der Eigenmittelquote der Bank.127 Ratingeinstufungen und, da es nach dem Standardansatz auf das jeweils aktuelle Rating ankommt, auch spätere Ratingänderungen wirken sich damit unmittelbar auf die aufsichtsrechtlichen Eigenmittelanforderungen an die Gläubigerbank aus und beeinflussen so mittelbar auch deren Kreditvergabe- und Investitionspolitik: Da eine höhere Eigenmittelunterlegung für die Bank höhere Kapitalkosten bedeutet,128 bestimmt das Rating eines Unternehmens nach dem Standardansatz maßgeblich über dessen Aussicht, von Bankenseite Kapital zu wirtschaftlich attraktiven Zinsen zu erhalten.129 Die Ratings welcher Rating-Agenturen für Zwecke der Basel II-Vorgaben verwendbar sind, hängt dabei von der aufsichtsbehördlichen Anerkennung der Rating-Agentur ab;130 Banken können also nicht ohne weiteres auf Ratings jeder Agentur zurückgreifen, sondern sind insoweit auf Ratings staatlich in ihrer Regulierungsfunktion anerkannter Agenturen beschränkt. Die Aufsichtsbehörden legen zudem fest, welche Ratingkategorien der anerkannten Rating-Agenturen welchen Risikogewichten des Standardansatzes („Bonitätsstufen“) entsprechen (sog. Mapping).131

bb) Kritik an der zentralen regulatorischen Bedeutung des Ratings Das Regelungsmodell des Standardansatzes des Basel II-Akkords weist auffällige strukturelle Ähnlichkeiten zu den oben erörterten132 Richtlinien auf, die in den U.S.A. in den frühen 1930er Jahren galten und bereits damals bei der Eigenmit125 Vgl. Basel II-Akkord, Tz. 66. Die einschlägigen Prozentzahlen (im Regelwerk bezeichnet als „Standardrisikogewicht“) unterscheiden sich von den im Text beispielhaft genannten Ziffern, sofern andere Forderungsschuldner (etwa Staaten oder Banken) betroffen oder Sicherheiten vorhanden sind. Siehe zur Behandlung von Forderungen gegen Staaten noch näher unter IV 3. 126 Wittig, ZHR 169 (2005), 212, 218; ders., in GS Bosch (2006), S. 293, 303 f. Aus Sicht der Ökonomie kritisch Altman/Saunders, 25 J. Banking & Fin. (2001), 25, 28: „… somewhat paradoxically …“. 127 Wittig, ZHR 169 (2005), 212, 215; ders., in GS Bosch (2006), S. 293, 297. 128 Kersting, ZIP 2007, 56; Kirstein, 21 Int. Rev. L. & Econ. (2002), 393, 394; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 432; Staudinger/Freitag, § 488 Rn. 200; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 8. 129 Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 2. 130 Siehe dazu noch unter 3. 131 Art. 136 EU-CRR (Art. 82 EG-Bankenrichtlinie i.V.m. Anh. VI Teil 2; § 54 SolV a.F.). Vgl. Wittig, in GS Bosch (2006), S. 293, 300, 304. 132 Oben II 3 c) aa).

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

telregulierung von Banken an („externe“) Ratings anknüpften. Es überrascht daher nicht, dass die Einführung eines ratingbasierten Regelungsansatzes auch auf internationaler Ebene auf U.S.-amerikanische Vorschläge zurückgeht, die zur Folge hatten, dass in den ersten Regelungsentwürfen zum Basel II-Akkord fast ausschließlich auf externe Ratings abgestellt133 und bankeninterne Ratings nur sehr vorsichtig am Rande erwähnt wurden.134 Zwar verlangte der Standardansatz weder in seinen Entwurfsfassungen noch im schließlich angenommenen Text, dass sämtliche Schuldner einer Bank über ein Rating verfügen müssen (er sah und sieht vielmehr durchgehend eine Kategorie „ohne Rating“ vor, die zu 100% mit der 8%igen Eigenmittelquote zu unterlegen ist); eine gute Bonitätsbeurteilung durch eine anerkannte Rating-Agentur bleibt aber doch notwendige Voraussetzung für eine etwaige Reduktion dieser Eigenmittelanforderung. Dieser starke Fokus auf externe Ratings erfuhr scharfe Kritik von Seiten derjenigen Staaten (wie namentlich Deutschlands),135 in denen Ratings in ihrer Marktinformations- und Regulierungsfunktion bislang eine geringere Rolle spielen und daher nur wenige Unternehmen geratet sind,136 denn damit wären auch bonitätsstarke Unternehmen, deren Kreditwürdigkeit aber eben – wie vor allem bei mittelständischen Gesellschaften – nicht durch das Rating einer Rating-Agentur belegt ist, in die Kategorie der ungerateten Kreditnehmer gefallen und hätten daher im Ergebnis eine überhöhte Eigenmittelunterlegung erfordert.137 Um einen solchen Wettbewerbsnachteil zu vermeiden, wurde in Gestalt des IRB-Ansatzes eine alternative Risikogewichtungsmethode zugelassen, durch die das externe Rating seine ursprünglich zentrale Rolle im Basel II-Akkord teilweise wieder einbüßte. b) IRB-Ansatz: Die Maßgeblichkeit „interner“ Ratings Der erstmals im zweiten Konsultationspapier aus dem Jahre 2001 vorgesehene „Internal Rating Based Approach“ (IRB-Ansatz)138 gestattet es den Banken, zur Kreditrisikobewertung ihrer Forderungen auf sog. „interne Ratings“ zurückzu133 Kirstein, 21 Int. Rev. L. & Econ. (2002), 393, 394 spricht vom „Basle committee’s strong bias towards external ratings“. Kritisch von Boehm-Bezing, WM 2000, 1001. 134 So war die Nutzung „interner Ratings“ im ersten Konsultationspapier (Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Konsultationspapier: Neuregelung der angemessenen Eigenkapitalausstattung (Juni 1999), Tz. 38) allein für „einige hochentwickelte Banken“ ins Auge gefasst worden; vgl. zu den Regelungsvorschlägen des ersten Konsultationspapiers im Einzelnen Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1813 ff. 135 Vgl. etwa Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schulte-Mattler, 2. Aufl., Basel II Rn. 35; Paetzmann, DB 2001, 493, 494; Sanio, in: Bankrechtstag 2003, S. 3, 8; von Boehm-Bezing, WM 2000, 1001; Zeitler, WM 2001, 1397, 1398. 136 von Boehm-Bezing, WM 2000, 1001: ca. 180 von insgesamt 3,2 Mio. deutscher Unternehmen. 137 Lombardini, Droit bancaire suisse, Kap. V Rn. 74; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1828 f. 138 Basel II-Akkord, Tz. 211 ff. Der Akkord unterscheidet dabei des Weiteren zwischen einem Basis- und einem fortgeschrittenen IRB-Ansatz; vgl. a.a.O., Tz. 245.

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greifen.139 Ein „internes“ Rating stellt dabei zwar dem Namen nach, nicht aber in der Sache ein Rating im hier verwandten Sinne dar, weil es sich um keine Bonitätsbeurteilung durch Dritte,140 sondern eine Bonitätseinschätzung durch die regulierte Bank selbst handelt. Der IRB-Ansatz steht im Rahmen des Basel II-Akkords zwar im Ausgangspunkt gleichberechtigt neben dem auf externe Ratings abstellenden Standardansatz.141 Seine Nutzung wird aber von deutlich strengeren rechtlichen Voraussetzungen abhängig gemacht,142 weil verhindert werden muss, dass die Verwendung interner Ratings zu einer „Selbstveranlagung“ der regulierten Kreditinstitute führt:143 Die Statuierung gesetzlicher Eigenmittelanforderungen erfolgt schließlich überhaupt nur deshalb, weil die Befürchtung besteht, dass Banken andernfalls mehr Kredite vergeben, als dies aus Sicht des Finanzsystems vertretbar ist.144 Die Notwendigkeit der aufsichtsbehördlichen Zulassung und Überwachung bankeninterner Ratingsysteme stellt insofern eine immanente strukturelle Schwäche des IRB-Ansatzes dar, deren versuchte Bewältigung mit einer erheblichen Regelungskomplexität erkauft wird. Die Erfahrungen in der globalen Finanzkrise 2007–09 weisen darauf hin, dass diese Risikobewältigung nur unzureichend glückte.145 Der Basel II-Akkord setzt neben der behördlichen Kontrolle auf eine Überwachung durch den Markt (bezeichnet als „Marktdisziplin“), die er durch Publizitätspflichten der Kreditinstitute zu befördern versucht: So sieht er als sog. Säule 3 des Regelwerks umfangreiche Offenlegungsanforderungen vor,146 die das Kreditinstitut u.a. zur regelmäßigen Veröffent139 Vgl. hierzu Hertig, EBOR 2006, 625, 628: „core innovation“; Sanio, in: Bankrechtstag 2003, S. 3, 8: „wahrhaft revolutionär“. 140 Vgl. zu diesem Merkmal § 2 IV. 141 Dies betonen Paetzmann, DB 2001, 493, 494; Volk, ZKredW 2004, 1258. 142 Meier, ST 2009, 945, 947: sehr strenge Voraussetzungen; Paetzmann, DB 2001, 493, 494. Kirstein, 21 Int. Rev. L. & Econ. (2002), 393, 404 kommt aus Sicht der Ökonomie zum Ergebnis, dass allein eine Möglichkeit der Aufsichtsbehörden zur Verhängung von (Geld-)Strafen dem Anreiz der Banken zur Erteilung übermäßig positiver „interner“ Ratings würde entgegenwirken können. 143 Kirstein, 21 Int. Rev. L. & Econ. (2002), 393, 404; Staudinger/Freitag, § 488 Rn. 200; Tarbert, 148 U. Pa. L. Rev. (2000), 1771, 1835: „effectively handing the reigns of regulation over to the regulated banks themselves …“; Zeitler, WM 2001, 1397, 1398; vgl. auch Hertig, EBOR 2006, 625, 637 (zu „banks’ regulatory capital interest in tampering ratings“). Kritisch hingegen Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 12: „nicht nachvollziehbar“; ebenso Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 160 ff. 144 Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 320. 145 Aus schweizerischer Sicht mit scharfer Kritik an der Verwendung institutsspezifischer, finanzmathematischer Modelle FINMA, Finanzmarktkrise und Finanzmarktaufsicht, Bericht vom 14. September 2009, S. 37 f. Ein „Versagen“ der bankinternen Risikobewertungssysteme konstatiert auch Spindler, AG 2010, 601, 603; ähnlich Siekmann, DV 43 (2010), 95, 109; im ökonomischen Schrifttum die Überlegenheit der Regulierung durch externe Ratings nachweisend Kirstein, 21 Int. Rev. L. & Econ. (2002), 393, 406; a.A. Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 168 f. Zur Reform gerade des IRB-Ansatzes im Rahmen von „Basel III“ Manns/Schulte-Mattler, WM 2010, 1577, 1581. 146 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Verbesserung der Transparenz im Bankwesen (Sept. 1998), S. 31: „Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht hält Transparenz im Bankwesen für äusserst wichtig.“ Der Umfang der Publizitätspflichten wurde allerdings im Laufe der Konsultationen gegenüber den ursprünglichen Entwürfen deutlich verringert; vgl. Boos/Fischer/Schulte-Mattler/ Schulte-Mattler, 2. Aufl., Basel II Rn. 179.

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

lichung qualitativer und quantitativer Informationen über sein Eigenkapital, die eingegangenen Risiken und seine Risikomanagementverfahren (einschließlich der verwandten internen Ratingmodelle), der Kreditrisikominderungstechniken und der Verbriefungstransaktionen verpflichten147 und bei Nutzung des IRB-Ansatzes als echte Rechtspflichten der Bank ausgestaltet sind, während ihnen nach dem Basel II-Akkord ansonsten nur der Status von Empfehlungen („moralischen Ermahnungen“) zukommen soll.148 Das Vertrauen auf die Marktdisziplin (sprachlich genauer: die Disziplinierung der Kreditinstitute durch den Markt) beruht auf der Erwartung, dass die Banken bei Offenlegung schlechter Daten von den Marktteilnehmern abgestraft werden.149 Die dabei implizit vorausgesetzte Annahme, die Marktteilnehmer könnten die offen gelegten Angaben aufnehmen und verarbeiten,150 muss bei Zugrundelegung der hier vertretenen These einer begrenzten Informationsaufnahmekapazität des „realen“ Marktteilnehmers151 allerdings bezweifelt werden, weil die konkret publizitätspflichtigen Informationen sich durch eine ganz erhebliche Komplexität auszeichnen und keine verständliche Codierung vorgeschrieben ist.152 Ob etwa die Offenlegung der Vorschriften und Verfahren für das bilanzielle und außerbilanzielle Netting und eine Angabe des Umfangs, in dem das Institut davon Gebrauch macht,153 der Vorschriften und Verfahren für die Bewertung und Verwaltung von Sicherheiten154 sowie gegebenenfalls in Bezug auf die internen Modelle für das zusätzliche Ausfall- und Migrationsrisiko und für Korrelationshandelsaktivitäten verwendeter Methoden und anhand eines internen Modells ermittelter Risiken, einschließlich einer Beschreibung der Vorgehensweise des Instituts bei der Bestimmung von Liquiditätshorizonten, sowie der Methoden, die verwendet wurden, um zu einer dem geforderten Soliditätsstandard entsprechenden Bewertung der Eigenmittel zu gelangen, und der Vorgehensweisen bei der Validierung des Modells155 für eine relevante Anzahl von Marktteilnehmern eine taugliche Grundlage für das mögliche „Abstrafen“ des betreffenden Kreditinstituts darstellt, erscheint durchaus fraglich.156 Im Ergebnis 147 Basel II-Akkord, Tz. 537 i.V.m. Tz. 808 ff. (Säule 3 des Akkords); übernommen in Artt. 431 ff. EU-CRR (Artt. 145 ff. i.V.m. Anh. XII EG-Bankenrichtlinie, in Deutschland umgesetzt durch § 26a Abs. 1 KWG i.V.m. §§ 319 ff. SolvV a.F.). 148 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schulte-Mattler, 2. Aufl., Basel II Rn. 182 f. 149 Avgouleas, ECFR 2009, 440, 443; Beck/Samm/Kokemoor/Schmieszek, Stand: Dez. 2008, § 26a KWG Rn. 6; Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Hillen, § 26a KWG Rn. 17; Schelm, in: Kümpel/ Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 2.231; Wiegand/Geiger, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 99, 127; Wittig, ZHR 169 (2005), 212, 228. 150 So bezieht sich der zugrunde liegende Bericht (Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Verbesserung der Transparenz im Bankwesen (Sept. 1998), S. 9) auf „Geschäfte mit informierten und rational handelnden Gegenparteien am Markt“ und nimmt damit erkennbar die Diktion des überkommenen ökonomischen Rationalmodells auf (siehe zu diesem bereits § 5 III 1 a). 151 Siehe oben § 5 IV. 152 Beck/Samm/Kokemoor/Schmieszek, Stand: Dez. 2008, § 26a KWG Rn. 22: die SolvV gibt keine Struktur oder Gliederung für die Darstellung vor. Zur generellen Notwendigkeit eines adressatengerechten Zuschnitts gesetzlicher Publizitätspflichten siehe noch § 18. 153 Art. 453 lit. a EU-CRR (§ 336 Abs. 1 Nr. 1 lit. a SolvV a.F.). 154 Art. 453 lit. b EU-CRR (§ 336 Abs. 1 Nr. 1 lit. b SolvV a.F.). 155 Art. 455 lit. a ii) EU-CRR. 156 Vgl. in diese Richtung auch Avgouleas, ECFR 2009, 440, 458 f.; Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Verbesserung der Transparenz im Bankwesen (Sept. 1998), S. 11: „die Risikobereitschaft einer Bank und die Qualität ihrer internen Kontrollen [sind] zentrale Elemente für die Risikobeurteilung; es kann jedoch schwierig sein, darüber aussagekräftige Informationen abzugeben und sie somit transparent zu machen“; Ohler, AfP 2010, 101, 102.

§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)

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dürfte die Geeignetheit des IRB-Ansatzes daher nur durch eine scharfe aufsichtsbehördliche Kontrolle sichergestellt werden können, deren praktische Durchführbarkeit allerdings durchaus fraglich erscheinen muss.

„Externen“, durch unabhängige Rating-Agenturen erstellten Ratings kommt im Anwendungsbereich des IRB-Ansatzes nach alledem nur eine marginale Bedeutung zu, soweit sie nämlich bei der Erstellung des bankinternen Ratings berücksichtigt157 oder nachträglich zur Kontrolle des internen Ratings verwandt werden.158 Letztere Art der Ratingverwendung gleicht im Übrigen der U.S.-amerikanischen Bankenpraxis der 1920er Jahre, als Ratings noch ebenfalls primär zur vergleichenden Überprüfung der bankinternen Bonitätsbeurteilungen herangezogen wurden.159 c) Eigenmittelunterlegung bei Verbriefungen: Die durchgehende Maßgeblichkeit externer Ratings Die Eigenmittelanforderungen für durch Banken gehaltene Verbriefungen (Asset-Backed Securities, Zins- und Devisenswaps, Kreditderivate und ähnliche Finanzinstrumente160) haben im Basel II-Akkord eine gesonderte Regelung161 erfahren, die in besonders weit reichendem Maße auf externe Ratings abstellt: Sie verpflichtet nämlich sowohl den Standardansatz verwendende wie auch den IRB-Ansatz einsetzende Banken gleichermaßen dazu, bei der notwendigen Risikogewichtung von Verbriefungspositionen „externe“ Ratings zugrunde zu legen (sog. Ratings-Based Approach).162 In der Praxis hat diese Regelung zur Folge gehabt, dass die Regulierungsfunktion des Ratings bei Verbriefungen auch für IRBBanken entscheidende Bedeutung besitzt.163 Dem durchgängigen Abstellen auf externe Ratings wird vorgeworfen, gegen ein Grundprinzip des Basel II-Akkords zu verstoßen, weil der IRB-Ansatz den Kreditinstituten ja eigentlich das durchgehende Ersetzen externer durch interne

157 Vgl. Basel II-Akkord, Tz. 411: „Ein externes Rating kann den wichtigsten Faktor für die Zuordnung zu einer internen Risikoklasse sein [sic].“ 158 Vgl. Ackermann/Jäckle, BB 2006, 878, 880; Bauer, BB 2013, 363, 365; Korth, in: Brezski/Claussen/Korth, Rating – Basel II und die Folgen, S. 68. 159 Vgl. Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 69. 160 Zur (außerordentlich weiten) Definition des im Basel II-Akkord verwandten Verbriefungsbegriffs siehe daselbst, Tz. 541. 161 Basel II-Akkord, Tz. 538 ff. unter dem Abschnittstitel „Kreditrisiko – Regelwerk zur Behandlung von Verbriefungen“. 162 Financial Stability Forum, Report on Enhancing Market and Institutional Resilience (2008), S. 54 ff.; Litten/Cristea, WM 2003, 213, 217; Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber/Hofmann, §§ 235–237 SolvV Rn. 1. Etwas anderes gilt nur in den – praktisch sehr seltenen – Fällen, in denen für eine ABS-Tranche kein externes oder abgeleitetes Rating zur Verfügung steht, weil dann nach Basel II-Akkord, Tz. 609 auf die sog. aufsichtliche Formel (Supervisory Formula) oder den internen Bemessungsansatz (Internal Assessment Approach) zurückgegriffen werden darf. 163 Perraudin, in: de Servigny/Jobst, Handbook of Structured Finance, S. 675, 694.

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

Ratings ermöglichen solle.164 Als Hintergrund des starken Ratingfokus wird ein Bestreben im Rahmen des Basler Ausschusses genannt, bei der Eigenmittelunterlegung von komplexen Finanzinstrumenten ein erhöhtes Maß an Objektivität und Standardisierung sicherzustellen165 – bei Verbriefungsrisiken wollten die Bankenaufsichtsbehörden den Banken also nicht gestatten, sich auf eigene Einschätzungen zu verlassen, weil man die zutreffende Risikobeurteilung aufgrund der Komplexität dieser Finanzinstrumente offenkundig für zu schwierig hielt,166 während man den Rating-Agenturen in dieser Hinsicht eher vertraute.167 Man schloss sich damit der Einschätzung am Markt für Verbriefungen an,168 wo Ratings als unverzichtbare Marktinformation und faktische Marktzugangsvoraussetzung angesehen werden.169 Kritik wurde an der Regulierungsfunktion des Ratings im Verbriefungssektor schon bald mit der Begründung geübt, dass Ratingkürzel die zugrunde liegenden Bewertungsprozesse nicht ausreichend widerspiegeln170 und die Rating-Agenturen gerade bei der Bewertung strukturierter Finanzprodukte ganz unterschiedliche Methoden verwenden.171 Der Basel II-Akkord versucht dem dadurch Rechnung zu tragen, dass er – anders bei den Eigenmittelvorgaben für „einfache“ Forderungspositionen – ausschließlich öffentlich zugängliche Ratings genügen lässt,172 um damit sicherzustellen, dass deren Angemessenheit (jedenfalls potentiell) durch die Marktöffentlichkeit kontrolliert werden kann. Problematischer erscheinen einzelne Details der rechtlichen Ratingbezugnahmen, namentlich der aggressive Einsatz der „investment grade“-Schwelle: Aggressiv deshalb, weil ein Unterschreiten dieser Ratingschwelle nach den Basel II-Regeln einen geradezu sprunghaften Anstieg der Eigenmittelanforderungen auslöst, indem das Risiko-

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Litten/Cristea, WM 2003, 213, 219 Fn. 67. So Litten/Cristea, WM 2003, 213, 219 Fn. 67. 166 So ausdrücklich die U.S.-amerikanischen Aufsichtsbehörden in Release „Risk-Based Capital Standards: Advanced Capital Adequacy Framework – Basel II“ (Final Rule), 72 FR 69288, 69357 (7. Dez. 2007); aus dem Schrifttum Doetsch/Horn, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 13.03[B][1][c]. 167 In diesem Sinne auch nach der globalen Finanzkrise 2007–09 Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2010, S. 119: „Zudem scheinen die Ratingagenturen derzeit bei der Bewertung von Verbriefungen – trotz aller Mängel, die in der Finanzkrise zutage getreten sind – noch von ihrer längeren Erfahrung und ihrem besseren Zugang zu Details über die verbrieften Forderungen gegenüber den internen Bewertungsmodellen der Banken zu profitieren.“ 168 Basel II-Akkord, Tz. 565 lit. c: „Anerkannte Ratingagenturen verfügen über ausgewiesenes Fachwissen für die Beurteilung von Verbriefungen, wofür z.B. eine starke Marktakzeptanz spricht“; Perraudin, in: de Servigny/Jobst, Handbook of Structured Finance, S. 675, 678. 169 Siehe dazu noch näher in § 10. 170 Perraudin, in: de Servigny/Jobst, Handbook of Structured Finance, S. 675, 691. 171 Perraudin, in: de Servigny/Jobst, Handbook of Structured Finance, S. 675, 691. 172 Basel II-Akkord, Tz. 565, in Deutschland bis 2013 umgesetzt in § 237 Abs. 2 Nr. 3 SolvV a.F. Die lediglich kostenpflichtige Zugänglichkeit des Ratings soll dessen „öffentliche“ Zugänglichkeit dabei nicht ausschließen (so Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber/Hofmann, §§ 235–237 SolvV Rn. 6). 165

§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)

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gewicht von 100%173 auf 350%174 bzw. 250%,175 425%176 und sogar 650%177 empor schnellt.178 Da zudem auf Ratings im „non-investment grade“-Bereich überhaupt nur durch unverbundene Investoren abgestellt werden darf, während Originatoren (d.h. ursprünglich kreditgebende Banken) alle zurückbehaltenen Verbriefungspositionen unterhalb des „investment grade“ vollständig vom Kapital abziehen müssen179 (was einem Bonitätsgewichtungsfaktor von 1.250% entspricht180), besteht die Gefahr, dass die regulatorische Ratingbezugnahme zu einem „credit cliff“-Effekt181 führt, der die Stabilität des Finanzmarkts insgesamt zu beeinträchtigen vermag.182 In jüngerer Zeit ist neben die beschriebenen Kritikpunkte, die sich auf Detailfragen der Ratingverwendung in diesem Bereich beziehen, ein genereller Zweifel getreten, ob Rating-Agenturen gerade bei der Behandlung von Verbriefungen regulatorisch in Dienst genommen werden sollten: Die negativen Erfahrungen mit den Ratings insbesondere strukturierter Finanzinstrumente während der globalen Finanzkrise 2007–09 mahnen erkennbar zur Vorsicht und haben im Basler Ausschuss zum Entschluss geführt, die geltenden „Basel II“-Regelungen zur Behandlung von Verbriefungen künftig grundlegend zu überarbeiten.183

3. Erfordernis der staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen als Voraussetzung für die regulatorische Ratingverwendung Der vielleicht wichtigste Einfluss des Basel II-Akkords auf die Regulierungsfunktion des Ratings dürfte allerdings darin liegen, dass er auf internationaler Ebene erstmals das Erfordernis einer staatlichen Anerkennung von RatingAgenturen aussprach. Er trug damit dem Gedanken Rechnung, dass durch die umfangreichen regulatorischen Bezugnahmen auf „externe“ Ratings entscheidende Teile der aufsichtsrechtlichen Eigenmittelberechnung an private Dritte de173 Bei einem „BBB–“-Rating, d.h. im unteren „investment grade“-Bereich (sowohl nach dem Standard- wie nach dem IRB-Ansatz); Basel II-Akkord, Tz. 567, 615. 174 Bei einem „BB+“-Rating (nach dem Standardansatz); Basel II-Akkord, Tz. 567. 175 Bei einem „BB+“-Rating (nach dem IRB-Ansatz); Basel II-Akkord, Tz. 615. 176 Bei einem „BB“-Rating (nach dem IRB-Ansatz); a.a.O. 177 Bei einem „BB–“-Rating (nach dem IRB-Ansatz); a.a.O. Zur stärkeren Spreizung der Risikogewichte im IRB-Ansatz vgl. Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber/Hofmann, §§ 255–258 SolvV Rn. 19. 178 Kritisch zu dieser „exponentiellen“ Steigerung (freilich vor allem aus Kostenerwägungen) Litten/Cristea, WM 2003, 213, 220. 179 Basel II-Akkord, Tz. 569 f. 180 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schulte-Mattler, 2. Aufl., Basel II Rn. 24. Vgl. EBA, EIOPA and ESMA, Joint Consultation Paper on Mechanistic references to credit ratings (7 Nov. 2013), S. 30: „Institutions have a strong incentive to use external ratings because unrated securitisation positions will receive a 1.250% risk weight, subject to some limited exemptions.“ 181 Dazu § 16 III 2, IV 2, § 17 IV. 182 Vgl. Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 2. 183 Basel III – Eigenkapitalanforderungen, Tz. 15. Im Rahmen von „Basel III“ wurden die bisherigen Regeln dagegen insoweit zunächst im Wesentlichen beibehalten; siehe noch näher unter 4.

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legiert werden und dieser Schritt es erforderlich macht, die Anforderungen an taugliche Delegationsempfänger aufsichtsrechtlich zu regeln und zu kontrollieren.184 Die damit in den Blick genommene, formale staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke der regulatorischen Indienstnahme von Ratings stellt eine wichtige prozedurale Absicherung der Regulierungsfunktion des Ratings dar. Sie war als solche weder im Basel I-Akkord noch in der EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG vorgeschrieben185 und auch in drei der vier hier untersuchten Rechtsordnungen – Deutschland, der Schweiz und Hongkong – bis zur Umsetzung des Basel II-Akkords nicht vorgesehen. Das Bedürfnis nach einer staatlichen Anerkennung der Rating-Agentur als Voraussetzung für die Regulierungsfunktion ihrer Ratings resultiert dabei zum einen daraus, dass der Einsatz von Ratings als Bestandteil staatlicher Rechtsnormen zur Folge haben kann, dass die Kontrollmechanismen des Marktes – welche bei der originären Marktinformationsfunktion des Ratings noch ausreichen mögen – keine hinreichende Qualitätssicherung mehr bewirken, weil der Anreiz zur Reputationserhaltung nur noch eingeschränkt wirkt.186 Zum anderen bewirkt die Ratingverwendung im Eigenmittelrecht der Banken, dass Ratings nicht nur über die Finanzierungsoptionen eines gerateten Unternehmens am Kapitalmarkt, sondern auch über die Verfügbarkeit von Bankdarlehen entscheiden – die dadurch erzeugte, umfassende Bedeutung des Ratings für die Unternehmensfinanzierung, die entscheidend auf dessen Regulierungsfunktion im Eigenmittelrecht zurückgeht, lässt ihrerseits eine Auswahl und Kontrolle der Rating-Agenturen durch die regulierende Stelle notwendig erscheinen.187

Der Basel II-Akkord sieht daher vor, dass für die Berechnung der Eigenmittelanforderungen nur „externe“ Ratings solcher Rating-Agenturen eingesetzt werden dürfen, die als „External Credit Assessment Institution“ (ECAI) anerkannt sind.188 Der Akkord spricht die Anerkennung allerdings nicht selbst aus, sondern bestimmt lediglich, dass diese durch die nationalen Aufsichtsbehörden erfolgen muss189 (die Anerkennung einer Rating-Agentur „am Markt“ reicht also allein nicht aus190) und beschränkt sich im Übrigen auf die Aufzählung zentraler Anerkennungskriterien, wie namentlich Objektivität, Unabhängigkeit, internationale Zugängigkeit der Ratings und Transparenz hinsichtlich der Ratingmethodik, Offenlegung bestimmter Informationen durch die Rating-Agentur, ausreichende 184 In diesem Sinne Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 321; Pfenninger/Bürgi, ST 2004, 290, 293: nunmehr seien „staatliche Regulierungsfesseln“ nötig; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 4. 185 Der 1996 geänderte Basel I-Akkord verwies (ohne nähere Konkretisierung) auf von der nationalen Aufsichtsbehörde „bestimmte“ Rating-Agenturen, während Art. 2 Nr. 12 Unterabs. 2 EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG allgemein von durch die zuständigen Behörden „anerkannten“ Rating-Agenturen sprach. 186 Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 321 f. 187 Vgl. Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 321. 188 Basel II-Akkord, Tz. 90. 189 Strunz-Happe, WM 2004, 115, 116. 190 Dagegen stellte das U.S.-amerikanische Aufsichtsrecht noch bis 2006 allein auf die Anerkennung durch die Marktteilnehmer ab; vgl. näher § 23 II 3 a) aa).

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Ressourcen sowie Glaubwürdigkeit.191 Obgleich die Kriterien dieses Katalogs sich durch eine erhebliche Abstraktionshöhe auszeichnen, haben sie – wie noch zu zeigen sein wird192 – zumindest zu einer gewissen internationalen Einheitlichkeit der Anerkennungsmaßstäbe beigetragen. Die vom Basel II-Akkord vorgesehene staatliche Anerkennung bestimmter Rating-Agenturen bezieht sich dabei im Ausgangspunkt allein auf die Ratingverwendung für Zwecke des Eigenmittelregimes des harmonisierten Bankenaufsichtsrechts, ohne etwas über eine Anerkennung auch für andere Regulierungszusammenhänge auszusagen;193 die anerkennenden Aufsichtsbehörden wollen durch eine ausgesprochene Anerkennung zudem naturgemäß keine staatliche Gewähr für die Richtigkeit und Qualität der Ratings übernehmen.194 Die im Basel II-Akkord niedergelegten, auf internationale Vorarbeiten zurückgehenden Anerkennungsvoraussetzungen sind allerdings allgemeiner Natur und werden daher als guter Ansatzpunkt für die generelle Beurteilung der Güte externer Ratings angesehen;195 sie haben daher auch über den Bereich des Bankenaufsichtsrechts hinaus Vorbildfunktion erlangt.

4. Begrenzte Änderungen durch „Basel III“ Obwohl die Rating-Agenturen im Nachgang zur globalen Finanzkrise 2007–09 wegen der mangelnden Verlässlichkeit ihrer Bonitätseinstufungen heftig kritisiert wurden,196 ließ die Reform des Basler Eigenmittelregimes ab den Jahren 2010/11 („Basel III“) die regulatorische Verwendung externer Ratings als solche unberührt.197 Die Basel III-Empfehlungen zu Eigenmittelanforderungen, die kein neues umfassendes Regelwerk darstellen, sondern im Stil eines Änderungsgesetzes punktuelle Modifikationen am weiterhin fortbestehenden Basel II-Akkord vornehmen,198 beschränken sich hinsichtlich der Ratingverwendung vielmehr auf 191 Basel II-Akkord, Tz. 91. Durch „Basel III“ wurden die Anforderungen an die internationale Zugänglichkeit/Transparenz und an die geforderte Offenlegung geringfügig erweitert (siehe Basel III – Eigenkapitalanforderungen, Tz. 120). 192 Siehe unten § 23 III. 193 Meier, ST 2009, 945, 946. 194 Meier, ST 2009, 945, 946. 195 Boos, BFuP 2005, 273 f. 196 Siehe dazu schon § 3 III 2. 197 Vgl. EBA, EIOPA and ESMA, Joint Consultation Paper on Mechanistic references to credit ratings (7 Nov. 2013), Tz. 30; Masciandaro, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 50, 55; Manns/SchulteMattler, WM 2010, 1577, 1581. Das Basel III-Regelwerk führte sogar neue ratingbasierte Regelungen ein; vgl. etwa Basel III – Eigenkapitalanforderungen, Tz. 99 (zur standardisierten CVA-Risikokapitalanforderung nach dem neu gefassten Basel II-Akkord, Tz. 104, bei deren Berechnung auf externe Ratings abgestellt wird), a.a.O., Tz. 111 (zu den aufsichtsrechtlichen Haircuts für Sicherheiten bei Verbriefungstransaktionen nach der neuen Fassung des Basel II-Akkords, Tz. 151, deren Höhe sich nach externen Ratings richtet), oder Basel III – Liquiditätsanforderungen (Jan. 2013), Tz. 52 ff. (zu neuen Vorgaben für die Bankenliquidität, die ebenfalls ratingabhängig ausgestaltet sind; zu diesen noch § 7 II 1 a)). 198 Schulte-Mattler/Manns, WM 2011, 2069.

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Detailänderungen199 wie eine geringfügige Ergänzung der Anerkennungsvoraussetzungen für ECAI200 oder die Vorgabe an Banken, auch hinsichtlich extern gerateter Forderungen zusätzliche eine eigene Risikobewertung vorzunehmen.201 Grundlegende Reformen etwa der besonders stark ratingabhängigen Eigenmittelanforderungen für Verbriefungen oder anderer Ratingverwendungen erfolgten dagegen einstweilen nicht.202

5. Umsetzung und praktische Relevanz der ratingspezifischen Regelungen des Basel II/III-Akkords in den einzelnen Rechtsordnungen Da die Regelungen des Basler Akkords als solche keine bindende Wirkung entfalten,203 hängt die Bedeutung der darin angelegten Regulierungsfunktion des Ratings letztlich von deren Übernahme in die nationalen Rechte ab. In dieser Hinsicht ist zum einen von Interesse, inwieweit die Empfehlungen von „Basel II/III“ tatsächlich in geltendes Recht umgesetzt wurden, und zum anderen, in welchem Umfang die Banken in den verschiedenen Staaten tatsächlich vom ratingbasierten Standardansatz Gebrauch machen. Der Befund in den hier untersuchten Rechtsordnungen ist insofern uneinheitlich:204 a) Deutschland Für Deutschland wie auch die übrigen Mitgliedstaaten der EU wurde die Übernahme der „Basel II“-Vorgaben von vornherein vorrangig auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene geleistet, wo zunächst durch zwei EG-Richtlinien205 ein EUweit fast einheitliches Eigenmittelregime für Banken geschaffen wurde, das dem nationalen Gesetzgeber kaum Handlungsspielräume beließ.206 Die ratingbezogenen Regelungen waren, soweit sie das Kreditrisiko betreffen,207 Gegenstand der EG-Bankenrichtlinie, deren Vorgaben durch § 10 KWG sowie vor allem die Sol199

Vgl. Basel III – Eigenkapitalanforderungen, Tz. 118 ff. Basel III – Eigenkapitalanforderungen, Tz. 120; siehe dazu schon oben unter 3. 201 Basel II-Akkord, Tz. 733 in der Neufassung durch „Basel III“ (es handelt sich bei dieser Vorgaben um einen Bestandteil der Säule 2 des Basel II-Akkords, der Grundsätze des aufsichtlichen Überprüfungsverfahrens aufstellt, und nicht – wie die übrigen Eigenmittelanforderungen – der Säule 1). 202 Vgl. Basel III – Eigenkapitalanforderungen, Tz. 15. 203 Oben II 1 a). 204 Vgl. allgemeiner The Joint Forum, Stocktaking on the use of credit ratings (June 2009), S. 3: „Basel II serves as the foundation for the use of credit ratings in a significant number of member jurisdictions.“ 205 Nämlich die EG-Bankenrichtlinie 2006/48/EG und die (damals neu gefasste) EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 2006/49/EG. 206 Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Dez. 2007, § 10 KWG Rn. 12; Mielk, WM 2007, 52. 207 Die Regelungen zum spezifischen Marktrisiko fanden sich hingegen in der neu gefassten EG-Kapitaladäquanzrichtlinie 2006/49/EG, die in erheblich weiter gehendem Maße als in ihrer Ursprungsfassung von 1993 (zu dieser oben II 2) auf Ratings abstellte und insoweit im deutschen Recht in §§ 294 ff. SolvV a.F. umgesetzt wurde. 200

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vabilitätsverordnung (SolV) umgesetzt wurden. Der Standardansatz des Basel IIAkkords wurde darin als „Kreditrisiko-Standardansatz (KSA)“208 bezeichnet; die an anderer Stelle209 noch zu behandelnden Bestimmungen zur aufsichtsrechtlichen Anerkennung von Rating-Agenturen, die sich eng am Muster des Basler Akkords orientierten, fanden sich in §§ 52 ff. SolvV a.F. Die praktische Anwendung der umgesetzten „Basel II“-Regelungen war in Deutschland stark durch die skeptische Haltung gegenüber dem ratingbasierten KSA geprägt, die bereits während der Entwicklung des Basel II-Akkords offenkundig geworden war und überhaupt erst zur Einführung des IRB-Ansatzes geführt hatte:210 So wurde im Schrifttum fast einheitlich davon ausgegangen, dass Kreditinstitute in Deutschland im Regelfall interne Ratings verwenden würden,211 und nur vereinzelt wurde der KSA als mehrheitlich benutzte Messmethode benannt.212 Verlässliches Zahlenmaterial fehlt bislang, weil der IRB-Ansatz erst nach aufsichtsbehördlicher Genehmigung eingesetzt werden darf und zahlreiche Genehmigungsverfahren noch andauern.213 Es wird aber überwiegend konstatiert, dass der Basel II-Akkord in Deutschland im Ergebnis weder die Bedeutung des externen Ratings für die Risikogewichtung wesentlich erhöht214 noch zum erhofften Entstehen eines „nationalen Ratingmarktes“ geführt hat.215 Die in der EU mit Wirkung zum 1. Januar 2014 erfolgte Umsetzung der „Basel III“-Neuerungen brachte sodann eine weitere Verlagerung nationaler Kompetenzen auf die unionsrechtliche Ebene, weil die ratingbezogenen Regelungen sich seitdem nicht länger in der (umsetzungsbedürftigen) EG-Bankenrichtlinie,216 sondern in der unmittelbar anwendbaren217 EU-CRR finden. Die re208

§§ 24 ff. SolvV a.F. Siehe § 23 II 1, 2. 210 Vgl. bereits oben im Text unter III 2 a) bb). 211 Brocker, in: Derleder/Knops/Bamberger, § 65 Rn. 30; Claussen, in: Brezski/Claussen/ Korth, Rating – Basel II und die Folgen, S. 10; Däubler, BB 2003, 429; Ehlers, ZInsO 2006, 510; Horn, BKR 2008, 452, 459; Korth, in: Brezski/Claussen/Korth, Rating – Basel II und die Folgen, S. 60. 212 Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber/Höhl, §§ 24–54 SolvV Rn. 105; in diese Richtung auch Mielk, WM 2007, 52, 54. 213 Nach dem Jahresbericht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 2012, S. 148 f. ermittelten zum Jahresende 2012 49 Institute und Institutsgruppen ihre Eigenkapitalanforderungen für Adressrisiken anhand zugelassener interner Ratingsysteme; diese Zahl ist seit 2008 praktisch unverändert geblieben. Die Berichte der BaFin machen keine Angaben zur hier interessierenden Frage, wie sich diese Zahl zur Gesamtzahl der Kreditinstitute in Deutschland verhält. Vgl. aber EBA, EIOPA and ESMA, Joint Consultation Paper on Mechanistic references to credit ratings (7 Nov. 2013), S. 29, wo der Standardansatz als „widely used among European banks“ bezeichnet wird. 214 Horn, BKR 2008, 452, 459; Wittig, in GS Bosch (2006), S. 293, 312. Dagegen gehen MeehBunse/Sattler, DB 2012, 1449, 1452 von einer vergleichbaren praktischen Bedeutung des KSA und der beiden IRB-Ansätze aus. 215 Meister, BFuP 2005, 263. 216 Die EG-Bankenrichtlinie 2006/48/EG wurde zum 31. Dez. 2013 aufgehoben und durch die EU-CRR sowie die EU-CRD IV ersetzt. 217 Art. 288 Abs. 2 AEUV. 209

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

gulatorische Rolle externer Ratings erfuhr dadurch jedoch keine wesentlichen Änderungen.218 Die Anerkennung von Rating-Agenturen als ECAI219 wie auch deren laufende Überwachung obliegt nunmehr ebenfalls europäischen Behörden, nämlich der ESMA und der EBA.220 b) Schweiz Die Schweiz übernahm die Bestimmungen des Basel II-Akkords einschließlich deren Änderungen durch „Basel III“ ebenfalls fast durchgehend in ihr nationales Recht, und zwar auf untergesetzlicher Ebene durch Erlass bzw. Neufassung der Eigenmittel- und Risikoverteilungsverordnung (ERV) des Bundesrates.221 Sie orientierte sich dabei sowohl in inhaltlicher222 wie zeitlicher Hinsicht223 an der EU, setzte aber etwa dadurch eigene Akzente, dass sie im „internationalen Standardansatz“ (SA-BIZ)224 die Regelungen des Basel II-Akkords zur ratingbasierten Kreditrisikoberechnung zwar vollständig widerspiegelt,225 aber mit höheren Eigenmittelquoten verknüpft. Der anfänglich noch daneben bestehende „Schweizer Standardansatz“ (SA-CH),226 der ebenfalls auf externen Ratings beruhte, aber andere Risikogewichte als „Basel II“ verwendete,227 wurde zwischenzeitlich abgeschafft. Im Vergleich zu Deutschland kommt den ratingbasierten Bewertungsansätzen in der Schweiz dabei eine erheblich größere praktische Bedeutung zu:228 Die große Mehrheit der in der Schweiz tätigen Banken verwendet die Standardansätze,229 während der IRB-Ansatz nur von einzelnen großen Kreditinstituten – darunter den beiden Schweizer Großbanken – genutzt wird.230 Vor diesem Hintergrund ist auch die staatliche Anerkennung von Rating-Agenturen, die in Art. 64 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 ERV geregelt wird,231 für die schweizerische Praxis wichtiger. 218

Bauer, BB 2013, 363, 365. Siehe noch näher in § 23 II 1 b) bb). 220 Vgl. nur Art. 138 Abs. 1 EU-CRR. 221 Die Regelungen der ERV werden für Fragen der Kreditrisikobewertung konkretisiert durch das FINMA-Rundschreiben 2008/19 Kreditrisiken Banken vom 20. Nov. 2008 in der Fassung vom 18. Sept. 2013. 222 Vgl. Zulauf, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 27, 36 f. 223 Nobel, ZBB 2008, 129, 132; Sigrist, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 1, 8. 224 Artt. 50 Abs. 1 lit. a, 63 ff. i.V.m. Anh. 1–4 ERV. 225 Sigrist, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 1, 9. 226 Artt. 38 Abs. 1 lit. a, 53 Abs. 1 i.V.m. Anh. 2 ERV a.F. 227 Vgl. Bingert/Gmür/Heinemann, in Basler Komm., Art. 12 BEHG Rn. 86. 228 Diesen Unterschied betont Zulauf, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 27, 37. 229 So der Befund in Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Regulatory Consistency Assessment Programme (RCAP): Assessment of Basel III regulations – Switzerland (Juni 2013), S. 6: Zur Messung von Kreditrisiken setzen 267 Schweizer Banken den Standardansatz und nur sechs (allerdings große) Banken den IRB-Ansatz ein. 230 Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 3 Rn. 328; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 11; Zulauf, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 27, 34 f. 231 Eine Konkretisierung der Anerkennungsvoraussetzungen erfolgte durch das FINMARundschreiben 2012/1 Ratingagenturen vom 1. Jan. 2012 in der Fassung vom 1. Juni 2012; siehe dazu im Einzelnen noch § 23 II 4. 219

§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)

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c) U.S.A. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass durch Rating-Agenturen erteilte Ratings in den Vereinigten Staaten sowohl als Marktinformation als auch, wie im Laufe der Untersuchung noch deutlich werden wird, als Bestandteil rechtlicher Regelungen traditionell eine größere Verbreitung besitzen als in allen anderen hier untersuchten Rechtsordnungen, muss überraschen, dass die stark auf Ratings verweisenden Eigenmittelregelungen des Basler Akkords in den U.S.A. zunächst nur sehr eingeschränkt232 und seit der „Basel III“-Umsetzung sogar gar nicht mehr233 übernommen wurden. aa) Vor „Basel III“: Verwendung von Ratingbezugnahmen nur im IRB-Ansatz (Verbriefungen) Dieser Befund fand seinen Grund anfänglich darin, dass der ratingbasierte „Standardansatz“ des Basel II-Akkords in den U.S.A. nicht in geltendes Recht umgesetzt wurde.234 Die U.S.-amerikanischen Aufsichtsbehörden beschränkten sich nämlich nach Erlass von „Basel II“ trotz vielfach geäußerter Kritik235 zunächst auf die Übernahme des IRB-Ansatzes und schrieben auch dessen Anwendung nur für große, international tätige Banken vor,236 während es für alle anderen Kreditinstitute einstweilen bei der Geltung der inhaltlich noch auf „Basel I“ beruhenden Eigenmittelrichtlinien237 blieb. Freilich spielten „externe“ Ratings in den U.S.A. bei der Eigenmittelregelung für Banken gleichwohl eine Rolle, weil zum einen die autonom geschaffenen Eigenmittelrichtlinien – insofern in Abweichung von „Basel I“, und bereits vor „Basel II“ – in beschränktem Umfang auf Ratings Bezug nahmen238 und zum anderen Ratings auch über den IRB-Ansatz Bedeutung zukam, soweit es nämlich um die Risikogewichtung von Verbriefungspositionen ging.239 Anstatt ein gesondertes Anerkennungsregime nach dem Vorbild des Basel IIAkkords zu schaffen, knüpfte das U.S.-amerikanische Recht zu diesem Zweck an die im

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Dazu unter aa). Unter bb). 234 Benmelech/Dlugosz, NBER Macro Annual 2009, 161, 165; Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 11/2007, § 9.01[9]. Kritisch aus deutscher Sicht Manns/SchulteMattler, WM 2010, 1577, 1583. 235 Release „Risk-Based Capital Standards: Advanced Capital Adequacy Framework – Basel II“ (Final Rule), 72 FR 69288, 69289 (7. Dez. 2007): „Commenters also generally disagreed with the agencies’ proposal to adopt only the advanced approaches from the New Accord.“ 236 Vgl. Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 161; Volk/Schäfer, ZBB 2007, 159, 164 ff. 237 Vgl. die„Risk-Based Capital Guidelines“ in 12 C.F.R. Part 3, app. A (für national banks), 12 C.F.R. Part 208, app. A (für state member banks), 12 C.F.R. Part 225, app. A (für bank holding companies), 12 C.F.R. Part 325, app. A (für FDIC-insured state non-member banks) und 12 C.F.R. Part 567 (für savings associations). 238 Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 161; Emmenegger, SZW/RSDA 2006, 32, 34; Volk/Schäfer, ZBB 2007, 159, 160. 239 Doetsch/Horn, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 13.03[A]. Siehe dazu schon oben III 2 c). 233

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

U.S.-amerikanischen Aufsichtsrecht bereits vorgesehene Anerkennung von Rating-Agenturen als „Nationally Recognized Statistical Rating Organization“ (NRSRO)240 an.

Im Jahre 2008 veröffentlichten die U.S.-amerikanischen Bankenaufsichtsbehörden schließlich doch einen Regelungsentwurf zur Übernahme des „Basel II“Standardansatzes,241 der in Anbetracht der sich zu dieser Zeit verschärfenden globalen Finanzkrise allerdings nicht in geltendes Recht umgesetzt wurde. bb) Seit „Basel III“: Vollständiger Verzicht auf Ratingbezugnahmen Zur Übernahme der „Basel II“- und „Basel III“-Regeln kam es in den U.S.A. sodann erst nach Beendigung der Finanzkrise, als nach längeren Vorarbeiten mit Wirkung zum 1. Januar 2014 ein vollständig neugestaltetes Eigenmittelregime für Banken erlassen wurde.242 Bemerkenswert ist, dass diese neuen U.S.-amerikanischen Eigenmittelanforderungen dadurch von den „Basel II/III“-Empfehlungen abweichen, dass sie bei der Risikogewichtung weder im Standardansatz243 noch im IRB-Ansatz244 oder bzgl. Verbriefungen245 auf Ratings abstellen. Selbst die weiterhin verwandte „investment grade“-Schwelle wird nunmehr ratingunabhängig definiert.246 Der Verzicht auf jegliche Ratingbezugnahmen geht dabei auf keine originär bankenaufsichtsrechtlichen Erwägungen zurück, sondern findet seinen Grund in der bereits erwähnten247 allgemeinen Vorgabe des Dodd–Frank Acts, die allen Bundesaufsichtsbehörden seit der Finanzkrise die weitestmögliche Beseitigung rechtlicher Indienstnahmen von Ratings vorschreibt.248 Vor diesem Hintergrund sahen sich die zuständigen Behörden trotz heftiger Kritik von Marktteilnehmerseite nicht mehr in der Lage, die neuen U.S.-amerikanischen Eigenmittelregeln ratingbasiert auszugestalten.249 Da gleichzeitig jedoch kein tauglicher alternativer Kreditrisikomaßstab identifiziert werden konnte, der anstelle der bisherigen Ratingbezugnahmen verwendbar schien250 – eine generelle Schwierigkeit, die erst 240 Siehe dazu noch in § 23 II 3; zur historischen Entwicklung der NRSRO-Anerkennung näher in § 7 II 2 a) bb) (1). 241 Release „Risk-Based Capital Guidelines; Capital Adequacy Guidelines: Standardized Framework“ (Proposed Rule) vom 2. Juli 2008, 73 FR 43982 ff. (29. Juli 2008). 242 Federal Reserve System Release „Regulatory Capital Rules: Regulatory Capital, Implementation of Basel III, Capital Adequacy, Transition Provisions, Prompt Corrective Action, Standardized Approach for Risk-weighted Assets, Market Discipline and Disclosure Requirements, Advanced Approaches Risk-Based Capital Rule, and Market Risk Capital Rule“ (Final Rule) vom 9. Juli 2013, 78 FR 62018 ff. (11. Okt. 2013). 243 Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, 78 FR 62018, 62082. 244 Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, a.a.O., 62140 f. 245 Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, a.a.O., 621111. 246 Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, a.a.O., 62140. 247 Siehe oben vor § 6. 248 § 939A Dodd–Frank Act. 249 Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, a.a.O., 62087. 250 Vgl. Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, a.a.O., 62087: „The agencies therefore evaluated a number of alternatives to credit ratings to provide a more granular risk weight treat-

§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)

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seit jüngster Zeit rechtsordnungsübergreifend erkannt wird251 –, weisen die erlassenen U.S.-amerikanischen Regeln zum Standardansatz einfach sämtlichen Unternehmensanleihen und sonstigen nicht gesondert geregelten Risikopositionen in Bankenportfolios unabhängig von deren Rating oder anderweitig beurteilten Bonität ein Risikogewicht von 100% zu.252 Dass auf diese Weise ein tragender Grundsatz des Basel II-Akkords – nämlich die konkret risikogewichtete Berechnung von Eigenmittelanforderungen an Banken – in den U.S.A. faktisch ausgehebelt wird, erscheint gleich aus zwei Gründen bedenklich: Zum einen wird so die angestrebte internationale Harmonisierung der Bankenregulierung eingeschränkt, und zum anderen – und dies dürfte das bedeutsamere Monitum sein – bestraft die einheitliche Risikogewichtung Investitionen in bonitätstarke Unternehmensanleihen (weil deren gute Ratings – anders als nach „Basel II/III“ – kein geringeres Risikogewicht zur Folge haben), während sie solche in besonders bonitätsschwache Titel („junk bonds“) privilegiert253 und damit einen ökonomischen Anreiz zu deren Erwerb setzt. Das gut gemeinte Ziel des U.S.-amerikanischen Kongresses, die Regulierungsfunktion des Ratings generell zurückzudrängen,254 dürfte dieses Vorgehen kaum rechtfertigen können. d) Hongkong In Hongkong erfolgte die Umsetzung des Basel II-Akkords in den Vorschriften der Banking (Capital) Rules,255 die durch die Hong Kong Monetary Authority erlassen wurden;256 deren Inhalt orientiert sich eng an den Regelungen des Akkords257 einschließlich dessen Änderungen durch „Basel III“. Die Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke des Standardansatzes und die Eigenmittelunterlegung von Verbriefungspositionen erfolgt dabei unmittelbar im Verordnungstext, der mittlerweile acht Rating-Agenturen – nämlich Standard & Poor’s, Moody’s, Fitch, Rating and Investment Information, Japan Credit Rating 251 ment for corporate exposures. For example, the agencies considered market-based alternatives, such as the use of credit default and bond spreads, and use of particular indicators or parameters to differentiate between relative levels of credit risk. However, the agencies viewed each of the possible alternatives as having significant drawbacks, including their operational complexity, or insufficient development. For instance, the agencies were concerned that bond markets may sometimes misprice risk and bond spreads may reflect factors other than credit risk. The agencies also were concerned that such approaches could introduce undue volatility into the riskbased capital requirements.“ 251 Siehe noch näher § 31 II 1 a) bb). 252 Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, a.a.O., 62087. 253 Dies deshalb, weil Unternehmensanleihen mit einem Rating unterhalb von „BB–“ nach dem Basel II-Akkord, Tz. 66 ein Risikogewicht von 150% zugewiesen wird, wohingegen es nach dem neuen U.S.-amerikanischen Eigenmittelregime bei einer 100%-Risikogewichtung bleibt. 254 Siehe dazu noch § 17 I 4 und § 31 II 1. 255 Cap. 155L, Fassung vom 1. Januar 2007. 256 Rechtsgrundlage ist § 98A der Banking Ordinance in der Fassung der Banking (Amendment) Ordinance 2005 vom Juli 2005. 257 Vgl. Lee, 16 Wis. Int’l L.J. (1997–98), 687, 728; Yam, BIS Review 116/2009, 1, 2.

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

Agency, Ltd., Credit Analysis and Research Limited, CRISIL Limited und ICRA Limited – namentlich zu „external credit assessment institutions“ (ECAI) erklärt.258 Aufgrund dieser im internationalen Vergleich ungewöhnlichen Regelungstechnik gestalten sich Änderungen im Kreis der anerkannten Rating-Agenturen aufwändig.259

IV. Zusammenfassende Würdigung 1. Rechtsvergleichender Befund Die bankenaufsichtsrechtliche Regulierung der Eigenmittelanforderungen an Banken greift in allen hier untersuchten Rechtsordnungen zur Risikomessung auf Ratings zurück und weist den Rating-Agenturen in ihrer Regulierungsfunktion damit einen bedeutsamen Einfluss auf ein Aufsichtsrechtsregime zu, das vor allem die Stabilität des Finanzsystems sichern soll.260 Im Mittelpunkt steht dabei die Verwendung von Ratings zur Messung des Kreditrisikos, dem Banken ausgesetzt sind. Die diesbezüglichen ratingbasierten Rechtsvorschriften gehen in Deutschland,261 der Schweiz262 und Hongkong263 auf den Basel II-Akkord264 zurück, dessen diesbezügliche Regeln durch „Basel III“ nur punktuell geändert wurden; in den U.S.A. wird die Eigenmittelunterlegung von Banken dagegen mittlerweile kreditrisikounabhängig und daher auch ohne Bezugnahme auf Ratings geregelt.265 Daneben werden Ratings in Anknüpfung an Empfehlungen des revidierten Basel I-Akkords266 durchgehend auch zur Messung von Marktrisiken eingesetzt267 – eine rechtliche Ratingverwendung, die dem Vorwurf eines regulatorischen Fehlgriffes nur deshalb entgeht, weil sie sich allein auf das spezifische Marktrisiko und damit eine Risikokategorie bezieht, der zumindest eine enge Verbindung zum Kreditrisiko innewohnt.268 Die regulatorische Ratingverwendung im Bereich der Eigenmittelanforderungen an Banken zeichnet sich zunächst dadurch aus, dass es sich um eines der wenigen Beispiele für einen international koordinierten Einsatz der Regulierungsfunktion privater Ratings handelt; namentlich durch den Basel II-Akkord fanden 258 § 2(1) Banking (Capital) Rules. In weiteren Legaldefinitionen wird sodann festgelegt, welche Tochter- bzw. Schwestergesellschaften von den verwandten Bezeichnungen für die RatingAgenturen erfasst werden. 259 Siehe dazu näher § 23 II 5 a). 260 Oben I. 261 Dazu oben III 5 a). 262 Dazu oben III 5 b). 263 Dazu oben III 5 d). 264 Dazu oben III 1, 2. 265 Dazu oben III 5 c). 266 Dazu oben II 1 b). 267 Dazu oben II 3 a)–d). 268 Dazu oben II 1 b) bb).

§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)

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Ratingbezugnahmen daher erstmals auch in die Rechte solcher Staaten Eingang, die ratingbasierte Regelungen zuvor gar nicht oder nur ganz vereinzelt kannten (so etwa Deutschland). Die Musterfunktion des Basel II-Akkords bezieht sich dabei nicht nur auf die „Regulierung durch Ratings“, sondern auch die „Regulierung des Ratings“, weil er international einflussreiche Empfehlungen zur staatlichen Anerkennung von Rating-Agenturen für Zwecke ihrer Regulierungsfunktion enthält.269 Er verschafft Ratings schließlich über den „Transmissionsriemen“ des Eigenmittelrechts auch für den Bereich der Darlehensvergabe Bedeutung, weil deren Kreditrisiko gleichermaßen durch Ratings bewertet werden kann270 – ein strukturell höchst bedeutsamer Effekt, weil so die Unterschiede zwischen vorrangig über den Kapitalmarkt finanzierten Volkswirtschaften (wie vor allem die U.S.A.) und solchen mit einer überwiegenden Finanzierung durch Bankkredite (so Deutschland und die Schweiz, aber mit gewissen Einschränkungen auch Hongkong) teilweise eingeebnet werden.

2. Bewertung der Regulierungsfunktion des Ratings im Basler Akkord Die regulatorische Verwendung von Ratings im Eigenmittelrecht des Basler Akkords verdient im Grundsatz zunächst deshalb Zustimmung, weil sie die Risikoeinschätzung unabhängiger Dritter – der zu diesem Zweck staatlich anerkannten Rating-Agenturen – für die Bemessung der Eigenmittelanforderungen an Banken nutzbar macht und dadurch den vielfach unterschätzten Einfluss des moral hazard mindert, der mit dem alternativen Einsatz „interner“ Ratings unvermeidbar verbunden ist. Aber auch im Einzelnen ist die Ausgestaltung der Regulierungsfunktion des Ratings durch „Basel II/III“ positiv zu bewerten, weil sie ihre Rechtsfolgen in abgestufter Form an einzelne Ratingstufen anknüpft und damit allfällige Klippeneffekte vermeidet, die bei weniger differenzierten Verweisen auf Ratings (namentlich dem verbreiteten Abstellen auf die „investment grade“Schwelle271) drohen. Im Gegensatz zu dieser sachgerechten Ratingverwendung zum Zweck der Kreditrisikoregulierung ist dessen bereits seit „Basel I“ nachzuweisender Einsatz zur Messung von Marktrisiken kritikwürdig.272 Kritik am ratingbasiert regulierten Eigenmittelrecht richtet sich im Übrigen vorrangig gegen die übermäßige Komplexität von „Basel II“273 und damit einen Aspekt, der auf die Ratingverwendung so nicht zutrifft – dem Rückgriff auf bestehende private Rating-Agenturen wird im Gegenteil gerade zugutegehalten,

269

Dazu oben III 3. Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2006, §§ 44, 45 BörsG Rn. 166; Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 321. 271 Siehe zum daraus resultierenden „Synchronisierungseffekt“ des Rechts noch § 17 IV. 272 Siehe bereits soeben unter 1. 273 Felsenfeld, Banking Regulation, S. 71: „extraordinary complexity“; Horn, BKR 2008, 452, 459; Siekmann, DV 43 (2010), 95, 112 (für eine „Rückkehr zu einfachen, theoretisch weniger eleganten Regeln, wie Basel I“ eintretend). 270

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

dass sie sich durch Kostengünstigkeit und einfache Umsetzbarkeit auszeichnet.274 Daneben wird den Ratingbezugnahmen gelegentlich vorgeworfen, die prozyklische Wirkung der Eigenmittelanforderungen zu verstärken, weil Ratingabsenkungen gerade in Phasen des volkswirtschaftlichen Abschwungs häufig vorkommen und damit bewirken, dass die Banken bei der Kreditgewährung zurückhaltender werden, obwohl aus volkswirtschaftlicher Sicht die gegenteilige Haltung wünschenswert wäre.275 Es erscheint jedoch verfehlt, diese Wirkung dem Einfluss der Rating-Agenturen zuzuschreiben, denn sie resultiert schlicht aus dem Umstand, dass die Eigenmittelbemessung risikoabhängig vorgenommen wird und bei einer allgemeinen Verschlechterung des wirtschaftlichen Klimas auch die Bonität einzelner Unternehmen sinkt – eine Prozyklizität ist daher unvermeidbar, sofern der rechtlich vorgeschriebene „Risikopuffer“ unter Abstellung auf die aktuelle Bonitätssituation der Schuldner (in welcher Form auch immer) erfolgt.276 Ratings dürften sogar einen geringeren prozyklischen Effekt auslösen als andere Bonitätsindikatoren, weil die Rating-Agenturen ihre Bonitätsbeurteilungen aus einer through the cycle-Perspektive,277 also unter bewusster Außerachtlassung lediglich vorübergehender Bonitätsschwankungen vornehmen.278 Im Übrigen zeichnen sich die im Anschluss an „Basel II“ international harmonisierten Eigenmittelanforderungen an Banken dadurch aus, dass sie bei der Risikobewertung strukturierter Finanzinstrumente (also vor allem Verbriefungen) deutlich stärker auf Ratings setzen als bei anderen Forderungen der Banken.279 Vieles spricht dafür, dass die diesbezüglichen Regelungen den strukturellen Besonderheiten des Marktes für komplexe Finanzinstrumente und den daraus erwachsenden Gefahren für die Unabhängigkeit der Rating-Agenturen280 nicht ausreichend Rechnung tragen und deshalb einer Überarbeitung bedürfen.281 Ihr starker Fokus auf „externe“ Ratings mag im Übrigen mittelbar dazu beigetragen haben, dass auf Seiten der Banken und möglicherweise auch anderer Finanz274 Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 4; ebenso Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 314: „has an intuitive appeal“. 275 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 35; Altman/Saunders, 25 J. Banking & Fin. (2001), 25, 29; Jackson, Role of Credit Rating Agencies, S. 311, 317; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 9. 276 Haug, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 133a Rn. 32; Schulte-Mattler/ Manns, WM 2011, 2069, 2072; Volkenner/Walter, DStR 2004, 1399, 1404; Volk, ZKredW 2004, 1258; aus ökonomischer Sicht vgl. Amato/Furfine, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2641, 2646. In diese Richtung auch Sigrist, in: Wiegand, Berner Bankrechtstag 2005, S. 1, 6. 277 Siehe § 5 II 2 a). 278 Zutreffend Cantor/ap Gwilym/Thomas, 17 J. Fixed Income (Fall 2007), 13, 15. Die empirische Untersuchung von Amato/Furfine, 28 J. Banking & Fin. (2004), 2641, 2674 kommt für die Jahre 1981–2001 zu dem Ergebnis, dass sich Ratings zumindest im Regelfall nicht prozyklischer entwickelten als die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen. 279 Oben III 2 c). Aus Sicht der Ökonomie befürwortend Altman/Saunders, 25 J. Banking & Fin. (2001), 25, 43. 280 Siehe zur Bedeutung von Marktstruktur und -usancen für die Sicherung der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen durch Marktmechanismen noch § 25 I 2 b) cc) (1). 281 Entsprechende Schritte sind in Vorbereitung; siehe dazu bereits oben unter III 2 c).

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marktteilnehmer282 den Ratings auch im Übrigen eine immer größere Bedeutung bei der eigenen Risikoabschätzung zugemessen wurde, bis man schließlich allein auf Ratings blickte283 und jede eigenständige Prüfung von Kredit- und auch anderen Risiken unterblieb (Phänomen der over-reliance).284 Diese Gefahr ist sehr ernst zu nehmen, wenngleich fraglich erscheint, ob tatsächlich der Ratingeinsatz im Eigenmittelrecht der alleinige oder auch nur entscheidende Auslöser dieser Fehlentwicklung war – es dürfte näher liegen, in der verständlichen Codierung der Ratings285 einen wesentlichen Grund ihrer übertriebenen Beachtung zu sehen. Sie weist jedenfalls darauf hin, dass die Ausweitung der Regulierungsfunktion des Ratings Auswirkungen auf seine Marktinformationsfunktion haben kann, die bei der Ausgestaltung rechtlicher Regelungen mitbedacht werden müssen.286

3. Zweckwidrige Lücke in den Ratinganforderungen des Eigenmittelrechts? Die ratingunabhängige Privilegierung von Staatsanleihen in Bankenportfolien Ein letzter Kritikpunkt am international harmonisierten Eigenmittelregime für Banken betrifft weder die übermäßige Bedeutung von Ratings noch deren regulatorische Funktion im Einzelnen, sondern – gleichsam gegenläufig – das Fehlen jeglicher rechtlicher Ratinganforderungen, soweit die Eigenmittelunterlegung von Staatsanleihen in Bankportfolien in Rede steht. Handelt es sich hierbei um eine zweckwidrige Lücke innerhalb der Regulierungsfunktion des Ratings im Eigenmittelrecht? Die Privilegierung von Staatsanleihen im Rahmen des geltenden Eigenmittelrechts geht auf den Basler Akkord selbst zurück, nach dessen Regeln zwar grds. auch Forderungen an Staaten anhand von externen Ratings zu risikogewichten sind.287 Allerdings macht „Basel II“ (insoweit durch „Basel III“ unverändert) hiervon eine bedeutende Ausnahme, indem den nationalen Aufsichtsinstanzen erlaubt wird, nach ihrem Ermessen für Kredite von Banken an ihren Sitzstaat ein niedrigeres Risikogewicht zuzulassen, sofern die Forderung auf Landeswährung lautet und in dieser refinanziert288 ist.289 Wird von dieser Ermessensfreiheit 282

Pfenninger/Bürgi, ST 2004, 290, 294. Coskun, 25 J.I.B.L.R. (2010), 157, 168; Theilacker, ZKredW 2009, 643, 644; Weber/Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 8 f. 284 de Larosière-Gruppe, Report (2009), Rn. 56: „There has undoubtedly been excessive reliance by many buy-side firms on ratings provided by CRAs. […] A particular failing has been the acceptance by investors of ratings of structured products without understanding the basis on which those products [gemeint wohl: ratings] were provided.“ 285 Zu diesem Faktor bereits in § 5 IV. 286 Siehe § 17 II 2. 287 Basel II-Akkord, Tz. 53. Dasselbe gilt jeweils auch für Forderungen an Zentralbanken. 288 Hiermit ist ausweislich der offiziellen Begründung gemeint, „dass die Bank auch entsprechende Verbindlichkeiten in Landeswährung hat.“ 289 Basel II-Akkord, Tz. 54. 283

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Gebrauch gemacht, so dürfen die Aufsichtsinstanzen anderer Länder ihren Banken ebenfalls gestatten, das gleiche Risikogewicht für Kredite an diesen Staat anzuwenden;290 die zulässige Privilegierung von Staatsanleihen im Heimatland kann also im Ausland „gespiegelt“ und dadurch zu einem internationalen Eigenmittelprivileg ausgeweitet werden. Die durch „Basel II“ gestattete, aber nicht etwa vorgeschriebene Zulassung eines „niedrigeren“ Risikogewichts für Staatsanleihen wurde in der Europäischen Union,291 in Deutschland,292 in der Schweiz,293 in den U.S.A.294 wie auch in Hongkong295 einheitlich in radikalstmöglicher Weise umgesetzt, indem man für inländische staatliche Schuldner durchweg296 ein Riskogewicht von Null ansetzte.297 Da die Bonität des Heimatstaates damit gesetzlich als zweifelsfrei und dessen Ausfallrisiko als nicht existent fingiert wird, spielen heute weder „externe“ sovereign ratings noch „interne“ Ratings einheimischer Staatsanleihen eine Rolle, wenn die Eigenmittelunterlegung von Bankportfolien in Rede steht. Bei Berechnung der Eigenmittelquote einer Bank beträgt der „Nenner“ insoweit von vornherein Null, und Forderungen gegenüber dem Heimatstaat sind damit von jeder Eigenkapitalunterlegung befreit.298 Bei der Risikogewichtung von Staatsanleihen ausländischer Staaten gehen die hier untersuchten Rechtsordnungen dagegen auf den ersten Blick risikobewusster vor, indem sie an das Rating des betreffenden staatlichen Schuldners anknüpfen (so die EU, die Schweiz und Hongkong299) oder ersatzweise auf Länderrisikoklassifizierungen nach OECD-Methodik abstellen, die im Basel II-Akkord300 ebenfalls zugelassen werden (so die U.S.A., seit der Dodd–Frank Act dort die Umstellung auf eine Alternative zum vormals verwandten Ra-

290

Basel II-Akkord, Tz. 54. Art. 114 Abs. 3 EU-CRR: Nullgewichtung von Forderungen gegen die EZB (so auch Basel II-Akkord, Tz. 56); Art. 114 Abs. 4 EU-CRR: Nullgewichtung von Forderungen gegen alle Zentralstaaten und Zentralbanken von EU-Staaten, die auf Landeswährung lauten. 292 § 26 Nr. 2 lit. b SolvV a.F.: Nullgewichtung von Forderungen gegen EWR-Staaten. 293 Art. 66 Abs. 1 ERV i.V.m. Anh. 2 zur ERV, Tz. 1.2: Nullgewichtung von Forderungen gegen die Eidgenossenschaft und die Schweizer Zentralbank. 294 Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, 78 FR 62018, 62083: Nullgewichtung von Forderungen gegen U.S.-amerikanische öffentliche Schuldner. 295 § 56(1) Banking (Capital) Rules: Nullgewichtung von Forderungen gegen die Hongkonger Regierung und den Exchange Fund. 296 Eine begrenzte Ausnahme macht allein das Schweizer Recht, das in Art. 66 Abs. 1 ERV i.V.m. Anh. 2 zur ERV, Tz. 2.3 für Forderungen gegen Kantone ohne Rating ein Risikogewicht von 20% ansetzt. 297 Hannoun, BIS Papers Nr. 72 (July 2013), 139, 151 betont aus Sicht des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, dass diese flächendeckende Nullgewichtung durch „Basel II“ selbst nicht vorgegeben wird, und kritisiert die umsetzenden EU-Regelungen als „not in line with the spirit of Basel II“. 298 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schulte-Mattler, § 26 SolvV Rn. 2; Kersting, 48 Tex. Int’l L.J. (2013), 269, 302. 299 In der EU Art. 114 Abs. 2 EU-CRR; in der Schweiz Art. 66 Abs. 1 ERV i.V.m. Anh. 2 zur ERV, Tz. 1.1; in Hongkong § 55(1), (2) Banking (Capital) Rules i.V.m. Schedule 6 Table A. 300 Basel II-Akkord, Tz. 55. 291

§ 6 Ratings und Eigenmittelanforderungen an Banken („Basel II“ und „Basel III“)

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ting erzwang301). Allerdings wird dieser scheinbare Unterschied zwischen der Behandlung in- und ausländischer Staatsanleihen dadurch sogleich wieder eingeebnet, dass es in der EU, der Schweiz und Hongkong ebenfalls für zulässig erklärt wird, sich bei ausländischen Staatsanleihen nach deren Risikogewichtung durch die Aufsichtsbehörden des emittierenden Staates zu richten:302 Da auch in ausländischen Aufsichtsrechten für Forderungen gegen den Heimatstaat aber typischerweise eine Nullgewichtung vorgesehen ist, dürfen Banken infolge dieses „Spiels über die regulatorische Bande“ im Ergebnis auch ausländischen Staatsanleihen ohne jede Eigenmittelunterlegung halten,303 und zwar unabhängig von der Bonität des betreffenden Staates in den Augen der Marktöffentlichkeit oder externer Rating-Agenturen.

Die beschriebene Ausgestaltung des Eigenmittelregimes für Banken, die trotz der Erfahrungen der Griechenland-Krise ab dem Jahre 2010 auch unter „Basel III“ unverändert beibehalten wurde,304 verdient deutliche Kritik. Sie räumt dem Ziel, Staaten günstig Zugriff auf Finanzmittel von Banken zu verschaffen, Vorrang vor der risikogerechten Eigenmittelausstattung der Banken ein,305 indem sie die generelle Risikofreiheit von Staatsanleihen unterstellt und damit einen gefährlichen Anreiz zur bevorzugten Investition gerade in bonitätsschwächere Staatspapiere306 setzt. Die in jüngerer Zeit zu Recht beklagte „Schicksalsgemeinschaft“ von Staaten und Banken307 wird durch die Nullgewichtung heimischer Staatsanleihen im geltenden Eigenmittelrecht also selbst gefördert; diese rechtliche Privilegierung muss daher beseitigt werden.308 Ihre Einführung und Beibehaltung selbst im Angesicht einer dramatischen Staatschuldenkrise weist auf einen zugrundeliegenden Interessenskonflikt hin, der die umfassend erörterten Interessenskonflikte der Rating-Agenturen309 in Intensität und Risikopotential noch erheblich übersteigen dürfte: Es handelt sich um den Interessenskonflikt des sich an den Finanzmärkten finanzierenden Staates, der die Rolle des Schuldners in Finanzierungsbeziehungen mit der Rolle des souveränen Rechtsetzers verbindet. Der sich daraus ergebende Anreiz zur Ausgestaltung von Rechtsvorschriften im vorrangigen Eigeninteresse des kapitalnachfragenden Staates hat sich im geltenen 301

Federal Reserve System Release vom 9. Juli 2013, a.a.O., 62084: „… consider CRCs to be a reasonable alternative to credit ratings for sovereign exposures and the CRC methodology to be more granular and risk sensitive than the current risk-weighting methodoloy based solely on OECD membership.“ 302 In der EU Art. 114 Abs. 7 EU-CRR (sofern die aufsichtlichen und rechtlichen Vorschriften dieses Landes denjenigen der EU gleichwertig sind); in der Schweiz Art. 67 ERV; in Hongkong § 56(2) Banking (Capital) Rules. 303 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schulte-Mattler, § 26 SolvV Rn. 2. 304 Lüttringhaus, EuZW 2012, 321, 322; Schulte-Mattler/Manns, WM 2011, 2069, 2078. 305 Kritisch Lüttringhaus, EuZW 2012, 321 f. 306 Kersting, 48 Tex. Int’l L.J. (2013), 269, 302; Lüttringhaus, EuZW 2012, 321, 322. 307 Vgl. Deutsche Bundesbank, Falsche Abhängigkeiten: Die Verflechtung von Banken und Staaten birgt Gefahren (31. Okt. 2013). 308 Deutsche Bundesbank, Falsche Abhängigkeiten … (31. Okt. 2013); Kersting, 48 Tex. Int’l L.J. (2013), 269, 320; Schulte-Mattler/Manns, WM 2011, 2069, 2078; auch Langenbucher/Bliesener/Spindler/Hagen, 21. Kap. Rn. 17. 309 Siehe dazu schon § 2 IV 3 a) sowie noch ausführlich § 25 I.

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

Recht verschiedentlich niedergeschlagen;310 seine Auswirkungen lassen sich sowohl bei der Regulierung durch Ratings (wie etwa im hier diskutierten Zusammenhang), aber in jüngster Zeit auch bei der Regulierung des Ratings nachweisen.311 In rechtstechnischer Hinsicht betrifft die oben beschriebene Ausgestaltung des Eigenmittelrechts freilich gar nicht spezifisch die Regulierungsfunktion des Ratings, denn es handelt sich nicht um eine Ausnahme vom Ratingerfordernis, sondern um eine Freistellung von jeglicher Risikogewichtung. Der dadurch (auch) beseitigte Einfluss von Ratings auf die Eigenmittelanforderungen an Banken dürfte allerdings im Ergebnis der entscheidende Punkt sein,312 weil dadurch das einzige rechtliche Einfallstor für Bonitätsbeurteilungen durch einen unabhängigen Dritten geschlossen wurde: Da sowohl der Staat als auch die Banken ein Eigeninteresse daran besitzen, Bankinvestitionen in bonitätsschwache Staatsanleihen nicht mit hohem Eigenmittelaufwand zu belasten, wäre die Einbeziehung unabhängiger Rating-Agenturen die einzig praktible Möglichkeit zur risikogerechten Ausgestaltung des Eigenmittelrechts. Die gesetzliche „Nullgewichtung“ von Staatsanleihen stellt sich damit als zweckwidrige Lücke innerhalb der Regulierungsfunktion des Ratings dar, die künftig geschlossen werden sollte: Im Gegensatz zu dem auf anderen Rechtsgebieten nachzuweisenden Ruf nach einer Zurückdrängung von Ratingbezugnahmen bedarf es im Eigenmittelrecht der Banken also keines „Weniger“ an ratingbasierter Regulierung, sondern eines „Mehr“.

310 So bis 1990 im staatlichen Genehmigungserfordernis für Unternehmensanleihen des deutschen Rechts (§§ 795, 808a BGB a.F.), das den Marktzugang privater Kapitalnachfrager regulierte, um dadurch ggfs. die Mittelaufnahme durch die öffentliche Hand vor Konkurrenz zu schützen (siehe dazu noch § 8 I); zum geltenden Recht die Nachw. bei Kersting, 48 Tex. Int’l L.J. (2013), 269, 304 ff. 311 Siehe bereits § 3 III 3 sowie im Folgenden § 19 I 3. 312 In diese Richtung auch EBA, EIOPA and ESMA, Joint Consultation Paper on Mechanistic references to credit ratings (7 Nov. 2013), S. 29.

§ 7 Die Bedeutung von Ratings im Rahmen sonstiger rechtlicher Vorgaben für Banken und andere Finanzinstitute Die Regulierungsfunktion des Ratings spielt im Bereich der Bankenregulierung auch außerhalb der Eigenmittelanforderungen, denen – wie bereits erläutert1 – aufgrund der international harmonisierten Ratingverwendung eine hervorgehobene Bedeutung zukommt, eine beträchtliche Rolle. Die nationalen Gesetzgeber setzen Ratings dabei zu ganz unterschiedlichen Regelungszwecken ein, von denen im Folgenden die wichtigsten zu behandeln sein werden. Neben der Beschränkung von Bankeninvestitionen auf Anlagen mit einer hinreichenden Bonität2 ist insoweit namentlich die Sicherung der Liquidität von Banken und sonstigen Finanzinstituten3 zu nennen, der – wie zuletzt während der globalen Finanzkrise 2007–09 und der nachfolgenden Staatsschuldenkrise innerhalb der Eurozone deutlich wurde – erhebliche Relevanz für die Stabilität des Finanzsystems insgesamt zukommt.4

I. Die Beschränkung zulässiger Bankeninvestitionen auf Finanzinstrumente mit einem bestimmten Mindestrating Kreditinstitute ziehen Ratings traditionell bei der Vorbereitung ihrer Investitionsentscheidungen heran, um auf diese Weise Informationserhebungskosten zu reduzieren5 und die Fachkenntnis der Rating-Agenturen zu nutzen. Dass diese freiwillige Orientierung an den Bonitätseinschätzungen der Rating-Agenturen gelegentlich sehr weit reichen kann,6 wird etwa an dem Beispiel eines New Yorker Bankiers deutlich, der in den 1930er Jahren infolge seiner strikten Beschränkung auf mit „AAA“ geratete Anleihen mit dem Spitznamen „Triple-A James“ bedacht wurde.7 Die Entscheidungsfreiheit auf Seiten der Banken wird demgegenüber dort stark eingeschränkt, wo gesetzliche Anlagevorschriften den Erwerb bestimmter Investitionsgegenstände rechtlich von dem Vorliegen eines Mindestratings abhängig machen. Bestimmungen dieser Art greifen intensiv in die Frei1

Siehe § 6. Siehe unter I. 3 Die terminologische Unterscheidung zwischen „Banken“ und „anderen Finanzinstitute“ folgt dabei dem Basel II-Akkord, Tz. 24 f. 4 Siehe unter II. Weitere ratingbasierte Bestimmungen werden unter III. erörtert. 5 Vgl. § 4 I 2 a). 6 Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347. 7 Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 20. 2

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Zweiter Teil. Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

heit des regulierten Investors ein und reichen in ihren Wirkungen deutlich über die bereits behandelten Eigenmittelvorschriften hinaus, welche Investitionsentscheidungen lediglich mittelbar beeinflussen.8 Sie haben im internationalen Vergleich daher keine umfassende Verbreitung erlangt, bestanden aber bis in jüngste Zeit insbesondere in den U.S.A., wo sie zudem zur ersten historisch nachweisbaren Verwendung des Ratings in seiner Regulierungsfunktion geführt haben.

1. U.S.-amerikanisches Recht: Umfassendes Verbot von Bankeninvestitionen in Fremdkapitaltitel privater Emittenten unterhalb des „investment grade“ a) Der Glass–Steagall Act und seine Anlagevorschriften für Banken Die historisch ersten und zugleich in ihren Auswirkungen bedeutsamsten Anlagevorschriften für U.S.-amerikanische Banken wurden im Jahre 1933 durch den sog. Glass–Steagall Act9 eingeführt. Dieses querschnittsartige Gesetz wurde in Reaktion auf die Bankenzusammenbrüche erlassen, zu denen es infolge des Börsencrashes 1929 und der Bankenkrise 1932/33 gekommen war,10 und führte neben verschiedenen anderen Regelungen vor allem die strikte organisatorische Trennung von Geschäftsbanken (commercial banks) und Investmentbanken ein, die in der U.S.-amerikanischen Rechtsprechung gelegentlich als „Maginot-Linie“ des dortigen Bankensystems charakterisiert wurde11 und bis zu ihrer Aufhebung im Jahre 1999 galt. Heute werden als Glass–Steagall Act üblicherweise die §§ 16, 20, 21 und 32 des Banking Acts of 1933 bezeichnet,12 der die aufsichtsrechtlichen Vorgaben für sog. national banks regelt. Da man die U.S.-amerikanische Bankenkrise 1932/33 u.a. auf übertrieben spekulative Wertpapiergeschäfte der Banken zurückführte, welche im Ergebnis die finanzielle Stabilität des gesamten Bankensystems gefährdet hatten,13 führte der Glass–Steagall Act in seinem § 16 gesetzliche Anlagevorschriften ein, mittels derer eine Trennung der akzeptablen Geschäftsbanktätigkeiten von (nunmehr einem gesonderten Bankentyp vorbehaltenen) Investmentbankgeschäften erreicht werden sollte.14 Die insoweit zentrale Bestimmung, die bis heute in Kraft ist, ent8 So zum U.S.-amerikanischen Aufsichtsrecht Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 276: „Previous to 1930 the Comptroller’s office valued securities at the market [dazu bereits in § 6 II 3 c) aa) (1)], but it did not tell banks what to buy.“ 9 Das Gesetz ist benannt nach seinen Initiatoren, Senator Carter Glass (1858–1946) und Mitglied des Repräsentantenhauses Henry B. Steagall (1873–1943). 10 Doetsch/Horn, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 13.07[A]; Felsenfeld, Banking Regulation, S. 246. 11 Securities Industry Ass’n v. Federal Reserve Sys., 8.2.1988, 839 F.2d 47, 54 (2nd Cir. 1988). 12 Securities Industry Ass’n v. Federal Reserve Sys., 8.2.1988, 839 F.2d 47, 54 (2nd Cir. 1988); Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 6/2007, § 8.02[1]. 13 Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 6/2007, § 8.02. 14 Doetsch/Horn, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 13.07[A]; Felsenfeld, Banking Regulation, S. 248; Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 6/2007, § 8.02.

§ 7 Die Bedeutung von Ratings für Banken und andere Finanzinstitute

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hält daher eine abschließende Definition der Bankgeschäfte, deren Vornahme zugelassenen Geschäftsbanken gestattet ist. Seit einer Gesetzesänderung im Jahre 193515 beschränkt diese den Wertpapierhandel dabei streng auf An- und Verkäufe, die im Auftrag und für Rechnung von Kunden durchgeführt werden – eigene Investitionen in Wertpapiere, die Banken in Ländern mit einem Universalbankensystem (wie etwa Deutschland und der Schweiz) generell erlaubt sind,16 bleiben U.S.-amerikanischen Geschäftsbanken dagegen grundsätzlich verboten.17 Eine begrenzte Ausnahme wird (außer für Anleihen der öffentlichen Hand) lediglich für den Erwerb sog. „investment securities“ gemacht, deren nähere Bestimmung das Gesetz dem Comptroller of the Currency überträgt.18 aa) Mindestbonitätsvorgaben für Bankeninvestitionen In Ausübung dieser Kompetenz erließ der Comptroller of the Currency sodann am 15. Februar 1936 eine Regelung,19 in der die für Bankenportfolios tauglichen Wertpapiere wie folgt abgegrenzt wurden: „The purchase of ,investment securities‘ in which the investment characteristics are distinctly and predominantly speculative, or ,investment securities‘ of a lower designated standard than those which are distinctly and predominantly speculative, is prohibited.“ Die für die Fortentwicklung des Ratinggeschäftes entscheidende Regelung fand sich dabei in einer Fußnote, die ergänzend ausführte: „The terms employed herein may be found in recognized rating manuals, and where there is doubt as to the eligibility of a security for purchase, such eligibility must be supported by not less than two rating manuals.“ Die Veröffentlichung dieser ratingbasierten Anlagevorschrift zog am U.S.-amerikanischen Finanzmarkt große Aufmerksamkeit auf sich und führte zu erheblichen Protesten in der Bankenwelt.20 Die Fachzeitschrift American Banker titelte: „Four Statistical Houses’ Ratings Govern Federal Banks’ Investing“.21 Dabei war die Regelung mit ihrer Fußnotenbe-

15

Nämlich durch § 308 des Banking Act of 1935. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 2.865, 10.4; Lutter, NZG 2010, 601, 602; Philipps/Rechtschaffen, 21 Fordham Int’l L.J. (1998), 1754, 1765. 17 12 U.S.C. 24 (Seventh): „… solely upon the order, and for the account of, customers, and in no case for its own account …“. Felsenfeld, Banking Regulation, S. 255 spricht in diesem Zusammenhang plastisch von „investment (also known as the speculation or gambling) in securities“. 18 12 U.S.C. 24 (Seventh): „Provided, That the association may purchase for its own account investment securities under such limitations and restrictions as the Comptroller of the Currency may by regulation prescribe. […] As used in this section the term „investment securities“ shall mean marketable obligations […] under such further definition of the term „investment securities“ as may by regulation be prescribed by the Comptroller of the Currency.“ Skeptisch hierzu Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70: „a delegation of legislative power, the legality of which has not been questioned.“ 19 Treasury Department, Comptroller of the Currency, Regulations Governing the Purchase of Investment Securities, and Further Defining the Term „Investment Securities“ as Used in Section 5136 of the Revised Statutes as Amended by the Banking Act of 1935, Sec. II. 20 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 688: „The ruling had explosive effect …“. 21 The American Banker vom 2. März 1936, S. 1. 16

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Zweiter Teil. Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

zugnahme auf „recognized rating manuals“ im Grunde verhältnismäßig vage formuliert;22 es bestand aber unter allen Betroffenen offenkundig Einigkeit darüber, dass mit dieser Umschreibung die damals am Markt präsenten Rating-Agenturen Fitch, Moody’s, Poor’s und Standard Statistics sowie deren periodischen Ratingverzeichnisse gemeint waren.23 Der Effekt für die Investitionsmöglichkeiten der Banken wie für den Anleihemarkt insgesamt war jedenfalls dramatisch: Von den 1.975 damals an den New York Börsen gehandelten Anleihen erfüllten 1.084 nicht die Anforderungen an eine ausreichend hoch geratete „investment security“,24 weshalb der Comptroller of the Currency das Universum der insoweit für Banken zugänglichen Anlageziele mit einem Federstrich mehr als halbiert hatte.25

Die 1936 erstmals formulierte Anlagebeschränkung für national banks gilt in den U.S.A. bis heute. In formeller Hinsicht mittlerweile im Code of Federal Regulations26 niedergelegt, blieb sie bis zum Jahre 2012 auch inhaltlich fast unverändert: Eine investment security wurde danach definiert als „a marketable debt obligation that is not predominantly speculative in nature. A security is not predominantly speculative in nature if it is rated investment grade. When a security is not rated, the security must be the credit equivalent of a security rated investment grade“,27 und unter „investment grade“ verstand man „a security that is rated in one of the four highest rating categories by: (1) Two or more NRSROs; or (2) One NRSRO if the security has been rated by only one NRSRO.“28 Hinzugefügt wurde zwischenzeitlich also nur die Klarstellung, dass es für den Zweck der Anlagevorschrift auf Ratings von als „Nationally Recognized Statistical Rating Organization“ (NRSRO)29 anerkannten Rating-Agenturen ankam. Eine Änderung in der Form erfolgte erst zum 1. Januar 2013, als die in der Definition des „investment grade“ enthaltenen ausdrücklichen Ratingbezugnahmen infolge der Vorgaben des Dodd–Frank Acts entfernt wurden – eine Entwicklung, auf die im Text30 noch näher einzugehen sein wird. bb) Die Erfindung des ratingabhängigen „investment grade“ Der Anlagevorschrift des Comptroller of the Currency aus dem Jahre 1936 kommt noch darüber hinaus eine erhebliche Bedeutung für die Entwicklung des Ratings im Allgemeinen zu, verwandte sie doch zum ersten Mal die Kategorie des 22

White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 49. Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 78; Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 277. Standard & Poor’s existierte hingegen – entgegen White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 49 – zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, sondern entstand erst 1941 durch Fusion der beiden namensgebenden, bis dahin noch eigenständigen Rating-Agenturen. 24 Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 31. 25 Kritisch Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 78; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 687; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 71. 26 12 C.F.R. § 1.3 (Limitations on dealing in, underwriting, and purchase and sale of securities). 27 12 C.F.R. § 1.2(e) (in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung). 28 12 C.F.R. § 1.2(d) (in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung). 29 Siehe zu diesem Begriff sogleich noch näher unter II 2 a) bb) (1). 30 Siehe unter I 1 d). 23

§ 7 Die Bedeutung von Ratings für Banken und andere Finanzinstitute

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„investment grade“ (für aufgrund hinreichender Bonität „investitionswürdige“ Fremdkapitaltitel), dem als Gegenstück das „non-investment grade“ (für „spekulative“ Papiere) gegenüber gestellt wurde. Die heute allgemein gängige Dichotomie von „investment grade“ und „non-investment grade“, welche die eigentlich weit differenzierteren Ratingskalen mit ihren heute über zwanzig Ratingstufen31 („notches“) in lediglich zwei Bonitätsklassen unterteilt und damit eine weitere Komplexitätsreduktion erreicht,32 ist damit in historischer Hinsicht Ausfluss der Regulierungsfunktion des Ratings, nicht von dessen Marktinformationsfunktion: Die Rating-Agenturen selbst verwandten diese Begriffe damals noch gar nicht, sondern betrachteten jede ihrer einzelnen Ratingstufen als Teil einer durchgehenden Bonitätsskala. Erst als das „investment grade“ in die Marktterminologie eingegangen war und damit auch die Marktinformationsfunktion des Ratings mitprägte, nahmen auch die Rating-Agenturen selbst diese Begriffsdichotomie auf. Der Begriff des „investment grade“ wurde dabei anscheinend von Marktteilnehmern als griffige Kurzform für den komplizierteren Wortlaut der 1936 erlassenen Anlagevorschrift geprägt,33 die die Bonitätsanforderung als nicht „distinctly and predominantly speculative“ umschrieben hatte und zur Konkretisierung auf die gängigen Ratingverzeichnisse verwies. Nach den darin enthaltenen Ratingdefinitionen lag die unterste Ratingstufe des Bereichs, der noch nicht als spekulativ (und daher für Bankeninvestitionen tauglich) galt, bei „BBB“ (Fitch), „Baa“ (Moody’s), „B*“ (Poor’s) und „B1+“ (Standard).34 Diese Ratingschwelle gilt in der Praxis der Rating-Agenturen bis heute35 und wird in den mittlerweile vielfach ausdrücklich vorgenommenen Legaldefinitionen des „investment grade“ typischerweise als die „vier höchsten Ratingkategorien“ („the four highest rating categories“) umschrieben (also „AAA“, „AA“, „A“ und „BBB“36 bzw. „Aaa“, „Aa“, „A“ und „Baa“37);38 die in den Jahren 1973 bzw. 1982 durch die drei großen Rating-Agenturen hinzugefügten, nachgestellten Zeichen39 („+“/„–“ bzw. „1“/ „2“/„3“) begründen also keine eigenen Ratingkategorien.40

31

Die von Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch augenblicklich verwandten Skalen für Langfristratings haben jeweils 21 Ratingstufen. 32 Vgl. hierzu näher § 17 IV. 33 So findet sich dieser bereits bei Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 28; wohingegen Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 102 von „high grade“ spricht. 34 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 71. 35 Als Standard und Poor’s im Jahre 1941 zu Standard & Poor’s fusionierten, übernahm die neue Rating-Agentur die von Fitch erfundene, einprägsamere Ratingskala; vgl. noch § 20 III 2 b) bb) (1). 36 So die Ratingskalen von Standard & Poor’s und Fitch. 37 So die Ratingskala von Moody’s. 38 So etwa 12 C.F.R. § 1.2(d) (in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung). 39 So die Terminologie des Art. 3 Abs. 1 lit. h EG-RatingVO. 40 Sowohl in der hier erörterten Anlagevorschrift des Comptroller of the Currency als auch in zahlreichen anderen bundesrechtlichen Vorschriften hat der „investment grade“-Begriff allerdings mittlerweile in Umsetzung des Dodd–Frank Acts of 2010 eine ratingunabhängige Definition erfahren; siehe dazu noch unter d).

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Zweiter Teil. Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

b) Übernahme der „investment grade“-Grenze durch andere Bankenaufsichtsbehörden Die beschriebene ratingbasierte Anlagevorschrift galt infolge des höchst zersplitterten, auf diverse Aufsichtsbehörden auf Bundes- und Einzelstaatenebene verteilten Bankenrechts nicht unmittelbar für alle U.S.-amerikanischen Kreditinstitute, sondern zunächst nur innerhalb der Zuständigkeit des Comptroller of the Currency. Die „investment grade“-Grenze wurde jedoch in der Folgezeit durch zahlreiche andere Bankenaufsichtsbehörden übernommen und damit auf andere Bankentypen ausgedehnt: So galt sie von vornherein kraft gesetzlicher Anordnung auch für state banks, die Mitglieder im Federal Reserve System sind,41 und wurde später auf Bundesebene auf Niederlassungen ausländischer Banken in den U.S.A.,42 auf Kreditgenossenschaften (credit unions)43 und schließlich auch auf Sparkassen (savings associations) erstreckt,44 nachdem Investitionen in spekulative Anleihen zu einer weiteren Finanzkrise – der Sparkassenkrise der 1980er Jahre – beigetragen hatten.45 Daneben übernahmen aber auch Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden zahlreicher U.S.-Gliedstaaten die „junk bond prohibition“46 für ihrer Regelungsgewalt unterliegende Kreditinstitute,47 sodass die Regulierungsfunktion des Ratings bei der Festlegung zulässiger Bankeninvestitionen (legal investments) in den U.S.A. letztlich zu einem allgemeinen Standard erstarkte.48

41 Nämlich gemäß § 9 Federal Reserve Act (12 U.S.C. § 335); vgl. Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 29; Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 276. 42 Durch §§ 4(b), 7(c)(2) International Banking Act of 1978; Doetsch/Horn, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 13.07[A]. 43 12 C.F.R. § 704.6(d)(2) verlangte bei Investitionen durch corporate credit unions allerdings sogar ein Mindestrating von „AA–“; diese Schwelle wurde infolge des Dodd–Frank Acts mittlerweile durch eine ratingunabhängige Grenze ersetzt (dazu noch im Text unter d)). 44 § 28(d)(1) Federal Deposit Insurance Act: „No savings association may, directly or through a subsidiary, acquire or retain any corporate debt security not of investment grade“ (mittlerweile ersetzt durch eine ratingunabhängige Schwelle; siehe noch unter d)). Vgl. auch In re Fitch, 21.5.2003, 330 F.3d 104, 106 (2nd Cir. 2003). 45 Macey/Miller/Carnell, Banking Law and Regulation, S. 153. 46 So Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 6/2007, § 8.03[2]. 47 Liu/Seyyed/Smith, 26 J. Bus. Fin. & Acct. (1999), 337, 359 (zu gliedstaatlichen „blue sky laws“); Partnoy, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 70. Gelegentlich stellen Gliedstaatengesetze auch striktere Ratingvorgaben auf, wie etwa das New Yorker Recht für Investitionen durch savings banks, die von einem Rating in der höchsten (bei Commercial Paper) bzw. der drei höchsten Ratingkategorien (bei sonstigen Anleihen) abhängig gemacht werden (§ 235(12–a)(a), (21–a) New York Banking Law); sowie das Recht des Staates Connecticut für Bankeninvestitionen (Rating in einer der drei höchsten Ratingkategorien; § 36a–275(b)(1), (c) Connecticut General Statutes). 48 Er galt freilich nie ausnahmslos für alle Banktypen, weil etwa Investmentbanken von ratingbasierten Anlagevorschriften stets ausgenommen blieben.

§ 7 Die Bedeutung von Ratings für Banken und andere Finanzinstitute

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c) Folgen der strikten Mindestratingvorgabe Die ratingbasierten Anlagevorschriften für U.S.-amerikanische Banken hatten weit reichende Konsequenzen,49 die sich zunächst einmal auf die Investitionspolitik der Banken selbst bezogen: Während sich Ratings nämlich bis zu diesem Zeitpunkt lediglich mittelbar auf Investitionsentscheidungen der Banken ausgewirkt hatten,50 sofern sie zur Berechnung von Eigenmittelanforderungen herangezogen wurden,51 entschieden sie seitdem unmittelbar darüber, welche Anleihen eine Bank erwerben durften und welche nicht.52 Aus dieser Regulierung eines – freilich wirtschaftlich höchst bedeutsamen – Typs institutioneller Investoren erwuchsen darüber hinaus allerdings auch mittelbare Folgen, die im Ergebnis noch wichtiger gewesen sein dürften: aa) Erhöhte Bedeutung des Ratings am Anleihenmarkt Zum einen veränderte die rechtliche Investitionsbeschränkung, die den Banken auferlegt worden war, in entscheidender Weise die Nachfrageseite des U.S.-amerikanischen Markts für Schuldverschreibungen. Während Banken vor Erlass des Glass–Steagall Acts die bedeutendsten Teilnehmer am Anleihegeschäft gewesen waren53 und auch in Anleihen im jetzigen „non-investment“-Bereich investiert hatten, war das letztgenannte Marktsegment nunmehr weitestgehend eliminiert;54 der spread zwischen „BB“- und „BBB“-gerateten Schuldverschreibungen nahm deutlich zu.55 Emittenten waren gleichzeitig künftig gezwungen, ihre Anleihen raten zu lassen, sofern ihnen an deren Tauglichkeit für Bankenportfolios gelegen war,56 und das erreichte Rating bestimmte nunmehr entscheidend über Erfolg und Misserfolg einer Emission mit.57 Dieses faktische Ratingerfordernis konnte für kleinere Emittenten ein beträchtliches Finanzierungshindernis bedeuten, weil die Rating-Agenturen zu dieser Zeit bekanntlich noch nicht von Emittentenseite beauftragt und bezahlt wurden,58 sondern ihre periodischen rating 49

Cantor/Packer, FRBNY Q. Rev. (Summer–Fall 1994), 1, 6. Vgl. Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 276: „Previous to 1930 the Comptroller’s office valued securities at the market, but it did not tell banks what to buy.“ 51 Dazu bereits in § 6 II 3 c) aa). 52 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 72. Eine weitere Folgewirkung, die anscheinend nur zeitlich begrenzt auftrat und vor dem Hintergrund unseres heutigen Verständnisses der Unabhängigkeit der Rating-Agenturen von anderen Marktteilnehmern (siehe näher § 25 I) als höchst bedenklich erscheinen muss, wird berichtet von Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 277 Fn. 25: „The effect of this policy can be seen in the advertisements of rating agencies in the Journal of the American Bankers Association. They urge that small banks should turn over to them their bond accounts for management.“ 53 Felsenfeld, Banking Regulation, S. 245. 54 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 689; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 71. 55 Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 277; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 689. 56 White, 30 Regulation (Spring 2007), 48 f. 57 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 92. 58 Zum heute vielfach kritisierten „issuer pays“-Modell siehe bereits § 2 IV 3 a) und noch näher § 25 I 2 a). 50

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manuals zu einem Festpreis an interessierte Investoren veräußerten: Da damit für die Rating-Agenturen ein Anreiz bestand, vorrangig große und auf potentiell großes Investoreninteresse stoßende Emissionen mit einem (kostenträchtigen) Rating zu versehen und in ihre Ratingpublikationen aufzunehmen, barg das damalige „investor pays“-Modell für kleinere Emittenten die Gefahr, durch die privaten Rating-Agenturen nicht geratet und aus diesem Grund auch den Anforderungen der rechtlichen Anlagebeschränkungen ihrer wichtigsten Investoren nicht gerecht zu werden.59 Da ein Rechtsanspruch auf Aufnahme in die privaten Ratingverzeichnisse aber nicht bestand, zeigte sich an dieser Stelle eine deutliche (und heute vielfach übersehene) Schwäche dieses Vergütungsmodells, das mit einer rechtlich oder faktisch zwingend wirkenden Ratinganforderung nicht reibungsfrei zusammenwirkt – die hinzugetretene Regulierungsfunktion des Ratings hatte dessen Wesen also in einer Weise verändert, die auch eine geänderte Form der Ratingvergütung notwendig machte (oder doch wenigstens vorteilhaft erscheinen ließ). bb) Durchbruch für die Regulierungsfunktion des Ratings im U.S.-amerikanischen Recht Darüber hinaus stellte die erörterte Anlagevorschrift das geschichtlich erste bedeutende Beispiel für die Regulierungsfunktion des Ratings dar;60 sie wurde im Schrifttum auch noch in jüngster Zeit als wichtigste ratingbasierte Regelung des U.S.-amerikanischen Rechts eingeordnet.61 Dass die Bankenaufsichtsbehörden ihre Verantwortung für die Bestimmung zulässiger Bankeninvestitionen auf diese Weise an die privaten Rating-Agenturen delegierten,62 zog allerdings von Anfang an Kritik auf sich;63 man befürchtete zum einen eine untunliche Macht der Rating-Agenturen64 und bemängelte zum anderen, dass die Banken durch die Ratingverwendung einer eigenen verantwortungsvollen Investitionsentscheidung enthoben seien.65 Die beschriebenen Monita deuten auf eine Gefahr hin, die regulatorischen Ratingverwendungen generell innewohnt: Obgleich der Comptroller of the Currency nämlich schon wenige Monate nach dem erstmaligen Erlass der Anla59 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 97 ff.; Goodman, Fin. Analysts J. (May/June 1968), 59, 61; andeutungsweise auch Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 689. 60 Rodríguez, in: Niskanen, After Enron, S. 218, 223: „the first significant rating-based regulation“; ebenso Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 91. 61 Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 102. 62 Morton, 29 Amer. Econ. Rev. (1939), 272, 277; Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70. 63 Hickman, Corporate Bond Quality and Investor Experience, S. 144 f.; Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 89; Sylla, in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 19, 37 f.; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 49. 64 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 89; von Randow, ZBB 1995, 140, 155. Dies hatte u.a. zur Folge, dass die ausdrückliche Ratingbezugnahme in der vorerwähnten Fußnote im Jahre 1938 gestrichen wurde, ohne dass dadurch die Ratingverwendung durch die Bankenaufsichtsbehörden beendet worden wäre (vgl. Sylla, a.a.O.). 65 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 689.

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gevorschrift aus gegebenem Anlass klarstellte, dass die Geschäftsleitung der Bank weiterhin für die Investitionsentscheidung verantwortlich sei und die Ratingeinstufung einer Anleihe allein keinen Beweis für die Angemessenheit der Investition (also keinen „safe harbour“) darstellt,66 wurde nämlich bald deutlich, dass sich Banken wie auch Aufsichtsbehörden mit erstaunlicher Rigidität nach den Bonitätsbeurteilungen der Rating-Agenturen richteten.67 Dies mag überraschen, weil die Vorschrift selbst nur hilfsweise auf Ratings verwies (und Banken daher damals, wie übrigens auch in ihrer letzten ratingbasierten Fassung,68 durchaus den Erwerb ungerateter Anleihen mit hinreichender Bonität erlaubte) – bereits die Aussicht, die Angemessenheit der eigenen Bonitätseinschätzung im Streitfall darlegen und beweisen zu müssen, führte jedoch offenkundig dazu, dass man sich durchgehend auf Ratings verließ69 und die Flexibilität der Regelung daher nur auf dem Papier bestand.70 Diese (unbeabsichtigt) strenge Steuerungswirkung ratingbasierter Vorschriften für das Verhalten der Regelungsadressaten lässt sich auch bei zahlreichen anderen Regelungen nachweisen und stellt daher erkennbar ein Problem dar, welches die Regulierungsfunktion des Ratings im Allgemeinen betrifft71 und vor allem die Frage der Kontrolle der Rating-Agenturen aufwirft.72 d) Beseitigung der geschriebenen Mindestratingvorgabe infolge des Dodd–Frank Acts (2013) Die im Text bereits angesprochene73 Vorgabe des 2010 erlassenen Dodd–Frank Acts, die alle U.S.-amerikanischen Bundeaufsichtsbehörden zur kritischen Überprüfung und ggfs. Beseitigung ratingbasierter Rechtsvorschriften aufforderte,74 erfasste sodann auch die beschriebene Investitionsbeschränkung für Geschäftsbanken. Mit Wirkung zum 1. Januar 2013 fasste der Comptroller of the Currency den Wortlaut der Definitionsnormen, auf welche die einschlägigen Mindestbonitätsvorgaben aufbauen, daher neu:75 Diese beschreiben „investment security“ nunmehr als „marketable debt obligation that is investment grade and not predo66 Ansprache von Comptroller of the Currency J.F.T. O’Connor am 22. Mai 1936 (zitiert nach Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 32). 67 Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 72: „Both banks and examiners follow these standards with a curious rigidity.“ 68 Capatides/Chin/Palzer/Madara/Karp, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2003–2 Supplement, § 17.04[A][1]; Felsenfeld, Banking Regulation, S. 256. 69 Goodman, Fin. Analysts J. (May/June 1968), 59, 60: „Obviously bankers would prefer to avoid having to defend in detail their bank selections.“ 70 So Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 73: „The alleged flexibility of the rule exists only on paper.“ 71 Siehe dazu noch § 17. 72 In diesem Sinne bereits damals Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 93. 73 Siehe oben vor § 6. 74 § 939A Dodd–Frank Act; dazu noch näher in § 17 I 4 b). 75 Office of the Comptroller of the Currency, Treasury (OCC), „Alternatives to the Use of External Credit Ratings in the Regulations of the OCC“ (Final Rule) vom 4. Juni 2012, 77 FR 35253 ff. (13. Juni 2012).

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minately speculative in nature“.76 Die sprachlich beibehaltene Schwelle des „investment grade“, die jetzt nicht mehr gleichbedeutend mit „not predominately speculative in nature“ ist, sondern als gesondertes Kriterium anscheinend neben die nicht vorrangig spekulative Natur der Schuldverschreibung tritt, ist danach erreicht, wenn „the issuer of a security has an adequate capacity to meet financial commitments under the security for the projected life of the asset or exposure. An issuer has an adequate capacity to meet financial commitments if the risk of default by the obligor is low and the full and timely repayment of principal and interest is expected.“77 Die ausdrückliche untergesetzliche Bezugnahme auf Ratings ist damit entfallen und wurde in vergleichbarer Form auch in zahlreichen anderen Vorschriften des Bundesrechts ersetzt,78 wohingegen sie in den Rechten der U.S.-Gliedstaaten überwiegend fortbesteht.79 aa) Selbstbeurteilung der Bonität durch investierende Bank statt Drittbeurteilung der Bonität durch Rating-Agenturen In der Sache lässt die neu gefasste Legaldefinition des „investment grade“-Begriffes dabei scheinbar offen, aus wessen Perspektive das Ausfallrisiko gering und die versprechensgemäße Rück- und Zinszahlung erwartbar sein muss. Aus der Regelungsbegründung ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass es insoweit auf die Einschätzung der regulierten Geschäftsbank selbst ankommen soll:80 Während bislang die Prognose anerkannter Rating-Agenturen (und damit unabhängiger Dritter) über die zulässigen Investitionsobjekte bestimmte, entscheiden nunmehr die Banken, ob ihre eigenen Investitionen in den Augen des Aufsichtsrechts hinreichend sicher sind. In dieser Änderung liegt eine erhebliche, ja dramatische Abschwächung des bislang zweistufigen Sicherungssystems, das neben der Bonitätseinschätzung der Banken selbst eine von deren Perspektive unabhängige, weil durch RatingAgenturen konkretisierte Mindestbonitätsschranke vorsah. Dass Letztere seit 2013 nicht mehr besteht, ist als schwerwiegender aufsichtsrechtlicher Fehlgriff einstufen: In seinem Bestreben, die durch Interessenskonflikte der Rating-Agen76

12 C.F.R. § 1.2(e) (in der seit dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung). 12 C.F.R. § 1.2(d) (in der seit dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung). 78 So im Bereich der Anlagevorschriften für Kreditinstitute etwa in § 28(d)(1) Federal Deposit Insurance Act (hier ersetzt durch „standards of credit-worthiness as established by the Corporation“) und in 12 C.F.R. § 704.6(d)(2) (dort ersetzt durch „a corporate credit union must conduct and document an analysis that reasonably concludes the investment has no more than a minimal amount of credit risk“). 79 So etwa in Anlagevorschriften für Kreditinstitute des New Yorker Rechts (§ 235(12–a)(a), (21–a) New York Banking Law) und des Rechts des U.S.-Staates Connecticut (§ 36a–275(b)(1), (c) Connecticut General Statutes); zudem sehr verbreitet in gliedstaatlichen Anlagevorschriften für Versicherungsunternehmen. 80 Office of the Comptroller of the Currency, Final Rule vom 4. Juni 2012, 77 FR 35253, 35254: „These final rules remove references to credit ratings provided by NRSROs and instead generally require national banks and Federal savings associations to make assessments of a security’s creditworthiness …“ (meine Hervorhebung). 77

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turen81 mutmaßlich beeinträchtigte Verlässlichkeit ratingbasierter Rechtsregeln durch tauglichere Bonitätsmaßstäbe zu ersetzen, bahnt der Dodd–Frank Act unbeabsichtigt den Weg zur Verwendung „selbstgesetzter“ Standards, die von ungleich schärferen (weil direkten!) Interessenskonflikten der regulierten Marktteilnehmer selbst beeinflusst werden.82 bb) Gleichwohl fortdauernde Bedeutung des Ratings Sieht man von dieser (wesentlichen) konzeptionellen Umstellung ab, dürfte sich die Bedeutung von Ratings im diskutierten Regulierungszusammenhang im Übrigen kaum entscheidend geändert haben.83 Sowohl in der Regelungsbegründung zum neuen „investment grade“-Standard als auch in den zeitgleich veröffentlichten Leitlinien (guidance) zu dessen Anwendung durch die Banken weist der Comptroller of the Currency nämlich zu Recht darauf hin, dass Banken schon bislang – wie im Text84 bereits erörtert – zur eigenverantwortlichen Bonitätseinschätzung verpflichtet waren; die nunmehr vorzunehmende Prüfung soll denselben Grundsätzen unterliegen.85 Des Weiteren stellt die Aufsichtsbehörde ausdrücklich klar, dass die Banken sich bei ihren Bonitätsbeurteilungen auch weiterhin auf die Ratings von Rating-Agenturen stützen dürfen86 (solange sie diese nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage verwenden, was sie freilich schon bisher nicht durften), zumal der anwendbare Bonitätsstandard explizit gleichgeblieben sein soll.87

81 Vgl. nur §§ 931(4), 939C, 939D, 939H Dodd–Frank Act – sämtlich zielend auf Interessenskonflikte der Rating-Agenturen. 82 Siehe noch allgemein § 31 II 1 a) bb). 83 Dazu noch § 17 I 4 b) bb). 84 Siehe oben I 1 c) bb). 85 Office of the Comptroller of the Currency, Final Rule vom 4. Juni 2012, 77 FR 35253, 35254: „These final rules remove references to credit ratings provided by NRSROs and instead generally require national banks and Federal savings associations to make assessments of a security’s creditworthiness, similar to the assessments currently required for the purchase of unrated securities“ (meine Hervorhebung); Office of the Comptroller of the Currency, Treasury (OCC), „Guidance on Due Diligence Requirements in Determining Whether Securities Are Eligible for Investment“ (Final guidance) vom 4. Juni 2012, 77 FR 35259, 36260 (13. Juni 2012). 86 Office of the Comptroller of the Currency, Final Rule vom 4. Juni 2012, 77 FR 35253, 35254: „external credit ratings and assessments remain valuable sources of information and provide national banks with a standardized credit risk indicator“; dass., Guidance vom 4. Juni 2012, 77 FR 35259, 35261: „This may include consideration of […] third party research and analytics including external credit ratings“, „analytical support may be delegated to third parties“. 87 Office of the Comptroller of the Currency, Final Rule vom 4. Juni 2012, 77 FR 35253, 35254: „The OCC believes that the proposed ‚investment grade‘ standard and the due diligence required to meet it are consistent with those under prior ratings-based standards and existing due diligence requirements and guidance“ und „[t]he OCC does not intend for the elimination of references to credit ratings, in accordance with the Dodd–Frank Act, to change substantively the standards national banks must follow when deciding whether a security is ‚investment grade‘ …“; ebenso dass., Guidance vom 4. Juni 2012, 77 FR 35259, 35260.

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cc) Ergebnis: Primär formelle Umgestaltung der Regelung Man wird daher im Ergebnis davon ausgehen können, dass sich die einschlägige U.S.-amerikanische Regulierung im Jahre 2013 primär in der Form, aber kaum in der Sache geändert haben dürfte, weil das „investment grade“ in der Praxis auch künftig in enger Anlehnung an die Ratingeinstufungen der Rating-Agenturen erfolgen wird.

2. Deutsches Recht: Beschränkte ratingbasierte Vorgaben für Investitionen bestimmter Spezialbanken in Fremdkapitaltitel Im Gegensatz zur Situation in den U.S.A. überlässt das deutsche Bankrecht es im Grundsatz der freien unternehmerischen Entscheidung der Kreditinstitute, welche Bankgeschäfte sie vornehmen wollen,88 und kennt daher keine flächendeckenden Anlagevorschriften. Soweit bestimmte, einer erhöhten Regulierungsintensität bedürftige Bankentypen betroffen sind, setzt allerdings auch das deutsche Recht als Teil dieser Sonderaufsicht begrenzte Investitionsvorgaben ein, und bedient sich dabei in jüngerer Zeit auch der Regulierungsfunktion des Ratings. Anders als im U.S.-amerikanischen Bankenaufsichtsrecht bezwecken die Mindestratingvorgaben hier nicht spezifisch die Verhinderung eines missbilligten Verhaltens des Kreditinstituts (der „Spekulation“), sondern allgemein die Erhaltung des zweckgebundenen Vermögens der Bank zugunsten der Gläubiger.89 a) Investitionen von Bausparkassen in Schuldverschreibungen mit „investment grade“-Rating (§ 4 Abs. 3 Nr. 5 BausparkG) Da der Geschäftsbetrieb der Bausparkassen auf das Bauspargeschäft ausgerichtet ist90 und ihr Vermögen der Zweckgemeinschaft der Bausparer dienen soll,91 wird der Betrieb sonstiger Geschäfte durch das Gesetz engen Grenzen unterworfen.92 Bei der Anlage verfügbaren Geldes werden Bausparkassen daher vorrangig auf Schuldverschreibungen katalogartig aufgezählter, „sicherer“ Emittenten (nämlich der öffentlichen Hand sowie geeigneter Kreditinstitute) verwiesen, neben denen § 4 Abs. 3 Nr. 5 BausparkG allerdings auch die Investition in „andere“, an einer Börse zugelassene Schuldverschreibungen (also namentlich Unternehmensanleihen93) gestattet. Obgleich der Gesetzeswortlaut außer der Zulassung an ei88 Brocker, in: Derleder/Knops/Bamberger, § 65 Rn. 11; Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 3 Rn. 13a: „Gewerbefreiheit“; Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 127 Rn. 12. Beschränkte Verbote statuiert § 3 KWG. 89 Vgl. Rümker/Winterfeld, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 124 Rn. 54. 90 § 1 BausparkG. 91 Rümker/Winterfeld, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 124 Rn. 58 ff.; Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 4 BSpkG Anm. 17. 92 § 4 BausparkG; vgl. Schäfer/Cirpka/Zehnder, § 4 BSpkG Anm. 1. 93 Dagegen sollen Verbriefungen („Residential Mortgage und Asset Backed Securities“) und strukturierte Schuldverschreibungen mit derivativen Elementen nach Ansicht der BaFin nicht unter § 4 Abs. 3 Nr. 5 BausparkG fallen (BaFin, Schreiben vom 16.11.2005, Geschäftsz. BA 2 – 21.00 –

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nem organisierten Markt94 – die als solche heute keine Bonitätsprüfung mehr involviert95 – keine weitere Anforderungen an die Anleihe stellt, verlangt die BaFin als zuständige Aufsichtsbehörde im Wege der „konkretisierenden Auslegung“ eine „ausgeprägte persönliche und wirtschaftliche Fähigkeit des Emittenten zur Bedienung der Anleihe beziehungsweise die besondere, der Sicherheit dienende Ausgestaltung der Anleihe.“ Diese hält sie in der Regel bei einem Rating mit „investment grade“ durch eine anerkannte Rating-Agentur für substantiiert gegeben.96 Wie sich aus der beispielhaften Nennung der großen Rating-Agenturen Standard & Poor’s und Moody’s erschließt, wird dabei keine formelle behördliche Anerkennung verlangt, sondern vielmehr an die Anerkennung der Agentur am Markt angeknüpft.97

b) Deckungsstockfähigkeit ausländischer öffentlicher Schuldverschreibungen nach § 4 Abs. 1 PfandBG Auch in das deutsche Pfandbriefrecht wurden im Jahre 2009 – also unter dem unmittelbaren Eindruck der Finanzkrise98 – erstmals Ratingbezugnahmen aufgenommen. Dort schreibt § 4 Abs. 1 Satz 1 PfandBG vor, dass der Barwert der eingetragenen Deckungswerte den Barwert der umlaufenden Pfandbriefe jederzeit um 2% übersteigen muss (sog. sichernde Überdeckung). Soweit die Deckung dabei in öffentlichen Schuldverschreibungen, die nicht durch einen EWR-Staat,99 sondern durch die Schweiz, die U.S.A., Kanada oder Japan emittiert wurden, oder aber in einem Guthaben bei einem Kreditinstitut in einem der vorgenannten Staaten besteht, reicht sie für Zwecke der sichernden Überdeckung nunmehr nur noch unter der Voraussetzung aus, dass der nicht-europäische Staat bzw. das Kreditinstitut über ein Rating der Bonitätsstufe 1 nach Tabelle 1 des Art. 114 Abs. 2 EU-CRR100

Für94die Geldanlage von Bausparkassen geeignete „andere Schuldverschreibungen“ im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 5 BSpKG, Tz. 2, 3), obgleich es sich dabei rechtlich überwiegend um „Schuldverschreibungen“ handeln dürfte – angesichts der besonderen Risikostruktur komplexer Finanzinstrumente (siehe dazu noch § 10) wird man dem mit Blick auf den Schutzzweck der Norm zuzustimmen haben. 94 In Bezug genommen wird die diesbezügliche Definition des § 2 Abs. 5 WpHG. 95 Siehe dazu noch § 8 II 5. 96 BaFin, Schreiben vom 16.11.2005, Tz. 1 mit dem Hinweis „z.B. Moody’s: mindestens Baa3; S&P: mindestens BBB–“. 97 Kritisch zur fehlenden Definition der „anerkannten Rating-Agentur“ Richter, WM 2008, 960, 961. 98 Freilich stammten die Vorarbeiten zur Neufassung des PfandBG (die z.T. noch der Umsetzung der EG-Bankenrichtlinie diente) bereits aus der Zeit vor der Finanzkrise; dies mag erklären, warum der Inhalt der Neuregelung von den jüngeren Bestrebungen zur Reduktion legislativer Ratingbezugnahmen unberührt blieb. 99 Vgl. zu den zunehmenden Zweifeln, ob das bedingungslose Vertrauen in die Bonität von Forderungen gegen EWR-Staaten weiterhin gerechtfertigt ist, Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Hagen, 21. Kap. Rn. 17. 100 So die seit dem 1. Januar 2014 geltende Fassung der Vorschrift; die zuvor geltende Fassung hatte auf die EG-Bankenrichtlinie verwiesen.

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verfügt.101 Welche Ratingeinstufung damit erforderlich ist, hängt von der aufsichtsrechtlichen Zuordnung (sog. „mapping“) ab, die bislang durch die nationalen Aufsichtsbehörden vorgenommen, künftig jedoch unionsweit einheitlich durch die EU-Kommission erfolgen wird.102 In Deutschland verlangt die BaFin insoweit ein Rating von mindestens „AA–“ einer anerkannten Rating-Agentur.103 Die klassische „investment grade“-Schwelle wurde für die Zwecke der sichernden Überdeckung von Pfandbriefen, die als zentrales Sicherheitsmerkmal des Pfandbriefs angesehen wird,104 also für nicht ausreichend erachtet.

II. Die Sicherung der Liquidität von Banken und anderen Finanzinstituten Neben Kredit- und Marktrisiken, die man primär durch Eigenmittelanforderungen abzufedern versucht,105 kommt für Banken wie auch andere Finanzinstitute vor allem dem Liquiditätsrisiko zentrale Bedeutung zu,106 also der Gefahr, dass das Finanzinstitut fällige Verpflichtungen infolge mangelnder flüssiger (liquider) Mittel nicht erfüllen kann.107 Die Liquidität einer Bank darf dabei nicht mit ihrer Solvenz gleichgesetzt werden, sondern ist im Ausgangspunkt von dieser unabhängig – ein Liquiditätsengpass kann auftreten, obgleich die Kreditwürdigkeit des Instituts einwandfrei ist,108 und dadurch zu einem Vertrauensverlust unter den Gläubigern109 wie auch einer Gefährdung der Stabilität des Finanzsystems insgesamt führen.110 Letzteres wurde etwa im Rahmen der globalen Fi101 § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 3 PfandBG. Zur erforderlichen Deckung Öffentlicher Pfandbriefe enthält § 20 Abs. 1 Nr. 1 lit. d, e PfandBG Regelungen, die inhaltlich § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 PfandBG entsprechen. Skeptisch zur regulatorischen Verwendung von Ratings in diesem Bereich Stürner, ZHR 173 (2009), 363, 376. 102 Die EU-Kommission wird die betreffenden „technischen Durchführungsstandards“ nach Vorarbeiten der europäischen Aufsichtsbehörden EBA, EIOPA und ESMA erlassen; vgl. dazu Art. 136 EU-CRR. 103 BaFin, Liste der für die bankaufsichtliche Risikogewichtung anerkannten Ratingagenturen samt Mapping vom 14. Aug. 2009, sub. III 1 a). 104 Vgl. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.135; Smola, PfandBG, § 4 Rn. 1; Stöcker, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 87 Rn. 16, 19; Rümker/Winterfeld, a.a.O., § 124 Rn. 54, 57. 105 Dazu bereits in § 6. 106 Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Jan. 2002, § 11 KWG Rn. 24; Boos/Fischer/ Schulte-Mattler/Boos, § 11 KWG Rn. 1; Schneider, WPg 2010, 269, 274. 107 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Zeranski, Vorbem. LiqV Rn. 6; Kolassa, in: Schimansky/ Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 137 Rn. 5. 108 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Verbesserung der Transparenz im Bankwesen (Sept. 1998), S. 13; Fischer/Klanten/Fischer, Rn. 2.350; Schneider, WPg 2010, 269, 274: „Lehrsätze, wonach die Liquidität nur ein Spiegelbild der Bonität ist und somit immer der Bonität folgt, gelten eben doch nur unter den Bedingungen funktionierender Geld- und Kapitalmärkte“. 109 Beck/Samm/Kokemoor/Kokemoor, Stand: Jan. 2002, § 11 KWG Rn. 4. 110 Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, Sachgerechte Methoden für die Steuerung der Liquidität in Bankinstituten (Feb. 2000), Tz. 1; Zeitler, WM 2001, 1397.

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nanzkrise 2007–09 deutlich, die nicht als Bonitäts-, sondern als Liquiditätskrise begann.111 Sind danach Liquidität und Bonität also streng zu unterscheiden, so mag überraschen, dass das geltende Recht dem Rating in seiner Regulierungsfunktion gleichwohl auch dort eine entscheidende Rolle zuweist, wo es um die rechtliche Bewältigung von Liquiditätsrisiken geht.112 Daneben blicken auch die RatingAgenturen selbst bei der Erstellung von Emittentenratings auf die Liquidität der bewerteten Unternehmen,113 die dabei jedoch lediglich als ein Faktor in die Bonitätsbeurteilung einfließt und im veröffentlichten Rating als Marktinformation daher nicht gesondert ausgewiesen wird.

1. Präventive Anforderungen an die Bankenliquidität Vor dem beschriebenen Hintergrund stellen sowohl das deutsche wie das schweizerische Recht gesetzliche Liquiditätsanforderungen an Kreditinstitute auf, die bereits präventiv dem Entstehen von Liquiditätsengpässen vorbeugen sollen.114 Auch das Bankenaufsichtsrecht Hongkongs, das sich im Allgemeinen mit einer geringen Regelungsdichte begnügt,115 unterwirft die Bankenliquidität detaillierten Anforderungen, seit in der Vergangenheit mehrere Hongkonger Kreditinstitute infolge fehlender Liquidität zusammengebrochen waren116 – es handelt sich hier also um ein weiteres Beispiel für die (weltweit anzutreffende) kriseninduzierte Gesetzgebung im Banken- und Kapitalmarktrecht,117 zu der sich schließlich auch die Liquiditätsanforderungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht118 zählen lassen, durch die im Nachgang zur globalen Finanzkrise im Zuge der „Basel III“-Reformen erstmals international koordinierte Liquiditätsvorgaben eingeführt werden sollen.

111 Vgl. Fischer/Klanten/Fischer, Rn. 2.350; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 537; Hunt, 68 Wash. & Lee L. Rev. (2011), 1667, 1672; Manns/Schulte-Mattler, WM 2010, 1577, 1582. 112 Siehe dazu sogleich unter 1.–3. 113 Neuere empirische Untersuchungen weisen freilich darauf hin, dass Rating-Agenturen Liquiditätsrisiken in diesem Zusammenhang möglicherweise unterschätzen; vgl. Gopalan/Songy/ Yerramilli, Do Credit Rating Agencies Underestimate Liquidity Risk?, Working Paper vom 8. Feb. 2010. 114 Vgl. Bodmer/Kleiner/Lutz/Lutz, Stand: Nov. 1990, Art. 4 BankG Rn. 11d mit dem Hinweis, dass entsprechende Gesetzesregelungen in den 1990er Jahren im weltweiten Vergleich noch ganz ungewöhnlich waren. Zu den liquiditätsbezogenen Vorgaben der deutschen MaRisk vgl. Schneider, WPg 2010, 269, 273 ff. 115 Siehe § 1 III 1 d). 116 Vgl. Hsu, Laws of Banking, S. 209. 117 Norton/Arner, Hong Kong SAR: Financial Regulation, S. 255; dazu zudem Fleischer, in FS Priester (2007), 75 ff. 118 Basel III – Liquiditätsanforderungen (Jan. 2013). Zum Basler Ausschuss bereits § 6 II 1 a).

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a) Hohe Ratingeinstufung als Indikator der kurzfristigen Liquidierbarkeit von Schuldverschreibungen Die verschiedenen Regelungen greifen in diesem Zusammenhang in unterschiedlichem Maße auf Ratings zurück: In Hongkong, wo alle zum Einlagengeschäft zugelassenen Kreditinstitute über eine durchschnittliche monatliche Liquiditätsquote von mindestens 25% verfügen müssen,119 werden bei der Berechnung dieser Quote, die sich nach dem Verhältnis kurzfristig liquidierbarer Vermögenswerte zu kurzfristigen (binnen eines Monats fälligen) Verbindlichkeiten bemisst, alle Schuldverschreibungen als „kurzfristig liquidierbar“120 angesehen, die über ein Mindestrating von „A3“ (Moody’s) oder „A–“ (Standard & Poor’s) verfügen.121 Das Schweizer Recht, das ständig liquide Aktiva der Bank im Umfang von sogar 33% der kurzfristigen Verbindlichkeiten verlangt,122 verfährt ganz ähnlich: Es lässt „Werte, welche die Nationalbank für geldpolitische Repogeschäfte zulässt“, zum Buchwert als liquide Aktiven gelten,123 worin – da die Schweizer Nationalbank ihrerseits die Repofähigkeit von Schuldverschreibungen von einem „Single-A“-Mindestrating abhängig macht124 – eine mittelbare Ratingbezugnahme liegt. Dieses Mindestrating wirkt sich bei eigenen Schuldverschreibungen der Bank, nicht börsennotierten (OTC-)Anleihen und Schuldverschreibungen der meisten ausländischen Schuldner (einschließlich strukturierter Finanzinstrumente,125 da diese typischerweise von ausländischen Zweckgesellschaften emittiert werden) auf die Liquiditätsquote der Bank aus126 und betrifft damit eine Gruppe von Anleihen, der am schweizerischen Kapitalmarkt eine erhebliche Bedeutung zukommt. Das geplante „Basel III“-Liquiditätsregime schreibt Banken schließlich einen Bestand an „High Quality Liquid Assets“ (HQLA) vor, die auch in Stressphasen an den Märkten liquide sein müssen,127 also ohne Weiteres und unverzüglich flüssig gemacht werden können, und zwar ohne oder mit nur geringer Werteinbuße.128 Bei der Einstufung von Wertpapieren als HQLA wird

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§ 102(1) Banking Ordinance (Cap. 155). Zur zentralen Bedeutung des Begriffs „liquefiable“ vgl. Tokley, Banking Law, Stand: Issue 0, Kap. II Rn. 905–950. 121 Schedule 4 zur Banking Ordinance, die zudem ein äquivalentes Rating einer sonstigen, durch die HKMA als gleichwertig anerkannten Rating-Agentur genügen lässt. Hsu/Arner/Tse/ Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 3.208 merken an, dass die einschlägigen Regeln – für Hongkong ungewöhnlich – stark durch U.S.-amerikanische Vorbilder geprägt sind. 122 Art. 4 Abs. 2 BankG i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BankV. Die „kurzfristigen Verbindlichkeiten“ werden in Art. 17 BankV näher definiert. 123 Art. 16 Abs. 1 lit. b BankV. 124 Siehe dazu noch unten II 3 a) aa). 125 Vgl. noch näher § 10. 126 Dies erschließt sich mittelbar daraus, dass verschiedene andere Schuldverschreibungen durch Art. 16 Abs. 1 lit. c, e und f BankV schon unabhängig von ihrem Rating als liquide eingeordnet werden. 127 Basel III – Liquiditätsanforderungen (Jan. 2013), Tz. 23 mit der zusätzlichen Maßgabe, dass solche Aktiva „im Idealfall notenbankfähig sein“ sollten. 128 So Basel III – Liquiditätsanforderungen (Jan. 2013), Tz. 27. 120

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sodann maßgeblich auf deren Ratings abgestellt,129 neben denen allerdings noch eine Reihe anderer Faktoren (wie namentlich der Umstand, dass sie an großen, tiefen und aktiven Repo- oder Kassamärkten mit einem geringen Konzentrationsgrad gehandelt werden130) eine Rolle spielen; es wird hier also nicht unmittelbar von einem hohen Rating auf eine hohe Liquidität geschlossen. Die Liquiditätsvorgaben des deutschen Rechts131 sind demgegenüber in der Ratingverwendung nochmals zurückhaltender, knüpfen punktuell aber ebenfalls an das Rating bestimmter Bankaktiva an.132 b) Bewertung Das Hongkonger und Schweizer Recht, die Liquiditätsanforderungen in „Basel III“ und auch das deutsche Recht verwenden das Rating nach alledem also (in freilich unterschiedlichem Umfang) als Liquiditätsindikator und unterstellen damit, dass mit einer hohen Bonität einer Anleihe auch deren kurzfristige und preisbeständige Veräußerbarkeit am Markt einhergeht. Letzterer Schluss mag u.U. auf Erfahrungen an den betroffenen Finanzmärkten gestützt werden können,133 wenngleich Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung darauf hindeuten, dass Faktoren wie das Gesamtvolumen einer Emission diesbezüglich weit aussagekräftiger sind.134 Er wird jedenfalls nicht durch das Rating selbst nahe gelegt, das zur Liquidierbarkeit eines gerateten Finanzinstruments seinerseits – wie zutreffend betont wird – keinerlei Aussage trifft.135 Deutlich wird dies etwa am Beispiel deutscher Pfandbriefe, die häufig eine hohe Bonität aufweisen, aber nicht notwendigerweise auch über einen hoch liquiden Sekundärmarkt verfügen.136 129 Vgl. Basel III – Liquiditätsanforderungen (Jan. 2013), Tz. 52 lit. b (Unternehmensanleihen (einschließlich Commercial Paper) und gedeckte Schuldverschreibungen), Tz. 54 lit. a (mit Wohnimmobilien unterlegte Wertpapiere (RMBS)), Tz. 54 lit. b (Unternehmensschuldtitel). 130 Basel III – Liquiditätsanforderungen (Jan. 2013), Tz. 52 lit. b, 54 lit. a, b. 131 § 11 Abs. 1 KWG i.V.m. der Liquiditätsverordnung (LiqV). 132 § 3 Abs. 1 Nr. 6 LiqV ordnet nämlich solche Vermögensgegenstände als täglich oder in bis zu einem Monat verfügbar (Laufzeitband 1) ein, die von der EZB als refinanzierungsfähige Sicherheiten anerkannt werden, was wiederum – noch unten II 3 a) aa) zu erörtern – von einem Mindestrating abhängt (Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber/Weber, § 3 LiqV Rn. 17). Es handelt sich also um eine dem Schweizer Recht vergleichbare, mittelbare Ratingbezugnahme, die freilich einen deutlich geringeren Anwendungsbereich besitzt. 133 In diesem Sinne zum deutschen Sekundärmarkt etwa Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 79; a.A. Schneider, WPg 2010, 269, 274. Empirische Befunde sind bestenfalls gemischt: So ermittelten Hand/Holthausen/Leftwich, 47 J. Fin. (1992), 733, 736, dass der Markt für „non-investment grade“-Anleihen deutlich liquider war als für „investment grade“-Papiere. 134 Vgl. etwa Houweling/Mentink/Vorst, 29 J. Banking & Fin. (2005), 1331 ff. 135 Amtenbrink/de Haan, CML Rev. 2009, 1919, 1918; Avgouleas, ECFR 2009, 440, 456; Berblinger, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 21, 51; Parker/Bake, 24 B.J.I.B. & F.L. (2009), 401, 402; Portes, Rating agency reform, S. 145, 146; Sy, IMF Working Paper 09/129, S. 15: „… seem to have assumed quite wrongly that a rating carried an inference for liquidity and market stability, rather than solely for credit risk“. 136 Berblinger, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 21, 51.

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Die Gefahr, die aus einem solchen Missverständnis über den Aussagegehalt eines Ratings erwachsen kann, wurde beim Ausbruch der globalen Finanzkrise 2007–09 deutlich, als die Mehrzahl der Marktteilnehmer eben diesem Missverständnis unterlag: Das schnell um sich greifende Misstrauen gegenüber strukturierten Finanzprodukten hatte zur Folge, dass der Markt vollständig „austrocknete“ und selbst komplexe Finanzinstrumente mit einem hervorragenden Rating nicht mehr veräußert werden konnten.137 Da ein Rating eine Bonitätsund keine Liquiditätsbeurteilung darstellt, sollte es folglich auch in seiner Regulierungsfunktion nicht als Liquiditätsindikator eingesetzt werden138 – dass die untersuchten Rechtsordnungen es gleichwohl unabhängig voneinander in diesem Sinne verwenden, mag letztlich auf ihre Eigenschaft als verständlich codierte Informationen zurückzuführen sein, die sich dadurch unproblematisch als Tatbestandsmerkmale in Rechtsregeln aufnehmen lassen.

Im Ergebnis stellt der Einsatz von Ratingbezugnahmen zur Regulierung von Liquiditätsrisiken daher eine im Rechtsvergleich verbreitet anzutreffende regulatorische Fehlverwendung dar. Sie tritt neben die strukturell ähnliche Verwendung von Ratings zur Messung anderer, ebenfalls bonitätsfremder Risiken (wie namentlich des allgemeinen Markt- und des Volatilitätsrisikos),139 die in ihrer Gesamtheit eine der wesentlichen Schwachpunkte der Regulierungsfunktion des Ratings im geltenden Recht ausmachen.140

2. Präventive Anforderungen an die Liquidität anderer Finanzinstitute a) Die U.S.-amerikanische „net capital rule“ für broker-dealer Bis zum Jahre 2014141 fungierten Ratings auch im U.S.-amerikanischen Recht als Teil einer wichtigen Liquiditätsregelung, die jedoch keine Banken im engeren Sinne, sondern sog. broker-dealer betrifft. Dieser Begriff bezeichnet Wertpapierfirmen, die sowohl An- und Verkäufe von Wertpapieren für fremde Rechnung (d.h. als broker oder Makler) als auch für eigene Rechnung (als dealer oder Händler) tätigen.142 Sie betreiben damit Geschäfte, die funktionell denjenigen von Investmentbanken gleichen143 und fallen vor dem Hintergrund des Trennbanken137 CEBS, Second Part of CEBS’s Technical Advice to the European Commission on Liquidity Risk Management vom 18. Sept. 2008, Tz. 28. 138 IOSCO, Role of Credit Rating Agencies in Structured Finance Markets (May 2008), S. 3: „Regulators may need to revise policies that equate low default risk with low volatility and liquidity risk …“. 139 Dazu zusammenfassend § 17 III 2. 140 Siehe noch § 31 II 1 b). 141 Siehe zur Beseitigung der ausdrücklichen Ratingbezugnahmen der „net capital rule“ in Umsetzung des Dodd–Frank Acts unter cc). 142 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 101; Cox/Hillman/Langevoort, Securities Regulation, S. 1024; Hazen, Law of Securities Regulation, § 14.4[1][A]. 143 Poser/Fanto, Broker-Dealer Law and Regulation, Stand: 2009 Supplement, § 1.01: „… are investment bankers with all that this designation entails“; Weiss, Registration and Regulation of Brokers and Dealers, S. 57. Die bis zur globalen Finanzkrise bestehenden großen Wall Street-Investmentbanken (Bear Stearns, Goldman Sachs, Lehman Brothers, Merrill Lynch und Morgan Stanley)

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systems der U.S.A.144 daher unter die Aufsicht der SEC, die den broker-dealern einen wesentlichen Teil ihrer Regulierungsaktivitäten widmet.145 aa) Die „net capital rule“ als ratingbasierte Liquiditätsregelung (bis 2014) Ein offensichtlicher Regulierungsbedarf ergibt sich dabei daraus, dass brokerdealer gleichzeitig auf zwei unterschiedlichen, potentiell inkompatiblen Geschäftsfeldern tätig sind: Da sie zum einen Kundengelder und -wertpapiere verwahren, zum anderen aber als Eigengeschäft (und – anders als Geschäftsbanken – zulässigerweise) spekulative Investitionen am Kapitalmarkt tätigen, besteht die immanente Gefahr, dass durch etwaige Fehlinvestitionen Kundenvermögen verloren geht.146 Das Gesetz verlangt daher zum Schutz der Kunden und der Öffentlichkeit im Allgemeinen147 eine ausreichende finanzielle Ausstattung von brokerdealern, die auf untergesetzlicher Ebene durch die sog. „net capital rule“ sichergestellt wird.148 Diese, in ihrer geltenden Form im Jahre 1975 erlassene149 und für ihre außerordentliche Komplexität berüchtigte Regelung150 schreibt dabei im Kern vor, dass die Gesamtverbindlichkeiten eines broker-dealers zu keinem Zeitpunkt das 15fache seines verfügbaren Kapitals (net capital) übersteigen dürfen151 – es handelt sich also um eine Verhältnisregel, die funktionell den Eigenmittelvorgaben zur Sicherung der Bankensolvenz ähnelt.152 Während das rechtstechnische Instrument der Eigenmittelanforderung im internationalen Vergleich aber – wie bereits gezeigt153 – ganz überwiegend zur Absicherung von Kredit- und Marktrisiken eingesetzt wird, handelt es sich bei der 144 unterfielen nur deshalb nicht der Regulierung für broker-dealer, weil die SEC sie einem gesonderten Regelungsregime (für sog. Consolidated Supervised Entities) unterstellt hatte; vgl. Hunt, 60 S. C. L. Rev. (2009), 749, 767 ff. 144 Dazu schon oben I 1 a). 145 Hazen, Law of Securities Regulation, § 14.1[3][B]. 146 Molinari/Kibler, 72 Geo. L.J. (1983), 1, 5. 147 Touche Ross & Co. v. Redington, 18.6.1979, 442 U.S. 560, 570 (1979); Blaise D’Antoni & Associates, Inc. v. SEC, 20.4.1961, 289 F.2d 276, 277 (5th Cir. 1961); Markham/Hazen, Broker-Dealer Operations, Stand: Release 3 (10/1997), § 5.01. 148 Rule 15c3–1 unter dem Securities Exchange Act of 1934 (17 C.F.R. § 240.15c3–1). Dazu Blaise D’Antoni & Associates, Inc. v. SEC, 20.4.1961, 289 F.2d 276, 277 (5th Cir. 1961): „one of the most important weapons in the Commission’s arsenal to protect investors“. 149 Erlass der einheitlich auf alle broker-dealer anwendbaren „uniform net capital rule“ durch SEC Release 34–11497 „Adoption of Amendments to Rule 15c3–1 and Adoption of an Alternative Net Capital Requirement for Certain Brokers and Dealers“ vom 26. Juni 1975, 40 FR 29795 ff. (16. Juli 1975), 7 SEC Dock. (1975), 241 ff. Vorgängerregelungen ohne Ratingbezugnahmen hatte es bereits seit 1942 gegeben; vgl. Hazen, Law of Securities Regulation, § 14.8[1]. 150 Cox/Hillman/Langevoort, Securities Regulation, S. 1077: „extremely complicated“; ebenso Markham/Hazen, Broker-Dealer Operations, Stand: Release 3 (10/1997), § 5.01; Poser/Fanto, Broker-Dealer Law and Regulation, Stand: 2009 Supplement, § 12.02[A][1]: „the longest and probably the most complex rule in the entire SEC rulebook“. 151 Rule 15c3–1(a)(1)(i) (17 C.F.R. § 240.15c3–1(a)(1)(i)). 152 Markham/Hazen, Broker-Dealer Operations, Stand: Release 3 (10/1997), § 5.02; Pittman, 64 Notre Dame L. Rev. (1989), 497, 513 Fn. 78. Siehe dazu bereits in § 6. 153 Siehe § 6.

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„net capital rule“ nicht um eine Solvenz-, sondern eine Liquiditätsregelung.154 Sie soll also sicherstellen, dass der broker-dealer über ausreichend liquide Vermögenswerte verfügt, um fällige Verbindlichkeiten (darunter vor allem Forderungen seiner Kunden) stets erfüllen zu können.155 Bei der hierzu notwendigen Berechnung des verfügbaren Kapitals ist ein Abschlag vom Kurswert der Wertpapiere vorgeschrieben, die sich im Portfolio des broker-dealers befinden (sog. „haircut“), der damit zu einem Sicherheitspolster gegen allfällige Kursschwankungen führt.156 Der Umfang dieses „haircuts“ wurde nun bis zum Jahr 2014 entscheidend vom Rating des betreffenden Wertpapiers abhängig gemacht, indem er deutlich geringer angesetzt wurde, wenn das Wertpapier durch mindestens zwei „Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (NRSROs) als „investment grade“ geratet war.157 Das Rating wurde daher in seiner Regulierungsfunktion auch hier als Indikator von Liquidität und Kursvolatilität158 (und nicht der Bonität) eingesetzt, was den bereits im Text159 erörterten Bedenken begegnete. Da die „net capital rule“ im Ergebnis den zulässigen Geschäftsumfang (leverage) des broker-dealers bestimmt,160 schaffte die darin enthaltende ratingbasierte Privilegierung davon 154 SEC Release 34–10525 „Notice of Revision of Amendments to Rule 15c3–1 under the Securities Exchange Act of 1934“ vom 29. Nov. 1973, 3 SEC Dock. (1973), 103, 104; SEC Release 34– 11497 vom 26. Juni 1975, 7 SEC Dock. (1975), 241, 244 f.; Touche Ross & Co. v. Redington, 18.6.1979, 442 U.S. 560, 570 Fn. 10 (1979); Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 855; dies., Securities Regulation, S. 3153; Molinari/Kibler, 72 Geo. L.J. (1983), 1, 5; Poser/Fanto, Broker-Dealer Law and Regulation, Stand: 2009 Supplement, § 12.01; Weiss, Registration and Regulation of Brokers and Dealers, S. 58. Zurückhaltender Wolfson/Phillips/Russo, Regulation of Brokers, Dealers and Securities Markets, § 6.01 Fn. 5: Liquidität als „basic although not exclusive concept“ der Regelung. 155 SEC Release 34–64352 „Removal of Certain References to Credit Ratings Under the Securities Act of 1934“ (Proposed rule) vom 27. Apr. 2011, 76 FR 26550, 26552 (6. Mai 2011): „Consequently, if the broker-dealer experiences financial difficulty, it should be in a position to meet all obligations to customers and counterparties and generate resources to wind-down its operations in an orderly manner without the need of a formal proceeding“; Touche Ross & Co. v. Redington, 18.6.1979, 442 U.S. 560, 570 Fn. 10 (1979); Molinari/Kibler, 72 Geo. L.J. (1983), 1, 18. 156 Hazen, Law of Securities Regulation, § 14.8[1]; Poser/Fanto, Broker-Dealer Law and Regulation, Stand: 2009 Supplement, § 12.02[A]; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 335. 157 § 17 C.F.R. § 15c3–1(c)(2)(vi)(E) (für Commercial Paper), § 17 C.F.R. § 15c3–1(c)(2)(vi)(F) (1), (2) (für Nonconvertible Debt Securities), § 17 C.F.R. § 15c3–1(c)(2)(vi)(G) (für Debt Securities, sofern geratet), § 17 C.F.R. § 15c3–1(c)(2)(vi)(H) (für Preferred Stock) (jeweils in der bis zum 6. Juli 2014 geltenden Fassung). 158 SEC Release 34–58070 „References to Ratings of National Recognized Statistical Rating Organizations“ vom 1. Juli 2008, 73 FR 40088, 40092 (11. Juli 2008): „We apply a lower haircut to certain types of securities held by a broker-dealer that were rated investment grade by a credit rating agency of national repute since those securities typically were more liquid and less volatile in price than securities that were not so highly rated“; SEC Release 34–64352 vom 27. Apr. 2011, 76 FR 26550, 26552; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 335 (unter Hinweis auf empirische Erkenntnisse); Wolfson/Phillips/Russo, Regulation of Brokers, Dealers and Securities Markets, § 6.05[5][b][ii]. 159 Oben II 1. 160 Molinari/Kibler, 72 Geo. L.J. (1983), 1, 26.

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unabhängig jedenfalls einen erheblichen Anreiz, in Papiere mit einem ausreichend hohen Rating zu investieren. Auf diese Weise erhöhte sich mittelbar die Bedeutung der Ratingeinstufung für die Emittenten.161

bb) Auswirkungen auf die Regulierungsfunktion des Ratings im Allgemeinen Der ausdrücklich ratingbasierten „net capital rule“ kam schon aufgrund der wichtigen Rolle der broker-dealer im U.S.-amerikanischen Finanzsystem eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zu. Ihre Einführung im Jahre 1975 wird aber darüber hinaus weithin als entscheidender Entwicklungsschritt für die Regulierungsfunktion des Ratings im Allgemeinen eingeordnet;162 für Vertreter der bereits erörterten „regulatory license“-Theorie163 stellte sie denjenigen Moment dar, an dem die originäre Marktinformationsfunktion des Ratings vollständig durch dessen Regulierungsfunktion verdrängt wurde.164 (1) Schaffung der Kategorie der „Nationally Recognized Statistical Rating Organization“ (NRSRO) In der Tat verdient die „net capital rule“ über den Bereich der Liquiditätsanforderungen an Finanzinstitute hinaus Beachtung, weil darin erstmals der Kreis derjenigen Rating-Agenturen benannt (und damit zugleich abgrenzt) wurde, deren Ratings für den Zweck der Regelung maßgeblich sein sollten: Während U.S.amerikanische Aufsichtsbehörden nämlich bis zu diesem Zeitpunkt lediglich ganz unbestimmte Umschreibungen für die in Bezug genommenen Bonitätsbeurteilungen verwandt hatten, prägte die „net capital rule“ den Begriff der „nationally recognized statistical rating organizations“, auf deren Ratingeinstufungen es ankommen sollte. Sie schuf damit erstmals eine begrenzte Kategorie von Rating-Agenturen, die als für Zwecke einer bestimmten regulatorischen Bezugnahme akzeptiert galten, und trat damit dem Risiko entgegen, dass die Regulierungsadressaten sich zur Erfüllung der rechtlichen Anforderungen auf irgendwelche, von ihnen selbst frei gewählte private Anbieter und deren „Ratings“ stützen könnten165 – das Auftreten als „Rating-Agentur“ war schließlich damals 161 Sack/Juris, 238 NY L.J. (5. Nov. 2007). Hingegen kann keine Rede davon sein, dass die „net capital rule“ die Emittenten zur Beauftragung einer Rating-Agentur verpflichtet hätte (so aber – unzutreffend – Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1056). 162 Darcy, Colum. Bus. L. Rev. 2009, 605, 624: „the most significant development“; Frost, 22 J. Acc. Aud. & Fin. (2007), 469, 471; Millon, 60 Wash. & Lee L. Rev. (2003), 309, 313: „conferred quasi-public status upon three credit rating agencies“; Mulligan, 50 B.C. L. Rev. (2009), 1275, 1281; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 321; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 104; Sack/Juris, 238 NY L.J. (5. Nov. 2007): „cemented rating agencies’ role as arbiters of investment value“; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 49: „major change“. 163 Siehe bereits in § 5 III 1 a) bb). 164 Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 690; ders., in: Levich/Majnoni/Reinhart, Ratings, S. 65, 74. 165 Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 102 f.; White, 30 Regulation (Spring 2007), 48, 49.

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wie heute weder von einer staatlichen Zulassung noch sonstigen formellen Anforderungen abhängig.166 Der zu diesem Zweck benutzte Terminus der „nationally recognized statistical rating organization“ sollte dabei allerdings – und dies wird bis heute häufig verkannt – nicht etwa eine behördliche Anerkennung der betreffenden RatingAgenturen durch die SEC in einem entsprechenden formellen Verfahren aufgrund materieller Kriterien signalisieren, sondern bezog sich schlicht auf die bestehende Anerkennung bestimmter Rating-Agenturen am nationalen Markt.167 Die Regulierungsfunktion, die den Rating-Agenturen von der SEC zugewiesen wurde, knüpfe also allein daran an, ob die betreffende Agentur in ihrer Marktinformationsfunktion verbreitete Akzeptanz gefunden hatte. Es überrascht vor diesem Hintergrund nicht, dass die drei damals bestehenden, großen RatingAgenturen von vornherein als „nationally recognized“ eingeordnet wurden.168 Da die Frage, ob eine bestimmte Rating-Agentur am Markt hinreichend anerkannt ist, von dem einzelnen broker-dealer naturgemäß nicht immer sicher beurteilt werden konnte, reagierten die Sachbearbeiter der SEC auf entsprechende Anfragen ggfs. mit einem sog. „no action-letter“, in dem sie ankündigten, gegen den anfragenden broker-dealer keine Sanktionsmaßnahmen („no action“) einzuleiten, sofern dieser sich bei seiner Kapitalberechnung auf die Ratings der betreffenden Rating-Agentur stützt. Auf diese Weise war – gleichsam mittelbar, und rein deklaratorisch – festgestellt, dass die genannte Rating-Agentur am Markt „nationally recognized“ sei.169 Das beschriebene „no action-letter“-Verfahren, das zur bloßen deklaratorischen Bestätigung einer ausreichenden Marktanerkennung führte, zog berechtigte Kritik auf sich, als sich die Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen zunehmend ausweitete. Es wurde gleichwohl erst im Jahre 2006 durch den Credit Rating Agency Reform Act ersetzt, der erstmals ein originäres behördliches Anerkennungsverfahren schuf und dem – beibehaltenen – Begriff der Nationally Recognized Statistical Rating Organization (NRSRO) damit nunmehr die Bedeutung einer staatlichen Anerkennung zuwies.170

166 Innerhalb der EU hat sich dies in jüngster Zeit dadurch geändert, dass die EG-RatingVO (nach freilich umstrittener Auffassung) nunmehr jede öffentliche Ratingtätigkeit pauschal von einer staatlichen Zulassung abhängig macht; vgl. hierzu näher § 22 II 2. 167 Unzutreffend etwa Furchtgott-Roth/Hahn/Layne-Farrar, 3 J. Competition L. & Econ. (2007), 49, 79, die die Anerkennung als NRSRO als zwingende behördliche Prüfung missverstehen, die nunmehr jeder Ratingtätigkeit vorgeschaltet gewesen sei. 168 Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1076; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 321 f.; Richardson/White, in: Acharya/Richardson, Restoring Financial Stability, S. 101, 103. 169 SEC Release 33–7085, 34–34616, IC–20508 „Nationally Recognized Statistical Rating Organizations“ (Concept Release) vom 31. Aug. 1994, 59 FR 46314 ff. (7. Sept. 1994): „that the rating agency is in fact nationally recognized by the predominant users of ratings in the United States“. 170 Siehe zum Ganzen § 23 II 3.

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(2) Übernahme des „NRSRO“-Begriffs auch in andere ratingbasierte Regelungen Der mit der „net capital rule“ geschaffene Begriff der „NRSRO“ bezieht seine Bedeutung für das Ratingwesen im Allgemeinen aber vor allem daraus, dass er im Laufe der Zeit in zahlreiche andere U.S.-amerikanische Rechtsregeln übernommen wurde: „The term was not defined, but it caught on.“171 Was als lediglich momentbezogene Beschreibung einer weithin konsentierten Marktanerkennung gemeint war, wurde damit also als feststehender Rechtsbegriff verstanden und ermöglichte es in den Augen der diversen Regelsetzer damit, sich bei der Regelabfassung auf einen bereits definierten und mutmaßlich bewährten Terminus technicus stützen zu können. Dabei dürfte freilich nicht immer hinreichend beachtet worden sein, dass die Einordnung einer Rating-Agentur als „NRSRO“ eben ohne eigene inhaltliche Beurteilung durch die SEC erfolgte und der Begriff zudem nur für den spezifischen Gebrauch in der damaligen Liquiditätsregel für broker-dealer konzipiert worden war (und selbst für diesen nach hier vertretener Auffassung kaum taugte172): Es stand also weder fest, dass das Rating einer NRSRO auch in anderen Regelungszusammenhängen einen sachgerechten Bezugspunkt darstellte, noch wurde mit einer regulatorischen Indienstnahme von NRSRO-Ratings eine irgendwie geartete SEC-Zertifizierung bestimmter Rating-Agenturen als unabhängig oder zuverlässig genutzt.173 Gleichwohl fand die Bezugnahme auf „nationally recognized statistical rating organizations“ Eingang in eine Vielzahl sonstiger Rechtsregeln für die unterschiedlichsten Regelungszusammenhänge, die durch die SEC selbst174 oder andere Aufsichtsbehörden wie den Comptroller of the Currency,175 das Board of Federal Reserve,176 die Federal Deposit Insurance Corporation,177 die National Credit Union Administration,178 das Federal Housing Finance Board179 oder das Office of Postsecondary Education180 erlassen wurden. Aus rechtstheoretischer Perspektive bemerkenswert ist, dass sogar die U.S.-amerikanische Legislative in

171 U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 101. 172 Dazu schon oben II 2. 173 Verkannt etwa von Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 323. 174 So etwa in Rule 2a–7 unter dem Investment Company Act of 1940 („NRSRO means any nationally recognized statistical rating organization, as that term is used in paragraphs (c)(2)(vi)(E), (F) and (H) of Rule 15c3–1 under the Exchange Act“; vgl. näher § 12 II 3 a)); Rule 3a–7 unter dem Investment Company Act (dazu § 10 II 2). 175 So in den bereits oben unter I. erörterten Anlagevorschriften für Banken in ihrer bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung (12 C.F.R. § 1.2(d)) sowie a.a.O., (h): „NRSRO means a nationally recognized statistical rating organization“. 176 12 C.F.R. § 201.3(e) (2010) – Regulation A; 12 C.F.R. § 220.2 (1987) – Regulation T. 177 12 C.F.R. § 362.10(b). 178 12 C.F.R. § 704.6(d). 179 12 C.F.R. § 910.6 (1993) und 24 C.F.R. § 266.100(a)(1). 180 34 C.F.R. § 668.15 (1994).

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parlamentsgesetzlichen Vorschriften häufig auf diesen Terminus verwies,181 der durch die Exekutive geprägt und nie näher definiert worden war.182 Er hatte sich damit ebenso wie seine Abkürzung „NRSRO“ auf dem U.S.-amerikanischen Markt der Regelsetzer als gängiger Standard etabliert, bevor er – wie bereits angedeutet – im Jahre 2006 schließlich mit einem gesetzlich geregelten Anerkennungsverfahren unterlegt wurde.183 cc) Streichung ausdrücklicher Ratingbezugnahmen aus der „net capital rule“ infolge des Dodd–Frank Acts (2014) Infolge des generellen Überprüfungs- und Abschaffungspostulats des Dodd– Frank Acts184 geriet sodann auch die „net capital rule“ auf den Prüfstand. Die SEC stellte daher im Jahre 2011 einen Vorschlag zur Abschaffung der Ratingbezugnahmen der „net capital rule“185 zur Diskussion, der in seinem Grundansatz der im Text bereits behandelten Neuregelung der Bonitätsvorgaben für Geschäftsbankeninvestitionen186 ähnelte. Dieser Neuregelungsvorschlag wurde trotz überwiegend ablehnender Stellungnahmen von Seiten der Marktteilnehmer187 mit Wirkung zum 7. Juli 2014 umgesetzt,188 sodass die „net capital rule“ für broker-dealer damit ihren Rang als einer der bekanntesten ratingbasierten Rechtsvorschriften des U.S.-amerikanischen Rechts eingebüßt hat. An die Stelle der bisherigen Bezugnahme auf „objektive“ Ratings als NRSRO anerkannter Rating-Agenturen ist in der Neufassung der „net capital rule“ im 181 So – zum Teil allerdings mittlerweile durch den Dodd–Frank Act im Normwortlaut geändert – im Secondary Mortgage Market Enhancement Act of 1984 (Einführung des § 3(a)(41) Securities Exchange Act of 1934; dazu § 10 II 3 a)), im Federal Deposit Insurance Act of 1989 (12 U.S.C. § 1831e(d)(4)(A)), im Federal Housing Enterprises Financial Safety and Soundness Act of 1992 (12 U.S.C. § 4519 (1992)), im Investment Company Act of 1940 (15 U.S.C. § 80a–6(a)(5)(A)(iv)), im Higher Education Act of 1965 (20 U.S.C. § 1087–2) und im LOCAL TV Act (47 U.S.C. § 1103(d)(2)(D)(i)). 182 SEC Release 33–7085, 34–34616, IC–20508 vom 31. Aug. 1994, 59 FR 46314 ff.: „its reliance on the term used in Commission rules is significant because it reflects a congressional recognition that the ‚term has acquired currency as a term of art‘.“ 183 Siehe näher § 23 II 3 b). 184 § 939A Dodd–Frank Act; siehe noch näher § 17 I 4 b). 185 SEC Release 34–64352 „Removal of Certain References to Credit Ratings Under the Securities Act of 1934“ (Proposed rule) vom 27. Apr. 2011, 76 FR 26550 ff. (6. Mai 2011). 186 Siehe zur diesbezüglichen Neuregelung durch den Comptroller of the Currency oben I 1 d). 187 Vgl. SEC Release 34–64352 vom 27. Apr. 2011, 76 FR 26550, 26551: „the Commission received many comments that raised serious concerns about removing the references. Commenters argued that removing NRSRO references in the context of the Net Capital Rule would decrease the transparency of broker-dealers’ net capital computations and negatively affect market confidence in the financial strength of broker-dealers. In addition, commenters contended that the proposed amendments would place an undue burden on broker-dealers to justify the propriety of internal methods for determining haircuts and on Commission examiners who might be required to review those methods.“ 188 § 17 C.F.R. § 15c3–1(c)(2)(vi)(E) (für Commercial Paper), § 17 C.F.R. § 15c3– 1(c)(2)(vi)(F)(1), (2) (für Nonconvertible Debt Securities), § 17 C.F.R. § 15c3–1(c)(2)(vi)(H) (für Preferred Stock) (jeweils in der seit dem 7. Juli 2014 geltenden Fassung).

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Wesentlichen die „subjektive“ Einschätzung der Kreditrisikos als „minimal“ durch den regulierten broker-dealer selbst getreten,189 der sich als Grundlage dieser Einschätzung auch weiterhin auf NRSRO-Ratings stützen darf.190 Da der maßgebliche Risikostandard unter der neugefassten „net capital rule“ zudem erklärtermaßen der Gleiche sein soll wie unter der bisherigen ratingbasierten Normfassung,191 steht zu erwarten, dass sich an der Bedeutung von Ratings in diesem Zusammenhang letztlich nur wenig ändern wird: Broker-dealer werden sich voraussichtlich schon aufgrund ihres Interesses, die Unsicherheiten bei der Konkretisierung des neuen unbestimmten Risikomaßstabes möglichst gering zu halten, auch in Zukunft an NRSRO-Ratings orientieren, obgleich die „net capital rule“ nicht länger ausdrücklich auf diese Bezug nimmt. Dass broker-dealer dabei allerdings zur Einschätzung gelangen können, auch unterhalb des „investment grade“ gerateten Anleihen wohne gleichwohl ein lediglich minimales Kreditrisiko inne, weist auf die bekannte Gefahr hin, dass „subjektive“ Kreditrisikoeinschätzungen durch Regulierte selbst in deren Eigeninteresse tendenziell toleranter ausfallen als eine Bonitätsbeurteilung durch unabhängige Dritte.192 Die nicht explizit ratinggebundene Neufassung der „net capital rule“ dürfte daher zur Erreichung ihres originären Regelungszwecks letztlich weniger geeignet sein als die ratingbasierte Altfassung. Keine Änderung hat die neugestaltete Norm schließlich im Hinblick auf die bedenkliche Gleichsetzung von Bonitäts- und Liquiditäts- bzw. Volatilitätsrisiko gebracht, die schon der Altfassung zugrunde lag und die regulatorische Ratingverwendung aus diesem Grund als Fehlverwendung erscheinen lassen musste:193 Die Abschaffung der ausdrücklichen Ratingbezugnahme geschah ausschließlich mit dem bloßen Ziel, dem gesetzlichen Abschaffungspostulat des Dodd–Frank Acts zu genügen, und reagierte nicht auf den beschriebe189 SEC Release 34–71194 „Removal of Certain References to Credit Ratings Under the Securities Act of 1934“ (Final rule) vom 27. Dez. 2013, 79 FR 1522, 1525 (8. Jan. 2014): „Unlike the objective approach of using NRSRO credit ratings, the minimal amount of credit risk standard is a subjective approach because it allows broker-dealers in the first instance to determine through their credit assessments whether a lower haircut is applicable to a given position.“ 190 SEC Release 34–71194 vom 27. Dez. 2013, 79 FR 1522, 1526: „The Commission notes that credit ratings […] can serve as useful benchmarks for evaluating whether a broker-dealer’s policies and procedures, as applied to the minimal amount of credit risk standard, are increasing the types of commercial paper, nonconvertible debt, and preferred stock positions to which it applies the lower haircuts as compared to the eliminated NRSRO credit rating standard“; auch a.a.O., 1527. 191 SEC Release 34–71194 vom 27. Dez. 2013, 79 FR 1522, 1525 f.: „However, the Commission does not intend for the new standard to result in a more liberal requirement that broadens the scope of the rule by allowing more positions to qualify for the lower haircuts.“ 192 Dies gesteht auch die SEC ein; vgl. SEC Release 34–71194 vom 27. Dez. 2013, 79 FR 1522, 1529: „The Commission is cognizant of the potential conflict of interest inherent in a requirement that relies to some extent on the subjective judgment of the broker-dealer to determine whether a lower haircut should apply to a commercial paper, nonconvertible debt, or preferred stock position, as noted by some commenters. For example, a broker-dealer may want to hold securities with higher yields to earn more interest but at the same time apply lower haircuts to the positions to increase its net capital. This could bias the broker-dealer’s credit assessment towards finding the security has only a minimal amount of credit risk.“ 193 Oben II 2 a) aa).

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nen Mangel der bisherigen Regelung und das darin zum Ausdruck kommende regulatorische Missverständnis.194 Auch die Neufassung der „net capital rule“ setzt ein minimales Kreditrisiko daher ebenso unverändert wie unzutreffend mit einem geringen Liquiditätsund Volatilitätsrisiko gleich.

b) Liquiditätsanforderungen an Finanzintermediäre im Hongkonger Recht Ratingbasierte Liquiditätsanforderungen an Finanzinstitute, die nicht unter den Bankenbegriff fallen, kennt zudem auch das Hongkonger Recht: Während Banken, wie bereits im Text erörtert,195 auf Grundlage der Banking Ordinance durch die HKMA reguliert und beaufsichtigt werden, fallen die übrigen Finanzintermediäre in die Zuständigkeit der Securities and Futures Commission (SFC),196 die ebenfalls Liquiditätsregelungen erlassen hat.197 Die diesbezüglichen, komplizierten Anforderungen, die hier nicht im Einzelnen darzustellen sind, gelten dabei insbesondere für Wertpapierhandelsunternehmen (das funktionale Äquivalent der U.S.-amerikanischen broker-dealer), erfassen aber darüber hinaus noch eine Reihe weiterer Marktteilnehmer, wie etwa Anlageberater und Finanzterminhändler.198 In inhaltlicher Hinsicht ist von Interesse, dass auch das Hongkonger Recht in diesem Zusammenhang Ratings als Indikator der Liquidität von Wertpapieren verwendet und daher bei einem hohen Rating einen geringeren „haircut“ genügen lässt;199 Mindestvoraussetzung für eine solche (gestaffelte) Privilegierung ist – wie so häufig – ein „investment grade“-Rating.200 Es zeigt sich damit eine auffällige Parallele zur oben erörterten „net capital rule“ der SEC, aufgrund derer die dort angebrachte Kritik hier gleichermaßen gilt. Ein fast ironisch zu nennendes Anzeichen für die zunehmende Verknüpfung der „Regulierung des Ratings“ (dem Gegenstand des Dritten Teils der vorliegenden Untersuchung) mit der „Regulierung durch Ratings“ (dem Gegenstand ihres Zweiten Teils) ist, dass nach Hongkonger Aufsichtsrecht auch die Rating-Agenturen selbst den soeben beschriebenen Liquiditätsanforderungen unterliegen,201 seitdem sie 2011 der Zulassung und Überwachung durch die Securities and Futures Commission unterstellt wurden.202 Es dürfte eine unbeabsichtigte und anscheinend auch unbemerkte Folge dieser aufsichtsrechtlichen Verzahnung sein, dass durch Rating-Agenturen erstellte Ratings damit über die Liquiditätsanforderungen an Rating-Agenturen mitbestimmen.

194 Siehe zu allfälligen Missverständnissen unter Regelsetzern im Zusammenhang mit der Regulierungsfunktion von Ratings noch näher § 17 III 2. 195 Zu Anforderungen an die Bankenliquidität oben unter II 1. 196 S. näher Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 3.166 ff. 197 § 6 Securities and Futures (Financial Resources) Rules (Cap. 571N). 198 Vgl. die Aufzählung der zulassungsbedürftigen Geschäfte in der Securities and Futures Ordinance, Schedule 5; dazu Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 3.76 ff. 199 §§ 27(1)(b), 35(f)(ii) u. öfter Securities and Futures (Financial Resources) Rules i.V.m. Table 4. 200 Securities and Futures (Financial Resources) Rules, Table 4. 201 Siehe dazu noch § 25 II. 202 Siehe näher in § 22 II 5.

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3. Sicherung der Bankenliquidität durch Zentralbanken Neben die erörterten, präventiv wirkenden Anforderungen an eine ausreichende Liquiditätsquote tritt ergänzend die Sicherung der Bankenliquidität durch die Zentralbanken, der vor allem in Krisenszenarien eine entscheidende Bedeutung zukommt.203 Ratings spielen auch in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle, weil sie maßgeblich über die Tauglichkeit der erforderlichen Sicherheiten und damit den Zugang der einzelnen Bank zur Liquiditätsversorgung durch die Zentralbank (mit-)bestimmen. a) Mindestrating als Voraussetzung für die Zentralbankfähigkeit von Sicherheiten In allen hier untersuchten Rechtsordnungen ist es Aufgabe der Zentralbank (oder einer funktionell vergleichbaren Einrichtung), Kreditinstituten vorübergehend Liquidität zur Verfügung zu stellen. Innerhalb der EU wird diese Funktion durch die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken,204 in der Schweiz durch die Schweizerische Nationalbank205 und in den U.S.A. durch die Federal Reserve Bank of New York (in Vertretung der übrigen Federal ReserveBanken)206 ausgeübt, während in Hongkong – wo es, ungewöhnlich für ein hoch entwickeltes Finanzsystem, trotz Währungsautonomie traditionell keine Zentralbank gibt207 – insoweit die Hong Kong Monetary Authority zuständig ist.208 aa) Liquiditätszufuhr über geldpolitische Instrumente Eine Liquiditätszufuhr findet dabei zum einen über geldpolitische Instrumente der Zentralbanken statt, die vorrangig der Liquiditätssteuerung am Geldmarkt insgesamt,209 mittelbar aber auch der Versorgung liquiditätsbedürftiger Kreditinstitute dient.210 Sie erfolgt typischerweise durch sog. „Offenmarktgeschäfte“, in denen auf den Kapital- und Geldmärkten („offenen Märkten“) gehandelte Wertpapiere211 durch die Zentralbank vorwiegend über Pensionsgeschäfte („Repos“212) übernommen und im Gegenzug Buchgeld bereitgestellt wird. 203 Erst die Verweigerung einer Liquiditätshilfe führte im September 2008 zur Insolvenz der U.S.-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers; vgl. Rudolph, in: Grundmann/Hofmann/ Möslein, Finanzkrise, S. 55, 62. 204 Art. 18.1 der ESZB-Satzung. 205 Art. 5 Abs. 2 lit. a NBG; vgl. Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 6 Rn. 80, 82. 206 § 13(3) Federal Reserve Act; 12 U.S.C. §§ 343 ff.; vgl. Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 6/2007, § 3.03[2]. 207 Tokley, Banking Law, Stand: Issue 0, Kap. II Rn. 601: „surprisingly“. 208 Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 2.54. 209 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 2.258. 210 Papathanassiou, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 134 Rn. 67; Philipps/ Rechtschaffen, 21 Fordham Int’l L.J. (1998), 1754, 1768. 211 Vgl. Gaitanides, Recht der Europäischen Zentralbank, S. 111; Glauben, in: Derleder/ Knops/Bamberger, § 64 Rn. 24; Staudinger/Hopt/Mülbert, Vorbem. zu §§ 607 ff. Rn. 705. 212 Der Begriff des Repo-Geschäfts, der eine Rückkaufvereinbarung bezeichnet, leitet sich aus dem englischsprachigen sale and repurchase agreement ab.

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Sämtliche Zentralbanken machen eine Liquiditätsgewährung dabei streng von der Stellung ausreichender Sicherheiten durch die Bank abhängig,213 bei deren Beurteilung man sich in der EU, in der Schweiz wie auch in den U.S.A. in auffälliger internationaler Einheitlichkeit auf die Ratings der als Sicherheit in Frage kommenden Wertpapiere stützt.214 Die notwendigen Mindestratings werden allerdings nicht überall gleich angesetzt: In der Schweiz benötigen „SNB-repofähige Effekten“ ein Mindestrating von „A“ von Standard & Poor’s, Moody’s oder Fitch, wenn die Emission in Schweizer Franken denominiert ist;215 bei auf andere Währungen lautenden Effekten liegt das erforderliche Mindestrating sogar bei „AA–“.216 In den U.S.A. beeinflusst die Währung die Ratinggrenze in noch stärkerem Maße, da für Zwecke des Discount Windows der Federal Reserve grundsätzlich ein „investment grade“-Rating genügt, wohingegen bei Fremdwährungsanleihen ein „AAA“-Rating verlangt wird.217 Im Eurosystem wurde für die Anerkennung als „notenbankfähige marktfähige Sicherheit“ traditionell ein „Single A“-Rating mindestens einer Rating-Agentur verlangt, die den Anforderungen an ECAIs nach der gemeinschaftsrechtlichen „Basel II“-Umsetzung218 genügt.219 Im Verlauf der Staatschuldenkrise seit 2010 senkte die Europäische Zentralbank ihre Bonitätsanforderungen sodann allerdings ab,220 sodass heute auch ein „investment grade“-Rating ausreicht.221 Strukturierte Finanzinstrumente (vor allem Asset Backed Securities222) unterliegen in diesem Zusammenhang sowohl im Eurosystem als auch in den U.S.A. gesonderten Regeln, welche Rückschlüsse auf Aussagegehalt und Vergleichbarkeit der Ratings bei dieser Wert213 Für das Eurosystem Art. 18.1, zweiter Spiegelstrich ESZB-Satzung i.V.m. EZB, Allgemeine Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems, Tz. 6.3.1 ff. (sog. Eurosystem credit assessment framework (ECAF)); für die Schweiz Art. 9 Abs. 1 lit. e NBG i.V.m. den Richtlinien der Schweizerischen Nationalbank (SNB) über das geldpolitische Instrumentarium vom 25. März 2004 (Stand am 1. Jan. 2013), Tz. 3. 214 In den U.S.A. reicht die regulatorische Ratingverwendung in diesem Bereich bis ins Jahr 1937 zurück; vgl. Board of Governors of the Federal Reserve System, Discounts for and Advances to Member Banks …, Regulation A vom 1. Okt. 1937, Sec. 2, S. 6. Allein in Hongkong spielt das Rating keine Rolle, weil für das sog. Discount Window der HKMA als Sicherheit ausschließlich Hongkonger Staatsanleihen (Exchange Fund Bills and Notes) zugelassen sind; vgl. Kwok/Armour, Securities Law, Stand: Issue 9, Kap. XVIII Rn. 303 f. 215 Schweizerische Nationalbank, Merkblatt zu den SNB-repofähigen Effekten vom 5. Okt. 2009, Tz. 4, 5. Dabei müssen sowohl die Emission selbst als auch das Domizilland des Emittenten der Ratinganforderung genügen (sog. sovereign ceiling). 216 Schweizerische Nationalbank, Merkblatt, Tz. 6. 217 Federal Reserve, Collateral Guidelines (Stand: 1. Feb. 2013), S. 1 ff. 218 Siehe dazu oben § 6 III 3. 219 EZB, Leitlinie vom 31. Aug. 2000 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems (EZB/2000/7) in der Fassung vom 20. Jan. 2009, Tz. 6.3.1 f. 220 Siehe zu dieser vielfach heftig kritisierten Aufweichung der Bonitätsanforderungen im Zuge der „Griechenland-Krise“ noch näher im Text unter b). 221 EZB, Leitlinie vom 20. Sept. 2011 über geldpolitische Instrumente und Verfahren des Eurosystems (Neufassung) (EZB/2011/14) in der Fassung vom 26. Nov. 2012, Tz. 6.3.1 f. Zum Hintergrund Siekmann/Keller, Art. 18 Satzung Rn. 253. 222 Zur Begrifflichkeit noch näher § 10 I 1 a).

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papierart erlauben: Als zentralbankfähige Sicherheiten werden strukturierte Finanzinstrumente nämlich jeweils nur angesehen, wenn sie über ein (in den U.S.A.223) oder gar zwei (im Eurosystem224) „AAA“-Ratings verfügen, woraus sich ergibt, dass ihre Bonitätsbeurteilungen – obgleich durch die Rating-Agenturen erklärtermaßen anhand derselben Ratingskala vorgenommen wie „traditionelle Anleihen“225 – nach Ansicht der Zentralbanken nicht dasselbe Maß an Ausfallsicherheit signalisieren226 und daher nicht als mit anderen Ratings vergleichbar eingeordnet werden. Das Eurosystem schließt zudem nachrangige Tranchen von ABS pauschal von der Zentralbankfähigkeit aus, selbst wenn diese über „AAA“-Ratings verfügen:227 Dies lässt darauf schließen, dass man entweder die Folgen der Nachrangigkeit für die Bonität als nicht zutreffend abgebildet sieht oder aber andersartige, aus einer Nachrangigkeit erwachsene Risiken vermeiden möchte.228 Darüber hinaus wird die Zentralbankfähigkeit von Asset Backed Securities von umfangreichen sonstigen Voraussetzungen wie namentlich zusätzlichen Transparenzanforderungen abhängig gemacht, die für nicht „strukturierte“ Wertpapiere nicht gelten.229 Der beschriebene, differenzierende Einsatz der Regulierungsfunktion des Ratings deutet damit bereits an, dass Ratings von strukturierten Finanzprodukten in den Augen fachkundiger Regelsetzer nicht durchgehend mit sonstigen Ratings vergleichbar sein mögen.

bb) Anlassbezogene Liquiditätszufuhr (lender of last resort) Zudem können Zentralbanken als Kreditgeber in letzter Instanz (lender of last resort) fungieren, indem sie Banken im Wege einer außerordentlichen Liquiditätshilfe Liquidität zur Verfügung stellen, wenn ein Institut sich nicht mehr am Markt refinanzieren kann.230 Es soll damit verhindert werden, dass ein Liquiditätsengpass in die Insolvenz der Bank mündet231 und damit die Stabilität des Finanzsystems insgesamt gefährdet.232 Das Einschreiten als lender of last resort wird in den unterschiedlichen Rechtsordnungen von weiteren, nicht einheitli223

Federal Reserve, Collateral Guidelines (Stand: 1. Feb. 2013), S. 2 f. EZB, Leitlinie EZB/2011/14, Tz. 6.3.1. 225 Siehe dazu noch § 10 I 2 b). 226 Vgl. Siekmann/Keller, Art. 18 Satzung Rn. 340. 227 EZB, Leitlinie EZB/2011/14, Tz. 6.2.1.1; Langner, in FS Schönwitz (2006), S. 493, 501. 228 Vgl. Langner, in FS Schönwitz (2006), S. 493, 502. 229 EZB, Leitlinie EZB/2011/14, Tz. 6.2.1.1 verlangt u.a., dass die Ratings in einem öffentlich zugänglichen Ratingbericht erläutert werden, der eine umfassende Analyse der strukturellen und rechtlichen Aspekte, eine genaue Beurteilung des Sicherheitenpools u.s.w. enthält; zudem müssen die Rating-Agenturen quartalsweise „Performance-Berichte“ für ABS veröffentlichen. 230 Für die EU Art. 127 Abs. 5 AEUV (Art. 105 Abs. 5 EG); vgl. dazu Höfling, Gutachten F zum 68. DJT (2010), S. F 20 ff. mit eingehender Begründung; für die Schweiz Artt. 5 Abs. 2 lit. e, 9 Abs. 1 lit. e NBG i.V.m. den Richtlinien der SNB, Tz. 6; Haltiner, ST 2007, 802, 805; Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 6 Rn. 82, 115 ff.; für die U.S.A. Macey/Miller/Carnell, Banking Law and Regulation, S. 71; für Hongkong § 3(1A) Exchange Fund Ordinance (Cap. 66) i.V.m. HKMA, Policy statement on the Role of the Hong Kong Monetary Authority as Lender of Last Resort (März 2009), Tz. 4 ff.; Norton/Arner, Hong Kong SAR: Financial Regulation, S. 255, 291. 231 HKMA, Policy statement (März 2009), Tz. 15; Nobel, Schweizerisches Finanzmarktrecht, § 6 Rn. 118. 232 Lee, 16 Wis. Int’l L.J. (1997–98), 687, 711; Taisch, Finanzmarktrecht, Kap. 1 Rn. 95; Tokley, Banking Law, Stand: Issue 0, Kap. II Rn. 553. 224

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chen Bedingungen abhängig gemacht (wie etwa der Systemrelevanz der betreffenden Bank233), setzt aber durchgehend voraus, dass die Liquiditätshilfe durch ausreichende Sicherheiten gedeckt wird.234 Zu diesem Zweck wird in allen hier untersuchten Rechtsordnungen wiederum auf Ratings abgestellt und dieselbe Ratinghöhe gefordert wie für das geldpolitische Instrumentarium, während in Hongkong – wo für letzteren Zweck allein einheimische Staatspapiere akzeptabel sind – ein „investment grade“-Rating verlangt wird.235 b) Zweck und Folgen der regulatorischen Ratingverwendung Anders, als dies bei der Ausgestaltung präventiver Liquiditätsvorgaben der Fall ist,236 werden Ratings im Rahmen der Anforderung an zentralbankfähige Sicherheiten nicht als Beurteilung der Liquidität selbst eingesetzt: Zweck der Mindestratinganforderung ist hier die Absicherung der Zentralbank gegen Verluste, die bei einem Ausfall der liquiditätsbedürftigen Bank drohen;237 die Zentralbanken verwenden das Rating also als Bonitätsbeurteilung zur Messung des Kreditrisikos (und damit „richtig“).238 Bemerkenswert ist, dass Ratings in diesem Bereich in allen untersuchten Rechtsordnungen gleichermaßen eingesetzt werden. Obgleich sich die Ratingvorgaben dabei lediglich in internen Richtlinien der einzelnen Zentralbanken finden, beeinflussen sie mittelbar die Ausgestaltung und Marktchancen von Schuldverschreibungen entscheidend mit, weil deren Zentralbankfähigkeit für Anleiheinvestoren (und damit auch die Emittenten) eine erhebliche Bedeutung zukommt.239 Die Bonitätseinstufung durch die privaten RatingAgenturen kann aufgrund der Regulierungsfunktion, die ihr durch die Zentralbanken zugewiesen wird, eine zentrale Bedeutung für die Finanzierungsfähigkeit privater wie auch souveräner Emittenten erlangen und faktisch darüber entscheiden, ob ein Staat sich weiterhin am Kapitalmarkt refinanzieren kann. Im Rahmen der griechischen Staatsfinanzkrise ab 2010 wurde diese Folge – die als solche nicht aus einem Fehlverhalten der Rating-Agenturen resultierte, son233 So in der Schweiz gem. den Richtlinien der SNB vom 25. März 2004, Tz. 6; in Hongkong HKMA, Policy statement (März 2009), Tz. 8. 234 Für die Schweiz Richtlinien der SNB vom 25. März 2004, Tz. 6; für Hongkong HKMA, Policy statement (März 2009), Tz. 10(b). 235 HKMA, Policy statement (März 2009), Tz. 12(b) i.V.m. Annex I (wo Moody’s, Standard & Poor’s, Fitch und R&I als anerkannte Rating-Agenturen aufgeführt werden). 236 Oben II 1. 237 Für das Eurosystem Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 20.294; Langner, in FS Schönwitz (2006), S. 493, 497; Löber, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 5.382; Siekmann/Keller, Art. 18 Satzung Rn. 237; für die U.S.A. Small/Clouse, 5 Topics in Macroeconomics (2005), Art. 6, S. 1, 4; für Hongkong HKMA, Policy statement (March 2009), Tz. 14. 238 Das Marktrisiko, dem bei der Besicherung von Repogeschäften unter privaten Parteien eine noch größere Bedeutung zukommen dürfte (vgl. zur diesbezügl. Bedeutung von Ratingvorgaben in der Fondsregulierung § 12 II 3 a) bb) (2)), spielt hier keine vergleichbare Rolle, weil Zentralbanken eine Sicherheitenverwertung nicht ohne weiteres durch Verkauf am Markt durchführen können, da ein solcher wiederum Folgen für die Liquidität insgesamt hätte. 239 Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 14; Langner, in FS Schönwitz (2006), S. 493, 495 f.; Palyi, 11 J. Bus. (1938), 70, 76.

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dern aus dem durch die EZB freiwillig vorgenommenen „hardwiring“ der Refinanzierungsfähigkeit an bestimmte Ratingstufen, verbunden mit der sich rapide verschlechternden Staatsfinanzlage der Hellenischen Republik – dadurch verhindert, dass die EZB ihre Ratinganforderungen an zentralbankfähige Sicherheiten insoweit aussetzte.240 Die der EZB unverändert rechtlich vorgegebene Voraussetzung „ausreichender Sicherheiten“241 wurde nunmehr also schlicht abweichend konkretisiert, indem an die Stelle externer, durch unabhängige Dritte erfolgter Bonitätsbeurteilungen andere Faktoren gesetzt wurden, welche die (geld-)politisch gewünschte Zentralbankfähigkeit griechischer Staatsanleihen weiterhin bestätigten. Die Folge war, dass nur die EZB und die Zentralbanken des Eurosystems entsprechende Finanztitel noch als hinreichend sicher einstuften, während diese von privaten Finanzmarktteilnehmern als höchst risikobehaftet angesehen wurden; ein erhöhtes Kreditrisiko zulasten des EZB-Haushalts war die unvermeidliche Folge.242 Eine entsprechende gezielte Freistellung von der ansonsten geltenden Ratingschwelle wurde im Folgenden auch zugunsten anderer Krisenstaaten im Euroraum vorgenommen;243 ihre rechtliche Zulässigkeit ist umstritten.244 Eindrucksvoll bestätigt wurde die zentrale Regulierungsfunktion des Ratings in diesem Bereich zudem während der globalen Finanzkrise 2007–09: Nachdem der Interbankenmarkt für Liquidität in allen hier untersuchten Staaten vorübergehend zusammengebrochen war, weil die Banken infolge des um sich greifenden Vertrauensschwunds nicht mehr bereit waren, sich untereinander Liquidität zur Verfügung zu stellen,245 legten zahlreiche Zentralbanken ad hoc zusätzliche Programme zur Liquiditätsversorgung der Banken auf.246 Bemerkenswert ist, dass auch im Rahmen dieser Liquiditätsprogramme – die zur 240 Die EZB hatte das traditionell geforderte „Single A“-Mindestrating für die oben behandelten geldpolitischen Instrumente schon ab Oktober 2008, im Zuge der globalen Finanzkrise, vorübergehend auf „BBB–“ abgesenkt; vgl. Hördahl/King, Repo-Märkte, S. 17. Während nach der ursprünglichen Planung ab Anfang 2011 wieder die „Single A“-Schwelle gelten sollte, entschied sich die EZB im Zuge der Griechenland-Krise sodann im Frühjahr 2010 zunächst für eine unbegrenzte Beibehaltung der „investment grade“-Schwelle (siehe dazu bereits oben unter a)) und verzichtete wenig später auf jede Bonitätsanforderung an griechische Staatsanleihen. 241 Art. 18.1, zweiter Spiegelstrich ESZB-Satzung. 242 Kritisch daher etwa Deipenbrock, RIW 2010, 612, 613: „EZB akzeptiert ‚Ramschanleihen‘ Griechenlands als Sicherheit“. 243 Vgl. Art. 7 Leitlinie der EZB vom 20. März 2013 über zusätzliche zeitlich befristete Maßnahmen hinsichtlich der Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems und der Notenbankfähigkeit von Sicherheiten … (Neufassung) (EZB/2013/4) (Aussetzung der Mindestbonitätsanforderungen auch bzgl. Staatsanleihen Irlands und Portugals, die schon zuvor in anderen Beschlüssen verfügt worden war); Art. 1 Beschluss der EZB vom 2. Mai 2013 über temporäre Maßnahmen hinsichtlich der Notenbankfähigkeit der von der Republik Zypern begebenen oder in vollem Umfang garantierten marktfähigen Schuldtitel (EZB/2013/13). 244 Vgl. Siekmann/Keller, Art. 18 Satzung Rn. 257; Thiele, Mandat der EZB und Krise des Euro, S. 88 ff. (mit Nachw. zu den unterschiedlichen diesbezüglichen Ansichten). 245 S. Rudolph, in: Grundmann/Hofmann/Möslein, Finanzkrise, S. 55, 62. 246 Vgl. für das Eurosystem etwa EZB, Beschluss des Rates vom 7. Mai 2009 zum „Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen“; für die U.S.A. die „Asset-Backed Money Market Mutual Fund Lending Facility (AMLF)“, die „Term Asset-Backed Securities Loan Facility (TALF)“

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Bewältigung einer außerordentlichen Situation dienten, deren Entstehung nach ganz überwiegender Ansicht maßgeblich auf Fehler der Rating-Agenturen zurückzuführen war! – weiterhin durchgehend auf Ratings abgestellt wurde,247 um die Tauglichkeit von Finanzinstrumenten als Sicherheiten zu messen:248 Selbst in der Stunde größter Zweifel an der Zuverlässigkeit der Rating-Agenturen sah man also offenkundig keine Alternative zur Beachtung ihrer Bonitätsbeurteilungen.

III. Weitere ratingbasierte Vorgaben Die Regulierungsfunktion des Ratings wird darüber hinaus noch in einer großen Anzahl weiterer Rechtsvorschriften eingesetzt, die Banken und andere Finanzinstitute betreffen. An dieser Stelle seien lediglich beispielhaft einige dieser Regelungen herausgegriffen, die sich funktional in zwei Gruppen unterteilen lassen:249

1. Vorgaben zur Unternehmensverfassung von Banken So spielen Ratings zum einen in Bestimmungen eine Rolle, welche die Unternehmensverfassung von Banken betreffen und daher grundsätzliche Bedeutung besitzen. Am weitesten ging hier bis 2012 das U.S.-amerikanische Recht, welches die Errichtungen von Finanztochtergesellschaften (financial subsidiaries) durch große Geschäftsbanken seit dem Gramm-Leach-Biley Act aus dem Jahre 1999 nur zuließ, sofern die betreffende Bank ein Emissionsrating von mindestens „A“ vorweisen konnte.250 Das deutsche Recht geht weniger weit, schreibt aber immerhin vor, dass jede Person, die den Erwerb einer bedeutenden Beteiligung an einem Kreditinstitut beabsichtigt, dies BaFin und Deutscher Bundesbank unverzüglich anzuzeigen251 und dabei – sofern vorhanden – seine aktuellen Ratings anund247 die „Commercial Paper Funding Facility (CPFF)“ der Federal Reserve; für Hongkong HKMA, Provision of Liquidity Assistance to Licensed Banks in Hong Kong: Five Temporary Measures, 30. Sept. 2008. 247 Hördahl/King, Repo-Märkte, S. 16 f.; Hosp, 79 Miss. L.J. (2010), 531, 553; Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 5/2009, § 9.05[1]. 248 Für Zwecke des U.S.-amerikanischen TALF-Programms ließ das Board of Federal Reserve zunächst allein Ratings der drei großen Rating-Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch gelten, bevor es Anfang 2010 mit einer Änderung der Regulation A auf Ratings von NRSROs umstellte; vgl. Board of Governors of the Federal Reserve System, „Extension of Credit by Federal Reserve Banks“ (Final Rule) vom 4. Dez. 2009, 74 FR 65014 ff. (9. Dez. 2009). 249 Eine weitere Gruppe bilden ratingbezogene Publizitätsvorschriften für Finanzinstitute, wie sie etwa in den U.S.A. für broker-dealer (Form 17–H unter dem Securities Exchange Act) und in Hongkong für Banken (§ 57 Banking (Disclosure) Rules) bestehen. 250 12 U.S.C. § 24A(a)(2)(E), (3), (f)(1) (in der bis zum 21. Juli 2012 geltenden Fassung) für national banks, 12 C.F.R. § 208.71(a)(3), (b) für state member banks des Federal Reserve Systems. Die Vorschriften für national banks stellten dabei nicht auf das Emittentenrating der Bank, sondern das Emissionsrating ihrer laufenden Anleihen ab, sog. „market-based rating standard“ (Schroeder, Law and Regulation of Financial Institutions, Stand: 11/2007, § 4.06[2]). Alle Anforderungen bezogen sich auf NRSRO-Ratings. 251 § 2c Abs. 1 Satz 1 KWG. Eine vergleichbare Anzeigepflicht für beabsichtigte Beteiligungen an Versicherungsunternehmen statuiert § 104 Abs. 1 Satz 1 VAG.

§ 7 Die Bedeutung von Ratings für Banken und andere Finanzinstitute

169

zugeben und jeweils durch aussagekräftige Unterlagen der beurteilenden RatingAgentur zu belegen hat.252 Die Ratingvorgabe des U.S.-amerikanischen Rechts, die sich – ungewöhnlich – nur auf die 100 größten Banken des Federal Reserve Systems bezog, bezweckte dabei anscheinend nicht nur die Sicherung der Zahlungsfähigkeit der Bank, sondern auch der Zuverlässigkeit ihrer Unternehmensleitung253 – dies war möglicherweise erklärbar durch den Gedanken, dass insbesondere das mittelbare (d.h. über financial subsidiaries vorgenommene) Engagement großer Geschäftsbanken auf Gebieten, die ihnen bis zum Gramm-Leach-Biley Act durch das Trennbankensystem bewusst verschlossen waren, zum Schutz öffentlicher Interessen von einer erhöhten Zuverlässigkeit abhängig gemacht werden sollte. (Die betreffende ratingbasierte Regelung wurde durch den Dodd–Frank Act aufgehoben.254) Die Sicherstellung der Zuverlässigkeit des Erwerbers bezweckt auch die ratingbezogene, auf europäisches Gemeinschaftsrecht zurückgehende255 Anzeigepflicht des deutschen Rechts,256 wobei hier vor allem die Infiltrierung des Bankenwesens durch Personen aus der organisierten Kriminalität (Geldwäschebekämpfung) im Vordergrund steht.257 Ob ein Rating als Zuverlässigkeitsindikator geeignet ist, erscheint fraglich, bleibt hier aber wohl letztlich ohne negative Folgen, weil das Rating jeweils nur einen von mehreren Faktoren in der Zuverlässigkeitsbeurteilung darstellt.

2. Bonitätsanforderungen an Sicherungsmechanismen für Banken und andere Finanzinstitute Ratings werden zum anderen verbreitet als Maßstab verwandt, soweit es um den Zugang zu präventiven Sicherungsmechanismen geht, die in den unterschiedlichen Rechtsordnungen die Stabilität von Banken und sonstigen Finanzinstituten sowie den Schutz von deren Kunden erreichen sollen. Da es hier durchgehend um die Festlegung einer Mindestbonität geht, setzen die einschlägigen Regelungen das Rating jeweils als Bonitätsbeurteilung durch einen unabhängigen Dritten ein:

252

§ 13 Abs. 6 InhKontrollV. So wird in Federal Reserve System Release „Membership of State Banking Institutions in the Federal Reserve System: Financial Subsidiaries“ (Final Rule) vom 13. Aug. 2001, 66 FR 42929, 42930 (16. Aug. 2001) betont, dass die Bank „well managed“ sein müsse. 254 § 939(d) Dodd–Frank Act hob diese ratingbasierten Anforderungen mit Wirkung zum 21. Juli 2012 auf und übertrug dem Secretary of Treasury und dem Federal Reserve Board den Erlass einer (ratingunabhängigen) Neuregelung. Diese wurde bislang noch nicht geschaffen; vgl. Office of the Comptroller of the Currency, Final Rule vom 4. Juni 2012, 77 FR 35253, 35256. 255 Nämlich u.a. Art. 19 Abs. 1 EG-Bankenrichtlinie, wo von der „Gewährleistung einer soliden und umsichtigen Führung des Kreditinstituts“ die Rede ist. 256 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schäfer, § 2c KWG Rn. 5, 9. 257 Luz/Neus/Scharpf/Schneider/Weber/Kobabe, § 2c KWG Rn. 1; Boos/Fischer/SchulteMattler/Schäfer, § 2c KWG Rn. 2a. 253

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Zweiter Teil. Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

Nach der MiFID258 wie dem umsetzenden deutschen Recht259 haben Wertpapierfirmen, die Kundengelder halten, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um die Rechte der Kunden zu schützen und zu verhindern, dass die Gelder der Kunden für eigene Rechnung verwendet werden. Man entschied sich damit für einen anderen Regelungsansatz als in den U.S.A., wo broker-dealern gerade keine getrennte Vermögensverwahrung vorgeschrieben260 und statt dessen mit der ratingbasierten „net capital rule“ gearbeitet wird.261 Nach der MiFID wird der Anlegerschutz hingegen auch dadurch verwirklicht, dass Kundengelder von vornherein außer bei Kreditinstituten nur bei sog. „qualifizierten“ Geldmarktfonds platziert werden dürfen,262 die ausschließlich in „erstklassige“ Geldmarktinstrumente investieren, also solche, die von jeder Rating-Agentur, die das Instrument bewertet hat, das höchste Rating erhalten haben.263 Ohne Rating kann ein Geldmarkinstrument dabei ausdrücklich nicht als erstklassig angesehen werden264 – das Rating einer Rating-Agentur ist hier also auch nach europäischem Recht die einzig akzeptable Bonitätsbewertung. Das Hongkonger Recht wählt wiederum einen anderen Regelungsansatz und verpflichtet zugelassene Finanzintermediäre, zum Zweck der Absicherung entgegengenommener Kundengelder gegen betrügerische Aktivitäten eine Versicherung abzuschließen, die von einem Versicherer mit mindestens einem „A“-Rating einer anerkannten RatingAgentur265 stammen muss.266 Strenge Bonitätsanforderungen gelten schließlich für Finanzinstitute, die an Abrechnungssystemen (clearing systems) teilnehmen wollen: Um die jeweilige zentrale Gegenpartei zu schützen, wird von Banken etwa im Hongkonger Abrechnungssystem für Derivatgeschäfte durchgehend ein „A“-Rating verlangt,267 258

Art. 13 Abs. 8 MiFID. § 34a Abs. 1 WpHG. 260 Als eine solche Regelung in den U.S.A. angedacht wurde, hatte dies zu „cries of alarm and concern from the industry“ geführt (Molinari/Kibler, 72 Geo. L.J. (1983), 1, 13 f.) und war daher verworfen worden. 261 Siehe dazu bereits oben II 2. 262 Art. 18 MiFID-Durchführungsrichtlinie 2006/73, § 34a Abs. 1 Satz 1, 3 WpHG. 263 Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 MiFID-Durchführungsrichtlinie 2006/73, § 14a Abs. 11 Nr. 2 lit. c WpDVerOV. Gemeint sind Rating-Agenturen (in der MiFID als „kompetente“ Rating-Agenturen bezeichnet), die für die Zwecke von „Basel II“ staatlich anerkannt sind; vgl. dazu § 6 III 3. 264 So explizit Art. 18 Abs. Unterabs. 2 Satz 2 MiFID-Durchführungsrichtlinie 2006/73, ebenso § 14a Abs. 11 Nr. 2 lit. c WpDVerOV. 265 Schedule 3 zu den Securities and Futures (Insurance) Rules verlangt hierzu ein entsprechendes „Financial Strength“-Rating durch Moody’s, Standard & Poor’s oder Fitch. 266 § 4(1)(b)(ii), 5(3) Securities and Futures (Insurance) Rules (Cap. 571AI). 267 Rule 303 General Rules of the Central Clearing and Settlement System (CCASS): Mindestrating von „A3“ (Moody’s) bzw. gleichwertiges Rating einer anderen durch die Hong Kong Securities Clearing Company Limited anerkannten Rating-Agentur. Siehe auf Gesetzesebene auch § 3(d) Securities and Futures (Recognized Counterparty) Rules (Cap. 571B): Gesellschaften mit „A“-Rating sind taugliche Gegenparteien für Termingeschäfte. Dass entsprechende Bonitätsanforderungen zuvor fehlten, war ein wesentlicher Grund für den Kollaps des Hongkonger Finanzterminmarktes im Oktober 1987 gewesen; vgl. Gunningham, 15 Law & Soc. Inquiry (1990), 1, 18. 259

§ 7 Die Bedeutung von Ratings für Banken und andere Finanzinstitute

171

und in europäischen Abrechnungssystemen hängt die erforderliche Sicherheitengestellung (sog. margin) vom Rating des Teilnehmers ab.268 In den U.S.A. führten demgegenüber keine rechtlichen Vorgaben, sondern die Marktnachfrage nach hoch gerateten Gegenparteien für Derivatgeschäfte dazu, dass Banken spezielle Tochtergesellschaften (Derivative Product Companies) gründeten, die ein „AAA“-Rating erzielen und deshalb als Counterparties genutzt werden konnten.269 Strukturell vergleichbare Mindestratingvorgaben werden auch vom deutschen Bankenmarkt berichtet.270 Den Rating-Agenturen wächst damit eine durchgehende Überwachungsaufgabe zu, die durchaus Ähnlichkeiten zu derjenigen einer Aufsichtsbehörde aufweist.271 Schließlich beeinflusst das Rating einer Bank in entscheidender Weise ihre Absicherung durch Sicherungseinrichtungen für Banken: So führt ein schlechteres Rating zum einen zu einer höheren Leistungspflicht gegenüber der Sicherungseinrichtung, da dieses als verlässliches Signal einer erhöhten Ausfallwahrscheinlichkeit gesehen wird.272 Zum anderen soll ab einem Rating unterhalb der Ratingkategorie „A“ sogar ein Eingreifen der BaFin drohen, sodass Sparkassen zur zwangsweisen Einzahlung in einen Reservefonds zur Rettung einer von ihnen getragenen Landesbank (hier: der WestLB) verpflichtet werden können.273

IV. Zusammenfassende Würdigung Die Regulierungsfunktion des Ratings hat im Bereich der Bankenregulierung im Rechtsvergleich eine beträchtliche Bedeutung entwickelt, die sich über die Eigenmittelanforderungen nach Muster von „Basel II“ hinaus auch auf zahlreiche weitere Fragenkreise erstreckt. Die im vorliegenden Kapitel aufgezeigte regulatorische Ratingverwendung im U.S.-amerikanischen Recht hat dabei historisch zwei der gängigsten Fachbegriffe des Ratingwesens hervorgebracht, nämlich das „investment grade“ (in Anlagevorschriften auf Grundlage des Glass–Steagall Acts274) und die „Nationally Recognized Statistical Rating Organization“ (NRSRO) (in Liquiditätsregelungen für broker-dealer275). Von diesen beiden Regelungen dürfte bis in jüngere Zeit auch der größte Einfluss auf die Verwendung von Ratings am Anleihemarkt ausgegangen sein, weil sie ein „investment grade“-Mindestrating zur Voraussetzung des Zugangs zu einem entscheidenden Investorenkreis oder zumindest zu einem wirtschaftlichen Vorteil für den Investor erhoben. 268

Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1337. Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 668 f. mit dem Hinweis, dass der Markt von Gegenparteien mindestens ein „AA“-Rating verlange. 270 Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 4 f. 271 Vgl. Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 670. 272 Großfeld, ZVglRWiss 101 (2002), 387, 390; Habersack, ZHR 169 (2005), 185, 189. 273 OVG Münster, 22.6.2009, WM 2009, 2080, 2083 („Reservefonds WestLB“). 274 Oben I 1 a) bb). 275 Dazu unter II 2 a) bb) (1). 269

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Zweiter Teil. Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

In den Jahren 2013/14 wurden ihre ausdrücklichen Ratingbezugnahmen jedoch gestrichen und durch eine Kreditrisikobewertung der Bank bzw. des broker-dealers selbst ersetzt,276 sodass Ratings in diesem Zusammenhang künftig eine geringere Rolle spielen.277

Den funktional vergleichbaren Anlagevorschriften für deutsche Spezialbanken278 und Liquiditätsregelungen für Hongkonger Finanzintermediäre279 kommt demgegenüber zwar keine vergleichbare Marktbedeutung zu, jedoch beeinflussen Ratings auch über sie weiterhin das Investitionsverhalten wichtiger institutioneller Investoren in den betreffenden Rechtsordnungen. In jüngster Zeit sind zudem Ratinganforderungen in Liquiditätsregelungen für Banken in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt, die bis vor kurzem kaum wissenschaftliche Beachtung gefunden hatten. Im Zuge der globalen Finanzkrise 2007–09 sowie der nachfolgenden Griechenland-Krise hat sich dies geändert. Die Regulierungsfunktion des Ratings in diesem Bereich besticht durch die weitgehende Einheitlichkeit, mit der sie im internationalen Rechtsvergleich eingesetzt wird. In inhaltlicher Hinsicht muss die Bewertung freilich kritisch ausfallen: Soweit präventive Liquiditätsanforderungen an Banken nämlich von der dem Rating ihres Anleihenportfolios abhängig gemacht werden,280 liegt ein regulatorischer Fehleinsatz der Ratingbezugnahmen vor, weil die Bonitätsbeurteilung einer Schuldverschreibung nichts über ihre kurzfristige Liquidierbarkeit aussagt. Die durchgehende Statuierung eines (international freilich uneinheitlichen) Mindestratings als Voraussetzung für die Zentralbankfähigkeit von Sicherheiten281 ist in dieser Hinsicht dagegen unbedenklich, macht Ratings aber zu einer überaus bedeutsamen Stellschraube für die Bankenliquidität – es erscheint aus diesem Grund rechtspolitisch erwägenswert, die Beurteilung der Bonität in diesem Zusammenhang allein den Zentralbanken zu überlassen, wodurch freilich der Einfluss einer Risikoeinschätzung durch politisch unabhängige Dritte282 auf Vorgänge mit hoher Relevanz für den Staatshaushalt entfiele.

276

Dazu oben unter I 1 d) und § 7 II 2 a) cc). Zur voraussichtlich gleichwohl fortbestehenden regulatorischen Bedeutung der Ratings noch § 17 I 4 b) bb). 278 Oben I 2. 279 Oben II 2 b). 280 Oben II 1 a). 281 Oben II 3 a). 282 Die Freiheit aller Ratings „von jeglicher politischer Einflussnahme oder Restriktion“ ist rechtlich vorgegeben (so etwa in Anh. I Abschn. A Abs. 1 lit. a EG-RatingVO; ebenso Basel IIAkkord, Tz. 91: „Eine Ratingagentur sollte unabhängig sein und keinerlei politischem oder wirtschaftlichem Druck unterliegen, der das Ratingurteil beeinflussen könnte“), wird aber in der Praxis nicht selten bezweifelt; siehe noch näher § 25 I 1. 277

Zweiter Abschnitt: Regulierung von Markteintritt und -teilnahme an den Finanzmärkten

§ 8 Rating und Zugang zum Kapitalmarkt bei Anleihen In der verbreiteten Bezeichnung der Rating-Agenturen als „gatekeeper“ der Finanzmärkte1 kommt plastisch zum Ausdruck, dass das Rating für Emittenten und ihre Finanzinstrumente eine Marktzugangsvoraussetzung darstellen kann. Diese Funktion kann auf unterschiedlichen Grundlagen beruhen: Zum einen kann das Rating in seiner Regulierungsfunktion zur rechtlichen Voraussetzung für den Marktzugang erhoben werden, indem eine Rechtsordnung entweder ein allgemeines Ratingobligatorium aufstellt2 oder ein Rating zumindest im Rahmen der Emissionszulassung zu organisierten Märkten berücksichtigt,3 während es zum anderen in seiner Marktinformationsfunktion eine faktische Marktzugangsvoraussetzung darstellen kann.4 Die folgenden Ausführungen erörtern die diesbezügliche Situation bei Emission und Platzierung „traditioneller“ Schuldverschreibungen5 (also vor allem Bank- und Unternehmensanleihen, in der Branchendiktion bezeichnet als plain-vanilla debt), während die Behandlung „komplexer“ Finanzinstrumente (wie Asset-Backed Securities und anderer Verbriefungsformen) ihrer zahlreichen Besonderheiten wegen einem separaten Kapitel vorbehalten bleibt.6

I. Ein allgemeines Ratingobligatorium? Die strikteste Form einer ratingbasierten Regulierung des Markzugangs ist das allgemeine Ratingobligatorium: Es erhebt das Rating in den Rang einer rechtlichen Markteintrittsvoraussetzung, ohne die der Emittent im Allgemeinen (sofern ein Emittentenrating verlangt wird) oder bezüglich einer konkreten Emission (sofern ein Emissionsrating vorgeschrieben ist)7 nicht mit Markt und Investoren in Kontakt zu treten vermag. Ein Ratingobligatorium macht damit die rechtliche

1

Vgl. schon § 4 II 2. Dazu sogleich unter I. 3 Unter II. 4 Unter III. 5 Damit wird der Sprachgebrauch der EG-RatingVO aufgenommen, die strukturierte Finanzinstrumente in Erwägungsgrund 40 von „traditionellen Unternehmensschuldtiteln“ unterscheidet. 6 Siehe § 10. 7 Vgl. zur Unterscheidung zwischen subjektbezogenen und objektbezogenen Markteintrittsvoraussetzungen Merkt, Unternehmenspublizität, S. 369 f. 2

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

Kapitalmarktfähigkeit eines Unternehmens von seinem Rating abhängig.8 Wie die Anforderungen des Ratingobligatoriums in Tatbestand und Rechtsfolge ausgestaltet sind, ob also lediglich irgendein Rating oder ein bestimmtes Mindestrating verlangt und dessen Vorhandensein nur für das öffentliche Angebot von Anleihen,9 auch für deren private Platzierung10 oder gar für jede Kapitalaufnahme (also auch mittels Darlehen) erforderlich ist, obliegt dabei der Entscheidung des jeweiligen Gesetzgebers. Voraussetzung jedes Ratingobligatoriums ist jedoch, dass überhaupt eine staatliche Kontrolle des Zugangs zum Anleihenmarkt stattfindet – schon hieran fehlt es auf entwickelten Finanzmärkten vielfach, weil der Markteintritt heute überwiegend ohne materielle Ge- und Verbote mittels Publizitätspflichten reguliert wird. Ein generelles staatliches Genehmigungserfordernis für Unternehmensanleihen galt allerdings noch bis zum Jahre 1990 im deutschen Recht: §§ 795, 808a BGB a.F. schrieben nämlich vor, dass im Inland ausgestellte Inhaber- und Orderschuldverschreibungen nur mit staatlicher Genehmigung in den Verkehr gebracht11 werden durften. Auf diese Weise sollten einerseits die Anleger vor unsoliden Schuldnern12 und andererseits die Funktionsfähigkeit des deutschen Kapitalmarkts13 geschützt werden – Letztere freilich vor allem, um die Möglichkeit der Mittelaufnahme durch die öffentliche Hand zu sichern, indem man die Anzahl konkurrierender privater Kapitalnachfrager mittels des Genehmigungserfordernisses kontrollieren und ggfs. steuern konnte.14 Im Rahmen des behördlichen Genehmigungsverfahrens wurde dabei eine Bonitätskontrolle durchgeführt, die allerdings nicht als eingehende Bonitätsbeurteilung konzipiert war15 und sich in der Praxis auf die Prüfung der Eigenkapitalausstattung sowie bestimmter Bilanzkennzahlen und -rela8

Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 117. Soweit sich ein Ratingerfordernis nicht auf jede öffentliche Platzierung, sondern nur die Zulassung zu organisierten Märkten bezieht, handelt es sich nach dem hiesigen Sprachgebrauch nicht um ein Ratingobligatorium. Siehe hierzu noch unter II. 10 Vgl. Europ. Kommission, Mitteilung über Rating-Agenturen v. 23.12.2005, S. 4: „Zum anderen dürfen bestimmte Arten von Investmentprodukten in einigen Ländern inzwischen nur noch verkauft werden, wenn sie einen gewissen Grad an Kreditwürdigkeit aufweisen, der durch das Rating einer anerkannten Rating-Agentur zu belegen ist.“ 11 Die Schwelle des „Inverkehrbringens“ war niedrig, da man sowohl die Übernahme der Schuldverschreibungen durch ein Bankenkonsortium als auch die direkte Ansprache von Anlegern ausreichen ließ (Ungnade, Zulässigkeit der staatlichen Einflussnahme, S. 77 f.), und zwar auch bei Begebung nur einzelner Stücke (RGRK/Steffen, 12. Aufl., § 795 Rn. 5 f.; Staudinger/Marburger, 12. Aufl., § 795 Rn. 3) – das Genehmigungserfordernis galt damit im Ergebnis für jede Anleihe, die nicht lediglich im direkten Bekanntenkreis des Emittenten platziert werden sollte. 12 Canaris, in: Großkomm-HGB, 3. Aufl., Stand: 1.5.1981, Bd. III/3 (2. Bearb.), Rn. 2251; Hüffer, in MünchKomm-BGB, 2. Aufl., § 795 Rn. 4; RGRK/Steffen, § 795 Rn. 1; Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, S. 244; Staudinger/Marburger, 12. Aufl., § 795 Rn. 1; Ungnade, Zulässigkeit der staatlichen Einflussnahme, S. 92, 133 ff. 13 Hüffer, in MünchKomm-BGB, 2. Aufl., § 795 Rn. 3; Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, S. 244; Staudinger/Marburger, 12. Aufl., § 795 Rn. 1. 14 RGRK/Steffen, § 795 Rn. 1: „um dem Staat Vorrang bei der Kreditbeschaffung durch Ausgabe von Inhaberschuldverschreibungen einzuräumen.“ Das Genehmigungserfordernis wurde daher von manchen für verfassungswidrig gehalten; vgl. in diesem Sinne Bettermann, BB 1969, 699 ff.; Ungnade, Zulässigkeit der staatlichen Einflussnahme, S. 77 ff. 15 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1. 9

§ 8 Rating und Zugang zum Kapitalmarkt bei Anleihen

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tionen beschränkte.16 Emittenten- oder Emissionsratings spielten in diesem Zusammenhang keine Rolle. Das Genehmigungserfordernis der §§ 795, 808a BGB a.F. bewirkte im Ergebnis, dass erst nach seiner Abschaffung im Jahre 1990 in nennenswertem Umfang Anleihen privater Emittenten auf den deutschen Markt gelangten.17 Die bisherige paternalistische Kontrolle durch eine staatliche Behörde wurde nun durch gesetzliche Vorgaben zur Markteintrittspublizität ersetzt.18 Bei dieser Gelegenheit geriet erstmals auch die Bonitätsbeurteilung durch private Rating-Agenturen in das Blickfeld der deutschen Diskussion, sodass die Abschaffung der §§ 795, 808a BGB a.F. zugleich als Ausgangspunkt für die zunehmende Bedeutung von Ratings in Deutschland gelten kann.19 Vorgeschlagen wurde dabei unter anderem, das weggefallene Genehmigungserfordernis durch einen gesetzlichen Zwang zum Rating zu kompensieren, also ein Ratingobligatorium einzuführen.20

1. Status quo: Kein Ratingobligatorium in den untersuchten Rechtsordnungen Das geltende deutsche Recht verpflichtet Unternehmen allerdings nicht, sich als Emittent einem Rating zu unterziehen,21 und auch die EG-RatingVO hat keinen dahingehenden Zwang eingeführt.22 Darüber hinaus ist ein Ratingobligatorium auch dem Schweizer Recht,23 dem Hongkonger Recht und – entgegen anders lautender Angaben im Schrifttum24 – dem U.S.-amerikanischen Recht25 unbekannt. Im internationalen Vergleich spiegelt diese einheitliche Haltung allerdings durchaus nicht den Regelfall wieder, finden sich doch zahlreiche Jurisdiktionen mit Ratingobligatorien, bei denen es sich freilich überwiegend um nicht entwickelte Fi-

16

Littmann, Wirtschaftswoche vom 25.8.1989, S. 78. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.143; Rudolph, Unternehmensfinanzierung und Kapitalmarkt, S. 429. Vgl. die Zahlen bei Ekkenga, Anlegerschutz, S. 20: von den 6.236 im Jahre 1988 an der Frankfurter Wertpapierbörse notierten Anleihen lauteten gerade acht auf nichtstaatliche Emittenten. 18 Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 112 Rn. 26. Vgl. dazu noch unten II 6 sowie § 9. 19 Breuer, WM 1991, 1109; ders., Bedeutung des Rating (1992), S. 75; Ebenroth/Daum, WMSonderbeil. 5/1992, S. 2 f.; Everling, Die Bank 1991, 308, 309; Serfling/Pries, Die Bank 1990, 381, 384; van Aubel, Anleiherating und Bonitätsrisiko, S. 82. 20 Vgl. Littmann, Wirtschaftswoche vom 25.8.1989, S. 78 zu diesbezüglichen Vorschlägen aus der Praxis. 21 Deipenbrock, WM 2005, 261; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 5; Leyens, in: Beiträge für Hopt (2008), S. 423, 448; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 200. Allerdings kann die Sorgfaltspflicht des Geschäftsleiters (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) im Einzelfall die Beauftragung einer Rating-Agentur erfordern; vgl. dazu noch § 13 II 3. 22 So ausdrücklich Erwägungsgrund 3 zur EG-RatingVO. 23 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 112; Holzborn/Nobel, Schw. WertpapierprospektR Rn. 24; Lombardini, Droit bancaire suisse, Kap. XXIV Rn. 73; Zobl/Arpagaus, SZW 1995, 244, 252; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1129. 24 So bei Breuer, Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 80; Müller, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 327, 331. 25 Zutreffend Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1083. 17

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

nanzmärkte handelt: So ist ein Rating sowohl in der Volksrepublik China26 als auch in Malaysia,27 Taiwan,28 Thailand,29 Chile30 und diversen anderen Staaten in Asien und Lateinamerika31 die rechtliche Voraussetzung dafür, Anleihen öffentlich anbieten zu dürfen. Selbst in Japan galt bis 1996 ein aufsichtsbehördliches Ratingobligatorium, aufgrund dessen Anleihen ohne „investment grade“-Rating nicht begeben werden durften.32 Und in Frankreich und Griechenland bestehen Ratingobligatorien bis heute, freilich beschränkt auf bestimmte Arten von Finanztiteln.33

2. Ratingobligatorien als Mittel der Marktregulierung Der rechtsvergleichende Befund wirft die Frage auf, aus welchen Gründen Ratingobligatorien zum Zwecke der Marktregulierung eingesetzt werden und welche Erwägungen gegen eine solche zwingende Ratingvorgabe sprechen. Eine diesbezügliche Klärung erscheint auch deshalb lohnend, weil in der Vergangenheit sowohl in der schweizerischen34 als auch der deutschen35 Literatur verschiedentlich gefordert wurde, die Einholung eines Ratings zur gesetzlichen Voraussetzung jeder Emission36 bzw. jedes Auftretens eines Unternehmens am Kapitalmarkt37 zu machen. In Reaktion auf die globale Finanzkrise 2007–09 ist diese Forderung in jüngerer Zeit im deutschen38 und im U.S.-amerikanischen Schrifttum39 wieder aufgegriffen worden.

26 People’s Bank of China, Measures Governing the Issuance of Financial Bonds on the National Inter-bank Bond Market vom 27. April 2005 (in Kraft seit dem 1. Juni 2005); vgl. dazu Huang/ Zhu, in: Barth/Tatom/Yago, China’s Emerging Financial Markets, S. 523, 539. 27 World Bank, Asian Bond Market, S. 26; Lejot/Arner/Qiao, HKIMR Working Paper Nr. 13/ 2004 (July 2004), S. 43. 28 Lejot/Arner/Qiao, HKIMR Working Paper Nr. 13/2004 (July 2004), S. 46. 29 World Bank, Asian Bond Market, S. 26; Lejot/Arner/Qiao, HKIMR Working Paper Nr. 13/ 2004 (July 2004), S. 47 (seit 2000). 30 Art. 76 Abs. 2 Satz 1 Ley de Mercado de Valores; vgl. Peters, Haftung und Regulierung, S. 147. 31 Vgl. Adams/Mathieson/Schinasi, International Capital Markets (1999), S. 200: „Most regulators in emerging markets in Asia and Latin America currently impose a rating requirement on issues of both nongovernmental bonds and commercial paper“; Byrne, in: BIS, Asian bond markets, S. 222. Bis zum Jahr 1996. 32 Packer, in: Aoki/Saxonhouse, Finance, Governance and Competitiveness in Japan, S. 118, 123 f. 33 Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 490. 34 Baudenbacher-Tandler, Anlegerrisiken, S. 170 ff.; diskutiert auch bei Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 194, 209 ff. 35 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 23; Littmann, Wirtschaftswoche vom 25.8.1989, S. 78; im österreichischem Schrifttum ebenso Grünbichler, ÖBA 1999, 692, 695. 36 So Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 23. 37 So Baudenbacher-Tandler, Anlegerrisiken, S. 170: Ratingobligatorium für „Unternehmen, die an den Kapitalmarkt gelangen wollen“. 38 Schäfer, DIW-Wochenbericht 38/2009, S. 654. 39 Diomande/Heintz/Pollin, The Economists’ Voice 6 (June 2009), Art. 6, 1, 3.

§ 8 Rating und Zugang zum Kapitalmarkt bei Anleihen

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a) Verfolgte Regelungszwecke In Staaten mit sich noch entwickelnden Finanzmärkten (emerging markets), in denen Ratingobligatorien am häufigsten vorkommen, steht vor allem die Beschränkung der Marktteilnahme auf bonitätsstarke Unternehmen im Vordergrund, die typischerweise durch die gleichzeitige Statuierung eines Mindestratings (regelmäßig „investment grade“) erreicht wird;40 es geht also um eine aktive staatliche Marktsteuerung.41 Häufig versucht man mittelbar zugleich die Entwicklung einer lokalen Ratingindustrie zu fördern, der durch das gesetzliche Ratingerfordernis eine automatische Nachfrage gesichert wird.42 Soweit hingegen die Einführung eines Ratingobligatoriums auf entwickelten Kapitalmärkten in Rede steht, wird sein Zweck einerseits in der Förderung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes (nämlich durch die Erhöhung seiner Transparenz43) und andererseits im Anlegerschutz gesehen, weil Ratings dem „Normalanleger“ die Einschätzung erleichtern, ob die Verzinsung einer Anleihe deren Ausfallrisiko korrekt widerspiegelt.44 Da es hier also allein um eine Verbesserung der Informationsbasis am Markt bzw. der Marktteilnehmer geht,45 wird auch kein bestimmtes Mindestrating verlangt, sondern schlicht irgendein Rating.46 b) Bewertung Vor dem Hintergrund der beschriebenen Zweckbestimmungen stellen Ratingobligatorien jedenfalls auf entwickelten Finanzmärkten keine empfehlenswerte Marktzugangsregelung dar. Vorschläge zu ihrer Einführung sind daher zu Recht überwiegend auf Ablehnung gestoßen.47 Ein gesetzlicher Zwang zur Einschaltung privater Informationsintermediäre wäre allenfalls dann zu rechtfertigen, wenn der Markt selbst nicht in der Lage wäre, das Vorhandensein ausreichender 40 Vgl. zum öffentlichen Angebot in Shanghai Nottle, in: Securities Regulation in Hong Kong, S. 99, 106: mindestens „A“-Rating erforderlich. 41 Im Nachgang zur globalen Finanzkrise wird ein solcher Regelungsansatz zunehmend auch in Staaten mit entwickelten Finanzmärkten vorgeschlagen, vor allem in Gestalt der Gründung staatlicher Rating-Agenturen; vgl. hierzu noch § 20 I. 42 Vgl. World Bank, Asian Bond Market, S. 25. 43 Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 23. 44 Baudenbacher-Tandler, Anlegerrisiken, S. 170; Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 211. 45 Baudenbacher-Tandler, Anlegerrisiken, S. 170 f.; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 23. 46 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 117; Diomande/Heintz/Pollin, The Economists’ Voice 6 (June 2009), Art. 6, 1, 3; Schäfer, DIW-Wochenbericht 38/2009, S. 654. 47 Im deutschen Schrifttum Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 138 f.; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 200; zum Rating von Hedge Fonds ebenso Lehmann, ZIP 2007, 1889, 1898; im schweizerischen Schrifttum Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 117; Camenzind, Prospektzwang, S. 144; Lombardini, Droit bancaire suisse, Kap. XXIV Rn. 73; Rohr, Emissionsrecht, S. 236; letztlich auch Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 213; im französischen Schrifttum Le Portz, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 312.

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Informationen über Emittenten- oder Emissionsbonität sicherzustellen – für ein Marktversagen dieser Art ist aber auf entwickelten Primärmärkten für Anleihen nichts ersichtlich, weil die Kapitalanbieter dort effizient zu signalisieren vermögen, welche Informationen sie für ihre Investitionsentscheidungen benötigen.48 Der Markt vermag daher am besten zu bestimmen, in welchen Situationen ein Rating als Marktinformation vonnöten ist, und in welchen nicht.49 Ein Ratingobligatorium differenziert dagegen insoweit nicht und droht daher, gleichzeitig zu überflüssiger Publizität und überflüssiger Regulierung zu führen.50 Den hier befürworteten Ansatz verfolgt etwa das österreichische Recht, welches den Bundesminister für Finanzen (nur) dann ermächtigt, vor dem erstmaligen öffentlichen Angebot von Schuldverschreibungen „eine nach international anerkannten Kriterien vorgenommene Risikobeurteilung über den Emittenten und die Emission“ (also ein Rating51) vorzuschreiben, wenn dies zur Abwehr schwerer Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes erforderlich ist.52

II. Rating und die Zulassung von Anleihen zu organisierten Märkten Eine weniger weit gehende Marktzutrittsvoraussetzung stellen rechtliche Regeln dar, die ein Rating zur Voraussetzung für die Zulassung von Anleihen zu organisierten Märkten53 (vor allem Börsen) machen.54 Gemeint sind Zulassungsbestimmungen, nach denen das Fehlen eines (ausreichenden) Ratings den Zugang zum Markt ausschließt, während die bloße Pflicht zur Angabe bestehender Ratings im Rahmen einer Markteintrittspublizität im nächsten Kapitel55 zu thematisieren sein wird.

48 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 117; Seibt, Regulierung und Haftung, S. 191, 200. Siehe noch unter III. 49 Le Portz, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 312. 50 Vgl. Rohr, Emissionsrecht, S. 236. 51 Siebel, BKR 2002, 795, 799 Fn. 61; Weber, Kapitalmarktrecht, S. 325. 52 § 9 Abs. 1 Nr. 2 KMG. Ein entsprechendes Ratingobligatorium darf nur nach Anhörung der Österreichischen Nationalbank und höchstens für die Dauer von sechs Monaten angeordnet werden. 53 Der hier verwandte Begriff des „organisierten Marktes“ ist nicht derjenige des § 2 Abs. 5 WpHG, sondern stellt auf die Unterscheidung vom „Over the counter“-Handel (OTC) in Anleihen (vgl. Schwark/Zimmer/Schwark, § 48 BörsG Rn. 10) ab, der außerhalb eines organisierten Systems erfolgt. Die im Folgenden zu behandelnden Märkte sind tatsächlich durchgehend keine organisierten Märkte i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG, weil sie teilweise lediglich dem Freiverkehr zuzuordnen sind (siehe dazu unter 4.) und im Übrigen außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches der Vorschrift liegen (nämlich in der Schweiz, den U.S.A. bzw. Hongkong). 54 Rechtlich handelt es sich bei einem Erfordernis der Börsenzulassung um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt; vgl. Gebhardt, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 1/2006, Vor § 30 BörsG Rn. 1. 55 Siehe § 9.

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1. „Investment grade“-Rating als Voraussetzung der Börsenzulassung in der Schweiz (1985–1990) Ein vergleichsweise frühes Ratingerfordernis bestand von 1985 bis 1990 in der Schweiz: Ausländische (d.h. nicht-Schweizer) Unternehmen benötigten damals ein Emittentenrating im „investment grade“-Bereich, um ihre Anleihen an den schweizerischen Börsen zulassen zu können. Dass damit in der Schweiz schon zu einem Zeitpunkt auf Ratings abgestellt wurde, zu dem diese im Nachbarland Deutschland noch fast keine Rolle spielten,56 ist vor allem durch die vergleichsweise größere internationale Rolle der dortigen Börsen zu erklären: In den späten 1980er Jahren war die Schweiz der drittgrößte Börsenplatz der Welt, nach New York und Tokio, aber noch vor London. Hinzu kam, dass hier damals der Handel in ausländischen Titeln klar im Vordergrund stand; in Zürich wurden mehr U.S.-Wertpapiere gehandelt als irgendwo sonst außerhalb Nordamerikas, und eine große Anzahl ausländischer Emittenten finanzierten sich zudem über Schweizerfranken-Anleihen am schweizerischen Markt.57 Im Zuge dieser frühen Internationalisierung ihrer Börsen erlangten dabei auch Ratings in der Schweiz schon früh Bedeutung, und zwar nicht nur in ihrer Marktinformations-, sondern auch in ihrer Regulierungsfunktion. a) Ratingerfordernis für Anleihen ausländischer Emittenten in den Richtlinien der Schweizerischen Zulassungsstelle Die Kriterien, die für Zulassungsentscheidungen und -versagungen an den schweizerischen Börsen maßgeblich waren, wurden durch die „Richtlinien für die Entscheidungen der Zulassungsstelle“ vom 18. Dezember 198558 bestimmt.59 Der Überprüfung der Emittentenbonität maß man in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu.60 Zum Kriterium „Beurteilung des Emittenten“ führten die Richtlinien insoweit aus: „Die Qualitätsnormen der international anerkannten ‚Rating Agencies‘ sind dabei wegleitend. So spricht grundsätzlich bei normalen Anleihen ‚straight‘ ein Standard von mindestens ‚BBB‘ oder eine vergleichbare Qualifizierung für eine Kotierung. Falls dieser Standard nicht erreicht wird,

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Oben I. Vgl. Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 11. 58 Abgedruckt in ihrer Fassung vom 19. Oktober 1988 bei Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 235. 59 Die im Jahre 1938 geschaffene „Schweizerische Zulassungsstelle“ entschied zentral über die Zulassung ausländischer Effekten an den damals sieben Schweizer Börsen (Basel, Genf und Zürich sowie – jeweils deutlich kleiner – Bern, Lausanne, Neuenburg und St. Gallen); siehe zum Ganzen Sigrist, Kotierungsbestimmungen, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 299, 301. Eine einheitliche Schweizer Börse wurde erst 1996 unter dem Namen „SWX – Swiss Exchange“ gegründet; sie firmiert heute als „SIX Swiss Exchange“. 60 Daeniker, Anlegerschutz bei Obligationenanleihen, S. 40; Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 131. 57

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müssen andere Gründe vorliegen, welche trotzdem für eine Kotierung sprechen (z.B. Obligationen mit Wandelrechten).“61 Die Schweizerische Zulassungsstelle machte die Kotierung von Anleihen ausländischer Emittenten damit also von einer Mindestbonität in Höhe des „investment grade“ abhängig.62 Dieses Mindestrating stellte ein striktes Marktzugangserfordernis dar; Anleihen mit einem niedrigeren Rating wurden in der Praxis nur in seltenen Ausnahmefällen zugelassen.63 Daneben verlangte die Zulassungsstelle auch für die Kotierung ausländischer Bankaktien ein Rating, wobei die Mindestanforderungen hier sogar mit „AA“ oder gar „AAA“ angesetzt wurden.64 Dass die schweizerische Börsenselbstregulierung mit der Ratingeinstufung durch ausländische Rating-Agenturen an eine Bonitätsinformation anknüpfte, die für Schweizer Emittenten zu diesem Zeitpunkt (Mitte der 1980er Jahre) noch kaum eine Rolle spielte, ist bemerkenswert; man erklärt dies mit dem Bestreben, an ein international bereits etabliertes und vor allem leicht feststellbares Merkmal anzuknüpfen.65 Die Inspiration durch ausländische (wohl vor allem U.S.-amerikanische) Marktstandards dürfte zugleich begründen, warum als Mindestrating die in den U.S.A. schon damals gängige „investment grade“-Schwelle66 gewählt wurde. Der Zweck des Ratingerfordernisses und der Bonitätsanforderungen im Rahmen der Börsenzulassung war dabei ungeklärt und im schweizerischen Schrifttum umstritten. Wohl vorrangig wurde das Mindestrating bei Markteintritt als Mittel gesehen, „den Standard der Börse hochzuhalten“67 und durch eine vorbeugende Qualitätskontrolle den Ruf der Schweizer Börsen als Institution in den Augen der Anlegerschaft zu sichern68 – ein rechtspolitisches Ziel, das in jüngerer Zeit etwa auch in Hongkong nachzuweisen ist, wo im Wege der steuerlichen Privilegierung von „investment grade“-Anleihen versucht wird, den Rang der Hongkonger Börse als Markt für bonitätsstarke Titel zu fördern.69 Daneben wurde in der schweizerischen Diskussion der (Klein-)Anlegerschutz als weiterer, allerdings eher mittelbar verfolgter Zweck des Ratingerfordernisses genannt.70 61

„Richtlinien für die Entscheidungen der Zulassungsstelle“ vom 19. Oktober 1988, Tz. 1 b). Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 116; Daeniker, Anlegerschutz bei Obligationenanleihen, S. 40; Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 384; Rohr, Emissionsrecht, S. 515; Sigrist, Kotierungsbestimmungen, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 299, 308. 63 Rohr, Emissionsrecht, S. 515 f. mit Nachweisen zur damaligen Zulassungspraxis. 64 Vgl. Bulletin Zulassungsstelle 2/1986, S. 2; Rohr, Emissionsrecht, S. 516. 65 Baudenbacher-Tandler, Anlegerrisiken, S. 96 f.; Sigrist, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/ Hirsch, Colloque, S. 319 mit der Bemerkung, die Zulassungsstelle habe beschlossen, „das Rad nicht neu zu erfinden“. 66 Siehe noch § 17 IV. 67 So Sigrist, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 309, 310. 68 Forcart, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 315; Keller, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 317; Sigrist, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 309, 310; Widmer, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 313 f. 69 Siehe dazu näher unter 5. 70 Forcart, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 315; Widmer, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 313 f. 62

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Vereinzelt wurde insoweit spezifisch angeführt, dass Zulassungsprospekte als Informationsmedium jedenfalls für Kleinanleger aufgrund ihres komplexen Inhalts ungeeignet seien; aufgrund seiner leichten Verständlichkeit sei das Rating daher für den Kleinanleger wie auch für ausländische Investoren hilfreich.71 Interessant ist, dass das Schweizer Recht dadurch, dass es ein Bonitätserfordernis nur für ausländische Emittenten aufstellte, genau entgegengesetzt zum deutschen Recht verfuhr, wo die staatliche Bonitätsprüfung im Rahmen der damaligen §§ 795, 808a BGB a.F. nur für inländische (und gerade nicht ausländische) Emittenten72 galt. In der Praxis führte das Mindestratingerfordernis der Schweizer Zulassungsrichtlinien jedenfalls dazu, dass einer ganzen Reihe von Anleihen ausländischer Emittenten die Zulassung zu den schweizerischen Börsen verweigert wurde,73 darunter mit Anleihen der australischen Bond Corporation Holdings Ltd. und der U.S.-amerikanischen Pan American Corp. auch solche im „non investment“-Bereich geratete Papiere, die später ausfielen und in Deutschland bzw. den U.S.A., wo sie zum Börsenhandel zugelassen worden waren, zu umfangreichen ratingbezogenen Rechtsstreitigkeiten führten.74 Im Rückblick lässt sich daher sagen, dass das schweizerische Mindestratingserfordernis jedenfalls im praktischen Ergebnis eine Erhöhung des Anlegerschutzes bewirkte.

b) Kritik und Abschaffung des Ratingerfordernisses In der Schweizer Wissenschaft erfuhr das Ratingerfordernis für Auslandsanleihen allerdings vielfach Kritik; es wurde sogar als der „umstrittenste Punkt“ der damaligen Börsenzulassungspraxis bezeichnet.75 In der Sache wurde einerseits bemängelt, dass die ratingbasierte Bonitätsprüfung erst bei Einführung der Anleihe in den Sekundärmarkt und damit zu einem Zeitpunkt durchgeführt wurde, zu dem die Investition häufig bereits getätigt war;76 weil nur einmalig aus Anlass der Zulassung erfolgend, schütze sie zudem nicht vor nachträglichen Bonitätsverschlechterungen77 (wenn das Rating bereits einen Tag nach erfolgter Zulassung in den „junk bond“-Bereich abrutschte, zeitigte dies keinerlei rechtliche Folgen). In der Tat wurde eine einmal erteilte Zulassung in der schweizerischen Börsenpraxis bei eingetretener Bonitätsverschlechterung nicht wieder entzogen, zumal den Interessen der investierten Anleger mit einem solchen Schritt nicht ge71

Le Portz, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 319. Kritisch Schwark, Anlegerschutz durch Wirtschaftsrecht, S. 364 f. (der daher für eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches der §§ 795, 808a BGB a.F. auf Auslandsanleihen eintrat); Ungnade, Zulässigkeit der staatlichen Einflussnahme, S. 108. 73 Vgl. zur Zürcher Börse die Nachweise bei Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 387 Fn. 94. 74 Vgl. BGH, 6.7.1993, BGHZ 123, 126 ff. („Bond-DM-Anleihe“) sowie zahlreiche weitere Rechtsprechungsnachw. in § 15; In re Pan Am Corp., 7.12.1993, 161 B.R. 577 ff. (S.D.N.Y. 1993). 75 So Widmer, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 313. 76 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 116; Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 387: „in der Praxis ein stumpfes Schwert“. 77 Daeniker, Anlegerschutz bei Obligationenanleihen, S. 40 f.; Keller, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 317; dagegen Sigrist, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 309. 72

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dient gewesen wäre.78 Neben diesen Kritikpunkten, welche die grundsätzliche Eignung eines Ratingerfordernisses als Teil der Börsenzulassung betrafen, sowie Monita bezüglich einzelner Organisationsfragen79 stieß vor allem die Ungleichbehandlung in- und ausländischer Emittenten auf Widerspruch in der Literatur, die sich allerdings eher im Sinne einer Ratingnotwendigkeit auch für schweizerische (und nicht lediglich ausländische) Emittenten äußerte.80 Die Reaktion auf Seiten der Börsen ging sodann jedoch in die entgegengesetzte Richtung: Vor dem Hintergrund der beschriebenen Kritik wurde im Dezember 1990 beschlossen, künftig im Rahmen der Börsenzulassung gänzlich auf das Kriterium der Bonität zu verzichten.81 Ein Rating ist daher heute auch in der Schweiz keine Kotierungsvoraussetzung mehr;82 an die Stelle einer strikten Mindestratinganforderung sind vielmehr – in Übereinstimmung mit internationalen Entwicklungstendenzen83 – allgemeine Publizitätsvorgaben getreten.84

2. „B“-Mindestrating als Voraussetzung für die Börsenzulassung am New York Stock Exchange In den U.S.A. sehen die Börsenbedingungen der New Yorker Börse (NYSE) dagegen bis heute eine Ratinganforderung als Voraussetzung der Zulassung von Anleihen vor.85 Das verlangte Mindestrating – ein „B“-Rating einer NRSRO – ist im mittleren „non-investment grade“-Bereich allerdings vergleichsweise niedrig angesetzt und stellt sich zudem nicht als einzige Möglichkeit eines Bonitätsnachweises dar, weil alternativ auch die Notierung von Aktien des Anleiheemittenten an der NYSE genügt.86 In ihrer Wirkung als Markteintrittsschranke bleibt die 78 Sigrist, Diskussionsbeiträge, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 309 f., 316; Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 133. 79 So zur fehlenden gesetzlichen Grundlage des Bonitätserfordernisses (Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 116) sowie namentlich zur Zusammensetzung der Zulassungsstelle, die zu 2/3 aus Bankenvertretern bestand und daher über deren eigene Emissionen entschied (so Baudenbacher-Tandler, Anlegerrisiken, S. 101 f.; Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 389). 80 Daeniker, Anlegerschutz bei Obligationenanleihen, S. 40; Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 388 f.; Keller, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 323 f.; Jetzer, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 321; Widmer, Diskussionsbeitrag, in: Dufour/Hirsch, Colloque, S. 325. 81 Entscheid der Zulassungsstelle vom 20. Dezember 1990, Bulletin SZS Nr. 1/1991, S. 1; Daeniker, Anlegerschutz bei Obligationenanleihen, S. 41; Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 389 f. (näher zu den Hintergründen). 82 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 112; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1129. 83 Siehe dazu unter 6. 84 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 116; Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 390 f. 85 § 102.03(D) New York Stock Exchange Listed Company Manual (Stand: 11. Jan. 2013) (für Anleihen U.S.-amerikanischer Emittenten); ebenso § 103.05 des Manual (für Anleihen nicht-U.S.amerikanischer Emittenten). 86 § 102.03(A)–(C) New York Stock Exchange Listed Company Manual.

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geltende New Yorker Regelung folglich hinter der früheren schweizerischen Zulassungsregelung zurück.

3. Rating als Voraussetzung für die Zulassung zu „Mittelstandssegmenten“ deutscher Börsen (seit 2010) Erheblich jüngeren Datums sind die Ratinganforderungen, die sich in den Zulassungsvoraussetzungen der Marktsegmente deutscher Börsen für mittelständische Unternehmensanleihen finden. Entsprechende „Mittelstandssegmente“ wurden seit 2010 zunächst an der Börse Stuttgart („Bondm“) und sodann an den Börsen Frankfurt („Entry Standard“), München („m:access“), Düsseldorf („Der Mittelstandsmarkt“) sowie Hamburg und Hannover („Mittelstandsbörse Deutschland“) eingeführt. Es handelt sich bei diesen Segmenten nicht um organisierte Märkte i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG, sondern um Handelssegmente innerhalb des Freiverkehrs.87 Ihre Voraussetzungen für die Einbeziehung von Anleihen zum Handel werden folglich in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen88 aufgestellt;89 es handelt sich dogmatisch also um eine Spielart der privaten Regelsetzung.90 a) Ausgestaltung der Ratingerfordernisse Die Einbeziehungsvoraussetzungen der Mittelstandssegmente (mit Ausnahme derjenigen in Hamburg/Hannover91) schreiben dabei durchweg ein Emissionsoder Emittentenrating vor.92 Seit August 2013 stimmen die Geschäftsbedingungen des jeweiligen Freiverkehrs in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, München und Stuttgart auch darin überein, dass keinerlei Mindestrating vorgegeben wird; emittierendes Unternehmen oder Anleihe müssen also lediglich über irgendein Rating beliebiger Höhe verfügen. Bemerkenswert ist, dass dies anfänglich noch anders und die Ratinganforderungen sehr unterschiedlich ausgestaltet gewesen waren:93 Zu87

§ 48 BörsG; vgl. Schlitt/Kasten, CFL 2011, 97, 98; Schmitt, BB 2012, 1079. § 305 BGB. 89 Groß, Kapitalmarktrecht, § 48 BörsG Rn. 3; Schwark/Zimmer/Schwark, § 48 BörsG Rn. 3, 6; Seiffert, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 4.75. 90 Vgl. Bachmann, Private Ordnung, S. 29 f. Vgl. zu Ratingbezugnahmen in privaten Regelwerken noch § 16. 91 Die Börse Hamburg/Hannover behält sich immerhin vor, bei weniger bekannten Emittenten im Rahmen des individuellen Einbeziehungsprozesses nachdrücklich ein Rating zu empfehlen (Schlitt/Kasten, CFL 2011, 97, 99). 92 § 8 Abs. 5 Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr an der Börse Berlin (Stand: 1. Nov. 2012); § 21 Nr. 1 Geschäftsbedingungen der Börse Düsseldorf AG für den Freiverkehr an der Börse Düsseldorf (Stand: 20. Aug. 2013); § 18 Abs. 2 lit. b Allgemeine Geschäftsbedingungen der Deutsche Börse AG für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse (Stand: 26. Juli 2013); § 7 Abs. 1 lit. b Regelwerk für das Marktsegment m:access an der Börse München (Stand: 10. Juni 2013); § 36 Abs. 3 Nr. 3 Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr an der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse (Stuttgart) (Stand: 31. Okt. 2012). 93 Felz, in: Bösl/Hasler, Mittelstandsanleihen, S. 95, 107; Schmitt, BB 2012, 1079, 1980 f. 88

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nächst war am Düsseldorfer „Mittelstandsmarkt“ nämlich ein Mindestrating von „BB“94 und am Münchner Marktsegment „m:access“ sogar eine Bonitätseinstufung von mindestens „BB+“95 verlangt worden. Diese Mindestratinganforderungen wurden im Jahre 2013 jedoch zunächst in München und sodann auch in Düsseldorf aufgegeben und durch ein bloßes unterschiedsloses Ratingerfordernis ersetzt, wobei man zur Begründung auf die angebliche „zunehmende Professionalisierung des Marktes für Mittelstandsanleihen“ verwies, infolge derer die Ratingeinstufung für Investitionsentscheidungen „wenig relevant“ sei.96 In Frankfurt und Stuttgart sind zudem seit jeher großzügige Ausnahmen vom Ratingerfordernis vorgesehen,97 etwa wenn Aktien des betreffenden Emittenten zum Handel in einem EU-regulierten Markt zugelassen sind,98 sein Jahresumsatz in den vorangegangenen drei Geschäftsjahren jeweils mindestens 300 Mio. € betrug99 oder Aktien des Emittenten in den Freiverkehr an einer deutschen Börse einbezogen sind, der Emittent aber gleichwohl seit mindestens zwölf Monaten die Regel- und Ad hoc-Publizitätsanforderungen erfüllt hat, die nach Gesetz nur für Emittenten an organisierten Märkten i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG verbindlich sind.100 Erfüllt werden können die Ratinganforderungen durch ein Rating jeder Rating-Agentur, die nach der EG-RatingVO zugelassen ist101 oder nach den früheren §§ 52 f. SolV anerkannt102 wurde; insoweit ist die Regelung bei allen Mittelstandssegmenten gleich.103 Auf diese Weise wird den mittelständischen Emittenten als Alternative zur Beauftragung großer, am internationalen Finanzmarkt anerkannter Rating-Agenturen auch die Nutzung kleinerer deutscher RatingAgenturen ermöglicht, denen eine solche Marktposition fehlt.104 Die Geschäftsbedingungen aller Mittelstandssegmente sehen zudem ratingbezogene Folgepflichten vor, denen der Emittent nach Einbeziehung seiner Anleihe in den Freiverkehr zu genügen hat und die i.d.R. die jährliche Aktualisierung des Ratings (genauer: die Mitteilung des aktualisierten Ratings an die Börse105 oder dessen Veröffentlichung auf der Homepage des Emittenten106) verlangen. 94

§ 21 Nr. 1 Geschäftsbedingungen Düsseldorf (Stand: 14. Jan. 2013). § 7 Abs. 1 lit. b Regelwerk m:access (Stand: 1. Nov. 2012). 96 Börse Düsseldorf, Aktualisierung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr – Pressemitteilung vom 5. Aug. 2013. 97 Kritisch Kuthe/Zipperle, Bond Magazine (Febr./März 2011), 10. 98 Vgl. § 18 Abs. 2 lit. b Geschäftsbedingungen Frankfurt; § 36 Abs. 3 Nr. 3 Satz 4 lit. b Geschäftsbedingungen Stuttgart. 99 § 18 Abs. 2 lit. b Geschäftsbedingungen Frankfurt. 100 Vgl. § 36 Abs. 3 Nr. 3 Satz 4 lit. b Geschäftsbedingungen Stuttgart. 101 Siehe dazu noch § 22 II 2. 102 Siehe § 6 III 5 a) sowie § 23 II 2 a). 103 Allein das Regelwerk für das Marktsegment m:access an der Börse München benennt keine Anforderungen an die Rating-Agentur, lässt Ratings staatlich zugelassener Agenturen in der Praxis aber genügen. 104 Dazu noch unter c) bb). 105 § 13 Abs. 7 Geschäftsbedingungen Berlin; § 23 Abs. 1 Nr. 5 Geschäftsbedingungen Düsseldorf. Ebenso, aber ohne Fristvorgabe § 19 Abs. 2 lit. b Geschäftsbedingungen Frankfurt. 106 § 6a Abs. 2 lit. a Regelwerk m:access; § 38 Abs. 1 Nr. 4, 8 Geschäftsbedingungen Stuttgart. 95

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b) Zweck der Ratingerfordernisse Hinsichtlich des Zwecks, der mit den Ratingvorgaben anscheinend verfolgt wird, ist zu differenzieren: Die heute allein noch bestehende Pflicht zur Ausweisung eines Emittentenratings beliebiger Höhe dürfte auf Anlegerschutz durch Information („Transparenz“) zielen,107 indem die im Übrigen dürftig ausgestalteten Publizitätspflichten der Emittenten108 um die Bonitätseinschätzung eines sachkundigen Dritten ergänzt werden. Mittelbar soll hierdurch zugleich die Attraktivität der Marktsegmente für die Investoren gesteigert werden.109 Durch die bis 2013 teilweise bestehenden Mindestratingvorgaben („BB“ bzw. „BB+“) wurde hingegen angestrebt, Emittenten mit schlechterer Bonität auszusortieren und damit eine höhere „Qualität“ des Marktsegments gegenüber dem sonstigen Freiverkehr zu sichern.110 Dieses mittlerweile aufgegebene Ziel wurde angesichts der hohen Ausfallquoten an den Mittelstandssegmenten in den Jahren 2010–13111 ersichtlich nicht erreicht und war mit dem gewählten Mittel wohl auch nicht erreichbar, bewegte sich das verlangte Mindestrating doch unterhalb der gängigen „investment grade“-Schwelle. Selbst wenn die angelegten Bonitätsmaßstäbe denjenigen der großen internationalen Rating-Agenturen entsprochen hätten (was sie – wie sogleich112 noch anzusprechen – nicht taten), wäre so nicht sichergestellt worden, dass an den Mittelstandssegmenten Düsseldorfs und Münchens notierte Anleihen nach der segmentübergreifenden Marktanschauung eine hohe Qualität besessen hätten. c) Bewertung: Missverständnisse hervorrufendes Ratingerfordernis auf einem Marktsegment für Privatanleger Die Bewertung der beschriebenen regulatorischen Ratingverwendung fällt vor diesem Hintergrund kritisch aus. Dabei ist entscheidend, dass sich „Mittelstandssegmente“, deren Bezeichnung auf die angesprochenen Emittentenkreise zurückgeht, auf Investorenseite gezielt an Privatanleger richten,113 wie namentlich an der für „Mittelstands“-anleihen vorgeschriebenen Höchststückelung von 1000 €114 107

Schlitt/Kasten, CFL 2011, 97, 98. Vgl. nur Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 7: die Informationspflichten an den Mittelstandssegmenten seien aus Emittentensicht „mehr als komfortabel“. 109 Schlitt/Kasten, CFL 2011, 97, 98. Vgl. auch Kaulamo, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 17 Rn. 25. 110 So Felz, in: Bösl/Hasler, Mittelstandsanleihen, S. 95, 107; Kuthe/Zipperle, Bond Magazine (Feb./März 2011), 10, 11. 111 Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 21: nahezu 10% der Emittenten an den Mittelstandssegmenten fielen bis Mai 2013 teilweise oder ganz aus. 112 Unter c) bb). 113 Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 5 f.; Kuthe/Zipperle, Bond Magazine (Feb./ März 2011), 10; Schlitt/Kasten, CFL 2011, 97, 98; Schmitt, BB 2012, 1079, 1080 ff. 114 § 10 Abs. 3 Geschäftsbedingungen Börse Berlin; § 21 Nr. 2 Geschäftsbedingungen Düsseldorf; § 18 Abs. 1 lit. b Geschäftsbedingungen Frankfurt; § 6a Abs. 1 Satz 2 Regelwerk m:access; § 36 Abs. 3 Nr. 5 Geschäftsbedingungen Stuttgart. Im Allgemeinen werden Anleihen dagegen in 108

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

abzulesen ist.115 Legt man daher den Adressatenhorizont eines typischen Privatanlegers zugrunde, verdienen die Ratingerfordernisse der Mittelstandssegmente in mehrerer Hinsicht Kritik: aa) Erfordernis lediglich eines Emittentenratings als Problem So schreiben die Geschäftsbedingungen durchweg lediglich ein Emittentenrating vor,116 das sich damit auf die Bonität der emittierenden Gesellschaft bezieht, die über der Ausfallwahrscheinlichkeit namentlich nachrangig ausgestalteter Anleihen des Emittenten liegen kann.117 Die meisten Mittelstandssegmente lassen aber auch rechtlich118 oder strukturell119 nachrangige Anleihen zu,120 ohne zumindest in diesem Fall die Angabe eines Emissionsratings zu verlangen,121 das allein etwas über die konkret interessierende Bonität aussagt122 – ein Umstand, der Privatanlegern nicht selten unbekannt sein wird, die daher durch das auf ein anderes Ratingobjekt bezogene Emittentenrating in die Irre geführt zu werden drohen.123 Als zumindest intransparent, bei kundenfeindlichster Auslegung124 jedoch sogar fehlleitend sind die Ratingvorgaben der Berliner und Stuttgarter Geschäftsbedingungen einzustufen, soweit sie bei konzernangehörigen Emittenten anstelle eines Unternehmensratings des Emittenten alternativ auch dasjenige einer anderen Konzerngesellschaft ausreichen

115 deutlich größerer Stückelung emittiert; vgl. Kaulamo, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 17 Rn. 25; Ziriakus, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 90. 115 Felz, in: Bösl/Hasler, Mittelstandsanleihen, S. 95, 96; Kuthe/Zipperle, Bond Magazine (Feb./ März 2011), 10: „Kleinanlegerfreundlichkeit“; Schmitt, BB 2012, 1079, 1080; Wilhelm, in: Bösl/ Hasler, Mittelstandsanleihen, S. 265, 272. 116 Oben a). Ein Emissionsrating zählt dagegen in keinem der Segmente zu den Einbeziehungsvorausetzungen (Felz, in: Bösl/Hasler, Mittelstandsanleihen, S. 95, 96). 117 Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 12. Siehe zum Unterschied zwischen Emittenten- und Emissionsratings bereits § 2 III 2 a). 118 Vgl. zu entsprechenden Klauseln in Anleihebedingungen näher Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 2.120. 119 Dazu etwa Kaulamo, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 17 Rn. 57; Ziriakus, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 84. 120 Die Einbeziehung von Nachranganleihen wird ausdrücklich gestattet in Vor § 17 Geschäftsbedingungen Düsseldorf und § 36 Abs. 3 Nr. 6 Geschäftsbedingungen Stuttgart (siehe dazu aber im Text); stillschweigend in den Geschäftsbedingungen Hamburg/Hannover und München. Dagegen schließen § 10 Abs. 1 Geschäftsbedingungen Börse Berlin und § 18 Abs. 1 lit. c Geschäftsbedingungen Frankfurt die Einbeziehung von Anleihen aus, wenn diese nachrangige Verbindlichkeiten des Emittenten darstellen. 121 Anders allein § 36 Abs. 3 Nr. 6 Geschäftsbedingungen Stuttgart. 122 Schlitt/Kasten, CFL 2011, 97, 99. 123 Wie hier kritisch Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 12; Kuthe/Zipperle, Bond Magazine (Feb./März 2011), 10. 124 Siehe zur kundenfeindlichsten Auslegung nach deutschem AGB-Recht nur Palandt/Grüneberg, § 305c Rn. 18; zur Einordnung der Geschäftsbedingungen im Freiverkehr deutscher Börsen als Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 BGB Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 3.214.

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lassen, sofern diese „das eigentliche wirtschaftliche Risiko der Anleihe“ trägt125: Das eigentliche wirtschaftliche Risiko einer Anleihe trägt ab deren Erwerb der Investor, und die Bonität einer mit deren Emittent konzernverbundenen Gesellschaft ist für ihn nur dann von Interesse, wenn diese rechtlich für die Bedienung der Anleihe einsteht. Da die Bedingungen der Mittelstandssegmente Berlins und Stuttgarts dies jedoch – anders als ihr Frankfurter Äquivalent126 – nicht voraussetzen, vertraut der (Privat-)Anleger auf eine Bonitätsaussage über eine Gesellschaft, die mit der erworbenen Anleihe im Rechtssinne gar nichts zu tun hat.

bb) Dominanz zwar behördlich, aber nicht am Markt anerkannter Rating-Agenturen als Problem Indem die Mittelstandssegmente ein Rating einer nach der EG-RatingVO registrierten Rating-Agentur verlangen,127 schaffen sie zudem ein weiteres Problemfeld, das auf den ersten Blick nicht offensichtlich sein mag. Da die ESMA mittlerweile über dreißig Rating-Agenturen nach Maßgabe der EG-RatingVO registriert hat128 und die Geschäftsbedingungen ein Rating genügen lassen, wird Emittenten von Mittelstandsanleihen damit die Wahl unter den behördlich anerkannten Agenturen eröffnet, die – und dies ist entscheidend – nicht durch das zusätzliche Erfordernis der Marktanerkennung der beauftragten Rating-Agentur gesteuert wird: Während institutionelle Investoren am allgemeinen Anleihemarkt nämlich die Beurteilung angebotener Anleihen durch mehrere am Markt anerkannte und als vertrauenswürdig erachtete129 Agenturen (praktisch also Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch) verlangen,130 fehlt eine solche marktinduzierte Vorgabe am Markt für Mittelstandsanleihen, weil hier vor allem Privatanleger auftreten. Die damit allein erforderliche behördliche Anerkennung erlaubt mittelständischen Emittenten folglich ein „rating shopping“ zur Auswahl derjenigen Rating-Agentur, deren Bonitätsbeurteilung ihrem Eigeninteresse am besten entspricht, weil sie im Vergleich am höchsten ausfällt – ein Vorgang, dem am sonstigen Anleihemarkt hingegen Marktzwänge entgegenstünden. In der Praxis hat dies zur Folge gehabt, dass die Ratings an den Mittelstandssegmenten fast durchgehend von kleinen deutschen Rating-Agenturen stammen (namentlich Creditreform Rating AG oder Euler Hermes Rating Deutsch-

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§ 8 Abs. 5 Geschäftsbedingungen Börse Berlin; § 35 Abs. 3 Geschäftsbedingungen Stuttgart (beide mit dem Zusatz, in diesem Fall sei „ein deutlicher Hinweis über diesen Sachverhalt in das Unternehmensrating aufzunehmen“). 126 Vgl. § 18 Abs. 5, 6 lit. g Geschäftsbedingungen Frankfurt, die das Unternehmensrating einer anderen Konzerngesellschaft nur genügen lassen, wenn der antragstellende Emittent Begünstigter einer von dieser Gesellschaft abgegebenen unbedingten und unwiderruflichen Garantie ist. 127 Siehe oben unter a). 128 Europ. Kommission, List of registered and certified credit rating agencies (Stand: 1. Juli 2013), ABl. EU vom 13.7.2013, Nr. C 201, S. 11 f. weist 35 registrierte Rating-Agenturen aus. 129 Siehe zur Reputation der Rating-Agenturen als Grundlage der Marktakzeptanz ihrer privaten Marktinformationen schon § 4 II 1. 130 Siehe zur „Zwei-plus-Ratings“-Usance noch § 20 II 2 b) bb) (2).

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land),131 die zwar von der ESMA zugelassen, am allgemeinen Finanzmarkt aber nahezu unbekannt sind und einen kaum messbaren Anteil am sonstigen Ratingmarkt einnehmen.132 Die drei großen internationalen Rating-Agenturen, die am europäischen Ratingmarkt gemeinsam einen Anteil von mindestens 87% besitzen,133 kommen demgegenüber an den deutschen Mittelstandssegmenten lediglich auf einen Marktanteil von 3,2%.134 Jüngste Erkenntnisse der ökonomischen Kapitalmarktforschung belegen zudem, dass die bestehenden Ratingeinstufungen deutscher Mittelstandsemittenten im Durchschnitt beträchtlich höher liegen sind als Ratings durch marktanerkannte U.S.-amerikanische (und deshalb angeblich mit den „Besonderheiten des deutschen Mittelstandes nicht vertrauter“135) Rating-Agenturen lägen.136 Es überrascht daher kaum, dass auch die Ausfallquoten an den deutschen Mittelstandssegmenten während der ersten drei Jahre beträchtlich waren137 – eine Folge (auch) der unglücklichen Ausgestaltung der ratingbasierten Zugangsvoraussetzungen, denen jedenfalls auf einem dezidierten Marktsegment für Privatanleger Irreführungspotential zukommt und die folglich angepasst werden sollten.138

4. „Investment grade“-Rating als Grund für verfahrensmäßige Privilegierung bei der Börsenzulassung in Hongkong In Hongkong stellt ein Rating dagegen zwar keine Voraussetzung für die Zulassung zu einem organisierten Finanzmarkt dar, kann sich aber immerhin positiv auf die Ausgestaltung des zu durchlaufenden Börsenzulassungsverfahrens aus131

Schmitt, BB 2012, 1079, 1081. ESMA, CRAs’ Market share calculation according to Article 8d of the CRA Regulation (16 Dec. 2013) beziffert den Marktanteil der Creditreform Rating im Kalenderjahr 2012 auf 0,49% und denjenigen von Euler Hermes Rating auf 0,20%. 133 So ESMA, CRAs’ Market share calculation … (16 Dec. 2013) für das Kalenderjahr 2012 (erfasst ist nur der Umsatz aus Rating- und ratingnahen Dienstleistungen der in der EU registrierten Tochtergesellschaften der U.S.-amerikanischen Konzernmütter von Fitch, Moody’s und Standard & Poor’s, nicht auch der Umsatz der Konzernmütter selbst – andernfalls läge der kumulative Marktanteil noch merklich höher). 134 Von den 64 Emittenten, die zwischen 2010 und Mai 2013 an deutschen Mittelstandssegmenten Anleihen begaben, ließen sich lediglich zwei von einer der drei großen internationalen RatingAgenturen bewerten (jeweils mit einem sehr schwachen Ergebnis); vgl. Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 11. 135 Vgl. in diesem Sinne etwa (aus Sicht der deutschen Rating-Agentur Creditreform Rating) Munsch, in: Bösl/Hasler, Mittelstandsanleihen, S. 67, 68: „Denn entscheidend ist, dass das Rating sich auf die spezifische Situation des Unternehmens in seinem Markt fokussiert. Die Bildung ungünstiger Vergleichsgruppen oder die Anwendung konzernadäquater Risikoparameter kann sich unverhältnismäßig negativ auf das Bonitätsurteil der Ratingagentur auswirken und so die Finanzierung unnötig erschweren. So mögen amerikanische Agenturen beispielsweise höhere Insolvenzen in Mitteleuropa erwarten als europäische, und insbesondere auf mittelständische Unternehmen spezialisierte Agenturen.“ 136 Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 11 ff.; vgl. auch Meeh-Bunse/Sattler, DB 2012, 1449, 1450. 137 Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 21. 138 Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 31. 132

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wirken: Während die Zulassungsentscheidung nach den Listing Rules der Hongkonger Börse (Listing Rules SEHK) nämlich grundsätzlich bei dem Listing Committee (also einem auf Grundlage einer gesetzlich vorgesehenen Selbstregulierung139 tätigen Börsenorgan) liegt,140 hat das Listing Committee diese Zuständigkeit für einige wenige Emittenten – neben Staaten, Staatsgesellschaften, supranationalen Organisationen und bereits an der Börse mit einer Mindestmarktkapitalisierung von 5 Milliarden HKD notierten Emittenten eben auch für Banken und Unternehmen mit einem „investment grade“-Rating – auf den Executive Director – Listing übertragen.141 Da dieser in der Praxis regelmäßig wesentlich zügiger entscheiden kann als das Listing Committee, das sich aus mindestens 28 Mitgliedern zusammensetzt142 und bei seiner Entscheidungsfindung zahlreichen verfahrensmäßigen Vorgaben unterliegt,143 führt ein „investment grade“-Rating damit bereits hinsichtlich des Zulassungsverfahrens zu einer Privilegierung.

5. „Investment grade“-Rating als Grund für steuerliche Privilegierung in Hongkong Darüber hinaus knüpft das Hongkonger Recht an ein „investment grade“-Rating noch eine weitere Rechtsfolge, der wirtschaftlich eine noch weit größere Bedeutung zukommen dürfte: Zinsen und Veräußerungsgewinne aus Schuldverschreibungen, die in Hongkong öffentlich angeboten144 und am Central Moneymarkets Unit der HKMA (einem organisierten Markt für Hongkonger Fremdkapitaltitel)145 notiert und abgerechnet werden,146 unterliegen nämlich aufgrund des sog. profits tax concession scheme lediglich einer hälftigen Besteuerung147 oder werden sogar völlig steuerfrei gestellt,148 sofern die Schuldverschrei-

139 § 3(a) Securities and Futures (Stock Market Listing) Rules (Cap. 571V) überträgt die Regelung der Börsenzulassungsvoraussetzungen den zugelassenen Börsen; die genannte Ermächtigungsnorm beruht wiederum auf § 36(1) Securities and Futures Ordinance (Cap. 571). Siehe hierzu näher Donald, Hong Kong Stock and Futures Exchanges, Rn. 2.023 f. 140 Rule 2A.05 der Listing Rules SEHK. Vorschläge, die sich für eine Rückübertragung der Zulassungszuständigkeit auf die staatliche Securities and Futures Commission (vgl. Loh, Financial Intermediaries Guide, § A1.04700 Fn. 1) bzw. die Regelung der Zulassungsvoraussetzungen in den Securities and Futures (Stock Market Listing) Rules (vgl. Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 6.39) ausgesprochen hatten, sind bislang nicht umgesetzt worden. 141 Rule 2A.05A der Listing Rules SEHK. 142 Rule 2A.17 der Listing Rules SEHK. 143 Vgl. Rule 2A.28 der Listing Rules SEHK. 144 Siehe § 14A(4) Stichwort „debt instrument“ (e) Hong Kong Inland Revenue Ordinance. 145 Vgl. zum Central Moneymarkets Unit und seinen Funktionen World Bank, Asian Bond Market, S. 21. 146 § 14A(4) Stichwort „debt instrument“ (a) Hong Kong Inland Revenue Ordinance. 147 § 14A(1) Hong Kong Inland Revenue Ordinance. 148 § 26A(1)(h), (2) Stichwort „long debt instrument“ Hong Kong Inland Revenue Ordinance für Schuldverschreibungen mit langer Laufzeit.

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bung durchgehend über ein „investment grade“-Rating einer anerkannten Rating-Agentur149 verfügt. Hinter dieser auf den ersten Blick ungewöhnlichen Regelung – der steuerlichen Privilegierung bonitätsstarker Anleihen – steckt das Bemühen der Hongkonger Regierung, die Liquidität des lokalen Anleihenmarkts150 und die Attraktivität des Hongkonger Finanzmarkts insgesamt zu fördern, indem die Anleihenemission durch lokale und ausländische Emittenten in Hongkong angeregt wird.151 Es handelt sich also letztlich um eine wirtschaftspolitische Zielsetzung, bei deren Umsetzung das „investment grade“-Rating als Schlüssel für qualitativ hochwertige (und daher erwünschte) Finanzinstrumente stehen dürfte. Dass man sich hierbei als Mittel der Steuererleichterung bedient, entspricht einer Hongkonger Tradition – der low tax policy wird in der Sonderverwaltungsregion sogar explizit Verfassungsrang eingeräumt.152 Sowohl aus Sicht der Investoren als auch der Emittenten dürfte sich der ratingbasierte Steuervorteil im Ergebnis als wirtschaftlich entscheidender darstellen153 als die gute Bonität, die durch das „investment grade“-Rating ausgedrückt und bei der Bestimmung der notwendigen Anleiheverzinsung ebenfalls berücksichtigt wird154 – für Anleihen im „non-investment grade“-Bereich dürfte die Nachfrage am Hongkonger Finanzmarkt im Gegenzug merklich gesunken sein.

6. Tendenz: Markteintrittspublizität statt regulatorische Bonitätsanforderungen Im Übrigen entspricht es jedoch den Entwicklungstendenzen der modernen Finanzmarktregulierung, im öffentlichen Interesse abzusichernde Mindestanforderungen an gehandelte Finanzinstrumente nicht im Wege materieller Vorgaben, sondern durch Schaffung einer ausreichenden Publizität durchzusetzen.155 Seit im Jahre 1990 das Erfordernis der staatlichen Anleihegenehmigung im deutschen Recht abgeschafft wurde, gilt das angesprochene Informationsmodell in allen hier untersuchten Rechtsordnungen auch für die Bonität von Anleihen zum Zeitpunkt des Eintritts in einen organisierten Markt, die heute vorrangig im Wege der Markteintrittspublizität (vor allem der Prospektpublizität) geregelt

149

Zur Anerkennung der Rating-Agenturen und Bestimmung des einschlägigen Mindestratings durch die HKMA siehe noch § 23 II 5 a). 150 Choong, 7 Int. Tax Rev. (Sep. 1996), 52, 53. 151 Willoughby/Halkyard, Hong Kong Taxation, Stand: Issue 11 (Okt. 2004), Anm. II 6888.4. 152 Art. 108 Basic Law schreibt der Hongkonger Regierung ausdrücklich vor, dass sie sich bei der Ausgestaltung des Steuersystems durch die „low tax policy previously pursued in Hong Kong“ leiten zu lassen hat. 153 Ergebnisse der neueren empirischen Kapitalmarktforschung bestätigen, dass die steuerliche Behandlung von Neuemissionen das diesbezügliche Investoreninteresse wesentlich beeinflusst; vgl. Gabbi/Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59, 60. 154 Siehe § 15 II 1. 155 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 370 ff.

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wird.156 Die vielgestaltige Rolle, die Ratings in ihrer Marktinformations- wie auch Regulierungsfunktion in diesem Zusammenhang spielen, wird im folgenden Kapitel noch gesondert untersucht.157 Eine eigenständige Bonitätsprüfung durch die für die Börsenzulassung zuständige Stelle erfolgt daneben nicht mehr,158 weshalb die (ratinggestützte) gesetzliche Markteintrittspublizität als einziger Schutzmechanismus für Investoren verbleibt – ein Umstand, durch den sich mittelbar wiederum die Bedeutung des Ratings erhöht.

III. Faktischer Zwang zum Rating: Das Rating als Markteintrittsvoraussetzung bei „traditionellen“ Anleihen Soweit Anleihen nach dem vorstehend Gesagten nicht schon aus rechtlichen Gründen über Ratings verfügen müssen, um öffentlich angeboten werden zu dürfen, heißt dies allerdings nur, dass es an objektbezogenen rechtlichen Markteintrittsvoraussetzungen für Anleihen fehlt, die auf ein Rating abstellen. Wenn ein Rating aber gleichwohl allgemein als Marktzugangsvoraussetzung für Anleihen gilt, liegt dies daran, dass sich für eine ungeratete Anleihenemission heutzutage nur schwerlich oder gar keine Käufer finden lassen: Das Rating wird also von Seiten der Investoren vorausgesetzt und zwingt Emittenten aus diesem Grund, ihre Anleihen vor der Platzierung raten zu lassen; es handelt sich also um eine mittelbar-faktische Markteintrittsvoraussetzung. Die zentrale Bedeutung des Ratings für den Marktzugang hat in den U.S.A.159 schon eine lange Tradition, wird heute aber auch am deutschen,160 am schweizerischen161 und am Hongkon156 Für Deutschland Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 9 Rn. 60; Grundmann, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Hdb., § 112 Rn. 26; Schwark/Zimmer/Heidelbach, § 32 BörsG Rn. 1; für die Schweiz Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 390; Huber/ Hodel/Staub Gierow, Art. 8 KR Rn. 8; Ruffner, Gesteuerte Selbstregulierung, S. 7, 40. 157 Siehe § 9. 158 Für Deutschland BGH, 6.7.1993, BGHZ 123, 126, 130 („Bond-DM-Anleihe“); Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2006, §§ 44, 45 BörsG Rn. 110; Heinsius, ZBB 1994, 47, 54; Köndgen, WuB I G 4. – 4.93, 477, 478; a.A. Schwark, WuB I G 4. – 9.93, 1042, 1043 f., der in dem Zulassungsverfahren „ein Stück Bonitätsprüfung des Emittenten“ erkennt. Für die Schweiz Ruffner, Gesteuerte Selbstregulierung, S. 7, 40. 159 In diesem Sinne schon früh Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 3; Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 550; aus jüngerer Zeit Crawford, 42 Conn. L. Rev. (2009), 13, 14; Gruson, WM 1995, 89, 92; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 47; Hurst, 30 Company L. (2009), 61; Lowenstein, 4 Corp. L. Rev. (1981), 128, 140; Nöth, KuK 1995, 535. 160 Breuer, WM 1991, 1109; ders., Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 78 f.; Däubler, BB 2003, 429; Deipenbrock, WM 2005, 261; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 5; Gerke/Mager, BFuP 2005, 203; Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 6; Hoffmann/Baron, ZBB 2005, 317, 318; Krämer, StB 2004, 14, 18; Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 121: Bedingung des Vertriebs von Anleihen; Lerch, BKR 2010, 402, 405; Niedostadek, Rating, Rn. 209; Rudolf, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 1 Rn. 77: „ebenso schwieriges wie seltenes Unterfangen, nicht geratete Tranchen einer Anleihe zu platzieren“; Stemper, Rahmenbedingungen, S. 83 f.; Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 27; Vetter, WM 2004, 1701; von Randow, ZBB 1995, 140, 141; Witte/Bultmann, in: Achleitner/

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ger Finanzmarkt162 ganz einheitlich konstatiert. Sie lässt sich im Einzelnen wiederum auf die Marktinformations-163 sowie (mittelbar) auch die Regulierungsfunktion164 des Ratings zurückführen und besteht sowohl bei der öffentlichen wie der privaten Platzierung von Anleihen.165

1. Rating als standardisierte und international verständliche Marktinformation Dass das Rating am Primärmarkt eine solche Bedeutung besitzt, dass es – anders als andere Marktinformationen – von Seiten der Investoren als zwingende Voraussetzung für eine Investition angesehen wird, liegt vor allem an seiner Eigenschaft als standardisierte und damit unschwer vergleichbare Marktinformation: Erst die verständlich und anhand stets derselben Ratingskala codierte Bonitätsbeurteilung gestattet es Investoren, die Kreditwürdigkeit der Vielzahl angebotener Anleihen untereinander schnell zu vergleichen und so zu ermitteln, welches der Papiere die risikoangemessenste und damit wirtschaftlich attraktivste Verzinsung bietet.166 Die Ermittlung der Emissionsbonität auf anderem Wege – d.h. durch Heranziehung anderer Informationen mittels eigener Recherche – erweist sich hingegen als übermäßig aufwendig, sofern die Marktverhältnisse unübersichtlich sind, und unterbleibt daher vielfach: Wenn eine Anleihe über kein Rating verfügt,167 wird sie als Investitionsmöglichkeit regelmäßig gar nicht in Betracht gezogen. Entscheidender Auslöser für die Erhebung des Anleiheratings zur faktischen Markteintrittsvoraussetzung ist danach also die Unübersichtlichkeit des Marktes für die Investoren168 – eine These, die mit überkommenem ökonomischen Ratio-

161 Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 89, 94; Witte/Hrubesch, ZIP 2004, 1346, 1347; Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 4; Ziriakus, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 80. 161 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 94; Meier, ST 2009, 945: „Jeder Schuldner, der sich Zugang zum Kapitalmarkt verschaffen möchte, bedarf eines Ratings“; Weber/ Darbellay, 10 J. Bank. Regul. (2008), 1, 6. 162 Blaurock, Credit Rating Agencies, S. 481, 488; ders., ZGR 2007, 603, 609 (zu den asiatischen Finanzmärkten). 163 Sogleich unter 1. 164 Dazu unter 2. 165 Unter 3. 166 Vgl. Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 550: „the rating assigned to a security of this kind appears to be of pre-eminent importance to its initial yield and hence its acceptance by the market place“; Gruson, WM 1995, 89, 92; Meier, ST 2009, 945; Vetter, WM 2004, 1701; Ziriakus, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 79 f. Aus der empirischen Kapitalmarktforschung Gabbi/Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59, 72: Ratings seien heute der wichtigste Faktor für die Emissionskursbestimmung am Anleiheprimärmarkt. 167 In der Praxis verlangen Investoren dabei im Regelfall sogar eine Bonitätsbeurteilung durch mehr als eine Rating-Agentur, sodass von einer „Zwei-plus-Ratings“-Usance gesprochen werden kann; siehe zu diesem Phänomen noch § 20 II 2 b) bb) (2). 168 Insoweit zutreffend Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 27.

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nalmodell und Efficient Market Hypothesis169 nicht ohne weiteres vereinbar ist, aber mit der hier bevorzugten Annahme eines „realen“ Investorenbildes mit begrenzter Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität170 im Einklang steht. Am U.S.-amerikanischen Anleihemarkt bestand bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine solche Unübersichtlichkeit, die zur Entstehung von Ratings führte,171 als die zunehmende Anzahl neuer kapitalnachfragender Eisenbahngesellschaften den Investoren keine eigenständige Einschätzung der Emittentenbonitäten mehr erlaubte.172 Die Größe des Finanzmarkts in den U.S.A. hatte zur Folge, dass (ausreichend gute) Anleiheratings aus Sicht der Investoren unverzichtbar wurden und blieben,173 sodass das Finanzmagazin Fortune im Jahre 1975 feststellte, dass „the rating agencies were in effect deciding which companies could raise money and which couldn’t“.174 Heute verfügen nahezu 100% der am U.S.-Primärmarkt öffentlich angebotenen Anleihen über ein oder mehrere Ratings.175 Auf den europäischen Finanzmärkten konnten lokal bekannte Unternehmen hingegen noch länger auf ihren „guten Namen“ bauen, um ihre Anleihen abzusetzen;176 hier wurde das Rating erst mit der zunehmenden Internationalisierung der Finanzmärkte zur Platzierungsvoraussetzung, weil in deren Zuge verstärkt ausländische (und daher nicht per se bekannte) Emittenten auf den Schweizer und den deutschen Kapitalmarkt drängten und einheimische Emittenten andererseits auch internationale Investoren ansprechen wollten, die ihrerseits auf für sie verständliche Bonitätsbeurteilungen bestanden.177 Erst diese Internationalisierung brachte auch in Europa eine ähnliche Marktunübersichtlichkeit wie in den U.S.A. mit sich, die nunmehr eine international verständliche Marktinformation 169

Siehe dazu § 5 III 1. Siehe § 5 IV. 171 Zur Geschichte des Ratings bereits § 3 I. 172 Harold, Bond Ratings as an Investment Guide (1938), S. 3: „Bond ratings constitute the most important single phase of bonds selection to most of their innumerable followers.“ 173 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 582: 79% der U.S.-amerikanischen Investoren benennen Ratings als den wichtigsten Faktor im Rahmen ihrer Investitionsentscheidungen; Gabbi/ Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59, 72. Zum Commercial Paper-Markt Lowenstein, 4 Corp. L. Rev. (1981), 128, 140: „no investor will purchase unrated commercial paper“. 174 Fortune, April 1976, S. 231 (zitiert nach Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 552). 1975 wurde keine einzige Industrieanleihe mit einem Rating unter „A“ am U.S.-amerikanischen Kapitalmarkt platziert. 175 Zur Empirie Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1083; Kliger/Sarig, 55 J. Fin. (2000), 2879; von Randow, ZBB 1995, 140, 141. 176 Göres, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 25 Rn. 9; Scholz, BFuP 2005, 265, 266. Auf den Mittelstandssegmenten deutscher Börsen spielen Unternehmensund Markennamen insoweit auch heute unverändert eine Rolle, weil auf diesen Märkten vorwiegend deutsche Privatanleger investieren; vgl. dazu kritisch Grunow/Schlotmann, Mittelstandsanleihen, S. 6 ff.; Schmitt, BB 2012, 1079, 1082; Wilhelm, in: Bösl/Hasler, Mittelstandsanleihen, S. 265, 269. 177 Vgl. Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1074; Ebenroth/Dillon, 24 Law & Pol’y Int’l Bus. (1993), 783; Franken/Heinsius, in FS Budde (1995), S. 213, 221; Langohr/Langohr, Rating Agencies, S. 382 ff. 170

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

unverzichtbar machte;178 Breuer sprach daher mit Blick auf Deutschland schon Anfang der 1990er Jahre von einem „Nichtmarkt“ für ungeratete Emissionen.179 Das Rating war damit auch hier zu einer zentralen Voraussetzung für den Markteintritt geworden,180 wenngleich am deutschen wie auch am schweizerischen Primärmarkt weiterhin ungeratete Anleiheemissionen vorkommen. Die Bedeutung des Ratings nimmt jedoch auch für europäische Investoren nachweisbar ständig zu.181

2. Ratingbasierte Anlagebeschränkungen für institutionelle Investoren Daneben führt das Rating auch in seiner Regulierungsfunktion mittelbar zu einer Markteintrittshürde für Anleiheemittenten, weil zahlreiche institutionelle Investoren ratingbasierten Anlagebeschränkungen unterliegen und eine Anleihe daher überhaupt nur erwerben dürfen, sofern sie über ein Rating (häufig in bestimmter Höhe, typischerweise „investment grade“) verfügt.182 Entsprechende Anlagevorschriften für U.S.-amerikanische Geschäftsbanken wurden bereits im Text erörtert;183 vergleichbare Regelungen bestehen in sämtlichen hier untersuchten Rechtsordnungen aber auch für Investmentfonds, Pensionsfonds, Versicherungsunternehmen und andere regulierte Investorentypen.184 Ihre kumulative Wirkung wird am Markt für Anleihen noch dadurch verstärkt, dass gerade Wertpapiere dieser Art zum ganz überwiegenden Teil durch institutionelle Investoren erworben werden. Infolge der zunehmenden Internationalisierung der Finanzmärkte wirken Anlagevorschriften zudem „extraterritorial“, weil sie üblicherweise auch bei Investitionen in Anleihen ausländischer Emittenten beachtet werden müssen und diese Emittenten daher zur Einholung eines ausreichenden Ratings zwingen, sofern sie sich nicht von vornherein von den betreffenden ausländischen Investorenkreisen abschneiden wollen.

178 Meixner, Aktienmärkte und Rolle der Rating-Agenturen, S. 277; Steiner/Heinke, ZfB 2000, 541, 543. 179 Breuer, WM 1991, 1109; ders., Bedeutung des Rating (1992), S. 75, 78 f. 180 Blaurock, ZGR 2007, 603, 609; Ebenroth/Daum, WM-Sonderbeil. 5/1992, S. 1, 5; Haiss/ Marin, ÖBA 2000, 775, 784; Krämer, StB 2004, 60; Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 3. Erkenntnissen der empirischen Forschung zufolge handelt es sich mittlerweile sogar um die wichtigste Markteintrittsvoraussetzung; vgl. Gabbi/Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59, 72. 181 So Gabbi/Sironi, 11 Europ. J. Finance (2005), 59, 69 zum Zeitraum 1991–2001. 182 Zentraler Kreditausschuss, Stellungnahme zur Tätigkeit von Rating-Agenturen vom 14.8.2003, S. 4; Jones, 1 Wm. & Mary Bus. L. Rev. (2010), 201, 206; Justensen, 35 J. Corp. L. (2009), 193, 196. 183 Siehe § 7 I. 184 Siehe dazu noch § 12 III. Vgl. auch Abu Dhabi Commercial Bank v. Morgan Stanley & Co. Inc., 17.8.2012, 888 F.Supp.2d 431, 466 (S.D.N.Y. 2012) zu den internen Anlagerichtlinien der Deutsche Postbank AG.

§ 8 Rating und Zugang zum Kapitalmarkt bei Anleihen

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3. Rating als Voraussetzung für öffentliche wie private Anleiheplatzierungen Die beschriebene Notwendigkeit von Ratings beschränkt sich schließlich nicht nur auf das öffentliche Angebot von Anleihen (an organisierten Märkten oder außerhalb), sondern besteht im Grundsatz auch bei deren privater Platzierung bei ausgewählten Investoren. Sie wird bei Privatplatzierungen von Investorenseite allerdings nicht ausnahmslos gefordert, sodass Emittenten privat anzubietende Anleihen zwar häufig,185 aber nicht stets raten lassen: In den U.S.A. wiesen im Jahre 1997 77% der Anleihen, die durch ausländische (d.h. nicht-amerikanische) Emittenten nach Rule 144A privat platziert wurden,186 ein Rating auf, während öffentlich angebotene Anleihen – wie bereits erwähnt – fast ausnahmslos geratet waren.187 Angesichts des Umstands, dass nicht-öffentliche Anleihenangebote sich typischerweise an institutionelle Investoren richten, die aufgrund eigener Expertise in geringerem Maße auf Informationen der Rating-Agenturen angewiesen sein sollten als die allgemeine Kapitalmarktöffentlichkeit,188 mag der Einsatz von Ratings in diesem Bereich überraschen. Er lässt sich damit erklären, dass privat platzierte Anleihen typischerweise von der gesetzlichen Markteintrittspublizität ausgenommen sind189 und ausländische Emittenten zudem regelmäßig nur in ihrem Heimatland laufenden Publizitätsvorgaben unterliegen, sodass es bei grenzüberschreitenden Privatplatzierungen auch institutionellen Investoren an hinreichenden Informationsquellen über das Investitionsobjekt fehlt: Die Emittenten entscheiden sich bei Privatplatzierungen also dafür, die geforderten Informationen durch private Ratings und nicht mittels öffentlicher Publizität zur Verfügung zu stellen;190 das Rating fungiert hier also als Substitut für die gesetzliche Markteintrittspublizität.191 Dass Ratings bei privaten Platzierungen nicht gleichermaßen flächendeckend eingesetzt werden wie bei öffentlichen Anleiheangeboten, dürfte sich hingegen mit dem engeren und persönlich bekannten Adressatenkreis von Privatangeboten erklären lassen: Dieser erlaubt es dem Emittenten etwa, gezielt nur solche Investoren anzusprechen, die keinen ratingbasierten Anlagevorschriften unterliegen, und so die Notwendigkeit eines (kostenträchtigen) Ratingauftrags zu umgehen. 185

Darbellay, Regulating Ratings, S. 22; Hill, 82 Wash. U. L.Q. (2004), 43, 47. Rule 144A unter dem Securities Act of 1933 gestattet den Verkauf von Wertpapieren an sog. qualified institutional buyers (wobei es sich im Wesentlichen um große institutionelle Investoren mit einem Anlagevolumen von über USD 100 Mio. handelt), ohne dass die Wertpapiere bei der SEC registriert sein und damit den einschlägigen umfangreichen Publizitätsvorschriften (siehe zu diesen § 9 II 3) genügen müssen. 187 Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1086. 188 In diesem Sinne aus dem ökonomischen Schrifttum nachdrücklich Wakeman, in: Smith, Modern Theory of Corporate Finance, S. 410, 414. 189 Vgl. noch § 10 III 3. 190 Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1075 f. 191 Vgl. aus informationsökonomischer Perspektive Chaplinksy/Ramchand, 77 J. Bus. (2004), 1073, 1086: „Arguably, bond ratings and public disclosure are alternative means to inform investors about the quality of debt.“ 186

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

IV. Zusammenfassung Als rechtliche Marktzugangsvoraussetzung spielt das Rating im Rechtsvergleich eine nur begrenzte Rolle:192 So ist ein generelles Ratingobligatorium, welches die Bonitätsbeurteilung durch eine Rating-Agentur zur Bedingung jeglichen öffentlichen Angebots von Anleihen erklärt, zwar auf diversen nicht entwickelten Kapitalmärkten gebräuchlich, nicht jedoch in Deutschland, der Schweiz, den U.S.A. oder Hongkong.193 Eingesetzt wird ein Ratingerfordernis hier jedoch in beschränktem Umfang als Zugangsvoraussetzung zu organisierten Märkten (vor allem Börsen), so im geltenden Recht an der New Yorker Börse (mit einem freilich niedrigen Mindestrating von „B“)194 und der Hongkonger Börse (wo „investment grade“-Anleihen immerhin gewisse verfahrensmäßige und vor allem steuerliche Privilegien genießen)195 sowie seit 2010 an den „Mittelstandssegmenten“ diverser deutscher Börsen, die freilich jegliches Emittentenrating durch einen weiten Kreis von Rating-Agenturen genügen lassen.196 Die Börsen benutzen rechtliche Ratinganforderungen dabei – insoweit international einheitlich – im Sinne eines allgemeinen Qualitätsmerkmals der zugelassenen Anleihen und damit auch der Börse selbst, was im beschränkten Aussagegehalt eines Ratings als bloße Bonitätsbeurteilung197 allerdings keine Grundlage findet198 und daher die Gefahr von Missverständnissen auf Seiten der Investoren birgt.199 Beim Ratingeinsatz in den Anleihebedingungen deutscher Mittelstandssegmente tritt diese Gefahr besonders hervor.200 Die entscheidende Bedeutung des Ratings resultiert im Bereich des Marktzugangs demgegenüber aus seiner Marktinformationsfunktion, weil die Investorenöffentlichkeit auf vielen nationalen Finanzmärkten nicht bereit ist, ungeratete Anleihen abzunehmen.201 Dieses gleichsam marktgetriebene Ratingobligatorium lässt sich außer auf die Verständlichkeit von Ratings als Marktinformationen202 192 Seine diesbezügliche Bedeutung ist am Markt für komplexe Finanzinstrumente hingegen weit größer; siehe dazu noch § 10 II. 193 Oben I 1. 194 Oben II 2. 195 Oben II 4, 5. 196 Oben II 3 a). 197 Siehe schon § 2 I 1. 198 Die regulatorische Ratingverwendung zu diesem Zweck krankt zudem an der Schwierigkeit, den durch Ratings angeblich signalisierten Qualitätsstandard der Börse auch fortlaufend zu gewährleisten, weil sämtliche bestehenden Regelungen (mit Ausnahme des Hongkonger Steuerrechts (oben II 5), das dieses Regelungsziel allerdings nur mittelbar verfolgt) allein ein bestimmtes Rating zum Zulassungszeitpunkt verlangen – wird ein Rating nach erfolgter Zulassung der Anleihe herabgestuft, so wird hierauf nicht zur Qualitätssicherung reagiert und kann auch wohl nicht reagiert werden, weil den Investoreninteressen durch ein zwangsweises Delisting der Anleihe kaum gedient wäre; vgl. zur diesbezüglichen Diskussion unter dem früheren ratingbasierten Börsenzulassungsregime der Schweiz oben unter II 1 b). 199 Dazu noch § 17 III 1. 200 Oben II 3 c). 201 Oben III. 202 Dazu oben III 1.

§ 8 Rating und Zugang zum Kapitalmarkt bei Anleihen

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auch maßgeblich auf das Eigeninteresse der Entscheidungsträger institutioneller Investoren zurückführen, durch die ausschließliche Investition in hinreichend hoch (üblicherweise als „investment grade“) geratete Anleihen einen etwaig drohenden Vorwurf mangelnder Sorgfalt abzuwenden – ein Faktor, der auch durch jüngere aufsichtsrechtliche Verbote des ausschließlichen und übermäßigen Abstellens auf Ratings203 kaum an Bedeutung eingebüßt hat. Daneben sind Mindestratings nicht selten in Anlagerichtlinien institutioneller Investoren festgeschrieben,204 welche der Marktinformation so im Wege der privaten Regelsetzung zusätzlich eine Regulierungsfunktion zuweisen.

203 Siehe zu diesen noch § 12 IV (zur europäischen und deutschen Investmentfondsregulierung) sowie allgemein § 31 II 3. 204 Oben III 2.

§ 9 Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität I. Einleitung Wie im letzten Kapitel festgestellt, wird der Schutz der Investoren vor dem Bonitätsrisiko neu am Markt platzierter Anleihen heute nicht mehr durch eine gesetzlich vorgeschriebene Mindestbonität, sondern durch die Schaffung einer hinreichenden Markteintrittspublizität gesichert.1 Da die Beurteilung durch eine Rating-Agentur zugleich eine faktische Markteintrittsvoraussetzung für Anleihen darstellt, weil Anleihen ohne Rating am Markt aus verschiedenen Gründen keine (oder nur zu unattraktiven Konditionen) Abnehmer finden,2 tritt das Rating als Form der privaten Marktpublizität damit neben die gesetzliche Markteintrittspublizität. Beide Publizitätsarten weisen nicht nur in formeller Hinsicht, sondern auch in Anwendungsbereich und Zielsetzung Unterschiede auf: Während Ratings lediglich eine Information über das Kreditrisiko bezwecken,3 will die gesetzliche Markteintrittspublizität den Anleger über alle Umstände unterrichten, die für seine Investitionsentscheidung von wesentlicher Bedeutung sein können;4 sie ist sachlich also deutlich umfassender konzipiert. In zeitlicher Hinsicht bleibt die Prospektpublizität dagegen hinter dem Rating als Marktinformation zurück, weil sie lediglich für den Zeitpunkt des Markteintritts und eine begrenzte Zusatzfrist als Informationsquelle Verlässlichkeit beansprucht,5 während Rating-Agenturen die Bonität einer Anleihe typischerweise auch nach deren Platzierung am Primärmarkt weiterhin beobachten.6 Das Zusammenspiel von gesetzlicher und privater Markteintrittspublizität wirft in rechtlicher Hinsicht vor allem zwei Fragen auf: Zum einen bedarf der Klärung, inwiefern die einzelnen Rechtsordnungen Ratings als Gegenstand der 1

Siehe § 8 II 6. Siehe § 8 III. 3 Siehe § 2 I 1 a), b). 4 So zum deutschen Prospektrecht BGH, 19.7.2004, BGHZ 160, 134, 138 („Infomatec“); ganz ähnlich zum U.S.-amerikanischen Markteintrittspublizitätsrecht Pinter v. Dahl, 15.6.1988, 486 U.S. 622, 638, 108 S.Ct. 2063 (1988): „The primary purpose of the Securities Act is to protect investors by requiring publication of material information thought necessary to allow them to make informed investment decisions concerning public offerings of securities in interstate commerce“. 5 Vgl. zum für die Beurteilung der Richtigkeit des Prospektinhalts relevanten Zeitpunkt im deutschen Recht Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rn. 11.474. §§ 21 Abs. 1 Satz 1, 22 Nr. 1 WpPG (§ 44 Abs. 1 Satz 1 BörsG a.F.) beschränken die Haftung für einen unrichtigen Wertpapierprospekt zudem auf Wertpapierkäufe, die binnen sechs Monaten nach erstmaliger Einführung bzw. öffentlichem Angebot der Wertpapiere und Veröffentlichung des Prospekts abgeschlossen wurden. 6 Vgl. § 4 II 2. 2

§ 9 Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität

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gesetzlichen Prospektpublizität einordnen,7 und zum anderen sind Publizitätsregelungen zu untersuchen, welche gesetzliche Offenlegungspflichten bei Vorliegen eines Ratings zurücknehmen und das Rating damit als Substitut der Prospektpublizität einordnen.8

II. Pflicht zur Angabe von Ratings in Wertpapierprospekten Das Bestehen einer Pflicht zur Angabe von Ratings in Wertpapierprospekten ist in den meisten hier untersuchten Rechtsordnungen Gegenstand kontroverser Diskussionen, deren Ergebnis im Rechtsvergleich uneinheitlich ist. Ihre praktische Bedeutung bezieht die Fragestellung dabei aus dem Umstand, dass die gesetzlichen Publizitätsregelungen durchgehend durch eine privatrechtliche Prospekthaftung9 sowie strafrechtliche Verbotstatbestände10 sanktioniert werden, die bei ihrer Anwendbarkeit auch die private Ratingpublizität mit einer zwangsweisen Durchsetzbarkeit versehen.

1. Deutsches und europäisches Prospektrecht In Deutschland verteilt sich die Prospektpublizität für Schuldverschreibungen auf zwei Ebenen: Während der Inhalt der Prospektpflicht weitgehend unionsrechtlich geregelt ist,11 ist die Prospekthaftung weiterhin Gegenstand des autonomen deutschen Rechts. Die Voraussetzungen der Prospekthaftung bestimmen dabei zwar im Ausgangspunkt nur über das Eingreifen repressiver Haftungsansprüche, definieren damit aber mittelbar auch Anforderungen an den Prospektinhalt, denen Prospektverantwortliche zum Zweck der Haftungsvermeidung zu genügen haben. Da die Pflicht zur Ratingangabe bislang vorrangig in letzterem Zusammenhang erörtert wurde, ist er im Folgenden vorab zu behandeln. a) Richtigkeit und Vollständigkeit des Wertpapierprospekts nach §§ 21 f. WpPG (§ 44 BörsG a.F.) Die Frage, ob Ratings als solche im Prospekt wiedergegeben werden müssen, fand in Deutschland erstmals im Zusammenhang mit den Rechtsstreitigkeiten um die sog. „Bond-DM-Anleihen“ Beachtung.12 Diese brachten in den 1990er 7

Siehe unter II. Unter III. 9 In Deutschland gemäß §§ 21 ff. WpPG (§§ 44, 45 BörsG a.F.); in der Schweiz gemäß Artt. 752, 1156 Abs. 3 OR; in den U.S.A. gemäß §§ 11 f. Securities Act of 1933; in Hongkong gemäß § 40 Companies Ordinance (Cap. 32). Siehe im Einzelnen § 30 I. 10 In Deutschland gemäß § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug); in der Schweiz gemäß Art. 251 Nr. 1 StGB (Falschbeurkundung; s. BGer, 20.5.1994, BGE 120 IV 122, 126 ff.) sowie weiteren Straftatbeständen (vgl. zu diesen Watter, in Basler Komm., Art. 752 OR Rn. 40); in den U.S.A. gemäß § 24 Securities Act of 1933; in Hongkong gemäß § 40A Companies Ordinance. 11 Siehe dazu noch unter b). 12 Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2006, §§ 44, 45 BörsG Rn. 165. 8

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Zweiter Teil: Die rechtliche Indienstnahme von Ratings im Rechtsvergleich

Jahren einen umfangreichen Rechtsprechungskorpus hervor, der primär für das Recht der Anlageberatung Bedeutung erlangte.13 Daneben hat die „Bond“Rechtsprechung allerdings auch zur ersten (und, soweit ersichtlich, bislang einzigen) gerichtlichen Erörterung von Ratings im Bereich der kapitalmarktrechtlichen Prospektpflicht nach deutschem Recht geführt:14 aa) Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a.M. zur Prospekthaftung bei der Bond-DM-Anleihe Das Landgericht Frankfurt a.M. hatte darüber im Zusammenhang mit einer Anlegerklage gegen die deutsche Emissionsbank einer DM-Anleihe zu befinden, welche im Jahre 1988 durch die Bond Finance, Ltd. mit Sitz in Canberra (Australien) begeben worden und zwischenzeitlich ausgefallen war. Zu entscheiden war, ob der Umstand, dass die australische Rating-Agentur Australian Rating das Rating der Konzernmutter – welche die von ihrer Finanztochter emittierten DMAnleihen garantierte – von „BB–“ auf „B“ herabgestuft hatte, im Prospekt hätte erwähnt werden müssen. Das Gericht bejahte dies, weil es sich bei dem Downgrade um einen für Anlageentscheidungen wesentlichen Faktor gehandelt habe, ohne dessen Angabe der Prospekt i.S. des damaligen § 45 Abs. 1 Satz 2 BörsG15 unvollständig gewesen sei.16 Die Emissionsbank habe das „Down-Rating“ in den Prospekt aufnehmen müssen, weil ihm die Qualität eines gewichtigen Gefahrmoments für den Konzern zukomme und interessierte Anleger aus dem Prospekt andernfalls nicht ersehen konnten, dass Bond-Papiere „für eine Daueranlage ungeeignet waren“.17 Die Entscheidung wurde in der Berufungsinstanz durch das OLG Frankfurt a.M. bestätigt, welches seinerseits allerdings die fehlende Erwähnung anderer Informationen über die Emittentin im Prospekt in den Vordergrund stellte und das Downgrade nur am Rand erwähnte.18 Ein Teil des Schrifttums hat sich der Auffassung des LG Frankfurt angeschlossen.19 13

Siehe zur Rolle von Ratings in diesem Zusammenhang noch näher § 15. Das im Folgenden erörterte „Bond“-Verfahren war seit der Entscheidung RGZ 80, 196 aus dem Jahre 1912 überhaupt erst der zweite Prospekthaftungsfall, der auf Grundlage der §§ 45 ff. BörsG a.F. gerichtlich entschieden wurde; vgl. näher Kunz, BB 1994, 738 ff. Das Verfahren erregte – einschließlich seiner Aussagen zum Rating – auch über die Grenzen Deutschlands hinaus Aufsehen; vgl. zur Aufnahme in der Schweiz unten II 2 a) bb). 15 Heute: §§ 21 f. WpPG, die seit dem 1. Juni 2012 – inhaltsgleich (Leuering, NJW 2012, 1905, 1906) – den zwischenzeitlich geltenden § 44 Abs. 1 BörsG a.F. ersetzen. 16 LG Frankfurt a.M., 6.10.1992, NJW-RR 1993, 502, 503 f. („Bond-DM-Anleihe“). 17 LG Frankfurt a.M., 6.10.1992, NJW-RR 1993, 502, 504 („Bond-DM-Anleihe“). 18 OLG Frankfurt a.M., 1.2.1994, NJW-RR 1994, 946, 948 („Bond-DM-Anleihe“), das auf die erfolgte Ratingherabstufung nur im Rahmen der Verschuldensprüfung einging und dabei feststellte, dass die beklagte Bank durch das Down-Rating der Agentur Australian Ratings auf die seit dem Bilanzstichtag gestiegenen Risiken der Emittentin „geradezu gestoßen wurde“. 19 So Ebenroth/Koos, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 483, 506; Glöckle, Zukunftsbezogene Publizität, S. 160; Köndgen, WuB I G 9. – 1.93, 25, 28; Krämer, zitiert bei Balzer, ZBB 2004, 329, 330; Peters, Haftung und Regulierung, S. 47; van Look, in: Büschgen/Everling, 14

§ 9 Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität

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bb) Die herrschende Gegenansicht im Schrifttum Die ganz herrschende Ansicht im Schrifttum lehnt eine Pflicht zur Wiedergabe von Ratings im Prospekt dagegen generell ab;20 ihr Fehlen soll folglich keine Prospekthaftung begründen.21 Zur Begründung wird angeführt, dass das Rating kein für die Wertpapiere wertbildender Faktor sei22 oder wegen des ihm innewohnenden subjektiven Elements nicht in den Prospekt aufgenommen werden müsse.23 Im Prospekt anzugeben seien vielmehr die Umstände, aufgrund derer sich die Rating-Agentur ihr negatives Bonitätsurteil gebildet hat24 bzw. auf welche sie hinweist,25 um dem Prospektadressaten damit ein eigenes Urteil zu ermöglichen.26 cc) Stellungnahme Nach vorzugswürdiger Ansicht müssen bestehende Ratings in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung im „Bond“-Verfahren im Prospekt angegeben werden, weil dieser andernfalls i.S. der §§ 21 f. WpPG (§ 44 Abs. 1 BörsG a.F.) unvollständig ist.

20 Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 521, 530; wohl auch Graf von Westphalen, BB 1994, 85, 87; zurückhaltender Thiele, Zivilrechtliche Einordnung des Rating, S. 104: Ratingangabe kann sinnvoll erscheinen. 20 Altmeppen, DB 1993, 84 f.; Assmann, in FS Kübler (1997), S. 317, 351; ders., ZIP 2002, 637, 649; ders., in: Assmann/Schütze, § 6 Rn. 97: „darf zwischenzeitlich als geklärt gelten“; U. Ehricke, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 187, 218; Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, S. 36; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 50 f.; Förster, Prospekthaftung, S. 58; Groß, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 51; Hauptmann, in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 3 Rn. 75; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 111; Mülbert/Steup, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, 2. Aufl., § 33 Rn. 39; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 310; Schwark/Zimmer/ Schwark, § 45 BörsG Rn. 36; ders., EWiR 1993, 143, 144; Siebel/Gebauer, WM 2001, 173, 185 (zumindest nicht bei unbeauftragten Ratings); Stemper, Rahmenbedingungen, S. 197; vorsichtiger Baumbach/Hopt/Hopt, § 44 BörsG Rn. 7: „jedenfalls nicht generell“. 21 Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 51; Meyer, Rechtsfragen des externen Rating, S. 112; Schwark/Zimmer/Schwark, § 45 BörsG Rn. 36. 22 Förster, Prospekthaftung, S. 58; Groß, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 51; a.A. Assmann, in FS Kübler (1997), S. 317, 350 f.; Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, S. 36. 23 Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, S. 36. 24 Altmeppen, DB 1993, 84, 85; Assmann, in FS Kübler (1997), S. 317, 351; ders., ZIP 2002, 637, 649; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 50; Hauptmann, in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 3 Rn. 75. 25 Schwark/Zimmer/Schwark, § 45 BörsG Rn. 36. 26 Altmeppen, DB 1993, 84; Assmann, in FS Kübler (1997), S. 317, 351; ders., in: Assmann/ Schütze, § 6 Rn. 97; Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT (2002), S. F 50; Hauptmann, in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 3 Rn. 75; Mülbert/Steup, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung, 2. Aufl., § 33 Rn. 39; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, S. 310; Schwark/Zimmer/Schwark, § 45 BörsG Rn. 36; Siebel/Gebauer, WM 2001, 173, 185; mit Differenzierungen ebenfalls U. Ehricke, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 187, 218.

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(1) Ziel der Prospektpublizität als entscheidender Ansatzpunkt Die Prospektpflichtigkeit von Ratings erschließt sich dabei aus dem Ziel der Prospektpublizität des deutschen Rechts, welches vom BGH in st. Rspr. dahingehend umschrieben wird, dass der Prospekt den Anleger über alle Umstände, die für seine Investitionsentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten hat.27 Entscheidend ist danach, dass alle potentiell entscheidungswesentlichen Umstände anzugeben und im Prospekt als umfassendem Informationsmedium zu konzentrieren sind; der Prospekt ist mit anderen Worten als „das Publikum des Sekundärmarktes umfassend informierende Beschreibung“ zu gestalten.28 Dass existente Bonitätsbeurteilungen durch Rating-Agenturen in einem so verstandenen Prospekt enthalten sein müssen, ergibt sich aus zwei Gründen: Zum einen spricht der Informationszweck der Prospektpflicht dafür, ihre Anforderungen in einer Weise zu konkretisieren, welche die Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität der Informationsadressaten in Rechnung stellt und dabei die einschlägigen Erkenntnisse berücksichtigt, die durch die moderne informationsökonomische Forschung erzielt wurden. In die obige Formel der Rechtsprechung übersetzt bedeutet dies, dass der Prospekt den typischen Anleger tatsächlich „informieren“, sein Inhalt für diesen also rezipierbar gestaltet und codiert sein muss. Wie empirische Befunde zum Informationswert von Ratings beweisen,29 sind diese aber aufgrund ihrer Codierung für „reale“ Marktteilnehmer besser aufnehmbar als die meisten anderen Informationen. Zum anderen stellen Ratings (auch dann, wenn man der hier vertretenen Präferenz für die Berücksichtigung der tatsächlichen Informationsaufnahme- und -verarbeitung nicht folgt) aus Anlegerperspektive „wesentliche“ Informationen dar,30 weil die Mehrheit der Marktteilnehmer diese nachweisbar bei ihren Anlageentscheidungen berücksichtigen31 und ihre Kenntnis daher auch dann für Investitionsentscheidungen bedeutsam ist, wenn Ratings nach dem maßgeblichen Anlegerhorizont keine entscheidende Drittbeurteilung darstellen sollten. Ratings sind also als soziale Fakten des Mark27 BGH, 24.4.1978, BGHZ 71, 284, 290 f. (zum Werbeprospekt für einen geschlossenen Gastronomiefonds); BGH, 6.10.1980, BGHZ 79, 337, 344 (zum Emissionsprospekt für einen geschlossenen Immobilienfonds); BGH, 5.7.1993, BGHZ 123, 106, 109 f. (zum Emissionsprospekt für nicht börsengehandelte Aktien); BGH, 10.10.1994, NJW 1995, 130 f. (zum Emissionsprospekt für einen geschlossenen Immobilienfonds); BGH, 29.5.2000, NJW 2000, 3346 (zum Emissionsprospekt für einen Medienfonds); BGH, 19.7.2004, BGHZ 160, 134, 138 („Infomatec“); BGH, 14.6.2007, NZG 2007, 663 (Prospekt eines Filmfonds); aus der Literatur ebenso Assmann, in: Assmann/Schütze, § 6 Rn. 87. 28 So die Kurzformel in BGH, 19.7.2004, BGHZ 160, 134, 138 („Infomatec“). 29 Siehe bereits oben § 5 II, IV. 30 So (jeweils zur Rolle von Ratings in der Anlageberatung) OLG Nürnberg, 19.12.2001, ZIP 2002, 611, 613 („Daewoo-DM-Anleihe“); OLG Schleswig, 20.9.2007, OLGR Schleswig 2008, 783 Rn. 69 („Argentinien-Anleihen“); Roth, in: Assmann/Schütze, § 11 Rn. 71; van Look, in: Büschgen/Everling, Handbuch Rating, 1. Aufl., S. 521, 529. A.A. Groß, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 51. 31 Zu den diesbezüglichen empirischen Nachweise wiederum § 5 II.

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tes32 schlichtweg deshalb entscheidungserheblich, weil sie (anders als viele sonstige Werturteile) aufgrund ihrer Beachtung durch andere Marktteilnehmer sowie ihrer Relevanz für kursbeeinflussende regulatorische Vorgaben (vor allem Anlagevorschriften33) die Preisbildung des Wertpapiers wesentlich mitbestimmen. Damit steht zugleich fest, dass die Angabe der Umstände, aufgrund derer sich die Rating-Agentur ihr Bonitätsurteil gebildet hat, die Ratingangabe im Prospekt – entgegen der h.M. im Schrifttum34 – nicht ersetzen kann: Dies gilt zunächst deshalb, weil eine Ratingeinstufung regelmäßig auf einer Vielzahl von Faktoren beruht, deren Relevanz für die Bonität eines Wertpapiers oder eines Emittenten durch einen durchschnittlichen Anleger typischerweise nicht eingeschätzt werden kann, während ihm die Aufnahme und Verarbeitung des Ratings einer Rating-Agentur unschwer möglich ist – der Prospektadressat würde also nicht gleichermaßen informiert. Der Ansatz der h.M. erscheint aber ebenso zweifelhaft, soweit es um die Bedeutung des Ratings für die Preisbildung geht: Die Mehrheit der Marktteilnehmer wie auch ratingbasierte rechtliche Regelungen stellen eben nicht auf die Gesamtheit emittentenbezogener Umstände ab, sondern auf deren Bewertung gerade durch die Rating-Agenturen.35 Schließlich spricht gegen die Prospektpflichtigkeit von der Rating-Agentur zugrunde gelegter Emittenteninformationen, dass damit ein wichtiger Aspekt der Informationsintermediärsrolle der Rating-Agenturen am Kapitalmarkt ausgehebelt würde: Den Emittenten erlaubt die vertrauliche Kommunikation mit den Rating-Agenturen, die Märkte mittels der resultierenden Ratingeinstufung über kursrelevante Entwicklungen aus der Unternehmenssphäre zu informieren, die selbst nicht offen gelegt werden sollen.36 Eine solche vertrauliche Intermediärsfunktion der Rating-Agenturen, die aus ökonomischer Perspektive als sinnvoll gilt37 und die das Recht durch bestimmte Privilegien absichert und sogar fördert,38 würde unmöglich, wenn der Emittent seinerseits aus Gründen der Prospektpublizität zur Offenlegung jener Umstände verpflichtet wäre.

(2) Inhalt und Grenzen der ratingbezogenen Prospektpublizität Mit der Annahme einer Publizitätspflicht ist noch nicht geklärt, wie der Kreis der im Prospekt wiederzugebenden Ratings abzugrenzen ist.39 Entscheidend muss 32 So aus sozialwissenschaftlicher Sicht Sinclair, The New Masters of Capital, S. 178: „The rules of thumb the rating agencies provide become social facts of the market that even the most highly skilled must take into account.“ 33 Vgl. dazu § 7 I (Banken), § 12 II (Fonds) und zusammenfassend § 17 I 3 a) aa). 34 Siehe oben II 1 a) bb). 35 Das U.S.-amerikanische Prospektrecht erkennt diesen Umstand bei bonitätsstarken Wertpapieren ausdrücklich an und nahm daher (bis zu seiner Neugestaltung im Jahre 2011) die Prospektpflicht zurück, sofern ein „investment grade“-Rating vorlag; vgl. dazu noch unten III 2 a) cc) zu Form S–3 zum Securities Act of 1933. 36 Siehe oben § 5 III 1 a) cc) (1). 37 Goh/Ederington, 48 J. Fin. (1993), 2001, 2002; Husisian, 75 Cornell L. Rev. (1990), 411, 419. 38 Siehe § 11 III. 39 Hopt/Voigt, in: dies., Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 9, 41: „problematisch“.

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auch hier die Einordnung als aus Anlegerperspektive „wesentliche“ Information sein: Dies heißt zum einen, dass die Prospektpflichtigkeit nicht von der Ratinghöhe abhängen kann und daher nicht etwa nur (wie auch immer definierte) „negative“ Ratings in den Prospekt aufzunehmen sind,40 weil die Ratingeinstufung nach heutiger Marktüblichkeit durchgehend zu Beurteilung der Angemessenheit der Anleihenverzinsung und -bepreisung verwandt wird – die Bedeutung eines Ratings entsteht also nicht erst dann, wenn es potentielle Investoren von einer Anlage abzuhalten geeignet ist, zumal diese Einschätzung von der individuellen Risikopräferenz des jeweiligen Investors abhängt. Es ist folglich jedes vorhandene, durch Rating-Agenturen (zu deren Abgrenzung sogleich) erstellte Rating der zu begebenden Emission, des Emittenten und des etwaigen Garanten41 im Prospekt zu nennen, weil andernfalls ein prospektbezogenes „rating shopping“ ermöglicht würde42 und der Prospekt bei lediglich selektiver Ratingnennung unvollständig und unrichtig wäre.43 Auch unbeauftragte Ratings sind daher anzugeben.44 Für die Abgrenzung der Rating-Agenturen, deren Ratings in den Prospekt aufzunehmen sind, ist wiederum deren Bedeutung aus der Perspektive des typisierten Anlegers maßgeblich. Dieser Frage scheint in Anbetracht des bestehenden Oligopols auf dem globalen Ratingmarkt45 auf den ersten Blick kaum Streitpotential innezuwohnen; sie hat in Deutschland jedoch deshalb Aufmerksamkeit erfahren, weil es im „Bond“-Verfahren um ein Rating einer damals am deutschen Kapitalmarkt kaum bekannten Rating-Agentur (nämlich der australischen Agentur Australian Ratings) ging.

Aufgrund ihrer empirisch nachweisbaren Beachtung durch die Investoren am deutschen Kapitalmarkt46 sind jedenfalls die Ratings der drei großen internationalen Rating-Agenturen (Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch) i.S. der §§ 21 f.

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A.A. Glöckle, Zukunftsbezogene Publizität, S. 162: Pflicht zur Aufnahme eines „positiven“ Ratings freiwillig – eine Verpflichtung zur Aufnahme in den Prospekt bestehe nur, sofern andernfalls ein unzutreffender Gesamteindruck entstehe. 41 So in LG Frankfurt a.M., 6.10.1992, NJW-RR 1993, 502 ff. und OLG Frankfurt a.M., 1.2.1994, NJW-RR 1994, 946 ff. („Bond-DM-Anleihe“). 42 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 128. 43 Ellenberger, Prospekthaftung im Wertpapierhandel, S. 36 f.; Groß, Kapitalmarktrecht, § 45 BörsG Rn. 51 Fn. 189; Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2006, §§ 44, 45 BörsG Rn. 166; Just/Voß/Ritz/Zeising/Pankoke, §§ 44 BörsG, 13 VerkProspG Rn. 50; Mülbert/Steup, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, 2. Aufl., § 33 Rn. 39. 44 Angesichts der Bedeutung des Ratings für den Kapitalmarktzugang (s. § 8) liegt die Annahme nahe, dass Emittenten den Markt auf unbeauftragte Ratings hin im Blick behalten. Eine empirische Erhebung unter U.S.-amerikanischen Emittenten ergab, dass nicht weniger als 76% der befragten Unternehmen dies auch tatsächlich tun; vgl. Baker/Mansi, 29 J. Bus. Fin. & Acct. (2002), 1367, 1382. 45 Siehe § 20 II, III. 46 Siehe § 5 I.

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WpPG (§ 44 BörsG a.F.) prospektpflichtig,47 daneben aber auch Ratings sonstiger ausländischer Rating-Agenturen, sofern deren Einschätzung als mit den örtlichen Verhältnissen des ebenfalls ausländischen Emittenten oder Garanten vertrauter „Agentur vor Ort“ aus Sicht des Anlegers Bedeutung zukommt.48 Die Ratings dieser Rating-Agenturen müssen die Prospektverantwortlichen kennen und ggfs. ermitteln; im Schrifttum angeführte Kostengesichtspunkte49 spielen vor diesem Hintergrund ebenso wenig eine Rolle wie sonstiger Aufwand bei der Beschaffung dieser Informationen, weil beides in den Emissionskurs eingepreist werden kann.50 Die Prospektpflicht bezieht sich allerdings nur auf vorliegende Ratings und verpflichtet daher Emittent und Prospektverantwortliche nicht, (weitere) Ratings in Auftrag zu geben;51 auch muss auf das etwaige Fehlen von Ratings im Prospekt wohl nicht gesondert hingewiesen werden.52 Schwierigkeiten wirft schließlich die Frage auf, ob der Grundsatz der Prospektvollständigkeit auch eine Erläuterung der Ratingeinstufungen im Prospekt erfordert. In der Rechtsprechung ist dies ohne nähere Begründung angenommen worden.53 Richtigerweise wird man auf den Anlegerhorizont abzustellen haben, an den sich die Prospektpublizität nach Maßgabe der §§ 21 f. WpPG richtet: Geht man mit der bekannten Formel des Bundesgerichtshofes in der „Betonund Monierbau“-Entscheidung54 insoweit aus von einem „durchschnittlichen Anleger, der zwar eine Bilanz zu lesen versteht“,55 aber „nicht unbedingt mit der in eingeweihten Kreisen gebräuchlichen Schlüsselsprache vertraut zu sein braucht“, so sollte eine Erläuterung der Ratingskalen der drei großen RatingAgenturen im Prospekt nicht erforderlich sein, weil diese heute als am Kapitalmarkt allgemein bekannt oder zumindest leicht zugänglich gelten können.56 Geht es hingegen um Ratingeinstufungen durch weniger bekannte Rating-Agenturen, so kann deren Erläuterung notwendig sein. 47 Ähnlich Glöckle, Zukunftsbezogene Publizität, S. 162 für „seriöse und marktführende“ Rating-Agenturen, der hierzu im Jahre 1996 (ohne nähere Begründung) zwar Standard & Poor’s, Moody’s und die – damals noch bestehende, aber mittlerweile mit Fitch fusionierte – IBCA zählte, nicht aber Fitch. 48 LG Frankfurt a.M., 6.10.1992, NJW-RR 1993, 502, 504 („Bond-DM-Anleihe“); Graf von Westphalen, BB 1994, 85, 87; a.A. Schwark, EWiR 1993, 143, 144. 49 So Hartung, EWiR 1991, 1059, 1060. 50 LG Frankfurt a.M., 6.10.1992, NJW-RR 1993, 502, 504 („Bond-DM-Anleihe“); Arendts, WM 1993, 229, 233; ders., in: Achleitner/Everling, Rechtsfragen im Rating, S. 287, 294; Graf von Westphalen, BB 1994, 85, 87. 51 LG Itzehoe, 26.2.1992, WM 1993, 205, 207 („Bond-DM-Anleihe“); Eyles, in: Vortmann, Prospekthaftung und Anlageberatung, § 2 Rn. 49 Fn. 119. 52 Demgegenüber wird im deutschen Recht der Anlageberatung eine Pflicht des Anlageberaters zum Hinweis auf das Fehlen eines Ratings überwiegend bejaht; siehe dazu noch § 15 III 2. 53 LG Frankfurt a.M., 6.10.1992, NJW-RR 1993, 502, 504 („Bond-DM-Anleihe“) für das Fehlen einer „verständlichen Erläuterung der Klassifizierungsschlüssel“. 54 BGH, 12.7.1982, NJW 1982, 2823, 2824 („Beton- und Monierbau AG“). 55 Zur berechtigten Kritik an dem Merkmal der Bilanzfestigkeit siehe noch § 18. 56 Bei der Anlageberatung, die an den Verständnishorizont des konkreten Kunden angepasst sein muss, wird dagegen im Rechtsvergleich einheitlich eine Pflicht zur Erläuterung der Ratingskalen für möglich gehalten; vgl. dazu noch § 15 III 1 c).

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b) Ratingspezifische Anforderungen nach der EG-ProspektVO Seit dem Inkrafttreten der EG-Prospektrichtlinie am 1. Juli 2005 werden die nationalen Prospektrechte der EU-Staaten allerdings teilweise durch deren Vorgaben zum Prospektinhalt sowie die dazugehörigen Durchführungsbestimmungen der EG-ProspektVO überlagert. Letztere gehen – wie § 7 WpPG deklaratorisch57 bestätigt – nationalen Rechtsvorschriften wie auch Richterrecht vor, soweit es sich um Prospekte für Wertpapiere handelt, die öffentlich angeboten oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen.58 Die EG-ProspektVO enthält dabei eigene Bestimmungen zu Ratingangaben im Prospekt. aa) Verhältnis von EG-ProspektVO und deutschem Prospekthaftungsrecht (§§ 21 ff. WpPG) Wie sich aus Art. 7 EG-Prospektrichtlinie ergibt, statuiert das Unionsrecht jedoch nur Mindestvorgaben an den Prospektinhalt.59 Ausweislich § 5 WpPG können daher auch weiterhin strengere Anforderungen des nationalen Rechts zur Anwendung gelangen, sofern erst diese „dem Publikum“ ein zutreffendes Urteil über das Wertpapier und den Emittenten ermöglichen,60 während weniger strenge Inhaltsregelungen durch das gemeinschaftsrechtliche Prospektregime verdrängt werden dürften.61 Ein weiteres Einfalltor für nationale Anforderungen an den Prospektinhalt bietet das Prospekthaftungsrecht, dessen Voraussetzungen das EU-Recht bislang der Regelung durch die Mitgliedstaaten überlässt;62 diese können daher im Einzelfall weitergehende Angaben als die EG-ProspektVO verlangen, damit der Prospekt auch im haftungsrechtlichen Sinne als vollständig angesehen wird.63 Die oben beschriebenen Vorgaben der §§ 21 f. WpPG64 behalten nach alledem weiterhin Relevanz,65 sofern das Recht der EU in concreto nicht über diese hinausgeht.

57

Groß, Kapitalmarktrecht, § 7 WpPG Rn. 1; Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2008, § 7 WpPG Rn. 1; Holzborn/Holzborn, § 7 WpPG Rn. 1. 58 Nur solche werden durch EU-Prospektrecht und WpPG erfasst; vgl. Art. 1 Abs. 1 EGProspektrichtlinie und § 1 Abs. 1 WpPG. 59 Groß, Kapitalmarktrecht, § 7 WpPG Rn. 2. 60 Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 01/2008, § 7 WpPG Rn. 5; Holzborn/Holzborn, § 5 WpPG Rn. 8. Art. 3 Unterabs. 3 EG-ProspektVO gestattet das Verlangen zusätzlicher Informationen dabei allerdings nur „im Einzelfall“. 61 A.A. Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 14 Rn. 39; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 15.202. 62 Art. 6 EG-Prospektrichtlinie. 63 Berrar u.a./Meyer, § 5 WpPG Rn. 11; Habersack, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, § 29 Rn. 19; Holzborn/Holzborn, § 7 WpPG Rn. 4; Langenbucher, Aktienund Kapitalmarktrecht, § 14 Rn. 39. 64 Oben a). 65 Für Identität der Anforderung des § 44 BörsG a.F. einerseits und des WpPG andererseits Berrar u.a./Meyer, § 5 WpPG Rn. 5.

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bb) Pflicht zur Angabe von Ratings in Prospekten nach der EG-ProspektVO Die EG-ProspektVO schreibt allerdings gleich in mehrerer Hinsicht die Wiedergabe von Ratings im Prospekt vor: Zum einen verlangt sie in Wertpapierbeschreibungen für Schuldtitel66 mit einer Mindeststückelung von 100 000 € (sog. Wholesale-Prospekten67) die „Angabe der Kreditratings, die einem Emittenten oder seinen Schuldtiteln auf Anfrage des Emittenten oder in Zusammenarbeit mit dem Emittenten beim Ratingverfahren zugewiesen wurden.“68 Eine Angabe des Ratings wird sodann wortgleich auch für Schuldtitel mit einer Stückelung von weniger als 100 000 € (d.h. in sog. Retail-Prospekten) verlangt,69 wobei in diesem Fall zusätzlich eine „[k]urze Erläuterung der Bedeutung der Ratings, wenn sie erst unlängst von der Ratingagentur erstellt wurden“ vorgeschrieben ist. Die damit nur in Retail-Prospekten verlangte Ratingerläuterung spiegelt die allgemeine Tendenz der EG-ProspektVO wieder, Schuldtitel mit einer Stückelung von weniger als 100 000 € strengeren Publizitätsanforderungen zu unterwerfen, weil diese häufig von nicht qualifizierten und daher schutzwürdigeren Anlegern erworben werden70 – nicht recht einleuchten will freilich, warum nur „unlängst erstellte“ Ratings erläutert werden müssen, dürfte das Verständnis der Ratingbedeutung doch kaum durch schlichten Zeitablauf zunehmen. Angabepflichtig sind nach europäischem Recht – anders als nach §§ 21 f. WpPG71 – jedenfalls allein beauftragte Ratings, weil der Emittent nicht gezwungen sein soll, den Markt ständig mit Blick auf unbeauftragte Ratingeinstufungen im Blick zu behalten.72

Im Rahmen der emittentenbezogenen Markteintrittspublizität, welche die EGProspektVO durch sog. „Registrierungsformulare“ zu erreichen sucht, die neben die emissionsbezogenen „Wertpapierbeschreibungen“ treten, schreibt die EGProspektVO eine Ratingangabe dagegen nicht ausdrücklich vor, lässt diese aber (nach freilich umstrittener Ansicht) zur Offenlegung des Kreditrisikos genügen: So unterliegen etwa Banken zwar geringeren Anforderungen an den Inhalt des Registrierungsformulars,73 weil sie bereits einer staatlichen Solvenzaufsicht sowie 66 Gemeint sind damit im Wesentlichen „traditionelle“ Anleihen (vgl. Just/Voß/Ritz/Zeising/ Zeising, Anh. V EU-ProspektVO Rn. 1: nach deutschem Recht Inhaberschuldverschreibungen i.S.d. §§ 793 ff. BGB), während „strukturierte“ Finanzinstrumente zum Teil unter einen anderen Anhang zur EG-ProspektVO fallen; vgl. dazu näher § 10 III 1 d). 67 Müller/Oulds, WM 2007, 573, 574. Bis zur Änderung der EG-Prospektrichtlinie im Jahre 2010 lag die Schwelle bei 50 000 €. 68 Art. 16 Abs. 1 EG-ProspektVO i.V.m. Anhang XIII, Tz. 7.5. Da bei einem öffentlichen Angebot von Wertpapieren mit einer Mindeststücklung von € 100 000 gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 WpPG gar keine Prospektpflicht besteht, müssen Wholesale-Prospekte nur für die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt erstellt werden; Just/Voß/Ritz/Zeising/Zeising, Anh. V EU-ProspektVO Rn. 3. 69 Art. 8 Abs. 1 EG-ProspektVO i.V.m. Anhang V, Tz. 7.5. 70 Holzborn/Glismann, Anh. V EU-ProspV Rn. 1. 71 Siehe oben II 1 a) cc). 72 Holzborn/Glismann, Anh. V EU-ProspV Rn. 33. 73 Vgl. Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Anhang XI EG-ProspektVO.

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Anforderungen an ihre Eigenkapitalausstattung unterliegen74 (die seit „Basel II“ ihrerseits ratingbezogen ausgestaltet sind75). Vorgeschrieben ist ihnen jedoch allgemein die „vorrangige Offenlegung von Risikofaktoren, die die Fähigkeiten des Emittenten beeinträchtigen, seinen Verpflichtungen im Rahmen der Wertpapiere gegenüber den Anlegern nachzukommen“,76 die, soweit es um die Beschreibung des Solvenzrisikos geht, nach einer Ansicht auch durch Nennung des Emittentenratings der Bank soll erfolgen können,77 während die Gegenansicht dabei eine Relativierung der Risikodarstellung befürchtet.78 Letztere Ansicht verkennt, dass erst die verständliche Codierung der Bonitätsrisikoinformation, die ein Rating bietet, eine tatsächliche Aufnahme dieser Risikoangabe durch Prospektadressaten ermöglichen dürfte79 – freilich mit der Gefahr, dass das Rating als umfassende Risikobewertung missverstanden wird.80 Einigkeit besteht im Schrifttum darüber, dass bei einer Ratingnennung darauf hingewiesen werden muss, dass Ratings selbst keine Empfehlungen darstellen und die Rating-Agenturen das jeweilige Rating ändern können, was oft wiederum Auswirkungen auf den Marktpreis der Wertpapiere hat81 – eine Erläuterung, die ganz ähnlich auch im U.S.-amerikanischen Prospektrecht empfohlen wird.82 Schließlich verlangt das europäische Prospektrecht auch bei der Darstellung von Risikofaktoren, die bei Emissionen der öffentlichen Hand erfolgen,83 nicht ausdrücklich die Angabe des Sovereign Ratings, jedoch wird dieses in der Praxis üblicherweise in den Prospekt aufgenommen.84 Enthält ein Prospekt einen Verweis auf ein Rating, so muss er nach einer systematisch unglücklich in der EG-RatingVO platzierten Vorgabe zudem klare und unmissverständliche Informationen darüber enthalten, ob dieses Rating von einer in der EU ansässigen und nach der EG-RatingVO registrierten Rating-Agentur stammt85 (oder – wie im praktischen Regelfall – von einer der großen U.S.-amerikanischen Rating-Agenturen86). 74 Holzborn/Wagner, Art. 14 EU-ProspV Rn. 2; Just/Voß/Ritz/Zeising/Fingerhut/Voß, Anh. XI EU-ProspektVO Rn. 7. 75 Siehe dazu schon § 6 III. 76 Anhang XI EG-ProspektVO, Tz. 3. 77 Holzborn/Wagner, Anh. XI EU-ProspV Rn. 3. 78 „Sehr kritisch“ daher Just/Voß/Ritz/Zeising/Fingerhut/Voß, Anh. XI EU-ProspektVO Rn. 15. 79 Siehe oben § 5 IV. 80 Siehe hierzu unten § 17 III 1. 81 Holzborn/Wagner, Anh. XI EU-ProspV Rn. 3; Just/Voß/Ritz/Zeising/Fingerhut/Voß, Anh. XI EU-ProspektVO Rn. 15. 82 Siehe unten II 3 c) aa). 83 Art. 19 Abs. 1 i.V.m. Anhang XVI, Tz. 2 EG-ProspektVO zum Registrierungsformular für „Wertpapiere, die von Mitgliedstaaten, Drittstaaten und ihren regionalen und lokalen Gebietskörperschaften ausgegeben werden“. 84 Holzborn/Schmitz, Anh. XVI EU-ProspV Rn. 13: „damit der Anleger einen Messwert der Ausfallwahrscheinlichkeit erhält“. 85 Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 EG-RatingVO, zuletzt geändert durch ÄnderungsVO Nr. 462/ 2013 zur EG-RatingVO. 86 Dass die Aufnahme solcher Ratings in Prospekte nach EU-Prospektrecht zulässig bleibt, stellt Erwägungsgrund 5 zur EG-RatingVO klar.

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c) Zwischenergebnis: Ratings und Prospektpflicht im unionsrechtlich harmonisierten deutschen Recht Im Ergebnis schreibt die EG-ProspektVO mithin weitgehende Ratingangaben im Prospekt vor und nimmt damit eine Position ein, die entscheidend von der bislang herrschenden Auffassung zum autonomen deutschen Prospektrecht87 abweicht, während sie gegenüber der hier vertretenen Auslegung des Vollständigkeitserfordernisses der §§ 21 f. WpPG (§ 44 BörsG a.F.)88 keine Verschärfung bedeutet. Das europäisch harmonisierte Prospektrecht verankert Ratings somit als zentralen Bestandteil der gesetzlich sanktionierten Markteintrittspublizität und betont auf diese Weise zugleich den Anspruch, den Prospekt als zentrale Informationsquelle des Primärmarktes zu erhalten.

2. Schweizerisches Prospektrecht Im Gegensatz zur EU kennt die Schweiz bis heute kein einheitliches Prospektrecht, sondern unterscheidet zwischen Emissionsprospekten, die für das öffentliche Angebot von Anleihen vorgeschrieben sind, und Kotierungsprospekten zum Zweck der Börsenzulassung (in schweizerischer Diktion bezeichnet als „Kotierung“).89 Beide Prospekttypen unterliegen dabei unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen. Zusätzlich kompliziert wird das System des schweizerischen Prospektrechts dadurch, dass neben dem (Bundes-)Gesetzgeber in Gestalt der Schweizerischen Bankiervereinigung und der Schweizer Börse (SIX Swiss Exchange) noch zwei private Regelsetzer im Wege der Selbstregulierung, die in der Schweiz traditionell eine große Rolle spielt,90 einschlägige Vorgaben geschaffen haben. a) Pflicht zur Angabe von Ratings in Emissionsprospekten aa) Selbstregulierung durch die Schweizerische Bankiervereinigung Die historisch älteste und lange Zeit einzige ratingspezifische Prospektregelung in der Schweiz91 wurde durch die Konvention XIX der Schweizerischen Bankier-

87 Siehe zum Meinungsstand zu §§ 21 f. WpPG (§ 44 BörsG a.F.) bereits oben I 1 a) bb). Nur vereinzelt war Entsprechendes im Schrifttum bereits zu §§ 13, 29 BörsZulV a.F. vertreten worden; so durch Gebhardt, in: Schäfer/Hamann, KMG, Stand: 1/2006, § 13 a.F. BörszulV Rn. 5; vorsichtig auch Arendts, WM 1993, 229, 237. 88 Siehe unter I 1 a) cc). 89 Holzborn/Nobel, Schw. WertpapierprospektR Rn. 2. 90 Vgl. zum Prinzip der Selbstregulierung in der Schweiz Rimle, Recht d. schw. Finanzmarktes, 6. Kap. Rn. 29; Ruffner, Gesteuerte Selbstregulierung, S. 7, 10 f.; zu den Vorteilen Keist/Morard/ Maurhofer, ST 2006, 39. 91 Seit 2007 besteht allerdings eine weitere ratingspezifische Prospektpflicht für strukturierte Finanzprodukte; vgl. dazu § 10 III 1 a).

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vereinigung über Notes ausländischer Schuldner vom 1. Mai 198792 eingeführt. Dieses Regelwerk schuf Informationspflichten bei sog. Notes-Finanzierungen, d.h. Emissionen, welche durch die Syndikatsbanken bei ihrer Anlagekundschaft direkt platziert wurden, nicht zur Kotierung vorgesehen waren und in Stückelungen von 50 000 CHF und mehr ausgegeben wurden.93 Mit Notes ausländischer Emittenten betraf es einen Wertpapiertyp, dem am schweizerischen Kapitalmarkt eine überragende Bedeutung zukam,94 während etwa Notes inländischer Schuldner von vergleichsweise geringer Relevanz waren.95 (Diese Situation hat sich bis heute im Übrigen kaum geändert.96) Gleichzeitig war die gesetzliche Publizität im Bereich der Notes-Emissionen nur ganz unzureichend entwickelt, weil diese üblicherweise bei institutionellen Investoren privat platziert wurden und daher ohne Prospekt begeben werden konnten;97 sie unterfielen zudem keiner Börsenpublizität, da sie nach ihrer Markteinführung nur außerbörslich gehandelt wurden.98 Nachdem Notes immer ausgedehnteren Anlegerkreisen angeboten wurden und dadurch in die Nähe „öffentlich angebotener“ Wertpapiere gerieten,99 stellte die Eidgenössische Bankenkommission (als Vorgängerin der heutigen FINMA) schließlich eine Regulierung von Notes-Emissionen in Aussicht; die Selbstregulierung durch die Schweizerische Bankiervereinigung erfolgte daher nicht zuletzt mit dem Ziel, eine aufsichtsbehördliche Regulierung zu vermeiden.100 Die vor diesem Hintergrund erlassene Konvention XIX schrieb sodann auch bei Privatplatzierung von Notes ausländischer Schuldner die Erstellung eines Emissionsprospekts vor101 und machte Vorgaben zu dessen Inhalt, die ausdrücklich über die nach gesetzlichem Prospektrecht vorgeschriebenen Angaben102 hinausgingen.103 Art. 3 Abs. 2 lit. e Konvention XIX forderte dabei den „Hinweis auf allenfalls bestehende Qualitätszeichen (= Ratings) international anerkannter 92 Der Text der Konvention XIX ist abgedruckt bei Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 229 ff. und bei Taisch, Privatplacierungen (im Anhang). Er wurde am 31. Januar 1996 in bestimmten Punkten geändert, ohne dass die hier interessierenden Bestimmungen davon betroffen waren. 93 So die Definition in Art. 1 Abs. 1 Konvention XIX. 94 Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 113 spricht von einer „gewaltigen Bedeutung“. 95 Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 116: Notes ausländischer Schuldner kam 1987 ein Anteil von 38,5% am Gesamtemissionsvolumen des Marktes in Schweizerfrankenanleihen zu; Taisch, Privatplacierungen, S. 47. 96 Vgl. Kowalewski, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1006 Fn. 33. 97 Merz, SAG 59 (1987), 137, 139; Rudolf, Rating von Schweizerfranken-Anleihen, S. 114. 98 Merz, SAG 59 (1987), 137, 139. 99 Erb, Prospekt, S. 26 f.; Merz/de Beer, SAG 59 (1987), 137. 100 Camenzind, Prospektzwang, S. 73; zu den vorangegangenen Bemühungen um einen effektiveren Anlegerschutz bei Notes-Emissionen vgl. Erb, Prospekt, S. 26 ff. 101 Art. 2 Konvention XIX. Vgl. Camenzind, Prospektzwang, S. 76 f. 102 Siehe zu diesen noch unter bb). 103 de Beer, SAG 59 (1987), 143, 144. Die Anforderungen des Art. 1156 OR stellen unstr. nur einen Mindeststandard dar; Ziegler, in Berner Komm., Art. 1156 OR Rn. 5.

§ 9 Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität

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Ratinginstitute von Mittelaufnahmen (Eigen- und Fremdmittel) von Schuldner und Bürgen oder Garanten“. Die Bestimmung zeigte damit in Anbetracht des Inkrafttretens des Regelwerks im Jahre 1987 einen bemerkenswert modernen Regelungsansatz und griff in Gestalt von Ratings auf Kapitalmarktinformationen zurück, die in den Heimatstaaten mancher ausländischer Emittenten – vor allem solcher aus den U.S.A. – zu diesem Zeitpunkt bereits zum Standard gehörten, während sie in der Schweiz selbst noch unüblich waren. Die Konvention XIX verlangte dabei lediglich die Offenlegung solcher Bonitätseinstufungen, die ohnehin vorhanden waren,104 ohne selbst zur Beauftragung von Rating-Agenturen zu zwingen. Nicht sogleich deutlich ist, was die Regelung mit dem Rating von „Eigenmitteln“ genau in den Blick nehmen wollte, weil Eigenkapitaltitel (vor allem Aktien) eben typischerweise nicht geratet werden105 – sofern man unterstellt, dass es sich nicht um ein Missverständnis der Regelverfasser handelte, könnte allenfalls ein Rating von Vorzugsaktien (preferred stocks) gemeint gewesen sein, das auf dem U.S.-amerikanischen Kapitalmarkt vorkommt106 und schon damals vorkam. Die so geschaffene ratingspezifische Prospektpflicht wurzelte nicht in einem staatlichen Gesetz, sondern in einem Regelwerk der Schweizerischen Bankiervereinigung und damit einem Akt privater Regelsetzung. Die Konvention XIX war eine schlichte privatrechtliche Vereinbarung zwischen der Schweizerischen Bankiersvereinbarung und den einzelnen Emissionsinstituten,107 die daher nur die der Bankiersvereinigung angehörenden Banken und Finanzhäuser band, aber keine direkte Außenwirkung besaß.108 Obgleich ihre Befolgung damit auf freiwilliger Selbstbindung beruhte109 und nicht durch direkte staatliche Sanktionen erzwungen werden konnte,110 dürften ein „gewisser Verbandszwang“111 verbunden mit dem Bestreben der Banken, eine drohende behördliche Regulierung zu vermeiden,112 ihre Einhaltung im Ergebnis ebenso effektiv sichergestellt haben wie staatlicher Zwang.113 Die Konvention XIX wurde zum 1. September 2001 sodann durch die Richtlinie der Schweizerischen Bankiervereinigung zu Notes ausländischer Schuldner 104

Kowalewski, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1017. Siehe dazu bereits oben § 2 III 2 c). 106 Siehe näher § 2 III 2 c). 107 Camenzind, Prospektzwang, S. 73. 108 Rohr, Emissionsrecht, S. 201; Watter, AJP 1992, 48, 52; ebenso zur Nachfolgeregelung (dazu sogleich im Text) Kowalewski, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1006. 109 Hopt/Voigt, in: dies., Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 9, 41; Kowalewski, in: Hopt/Voigt, a.a.O., S. 999, 1006. 110 Kritisch Rohr, Emissionsrecht, S. 233. 111 So Merz, SAG 59 (1987), 137, 142. 112 Camenzind, Prospektzwang, S. 74. 113 de Beer, SAG 59 (1987), 143, 144 sah sogar eine Prospekthaftung nach Art. 1156 Abs. 3 OR eröffnet – dies erscheint zweifelhaft, weil eine solche Haftung einen Verstoß gegen „gesetzliche“ Erfordernisse voraussetzt, die durch einen Akt der Selbstregulierung eben nicht begründet werden. 105

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ersetzt.114 Diese Richtlinie regelt ebenfalls Notes-Finanzierungen, definiert diesen Begriff nunmehr aber etwas anders, indem sie nur nach schweizerischem Recht begebene Emissionen, diese aber bereits ab einer Mindeststückelung von CHF 10 000 erfasst (und auf das Merkmal der nicht geplanten Kotierung ebenfalls verzichtet).115 Die ratingspezifische Prospektpflicht wurde in Art. 3 Abs. 2 lit. e der Richtlinie wortgleich aus der Vorgängernorm übernommen und gilt damit unverändert im Rang einer Selbstregulierung fort. bb) Gesetzliche Prospektpflicht (Art. 1156 i.V.m. Art. 652a OR) Die gesetzliche Prospektpflicht für Anleihensobligationen, die öffentlich zur Zeichnung aufgelegt oder an der Börse eingeführt werden, sind in Art. 1156 i.V.m. Art. 652a OR geregelt; daneben tritt die Regelung der Prospekthaftung in Art. 752 OR.116 Diese Bestimmungen beziehen sich nur auf öffentliche Emissionen,117 sind in ihrem Anwendungsbereich im Übrigen aber weiter gefasst als die soeben beschriebene Richtlinie der Bankiervereinigung, weil sie neben Notes auch andere Arten von Anleihensobligationen118 und vor allem nicht nur Finanztitel ausländischer, sondern auch Schweizer Emittenten erfassen.119 In inhaltlicher Hinsicht normiert Art. 1156 Abs. 2 i.V.m. Art. 652a OR allerdings nur geringe Mindestanforderungen an den Prospektinhalt,120 die einem modernen Verständnis von Publizität und Anlegerschutz kaum gerecht werden121 und nach Urteil eines Schweizer Autors im internationalen Vergleich „höchstens Heiterkeit auslösen“.122 Eine Ratingwiedergabe wird nach dem Wortlaut der Vorschriften jedenfalls nicht gefordert.123 Ob den Bestimmungen des OR gleichwohl implizit eine gesetzliche Pflicht zur Angabe von Ratings in Emissionsprospekten entnommen werden kann, ist im schweizerischen Schrifttum höchst umstritten. Die betreffende Diskussion setzt vor allem bei Art. 752 OR an, der (nicht unähnlich § 21 Abs. 1 WpPG in 114

Art. 7 Richtlinie. Art. 1 Abs. 1 Richtlinie. 116 Zum Verhältnis des Art. 752 OR zum ebenfalls die Prospekthaftung ansprechenden Art. 1156 Abs. 3 OR vgl. § 30 II 2. 117 Zur Abgrenzung vgl. Watter, in Basler Komm., Art. 1156 OR Rn. 8; Zindel/Isler, in Basler Komm., Art. 652a OR Rn. 2 ff. 118 Vgl. Rimle, Recht d. schw. Finanzmarktes, 8. Kap. Rn. 25; Watter, in Basler Komm., Art. 1156 OR Rn. 2 ff. 119 Merz, SAG 59 (1987), 137, 140; Watter, in Basler Komm., Art. 1156 OR Rn. 15; Ziegler, in Berner Komm., Art. 1156 OR Rn. 11, 30; Zobl/Arpagaus, SZW/RSDA 1995, 244, 253. 120 Bösch, in: Baums/Cahn, Schuldverschreibungsrecht, S. 189, 196: „sehr bescheiden“: Huber/ Hodel/Staub Gierow, Art. 32 KR Rn. 5; Rayroux/Aeschimann, SWZ/RSDA 1993, 222, 224; Weber/Kronauer/Huber, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 44 Rn. 86. 121 Daeniker/Waller, Informationspflichten, S. 55, 59; Holzborn/Nobel, Schw. WertpapierprospektR Rn. 19. Vgl. schon in den 1950er Jahren Ziegler, in Berner Komm., Art. 1156 OR Rn. 8: „Es springt in die Augen, dass diese Ordnung unzulänglich ist …“. 122 Watter, AJP 1997, 269, 280. 123 Kritisch deshalb Holzborn/Nobel, Schw. WertpapierprospektR Rn. 20. 115

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Deutschland) die allgemeinen Maßstäbe der Prospektrichtigkeit und -vollständigkeit normiert; sie wurde u.a. vom „Bond“-Urteil des LG Frankfurt a.M. beeinflusst, das auch in der Schweiz Aufmerksamkeit fand.124 Eine starke Meinungsgruppe verneint eine Pflicht zur Ratingangabe,125 wobei wohl vor allem eine Rolle spielt, dass der Gesetzeswortlaut Ratings nicht als Pflichtinhalt nennt. Daneben wird eine Angabe von Ratings im Prospekt für überflüssig gehalten, weil die Rating-Agenturen ihre Bewertungen ohnehin für jedermann zugänglich publizieren; zudem meint man, dass vor einer entsprechenden Publizitätspflicht die Qualität der Rating-Agenturen sichergestellt werden müsse.126 Viele Anhänger dieser Meinung sprechen sich allerdings de lege ferenda für die Einführung einer Publizitätspflicht für Ratings aus.127 Die zahlenmäßig geringfügig stärkere Gegenansicht geht demgegenüber bereits heute von einer Pflicht zur Angabe vorhandener Ratings aus, weil der Prospekt andernfalls i.S. des Art. 752 OR unvollständig sei.128 Zur Begründung verweist man auf den Umstand, dass Ratings eine wichtige Grundlage für die Anlageentscheidung der Investoren darstellen,129 und argumentiert, der Stellenwert eines Ratings solle der Einschätzung durch die Marktteilnehmer überlassen werden130 (Letzteres trifft in der Sache zwar zu, erklärt aber kaum, warum eine gesetzliche Pflicht zur Ratingpublikation bestehen soll). Richtigerweise ergibt sich die Pflicht zur Nennung von Ratings im Emissionsprospekt aus dem Telos der Prospektpublizität, der auch im schweizerischen Recht darin gesehen wird, alle für eine fundierte Investitionsentscheidung notwendigen Angaben in einem Dokument zu versammeln:131 Da ein Rating zweifelsohne eine Information ist, welche durch andere (vor allem institutionelle) Marktteilnehmer typischerweise beachtet wird und schon deshalb für die Beurteilung der marktgerechten Verzinsung von Anleihen nötig ist,132 kann ein Pros124 Vgl. Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 404; Rayroux/Aeschimann, SWZ/RSDA 1993, 222 ff.; Weber, SWZ/RSDA 1993, 55 ff. 125 CR CO II/Zufferey, Art. 1156 OR Rn. 52; Holzborn/Nobel, Schw. WertpapierprospektR Rn. 20; Kowalewski, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1017; Rayroux/Aeschimann, SWZ/RSDA 1993, 222, 225; Weber, SWZ/RSDA 1993, 55, 57; Zobl/ Arpagaus, SZW/RSDA 1995, 244, 252. 126 Zobl/Arpagaus, SZW/RSDA 1995, 244, 252. 127 Camenzind, Prospektzwang, S. 136; Rayroux/Aeschimann, SWZ/RSDA 1993, 222, 225; Watter, AJP 1992, 48, 54; Weber, SWZ/RSDA 1993, 55, 57. Zurückhaltender Zobl/Arpagaus, SZW/ RSDA 1995, 244, 252; gänzlich a.A. Rohr, Emissionsrecht, S. 237. 128 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 112; Handkomm-OR/Bertschinger, Art. 752 Anm. 31; Lombardini, Droit bancaire suisse, Kap. XXIV Rn. 73; Noth/Grob, AJP 2002, 1435, 1452; Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 151; Watter, in Basler Komm., Art. 752 OR Rn. 17; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1129. Unentschieden Roberto/Wegmann, SZW/RSDA 2001, 161, 167: „unklar“; Vasella, Haftung von Ratingagenturen, Rn. 142 f., 918. 129 Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1129. 130 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 113. 131 BGer, 20.5.1994, BGE 120 IV 122, 128; Henckel von Donnersmarck, Kotierung von Effekten, S. 403; Watter, AJP 1992, 48 f.; ders., in Basler Komm., Art. 752 OR Rn. 17. 132 Vgl. zur Bedeutung der Ratingeinstufung für die Zinshöhe von Anleihen näher § 15 II 1.

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pekt bei fehlender Angabe bestehender Ratings nicht als vollständig angesehen werden. Eine unverhältnismäßige Belastung etwa kleiner Emittenten, die ihre Anleihen ohne Ratings vertreiben wollen, droht durch eine solche Publizitätspflicht nicht, da diese den Emittenten lediglich zur Nennung ohnehin bereits vorhandener Ratings verpflichtet.133 Der Zweck der ratingbezogenen Prospektpublizität bestimmt zugleich ihre Ausgestaltung im Einzelnen: Danach muss der Prospekt – ebenso wie im deutschen Recht – nicht nur Ratings international anerkannter, sondern auch lokal ausgerichteter Rating-Agenturen nennen, weil letztere mit den relevanten Umständen des Emittenten ebenso gut oder besser vertraut sein können als die großen Agenturen134 und von den Prospektverantwortlichen verlangt werden kann, dass sie von den Ratings von Emission und Emittenten umfassende Kenntnis besitzen.135 Ob der Prospekt zudem Erläuterungen zu den Klassifizierungssystemen der Rating-Agenturen enthalten muss,136 hängt demgegenüber von dem typisierten Informationsadressaten ab, an den sich Emissionsprospekte nach Schweizer Recht richten:137 Sofern man insoweit vom Adressatentypus des durchschnittlichen verständigen Anlegers ausgeht,138 dürften die Ratingskalen der drei großen internationalen Rating-Agenturen als bekannt und nicht erläuterungsbedürftig anzusehen sein, während die Dinge im Falle kleinerer Rating-Agenturen anders liegen werden. b) Pflicht zur Angabe von Ratings in Kotierungsprospekten Daneben besteht eine gesonderte Prospektpublizität aus Anlass der Börsenzulassung von Anleihen, die in der Schweiz als „Kotierung“ bezeichnet wird. Diese Publizitätspflicht hat keine formell-gesetzliche Regelung erfahren, sondern ist im Kotierungsreglement (KR) der Schweizer Börse (SIX Swiss Exchange)139 verankert, mit dem sich die Börse auf Grundlage von Art. 8 BEHG im Wege der Selbstregulierung140 Vorgaben bezüglich der Zulassung von Effekten zum Handel gegeben hat.141 Art. 27 KR verlangt die Veröffentlichung eines Kotierungs133 Lombardini, Droit bancaire suisse, Kap. XXIV Rn. 73; Hopt/Voigt, in: dies., Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 9, 41. Sofern das Rating bei Prospekterstellung noch nicht vorliegt, sondern erst später erstellt wird, greift die bis zum Ende der Zeichnungsfrist bestehende Aktualisierungspflicht ein; vgl. Watter, in Basler Komm., Art. 752 OR Rn. 20; Weber, SWZ/RSDA 1993, 55, 57. 134 Handkomm-OR/Bertschinger, Art. 752 Anm. 31. 135 Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 113. 136 So Bertschinger, in: Nobel, Aktuelle Probleme (1999), S. 87, 113. 137 Siehe zu den Adressatenmodellen des Schweizer Publizitätsrechts noch § 18 I 1 b). 138 Vgl. in diesem Sinne Kowalewski, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1020; Roberto/Wegmann, SZW/RSDA 2001, 161, 169; Weber, SWZ/RSDA 1993, 55, 57. 139 Kotierungsreglement der SIX Swiss Exchange in der Fassung vom 21. Apr. 2010, in Kraft seit dem 1. Mai 2010. 140 Vgl. Rimle, Recht d. schw. Finanzmarktes, 6. Kap. Rn. 29. 141 Die Rechtsnatur des KR ist im schweizerischen Schrifttum umstritten; die Rechtsprechung (vgl. BGer, 1.12.2010, BGE 137 III 37, 40 f. mit zahlr. Nachw.) hat die Einordnung bislang offen gelassen.

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prospekts, welcher die Angaben enthält, die nötig sind, um dem „sachkundigen“ Anleger ein begründetes Urteil über den Emittenten und die Effekten zu gestatten,142 und der zudem auf besondere Risiken ausdrücklich hinweist; nähere Details werden in diversen Schemata spezifiziert. Da eine Börsenzulassung in der Praxis nie ohne vorheriges öffentliches Angebot vorkommt, müssten Emittenten eigentlich stets einen Emissionsprospekt nach Art. 1156 OR und einen separaten Kotierungsprospekt nach Artt. 27 ff. KR erstellen. Um dies zu vermeiden, wird der obligationenrechtliche Emissionsprospekt für genügend erachtet, sofern dieser den inhaltlichen Anforderungen des KR entspricht;143 in der Praxis wird aus Kostengründen folglich regelmäßig ein einheitliches Dokument erstellt.144 Die im Vergleich deutlich strengeren Vorgaben des Kotierungsreglements145 geben in diesem Fall faktisch auch die Minimalanforderungen an den Emissionsprospekt vor.146 Die Haltung des Kotierungsreglements zur Ratingangabe ist im Laufe der Zeit wechselhaft gewesen: Während das Reglement zunächst keine diesbezügliche Pflicht vorsah,147 verlangte es ab 1996 ausdrücklich die Angabe aller ausgeführten (also nicht nur „anerkannter“) Ratings einschließlich der Namen der RatingAgenturen.148 Durch eine weitere Änderung im Jahre 2004 wurden diese Vorgabe sodann allerdings wieder beseitigt.149 In der Literatur wird dieser überraschende Schritt150 vereinzelt damit erklärt, dass Emittenten ohnehin freiwillig auf vorhandene Ratings hinweisen,151 während andere Stimmen trotz der erfolgten Wortlautänderung von einer Fortgeltung der Ratingangabepflicht ausgehen.152 Die aktuelle Fassung des Kotierungsreglements, seiner Zusatzreglements und Prospektschemata sieht jedenfalls keine explizite Pflicht zur Ratingangabe mehr vor.153

142 Vgl. dazu näher Huber/Hodel/Staub Gierow, Art. 32 KR Rn. 2 (zur Vorgängerbestimmung in Art. 32 a.F.). 143 Art. 33 Abs. 1 KR. 144 CR CO II/Zufferey, Art. 1156 OR Rn. 60; Daeniker/Waller, Informationspflichten, S. 55, 60; Druey, Gesellschafts- und HandelsR, § 16 Rn. 22; Huber/Hodel/Staub Gierow, Art. 32 KR Rn. 16; Noth/Grob, AJP 2002, 1435, 1440; Roberto/Wegmann, SZW 2001, 161, 174; Watter, in Basler Komm., Art. 1156 OR Rn. 13. 145 CHK/Kuhn, Art. 1156 OR Anm. 6; Noth/Grob, AJP 2002, 1435, 1441; Rimle, Recht d. schw. Finanzmarktes, 8. Kap. Rn. 18; Roberto/Wegmann, SZW/RSDA 2001, 161, 163; Watter, in Basler Komm., Art. 1156 OR Rn. 13. 146 Noth/Grob, AJP 2002, 1435, 1441. 147 Zobl/Arpagaus, SZW/RSDA 1995, 244, 252. 148 Anhang I des Kotierungsreglements in der Fassung vom 24. Januar 1996, Tz. 1.1.7 und 2.11.4. 149 Änderung des Kotierungsreglements vom 30. September 2004. 150 Vgl. Kowalewski, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 999, 1017: „erstaunlich“. 151 So Watter, in Basler Komm., Art. 1156 OR Rn. 20. 152 So Trigo Trindade/Senn, Rating Agencies in Switzerland, S. 137, 151. 153 Vgl. auch Holzborn/Nobel, Schw. WertpapierprospektR Rn. 94: „Eine Ratingverpflichtung besteht nach Schweizer Recht nicht“; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1129.

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Im Rahmen der Neufassung des Kotierungsreglements in den Jahren 2008/09 war allerdings geplant gewesen, wieder eine solche Pflicht einzuführen: Der diesbezügliche Regelungsentwurf wollte in Kotierungsprospekten für Anleihen wie auch Derivate eine klare Offenlegung der Risikofaktoren vorschreiben, welche die Fähigkeit des Emittenten beeinträchtigen können, seinen Verpflichtungen gegenüber den Anlegern nachzukommen, und sah zudem vor: „Soweit ein Rating des Emittenten oder des Sicherheitsgebers vorhanden ist, ist dieses aufzuführen; falls kein Rating vorhanden ist, ist darauf besonders hinzuweisen.“ Dieser Reformvorschlag rief in der durchgeführten Vernehmlassung, an der sich in concreto ausschließlich Emittenten und Emissionsbanken beteiligten, überwiegend skeptische Stellungnahmen hervor. Vor dem Hintergrund dieser Kommentare „und im Sinne eines Kompromisses“ entschied sich das Regulatory Board daher, im Zuge der Neufassung auf die vorgeschlagene Darstellung der Risikofaktoren (und damit auch des Ratings) zu verzichten.154

c) Zwischenergebnis: Ratings und Prospektpflicht in der Schweiz An der schweizerischen Haltung zur Prospektpflichtigkeit von Ratings fällt zunächst auf, dass eine Pflicht zur Ratingangabe in der Schweiz schon 1987 erstmals eingeführt wurde, als Ratings in Kontinentaleuropa noch vergleichsweise wenig verbreitet waren. Die betreffende Regelung wurde im Wege der Selbstregulierung durch die Schweizerische Bankiervereinigung geschaffen und übernahm in der Sache ausländische Marktstandards; sie besteht bis heute. Die ebenfalls selbstregulierend, nämlich durch die Schweizer Börse bestimmten Anforderungen an Kotierungsprospekte verzichten dagegen mittlerweile auf eine Ratingnennung. Ob das veraltete gesetzliche Prospektrecht die Angabe von Ratings in Emissionsprospekten verlangt, ist schließlich umstritten, aber nach zutreffender Ansicht zu bejahen.

3. U.S.-amerikanisches Prospektrecht Im U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrecht ist die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts nicht – wie im deutschen, europäischen und schweizerischen Recht – als separate Emittentenpflicht konzipiert, sondern stellt sich als Teil einer umfassenderen Registrierungspflicht dar, welche die gesetzliche Markteintrittspublizität sichert. Soll in den USA ein öffentliches Angebot oder ein Verkauf von Wertpapieren stattfinden, so ist nach § 5 Securities Act of 1933 zwingend eine Registrierung dieser Wertpapiere bei der SEC erforderlich,155 und zwar unabhängig davon, ob die betreffenden Wertpapiere später an einem regulierten Markt notiert werden sollen156 oder – wie im Regelfall bei Schuldverschreibungen U.S.154 Vgl. Schweizer Börse (SIX Swiss Exchange), Vernehmlassungsbericht: Revision Kotierungsregularien vom 31. März 2009, Tz. 11A. 155 Vom Anwendungsbereich des Securities Act of 1933 (und damit auch der Registrierungspflicht) bestehen allerdings einzelne Ausnahmen, die ihr Eingreifen ihrerseits teilweise von einem Rating des Wertpapiers abhängig machen; siehe dazu näher unten III. 156 Vgl. Gruson, WM 1995, 89.

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amerikanischer Emittenten157 – nicht. Die Registrierung erfolgt dabei mittels einer sog. Registrierungserklärung (registration statement), deren Inhalt auch in den (für jeden Vertrieb gegenüber Anlegern vorgeschriebenen) Prospekt aufgenommen158 und die von der SEC nach formeller Prüfung für wirksam erklärt werden muss.159 a) Keine Pflicht zur Angabe von Ratings in Prospekten aa) Freiwilligkeit von Ratingangaben im Prospekt Die Angaben, die Registrierungserklärung und Prospekt im Einzelnen enthalten müssen, werden dabei durch den Securities Act of 1933 nicht nur generalklauselartig umschrieben, sondern im Gesetz sowie den dazugehörigen Ausführungsbestimmungen detailliert aufgelistet.160 Die Offenlegung von Ratings wird darin nirgends verlangt.161 Auch die allgemeine Haftungsnorm des § 11 Securities Act sanktioniert außer unrichtigen Angaben nur das Fehlen ausdrücklich publizitätspflichtiger Angaben im Prospekt,162 ohne pauschal sämtliche aus Investorensicht erhebliche Angaben zu verlangen,163 und zwingt daher – anders als ihr funktionales Äquivalent in § 21 Abs. 1 WpPG (§ 44 Abs. 1 BörsG a.F.)164 – nicht mittelbar doch zu einer Ratingnennung. Diese Haltung des U.S.-amerikanischen Prospektrechts wird durch die Regulation S–K bestätigt, die allgemeine Grundsätze zur Publizitätspflicht niederlegt165 und darunter auch die „Commission policy on security ratings“ spezifiziert:166 Danach wird es den Emittenten angesichts der Bedeutung von Ratings für Investoren und den Kapitalmarkt zwar gestattet, Ratings in Registrierungserklärungen und periodic reports offen zu legen, zugleich aber klargestellt, dass sol-

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So Merkt/Göthel, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 425. §§ 5(b), 10 Securities Act of 1933. Vgl. Hazen, Treatise, § 3.3; Bosch, ZHR 163 (1999), 274, 279; A. Meyer, WM 2003, 1301, 1308. 159 Die Registrierungserklärung wird gemäß § 8(a) Securities Act of 1933 zwanzig Tage nach der Einreichung automatisch wirksam, sofern die SEC keinen Ablehnungsbescheid erlassen hat. 160 § 10(c) i.V.m. Schedule A und B zum Securities Act of 1933. Vgl. Kulms, in: Hopt/Voigt, Prospekt- und Kapitalmarktinformationshaftung, S. 1101, 1117. 161 Eine solche Pflicht wird auch nicht aus der „kleinen Generalklausel“ der Rule 408 abgeleitet, die dann eine ergänzende Angabe erheblicher Umstände verlangt, wenn der Inhalt der Registrierungserklärung andernfalls irreführend wäre; vgl. hierzu unten II 3 c) bb) a.E. 162 § 11 Securities Act of 1933 spricht vom Fehlen eines „material fact required to be stated therein or necessary to make the statements therein not misleading“; zur „misleading“-Alternative siehe sogleich die in der nächsten Fn. zitierte Rechtsprechung. 163 St. Rspr.; vgl. Basic, Inc. v. Levinson, 7.3.1988, 485 U.S. 224, 239 Fn. 17, 108 S.Ct. 978, 987 Fn. 17 (1988): „Silence, absent a duty to disclose, is not misleading“; In re Worlds of Wonder Securities Litigation, 20.1.1993, 814 F.Supp. 850, 859 (N.D.Cal. 1993). 164 Siehe dazu bereits II 1 a). 165 Der vollständige Titel der Regulation S-K lautet „Standard Instructions for Filing Form under Securities Act of 1933, Securities Exchange Act of 1934 and Energy Policy and Conservation Act of 1975“. 166 Item 10(c) der Regulation S-K, 17 C.F.R. § 229.10. 158

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che Ratingangaben freiwillig erfolgen (on a voluntary basis).167 Begründet wird diese zurückhaltende Position, die angesichts der starken Betonung von Transparenz im U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrecht (der viel beschriebenen „disclosure philosophy“) überraschen mag, mit der ohnehin bestehenden allgemeinen Zugänglichkeit der Ratings, die ein Bedürfnis für eine Publizitätspflicht nicht erkennen lasse.168 Eine zwingende Prospektpublizität von Ratings ist dem geltenden U.S.-amerikanischen Recht nach alledem also fremd.169 bb) Historische Versuche der SEC zur Einführung einer Pflicht zur Angabe von Ratings in Prospekten Die Haltung der SEC zur Prospektpflichtigkeit bestehender Ratings ist im Laufe der Zeit durchaus wechselhaft gewesen, zeigt aber deutliche Sympathien für eine solche Rechtspflicht. An den diesbezüglichen Vorstößen der Regulierungsbehörde und den daraus resultierenden Diskussionen lassen sich plastisch die Vorund Nachteile einer ratingbezogenen Prospektpflicht ablesen: Bis Ende der 1970er Jahre entsprach es gefestigter policy der SEC, die Nennung von Ratings in aufsichtsrechtlich erforderlichen Prospekten und Berichten nicht zuzulassen.170 Im Jahre 1977 stellte die SEC sodann erstmals einen neuen Regelungsansatz zur Diskussion, der die generelle Zulässigkeit von Ratingangaben sowie alternativ sogar eine Pflicht zur Ratingpublizität in Prospekten vorsah, und begründete dies mit dem zunehmenden öffentlichen Interesse an Ratings sowie deren unverkennbar großen Bedeutung für Investoren.171 Der Vorschlag stieß unter den konsultierten Marktteilnehmern zu diesem Zeitpunkt ganz überwiegend auf Ablehnung.172 167 Item 10(c) Regulation S-K, 17 C.F.R. § 229.10(c); Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 124: „The Commission ,permits‘ (but neither encourages nor discourages) the disclosure on a voluntary basis of securities ratings.“ 168 So SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 „Disclosure of Security Ratings in Registration Statements“ (Proposed rulemaking) vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 412; zustimmend Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 124: eine Prospektpflichtigkeit wäre im Grunde redundant; kritisch hingegen Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 557. 169 SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 „Adoption of Integrated Disclosure System“ (Final rules) vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1282: „disclosure of security ratings remains entirely voluntary“; SEC Release 33–6336, 34–18012, IC– 11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 412. Unzutreffend daher Manns, 87 N.C. L. Rev. (2009), 1011, 1014; Watter, AJP 1992, 48, 54 mit Fn. 81. 170 SEC Release 33–5882, 34–14132 „Disclosure of Security Ratings“ (Advance notice of proposed rulemaking) vom 3. Nov. 1977, 43 FR 58414 ff., 13 SEC Dock. (1977), 532, 533; SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 „Disclosure of Security Ratings in Registration Statements“ (Proposed rulemaking) vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 411; Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545; vgl. auch Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 120. 171 SEC Release 33–5882, 34–14132 „Disclosure of Security Ratings“ (Advance notice of proposed rulemaking) vom 3. Nov. 1977, 43 FR 58414 ff., 13 SEC Dock. (1977), 532, 533. 172 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 „Disclosure of Security Ratings in Registration Statements“ (Proposed rulemaking) vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 411; vgl. auch Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 121; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996),

§ 9 Ratings und gesetzliche Markteintrittspublizität

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Gegen eine Prospektpublizität von Ratings wurde zum einen eingewandt, dass es sich bei Ratings um die subjektive Meinung der Rating-Agentur handele, die der Emittent – im Unterschied zu Tatsachen – weder überprüfen noch erklären könne.173 Dieses Argument, das in ganz ähnlicher Form auch in der deutschen Diskussion über die Reichweite der Prospektpflicht anzutreffen ist,174 wurde im U.S.-amerikanischen Schrifttum mit dem zutreffenden Hinweis zurückgewiesen, dass es sich bei der Veröffentlichung eines Ratings und dessen Verwendung durch die Marktteilnehmer sehr wohl um eine Tatsache handelt, deren Kenntnis für die Investitionsentscheidung des durchschnittlichen Anlegers bedeutsam ist.175 Daneben machten Kritiker einer ratingbezogenen Prospektpublizität geltend, dass Ratings bereits ausreichend zugänglich seien und eine staatlich angeordnete Prospektpflicht den Einfluss der Rating-Agenturen noch weiter erhöhen würde.176 Während letzterer Einwand zweifelsohne zutraf, überzeugte der Hinweis auf die – heute sicher bestehende – allgemeine öffentliche Zugänglichkeit von Ratings zum damaligen Zeitpunkt nur bedingt, weil in den 1970er Jahren noch kein Internet existierte und Ratings neuer Emissionen in vielen Fällen lediglich über die Publikationen der Rating-Agenturen zugänglich waren, die Nichtabonnementen (also alle typischen Privatanleger) nur in öffentlichen Bibliotheken einsehen konnten. Entscheidend war aber vor allem der Gegeneinwand, dass ein Prospekt anerkanntermaßen alle Informationen enthalten soll, die für eine Anlageentscheidung erheblich (material) sind – da das Rating einer Emission aber eben hochgradig erheblich für Anlageentscheidungen ist,177 lässt sich seine anderweitige Zugänglichkeit letztlich nicht überzeugend gegen eine Offenlegung im Prospekt anführen.178

Vor dem Hintergrund dieser Diskussion beschloss die SEC 1982, durch eine Neufassung der Regulation S–K zunächst zumindest die freiwillige Nennung von Ratings in Prospekten zu gestatten,179 und verwies hierzu auf die allgemeine, 173 293, 351 Fn. 333: „… was received with hostility“. Positivere Einschätzung hingegen bei Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 546 ff.: „Because of the critical role played by the ratings in the investment process, their disclosure in SEC filings is an idea whose time has come.“ 173 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 411: „… the fact that a rating represents the subjective opinion of the rating organization that cannot be verified or even explained by the issuer of the security in question …“. 174 Siehe bereits oben II 1 a) bb). 175 Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 554: „a highly material fact“; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 120. 176 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 411. 177 Auch im U.S.-amerikanischen Recht wird das Eintreten von Kursbewegungen (s. dazu § 5 II) überwiegend – wenn auch nicht völlig einheitlich – als Anzeichen für die Erheblichkeit einer Information gesehen, wobei man allerdings auf Grundlage der Efficient Market Hypothesis argumentiert; vgl. In re Burlington Coat Factory Securities Lit., 10.6.1997, 114 F.3d 1410, 1425 (3rd Cir. 1997): „In the context of an ‚efficient‘ market, the concept of materiality translates into information that alters the price of the firm’s stock“; No. 84 Employer-Teamster Joint Council Pension Trust Fund v. America West Holding, 13.2.2003, 320 F.3d 920, 949 (9th Cir. 2003): „the fact that a firm’s stock price does significantly change is strong evidence of materiality“; Brown, Regulation of Corporate Disclosure, Stand: 2009–1 Supplement, § 5.03. 178 So Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 554, 557. 179 SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 „Adoption of Integrated Disclosure System“ (Final rules) vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1282 nach

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auch in den kritischen Stellungnahmen anerkannte Nützlichkeit der Ratings für den Kapitalmarkt im Allgemeinen und die Investoren im Besonderen.180 Tragend war dabei das Ziel, durch Nutzung des Prospekts eine effektivere Zugänglichmachung von Ratings zu erlauben, nämlich „… to ensure that information that currently is relied on extensively by many members of the investing public and by securities professionals be permitted, if the issuer so chooses, to reach investors directly through the prospectus, not indirectly through newspapers or by word of mouth.“181 Im Vordergrund stand also eine Unterstützung der Marktinformationsfunktion des Ratings, wie sich zum einen daran ablesen lässt, dass sich die Gestattung nicht nur auf Ratings staatlich anerkannter Rating-Agenturen (NRSROs), sondern jegliche Ratings bezieht; zum anderen wurden in der Regulation S–K ergänzende Empfehlungen zur Darstellung von Ratings im Prospekt niedergelegt, die deren Verständnis durch die Marktteilnehmer verbessern sollen.182 Lediglich ergänzend verwies man auch auf die vordringende Regulierungsfunktion des Ratings, namentlich die zeitgleich eingeführte Verwendung von Ratings in Form S–3183 (auf die im Folgenden noch näher einzugehen sein wird184). Der so geschaffene Rechtszustand gilt bis heute. Im Jahre 1994185 und schließlich im Jahre 2009186 veröffentlichte die SEC sodann erneut Entwürfe für eine Neufassung der Regulation S–K, die wiederum eine Pflicht zur Nennung von Ratings im Prospekt vorsahen. Auch diese Vorschläge konnte sich allerdings nicht durchsetzen187 und wurden nach ihrer öffentlichen Diskussion nicht weiterverfolgt. b) Förderung der freiwilligen Ratingangabe durch regulatorische Privilegien Die beschriebene aufsichtsrechtliche Zulässigkeit von Ratingangaben im Prospekt erwies sich allein jedoch als unzureichend, um die angestrebte Publizität tatsächlich in nennenswertem Umfang herbeizuführen. Der Grund hierfür liegt in einer Besonderheit des U.S.-amerikanischen Prospektrechts, das die Aufnahme von Angaben dritter „Experten“ in den Prospekt – das Gesetz nennt insoweit 180 Vorbereitung durch SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 412. Dazu Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1078: „shift in policy“. 180 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 412. 181 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 413 f. 182 Siehe zu diesen im Einzelnen noch unten II 3 c). 183 SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1282. 184 Siehe unten III 2 a). 185 SEC Release 33–7086, 34–34617, IC–20509 „Disclosure of Security Ratings“ (Proposed rules) vom 31. Aug. 1994, 59 FR 46304 ff. (7. Sept. 1994). 186 SEC Release 33–9070, 34–60797, IC–28942 „Credit Ratings Disclosure“ (Proposed rule) vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53086 ff. (15. Okt. 2009). 187 Vgl. zum Vorschlag aus dem Jahr 1994 Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 124.

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Wirtschaftsprüfer, Ingenieure und Gutachter sowie „Personen, deren Beruf den von ihnen gemachten Angaben Autorität verleiht“ – von dem schriftlichen Einverständnis des Experten abhängig macht.188 Fehlt ein solches Einverständnis, so weist die SEC den Registrierungsantrag zurück. Hat der Experte sein schriftliches Einverständnis hingegen erteilt, unterwirft § 11(a)(4) Securities Act of 1933 ihn den strengen Regeln der (verschuldensunabhängigen) Prospekthaftung des U.S.-amerikanischen Rechts.189 Da es sich bei den Rating-Agenturen um „Experten“ im Sinne des Gesetzes handeln dürfte190 – die sprachliche Bezugnahme auf von Berufs wegen über Autorität verfügende Personen, die an die Figur der Berufshaftung aus dem deutschen Schrifttum191 erinnert, lässt eine solche Einordnung fast zwingend erscheinen192 – hing jede Ratingangabe im Prospekt von der Bereitschaft der RatingAgentur ab, ihr diesbezügliches Einverständnis zu erteilen. Schon die in Gestalt einer möglichen Prospekthaftung193 drohenden Folgen eines solches Schrittes führten aber dazu, dass eine Einverständniserteilung nicht im wohlverstandenen Interesse der Rating-Agenturen liegen konnte; zudem wurde eine Beeinträchtigung ihrer Unabhängigkeit vom Emittenten befürchtet, sobald die Rating-Agenturen in irgendeiner Form (und sei es nur zur inhaltlichen Überprüfung der Ratingangabe) bei der Prospekterstellung mitwirken.194 Die führenden U.S.-amerikanischen Agenturen ließen daher keinen Zweifel daran, dass sie unter keinen Umständen ihr Einverständnis zur Nennung ihrer Ratings in Registrierungserklärungen erteilen würden.195 188 § 7(a) Sätze 2 und 3 Securities Act of 1933 mit Bezugnahme auf „any accountant, engineer, or appraiser, or any person whose profession gives authority to a statement made by him“. Eine fast wortgleiche Bestimmung findet sich im Übrigen auch im Hongkonger Prospektrecht (§ 38C(3) Companies Ordinance). 189 Siehe dazu noch § 30 II 3. 190 Vgl. In re Lehman Brothers Mortgage-Backed Securities Litigation, 11.5.2011, 650 F.3d 167, 183 Fn. 11 (2nd Cir. 2011): „the issuance of a credit rating ostensibly falls within the ,expert‘ category of potential liability under § 11“; SEC Release 33–9071, 34–60798 „Concept Release on Possible Rescission of Rule 436(g) Under the Securities Act of 1933“ (Concept release) vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53114, 53117 (15. Okt. 2009): „It appears to us that NRSROs and other credit rating agencies are experts similar to other parties subject to liability under Section 11“; SEC Release 33– 5882, 34–14132 „Disclosure of Security Ratings“ (Advance notice of proposed rulemaking) vom 3. Nov. 1977, 43 FR 58414 ff., 13 SEC Dock. (1977), 532, wo zugleich Stellungnahmen der Marktteilnehmer zu dieser Frage erbeten wurden. 191 Hopt, in FS Robert Fischer (1979), S. 237 ff. 192 Die Einordnung von Rating-Agenturen als Experten i.S.d. §§ 7, 11 Securities Act of 1933 bejahend auch U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 105 Fn. 390; Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1116; Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 264: „clearly“; Loss/Seligman/ Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 124; Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1036; skeptischer Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 41 f. 193 Schwierig zu beurteilen wäre, für welche Angaben im Prospekt die Rating-Agenturen ggfs. haften würden; vgl. hierzu instruktiv Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 41 f. 194 Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 353. 195 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 413 Fn. 27; Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 563 mit Nachweisen.

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aa) Rule 436(g) zum Securities Act of 1933 (1982–2010) Um dieses zentrale Hindernis zu beseitigen196 und damit die gewünschte freiwillige Ratingpublizität in Prospekten zu fördern,197 erließ die SEC im Jahre 1982 in Anknüpfung an entsprechende Vorschläge im U.S.-amerikanischen Schrifttum198 die Rule 436(g).199 Diese schuf ein spezifisches Haftungsprivileg zugunsten der Rating-Agenturen, mittels dessen die Aufnahme von Ratings in Registrierungserklärungen gefördert wurde. Rule 436(g) galt bis 2010, als der Kongress sie im Dodd–Frank Act gesetzlich aufhob.200 (1) Die Entbehrlichkeit des Einverständnisses von NRSROs zur Ratingangabe im Prospekt Rule 436(g) nahm zum einen Ratings, die durch staatlich anerkannte RatingAgenturen (NRSRO) erstellt worden waren, vom Anwendungsbereich der §§ 7, 11 Securities Act of 1933 aus. Emittenten waren daher nicht mehr auf das Einverständnis anerkannter Rating-Agenturen angewiesen, wenn sie deren Ratings in ihren Prospekt aufnehmen wollten201 – eine regulatorisch Vorzugsbehandlung dieser Agenturen, die sich grundsätzlich von der Indienstnahme sonstiger „Experten“ – darunter in Gestalt von Wirtschaftsprüfern und Gutachtern auch andere Informationsintermediäre – für Publizitätszwecke unterschied. In der Praxis hatte dies bald zur Folge, dass Ratings von NRSROs freiwillig in Prospekten genannt wurden.202 (2) Die Freistellung der NRSRO von der Prospekthaftung als Ausgleich Rule 436(g) ordnete aber gleichzeitig an, dass NRSROs von jeder Prospekthaftung nach § 11 Securities Act of 1933 freigestellt waren, die sich andernfalls aus der Nennung ihrer Ratings im Prospekt hätte ergeben können. Eine solche Haftungsfreistellung, die ersichtlich im Sinne einer regulatorischen Kompensation für das ausnahmsweise entbehrliche Experteneinverständnis gedacht war, war schon bei Planung der Rule 436(g) höchst umstritten gewesen.203 In ihrer in Kraft 196 SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1283 verweist auf „the possible difficulty of obtaining rating organization consents“; SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 413 f.: „major barrier to the disclosure of security ratings“. 197 Langevoort, 98 Harv. L. Rev. (1985), 747, 776. 198 So durch Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 565 ff. 199 Rule 436(g) zum Securities Act of 1933 (17 C.F.R. § 230.436(g)). 200 Siehe dazu unten (3). 201 Kübler, in: Bankrechtstag 1996, S. 115, 123; Partnoy, 77 Wash. U. L. Q. (1999), 619, 691 Fn. 346; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 351. 202 Vgl. etwa In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litigation, 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 817 Fn. 77 (S.D.Tex. 2005): „The NRSRO’s credit ratings are most likely to be used in a registration statement.“ 203 Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 123 Fn. 129: „There was considerable opposition to the proposal …“.

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gesetzten Fassung war sie in sachlicher Hinsicht freilich eng beschränkt, weil sie sich allein auf die Haftung nach § 11 Securities Act of 1933 bezog und namentlich eine Haftung der Rating-Agenturen nach den anti-fraud-Bestimmungen des U.S.-amerikanischen Kapitalmarktrechts204 unberührt ließ.205 Ob die geschaffene Haftungsfreistellung überhaupt erforderlich war, lässt sich sogar mit guten Gründen bezweifeln, weil die Voraussetzungen des § 11 Securities Act – „an untrue statement of a material fact“ – im Falle von Ratings ohnehin kaum je erfüllt sein werden;206 die getroffene Regelung schaffte insoweit jedenfalls die rechtspolitisch gewünschte Klarheit. Vor diesem Hintergrund musste es überraschen, dass Rule 436(g) nicht selten als Indikator einer generellen Haftungsfreiheit der Rating-Agenturen missverstanden wurde,207 weil weder Wortlaut noch Zweck oder Entstehungsgeschichte dieser Regelung einen solchen allgemeinen Aussagegehalt stützten. Durchaus fragwürdig erschien dagegen, dass Rule 436(g) in persönlicher Hinsicht ausschließlich als NRSRO anerkannte Rating-Agenturen privilegierte und die Ratings aller sonstigen Agenturen weiterhin nur mit deren Zustimmung verwandt werden durften208 (den diese nur um den Preis der damit verbundenen Haftungsgefahr erteilen konnten):209 Da die freiwillige Angabe von Ratings deshalb gefördert werden sollte, weil diese als Marktinformation wesentliche Bedeutung für den durchschnittlichen Investor besitzen,210 passte das Erfordernis der staatlichen Anerkennung, die nur für Zwecke der regulatorischen Indienstnahme konzipiert ist, hier nicht. Vor dem Hintergrund des bestehenden strengen Prospekthaftungsregimes des U.S.-amerikanischen Rechts dürfte Rule 436(g) daher

204 Nämlich nach § 17(b) Securities Act of 1933, § 10(b) Securities Exchange Act of 1934 (nebst zugehöriger Rule 10b–5) sowie ggfs. § 206 Investment Advisers Act of 1940, sofern die RatingAgentur sich als Investment Adviser hat registrieren lassen (was gängiger Praxis entspricht; vgl. noch unten § 24 III 2). Siehe allgemein zur Haftung der Rating-Agenturen §§ 26 ff. 205 SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 411 Fn. 1; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 123; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 352. 206 Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 568. 207 Vgl. In re Enron Corp. Securities, Derivative & „ERISA“ Litigation, 16.2.2005, 511 F.Supp.2d 742, 816 f. (S.D.Tex. 2005) in einem Fall, der eine Haftung für negligent misrepresentation betraf; in diesem Sinne auch U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 105: „This means that NRSROs are not held even to a negligence standard of care for their work“; Arner/Chau/Hsu/Pretorius/Pu, 25 B.F.L.R. (2010), 361, 401: „This exception has no rationale“; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 352. 208 SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1284; SEC Release 33–6336, 34–18012, IC–11892 vom 6. Aug. 1981, 23 SEC Dock. (1981), 410, 414; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 2, S. 124. 209 Ebenfalls kritisch Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 354 ff.; vgl. auch U.S. Senate Committee on Governmental Affairs, Financial Oversight of Enron: The SEC and Private-Sector Watchdogs, S. 105 Fn. 390: „Interestingly, …“. 210 Siehe hierzu oben I.

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als ungerechtfertigte Markteintrittsschranke zu Lasten noch nicht behördlich anerkannter Rating-Agenturen gewirkt haben.211 (3) Die Aufhebung der Rule 436(g) durch den Dodd–Frank Act (2010) Im Jahre 2010 hob der Kongress die untergesetzliche Rule 436(g) sodann durch eine Gesetzesbestimmung des Dodd–Frank Act ausdrücklich auf,212 ohne freilich die vorhersehbaren Folgen dieses Schrittes mitbedacht zu haben: Die RatingAgenturen weigerten sich sogleich und einheitlich, weiterhin die Zustimmung zur Nennung ihrer Ratings in Registrierungserklärungen und Prospekten zu erteilen,213 und verhinderten damit die fortdauernde Integration ihrer privaten Marktinformationen in die gesetzliche Markteintrittspublizität. Mit dem gesetzgeberischen Schritt wurde folglich der Prospektinhalt eingeschränkt, ohne dadurch eine investorenschützende Ausweitung der Haftung der Rating-Agenturen – die anscheinend beabsichtigt war214 – zu erreichen,215 weil seit 2010 nunmehr schlicht keinerlei potentiell haftungsbegründende Ratingangaben in Registrierungserklärungen und Prospekten mehr vorkommen.216 Es bleibt abzuwarten, wie der U.S.-amerikanische Gesetzgeber und die Aufsichtsbehörden mittelfristig auf dieses Dilemma reagieren werden – im Recht der strukturierten Finanzinstrumente, in dem die Ratingnennung (anders als im Publizitätsrecht für klassische Schuldverschreibungen) eine rechtliche Marktzugangsvoraussetzung darstellt, musste die SEC bereits korrigierend eingreifen und insoweit auf die Durchsetzung der Publizitätsvorgaben verzichten,217 und im Schrifttum wird bereits die Wiedereinführung einer allgemeinen Haftungsfreistellung zugunsten von Rating-Agenturen prognostiziert.218 Bemerkenswert ist, dass der U.S.-amerikanische Gesetzgeber die Folgen einer Aufhebung von Rule 436(g) nicht vorhergesehen hat, war die Reaktion der Rating-Agenturen doch lediglich die konsequente Fortsetzung ihrer überkommenen Haltung in dieser Frage, die 211 Wie hier Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1037. Mehrfache Ansätze der SEC, den personellen Anwendungsbereich der Rule 436(g) auch auf nicht als NRSRO anerkannte RatingAgenturen auszudehnen, scheiterten jedoch; vgl. dazu SEC Release 33–9071, 34–60798 vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53114 ff. 212 § 939G Dodd–Frank Act: „Rule 436(g) … shall have no force or effect.“ 213 Diese Zustimmung ist auch weiterhin erforderlich, weil § 7(a) Sätze 2 und 3 Securities Act of 1933 nicht geändert wurden; In re Lehman Brothers Mortgage-Backed Securities Litigation, 11.5.2011, 650 F.3d 167, 175 ff. (2nd Cir. 2011) In re Lehman Brothers Mortgage-Backed Securities Litigation, 11.5.2011, 650 F.3d 167, 183 mit Fn. 11 (2nd Cir. 2011). 214 SEC Release 33–9071, 34–60798 vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53114, 53118: „… could significantly improve investor protection“; vgl. Blumberg/Wirth/Litsoukov, 16 J. Struct. Fin. (2011), 34, 41; Cane/Shamir/Jodar, 17 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2012), 1063, 1087. 215 Im Schrifttum wird die zentrale Bedeutung der Zustimmung der Rating-Agenturen, bei deren Fehlen von einer „Dritthaftung“ keine Rede sein kann, nicht selten übersehen (so etwa von Heppe/Tielmann, WM 2011, 1883, 1892). 216 Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1052. 217 Vgl. dazu § 10 III 1 b). 218 Coffee, 1 Harv. Bus. L. Rev. (2011), 231, 265.

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einst überhaupt der Grund für die Einführung der Haftungsfreistellung gewesen war. Allerdings hatte auch die SEC diese Auswirkungen zunächst verkannt und in einer öffentlichen Konsultation im Jahre 2009 vorrangig prognostiziert, die NRSRO würden bei Streichung der Rule 436(g) möglicherweise das Rating öffentlich angebotener Anleihen einstellen219 oder gar die Ratingtätigkeit insgesamt aufgeben;220 die erheblich näher liegende Verweigerung der Zustimmung zur Nennung ihrer Ratings in Registrierungserklärungen wurde nur ganz am Rande erwähnt.221 An der Konsultation teilnehmende Marktakteure hatten allerdings deutlich vor einem drohenden Zusammenbruches des Marktes für SECregistrierte Anleihen gewarnt,222 sodass die Auswirkungen des gewählten Vorgehens für Kongress und SEC nicht überraschend gewesen sein sollten. Die gleichwohl im Gesetzeswege erfolgte Aufhebung der Rule 436(g) demonstriert daher vor allem, dass der Unterschied zwischen Marktinformations- und Regulierungsfunktion der Rating-Agenturen in diesem Zusammenhang nicht ausreichend klar erkannt wurde: Indem der Securities Act das schriftliche Einverständnis der Rating-Agentur mit der Ratingnennung in Registrierungserklärungen voraussetzt,223 ermöglicht er der Rating-Agentur, ihre diesbezügliche Regulierungsfunktion abzulehnen, ohne dadurch jedoch ihre Marktinformationsfunktion einzuschränken. Die erhoffte Kombination von Ratingangaben im Prospekt und kapitalmarktrechtlicher Expertenhaftung wäre folglich allenfalls dadurch zu bewirken, dass man das Einverständniserfordernis aus dem Securities Act streicht oder jedenfalls für RatingAgenturen aufhebt – hierin läge freilich eine tiefgreifende Abweichung von Prinzipien des U.S.-amerikanischen Finanzmarktrechts, die zuvor sehr sorgsam zu erwägen wäre und im Ergebnis zur Folge haben könnte, dass Rating-Agenturen die Veröffentlichung von Ratings im Anwendungsbereich des Securities Act einstellen und dadurch sowohl ihre Regulierungs- als auch Marktinformationsfunktion einschränken.

bb) Ratings in „tombstone advertisements“ Den Emittenten war allerdings zunächst weiterhin die Veröffentlichung bestimmter Ratings in sog. tombstone advertisements gestattet, also Mitteilungen, die nach erfolgter Registrierung der Emission zu Werbezwecken veröffentlicht oder versandt werden. Die freiwillige Angabe von Ratings in tombstone advertisements wurde nämlich noch bis 2011 ebenfalls durch ein regulatorisches Privileg gefördert,224 welches allerdings nicht ratingspezifisch ausgestaltet war: Werbemitteilungen dieser Art werden nämlich im Securities Act of 1933225 und der dazugehörigen Rule 134 insgesamt einem besonderen Publizitätsregime unterworfen, welches den Zweck verfolgt, ein Aufmerksammachen potentieller Interessenten auf die Emission zu ermöglichen, ohne dass hierfür bereits ein ausführ219 Vgl. SEC Release 33–9071, 34–60798 vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53114, 53118: „whether they would, in fact, stop issuing ratings permanently.“ 220 SEC Release 33–9071, 34–60798 vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53114, 53118: „may undermine competition if credit rating agencies decide that they are unable to bear the risk of liability and thus exit the ratings business.“ 221 SEC Release 33–9071, 34–60798 vom 7. Okt. 2009, 74 FR 53114, 53120 f. 222 Siehe nur die Nachweise bei Parsont, 77 Brook. L. Rev. (2012), 1015, 1043. 223 § 7(a) Satz 2, 3, § 11(a)(4) Securities Act of 1933. 224 Vgl. Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 352. 225 § 2(a)(10)(b) Securities Act of 1933.

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licher Prospekt verwendet werden muss.226 Aus diesem Grund legen die Bestimmungen fest, dass die (strengen) Anforderungen an einen Prospekt sowie die daran anknüpfenden Prospekthaftungsregeln auf tombstone advertisements von vornherein nicht anwendbar sind, sehen aber gleichzeitig detaillierte Regelungen zu den Angaben vor, die in einer entsprechenden Anzeige enthalten sein dürfen. Letztere sollen dem potentiellen Investor dabei nicht schon erschöpfende Informationen über die Emission bieten – diese Aufgabe bleibt vielmehr dem Prospekt vorbehalten, den der interessierte Anleger ggfs. anfordern mag.227 Ihre gängige Bezeichnung als „Grabsteinwerbeanzeigen“ verdanken die tombstone advertisements den sehr strengen Beschränkungen bezüglich des Inhalts solcher Mitteilungen, die § 2(a)(10)(b) Securities Act of 1933 bis zu seiner Neufassung im Jahre 1954 aufstellte und die dazu führten, dass Anzeigen dieser Art fast völlig einheitlich gestaltet waren und dabei – vor allem wegen des typischerweise verwandten schwarzen Randes – eine nicht geringe Ähnlichkeit mit Todesanzeigen aufwiesen. Dieses Format ist in der heutigen Praxis überwiegend beibehalten worden, obgleich die einschlägigen Gesetzesvorgaben seitdem gelockert wurden.228

Rule 134229 erlaubte in tombstone advertisements traditionell die freiwillige Angabe solcher Ratings, die durch staatlich anerkannte Rating-Agenturen (NRSRO) erstellt wurden oder deren Erstellung bevorstand.230 Die Nennung sonstiger Ratings war dagegen nicht zulässig, und zwar auch dann nicht, wenn die RatingAgentur dieser Ratingverwendung zugestimmt hatte: Die entsprechenden Regelungen des Securities Act of 1933, die oben im Text behandelt wurden,231 sind hier von vornherein nicht einschlägig, weil es sich bei einem tombstone advertisement rechtlich gerade nicht um einen „Prospekt“ handelt.232 Im Jahre 2011 strich die SEC sodann den „safe harbor“ für Ratingangaben aus der Rule 134, um dadurch dem generellen Beseitigungsgebot des Dodd–Frank Acts233 nachzukommen.234 Dieser Schritt, der von Seiten der Marktteilnehmer praktisch einheitlich kritisiert wurde,235 leuchtet in der Tat nicht ein, verbannt er doch mit Ratings eine aus Investorensicht hoch relevante Marktinformation aus 226

Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 1, S. 703 ff. Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 111. 228 Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 111. 229 Rule 134(a)(17)(i), (ii) zum Securities Act of 1933 in der Fassung der SEC Release 33–8501 (XV), 69 FR 67391 (17. Nov. 2004). Dies entsprach schon lange vor Schaffung dieser ausdrücklichen Regelung der aufsichtsbehördlichen Praxis der SEC; vgl. zu den 1970er Jahren SEC Release 33–5882, 34–14132 vom 3. Nov. 1977, 43 FR 58414 ff., 13 SEC Dock. (1977), 532, 533. 230 Eine inhaltsgleiche Regelung enthält Item 10(c) Regulation S-K, 17 C.F.R. § 229.10(c). 231 Siehe zu §§ 7, 11 Securities Act of 1933 sowie der (mittlerweile aufgehobenen) Rule 436(g) oben II 3 b). 232 § 2(a)(10)(b) Securities Act of 1933 legt fest, dass eine solche Mitteilung „shall not be deemed a prospectus“. 233 § 939A Dodd–Frank Act; siehe dazu noch § 17 I 4 b). 234 SEC Release 33–9245, 34–64975 „Security Ratings“ (Final rule) vom 27. Juli 2011, 76 FR 46603, 46612 (3. Aug. 2011). 235 Vgl. SEC Release 33–9245, 34–64975 vom 27. Juli 2011, 76 FR 46603, 46612. 227

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tombstone advertisements, ohne dadurch ein definiertes Regelungsziel zu verwirklichen. Es handelt sich damit um ein Beispiel für ein überschießendes Zurückdrängen von Ratingbezugnahmen, durch das die Informationsversorgung des Finanzmarktes letztlich geschwächt wurde. c) Empfehlungen zu Inhalt und Form von Ratingangaben Die Regulation S–K enthält darüber hinaus eine ganze Reihe von Regelungen, die – für den Fall, dass der Emittent sich aus freien Stücken zur Nennung von Ratings im Prospekt entschließt – Einzelheiten zum Inhalt und zur Form diesbezüglicher Ratingangaben enthalten.236 Es handelt sich hierbei durchgehend um bloße Empfehlungen der SEC („the registrant … should consider including“ bzw. „disclosing“), deren Befolgung dem Emittenten freisteht. In der Sache legen diese etwa die Nennung der Ratings anderer NRSROs nahe, sofern diese von dem im Prospekt genannten Rating erheblich abweichen,237 und regen zusätzlich die Angabe zahlreicher ergänzender und erläuternder Informationen im Prospekt an,238 die ersichtlich dazu beitragen sollen, die Gefahr von Missverständnissen über den Aussagegehalt eines Ratings zu reduzieren.239 Schließlich wird der Nachtrag von Ratingänderungen und neuen Ratings empfohlen, die erst nach Einreichung der Registrierungserklärung zugänglich werden.240

4. Hongkonger Prospektrecht In Hongkong werden – vergleichbar mit der Schweiz241 – Emissions- und Börsenzulassungsprospekte unterschieden und beide Prospekttypen unterschiedlichen Regelungsregimen unterworfen; Pläne zur Schaffung eines einheitlichen Prospektregimes werden zwar diskutiert, sind aber bislang nicht umgesetzt worden.242 In der Praxis ist die Verwendung eines einheitlichen Prospektdokuments allerdings auch in Hongkong bereits heute üblich und zulässig, sofern dieses beiden Anforderungsprofilen gerecht wird.243 Die Prospektpflichtigkeit von Wert236 SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1283: „in order to provide additional guidance and certainty“. Item 10(e)(1) Regulation S-B enthält parallele Bestimmungen für kleine Emittenten. 237 Item 10(c)(1)(i)(A) Regulation S-K. 238 Item 10(c)(1)(i)(B) Regulation S-K. Empfohlen wird u.a. die Beschreibung der Ratingkategorie, in welche das betroffene Wertpapier eingestuft wurde und ein Hinweises darauf, dass ein Rating keine Empfehlung zum Kauf, Verkauf oder Halten eines Wertpapiers darstellt. 239 So gefordert von Dykstra, Det. C. L. Rev. 1978, 545, 558, der dabei den „unsophisticated investor“ im Blick hatte. 240 Item 10(c)(1) Regulation S-K. 241 Siehe oben II 2. 242 Vgl. zu entsprechenden Konsultationen Mazzochi/Flinn/Siu, HK Lawyer (Nov. 2005), 31 ff. 243 Rule 25.01 der Listing Rules SEHK; Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 4.96 f.

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papieremissionen ergibt sich aus § 38(3) der Companies Ordinance244 und betrifft nur Emittenten, die in Hongkong inkorporiert sind,245 während der Börsenzulassungsprospekt (in Form eines „Listing Documents“) durch die Listing Rules der Hongkonger Börse (SEHK) verlangt wird.246 Die Listing Rules finden dabei auch auf Emissionen ausländischer Emittenten Anwendung, denen am Hongkonger Kapitalmarkt eine große Bedeutung zukommt,247 und werden nicht zuletzt deshalb als praktisch wichtigstes Regelwerk für in Hongkong vertriebene Anleihen eingestuft.248 Das Ziel der Prospektpublizität wird dabei übereinstimmend darin gesehen, potentiellen Investoren alle notwendigen Informationen zu verschaffen, um eine informierte Anlageentscheidung treffen zu können;249 die Rechtslage in Hongkong stimmt insoweit mit dem Standard in den anderen hier untersuchten Rechtsordnungen überein. Der verlangte Prospektinhalt wird sodann unter beiden Regelungsregimen nicht lediglich generalklauselartig umschrieben, sondern durch eine Liste mit einer Vielzahl unterschiedlicher Pflichtgegenstände spezifiziert.250 Die Angabe von Ratings wird dabei nirgends ausdrücklich verlangt; Ratings sind im Übrigen bislang auch nicht als Information genannt worden, die nach den ebenfalls vorhandenen Generalklauseln, welche die Angabe aller bewertungserheblichen Informationen verlangen,251 in Hongkonger Prospekten enthalten sein müssen. Eine ratingbezogene Prospektpublizität besteht nach alledem in Hongkong bislang nicht.

5. Zusammenfassung Mit Blick auf die Rechtspflicht zur Nennung von Ratings in Wertpapierprospekten zerfallen die hier untersuchten Rechtsordnungen in drei Gruppen: Während das deutsche, mittlerweile durch Vorgaben der EU geprägte Recht und das schweizerische Recht in unterschiedlicher Ausgestaltung eine Ratingangabe im Prospekt vorschreiben, ist eine solche Pflicht im Hongkonger Recht unbekannt. Eine mittlere Position nimmt das U.S.-amerikanische Recht ein, das zwar von der 244

Companies Ordinance vom 1. Juli 1933 mit nachfolgenden Änderungen (Cap. 32). Eastwell, Law Lectures for Practitioners (1987), S. 1, 9; Mazzochi/Flinn/Siu, HK Lawyer (Nov. 2005), 31, 36. 246 Die Listing Rules SEHK wurden aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 3(a) Securities and Futures (Stock Market Listing) Rules (Cap. 571V) erlassen, die ihrerseits auf § 26(1) Securities and Futures Ordinance (Cap. 571) beruht; vgl. Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 6.38 f. 247 Hsu/Arner/Tse/Johnstone, Financial Markets in Hong Kong, Rn. 6.41. 248 Kwan/Chiu/Shen, Stand: Release 0 (June 2007), Rn. 10.018. 249 Zu § 2 Companies Ordinance Kwan/Chiu/Shen, Stand: Release 0 (June 2007), Rn. 10.018; zu den Listing Rules ebenso § 3(c) Securities and Futures (Stock Market Listing) Rules. 250 § 38(1) Companies Ordinance i.V.m. Third Schedule; Rule 25.06 der Listing Rules SEHK i.V.m. Teil C des Anhangs 1. 251 Companies Ordinance, Third Schedule Nr. 3; Rule 25.07 der Listing Rules SEHK. Zur geplanten Verankerung eines einheitlichen „overall disclosure standards“ in der Securities and Futures Ordinance vgl. Mazzochi/Flinn/Siu, HK Lawyer (Nov. 2005), 31, 33. 245

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Freiwilligkeit einer Ratingnennung ausgeht, diese bislang aber dadurch zu fördern versuchte, dass Rating-Agenturen für den Fall der Nennung ihrer Ratings im Prospekt von einer möglichen Prospekthaftung freigestellt wurden. Da letztere Regelung im Zuge der Finanzmarktreformen im Nachgang zur globalen Finanzkrise 2007–09 aufgehoben wurde, ist die Haltung der gesetzlichen Markteintrittspublizität gegenüber privaten Ratings in den U.S.A. augenblicklich unsicher. Sollte die aktuelle Rechtslage Bestand haben, dürften künftig keine Ratingangaben in U.S.-amerikanischen Prospekten mehr zu erwarten sein – die Entwicklung verliefe in diesem Fall gegensätzlich zur Tendenz der europäischen Rechte, in denen Pflichten zur Ratingnennung allgemein an Bedeutung zunehmen.

III. Reduktion gesetzlicher Publizitätsvorgaben bei Emissionen mit bestimmtem Mindestrating: Das Rating als Prospektsubstitut Eine gleichsam gegenläufige Stoßrichtung verfolgen solche Prospektregeln, welche die gesetzlich vorgeschriebene Markteintrittspublizität einschränken, sofern ein Rating vorliegt: Bestimmungen dieser Art lassen private Marktinformationen über die Bonität der Anleihe anstelle der inhaltlich weit umfassenderen252 Prospektpublizität genügen und ordnen Ratings damit als Prospektsubstitut ein. Entsprechende Publizitätsregelungen finden sich vor allem in den U.S.A.253 sowie mit einem engen Anwendungsbereich auch in der Schweiz,254 während sie für die übrigen Prospektrechte nur vereinzelt diskutiert werden.255

1. U.S.-amerikanisches Recht: Ausnahme kurzfristiger Schuldverschreibungen mit hohem Rating von der Registrierungsund Prospektpflicht (§ 3(a)(3) Securities Act of 1933) Im U.S.-amerikanischen Recht nimmt § 3(a)(3) Securities Act of 1933 insoweit „any note, draft, bill of exchange, or banker’s acceptance which arises out of a current transaction or the proceeds of which have been or are to be used for current transactions, and which has a maturity at the time of issuance of not exceeding nine months, exclusive of days of grace, or any renewal thereof the maturity of which is likewise limited“ vollständig von der grundsätzlichen Registrierungsund Prospektpflicht für Wertpapiere256 aus. Die in ihrem Wortlaut seit 1933 unveränderte Vorschrift hat heute vor allem für kurzfristige Schuldverschreibungen 252

Zu diesem Unterschied bereits einleitend unter I. Siehe unter 1., 2. 254 Unter 3. 255 So für das Prospektrecht der EU Wiegel, Prospektrichtlinie, S. 73 ff., der ein externes Rating unter Gesichtspunkten der Allokationseffizienz als bei der Emission von Schuldtiteln ausreichende Publizität eingestuft. 256 Dazu bereits oben II 3. 253

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mit einer Laufzeit von weniger als neun Monaten (Commercial Papers)257 Bedeutung, die in den U.S.A. ein wichtiges Instrument der Unternehmensfinanzierung darstellen und in der Praxis fast ausnahmslos unter diese Ausnahmebestimmung fallen.258 Obgleich die Norm ihrem Wortlaut nach jedes Papier der dort genannten Art mit einer Laufzeit von weniger als neun Monaten zu erfassen scheint, hat die SEC seit jeher unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte der Ausnahmevorschrift eine deutlich engere Auslegung vertreten und nur „prime quality commercial paper“259 von der Registrierungspflicht ausgenommen gesehen.260 Rechtsprechung261 und Schrifttum262 sind dem gefolgt. Commercial Paper ist dabei nach feststehender aufsichtsbehördlicher Praxis dann von „prime quality“, wenn es durch eine am Markt anerkannte Rating-Agentur263 in eine der beiden höchsten Ratingkategorien264 eingestuft wurde.265 Die Bonitätsbeurteilung durch eine Rating-Agentur wird im Rahmen des § 3(a)(3) Securities Act of 1933 also als notwendige, aber 257

Zu Begrifflichkeit und Abgrenzungsfragen Lowenstein, 4 Corp. L. Rev. (1981), 128, 129. Stigum/Crescenzi, Stigum’s Money Market, S. 985. 259 SEC Release 33–4412 „Registration Exemption of Short-Term Paper“ vom 20. Sep. 1961, 26 FR 9158, 9159 (29. Sept. 1961). 260 Vgl. näher Raymond, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 11.01[B][1][c], auch zu weiteren Einschränkungen. 261 Baurer v. Planning Group, Inc., 4.12.1981, 669 F.2d 770, 775 ff. (D.C. Cir. 1981); Franklin Sav. Bank in City of New York v. Levy, 24.12.1975, 406 F.Supp. 40, 42 ff. (S.D.N.Y. 1975); In re NBW Commercial Paper Litigation, 11.12.1992, 813 F.Supp. 7, 17 f. (D.D.C. 1992); Mallinckrodt Chemical Works v. Goldman, Sachs & Co., 13.9.1976, 420 F.Supp. 231, 240 (D.C.N.Y. 1976); Sanders v. John Nuveen & Co., Inc., 9.6.1972, 463 F.2d 1075, 1079 (7th Cir. 1972); SEC v. Am. Bd. of Trade, Inc., 26.12.1984, 751 F.2d 529, 538 f. (2d Cir. 1984); United States v. Rachal, 8.2.1973, 473 F.2d 1338, 1343 (5th Cir. 1973); United States v. Roylance, 2.8.1982, 690 F.2d 164, 168 f. (10th Cir. 1982); Zeller v. Bogue Electric Mfg. Corp., 22.3.1973, 476 F.2d 795, 799 f. (2nd Cir. 1973), cert. denied 414 U.S. 908. 262 Cox/Hillman/Langevoort, Securities Regulation, S. 460: „an important interpretative gloss …“; Hazen, Treatise, § 4.4; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 3, S. 89; Lowenstein, 4 Corp. L. Rev. (1981), 128, 140 ff.; Shipe/Freeman, 15 Inv. Lawyer (Oct. 2008), 13, 14. 263 Abgestellt wird in diesem Zusammenhang nicht auf die staatlich Anerkennung (etwa als NRSRO), sondern die Marktakzeptanz; vgl. etwa Montcalm County v. McDonald & Co. Securities, 12.7.1993, 833 F.Supp. 1225, 1227, 1235 (W.D. Mich. 1993): „two standard rating services widely recognized by the industry“. 264 Nach den Ratingskalen für kurzfristige Verbindlichkeiten also etwa als A-1 oder A-2 (Standard & Poor’s), P-1 oder P-2 (Moody’s) bzw. F1 oder F2 (Fitch). 265 Franklin Sav. Bank in City of New York v. Levy, 24.12.1975, 406 F.Supp. 40, 44 (S.D.N.Y. 1975); In re NBW Commercial Paper Litigation, 11.12.1992, 813 F.Supp. 7, 18 (D.D.C. 1992): „… the WBC commercial paper is hardly of prime quality. As of May 4, 1990, the WBC commercial paper’s rating was very poor or nonexistent“; Montcalm County v. McDonald & Co. Securities, 12.7.1993, 833 F.Supp. 1225, 1227, 1235 (W.D. Mich. 1993): „… prime quality commercial paper, rated A-2 by Standard & Poor’s and F-2 by Fitch, two standard rating services widely recognized by the industry“; Cox/Hillman/Langevoort, Securities Regulation, S. 460; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 3, S. 91: Rating als „convenient measure of prime quality“; Lowenstein, 4 Corp. L. Rev. (1981), 128, 140 f.; Raymond, in: Kravitt, Securitization of Financial Assets, Stand: 2008 Supplement, § 11.01[B][1][c]; Shipe/Freeman, 15 Inv. Lawyer (Oct. 2008), 13, 14 (die aber auf die „investment grade“-Schwelle abstellen). 258

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auch hinreichende Voraussetzung dafür angesehen, die gesetzliche Markteintrittspublizität vollständig entfallen zu lassen.266 Eine rechtsvergleichende Umschau zeigt, dass die Freistellung kurzfristiger Schuldverschreibungen von der gesetzlichen Markteintrittspublizität dort, wo sie – wie im EURecht267 und im deutschen Recht268 – ebenfalls anzutreffen ist, nicht von einer Mindestbonität der privilegierten Wertpapiere abhängig gemacht wird. Das Schweizer269 wie auch das Hongkonger Recht270 unterwerfen Commercial Papers ohnehin der allgemeinen Prospektpflicht, sodass es auch in diesen Rechtsordnungen nicht auf das Rating ankommt. In seiner Marktinformationsfunktion ist das Rating freilich auch für diese Finanzmärkte von erheblicher Bedeutung,271 was sich etwa darin äußert, dass die geringe Ratingdichte am Hongkonger Markt für Commercial Paper als zentraler Grund für dessen geringe Entwicklung genannt wird.272

Dass ein gutes Rating im U.S.-amerikanischen Recht als ausreichender Ersatz für die gesetzliche Prospektpublizität akzeptiert wird, dürfte die überragende Bedeutung seiner Marktinformationsfunktion widerspiegeln: Erwerber U.S.-amerikanischer Commercial Papers verlassen sich ohnehin auf den Namen des Emittenten und das Rating,273 bei dessen Fehlen nahezu kein Investor kurzfristige Schuldverschreibungen kaufen würde.274 Heute sind daher fast 100% der Commercial Papers in den U.S.A. durch die drei großen NRSROs geratet.275 § 3(a)(3) Securities Act vollzieht damit rechtlich nur nach, dass Ratings die einzigen Risikoinformationen sind, die durch die Marktteilnehmer tatsächlich beachtet werden.

266 Sofern die konkrete Emission über kein Rating verfügt, kann die SEC die notwendige „prime quality“ theoretisch auch auf Grundlage einer umfangreichen Einzelfallprüfung bejahen – in der Praxis hat dies keinerlei Bedeutung erlangt (Cox/Hillman/Langevoort, Securities Regulation, S. 460; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Bd. 3, S. 91 f.). 267 Art. 2 Abs. 1 lit. a EG-Prospektrichtlinie (für Geldmarktinstrumente mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten). 268 § 2 Abs. 1 WpPG (dto.). 269 Art. 1156 OR differenziert nicht nach der Laufzeit der begebenen Anleihensobligationen; vgl. Holzborn/Nobel, Schw. WertpapierprospektR Rn. 13; Watter, in Basler Komm., Art. 1156 OR Rn. 2 ff. 270 Eastwell, Law Lectures for Practitioners (1987), S. 1, 7. 271 So zum deutschen Markt Just/Voß/Ritz/Zeising/Ritz/Zeising, § 2 WpPG Rn. 69 (die anmerken, dass hier typischerweise nur Emittenten höchster Bonität akzeptiert werden); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 14.32. 272 Lejot/Arner/Qiao, Asia’s Bond Market, S. 22. 273 Gruson, WM 1995, 89, 98; Lowenstein, 4 Corp. L. Rev. (1981), 128, 153; Slovin/Sushka/ Hudson, 7 J. Int’l Money & Fin. (1988), 289, 298; Stigum/Crescenzi, Stigum’s Money Market, S. 981. 274 Lowenstein, 4 Corp. L. Rev. (1981), 128, 140: „as a practical matter“. 275 Stigum/Crescenzi, Stigum’s Money Market, S. 980. In den 1980er Jahren (d.h. vor dem Anwachsen des Marktes für komplexe Finanzinstrumente; vgl. zu diesem noch § 10) besagten Schätzungen, dass die Rating-Agenturen zwischen einem Drittel und der Hälfte ihrer Ratingaufträge infolge dieser Regulierungsfunktion ihrer Ratings erhielten (so Littmann, Wirtschaftswoche vom 25.8.1989, S. 78).

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2. U.S.-amerikanisches Recht: Einschränkung der Registrierungsund Prospektpflicht für Fremdkapitaltitel mit „investment grade“-Rating (bis 2011) Darüber hinaus sah das U.S.-amerikanische Markteintrittsrecht lange Zeit mehrere Privilegien für als „investment grade“ eingestufte Finanzinstrumente vor, indem es die gesetzlich vorgeschriebenen Publizitätspflichten für Finanztitel dieser Art – unabhängig von deren Laufzeit, also auch langfristige Anleihen erfassend – nicht völlig entfallen ließ, aber doch spürbar senkte: Ein „investment grade“-Rating wurde damit als teilweises Prospektsubstitut eingestuft. Diese regulatorische Privilegierung wurde jedoch im Jahre 2011 in Umsetzung des Dodd–Frank Acts abgeschafft.276 a) Stark reduzierter Prospektinhalt bei Anleihen und preferred stock mit „investment grade“-Rating (Form S–3 zum Securities Act of 1933) (bis 2011) Das Rating einer Anleihe zeitigte zunächst insoweit Auswirkungen, als es um den gesetzlich geforderten Prospektinhalt ging. aa) Abgestufte gesetzliche Markteintrittspublizität unter Zugrundelegung der Efficient Market Hypothesis Das U.S.-amerikanische Kapitalmarktrecht sieht für den Markteintritt von Wertpapieren traditionell ein abgestuftes Publizitätssystem vor und unterscheidet zu diesem Zweck zwischen drei Registrierungsformularen (Form S–1, Form S–2 und Form S–3), die für unterschiedliche Kategorien von Wertpapieren einen jeweils unterschiedlich umfangreichen Prospektinhalt fordern. Form S–3,277 welches den geringsten Prospektinhalt verlangt und der Investorenöffentlichkeit gegenüber damit auch das geringste Maß an Markteintrittspublizität bietet278 (was für den Emittenten gleichzeitig die geringstmöglichen Emissionskosten bedeutet279), ist dabei für solche Emittenten gedacht, die infolge ihrer bestehenden Marktpräsenz ohnehin von professionellen Analysten und Investoren beobachtet („widely followed“) werden280 und bezüglich derer der Markt daher bereits ausreichend informiert ist.281 Die gesetzliche Markteintrittspublizität ist also als 276

Siehe dazu noch unter a) dd) und bb). 17 C.F.R. § 239.13. 278 SEC Release 33–6383, 34–18524, 35–22407, 39–700, IC–12264, AS–306 vom 16. März 1982, 24 SEC Dock. (1982), 1262, 1267; Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 604 Fn. 159; Hazen, Treatise, § 3.4[4][C]; kritisch Rishi, 46 Ohio St. L.J. (1985), 223, 237: deutlich geringerer Informationsgehalt als nach Form S–1 oder S–2. 279 Abdurakhmanova, 18 Fordham J. Corp. & Fin. L. (2013), 451, 461; Loss/Seligman, Fundamentals of Securities Regulation, S. 155; Rhodes, 20 Seton Hall Legis. J. (1996), 293, 339 f. 280 SEC Release 33–6331, 34–18007, IC–11888 vom 6. Aug. 1981, 46 FR 41902 ff.: „… because such companies are widely followed by professional analysts and investors in the market place“. 281 Bottini, 30 San Diego L. Rev. (1993), 579, 604 Fn. 161; Hazen, Law of Securities Regulation, § 3.4[4][C]. 277

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abgestufte Ergänzung zum bereits existierenden Informationsstand am Markt konzipiert.282 Das beschriebene Regelungskonzept basiert auf der Hypothese effizienter Märkte (Efficient Market Hypothesis),283 wie die SEC sowohl in den Entwurfsmaterialien284 als auch in der amtlichen Regelungsbegründung zu Form S–3285 ausdrücklich klarstellte. Es handelt sich damit um einen der seltenen Fälle, in denen ein Recht setzendes Organ explizit zur informationstheoretischen Grundlage einer gesetzlichen Publizitätsvorschrift Stellung genommen hat,286 wobei den diesbezüglichen Ausführungen der SEC deshalb besondere Bedeutung zukommt, weil sie aus Anlass einer grundsätzlichen Neuausrichtung des U.S.amerikanischen Publizitätssystems – nämlich der Einführung des sog.