Polemik in der frühchristlichen Literatur: Texte und Kontexte 3110223538, 9783110223538

Im Neuen Testament spielt Polemik als sachliche Auseinandersetzung und als literarische Strategie eine große Rolle. Für

273 45 2MB

German Pages 696 [694] Year 2017

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Polemik in der frühchristlichen Literatur: Texte und Kontexte
 3110223538, 9783110223538

Table of contents :
Frontmatter
Inhalt
Einführung
Zu Form, Sitz im Leben und Funktion prophetischer „Kritik“. Beobachtungen zu den von einem rîb Jahwes sprechenden Texten der alttestamentlichen Prophetie
Invektive und Polemik in der Antike. Suche nach einer Verhältnisbestimmung
„Soweit meine offenen Worte an dich …“ Form und Funktion von Polemik in den Schriften des Lukian von Samosata
Formen und Funktionen der Polemik in Josephus’, Contra Apionem‘
Polemik der Tora. Der Streit mit Häretikern in der rabbinischen Literatur
Pillars, Hypocrites and False Brothers. Paul’s Polemic against Jerusalem in Galatians
Literarische Strategien der Polemik im Galaterbrief
„Seine Briefe sind gewichtig und gewaltig“ (2Kor 10,10). Polemik im 2. Korintherbrief
Götzendiener, Tempelräuber und Betrüger. Polemik gegen Heiden, Juden und Judenchristen im Römerbrief
Polemik und Autobiographie. Ein Vorschlag zur Deutung von Phil 3,2– 4a
Polemic in the Epistle to the Colossians
Polemik in den Pastoralbriefen. Formen, Funktionen, Folgerungen
Die Polemik um die Christologie im Ersten Johannesbrief und ihr Verhältnis zu den polemischen Zügen des Johannesevangeliums
Polemik im Jakobusbrief. Formen, Gegenstände und Fronten
Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein? Historische und normative Aspekte
Die literarische Form der Streitgespräche
Die markinischen ,Streitgespräche‘ im Plan des Evangeliums. Eine kritische relecture der formgeschichtlichen Methode
Kritik an Paulus im Matthäusevangelium? Von der Kunst verdeckter Polemik im Urchristentum
Polemical Strategies in the Gospel of Matthew
Polemik im eschatologischen Kontext Israel und die Heiden im lukanischen Doppelwerk
Implizite Polemik durch Parallelisierung. Der άλλoς άγγελoς ίσχυρός (Apk 10,1 f.5), der Gott Helios und der Koloss von Rhodos
Polemik bei Irenäus von Lyon. Strategie – Ertrag – Wirkung
Polemik bei Augustin
Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works
Backmatter

Citation preview

Polemik in der frühchristlichen Literatur

Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche

Herausgegeben von

James D. G. Dunn · Carl R. Holladay Hermann Lichtenberger · Jens Schröter Gregory E. Sterling · Michael Wolter

Band 170

De Gruyter

Polemik in der frühchristlichen Literatur Texte und Kontexte

Herausgegeben von Oda Wischmeyer und Lorenzo Scornaienchi

De Gruyter

ISBN 978-3-11-022353-8 e-ISBN 978-3-11-022354-5 ISSN 0171-6441 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Polemik in der frühchristlichen Literatur : Texte und Kontexte / [herausgegeben von] Oda Wischmeyer, Lorenzo Scornaienchi. p. cm. - (Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche, ISSN 0171-6441 ; Bd. 170) Includes bibliographical references and index. ISBN 978-3-11-022353-8 (hardcover 23 ¥ 15,5 : alk. paper) 1. Polemics in the Bible. 2. Bible. N.T. - Language, style. 3. Polemics History. 4. Literature, Ancient - History and criticism. I. Wischmeyer, Oda. II. Scornaienchi, Lorenzo. BS2545.P59P65 2010 225.6116-dc22 2010023259

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ” 2011 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/New York Umschlaggestaltung: Christopher Schneider, Berlin Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ⬁ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt Oda Wischmeyer/Lorenzo Scornaienchi Einfhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

Teil 1: Grundlagen und Kontexte aus der Literatur Israels und der griechisch-rçmischen Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

Hans-Christoph Schmitt Zu Form, Sitz im Leben und Funktion prophetischer „Kritik“. Beobachtungen zu den von einem rb Jahwes sprechenden Texten der alttestamentlichen Prophetie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Severin Koster Invektive und Polemik in der Antike. Suche nach einer Verhltnisbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

Peter v. Mçllendorff „Soweit meine offenen Worte an dich …“ Form und Funktion von Polemik in den Schriften des Lukian von Samosata . . . . . . . . . . .

55

Michael Tilly Formen und Funktionen der Polemik in Josephus’ ,Contra Apionem‘

77

Matthias Morgenstern Polemik der Tora. Der Streit mit Hretikern in der rabbinischen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

103

Teil 2: Schwerpunkte und Funktionen von Polemik in neutestamentlichen Texten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121

Ian J. Elmer Pillars, Hypocrites and False Brothers. Paul’s Polemic against Jerusalem in Galatians . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

123

Dieter Snger Literarische Strategien der Polemik im Galaterbrief . . . . . . . . . . .

155

Manuel Vogel „Seine Briefe sind gewichtig und gewaltig“ (2Kor 10,10). Polemik im 2. Korintherbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

183

VI

Inhalt

Friedrich Wilhelm Horn Gçtzendiener, Tempelruber und Betrger. Polemik gegen Heiden, Juden und Judenchristen im Rçmerbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

209

Eve-Marie Becker Polemik und Autobiographie. Ein Vorschlag zur Deutung von Phil 3,2 – 4a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

233

Tor Vegge Polemic in the Epistle to the Colossians . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

255

Gerd Hfner Polemik in den Pastoralbriefen. Formen, Funktionen, Folgerungen

295

Enno Edzard Popkes Die Polemik um die Christologie im Ersten Johannesbrief und ihr Verhltnis zu den polemischen Zgen des Johannesevangeliums .

331

Oda Wischmeyer Polemik im Jakobusbrief. Formen, Gegenstnde und Fronten . . .

357

Lorenzo Scornaienchi Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein? Historische und normative Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

381

Boris Repschinski Die literarische Form der Streitgesprche . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

415

Eve-Marie Becker Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums. Eine kritische relecture der formgeschichtlichen Methode . . . . . . . . . . .

433

Gerd Theißen Kritik an Paulus im Matthusevangelium? Von der Kunst verdeckter Polemik im Urchristentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

465

David C. Sim Polemical Strategies in the Gospel of Matthew . . . . . . . . . . . . .

491

Ulrike Mittmann Polemik im eschatologischen Kontext Israel und die Heiden im lukanischen Doppelwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

517

Thomas Witulski Implizite Polemik durch Parallelisierung. Der %kkor %ccekor Qswuqºr (Apk 10,1 f.5), der Gott Helios und der Koloss von Rhodos

543

Inhalt

VII

Teil 3: Wirkungen und Entwicklungen an Beispielen aus der Alten Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

577

Barbara Aland Polemik bei Irenus von Lyon. Strategie – Ertrag – Wirkung . . . .

579

Wolfgang Wischmeyer Polemik bei Augustin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

603

Maijastina Kahlos Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works . . . . . . . . . . . .

621

Register Altes und Neues Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

651

Register rabbinische, griechische und lateinische Literatur . . . . . .

665

Register Sachen und Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

679

Einfhrung Oda Wischmeyer/Lorenzo Scornaienchi 1. Polemik im Neuen Testament Am Anfang des Christentums steht das eqacc´kiom YgsoO WqistoO (Rçm 1,1 und Mk 1,1), das von so unterschiedlichen christlichen Schriftstellern der zweiten Generation wie dem Verfasser des Epheserbriefes und dem auctor ad Theophilum gleichermaßen als friedenstiftende Grçße interpretiert wird. „Er ist unser Friede“, lesen wir im Epheserbrief ber Christus (2,14), und das Motiv des Friedens zieht sich durch die lukanische Geburts- und Kindheitsgeschichte1. Schon in der Logienquelle werden die Jnger Jesu als Friedensboten apostrophiert (Lk 10,5 – 12). In derselben Logienquelle findet sich aber auch der schockierende Spruch Jesu: Meint [[ihr]], dass ich gekommen bin, Frieden auf die Erde zu werfen? Ich bin nicht gekommen, Frieden zu werfen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen zu entzweien: den Sohn [[gegen]] seinen Vater [[und]] die Tochter gegen ihre Mutter [[und]] die Schwiegertochter gegen ihre Schwiegermutter (Lk 12, 51.53)2.

Die Traditionen, die in der Quelle Q aufbewahrt und bearbeitet wurden, weisen Jesus als prophetischen Polemiker aus, der sich seinen Zuhçrern gegenber harter Invektiven bedient. Die markinischen Streitgesprche modellieren Jesus als Lehrer, dem Stellungnahmen zu kontroversen Fragen der Gesetzesinterpretation abverlangt werden. Wenn er auch in diesen Diskussionen als souverner Lehrer erscheint, scheut er sich andererseits doch nicht, seinen erstberufenen Jnger Petrus als „Satan“ anzusprechen (Mk 8,33), als es um sein eigenes Todesschicksal geht. Diese Linie hochpolemischer Invektive zieht sich bis in das Johannesevangelium durch, wenn Jesus ausgerechnet die Juden, „die an ihn glauben“ (Joh 8,31), im Rahmen einer großen çffentlichen Debatte ber die Wahrheit beschuldigt: „Euer Vater ist der Teufel“ (Joh 8,44). Im Matthusevangelium tritt Jesus als 1 2

Vgl. Dinkler, Dinkler-von Schubert, Art. Friede. Nach: Die Spruchquelle Q. Studienausgabe. Griechisch und Deutsch. Herausgegeben und eingeleitet von Paul Hoffmann und Christoph Heil, 86 f.

2

Oda Wischmeyer/Lorenzo Scornaienchi

scharfer Polemiker gegen die „Schriftgelehrten und Phariser“ auf (Mt 23). Die polemische Auseinandersetzung mit verschiedenen Gruppierungen von Tora-Auslegung erfolgt in den Evangelien in der Form çffentlicher Reden ohne direkte Antwort von Gegnern oder aber in der literarischen Form der Streitgesprche. Die neuere Jesusforschung entwirft konkurrierende Bilder des Polemikers Jesus. So kann Jesus als jdischer Gesetzeslehrer gezeichnet werden, der auf der Basis seiner Schriftauslegung eine neue Ethik lehrt und mit anderen Gesetzeslehrern in polemischen Auseinandersetzungen in Form von Streitgesprchen begriffen ist, oder als kynischer Wanderphilosoph mit beißender ethischer Polemik. Eine andere Interpretation stellt Jesus ganz in den Zusammenhang des frhen Judentums und spricht ihm daher jede Polemik ab3. Dass Paulus ein großer Polemiker war, zeigt schon ein Blick auf Gal 1,8. Auch bei ihm findet sich die irritierende berlagerung dauernder Friedensund Sanftmut-Rhetorik mit kriegerischen Metaphern und persçnlicher Invektive, wie exemplarisch 2 Kor 10,1 – 6 deutlich macht. Paulus ermahnt die Korinther „bei der Sanftmut und Gte Christi“, um ihnen im selben Atemzug die zerstçrerischen Waffen seines geistlichen Kampfes fr den Gehorsam Christi zu zeigen4. Die spteren Schriften der neutestamentlichen Textsammlung greifen „Gegner“, „falsche Lehrer“ und „Hretiker“ zum Teil mit schrfster Polemik und verstçrender Aggressivitt an. Das wird an Texten wie 2 Petr 2 ebenso deutlich wie in den sieben Sendschreiben der Offenbarung des Johannes. Dabei beobachten wir eine zunehmende Tendenz, „Gegner“ moralisch zu diskreditieren wie jene „Isebel“ in Thyatira, der der Prophet Johannes im Stil prophetischer Topik „Unzucht“ vorwirft. Aus dieser kurzen Skizze geht bereits hervor, dass das Thema der Polemik in den Schriften des Neuen Testaments die unterschiedlichsten Fragen aufwirft, nach verschiedenen Richtungen hin diskutiert werden kann und historisch breit kontextualisiert werden muss. Das Phnomen der Polemik tritt erstmals in der philosophischen und politischen Begriffs- und Streitkultur der Griechen auf. Polemik war Teil des rhetorischen und literarischen Instrumentariums zur Durchsetzung von Meinungen und Richtungen in der griechischen und rçmischen ffentlichkeit. Das frhe Christentum hat sich von Anfang an in diese çffentliche Streitkultur hineingestellt. Wenn der auctor ad Theophilum in Apg 17,18 Paulus in Athen mit den Philosophen 3 4

Vgl. dazu den Beitrag von L. Scornaienchi im vorliegenden Band. Vgl. Wischmeyer, Die paulinische Mission als religiçse und literarische Kommunikation, 90 – 121.

Einfhrung

3

diskutieren lsst (sulb²kkeim)5, ist das frhe Christentum auch literarisch in der çffentlichen Streitkultur der griechisch-rçmischen Welt angekommen. Auseinandersetzungen ber die Auslegung der Tora waren gleichzeitig fester Bestandteil der jdischen Kultur, und die Invektive gehçrte ebenso zum literarischen Inventar der griechisch-rçmischen Literatur6 wie zum Erbe der Propheten Israels7. Wie selbstverstndlich das Phnomen der Polemik und seine rhetorischen und literarischen Strategien dem hellenistischen Judentum war, zeigt nicht nur der Polemiker Paulus, sondern vor allem die Tatsache, dass sowohl Philo als auch Josephus Streitschriften von großer literarischer und sachlicher Qualitt verfassten8. Die Kirchenschriftsteller befanden sich seit den Apologeten im theologisch-literarischen Streit um die wahre Religion. Polemische Fronten taten sich in verschiedene Richtungen auf: gegen das Judentum9, gegen Gnostiker10, gegen sog. Hretiker11, gegen Heiden12.

2. Das Kolloquium Vom 7. bis zum 8.11. 2008 fand in Erlangen die Tagung: „Polemik im Neuen Testament. Texte und Kontexte“ statt. Das Kolloquium hatte das Ziel, (1) die polemischen Aspekte der literarischen Jesusberlieferung, vor allem die markinischen Streitgesprche, und (2) die Polemik des Paulus zu untersuchen und in die notwendigen theoretischen und historischen Kontexte zu stellen, zu denen das Phnomen der Philosophenpolemik und des Streites ber die Auslegung des Gesetzes ebenso gehçrt wie Polemik in 5 Bei Bauer, Griechisch–deutsches Wçrterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frhchristlichen Literatur, 1551, bersetzt: „sich unterreden“, weist aber fr andere neutestamentlichen Stellen die bersetzung „in Zwist oder in Wortstreit geraten“ aus, was auch fr Apg 17,18 vorzuziehen ist. 6 Vgl. den Beitrag von S. Koster in diesem Band. 7 Vgl. den Beitrag von H.-C. Schmitt in diesem Band. 8 Philo, In Flaccum; Josephus, Contra Apionem (vgl. dazu den Beitrag von M. Tilly in diesem Band). – Vgl. auch den Beitrag von M. Morgenstern. 9 Vgl. Rçwekamp, Art. Antijudaistische Dialoge in: Lexikon der antiken christlichen Literatur. 10 Vgl. den Beitrag von B. Aland in diesem Band. 11 Vgl. den Beitrag von W. Wischmeyer in diesem Band. 12 Vgl. nur die großen Werke des Origenes (Contra Celsum) und Augustins (Der Gottesstaat). Diese Polemik war nicht einseitig, sondern befand sich in der Auseinandersetzung mit hochkartiger Polemik von heidnischer Seite: eben mit Celsus, mit Porphyrius, Kaiser Julian und anderen Autoren, vgl. dazu Cameron, Palladas and Christian Polemic, 17 – 30.

4

Oda Wischmeyer/Lorenzo Scornaienchi

anderen neutestamentlichen Schriften und die Diskurse der Kirchenvter. Die Beitrge und Diskussionen whrend des Kolloquiums erwiesen sich als so fruchtbar und weiterfhrend, dass die Veranstalter sehr gern die Aufforderung der Herausgeber von BZNWaufnahmen, nicht nur die Mehrzahl der Beitrge der Tagung zu verçffentlichen, sondern die Liste der Beitrge stark zu erweitern. Wir haben das getan, ohne die beide Schwerpunkte: Jesus als Polemiker und Polemik bei Paulus aufzugeben. Der nun vorliegende Band versteht sich daher nicht als ,Handbuch neutestamentlicher Polemik in ihren historischen und literarischen Kontexten‘ – dies Unterfangen htte eine ganz andere Dimensionierung erfordert. Außerdem handelt es sich bei der Polemik im Neuen Testament nicht um ein eingefhrtes und viel bearbeitetes Thema, das nach einer gewissen Ordnung und der Beschreibung eines status quo in einem großen Sammelband verlangt, sondern um eine verhltnismßig wenig bearbeitete Thematik, die den Reiz des Neuen mit vielfltigen Brckenschlgen zur literarischen, philosophischen und religiçsen Kultur der frhen Kaiserzeit verbindet und eher eigene Fragestellungen hervorbringt als ein vollstndiges Tableau bietet. Gerade die Vorbereitung des Bandes hat gezeigt, wie viele weitere Arbeiten fr einen eher enzyklopdischen Wurf noch zu leisten sind. Wenn das Kolloquium auch zur Basis fr die Zugewinnung vieler Beitrge aus allen Feldern, die sich uns als wichtig erwiesen haben, wurde, so haben wir Vollstndigkeit weder angestrebt noch erreicht – schmerzlich vermissen wir allerdings den Beitrag ber das Johannesevangelium, dessen Verfasser ganz kurzfristig absagen musste.

3. Polemik Polemik als Rede- und Schreibform ist zuallererst ein kommunikatives Phnomen, eine Rede-und Schreibstrategie, und als solche eine der Achsen, um die sich Untersuchungen zu personenbezogener Kommunikation und Argumentation drehen13, ist doch Polemik inhrenter Bestandteil nicht nur politischer und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen, sondern auch philosophischer, literarischer und religiçser Debatten. Polemik ist dagegen nicht Bestandteil der Rhetoriklehre14, sondern begegnet im rhetorischen Zusammenhang lediglich als Teilaspekt des Tadels (xºcor), der seinerseits im 13 Zur systemischen Bedeutung von Kommunikation vgl. immer noch die grundlegenden berlegungen von N. Luhmann zur „Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation“. 14 Vgl. dazu Stauffer, Art. Polemik.

Einfhrung

5

Gegensatz zum Enkomium konstruiert wird und eigentlich als Unform gilt15. Polemik ist auch keine eigene literarische Gattung oder Form, wohl aber hat Polemik auch eigene literarische Formen hervorgebracht, vor allem die Streitschrift16 und das Streitgesprch17. Die vielfltige Szene der literarischen Aggression – Scheltrede, Invektive, Tadel, Verleumdung, Schmhung18, Kritik, Spottschrift, Pamphlet, Ironie, Satire, Persiflage – in ihren kulturellen und historischen Erscheinungsformen und Transformationen kann hier nur ins Gedchtnis gerufen werden. Sie ist Gegenstand der Klassischen Philologie19 und der Literaturwissenschaft20. Wichtig ist uns der Hinweis darauf, dass das entstehende Christentum von Anfang an dieser Szene teilhat und die Sprach-, Stil- und Argumentationsform der Polemik mit der jdischen und der griechisch-rçmischen literarischen Welt teilt, ja dass die Polemik der neutestamentlichen Schriften berhaupt auch ein literarisches und kulturelles Element ist, das zur kulturellen Koine der frhen Kaiserzeit gehçrt und als solches verstanden werden muss. Damit ist auch schon gesagt, dass sich die frhchristliche Polemik im Fadenkreuz antiker çffentlicher Rhetorik, Philosophie und griechisch-rçmischer Literatur wie prophetischer und weisheitlicher Literatur des Judentums und rabbinischer Schriftdiskussion21 entwickelt und eben damit per se eine kommunikative Funktion erfllt – unbeschadet der Tatsache, dass Polemik stets eher differenzieren, trennen und spalten als versçhnen will. Der Ausdruck pokelijμ t´wmg begegnet nicht im Neuen Testament, wohl aber ist pºkelor und pokel´y Sinne polemischen Streitens zwischen christlichen Lehrern in einer neutestamentlichen Schrift thematisiert: im Jakobusbrief. In Jak 4,1 und 2 polemisiert der Autor in schrfster Weise eben gegen die „Polemik“ christlicher Lehrer22. Er interpretiert die Polemik anderer Lehrer als „Snde der Zunge“ und verurteilt sie als zutiefst unethisch. Und doch ist das Neue Testament voll von Polemik. Sie konzentriert sich

15 Vgl. dazu den Beitrag von P. von Moellendorff in diesem Band. 16 Vgl. dazu den Beitrag von M. Tilly in diesem Band. 17 Vgl. dazu die Beitrge von E.-M. Becker, B. Repschinski und L. Scornaienchi in diesem Band. 18 Tadel und Schmhung sind Teil der Diatribe und gelten mindestens bei Platon als unethisch. 19 Vgl. Speyer, Art. Polemik. 20 Vgl. Schleichl, Art. Polemik. 21 Vgl. dazu den Beitrag von M. Morgenstern in diesem Band. 22 Vgl. dazu den Beitrag von O. Wischmeyer in diesem Band.

6

Oda Wischmeyer/Lorenzo Scornaienchi

zunchst bei Jesus und Paulus. Beide sind sowohl Subjekt als auch Objekt23 von offener oder verdeckter Polemik. Whrend wir von Jesu polemischer Sprechweise nur indirekte Zeugnisse haben24, tritt uns Paulus selbst als literarischer Polemiker entgegen.25 Wesentliche Elemente der Funktion der Polemik bei Paulus sind: Identittsbildung, Ausbildung von Theologie im Sinne der angemessenen Rede von Gott und den Menschen im Lichte des eqacc´kiom YgsoO WqistoO, Gemeindeaufbau im Sinne „richtiger Theologie“. Paulus richtet seine Polemik gegen „Juden“und „Heiden“ (Rçm 1 – 3)26 sowie gegen „falsche Brder“ (Galater- und Philipperbief ), gegen einzelne Positionen in den Gemeinden (1 Kor 15, 12 – 19) und gegen „Gegner“, d. h. gegen fremde Missionare, die in den von ihm gegrndeten Gemeinden andere Positionen einfhren wollen (Gal, Phil) oder seine Autoritt infragestellen (2 Kor). Die deuteropaulinischen Briefe27 und die Pastoralbriefe28 fhren diese Linie fort, fgen aber auch neue gegnerische Fronten hinzu. Hier fallen die Stichworte „Philosophie“ (Kol 2,8), „Engelverehrung“ (Kol 2,18) und „Kennen Gottes“ (Tit 1,16), deren mçgliche Nhe zu Vorformen der spteren Gnosis immer wieder diskutiert werden. Dies Thema ist auch fr die scharfe Polemik gegen „falsche“ Christologie im 1. Johannesbrief relevant29. Die polemische Front gegen das heidnische Rçmische Reich wird in der Offenbarung des Johannes aufgebaut30. Personen werden so gut wie niemals namentlich angegriffen31, das ndert sich in der Alten Kirche32. 23 Vgl. dazu die Beitrge von L. Scornaienchi, G. Theißen und D. Sim sowie O. Wischmeyer in diesem Band. 24 Vgl. dazu die Beitrge von L. Scornaienchi, B. Repschinski, E.-M. Becker, G. Theißen und D. Sim in diesem Band. 25 Vgl. dazu die Beitrge von I. Elmer, D. Snger, M. Vogel, F.-W. Horn und E.-M. Becker in diesem Band. 26 So im Rçmerbrief, vgl. dazu den Beitrag von F.-W. Horn in diesem Band. Vgl. auch die offen antijdische Polemik in 1 Thess 2,14 – 16, wo Paulus – selbst Jude – den paganen Standardvorwurf der „Menschenfeindlichkeit“ gegen die Juden richtet; vgl. dazu Schfer, Judeophobia. 27 Vgl. dazu den Beitrag von T. Vegge in diesem Band. 28 Vgl. dazu den Beitrag von G. Hfner in diesem Band. 29 Vgl. dazu den Beitrag von E. Popkes in diesem Band; vgl. ebenfalls den Beitrag von B. Aland. 30 Vgl. dazu den Beitrag von Th. Witulski in diesem Band. Die Offenbarung des Johannes zeugt auch von zunehmender polemischer Schrfe im Umgang mit „Hretikern“ in den Gemeinden (vgl. die sieben Sendschreiben an die kleinasiatischen Gemeinden). 31 Eine Ausnahme stellt die heftige Attacke gegen Simon Magus in Apg 8,20 – 23 dar. Zu den wenigen Namen im Zusammenhang von Polemik vgl. den Beitrag von O.

Einfhrung

7

Ausgeformte literarische Polemik als Streitschrift im entwickelten Sinn einer aggressiven und die Person nicht schonenden thematischen kmpferischen Debatte finden wir erst bei den Apologeten. Die neutestamentlichen Schriften legen aber den Grundstein fr alle Arten der spteren altkirchlichen Polemik, fr argumentative Polemik ebenso wie fr ihre narrative und ikonische Erscheinungsform33. Sachlich geht es bei der Polemik um die großen Themen antiker Religions- und Philosophendebatten: um den Zusammenhang von Apologetik und Polemik im Kampf um Text- und Weltdeutungen, die zwischen Heiden und Juden34, Juden und Heiden35, Christen und Heiden, Heiden und Christen36, Christen und Juden, Juden und Christen37, Juden und Juden38 und schließlich Christen und Christen ausgetragen werden. Das Phnomen des frhen Antijudaismus der christlichen Gemeinden39 muss hier ebenso diskutiert werden wie die Ablehnung Jesu von Seiten der jdischen Autoritten und die frhen Fronten und Spaltungen40 in den Gemeinden. Diese und andere polemische Auseinandersetzungen sind historisch gesehen Teil der langen und komplexen Kmpfe zwischen philosophischen Schulen, Literaturen und Religionen in der griechisch-rçmischen Antike, aus denen sich unter anderem die christliche Theologie in ihrer altkirchlichen kontroversen Vielfalt herausgebildet hat. Eine ethische Verurteilung der Polemik, wie wir sie schon bei

32 33 34 35 36 37

38 39 40

Wischmeyer in diesem Band. Zur anonymen Polemik und ihrer ethischen Bedenklichkeit vgl. auch den Beitrag von P. von Moellendorff in diesem Band. Vgl. besonders den Beitrag von M. Kahlos in diesem Band. Vgl. dazu den Beitrag von Th. Witulski in diesem Band. Vgl. dazu die umfangreiche Quellensammlung von Stern, Greek and Latin Authors on Jews and Judaism. Z.B. Philo und Josephus. S.o. Anm. 12. Ob die markinischen Streitgesprche derartige Debatten spiegeln und wie weit sich Juden berhaupt argumentativ mit Christen auseinandergesetzt haben, ist offen. Vgl. dazu jetzt den Beitrag von T. Rajak auf der Aarhus University International Conference 31. May–4. June 2010 on Invention, Rewriting, Usurpation: Discoursive Fights over Religious Traditions in Antiquity: Invention, Rewriting, Usurpation: Discursive Fights over Religious Traditions in Antiquity, bei: http:// relnorm.au.dk/en/may2010conf/video/monday31may/. Vgl. dazu die Texte aus Qumran. Vgl. dazu den Beitrag von U. Mittmann in diesem Band. Solche Spaltungen bezeugen die Johannesbriefe. Vgl. auch die Unterschiede in der Terminologie der aVqesir zwischen dem negativen ethischen Gebrauch bei Paulus (1 Kor 11,19 und Gal 5,20) und der neutralen Verwendung in der Apostelgeschichte (5,17 u. ç.). Hier ist die „Partei“ weder falsch noch bçse, sondern einfach ein Begriff fr bekannte Gruppierungen: Phariser, Sadduzer, Nazarer.

8

Oda Wischmeyer/Lorenzo Scornaienchi

Platon finden, wie sie – selbst in hochpolemischer Form – im Jakobusbrief und in der Bergpredigt formuliert wird und wie sie in wissenschaftlichem Kontext in der neueren neutestamentlichen Antijudaismusforschung verbreitet ist, kann – wie schon erwhnt – unter den Bedingungen historischer Forschung nur im Bewusstsein dieser thematischen und historischen Horizonte diskutiert werden. Dabei erweisen sich Fragestellungen des sog. ethical turn in den Geistes- und Kulturwissenschaften als hilfreich41. Beispielsweise macht eine historische Analyse des gesamten antiken Phnomens des Antijudaismus die mçglichen Folgen einer berzogenen literarischen Polemik gegen „das Fremde“oder „das Andere“deutlich, indem die Polemik Formen kultureller Aggression zugeordnet wird, die ins gesellschaftlichPolitische umschlugen und in Pogromen und Vernichtungskriegen kulminierten. Das gilt in besonderem Maße fr Polemik gegen ethnische und religiçse Alteritt, kaum fr philosophische und literarisch-kulturelle Polemik. Insofern haben wir es bei unserm Thema nicht nur mit antiken Bildungswelten zu tun42, sondern mit der Zndkraft religiçser Polemik. Dass diese Zndkraft den neutestamentlichen Schriftstellern bis zu einem gewissen Grade durchaus bewusst war, zeigt die schon erwhnte Polemik des Jakobusbriefes gegen frhchristliche Lehrer, dessen wtende Angriffe gegen Reiche und gegen theologische Lehrer („die Zunge“) aus der Angst vor der trennenden und als ethisch gefhrlich empfundenen theologischen Lehre hervorgeht, dann aber wieder verblfft, wenn man sie mit der strengen Sprachethik des Briefes vergleicht, die Aggression gerade verbietet. Analoges gilt fr das Matthusevangelium. So ist die Polemik selbst bereits von Anfang an im Frhen Christentum vorhanden und gleichzeitig Gegenstand polemischer Auseinandersetzung.

4. Perspektiven Die hier gesammelten Beitrge zur Polemik im Neuen Testament machen deutlich: Die Polemikforschung ist ein offenes Feld und nach vielen Seiten anschlussfhig. Das mçchte ich fr drei Bereiche skizzieren.

41 Vgl. dazu: ,Ethical Turn‘? Geisteswissenschaften in neuer Verantwortung, hg. von Ch. Lubkoll und O. Wischmeyer. 42 Vgl. dazu den Beitrag von P. von Moellendorff in diesem Band.

Einfhrung

9

Die Geschichte des Frhen Christentums Bisher wurde die Polemik der neutestamentlichen Schriften vor allem im Zusammenhang der „Gegner“-Frage wahrgenommen. Seit der Studie von Dieter Georgi zu den Gegnern des Paulus im 2. Korintherbrief 43 diente die Frage nach den Gegnern als methodischer Schlssel zur Vervollkommnung des einseitigen Bildes, das Paulus in seiner Korrespondenz von seiner Mission, seinen Gemeinden und fremden Missionaren zeichnet. Durch die Frage nach den Gegnern wurde aus einem Monolog ein Dialog, Diskurse ließen sich rekonstruieren, und das Bild gerade von der paulinischen Mission gewann perspektivische Tiefe. Das sog. mirror-reading – von Richard Bauckham durchaus kritisch apostrophiert – wurde auch auf die Evangelien angewandt, und Texte wie das Matthusevangelium oder der Jakobusbrief erhalten durch die Hypothese, sie setzten sich polemisch mit Paulus auseinander, historische Konturen und Tiefenschrfe44. Die Analyse der Polemik stand und steht also weitgehend im Dienst der Rekonstruktion der Geschichte des Urchristentums und soll den sprach- und literaturlosen Missionaren und Gemeindeleitern Kontur und Stimme geben. Das gilt auch fr die Sptschriften des Neuen Testaments. Nun fgen sich mehrere Beitrge des vorliegenden Bandes nicht mehr in dies Forschungsparadigma ein. Mindestens Manuel Vogel, Eve-Marie Becker, Tor Vegge, Gerd Hfner und Oda Wischmeyer diagnostizieren in den Texten, aus deren Polemik bisher gegnerische Profile rekonstruiert wurden, so etwas wie eine weitgehende Abwesenheit eines „Gegners“. Sie verstehen die Polemik ihrer – sehr unterschiedlichen – Texte eher im Zusammenhang von Identittssicherung als von realer Gegnerbekmpfung. Damit tritt die propositionale theologische Dimension der polemischen Texte strker in den Vordergrund, whrend die konkrete historische Dimension blasser und unsicherer wird. Die Pragmatik der Texte muss daher neu bestimmt werden. Die polemischen Texte erhalten damit fr einige der Beitrger wieder eher Text- als Quellencharakter, andere Beitrger wie G. Theißen und D. Sim dagegen lesen das Matthusevangelium durchaus als historische Quelle und rekonstruieren die gegnerischen Fronten der ,Matthusgemeinde‘45 – die Frage, ob es diese gab, muss aber weiterhin erlaubt sein – aus der Polemik des Evangeliums. Hier erçffnet unser Band neue historische und methodische Fragestellungen. Wenn die rhetorische Strategie und die literarische Qualitt 43 Georgi, Die Gegner des Paulus im 2. Korintherbrief. 44 Vgl. dazu die Beitrge von G. Theißen, D. Sim und O. Wischmeyer in diesem Band. 45 Vgl. dazu zuletzt Sim, Reconstructing the Social and Religious Milieu of Matthew.

10

Oda Wischmeyer/Lorenzo Scornaienchi

der polemischen Texte des Neuen Testaments ernstgenommen wird, muss die Methode der Rekonstruktion von „Gegnern“ oder jedenfalls „anderen“ Konzeptionen aufgrund polemischer ußerungen in Briefen und Evangelien berprft werden. In diesem Zusammenhang ist die weitgehende Anonymitt der Polemik wichtig: Zeigt sie ein ethisches Defizit – Hinterhltigkeit, Demut oder verdecktes Machtstreben bieten sich hier als ethische Deutungsmuster an – , oder wie weit kçnnte sie ein Hinweis auf fehlende reale „Gegner“ sein und msste dann eher als Ausdruck theologischer Selbstvergewisserung interpretiert werden? Damit stellt sich auch noch einmal die Frage nach einer mindestens impliziten dialogisch-polemischen Struktur der Texte: Sind sie unter Umstnden mindestens partiell eigentlich eher monologisch zu lesen? Die Denk- und Argumentationsformen des Frhen Christentums In der exegetischen Arbeit der letzten Generation wurde vor allem das Phnomen des Antijudaismus in den polemischen Texten des Neuen Testaments einer notwendigen kritischen Analyse unterzogen, die ihre Maßstbe aus der gegenwrtigen politischen Ethik bezog. Die hier versammelten Aufstze weiten diese Perspektive aus. Wir mssen weiter fragen: In welcher Weise ist die Denk- und Argumentationsform der Polemik mit dem frhen Christentum, ja mit dem Christentum berhaupt verbunden? Und wie soll diese Denkform charakterisiert werden? Im Zusammenhang der schon genannten historischen Identittsforschung einerseits und dem neuen Interesse an Polemik und Apologetik im Kampf um die Auslegung religiçser Texte46 andererseits gibt es weiterreichende Tendenzen, die religiçse Polemik in toto als Ausdruck von Intoleranz zu interpretieren, ihr Drngen auf Klrung, Definition und Abgrenzung einem dezisionistischen und machtbesessenen Weltverstndnis zuzuschreiben47 und damit zugleich die propositionalen theologischen Aussagen, denen die Polemik auch dient, als unerheblich einzustufen, da die Polemik als ethisch minderwertig gilt. Diese berlegungen fordern in der Tat die Sachkritik an jenen neutestamentlichen 46 Vgl. dazu zuletzt: Critique and Apologetics. Jews, Christians and Pagans in Antiquity. Ed. by A.-C. Jacobsen, J. Ulrich, D. Brakke; The Discoursive Fight over Religious Texts in Antiquity, ed. by A.-C. Jacobsen. 47 Vgl. dazu den Beitrag von D. Boyarin auf der Konferenz der Universitt Aarhus, s. o. Anm. 37. Hier muss die grundstzliche Kritik F. Nietzsches am Dogmatismus von Philosophie und Theologie bzw. Religion ebenso bedacht werden wie die Machtdiskurse der franzçsischen Dekonstruktivisten.

Einfhrung

11

Texten heraus, deren Polemik destruktiv ist48. Wichtiger noch ist eine weitergehende kritische Auseinandersetzung mit dem Gesamtgefge der genannten Denkformen von Definitionen, Antithesen und binren Oppositionen, in deren Zusammenhang die neutestamentliche Polemik gehçrt. Hier ist der Brckenschlag zur Polemik als theologischer Denk- und Argumentationsform der Alten Kirche entscheidend wichtig. Polemik als theologische Denk- und Argumentationsform dient den Kirchenschriftstellern und ihren Gegnern gleichermaßen als Instrument kritischer Bemhung um theologische Wahrheit. Die Grundlagen fr diese berzeugung finden die Kirchenschriftsteller im Neuen Testament. Diese Thematik stellt ein eigenes Arbeitsfeld zwischen antiker Philosophiegeschichte, neutestamentlicher Wissenschaft, Judaistik, Patristik, Kirchengeschichte und theologischer Ideengeschichte dar. So konsequent die hier gesammelten Beitrge die neutestamentliche Polemik in ihre allgemeinen literarischen und kulturellen Kontexte stellen, kann aber nicht bersehen werden, dass wir es bei den Texten des Neuen Testaments mit religiçsen Texten zu tun haben, die selbst einen hohen Anspruch an die Sprachethik stellen. Daher wirft jede Beschftigung mit der neutestamentlichen Polemik die Frage auf: Ist religiçse Polemik notwendig? Oder: Kann es eine irenische Theologie geben, die doch nicht auf begriffliche und sachliche Trennschrfe verzichtet? Weder die Apologeten noch Augustinus htten diese Frage bejaht, aber die polemische Sprache und Argumentation des Hieronymus macht auch die Schwche der Polemik in der Hand von christlichen Theologen deutlich. Die literarische Qualitt der polemischen Texte des Neuen Testaments Die kulturelle Form polemischer Rede verbindet die frhchristlichen Texte mit der literarischen und philosophischen agonalen Kultur ihrer Zeit und ihren Kommunikationsregeln und -strukturen. Nur entsprechende Vergleiche49 kçnnen die Eigenart neutestamentlicher Polemik konturieren. Die Frage, die Tessa Rajak an Justins Dialog mit dem Juden Tryphon richtet50, wie weit in dieser Schrift berhaupt dialogisch argumentiert werde, lsst sich auch als Anfrage an neutestamentliche polemische Texte interpretieren, 48 Vgl. dazu die berlegungen zur Normativitt der Polemik in dem Beitrag von L. Scornaienchi in diesem Band. 49 Vgl. dazu die Beitrge von S. Koster und P. von Moellendorff in diesem Band. 50 S.o. Anm. 37.

12

Oda Wischmeyer/Lorenzo Scornaienchi

wieweit hier nmlich berhaupt Polemik im Sinn eines gleichsam fairen Streites mit einem klaren Gegner, dessen Position deutlich ist, vorliegt51. Viele der in dem vorliegenden Band gesammelten Beitrge weisen auf die polemischen Defizite ihrer Texte gerade an diesem Punkt ,fairer Polemik‘ hin. Literarische Vergleiche zeigen aber, dass in der griechisch-rçmischen Antike das agonale Denken und Argumentieren im dialogisch-polemischen Sinn jenseits philosophischer Schuldebatten52 nur selten wirklich zustande kam. Das fehlende rçmische Echo auf Josephus‘ Schrift Contra Apionem belegt dasselbe Defizit, das fr neutestamentliche Texte deutlich wird, auch fr die gebildete kaiserzeitliche Literatur53. Polemik als Teil einer dialogischen und sachlichen Bemhung um Wahrheit erweist sich stets als ungemein schwere kommunikative und hermeneutische Aufgabe, unabhngig von den historischen und kulturellen Kontexten54. Neben der Kommunikationsforschung behlt die hermeneutische Frage nach der Mçglichkeit des Verstehens berhaupt in der historischen Brechung der antiken Verstehensmçglichkeiten ihren eigenen Platz. Im Rahmen unseres Themas mndet die Frage, wieweit faire Polemik in dem kommunikativen und hermeneutischen Kontext der Antike mçglich war, in die grçßere Fragestellung nach dem Umgang mit ethnischer und religiçser Alteritt innerhalb und außerhalb der jeweils eigenen Religion.55

5. Ausblick Zum Schluss bedanken wir uns bei allen Beitrgerinnen und Beitrgern, die den Band zu dem gemacht haben, was er hoffentlich ist: einem Neuanstoß fr eine vertiefte Beschftigung mit dem Phnomen der Polemik im Frhen Christentum und seiner kulturellen und religiçsen Umwelt. Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Oliver Gußmann und Frau Nina Irrgang M.A., die die 51 Vgl. dazu die kritischen berlegungen von L. Scornaienchi zur agonalen Potenz der markinischen Streitgesprche in diesem Band. 52 T. Rajak weist auf Cicero hin (mndlicher Hinweis). 53 Vgl. dazu Wischmeyer, Criticism of Judaism in Greek and Roman Sources: Charges and Apologetics. 54 Vgl. die grundlegende Problematisierung erfolgreicher Kommunikation bei N. Luhmann (s. o. Anm. 13). 55 Ein verwandtes Feld stellt die Freundschaftsforschung dar. Dazu Rebenich, Freund und Feind bei Augustin. Rebenich (30 f. mit Anm. 125) verweist auf die Kritik J. Assmanns an der ,mosaischen Unterscheidung‘ und ihre theologischen Implikationen hin.

Einfhrung

13

Manuskriptherstellung (N. Irrgang) und die Herstellung der Register56 (O. Gußmann) in großer Selbstndigkeit und Zuverlssigkeit bernommen haben, sowie bei dem de Gruyter-Verlag fr die wie immer ausgezeichnete Zusammenarbeit. Dem Herausgeberteam von BZNW danken wir fr die Mçglichkeit, den Sammelband in diesem Umfang zu publizieren. Schließlich gebhrt der Universitt Erlangen-Nrnberg Dank fr die namhafte finanzielle Untersttzung der Tagung und der Publikation.

Literatur Assmann, J., Die mosaische Unterscheidung und der Preis des Monotheismus, Mnchen/Wien 2003. Bauer, W., Griechisch–deutsches Wçrterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frhchristlichen Literatur, Berlin/New York 19886. Cameron, A., Palladas and Christian Polemic, in: The Journal of Roman Studies 55 (1965), 17 – 30. Critique and Apologetics. Jews, Christians and Pagans in Antiquity, ed. by A.-Ch. Jakobsen, J. Ulrich and D. Brakke, Frankfurt am Main 2009. Die Spruchquelle Q. Studienausgabe. Griechisch und Deutsch. Hg. und eingeleitet von P. Hoffmann und C. Heil, Darmstadt/Leuven 2002. Dinkler, E., Dinkler-von Schubert, E., Art. Friede, in: RAC 8 (1972), 434 – 505. ,Ethical Turn‘? Geisteswissenschaften in neuer Verantwortung, hg. von C. Lubkoll und O. Wischmeyer, Mnchen 2009. Georgi, D., Die Gegner des Paulus im 2. Korintherbrief, Studien zur religiçsen Propaganda in der Sptantike (WMANT 11), Neukirchen-Vluyn 1964. Luhmann N., Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation, in: ders., Soziologische Aufklrung. Band 3: Soziales System, Gesellschaft, Organisation, Opladen 1981. Rebenich, S., Freund und Feind bei Augustin und in der christlichen Sptantike, in: Die christlich-philosophischen Diskurse der Sptantike: Text, Personen, Justitutium, hg. von Th. Fuhrer (Philosophie der Sptantike 28), Stuttgart 2008, 11 – 31. Rçwekamp, G., Art. Antijudaistische Dialoge, in: Lexikon der antiken christlichen Literatur (20023), 41 f. Schfer, P., Judeophobia. Attitudes towards the Jews in the Ancient World, Cambridge 1997. Schleichl, S.P., Art. Polemik, in: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft 3 (2003), 117 – 120. Sim, D.C., Reconstructing the Social and Religious Milieu of Matthew: Methods, Sources, and Possible Results, in: Matthew, James, and Didache. Three Related 56 Wir haben uns fr text- und problemnahe Einzelbibliographien am Ende jedes Beitrags entschieden und auf eine verdoppelnde Endbibliographie verzichtet.

14

Oda Wischmeyer/Lorenzo Scornaienchi

Documents in Their Jewish and Christian Settings, ed. by H. van de Sandt and J. Zangenberg, Atlanta 2008, 13 – 32. Speyer, W., Art. Polemik, in: DNP 10 (2001), 3 – 5. Stauffer, H., Art. Polemik, in: HWRh 6 (2003), 1403 – 1415. Stern, M., Greek and Latin Authors on Jews and Judaism, 3 volumes, Jerusalem 1976 – 1984. The Discoursive Fight over Religious Texts in Antiquity. Religion and Normativity, ed. by A.-C. Jacobsen, Aarhus 2009. Wischmeyer, O., Criticism of Judaism in Greek and Roman Sources: Charges and Apologetics (Second Century BC to Second Century AD) in: Critique and Apologetics. Jews, Christians and Pagans in Antiquity, ed. by A.-Ch. Jakobsen, J. Ulrich and D. Brakke, Frankfurt am Main 2009, 59 – 84. Wischmeyer, O., Die paulinische Mission als religiçse und literarische Kommunikation, in: Die Anfnge des Christentums, hg. von F.W. Graf und K. Wiegandt, Frankfurt am Main 2009, 90 – 121.

Teil 1: Grundlagen und Kontexte aus der Literatur Israels und der griechisch-rçmischen Antike

Zu Form, Sitz im Leben und Funktion prophetischer „Kritik“. Beobachtungen zu den von einem rb Jahwes sprechenden Texten der alttestamentlichen Prophetie Hans-Christoph Schmitt 1. Zwischen vorexilischer alttestamentlicher Prophetie und neutestamentlicher Rezeption Als „Alter Marburger“ darf ich mit einem Zitat von Rudolf Bultmann beginnen. In dem Streitgesprch ber Rein und Unrein in Kap. 7 des Markusevangeliums (Mk 7,1 – 23par.) nimmt Jesus (Mk 7,6 – 7) Bezug auf die Kritik der alttestamentlichen Prophetie am Gottesvolk, und zwar auf das „Scheltwort“ Jes 29,131, das hier in der LXX-bersetzung2 wiedergegeben wird: Dies Volk ehrt mich mit seinen Lippen, ihr Herz ist aber weit weg von mir. Nichtig verehren sie mich mit ihren Lehren von Menschengeboten.3

Rudolf Bultmann interpretiert in seiner Monographie ber „Jesus“ diese Aufnahme der alttestamentlichen prophetischen Kritik an den Menschengeboten als Kritik Jesu4 an der formalen Autoritt des Gesetzes: „Die ußeren 1

2

3 4

Im hebrischen Masoretischen Text lautet das Prophetenwort Jes 29,13: „Weil sich dieses Volk (nur) mit seinem Munde naht und mich (nur) mit seinen Lippen ehrt, whrend sein Herz fern von mir ist (zur bersetzung vgl. Kaiser, Der Prophet Jesaja Kap. 13 – 39, 217) und ihre Furcht vor mir zu (bloß) angelernter Menschensatzung wurde“ (zur bersetzung vgl. H. Wildberger, Jesaja 3, 1118). Die Septuaginta-bersetzung von Jes 29,13 („dies Volk naht sich mir, sie ehren mich mit ihren Lippen, aber ihr Herz ist weit weg von mir, vergeblich verehren sie mich, sie lehren Menschengebote und -lehren“) liegt in Mk 7,6 – 7 in einer leicht gekrzten Fassung vor. bersetzung nach Bultmann, Jesus, 55. Bultmann, Jesus, 55, weist zu Recht darauf hin, dass diese Streitgesprche „im einzelnen ihre Formulierung erst durch die Gemeinde erhalten“ haben. Trotzdem meint er feststellen zu kçnnen, dass „in diesem Punkt das Verhalten der Gemeinde das beste Zeugnis fr die Lehre Jesu“ ist.

18

Hans-Christoph Schmitt

Reinigungsgebruche werden mit diesem Zitat aus dem Propheten Jesaja als Heuchelei bezeichnet […]. In solcher Polemik5 will Jesus offenbar nur eine bestimmte schriftgelehrte Deutung der alttestamentlichen Schrift treffen. Tatschlich trifft er damit […] das Alte Testament selbst als formale Gesetzesautoritt […] Was Gottes Wille ist, wird also nicht von einer ußeren Autoritt gesagt, […] sondern es wird dem Menschen zugetraut und zugemutet, selbst zu sehen, was von ihm gefordert ist. Gottes Forderungen gelten also als einsichtig“.6 Die Jesustradition knpft somit an die Kritik der alttestamentlichen Prophetie an. In Aufnahme des von Bultmann aufgeworfenen Problems ist dabei allerdings die Frage zu diskutieren, in welchem Verhltnis diese prophetische Kritik zur Autoritt der alttestamentlichen Tora steht. Der lange Weg, den die berlieferung von der Kritik der Prophetie zwischen der Verkndigung der Propheten und ihrer Rezeption im Neuen Testament zurckgelegt hat, kann dabei natrlich nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden. Vielmehr soll nach zentralen berlieferungsstationen auf dem Weg von der vorexilischen mndlichen Verkndigung zu den nachexilischen Prophetenbchern gefragt werden. Dabei kann hier nicht nur – wie vor einem halben Jahrhundert – die gattungs- und berlieferungsgeschichtliche Fragestellung nach den ,Kleinen Einheiten‘ der mndlichen prophetischen Verkndigung im Mittelpunkt stehen. Vielmehr muss diese verbunden werden mit der literar- und redaktionsgeschichtlichen Frage nach dem nachexilischen Redaktionsprozess der Prophetenbcher.7 Dabei ist vor allem auch danach zu fragen, wie sich im Rahmen der Herausbildung des Kanons der Prophetenbcher das Verhltnis von Prophetie und Autoritt der Tora entwickelt. 5

6 7

„Polemik“ meint im Zusammenhang der prophetischen Botschaft nicht eine unsachliche Auseinandersetzung, sondern vielmehr eine in kmpferischer Form zum Ausdruck gebrachte grundstzliche Kritik. Da kaum eindeutig zu entscheiden ist, wo prophetische Kritik in „Polemik“ bergeht, wird im Folgenden nur von prophetischer „Kritik“ gesprochen. Wir konzentrieren uns jedoch auf die Form der prophetischen Kritik, die sich der Gattungen der gerichtlichen Anklagerede (rb) bedient. Bultmann, Jesus, 55 f. (Kursivsetzungen von mir, HCS). Vgl. zu dieser Umorientierung der Prophetenforschung u. a. Schmid, Klassische und nachklassische Deutungen der alttestamentlichen Prophetie; auch Kaiser, Grundriß der Einleitung in die kanonischen und deuterokanonischen Schriften des Alten Testaments, Band 2, 27 f.; Schmitt, Arbeitsbuch zum Alten Testament, 308 f.; Wanke, „Nimm dir eine Buchrolle und schreibe darauf alle Worte, die ich zu dir ber Israel und Juda und ber alle Vçlker gesprochen habe“ (Jer 36,2).

Zu Form, Sitz im Leben und Funktion prophetischer „Kritik“

19

2. Gegenstand und Maßstbe der alttestamentlichen prophetischen Kritik Beim Blick auf die soeben angesprochene berlieferungs- und Redaktionsgeschichte der prophetischen Texte muss daher mit einem komplexen Verstndnis des „Sitzes im Leben“, auf den sich diese prophetische berlieferung bezieht, gerechnet werden. Teils sind noch die alten prophetischen berlieferungen zu rekonstruieren, die die im Rahmen der mndlichen prophetischen Verkndigung gebte Sozial- und Kultkritik an der vorexilischen Jahwegemeinde wiedergeben. Teils muss fr prophetische Texte jedoch auch mit einem Sitz im Leben in nachexilischer redaktioneller Schriftgelehrsamkeit gerechnet werden. Strittig ist, woher die Prophetie ihre Normen genommen hat. Mein Marburger Lehrer Ernst Wrthwein hat vor fnfzig Jahren die These vertreten, dass bereits die vorexilischen Schriftpropheten auf fixiertes Jahwerecht zurckgegriffen htten.8 Die These erweist sich insofern als problematisch, als die Sammlung des alttestamentlichen Rechts (wie beispielsweise der Rechtsstze des Bundesbuches) wahrscheinlich erst nach dem Aufkommen der Schriftprophetie vorgenommen wurde.9 Whrend sich so die Wrthweinsche These fr die vorexilische Zeit nicht bewhrt, drfte Wrthwein fr die nachexilischen redaktionellen prophetischen Texte Recht haben. Damit sttzt sich die prophetische Kritik der vorexilischen Zeit offensichtlich auf andere Normen als die der nachexilischen Zeit. Whrend die prophetischen Texte der nachexilischen Zeit sich an der – vor allem im Gottesdienst weitergegebenen – heilsgeschichtlichen und gesetzlichen Tradition orientieren, sind die Normen der vorexilischen Zeit noch nicht einer fest fixierten Tradition entnommen.

3. Die Gattungen der alttestamentlichen prophetischen Kritik Entsprechend zeigen sich Unterschiede zwischen der vorexilischen und der exilisch-nachexilischen Prophetie auch im Gebrauch der Redegattungen, in denen die prophetische Kritik geußert wird: So bezieht sich die Kritik der 8 9

Vgl. u. a. Wrthwein, Amos-Studien (1949/50). Vgl. zur Entstehungsgeschichte des Bundesbuches u. a. Kaiser, Grundriß der Einleitung in die kanonischen und deuterokanonischen Schriften des Alten Testaments Band 1, 81 f.; Schmitt, Arbeitsbuch zum Alten Testament, 294 f.

20

Hans-Christoph Schmitt

vorexilischen Schriftprophetie auf konkrete soziale, politische und kultische Vergehen des Gottesvolkes. Sie findet sich daher in Prophetensprchen, die als „Scheltworte“10 bzw. „Schuldaufweise“ bezeichnet werden und meist als Begrndung fr konkrete, auf die nahe Zukunft bezogene Unheilsweissagungen gebraucht sind. Demgegenber verlieren diese Schuldaufweise gegen Israel bei der nachexilischen Redaktion der Prophetenbcher ihren konkreten historischen Bezug. Sie werden vielmehr eingeordnet in die Vorstellung eines universalen Weltgerichts, die sich vor allem am sog. dreigliedrigen eschatologischen Schema des Aufbaus der Prophetenbcher11 zeigt: Nach diesem Schema wird dem Gericht ber das Gottesvolk Jahwes Gericht ber die Vçlker und vor allem schließlich Jahwes Durchsetzung von Heil folgen. In diesem redaktionellen Rahmen erhalten die Schuldaufweise der vorexilischen Propheten meist die Funktion von Mahnungen, wie das zuknftige Heil zu erlangen sei.

4. Die Gattungen der Gerichtsrede Bei der Formulierung des prophetischen Schuldaufweises macht die Prophetie nun Anleihen bei nichtprophetischen Redegattungen: Am bekanntesten sind die Anleihen bei der Totenklage, wie sie sich in den prophetischen „Wehe“-Worten (vgl. besonders Jes 5,8 ff.) bzw. in den prophetischen Leichenliedern (vgl. besonders Am 5,1 – 2) zeigen.12 Besonders zu behandeln sind hier die Anleihen bei Redeformen der Gerichtsbarkeit. Dabei sind wieder die Unterschiede zwischen den vorexilischen Propheten und den nachexilischen Redaktoren der Prophetenbcher zu beachten. So greifen die vorexilischen Propheten auf Gattungen der profanen „Tor“-Gerichtsbarkeit zurck, whrend die nachexilischen Redaktoren der Prophetenbcher sich an theologischen Gerichts-Konzeptionen orientieren. Genauer untersucht werden soll hier die Gattung der Ge10 Zu „Scheltwort“ vgl. Kaiser, Grundriß der Einleitung in die kanonischen und deuterokanonischen Schriften des Alten Testaments, Band 2, 24; Schmitt, Arbeitsbuch zum Alten Testament, 304 f. Zu Scheltwort als Begrndung fr die Unheilsankndigung vgl. auch Jeremias, Kultprophetie und Gerichtsverkndigung in der spten Kçnigszeit Israels, 152. 11 Vgl u. a. Kaiser, Grundriß der Einleitung in die kanonischen und deuterokanonischen Schriften des Alten Testaments, Band 2, 81 f. ; Schmitt, Arbeitsbuch zum Alten Testament, 308 f. 12 Zu Wehewort und Leichenlied vgl. Schmitt, Arbeitsbuch zum Alten Testament, 305.

Zu Form, Sitz im Leben und Funktion prophetischer „Kritik“

21

richtsrede, in der von einem rb (einer Anklage) Jahwes die Rede ist und deren wichtigste alttestamentlichen Beispiele im Folgenden kurz vorzustellen sind.13 Dabei hat Wrthwein14 wahrscheinlich gemacht, dass die Grundbedeutung von rb „Streit, Beschwerde“ ist. Im gerichtlichen Bereich erhlt das Substantiv dann die Bedeutung „Anklage“15 und in entsprechender Weise das Verbum rb die Bedeutung „Anklage erheben“.16 Doch rumt Wrthwein gleichzeitig ein17, dass in zahlreichen Belegen rb im gerichtlichen Bereich auch den Prozess als ganzen18 bezeichnen kann. Des Weiteren vertritt Wrthwein die These, dass sich diese Gerichtsreden aus einer gottesdienstlichen Gerichtsrede Jahwes herleiten, wie sie u. a. in Ps 50 bezeugt ist19. Fr die Herkunft aus einer im Gottesdienst tradierten Gerichtstheologie kçnnte sprechen, dass bei einigen dieser Gerichtsreden bundestheologische Vorstellungen vorausgesetzt werden. In der Mitte des letzten Jahrhunderts nahm man dabei an, dass eine solche Bundestheologie bereits vorexilisch im Bereich des Kultes existiert habe20. Die neuere Forschung21 hat jedoch wahrscheinlich gemacht, dass sich die Bundestheologie nach Anfngen im 7. Jh. v. Chr. erst in exilisch-nachexilischer Zeit in Auseinandersetzung mit Vorstellungen der altorientalischen Staatsvertrge entwickelt hat. So spricht einiges dafr, dass in den prophetischen rb-Texten aus exilisch-nachexilischer Zeit eine solche Bundestheologie vorliegt, wie sie u. a. in Psalmen mit einem kultischen Sitz im Leben belegt ist, whrend in der lteren prophetischen Tradition ein solcher Bundesbezug noch nicht vorausgesetzt wird. 13 14 15 16

17 18 19 20 21

Vgl. besonders Nielsen, Yahwe as Prosecutor and Judge. Der Ursprung der prophetischen Gerichtsrede (1950/1952), 114 Anm. 1. Ebd. Vgl. hnlich Limburg, The Root rb and the Prophetic Lawsuit Speeches. Vor allem gilt dies bei Konstruktionen mit den Prpositionen be (anklagen gegen) und el (anklagen vor); vgl. dazu auch Boecker, Redeformen des Rechtslebens im Alten Testament, 54 Anm. 2. Wrthwein, Der Ursprung der prophetischen Gerichtsrede (1950/1952), 114 f. So vor allem Begrich, Studien zu Deuterojesaja, 31. Wrthwein, Der Ursprung der prophetischen Gerichtsrede (1950/1952), 120 – 126. Vgl. hnlich Nielsen, Yahwe as Prosecutor and Judge, 38 – 61. Vgl. u. a. Wrthwein, Der Sinn des Gesetzes im Alten Testament (1958), in: ders., Wort und Existenz, Gçttingen 1970, 39 – 54, besonders 46 – 52. Vgl. Perlitt, Bundestheologie im Alten Testament; Kutsch, Verheißung und Gesetz; Gertz, Art. Bund II. Altes Testament; Otto, Der Ursprung der Bundestheologie im Alten Testament; Levin, Die Entstehung der Bundestheologie im Alten Testament; Koch, Vertrag, Treueid und Bund.

22

Hans-Christoph Schmitt

Das, was wir in den Abschnitten 1 – 4 zu den Entwicklungen von vorexilischer zu nachexilischer Prophetie mehr oder weniger thetisch festgestellt haben, soll im Folgenden anhand der Gerichtsreden, die von einem rb, einer Anklage Jahwes sprechen, verifiziert werden. Wir beginnen dabei unter 5. mit Gerichtsreden, in denen Jahwe als Anklger und Richter Israels auftritt. Bei ihnen kann vermutet werden, dass sie teilweise auf vorexilische alte prophetische berlieferung zurckgehen. Unter 6. untersuchen wir die Gerichtsreden, in denen Jahwe seine Anklagen gegen Israel mit einer Verteidigungsrede verbindet. Im Hintergrund dieser Verteidigungsreden drfte der Vorwurf Israels stehen, Jahwe habe in den Katastrophen der Exilszeit sein Volk vernachlssigt. Danach thematisieren wir unter 7. die Gerichtsreden, in denen Jahwe als universaler und allmchtiger gerechter Richter ber die Vçlker bzw. ihre Gçtter erscheint. Abschließend wird dann noch kurz auf die Rezeption der prophetischen Vorstellung von Jahwes Anklage gegen Israel in der nichtprophetischen Literatur des Alten Testaments einzugehen sein, wie dies beispielsweise im Hiobbuch und in den Psalmen geschieht. Als Beispiel fr eine solche Rezeption soll hier Ps 50 betrachtet werden.

5. Jahwe als Anklger Israels 1. Die ltesten prophetischen Belege fr die Vorstellung eines gerichtlichen Eingreifens Jahwes stellen Jahwe als Anklger und Richter dar. Wir beginnen mit Hos 12,3 – 15*. Der vorliegende Text stammt zwar aus der Zeit nach der Eroberung Judas durch die Babylonier im Jahre 587 v. Chr., wie u. a. der Bezug der Gerichtsbotschaft auf Juda in V. 3a zeigt. Dass als Angeklagter jetzt Juda statt dem sonst in dieser Einheit berall vorausgesetzten Israel/ Jakob genannt wird, geht wohl auf eine judische Redaktion des Hoseabuches22 zurck. Auch sonst weist Hos 12 zahlreiche Redaktionsspuren auf. Doch kann man nach deren Beseitigung noch einen Prophetenspruch der alten Hoseatradition rekonstruieren. Im Kern dieses alten Prophetenspruches von Hos 12,3 – 15*23 wird offensichtlich eine gerichtliche Anklage nachgeahmt. Dabei erhebt Jahwe eine Anklage, die das Nordreich Israel in seinem Reprsentanten Jakob bzw. Ephraim kritisiert: 22 Vgl. dazu Jeremias, Der Prophet Hosea, 18 und 152. 23 Zur Abgrenzung Hos 12,3 – 15* vgl. Westermann, Grundformen prophetischer Rede, 143.

Zu Form, Sitz im Leben und Funktion prophetischer „Kritik“

23

3 Eine Anklage (rb) hat Jahwe gegen ,Israel‘. Er wird Jakob heimsuchen (pqd) nach seinem Wandel und ihm vergelten nach seinen Taten. 4 Er hat schon im Mutterleibe seinen Bruder betrogen und in seiner Manneskraft mit Gott gekmpft. […] 8 Wie ein Kanaaner, in dessen Hand falsche Waage ist, der liebt zu betrgen, 9 sprach Ephraim: Wie bin ich reich geworden, wie habe ich fr mich Vermçgen gefunden! Bei all meinen Erwerbungen wird man keine Schuld an mir finden, die Snde wre […] 15 So hat Ephraim ihn (Jahwe) bitter erzrnt […]

In V. 15b geht dann die Anklage in das Strafurteil des Richters Jahwe ber: […] darum wird sein Herr seine Blutschuld ber ihn bringen, und wird ihm vergelten seine Schmhung.

Beachtenswert ist, dass die Kritik am Nordreich Israel und seinen Reprsentaten Ephraim bzw. Jakob sich im Wesentlichen auf Sozialkritik beschrnkt: Jakob/Ephraim begeht Betrug am Bruder und wird aufgrund des Betruges und der Ausbeutung seiner Mitbrder reich, ohne dies als Schuld zu empfinden.24 2. Um eine Anklagerede Jahwes geht es auch in Jes 3,13 – 15.25 Jahwe tritt auf, um Anklage zu erheben (rb), und steht da, die Vçlker zu richten (dn). In der vorliegenden Form von Jes 3,13 wird die Anklage Jahwes einem Vçlkergericht zugeordnet. Jes 3,13 mit seiner Vorstellung vom Vçlkergericht steht dabei allerdings im Widerspruch zu der Auffassung von 3,14, die nur mit einem Gericht ber die Oberschicht des Gottesvolkes rechnet. 3,13 drfte daher teilweise auf einen nachexilischen Redaktor des Jesajabuches zurckgehen,26 zu dem ich unten unter 7. noch Genaueres sagen werde. Die

24 Anders Pfeiffer, Das Heiligtum von Bethel im Spiegel des Hoseabuches, 68 – 100, der als Grundschicht von Hos 12* einen in der Exilszeit entstandenen Text rekonstruiert. 25 Zur Abgrenzung Jes 3,13 – 15 vgl. u. a. Wildberger, Jesaja. 1.Teilband, 131 – 134; Hçffken, Das Buch Jesaja. Kapitel 1 – 39, 55 f. Demgegenber grenzt Kaiser, Der Prophet Jesaja. Kap. 1 – 12, 83, Jes 3,12 – 15 ab. Ebenso Kilian, Jesaja 1 – 12, 35 – 36, der allerdings nur V. 14 – 15 als jesajanisch ansieht. 26 Hçffken, Das Buch Jesaja. Kapitel 1 – 39, 55 f. Vgl. auch Kaiser, Der Prophet Jesaja. Kap. 1 – 12, 83 Anm. 5.

24

Hans-Christoph Schmitt

vorgegebene Einheit aus der alten Jesajatradition27 findet sich dann im Gerichtswort gegen die Oberschicht von Juda, wobei Jahwe die Angeklagten in 2. Pers. anredet: 14b Ihr habt den Weinberg abgeweidet, und was ihr den Armen geraubt, ist in euren Husern. 15 Warum zertretet ihr mein Volk und zerschlagt das Angesicht der Armen? Spruch des Herrn Jahwe Zebaoth.

Inhalt der Anklage sind somit soziale Verfehlungen der Oberschicht, der offensichtlich das Gericht Jahwes gilt: Dabei wird in sehr konkreter Weise28 zwischen der Oberschicht und dem unterdrckten Volk, das durch die Oberschicht zertreten wird, unterschieden. 3,14 spricht daher auch nur von dem bevorstehenden Strafgericht ber diese Oberschicht von ltesten und Frsten:29 Jahwe geht ins Gericht (misˇpat¸) mit den ltesten seines Volks und mit seinen Frsten.

Eine hnliche Anklage gegen Juda und Jerusalem findet sich im Weinberglied Jes 5,1 – 730, das ebenfalls auf alte Jesajaberlieferung zurckgehen drfte. Ich kann mich dabei auf den Kommentar meines verstorbenen Augsburger Kollegen Rudolf Kilian berufen, der m. E. die berzeugendste Differenzierung zwischen alter Jesajatradition und jngeren berlieferungen des Jesajabuches vorgenommen hat. In einer Parabel, die von der Enttuschung eines Weinbergbesitzers angesichts seines unfruchtbaren Weinbergs erzhlt31, klagt Jahwe sein Volk an: Im Einzelnen wirft Gott auch hier seinem Volk und dabei vor allem dessen Oberschicht konkrete soziale Vergehen vor und moniert Blutvergießen statt Recht und Geschrei der Rechtlosen statt Gerechtigkeit (V. 7). Ebenso konkret wird die bevorstehende Zerstçrung von Juda und Jerusalem angekndigt (V. 5 – 6). 27 Zur Zugehçrigkeit von Jes 3,14 f. zur alten Jesajatradition vgl. Kilian, Jesaja 1 – 12, 36. 28 Vgl. Hçffken, Das Buch Jesaja. Kapitel 1 – 39, 55 f. 29 Zu der hier vorausgesetzten Doppelrolle Jahwes als Anklger und Richter vgl. Nielsen, Yahwe as Prosecutor and Judge, 30 f. 30 Kaiser, Grundriß der Einleitung in die kanonischen und deuterokanonischen Schriften des Alten Testaments, Band 2, 34 (vgl. schon Kaiser, Der Prophet Jesaja. Kap. 1 – 12, 99 f.) hlt das Weinberglied Jes 5,1 – 7 zwar nicht fr jesajanisch, doch vgl. dagegen Kilian, Jesaja 1 – 12, 39. 31 Dabei werden der Weinberg Israel hier gleichzeitig als treulose Geliebte und der Besitzer Jahwe als enttuschter Liebhaber gezeichnet. Vgl. Kilian, Jesaja 1 – 12, 39 – 41.

Zu Form, Sitz im Leben und Funktion prophetischer „Kritik“

25

Beachtenswert ist, dass in beiden Anklagereden der alten Jesajatradition die Unterdrckung des Gottesvolkes durch die Oberschicht und dabei die Forderung von Recht und Gerechtigkeit im Mittelpunkt steht. hnliches gilt fr Hos 12, wo auch soziale Vergehen wie Betrug und Blutschuld kritisiert werden. In allen Fllen handelt es sich um Nachahmung von Anklagen in der profanen Tor-Gerichtsbarkeit. Außerdem zielen alle diese Anklagen darauf, dass Gott in naher Zukunft sein Volk strafen wird. Prophetie ist hier primr Ankndigung von zuknftigem Unheil, die begrndet wird durch prophetische Kritik, vor allem Sozialkritik. 3. Die Darstellung einer gerichtlichen Anklagerede (rb) Jahwes liegt schließlich auch in Hos 4,1 – 3 vor, wie V. 1 zeigt: Hçrt Jahwes Wort32, ihr Israeliten! Eine Anklage (rb) hat Jahwe gegen die Landesbewohner;

Trotzdem kommen wir hier gegenber den bisherigen Anklagereden Jahwes in eine andere Welt, wie schon V. 2 andeutet: denn keine Treue, keine Solidaritt und keine Gotteserkenntnis gibt es im Lande. Fluchen und Betrgen, Morden, Stehlen und Ehebrechen sind ausgebrochen; es reiht sich Blutschuld an Blutschuld.

Hier wird nicht mehr wie in Jes 3,13 – 15* und 5,1 – 7 und in Hos 12,3 – 15* konkret wegen Betrug und sozialer Unterdrckung Anklage erhoben, vielmehr wird hier die fehlende Gotteserkenntnis und gleichzeitig die bertretung einer Reihe von grundlegenden sozialen Geboten moniert. Am problematischsten erweist sich jedoch in Hos 4,3 die abschließende Straffeststellung33 : Daher verdorrt die Erde, verschmachtet jeder, der auf ihr wohnt, samt den Tieren des Feldes und den Vçgeln des Himmels; selbst die Fische des Meeres gehen ein.

Schon Jçrg Jeremias hat in seinem Hoseakommentar34 darauf hingewiesen, dass Hos 4,3 nicht zur alten Hoseatradition gehçren kann. 4,3 erwartet nmlich nicht – wie dies in den vorexilischen Prophetensprchen blich ist – 32 Beachtenswert ist, dass der gleiche Hçraufruf mit folgender Anrede der Beschuldigten ansonsten nicht vor Jeremia und Ezechiel belegt ist. Vgl. Rudnig-Zelt, Hoseastudien, 124. 33 Vgl. Boecker, Redeformen des Rechtslebens im Alten Testament, 152 f., der von einer Tatfolgebestimmung spricht. 34 Jeremias, Der Prophet Hosea, 62 f.

26

Hans-Christoph Schmitt

eine zuknftige Strafe fr die Verfehlungen der Landesbewohner. Vielmehr ist diese Strafe mit der Zerrttung der gesamten kosmischen Weltordnung bereits eingetreten. Dabei wird in V. 3 die ansonsten erst nachexilisch belegte Vorstellung aufgegriffen, nach der eine Stçrung der menschlichen Gemeinschaft zur Zerrttung der gesamten kosmischen Weltordnung35 fhrt. Da Hos 4,3 aber einen integralen Bestandteil36 der Einheit V.1 – 3 bildet, stellt Hos 4,1 – 3 somit eine erst redaktionell zusammengestellte Gerichtsrede dar. Fr diese Deutung als exilisch-nachexilische redaktionelle Zusammenfassung spricht auch, dass im jetzigen Kontext 4,1 – 3 die kompositorische Einleitung des zweiten Teils des Hoseabuches Hos 4 – 11 bildet.37 Hier zeigt sich somit, dass die Vorstellung von Jahwe als Klger einerseits in der alten prophetischen berlieferung Hos 12,3 – 15*; Jes 3,13 – 15*; Jes 5,1 – 7 als Nachahmung von Anklagen in der profanen Tor-Gerichtsbarkeit vorkommt. Andererseits liegt in dem redaktionellen Text von Hos 4,1 – 3 eine theologisiertere Auffassung der Anklage Jahwes vor: Hier ist das Verhltnis zwischen Jahwe und den Landesbewohnern durch theologische Grçßen wie Gotteserkenntnis definiert und außerdem durch die zentralen sozialen Gebote des Dekalogs. Entsprechende theologisierte Gerichtsreden finden sich nun auch in den Texten, in denen Jahwe als sich verteidigender Beschuldigter auftritt.

6. Verteidigungsreden Jahwes aus exilisch-nachexilischer Zeit 1. In Jer 2,4 – 1338 liegt eine Verteidigungsrede Jahwes vor, bei der Jahwe sich unter Hinweis auf seine Wohltaten in der Heilsgeschichte (Exodus bis Landnahme) rechtfertigt und sich damit gegen Anschuldigungen verteidigt, sein Volk vernachlssigt zu haben: 35 Der nchstliegende Beleg fr einen Parallelismus von ’bl und ’mll findet sich in Jes 24,4 in der Jesajaapokalypse. Vgl. Rudnig-Zelt, Hoseastudien, 131 f. Etwas anders Stahl, „Deshalb trocknet die Erde aus und verschmachten alle, die auf ihr wohnen […]“. 36 4,3 kann aus dem Gerichtswort 4,1 – 3 nicht ausgeschieden werden: Ohne 4,3 wrde nach der Anklage 4,1 – 2 die hier zu erwartende Aussage ber die Folge der Schuld fehlen. Zur Einheit von 4,1 – 3 vgl. u. a. Bons, Das Buch Hosea, 67 – 71. 37 So Jeremias, Der Prophet Hosea, 59 f. Vgl. auch Bons, Das Buch Hosea, 67 f. 38 Zur Abgrenzung vgl. Daniels, Is There a „Prophetic Lawsuit“ Genre, 343; Wanke, Jeremia. Teilband 1, 35 – 36; Werner, Das Buch Jeremia. Kapitel 1 – 25, 45. Etwas anders Neef, Gottes Treue und Israels Untreue, 37 – 58; wieder anders Schmidt, Das Buch Jeremia. Kapitel 1 – 20, 65, der 2,1 – 9 abgrenzt.

Zu Form, Sitz im Leben und Funktion prophetischer „Kritik“

27

5 So spricht Jahwe: Was fanden eure Vter Unrechtes an mir, dass sie sich von mir entfernten und dem Nichtigen nachfolgten und so selbst dem Nichts verfielen. 6 Nicht fragten sie: Wo ist Jahwe, der uns aus dem Land gypten gefhrt, uns in der Wste geleitet hat, in einem Land der Steppen und Schluchten, in einem Land der Drre und Finsternis, in einem Land, durch das niemand zieht und wo keiner wohnt. 7 Dabei brachte ich euch in das fruchtbare Land, seine Frchte und Gter zu genießen Kaum hineingekommen, verunreinigtet ihr mein Land, mein Eigentum machtet ihr zum Gruel.

Die Weise, wie die Heilsgeschichte in Jer 2,4 – 8 dargestellt ist, dass nmlich Israel trotz der Herausfhrung aus gypten, der Fhrung in der Wste und der Gabe des gelobten Landes von Jahwe abgefallen ist und das Land verunreinigt hat. spricht dafr, dass die Verteidigungsrede die deuteronomistischen und damit exilischen Vorstellungen der Heilsgeschichte kennt und daher einen exilisch-nachexilischen Text darstellt. Mit dieser Rede will – nach der Auffassung des exilisch-nachexilischen Verfassers – Jahwe sich rechtfertigen, dass er Israel zu Recht die Strafe des Exils hat erleiden lassen. Dass hier Anspielungen auf deuteronomistische Vorstellungen von der Geschichte Israels vorliegen, ist deutlich erkennbar. Gunther Wanke39 ordnet diese Anspielungen in V. 5 und 6 nachtrglichen deuteronomistischen berarbeitungen zu40, doch fehlen eindeutige literarkritische Anzeichen fr eine sptere Zufgung41 so dass wohl mit einer erst exilischen Entstehung der gesamten Einheit 2,4 – 13 zu rechnen ist. Der Form nach handelt es sich somit bei Jer 2,4 ff. um eine vorgerichtliche Verteidigungsrede (meist als Appellationsrede bezeichnet), mit der der Angeschuldigte eine gerichtliche Klrung anstrebt. Dafr spricht, dass diese Rede in V. 9 in die Ankndigung einmndet, gegen die Beschuldiger offizielle Anklage zu erheben: Darum muss ich noch gegen euch Anklage (rb) erheben – Spruch Jahwes – Anklage (rb) erheben gegen eure Kindeskinder.

Wahrscheinlich ist die in V. 10 ff. folgende Jahwerede vom Kompositor von Jer 2 als die in V. 9 angekndigte Anklagerede verstanden worden: Ich 39 Wanke, Jeremia. Teilband 1, 34 f. Vgl. auch Thiel, Die deuteronomistische Redaktion von Jeremia 1 – 25, 80 f.; Schmidt, Das Buch Jeremia. Kapitel 1 – 20, 67. 40 Zu Jer 2,5b vgl. 2Kçn 17,15 und zu Jer 2,6b vgl. Dtn 8,15. 41 Vgl. zum Fehlen literarkritischer Inkohrenzen in Jer 2,5 – 6 Neef, Gottes Treue und Israels Untreue, 47 – 49, auch Werner, Das Buch Jeremia. Kapitel 1 – 25, 46 f.

28

Hans-Christoph Schmitt

schließe mich hierbei den beiden Kommentatoren Joseph Schreiner42 und Gunther Wanke43 an, die Jer 2,4 – 13 als zusammengesetzte Einheit44 verstehen45, in der eine Appellationsrede mit einer sich daraus ergebenden Anklagerede kombiniert ist. Diese Anklage lautet: 10 Denn geht hin zu den Inseln der Kitter und schaut und sendet nach Kedar und gebt genau acht und schaut, ob‘s daselbst so zugeht, 11 ob ein Volk Gçtter wechselt, die doch keine Gçtter sind. Abermein Volk hat seine Herrlichkeit eingetauscht gegen einen Nichtsnutz.

Zum Abschluss dieser Anklagerede wird in V. 12 und 13 der Himmel als Zeuge angerufen, wobei hier offensichtlich an ein kosmisches Gerichtsforum gedacht ist: 12 Entsetzt euch, ihr Himmel, darber, erschreckt und erschauert gar sehr. Spruch Jahwes.

In diesem Zusammenhang drfte der Kompositor wieder theologische Konzepte benutzt haben, wie sie in nachexilischer Zeit (u. a. im gottesdienstlichen Bereich) tradiert werden: So ist die Vorstellung, dass Himmel und Erde als Bundeszeugen46 angerufen werden, auch in Ps 50,4 und in Dtn 32,1 belegt – wie auch in den sptdeuteronomistischen Texten Dtn 4,26; 30,19; 31,28. Sie drfte in den theologischen Auseinandersetzungen mit den altorientalischen Großreichen den altorientalischen Staatsvertrgen entnommen worden sein.47

42 Schreiner, Jeremia 1 – 25,14, 18 – 21. 43 Wanke, Jeremia. Teilband 1, 35 – 37; vgl. auch Daniels, Is There a „Prophetic Lawsuit“ Genre, 343 – 345. 44 Schreiner, Jeremia 1 – 25,14, 20 hat dabei darauf hingewiesen, dass 2,9 – 11 „wie im Gerichtsverfahren die Konsequenz aus dem aufgezeigten Tatbestand“ ziehen und „zur Anklage in direkter Anrede der Schuldigen“ bergehen. 45 Vgl. Werner, Das Buch Jeremia. Kapitel 1 – 25, 47 f.; auch Fischer, Jeremia 1 – 25, 160 – 162. 46 Anders Gunkel, Begrich, Einleitung in die Psalmen, 364 mit Anm. 5, die Himmel und Erde als Richter verstehen (unter Hinweis auf Ps 50,6; Jes 1,2; Jer 2,12; Mi 6,1 ff.). 47 Vgl. Daniels, Is There a „Prophetic Lawsuit“ Genre, 355 – 360, und v. a. Veijola, Das 5. Buch Mose Deuteronomium Kapitel 1,1 – 16,17, 102 f., der allerdings eine Rezeption dieser Vorstellung aus den Staatsvertrgen erst fr die sptdeuteronomistische Schicht des Dtn annimmt (bundestheologische Redaktion DtrB). Zur Abhngigkeit der Bundestheologie von altorientalischen Staatsvertrgen vgl. auch Koch, Vertrag, Treueid und Bund.

Zu Form, Sitz im Leben und Funktion prophetischer „Kritik“

29

Beachtenswert ist auch, dass am Ende dieser kompositionellen rhetorischen Einheit keine prophetische Strafankndigung steht. Vielmehr endet sie mit dem Hinweis auf den unerhçrten Charakter der Snde des Gottesvolkes, wie sie im Abfall von Jahwe vorliegt, also mit einer mahnenden Rge. Das indirekte Ziel dieser rhetorischen Einheit besteht somit in der an das exilisch-nachexilische Israel gerichteten allgemeinen Warnung vor der Snde des Abfalls von Jahwe. Hier wird deutlich, wie im nachexilischen Israel der Geist charismatischer Prophetie erlischt und eine schriftgelehrte Theologie an seine Stelle tritt. 2. Besttigt wird diese fr Jer 2,4 – 13 postulierte Annahme einer von Schriftgelehrten komponierten Gerichtsrede durch den hnlichen Befund in Micha 6,1 – 8*. Hier geht es um die Kombination einer Verteidigungsrede Jahwes mit einer priesterlichen Weisung.48 Auch hier sind somit Elemente sehr unterschiedlicher Herkunft zu einer „neuen rhetorischen Einheit“49 verbunden worden.50 hnlich wie Jer 2,4 – 13 ist Mi 6,1 – 8* wohl auch erst in nachexilischer Zeit51 entstanden. Vorausgesetzt wird in dem heilsgeschichtlichen Rckblick Mi 6,3 – 5 bereits „die Kenntnis des Pentateuchs in seiner Verbindung mit dem Josuabuch“.52 Die Anrufung von Bergen und Grundfesten der Erde als Zeugen53 in V. 2 drfte – hnlich wie in Jer 2,4 – 13 die Anrufung des Himmels – der sptdeuteronomistischen Vorstellung von Himmel und Erde als Bundeszeugen entsprechen und von daher auch auf eine nachexilische Entstehung hindeuten. In Mi 6,1 – 8 gehçren V. 1 und V. 2 nicht ursprnglich zusammen: V. 1 geht nmlich von einer Anklage Jahwes gegen die Berge aus: 1 Hçrt doch, was Jahwe spricht: Auf, klage an (rb) die Berge. 48 Vgl. Daniels, Is There a „Prophetic Lawsuit“ Genre, 353 f.; Kessler, Micha, 258; auch Werner, Micha 6,8, 232 – 248. 49 Kessler, Micha, 258. 50 Vgl. auch Werner, Micha 6,8, 237, der vom „Schreibtisch“ als „Sitz im Leben“ von Mi 6,2 – 8 spricht. 51 Vgl. besonders Werner, Micha 6,8, 237. 52 Kessler, Micha, 260. 53 A.a.O., 262 mit Hinweis auf Dtn 32,1und Jes 1,2 f. Jeremias, Die Propheten Joel, Obadja, Jona, Micha, 200, macht darauf aufmerksam, dass in Mi 6,2 nicht wie dort Himmel und Erde, sondern nur die Berge (als die Grundfesten der Erde) als Zeugen angerufen werden. Jedenfalls findet der Prozess „vor einem weltweiten Forum“ (Jeremias) statt.

30

Hans-Christoph Schmitt

In V. 2 werden demgegenber die Berge nur als Zeugen der Anklage Jahwes gegen Israel angesprochen: 2 Hçrt, Berge, die Anklage (rb) Jahwes, ihr Bestndigen, ihr Grundfesten der Erde, denn Jahwe hat eine Anklage (rb) gegen sein Volk, setzt sich mit Israel auseinander.54

Dies spricht dafr, dass V. 1 eine sekundre redaktionelle Einleitung fr Mi 6 – 7 darstellt55, die teilweise aus 6,2 „herausgesponnen“56 ist. Dabei sind bei der „Anklage gegen die Berge“ „die Berge“ wohl als „Chiffre fr die Vçlker“ zu verstehen57 so dass hier – wie oben schon bei Jes 3,13 beobachtet – nachtrglich die Vorstellung des Vçlkergerichts in einen vorgegebenen Spruch vom Gericht ber Israel eingefgt ist. In Mi 6,3 – 5 folgt eine Verteidigungsrede Jahwes58, bei der er – hnlich wie in Jer 2,4 – 13 – gegenber Beschuldigungen, sein Volk beschwert zu haben, auf seine Wohltaten in der Heilsgeschichte Israels verweist. Genannt werden Exodus, Mose, Aaron und Mirjam. Bezug genommen wird schließlich auch auf die Bileamerzhlung und die Landnahmedarstellung von Jos 2 – 5: 3 Mein Volk, was habe ich dir getan, womit dich beschwert? Antworte mir! 4 Ich habe dich doch aus dem Land gypten heraufgefhrt, habe dich aus dem Sklavenhaus befreit und Mose vor dir hergesandt, Aaron und Mirjam (mit ihm). usw.

Eine Antwort auf das somit in Mi 6,2 – 5 aufgeworfene Problem der gestçrten Gottesbeziehung Israels findet sich dann in V. 6 – 8, der prophetischen Nachahmung einer priesterlichen Tora. Zunchst folgt in V. 6 – 7 die

54 Vgl. dazu die Parallele von Jes 1,2, wo im „rein literarischen“ Prolog des Jesajabuches (vgl. hierzu Kaiser, Der Prophet Jesaja. Kap. 1 – 12, 30) Himmel und Erde angerufen werden. Dass hier eine redaktionelle Einleitung vorliegt, wird daran deutlich, dass das Thema der Anklage Jahwes in V. 2 f. nur von den folgenden jesajanischen Sprchen her inhaltlich zu fllen ist (Kaiser, Der Prophet Jesaja. Kap. 1 – 12, 31 f.). 55 So Werner, Micha 6,8, 235; Jeremias, Die Propheten Joel, Obadja, Jona, Micha, 199 f. Anders Kessler, Micha 6,8, 261 f., der den Aufruf zur Anklage gegen die Berge in Mi 6,1 lediglich als die Erçffnung „eines universalen Horizonts“ interpretiert. 56 So Oberforcher, Das Buch Micha, 123. 57 So Jeremias, Die Propheten Joel, Obadja, Jona, Micha, 199. 58 Vgl. a.a.O., 199.

Zu Form, Sitz im Leben und Funktion prophetischer „Kritik“

31

Frage Israels nach den Bedingungen einer erneuten Gottesbeziehung, wobei vor allem kultische Leistungen angeboten werden: 6 Womit soll ich Jahwe entgegentreten, mich beugen vor dem Gott der Hçhe? Soll ich ihm entgegentreten mit Brandopfern, mit einjhrigen Klbern? […] Soll ich ihm meinen Erstgeborenen geben fr mein Verbrechen, meine Leibesfrucht fr mein sndiges Leben?

Demgegenber stellt 6,8 fest, dass die Entscheidung ber ein richtiges Verhalten gegenber Gott nicht im Kult, sondern im Alltag fllt: 8 Man hat dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Jahwe von dir fordert: Nichts als Recht tun, Solidaritt lieben und besonnen mitgehen mit deinem Gott.

6,8 enthlt somit eine Zusammenfassung der prophetischen Forderungen: Recht, Solidaritt, Orientierung an der mit Gott gegangenen Heilsgeschichte. Die hier vorliegende redaktionell komponierte Gerichtsrede endet somit nicht wie blich mit einer Anklage und einer Strafankndigung gegen Israel, sondern mit einer Mahnung an jeden einzelnen Menschen, sich an den Grundverhaltensweisen des Jahweglaubens zu orientieren.59 Auch hier ist aus Prophetie Schriftgelehrsamkeit geworden.

7. Belehrung ber Jahwe als Richter der Vçlker und ihrer Gçtter 1. Beachtenswert ist, dass die alttestamentliche prophetische berlieferung den gerichtlichen Streit zwischen Jahwe und Israel auch in die Vorstellung eines Vçlkergerichts einbezieht. So findet sich die Vorstellung von einem rb, einem Prozess Jahwes auch in den Vçlkersprchen des Jeremiabuches. Hier in Jer 25,30 – 31 wird in einer spten nachexilischen Schicht60 von einem universalen Gericht Jahwes ber die Vçlker berichtet:

59 Vgl. Werner, Micha 6,8, 245: „In der rechten Erinnerung an die mit Jahwe gegangene gemeinsame Geschichte gewinnt Israel die Maßstbe fr sein ethisches Verhalten“. 60 Vgl. hierzu Wanke, Jeremia. Teilband 2, 230 f.; auch Werner, Das Buch Jeremia. Kapitel 25,15 – 52, 15 f.

32

Hans-Christoph Schmitt

30 Und du sollst ihnen alle diese Worte weissagen und zu ihnen sprechen: Jahwe brllt aus der Hçhe und seine Stimme lsst er hçren aus seiner heiligen Wohnung […], 31 und sein Getçse dringt bis an das Ende der Erde, denn Jahwe fhrt einen Prozess gegen die Vçlker und mit allem Fleisch hlt er Gericht; die Schuldigen wird er dem Schwert bergeben. Spruch Jahwes.

In der Redaktion der Prophetenbcher wird auch sonst diese Vorstellung aufgegriffen. So ordnet – wie bereits erwhnt – die Endfassung von Jes 3,13 – 15 die Anklage gegen Juda einem Vçlkergericht zu und zeigt, dass im Kontext des vorliegenden Endtextes des Jesajabuches das Gericht ber Juda im Rahmen eines Vçlkergerichts gedacht ist61. Gleiches gilt fr die redaktionelle Einleitung von Mi 6 – 7, wo in Mi 6,1 bei dem „Gericht ber die Berge“ an das Vçlkergericht zu denken ist62, das auch sonst in der Redaktion des Michabuches eine zentrale Rolle spielt (vgl. fr Mi 1 – 3: 1,2 und fr Mi 4 – 5: 5,14). Dass fr die Redaktion der Prophetenbcher die Vorstellung eines Vçlkergerichts zentrale Bedeutung besitzt, zeigt vor allem das bereits oben unter 3. erwhnte dreigliedrige eschatologische Schema des Aufbaus zahlreicher Prophetenbcher, bei dem das Gericht ber die Vçlker dem Gericht ber das Gottesvolk folgt. Adressat dieser Anklagen Jahwes gegen die Vçlker ist dabei nur scheinbar die Vçlkerwelt. Vielmehr sollen die Gerichtsszenen ber die Vçlker Israel die Einsicht vermitteln, dass es gegenber den Vçlkern keine Sonderstellung besitzt. So enthlt Jer 25,30 f. die Belehrung, dass Gott mit allem Fleisch Gericht hlt und in allen Vçlkern die Schuldigen dem Schwert bergibt, Der Text vermittelt damit die Einsicht, dass Jahwe seine Gerechtigkeit nicht nur gegenber Israel, sondern gegenber seiner ganzen Schçpfung durchsetzt. 2. Dass es in den exilisch-nachexilischen Gerichtsreden um Belehrung Israels geht, zeigen noch deutlicher die Gerichtsreden zwischen Jahwe und den Gçttern im Deuterojesajabuch. Whrend die alttestamentlichen Gerichtsreden sonst fast durchgehend auf Strafgerichtsprozesse bezogen sind, findet sich bei Deuterojesaja als Sonderfall der Gerichtsreden die Nachahmung eines Zivilgerichtsverfahrens. Dabei geht es um ein Feststellungsverfahren63, 61 Vgl. oben bei Anm. 26. 62 Vgl. oben bei Anm. 57. 63 Als alttestamentlicher Beleg fr ein gerichtliches Feststellungsverfahren ist vor allem 1Kçn 3,24 – 27 zu nennen. Allerdings ist dieses Feststellungsverfahren in 1Kçn 3,16 ff. Teil eines Anklageverfahrens. Vgl. Boecker, Redeformen des Rechtslebens im Alten Testament, 142 f. sowie 73 f.

Zu Form, Sitz im Leben und Funktion prophetischer „Kritik“

33

bei dem die Frage nach dem Rechtsanspruch der nichtisraelitischen Gçtter auf das Gottsein zu klren ist. In Jes 41,21 – 2964. weist Jahwe anhand eines Weissagungsbeweises nach, dass er der einzige Gott ist. Ich zitiere im Folgenden den ersten – negativen – Teil dieses Weissagungsbeweises: 21 Bringt euren Rechtsanspruch vor, spricht Jahwe; bringt eure Beweise bei, spricht der Kçnig in Jakob. 22 Sie sollen sie beibringen und uns mitteilen, was sich ereignen wird. Das Frhere, was war es? Teilt es mit, damit wir es beachten! 23 Teilt mit, was knftig kommen wird, dass wir merken, dass ihr Gçtter seid. 24 Siehe, ihr seid nichts und euer Tun ist nichtig. Einen Gruel erwhlt man an euch65

Die Polemik richtet sich hier nicht mehr gegen Menschen, sondern gegen die heidnischen Gçtter, die als handlungsunfhig und damit als Nichts entlarvt werden. Fr die Israeliten bedeutet dies die Einsicht: die Gçtter zu erwhlen ist ein Gruel (41,24).

8. Die Transformation von Gerichtsrede zu Lehre Die bei den redaktionellen Gerichtsreden gemachte Beobachtung, dass es bei ihnen nicht mehr um Begrndung von Strafe, sondern vielmehr um Vermittlung von Einsicht geht, gilt nun auch fr Texte außerhalb der Prophetenbcher, bei denen die Gattung der Gerichtsrede rezipiert worden ist. Eine solche Rezeption findet sich vor allem in Psalmen und im Hiobbuch, und auch bei ihnen zeigt sich die gleiche Transformation der Gerichtsrede zu Lehre. Sehr deutlich wird dies an dem nachexilischen Festpsalm Ps 50, der hier exemplarisch behandelt werden soll. Ps 50 hat einerseits Elemente der Gerichtsrede aufgenommen66 :

64 Zur Abgrenzung von Jes 41,21 – 29* vgl. Elliger, Deuterojesaja. 1.Teilband:Jesaja 40,1 – 45,7, 177 – 180; van Oorschot, Von Babel zum Zion, 31 f.; Hçffken, Das Buch Jesaja Kapitel 40 – 66, 59 – 61; Zapff, Jesaja 40 – 55, 245 – 248. 65 Elliger, Deuterojesaja. 1.Teilband:Jesaja 40,1 – 45,7, 187 f., und Zapff, Jesaja 40 – 55, 246 betrachten zwar Jes 41, 24b als „nachtrgliche Ergnzung“, doch liegen keine eindeutigen Befunde fr eine Ausscheidung des Halbverses vor (vgl. auch van Oorschot, Von Babel zum Zion, 32 f.; Hçffken, Das Buch Jesaja Kapitel 40 – 66, 60). 66 Hossfeld, Zenger, Die Psalmen I: Psalm 1 – 50, 308.

34

Hans-Christoph Schmitt

3 Unser Gott kommt und schweiget nicht. […] 5 Versammelt mir meine Frommen, die den Bund mit mir schlossen beim Opfer. […] 7 Hçre, mein Volk, ich will reden; Israel, ich will gegen dich klagen: Ich, Gott, bin dein Gott.

Andererseits wird diese Gerichtsrede durch ausfhrliche lehrhafte, weisheitliche Elemente unterbrochen,67 vor allem durch Aussagen, die den Opferkult relativieren: 9 Ich will von deinem Haus den Stier nicht nehmen noch Bçcke aus deinen Hrden. 10 Denn alles Wild im Walde ist mein und die Tiere auf den Bergen zu Tausenden. 11 Ich kenne alle Vçgel auf den Bergen, und was sich regt auf dem Feld, ist mein.

In Ps 50 wandelt sich somit eine Gerichtsrede Jahwes zur Lehrrede. Der Richter Jahwe tritt hinter dem Lehrer Jahwe zurck. Die Gerichtsrede ist daher auch nicht mehr auf die Strafe des Schuldigen ausgerichtet, vielmehr geht es um Mahnungen zur Umkehr.68 Bemerkenswert ist außerdem, dass nicht mehr Israel als Ganzes oder bestimmte israelitische Gruppen kritisiert werden, sondern der Einzelne, der aufgefordert wird, die Gebote des Dekalogs zu halten:69 16 Was zhlst du meine Gebote auf und nimmst meinen Bund in deinen Mund, 17 da du doch Zucht hassest und wirfst meine Worte hinter dich? 18 Wenn du einen Dieb siehst, so lufst du mit ihm und hast Gemeinschaft mit den Ehebrechern. 19 Deinen Mund lsst du Bçses reden, und deine Zunge treibt Falschheit. 21 Das hast du getan, und ich soll schweigen? …Ich will dich zurechtweisen und es dir vor Augen stellen […].

Die hier in der prophetischen Gerichtsrede zu beobachtende Wandlung der prophetischen berlieferung bringt mein Lehrer Otto Kaiser in seiner Theologie des Alten Testaments70 mit der Kanonbildung von Tora und Propheten zusammen: „Es ist kein Zufall, dass die Schriftprophetie mit der Wende vom 5. zum 4. Jahrhundert erlosch und nur noch in Fortschrei67 Vgl. Seybold, Die Psalmen, 205, meint die Gerichtsrede und die weisheitlichen Elemente noch literarkritisch trennen zu kçnnen. Doch bildet der Psalm (mit Ausnahme von V.3a.16aa) eine heute nicht mehr trennbare Einheit (vgl. Hossfeld, Zenger, Die Psalmen I: Psalm 1 – 50, 308). 68 Vgl. Hossfeld, Zenger, Die Psalmen I: Psalm 1 – 50, 309. 69 Zum sekundren Charakter von Ps 50,16aa vgl. Hossfeld, Zenger, Die Psalmen I: Psalm 1 – 50, 308. 70 Kaiser, Der Gott des Alten Testaments. Theologie des Alten Testaments,332 f.

Zu Form, Sitz im Leben und Funktion prophetischer „Kritik“

35

bungen der bereits bestehenden Prophetenbcher […] weiterlebte, denn die hinter den Drohworten und Verheißungen der Propheten stehenden Forderungen, Jahwe allein zu dienen, ihm zu vertrauen und zu gehorchen und in der eigenen Lebensgemeinschaft allen aufrichtige Treue zu erweisen, fanden sich jetzt konzentrierter und praktikabler in der Tora beieinander.“ Die Kritik der Propheten, die sich ursprnglich gegen konkrete einzelne gesellschaftliche Missstnde gerichtet hatte, wird in diesem Zusammenhang der Kanonisierung von Tora und Propheten zu einer grundstzlichen zeitbergreifenden Kritik, bei der es nicht mehr um „Polemik“ gegen bestimmte Personengruppen, sondern in erster Linie um die Erinnerung an die Verheißung geht.

Literatur Begrich, J., Studien zu Deuterojesaja (BWANT 77), Stuttgart 1938. Boecker, H.J., Redeformen des Rechtslebens im Alten Testament, NeukirchenVluyn 19702. Bons, E., Das Buch Hosea (NSKAT 23,1), Stuttgart 1996. Bultmann, R., Jesus (GTB 17), Gtersloh 19773. Daniels, D.R., Is There a „Prophetic Lawsuit“ Genre, in: ZAW 99 (1987), 339 – 360. Elliger, K., Deuterojesaja. 1.Teilband: Jesaja 40,1 – 45,7 (BKAT 11,1), Neukirchen-Vluyn 1978. Fischer, G., Jeremia 1 – 25 (HThKAT), Freiburg u. a. 2005. Gertz, J.C., Art. Bund II. Altes Testament, in: RGG4 1 (1998), 1861 – 1866. Gunkel, H., Begrich, J., Einleitung in die Psalmen, Gçttingen 19662. Hçffken, P., Das Buch Jesaja. Kapitel 1 – 39 (NSKAT 18,1), Stuttgart 1993. Hçffken, P., Das Buch Jesaja. Kapitel 40 – 66 (NSKAT18,2), Stuttgart 1998. Hossfeld, F.L., Zenger, E., Die Psalmen I: Psalm 1 – 50 (NEB), Wrzburg 1993. Jeremias, J., Der Prophet Hosea (ATD 24,1), Gçttingen 1983. Jeremias, J., Die Propeten Joel, Obadja, Jona, Micha (ATD 24,3), Gçttingen 2007. Jeremias, J., Kultprophetie und Gerichtsverkndigung in der spten Kçnigszeit Israels (WMANT 35), Neukirchen-Vluyn 1970. Kaiser, O., Der Gott des Alten Testaments. Theologie des Alten Testaments 1: Grundlegung (UTB 1747), Gçttingen 1993. Kaiser, O., Der Prophet Jesaja. Kap. 1 – 12 (ATD 17), Gçttingen 19815. Kaiser, O., Der Prophet Jesaja. Kap. 13 – 39 (ATD 18), Gçttingen 19833. Kaiser, O., Grundriß der Einleitung in die kanonischen und deuterokanonischen Schriften des Alten Testaments, 2 Bnde, Gtersloh 1992 – 1994. Kessler, R., Micha (HThKAT), Freiburg u. a. 1999. Kilian, R., Jesaja 1 – 12 (NEB), Wrzburg 1986. Koch, C., Vertrag, Treueid und Bund. Studien zur Rezeption des altorientalischen Vertragsrechts im Deuteronomium und zur Ausbildung der Bundestheologie im Alten Testament (BZAW 383), Berlin/New York 2008.

36

Hans-Christoph Schmitt

Kutsch, E., Verheißung und Gesetz. Untersuchungen zum sogenannten Bund im Alten Testament, Berlin/New York 1973. Levin, C., Die Entstehung der Bundestheologie im Alten Testament, in: NAWG I. Phil.-hist. Klasse (2004), 89 – 104. Limburg, J., The Root rb and the Prophetic Lawsuit Speeches, in: JBL 88 (1969), 291 – 304. Neef, H.-D., Gottes Treue und Israels Untreue. Aufbau und Einheit von Jeremia 2,2 – 13, in: ZAW 99 (1987), 37 – 58. Nielsen, K., Yahwe as Prosecutor and Judge. An Investigation of the Prophetic Lawsuit (Rb-Pattern) (JSOT.S. 9), Sheffield 1978. Oberforcher, R., Das Buch Micha (NSKAT 24,2), Stuttgart 1995. Oorschot, J. van, Von Babel zum Zion (BZAW 206), Berlin/New York 1993. Otto, E., Der Ursprung der Bundestheologie im Alten Testament, in: ZAR 4 (1998), 1 – 87. Perlitt, L., Bundestheologie im Alten Testament (WMANT 36), Neukirchen-Vluyn 1969. Pfeiffer, H., Das Heiligtum von Bethel im Spiegel des Hoseabuches (FRLANT 183), Gçttingen 1999. Rudnig-Zelt, S., Hoseastudien. Redaktionskritische Untersuchungen zur Genese des Hoseabuches (FRLANT 213), Gçttingen 2006. Schmid, K., Klassische und nachklassische Deutungen der alttestamentlichen Prophetie, in: Zeitschrift fr neuere Theologiegeschichte 3 (1996), 225 – 250. Schmidt, W. H., Das Buch Jeremia. Kapitel 1 – 20 (ATD 20), Gçttingen 2008. Schmitt, H.-C., Arbeitsbuch zum Alten Testament (UTB 2146), Gçttingen 20072. Schreiner, S., Jeremia 1 – 25,14 (NEB), Wrzburg 1981. Seybold, K., Die Psalmen (HAT I/15), Tbingen 1996. Stahl, R., „Deshalb trocknet die Erde aus und verschmachten alle, die auf ihr wohnen…“. Der Versuch einer theologiegeschichtlichen Einordnung von Hos 4,3; in: Hausmann, J., Zobel, H.-J. (Hg.), Alttestamentlicher Glaube und biblische Theologie. FS H.D. Preuß, Stuttgart u. a. 1992, 166 – 173. Thiel, W., Die deuteronomistische Redaktion von Jeremia 1 – 25 (WMANT 41), Neukirchen-Vluyn 1973. Veijola, T., Das 5. Buch Mose Deuteronomium. Kapitel 1,1 – 16,17 (ATD 8,1), Gçttingen 2004. Wanke, G., „Nimm dir eine Buchrolle und schreibe darauf alle Worte, die ich zu dir ber Israel und Juda und ber alle Vçlker gesprochen habe“ (Jer 36,2). Anfnge und Entstehung prophetischer Literatur, in: H. Neuhaus (Hg.), Lauter Anfnge. Fnf Vortrge (Erlanger Forschungen A 117), Erlangen 2008, 85 – 102. Wanke, G., Jeremia. Teilband 1 (ZBKAT 20,1), Zrich 1995. Wanke, G., Jeremia. Teilband 2 (ZBKAT 20,2), Zrich 2003. Werner, W., Das Buch Jeremia. Kapitel 1 – 25 (NSKAT 19,1), Stuttgart 1997. Werner, W., Das Buch Jeremia. Kapitel 25,15 – 52 (NSKAT 19,2), Stuttgart 2003. Werner, W., Micha 6,8 – eine alttestamentliche Kurzformel des Glaubens?, in: BZ NF 32 (1988), 232 – 248. Westermann, C., Grundformen prophetischer Rede (BETh 31), Mnchen 1960. Wildberger, H., Jesaja. 1.Teilband (BK 10,1), Neukirchen-Vluyn 1972. Wildberger, H., Jesaja. 3. Teilband (BK 10,3), Neukirchen-Vuyn1982.

Zu Form, Sitz im Leben und Funktion prophetischer „Kritik“

37

Wrthwein, E., Der Sinn des Gesetzes im Alten Testament (1958), in: ders., Wort und Existenz, Gçttingen 1970, 39 – 54. Wrthwein, E., Amos-Studien (1949/50), in: ders., Wort und Existenz. Studien zum Alten Testament, Gçttingen 1970, 68 – 110. Wrthwein, F., Der Ursprung der prophetischen Gerichtsrede (1950/52), in: ders., Wort und Existenz, Gçttingen 1970, 11 – 126. Zapff, B.M., Jesaja 40 – 55 (NEB), Wrzburg 2001.

Invektive und Polemik in der Antike. Suche nach einer Verhltnisbestimmung Severin Koster Obwohl eine scharfe Abgrenzung der Begriffe Kritik, Polemik und Invektive nicht mçglich erscheint, empfiehlt sich doch aus praktischen Grnden eine Unterscheidung. Kritik zielt a potiori auf eine emotionsfrei wertende, sachlich-rationale Beurteilung einer Person oder Sache, Polemik auf aggressiveren Ausdruck von Meinungsverschiedenheiten ber eine Sache oder Person und Invektive auf die vernichtende Herabsetzung einer Person. Alle drei Begriffe sind also grundstzlich, aber in unterschiedlicher Intensitt, der angreifenden Rede zuzuordnen. Kritik verzichtet auf Schmhung und sollte auch von jedem Affekt frei sein, wenn auch eine gewisse Schrfe in der sachlichen Argumentation vorherrschen kann. Der Begriff geht auf das griechische jqitijºr und dieser auf das Verb jq¸meim zurck, das so viel wie ,differenzierendes Auswhlen und Urteilen’ bedeutet. Der Begriff Polemik ist in der rein bertragenen Bedeutung nicht antik1, wohl aber vom griechischen Adjektiv pokelijºr abgeleitet und von daher als pokelijμ t´wmg zu verstehen. Dahinter steht das Substantiv pºkelor ,Krieg’, so dass ,polemisieren’ eigentlich ,bekriegen’, bzw. etwas abgeschwcht soviel wie ,feindlich behandeln’ heißt2. Im Gegensatz zur Invektive geht es dabei grundstzlich um die Bekmpfung einer konkreten, zuweilen auch nichtkonkreten Sache oder Meinung, nicht aber in erster Linie um einen persçnlichen, vernichtenden Angriff, wenn die aggressive Rede auch nicht immer emotionsfrei ist und die Grenze zur Unsachlichkeit zu berschreiten kann. 1 2

Das Deutsche Wçrterbuch von J. u. W. Grimm verzeichnet s. v. Polmik die bernahme des Begriffs aus dem Franzçsischen im 18. Jh. Vgl. den trefflichen Artikel von Stauffer, Art. Polemik. Vgl. dazu Liddell, Scott, A Greek-English Lexicon, s.v. pokelijºr, 1432. Vgl. auch Opelt, Die lateinischen Schimpfwçrter und verwandte sprachliche Erscheinungen, und dies., Hieronymus‘ Streitschriften.

40

Severin Koster

Invektive leitet sich vom Adjektiv invectivus ab und ist als invectiva eine Verkrzung der Junktur oratio invectiva. Das Deverbativum geht in dieser Bedeutung von ,anfahren’ auf das mediopassive invehi zurck3. Das substantivierte Adjektiv ist im Lateinischen relativ selten und hat sich als Fremdwort auch im Deutschen nicht eingebrgert. Das heißt, dass es sowohl in der Antike wie auch heute durch andere Begriffe vertreten wird, im Deutschen vornehmlich durch das Wort Polemik, das im gelufigen Sprachgebrauch mit abdeckt, was fr die Invektive spezifisch ist, nmlich den emotionalen Angriff auf eine Person in Form von Verbalinjurien. Invektive ist eher in der Wissenschaftssprache heimisch, wird aber auch dort oft als Synonym fr Polemik gebraucht. Im Lateinischen lsst sich eine erste Unterscheidung nach den Titeln treffen, die praktischerweise die Prpositionen in und contra zulassen, wobei ,in aliquem’ eher auf den persçnlichen Angriff, ,contra rem’ oder ,adversus aliquos’ eher auf die Bekmpfung einer Sache, oft vertreten durch eine Gruppe, hinweist, so etwa, wenn eine Rede wie etwa diejenige Ciceros in Pisonem oder ein Traktat gegen abweichende Auffassungen, wie etwa der des Augustinus adversus Iudaeos, oder contra sermonem Arrianorum berschrieben ist4. Hinzu kommt, dass die Polemik ebenso wie die Kritik weitgehend dem Zugriff der Justiz entzogen ist, die Invektive jedoch als in die Persçnlichkeitsrechte eingreifend von jeher mit dem Gesetz in Konflikt geraten konnte. Diese Dimension ist ein typisches Charakteristikum der Invektive und bindet sie hinsichtlich der Toleranzgrenze hufig an die jeweilige politischen Lage, die sehr unterschiedlich auf die Redefreiheit einwirkt. Die Spanne der Reaktionen auf eine Invektive kann von der Nichtbeachtung bis zur Kapitalstrafe5 reichen. Die Personenbezogenheit der Invektive hat desweiteren zur Folge, dass sie in ihrer krzesten Ausprgung als Schimpfwort und in ihrer umfangreichsten als rhetorisch ausgestaltete Rede anzutreffen ist. Das heißt, dass sie 3 4 5

Vgl. zu den lateinischen Begriffen die jeweiligen Lemmata im Thesaurus linguae Latinae. Vgl. zum folgenden, Koster, Die Invektive in der griechischen und rçmischen Literatur. Vgl. den Index-Band des Thesaurus linguae Latinae. Als Beispiel der Nichtbeachtung kann Ciceros Reaktion dienen, der die Gegenschrift seines Feindes Piso mit der Begrndung unbeachtet ließ, dass dann auch diese Gegenschrift kaum zur Kenntnis genommen wrde: Cicero, ad Quintum fratrem 3,1,11. Andererseits wurde Sotades von Maroneia wegen eines zotigen Schmhverses auf Philadelphos II. im Meer versenkt: Sotades, Fragment 1, Collectanea Alexandrina. ed. Powell.

Invektive und Polemik in der Antike. Suche nach einer Verhltnisbestimmung

41

einerseits als Bau- oder Integrationselement anderer literarischer Formen, andererseits als selbstndiges Ganzes selbst eine literarische Form darstellt. In diesem Fall gelten fr die Invektive die gleichen rhetorischen Konstruktionsgesetze wie fr ihr Gegenstck, die Lobrede. Sie bildet also als xºcor, vituperatio, das Pendant zum 5paimor, laus. Beiden Formen liegt ein biographisches Schema zugrunde, das Gestaltungselemente von der Geburt bis zum Tod, mit dem Topos post mortem sogar ber den Tod hinaus, aufweist: Geburt, Jugend und Erziehung, Taten, Lebensfhrung und Lebensende, oft mit biographischen Vergleichen ausgestattet und gesteigert. Innerhalb der einzelnen Punkte finden sich Standardvorwrfe, die den Gegebenheiten entsprechend angewandt oder einfach unterstellt werden, zumal da, wo eine direkte Nachprfbarkeit kaum mçglich ist, wie etwa fr die ersten Phasen des Lebens, Geburt und Erziehung, die ja ganz selten dokumentiert und daher fr Unterstellungen besonders geeignet sind. Die Invektive kann sowohl in Prosa wie auch in Poesie erscheinen. Ist sie poetisch, so betrifft das nur die poetische Diktion nicht aber eine festgelegte metrische Form. Eng verwandt ist sie mit der aggressiven jambischen Dichtung, etwa eines Archilochos (7. Jh. v. Chr.) oder Hipponax (6. Jh. v. Chr.), dann auch mit der Satire in Rom, so z. B. der des Lucilius (2. Jh. v. Chr.), des scharfzngigen Vorgngers von Horaz, oder mit dem Spottepigramm, z. B. eines Catull oder Martial. Zuweilen trifft man sie auch in der dramatischen Gattung, wenn dort, wie in der Alten Komçdie auch noch etwa bei Aristophanes im 5. Jh. v. Chr., das amolast¸ jyl\de?m, im Lateinischen nominatim laedere 6, also die namentliche Verunglimpfung, eingesetzt wird. Die Invektive ist auch der populren Diatribe eng verwandt, die Invektivisches als Mittel zum Zweck der Rge einsetzt. Diese schlgt zunchst zwar nieder, will aber nicht vernichten, sondern im Gegenteil ,wiederaufrichten’. Polemik dagegen wendet sich, wie gesagt, nicht in erster Linie gegen die Person selbst, sondern hauptschlich gegen das, was von einer Person oder einer Personengruppe vertreten wird. Daher ist ihr wesentliches Element das Streiten, das besonders augenfllig im Dialog wird. Das antike Drama kennt das stichomythische Streitgesprch, das in der Form der altercatio auf die sophistisch-intellektuelle Disputation zurckzufhren ist und besonders 6

Begriffe beim Scholiasten zu Aristophanes, Aves 1295 und in der Rhetorica ad Herennium 2,13,19: nominatim laedere: C. Caelius iudex absolvit iniuriarum eum qui L. Accium poetam in scaena nominatim laeserat. Aristoteles, de arte poetica 5. 1449b 8. Vgl. dazu jetzt die differenzierende Darstellung zwischen Alter und Neuer Komçdie Schmitt, Aristoteles Poetik, 308 f.

42

Severin Koster

ausgeprgt in der Tragçdie des Euripides7 vorkommt. In der Form des Agons8 wird es durch einen Schiedsrichter entschieden, etwa wie bekanntlich bei Aristophanes in den „Frçschen“, oder im fiktiven Wettsingen der Hirten in der Bukolik. Als Urbild dafr gilt der Streit zwischen den literarischen Archegeten Homer und Hesiod, der zugunsten Hesiods ausgeht, weil er den friedfertigen Stoff besungen habe9. Die einseitige Bekmpfung, etwa einer Lehrmeinung, ist wohl am hufigsten. Das gilt fr philosophische Auseinandersetzungen, wie z. B. Schriften oder Partien von Schriften bei Cicero oder Seneca, oder fr die zu gewissen Zeiten bevorzugten Lehrgedichte. Diese Polemik zielt in erster Linie nicht auf Ausgleich, sondern auf Abgrenzung10. Da es hinsichtlich des Neuen Testaments um Polemik mit religiçser Thematik geht, scheint es nicht abwegig, auf entsprechende, frheste griechische Zeugnisse als Prototypen ideologischer Auseinandersetzung zurckzugehen. Es handelt sich um die Kritik des Xenophanes von Kolophon aus dem 6. Jh. v. Chr. am Gçtterbild Homers11. Dabei ist zu erwhnen, dass eine derartige Auseinandersetzung bereits bei Homer selbst zu finden ist. In der berhmten Theodizeestelle am Anfang der Odyssee, 1, 32 ff., weist Zeus die Beschwerde der Menschen, dass die Gçtter an allem Unglck und am Bçsen in der Welt schuld seien, damit zurck, dass er sie als uneinsichtige Dummkçpfe, m¶pioi, bezeichnet, weil sie selbst ihr Unglck herbeifhrten12. Diese m¶pioi sind sozusagen die invektivischen Vorlufer der „§ !mºgtoi Cak²tai“ des Paulus in Gal 3,1. Xenophanes nun, etwa 570 bis 470 v. Chr., war einer der bedeutendsten Geister seiner Zeit13. Bekannt geworden ist er durch seine Kritik am berkommenen Gçtterglauben, der durch Homer und Hesiod, neben Orpheus und Musaios die notorischen Lehrer Griechenlands, bis dahin offenbar 7 Vgl. Jens, Die Stichomythie in der frhen griechischen Tragçdie. 8 Vgl. Meier, Art. Agones, 858 ff. allgemein zum „musischen“ Agon. 9 Vgl. Homeri opera recognovit Th.W. Allen, 228 ff., sowie Furley, Wettkampf Homers und Hesiods. 10 Ausgeprgt und entsprechend untersucht sind die dafr signifikanten patristischen Texte, wie Ilona Opelt dies mit ihrer Schrift zur Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin und zuvor in ihrer Untersuchung zu Hieronymus’ Streitschriften, getan hat. Bei Hieronymus vereinigen sich ciceronische wie auch biblische Tradition. 11 Zu Xenophanes vgl. Die Vorsokratiker, 222 – 283, hier: 249 – 253. Ferner Steinmetz, Xenophanesstudien. 12 Zur Theodizee vgl. die bersicht bei Potter, Art. theodicy. Ferner: Ebert, Art. Theodizee. 13 Texte und bersetzung von Diels, Kranz, Die Vorsokratiker, 21 B 11 – 16.

Invektive und Polemik in der Antike. Suche nach einer Verhltnisbestimmung

43

unangefochten vorherrschte. Xenophanes erscheint also gleichsam als der erste Zeuge fr religiçse Polemik. Er bekmpft einen Sachverhalt, nicht die Person, die diesen Sachverhalt vertritt. Das bekannteste Fragment (11) wendet sich gegen den Anthropomorphismus und die dadurch den Gçttern unterstellten menschlichen Verfehlungen: „Alles haben den Gçttern Homer und Hesiod angehngt, was nur bei Menschen Schimpf und Tadel ist: Stehlen und Ehebrechen und einander betrgen.“ Ein weiteres Fragment (14) greift die Vorstellung von figrlichen Gçttern an: „Doch whnen die Sterblichen, die Gçtter wrden geboren und htten Gewand und Stimme und Gestalt wie sie“. Folglich, so ußert er sich weiter (15; 16), sehen die Gçtter bei thiopiern wie thiopier aus, und wenn die Tiere malen und bildhauern kçnnten, shen sie so aus, wie die Tiere, die sie dargestellt htten. Damit wird die berkommene Gçttervorstellung ad absurdum gefhrt. Xenophanes sagt deshalb (23): „Ein einziger Gott, unter Gçttern und Menschen am grçßten, weder an Gestalt den sterblichen Menschen hnlich noch an Gedanken“. – Und weiter (24): „Gott ist ganz Auge, ganz Geist, ganz Ohr“. – (26) „Stets am selbigen Ort verharrt er sich gar nicht bewegend, und es geziemt ihm nicht, bald hin- und herzugehen, bald hierhin bald dorthin.“ – (25) „Doch sonder Mhe erschttert er alles mit des Geistes Denkkraft.“ Diese Aussagen stehen, zumindest in den uns berlieferten Fragmenten, ohne jede ausdrckliche Aggression gegen Homer und seine Anhnger. Xenophanes nennt zwar die Gegner mit Namen, jedoch ohne invektivisch gegen sie vorgeht. Es handelt sich, wenn man eine gewisse Entrstung aus der Wortwahl heraushçren mçchte, allenfalls um Polemik, eher aber um sachliche Kritik. Schrfer ußert sich dann allerdings Heraklit,14 der sagt: „Homer verdient aus den Preiswettkmpfen herausgeworfen und mit Ruten gestrichen zu werden und ebenso Archilochos“. Darin zeigt sich eine Attacke gegen Personen, die zwar keine Lebenden mehr treffen konnte, sie immerhin aber als Schdlinge des Gemeinwesens einordnet, die eine kçrperliche Zchtigung verdient htten. Das heißt, dass sie als Kinder, Sklaven oder diffamierte Brger eingestuft werden. Im brigen gehçrt bekanntlich auch Platon in die Reihe dieser Kritiker. Er wollte Homer aus seiner Staatskonzeption da ausschließen, wo er sich als schdlich erweisen konnte15. Nach Xenophanes als Beispiel eines griechischen Lehrdichters kann man im Lateinischen Lukrez, den Zeitgenossen Ciceros und epischen Lehrdichter, als Polemiker nennen. Er geht in seinem Werk De rerum natura 14 Diels, Kranz, Die Vorsokratiker, 22 B 42. 15 Vgl. Platon de re publica. 3; 386 a; 10; 607 b.

44

Severin Koster

namentlich gegen die Vorsokratiker Empedokles und Anaxagoras vor16, weil ihre Ansichten nicht mit der Atom-Lehre Demokrits (3, 370 ff.) und Epikurs vereinbar sind. Doch beschuldigt er sie ohne Animositt lediglich des Irrtums und betont die Richtigkeit der Lehre Epikurs und Demokrits durch ihr Lob. Invektivisch ergiebiger ist Cicero, der nicht nur die Polemik beherrschte, sondern auch als Meister der Invektive den persçnlichen Angriff auf die Spitze trieb. Allerdings bleiben seine Diskussionen unterschiedlicher Lehrmeinungen in seinen philosophischen Schriften, besonders in de finibus bonorum et malorum oder in de divinatione, ganz im urbanen Gesprchsstil, ohne dass die Polemik als vorherrschend empfunden wird. Sie zeigt sich auch in der gebrochenen Form der Ironie. In der Gattung der Rede dagegen steigert er die Aggression bis zur Hemmungslosigkeit. Das Musterbeispiel einer Großinvektive ist seine Rede gegen Calpurnius Piso Caesoninus, den Schwiegervater Caesars17. Piso, consul eponymus des Jahres 59, jenes Jahres, in dem Cicero in die Verbannung geschickt wurde, war fr ihn der Hauptschuldige. Deswegen griff Cicero ihn nach seiner Rckkehr so heftig an, dass es zu einem invektivischen Schlagabtausch ohnegleichen kam. An dieser Rede in Pisonem lsst sich die Vermischung von Polemik und Invektive gut zeigen, wenn Cicero Weltanschauung und Person miteinander verbindet, um den Gegner zu disqualifizieren. Piso bekannte sich nmlich zu jener philosophischen Richtung, der Cicero am wenigsten etwas abgewinnen konnte, der Lehre Epikurs. So war denn Piso auch eng mit dem griechischen Philosophen, Dichter und Epikureer Philodem aus Gadara befreundet. Offensichtlich trug Piso seine epikureische Lebensauffassung ohne Rcksicht auf Konventionen zur Schau. Fr Cicero war gerade das die Gelegenheit, Piso politische Unkorrektheit und Verachtung des ordo senatorius, wie er selbst ihn verstand, zu unterstellen. Es stçrte ihn dabei nicht, dass sein Gegner bislang anstandslos die regulre mterlaufbahn bis zum Konsulat durchlaufen hatte, ein Beweis dafr, dass die Nobilitt im allgemeinen keinen Anstoß an Pisos Lebenswandel nahm. Denn selbst nach der vermeintlich vernichtenden Attacke durch Cicero erhielt Piso sogar das moralischste aller mter, die Zensur. Als Piso von der Verwaltung der ihm nach seinem Konsulat zugewiesenen Provinz Makedonien nach Rom zurckgekehrt war, konnte Cicero 16 Lucrez, de rerum natura 1, 716 ff. und 1,830 ff. 17 Text und Kommentar: Cicero, in L. Calpurnium Pisonem oratio. Ed. with text, introduction, and commentary by R.G. Nisbet.

Invektive und Polemik in der Antike. Suche nach einer Verhltnisbestimmung

45

seinen Angriff fhren18. Piso hatte sich in aller Stille, nach Entlassung seiner Soldaten, nach Hause zurckgezogen. Ohne die Privilegien, die Beamten zustanden, zu beanspruchen, hatte er als schlichter Privatmann die Stadt Rom betreten. Fr Cicero bedeutete das eine Verunglimpfung all jener Helden des Vaterlandes, die mit dem Ziel zurckkehrten, ihren wohlverdienten Triumph zu feiern. Piso dagegen hatte offen erklrt, dass er nie diese Ehre erstrebt habe und sie ihm gleichgltig sei. Dabei htte er durchaus einen Triumph einfordern kçnnen, so tchtig hatte er immerhin seine Pflicht frs Vaterland erfllt. Genau diese Verzichtshaltung legt ihm Cicero als Zersetzung der Standes-, in seinem Sinn sogar der Staatsordnung aus und als Respektlosigkeit der Wrde, der Ehre, dem Ansehen und dem Ruhm all jener gegenber, die diese hçchste aller Ehren nicht nur einmal, sondern mehrmals erstrebt und erhalten haben. Fr Cicero ist eine solche Haltung unfassbar, zumal er sich selbst spter vergebens bemhte, einen Triumph zu bekommen, nachdem er whrend seiner Provinzverwaltung in Kilikien im Jahre 51 in eine Art Kriegshandlung eingebunden war und die Soldaten ihn pflichtschuldig zum imperator ausgerufen hatten19. Doch in Rom reichte dies nicht aus, ihm einen Triumph zu bewilligen. Daher ist es aus seiner Sicht und aus der Situation verstndlich, dass er in der Polemik gegen das staatsbrgerliche Fehlverhalten Pisos eine Kaskade von Schimpfwçrtern auf ihn herabstrzen lsst. Er beschimpft ihn als inkorporiertes Verbrechen, als eine Pest und Seuche, scelus, pestis, labes (56), als ein klgliches Mnnlein, eine Schrumpfgestalt, homullus und einen ex argilla et luto fictus Epicurus, einen aus Lehm und Dreck nachgemachten Epikur. Voller Ironie fragt er, warum Piso die treffliche Weisheit seiner Schule, nmlich die Verachtung des Ruhmes, nicht auch seinem Schwiegersohn Caesar beibringe, der ja gerade in Gallien seinen Krieg fhre und sich von nichts mehr leiten lasse als von cupiditas iusti et magni triumphi, der Begier nach einem berechtigten, großen Triumph. Dann formuliert er ihm voller Hohn diese suasio im voraus vor und berreicht ihm sozusagen einen Entwurf dafr mit der Zugabe von harten Schimpfwçrtern, wie Finsterling, Schlamm- und Drecksfigur, tenebrae, lutum, sordes. Pisos philosophische berzeugung und das daraus resultierende Handeln werden also durch Ressentiments gegen diese Schule und ihr Schulhaupt entwertet und obendrein mit invektivischen Attacken gegen den Gegner so stark personalisiert, dass daraus eine Diffamierung wird. Die uneingeschrnkte Redefreiheit in der Zeit der ausgehenden Republik nçtigte Piso dazu, auf einen groben Klotz einen noch grçberen Keil zu 18 Bei dem hier ausgewhlten Text handelt es sich um § 53 ff. 19 Vgl. Gelzer, Art. M. Tullius Cicero, 980 – 983.

46

Severin Koster

setzen. Cicero reagierte darauf so, dass er sagte, es sei besser zu schweigen. Denn wenn er repliziere, wrde ja wohl oder bel doch der Angriff des Gegners zur Kenntnis genommen. So aber gehe dieser unbeachtet unter20. Noch eine weitere Partie dieser Rede soll unter dem anstehenden Gesichtspunkt hervorgehoben werden. Sie schließt sich gleich im Text an21. Es geht dort um Literarkritik oder die rechte Auslegung einer literarischen ußerung. Piso hat es sich nmlich nicht entgehen lassen, Verse Ciceros aus seinem mit maßlosem Selbstruhm verfassten Elaborat ber die Großartigkeit seines Konsulats, durch das der Staat vor den Catilinariern gerettet worden sei, gensslich zu zitieren und die fr Cicero schdlichen Folgen in Erinnerung zu rufen. Es geht um den Vers: cedant arma togae concedat laurea laudi, oder wie Piso umformuliert: concedat laurea linguae. bersetzt also: ,Es sollen die Waffen der Toga weichen, der Siegeslorbeer dem Rednerlob’, bzw. wie es Piso bissig verflscht, der Rednerzunge, linguae. Als politischer Redner und hier vornehmlich Zivilist beanspruchte Cicero mit seinem Vers eine hçhere Anerkennung als die, die ein imperator fr seine militrischen Verdienste erringt oder errungen hat. Pompeius, dem Ciceros Anspielung galt, war pikiert. Genau darauf beruht der Vorwurf Pisos, dass Cicero nmlich, durch seine Eitelkeit und Hybris verblendet, sich die Gunst des Pompeius verscherzt habe. Cicero reagierte erbost auf diese Interpretation und verhçhnte Piso, indem er ihn einen Phalaris grammaticus nennt, einen Textausleger und Schriftgelehrten mit rcksichtsloser, tyrannischer Deutungswillkr, wie der Vergleich mit Phalaris von Akragas zeigt, dem Urbild und Muster eines grausamen Tyrannen, der einst sogar mit Waffengewalt gegen den renitenten Dichter Stesichoros vorgegangen sein soll. Dann fhrt Cicero seinen Gegner an: quid nunc te, asine, litteras doceam? Was soll ich nun dich, du Esel, das Interpretieren lehren? Bei Piso seien nicht Worte, sondern Prgel angebracht. Trotzdem geht er daran, Piso die besondere Ausdrucksweise der Poesie zu erlutern und ihn ad absurdum zu fhren, wenn er meine, dass ein einziger Vers Pompeius so habe aufregen kçnnen, obwohl er, Cicero, ja doch schon ganze Reden zum Ruhm des Pompeius verfasst habe. Die Lnge der Widerlegung lsst allerdings darauf schließen, dass der Vorwurf Pisos ins Schwarze getroffen hat. Es geht zwar um ein sachliches Problem des richtigen Verstndnisses einer Aussage, die Entgegnung luft jedoch auf einen persçnlichen Angriff hinaus, indem die Behauptung des Gegners gleich zu Anfang geschwcht und zu Fall gebracht 20 Vgl. oben Anm. 5. 21 § 59 ff.

Invektive und Polemik in der Antike. Suche nach einer Verhltnisbestimmung

47

wird durch den Hinweis auf dessen Anmaßung aufgrund von Inkompetenz und Beschrnktheit. Als ein Beispiel einer sehr heftigen persçnlichen Attacke in der poetischen Literatur gegen hochgestellte und çffentlich exponierte Personen mag ein kleines Catull-Gedicht, carmen 57, dienen, an dem sich zeigen lsst, wie weit Invektive ber mçgliche Polemik hinausgeht22. Die angegriffenen Personen sind Caesar und einer seiner Paladine, der Offizier Mamurra aus Formiae im sdlichen Latium. Catull hatte Mamurra schon im 29. Gedicht als von Caesar und Pompeius geschtzten Verschwender und Bankrotteur angeprangert und nimmt ihn nun erneut aufs Korn, carmen 57: pulchre convenit improbis cinaedis Mamurrae pathicoque Caesarique nec mirum: maculae pares utrisque, urbana altera, altera Formiana, impressae resident nec eluentur: morbosi pariter, gemelli utrique, uno in lecticulo erudituli ambo, non hic quam ille magis vorax adulter, rivales socii puellularum. pulchre convenit improbis cinaedis. „Schçn passt die Situation fr die beiden Schandlustknaben, fr Mamurra und fr den schwulen Csar. Und kein Wunder ist das. Die gleichen Schandmale haben beide, das eine ist stadtrçmisch, das andere aus Formiae: Sie sitzen eingebrannt und werden sich nicht tilgen lassen. Krank ist das Zwillingsprchen gleichermaßen, ist in einem Bettchen niedlich aufgezogen, der eine nicht mehr als der andere ein nimmersatter Ehebrecher, Rivalen und Kumpel zugleich bei den Mdchen. Schçn passt das zu den beiden Schandlustknaben.“

Dieses Schmhgedicht ist ein gut komponiertes Liedchen. Fnf Verse exponieren, fnf explizieren, wobei die Verse 1 und 10 das ganze mit gleichem Wortlaut rahmen. Fr Caesar sind die Verse umso beleidigender, weil er jetzt, anders als noch in carmen 29, ohne Pompeius mit Mamurra auf eine Stufe gestellt wird. Ironisch beginnt Catull mit pulchre convenit, wobei der nchste Versteil die Erklrung bringt, improbis cinaedis. Man erwartet nun einen Ausfall gegen das genannte Laster allgemein. Doch es folgt sofort das nominatim laedere: Mamurrae pathicoque Caesarique. Csar und Mamurra werden als Kinaedenpaar, mit dem bekannten griechischen Laster behaftet, vorgefhrt, 22 Zu diesem Gedicht vgl. C. Valerius Catullus. Hg. und erklrt von W. Kroll; Syndikus, Catull; Koster, Die Invektive in der griechischen und rçmischen Literatur, 282 ff.

48

Severin Koster

gleich zweimal mit den betreffenden griechischen Termini, schçn verteilt auf den aktiven cinaedus und den passiven pathicus und zugleich auch in jeder Hinsicht austauschbar. Die Einheit und Verbundenheit dieses Paares ist musterhaft durch formale Mittel ausgedrckt. Statt des Plurals im ersten Vers steht jetzt der Singular pathico. Das Wort bildet die Mitte zwischen den beiden Namen und verbindet dieses perverse ,Ehepaar’ wie ein Joch nach rechts und links, wobei das angehngte -que zeigt, dass es sich um ein „sowohl – als auch“ handelt. Nach dieser Vorstellung setzt Catull einem unausgesprochenen mçglichen Erstaunen sein nec mirum entgegen: Das sei wirklich nichts Erstaunliches. Man msse nur folgendes wissen: maculae pares utrisque. Makel seien das Verbindende: Beide seien nmlich gleichermaßen gebrandmarkt, der eine in der Stadt Rom, der andere in Formiae. Brandmarken sind es, wie sonst bei Sklaven blich und bekannt, und als solche unauslçschlich: impressae resident nec eluentur. Catull malt den beiden maßlosen Lstlingen und Schuldenmachern eine dstere Zukunft als Entwrdigte aus. Was er zunchst allgemein geußert hat, fhrt er nun noch im Einzelnen aus. Von ihren augenblicklichen Lebensverhltnissen schaut er zurck in die Vergangenheit, um die Erklrung fr den jetzigen Zustand zu finden. Sie haben beide die gleiche Krankheit. Sie sind nmlich gemelli, Zwillingsbrder, so wie Catull einmal Castor und Pollux als gemelle Castor et gemelle Castoris bezeichnet hat. gemellus nhert sich hier sogar der Bedeutung ,zweigeschlechtlich’23. Folglich haben sie neben der besonderen Form dieser Geburt auch die gleiche besondere und passende Ausbildung: Die beiden niedlichen kleinen Brschchen sind gleichsam eins, wobei die Technik kunstvoll den Sachverhalt sttzt: uno und ambo bilden die Klammer des Verses und alle Wçrter sind durch Synaloephe verschliffen. Sogar auf die Zsur wird verzichtet, so dass der ganze Vers zu einer einzigen Einheit verschmolzen ist als Ausdruck des direkten Verwachsenseins der beiden Zwillinge: unoin lectuloerudituliambo. Die Ausbildung der beiden fand also in ein und demselben Bett statt. Was sie dort gelernt hatten, bten sie folgerichtig auch gleichartig im spteren Leben aus: non hic quam ille magis vorax adulter. Sie sind gleichermaßen zu Ehebrechern geworden und kçnnen beide gar nicht genug davon bekommen. Absichtlich whlt Catull also statt eines mçglichen minus vorax ein magis vorax adulter, um die Lasterhaftigkeit zu steigern. So kam es schließlich, dass die gemelli auch noch zu Rivalen wurden: rivales socii puellularum. Wie nahe dabei die Gegenstze vereint sind, zeigt das asyndetische Oxymoron rivales socii. 23 Vgl. Schmidt, gemelli (Catull, carmina 57,6), 349 – 351.

Invektive und Polemik in der Antike. Suche nach einer Verhltnisbestimmung

49

Bei dieser Ttigkeit betrgen sie nicht nur ihre Ehefrauen, sondern auch sich selbst gegenseitig. Als Rivalen und Kumpane treffen sie sich wiederum da, wo sie ihren Ausgang genommen haben: im gleichen Bett, nun sogar der gleichen Mdchen. Sie sind Zwillinge und Zwitter des Lasters und bleiben es. Catull findet, dass das schçn passt, und wiederholt nun, was er zu Anfang behauptet hatte, als Besttigung dieser Behauptung: pulchre convenit improbis cinaedis. So ist der Schlussvers der Anfangsvers, und der Gassenhauer vom Kindenpaar kçnnte sofort da capo gesungen werden. Dadurch wrde in besonderer Weise die Prophezeiung des nec eluentur aus v. 5 in Erfllung gehen: Der Hit wird zum Evergreen. Vortrefflich hat Catull seine Behauptungen in asyndetischer Form vorgefhrt, um die Schlagkraft der schmhenden Zeilen zu erhçhen und zugleich den Eindruck einer Beweiskette hervorzurufen. Was hier Zeile fr Zeile gleichsam auf die beiden scheinbar unverbunden herunterprasselt, beruht dennoch auf einer Struktur. Die Invektive als Gegenstck zur Lobschrift hat der Rhetorenschule gemß das schon genannte Grundschema, dem auch dieses Gedicht entspricht: I

Prooemium

pulchre convenit

II

Name, Herkunft urbana Formiana

schçn passt die Situation stadtrçmisch und aus Formiae

III Erziehung

erudituli

in einem Bett niedlich aufgezogen

IV Taten

maculae, rivales socii, cinaedi

Schandmale, Rivalen, Kumpel

V

gemelli

Zwillingsprchen

pulchre convenit

schçn passt‘s zusammen

Synkrisis

VI Epilog

Es liegt also ein xºcor, eine vituperatio, in Kleinform vor, nach den Regeln der rhetorischen Kunst aufgebaut und zugleich durch Kunst versteckt. Wrde man das Gedicht seiner heftigen Aggressionen entkleiden und es sozusagen auf die Stufe der Polemik zurckfhren, bliebe der Vorwurf unstandesgemßer Kameraderie, der Vorwurf schlechter Erziehung ungeachtet der Herkunft und des daraus resultierenden, gravierenden Fehlverhaltens in sexueller Hinsicht aufgrund einer unertrglichen Charakter- und Fhrungsschwche. Doch nun noch ein kurzer Blick ber die pagane Grenze des Faches hinaus! Nicht weit entfernt von den Techniken eines invektivisch gewrzten, polemischen Angriffs ist die Auseinandersetzung zwischen Jesus und den

50

Severin Koster

Pharisern, Mt 2324. Sieht man diesen Text als literarhistorisches Zeugnis an und nicht als sakrosankte Schrift, so geht es auch da um die çffentliche Bekmpfung einer falschen Auffassung oder Lehre und vor allem um das falsche Verhalten der Phariser als Autorittspersonen. Die Darlegung des Fehlverhaltens wird von Drohungen begleitet, die sich in den wiederholten, entrsteten Weh-Rufen ußern. Doch dabei bleibt es nicht, es finden sich auch invektivische Beschimpfungen, die die Schriftgelehrten und Phariser nicht nur als Heuchler, sondern auch als blinde Wegfhrer, Dummkçpfe, getnchte Grber und, eine letzte Steigerung in der Reihe, als Schlangen und Natterngezcht, eveir, cemm¶lata 1widm_m schelten. Bei diesem letzten Vorwurf ist unter invektivischem Gesichtspunkt gut passend der Herkunftstopos involviert. Die Phariser stammen schon von solchen Schlangen, nmlich ihren Vtern, ab und deshalb sind sie als Sçhne konsequenterweise, gleichsam in Sippenhaft, Natterngezcht. Es gehçrt zur Topik der Invektive, dass Tiere zum Vergleich oder zur Gleichsetzung herangezogen werden. Piso z. B. ist ein lutulentus, In L. Calpurnium Pisonem oratio 27, ein dreckverschmiertes Schwein aus der epikureischen Lustsuhle, nicht aus der Schule, 37, ex hara producte, non ex schola, oder ein Geier seiner Provinz, 38, volturius provinciae. Es mag sein, dass die biblische Beschimpfung als Schlangenbrut gelufige Metapher war. Denn auch Johannes der Tufer bezeichnet nach Mt 3,7 und Lk 3,7, die Volksmenge um ihn herum als cemm¶lata 1widm_m. Es handelt sich dabei allerdings wohl um eine weitere, abgeschwchte Spielart des persçnlichen Angriffs, nmlich die Rge. Sie ist in der Diatribe oder auch der Predigt gelufig25. Sie hat nicht wie die Invektive die moralische Vernichtung als Ziel, sondern die Wiederaufrichtung nach einer verbalen Demtigung. Ob nun die Evangelisten literarisch in die Tradition der Invektive und dann doch wohl eher der griechischen, einzuordnen sind, ist eine schwierige Frage. Denn Lob und Tadel sowie auch Streitdiskussionen sind bis zu einem gewissen Grad allgemein und geradezu alltglich, also nicht spezifisch fr einen bestimmten Kulturkreis, es sei denn, man stellt eine rhetorische Durchformung fest. Aber selbst dann kann man, wie beispielsweise A. Wifstrand26 Zweifel haben, wenn diese auch nicht von der jngeren For24 Vgl. Schmid, Das Evangelium nach Matthus, 315 – 333. (RNT Bd. 1). Vgl. jetzt: Sand, Das Evangelium nach Matthus, 150 ff.: „Antijdische Polemik“. Vgl. ferner: Gnilka, Das Matthusevangelium, 268 – 308, hier: 280 ff. 25 Zur Diatribe vgl. das fundiert umrissene Gesamtbild von W. Capelle und H. I. Marrou, Art. Diatribe. 26 „Die alte Kirche und die griechische Bildung“.

Invektive und Polemik in der Antike. Suche nach einer Verhltnisbestimmung

51

schung geteilt werden, wie die ausfhrlichen Darlegungen von K. Berger27, zeigen. So bietet sich die diatribische Satire 2,3 des Horaz zum Vergleich an, weil sie ein amsantes Bild volksmissionarischer Beeinflussung zeichnet, deren ernsthafte Variante sich spter etwa in den Traktaten Epiktets findet. Horaz lsst sich in dieser Satire von Damasippus, einem neubekehrten stoischen Sektierer zurechtweisen: Dieser trifft an den Saturnalien auf den Dichter, der sich auf sein Gtchen in den Sabinerbergen zurckgezogen hat. Damasipp selbst war infolge seines Immobilienbankrotts krzlich erst zum Sprung von der Tiberbrcke bereit gewesen, war aber von Stertinius, einem stoischen Wahrheitsapostel gerettet worden. Infolgedessen wurde er bekehrt und zum eifrigen Adepten dieser Weisheitslehren aus der Schule Chrysipps. Horaz erhlt als Anhnger falscher Lehren daher eine Lektion ber das stoische Paradoxon, dass alle Unvernnftigen geistesgestçrt seien. Es geht also um die insania stultorum, fti p÷r %vqym la¸metai, omnes stultos insanire. In Damasipps Predigt dienen Beispiele anderer und seiner selbst dazu, dies einsichtig zu machen. Die zur Bekehrung eingesetzten Beschimpfungen freilich sind sehr allgemein, kollektiv und nur auf die insania bezogen: Etwa zwei Dutzend kunstvoll variierte Bezeichnungen findet Damasipp fr das „Verrcktsein“ des und der Delinquenten. Doch spiegeln sie das horazische ridentem dicere verum und entschrfen somit den bitteren Eifer der Rge. Dasselbe Thema ist brigens auch von Cicero als viertes Stck in seinem kleinen Entwurf der Paradoxa Stoicorum behandelt worden. Es ist leider fragmentarisch, doch genau an diesem Fragment lsst sich zeigen, dass es im Gegensatz zu den anderen Paradoxa schrfer formuliert ist und nicht deren ironische Distanz wahrt, sondern dass Polemik mit invektivischer Verschrfung vorherrscht. Das erhaltene Stck befasst sich nmlich mit seinem Erzfeind P. Clodius, der die treibende Kraft seiner Exilierung war. Cicero biegt hier seine Darstellung so zurecht, dass der einstige politische furor nicht durch ihn, sondern durch Clodius in einem verwilderten Staat tobte, und dass folglich mit ihm, Cicero, Vernunft und Staatsraison ins Exil getrieben worden sei. Daher ist Clodius der homo amentissimus. Die persçnliche Betroffenheit Ciceros fhrt ihn also von der milderen Form des Polemisierens und Ironisierens, die er sonst in diesem Traktat wahrt, zur persçnlichen Attacke. Eine solche kçnnte auch in der genannten biblischen Phariserschelte vorliegen, was sie dem Invektivischen annhern wrde, doch offenbar nur beim Evangelisten Matthus, der allein den Pharisern und Schriftgelehrten einen solch massiven Heuchlervorwurf macht: Gleich sechsmal wird auf sie 27 Hellenistische Gattungen im Neuen Testament.

52

Severin Koster

eingehmmert, um einen hçheren Effekt der Invektive zu erzielen28. Angesichts der lebensnahen Normalitt streitbarer Selbstbehauptung wird man natrlich auch eine Einwirkung alttestamentlicher rgender Texte und die Praxis der innerjdischen Kontroversen bercksichtigen mssen.29 Wenn man einen Einfluss vom Griechischen sehen mçchte, so kçnnte er nur aus der Tradition der Rhetorenschule kommen. Literarhistorisch gesehen msste dann ein Vergleich mit den Schimpfreden bei Homer beginnen, sich ber die eigentlichen Erfinder der Diatribe in nuce, die Sophisten30, fortsetzen und dann zu den attischen Rednern und den hellenistischen Philosophenschulen fhren, die ja Streitgesprch und protreptische Rede besonders pflegten. Im Neuen Testament jedoch scheint Invektivisches offensichtlich nur in begrenztem Ausmaß von Beschimpfungen aufzufinden zu sein. Berichte von Auseinandersetzung mussten wohl die Ausnahme bleiben und diese drfte eher der Rge und dem ihr eigenen Bekehrungswillen zuzuordnen sein, um so mehr, als Nchstenliebe bei Matthus als das andere der beiden hçchsten Gebote galt31.

Literatur Berger, K., Hellenistische Gattungen im neuen Testament, in: ANRW II 25.2 (1984), 1031 – 1432. C. Valerius Catullus. Hg. und erklrt von W. Kroll, Stuttgart 19685. Capelle, W., Marrou, H.I., Art. Diatribe, in: RAC III (1957), 990 – 1009. Cicero. In L. Calpurnium Pisonem oratio. Ed. with text, introduction, and commentary by R. G. Nisbet, Oxford 1961. Die Vorsokratiker. Band I, Gr.-lat.-dt., Auswahl der Fragmente und Zeugnisse von M. Laura Gemelli Marciano. Dsseldorf 2007. Ebert, T., Art. Theodizee, in: DNP 12 (2002), 317 f. Frankemçlle, H., Matthus Kommentar 2, Dsseldorf 1997. Furley,, D., Wettkampf Homers und Hesiods, in: DNP 12 (2002), 503 – 505. Gelzer, M., Art. M. Tullius Cicero, in: RE VII A (1947), 980 – 983. Gnilka, J., Das Matthusevangelium. II. Teil. Kommentar zu Kap. 14,2 – 28,20, Freiburg/Basel/Wien 19922, 268 – 308. Jens, W., Die Stichomythie in der frhen griechischen Tragçdie, Mnchen 1955. Kerfeld, G.B., Flashar, H., Sophistik, in: Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie der Antike. Hg. von H. Flashar, Band 2/1, Basel 1998. 28 Ein weiteres Mal, Mt 23,16, ohne ihre Nennung. Vgl. auch Stauffer, Jesus, Geschichte und Verkndigung, 3 – 110, hier: 37 ff. 29 Vgl. dazu Frankemçlle, Matthus Kommentar, 379 f. 30 Vgl. Kerfeld, Flashar, Sophistik, in: Grundriss der Geschichte der Philosophie. 31 Vgl. Mt 22,39; Gal 5,14.

Invektive und Polemik in der Antike. Suche nach einer Verhltnisbestimmung

53

Koster, S., Die Invektive in der griechischen und rçmischen Literatur, Meisenheim am Glan 1980. Liddell, H. G.,–Scott, R., A Greek-English Lexicon, Oxford 19409. Meier, P.S., Art. Agones, in: RE 1 (1894), 836 – 867. Opelt, I., Hieronymus‘ Streitschriften, Heidelberg 1973. Opelt, I., Die lateinischen Schimpfwçrter und verwandte sprachliche Erscheinungen, Heidelberg 1965. Potter, D.S., Art. theodicy, in: The Oxford Classical Dictionary 19963, 1500. Sand, A., Das Evangelium nach Matthus, Darmstadt 1991. Schmid, J., Das Evangelium nach Matthus. bers. u. erklrt (RNT 1), Regensburg 19594. Schmidt, E.A., gemelli (Catull, c. 57,6), in: Rheinisches Museum 119 (1976), 349 – 351. Schmitt, A., Aristoteles Poetik. bersetzt und erlutert, Berlin 2008. Stauffer, E., Jesus, Geschichte und Verkndigung, in: ANRW II 25.1 (1982), 3 – 110. Stauffer, H., Art. Polemik, in: Historisches Wçrterbuch der Rhetorik 6 (2003), 1403 – 1415. Steinmetz, P., Xenophanesstudien, in: Rheinisches Museum 109 (1966), 13 – 74. Syndikus, H.P., Catull. Eine Interpretation. Erster Teil. Die kleinen Gedichte (1 – 60), Darmstadt 1984. Wifstrand, A., Die alte Kirche und die griechische Bildung, Bern/Mchen 1967.

„Soweit meine offenen Worte an dich …“ Form und Funktion von Polemik in den Schriften des Lukian von Samosata Peter v. Mçllendorff 1. Grundstzliches zur Rolle von Polemik in der kaiserzeitlichen Bildungskultur Zuschnitt und soziokulturelle Funktion von griechischer Bildung (paidea) in der rçmischen Kaiserzeit sind in der altertumswissenschaftlichen Forschung der vergangenen zwei Jahrzehnte ausgiebig und detailliert beschrieben worden. Tatschlich ist unter Bildung ein einerseits weitreichendes, andererseits doch auch – aus heutiger Sicht betrachtet – reduktives Bndel von Kompetenzen zu verstehen, die auf der Basis einer eindringlichen Beschftigung mit der literarischen und knstlerischen Vergangenheit erworben werden. Diese Vergangenheit wird beschrnkt auf eine als klassisch wahrgenommene und entsprechend bevorzugte Epoche, nmlich das 5. und 4. Jahrhundert v. Chr., dessen knstlerische Errungenschaften bestenfalls durch ausgewhlte Reprsentanten vor allem der attisch-athenischen Geistesgeschichte, darunter natrlich vor allem Homer, noch ergnzt werden: Die Autoren und allgemein die Reprsentanten dieser Epoche schließen sich aus der Perspektive der Kaiserzeit zusammen zu einem im Kern verbindlichen Kanon, whrend die jngere Geistes- und Kunstgeschichte, und gar die zeitgençssischen Knstler, Literaten und Rhetoren, eine entschieden sekundre Rolle spielen. Weitreichend ist dieser Kanon gleichwohl in seiner pdagogischen und in seiner gesellschaftsbildenden Bedeutung. Denn seine aktive Beherrschung, die sich insbesondere im Sprachgebrauch niederschlgt – neben der Koin beherrscht der Gebildete, der pepaideumnos, auch das klassische Attisch eines Aristophanes, eines Xenophon, eines Demosthenes –, entscheidet letztlich – neben Faktoren wie Familie und Vermçgen – ber die Zugehçrigkeit des Gebildeten zur eigentlichen, politisch relevanten Oberschicht selbst auf der Ebene der rçmischen Imperialverwaltung.

56

Peter v. Mçllendorff

Die griechische Bildung, allgemeiner formuliert: der als paidea bezeichnete Sektor kaiserzeitlicher Episteme, entfaltet sich zwischen zwei Polen, die man summarisch mit ,Rhetorik‘ einerseits, ,Philosophie‘ andererseits benennen kçnnte. Whrend sich der rhetorische Bildungsanteil, wie gesagt, vor allem im sprachlichen Auftreten manifestiert, damit aber natrlich auch die intellektuelle Auseinandersetzung mit der Welt und die Art und Weise beeinflusst, sich mit ihr aneignend und darstellend zu beschftigen, geht es in der philosophischen Ausbildung – die, anders als die Rhetorik, gleichwohl eher als wnschenswerter Zusatz denn als fester und unhintergehbarer Bildungsbestandteil absolviert wurde – in erster Linie um ethische Persçnlichkeitsformung, durchaus aber auch um Grundlagen der Philosophie als wissenschaftlicher Disziplin, in deren Rahmen Probleme aus Metaphysik, Physik und Logik aufgeworfen und diskutiert wurden. Rhetorische wie philosophische Formung sind mithin aktualittsrelevant und weisen zugleich qua Mimesis einen starken Vergangenheitsbezug auf: Die klassischen Vorbilder dienen in ihrer Perfektion als (unerreichbare) Messlatte fr den eigenen Fortschritt und, ber den Vergleich, als Qualittsindikator. Der Gebildete der Kaiserzeit steht vertikal wie horizontal im Wettbewerb, seine Bildungsdemonstration muss sich sowohl im Alltag als auch bei besonderen Gelegenheiten stets agonal bewhren. Dass eine solche elementare Agonalitt des Bildungsvollzugs ein krftiger Nhrboden fr Polemik aller Art sein muss, liegt nahe. Einerseits haben ja die wirklichen pepaideumnoi ein vitales Interesse daran, das geforderte Niveau mçglichst hoch zu halten, um unliebsame Konkurrenz ,von unten‘ schon im Vorfeld fernzuhalten und um paidea als soziales Ausscheidekriterium vollumfnglich bewahren und selbst in ihren Zuschnitten definieren zu kçnnen. Andererseits will man auch innerhalb des ,inner circle‘ der Gebildeten den Konkurrenten ausstechen, und dies lsst sich nicht nur durch einfach bessere Qualitt der eigenen Bildungsußerungen umsetzen, sondern ebenso wirkungsvoll durch die Diffamierung der (angeblichen) Minderleistung des Anderen. Die doppelte Motivation von Bildungspolemik erklrt insbesondere die Reichweite der Bildungsschelte, die oft ber die Kritik an einzelnen Missgriffen hinausgeht und dem Gegenber Bildung in toto abspricht. Diese generelle Kritik erfasst dann, wie es zu der ganzheitlichen Konzeption von Bildung – Wissen, Charakter, Auftreten und Verhalten – auch passt, die gesamte Persçnlichkeit. Dies wiederum fgt sich gut dazu, dass Polemik als Textgenre in der antiken rhetorischen Systematik stets

Form und Funktion von Polemik in den Schriften des Lukian von Samosata

57

unmittelbar mit der Enkomiastik verbunden wird,1 die wiederum ebenfalls grundstzlich die zu lobende Persçnlichkeit in der Gesamtheit ihres Lebensvollzuges zu erfassen sucht. Sptestens hier ist allerdings zu fragen, welche ußerungsformen man eigentlich genau unter ,Polemik‘ subsumieren will. Wie genau funktioniert die Abgrenzung gegen Beschimpfung, wie die gegen Kritik? Kann man von einer Gattung ,Polemik‘ sprechen, die ber bestimmte Gattungsmerkmale verfgt, bzw. ist die Einordnung polemischer Texte in das rhetorische System – unter vituperatio bzw. x|cor – eine mit Blick auf den textlichen Gesamtbefund treffende generische Festlegung? Wie verhalten sich Exemplare einer solchen Gattung zu polemischen Einzelußerungen innerhalb anderer Texte? All diese Fragen sind weder fr die antike Literatur noch fr die Folgeepochen befriedigend geklrt2 und lassen sich wahrscheinlich auch nicht befriedigend klren. Denn tatschlich lsst sich die inhaltliche wie formale Vielfalt polemischer ußerungen innerhalb von Texten aufgrund ihrer Omniprsenz kaum erfassen oder klassifizieren. Kein Genre ist der Polemik verschlossen, die wir genauso im Epos und im Drama wie in der Lyrik finden; die Fachliteratur ist voll davon.3 Eine „Geschichte der antiken Polemik“ drfte schwer zu schreiben sein, und die Eingrenzung der Fragestellung nach Form und Funktion von Polemik auf Texte, deren Grundanliegen und primrer Inhalt polemische Stellungnahmen sind, scheint geboten. Ihren Ausgangspunkt msste eine Bestimmung des Polemischen von seiner grundstzlichen Behandlung bei Lukian nehmen, der dem Phnomen immerhin eine eigene Abhandlung gewidmet hat:4 In Peq· toO 1 2 3

4

Vgl. Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik §§ 1129 sowie 240 und 243 – 247. So konstatiert Stauffer, Art. Polemik, 1404, das Fehlen einer Gesamtdarstellung, die Uferlosigkeit des Materials und den schwer zu greifenden historischen Bedeutungswandel des Begriffs. Nur beispielhalber erwhne ich, unter Beschrnkung auf die frhe griechische Literatur, fr das Epos die bekannte Rede des Thersites gegen Agamemnon in Homer, Ilias 2,211 – 242, fr das Drama die Komçdien des Aristophanes – von Stauffer, Polemik, merkwrdigerweise unerwhnt; vgl. hierzu Mçllendorff, Aristophanes, 173 – 180 –, fr die Lyrik die Iamben des Archilochos und des Hipponax. Aus der Fachliteratur seien, ebenfalls nur beispielhalber, die Dialoge Platons mit ihrer herben antisophistischen Polemik und die Auseinandersetzungen Galens mit konkurrierenden rztlichen Schulen genannt; zahllose Belege ließen sich auch aus der Historiographie, etwa bei Thukydides oder bei Polybios, anfhren. Umso auffallender ist, dass sie in den einschlgigen Handbchern nicht erwhnt wird; so fehlt sie etwa bei Stauffer, Art. Polemik, dessen Behandlung antiker Polemik aber ohnehin einen blinden Fleck im Bereich posthellenistischer griechischer Li-

58

Peter v. Mçllendorff

lμ Nôd_yr piste}eim diabok0 – in Wielands bertragung: Gegen die Ver-

leumdung, oder Daß man denen, die andern Bçses nachsagen, nicht zu leicht glauben msse – gibt er eine Definition der Verleumdung: 5sti to_mum diabokμ5 jatgcoq_a tir 1n 1qgl_ar cimol]mg, t¹m jatgcoqo}lemom kekghu?a, 1j toO lomoleqoOr !mamtik]jtyr pepisteul]mg. toia}tg l³m B rp|hesir toO k|cou. tqi_m dû emtym pqos~pym, jah\peq 1m ta?r jyl\d_air, toO diab\kkomtor ja· toO diabakkol]mou ja· toO pq¹r dm B diabokμ c_metai, jahû 6jastom aqt_m 1pisjop^sylem oXa eQj¹r eWmai t± cim|lema (Calumniae non temere credendum, 6).6 Die Verleumdung findet in ihrer Einseitigkeit unwidersprochen Glauben, unterscheidet sich aber von der Polemik dadurch, dass sie 1n 1qgl_ar, also hinterrcks und nicht im Beisein des Geschmhten, geußert wird. Mit der Polemik teilt sie das, was Jrgen Stenzel die „polemische Situation“ genannt hat, die schon Lukian kennt: der polemische wie der verleumderische Sprechakt finden zwischen dem polemischen Subjekt, dem polemischen Objekt und der polemischen Instanz statt, und in der Tat ist der eigentliche Adressat des polemischen wie des verleumderischen Texts eben das lesende / hçrende Publikum.7 Die Verworfenheit der Verleumdung resultiert zweifellos aus ihrem Heimlichkeitscharakter, und sie ist es, woraus sich dann fr Lukian geradezu die moralische Rechtfertigung der Polemik ergibt: ja· c±q !paqqgs_astor ja· deik¹r ûpar b toioOtor %mhqypor oqd³m 1r toqlvam³r %cym, !kkû ¦speq oR kow_mter 1n !vamoOr pohem tone}ym, ¢r lgd³ !mtit\nashai dumat¹m eWmai lgd³ !mtacym_sashai, !kkû 1m !poq_ô ja· !cmo_ô

5

6

7

teratur aufweist, sich jedoch mçglicherweise orientiert an der unerklrlichen NichtBercksichtigung Lukians und berhaupt der kaiserzeitlichen griechischen Literatur in der polemischen Theorie wie in der polemischen Praxis in der grundlegenden Darstellung bei Koster, Die Invektive in der griechischen und rçmischen Literatur, die doch an sich eine Aufarbeitung auch der griechischen Invektive im Titel verspricht. Anders als der x|cor besitzt die diabok^ nicht den Status eines rhetorischen Fachbegriffs, da sie letztlich zumindest theoretisch ohne rhetorische Untersttzung auskommt. Es ist erst die ffentlichkeit einer solchen Beschuldigung, die sie dann auch zum Gegenstand rhetorischer berlegungen macht. „Wir fangen also, um kunstmßig zu verfahren, mit dem Umriss, nmlich mit der Definition der Verleumdung an und sagen, sie sei eine Art von Anklage, die hinter dem Rcken des Beklagten angebracht und dem Klger einseitig geglaubt wird, ohne dass man sich darum bekmmert, was der andere Teil dagegen einzuwenden haben kçnne. Aus dieser Erklrung des Worts ergibt sich nun der Inhalt unsrer Rede von selbst. Denn da wir hier, wie in den Komçdien, nur drei Personen haben, den Verleumder, den Verleumdeten und den, welchem die Verleumdung vorgetragen wird: so werden wir eine nach der andern vornehmen und sehen, was fr eine Rolle sie bei der Sache spielt.“ (bersetzung nach C.M. Wieland) Vgl. Stenzel, Rhetorischer Manichismus.

Form und Funktion von Polemik in den Schriften des Lukian von Samosata

59

toO pokel_ou diavhe_qeshai, d l]cist|m 1sti sgle?om toO lgd³m rci³r to»r diab\kkomtar k]ceim. 1pe· eU t_r ce t!kgh/ jatgcoqoOmti 2aut` sumep_statai, oxtor, oWlai, ja· eQr t¹ vameq¹m 1k]cwei ja· dieuh}mei ja· !mtenet\fei t` k|c\, ¦speq oqde·r #m 1j toO pqovamoOr mij÷m dum\lemor 1m]dqô pot³ ja· !p\t, wq^saito jat± t_m pokel_ym (Calumnia 9).8 Es hat hier geradezu den Anschein, als verleihe ihre ffentlichkeit (t¹ vameq|m) der Anklage schon a

priori Wahrhaftigkeit: Wer offen spricht, der besitzt – wenn man die negativen Charakterisierungen im obigen Textausschnitt in ihr Gegenteil umsetzt – offensichtlich Eigenschaften wie paqqgs_a und !mdqe_a, und er kmpft nicht aus dem Hinterhalt, sondern wie ein Mann. Unterscheidet sich Polemik von der Verleumdung also durch ihren çffentlichen Charakter, so lsst sich ihre definitorische Abgrenzung gegen allgemein oder speziell kritische Texte einerseits, beschimpfende Texte andererseits ber die Umgangsweise mit dem verfolgten Anliegen vornehmen: Es muss erstens ein solches Anliegen (eine Klarstellung, eine Argumentation, eine Richtigstellung, ein Besserungswunsch etc.) hinter den ußerungen erkennbar sein – whrend die Beschimpfung nur die Diskreditierung und Beleidigung des Gegners allein zum Ziel hat –, und es muss zweitens dieses Anliegen auf eine Art und Weise verfolgt werden, dass eine ber das Anliegen als solches hinausgehende Schdigung des Gegners gewollt oder jedenfalls in Kauf genommen wird.9 Eine Abgrenzung gegenber der Satire lsst sich gewinnen ber die Kriterien der Konkretheit (versus dem hohen fiktionalen Anteil der Satire) und Fokussierung des ,Opfers‘: Je allgemeiner das Objekt der Polemik konstituiert wird, desto mehr schwindet der unmittelbar polemische Charakter, der vielmehr von der deutlichen Ausrichtung des 8

9

„Diese furchtsame und mit Recht gegen ihre eigene Sache misstrauische Art von Menschen hat nie das Herz, vor der Klinge zu fechten, sondern sie schießen ihre Pfeile, wie wahre Buschklepper, aus einem dunklen Hinterhalt ab, so dass man nicht weiß, wo der Schuss herkommt, und sich also auch gegen den unsichtbaren Feind nicht zur Wehr stellen kann. Aber gerade dies ist, meines Erachtens, ein augenscheinlicher Beweis, dass diese Leute nichts zu Recht Bestndiges sagen und keiner Aufmerksamkeit gewrdigt werden sollten. Denn wer sich bewusst ist, dass er die Wahrheit sagt, der getraut sich auch, denke ich, sie dem andern ins Gesicht zu sagen; er fordert ihn auf, sich zu verteidigen, und ist seiner Gegenantwort und seines Sieges sicher: so wie niemand, der auf offnem Schlachtfelde zu siegen hoffen kann, sich so leicht Hinterlist und Betrug gegen seinen Feind erlauben wird.“ (bersetzung C.M. Wieland) Eine solche Differenzierung ist an dieser Stelle nçtig, da mit den blichen diachronen Differenzierungen – die in ihrer postulierten Trennschrfe auch nicht smtlich berzeugen – im Blick auf die Antike, die in der Polemikforschung (zu Unrecht) als weitgehend homogener Raum wahrgenommen wird, nicht gearbeitet werden kann.

60

Peter v. Mçllendorff

Sprechaktes auf einen oder mehrere zumindest grundstzlich identifizierbare Objekte gespeist wird. Aus einer solchen Definition folgt, dass Polemik als skalares Konzept verstanden werden muss, anders gesagt: dass es mehr oder weniger polemische Texte gibt. Eine entsprechende Wertung von Texten hngt von Umstnden ab, die nur zum Teil objektivierbar sind. Ein solcher Umstand ist das Publikum, dem ja bereits Lukian einen hohen Stellenwert im polemischen Sprechakt einrumt. Definitorisch bedeutsam wird das Publikum jedoch erst im Rahmen der Frage nach dem jeweiligen Grad von Polemik, denn fr sich genommen ist das bloße Vorhandensein einer solchen berzeugungsabsicht – vorausgesetzt, es besteht, wie oben gesagt, ein erkennbares Anliegen – ja bereits aus der bloßen Tatsache der Publikation des Textes ersichtlich. Je nach Einstellung des Publikums zum Objekt der Polemik kann diese als schrfer oder weniger scharf angesehen werden, wobei sich der paradoxe Effekt einstellen kann, dass die Polemik zur Zeitkritik wird, insofern sie ein Bndnis zwischen Publikum und polemischem Objekt behauptet, wodurch auch das Publikum in die Schussrichtung der Polemik gert. In dieser Wendung beginnt die Polemik ins Satirische umzuschlagen. Schwierig ist in diesem Zusammenhang, dass wir gerade fr die antiken Texte eben ber keine authentische Dokumentation von Publikumsreaktionen verfgen, so dass die Skalierung von Polemik nur subjektiv und potentiell anachronistisch sein kann. Bereits Lukian widmet jedenfalls der Bercksichtigung des Adressaten der Polemik einigen Raum: Der Polemiker msse die empfindsamen Punkte nicht seines Opfers, sondern seines Publikums finden und seine Polemik auf sie abstimmen (Calumnia 15). Dabei verschaffe eine besondere Beliebtheit des Opfers beim Adressaten – wie sie aus Ansehen, Prestige oder Freundschaft resultiere – der Verleumdung paradoxerweise noch mehr Raum (Calumnia 24).

2. Polemische Schriften im Werk Lukians – Versuch einer Abgrenzung Betrachtet man vor dem Hintergrund der obenstehenden definitorischen berlegungen das Œuvre Lukians – ein Werk, das von der Inszenierung, aber auch von der Diskussion von paidea geradezu lebt –, dann zeichnet sich schnell ab, dass unter den mehr als 70 erhaltenen Texten nur ein relativ berschaubares Teilcorpus als eigentlich polemisch bezeichnet werden

Form und Funktion von Polemik in den Schriften des Lukian von Samosata

61

kann; eine weitere kleine Gruppe von Schriften enthlt Texte, deren Zugehçrigkeit zur Polemik erst zu diskutieren wre. Sicher polemisch sind m. E. folgende fnf Texte: Adversus indoctum, Pseudologista, Rhetorum praeceptor, Alexander, De morte Peregrini. In der Gruppe der sicher polemischen Texte sind in der Art der Attacke und in formaler Hinsicht Adversus indoctum und Pseudologista einander besonders hnlich. In beiden Schriften attackiert der Sprecher, der weder eine eigene Figurenbezeichnung erhlt noch im Text mit Namen genannt wird, einen ebenfalls anonym bleibenden Gegner, den er gut zu kennen behauptet,10 wegen seiner Unbildung. Im Falle des ,ungebildeten Bchernarren‘, der das Objekt der Schelte in Adversus indoctum ist, erhebt der Sprecher – den man aufgrund seiner von ihm erwhnten syrischen Herkunft spontan mit Lukian identifizieren mçchte – den Vorwurf, sein (ebenfalls syrischer) Gegner nutze seinen Reichtum nur, um durch den Erwerb teurer Ausgaben und bibliophiler Werke, die er stndig unter dem Arm trage (bei Lukian grundstzlich ein Zeichen bloßer Bildungsprtention), Bildung nur zu suggerieren, nicht aber sich wirklich ernsthaft zu bilden. Dieser Vorwurf wird im Verlauf der Schrift auf die gesamte Lebensfhrung ausgedehnt, indem dem Ungebildeten zudem moralisches Versagen, genauer gesagt: das Feiern homosexueller Orgien, unterstellt wird. In vergleichbarer Weise attackiert der Sprecher seinen Feind in Pseudologista sive De apophrade. Der Sprecher hatte ihn bei einer Begegnung offensichtlich mit einer !povq±r Bl]qa, einem dies nefastus,11 verglichen, was dieser zum Anlass genommen zu haben scheint, dem Sprecher zu unterstellen, er kenne die Bedeutung des Begriffes !povq\r nicht und wisse nicht, wie man ihn richtig anwende. Der Vorwurf wiegt schwer, denn hier wird dem Sprecher mangelnde attizistische Sprachkompetenz unterstellt, womit – wenn das zutrfe – ein markanter Fall von Unbildung evident wrde. Der Sprecher legt demgegenber ausfhrlichst dar, inwieweit er sehr wohl ber die Bedeutung und Verwendungsweise des Begriffes informiert ist, nutzt aber zugleich die Gelegenheit, seinen Gegner zu verunglimpfen und ihm seine eigene Unbildung und – wie in Adversus indoctum – seine unmoralische Lebensfhrung vorzuhalten. 10 Vgl. Pseudologista 2: […] !mdq· 1keuh]q\ ja· oUjoh]m se !jqib_r eQd|ti [„einem Mann (…), der gewohnt ist, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, Dich, von Hause aus, in- und auswendig kennt“ (bersetzung nach C.M.Wieland)] und Adversus indoctum 19: […] ja· lμm fsa ce j!l³ S}qom emta eQd]mai [„Aber soviel ich weiß, der ich auch Syrer bin“ (bersetzung vom Autor)]. 11 Dabei handelt es sich in der griechischen wie in der rçmischen Kultur um Tage von bler Vorbedeutung, an denen daher keine politische oder juristische Aktivitt ausgefhrt wurde.

62

Peter v. Mçllendorff

Die spezifisch polemischen Merkmale des Pseudologista werden schnell deutlich, wenn man diese Schrift mit zwei weiteren – der Verteidigung Pro lapsu inter salutandum und dem ,sokratischen‘ Dialog Soloecista – vergleicht, in der hnliche Fragen von Sprachrichtigkeit verhandelt werden. In Pro lapsu verteidigt und entschuldigt sich der Sprecher fr einen tatschlichen verbalen Ausrutscher: Er hatte bei der morgendlichen Begrßung eines mchtigen Gçnners ihm rcia_meim statt des – am Morgen blichen – wa_qeim gewnscht und sich damit zum Gespçtt der Umstehenden gemacht. Der Text, vom Verfasser als ,Trostschrift fr ihn selbst‘ (paqaluh_am tim± 1laut`: Pro lapsu 1) bezeichnet, dient dem Zweck, im Nachhinein nicht nur seine Belesenheit und Wohlinformiertheit ber die Geschichte dieses Morgenwunsches zu demonstrieren, sondern den Spieß geradezu umzudrehen: Sein Morgenwunsch, wenngleich fehlerhaft, war im Grunde der bessere und segensreichere. Hingegen enthlt die Schrift kein Wort der Kritik an den Lachern. Im Soloecista lesen wir ein – zur Gnze paratextfreies – Gesprch zwischen Lykinos und einem als Sokoijist^r bezeichneten Dialogpartner, in dem Lykinos in sokratisch-elenktischer Manier nachweist, dass sein Gegenber, der behauptet, ein Sprachkritiker besonderer Gte zu sein und jede sprachliche Unrichtigkeit (Solçzismus) sofort zu bemerken, tatschlich gar nichts weiß und von Sprachrichtigkeit nichts versteht. Das wird zwar in aller Deutlichkeit und Direktheit zum Ausdruck gebracht, es fehlen aber alle Schlge unter die Grtellinie und jede Ausweitung des Vorwurfs hin zu dem gnzlicher Unbildung; vielmehr bleibt das Gesprch durchweg eng beim Thema. Drastik und Generalisierung von Vorwrfen scheinen mithin genuin zum Polemischen dazuzugehçren. Nher an der Polemik steht ein dritter Text mit erneut vergleichbarer Thematik: der Lexiphanes. Der ,Wçrter-Zeiger‘ hat in Konkurrenz mit der durch Platon und Xenophon verkçrperten großen Tradition ein Symposion verfasst,12 das er seinem Freund Lykinos vortrgt: ein attizistisches Machwerk, dessen einziger Zweck die mehr oder weniger zusammenhanglose Verwendung rarsten Wortmaterials ist, das zudem oft genug falsch oder unidiomatisch gebraucht wird. Lykinos ist entsetzt und beschließt, seinem Freund13 durch eine Therapie zu helfen. Unter Hinzuziehung des Arztes 12 Lexiphanes 1: !mtisulposi\fy t` )q_stymor [„I am counter-banqueting the son of Aristo“ (bersetzung nach A.M. Harmon. Keine deutsche bersetzung vorhanden)]. 13 Lykinos redet Lexiphanes wiederholt als ,Freund‘ an: vgl. Lexiphanes 1 (s}ccmyhi, § 2ta?qe [„Excuse me, my friend“ (bersetzung nach A.M. Harmon)]) und 18 (Keniv\mgm paqakab½m 2ta?qom, ¢r oWsha, Bl?m emta [„Do take charge of Lexiphanes here, who is my friend, as you know […]“ (bersetzung nach A.M. Harmon)]).

Form und Funktion von Polemik in den Schriften des Lukian von Samosata

63

Sopolis verabreicht er ihm ein Emetikum, das ihn alle pseudo-attischen Wçrter hervorwrgen lsst, und verordnet ihm dann eine Kur kanonischer Lektren. Whrend der erste Teil – der Vortrag des Symposions – fr den Kenner einfach nur komisch ist, trgt der zweite Teil – die Therapie – insofern polemische Zge, als er zwar die Verdchtigung genereller Unbildung vermeidet, aber doch, insbesondere bei der genauen Schilderung des Erbrechens, an Drastik nicht spart.14 Wre Lexiphanes nicht ausdrcklich Lykinos’ Freund, wrde die Stufe zur wirklichen Polemik wahrscheinlich schnell berschritten, und mit seinem letzten Satz scheint Lykinos eine solche Mçglichkeit auch anzudeuten: Cm d³ k\h,r awhir eQr tμm kiwme_am jatokish~m, 1lo· l³m !popepk^qytai B paqa_mesir, s» d³ seaut¹m aQti\s,, %m ce ja· num0r we_qym cem|lemor (Lexiphanes 25).15 Dieser Text versteht sich offensichtlich noch als (herbe) Parnese, der nchste Schritt kçnnte dann wohl nur noch entweder das Schweigen oder der Umschlag der Kritik ins Polemische sein. Das persçnliche Verhltnis zwischen Kritiker und Kritisiertem ist also ein weiterer Faktor, der fr die Genese von Polemik eine Rolle spielt. Der Unterschied zwischen Polemik und Zeitkritik, wie er eben bereits angesprochen wurde, lsst sich gut an zwei weiteren Texten Lukians festmachen. In Rhetorum Praeceptor wird einem jungen Adepten der Rhetorik von einem anonymen Sprecher zugesagt, in ganz kurzer Zeit zu einem Starredner werden zu kçnnen. Um das zu erreichen, solle er nicht den beschwerlichen Weg langsamer bung und mhseligen Lernens gehen, son14 pq_tom tout· t¹ l_m, eWta letû aqt¹ 1nek^kuhem t¹ jÇta, eWta 1pû aqto?r t¹ G dû fr ja· "lgc]pg ja· k`ste ja· d^pouhem ja· sumew³r t¹ %tta. b_asai dû flyr, ja· j\her eQr tμm v\qucca to»r dajt}kour. oqd]py t¹ Ujtaq 1l^lejar oqd³ t¹ sjoqdim÷shai oqd³ t¹ teut\feshai oqd³ t¹ sj}kkeshai. pokk± 5ti rpod]duje ja· lest^ soi aqt_m B cast^q. %leimom d] , eQ ja· j\ty diawyq^seiem #m 5mia7 B coOm sikgpoqd_a l]cam t¹m x|vom 1qc\setai sumejpesoOsa let± toO pme}lator. !kk’ Edg l³m jahaq¹r ortos· pkμm eU ti lel]mgjem rp|koipom 1m to?r j\ty 1mt]qoir (Lexiphanes 21). [„First, this ‘prithee’then after it ‘eftsoons’ has come up; then on their heels his ‘quoth he’ and ‘in some wise’ and ‘fair sir’ and ‘in sooth’ an his incessant ‘sundry.’ Make an effort, however; put your fingers down your throat. You have not yet given up ‘instanter’ or ‘pandiculation’ or ‘divagation’ or ‘spoliation.’ Many things still lurk in hiding and your inwards are full of them. It would be better if some should take the opposite course. Anyhow, ‘vilipendency’ will make a great racket when it comes tumbling out on the wings of the wind. Well, this man is now purged, unless something has remained behind in his lower intestines.“ (bersetzung von A.M. Harmon)] 15 „… but if you unwittingly slip back into your preciosity, I at least have done my part in advising you and you may blame yourself, if indeed you are conscious of deterioration.“ (bersetzung von A.M. Harmon)

64

Peter v. Mçllendorff

dern statt dessen vor allem auf ein gepflegtes ußeres achten, die wichtigsten attischen Wçrter memorieren und in seine Rede einstreuen, mçglichst zusammenhanglos, dafr aber dreist und frech daherreden, schließlich auch seine Lebensfhrung auf Hurerei und Gewalttat umstellen. Fr die Darlegung dieser Positionen lsst der Sprecher einen weiteren (ebenfalls anonymen) Rhetor auftreten, der jenen Weg selbst erfolgreich gegangen zu sein behauptet und mit all seinen aus Bildungssicht desastrçsen Defiziten prahlt. Es ist eigentlich erst sein Auftritt, der das, was der erste Sprecher zugesagt hat, als definitiv ironisch intendiert entlarvt; diese Ironie wird auch im kurzen Epilog nur ganz am Ende ins Explizite gewendet, wenn der Sprecher ankndigt, diesen zu erwartenden Erfolgen nicht im Weg stehen zu wollen, habe man doch selbst ihn bertroffen t` Nõstgm ja· pqam/ tqap]shai tμm bd|m (Rhetorum praeceptor 26).16 Der Text arbeitet also durchweg mit der schon bekannten polemischen Topik, die aus rhetorischen Defiziten auf generelle Bildungsschwche schließt und sie zum Vorwurf unmoralischer Lebensfhrung ausbaut, er prsentiert diese Topik aber in ironisch doppelt invertierter Form: Denn er gestaltet sie ja als Selbstlob und damit als Variante der Lobrede, des 1cj~liom, die wiederum in der rhetorischen Theorie mit der Polemik, dem x|cor, insofern eine Einheit bildet, als die Topoi des Tadelns in den rhetorischen Handbchern nicht eigenstndig, sondern nur in Umkehrung der Topoi der Lobrede entwickelt werden – jedoch als eine faktisch ja gesellschaftlich unmçgliche Variante. Will man nun aber einen Begriff von Polemik einigermaßen trennscharf bewahren, so schließt er die Verwendung, jedenfalls eine so ubiquitre und intensivierte Verwendung von Ironie aus. Denn Polemik – dies legt schon der (zugegeben: neuzeitliche) Begriff nahe – ist eine direkte Form der Attacke, die sich zum Zweck der Kritik gewiss auch einmal der Ironie bedienen kann, aber nicht ausschließlich ironisch – und also indirekt – gehalten sein kann. Der Text bewegt sich also offensichtlich im Grenzbereich zwischen Polemik und Satire, und dazu passt, dass man zwar stets den Eindruck hat, es sei eine bestimmte Persçnlichkeit gemeint, deren Identitt fr den zeitgençssischen Leser leicht entzifferbar gewesen sei, die Anonymitt aber doch gewahrt bleibt und auch kein Vorwurf so individualisiert zu sein scheint, dass man aus ihm – jedenfalls nach heutigem Kenntnisstand – den wirklichen Gegner herauslesen kçnnte. Einer insgesamt vergleichbaren, jedoch auf einer Intensittsskala von Polemik sicher tiefer stehenden Vorgehensweise bedient sich der Sprecher in dem geschichtstheoretischen Traktat Quomodo historia sit conscribenda. 16 „Dass ihr den leichtesten aller Wege beschritten habt: den abwrts.“ (bersetzung vom Autor)

Form und Funktion von Polemik in den Schriften des Lukian von Samosata

65

Auch dieser Text ist hochgradig ironisch, auch er geriert sich insgesamt eher als zeitkritisch, indem er die namentliche Nennung der schlechten Exempel zeitgençssischer Geschichtsschreibung vermeidet.17 Die Kritik bleibt aber sachlich und undrastisch, die Lebensfhrung der Gegner wird ausgespart, und damit ist ein wesentliches Charakteristikum Lukianischer Polemik nicht gegeben. Es kommt hinzu, dass fast die gesamte zweite Hlfte des Traktats – ab c. 33 – nur noch sekundr der Kritik, in erster Linie hingegen der konkreten Schreibanweisung zum Verfassen guter historiographischer Texte gewidmet ist. Eine solche positive Wirkabsicht wird man polemischen Texten definitorisch nur indirekt, im wahrsten Sinne des Wortes ex negativo, zugestehen wollen. Dass von den genannten fnf im engeren Sinne polemischen Schriften Lukians allein drei den Gegenstand ihrer Vorwrfe in der Anonymitt belassen, ist mit Blick auf die prsumptive Wirkung der Polemik gewiss erwhnenswert und diskussionswrdig. Ob eine Polemik, die dem Publikum eine Dechiffrierungsleistung abverlangt, wirkungsvoller ist als eine, die die Dinge unmittelbar beim Namen nennt, sei dahingestellt. Sicher wird man sagen drfen, dass die Notwendigkeit des Dechiffrierens das Publikum, das den Text als polemisch zu rezipieren in der Lage ist, von vornherein verkleinert, da hier einige Lektrekenntnis und eine gewisse Kennerschaft in historicis vorausgesetzt wird, die nicht jeder gebildete Leser und von diesen wiederum nicht jeder in vollem Umfang mitbringen wird. Vor dem Leser wird eine Bildungsschranke errichtet, und letztlich muss sich jeder Leser sagen, dass die hier geußerte Kritik in gewisser Weise auch ihn trfe, sollte er nicht fhig sein, sie genau zuzuordnen. Diese Zweischneidigkeit der Polemik – die sich auch daraus ergibt, dass die Chiffrierung die Gefahr in sich birgt, dass der Leser auf sie hereinfllt und womçglich seiner Entzifferung dessen, was letztlich doch bloß Fiktion war, Glauben schenkt – reduziert m. E. die 17 Im Laufe der Darstellung werden einzelne Autoren mit Namen genannt: Jqep]q,or Jakpouqmiam¹r Poglpgzoupok_tgr (15), Jakk_loqvor (16), )mtiowiam|r (30), Dgl^tqior Sacakasse}r (32). Es ist in der Forschung aber weiterhin umstritten, ob es sich hier um erfundene Namen oder um vom Sprecher vergebene Pseudonyme handelt; im letzteren Falle ist obendrein unklar, ob solche Pseudonyme die Identitt der Gemeinten wirklich kaschieren oder ob sie durchschaut werden sollten, womçglich gar in besonderer Weise witzig waren. Darber hinaus zitiert der Sprecher ausgiebig aus den von ihm inkriminierten Texten: Keines dieser Zitate ist uns aber aus anderen Kontexten bekannt. Auch hier muss offen bleiben, ob uns jene Texte einfach nur nicht erhalten sind, ob Lukian sie zum Zweck der Illustration des Gemeinten erfunden und sie allgemein im Stile zeitgençssischer historiographischer Machwerke gehalten hat, oder ob es sich schließlich vielleicht sogar um Parodien von dem Publikum bekannten Texten handelt.

66

Peter v. Mçllendorff

Stoßkraft der Kritik, weil sie die potentiellen Stoßrichtungen vermehrt. Die Anonymitt der Vorwrfe verndert darber hinaus das Verhltnis zwischen Subjekt und Publikum der Polemik insofern, als selbst dann, wenn der Leser belastbar richtig dechiffriert, sich aus der Namenlosigkeit eine gewisse Generalisierung der Vorwrfe ergibt. Der Leser beginnt obendrein daran zu zweifeln, auf welcher Seite er besser aufgehoben ist. Denn nicht nur kçnnte der Verfasser der Polemik ja mçglicherweise auch ihn bloßstellen, sondern der Leser kann sich außerdem fragen, warum der Autor eigentlich dieses Anonymisierungsverfahren whlt: Will er die direkte Attacke aus Furcht vermeiden? Das wre geradezu ehrenrhrig, und es wrde der polemischen Wirkung gewiss Abbruch tun, wenn ihr Verfasser als feige gelten msste. Distanziert sich der Autor von seinem Sprecher? Dann wre eher eine sophistische Kultur der Polemik Gegenstand der Kritik, die Texte wrden sich dann als Satire auf den agonalen sophistischen Betrieb in seiner ganzen Aggressivitt, wie er uns aus den Schilderungen in Philostrats Sophistenviten so lebendig entgegentritt, erweisen; und Lukian unterstellt ja in seinem Traktat ber die Verleumdung auch dem Verleumder eine ganze Reihe potentieller sachfremder Motive, die samt und sonders auch fr den Polemiker und die Erklrung seines Tuns Gltigkeit besitzen kçnnen: Eifersucht auf den Geschmhten, der die gleiche Profession betreibt, Vorteilsgewinnung im Wettbewerb, schließlich Ablenkung von eigenen Fehlern oder eigener Schuld. Intendiert der Autor eine teilsatirische, auf die Gesamtheit der Vertreter der jeweils inkriminierten einzelnen Profession zielende Wirkung? Dann kann man nicht mehr im eigentlichen Sinne von Polemik sprechen. Mçglicherweise ist die Lçsung aber auch von radikaler Einfachheit. Die Anonymisierung hinterließ ja selbst dann, wenn sie fr den zeitgençssischen Leser letztlich zu durchschauen war, einen letzten Zweifel. Und dieser Zweifel musste es der angefeindeten Person unmçglich machen, auf die Polemik zu reagieren, denn damit htte sie ja diesen letzten Rest an Protektion, die in der Anonymitt lag, selbst beiseite gerumt, htte zugegeben, dass sogar sie selbst sich in der Schilderung wiedergefunden habe, und damit der Attacke geradezu den Anschein von Legitimitt verliehen. Tatschlich kçnnte Lukians Intention darin bestanden haben, seine Feinde mundtot zu machen, ihnen die Mçglichkeit der Verteidigung zu rauben. Und damit wrde sich dann seine Polemik der von ihm selbst doch mit so hehren Worten in seinem Traktat gegen die Verleumdung zurckgewiesenen diabok^ nhern, deren Besonderheit ja in Lukians eigener Definition gerade in ihrer Heimlichkeit und Hinterhltigkeit besteht.

Form und Funktion von Polemik in den Schriften des Lukian von Samosata

67

3. Besondere Gestaltungsformen der Polemik bei Lukian Es bleiben zwei Texte zu besprechen, die zu den bislang behandelten Polemiken in mancher Weise quer stehen: die Attacken gegen den falschen Propheten Alexander zum einen, gegen den falschen Philosophen Proteus Peregrinus zum anderen. Im Unterschied zu den brigen Schriften, von denen bisher die Rede war, sind hier die beiden Gegner von Anfang an namentlich genannt und darber hinaus historisch verifizierbar. Darber hinaus liefert der Sprecher eine ganze Reihe biographischer Details, seine Vorwrfe sind sehr konkreter Natur und berufen sich auf den Augenschein. Eine eindringliche Variation der polemischen Form liegt zudem darin vor, dass die Auseinandersetzung als Erzhlung gegeben wird: Im Alexander sive Pseudomantis schildert Lukian Leben und Karriere des Priesters Alexander von Abonoteichos und entlarvt ihn als Scharlatan, der seinen Ruhm als Prophet des Schlangengottes Glykon Taschenspielertricks und psychologischer Raffinesse, aber auch skrupellosen Versuchen der physischen Vernichtung seiner Gegner – darunter Lukian selbst – verdanke. De morte Peregrini hingegen schildert die Vorgnge um die Selbstverbrennung des Proteus Peregrinus in Olympia zur Zeit der Festspiele von 165 n. Chr.; diese Schrift bietet die wohl raffinierteste Gestaltung von Polemik in Lukians Werk. Der narrative Charakter beider Schilderungen erlaubt es uns, Lukians Darstellung unmittelbar zu den Anweisungen der rhetorischen Theorie zur Abfassung von Tadelreden ins Verhltnis zu setzen. Wie bereits gesagt, orientieren diese sich gnzlich an den rhetorischen Vorgaben fr die Enkomiastik, indem sie die dort vorgesehenen einzelnen Topoi des Lobens semantisch in ihr Gegenteil verkehren. Die Enkomiastik sieht fr das rhetorische Lob einer Person sechs (inhaltliche) Teile vor;18 ich setze tabellarisch daneben die jeweilige Ausfllung in den beiden Schriften Lukians:19

18 Vgl. die standardisierte Form dieser Disposition bei Aphthonios, Rhetores Graeci, 2,36,7 – 19. 19 Dabei sind inhaltlich variierte Ausfllungen der Disposition jeweils kursiviert.

68

Peter v. Mçllendorff

Aphthonios

Lukian, Alexander

Lukian, Peregrinus

pqoo_liom

1 – 2: Widmung an Kelsos, Mhe der Arbeit, Unangemessenheit des Gegenstandes

1 – 3: Gruß an Adressaten Kronios, Absurditt der Selbstverbrennung, Behauptung der Autopsie. Einfhrung in die Szenerie zu Elis: Auftritt des Kynikers Theagenes mit einer Lobrede auf Peregrinus (4 – 6) sowie eines zweiten, anonymen, Redners mit einer Tadelrede auf Peregrinus (7 – 30).

[Vorrede mit Einfhrung in das Thema; klassische Topik des attentos, dociles, benevolos facere] c]mor

[Lob mit Blick auf Herkommen und Taten der Vorfahren]

!matqov^

[Lob mit Blick auf Ausbildung, Lehrer etc.]

pq\neir

[Lob aufgrund großer Taten und Leistungen, die das berragende Naturell des Gelobten zum Ausdruck bringen]

3 – 4: [fehlt; vgl. aber 43 – 45 mit zwei der Beschreibung von Charakterisierung dienenden Anekdoten] Aussehen und Charakter 10 f.: Alexanders Behauptung seiner Abkunft von Asklepios und Perseus 5: Ausbildung bei einem Scharlatan aus Tyana; verwerfliche sexuelle Lebensfhrung

Im Rahmen der Tadelrede des anonymen Redners: 9 – 10 [sexuelle Perversionen in seiner Jugend, Ermordung seines eigenen Vaters]

6 – 60: Taten des Alexander bis zu seinem schmhlichen Tod

Im Rahmen der Tadelrede des anonymen Redners: 11 – 20 [Leben bei den Christen und Ausnutzen ihrer Brderlichkeit, Einkerkerung und Freilassung, Loskaufung vom Verdacht des Vatermordes durch Spende seines Erbes, Ausweisung aus Italien, Askese in gypten, Versuch der Rckgngigmachung der Spende, Hinwendung zum Kynismus, Lob und Tadel der elischen Wasserleitung des Herodes Atticus an zwei aufeinanderfolgenden Olympiaden.] Im Rahmen des Berichts des Erzhlers: 31 – 36 [Die Selbstverbrennung des Peregrinus]

Form und Funktion von Polemik in den Schriften des Lukian von Samosata

Aphthonios

Lukian, Alexander

2 (Ruber [Lobenswertheit Tilliboros), 25, im Vergleich mit 43 – 47 anderen] (Kontrastierung mit Epikur und seiner wahren Weisheit) s}cjqisir

1p_kocor

[Schlusswort: Zusammenfassung, abschließende hohe Wrdigung]

61: Apostrophierung des Kelsos. Absicht des Werks: Geflligkeit fr K., Rache fr den von Alexander geschmhten Epikur, Nutzen fr alle Leser

69

Lukian, Peregrinus 1 (Empedokles). Im Rahmen der Lobrede des Theagenes (4 – 6): Herkules, skulap, Dionysos, Empedokles [Todesart] Diogenes, Antisthenes, Sokrates, Zeus [Leben und Wirken] Im Rahmen der Tadelrede des anonymen Redners: 21 – 30 [Reflexion ber den Sinn der angekndigten Selbstverbrennung] Im Rahmen des Berichts des Erzhlers: 37 – 42 [Reflexion ber die Folgen der stattgefundenen Selbstverbrennung; Erzhlung von der Gutglubigkeit des Publikums] 43 – 45 [zwei anekdotische Nachtrge zur wahren Wesensart des Peregrinus; s. o. zu c]mor]

Der Alexander fllt, wie unmittelbar zu sehen, das Handbuch-Schema einfach und weitgehend aus. Die zunchst zu fehlen scheinenden Ausfhrungen zu Herkunft und Familie werden ersetzt durch eine polemische Gegenberstellung von bestechendem Aussehen und minderwertigem Charakter; dadurch gelingt es Lukian, ein spezifisches Faszinosum des Propheten, sein glanzvolles ußeres, gleich zu Beginn zu desavouieren. Im Gegensatz zu vielen anderen kleinasiatischen Priestern konnte Alexander keine noble und weit zurckreichende Abstammung vorweisen.20 Er ersetzte sie offensichtlich in prtentiçser Weise durch die Behauptung, von Asklepios und Perseus abzustammen, und Lukian konnte sich berechtigt fhlen, diese Vorgehensweise – mit der sich Alexander womçglich nur gegen einen gesellschaftlichen Erwartungsdruck wehrte, sich seiner gleichzeitig aber auch bediente – unter die Rubrik der tadelnswerten ,Handlungen‘ zu subsumieren. Keinen eigenen Platz erhlt auch der Topos des Vergleichs, aber Lukian hat doch darauf geachtet, ihn einem – im Vergleich mit ihm dann doch nur zweitrangigen – Verbrecher (2) zum einen, zum anderen aber zumindest implizit dem Grndervater der ihm offensichtlich kritisch ge20 Vgl. Lukian von Samosata, Alexandros oder Der Lgenprophet, eingeleitet, herausgegeben und bersetzt von U. Victor, 36 f.

70

Peter v. Mçllendorff

sonnenen Epikureer (25 u. 43 – 47) gegenberzustellen, also einen Vergleich sowohl ex negativo als auch ex positivo zu unternehmen. Selbst hat sich Alexander – wie Lukian immer wieder hervorhebt – anscheinend des çfteren mit Pythagoras verglichen, in Lukians Augen natrlich zu seinem eigenen Schaden. Am Alexander lsst sich hervorragend beobachten, wie geschickt Lukian die Verwendung polemischer Topoi mit historisch verifizierbaren Details vermischt; hinzu kommt das zeitgemße Bestreben „de faire une œuvre littraire conforme aux lois du genre“.21 Entsprechend differieren in der Forschung die Ansichten ber seine Glaubwrdigkeit, die von der Wertung als „polemisch gefrbter […] Tatsachenbericht“, dem weniger in seiner Faktizitt als in seinen Wertungen zu misstrauen sei,22 bis zu klarer Zurckweisung als mehr oder weniger rein literarische Konstruktion reichen.23 In der Tat besitzen nun eine ganze Reihe von Vorwrfen einen literarischen Stammbaum. Die Vorwrfe der niederen Geburt (wie er sich im Umkehrschluß aus Alexanders Behauptung, von Gçttern abzustammen, ergibt), mangelnder Bildung, defizitrer Sitten, der allgemeinen Unehrenhaftigkeit und des Mordes – Motive, die wir teilweise oder zur Gnze auch in den oben behandelten Texten, insbesondere in Adversus indoctum und in Rhetorum praeceptor, finden – sind samt und sonders bereits aus den Fragmenten der archaischen Iambiker (Archilochos, Hipponax), aus der Alten Komçdie (Aristophanes), schließlich aus den attischen Rednern des spten 4. Jhs. n. Chr. (Demosthenes, Aischines) bekannt.24 Man wird von daher die 21 Caster, tudes sur Alexandre ou Le Faux Proph te de Lucien, 83. 22 Lukian von Samosata. Alexandros oder Der Lgenprophet, eingeleitet, herausgegeben und bersetzt von U. Victor, 17 f. 23 Caster, tudes sur Alexandre ou Le Faux Proph te de Lucien, 85 f. 24 Caster, tudes sur Alexandre ou Le Faux Proph te de Lucien, 84 differenziert die Motive – jeweils mit Referenzen aus Demosthenes und Aischines – wie folgt: „la condition d’esclave de l’adversaire, ou de ses parents; son origine barbare; le mtier de ses parents; le vol sous toutes ses formes, jusqu’ l’andrapodisme; les mauvaises mœurs: l’adversaire est sducteur, adult re, pilier de maison close, prostitu, incestueux, amant des vieilles, et prostitue sa femme; le caract re insociable; le mpris de la famille allant jusqu’au parricide; l’affectation de srieux cachant des dbauches ignobles; le mpris de la cit et la l chet la guerre; la mauvaise tenue (dmarche et habillement); la prodigalit sans frein.“ Vgl. des weiteren Caster, tudes sur Alexandre ou Le Faux Proph te de Lucien, 85 f. fr die Verwendung dieser Topoi in den brigen Polemiken Lukians. Die Ausfhrungen des Sprechers in Pseudologista greifen explizit und auch tatschlich auf Archilochos zurck: Vgl. Pseudologista 1 f. Einen guten und ausfhrlichen berblick ber die literarische Tradition der Verunglimpfung und ihre topischen Motive im einzelnen bietet Sss, Studien zur lteren griechischen Rhetorik, 243 – 267, der sich allerdings fast ganz auf die vor-

Form und Funktion von Polemik in den Schriften des Lukian von Samosata

71

Wahrhaftigkeit solcher Vorwrfe stets mit einem Fragezeichen versehen. Auf der anderen Seite kann nicht geleugnet werden, dass eine solche Polemik, selbst wenn sie sich einer literarischen Topik bedient – und man darf nicht vergessen, dass nicht das komplette Motivrepertoire der Lukianischen Polemiken topischer Natur ist –, doch durch die Art und Weise, wie diese Topoi mit biographischen Daten und mit dem tatschlichen Erscheinungsbild und Auftreten des Geschmhten verbunden werden, dann auch dadurch, wie die einzelnen Topoi zueinander ins Verhltnis gesetzt und fr sich ausgearbeitet werden, ein bestimmtes Persçnlichkeitsbild entstehen lsst, dessen Authentizitt auch durch den Stil der Darstellung vermittelt wird. Dies kann durch ganz gegenstzliche Verfahren geschehen. Whrend der Polemiker in Adversus indoctum und in Pseudologista vor lauter Zorn gar nicht recht in der Lage zu sein scheint, seine Gedanken zu ordnen,25 und whrend er in De morte Peregrini an das Ende des Epilogs noch zwei weitere Anekdoten anhngt (De morte Peregrini 43 – 45) und so implizit den Eindruck vermittelt, ihm ginge der Mund ber und er kçnne vor Erregung und Lachen gar kein Ende finden, folgen seine Ausfhrungen im Alexander, wie gezeigt, einer klaren und vorhersehbaren Gliederung, bleiben sehr nchtern – man vergleiche etwa die direkten Beschimpfungen in Adversus indoctum und Pseudologista oder die beißende Ironie in Rhetorum Praeceptor mit den deutlichen, aber doch zurckhaltenden und vor allem auf Dokumentation und Plausibilisierung zielenden Erklrungen im Alexander – und entsprechen, jedenfalls in ihrem Charakter, geradezu Lukians eigenen Maximen in De historia conscribenda. 26 Dazu passt in Adversus indoctum und Pseudologista auch der unvermittelte Beginn, der einen Zornausbruch simuliert und damit dem Sprecher in den Augen der Leser das Ethos der Unverstelltheit verleiht. Ein anderes Mittel der Darstellung, dessen sich Lukian vor allem in Adversus indoctum bedient, ist die Illustration des Gesagten mithilfe von despekchristliche Zeit beschrnkt. Zur Tradition des Spottens in der archaischen Iambik vgl. Rosen, Old comedy. Zur inhaltlich noch differenzierten, insbesondere um politische Aspekte erweiterten namentlichen Schelte (amolast· jyl\de?m) bei Aristophanes vgl. Moellendorff, Aristophanes, 173 – 180 und Sommerstein, How to avoid being a komodoumenos. Zu den Topoi Ciceronianischer Invektive vgl. Nisbet, M. Tulli Ciceronis In L. Calpurnium Pisonem Oratio, 192 – 197, zu einem Beispiel fr Polemik in sptantiker Literatur Levy, Claudian’s In Rufinum and the Rhetorical X|cor. 25 Allenfalls in Pseudologista vermag man noch grob die Reste einer rhetorischen dispositio zu erkennen. 26 Vgl. Lukian von Samosata. Alexandros oder Der Lgenprophet, eingeleitet, herausgegeben und bersetzt von U. Victor, 21 – 26.

72

Peter v. Mçllendorff

tierlichen, mit dem Geschmhten zunchst gar nicht zu assoziierenden Anekdoten, die zum Vergleich herausfordern, entschieden atopisch sind und dadurch den Gegenstand der Kritik vielfltig beleuchten. Die einzelnen Implikationen des Vergleichs bleiben dabei dem Leser anheimgestellt, der sich somit an der Konstruktion des polemischen Bildes aktiv beteiligt und auf diese Weise indirekt auf die Seite des Polemikers gezogen wird.27 Was also wirkt, ist nicht die konkrete topische Behauptung einzelner Laster, sondern die spezifische Prsentation der aus der Bildungstradition an sich bekannten Topoi, der gewhlte Darstellungsstil und die besondere Verknpfung mit dem Faktenmaterial. Umgekehrt erwartet der gebildete Leser angesichts der Prmissen der paidea-Kultur vom Polemiker die Verwendung der Topoi; sie fhrt ihn allerdings nicht zu der Annahme, durch ihren Einsatz in einen sozial unverbindlichen literarischen Außenraum versetzt zu werden. Eine nochmals ganz andere – und die vielleicht, was ihre Komposition betrifft, gelungenste – Variante der Polemik bietet Lukians (prsumptiver) Augenzeugenbericht De morte Peregrini. Die Berichterstattung konzentriert sich auf die Umstnde der Selbstverbrennung des Peregrinus Proteus selbst und bietet den biographischen Hintergrund – dessen Entfaltung ja im Alexander ganz im Vordergrund steht, die in der unmittelbaren Konfrontation des Titelhelden mit seinem polemischen Gegner Lukian nur einen Hçhepunkt findet – nur in Form eines Referats durch einen anonymen Redner.28 Durch die eindringliche Entfaltung der Szenerie und die weitgehende Informationsvermittlung durch Monologe und dialogische Partien, schließlich durch den hohen Anteil von Handlungsschilderung gewinnt die Darstellung einen geradezu dramatischen Charakter, mit Peregrinos als dem tragikomischen Protagonisten.29 Grundstzlich gilt hier, wie im Falle des Alexander, dass Peregrinus realiter eine beeindruckende Gestalt, geradezu ein he?or !m^q, gewesen sein muss:30 Lukians Polemik zielt auf die „Transformation eines sein Auftreten und die Massen kontrollierenden Charis27 In den 29 Abschnitten von Adversus indoctum werden insgesamt auf elf Abschnitte verteilt acht Anekdoten unterschiedlicher Lnge erzhlt (6, 8 – 10, 11 – 12, 13, 14, 15, 19, 21); zusammen mit den zahlreichen anderen krzeren literarischen Querverweisen macht das fast die Hlfte des gesamten Textes aus. 28 Zu weiteren darstellerischen Unterschieden in Alexander und De morte Peregrini vgl. Hansen, Lukians Peregrinos, 139 – 143. 29 Vgl. hierzu Hansen, Lukians Peregrinos, 143 – 149, der auch die Omniprsenz von theatraler Metaphorik aufschlsselt, und Gerlach, Die Figur des Scharlatans bei Lukian, 170. 30 Vgl. die konzise Beschreibung und Einordnung der entsprechenden Charakteristika bei Gerlach, Die Figur des Scharlatans bei Lukian, 173 f.

Form und Funktion von Polemik in den Schriften des Lukian von Samosata

73

matikers in die jmmerlich-komische Gestalt eines durch die Furie der Ruhmsucht getriebenen armen Irren“.31 Da die spezifische Theatralitt des Textes und seine Einordnung in den soziokulturellen Kontext in der Forschung gut aufgearbeitet sind, beschrnke ich mich hier auf einen etwas ausfhrlicheren Blick auf seine Komposition und damit auf seine Stellung innerhalb der literarischen Gattung ,Polemik‘. Die Wahl der Technik, wesentliche Topoi der polemischen Attacke auf einen internen Sprecher zweiter Ordnung auszulagern, der hier als anonymer çffentlicher Redner auftritt, erinnert an das hnliche Verfahren in Rhetorum Praeceptor; die Pointierung besteht hier darin, dass es sich nicht um eine fingierte Rede handelt – wie es in Rhetorum Praeceptor explizit der Fall ist –, sondern um einen realen Auftritt. Abgehandelt werden in dieser Rede die nun hinlnglich bekannten Motive der sexuellen Ausschweifung, des Mordes und des Betruges; sie werden den historischen Fakten des Lebens bei den Christen, der Ausweisung aus Italien, der Askese in gypten und der widersprchlichen Auftritte in Olympia sozusagen als Jugendsnden vorangestellt und decken damit den Repertoirepunkt der ,Ausbildung‘ ab. Vergleichbare Biographien werden in erster Linie durch Theagenes, den vehementen Befrworter des Peregrinus, geliefert, allerdings in so kondensierter Form, dass diese nicht mehr weiter begrndete Anhufung von insgesamt acht großen Namen der antiken Kulturgeschichte, davon vier Gçtter, Theagenes’ Darstellungsabsicht eher konterkariert; so raffiniert verwandelt Lukian das, was eigentlich als Enkomion gemeint war, in die gewnschte Tadelrede, die umso wirkungsvoller ist, als von so gedankenloser Anbetung kein gutes Licht auf den Verehrten fllt; zugleich bildet diese Passage ein ringkompositorisches Analogon zu Lukians Bericht von seinem Pseudo-Enkomion in De morte Peregrini 37 – 42, indem er fr leichtglubige Festbesucher die Himmelfahrt des Peregrinus erfindet. Ebenso kunstvoll ist der Epilog arrangiert. Hier rahmt Lukian den Bericht von der Selbstverbrennung (De morte Peregrini 31 – 36) durch zwei auf verschiedene Redner verteilte Reflexionen ber den Sinn und die Folgen dieser Aktion, wodurch er die statische rhetorische Gliederung geschickt auflockert: Der wesentliche Teil der ,Taten’ wird so eng mit dem Epilog verschrnkt, und zugleich wird er auf zwei Sprecher verteilt, von denen der eine als Redner auftritt, der andere als Augenzeuge berichtet. Lukian verzichtet auch in dieser Polemik nicht darauf, dem ganzen Geschehen einen satirischen Anstrich zu geben, indem er den polemischen Fokus auf die Allgemeinheit ausweitet, die nur allzuleicht auf Scharlatane 31 Gerlach, Die Figur des Scharlatans bei Lukian, 171.

74

Peter v. Mçllendorff

hereinfllt, und wie im Alexander, wo er dem Titelhelden bei der Begrßung in die Hand beißt, schreckt er auch hier nicht vor tatschlicher Einmischung zurck: Er verbreitet bei Zusptkommenden das Gercht, er habe Proteus’ Seele in den Himmel auffahren sehen, und genießt es, seine Geschichte in noch verstrkter Variation kurz darauf von einem angeblichen Augenzeugen wiedererzhlt zu bekommen; dass ein solches Verhalten selbst schon an Scharlatanerie grenzt, hat Gerlach zu Recht hervorgehoben,32 und man drfte wohl berechtigt sein, hierin einen Hçhepunkt des polemischen Gestaltungswillens zu sehen, der vor der Selbstdesavouierung nicht zurckschreckt, wenn es nur dem polemischen Zweck – dass die Leichtglubigkeit seiner Anhnger Peregrinus’ Anspruch auf Seriositt noch mehr schadet – dient. Als letzte Pointe sei schließlich hervorgehoben, dass Lukian in De morte Peregrini auch das Problem der Abgrenzung der Tadelrede von der diabok^ aufgreift, indem zwar die Lobrede auf Peregrinus von einem namentlich genannten Kyniker gehalten wird (Theagenes), die Tadelrede aber von einem anonymen Lacher vorgetragen wird, dessen Anonymitt ausdrcklich in De morte Peregrini 31 betont wird. Nachdem er seine Rede beendet hat und lachend von der Rednertribne heruntergestiegen ist, versucht Theagenes noch, ihn in einer neuerlichen Rede schlecht zu machen, die aber verweigert uns Lukian explizit, so dass also unmittelbar vorgefhrt wird, wie dem Geschmhten, bzw. hier seinem Befrworter, die Mçglichkeit zur Verteidigung abgeschnitten wird,33 was durch die Namenlosigkeit des Sprechers noch forciert wird. Tatschlich liegt hier die raffinierte Konstruktion einer çffentlichen Verleumdung vor – nach Lukians eigenen Ausfhrungen in seinem Traktat ber die diabok^ eigentlich eine contradictio in adiecto. Ganz offensichtlich intendiert Lukian in De morte Peregrini also nicht nur wirkungsvolle Polemik, sondern auch die Perfektionierung eines Genres, das hier in einem Gattungsexemplar vorgelegt wird, das die definitorischen Nebengattungen – das Enkomion, die diabol – zu integrieren und fr seine Zwecke zu operationalisieren vermag. In Lukians Polemik geht es also offensichtlich nicht nur um die Sache als solche, sondern auch um ihre konstruktive literarische Weiterentwicklung.34 32 Vgl. Gerlach, Die Figur des Scharlatans bei Lukian, 175, der von einem „manipulatorischen Eingriff in die Legendenbildung“ spricht. 33 Zu zwei weiteren hnlichen Passagen vgl. Gerlach, Die Figur des Scharlatans bei Lukian, 171 f. 34 Damit eifert Lukian womçglich einem seiner großen literarischen Vorbilder, Aristophanes, nach; vgl. Moellendorff, Die Zungenfertigkeit des Komçdiendichters.

Form und Funktion von Polemik in den Schriften des Lukian von Samosata

75

Literatur Textausgabe und bersetzungen Harmon, A.M., Kilburn, K., Macleod, M.D., Lucian in eight volumes, with an English introduction, London, 1913 – 67. Macleod, M.D., Luciani Opera, 4 Bnde, Oxford 1972 – 80. Lukian. Gegen den ungebildeten Bchernarren, ausgewhlte Werke, bersetzt von P. von Mçllendorff, Dsseldorf/Zrich 2006. Nisbet, R.G.M., M. Tulli Ciceronis In L. Calpurnium Pisonem Oratio, Oxford 1961. Lukian von Samosata. Alexandros oder Der Lgenprophet, eingeleitet, herausgegeben und bersetzt von U. Victor, Leiden u. a. 1997. Lukian. Werke in drei Bnden. Dritter Band, bersetzt von C.M. Wieland, herausgegeben von J. Werner und H. Greiner-Mai, Berlin/Weimar 1974.

Weitere Literatur Caster, M., tudes sur Alexandre ou Le Faux Proph te de Lucien, Paris 1938. Gerlach, J., Die Figur des Scharlatans bei Lukian, in: Pilhofer, P., Baumbach, M., Gerlach, J., Hansen, D.U. (Hg.), Lukian. Der Tod des Peregrinos. Ein Scharlatan auf dem Scheiterhaufen, Darmstadt 2005, 151 – 197. Hansen, D.U., Lukians Peregrinos: Zwei Inszenierungen eines Selbstmordes, in: Pilhofer, P., Baumbach, M., Gerlach, J., Hansen, D.U. (Hg.), Lukian. Der Tod des Peregrinos. Ein Scharlatan auf dem Scheiterhaufen, Darmstadt 2005, 129 – 150. Koster, S., Die Invektive in der griechischen und rçmischen Literatur, Meisenheim 1980. Lausberg, H., Handbuch der literarischen Rhetorik. Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft, Stuttgart 1990. Levy, H.L., Claudian’s In Rufinum and the Rhetorical X|cor, in: TAPhA 77 (1946), 56 – 65. Mçllendorff, P. von, Aristophanes, Hildesheim 2002. Mçllendorff, P. von, Die Zungenfertigkeit des Komçdiendichters. Spott, Oralsex und Metapoetik in den Wespen des Aristophanes, in: Ercolani, A. (Hg.), Spoudaiogeloion. Form und Funktion der Verspottung in der aristophanischen Komçdie, Stuttgart 2002, 299 – 316. Rosen, R., Old comedy and the iambographic tradition, Atlanta 1988. Sommerstein, A.H., How to avoid being a komodoumenos, in: CQ 46 (1996), 327 – 356. Stauffer, H., Art. Polemik, in: Historisches Wçrterbuch der Rhetorik 6 (2003), 1403 – 1415. Stenzel, J., Rhetorischer Manichismus. Vorschlge zu einer Theorie der Polemik, in: Worstbrock, F.J., Koopmann, H. (Hg.), Formen und Formgeschichte des Streitens – Der Literaturstreit, Tbingen 1986, 3 – 11. Sss, W., Studien zur lteren griechischen Rhetorik, Leipzig/Berlin 1910.

Formen und Funktionen der Polemik in Josephus’ ,Contra Apionem‘ Michael Tilly 1. Einleitung Flavius Josephus (37/38–ca. 100 n. Chr.) gilt als die bedeutendste jdische Schriftstellerpersçnlichkeit der Antike. Sein literarisches Werk ist fr die Erhellung der Geschichte und Religion des Judentums in der hellenistischrçmischen Zeit von beraus großem Wert. Seine literarischen Hauptanliegen bestanden in der Verteidigung des Judentums und in der religiçsen Interpretation der Tradition seines Volkes fr die Zeit nach der Zerstçrung des Zweiten Tempels im Jahre 70 n. Chr. Als letzte uns erhaltene Schrift verçffentlichte Josephus am Ende des 1. Jh. n. Chr. eine stringent durchdachte literarische Verteidigung des Judentums Contra Apionem („Gegen Apion“ = Ap.),1 in der er sich gegen die verflschende Bçswilligkeit paganer judenfeindlicher Autoren bei der Darstellung des jdischen Volkes, seiner Geschichte, seiner Religion und seiner berlieferungen zur Wehr setzte, indem er danach trachtete, sie einerseits gravierender Fehler zu berfhren (nmlich der mangelnden bereinstimmung, der fehlenden Wahrheitsliebe und des geringen Alters ihrer Quellen) und andererseits aus der theologisch begrndeten Eigenart des Judentums seine Vorbildlichkeit zu erweisen.2 Die intendierten Adressaten der apologetischen Schrift, vor allem nichtjdische rçmische Leser aus der gebildeten Oberschicht,3 sollten ein Bild des Ju-

1 2 3

Vgl. Labow, Flavius Josephus Contra Apionem; Barclay, Against Apion; Siegert, Protreptik und Polemik bei Josephus; ders. (Hg.), Flavius Josephus, ber die Ursprnglichkeit des Judentums. Vgl. Meiser, Frhjdische und frhchristliche Apologetik. Zur Diskussion um den Charakter der Schrift als Apologie vgl. Gerber, Ein Bild des Judentums fr Nichtjuden von Flavius Josephus. So Barclay, Judaism in Roman Dress; Siegert (Hg.), Flavius Josephus, ber die Ursprnglichkeit des Judentums, 12. Vgl. Mason, The Contra Apionem in Social and Literary Context, 222: „The work means to encourage potential converts to Judaism“, sowie Kasher, Polemic and Apologetic Methods of Writing in Contra Apionem,

78

Michael Tilly

dentums als eines alten und ehrwrdigen Volkes erhalten, dessen berlieferungen und Gesetze mit den eigenen Traditionen und Konventionen positiv bereinstimmen.4 Der erste Abschnitt des vorliegenden Beitrags zur Polemik in Contra Apionem enthlt zunchst einfhrende Darlegungen zur polemischen Redeweise des Josephus und zum inhaltlichen Aufbau seines Werkes. Im zweiten Abschnitt folgt eine Zusammenstellung der polemischen Angriffe und Behauptungen seiner literarischen Gegner. Der dritte Abschnitt fragt nach den Personen und Personengruppen, auf die die Gegenangriffe des Josephus abzielen. Im vierten Abschnitt werden die Formen und Inhalte der polemischen Entgegnungen und Vorhaltungen des jdischen Autors ausfhrlich untersucht. Der abschließende fnfte Abschnitt fragt auf der Grundlage des bisher Erkannten danach, welche argumentativen und bergeordneten politischen und religiçsen Ziele er dabei verfolgt. Es ist zu zeigen, dass Josephus sich bei seiner Polemik in bemerkenswert geschickter Weise die Ressentiments und Aversionen seines Lesepublikums zunutze macht und sie zugunsten des Judentums und seiner eigenen Person instrumentalisiert. Josephus macht in Contra Apionem nicht nur Gebrauch von sachlicher, informativer und aufklrender Belehrung (der Begriff !pokoc¸a begegnet erst in Ap 2,147), sondern durchweg auch von unsachlicher Polemik als einem rhetorischen und literarischen Instrument5 der Ablehnung, der abwertenden Darstellung und der parteiischen Delegitimierung der abweichenden oder differenten Traditionen, Praktiken und Positionen seiner Konkurrenten und Opponenten.6 Seine polemische Schreib- und Argumentationsweise ist jedoch (unbeschadet ihrer mitunter drastischen und aggressiven Formen und Inhalte) keinesfalls als Ausdruck eines spontanen oder gar unreflektierten Gefhlsausbruchs des antiken Autors zu bewerten. Sie entspricht vielmehr der zeitgençssischen literarischen Konvention bzw. forensischer Rhetorik.7 Im sprachlichen Gewand einer persuasiven Ge-

4 5 6 7

151: „Contra Apionem was intended to debate with the followers of Apion in Roman society.“ Barclay, Judaism in Roman Dress, 233. Zur religiçsen Polemik vgl. grundlegend Cancik, Art. Apologetik/Polemik; Scornaienchi, Art. Polemik. Vgl. Attridge, Josephus and His Works, 227; Kasher, Polemic and Apologetic Methods of Writing in Contra Apionem, 143. Vgl. Feldman, Flavius Josephus Revisited, 858. Zur antiken professionellen Redekunst und zur politischen, juristischen und rhetorischen Polemik vgl. Schmidt, Sthlin, Geschichte der griechischen Literatur, 469 – 479; Martin, Antike Rhetorik. Technik und Methode, 124 – 126; Johnson, The New Testament’s Anti-Jewish

Formen und Funktionen der Polemik in Josephus’ ,Contra Apionem‘

79

richts- bzw. Verteidigungsrede zielt sie – in externer Hinsicht – auf die Abgrenzung und Durchsetzung des eigenen Standpunkts gegenber der gebildeten nichtjdischen rçmischen Leserschaft als einem zu berzeugenden Forum und zugleich – in interner Hinsicht – auf die Vergewisserung etwaiger jdischer Adressaten mittels der Erhçhung des auf ihnen lastenden Konformittsdrucks:8 „He felt that this would force the readers to choose between two attitudes: acceptance of his views, or utter rejection.“9 Der kurze Prolog der Schrift (Ap 1,1 – 5) stellt den Lesern zunchst die Absichten vor, die Josephus mit ihrer Abfassung verfolgt. Zum einen soll hier das hohe Alter des jdischen Volkes mit Hilfe von nichtjdischen literarischen Zeugnissen zweifelsfrei erwiesen werden. Zum anderen beabsichtigt Josephus durch seine „quellenkritische“ Arbeit10 die absichtlichen Lgen, Feindseligkeiten und Verleumdungen in den Werken verschiedener paganer Autoren zu entkrften. Die Prolegomena (Ap 1,6 – 59) behandeln in summarischer Weise die griechische Geschichtsschreibung bzw. ihr geringes Alter und ihre Widersprchlichkeit, der die jdische Geschichtsschreibung im allgemeinen und das Werk des Josephus im besonderen vorbildhaft gegenbergestellt werden. Besondere Betonung erfhrt bei dieser geschichtlichen Apologie die Verteidigung des jdischen Historikers selbst gegen verleumderische Anklagen seiner Gegner (Ap 1,53). Das Ziel des umfangreichen Abschnitts Ap 1,60 – 218 besteht darin, anhand einer ausfhrlichen Darbietung gyptischer, phçnizischer, chaldischer und griechischer Zeugnisse (laqtuq¸a) dem Vorwurf entgegenzutreten, kein bedeutender Autor habe das jdische Volk in seinen Schriften erwhnt, so dass es berhaupt kein hohes Alter haben kçnne. In Ap 1,219–II 144 hat Josephus es sich zur Aufgabe gemacht, die unredlichen Behauptungen und belwollenden Anschuldigungen der graeco-gyptischen Geschichtsschreiber Slander and the Conventions of Ancient Polemic (mit zahlreichen Belegen, insb. 430 – 434); Barclay, Josephus v. Apion: Analysis of an Argument, 203: „Josephus’ rhetoric is by no means excessive in comparison with that of his contemporaries.“ 8 Vgl. Feldman, Flavius Josephus Revisited, 858 f.; Bilde, Flavius Josephus between Jerusalem and Rome, 120 f., sowie Riesebrodt, berlegungen zur Legitimitt eines universalen Religionsbegriffs, 128 f. 9 Kasher, Polemic and Apologetic Methods of Writing in Contra Apionem, 161 f.; vgl. ebd., 144: „Polemics are intended, on one hand, to strengthen those who hold similar opinions […]. On the other hand, they are also intended to change the opinions of the distant and the opposed […], and to arouse interest among the indifferent and the uninvolved, with a view to eventually convincing them as well.“ 10 Vgl. Fçrster, Geschichtsforschung als Apologie. Josephus und die nicht-griechischen Historiker in Contra Apionem, 170.

80

Michael Tilly

Manethon, Chairemon, Lysimachos und Apion eine nach der anderen zu widerlegen.11 Die angefhrten judenfeindlichen Autoren sind dabei – im Sinne seiner persuasiven Strategie – erkennbar so angeordnet, dass die von ihnen angestellten Verleumdungen immer schwerwiegender werden. Der anschließende Abschnitt (Ap 2,145 – 286) dient der formgerechten positiven Verteidigung (!pokoc¸a) religiçser Phnomene, Praktiken und Institutionen des Judentums aufgrund des hohen metaphysischen, moralischen und praktischen Wertes seines vorzglichen Gesetzes. Bei dieser positiven Selbstdarstellung wird in Gestalt eines umfangreichen Exkurses auch kontrastierend vergleichende Kritik an der griechischen Religion gebt (Ap 2,236 – 256).12 Der Epilog Ap 2,287 – 296 dient der Zusammenfassung der Verteidigungsschrift,13 wobei Josephus seine Ausfhrungen rckblickend noch einmal deutlich als Erwiderung judenfeindlicher Anschuldigungen (jatgcoq¸ai) und Verleumdungen (koidoq¸ai) bezeichnet.14

2. Anlsse der Polemik des Josephus Die Werke der in der apologetischen Schrift aufgefhrten paganen Autoren enthalten eine Reihe polemischer Vorwrfe und Verleumdungen des Judentums, die mehrheitlich einem verbreiteten literarisch-traditionellen Antijudaismus der hellenistischen Epoche zuzurechnen sind.15 Die von Josephus zitierte und replizierte antijdische Literatur spiegelt durchweg ein stereotypes Bild des Juden in Geschichte und Gegenwart als eines von Anfang 11 Vgl. Barclay, The Politics of Contempt: Judaeans and Egyptians in Josephus’ Contra Apionem, 112 – 114. 12 Hierzu ausfhrlich Kamlah, Frçmmigkeit und Tugend. Die Gesetzesapologie des Josephus in c Ap 2, 145 – 295; Gerber, Ein Bild des Judentums fr Nichtjuden von Flavius Josephus, 122 – 389. Vgl. Mason, The Contra Apionem in Social and Literary Context, 214. 13 Vgl. Martin, Antike Rhetorik. Technik und Methode, 153 f. 14 Vgl. Labow, Flavius Josephus Contra Apionem, LXXXI; Barclay, Apion, XXXIf.; Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 17 f. 15 Vgl. Bohrmann, Die Sicht des Fremdlings in Contra Apionem, 225. Allgemein zum antiken Antijudaismus vgl. Juster, Les Juifs dans l’empire Romain, leur condition juridique, conomique et sociale, 45 mit Anm. 1; Garson, The Jew in the Classical Literature; Sevenster, The Roots of Pagan Anti-Semitism in the Ancient World; Conzelmann, Heiden – Juden – Christen; Stern, The Jews in Greek and Latin Literature; Feldman, Jew and Gentile in the Ancient World, 107 – 176; ders., Hatred for and Attraction to the Jews in Classical Antiquity; Schfer, Judeophobia; Yavetz, Judenfeindschaft in der Antike.

Formen und Funktionen der Polemik in Josephus’ ,Contra Apionem‘

81

an kçrperlich und seelisch verdorbenen, menschenfeindlichen und antisozialen, rebellischen, gottlosen und minderwertigen Wesens wider, das aus der Gemeinschaft der zivilisierten Vçlker auszuschließen ist.16 Eher unspezifisch ist zunchst die in Ap 1,172 f. wiedergegebene Beschreibung der Einwohner Judas als ein wunderliches „Volk von seltsamem Anblick“ (c´mor haulast¹m Qd´shai)17 durch den Epiker Choerilos von Samos (* um 470 v. Chr.), der in seiner (fragmentarische erhaltenen, ursprnglich wohl titellosen) Persika den Sieg Athens ber den Perserkçnig Xerxes schildert.18 Weitaus konkreter ist die polemische Verspottung der jdischen Sabbatobservanz als Ausdruck von Faulheit und Unverstand im (nur in Fragmenten und Exzerpten berlieferten) Werk des Agatharchides von Knidos (2. Jh. v. Chr.), aus dem Josephus in Ap 1,205 – 211 zitiert (vgl. Antiquitates 12,3 – 9).19 Der peripatetische Historiker und Geograph bezeichnet es als ein besonders prgnantes Beispiel des Aberglaubens (deisidailom¸a)20 und der Dummheit (%moia), dass allein die Weigerung der Juden, am Sabbat irgendeine Verrichtung zu ttigen und ihre Verstocktheit, auch dann am Glauben festzuhalten, wenn es ihnen schadet, die kampflose Eroberung Jerusalems durch Ptolemaios I. Soter ermçglicht htten.21 Eine polemische antijdische Tendenz weist auch der in Ap 1,288 – 293 (vgl. Ap 2,1) gebotene Auszug aus der gyptischen Geschichte des alexandrinischen Priesters, Philosophen und Historiographen Chairemon (1. Jh. n. Chr.) auf.22 Gemß seiner Darstellung seien die von Kçnig Amenophis 16 Vgl. Bohrmann, Sicht, 227; Feldman, Hatred, 170 – 175. 17 Vgl. Barclay, Apion, 101 Anm. 568: „The adjective ,remarkable’ (haulastºm) encodes a cultural distance.“ 18 Choerilos von Samos fhrt fort: „ringsum geschoren die struppigen Hupter; und oben drber trugen sie Hute von Pferdekçpfen, getrocknet im Rauch“ (Ap 1,173). Vgl. Labow, Contra Apionem Buch I, 167 – 169; Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 30. Zum Verbot eines solchen tonsurartigen Haarschnitts in der Tora s. Lev 19,27 (vgl. Jer 9,25). 19 Vgl. Sevenster, Roots, 126 f.; Conzelmann, Heiden, 58 f.; Feldman, Jew, 158 – 160; Labow, Contra Apionem Buch I, 177 – 179; Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 24; Schfer, Judeophobia, 82 – 89. 20 Vgl. Strabon, Geographica 16,2,40 (763); Plutarch, De superstitione 8; Cicero, Pro Flacco 28,67; Horaz, Sermones 1,9. Hierzu Michael, The Jewish Sabbath in the Latin Classical Writers; Goldenberg, The Jewish Sabbath in the Roman World up to the Time of Constantine the Great, 430 – 436; McKay, Sabbath and Synagogue, 89 – 131. 21 Vgl. Labow, Contra Apionem Buch I, 179. 22 Vgl. van der Horst, Chaeremon: Egyptian Priest and Stoic Philosopher; Feldman, Jew, 188; Labow, Contra Apionem Buch I, 221 f. 289 – 299; Schimanowski, Juden

82

Michael Tilly

aufgrund ihres kçrperlichen Gebrechens (1pisim¶r) des Landes verwiesenen 250.000 Unreinen und Ausstzigen von Moses23 und Josef angefhrt worden und somit die in negativer Hinsicht prgenden Vorfahren des (durch den Exodus konstituierten) jdischen Volkes (Ap 1,290). Eine weitere dezidiert judenfeindliche Variante der von Chairemon berlieferten Exodusgeschichte bietet der von Josephus in Ap 1,304 – 311 (vgl. II 16. 20. 145) zitierte alexandrinische Grammatiker Lysimachos (2. Jh. v. Chr.),24 der in seinen (verlorengegangenen) AQcuptiaj²25 ein gehssiges26 Gercht ber den Auszug aus gypten referiert, wonach zur Zeit des gyptischen Kçnigs Bokchoris die von Aussatz, Krtze und anderen Krankheiten befallenen Juden zunchst in die Tempel geflohen wren, um dort vom Betteln zu leben. Die hierdurch bewirkte Verunreinigung der gyptischen Tempel und des Landes habe eine bedrohliche Missernte bewirkt, worauf der Kçnig beschlossen habe, die Kranken zu ertrnken, alle brigen Juden aber zu vertreiben. In dieser Situation habe ein gewisser Moses ihnen geraten, aus gypten zu fliehen und durch die Wste bis in ein bewohntes Land zu ziehen, auf dem Weg niemandem freundschaftlich zu begegnen und smtliche Tempel und Altre entlang des Weges zu vernichten. In Juda htten die Juden sodann eine Stadt Hierosyla (vgl. Reqosuk¸a „Tempelraub“) gegrndet und sie spter in Jerusalem umbenannt.27 Zusammen mit Apollonios Molon (s.u.) bezeichnet Lysimachos Moses in Ap 2,145 als einen „Scharlatan und Betrger“,28 die Tora als Anleitung zur Bosheit (ebd.), und das Volk der Juden in Ap 2,236 explizit als „Nichtswrdigste unter den Menschen“ (vaukot²tour !muq¾pym).

23 24 25 26

27 28

und Nichtjuden in Alexandrien, 54 – 56; Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 29; Schfer, Judeophobia, 30 f. Zu Gestalt Moses als Ziel antijdischer Attacken vgl. Oberhnsli-Widmer, Art. Mose/Moselied/Mosesegen/Moseschriften, 352 – 354. Vgl. Sevenster, Roots, 95 f.; Conzelmann, Heiden, 79 – 81; Feldman, Jew, 171 f.; Labow, Contra Apionem Buch I, 222 f. 311 – 315; Schimanowski, Juden, 52 – 54; Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 33 f.; Schfer, Judeophobia, 27 f. Vgl. Athenaios, Deipnosophistai 158 D. Der Lysimachos gemß Ap 1,304 treibende Hass (!p´wheia) bezeichnet bei Josephus an anderen Stellen den besonderen Hass gegen das jdische Volk (Bellum 1,40.88; Antiquitates 2,322; 3,179; 11,171). Vgl. Labow, Contra Apionem Buch I, 318 Anm. 32. Vgl. Schfer, Judeophobia, 28: „Lysimachus remodels the motifs which we know from most of his predecessors, both of the belief in a different […] God and of misoxenia or misanthro¯pia […] in an extremely negative fashion.“ Vgl. Vogel, in: F. Siegert, Ursprnglichkeit, Band 2, 113.

Formen und Funktionen der Polemik in Josephus’ ,Contra Apionem‘

83

Das von Chairemon und Lysimachos rezipierte Traditionsstck vom Exodus als Vertreibung der Juden aus gypten durch Amenophis bzw. Bokchoris begegnet in einer abgewandelten Form bereits bei dem gyptischen Historiographen Manethon (3. Jh. v. Chr.),29 aus dessen dreibndiger Geschichte gyptens von den Anfngen bis auf den Kçnig Nektanebo Josephus in Ap 1,73 – 105. 228 – 287 (vgl. II 16 f.) zitiert, wobei das Werk dem jdischen Schriftsteller wahrscheinlich in Gestalt mehrfach berarbeiteter Exzerpte mit dezidiert judenfeindlicher Tendenz vorlag.30 So erzhlt auch Manethon eine gyptische Version des Exodus als Vertreibung aller Ausstzigen, Unreinen und kçrperlich Verstmmelten (oR t± s¾lata kekybgl´moi) durch Kçnig Amenophis (Ap 1,253). Die Vertriebenen htten sich den Priester Osarsiphos31 aus Heliopolis zum Anfhrer gewhlt, mit Hilfe der Einwohner Jerusalems einen Aufstand angezettelt, sich mit ihnen vermischt, gemeinsam eine Schreckensherrschaft ber gypten errichtet, die Verehrung der gyptischen Gçtter verboten (Ap 1,239. 261), ihre Heiligtmer und Tempel geschndet und zerstçrt, sowie ihre Priester gedemtigt, verhçhnt und getçtet (Ap 1,249. 264). Der aus Oasis stammende alexandrinische Literat Apion32 (ca. 20 v. Chr.–50 n. Chr.) kann aufgrund seiner in Ap 2,2 – 144 ausfhrlich wiedergegebenen massiven Angriffe und Gehssigkeiten in der Darstellung der Geschichte, Lebensweise, Religion und Gesetze des Judentums als „Josephus’ arch-antisemite“ gelten.33 Der Grammatiker und Homerforscher begegnet als einer der Anfhrer bei der Judenverfolgung in Alexandria zur Zeit des Kaisers Caligula.34 Seine im Werk des Josephus erhaltenen feind29 Vgl. Sevenster, Roots, 184 – 188; Conzelmann, Heiden, 74 – 79; Mendels, The Polemical Character of Manetho’s Aegyptiaca; Feldman, Jew, 136 – 145; Labow, Contra Apionem Buch I, 58 – 72. 220 f. 245 – 249; Schimanowski, Juden, 48 – 51; Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 34; Schfer, Judeophobia, 17 – 21. 30 Josephus nimmt das Werk Manethons auch als positives Zeugnis in Anspruch (vgl. Ap 1,74 – 92. 93 – 105). 31 Der Name scheint auf Joseph hinzuweisen. In Ap 1,250.265 wird Osarsiphos allerdings ausdrcklich mit Moses identifiziert. 32 Vgl. Conzelmann, Heiden, 81 – 84; Feldman, Jew, 229 f.; Bohrmann, Sicht 226 f.; van der Horst, Who was Apion?; Jones, The Figure of Apion in Josephus’ Contra Apionem; Labow, Contra Apionem Buch I, 223 – 227; Schimanowski, Juden, 56 – 59; Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 25 – 27; Schfer, Judeophobia, 28 f. 33 So Schfer, Judeophobia, 28. Vgl. Gager, The Origins of Anti-Semitism. Attitudes Toward Judaism in Pagan and Christian Antiquity, 45 – 47. 34 Vgl. Philon von Alexandria, Legatio ad Gaium; In Flaccum. Hierzu ausfhrlich van der Horst, Philo’s Flaccus: The First Pogrom. Vgl. Yavetz, Judenfeindschaft, 104 – 110.

84

Michael Tilly

seligen Ausfhrungen ber den Exodus, das alexandrinische Judentum, den jdischen Tempelkult und die Toragebote entstammen dem dritten Buch einer fnfbndigen AQcuptiaj² (Ap 2,10).35 Ein Teil der antijdischen Aussagen und Argumente in dem ethnographischen Werk begegnet bereits bei lteren Autoren. Wie diese schreibt auch Apion, Moses habe die kçrperlich verdorbenen „Leprakranken, Blinden und Gehbehinderten“ aus gypten hinausgefhrt (Ap 2,15. 23; vgl. II 289 f.).36 Die polemische Darstellung des Exodus durch Apion erfhrt jedoch in Ap 2,27 eine Steigerung durch die bçsartig verzerrende Behauptung, die krankhaften Beulen an den Leisten der 110.000 Vertriebenen seien aufgrund des gyptischen Wortes fr „Leistenleiden“ (sabb¾) der eigentliche Ursprung der Bezeichnung des jdischen Sabbats (s²bbatom).37 Zur Judenpolemik Apions gehçren zudem die Vorwrfe, die alexandrinischen Juden neigten stndig zur religiçsen Exklusivitt (Ap 2,65) und zur Rebellion (Ap 2,68),38 stellten in ihren Synagogen keine Statuen der rçmischen Kaiser auf (Ap 2,73), und legten einen grausamen Hasseid gegen alle Vçlker, insbesondere aber gegen die Griechen, ab (Ap 2,121).39 Eine von Apion aus griechischen Quellen angefhrte Fiktion vom jdischen Ritualmord begegnet in Ap 2,89 – 96. Der Alexandriner schildert hier recht ausfhrlich die Legende von der alljhrlichen Entfhrung und Opferung eines unglcklichen Griechen im Jerusalemer Tempel.40 In Ap 2,125 behauptet Apion einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der angeblichen jdischen Kultverweigerung und Gottlosigkeit, ihrem Mangel an vernnftigen Gesetzen und ihrem ver35 Vgl. Vogel, in: F. Siegert, Ursprnglichkeit, Band 2, 113: „Vermutlich hat Apion seine antijdische Polemik v. a. in demjenigen Teil seiner Aegyptiaca geußert, wo er die Exodus-berlieferung verarbeitete.“ Nicht wahrscheinlich ist die Annahme eines eigenstndigen Werkes Apions ber das Judentum. Vgl. hierzu Labow, Contra Apionem Buch I, 226 Anm. 16; Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 25. 36 Apions Datierung des Exodus auf das erste Jahr der siebten Olympiade (752 – 749 v. Chr.) in Ap 2,17 setzt das Alter des jdischen Volkes (vgl. Ap 1,1) radikal herab, was nach antikem Denken auch seine geringe Geltung bedeutet. Vgl. hierzu Pilhofer, Presbyteron kreitton, 193 – 200; Gnilka, Wahrheit und hnlichkeit; Droge, Josephus between Greeks and Barbarians,125: „For Josephus the allegation of „lateness“ was equivalent to the assertion of cultural dependance and historical insignificance.“ 37 Vgl. Barclay, Josephus v. Apion, 207 f.; 218 f.; Schimanowski, Juden, 57. 38 Vgl. Origenes, Contra Celsum III 5. 39 Vgl. Tacitus, Hist. 5,5,1 sowie Conzelmann, Heiden, 46; Bloch, Antike Vorstellungen vom Judentum; ders., Geography without Territory, 43. Zum Misanthropievorwurf vgl. auch Gerber, Ein Bild des Judentums fr Nichtjuden von Flavius Josephus, 369 – 372; Berthelot, Philanthr pia Judaica. 40 Vgl. Conzelmann, Heiden, 46 – 48; Jacobson, Apion, the Jew, and Human Sacrifice; Vogel, in: Siegert, Ursprnglichkeit, Band 2, 108.

Formen und Funktionen der Polemik in Josephus’ ,Contra Apionem‘

85

dienten (bzw. gottgegebenen) Schicksal, immer wieder anderen Vçlkern unterworfen zu sein.41 Zu keiner Zeit htten die Juden große und berhmte Mnner, Erfinder oder Weise hervorgebracht (Ap 2,135). Schließlich gehçren zu den Vorwrfen des alexandrinischen Schriftstellers auch die generelle Kritik am jdischen Schlachtopfer und den Speisegeboten sowie die Verspottung der jdischen Beschneidungspraxis (Ap 2,137). Als Gewhrsleute Apions werden in Ap 2,79 f. der stoische Philosoph Poseidonios (135 – 50/51 v. Chr.)42 und der Rhetoriker und Grammatiker Apollonios Molon (1. Jh. v. Chr.)43 genannt, aus deren Werken44 Apion den grotesken Vorwurf entnimmt, im Jerusalemer Tempel sei ein goldener Eselskopf aufgestellt und werde dort mit großem kultischen Aufwand verehrt.45 In Ap 2,148 (vgl. Ap 2,145) bezeichnet der von Apion zitierte Apollonios Molon das Judentum als feige, dreist, verrckt, unbegabt, zu keiner zivilisatorischen Errungenschaft fhig, gottlos46 und menschenfeindlich (%heor ja· lisamhq¾por). Als lteste Version dieser Geschichte von der jdischen Verehrung eines Eselskopfes benutzt Apion in Ap 2,112 – 114 (vgl. Ap 1,216) eine im geographischen Werk des griechischen Schriftstellers Mnaseas (2. Jh. v. Chr.)47 wiedergegebene (bzw. ihm zugeschriebene) antijudische Fabel vom Krieg der Idumer gegen die Juden. Durch eine Kriegslist sei der goldene Eselskopf aus dem Jerusalemer Tempel gestohlen worden.

41 Vgl. Bellum 6,42 sowie Tacitus, Historiae 5,8,2 f. 42 Aus Poseidonios’ (ebenso wie Apollonios Malons Werk ber die Juden) verlorengegangenem Geschichtswerk, das einen Judenexkurs enthielt, kennt Josephus nur, was Apion zitiert. Vgl. Sevenster, Roots, 51 f.; Malitz, Die Historien des Poseidonios; Feldman, Jew,126 f.; Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 37 f. 43 Vgl. Sevenster, Roots, 51 f.; Conzelmann, Heiden, 72 – 74; Feldman, Jew,126 – 128; Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 27 – 29; Schfer, Judeophobia, 21 f. 44 Vgl. noch Eusebius, Praeparatio Evangelica 9,19,1. 45 Vgl. Vogel, in: Siegert, Ursprnglichkeit, Band 2, 106. Gussmann, Das Priesterverstndnis des Flavius Josephus, 192 mit Anm. 628. 46 Zum Vorwurf des Atheismus in der Antike vgl. Gerber, Ein Bild des Judentums fr Nichtjuden von Flavius Josephus, 324 f. 47 Vgl. Bickermann, Ritualmord und Eselskult; Conzelmann, Heiden, 45; Feldman, Jew, 170 f.; Labow, Contra Apionem Buch I, 218 mit Anm. 4; Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 36; Schfer, Judeophobia, 55 – 59.

86

Michael Tilly

3. Objekte der Polemik des Josephus Ein grundlegender Abfassungszweck von Contra Apionem besteht darin, die ungerechtfertigten Vorwrfe gegenber dem Judentum zu entkrften und die persçnliche und kollektive Bçswilligkeit seiner Verleumder herauszustellen. Fragt man jedoch danach, auf welche Personen und Personengruppen die ausfhrliche Gegenpolemik des Josephus in seiner Verteidigungsschrift des Judentums abzielt, stellt man zunchst fest, dass die polemische Sprechweise und unsachliche Argumentation hier zum einen ber die Zurckweisung und Widerlegung der judenfeindlichen Vorwrfe und Verleumdungen der aufgefhrten paganen Schriftsteller hinausgeht und zum anderen in ihrer Ausfhrlichkeit und Intensitt recht ungleich verteilt ist. So bleibt die abwertende Beschreibung der Juder durch Choerilos vçllig unkommentiert. Gegen die Verspottung des Judentums durch Agatharchides richtet sich Josephus nur in Ap 1,205; die Art und Weise seiner Sabbatpolemik stçßt allein in Ap 1,212 auf Kritik.48 Die judenfeindliche Fabel des Mnaseas tadelt der Verfasser der Verteidigungsschrift des Judentums nur summarisch in Ap 1,216 f. Chairemons antijdische Exodusgeschichte provoziert eine polemische Erwiderung des Josephus in Ap 1,293. 301. 303. Gegen die Verleumdungen und Anschuldigungen des Lysimachos polemisiert er in Ap 1,304. 319 f.; II 145. 236 (vgl. II 20). Umfangreicher ist seine Auseinandersetzung mit den judenfeindlichen ußerungen im Werk Manethons (Ap 1,105. 229 f. 252. 254 f. 260. 267. 279. 286f. 293. 298). Das eigentliche Ziel seiner Polemik ist jedoch Josephus’ Hauptgegner Apion als der Schlimmste aller Judenfeinde. Dabei nutzt Josephus den unbestreitbaren Vorteil, dass sein Kontrahent bereits tot ist. Gegen die Invektiven des alexandrinischen Schriftstellers richtet er seine Angriffe in Ap 2,3. 6. 12. 14 f. 17. 20. 22 f. 25 f. 28 – 30. 32. 34. 37 f. 42. 49. 56. 62. 82. 85. 88 f. 91. 97. 100. 102. 109 – 112. 115. 121f. 124 f. 132 f. 135 – 138. 142 – 144. 295 geradezu stakkatoartig (und in mitunter großer Schrfe). Die unzuverlssigen Gewhrsleute Apions werden in Ap 2,79 (Poseidonios) und Ap 2,79. 145. 236. 255. 270. 295 (Apollonois Molon) namentlich, in Ap 2,90 summarisch kritisiert. Der griechische Historiker Hieronymos von Kardia (4. Jh. v. Chr.)49 wird schließlich beschuldigt, das jdische Volk in seiner Geschichte der Diadochen bewusst nicht erwhnt zu haben (Ap 1,214). 48 Barclay, Apion, 120 Anm. 718: „Josephus does not wish to challenge the narrative itself, but the values with which Agatharchides has judged it.“ 49 Vgl. Labow, Contra Apionem Buch I, 79 f.; Barclay, Apion, 121 Anm. 724.

Formen und Funktionen der Polemik in Josephus’ ,Contra Apionem‘

87

Generell gegen die aufgefhrten griechischen Autoren bzw. gegen das grundstzliche Unvermçgen der griechischen Geschichtsschreiber richtet sich Ap 1,3 f. 15. 24. 44 – 46. 53. 57. 160. 213f. 217. 219 f. 222. 293; II 255. 287. 289 (vgl. I 72), gegen ihre gedankenlose und schadenfrohe Leserschaft polemisiert Ap 2,4. Die aktive Polemik des jdischen Schriftstellers richtet sich nicht nur gegen seine literarischen Gegner, sondern auch gegen einzelne Gestalten der Geschichte, gegen verschiedene Vçlker und gegen ihre Religion. So werden das rcksichtslose Verhalten des gyptische Kçnigs Harmas (Ap 1,100), die Heimtcke des Seleukidenherrschers Antiochos IV. (Ap 2,90) und allerhand beltaten der Ptolemerin Kleopatra VII. (Ap 2,56 – 60) bemngelt. Explizite Angriffe richten sich gegen die Vçlker der gypter (Ap 1,223 f. 225 f.; II 28 – 32. 65. 70), Skythen (Ap 2,269), Perser (Ap 2,270 f.), Thebaner, Lakedaemonier und Elier (Ap 2,273. 275). In aggressiver und abwertender Weise beanstandet werden Inhalte und Ausdrucksformen der griechischen Religion (Ap 2,242 – 254. 275) und des gyptischen Kultes (Ap 1,224 f.; II 66 f. 81. 138 f.).50 Es ist verstndlich, dass Josephus als Klient der Flavier die rçmischen Historiker und die rçmische Gesetzgebung von dieser pauschalen negativen Beurteilung ausnimmt.51 Es ist jedoch auffllig, dass er es zudem durchweg vermeidet, in seinem Werk auch rçmische polytheistische Glaubensvorstellungen und Praktiken anzufhren, die mit den Mythen und Kulten der von ihm kritisierten Vçlker offenkundig vergleichbar sind.52 Josephus war sich offenbar der Tatsache bewusst, dass der jdische bildlose Monotheismus von Griechen und Rçmern durchaus als Gottlosigkeit ausgelegt werden konnte bzw. den Vorwurf der Intoleranz gegen die Gçtter anderer Vçlker zu provozieren vermochte.

4. Formen und Inhalte der Polemik des Josephus Die Delegitimierung und Abwertung nicht nur der literarischen Gegner des Josephus, sondern auch verschiedener Ethnien, Religionen und Personen, begegnen in Contra Apionem in unterschiedlichen Ausprgungen und zielen 50 Vgl. Mason, The Contra Apionem, 211. 51 Barclay, Apion, XLIX. 52 Vgl. Ap 2,282 und hierzu Barclay, Judaism, 237 f. sowie Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 14: „Jdische Kritik an Bildern, insbesondere Menschendarstellungen zum Zwecke der Verehrung, gibt er so wieder, als geschehe nichts dergleichen in Rom.“

88

Michael Tilly

auf unterschiedliche Aspekte.53 Neben der vielfltigen Sachkritik an der vermeintlich inkompetenten Arbeitsweise der griechischen Historiker begegnen als rhetorische Stilmittel zahlreiche persçnliche Beschimpfungen, Schmhreden, groteske bertreibungen, polemische Ausflle und Dysphemismen mit pejorativer Konnotation.54 Die rhetorische Stilfigur der Ironie wird ebenso gebraucht wie die Reductio ad absurdum. Negative und abwertende Pauschalurteile richten sich in aggressiver Weise gegen nichtjdische Kulte, Vçlker und Personen; bestimmte missliebige Haltungen und Handlungen werden dabei von Josephus besonders abfllig bewertet.55 Die Kritik am Werk seiner Opponenten betrifft zunchst ihren unsachgemßen und ungenauen Umgang mit dem von ihnen herangezogenen Quellenmaterial.56 Bereits die allgemeine Kritik an den griechischen Historikern enthlt die disqualifizierenden Vorwrfe, sie htten ihre Werke nur aus dem Hçrensagen zusammengestellt und deshalb den Begriff „Geschichtsschreibung“ (Rstoq¸a) in geradezu unverschmter Weise verwendet (Ap 1,46). Sie bemhten sich nicht um die Wahrheit, sondern stellten nur die Macht ihrer Worte zur Schau (Ap 1,24).57 Sie berschtzten sich und widerlegten einander (Ap 1,15),58 verfehlten die historische Wahrheit (Ap 1,217) und seien zudem „mit den abgeschmackten Bemhungen des Al-

53 Vgl. Kasher, Polemic, 163: „The defamation of persons and their character was one of the better known rhetorical tactics adopted in the courts of law.“ 54 Vgl. Johnson, Slander, 432: „As so often in Hellenistic rhetoric, these charges became standardized and formed a topos, that is, a standard treatment of a subject. Certain things are conventually said against all opponents“ Vgl. auch Feldman, Jew and Gentile in the Ancient World, 148: „Josephus and his critics were skilled rhetoricians; and one of the techniques they learned in the schools was to take the topic of an encomium and transform it into a xºcor – an invective – and vice versa.“ 55 Vgl. Barclay, Judaism, 231: „Josephus uses countless rhetorical devices in denigrating his selected opponents and in conducting his pseudo-legal argumentation against them.“ 56 Vgl. Barclay, Judaism, 234; Attridge, Josephus, 228: „He employs many commonplaces of the cultural polemics of the Hellenistic period, criticizing the Greeks for their inaccuracy as historians resulting from their inattention to ancient public records, their concern for literary style over accuracy and their incessant rivalries.“ 57 Vgl. Dion Chrysostomos, Orationes 4,33; 23,11; Plutarch, Moralia 1124C. Die wertende Gegenberstellung des Strebens nach Wahrheit und nach Redekunst begegnet ein knappes Jahrhundert spter auch bei dem rçmischen Geschichtsschreiber Herodian (Ab excessu divi Marci liber 1,1). hnlich Antiquitates 1,1 f. Vgl. Johnson, Slander, 434 f.; Barclay, Judaism, 238; Vogel, in: Siegert, Ursprnglichkeit, Band 2, 63. 58 Vgl. Bellum 1,16.

Formen und Funktionen der Polemik in Josephus’ ,Contra Apionem‘

89

legorisierens nicht unvertraut“ (Ap 2,255).59 Besonders Apion gehe leichtfertig mit seinen Quellen um (Ap 2,62. 133).60 Auch Mnaseas arbeite mehr als oberflchlich (Ap 1,216 f.), Lysimachos hingegen sei unaufmerksam (Ap 1,319), Manethon schenke unzuverlssigen Gewhrsleuten Glauben (Ap 1,105. 287) und widerspreche sich sogar selbst (Ap 1,230);61 Chaeremon arbeite nachlssig und oberflchlich (Ap 1,301), was die Autoritt auch seiner Arbeit in den Augen des Josephus drastisch vermindert. Ein zweiter zentraler Kritikpunkt des Josephus ist die angebliche Verlogenheit seiner Gegner.62 Manethon habe große Teile seiner Geschichtsdarstellung selbst erfunden (Ap 1,287). Immer wieder ist es Apion, dem der jdischen Autor vorwirft, er missbrauche die Mittel seiner Redekunst, indem er ein Wirrwar von Lgen und Verballhornungen (Ap 2,6 f.) schreibe, Fakten erfinde (Ap 2,28), und tçlpelhafte Lgenwerke erdichte, die er noch nicht einmal zur Stimmigkeit zu bringen vermag (Ap 2,88). Er verhçhne die Juder und verspotte ihre Namen (Ap 2,48),63 erzhle Phantasiegeschichten voller theatralischer Schauerlichkeit, Schamlosigkeit und Grausamkeit (Ap 2,97), verbreite Unglaubwrdigkeiten (Ap 2,100. 109) und fingiere Tatsachen (Ap 2,110. 124). Ebensolche Kritik betrifft auch die Widersprche im Werk Chaeremons (Ap 1,303) und das ungeordnete Vorgehen Apions (Ap 2,6).64 Dem Vorwurf, Apion schreibe nur Belanglosigkeiten (Ap 2,137), entspricht das despektierliche Urteil, der alexandrinische Autor bleibe durchweg hinter seinem Anspruch zurck, eine wahre Darstellung der geschichtlichen Begebenheiten zu liefern (Ap 2,109). Whrend der jdische Apologet Josephus bei diesen Vorwrfen und Behauptungen eine – wenn auch zumeist nur oberflchliche – Begrndung seiner Kritik bietet, so begegnen hufig auch unbegrndete Unterstellungen und abwertende Schmhungen der Werke bzw. der Motive und Arbeitsweise seiner Gegner sowie aggressiv polemische Ausflle, Beschimpfungen und 59 Die Kritik an der allegorischen Auslegung findet sich bereits bei Platon, Politeia 378d. Vgl. Ramelli (Hg.), Allegoria; Vogel, in: Siegert, Ursprnglichkeit, Band 2, 127 f. 60 Vgl. Bellum 1,2 f.; Lk 1,3; Dion Chrysostomos, Orationes 54,1. 61 Die mangelnde bereinstimmung der Autoren zeigt nach verbreiteter Ansicht, dass sie nur aufgrund von Vermutungen schreiben. Vgl. Labow, Contra Apionem Buch I, 305 Anm. 73. 62 Vgl. Dion Chrysostomos, Orationes 12,12; 70,10. 63 Es ist mçglich, dass Josephus hier die Paronomasie des Namens Onias (im¸ar) und des Wortes „Esel“ (emor) im Blick hat. 64 Vgl. Antiquitates 1,17; Lk 1,3.

90

Michael Tilly

Beleidigungen ihrer Person.65 So seien die griechischen Schriftsteller unwissende, aber bçswillige Lsterer, die vorstzlich Lgen und Widersprchlichkeiten verbreiteten (Ap 1,3 f.; vgl. I 293; II 289),66 feige, dreist und unehrenhaft (Ap 1,44), leichtfertig und nhmen ihren Mund zu voll (Ap 1,57).67 Sie seien zudem streitschtig (Ap 1,160), missgnstig und htten ungesunde Motive (Ap 1,213).68 Sie zeigten eine generelle Antipathie gegen das Judentum (Ap 1,214), und durch ihre Verleumdungen und Schmhungen verunglimpften sie die anderen Vçlker in bçswilliger Weise (Ap 1,219 f.). Der Grund fr dieses tadelnswerte Verhalten sei in ihrem eigenen neidischen, boshaften und ruhmschtigen Charakter (Ap 1,222)69 und in ihrer Zanksucht und Schamlosigkeit (Ap 2,287) zu suchen.70 Auch ihre Leserschaft sei durch ihre stumpfsinnige Gedankenlosigkeit disqualifiziert (Ap 2,4).71 Von Josephus in einem „Breitband-Angriff“72 heftig kritisiert wird das Werk des Manethon. Der gyptische Historiograph schreibe Fabeleien (Ap 1,105. 230. 254f.) und unglaubwrdige Behauptungen (Ap 1,229. 286. 293), sei ein Schwtzer (Ap 1,252), verbreite Lcherlichkeiten (Ap 1,254 f.), merke nicht, wie wenig berzeugend er lgt (Ap 1,267) und sei insgesamt ein Verleumder ohne jegliche Glaubwrdigkeit (Ap 1,279). In Ap 1,293 wird auch Chaeremon als Erfinder von Lgen und Unwahrheiten geschmht. Lysimachos wiederum wird von Josephus beschuldigt, er schimpfe unbeherrscht (Ap 1,319), lge unverschmt (Ap 1,320) und schreibe seine Fiktionen aus blankem Hass (Ap 1,304). 65 Vgl. Kasher, Polemic, 163: „Josephus […] subjected his personal rivals to crass and contemptuous criticism, to the point of actual insults.“ 66 Hinterlist und Lge als Merkmale einer verfehlten Redekunst begegnen bereits bei Platon, Gorgias 462b–466a; 471d–472c; 502c–503b; 504d–e; Politeia 304a; Theaitetos 172e–173b; Protagoras 313c–d. 67 Vgl. Dion Chrysostomos, Orationes 4,37 f.; 23,11; 55,7; Plutarch, Moralia 1086E; 1129B; Epiktet, Dissertationes I,5,9. 68 Zur rhetorischen Kritik an der Streitsucht vgl. z. B. Platon, Menon 75c–d; Gorgias 454c; Kriton 49c–d; Theaiteos 154d–e; 167e.; Philon von Alexandria, Legum allegoriae I III 233; De cherubim 9 – 10; De agricultura 159. 162; Quaestiones in Genesim 3,33. 69 Vgl. Platon, Apologia Sokratous 20a–c; Protagoras 313c–314c; Sophistes 223c–226a. 70 Vgl. Dion Chrysostomos, Orationes 4,33; 32,30; Plutarch, Moralia 1124C; Aelius Aristides, rp³q t_m tettaq_m 307,6.10.15; 308,10. Hierzu Johnson, Slander, 432 mit Anm. 47. 71 Vgl. Kasher, Polemic, 162. 72 Vogel, in: Siegert, Ursprnglichkeit, Band 2, 94.

Formen und Funktionen der Polemik in Josephus’ ,Contra Apionem‘

91

Der Hauptteil der Invektiven ergießt sich ber das Werk Apions. Es sei geschmacklos geschrieben, „Possenreißerei“ (bylokow¸a) und ein erdichtetes, stmperhaft gearbeitetes Lgenwerk (Ap 2,3. 12. 26).73 Der judenfeindliche Literat lge (Ap 2,14. 29. 34. 49. 82. 121f.), erzhle Unglaubwrdigkeiten und Fabeleien (Ap 2,89). Insbesondere richtet sich die Polemik des Josephus gegen Apions unverschmte Schmhungen, Verleumdungen und Lsterungen (Ap 2,22. 26. 32. 34. 49. 89. 112. 295), mit denen er das Judentum verspotte und verhçhne. Sein Werk bestehe durchweg aus Geschwtz und Geschreibsel (Ap 2,22). Auch seine Gewhrsleute Poseidonios und Apollonios Molon erzhlten Lgen und Blasphemien ber das Judentum (Ap 2,79) und deckten sogar verbrecherische Handlungen (Ap 2,90). Beide seien unwissend, feindselig und verleumderisch (Ap 2,145). Besonders Apollonios Molon sei ein anmaßender Rhetoriker ohne Verstand (Ap 2,255),74 der (in eifriger Nachahmung persischer Praktiken) fremde Frauen vergewaltige, Knaben verschneide (Ap 2,270) und sich an seinen eigenen Unterstellungen und Schmhungen ergçtze (Ap 2,295). Explizite Beschimpfungen der Person treffen die griechischen Historiker als Kollektiv und als einzelne Persçnlichkeiten.75 Sie seien allesamt nichtswrdige Menschen (Ap 1,53), anmaßend und ohne Verstand (Ap 2,255). Lysimachos und Apollonios Molon gelten dem jdischen Schriftsteller als Verleumder, drittklassige Sophisten und Verfhrer der Jugend (Ap 2,236),76 den Manethon hlt er fr einfltig (Ap 1,260). Der gypter Apion ist auch hinsichtlich der persçnlichen Beleidigungen das Hauptziel des Josephus. Er bezichtigt ihn der mangelnden Bildung und des schlechten Charakters eines Marktschreiers (Ap 2,3), des Judenhasses und des mangelnden Selbstbewusstseins (Ap 2,30 [vgl. II 143 f.]). Apion sei ein schamloser Lgner (Ap 2,32; vgl. II 143 f.), ein Schuft und ein Tropf (Ap 2,37), dumm und begriffsstutzig (Ap 2,38. 82. 102). Er habe den Charakter eines Esels und die Schamlosigkeit eines Hundes (Ap 2,85), sei ein Verfhrer und verbreite belste Gottlosigkeit, selbsterdachte Lgen, Bosheiten und Scheußlich73 Ein hnlich negatives Urteil ber Apion fllt Jahrzehnte spter der lateinische Schriftsteller Aulus Gellius (Noctes Atticae V 14,1 – 3). 74 Vgl. Gerber, Ein Bild des Judentums fr Nichtjuden von Flavius Josephus, 210. 75 Vgl. Johnson, Slander, 433: „The main thing such slander signified, therefore, was that someone was an opponent.“ 76 Die sophistische Rhetorik gilt auch Josephus als eine Scheinkunst, deren verbale Spitzfindigkeiten und trgerische Beweise keinen notwendigen Gegenstandsbezug haben und der es nicht um das Wissen und die Erkenntnis der Wahrheit geht. Vgl. z. B. Philon von Alexandria, De cherubim 9 – 11; De migratione Abrahami 171; De agricultura 159. 164; De somniis I 220; Plutarch, Moralia 1117D.

92

Michael Tilly

keiten (Ap 2,111).77 In Ap 2,115 beschimpft Josephus ihn als Esel, Schwtzer und Lgner, in Ap 2,135 als Grçßenwahnsinnigen, und in Ap 2,136 als blen Volksverhetzer, verdorben in seiner Lebensweise wie auch in seinen ußerungen.78 Der Kritiker des Judentums sei blind in seinem Verstand (Ap 2,142; vgl. II 132). Seine ausfhrliche Widerlegung Apions lsst Josephus mit der bçsartig spçttischen Bemerkung ber eine maligne Wucherung am Geschlechtsteil des judenfeindlichen Autors und seine missglckte medizinische Beschneidung enden, die seinen Gegner rcksichtslos der Lcherlichkeit preisgibt (Ap 2,143 f.).79 Um seine Kontrahenten lcherlich zu machen, gebraucht Josephus bei seiner Polemik auch das Stilmittel der Ironie, durch das in kritisierender Absicht das Gegenteil dessen behauptet wird, was der Autor eigentlich zu sagen beabsichtigt.80 Lysimachos wird in seiner mangelnden Sachkenntnis als der „Tchtige“ bezeichnet (Ap 1,319); die lckenhafte Darstellung der Exodusberlieferung durch Manethon als „das Großartigste“ (Ap 1,298). Als kontextbedingte Ironie kann auch die – in einem jdischen Werk auffllige – Bekrftigungsformel „bei Zeus“ (mμ D¸a) bei der Wiedergabe des Berichts Manethons ber die gyptische Religion in Ap 1,255 gelten.81 Apions Identifizierung des Moses wird in Ap 2,12 (vgl. Ap 2,20) als „erstaunliche Formulierung des Grammatikers“ bezeichnet, er selbst kurz darauf als „unser genauer Grammatiker“ (Ap 2,15). In Ap 2,17 begegnet Apion als „der von allen verlsslichste“ Historiker.82 Ironisch ist auch seine Kennzeichnung als bewunderungswrdig (Ap 2,25), als edel (Ap 2,32) und als großzgig (Ap 2,42). Apion gleiche einem Propheten (Ap 2,91) und msse fr seine tiefe Einsicht bewundert werden (Ap 2,125). Die polemische 77 Vgl. Dion Chrysostomos, Orationes 11,14; Plutarch, Moralia 1100C. 78 Vgl. Epiktet, Dissertationes III 7,21. 79 Josephus stellt das Leiden Apions als gerechte Bestrafung dar, die seiner Verfehlung spiegelbildlich entspricht. Vgl. Martin, Rhetorik, 145 f.; Vogel, Commentatio mortis, 132 – 134; Attridge, Josephus, 229: „The refutation of Apion’s accusations ends with a report of his death, a fitting example of poetic justice.“ 80 Vgl. Barclay, Josephus v. Apion, 213: „The repetition of such irony serves to erode the credibility of the opponent, enticing the reader into the author’s ,knowing’ and superior stance.“ 81 Labow, Contra Apionem Buch I, 269; Barclay, Apion, Anm. 91; 143 Anm. 893; Vogel, in: Siegert, Ursprnglichkeit, Band 2, 94. Sollte die in einigen Textzeugen enthaltene Bezeichnung des notorischen gypters Apion (vgl. Ap 2,29) als Abkçmmling „der Makedonen“ (Lajedºmym) in Ap 2,48 ursprnglich sein, wre das ein weiteres Beispiel seiner ironischen Diffamierung durch Josephus. Vgl. Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 167 mit Anm. 10. 82 Vgl. Barclay, Josephus v. Apion, 212 f.

Formen und Funktionen der Polemik in Josephus’ ,Contra Apionem‘

93

Beweistechnik der Reductio ad absurdum begegnet in Ap 2,23, indem Josephus zeigt, dass aus der bçswilligen Darstellung des Exodusgeschehens durch Apion ein offensichtlicher sachlogischer Widerspruch folgt.83 Die aktive Polemik gegen einzelne Gestalten der Geschichte beginnt mit dem gyptischen Kçnig Harmas (ca. 14./13. Jh. v. Chr.), den Josephus als rcksichtslos und verdorben beurteilt (Ap 1,100).84 In Ap 2,56 – 60 begegnet eine ausfhrliche Schmhkritik an Kleopatra VII. Philopator (reg. 51 – 30 v. Chr.). Die in Rom unbeliebte letzte Kçnigin des Ptolemerreiches habe keinen Rechtsbruch und keine beltat ausgelassen, sei rcksichtslos, undankbar, hinterhltig, habgierig, rebellisch, verschlagen, grausam und untreu gewesen.85 Den Seleukidenherrscher Antiochos IV. Epiphanes (ca. 215 – 164 v. Chr.) trifft der entehrende Vorwurf des Vertragsbruchs und der Tempelschndung aus bloßer Geldnot (Ap 2,90). Die Missbilligung der Skythen besteht in dem abgrenzenden Vorwurf bzw. Vorurteil, sie gingen gewohnheitsmßig dem brutalen Mord nach (Ap 2,269).86 Den Persern wird in verallgemeinernder Weise vorgehalten, Heiligtmer niederzubrennen, fremde Frauen zu vergewaltigen und Knaben zu verschneiden (Ap 2,270 f.). Die Thebaner, Lakedaemonier und Elier trifft der stereotype Vorwurf der ungezgelten mnnlichen Homosexualitt (Ap 2,273). Die Griechen werden beschuldigt, in ihrer anstçßigen Mythologie Entschuldigungen fr ihre eigenen verkehrten und widernatrlichen Gelste zu suchen (Ap 2,275). Die umfangreichste und massivste Vçlkerpolemik des Josephus betrifft die gypter.87 Ihnen wird vorgehalten, leichtfertig, gedankenlos, oberflchlich und voller blinder Leidenschaft zu sein (Ap 1,225 f.).88 Sie seien ihrem Wesen nach nichtswrdig, opportunistisch und boshaft bis in die 83 Ein Wortspiel aufgrund der Paronomasie kçnnte in Ap 2,7 enthalten sein. Nach der Textberlieferung des Codex Eliensis (15. Jh.) bezeichnet Josephus die Kritik Apions am jdischen Tempelkult nicht als „Anklage“ (jatgcoq¸a), sondern als „ble Nachrede“ (jajgcoq¸a). Vgl. Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 161 mit Anm. 1. 84 Das von Josephus kritisierte Handeln des Harmas wird deutlich mit dem von seinem Bruder geforderten Verhalten (Ap 1,98) kontrastiert. 85 Die antiken Quellen sind Kleopatra VII. gegenber durchweg negativ eingestellt. Vgl. Becher, Das Bild der Kleopatra in der griechischen und lateinischen Literatur; Barclay, Judaism, 236. 86 Zur ethnischen Stereotype der skythischen Brutalitt vgl. 3Makk 7,5; Plinius, Naturalis Historia 7,2 (9); Strabon, Geographica 11,11,3 (517). Vgl. noch Vogel, in: Siegert, Ursprnglichkeit, Band 2, 127. 87 Vgl. hingegen Platon, Timaios 22b. 88 Vgl. Berthelot, The Use of Greek and Roman Stereotypes of the Egyptians by Hellenistic Jewish Apologists.

94

Michael Tilly

Knochen (Ap 2,28 – 32). Zudem gelten sie dem jdischen Schriftsteller als streitschtig (Ap 2,65) sowie als unbestndig, dumm und verdorben (Ap 2,70). Insbesondere die Aversion der gypter gegen das Judentum sei beredter Ausdruck ihrer schlechten Grundeigenschaften und Wesenszge (Ap 1,223; II 70). Dementsprechend hlt Josephus auch seinen Rivalen Manethon (Ap 1,73. 227. 251) und Apion (Ap 2,29. 138) wiederholt ihre inferiore gyptische Herkunft vor.89 Polemische und emotionale Ausflle gegen den gyptischen Tierkult durchziehen das gesamte Werk. Seine berzeugung von der prinzipiellen Minderwertigkeit der gyptischen Religion und ihrer Unterlegenheit gegenber der jdischen Religion begrndet Josephus durchweg damit, dass in gypten vernunftlose (Ap 1,224 f.) und unreine (Ap 2,66 f.) Tiere als Gçtter verehrt werden (Ap 2,81. 138 f.).90 Im Rahmen einer synkritischen Gegenberstellung mit der jdischen Religion wird auch der griechische Gçtterglaube von Josephus in Ap 2,236 – 256 in pauschaler Weise angeprangert,91 wobei er die Anthropomorphismen und Anthropopathismen in der literarischen und knstlerischen Darstellung des olympischen Pantheons ausfhrlich und in grob karikierender Weise berzeichnet und dabei vor allem die zgellose Unbeherrschtheit und die obszçne Schamlosigkeit der Gçtter herausstellt (Ap 2,242 – 254), die sogar den widernatrlichen Geschlechtsverkehr unter Mnnern und mit Geschwistern einschließe (Ap 2,275).92 89 Vgl. Barclay, Josephus v. Apion, 208 f. mit Anm. 20. 90 Vgl. Herodot, Historiae 2,42; Strabon, Geographica 16,2,35 (760 f.); Juvenal, Saturae 4,1 – 12; und hierzu Hopfner, Der Tierkult der alten gypter nach den griechisch-rçmischen Berichten und den wichtigeren Denkmlern; Smelik, Hemelrijk, „Who Knows not what Monsters Demented Egypt Worships?“ Opinions on Egyptian Animal Worship in Antiquity as Part of the Ancient Concept of Egypt, 1912: „Josephus is trying to rally Greek (and Roman) prejudices against animal worship in order to discredit Apion.“ Vgl. noch Feldman, Jew, 144 f.; Berthelot, Use, 216; Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 61; Vogel, in: ebd., Band 2, 92. 91 Vergleichbare Mythenkritik begegnet bereits bei Xenophanes (Fragmente der Vorsokratiker 21, B 11) und Hekataios von Milet (Fragmente Griechischer Historiker 1, F 1) sowie bei Cicero, De natura deorum 2,70. Vgl. Burkert, Kritiken, Rettungen und unterschwellige Lebendigkeit griechischer Mythen zur Zeit des frhen Christentums, 183 f. 92 Als ironisch kann die Bemerkung des Josephus in Ap 2,253 gelten, die einst hochverehrten griechischen Gçtter seien mittlerweile alt geworden. Die Kritik des Josephus an der griechischen Religion begegnet in hnlicher Weise auch bei dem zeitgençssischen rçmischen Schriftsteller Dionysios von Halikarnassos (Antiquitates Romanae 2,18 – 23). Vgl. Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 61; Vogel, in:

Formen und Funktionen der Polemik in Josephus’ ,Contra Apionem‘

95

5. Ziele der Polemik des Josephus Die scharfe Polemik des Autors von Contra Apionem gegen seine literarischen Gegner und die von ihnen verfassten Werke zielt auf das Gegenteil dessen, was im kaiserzeitlichen Rom als das Ideal eines rhetorisch gewandten historischen Schriftstellers und als formal und inhaltlich korrekte Geschichtsschreibung galt. Dabei werden von Josephus vor allem standardisierte polemische Topoi93 und Elemente der zeitgençssischen rçmischen Homerkritik, Mythenkritik und Literaturkritik aufgenommen und in apologetischer Absicht instrumentalisiert.94 Der jdische Apologet setzt hier also das Vorverstndnis und das Einverstndnis seiner gebildeten und sachkundigen rçmischen Leser voraus. In ihrer Immunisierung gegen die von Apion und seinen Gewhrsleuten vorgetragenen antijdischen Anschuldigungen besteht die generelle Pragmatik des Josephustextes. Seine offensiv vorgetragenen Argumente und offenen Invektiven dienen Josephus dazu, seinem Lesepublikum die mangelnde Qualifikation und Vertrauenswrdigkeit seiner Kontrahenten und ihrer Bcher zu signalisieren. Er will somit ihre negativen Darstellungen des Judentums, seiner Geschichte, seiner Gesetzgebung und seiner Religion gegenber der Zuverlssigkeit der eigenen biblischen Tradition (und seines eigenen schriftstellerischen Werkes) als unhaltbar, unglaubwrdig und wertlos entlarven.95 Mit dem Alexandriner Apion hat sich der jdische Schriftsteller dabei gezielt einen literarischen Gegenspieler ausgesucht, der in Rom unbeliebt war und dessen Werk hier nicht viel galt.96 Gerade seine delegitimierende Abwertung der Arbeitsweise und des Charakters Apions verknpft also die Behauptung der berlegenheit des jdischen Historikers und seines Werkes mit dem berlegenheitsbewusstsein seiner Adressaten. Josephus nutzt somit in geschickter Weise die antijdischen Vorurteile des alexandrinischen Philologen zugunsten der positiven Darstellung des Judentums und seiner selbst. Es ist daneben durchaus vorstellbar, dass er bei seiner

93 94 95 96

ebd., Band 2, 124 f. Zur Intention der synkritischen Gegenberstellung vgl. Gerber, Ein Bild des Judentums fr Nichtjuden von Flavius Josephus, 209: „Bei den Juden geht es schon auf Erden gesitteter zu.“ Vgl. Johnson, Slander, 432. Vgl. Barclay, Jews in the Mediterranean Diaspora from Alexander to Trajan, 366; Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 60. Vgl. Johnson, Slander, 433; Kasher, Polemic, 163. Vgl. Gerber, Ein Bild des Judentums fr Nichtjuden von Flavius Josephus, 75; Vogel, in: Siegert, Ursprnglichkeit, Band 2, 97.

96

Michael Tilly

leidenschaftlichen Schmhkritik auch die Unterhaltung seiner rçmischen Leser im Blick hat.97 In hnlicher Weise setzt die polemisch verzeichnende kollektive Charakterisierung der (ebenso wie die gypter von Rom beherrschten) Griechen und ihrer Religion durch Josephus einerseits voraus, dass kein vernnftiger Mensch unter seinen Lesern an derartiges glaubt. Sie stellt andererseits implizit das direkte Gegenteil dessen dar, was durch das jdische monotheistische Bekenntnis und seine vernunftgemße theonome Gesetzgebung – fr Josephus in geradezu idealer Weise – verkçrpert wird.98 Auch diese deutliche Kontrastierung zwischen Judentum und Griechentum spiegelt nicht nur sein Bewusstsein der berlegenheit der mosaischen Religion und Gesetzgebung wider, sondern auch die bei den Rçmern verbreitete berzeugung von der relativen Unterlegenheit der griechischen Zivilisation und Kultur.99 Die Tatsache, dass seine allgemeine Polemik am olympischen Pantheon und seiner Verehrung unbeschadet der rçmischen Griechenkritik auf eine Religion zielt, die mit dem, was in Rom als staatstragend galt, durchaus Gemeinsamkeiten aufwies, scheint den jdische Autor dabei nicht gestçrt zu haben.100 Auch in seiner polemischen und in aggressiver Weise vorgetragenen Kritik an der fragwrdigen ethnischen Disposition der Skythen, Perser und Griechen, insbesondere aber an den gyptern und ihrer Zoolatrie, versucht Josephus, sich die rçmische Verachtung dieser Vçlker zunutze zu machen.101 Indem er dabei im Sinne der bergeordneten utilitas causae gerade den tiefen Hass und den grundlosen Neid der gypter auf das Judentum betont,102 will er ihre Geschichtswerke diskreditieren und sie als die eigentlichen Urheber smtlicher antijdischen Vor- und Fehlurteile kennzeichnen, die seinen 97 Vgl. Gerber, Antijudaismus und Apologetik, 338: „Josephus betreibt – heutzutage hçchst geschtzt – multitasking.“ 98 So Gerber, Ein Bild des Judentums fr Nichtjuden von Flavius Josephus, 323. 99 Vgl. Sandmel, Judaism and Christian Beginnings, 267 – 277; Haaland, Jewish Laws for a Roman Audience, 284 – 286; Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 17; Barclay, Politics, 126 f.; ders., Judaism, 240: „As a long-term resident in Rome, who has absorbed the cultural perspectives of the Roman upper classes, Josephus can play on Roman prejudices in this neat dismissal of the Greeks.“ Anders Feldman, Flavius Josephus Revisited, 857. 100 Vgl. Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 61. 101 Vgl. Barclay, Josephus v. Apion, 199: „His critique of „Gentiles“ is actually very careful targeted against Greeks and Egyptians, while he seems to go out of his way to avoid criticism of Romans, whose values he supports at every turn.“ 102 Zur Betonung der jdischen Toleranz gegenber fremden Vçlkern und ihren Kulten vgl. z. B. Ap 2,237 sowie Antiquitates 4,207; 8,290; 9,1.

Formen und Funktionen der Polemik in Josephus’ ,Contra Apionem‘

97

rçmischen Lesern mçglicherweise bekannt sind.103 Neben diesem neutralisierenden Aufweis der Haltlosigkeit aller judenfeindlichen Vorhaltungen gerade seitens der gypter104 will er sein Lesepublikum insgesamt darauf hinweisen, dass das Judentum selbst hinsichtlich seiner Gesetzgebung, Kultur und Religion durchweg auf der „zivilisierten“ Seite der Rçmer steht.105 Obwohl Josephus in seiner parteiischen und konfrontativen Polemik gegen andere Autoren, Vçlker und Religionen106 eine dem Judentum und ihm selbst durchaus nicht feindselig eingestellte Leserschaft anzusprechen scheint,107 fr die der Monotheismus und die Tora keine gnzlich unbekannten Grçßen darstellen, berhrt seine Kritik an keiner Stelle rçmische Kultur, rçmische Politik oder rçmischen Kult.108 Seine Kritik an der Verehrung von Bildern und Statuen spart die Rçmer und ihren Kaiserkult vielmehr durchweg aus (Ap 2,74 f.). Hingegen betont der jdische Klient des Flavierhauses immer wieder die bewunderungswrdige rçmische vikamhqyp¸a (Ap 2,40 f. 73; vgl. I 66; II 57).109 Zudem argumentiert er bei der massiven apologetischen Auseinandersetzung mit seinen Widersachern absichtlich nicht mit positiv begrndenden Aussagen spezifisch jdischer Provenienz, sondern bedient sich als Argumentationsmittel – in strategisch geschickter Weise – durchweg der Argumente und Klischees eines ethnozentrischen rçmischen berlegenheitsbewusstseins und eines in Rom ver103 Vgl. Mason, The Contra Apionem, 211: „Josephus dismisses all of the slanders heard in Rome in his day as derived from envious and spiteful Egyptians.“ Auch Barclay, Hostility to Jews as Cultural Construct: Egyptian, Hellenistic, and Early Christian Paradigms, 367, spricht im Hinblick auf die Darstellung der gypter von „Josephus’ tendency to homogenise hostility to Jews/Judeans, to treat it as a single phenomenon whose roots lie in a single cultural tradition.“ Vgl. ders., Jews, 363; Gager, Origins, 59; Gerber, Antijudaismus, 345, sowie Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 51: „Gerade Juden und gypter fanden sich gegenseitig ekelhaft.“ 104 Vgl. Sherwin-White, Racial Prejudice in Imperial Rome, 98; Balsdon, Romans and Aliens; Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 60: „Josephus verkennt das Problem beginnenden Vçlkerhasses in seiner Tiefe, wenn er meint, eine Polemik gegen die gypter […] werde der jdischen Sache in Rom Vorschub leisen.“ 105 Vgl. Berthelot, Use, 217 f. 106 Vgl. Siegert, Ursprnglichkeit, Band 1, 49: „Es geht Josephus nicht darum, den Streit verschiedener Religionsgemeinschaften zu entschrfen, sondern er will ihn zu seinen Gunsten entscheiden.“ 107 Vgl. Mason, The Contra Apionem, 212: „He is attacking Judaism’s detractors in a safe atmosphere.“ 108 Zur prorçmischen Einstellung des Josephus vgl. Goodman, Josephus as a Roman Citizen, 334 f.; Siegert, Protreptik, 68. 109 Vgl. Barclay, Jews, 366.

98

Michael Tilly

breiteten Klimas religiçser Xenophobie.110 Josephus rckt zwar in Contra Apionem an keiner Stelle von seiner jdischen Identitt ab. Aber er verlangt seinen aufgeklrten Lesern – auch bei seiner Polemik – „keine Akzeptanz jdischer Werte als solcher ab“111 und ist sich selbst in seinem bittersten Spott und in seinen aggressivsten Angriffen der umstrittenen Position des Judentums im rçmischen Reich – und wohl auch der Fragilitt seiner eigenen politisch-sozialen Stellung – bewusst.

Literatur Attridge, H.W., Josephus and His Works, in: CRI II/2, Assen, Philadelphia 1984, 185 – 232. Balsdon, J.V.P.D., Romans and Aliens, London 1979. Barclay, J.M.G., Against Apion (Flavius Josephus, Translation and Commentary 10), Leiden, Boston 2007. Barclay, J.M.G., Hostility to Jews as Cultural Construct: Egyptian, Hellenistic, and Early Christian Paradigms, in: Bçttrich, C., Herzer, J. (Hg.), Josephus und das Neue Testament (WUNT 209), Tbingen 2007, 365 – 385. Barclay, J.M.G., Jews in the Mediterranean Diaspora from Alexander to Trajan (323 BCE–117 CE), Edinburgh 1996. Barclay, J.M.G., Josephus v. Apion: Analysis of an Argument, in: Mason, S. (ed.), Understanding Josephus. Seven Perspectives (JSP.S 32), Sheffield 1998, 194 – 221. Barclay, J.M.G., Judaism in Roman Dress: Josephus’ Tactics in the Contra Apionem, in: Kalms, J.U., Siegert, F. (Hg.), Internationales Josephus-Kolloquium Brssel 1998 (MJSt 4), Mnster 1999, 231 – 245. Barclay, J.M.G., The Politics of Contempt: Judaeans and Egyptians in Josephus’ Contra Apionem, in: ders. (Hg.), Negotiating Diaspora. Jewish Strategies in the Roman Empire (LSTSt 45), London/New York 2004, 109 – 124. Becher, I., Das Bild der Kleopatra in der griechischen und lateinischen Literatur (SSA 51), Berlin 1966. Berthelot, K., The Use of Greek and Roman Stereotypes of the Egyptians by Hellenistic Jewish Apologists, with special reference to Josephus’ Against Apion, in: Kalms, J.U., Siegert, F. (Hg.), Internationales Josephus-Kolloquium Brssel 1998 (MJSt 4), Mnster 1999, 185 – 221. Berthelot, L., Philanthr pia Judaica. Le dbat autour de la ,misanthropia‘ des lois juives dans l’ Antiquit (JSJ.S 76), Leiden 2003. 110 Der verbreitete Antijudaismus scheint auch die rçmischen Eliten infiziert zu haben. Im ethnographischen Judenexkurs des Tacitus (Historiae 5,5,2) begegnet z. B. der Vorwurf, Proselyten wrden nach ihrem bertritt zum Judentum nicht nur die Gçtter, sondern auch ihr bisheriges Vaterland, ihre Eltern, Geschwister und Kinder verachten. Vgl. Barclay, Hostility, 366. 111 Gerber, Ein Bild des Judentums fr Nichtjuden von Flavius Josephus, 179.

Formen und Funktionen der Polemik in Josephus’ ,Contra Apionem‘

99

Bickermann, E., Ritualmord und Eselskult, in: ders., Studies in Jewish and Christian History (AGJU 9), Band 2, Leiden u. a. 1980, 225 – 255. Bilde, P., Flavius Josephus between Jerusalem and Rome (JSP.S 2), Sheffield 1988. Bloch, R.S., Antike Vorstellungen vom Judentum. Der Judenexkurs des Tacitus im Rahmen der griechisch-rçmischen Ethnographie (Hist.E 160), Stuttgart 2002. Bloch, R.S., Geography without Territory: Tacitus’ Digression on the Jews and its Ethnographic Context, in: Kalms, J.U., Siegert, F. (Hg.), Internationales Josephus-Kolloquium Brssel 1998 (MJSt 4), Mnster 1999, 38 – 54. Bohrmann, M., Die Sicht des Fremdlings in Contra Apionem, in: Kalms, J.U., Siegert, F. (Hg.), Internationales Josephus-Kolloquium Brssel 1998 (MJSt 4), Mnster 1999, 222 – 230. Burkert, W., Kritiken, Rettungen und unterschwellige Lebendigkeit griechischer Mythen zur Zeit des frhen Christentums, in: Haehling, R. von (Hg.), Griechische Mythologie und frhes Christentum, Darmstadt 2005, 173 – 193. Cancik, H., Art. Apologetik/Polemik, in: HrwG 2 (1990), 29 – 37. Conzelmann, H., Heiden – Juden – Christen. Auseinandersetzungen in der Literatur der hellenistisch-rçmischen Zeit (BhTh 62), Tbingen 1981. Droge, A.J., Josephus between Greeks and Barbarians, in: Feldman, L.H., Levison, J.R. (Hg.), Josephus’ Contra Apionem. Studies in its Character and Context with a Latin Concordance to the Portion Missing in Greek (AGJU 34), Leiden u. a. 1996, 115 – 142. Feldman, L.H., Flavius Josephus Revisited, in: ANRW II 21,2 (1984), 763 – 862. Feldman, L.H., Hatred for and Attraction to the Jews in Classical Antiquity, in: ders., Judaism and Hellenism Reconsidered (JSJ.S 107), Leiden/Boston 2006, 157 – 203. Feldman, L.H., Jew and Gentile in the Ancient World, Princeton 1993. Fçrster, N., Geschichtsforschung als Apologie. Josephus und die nicht-griechischen Historiker in Contra Apionem, in: Rodgers, Z. (ed.), Making History. Josephus and Historical Method (JSJ.S 110), Leiden/Boston 2007, 168 – 191. Gager, J.G., The Origins of Anti-Semitism. Attitudes Toward Judaism in Pagan and Christian Antiquity, New York/Oxford 1983. Garson, R.W., The Jew in the Classical Literature, in: Prudentia 3 (1971), 99 – 108. Gerber, C., Antijudaismus und Apologetik, in: Bçttrich, C., Herzer, J. (Hg.), Josephus und das Neue Testament (WUNT 209), Tbingen 2007, 335 – 363. Gerber, C., Ein Bild des Judentums fr Nichtjuden von Flavius Josephus. Untersuchungen zu seiner Schrift Contra Apionem (AGJU 40), Leiden u. a. 1997. Gnilka, C., Wahrheit und hnlichkeit, in: Haehling, R. von (Hg.), Griechische Mythologie und frhes Christentum, Darmstadt 2005, 194 – 226. Goldenberg, R., The Jewish Sabbath in the Roman World up to the Time of Constantine the Great, in: ANRW II 19,1 (1979), 414 – 447. Goodman, M., Josephus as a Roman Citizen, in: Parente, F., Sievers, J. (Hg.), Josephus and the History of the Greco-Roman Period, FS M. Smith (StPB 41), Leiden u. a. 1994, 329 – 338. Gussmann, O., Das Priesterverstndnis des Flavius Josephus (TSAJ 124), Tbingen 2008.

100

Michael Tilly

Haaland, G., Jewish Laws for a Roman Audience, in: Kalms, J.U., Siegert, F. (Hg.), Internationales Josephus-Kolloquium Brssel 1998 (MJSt 4), Mnster 1999, 282 – 304. Hopfner, T., Der Tierkult der alten gypter nach den griechisch-rçmischen Berichten und den wichtigeren Denkmlern (DAWW.PH 57,2), Wien 1913. Horst, P.W. van der, Chaeremon: Egyptian Priest and Stoic Philosopher (EPRO 101), Leiden u. a. 19872. Horst, P.W. van der, Philo’s Flaccus: The First Pogrom (Philo of Alexandria Commentary Series 2), Leiden u. a. 1993. Horst, P.W. van der, Who was Apion?, in: ders., Japheth in the Tents of Shem. Studies on Jewish Hellenism in Antiquity (CBETh 32), Leuven u. a. 2002, 207 – 221. Jacobson, H., Apion, the Jew, and Human Sacrifice, in: CQ 51 (2001), 318 f. Johnson, L.T., The New Testament’s Anti-Jewish Slander and the Conventions of Ancient Polemic, in: JBL 108 (1989), 419 – 441. Jones, K.R., The Figure of Apion in Josephus’ Contra Apionem, in: JSJ 36 (2005), 278 – 315. Juster, J., Les Juifs dans l’empire Romain, leur condition juridique, conomique et sociale, Band 1, Paris 1914. Kamlah, E., Frçmmigkeit und Tugend. Die Gesetzesapologie des Josephus in c Ap 2, 145 – 295, in: Betz, O. u. a. (Hg.), Josephus-Studien. FS O. Michel, Gçttingen 1974, 220 – 232. Kasher, A., Polemic and Apologetic Methods of Writing in Contra Apionem, in: Feldman, L.H., Levison, J.R. (Hg.), Josephus’ Contra Apionem. Studies in its Character and Context with a Latin Concordance to the Portion Missing in Greek (AGJU 34), Leiden u. a. 1996, 143 – 186. Labow, D., Flavius Josephus Contra Apionem Buch I. Einleitung, Text, Textkritischer Apparat, bersetzung und Kommentar (BWANT 167), Stuttgart 2005. Malitz, J., Die Historien des Poseidonios (Zetemata 79), Mnchen 1983. Martin, J., Antike Rhetorik. Technik und Methode (HAW II 3), Mnchen 1974. Mason, S., The Contra Apionem in Social and Literary Context: An Invitation to Judean Philosophy, in: Feldman, L.H., Levison, J.R. (Hg.), Josephus’ Contra Apionem. Studies in its Character and Context with a Latin Concordance to the Portion Missing in Greek (AGJU 34), Leiden u. a. 1996, 187 – 228. McKay, H.A., Sabbath and Synagogue (EPRO 122), Leiden u. a. 1994. Meiser, M., Frhjdische und frhchristliche Apologetik, in: Kalms, J.U. (Hg.), Internationales Josephus-Kolloquium Aarhus 1999 (MJSt 6), Mnster u. a. 2000, 155 – 184. Mendels, D.,The Polemical Character of Manetho’s Aegyptiaca, in: Verdin, E. u. a. (Hg.), Purposes of History. Studies in Greek Historiography from the 4th to the 2nd Centuries BC (StHell 30), Leuven 1990, 91 – 110. Michael, H.J., The Jewish Sabbath in the Latin Classical Writers, in: AJSL 40 (1923/ 24), 117 – 124. Oberhnsli-Widmer, G., Art. Mose/Moselied/Mosesegen/Moseschriften III. Apokalyptische und jdisch-hellenistische Literatur, in: TRE 23 (1994), 347 – 357.

Formen und Funktionen der Polemik in Josephus’ ,Contra Apionem‘

101

Pilhofer, P., Presbyteron kreitton. Der Altersbeweis der jdischen und christlichen Apologeten und seine Vorgeschichte (WUNT II 39), Tbingen 1990. Ramelli, I. (Hg.), Allegoria, Band 1, Milano 2004. Riesebrodt, M., berlegungen zur Legitimitt eines universalen Religionsbegriffs, in: Luchesi, B., Stuckrad, K. von (Hg.), Religion im kulturellen Diskurs (RVV 52), Berlin/New York 2004, 127 – 149. Sandmel, S., Judaism and Christian Beginnings, New York 1978. Schfer, P., Judeophobia. Attitudes toward the Jews in the Ancient World, Cambridge/London 1997. Schimanowski, G., Juden und Nichtjuden in Alexandrien (MJSt 18), Berlin 2006. Schmidt, W., Sthlin, O., Geschichte der griechischen Literatur (HAW VII 2.1), Mnchen 19596. Scornaienchi, L., Art. Polemik, in: Lexikon der Bibelhermeneutik (2009), 439 f. Sevenster, J.N., The Roots of Pagan Anti-Semitism in the Ancient World (NT.S 41), Leiden 1975. Sherwin-White, A.N., Racial Prejudice in Imperial Rome, Cambridge 19702. Siegert, F. (Hg.), Flavius Josephus, ber die Ursprnglichkeit des Judentums (Contra Apionem) (SIJD 6), 2 Bnde, Gçttingen 2008. Siegert, F., Protreptik und Polemik bei Josephus: Eine Einleitung in sein Contra Apionem, in: Horst, P.W. van der, Menken, M.J.J. (Hg.), Persuason and Dissuason in Early Christianity, Ancient Judaism, and Hellenism (CBETh 33), Leuven u. a. 2003, 65 – 85. Smelik, K.A.D., Hemelrijk, E.A., „Who Knows not what Monsters Demented Egypt Worships?“ Opinions on Egyptian Animal Worship in Antiquity as Part of the Ancient Concept of Egypt, in: ANRW II 17,4, (1984), 1852 – 2000. Stern, M.,The Jews in Greek and Latin Literature, in: CRI I/2, Assen, Philadelphia 1987, 1101 – 1159. Vogel, M., Commentatio mortis (FRLANT 214), Gçttingen 2006. Yavetz, Z., Judenfeindschaft in der Antike (BsR 1222), Mnchen 1997.

Polemik der Tora. Der Streit mit Hretikern in der rabbinischen Literatur Matthias Morgenstern Der islamische Gelehrte al-Asˇ ‘arı¯ aus dem 10. Jahrhundert wird mit dem Ausspruch zitiert, Gott kçnne man durch Debattieren und Disputieren nher kommen: In dialectical debates and disputations one should seek to get closer to God, the Exalted. They should serve as a way to worship Him and to fulfil His commandments. Their motif should be the desire to achive His reward and to avoid His punishment.1

Damit solcher Lohn erlangt werden kçnne, sei es aber notwendig, so der islamische Theologe, dass es sich bei beiden Disputanten wirklich um Gegner handele: Einer der Sprecher msse Skeptiker, Hretiker oder zumindest Vertreter einer falschen theologischen Meinung sein, da der Streit erst durch diesen realen Gegensatz in religiçser Hinsicht verdienstvoll werde.2 Diese Aussage lsst an die Tatsache denken, dass die Rede und Gegenrede, die Diskussion und das Streitgesprch, zu den Grundformen der rabbinischen Literatur gehçren und Spitzenstze des Talmud den Eindruck erwecken, als sei der Streit ber die Gotteslehre geradezu ein Wert „an sich“. Im babylonischen Talmud (bBaba Mezi’a 85b) wird es Rabbi H . iyya bar Abba I, jenem 3 Zeitgenossen des Rabbi Yehuda ha-Nasi , zugeschrieben, die Tora durch solches Debattieren und Disputieren erst erneuert und erhalten zu haben.

1. Terminologie und Formen des Streitens Wenn wir der rabbinischen Eristik und ihren Grnden auf die Spur kommen wollen, ist es freilich zunchst erforderlich, die talmudische Terminologie genauer zu prfen. Die Encyclopaedia Judaica bietet unterschiedliche 1 2 3

Stroumsa, Freethinkers of Medieval Islam, 176; vgl. auch van Ess, Disputationspraxis in der islamischen Theologie. Vgl. Soffer, The Theological Majlis and Religious Otherness in Medieval Islam. Zu Rabbi H . iyya vgl. unten Anm. 21.

104

Matthias Morgenstern

Eintrge zu den Stichworten „conflict of opionion“, „disputations and polemics“ und „polemics“, ohne freilich eine konsequente Zuordnung zu den entsprechenden hebrisch-aramischen Wendungen einzuhalten.4 In der letztgenannten Talmudstelle (bBM 85b) ist vom „pilpul“ die Rede („pilpalti tora“), der „gepfefferten“ und dialektischen Auseinandersetzung ber die mndliche Lehre.5 Das dem Griechischen entnommene hebrische Fremdwort „pulmus“, das erst im Neuhebrischischen die bertragene Bedeutung der „Polemik“ angenommen hat, wird in den klassischen Wçrterbchern mit Streit, Krieg, Kriegszeit („riv“, „milh. ama“, „‘et milh. ama“) wiedergegeben.6 Sachlich nher kommt unserer Fragestellung ein rabbinischer Text, der von einer „milh. amta shel tora“7 handelt, einem „Krieg“, einer offenbar harten verbalen Auseinandersetzung um die sinaitische Lehre. Daneben kennt die rabbinische Literatur die „mah. loqet“ („pelugta“, im palstinensischen Aramisch „taflugta“8) nach der berhmten Definition in Pirqe Avot 5,17: „Jeder Streit, der um des Himmels willen gefhrt wird, hat einen bleibenden Wert.“9 Religiçser Streit und Polemik werden hier also 4 5 6

7

8 9

Vgl. Encyclopaedia Judaica 5, 890 – 891; Encyclopaedia Judaica 6, 79 – 103; Encyclopaedia Judaica 13, 790 – 795. Zu diesem Ausdruck vgl. Bacher, Die exegetische Terminologie der jdischen Traditionsliteratur, 157. Vgl. Gur, Millon ‘Iivri, 789 (mit Belegstellen; vgl. z. B. yAvoda Zara 39c,16 [= Wewers, Avoda Zara, 10]); vgl. auch Even-Shoshan, Millon H . adash, 1295 (mit Belegen); E9D=EHE4 E9B@9H, der „Vespasianische Krieg“, ist demnach eine Bezeichnung fr den Jdischen Aufstand im ersten Jahrhundert; vgl. auch Lavi, Handwçrterbuch Hebrisch-Deutsch, s.v. E9B@9H, wo als deutsche Entsprechung nur noch „Polemik“ verzeichnet ist. Von den drei ltesten Belegen bezeichnen zwei (BemidbarRabba 11 [=Wnsche, Midrasch Bemidbar Rabba, 256] und Midrasch Tanchuma (Buber), beshalah. ) den Kampf gegen den eigenen bçsen Trieb; erst der dritte Beleg (bSanhedrin 42a) lsst sich auf eine verbale Auseinandersetzung mit anderen beziehen. Die Argumentation in diesem Talmudtext beginnt mit einem Zitat aus Spr 24,6: „Denn mit berlegung soll man Krieg (milh. ama; LXX: plemos) fhren“, wobei diese „berlegung“ („tah. bulot“) auf die Mischna gedeutet wird, die den Polemiker in der Auseinandersetzung wappnen und ausrsten soll, wenn er (in der Argumentation gegen rabbinische Mitdiskutanten? Gegen nichtrabbinische Juden oder Judenchristen?) sozusagen „Mischna-Pfeile“ in seinem Bndel hat. Vgl. Bacher, Die exegetische Terminologie der jdischen Traditionsliteratur, 156 (mit Belegstellen); als Beispiel vgl. auch bEruvin 50a fin („pelig“). Vgl. www.yeshiva.org.il/midrash/Shiur.asp?id=1589 und www.daat.ac.il/mishpativri/skirot/127 – 2.htm sowie www.education.gov.il/tochniyot_Limudim/ machlokot/mahloket_sugey.htm (zur aktuellen – auch religionspolitischen – Dis-

Polemik der Tora. Der Streit mit Hretikern in der rabbinischen Literatur

105

nicht ohne Einschrnkungen gelobt, sondern es wird unterschieden zwischen halachischen Diskussionen, denen es um die Sache geht, und Streitigkeiten, die aus selbstschtigen, eigenntzigen Motiven gefhrt werden. Der zitierte Text nennt als Beispiel fr letztere die biblische Auseinandersetzung mit der Rotte Korach (Num 16) – whrend die Diskussion zwischen den Schulen Hillels und Shammais geradezu das Paradigma fr die gewnschte, die notwendige Disputation und Diskussion ist.10 Von den Meinungsußerungen beider Schulhupter heißt es bekanntlich: „Diese wie jene sind Worte des lebendigen Gottes“.11 Die Unterscheidung zwischen legitimem und illegitimem Streit hat nun auch Folgen fr die Beurteilung der polemischen Umgangsformen. Verpçnt ist die Parteienbildung, aber auch jeder Widerstand des Schlers gegenber seinem Lehrer. In bSanhedrin 110a heißt es: „Wer seinem Lehrer widerspricht ist wie einer, der der (gçttlichen) Einwohnung widerspricht – ha-‘os meriba ‘im rabo ke-os ‘im shekhina.“ Getadelt wird ferner, wenn einer am Streit um des Streits willen festhlt („ha-mah. siq bamah. loqet“). Dementsprechend werden die Kontroversgesprche im Talmud nicht nur idyllisch vorgestellt: In Jerusalemer Talmud wird an einer Stelle sogar davon berichtet, dass Schler aus Shammais Schule ihre Hillelitischen Gegner im Streit erschlagen htten, weil diese die erschwerenden Regeln der Shammaiten nicht akzeptieren wollten.12 Am 9. des Monats Adar sei sogar ein Fasttag eingefhrt worden, um der Auseinandersetzung zwischen beiden Schulen trauernd zu gedenken. Diese polemikkritische Tendenz wird im Talmud durch eine Art Dekadenztheorie untermauert. Es heißt dort (yChagiga 2,2 – 77d.21-25 und bSanhedrin 88b), dass es am Anfang keinen Streit (mah. loqet) gab – die Bibel sprach noch mit einer Stimme; Meinungsunterschiede sind demnach sikussion ber die „mah. loqet she-hi le-shem shamayim“, ber den „um des Himmels willen gefhrten Streit“). 10 Die Belegstellen fr den Streit zwischen den Schulen Hillels und Shammais sind uferlos; als Beispiel vgl. etwa yBerakhot 1,3 – 3b (Horowitz, Berakhot, 25); dort wird zugleich deutlich, dass die Diskussion wohl weiter berliefert wird, in praktischer Hinsicht aber nicht ad infinitum geht, weil sie zugunsten der Hilleliten entschieden ist. 11 Vgl. bEruvin 13b. 12 Vgl. yShabbat 3c,35 – 37; dazu: Httenmeister, Shabbat, 43 Anm. 355. Vgl. auch die Warnung in bSota 49a: „Wenn zwei Talmidei H . akhamim in einer Stadt weilen und sich in der Halakha uneinig sind, so (muß) der eine sterben und der andere in die Verbannung geschickt werden.“ Zur Diskussion ber die Umgangsformen bei Disputationen unter Muslimen vgl. Stroumsa, Freethinkers of Medieval Islam, 173 – 179.

106

Matthias Morgenstern

gnifikant fr ein Defizit, das sich erst in spterer Zeit einstellte, mit Hillel und Shammai; und die deplorable Situation, in der es in dieser Perspektive faktisch nun einmal Meinungsgegenstze gibt, erforderte, den Streit in seinen Umgangsformen przise zu regeln.13 Andererseits wird die Bedeutung des legitimen Streitens im Talmud immer wieder positiv hervorgehoben. Dass kontrovers diskutiert werden soll, kann dabei so wichtig werden, dass man Disputationen berliefert, obwohl man nicht mehr weiß, wer eigentlich mitdiskutiert hat.14 Zur positiven Bewertung des Widerspruchs passt auch die bemerkenswerte strafprozessuale Bestimmung im Traktat Sanhedrin, dass ein einmal geflltes Todesurteil ungltig wird, wenn die Richter ihr Urteil einstimmig gefllt haben (bSanhedrin 17a). Ein Urteil kann demnach erst durch den Widerspruch hindurch Geltung erlangen und rechtskrftig werden. Das Disputieren bekommt in einigen Texten eine geradezu fundamentaltheologische Note, wenn es heißt, dass auch zwischen dem irdischen und dem himmlischen Lehrhaus („metivta“) ein Streit ausgetragen werden soll. Die diesseitigen Gelehrten werden dabei ermutigt, nach ihrem menschlichen Verstndnis zu entscheiden – sie sollen sich durchaus nicht nach der nur im Himmel bekannten gçttlichen Wahrheit richten.15 Die berhmte Geschichte des Ofens von Akhnay in bBava Mezi’a 59b macht darber hinaus deutlich, dass in der Tat damit gerechnet wird, dass es Widersprche zwischen Lehrentscheidungen der himmlischen und der irdischen Yeshiva gibt16 13 Vgl. Encyclopaedia Judaica 5, 890 – 891 (s.v. „conflict of opinion“). 14 Vgl. yKetubbot 12,2/3 – 34d, 68: „irgendeiner hat gesagt […], irgendein anderer (aber) hat gesagt […]“; vgl. auch yOrla 1,1/6 – 60c,75 ff.; 3,3/3 – 63a,54-59. Fr die Sachbezogenheit des Streitens spricht, dass in den genannten Fllen an den Streitgegenstand, nicht aber an die streitenden Personen erinnert wird – in der heutigen Medienwirklichkeit stnden, wenn schon etwas „vergessen“wird, die Streitenden im Mittelpunkt und kçnnten Grund und Inhalt der Auseinandersetzung notfalls unerwhnt bleiben. 15 Vgl. dazu die Erzhlung in bBava Mezi’a 86a, nach der Rabba ben Nah. mani in das himmlische Lehrhaus berufen wird, um eine dort verhandelte Streitfrage zu entscheiden (4F=KL7 4N5=NB5 =6@H=B), weil er derjenige ist, der sich in den gerade verhandelten Gesetzesfragen (den Gesetzen von den Ausschlgen und den Gesetzen von den Bezeltungen) am besten auskennt. Der ausgesandte Todesengel vermochte sich dem Gelehrten zunchst nicht zu nhern, weil dessen „Mund nicht vom Studium abließ“. 16 Nach dieser Erzhlung wollte Rabbi Eli‘ezer eine halakhische Streitfrage durch ein Naturwunder entscheiden lassen („wenn die Halakha mit mir bereinstimmt, so soll es dieser Johannisbrotbaum beweisen […], wenn die Halakha mit mir bereinstimmt, so sollen die Wnde des Lehrhauses einstrzen!“). Da stand Rabbi Yehoshua‘auf und sprach: „(Die Tora) ist nicht im Himmel.“ Weiter heißt es, dass nicht

Polemik der Tora. Der Streit mit Hretikern in der rabbinischen Literatur

107

und auch Gott selbst widersprochen werden kann und soll. „Die Tora ist nicht im Himmel“, sie ist dem auf der Erde tagenden rabbinischen Entscheidungsgremium anvertraut.17

2. Vom Sinn des Streitens Ein Text aus dem Jerusalemer Talmud (yKetubbot 12,3/16 – 35a,72 – 35b,6) zeigt dementsprechend, wie die Polemik große Gelehrte ber ihren Tod hinaus begleitet hat, indem die Nachgeborenen an ihrem Grab streiten und die Auseinandersetzung selbst in der Gruft weitergeht. Bedeutsam scheint im folgenden Beispiel zu sein, dass jeweils ber einen Dritten gestritten wird, zunchst zwischen Rabbi H . aggay und den brigen Gelehrten ber den Begrbnisort des Babyloniers Rav Huna, der im Heiligen Land bestattet werden will, spter im Totenreich zwischen dem uns aus bBava Mezi’a 85b bereits bekannten Rabbi H . ijja und seinen Sçhnen: Als Rav Huna, das Haupt der Diaspora, starb, brachten sie ihn in das Land Israel. Sie sagten: Wenn wir ihn (hier) beisetzen (wollen), mssen wir ihn (seinem Stande gemß) neben Rabbi H . iyya beisetzen[…]. Sie sagten: Wer will ihn in die Hçhle hineinbringen, in der Rabbi H . iyya mit seinen beiden Sçhnen Yehuda und H . izqiyya bestattet war? Rabbi H . aggay sagte: Ich werde ihn dort hineinbringen. Sie sagten zu ihm: Du suchst einen Vorwand, denn du bist schon alt, und du willst selbst dort beigesetzt werden. (Rabbi H . aggay) sagte ihnen, (sie sollten) einen Strick an seinem Fuß befestigen. Wenn es lange dauert, (kçnnt) ihr ziehen (und mich von dort entfernen). (Daraufhin ging Rabbi H . aggay in die Hçhle hinein) und fand (dort) drei (Menschen vor, die miteinander) disputierten, (ob Rav Huna hier beigesetzt werden durfte oder nicht): „Yehuda, mein Sohn, hinter dir (darf ) sonst keiner (mehr hier beigesetzt werden). H . izqiyya, mein Sohn, hinter dir (darf ) sonst keiner (mehr hier beigesetzt werden). Hinter dir, Yosef ben Israel (darf hier) sonst keiner (mehr hier beigesetzt werden). (Rabbi H . aggay) hob seine Augen, um sich umzuschauen, (da) sagte ihm (eine Stimme): Neige dein Antlitz, (damit du niemanden siehst). Rabbi H . iyya der ltere sagte: Yehuda, mein Sohn, mache Platz fr Rav Huna, (damit) er (hier an einmal eine himmlische Hallstimme den Streit entscheiden darf, da die Toragelehrten befugt sind, selbst mit einer Mehrheit zu entscheiden. Am Ende heißt es, dass Gott selbst „schmunzelte und sprach: Meine Kinder haben mich besiegt, meine Kinder haben mich besiegt (=D5 =D9;JD).“ Nach dieser Geschichte kçnnen die rabbinischen Gelehrten im Streit nicht nur mit dem himmlischen Lehrhaus, sondern auch mit Gott selbst den Sieg davontragen. Der hier geltend gemachte Schriftbeweis fr die Anwendbarkeit der Mehrheitsregel (Ex 23,2) beruht auf einer Auslegung der mndlichen Tora und widerspricht dem sensus literalis des Bibeltextes. 17 Vgl. Dtn 30,12 und Rçm 10,6 – 8.

108

Matthias Morgenstern

meiner rechten Seite18) ruhen (kann).“ Aber (Rav Huna19) wollte (es aus Bescheidenheit) nicht zulassen, (dass man den Sohn Rabbi H . iyyas entfernte) und ihn (dort) beisetzte.20 (Darauf ) sagten sie: Wie (Rav Huna es) nicht zulassen wollte, dass man ihn dort beisetzte, so soll sein Geschlecht in alle Ewigkeit nicht aufhçren. (Rabbi H . aggay) ging von dort hinaus als Achtzigjhriger, und seine Jahre wurden ihm verdoppelt.21

Der Disput ber die Tora, die „mah. loqet le-shem shamayim“, hat so Bedeutung ber den Tod der am Streit Beteiligten hinaus; es werden Mittel und Wege gesucht, die Diskussion ber den Tod hinausfortzusetzen. Auf der anfangs zitierten Talmudseite, die am Beispiel Rabbi H . iyyas die Bedeutung der Auseinandersetzung fr die Erhaltung der Tora festlegt, wird folgende Geschichte erzhlt:

18 So die Interpretation des Kommentators Qorban Ha-Eda, David ben Naftali Hirsch Frnkel (1707 – 1762). 19 So David ben Naftali Hirsch Frnkel und Pene Moshe, der Kommentar des Moshe ben Shim‘on Margalioth (gest. 1780). 20 Zur bertragung dieses Textes (yKetubbot 35b,4-29) vgl. Jacob Neusner, The Talmud of the Land of Israel, 352 – 353. 21 Nach Ansicht von David ben Naftali Hirsch Frnkel haben wir hier eine Anspielung auf die biblischen Tradition vom Josefsgrab (vgl. Jos 24,32) vor uns. Der literarische Kontext im Talmudtraktat Ketubbot legt weitere Anspielungen nahe. In diesem Kontext geht es um den Tod von Yehuda Ha-Nasi, des Redaktors der Mischna, der mit dem Erzvater Jakob, also mit demjenigen verglichen wird, der dem Volk Israel seinen Namen und seine Identitt gab. Als der große Lehrer krank geworden war, begab er sich zum Sterben in das etwas hçher gelegene Sepphoris. Sorgfltig whlt der Erzhler jedes Wort, um die Bedeutung der Ereignisse zu beschreiben. Die Verwendung biblischer Sprache gibt den Rang dieses Mannes zu erkennen: Hier starb einer, den noch die Rabbis viele Generationen spter ihren „Lehrer“ nennen sollten, wenn ein Gelehrter „im Namen“ eines anderen Sprche und Erzhlungen weitergab und so die berlieferungskette bis zum Patriarchen „Rabbi“ sicherstellte. Hier starb der Mann, dem das rabbinische Judentum letztlich seine Existenz verdankte. „Rabbi war sehr demtig“, schreibt der Erzhler (yKetubbot 12,3/10 – 35a,41), so wie es von Mose heißt, dass er „demtig“ war (Num 12,3). Und: „Rabbi hielt sich siebzehn Jahre in Sepphoris auf“ – nach dem Vorbild des biblischen Jakob, der siebzehn Jahre im Lande gypten lebte (Gen 47,28). Als Rabbi schließlich starb, es muß etwa um das Jahr 200 n. Chr. gewesen sein, traten (wie nach dem Tod des Erzvaters Jakob in der Bibel) Konflikte unter den berlebenden hervor. Rabbi Yehuda Ha-Nasi, Rabbi H . iyya bar Abba und seine Sçhne werden hier mit den Erzvtern Abraham, Isaak und Jakob sowie mit Jakobs Sohn Josef verglichen, die im Grab auch nicht getrennt oder gestçrt werden drfen. Aber sie sind in gewisser Weise mehr als Jakob, Isaak und Abraham, weil ihre Existenz mit dem lebendigen Prozeß der Traditionsweitergabe verbunden ist. Fast mçchte man an das neutestamentliche Wort denken: „Hier ist mehr als Abraham“ (Joh 8,53).

Polemik der Tora. Der Streit mit Hretikern in der rabbinischen Literatur

109

Einst zeichnete Resh Laqish die Grfte der Gelehrten, und als er an die Gruft Rabbi H . iyyas herankam, entschwand es ihm; da wurde er betrbt und sprach: Herr der Welt, habe ich etwa nicht gleich ihm in der Tora disputiert (pilpalti)?22 Da ertçnte eine Hallstimme und sprach zu ihm: Du hast wohl gleich ihm in der Tora disputiert, du hast aber nicht gleich ihm die Tora verbreitet. Wenn Rabbi H . ijja und Rabbi H . anina stritten, sprach Rabbi H . anina zu Rabbi H . iyya: Mit mir streitest Du! Sollte, behte und bewahre, die Tora in Israel in Vergessenheit geraten, so wrde ich sie durch meine Disputation beleben.23

Da die Tora ihrerseits die Welt erhlt, sie gilt sptestens seit dem Jerusalemer Talmud als Schçpfungsmittlerin und Schçpfungserhalterin, wird – so kann man erschließen – die Welt durch den Streit in ihren Grundfesten zusammengehalten und getragen.24 Was ist der Sinn dieser Rede und Gegenrede, wenn wir einmal von der toratheologischen Letztbegrndung und zugleich von der – fr die rabbinischen Gelehrten offensichtlich zu unterstellenden – Lust am Disputieren absehen? Die Texte geben zwei bemerkenswerte Motive zu erkennen: Zum einen die Notwendigkeit, die in der Gegenwart geltende toragemße religionsgesetzliche Praxis in der schriftlichen Tora zu verankern und dort begrndet zu finden; zum andern die immer wieder geltend gemachte Furcht, die Lehre vom Sinai kçnnte im Volk Israel „vergessen werden.“25 So nimmt es nicht wunder, dass es Traditionen gibt, in denen auch das Thema des Streites selbst der Meinungsverschiedenheit unterliegt. Der genannte Rabbi H . iyya gehçrte der davidischen Dynastie an; er wurde von Rabbi Yehuda ha-Nasi hochgeschtzt (bMenachot 88b); seine Bedeutung fr das sptere rabbinische Judentum ergibt sich daraus, dass er als Schlsselfigur des bergangs von der Mischna zur Gemara, von der palstinensisch-tannaitischen zur babylonisch-amorischen Zeit gilt und die Gotteslehre an seinen babylonischen Schler und Neffen Abba Areka („Rav“) weitergab. Rabbi H . iyya hatte freilich mehr getan als zu streiten: er war 22 Wollte Resh Laqish sich das Grab Rabbi H . iyyas vergegenwrtigen und dann mit ihm die Disputation fortfhren? 23 bMenachot 85b. 24 Dies erinnert an Heraklits Wort vom Krieg („plemos“) als dem Vater aller Dinge; vgl. Capelle, Die Vorsokratiker, 135 (= Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, 88, fr. 53), ohne dass man natrlich annehmen muß, dass die Rabbinen mit der vorsokratischen Philosophie vertraut waren. 25 Vgl. bSukka 20a, wo Rabbi H . iyya als Erneuerer der Tora vorgestellt wird: Die Erneuerung wurde notwendig, weil die Tora „vergessen“worden war; zum Topos des „Vergessens“der Tora vgl. auch SifDev 48 (= Bietenhard, Der tannaitische Midrasch Sifre Deuteronomium, 179).

110

Matthias Morgenstern

praktisch ttig geworden und hatte sich um die materiellen Voraussetzungen der Toragelehrsamkeit verdient gemacht: Rabbi H . iyya erwiderte Rabbi H . anina: Mit mir streitest du?! Ich sorge dafr, dass die Tora nicht in Israel in Vergessenheit gert. Ich tue folgendes: Ich baue Flachs und flechte Netze, dann fange ich Hirsche und gebe das Fleisch den Weisen zu essen und fertige aus den Huten Pergamentrollen, auf die ich die fnf Bcher des Pentateuches schreibe. Sodann gehe ich zur Stadt, lese mit fnf Kindern die fnf Bcher des Pentateuchs, lehre sechs Kinder die sechs Ordnungen der Mischna und sage dann zu ihnen: Bis ich zurckkomme, leset miteinander die Schrift und lehret einander die Mischna. So wirke ich, dass die Tora nicht in Israel in Vergessenheit gerate.26

Aber selbst in diesem Abschnitt, der mit der Praxis des guten Tuns ber den Streit hinausfhren soll, lßt sich eine Anspielung auf die talmudische Rede und Gegenrede finden: Die Tatsache, dass man die Bibel „lesen“, also rezitieren, die Mischna aber „lehren“ soll, gibt diese Akzentsetzung zu erkennen. Es ist die mndliche Lehre, die – offensichtlich gerade aufgrund ihrer Mndlichkeit – Gegenstand der pdagogischen Bemhung und daher auch der Polemik ist.

3. Polemik gegen Dritte In einigen Texten lßt der Diskurs ber die mndliche Lehre als „mah. loqet le-shem shamayim“ eine Kommunikationssituation entstehen, die meist implizit, gelegentlich aber auch explizit, auf eine dritte Seite bezogen ist; das Ziel der Auseinandersetzung in diesen Fllen ist es, diese dritte Seite, die entweder ganz ungenannt bleibt oder von im Text unbestimmt bleibenden ,Hretikern‘ (Minim) reprsentiert wird, vom Streit auszuschließen – offenbar um auf diesem Wege die Entstehung eines „nicht um des Himmels willen gefhrten Streits“, einer „mah. loqet she-eina le shem-shamayim“, zu verhindern. In der Interpretation dieser Texte erscheint es sinnvoll, von der Konzeption einer Gegnerschaft auszugehen, wie sie Daniel Boyarin im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des rabbinischen Judentums in seiner Abgrenzung zum Christentum gezeichnet hat. Nach dem perspektivischen Modell Boyarins ist fr das zweite bis vierte Jahrhundert im Spektrum vom Heidentum ber die Gnosis und das Christentum bis zum rabbinischen Judentum von einer Skala mit fließenden bergngen auszugehen: mit grundstzlichen Kritikern der biblischen berlieferung wie Celsus oder aber der Gnosis an einem Ende, dem Christentum in der Mitte 26 bBava Mezi’a 85b.

Polemik der Tora. Der Streit mit Hretikern in der rabbinischen Literatur

111

und dem rabbinischen Judentum am anderen Ende des Spektrums. Dazwischen nimmt Boyarin viele Mischformen an, zunchst ohne feste theologische und soziologische Grenzen, wobei sich die jeweiligen „Orthodoxien“ sukzessive durch die Definition und den Ausschluss des jeweils „Anderen“ konstituieren und, wenn man perspektivisch von der Skala her denkt, im Einzelfall nicht zu erkennen ist, in welchem Maße die jeweiligen Gegner der rabbinischen Gelehrten, die Minim, heidnische, gnostische oder christliche Argumentationsstrategien vertreten. Dieses Modell hat den Vorteil, dass es nicht von essentialistischen Festsetzungen ausgeht und in der Interpretation der kontroverstheologischen und hresiologischen Literatur die Perspektivitt der gegenseitigen Wahrnehmungen mit abbilden kann, was dann jeweils Verschiebungen auf der Skala ergibt. „Die christlichen Gnostiker haben sich ja, sehr zum rger ihrer grosskirchlichen Rivalen, selbst als Christen, durchaus nicht als ,Heiden‘ gefhlt und auch so bezeichnet.“27 Auch Celsus, der scharfsinnige Kritiker des Christentums, hat im zweiten Jahrhundert keinen Unterschied zwischen Christentum und Gnosis gemacht. Dementsprechend wurde das Christentum auf jdischer Seite gnostisierend wahrgenommen. Es ist schon von diesen grundstzlichen Erwgungen her nicht in jedem Fall nçtig oder mçglich, die in der rabbinischen Literatur auftretenden Minim genauer zu identifizieren. Im folgenden Beispiel aus dem palstinensischen Talmudtraktat Shabbat im spten vierten oder frhen fnften nachchristlichen Jahrhundert, in dem es um den Lohn der Gerechten in der kommenden Welt und zugleich um die Frage geht, wie sich der Status der Menschen knftig von dem der Dienstengel unterscheidet, bleibt die eigentlich gemeinte ,dritte Seite‘ gnzlich ungenannt; sie wird im exegetischen Diskurs hinter dem babylonischen Kçnig Nebukadnezzar verborgen: Rabbi Yirmeya ben El‘azar sagte: In Zukunft wird eine Hallstimme in den Zelten der Gerechten mit lauter Stimme rufen: Jeder, der mit Gott gewirkt hat, komme und empfange seinen Lohn! Rabbi Berekhya (sagte) im Namen des Rabbi Abba bar Kahana: In der Zukunft wird der Heilige, er sei gepriesen!, die Abteilung fr die Gerechten nher bei sich machen als die Abteilung fr die Dienstengel, und die Dienstengel werden die Gerechten fragen und zu ihnen sprechen: Was tut Gott? Was hat euch der Heilige, er sei gepriesen!, gelehrt? Rabbi Lewi bar H . aita sagte: Hat er denn das nicht schon in dieser Welt getan? Das ist es, was geschrieben steht: Nebukadnezzar antwortete und sprach: Aber ich sehe vier 27 Vgl. Rudolph, Die Gnosis, 223; zur Auseinandersetzung mit den Minim im frhen rabbinischen Judentum und zur Bedeutung dieser Auseinandersetzung fr die Konstruktion der rabbinisch-jdischen Identitt vgl. auch Goodman, The Function of Minim in Early Rabbinic Judaism.

112

Matthias Morgenstern

Mnner mitten im Feuer umherwandeln. Und sie sind unversehrt (Dan 3,25) […]. Und die Gestalt des Vierten […] gleicht einem Sohn Gottes 28 – Re’uven sprach: In diesem Augenblick stieg ein Engel herab und schlug jenen Bçsewicht29 auf den Mund. Er sprach zu ihm: Berichtige deine Aussage! Hat denn (Gott) einen Sohn? Darauf nderte er seine Rede und sagte: Gelobt sei der Gott des Schadrach, des Meschach und des Abed-Nego, der seinen Sohn gesandt hat, steht dort nicht, sondern der seinen Engel gesandt hat und seine Diener errettet hat, die auf ihn vertraut haben (Dan 3,28).30

Die kontroverstheologische Auslegung des Danielbuches mit dem Streit um die Auslegung der Wendung „bar lahin“ in Dan 3,25 weist deutlich auf eine Auseinandersetzung mit christlichen Positionen. Das folgende Beispiel einer „mah. loqet le-shem shamayim“, in dem am Ende ebenfalls Bezug auf die Geschichte von Daniels Feuerofen genommen wird, zeigt noch deutlichere Spuren christlich-dogmatischer Streitigkeiten.31 Zu Beginn geht es erst einmal um die Interpretation der biblischen Schçpfungsgeschichte mit ihren pluralischen Wendungen. Rabbi Simlai32, von den „Minern“ nach der Anzahl der Gçtter befragt, die die Welt erschaffen haben, antwortet: Mich fragt ihr? Geht, fragt doch den ersten Menschen (Adam), denn es heißt: Frage doch nach den Tagen des ersten Menschen usw. (Dtn 4,32). Es heißt (in der Fortsetzung dieses Verses) nicht: Als die Gçtter (elohim) den Menschen auf Erden geschaffen haben, sondern: Von dem Tage an, da Gott (elohim) den Menschen auf Erden geschaffen hat. 33

Die Gottesbezeichnung steht nach dieser Argumentation zwar der Form nach im Plural („Gçtter“), an der singularen Form des Verbs kann man aber erkennen, dass der eine Gott Israels gemeint ist. In einer zweiten Frage nehmen die „Miner“ daraufhin Bezug auf den ersten Vers der Bibel: 28 Dan 3,25; der Streit richtet sich auf die Auslegung des Terminus „Sohn Gottes“ (C=8@4 L5). 29 D.h. Nebukadnezzar, der hier wahrscheinlich „Platzhalter“ fr einen ungenannt bleibenden Ausleger ist, der diesen Vers christologisch interpretiert. 30 yShabbat 6,10/12–14 – 8d,24-37; vgl. Httenmeister, Shabbat, 208 mit Anm. 336. Zu Streitgesprchen zwischen jdischen Weisen und Fremdherrschern vgl. auch: Holtz, Der Herrscher und der Weise im Gesprch. 31 Visotzky, Trinitarian Testimonies, 61 – 74. 32 Rabbi Simlai aus Darom hat wahrscheinlich 100 – 175 Jahre vor der Endredaktion des Yerushalmi gelebt; ihm werden offensichtlich Worte in den Mund gelegt, die den Intentionen des vierten oder fnften Jahrhunderts entsprechen. 33 Vgl. yBerakhot 9,1/9 – 12d,59-62 (der biblische Text verwendet nicht die pluralische Verbform 94L5, sondern das singularische 4L5); zu den textkritischen Fragen vgl. Schfer, Becker (Hg.), Synopse zum Talmud Yerushalmi, 220 f.; vgl. auch Visotzky, Goys Aren’t Us, 299 – 313, hier: 309; vgl. ferner Horowitz, Berakhot, 217.

Polemik der Tora. Der Streit mit Hretikern in der rabbinischen Literatur

113

Dann fragen sie ihn: Es steht doch geschrieben: Am Anfang schuf Elohim (Gen 1,1). Darauf entgegnete er ihnen: Steht denn sie schufen geschrieben? Es steht doch er schuf (ebd.) geschrieben.34 Rabbi Simlai sagte: So oft die Minim (an Bibelstellen) etwas auszusetzen hatten (und Fragen stellten), bekamen sie sofort die richtige Antwort.35 Sie (die Minim) sind noch einmal darauf zurckgekommen und fragten ihn (Rabbi Simlai): Was bedeutet das, was geschrieben steht: Lasset uns einen Menschen machen nach unserem Bilde, uns hnlich (Gen 1,26)? Darauf entgegnete er ihnen: Es heißt doch nicht: Und Gçtter schufen den Menschen nach ihrem Bilde, sondern es heißt: Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde (Gen 1,27).36 Da sagten seine Schler zu ihm (Rabbi Simlai): Diese (die Minim) konntest du mit einem Schilfrohr verdrngen (und mit einer nicht stichhaltigen Antwort abspeisen), was wirst du aber uns antworten? Hierauf entgegnete er ihnen: In der Vergangenheit (am Anfang) wurde der erste (Mensch) Adam aus der Erde geschaffen und Eva wurde aus (der Rippe) Adams geschaffen. Von Adam an und weiter (entspricht der Vorgang den biblischen Worten, weil von diesem Moment an mit Gott selbst sowie Adam und Eva eine Mehrzahl vorhanden war): Nach unseren Bilde, uns hnlich (d. h. Adam und Eva hnlich); der Mann kann die Frau nicht entbehren, die Frau kann den Mann nicht entbehren, sie beide kçnnen die gçttliche Einwohnung nicht entbehren.37

Die Konstellation ist klar: Vor uns haben wir eine doppelte Gesprchssituation: Die Konfrontation Rabbi Simlais mit den Hretikern und das interne Gesprch Rabbi Simlais mit seinen Schlern, nachdem die Hretiker zurechtgewiesen worden sind. In beiden Gesprchskonstellationen geht es um dieselbe theologische Frage, die mit dem Verstndnis derjenigen „schwierigen“ Textstellen der hebrischen Bibel zu tun hat, die auf eine Pluralitt in Gott hinzudeuten scheinen. Die Vorstellung, dass in dieser Diskussion ein mçgliches trinitarisches Gottesverstndnis bekmpft werden soll, scheint nicht aus der Luft gegriffen zu sein, zumal es nicht an Beleg34 Das pluralische Substantiv „Elohim“ („Gott“) wird in Gen 1,1 mit der singularischen Verbform 4L5 kombiniert; zu dieser Diskussion vgl. Veltri, Eine Tora fr den Kçnig Talmai, 25; der mit Gen 1,1 in Verbindung gebrachte Polytheismusverdacht hat im rabbinischen Judentum zu der berlieferung gefhrt, dass bei der bersetzung der Tora „fr den Kçnig Talmai“ (d. h. „Ptolemus“; offensichtlich ist an die Septuaginta gedacht) eine Reihe von Bibelstellen gendert worden sei; vgl. Veltri, Eine Tora fr den Kçnig Talmai, 2. 35 Vielleicht ist auch gemeint: berall, wo die Minim einen Vers mißverstehen und aus dem Zusammenhang reißen, findet man die angemessene biblische Antwort gleich im Anschluss an den zitierten Text; zur Deutung dieser Stelle vgl. Veltri, Eine Tora fr den Kçnig Talmai, 39 Anm. 50. 36 Es heißt A=8@4 4L5=9, und nicht A=8@4 94L5=9; vgl. auch die Parallele dieses Textes in BerR 8,9 – 11 (=Wnsche, Midrasch Bereschit Rabba, 34). 37 Vgl. yBer 9,1/10 – 12d,62 – 71(Schfer, Becker [Hg.], Synopse zum Talmud Yerushalmi, 220 f.); angespielt wird auf Gen 5,1 – 3; vgl. dazu: Visotzky, Goys Aren’t Us, 309, und Veltri, Eine Tora fr den Kçnig Talmai, 39 – 41 und 106 sowie 222 f.

114

Matthias Morgenstern

stellen dafr mangelt, dass die von den Minim angefhrten Schriftverse in der patristischen Literatur tatschlich trinitarisch ausgelegt wurden.38 Zugleich muss man sich bei der Interpretation dieses Textes natrlich klarmachen, dass der Bericht tendenziçs ist, da die Rabbinen die Gedanken der Hretiker nicht unvoreingenommen darstellen, sondern zeigen wollten, dass sie widersinnig und haltlos sind. Denken muß man weniger an ein çffentliches Streitgesprch oder an ein akademisches Streitgesprch als an eine ideale Szene.39 Dabei ist auch die Auseinandersetzung zwischen Rabbi Simlai und seinen Schlern nicht ohne Spannungen. Die letzteren insistieren immer wieder und werfen ihrem Lehrer offenbar vor, dass er die Anfragen der „Miner“ eher leichtfertig behandelt. Zugleich wird vorausgesetzt, dass das Problem in der Konfrontation mit den Hretikern nur oberflchlich gelçst werden kann. Die Schrifthermeneutik, die eine sachgemße Auseinandersetzung mit den gestellten Fragen ermçglicht, steht nur intern zu Verfgung. Darber hinaus kann man aber sagen, dass der Leser des Textes eben durch die Lektre in das interne Lehrgesprch einbezogen und dadurch sozusagen zum Insider wird.

4. Ein neutestamentliches Zitat im Talmud Besonders bemerkenswert ist dabei aber die Tatsache, dass der letzte Satz des zitierten Textes als Zitat oder zumindest als deutliche Anspielung auf 1Kor 11,11 zu erkennen ist40 : „Doch in dem Herrn ist weder die Frau etwas ohne den Mann noch der Mann etwas ohne die Frau, denn wie die Frau von dem Mann so kommt auch der Mann durch die Frau, aber alles von Gott“ – ein Abschnitt, der in den trinitarischen Debatten auf christlicher Seite, namentlich bei Augustin, ebenfalls als Schriftbeweis Verwendung gefunden hat.41 Burton Visotzky hat in diesem Zitat eine besondere Pointe im dialektischen Hin und Her zwischen dem Rabbi und seinen unzufriedenen Schlern gefunden, die das Pauluswort ja hçchstwahrscheinlich nicht 38 Vgl. Augustinus; De Trinitate XII 7,9; Irenus, Adversus Haereses IV, Vorrede und 20,1; 38,3. 39 Zu solchen idealen Szenen vgl. Visotzky, Goys Aren’t Us, 301 und May, Apelles und die Entwicklung der markionitischen Theologie, 108. 40 Vgl. Strack, Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, 440 und Visotzky, Goys Aren’t Us, 301 (mit Anm. 6) und 309. 41 Vgl. Visotzky, Fathers of the World, 61 – 74 mit Belegstellen; vgl. auch Bereshit Rabba 22,2 zu Gen 4,1 (= Wnsche, Bereschit Rabba, 99).

Polemik der Tora. Der Streit mit Hretikern in der rabbinischen Literatur

115

kannten, denen ihr Lehrer aber sozusagen ironisch begegnet. Auf diesen neutestamentlichen Text wrde dann nicht in der Auseinandersetzung mit den Hretikern (mçglicherweise mit mit dem Christentum sympathisierenden Juden oder mit judaisierenden Christen), sondern gerade im kleinen Kreis des rabbinischen Lehrers mit seinen Schlern hingewiesen. Eine ebensolche doppelte Gesprchssituation wiederholt sich noch einige Male in unserem Text. Es heißt nun: (Die Minim) ließen nicht ab und fragten ihn (weiter): Was bedeutet das, was geschrieben steht: El Elohim Adonai, El Elohim Adonai, er weiß es (Jos 22,22)? Darauf entgegnete er ihnen: Es steht hier nicht geschrieben: Sie wissen es, sondern es steht geschrieben: Er weiß es. Da sagten seine Schler zu ihm: Diese (die Minim) konntest du mit einem Schilfrohr verdrngen (und mit einer nicht stichhaltigen Antwort abspeisen), was wirst du aber uns antworten? Hierauf entgegente er ihnen: Diese drei (Namen) sind wie ein einziger Name anzusehen, wie ein Mensch (zu einer Majestt) sagen wrde: Basileus, Csar, Augustus. Sie fragten ihn weiter: Was bedeutet das, was geschrieben steht: El Elohim Adonai redet und ruft die Erde (Ps 50,1)? Darauf entgegnete er ihnen: Steht denn hier geschrieben: Sie reden und sie rufen (die Erde)? Es steht doch vielmehr geschrieben: Er redet und er ruft die Erde. Da sagten seine Schler zu ihm: Diese (die Minim) konntest du mit einem Schilfrohr verdrngen (und mit einer nicht stichhaltigen Antwort abspeisen), was wirst du aber uns antworten? (Da) sagte er zu ihnen: Diese drei (Namen) sind wie ein einziger Name anzusehen, wie ein Mensch (zu einem Bauunternehmer) sagt: Meister, Baumeister, Architekt.42

Ziel der Polemik ist erneut nicht die direkte Auseinandersetzung mit den Minim. Im Vordergrund steht vielmehr die interne Debatte, die offensichtlich der Identittsfindung dienen soll.

5. Ein „Philosoph“ und die Deutung des Leidens In einer neueren Studie hat Burton Visotzky vorgeschlagen, die Passage der „Trinitarian Testimonies“ auf der Makrotextebene mit dem folgenden Abschnitt zusammenzulesen, in dem es um das rçmische Patronatssystem und seine Unfhigkeit geht, die ihm Unterworfenen vor Gefahren zu bewahren oder vor dem Martyrium zu retten. In vier Gesprchsrunden geht es in der 42 yBerakhot 9,1/12 – 12d,71 – 13a,4 (=Schfer, Becker [Hg.], Synopse zum Talmud Yerushalmi, 220; Horowitz, Berakhot, 217 – 218); vgl. auch Visotzky, Goys Aren’t Us, 303 und 310 sowie die Parallelstelle Bereshit Rabba 8,10 (= Wnsche, Bereschit Rabba, 33 – 34). Visotzky bemerkt zu dieser Antwort: „This is, of course, a theologically weak answer, and were it actually advanced in a real argument with Trinitarian Christian opponents, their reply might well have been: Q.E.D.“

116

Matthias Morgenstern

rabbinischen Diskussion, wiederum mit den Mitteln der Bibelexegese, um Verfolgungssituationen, vor denen die Patrone aus Fleisch und Blut die ihnen Unterworfenen nicht bewahren kçnnen. Darber hinaus werden die unterschiedlichen Hinrichtungsarten thematisiert: Die Kreuzigung43, das Ertrnken, der Feuertod und die Auslieferung an wilde Tiere. In jeder der Situationen ist der Patron unfhig dazu, dem Unrecht zu wehren und seinen Schutzbefohlenen zu befreien. In jeder der beschriebenen Situationen wird der Patron aber mit Gott selbst verglichen – der ausweislich des biblischen Zeugnisses – seine Schutzbefohlenen vom Tode errettet hat: Mose vor dem Schwert des Pharao, Jona vor dem Tod durch Ertrinken, die drei Mnner aus dem Feuerofen bei Daniel und Daniel selbst vor dem Lçwen. Im Fortgang der Diskussion wird der Vergleich gesteigert: Die unendliche berlegenheit des Gottes Israels bliebe selbst dann erhalten, wenn dieser Patron44 ein zustzliches Attribut erhielte, wenn er – wie es im hebrischen Text auf Griechisch heißt – „Kosmokrator“45 wre, denn selbst ein solcher Weltherrscher gebietet nur ber das Land, nicht ber das Meer. Weiter heißt es: Rabbi Abun, Rabbi Ah. a und Rabbi Shim‘on b. Laqish sagten: Ein Mensch aus Fleisch und Blut hat einen Verwandten – wenn dieser ein Philosoph ist, sagt er: Dieser (Philosoph) zhlt zu meiner Verwandtschaft. Der Heilige, er sei gepriesen, hingegen zhlt alle Israeliten (ohne Ausnahme) zu seinen Verwandten.46

In diesem Text wird ein Patron „aus Fleisch und Blut“ mit seinem einen Verwandten, einem „Philosophen“, dem Gott Israels gegenbergestellt, der das ganze Volk Israel zu seiner Verwandtschaft zhlt. Wenn der „philoso43 Vgl. yBerakhot 9,1/19 – 13a,34 (=Schfer, Becker (Hg.), Synopse zum Talmud Yerushalmi, 222) mit der auf die Kreuzigung bezogenen Verbform N9@N=@ (vgl. Dtn 21,23 und Gal 3,13). 44 Vgl. yBerakhot 9,1/30 – 13b,20; die Handschrift Leiden, die editio princeps Venedig (1523), die Edition Amsterdam (1710) und Krotoszyn (Talmud Yerushalmi ‘al pi hos.’at Qerot.oshin, Jerusalem 1968/69) sprechen von einem Kçnig (ý@B), der einen Patron hat (vgl. Schfer, Becker (Hg.), Synopse zum Talmud Yerushalmi, 226 f.). 45 yBerakhot 9,1/30 – 13b,21 (= Horowitz, Berakhot, 222); „Kosmokrator“ lesen die Handschriften Paris und Leiden sowie der Erstdruck; die Lesart der anderen Textzeugen (z. B. MS Vatikan: L9ü@KB99K) ist verderbt (Schfer, Becker [Hg.], Synopse zum Talmud Yerushalmi, 226). Selbst wenn mit diesem (aus der Sicht der Rabbinen: angeblichen) Kosmokrator nicht Christus, sondern der byzantinische Kaiser gemeint wre, htte die Argumentation aufgrund der massiven Sakralisierung des Kaisertums eine anti-christliche Komponente. 46 yBerakhot 9,1/34 – 13b,41 – 44 (=Schfer, Becker [Hg.], Synopse zum Talmud Yerushalmi, 228 f.; Horowitz, Berakhot, 223); vgl. Visotzky, Goys Aren’t Us, 313.

Polemik der Tora. Der Streit mit Hretikern in der rabbinischen Literatur

117

phus“, dieser Einzelne, mçglicherweise mit einem christlichen Mçnch zu identifizieren ist47, so luft der Vergleich auf die Feststellung hinaus, dass bei „den anderen“ nur dieser eine Philosoph im Mittelpunkt des Interesse steht, der im Falle des Martyriums offensichtlich noch nicht einmal gerettet werden kann. Demgegenber setzt das Judentum, das in diesem Text einen „universalistischeren“ Anspruch zu haben scheint als die christliche Konkurrenz (!), sein Vertrauen auf den Gott Israels, der sein ganzes Volk aus dem Verderben holt.48 Nach Visotzky wollen die Rabbinen hier mit Blick auf die christlichen Mrtyrer behaupten, dass diese ihre Hoffnung vergeblich auf Jesus gesetzt htten, da nur das Vertrauen auf den Gott Israels selbst zu retten vermçge. Bezeichnenderweise finden wir hier auf jdischer Seite keine Leidensgeschichte, sondern eine Rettungsgeschichte, die einer – nach der Polemik vergeblichen – Leidensgeschichte gegenbergestellt wird. Wenn man sich vor Augen hlt, wie in der Kirchenvtertradition das Mysterium Christi als heilsgeschichtliche Gegengeschichte zur Sndengeschichte der Menschheit und „vorausgeordnete“ Leidensgeschichte prsentiert wird, die bis zu den Tagen der biblischen Patriarchen zurckreicht49, so wird das ganze Ausmaß des hier thematisch werdenden Gegensatzes sichtbar. So liegt die Annahme nahe, dass es ber die von Visotzky in Anschlag gebrachte Trinittslehre in unserem Text hinaus in zentraler Weise polemisch um die Christologie selbst 47 Vgl. Visotzky, Goys Aren’t Us, 307 Anm. 22; Payne Smith, A Compendious Syriac Dictionary; Drijvers, Die Legende des Hl. Alexius und der Typus des Gottesmannes im syrischen Christentum, 200 – 202; Dçlger, Byzanz und die europische Staatenwelt, 199: „so bezeichnet philosopha […] manchmal auch schon fr sich allein, in der ganzen byzantinischen Zeit das mçnchische Leben und philsophos den Mçnch“; Hunger, Die hochsprachliche profane Literatur der Byzantiner, 7 – 10 (mit Belegstellen); demnach „bedeutete fr den Vater des byzantinischen Mçnchtums, Basileios d. Gr., trpos philsophos soviel wie Leben des Mçnchs“ (7); Leipoldt, Griechische Philosophie und frhchristliche Askese. Zu Philosophen in der rabbinischen Literatur vgl. weiterhin Visotzky, Fathers of the World, 81 (mit Verweis auf bShabbat 116ab). Fr wertvolle Literaturhinweise zum Themenkreis „der Philosoph als Mçnch“ danke ich Dr. Alexander Toepel. 48 In dieser Hinsicht steht dieser Text in einer eigentmlich Spannung zu dem folgenden Bericht ber das Martyrium Rabbi Akivas (yBerakhot 9,7 – 14b); vgl. dazu Holtz, Der Herrscher und der Weise im Gesprch, 190 – 197. 49 Vgl. z. B. die Passah-Homilie des Melito von Sardes, 57: „Es hatte aber der Herr seine Leiden vorausgeordnet in den Patriarchen, in den Propheten und in dem ganzen Volke, sie durch das Gesetz und die Propheten eingeprgt; das, was sich in der Zukunft auf neue und großartige Weise ereignen sollte, das wurde von langer Hand vorbereitet, damit, wenn es geschhe, es Glauben finde, indem es als seit langem vorgebildet geschaut wrde“ (Meliton von Sardes. Vom Passa, 116).

118

Matthias Morgenstern

geht. Die Stichwçrter der Kreuzigung, das dreitgige Verweilen des Propheten Jona im Buch des Fisches sowie die Rettung vor dem Feuertod scheinen auf das nach Meinung unseres Textes sinnlose Leiden Jesu von Nazareth hinzuweisen: In der rabbinischen Polemik, die hier aber bewußt oder unbewußt genau das Skandalon des Kreuzes trifft (1Kor 1,23), wird das Leiden eines angeblichen Kosmokrators sichtbar, dessen Dynamis aber begrenzt ist, weil sie sich nur auf das Land, nicht aber ber die Hçllenmacht des Meeres erstreckt und auch andere nicht vor dem Tode retten kann, weil er selbst dem Tode verfallen ist. Das „um des Himmels willen“ gefhrte Streitgesprch der Rabbinen hat ber deren Tod hinaus bleibenden Wert, whrend die Vergeblichkeit des Strebens der „Miner“ sich nach dieser Deutung gerade in ihrer Hilflosigkeit angesichts der Verfolgungen und ihrer Todesverfallenheit erweist.50

Literatur Bacher, W., Die exegetische Terminologie der jdischen Traditionsliteratur. Teil 2, Hildesheim/Zrich/New York 1990. Bietenhard, H., Der tannaitische Midrasch Sifre Deuteronomium bersetzt und erlutert, Bern 1984. Capelle, W., Die Vorsokratiker, Stuttgart 1968. Dçlger, F., Byzanz und die europische Staatenwelt, Darmstadt 1953. Drijvers, H.W., Die Legende des Hl. Alexius und der Typus des Gottesmannes im syrischen Christentum, in: Schmidt, M. (Hg.), Typus, Symbol, Allegorie bei den çstlichen Vtern (Eichsttter Beitrge 4), Regensburg 1982, 200 – 202. Even-Shoshan, A., Millon H . adash, Jerusalem 1956. Goodman, M., The Function of Minim in Early Rabbinic Judaism, in: Schfer, P. (Hg.), Geschichte – Tradition – Reflexion. Festschrift fr Martin Hengel zum 70. Geburtstag, Band I: Judentum, Tbingen 1996, 501 – 511. Gur, Y., Millon ‘ivri, Tel Aviv 1957. Ha-Eda, Q., David ben Naftali Hirsch Frnkel (1707 – 1762), in: Talmud yerushalmi o Talmud ha-Ma‘arav, Jerusalem 1995. Holtz, G., Der Herrscher und der Weise im Gesprch. Studien zu Form, Funktion und Situation der neutestamentlichen Verhçrgesprche und der Gesprche zwischen jdischen Weisen und Fremdherrschern (Arbeiten zur neutestamentlichen Theologie und Zeitgeschichte 6), Berlin 1996. Horowitz, C., Berakhot. bersetzung des Talmud Yerushalmi, Tbingen 1983.

50 Nach dem Abschluss des Manuskripts erschien: Schfer, P., Die Geburt des Judentums aus dem Geist des Christentums. Fnf Vorlesungen zur Entstehung des rabbinischen Judentums, Tbingen 2010, mit dem ausgezeichneten Aufsatz „Rabbi Simlai und die Hretiker. Ein Gott oder mehrere Gçtter“ (33 – 63).

Polemik der Tora. Der Streit mit Hretikern in der rabbinischen Literatur

119

Hunger, H., Die hochsprachliche profane Literatur der Byzantiner (Handbuch der Altertumswissenschaft 12.5.1), Mnchen 1978. Httenmeister, F.G., Shabbat. Schabbat, bersetzung des Talmud Yerushalmi. Band II/1, hg. von M. Hengel, P. Schfer u. a., Tbingen 2004. Lavi, Y., Handwçrterbuch Hebrisch-Deutsch. neu bearbeitet von A. Philipp und K. Klingelhçffer (Langenscheid/Achiasaf ), Berlin/Mnchen/Tel Aviv 2004. Leipoldt, J., Griechische Philosophie und frhchristliche Askese, Berlin 1961. May, G., Apelles und die Entwicklung der markionitischen Theologie, in: ders., Markion. Gesammelte Aufstze, hg. von K. Greschat und M. Meiser, Mainz 2005. Meliton von Sardes. Vom Passa. Die lteste christliche Osterpredigt. bersetzt, eingeleitet und kommentiert von J. Blank, Freiburg 1963. Neusner, J., The Talmud of the Land of Israel. A Preliminary Translation and Explanation, Vol. 22, Chicago/London 1985. Payne Smith, J., A Compendious Syriac Dictionary, Oxford 1903. Rudolph, K., Die Gnosis. Wesen und Geschichte einer sptantiken Religion, Leipzig 19802. Schfer, P./Becker, H.-J. (Hg.), Synopse zum Talmud Yerushalmi. Band I/1 – 2: Ordnung Zera‘im: Berakhot und Pe’a, Tbingen 1991. Soffer, Y., The Theological Majlis and Religious Otherness in Medieval Islam, in: Berthelot, K., Morgenstern, M. (eds.), The Quest for a Common Humanity. Human Dignity and Otherness in the Religious Traditions of the Mediterranean, Leiden 2010 (in Druck). Strack, H.L., Billerbeck, P., Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midasch. 3. Band, Mnchen 19949. Stroumsa, S., Freethinkers of Medieval Islam. Ibn al-Ra¯wandı¯, Abu¯ Bakr al-Ra¯zı¯ and Their Impact on Islamic Thought, Leiden/Boston/Kçln 1999. Van Ess, J., Disputationspraxis in der islamischen Theologie, eine vorlufige Skizze, in: Revue des tudes Islamiques 44 (1976), 23 – 60. Veltri, V., Eine Tora fr den Kçnig Talmai (Texte und Studien zum Antiken Judentum 41), Tbingen 1994. Visotzky, B., Goys Aren’t Us. Rabbinic Anti-Gentile Polemic in Yerushalmi Berachot 9,1, in: Iricinschi, E., Zellentin, H.M. (Hg.), Heresy and Identity in Late Antiquity, Tbingen 2008, 299 – 313. Visotzky, B., Trinitarian Testimonies, in: ders., Fathers of the World. Essays in Rabbinic and Patristic Literatures, Tbingen 1995, 61 – 74. Wewers, G.A., Avoda Zara. Gçtzendienst, bersetzung des Talmud Yerushalmi Band IV/7, Tbingen 1980. Wnsche, A., Midrasch Bereschit Rabba, Leipzig 1881. Wnsche, A., Midrasch Bemidbar Rabba, Leipzig 1885.

Teil 2: Schwerpunkte und Funktionen von Polemik in neutestamentlichen Texten

Pillars, Hypocrites and False Brothers. Paul’s Polemic against Jerusalem in Galatians Ian J. Elmer Paul’s letter to the Galatians is perhaps the most polemical of all the Pauline correspondence, bearing witness to one of the first conflicts in the primitive Church.1 In Galatians, Paul addresses a question that would split the earliest communities in faith and shape much of the material that would later form the canon of the Christian scriptures – under what conditions could Gentile converts be included in a movement that had its origins in Judaism? The question had serious ramifications for Jewish converts as well; to what extent did devotion to Jesus take precedence over adherence to the Mosaic Law, especially circumcision, Sabbath observance, and the purity and dietary proscriptions? Accordingly, Paul’s opponents at Galatia have traditionally been labelled “Judaisers”; that is, that they were proponents of a traditional Jewish proselyte model of Christian mission, which required Gentile Christians to attach themselves to ethnic Israel.2 Paul himself never names them, implying

1

2

As I have argued elsewhere, Galatians is likely to be one of the earliest extant letters, if not the very first, that Paul wrote; probably around 50 to 51 CE, soon after the events described in the first two chapters of the letter. See Elmer, Paul, Jerusalem and the Judaisers, 118 – 130. Also Dunn, A Commentary on the Epistle to the Galatians, 19; and Martyn, Galatians, 19 – 20. Compare Witherington III, Grace in Galatia, 8 – 13, who argues that Galatians must be dated no earlier than 49 C.E. and no later than 53 – 54 C.E. This identification has a long history dating back to the second-century, when Marcion first inferred that Paul’s opponents were fanatical Jewish Christians from Jerusalem (Tertullianus, adversus Marcionem 5:2 – 4). This view was further supported by both John Calvin and Martin Luther during the Reformation. Since then most Protestant exegetes have held to some form of this theory. See the discussion in Russell, Who Were Paul’s Opponents in Galatia?, 329 – 350; Matera, Galatians, 7 – 11; and Longenecker, Galatians, xliii, lii–lv. More recently, scholars have preferred to use less pejorative labels, like “agitators”, “troublemakers”, “missionaries” or “teachers” – see Martyn, Galatians, 431 – 466; and Jewett, The Agitators and the Galatian Congregation. In this paper I will use these titles interchangeably.

124

Ian J. Elmer

only that that are illicit interlopers on his territory who come only to cause trouble and agitation. In his response to these troublemakers, Paul opens his letter with a description of his own experiences, and particularly two proceeding conflicts in which he was involved, that centred on similar issues. Specifically, he singles out his encounters with members of the Jerusalem church, the “false brothers” and “James, Cephas and John” (Gal 1:18 – 19; 2:4, 9), as well as James’ people from Jerusalem and the “circumcision party” at Antioch (Gal 2:12). While there is wide disagreement among commentators about the precise relationship between Paul’s earlier conflicts and the Galatian crisis, most agree that the Judaisers claimed some connection to the apostolic authorities in Jerusalem.3 Many scholars similarly concur that the crisis was not the result of inherent divisions within the Galatian communities, but that those divisive tensions were initiated by outsiders, latter-day missionaries who attempted to persuade Paul’s Gentile converts to adopt a vision of Christianity that was radically different from the one preached by Paul.4 Of specific concern in analysing the polemical nature of Paul’s letter to Galatia, therefore, is the question: Were the Judaisers agents of the Jerusalem church acting under the authority of the apostolic leadership? While all commentators agree that Galatians is Paul’s most polemical letter, few are prepared to explain Paul’s bitter rhetoric by suggesting any connection between Paul’s Galatian opponents and Jerusalem. Most prefer to see the Judaisers as a maverick group of Christian Jews who acted 3

4

See the surveys of the competing theories in Elmer, Paul, 3 – 26; Martyn, Galatians, 117 – 126; Gunther, St. Paul’s Opponents and Their Background, 1 – 5; Ellis, Paul and His Opponents, 264 – 298; and Watson, Paul, Judaism and the Gentiles, 59 – 72. In addition to these theories about the identity of the troublemakers there has been much recent discussion on the methods used by commentators to interpret Paul’s references to his opponents at Galatia; see, Tyson, Paul’s Opponents in Galatia, which became the stimulus for further discussions pursued by Lyons, Pauline Autobiography; Barclay, Mirror-Reading a Polemical Letter, 73 – 93; idem, Obeying the Truth, 1 – 35; Cosgrove, The Cross and the Spirit, 31, 39 – 40; Martyn, A Law-Observant Mission to Gentiles: The Background of Galatians, 310 – 313; idem, Events in Galatia, 160 – 163; and Sumney, “Servants of Satan”, “False Brothers” and Other Opponents of Paul, 77 – 85, 134 – 159. E.g., Barclay, Obeying the Truth, 36 – 74; Russell, Paul’s Opponents, 345 – 350; Longenecker, Galatians, xcv; Matera, Galatians, 7 – 11; Martyn, Galatians, 120; Sumney, “Servants of Satan”, 137; Das, Paul and the Jews, 17 – 48; and Betz, Galatians, 7.

Pillars, Hypocrites and False Brothers

125

without the explicit sanction of Jerusalem. By contrast, one might argue that the success of the Judaisers’ counter mission at Galatia can only be explained if they were representatives of some centre with important authority, such as Jerusalem or Antioch. When Paul wrote Galatians, these Judaisers were well established and were enjoying some success (Gal 1:6; 3:1; 4:21; 5:4, 7). Indeed, many of Paul’s Gentile converts were apparently adopting some aspects of Law-observance (Gal 4:10 – 11), and Paul expresses astonishment at the rapidity with which the Galatians had deserted the gospel he preached (1:6). Furthermore, it must be significant that Paul finds it necessary to begin his polemic against his opponents with a detailed description of his previous dealings with Jerusalem. This might indicate that Paul was forced to respond to allegations by the Judaisers that Paul, like they, had similarly received the “gospel” by way of Jerusalem.5 There may also be here, as F. F. Bruce points out, a further implied charge that Paul had failed to preach that gospel correctly, abridging and adulterating the import of the message that he had received at Jerusalem.6 To make such an argument, of course, we would have to find clear confirmation from within the letter itself, and any argument would have to be founded on the whole letter and not on isolated fragments of Paul’s polemic.

1. Who were Paul’s Opponents? The clearest hints we obtain from the letter concerning Paul’s opponents are the initial statements in 1:6 – 9 and the postscript of 6:11 – 18. In the first of these passages we discover that the troublemakers were urging “another gospel” (6teqom eqacc´kiom), which in Paul’s opinion was “really no gospel at all” (1:6). In the verse immediately following, he details the gist of the story he has received: “Evidently, some (tim´r) people are troubling (taq²ssomter) you and wishing to pervert the gospel of Christ” (1:7). R. N. Longenecker observes that Paul’s allusion to “an angel from heaven” here suggests that Paul wants to ridicule his opponents’ impressive credentials, since it is likely that in support of their “gospel” they were ap5

6

See for example Martyn, Galatians, 117. Similar views are expressed by Longenecker, Galatians, 36, 42, 44 – 45, 64 – 66; Betz, Galatians, 64 – 66; Bruce, The Epistle to the Galatians, 26; and Dunn, A Commentary on the Epistle to the Galatians, 72 – 78. Bruce, Galatians, 101 – 102.

126

Ian J. Elmer

pealing to authorities that were superior to Paul.7 As we will see a key element of Paul’s polemic in Galatians is Paul’s subtle mockery of the Jerusalem apostles, which he achieves by alluding to direct links between the Judaisers and the Jerusalem authorities. In the closing passages of the letter Paul cautions his readers about the motivations of his opponents. Paul says, “It is those who want to make a showing in the flesh, these people compel (!macj²fousim) you to be circumcised” (6:12). In addition to this aim, Paul suggests that they only want to evade “being persecuted for the cross of Christ” (6:12). This statement is a highly polemical assertion, which reveals a great deal about what Paul knew of his opponents’ religious affiliations.8 Consequently, in attempting to uncover the origins of the Galatian Judaisers these two sets of passages must be the principal focus of our investigations; but these passages are not our sole evidence. Various other inferences may be drawn from both the structure and content of Paul’s argument in Galatians. In particular, the assertions and allegations that his opponents have made against him are probably evident even within the context of the letter’s idiosyncratic salutation or prescript (1:1 – 5). Paul begins here with a characteristic identification of himself as the author and the Galatians as the recipients of his letter (1:1 – 2) to whom he sends greetings (1:3). To this conventional opening, however, Paul adds several unconventional features, which seem to be intended as an introduction to the three dominant themes of his argument.9 First, Paul introduces an energetic defence of his apostleship as the product of a divine revelation (1:1), which is further developed in 1:11 – 2:21. Second, Paul draws on early Christian formulae that speak of a Christian kinship based on the paternity of God and the salvific effect of Christ’s sacrifice (1:4 – 5), which is most likely meant to both recall the original thrust of his gospel and prepare the way for his polemic against his opponents’ gospel in 3:1 – 4:31. Finally, Paul makes reference to Christ’s death as the means of deliverance from the “present evil age”, which might suggest that his opponents were offering a different avenue 7 8 9

Longenecker, Galatians, xcv. Sumney, “Servants of Satan”, 136; Longenecker, Galatians, lxxxviii–xcvi; and Lhrmann, Galatians, 23. This view is universally accepted, see Russell, Paul’s Opponents, 338 – 341; Betz, Galatians, 38 – 40; Longenecker, Galatians, 10; Dunn, Theology of Paul’s Letter, 20 – 21; and Smiles, The Gospel and the Law in Galatia, 31 – 32.

Pillars, Hypocrites and False Brothers

127

for salvation that undermined what Paul calls the “truth of the gospel” (2:5, 14) – an issue that Paul will develop in 5:1 – 6:10. H. D. Betz has called these three themes the “hermeneutical keys” for unlocking Paul’s concerns about his opponents’ ministry in Galatia.10 We may use these three premises as a line of attack for our exploration of the Judaisers and their gospel.

2. Excluding Gentiles We will begin with our second “hermeneutical key”, that is Paul’s emphasis on the paternity of God, which appears first in the prescript of Galatians. God the Father is mentioned three times in the opening passages of Galatians (1:1, 3, 4) which, among the salutations of the Pauline corpus, is exceptional. In the salutations of eleven of the other epistles God’s fatherhood is mentioned only once, while 2 Thessalonians has two occurrences (1:1 – 2). So Galatians is unusual with its threefold repetition within the opening verses. Apparently the underscoring of God’s fatherhood over the Galatian “brothers” (v. 2) weighed heavily in Paul’s thoughts as he began his epistle. If the Judaisers queried Paul’s apostolic rank and his gospel, as we will argue presently, then they probably also claimed that Paul’s gospel could not bring Gentiles into the family of God. As Christian Jews, Paul’s opponents must have noted that for males, admittance to the family of God must entail circumcision as an initiatory step. After all, the strongest and most consistent facet of Paul’s assault on his opponents focuses on the subject of circumcision. This fact suggests that the demand for circumcision was an essential plank in the Judaisers’ platform. The most obvious evidence for this is in Paul’s closing remarks (Gal 6:12 – 13), where he directly accuses his opponents of seeking to circumcise the Galatians in order to make a good showing in the flesh, avoid persecution, and boast of their accomplishments.11 Scholars who focus on Paul’s polemical strategy unanimously concur that these remarks represent part of Paul’s conclusio – an epilogue that restates and recapitulates 10 Betz, Galatians, 39. Cf. Russell, Paul’s Opponents, 338 – 339; and idem, Rhetorical Analysis of the Book of Galatians, Part 2, 417 – 421. 11 Betz, Galatians, 313; Lyons, Pauline Autobiography, 168; Kennedy, New Testament Interpretation through Rhetorical Criticism, 151; and Hall, The Rhetorical Outline for Galatians: A Reconsideration, 286. Sumney, “Servants of Satan”, 135 – 136, rates this passage as one of “the most direct statements about the other teachers in Galatia”.

128

Ian J. Elmer

the central arguments canvassed in the body of the letter. On that basis, it would seem that circumcision is one of the fundamental issues in Paul’s dispute with the Judaisers at Galatia. In maintaining their pro-circumcision putsch, Paul’s opponents seem to have appealed to the story of Abraham (3:6 – 29; 4:21 – 31), in which the institution of circumcision was imposed on God’s elect (Gen 17:1 – 27). In Galatians 4:22 – 5:1 Paul outlines a comprehensive allegory focusing on two significant women, Sarah and Hagar, from the Torah. At this point, Paul is returning to a scriptural argument that he has previously surveyed in his earlier discussion of Abraham (3:6 – 18). In both these passages Paul draws extensively on material in Genesis 16 – 21, which figures at the heart of the Abraham cycle in the patriarchal accounts. Paul introduces the allegory of Hagar and Sarah as a contrast between a former covenant and the new covenant. According to Paul’s exegesis, the allegory serves to support his claim for the subordination of the old regime to a new agreement which God wrought by the death and resurrection of Christ. In so doing, Paul upends the whole thrust of the Abraham cycle that Israel is descended from Isaac, the son of Abraham’s wife Sarah, and equates the nation of Israel with the descendents of Ishmael, the son of the slave woman Hagar. This curious reversal of the accepted tradition must imply that Paul is addressing arguments first raised by the Judaisers.12 J. Sumney rejects this conclusion, arguing that Paul, and not his opponents, introduced Abraham into the argument as “evidence” against the opponents’ claims regarding the necessity of circumcision.13 However, Paul’s innovative (even arbitrary) reinterpretation of the Abraham narrative indicates that he is reacting directly against the arguments of his opponents; for it seems improbable that Paul would have employed such an argument against circumcision, since the issue of circumcision and the covenant are intimately associated with the Abraham story (Gen 17:1 – 27).14 12 So Longenecker, Galatians, 200, who notes that the polemical character of the Hagar-Sarah story suggests a direct response to usage of the same story by the Judaisers in similar “ad hominen fashion”. See also, Dunn, Galatians, 243 – 244. 13 Sumney, “Servants of Satan”, 144 – 145; and Cousar, Galatians, 73, whom Sumney follows. Similarly, Dunn, Galatians, 16, expresses some concerns over the connection between the opponents and the Abraham argument. 14 Martyn, Galatians, 448. Similarly, Betz, Galatians, 237, suggests that at this point Paul seeks to win back the Galatians by directly addressing the Judaisers, attempting to refute their claims with an appeal to the same scripture hat formed

Pillars, Hypocrites and False Brothers

129

Indeed, Paul’s stress on Gentile inclusion in the family of God may have been developed to directly counter an opposing view of membership based on Abrahamic descent.15 Paul takes the Abrahamic tradition of circumcision and spiritualises it in such a way as to make the uncircumcised, rather than the circumcised, beneficiaries of the promise, rendering the cross of Christ as the divine instrument of the Gentiles’ inclusion in the people of God (3:13 – 14). Accordingly, Paul can reiterate the baptismal formula that must have been current during his time as a missionary under the auspices of Antioch, which serves to remind the Galatians of their incorporation “in Christ […] where there is neither Jew nor Gentile, slave nor free, man nor woman” (3:27 – 28). Paul is able to twist the Abraham narrative in such a way as to sketch the route by which the Gentiles become the adopted children in the family of God, thus becoming heirs who are able to join with other Christians in addressing God as “Abba! Father!” (4:1 – 7).16 While some scholars have noticed Paul’s use of kinship language both here in Galatians and elsewhere, they seldom see the polemical nature of Paul’s kinship metaphors in this specific context.17 It is only at this point in Paul’s argument that he introduces adoption language. Prior to his appeal to the story of Abraham to support his proclamation of Gentile righteousness wrought by faith (3:6 – 29), Paul made only scant use of inclusive categories.18 He had addressed the Galatians as “brothers” on only one occasion in his opening salvo against the

15 16 17

18

a central aspect of their gospel. But see also, Perkins, Abraham’s Divided Children: Galatians and the Politics of Faith, 88, who notes that Paul’s misuse of scripture here results in a “shocking denial of Jewish claims to be descended from Isaac”. Esler, Paul’s Contestation of Israel’s (Ethnic) Memory of Abraham in Galatians 3, 25 – 27. White, God’s Paternity as Root Metaphor in Paul’s Conception of Community, explores the use and origins of kinship language in Paul’s letters and the Synoptic tradition. One exception here is Roetzel, Paul: The Man and the Myth, 122 – 123, who argues that “the claim and counter-claim of kin against kin” that Paul brings to bear on the dispute in Galatia played a seminal role in “the development of Paul’s adoption metaphor”. See also, more recently, Gaventa, Our Mother Paul, 29 – 39; and Eastman, Recovering Paul’s Mother Tongue, 161 – 180. See the discussion of Paul’s use of adoption language within the context of the Abraham story in Witherington, Grace in Galatia, 281 – 292; Eastman, Recovering Paul’s Mother Tongue, 163 – 169; Campbell, Paul and the Creation of Christian Identity, 61 – 64.

130

Ian J. Elmer

rival gospel (1:11). However, once Paul introduces Abraham into his argument he resorts constantly to fraternal metaphors that are intended to mark the inclusion of Gentiles. Eight times in the space of the next four chapters (3:15; 4:12, 28, 31; 5:11, 13; 6:1, 18), Paul addresses his auditors as “brothers”. A similar pattern can be detected in Paul’s use of family metaphors. Beginning with 3:26 Paul makes wide use of familial language, recognising his Gentile converts as “children of God” (3:26; 4:6 – 7), “children of Abraham” (3:7) “children of the promise” and “children of freedom” (3:7). By bringing together the Abraham story and the Law-free mission in this manner Paul effectively radicalises the familial metaphors so deeply embedded in the Abraham tradition to embrace the Gentiles, who were never formerly considered family members.19 This status as family members was considered the sole preserve of the circumcised elect of Israel; but, now, according to Paul’s reading of the Abraham story, it was granted to uncircumcised Gentiles. Paul’s ploy was to separate what his opponents’ gospel no doubt held together, Abraham’s faith (Gen 15:6) and his Law-observance (Gen 17:10 – 11). Arguing that God’s promises were to Abraham’s seed (cf. Gen 12:7; 13:15; 17:7; 24:7), a singular form that he interpreted as referring to Christ (Gal 3:16), Paul could assert that it was through faith in the seed of Abraham, not through Law-observance expressed via circumcision, that Gentiles were made the children of Abraham. Not only was this a highly innovative interpretation, it must also have been read as offensive and polemical to the Law-observant. As H. D. Betz has noted, in a manner not unlike the polemic of the Qumran Covenanters, Paul’s blatantly sectarian language served to exclude other Law-observant Jews from the family of God by asserting that only the Law-free Christian community constituted the true Israel of God (6:16).20 It would seem, therefore, that the key aspect of the agitators’ gospel was the demand for circumcision. But we must ask, was this their only concern? Were they motivated by this single issue, or was circumcision only one element in a broader set of demands?21 19 Betz, Galatians, 186; and Roetzel, Paul, 122. 20 Betz, Galatians, 323. 21 Schmithals, Paul and the Gnostics, 19, argues that the opponents preached a gospel of circumcision rather than full Law-observance. Munck, Paul and the Salvation of Mankind, 132; Harvey, The Opposition to Paul, 319 – 332; and Gaston, Paul and Torah, 29 – 30, 81 – 82, offer similar views. See also Elliott, Cutting Too Close for Comfort, 13, who, while arguing that circumcision remains the central

Pillars, Hypocrites and False Brothers

131

The fact that Abraham figured strongly in the gospel of the Judaisers suggests that circumcision was not the sole aspect of the Law at stake in Galatia. R. N. Longenecker remarks that Jewish traditions frequently considered Abraham to have observed the Law despite the fact that the Law was given to Moses generations later (Jub 16:28; Sir 44:20; 2 Bar 57:2; Philo, de Abrahamo 5 – 6, 60 – 61, 275; Baylonischer Talmud Joma 286; Mischna. Qiddushin 4:14; cf. Gen 25:6).22 Moreover, we know of no ardent Jews in the Second Temple period who upheld Abraham as a central figure in Jewish self-definition while at the same time suggesting that his significance was limited to observance of only some of the Law. Accordingly, we must assume that the troublemakers at Galatia were demanding that the Gentiles adopt complete observance of the Mosaic Law. This much is suggested by 5:2 – 3, where Paul warns the Galatians in the most strident terms that if any man allows himself to “be circumcised, he is obliged to obey the whole Law”. Paul’s reminder that the whole Law is binding was probably not a negative statement within first-century Judaism, and it certainly would not be a surprise to his opponents.23 Circumcision alone did not constitute being a Jew and circumcision as an initiatory rite for male proselytes was the end result of a long process of conversion and study.24 Furthermore, in most forms of Judaism during this period, the Law was perceived to be an indivisible whole. This is indicated by the Mishnah, which stresses that one must heed the light as well as the heavy commandments (Mishna Avot, 2:1; 4:2). Closer to Paul’s own time, the author of 4 Maccabees (5:20 – 21) proclaims that transgressions of the Law in either small or large things is equally indictable, since both demonstrate that the transgressor despises the Law. Finally, we might quote Sirach (7:3) who suggests that any sin renders one guilty of violating the Law, not just a law. Apparently, therefore, a person or community was not at liberty to pick and choose their practices, or discriminate about which legal regulations were binding – a sentiment shared by some Christians as well. Thus, we find that the author of the letter of James (2:10) decrees that “whoever keeps the issue in Galatians, postulates that Paul’s concern over the issue “does not originate from an antipathy towards the Law, but from an antipathy toward the [Celtic] cult of the Mother of the Gods and an abhorrence of self castration”. 22 Longenecker, The Triumph of Abraham’s God, 31 – 32. Cf. Betz, Galatians, 158. 23 Russell, Paul’s Opponents, 343. 24 Dunn, Galatians, 265 – 266; and Perkins, Abraham’s Divided Children, 9 – 12.

132

Ian J. Elmer

whole Law, yet stumbles at one point is guilty of breaking all of it” (cf. Mt 5:18 – 19). Paul makes it clear that his opponents advocated the efficacy of complete observance of the whole Law by addressing them as “you who are under the Law” (4:21). Paul makes a similar statement in 2:15 – 17, including himself alongside the Judaisers as “Jews”.25 More specifically, Paul’s polemic against troublemakers’ concern for the observance of “days, months, seasons and years” (4:10) can only be seen as a clear reference to Jewish observance of the Sabbath, holy days and liturgical seasons. The overall context of Paul’s attack on the pro-circumcision sensibilities of his opponents makes it clear that Paul is referring to the cultic festivals of the Jewish calendar, especially the important new moon festival, which seems to be implied in Paul’s description of the “observation of months” (4:10).26 It must be admitted, that in referring to these Jewish cultic practices being advocated by his opponents (4:8 – 10), Paul does not employ specific Jewish terminology. D. Lhrmann has tried to draw parallels between Paul’s reference to the “elements” (stoiwe?a) mentioned here (4:9) and a similar reference in 4:3, suggesting that Paul is decrying a form of pantheistic practice.27 However, the reference to the “elements” in 4:3 is clearly within the context of the Galatians’ former pagan faith-practice and, therefore, the allusion to the “elements” in 4:9 should not be seen as part of the teachings of Paul’s opponents.28 The mention of 25 Although Walker, Does the ‘We’ in Gal 2:15 – 17 Include Paul’s Opponents?, suggests that the reference is to the Antiochene incident (2:11 – 14) and Paul is addressing Cephas, Barnabas, and “all the Jews” at Antioch. However, this does not necessarily exclude his Galatian opponents who clearly shared a great deal in terms of identity and activity. 26 See Thornton, Jewish New Moon Festivals, Galatians 4:3 – 11 and Colossians 2:16; and Sumney, “Servants of Satan”, 142 – 143, who follows Thornton. Cf. Longenecker, Galatians, 181 – 183, who provides a brief but thorough analysis. 27 Lhrmann, Galatians, 84 – 85, 126. Similar views are expressed by Nanos (ed.), The Galatians Debate, 267 – 269; and Martin, Apostasy to Paganism, 437 – 461, both of whom suggest that Paul is referring to the Galatians as backsliding into their old observance of the Imperial cult. On the other hand, Betz, Galatians, 217 – 218, suggests a reference to syncretistic practices that involve both Jewish and pagan elements. 28 Barclay, Mirror-Reading, 82, makes the point that attributing a belief in the “elements” to the troublemakers at this point can only be sustained by recourse to unsupported mirror-reading. One would need to find some corroborating indication elsewhere in Galatians to substantiate this claim.

Pillars, Hypocrites and False Brothers

133

the “elements” in 4:9 could be an attempt on Paul’s part to discredit his opponents by making an erroneous accusation about their teachings. One might compare the use of similar terminology in Colossians (2:8, 20) where stoiwe?a is used as a polemical accusation against Judaising opponents.29 J.D. G. Dunn speculates that Paul’s tactic in Galatians 4:9 is to associate the careful reckoning of dates for the Jewish calendar with recourse to the “elements”.30 But J. Sumney is probably correct in his assertion that “the point is more simple and polemical: Paul is making the keeping of these [Jewish] feasts by Gentiles equivalent to keeping pagan observances”.31 The manner in which Paul attempts to satirise his opponents’ message by drawing comparisons between the festivals and the veneration of the elements implies that, in addition to circumcision, his opponents placed significant value on the holy days of the Jewish liturgical calendar. This would intimate that the troublemakers were causing disquiet amongst the Galatians by advocating full Law-observance. Furthermore, Paul suggests that his opponents wished to compel the Gentile Christians to be circumcised for fear of being persecuted for “the cross of Christ” (6:13), which implies that they are Christian Jews. It seems unlikely that the troublemakers at Galatia were non-Christian Jews or Gentile converts to Judaism who wanted to force Paul’s Gentile converts to become Jewish proselytes so as to avoid persecution from the civil authorities.32 Rather 6:13 indicates that Paul is dealing with Christian Jews who wanted to force circumcision and Law-observance on his Gentile converts. Paul’s claim that the Galatian Judaisers were motivated by the fear of being persecuted for Christ (6:12) substantiates the view that his opponents were fellow believers in Jesus. Paul must have understood that his opponents shared his and his readers’ common belief in 29 So Betz, Galatians, 216 – 217. Cf. Forbes, Paul’s Principalities and Powers: Demythologizing Apocalyptic?, 81 – 83. 30 Dunn, Galatians, 228 – 229. 31 Sumney, “Servants of Satan”, 143 n. 52. 32 As argued by Nanos, The Irony of Galatians, 264 – 267, who suggests that the troublemakers were Jews who tried to encourage the Gentile Christians to become Jewish proselytes so as to avoid being persecuted because of their association with the Christian community. By contrast, Harvey, “Opposition”, 324, argues that the opponents were Gentiles, newly converted to Judaism, seeking to offer circumcision to Paul’s converts as a means of avoiding persecution. Harvey contends that these proselytes were pressuring fellow Christians to avoid persecution from the synagogue by adopting Jewish practices, but not Jewish theology.

134

Ian J. Elmer

Christ, or else the insult – that they wished to avoid persecution on account of Christ – would make no sense whatsoever.33 Where his gospel differed from theirs was in their demand for full adherence to the Law. This is the nub of Paul’s polemic in Galatians; his opponents profess to preach Law-observance as “good news”, which Paul rejects completely as nothing less than a “perversion of the Gospel of Christ” (1:7). This brings us to another significant point. J. L. Martyn argues correctly that Paul must have used the term “gospel” to describe the preaching of his opponents deliberately since it is a key concept in his understanding of the Christian kerygma. 34 In the Pauline correspondence, “gospel” has almost achieved the status of technical terminology and, therefore, Paul would not have used it here unless his opponents were also using the same terminology. Moreover, it is highly unlikely that Paul would have employed this term for a message that did not include a proclamation of Jesus Messiah. It stands to reason that his opponents preached a “gospel” that, in addition to the proclamation of Jesus as the Messiah, entailed a demand for circumcision (5:2 – 4; 6:12 – 13); or, put more accurately, they apparently preached the necessity of circumcision and Law-observance as the only means of entry into the family of God. Paul’s response was to warn the Galatians that those who were tempted to “judaise” by receiving circumcision (5:2) needed to realise that they were subjecting themselves again to a yoke of slavery (5:1) by putting themselves under obligation to adhere to the whole Law (5:3) and thereby, they would sever themselves from Christ. Paul wished to stress that Christ was the only one who could set them free from the Law and failure (2:15 – 21; cf. Rom. 8:1 – 4).

3. Undermining Paul We are now in a position to address the key issue of Paul’s apostolic status, which seems to have played a significant role in the Judaisers’ arguments. The obvious inference that must be drawn from Paul’s opening 33 With few exceptions, most commentators accept this reading of the passage. See, for example, Jewett, Agitators, 205; Longenecker, Galatians, xciv–xcv, 290 – 291; Matera, Galatians, 230 – 231; Martyn, Galatians, 560 – 563; Das, Paul, 18 – 19; Lightfoot, Galatians, 222 – 223; and Bruce, Galatians, 268 – 269. 34 Martyn, Galatians, 109.

Pillars, Hypocrites and False Brothers

135

parenthesis (1:1) is that he believed that his status as an apostle was under attack from his opponents at Galatia. It is not entirely clear how his opponents had made this challenge or in what context the attack on Paul’s credentials was made. However, the Judaisers seem to have undermined Paul’s authority by directly referring to his past dealings with the apostolic authorities at Jerusalem.35 In particular, they appear to have cast doubts on the bases of Paul’s apostolic status with reference to his commission, or lack thereof, from the appropriate authorities at Jerusalem. Several factors support these assumptions. First, we should note by way of an initial overview that in Paul’s letters there are a mere ten explicit references to Jerusalem, half of which occur in Galatians (1:17, 18; 2:1 – 2; 4:25, 26; cf. Rom 15:19, 21, 26, 31; 1 Cor 16:3).36 The names of the pre-eminent leaders of the Jerusalem church – Cephas (Gal 1:18; 2:9, 11, 14; cf. 1 Cor 1:12; 3:22; 9:5; 15:5) or alternatively Peter (Gal 2:7, 8), Jesus’ brother James (Gal 1:19; 2:9, 12; cf. 1 Cor 15:7), and John (Gal 2:9) – appear more often in Galatians than any of the other Pauline texts. Similarly, we find Barnabas (2:1, 9, 13; cf. 1 Cor 9:6; Col 4:10), an erstwhile member of the earliest Jerusalem community (Acts 4:36; 9:27), figuring prominently with the aforementioned Jerusalem triumvirate in Paul’s opening autobiographical narrative (Gal 1:12 – 2:14 2:1, 9, 13). Later Jerusalem reappears in some of Paul’s most polemical statements as a figure of derision “for she and her children are in slavery” to the covenant from Mount Sinai (4:25). This claim echoes Paul’s earlier attack on the false brothers at Jerusalem (2:4), whose attempt to “make us slaves” by imposing circumcision on the Gentiles is later extended to the James party, and then to Peter, Barnabas and the rest at Antioch (2:13), who were attempting to “compel the Gentiles to live like Jews” (2:14).37 This repeated focus on the apostolic community suggests that the spectre of the Jerusalem church and its leadership haunts the pages of this letter like no other in the Pauline corpus. 35 Elmer, Paul, 110 – 116. 36 Romans (9:33; 11:26) contains two further references to “Zion”, both of which are Scriptural quotes dealing with messianic themes drawn directly from Isaiah (28:16; 59:20 – 21). Another relevant, alternative term is “Judea”, which occurs infrequently in the Pauline corpus; but, here again, Galatians (1:22) is represented along with 1 Thessalonians (2:14) and 2 Corinthians (1:16). 37 We shall examine the connections between these verses in chapter five. See also Esler, Galatians, 138; and more fully in his earlier work, Esler, The First Christians, 57 – 62. Similarly Martyn, Galatians, 462 – 466.

136

Ian J. Elmer

Second, from the very outset of the letter Paul appears on the defensive with regard to his apostolic authority vis- -vis the original apostolic circle at Jerusalem. The emphatic initial negatives in 1:1 – “neither from human authorities […] nor through human commission” – represent more than a mere, rhetorical, opening gambit. As G. Ebeling rightly observes, “At the beginning of a letter so highly charged in style and content, in an antithetical explication of his own apostolic authority clearly placed so emphatically at the start, Paul can hardly be employing purely stylistic variation”.38 The negative and ardent tenor of this remark suggests that the rhetoric present here must reflect the polemical situation of the letter. This appears all-the-more probable when we note the similar denials of verses 11 – 12, which exactly parallel those of 1:1 – “the gospel that was proclaimed by me is not of human origin; for I did not receive it from a human source, nor was I taught it”. These denials in turn anticipate the postponed, but emphatic, main clause of verses l6 – 17 – “I did not immediately confer with flesh and blood […] nor did I go up to Jerusalem to those who were already Apostles before me”.39 Such emphatic and repeated denials must reflect the fact that Paul’s apostolate has been portrayed by the opponents in Galatia as derivative from former apostolic authorities – perhaps, specifically from either Cephas and James in Jerusalem, or from Barnabas in Antioch, since all of these play a role in the stories related by Paul.40 Moreover, the Judaisers must also have been claiming that Paul had wilfully neglected to proclaim that gospel accurately, adulterating the Law-observant import of message that he had received at Jerusalem. G. Lyons, however, has argued that we should not read so much into Paul’s rehearsal of his previous relationship with Jerusalem. Drawing on studies in Greco-Roman rhetoric and epistolography, Lyons argues that 38 Ebeling, The Truth of the Gospel, 12 – 13. By contrast, Betz, Galatians, 39 cautions against attempts to determine the content of the charge against Paul on the basis of the prescript alone. 39 There may even be here an intended chiastic structure with the dual denials (“not by human authority; not through human commission” – 1:1, 11) being balanced by affirmations (“but though Jesus Christ” – 1:1, 12). So Ebeling, The Truth of the Gospel, 13; who is followed by Smiles, The Gospel, 32. 40 The argument that 1:1 was composed as a direct response to accusations that Paul’s apostolate was derivative, either of Jerusalem or Antioch, is widely accepted. See, for example, Longenecker, Galatians, 4; Dunn, Galatians, 25; Martyn, Galatians, 92 – 95; Esler, Galatians, 118 – 120; and Perkins, Abraham’s Divided Children, 36 – 37.

Pillars, Hypocrites and False Brothers

137

Paul’s letter to Galatia is “deliberative” rather than “forensic” or “apologetic” in nature.41 Accordingly, Paul revisits past events only in as far as it helps establish his character and ethos; hence, his apparently defensive assertions “are often, if not always, examples of pleonastic tautology used in the interest of clarity”.42 Lyons may be correct in suggesting that the letter was primarily “deliberative”, but this does not mean that it is devoid of any apologetic statements. Deliberative speech could and often did contain statements that directly addressed false accusations against the speaker and, in that case, would have included elements of both apologetic argument and forensic analysis of past or current events that had a direct bearing on the present discussion.43 A narratio of the kind found in Galatians 1:13 – 2:14, while uncommon in deliberative speeches, could be included when such would serve to correct mistaken impressions about the speaker and, thereby, improve his standing and encourage his audience to be sympathetic to the arguments that were to follow.44 The ancient rhetorician, Quintilian (institutio oratoria, 3:8:10 – 11), advised rhetors that statements about external matters that are nonetheless immediately relevant to the matters at hand could be introduced via a narratio when making a deliberative speech (cf. Dion Chrysostomos, orationes, 40:8 – 19; 41:1 – 6). Such a narratio, even in a deliberative speech, had two functions.45 First, the purpose of a narratio was not simply to inform or remind the auditors of past events, but to recall those past events as lessons for the future. In this way the rhetor could persuade his auditors by placing the facts of his case in a certain context and presenting them in the manner most conducive to his point of view. Quintilian (institutio oratoria, 4:2:87) observes that it was the correct and accepted convention in a nar41 Lyons, Pauline Autobiography, 25 – 27, 112 – 119. Cf. Kennedy, New Testament Interpretation, 23 – 25; Hall, Rhetorical Outline, 277 – 287; and Nanos, Irony, 32 – 61. For others who see the letter as primarily apologetic, see Betz, Galatians, 14; idem, Literary Composition, 353 – 379; Ldemann, Paul, 46 – 48; and Hester, The Use and Influence of Rhetoric in Galatians 2:1 – 14. 42 Lyons, Pauline Autobiography, 110. 43 Esler, Galatians, 65. Cf. Aune, The New Testament in Its Literary Environment, 203, 207; Barclay, Obeying the Truth, 23 – 25; Longenecker, Galatians, cxix; Smiles, The Gospel, 13; Witherington, Grace in Galatia, 95 – 97; and Perkins, Abraham’s Divided Children, 20 – 24. 44 Witherington, Grace in Galatia, 95. 45 Betz, Galatians, 61 – 62; Esler, Galatians, 64 – 65; and Witherington, Grace in Galatia, 97.

138

Ian J. Elmer

ratio to chronicle the relevant events surrounding an issue in chronological order so as to provide the proper context. Furthermore, a narratio afforded the rhetor the opportunity to either attack the character of an opponent or eulogise an ally. Lyons agrees with the first, arguing that the narratio in Galatians has to do with Paul’s concern to establish “his divinely determined ethos, not defending his personal or official credentials”.46 Put otherwise, Paul’s opponents need not have made any accusations against Paul for Paul to want to stress his authority and offer himself as an example to the Galatians of one who formerly stood against similar onslaughts from Judaising opponents. However, Lyons seems unaware of the second option, that Paul must have recalled his earlier dealings with Jerusalem in order to attack the character of his opponents because they were directly linked with the Jerusalem church. In a narratio the rhetor could resort to pejorative language in order to dispose his auditors to his point of view and against that of his opponents. Throughout the narratio, Paul responds directly to his opponents’ views on the Law from the perspective of their shared Christian traditions (1:7, 13 – 14; 2:15). Nevertheless his polemic strategy is to cast his fellow Christians in the role of adversaries and credit them with duplicitous motives. We may be scandalized to imagine that one of the great founding fathers of Christianity would act so underhandedly. But the first century is not the twenty-first. We should not judge Paul by our standards. Firstcentury Mediterranean society was highly competitive. The contemporary rules of rhetoric condoned a no-holds-barred approach to social interaction. With this in mind, it is no surprise that in his polemic against his opponents at Jerusalem Paul labels them as “false brothers” who were “secretly brought in to spy on our freedom” by “those reputed pillars”. The martial language here is most likely intentional. Paul wants to portray his defence of the Gospel as a military campaign involving a series of battles. In the subsequent battle at Antioch, Peter and Barnabas are accused of “hypocrisy” and cowardice in the face of the interference of the factional and divisive “men from James”. Similarly, Paul’s present opponents at Galatia are cast as “troublemakers” and “agitators” who are motivated by fear of persecution. Such pejorative and emotional language 46 Lyons, Pauline Autobiography, 133. See also Cosgrove, The Cross and the Spirit, 133; and Witherington, Grace in Galatia, 71 – 73, both of whom agree with Lyons on this point.

Pillars, Hypocrites and False Brothers

139

could not be accidental. It is meant to be polemical and it is intended to raise animus against the viewpoint of those whom Paul perceived to be his adversaries.47 To pursue these points further, it should be noted that Paul explicitly signals his readers’ familiarity with some version of events in his past, and he implicitly signals that this knowledge could only be derived from his opponents. In support of this view, we might cite Paul’s rhetorical question “why am I still persecuted if I am still preaching circumcision?” (5:11), which many scholars read as an indication that Paul’s opponents must have told the Galatians that Paul still taught circumcision.48 However, this seems a rather difficult claim to defend. Surely the Galatians, who had been the recipients of Paul’s gospel, would be well aware of Paul’s position vis- -vis circumcision. A far better understanding of 5:11 is that Paul’s opponents had accused him of being inconsistent in having preached circumcision at other times and places, despite the fact that he was now preaching a circumcision-free gospel.49 P. Perkins points out that Paul’s defence is couched within “the context of an intra-Christian conflict” and, therefore, we might assume that the Judaisers are making claims about “some element in his earlier activity as a Christian missionary”.50 Elsewhere Paul admits to a level of flexibility in the course of his apostolic career (1Cor 9:20; cf. Rom 15:1). According to missionary expediency, Paul appears to have adopted differing but appropriate lifestyles according to the community to whom he ministered. It may be possible that Paul’s opponents could cite actual examples of Paul’s willingness to accommodate his faith-practice to his audience. There is no significant evidence to suggest that following his conversion Paul ever returned to the practice of Law-observance. It would seem, therefore, that the refer47 Betz, Galatians, 61. 48 Tyson, Paul’s Opponents, 248 – 249; Jewett, Agitators, 208; Watson, Paul, Judaism and the Gentiles, 55; Bruce, Galatians, 236; and Betz, Galatians, 268. 49 So Witherington, Grace in Galatia, 373; and Perkins, Abraham’s Divided Children, 99 – 100. More recently, Johnston Hodge, Apostle to the Gentiles: Constrictions of Paul’s Identity, has revived the theory that Paul understood his role as a Judean teacher of Gentiles to warrant a good deal of flexibility vis- vis his identity as a “Jew”. 50 Perkins, Abraham’s Divided Children, 100. Cf. Schlier, Der Brief an die Galater, 238; and Betz, Galatians, 269, who suggest that Paul’s indifference towards circumcision evident even in Galatians (3:28; 5:6; 6:15) could be read as either critical or supportive of circumcision.

140

Ian J. Elmer

ence to Paul preaching circumcision, if genuine, could only have been to Paul’s pre-Christian period – although this conclusion is far from certain.51 On that basis, we might imagine that the Judaisers had attempted to discredit Paul by telling his Gentile converts of his former persecution of the early Church. It is significant that Paul introduces the account of his past with the formula, “You will have heard, no doubt, of my earlier life in Judaism […].” (1:13), which must signal that the Galatians had been informed of his career as a zealous Jew. Paul’s narration of his early career does not simply stop at his preChristian phase, but goes on in precise detail to describe events that followed his conversion. Paul’s statement in 5:11 does imply that Paul feels that he must respond to a distorted version of events from his past. If we were to ask what events these might be, the only answer possible would be those events surrounding his conversion and his early commerce with the Law-observant Jerusalem church, which are the subject of the early chapters of the letter.52 Given the links Paul draws, we might assume that just as Paul’s disagreements with the gospel and the ministry of his Galatian opponents leads to polemical, ad hominem attacks on their character, so they too must have been equally critical of Paul, attacking both the content of his gospel and his right as an apostle to preach it. If these were not at issue, why would Paul make them so? It seems highly unlikely that Paul would have raised both the subject of his own authority and the spectre of his past controversies at Jerusalem and Antioch if these were not already central to the debate. Here again, we might refer to Quintilian (institutio oratoria 4:2:43) who counsels the rhetor that one “should never say more than the case demands”. This practice of providing only the most relevant details also explains why Paul’s description of these earlier events in Jerusalem and Antioch is brief and to the point. Paul is not providing his entire curriculum vitae or attempting to compose his autobiography. He is arguing a specific case, which requires historical contextualisation. Moreover, it is likely that he is responding to direct accusations about his gospel and his apostolic status that require a relevant reply. Again, this approach is nothing less than would be expected of one following the conventions of ancient rhetoric, which required a narratio to be clear, brief, plausible, and devoid of all 51 See Elmer, Paul, 73 – 79, where I have argued that Paul was converted into the Law-free movement of the Hellenists and, therefore, had never preached circumcision as part of Christian mission. Similarly, Matera, Galatians, 182. 52 Martyn, Galatians, 476 – 477.

Pillars, Hypocrites and False Brothers

141

material that was not absolutely germane.53 The fact that Paul finds it necessary to detail his relationship with the apostolic authorities at Jerusalem implies that these Christian Judaisers were asserting a direct commission from the Jerusalem church as a counter to Paul’s own claims to apostolic authority. By way of substantiation of this line of speculation, we note that a significant aspect of the Judaisers’ message must have been the record of the events surrounding Paul’s early association with the Jerusalem Apostles, Peter, James and John, including the Council at Jerusalem. Why else would Paul report the performances of both the false brothers and Peter in supporting James’ pro-circumcision putsch at Antioch if their duplicity were not directly related to the current behaviour of the Judaisers at Galatia?54 There would seem to be here a clear allusion to possible claims by Paul’s opponents at Galatia that Paul, like they, had similarly received the gospel by way of Jerusalem. Against such claims, Paul asserts that he first went to Jerusalem in order to get “acquainted” with Peter (1:18), not to be “taught” or “receive” the content of the gospel he preached (1:12) or the “call” to preach it (1:15 – 16). Both his gospel and his apostolic commission (1:15) are the products of the revelation (1:12) he received three years prior to his initial meeting with Cephas and James (1:15 – 17) and fourteen years before the Council meeting that recognised the legitimacy of his Apostleship among the Gentiles (2:1 – 10). Paul is determined to set the record straight by explaining what kind of relationship existed between himself and the Jerusalem triumvirate, James, Cephas, and John. He is resolute in his willingness to demonstrate that no rift exists between him and them and, thus, that the gospel he preaches was not at variance with apostolic teaching. Paul seeks to establish that at the Jerusalem Council his gospel was recognised by the “Pillars” as divinely authorised (2:7 – 9). Paul asserts that he went to Jerusalem to “present” (!meh´lgm) his gospel to the Jerusalem Apostles, not to seek their approval. The verb !mat¸heshai is best understood as communication of information with the 53 See the discussion of this important point in Hall, Historical Inference and Rhetorical Effect. Cf. Witherington, Grace in Galatia, 96. 54 Hill, Hellenists and Hebrews, 111, attempts to avoid this problem by suggesting that the problem in Galatia was not identical to that in Antioch. But this begs the question as stated above, why then did Paul include this detail if it were not relevant to his concerns in Galatia? This point is also made by Sim, The Gospel of Matthew and Christian Judaism, 98. Cf. Dunn, Galatians, 72 – 78; and Bruce, Galatians, 101 – 102.

142

Ian J. Elmer

added notion of seeking an opinion.55 Clearly, he is attempting to argue that he did not go to Jerusalem to seek apostolic sanction for his gospel, in the sense of an inferior seeking the blessing of a superior, but merely to present the details of his gospel message, which was to provide the subject for a conversation amongst equals.56 But it might also seem that Paul’s version of events is far from accurate, and that both his gospel and his mission among the Gentiles were subject to the scrutiny of the apostolic authorities at Jerusalem. P. F. Esler suggests that the language Paul employs to describe the Pillars as offering him and Barnabas “the right hand of fellowship” does not necessarily imply a unanimous and mutual agreement between equal partners.57 Rather in the contemporary biblical literature, especially the Maccabees (1 Macc 6:58; 11:50, 62, 66; 13:45, 50; 2 Macc 4:34; 11:26; 12:11; 13:22; 14:19), “giving the right hand” refers to establishing a truce following the cessation of hostilities. The commander or superior party “gives the right hand” while the inferior, on occasion portrayed as the petitioner, takes it in recognition of his acceptance of the terms of the treaty. This makes it inherently difficult to read the accord as an agreement forged between equals who recognise each other’s authority within clearly defined boundaries, be they ideological, geographical or even ethnic. Rather, the language used by Paul seems to suggest that the 55 An excellent study of this and other vocabulary of the passage is provided by Dunn, Jesus, Paul and the Law, 108 – 128, who explains that there can be no question of !mat¸heshai denoting “the relative competence or status of the parties involved” (113). 56 Holmberg, Paul and Power, 23, attempts to argue otherwise, but no ancient texts support this rendering of !mat¸heshai, as Dunn’s analysis makes clear (see preceding note). Stuhlmacher, Das paulinische Evangelium, 1:87, contrasts Antioch’s acceptance of Jerusalem’s judicial authority at the time of the Council with Paul’s view at the time of writing Galatians. Paul’s recognition of Jerusalem’s authority may at the time have been comparable, but after the events described have transpired, Paul is no longer willing to recognise Jerusalem’s right to rule on matters of contention (87 – 88). For a detailed analysis of the divisive nature of the Jerusalem Council, the Incident at Antioch and the ramifications of both for the Galatian crisis, see Elmer, Paul, 81 – 116. 57 Esler, Galatians, 298 – 299. See also Perkins, Abraham’s Divided Children, 52, who follows Esler. Smiles, The Gospel, 48, makes the point that Paul’s “qualification of den¸a (“right hand”) by joimym¸a precludes the thought that those who ‘gave the right hand’ thereby demonstrated their superior position”. Betz, Galatians, 100, also notes that joimym¸a can be interpreted to mean “various forms of relationship, anything from unity to separation”.

Pillars, Hypocrites and False Brothers

143

outcome of the meeting was far from a decisive and clear-cut victory for Paul and the Antiochene delegation. Paul’s insistent assertions that he does not regard the Jerusalem Apostles as his superiors is probably meant to obscure the ambiguities inherent in the accord reached at Jerusalem. Esler’s interpretation carries the military metaphor of espionage and conflict first introduced with polemical reference to the false brothers as “spies” and “infiltrators” over to the final accord with the Pillar Apostles, suggesting that any agreement would have been both fragile and conditional. Paul presents the accord as final and binding on all participants. But the Jerusalem delegates may have understood it in terms of a provisional armistice, whereby the present, loose, ethnically-defined demarcation of the missionary communities was but a temporary measure to stave off any immediate re-engagement between the warring factions. In effect, any treaty would have been little more than a moratorium. Clearly, the necessity of sharing a common table between Jewish converts and Gentile converts would require a definitive compromise on the part of one or other constituency in an ethnically diverse community like Antioch. So there was more than one way to read the outcome of the Council, and subsequent events at Antioch demonstrated that no lasting solution to the schism between Jerusalem and Antioch was achieved at the time of Council. With the victory of James’ subsequent pro-circumcision putsch, Antioch came under the authority of Jerusalem, and Paul was marginalised and forced to depart Antioch.58 Given this situation, we can only conclude that Paul’s peculiar emphasis on apostolic authority implies that he is trying to avoid a trap laid by his Galatian opponents, which would allow it to be said that, as a result of the meeting with the Pillars and the change in leadership at Antioch, Jerusalem has jurisdiction over Paul’s gospel and his apostolate.59 It seems clear enough that Paul cannot ignore the connections be58 Elmer, Paul, 116. 59 Schlier, Galater, 68, sees Paul here as recognising the decisive authority of the “earlier apostolate” at Jerusalem and demonstrating how he was willing to validate the genuineness of his mission by their acknowledgement. However, against this view, Stuhlmacher, Das paulinische Evangelium, 1:88, observes that one misconstrues the intent of Paul’s report if Paul in Jerusalem is seen as seeking the confirmation of his mission and message from the binding authorities of the “earlier gospel” and the “earlier apostolate”. The better interpretation of Paul’s intention is to distinguish clearly between his mission as “apostle to the Gentiles” and that of the Jerusalem apostles’ original mission among the Jews.

144

Ian J. Elmer

tween the Galatian troublemakers and his erstwhile opponents at Jerusalem and Antioch who had similarly challenged the content of his Lawfree gospel and his right as an apostle to preach that gospel among the Gentiles. And despite his attempt to drive a wedge between his opponents and the apostolic triumvirate at Jerusalem, Paul implies wittingly or unwittingly that they all sought to undermine his apostolate by forcing his Gentile converts to accept circumcision and adhere to the Law.60

4. Compromising the Gospel At this point in our discussion we are able to answer the question: why did Paul react so aggressively and polemically to the message of the Judaisers at Galatia? Elsewhere, we find Paul ready to counsel tolerance in the face of conflicting interpretations of the Christian message (cf. 1Cor 8:1 – 13; 10:14 – 33; Rom 14:1 – 15:13). The crisis that confronts Paul at Galatia is severe. According to Paul, the Galatians are in danger of “falling from grace” (Gal 5:4) as a result of the Judaisers who have “bewitched” (3:1) and “unsettled” (1:7; 5:12; cf. 6:12 – 13) the communities. Such is the severity of the crisis that it is not enough for Paul to simply reassure the Galatians, he must also confront the situation head on, demonstrating the “truth of the gospel” and relating how he has consistently fought for that truth, formerly in Jerusalem and Antioch, and presently in Galatia. As noted earlier, Paul relates the story of events in Jerusalem and Antioch most likely because his opponents have been circulating a very different version of the same episodes. For his opponents, this story underpins both their attack on Paul’s apostolate and the Law-free gospel he sponsors. Paul is forced to provide another perspective that neatly avoids the inference that his apostleship and his gospel are derivative of either Jerusalem or Antioch. Moreover, Paul turns the story to good purpose by demonstrating how the central issue at Jerusalem and Antioch is the same as that which occasioned the Galatian crisis – the long-running conflict between the two competing forms of the Christian message that grew up in Jerusalem and Antioch prior to more recent developments. 60 So Esler, Galatians, 138; idem, The First Christians, 57 – 62; and Martyn, Galatians, 462 – 466; Sumney, “Servants of Satan”, 137; and Witherington, Grace in Galatia, 448 – 449.

Pillars, Hypocrites and False Brothers

145

Paul’s reports of the Jerusalem Council and the Antiochene incident, therefore, set the stage for Paul’s response to the Galatian Judaisers because they demonstrate, on the one hand, how the contingencies of the present situation impinge on his language and, on the other, how the central issue, the gospel’s relation to the Law, has been a constant issue of contention between himself and Jerusalem. The entire crisis is for Paul a question of the supreme power of the gospel, which cannot be compromised in the name of even the most revered authorities, be they the Jerusalem Apostles, or even Moses, whose Law they follow. We should not underestimate how important this crisis was for Paul. For Paul, the gospel at its most fundamental was being undermined by the interference of the Judaisers at Galatia.61 Demanding that the Gentiles be circumcised and adhere to the Law amounted to an active denial of full membership of the community for the Gentile converts. In Paul’s view, denying Gentiles full incorporation into the Christian community (unless they first become Jewish proselytes) amounted to a denial that Christ’s death is sufficient to “justify” all humans equally before God so that believers can indeed be “one in Christ” (Gal 3:8, 28; cf. Rom 3:30). The pro-circumcision putsch at Galatia resurrected that which Paul claimed the gospel had destroyed – all the boundaries that separated Jewish converts from their Gentile co-religionists, not only within the Christian movement, but in the eyes of God (Gal 3:28; cf. Rom 1:16; 10:12). Paul is emphatic that Law-observance can only mean a diminution of the “liberty” (1keuheq¸a) wrought by Christ (5:1, 13). He equates circumcision and Law-observance, for which circumcision stands as the quintessential mark, with “a yoke of slavery” (5:1b; cf. Rom 7:25). This reference may be intended as a pun on the phrase the “yoke of the Law” common in some Jewish traditions preserved in the Mishnah. R. N. Longenecker makes the point that the term fucºr (yoke) was a common “honourable” metaphor in later Jewish literature for Torah study (Mishna Avot, 3:5; Mishna Berakhot, 2:2).62 In the Hebrew Scriptures, Jeremiah 5:5 presents apostasy as a “breaking of the yoke”. Even in Christianity the Matthean Evangelist has Jesus refer to his program as a “yoke” that constitutes an “easy burden” (Matt 11:29 – 30). However, contrary to the 61 For an excellent discussion of Paul’s unique appreciation of the Jesus’ story in Galatians, see Brondos, The Cross and the Curse: Galatians 3:13 and Paul’s Doctrine of Redemption. 62 Longenecker, Galatians, 224 – 225.

146

Ian J. Elmer

tone of these other references, Paul’s use of the term appears to be polemical, drawing parallels between his opponents calls for the Galatians to adopt circumcision and Law-observance with the selling of themselves into servitude. This tenor of compulsion and coercion is further emphasised by Paul’s charge that the troublemakers were attempting to “compel” (!macj²fousim) the Galatian Gentile converts to submit to circumcision (6:12). Paul was clearly familiar with these people. He had encountered others from this pro-circumcision putsch elsewhere, as he testifies in his opening biographical comments. He relates how the “false brothers” at Jerusalem had tried to “compel” (!macj²fy) the Gentile Titus to be circumcised (2:3). Their aim too had been to both “spy on the liberty (1keuheq¸a) we have in Christ Jesus and to make us slaves (Bl÷r jatadouk_sousim)” (2:4). Similarly in Antioch some time later, Peter, out of fear of this “circumcision party”, backed a new policy intended to “compel (!macj²fy) the Gentiles to live like Jews” (2:14). We observe that Paul’s use of the verb !macj²fy to describe Peter’s actions mirrors both that of the false brothers at Jerusalem and the troublemakers at Galatia. The clear implication here is that the demands of the three groups, the false brothers at Jerusalem, the circumcision group at Antioch and the missionaries at Galatia, were identical. Attempts have been made to counter any association between the Galatian missionaries and James’ people at Antioch by linking them rather with the “false brothers”, who are taken to be a maverick minority within the Jerusalem church.63 But this theory is based on a questionable assumption, in that it overlooks the probability that these “false brothers” only gained admission to proceeding via the tacit approval of the Pillar Apostles. Other scholars are prepared to accept the Judean origins of the missionaries without drawing any direct connection to Jerusalem.64 D. Lhrmann suggests that these Christian Jewish missionaries may have been free agents who operated independently of either Jerusalem or Antioch.65 Similarly, J. Sumney concludes that we have insufficient evidence to draw any clear link between the two groups and, moreover, the

63 Holmberg, Paul and Power, 49; Betz, Galatians, 5 – 7, 92, 100 – 101; Longenecker, Galatians, xcv; and Taylor, Paul, Antioch and Jerusalem, 170 – 176. 64 Bruce, Galatians, 31 – 32. 65 Lhrmann, Galatians, 126. Cf. Murphy-O’Connor, Paul: A Critical Life, 193.

Pillars, Hypocrites and False Brothers

147

troublemakers at Galatia probably did not even perceive themselves as opponents of Paul.66 The discussion thus far seems to indicate that, as to the basis of their warrant for preaching circumcision, the Judaisers at Galatia appear to have appealed to Scripture, particularly the story of the covenant with Abraham, at which the institution of circumcision was imposed on God’s chosen people (Gen 17:1 – 27). The argument in support of circumcision had no doubt been fought out at Jerusalem and Antioch along similar lines, as Paul implies with his statement in 4:24 – 25 concerning Jerusalem and its children as presently serving as a slave to the covenant from Mount Sinai. This claim echoes Paul’s earlier attack on the false brothers at Jerusalem (2:4), whose attempt to “make us slaves” by imposing circumcision on the Gentiles is later extended to the James party, and then to Peter, Barnabas and the rest at Antioch (2:13).67 These obvious parallels must indicate an association between the troublemakers at Galatia and James’ circumcision party at Jerusalem. Thus it is impossible to avoid the conclusion that Paul’s polemic is addressed directly at Jerusalem and its Law-observant program as both a form of slavery and as the immediate cause of the present attempts to enslave the Galatians.68 Consequently, the Judaisers at Galatia must have argued their case for circumcision and Law-observance by citing the precedent of the Jerusalem church, where circumcision was a sine qua non for all males entering the apostolic community. One further point in support of this conclusion concerns the singular character of the Judaisers’ demands. Paul describes both Peter and the agitators at Galatia as attempting to “force” or “compel” the Gentile converts to adopt Jewish customs, which is linked to the even earlier attempt by the false brothers at Jerusalem to “compel” Titus to be circumcised. This description of their behaviour is striking, not only because of the parallels Paul draws between the three episodes, but also because it seems to run counter to the overwhelming scholarly consensus that Jews did not actively proselytise Gentiles. Those Gentiles who did become Jewish proselytes tended to have sought out conversion proactively, usually on the basis of close, personal or familial ties with local Jewish 66 Sumney, “Servants of Satan”, 158 – 159. 67 Esler, The First Christians, 57 – 62; and Martyn, Galatians, 462 – 466. 68 Esler, Galatians, 74.

148

Ian J. Elmer

communities.69 M. Goodman notes that it was in the interest of Diaspora Jewish communities to encourage Gentile sympathisers whose links with the local synagogues could only lend support to Jews who were often marginalised because of their distinctive customs and ethnicity.70 However, there is no evidence to suggest that such sympathisers were ever “compelled” to become proselytes or adopt the full gamut of Jewish ritual and custom. Jewish synagogues welcomed Gentile God-fearers without demanding circumcision as a condition for attending assembly. God-fearers were embraced by the synagogue, surrendering their worship of idols, giving their children Jewish names, receiving instruction in Torah, observing Jewish Sabbath and Holy days, and even serving as generous patrons without converting and receiving circumcision.71 If a male Godfearer wanted to become a Jewish convert then circumcision would be required, but if a Gentile Christian wanted to attend synagogue there was no such requirement and no likelihood that they would be coerced into doing so. At Galatia, as at Antioch previously, Paul’s rivals appear to have demanded that Gentile convents to the Jesus movement accept the practice of circumcision and complete Law-observance as a requirement for inclusion in the Christian community. We must assume that what we appear to be dealing with here is not a Jewish phenomenon per se, but a Christian Jewish one, which can find no other precedent than those cited by Paul himself and laid at the feet of the apostolic authorities at Jerusalem. P. Perkins makes the astute observation that all the “divisive rhetoric that dominates Galatians was provoked by Gentile converts seeking to come under the Law (Gal 3:1 – 5; 4:21); that is, they wanted in some context to be considered part of the politeia that had its centre in Jerusalem”.72 The crisis that was dividing the Galatian churches was nothing less than the outworking of a widening schism between Law-observant Christian Judaism and Paul’s Law-free Gentile mission. P. F. Esler has criticised commentators on Galatians for failing to fully appreciate both the general 69 Goodman, Mission and Conversion, 84 – 88; Cohen, The Beginnings of Jewishness, 179 – 181; Perkins, Abraham’s Divided Children, 13; and Nanos, Irony, 117. 70 Goodman, Mission and Conversion, 87 – 88. 71 See the discussion in Cohen, Beginnings, 150 – 162, 219 – 221. Cf. Friedriksen, Judaism, the Circumcision of Gentiles, and Apocalyptic Hope: Another Look at Galatians 1 and 2. 72 Perkins, Abraham’s Divided Children, 12.

Pillars, Hypocrites and False Brothers

149

competitiveness of ancient Mediterranean society and the specific level of animosity that existed between Paul and Jerusalem.73 Esler argues that Paul’s polemical strategy in Galatians is aimed at drawing explicit connections between all of his opponents and this must lead us to conclude that the Judaisers at Galatia are to be directly identified with the “false brothers” and the “men from James”. Esler places emphasis on the numerous occasions where Paul implicates the Jerusalem church and its apostolic leadership in attempts to “enslave” Gentiles and hinder Paul’s mission by the imposition of circumcision and Law-observance on the Gentile converts. Accordingly, the leadership of the Jerusalem church alone emerges as the primary focus of Paul’s polemic, which is illustrated by Paul’s reported attempts to fight off efforts to enslave both him and his converts by imposing circumcision on the Gentiles. In Paul’s autobiographical narratio in Gal 1:11 – 2:14 the Jerusalem Apostles are the centre of attention, suggesting that the issue of circumcision and Law-observance, which had proved a divisive element in his previous dealings with Jerusalem, was also central to the problems at Galatia. Not surprisingly, Paul’s rhetorical strategy in this case would seem to indicate that he intended to promote a link between the Judaisers at Galatia and both the false brothers at Jerusalem along with the James party at Antioch. It may be true that in his account of the Jerusalem Council and the ensuing incident at Antioch Paul lays most of the blame at the feet of “false brothers” or people associated with a James’ faction; however, the Apostles are not completely exonerated from complicity in these events. In his account of the Jerusalem Council, Paul implies that James, Peter and John conspired with the pro-circumcision party at Jerusalem and Antioch (2:4), making them equally false in their show of brotherly fellowship. In recalling events at Antioch, Paul accuses James of acting with duplicity in sending a delegation to Antioch to undo the agreement forged at Jerusalem; and he cites Peter’s hypocrisy in yielding to James’ initiative, despite Peter’s previous acceptance of the mixed table fellowship at Antioch (2:12 – 13). With specific reference to the Galatian crisis, we might detect echoes of these earlier events in Jerusalem and Antioch in Paul’s polemic against his opponents at Galatia.74 When Paul claims that the members of the pro-circumcision putsch are only acting in the interests of self-aggrandise73 Esler, Galatians, 74. 74 Esler, Galatians, 138.

150

Ian J. Elmer

ment (4:17), he may be consciously reiterating the motives he earlier attributed to James, Peter and John who thought themselves important and reputed pillars of the Church (2:6.9).75 When Paul suggests that not even those who are circumcised keep the Law (6:13), he may also have in mind the hypocrisy of Peter, Barnabas and the Antiochene Jews who defected to the circumcision party under the onslaught of James’ people from Jerusalem. And when he accuses his opponents of preaching circumcision for fear of persecution, he may be alluding to the cowardice of Peter who abstained from sharing table fellowship with the Gentiles for fear of the circumcision party (2:12). Whatever the strength of these observations, one thing seems clear. The thrust of Paul’s polemic is to tar them all with the same brush. His opponents at Galatia and his adversaries at Jerusalem and Antioch, along with James, Peter, Barnabas and the Antiochene Jews, are all of one mind and all have in Paul’s opinion conspired to undermine the truth of the gospel that he preaches. The only possible conclusion that one can draw is that Paul is fighting, on several fronts, a war against a single group of adversaries whose origins must be attributed to the circumcision party around the Pillar Apostles at Jerusalem.76 For this reason, Paul’s polemic in Galatians is directed as much at the Pillar Apostles at Jerusalem as it is at his troublemakers at Galatia. For Paul, they are all hypocrites and false brothers.

Bibliography Aune, D.E., The New Testament in Its Literary Environment (LEC), Philadelphia 1987. 75 Paul refers to James, Peter and John as “the ones reputed to be important” (2:6; cf. 2:2) and “reputed pillars” (2:9), to which he adds the comment, “whatever they were makes no difference to me; God does not judge by external appearances” (2:6). Later (6:3), Paul counsels the Galatians that “if anyone who is nothing thinks himself something, he is deceiving himself ”. This implies that in his earlier statements about James, Peter and John, Paul is sarcastically inferring that the triumvirate thought of themselves as important and, in the pursuit of self-aggrandisement, styled themselves as the pillars upon which the Christian movement stood. See Barrett, Paul: Controversies and Councils, 43 – 44. 76 So correctly, Watson, Paul, Judaism and the Gentiles, 61; and earlier, Bligh, Galatians, 233.

Pillars, Hypocrites and False Brothers

151

Barclay, J.M.G., Mirror-Reading a Polemical Letter: Galatians as a Test Case, in: JSNT 31 (1987), 73 – 93. Barclay, J.M.G., Obeying the Truth. A Study in Paul’s Ethics in Galatians, Edinburgh 1988. Barrett, C.K., Paul: Controversies and Councils, in: Conflicts and Challenges in Early Christianity. Edited by D.A. Hagner, Harrisburg 1999, 42 – 74. Betz, H.D., The Literary Composition and Function of Paul’s Letter to the Galatians, in: NTS 21 (1975), 353 – 79. Betz, H.D., Galatians. A Commentary on Paul’s Letter to the Churches in Galatia Hermeneia, Philadelphia 1988. Bligh, J., Galatians. A Discussion of St. Paul’s Epistle, London 1969. Brondos, D., The Cross and the Curse: Galatians 3:13 and Paul’s Doctrine of Redemption, in: JSNT 81 (2001), 3 – 32. Bruce, F.F., The Epistle to the Galatians. A Commentary on the Greek Text (TNIGTC), Grand Rapids 1982. Campbell, W.S., Paul and the Creation of Christian Identity, London 2008. Cohen, S.J.D., The Beginnings of Jewishness: Boundaries, Varieties, Uncertainties, Berkeley 1999. Cosgrove, C.H., The Cross and the Spirit: A Study in the Argument and Theology of Galatians, Macon 1987. Cousar, C.B., Galatians Interpretation, Atlanta 1982. Das, A.A., Paul and the Jews, Peabody 2003. Dunn, J.D.G., Jesus, Paul and the Law: Studies in Mark and Galatians, Louisville 1990. Dunn, J.D.G., The Theology of Galatians. The Issue of Covenantal Nomism, in: Pauline Theology. Volume 1: Thessalonians, Philippians, Galatians, Philemon. Edited by J.M. Bassler, Minneapolis 1991, 125 – 146. Dunn, J.D.G., A Commentary on the Epistle to the Galatians (BNTC), London 1993. Eastman, S., Recovering Paul’s Mother Tongue. Language and Theology in Galatians, Grand Rapids 2007. Ebeling, G., The Truth of the Gospel. An Exposition of Galatians. Translated by D. Green, Philadelphia 1985. Ellis, E.E., Paul and His Opponents, in: Christianity, Judaism and Other GrecoRoman Cults. Edited by J. Neusner, Leiden 1975. Elliott, S., Cutting Too Close for Comfort. Paul’s Letter to the Galatians in Its Anatolian Context (JSNTS 248), Sheffield 2004. Elmer, I.J., Paul, Jerusalem and the Judaisers. The Galatian Crisis in Its Broadest Historical Context (WUNT 2.258), Tbingen 2009. Esler, P.F., The First Christians in Their Social Worlds. Social Scientific Approaches to New Testament Interpretation, London/New York 1994. Esler, P.F., Galatians (NTR), London/New York 1998. Esler, P.F., Paul’s Contestation of Israel’s (Ethnic) Memory of Abraham in Galatians 3, in: BTB 36 (2006), 23 – 34. Friedriksen, P., Judaism, the Circumcision of Gentiles, and Apocalyptic Hope. Another Look at Galatians 1 and 2, in: JTS 42 (1991), 532 – 564.

152

Ian J. Elmer

Forbes, C., Paul’s Principalities and Powers. Demythologizing Apocalyptic?, in: JSNT 82 (2001), 61 – 88. Gaston, L., Paul and Torah, Vancouver 1987. Gaventa, B.R., Our Mother Paul, Louisville 2008. Goodman, M., Mission and Conversion. Proselytising in the Religious History of the Roman Empire, Oxford 1994. Gunther, J.J., St. Paul’s Opponents and Their Background. A Study of Apocalyptic and Jewish Sectarian Teachings, in: NovTSup 35 (1973). 1 – 5. Hall, R.G., The Rhetorical Outline for Galatians: A Reconsideration, in: JBL 106 (1987), 277 – 287. Harvey, S.E., The Opposition to Paul, in: SE 4 (1968), 319 – 332. Hester, J.D., The Use and Influence of Rhetoric in Galatians 2:1 – 14, in: TZ 42 (1986), 386 – 408. Hill, C.C., Hellenists and Hebrews. Reappraising Division within the Early Church, Minneapolis 1992. Hodge, C. Johnston, Apostle to the Gentiles: Constrictions of Paul’s Identity, in: BibInt 13 (2005), 270 – 288. Holmberg, B., Paul and Power. The Structure of Authority in the Primitive Church as Reflected in the Pauline Epistles (CBNTS 11), Lund 1978. Jewett, R., The Agitators and the Galatian Congregation, in: NTS 17 (1970), 198 – 212. Kennedy, G.A., New Testament Interpretation through Rhetorical Criticism Studies in Religion, Chapel Hill 1984. Longenecker, R.N., Galatians (WBC 41), Dallas 1990. Longenecker, R.N., The Triumph of Abraham’s God. The Transformation of Identity in Galatians. Edinburgh 1998. Ldemann, G., Paul. Apostle to the Gentiles, Philadelphia 1984. Lhrmann, D., Galatians. A Continental Commentary, Minneapolis 1992. Lyons, G., Pauline Autobiography. Towards a New Understanding (SBLDS 73), Atlanta 1985. Martin, T., Apostasy to Paganism: The Rhetorical Stasis of The Galatian Controversy,in: JBL 114 (1995), 437 – 461. Martyn, J.L., A Law-Observant Mission to Gentiles: The Background of Galatians, in: SJT 38 (1985), 307 – 324. Martyn, J.L., Events in Galatia: Modified Covenantal Nomism versus God’s Invasion of the Cosmos in the Singular Gospel. Response to Dunn and Gaventa, in: Pauline Theology. Volume 1: Thessalonians, Philippians, Galatians, Philemon. Edited by J. M. Bassler, Minneapolis 1991, 160 – 179. Martyn, J.L., Galatians. A New Translation with Introduction and Commentary (AB 33a), New York 1997. Matera, F.J., Galatians SP 9. Collegeville: The Liturgical Press, 1992. Munck, J., Paul and the Salvation of Mankind, London 1977. Murphy-O’Connor, J., Paul. A Critical Life, Oxford 1996. Nanos, M.D., The Irony of Galatians. Paul’s Letter in First-Century Context, Minneapolis 2002. Nanos, M.D. (ed.), The Galatians Debate. Contemporary Issues in Rhetorical and Historical Interpretation, Peabody 2002.

Pillars, Hypocrites and False Brothers

153

Perkins, P., Abraham’s Divided Children. Galatians and the Politics of Faith (TNTIC), Harrisburg 2001. Roetzel, C., Paul. The Man and the Myth, Edinburgh 1999. Russell, W., Who Were Paul’s Opponents in Galatia?, in: BSac 147 (1990), 329 – 350. Russell, W., Rhetorical Analysis of the Book of Galatians, Part 2, in: BSac 150 (1993), 416 – 439. Schlier, H., Der Brief an Die Galater, Gçttingen 19713. Schmithals, W., Paul and the Gnostics. Translated by J. E. Steely, Nashville 1972. Sim, D.C., The Gospel of Matthew and Christian Judaism. The History and Social Setting of the Matthean Community (SNTW), Edinburgh 1998. Smiles, V.M., The Gospel and the Law in Galatia: Paul’s Response to JewishChristian Separatism and the Threat of Galatian Apostasy, Collegeville 1998. Stuhlmacher, P., Das paulinische Evangelium (FRLANT 95), Gçttingen 1968. Sumney, J.L., “Servants of Satan”, “False Brothers” And Other Opponents of Paul (JSNTSS 188), Sheffield 1999. Taylor, N. Paul, Antioch and Jerusalem. A Study in Relationships and Authority in Earliest Christianity (JSNTSS 66), Sheffield 1992. Tyson, J.B., Paul’s Opponents in Galatia, in: NovT 10 (1968), 241 – 254. Thornton, T.C.G., Jewish New Moon Festivals, Galatians 4:3 – 11 and Colossians 2:16, in: JTS 40 (1989), 97 – 100. Walker, W.O., Does the ‘We’ in Gal 2:15 – 17 Include Paul’s Opponents?, in: NTS 49 (2003), 560 – 565. Watson, F., Paul, Judaism and the Gentiles. A Sociological Approach (SNTSMS 56), Cambridge 1986. Witherington III, B., Grace in Galatia. A Commentary on Paul’s Letter to the Galatians, London 2004.

Literarische Strategien der Polemik im Galaterbrief Dieter Snger Der Galaterbrief nimmt unter den authentischen Paulinen gleich in mehrfacher Hinsicht eine Sonderstellung ein. Wie kein anderer Brief ist er von einer Auseinandersetzung zwischen Paulus und konkurrierenden christlichen Missionaren1 geprgt. Wie nirgends sonst durchzieht der Konflikt das ganze Schreiben und drckt ihm seinen Stempel auf. Singulr ist schließlich die z. T. scharfe Polemik, mit der Paulus auf eine Entwicklung reagiert, die er als bedrohlich empfindet und aus der Ferne aufzuhalten sucht2. Seine begrenzten Mçglichkeiten sind ihm bewusst (4,11.20).

1. Zur Vorurteilsstruktur der paulinischen Perspektive auf den Konflikt ber welche Kanle und von wem Paulus schriftlich oder mndlich ber den aktuellen Stand der Dinge in den Empfngergemeinden informiert worden ist, wissen wir nicht. Doch gibt es keine belastbaren Indizien, die es nahe legen, er habe die Lage vçllig falsch eingeschtzt. Immerhin ist durchaus 1

2

Dass es sich bei den von außen in die Gemeinden gekommenen Kontrahenten um Christen jdischer Herkunft, nicht um Juden handelt, so u. a. Walter, Paulus und seine Gegner des Christusevangeliums in Galatien, ergibt sich aus 1,6 f und 6,12c. Entsprechend siedelt Paulus den Konflikt im innerchristlichen Bereich an, vgl. 2,3 f.6 – 10.11 – 14; 3,28.; 6,12. An Vertreter der çrtlichen Synagogen denkt Nanos, The Irony of Galatians, 193 – 199. Er identifiziert sie nherhin als Proselyten, die von den lokalen jdischen Gemeinden eigens damit beauftragt worden seien, den Kontakt zu Nichtjuden zu pflegen und im Falle ihres bertritts den Konversionsprozess zu begleiten. Zu den dagegen sprechenden Grnden vgl. meine Rez. in ThLZ 130 (2005) 1192 – 1194. Der Brief selbst liefert keinen Hinweis auf seinen Abfassungsort. Unter den vorgeschlagenen Alternativen (Ephesus, Makedonien, Korinth, Rom [vgl. die subscriptio]) scheiden die beiden zuletzt genannten m. E. aus. Fr Makedonien spricht die grçßere Entfernung. Von Ephesus aus wre es Paulus relativ leicht gefallen, die Gemeinden aufzusuchen und den Fremdmissionaren persçnlich entgegenzutreten – gleichviel, ob der Brief an Christen im provinzgalatischen Sden oder in der Landschaft Galatien gerichtet ist.

156

Dieter Snger

mçglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass seine Beurteilung der Situation von der seiner Gegner abweicht. Deshalb muss offen bleiben, ob und inwieweit die in den Brief eingeschriebene Wirklichkeitsannahme den realen Gegebenheiten entspricht. Paulus’ Analyse und Bewertung der galatischen Krise sind subjektiv, interessengeleitet, tendenziell apologetisch und spiegeln sein persçnliches Betroffensein. Er agiert aus einer Position, die ihm teils von außen aufgezwungen wurde, teils selbst gewhlt ist. Er ist Angegriffener und Angreifer, Kritisierter und Kritiker, Angeklagter und Anklger, Verteidiger und Richter in einem. Etwas anderes kommt hinzu. Seine Interpretation der konfliktauslçsenden Vorgnge steht und fllt mit der Zuverlssigkeit der ihm berbrachten Nachrichten. Ein potentieller, wenngleich schwer zu gewichtender Unsicherheitsfaktor. Paulus scheint ihn jedoch zu ignorieren. Jedenfalls misst er ihm keine grçßere Bedeutung zu. Etwaige Einwnde, die aus zweiter Hand stammenden Informationen kçnnten unvollstndig sein und nicht frei von Verzeichnungen, haben im Brief keine Spuren hinterlassen. Mçgliche Bedenken, den handelnden Akteuren vielleicht Unrecht zu tun und sie in ein falsches Licht zu rcken, werden ebenfalls ausgeblendet3. Paulus orientiert sich am eigenen Kenntnisstand, den er seinen Gewhrsleuten verdankt, und setzt ihn als gegeben voraus. Was er durch sie vermittelt erfahren hat, entspricht fr ihn den tatschlichen Verhltnissen in Galatien. Daran zu zweifeln, sieht er keinen Anlass. Wohl auch aus diesem Grund gibt er jede Zurckhaltung auf. Er verzichtet auf Grautçne, polarisiert und geht in die Offensive. Dies alles macht verstndlich, zumindest aber nachvollziehbar, warum und in welch hohem Maße er mit Mitteln der rhetorischen persuasio operiert und sie strategisch gezielt einsetzt, um den erhofften Wirkeffekt zu erreichen. Er will die Galater fr sein Evangelium zurckgewinnen. Bereits der Eingangssatz: „Paulus, Apostel nicht von Menschen, auch nicht durch einen (bestimmten) Menschen, sondern durch Jesus Christus und Gott, den Vater, […]“ reflektiert die dem Galaterbrief inhrente Vorurteilsstruktur. Der programmatische Verweis auf den gçttlich autorisierten Apostolat dient ihrer theologischen Legitimierung. Diese das Darstellungskonzept bestimmende Vorurteilsstruktur ist insofern hermeneutisch 3

Hier liegt die particula veri der besonders von W. Schmithals vertretenen These, Paulus sei ber die Verhltnisse in Galatien falsch informiert gewesen, vgl. Schmithals, Die Hretiker in Galatien. Freilich wird bei ihm die denkbare Mçglichkeit unter der Hand zur Prmisse, die seine Auslegung in methodisch unzulssiger Weise bestimmt.

Literarische Strategien der Polemik im Galaterbrief

157

von Belang, als sie den Rezipienten nolens volens Raum lsst fr Deutungen des Konflikts, die unter Umstnden quer liegen zu dem von Paulus kommunizierten Erklrungsmodell und geeignet sind, dessen Plausibilitt in Frage zu stellen: Ist der Sachverhalt wirklich so eindeutig, dass sich jede weitere Diskussion erbrigt (vgl. 6,17a)? Hat der Konflikt die ihm zugeschriebene Brisanz? Rhrt die Position der Gegner, sollte sie sich durchsetzen, an den Nerv christlicher Identitt? Wie steht es um die jeweilige Motivationslage der in den Streit involvierten Parteien? Jenseits der auktorialen Fixierung auf die in ihm vorausgesetzte und argumentativ entfaltete Sinnwelt regt der Brief selbst seine Leser bzw. Hçrer dazu an, sich im Blick auf die Genese und theologische Relevanz des strittigen Kasus ein eigenes Urteil zu bilden und alternative Optionen ins Kalkl zu ziehen. Angesichts der Tatsache, dass wir ber keine weiteren Quellen verfgen, die es uns erlaubten, fr die von Paulus diagnostizierten Ursachen der krisenhaften Symptome von anderer Seite eine Besttigung zu finden – sei es aus der Perspektive der intendierten Adressaten4, sei es aus der eines neutralen Beobachters –, kommen wir ber mehr oder weniger begrndete Vermutungen nicht hinaus. Freilich ist gerade im Blick auf die Beweggrnde der Gegner Vorsicht angebracht. Dass sie gezielt, vielleicht sogar mit Rckendeckung Dritter die Konfrontation mit Paulus gesucht haben, bleibt hypothetisch, auch wenn er davon berzeugt gewesen sein mag. In diesem Fall wre am ehesten eine Verbindung zur Jerusalemer Gemeinde denkbar, die in der von Paulus praktizierten beschneidungsfreien Heidenmission eine Gefhrdung des eigenen fragilen religiçsen und politischen Status als christusglubige Gruppe im kultisch-politischen Zentrum des Judentums sehen konnte5. Fr die im 4

5

In erster Linie sind es die mehrheitlich heidenchristlichen Mitglieder der galatischen Gemeinden (3,14; 4,8; 5,2 f; 6,12 f ). Dass daneben auch an Christen jdischer Herkunft gedacht ist, geht aus 2,15 f hervor. Wen genau Paulus vor Augen hat, muss offen bleiben. Das zur Identifikation einladende „ich“ bzw. „wir“ in 2,17 – 21 erweitert den Adressatenkreis noch einmal. Angesprochen und darin eingeschlossen sind alle Glaubenden, fr die gilt: oq dijaioOtai %mhqypor 1n 5qcym mºlou (2,16). Vgl. 2,3 f.12; 6,12; Joh 9,22; 12,42; 16,2; Apg 12,1 – 3.17; Josephus, Antiquitates 14,190 – 264. Sollte das oR dojoOmter in 2,6 ein „Moment der Distanzierung“ enthalten, Vouga, An die Galater, 41, und stellt man darber hinaus in Rechnung, dass mit Petrus und – wenngleich indirekt – auch mit Jakobus (2,12: tim³r !p¹ Yaj¾bou) zwei der „Sulen“ (2,9) als Akteure in den antiochenischen Zwischenfall involviert sind (2,11 – 14), der kaum zufllig an das von Paulus abgewiesene Ansinnen der sog. Falschbrder auf dem Apostelkonvent erinnern lsst (2,3 f ), ist diese Mçglichkeit keineswegs auszuschließen. Nicht ganz so weit geht Schewe, Die Galater zurckgewinnen, 75: Paulus dienen der Apostelkonvent und der antiochenische Konflikt

158

Dieter Snger

Brief mehrfach angeschnittene Jerusalem-Thematik (1,17 – 19; 2,1 – 10; 4,21 – 31, vgl. 2,11 – 14) ergbe sich dadurch eine plausible Erklrung.

2. Der Konflikt und seine Hintergrnde Trotz der genannten Schwierigkeiten lsst sich mit einiger Sicherheit so viel sagen, ohne Gefahr zu laufen, die paulinische Konstruktion der geschichtlichen Ereignisse, die zur Abfassung des Galaterbriefs gefhrt haben, mit der ihm vorausliegenden, uns aber nicht unmittelbar zugnglichen historischen Wirklichkeit zu verwechseln6 : Streitgegenstand ist die Frage nach den Konstitutionsbedingungen fr die Zugehçrigkeit zur 1jjkgs¸a toO heoO (1,13, vgl. 1Kor 1,1; 10,32; 11,22; 15,9; 2Kor 1,1)7. Sie ist gleichbedeutend mit der anderen, warum und mit welchem Recht Heidenchristen sich als Mitglieder des erwhlten Gottesvolkes verstehen und auf Abraham berufen drfen8. Whrend Paulus darauf insistiert, der Glaube an Jesus Christus sei nicht nur eine notwendige, sondern auch hinreichende Bedingung fr ihre Teilhabe an der Erwhlung Abrahams9, machen seine Kontrahenten diese Teilhabe von der Erfllung einer zustzlichen Forderung abhngig. Der durch Christus erçffnete Weg

6

7 8 9

„als eine Art historischer Modellfall, als Przedenzfall fr die Beurteilung der galatischen Situation“. Ich setze also voraus, dass der Galaterbrief ein wirklicher Brief ist und ein Brief an die Galater. Anders freilich Vouga, Der Galaterbrief: kein Brief an die Galater?: Paulus habe den Text von Anfang an als Schlussteil einer von ihm herausgegebenen Briefsammlung entworfen, innerhalb derer er sich als „eine systematisierende und verfeinerte Zusammenfassung des Rçmerbriefes und der Korintherbriefe“ zu erkennen gebe (ebd. 250). Fiktiv sei aber nicht nur der Brief, sondern auch die galatische Krise. Der (vermeintliche) Anlass diene Paulus lediglich als Aufhnger, „um eine kurze und klare Darstellung seiner Interpretation des Christentums zu hinterlassen“ (ebd. 258). Gegen diese radikale These sprechen a) der eindeutige Referenzbezug in der adscriptio (1,2), b) seine kommunikative Funktion als rezeptionssteuerndes Signal fr die intendierten Adressaten und schließlich c) die Pragmatik des Texts. Die pluralische Formulierung in 1Kor 11,16 und 1Thess 2,14 macht deutlich, dass fr Paulus jede an einem Ort versammelte christliche Gemeinde „Gemeinde Gottes“ ist. Vgl. Barclay, Obeying the Truth, 45 – 60; Kraus, Das Volk Gottes, 125; Schnelle, Paulus, 328; Theißen, Die Gegenmission zu Paulus in Galatien, Philippi und Korinth, 287. Der Erwhlungsgedanke ist ein Integral der Gottesvolkthematik, vgl. Dtn 4,37; 7,7 f; 10,15; 14,2; Jub 2,19 f; 15,30 f u. ç.

Literarische Strategien der Polemik im Galaterbrief

159

zum Heil ist fr sie an die Zugehçrigkeit zum Judentum gebunden. Erst wenn die christusglubigen Galater die jdischen Identittsmerkmale bernehmen, konkret: sich beschneiden lassen (5,2; 6,12 f, vgl. 2,3 f ) und die Ritualvorschriften (Speise- und Reinheitsgebote) einhalten10, gehçren sie zum erwhlten Gottesvolk Israel und gewinnen sie Anteil am Erbe Abrahams11. Nach dieser Auffassung hebt der Glaube die heilsgeschichtlich begrndete Differenz zwischen Juden und Nichtjuden weder auf noch wird sie durch ihn gegenstandslos. Hingegen impliziert aus paulinischer Sicht der Versuch, den mºlor in das christologisch-soteriologische Koordinatengefge von Kreuz und Auferweckung Jesu Christi zu integrieren, eine Annullierung der Gnade Gottes (1,6; 2,21a). Denn gesetzt den Fall, er tolerierte die beabsichtigte Aufwertung des Gesetzes zu einer heilsrelevanten Grçße, fhrte dieses Zugestndnis nicht nur zur Relativierung des Christusgeschehens, 10 Darauf deutet der Rckblick auf den antiochenischen Konflikt hin, der sich an der Tischgemeinschaft von Juden- und Heidenchristen entzndete. Ihn zu thematisieren wirkte nach der in 2,1 – 10 erfolgten Klrung der Beschneidungsfrage unmotiviert, htte die Speiseproblematik im aktuellen Konflikt keine Rolle gespielt. Ob die Galater darber hinaus zur Beachtung aller Gebotsvorschriften angehalten wurden, ist wegen 5,3 unwahrscheinlich. 11 Gut mçglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich ist, dass die im Galaterbrief eine dominierende Rolle spielende Abraham-Thematik von den Gegnern eingebracht worden ist. Sie war geeignet, ihre Position zu strken. Um Kinder Abrahams zu sein, mssten die Galater sich wie seine mnnlichen Nachkommen (Gen 17,9 – 14) einschließlich Ismael (17,23.25 f ) und Isaak (21,3 f ) der Beschneidung unterziehen. Vgl. Barrett, The Allegory of Abraham, 161 – 165; Hansen, Abraham in Galatians. Epistolary and Rhetorical Contexts, 113.169 – 173; Longenecker, Galatians, 109 f.199; Konradt, „Die aus Glauben, diese sind Abrahams Kinder“ (Gal 3,7). Erwgungen zum galatischen Konflikt im Lichte frhjdischer Abrahamtraditionen, 25.38.44 f, und jetzt Wolter, Das Israelproblem nach Gal 4,21 – 31 und Rçm 9 – 11, 3 f. Paulus begegnet diesem Einwand, indem er gleich zu Beginn seiner Argumentation Gen 15,6; 12,3 und 18,18 anfhrt (3,6 – 9) und die mit diesen Zitaten eingespielten Leitbegriffe der Abrahamberlieferung – p¸stir/piste¼eim, eqkoce?m – samt den auf ihre Seite gehçrenden Lexemen 1paccek¸a, sp´qla, jkgqomol¸a/jkgqomºlor/jkgqomole?m, diah¶jg, die bis auf 1paccek¸a ebenfalls der biblischen Abrahamberlieferung entnommen sind, zur Basis seiner exegetischen Beweisfhrung macht: p¸stir/piste¼eim (3,8.9.11.12.14.22.23.25.26), eqkoce?m (3,14, vgl. Gen 12,2.3; 17,16.20; 22,17; 24,1), 1paccek¸a (3,14.16.17.18.21.22. 29; 4,23.28), sp´qla (3,16.19.29, vgl. Gen 12,7; 13,15.16.17; 15,5.18; 16,10; 17,7.8.9.10.12.19; 21,12; 22,17.18; 24,7), jkgqomol¸a/jkgqomºlor/jkgqomole?m (3,18.29; 4,1.7.30, vgl. Gen 15,4; 21,10; 28,4); diah¶jg (3,15.17; 4,24, vgl. Gen 15,18; 17,2. 4.7. 9. 10.11.13.14.19.21). In der fr Paulus grundlegenden Schriftstelle Gen 15,6 (zit. in 3,6) fehlt allerdings, was die anschließende Folgerung: „Erkennt also: Die aus Glauben (leben), (nur) diese sind Abrahams Kinder“ (3,7) aus ihr herausliest. Von Abrahamskindschaft ist im Vorlagetext nicht die Rede.

160

Dieter Snger

sondern htte, wie Paulus mit einem argumentum e contrario klarstellt, zwangslufig dessen Suspendierung zur Folge (2,21b). Dann trte an die Stelle des rechtfertigungstheologisch formulierten „Grund-Satzes“, niemand werde „aus Werken des Gesetzes, sondern ausschließlich (1±m lμ)12 durch den Glauben an Jesus Christus“ gerecht gesprochen (2,16a, vgl. Rçm 3,28), die doppelt strukturierte soteriologische Aussage: dijaioOtai %mhqypor di± p¸steyr YgsoO WqistoO ja· oqj 1n 5qcym mºlou13. In dieser Heilskonzeption, die den mºlor ausdrcklich mit einbezieht und die Suffizienz der sich allein der Gnade Gottes und seinem rechtfertigenden Handeln verdankenden p¸stir (vgl. 2,20 f mit 3,22) bestreitet, sieht Paulus die „Wahrheit des Evangeliums“ (2,5.14, vgl. 5,7) im Kern preisgegeben. Doch was er als „Evangelium“ bezeichnet, nmlich die universal entschrnkte, im Glauben an Jesus Christus sich erschließende und in der Taufe bekrftigte Zusage der Gotteskindschaft, durch die ethnisch, sozial und geschçpflich definierte Identitten der Vergangenheit angehçren (3,26 – 28, vgl. 1Kor 12,12 f ), hat fr seine Gegner einen entscheidenden Mangel. Ihm fehlt die durch Abraham vermittelte jdische Signatur. Deshalb kçnnen sie sich den religiçsen Statuswechsel der aus ihrer Sicht heidnischen Galater14 nur in Kontinuitt zu der mit Abraham beginnenden Verheißungsgeschichte Gottes mit seinem Volk Israel, d. h. innerhalb der halachisch fixierten Grenzen des Judentums vorstellen. Aus eben diesem Grund lehnen sie das paulinische Evangelium, das die spezifischen notae Judaicae (Beschneidung, Einhalten der Speise- und Reinheitsvorschriften) vermissen lsst, ja sie christologisch fr berholt und darum soteriologisch fr irrelevant erklrt,

12 Im Unterschied zu 1,19 ist das 1±m lμ wie das eQ l¶ in 1,7 nicht exzeptiv, sondern adversativ („sondern nur, ausschließlich“) zu verstehen. So mit Recht u. a. S.J. Gathercole, The Petrine and Pauline Sola Fide in Galatians, in: Bachmann (Hg.), Lutherische und Neue Paulusperspektive, 325 f; Hunn, 9±m l¶ in Galatians 2:16: A Look at Greek Literature; Roo, Works of the Law at Qumran and in Paul, 194 f. (Anm. 77). In diesem Sinne auch Rçm 14,14 und außerpaulinisch Mk 2,26 par. Mt 12,4/Lk 6,4; Mk 13,32 par. Mt 24,36; Lk 4,26; Joh 13,10. 13 Auf einem anderen Blatt steht, dass sie im Neuen Testament mit Matthus einen prominenten Frsprecher hat, vgl. Snger, Ist Arbeit nur das halbe Leben? Zu einem vernachlssigten Aspekt von „Leben“ im Neuen Testament, und den Beitrag von G. Theißen in diesem Band. 14 Diese Perspektive auf die galatischen Konvertiten nimmt Paulus in 6,15 auf. Der jdischen Unterscheidung von peqitol¶ und !jqobust¸a (vgl. 2,7; 5,6) setzt er entgegen: In Christus sind christliche Nichtjuden und Juden weder „Vorhaut“ noch „Beschneidung“ , sondern „neue Schçpfung“.

Literarische Strategien der Polemik im Galaterbrief

161

als defizitr ab15. Wir haben es mit zwei unterschiedlich ausgestalteten, genauer noch: miteinander unvereinbaren Konzeptionen hinsichtlich der Funktion, Bedeutung und Begrndungsstruktur des Glaubens zu tun. Erhebt Paulus den Anspruch, in seiner missionarischen Verkndigung und Praxis den exklusiven Charakter der p¸stir WqistoO zur Geltung zu bringen – nur sie rechtfertigt und fhrt zum Leben (2,16; 3,11 f.21 f ) –, beanspruchen seine Gegner, an Paulus anzuknpfen und mit ihrer Forderung, die p¸stir WqistoO in eine jdische Identitt zu integrieren, „[d]en Heilsstand der Galater (zu) verbessern“16.

3. Die polemische Grundierung des Galaterbriefs Dieser Konflikt, der nach Einschtzung des Galaterbriefs einen theologischen Fundamentaldissens widerspiegelt, schlgt sich zunchst auf der sprachlichen Ebene nieder. Obwohl den eigenen Angaben zufolge ein „Laie in der Redekunst“ (2Kor 11,6)17, zeigt Paulus sich mit den gngigen rhetorischen termini technici und den Grundregeln ihrer Applikation vertraut18. Immer wieder bedient er sich aus dem Repertoire der in der rhetorischen Theorie als besonders wirkungsvoll geltenden Gedanken-, Sprachund Stilfiguren, um sein Anliegen in pointierter Form zu vermitteln und die Leser/Hçrer zu bewegen, ihm beizupflichten. Weil die rumliche Distanz es nicht gestattet, seine Kontrahenten vor Ort zu stellen und ihren Forderungen entgegenzutreten, muss er durch das Geschriebene „reden“. Er weiß darum 15 Dass sie bona fide handelten, wird man unterstellen drfen, auch wenn sie ihr „Evangelium“ als einen Gegenentwurf zum paulinischen Evangelium verstanden haben, Mußner, Der Galaterbrief, 59. Fr sie wurde der Glaube durch die Beschneidung „vollendet“ (3,3). 16 Burchard, Zu Galater 4,1 – 11, 401 Anm. 3. Vgl. Theobald, Der Galaterbrief, 356: „Aus ihrer (sc. der Gegner) Perspektive ging es also nicht um ein Entweder-Oder, sondern um […] eine Nachbesserung der pln Erstmission“ (Kursivierung im Orig.). Von einer „Ergnzungsmission“ spricht Alvarez Cineira, Die Religionspolitik des Kaisers Claudius und die paulinische Mission, 309. 17 Vgl. 1Kor 1,17; 2,4; 2Kor 10,10; 13,3 f; 1Thess 2,2 – 4. 18 Im Grundsatz wird man C.J. Classen, Paul and the Terminology of Ancient Greek Rhetorik, zustimmen kçnnen: Die Flle der „technical terms of Greek rhetoric […] together with that of technical terms of philosophy signify a standard of education which warrants the assumption that Paul was familiar through theory (handbooks) or practice (actual application) with the rules and precepts of ancient rhetoric (and epistolography).“ (ebd. 44). Vgl. ders., Kann die rhetorische Theorie helfen, das Neue Testament, vor allem die Briefe des Paulus, besser zu verstehen?.

162

Dieter Snger

(4,20) und gestaltet den Brief als medial inszenierten Sprechakt. Im Akt des Hçrens/Lesens sollen die verschrifteten verba transparent werden fr die gemeinte Sache (res). Um seiner Intervention trotz Abwesenheit die nçtige Durchschlagskraft zu verleihen, whlt Paulus den aus seiner Sicht einzig Erfolg versprechenden Weg. Er verlagert den Konflikt in die Sprache. Die Sprache wird zur Waffe19. Das Spektrum der realisierten Mçglichkeiten ist breit. Es reicht von bissiger Ironie und unverhohlenem Spott ber offene Drohungen bis zu grimmigen Invektiven und schneidendem Sarkasmus. Polemik hat viele Gesichter20. Sie kann um der Sache willen scharf sein, ohne verletzen zu wollen. Sie kann im Ton moderat sein, ohne auf feine Nadelstiche oder leichte Seitenhiebe zu verzichten. Sie kann durch vielsagendes Schweigen oder verdeckte Anspielungen die polemische Instanz mobilisieren, das polemische Objekt zu identifizieren und der Beurteilung des Polemikers, es sei im eigentlichen Sinne des Wortes nicht der Rede wert, zuzustimmen21. Sie kann aber auch Mittel zum Zweck und darauf aus sein, den ins Visier Genommenen persçnlich zu treffen. Im Galaterbrief kommen alle vier Varianten zum Zug. Erst durch ihr Ineinanderspiel gewinnt der Brief seine polemisch grundierte „Architektonik“ und wird zum lehrhaft gestalteten „Kampfbrief“22. Rivalitt und Konkurrenz bestimmen das Verhltnis zwischen Paulus und denen, die er fr die Krise in Galatien verantwortlich macht. Das ihre Beziehung kennzeichnende antagonistische Moment tritt jeweils dort besonders deutlich hervor, wo Paulus den Gemeinden zu erkennen gibt, auf wen sie sich eingelassen haben. Doch nicht sie, sondern die nie direkt angesprochenen und anonym bleibenden Fremdmissionare23 stehen im Fokus

19 Vgl. Lategan, The Argumentative Situation of Galatians: Paulus bekmpft seine Gegner „with every weapon at his disposial“, ebd. 386 20 Zum Wesen der Polemik gehçrt, dass sie im Unterschied zur Beschimpfung argumentiert. Polemische Rede lsst sich vor allem an ihrem Stil erkennen. In ihr hat die Darstellungsfunktion der Sprache einen Vorrang vor der Ausdrucksfunktion. Deshalb muss die Aggressivitt des Polemikers „in organisierter Rede aufgefangen und auf Wirkung hin funktionalisiert sein“, Stenzel, Rhetorischer Manichismus, 5. Insofern Polemik emphatische Rede ist, fllt sie in den Analysebereich der Rhetorik. 21 Mit Stenzel, Rhetorischer Manichismus, 5 f., unterscheide ich hier und im Folgenden zwischen polemischem Subjekt (Paulus), polemischem Objekt (Gegner) und polemischer Instanz (Galater). Zusammen bilden sie ein Dreieck, in dessen Mitte das polemische Thema liegt. 22 Vielhauer, Geschichte der urchristlichen Literatur, 112 f. 23 Ihre Anonymitt wird durch die in den Brief eingeschriebenen Inhalte ihrer Verkndigung (vgl. 2,11 – 14; 3,2 – 5; 4,9 f.21; 5,1 – 4; 6,12 f.15) nur partiell aufge-

Literarische Strategien der Polemik im Galaterbrief

163

seiner Attacken. Ihre Position soll erschttert, ihre Autoritt untergraben, ihre Seriositt in Zweifel gezogen, ihr Ansinnen als heuchlerisch entlarvt und ihr Treiben insgesamt als ein Verstoß gegen die Jerusalemer bereinkunft gebrandmarkt werden24. Leitend ist die Absicht, ihren wachsenden Einfluss zumindest auf den meinungsbildenden Teil der galatischen Heidenchristen zurckzudrngen, wenn mçglich ganz zu unterbinden. An diesem bergeordneten Ziel orientiert sich der Einsatz polemischer Topoi, pejorativer Prdikationen und inventarisierter Formen polemischer Rede. Paulus scheut sich nicht, seine Gegner frontal anzugreifen und sie moralisch zu diskreditieren: Sie verdrehen das Evangelium (1,7), stiften Aufruhr und verwirren (1,7; 5,10), verzaubern die Galater (3,1), hetzen sie gegen ihn auf (5,12) und hindern sie daran, der Wahrheit zu gehorchen (5,7). Gehçr finden sie nicht, weil ihr „Evangelium“ dem Seinen berlegen ist, sondern weil sie sich auf die Kunst der „berredung“ (peislom¶) verstehen (5,8). Das Nomen ist neutestamentliches Hapaxlegomenon und von pe¸hy oder pe¸holai abgeleitet. Im klassischen Griechisch ist pe¸hy semantisch nicht festgelegt. Je nach Zusammenhang schwankt seine Bedeutung zwischen „berzeugen“ (Platon, Respublica 327C; Thukydides, Historia 3,31), „berreden“ (Homer, Ilias 9,345), „verfhren“ (Homer, Ilias 6,360) und „bestechen“ (Herodot, Historien 8,134). Das mediale pe¸holai heißt dann „sich berzeugen bzw. berreden lassen“ (Platon, Protagoras 338 A) oder auch „gehorchen“ (Homer, Ilias 1,79; Sophokles, Antigone 67). Das biblische Griechisch knpft daran an. Neben „berreden, berzeugen“ kann pe¸hy in der Septuaginta als bersetzung der hebr. Wurzel avn (hi.) die Bedeutung „tuschen“ im Sinne von „verfhren“ annehmen (Jer 29[36],8) und wird damit analog zu !pat²y gebraucht25. Dem korrespondiert die Verwendungsbreite im Neuen Testament: „berzeugen“ (Apg 18,4; 28,23), „berreden“ (Apg 26,28), aber auch „bestechen“ (Mt 28,14; Apg 12,20, vgl. 2Makk 4,45) und „verfhren“ (Mt 27,20; Apg 14,19; 19,26). Das Passiv pe¸holai meint in Rçm 2,8 und Gal 5,7 „gehorchen“ (vgl. Jak 3,3; hoben. Diese verdeckte Polemik ist Teil der literarischen Strategie (nheres hierzu unter 4.). 24 Paulus interpretiert das Abkommen im Sinne eines ausdrcklichen Verbots. Heidenchristen drfen sich nicht beschneiden lassen und an die jdischen Speise- und Reinheitsgebote halten. Tatschlich beschlossen wurde aber nur, dass sie dazu nicht verpflichtet waren. Eine freiwillige bernahme dieser Vorschriften htte der Vereinbarung also nicht widersprochen, vgl. Theißen, Gegenmission, 285 f. 25 Gen 3,13; 2Chr 32,15; Jes 36,14; 37,10; Jer 4,10 [2x], hier jeweils als quivalent zu avn [hi.].

164

Dieter Snger

Hebr 13,17). Ihm entspricht sachlich der Ausdruck rpajo¼eim t` eqaccek¸\ in Rçm 10,16. Der Bedeutungsgehalt von pe¸hy/pe¸holai muss jeweils aus dem Kontext erschlossen werden. Mitsamt seinem Derivat peislom¶ deckt das positiv wie negativ konnotierte Verb ein semantisches Spektrum ab, zu dem auch basja¸my (Gal 3,1) gehçrt. In 5,7 f stellt Paulus das den Wahrheitsanspruch des Evangeliums26 anerkennende und zur Geltung bringende pe¸heshai in Opposition zu dem verfhrerischen „berreden“ (peislom¶) der Fremdmissionare und aktiviert so das mit dem Nomen verbundene negative Assoziationspotential. Die im paronomastischen pe¸heshai […]peislom¶ durch semantische Inversion bis ins Paradoxe gesteigerte Kontrastierung der beiden stammverwandten Lexeme insinuiert: Die Gegner spielen mit gezinkten Karten und versuchen zu tuschen. Ihr „berreden“ entlarvt sie als Betrger. Mehr noch, es trgt dmonische Zge27. Denn in Wirklichkeit ist es ein „Verzaubern“ (3,1). Auf die Schwchung des polemischen Objekts zielt auch der Vorwurf, die Gegner bemhten sich nicht im Guten um die Gunst der Gemeinden, sondern wollten sie aus dem Kreis der Kinder Abrahams ausschließen28, nur 26 In 5,7 steht (B) !k¶heia fr den volleren Ausdruck B !k¶heia toO eqaccek¸ou (2,5.14, vgl. Kol 1,5). Da die „Wahrheit“ hier als „die semantische Bestimmtheit des Evangeliums“ erscheint, Ch. Landmesser, Art. Wahrheit/Wahrhaftigkeit II: Neues Testament, TRE 35 (2003) 340 – 345: 344, kann das nomen regens B !k¶heia ohne das nomen rectum toO eqaccek¸ou – es aber inhaltlich einschließend – auch absolut stehen, vgl. 2Kor 4,2. Wie das korrespondierende eqgccekis²lgm rl?m in 4,13 (vgl. 1,11; 1Kor 15,1 f; 2Kor 11,7) deutlich macht, bezeichnet !kghe¼eim in 4,16 die Verkndigung des Evangeliums. 27 Vgl. Schlier, Der Brief an die Galater, 236. 28 Alverez Cineira, Religionspolitik, 316 f, vermutet, Paulus habe 1jjke?sai in bertragener Bedeutung benutzt, wobei rechtliche oder politische Untertçne mitgeschwungen haben kçnnten. Gemeint sei womçglich der Ausschluss von politischen Rechten und Privilegien, die Augustus und dann erneut Claudius den Juden gewhrt hatten. Um ihre Beziehungen zu Rom und den rçmischen Behçrden nicht zu gefhrden, htten sie sich von den abtrnnigen Christen abgegrenzt und versucht, sie in die Illegalitt abzudrngen. Dadurch sahen sich die Judenchristen in Jerusalem in die Enge getrieben, mussten sie doch befrchten, ihren bisherigen Status als eine von Rom geschtzte jdische Gruppe zu verlieren. Angesichts dieser fr sie schwierigen Lage htten sie sich dazu entschieden, trotz der bereinkunft auf dem Jerusalemer Konvent eine Gegenmission zu organisieren und die paulinischen Gemeinden auf die Beschneidung sowie auf das Einhalten des jdischen Festkalenders und der Reinheits- und Speisegebote zu verpflichten. Nur dann sei sichergestellt, dass sie von außen weiter als zum Judentum gehçrig betrachtet wurden (ebd. 312 – 316). Orientiert man sich an den Informationen, die der Galaterbrief bietet, liegt eine andere Deutung des 1jjke?sai nher: Der Ausschluss aus der Heilsgemeinde Israel. Das

Literarische Strategien der Polemik im Galaterbrief

165

um sie fr sich zu gewinnen und selbst umworben zu werden (4,17 f ). Er wird gerahmt durch einen sehr persçnlich gehaltenen Rckblick auf die erste Begegnung mit den Galatern (V.13 – 15) und den – freilich irrealen – Wunsch, jetzt wieder bei ihnen sein und sie von Neuem gebren zu kçnnen (V.19 f ). Die anamnetische Vergegenwrtigung ihrer von Beginn an herzlichen, durch Selbstlosigkeit gekennzeichneten (V.15) Beziehung fungiert ebenso wie der Verweis auf das seinerzeitige Werben der Gemeinden um Paulus whrend seiner Anwesenheit (V.18) und ihre sich ihm verdankende Existenz als ein Evidenzargument, dessen Gltigkeit von der polemischen Instanz nicht zu leugnen ist. In der antiken Rhetorik besitzt ein solch normatives, auf deduktivem Weg gewonnenes Argument einen außerordentlich hohen Stellenwert. Aristoteles beschftigt sich mit ihm eingangs und am Ende der Ars rhetorica 29. Quintilian widmet ihm im 5. Buch der Institutio Oratoria ein eigenes Kapitel (V 10). Ihm zufolge besteht die kriteriologische Funktion dieses Arguments darin, dass es „der Beweisfhrung Beweiskraft liefert, wodurch etwas durch etwas anderes erschlossen und etwas Zweifelhaftes durch etwas Unzweifelhaftes in seiner Gewissheit bestrkt wird“30. Lsst sich also eine beiderseits akzeptierte Prmisse namhaft machen, muss auch die von ihr abgeleitete Schlussfolgerung, die damit den Charakter eines „gerechtfertigten Imperativs“31 erhlt, als zustimmungsfhig gelten32. Zu dem, was nicht bezweifelbar ist und „keinen Erweis nçtig hat“, gehçrt fr Quintilian in erster Linie, „was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen“, sodann all das, „worber nach allgemeiner Anschauung bereinstimmung herrscht“33. Damit ist in besonderer Weise erfahrungsbezogenes Wissen gemeint. An eben dieses erfahrungsbezogene Wissen appelliert Paulus in 4,12 – 20. Die Galater kçnnen nur besttigen, was er ihnen schreibt. Ihnen bleibt auch nichts anderes brig. Dass er ihnen die Wahrheit gesagt hat (V.16) und sie seiner Verkndigung Glauben geschenkt haben (1,2.6; 5,7a), gehçrt zu

29 30 31 32

33

schließt politische oder rechtliche Konsequenzen fr die davon Betroffenen nicht aus. I 2,1356a–1358a; III 18,1419a. Institutio Oratoria V 10,11. Vgl. Cicero, De Inventione I 31.34. Frank-Bçhringer, Rhetorische Kommunikation, 36. Vgl. Probst, Paulus und der Brief, 103 f. Vgl. Perelman, Das Reich der Rhetorik, 30; Lategan, Levels of Reader Instructions in the Text of Galatians, 177 f. Im Unterschied zur antiken Rhetorik unterscheidet die „Neue Rhetorik“ jedoch streng zwischen „Beweisfhrung“ und „Argumentation“, Perelman, Das Reich der Rhetorik, 18 – 29. Institutio Oratoria V 10,11 f.

166

Dieter Snger

den basalen Erfahrungen ihrer gemeinsamen, von gegenseitiger Freundschaft geprgten Geschichte. Diese im kollektiven Bewusstsein als erinnerte Vergangenheit prsente Erfahrung schließt jeden Zweifel an seiner Loyalitt gegenber den Gemeinden kategorisch aus. Deshalb muss die rhetorische Frage: „Bin ich also euer Feind geworden, weil (oder: dadurch dass) ich euch die Wahrheit gesagt habe?“ (V.16) von ihnen verneint werden. Eine Antwort auf diese Frage zu finden und die verbleibende Leerstelle zu fllen – wenn nicht Paulus, wer ist es dann? – berlsst Paulus den Galatern. Um sie auf die richtige Spur zu fhren, hilft er nach (V.17). Das ihm entgegengebrachte Misstrauen projiziert er auf seine Gegner, indem er den Verdacht auf sie lenkt und Zweifel an ihrer persçnlichen Integritt schrt. Er bezichtigt sie, die Gemeinden „kçdern“ (fgkoOm) und „gefgig machen“ zu wollen34. Dazu bedient er sich einer dem rhetorischen Ornatus entlehnten Gedankenfigur, die das Gemeinte durch Negation des Gegenteils zum Ausdruck bringt (Litotes): Sie eifern „nicht im Guten“ – will sagen: aus Eigennutz – um die Gemeinden. Suggeriert wird ein Wissen, das die wahre Absicht der Gegner enthllt und ihr Werben, vor allem aber sie selbst disqualifiziert. Anders als Paulus, der, wie die Galater bezeugen kçnnen, im Guten um sie geworben hat (vgl. V.18), haben die Eindringlinge unlautere Motive. Sie instrumentalisieren die Gemeinden fr ihre rein egoistischen Zwecke und benutzen sie zur Selbstdarstellung (6,13b). Deshalb sind sie deren eigentlicher „Feind“. Die Rollen sind damit verteilt. In der polemischen Elocutio erscheint Paulus als der vir bonus, den Gegnern fllt die Rolle des vir malus zu. Durch ihre Stilisierung als demagogische Verfhrer, die ein sublim verbrmtes Herrschaftsgebahren an den Tag legen, geraten die Fremdmissionare in den Dunstkreis bler Machenschaften. Evoziert wird eine Verbindung von Aggressivitt und Machtanspruch. Sie setzen die Galater unter Druck und wollen die mnnlichen Gemeindeglieder zur Beschneidung „zwingen“ (6,12). Unterstellt wird: Den Gegnern fehlen die Argumente. Daher greifen sie zu Methoden, die den Tatbestand der Nçtigung erfllen35. Wiederum ist deutlich, dass hinter diesem Vorwurf Kalkl steckt. Paulus setzt auf das physikalische Prinzip „Druck erzeugt Gegendruck“. Das po34 Vgl. Hoppe, Parnese und Theologie im Galaterbrief – eine Profilskizze, 224. 35 Dass Paulus hier bertreibt, liegt auf der Hand. Kaum zufllig vermeidet er es zu sagen, wie diese Nçtigung ausgesehen haben kçnnte. Von 2,3.14 her (dort begegnet !macj²feim ebenfalls) ist allerdings wahrscheinlich, dass auf die Galater zumindest theologischer Druck ausgebt wurde. Nur als Beschnittene, so die Botschaft der Fremdmissionare, seien sie Abrahams Kinder und Mitglieder des erwhlten Gottesvolks.

Literarische Strategien der Polemik im Galaterbrief

167

lemische Objekt soll nun seinerseits zum Aggressionsobjekt der polemischen Instanz werden und dadurch eine weitere Schwchung erfahren. Den Gegnern Pressionsversuche anzulasten, um sie in Misskredit zu bringen, gehçrt zum topischen Areal polemischer Diffamierung. Der gewnschte psychologische Effekt liegt auf der Hand. Vorurteile sollen suggestiv erzeugt und Abwehrimpulse stimuliert werden. Sie zu verstrken bedarf es zustzlicher Anklagepunkte, deren Norm- und Sittenwidrigkeit evident ist. Unter diese Rubrik fllt die Behauptung mangelnder Glaubwrdigkeit. Dem Kontrahenten ethisch-moralische Defizite zu attestieren, gilt in der rhetorischen Theoriebildung als probates Mittel, sich selbst als vir bonus zu inszenieren, der das moralisch Gute vom Schlechten zu unterscheiden weiß und sein Handeln an der Maxime ausrichtet: talis oratio qualis vita (Quintilian, Institutio Oratoria XI 1,30)36. Paulus beschuldigt seine Gegner, sich doppelbçdig zu verhalten. Whrend sie die Galater durch den Vollzug der Beschneidung und das Einhalten der kultischen Reinheitsvorschriften auf das Gesetz verpflichten wollen, sind sie selbst nicht bereit, die Konsequenzen aus den nomistischen Vorgaben ihrer Verkndigung zu ziehen und in die Praxis umzusetzen. Sie predigen zwar das Gesetz, nehmen es aber selbst nicht ernst (6,13a)37. Sicher, das ist Polemik, die kompromittieren soll und den Anschein erweckt, bloß ein Faktum zu beschreiben38. Vermutlich ist es aber keine ohne Realittsgehalt. Eine hinsichtlich der kritisierten Haltung vergleichbare Differenzerfahrung reflektiert der antiochenische Zwischenfall (2,11 – 14). Nachdem Petrus die Tischgemeinschaft mit nichtjdischen Gemeindegliedern aufgekndigt hat, wirft Paulus ihm und all denen, die es ihm gleich tun, Heuchelei vor: „Wenn du, der du ein Jude bist, heidnisch lebst (1hmij_r f0r) und nicht jdisch, wie kannst du die Heiden(christen) zwingen, nach j36 Vgl. Andersen, Im Garten der Rhetorik, 213 – 218. 37 Nach SifreNumeri 15,22 zerstçrt der, der ein Gebot der Tora bertritt, den Bund. Im brigen war es durchgngige berzeugung des – nicht nur rabbinisch geprgten – Judentums, dass das Nichtbefolgen eines Gebots die ganze Tora aufhebt; vgl. 4Makk 5,17.19 – 21.33; Philo, de specialibus legibus 3,182; 1QS 1,13 f; yQiddushin 61d; bMakkot 24a; SifraLeviticus 19,33 (91a); MidrashPsalmen 15 § 7 (60a), ferner Dtn 28,58; 30,10; Rçm 2,25; Gal 3,10; 5,3; Jak 2,10. Weitere Belege bei Billerbeck IV, 435 – 451. 38 Fr Paulus ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, dass sich die Gegner wohl mit einem Minimalprogramm begngt haben und von den Galatern nicht mehr erwarteten als die bernahme der jdischen Identittsmerkmale. Gerade dieses Zugestndnis, das ihre Chance erhçhte, auf positive Resonanz zu stoßen, wird ihnen als Inkonsequenz ausgelegt und polemisch gegen sie verwendet.

168

Dieter Snger

discher Art zu leben?“ (V.14)39. In der Briefsituation wird die historische Reminszenz transparent fr den galatischen Konflikt. Hier wie dort geht es um die Diastase von Erkenntnis und Verhalten. Lehre und Tun driften auseinander. Sie fhren ein Eigenleben und bleiben unvermittelt. Wie Petrus haben die Gegner ein gespaltenes Verhltnis zu sich selbst. Sie schrfen Heidenchristen die Normativitt der Tora ein, weigern sich jedoch, deren ungeteilte Verbindlichkeit fr sich selbst gelten zu lassen. Durch die Parallelisierung beider Konflikte und ihrer Hauptakteure gewinnt der Bericht ber den antiochenischen Zwischenfall unter der Hand den Charakter eines Imperativs. Die Galater werden aufgefordert, sich der Beurteilung des Vorfalls durch Paulus anzuschließen und das scharf getadelte Verhalten des Petrus mit dem der Fremdmissionare zu korrelieren. Deren Verhalten steht in radikalem Widerspruch zu ihrer Behauptung, Gesetzesobservanz sei konstitutiv fr die Heilsteilhabe. Als direkt Betroffene werden die Adressaten zu Richtern in eigener Sache. Im Sinne des polemischen Subjekts sollen sie entscheiden, dass die Fremdmissionare wie damals Petrus dem eigenen Erkenntnisstand zuwider handeln und sich schon dadurch als Propagandisten einer von ihnen selbst falsifizierten Alternative zum paulinischen Evangelium erweisen. Auf die offenkundige Bereitschaft der Galater, den Forderungen nachzugeben und auf die Linie seiner Gegner einzuschwenken, reagiert Paulus mit einer Mischung aus theologischer Sachkritik, emotionaler Erregung, unverhohlener Polemik und direktiv vorgetragenen Handlungsanweisungen. Im Prskript (1,1 – 5) und im verfremdeten Proçmium (1,6 – 9) ruft er ihnen zunchst ihre gemeinsame Basis – das sie verbindende eqacc´kiom toO WqistoO (1,7) – und die Wirkfunktion des Christusgeschehens (1,4) ins Gedchtnis zurck40. In dem diatribisch gehaltenen 39 Das prsentisch formulierte 1hmij_r f0r impliziert „that Peter (and perhaps Barnabas and the other Jews in Antioch) sat rather loose to the requirements of Torah more generally as well“, Gathercole, The Petrine and Pauline Sola Fide in Galatians 2, 321. Auch das Imperfekt sum¶shiem in 2,12 weist darauf hin, dass Petrus regelmßig Tischgemeinschaft mit Nichtjuden hat (V.12a). Vgl. Schlier, Galater, 83; Betz, Der Galaterbrief, 210. 40 Hierher gehçrt auch der mehrfach gebrauchte ekklesiologische Plural (1,4; 2,16 f; 3,13 f.23 – 25; 4,3.5 f.31; 5,1.5.25 f; 6,9 f ), mit dem Paulus sich und die Adressaten zusammenschließt. Dass sich der Galaterbrief im entscheidenden Punkt – der in ihm erstmals programmatisch entfalteten Rechtfertigungslehre – als eine anamnetische Vergegenwrtigung der anfnglichen Missionsverkndigung in den galatischen Gemeinden zu erkennen gibt, habe ich andernorts zu zeigen versucht: Snger, Die Adressaten des Galaterbriefs und das Problem einer Entwicklung in Paulus’ theologischem Denken.

Literarische Strategien der Polemik im Galaterbrief

169

Abschnitt 2,15 – 21, der die Ausfhrungen der beiden folgenden Kapitel prospektivisch bndelt, und dann besonders im argumentativen Hauptteil (3,1 – 4,31) werden den Galatern die soteriologischen und ekklesiologischen Implikationen des paulinischen Evangeliums erneut „vor Augen gestellt“ (3,1: jatû avhaklo»r […] pqoecq²vg). 5,13 – 6,10 schließlich bringt die dem Evangelium entsprechenden ethischen Konsequenzen zur Anschauung. Flankierend zu seiner diskursiv entfalteten These, nicht die Orientierung am Gesetz, sondern der in der geistgewirkten Liebe (5,22) Gestalt annehmende Glaube (5,6) habe kriteriologische Funktion fr die Zugehçrigkeit zum „Israel Gottes“ (6,16)41, bekundet Paulus im Stil indignierter Bestrzung seine eigene Betroffenheit. Er zeigt sich verwundert (1,6) und erstaunt bis entrstet (3,1.3). Seine Verwunderung ber die Vorgnge in Galatien drckt sich auch in der Frage aus: „Wer hat euch gehindert, der Wahrheit gehorsam zu sein?“ (5,7b)42. Daneben ußert er mit ironisch gebrochener Emphase sein vçlliges Unverstndnis ber die so schnell (ovtyr taw´yr, 1,6)43 erfolgte Kehrtwendung der Galater, obwohl sie vorher so „gut liefen“ (5,7a)44. Metaphorisch kodiert wird ihnen hier mitgeteilt, dass sie sich irrational verhalten. Sie haben das eschatologische Ziel vor Augen und lassen 41 Der Kontext (vgl. 3,7.9.29; 4,28.31) und nicht zuletzt das argumentative Geflle des Briefs sprechen dafr, die Nominalverbindung Ysqaμk toO heoO nicht auf das empirische Israel zu beziehen, sondern auf die „community of those who know themselves to be, in Christ, former Jews and former Gentiles“, Martyn, Galatians, 576. 42 Vgl. Mußner, Galaterbrief, 355. Der hier gemeinte Gehorsam ist nicht ethisch verstanden, sondern bezeichnet den Glauben an Jesus Christus, vgl. Rçm 1,5; 6,17; 15,18; 16,19.26. 43 Die adverbiale Bestimmung referiert m. E. nicht auf den Zeitpunkt des Weggangs von Paulus aus Galatien, sondern auf den Beginn der Aktivitten seiner Gegner in den Gemeinden. Anders etwa Betz, Galaterbrief, 104. Er bezieht die Zeitangabe auf die erfolgreich verlaufene Grndungsphase. 44 Bildspendender Bereich ist der sportliche Wettlauf auf der Kampfbahn. Gemeint ist ein von Mitlaufenden – auch die Fremdmissionare sind Christen! – verursachte Behinderung, die ins Straucheln geraten lsst und aus der Spur wirft, Poplutz, Athlet des Evangeliums, 337 – 342. In 2,2 findet sich die gleiche aus der agonistischen Motivik stammende Metapher. Dort kennzeichnet sie Paulus’ eigene Evangeliumsverkndigung und die Frucht seines Wirkens, vgl. noch Rçm 9,16; 1Kor 9,24 – 27; Phil 2,16; 3,13 f; 4,1.3; 1Thess 2,1 f.19 sowie 2Thess 3,1. Aus der Athletik stammende Kampfmetaphorik fungiert hufig in der kynisch-stoischen Diatribe als Interpretament fr die tugendhafte, ber die Leidenschaften triumphierende Lebensgestaltung, Seneca, Epistulae morales ad Lucilium 17,1; 78,16; 109,6; Epiktet, Diss II 18,27 f; III 10,6 – 8; 15,2 f; 21,2 f; 25,2 – 4; Marc Aurel, Selbstbetrachtungen 3,4; 4,18. Vom jak¹r !c¾m bzw. von der jakμ stqate¸a ist in 1Tim 1,18; 6,12 und 2Tim 4,7 (hier in Verbindung mit dqºlor) die Rede.

170

Dieter Snger

sich dennoch ohne Not vom geraden Weg abbringen. Durch ihren zwar noch nicht vollzogenen, doch zu befrchtenden Abfall45 stehen sie im Begriff, sich selbst zu schaden. Wie schon in 4,21: „Sagt mir, die ihr unter dem Gesetz sein wollt, hçrt ihr das Gesetz (d. h. die Schrift) nicht?“ mssen sie es sich abermals gefallen lassen, als die „tçrichten Galater“ (3,1) vorgefhrt zu werden46. Ihr – aus paulinischer Sicht allerdings von außen an sie herangetragener – Wunsch, beschnitten zu werden (3,3), erweist sich nmlich in doppelter Hinsicht als kontraproduktiv. Er stellt das bisher freundschaftliche Verhltnis zu Paulus (4,12 – 20; 5,7a) vor eine Zerreißprobe, beschdigt es womçglich irreparabel. Noch gravierender aber ist, dass mit der angstrebten Proselytenidentitt ihre jetzige Identitt als ekklesiale Gemeinschaft (1,2), deren kohsive Kraft im Glauben an den gekreuzigten Christus (3,1, vgl. 2,19) grndet, der „uns herausgerissen hat aus der gegenwrtigen bçsen Weltzeit“ (1,4), aufs ußerste gefhrdet ist, ja zerstçrt zu werden droht47. Kennzeichnend fr den affektischen, trotz aller gedanklichen Hçhenlage und begrifflichen Przision emotional aufgeladenen Sprachgestus48 ist 45 Die im durativen Indikativ Prsens formulierten Verben letat¸heshai (1,6), 1piteke?shai (3,3) und paqatgqe?shai (4,10) lassen erkennen, dass der den Abfall besiegelnde letzte Schritt noch nicht vollzogen ist. 46 Einen polemischen Seitenhieb gegen ihre Unvernunft enthlt auch die an Petrus gerichtete Rede (2,14d21). Trotz der vorausgesetzten formalen Einheit indiziert das Ble?r von 2,15 eine Erweiterung des Adressatenkreises. Zwar hat das betonte „wir“ von 2,1517 zunchst nur die Judenchristen im Blick. Doch zielt die Pragmatik der Rede auf die mehrheitlich heidenchristlichen Galater. Was fr die v¼sei Youda?oi gilt, gilt fr sie ebenfalls. Die Feststellung „Wir […] wissen aber“ schließt daher, wie sptestens 3,1b (vgl. 2,19 f ) deutlich macht, auch die Empfnger des Galaterbriefs ein, was das nicht determinierte generische %mhqypor (V. 16a) und das universalisierende p÷sa s²qn (V.16fin.) auf ihre Weise unterstreichen. Ihre Unvernunft besteht darin, den zu ihrem eigenen Wissenbestand gehçrenden GrundSatz von der Rechtfertigung (2,16) durch den Zu-Satz „und aus Werken des Gesetzes“ seiner assertorischen Funktion zu berauben. 47 Vgl. Sçding, Ekklesia und Koinonia, 117 ff. 48 berlegungen zum wirkungssthetischen Potential und zur pragmatischen Funktion der Affektstimulation haben in der rhetorischen Stillehre ihren festen Platz. Besonders zu Beginn und am Schluss einer Rede gilt der Einsatz affektischer bzw. psychologischer berzeugungsmittel als ein wirksames Instrument der Rezeptionssteuerung, vgl. Aristoteles, Rhetorica I 2,1355b–56a; II 2,1380a–80b (in den Kap. II 2 – 11 werden 15 Affekte behandelt und analysiert); Cicero, Orator 128; De Oratore 1,60; 2,114 f.121.128 f.196.206; Quintilian, Institutio Orataroria VI 1,9; 2,1 – 36; VIII [Praefatio 7]. Damit ist freilich kein unkontrolliertes Zurschaustellen von Gefhlen gemeint oder dem Gebrauch manipulativer Praktiken das Wort geredet. Vielmehr ist fr Aristoteles – hnlich wie fr Cicero und trotz einiger Abstriche auch fr Quintilian – die Affekterregung ein ebenso rationaler wie intentionaler

Literarische Strategien der Polemik im Galaterbrief

171

die geradezu sarkastisch anmutende Empfehlung, die zur Beschneidung drngenden Unruhestifter sollten sich doch gleich kastrieren lassen (5,12)49. Mit solchen Menschen und den ihnen zuneigenden Galatern erbrigt sich jede weitere Diskussion (6,17a). Bleiben diese auf dem eingeschlagenen Weg und kommen nicht zur Einsicht, steht unabwendbar fest: Sie sind von Christus losgelçst, sie sind aus der Gnade herausgefallen (5,4). Ihnen wird damit, wenn auch in bedingter Form, das gleiche Geschick angedroht wie denen, die ein anderes Evangelium als die „wir“, d. h. Paulus und die ungenannten Mitabsender des Briefs (1,2), verkndigen. Gemeint sind die Gegner50. Sie ziehen den Fluch auf sich (1,8 f ). Der verwnschende Fluch gehçrt zu den mythischen Ahnen der Polemik51. Dass der in der Protasis von V.8 angenommene Eventualfall schon frher einmal eingetreten ist, gibt V.9 zu erkennen. Paulus ist also bereit, wenn nçtig seine Drohung wahr zu machen und diejenigen, die das Evangelium ins Gegenteil verkehren (1,7), von Neuem unter das Anathema zu stellen. Prozess, der unter dem Primat der vernunftgemßen, sachbezogenen Argumentation steht und ganz in den Logos integriert ist. Vgl. hierzu Wçrner, Pathos als berzeugungsmittel in der Rhetorik des Aristoteles; Wisse, Ethos and Pathos from Aristotle to Cicero; Lampe, Psychologische Einsichten Quintilians in der Institutio Oratoria, 540 – 546. 49 Eine Variante dieser Sprachfigur, durch maßlose bertreibung etwas Missbilligtes ad absurdum zu fhren, findet sich in 1Kor 11,6: Im Gottesdienst ohne Kopfbedeckung betende Frauen sollten konsequent sein und sich gleich kahl schweren lassen. – Im Blick auf Gal 5,12 von einem wenn auch „grausigen“ Witz, so Campenhausen, Ein Witz des Apostels Paulus und die Anfnge des christlichen Humors, 104, oder „makabren Scherz“ zu sprechen, so Betz, Galaterbrief, 461, wird der Schrfe der Polemik nicht gerecht. Zu bedenken ist immerhin, dass nach Dtn 23,2 die Kastration aus der Kultgemeinde Israel ausschließt. Vor allem Elliott, Cutting Too Close for Comfort, 233 – 257, versteht diese Bemerkung auf dem Hintergrund des in der Landschaft Galatien verbreiteten Attis-Kybele-Kults, in dem die sakrale Kastration der Priesterschaft (Galloi) blich war. Doch abgesehen von der Frage, ob die galatischen Gemeinden tatschlich im Umkreis von Pessinus, dem Zentrum der Mater Magna-Verehrung zu lokalisieren sind, fehlen berzeugende Indizien fr den behaupteten Einfluss dieser kultischen Praxis auf die Galater. 50 Der Indikativ realis eqaccek¸fetai (1,9b) schließt zwar „jede Person der galatischen Gemeinden und ihres Umfelds, deren Verkndigung mit der Tradition in Konflikt steht, in die Drohung ein“, Bachmann, Gal 1,19: „Wie wir schon frher gesagt haben, so sage ich jetzt erneut“, 115. Der engere Kontext (V.8) und das direkt auf die Adressaten bezogene Objekt (rle?r) des eqaccek¸fetai machen es aber wahrscheinlich, dass Paulus „einen konkreten Anlaß“ vor Augen hat – eben die Verkndigung des 6teqom eqacc´kiom seitens der Gegner, Betz, Galaterbrief, 114. 51 Vgl. Stenzel, Rhetorischer Manichismus, 6.

172

Dieter Snger

In gleicher Weise polemisch akzentuiert ist die Gerichtsansage in 5,10b. „Wer euch aber verwirrt, wird das (Gerichts-)Urteil tragen mssen – ganz gleich, um wen es sich handelt“. Jedenfalls dann, wenn man im Anschluss an die antike Rhetorik unter „Polemik“ das Phnomen der vituperatio bzw. des xºcor versteht, das als Gegenstck zum 5paimor/laus nicht nur agonistische Elemente enthlt, sondern dezidiert agonistisch, d. h. destruktiv ausgerichtet ist52. Aus anderen Briefen wird ersichtlich, dass wir es mit einem Topos der Gegnerpolemik zu tun haben (Rçm 3,8; 1Kor 3,17; 2Kor 11,15b; Phil 1,28; 3,18 f [vgl. 3,2]; 1Thess 2,16c). Der Hinweis auf das endzeitliche Geschick, dem sie nicht entrinnen kçnnen, „gehçrt geradezu zum Standardrepertoire der Auseinandersetzung des Apostels mit seinen „,Gegnern‘“53. Der Satz – oder richtiger Ausbruch – ist wenig kontextgemß und erscheint unvermittelt. Er wirkt zwischen V.10a („Ich habe zu euch das Vertrauen im Herrn, dass ihr keiner anderen Meinung sein werdet“) und V.11 („Ich aber, Brder, wenn ich noch die Beschneidung verkndige, warum werde ich noch verfolgt?“) wie ein Fremdkçrper. Trotz des generischen Artikels vor taq²ssym – das ergibt sich aus der nachgeschobenen Bemerkung fstir 1±m × – ist die Referenz klar. Paulus hat die bereits in 1,7 abschtzig als taq²ssomter titulierten Fremdmissionare vor Augen, an die er speziell auch in 1,8 f und 5,7b denkt. Das futurische bast²sei („wird tragen mssen“) und das Stichwort jq¸la („Gerichts- bzw. Strafurteil“) stellen den eschatologischen Horizont der Aussage heraus. Durch ihre Bestimmtheit gewinnt sie performativen Charakter. ber die Gegner wird „das knftige Verdammungsgericht Gottes nicht nur angekndigt, sondern durch den Apostel als den Bevollmchtigten Gottes geradezu rechtswirksam verhngt“54. Natrlich weiß Paulus, dass nicht er, sondern Gott den Urteilsspruch vollstrecken wird. Er selbst ist „der charismatische Verknder des gçttlichen Gerichts“55, nicht die verurteilende oder verfluchende Instanz. Wie jeder andere zçge auch er den Fluch auf sich, hielte er sich nicht an die ihm aufgetragene Evangeliumsverkndigung gebunden und wiche von ihr ab (1,8). Diese „bedingte ,Selbstverfluchung‘“56 zeigt, dass Paulus zwischen seiner 52 Vgl. Baumgart, Zur Rhetorik der Polemik in der frhen Neuzeit, 1 – 21. 53 Konradt, Gericht und Gemeinde, 487 (Anm. 56). In 2Petr 2,3 werden t¹ jq¸la und B !p¾keia synonym gebraucht. Den Gottlosen, die Gottes Gnade verkehren und „unseren Herrn Jesus Christus verleugnen“, wird in Jud 4 bescheinigt, sie seien schon lngst fr das Gericht aufgezeichnet. Auch hier sind Christen gemeint, die sich von außen in die Gemeinde „eingeschlichen“ (vgl. Gal 2,4) haben. 54 Synofzik, Die Gerichts- und Vergeltungsaussagen bei Paulus, 33. 55 A.a.O., 33. Vgl. Mußner, Galater, 61, Schewe, Die Galater zurckgewinnen, 78. 56 Betz, Galaterbrief, 112.

Literarische Strategien der Polemik im Galaterbrief

173

apostolischen Autoritt und der Autoritt des ihm vorgegebenen Evangeliums unterscheidet (vgl. 2Kor 5,19 f ). Aber es drfte kein Zufall sein, dass er diese grundlegende Differenz in der polemischen Situation zu ignorieren scheint, sie jedenfalls nicht eigens betont. Aus der Perspektive der adressierten Gemeinden wie aus der des polemischen Objekts ist er es, der fr sich beansprucht, den Eventualfall zu antizipieren und den Fluch auszusprechen. Damit verstrkt Paulus den Druck auf die Galater. Ihnen bleibt einzig die Alternative, sich entweder auf seine Seite zu stellen oder ins Verderben zu laufen. Eine dritte Mçglichkeit haben sie nicht. Im Machtkampf zwischen ihm und seinen Gegnern wird ihre Rolle neu definiert. Sie sind jetzt nicht mehr nur als polemische Instanz gefragt, die ber Erfolg oder Misserfolg der um ihre Zustimmung werbenden Parteien zu urteilen hat, sondern werden auch vor eine Entscheidung gestellt, die je nach Ausgang das eigene Schicksal besiegelt. Sollten Paulus’ Bemhungen um die Wiederherstellung des Status quo ante vergeblich sein, sollten die Galater den letzten Schritt gehen und „im Fleisch vollenden“, was sie „im Geist begonnen“ haben (3,3), sind sie von Christus geschieden und verspielen das ihnen mit der – di± p¸steyr YgsoO WqistoO (2,16) schon gewhrten – Rechtfertigung verbrgte Hoffnungsgut (5,5). Bildlich gesprochen: Sen sie auf das Fleisch, werden sie aus dem Fleisch das Verderben ernten, sen sie aber auf den Geist, werden sie das ewige Leben ernten (6,8). Der Versuch, die Gemeinden mit den unvermeidlichen Folgen zu konfrontieren, sollten sie darauf beharren, ihren gegenwrtigen Status als „Kinder der Freien“ (4,26.29, vgl. 5,1) zugunsten der von ihnen angestrebten Proselytenidentitt rp¹ mºlom aufzugeben (4,21, vgl. 3,23; 4,5; 5,18), ist nicht ohne Risiko. Paulus ist sich dessen bewusst (4,11, vgl. 3,4b). Statt den erhofften Sinneswandel zu bewirken, der sie bleiben ließe, wer sie und Paulus jetzt sind (4,12), nmlich von Christus zur Freiheit Befreite (5,1, vgl. 2,4; 5,13), kann sein kompromissloses Nein zu ihrem an der Tora orientierten Identittskonzept genau den gegenteiligen Effekt auslçsen: Endgltige Abkehr vom fernen Gemeindegrnder, Solidarisierung mit den unter ihnen weilenden Fremdmissionaren. Vor allem das Anathema kçnnte sich als dysfunktional erweisen und Widerspruch provozieren. Gut vorstellbar wre etwa eine Reaktion wie diese: Paulus maßt sich an, ein eschatologisches Urteil zu fllen, das allein Gott zusteht, besitzt er doch die „ausschließliche Richterkompetenz“57 (vgl. Rçm 2,1 – 16). Und Gott ist es auch, der sie „in die Gnade“ berufen (1,6) hat, nicht der Apostel. Wenngleich 57 Wischmeyer, Rçmer 2.1 – 24 als Teil der Gerichtsrede des Paulus gegen die Menschheit, 365.

174

Dieter Snger

die Pragmatik der Gerichtsaussagen in erster Linie auf die Disqualifizierung der Gegner zielt, erscheint ihre polemische Exposition eher geeignet, die Fronten zu verhrten, als dass sie dazu beitrge, den fortschreitenden Entfremdungsprozess aufzuhalten und die galatischen Christen fr das Evangelium zurckzugewinnen. Paulus ist sich dieser Problematik bewusst. Er ist gefordert, die Gegner zu isolieren. Dazu muss er die Gemeinden im polemischen Dreieck so positionieren, dass sie vom polemischen Objekt (Gegner) distanziert werden und mit dem polemisches Subjekt (Paulus) eine geschlossene Front bilden, die dem polemischen Objekt gegenbersteht.

4. Elemente literarischer Strategien der Polemik Bereits das Prskript lsst die von Paulus verfolgte Strategie erkennen, die Galater aus dem Verbund mit seinen Gegnern herauszubrechen. Insofern hat der Eingangsteil in der Tat eine Art Schlsselfunktion fr das Verstndnis des Briefs und seine konzeptionelle Gestaltung als polemisches Kampfinstrument58. Gleich nach der intitulatio stellt Paulus sich und die Adressaten in eine Beziehung. Ohne limitierenden Vorbehalt redet er sie als 1jjkgs¸ai t/r Cakat¸ar (1,2) an und kennzeichnet damit ihren gegenwrtigen Status. Dass es sich bei dieser Anrede nicht „um einen wertneutralen Organisationsbegriff“ handelt, sondern um eine performative Identittszuschreibung59, verdeutlicht neben den spteren Bezeichnungen „Sçhne Gottes“ (3,26) und „Kinder“ bzw. „Same Abrahams“ (3,7.29, vgl. 4,6 f.28.31)60 vor allem der Fortgang in 1,4. Der hier mehrfach gebrauchte ekklesiologische Plural Ble?r61 hat Signalfunktion. Das Paulus und die Galater inkludierende „wir“ bringt knapp, aber unmissverstndlich ihre bleibende Verbundenheit zum Ausdruck, die in dem komprimiert entfalteten Heilsgeschehen grndet62. 58 Vgl. Cook, The Prescript as Programme in Galatians. 59 So mit Recht Alkier, Wunder und Wirklichkeit in den Briefen des Apostels Paulus, 127. 60 Jeweils akzentuiert durch den Ind. Prs. von eQl¸. Zur semantischen und theologischen Valenz dieser Metaphorik vgl. Mller, Die Metapher vom „Kind Gottes“ und die neutestamentliche Theologie, in: ders. u. a. (Hg.), „[…] was ihr auf dem Weg verhandelt habt“, 200 f. 61 Vgl. 2,16 f; 3,13 f.23 – 25; 4,3.5 f.31; 5,1.5.25 f; 6,9 f 62 Die syntaktische Struktur von V.4 sowie die Formulierung 1j toO aQ_mor toO 1mest_tor pomgqoO lassen auf Tradition schließen. Paulus bevorzugt sonst aQ½m oxtor, Rçm 12,2; 1Kor 1,20; 2,6.8; 3,18; 2Kor 4,4. In Rçm 8,38 wird das 1mest_ta dem l´kkomta gegenbergestellt.

Literarische Strategien der Polemik im Galaterbrief

175

Sind beide gemeinsam in die Geschichte des sich fr unsere Snden dahin gegebenen Kyrios Jesus Christus (vgl. 6,14.18: toO juq¸ou Bl_m YgsoO WqistoO) einbezogen, hat ihre von Gott gewollte (jat± t¹ h´kgla toO heoO) Gemeinschaft auch in ihm Bestand (1,3 f ). Der anamnetische Rekurs vergegenwrtigt jedoch nicht nur die ekklesiologischen Implikationen des Heilshandelns Jesu Christi. Indem Paulus den gegenwrtigen on (aQ½m b 1mest¾r) und damit den Lebensraum der „wir“ als bçse (pomgqºr) qualifiziert (1,4), schiebt er ein Kontrastmoment ein. Seine Gemeinschaft mit den Galatern ist bedroht. Der Stçrfaktor hat schon Wirkung gezeigt und die Galater veranlasst, ihren eigenen Erfahrungshorizont neu zu interpretieren (3,2.5; 4,21, vgl. 3,14; 4,6; 5,16.18 – 22.25). Personifiziert wird diese Gefahr durch von außen eingedrungene Fremdmissionare. Deren Verkndigung steht im Widerspruch zum Christusevangelium (1,7), das den Apostel und seine Gemeinden verbindet. Da es im Rahmen der von Paulus vorausgesetzten Wirklichkeitsannahme aber nur dieses eine von Gott autorisierte (1,1.11 f.15 f, vgl. 2,9; 6,17) Evangelium gibt, das auch den Glauben der Galater bewirkt und sie zu Abrahamskindern gemacht hat, kann die als 6teqom eqacc´kiom bezeichnete Grçße legitimerweise gar kein Evangelium sein. In den Eingangsversen sind drei Oppositionspaare leitend, deren positiv wie negativ konnotierten Glieder einander zugeordnet und auf der gleichen Ebene angesiedelt sind. Paulus und den galatischen Gemeinden steht eine nicht nher bezeichnete dritte Gruppe gegenber, dem gemeinschaftsstiftenden Christusevangelium das einheitsgefhrdende 6teqom eqacc´kiom, dem Lobpreis Gottes in alle Ewigkeit (1,5) der die Gegenwart noch verfinsternde „bçse on“. Diese antithetisch entworfene bipolare Grundstruktur steckt die Koordinaten ab, innerhalb derer Paulus sich bewegt und argumentiert. Im weiteren Verlauf des Briefs wird sie dann fortgefhrt, inhaltlich nher entfaltet und przisiert63. Sie dient einzig dem Zweck, die in den Brief eingeschriebene ekklesiale Einheit von Absender und Empfnger herauszustellen und eindeutig zu markieren. Paulus’ literarische Strategie der Polemik luft darauf hinaus, zwischen sich und den Galatern auf der einen und den Gegnern auf der anderen Seite eine scharfe Grenze zu ziehen, die er christologisch untermauert und ekklesiologisch fixiert. Das im Prskript 63 Gerechtigkeit aus Werken des Gesetzes vs. Gerechtigkeit aus Glauben an Jesus Christus (2,16 – 21; 3,1 – 14), Versklavung unter das Gesetz vs. Freiheit und Kindschaft in Christus (3,23 – 4,7; 4,21 – 31), Beschneidung vs. Glauben (5,1 – 12), Fleisch vs. Geist (5,13 – 6,10).

176

Dieter Snger

verwendete inklusive „wir“ und die betonte Anrede „Brder“64 kodieren diese alles bestimmende Absicht. Ist Gott unser Vater (1,3 f, vgl. 4,5 – 7), sind wir seine Kinder und also Geschwister. Die das Beziehungsverhltnis von Absender und Empfnger illustrierende Familienmetaphorik – als Bild spendendes Motiv begegnet sie gehuft im brieflichen Hauptteil (3,15 – 18; 4,1 – 7.12 – 20.21 – 31)65 – ist Mittel polemischer Kontrastierung und hat zugleich distanzierende Funktion. Die Gegner gehçren nicht zur Familie. In 1,6; 3,3; 4,10; 5,4 und 6,12 (vgl. 4,17) gibt Paulus das Ansinnen der Gegner und der ihnen zuneigenden Galater mit den Verben letat¸heshai, 1piteke?shai, paqatgqe?shai, dijaioOshai und !macj²feim wieder. Aufgrund ihrer Zielorientierung, die dem paulinischen Evangelium zuwiderluft, sind sie durchweg negativ besetzt. Dass die jeweils im durativen Indikativ Prsens formulierten Verben eine vollendete Handlung ausdrcken, ist schon wegen der prinzipiellen Unmçglichkeit des 1m mºl\ dijaioOshai (5,4b, vgl. 2,16)66 ausgeschlossen. Wir haben es daher jeweils mit einem Prsens de conatu zu tun67, dessen semantischer Gehalt die im Prskript vorweggenommene Identittszuschreibung bekrftigt und auf die galatische Situation hin auslegt. Stehen die Galater erst im Begriff, sich einem anderen Evangelium zuzuwenden (1,6), den stoiwe?a zu dienen (4,9), dem Festkalender Reverenz zu erweisen (4,10) und der Beschneidungsforderung nachzugeben (vgl. 3,4)68, ist ihre Identitt als Ekklesia zwar gefhrdet, aber noch nicht verspielt. Noch sind sie nicht aus der Gnade herausgefallen (5,4). Innerhalb 64 Vgl. 1,11; 3,15; 4,12.28.31; 5,11.13; 6,1.18. Die gleiche Bezeichnung fr die Mitabsender („und alle Brder, die bei mir sind“ [1,2], vgl. Phil 4,21 und die enge sprachliche Parallele in der inscriptio des Polykarpbriefs: „Polykarp und die ltesten, die bei ihm sind“) unterstreicht diesen Sachverhalt. 65 Zu ihr Lategan, The Argumentative Situation of Galatians, 262 f.270 – 273. 66 Vgl. Rçm 1,16 f; 3,20.28. Das Prsens dijaioOtai trgt ebenso wie das !pojak¼ptetai in Rçm 1,18 futurischen Sinn. Gleiches gilt fr Rçm 3,20 und Gal 5,4. 67 Vgl. BDR § 319. 68 Der Sache nach formuliert 1,6: letat¸heshe !p¹ toO jak´samtor rl÷r […] eQr 6teqom eqacc´kiom den Status quaestionis. Die brigen Verben haben explikative Funktion und bringen begrifflich auf den Punkt, worin das letat¸heshai genauerhin besteht. Dass es sich bei ihm wie auch bei 1piteke?she, paqatgqe?she und !macj²fousim jeweils um ein Prsens de conatu handelt, wird durch 1,7 (h´komter letastq´xai), 4,9 (douke¼eim h´kete), 4,17 (1jjke?sai rl÷r h´kousim), 6,13 (h´kousim) und 4,21 (k´cet´ loi, oR rp¹ mºlom h´komter eWmai, t¹m mºlom oqj !jo¼ete) sichergestellt. Vgl. auch !mhq¾pour pe¸hy ; „will ich Menschen berreden?“ (1,10), und 1pºqhei „er versuchte zu vernichten“ (1,23). Zutreffend Wisdom, Blessing for the Nation and the Curse of the Law, 203: „The Galatians are on the verge of apostasy […] (and) in danger of breaking their central obligation of loyalty to the Lord which is expressed through loyalty to the gospel“ (Kursivierung von mir).

Literarische Strategien der Polemik im Galaterbrief

177

dieser Wirklichkeitsannahme wird die sprachliche Form hermeneutisch produktiv. Sie fungiert als Interpretament der paulinischen Leitprmisse und schrft den Galatern ein, wer sie trotz ihrer Absatzbewegung nach wie vor sind: die 1jjkgs¸ai t/r Cakat¸ar und damit „Gemeinde Gottes“ (1,13) Analog dazu bringt Paulus die in den Eingangsversen vorbereitete Verhltnisbestimmung der Parteien im polemischen Dreieck nun auch im Blick auf die Gegner zur Geltung. Dem inklusiven „wir“ korrespondiert das distanzierende „sie“ (1,7; 4,17; 5,12; 6,12 f ). Der differenzierte Sprachgebrauch reflektiert nicht nur die Destruktion des traditionellen Beziehungsgefges im polemischen Dreieck, in dem die Gegner nun zum alleinigen Aggressionsobjekt werden, sondern spiegelt auch die Absicht, primr sie mit den eschatologischen Konsequenzen ihres Tuns zu behaften. Hingegen wird den Galatern die Opferrolle zugewiesen. Nicht sie, sondern die Eindringlinge verdrehen das Evangelium, stiften Aufruhr, verzaubern die Gemeinden, hetzen sie gegen Paulus auf, hindern sie daran, der Wahrheit zu gehorchen, und nçtigen sie, sich beschneiden zu lassen69. Um wen es sich nherhin handelt, wird verschwiegen. Die Gegner bleiben im anonymen Dunkel. Als einzelne oder Gruppe verschwinden sie hinter den Indefinitpronomen tir („ein gewisser, irgendjemand“: 3,1; 5,7) bzw. tim´r („einige“: 1,7, vgl. 4,17; 5,10.12; 6,12 f ). Ihre Namen erscheinen ebenso wenig wie die der Jakobusleute (2,12) fr Wert befunden, genannt zu werden, obwohl sie den Galatern – und vermutlich auch Paulus – bekannt waren. Die Anonymisierung der Gegner ist Teil der literarischen Strategie, sie zu isolieren und aus der Gemeinschaft der „wir“ auszuschließen. Jemanden totzuschweigen ist der radikalste Ausdruck von Geringschtzung. Er wird zur Unperson erklrt. In der polemischen Situation ist das Schweigen beredt. Es kommuniziert die Verwunderung des Apostels darber, dass sich die Galater von Leuten haben verwirren lassen, „die es nicht verdienen, aus der Anonymitt herausgeholt zu werden“70. Sein vielsagendes Schweigen ist verdeckte Polemik, die freilich mehr enthllt als verschleiert. Zugleich enthlt es – wiederum in kodierter Form – eine Handlungsanweisung an die polemische Instanz. Sie soll die Degradierung des polemischen Objekts zur persona non grata auf ihr Verhltnis zu ihm anwenden und sich von gewissen Leuten, die keiner Rede wert sind, nicht imponieren lassen. Richtet sie sich danach, hat der Polemiker sein Ziel erreicht.

69 Vgl. Longenecker, Galatians, CXVII. 70 Vgl. Mußner, Galaterbrief, 11.

178

Dieter Snger

5. Schluss Der Galaterbrief ist eine fulminante Streitschrift. Seine polemische Signatur ist Programm. Es erscheint paradox. Um die ekklesiale Einheit mit den Galatern zu bewahren und sie fr das Evangelium zurckzugewinnen, beschreitet Paulus einen Weg, der durch schroffe Antithetik, Dissoziation, aggressive Sprache und bis zur Diffamie reichende Polemik gekennzeichnet ist. Der Brief endet jedoch, wie er beginnt: mit einem Hoffnungsblick. Am Schluss nimmt Paulus die ersehnte Antwort der Galater vorweg und schreibt sie in den Text ein. Stimmen sie in das „Amen“ (6,18) ein und machen es sich zu eigen, bekennen sie sich zur „Wahrheit des Evangeliums“ (2,5.14) und bleiben, wer sie sind: die 1jjkgr¸ai t/r Cakat¸ar und damit seine Geschwister, die wie er Anteil am Erbe Abrahams haben (3,29; 4,7, vgl. 3,14)71. Ob seine Hoffnung getrogen oder sie sich erfllt hat, wissen nur die am Konflikt beteiligten Parteien. Wir wissen es nicht.

Literatur Alkier, S., Wunder und Wirklichkeit in den Briefen des Apostels Paulus. Ein Beitrag zu einem Wunderverstndnis jenseits von Entmythologisierung und Rehistorisierung (WUNT 134), Tbingen 2001. Alvarez Cineira, D., Die Religionspolitik des Kaisers Claudius und die paulinische Mission (HBS 19), Freiburg u. a. 1999. Andersen, Ø., Im Garten der Rhetorik. Die Kunst der Rede in der Antike, Darmstadt 2001. Bachmann, M., Gal 1,19: „Wie wir schon frher gesagt haben, so sage ich jetzt erneut“, in: BZ NF 47 (2003), 112 – 115. Barclay, J.M.G., Obeying the Truth. Paul’s Ethics in Galatians, Studies of the New Testament and Its World, Edinburgh 1988. Barrett, C.K., The Allegory of Abraham, Sarah, and Hagar in the Argument of Galatians, in: ders., Essays on Paul, London 1982, 154 – 170. Baumgart, G., Zur Rhetorik der Polemik in der frhen Neuzeit, in: Bosbach, F. (Hg.), Feindbilder. Die Darstellung des Gegners in der politischen Publizistik des Mittelalters und der Neuzeit (Bayreuther Historische Kolloquien 6), Kçln u. a. 1992, 1 – 21. Betz, H.D., Der Galaterbrief. Ein Kommentar zum Brief des Apostels Paulus an die Gemeinden in Galatien, Mnchen 1988. Burchard, C., Zu Galater 4,1 – 11, in: Das Urchristentum in seiner literarischen Geschichte. FS J. Becker, hg. v. U. Mell und U.B. Mller (BZNW 100), Berlin/ New York 1999, 41 – 58. 71 Ausfhrlicher hierzu Snger, Bekennendes Amen.

Literarische Strategien der Polemik im Galaterbrief

179

Campenhausen, H. von, Ein Witz des Apostels Paulus und die Anfnge des christlichen Humors, in: ders., Aus der Frhzeit des Christentums. Studien zur Kirchengeschichte des ersten und zweiten Jahrhunderts, Tbingen 1963, 102 – 108. Classen, C.J., Kann die rhetorische Theorie helfen, das Neue Testament, vor allem die Briefe des Paulus, besser zu verstehen?, in: ZNW 100 (2009), 145 – 172. Classen, C.J., Paul and the Terminology of Ancient Greek Rhetorik, in: ders., Rhetorical Criticism of the New Testament (WUNT 128), Tbingen 2000, 28 – 44. Cook, D., The Prescript as Programme in Galatians, in: JThS 43 (1992), 511 – 519. Elliott, S., Cutting Too Close for Comfort. Paul’s Letter to the Galatians in its Anatolian Cultic Context (JSNT.S 248), London/New York 2003. Frank-Bçhringer, B., Rhetorische Kommunikation (mit einem Anhang: Eristik, von A. Schopenhauer), Quickborn 1963. Gathercole, S.J., The Petrine and Pauline Sola Fide in Galatians, in: Bachmann, M. (Hg.), Lutherische und Neue Paulusperspektive. Beitrge zu einem Schlsselproblem der gegenwrtigen exegetischen Diskussion (WUNT 182), Tbingen 2005, 309 – 327. Hansen, G.W., Abraham in Galatians. Epistolary and Rhetorical Contexts (JSNT.S 29), Sheffield 1989. Hoppe, R., Parnese und Theologie im Galaterbrief – eine Profilskizze, in: Bachmann, M., Kollmann, B. (Hg.), Umstrittener Galaterbrief. Studien zur Situierung und zur Theologie des Paulus-Schreibens (BThSt 106), NeukirchenVluyn 2010, 207 – 229. Hunn, D., 1±m l¶ in Galatians 2:16: A Look at Greek Literature, NT 49 (2007) 281 – 290. Konradt, M., „Die aus Glauben, diese sind Abrahams Kinder“ (Gal 3,7). Erwgungen zum galatischen Konflikt im Lichte frhjdischer Abrahamtraditionen, in: Kontexte der Schrift 1. Text, Ethik, Judentum und Christentum, Gesellschaft. E.W. Stegemann zum 60. Geburtstag, hg. von G. Gelardini, Stuttgart 2005, 25 – 48. Konradt, M., Gericht und Gemeinde. Eine Studie zur Bedeutung und Funktion von Gerichtsaussagen im Rahmen der paulinischen Ekklesiologie und Ethik im 1 Thess und 1 Kor (BZNW 117), Berlin/New York 2003. Lampe P., Psychologische Einsichten Quintilians in der Institutio Oratoria, in: NTS 52 (2006), 533 – 554. Landmesser, C., Art. Wahrheit/Wahrhaftigkeit II: Neues Testament, in: TRE 35 (2003), 340 – 345. Lategan, B.C., Levels of Reader Instructions in the Text of Galatians, in: Semeia 48 (1989), 171 – 186. Lategan, B.C., The Argumentative Situation of Galatians, in: Nanos, M.D. (Hg.), The Galatians Debate. Contemporary Issues in Rhetorical and Historical Interpretation, Peabody 2002, 383 – 395. Lategan, B.C., The Argumentative Situation of Galatians, in: Neotest. 26 (1992), 257 – 277. Longenecker, R.N., Galatians (WBC 41), Dallas 1990.

180

Dieter Snger

Martyn, J.L., Galatians. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 33 A), New York u. a. 1997. Mller, P., Die Metapher vom „Kind Gottes“ und die neutestamentliche Theologie, in: ders. u. a. (Hg.), „[…] was ihr auf dem Weg verhandelt habt“. Beitrge zur Exegese und Theologie des Neuen Testaments. FS F. Hahn, Neukirchen-Vluyn 2001, 192 – 203. Mußner, F., Der Galaterbrief (HThK 9), Freiburg u. a. 19885. Nanos, M.D., The Irony of Galatians. Paul’s Letter in First-Century Context, Minneapolis 2002. Perelman, C., Das Reich der Rhetorik. Rhetorik und Argumentation (Beck’sche Schwarze Reihe 212), Mnchen 1980. Poplutz, U., Athlet des Evangeliums. Eine motivgeschichtliche Studie zur Wettkampfmetaphorik bei Paulus (HBS 43), Freiburg u. a. 2004. Probst, H., Paulus und der Brief. Die Rhetorik des antiken Briefes als Form der paulinischen Korintherbriefkorrespondenz (1Kor 8 – 10) (WUNT II/45), Tbingen 1991. Roo, J.C.R. de, Works of the Law at Qumran and in Paul, Sheffield 2007. Snger, D., Ist Arbeit nur das halbe Leben? Zu einem vernachlssigten Aspekt von „Leben“ im Neuen Testament, in: Herms, E. (Hg.), Leben: Verstndnis, Wissenschaft, Technik (VWGTh 24), Gtersloh 2005, 257 – 276. Snger, D., Bekennendes Amen. Zur rhetorischen und pragmatischen Funktion von Gal 6,18, in:. ders., Von der Bestimmtheit des Anfangs. Studien zu Jesus, Paulus und zum frhchristlichen Schriftverstndnis, Neukirchen-Vluyn 2007, 130 – 157. Snger, D., Die Adressaten des Galaterbriefs und das Problem einer Entwicklung in Paulus’theologischem Denken, in: Kraus, W. (Hg.), Beitrge zur urchristlichen Theologiegeschichte (BZNW 163), Berlin/New York 2009, 247 – 275. Schewe, S., Die Galater zurckgewinnen. Paulinische Strategien in Galater 5 und 6 (FRLANT 208), Gçttingen 2005. Schlier, H., Der Brief an die Galater (KEK 7), Gçttingen 198915(6). Schmithals, W., Die Hretiker in Galatien, in: ders., Paulus und die Gnostiker. Untersuchungen zu den kleinen Paulusbriefen (ThF 35), Hamburg-Bergstedt 1965, 9 – 46. Schnelle, U., Paulus. Leben und Denken, Berlin/New York 2003. Sçding, T., Ekklesia und Koinonia. Grundbegriffe paulinischer Ekklesiologie, in: Cath(M) 57 (2003), 107 – 123. Stenzel, J., Rhetorischer Manichismus. Vorschlge zu einer Theorie der Polemik, in: Worstenbrock, F.J., Koopmann, H. (Hg.), Formen und Formgeschichte des Streites. Der Literaturstreit, Kontroversen, alte und neue Bd. 2. Akten des 7. Internationalen Germanisten-Kongresses Gçttingen 1985, Tbingen 1986, 3 – 11. Synofzik, E., Die Gerichts- und Vergeltungsaussagen bei Paulus. Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung (GTA 8), Gçttingen 1977. Theißen, G., Die Gegenmission zu Paulus in Galatien, Philippi und Korinth: Versuch einer Einheitsdeutung, in: Kraus, W. (Hg.), Beitrge zur urchristlichen Theologiegeschichte (BZNW 163), Berlin/New York 2009, 277 – 306.

Literarische Strategien der Polemik im Galaterbrief

181

Theobald, M., Der Galaterbrief, in: Ebner, M., Schreiber, S. (Hg.), Einleitung in das Neue Testament (KStTh 6), Stuttgart 2008, 347 – 364. Vielhauer, P., Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Vter, Berlin/New York 1975. Vouga, F., An die Galater (HNT 10), Tbingen 1998. Vouga, F., Der Galaterbrief: kein Brief an die Galater? Essay ber den literarischen Charakter des letzten großen Paulusbriefes, in: Schrift und Tradition. FS fr J. Ernst zum 70. Geburtstag, hg. v. K. Backhaus und F.G. Untergaßmair, Paderborn u. a. 1996, 243 – 258. Walter, N., Paulus und seine Gegner des Christusevangeliums in Galatien, in: ders., Praeparatio Evangelica. Studien zur Umwelt, Exegese und Hermeneutik des Neuen Testaments, hg. v. W. Kraus und F. Wilk, (WUNT 98), Tbingen 1997, 273 – 280. Wischmeyer, O., Rçmer 2.1 – 24 als Teil der Gerichtsrede des Paulus gegen die Menschheit, in: NTS 52 (2006), 356 – 376. Wisdom, J.R., Blessing for the Nation and the Curse of the Law. Paul’s Citation of Genesis and Deuteronomy in Gal 3,8 – 10 (WUNT II/133), Tbingen 2001. Wisse, J., Ethos and Pathos from Aristotle to Cicero, Amsterdam 1989. Wolter, M., Das Israelproblem nach Gal 4,21 – 31 und Rçm 9 – 11, in: ZThK 107 (2010), 1 – 30. Wçrner, M.H., Pathos als berzeugungsmittel in der Rhetorik des Aristoteles, in: Craemer-Ruegenberg, I. (Hg.), Pathos, Affekt, Gefhl. Philosophische Beitrge, Freiburg/Mnchen 1981, 53 – 78.

„Seine Briefe sind gewichtig und gewaltig“ (2Kor 10,10). Polemik im 2. Korintherbrief Manuel Vogel Einleitung Paulus hat sich des Mittels der brieflichen Kommunikation souvern zu bedienen gewusst. Das haben ausweislich des Zitats in 2Kor 10,10 auch seine Kritiker nicht bestritten. Zumal der 2. Korintherbrief vermittelt einen lebendigen Eindruck von einer Auffassung von Sprache als „a form of power to affect behaviour“1. Aus dieser pragmatisch-rhetorischen Perspektive erscheint die Bezeichnungsfunktion der Sprache („signification“2) als Mittel zum Zweck. Auf Paulus gemnzt gert seine Theologie in ein problematisches Verhltnis zur Rhetorik seiner Briefe. Dass auch der 2. Korintherbrief Theologie von Weltgeltung enthlt, ist unbenommen. Zu vermeiden ist aber, dass die Exegese rhetorische Strategien theologisch aufwertet, die dadurch selber nichts gewinnen, die Theologie aber in Mitleidenschaft ziehen. Sehr berspitzt kann man sagen, dass Paulus im 2. Korintherbrief nur ein einziges Thema hat, und das ist – in vielfacher theologischer berhçhung – er selbst. Was sich im ersten Brief anbahnt, nmlich die Notwendigkeit einer Selbstdarstellung, die ihm die exklusive Stellung als Grndungsapostel der korinthischen Gemeinde sichert, wird im 2. Korintherbrief zum alles beherrschenden Argumentationsziel. Der Brief muss in einer hçchst grundstzlichen und fr Paulus existenziellen Streitfrage ganze Arbeit leisten. Die schriftlich bermittelten Worte des abwesenden Apostels mssen eine derartige Wirkung entfalten, dass sie nicht nur seine Kritiker berzeugen, sondern auch seine in Korinth persçnlich anwesenden Konkurrenten „aus dem Felde schlagen“ – eine metasprachliche Formulierung, die unwillkrlich die an vielen Stellen polemische Stoßrichtung der paulinischen Argumentation im 2. Korintherbrief aufnimmt. Soll unter „Polemik“ ge1 2

Vgl. Wire, „Since God is One“: Rhetoric as Theology and History in Paul’s Romans, 210: „[I]n classical times language was understood as a form of power to affect behaviour, whereas today we have come to see language as signification“. S.o. Anm. 1.

184

Manuel Vogel

genwartssprachlich ein „scharfer, verunglimpfender Angriff“3 verstanden werden, ist dieser Begriff auf den 2. Korintherbrief mhelos anzuwenden, etwa auf die Beschimpfung der Gegner als „Satansdiener“ (11,15), die an Schrfe kaum zu berbieten ist. Aber auch am lteren Sprachgebrauch seit dem 18. Jh., der Polemik als eine Form des gelehrten Streites verstand,4 hat dieser Paulusbrief Anhalt, etwa im dritten Kapitel, wo mit Bezug auf den gegnerischen Gebrauch von Empfehlungsbriefen eine beraus kritische Entgegensetzung von Altem und Neuem Bund, von Buchstaben und Geist entwickelt wird. Umgekehrt klingt gegnerische Kritik an Paulus etwa in der konzessiven Formulierung eQ d³ ja· 5stim jejakull´mom t¹ eqacc´kiom Bl_m in 4,3 an: War Paulus in Korinth mit dem Vorwurf der geringen Wirkung seiner Missionspredigt konfrontiert? Sucht man in der antiken Rhetorik nach Orientierung, wie „Polemik“ im 2. Korintherbrief zwischen persçnlicher Verunglimpfung und sachlichem Streit zu positionieren ist, stçßt man auf die Schwierigkeit, dass der Terminus weder in den griechischen und rçmischen rhetorischen Lehrwerken noch als literarischer Gattungsbegriff vorkommt. Das Adjektiv pokelijºr bzw. die nominale Bildung pokelijμ t´wmg ist in der bertragenen Bedeutung eines „Kampfes mit Worten“ griechisch gar nicht und rçmisch erst sptantik mit unklarer Herkunft belegt.5 Statt dessen ist man auf eine Vielzahl von Lexemen gewiesen, die zwar die Stilmittel der Schmh- und Tadelrede (jatgcoq¸a, vituperatio) terminologisch differenzieren,6 die sich aber gleichwohl nicht eignen drften, die polemischen Passagen im 2. Korintherbrief als solche zu identifizieren und als Teil eines grçßeren argumentativen Zusammenhangs auszuweisen. Vielmehr entspinnt sich Polemik in einem facettenreichen und komplexen 3 4

5 6

So Kluge, Etymologisches Wçrterbuch der deutschen Sprache, 553. Vgl. dazu Stauffer, Art. Polemik, 1404: Polemik ist „[b]is in das 19. Jh. hinein […] eine entschieden gefhrte Auseinandersetzung meist auf dem Gebiet der Wissenschaft […], das sich seinerseits historisch zunchst auf das Feld der Theologie, dann der Literatur und der Philosophie konzentriert hat“. Durch Schleiermacher erhielt die Polemik als zweiter Teil der Philosophischen Theologie nach der Apologetik ihren festen Platz im theologischen Fcherkanon. Noch 1904 definiert Tschackert, Art. Polemik, 508, die Polemik als „Streitwissenschaft“ mit folgender schçner Erluterung: „Da das Christentum als die Offenbarung Gottes in die Welt der Snde und des Irrtums eingetreten ist, und deren Einwirkung durch seine ganze geschichtliche Entwickelung hindurch erleidet, so muss gegen beide gekmpft werden; das Christentum ist auf bestndigen Kampf gegen Snde und Irrtum angewiesen“. So Stauffer, Art. Polemik, 1404. Stauffer, Art. Polemik, 1404, nennt koidoq¸a, emeidor, jajgcoq¸a, und Ualbor als griechische und contumelia, convicium, detrectatio, exprobratio, infamatio und opproprium als lateinische Termini.

„Seine Briefe sind gewichtig und gewaltig“ (2Kor 10,10)

185

Gefge von Beziehungen zwischen Paulus, seiner Gemeinde und seinen Konkurrenten. Die rhetorische Kunst des 2. Korintherbriefes besteht darin, dieses Beziehungsgefge so zu manipulieren, dass Paulus seine Gemeinde exklusiv an sich bindet und seine Konkurrenten de iure und de facto aus der Gemeinde ausschließt. In dieser umfassenden Strategie der Inklusion und Exklusion bilden die polemischen Passagen die dunklen Segmente auf einer breiten Skala von Emotionen, die Nhe und Distanz inszenieren: Nhe zwischen Paulus und seiner Gemeinde und Distanz zwischen Paulus und der Gemeinde einerseits und den Konkurrenten des Paulus andererseits. Aus dieser Perspektive scheint es angebracht, das Phnomen Polemik im 2. Korintherbrief nicht anhand schulrhetorischer Terminologie, sondern mit J. Stenzel ber eine spezifisch polemische Situation zu erschließen: Unter dem Begriff der polemischen Situation „soll die Stellung der folgenden Elemente zueinander verstanden werden: Da ist zunchst das polemische Subjekt, der Polemiker. Der Angegriffene soll polemisches Objekt heißen. In einer Wechselpolemik tauschen beide die Rollen. Der indirekte oder direkte Adressat polemischer Rede ist die polemische Instanz, worunter wir nach dem Muster der Rechtssprache das als entscheidungsmchtig vorgestellte Publikum begreifen. Der polemische Prozeß handelt von einem polemischen Thema. Dieses Thema muß kontrovers sein und eine ausgiebige Energiequelle fr Aggressionen, es muß also intensive Wertgefhle aktivieren kçnnen […]. [D]ie Absicht des Polemikers [lsst sich] als Vernichtung des Gegners und seiner Position bezeichnen. […] [Es] geht […] um einen Machtkampf zwischen Vertretern von Positionen oder Gruppen, und die Macht liegt dabei in der von starken Wertgefhlen begleiteten Zustimmung der polemischen Instanz zu Position und Person des Angreifers – Ohnmacht in entsprechender Ablehnung des Angegriffenen. Die Beteiligung intensiver Wertgefhle und die damit gekoppelte Aggressivitt polemischer Rede fhren zu starker Personalisierung des Kampfes. Genauer: Aggressivitt, Wertgefhle und Personalisierung ziehen eines das andere nach sich, wobei der Anstoß von jedem dieser drei Momente ausgehen kann […]“7.

Der Vorteil dieser Herangehensweise besteht darin, dass Polemik als Eigenschaft eines Gefges schriftlicher Kommunikation insgesamt in den Blick kommt, d. h. unter Einschluss auch solcher Elemente, die fr sich selbst gar nicht polemisch wirken. Das gilt etwa fr die angesprochene Aktivierung von intensiven Wertgefhlen, die mittelbar auf die Exklusion der Konkurrenten zielen, die als solche aber noch nicht einmal negativ konnotiert sind, beispielsweise die Erzeugung von Empathie fr das Geschick des Paulus in der Asia in 2Kor 1,8 – 11: Hier wird auf der Seite der polemischen Instanz ein positives Eingenommensein fr das polemische Subjekt erzeugt, das im 7

Stenzel, Rhetorischer Manichismus, 5 f., Kursive bernommen.

186

Manuel Vogel

Verlauf der Argumentation mittelbar zu Lasten des polemischen Objekts geht.8 Dass die Beziehungsdynamik der im 2. Korintherbrief inszenierten Situation auf die „Vernichtung“ der Gegner als religiçse Autoritten und Glieder der korinthischen Gemeinde zielt, drfte unstrittig sein, gehçren doch „falsche Apostel“und „Diener des Satans“ (11,13.15) dringend aus der Gemeinde entfernt.9 Damit wird die Kommunikationssituation des 2. Korintherbriefes insgesamt als polemisch qualifiziert,10 also unter Einschluss ihrer apologetischen und versçhnenden Aspekte. Die Aufwertung des polemischen Subjekts Paulus und die Festigung seiner Beziehung zur polemischen Instanz (Gemeinde) ist mithin ebenso Teil der rhetorischen Strategie wie die aggressive Diskreditierung des polemischen Objekts: „Der Polemiker soll samt seiner Position in den Augen der polemischen Instanz als wertvoll erscheinen, der Angegriffene und seine Position als minderwertig. Polemik folgt dem Schema eines skularisierten Manichismus, das die Beteiligten in die Extremregionen von Licht und Finsternis auseinandertreibt. Sei es ein Individuum oder eine Gruppe – das polemische Objekt soll geschwcht 8 Vgl. dazu Welborn, Paul’s Appeal to the Emotions in 2 Corinthians 1.1 – 2.13; 7,5 – 16, 39 – 44. 9 Johnson, Satan Talk in Corinth: The Rhetoric of Conflict, 145 – 155, erhellt die gehuften Rekurse auf die Satansfigur in den Korintherbriefen (1Kor 5,5; 7,5; 2Kor 2,11; 11,14; 12,7; bei Paulus sonst nur noch Rçm 16,20) durch einen instruktiven kulturanthropologischen Vergleich mit „witchcraft societies“ und sieht darin „a phenomenon arising out of social conflict over Paul’s authority in Corinth, rather than a reflection of Paul’s cosmology“ (145). „Paul’s true enemies were his rivals, those who could unseat him in his position of authority in the churches“ (154). 10 Der im Anschluss an Stenzel gewhlte weite Begriff von Polemik als ein vielfach nicht explizit polemischer Niederschlag einer spezifischen Kommunikationssituation fhrt in der bis heute nicht befriedigend beantworteten Frage, ob der 2. Korintherbrief als literarisch einheitliches Dokument oder als ein redaktionelles Gebilde aus mehreren Paulusbief(teil)en zu behandeln ist, zwar keine Entscheidung herbei, lsst aber jedenfalls eine Interpretation des 2. Korintherbriefes als ursprngliche literarische Einheit zu. Die Absicht der definitiven Exklusion der Gegner kann, um ihr Ziel zu erreichen, sehr weit ausholen und argumentativ wie emotional in einer Weise vorgehen, die sich einer diskursiven Logik nicht sofort erschließt, die sich aber rhetorisch durchaus plausibilisieren lsst. Dies betrifft u. a. den oft beobachteten Stimmungsumschwung von der erneuten Annherung der Gemeinde an Paulus in 2Kor 7 und der akuten Krise in 2Kor 10 – 13. Im Folgenden werden einige berlegungen dazu angestellt. Fr die Einheit des 2. Korintherbriefes insgesamt unter rhetorischen Gesichtspunkten argumentieren Bosenius, Die Abwesenheit des Apostels als theologisches Programm, 104 f. und Amador, Revisiting 2 Corinthians: Rhetoric and the Case for Unity, 92 – 111. Die bekannten Teilungshypothesen haben durch den Artikel von M. Mitchell in der vierten Auflage der RGG (vgl. dies., Art. Korintherbriefe) auf lngere Sicht einen festen Stand.

„Seine Briefe sind gewichtig und gewaltig“ (2Kor 10,10)

187

und zum sozialen Außenseiter oder gar Feind gestempelt werden, dem die geschlossene Front von Polemiker und Publikum gegenbersteht. Das bedeutet schließlich: Das polemische Objekt und seine Position sollen ihres Unwertes wegen zum Aggressionsobjekt der polemischen Instanz werden.“11

Die dergestalt hinsichtlich ihrer Ziele skizzierte polemische Situation ist insofern prozesshaft aufzufassen, als die unversçhnlichen Gegenstze, die eine eindeutige Positionierung der Beteiligten im Sinne der polemischen Strategie ermçglichen, in deren Verlauf allererst erzeugt werden mssen. Hier ist der paulinischen Rhetorik ein hohes Maß an Kunstfertigkeit zu bescheinigen. Der 2. Korintherbrief ist von Anfang an stets auch intensive Beziehungsarbeit, die die Verbindung der Gemeinde zu Paulus ebenso beharrlich neu zu festigen sucht, wie sie deren Beziehung zu seinen Konkurrenten engagiert unterluft. Wie aber ist das polemische Thema zu bestimmen? Sehr vorlufig kçnnte man sagen: In Kap 1 – 7 geht es um die Legitimitt des paulinischen Apostolats, in Kap 10 – 13 dagegen vorrangig um die exklusive Beziehung zwischen Paulus und der Gemeinde.12 Freilich hat Paulus diese Beziehung bereits in 1Kor im Auge, als seine Autoritt noch weitgehend unangefochten ist. Schon in 1Kor ist stellenweise zu beobachten, wie Paulus seine Position als Grndungsapostel der Gemeinde in den theologischen Gedankengang einflicht. Schon im Prskript macht Paulus seine apostolische Autoritt geltend: Der Rekurs auf das h´kgla heoO (deutlicher nur noch in Gal: oqj !p( !mhq¾pym oqd³ dQ !mhq¾pou) deutet ebenso wie die sprbare Unterordnung des Mitabsenders (auch: Mitverfassers?) Sosthenes als eines einfachen !dekvºr darauf hin, dass der Apostelstatus fr Paulus zentral die Frage seiner persçnlichen Autoritt berhrt. Die Prskripte des 1. Thessalonicherbriefes (PaOkor ja· Sikouam¹r ja· Tilºheor) und des Philipperbriefes (PaOkor ja· Tilºheor doOkoi WqistoO YgsoO), wo Paulus ohne den Aposteltitel auskommt, zeigen die situative Bedingtheit der Formulierung. Ein sich anbahnender Konflikt um die Autoritt des Paulus ist darber hinaus sprbar, wenn er in 4,3 f. seine Unabhngigkeit vom Urteil der Gemeinde betont, oder wenn er in 4,15 f. die exklusive Rolle des „Vaters“/„Erzeugers“der Gemeinde beansprucht und 11 Stenzel, Manichismus, 7. 12 hnlich urteilt auch Gerber, Paulus und seine ,Kinder‘, 231, im Blick auf die in Kap 10 – 13 verwendete Bildsprache: „[E]ine Zusammenschau der Bilder des Textes […] zeigt, dass die Beziehung des Paulus zu der angeschriebenen Gemeinde vor Gott und Christus und in Abgrenzung von KonkurrentInnen ein zentrales Thema des Textes ist. Alle bildlichen Aussagen sprechen von mehreren Grçßen dieses Beziehungsquadrates und sind Teil einer rhetorischen Strategie, mit der die Beziehung der Gemeinde zum Autor im Sinne des Letzteren bestimmt werden soll.“

188

Manuel Vogel

daraus den Imperativ zu einer imitatio Pauli ableitet, die nach 11,1 (lilgta¸ lou c¸meshe, jah½r j!c½ WqistoO) in den Rang einer mittelbaren imitatio Christi gehoben wird. Die Vater-Metapher aktiviert außerdem durch die Praeteritio oqj 1mtq´pym rl÷r cq²vy taOta in 4,14 und den Gegensatz von „Vater“ und „Erzieher“ in 4,15 ambivalente, mit den Konnotaten „Strenge“ und „Frsorge“ spielende Emotionen, die auf ihre Weise die Bindung der Adressaten an den Adressanten festigen sollen.13 Auch dies weist schon auf den 2. Korintherbrief voraus, wo Paulus die Adressaten in noch viel strkerem Maße auf der Ebene der Emotionen anspricht. Dass bereits im Vorfeld der Abfassung des 1. Korintherbriefes Kritik an Paulus laut wurde, geht sodann aus 4,18 – 21 hervor: Die pevusiyl´moi (vgl. noch 4,6.19; 5,2; 8,1) scheinen Paulus zu unterstellen, dass er nur deshalb Timotheus nach Korinth sendet, weil er sich selbst nicht dort hin traut.14 Eine Probe auf seine polemische Argumentationskunst gibt Paulus aber v. a. in 1Kor 3,5 – 17. Was in 3,5 – 7 mit einer Beteuerung der Gleichheit des Paulus und des Apollos coram Deo beginnt, endet in 3,15 – 17 mit einer verbrmten aber hçrbaren Dpierung des Apollos. Gewaltttig ist das von Paulus verwendete Bild – schlecht gebaute Huser brennen bis auf die Grundmauern nieder, unseriçsen Bauunternehmern wird der Prozess gemacht – allemal, und theologisch wird handfest polemisiert.

1. Die Frhphase des Konflikts: Paulus und Apollos in 1Kor 3,5 – 17 Whrend die Gegner im 2. Korintherbrief namenlos bleiben, geht es im nun nher zu untersuchenden Passus in der Person des Apollos um eines der korinthischen „Schulhupter“, die von Paulus neben Kephas namentlich 13 Unklar ist die Formulierung t¹ rl´teqom rst´qgla oxtoi !mepk¶qysam in 16,17. Nach Schrage, Der erste Brief an die Korinther, 457 f., geht es um die fehlende unmittelbare Kommunikation mit Paulus, die durch die Anwesenheit der korinthischen Delegation ausgeglichen wurde. Schrage betont aber zugleich die Unsicherheit dieses Verstndnisses und verweist auf alternative Auslegungen, die einen leisen Tadel an die Adresse der korinthischen Gemeinde erkennen, so etwa schon Heinrici, Der erste Brief an die Korinther, 520: Es geht um „ein Ersetzen des Mangels an Zutrauen und Gehorsam, der von der Gemeinde dem Ap[ostel] vorher thatschlich nicht gewhrt worden war“ (im Original z. T. kursiv). Fr diese Deutung spricht 16,8: „Eine Beruhigung setzt Angst und sorgen voraus. Diese erwuchs aus den Befrchtungen, welche der Ap[ostel] wegen der Gemeinde hegte“ (a.a.O.). 14 So Schrage, Der erste Brief an die Korinther, 361.

„Seine Briefe sind gewichtig und gewaltig“ (2Kor 10,10)

189

genannt werden. In 16,12 ist nochmals von ihm die Rede als von einem „Bruder“. Zwar klingt hier ein Dissens an – Apollos, der sich zur Zeit der Abfassung des 1Kor nicht in der Gemeinde aufhlt, lsst sich von Paulus nicht zu einer baldigen Reise nach Korinth bewegen –, doch scheint die Beziehung zwischen beiden nicht belastet oder gar gefhrdet zu sein. Da Apollos im 2. Korintherbrief nicht mehr namentlich auftaucht, ist keine Aussage darber mçglich, ob er mittlerweile ins Lager der Konkurrenten gewechselt ist, die von Paulus heftig attackiert werden. Immerhin berichtet der Verfasser der Apostelgeschichte, der den Bruch zwischen Paulus und Barnabas (freilich mit wenig durchsichtigen Grnden15) in seiner Geschichtsdarstellung unterbringt (Apg 15,39), nichts von einem Zerwrfnis zwischen beiden. Jedenfalls ist im 1. Korintherbrief ein solches Zerwrfnis, sollte es dieses denn gegeben haben, noch nicht in Sicht. Und dennoch versteht es Paulus, den „Bruder“ subtil auf die Pltze zu verweisen, genauer: auf einen Platz weit unterhalb von ihm selbst.16 In 3,5 erscheinen Paulus und Apollos in einer Doppelfrage in gleichem Rang: Sie sind di²jomoi, d. h. sie sind in einer inferioren Stellung, entweder in Relation zur Gemeinde (vgl. Rçm 16,1: t/r 1jjkgs¸ar) oder zu Gott/ Christus (vgl. 2Kor 11,23: WqistoO). In der objektlosen Stellung von di²jomoi klingt beides an: Die Eigenstndigkeit gegenber der Gemeinde als Diener Christi, dem allein sie verantwortlich sind (entfaltet fr die Person des Paulus in 4,3 f.), wie auch die Dienstbarkeit gegenber der Gemeinde. Letzterer Aspekt hat durch das anschließende dQ ¨m 1piste¼sate deutliches bergewicht: Das Glubigwerden der Korinther geschah in Ausbung der Paulus und Apollos obliegenden peripheren Dienstpflicht, peripher, weil das „Glubiggewordensein“ der Adressaten auf Gott/Christus bezogen ist, nicht auf Apostel oder Missionar, die diese Beziehung nur anbahnen. V.6 f. fhrt die Parataxe von V.5 fort, doch wird die Indifferenz der Aufzhlung (Paulus und Apollos sind gleich wichtig bzw. unwichtig) in einem Atem erheblich verstrkt und massiv unterwandert. Die Verstrkung der Indifferenz kommt (a) dadurch zustande, dass mit „Pflanzen“ und „Gießen“ zwei gleichrangige, gleichwertige und gleich bedeutende Ttigkeiten eingefhrt werden. Keine der beiden „schafft“oder „wirkt“etwas, d. h. weder schafft der Pflanzende die 15 Auch dann, wenn man zwischen dem in Gal 2,11 – 14 thematisierten Konflikt und dem Zerwrfnis wegen Johannes Markus unterscheidet, gilt, so Dunn, Christianity in the Making. Volume 2: Beginning from Jerusalem, 492: „[I]t is unlikely that Luke has told the whole story“. hler, Barnabas, 127 f., sieht in Apg 15,39 den Niederschlag grundstzlicher missionsstrategischer Differenzen. 16 So auch Barnett, Paul, apologist to the Corinthians, 317; dort weiteres zur Person des Apollos (316 – 319).

190

Manuel Vogel

Saat noch wirkt der Begießende den Wachstumsvorgang, sondern beide leisten nur Zuarbeiten, die je fr sich keinen Bestand haben, mithin nur miteinander sinnvoll ausgefhrt werden kçnnen. Der seit V.4 angeschlagene Ton der Indifferenz wird zweitens dadurch verstrkt, dass (b) Gott als der, der wachsen lsst, als Vergleichsgrçße eingebracht wird. Verglichen mit Gott sind die beiden menschlichen Grtner tatschlich „nichts“, weder der eine noch der andere: oute b vute¼ym 1st¸m ti oute b pot¸fym. Der Anklang an 1,28 (t± lμ emta [1nek´nato b heºr]) ist kaum zufllig. Sodann wird (c) in V.8a die Einheit bzw. das Einssein von Paulus und Apollos betont. Dass jedoch beide nach ihrer Arbeitsleistung individuell beurteilt und „entlohnt“ werden (V.8b), weist bereits auf eine bei allem Insistieren auf Egalitt bestehende Ungleichheit. Diese expliziert Paulus durch eine zunchst unauffllige, aber folgenreiche Variation der Metaphorik: Aus der Pflanzung wird ein Bau. Um diesen Metaphernwechsel mçglichst geschmeidig zu formulieren, bezeichnet Paulus sich und Apollos nun als Gottes sumeqco¸, das passt auf Grtner wie auf Bauingenieure. Der Wechsel vollzieht sich in einer doppelten Prdikation der Gemeinde als „Ackerfeld“ und „Bau“. Dem Pflanzen auf dem Acker korrespondiert das Fundament auf der Baustelle. Die Entsprechung ist eingngig, weil sowohl das Sen der Saat in den Boden als auch die Grndung des Fundaments „unterirdische“ Vorgnge sind. Dass die agrarische Bildlogik nicht bruchlos und schon gar nicht absichtslos in die Baumetapher berfhrt wird, wird indes bereits daran deutlich, dass die bisher bestimmende Symmetrie zwischen Paulus und Apollos aufgegeben wird zugunsten der Fokussierung auf die Person und Ttigkeit des Paulus bei gleichzeitiger Anonymisierung des Apollos, die nicht von ungefhr kommt. Paulus hebt seine eigene Beauftragung in feierlichem Ton hervor und reklamiert die w²qir Gottes als eine Art habitueller Amtsgnade, die ihm „gegeben“ ist. Apollos wird nun nicht mehr mit Namen genannt, er ist ein unbestimmter %kkor (diff. 6teqor : einer von zweien), und er wird in ein ebenso diffuses Kollektiv eingereiht, in dem „jeder“ (6jastor) auf die Qualitt seiner Arbeit achten muss. Damit ist der Weg frei, mit Apollos nun in einem ganz anderen Ton zu reden, ohne ihn mit Namen nennen zu mssen. Dass er gemeint ist, ist evident. In V.11 f. wird die gravierende Asymmetrie, die Paulus durch eine zunchst harmlos erscheinende Variation der Bildersprache zu Wege bringt, vollends greifbar: Paulus reklamiert nmlich fr seinen Part am gçttlichen Bauwerk vçllige Immunitt und gçttliche Qualitt: Er hat „Christus“ als „Fundament“ gelegt in einem in der Vergangenheit liegenden, unwiederholbaren und unanfechtbaren Akt. Mit der Bemerkung, dass „niemand“ ein anderes Fundament legen kann, als das schon gelegte, macht sich Paulus als Grndungsapostel der korinthischen

„Seine Briefe sind gewichtig und gewaltig“ (2Kor 10,10)

191

Gemeinde persçnlich und theologisch unangreifbar und unersetzbar. Die Negation der Mçglichkeit, Paulus als „weisen Baumeister“ zu ersetzen, ist eine indirekte Warnung an alle, die dies versuchen sollten. Sein Werk ist Gotteswerk. Dagegen ist, wie V.11 – 13 ausfhrt, das „Weiterbauen“auf dem von Paulus gelegten Fundament, das ja nach allem bisherigen v. a. von Apollos besorgt wird, reines Menschenwerk mit allen Risiken des Irrtums und des Scheiterns und in voller Verantwortlichkeit im Endgericht.17 Das Feuer des Gerichts wird die beim Gemeindebau verwendeten Baustoffe einer Materialprfung unterziehen. Der (artifiziellen, rein auf Brennbarkeit der Materialien hin konstruierten) Bildlogik folgend werden nur Gold, Silber und Stein Bestand haben. Bei den brigen Materialien wird sich zeigen, dass sie immer schon nichts getaugt haben. V.14 f. entwirft das Szenario eines Gerichts nach den Werken mit doppeltem Ausgang. Die Besonderheit ist hierbei, dass es nicht um endgltigen Heilsverlust oder –gewinn geht, sondern um eine reine Beurteilung des Werkes. Zwar wird der Beurteilte im negativen Fall „Schaden erleiden“, doch wird er „gerettet werden“ (syh¶setai). Das undeutliche fgliyh¶setai wird durch den Modus der Rettung ovtyr ¢r di± puqºr (vielleicht eine Redensart wie „mit knapper Not“) anschaulich: Wes Werk verbrennt, der wird nicht selbst mit verbrennen, aber doch etwas angesengt dastehen. Das ist nichts anderes als eine Soteriologie ad personam des Apollos, den Paulus als Konkurrenten frchtet, den er aber nicht inhaltlich kritisiert und mit dem er sich nicht berwerfen will. Das Lohnmotiv, das bereits in 3,8 anklingt und in 3,14 aufgenommen wird, erhlt im Blick auf Apollos einen ironischen Klang: Brandblasen werden sein Lohn sein. Rhetorik wirkt hier unmittelbar theologiebildend. V.16 f. schließt mit einer Prdikation der Adressaten als „Tempel Gottes“, der dem „Geist Gottes“ als Wohnstatt dient. Um eine Antwort auf die Frage, wie sich denn diese hohe Ekklesiologie mit der eben noch formulierten Kritik am sarkischen Wandel der Korinther vertrgt, die nicht als Pneumatiker an17 Bachmann, Der erste Brief des Paulus an die Korinther, 162, drfte kaum im Recht sein, wenn er meint, das Bild des Fundaments werde in V.11 gegenber V.10 in einer Weise vertieft, dass damit nun strikt eine Tat Gottes gemeint sei und Paulus sich unter die 1poijodoloOmter einreihe. Richtig dagegen Schrage, Der erste Brief an die Korinther, 297: Paulus bringt „mit dem Bild vom Fundament das zeitliche und sachliche Pr seines apostolischen Wirkens und damit seine Autoritt und Sonderstellung zum Ausdruck. Das Legen des Fundaments durch den Apostel ist das sachlich Grundlegende, Entscheidende und Unberholbare, das durch kein 1poijodole?m rckgngig gemacht werden kann und allen anderen Charismatikern vorund bergeordnet bleibt. […] [D]as Weiterbauen berantwortet Paulus anderen, die dafr selbst die Verantwortung zu bernehmen haben.“

192

Manuel Vogel

sprechbar waren und sind (3,1 f.), wre Paulus wohl nicht verlegen gewesen, denn das herausfordernde oqj oUdate den Status der Gemeinde als geistlicher Tempel betreffend rechnet ja bereits mit einer Diskrepanz zwischen Sein und Wandel. Dennoch ist es bemerkenswert, wie behnd Paulus den Fortgang der Argumentation seinem rhetorischen Zweck zu unterwerfen versteht. Dieser besteht nun in keiner Weise darin, der Gemeinde etwas Nettes zu sagen. V.16 f. hat vielmehr die Funktion, den Druck auf Apollos zustzlich dadurch zu erhçhen, dass dieser in die Position eines potentiellen Schdigers der Gemeinde gert und die Gemeinde dadurch gegen sich aufbringt oder sie zumindest misstrauisch macht. Nachdem in V.15 klargestellt ist, dass Paulus fr seine(n) Konkurrenten das eschatologische Heil nicht in Frage stellen will, folgt außerdem in V.17 doch nochmals eine heftige Drohung: vheqe? toOtom b Heºr. Was genau ist gemeint? Doch jedenfalls kein definitiver Heilsverlust, eher schon eine Totalblamage im Endgericht, so wie man von gestrzten Politikern sagt, dass sie „total erledigt“ sind. Der Passus 1Kor 3,5 – 17 zeigt anschaulich, wie Paulus in jedem Moment dazu in der Lage ist, seine Vorrangstellung in Korinth zur Geltung zu bringen, und zwar auch in einem argumentativen Kontext, der dieses Ansinnen nicht begnstigt. Die in 3,5 betonte Indifferenz zwischen Paulus und Apollos, die den Widersinn der korinthischen Parteien demonstrieren soll, wird in 3,21 nochmals aufgerufen (eUte PaOkor eUte )pokk_r), und doch gelingt es Paulus, sich selbst unmittelbar vorher weit von Apollos abzusetzen.

2. „Gewisse Leute“ – Zur Rhetorik des Unbestimmten Sodann markiert 1Kor 3,5 – 17 im Konflikt zwischen Paulus und der korinthischen Gemeinde den bergang von der im 1. Korintherbrief noch mçglichen persçnlichen Auseinandersetzung hin zur Polemik der vagen „Jemand“-Aussagen, die im 1. Korintherbrief noch in 4,18 (1vusi¾hgs²m timer) und dann mehrfach im 2. Korintherbrief, namentlich in Kap 10 – 13 auftreten. Das viermalige tir in 1Kor 3,12.14 f.17, das sich stilistisch ganz im Rahmen der im 1. Korintherbrief zahlreichen mit eU tir oder eQ d´ tir beginnenden Konditionalstze bewegt,18 zeigt gleichwohl, wie Paulus genau an der Stelle anonymisiert, an der seine Argumentation polemisch wird. In 2Kor 2,5 referiert das indefinite tir auf die nicht namentlich genannte Einzelperson, die ihn çffentlich beleidigt hat (eQ d´ tir kek¼pgjem, oqj 1l³ 18 Diese sind der brieftypischen „Kasuistik“ geschuldet; vgl. noch 3,18; 7,12.13.36; 8,2.3; 10,27; 11,16; 11,34; 14,27.37.38.

„Seine Briefe sind gewichtig und gewaltig“ (2Kor 10,10)

193

kek¼pgjem), in 3,1 geht es um die Empfehlungsbriefpraxis seiner Kontrahenten (C lμ wq-folem ¦r timer sustatij_m 1pistok_m […]), in 10,2 um diejenigen, die Paulus einen sarkischen Wandel unterstellen ([…] 1p¸ timar to»r kocifol´mour Bl÷r ¢r jat± s²qja peqipatoOmtar), in 10,7 um Kritiker, die sich auf ihre Zugehçrigkeit zu Christus berufen (eU tir p´poihem 2aut` WqistoO eWmai […]), in 10,12 um den Vorwurf der Selbstempfehlung ([…] tisim t_m 2auto»r sumistamºmtym), in 11,20 um das herrische Gebaren der Kontrahenten in der Gemeinde (!m´weshe c±q eU tir rl÷r jatadouko?, eU tir jatesh¸ei, eU tir kalb²mei, eU tir 1pa¸qetai, eU tir eQr pqºsypom rl÷r d´qei), und in 11,21 um die von den Kontrahenten reklamierten Vorzge (1m è d( %m tir toklø […]). Die Stellen zeigen in der Zusammenschau, dass sie ein breites Spektrum von Inklusion auf der einen und Exklusion auf der anderen Seite abdecken: Dem in 2,5 genannten „Beleidiger“ hat Paulus erklrtermaßen verziehen, er soll seinen Platz in der Gemeinde behalten. Die in 11,20 indirekt hart kritisierten und kurz zuvor als „Falschapostel“und „Satansdiener“ (11,13 – 15) beschimpften Kontrahenten haben dagegen selbstredend keinen Platz mehr unter den korinthischen Christen. Im Mittelfeld bewegt sich die Aussage in 10,7: Die Genannten sind Paulus gegenber kritisch eingestellt, ohne dass Paulus ihre Zugehçrigkeit zu Christus bestreitet. Ein mçglicher Schluss aus dieser Beobachtung ist, dass Paulus ber die Gemengelage in der Gemeinde nur ungenau informiert war und deshalb seine Kritik und Polemik nicht auf konkrete Personen zuspitzen konnte. Oder aber Paulus zieht deshalb keine scharfen Frontlinien, weil diese sich berhaupt erst im Verlauf der brieflichen Kommunikation durch Einstellungsnderungen auf der Seite der Rezipienten bilden sollen. Die diffus Angeredeten stellen eine bezglich ihrer Einstellung zu Paulus heterogene Gruppe dar, in der Versçhnung mit Paulus, exemplarisch vorgefhrt anhand des „Beleidigers“ in 2,5, ebenso mçglich ist wie der definitive Ausschluss aus der Gemeinde. Es ist diese fehlende Eindeutigkeit, die pragmatisch auf eine Aktivierung der Rezipienten zielt, sich selbst entweder auf der Seite des Paulus oder aber auf der Seite seiner Gegner zu positionieren. Von hier kann der umstrittene Passus 2Kor 6,14 – 7,1 als ursprnglicher Bestandteil des 2. Korintherbriefes verstndlich gemacht werden, sofern gerade seine eigentmliche Unverbundenheit mit der korinthischen Konfliktlage rhetorisch einen Sinn ergibt. Als Abschluss der Apologie 2,14 – 7,4 und im Vorgriff 19 auf die kontroversen Kapitel 10 – 13 werden die Adres19 An dieser Stelle ist natrlich zu fragen, ob nicht die Kollektenkapitel 2Kor 8 – 9 den Duktus empfindlich stçren. Wre nicht die Erçrterung des Kollektenthemas am Schluss des Briefes, dann also, wenn alles Kontroverse gesagt ist, angemessener

194

Manuel Vogel

saten auf eine Entscheidungssituation eingeschworen, in der alles an der Wahl zwischen Paulus und den Falschaposteln hngt. Die zu fllende Entscheidung muss dualistisch verschrft und theologisch so stark wie mçglich dramatisiert werden, und zwar so, dass zwischen der Distanzierung von den Gegnern und dem Rckzug aus der Sphre des Heidnischen gerade nicht unterschieden wird. Dies leistet in der notwendigen Abstraktheit das Stck 6,14 – 7,1. Die Sequenz der Oppositionen in 6,14 – 16 (dijaios¼mg/!mol¸a, v_r/sjºtor, Wqistºr/Beki²q, pistºr/%pistor, ma¹r heoO/eUdyka) hat allein den Zweck, einen Dualismus zu inszenieren, der der Stellungnahme der korinthischen Christen fr oder gegen Paulus hçchste Dringlichkeit beimisst. Die Konfliktlinie innerhalb der Gemeinde wird von der Trennungslinie zwischen Gemeinde und sndiger Welt berlagert. Die geforderte Distanzierung von den Gegnern, die in der ersten Hlfte des Jesajazitats in 6,17a anklingt, wird als Rckzug aus der Sphre der Unreinheit stilisiert.20 gewesen? Aber die Dringlichkeit des Konflikts verlangte fr seine Erçrterung das Achtergewicht des Schlussteils. Strukturell vergleichbar ist Gal 6,11 – 18: Nach der Parnese muss der akute theologische Konflikt nochmals thematisiert werden und das letzte Wort haben. Dem entspricht, dass die peroratio rhetorisch der Ort ist, an dem in besonderer Dichte Affekte aufgerufen werden, so Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik § 436, mit Hinweis auf Quintilian, Inst. 6,1,51: „Die peroratio ist die letzte Gelegenheit, die Richter (das Publikum) fr die eigene Partei gnstig zu stimmen und gegen die Partei des Gegners zu beeinflussen. Whrend der Affektgebrauch in den brigen Redeteilen gemßigt ist […], kçnnen in der peroratio alle Affektschleusen geçffnet werden“. Den Hinweis auf Lausberg gibt Thompson, Paul’s Argument from Pathos in 2 Corinthians, 143, der 2Kor 10 – 13 insgesamt als peroratio des als ursprngliche Einheit verstandenen 2. Korintherbriefes liest. 20 So votiert etwa Wolff, Der zweite Brief an die Korinther, 148: Es geht um die „Aufforderung zur radikalen Abkehr von den Kontrahenten“. Zu 6,17a (leicht verndertes Zitat von Jes 52,11LXX) notiert Wolff, a.a.O., 151: „Die Korinther sollen also entschlossen die gottesdienstliche Gemeinschaft mit den Gegnern des Apostels aufkndigen“. Zu 6,14 – 7,1 insgesamt anders J. Schrçter, Der versçhnte Versçhner, 338: „Die Intention des Stckes lsst sich […] am besten so bersetzen, dass Paulus die Korinther auffordert, das ihnen von Gott in der Person des Mittlers Paulus angebotene Heil nicht durch heidnischen Lebenswandel aufs Spiel zu setzen“. Auch so lsst sich ein Bezug zur polemischen Situation des 2. Korintherbriefes herstellen: 6,14 – 7,1 macht im parnetischen Vollzug deutlich, dass die Gemeinde nur mit Paulus an der Spitze die Gewhr hat, ihre Integritt als Tempel Gottes bzw. Leib Christi zu bewahren. Denn es oblag ja Paulus und nicht seinen Kritikern, die gefhrlichen Missstnde in der Gemeinde, etwa die fatale Kontamination von Leib Christi und Gemeinde im Kontakt mit Prostituierten, als solche zu erkennen und zu unterbinden. Durch die Parnese 6,14 – 7,1 ruft Paulus der Gemeinde seine Autoritt auch in ethischen Fragen in Erinnerung. Er sagt nicht nur, dass er diese Autoritt hat, er bt sie auch aktuell aus.

„Seine Briefe sind gewichtig und gewaltig“ (2Kor 10,10)

195

Nimmt man die rahmenden Aussagen 6,11 f.; 7,2 f. hinzu, ergibt sich eine stimmige Konstellation von polemischem Subjekt, polemischem Objekt und polemischer Instanz: In 6,11 f.; 7,2 – 4 wird die Beziehung zwischen polemischem Subjekt und polemischer Instanz durch die Betonung der emotionalen Ebene intensiviert. Dabei kommt das noch nicht hergestellte vçllige Einvernehmen (6,12b: stemowyqe?she d³ 1m to?r spk²cwmoir rl_m) so zur Sprache, dass es von vornherein von der Empathie des Paulus fr die Gemeinde (6,11b.12a: B jaqd¸a Bl_m pepk²tumtai 7 oq stemowyqe?she 1m Bl?m) berholt wird. Die unter Rekurs auf das so enge wie exklusive VaterKinder-Verhltnis formulierte Aufforderung an die Gemeinde, die empathische Zugewandtheit des Paulus zu erwidern (6,13: tμm d³ aqtμm !mtilish¸am, ¢r t´jmoir k´cy, pkat¼mhgte ja· rle?r), zieht dann die korrespondierende Aufforderung zur Abwendung von den Unglubigen in 6,14 nach sich, die in der Folge grçßtmçgliches theologisches Gewicht erhlt: Es geht um die Abkehr von allem heidnischen Wandel. Im Blick auf das dann verheißene Mit-Sein Gottes (6,16b–7,1, auch hier das Vater-Kinder-Verhltnis) bezieht sich Paulus mit ein und konstatiert damit im Blick auf die Gemeinschaft mit Gott auch Gemeinschaft zwischen ihm und den korinthischen Christen. Die Beteuerung der eigenen Rechtschaffenheit in 7,2 erscheint nach dem erklrten Bemhen um heiligen Wandel in 7,1 plausibel, und die vorgeschaltete Aufforderung wyq¶sate Bl÷r ist zusammen mit der abermaligen21 Betonung der „Herzensbeziehung“ des Paulus zu den Korinthern (7,3) ein Ansporn, die coram Deo bestehende Gemeinschaft mit dem Apostel nun auch innerlich mitzuvollziehen. Entscheidend ist: Indem die Aufforderung zur Abkehr von den „Unglubigen“ (6,14) in direkten Gegensatz zu der in den Rahmenstcken 6,11 f.; 7,2 – 4 geforderten Hinwendung zu Paulus zu stehen kommt, ergibt sich unwillkrlich eine Affinitt zwischen den %pistoi und den Kritikern bzw. Konkurrenten des Paulus.22 In 21 In 7,3 ist pqoe¸qgja c±q fti 1m ta?r jaqd¸air Bl_m 1ste doch wohl als Rckverweis auf 6,11 f. zu lesen, so Thrall, A Critical and Exegetical Commentary on the Second Epistle to the Corinthians, 482 – 484, nach grndlicher Diskussion der Auslegungsalternativen (Bezug auf 1,4 – 7 oder 5,14). Dagegen spricht auch nicht die anschließende Phrase eQr t¹ sumapohame?m ja· suf/m, die als stehende Wendung nicht theologisch konnotiert ist. „Paul is simply making use of a current motif to underline his own affection for his readers and, by implication, to plead for similar deep friendship on their part“ (484). 22 Anders neuerdings wieder Lepp, Believers and Unbelievers in 2 Corinthians 6:14 – 15, der 2Kor 6,14 – 7,1 mit dem Argument fr interpoliert hlt, dass der Gebrauch von %pistor in der Bedeutung „faithless Christians“ erst seit dem Ende des 1. Jh. nachweisbar sei.

196

Manuel Vogel

2Kor 10 – 13 wird diese Linie dann noch strker ausgezogen. Den Rezipienten wird beim Lesen/Hçren nachtrglich klar, wer in 6,14 (mit)gemeint war, wenn sie die ganze Wahrheit ber die Konkurrenten des Paulus erfahren, dass sie nmlich „Falschapostel“ und „Satansdiener“ sind (11,13.15), der Aussage in 4,4 eingedenk, dass der „Gott dieser Welt“ in den „Unglubigen“ am Werk ist. Das polemische Objekt nimmt im Rezeptionsprozess Gestalt an. Die Rhetorik des Unbestimmten zielt auf Akte der Objektkonstitution auf Seiten der Adressaten. Sie sollen selbst zur Einsicht gelangen, wie dramatisch und gewichtig die anstehende Entscheidung auch im Blick darauf ist, gegen wen es Stellung zu beziehen gilt.

3. Vollkommener Gehorsam – gestrafter Ungehorsam: Die polemische Beziehungsdynamik nach 2Kor 10,6 Das Beziehungsgefge innerhalb der fr den 2. Korintherbrief kennzeichnenden polemischen Situation ist nun im Blick auf das Geflle von Versçhnung (Kap 1 – 7) und Konflikt (Kap 10 – 13) zu untersuchen. Fr ein mçgliches Verstndnis dieser nicht selten als sperrig empfundenen Abfolge23 ist zunchst einmal geltend zu machen, dass innerhalb der polemischen Beziehungskonstellation die Beziehung zwischen polemischem Subjekt und polemischer Instanz auf der einen Seite und polemischer Instanz und polemischem Objekt auf der anderen Seite von einander zu unterscheiden sind. Mit der in 2Kor 7,5 – 16 thematisierten neuen Annherung zwischen Paulus und der Gemeinde, die nach der berbringung des Trnenbriefes durch die Vermittlung des Titus zustande gekommen ist, ist ber die Beziehung der Gemeinde zu den Konkurrenten noch nicht entschieden. Dann ist aber zu erwarten, dass beide Beziehungsebenen auch argumentativ unterscheidbar sind, und zwar dergestalt, dass die Festigung der Beziehung zwischen polemischen Subjekt und polemischer Instanz die Bedingung dafr ist, dass auch die Beziehung der polemischen Instanz zum polemischen Objekt in dieser Weise gestaltet wird. Erst muss die Beziehung zwischen Paulus und der Gemeinde auf eine neue Grundlage gestellt werden – dies leistet die Apologie 23 Auch dort, wo die Abfolge als ursprnglich gilt, rechnet man oft mit neuen Nachrichten aus Korinth, der zunchst beigelegte Konflikt sei wieder aufgebrochen. Paulus habe mit einem weiteren Schreiben, das nun 2Kor 10 – 13 bildet, auf die vernderte Situation reagiert. Vgl. dazu den Forschungsberblick bei Horrell, The Social Ethos of the Corinthian Correspondence, 296 – 312 (Anhang 1 zu „The Painful Letter and the Chronological Order of 2Cor 1 – 9 and 10 – 13“).

„Seine Briefe sind gewichtig und gewaltig“ (2Kor 10,10)

197

des paulinischen Apostolats in Kap 1 – 7 mit dem abschließenden ausfhrlichen Rekurs auf die neue Zuneigung der Gemeinde zu Paulus –, damit in einem zweiten Schritt ein Keil zwischen die Gemeinde und die Konkurrenten getrieben werden kann.24 Hierzu schlgt Paulus nochmals kritische Tçne an, auch der Gemeinde gegenber. Polemische Rhetorik arbeitet, wie sich zeigte, an mehreren Beziehungen. Daraus ergeben sich argumentative, rhetorische und emotionale Konstellationen, die heutigen psychologischen Grundannahmen („man vertrgt sich und alles ist wieder gut“) zunchst zu widersprechen scheinen. Dass das rhetorische Gesamtkonzept des 2. Korintherbriefes in seinem kanonischen Textbestand tatschlich so angelegt sein kçnnte, legt die Formulierung 1m 2to¸l\ 5womter 1jdij/sai p÷sam paqajo¶m, ftam pkgqyh0 rl_m B rpajo¶ in 2Kor 10,6 nahe: Erst dann, wenn der „Gehorsam“ der Korinther gegenber Paulus „zur Vollendung gekommen sein wird“, kann in einem zweiten Schritt jeglicher dann noch verbliebener „Ungehorsam“ ohne Rcksicht geahndet werden. Umgekehrt heißt das: Mit der erneuten Zuwendung25 der Korinther zu Paulus ist der Konflikt noch nicht ausgestanden. Auf die Inklusion der polemischen Instanz in ein stabiles Beziehungsgefge mit dem polemischen Subjekt muss die Exklusion des polemischen Objekts erfolgen. Deshalb ist es kein Widerspruch, wenn Paulus die korinthischen Christen in 7,5 – 16 fr ihr neu gefasstes Vertrauen zu ihm lobt, sie aber im Verlauf der Kapitel 10 – 13 fr ihre mangelnde Distanzierung von den Gegnern hart angeht. 26 Auch hier gilt 24 Vgl. dazu Sumney, Paul’s Use of P²hor, 147 – 160. 25 Von einer endgltigen Versçhnung kann nicht die Rede sein. Mit 1pipºhgsir, aduqlºr und f/kor rp³q 1loO in 7,7 und spoud¶, !pokoc¸a, !cam²jtgsir, vºbor, 1pipºhgsir, f/kor und 1jd¸jgsir in 7,11 wird wortreich eine Wiederannherung mehr beschworen als konstatiert. Ob die let²moia eQr sytgq¸am (7,10) schon geschehen ist, wird gerade nicht gesagt. Die in 7,15 erwhnte rpajo¶ bezieht sich auf die Aufnahme des Titus, auf mehr nicht. Seine Beziehung zu den Korinthern wird dadurch gefestigt, nicht die des Paulus! 26 Vegge, 2 Corinthians – A Letter About Reconciliation, 139, versteht das ganze Stck 7,5 – 17 als „idealized praise with a hortative objective of full reconciliation between Paul and the Corinthians“. Paulus rhmt die anfngliche Versçhnung in hçchsten Tçnen, um die Adressaten zu weiteren Schritten in Richtung einer vollstndigen Beilegung des Konflikts zu bewegen. Fr die Diskussion um Teilungshypothesen zum 2. Korintherbrief bedeutet das: Die in 7,5 – 16 betonte Geneigtheit der Korinther gegenber Paulus steht „not necessarily in contrast to their ,incomplete obedience‘ in 10:6, and cannot be used as an argument for partition theories“. Auch R.F. Hock, Rez. Olbricht, Th.H., Sumney, J.L. (Hg.), Paul and Pathos, 4, hlt die Abfolge 2Kor 1 – 7(9)/10 – 13 mit Thompson, Paul’s Argument, fr ursprnglich: „The Corinthians have responded positively to his letter of tears, but they are still vulnerable to the rival apostles who challenge Paul’s credentials and demeanor.“

198

Manuel Vogel

wieder, dass die vom polemischen Subjekt angestrebte Dissoziation des aktuellen Beziehungsgefges in einen Binnen- und Außenraum erst durch ein entsprechendes Verhalten der Adressaten (Parteinahme fr Paulus, Exklusion der Konkurrenten) zustande kommt. Die Argumentation des Paulus stellt lediglich die Weichen. Das „Mittelfeld“ der Pauluskritiker soll sich verteilen auf diejenigen, die sich von Paulus berzeugen lassen und sich ihm wieder anschließen, andererseits aber auf diejenigen, die Paulus ohne Aussicht auf Verstndigung zu seinen Gegnern zhlt.27 Auch 2Kor 10,6 ist Teil eines Argumentationsgangs, in welchem sich die auf die Aktivierung der Rezipienten zielende Rhetorik des Unbestimmten fortsetzt. Außerdem wird in 2Kor 10,1 – 6 die Verschrnkung von Theologie und Polemik anschaulich. Nach den Kollektenkapiteln, in denen wiederholt „Brder“ involviert waren,28 bringt Paulus in 10,1 mit aqt¹r d³ 1c¾ betont seine eigene Person und Autoritt29 ins Spiel. Zugleich wird damit die briefliche Kommunikation als Modus der Vergegenwrtigung des Verfassers kenntlich: Das Ich des Autors ist das Ich des Paulus, der im Medium des Briefes bei seiner Gemeinde gegenwrtig ist. Schon damit wird der anschließend paraphrasierte Vorwurf (dr jat± pqºsypom l³m tapeim¹r 1m rl?m, !p½m d³ haqq_ eQr rl÷r) relativiert: Auch in der brieflichen Kommunikation ist es kein anderer als Paulus selbst, der sich da zu Wort meldet. Das angesprochene „Ermahnen“ ist außerdem zugleich ein „Bitten“ (V.2), und es geschieht di± t/r pqa`tgtor ja· 1pieije¸ar toO WqistoO, ist also ein Beweis dafr, dass die von den Kritikern behauptete Rollenverteilung des abwesend strengen, anwesend aber „demtigen“ (d. h. servilen30) Apostels so nicht stimmt: Auch in 27 hnlich auch Vegge, Reconciliation, 302: „[T]he collective ,you‘ in 10,6b is best understood as an open invitation to all the Corinthians to be among those who Paul will not punish. The threat in 10,6a of punishing ,every disobedience‘ appears, then, to be a rhetorical device which Paul uses in order to urge as many Corinthians as possible to ,complete obedience‘“. Die „Bestrafung des Ungehorsams“ bezieht sich also nicht auf die definierte Gruppe der Gegner (vgl. dazu die Diskussion bei Aejmelaeus, Schwachheit als Waffe, 70 – 76), sondern auf eine Gruppe, die sich erst noch formieren wird. 28 So Wolff, Der zweite Brief an die Korinther, 195, unter Hinweis auf 8,6.16 – 19.22.24; 9,3 – 5. 29 Mit Bultmann, Der zweite Brief an die Korinther, 184, unter Hinweis auf die hnlichen Formulierungen in 12,13; Rçm 9,3; 15,14; Gal 5,2 und R.P. Martin, 2 Corinthians, 302 (Die Formulierung „gives an air of authority to what follows“). 30 So W. Grundmann, Art. tapeimºr jtk, 17, mit Bezug auf tapeimºr in 2Kor 10,1: Paulus ist „der Vorwurf niedriger Gesinnung und servilen Auftretens gemacht worden“.

„Seine Briefe sind gewichtig und gewaltig“ (2Kor 10,10)

199

seinen Briefen kann er behutsam sein31, und – das wre nun der Umkehrschluss – anwesend auch streng. Diese Mçglichkeit kommt in V.2 allerdings nur als zu vermeidende zur Sprache, zu vermeiden dadurch, dass die nachfolgend (V.4 f.) in ein kriegerisches Bild gefasste Strenge des Paulus ihre Wirkung allein dadurch tut, dass Paulus sie androht. Was seine Kritiker als Widerspruch auffassen, will Paulus also als einen stimmigen funktionalen Zusammenhang verstanden wissen: Gerade weil er in seinem Brief Strenge walten lsst, besteht die Chance, dass der angekndigte dritte Besuch (12,14; 13,1) milde ausfllt. Sein entschlossenes Vorgehen 1p¸ timar to»r kocifol´mour Bl÷r ¢r jat± s²qja peqipatoOmtar kann entfallen, wenn die so bezeichneten Kritiker sich davon berzeugen lassen, dass Paulus trotz seiner unscheinbaren menschlichen Erscheinung (V.3: 1m saqj¸) mit pneumatischer Vollmacht offensiv gegen seine (und Gottes) Widersacher vorzugehen bereit und in der Lage ist. Die „gewissen Leute“, auf die Paulus nicht in direkter Anrede, sondern in dritter Person zu sprechen kommt, bleiben im Blick auf ihre Beziehung zu Paulus im Ungefhren: Spricht Paulus hier von Kritikern, die eines besseren belehrbar sind, oder von seinen Konkurrenten? Die Antwort muss lauten: Die so Bezeichneten entscheiden im Rezeptionsprozess des Briefes selbst darber, in welchem Lager sie zu stehen kommen.32 Die Offenheit der Situation wird dadurch erreicht, dass das in V.4 f. aufgerufene Bildfeld des Krieges33 die Aspekte „Zerstçrung“ und „Gefangennahme“ aktiviert. Beides bezieht sich auf Vorgnge auf der Ebene der Gedanken (kocislo¸, p÷m mºgla), aber eben gegenstzlich: Die „Erwgungen“ (kocislo¸) fallen im Zuge einer Eroberung wie Mauern einer zu erstrmenden Stadt oder Festung der Zerstçrung anheim (4), wogegen „jeder Gedanke“ (p÷m mºgla), auf dessen Konto „aller Hochmut, der sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt“ (p÷m vxyla 1paiqºlemom jat± t/r cm¾seyr toO heoO), „gefangen genommen“ wird, nachdem die Stadt bzw. die Festung geschleift ist, und zwar mit dem Ziel des „Gehorsams gegenber Christus“ (rpajoμ toO WqistoO), gleichsam seiner Reintegration in den Herrschaftsbereich Christi. Der geistliche Kampf des Paulus gegen das in 31 Das trifft auch dann zu, wenn pqa`tgr ja· 1pieije¸a „die von oben kommende richterliche Milde und Barmherzigkeit“ meint, wenn also „Paulus mit seiner Schwurformel auf Christus eben als den im Himmel herrschenden Herrn hinweist“, so Aejmelaeus, Schwachheit als Waffe, 50 (Kursive hinzugefgt), der diese Mçglichkeit diskutiert, sie aber zugunsten eines Bezuges auf den kenotischen Christus zurck weist (50 – 52). 32 Die Referenz in dritter Person indiziert also noch keinen definitiven Ausschluss, wie gegen Wannamaker, „By the Power of God“, 203 f.214, zu betonen ist. 33 Dazu ausfhrlich Gerber, Krieg und Hochzeit in Korinth, 105 – 113.

200

Manuel Vogel

Korinth grassierende, gegen Gott und seinen Apostel gerichtete widersetzliche Denken hat also zwei mçgliche gegenstzliche Wirkungen, eine destruktive und eine konstruktive. Im einen Fall geht es um definitive Exklusion („Zerstçrung“), im anderen um vollstndige Inklusion („Gehorsam“). Diese gegenstzlichen Mçglichkeiten mnden folgerichtig in die Optionen „vollendeter Gehorsam“ oder definitiver „zu strafender Ungehorsam“. Wer wo stehen wird, wenn Paulus nach Korinth kommt, ist zum Zeitpunkt der Abfassung des Briefes noch nicht klar, das Beziehungsgefge der polemischen Situation noch im Fluss. Wer zur polemischen Instanz und wer zum polemischen Objekt gehçren wird, ist noch offen. Diese Offenheit aktiviert die Rezipienten, sich zu positionieren. Zur Rhetorik des Unbestimmten gehçrt, wie bereits anhand von 2Kor 6,14 – 7,1 deutlich wurde, dass sich die relative gemeindliche Binnengrenze und die Außengrenze, die die Gemeinde von der unheilen Welt trennt, perspektivisch ineinander schieben. War mit dem Rekurs auf die %pistoi in 6,14 bereits ein erster Rckbezug auf 4,4 (t± mo¶lata t_m !p¸stym) gegeben, so werden in 10,5 mit cm_sir toO heoO und p÷m mºgla weitere Stichwortverbindungen zu 4,4 sowie zu 4,6 (cm_sir t/r dºngr toO heoO) geknpft. Wieder wird suggeriert, dass mit der Kritik an Paulus die Integritt des Heilsraumes der Gemeinde bedroht ist. Paulus wird bei seinem anstehenden dritten Besuch nicht nur seine eigene Autoritt unter Beweis stellen, sondern damit auch die Gefahr abwenden, dass die Gemeinde – natrlich verschuldet von den Gegnern – dem erkenntnislosen Dunkel des Unglaubens anheim fllt.34 Selbstredend ist die Wirkmacht des Paulus von Gott gegeben (10,4: fpka […] dumat± t` he`), und sie wird fr Gott (d. h. fr die Befçrderung seiner Erkenntnis unter den Menschen) bzw. fr Christus eingesetzt. Daraus folgt, dass jede Kritik an und erst recht jegliche dezidierte Gegnerschaft gegen Paulus in den Bereich des Widergçttlichen gert. In 2Kor 11,1 – 4 unternimmt Paulus nach 4,3 f.; 6,14 – 7,1 und 10,1 – 6 einen weiteren Anlauf in Richtung einer Dmonisierung der Gegner, die in 11,13 – 15 schließlich explizit wird. Fragt man, mit welchen Sachargumenten Paulus diese Dmonisierung theologisch plausibilisiert, drngt sich allerdings der Schluss 34 Zutreffend Wolff, Der zweite Brief an die Korinther, 195, im Anschluss an die Beobachtung, dass Paulus in 10,1 – 6 gehuft die Sprache der Mission verwendet: „Wenn […] nun von Paulus fundamentale Missionstermini und -vorstellungen gebraucht werden, dann ußert sich darin seine berzeugung: Wer sich ihm und seiner Verkndigung widersetzt (wie das die Gegner tun), der muss als Werkzeug des Satans entlarvt werden […], und wer sich von den Antipaulinern beeinflussen lsst […], der muss letztlich neu fr Christus gewonnen werden“.

„Seine Briefe sind gewichtig und gewaltig“ (2Kor 10,10)

201

auf, dass er solche Argumente gar nicht zur Verfgung hat. Je heftiger seine Polemik wird, desto evidenter wird die Drftigkeit ihrer sachlichen Basis.

4. Wie anders ist das andere Evangelium? Polemik ohne Sachgehalt Die exklusive Beziehung zwischen polemischem Subjekt und polemischer Instanz erfordert die vçllige Diskreditierung des polemischen Objekts. Angesichts der weitgehenden hnlichkeiten zwischen Paulus und seinen Gegnern nach Herkunft und Selbstverstndnis – es handelte sich, soweit die paulinische Darstellung erkennen lsst, um judenchristliche „Apostel“ im „Dienste Christi“ (11,13.21 – 23) – wre eine umso schrfere Profilierung der alles entscheidenden Unterschiede zu erwarten, die die der Gemeinde zugemutete Entscheidung zwischen Paulus und seinen Kontrahenten theologisch rechtfertigte. Dies unterbleibt aber im gesamten 2. Korintherbrief. Selbst in dem theologisch so gehaltvollen dritten Kapitel des 2. Korintherbriefes scheint der „Mose“ zugeschriebene „Dienst des Todes“ bzw. „des Buchstabens“ lediglich eine polemische Chiffre zu sein, eine dunkle Folie fr die apologetische Selbstdarstellung, die den wesensmßigen Gegensatz zwischen gegnerischer und paulinischer Theologie eher schlagwortartig behauptet als theologisch begrndet. Auch in den Kapiteln 10 bis 13 sucht man vergeblich nach einem wirklichen theologischen Dissens zwischen Paulus und den Kontrahenten, so wie er sich etwa im Galaterbrief so deutlich fassen lsst. Die Rede von der „Verkleidung“ der falschen Apostel in echte bzw. der Satansdiener in Diener Christi in 11,13.15 (letaswglat¸fy) liest sich wie ein Zugestndnis an die faktische weitgehende Nichtunterscheidbarkeit der Gegner von Paulus. Der fundamentale Unterschied kann nicht begrndet, er muss polemisch behauptet werden. Dies ist nun abschießend anhand des kurzen Abschnitts 11,1 – 4 zu zeigen. V.1a evekom !me¸wesh´ lou lijqºm ti !vqos¼mgr markiert, neu einsetzend, den Beginn der sog. Narrenrede. Die zunchst als unerfllbarer Wunsch35 stilisierte Aussage wird 11,16 (p²kim k´cy) wieder aufgenommen und gibt mit dem Stichwort !vqos¼mg die Perspektive vor, aus der das Folgende gelesen werden will, nmlich als ein notgedrungenes sich Einlassen des Paulus auf die falschen Maßstbe der Gemeinde. V.1b relativiert das Irreale des Wunsches dahingehend, dass die Gemeinde Paulus selbst36 (lou) 35 So die meisten Ausleger und BDR § 392, 1 Anm. 2. 36 Er „redet hier noch in vollem Ernst; die Maske des %vqym hat er noch nicht umgelegt“, so Windisch, Der zweite Korintherbrief, 318.

202

Manuel Vogel

jedenfalls „ertrgt“. V.2 nennt nicht die rechtmßige Begrndung fr solches Ertragen,37 sondern gleichsam eine Erfahrungstatsache, die Paulus zu solcher Gewissheit ermchtigt: Sein Mhen um die Gemeinde lsst diese sich ja immerhin gefallen, und wenn sie sich auch von den Gegnern bisher nicht distanziert hat, so ist doch auch ein Bruch mit Paulus nicht erfolgt. Man hçrt ihm noch zu. Dieses Mhen wird nun freilich bar jeder anfnglichen Bescheidenheit mit dem „Eifer Gottes“ gleichgesetzt. Des Paulus fgkoOm heoO f¶k\, das das atl. Motiv vom „eifernden Gott“ um seine Alleinverehrung aufruft, lsst sein „Handeln […] als Durchsetzung des gçttlichen Anspruchs an die Menschen“38 erscheinen. Die polemische Spitze gegen die Kontrahenten klingt hier bereits an: Paulus „will es nicht zulassen, dass die Gemeinde seinen Widersachern verfllt; deren Wirken versteht er also als ein letztlich auf den Abfall von Gott ausgerichtetes“39. Schon im Alten Testament besteht eine Verbindung zwischen dem „Eifer“ Jahwes und dem Bild der Ehe zwischen Gott und Volk. Paulus wendet dieses Bild auf Christus, spricht aber nicht von Hochzeit, sondern von Verlobung. Sich selbst misst er die Rolle des Brautfhrers zu, der die Gemeinde als Braut Christus als dem Brutigam „zufhrt“ bzw. „prsentiert“. Damit ist ein eschatologischer Akzent gesetzt, denn zur Begegnung zwischen Braut und Brutigam kommt es erst bei der Parusie, und nicht eher endet auch die exklusive Stellung des Paulus als „Brautfhrer“. Dieser Stellung korrespondiert die Exklusivitt des von Paulus verkndigten Christus als des „einen“ Mannes (eXr !m¶q), zu welchem die gegnerische Verkndigung eines „anderen Jesus“ in unversçhnlichen Widerspruch gert. Die Gegner agieren dann eo ipso als „Verfhrer“ wie einst die Paradiesesschlange. Sie bedrohen die „jungfruliche Reinheit“ (V.2b) der Braut. Ihre charakterliche Diskreditierung wird durch den Vergleich mit der pamouqc¸a der Schlange gleich mit erledigt. Die verfhrerische Agitation wird in Ergnzung zum „anderen Jesus“ schlagwortartig als Vermittlung eines „anderen Geistes“ und eines „anderen Evangeliums“ charakterisiert, und zwar in dreifach betontem Gegensatz zum Wirken des Paulus (jgq¼sseim, auf Seiten der Gemeinde: kalb²meim, d´weshai). Warum aber „frchtet“ Paulus, die Gemeinde kçnnte von Christus weg verfhrt werden? Weil sie sich gegenber den Kontrahenten genauso verhlt wie gegenber Paulus auch: Sie „ertrgt“ sie. Sie lsst sich das Eifern 37 So aber Bultmann, Der zweite Brief an die Korinther, 202, c²q in V.2a mit „das ist auch recht, denn […]“ paraphrasierend. 38 Gerber, Krieg und Hochzeit, 115; zu 11,1 – 4 insgesamt ausfhrlich a.a.O., 113 – 123. 39 Wolff, Der zweite Brief an die Korinther, 211.

„Seine Briefe sind gewichtig und gewaltig“ (2Kor 10,10)

203

des Paulus genauso gern gefallen wie die verfhrerische Agitation der Gegner mit ihrem anderen Christus, Geist und Evangelium. Das Verb !m´weshai bildet somit eine Klammer um den Abschnitt 11,1b–4, der eine konzentrische Struktur aufweist: a b c voboOlai d´ d verfhrte Eva c’ Gegner: Anderer Jesus b’ !m´weshe a’ !m´weshe

Paulus: Ein Mann reine Jungfrau

Die Identitt der Gegner verbleibt mit der Phrase eQ l³m c±q b 1qwºlemor in doppelter Hinsicht im Ungefhren: Erstens wird, was lngst eingetreten ist, durch die konditionale Formulierung als bloße Mçglichkeit eingefhrt, und außerdem werden ebenso wenig wie mit den vorgenannten Anspielungen auf „gewisse Leute“ die Gegner persçnlich fassbar. Dem partizipialen b 1qwºlemor kann man allenfalls entnehmen, dass die Gegner von außen in die Gemeinde gekommen sind, etwa als Wandermissionare. Doch lsst die Formulierung die Mçglichkeit zu, dass Personen aus dieser Gruppe sich der Autoritt des Paulus unterordnen und dann eben nicht „anders“ verkndigen. Wiederum klren sich die Fronten erst im Rezeptionsprozess. Ob man auf der Seite der „Verfhrung“ zu stehen kommt, entscheidet sich ausschließlich an der bereinstimmung mit der paulinischen Predigt. Liegt diese bereinstimmung vor, gibt es keinen legitimen Grund, die Autoritt des Paulus als Grndungsapostel zu bestreiten. Wo sich Widerspruch regt, geht dieser voll zu Lasten der Widersprechenden, die sich allein dadurch, dass sie sich gegen Paulus stellen, als Akteure der Verfhrung zu erkennen geben. Obwohl Paulus in 2Kor 11,1 – 4 fundamentale Differenzen zwischen seiner und der gegnerischen Verkndigung ins Feld fhrt, wird nicht expliziert, worin diese Differenzen genauer bestehen. Die Grçßen %kkor YgsoOr, pmeOla 6teqom und eqacc´kiom 6teqom sind polemische Schlagworte, mehr nicht.40 Vergleicht man die verwandte Formulierung Gal 1,6 letat¸40 Zu den zahlreichen Versuchen, die hinter 2Kor 11,4 stehenden gegnerischen Anschauungen zu rekonstruieren, vgl. Murphy-O’Connor, Another Jesus, 238 – 251 sowie den kurzen berblick bei Wolff, Der zweite Brief an die Korinther, 214 und den Exkurs zu 2Kor 11,4 bei Thrall, A Critical and Exegetical Commentary, 667 – 670. Aber wenn es Paulus auf theologische Differenzen ankam, warum werden diese

204

Manuel Vogel

heshe […] eQr 6teqom eqacc´kiom in Verbindung mit Gal 1,8 ja· 1±m Ble?r C %ccekor 1n oqqamoO rl?m eqaccek¸fgtai paM f eqgccekis²leha rl?m, !m²hela 5sty, so fllt die Einmndung des Gedankens von 2Kor 11,4 in das ironische jak_r !m´weshe auffllig schwach und konturlos aus. Paulus hat hier gar

keine theologischen Differenzen auszufechten, sondern seine persçnliche Position in einer polemischen Situation zu festigen. Es gilt, die im kontrren !m´weshai greifbare Indifferenz der Adressaten zu berwinden und sie auf ihre Rolle als polemische Instanz mit Paulus als polemischem Subjekt einzuschwçren. Hinter der in 11,4 namhaft gemachten Sachdifferenz verbirgt sich also wieder nur die in Korinth anhngige Personalie, die Paulus in seinem Sinne entscheiden will.

5. Schluss Polemik ist im 2. Korintherbrief als Strukturmerkmal einer kommunikativen Situation zu fassen, auf die mit den Mitteln brieflicher Rhetorik so eingewirkt werden soll, dass die Adressaten als polemische Instanz die vom Briefverfasser als dem polemischen Subjekt forcierte Konstruktion und Exklusion des polemischen Objekts in Gestalt der Paulusgegner nachvollziehen. Polemisches Thema ist die Legitimitt, Autoritt und Exklusivitt des paulinischen Apostolats, d. h. im Falle des 2. Korintherbriefes thematisiert das polemische Subjekt sich selbst. Durchweg geht es im 2. Korintherbrief um die Person des Paulus, der seine Beziehung zur korinthischen dann im 2. Korintherbrief nicht namhaft gemacht? Wolff, a.a.O., vermutet mit Blick auf den „anderen Jesus“, dass der Gekreuzigte bei den Gegnern nicht die fr Paulus zentrale Rolle gespielt habe, meint dann aber einschrnkend: „Man wird nicht dahinter zurckfragen kçnnen, nach einer fr die Antipauliner besonderen Jesusverkndigung; es bleibt unsicher, ob sie eine solche berhaupt hatten“. Damit schließt er sich der Auffassung von Bultmann, Der zweite Brief an die Korinther, 204 an: „[D]ie Formulierung zwingt berhaupt nicht, an bestimmte dogmatische christologische Lehren zu denken, und gegen solche polemisiert Paulus ja berhaupt nicht. Die Bestreitung des paulinischen Apostolats und die Anmaßung eines falschen Apostolats (V.13 – 15) bedeutet fr ihn schon eine Verflschung des Evangeliums“. Dieser letzte Satz lsst sich m. E. auf alle drei genannten Grçßen (Jesus, Geist, Evangelium) anwenden. In jedem Fall gilt: „A careful reading of 2 Cor. 10 – 13 discloses very little about the group’s theology“, so Bash, A Psychodynamic Approach to the Interpretation of 2 Corinthians 10 – 13, 60 f. Sein psychologisierender Deutungsversuch, Paulus richte seine Aggressionen gegen die korinthische Gemeinde, weil ihm die Gegner aufgrund seiner Unkenntnis ihrer theologischen Position nicht als Aggressionsobjekt zur Verfgung standen, vermag freilich nicht zu berzeugen.

„Seine Briefe sind gewichtig und gewaltig“ (2Kor 10,10)

205

Gemeinde in einer akuten Krisensituation neu zu begrnden und gegen konkurrierende Ansprche und fundamentale Kritik zu verteidigen sucht. Polemik war daher als Phnomen des 2. Korintherbriefes insgesamt in den Blick zu nehmen und nicht in Beschrnkung auf Passagen, in denen Paulus seine Kritiker und Gegner direkt angreift. Deutlich wurde, dass Paulus das polemische Objekt nicht starr definiert, sondern dessen Konstituierung den Adressaten berlsst. So differenziert die Kriegsmetaphorik in 10,1 – 6 zwischen „niederzureißenden Mauern“ einerseits und „Gefangenen“, die aufs neue der Autoritt Christi unterstellt werden sollen, andererseits. Zu welchen Teilen und bei wem diese Metaphorik eine „destruierende“ oder aber „integrierende“ Wirkung entfaltet, wird dem Rezeptionsprozess anheim gestellt. Die von den Rezipienten zu treffende Entscheidung zwischen Paulus und den Gegnern wird dadurch dramatisiert, dass Paulus in einer Rhetorik des Unbestimmten die geforderte Distanzierung von den Gegnern und die theologisch eingeschrfte Distanzierung von der Sphre des Unglaubens auf eine Weise perspektivisch in einander schiebt, dass beides nicht mehr scharf zu trennen ist. Dies war in 6,14 – 7,1 ebenso zu beobachten wie in 10,1 – 6 (Wiedergewinnung der Gemeinde in der Sprache der Mission) und 11,1 – 4 (Parteinahme der Gemeinde fr die Gegner als drohender „Sndenfall“). Ein Blick auf die Frhphase des Konflikts im 1. Korintherbrief anhand des Passus 1Kor 3,5 – 17 zeigte beispielhaft, wie tief greifend der paulinische Versuch, seine Machtposition zu sichern, die theologische Argumentation bestimmt, ja, dass der exklusive Anspruch des Paulus unmittelbar Theologie generiert. Dass 1Kor 3,15 die Unterscheidung von Person und Werk im Endgericht konzediert, 2Kor 11,15 dagegen zur ultima ratio der Dmonisierung greift, ist allein den unterschiedlichen Konfliktlagen beider Passagen geschuldet. Apollos in 1Kor 3 davon kommen zu lassen, die Gegner von 2Kor 11 dagegen zu verteufeln, ist eine kirchenpolitische Entscheidung, die theologisch fundiert werden muss, nicht aber eine theologische Einsicht, die der kirchenpolitischen Durchsetzung bedarf. Dass der Konflikt im 2. Korintherbrief wenig theologische Substanz hat, lsst der Schlagwortcharakter der in 2Kor 11,4 formulierten Dissenspunkte erahnen. Bemerkenswert ist ja, dass Paulus auch dort, wo es um nichts Geringeres geht als um die Nichtigkeit des Glaubens (1Kor 15,15) oder das drohende Verderben des Bruders, fr den Christus gestorben ist (1Kor 8,11), ganz ohne Polemik auskommen kann. Weder die innergemeindlich konflikttrchtige Opferfleischproblematik noch das theologisch grundlegende Auferstehungsthema lassen Figuren der polemischen Exklusion bestimmter Personen erkennen. Hermeneutisch ergibt sich im Blick auf den polemi-

206

Manuel Vogel

schen Grundzug des 2. Korintherbriefes ein ethisches Problem.41 Wird der Theologie dieses Briefes ihr durchgngiges Machtinteresse in Rechnung gestellt, erscheint eine kritische Distanz ratsam, die das paulinische Argument nicht immer schon sachlich im Recht whnt. Zu fragen ist etwa, ob Paulus nicht die Kreuzestheologie des 1Kor in 2Kor 10 – 13 unterboten hat bzw. hinter sie zurck gefallen ist und notwendig zurck fallen musste, wenn er sich in Korinth durchsetzen wollte.42 Die Pointe der Kreuzestheologie in 1Kor 1 – 4 ist nmlich ein tatschlicher Machtverzicht, den Paulus unter Hinweis auf das gçttliche Erwhltsein derer, die nichts gelten (1Kor 1,28), den korinthischen Oberschichtchristen zumutet, eine ethische Figur, die sich durch den ganzen Brief zieht. Im 2. Korintherbrief steht dagegen die Dialektik von Schwachheit und Kraft im Interesse des persçnlichen Machterhalts des Paulus. Derlei Kritik versteht sich nicht destruktiv, noch mag sie sich ber ihren Gegenstand stellen. Ihr Interesse haftet vielmehr an den zahlreichen Teilen des paulinischen Gedankenbaus, die – ¢r di± puqºr – der rhetorischen Dekonstruktion stand halten.

Literatur Aejmelaeus, L., Schwachheit als Waffe. Die Argumentation des Paulus im „Trnenbrief“ 2.Kor. 10 – 13, Helsinki/Gçttingen 2000. Amador, J.D.A., Revisiting 2 Corinthians: Rhetoric and the Case for Unity, in: NTS 46 (2001), 92 – 111. Bachmann, Ph., Der erste Brief des Paulus an die Korinther (KNT VII), Leipzig 19102. Bash, A., A Psychodynamic Approach to the Interpretation of 2 Corinthians 10 – 13, in: JSNT 83 (2001), 51 – 67. 41 Zur ethischen Problematik verbaler Polemik in der Antike vgl. ausfhrlich Lampe, Gewaltige Worte werden gewaltttig, 239 – 242: Verbale Angriffe und physische Gewalt konnten strafrechtlich gleichgestellt werden. 42 Dagegen gesteht Lampe, Gewaltige Worte, 244 Anm. 74, Paulus zu, er habe mit seiner Stellung in der korinthischen Gemeinde auch und vor allem seiner Kreuzestheologie bleibende Geltung verschaffen wollen: „Beide Faktoren, Paulus’ persçnliche Autoritt und das wahre Evangelium, waren in seiner Vorstellung, wie es scheint, unlçslich verbunden; in der Tat vertrat er als einziger in seiner Zeit, soweit wir sehen, eine dezidierte theologia crucis. Mit anderen Worten, wenn er seinen Einfluss in Korinth verlçre, schlgen die Korinther zugleich das ,Wort vom Kreuz‘ mitsamt allen Implikationen einer christlichen Kreuzesexistenz in den Wind; so schtzte er die Lage ein. Fr ihn beschwor das Ablehnen seiner Autoritt und damit auch einer theologia crucis eine Situation herauf, in der selbst verbale Aggression zum Verteidigen von beidem erlaubt war“.

„Seine Briefe sind gewichtig und gewaltig“ (2Kor 10,10)

207

Barnett, P., Paul, apologist to the Corinthians, in: Burke, T.J., Elliott, J.K. (Hg.), Paul and the Corinthians. Studies on a community in conflict (FS M. Thrall) NT.S 109, Leiden 2003. Bultmann, R., Der zweite Brief an die Korinther (KEK Sonderband), Gçttingen 19872. Bosenius, B., Die Abwesenheit des Apostels als theologisches Programm (TANZ 11), Tbingen 1994. Dunn, J.D.G., Christianity in the Making. Volume 2: Beginning from Jerusalem, Grand Rapids/Cambridge 2009. Gerber, C., Paulus und seine ,Kinder‘. Studien zur Beziehungsmetaphorik der paulinischen Briefe (BZNW 136), Berlin 2005. Gerber, C., Krieg und Hochzeit in Korinth, in: ZNW 96 (2005), 99 – 125. Grundmann, W., Art. tapeimºr jtk., in: ThWNT 8 (1990)3. Heinrici, C.F.G., Der erste Brief an die Korinther (KEK 5. Abt.), Gçttingen 18963. Horrell, D.G., The Social Ethos of the Corinthian Correspondence, Edinburgh 1996. Johnson, L.A., Satan Talk in Corinth: The Rhetoric of Conflict, in: BTB 29 (1999), 145 – 155. Kluge, F., Etymologisches Wçrterbuch der deutschen Sprache, Berlin 198922. Lampe, P., Gewaltige Worte werden gewaltttig: Verbalkrieg aus der Ferne im Zweiten Korintherbrief als Kompensation kraftlosen persçnlichen Auftretens?, in: Theißen, G., Gemnden, P. von (Hg.), Erkennen und Erleben: Beitrge zur psychologischen Erforschung des frhen Christentums, Gtersloh 2007, 231 – 246. Lausberg, H., Handbuch der literarischen Rhetorik, Stuttgart 19903. Lepp, O., Believers and Unbelievers in 2 Corinthians 6:14 – 15, in: Mustakallio, A. (Hg.), Lux Humana, Lux Aeterna (FS L. Aejmelaeus), Helsinki/Gçttingen 2005. Martin, R.P., 2 Corinthians (WBC 40), Dallas 1986. Mitchell, M., Art. Korintherbriefe, in: RGG4 4 (1988), 1687 – 1694. Murphy-O’Connor, J., Another Jesus (2Cor 11,4), in: RB 97 (1990), 238 – 251. hler, M., Barnabas (BG 12), Leipzig 2005. Schrage, W., Der erste Brief an die Korinther. 1Kor 1,1 – 6,11 (EKK VII/1), Neukirchen-Vluyn/Zrich 1991. Schrage, W., Der erste Brief an die Korinther. 1Kor 15,1 – 16,24 (EKK VII/4), Neukirchen-Vluyn/Zrich 1991. Schrçter, J., Der versçhnte Versçhner. Paulus als Mittler im Heilsvorgang (TANZ 10), Tbingen 1993. Stauffer, H., Art. Polemik, in: Historisches Wçrterbuch der Rhetorik 6 (2003), 1403 – 1415. Stenzel, J., Rhetorischer Manichismus. Vorschlge zu einer Theorie der Polemik, in: Worstbrock, F.J., Koopmann, H. (Hg.), Formen und Formgeschichte des Streitens. Der Literaturstreit, Tbingen 1986, 3 – 11. Sumney, J.L., Paul’s Use of P²hor Arguments against the Opponents of 2 Corinthians, in: Olbricht, Th. H., Sumney, J.L. (Hg.), Paul and Pathos (SBL Symposium Series 16), Atlanta 2001, 147 – 160.

208

Manuel Vogel

Thompson, J.W., Paul’s Argument from Pathos in 2 Corinthians, in: Olbricht, Th. H., Sumney, J.L. (Hg.), Paul and Pathos (SBL Symposium Series 16), Atlanta 2001, 127 – 145. Thrall, M., A Critical and Exegetical Commentary on the Second Epistle to the Corinthians, Edinburgh 1994. Tschackert, P., Art. Polemik, in: RE 15 (1904), 508 – 513. Vegge, I., 2 Corinthians – A Letter About Reconciliation (WUNT 2/239), Tbingen 2008. Wannamaker, C.A., „By the Power of God“. Rhetoric and Ideology in 2 Corinthians 10 – 13, in: Gowler, D.B. u. a. (Hg.) Fabrics of discourse (FS V.K. Robbins), Harrisburg/London/New York 2003, 194 – 221. Welborn, L.L., Paul’s Appeal to the Emotions in 2 Corinthians 1.1 – 2.13; 7,5 – 16, in: JSNT 82 (2001), 31 – 60. Windisch, H., Der zweite Korintherbrief (KEK 6), Gçttingen 19249. Wire, A.C., „Since God is One“: Rhetoric as Theology and History in Paul’s Romans, in: Malborn, E.S., McKnight, E.V. (Hg.), The New Literary Criticism and the New Testament (JSNT Suppl. Ser. 109), Sheffield 1994. Wolff, Ch., Der zweite Brief an die Korinther (ThHK 8), Berlin 1989.

Gçtzendiener, Tempelruber und Betrger. Polemik gegen Heiden, Juden und Judenchristen im Rçmerbrief Friedrich Wilhelm Horn 1. Polemik im Rçmerbrief – Einfhrung „In der klassisch-antiken Rhetorik existiert keine eigene Gattung P., wohl aber bestimmte Systemstellen, an denen sich Anweisungen fr polemische Texte finden: so im Kontext der Lob- und Tadelrede oder im Zusammenhang der Gerichtsrede; schließlich innerhalb der Lehre von den Redeteilen, zu denen auch die Widerlegung der Gegenmeinung gehçrt.“1 Solche polemischen Texte werden blicherweise und verallgemeinernd auch als eine Invektive angesprochen, obwohl der lateinische Begriff invectiva in der Antike erst seit dem 4. Jh. n. Chr. belegt ist. Im eigentlichen Sinn handelt es sich bei dieser um eine Schmhung einer Person, die sowohl als Teil eines grçßeren Werkes als auch selbststndig, etwa als Gedicht, erscheinen kann. Wolf-Lder Liebermann hat hierzu den Forschungsstand jngst dargestellt und ihr Vorkommen in der klassischen Literatur verfolgt. Wesentlich sind der Bezug zu Lob und Tadel und die mittels der Kontrastbildung gegebene Zuordnung zu einem Wertekodex. Fr Liebermann bleibt allerdings unbefriedigend, „daß weder die konkrete Intentionalitt der I. erfaßt wird, noch die spezielle Form der Identifikation Bercksichtigung findet, welche fr das Publikum angestrebt wird. Im Fall der I. bernimmt der Hçrer/Leser zugleich die Funktion des Richters.“2 Als eine spezielle Ausdrucksform innerhalb der Invektive spricht Severin Koster die Polemik an, in der die Auseinandersetzung in erster Linie der Sache und nicht der Person gilt. Gehe die Polemik allerdings zur ausflligen Anklage gegen die individuellen Vertreter der Sache vor, dann gerate sie leicht in eine bedenkliche Nhe zur 1 2

Braungart, Art. Polemik, 1440. Liebermann, Art. Invektive, 1050. Außerdem: Koster, Die Invektive in der griechischen und rçmischen Literatur. Einen Forschungsberblick bietet Koster, Die Invektive in der griechischen und rçmischen Literatur, 1 – 6.

210

Friedrich Wilhelm Horn

Verbalinjurie.3 Im Blick auf die Verwendung der Invektive in christlicher Literatur betont Liebermann wiederum die Verknpfung von ideologischgruppenspezifischer und persçnlicher Schmhung. Freilich geht Liebermann in seinem Beitrag nicht ausfhrlich auf frhchristliches Schrifttum ein, das seit Justins jat± pas_m aRq´seym, vor allem aber seit Irenus 5kecwor ja· !matqopμ t/r xeudym¼lou cm¾seyr ausgeprgt polemische Literatur produziert.4 In der Exegese der neutestamentlichen Texte spielen Polemik und – in Verbindung mit ihr – vermeintliche Gegnerrekonstruktionen eine grundlegende Rolle, was bislang keinesfalls hinreichend gewrdigt wurde. Ob es immer die neutestamentlichen Autoren sind, die den Gemeinden mit Polemik begegnen, oder ob es die Exegeten sind, die in der vermeintlichen Gegnerpolemik ein probates Mittel zur Profilierung der Autorenintention erkannt haben, sei einstweilen dahingestellt. Leicht ließe sich ein berblick erstellen, der fr jeden Brief des Neuen Testaments eine oder bisweilen auch mehrere Gegnerschaften benennt, denen sich die jeweiligen Verfasser gegenbergestellt sahen. Aber auch die Evangelien und die Sendschreiben der Offenbarung des Johannes wren in dieser Hinsicht auszuwerten. Die spezifische Intention der Briefe wird zumeist gerade durch die Verarbeitung und Abweisung der gegnerischen Position gefunden, die damit zur Profilierung der apostolischen Botschaft erst beitrugen. Man wird zugleich vermuten drfen, dass die Verfasser der Briefe auch ihrerseits dazu beitragen, solche Gegnerentwrfe bewusst zu profilieren, und sei es durch absichtsvolle Verzeichnung, um der eigenen Position somit Eindringlichkeit zu verleihen und eine Entscheidungssituation zwischen den jeweiligen Entwrfen zu provozieren. Wer in dieser Gesprchslage eine Mehrheits- oder Minderheitenposition vertritt, wer als Exponent einer Gemeinde auftritt oder wer ihr gegenbersteht, wer, um es in klassischer Weise zu formulieren, Hresie und wer Orthodoxie vertritt, das ist fr den unmittelbaren Abfassungszeitraum der Briefe gelegentlich schwer zu entscheiden.5 Der Verfasser der Johannesoffenbarung scheint den in den Sendschreiben angesprochenen Gemeinden eher mit einer Einzelstimme gegenberzustehen. Seine Pole3 4 5

Koster, Die Invektive in der griechischen und rçmischen Literatur, 30 f. Einen knappen berblick bietet Tschackert, Art. Polemik II. Geschichte und Litteratur. Außerdem: Jacobsen, Ulrich, Brakke (Hg.), Critique and Apologetics. Vgl. die forschungsgeschichtlich knappen, aber interessanten Bemerkungen bei Becker, Paulus, 4. Ausfhrlich: Berger, Die impliziten Gegner. Zur Methode des Erschließens von Gegnern in neutestamentlichen Texten; Sumney, Identifying Paul’s Opponents; zuletzt zum Thema: Theißen, Die Gegenmission zu Paulus in Galatien.

Gçtzendiener, Tempelruber und Betrger

211

mik, stereotyp mit !kk± 5wy jat± soO eingeleitet, belegt die Theologie der Gemeinden mit hresiologischem Inventar und verknpft die eigenen Aussagen mit Droh- und Gerichtsworten. Ich mçchte im Folgenden Braungarts Hinweis aufnehmen und fragen, ob auch im Rçmerbrief die zweifelsfrei vorhandenen polemischen Aussagen an solchen Schaltstellen des Briefs begegnen und welche Funktion sie gegebenenfalls dort einnehmen. Dabei soll am Begriff Polemik an sich zunchst nicht viel liegen, da er keine gattungsspezifische Prgung impliziert. Als polemischer Text soll, im Sinne eines Sammelbegriffs, angesehen werden, was als ausfllige Schmhrede gegen eine Sache oder eine Person oder mehrere Personen bzw. eine Gruppe vorgetragen wird. Ein besonderes Augenmerk muss dabei auf der Wahrnehmung der formalen Gestalt und des verwendeten Vokabulars der Polemik liegen. Es ist etwa zu fragen, ob die konkrete Polemik gattungsmßige Anleihen in der alttestamentlich-jdischen Gerichtsrede oder in griechisch-rçmischen Vorgaben macht oder ob sie wesentlich von aktuellen Erfahrungen geprgt ist. Insbesondere ist auf die breit bezeugte Polemik gegenber paganer Lebensweise in jdischen Quellen der hellenistisch-rçmischen Zeit zu achten, in deren Bahnen sich die urchristliche Verkndigung bewegte.6 Ein Vergleich mit der Abfassungssituation des Briefs an die galatischen Gemeinden soll zunchst die vçllig andere Ausgangssituation des Briefs an die rçmischen Christen verdeutlichen. Die Kommunikationssituation im Galaterbrief ist dadurch bestimmt, dass Paulus Grnder der Gemeinden ist, zwischenzeitlich ber deren Situation nach seiner Abreise durch Informanten Kenntnis erhalten hat und jetzt in seinem Brief an die Gemeinden auf die strittigen Punkte eingeht, die mittlerweile zwischen ihm als dem Gemeindegrnder, der Gemeinde und den anderen Missionaren, die wiederum gegen Paulus vorgehen, bestehen. Die oftmals mit Recht angesprochene polemische Argumentation des Galaterbriefs verdankt sich dieser Ausgangssituation.7 Mit dem Rçmerbrief hingegen tritt Paulus einer Gemeinde gegenber, die er nicht gegrndet hat und die er bislang auch nicht besucht hat (Rçm 1,13). Die sog. Nicht-Einmischungsformel, an die Paulus sich grundstzlich gebunden weiß, nmlich das Evangelium nur dort zu predigen, wo der Name Christi noch nicht bekannt ist (Rçm 15,20b), hat den Apostel in der Ver6 7

Informationsreich ist in dieser Hinsicht die Arbeit von Woyke, Gçtter, ,Gçtzen‘. Frey, Galaterbrief, 207 f. Wischmeyer, Die paulinische Mission als religiçse und literarische Kommunikation, spricht vom Galaterbrief als von einem Kampfbrief, in dem die Polemik vorherrsche (117).

212

Friedrich Wilhelm Horn

gangenheit davon abgehalten, nach Rom zu kommen. Diese Formel begrenzt berdies die Mçglichkeiten seiner gegenwrtigen Einflussnahme auf die Gemeinden erheblich. Es ist eine wesentliche Nebenabsicht des Rçmerbriefs, sich als Apostel und seine Theologie vorzustellen, auch gegenber mçglichen Verzerrungen, die Rom bereits erreicht haben. Diese Selbstvorstellung soll auch der erhofften Beteiligung der rçmischen Christen an der geplanten Spanienmission dienen (Rçm 15,24), aber sie kann nicht auf diesen Zweck begrenzt werden. Dem Rçmerbrief ist ber weite Strecken, wenn auch nicht durchgehend, der Charakter einer grundlegenden theologischen Abhandlung eigen. Die Charakterisierungen seines Inhalts als Testament, theologischer Traktat oder als Summe des Evangeliums haben dies zum Ausdruck gebracht. Der Rçmerbrief ist, so Michael Theobald im Blick auf den Galaterbrief, „eine Wiederaufnahme jener Kampfepistel unter neuen Bedingungen“.8 Die polemische Situation des Galaterbriefs, die direkte Konfrontation mit Gegnern und Gemeinde liegt bereits zurck. Auch dies will bedacht sein, um nicht die polemische Kommunikationssituation des Galaterbriefs in den Rçmerbrief zu bertragen. Polemische Ausflle gegen konkrete, mçglicherweise innerhalb der Gemeinde auftretende oder sie doch bald bedrohende Personen bietet der Rçmerbrief ausschließlich in Rçm 16,17 – 20a. Die Stellung und die Aussage dieses Textes im Postskript des Briefes (Rçm 16,1–23) gibt allerdings mehrfach Interpretationsprobleme auf. Literarkritisch ist die Positionierung dieser „Ketzerpolemik“9 zwischen den Schlussgrßen (Rçm 16,3 – 16.21 f.) und dem Gnadenwunsch (Rçm 16,20b) umstritten. Die Sachaussage des Textes steht auf den ersten Blick in keiner Relation zur Botschaft des Rçmerbriefs. Daneben begegnen polemische Aussagen in der einleitenden, argumentativen Entfaltung des Briefthemas (Rçm 1,16f.) in Rçm 1,18–3,20 zunchst im Kontext einer Gerichtsrede gegen die Heiden (Rçm 1,18–32), sodann darauf Bezug nehmend und diese Rede fortschreibend, innerhalb der Gerichtsrede gegen die Juden (Rçm 2,17–24) sowie abschließend in einem Schlusspldoyer (Rçm 3,9–20), in dem die vorangegangenen Anklagen aufgenommen und nochmals gegenber beiden Gruppen, Juden und Heiden, verschrft und in ein Urteil gefasst werden. Diese genannten Texte sind mehrfach Gegenstand ausfhrlicher und grndlicher Untersuchungen 8 9

Theobald, Der Rçmerbrief, 114. Theobald, Der Rçmerbrief, spricht im Blick auf Rçm 16,17–20a vom ,Ketzerschluss‘ (19).

Gçtzendiener, Tempelruber und Betrger

213

gewesen und vor allem in den neueren Kommentaren zum Rçmerbrief 10 ausfhrlich besprochen worden. Daher kann im Folgenden auf vieles verwiesen werden. Diese Texte sollen in diesem Beitrag hier recht ausschließlich auf ihr direkt polemisches Inventar untersucht werden.

2. Die Polemik gegen pagane Lebensweise in Rçm 1,18–32 Der Text11 hat eine klare Disposition12 : 1,18

These

Offenbarung des Zornes Gottes

1,19–20

Begrndung

Verweigerung der Gottesverehrung

1,21–23

1. Beleg

Gçtzendienst

1,24

Reaktion Gottes

Auslieferung in Unreinheit in Form sexueller Fehlorientierung

1,25

2. Beleg

Gçtzendienst

1,26–27

Reaktion Gottes

Auslieferung in Leidenschaften in Form sexueller Fehlorientierung

1,28a

3. Beleg

Ablehnung der Gotteserkenntnis

1,28b–31 Reaktion Gottes 1,32

Auslieferung in einen verkehrten Sinn in Form zahlreicher Laster

Urteil und Urteilsspruch

Die rhetorische Kunst dieser Einheit, einer Gerichtsrede13, ist eindrcklich.14 Der Argumentation werden zwei Hauptvorwrfe vorangestellt, das 10 Jewett, Romans; Lohse, Der Brief an die Rçmer; Haacker, Der Brief des Paulus an die Rçmer; Fitzmyer, Romans; Wilckens, Der Brief an die Rçmer; Lgasse, L’ptre de Paul aux Romains; Moo, The Epistle to the Romans; Dunn, Romans; Theobald, Rçmerbrief; Cranfield, Romans. 11 Aus der neueren Literatur verweise ich auf Woyke, Gçtter, ,Gçtzen‘, 370 – 444; Holtz, Damit Gott sei alles in allem, 18 – 25; Bell, No one seeks for God; Horn, Die Herrlichkeit des unvergnglichen Gottes und die Bilder der vergnglichen Menschen. 12 Popkes, Zum Aufbau und Charakter von Rçmer 1,18–32. 13 Anklage, Begrndung und Strafurteil sind dem Text klar zu entnehmen. Auch die Fortfhrung in 2,1 bleibt der forensischen Sprache verpflichtet. Wischmeyer, Rçmer 2,1–24 als Teil der Gerichtsrede des Paulus gegen die Menschheit, erkennt die Elemente der klassischen prophetischen Gerichtsrede wieder (263). Deutlicher noch

214

Friedrich Wilhelm Horn

Vorhandensein von !s´beia und !dij¸a. Beide werden im Text aufgenommen und expliziert. Der dreifach vorgetragenen Begrndung des Vorwurfs, die angemessene Gottesverehrung verweigert zu haben, wird eine jeweils mit paq´dyjem aqto»r b heºr eingeleitete Reaktion Gottes beschrieben, in der im Sinne einer adquaten Vergeltung die Menschen in ihrer Grundverfehlung festgehalten und bestraft werden. Diese Ansagen des strafenden Handelns Gottes beschreiben und reflektieren freilich das gegenwrtige Verhalten der Menschen, das in seiner verfehlten Ausrichtung bereits als vorweggenommene Strafe verstanden wird. Unbenommen davon endet die Gerichtsrede mit dem Urteil, den Tod verdient zu haben (1,32). Die Grundverfehlung wiederum, in V.19 – 23 ausfhrlich als Vertauschung von ewigem Gott und Abbildern vergnglicher Menschen und Tiere beschrieben, wird im Text aufgenommen und in dem Verb !kk²ssy (1,23) bzw. letakk²ssy (1,25.26) verdichtet. Polemisch ist dieser Text bereits in seiner Einseitigkeit. Scheint er zunchst ausschließlich diejenigen Menschen im Blick zu haben, die durch Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Wahrheit entgegenstehen (1,18), so werden im Schlussurteil nicht nur die faktisch Schuldigen, also die Tter, sondern auch diejenigen, die deren Verhalten widerspruchslos akzeptieren und gutheißen, des Todes verurteilt (1,32). Die Aufnahme und Fortfhrung dieser Gerichtsrede in 2,1 und 3,9 wird sodann dahin fhren, dass die gesamte Menschheit ausnahmslos unter dem Vorwurf der Verweigerung der Gottesverehrung und somit unter dem Urteilsspruch steht, ohne Verteidigung zu sein (2,1). Dieser Text ist polemisch, da ihm jegliche Differenzierung in der Wahrnehmung und Beschreibung fehlt und da er das Verhalten der Menschen grobflchig als eine sexuelle Verwirrung und ein Abgleiten in die Flle jeder Ungerechtigkeit (pepkgqyl´mour p²s, !dij¸ô 1,29a) beschreibt. Aber auch die Einzelargumente der Gerichtsrede treiben Polemik und bewegen sich in den ersten beiden Vertauschungsaussagen in vorgezeichneten Bahnen hellenistisch-jdischer Heidenpolemik. Zunchst stellt Paulus das Vertauschen des unvergnglichen Gottes und des vergnglichen Menschen einander gegenber, wobei die zustzlich genannten drei Tierarten peteim², tetq²poda, 2qpet² (1,23b) den Vorwurf, Geschçpfliches zu verehren, ausdehnen und zugleich illustrieren. Die Auflçsung der prpositionalen Wendung 1m bloi¾lati eQjºmor ist unsicher. Woyke hat eine ausPopkes, Zum Aufbau und Charakter von Rçmer 1,18–32, 499, der darauf hinweist, dass auch in der alttestamentlichen Prophetie die Fremdvçlkerpolemik vorgeschaltet ist und dann plçtzlich auf Israel zielt.

Gçtzendiener, Tempelruber und Betrger

215

fhrliche Diskussion vorgetragen und ist zu folgendem Urteil gekommen: „Unter Beachtung aller Befunde muss in Rçm 1,23 eQjºmor als genitivus materiae zu bloi¾lati und vhaqtoO !mhq¾pou als genitivus possesoris zu eQjºmor […] interpretiert werden […]: ,Sie tauschten die dem unvergnglichen Gott eigene Herrlichkeit ein in eine Nachahmung in Gestalt eines vergnglichen Menschen.‘“15 „Die Verwendung sowohl von blo¸yla als auch von eQj¾m zeigt, dass nicht das Material von Kultbildern im Zentrum des Interesses steht, sondern die vçllige Inadquatheit des in ihnen Dargestellten bzw. des durch sie gçttlich Verehrten in Bezug auf die Majestt Gottes.“16 Die zustzliche Nennung der theriomorphen Gçtterdarstellung nach der anthropomorphen verstrkt den Grundgedanken der Inadquatheit nur, wird aber sicher auch auf konkrete, im Judentum bekannte Tierverehrung vor allem in gypten anspielen. Bereits im Aristeasbrief war die Tierverehrung der gypter und anderer Vçlker mit Polemik bedacht worden: „Lohnt es sich da, ber die anderen, noch viel dmmeren zu reden, die gypter und hnlichen (Vçlker), die an Tiere glauben, und dabei noch meistens an Kriech- und Raubtiere, und ihnen opfern, lebendigen wie auch ihren Kadavern?“ (Aristeasbrief 138).17 Die zweite Aussage, die einen Tausch anspricht (1,25), folgt in der ersten Satzhlfte partiell 1,23, bietet aber mit dem Gegensatz von Wahrheit Gottes und Lge einen weiteren Vorwurf an die Adressaten der Gerichtsrede. Die Verkehrung der !k¶heia toO heoO in xeOdor, also der Wahrheit ber Gott18 in eine Lge ber Gott, besteht darin, dass die Differenz von Gott und seiner Schçpfung aufgehoben wird und die Schçpfungswerke zum Gegenstand der Verehrung werden. Diese Verehrung des Geschaffenen anstelle des Schçpfers, der jt¸sir anstelle t¹m jt¸samta, ist als eine geradezu stehende Formel jdischer Heidenpolemik im Werk Philos von Alexandrien zu bewerten.19 14 Die rhetorische Kunst wird dargestellt und gewrdigt bei Wilckens, Der Brief an die Rçmer, 96; Tobin, Paul’s Rhetoric in its Contexts, 104 – 123; Jewett, Romans, 150, 166 und 148: „The first proof in Paul’s argument opens with a rhetorical tour de force, a beautifully balanced thesis statement about the revelation of wrath in 1:18, which is followed by a rationale expressed in four periods with balanced lines.“ 15 Woyke, Gçtter, ,Gçtzen‘, 379. 16 Woyke, Gçtter, ,Gçtzen‘, 379. 17 Zur theriomorphen Reprsentation Gottes: Woyke, Gçtter, ,Gçtzen‘, 381 – 384. 18 Es handelt sich also um einen genitivus materiae, der kognitiv an der Erkenntnis Gottes als des Weltenschçpfers interessiert ist; ausfhrlich dazu und zu denkbaren Alternativen der Auflçsung des Genitivs: Woyke, Gçtter, ,Gçtzen‘, 384. 19 De opificio mundi 7; de Abrahamo 70; de virtutibus 218; de specialibus legibus 2,255 u. ç. Ausfhrlich zur ,Verehrung des Erschaffenen anstelle des Schçpfers‘ als Formel der Heidenpolemik Woyke, Gçtter, ,Gçtzen‘, 386 – 392 und 441, der sei-

216

Friedrich Wilhelm Horn

Die Polemik findet neben dieser Beurteilung des Grundfehlers heidnischer Religiositt in den Bahnen jdischer Heidenpolemik auf einer zweiten Ebene statt, die den moralischen Verfall der Heiden beschreibt. Zwar handelt es sich in den mit paq´dyjem aqto»r b heºr eingeleiteten Stzen um bereits zurckliegende und bis in die Gegenwart reichende Auslieferungen oder Preisgaben Gottes, die sich in adquater Weise am Fehlverhalten orientieren und die Menschen in ihrer Fehlorientierung behaften. Gerade aber wegen dieser engen Bezogenheit von Fehlverhalten und Preisgabe sind auch diese drei Textteile (1,24.26f.28b–31) Gegenstnde der Polemik. Angesprochen werden zunchst sexuelle Fehlorientierungen, die Folgen der Auslieferung an die 1pihul¸ai t_m jaqdi_m (1,24) bzw. an die p²hg !til¸ar sind. Im frhjdischen und frhchristlichen Schrifttum besteht eine durchweg negative Konnotation fr 1pihul¸a. Das Gebot oqj 1pihul¶seir fasst in Rçm 7,7 geradezu die gesamte zweite Tafel des Dekalogs zusammen, so dass eQdykokatq¸a und 1pihul¸ai die Verfehlungen schlechthin aus jdischer Sicht darstellen. Paulus tritt hiermit in vorgezeichnete Bahnen jdischer Heidenpolemik ein, die auf den stehenden Vorwurf des Gçtzendienstes und der vorwiegend sexuellen Begierden abzielten, mit denen sich wiederum sexuelle und kultische Unreinheit verband. Sie sind in 1,24 mit dem Stichwort !jahaqs¸a aufgenommen. Unter der Hellenisierung Israels in der Seleukidenzeit wurde diese Polemik entworfen, um unter anderem normative Grundlagen fr das eigene Leben unter der Halacha zu finden.20 Polemisch ist diese Beschreibung paganer Sexualitt, weil sie undifferenziert und allumfassend nichts anderes erkennt als Aufgabe der eigenen Ehre (!til²feim 1,24, !til¸a 1,26) und widernatrliches Verhalten (paq± v¼sim 1,26, !v´mter tμm vusijμm wq/sim 1,27). Man muss natrlich die Frage stellen, was Paulus hier konkret mit ,gegen die Natur‘ im Blick hat. Der von Theobald gefhrte Nachweis ist hierbei zu beachten, dass die Kritik sich vordergrndig natrlich gegen die Homosexualitt und den willentlichen Verstoß gegen das Verbot homosexueller Praktiken durch den Schçpfer

nerseits im Blick auf Philo vermutet, dass „hinter der fast formelhaften paulinischen Formulierung hnliche Assoziationen stehen“ (392). 20 Wilckens, Der Brief an die Rçmer, 110: „Er (Paulus) ist darin einfach abhngig von der religiçs begrndeten jdischen Tradition spontanen Abscheus gegenber der Lebensweise hellenistischer Kultur, der seinen geschichtlichen Ursprung hat in den innerjdischen Auseinandersetzungen seit der Diadochen-Herrschaft zwischen der hellenophil-,progressiven‘ Oberschicht und der schroff antihellenistischen, exklusiv auf die Tradition der Vter sich festlegenden Mittel- und Unterschicht.“

Gçtzendiener, Tempelruber und Betrger

217

richtet, mit dem Verweis auf ,gegen die Natur‘ aber speziell auf die Verweigerung abzielt, Nachkommenschaft zu zeugen.21 Als Adressat dieser Gerichtsrede gert durch das in Anspruch genommene Inventar der jdischen Heidenpolemik zunchst und vordergrndig der heidnische Mensch in den Fokus. Allerdings wird man sehr bald zu der Erkenntnis gefhrt, dass bereits diese erste Gerichtsverkndigung gedanklich auf den folgenden Abschnitt zielt. Die Themen, ihre Begrifflichkeit und Motivik werden in 2,1 ff. erneut aufgegriffen.22 Wischmeyer spricht im Blick auf 2,1–10 von einer Folgerede zu 1,18 – 32. Aber neben dem Formalen sind es Sachberlegungen, die Woyke przise erfasst hat: „Allerdings scheint Rçm 1,18 – 32 nur vorbereitenden Charakter auf 2,1 ff. hin zu haben. Damit konterkariert Paulus das hellenistisch-jdische Argumentationsmuster, welches nach der Beschreibung von Polytheismus und Idolatrie der Vçlker bzw. der Menschheit die wahre Gotteserkenntnis und -verehrung des jdischen Volkes herausstellt […]“.23

3. Die Polemik gegen Juden in Rçm 2,17 – 24 In einer rhetorisch eindringlichen Gestalt konfrontiert Paulus in Rçm 2,17–20 das Selbstverstndnis eines Juden mit einer Infragestellung dieses Selbstverstndnisses in Rçm 2,21–24.24 Die Einheit fhrt gegenber dem fiktiven Gesprchspartner den Nachweis, dass sein Anspruch und seine Wirklichkeit empfindlich auseinanderklaffen. Das Selbstverstndnis des jdischen Gesprchspartners wird zunchst mit solchen Aussagen aufgenommen, die das heilsgeschichtliche Privileg reflektieren, sodann aber auch durch Attribute, die eine Vorrangstellung gegenber den Heiden implizieren. Der Ruhm, den der jdische Gesprchspartner bei Gott (2,17) und 21 Theobald, Rçm 1,26 f.: Eine paulinische Weisung zur Homosexualitt? hnlich argumentiert auch Debel, ,Unnatural Intercourse‘ in Rom 1,26 – 27. 22 Holtz, Damit Gott sei alles in allem, 18 – 25. 23 Woyke, Gçtter, ,Gçtzen‘, 444. Ganz hnlich bereits Popkes, Zum Aufbau und Charakter von Rçmer 1,18 – 32, 499: „So lßt sich auch Rçm 1.18 – 32 als juridische Rede im Rahmen eines taktisch-psychologischen Vorhabens prophetischer Art bezeichnen.“ Der Abschnitt sei nur „Vorspann zu dem eigentlichen Anliegen des Paulus, nmlich den Torafrommen der Heillosigkeit zu berfhren“ (499). 24 Aus der neueren Literatur zu diesem Text verweise ich auf Forbes, Comparison, SelfPraise and Irony; Gathercole, Where is Boasting?; vgl. dazu meine Besprechung in ThLZ 129 (2004), 634 – 637; Thorsteinsson, Paul’s Interlocutor in Romans 2; vgl. dazu meine Besprechung in ThLZ 130 (2005), 786 – 789.

218

Friedrich Wilhelm Horn

im Gesetz (2,23) zu haben meint, dieser Ruhm wird ihm durch den schrittweise Einzelargumente aneinanderreihenden Nachweis, dass Anspruch und Wirklichkeit sich bei ihm eben nicht decken, entzogen. Mag der Gesprchspartner auch in der Vorstellung leben, den Heiden gegenber einen Vorrang zu haben (2,19f.), so entwindet ihm das abschließende Schriftzitat dieses Selbsturteil, indem es ihm vorwirft, dass durch sein Verhalten der Name Gottes unter den Heiden verlstert werde (2,24). Freilich zielt die Polemik nicht auf jeden Juden oder auf das Judentum allgemein, sondern wendet sich an denjenigen jdischen Gesprchspartner, der im Wissen um den Torabesitz eine Sonderstellung gegenber den Heiden reklamiert.25 Dass dieser Text von Polemik durchsetzt ist und wohl auch vorgegebenen innerjdischen, vielleicht sogar paganen Mustern der Polemik und frhchristlichen Argumentationen gegenber Juden folgt, ist in der exegetischen Literatur mehrfach angesprochen und festgehalten worden. Auch hat dieser Text, vor allem Rçm 2,24, in der Geschichte der Kirche vielfach Anlass zu antijdischer Polemik gegeben.26 Aus den Vorwrfen, wenngleich in sie eingebunden, ragt die Aussage heraus, der jdische Gesprchspartner verabscheue zwar Gçtzen, begehe aber gleichzeitig Tempelraub (2,22). Diese Polemik, in Frageform vorgetragen, „eine grobe, antijdische Verleumdung, auf die man vereinzelt auch bei heidnischen Schriftstellern trifft“27, soll im Folgenden ausfhrlich behandelt werden.28 Dieser an den jdischen Gesprchspartner gerichtete Vorwurf ist der vierte in einer Folge von Vorwrfen, die sich allesamt auf unterschiedliche Lebensbereiche beziehen, in denen Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Eingangs wird stets dem jdischen Selbstverstndnis Ausdruck gegeben, und zwar im Blick auf das eigene Volk, auf die Stellung zur Tora und abschließend mit Blick auf die pagane Welt. Nur in den ersten drei Bereichen stellt Paulus einen sprachlich vermittelten Selbstanspruch (did²sjym, jgq¼ssym, k´cym) der Wirklichkeit des faktischen Lebens gegenber, im 25 Ausfhrlich in diesem Sinn Dunn, Romans, 114. Thorsteinsson, Paul’s Interlocutor in Romans 2, hat mich mit seinem Versuch nachzuweisen, dass der Gesprchspartner in Rçm 2 ein Heide sei, nicht berzeugt. 26 Merkel, Art. Gotteslsterung, 1193; 1197. 27 Theobald, Rçmerbrief, 79. 28 Zum Text: Goppelt, Der Missionar des Gesetzes; Garlington, IEQOSUKEIM and the Idolatry of Israel (Romans 2.22); Krentz, The Name of God in Disrepute: Romans 2:17 – 29; Bell, No one seeks for God, 189 – 191. Goppelts Beitrag ist stark auslegungsgeschichtlich orientiert und fhrt zurck bis in die altkirchliche Exegese des Wortes.

Gçtzendiener, Tempelruber und Betrger

219

vierten Anklagepunkt ist das auch denkbar, aber nicht explizit gesagt. Der Gesprchspartner erscheint zunchst als Lehrer Israels, der die Tora verkndet. Im zweiten und dritten Gesprchsgang nimmt Paulus mit dem Verbot des Diebstahls und des Ehebruchs (7. und 6. Gebot des Dekalogs) Teile der Tora auf, sodass das Verhalten des jdischen Gesprchspartners nicht nur durch das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit gezeichnet ist, sondern sich darber hinaus dezidiert gegen die Tora wendet. Abschließend kommt Paulus auf die Verabscheuung von Gçtzenbildern bei gleichzeitigem Tempelraub zu sprechen. Hinter bdekussºlemor ist gedanklich t± eUdyka zu ergnzen. Hier ist der Selbstwiderspruch des Gesprchspartners nicht eindeutig zu fassen, da sich der in diesem Vorwurf vorgetragene Selbstwiderspruch in der Lebenswirklichkeit so nicht direkt wiederfindet oder nur undeutlich eine Abbildung hat. Aber es gehçrt ja zur Polemik, eine unverhltnismßige, die Lebenswirklichkeit wohl aufnehmende, aber doch nicht spiegelnde, sondern bisweilen maßlos ausweitende Anklage vorzutragen. Im Anschluss daran konstatiert Paulus den Widerspruch, dass der Gesprchspartner sich des Gesetzes rhmt, gleichzeitig aber das Gesetz bertritt und damit Gott schndet. In dem Vordersatz des Vorwurfs wird die jdische Verabscheuung der Gçtzen vorausgesetzt. Diese folgt Ex 20,4–6; Dtn 5,8–10 und ist in der jdischen Heidenpolemik in hellenistisch-rçmischer Zeit zum stehenden Inventar geworden (vgl. im vorangehenden Kontext: Rçm 1,23). Schwieriger ist die Interpretation des Nachsatzes, sowohl einerseits hinsichtlich der Frage, auf welchen Sachverhalt die dem jdischen Gesprchspartner vorgehaltene Frage, ob er nicht gleichzeitig Tempelraub vollziehe, zu beziehen ist, und andererseits wie sodann der in diesem vierten und abschließenden Vorwurf zum Ausdruck kommende Widerspruch zwischen Theorie und Praxis aufzunehmen ist. Das ntl. Hapaxlegomenon Reqosuk´y bezieht sich auf das Delikt des Tempelraubs, gelegentlich auch auf das der Tempelschndung (sacrilegium29, vgl. auch den Gebrauch des Adjektivs Reqºsukor in Apg 19,37).30 Gedacht ist an Tempeldiebstahl bzw. Tempelraub, an Entwendung heiligen Eigentums von heiliger Sttte (furtum rei sacrae e loco sacro). Dieser 29 Pfaff, Art. Sacrilegium, 1678: „Man verstand unter s. ursprnglich bloß den Tempeldiebstahl, bezw. den Tempelraub, und entsprach dies Delikt in wesentlichen Punkten der griechischen Reqosuk¸a. In dieser Hinsicht ist zu bemerken, daß es sich hier wie dort um Entwendung heiligen Eigentums, und zwar beweglicher Sachen, aus heiliger Sttte handelte.“ 30 Belege bei Liddell, Scott, Greek-English Lexicon, 822 f.; Schrenk, Art. Reqºr jtk ; Linderski, Art. Sacrilegium.

220

Friedrich Wilhelm Horn

Rechtsbruch wird hufig, aber nicht immer, unter Verwendung dieser beiden Begriffe angesprochen (Reqosuk´y und Reqºsukor) und er hat in Reqosuk¸a einen Terminus technicus gefunden. Dieser Sprachgebrauch ist im hellenistischen Judentum aufgenommen worden, sowohl im eigentlichen als auch im bertragenen Sinn, und er hat Eingang in Lasterkataloge gefunden.31 Das Delikt gilt im griechischen, rçmischen und gyptischen Recht als eines der schwersten Verbrechen berhaupt und es wurde mit drastischen Strafen geahndet (vgl. Platons Darlegung des Gesetzes ber den Tempelraub in Leges IX 854–855). Im rçmischen Recht ahndete man den Tempelraub ursprnglich mit der Todesstrafe (Ulpian, Jul. Dig. 48,13,7), in der Kaiserzeit auch mit der aqua et igni interdictio, gelegentlich ist von Verbrennungen und Deportationen die Rede.32 Um den geschichtlichen Ort des von Paulus gegenber Juden vorgetragenen Vorwurfs, Tempelraub zu begehen, genauer zu erfassen, mçchte ich zunchst die Bewertung dieses Rechtsbruchs innerhalb des Judentums darstellen, und zwar zunchst im Blick auf heidnische Tempel. Innerhalb der Tora ist das Verbot, pagane Kultgegenstnde in Besitz zu nehmen, vorgegeben. Diese sollen nicht entwendet, sondern verbrannt werden, keinesfalls aber dem eigenen Kultgebude zugefhrt werden (Dtn 7,25f.). Bereits Schrenk notierte, dass die Rezeption dieses Gebotes im hellenistischen Judentum und sodann auch im rabbinischen Judentum merkwrdig mild sei. Josephus, Antiquitates 4,207 (= 4,8,10) erweitert das Verbot der Beraubung fremder Heiligtmer und die Entwendung von Weihegeschenken irgendeines Gçtzenbildes um den einleitenden Satz: ,Niemand soll die Gçtter schmhen, an die fremde Vçlker glauben‘. Diese milde Haltung des Josephus ist vielleicht auf dem Hintergrund der Tatsache verstndlich, dass er sich an anderer Stelle von dem Vorwurf des Manetho (Contra Apionem 1,249) und des Lysimachos (Contra Apionem 1,310) absetzen muss, Jerusalem sei – wie auch die Etymologie des Namens Jerusalem (Zeqºsuka) zeige (Contra Apionem 1,311) – in der Folge des wiederholten Tempelraubs der Juden außerhalb Judas zu seinem Status gekommen. Josephus schreibt in Contra Apionem 1,249: „Denn sie zndeten nicht nur die Stdte und Dçrfer an und begngten sich auch nicht damit, Tempel auszurauben (ReqosukoOmter) und Gçtterbilder zu vernichten, sondern sie gebrauchten auch die Heiligtmer als Orte zum Braten der (von den gyptern) verehrten heiligen Tiere, zwangen die Priester und Propheten, diese (Tiere) zu opfern 31 Schrenk, Art. Reqºr jtk, 255 f. 32 Ausfhrlich Pfaff, Art. Sacrilegium; Mommsen, Der Religionsfrevel nach rçmischem Recht.

Gçtzendiener, Tempelruber und Betrger

221

und zu schlachten, und warfen sie (dann) nackt hinaus.“ Labow geht diesem Vorwurf nach und zeigt, dass in der paganen Welt die Ausraubung heidnischer Tempel durch Juden durchaus vorstellbar war, da diese ohnehin in diesen Tempeln den Ort von Gçtzendienst sahen.33 Daneben existiert auch innerhalb jdischer Gruppierungen der gegeneinander erhobene Vorwurf, den eigenen jdischen Tempel beraubt zu haben. Testamentum Levi 14,1 nennt in einer Priesterpolemik den Raub der fr den Herrn bestimmten Opfergaben und stellt dieser Anklage die weiteren des Diebstahls und der sexuellen Unzucht an die Seite (14,1–6). Ein konkreter Hintergrund dieser Polemik ist nicht auszumachen.34 Ganz hnlich argumentiert die Damaskusschrift, die von drei Netzen Belials spricht, mit denen er in Israel auf Fang ging und die er ihnen vor Augen gestellt hat als drei Arten der Gerechtigkeit: ,Die erste ist die Unzucht, die zweite der Reichtum, die dritte ist die Verunreinigung des Heiligtums.‘ Weitere Belege fr hnlich argumentierende innerjdische Polemik bieten PsSal 1,8; 2,3; 8,12; 0Q CD IV 15–18; VI 15f. Der Vorwurf, Tempelruber zu sein, begegnet in einem Kontext, der auf den Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit abzielt. Insofern ist die oft gestellte Frage, ob die Abscheu paganer Gçtzenbilder nicht durch das Verhalten im Blick auf den eigenen, jdischen Tempel konterkariert wird, nur dann eindeutig zu beantworten, wenn es sich beim Tempelraub um heidnische Tempel handelt.35 Nur dann wrden Abscheu der Gçtzenbilder und Raub derselben in vollem Sinn auf einen eklatanten Selbstwiderspruch hindeuten, da der Jerusalemer Tempel frei von Gçtzenbildern war. Der Text arbeitet mit geprgt polemischem Material, und er ist eingebettet in polemische Anwrfe. Insofern liegt eine zeitgeschichtlich przise Verortung des Vorwurfs auf konkret begangenen Tempelraub fern, auch wenn die Forschungsgeschichte in dieser Hinsicht etliche Haftpunkte gesucht und ge-

33 Ausfhrlich dazu Labow, Flavius Josephus, 314 – 331. Die bersetzung in I 249 folgt der von Labow vorgeschlagenen bersetzung. Apg 19,37 ist vielleicht ein entferntes Zeugnis fr diese Sicht, da der Jude Paulus in Ephesus von dem Verdacht, Tempelruber und Gotteslsterer zu sein, entlastet werden muss. 34 Becker, Die Testamente der zwçlf Patriarchen, 57 Anm. 8. 35 So auch Goppelt, Der Missionar des Gesetzes, 144; Lohse, Der Brief an die Rçmer, 111; ebenso zuvor Strack, Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, 113, die im brigen auf eine eklatante Differenz zwischen Theorie (Dtn 7,25f.) und Praxis in rabbinischer Zeit verweisen und Belege fr die erlaubte Nutznießung paganer Kultgegenstnde anfhren.

222

Friedrich Wilhelm Horn

funden hat.36 Da aber der Vorwurf, heidnische Tempel auszurauben, eine Vorgeschichte innerhalb der paganen, antijdischen Polemik hat, wendet Paulus hier also einen paganen Vorwurf gegen den jdischen Gesprchspartner und stellt diesen vor das Tribunal des Heiden.37 Innerhalb des rçmischen Rechts wiederum wird der jdische Gesprchspartner durch diese Frage, ob er nicht Tempel ausraube, in den Verdacht gestellt, ein Staatsverbrecher zu sein, und des mçglichen Hochverrates bezichtigt.38 Die Bewertung eines sacrilegium als eines Religionsverbrechens hingegen entsteht erst unter christlichem Einfluss in der spten Kaiserzeit. Der Tempelraub wre vor einem staatlichen Gericht zu behandeln, wenn auch im Einzelnen undeutlich ist, vor welches Gericht genau ein sacrilegium gehçrte.39 Vor diesem juridisch klar definierten Kontext gewinnt die Frage, ob der Gesprchspartner nicht Tempelruber sei, eine extrem polemische Schrfe, ja muss als Verleumdung angesehen werden. Der polemische Gehalt reicht jedoch ber diese Zuspitzung hinaus. Rçm 2,22 schließt sich an polemisches Katalogmaterial an, das durch die Zusammenstellung der drei Laster Diebstahl, Ehebruch, Tempelraub bzw. Gçtzendienst geprgt ist. Paulus hat seinerseits in 1Kor 5,11 in einem Katalog u. a. pºqmor, pkeom´jtgr und eQdykok²tqgr zusammengestellt. Philo, 36 Fitzmyer, Romans, 318: „Thus Paul uses the vb. hierosylein in a figurative sense […]“. Haacker, Der Brief des Paulus an die Rçmer, 75, erwgt hingegen, dass der fiktive Gesprchspartner ein „Vertreter jener Radikalisierung des Bilderverbotes (gewesen sei), die zu seinen Lebzeiten in zelotischen Kreisen propagiert wurde.“ Anders noch Haacker, Art. Reqºsukor, 897: „Vielleicht spielt Paulus auf den Fall einer Veruntreuung von Spenden fr den Tempel von Jerusalem an, der unter Tiberius in Rom çffentliches Aufsehen erregt und antijdische Maßnahmen nach sich gezogen hatte.“ Einzelflle jdischen Tempelraubs hatte bereits Lietzmann, An die Rçmer, 43, zusammengestellt. 37 Garlington, IEQOSUKEIM and the Idolatry of Israel (Romans 2.22), interpretiert hingegen vçllig abweichend von meiner Exegese folgendermaßen: Paulus stelle die Frage, ob seine jdischen Landsleute, die die Gçtzenbilder verabscheuen, nicht selbst der Abgçtterei schuldig sind, nmlich der Vergçtterung des Gesetzes, indem sie es mit ungerechtfertigter Verehrung versehen und ihm eine Dauer verleihen, die in Gottes Plan nie beabsichtigt war. Im Gegensatz zu Israel, das sich selbst als Hter der Traditionen sah und demzufolge an einer unvernderten Tora festhielt, sah Paulus Christus sowohl als das Ziel als auch als das Ende des Gesetzes. Fr ihn war demnach Israels Festhalten am Gesetz unter Ausschluss von Christus nichts weniger als ein Reqosuke?m, ein Akt des Sakrilegs. Es wre fr Paulus unmçglich gewesen, sich etwas Abscheulicheres vorzustellen. 38 Zahn, Der Brief des Paulus an die Rçmer, 139, betont die Anklagesituation sowohl vor dem rçmischen Staatsgesetz als auch vor der Tora (Dtn 7,25f.). 39 Pfaff, Art. Sacrilegium.

Gçtzendiener, Tempelruber und Betrger

223

de confusione linguarum 163, kombiniert jk´pteim, loiwe¼eim, !mdqovome?m und Reqosuke?m, und auf Testamentum Levi 14,1 – 6 als weitere Parallele fr diese Kombination wurde bereits hingewiesen. Im Corpus Hermeticum XII 5 werden Ehebruch, Tempelraub und Schlechtigkeit zusammengestellt. Ehebruch und Diebstahl, Diebstahl und Gçtzendienst oder Unzucht und Gçtzendienst sind darber hinaus hufig als Paare oder in einem Katalog neben anderen Lastern bezeugt (1Kor 6,10; Offb 2,14; 9,21).40 Dies bedeutet, dass Paulus relativ verfestigtes, durchweg negativ besetztes Katalogmaterial aufnimmt und dem jdischen Gesprchspartner als Beweis dafr entgegenhlt, dass bei ihm Anspruch und Wirklichkeit, konkret Ruhm des Gesetzes und bertreten des Gesetzes, auseinanderklaffen.

4. Die conclusio in Rçm 3,9 – 20 Die polemischen Spitzenstze der bisherigen Ausfhrungen in Rçm 1,19–3,8 haben der Anklage, dass alle Menschen aufgrund ihres Verhaltens des Todes schuldig sind (Rçm 1,32) und keine Verteidigung haben (Rçm 1,20), zugearbeitet. Denn die polemische berhçhung der Beschreibung menschlichen Lebens in undifferenzierte, pauschale Vorwrfe – die ausnahmslose Hinwendung aller zu Gçtzendienst, Unreinheit, Lge, Unzucht, ja zur Verrichtung des Tempelraubs – dient der Anklage: ,Denn wir haben soeben bewiesen, dass alle, Juden wie Heiden, unter der Snde sind, wie geschrieben steht: Da ist keiner der gerecht ist, auch nicht einer‘ (Rçm 3,9b.10a). Die Polemik ist ein rhetorisch mchtiger Baustein innerhalb der theologischen Argumentation, da sie dazu beitrgt, die Unausweichlichkeit des Urteils ber die Verfallenheit der Juden und der Heiden zu belegen.41 Rçm 3,9–20 bemht im Anschluss daran das Zeugnis der Schrift, um die Anklage der Schuldverfallenheit aller Menschen nicht nur aus der Wahrnehmung und Erfahrung, sondern eben auch aus der Schrift zu belegen.42 Diese Zitatenkette in Rçm 3,10–18 folgt nicht einer bereits vorhandenen 40 Wolter, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon, 175, zu Kol 3,5: „Ihre besondere Bedeutung an unserer Stelle erhlt die Habsucht aber vor allem durch ihre Verbindung mit den sexuellen Lastern und durch ihre Gleichsetzung mit dem Gçtzendienst.“ Auf den Zusammenhang mit Lasterkatalogen wies bereits Goppelt, Der Missionar des Gesetzes, 144 f., hin. 41 Hays, Echoes of Scripture in the Letters of Paul, 46 – 51, handelt ber die theologische Verwendung der Schriftzitate im Kontext von Rçm 1 – 3. 42 Dem Abschnitt Rçm 3,9–20 eignet somit der Charakter einer conclusio; so Theobald, Der Rçmerbrief, 61.

224

Friedrich Wilhelm Horn

schriftlichen Vorlage, ist aber wohl auch nicht im Zusammenhang der Abfassung des Rçmerbriefs hier erstmals formuliert worden. Eduard Lohse vermutet eine Vorgeschichte dieser Zitatenkombination in der mndlichen Unterweisung des Paulus.43 Die Abfolge orientiert sich mçglicherweise an den Gliedern des menschlichen Kçrpers, da Rachen, Zunge, Lippen, Mund, Fße und Augen nacheinander mittels der Zitate bedacht werden. Das Ziel der Zitatenkombination liegt in dem Urteilsspruch o»j 5stim oqd³ eXr, der fnfmal wiederholt wird und der die allgemeine Verfallenheit festhlt. Dass hier die Schrift im Dienst der Polemik gebraucht wird, ist angesichts der Themen der Zitate eindeutig. Es werden Betrug, Fluch, Gewalt, evtl. Mord, fehlende Friedensbereitschaft und fehlende Gottesfurcht unterstellt. Gerade die beiden letztgenannten Attribute werden auf dem Hintergrund ihrer Rezeption im rçmischen Christentum Aufmerksamkeit beanspruchen, da sie den Idealen der pax Romana und der religio Romana zuwiderlaufen.

5. Die ,Ketzerpolemik‘ in Rçm 16,17 – 20a Einige Bemerkungen zu textkritischen und literarkritischen Problemen des Briefabschlusses sind voranzustellen.44 Nach den Grußauftrgen mit abschließendem Zeichen des Heiligen Kusses (16,3 – 16a) und dem çkumenischen Gruß (16,16b) folgt eine maßlose Polemik gegen ,Ketzer‘, deren Lehre sich von derjenigen unterscheidet, die in der rçmischen Gemeinde Geltung besitzt (16,17–20a). Im Anschluss daran ist der Gnadenwunsch zu lesen (16,20b) sowie Grße einzelner Personen (16,21–23). Ein weiterer Gnadenwunsch in 16,24 fehlt bei wesentlichen alten Textzeugen.45 Hieran schließt sich eine Doxologie mit abschließendem Amen an (16,25–27). Sowohl die textliche Bezeugung der einzelnen Teile, damit verbunden die Frage nach dem ursprnglichen Schluss des Rçmerbriefs, als auch die Absicht der Polemik innerhalb des Schlussteils werden seit jeher intensiv diskutiert. Hinsichtlich der sog. Ketzerpolemik in 16,17 – 20a gibt zu denken, dass diese Verse in der handschriftlichen berlieferung vçllig eindeutig Teil des Rçmerbriefs sind, hinsichtlich des Inhalts und seiner sprachlichen Ge43 Lohse, Der Brief an die Rçmer, 123; Jewett, Romans, 254, hingegen: „The catena probably originated in a Jewish milieu […]“. 44 Ausfhrlich dazu Theobald, Der Rçmerbrief, 10 – 27; Mller, Vom Schluß zum Ganzen. 45 Vgl. das Schaubild bei Wischmeyer, Rçmerbrief, 242 – 244; ausfhrlich zur epistolographischen Gestalt des Briefschlusses: Mller, Vom Schluß zum Ganzen, 212.

Gçtzendiener, Tempelruber und Betrger

225

stalt jedoch, an dieser Stelle im Briefganzen zumal, fr etliche Exegeten einen unpaulinischen Eindruck machen. Ob also dieser Abschnitt eine sekundre Erweiterung des Rçmerbriefs, eine Interpolation oder Glosse von spterer Hand darstellt46 oder ob es sich um einen integralen Bestandteil des Schreibens handelt47, wird bis in die jngste Gegenwart unterschiedlich beantwortet. Zuletzt hat Jewett in seinem Kommentar ausfhrlich die Argumente fr die These einer Interpolation zusammengetragen. Sie sollen hier kurz benannt, gleichzeitig aber doch mit kritischen Einwnden versehen werden: a) Rçm 16,17b–20 unterbreche die Schlussgrße empfindlich und der Wechsel im Tonfall sei unerklrlich. Dagegen ist allerdings einzuwenden, dass Paulus zwischen 16,3 – 16 und 16,21 – 23 einen Perspektivwechsel von den zu Grßenden zu denen, die grßen, vornimmt. Die Ketzerpolemik bleibt gedanklich ein letztes Mal bei der rçmischen Gemeinde und ihrem Wohlergehen, setzt mçglicherweise wegen des Hinweises auf den Heiligen Kuss sogar die gottesdienstliche Versammlung der Gemeinde voraus, bevor Paulus die Grße des Abfassungsortes nennt. Auch in Gal 6,11–17 wechselt Paulus vor dem Schlussvers des Briefes unvermittelt ber in eine schroffe Polemik. Verhaltensanweisungen gegenber Abweichlern begegnen nahezu stereotyp am Ende etlicher, zugestanden berwiegend jngerer neutestamentlicher Briefe, jedoch nicht ohne Vorstufen in den paulinischen Briefen.48 Denkbar ist auch, dass die Polemik an dieser Stelle formgeschichtlich als Parallele zu der Anathema-Formel zu verstehen ist (vgl. 1Kor 16,22)49. b) Rçm 6,17 habe der rçmischen Gemeinde einen Gehorsam gegenber der empfangenen Lehre attestiert, whrend Rçm 16,17 plçtzlich vor einer oppositionellen Gruppe innerhalb der rçmischen Gemeinde warne. Dagegen ist mit Lampe50 einzuwenden, dass aus Rçm 16,17 keinesfalls hervorgeht, 46 So Theobald, Der Rçmerbrief, 19; sehr ausfhrlich bereits zuvor ders., Rçmerbrief, 249 – 253; Jewett, Romans, 985 – 996, vor allem auch 986 Anm. 5; Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, 139 f. 47 Lohse, Der Brief an die Rçmer, 411 f.; Mller, Vom Schluß zum Ganzen, 217 – 219; Lampe, The Roman Christians of Romans 16, 221; Schreiber, Der Rçmerbrief, 285 f. 48 Berger, Formgeschichte des Neuen Testaments, 142 – 144 (§ 43 Der parnetische Ketzerschluß in Briefen). 49 Michel, Der Brief an die Rçmer, 479; Wilckens, Der Brief an die Rçmer, 139. 50 Lampe, The Roman Christians of Romans 16, 221: „The harsh tone is not directed against the Roman church […]. The sharp polemic is directed against third persons: against possible heretics not belonging to the Roman church but maybe planning to infiltrate it.“ Ebenso Wilckens, Der Brief an die Rçmer, 143. Auch Haacker, Der Brief des Paulus an die Rçmer, 362, spricht von einer prophylaktischen Warnung.

226

Friedrich Wilhelm Horn

dass die Abweichler Mitglieder der rçmischen Gemeinde sind. c) Rhetorik und Vokabular des Abschnitts entspreche nicht dem blichen paulinischen Stil, verrate hingegen eine erhebliche Nhe zur Gegnerpolemik der Pastoralbriefe und der Ignatiusbriefe.51 Allerdings zeigt Rçm 16,19 eine große Nhe zu Rçm 1,8 und muss nicht notwendig als gezielte sekundr eingefgte Anspielung interpretiert werden.52 Zur Vorsicht im Urteil mahnt der Sachverhalt, dass Paulus in Rçm 16,18 dem Inventar der Gegnerpolemik (vgl. Phil 3,19) gleichwie in Rçm 16,19b.20 apokalyptischen, also traditionellen Vorstellungen folgt und dass er sich eventuell sprachlich durch diese Vorgaben leiten lsst. d) Es sei undenkbar, dass nach dem Austausch des heiligen Kusses in der Gemeindeversammlung (Rçm 16,16a) zu solcher Polemik gegen Gemeindeglieder ausgeholt werde. Allerdings kann dieses Argument auch ins Gegenteil gesetzt werden, wenn man bedenkt, dass die Gegner ja nicht zwangslufig Glieder der Gemeinde sind. Dann nmlich erhlt die in der Gemeindeversammlung vorgetragene Warnung vor mçglichen Spaltern eigentlich erst rechten Sinn und trgt zum Zusammenhalt der Gemeinde bei. Theobald verweist berdies, meines Erachtens in einer berinterpretation des schmalen Befundes, auf die Differenz in der Verwendung des Begriffs didaw¶, der in Rçm 6,17 als Taufkatechese und in Rçm 16,19 allgemein als Glaubensnorm belegt sei.53 Wenn man diesen Gegenargumenten folgt und den sog. Ketzerschluss als integralen Bestandteil des Rçmerbriefs aufnimmt sowie die ohnehin problematische These einer Glosse verwirft, dann muss der Text auch im Kontext der Abfassungssituation dieses Briefes interpretiert werden.54 Keinesfalls aber stellt dieser Teil dann eine nachtrglich eingeschobene Interpolation in sachlicher Nhe zu den Pastoralbriefen dar, noch ist er Appendix eines Schreibens an die Gemeinde zu Ephesus, da Rçm 16 nicht, wie in

51

52 53 54

Schnelle erkennt in seiner presidential address, vorgetragen auf dem Colloquium Biblicum Lovaniense 2007 mit Blick auf Rçm 16,17 – 20 eine „militante Gegenmission“, die sich auch in Rom breitmache (ders., Der Rçmerbrief und die Aporien des paulinischen Denkens, hier 6). Hapaxlegomena sind: 1jjk¸meim (aber in 3,12 im Zitat), wqgstokoc¸a, %jajor, !vijme?shai, sumtq¸beim, 1m t²wei, eqkoc¸a. Unpaulinisch (nach Jewett, Romans 987) sei douke¼eim t` juq¸\ Bl_m Wqist` sowie der Gebrauch des Futurs sumtq¸xei anstelle des Optativs. Theobald, Rçmerbrief, 253. Theobald, Rçmerbrief , 251. Schreiber, Der Rçmerbrief, 286: „Die exegetische Herausforderung besteht in der Frage, welche Personen Paulus bei dieser Polemik vor Augen standen, was auf die geschichtlich-konkrete Seite der Kommunikationssituation aufmerksam macht.“

Gçtzendiener, Tempelruber und Betrger

227

Zeiten ausgeprgter Literarkritik gerne angenommen wurde55, als eigenstndiger Brief betrachtet werden kann.56 Aus der Mahnung in Rçm 16,17f. geht keineswegs hervor, dass sich die Falschlehrer bereits jetzt, zur Abfassungszeit des Briefes, in der rçmischen Gemeinde befinden. Der Artikel to»r vor t± diwostas¸ar […] poioOmtar deutet wohl auf eine klar definierte Gruppe hin, aber doch wohl eher am Horizont der Gemeinde. Vor ihnen soll sie sich in Acht nehmen (sjope?m in diesem Sinn auch in Phil 3,17; Gal 6,1; vgl. auch in entsprechender Funktion bk´pete in Phil 3,2). Spekulationen ber das exakte Profil dieser Gruppe sind vom Text her mßig: Es wird nicht mehr angezeigt, als dass diese Gegner in einem Gegensatz zu derjenigen Lehre stehen, die in der rçmischen Gemeinde in Geltung ist, und dass sie durch ihr Auftreten Spaltungen herbeifhren werden. Dass Paulus sich auch von seinen jngst zurckliegenden Erfahrungen mit judenchristlichen Gegnerschaften in Galatien und Korinth leiten lsst und berdies die in Rçm 15,30f. angesprochene, ihn in Jerusalem erwartende Feindschaft im Blick hat, sollte wahrscheinlich sein.57 Eine Nhe zur Gegnerbeschreibung in Phil 3,19 besteht durchaus. Um diesen gewnschten Gegensatz zu den mçglicherweise auftretenden Gegnern zu verstrken und um die Verbindung zur Gemeinde zu festigen, fgt Paulus eine polemische Beschreibung an, die die Gegner als selbstbezogen darstellt und sie als Verfhrer inkriminiert. Es mçgen durchaus christliche Missionare gewesen sein, da sie auf der Ebene des douke¼eim (vgl. Paulus als doOkor WqistoO in Rçm 1,1) beurteilt werden. Ihr Dienst wird allerdings nicht als christusbezogen bewertet, sondern als selbstbezogen. Mit t0 2aut_m joik¸ô douke¼eim nimmt Paulus eine stehende Abqualifizierung auf (vgl. schon 3Makk 7,11 ber jdische Apostaten). Bereits in Phil 3,19 hatte er die avisierten Gegner mit diesem polemischen Inventar belegt (b he¹r B joik¸a). Gedacht ist wohl daran, dass diese Menschen auf ihren Gewinn aus sind (vgl. dazu wieder innerhalb der Gegnerpolemik: 2Kor 2,17f.; 11,20; 55 Schmithals, Die Irrlehrer von Rçm 16,17–20, kommt zu vçllig anderen Ergebnissen, da er sowohl in der Literarkritik des Rçmerbriefs als auch in der Bestimmung des Antipaulinismus andere Wege beschreitet. 56 Gegen diese Sicht etwa Donfried, A Short Note on Romans 16. 57 berzeugend Wilckens, Der Brief an die Rçmer, 143 – 145. Daher sprach Zahn, Der Brief des Paulus an die Rçmer, 611, bereits von einer durch den Blick auf die anderen, auf alle Gemeinden (Rçm 16,16b) gelenkten Digression. Demgegenber betont Lohse, Apostolische Ermahnung in Rçm 16,17–20, die Gestaltung des Briefschlusses mit traditionellen Elementen, zu denen auch die Ermahnung in Rçm 16,17 – 20 zhle. Die Mahnung sei im Bedarfsfall sowohl auf Judaisten als auch auf Libertinisten zu beziehen (95).

228

Friedrich Wilhelm Horn

Tit 1,10f.), mçglicherweise wird aber auch – grob abqualifizierend – in Analogie zu Phil 3,19 ein triebhaft58 gesteuertes Verhalten unterstellt. Es ist Teil der Polemik, das mçgliche zuknftige Auftreten dieser Gegner bereits jetzt vollstndig zu desavouieren. Paulus unterstellt ihnen List und Betrug, die mittels schçner, prchtiger Rede vorgetragen werden und, darin besteht die Gefahr, unkritisch von den rçmischen Christen als arglos Denkenden aufgenommen werden. Die Wortgruppe 1napat²y (Rçm 16,18; 2Thess 2,3; sowie im Blick auf die Paradiesesschlange Rçm 7,11; 2Kor 11,3; 2Tim 2,14), !pat²y (Eph 5,6), !p²tg (Eph 4,22; Kol 2,8; 2Thess 2,10; 2Petr 2,13) gehçrt zum hresiologischen Inventar des Neuen Testaments. Der Bezug zur Tuschung durch die Schlange im Paradies wird im genannten Wortstamm immer mitgehçrt, was der List und dem Betrug dmonische Zge verleiht. Blickt man bereits voraus auf Rçm 16,20 und die Erwhnung des Satans als endzeitlichen Gegenspieler der Gemeinde, dann werden die Gegner „als Funktionre des Teufels zu gelten haben.“59 Die Attribute der Tuschung (1napat÷m in Rçm 16,18) und des Bçsen (t¹ jajºm in Rçm 16,19) stellen sozusagen die Brcke zwischen Gegnern und Satan her, da diese Attribute hufig auch fr den Satan bzw. die Paradiesesschlange belegt sind. Es gehçrt unbedingt zum verfhrerischen, ja teuflischen Charakter des Auftretens dieser Missionare, dass deren Gestalt unter falscher Etikette erscheint. Dies wird weniger im Gapaxlegomenon wqgstokoc¸a erkennbar,60 dem das Attribut der Scheinheiligkeit und der Schmeichelrede anhaftet, als an eqkoc¸a, welches ja im brigen durchweg positiv besetzt ist, sogar das Auftreten des Apostels charakterisieren kann und allgemein den Segen benennt (Rçm 15,19; 2Kor 9,6 u.ç.).61 Mit dem Rçmerbrief unternimmt Paulus den Versuch, die ihm bislang unbekannte Gemeinde fr sich, seine Theologie und seine Missionsplne zu gewinnen. Da die zu58 So Michel, Der Brief an die Rçmer, 480 f.; Jewett, Romans, 991, mit Verweis auf Philo, legum allegoriae 3,115, und der hier zum Ausdruck kommenden dualistischen Anthropologie und ihrer Abwertung der joik¸a. Es geht freilich gegen Schmithals, Die Irrlehrer von Rçm 16,17 – 20, 168, nicht an, von dem Gebrauch der Metapher joik¸a auf eine libertinistische, gnostische Bewegung zu schließen und zu folgern: „Nur sie kann also in Rçm 16,18 bekmpft sein.“ 59 Wilckens, Der Brief an die Rçmer, 143. 60 Dieses Wort begegnet hier erstmals in der antiken Literatur: Jewett, Romans, 992; ThWNT IX (1973) 481; EWNT III (1983) 1137 f.; dazu auch North, ,Good Wordes and Faire Speeches‘ (zu seiner Erklrung von wqgstokoc¸a wiederum Haacker, Der Brief des Paulus an die Rçmer, 364, und Jewett, Romans, 992. 61 Jewett, Romans, 992: „Taken together, the expression ,sweet talk and well-chosen words‘ is a rhetorical hendiadys that reinforces the idea of misusing rhetorical gifts to mislead and corrupt others.“

Gçtzendiener, Tempelruber und Betrger

229

rckliegenden Jahre missionarischer Arbeit durchweg auch von einem Antipaulinismus begleitet waren, muss die scharfe Polemik in Rçm 16,17–20a auch als Versuch verstanden werden, die rçmische Gemeinde mçglichst weitgehend von diesem bereits sie erreicht habenden oder ihr drohenden Antipaulinismus fernzuhalten. Paulus seinerseits bekrftigt zwar die vollstndige Akzeptanz der in Rom vorherrschenden Theologie (Rçm 6,17; 16,17b), gibt ihr mit seinem Brief allerdings eine deutliche, von seinem Denken her geprgte Frbung.

6. Auswertung Polemisch werden die Ausfhrungen des Rçmerbriefs an drei Stellen und dies gegenber unterschiedlichen Gesprchspartnern. Whrend die Beschreibung paganen Lebens in Rçm 1,18–32 im Wesentlichen noch in vorgezeichneten Bahnen jdischer Polemik verluft, gipfelt die Anklage des jdischen Gesprchspartners in Rçm 2,17–24 in der polemischen Frage, ob er nicht nur die Tora missachte, sondern sich berdies als jemand, der Reqosuk¸a (sacrilegium) begeht, des Hochverrats schuldig mache. Da dieses Delikt im griechischen und rçmischen Recht als eines der schwersten Verbrechen berhaupt galt, muss schon die Frage, ob der jdische Gesprchspartner ein Tempelruber sei, als schwere Verleumdung betrachtet werden. Mçglicherweise aktiviert Paulus hier bewusst einen paganen antijdischen Vorwurf. Die sog. Ketzerpolemik in Rçm 16,17–20a, die hier als integraler Bestandteil des Rçmerbriefs gelesen wird, beschreibt die von der in der rçmischen Gemeinde und der Sicht des Paulus verbindlichen Lehre abweichenden judenchristlichen Missionare in polemischer Abwertung als triebgesteuerte, betrgerische Agenten des Satans. Man darf die Polemik des Paulus im Rçmerbrief nicht ausschließlich in historischer Perspektive nachzeichnen, ohne sich gegenwrtig theologisch dazu zu verhalten. Diese Verleumdungen und Verbalinjurien stellen inakzeptable Grenzberschreitungen dar, die keinesfalls damit zu rechtfertigen sind, dass sie letztlich der Wahrheit des Evangeliums dienen oder dass sie nur bereits bestehende, akzeptierte antike Muster aufnehmen und fortschreiben. Abgrenzungen gegenber andersdenkenden Menschen sind oftmals in der Sache geboten. Hierbei wird es dann darum gehen mssen, die strittigen Sachfragen zu besprechen, ohne die jeweiligen von der eigenen Position abweichenden Menschen polemisch in der Erwartung anzugreifen, ber eine personenbezogene Polemik eine Sachentscheidung herbeifhren zu kçnnen. Was die judenchristlichen Missionare, die Paulus in Rçm

230

Friedrich Wilhelm Horn

16,17–20a attackiert, gelehrt haben, wird im Rçmerbrief nicht gesagt. Die Polemik bezieht sich ausschließlich auf die Personen und umgeht jegliche Sachauseinandersetzung. Sie ignoriert berdies, dass auch diese christlichen Missionare zur Kirche zhlen, und sie missachtet den Grundsatz des in der Kirche gebotenen geschwisterlichen Umgangs. Die Polemik gegenber Juden, zwar in Frageform vorgetragen, in der Sache aber denunzierend, erhebt einen schweren Vorwurf und kriminalisiert den Gesprchspartner. Dass solche Vorwrfe in der Geschichte rezipiert, antijudaistisch ausgebaut und somit eine Grundlage fr weitere Angriffe wurden, gehçrt zur bedenklichen Nachgeschichte der Polemik des Rçmerbriefs.

Literatur Becker, J., Die Testamente der zwçlf Patriarchen (JSHRZ III 1), Gtersloh 1980. Becker, J., Paulus. Der Apostel der Vçlker, Tbingen 1989. Bell, R.H., No one seeks for God. An Exegetical and Theological Study of Romans 1.18 – 3.20 (WUNT 106), Tbingen 1998. Berger, K., Die impliziten Gegner. Zur Methode des Erschließens von Gegnern in neutestamentlichen Texten, in: Kirche. FS Gnther Bornkamm, Tbingen 1980, 373 – 400. Berger, K., Formgeschichte des Neuen Testaments, Heidelberg 1984. Braungart, G., Art. Polemik I. Philosophisch, in: RGG4 6, 1440. Cranfield, C.E.B., Romans (ICC, 2 vol.), Edinburgh 2001. Debel, H.,Unnatural Intercourse‘ in Rom 1,26 – 27, in: The Letter to the Romans, hg. von U. Schnelle (BETL 226), 2009, 631 – 640. Donfried, K.P., A short Note on Romans 16, in: id. (ed.), The Romans Debate. Revised and Expanded Edition, Minneapolis 1995, 44 – 52. Dunn, J.D.G., Romans (WBC 38 A.B), Dallas 1988. Fitzmyer, J.A., Romans (AncB 33), New York 1993. Forbes, C., Comparison, Self-Praise and Irony: Paul’s Boasting and the Conventions of Hellenistic Rhetoric, in: NTS 32 (1986) 1 – 30. Frey, J., Galaterbrief, in: Paulus. Leben – Umwelt – Werk – Briefe, hg. von O. Wischmeyer (UTB 2767), Tbingen/Basel 2006, 192 – 216. Garlington, D.B., IEQOSUKEIM and the Idolatry of Israel (Romans 2.22), in: NTS 36 (1990) 142 – 151. Gathercole, S.J., Where is Boasting? Early Jewish Soteriology and Paul’s Response in Romans 1 – 5, Grand Rapids/Cambridge 2005. Goppelt, L., Der Missionar des Gesetzes. Zu Rçm. 2,21 f., in: ders., Christologie und Ethik. Aufstze zum Neuen Testament, Gçttingen 1968, 137 – 146. Haacker, K., Art. Reqºsukor, in: TBLNT I (1997) 897. Haacker, K., Der Brief des Paulus an die Rçmer (ThHK 6), Leipzig 20063. Hays, R.B., Echoes of Scripture in the Letters of Paul, New Haven/London 1989. Holtz, G., Damit Gott sei alles in allem. Studien zum paulinischen und frhjdischen Universalismus (BZNW 149), Berlin/New York 2007.

Gçtzendiener, Tempelruber und Betrger

231

Horn, F.W., Die Herrlichkeit des unvergnglichen Gottes und die Bilder der vergnglichen Menschen. berlegungen im Anschluss an Rçm 1,23, in: Gott im Wort – Gott im Bild. Bilderlosigkeit als Bedingung des Monotheismus? FS Klaus Bmlein, Neukirchen 20082, 43 – 57. Jacobsen, A.-C., Ulrich, J., Brakke, D. (Hg.), Critique and Apologetics. Jews, Christians and Pagans in Antiquity (Early Christianity in the Context of Antiquity), Frankfurt 2009. Jewett, R., Romans (Hermeneia), Minneapolis 2007. Koster, S., Die Invektive in der griechischen und rçmischen Literatur (Beitrge zur klassischen Philologie 99), Meisenheim am Glan 1980. Krentz, E., The Name of God in Disrepute: Romans 2:17 – 29 (CTM 17), 1990, 429 – 439. Labow, D., Flavius Josephus. Contra Apionem Buch I. Einleitung, Text, textkritischer Apparat, bersetzung und Kommentar (BWANT 167), Stuttgart 2005. Lampe, P., The Roman Christians of Romans 16, in: Donfried, K.P. (Hg.), The Romans Debate. Revised and Expanded Edition, Minneapolis 1995, 216 – 230. Lgasse, S., L’ptre de Paul aux Romains (LeDiv. Comm. 10), Paris 2002. Liddell, H.G., Scott, R., Greek-English Lexicon With a Revised Supplement, Oxford 1996. Liebermann, W.-L., Art. Invektive, in: DNP 5 (1998), 1049 – 1051 Lietzmann, H., An die Rçmer (HNT 8), Tbingen 19334. Linderski, J., Art. Sacrilegium, in: DNP 10 (2001), 1202. Lohse, E., Apostolische Ermahnung in Rçm 16,17 – 20, in: ders., Rechenschaft vom Evangelium. Exegetische Studien zum Rçmerbrief (BZNW 150), Berlin/ New York 2007, 88 – 96. Lohse, E., Der Brief an die Rçmer (KEK IV), Gçttingen 2003. Merkel, H., Art. Gotteslsterung, RAC XI (1981), 1193 – 1197. Michel, O., Der Brief an die Rçmer (KEK IV), Gçttingen 51978. Mommsen, T., Der Religionsfrevel nach rçmischem Recht, in: ders., Gesammelte Schriften 3, Berlin 1907. Moo, D.J., The Epistle to the Romans (NIC), Grand Rapids 1996. Mller, M., Vom Schluß zum Ganzen. Zur Bedeutung des paulinischen Briefkorpusabschlusses (FRLANT 172), Gçttingen 1997. North, J.L.,Good Wordes and Faire Speeches‘ (Rom 16.18 AV): More Materials and a Pauline Pun, in: NTS 42 (1996), 600 – 614. Pfaff, I., Art. Sacrilegium, in: PRE II 2/1 (1920), 1678 – 1681. Popkes, W., Zum Aufbau und Charakter von Rçmer 1,18 – 32, in: NTS 28 (1982), 490 – 501. Schmithals, W., Die Irrlehrer von Rçm 16,17 – 20, in: ders., Paulus und die Gnostiker. Untersuchungen zu den kleinen Paulusbriefen (ThF 35), HamburgBergstedt 1965. Schnelle, U., Einleitung in das Neue Testament, Gçttingen 20076. Schreiber, S., Der Rçmerbrief, in: Einleitung in das Neue Testament (KSTh 6), hg. von M. Ebner und S. Schreiber, Stuttgart 2008. Schrenk, G., Art. Reqºr jtk, in: ThWNT III (1938), 254 – 256. Strack, H.L., Billerbeck, P., Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch III, Mnchen 19797.

232

Friedrich Wilhelm Horn

Sumney, J.L., Identifying Paul’s Opponents. The Question of Method in 2 Corinthians (JSNT.S 40), Sheffield 1990. Theißen, G., Die Gegenmission zu Paulus in Galatien, Philippi und Korinth: Versuch einer Einheitsdeutung, in: Beitrge zur urchristlichen Theologiegeschichte, hg. von W. Kraus (BZNW 163), Berlin/New York 2009, 277 – 306. Theobald, M., Der Rçmerbrief (EdF 294), Darmstadt 2000. Theobald, M., Rçm 1,26 f.: Eine paulinische Weisung zur Homosexualitt? Pldoyer fr einen vernnftigen Umgang mit der Schrift, in: ders., Studien zum Rçmerbrief (WUNT 136), Tbingen 2001, 511 – 518. Theobald, M., Rçmerbrief (SKK 6/1+2), Stuttgart 1992. Thorsteinsson, R.M., Paul’s Interlocutor in Romans 2. Function and Identity in the Context of Ancient Epistolography (CB.NT 40), Stockholm 2003. Tobin, T.H., Paul’s Rhetoric in its Contexts. The Argument of Romans, Peabody 2004. Tschackert, P., Art. Polemik II. Geschichte und Litteratur (sic!), in: RE3 15 (1904), 510 – 513. Wilckens, U., Der Brief an die Rçmer (EKK VI/1 – 3), Zrich u. a. 1978 – 1982. Wischmeyer, O., Die paulinische Mission als religiçse und literarische Kommunikation, in: Die Anfnge des Christentums, hg. von F.W. Graf und K. Wiegandt, Frankfurt 2009, 90 – 121. Wischmeyer, O., Rçmer 2,1 – 24 als Teil der Gerichtsrede des Paulus gegen die Menschheit, in: NTS 52 (2006), 356 – 376. Wischmeyer, O., Rçmerbrief, in: dies., Paulus. Leben – Umwelt – Werk – Briefe (UTB 2767), Tbingen/Basel 2006, 241 – 274. Wolter, M., Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon (TK 12), Gtersloh 1993. Woyke, J., Gçtter, ,Gçtzen‘, Gçtterbilder. Aspekte einer paulinischen ,Theologie der Religionen‘ (BZNW 132), Berlin/New York 2005. Zahn, T., Der Brief des Paulus an die Rçmer (KNT VI), Leipzig 1910.

Polemik und Autobiographie. Ein Vorschlag zur Deutung von Phil 3,2 – 4a Eve-Marie Becker 1. Phil 3,2 – 4a im Kontext des Philipperbriefes In Phil 3,2 – 4a findet sich eine der schrfsten Formen paulinischer Polemik: „2 Schaut auf die Hunde, schaut auf die schlechten Arbeiter, schaut auf die Zerstckelung. 3 Wir nmlich sind die Beschneidung – die wir im Geist Gottes dienen und uns in Christus Jesus rhmen und nicht auf unser Fleisch vertrauen, 4a obgleich ich auch auf das Fleisch Vertrauen haben kçnnte.“

Die paulinische Polemik besteht hier darin, Widersacher als mçgliche Gegner oder Konkurrenten zu bezeichnen, von denen Paulus sich selbst und seine Adressaten abzugrenzen sucht. Er belegt diese Personengruppen mit negativer, teils aggressiver Semantik (,Hunde […], schlechte Arbeiter […], Zerstckelung [statt Beschneidung]‘). Die ungewçhnliche Schrfe dieser Polemik verlangt nach einer Deutung, die nicht nur die Sprache, sondern auch die Stellung des Textes im Kontext des Philipperbriefes in den Blick nimmt. Der folgende Beitrag wird die polemische Passage in erster Linie im Zusammenhang mit dem autobiographisch geprgten Mikrokontext (Phil 3,4bff.) betrachten und von daher die Funktion der Polemik im Argumentationsgang in Phil 3 bestimmen. Dabei ist auch die Makrostruktur des Gesamtbriefes zu betrachten. Die Forschung hat nmlich immer wieder gezeigt, dass die Deutung von Phil 3,2 – 4a eng mit der Interpretationen des Philipperbriefes als Gesamtbrief in Zusammenhang steht, ja sogar eine zentrale Rolle fr seine einleitungswissenschaftliche Erschließung spielt. Phil 3,2 – 4a gehçrt so gesehen gemeinhin zu den Schaltstellen oder Schlsseltexten des Philipperbriefes.

234

Eve-Marie Becker

1.1. Phil 3,2 – 4a und die Frage der literarischen Einheitlichkeit des Philipperbriefes Im bergang von Phil 3,1 zu 3,21 wird vielfach ein ,Stimmungsumschwung‘ erkannt, der literarkritische Fragen aufwirft2. Da sich der Mikrokontext in 3,1 vor allem in semantischer Hinsicht (V. 1: wa¸qete […] oqj ajmgqºm […] !svak´r) inkohsiv zu 3,2 (z. B.: bk´pete to»r jajo»r 1qc²tar) zu verhalten scheint3, ist zu fragen, ob sich Phil 3,2 – 4a hier an originrer Stelle befindet oder ob wir bei dem uns vorliegenden kanonischen Philipperbrief mit einer Brief-Kompilation zu rechnen haben. Demnach htte eine spterer Abschreiber oder Redaktor4 den Abschnitt zufllig oder intentional an der vorliegenden Stelle im Gesamtbrief platziert. Whrend Ernst Lohmeyer und Ulrich B. Mller von der literarischen Einheitlichkeit des Briefes ausgehen und den Stimmungsumschwung in Phil 3,2 z. B. mit Hilfe der Annahme einer „Diktatpause“ deuten5, ordnen Wolfgang Schenk und hnlich Nikolaus Walter, Lukas Bormann oder zuletzt auch John Reumann Phil 3,2 – 21 oder 3,2 – 4,3.8 f. dem sog. ,Warnbrief C‘ zu, der mit der Abwehr jdischer Agitatoren befasst sei6. Joachim Gnilka geht nur von einer Zweiteilung des Philipperbriefes aus und rechnet Kap. 3 dann einem sog. ,Kampfbrief B‘ zu7. Bei diesen oder hnlichen Teilungsmodellen wird die Polemik in Phil 3 als eine konkrete Gegner-Polemik und damit als ein gewichtiges und eigenstndiges Brief-Thema gewertet8, das sogar zur Re1 2 3 4

5 6

7 8

Zur Frage der Zusammengehçrigkeit von Phil 3,1 und 3,2 s. auch unter 2.1. Vgl. zur bersicht: Gnilka, Der Philipperbrief, besonders: 7 f. Zuletzt z. B. Reumann, Philippians, 8 – 13; Bormann, Philipperbrief, 226 – 227. S. aber unten unter 2.1. Zwischen den Funktionen des Abschreibens und der redaktionellen Bearbeitung von Paulus-Briefen ist zu unterscheiden: Vgl. Becker, Schreiben und Verstehen, besonders: 78 ff. – Zur bersicht ber die traditionellen Redaktionstheorien vgl. Reumann, Philippians, 15. Lohmeyer, Die Briefe an die Philipper, an die Kolosser und an Philemon, 8; Mller, Der Brief des Paulus an die Philipper, besonders: 12. Vgl. Schenk, Die Philipperbriefe des Paulus, 291 ff.; Walter, Der Brief an die Philipper, 9 – 101, 20; Bormann, Philippi – Stadt und Christengemeinde zur Zeit des Paulus, 87 – 118; ders., Philipperbrief, 227; Reumann, Philippians, z. B. 3 und 17. – Zur bersicht ber die Kompilationstheorien vgl. auch Mller, Der Brief des Paulus an die Philipper, 8. Vgl. Gnilka, Der Philipperbrief, 10. Dieser Brief beinhaltet Phil 3,1b–4,1.8 f. Anders z. B. Brucker, ,Christushymnen‘ oder ,epideiktische Passagen‘?, 297 f., der ausgehend von einer rhetorischen Gliederung des Philipperbriefes den Abschnitt in 3,1 – 21 als Wiederaufnahme der propositio in 1,27 – 30 versteht: „Dabei stellt v. 1 eine berleitung dar, die zum eigentlichen Gegenstand zurcklenkt (%vodor/

Polemik und Autobiographie

235

konstruktion eines ursprnglich selbstndigen Briefes bzw. Briefteiles fhrt: Das Auftreten von Gegnern in Philippi habe Paulus dazu veranlasst, mit ebendieser situativen Polemik zu reagieren und einen solchen ,Warnbrief‘9 zu schreiben. Walter erklrt den in der uns vorliegenden Brief-Kompilation immer noch erkennbaren ,Stimmungsumschwung‘ zwischen Phil 3,1 und 3,2 dann damit, dass hier „ein Stck einleitender Text weggefallen“ sein muss10. Die literarkritische Diskussion ber die Einheitlichkeit oder die Kompilation des Philipperbriefes soll an dieser Stelle nicht vertieft werden. Fr die Deutung von Phil 3,2 – 4a indes ist zweierlei wichtig: Zunchst ist allgemein unbestritten, dass weder diese drei Verse selbst noch die sich hieran anschließende autobiographische Rede zwei unterschiedlichen Briefteilen zuzurechnen sind: 3,2 – 16 befinden sich vielmehr in jedem Fall in einem Briefzusammenhang. Damit werden literarkritische Fragen fr die Deutung von Phil 3,2 – 4a und 3,4bff. selbst zweitrangig. Eine exegetische Analyse von Phil 3,2 – 4a im Mikro- und Makrokontext des Briefes wird dann aber zu prfen haben, wie sich der Textabschnitt in seinen Mikrokontext (Phil 3,1.4b) einfgt, wie er sich zur Polemik in 3,18 f. verhlt und ob sich die polemischen Passagen in Phil 3 sinnvoll in den bergeordneten Argumentationszusammenhang des Gesamtbriefes (Kap. 1 – 4) einbinden lassen. Sollte speziell die paulinische Polemik in 3,2 – 4a ein solch eigenstndiges thematisches Gewicht haben, dass sie sich dem Makrokontext des Briefes nicht zuweisen lsst, so kçnnte in der Tat die Annahme eines selbstndigen, in Phil 3,2 oder 3,1 beginnenden Briefteiles literarkritisch notwendig werden.11 transitio), whrend 3,2 – 4a als Proçmium des neuen Abschnitts erneut die Aufmerksamkeit der Adressaten zu wecken sucht“, a.a.O., 297. 9 Zur Frage, ob hier berhaupt eine Warnung vorliege, s.u. 1.2. 10 Walter, Der Brief an die Philipper, 74. 11 Ich mçchte mich an dieser Stelle nicht auf die eine oder andere Beurteilung festlegen, sondern verstehe diese Frage zunchst als Problemanzeige. – Grundstzlich aber gilt im Blick auf diese und andere umstrittene Fragen, was Lohmeyer, Die Briefe an die Philipper, an die Kolosser und an Philemon, 8 speziell zur Wrdigung von Thesen zur Bestreitung der Echtheit des Philipperbriefes (Baur, Paulus, der Apostel Jesu Christi, 58 – 94) oder auch zur Wrdigung von Kompilationsmodellen (seinerzeit z. B. Clemen, Einheitlichkeit der paulinischen Briefe an der Hand der bisher mit bezug auf sie aufgestellten Interpolations- und Compilationshypothesen, 133 ff.; Weiß, Das Urchristentum, 296 f.) so formuliert hatte: Ihr „unleugbarer Wert“ besteht darin, „dort Fragen gestellt zu haben und zu stellen, wo man gewçhnt war, keine Fragen mehr zu sehen“.

236

Eve-Marie Becker

1.2. Phil 3,2 – 4a und die Frage nach den Gegnern in Philippi Eng im Zusammenhang mit der literarkritischen Diskussion steht die Frage, ob Paulus mit seiner Polemik in Phil 3,2 – 4a auf eine aktuelle Situation in Philippi reagiert und ob er sich dabei mit einer Gegnerschaft auseinandersetzt, die sich genauer identifizieren lsst12. Speziell die oben genannten Kompilationstheorien setzen ja voraus, dass die Abfassung des Briefes C durch das konkrete Auftreten von Gegnern motiviert sei. Doch auch die Annahme einer literarischen Einheitlichkeit des Briefes, die mit einer Diktatpause zwischen Phil 3,1 und 3,2 begrndet wird, geht letztlich von einer nderung der Situation in Philippi aus: Paulus erhlt neue „Nachrichten ber die Irrlehrer“13 und fhrt daraufhin mit seinem Briefeschreiben fort. Im Blick auf die Identifizierung dieser Gegner ist in der jngeren Forschung – wie schon in der patristischen Exegese14 – eine zunehmende Tendenz zu erkennen, in den hier polemisch angegriffenen Widersachern des Paulus, hnlich wie im Galaterbrief, judaisierende Agitatoren erkennen zu wollen15 : Paulus warne vor „Propagandisten, die in die Gemeinde eindringen“16 bzw. sei in der Weise mit „judaistischen Gegnern“ konfrontiert, wie er sich schon offenbar kurz zuvor im Galaterbrief „mit entsprechenden Hretikern in Galatien“auseinanderzusetzen hatte17. Besonders der Hinweis auf die peqitol¶ in Phil 3,3 scheint eine solche Deutung nahezulegen. Allerdings ist ebendiese Deutung nicht so eindeutig und unumstritten, wie sie auf den ersten Blick scheinen kçnnte. Denn schon Bernhard Weiß hat sie in seinem wichtigen, vielfach auch bersehenen Kommentar zum Philipperbrief (1859) mit guter Begrndung und in doppelter Hinsicht in Frage gestellt. Weiß mçchte nmlich zum einen zwischen den drei in V. 2 genannten 12 Grundlegend fr diese Diskussion war Schmithals, Die Irrlehrer des Philipperbriefes. – Omerzu, Spurensuche, 320 – 322 will zuletzt die Polemik in Phil 3 weniger von der Situation in Philippi als vielmehr von den Ereignissen her deuten, die mit der ephesinischen Gefangenschaft des Paulus verbunden waren. Zur Frage der Datierung des Philipperbriefes s.u. bes. Anm. 32 – 33. 13 Mller, Der Brief des Paulus an die Philipper, 12. 14 Vgl. dazu ausfhrlich Weiß, Der Philipper-Brief ausgelegt und die Geschichte seiner Auslegung kritisch dargestellt, Berlin 1859, bes. 222 ff. 15 Vgl. z. B. Lohmeyer, Die Briefe an die Philipper, an die Kolosser und an Philemon, 126: „So fhren denn alle Ausdrcke darauf, in den Gegnern jdische Agitatoren oder vielleicht nur Angehçrige der jdischen Gemeinde zu Philippi zu sehen“. Vgl. zuletzt auch Reumann, Philippians, 469 f. 16 So Gnilka, Philipperbrief 184. 17 Mller, Der Brief des Paulus an die Philipper, 25.

Polemik und Autobiographie

237

Gruppen differenzieren: Paulus warnt die Philipper ja zunchst vor den ,Hunden‘, dann vor den ,schlechten Arbeitern‘ und zuletzt vor der ,Zerstckelung‘. Hat Paulus demnach auch drei verschiedene Gruppen von Gegnern oder Konkurrenten im Blick?18 Auszuschließen ist diese Annahme jedenfalls nicht. Zum anderen sieht Weiß bei allen drei mçglichen Gruppen keine hinreichenden Hinweise speziell auf judaisierende Kreise, die die Gemeinde in Philippi akut und direkt bedrngt htten19 : Weiß will hingegen die ,Hunde‘ als Warnung vor dem ,unreinen heidnischen Wesen‘ verstehen (vgl. Phil 1,15 – 17) und deutet die jajo· 1qc²tai mehr als Ausdruck fr die „schlechte Beschaffenheit der Arbeiter“ denn als Hinweise auf deren spezifische religiçse oder ethnische Identitt (vgl. Phil 3,18 f.; anders 2Kor 11,13)20. Die jatatol¶ schließlich bezieht Weiß ebenso wenig auf ,judenchristliche Irrlehrer‘21, sondern auf „unglubige Juden […], die […] in den fleischlichen Vorzgen ihres Volkes ihre Freude und ihren Ruhm suchen“ (vgl. Phil 3,3 – 11)22. So deutet Weiß die paulinische Polemik in Phil 3 in erster Linie topisch und stellt sie dabei in eine direkte Beziehung zu jenen Teilen des Philipperbriefes (1,15 – 17; 3,3 – 11; 3,18 – 19), in denen Paulus in hnlicher Weise um Abgrenzung von anderen Personengruppen – also konkurrierenden Predigern (Phil 1,15), (pharisischen) Juden (Phil 3,3 ff.) und Feinden des Kreuzes‘ (Phil 3,18) – sowie um die Bestimmung und Wahrung der Identitt seiner eigenen Person und die seiner Adressaten in Philippi bemht ist. In diesem Zusammenhang wre daneben auch auf die topische paulinische Warnung vor den ,Widersachern‘ in Phil 1,28 hinzuweisen (vgl. 18 Vgl. Weiß, Der Philipper-Brief ausgelegt und die Geschichte seiner Auslegung kritisch dargestellt, 220 – 224. 19 Weiß, Der Philipper-Brief ausgelegt und die Geschichte seiner Auslegung kritisch dargestellt, 223: „Warum […] der Apostel gegen Leute, die noch gar nicht gefhrlich geworden, vielleicht gar nicht anwesend waren, auf einmal […] die heftigste Polemik erçffnet haben soll, ist in der That schwer abzusehen“. 20 Weiß, Der Philipper-Brief ausgelegt und die Geschichte seiner Auslegung kritisch dargestellt, 221; 222. 21 Weiß, Der Philipper-Brief ausgelegt und die Geschichte seiner Auslegung kritisch dargestellt, 223: „So wenig Paulus je die judenchristlichen Irrlehrer als die peqitol¶ schlechthin bezeichnet, so wenig kann hier jatatol¶ auf dieselben gehen“. 22 Weiß, Der Philipper-Brief ausgelegt und die Geschichte seiner Auslegung kritisch dargestellt, 223: „So muß es denn in der That immer zweifelhafter werden, ob Paulus hier wirklich an judenchristliche Irrlehrer denkt“. Demnach wre im Vergleich mit 1,15 – 17 an solche Arbeiter zu denken, „die nicht an der Sache des Evangeliums, fr die sie zu wirken vorgaben, sondern an ihrem eigenschtigen Treiben und dem Verfechten ihrer persçnlichen Interessen ihre Freude finden“, a.a.O., 224.

238

Eve-Marie Becker

auch z. B. 1 Kor 16,9), die hier als eine Gefahr fr die Einmtigkeit in der Gemeinde dargestellt wird. Im Ergebnis kann Weiß keine konkreten Bezge zu einem zurckliegenden oder gegenwrtigen Auftreten von judaisierenden Gegnern oder Irrlehrern in Philippi erkennen. Er grenzt damit auch den Philipperbrief von der Situation, die hinter dem 2. Korinther- und dem Galaterbrief zu vermuten ist, sachlich und zeitlich deutlich ab: „Was mich zu dieser von der gewçhnlichen so ganz abweichenden Auffassung veranlaßt, ist…, daß ich im Folgenden keinerlei Polemik gegen judaistische Irrlehrer finden kann […]“23. Unabhngig von der Frage, ob Weiß in der Tendenz seiner Textwahrnehmung oder gar im Blick auf seine einzelnen Textbeobachtungen zuzustimmen ist, macht seine detaillierte Analyse des Textes deutlich, dass die in der Kommentar-Literatur gerne wiederkehrende Rede von ,judaisierenden Agitatoren‘ in Philippi zumindest einer erneuten kritischen Prfung unterzogen werden muss.24 In diesem Zusammenhang muss auch das weit verbreitete Urteil berprft werden, mit dem dreimaligen bk´pete werde eine direkte Warnung vor diesen Gegnern zum Ausdruck gebracht25. Vielmehr ist bk´pete in Phil 3,2 hnlich wie in 1Kor 1,26; 10,18 als Imperativ mit anschließendem Akkusativ konstruiert. Bei dieser Konstruktion ist bk´pete im Sinne von ,betrachten‘, ,in den Blick nehmen‘ zu verstehen. Das ,Sehen‘ hat also eine ,geistige Funktion‘26 (anders das parnetisch verwendete sjope?te in 3,17). Wenn dagegen bk´pete im Sinne einer Warnung fungiert, so wird es bei Paulus mit einer nachfolgenden Konstruktion verknpft, die durch lμ, p_r oder Vma eingeleitet wird (vgl. 1Kor 3,10; 8,9; 10,12; 16,10; Gal 5,15)27. Demnach ist das dreimalige bk´pete in Phil 3,2 kaum als eine solche Warnung vor konkreten Gegnern28, sondern eher als Aufforderung des Paulus an die Gemeinde in Philippi zu lesen, andere – reale oder fiktive – Gruppen als 23 Weiß, Der Philipper-Brief ausgelegt und die Geschichte seiner Auslegung kritisch dargestellt, 224. 24 S.o. Anm. 11. 25 Kritisch schon Weiß, Der Philipper-Brief ausgelegt und die Geschichte seiner Auslegung kritisch dargestellt, 220 f. 26 So Bauer, Griechisch-Deutsches Wçrterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der brigen urchristlichen Literatur, 285. 27 Vgl. auch Schmoller, Handkonkordanz zum griechischen Neuen Testament, 85 f., der die Bedeutung von bk´peim zu recht mit (1) oculis cernere, intueri, spectare und (2) providere, cavere, curare erfasst und Phil 3,2 der Gruppe (1) zuweist. 28 An dieser Bedeutung halten dennoch Mller, Der Brief des Paulus an die Philipper, 144 besonders: Anm. 23 und zuletzt Reumann, Philippians, 460 und 470 fest.

Polemik und Autobiographie

239

mçgliche Gegner zu enttarnen und mit Distanz zu betrachten, um sich von ihnen abgrenzen zu kçnnen, so wie Paulus dies tut. 1.3. Phil 3,2 – 4a und die Frage der Datierung des Philipperbriefes Schließlich dient die paulinische Polemik in Phil 3 indirekt oder auch direkt der Datierung des Philipperbriefes. Wenn wir Weiß folgen und eine tendenziell topische Deutung der Polemik vorschlagen – eine Deutung, mit Hilfe derer Ferdinand Christian Baur im Unterschied zu Weiß wesentlich die Annahme der Unechtheit des Philipperbriefes begrndete –, dann ist die polemische Passage in Phil 3 jedenfalls nicht notwendig an eine bestimmte Situation oder Lebensphase des Paulus gebunden29. Auch befindet sich Phil dann nicht zwangslufig in zeitlicher Nhe zum Gal. Weiß’ Beurteilung trgt also gleichsam e silentio, und d. h. indirekt zur Datierung des Briefes bei. Ulrich B. Mller hingegen zieht die polemische Passage direkt zur Datierung heran, ja er begrndet diese wesentlich von der Polemik in Phil 3 her: Denn Mller versteht die paulinische Polemik als eine Gegner-Polemik, die sich in zeitlicher Nhe zu 2Kor und Gal befindet. Er datiert den Philipperbrief damit in die Mitte der 50er Jahre, genauer: in die Zeit der ephesinischen Gefangenschaft, und vertritt damit eine Tendenz, die in der jngsten Forschung verstrkt zu beobachten ist30. Zudem versucht Mller, die paulinische Auseinandersetzung mit den mutmaßlich judaisierenden Gegnern und damit mit bestimmten Themen des Judentums (bes. Gesetz und Beschneidung) konzise in die biographische Entwicklung des Paulus einzuzeichnen: „In Rçm 7 gelingt es Paulus schließlich in subtiler Reflexion beides zusammenzudenken, das gçttliche Wesen der Tora und ihre vçllige Ohnmacht, Leben zu schaffen; in Phil. 3 scheint sie noch der vçlligen Negativitt verfallen zu sein – eine zugespitzte Position, die sich zum großen Teil der polemischen Kampfsituation des Paulus verdankt (hnlich wie im 29 Vgl. Baur, Paulus, der Apostel Jesu Christi, bes. 59 f.: „… Zwar wird gegen jdische Gegner polemisirt, aber man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, es geschehe diess nur deswegen, weil es einmal zum stehenden Character der paulinischen Briefe zu gehçren schien. Es fehlt dieser Polemik durchaus an Frische und Natrlichkeit, an der Objectivitt der gegebenen Verhltnisse…“. – Vgl. Weiß, Der Philipper-Brief ausgelegt und die Geschichte seiner Auslegung kritisch dargestellt, 27 selbst lokalisiert den Philipperbrief in Rom und datiert ihn damit auf das Ende der paulinischen Wirksamkeit. Zur ausfhrlichen Diskussion der lteren Forschung, vgl. a.a.O., 7 ff. 30 Vgl. Mller, Der Brief des Paulus an die Philipper, 24. Vgl. auch Reumann, Art. Philipperbrief, 1272 sowie unten Anm. 32; ders., Philippians, 13 – 15

240

Eve-Marie Becker

Gal.)“31. Demnach kçnne der Philipperbrief zeitlich nicht nach, sondern nur vor dem Rçmerbrief geschrieben worden sein. Ich stimme Mller darin zu, dass die Frage der Datierung des Philipperbriefes die biographische Entwicklung des Paulus bercksichtigen und daher eine Deutung von Phil 3 miteinbeziehen kann oder sogar muss. Denn die Datierung und damit eng verbunden die Lokalisierung32 des Philipperbriefes kçnnen nicht allein – vielleicht noch nicht einmal in erster Linie – auf den Hinweisen zum Aufenthaltsort des Paulus, die sich in Phil 1 und 4 finden, basieren: Die Erwhnung des pqait¾qiom in Phil 1,13 sowie der Verweis auf ,das Haus des Kaisers‘ in 4,22 spielen zwar als mçgliche historische Referenzen eine besondere Rolle bei der Datierung und Lokalisierung des Briefes. Im Ergebnis zeigt die Forschungsdiskussion allerdings, dass diese Ortsangaben wenig spezifisch und aussagekrftig sind und sich weder mit Ephesus noch mit Caesarea oder Rom eindeutig in Zusammenhang bringen lassen33. Wichtiger fr die Datierung des Philipperbriefes kçnnte daher in 31 Mller, Der Brief des Paulus an die Philipper, 22 f. 32 Zur bersicht ber die neuere Forschung vgl. z. B.: Ware, The Mission of the Church in Paul’s Letter to the Philippians in the Context of Ancient Judaism, 171 f. Anm. 24. Folgende Vorschlge zur Lokalisierung werden zuletzt gemacht: (a) Ephesus = Anfang/Mitte der 50er Jahre: 52 – 55 n. Chr.: z. B. Cousar, Philippians and Philemon,11; (b) Korinth = 56/57, z. B. Gnilka, Philipperbrief, 25; (c) Caesarea = Ende der 50er Jahre, z. B. Lohmeyer, Die Briefe an die Philipper, an die Kolosser und an Philemon, 3; (d) Rom = frhe 60er Jahre: z. B. Bockmuehl, The Epistle to the Philippians, 32 (nach 62 n. Chr.?); Ware, The Mission of the Church in Paul’s Letter to the Philippians in the Context of Ancient Judaism, 171 (61 – 62 n. Chr.); (e) zwischen 54/55 (Ephesus) und 63 (Rom): Martin, The Epistle of Paul to the Philippians, 37. 33 Der Begriff Prtorium (praetorium) begegnet als Lehnwort in der zeitgençssischen griechischen Literatur (z. B. Philo; Josephus) außerhalb des Neuen Testaments (vgl. auch Mk 15,16; Mt 27,27; Joh 18,28.33; 19,9; Apg 23,35) noch nicht, erst in der patristischen Rezeption besonders der Passionsgeschichte. – Paulus kçnnte mit ,Prtorium‘ hier wohl entweder den Sitz des Statthalters in Caesarea (zu den praetoria in der Provinz Judaea in Jerusalem und Caesarea vgl. Egger, Das Praetorium als Amtssitz und Quartier rçmischer Spitzenfunktionre, 17 – 22) bezeichnen. Oder er bezieht sich mit einem pars pro toto-Begriff auf die Prtorianergarde in Rom (s.u.). Fr Ephesus als Provinzstadt scheint zu sprechen, dass Cicero (in Verrem 4,65; 5,92) mit praetorium den Sitz eines Statthalters in Syrakus/Sizilien bezeichnete (so auch z. B. Mller, Der Brief des Paulus an die Philipper, 54) und dass eine in Mainz gefundene Terra-Nigra-Schssel die Verwendung des Begriffs in rçmischer Provinz zu Beginn des 2. Jhs. belegt. Plausibler sind allerdings Caesarea oder Rom: Fr Caesarea spricht, dass das Prtorium hier Amtssitz des rçmischen Statthalters wre (vgl. auch Apg 23,35): „Zu den glanzvollen Bauten des Herrschers zhlt seine Residenz in der Oberstadt, das bas¸keiom mit zwei besonders schçnen Slen, die Jai-

Polemik und Autobiographie

241

der Tat die Deutung einzelner Textabschnitte im Philipperbrief sein, die zur Rekonstruktion der biographischen Entwicklung bzw. der aktuellen Lebenssituation des Paulus beitragen34. Und doch ist Mllers methodischer Zugang zur Deutung von Phil 3,2 – 4a und die daraus resultierende Rekonstruktion der biographischen Entwicklung des Paulus in Frage zu stellen. Zunchst ist der historische Wert polemischer Passagen zu hinterfragen: Sind polemische Texte zwangslufig mit historischen Ereignissen oder Situationen verbunden oder darauf bezogen, und tragen sie – wie Mller vermutet – sogar zur Rekonstruktion einer realen historischen Situation, also z. B. zur Identifizierung von bestimmten Gegnergruppen in der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. in Makedonien bei? Oder ist der historische Wert von polemischen Texten grundstzlich zu bezweifeln, weil Polemik zunchst ein literarisches Phnomen ist, das sich weder przise ereignisgeschichtlich einordnen noch lebensgeschichtlich eingrenzen lsst? Ich meine, dass eine solche Skepsis gegenber dem historischen Wert polemischer Passagen und gegenber deren Zuordnung zur biographischen Entwicklung einer Person notwendig ist. Weder muss Polemik historisch veranlasst oder begrndet sein, noch entwickelt sich literarische Polemik parallel und kontinuierlich zum Denken und Handeln einer Person. saqe?om und )cqippe?om hießen […]“ (Egger, Das Praetorium als Amtssitz und Quartier rçmischer Spitzenfunktionre, 17 mit Hinweis auf Josephus, Bellum 1,21,1/1,402). Fr Rom sprechen folgende Belege: Bei Tacitus und Sueton finden sich Belege dafr, dass das Prtorium auch fr Prtorianer (Annales 2,11,3: […] veterani e praetorio […]) oder fr kaiserliche Gebude (Caligula 37,2: […] in extructionibus praetoriorum atque uillorum […]) stehen konnte. – Vgl. dazu insgesamt auch die DNP-Artikel Praetorianer und Praetorium (Campbell: DNP 10 [2001] 262 – 264 und 264); Neumann, Art. Prtorium, 1117. Zu der unter Seianus 23 errichteten castra praetoria (Tacitus, Annales 4,2; Sueton, Tiberius 37) vgl.: Durry, Art. Praetoria cohortes, 1611. Zum breiten Bedeutungsspektrum vgl. auch Lammert, Art. Praetorium, 2535 – 2537. – Auch die Erwhnung des ,Hauses des Kaisers‘ in Phil 4,22 deutet nicht zwangslufig auf Rom hin: Vgl. etwa Lohmeyer, Die Briefe an die Philipper, an die Kolosser und an Philemon, 191 bes. Anm. 1 (mit Hinweis auf Caesarea); Mller, Der Brief des Paulus an die Philipper, 212 und Reumann, Philippians, 739 f. (mit Hinweis auf Ephesus), ebenso Gnilka, Philipperbrief, 182, der Phil 4,22 ja Brief A zurechnet. Zur auslegungsgeschichtlichen Diskussion: Weiß, Der Philipper-Brief ausgelegt und die Geschichte seiner Auslegung kritisch dargestellt, 353 f. 34 Poplutz, Athlet des Evangeliums, 221 hat z. B. eine „persçnliche Entwicklung“ bei der „Verwendung des Agonmotivs entsprechend der jeweiligen konkreten Lebenssituation des Apostels“ nachzuzeichnen versucht. – Allerdings bleibt grundstzlich zu diskutieren, ob wir beim Denken und Handeln des Paulus berhaupt mit einer kontinuierlichen biographischen Entwicklung rechnen kçnnen.

242

Eve-Marie Becker

So findet sich ja auch in dem vermeintlichen Alterswerk des Paulus, dem Rçmerbrief, der laut Mller gerade wegen der ausgewogenen Auseinandersetzung mit dem Gesetz in Kap. 7 zeitlich nach dem Philipperbrief verfasst worden sein muss, durchaus eine anti-jdische Polemik (Kap. 2,17 ff.)35 : Kap. 2 und 7 stehen sich hier in einer deutlich erkennbaren Spannung gegenber. Die paulinische Polemik ist also offenbar gerade nicht ein Phnomen, das auf eine bestimmte Lebensphase des Paulus beschrnkt werden kçnnte. Vielmehr ist die Polemik ein Teil der paulinischen Biographie (vgl. z. B. Apg 23,3). Und so durchziehen polemische Elemente (fast) alle Briefe des Paulus36. Polemik ist ein konstitutiver Teil des paulinischen Schreibstils37. Insofern kann eine relative Chronologie der paulinischen Briefe kaum auf der bloßen Wahrnehmung und der lebens- bzw. ereignisgeschichtlichen Zuordnung von Polemik basieren. So sehr Mllers Vorschlag, biographische Elemente verstrkt in Datierungsfragen einzubeziehen, zu begrßen ist, so sehr ist zu bezweifeln, ob polemische Passagen direkt und unmittelbar fr die historische Rekonstruktion einer Biographie herangezogen werden kçnnen. Vielmehr meine ich, zeigen zu kçnnen, dass die paulinische Polemik in Phil 3 im wesentlichen der rhetorischen und literarischen Begrndung autobiographischer Rede (3,4bff.) dient und uns deswegen nur mittelbar an die historische Situation des Briefes heranfhren kann, weil hier die Selbstinszenierung der Person des Briefeschreibers im Vordergrund steht. Dass die Person des Paulus im Mittelpunkt der topisch verwendeten Polemik im Philipperbrief steht, hatte brigens schon Baur konstatiert, wenn auch mit der Absicht, dem Brief die paulinische Verfasserschaft abzusprechen38. Dieser Beitrag indes zielt darauf, anders als Mller einerseits oder Baur andererseits insinuieren, aufzudecken, dass die polemische Passage in Phil 3,2 – 4a weder konkret ereignisgeschichtich motiviert noch bloß pseudepigraph stilisiert ist, sondern dass sie dadurch literarisch spezifisch wirkt, 35 Vgl. Wischmeyer, Rçm 2,1 – 24 als Teil der Gerichtsrede des Paulus gegen die Menschheit. 36 Eine Ausnahme stellt hçchstens der Philemonbrief dar. 37 Vgl. dazu auch die brigen Beitrge zu den paulinischen Briefen in diesem Band. 38 Baur, Paulus, der Apostel Jesu Christi, 60: „… Und dieser so eigene unnatrliche Gegensatz [zwischen der jatatol¶/peqitol¶, Verf.in] wird nicht gemacht, um etwas die Sache selbst Betreffendes zu sagen, sondern nur… in der Absicht, um dem Apostel, indem er die peqitol¶ von sich selbst aussagt, dadurch Gelegenheit zu geben, von seiner eigenen Person zu reden, woran den Verfassern der pseudoapostolischen Briefe… im Bewusstsein der Duplicitt ihrer Person immer gar viel gelegen ist“.

Polemik und Autobiographie

243

dass sie ihren Fluchtpunkt außerhalb ihrer selbst, nmlich in der anschließenden autobiographischen Passage in Phil 3,4bff. hat (2.1.): Paulus schreibt hier ber sich selbst. An diese Beobachtung anschließend, wird ber Phil 3 hinaus zu diskutieren sein, welche Bedeutung der autobiographischen Rede des Paulus im Phil zukommt (2.2.). Unter 2.3. wird der Ertrag dieser Textbeobachtungen kurz resmiert.

2. Zur autobiographischen Funktion der Polemik in Phil 3,2 – 4a Die exegetische Analyse und Deutung der paulinischen Polemik in Phil 3,2 – 4a setzt mit der Frage ein: Wie konstruiert Paulus syntaktisch und semantisch diesen polemischen Text, wie ist dieser Text in seinen Mikrokontext eingebunden, und welche Funktion kommt der Polemik in diesem Kontext zu? 2.1. Der autobiographische Fluchtpunkt in Phil 3,4a In den neueren Kommentaren wird in Phil 3,2 gerne ein Einschnitt markiert, so dass 3,2 – 4a als kleine literarische Einheit gilt, die sich innerhalb von 3,2 – 21 oder 3,2 – 4,1/3 befindet39. Der Einschnitt zwischen Phil 3,1 und 3,2 scheint sich aufgrund der oben genannten Inkohsionsmerkmale nahezulegen. Allerdings lsst sich diese Untergliederung auch in Frage stellen. Deutlich ist nmlich, dass bereits Phil 3,1 einen Einschnitt markiert: Denn Paulus setzt hier zwar die Rede in der 2. Person Plural von 2,25 ff. fort, spricht aber mit t¹ koip¹m, !dekvo¸ lou seine Adressaten nun direkt an und geht nach einer speziellen Empfehlung fr Epaphroditus (2,25 – 30) jetzt zu einer generalisierenden oder resmierenden Rede ber (t¹ koip¹m […] wa¸qete […]). Wenn dann nach 3,1 ein weiterer Einschnitt markiert wird, stnde dieser Vers unverbunden zwischen 2,30 und 3,2. So bietet sich eher eine Verknpfung von 3,1 mit 3,2 an, zumal sich in beiden Versen entsprechende Kohsionsmerkmale finden lassen. Denn Phil 3,2 nimmt mit dem dreimaligen Imperativ bk´pete direkt die imperativische Rede in 3,1 auf. Dass zwischen 3,1 und 3,2 ein Einschnitt bzw. ,Stim39 Vgl. z. B. Schenk, Philipperbriefe, 250 ff.; Walter, Der Brief an die Philipper, 73 ff. (Walter fasst allerdings 3,2 – 11 zusammen); Mller, Der Brief des Paulus an die Philipper, 144 ff.; Bormann, Philipperbrief, 219; Reumann, Philippians, 460 ff.

244

Eve-Marie Becker

mungsumschwung‘ erkennbar sei, ist also nicht eindeutig40. Vielmehr lassen sich auch Phil 3,1 ff. als eine literarische Einheit betrachten. Noch knstlicher wirkt indes der Einschnitt, der nach 3,4a gewhlt wird: Denn 3,4b setzt die durch 1c¾ emphatisch betonte Rede in der 1. Person Singular fort, die Paulus in 3,4a bereits begonnen hatte. Zudem begibt sich Paulus in 3,4b in eine direkte Konfrontation mit einem mçglichen Kontrahenten (eU tir […] 1c½ l÷kkom), die zugleich als berleitung zwischen der negativen Qualifizierung seiner mutmaßlichen Kontrahenten in 3,2 – 4a und der autobiographischen Rede (3,5 ff.) fungiert. Wenn 3,2 – 4a im vorliegenden Beitrag also als ein zusammenhngender Abschnitt untersucht wird, so soll diese Abgrenzung keinen vorschnellen Vorschlag zur Gliederung des Philipperbriefes abbilden. Vielmehr dient die so gewhlte Textabgrenzung einer konzentrierten Sicht auf die scharfe paulinische Polemik in diesem Abschnitt. Nun zu dem Abschnitt selbst: Das gewhlte Textsegment in 3,2 – 4a besteht textlinguistisch betrachtet aus insgesamt acht Stzen 41. In V. 2 finden sich drei kurze Imperativ-Stze. Hier fllt die dreimalige Nennung von bk´pete auf, die als eine vehemens anaphora fungiert42 und damit durchaus auch ein ,rhetorischer Trick‘ ist, mit dem Paulus die Aufmerksamkeit seiner Leser erweckt43. In V. 3 finden sich insgesamt vier Stze, nmlich ein Hauptsatz sowie ein Relativsatz, der als Apposition zu Ble?r fungiert und aus drei Teilstzen besteht. So wird in V. 3b die Dreiteilung von V. 2 wieder aufgenommen44. V. 4 ist konzessiv und antithetisch an V. 3 angeschlossen45. Es ergibt sich folgende Struktur46 : V. 2 S 1 mit P (a) S 2 mit P (b) S 3 mit P (c) 40 Vgl. hierzu auch Weiß, Der Philipper-Brief ausgelegt und die Geschichte seiner Auslegung kritisch dargestellt, 214 ff., der Phil 3,1 – 3 als Einheit betrachtet. 41 Zur Differenzierung von Segment und Satz in der Textlinguistik vgl. Brinker, Linguistische Textanalyse, 21 – 27. 42 Vgl. Weiß, Der Philipper-Brief ausgelegt und die Geschichte seiner Auslegung kritisch dargestellt, 221. 43 Gegen Reumann, Philippians, 470, der die Polemik als eine reale versteht. 44 hnlich Gnilka, Philipperbrief, 184 f. – Diese Struktur verkennen indes Schenk, Philipperbriefe, 253 f. und zuletzt Reumann, Philippians, 468 f. 45 Vgl. Hoffmann, Siebenthal, Griechische Grammatik zum Neuen Testament, §231 g. 46 S = Satz; P = Proposition.

Polemik und Autobiographie

245

V. 3 S 4 = HS S 5 mit P (a‘) S 6 mit P (b‘) S 7 mit P (c‘) V. 4a S 8 (konzessiv/antithetisch zu S 7)

Die dreigliedrige Aufforderung zur Distanz gegenber gegnerischen oder konkurrierenden Gruppen und Personenkreisen in V. 2 besteht aus zwei Propositionen, die Paulus sonst nicht verwendet: dem Hinweis auf ,Hunde‘ (a) und dem Begriff der ,Zerstckelung‘ (c). Whrend der letzte Ausdruck eine Metonymie ist und sich als ein Wortspiel (jatatol¶/peqitol¶) erklren lsst47, mit Hilfe dessen Paulus die Verknpfung von V. 2 zu V. 3 herstellt, bleibt die Deutung von j¼ym umstritten. Formal betrachtet handelt es sich hierbei um eine Metapher mit pejorativer Konnotation. Sachlich gesehen ist indes unklar, ob Paulus sich hier – wie Weiß meint – gegen das ,heidnische Wesen‘ wendet48 oder ob er „die jdische Waffe gegen ihre eigenen Trger“ anwendet49. Aufschluss ber die mit ,Hund‘ bezeichneten Kontrahenten kçnnte der antithetische Parallelismus in V. 3 (S 5 mit P a‘) geben: Demnach fungieren die ,Hunde‘ als semantische Opposition und stehen pauschalisierend fr diejenigen, die nicht im ,Geist Gottes dienen‘ (s.u.)50. 47 Vgl. Blass, Debrunner, Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, §4884. 48 Vgl. Weiß, Der Philipper-Brief ausgelegt und die Geschichte seiner Auslegung kritisch dargestellt, 221. Vgl. auch Strack-Billerbeck III, 621 f.: „Als Hunde werden bezeichnet die Unwissenden, die Gottlosen u. die Nichtisraeliten“. 49 So fragt Michel, Art. j¼ym, jum²qiom, 1102. Noch schrfer Pedersen, Art. j¼ym, jumºr, 823: Die drei Prdikate in „Phil 3,2 […] besttigen, daß j. im NT eine Ketzerbezeichnung ist“. – Vgl. zur neuesten Diskussion auch Reumann, Philippians, bes. 460 f. und 469 f. 50 Vgl. dazu auch hnlich die topische Warnung vor den ,Hunden‘ in Ign Eph 7,1: Denen, die Gott unwrdige Dinge tun, muss man ausweichen wie wilden Tieren, sie sind nmlich tolle Hunde (… j¼mer kuss_mter). – Dass mit den ,Hunden’ ggf. nichtjdische Gegner bezeichnet sind, z. B. Personen, die sich in anderen Kultzusammenhngen bewegen, legt sich von der Wortverwendung bei Philo (Legatio ad Gaium 139; de somniis 2,267 [vgl. Ex 11,7]; de decalogo 79) und Josephus (contra Apionem 2,85) her nahe: Beide Autoren beziehen sich hier auf gyptische Bruche oder Kulte. – Vgl. neben einem eher neutralen Hinweis auf ,Hunde (Philo, de Abrahamo 266) auch die generelle Negativbewertung von ,Hunden’ (Philo, de decalogo 114 f.), den Exkurs zur Homonymie des ,Hundes’ (Philo, de plantatione 151), die Negativbezeichnung von Menschen im Vergleich mit ,Hunden‘ (z. B. quod omnis probus liber sit 90), so z. B. auch: Bdoma¸ als ,Hunde’ (Philo, de gigantibus 35), Menschen, die sich bei Symposien wie Hunde verhalten (Philo, de vita contem-

246

Eve-Marie Becker

In der Mitte der dreigliedrigen Aufforderung in V. 2 (= P [b]) findet sich das Element der,schlechten Arbeiter‘ (jajo· 1qc²tai), das hnlich bereits aus 2Kor 11,13 (1qc²tai dºkioi) bekannt ist. Mit dieser Proposition disqualifiziert Paulus seine (mçglichen) Gegner und Konkurrenten. Sowohl in Hinsicht auf ihre Dreigliedrigkeit als auch im Blick auf die aggressive, begrifflich-verkrzende Semantik, wirkt die gesamte Aufforderung in V. 2 in ihren drei Teilstzen (S 1 – 3) literarisch konstruiert und stilisiert. Dieser Eindruck wird durch die Beobachtung gesttzt, dass das Schema der Dreigliedrigkeit von V. 2 in den aus Partizipien konstruierten Teilstzen des Relativsatzes in V. 3 (= S 5 – 7) wiederaufgenommen wird: Diese Stze, die einige fr Paulus typische Propositionen enthalten51, fungieren zugleich als parallel angeordnete, semantische Opposition zu der dreigliedrigen Aufforderung, d. h., sie erlutern ex positivo, was den Personen, von denen Paulus sich und die Gemeinde in V. 2 abgrenzt, mangelt. Es ergibt sich also folgende Struktur in V. 2 und 3: S 1 […] to»r j¼mar

S 5 pmeul²ti (heoO) katqe¼omter

S 2 […] to»r jajo»r 1qc²tar

S 6 jauw¾lemoi 1m Wqist` YgsoO

S 3 […] tμm jatatol¶m

S 7 oqj 1m saqj· pepoihºter

So stehen die ,Hunde‘ denen, die ,im Geist Gottes dienen‘ gegenber. Die ,schlechten Arbeiter‘ sind als Gegensatz zu denen bezeichnet, die sich ,in Christus Jesus rhmen‘ – hier nimmt Paulus deutlich erkennbar eine wichtige Thematik des 2. Korintherbriefes auf 52. Und die Metonymie der ,Zerschneidung‘ bezieht sich auf diejenige Gruppe von Personen, die von denen zu unterscheiden ist, die ,nicht auf das Fleisch vertrauen‘. Neben der Semantik ist das Textsegment in 3,2 – 4a auch grammatisch zu untersuchen, denn es ist durch auffllig hufigen Personenwechsel bestimmt: In den drei imperativischen Stzen sind die Adressaten in der 2. Person Plural angesprochen. V. 3 wechselt zur 1. Person Plural, die eine inklusivische Funktion hat: Hier ist nicht die plurale Absendergruppe (Phil 1,1) im Blick, vielmehr nimmt Paulus eine Inklusion der Absender in die

plativa 40). – Zur Bedeutung des ,Hundes‘ in der Antike vgl. auch: Richter, Art. Hund; Anderson, Art. dogs. 51 Zu (a) vgl. Rçm 1,9; zu (b) vgl. z. B. Rçm 5,11; 15,17; 1Kor 1,31; 2Kor 10,17; Gal 6,14; zu (c) vgl. hnliche Konstruktionen z. B. in Gal 3,3; 6,12; Phil 3,4. 52 Vgl. z. B. Zmijewski, Art. jauw²olai jtk., 688 ff.

Polemik und Autobiographie

247

Gruppe der Adressaten vor53. So schafft Paulus schließlich den bergang zur Rede in der 1. Person Singular in V. 4a, die er in V. 4bff. fortsetzt. Der Personenwechsel in Phil 3,2 – 4a ist also durchaus als eine Klimax zu lesen: Der Fluchtpunkt der Polemik liegt in der autobiographischen Rede des Paulus (3,4bff.).54 Zusammenfassend lassen sich folgende Textbeobachtungen festhalten: Phil 3,2 – 4a ist syntaktisch, grammatisch und semantisch stilisiert, d. h., es handelt sich um ein literarisch sorgfltig gestaltetes Textsegment. Die mçglichen Kontrahenten des Paulus werden – anders als in 2Kor 10 – 13, wo sich Paulus ausfhrlicher mit seinen Gegnern in Korinth auseinandersetzt – pejorativ etikettiert und sachlich disqualifiziert. Es gibt aber keinen deutlichen Hinweis darauf, dass Paulus in Phil 3 reale Gegner oder Konkurrenten oder konkrete Konflikte im Blick htte. Vielmehr fordert er seine Adressaten in Philippi mit dem dreimaligen bk´pete dazu auf, gegnerische oder konkurrierende Personengruppen als solche gleichsam intellektuell zu enttarnen, d. h. zu identifizieren. Der Fluchtpunkt der polemischen Passage liegt in der autobiographischen Rede in der 1. Person Singular. So fungiert die polemische Passage insgesamt als eine literarisch-stilisierte Erçffnung fr die autobiographische Rede des Paulus (3,4bff.), d. h. als ein Negativkontrast zu dem, wie sich Paulus (in seiner Haft) selbst inszeniert. 55 2.2. Autobiographische Passagen in Phil 1,12 ff. und 3,4bff. Wir mssen Phil 3,2 – 4a daher im Zusammenhang mit der autobiographischen Passage in 3,4bff. deuten und verstehen. Wie Peter Oakes gezeigt hat, ist der Philipperbrief insgesamt durch autobiographische Passagen, die sich ber 3,4b–16 hinaus auch in 1,12 ff. finden, geprgt. Diese autobiographischen Passagen sind fr die Auslegung des Philipperbriefes nicht 53 Vgl. hnlich die inter-kommunikative Funktion der Co-Sender im 2Kor, vgl. Becker, Schreiben und Verstehen, 149 ff. 54 Im Blick auf die Untergliederung ist Reumann (Philippians, 468) zuzustimmen, der Phil 3,2 – 3 als exordium und 3,4 als „transition to autobiography“ bezeichnet. 55 Damit soll freilich nicht ausgeschlossen werden, dass es entsprechende Gegnerschaften in Philippi gegeben hat. Die These dieses Beitrags zielt indes darauf zu zeigen, dass die paulinische Polemik in Phil 3 in erster Linie autobiographisch motiviert ist: Sie muss also literarisch, d. h. im Blick auf ihre Stilisierung und ihre textuelle Funktion, und dann auch biographisch, d. h. im Blick auf die gegenwrtige Lebenssituation des Paulus in seiner Haft, erschlossen werden.

248

Eve-Marie Becker

zuletzt deswegen von erheblicher Bedeutung56, weil sie wichtige Aspekte der Biographie und der Person des Paulus zu erkennen geben und damit auch Licht auf die Entstehungsgeschichte des Phil werfen57. In Phil 1,12 – 26 schreibt Paulus in erster Linie ber seine Situation in der Haft. Der Abschnitt ist ußerst persçnlich gehalten und gibt uns vor allem einen Einblick in die innere Situation des Paulus: Paulus ist ,in Fesseln‘ (Phil 1,12 u. ç.) und gert in einen inneren Konflikt, weil ihn einerseits die Sehnsucht treibt, der Haft durch Flucht zu entkommen: Er mçchte ,aufbrechen und mit Christus sein‘ (Phil 1,23). Andererseits weiß Paulus aber um seine Verantwortung fr die Gemeinden und entscheidet daher (aRq¶solai, V. 22b), seiner Christus-Sehnsucht nicht nachzugeben, sondern ,im Fleisch‘ zu bleiben (Phil 1,24)58. Die starke Christus-Sehnsucht in Phil 1,21 ff. kçnnte darauf hindeuten, dass Paulus hier als lterer oder sogar als alter Mann schreibt, der nicht nur an seiner Haft, sondern mçglicherweise auch an einer Krankheit oder an seinem Alter leidet59. So gibt uns die autobiographische Passage in Phil 1 zunchst Einblick in die aktuelle Lebenssituation des Paulus: Wir gewinnen den Eindruck, dass Paulus den Philipperbrief in seiner letzten Lebensphase schreibt. Er befindet sich also vermutlich bei der Abfassung des Briefes in Caesarea oder Rom. Die Hinweise in Phil 1 auf das Alter und die innerlich zerrissene Situation des Paulus in seiner Haft sind historisch umso bedeutender, als Paulus sonst im Philipperbrief keine eindeutigen Anhaltspunkte fr seine Haftumstnde oder seinen Aufenthaltsort gibt. Zugleich aber hat die autobiographische Passage in Phil 1 eine literarische Dimension: Denn Paulus inszeniert sich hier als ,Gefangener‘ und schafft damit einen literarischen Topos, der in den 56 „Paul primarily writes about himself in order to give an example of the way he wants the Philippians to live“, Oakes, Philippians. From people to letter, 103. 57 Allerdings haben autobiographische Passagen gleichermaßen eine historische und eine literarische Dimension: Denn sie haben einen ,Aussagegehalt fr die Biographie einer historischen Person‘ (vgl. auch die sog. Ego-Dokumente) und ,konstituieren eine eigene literarische Gattung‘, in der die Lebensgeschichte und -situation einer Person zum Thema wird. Wir werden daher die autobiographischen Texte in Phil 1 und 3 gleichermaßen als historische und als literarische Texte zu lesen und zu verstehen haben: Vgl. dazu: Becker, Die Person des Paulus, 107 – 119; dies., Person des Paulus: Paulus-Handbuch, hg. v. F.-W. Horn, Tbingen 2011 (im Druck); vgl. dies., Autobiographisches bei Paulus. Aspekte und Aufgaben, besonders: 71 ff. Vgl. auch Wischmeyer, Paulus als Ich-Erzhler. 58 Vgl. dazu Becker, Paulus „in Fesseln“ (Phil 1,23 – 24) (im Druck). 59 Vgl. hnlich auch Heinrici, Paulinische Probleme, 33: „In seinem Alter schrieb Paulus den Philipperbrief und den Philemonbrief“.

Polemik und Autobiographie

249

pseudepigraphen Gefangenschaftsbriefen aufgegriffen und programmatisch weiter ausgebaut wird60. Paulus nimmt diese Inszenierung offenbar auch deswegen vor, weil seine Gefangenschaft die ,Brder‘ vorbildhaft darin bestrkt hat, nun selbst ,das Wort furchtlos‘ zu verkndigen (Phil 1,14). Es sind also nicht erst die pseudepigraphen Gefangenschaftsbriefe, sondern es ist bereits Paulus selbst, der sich in seiner Gefangenschaft als ein Vorbild fr andere darstellt. In Phil 1 ist er Vorbild fr ihm nacheifernde Prediger. Zugleich bt er den Philippern gegenber an ebendiesen Predigern Kritik. Im Unterschied zu Phil 3 jedoch artet diese Kritik nicht in Polemik aus. Vielmehr blickt Paulus in Phil 1 mit expliziter Gelassenheit auf die ihn nachahmenden, teils mit ihm konkurrierenden Prediger und Missionare: Auch wenn es einige (tim´r) gibt, die aus Neid, Streitsucht und Eigennutz verkndigen (Phil 1,15 – 17), so freut sich Paulus und wird sich weiter freuen (Phil 1,18). Wie ist diese Nachsicht zu erklren? In Phil 1 berwiegen offenbar die Auseinandersetzung mit der eigenen, innerlich zerrissenen Situation und die Frage nach der Vorbildfunktion fr andere gegenber einer etwaigen scharfen oder polemischen Auseinandersetzung mit und Abgrenzung von konkurrierenden Predigern. So wirkt auch der Hinweis auf die ,Widersacher‘ in Phil 1,28 letztlich topisch und stereotyp. Auch in Phil 3 reflektiert Paulus – hnlich wie in Phil 1 – seine Vorbildfunktion (t¼por, bes. 3,17 ff.). Es geht ihm nun aber – anders als in Kapitel 1, wo er die Wirkung seiner Gefangenschaft auf die Verkndigung des Evangeliums thematisiert hatte – darum, sein biographisches Vorbild fr die Adressaten des Briefes in Philippi, die, wie etwa Oakes meint, in einer hnlich bedrngten Situation wie Paulus sind61 und der Ermutigung und Selbstvergewisserung bedrfen, in Kontrast zu mçglichen Kontrahenten 60 Gerade der Begriff deslºr wird als ein metaphorisches Stereotyp weiter verwendet (Kol 4,18; 2Tim 2,9) und ausgeprgt (Cyprian; Eusebius). Darber hinaus begegnet der Begriff auch in den Schriften der sog. Apostolischen Vter (vgl. Polykarp an die Philipper 1,1; Ignatius an die Epheser 11,2). Bei Cyprian und Eusebius werden die „Fesseln“ dann rein metaphorisch als ,geistliche Perlen‘ gedeutet (vgl. z. B. Eusebius, Historia ecclesiastica 5,1,35; Cyprianus, epistulae 76,2). Vgl. dazu Paulsen, Die Briefe des Ignatius von Antiochia und der Polykarpbrief, 37. 61 In Phil 3,17 beschreibt Paulus diese Vorbildfunktion mit: sullilgta¸ lou c¸meshe[…] 5wete t¼pom Bl÷r. „Paul presents himself as a model for the Philippians […] Paul’s aim in offering himself as a model is to respond to the situation of suffering among the Philippians“, Oakes, Philippians, 121. Vgl. auch z. B. Wansink, Chained in Christ, 211: Die paulinische Inhaftierung wurde zu einem Vorbild in der Verfolgungszeit. – Vgl. zum Weiterwirken dieses Motivs auch: 2Tim 1,16; Ignatius, Brief an die Smyrner 10,2; Polykarp an die Philipper 12,2.

250

Eve-Marie Becker

darzustellen. In diesem Zusammenhang verweist Paulus auf seine eigene Biographie (3,5 – 11) und deren Bestimmung. Angesichts der berwltigenden Christus-Erkenntnis betrachtet er sein frheres Leben im Rckblick als ,Schaden‘ (3,7 f.). So hat die Biographie des Paulus, die seit jeher von der Suche nach der dijaios¼mg bestimmt war (3,6), in der Christus-Erkenntnis (cm_sir WqistoO YgsoO toO juq¸ou lou) ihr eigentliches Ziel gefunden. Diese Christus-Erkenntnis bedeutet ,Gerechtigkeit aus Glauben‘ (3,9) und geht mit dem Wunsch einher, Gemeinschaft mit Christus in Leiden, Sterben und Auferstehung zu haben (3,10 f.). So finden sich in Phil 3,10 f. durchaus semantische und thematische Anklnge an die paulinische Auseinandersetzung mit dem Sterben, wie sie bereits in Phil 1,21 ff. formuliert sind. Phil 1 und 3 stehen nicht unverbunden nebeneinander, auch wenn die Richtung der Argumentation variiert: In Phil 1 gewhrt Paulus den Philippern Einsicht in seine aktuelle innere Situation in seiner Haft und diskutiert seine Vorbildfunktion fr andere Prediger. In Phil 3 entwickelt Paulus seine Vorbildfunktion fr die Philipper offensiv, und d. h. in polemischer Abgrenzung von Anderen. Diese Abgrenzung erfolgt in doppelter Weise: So wie die Philipper die Distanz zwischen Paulus und seinen mçglichen Kontrahenten erkennen sollen (3,2 – 4a), so sollen sie sich selbst von den ,Feinden des Kreuzes‘ abgrenzen (3,18 f.)62. Der Argumentationsgang in Phil 3 wird also erkennbar mit Polemik erçffnet und mit Polemik abgeschlossen. Er ist gleichsam durch polemische Passagen gerahmt (3,2 – 4a; 18 f.)63. Mit dieser Polemik fordert Paulus letztlich zu einer Identifizierung von gegnerischen Gruppen und zugleich zur Identittsfindung der Gemeinde in Philippi auf: Wohl wissend, dass die %my jk/sir noch nicht vollstndig errungen ist (3,12 – 14), ermahnt Paulus die Philipper zur rechten Gesinnung und dazu, sullilgta¸ lou zu werden (3,17). Das aber heißt auch, sich von den ,Feinden des Kreuzes Christi‘ abzugrenzen (3,18): Whrend die 1whqo· toO stauqoO irdisch gesinnt sind 62 Zur Frage, ob es sich in 3,2 – 4a und 3,18 f. um dieselbe ,Gegnerfront‘ handelt, vgl. z. B. Weiß, Der Philipper-Brief ausgelegt und die Geschichte seiner Auslegung kritisch dargestellt, 275 – 277, Schenk, Philipperbriefe, 258 f.; Mller, Der Brief des Paulus an die Philipper, 176 f.; Reumann, Philipppians, 589, die dies bejahen. Anders Walter, Brief, 84 f. – Gnilka, Philipperbrief, 204 f. legt sich nicht fest. Lohmeyer, Die Briefe an die Philipper, an die Kolosser und an Philemon, 153 hlt die in 3,18 bezeichneten ,Feinde‘ fr lapsi. 63 Interessant ist hier die Textbeobachtung von Schenk, Philipperbriefe, 258 f.: Weil P46 in 3,18 das bk´pete von 3,2 eintrgt, trgt die Papyrushandschrift zu einer – wenn auch sekundren, aber sachlich zutreffenden – „kommunikativ quivalenten Textrezeption“ bei, a.a.O., 259. Vgl. auch Gnilka, Philipperbrief, 204.

Polemik und Autobiographie

251

(3,19), leben die Philipper doch wie Paulus in der eschatologischen Erwartung des himmlischen pok¸teula (3,20 f.). Phil 3,17 ff. ist daher als ein parnetischer Text zu lesen64. Beide polemischen Passagen in Phil 3,2 – 4a und 3,18 f. sind untrennbar auf ihren Mikrokontext bezogen: In Phil 3,2 – 4a ist die Polemik als Negativkontrast zur Biographie des Paulus gestaltet – die polemische Passage bereitet die autobiographische Passage vor. In Phil 3,18 f. gestaltet Paulus die Polemik als einen Negativkontrast zu dem, wie die Philipper gesinnt sein sollen – hier befindet sich die polemische Passage in einem parnetischen Zusammenhang. So ist die paulinische Polemik in Phil 3 teils der autobiographischen, teils der parnetischen Rede des Paulus zu- oder besser: untergeordnet. 2.3. Autobiographie und Polemik Der vorliegende Beitrag hat gezeigt, dass die paulinische Polemik in Phil 3,2 – 4a literarisch stilisiert ist und der Einleitung in die autobiographische Rede in 3,4bff. dient. So ist die Polemik kaum gegen reale Gegner oder akut auftretende Agitatoren in Philippi gerichtet. Sie ist aber ebenso wenig durch einen pseudepigraphen Briefeschreiber stilisiert. Sie hat vielmehr eine rhetorisch-appellative und literarisch-rahmende Funktion im Argumentationsgang von Kap. 3. Der Argumentationsgang mndet in eine Parnese (3,17 – 21), die wiederum mit einer Polemik verknpft ist (3,18 f.). Der parnetische Abschnitt legt – wie schon 3,2 – die Pragmatik dieser Argumentation offen: Paulus fordert die Philipper auf, sich ihn zum Vorbild zu nehmen (3,17). Um sich den Philippern gegenber als ein solches Vorbild inszenieren zu kçnnen, grenzt sich Paulus von mçglichen Widersachern ab (3,2 – 4a): Sie sind der Negativkontrast zu seiner eigenen Biographie (3,4bff.). So dient die Polemik in Phil 3 einerseits der autobiographischen Selbstvergewisserung des Paulus65 und andererseits der Identittsfindung und -wahrung der Gemeinde in Philippi. Wenn der vorliegende Beitrag auf den engen Bezug der Polemik in 3,2 – 4a auf die autobiographische Rede in 3,4b–16 hingewiesen hat, so ist 64 Vgl. dazu auch die Grammatik (Imperativformen) und Semantik in V. 17 f. (sjope?te, peqipatoOmtar, peqipatoOsim) mit nachfolgender Gerichtsankndigung in V. 19. 65 Vgl. hnlich Reumann, Philippians, 470, auch wenn seine These, dass sich Paulus hnlich wie im Gal – mit „an aggressive Jewish-Christian missionary group“ auseinandersetzt, hier nicht geteilt wird.

252

Eve-Marie Becker

damit auch angedeutet, dass Phil 1 und 3 thematisch und literarisch miteinander verbunden sind: Nicht nur werden in Phil 3 bestimmte Motive aus Phil 1 wieder aufgenommen (vgl. 3,10 f. und 1,21 ff.). Vielmehr sind beide Kapitel durch autobiographische Passagen geprgt, in denen es Paulus nicht nur um sich selbst, sondern immer auch um sein Verhltnis zu den Adressaten sowie zu einer dritten Grçße von Rivalen oder Kontrahenten geht. In dieser Auseinandersetzung reflektiert und inszeniert Paulus seine Vorbildfunktion fr andere. Und doch weicht die autobiographische Rede des Paulus in Phil 3 insofern von der in Kap. 1 ab, als sie mit einer scharfen Polemik verbunden wird (3,2 – 4a): Diese Polemik ist als eine offensive Selbstinszenierung, ja als ein berzeichneter Negativkontrast zur autobiographischen Rede des Paulus zu lesen. In Phil 1 hingegen kommt Paulus explizit nachsichtig auf die ihm nacheifernden Prediger oder stereotyp auf die ,Widersacher‘ (1,28) zu sprechen, weil hier offenbar seine eigene, innerlich zerrissene Situation im Vordergrund steht und thematisiert werden soll (1,12). Wie lsst sich diese Vernderung hinsichtlich der autobiographischen Selbstinszenierung des Paulus in Phil 1 und 3, d. h. der Wechsel von defensiver zu offensiver Rede, erklren? Wird die Annahme einer Diktatpause zwischen Kap. 1 und 3 oder gar einer Brief-Kompilation notwendig? Unabhngig davon, ob wir annehmen, Paulus habe den Philipperbrief in einem Zug oder mit einer zeitlichen Unterbrechung verfasst, oder aber es seien die Philipper gewesen, die verschiedene Paulus-Briefe zu dem uns vorliegenden Gesamtbrief kompiliert htten, gilt: Paulus tendiert dazu, den Philippern autobiographisch zu schreiben und setzt in diesem Zusammenhang die Polemik als Mittel offensiver Rede literarisch flexibel ein. So ist es weniger die Polemik in 3,2 – 4a als vielmehr die Autobiographie, die die Kap. 1 und 3 prgt, welche uns den literarischen Charakter und den historischen Ort des Philipperbriefes und seiner Teilabschnitte erschließt: Der gefangene Paulus schreibt den Philippern ber sich und ermahnt so die Gemeinde.

Literatur Anderson, J. K., Art. dogs, in: OCD 3rd, revised edition 2003, 490. Bauer, W., Griechisch-Deutsches Wçrterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der brigen urchristlichen Literatur, Berlin/New York 19715. Baur, F.C., Paulus, der Apostel Jesu Christi. Sein Leben und Wirken, seine Briefe und seine Lehre. Ein Beitrag zu einer kritischen Geschichte des Urchristenthums, Band II, Leipzig 18672.

Polemik und Autobiographie

253

Becker, E.-M. Schreiben und Verstehen. Paulinische Briefhermeneutik im Zweiten Korintherbrief (NET 4), Tbingen/Basel 2002. Becker, E.-M., Autobiographisches bei Paulus. Aspekte und Aufgaben, in: dies., Pilhofer, P. (Hg.), Biographie und Persçnlichkeit des Paulus (WUNT 187), Tbingen 2005/2009, 67 – 87. Becker, E.-M., Die Person des Paulus, in: Wischmeyer, O. (Hg.), Paulus. Leben – Umwelt – Werk – Briefe (UTB 2767), Tbingen/Basel 2006, 107 – 119. Becker, E.-M., Paulus „in Fesseln“ (Phil 1,23 – 24): D. du Toit/P.-G. Klumbies (Hgg.), FS A. Lindemann, 2013 (im Druck). Becker, E.-M., Person des Paulus, in: Paulus-Handbuch. Hg. v. F.-W. Horn, Tbingen 2011 (im Druck). Blass, F., Debrunner, A., Rehkopf, F., Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Gçttingen199017/200118. Bockmuehl, M., The Epistle to the Philippians (Black’s New Testament Commentaries), London 1998. Bormann, L., Philipperbrief, in: Wischmeyer, O. (Hg.), Paulus. Leben – Umwelt – Werk – Briefe (UTB 2767), Tbingen/Basel 2006, 217 – 232. Bormann, L., Philippi – Stadt und Christengemeinde zur Zeit des Paulus (NT.S 78), Leiden etc. 1995. Brinker, K., Linguistische Textanalyse. Eine Einfhrung in Grundbegriffe und Methoden (Grundlagen der Germanistik 29), Berlin 20056. Brucker, R., Christushymnen‘ oder ,epideiktische Passagen‘? Studien zum Stilwechsel im Neuen Testament und seiner Umwelt (FRLANT 176), Gçttingen 1997. Campbell, J.B., Art. Praetorianer, in: DNP 10 (2001), 262 – 264. Campbell, J.B., Art. Praetorium, in: DNP 10 (2001), 264. Clemen, C., Einheitlichkeit der paulinischen Briefe an der Hand der bisher mit bezug auf sie aufgestellten Interpolations- und Compilationshypothesen, Gçttingen 1894. Cousar, C.B., Philippians and Philemon. A Commentary (The New Testament Library), Louisville/Kentucky 2009. Durry, M., Art. Praetoria cohorts, in: RE 22 (1953), 1607 – 1634. Egger, R., Das Praetorium als Amtssitz und Quartier rçmischer Spitzenfunktionre (sterreichische Akademie der Wissenschaften Philosophisch-Historische Klasse 250/4), Wien 1966. Gnilka, J., Der Philipperbrief (HThK X/3), Freiburg etc. 1968. Heinrici, C.F.G., Paulinische Probleme, Leipzig 1914. Hoffmann, E.G., Von Siebenthal, H., Griechische Grammatik zum Neuen Testament, Riehen 19902. Lammert, F., Art. Praetorium, in: RE 22 (1953), 2535 – 2537. Lohmeyer, E., Die Briefe an die Philipper, an die Kolosser und an Philemon (KEK), Gçttingen 19539. Michel, O., Art. j¼ym, jum²qiom, in: ThWNT 3 (1938), 1100 – 1104. Martin, R. P., The Epistle of Paul to the Philippians, Leicester 1987. Mller, U. B., Der Brief des Paulus an die Philipper (ThHK 11/I), Leipzig 20022. Neumann, A.R., Art. Prtorium, in: DKP 4 (1979), 1117. Oakes, P., Philippians. From people to letter, Cambridge 2001.

254

Eve-Marie Becker

Omerzu, H., Spurensuche. Apostelgeschichte und Paulusbriefe als Zeugnisse einer ephesinischen Gefangenschaft des Paulus, in: Frey, J. et al. (Hg.), Die Apostelgeschichte im Kontet antiker und frhchristlicher Historiographie (BZNW 162), Berlin/New York 2009, 295 – 326. Paulsen, H., Die Briefe des Ignatius von Antiochia und der Polykarpbrief. Zweite, neubearbeitete Auflage der Auslegung von W. Bauer (HNT 18. Die Apostolischen Vter II), Tbingen 1985. Pedersen, S., Art. j¼ym, jumºr, in: EWNT 2 (1992)2, 821 – 823. Poplutz, U., Athlet des Evangeliums. Eine motivgeschichtliche Studie zur Wettkampfmetaphorik bei Paulus (HBS 43), Freiburg etc. 2004. Reumann, J., Art. Philipperbrief, in: RGG4 6 (2003), 1271 – 1274. Reumann, J., Philippians. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 33B), New Haven/London 2008. Richter, W., Art. Hund, in: DkP 2 (1979), 1245 – 1249. Schenk, W., Die Philipperbriefe des Paulus, Stuttgart 1984. Schmithals, W., Die Irrlehrer des Philipperbriefes, in: ZThK 54 (1957), 297 – 341. Schmoller, A., Handkonkordanz zum griechischen Neuen Testament, Stuttgart 19898. Strack, H. L./Billerbeck, P., Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch. III Die Briefe des Neuen Testaments und die Offenbarung Johannis, Mnchen 8. unv. Auflage 1985. Walter, N., Der Brief an die Philipper, in: ders. et al., Die Briefe an die Philipper, Thessalonicher und an Philemon (NTD 8/2), Gçttingen 1998. Wansink, C.S., Chained in Christ. The Experience and Rhetoric of Paul’s Imprisonments (JSNT.SS 130), Sheffield 1996. Ware, J.P., The Mission of the Church in Paul’s Letter to the Philippians in the Context of Ancient Judaism (NT.S 120), Leiden/Boston 2005. Weiß, B., Der Philipper-Brief ausgelegt und die Geschichte seiner Auslegung kritisch dargestellt, Berlin 1859. Weiß, J., Das Urchristentum, Gçttingen 1917. Wischmeyer, O., Paulus als Ich-Erzhler. Ein Beitrag zu seiner Person, seiner Biographie und seiner Theologie, in: Becker, E.-M., Pilhofer, P. (Hg.), Biographie und Persçnlichkeit des Paulus (WUNT 187), Tbingen 2005/2009, 88 – 105. Wischmeyer, O., Rçm 2.1 – 24 als Teil der Gerichtsrede des Paulus gegen die Menschheit, in: NTS 52 (2006), 356 – 376. Zmijewski, J., Art. jauw²olai jtk., in: EWNT 2 (1992)2, 680 – 690.

Polemic in the Epistle to the Colossians Tor Vegge Scholarly interpretations of Colossians normally explore the question of “controversies as context for the letter”. One notices the warning against being taken captive through philosophy (Chapter 2), and several scholarly pages have been written on the Colossian philosophy1 as well as on the opponents referred to in the Letter to the Colossians.2 While the discussion in this essay will draw on such contributions, its main purpose is to discuss possible polemical traits in Colossians and their function in the reasoning and in view of a supposed setting and intention of the letter. It will be argued that a distinct polemic is not prominent in Colossians. The “polemic” against other teachings is rather general, and is to be seen with the purpose of serving the identity formation of intended readers.

1. Polemic – analytical questions The keyword polemic 3 is in the present essay understood as both denoting function and appearing as a literary phenomenon. We are interested in specific (linguistic) procedures rather than a broader perspective, including different types of controversies.4 In spite of its Greek etymology – pºkelor meaning war or combat and pokelijºr meaning martial –, the modern concept of polemic is not found in antiquity, and the word is not used metaphorically in a way that resembles our usage.5 When searching for polemic in ancient texts, we in modern times have a notion of polemic being distinct, often passionate and personal, and mostly possessing negative connotations: in short, being polemical means being impertinent and detractive. However, in modern times the word also has a history denoting resolutely conducted debates in academic settings – theol1 2 3 4 5

See e. g. in Schweizer, Der Brief an die Kolosser; Hartman, Kolosserbrevet. See Mller, Gegner im Kolosserbrief. The starting point here for the definition of polemic is Stauffer, Polemik. Ibid., 1403. Ibid., 1404.

256

Tor Vegge

ogy, literature and philosophy – the focus directed as well on beliefs and convictions. Therefore, the argumentation must not be addressed directly to one’s opponent, but rather be intended to convince the audience of the disadvantages of the refuted beliefs, thus winning the audience over to the side of the speaker.6 Based on H. Stauffer’s discussion, we will look for both controversies represented in the texts and strongly worded arguments concerning beliefs and ethos, argumentation that might also be passionate and/or aimed at certain individual opponents known to speaker and audience.7 This understanding of the term polemic introduces several concepts of ancient rhetoric, and it concerns the nature of and self-perception in primitive Christian religion. It seems probable that what we understand as polemical features in ancient texts may be formally analysed through drawing upon both literary skills as they were cultivated in rhetoric and philosophy as well as the concept of identity formation within early Christian groups. 1.1 Resources from ancient rhetoric and philosophy Within the rhetorical sphere the place one starts looking is within the demonstrative genre and the speech forms “praise” (1cj¾liom/laus) and “blame” (xºcor/vituperatio). Rhetoric handbooks focus on praise, and blame is understood as being a negative reflection of such language of praise. But all argumentative language somehow relates to controversies as far as judicial texts are concerned with justice and injustice, deliberative texts with advantage and disadvantage and epideictic texts with honour and shame.8 Established value systems – the virtues and vices – have to be supposed to be the sounding board of every literary polemic. In judicial rhetoric there are functions such as defence and accusation, and in deliberative rhetoric the reasoning favouring a certain solution or decision often includes or presupposes a critique of alternative decisions. On a somewhat lower level in a genre hierarchy, one may look for polemical language in various literary forms, including diatribe9 and satire.10 More6 7 8 9

Ibid., 1404. Ibid., 1405. And see Lampe, Can Words Be Violent?, 226 f. See Plett, Rhetorische Textanalyse, 17. On the diatribe see Stowers, The Diatribe; Vegge, Paulus und das antike Schulwesen, 212 – 220.

Polemic in the Epistle to the Colossians

257

over, when referring to rhetorical dispositio polemical traits may be found as early as in the exordium of a text, but primarily where the argumentation contains refutation of the convictions, which the speaker is out to argue against refutatio/confutatio).11 Literary skills are trained through literary education, in antiquity predominantly through the literary exercises, progymnasmata. 12 According to Theon from Alexandria, confirmation is followed by its counterpart refutation in the outline of several exercises, from the elaboration of chreia to the complex exercise nomos, which included refutation and confirmation of a law.13 The more complex exercise thesis had close affinities to the deliberative genre,14 and is by Theon defined as “a verbal inquiry admitting controversy without specifying any persons and circumstance.”15 The controversy could be on political or non-political matters, or in other words on practical or non-practical matters.16 The non-political theoretical matters were at home in the philosophical schools and were employed “for the sake of understanding and knowledge; for example, whether the gods provide for the world”.17 The literary education acquainted learners with the distinction between general argumentation (quaestio infinita) (thesis) and specific argumentation (quaestio finita) (hypothesis). While questions were discussed on a general level in the thesis, a general line of reasoning could be applied to specific cases, persons, places and circumstances.18 The arguments could, however, also be strongly worded in a general line of reasoning, and it could be left up to the audience to apply it to a specific situation. The abovementioned elements (to which more factors and texts may be added) outline a context in ancient literacy that may be used to evaluate early Christian text passages, ones which we consider to contain po10 Stauffer, Polemik, 1404 f. 11 Ibid., 1405. 12 See Kennedy, Progymnasmata; Vegge, Paulus und das antike Schulwesen, 121 – 185. 13 Theon, Progymnasmata 101 and 128 – 129. 14 See Vegge, Paulus und das antike Schulwesen, 183 f. 15 Theon, Progymnasmata 120 (Translation: Kennedy, Progymnasmata). 16 Hermogenes, Progymnasmata 11; Theon, Progymnasmata 121. 17 Theon, Progymnasmata 121 (Translation: Kennedy, Progymnasmata). 18 See Lausberg, Elemente der literarischen Rhetorik, § 82, further Fuhrmann, Die antike Rhetorik, 99 ff.; Hellholm, Amplificatio, 132 f. In Cicero, De oratore II.41 f; II.65 f; II.78, it is maintained that the distinction between the general and specific issues concern the entire rhetoric.

258

Tor Vegge

lemics. Regarding the concept of polemic referred to above19 it should be noted that lines of reasoning learned in encomion had personally oriented arguments, and were concerned with virtues and actions: “Encomion is language revealing the greatness of virtuous actions and other good qualities belonging to a particular person.”20 Furthermore, general argumentation as taught in the exercise thesis could in certain situations have a concrete and specific address. However, reasoning not aimed at specific opponents or composed as invectives of certain persons also included controversies as far as the arguments were based on value systems. Such argumentation was assumed to be effective because the values, even if not realised, were generally accepted. Therefore, even if some moral philosophers could appear as harsh preachers,21 the preached values were acknowledged values. The competition between different philosophies or cults could be on being the one providing the best context for a virtuous (and thereby happy) life. 1.2 Further analytical questions It will be argued below that the arguments in Colossians are employed in a context of identity formation. I regard Colossians as a deliberative piece of literature, and any polemics in Colossians function in a broader context being a context of philosophic-religious teaching and counselling. The model for such counselling was guidance given by philosophers and rabbis to those who wanted to adopt their world view and ethos.22 Colossians is a literary text that constructs a situation of counselling that in certain respects is fictive since the reader/audience is invited to imagine themselves in such a teacher-pupil relationship where Paul is the teacher. The intention of such counselling may in modern terms be labelled as identity formation. 23 In the Colossians text this is moulded linguistically and literarily; identity is interpreted in a linguistic system. To 19 As discussed in Stauffer, Polemik. 20 9cj¾liºm 1sti kºcor 1lvam¸fym l´cehor t_m jat( !qetμm pq²neym ja· t_m %kkym !cah_m peq¸ ti ¢qisl´mom pqºsypom (Theon, Progymnasmata 109) (Translation: Kennedy, Progymnasmata, 50). 21 See Malherbe, ‘Gentle as a Nurse’, 39 – 42. 22 For the concepts “ethos” and “world view” applied in the present essay, see Geertz, The Interpretation of Cultures, 126 ff. 23 For this concept see e. g. Holmberg, Winninge, Identity Formation; Moxnes, From Theology to Identity.

Polemic in the Epistle to the Colossians

259

suggest a theoretical framework for these considerations, a semiotic approach to religion seems appropriate. In George Lindbeck’s cultural-linguistic approach “religions are seen as comprehensive interpretive schemes, usually embodied in myths or narratives and heavily ritualized, which structure human experience and understanding of self and world.”24

Such schemes gain character and distinction when dialectically compared with other schemes. The signs of the religion approved through Colossians have a systemic character25 which, according to Gerd Theissen, has “the capacity to organize itself from its own centre […]. Secondly, it has the capacity to distinguish itself from its environment – i. e. to differentiate between reference to itself and reference to outsiders.”26 For a group of believers in Christ gathered in worship of one certain divine being central to their world view and also motivating their morals, it follows that they defined themselves in relation and opposition to other cults, philosophies and not least groups using the same texts and traditions as they did themselves. The possibility always existed that those other cults and philosophies seemed more appealing. Such tensions in the shaping of identity probably occur due to the following reasons: “religions are universal or ‘comprehensive interpretive schemes’ centered on that which is taken to be ‘more important than anything else in the universe’, and used in organizing all of life, including both behavior and beliefs, in relation to this particularity”27

Furthermore, religions “like cultures and languages, […] shape the raw material of human potentialities into different, sometimes mutually exclusive, experiences of self, community, and world.”28 Such particularity seems to have been more at the centre of the self-perception in Judaism and Christianity than in any other of the known cults and philosophies of late antiquity:

24 Lindbeck, The Nature of Doctrine, 18. Lindbeck’s approach seems, at least in some ways, to correspond to C. Geertz’ semiotic approach to culture (Geertz, The Interpretation of Cultures, 24 – 30). See also Meeks, The Moral World of the First Christians, 11 – 17 and Theissen, The Religion of The Earliest Churches, 1 ff. 25 Theissen, The Religion of The Earliest Churches, 4. 26 Ibid., 5. 27 Lindbeck, The Nature of Doctrine, 132. 28 Ibid., 130.

260

Tor Vegge

“For with monotheism, primitive Christianity had inherited this sense of superiority and antisyncretistic self-understanding: it repudiated both the worship of other gods and the adoption of elements of the religious sign language associated with other cults.”29

In his essay “From Theology to Identity”, Halvor Moxnes raises the question of the “identity or self-presentation of early Christians from a synchronic perspective”,30 and maintains that “the discussion of identity always implies the construction and maintenance of boundaries”.31 Such boundaries are social, mental and symbolic,32 and they are “established and maintained in processes of encounters and conflicts with other groups.”33 Moxnes’ focus is on “the pragmatic function of boundaries within Paul’s argumentation, not on their general function as parts of a construction of a worldview or a belief ‘system’.”34 Nevertheless, Moxnes reads the arguments “as intellectual arguments, or […] as expressions of religious thought. Still, Paul’s arguments participate in a social process, by proffering ideals of self-presentations with the purpose of shaping identities. These self-presentations or self-ascriptions are crucial elements in establishing a distinguishable group.”35 Moxnes’ “interpretation represents an attempt to read the thought world of early Christians, but with a view also to how this thought world functioned.”36 In his analysis of negative criticism found in New Testament texts, Lauri Thurn investigates the identities of the antagonists referred to in the texts.37 He finds that in certain epistles the antagonists are described with too many mutually “exclusive attributes”, and further that “the labels given to the antagonists tend to be stereotyped and to follow a fixed pat29 30 31 32 33 34 35 36

Theissen, The Religion of The Earliest Churches, 49. Moxnes, From Theology to Identity, 264. Ibid., 279. Ibid., 272. Ibid., 266. Ibid., 279. Ibid., 279. Ibid., 280. See also C. Markschies, who maintains that the majority of first-century Christians managed with a relatively narrow “theology” consisting of a few succinct formulas. They assumed a critical attitude towards rational explications of the relations between God and the world as defined in philosophies, without their own development of a corresponding theology but relying on the tradition (paq²dosir) (1 Cor 15:1 – 3). Markschies refers to Col 2:8 regarding this attitude (Markschies, Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen, 28). 37 Thurn, The Antagonists.

Polemic in the Epistle to the Colossians

261

tern known from other Hellenistic and Jewish sources.”38 Commenting on the different suggestions in New Testament research on the opponents’ identity in Colossae, Thurn holds that it is “difficult, if not virtually impossible, to create a coherent picture of the antagonists based on the multifaceted accusations against them in this letter.”39 Nonetheless, the description of the antagonists had a purpose: “The antagonists, as they appear in the text, represent opposite values, alternative thinking or inappropriate behaviour, which the author condemns.” Accordingly, Thurn further suggests that “instead of focusing on historical antagonists, we should study them as they appear in the texts.” They are invented in the texts because “serious persuasion requires antagonists”,40 and on the basis of Paul’s letters, Thurn develops the “thesis that Paul needed antagonists because of his theology, not vice versa.”41 These more theoretical-oriented contributions seem to be relevant in relation to rhetorical and philosophical reasoning (as referred to above). Philosophical guidance intended as Bildung/moral progression was structured in contrastive patterns encouraging the cultivation of virtues and warning against vices, arguing that the virtues were in concordance with the nature (v¼sir) of both reality and mankind. I find Colossians to be a deliberative text containing traits resembling moral guidance as performed in philosophical schools, which means that any possible polemic is related to the argumentative functions of such texts. The text seems to hint at alternative world views, cults and philosophies. In the dynamics of the literary reasoning, these alternatives make the text’s own teaching stand out through its characteristics. Before comments are made on dynamics of the literary reasoning in Colossians, it seems relevant to look for the role of the author/speaker as constructed in the text.

38 39 40 41

Ibid., Ibid., Ibid., Ibid.,

80. 83. 90. 94.

262

Tor Vegge

2. A self-presentation of the implied author (1:24 – 2:5) The paragraphs in Col 1:24 – 2:5 contain ethos arguments, within which the speaker constructs his moral credibility by means of his words.42 The author talks about his sufferings as being sufferings of Christ undergone for the church’s benefit (1:24). Suffering for the benefit of others shows personal virtue and goodwill. The author also claims to be a servant of the church (1:25). The service performed for the benefit of the readers has to do with the household and word of God (1:25), having been a hidden mystery (lust¶qiom), now, however, revealed to his saints (1:26). Beginning with 1:25 the text, based on the ethos arguments, imparts a more consistent picture of the speaker’s role, a picture constructed in the text but relying on the figure of Paul and referring to the identity and selfconception of the circle referred to as “we” in these sentences. The mystery (that is identified with the word of God [1:25 f.] and with Christ [1:27]) is what the author and his companions announce by warning and teaching in all wisdom in order to present every human being mature in Christ (dm Ble?r jatacc´kkolem mouhetoOmter p²mta %mhqypom ja· did²sjomter p²mta %mhqypom 1m p²s, sov¸ô, Vma paqast¶sylem p²mta %mhqypom t´keiom 1m Wqist`, 1:28). Warning and teaching are characteristic tasks of a teacher,43 and the ultimate goal of a moral philosopher and teacher is the progression his students make (pqojop¶) towards achieving maturation/perfection (teke¸ysir).44 A combination of the concepts did²sjeim, sov¸a and t´keior seems to correspond to Paul’s conception of his own teaching, as he describes it in 1Cor 2 (sov¸am d³ kakoOlem 1m to?r teke¸oir, 2:6).45

42 See Andersen, Im Garten der Rhetorik, 41 f. According to Aristotle, “it makes a great difference when it comes to credibility, especially in the deliberative speeches […] that the audience perceives [the speaker] to be disposed towards them in a certain way” (Aristoteles, Rhetorica II.1.3/1377b). Furthermore, according to Aristotle, there are three qualities that can make the speakers themselves appear credible: good sense (vq|mgsir), virtue (!qet¶) and goodwill (eumoia) (Aristoteles, Rhetorica II.1.5 f/1378a). 43 See Vegge, Paulus und das antike Schulwesen, 54 ff., with references to texts by Xenophon, Epictetus and Dion Chrysostomos. Further Malherbe, ‘Gentle as a Nurse’. 44 See Vegge, Paulus und das antike Schulwesen, 305 – 329. 45 Ibid., 508 f.

Polemic in the Epistle to the Colossians

263

3. The partitio of the letter A variety of suggestions regarding the division of the letter indicate that transitions in the text between sections having different forms and functions are not easily recognised.46 J.D.G. Dunn sees 2:6 – 7 (“As you therefore have received Christ Jesus the Lord, continue […]”) as the thematic statement of the letter,47 while M. Wolter finds the partitio in 2:6 – 8 indicating the disposition of the whole letter body.48 The question of the propositio or partitio/divisio (in which the speech’s content is briefly described) is important in view of both genre and the letter’s overall function. I will point to a couple of other passages that might be seen as specifying the intention of the letter, the first being 1:9 f., which follows the thanksgiving section and expresses the wish that readers “may be filled with the knowledge of God’s will in all spiritual wisdom and understanding, so that you may lead lives worthy of the Lord […].” The direct reference here is, however, the constant prayers the implied authors make for the implied readers. Further, in 2:1 – 2 we meet a clear metacommunicative utterance that might be seen as revealing the intention of the entire letter: “For I want you to know how much I am struggling for you and for those in Laodicea […]. I want their hearts to be encouraged and united in love, so that they may have all the riches of assured understanding and have the knowledge of God’s mystery, that is, Christ himself.”

This is not very different from 1:9 f., in which encouragement and knowledge are signified. “The knowledge of God’s mystery, that is, Christ himself ” is sketched in the passage 1:15 – 20, praising Christ with statements of his cosmic power and status. This type of knowledge is the framework of moral guidance. The same passage also comments on the communicative function: “I am saying this so that no one may deceive you with plausible arguments” (2:4). These statements, communicating as they do the intention of imparting knowledge/understanding merged with moral exhortation,49 appear (regardless of how they are classified in 46 See Hellholm, Die Gattung Haustafel im Kolosser- und Epheserbrief, 104 f. 47 Dunn, The Epistles to the Colossians and to Philemon, 41. 48 Wolter, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon, 114 – 116. B. Witherington finds the propositio/partitio in 1:21 – 23 (Witherington, The letters to Philemon, the Colossians and the Ephesians, 137). 49 This connection of knowledge and moral guidance corresponds to the concept of paraenesis discussed in Engberg-Pedersen, Starr, Early Christian Paraenesis in

264

Tor Vegge

view of the dispositio) to be important in the evaluation of the letter’s overall function and, further, in the assessment of the polemical language’s function.

4. Genre and function In the present essay it is presupposed that Colossians is deuteropauline and written by one of Paul’s students within a setting that I prefer to call a school or school tradition. The letter might have first been written and used within such a minor group.50 The town of Colossae was probably demolished in an earthquake in the early 60’s, and the address might be fictive.51 This essay’s hypothesis is as suggested above that polemic (understood as passionate argumentation aimed at certain individual opponents) is not prominent in the letter. Such presuppositions may refer to an assumed situation of communication, but also to a discussion of genre. The function of specific utterances should be seen in relation to the letter’s main line of reasoning. It is somehow conventional to see the letter to the Colossians – like a typical Pauline letter – divided into a teaching (descriptive) section and a paraenetic (prescriptive) section. There is, however, a discussion regarding where the beginning of the paraenetic section is to be found, either in 2:6, 2:20, 3:1 or 3:5.52 This suggests an uncertainty regarding the sections commonly perceived as being polemical (2:6 – 23); that is, if they should be perceived within a context of descriptive or of prescriptive language. Instead of pursuing a discussion of such divisions, it seems to me more beneficial to regard the letter as a whole as being deliberative, subsequently considering its overall intended function as being a guiding one, which in this context – as far as physics is the framework of ethics Context. In a suggested definition “Paraenesis is [1] clear, concrete, benevolent guidance that […], [3] expresses a shared, articulated world view” (Popkes, Paraenesis in the New Testament, 42 f.) Further, Starr, Paraenesis for Beginners?, 111. I perceive the discussion of the concept “paraenesis” in these contributions to be held in a hermeneutical context that is comparable to the theoretical framework outlined in the present essay’s introduction. 50 4:16 seems however to indicate that the letter was intended to be read when the congregation was gathered, perhaps even during the worship service, see Hartman, Kolosserbrevet, 193; Betz, Paul’s “Second Presence”, 515. 51 Lindemann, Der Kolosserbrief, 12 f.; Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, 337. 52 See Hellholm, Die Gattung Haustafel im Kolosser- und Epheserbrief, 104 f.

Polemic in the Epistle to the Colossians

265

– includes seeing oneself in relation to a world view. In an early Christian context this would imply framing one’s self-perception in a Christian theological world view. Teaching in a descriptive form can be taken as an invitation to position oneself in this particular world view, which then results in a certain way of leading one’s life. Deliberative rhetoric does not work without a foundation in view of the communicative context; that is, in some recognized truth claims53 (even world view), and in a shared view of the purpose of being occupied with the subject matter at hand established between speaker and recipient and, presumably, in a notion of belonging to the same group with shared interests in the group’s wellbeing. Accordingly, it seems appropriate to recognize paraenesis54 as guiding the main line of reasoning in the letter, as done in the outline suggested by L. Hartman,55 and hence the letter as belonging to the deliberative genre. The suggestion may be forwarded that the letter was not supposed to be read as an actual sermon when the whole congregation was gathered, but rather was meant for a smaller circle including persons who could use the text for their own learning as well as further their own teaching and guidance of other believers. If, however, the address “in Co-

53 George A. Kennedy emphasizes the often deliberative function of epideictic rhetoric (Kennedy, New Testament Interpretation Through Rhetorical Criticism, 73 ff.). See also Betz: “Paraensis, therefore, consists of more than free-standing moral commandments or recommendations. It implies an appeal to reason, claiming that the exhortation, whatever it may be, stands upon a rational framework as well as practical experience” (Betz, Paraenesis and the Concept of God, 227). For a brief discussion of rhetorical genres in literary texts, see T. Vegge, Paulus und das antike Schulwesen, 349 – 352. 54 In the use of “paraenesis”, I favour a functional understanding of the concept. See Popkes, Paraenesis in the New Testament, 17; 34; 42. The point here is not a clear-cut definition of paraenesis in relation to e. g. exhortation (paq²jkgsir), but the relations between doctrines and ethics. See Engberg-Pedersen, The Concept of Paraenesis, 54 ff.; Starr, Paraenesis for Beginners, 79 – 81. 55 After the address (1:1 – 2) follows the main section (1:3 – 4:6), the sermon containing “softer exhortation with Christological basis” (1:3 – 23), a “direct exhortation with Christological basis” (1:24 – 2:23), and then “ethical prescriptions” based on the previous section (3:1 – 4:6) (Hartman, Kolosserbrevet, 195 f.) See also Dunn, The Epistles to the Colossians and to Philemon, 136; Popkes, Paraenesis in the New Testament, 16; Hellholm, Die Gattung Haustafel im Kolosserund Epheserbrief, 104 f.

266

Tor Vegge

lossae” is fictitious, one might suppose the intended function of the letter to be of a more general kind.56 Without pursuing a discussion of the detailed disposition/division of the letter, it seems important within the context of the present essay to note that the letter has sections dealing with world view (myths and doctrines) (1:15 – 20; 1:26 – 27; 2:3; 2:8 – 10; 2:12b; 2:14 – 15), sections concerned with ethos (actions recommended) (2:16 – 4:6) and sections referring to rite (2:11 – 12; 2:16 – 23). Furthermore, paragraphs and sentences containing paradigmatic interpretations of life story (1:21 – 22; 2:11 – 13; 3:7) might be highlighted. These dimensions of world view, ethos and rite are interwoven with one another, as the sections are literarily interdependent on one another.

5. Systemic and boundary marking text functions in Colossians The reasoning in Colossians reveals a dialectical interaction between systemic character and boundary marking functions.57 Distinct metacommunicative utterances have already been identified. However, a metaperspective on the writing and teaching represented by the writing is communicated in several paragraphs. Considered from a modern theoretical viewpoint, these paragraphs seem to argue that the teaching stands out as a characteristic sign system in relation and opposition to other sign systems.58 Other sign systems are hinted at in a general way, that is, through general characterizations of their disadvantageous effects. 5.1 Thanksgiving and prayer report (1:3 – 14) After the salutation follows (as in other Pauline letters) a thanksgiving section (1:3 – 8) that in Colossians is extended with a “report” (1:9 – 11) on the author’s and his companions’ prayers for the intended readers (similar to Phil 1:9 – 11). The report on those prayers’ content sets the 56 A. Lindemann supposes the address to be fictitious, the letter nevertheless being addressed to a certain congregation, the congregation in Laodicea (Lindemann, Der Kolosserbrief, 12 f. The extensive reasoning may be found in Lindemann, Die Gemeinde von “Koloss”). 57 Theissen, The Religion of The Earliest Churches, 4; Moxnes, From Theology to Identity. 58 Theissen, The Religion of The Earliest Churches, 4.

Polemic in the Epistle to the Colossians

267

stage for the teaching imparted throughout the letter. According to the prayer report, the teaching is concerned with both world view and ethos, and is intended to impart “knowledge of God’s will in all spiritual wisdom and understanding” (1:9). In light of 1:15 – 20 (the Christ eulogy) this knowledge, wisdom and understanding deal with what we perceive as world view. Further, the teaching is intended to help the readers lead their lives (peqipat/sai) “worthy of the Lord […], bear fruit in every good work”, which can be said to concern the ethos-dimension of religion. It might be significant that to “bear fruit in every good work” is combined with a growth in knowledge of God (1:10). Moreover, “to be made strong” (1:11) is ethos-related in that it is thought as effectuating rpolom¶ (endurance) and lajqohul¸a (patience). It is significant that this strength is in accordance with the might of God’s glory. Ethos and world view are interwoven in this line of reasoning. It has already been remarked upon that these utterances impart the implied author’s intentions concerning his communication, and the themes mentioned here are referred to and developed somewhat further in other parts of the writing. It might also be presupposed that the audience is acquainted with the teaching from other settings, and of its basis in the teaching and letters of Paul. This well-considered notification of what the implied author prays for and for what he is thankful is an indication of the character and intended function of the teaching; in linguistic terms: it sketches the semantic and pragmatic dimensions of the communication. From the perspective of polemic, one may look for language of differentiation or boundary marking language in these sentences. The expression b kºcor t/r !kghe¸ar toO eqaccek¸ou (1:5) of course presupposes that there is a teaching that is not “the gospel”, and that does not impart the truth, i. e. that is false, misleading, “empty deceit, according to human tradition” and so forth (2:8). Further, the “true way of learning to know God’s grace” (Ajo¼sate ja· 1p´cmyte tμm w²qim toO heoO 1m !kghe¸ô, 1:6) stands in opposition to a false way of learning about God. This dialectic perspective can be extended to further expressions in these sentences. To the extent there is a way of leading one’s life worthy of the Lord (peqipat/sai !n¸yr toO juq¸ou, 1:10), there is also a way of leading it in an unworthy manner (as referred to in Chapter 3). Finally, the present existence of the believers in the light (1m t` vyt¸) stands in contrast to their former existence under the power of darkness (1:12 – 13). This contrast is explicated in the text. While the themes denoted here are general, they are concerned with both world view and ethos,

268

Tor Vegge

and their characteristic meaning emerges in view of a dialectical comparison that both speaker and intended audience presuppose may also be performed when it is not clarified in the text. 5.2 A world view (myths and doctrines) focused in Christ (1:15 – 20) Grammatically expanding on the expression 1m è (“in whom we have redemption […]”) (1:14), there immediately follows an elaboration on the authority and power of Christ (a section often referred to as the Christ hymn59). For instance, 1:15 – 20 is a passage in refined prose style (a prose hymn) expressing the deeds, qualities and roles of Christ in God’s history with the existent reality, and his power in all the domains of this reality. It ends with a reference to the cross of Christ. This status and these qualities of Christ are supposed to be at the very centre of the believers’ world view. The passage presents the grandness and overwhelming significance of the Christian beliefs. In terms of the sign language of religion this expresses myth,60 or doctrines and cosmic stories/myths.61 The meaning of the expressions may be comprehended dialectically, an interpretation that in turn might be used polemically. When Christ is the firstborn (pqytºtojor) (1:15), all other figures that might claim such a position are excluded. Moreover, when all things were created in him – and the author takes great care to explicate what “all things” means62 – he is, together with God, the supreme divine figure in all reality. This implies (as indicated in the text) that all other figures that might be thought of as having a corresponding position, or might be asserted to have a supreme status, in reality are excluded from such positions; they are subordinated Christ. The focus is precisely on such possible figures, the text explicitly mentioning that thrones, dominions, rulers 59 The question of a possible prehistory of these passages will not be discussed here. See Bosch, Der Hymnus Kol 1,15 – 20, and in commentaries as e. g. Lindemann, Der Kolosserbrief, 25 f.; Sumney, Colossians, 60 ff. 60 Theissen, The Religion of The Earliest Churches, 3. 61 Lindbeck, The Nature of Doctrine, 19. 62 “Es gibt […] keinen Bereich im Himmel […] und auf der Erde […] d. h. in der ganzen Schçpfung, der nicht von Christus her bestimmt wre […]. Um dies zu unterstreichen, folgen als Auslegung des Wortes ,alles‘ vier einander entsprechende Begriffspaare, mit denen der Dichter die Ganzheit des Kosmos zu erfassen trachtet” (Lindemann, Der Kolosserbrief, 27). See also Sumney, Colossians, 68 f.

Polemic in the Epistle to the Colossians

269

and powers63 (eUte hqºmoi eUte juqiºtgter eUte !qwa· eUte 1nous¸ai) are “created through him and for him” (t± p²mta dQ aqtoO ja· eQr aqt¹m 5jtistai, 1:16). This elaborate – in itself epideictic rhetorical – reasoning aims at demonstrating the supreme position of Christ. It seems reasonable to perceive it as intended to sketch the world view in its totality. The reasoning mentions “all things in the heavens and on the earth, all things visible and invisible” (t± p²mta 1m to?r oqqamo?r ja· 1p· t/r c/r, t± bqat± ja· t± !ºqata, 1:16).64 Additionally, the fullness (p÷m t¹ pk¶qyla) dwells in him (1:19).65 The temporal dimension also is referred to: “He himself is before all things” (aqtºr 1stim pq¹ p²mtym, 1:17). While the passage is not polemically styled, its meaning can be supposed to be based in dialectical comparison. It would be possible to work out a rhetoric-philosophical synkrisis/comparison between Christ and other supposed divine authorities based on the topoi applied in this encomion of Christ. As such the passage has a polemical potential that may be used when confronting teachers and preachers arguing for other world views. Passage 1:18 denotes the significance of this world view for the community of believers’ social dimension, the 1jjkgs¸a. The supreme authority of the total reality is at the same time head of the church (aqtºr 1stim B jevakμ toO s¾lator t/r 1jjkgs¸ar, 1:18), a fact that gives the believers/ community access to the fullness (1:19). The final sentences in this section mentioning reconciliation (!pojatakk²nai) and peace-making (eQqgmopoi¶sar) (1:20) might refer to tensions concerning world view as well as possible instances of polemical arguing among the believers. In this case the author supposes the basis for such tensions to be removed through this grand Christ-centred world view. 63 A. Lindemann assumes that the words “thrones” etc. refer to “Engel-Hierarchien” common in not only Judaism but also in Gnosis (Lindemann, Der Kolosserbrief, 27). This is similar to Sumney who, however, remarks that “these names also designate visible social and political offices, structures and realities” (Sumney, Colossians, 67). 64 A. Lindemann suggest that t± p²mta could be translated “das All” (Lindemann, Der Kolosserbrief, 27). 65 The “fullness” seems to incorporate what is said in the foregoing statements about how everything is created in him, how he existed before everything and how everything is held together in him (t± p²mta 1m aqt` sum´stgjem). According to L. Hartman, “fullness” is a way of denoting God (Hartman, Kolosserbrevet, 47). See also Lindemann, Der Kolosserbrief, 28; Sumney, Colossians, 74.

270

Tor Vegge

5.3 A warning (1:21 – 23) This grand concept of reality is followed by a reference to the self-perception of the readers/believers (a statement on their new identity/position in relation to God). They were once “estranged”, but are now “reconciled”. The reference to the former “identity” – being “estranged and hostile in mind, doing evil deeds” – is also based on a dialectical contrast which in this instance refers to the believers’ life story, but containing a contrast carrying polemical potential that in another context might be applied in argumentation against persons teaching a world view and an ethos perceived as not being reconcilable with Pauline teaching. This statement and identity reminder are coupled with a gentle warning anticipating the more explicit warnings found later in the text: “provided that you continue securely established […]” (1:23). The warning indicates the possibility of shifting to another teaching/gospel (letajimo¼lemoi !p¹ t/r 1kp¸dor toO eqaccek¸ou ox Ajo¼sate) and of associating with another teacher than Paul (ox 1cemºlgm 1c½ PaOkor di²jomor, 1:23). 5.4 The reasoning concerning the philosophy (2:6 ff.) Colossians 2:6 introduces the sections that are supposed to contain a direct polemic against certain opponents.66 Regarding the question of these opponents’ identity, I have already indicated that my own perception lies in the direction of evaluating the argumentation to be more of a general kind and not envisaging certain individuals of a particular persuasion known to the author and addressees trying to win the Colossian Christians for their own persuasion.67 66 For the discussion see e. g. Francis, Meeks, Conflict at Colossae; Hartman, Kolosserbrevet, 117 – 125; Ernst, Kolosserbrief; DeMaris, The Colossian Controversy; Dunn, The Epistles to the Colossians and to Philemon, 23 – 35; Mller, Gegner im Kolosserbrief. 67 This perception is not very original. My evaluation of the arguments’ energy and the possibility of concrete identification of the opponents is not very different from Dunn (Dunn, The Epistles to the Colossians and to Philemon, 23 ff.) and resembles M. D. Hooker (Hooker, Were there false teachers in Colossae?, 316), even if the analysis by Hooker is made on the presupposition that Colossians is written by Paul (315). See also the lineup of four types of identification of opponents by P. Mller, where my own seems most congruent with the fourth type: “Es existieren keine Gegner im ausdrcklichen Sinn. Kol 2 warnt vielmehr

Polemic in the Epistle to the Colossians

271

5.4.1 Line of reasoning in Colossians 2 The section, that by many is regarded polemical, may be said to start around 2:6 and end in 2:23.68 The more strongly worded arguments of Chapter 2 are imparted in a context designed linguistically by the preceding sections already commented upon. After the section in which the implied author presents himself follows a passage containing a direct address to the audience (in 2:6) with the exhortation to “walk in Christ Jesus the Lord”. Even with this exhortation marking a transition in the text, the mode of speaking is still mainly descriptive, while the text from 3:5 is dominated by prescriptive language.69 Central in this section is 2:9 – 15, a teaching according to Christ (jat± Wqistºm) with a fundamental world view statement (theological/Christological) (2:9) followed by an application to the implied readers (2:10 – 15).70 allgemein vor dem paganen Umfeld, aus dem die christliche Gemeinde entstanden ist, vor dem Judentum oder vor Verunsicherungen bei den Adressaten selbst, die durch die Konversion hervorgerufen wurden” (Mller, Gegner im Kolosserbrief, 369 f.). See also Hooker, Were there false teachers in Colossae?, 323. 68 See Mller, Gegner im Kolosserbrief, 366. DeMaris finds 2:8 and 2:16 – 23 to be the polemical core of the letter (DeMaris, The Colossian Controversy, 41 ff.). Schweizer defines 2:6 – 23 as “the confrontation with the Colossian Philosophy”, a section that he further sees divided into “the basic foundation in vv. 6 f.; the Christology, in vv. 8 – 15, set in contrast to the Colossian philosophy […], and the actual defence against the false claims in vv. 16 – 23” (Schweizer, The Letter to the Colossians, 121 f.). J.D.G. Dunn sees 2:6 – 4:6 as the theme of the letter. Vv. 2:6 – 7 is the thematic statement for the entire letter, and 2:8 – 23 states in three sections that “the cross of Christ renders unnecessary any further human traditions and rules” (Dunn, The Epistles to the Colossians and to Philemon, 41 f.). M. Wolter identifies 2:6 – 4:6 as the “Briefcorpus”, that has two main parts. Vv. 2:9 – 23 constitutes a classic argumentatio that is further divided in a probatio (9 – 15) and a refutatio (16 – 23). This argumentatio is followed by the exhortatio (3:5 – 4:6) and Wolter finds the partitio in 2:6 – 8 (Wolter, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon, 114 – 116). In similar fashion P. Mller sees 2:6 – 23 as argumentatio, with the division in a probatio and a refutatio, however without defining a partitio (Mller, Gegner im Kolosserbrief, 368 f.). 69 As mentioned above, certain scholars believe the paraenetic (prescriptive) section of the letter to begin either with 2:6, 2:20, 3:1 or 3:5. See Hellholm, Die Gattung Haustafel im Kolosser- und Epheserbrief, 104 f. Related to this discussion is the question of the nature of exhortation/paraenesis. See Engberg-Pedersen, Starr, Early Christian Paraenesis in Context. 70 For the structure see: Vegge, Baptismal Phrases.

272

Tor Vegge

This application of the “fullness of deity” to the implied reader (2:9 – 15) is preceded by the exhortation to “walk in him [Christ] […]” (2:6 – 8) that implies to be “rooted and built up in him” (1m aqt`) (2:7), and to be “established when it comes to the faith”. This established faith is founded in teaching (jah½r 1did²whgte) (2:7). The encouragement is followed by a warning, and the phrasing relates to teaching and learning. It is a warning against another type of teaching labelled “philosophy”, a philosophy that the implied author claims to be in accordance with “human tradition” and the “elements of the world” and not in line with Christ (jat± Wqistºm) (2:8). This exact jat± Wqistºm is then elaborated upon in the following sentences (2,9 ff.). The transmission is brought about through the relative sentence fti 1m aqt` jatoije? […]. “Philosophy” not reconcilable with the Christianity taught in this letter is referred to again (somewhat more detailed) in 2:16 – 23. Thus, a contrast is established in the text which discusses teaching that mutually exclude one another, a contrast which, as indicated, is visible in the outline of the section. M. Wolter identifies 2:9 – 23 as the argumentatio of the letter. The argumentatio is further divided in a probatio (9 – 15) and a refutatio (16 – 23).71 Dunn points to a chiastic structure: 8a and 16 – 23 containing polemical denunciation, and 8b and 9 – 15 the teaching in accordance with Christ, with 2:8 functioning “as a heading and initial statement of the section’s theme.”72 The addressees hear this encouragement to walk in Christ Jesus the Lord (2:6) just after hearing the implied author communicate clearly metacommunicative utterances as outlined above. The implied author is a construction of the person of Paul, and the readers have of course not met him (“all who have not seen me face to face” [2:1]). A few lines later it is stressed that “Paul”, although “absent in body”, is with them in spirit. Moreover, “Paul” rejoices over their morale and firmness of faith in Christ (2:5). Having by these literary means created a “second presence” of Paul,73 and an intimate and personally demanding atmosphere, the speaker communicates the exhortation to walk in Christ

71 “Diese Verse bilden eine klassische argumentatio” (Wolter, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon, 115). Similarly Mller who sees 2:6 – 23 as argumentatio, with the division in probatio and refutatio (Mller, Gegner im Kolosserbrief, 368 f.). 72 Dunn, The Epistles to the Colossians and to Philemon, 144. 73 Betz, Paul’s “Second Presence”.

Polemic in the Epistle to the Colossians

273

Jesus the Lord, which implies that they must abstain from other religious or philosophical guidance. 5.4.2 Philosophies excluding one another (2:8 ff.) The word “philosophy” is found only in this text of The New Testament and is here associated with jemμ !p²tg (“empty delusion”) and paq²dosir t_m !mhq¾pym (“human tradition”), being further coupled with “someone” (tir) who might use the philosophy to lead astray (sukacyce?m). The definite (di±) t/r vikosov¸ar can be read as the author referring to an actual philosophy known to the readers.74 The definite article would normally presuppose that the concept is already presented in the linguistic context or is known to the audience without further presentation. It is difficult for us to discern a distinct philosophy that is argued against in the writing,75 even when the broad use of the word is taken into account.76 The idea can of course not be excluded that a certain teaching, conviction, or cult, is referred to, one that is unknown to us who are not among the intended readers. The reasoning seems, however, to make sense when a more general reference is presupposed. Col 2:8 is a fairly general characterization mentioning that other teachings may be deceitful, based on human traditions, and most importantly, not founded in Christ. We will return to the polemical functions below. A factor that is also important for the perspective from which the author’s own teaching is seen is that vikosov¸a may be assumed to have a fairly broad range of meaning. M. Wolter mentions that according to 4 Macc and Philo, the religious foundations of Judaism may be labelled as philosophy, and that Josephus calls the teachings of the Essenes, Sadducees and Pharisees philosophies, and further that Philo describes the adherents of the Therapeutics as philosophers. As philosophy counted further redemptive teachings of different religious movements, the secret teachings of the mysteries, knowledge of magic, and the esoteric teachings appearing in the Hermetic literature.77 According to Seneca, philosophy 74 Hartman, Kolosserbrevet, 117. P. Mller maintains, “der bestimmte Artikel und die erst im Zusammenhang mit der folgenden Bestimmung mit der Philosophie verbundene Wertung machen es wahrscheinlich, dass ihn die Gegner (als Selbstbezeichnung?) verwendet haben.” (Mller, Gegner im Kolosserbrief, 376) 75 See Thurn, The Antagonists, 83. 76 Wolter, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon, 120 f. 77 Ibid., 120 f., with references to texts. Similarly Lindemann, Der Kolosserbrief, 39; Mller, Gegner im Kolosserbrief, 376.

274

Tor Vegge

is concerned with virtues. “Wisdom is the perfect good of the human soul (sapientia perfectum bonum est mentis humanae), and philosophy is the love of wisdom and the pursuit of it (philosophia sapientiae amor est et adfectatio).”78 The one and only task of philosophy is “to find the truth concerning divine and human things”, and philosophy is accompanied by “conscientiousness (religio), piety (pietas), righteousness (iustitia) and all other interrelated virtues.”79 As stated by M. Wolter it seems obvious that philosophy was not only concerned with “ein […] denkerisches Bemhen um die Erkenntnis der dem Verhltnis von Gott, Welt und Mensch zugrundeliegenden Prinzipien”,80 and (from the perspective of the present essay) it is also of interest to emphasize that philosophy might have been perceived as choice of lifestyle based on a world view including ethos,81 a world view that also includes religious beliefs. Hence, the comments on polemic in Colossians should include such a broad philosophical perspective, and they should also include the dimension of rite. Furthermore, it seems of interest to point to the broad range of meaning. The word vikosov¸a was convenient if the intention was a general reference to alternative beliefs, religions and cults. 5.4.3 Polemical potential In the context of the knowledge of the modern reader the boundary demarcation, that is, the portrayal of the disadvantageous philosophy is, as already remarked upon, not very specific and mostly limited to general characteristics and warnings (2:8 and 16 – 23). The utterances have, however, a polemical potential, and they suggest polemical energy when the readers are reminded that they encounter the philosophies as convictions of individual persons. Philosophies do not just float around on their own; they exist in people’s heads, or in the language and texts of persons having identity in social contexts; they exist in contexts of convictions (beliefs), rites, sentiments and practices. The text suggests that philosophies are held by persons. The “no one” (tir) (2:8) and the “anyone” (tir) (2:16), not only may refer to real persons that the author had in mind, but may also be considered as referring 78 Seneca, Epistulae morales ad Lucilium 89.4. 79 Seneca, Epistulae morales ad Lucilium 90.3. See Vegge, Paulus und das antike Schulwesen, 271 – 278. 80 Wolter, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon, 120. 81 See Mller, Gegner im Kolosserbrief, 376, footnote 29.

Polemic in the Epistle to the Colossians

275

to characters one might expect to encounter in a typical Hellenistic polis of Asia Minor,82 or they may be antagonists constructed in the text for the purpose of creating a dialectical reasoning, creating binary oppositions to make one’s own teaching stand out with its characteristics.83 In accordance with the pragmatic function of the text, such persons or antagonists are – with a polemical tendency – valued as being the following: 1) eQj0 vusio¼lemor rp¹ toO mo¹r t/r saqj¹r aqtoO (“puffed up without cause by a human way of thinking”, 2:18),

and their recommended practices are 2) jat± t± 1mt²klata ja· didasjak¸ar t_m !mhq¾pym (“simply human commands and teachings”, 2:22).

More significantly, the portrayal suggests deceit: 3) ûtim² 1stim kºcom l³m 5womta sov¸ar 1m 1hekohqgsj¸ô ja· tapeimovqos¼m, [ja·] !veid¸ô s¾lator, oqj 1m til0 timi pq¹r pkgslomμm t/r saqjºr (“these have indeed an appearance of wisdom in promoting self-imposed piety, humility, and severe treatment of the body, but they are of no value in checking self-indulgence”, 2:23).

In the antecedent sections in which the author presents himself (1:24 – 2:5), there is no outspoken polemic against other teachers;84 nevertheless, the presentation still functions as a contrast to the warnings against the philosophy and the invectives cited here. The author’s actual intentions for the audience are expressed in the words understanding (s¼mesir), knowledge (1p¸cmysir, cm¾sir) and wisdom (sov¸a) (2:2 f.). These themes occupy philosophers, and the author consequently contrasts himself to persons teaching other forms of philosophy (2:4 and 8). In 2:4 he states that he “says this” – referring to the abovementioned content of his own teaching – in order that the readers may be able to confront persons that might try to convince them otherwise by using plausible arguments (toOto k´cy Vma lgde·r rl÷r paqakoc¸fgtai 1m pihamokoc¸ô).

82 See Ibid., 369 f. 83 Thurn, The Antagonists. 84 B. Heininger, however, when relating pihamokoc¸a (2:4) to !c¾m in 2:1 maintains that the !c¾m denotes “einen Agon, den ‘Paulus’ und […] Epaphras […] mit der kolossischen Philosophie ausfechten. Dieses agonale Konzept hat Entsprechungen in der stoischen Popularphilosophie” (Heininger, Soziale und politische Metaphorik, 70).

276

Tor Vegge

Compared to Paul’s aggressive arguing against the “superapostels” in 2Cor 11:5 and 13 – 15,85 the invectives in Colossians seem rather reluctant. For instance, in 2 Corinthians Paul questions his opponents’ ethos, accusing them of being “boasters”, “false apostles”, “deceitful workers, disguising themselves as apostles of Christ”, and he even compares them with Satan (2Cor 11:12 – 15). Although none of the opponents are mentioned by name,86 we need not doubt that the utterances are polemical, meaning they are invectives written in a specific conflictive situation. P. Lampe has explored the context for this aggressive, passionate argumentation in the “polemical culture” of Paul’s time as attested in e. g. speeches of Cicero.87 Additionally, the polemic in the epistles of PseudoHeraclitus that will be referred to below seems sharper than do the invectives in Colossians. The invectives in Colossians (with the possible exception of the last reference to deceit) are also not directly recognizable as topoi from 1cj¾liom and xºcor as referred to above, but they may still be developed in a religiously nuanced vituperation (xºcor), relating it to certain specific individuals and circumstances. General references made to the disadvantageous philosophy and the “anyone” advocating the philosophy may be perceived rhetorically as thetical reasoning (quaestio infinita) designed to prepare intended readers for a reasoning concerning definite philosophies held by actual persons (quaestio finita).88 Viewed dialectically, the general demarcation of boundaries listed in the three points above and pointing at possible antagonists in effect characterize the teaching approved by the author as 1) being a grand but godly way of thinking, 2) being teachings according to Christ, and 3) not only having an appearance of wisdom but also being the true wisdom of God. It makes sense to perceive the antagonists as having been invented in the text for the purpose of allowing this teaching to appear with characteristic features.89 Further, in the section’s line of reasoning, it is possible to discern demarcation against “other signs” concerning both world view as well as rite and ethos.90

85 86 87 88 89 90

See Lampe, Can Words Be Violent?, 223. Ibid., 231. Ibid. See above: Resources from ancient rhetoric and philosophy. Thurn, The Antagonists, 89 ff. See Mller, Gegner im Kolosserbrief, 388.

Polemic in the Epistle to the Colossians

277

As already suggested, the word vikosov¸a (2:8) does not in itself characterize a specific teaching. On the contrary, it is my impression that the word denotes the function of the reasoning presented in the letter. As regards contents, it refers to philosophy as taught in the philosophical schools (or the philosophy of Jewish teachers, or even the doctrines of some cults), and as to the pragmatic dimension, the implied author presents himself in the manner of a teacher and moral philosopher imparting knowledge of reality and moral formation, that in certain respects stand in opposition to other philosophies. Philosophy may be both strongly worded and polemical. Philosophers might provocatively attack a lifestyle devoid of virtues governed by desire for and delight in wealth and praise. The Cynics in particular were notorious for such preaching.91 If you engaged a Cynic as coach or counsellor, you had to prepare for a severe training program.92 Dion from Prusa (Chrysostomos) held that the task of philosophy was to “promote virtue and sobriety and trying to lead all men thereto, partly by persuading and exhorting, partly by abusing and reproaching, in the hope that he may thereby rescue somebody from folly and from low desires and intemperance and soft living.”93

The Stoic Epictetus declared the following: “he who can show to each man the contradiction which causes him to err, and can clearly bring home to him how he is not doing what he wishes, 91 See Malherbe, ‘Gentle as a Nurse’, 39 ff. 92 The following satirical account by Lucian may be supposed to rely on the type as it was generally perceived: “DIOGENES: I am a liberator of men and a physician to their ills; in short I desire to be an interpreter of truth and free speech —BUYER: Very good, interpreter! But if I buy you, what course of training will you give me? —DIOGENES: First, after taking you in charge, stripping you of your luxury and shackling you to want, I will put a short cloak on you. Next I will compel you to undergo pains and hardships, sleeping on the ground, drinking nothing but water and filling yourself with any food that comes your way. As for your money, in case you have any, if you follow my advice you will throw it into the sea forthwith. You will take no thought for marriage or children or native land: all that will be sheer nonsense to you, and you will leave the house of your fathers and make your home in a tomb or a deserted tower or even a jar. Your wallet will be full of lupines, and of papyrus rolls written on both sides. Leading this life you will say that you are happier than the Great King; and if anyone flogs you or twists you on the rack, you will think that there is nothing painful in it” (Lucianus, vitarum auctio 8 f.) (Translation: Harmon [Loeb]). 93 Dion Chrysostomos, Orationes 77/78. 38.

278

Tor Vegge

and is doing what he does not wish, is strong in argument, and at the same time effective both in encouragement and refutation.”94

Such strongly worded teaching was intended for the student in a teacherstudent relationship. The contrast between virtues and vices is prominent. But philosophical argument could also be polemical, criticizing adversaries or other persons outside the circle of students and sympathizers. In the pseudonymous epistles of Heraclitus (belonging to the so-called Cynic Epistles dating from the 1st century A.D.),95 there is polemic against adversaries. A person who has accused “Heraclitus” of impiety is in return called blind and ignorant, and these invectives are coupled with lacking knowledge of God.96 Epistle 6 contains polemics against the doctors who had tried to diagnose the disease of “Heraclitus” “although they understand neither science nor nature”.97 The polemic emphasizes this lack of understanding as well as ignorance, impiousness, deceit (“they pretend to skills they do not have” [6.2]), disgrace and shame (“it is a greater shame to claim knowledge when one in fact does not possess it” [6.2]), and further that the doctors make money through deceit (6.2). In epistle 7 a polemic against politicians is coupled with vice lists.98 The polemic emphasizes ethos (vices), and the context and basis of ethos include knowledge of nature (nature meaning the reality in its totality). In these texts, then, ethos is related to world view, and knowledge of nature (v¼sir) is the key to understanding man’s condition. In epistle 5 the topics are disease and health, and the key to the latter is knowledge: “Since I understand the nature of the world, I understand also that of man” (1c½ eQ oWda jºslou v¼sim, oWda ja· !mhq¾pou).99 We meet ethos in these texts based on world view, in this instance imparted in epistles as well and probably belonging to a philosophical school con94 (4) deim¹r owm 1m kºc\, b d’ aqt¹r ja· pqotqeptij¹r ja· 1kecjtij¹r oxtor b dum²lemor 2j²st\ paqade?nai tμm ‹l²wgm›, jah’ Dm "laqt²mei, ja· sav_r paqast/sai, p_r d h´kei oq poie? ja· (5) d lμ h´kei poie? (Epictetus, Dissertationes II.26.4 – 5). See Stowers, The Diatribe, 105. 95 Malherbe, The Cynic Epistles, 22 f. 96 Pseudo-Heraclitus, Epistolae 4.1 – 2. 97 Pseudo-Heraclitus, Epistolae 6.1. 98 Pseudo-Heraclitus, Epistolae 7.4 – 5. 99 Pseudo-Heraclitus, Epistolae 5.1. See also further in the epistle statements on the balance of the world, knowledge of the universe, and how the soul of the philosopher “will fly high into heaven” and the philosopher will be a citizen among the gods (5.2).

Polemic in the Epistle to the Colossians

279

text.100 The polemic contains criticism that resembles the warnings in Colossians referred to above. However, as regards polemical sharpness, passion and individual address, the polemic stands closer to 2Cor 11, while the invectives in Colossians seem somewhat more general and reserved. 5.4.4 Pauline philosophy Paul never calls his teaching “philosophy”, even if he says he teaches wisdom; neither does the author of Colossians, even if he contrasts the philosophy in a way that makes the “Pauline” teaching stand forth as true philosophy. In a previous section I briefly pointed to passages in 1 Corinthians 2 that resemble the self-presentation of the author and his teaching in Colossians. Paul talks about his weakness (1m !sheme¸ô) (1Cor 2:3) and says that he taught them the mystery of God (jatacc´kkym rl?m t¹ lust¶qiom toO heoO, 2:1). This mystery is God’s wisdom, having been hidden, and the powers of this world did not know it (Dm oqde·r t_m !qwºmtym toO aQ_mor to¼tou 5cmyjem, 2:8). The wisdom is now revealed to Paul and his companions/pupils (2:10 ff.). It also seems relevant for the interpretation of Colossians that there exists, according to Paul, wisdom of different kinds. For example, there is a wisdom paired with lofty words (rpeqowμm kºcou C sov¸ar, 1Cor 2:1), teaching (kºcor) imparted through persuasive words of wisdom (1m peiho?[r] sov¸ar [kºcoir], 2:4), and there is also the wisdom of men (sov¸a !mhq¾pym) (2:5). But there is the other kind of wisdom not known to the powers of this world, a kind which Paul and his companions teach among the “perfect” (2:6) and which was hidden in a secret (2:7): sov¸am d³ kakoOlem 1m to?r teke¸oir […], kakoOlem heoO sov¸am 1m lustgq¸\, tμm !pojejqull´mgm (2:6 – 7). In Colossians “Paul” talks about his sufferings (1:24). He teaches wisdom along with his companions (Ble?r jatacc´kkolem mouhetoOmter p²mta %mhqypom ja· did²sjomter p²mta %mhqypom 1m p²s, sov¸ô, 1:28). The teaching contains knowledge of God’s mystery (2:2) that is hidden (2:3), and Christ, who is himself God’s mystery, is the head of all powers and authorities (2:10). Wisdom (sov¸a) is the prominent concern of philosophy. Moreover, according to Colossians, there are different kinds of wisdom. There is on the one hand spiritual wisdom (sov¸a pmeulatij¶) (1:9), “teaching in wisdom” (Ble?r jatacc´kkolem […] did²sjomter p²mta %mhqypom 1m p²s, sov¸ô, 1:28; also 3:16), and the hidden 100 Malherbe, The Cynic Epistles, 2 f.

280

Tor Vegge

treasures of wisdom (oR hgsauqo· t/r sov¸ar […] !pºjquvoi, 2:3). On the other hand, there are persons merely having an appearance of wisdom (ûtim² 1stim kºcom l³m 5womta sov¸ar, 2:23). Based on the background of 1 Corinthians, the teaching in Colossians may be perceived as imparting “God’s wisdom” (heoO sov¸a). According to 1 Corinthians, God’s wisdom excludes wisdom paired with lofty words, teaching imparted through persuasive words and “human wisdom”. A similar evaluation is given to the disadvantageous philosophy in Col 2:8 and 22 – 23. Further, in Colossians as in 1 Corinthians, advantageous teaching imparts wisdom, the once hidden secret of God (Col 2:2). This secret is identified with Christ, whereas in 1Cor 1:30 the wisdom is identified with Christ. 5.4.5 Christ-centred world view and exclusivism When comparison is made with polemic in a philosophical context, it should be emphasized that the Christians cultivated a theological exclusivism only paralleled in Judaism.101 The dogmatic and mythical dimensions were being thought of as exclusive (none other than the one god should be worshipped) and supreme.102 If religions in general are “centered on that which is taken to be ‘more important than anything else in the universe,’ and used in organizing all of life, including both behaviour and beliefs, in relation to this particularity,”103 this was in the Jewish and Christian religions coupled with monotheism. The implied boundary demarcations became more precarious for the Christians than for the synagogue as far as the Christian groups included everyone on equal terms, while the religion of the synagogue had an ethnic basis. This theological exclusivism had cultic implications, and the reasoning 101 C. Markschies explains the development of a Christian theology (beliefs, doctrines, world view) with the particular evangelising of the first Christians combined with the Christian claim for absoluteness (“Absolutheitsanspruch”) that was a universalising of the Jewish monotheism. This particularity distinguished in turn the new religion from the other contemporary cults (Markschies, Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen, 30). See also B. D. Ehrman, who maintains that when “Christians began to understand that Jesus himself was, in some way, the only means of a right standing before God, the only way of salvation […], a new factor entered the religion scene of antiquity. Christians by their very nature became exclusivists, claiming to be right in such a way that everyone else was necessarily wrong” (Ehrman, Lost Christianities, 92). 102 Lindbeck, The Nature of Doctrine, 130; Theissen, The Religion of The Earliest Churches, 49. 103 Lindbeck, The Nature of Doctrine, 132.

Polemic in the Epistle to the Colossians

281

about ethos was placed in a significant Christian context. The material commented on in this essay does not indicate that the polemic is particularly prominent and sharp in Colossians, rather the contrary, but the polemic obtained a distinct context when rite and ethos were interpreted in the dialectical systemic and boundary marking reasoning of the Christcentred and theological exclusivistic world view. 5.5 Rite The reference to the initiation rite of baptism is central to the reasoning in 2:9 – 15. A sentence from the final passage of the world view statements 1:15 – 20 is nearly literally cited in 2:9: fti 1m aqt` eqdºjgsem p÷m t¹ pk¶qyla jatoij/sai (1:19) fti 1m aqt` jatoije? p÷m t¹ pk¶qyla t/r heºtgtor sylatij_r (2:9)

As far as baptism is invented in 2:9 ff., the addition sylatij_r in 2:9 seems significant. It should, however, be taken in a fairly straightforward manner as denoting bodily presence or “the accessibility (come-at-ableness) of the divine epiphany”,104 or the “Wirklichkeit” of God’s presence in Christ.105 In relation to baptism, it may refer to the concrete “bodily” performance of the rite itself. In 2:11 – 12 the baptismal rite that the readers have experienced is symbolically interpreted as signifying a burial with Christ, an interpretation that implies an application of his significant death. The subsequent formulation in 2:12b – 1m è ja· sumgc´qhgte di± t/r p¸steyr t/r 1meqce¸ar toO heoO toO 1ce¸qamtor aqt¹m 1j mejq_m106 – is still an interpretation of baptism. As in Rom 6 the text in Col 2:12 proposes an integration of the performance/experience of the initiation rite with the Christ myth, Christ’s significant death and resurrection. Thus, world view and rite are related, reciprocally interpreting one another and strengthening the identity which, according to the author, might be corrupted by other world view elements and rituals. 104 Dunn, The Epistles to the Colossians and to Philemon, 152. 105 Lindemann, Der Kolosserbrief, 41; Wolter, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon, 126. 106 The relative pronoun in 1m è could relate to baptism (so Schweizer, The Letter to the Colossians, 145 f.), but if this were the case, the later formulation of the same sentence (toO heoO toO 1ce¸qamtor aqt¹m 1j mejq_m) would probably have had the proper name of Christ (and not the pronoun).

282

Tor Vegge

5.5.1 Circumcision The articulate use of circumcision imagery (1m è ja· peqietl¶hgte peqitol0 !weiqopoi¶t\ 1m t0 !pejd¼sei toO s¾lator t/r saqjºr, 1m t0 peqitol0 toO WqistoO, sumtav´mter aqt` 1m t` baptisl`, 2:11 – 12) suggests that circumcision was a topic with which the audience was familiar. Col 1:21.27 and 3:5 – 7 seem to envisage the audience as believers having a Gentile background. The mention made of the Gentiles, as found in 1:27 and the vice list in 3:5 identifying one or more of the vices as being idolatry, might also have functioned with readers having a Jewish background. The readers seem in any case to have been imagined as being familiar with circumcision as a Jewish mark of identity.107 One possibility is to assume that the “philosophy” warned against (2:8) emphasised circumcision, another that circumcision was a topic of discussion in the contact with Jewish groups, including proselytes and God-fearers.108 The implied reader is familiar with circumcision and its religious and identity-marking significance. The mention of circumcision is, however, not polemical,109 and circumcision is not referred to in the paragraphs

107 J.D.G. Dunn supposes “a church made up initially of Jews and God-fearing Gentiles or proselytes (mostly the latter if 1:12, 27 and 2:13 are any guide)” (Dunn, The Epistles to the Colossians and to Philemon, 29). For the question of circumcision as a Jewish mark of identity, see Dunn, The Epistles to the Colossians and to Philemon, 154. 108 L. Hartman doubts that we are dealing with a philosophy practicing circumcision, but rather that the representatives of this philosophy may have been God-fearing Gentiles associated with the synagogue without having become proselytes, but sharing Jewish monotheism and observing Jewish purity rules, without, however, having been circumcised (Hartman, Kolosserbrevet, 119 and 121). Dunn supposes that “circumcision was indeed a factor in the threatening situation in Colossae. Moreover, the evidence clearly indicates that this factor included Jews as such, with their distinctive attitude to Gentiles as ‘the uncircumcision’ (2:13; 3:11)” (Dunn, The Epistles to the Colossians and to Philemon, 155). A. Lindemann also assumes the philosophy to have demanded circumcision; however, that the issue at stake was a Gnostic conviction that “die kçrperliche Beschneidung als einen sinnflligen Akt der Beseitigung irdischer Weltbindungen gedeutet haben” (Lindemann, Der Kolosserbrief, 42). See the further discussion of this problem in Schweizer, The Letter to the Colossians, 125 – 134; Hartman, Kolosserbrevet, 117 – 125; Dunn, The Epistles to the Colossians and to Philemon, 23 – 35. 109 J.D.G. Dunn, who maintains that “circumcision was indeed a factor in the threatening situation in Colossae” (Dunn, The Epistles to the Colossians and to Philemon, 155) writes nonetheless of “the lightness of polemic and the posi-

Polemic in the Epistle to the Colossians

283

(2:16 – 23) determined as refutatio by M. Wolter and P. Mller,110 even if there are other boundary demarcations in those paragraphs reflecting Jewish piety. Circumcision is applied metaphorically interpreting the rite of baptism, and the metaphorical language of circumcision (also denoting virtue) stands in good Jewish tradition as will be indicated below. This application is different from the passionate polemic referring to the concrete circumcision in Galatians and Philippians.111 In Philippians, in a rhythmic amplificatio, the antagonist or opponents are called “dogs”, “evil workers” and “those who mutilate the flesh” (bk´pete to»r j¼mar, bk´pete to»r jajo»r 1qc²tar, bk´pete tμm jatatol¶m, Phil 3:2). In Galatians Paul writes that whoever “lets himself be circumcised” has been “detached from Christ” (jatgqc¶hgte !p¹ WqistoO) (5:3 f.). Although no opponents are identified by names,112 Paul writes of people having “bewitched” (3:1) the intended readers and someone “confusing” them (5:10). Furthermore, he writes of himself as being persecuted for not preaching circumcision (5:11) before sarcastically uttering his final wish that “those who unsettle you would castrate themselves” (evekom ja· !pojºxomtai oR !mastatoOmter rl÷r, 5:12).113 Summing up: Circumcision is not applied polemically in Colossians, but rather is used metaphorically, interpreting baptism and indicating the implication of baptism as being connected to the ethos dimension of the Christian religion. 5.5.2 Religious practices Colossians 2:16 – 23 may be viewed as completing a chiastic structure in 2:8 – 23114 repeating and developing phrases in 2:8a (human traditions/

110 111

112 113 114

tiveness in the understanding of the imagery of circumcision” (Dunn, The Epistles to the Colossians and to Philemon, 156). Wolter, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon, 115 f.; Mller, Gegner im Kolosserbrief, 368 f. Dunn, The Epistles to the Colossians and to Philemon, 156; Hooker, Were there false teachers in Colossae?, 318. Betz writes about the introduction of the statement on circumcision in Gal 5:2: “The emphatic way in which Paul introduces this statement shows that he mobilizes his whole authority as an apostle” (Betz, Galatians, 258). Betz assumes that Paul is addressing the opponents, but “it is difficult to speculate if Paul has a specific person in mind” (Betz, Galatians, 267). Betz writes that “Paul is conforming here to the practice of diatribe preachers, when he salts his arguments with this joke. The ridiculing of eunuchs was a standby of the diatribe preacher” (Ibid., 270). Dunn, The Epistles to the Colossians and to Philemon, 144.

284

Tor Vegge

teachings, the elements of the world), asserting the secure status of the believer unified with Christ by marking boundaries against rituals, religious practices and experiences. These demarcations have been interpreted as being specifically polemic against opponents. Showing piety by observing purity rules concerning food and observing certain festival days, “meolgm¸ar C sabb²tym” may be understood in Jewish terms,115 while observing food rules was widespread for cultic purposes in Hellenistic times.116 The warning against “self-abasement”, “worship of angels”, and “visions” (2:18) seems to indicate additional rites or practices evoking religious sentiments or experiences. Possible intended references to concrete cults are, however, obscure to us.117 Within the scope of this essay, I would like to emphasize the general character of the boundary demarcation referring to a spectrum of religious-cultic practices found in Hellenistic poleis. They are referred to in a polemical tone, questioning the ethos of the “anyone” advocating such practices, an admittedly reserved and general polemic that nevertheless serves to underline the exclusiveness of one’s own rituals. 5.5.3 Rite – those on the inside and those on the outside Lastly, in this section I would like to add some comments on the social context/dimension that corresponds to the initiation rite, the doctrines and myth, and the recommended actions. The text of Colossians presents a significant conjunction of the cosmos and all the powers and authorities with the church. Christ is the head of both entities. The implied readers know that they belong to a church, and they have learned (or been reminded of the fact) in 1:18 and 1:24 that the church is the body of Christ. Moreover, these believers are now filled with him who also is the head of all powers and authorities (ja· 1st³ 1m aqt` pepkgqyl´moi, fr 1stim B jevakμ p²sgr !qw/r ja· 1nous¸ar, 2:10). Thus, they belong to a body whose head is also the head of all powers and authorities in the cosmos. These are the cosmological truth claims identifying the church being the social place where believers met. The believer had entered the church through baptismal initiation into a social space having this all-embracing framework. Seen from the perspective of baptism, this ritual had granted 115 Ibid., 34. 116 See Wolter, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon. 117 Ibid., 148. But see Arnold, The Colossian Syncretism.

Polemic in the Epistle to the Colossians

285

recipients entrance into a room,118 a context carrying the potential of the qualities that had belonged to Christ since before time began, and that were at his disposal in all spheres of reality. In regard to the social group of believers there was an inside and an outside. The initiation rite of baptism drew boundaries between those on the inside and those on the outside,119 boundaries that obtained a “surplus value” as they were interpreted within the Christ-centred world view.120 5.6 Ethos and actions recommended (3:5 ff.) The mode of speech from 3:5 is dominated by exhortations developing the ethos dimension of the applied comprehensive interpretive scheme.121 While exhortations apply contrasting patterns, they are not developed polemically in Col 3:5 ff., blaming certain individuals of immorality. The contrast between vices and virtues is instead related to the exclusiveness of Christian beliefs and the transition marked by the initiation rite. There are, however, utterances referring to ethos in the earlier sections, too. The figure of speech “circumcision not made with hands” related to baptism in 2:11 should most likely be taken as denoting ethical quality,122 where the phrase “not made with hands” connotes divine agency.123 When Paul writes about circumcision in a figurative way as a “circumcision of heart” (Rom 2:29), this refers to Dtn 30:6; Jer 4:4; 9:25 f., and further texts may be included on this subject.124 “In NT days the figurative and spiritualized view of circumcision was by no means unknown 118 See Dahl, The Concept of Baptism in Ephesians, 416. Also Theissen, Die urchristliche Taufe, 100. 119 Moxnes, From Theology to Identity, 272 f. 120 G. Theissen maintains regarding the interpretation of rite that “in the words of interpretation the myth is made present in concentrated form. Through them actions take on symbolic surplus value” (Theissen, The Religion of The Earliest Churches, 3). See also Lindbeck, The Nature of Doctrine, 22 f. 121 See Lindbeck, The Nature of Doctrine, 18. 122 Hartman, Into the Name of the Lord Jesus, 96; Lindemann, Der Kolosserbrief, 41 f. Wolter interprets the expression in a somewhat broader sense: “Weil sie [die Taufbeschneidung] von Gott vorgenommen ist, wird der einzelne in seiner gesamten Existenz umgestaltet” (Wolter, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon, 130). 123 Wolter, Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon, 129 f.; Dunn, The Epistles to the Colossians and to Philemon, 156. 124 See Jewett, Romans, 236.

286

Tor Vegge

in Palestinian Judaism.”125 In Qumran texts we learn that the circumcision of the “lower nature’s” foreskin promotes virtuous conduct.126 Philo equals “being uncircumcised in heart” with not having undertaken the “labours of virtue” and being “ignorant of the taste of moral excellence”.127 It has already been remarked that in 2:10 – 12 world view and rite are related, reciprocally interpreting one another. Through the figurative speech of circumcision, the ethos dimension is also introduced, indicating comprehensiveness in the way the believers interpret and lead their lives, a comprehensiveness expressed in the teaching represented in the writing. This pattern of dimension integration is also found in Paul, as there is descriptive language in both Romans 6 and Colossians 2 combining the Christ myth with the baptismal ritual of initiation. The integration of dimensions, and also the very identification of the believer with the mythical fate of Christ, is carried over in subsequent prescriptive passages. The exhortations in Col 3:1 ff. continue to demonstrate the baptismal language of the former passages in a similar way as the exhortations in Rom 6:12 ff.128 Thus, in both Romans and Colossians, the language of baptism as being incorporated into Christ’s death is the foundation for moral progress. This structure itself is significant for the Pauline version of a Christian comprehensive interpretive scheme. 5.6.1 Self-perception of the believers The integration of dimensions is present in the brief passage 3:1 – 4 marking the transition to the more concrete exhortations. The sumgc´qhgte t` Wqist` (3:1) introduces the passage containing strongly positive encouragements to the believer to “seek the things that are above” and to “set your minds on things that are above”, as this is “where Christ is seated at the right hand of God”. Moreover, the passage contains the assurance that the believer will be revealed in glory with Christ. This transition passage states both the orientation of beliefs and ethos. The encouragements focus on self-perception (identity), one decisive referent being baptism and its interpretation (sumgc´qhgte t` Wqist` [3:1]; !peh²mete c²q [3:3]), another being the status of Christ (t± %my fgte?te, ox b Wqistºr 1stim 1m deniø toO heoO jah¶lemor, 3:1). Thus, rite interpreted and inte125 126 127 128

Meyer, Peritemno, 79. 1QS 5:3 – 6. See also 1QS 5:24 – 26 Philo, de specialibus legibus I.304 f. For the argumentative structure of Rom 6, see Hellholm, Enthymemic Argumentation in Paul.

Polemic in the Epistle to the Colossians

287

grated with beliefs (world view) is the basis and context for the ethos expressed in the subsequent exhortations, which are abundant in the remainder of the writing. 5.6.2 Self-presentation of the believers Exhortation is based on contrasts – between good and bad, what is honourable and shameful, what is beneficial and disadvantageous, between virtues and vices –, contrasts with the potential to give power to polemics. These value systems are used by moral philosophers in their exhortations and reproachments,129 and they define what people are praised for in encomions and vituperated for in invectives (xºcor). The exhortations in Colossians 3:5 ff. are not developed in a polemical way. No individuals are being criticised. The text historically somewhat uncertain expression to»r uRo»r t/r !peihe¸ar (3:6) refers to people outside the groups of believers not only in a negative way but also in general terms. Passage 4:5 mentions the outsiders (oR 5ny), but with no trace of polemics; on the contrary, readers are encouraged to conduct themselves wisely (1m sov¸ô peqipate?te pq¹r to»r 5ny) and let their speech be gracious (b kºcor rl_m p²mtote 1m w²qiti, 4:6). The “no one” (tir) (2:8) and the “anyone” (tir) (2:16) are not referred to in Chapters 3 and 4. Moreover, the concluding section with its final greetings, including comments on the mutual relationship between “Paul” and the audience, gives no indications of tensions or pressure from other persons or groups where special attention is required. This could be considered peculiar if the reasoning in 2:8 ff. is regarded as polemic against known individuals making their philosophy known to the believers. In the abovementioned epistle 7 of Pseudo-Heraclitus, vice lists, which in some respects resemble the lists in Col 3:5 ff., are used in a polemic against politicians.130 In Romans 1 – 3 the amplification of vices has a clear address to outside groups. The refutation is, however, still general and not against named opponents, but against the “Jew” and “Greek” as representing teachings alternative to Paul’s gospel. The exhortations cannot be commented on in detail here. It seems, however, important to emphasize how the exhortations are integrated in the comprehensive scheme presented in the teaching in the writing, and further, that the exhortations are not polemically developed. The vir129 Dion Chrysostomos, Orationes 77/78. 38. 130 Pseudo-Heraclitus, Epistolae 7.4 – 5.

288

Tor Vegge

tues presented are not in themselves capable of showing the distinguishing character of Christian identity. Different philosophies and cults to a large extent shared the ideas of a good and virtuous life.131 Nonetheless, within the overall reasoning of the writing, intended to contribute to the identity formation (Bildung) of the readers, and having – as I have tried to show – a significant conceptual comprehensiveness that is exclusive of other beliefs and rites, the exhortations function as arguments in showing how the ethos outlined is in harmony with the beliefs.132 This structure of reasoning, based on the accordance between world view and ethos (nature and ethos), can count as philosophical.133 Pseudo-Heraclitus reasons based on a correspondence between actions and knowing nature.134 Epictetus asks where moral progress takes place: “If any man among you […] has turned his attention to the question of his own moral purpose, cultivating and perfecting it so as to make it finally harmonious with nature […].”135 The function of Hellenistic philosophical reasoning concerning world view within a concept of identity formation may be further illuminated by a passage written by Seneca, who writes about the goal of philosophical formation/Bildung as being the status where “the rational soul has scorned all accidental things, has risen to be superior to fears, has learned to seek its riches from itself, has thrown away fear of gods and men, knowing that it has not much to fear from a man and nothing from a god; when man […] has dedicated his soul to virtue […] and perceives the world as one house for all, has opened his conscience to the gods […]; this person is protected from storms, stands on solid ground and has integrated the beneficial and necessary knowledge”.136

The envisaged ideal is embedded in a comprehensive cognitive system that provides the basis for the calmness of the soul. This resembles the intentions expressed in Col 1:23: “provided that you continue securely 131 See Malherbe, Paraenesis in the Epistle to Titus, 298 ff.; 317. 132 For a similar structure in Romans 6, see Hellholm, Enthymemic Argumentation in Paul, 167 – 169. For Colossians L. Bormann maintains: “Die Struktur der empirisch erfahrbaren Schçpfung stimmt nach Kol mit der Struktur der ethischen Orientierung berein” (Bormann, Weltbild und gruppenspezifische Raumkonfiguration im Kolosserbrief, 98). 133 For the integration of beliefs and moral advice, see Malherbe’s discussion of conceptual world and paraenesis in philosophical schools and in Titus (Malherbe, Paraenesis in the Epistle to Titus, 311 – 317). 134 Pseudo-Heraclitus, Epistolae 6. 135 Epictetus, Dissertationes I.4.18. 136 Seneca, De beneficiis 7.1.7.

Polemic in the Epistle to the Colossians

289

established and steadfast in the faith, without shifting from the hope promised by the gospel that you heard […]”, and further in 2:7: “continue to live your lives in him, (7) rooted and built up in him and established in the faith, just as you were taught, abounding in thanksgiving.” The last statement is coupled with a corresponding warning: “See to it that no one takes you captive through philosophy and empty deceit […]” (2:8). There is a comparable warning in one of Seneca’s letters: “Be careful, however, that there is no element of discursiveness and desultoriness about this reading you refer to, this reading of many different authors and books of every description […]”.137 Thus, in the structure of reasoning, the author of Colossians seems to be meeting philosophy on its home ground, developing an argument that in certain respects may be considered to be wisdom, the proper subject of philosophy.

6. Concluding remarks It has been argued above that sharp polemic is not prominent in Colossians. Rather, the “polemic” against other teachings is general and has the purpose of serving the identity formation of the intended readers. The reasoning, including paragraphs where the philosophy and “anyone” (tir) recommending certain religious practices are warned against, is generic and also reserved, lacking the passionate argumentation found in Paul’s 2nd letter to the Corinthians and his letters to the Galatians and Philippians. A certain number of the arguments could be labelled polemic if the concept includes arguing over objective themes where beliefs exclude one another. The reasoning in Colossians may, however, be perceived rhetorically as thetical reasoning (quaestio infinita) designed to prepare intended readers for a reasoning concerning definite philosophies held by actual persons (quaestio finita). The nature of the Christian religious sign language or the Christian comprehensive interpretive scheme is exclusive, promoting an antisyncretistic self-perception. This being the case, antagonists play important roles in the argumentation as they represent opposite values and beliefs that are criticized in order to let the teaching approved by the author stand out in its distinctiveness. The ar137 Seneca, Epistulae morales ad Lucilium 2,2. Translation from Seneca, Letters from a Stoic. Epistulae Morales ad Lucilium. Selected and Translated with an Introduction by Robin Campell.

290

Tor Vegge

gumentation in Colossians serving identity formation displays a dialectic between a systemic concern accounting for the comprehensiveness in the sign language and boundary demarcation focusing on boundaries between those on the inside and those on the outside. Such a demarcation would in several instances lead to a polemic against certain individuals and their preaching or teaching.

Bibliography Bible texts are generally cited according to The Harper Collins Study Bible. New Revised Standard Version, New York 2006. Andersen, Ø., Im Garten der Rhetorik. Die Kunst der Rede in der Antike, Darmstadt 2001. Arnold, C.E., The Colossian Syncretism. The Interface between Christianity and Folk Belief at Colossae (WUNT 77), Tbingen 1995. Betz, H.D., Galatians. A Commentary on Paul’s Letter to the Churches in Galatia (Hermeneia), Philadelphia 1979. Betz, H.D., Paraenesis and the Concept of God, in: Starr, J., Engberg-Pedersen, T. (eds.), Early Christian Paraenesis in Context (BZNW 125), Berlin/New York 2004, 217 – 234. Betz, H.D., Paul’s ‘Second Presence’ in Colossians, in: Hellholm, D., Fornberg, T. (eds.), Texts and Contexts. Biblical Texts in Their Textual and Situational Contexts. Essays in Honor of Lars Hartman, Oslo 1995. Bormann, L., Weltbild und gruppenspezifische Raumkonfiguration des Kolosserbriefs, in: Mller, P. (ed.), Kolosser-Studien (Biblisch-theologische Studien 103), Neukirchen-Vluyn 2009, 83 – 102. Bosch, J.S., Der Hymnus Kol 1,15 – 20 in seinem frheren und seinem spteren Kontext, in: Mller, P. (ed.), Kolosser-Studien (Biblisch-theologische Studien 103), Neukirchen-Vluyn 2009, 23 – 32. Dahl, N.A., The Concept of Baptism in Ephesians, in: N. A. Dahl, Studies in Ephesians. Introductory Questions, Text- & Edition-Critical Issues, Interpretation of Texts and Themes, ed. by D. Hellholm, V. Blomkvist, T.Fornberg (WUNT 131), Tbingen 2000, 413 – 439. DeMaris, R.E., The Colossian Controversy. Wisdom in Dispute at Colossae (JSNT.S 96), Sheffield 1994. Dunn, J.D.G., The Epistles to the Colossians and to Philemon. A Commentary on the Greek Text (NIGTC), Grand Rapids/Carlisle 1996. Ehrman, B.D., Lost Christianities. The Battles for Scripture and the Fatihs We Never Knew, Oxford 2003. Engberg-Pedersen, T., The Concept of Paraenesis, in: Starr, J., Engberg-Pedersen, T. (eds.), Early Christian Paraenesis in Context (BZNW 125), Berlin/ New York 2004, 47 – 72.

Polemic in the Epistle to the Colossians

291

Engberg-Pedersen, T., Starr, J., Early Christian Paraenesis in Context (BZNW 125), Berlin 2004. Ernst, J., Kolosserbrief, in TRE, 19 (1990), 370 – 376. Francis, F.O., Meeks, W.A., Conflict at Colossae. A Problem in the Interpretation of Early Christianity, Illustrated by Selected Modern Studies (Sources for Biblical Study 4), Missoula, Montana 1975. Fuhrmann, M., Die antike Rhetorik. Eine Einfhrung, Mnchen/Zrich 1984. Geertz, C., The Interpretation of Cultures. Selected Essays, New York 2000. Hartman, L., Into the Name of the Lord Jesus: Baptism in the New Testament (SNTW), Edinburgh 1997. Hartman, L., Kolosserbrevet (KNT 12), Uppsala: EFS-fçrlaget 1985. Heininger, B., Soziale und politische Metaphorik im Kolosserbrief, in: Mller, P. (ed.), Kolosser-Studien (Biblisch-theologische Studien 103), NeukirchenVluyn 2009, 55 – 82. Hellholm, D., Amplificatio in the Macro-Structure of Romans, in: Porter, S.E., Olbricht, T.H. (eds.), Rhetoric and The New Testament. Essays from the 1992 Heidelberg Conference (JSNT.S 90), Sheffield 1993, 123 – 151. Hellholm, D., Die Gattung Haustafel im Kolosser- und Epheserbrief. Ihre Position innerhalb der Parnese-Abschnitte und ihr Hintergrund in der sptantiken Gesellschaft, in: Mller, P. (ed.), Kolosser-Studien (Biblisch-theologische Studien 103), Neukirchen-Vluyn 2009, 103 – 128. Hellholm, D., Enthymemic Argumentation in Paul: The Case of Romans 6, in: Engberg-Pedersen, T. (ed.), Paul in His Hellenistic Context, Minneapolis 1995, 119 – 179. Holmberg, B., Winninge, M. (eds.), Identity Formation in the New Testament (WUNT 227), Tbingen 2008. Hooker, M., Were there false teachers in Colossae?, in: Lindars B., Smalley, S.S. (eds.), Christ and Spirit in The New Testament. In honour of Charles Francis Digby Moule, Cambridge 1973, 315 – 331. Jewett, R., Romans. A Commentary (Hermeneia), Minneapolis 2007. Kennedy, G.A., New Testament Interpretation Through Rhetorical Criticism, Chapel Hill, NC 1984. Kennedy, G.A., Progymnasmata. Greek Textbooks of Prose Composition and Rhetoric (Writings from the Greco-Roman World 10), Atlanta 2003. Lampe, P., Can Words be Violent or Do They Only Sound That Way? Second Corinthians: Verbal Warfare from Afar as a Complement to a Placid Personal Presence, in: Sampley, J.P., Lampe, P. (eds.), Paul and Rhetoric, New York/London 2010, 223 – 239. Lausberg, H., Elemente der literarischen Rhetorik, Mnchen 1976. Lindbeck, G.A., The Nature of Doctrine. Religion and Theology in a Postliberal Age. 25th Anniversary Edition, Louisville 2009. Lindemann, A., Der Kolosserbrief (ZBK.NT 10), Zrich 1983. Lindemann, A., Die Gemeinde von “Koloss”. Erwgungen zum Sitz im Leben eines pseudopaulinisches Briefes, in: WuD 16 (1981), 111 – 134. Malherbe, A.J. (ed.), The Cynic Epistles. A Study Edition (Society of Biblical Literature. Sources for Biblical Study 12), Missoula 1977.

292

Tor Vegge

Malherbe, A.J., ‘Gentle as a Nurse’: The Cynic Background to 1Thessalonians 2, in: Malherbe, A.J. (ed.), Paul and the Popular Philosophers, Minneapolis 1989, 35 – 48. Malherbe, A.J., Paraenesis in the Epistle to Titus, in: Starr, J., Engberg-Pedersen, T. (eds.), Early Christian Paraenesis in Context (BZNW 125), Berlin/New York 2004, 297 – 317. Malherbe, A.J., Self-Definition among the Cynics, in: Malherbe, A.J. (ed.), Paul and the Popular Philosophers, Minneapolis 1989, 11 – 24. Markschies, C., Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen. Prolegomena zu einer Geschichte der antiken christlichen Theologie, Tbingen 2007. Meeks, W.A., The Moral World of the First Christians (LEC 6), Philadelphia 1986. Meyer, R., Peritemno, peritomÞ, aperitmÞtos, in: TDNT 6 (1968), 72 – 84. Moxnes, H., From Theology to Identity: The Problem of Constructing Early Christianity, in: Penner T., Stichele, C.V. (eds.), Moving Beyond New Testament Theology (SESJ 88), Gçttingen 2005, 264 – 281. Mller, P., Gegner im Kolosserbrief. Methodische berlegungen zu einem schwierigen Kapitel, in: Kraus W., Mller, U.B. (eds.), Beitrge zur urchristlichen Theologiegeschichte (BZNW 163), Berlin/New York 2009, 365 – 394. Plett, H.F., Einfhrung in die rhetorische Textanalyse, Hamburg 2001. Popkes, W., Paraenesis in the New Testament, in: Starr, J., Engberg-Pedersen, T. (eds.), Early Christian Paraenesis in Context (BZNW 125), Berlin/New York 2004, 1 – 46. Schnelle, U., Einleitung in das Neue Testament (UTB 1830), Gçttingen 20076. Schweizer, E., Der Brief an die Kolosser (EKK 12), Zrich/Neukirchen (1976) 19893. Schweizer, E., The Letter to the Colossians. A Commentary, Minneapolis/London 1982. Seneca, Letters from a Stoic. Epistulae Morales ad Lucilium. Selected and Translated with an Introduction by R. Campell, London 2004. Starr, J., Was Paraenesis for Beginners?, in: Starr, J., Engberg-Pedersen, T. (eds.), Early Christian Paraenesis in Context (BZNW 125), Berlin/New York 2004, 73 – 111. Stauffer, H., Polemik, in: Handwçrterbuch der Rhetorik 6 (2003), 1403 – 1415. Stowers, S.K., The Diatribe and Paul’s Letter to the Romans (SBL.DS 57), Chico CA 1981. Sumney, J.L., Colossians. A Commentary, Louisville/London 2008. Theissen, G., Die urchristliche Taufe und die soziale Konstruktion des neuen Menschen, in: Assmann J., Stroumsa, G.G. (eds.), Transformations of the Inner Self in Ancient Religions (SHR 83), Leiden/Boston/Kçln 1999, 87 – 114. Theissen, G., The Religion of The Earliest Churches. Creating a Symbolic World, Minneapolis 1999.

Polemic in the Epistle to the Colossians

293

Thurn, L., The Antagonists – Rhetorically Marginalized Identities in the New Testament, in: Holmberg, B., Winninge, M. (eds.), Identity Formation in the New Testament (WUNT 227), Tbingen 2008, 79 – 95. Vegge, T., Baptismal Phrases in the Deuteropauline Epistles, in: Hellholm, D. et al. (eds.), Ablution, Initiation, and Baptism/Waschungen, Initiation und Taufe (BZNW) Berlin/New York, Forthcoming. Vegge, T., Paulus und das antike Schulwesen. Schule und Bildung des Paulus (BZNW 134), Berlin/New York 2006. Witherington, B., The letters to Philemon, the Colossians and the Ephesians. A Socio-rhetorical Commentary on the Captivity Epistles, Grand Raphids 2007. Wolter, M., Der Brief an die Kolosser. Der Brief an Philemon (TBK 12), Gtersloh/Wrzburg 1993.

Polemik in den Pastoralbriefen. Formen, Funktionen, Folgerungen Gerd Hfner Man hat die Pastoralbriefe in verschiedener Hinsicht kritisiert, ein Mangel an Polemik aber wurde ihnen nicht vorgeworfen. Wer einen originellen theologischen Denker sucht, wird sich an eine andere Adresse wenden als an den Verfasser der Briefe an Timotheus und Titus. Wem an einem Einblick in lebendiges Gemeindeleben gelegen ist, muss sich tief unter die Textoberflche durchgraben. Dagegen hat kein Problem, wer Streit und Auseinandersetzung studieren will: Ihm begegnet sein Untersuchungsobjekt gleich am Beginn der Lektre; es begleitet ihn auf Schritt und Tritt und lsst ihn auch am Ende nicht im Stich. Umfang und Intensitt der Polemik kçnnen allerdings verwirren. Ist sie gegen den Vorwurf gefeit, der sich in merkantiler Metaphorik mit dem Prdikat „billig“ verbindet? Ehe die folgende Untersuchung einen Blick auf das Phnomen wirft, sind die Ausgangspunkte zu klren.

1. Ausgangspunkte Nimmt man die beiden tragenden Begriffe der berschrift in den Blick, so konnte man bis vor einiger Zeit wenigstens fr die Rede von den Pastoralbriefen von einem Konsens in der kritischen Exegese ausgehen. Unter diesem Titel wurden die beiden Briefe an Timotheus sowie derjenige an Titus zusammengefasst, gewçhnlich als zusammengehçrendes pseudepigraphisches Schriftenkorpus gelesen. Die Situation ist in jngerer Zeit unbersichtlicher geworden. Es sind nicht nur große Kommentare erschienen, die alle drei Briefe als authentische Paulusbriefe auslegen1; auch die Zusammengehçrigkeit der einzelnen Schreiben zu einem Briefkorpus wird in Zweifel gezogen, und zwar sowohl von Vertretern der Authentizitt2, der pseudepigraphischen Abfassung3 wie auch einer differenzierten Position im Blick auf 1 2 3

Vgl. Mounce, Pastoralbriefe; Johnson, 1/2Tim; Towner, Pastoralbriefe. Vgl. Fuchs, Unterschiede; Towner, Pastoralbriefe, 88 f. Vgl. Richards, Difference.

296

Gerd Hfner

die Verfasserfrage4. Hier ist nicht der Ort, diese Fragen zu diskutieren, dennoch muss der Ausgangspunkt der folgenden berlegungen ausdrcklich benannt werden: Zugrundegelegt wird die (nach wie vor heute berwiegend vertretene) Sicht, dass die Pastoralbriefe in nachpaulinischer Zeit als einheitliches Schriftenkorpus entstanden sind5. Was unter Polemik zu verstehen ist, lsst sich nicht durch eine vorgegebene Definition bestimmen. In der antiken Rhetorik spielt dieser Begriff keine Rolle6. Das mit ihm bezeichnete Phnomen ist in der griechisch-rçmischen Welt dagegen reich bezeugt: Philosophen, Dichter, Rhetoren konnten gegen- und untereinander in literarisch ausgetragenen Streit geraten7. Geht man von der Wortbedeutung aus (pokelijμ t´wmg), so ist fr Polemik nicht allein eine Auseinandersetzung als kennzeichnend anzunehmen, sondern auch deren Heftigkeit vorauszusetzen. Wolfgang Speyer spricht von der „verletzende[n] Auseinandersetzung durch Worte“ und grenzt die Polemik von der Invektive dadurch ab, dass diese auf die Schmhung der Person, jene auf Themen und also sachlich orientiert ist8. Legen wir diese weite Bestimmung zugrunde, so kann man in den Pastoralbriefen tatschlich reiches Anschauungsmaterial fr jenes Phnomen finden, das in der Antike verbreitet, aber kaum theoretisch erfasst war9. Deshalb versuchen die folgenden berlegungen den polemischen Charakter der Pastoralbriefe ohne Bezug auf vorgegebene Kategorien analytisch zu erfassen und systematisch zu ordnen, indem zunchst Grundformen von

4 5 6

7 8 9

Vgl. Herzer, Abschied. Die hier erstmals formulierte Anfrage hat Herzer in weiteren Beitrgen verfolgt, vgl. z. B. ders., Gegnerproblematik; ders., Fiktion. Vgl. zur nheren Begrndung meinen Beitrag: Hfner, Konstrukt. Was Stauffer, Art. Polemik, 1403, grundlegend festhlt, betrifft auch den Befund zur antiken Rhetorik: „Weder existiert P(olemik) als rhetorischer Fachbegriff, noch gibt es eine ausgebildete Lehre von ihr als Typos einer Redegattung.“ Die Antike kannte die bertragene Bedeutung des Begriffs noch nicht (vgl. ebd., 1404). In der Rhetorik erscheint die schmhende oder tadelnde Rede „als meist nur kurz gestreifte Umkehrung des eingehend behandelten Lobens“ (ebd., 1405). Vgl. Speyer, Art. Polemik, 4. Vgl. Speyer, Art. Polemik, 3; grundlegend zur Invektive Koster, Invektive; vgl. auch Liebermann, Art. Invektive. Auch wenn man zeigen kann, dass der Verfasser der Pastoralbriefe auf typische Motive aus der Polemik gegen Sophisten zurckgreifen konnte, ist die Existenz eines Schemas doch unwahrscheinlich. Karris, Background, hat ein Motivrepertoire aufgezeigt (darauf weist auch die Darstellung ebd., 556 Anm. 29), aber kein festes Muster, das in verschiedenen Texten wiederkehren wrde. Auf die einzelnen von Karris erhobenen Topoi wird in der folgenden Untersuchung hingewiesen.

Polemik in den Pastoralbriefen

297

Polemik herausgearbeitet werden10. In einem zweiten Schritt sollen Bauformen der Polemik umschrieben werden im Blick auf die Zusammensetzung der Grundformen zu grçßeren Einheiten wie auch auf den strukturellen Ort der polemischen Passagen in den einzelnen Briefen und im Briefkorpus. Zum Dritten ist die Funktion der Polemik zu diskutieren, ehe Folgerungen aus dem Befund fr den geschichtlichen Ort der Pastoralbriefe gezogen werden. In einem Ausblick sollen die gewonnenen Ergebnisse allgemein-theoretischen berlegungen zur Polemik zugeordnet und zusammenfassend gewrdigt werden11.

2. Grundformen der Polemik in den Pastoralbriefen Versucht man die Polemik der Pastoralbriefe in verschiedene Gruppen zu kategorisieren, so lassen sich sechs Formen unterscheiden. Sie werden nachfolgend besprochen, nach ihrer Hufigkeit in absteigender Reihenfolge geordnet. 2.1 Das Sprachspiel der Abgrenzung a) Ein hervorstechendes Merkmal der Pastoralbriefe ist das Konzept der „gesunden Lehre“ (rcia¸mousa didasjak¸a), die der Verfasser fr die eigene Seite reklamiert, den Gegnern hingegen abspricht. In allen drei Briefen ist diese Wendung belegt (1Tim 1,10; 2Tim 4,3; Tit 1,9; 2,1), und zwar jeweils im Kontext der Gegnerbekmpfung12. Die Fronten sind also klar abgesteckt: 10 Zugrundegelegt werden folgende Passagen: 1Tim 1,3 – 10.19 f.; 4,1 – 5.7 f.; 6,3 – 5.10.20 f.; Tit 1,10 – 16; 3,9 – 11; 2Tim 2,16 – 21; 3,1 – 9.13; 4,3 f.14 f. Es kommen demnach nur solche Texte in den Blick, die sich direkt mit den Gegnern befassen, also den Zusammenhang der Auseinandersetzung unmittelbar erkennen lassen. Passagen, die mçglicherweise antihretische Funktion haben (wie 1Tim 2,11 – 15), sind nicht Gegenstand der folgenden Untersuchung. 11 Ausgangspunkt ist also der Text, kein moderner Theorie-Rahmen, wie dies das Vorgehen von Pietersen, Polemic, kennzeichnet. Sein Anliegen ist allerdings nicht die Erfassung der Polemik um ihrer selbst willen. 12 Dies gilt auch fr Tit 2,1, weil die nachfolgend entfaltete Gemeindeparnese als Gegenmodell zum Verhalten der zuvor besprochenen Falschlehrer vorgestellt wird (vgl. dazu Oberlinner, Pastoralbriefe III, 105; Marshall, Pastoralbriefe, 237; Mounce, Pastoralbriefe, 408; Towner, Pastoralbriefe, 718). Statt von „gesunder Lehre“ kann auch von „gesunden Worten“ (rcia¸momter kºcoi) die Rede sein, sei es im Zusammenhang der Gegnerpolemik (1Tim 6,3) oder außerhalb dieses Rahmens (2Tim 1,13).

298

Gerd Hfner

dem rechten Glauben steht eine Fehlform gegenber, die schon durch die Gegenberstellung zur „gesunden Lehre“ indirekt metaphorisch als „krank“ gekennzeichnet wird. Entsprechend kann von den Vertretern der Falschlehre13 auch behauptet werden, sie seien krank im Blick auf Streitfragen und Wortgefechte (1Tim 6,3: mos_m peq· fgt¶seir ja· kocolaw¸ar) und mssten im Glauben gesunden (Tit 1,13: Vma rcia¸mysim 1m t0 p¸stei).14 Auch der nicht weiter erluterte Begriff des 2teqodidasjake?m (1Tim 1,3; 6,3) setzt jene eindeutig bestimmbare Grenze voraus: Es gibt die richtige Lehre, von der die Gegner abweichen, indem sie „anders lehren“. Eine sprachliche Variante des antihretischen Konzepts der „gesunden Lehre“ begegnet in der Rede von der Wahrheit. Es wird nicht diskutiert, was sie inhaltlich ausmacht. Die Kirche ist Sule und Fundament der Wahrheit, wobei vorausgesetzt ist, dass man den Weisungen folgt, die „Paulus“ in den Briefen erteilt (1Tim 3,15). Das „Wort der Wahrheit“, dem sich Timotheus verpflichtet fhlen soll, wird dem „gottlosen leeren Geschwtz“ der Falschlehrer gegenbergestellt (2Tim 2,15 f.). Zur „Erkenntnis der Wahrheit“ (1Tim 2,4; 4,3; 2Tim 2,25; Tit 1,1) kommen heißt einfach so viel wie „den rechten Glauben haben“15. Wer unter dem Einfluss der Falschlehrer steht, kommt nicht zur Erkenntnis der Wahrheit (2Tim 3,7) und wendet sich von der Wahrheit ab (Tit 1,14; 2Tim 4,4), haben sich die Falschlehrer doch der Wahrheit beraubt (1Tim 6,5), sind von der Wahrheit abgeirrt (2Tim 2,18), leisten ihr Widerstand (2Tim 3,8)16. b) Im Zusammenhang mit der Rede von der Wahrheit ist ein Kennzeichen zu beobachten, das auch ohne solche Verbindung erscheinen kann: Es finden sich in der Gegnerpolemik nicht wenige Verben, die eine liminale Distanzierung ausdrcken. Eine solche Abgrenzung wird von beiden Seiten aus formuliert. Zum einen kann der Briefadressat aufgefordert werden, sich von den Gegnern und ihren Lehren fernzuhalten. Er soll sie abweisen (1Tim 4,7; Tit 3,10; 2Tim 2,23: paqaitoO), ihnen aus dem Weg gehen (Tit 3,9; 2Tim 2,16: peqiýstaso) und sich von ihnen abwenden (2Tim 3,5: !potq´13 Die Begriffe „Falschlehre, Falschlehrer“ geben die Perspektive des Autors der Pastoralbriefe wieder. Sie werden hier der Einfachheit halber verwendet, nicht weil sie als Beschreibung eines unstrittigen Sachverhalts verstanden wrden. 14 Das „gesund sein im Glauben“ kann auch außerhalb von unmittelbar polemischen Kontexten erscheinen, um die rechte Form des Glaubens zu bezeichnen (vgl. Tit 2,2). 15 Vgl. Oberlinner, Pastoralbriefe I, 159: „p¸stir ist die Wahrheit, die, von Gott kommend, ber die apostolische = paulinische Tradition der Kirche anvertraut ist.“ 16 Pratscher, Auseinandersetzung, 9, fasst den beschriebenen Grundzug als „dogmatische Distanzierung“.

Polemik in den Pastoralbriefen

299

pou, 1Tim 6,20: 1jtqepºlemor). In diesen Fllen wird also immer imperativisch gesprochen17: Es geht um die notwendige Abgrenzung von der Falschlehre, die der Briefadressat und mit ihm die Amtstrger zur Zeit der Pastoralbriefe18 vollziehen mssen. Zum andern wird aber festgehalten, dass diese Abgrenzung von Seiten der Gegner lngst stattgefunden hat. Sie sind auf Abwege geraten (1Tim 1,6; 6,21; 2Tim 2,18: !stow´y), haben das gute Gewissen zurckgestoßen (1Tim 1,19: !pyh´olai), sind vom Glauben abgefallen (1Tim 4,1: !v¸stalai) oder abgeirrt (1Tim 6,10: !popkame?shai)19. In diesen Zusammenhngen geht es um die faktische Abgrenzung, die von den Gegnern durch ihre Falschlehre bereits vollzogen ist20. Hier wird das polemische Potential dieses Sprachspiels besonders deutlich: Vorausgesetzt ist die fraglose Richtigkeit der eigenen Position; wer sie nicht teilt, entfernt sich, weicht ab, gert auf Abwege und ist damit abqualifiziert. c) Die Abgrenzung kann schließlich untermauert werden durch wenigstens ansatzweise entfaltete Gegenberstellungen. So wird in 1Tim 4,8 der sylatijμ culmas¸a, die offensichtlich auf Askese bezogen und dadurch mit der Wiedergabe der gegnerischen Position in 1Tim 4,3 verbunden ist, die eqs´beia gegenbergestellt21. Ist jene zu wenigem ntzlich, so diese zu allem, 17 Dies gilt auch fr 1Tim 6,20, da die partizipiale Form in eine imperativische Konstruktion eingebunden ist: tμm paqah¶jgm v¼kanom. 18 Vgl. zu dieser Transparenz der Adressaten z. B. Lohfink, Normativitt, 103; Roloff, 1Tim, 170.179 f.; Oberlinner, Pastoralbriefe III, 76; auch Thiessen, Ephesus, 261 f. 19 Wer unter ihrem Einfluss steht, wendet sich ab und geht hinter dem Satan her (1Tim 5,15: 1netq²pgsam ap¸sy toO satam÷). Ob man diese auf die Witwen bezogene Aussage auch auf das Wirken der Falschlehrer beziehen kann, ist umstritten (kritisch Wagener, Ordnung, 219 f.). Fr einen solchen Zusammenhang drfte aber sprechen, dass die kritische Einstellung der Gegner zur Ehe (1Tim 4,3) eine Verbindung zu ehelos lebenden Frauen plausibel erscheinen lsst (ohne dass man deshalb alle Frauen im Witwenstand den Gegnern zurechnen msste). Außerdem legt die Verwendung der sonst fr die Gegner gebrauchten Terminologie nahe, dass der Verfasser der Pastoralbriefe eine entsprechende Verbindung suggerieren will. Auch die Ausrichtung der Abwendung („hinter den Satan“) spricht fr einen Zusammenhang mit der Falschlehre. Der einzige weitere Beleg fr satam÷r in den Pastoralbriefen (1Tim 1,20) erscheint im Kontext der Gegnerbekmpfung (vgl. zur hier vertretenen Position auch Roloff, 1Tim, 300 f.; Marshall, Pastoralbriefe, 605; an 2Tim 3,6 f. ansetzend erkennt Thiessen, Ephesus, 283 f., einen Zusammenhang zwischen der Kritik an Frauen in den Pastoralbriefen und deren Affinitt zur Falschlehre). 20 Zu den genannten Wendungen kommen diejenigen hinzu, die im Zusammenhang mit der Abwendung von der Wahrheit bereits im vorigen Abschnitt besprochen wurden: !postq´volai tμm !k¶heiam, !posteqe?shai t/r !kghe¸ar, !stowe?m peq· tμm !k¶heiam. 21 Vgl. zum Zusammenhang zwischen 1Tim 4,8 und 4,3 auch Schlarb, Lehre, 91.

300

Gerd Hfner

da ihr die Verheißung umfassenden Lebens gegeben ist. Mit eqs´beia kennzeichnen die Pastoralbriefe vor allem die rechte Glaubenspraxis, die freilich nicht ohne Bezug auf die inhaltliche Seite des Glaubens zu denken ist22. Deshalb kann die eqs´beia mit der didasjak¸a und der !k¶heia verbunden sein23 und den Gegnern abgesprochen werden (2Tim 3,5). Wenn in 1Tim 4,7 das Verb culm²feim mit der eqs´beia verbunden ist, wird die folgende Gegenberstellung vorbereitet: Auch die eqs´beia ist eine culmas¸a, und zwar eine beraus ntzliche – im Gegensatz zu dem, was die Falschlehrer propagieren. In 2Tim 4,3 f. beruft sich der Verfasser der Pastoralbriefe nicht nur auf das Konzept der „gesunden Lehre“, sondern fhrt den Kontrast zur bekmpften Position etwas nher aus. Die „gesunde Lehre“ wird nicht mehr ertragen, sie erscheint als zu anspruchsvoll: Wer sie ablehnt, handelt nach seinen Begierden (jat± t±r Qd¸ar 1pihul¸ar), verlangt nach Ohrenkitzel (jmghºlemoi tμm !jo¶m). Da zudem vom Anhufen der Lehrer die Rede ist (1pisyqe¼sousim didasj²kour), entsteht das Bild eines willkrlich zusammengestellten Glaubens, der die von Paulus herkommende berlieferung verlsst. An die Stelle der Wahrheit treten die Mythen (4,4). Am eindrcklichsten wird die kontrastierende Abgrenzung in der Reaktion auf die Lehre der Gegner von der Auferstehung entfaltet (2Tim 2,19 – 21). Eigentlich erwartet man eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem in 2,18 zitierten Satz, dass die Auferstehung schon geschehen sei – analog zum Vorgehen in 1Tim 4,3 – 5, wo wenigstens ansatzweise argumentiert wird. Der Verfasser whlt jedoch eine andere Strategie. Die Bedrohung durch die Falschlehre ist offensichtlich nicht gering. Nach 2,17 wuchert sie wie ein Krebsgeschwr, weshalb es wohl eine gewisse Verharmlosung darstellt, dass die Falschlehrer nur den Glauben einiger (timym) zu Fall brchten (2,18)24. Mit dieser Rckstufung des Erfolgs soll wohl die Entgegnung vorbereitet werden, die in 2,19 einsetzt. Sie hebt darauf ab, dass die Gegner letztlich scheitern mssen, weil der Herr diejenigen kennt, die zu ihm gehçren. Dass die Falschlehrer von diesem Kreis ausgeschlossen sind, ist als selbstverstndlich vorausgesetzt25. So ergibt sich ein scharfer Kontrast zwi22 Vgl. von Lips, Glaube, 80 – 87; Schlarb, Lehre, 292; vgl. zur eqs´beia auch Brox, Pastoralbriefe 174 – 177; Marshall, Pastoralbriefe 135 – 144. Die Bedeutung dieses Begriffs fr die Bestimmung des historischen Ortes der Pastoralbriefe erçrtert Standhartinger, Eusebeia. 23 Vgl. 1Tim 6,3: B jat( eqs´beiam didasjak¸a, Tit 1,1: B !k¶heia B jat( eqs´beiam. 24 Zum Erfolg der Gegner s.a. unten 2.4 Abschnitt b. 25 Zu einzelexegetischen Fragen der „Argumentation“ mit der Schrift vgl. Hfner, Belehrung, 210 – 223.

Polemik in den Pastoralbriefen

301

schen den im Sinne der Pastoralbriefe Rechtglubigen einerseits und den Gegnern und ihren Anhngern andererseits: Die einen gehçren fraglos zum j¼qior, den anderen wird ohne Umschweife eine solche Verbindung abgesprochen. Vertieft wird die Gegenberstellung zu den Falschlehrern durch das Bild von den unterschiedlichen Gefßen in einem Haushalt, das auf Rçm 9,21 f. zurckgreift. Whrend es dort aber um die Freiheit Gottes zu Verstockung und Erbarmen geht, wird in 2Tim 2,20 die Unvermeidlichkeit der Falschlehre ausgedrckt. Man muss sich von diesem Phnomen also nicht beunruhigen lassen, im Haus Gottes ist es wie in jedem Haus: Es gibt nicht nur wertvolle Gerte. Wenn gegen die Bildlogik auch der Wechsel von der einen zur anderen Sorte als Mçglichkeit vorgestellt wird (2,21), zeigt sich, dass der Verfasser der Pastoralbriefe noch damit rechnet, Anhnger der Gegner auf seine Seite ziehen zu kçnnen (s.a. 2,25). Die Schrfe des Kontrasts zwischen gesunder und falscher Lehre und ihren jeweiligen Vertretern wird dadurch aber nicht gemildert. Gerade in 2Tim 2,19 soll dieser Kontrast als theologisch fundiert erscheinen, wenn nur die eigene Seite als dem j¼qior zugehçrig gekennzeichnet wird. 2.2 Abqualifizierung der Falschlehrer: Bestreitung von Kompetenz und Lauterkeit Auch unabhngig vom Sprachspiel der Abgrenzung werden die Falschlehrer abqualifiziert. Der Verfasser der Pastoralbriefe verfolgt dabei eine doppelte Strategie: Zum einen unterstellt er den Gegnern unlautere Absichten, zum andern sollen sie auch als unfhige, unzuverlssige Lehrer erscheinen26. a) Dass die Gegner es nicht ehrlich meinen, wird vor allem im Blick auf finanzielle Ziele ausgesagt. Ihnen wird also Habgier unterstellt27. Sie meinen, Frçmmigkeit sei ein Gewerbe (1Tim 6,5). Aufgrund dieser Aussage wird man auch bei der folgenden Entfaltung der eqs´beia die Gegner im Hintergrund prsent halten mssen. Wenn die Geldgier als Wurzel aller bel vorgestellt wird und von einigen die Rede ist, die nach ihr streben (1Tim 6,10), dann sind immer noch die Falschlehrer im Blick, die meinen,

26 Pratscher, Auseinandersetzung, 10, spricht von „moralische[r] Distanzierung“. 27 Im von Karris erhobenen Schema der Antisophistenpolemik ist dies der erste Punkt (vgl. Background, 552).

302

Gerd Hfner

aus der eqs´beia finanzielle Vorteile schlagen zu kçnnen28. Auch der Titusbrief belegt diesen Vorwurf. Die !mtik´comter, die der Episkopos berfhren soll (1,9), lehren Ungehçriges um schndlichen Gewinnes willen (1,11: aQswqoO j´qdour w²qim). Dass sie dabei ganze Huser zerrtten (fkour oUjour !matq´pousim), kçnnte auch eine Verbindung zu 2Tim 3,6 ziehen lassen. Jedoch wird das Einschleichen in die Huser (1md¼momter eQr t±r oQj¸ar) dort nicht ausdrcklich mit Habgier in Verbindung gebracht. Die unlautere Absicht wird anders akzentuiert. Sie zeigt sich darin, dass die Gegner leichte Beute suchen. Die Rede von „Beute“ ist insofern gerechtfertigt, als der Verfasser das Tun der Gegner als ein aQwlakyt¸feim beschreibt. „Leicht“ ist die Beute, weil sie aus im Glauben ungefestigten Frauen besteht. Die abwertende Einschtzung zeigt sich nicht nur in der Verwendung von cumaij²qia anstelle des neutralen cuma?jer29 ; auch die nhere Beschreibung der Frauen in 2Tim 3,6 f. hebt deren negative Eigenschaften heraus. Im Rahmen der Pastoralbriefe kann man einen inneren Zusammenhang mit der Begrndung der (in den Augen des Verfassers) angemessenen Frauenrolle in 1Tim 2,14 erkennen. Dass sich die Frau (B cum¶) im Ursprung als verfhrbar (1napatghe?sa) und deshalb als bertreterin des gçttlichen Gebots erwiesen hat (1m paqab²sei c´comem), hat in der Gegenwart seine Entsprechung im Verhalten der Frauen, die der gegnerischen Lehre folgen. Sie sind von zahlreichen Begierden getrieben und hufen Snden an (2Tim 3,6). Damit fllt aber zugleich ein schlechtes Licht auf die Gegner: Wrden sie es ehrlich meinen, kçnnten sie sich nicht am Verhalten der Schlange in der Paradiesesgeschichte orientieren30. b) Die Gegner verfolgen aber nicht nur unlautere Absichten, sie sind auch als Lehrer diskreditiert. Dies will der Verfasser durch etliche Bemerkungen sicherstellen, nach denen die Gegner nicht ernst genommen werden kçnnen. Manche dieser Aussagen sind einfach abwertend und erlauben 28 1Tim 6,6 macht durch die Aufnahme beider Stichworte aus 6,5 (eqs´beia, poqislºr) deutlich, dass nun das Gegenbild entworfen wird. Zur Verbindung von 1Tim 6,10 mit der Gegnerpolemik vgl. auch Roloff, 1Tim, 339; Oberlinner, Pastoralbriefe I, 283; Towner, Pastoralbriefe, 404 f. 29 Vgl. Oberlinner, Pastoralbriefe II, 126; Weiser, 2Tim, 257. 30 Das Einschleichen in die Huser kçnnte an das Vorgehen der Schlange erinnern wollen, die sich hinterlistig an Eva wendet, um sie dazu zu bringen, von der verbotenen Frucht zu essen (Gen 3,1). Doch auch wenn man hier anders urteilt: In jedem Fall ist die Ausrichtung des Wirkens der Gegner auf Frauen in den aufgezeigten negativen Rahmen eingezeichnet. Das Verhltnis zu Frauen ist nach Karris, Background, 553, ein (wenn auch nicht hufiger) Kritikpunkt gegenber den Sophisten. Dass die Falschlehrer der Pastoralbriefe in 2Tim 3,13 als Verfhrer erscheinen, passt sich in dasselbe Schema ein (vgl. ebd., 552).

Polemik in den Pastoralbriefen

303

keinerlei Rckschlsse auf die Positionen der Gegner. Dazu zhlt die Charakterisierung in 1Tim 6,4 f.: Diejenigen, die anders lehrten (eU tir 2teqodidasjake? ), seien aufgeblasen, verstnden nichts, krankten an Streitfragen und Wortgefechten, aus denen nur bles entsteht, htten einen zerrtteten Verstand (%mhqypoi dievhaql´moi t¹m moOm ; s.a. 2Tim 3,8). Auf derselben Linie liegt Tit 1,10 – 11a, wenn die Gegner als Ungehorsame (!mupºtajtoi), als Schwtzer und Schwindler (lataiokºcoi ja· vqemap²tai) bezeichnet werden, denen man das Maul stopfen msse31. In Tit 3,10 f. werden sie dem Muster eines aRqetij¹r %mhqypor zugeordnet und als Snder vorgestellt, die sich selbst verurteilen. Glaube wird durch sie nicht gestrkt, sondern zu Fall gebracht (2Tim 2,18), sind sie doch „bçse Menschen und Zauberer (cºgter)“, die als Verfhrer selbst Verfhrte sind (2Tim 3,13). Als Lehrer bieten sie leichte Kost, die dem Geschmack der Hçrer entgegenkommt (2Tim 4,3). Außerdem sind sie als Lehrer auch dadurch diskreditiert, dass sie grundlegend am Glauben scheitern: Sie sind unbewhrt im Glauben (2Tim 3,8: !dºjiloi peq· tμm p¸stim) und haben im Glauben Schiffbruch erlitten (1Tim 1,19: peq· tμm p¸stim 1mau²cgsam). An zwei Stellen wird die Diskrepanz zwischen ußerem Schein und tatschlichem Glaubensleben bemht. In Tit 1,16 geht es um den Graben zwischen Gotteserkenntnis und Handeln32 : Durch die 5qca wird die Gotteserkenntnis als vorgebliche entlarvt. Das Tun der Gegner erweist sie als ungeeignet zu jedem guten Werk33, so dass sie in ihrem Gottesverhltnis nur negativ bestimmt werden kçnnen: bdekujto· ja· !pehe?r34. Im selben Sinn wird im Blick auf die eqs´beia davon gesprochen, dass die Gegner nur deren Gestalt haben, aber ihre Kraft verleugnen (2Tim 3,5). Mit !qm´olai wird dasselbe Verb verwendet, das in Tit 1,16 die beanspruchte Gotteserkenntnis als wertlos kennzeichnet. Da es in Verbindung mit der p¸stir (1Tim 5,8) oder absolut gebraucht (2Tim 2,12) das Verfehlen des rechten Glaubens aus-

31 Auch solche Lasterkataloge spielen in der Antisophistenpolemik eine Rolle, vgl. Karris, Background, 553 f. 32 Die Diskrepanz von Reden und Tun ist ein Topos der Antisophistenpolemik, vgl. Karris, Background, 552 f. 33 Gerade im Titusbrief wird das Tun guter Werke besonders betont (3,8.14: jeweils jak± 5qca) und damit der Gegensatz zu den Falschlehrern besonders betont: Diese sind zu dem nicht in der Lage, was eigentlich alle Glaubenden auszeichnen msste. 34 Die Wahl eines Wortes vom Stamm bdekuj- kçnnte getroffen worden sein, weil sich damit auch die Vorstellung des kultisch Unreinen verbinden kann (vgl. Fçrster, Art. bdek¼ssolai jtk., 599). Damit wre die Polemik von V. 15 (s.u.) verstrkt.

304

Gerd Hfner

drckt35, attestiert der Verfasser den Falschlehrern also ein umfassendes Scheitern, ber das der ußere Schein nicht hinwegtuschen kçnne. Indirekt wird den Gegnern damit freilich zugestanden, dass ihre Fehlform der eqs´beia nicht ohne weiteres als solche erkennbar ist. Sie ist nicht so grotesk, dass sie sich auf den ersten Blick hin selbst entlarvte. Einen indirekten Rckschluss inhaltlicher Art erlaubt die Abqualifizierung der Falschlehrer in den Pastoralbriefen an zwei anderen Stellen. Wenn der Verfasser die Gegner als „Mçchtegern-Gesetzeslehrer“ karikiert (1Tim 1,7)36, legt er nahe, dass sich seine Kontrahenten in irgendeiner Form mit Texten aus der jdischen Tora befassen. Ein solcher Zusammenhang mit jdischen Traditionen lsst sich auch aus Tit 1,15 erschließen37. Den Gegnern wird vorgeworfen, ihnen sei nichts rein – im Gegensatz zu den Reinen, denen alles rein ist. Hier scheinen Reinheitskonzepte der bekmpften Gruppe polemisch gegen sie gewendet zu werden: In der Aussage, ihnen sei nichts rein, wird das Achten auf kultische Reinheit und die Unterscheidung zwischen Reinem und Unreinen berspitzt und einem Konzept gegenbergestellt, in dem alles als rein gilt. Die Abqualifizierung liegt darin, dass diejenigen, die diesem zweiten Konzept folgen, als rein bezeichnet werden (p²mta jahaq± to?r jahaqo?r), whrend sich die Gegenseite mit dem Vorwurf konfrontiert sieht, befleckt und unglubig (leliall´moir ja· !p¸stoir) zu sein. In beiden besprochenen Fllen setzt der Verfasser mit seiner Polemik also bei einer Vorgabe seiner Gegner an, um diese dann durch berzeichnung oder Verzerrung in ein schlechtes Licht zu rcken38. In den zuvor besprochenen Belegen funktioniert die Polemik auch ohne konkrete Ansatzpunkte bei den gegnerischen Lehrern39. 35 Dies gilt, auch wenn !qm´olai „an manchen Stellen der Pastoralbriefe ein mehr ethisch-praktisches Verleugnen und Versagen bezeichnet“ (Weiser, 2Tim, 174, im Blick auch auf Tit 1,16). Zum Glauben gehçrt das rechte Handeln dazu (vgl. z. B. Thiessen, Ephesus, 275). Positiv gespiegelt kennzeichnet das Verleugnen der !s´beia die Abkehr vom falschen Weg (Tit 2,12). 36 Die Bezeichnung als „Mçchtegern-Gesetzeslehrer“ fasst die Aussage in 1Tim 1,7 in einen Begriff zusammen, Die Gegner treten mit dem Anspruch auf, das Gesetz auszulegen (h´komter eWmai molodid²sjakoi), scheitern daran aber in der Praxis (lμ mooOmter l¶te k´cousim l¶te peq· t¸mym diabebaioOmtai). 37 Vgl. auch Thiessen, Ephesus, 319, der allein jdischen Hintergrund der Gegner gelten lsst. 38 Zu weiteren Auswertungen der Polemik fr die Position der Gegner s.u. 5. 39 Wenigstens indirekt wird in 1Tim 1,9 f. ein Lasterkatalog auf die Falschlehrer bezogen, da die genannten Verhaltensweisen als Widerspruch zur „gesunden Lehre“ beschrieben werden, zu der wiederum die Gegner in Widerspruch stehen. Die hnlich ausgelegte, aber direkte Abqualifizierung der Gegner in 2Tim 3,2 – 4 wird

Polemik in den Pastoralbriefen

305

2.3 Abqualifizierung der Falschlehre Die Strategie der Pastoralbriefe in Sachen Gegnerpolemik beschrnkt sich nicht darauf, die Trger der Falschlehre abzuqualifizieren. Auch die bekmpfte Lehre wird mit negativen Attributen versehen. Wenn sie in Verbindung gebracht wird mit „Mythen und Genealogien“ (1Tim 1,4), so ergibt sich deren negativer Charakter nicht allein aus dem negativ besetzten Mythos-Begriff 40 und der Anweisung, sich nicht an sie zu halten (lgd³ pqos´weim). Die Bestimmung der Genealogien als „endlos“ (!p´qamtor) und die Beschreibung ihrer Effekte verstrken die Abwertung: Sie wirken nicht im Sinne der oQjomol¸a heoO, sondern rufen Streitfragen (1jfgt¶seir)41 hervor. Im weiteren Verlauf der Pastoralbriefe wird vor allem die negative Kennzeichnung der lOhoi weiter ausgebaut. Sie sind „gottlos und altweiberhaft“ (1Tim 4,7: b´bgkoi ja· cqa¾deir), sie werden mit „Geboten von Menschen“ parallelisiert (Tit 1,14)42 und erscheinen als Gegensatz zur !k¶heia (2Tim 4,4). Die gegnerische Lehre wird nicht nur ber die Abwertung der „Mythen“ in Misskredit gebracht, ihre Wertlosigkeit wird durch abschtzige und nicht weiter begrndete Urteile betont. Sie ist Geschwtz (1Tim 1,16: lataiokoc¸a), gottloses leeres Gerede (2Tim 2,16: b´bgkoi jemovym¸ai)43 und steht berhaupt in grundlegendem Widerspruch zu dem, was als erlaubt gelten kann (Tit 1,11: did²sjomter $ lμ de? ). Wenn ihr Erfolg zugestanden werden muss, kann deshalb die negative Metapher des wuchernden Krebsgeschwrs verwendet werden (2Tim 2,17: ¢r c²ccqaima molμm 6nei).

40 41

42 43

im Zusammenhang der Besprechung von Negativ-Mustern bercksichtigt (s.u. 2.4 Abschnitt a). Vgl. zu dieser Wertung Balz, Art. lOhor, 1094 f.; Brox, Pastoralbriefe, 103; Roloff, 1Tim, 64; Thiessen, Ephesus, 321; Marshall, Pastoralbriefe, 206; Weiser, 2Tim, 303 f.; Gerber, Antijudaismus, 349 Anm. 68. Die Wiedergabe mit „Streitfragen“ versucht dem Wortbestandteil der f¶tgsir gerecht zu werden, die in den Pastoralbriefen semantisch in die Nhe des Streitens gerckt sein kann (s. 1Tim 6,4). Auch wenn man 1jfgt¶seir mit „Grbeleien, Spekulationen“ bersetzt (vgl. Bauer-Aland, Wçrterbuch, s.v. 1jf¶tgsir), sollte deshalb das Moment des Streits nicht außer Betracht bleiben. Auch hier wird (wie in 1Tim 1,4) die Weisung gegeben, sich nicht an diese Mythen zu halten (lμ pqos´womter). Aus diesen allgemein bleibenden Abwertungen kann man nicht schließen, dass damit ekstatische Phnomene getroffen werden sollten, weil diese mit hnlichen Ausdrcken kritisiert werden kçnnen (so aber Pietersen, Polemic, 120, mit Verweis auf Eusebius, Epiphanius und Celsus).

306

Gerd Hfner

Es klang bereits ein Aspekt an, der die gegnerische Lehre in den Augen des Verfassers der Pastoralbriefe belastet: Sie fhrt zu Streitigkeiten und Wortgefechten. Mehrere Worte werden in unseren Briefen gebraucht, um diese (unerwnschte) Wirkung der Falschlehre zu kennzeichnen44 : (ej)fgt¶seir (1Tim 1,4; 6,4; Tit 3,9; 2Tim 2,23), kocolaw¸a/kocolawe?m (1Tim 6,4; 2Tim 2,14), l²wai (2Tim 2,23; Tit 3,9). Auch wenn man fgt¶seir im Sinne von „Streitfragen“ versteht, ist doch eindeutig, dass der Verfasser der Pastoralbriefe solchen Diskussionen nichts abgewinnen kann und er in ihnen das Moment der (schdlichen) Auseinandersetzung betont. Dies zeigt zum einen die Parallelisierung mit kocolaw¸a (1Tim 6,4) und die Verbindung mit l²wg (Tit 3,9) und l²weshai (2Tim 2,23 f.). Zum andern werden die Streitfragen durch Adjektiv-Attribute auch unmittelbar negativ qualifiziert: Sie sind tçricht (2Tim 2,23; Tit 3,9: l¾qor), kindisch (2Tim 2,23: !pa¸deutor), unntz und nichtig (Tit 3,9: !myvekμr ja· l²taior). In 1Tim 6,4 werden sie durch die Metaphorik des „Krankens an“ (mos_m) eindeutig abgewertet. Dass an der Lehre der Gegner irgendetwas ernst genommen werden kçnnte, gesteht ihr der Verfasser der Pastoralbriefe nicht zu. 2.4 Einordnung der Gegner in bekannte Negativ-Muster Die Abqualifizierung der Gegner kann auch dadurch geschehen, dass sie in bekannte Negativ-Muster eingeordnet werden. Damit sind geprgte Vorstellungen gemeint, die auf die Gegner angewandt deren Unzuverlssigkeit oder gar Gefhrlichkeit in den Vordergrund stellen sollen. a) In zwei Fllen greift der Verfasser auf das apokalyptische Konzept der endzeitlichen Katastrophen zurck, wenn auch in ent-apokalyptisierter Form (1Tim 4,1 f.; 2Tim 3,1 – 4). Dass sich die Zeit vordem Ende durch den Zerfall der blichen Ordnung auszeichnet, ist ein apokalyptischer Topos, aus dem allein das Moment moralischer Dekadenz herausgegriffen und auf die Gegner angewendet wird. So heißt es in 2Tim 3,1: „Dies erkenne: In den letzten Tagen werden bçse Zeiten kommen“ – gefolgt von der Aufzhlung verschiedenster Laster. Ausgeblendet bleiben (wie auch in den unumstritten echten Paulusbriefen) Bedrohungen der natrlichen Grundlagen des Lebens, das Zusammenbrechen der sozialen Ordnung oder kosmische Katastrophen. Die Pastoralbriefe interessieren sich nur fr das, was sich unter den %mhqypoi als Verfallserscheinung beschreiben lsst, um damit ein Wert44 Karris, Background, 553, erkennt darin einen Topos der Antisophistenpolemik.

Polemik in den Pastoralbriefen

307

muster fr die Beurteilung der Falschlehrer vorzugeben, an denen sich die Ankndigung des „Paulus“ bewahrheitet (vgl. 3,6: 1j to¼tym eQsim jtk.). Die Zeitangabe in 2Tim 3,1 ist eindeutig als Anspielung auf apokalyptische Tradition zu verstehen: 1m 1sw²tair Bl´qair. Dagegen schillert die Formulierung in 1Tim 4,1. Dort ist die Rede von den vsteqoi jaiqo¸, in denen sich die geschilderten negativen Phnomene abspielen. Nimmt man vsteqor komparativisch, wrde der Briefschreiber auf aus seiner Sicht sptere Zeiten schauen, die in der Gegenwart der Pastoralbriefe erreicht ist. Da aber vsteqor auch superlativisch verstanden werden kann45, liegt hier ebenfalls ein apokalyptischer Horizont nahe, der den Blick auf die Gegner çffnen soll. Whrend in 2Tim 3,1 – 4 die moralische Verkommenheit in den Vordergrund gestellt wird, geht es in 1Tim 4,1 f. vor allem darum, die Gegner als Falschlehrer zu brandmarken: Sie werden verfhrerischen Geistern zugeordnet; ihre Lehren sind Lehren von Dmonen; sie werden als Lgner und als in ihrem Gewissen gebrandmarkt prsentiert. Auch diese letzten beiden Vorwrfe zielen in erster Linie nicht auf moralische Verfehlung. In 4,1 wird die Perspektive vorgegeben: Angekndigt wird der Glaubensabfall, der sich vollzieht, wenn man diesen verfhrerischen Geistern folgt (!post¶somta¸ timer t/r p¸steyr). Entsprechend wird in 4,3 ein Inhalt der bekmpften Lehre angefhrt, um anzuzeigen, worin diese fehlgeht. Ein solcher Bezug auf zurckgewiesene Inhalte ist fr die Pastoralbriefe untypisch46. Jedoch ist angesichts dieser sonstigen Zurckhaltung verstndlich, dass eine Nennung falscher Lehren dort erfolgt, wo der Kontext die Negativ-Wertung besonders untersttzt. Die Zusammenschau beider Stellen im Rahmen einer Korpus-Lektre zeigt, dass das apokalyptische Muster des endzeitlichen Zerfalls zweifach gegen die Falschlehrer gewendet wird: Sie fhren vom rechten Glauben weg und bewahrheiten die Erwartung moralischer Zerrttung. b) Ein Negativ-Muster anderer Art, aber ebenfalls aus der alttestamentlich-jdischen Tradition, wird in 2Tim 3,8 f. gegen die Falschlehrer in Stellung gebracht. Hier wird nicht auf einen in der konkreten Ausfhrung unterschiedlich entfaltbaren Topos zurckgegriffen, sondern ein Vorgang aus der Geschichte Israels als Vergleichsgrçße fr das benannt, was gegenwrtig geschieht. Entscheidend ist dabei: Die Rollen von „gut und bçse“sind eindeutig verteilt. Auf der einen Seite Mose bzw. die Wahrheit, gegen die auf 45 Vgl. Bauer, Aland, Wçrterbuch, s.v. vsteqor 1b. 46 Eine Parallele findet sich nur noch in 2Tim 2,18, wo allerdings keine inhaltliche Auseinandersetzung stattfindet, sondern allein die abgrenzende Zurckweisung (s. dazu oben 2.1 Abschnitt c; zu 1Tim 4,3 f. unten 2.6).

308

Gerd Hfner

der anderen Seite die gyptischen Zauberer47 bzw. die Falschlehrer Widerstand leisten. Man kann fragen, warum die Gegner mit den gyptischen Zauberern verglichen werden und kein innerisraelitischer Konflikt um Fhrungsansprche aufgegriffen wird, wie er etwa im Aufstand der Rotte Korachs ja durchaus zur Verfgung stand. Mçglicherweise ist die Antwort auf diese Frage recht banal: Der Verfasser kennt die Geschichte vielleicht gar nicht, obwohl er in 2Tim 2,19 aus Num 16,5 zitiert – aber eben nur punktuell, ohne Bezug auf die ganze Erzhlung vom Aufstand Korachs48. Allerdings bot die Plage-Erzhlung eine Besonderheit, die sie attraktiv machte fr die Gegnerpolemik. Die gyptischen Zauberer kçnnen nmlich eine Weile mit Mose und Aaron mithalten, ehe sie am Stechmcken-Wunder scheitern und schließlich so von den Geschwren befallen sind, dass sie Mose nicht mehr gegenbertreten kçnnen (Ex 8,14; 9,11). Das Muster „anfnglicher Erfolg – schließliches Scheitern“ passte offensichtlich auf die Situation, in die die Pastoralbriefe geschrieben sind. Ihr Verfasser muss zugeben, dass die Gegner Zuspruch finden und Anhnger gewinnen49. Dafr bieten auch die an Jannes und Jambres ansetzenden Ausfhrungen einen entsprechenden Hinweis. Die Gegner, heißt es, wrden nicht weiter voranschreiten (3,9: oq pqojºxousim 1p· pke?om). Ein Voranschreiten muss ihnen also zugestanden werden; es wird nur bestritten, dass es immer so weitergehen werde. Zieht man die gyptischen Zauberer als „Modell“der Gegner heran, wird, so legt es der Verfasser nahe, deutlich, dass der anfngliche Erfolg das Fiasko nicht verhindern kann. In der Situation der Briefe ist der Punkt noch nicht erreicht, an dem die %moia der Falschlehrer offenkundig ist. Erneut bezieht sich das Futur (in der Wendung 5jdgkor 5stai p÷sim) nicht nur auf die Zukunft aus der Sicht des Briefschreibers. Auch die eigentlichen Adressaten der Pastoralbriefe kçnnen sich vom Eintreffen jenes Ereignisses noch nicht berzeugen. Gerade deshalb wird ihnen ja das Beispiel von Jannes und Jambres als „Verstndnishilfe“ vor Augen gestellt: Sie sollen sich vom derzeitigen Erfolg der angegriffenen Lehrer nicht in die Irre fhren lassen50. 47 Dass sie als „Jannes und Jambres“ bezeichnet werden, weist auf die Verwendung einer jdischen Tradition. Vgl. dazu vor allem Pietersma, Lutz, Jannes and Jambres; Pietersma, Apocryphon. 48 Vgl. dazu meine berlegungen in: Belehrung 217 f. 49 S. die bereits genannte Stelle 2Tim 2,17; außerdem auch 2Tim 4,3 f.; 1Tim 5,15; Tit 1,11. 50 Auch der Kontext sttzt die Einschtzung, dass der Verfasser der Pastoralbriefe mit dem Zuspruch, den die Gegner finden, stark zu kmpfen hat. Deren pqojºpteim erscheint nicht nur an unserer Stelle, sondern wird auch zweimal ironisiert: Es ist ein

Polemik in den Pastoralbriefen

309

Dieser ist kein Zeichen gçttlichen Beistands, sondern nur das Vorspiel ihres Untergangs51. c) Nur im Titusbrief konnte das Negativ-Muster eingesetzt werden, das mit dem angegebenen Bestimmungsort des Schreibens verbunden ist. In Tit 1,12 wird ein hufiger belegtes Schimpfwort ber die Kreter52 zitiert: „Die Kreter sind immer Lgner, bçse Tiere, faule Buche.“ Da dies als Spruch eines Kreters vorgestellt wird („ihr eigener Prophet“), entsteht das LgnerParadox: Wenn Kreter immer lgen, kann der Satz nicht wahr sein, da er von einem Kreter gesprochen ist; diese Folgerung aber setzt umgekehrt voraus, dass Kreter immer lgen, was aber nur stimmen kann, wenn der Satz wahr ist. Mit diesem logischen Problem53 schlgt sich der Verfasser des Briefs nicht herum54, sondern sagt klipp und klar, was er von dem Satz hlt: Er ist wahr55. Er lsst also wenigstens diese eine Ausnahme vom Grundsatz gelten, die Selbsterkenntnis des zitierten Kreters trifft den Kern der Sache. Die Einbindung in den Kontext zeigt eindeutig, dass das anti-kretische Vorurteil fr die Gegnerpolemik genutzt wird. Die Benennung der Aufgabe des Episkopos, die Widersprechenden zu berfhren (1,9) hat bergeleitet Voranschreiten zur Gottlosigkeit (2Tim 2,16, hier dieselbe Wendung wie in 3,9: 1p· pke?om pqojºxousim) bzw. ein Voranschreiten auf dem eingeschlagenen falschen Weg (2Tim 3,13: 1p· t¹ we?qom). 51 Dass das Beispiel der Zauberer Jannes und Jambres gewhlt ist, um die Gegner als Thaumaturgen zu diskreditieren (so Pietersen, Polemic, 131 f.), ist dagegen unwahrscheinlich, da kein Signal in diese Richtung gesetzt wird. Eine solche Zuspitzung konnte sich freilich auch schon deshalb nicht nahelegen, weil die gyptischen Zauberer nur das wirken, was auch Mose und Aaron tun. 52 Das Wort „scheint als eine Art geflgeltes Wort kretischer Herkunft gelufig zu sein“ (Herzer, Gegnerproblematik, 153). Zur Beleglage vgl. Dibelius, Conzelmann, Pastoralbriefe, 102 f.; Neuer Wettstein II, 1017 – 1024 (mit Belegen vor allem fr den Ruf der Kreter als Lgner); einen guten berblick bietet Herzer, Gegnerproblematik 153. 53 Vgl. dazu Zimmer, Lgner-Antinomie. Thiselton, Liars, will das logische Problem grundstzlich auf die Sprache angewendet fr das Aussageziel auswerten. Es gehe um die Art und Weise, in der Gemeindeleiter ihr Amt auszuben haben: Sie sollen durch ein frommes und gerechtes Leben wirken, nicht durch Wortgefechte. Allerdings ist dem Verfasser des Titusbriefes solche Spitzfindigkeit kaum zuzutrauen, zumal er durch den unmittelbaren Kontext andere Signale gesetzt hat (vgl. Oberlinner, Pastoralbriefe III, 39 f.). 54 So auch Merz, Selbstauslegung, 38; Herzer, Gegnerproblematik, 153 f. Dagegen hlt Glaser, Briefroman, 231, das logische Problem zwar nicht fr zentral, will es aber nicht vçllig ausblenden (vgl. ebd., Anm. 282). Dass die Vorrede Lukians zu den „Wahren Geschichten“ heuristischer Hintergrund fr die Lgner-Antinomie im Titusbrief sein kçnnte (vgl. ebd., Anm. 283), ist allerdings zu bezweifeln. 55 Vgl. Herzer, Gegnerproblematik, 154 Anm. 39.

310

Gerd Hfner

zur scharfen Zurckweisung dieser Widersprechenden, in die das LgnerParadox eingebettet ist. Auch wenn „Paulus“ kein Interesse an dem logischen Problem hat, kommt ihm die Kennzeichnung der Kreter als „Lgner“ doch entgegen. Worte vom Stamm xeud- werden im 1. Timotheusbrief gebraucht, um die Gegner abzuwerten56. Die Kennzeichnung der hgq¸a als „bçse“ (jaj²) weist ebenfalls einige Verbindungen zur sonstigen Gegnerpolemik auf 57. Das dritte Element („faule Buche“) steht hçchstens mittelbar in Zusammenhang mit der Frontstellung gegen die Falschlehrer58, was der Brauchbarkeit des zitierten Satzes aber keinen Abbruch tut. Der Verfasser der Pastoralbriefe will ja nicht nachweisen, dass die Invektive gegen die Kreter sich in Verhalten oder Lehre der Gegner bewahrheitet. Vielmehr soll ein weithin geteiltes Vorurteil gegen die Kreter auf die Falschlehrer bertragen werden59. d) Werden neben den anti-kretischen auch anti-jdische Vorurteile gegen die Falschlehrer eingesetzt? Im Kontext der Kreter-Polemik gibt es Ansatzpunkte fr ein solches Vorgehen. Dabei drfte der Ansatz aber weniger bei paganen Vorurteilen gegen das Judentum zu suchen sein als in innerchristlichen Entwicklungen. Jedenfalls lsst sich kaum nachweisen, dass im Titusbrief spezifisch ethnische Vorurteile gegen Juden aufgenommen wren. Christine Gerber will zwar eine entsprechende Charakteristik aus einem Vergleich mit den Vorwrfen ableiten, die nach Contra Apionem gegen das Judentum erhoben wurden60. Mit dem Bezug auf Beschneidung, Mythen und Gesetz61 kann das aber kaum gelingen. Mythen sind kein typischer Gegenstand paganer Polemik gegen das Judentum; fr das Gesetz gilt dies jedenfalls nicht einer Weise, die die nur pauschale Behandlung in den Pastoralbriefen erklren kçnnte62. Die Beschneidung konnte heidnischer 56 1Tim 1,10: xe¼stai ; 4,2: xeudºkocoi ; 6,20: xeud¾mulor. Von Gott heißt es, er sei !xeud¶r (Tit 1,2). 57 In 1Tim 6,10 wird die Geldliebe als Wurzel aller bel bezeichnet (p²mta t± jaj²) und dies besonders auf die Gegner bezogen (s. o. 2.2). Nach 2Tim 4,14 hat Alexander, der Schmied, Paulus viel Bçses getan (pokk± jaj²). In Tit 3,3 wird die jaj¸a als Wesensmerkmal des vorchristlichen Lebens benannt. 58 In 1Tim 5,13 ist davon die Rede, dass jngere Witwen !qca¸ in den Husern umherlaufen. Da der Verfasser beklagt, dass sich einige bereits der falschen Seite zugewandt htten (5,15), kann man die genannte mittelbare Beziehung zu den Gegnern erkennen (s.a. oben Anm. 19). 59 Vgl. Stegemann, Vorurteile, 53.56 f. 60 Vgl. Gerber, Antijudaismus, 346 – 355. 61 Vgl. a.a.O., 352. 62 Manche antijdischen Stereotype richten sich auf Bestimmungen des Mose (etwa der Vorwurf der Menschenfeindlichkeit; vgl. die Darstellung der wichtigsten von

Polemik in den Pastoralbriefen

311

Einschtzung als absonderlich gelten63, Tit 1,10 bleibt in dieser Hinsicht aber sehr zurckhaltend. Wenn die Gegner ber die Beschneidung als jdisch gekennzeichnet werden (oR 1j peqitol/r), so liegt zwar aufgrund des Kontextes eine abwertende Bedeutung nahe. Sie erklrt sich aber in erster Linie aus Vorgaben der paulinischen Tradition und den dort zu findenden Wertungen zur peqitol¶64. Aus der Anfhrung der vikamhqyp¸a in Tit 3,4 ist kein Bezug auf pagane anti-jdische Polemik zu erschließen65. Und dass die Grndung des Kerygmas im gçttlichen Ratschluss „vor ewigen Zeiten“ (Tit 1,2) durch die Ausblendung der jdischen Heils- und Verheißungsgeschichte antijdisch ausgerichtet sei66, lsst sich ebenfalls nicht sagen. Die von Jrgen Roloff zurecht konstatierte „Israelvergessenheit“ der Pastoralbriefe67 legt nahe, dass der Verfasser der Briefe das Problem heilsgeschichtlicher Kontinuitt gar nicht im Blick hat, also auch nicht polemisch gegen das Judentum wendet68. Am deutlichsten wird der Einsatz antijdischer Polemik in Tit 1,14, wenn durch die Qualifizierung der lOhoi als Youdazjo¸ ganz offensichtlich die Negativ-Wertung verstrkt werden soll. Dies geschieht nur an dieser Stelle, andernorts begngt sich der Verfasser mit der Abwertung, die im Begriff lOhor schon enthalten ist69. Wenn nun die Qualifizierung „jdisch“ hinzutritt, dann nicht, um ein Informationsbedrfnis auf Seiten der Adressaten zu befriedigen. Es wird jedenfalls in der Folge nicht entfaltet, was problematisch sei am jdischen Charakter der Mythen. Also soll mit dieser Zuordnung offensichtlich die Negativ-Rezeption gesteuert werden70. Der

63 64 65 66 67 68 69 70

Josephus zurckgewiesenen Vorwrfe bei Gerber, Antijudaismus, 337), aber solche „Einzelkritik“ bietet keinen Hintergrund fr die Bezge auf den mºlor in den Pastoralbriefen. Dass in Tit 3,9 das Gesetz mit Streitigkeiten verbunden wird, kann man als Gegensatz zur Funktion des Gesetzes bei Josephus beschreiben (vgl. ebd., 353); ein antijdisches Vorurteil ist damit nicht verbunden. Tacitus, Historiae 5,5, nennt die Beschneidung als gegenseitiges Erkennungsmal unter deutlich negativem Vorzeichen, da der Kontext von der kritisierten Abgrenzung vom Rest der Menschheit bestimmt ist. Vgl. Oberlinner, Antijudaismus, 290. Vgl. (vorsichtig) Gerber, Antijudaismus, 353 f. Auch die Darstellung Stegemanns, (Vorurteile, 50 – 59) belegt nicht, dass der Titusbrief auf spezifisch antijdische Topoi der heidnischen Umwelt zurckgreift. So Gerber, Antijudaismus, 355 f. Vgl. Roloff, Weg Jesu, 155 f. In diesem Sinn Wolter, Pastoralbriefe, 85 f. Auch die Sicht der Schrift passt sich in diesen Rahmen problemlos ein (vgl. Hfner, Belehrung, 227 – 230). S. dazu oben Anm. 40. Vgl. Oberlinner, Antijudaismus, 298; Gerber, Antijudaismus, 349; Schaefer, Gegnerpolemik, 68 f.

312

Gerd Hfner

Grad der Polemik ist in diesem Fall allerdings viel geringer als in dem auf die Kreter gemnzten Zitat. Auch die bereits besprochenen allgemein bleibenden Vorwrfe in Tit 1,10 – 16 sind viel strker profiliert als spezifisch antijdische Stereotype71. 2.5 Negative Beispiele In den Timotheusbriefen werden Gegner auch namentlich genannt. Es werden abschreckende Beispiele vorgestellt, in denen sich der Widerstand gegen die von „Paulus“ vertretene gesunde Lehre in den Briefen personalisiert72. In 1Tim 1,20 erscheinen Hymenaios und Alexander als Exempel derer, die im Glauben Schiffbruch erlitten haben (¨m 1stim zl´maior ja· )k´namdqor). Beide Namen werden im 2Tim aufgegriffen: Hymenaios wird zusammen mit Philetos als Vertreter der Lehre von der bereits geschehenen Auferstehung vorgestellt (2Tim 2,17 f.); Alexander erscheint, mit dem Zusatz „der Schmied“, als persçnlicher Feind des Paulus (4,14 f.). Die harschen Worte, die ihn treffen, fallen besonders auf: der Herr soll ihm nach seinen (bçsen) Werken vergelten. Damit wird zum einen deutlich, dass der Versuch ihn zur Umkehr zu bewegen (1Tim 1,20: Vma paideuh_sim lμ bkasvgle?m) gescheitert ist, was sicher auch fr den zuvor genannten Hymenaios gelten soll73. Zum andern wird eine scharfe Grenze zu jenen gezogen, die Paulus in seinem Prozess verlassen haben. Ihnen soll ihr Versagen nicht angerechnet werden (2Tim 4,16: lμ aqto?r kocishe¸g). Mit dem Bezug auf konkrete Personen74 wird die Gegnerpolemik in die Biographie des Paulus eingetragen75. 71 Fr den Vorwurf der Habgier in 1,11 hlt auch Gerber, Antijudaismus, 352 Anm. 84, fest, dass er „sich kaum auf ein antijdisches Vorurteil“ bezieht. Weiter unten ist auf Folgerungen aus diesem Befund zurckzukommen (s.u. 5.). 72 Dass dem Titusbrief dieses Element abgeht, spricht nicht gegen die Korpus-These. Das Verhltnis zu Timotheus wird in den Pastoralbriefen anders inszeniert als dasjenige zu Titus, das viel distanzierter bleibt (vgl. dazu Hfner, Elemente, 185 – 188). In diesen Rahmen passt, dass auch Namen von Gegnern keine Rolle spielen: Absender und Adressat sind nicht so mit den Lebensumstnden des anderen vertraut, dass „gemeinsame Bekannte“ von Bedeutung sein kçnnten. 73 Er wird ja von Paulus, so die Fiktion, am Ende seines Lebens als Vertreter der Falschlehre zitiert. 74 Zu nennen wren auch noch Phygelos und Hermogenes, die zu jenen Personen gehçren, die Paulus in der Asia verlassen haben (2Tim 1,15). Es bleibt in diesem Fall bei der knappen Notiz, so dass sich keine weiteren Folgerungen ergeben. Die beiden werden als Gegenbild zu Onesiphoros und seinem Haus prsentiert.

Polemik in den Pastoralbriefen

313

2.6 Argumentative Zurckweisung Nur einmal setzt sich der Verfasser der Pastoralbriefe inhaltlich mit der gegnerischen Lehre auseinander. In 1Tim 4,3 fhrt er zunchst zwei Positionen an: Die Gegner verbieten zu heiraten76 und fordern Enthaltung von (bestimmten) Speisen. Das in Klammer gesetzte Attribut deutet eine Schwierigkeit an. Eigentlich liest sich die Formulierung !p´weshai bqyl²tym wie ein Fastengebot, als ginge es berhaupt um den Verzicht auf Nahrungsaufnahme77. Aus der Gegenargumentation geht aber hervor, dass sich die Forderung auf bestimmte Speisen richten muss. Jedes Geschçpf Gottes, heißt es, sei gut, keines unrein (4,4). Dieser Schluss aus der Gegenargumentation bedeutet nicht, dass man der rhetorischen Strategie des Verfassers aufsitzt. Wenn er (ausnahmsweise) inhaltlich argumentiert, darf man annehmen, dass er nicht vçllig an der strittigen Sache vorbeiredet. Eher ist damit zu rechnen, dass er die gegnerische Position auf eine Weise prsentiert, die ihm die Gegenargumentation erleichtert. Und dies kçnnte ihn gerade dazu gefhrt haben, die Speisegebote nicht zu przisieren, sondern nur pauschal zu nennen. Der paraphrasierende Bezug auf Gen 1,29.3178 kçnnte nmlich eine Schwche aufweisen, wenn die Gegner den Genuss von Fleisch abgelehnt haben. In diesem Fall wre die Argumentation mit Gen 1 insofern schwierig, als dort die Tiere gerade nicht zum Genuss (eQr let²kglxim) freigegeben werden. Diese Schwche wird verdeckt, wenn die Speisegebote nicht im Detail zur Sprache kommen. hnlich verhlt es sich mit der Aussage, jedes Geschçpf sei gut und keines unrein (!pºbkgtom). Im Rahmen alttestamentlicher Schçpfungsvorstellung kann ja kein Zweifel daran bestehen, dass sich die Sicht, das von Gott Geschaffene sei gut, mit Einschrnkungen bei erlaubten Speisen verbinden kann. Dass es unreine Speisen geben kçnnte, bleibt in 1Tim 4,3 f. ganz ausgeblendet. Wohl um diesen Schwachpunkt zu kaschieren, werden auch die gegnerischen Speisegebote so grundstzlich75 Dies ist fr die Pastoralbriefe, die auch als Erzhlung gelesen werden kçnnen, kein nebenschlicher Effekt. Darauf ist zurckzukommen (s.u. 4. Abschnitt a). 76 Dieser Standpunkt wird nachfolgend nicht besprochen. Die Gegenargumentation richtet sich allein auf die Speisegebote. Dies wohl deshalb, weil der Verfasser das Heiratsverbot bereits fr widerlegt hlt, vgl. 1Tim 2,13 – 15; vgl. dazu Hfner, Belehrung, 167 f. 77 Dass der Infinitiv von jykuºmtym abhngt, ist als Zeugma zu bestimmen, da es dem Verfasser nicht darum gehen kann, dass die Gegner verbieten, sich der Speisen zu enthalten (vgl. Roloff, 1Tim, 222; Marshall, Pastoralbriefe, 542). 78 Vgl. zur Begrndung dieses Schriftbezugs Hfner, Belehrung, 162 f.

314

Gerd Hfner

umfassend genannt. Jede Spezifizierung htte die Gegenargumentation belasten kçnnen79. Auch dort, wo sich wenigstens ansatzweise sachliche Auseinandersetzung findet, ist die polemische Situation nicht nur durch den literarischen Kontext mit Hnden zu greifen; sie bestimmt auch subtil die Prsentation der gegnerischen Position.

3. Bauformen der Polemik in den Pastoralbriefen Im Folgenden soll der Blick darauf gerichtet werden, wie die polemischen Grundformen zusammengefgt werden zu grçßeren Einheiten, zunchst bezogen auf grçßere Abschnitte (3.1), die der Polemik gewidmet sind, dann auf das Brief- bzw. Korpusganze (3.2). 3.1 Polemische Abschnitte a) 1Tim 1,3 – 10 beginnt mit dem Sprachspiel der Abgrenzung (2teqodidasjake?m) und fhrt am Ende wieder darauf hin, nun mit dem positiven Gegenbegriff, der rcia¸mousa didasjak¸a. Eingebettet wird die Abqualifizierung der Falschlehre (V. 4) und der Falschlehrer (V. 7), wobei auch die Abgrenzung prsent bleibt, und zwar sowohl in Wendungen, die liminale Distanzierung ausdrcken (V. 6: !stow´y), als auch in der Beschreibung dessen, wovon sich die Falschlehrer abgewandt haben (V. 5). Ebenso dient der Lasterkatalog in Vv. 9 f. der Abgrenzung, weil die „gesunde Lehre“ als Gegengrçße dazu eingefhrt wird und den Gegnern jene Laster nicht direkt vorgeworfen werden. In dem Abschnitt, der als Alleinstellungsmerkmal eine argumentative Auseinandersetzung bietet (1Tim 4,1 – 5), werden zuvor krftige polemische Register gezogen. Bemht wird das Negativ-Muster der eschatologischen Zerfallserscheinungen (V. 1), ehe die Falschlehrer abqualifiziert werden (V. 2). Dass diese Leute nicht ernst zu nehmen sind, wird also behauptet, bevor deren Lehren zur Sprache kommen. Der Verfasser verlsst sich nicht auf seine sachliche Argumentation, sondern sorgt dafr, dass die Gegner im rechten, also in schlechtem Licht erscheinen. Nicht ungeschickt nutzt er den Bezug auf Inhalte der zurckgewiesenen Lehre, um diese zu kritisieren, ohne die Falschlehrer zu nennen. Die asketischen Forderungen 79 Zur Frage, warum der Verfasser mit der Schçpfung argumentiert, auch wenn dies offene Flanken bietet, vgl. meine berlegungen in: Belehrung, 172 f.

Polemik in den Pastoralbriefen

315

werden als sylatijμ culmas¸a aufgegriffen (V. 8) und im Sprachspiel der Abgrenzung der eqs´beia gegenbergestellt. Mit dieser polemischen Form wird in 1Tim 6,3 – 5 begonnen (V. 3), ehe die Abqualifizierung der Falschlehrer dominiert (Vv. 4 f.). Auch hier wird aber (wie bereits in 1Tim 1,3 – 10) die Abgrenzung wachgehalten, da das !posteqe?shai t/r !kghe¸ar eingeflochten wird (V. 5). Eine Besonderheit dieses Abschnitts liegt allerdings darin, dass mit dem Vorwurf der Gewinnsucht das Stichwort gegeben wird, das die Gegnerpolemik auch in der folgenden Parnese prsent hlt (s. V. 10). In der Wendung !pepkam¶hgsam !p¹ t/r p¸steyr kann man wieder das Sprachspiel der Abgrenzung erkennen, mit dem in 6,3 begonnen wurde. b) Am strksten entfaltet scheint die Polemik in Tit 1,10 – 16. Hier finden sich nicht nur die heftigsten Worte, mit denen die Gegner in den Pastoralbriefen angegriffen werden; wir stoßen auch auf einen dichtgedrngten Einsatz fast aller polemischen Formen80. Es beginnt mit einer scharfen Abqualifizierung der Falschlehrer, denen jede Kompetenz abgesprochen und Gewinnsucht vorgeworfen wird. Bereits in diese Prsentation kçnnte mit der Kennzeichnung oR 1j peqitol/r ein Negativ-Muster eingebracht sein, das antijdische Vorurteile wachrufen soll. Noch deutlicher ist dies dann im Bezug auf jdische Mythen zu erkennen (V. 14). Dass mit der Zuwendung zu jenen Mythen nur Gebote von Menschen erreicht werden (V. 14), wertet die gegnerische Lehre weiter ab. Wenn festgehalten wird, dass man sich damit von der Wahrheit abwendet (V. 14), ist das Sprachspiel der Abgrenzung eingebracht. Dieses begegnet außerdem in der Betonung der Notwendigkeit, im Glauben zu gesunden (V. 13), wie auch in der Gegenberstellung von Reinen und Befleckten (V. 15). Ein zweites Negativ-Muster ist mit dem blen Ruf der Kreter eingebracht (V. 12 f.). All das ist aber noch nicht genug: Zum Ende des Abschnitts kehrt der Verfasser zur scharfen Abqualifizierung der Gegner zurck (V. 15 f.). Tit 3,9 – 11 ist demgegenber weniger entwickelt, vereint aber dennoch auf knappen Raum die Abqualifizierung der Falschlehre und der Falschlehrer sowie die nçtige Abgrenzung von ihnen. c) In 2Tim 2,14 wird mit dem Stichwort kocolawe?m ein Indiz fr den Zusammenhang der Gegnerbekmpfung gegeben, obwohl erst in 2,16 die Falschlehre in den Blick kommt, die bis zum Briefschluss prsent bleibt – wenn auch nicht immer als unmittelbarer Gegenstand der Polemik. Dies ist 80 Es fehlen nur die namentlich genannten Negativ-Beispiele und (kaum berraschend) die argumentative Auseinandersetzung – also die Formen, die auch sonst die geringste Rolle im polemischen Reservoir des Verfassers spielen.

316

Gerd Hfner

aber der Fall in 2,16 – 21, wo zunchst die Abqualifizierung der Falschlehre und der Falschlehrer begegnet (V. 16), verbunden mit der Nennung von zwei Vertretern (V. 17) und dem Sprachspiel der Abgrenzung (V. 16: peqiýstaso), das den weiteren Abschnitt dann dominiert und auch in die folgende Ermahnung des Timotheus hereinspielt (s. 2,23), in der die Gegnerbekmpfung im Hintergrund zu erkennen ist81. Negativ-Muster und Abqualifizierung der Falschlehrer prgen den Abschnitt 3,1 – 9. Beides ist ineinander verwoben: Zunchst wird das Modell des endzeitlichen Verfalls aktiviert und durch einen Lasterkatalog inhaltlich gefllt (V. 1 – 4), ehe dies auf Phnomene der Gegenwart bezogen und mit dem Wirken der Falschlehrer verbunden wird (V. 5 – 7). Diese sollen analog zu den gyptischen Zauberern aus den Plage-Erzhlungen verstanden werden (V. 8 f.). Der Vergleich wird so durchgefhrt, dass dabei eine dritte polemische Form eingebettet wird: die Abgrenzung von Wahrheit und Falschlehre. Dieses Moment ist bereits durch den Imperativ in V. 5 vorbereitet (!potq´pou). Es bestimmt schließlich die ausdrckliche Behandlung der Falschlehre in 2Tim 4,3 f., wo außerdem anklingt, dass deren Vertreter keine zuverlssigen Lehrer sind, sondern ein falsches Bedrfnis befriedigen (1pisyqe¼sousim didasj²kour jmghºlemoi tμm !jo¶m). Außerdem wird durch die Rede von den „Mythen“ auch deren Lehre abqualifiziert. d) Fazit: Einzelne Texte kçnnen eine bestimmte Form favorisieren: Die Abqualifizierung der Falschlehrer dominiert in 1Tim 6,3 – 5, das Sprachspiel der Abgrenzung in 2Tim 2,16 – 21 und 2Tim 4,3 f. In anderen Fllen zeigt sich eine recht gleichmßige Verteilung verschiedener Formen (1Tim 1,3 – 10; Tit 1,10 – 16; 2Tim 3,1 – 9). Bisweilen ist ein Bogen vom Anfang zum Schluss erkennbar (1Tim 1,3 – 10; Tit 1,10 – 16). Immer aber werden mehrere Formen zugleich eingesetzt. Auch deshalb wirkt der Einsatz von Polemik in den Pastoralbriefen so massiv. Ein zweiter Grund ist in der strukturellen Einbindung in die einzelnen Briefe und das Korpus im Ganzen zu suchen. Darum geht es im nchsten Abschnitt. 3.2 Der Ort der Polemik im Briefkorpus a) Richtet man den Blick auf den strukturellen Ort der Polemik in den einzelnen Briefen, so zeigt sich eine gewisse Parallele zwischen dem 1Tim und Tit, also jenen beiden Briefen des Korpus, die durch dieselbe Gattung 81 S. dazu unten 3.2 Abschnitt b.

Polemik in den Pastoralbriefen

317

miteinander verbunden sind82. Vergleichbar sind beide Schreiben darin, dass die Gegnerbekmpfung einen Bogen vom Anfang zum Schluss bildet. Zwar besteht ein Unterschied darin, dass der 1. Timotheusbrief sofort nach dem Prskript dieses Thema anschlgt, whrend der Titusbrief zunchst auf das Gemeindeleitungsamt zu sprechen kommt. Dieses Anliegen ist aber so eng mit der antihretischen Polemik verknpft, dass keine wesentliche Differenz entsteht: Presbyter bzw. Episkopos mssen eingesetzt werden, damit den Falschlehrern wirkungsvoll begegnet werden kann83. Am Ende des Briefes wird die Polemik wieder aufgegriffen. Im Titusbrief wird damit das eigentliche Briefkorpus abgeschlossen (3,9 – 11). Fr den 1. Timotheusbrief gilt das in etwas anderer Form. Zum einen fehlt ein eigentlicher Briefschluss84, so dass nach der Aufforderung, sich von den Antithesen der Gnosis abzuwenden (6,20 f.) nur noch der Gnadenwunsch folgt. Zum andern sind hier Gegnerbekmpfung und Gemeindeparnese strker ineinander verschachtelt als im Titusbrief. Denn bereits in 6,3 – 5 wird die Polemik wieder aufgegriffen und anschließend mit den Mahnungen verzahnt85, ehe sie in 6,20 f. den wirkungsvollen Schlusspunkt markiert. Zum Beginn des 1.Timotheusbriefes ist die Besonderheit zu vermerken, dass die Bekmpfung der Falschlehrer mit dem ersten Durchgang noch nicht abgeschlossen ist, sondern in 1,19 f. im Blick auf das Handeln des Paulus aufgenommen wird. Damit bleibt die Brieferçffnung86 von diesem Thema bestimmt, denn auch die Selbstvorstellung des Absenders in 1,12 – 17 ist so ausgerichtet, dass „Paulus“ als Typus des bekehrten Snders erscheint87. Damit ist er Vorbild fr die Abkehr vom falschen Weg: Wer wie Hymenaios und Alexander vom Lstern Abstand nehmen soll (Vma paideuh_sim lμ bkasvgle?m), kann sich am Apostel orientieren, der ebenfalls frher ein Lsterer (1,13: bkasvglºr) war. Eine weitere Eigenheit des 1. Timotheusbriefes besteht darin, dass auch in der Mitte des Briefs die Gegnerpolemik erscheint (4,1 – 5). So ergibt sich ein steter Wechsel mit dem Thema der Gemeindeordnung88. Dieser Brief

82 Vgl. dazu v. a. Wolter, Pastoralbriefe, 156 – 202. 83 Zum Zusammenhang von Tit 1,9 und 1,10 vgl. Oberlinner, Pastoralbriefe III, 33 f.; Thiessen, Ephesus, 292; Schaefer, Gegnerpolemik, 78. 84 Vgl. z. B. Roloff, 1Tim, 370 f. 85 Zur Verbindung von 1Tim 6,10 mit 6,3 – 5 s. o. 2.2 Abschnitt a; 3.1 Abschnitt a. 86 Zur bis 1,20 reichenden Brieferçffnung vgl. Roloff, 1Tim, 48 f. 87 Vgl. Oberlinner, Pastoralbriefe I, 37; Hfner, Elemente, 190. 88 1,3 – 20: Gegnerbekmpfung; 2,1 – 3,16: Gemeindefragen; 4,1 – 5: Gegnerbekmpfung; 4,6 – 6,2: Gemeindefragen; 6,3 – 5: Gegnerbekmpfung; 6,6 – 19:

318

Gerd Hfner

besttigt damit den Eindruck, der sich aus Tit 1,9 f. direkt ergibt: Was zur Gemeindeordnung ausgefhrt wird, dient der Zurckweisung der gegnerischen Gruppe89. b) Im 2. Timotheusbrief ist, in Entsprechung zur anderen Gattung, die Polemik strukturell anders eingesetzt. Als testamentarisches Mahnschreiben90 an denselben Adressaten, an den bereits ein anderer Brief verfasst wurde, setzt der letzte Brief des Korpus eigene Akzente auch in der Einbindung des Gegnerthemas. Hier gibt es keinen Bogen vom Beginn zum Schluss, wohl aber tritt dieses Thema ab 2,14 bestimmend in den Vordergrund – bis zum Ausblick auf den bevorstehenden Tod des Absenders (4,6 – 8). Auch in den Schlussmahnungen bleibt es prsent (4,14 f.). Wer die anderen Briefe gelesen hat, erkennt in dem kocolawe?m in 2,14 bereits einen Hinweis auf die Absetzung von den Gegnern (s. 1Tim 5,4; Tit 3,9), die dann in 2,16 – 21 voll entfaltet wird. In den Mahnungen an Timotheus in 2,22 – 26 bleiben die Gegner nicht nur in Anspielungen prsent91; es geht auch unmittelbar um die Widerspenstigen, die zurckgewonnen und aus der Schlinge des Teufels befreit werden sollen (2,25 f.). Insofern durch die Verwendung des Titels „Knecht Gottes“ die Anweisungen fr den Gemeindeleiter zur Zeit der Pastoralbriefe transparent werden, ist die aus dem 1. Timotheusbrief und dem Titusbrief bekannte Verzahnung mit dem Thema der Gemeindeordnung auch in diesem Brief belegt. Dies ist, nach dem explizit polemischen Stck 3,1 – 9, auch fr 3,10 – 17 festzuhalten. Dieser Abschnitt ist geprgt von Weisungen an den Briefadressaten, die Gegnerpolemik erscheint allein in V. 13. Jene Weisungen sind freilich auch hier geçffnet auf die Amtstrger in den Gemeinden92. Nicht anders liegt der Fall in 4,1 – 5, wo die Mahnung zur rechten Verkndigung (4,1 f.5) die polemischen Aussagen (4,3 f.) rahmt.

89 90 91 92

Gemeindefragen; 6,20 f.: Gegnerbekmpfung. Dabei kçnnen beide Themen auch ineinander verschachtelt sein; s. neben 6,10 auch 4,6 f. Vgl. z. B. Roloff, 1Tim, 177; Oberlinner, Pastoralbriefe III, 52 f.74 f. Vgl. Wolter, Pastoralbriefe, 202 – 241; Weiser, Freundschaftsbrief. In 2,23 weist die Abgrenzung von fgt¶seir und l²wai auf den Zusammenhang der Gegnerbekmpfung. In 2,24 wird dem „Knecht Gottes“ ausdrcklich das l²weshai untersagt. Dies lsst sich vor allem fr die Aussagen ber die Schrift in 3,14 – 17 zeigen (vgl. Hfner, Belehrung, 224 – 254). Wenn die Schrift zum 1keclºr und zur 1pamºqhysir ntzlich ist (V. 17), besttigt sich die Ausrichtung auf die Gegnerbekmpfung, vgl. ebd., 247 f.

Polemik in den Pastoralbriefen

319

c) Liest man die drei Briefe in der Reihenfolge 1. Timotheus – Titus – 2. Timotheus93, besttigt sich das Bild, das sich aus den einzelnen Briefen gewinnen ließ: Die antihretische Polemik prgt das Korpus ganz grundlegend, die Zurckdrngung der gegnerischen Gruppe muss ein wesentliches, wenn nicht gar das wesentliche Anliegen der Abfassung dieser Briefe sein. Im Lektreverlauf entsteht dieser Eindruck nicht nur, wenn man beachtet, was Timotheus und Titus fr unterschiedliche Orte (Ephesus und Kreta) mitgeteilt wird. Jeweils wird ein Bogen vom Briefanfang zum Briefschluss gespannt. Dies gilt aber auch fr das Korpus im Ganzen: Von der ausfhrlichen Brieferçffnung in 1Tim 1,3 – 20 bis zur Prsenz der Gegnerpolemik in 2Tim 2,14 – 4,5.14 f. wird eine Klammer um das ganze Briefkorpus gelegt. Dass der Abschluss nicht nur besonders umfangreich, sondern durch die Gestaltung als testamentarische Verfgung des in den Tod gehenden Paulus in seiner Bedeutsamkeit herausgehoben ist, bekrftigt den genannten Eindruck: Die Gegnerpolemik ist nicht nur eine Zutat, sondern wesentlicher Bestandteil der Pastoralbriefe.

4. Zur Funktion der Polemik in den Pastoralbriefen a) Fragt man, welche Wirkungen sich aus dem Einsatz polemischer Mittel in den Pastoralbriefen ergeben, so kann eine erste Antwort an den bekannten Topoi der Antisophistenpolemik ansetzen. Wenn diese wachgerufen werden, dann deshalb, weil der Autor die Adressaten gegen die Falschlehre einnehmen will: „the author wants to cause aversion for his opponents in the minds of his readers and to establish a strong alternative to their view of Pauline tradition“94. Da diese Topoi aber nicht das ganze Feld des Polemischen in den Pastoralbriefen abdecken, ist zu fragen, ob ber dieses emotional ausgerichtete Ziel hinaus auch inhaltlich umschrieben werden kann, in welcher Weise die Polemik der Pastoralbriefe wirken soll. b) Darauf lassen sich im Wesentlichen zwei Antworten geben. Die erste: Die Position der Gegner erscheint als indiskutabel. Der Eindruck, dass sich eine 93 Zur Begrndung vgl. Hfner, Konstrukt, 272 f. Nicht selten vertreten wird auch die Reihenfolge Tit – 1Tim – 2Tim (vgl. Klauck, Briefliteratur, 244; Glaser, Briefroman, 170 – 193; auch Schaefer, Gegnerpolemik, 76 – 79, tendiert in diese Richtung). 94 Karris, Background, 563 f.; vgl. auch Wolter, Pastoralbriefe, 263; Pietersen, Polemic, 135 („status degradation ceremony“); Pratscher, Auseinandersetzung, 10. Allgemein lsst sich festhalten: „Polemik zielt […] auf die Erregung aggressiver Affekte“ (Stenzel, Manichismus, 11).

320

Gerd Hfner

nhere Auseinandersetzung nicht lohnt, ergibt sich aus dem absolut negativen Charakter der gegnerischen Lehre, der durch die polemischen Strategien des Verfassers in Szene gesetzt wird. Man muss sich von dieser Lehre scharf abgrenzen. Es ist sinnlos, sich auf eine inhaltliche Auseinandersetzung einzulassen. Deshalb wird das (koco)lawe?m nicht nur negativ qualifiziert (1Tim 6,4; Tit 3,9), sondern auch ausdrcklich verboten (2Tim 2,14). Der Verfasser der Pastoralbriefe bietet selbst das beste Beispiel fr diese Verweigerung, da er – bis auf einen Fall – keine argumentative Widerlegung der zurckgewiesenen Position unternimmt. Die Sache soll als so eindeutig erscheinen, dass man gar nicht mehr sachlich diskutieren muss. Fr dieses Ziel spielt die Autorfiktion eine besondere Rolle. Es gibt, so der Effekt dieser Fiktion, von Paulus her eine klar definierte Grenze. Unabhngig davon, ob man die Pseudepigraphie der Pastoralbriefe fr durchschaubar hlt oder nicht95, ist diese Wirkung angezielt: Wer sich auf Paulus beruft, muss die in den Pastoralbriefen bekmpfte Falschlehre ablehnen. Dass der Apostel selbst als antihretischer Kmpfer prsentiert wird, unterstreicht diese Zuordnung. Man steht in der Nachfolge des Paulus, wenn man gegen die Falschlehrer vorgeht so wie er gegen Hymenaios und Alexander96. c) Die zweite Wirkung, die von der polemischen Strategie der Pastoralbriefe angezielt wird, lautet: Die Position der Gegner erscheint als hoffnungslos. Dieser Effekt ergibt sich vor allem aus der Verwendung der NegativMuster. Deren Sinn besteht zunchst darin, von der Falschlehre abzuschrecken, sie in ein schlechtes Licht zu rcken. Im Fall des gegen Kreter gerichteten Schmhwortes ist dies sogar die einzige Funktion. Anders aber beim Rckgriff auf die Negativ-Muster aus der alttestamentlich-jdischen Tradition: Sie implizieren auch die Aussichtslosigkeit der mit ihrer Hilfe eingeordneten Phnomene. Wenn das Wirken der Gegner nach dem Muster des endzeitlichen Zerfalls beschrieben wird, ist zugleich deren Untergang angekndigt. Wer den apokalyptischen Denkrahmen kennt, weiß, dass mit der Einordnung in die endzeitlichen Katastrophen nicht nur der widergçttliche Charakter, sondern auch das Ende der Falschlehre benannt ist. Der Vergleich mit Jannes und Jambres dient demselben Ziel, hat aber darber hinaus den Vorteil, dass die Gegenwart mit dem offensichtlichen 95 Vgl. zu dieser Diskussion in jngerer Zeit Schmidt, Maskenspiel; Zimmermann, Unecht – und doch wahr?; Frenschkowski, Erkannte Pseudepigraphie?; Herzer, Fiktion. 96 Dieses biographische Element fgt sich ein in die Bedeutung der Paulus-Biographie in den Pastoralbriefe; vgl. dazu die berlegungen in: Hfner, Elemente, 183 – 198.

Polemik in den Pastoralbriefen

321

Erfolg der Falschlehrer97 durch das biblische Muster gedeutet werden kann. Jener Vergleich soll gerade untermauern, dass sie schließlich scheitern werden. Den Adressaten soll also klar werden, dass das Anwachsen des bekmpften Phnomens kein Hinweis auf gçttliche Krfte ist. Es gibt keinen Grund, auf einen guten Ausgang der Falschlehre zu setzen. d) Die Polemik hat aber nicht nur eine negative Funktion im Blick auf die Gegner. Der Verfasser der Pastoralbriefe greift die Falschlehrer nicht aus Lust am Streiten an. Gegnerbekmpfung und Gemeindeordnung hngen, wie gesehen, innerlich zusammen, und so dient die polemische Abwertung der Falschlehrer auch als Negativ-Folie fr die Profilierung der Gemeindeleiter. Die recht allgemein bleibende Tugend-Liste in den Anforderungen an den Episkopos (1Tim 3,2 f.) liest sich nicht nur grundstzlich wie das Gegenstck zu einem Lasterkatalog wie 2Tim 3,1 – 4; in der Forderung, nicht streitschtig und nicht geldliebend zu sein (%lawor, !vik²qcuqor), werden außerdem Haltungen genannt, die fr die Falschlehrer gerade nicht zutreffen98. So dient deren Abqualifizierung auch dazu, die Konturen des idealen Amtstrgers zu schrfen. Grundstzlich ist angesichts der scharfen Abgrenzungspolemik in den Pastoralbriefen auch zu bedenken, dass diese nicht Ausdruck einer umfassenden Abschottungsstrategie ist. Zum gesellschaftlichen Umfeld hin sind die Briefe sehr offen99. Diese Haltung ist theologisch begrndet im universalen Heilswillen Gottes (1Tim 2,4). Die in den Pastoralbriefen so berdeutlich gezogene Grenze zur Falschlehre hat wahrscheinlich auch damit zu tun, dass der Verfasser bei den Gegnern das Programm der ffnung zur Welt hin gefhrdet sah100. Er schließt den grenzmarkierenden Schlagbaum mit großem Getçse, um deutlich zu machen, dass hinter ihm der Weg in eine Sackgasse fhrt und sich in der entgegengesetzten Richtung eine weite Landschaft auftut. 97 S. dazu oben 2.4 Abschnitt b. 98 S. die Ausfhrungen zu (koco)lawe?m/kocolaw¸a und zur Geldgier (s. o. 2.3). 99 Dies zeigt sich nicht nur in Aussagen wie 1Tim 2,1 f.; Tit 3,1 f., sondern vor allem darin, dass die Beachtung der gesellschaftlich sanktionierten Rollenmuster als fçrderlich fr die Verkndigung des Evangeliums gilt. Dies belegen die Anweisungen zum Verhalten der Frauen (Tit 2,3 – 5) und der Sklaven (1Tim 6,1; Tit 2,9 f.). Die anerkannten Rollen sollen bernommen werden, damit die Lehre bzw. das Wort nicht gelstert bzw. geschmckt wird. 100 Wenn die Gegner die Ehe abgelehnt (1Tim 4,3) und alleinstehende Frauen sich ihnen angeschlossen haben (1Tim 5,15; auch 2Tim 3,6 f.), gehen ihre Vorstellungen offensichtlich nicht konform mit den Idealen des antiken oWjor, an denen sich der Verfasser der Pastoralbriefe orientiert (vgl. von Lips, Glaube 160).

322

Gerd Hfner

5. Folgerungen fr die geschichtliche Verortung der Pastoralbriefe Die zuletzt vorgetragenen berlegungen haben die Funktion der Polemik hinsichtlich der geschichtlichen Situation der Pastoralbriefe bedacht. Nun soll die Fragerichtung umgekehrt werden: Welche Rckschlsse sind aus der polemischen Strategie der Pastoralbriefe fr deren geschichtliche Situation zu ziehen? (1) Der massive Einsatz polemischer Mittel sttzt das Urteil, dass die Pastoralbriefe in einem konkreten Konflikt stehen und kein „Handbuch zur Irrlehrerbekmpfung“101 sein wollen. Die Gegner sind real und kein Platzhalter fr alle mçglichen antihretischen Kmpfe oder nur NegativFolie fr die eigene Position. Wer derart stark auf Polemik setzt, hat ein Gegenber, auf das sie sich richtet. (2) Die abschreckende Wirkung, auf die der Verfasser mit seiner Polemik setzt, will wohl nicht nur davon abhalten, sich der falschen Seite zuzuwenden; es geht ihm auch darum, Anhnger der gegnerischen Lehre zurckzugewinnen. Das Sprachspiel der Abgrenzung dient nicht der Beschreibung von nicht mehr berschreitbaren Gruppengrenzen, sondern der Markierung von „gesunder“ und falscher Lehre, von Wahrheit und „Mythen“. Und so hlt gerade der letzte Brief des Apostels fest: Das Handeln des Amtstrgers (doOkor juq¸ou) muss geleitet sein von dem Ziel, die Anhnger der Falschlehre zur Umkehr zu bewegen (2Tim 2,25). (3) Aus den negativen Stereotypen ber Kreter und Juden in Tit 1,10 – 16 ergeben sich ebenfalls Hinweise auf den geschichtlichen Ort der Pastoralbriefe, wenn auch in unterschiedlicher Hinsicht. Damit die Aktivierung des antikretischen Vorurteils im gewnschten Sinn funktionieren kann, ist die Adressatengruppe außerhalb Kretas vorauszusetzen. Es ist kaum vorstellbar, dass ein an die Gemeinden Kretas gerichteter Brief antikretische Polemik aufgreifen sollte, um die Falschlehrer zu diskreditieren. In diesem Fall msste der Autor frchten, dass sein Schuss nach hinten losgeht und gerade eine „Solidarisierung“ mit den Bekmpften stattfnde. Ein derart herbes Vorurteil kann nur dann erfolgreich eingesetzt werden, wenn es von der Zielgruppe vorbehaltlos geteilt wird. Dass christliche Gemeinden Kretas aus ihrer kretischen Identitt einfach aussteigen wrden und nur die brigen Kreter angesprochen shen, kann der Verfasser des Briefs nicht vorausset101 So aber z. B. Dibelius, Conzelmann, Pastoralbriefe, 54; Trummer, Paulustradition, 161 – 172; Schenk, Briefe, 3428. Einen berblick ber die Gegner-Diskussion bietet Pietersen, Polemic, 4 – 26.

Polemik in den Pastoralbriefen

323

zen102. Deshalb wirft die Gegnerpolemik an diesem Punkt auch Licht auf die geschichtliche Verortung des Titusbriefs. Wenn sich auch nicht erschließen lsst, an welchem Ort sich die Adressaten befinden, so doch, wo sie sich recht sicher nicht aufhalten. Der fiktive Charakter des Titusbriefs wird durch die konkrete Form der Gegnerpolemik unterstrichen. Anders im Fall der antijdischen Polemik. Sie hat sich als wesentlich weniger ausgeprgt zu erkennen gegeben103. Dass der Verfasser der Pastoralbriefe ohne Anhalt in der Charakteristik seiner Gegner solche jdischen Elemente in die entsprechenden Passagen eingebracht htte, ist schon deshalb unwahrscheinlich: Der polemische Gewinn ist eher gering. Gegen eine solche Folgerung spricht aber auch, dass die Gegner nicht einfach beliebig dargestellt werden konnten, weil fr die tatschlichen Adressaten erkennbar bleiben musste, wen „Paulus“ verurteilte. Ein entscheidender Unterschied zum Kreter-Zitat besteht auch darin, dass antijdische Vorurteile keine lokalen Begrenzungen aufweisen. Außerhalb Kretas kann man auf Zustimmung zur Schmhung der Kreter hoffen, um so die Gegner zu diskreditieren – auch wenn diese mit Kreta nichts zu tun haben. Es wird durch den fiktiven Bestimmungsort des Briefes ein solcher Zusammenhang suggeriert, von dem aus dann die Falschlehre am tatschlichen Bestimmungsort eingeordnet werden soll: Wenn die Adressaten erkennen, dass diese um sich greifende Lehre auch von den bel beleumundeten Kretern propagiert wird, werden sie, so die Strategie des Autors, eher bereit sein, sich von ihr abzuwenden. Dagegen funktionieren antijdische Stereotype nur, wenn jdische Merkmale an der bekmpften Gruppe auszumachen sind. Derartige Vorurteile lassen sich nicht mit einem bestimmten Ort verbinden, der den Adressaten fern ist. Und wenn diese in den Weisungen des „Paulus“ die Falschlehre nicht mehr erkennen kçnnen, liefe die Polemik Gefahr ins Leere zu laufen. Jdisch geprgte Traditionen mssen also in der bekmpften Lehre eine Rolle spielen104.

102 Dies scheint mir zu wenig bedacht in den gewiss vorsichtigen berlegungen von Gerber, Antijudaismus, 361, die nicht ausschließt, dass es dem Brief „um aktuelle Verhltnisse auf der Insel ging“. Deutlicher vertreten diese Lokalisierung z. B. Marshall, Pastoralbriefe, 85; Pietersen, Polemic, 112.141. 103 S.o. 2.4 Abschnitt d. 104 Zu Tit 1 als Hinweis auf den jdischen Hintergrund der gegnerischen Lehre vgl. auch Schlarb, Lehre, 83 – 86. Etwas unklar ist in dieser Hinsicht die Position von Schaefer, Gegnerpolemik. Einerseits bleibe „eine Identifizierung der Irrlehrer mit spezifisch jdischen Positionen zweifelhaft“ (ebd., 75), andererseits aber kçnne „man sie in einen jdischen Hintergrund einordnen“ (ebd., 70).

324

Gerd Hfner

(4) Ein signifikantes Profil der Polemik in den einzelnen Briefen hat sich nicht ergeben. Der Stil der Polemik ist in allen drei Briefen gleich: es dominiert eine Mischung aus dem Sprachspiel der Abgrenzung, der Abqualifizierung der Falschlehrer und der Falschlehre. Dabei kçnnen dieselben Begriffe in allen drei Briefen erscheinen (z. B. rcia¸mousa didasjak¸a, !k¶heia, paqait´olai, lOhoi) oder auch nur in zweien (z. B. !stow´y, kocolawe?m/kocolaw¸a). Der Titusbrief weist zugegebenermaßen gewisse Eigenheiten auf: Er nennt keine Namen von Gegnern, greift kein Negativ-Muster aus der alttestamentlich-jdischen Tradition auf und setzt stattdessen ein gngiges Vorurteil gegen Kreter ein. Dies lsst sich aber auch im Rahmen eines fiktiven Brief-Korpus erklren, in dem die Adressierung eines einzelnen Briefes an einen anderen Mitarbeiter sowie nach Kreta auch bei der Briefgestaltung bercksichtigt ist. Den obigen berlegungen zufolge kann die Polemik gegen die Kreter zudem nur außerhalb Kretas funktionieren – und dies passt gut zur Einbettung in ein Brief-Korpus, dessen Situationsangaben fingiert sind: Die tatschlichen Adressaten sollen in der Ablehnung der Falschlehre bestrkt werden, indem ihnen deren Verbreitung, noch dazu an einem „belasteten“ Ort, vor Augen gestellt wird. Auch die Differenzen in der strukturellen Einbindung zwischen 1. Timotheus/Titus einerseits und 2. Timotheus andererseits sind ohne Schwierigkeit mit der Korpus-These vereinbar (s. o. 3.2). Die nhere Untersuchung der Polemik kann also die Zusammengehçrigkeit der drei Briefe sttzen.

6. Ausblick Die in den Pastoralbriefen erkannten sechs polemischen Grundformen lassen sich den Mitteln der Polemik zuordnen, die der Germanist Jrgen Stenzel im Rahmen theoretischer berlegungen zur Polemik systematisiert hat105. Grundlegend lsst sich die polemische Situation durch ein Dreieck erfassen, in dem das polemische Subjekt (der Polemiker) und das polemische Objekt (der Angegriffene) und die polemische Instanz (der Adressat) miteinander verbunden sind106. Außerdem sind diese drei „Akteure“ jeweils mit 105 Vgl. Stenzel, Manichismus. Er bietet keine abschließende Definition des Begriffs Polemik, wohl aber Elemente: Polemik ist aggressive Rede, in der „unsachlicher Stil dominiert“ (ebd., 4), die aber gleichwohl argumentiert. 106 Zur konstitutiven Bedeutung des Adressaten vgl. auch Stauffer, Art. Polemik, 1404: Polemik will „argumentativ eine Entscheidung herbeifhren […]. Sie richtet sich daher primr nicht an den Bekmpften und dessen Ansicht, sondern an den Leser,

Polemik in den Pastoralbriefen

325

dem polemischen Thema verbunden, das sich in der Mitte des Dreiecks ansiedeln lsst107. Die argumentativen Mittel, die das polemische Subjekt einsetzen kann, fasst Stenzel in drei Kategorien zusammen: positive Selbstdarstellung, Akzentuierung und Unterstellung. Die Selbstprsentation als vir bonus wird in den Pastoralbriefen schon dadurch verwirklicht, dass die unumstrittene Autoritt Paulus als polemisches Subjekt vorgestellt wird. Auch das in den Briefen zu greifende Autorittsgeflle „Apostel – Apostelschler – Gemeindeverantwortliche“ trgt zu dieser Charakterisierung bei: Der Absender erscheint fraglos in der Position, polemische Wertungen einbringen zu kçnnen. Auf der sachlichen Ebene kann das Sprachspiel der Abgrenzung (s. 2.1) ebenfalls diesem polemischen Mittel zugeordnet werden. Die scharf benannte Grenze zwischen „wahr“und falsch“ qualifiziert auch die Anhnger der jeweiligen Seite in positiver bzw. negativer Hinsicht108. Damit kommt ein weiterer Aspekt in den Blick: Mit der positiven Selbstdarstellung hngt die Stigmatisierung des polemischen Objekts zusammen. Dazu „muß der Polemiker seinem Opfer pejorative Prdikationen anhngen“109. In den Pastoralbriefen wird dieses Mittel reichlich angewendet, wie die Ausfhrungen zur Abqualifizierung der Falschlehrer und der Falschlehre gezeigt haben (s. 2.2; 2.3). Dass negative Beispiele namentlich angefhrt werden (s. 2.5), kann ebenfalls hier theoretisch verortet werden. Die Akzentuierung hebt „solche Eigenschaften oder Handlungen des polemischen Objekts hervor, deren Tatschlichkeit unbestritten ist“110. Sie mssen deshalb nicht zutreffen, sondern kçnnen auch mit (weithin geteilten) Vorurteilen besetzt sein. Entscheidend fr die Abgrenzung von der Unterstellung ist: der Tatsachengehalt ist nicht fraglich. In den Pastoralbriefen kçnnte man auf die Prsentation der gegnerischen Position in 1Tim 4,3 verweisen, die so umschrieben wird, dass sie durch die anschließende schçpfungstheologische Argumentation zurckgewiesen werden kann (s. 2.6). Die Zugehçrigkeit der Falschlehrer zur Beschneidung und die Qualifizierung der Mythen als „jdisch“ (s. 2.4 Abschnitt d) kann ebenfalls als Akzentuierung verstanden werden: Es wird nichts Falsches behauptet, der

107 108 109 110

der mit allen zur Verfgung stehenden Mitteln letztinstanzlich auf die Seite des Polemisierenden gezogen werden soll“. Vgl. das Schaubild in Stenzel, Manichismus, 6. Dass Stenzel subtilere Weisen der Selbstprsentation als vir bonus im Blick hat (vgl. Manichismus, 7), tut der Vergleichbarkeit keinen Abbruch. Stenzel, Manichismus, 7. Stenzel, Manichismus, 8.

326

Gerd Hfner

Sachverhalt aber so ins Spiel gebracht, dass er bei der polemischen Instanz negativ wirkt. Die Unterstellung arbeitet mit zumindest fraglichem Tatsachengehalt, so dass das Argument mçglicherweise „unbewiesen bis unbeweisbar oder gar nachweislich falsch ist, sobald man nachsieht“111. Dieser Kategorie kann man in den Pastoralbriefen die Verwendung der Negativ-Muster zuordnen (s. 2.4, abzglich antijdischer Vorurteile, die als Akzentuierung zu verstehen sind). Dass die Falschlehrer als „endzeitliche Katastrophe“ vorgestellt werden und mit den gyptischen Zauberern der Plage-Erzhlungen zu vergleichen sind, ist ein ganz unbeweisbarer Gedanke. Und wenn das antikretische Vorurteil bedient wird, dann nicht deshalb, weil die Falschlehrer Kreter sind, sondern weil sie mit diesem Stereotyp belastet werden kçnnen. Whrend sich also Grundzge einer allgemeinen Theorie der Polemik mit den Daten aus den Pastoralbriefen gut verbinden lassen, zeigen sich bei der Beschreibung der historischen Einzelfalluntersuchung112 die Grenzen, die uns im Fall neutestamentlicher Schriften die Quellenlage setzt: Mit der Entstehung der polemischen Situation sowie mit Verlauf und Folgen der Polemik kçnnen wir uns nur auf der Grundlage der polemischen Schrift selbst befassen – und dies bestenfalls mit traditionsgeschichtlichen berlegungen verbinden, um einen Konflikt verstndlich zu machen. Wir kennen nur eine Seite. Dies macht es umso dringlicher, polemische Strategien zu durchschauen. Fr die Pastoralbriefe ergab sich dazu: Dass sie von solchen Strategien in vielfltiger Weise und strukturell berlegt bestimmt sind, weist auf die Absicht, die Adressaten von den Gegnern emotional zu distanzieren und deren Position als indiskutabel und hoffnungslos erscheinen zu lassen. Wenn die Falschlehrer als Negativ-Folie fr die Amtstrger eingesetzt werden, zeigt sich eine positive Funktion der Polemik. Sie besttigt sich, wenn man erkennt, dass sie ihre Aufgabe im Rahmen des Heilsuniversalismus der Pastoralbriefe erfllt. Aus dem hohen Maß an Polemik lassen sich schließlich Folgerungen ziehen fr die geschichtliche Situation, in der die Pastoralbriefe entstanden sind – nicht nur fr die Art des Konflikts, in dessen Zusammenhang sie verfasst wurden, sondern auch fr einige Details dieser Debatte. Die Markierung und Analyse der Polemik erlaubt einen (allerdings begrenzten) Blick hinter die Kulissen, die der Polemiker zur Inszenierung des Kampfes nach vorne geschoben hat. 111 Stenzel, Manichismus, 8. 112 Stenzel, Manichismus, 9 f.

Polemik in den Pastoralbriefen

327

Literatur Bauer, W., Griechisch-deutsches Wçrterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frhchristlichen Literatur, 6., vçllig neu bearbeitete Auflage, hg. von K. und B. Aland, Berlin/New York 1988. Brox, B., Die Pastoralbriefe (RNT), Regensburg 19895. Dibelius, M., Conzelmann, H., Die Pastoralbriefe (HNT 13), Tbingen 19664. Frenschkowski, M., Erkannte Pseudepigraphie? Ein Essay ber Fiktionalitt, Antike und Christentum, in: Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frhchristlichen Briefen, hg. von J. Frey u. a. (WUNT 246), Tbingen 2009, 181 – 232. Fuchs, R., Unerwartete Unterschiede. Mssen wir unsere Ansichten ber die Pastoralbriefe revidieren? (Bibelwissenschaftliche Monographien 12), Wuppertal 2003. Gerber, C., Antijudaismus und Apologetik. Eine Lektre des Titusbriefes vor dem Hintergrund der Apologie Contra Apionem des Flavius Josephus, in: Bçttrich, C., Herzer, J. (Hg.), Flavius Josephus und das Neue Testament. Wechselseitige Wahrnehmungen (WUNT 209), Tbingen 2007, 335 – 363. Glaser, T., Paulus als Briefroman erzhlt. Studien zum antiken Briefroman und seiner christlichen Rezeption in den Pastoralbriefen (NTOA/StUNT 76), Gçttingen 2009. Hfner, G. „Ntzlich zur Belehrung“ (2Tim 3,16). Die Rolle der Schrift in den Pastoralbriefen im Rahmen der Paulusrezeption (Herders Biblische Studien 25), Freiburg 2000. Hfner, G., Das Corpus Pastorale als literarisches Konstrukt, in: ThQ 187 (2007), 258 – 273. Hfner, G., Biographische Elemente der Paulusrezeption, in: Schmeller, Th. (Hg.), Historiographie und Biographie im Neuen Testament und seiner Umwelt (NTOA/StUNT 69), Gçttingen 2009, 179 – 207. Herzer, J., Abschied vom Konsens? Die Pseudepigraphie der Pastoralbriefe als Herausforderung an die neutestamentliche Wissenschaft, in: ThLZ 129 (2004), 1267 – 1282. Herzer, J., Juden – Christen – Gnostiker. Zur Gegnerproblematik der Pastoralbriefe, in: BThZ 25 (2008), 143 – 168. Herzer, J., Fiktion oder Tuschung? Zur Diskussion ber die Pseudepigraphie der Pastoralbriefe, in: Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frhchristlichen Briefen, hg. von J. Frey u. a. (WUNT 246), Tbingen 2009, 489 – 536. Johnson, L.T., The First and Second Letters to Timothy. A new translation with introduction and commentary (AncB 35 A), New York 2001. Karris, R.J., The Background and Significance of the Polemic of the Pastorals, in: JBL 92 (1973), 549 – 564. Klauck, H.-J., Die antike Briefliteratur und das Neue Testament. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, Paderborn 1998. Koster, S., Die Invektive in der griechischen und rçmischen Literatur (BKP 88), Meisenheim 1980. Lips, H. von, Glaube – Gemeinde – Amt. Zum Verstndnis der Ordination in den Pastoralbriefen (FRLANT 122), Gçttingen 1979.

328

Gerd Hfner

Liebermann, W.-L., Art. Invektive, in: DNP 5 (1998), 1049 – 1051. Lohfink, G., Die Normativitt der Amtsvorstellungen in den Pastoralbriefen, in: ThQ 157 (1977), 93 – 106. Marshall, I.H., A Critical and Exegetical Commentary on the Pastoral Epistles (ICC), Edinburgh 1999. Merz, A., Die fiktive Selbstauslegung des Paulus. Intertextuelle Studien zur Intention und Rezeption der Pastoralbriefe (NTOA 52), Gçttingen/Fribourg 2004. Mounce, W.D., Pastoral Epistles (WBC 46), Nashville 2000. Neuer Wettstein. Texte zum Neuen Testament aus Griechentum und Hellenismus, hg. von G. Strecker und U. Schnelle, Band II, Berlin 1996. Oberlinner, L., Die Pastoralbriefe, 3 Bnde (HThK XI/2,1 – 3), Freiburg 1994 – 96. Oberlinner, L., Antijudaismus in den Pastoralbriefen?, in: „Nun steht aber diese Sache im Evangelium …“. Zur Frage nach den Anfngen des christlichen Antijudaismus, hg. von R. Kampling, Paderborn 1999, 281 – 299. Pietersen, L.K., The Polemic of the Pastorals. A Sociological Examination of the Development of Pauline Christianity (JSNT.S 264), London 2004. Pietersma, A., Lutz, R.T., Jannes and Jambres, in: Charlesworth, J.H. (ed.), The Old Testament Pseudepigrapha, 2 Bnde, Garden City 1983/85. Pietersma, A., The Apocryphon of Jannes and Jambres, the magicians: P. Chester Beatty XVI (with new editions of Papyrus Vindobonensis Greek inv. 29456 + 29828 verso and British Library Cotton Tiberius B. v f. 87), Leiden 1994. Pratscher, W., Die Auseinandersetzung mit Gegnern in den Pastoralbriefen, in: SNTU.A 33 (2008), 5 – 24. Richards, W.A., Difference and Distance in Post-Pauline Christianity. An Epistolary Analysis of the Pastorals (Studies in Biblical Literature 44) New York 2002. Roloff, J., Der erste Brief an Timotheus (EKK XV), Zrich/Neukirchen-Vluyn 1988. Roloff, J., Der Weg Jesu als Lebensnorm (2 Tim 2,8 – 13). Ein Beitrag zur Christologie der Pastoralbriefe, in: Breytenbach, C., Paulsen, H. (Hg.), Anfnge der Christologie, FS F. Hahn, Gçttingen 1991, 155 – 167. Schaefer, C., Judentum und Gnosis? Die Gegnerpolemik im Titusbrief als Element literarischer Konstruktion, in: Weidemann, H.-U., Eisele, W. (Hg.), Ein Meisterschler. Titus und sein Brief (SBS 214), Stuttgart 2008, 55 – 80. Schenk, W., Die Briefe an Timotheus I und II und an Titus (Pastoralbriefe) in der neueren Forschung (1945 – 1985), in: ANRW II 25.4 (1987), 3404 – 3438. Schlarb, E., Die gesunde Lehre. Wahrheit und Hresie im Spiegel der Pastoralbriefe (MThSt 28), Marburg 1990. Schmidt, K.M., Mahnung und Erinnerung im Maskenspiel. Epistolographie, Rhetorik und Narrativik der pseudepigraphen Petrusbriefe (Herders Biblische Studien 38), Freiburg 2003. Speyer, W., Art. Polemik, in: DNP 10 (2001), 3 – 5. Standhartinger, A., Eusebeia in den Pastoralbriefen. Ein Beitrag zum Einfluss rçmischen Denkens auf das entstehende Christentum, in: NT 48 (2006), 51 – 82. Stauffer, H., Art. Polemik, in: Historisches Wçrterbuch der Rhetorik 6 (2003), 1403 – 1415.

Polemik in den Pastoralbriefen

329

Stegemann, W., Antisemitische und rassistische Vorurteile in Titus 1,10 – 16, in: KuI 11 (1996), 46 – 61. Stenzel, J., Rhetorischer Manichismus. Vorschlge zu einer Theorie der Polemik, in: Kontroversen, alte und neue. Akten des VII. Internationalen GermanistenKongresses Gçttingen 1985, Band 2: Formen und Formgeschichte des Streitens. Der Literaturstreit, hg. von A. Schçne, Tbingen 1986, 3 – 11. Thiessen, W., Christen in Ephesus. Die historische und theologische Situation in vorpaulinischer und paulinischer Zeit und zur Zeit der Apostelgeschichte und der Pastoralbriefe (TANZ 12), Tbingen 1995. Thiselton, A., Does the Bible Call All Cretans Liars? The Logical Role of the Liar Paradox in Titus 1:12,13. A Dissent from the Commentaries in the Light of Philosophical and Logical Analysis, jetzt in: ders. Thiselton on Hermeneutics. The collected works and new essays of Anthony Thiselton, Aldershot 2006, 217 – 228. Trummer, P., Die Paulustradition der Pastoralbriefe (BET 8), Frankfurt am Main 1978. Towner, Ph.H., The letters to Timothy and Titus (NICNT), Grand Rapids 2006. Wagener, U. Die Ordnung des „Hauses Gottes“. Der Ort der Frauen in der Ekklesiologie und Ethik der Pastoralbriefe (WUNT 2/65), Tbingen 1994. Weiser, A., Freundschaftsbrief und Testament. Zur literarischen Gattung des Zweiten Briefes an Timotheus, in: Risse, G. (Hg.), Zeit-Geschichte und Begegnungen. FS B. Neumann, Paderborn 1998, 158 – 170. Weiser, A., Der zweite Brief an Timotheus (EKK XVI), Zrich/Neukirchen-Vluyn 2003. Wolter, M., Die Pastoralbriefe als Paulustradition (FRLANT 146), Gçttingen 1986. Zimmer, C., Die Lgner-Antinomie in Titus 1,12, in: LingBib 59 (1987), 77 – 99. Zimmermann, R., Unecht – und doch wahr? Pseudepigraphie im Neuen Testament als theologisches Problem, in: Zeitschrift fr Neues Testament 12 (2003), 27 – 38.

Die Polemik um die Christologie im Ersten Johannesbrief und ihr Verhltnis zu den polemischen Zgen des Johannesevangeliums Enno Edzard Popkes Thematische Hinfhrung Der Leser der johanneischen Briefe sieht sich mit einem eigentmlichen Phnomen konfrontiert. Wie kaum ein anderer Autor der neutestamentlichen Schriften bemht sich der Autor des ersten Johannesbriefs darum, das Wesen der Liebe Gottes und die Bedeutung des Liebesgebots zu reflektieren1. Entsprechend versucht er seinen Adressaten zu erlutern, in welcher Weise die gegenseitige Liebe der Glaubenden die angemessene Reaktion auf die Liebe Gottes ist, die er in der Sendung bzw. Dahingabe seines Sohnes offenbart hat (so bereits 1Joh 2,7 – 11 und v. a. 1Joh 4,19 – 21)2. Im Zeichen dieser Liebe sollen die Mitglieder der johanneischen Gemeinden sogar dazu bereit sein, sich bis zur Selbstaufopferung fr Mitchristen einzusetzen (1Joh 3,16). Gleichwohl weisen die johanneischen Briefe eine Polemik gegenber Kontrahenten innerhalb der eigenen Gemeinde auf 3, deren Schrfe im Spektrum neutestamentlicher Schriften nahezu keine Analogie besitzt4. 1 2

3

Vgl. diesbezglich insbesondere das johanneische ,Hohelied der Liebe Gottes‘ 1Joh 4,7 – 5,4. Zum Motiv der Liebe Gottes in den johanneischen Schriften bzw. zum johanneischen Liebesgebot vgl. u. a. Popkes, Die Theologie der Liebe Gottes in den johanneischen Schriften; Augenstein, Das Liebesgebot im Johannesevangelium und in den Johannesbriefen; Segovia, Love Relationships in the Johannine Tradition; Vadakethala, Love to the Brethern in John; Sçding, „Gott ist Liebe“: 1Joh 4,8.16 als Spitzensatz Biblischer Theologie. Die themenspezifisch relevanten Zge der johanneischen Briefe sprechen alle dafr, dass es sich um einen innergemeindlichen und nicht um einen von außen an die Gemeinde herangetragenen Konflikt handelt. Zudem dokumentieren die entsprechenden Texte deutlich, dass die johanneischen Briefe auf konkrete historische Konflikte anspielen und es sich bei dieser Gegnerpolemik nicht um eine ahistorische Stilisierung vermeintlicher Gegnerfiguren handelt (gegen Schmid, Gegner im 1. Johannesbrief ?, 289f.: „Es gibt die Gegner in 1Joh, aber nicht außerhalb. Es gibt sie

332

Enno Edzard Popkes

Die von dem (bzw. den) Briefautoren angegriffenen Kontrahenten werden schlicht als ,Antichristen‘ bzw. ,Teufelskinder‘ diffamiert (1Joh 2,18ff.; 3,7 – 10; 2Joh 7). Selbst eine Frbitte fr Gemeindegeschwister, die eine (nicht nher spezifizierte) ,Todsnde‘ begangen haben, wird abgelehnt5. Wer nicht eine angemessene Lehrmeinung vertrete, dem drfe keine Gastfreundschaft gewhrt werden, ja er drfe nicht einmal gegrßt werden (2Joh 10f.). Die skizzierte Dialektik wurde zuweilen als ein Indiz dafr gewertet, dass die johanneische Theologie eine „partikularistische Konventikelethik“6 propagiere, in der das jesuanische Liebesgebot strikt auf eine kleine Schar (vermeintlich) Rechtglubiger beschrnkt wird7. Eine solche Einschtzung wird der Grundausrichtung johanneischer Theologie jedoch nicht gerecht. Die Schrfe der angesprochenen Polemik kann nur angemessen verstanden werden, wenn herausgearbeitet wird, inwieweit es sich bei den Ausfhrungen v. a. des ersten Johannesbriefes nicht nur um situationslose Reflexionen ber das Wesen der gçttlichen und innergemeindlichen Liebe handelt, sondern inwiefern diese Ausfhrungen durch konkrete innergemeindliche Konflikte provoziert wurden, die offensichtlich zum Zerbrechen der johanneische(n)

4

5

6 7

nmlich nur durch den Text als dessen Konstruktion und Selbstreferenz, d. h. die Gegner dienen in erster Linie der Selbstdarstellung der Gemeinde. […] Die Gemeinde braucht nicht 1Joh zum Schutz vor den Gegnern, sondern sie braucht die Gegner, um auf eine bestimmte Weise wirkungsvoll von sich selbst sprechen zu kçnnen.“ [Hervorhebungen von Schmid]). Vergleichsgrçßen lassen sich am ehesten noch in den Kontroversen des Paulus mit jdischen bzw. judenchristlichen Kontrahenten (vgl. u. a. Gal 2,14 – 16; Rçm 11,28a; Phil 3,8 etc.) bzw. in den Sendschreiben der Johannesapokalypse beobachten (vgl. besonders Apk 2,6: !kk± toOto 5weir, fti lise?r t± 5qca t_m Mijokazt_m $ j!c½ lis_.). Strittig bleibt, was mit einer solchen "laqt¸a pq¹r h²matom konkret gemeint ist (whrend z. B. Klauck, Der erste Johannesbrief, 330, einen Bezug zur ,Snde gegen den heiligen Geist‘ [Mk 3,28f.; Lk 12,10; Mt 12,31f.] vermutet, sieht Metzner, Das Verstndnis von Snde im Johannesevangelium, 296f., einen Bezug zum Motiv der ,zweiten Buße‘). Diese Interpretationsfreirume kçnnen jedoch auf der Grundlage der johanneischen Schriften nicht weiter eingegrenzt werden So Schrage, Ethik des Neuen Testamentes, 300. Entsprechend resmiert Ksemann, Jesu letzter Wille nach Johannes 17, 136: „Der irdische Jesus, der zu den Sndern und Zçllnern ging und das Gleichnis vom barmherzigen Samariter erzhlte, ist ebenso ferngerckt wie die paulinische Verkndigung von der Rechtfertigung der Gottlosen.“ Zur entsprechenden Deutung der johanneischen Theologie vgl. Rese, Das Gebot der Bruderliebe in den Johannesbriefen, 57f.; Houlden, Ethics and the New Testament, 36; Sanders, Ethics in the New Testament, 100; Segovia, The Love and Hatred of Jesus and the Johannine Sectarianism, 272.

Die Polemik um die Christologie

333

Gemeinde(n) gefhrt haben8. Angesichts dessen soll in der vorliegenden Studie dargestellt werden, in welcher Weise die johanneischen Briefe die sukzessive Steigerung der durch die innergemeindlichen Spannungen provozierten Polemik erkennen lassen und inwiefern die johanneische Christologie auch und gerade vor diesem Hintergrund eine intensive Reflexion und Ausdifferenzierung erfuhr. Aus diesem Grund sollen im Folgenden zunchst die beiden kleineren johanneischen Briefe betrachtet werden (1.), um anschließend die themenspezifisch relevanten Zge des ersten Johannesbriefs darstellen zu kçnnen (2.). Vor diesem Hintergrund soll schließlich untersucht werden, in welchem Verhltnis die Polemik um die Christologie im ersten Johannesbrief zu den entsprechenden Facetten des Johannesevangeliums steht (3.).

1. Polemische Zge des zweiten und dritten Johannesbriefs Die beiden kleinen Johannesbriefe, die im Gegensatz zum ersten Johannesbrief explizit von einem namentlich nicht nher identifizierten Alten bzw. ltesten verfasst wurden, dokumentieren in unterschiedlicher Weise die innergemeindlichen Spannungen, die als Ursache der in diesen Zeugnissen vorliegenden Polemik zu verstehen sind. Im dritten Johannesbrief sind lediglich die Anstze eines innergemeindlichen Konflikts erkennbar. Die superscriptio und adscriptio bzw. der Epilog und das Postskript lassen erkennen, dass der Adressat Gajus dem Verfasser freundschaftlich verbunden ist9. Dieser positiven Stimmung entspricht es, dass im Briefkorpus zunchst von einer regen Missionsttigkeit gesprochen wird, in deren Rahmen Wandermissionare in den verschiedenen Gemeinden gastfreundschaftliche Aufnahme erfahren haben (vgl. v. a. 3Joh 7). Dieses Verhalten wird explizit als eine den Gemeinden obliegende Aufgabe gekennzeichnet (3Joh 8)10. Im Kontrast hierzu rgt der Verfasser des Briefs jedoch eine namentlich identifizierte Person, die solche wandermissionarische Aktivitten nicht unter8 Vgl. die Formulierung 1Joh 2,19 a [1n Bl_m 1n/kham !kkû oqj Gsam 1n Bl_m·eQ c±q 1n Bl_m Gsam, lelem¶jeisam #m lehû Bl_m], die ein sich bereits vollziehendes Gemeindeschisma zu umschreiben scheint. 9 Zu den epistolographischen Kategorisierungen des zweiten und dritten Johannesbriefs vgl. Klauck, Die antike Briefliteratur und das Neue Testament, 259. 10 Neben 3Joh 3.5 – 8.12 scheinen auch Textpassagen wie 1Joh 4,1b; 2Joh 7a indirekte Aussagen ber die missionarischen Aktivitten der johanneischen Gemeinde zu implizieren (vgl. hierzu Rodrguez Ruiz, Der Missionsgedanke des Johannesevangeliums, 73 – 162).

334

Enno Edzard Popkes

sttzt und andere nicht eigens benannte Personen zu einem entsprechenden Verhalten motiviert (3Joh 9f.). Dieses Verhalten wird von dem Presbyter scharf verurteilt und als Indiz gewertet, dass die kritisierte Person kein angemessenes Verhalten gegenber Gott an den Tag legt. Dabei wird eine Begrndung fr die Ursachen dieses Fehlverhaltens angefhrt, die im Zusammenhang des ersten Johannesbriefs in einer noch weit schrferen Form formuliert wird und die Zge eines deterministischen Weltbildes impliziert (vgl. v. a. 3Joh 11b mit 1Joh 3,7 – 10). Als Ursache fr diese innergemeindlichen Spannungen wird vom Briefautor lediglich die persçnliche Eitelkeit des kritisierten Diotrephes angefhrt, dem er vorwirft, eine exponierte Stellung innerhalb der gemeindlichen Hierarchien einnehmen zu wollen (vgl. 3Joh 9b). Aus diesem Grunde wrde er sich weigern, einen von verschiedenen Gemeinden bzw. Autoritten respektierten Missionar bzw. Boten namens Demetrius aufzunehmen (V. 12). Eine przisere theologische Bestimmung der Ursachen dieses Konfliktes wird im Gesamtzusammenhang des dritten Johannesbriefs jedoch nicht formuliert. Im Gegensatz hierzu werden die innergemeindlichen Konfliktpotenziale im zweiten Johannesbrief wesentlich prziser zur Geltung gebracht. Dies kann nicht zuletzt darin begrndet sein, das der dritte Johannesbrief an eine Einzelperson adressiert ist, whrend sich der Presbyter mit dem zweiten Brief an eine bzw. mehrere Gemeinden wendet11. Die entscheidenden Konfliktpotenziale sind dabei ethischer und christologischer Natur. Der Presbyter lobt seine Adressaten zunchst dafr, dass sie die Wahrheit bewahren und das zentrale Gebot der gegenseitigen Liebe praktizieren (2Joh 2 – 6)12. Er warnt die Gemeinde vor Irrlehrern, die die Fleischwerdung Jesu Christi leugnen (V. 7). Mit diesen beiden Motiven benennt der Presbyter die beiden Konfliktpotenziale, die auch die zentralen Diskussionsgegenstnde des ersten Johannesbriefs bilden und dort – im Gegensatz zu den beiden kleinen Johannesbriefen – einer eingehenden Reflexion unterzogen werden. Bevor diese Reflexionen im folgenden Arbeitsschritt betrachtet werden sollen, gilt es sich einen Sachverhalt zu vergegenwrtigen, der fr die Interpretation der polemischen Zge der Johannesbriefe von entscheidender Bedeutung ist. 2Joh 7 spricht nmlich deutlich dafr, dass es sich bei den 11 Zur Interpretation der adscriptio 2Joh 1a 1jkejt0 juq¸ô ja· to?r t´jmoir aqt/r vgl. Klauck, Der zweite und dritte Johannesbrief, 33f. 12 Zum Verhltnis der in 2Joh 4 – 6 vorliegenden Rede vom ,neuen Gebot‘ zu zur johanneischen Reformulierung des Nchstenliebegebots in Joh 13,34f. vgl. Popkes, Theologie der Liebe Gottes, 130f. Vgl. auch die Beitrge Weder, Das neue Gebot; Wischmeyer, Das alte und das neue Gebot.

Die Polemik um die Christologie

335

kritisierten Irrlehrern um ehemalige Gemeindeglieder handelt, die von dem Presbyter nun schlicht als Verfhrer (pk²moi) bzw. ,Antichristen‘ (!mt¸wqistoi) diffamiert werden13. Dieses Motiv wird in den polemischen Zgen ebenfalls erkennbar, die im Folgenden in die Diskussion einbezogen werden sollen.

2. Die Polemik um die Christologie im Ersten Johannesbrief Ebenso wie im zweiten und dritten Johannesbrief begegnen auch in unterschiedlichen Argumentationszusammenhngen des ersten Johannesbriefs ußerst polemische Aussagen. In diesem Dokument ist hingegen noch deutlicher als bei den beiden kleinen Briefen zu erkennen, wie sehr diese Polemik durch die konkreten Kontroversen verursacht ist, an denen die johanneischen Gemeinden zu zerbrechen drohen. Offensichtlich ist der Autor des ersten Johannesbriefs seinen Adressaten derart gut bekannt, dass er es nicht nçtig hat, sich selbst, geschweige denn sein Anliegen, vorzustellen. Zu diesem Phnomen passt es, dass der Autor seine Adressaten mittels einer familienmetaphorisch geprgten Sprache als ,Geliebte‘ bzw. ,Kinder‘ anspricht (vgl. 1Joh 2,1.12.18 etc.). Der erste Johannesbrief entbehrt wesentlicher Elemente klassischer antiker Epistolographie und setzt stattdessen ebenso abrupt wie vehement mit einer Argumentation ein, die sich den konkreten Konfliktpunkten der innergemeindlichen Kontroversen widmet14. Die in Anstzen einem Proçmium hnelnde Texteinheit 1Joh 1,1 – 5 darf dabei keineswegs als eine situationslose Abhandlung ber das Wesen der gçttlichen Offenbarung geschweige denn als eine ontologisierende These ber das Licht-Wesen Gottes verstanden werden. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine erste Vorbereitung der Auseinandersetzung mit den innergemeindlichen Gegnern, die explizit in 1Joh 13 Entsprechend konstatiert Lietaert Peerbolte, The Antecedents of Antichrist, 96ff. bzw. 113: „The author[s] of 1 and 2 John use[s] it to describe and legitimize the situation of the Johannine community. By interpreting the conflict that split the community as the coming of the Antichrist, the author[s] represent this conflict as being planned by God and as proof of the nearness of the end.“ 14 Ausfhrlich hierzu vgl. Schwankl, Licht und Finsternis, 288ff., bzw. Strecker, Die Johannesbriefe, 74f. Gerade die thematische und stilistische Nhe zu den beiden kleinen Johannesbriefen und der vergleichbare Sitz im Leben dokumentieren, dass der erste Johannesbrief in der Tat als Brief verstanden werden kann (so treffend Klauck, Die Johannesbriefe, 152ff.).

336

Enno Edzard Popkes

2,7 – 11 gefhrt wird15. Die Entwicklung der Argumentation kann folgendermaßen nachgezeichnet werden. Im direkten Anschluss an die einleitenden Worte 1 Joh 1,1 – 4 formuliert der Verfasser des ersten Johannesbriefs die These, dass Gott Licht ist und keine Finsternis in sich trgt (1Joh 1,5b b he¹r v_r 1stim ja· sjot¸a 1m aqt` oqj 5stim oqdel¸a). Er betont, dass die Glaubenden dieses Wissen von Jesus anvertraut bekommen haben und nun ihrerseits weiter tradieren (V. 5a). Diese Leitthese, die „dem ganzen Abschnitt […] als wesentlichster Grundgedanke“16 vorangestellt ist, wird im Folgenden zunchst auf ihre Relevanz fr eine angemessene Gemeinschaft der Glaubenden mit Gott (1Joh 1,6a […] joimym¸am 5wolem letû aqtoO) bzw. der Glaubenden untereinander (vgl. V. 7ba […]joimym¸am 5wolem letû !kk¶kym)17 und in bezug auf das Verstndnis der ,Snde‘ bzw. ,Sndenerkenntnis‘ angewendet (1Joh 1,8 – 2,2 bzw. 2,3 – 6). Die Argumentation mndet schließlich in eine Kontrastierung der Motive des ,Licht‘- und ,Finsternis-Wandels‘, durch welche ein angemessenes und unangemessenes Verhalten gegenber Gott und den Gemeindemitgliedern umschrieben werden soll (1Joh 2,7f.). Lediglich ein ,Wandel im Licht‘ gewhrleiste eine Partizipation an der Gottesgemeinschaft und an der shnenden Kraft des Blutes Christi (V. 7). Dieses Motiv wird im Folgenden auf das Gebot der Geschwisterliebe bezogen, welches als ethische Konkretion jenes ,Lichtwandels‘ beschrieben wird, whrend der Hass gegen die Geschwister als Pendant zu einem ,Finsterniswandel‘ verstanden wird18. Fr die vorliegende Fragestellung ist dabei von besonderer Relevanz, dass in diesem Zusammenhang zum ersten Mal innerhalb des ersten Johannesbriefs die Selbsteinschtzung der Kontrahenten paraphrasiert wird, deren Agitationen die vehemente Polemik des Schreibens provoziert hat (vgl. die paraphrasierende Wiedergabe der gegnerischen Selbsteinschtzung 1Joh 2,9a j k´cym 1m t` vyt· eWmai und die unmittelbar folgende Bestandsaufnahme des Briefverfassers in 1Joh 2,9b ja· t¹m !dekv¹m aqtoO lis_m 1m t0 sjot¸ô 1st·m 6yr %qti. Dieser Aspekt entspricht einer Quintessenz des johanneischen Hoheliedes der Liebe Gottes (1Joh 4,7 – 5,4), in welchem die ethischen Argumentationen von 1Joh 2,7 – 11 aufgenommen werden, in die neben dem paulinischen Hohelied der Liebe Gottes (1Kor 13) die ausfhrlichsten neutes15 So Schnelle, Antidoketische Christologie im Johannesevangelium, 66. 16 Treffend Uebele, „Viele Verfhrer sind in die Welt ausgegangen“, 137. 17 Zu diesem fr die johanneische Ekklesiologie grundlegenden Motiv vgl. Rusam, Die Gemeinschaft der Kinder Gottes, 181f. 18 Zum Verhltnis der metaphorischen und ethischen Aussageebenen vgl. Bogart, Orthodox an Heretical Perfectionism in the Johannine Community as Evident in the First Epistle of John, 124; hnlich Segovia, Love Relationships, 75ff.

Die Polemik um die Christologie

337

tamentlichen Reflexionen ber das Wesen und die Bedeutung der Liebe Gottes und der gegenseitigen Liebe der Glaubenden mnden19. Auch in diesem Zusammenhang wird zunchst der Selbstanspruch der kritisierten Personen paraphrasiert (1Joh 4,20aa 1²m tir eUp, fti !cap_ t¹m he¹m), um anschließend das ethische Verhalten als Kriterium fr die Berechtigung bzw. Nichtberechtigung des Selbstanspruchs zu erklren (1Joh 4,20ab ja· t¹m !dekv¹m aqtoO lis0, xe¼stgr 1st¸m). Ebenso wie in 1Joh 4,20 steht auch bereits in 1Joh 2,9 – 11 die parnetische Ermahnung der Adressaten im Vordergrund. 1Joh 2,9a zufolge kann niemand fr sich in Anspruch nehmen, im Licht zu sein, wenn er sich nicht solidarisch gegenber seinen Glaubensgeschwistern verhlt20. Er ist noch immer der Finsternis verhaftet (V. 9b). Im Licht verweilt nur, wer seine Glaubensgeschwister liebt (V. 10a) und so keinen Anstoß erregt (V. 10b). Das ethische Anliegen der gesamten Argumentation wird in V. 11 nochmals rekapituliert, indem nun nicht die unangemessene Selbsteinschtzung der Gegner angesprochen wird, sondern deren Verhalten: Wer seine Glaubensgeschwister hasst, bleibt in der Finsternis und weiß nicht, wohin er geht (V. 11). Auf diese Weise erreicht der Verfasser des ersten Johannesbriefs das Ziel seiner Argumentation, dass er durch die bereits in 1Joh 1,5b formulierte These vorbereitet hat, der zufolge Gott Licht ist. Fr ein angemessenes Verstndnis der polemischen Zge der skizzierten Argumentationen ist dabei zu beachten, dass die Verwendung der lichtmetaphorischen Motive offensichtlich durch einen entsprechenden Sprachgebrauch der Konkurrenten provoziert wurde. Hierfr spricht einerseits, dass ein entsprechender Selbstanspruch stets den kritisierten Personen zugewiesen wird (vgl. v. a. 1Joh 2,9a). Andererseits fllt auf, dass mit den ethischen Ermahnungen in 1Joh 2,7 – 11 die Verwendung lichtmetaphorischer Aussagen endet. Stattdessen tritt nun die Ermahnung zur ge-

19 Zum Anliegen und Struktur des aus sechs Argumentationsschritten bestehenden Textabschnitts 1Joh 4,7 – 54 vgl. Popkes, Die Theologie der Liebe Gottes, 93ff. 20 Die dabei verwendete Rede vom ,Bruderhass‘ kann in Anlehnung an traditionsgeschichtliche Vorgaben wie Dtn 21,15 – 17; Prov 13,23 etc. als Paraphrase von ,nicht lieben‘verstanden werden kann. Vgl. Fabry, „Liebe“ in den Handschriften von Qumran, 61: „Der Haß artikulierte sich einzig in der konsequenten Ab- und Ausgrenzung der immer schon und noch immer Außenstehenden.“ hnlich Michel, Art. lis´y, 694.

338

Enno Edzard Popkes

genseitigen Liebe der Glaubenden endgltig in das Zentrum der Argumentationen21. Die skizzierten ethischen Forderungen bilden jedoch keineswegs das einzige Konfliktpotenzial, welches der Verfasser des ersten Johannesbriefes anspricht. Er fordert ebenso, dass das angemessene christologische Bekenntnis eine conditio sine qua non einer Zugehçrigkeit zu den johanneischen Gemeinden bildet. Integrale Bestandteile desselben sind das Bekenntnis der Gottessohnschaft Jesu (1 Joh 4,15), der Messianitt Jesu (1Joh 2,22; 5,1) und der Inkarnation (1Joh 4,2; vgl. 2Joh 7). Wer diesem status confessionis nicht zustimmen kçnne, msse als „Antichrist“ verstanden werden (vgl. 1Joh 2,22; 4,3; 2 Joh 7). Verschiedentlich wurde versucht, anhand der skizzierten Motive das religionsgeschichtliche Profil der kritisierten Gegner zu eruieren. Auf der Grundlage der berlieferten Texte der johanneischen Schule kçnnen jedoch nur schemenhafte Charakteristika derselben herausgearbeitet werden22. So wurde z. B. versucht, die in 1Joh 2,7 – 11 vorliegenden lichtmetaphorischen Aussagen von entsprechenden Motiven herzuleiten, die in qumranischen Zeugnissen begegnen23. Diese Affinitten sind nicht zuletzt deshalb von besonderer Relevanz, weil auch die Lichtmetaphorik des Johannesevangeliums eine Reihe von Berhrungen mit qumranischen Vorstellungen aufweist24. Gleichwohl sind diese motivlichen Berhrungen nicht hinreichend, um ein traditionsgeschichtliches Verhltnis geschweige denn einen unmittelbaren Kontakt zwischen essenisch-qumranischen und johanneischen Kreisen postulieren zu kçnnen25.

21 Entsprechend resmiert Schwankl, Licht, 309: „Daß […] weit hufiger von der Liebe als von Licht die Rede ist, drfte symptomatisch sein. v_r wird im Verlauf des Briefes von !c²pg gleichsam berholt und abgelçst.“ 22 Zu methodischen Problemen und entsprechenden Rekonstruktionsversuchen vgl. u. a. Strecker, Johannesbriefe, 75ff.; Bauckham, The Qumran Community and the Gospel of John; ders., Qumran and the Fourth Gospel: Is there a Connection?. 23 So z. B. in Bezug auf das Motiv des ,Umhergehens in der Finsternis‘ in 1Joh 2,11ba (1m t0 sjot¸ô peqipate? ) bzw. in 1QS 3,21; 4,11. 24 Exemplarisch sei verwiesen auf die Rede von den ,Kindern des Lichts‘ (vgl. uRo· vyt¹r [Joh 12,36] mit 794 =DD [1QS 1,9; 2,16; 3,13.24f.; 1QM 1,1.3.9.11.13; 4QMidrEschata III,8f. = 4Q174 1 – 2 I,8f. etc.]). 25 Gegen u. a. Maier, Schubert, Die Qumran-Essener, 133, denen zufolge „die hnlichkeiten dermaßen auffallend (sind), daß ein enger Zusammenhang nicht geleugnet werden kann.“ Tendenziell hnlich Charlesworth, A Critical Comparison of the Dualism in 1QS 3:13 – 4:26 and the „Dualism“ Contained in the Gospel of John, 101f.

Die Polemik um die Christologie

339

Neben essenisch-qumranischen Vergleichsgrçßen wurde verschiedentlich versucht, die skizzierten Konfliktpotenziale als Indizien dafr zu werten, dass der Verfasser des ersten Johannesbriefes eine Auseinandersetzung mit frhgnostisch-gnostischen Traditionsbildungen fhrt26. In der Tat kann konstatiert werden, dass lichtmetaphorische Spekulationen und doketische Vorstellungen in gnostischen Originalzeugnissen in einem facettenreichen Spektrum belegt sind. Exemplarisch sei verwiesen auf das Apokryphon des Johannes (NHC II,1 31,1ff.23f.); Evangelium Veritatis (NHC I/3 43,9 – 24); Thomasevangelium (NHC II,2 10.11.16.24.33.50.61.77.83); Philipperevangelium (NHC II,3 69,8 – 14). Gleichwohl muss festgehalten werden, dass die Entstehung gnostischer Traditionsbildungen deutlich spter anzusetzen ist als die Abfassungszeit der johanneischen Schriften27. Wesentlich naheliegender ist es hingegen, wenn man das Verhltnis der skizzierten polemischen Argumentationen im ersten Johannesbrief mit den themenspezifisch relevanten Zgen des Johannesevangeliums vergleicht, insofern „die im ersten Brief bearbeitete Krise im johanneischen Kreis […] auch in einigen Passagen des Evangeliums seine Spuren hinterlassen zu haben scheint.“28

26 So versteht z. B. Schnackenburg, Die Johannesbriefe, 116, den in 1Joh 2,11 erhobenen Vorwurf ja· oqj oWdem poO rp²cei als einen „Faustschlag ins Angesicht der Gnostiker“, die ja eigentlich den Selbstanspruch vertreten, darum zu wissen, woher sie kommen und wohin sie gehen (vgl. Clemens von Alexandrien, excerpta ex Theodoto 78,2). Vgl. ferner Uebele, Verfhrer, 144; Schwankl, Licht, 287; Beutler, Die Johannesbriefe, 24f. 27 Zur Verhltnisbestimmungen johanneischer und gnostischer Traditionsbildungen vgl. u. a. Wucherpfenning, Heracleon Philologus, 2ff.; Rudolph, Zum Streit um Johannes gnosticus, 415ff.; Scholtissek, Johannes auslegen, 36f. Zu den religionshistorischen Problemen des die Forschungsdiskurse whrend langer Zeit dominierenden Postulats eines vorjohanneischen, gnostischen Erlçsungsmythos vgl. Schnackenburg, Das Johannesevangelium; Frey, Die johanneische Eschatologie. Bd. I: Ihre Probleme im Spiegel der Forschung seit Reimarus, 129 – 140. 28 So Frey, Die johanneische Eschatologie. Bd. III: Die eschatologische Verkndigung in den johanneischen Texten, 58, der hierin ein deutliches Argument fr die Einschtzung erkennt, dass die Abfassung des Johannesevangeliums nach der Abfassung der johanneischen Briefe stattgefunden hat.

340

Enno Edzard Popkes

3. Das Verhltnis der polemischen Zge der Johannesbriefe und des Johannesevangeliums Nahezu alle theologischen Themenfelder, die in den johanneischen Briefen als Konfliktpotenziale innerhalb der johanneischen Gemeinde benannt werden, werden auch im Johannesevangelium thematisiert. So kçnnen z. B. die inkarnationstheologischen bzw. antidoketischen Zge der Lebensbrotrede (Joh 6,51ff.) und die Erzhlung von dem Schisma unter den Jngern (Joh 6,60ff.) als eine fortgeschrittene Reflexion der antidoketischen Streitigkeiten bzw. des Gemeindeschismas verstanden werden, welche in der johanneischen Briefkorrespondenz dokumentiert sind29. Entsprechend scheinen auch die in den johanneischen Briefen thematisierten Streitigkeiten um das Liebesgebot die Gestaltung der in Joh 13,34f. vorliegenden Modifikation des Liebesgebots beeinflusst zu haben30. Umso bemerkenswerter ist es, dass im Johannesevangelium nicht nur thematische Konfliktpotenziale der johanneischen Briefe ihre Analogien besitzen, sondern auch die polemischen Zge, die die Argumentationen des Presbyters prgen, insbesondere in der stark stilisierenden Darstellung der jdischen Gesprchspartner Jesu. Dieser Sachverhalt soll im Folgenden an einer Sequenz erlutert werden, die nicht nur im Kontext der johanneischen Schriften, sondern auch im Gesamtzusammenhang des neutestamentlichen Kanons eine der schrfsten polemischen Argumentationen aufweist, nmlich an der in Joh 8,31 – 47 vorliegenden Kontrastierung der Motive einer Gottes- und Teufelskindschaft. Aus diesem Grund soll im Folgenden zunchst die narrative Einbettung dieser speziellen Kontroverse innerhalb der Streitgesprche zwischen dem johanneischen Jesus und ,den Juden‘ zur Geltung gebracht werden (3.1). Daraufhin soll dargestellt werden, inwieweit die in den johanneischen Briefen dokumentierten Streitigkeiten einen Hintergrund der in Joh 8,31 – 47 vorliegenden Polemik bilden kann (3.2). 3.1 Zur narrativen Einbettung von Joh 8,31 – 47 Die in Joh 8,31 – 47 inszenierte Kontroverse um die Abrahams- bzw. Gotteskindschaft der Kontrahenten Jesu verkçrpert einen Hçhepunkt innerhalb der Auseinandersetzungen zwischen Jesus und den Juden im Johannes29 Zu diesen Entwrfen vgl. Schnelle, Christologie, 249ff. 30 Ausfhrlich hierzu vgl. Popkes, Die Theologie der Liebe Gottes, 257ff.

Die Polemik um die Christologie

341

evangelium31. Diese Konfrontation wurde durch den bisherigen Erzhlverlauf vorbereitet, der die Auseinandersetzungen zwischen Jesus und den Juden sukzessive steigert. Eine erste Reminiszenz der jdischen Ablehnung Jesu findet sich bereits im Johannesprolog (Joh 1,11)32. Expressis verbis wird von den Youda?oi jedoch erst im Corpus des Evangeliums gesprochen. In den ersten vier Kapiteln begegnen nur neun neutrale bzw. positive Aussagen ber ,die Juden‘. Sie treten jedoch in den folgenden Kapiteln in den Vordergrund und ihre Darstellung nimmt zunehmend polemische Zge an. Eine thematische Schlsselfunktion kommt Joh 5,16.18 zu, insofern bereits in diesem relativ frhen Kontext den Youda?oi die Absicht unterstellt wird, Jesus verfolgen bzw. hinrichten zu wollen. Dieses Motiv begleitet die weitere Struktur der Erzhlung und kulminiert in dem endgltigen Todesbeschluss (Joh 11,45 – 53)33. Nach diesem Hçhepunkt der Konfrontation treten, die Juden‘ in Joh 12 und den Abschiedsreden zunchst in den Hintergrund34. Erst in der Passions- bzw. Auferstehungserzhlung Joh 18 – 20 steht die Kontrastierung von Jesus und den Juden wieder im Vordergrund, insofern nun die beschlossene Hinrichtung ausgefhrt wird. Whrend somit der Hçhepunkt der Feindseligkeiten, die Jesus entgegengebracht werden35, erst in der Passionserzhlung beschrieben wird, bietet die Sequenz Joh 8,31 – 47 die polemischsten Aussagen Jesu gegenber seinen Kontrahenten. Die in Joh 8,37 – 47 entfaltete Antithese von Abrahams-, Gottes-, und Teufelskindschaft wird bereits wesentlich frher erzhlerisch und thematisch vorbereitet: Whrend die Kontroversen, die sich am Speisungswunder entzndeten, noch in Galila verortet sind, ist der gesamte Komplex Joh 7 – 10 in Jerusalem lokalisiert und durch das Sukkot- bzw. Chanukkafest 31 Vgl. u. a. Grsser, Die Juden als Teufelssçhne in Johannes 8,37 – 47, 157; Lona, Abraham in Johannes 8, 410ff. 32 Zu Joh 1,11 eQr t± Udia Gkhem, ja· oR Udioi aqt¹m oq paq´kabom vgl. Wengst, Johannesevangelium I, 57f. 33 Eindrcklich hierfr sind z. B. die gescheiterten Verhaftungsbestrebungen bzw. der Steinigungsversuch (Joh 7,44ff.; 10,39 bzw. Joh 8,59 etc.; vgl. Schnelle, Das Evangelium nach Johannes, 105; Wengst, Johannesevangelium I, 190 bzw. 194). 34 Whrend die Youda?oi in Joh 12 bzw. 13 nur zwei- bzw. einmal erwhnt sind (Joh 12,9.11; 13,33), wird eine Konfrontation mit ihnen in Joh 14 – 17 lediglich indirekt in der Ankndigung des !posumac¾cour poi¶sousim rl÷r (Joh 16,2a) thematisiert. 35 Fr die Beurteilung der johanneischen Darstellung der Youda?oi ist von besonderer Bedeutung, dass gerade in der Passionsgeschichte zwischen ,den Juden‘ und speziellen fhrenden bzw. pharisischen Reprsentanten unterschieden wird (vgl. Schnelle, Johannes, 165).

342

Enno Edzard Popkes

chronologisch gerahmt (vgl. Joh 7,10; 10,22.40)36. Die Dramaturgie ist somit konsequent auf Jerusalem als den Ort der entscheidenden Geschehnisse ausgerichtet. Ab Joh 7,14 spielen sich die Diskussionen im Tempel ab. Insofern erst in Joh 8,59 explizit erklrt wird, dass Jesus den Tempel verlsst, kann der textexterne Leser auch die drei Diskussionsgnge des achten Kapitels im geistigen Zentrum jdischen Glaubens verorten37. Auch dramaturgisch und thematisch verkçrpern diese Kapitel eine Kompositionseinheit38. In diesem Kontext werden nicht nur die thematischen Konfliktpotenziale, sondern v. a. die jeweiligen Konfliktparteien facettenreicher dargestellt. Allein im siebten Kapitel begegnen neun unterschiedliche Bezeichnungen der Gesprchspartner, Kontrahenten bzw. Sympathisanten Jesu39. Eine vergleichbare Komplexitt weist auch die Gestaltung des achten Kapitels auf, welches drei Streitsituationen stilisiert, die thematisch konsequent auf die Diskussion um die Abrahams- bzw. Gotteskindschaft der Gegner Jesu hinfhren40. Mit Joh 8,30ff. tritt die Auseinandersetzung in eine 36 Zur Erzhlstruktur von Joh 7 – 10 vgl. Schenke, Das Johannesevangelium, 144 – 146; Wengst, Johannesevangelium I, 265. 37 Vgl. Wengst, Johannesevangelium I, 265. Auch Joh 7,28 rekapituliert nochmals die Prsenz im Tempelbereich. Selbst die textgeschichtlich eindeutig sekundre Sequenz Joh 7,53 – 8,11 verortet die Kontroverse ber die Ehebrecherin im Tempel (Joh 8,2a), nachdem Joh 7,53 zunchst einen Abschluss der vorgehenden Szenerie stilisiert und Jesus am lberg bernachten ließ (Joh 8,1). In der ursprnglichen Textgestalt schließt jedoch die Selbstprdikation Jesu als ,Licht der Welt‘ (Joh 8,12) unmittelbar an Joh 7,52 an und setzt jene Szenerie fort. 38 Zur erzhlerischen und thematischen Vernetzung von Joh 7 und Joh 8 vgl. u. a. Schnelle, Johannes, 141; Schenke, Szene, 172ff. 39 Genannt werden die ,Juden‘ (Joh 7,2.11.13.15.35), die Brder Jesu (Joh 7,3.5.10), der ewkor (Joh 7,12.20.31.40f.43.49), die ,Jerusalemer‘ (Joh 7,25), die %qwomter (Joh 7,26.48), die Phariser (Joh 7,32.47f.), die Oberpriester und Phariser (Joh 7,32.45), die Diener der Oberpriester und Phariser (Joh 7,32.45f.), Nikodemus (Joh 7,50). Zum Verhltnis dieser Gruppierungen vgl. Schenke, Johannes, 144ff. Nachdem die Phariser zuvor marginal angesprochen wurden (Joh 1,24; 3,1; 4,1), treten sie nun deutlich in den Vordergrund (u. a. Joh 7,32.45.47.48; 8,3; 9,13.15f.40; 11,46f.57; 12,19.42; vgl. Schnelle, Johannes, 146). 40 Vgl. Grsser, Teufelssçhne, 157. Auf die Selbstprdikation Jesu als Licht der Welt (Joh 8,12) folgt eine Kontroverse ber die Legitimation seines Anspruch, in der das Verhltnis der Worte Jesu und der Worte Gottes thematisiert wird (Joh 8,12 – 20). Dies fhrt konsequent zur Erçrterung der ontologischen Grundverfassung Jesu (Joh 8,21 – 30) bzw. seiner Kontrahenten (Joh 8,37ff.). In diesem Kontext prfiguriert bereits die Antithese Joh 8,23 (rle?r 1j to¼tou toO jºslou 1st´, 1c½ oqj eQl· 1j toO jºslou to¼tou) die in Joh 8,37 – 59 vorliegende Geburts- bzw. Zeugungsmetaphorik (vgl. Lona, Abraham, 397ff.).

Die Polemik um die Christologie

343

entscheidende Phase, insofern nun die „Herkunft der Gesprchspartner sowie das Verstndnis von Wahrheit und Freiheit zur Debatte“41 stehen. Doch trotz dieser stringenten thematischen Linienfhrung wird durch Joh 8,30f. eine erzhlerische Zsur geschaffen, welche die folgende Kontroverse von den vorhergehenden Diskursen unterscheidet. Dieser Sachverhalt kann an der Korrelation von Joh 8,30 bzw. Joh 8,31a erlutert werden. Der die Sequenz Joh 8,21 – 30 abschließende Erzhlerkommentar V. 30 konstatiert, dass einzelne Zuhçrer begannen, an Jesus zu glauben (Joh 8,30 taOta aqtoO kakoOmtor pokko· 1p¸steusam eQr aqtºm). Diese Gruppierung wird in den folgenden Erçrterungen fokussiert, insofern Jesus nun direkt zu jenen Sympathisanten spricht (V 31a 5kecem owm b YgsoOr pq¹r to»r pepisteujºtar aqt` Youda¸our). Dieser Sachverhalt ist auch fr das Verstndnis der polemischen Zge von Joh 8,37 – 47 entscheidend. Unabhngig davon, ob man die Partizipialkonstruktion to»r pepisteujºtar aqt` Youda¸our im Sinne eines Plusquamperfekts („die geglaubt haben und nun nicht mehr an ihn glauben“) oder im Sinne eines resultativen Perfekts („die zum Glauben gekommen sind auch jetzt noch glauben“) versteht42, gibt die Argumentationsentwicklung zu erkennen, dass diese Sympathisanten sich wieder von Jesus abwenden. Jesus redet somit in dieser Sequenz zu designierten Apostaten, die fr die textexternen Leser bereits als solche erkennbar sind: „Im Gegensatz zu den meisten Juden sind die Angeredeten vielmehr Jesusanhnger geworden, und wenn sie bei Jesu Wort geblieben wren, gehçrten sie jetzt zu den Lesern. Aber der Fortgang der Darstellung zeigt an, daß sie unter Berufung auf ihre jdische Identitt davon wieder abgefallen sind“43. Ausgerechnet diese Kontroverse kulminiert schließlich in dem ersten Versuch, Jesus zu tçten (Joh 8,59). Die bereits in Joh 8,31 – 36 exponierte Antithetik von Sklaverei und Freiheit verkçrpert eine „semantische Achse“44 der weiteren Diskussion, insofern der Vorwurf der Teufelskindschaft ja gerade in die These mndet, dass die Gegner Jesu den Willen ihres Vaters ausfhren mssen und nicht einmal die Fhigkeit besitzen, die Botschaft Jesu verstehen zu kçnnen (Joh 41 Treffend Schnelle, Johannes, 157. 42 Zum Diskussionsspektrum vgl. Thyen, Art. Johannesbriefe, 186 – 200, 191; Wengst, Johannesevangelium I, 326. 43 Vgl. Schenke, Johannes, 174f., demzufolge diese Fokussierung fr den Gesamtzusammenhang Joh 8,21 – 59 gilt. Diese Sympathisanten werden somit besonders hervorgehoben und „wechseln im Verlauf der Rede […] vollkommen die Farbe. Gerade sie unternehmen am Ende den ersten Steinigungsversuch gegen Jesus (Joh 8,59)“ (op. cit., 153). 44 So Lona, Abraham, 429.

344

Enno Edzard Popkes

8,43b.47b). Des weiteren fllt auf, dass das Thema der Abrahams- bzw. Gotteskindschaft nicht von Jesus, sondern von seinen Gesprchspartnern aufgeworfen wird. Sie reagieren damit auf die Mahnung, dass ,nur‘derjenige wahrhaftig ein Jnger Jesu ist, der in seinem Wort bleibt und die befreiende Wahrheit erkennt (V. 31.b.32)45. Die Angesprochenen nehmen hingegen fr sich Anspruch, niemals unfrei gewesen zu sein und insistieren diesbezglich drei Mal auf ihre Abrahams- bzw. Gotteskindschaft (V. 33a.39a.41b). Der folgende Argumentationsduktus erklrt jedoch das jeweilige Verhalten zum Kriterium der ontologischen Grundverfassung. Wenn die Kontrahenten ihrer Abrahamskindschaft gerecht werden wrden, wrden sie nicht versuchen, Jesus zu tçten (V. 37b). Ihre Absichten bzw. ihr Verhalten erweisen sie vielmehr als Kinder des Teufels, welche den Willen ihres Vaters ausfhren mssten (V. 44). Dieses Motiv verkçrpert ein Korrelat zu der bereits in Joh 8,31 – 36 angesprochenen Antithetik von Freiheit und Knechtschaft: Wer sndigt, sei ein Knecht der Snde (V. 34b). Nur der Gottessohn kçnne aus der Knechtschaft der Snde befreien (V. 36)46. Nur wer im Wort Jesu bleibe, kçnne die freimachende Wahrheit erkennen (V. 32). Und diese Wahrheit ist – wie nur die Jesus treu gebliebenen Jnger bzw. die textexternen Leser in

45 Die in V. 33b stilisierte Rckfrage der Gesprchspartner Jesu betont eigens, dass diese Freiheit jenen Sympathisanten noch nicht zugestanden wird (p¾pote·p_r s» k´ceir fti 1ke¼heqoi cem¶seshe). Dass ausgerechnet diese Gruppierung sich jedoch auf ihre Abrahamskindschaft berufen soll, versteht U. Schnelle, Johannes, 157, als literarische Aufarbeitung eines konkreten Konfliktpunkts: „Zwischen der joh. Schule und dem Judentum war offenbar umstritten, wer sich zu Recht auf Abraham berufen darf.“ Dozemann, Sperma Abraam in John 8 and related literature – cosmology and judgement, 357f., vermutet Konflikte der johanneischen Gemeinde mit gebotsobservanten Judenchristen, mit denen sie im Zuge ihrer missionarischen Aktivitten in Konflikt geraten sei. Diese Kontroverse sei somit hnlich einzuordnen wie z. B. Gal 3,6 – 29; Rçm 4,13 – 15 etc.; Iustin, dialogus cum Tryphonae 44,1; 47,1ff.; 140,2. Es wre jedoch eine unangemessene Engfhrung, von Joh 8,37ff. her die Darstellung der Juden primr als eine Auseinandersetzung mit nicht-johanneischen Christen zu verstehen. 46 Zum Motiv der Knechtschaft unter der Snde vgl. Hasitschka, Befreiung von Snde nach dem Johannesevangelium, 225ff., der diesbezglich eine Affinitt zur paulinischen Theologie vermutet (vgl. Gal 4,7; Rçm 6,16f.20). Innerhalb der weiteren Erzhldramaturgie des Johannesevangeliums wird den textinternen Jngern die in Joh 8,32 formulierte Verheißung in Joh 15,14f. konkret zugesprochen (zur Korrespondenz dieser Sequenzen vgl. u. a. Augenstein, Liebesgebot, 77; Schnackenburg, Das Johannesevangelium, 126; Frey, Die johanneische Eschatologie. Bd. III: Die eschatologische Verkndigung in den johanneischen Texten, 413 bzw. 426.

Die Polemik um die Christologie

345

einem spteren Erzhlkontext noch erfahren werden – letztlich Jesus selbst (Joh 14,6). Bereits die skizzierte narrative Einbettung von Joh 8,31ff. zeigt, dass der Vorwurf der Teufelskindschaft in Joh 8,44 einen Sonderfall innerhalb der Darstellung der Youda?oi im Johannesevangelium verkçrpert. Es handelt sich nicht um eine situationsunabhngige Erçrterung der heilsgeschichtlichen Stellung Israels, sondern um eine Reflexion der Trennungsprozesse zwischen Sympathisanten Jesu47. Dieser Sachverhalt tritt noch eindrcklicher zutage, wenn man die Irrlehrerpolemik des ersten Johannesbriefs in die Diskussion einbezieht. Die Kategorien, mit denen die Gegner Jesu in Joh 8,31ff. beurteilt werden, besitzen nmlich eine geradezu frappierende Affinitt zu jenen Kategorien, mit denen partiell die Gegner im ersten Johannesbrief beurteilt werden48. Beide Sequenzen stimmen darin berein, dass die ontologische Grundverfassung der Teufels- bzw. Gotteskinder ihr jeweiliges Verhalten determiniert. In beiden Kontexten ist dieses dualistische Motiv explizit mit der Liebessemantik verschrnkt: Whrend 1Joh 3,11 zufolge die Gotteskinder an ihrer gegenseitigen Liebe erkannt werden kçnnen, erklrt Joh 8,42a die Liebe Jesu zum Kriterium der Gotteskindschaft (Joh 8,42a)49. Ebenso lsst sich eine Korrespondenz des Sndenbegriffs erkennen: 1Joh 3,5a zufolge sei Jesus erschienen, um die Macht der Snde zu berwinden. Da in ihm keine Snde sei (1Joh 3,5b), werde jeder, der in ihm bleibt, nicht sndigen (1Joh 3,6a). Wer hingegen sndigt, habe Jesus weder gesehen noch erkannt (1Joh 3,6b). Joh 8,32 zufolge wird nur derjenige, der im Wort Jesu bleibt, die befreiende Wahrheit erkennen. Wer hingegen sndigt, sei nach wie vor ein Knecht der Snde. Das Verhalten der Gottes- und Teufelskinder sei durch ihre ontologische Grundverfassung bestimmt (1Joh 3,8f.; Joh 8,44.47).50 47 Vgl. u. a. Schenke, Johannes, 174f.; Rissi, „Die Juden“ im Johannesevangelium, 2118ff. 48 Zum Vergleich dieser polemischen Zge vgl. u. a. Hengel, Die johanneische Frage, 148f.; Lona, Abraham, 280f.; Piper, Satan, Demons and the Absence of Exorcisms in the Fourth Gospel, 264f.; Pagels, The Social History of Satan, 26 bzw. 47. 49 Whrend das Motiv der Liebe zu Jesus zunchst nur beilufig genannt ist und in extenso erst in den Abschiedsreden herausgearbeitet wird (Joh 14,15.21.23f.; 16,27), dient die Kontrastierung der Gottes- und Teufelskindschaft der Begrndung der Ablehnung Jesu. 50 Speziell zum jeweiligen Sndenverstndnis vgl. Metzner, Snde, 287ff. bzw. 291ff.; Hasitschka, Snde, 196ff.; zu den geburtsmetaphorischen und deterministischen Zgen vgl. Rusam, Gemeinschaft, 135 bzw. 137 – 147; Schenke, Determination

346

Enno Edzard Popkes

Trotz dieser thematischen Korrespondenz besteht der wesentliche Unterschied zwischen diesen Sequenzen darin, dass die Antithetik von Gottesund Teufelskindschaft in 1Joh 3,7 – 10 der Reflexion des Gemeindeschismas dient51, in Joh 8,42 – 47 hingegen der Kontroverse zwischen Jesus und den ihn glaubenden Juden. Von Youda?oi ist jedoch in der gesamten johanneischen Briefkorrespondenz keine Rede. Dieser Sachverhalt fhrt zu der Frage, welche Hintergrnde bzw. Anlsse die johanneische Darstellung der Juden im Generellen, und die polemischen Zge der Kontroverse in Joh 8,37 – 47 im Speziellen besitzen. 3.2 Zum Verhltnis von Joh 8,37 – 47 und den polemischen Zgen der johanneischen Briefe Um die polemische Darstellung der Juden im vierten Evangelium angemessen verstehen zu kçnnen, muss deren Verhltnis zu drei Themenkreisen herausgearbeitet werden, die fr die Geschichte und Identittsbildung der johanneischen Gemeinde von zentraler Bedeutung waren, nmlich die Trennung der johanneischen Christen von der synagogalen Gemeinschaft, das Schisma der Gemeinde und das Verhltnis der Gemeinde zum jºslor. Ein wesentlicher Anlass jener Polemik ist zweifelsfrei der Ausschluss der johanneischen Gemeinde von der synagogalen Gemeinschaft (Joh 9,22; 12,42, 16,2). Strittig ist jedoch, ob dieser Trennungsprozess die Gegenwart der johanneischen Gemeinde zur Abfassung des Johannesevangeliums verkçrpert, so dass es als Zeugnis einer primr „jdisch-judenchristlichen Kontroverse“52 zu interpretieren ist, oder ob der !posum²cycor ein bereits vergangenes Stadium der johanneischen Gemeindegeschichte verkçrpert53 ? und Ethik im ersten Johannesbrief; Brown, The Gospel According to John, 357; Strecker, Johannesbriefe, 175 etc. 51 Vgl. Schenke, Johannes, 174f.; Klauck, Johannesbrief, 329; Frey, Die johanneische Eschatologie. Bd. III: Die eschatologische Verkndigung in den johanneischen Texten, 75f. Es wre jedoch unangemessen, aufgrund dieser Differenzen die interpretatorische Relevanz dieser Sequenzen freinander per se in Frage zu stellen (so Lona, Abraham, 280f.). 52 So z. B. Wengst, Johannes I, 21, der die in Joh 9,22; 12,42; 16,2 beschriebenen Trennungsprozesse aus dem Synagogenverband nicht fr „ein fr die Gemeinde lngst vergangenes Problem“, sondern fr die „bedrngende Erfahrung ihrer Gegenwart“ hlt (op. cit., 23). Auch die Polemik gegen die jdischen Diskussionspartner Jesu (v. a. Joh 8,44 etc.) erklre sich aufgrund dieser Situation. Wengst, Bedrngte Gemeinde und verherrlichter Christus, 183f., versucht diese Ereignisse

Die Polemik um die Christologie

347

Zunchst ist zu konstatieren, dass der Autordes vierten Evangeliums eine außerordentlich przise Kenntnis jdischer Bruche und Geographie besitzt, die auf eine jdische Sozialisation und Bildung zurckschließen lassen54. Gleichwohl bietet sein Werk eine „in der urchristlichen Erzhlliteratur wohl einzigartige Kombination von przisem historischen Detail und schçpferischer Gestaltung des Stoffes.“55 Dies zeigt sich besonders in seiner Darstellung des zeitgençssischen Judentums, die wesentlich deutlicher als in der synoptischen Tradition eine dramaturgische Funktion erfllt56. Dabei ist

53

54

55

56

im Herrschaftsbereich von Agrippa II zu verorten (speziell Batana bzw. Gaulanitis; in Entsprechung zur Argumentation von Wengst pldiert Reim, Zur Lokalisierung der johanneischen Gemeinde, 72ff. bzw. 85f., fr das Umfeld von Betsaida bzw. Kapernaum). Tendenziell hnlich attestiert Martyn, Glimpses in the History of the Johannine Christianity, 120f.: „ […] the history of the Johannine community from its origin through the period of its life in which the Fourth Gospel was composed forms to no small extent a chapter in the history of Jewish Christianity“. Zu kritischen Auseinandersetzungen mit dem Ansatz von Wengst vgl. Hengel, Frage, 288ff., der auf dem Fundament altkirchlicher Traditionen Ephesus als Ort der Abfassung der johanneischen Schriften vermutet (entsprechend Schnelle, Einleitung in das Neue Testament, 484 etc.). Zu mçglichen sozialgeschichtlichen jdischen-christlichen Konfliktpotenzialen in Kleinasien vgl. Frey, Das Bild ,der Juden‘ im Johannesevangelium und die Geschichte der johanneischen Gemeinde, 45ff. Den Versuch einer Zusammenschau unterschiedlicher Entwicklungsstadien unternimmt R. Schnackenburg, Johannesevangelium I, 134: „Die joh. Tradition, deren Wurzeln in Palstina liegen, ist auch durch das Medium syrischen Einflusses gegangen, ehe sie in Kleinasien (Ephesus) Fuß faßte, fixiert und redigiert wurde.“ Gleichwohl bleibt eine solche ,Wanderhypothese‘ spekulativ. Zur Skizze kontrrer Einschtzungen vgl. Schrçder, Das eschatologische Israel im Johannesevangelium. Ein zentraler Sachverhalt ist jedoch, dass die zuweilen als ein Hintergrund der johanneischen Kontroversen vermutete Neufassung der Birkat haMinim aus chronologischen und inhaltlichen Grnden von geringer Bedeutung ist (zur Problematik vgl. Frey, Bild, 43ff.). Zu topographischen Details vgl. Hengel, Das Johannesevangelium als Quelle fr die Geschichte des antiken Judentums; zum kulturellen Niveau ders., Frage, 276ff. bzw. 306ff. Angesichts dessen vermutet Hengel, Frage, 276, eine „Herkunft … aus der Jerusalemer Priester-Aristokratie“. Treffend Hengel, Quelle, 334. Besonders eindrcklich zeigt sich dieser Sachverhalt darin, dass der vierte Evangelist mit keinem Wort die Saduzzer erwhnt, obwohl er gewusst haben drfte, dass auch diese Gruppierung, die nach der Tempelzerstçrung und erst Recht zur Zeit der Abfassung des Johannesevangeliums bereits ihre Dominanz verloren hatte, fr die Verhaftung und den Prozess Jesu von besonderer Relevanz gewesen war (so Schnelle, Johannes, 146). Schnelle, Johannes, 165, versteht die „Verwendung von Youda?or/Youda?oi im Johannesevangelium als dramaturgisches Element“ (hnlich Frey, Juden, 38; Culpepper, Anatomy of the Fourth Gospel, 125ff.).

348

Enno Edzard Popkes

evident, dass die Themen, an denen sich die Konflikte zwischen dem ,johanneischen Jesus‘ und seinen jdischen Gesprchspartnern entznden, bereits ausgesprochen elaborierte christologische Konzeptionen reflektieren57. Des weiteren fllt auf, dass die unterschiedlichen Auseinandersetzungen nicht auf ein einzelnes Thema reduziert werden kçnnen, sondern unterschiedliche Konfliktebenen reflektieren58. Gewichtige Indizien sprechen jedoch dafr, dass die „Auseinandersetzung mit den Juden […] lngst nicht mehr das Hauptthema des Werkes“ ist59. Der Autor des Johannesevangeliums bietet seinen Adressaten zuweilen thematische Erluterungen, die ein jdisch sozialisierter bzw. gebildeter Leserkreis nicht nçtig htte (Joh 1,41; 2,6; 4,25; 11,55; 18,20.28b; 19,40). Sequenzen wie Joh 7,35; 10,16; 11,52; 12,20ff. sprechen fr eine primr

57 Vgl. v. a. die Aussagen ber die Wesens- bzw. Handlungseinheit zwischen Gott und dem Gottessohn Joh 5,17f.; 6,40ff.; 10,30 etc. Auch diese fortgeschrittenen Reflexionsebenen sprechen gegen eine Frhdatierung der im Johannesevangelium stilisierten christologischen Kontroversen (gegen u. a. Barth, Die Juden im Johannes-Evangelium, 39ff.). 58 Angesichtes dieser Komplexitt erweist sich z. B. folgende Einschtzung von Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 380, als zu undifferenziert und theologisch unangemessen: „Am Beispiel der jdischen Religion macht Johannes klar, wie der menschliche Sicherungswille das Wissen um Gott verdreht, wie er aus Gottes Forderung und Verheißung einen Besitz macht und sich so gegen Gott verschließt.“ Whrend z. B. die Frage der Messianitt Jesu in Joh 7,41 einen „zentrale(n) Streitpunkt in der Auseinandersetzung zwischen der joh. Schule und den Juden“ zu verkçrpern scheint (so Schnelle, Johannes, 149), kçnnte der Vorwurf der dmonischen Besessenheit Jesu auf einen bekannten, im Raume stehenden Vorwurf anspielen, der sich gerade nicht wie etwa in der synoptischen Tradition an Exorzismen Jesu entzndet, sondern an seinem Sendungsanspruch und seinen kritischen Aussagen ber seine Gegner (vgl. Piper, Exorcisms, 264f.; Wengst, Johannesevangelium I, 341). Gerade die Verwendung von did²sjeim bzw. didaw¶ in Joh 7,14 – 35 evoziert Assoziationen an Lehrstreitigkeiten (vgl. Pancaro, The Law in the Fourth Gospel, 169 – 174; tendenziell hnlich zu Joh 5,31 – 47 vgl. Beutler, Martyria, 234f.; Schnelle, Johannes, 111; zu vergleichbaren literarischen Stilisierungen von Streitgesprchen vgl. Jes 3,13f.; 43,8 – 12; 46,6 – 11; Jer 2; Hos 4,1ff.; Mi 6,1 – 5; Epictetus, Dissertationes I, 29,44 – 49; III 24,110 – 114; 26,28 etc.). Des weiteren fllt auf, dass der Konflikt um die Abrahamskindschaft in Joh 8,37ff. ausgerechnet von Sympathisanten Jesu aufgeworfen wird. Zu weit wrde es jedoch gehen, angesichts dieser Komplexitt literarkritisch unterschiedliche Stadien dieser Konflikte differenzieren zu wollen (vgl. u. a. Wahlde, The Johannine ,Jews‘: A Critical Survey, 41 bzw. 51; Charlesworth, The Gospel of John, 479 – 513, 247ff.). 59 So Hengel, Frage, 300; hnlich Frey, Eschatologie II, 259; Schnelle, Einleitung, 509ff. etc.

Die Polemik um die Christologie

349

heidenchristlich ausgerichtete Missionsarbeit der johanneischen Gemeinde60. Ferner spielen spezifisch judenchristliche Themen in den johanneischen Schriften keine besondere Rolle. Obwohl z. B. „ […] dem Gesetz bzw. der Schrift eine solch zentrale Rolle als Zeugnis fr Jesus zukommt, bleibt doch die aus der Paulus- und Synoptikerexegese gelufige Frage nach der Gltigkeit des Gesetzes und der Gebote […] unbercksichtigt“61. Bereits diese Aspekte sprechen dafr, dass der Autor des Johannesevangeliums einen primr heidenchristlichen Adressatenkreis vor Augen hatte, dem er die jdischen Wurzeln bzw. Konfliktpotenziale seiner Botschaft berhaupt erst erlutern muss. Des weiteren fllt auf, dass die Auseinandersetzung mit ,den Juden‘ gerade in jenen Textsequenzen in den Hintergrund tritt, in denen die nachçsterliche Situation der johanneischen Christen besonders eindrcklich thematisiert wird – nmlich in den johanneischen Abschiedsreden. In Joh 13,1 – 17,26 steht vielmehr die Situation der nachçsterlichen Gemeinde in der ihr hasserfllt gegenber stehenden Welt im Vordergrund (Joh 14,1.27; 15,18 – 25; 16,33; 17,14 etc.). Gerade die Abschiedsreden veranschaulichen die Korrespondenz der Begriffe Youda?oi und jºslor : „Die Funktion der Youda?oi auf der textinternen Ebene der vita Jesu bernimmt nun der Kosmos fr die textexterne Hçrer- und Lesergemeinde. Was Jesus in positiver und negativer Weise von ,den Juden‘ widerfuhr, erfhrt in der Gegenwart wiederum in positiver und negativer Weise die Gemeinde von ,der Welt‘“62. Der in Joh 16,2 angesprochene !posum²cycor kann als ein Teilaspekt jener negativen Welterfahrung der johanneischen Christen verstanden werden. 60 Vgl. Frey, Heiden, 231ff. 61 Treffend Augenstein, Jesus und das Gesetz im Johannesevangelium, 170 bzw. 172. Entsprechend Schnelle, Christologie, 43: „Das fr Paulus so wichtige Problem ,Gesetz – Gnade‘ ist fr den Evangelisten lngst gelçst … „. Zum Vergleich mit judenchristlichen Zgen der Logienquelle vgl. Tuckett, The Fourth Gospel and Q, 281ff. bzw. 289. Ferner zum Verhltnis von mºlor und cqav¶ in der johanneischen Theologie vgl. Obermann, Die christologische Erfllung der Schrift im Johannesevangelium, 37 – 63. 62 So Schnelle, Johannes, 165f. Diese Korrelation zeigt sich partiell bereits in der johanneischen Erzhlung des çffentlichen Lebens Jesu, insofern z. B. in Joh 7,7 „unvermittelt […] der jºslor an die Stelle der Juden“ tritt (vgl. op. cit., 142). Gleichwohl sind die Begriffe nicht vçllig deckungsgleich. Brown, The Community of the Beloved Disciple, 63 – 66, versteht jºslor als Kollektivbegriff, unter den die Youda?oi zu subsummieren sind (tendenziell hnlich Martyn, Glimpses, 120f.; Grsser, Polemik; 150f.).

350

Enno Edzard Popkes

Der skizzierte Befund der johanneischen Abschiedsreden entspricht der johanneischen Briefkorrespondenz, in der Auseinandersetzungen mit dem zeitgençssischen Judentum nicht explizit erwhnt werden63. Stattdessen wird auch hier primr das Verhltnis der Gemeinde zur Welt und v. a. zu den Schismatikern reflektiert. Der Begriff jºslor ist im ersten Johannesbrief ebenso ambivalent wie im Johannesevangelium64. Einerseits wird vor einer Liebe zur Welt gewarnt (v. a. 1Joh 2,15 – 17), andererseits wird die universale Weite des Heilsgeschehens betont (1Joh 2,1f.; 4,14). Auch wenn missionarische Aktivitten der johanneischen Gemeinde angedeutet werden (3Joh 3.5 – 8.12)65, stehen die innergemeindlichen Spannungen im Vordergrund (1Joh 2,7 – 11.18ff; 3,11 – 18; 4,1ff.20f. etc.). Diese Konzentration auf die innergemeindlichen Kontroversen wurde verschiedentlich als Indiz gewertet, dass die Briefe eine zeitlich nach dem Johannesevangelium zu verortende Gemeindesituation widerspiegeln. Die Auseinandersetzung mit der schmerzvollen Erfahrung des Synagogenausschlusses sei in den Hintergrund getreten und die idealisierte Einheit der Jnger zerbrochen (Joh 17,20 – 26). Insofern die Gemeinde primr um ihr berleben kmpfen msse, htte sie zunehmend eine Sektenmentalitt entwickelt (1Joh 2,15 – 17; 3,7 – 10; 2Joh 10f.)66. Eine solche Einschtzung bersieht jedoch einen entscheidenden Sachverhalt: Obwohl das Johannesevangelium eine komplexere Darstellung von Konfliktparteien als die Briefkorrespondenz bietet, sind die Kon63 Lediglich indirekt lassen sich Konfliktpotenziale mit judenchristlichen Gegnern erahnen (so u. a. Thyen, Art. Johannesbriefe, 192 – 195; ausfhrlich hierzu vgl. Klauck, Johannesbriefe, 141 – 151, besonders 143f.). 64 Zu entsprechenden Kategorisierungen des Kosmosbegriffs vgl. Brown, John I, 508 – 510; Schnelle, Johannes, 76f. Positive Konnotationen beinhalten Joh 1,29; 3,16f.; 4,42; Joh 6,14.51.63; 9,5; 10,36; 11,27; 12,47; 14,31; 17,15.18.21.23; 18,37; 1 Joh 2,2; 3,17; 4,9.14, negative hingegen Joh 1,10; 7,7; 8,23; 9,39; 12,25.31; 14,17.22.27.30; 15,18.19; 16,8.11.20.33; 17,6.11.13f.16; 18,36; 1Joh 2,15 – 17; 3,1.13; 5,19. Strittig bzw. wertneutral sind die Konnotationen von jºslor in Joh 1,10; 9,5a; 14,19; 16,28; 17,5; 1Joh 4,1.3 – 5.17; 5,4f.; 2Joh 7. Zu ungenau ist die Einschtzung von Cassem, A Grammatical and Contextual Inventory of the Use of jºslor in the Johannine Corpus with Some Implications for a Johannine Cosmic Theology, 81ff. bzw. 90f., derzufolge im ersten Teil des Johannesevangeliums eine berwiegend positive Frbung des Begriffs zu erkennen ist, whrend insbesondere in den Abschiedsreden die negativen Konnotationen zunehmen. 65 Vgl. Ruiz, Missionsgedanke, 73 – 162. 66 So z. B. Segovia, Love relationships, 77 – 79 bzw. 212; Bogart, Perfectism, 123 – 141, bzw. Becker, Das Evangelium nach Johannes, 176, in Bezug auf die von ihm postulierte zweite und vierte Entwicklungsphase der johanneischen Gemeindegeschichte.

Die Polemik um die Christologie

351

fliktpotenziale durchaus vergleichbar. Dem Epilog Joh 20,30f. zufolge wurde das Johannesevangelium verfasst, um seine Leser zum Glauben und zur Erkenntnis der Messianitt und Gottessohnschaft Jesu zu fhren. Diese hermeneutische Leseanweisung thematisiert bereits zwei christologische Konfliktpotenziale des ersten Johannesbriefs (vgl. 1Joh 4,15; 1Joh 5,1; via negationis 1Joh 2,22). Ein dritter christologischer Konfliktpunkt – das Bekenntnis zur Inkarnation Jesu (z. B. 1Joh 4,2; via negationis 2Joh 7) – wird u. a. im Schisma der Jnger Jesu reflektiert, welches sich an der eucharistischen bzw. inkarnationstheologischen Interpretation der Lebensbrotrede entzndet (Joh 6,60 – 71)67. Entsprechend lsst auch die Gestaltung des Liebesgebots Joh 13,34f. eine Reflexion der ethischen Streitigkeiten erkennen68. Es zeigt sich somit, dass die in der johanneischen Briefkorrespondenz markant zutage tretende Verarbeitung des Gemeindeschismas sich auch im vierten Evangelium beobachten lsst. Angesichts dessen ist plausibel, dass auch die polemische Darstellung der Juden im vierten Evangelium im Generellen und die Antithetik von Gottes- und Teufelskindschaft in Joh 8,37 – 47 im Speziellen durch diese Prozesse mitbeeinflusst wurde. Auch wenn es eine unzulssige Engfhrung wre, die Darstellung der Youda?oi im Johannesevangelium per se von der in Joh 8,31ff. stilisierten Kontroverse her zu beurteilen69, nimmt diese Sequenz in mehrfacher Hinsicht eine Sonderstellung ein: Es handelt sich nicht um eine generelle, situationsunabhngige Reflexion ber jdische Glaubenstraditionen bzw. die heilsgeschichtliche Stellung Israels, sondern um Aussagen ber eine spezielle Gruppierung. Diese ,Juden, die an Jesus geglaubt haben‘ (Joh 8,31) reprsentieren Sympathisanten der johanneischen Gemeinde, die an der hohen Christologie Anstoß nahmen und sich unter Berufung auf ihre jdischen Wurzeln wieder von der johanneischen Gemeinde distanzierten70. Insofern die dabei verwendeten Reflexionskategorien eine zuweilen frappierende hnlichkeit zur Irrlehrerpolemik der johanneischen Briefe besitzen, muss 67 Vgl. Schnelle, Christologie, 249ff.; Frey, Die johanneische Eschatologie. Bd. III: Die eschatologische Verkndigung in den johanneischen Texten, 396f.; Popp, Grammatik des Geistes, 413. 68 S.o. Anm. 27. 69 So tendenziell Rissi, Juden, 2118ff. 70 Treffend resmiert Schenke, Johannes, 174f., hinsichtlich der literarischen Funktion dieser Inszenierung: „Die ersten Leser drften die subtile Darstellung unmittelbar durchschaut haben und in ihr (hnlich wie in Joh 5,41ff.; 6,41ff.; 6,61ff.) auf Anhieb ihre eigene Geschichte wiedererkannt haben. Sie haben die Glaubenden von Joh 8,30f. mit den Schismatikern in den eigenen Reihen identifiziert, die das hohe Bekenntnis zu Jesus verlassen haben und zu den Gegnern bergelaufen sind.“

352

Enno Edzard Popkes

und kann die Schrfe von Joh 8,42 – 47 somit nicht nur im Zusammenhang der johanneischen Darstellung der Juden, sondern auch im Zusammenhang der Irrlehrerpolemik kritisch beurteilt werden.

Literatur Augenstein, J., Das Liebesgebot im Johannesevangelium und in den Johannesbriefen (BWANT 134), Stuttgart/Berlin/Kçln 1993. Augenstein, J., Jesus und das Gesetz im Johannesevangelium, in: KuI 14 (1999), 161 – 179. Barth, M., Die Juden im Johannes-Evangelium. Wiedererwgungen zum Sitz im Leben, Datum und angeblichen Antijudaismus des Johannes-Evangeliums, in: Neuhaus, D. (Hg.), Teufelskinder oder Heilsbringer – die Juden im Johannesevangelium (ArTe 64), Frankfurt a. M. 1990, 39 – 94. Bauckham, R., The Qumran Community and the Gospel of John, in: Schiffman L. H., Tov, E., VanderKam, J.C. (ed.), The Dead Sea Scrolls (Fifty Years after Their Discovery. Proceedings of the Jerusalem Congress, July 20 – 25, 1997), Jerusalem 2000, 105 – 115. Bauckham, R., Qumran and the Fourth Gospel: Is there a Connection?, in: Porter, S.E., Evans, C.A. (eds.), The Scrolls and the Scripture. Qumran Fifty Years after (JSPE.S 26), London 1997, 267 – 279. Becker, J., Das Evangelium nach Johannes (TBK 4/1), Gtersloh 19913. Beutler, J., Die Johannesbriefe (RNT), Regensburg 2000. Beutler, J., Martyria: traditionsgeschichtliche Untersuchungen zum Zeugnisthema bei Johannes (FTS 19), Frankfurt a. M. 1972. Bogart J., Orthodox an Heretical Perfectionism in the Johannine Community as Evident in the First Epistle of John (SBL.DS), Missoula 1977. Brown, R.A., The Gospel According to John (AncB 29), New York 1966. Brown, R.E., The Community of the Beloved Disciple. The Life, Loves und Hates of an Individual Church in New Testament Times, London 1979. Bultmann, R., Theologie des Neuen Testaments, Tbingen 19849. Cassem, N.H., A Grammatical and Contextual Inventory of the Use of jºslor in the Johannine Corpus with Some Implications for a Johannine Cosmic Theology, in: NTS 19 (1972/73), 81 – 91. Charlesworth, J., A Critical Comparison of the Dualism in 1QS 3:13 – 4:26 and the „Dualism“ Contained in the Gospel of John, in: ders., Brown, R.E. (ed.), John and the Dead Sea scrolls (The Crossroad Christian Origins Library), New York 1991, 76 – 106. Charlesworth, J.H., The Gospel of John: Exclusivism Caused by a Social Setting Different from That of Jesus (John 11:54 and 14:6), in: Bieringer, R., Pollefeyt, D., Vandecasteele-Vanneuville, F. (eds.), Anti-Judaism and the Fourth Gospel. Papers of the Leuven Colloquium 2000, Jewish and Christian heritage series 1, Assen 2001, 479 – 513. Culpepper, R.A., Anatomy of the Fourth Gospel. A Study in Literary Design, Foundations and Facets (New Testament 20), Philadelphia 1983.

Die Polemik um die Christologie

353

Dozemann, T.B., Sperma Abraam in John 8 and related literature – cosmology and judgement, in: CBQ 42 (1980), 342 – 358. Fabry, H.-J., „Liebe“ in den Handschriften von Qumran, in: Gielen, M., Kgler, J. (Hg.), Liebe, Macht und Religion. Interdisziplinre Studien zu Grunddimensionen menschlicher Existenz (FS H. Merklein), Stuttgart 2003, 43 – 61. Frey, J., Das Bild ,der Juden‘ im Johannesevangelium und die Geschichte der johanneischen Gemeinde, in: Labahn, M., Scholtissek, K., Strotmann, A. (Hg.), Israel und seine Heilstraditionen im Johannesevangelium (FS J. Beutler), Paderborn/Mnchen/Wien/Zrich 2004, 33 – 53. Frey, J., Die johanneische Eschatologie, Bd. I: Ihre Probleme im Spiegel der Forschung seit Reimarus (WUNT 96), Tbingen 1997. Grsser, E., Die Juden als Teufelssçhne in Johannes 8,37 – 47, in: Eckert, W.P., Levinson, N.P., Stçhr, M. (Hg.), Antijudaismus im Neuen Testament? Exegetische und systematische Beitrge (ACJD 2), Mnchen 1967, 157 – 170. Hasitschka, M., Befreiung von Snde nach dem Johannesevangelium: eine bibeltheologische Untersuchung (IThS 27), Innsbruck 1989. Hengel, M., Das Johannesevangelium als Quelle fr die Geschichte des antiken Judentums, in: Oppenheimer, A. (Hg.), Jdische Geschichte in hellenistischrçmischer Zeit (Schriften des historischen Kollegs Kolloquien 44), Mnchen 1999, 41 – 74. Hengel, M., Die johanneische Frage. Ein Lçsungsversuch. Mit einem Beitrag zur Apokalypse von J. Frey (WUNT 67), Tbingen 1993. Houlden, J.L., Ethics and the New Testament, Harmondsworth 1973. Ksemann, E., Jesu letzter Wille nach Johannes 17 (4., photomech. gedr. Aufl.), Tbingen 1980. Klauck, H.-J., Der erste Johannesbrief (EKK XXIII/1), Zrich etc. 1991. Klauck, H.-J., Der zweite und dritte Johannesbrief (EKK XXIII/2), Zrich etc. 1992. Klauck, H.-J., Die antike Briefliteratur und das Neue Testament (UTB 2022), Paderborn etc. 1998. Klauck, H.-J., Die Johannesbriefe, 2., um einen Literaturnachtrag erweiterte Auflage (EdF 276), Darmstadt 1995. Lietaert Peerbolte, L.J., The Antecedents of Antichrist: A Traditio-Historical Study of the Earliest Chrisitian Views on Eschatological Opponents (JSJ 49), Leiden u. a. 1996. Lona, H.E., Abraham in Johannes 8: ein Beitrag zur Methodenfrage (EHS.T 65), Bern u. a. 1976. Maier, J., Schubert, K., Die Qumran-Essener: Texte der Schrift-Rollen und Lebensbild der Gemeinde (UTB 224), Mnchen 19923. Martyn, J.L., Glimpses in the History of the Johannine Christianity, in: ders., The Gospel of John in Christian History, New York/Ramsey/Toronto 1979, 90 – 121. Metzner, R., Das Verstndnis von Snde im Johannesevangelium (WUNT 122), Tbingen 2000. Michel, O., Art. lis´y, in: ThWNT 4 (1942), 687 – 698.

354

Enno Edzard Popkes

Obermann, A., Die christologische Erfllung der Schrift im Johannesevangelium: eine Untersuchung zur johanneischen Hermeneutik anhand der Schriftzitate (WUNT II/83), Tbingen 1996. Pagels, E., The Social History of Satan (Part II: Satan in the New Testament Gospels), in: JAAR 62 (1994), 26 – 47. Pancaro, S., The Law in the Fourth Gospel: The Torah and the Gospel, Moses and Jesus, Judaism and Christianity according to John (NT.S 42), Leiden 1975. Piper, R.A., Satan, Demons and the Absence of Exorcisms in the Fourth Gospel, in: Horrell, D.G., Tuckett, C.M. (eds.), Christology, Controversy and Community (FS D. R. Catchpole) (NT.S 99), Leiden etc. 2000, 253 – 278. Popkes, E.E., Die Theologie der Liebe Gottes in den johanneischen Schriften: Studien zur Semantik der Liebe und zum Motivkreis des Dualismus (WUNT II 197), Tbingen 2005. Popp, T., Grammatik des Geistes: literarische Kunst und theologische Konzeption in Johannes 3 und 6 (Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 3), Leipzig 2001. Reim, G., Zur Lokalisierung der johanneischen Gemeinde, in: BZ 32 (1988), 72 – 86. Rese, M., Das Gebot der Bruderliebe in den Johannesbriefen, in: ThZ 41 (1985), 44 – 58. Rissi, M., „Die Juden“ im Johannesevangelium, in: ANRW II.26.3 (1996), 2099 – 2141. Rodrguez Ruiz, M., Der Missionsgedanke des Johannesevangeliums. Ein Beitrag zur johanneischen Soteriologie und Ekklesiologie (fzb 55), Wrzburg 1987. Rudolph, K., Zum Streit um Johannes gnosticus, in: Kollmann, B., Reinbold, W., Steudel, A. (Hg.), Antikes Judentum und frhes Christentum (FS H. Stegemann) (BZNW 97), Berlin etc. 1998, 415 – 427. Rusam, D., Die Gemeinschaft der Kinder Gottes. Das Motiv der Gotteskindschaft und die Gemeinden der johanneischen Briefe (BWANT 133), Stuttgart/Berlin/ Kçln 1993. Sanders, J.T., Ethics in the New Testament: Change and Development, Philadelphia 1975. Schenke, H.-M., Determination und Ethik im ersten Johannesbrief , in: ZThK 60 (1963), 203 – 215. Schenke, L., Das Johannesevangelium. Einfhrung – Text – dramatische Gestalt (UB 446), Stuttgart 1992. Schmid, H.-J., Gegner im 1. Johannesbrief ? Zur Konstruktion und Selbstreferenz im johanneischen Sinnsystem (BWANT 159), Stuttgart 2002. Schnackenburg, R., Das Johannesevangelium (HThK IV/3), Freiburg/Basel/Wien, 19824. Schnackenburg, R., Die Johannesbriefe (HThK 13/3), Freiburg/Basel/Wien 19847. Schnackenburg, R., Das Johannesevangelium (HThK IV/1), Freiburg/Basel/Wien, 19723. Schnelle, U., Antidoketische Christologie im Johannesevangelium. Eine Untersuchung zur Stellung des vierten Evangeliums in der johanneischen Schule (FRLANT 144), Gçttingen 1987. Schnelle, U., Das Evangelium nach Johannes (ThHK 4), Leipzig 1998. Schnelle, U., Einleitung in das Neue Testament (UTB 1830), Gçttingen 20076.

Die Polemik um die Christologie

355

Schrage, W., Ethik des Neuen Testamentes (GNT 4), Gçttingen 1982. Schrçder, J.M., Das eschatologische Israel im Johannesevangelium. Eine Untersuchung der johanneischen Israel-Konzeption in Joh 2 – 4 und Joh 6 (Neutestamentliche Entwrfe zur Theologie 3), Tbingen/Basel 2003. Schwankl, O., Licht und Finsternis. Ein metaphorisches Paradigma in den johanneischen Schriften (HBS 5), Freiburg u. a. 1995. Segovia, F.F., Love Relationships in the Johannine Tradition. Agape/Agapan in I John and the Fourth Gospel (SBL.DS 58), Chico 1982. Segovia, F.F., The Love and Hatred of Jesus and the Johannine Sectarianism, in: CBQ 43 (1981), 258 – 272. Sçding, T., „Gott ist Liebe“: 1 Joh 4,8.16 als Spitzensatz Biblischer Theologie, in: ders. (Hg.), Der lebendige Gott: Studien zur Theologie des Neuen Testaments (FS W. Thsing) (NTA 31), Mnster 1996, 306 – 357. Strecker, G., Die Johannesbriefe (KEK XIV), Gçttingen 1989. Thyen, H., Art. Johannesbriefe, in: TRE 17 (1988), 186 – 200. Tuckett, C.M., The Fourth Gospel and Q, in: ders., Thatcher, T. (eds.), Jesus in Johannine Tradition, Louisville 2001 Uebele, W., „Viele Verfhrer sind in die Welt ausgegangen“: die Gegner in den Briefen des Ignatius von Antiochien und in den Johannesbriefen (BWANT 151), Stuttgart/Berlin/Kçln 2001. Vadakethala, J., Love to the Brethern in John: An Exegetical Exposition of the Love to the Brethern and for One Another in the Gospel and the Letters of John (Diss. masch.), Rom 1974. Wahlde, W.C. von, The Johannine ,Jews‘: A Critical Survey, in: NTS 28 (1982), 33 – 60. Weder, H., Das neue Gebot. Eine berlegung zum Liebesgebot in Johannes 13, in: Dettwiller, A., Poplutz, U. (Hg.), Studien zu Matthus und Johannes/ tudes sur Matthieu et Jean (FS J. Zumstein) (AThANT 97), Zrich 2009, 187 – 205. Wengst, K., Bedrngte Gemeinde und verherrlichter Christus. Der historische Ort des Johannesevangeliums als Schlssel zu seiner Interpretation (BThSt 5), Neukirchen-Vluyn 19832. Wengst, K., Johannesevangelium. Bd. 1 (Theologischer Kommentar zum Neuen Testament 4), Stuttgart 2000. Wischmeyer, O., Das alte und das neue Gebot. Ein Beitrag zur Intertextualitt der johanneischen Schriften, in: Dettwiller, A., Poplutz, U. (Hg.), Studien zu Matthus und Johannes/ tudes sur Matthieu et Jean (FS J. Zumstein) (AThANT 97), Zrich 2009, 207 – 220. Wucherpfenning, A., Heracleon Philologus. Gnostische Johannesexegese im zweiten Jahrhundert (WUNT 142), Tbingen 2002.

Polemik im Jakobusbrief. Formen, Gegenstnde und Fronten Oda Wischmeyer 1. Einfhrung Polemik ist ein Phnomen der sprachlichen Kommunikation1. Als solches ist Polemik fester Bestandteil politischer, gesellschaftlicher, literarischer, religiçser2 und wissenschaftlicher Auseinandersetzungen. Polemik ist gegenstandsbezogen, d. h. Teil einer argumentierenden Auseinandersetzung ber ein Thema, das kontrovers diskutiert wird. Die polemische Auseinandersetzung wird aber nicht streng sachlich in apologetischer oder irenischer Absicht, sondern eben polemisch, also in einem gewissen aggressiven Duktus gefhrt. Sie hat eine çffentliche Dimension und findet mndlich oder schriftlich vor einem Auditorium oder einer literarisch konstituierten Leserschaft statt3. Als kommunikatives Phnomen hat die Polemik bestimmte argumentative, stilistische und semantische Eigenarten und Strategien entwickelt, von denen besonders die argumentative ad personam-Rede4, die Stilzge der bertreibung, der Ironie und des Sarkasmus wichtig sind. Außerdem stellt die griechisch-rçmische Antike ein reiches polemisches Vokabular zur Verfgung, das in polemischer Argumentation, in der lite-

1 2 3 4

Vgl. Stenzel, Rhetorischer Manichismus, 3 – 11; Speyer, Art. Polemik, 3 – 5; Stauffer, Art. Polemik, 1403 – 1415; Braungart, Art. Polemik, 1439 – 1441; Dieckmann Streiten ber das Streiten; Scornaienchi, Art. Polemik, 439 f. Vgl. dazu: Religious Polemics in Context. Papers presented to the Second International Conference of the Leiden Institute for the Study of Religions (LISOR) held at Leiden, 27 – 28 April 2000. Vgl. Stenzel, Rhetorischer Manichismus, 6. Tritt bei der ad personam-Rede zugunsten der Verunglimpfung der Person in den Hintergrund, sprechen wir von Invektive, vgl. den Beitrag von S. Koster in diesem Band.

358

Oda Wischmeyer

rarischen Invektive oder in Schriften, die der Verleumdung dienten,5 eingesetzt werden konnte. Polemik kann eine große argumentative literarische Form bestimmen, die „Streitschrift“, berwiegend begegnet sie aber als kleine Form oder als Stilzug im Rahmen unterschiedlicher Formen und Gattungen, die argumentativen Charakter haben. Besonders interessant ist hier die Diatribe. Im Rahmen der schulischen Belehrung hat sich in der Diatribe6 die Form kleiner Texteinheiten herausgebildet, in denen bestimmte Themen anhand bestimmter zugespitzter Vorwrfe in polemischem Stil und pdagogischer Absicht behandelt werden konnten.7 Hier werden gern Typen dargestellt, karikaturhaft berzeichnet, aggressiv angesprochen und zugleich als exempla im literarischen Streit und in der Bekmpfung realer oder fiktiver Gegner eingesetzt. Derartige polemische Texte gehçren ebenso in den Zusammenhang der griechisch-rçmischen philosophischen Propdeutik und Pdagogik wie der pdagogischen frhjdischen Weisheit und ihres Schulbetriebes, die ihrerseits Zge der aggressiven prophetischen Scheltrede aufgenommen hat.8 Solche Texte bieten sich wegen ihrer vereinfachten Struktur, ihres hohen berzeugungspotentials und ihrer allgemeinen Bekanntheit auch fr polemische Diskussionen außerhalb der Schulen an.9 Im Jakobusbrief ist die Polemik Teil der parnetischen Belehrung der Leserschaft und hat die pragmatische Funktion der Klrung bestimmter ethischer Themen, fr die der Verfasser die Aufmerksamkeit der Adressaten gewinnen will, um ihnen seine Lçsung nachhaltig plausibel zu machen. Der Brief ist ein sich im Gesamtton autoritativ gebendes, sehr allgemein formulierendes Rundschreiben10 in der Gestalt einer durchgehenden parne5 Dazu Johnson, The New Testament’s Anti-Jewish Slander and the Conventions of Ancient Polemic; Wischmeyer, Criticism of Judaism in Greek and Roman Sources (Lit.). 6 Vgl. Uthemann, Gçrgemanns, Art. Diatribe. 7 Vgl. Rçm 2,1 – 6.17 – 24. Vgl. dazu den Beitrag von F.W. Horn in diesem Band. 8 Vgl. dazu den Beitrag von H.-Ch. Schmitt in diesem Band. 9 Das zeigen beispielsweise die Texte aus dem Rçmerbrief. Paulus setzt diatribische Texteinheiten fr seine juridische Argumentation ein. Vgl. dazu Wischmeyer, Rçmer 2,1 – 24 als Teil der Gerichtsrede des Paulus gegen die Menschheit. 10 Zur Frage von Verfasser, Adressaten und Entstehungszeit vgl. einfhrend Johnson, The Letter of James, 89 – 123; Popkes, Der Brief des Jakobus, 59 – 69; zur Verfasserfrage im Zusammenhang der Pseudepigraphieforschung jetzt den sehr grndlichen Beitrag von Konradt, „Jakobus, der Gerechte“, 575 – 597 (Lit.). Zur Forschung: Baasland, Literarische Form, Thematik und geschichtliche Einordnung des Jakobusbriefes; Hahn, Mller, Der Jakobusbrief. Zu meiner Position vgl. Wischmeyer, Reconstructing the Social and Religious Milieu of James.

Polemik im Jakobusbrief. Formen, Gegenstnde und Fronten

359

tisch gefrbten literarischen Ansprache des „Jakobus, des Knechtes Gottes und des Herrn Jesu Christi“ – auf dieser Selbstvorstellung beziehungsweise Absenderangabe beruht die Autoritt des Schreibens, die nur in einem christlichen11 Zusammenhang wahrgenommen werden kann – an „die zwçlf Stmme in der Zerstreuung“, die sich in 1jjkgs¸ai (5,14) organisieren und deren Mitglieder der Verfasser stets als „Brder“ oder „geliebte Brder“ anspricht.12 Auch diese Adresse muss als Teil des literarisch durchzusetzenden Autorittsanspruchs des Verfassers gelesen werden, denn es handelt sich um eine – aus seiner Sicht – universale Adresse, die eine universale Leserschaft konstituiert.13 Im Jakobusbrief findet sich nirgends offene Gegnerpolemik, wie wir sie vor allem aus den Paulusbriefen kennen und dann als „Irrlehrer“-Polemik in den Pastoralbriefen, in den Johannesbriefen, im Zweiten Petrusbrief, im Judasbrief und in den Sendschreiben der Johannesoffenbarung finden14. Der Verfasser erweckt nicht den Anschein, als argumentiere er gegen eine oder gegen mehrere bestimmte Gruppierungen innerhalb oder außerhalb der Vereinigung der „Brder“. Von daher ergibt sich auch im Jakobusbrief – wie in anderen Schriften des Neuen Testaments15 – das Problem, dass von den Konstituenten der polemischen Kommunikation, nmlich dem polemischen Subjekt oder Autor, dem polemischen Objekt oder Gegner sowie dem polemischen Leseforum oder den Adressaten, nur die Sichtweise des polemischen Subjekts deutlich in Erscheinung tritt, unabhngig von der 11 „Christlich“meint hier und im Folgenden: Gruppierungen (1jjkgs¸ai), die Jesus als Wqistºr und j¼qior bekennen. 12 Vgl. dazu Wischmeyer, Beobachtungen zu Kommunikation, Gliederung und Gattung des Jakobusbriefes. 13 Damit berbieten die Verfasser des Jakobusbriefes und des 1. Petrusbriefes vor allem die paulinischen Adressen, die immer auf einzelne Gemeinden beschrnkt bleiben. 2. Petrusbrief und Judasbrief formulieren die Adressatenschaft noch allgemeiner. 14 In der Offenbarung des Johannes finden sich Namenszuschreibungen als Mittel der Polemik gegen religiçse Gruppierungen: Nikolaiten, Balaam und Isebel. Die alttestamentlichen Namen sind deutlich negativ konnotiert. Vgl. auch die – unter Umstnden fiktiven – Namen in den Pastoralbriefen (1 und 2Tim). 15 Fr die erzhlenden Schriften des Neuen Testaments ist die Aufgabe, die polemischen Koordinaten zu bestimmen, noch schwieriger, da es hier um ,Polemik durch Erzhlung’ geht. Vgl. dazu z. B. den Beitrag von Roskam, The Gospel of Mark as Polemic. Vgl. auch das Problem der apokalyptischen Polemik: de Jonge, The Function of Religious Polemics: The Case of the Revelation of John Versus the Imperial Cult; Becker, Jews and Christians in Conflict?. Vgl. auch die Beitrge von E.-M. Becker, U. Mittmann-Richert, B. Repschinski, L. Scornaienchi, D. Sim und Th. Witulski in diesem Band.

360

Oda Wischmeyer

Frage, ob es sich dabei um eine orthonymen oder pseudonymen Verfasser handelt. Das polemische Objekt, d. h. mçgliche Gegner oder gegnerische Gruppierungen, kann grundstzlich nur sicher erschlossen werden, wenn andere Texte zur Identifizierung herangezogen werden kçnnen.16 Auch das Lesepublikum, das das Forum der polemischen Auseinandersetzung bildet, muss angesichts der allgemeinen Adresse rekonstruiert werden.17 Diese Situation erklrt die grundstzlichen Divergenzen in der Beurteilung aller sogenannten ,Einleitungsfragen‘ zum Jakobusbrief, d. h. den Fragen nach dem Verfasser, der Entstehungszeit und den Adressaten des Schreibens. Von der jeweiligen Antwort hngt aber zugleich ganz wesentlich die Einschtzung der Polemik im Jakobusbrief ab. Daher wird es umso wichtiger sein, nach dem polemischen Gegenstand zu suchen, da dieser der ,Motor’ der Auseinandersetzung ist. Aber auch ein polemischer Gegenstand, ein umstrittenes Sachthema, ist weniger leicht auszumachen als in den Paulusbriefen, auch wenn immer wieder der Text Jak 2,14 – 26 und das Verhltnis zwischen „Glauben“ und „Werken“ genannt wird. Denn es geht dem Verfasser des Jakobusbriefes in seinem ganzen Schreiben offensichtlich primr nicht um „richtige“ und „falsche“ Lehre, mçglichst noch gepaart mit Angriffen auf die Person der Falschlehrer, sondern um den Gegensatz der ethischen Kategorien von „gut“und „bçse“.18 Wenn trotzdem 2,14 – 26 als Muster antipaulinischer theologischer Polemik verstanden worden ist und der ganze Jakobusbrief als antipaulinisches Schreiben gedeutet werden konnte,19 stehen hinter derartigen Interpretationen zwei klassische exegetisch-theologische Positionen: (1) Zuerst muss Luthers Ablehnung des Jakobusbriefes als Vertreter einer antipaulinischen und christologisch defizienten Theologie genannt werden. (2) Die zweite Position historisiert Luthers theologische Wahrnehmung einer grundlegenden Differenz zwischen „Paulus“ und „Jakobus“20 und ordnet diese in unterschiedlichen literaturgeschichtlichen Modellen in die „Geschichte des Urchristentums“ ein, die seit Ferdinand Christian Baur als eine Geschichte von Gegenstzen und Ausgleich verstanden wird. Wieweit diese Voraus16 Vgl. methodisch Berger, Die impliziten Gegner; Theißen, Die Gegenmission zu Paulus in Galatien, Philippi und Korinth. Vgl. in diesem Band die Beitrge von F.W. Horn, M. Vogel, D. Snger, I. Elmer und E.-M. Becker. 17 Vgl. Anm. 13. 18 Vgl. dazu Wischmeyer, Gut und Bçse. 19 So prominent Hengel, Der Jakobusbrief als antipaulinische Polemik. 20 Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob der Herrenbruder als Verfasser angenommen wird oder ob man von einer pseudepigraphen Verfasserschaft ausgeht. Beide Varianten lassen sich mit historischen Argumenten verteidigen.

Polemik im Jakobusbrief. Formen, Gegenstnde und Fronten

361

setzungen haltbar sind und wieweit 2,14 – 26 dafr herangezogen werden kann, muss besonders im Zusammenhang mit Positionen der angelschsischen Exegese diskutiert werden, die nicht nur weitgehend die Interpretation Luthers ablehnt, sondern auch die historische Figur gegenstzlicher Positionen als des Motors der Entwicklung des entstehenden Christentums nicht einfach gelten lsst.21 Da gegenwrtig weder in der Frage nach der historischen Zuordnung des Verfassers des Jakobusbriefes und der Positionierung des Schreibens in der Geschichte des entstehenden Christentums noch in der Frage, ob und in welcher Weise der Brief polemische Passagen oder sogar eine polemische Front enthalte, ein exegetischer Konsens besteht, legt sich eine neue sorgfltige Suche nach polemischen Textsignalen nahe, die zunchst ohne eine historische Hypothese zu Verfasser, Abfassungszeit und historischer Situierung unternommen wird.

2. Polemische Fronten Wogegen richtet sich die Polemik? Lassen sich polemische Fronten erkennen? Hier kçnnen die konditional eingeleiteten Fallbeispiele des Briefes als Leitfaden dienen22. Sie werden mit der hufig verwendeten einleitenden Phrase „Wenn jemand dies oder das tut“ (1,5.23; 2,2 ff.10 f.15 f.3,2; 4,4; 5,19) oder der Formel „Wenn jemand meint“ (1,26) oder „Wenn jemand sagt“ (1,13 ex negativo; 2,14.16.18; 4,13 „die, die sagen“; 4,15 mit Gegensatz) eingeleitet. Der Verfasser verwendet aber neben der unbestimmten 3. Person Singular auch die inkludierende 2. Person Plural. „Wenn ihr dies oder das tut“ (z. B. 2,8 u. ç.). Hier wechselt der Verfasser in die pastorale Sprache ber, die sein Leitfaden ist, und spricht die Lesergemeinde an. Gerade 2,8 und 9 belegen diesen Redegestus. Es geht hier im umfassenden ethischen Sinn um jak_r poie?m versus "laqt¸am 1qc²feshai, nicht um bestimmte klar definierte Lehrstreitigkeiten. Wie eng aber Beides, die polemische Markierung „falscher Lehre“ und die ethische Ablehnung einer falschen ethischen Lebensfhrung, zusammenhngen, zeigt 2,10. In 2,12 21 Vgl. nur Bauckham, James, und Mitchell, The Letter of James as a Document of Paulinism?, die beide sehr unterschiedliche historische Interpretationsmodelle fr den Jakobusbrief vertreten, aber doch von der Vorstellung einer irgendwie gearteten Einheit frhchristlicher Positionen ausgehen. Auch Hengel, Der Jakobusbrief als antipaulinische Polemik, findet unbeschadet seiner polemischen Interpretation eine irenische Stimmung im Jakobusbrief: Hengel, Paulus und Jakobus, 548. 22 Vgl. dazu Mitchell, The Letter of James, 90. Mitchell weist auf die Parallelen zum 1. Korintherbrief hin.

362

Oda Wischmeyer

wendet der Verfasser dann den Gedanken ins Positive: „Redet so und handelt so wie Menschen, die durch das Gesetz der Freiheit gerichtet werden sollen“. Diese Beobachtungen zeigen bereits, dass die polemischen Sprach- und Stilzge in die allgemeine Parnese, nicht in Lehrstreitigkeiten eingebettet sind. In diesem Rahmen muss untersucht werden, welche Textpassagen, Stze oder Wortverbindungen als „Polemik“ oder „polemisch“ beschrieben werden kçnnen, d. h. in einem aggressiven Ton der Klrung eines Sachverhaltes dienen, der aus der Sicht des Verfassers bei den Adressaten unklar ist oder von anderen Lehrern anders beurteilt wird.

3. Polemische Textpassagen, Stze und Wortverbindungen Im Jakobusbrief fallen aggressive Anreden auf, die Teil seiner ad hominemArgumentation sind und mindestens als Hinweis auf eine polemisch gefrbte Wahrnehmung von Verhaltensformen in den Gemeinden gelesen werden kçnnen. Sechs solcher Anreden in der 2. Person Singular oder Plural finden sich im Jakobusbrief: (1) 2,6 rle?r d³ Atil²sate t¹m ptywºm. Die betonte Anrede mit „ihr aber“ ist der Anrede „meine geliebten Brder“ in 2,5 untergeordnet und bezieht sich daher nicht auf eine bestimmte Gruppe potentieller „Aufsteiger“, sondern auf ein Verhalten, das der Verfasser in unterschiedlichen Zusammenhngen beobachtet. Das d´ markiert den Gegensatz zum Handeln Gottes, der die Armen, die reich im Glauben sind, erwhlt hat (V.5). (2) 2,20 § %mhqype jem´. Diese Anrede zeichnet sich durch eine gewisse Trennschrfe aus, da sie in der 2. Person Singular formuliert ist und als Teil eines Disputes fungiert, der von 2,18 – 2,23 reicht und Teil des grçßeren Textabschnittes 2,14 – 26 ist. Hier kçnnte so etwas wie Schulsprache vorliegen. (3) 4,4 fllt das scharfe Wort loiwak¸der im Zusammenhang einer admonitio ber die pºkeloi unter den Brdern (4,1 – 13). Hier befinden wir uns im Zentrum des Polemikdiskurses im Jakobusbrief, wie die Semantik zeigt. Der Verfasser wendet sich polemisch gegen die Streitigkeiten, pºkeloi, der Adressaten. (4) Parallel dazu begegnet in 4,8 der Doppelangriff "laqtyko¸ und d¸xuwoi. Das heißt: Der Text 4,1 – 12 ist von scharfen allgemeinen Vorwrfen gegen die Brder insgesamt gekennzeichnet. (5) Das umschreibende Subjekt oR k´comter (4,13) schließt an den polemischen Text von 4,1 – 12 an, nennt aber eine Gruppe. (6) Dasselbe gilt fr das Subjekt oR pko¼sioi (5,1). Insgesamt prsentieren sich 4,1 – 5,6 als scharfer allgemeiner Angriff auf die „Brder“ und auf einzelne Gruppen mit einem besonderen ethischen oder sozialen Profil, nicht aber mit einer irgendwie gearteten „Lehre“.

Polemik im Jakobusbrief. Formen, Gegenstnde und Fronten

363

Gewinnen diese literarisch angesprochenen Gruppierungen nun im Text ein eigenes Profil, so dass die aggressiven Anreden als polemisches Instrument, das gegnerische Gruppen gleichsam profiliert, wirken? Auch wenn wir in diesem prziseren Sinn noch einmal nach „Gegnerprofilen“ fragen, erhalten wir wieder nur sehr allgemeine Antworten. Es sind „die Reichen“ (5,1), die Großkaufleute (4,13), die Streitschtigen (4,1) und die Statusschtigen bzw. sozial Devoten(2,1), gegen die sich die heftige Polemik des Verfassers richtet. Ihre Stoßrichtung betrifft falsches ethisches Handeln. Es handelt sich also nicht um bestimmte Gruppierungen in den Gemeinden, sondern die genannten Gruppen dienen zur Warnung vor bestimmten unethischen Haltungen und stehen gleichzeitig fr ethische Haltungen, die der Verfasser propagieren will: Armut oder wenigstens Gengsamkeit, Sorglosigkeit oder Fgen in Gottes Hand, Friede und Gewaltverzicht, Niedrigkeit und Demut. Wir befinden uns im Zusammenhang frhjdischer weisheitlicher Ethik mit ihren Stereotypen von „den Reichen“ und „den Mchtigen“, die den ethischen Diskurs strukturieren und bersichtlich machen sollen. Es liegt weder ein gegnerisches theologisches Profil wie in den Paulusbriefen noch eine konkrete Gemeindeschelte wie in den Briefen der Johannesoffenbarung vor. Wohl beobachtet der Verfasser, dass Wohlhabende, Statusbeflissene und Streitschtige in die Gemeinden drngen, aber er nimmt sie nicht als eigene Gruppierungen mit eigenen „Programmen“ wahr und bezieht sich dabei auf bestimmte Gemeinden, sondern spricht die genannten Gruppen als Teil der 1jjkgs¸ai an. Alle Brder stehen in der Gefahr, ethisch falschen Verhaltensformen und Handlungen nachzugeben. Diese Beobachtungen gelten nun auch fr 2,14 – 26, jenen Text, an dem sich die Polemikfrage im Jakobusbrief immer wieder entzndet. Der Verfasser gibt der attackierten Person oder Gruppierung kein eigenes Profil. Einmal ist es „jemand, der sagen kçnnte“ (2,14.18), einmal stammt dieser „Jemand“ 1n rl_m (V. 16), in V. 13 spricht der Verfasser im Diatribenstil des philosophischen Meisters einen fingierten „leeren Menschen“ an, der offensichtlich lediglich als fiktiver Trger eines falschen Arguments fungiert. Was gnzlich fehlt, sind konkrete Namen23 oder Hinweise auf Personen, Gruppierungen oder alttestamentliche Zuschreibungen wie in den Briefen 23 Anders der 2. Petrusbrief, der Paulus nennt (3,14 – 16). Die Strategie des sog. Frhkatholizismus, der die Paulusbriefe erwhnt, Paulus als Weisheitslehrer domestiziert und ihn mit milden Korrekturen in eine frhe antihretische Front unter der Autoritt des Petrus einbinden will, wird im 2. Petrusbrief, nicht aber im Jakobusbrief historisch greifbar.

364

Oda Wischmeyer

der Johannesoffenbarung24. In diesem Zusammenhang muss brigens auch darauf hingewiesen werden, dass im Jakobusbrief an keiner Stelle Juden genannt werden oder auf Israel verwiesen wird, obgleich mit großer Selbstverstndlichkeit Rahab, Hiob und Elia als exempla erwhnt werden. Jede polemische Frontstellung gegen jdische Positionen fehlt ebenso wie jeder offene thematische Verweis auf das Judentum.

4. Polemische Stilzge und semantisches Inventar Polemische Stilzge betreffen den Bereich von Ironie und Sarkasmus sowie bertreibungen, also gleichsam die Vergrçßerung, Vergrçberung und aggressive Formulierung eines Arguments. So ist gerade das Beispiel in 2,15 f, das seine Funktion im Zusammenhang der Polemik gegen ein einseitiges Glaubensverstndnis hat, vergrçbernder Natur und streift geradezu ans Absurde. Diese Wirkung ist beabsichtigt, um die falsche ethische Position zu diskreditieren. hnliches gilt fr 2,18. Beide Positionen sind so primitiv, dass ihre bloße Gegenberstellung das ganze Thema ad absurdum fhrt. Die strkste bertreibung aber herrscht in 4,1 – 4 und 5,1 – 6. Sowohl die Streitschtigen als auch die Reichen werden als Typen stilisiert, dabei vçllig berzeichnet und schon in ihrer Modellierung ethisch vollstndig diskreditiert. In 4,2 begegnet der Vorwurf vome¼ete, der zu den Stereotypen der Lasterkataloge im Anschluss an den Dekalog gehçrt25. In 5,6 wird der Vorwurf gesteigert: 1vome¼sate t¹m d¸jaiom26. Die Maßlosigkeit dieser Vorwrfe hat keine ersichtliche Grundlage in der Realitt der Gemeinden. Es handelt sich um Vorwrfe, wie sie in den Lasterkatalogen begegnen und Teil diatribischer karikierender Typenbildung sind, die hier mit alttestamentlich-apokalyptischer Schrfe auf die Spitze getrieben werden. Unbeabsichtigte Ironie e contrario scheint einmal auf, als der Verfasser gerade die Hure Rahab als Beispiel eines Glaubens nennt, der in Werken ttig wird (2,25)27. Ein interessantes Beispiel fr durchaus geistreichen Sarkasmus lesen wir in 2,19: s» piste¼eir fti eXr 1stim b heºr, jak_r poie?r·ja· t± dailºmia piste¼24 Off 2,6.15: Nikolaiten, 2,14: Bileam, 2,20: Isebel. Vgl. die Tabelle bei Becker, Jews and Christians in Conflict (s. o. Anm. 15), 119. 25 Vgl. nur Rçm 1,29. 26 Vgl. SapSal 2,10.12.19, andererseits die Passionserzhlung. 27 Vgl. Hebr 11,31; 1Klem 12,1, dort wird sie fr den Glauben in Anspruch genommen.

Polemik im Jakobusbrief. Formen, Gegenstnde und Fronten

365

ousim ja· vq¸ssousim. Der unausgesprochene Nachsatz heißt: „Aber es hilft

ihnen nicht“. Hier wird eine Klrung im Streit um das Verhltnis von Glaube und Werken erreicht: Bloßes Fr-Wahr-Halten oder Aussprechen des Richtigen ohne die entsprechende Lebensfhrung bleibt wertlos. Die schon angesprochene ad hominem-Argumentation gehçrt in den Bereich der Polemik, die zur Invektive28 neigt. Es geht weniger um sachliche Auseinandersetzung als vielmehr um ethische Wertungen. Die schon erwhnte jeweils unvermittelt einsetzende Anrede aller Adressaten mit „du“ (2,11; 4,11 f ), „du leerer Mensch“ (2,20), „ihr“ (4,13), „ihr Ehebrecher“ (4,4), „ihr Wankelmtigen“ (4,8), „ihr Snder“ (4,8), „ihr Reichen“ (5,1) ist berwiegend aggressiv-destruktiv, da ihre Semantik ethisch negativ konnotiert ist. Der Jakobusbrief arbeitet mit einem semantischen Feld, aus dem sich ein polemisch-aggressives Inventar zusammenstellen lsst. Dies Inventar wird in unterschiedlicher Weise fr den polemischen Zweck eingesetzt. Beginnen wir mit den Metaphern, die in polemischer Funktion begegnen. „Die Zunge“ wird pOq genannt und als jºslor t/r !dij¸ar apostrophiert (3,6). Sie beschmutzt (spikoOm) den Kçrper und steht mit dem Hçllenfeuer im Zusammenhang (3,6). Bewertet wird sie als !jat²statom jajºm und enthlt „todbringendes Gift“. Die Aussagen sind um die beiden tragenden Metaphern „Feuer“ und „Gift“ komponiert. Feuer und Gift werden aber nicht polemisch auf falsche Lehren oder auf Gegner bezogen, sondern auf „die Zunge“, die metonymisch fr die Rede und die Lehre steht. Hinzu kommt die traditionelle Metapher „Rauch“ (!tl¸r) in 4,14. So bezeichnet der Verfasser die Kaufleute, die langfristige Plne ohne Gott machen. Neben die Metaphern treten die direkten oder indirekten Vorwrfe und Angriffe. Zum Inventar der direkten Angriffe gehçrt der Vorwurf: Atil²sate t¹m ptowºm, weiter der Vorwurf falschen Ruhmes: jauw÷she sowie die Kette von Vorwrfen in 5,5 f, die nicht nur den schon erwhnten Vorwurf des Mordes umfasst, sondern auch die Anklagen, die der unmoralischen Lebensfhrung gelten: „Ihr habt den Lohn vorenthalten, ihr habt geschwelgt und geschlemmt“. Diese zunchst nur moralischen Anschuldigungen erhalten in 5,5b eine plçtzliche tçdliche Wende, die auf den Mordvorwurf vorbereitet, wenn die opulente Ernhrung (tq´veim) mit der Metapher vom Schlachttag aus Jer 12,3 verbunden wird, so dass der Eindruck des furcht28 V. 5 nimmt die Drohung von V. 3 auf. Dort wird den Reichen prophezeit: „Der Rost wird euer Fleisch fressen wie Feuer“. Beides verhlt sich nach dem Muster der talio zueinander.

366

Oda Wischmeyer

baren Vorwurfs der Anthropophagie29 anklingt. Zu dieser Kette schwerster sozialer Anklagen und Drohungen kommen die schon genannten am Dekalog orientierten allgemeinen Anklagen aus Kapitel 4: 1pihule?te, vome¼ete ja· fgkoOte sowie l²weshe ja· pokele?te30. Das semantische polemische Profil ist deutlich: schwere soziale und ethische Vorwrfe, die vor allem aus den weisheitlichen und prophetischen Schriften bekannt sind, untersttzen ex negativo die Parnese. Hier ist keine Gegnerpolemik zu erkennen, der Verfasser schrft auch nicht sein eigenes Profil oder sucht nach einer Identitt in Absetzung gegenber anderen Gruppen, sondern er klagt ethische und soziale Grundbel an, um dadurch die jaimμ !mastqov¶ seines Auditoriums zu befçrdern. Einen eigenen Akzent setzt der Jakobusbrief mit der scharfen Sachpolemik gegen Streit. Welche Lehren hier gemeint sind und um welche Lehrer (3,1) es gehen kçnnte, lsst der Verfasser offen. Diese Unklarheit dient seiner eigenen Position und Argumentation. Er ist der – einzige – did²sjakor seiner „Brder“, der die richtige !mastqov¶ als Inhalt von sov¸a und 1pist¶lg (3,13) lehrt und mit seiner Parnese das Ideal des t´keior !m¶q, der kºcor und s_la regiert, befçrdert (3,2).

5. Theologische Themen der Polemik Das bisher gezeichnete Bild lsst sich fr den ganzen Brief plausibel machen – mit einer wichtigen Ausnahme: der Belehrung ber das Verhltnis von p¸stir und 5qca in 2,24 – 26. Die bisher zu diesem Text gemachten Beobachtungen reichen denn auch noch nicht aus, um die Vermutung, es liege im Jakobusbrief keine wirkliche Gegnerpolemik vor, hinreichend zu sttzen. Die Mehrheit der Exegeten sieht in 2,14 – 26 eine polemische Front, einen umstrittenen theologischen Gegenstand und eine polemische Strategie. Aber wer ist der Gegner, um welchen Gegenstand handelt es sich, und wie verlaufen die Fronten? Diese Fragen werden seit Luthers scharfer Gegenberstellung von Paulusbriefen und Jakobusbrief 31 in immer neuen Vari29 Zum Vorwurf der Anthropophagie vgl. zuletzt van der Horst, De Mythe van het joodse Kannibalisme, http://www.trouw.nl/redactie/pdf/afscheidscoll.pdf (27/3/ 2008). Ausfhrlich: Bickerman, Ritualmord und Eselskult. 30 Es handelt sich um stereotype Vorwrfe, die an der zweiten Dekalogreihe und an den Lasterkatalogen orientiert sind und sich entsprechend in Rçm 1 – 3 und Rçm 7 finden (dort ebenfalls die Eigenstellung der 1pihul¸a). Vgl. auch 3,14 f/kor und 1qihe¸a als Laster. 31 WA.DB 7,384 und WA.TR 3,253, Nr. 3292a.

Polemik im Jakobusbrief. Formen, Gegenstnde und Fronten

367

anten verhandelt. Ich greife aus der immensen Literatur vier besonders profilierte Beitrge heraus. Martin Hengel hat in seinem ebenso khnen wie brillanten Aufsatz von 198732 einen einheitlichen Interpretationsversuch des Jakobusbriefes unternommen, der diesen Brief in allen Einzelheiten von der Polemik des Herrenbruders gegen den Heidenapostel nach dessen Gefangennahme bestimmt sein lsst. Fr Hengel ist der Brief eine große Abrechnung mit Paulus. Jakobus wende sich nicht nur gegen das paulinische Glaubensverstndnis, sondern auch gegen die Missionskonzeption des Paulus, die eine zu starke Nhe zu einflussreichen Gemeindegliedern zeige: daher die scharfe Polemik gegen die Reichen. Hengel diagnostiziert im gesamten Jakobusbrief „zahlreiche Polemiken“33. Er markiert die „kompromißlose Schroffheit“, die „Einseitigkeit und Hrte des Schreibens“34. Er bezeichnet den Brief – mit gebotener Vorsicht – als „ein Meisterstck frhchristlicher Polemik“35 und ordnet diese Polemik in die Geschichte des Urchristentums ein: „Der Polemik des Paulus in Gal gegen die Judaisten und in 2Kor gegen die aus Palstina stammenden Sendboten der Petrusmission [?] tritt innerhalb des neutestamentlichen Kanons ein ußerlich verdecktes Beispiel antipaulinischer Polemik gegenber“36. Hengel sieht im Jakobusbrief „antipaulinische Polemik […] in indirekter Form und ohne den Namen des Gegners zu nennen. Kritisiert werden sowohl die persçnliche Verhaltensweise wie auch theologische Anschauungen des Paulus, und zwar – das ist das besondere des Briefes – in einer,parnetisch’, allgemeingltig erscheinenden Weise, die den Brief auch fr die Gemeinden noch lesbar, verstndlich und – in gewissen Grenzen – ,erbaulich’ macht, die von der Auseinandersetzung mit Paulus nicht betroffen […] waren“37. Auch wenn ich Hengel weder bei seiner Autorenzuschreibung noch bei der Aufdeckung der Doppelstrategie von allgemeiner weisheitlicher Mahnrede und gleichzeitiger sehr spezieller gezielter antipaulinischer Polemik folgen mçchte38, macht sein Beitrag doch in besonders nachhaltiger Weise auf vier Gesichtspunkte aufmerksam: (1) Der Brief enthlt ein hohes polemisches Potential und eine deutliche polemische Strategie, die nicht nur in 2,24 – 26 zum Ausdruck kommt. 32 33 34 35 36 37 38

Hengel, Der Jakobusbrief als antipaulinische Polemik. Hengel, Der Jakobusbrief als antipaulinische Polemik, 515. Ebd. Hengel, Der Jakobusbrief als antipaulinische Polemik, 525. Ebd. Ebd. Zum „Doppelcharakter“ des Briefes vgl. Hengel, Der Jakobusbrief als antipaulinische Polemik, 548.

368

Oda Wischmeyer

(2) Auf der anderen Seite verzichtet der Autor vollstndig darauf, Gegner zu benennen. (3) Der Brief ist unabhngig von seinem polemischen Potential in einem weisheitlich-parnetischen Stil verfasst. (4) Der Brief muss in einer plausiblen Weise in der Geschichte des Urchristentums verortet werden39.

Friedrich Avemarie ist 2001 in einer profunden Studie der alten Frage nachgegangen, wie „die Werke des Gesetzes“ im Jakobusbrief zu verstehen seien40. Er skizziert drei mçgliche Antworten: (1) Jak 2,14 – 26 ist antipaulinisch und richtet sich bewusst und absichtlich gegen die paulinische Rechtfertigungslehre. (2) Jak 2,14 – 26 argumentiert gegen einen „Pseudo-Paulinismus“ oder hat selbst Paulus missverstanden41. (3) Der Jakobusbrief kennt die Paulusbriefe gar nicht, argumentiert jedenfalls nicht gegen sie42.

Avemarie selbst argumentiert zugunsten von (1) und nimmt damit zugleich gegen die Paulusdeutung der new perspective Stellung – ein weiterer Aspekt, den ich hier aber nicht einbeziehe. Die von Avemarie klar benannten Positionen, die jeweils ,klassische’ Vertreter gefunden haben43, verhalten sich unterschiedlich zu dem Phnomen der Polemik in 2,14 – 26. Die antipaulinische Interpretation, zu der Avemarie selbst beitrgt, versteht die Passage polemisch im Sinne der Gegnerschaft: „Der Vergleich zwischen dem jakobeischen, dem von Jakobus kritisierten und dem paulinischen fçrdert nicht nur heftige Polemik zutage, sondern lsst dahinter eine durchaus scharfsichtige, grndliche Auseinandersetzung mit der paulinischen Soteriologie erkennen“44. Dabei geht Avemarie von der „Annahme einer relativ spten, pseudepigraphischen Schrift“45 aus. In diesem Modell gilt die Po39 Meiner Meinung nach ist die Verfasserschaft des Herrenbruders und damit eine Datierung zu Lebzeiten von Jakobus und Paulus auszuschließen. Damit muss der Brief der Zeit nach 70 n. Chr. zugeordnet werden. Vgl. dazu die ausfhrlichen berlegungen bei M. Konradt, „Jakobus, der Gerechte“. 40 Avemarie, Die Werke des Gesetzes im Spiegel des Jakobusbriefs (reiche Literaturangaben). Avemarie selbst vertritt die These vom Gegensatz zwischen ‘Werken des Gesetzes’ und paulinischer ‘Rechtfertigung aus Glauben’. 41 Vgl. die Lit. bei Avemarie, Die Werke des Gesetzes, 283, Anm. 5. 42 Vgl. die Lit. bei Avemarie, Die Werke des Gesetzes, 283 f., Anm. 6. 43 Vgl. die bei Avemarie, Die Werke des Gesetzes, 284 Anm. 7 genannten Exegeten: Dibelius, Der Brief des Jakobus, 168, und Lindemann, Paulus im ltesten Christentum. 44 Avemarie, Die Werke des Gesetzes, 299. 45 Avemarie, Die Werke des Gesetzes, 305, Anm. 89. Avemarie formuliert dies Urteil durchaus vorsichtig.

Polemik im Jakobusbrief. Formen, Gegenstnde und Fronten

369

lemik in 2,14 – 26 den Wirkungen der paulinischen Soteriologie, die der Verfasser des Jakobusbriefes fr falsch und schdlich hlt. Auch Avemarie hat mehrere Ergebnisse gewonnen, die ich festhalte: (1) Der Text 2,14 – 26 enthlt polemisches und theologisches Potential. (2) Dieser Text bezieht sich auf die entsprechenden Texte bei Paulus, vor allem auf Rçm 3,28 und 4,1 – 346. Avemarie macht sehr wahrscheinlich, dass der Verfasser den Galater- und den Rçmerbrief gekannt hat47. Ich mçchte hier allerdings noch offenlassen, ob die polemische Strategie des Verfassers sich wirklich gegen Paulus richtet.

Margaret M. Mitchell hat in einem hoch engagierten Aufsatz 2007 einen neuen Ansatz zur Verhltnisbestimmung von Paulus und „Jakobus“ erçffnet48. Sie unterscheidet zunchst sieben Positionen und fgt schließlich eine eigene achte hinzu:49 (1) Jakobus und Paulus sind unabhngig voneinander. (2) Paulus und Jakobus sind beide unabhngig voneinander Vertreter des hellenistischen Judentums50. (3) Der Jakobusbrief ist lter als die Paulusbriefe, Paulus schreibt im Galaterund im Rçmerbrief gegen Jakobus51. (4) Jakobus kannte die Paulusbriefe nicht, hatte aber Zutreffendes ber sie gehçrt. (5) Jakobus kannte die Paulusbriefe nicht und hatte Unzutreffendes ber Paulus gehçrt52. (6) Jakobus schreibt bewusst gegen Galater- und Rçmerbrief 53. (7) Jakobus schreibt bewusst gegen die Paulusbriefe, ohne sie richtig zu verstehen54.

Mitchell selbst geht davon aus, dass der Verfasser des Jakobusbriefes die Paulusbriefe kannte, daher kommen fr sie selbst nur die Positionen (6) und 46 Avemarie, Die Werke des Gesetzes, 293. 47 Beim Galaterbrief ist Avemarie vorsichtiger, vgl. die Auseinandersetzung mit Konradt, Christliche Existenz nach dem Jakobusbrief , bei Avemarie, Die Werke des Gesetzes, 290 – 293. 48 Mitchell, The Letter of James. 49 Mitchell, The Letter of James, 77 f. 50 Dies ist die Position von Bauckham, James, 127 – 131. Vgl. Johnson, The Letter of James; ders., Brother of Jesus Friend of God, 31. Mitchell weist darauf hin, dass diese Position historisch schwierig wird, wenn gleichzeitig Jakobus der Herrenbruder als Verfasser des Jakobusbriefes angenommen wird: „If the letter of James was written by the historical brother of the Lord, he and Paul did meet face to face“ (Mitchell, The Letter of James, 77, Anm. 8). 51 Position von J.B. Mayor, The Epistle of St. James, London 19133, XCII. 52 Belege bei Mitchell, The Letter of James, 77, Anm. 11. 53 Am deutlichsten bei Hengel, Der Jakobusbrief als antipaulinische Polemik. 54 Hauptvertreter Dibelius, Der Brief des Jakobus.

370

Oda Wischmeyer

(7) in Frage. Nach Mitchell kannte der Verfasser des Jakobusbriefes aber auch den 1. Korintherbrief und bezog sich auf eine frhe Paulusbriefsammlung. Auf dieser Basis formuliert sie ihre eigene These: (8) „The author of the Letter of James knows some collection of Paul’s letters, and writes from within Paulinism (rather than in opposition to Paul), creating a compromise document which has as one of its purposes reconciling ‘Paul with Paul’ and ‘Paul with the pillars’“55.

Fr Mitchells These sind die Nachweise, der Verfasser des Jakobusbriefes habe den 1. Korintherbrief gekannt und eine Paulusbriefsammlung benutzt, sehr wichtig. Diesen beiden „propositions“56 kann ich hier wieder nur so weit nachgehen, wie es fr die Frage nach der Polemik im Jakobusbrief wichtig ist. Mitchell erçrtert die alte Frage nach der Einordnung des Jakobusbriefes in die urchristliche Theologiegeschichte nicht nur auf der Grundlage verschiedener theologischer Anstze, d. h. im Fadenkreuz ,jesuanischer’, ,paulinischer’ und ,frhkatholischer’ Konzepte, sondern vor dem Hintergrund der Entstehung der urchristlichen Literatur. Das macht ihre erste proposition deutlich: „The Epistle of James breathes the same air as Pauline Christianity, and this ,air’ constitutes a Pauline literary culture“57. Daraus folgt fr Mitchell: „This especially shows indebtedness to Paul, the first Christian letter writer who has set the movement on a literary path“58. Mitchell verbindet diese literaturgeschichtliche Zuordnung mit einer historischen bzw. theologiegeschichtlichen berlegung, wenn sie die „literary traditions of Gentile Christianity“ als „Paulinism“ definiert59. Dadurch rckt der Jakobusbrief literarisch und theologisch in den Zusammenhang des „Paulinismus“ der deutero- und tritopaulinischen Briefe, aber auch der Apostolischen Vter: 1.Klemens, Ignatiusbriefe, Polykarp von Smyrna, nicht zu vergessen den Verfasser der Apostelgeschichte.60 Wenn man diesem Ansatz Mitchells zustimmt, die Katholischen Briefe im Zusammenhang 55 Mitchell, The Letter of James, 79. 56 Mitchell, The Letter of James, 82. 57 Mitchell, The Letter of James, 83. Wichtig ist Mitchells kritische Auseinandersetzung mit der These der Jerusalemer Diasporabrief, vgl. dies., The Letter of James, 84, Anm. 33. 58 Ebd. Vgl. dazu auch Wischmeyer, O., Paulus als Autor, in: dies., Von Ben Sira zu Paulus. Gesammelte Aufstze zu Texten, Theologie und Hermeneutik des Frhjudentums und des Neuen Testaments, hg. von E.-M. Becker (WUNT 173), Tbingen 2004, 289 – 307. 59 Ebd. 60 Mitchell, The Letter of James, 95.

Polemik im Jakobusbrief. Formen, Gegenstnde und Fronten

371

einer durch Paulus geprgten literarischen Tradition zu lesen,61 bleibt die Frage, wie die Polemik in 2,14 – 26 zu bewerten sei. Mitchell stellt die khne Hypothese auf, der Verfasser des Jakobusbriefes greife auf die Spannungen zwischen Galaterbrief und 1. Korintherbrief zurck und pldiere fr eine Versçhnung dieser Spannungen eben im Sinn der „rhetoric of reconciliation“, die Mitchell schon im 1. Korintherbrief selbst findet62. Damit vertritt Mitchell (1) die literarische Bindung des Jakobusbriefes an die Paulus-Tradition (2) die konkrete Rckbeziehung von Jak 2,14 – 26 auf den Galaterbrief 63 und den Ersten Korintherbrief (3) die Rckbertragbarkeit der harmonisierenden Kirchenvterexegese zum Verhltnis zwischen Galater- und Jakobusbrief 64 auf den Jakobusbrief selbst.

Sie kommt zu dem Schlussurteil, der Jakobusbrief prsentiere „a theological formation that reconciles Paul with Paul and, implicitly, Paul with the ,pillars’“65. Fr die ,Versçhnung’ greife der Jakobusbrief auf den Ersten Korintherbrief zurck, die Versçhnung mit den ,Sulen’ erfolge durch die – pseudonyme – Verfasserangabe. Whrend die Argumente (1) und (2) gut begrndet sind und vor allem (1) eine entscheidende Weichenstellung in der Exegese des Jakobusbriefes bedeutet, stellt sich zu (3) die Frage, was sich dieser Argumentation fr die Polemik im Jakobusbrief entnehmen lsst. Hier bleiben die Ergebnisse zunchst eher vage. Zwar bezieht sich nach Mitchell 2,14 – 26 auf den Galaterbrief, aber Mitchell thematisiert nicht die antipaulinische Polemik in Jak 2, sondern die Versçhnung der paulinischen Position zur p¸stir mit seinen ethischen Positionen, wie es spter Pelagius tun sollte, wenn er Rçm 3,28; Gal 2,16 und 1Kor 13,2 ,versçhnt’ und fr diese ,Versçhnung’ eben auf Jak 2,26 hinweist66. Bei dieser Interpretation wird der polemische Text in Jak

61 Mitchell, The Letter of James, 87 mit Anm. 46: Verweis auf Gamble, Books and readers in the Early Church, 198; vgl. auch Gamble, The Pauline Corpus and the Early Christian Book, 265 – 280. 62 Siehe Mitchell, The Letter of James, 98. Dazu Mitchell, Paul and the Rhetoric of Reconcitiation. 63 Siehe die evidente Zusammenstellung der Argumente bei Mitchell, The Letter of James, 89. 64 Vgl. die Beispiele von Johannes Chrysostomos und Pelagius bei Mitchell, The Letter of James, 93 – 95. 65 Mitchell, The Letter of James, 98. 66 Nachweis bei Mitchell, The Letter of James, 94 f. mit Anm. 76.

372

Oda Wischmeyer

2 zum irenischen Text67 – ganz im Gegensatz zu der Einschtzung bei Hengel und Avemarie, die beide von unterschiedlichen Voraussetzungen her Jak 2 als polemischen Text lesen. Hat Margaret Mitchell hier etwas bersehen, oder hat sie – im Gegenteil – die Exegese auf eine neue Mçglichkeit, Jak 2 zu interpretieren, hingewiesen? Zur Klrung dieser Frage kçnnen berlegungen von Richard Bauckham weiterfhren. Bauckham ußert sich in seinem Jakobuskommentar sehr detailliert zum literarischen Stil des Briefes68. Er ordnet 2,14 – 26 (genauer: 2,18 – 23) dem Diatribenstil zu, den ich eingangs schon angesprochen habe. Er weist mit Stowers und Malherbe69 darauf hin, dass „the ancient diatribe was not a literary genre […] but a style or ,mode’ of exhortation […] which characteristically employs a number of literary forms […] There is much direct address to the audience […] Particularly characteristic is simulated dialogue with imagenary interlocutors, whose objections are anticipated or quoted, and to whom the writer directs apostrophes or responses in the second person singular“70. Fr den Jakobusbrief gilt: „In James diatribal style appears most clearly in the dialogue with an imaginary interlocutor in 2:18 – 23“71. Diese richtige Beobachtung wirft nun Licht auf die Art der Polemik in Jak 2. Bauckham findet nmlich in Jak 2 nicht Polemik, sondern Diatribe: „It is important to note that in the diatribal style the sharp tone is not polemical and the interlocutor is not treated as an opponent“72. Schließt man sich diesem Urteil an, wird die These von Margaret Mitchell plausibel, und die Frage nach der polemischen Front bzw. dem ,Gegner’ in Jak 2 wre gegenstandslos geworden. Damit wrde zugleich die „lutherisch“ gefrbte polemische Textinterpretation hinfllig. Ich mçchte Bauckhams Hinweis auf die Diatribe ernstnehmen, allerdings ohne den Gegensatz zwischen Diatribe und Polemik so stark zuzuspitzen wie Bauckham. Richtig ist, dass 67 Vgl. Auch die – ganz anders begrndete – irenische Interpretation Bauckhams, James, und die Rezension von Goodacre, Review of Richard Bauckham, James (vgl. Mitchell, The Letter of James, 83, Anm. 31). 68 Bauckham, James, 57 – 60. – Ich stimme nicht mit Bauckhams historischer Situierung des Jakobusbriefes berein: (1) Der Jakobusbrief ist ein Rundschreiben des Herrenbruders an die Diasporajuden, die Jesus als Messias verehrten (so Bauckham, James, 16). (2) Paulus und Jakobus sind beide von der frhjdischen Weisheit geprgt, und ihre Differenzen sind nicht derart grundlegend, wie die lutherisch geprgte Exegese (vgl. Hengel und Avemarie) annimmt. 69 Malherbe, Moral exhortation. Vgl. auch Stowers, The Diatribe and Paul’s Letter to the Romans; ders., The Diatribe. 70 Bauckham, James, 57 f. 71 Bauckham, James, 58. 72 Ebd. mit Berufung auf Stowers.

Polemik im Jakobusbrief. Formen, Gegenstnde und Fronten

373

die Diatribe nicht so konsequent themenbezogen argumentiert, wie es im Zusammenhang sachlicher Polemik angebracht ist. Aber zur Diatribe gehçren auch polemische Stilzge, so dass der Gegensatz, den Bauckham konstruiert, berzogen ist und letztlich die irenische Interpretation Margaret Mitchells nicht sttzen kann. Die polemischen Zge im Jakobusbrief lassen sich nicht mit dem Hinweis auf die Diatribe in irenische Strategien verwandeln.

6. Ergebnisse Wenn wir den Jakobusbrief von der literarischen ,mode’ der Diatribe her erschließen, wie es in besonders berzeugender Form Richard Bauckham vorschlgt, den Brief gleichzeitig aber – sehr anders als Bauckham – mit Margaret Mitchell in den literarischen Zusammenhang einer frhen Paulusbriefsammlung und damit eines literarischen ,Paulinismus’ stellen, erschließt sich die Funktion der Polemik, deren Merkmale Hengel und Avemarie wiederum in ganz unterschiedlichen historischen und sachlichen Interpretationsvorschlgen plausibel gemacht haben und die ich in diesem Beitrag noch einmal diskutiert habe, in einer neuen Weise. Zunchst lassen sich einige allgemeine Ergebnisse festhalten: (1) Der Brief lsst sich nicht einfach als irenisch beschreiben (gegen Mitchell), auch wenn der Verfasser selbst letztlich eine solche Absicht im Sinne einer allgemeinen Parnese, die fr alle Brder gelten konnte, verfolgte (so auch Hengel mit seiner These der Doppelstrategie, die eine irenische Oberflche einschließt). Aber die polemischen Stilzge lassen sich nicht bersehen (Hengel und Avemarie). (2) Kapitel 2 wendet sich deutlich gegen theologische Positionen, die von Paulus vertreten wurden und die wir nur von Paulus her kennen (Avemarie), die aber in einseitiger und vergrçbernder, ja karikierender Form wiedergegeben werden. Der Bezug auf den Galaterbrief (Mitchell) und den Rçmerbrief (Avemarie) ist vielfach demonstriert worden und sollte als solcher nicht bestritten werden. (3) Die Differenzierung in ,verstandene Paulusposition’ und ,missverstandene Paulusposition’ ist angesichts der Vergrçberung in Jak 2 nicht durchzufhren. Außerdem muss gefragt werden: Welcher frhchristliche Schriftsteller hat Paulus „verstanden“, und was heißt das berhaupt? Die Dokumente des „Paulinismus“ interpretieren Paulus, sie exegesieren ihn nicht. (4) Die Art der Bezugnahme auf paulinische Positionen ist nicht personalpolemisch im Sinne der Gegnerschaft zu Paulus (gegen Hengel) zu verstehen Sie ist zweitens auch nicht sachlich-polemisch gegen das Fundament

374

Oda Wischmeyer

paulinischer Theologie gerichtet (gegen Avemarie).73 Ihr Gegenstand ist also nicht die paulinische Rechtfertigungslehre. Sie lsst sich aber drittens auch nicht intentional als irenisch im Sinne einer Vermittlung zwischen verschiedenen paulinischen Positionen einerseits und paulinischen und jakobischen Positionen andererseits interpretieren (gegen Mitchell).74 (5) Vielmehr wird im Ton der Diatribe (Bauckham) der ethische Grundsatz des Verfassers: „Glaube ohne Werke ist tot“ durchgespielt. Der Satz gehçrt in der Tat in die Paulusrezeption (Mitchell), und zwar im Sinne einer sachlichen Korrektur einer Paulusdeutung, die ethisch defizient ist oder als ethisch defizient wahrgenommen wird. Wir kennen aber aus den deuteround tritopaulinischen Schriften keine derartige Paulusinterpretation bzw. -reduktion (hçchstens der 1. Korintherbrief kçnnte Hinweise auf Gemeindegruppierungen geben, die ein ethisches Defizit haben, das aber gerade von Paulus selbst angegriffen wird und daher nicht als „paulinisch“ verstanden werden kann). Die deutero- und tritopaulinischen Briefe arbeiten im Gegenteil die Ethik stark aus. Das spricht dafr, dass der Verfasser des Jakobusbriefes seine berzeugung, Glaube sei ohne Werke tot, in ein denkbar einfaches theologisches Szenario gebracht hat, dessen Koordinaten von Paulus stammen. Das Niveau des Satzes entbehrt jeder reflektierten Vertiefung und jeder intendierten Bezugnahme auf paulinische Positionen. Es gehçrt in die ,christliche Schule’ – wie auch immer wir sie fr diese Zeit rekonstruieren wollen. Die Polemik im Zusammenhang mit diesem Satz dient der ethischen Klrung.

Das so gewonnene Bild lsst sich nun noch in mehrfacher Hinsicht konturieren und modifizieren. Denn mag mit Mitchell der Jakobusbrief in seiner literarischen Form dem vielgestaltigen Phnomen des Paulinismus zuzurechnen sein, so haben wir es eben doch mit einer Schrift zu tun, die die Autoritt des Jakobus fr sich in Anspruch nimmt. Damit wird zugleich eine historische Distanz zu Paulus geschaffen. Das Pseudonym gibt, wie eingangs bereits festgestellt, den Ausfhrungen eine besondere Autoritt und verschafft gerade der Polemik in Kapitel 2 eine sachlich-polemische Note, auch wenn die Stilanalyse Bauckhams bercksichtigt wird. Nun tritt Jakobus nicht als Herrenbruder oder als „Sule“ auf, sondern ausschließlich als Lehrer. Das macht Mitchells These, der Brief diene der Versçhnung des Paulus mit den pillars, unwahrscheinlicher. Der Gestus des Lehrers verbindet den Verfasser des Jakobusbriefes dagegen mit Jesus Sirach, aber anders als der frhjdische Weisheitslehrer belehrt er nicht die Jugend Jerusalems75, son73 Wenn man die Stze des Jakobusbriefes sachlich-theologisch weiterdenkt, kann man in der Tat hier einen Angriff auf Paulus verstehen, wie Luther es tat. Die historischkontextuelle Exegese kommt zu einem anderen Ergebnis. 74 Auch hier gilt aber, dass faktisch die Position des Jakobusbriefes von den Kirchenschriftstellern als Vermittlungsposition interpretiert wurde. 75 Vgl. dazu Wischmeyer, Die Kultur des Buches Jesus Sirach, 174 – 200.

Polemik im Jakobusbrief. Formen, Gegenstnde und Fronten

375

dern „die Brder“der „zwçlf Stmme in der Diaspora“. Sein Schreiben ist im Unterschied zu Jesus Sirach keine Schullektre, wie Bauckhams Stilanalyse insinuieren kçnnte, sondern eben im literarischen Gestus des Paulus verfasst, wie Mitchell nachgewiesen hat. Der Verfasser unterrichtet weder Jugendliche noch Neophyten, sondern entwirft eine Gesamt-Ethik fr die „Brder“. Der Jakobusbrief geht dabei durchaus ber die Paulusbriefe hinaus. Er hat einen çkumenischen Radius und schafft sich – wie die katholischen Briefe und der Hebrerbrief – eine allgemeine Leser- bzw. Hçrerschaft, nicht einen classroom. Nun ist, wie schon mehrfach angesprochen, nicht die Entwicklung einer eigenen Theologie – etwa in argumentativer polemischer und apologetischer Auseinandersetzung mit Paulus – das Thema des Schreibens. Im Gegenteil: Thema des Lehrschreibens des Jakobus ist die Ethik, die sich auf zwei klassische Bereiche konzentriert, auf die Ethik des Wortes oder der Rede und auf die Ethik der Tat oder der Werke76. Die Adressaten sollen „Tter des Wortes, nicht Hçrer allein“ sein, wie der Verfasser programmatisch formuliert. Die Polemik des Briefes, die zum Teil sehr scharf ist, gilt dementsprechend der richtigen Modellierung der Ethik, nicht der theologischen Auseinandersetzung mit gegnerischen Fronten. Fronten sind vorhanden, aber die Front ist das Bçse oder der Satan, nicht Paulus. Auch 2,14 – 26 steht im Zusammenhang der Modellierung der Ethik, die der Verfasser lehrt. Zu dieser Ethik gehçrt als zentrales Thema die Sprachethik oder die Ethik des sorgfltigen Sprechens (3,2)77. Der Verfasser hat nur zwei explizite Fronten: gegen die vielen Lehrer und gegen die Reichen. Er warnt vor den did²sjakoi, vor dem falschen Sprechen und vor der Zunge (Kap. 3). Jede Art von Streit erscheint ihm sndig (3,13 – 4,6). Die schrfste Polemik richtet sich gegen die Zunge. William Baker und Richard Bauckham haben beide mit Recht die Sprachethik ins Zentrum ihrer Interpretation des Jakobusbriefes gerckt78. Der Jakobusbrief ist in der Tat, wie Margaret Mitchell zeigen mçchte, von seinem literarischen und theologischen Ansatz her das Dokument eines versçhnlichen Post-Paulinismus. Damit ist aber noch nicht das letzte Wort gesprochen. Denn gleichzeitig stellt der Jakobusbrief in seiner literarischen Strategie das Dokument eines tiefen Misstrauens, ja einer generellen und unversçhnlichen Ablehnung von Lehrern, Schulen und theologischen Positionierungen dar, die der Verfasser alle fr ethisch ge76 Vgl. auch Bauckham, James, 60, zum Problem von „moral inconsistency“, wie Stowers es nennt. 77 Vgl. zur Rede besonders Baker, Speech-Ethics in the Epistle of James. 78 Bauckham, James, 203 – 205; Baker, Speech-Ethics in the Epistle of James, 99.

376

Oda Wischmeyer

fhrlich hlt79. So ist paradoxer Weise seine schrfste Polemik gerade dem Thema der Vermeidung von Streit gewidmet. Seine irenische und antitheologische Grundhaltung manifestiert sich in der literarischen Strategie schrfster Polemik, die ihn erstaunlich nahe an Paulus heranfhrt. Aber der Gegenstand dieser Polemik ist bei Paulus theologischer Art: die Gefahr falscher Theologie, im Jakobusbrief dagegen ethisch modelliert: die Gefahr der Zunge und des Reichtums. Ist Paulus in Bezug auf die Entwicklung von Theologie zugleich progressiv, dynamisch und polemisch um die Herausarbeitung des richtigen Argumentes in der Auseinandersetzung mit Konkurrenten, um die Konturierung der eigenen Identitt und um die Entwicklung der richtigen Theologie in den Gemeinden bemht, so pldiert der Verfasser des Jakobusbriefes fr einen theologischen und sozialen Stillstand – der faktisch ein Rckschritt gewesen wre – in den Gemeinden zugunsten einer der dialektischen Entwicklung enthobenen Weisheit, die sich in individuell und sozial verantwortlichem Handeln und Verhalten manifestiert. Diese Intention fgt sich dann wieder in die Tendenzen des sog. Frhkatholizismus ein, die Margaret Mitchell skizziert. Die hier vorgeschlagene Analyse der Polemik im Jakobusbrief gewinnt an Plausibilitt, wenn ein letzter Aspekt der Polemik angesprochen wird, der in der Exegese des Jakobusbriefes bisher, soweit ich sehe, keine Rolle gespielt hat: die Angst als Indikator. Die ethische Unterweisung des Verfassers des Jakobusbriefes wird von der Angst vor Wohlstand und Reichtum einerseits und vor divergierenden Lehrern und Lehren bzw. Theologien andererseits bestimmt, d. h. von der Angst vor Entwicklungsschben in den entstehenden christlichen Gemeinden. Diese Angst manifestiert sich in den ,schwarzen‘ Zgen der Polemik im Jakobusbrief, die nicht bersehen werden drfen: den wilden Vorwrfen gegen die „Zunge“ und dem bis an die Grenzen der Anthropophagie zugespitzten Mordvorwurf gegen die „Reichen“. Mag es sich dabei stilistisch geschehen um literarische Elemente der Diatribe handeln, so wird die Polemik im Jakobusbrief doch von einer Angst getrieben, die ernst zu nehmen ist, da sie religiçse Zge hat: Teufel, Dmonen, die letzten Tage und das Hçllenfeuer bilden das Szenario, das am Horizont der Parnese lauert. Es geht bei der Polemik im Jakobusbrief nicht nur um Schulbungen im Zusammenhang der Diatribe, sondern um eine im Ton mehrfach verzweifelte Warnung der Gemeinden vor Vernderungen im Sozialaufbau und in der Intellektualitt im Fadenkreuz der Unterscheidung von Gut und Bçse. 79 Vgl. die hnliche Position der Donatisten in der Auseinandersetzung mit Augustinus (dazu der Beitrag von L. Scornaienchi in diesem Band).

Polemik im Jakobusbrief. Formen, Gegenstnde und Fronten

377

Literatur Avemarie, F., Die Werke des Gesetzes im Spiegel des Jakobusbriefs. A Very Old Perspective on Paul, in: ZThK 98 (2001), 282 – 309. Baasland, E., Literarische Form, Thematik und geschichtliche Einordnung des Jakobusbriefes, in: ANRW II 25.5 (1988), 3646 – 3684. Baker, W.R., Speech-Ethics in the Epistle of James (WUNT II.68), Tbingen 1995. Bauckham, R., James. Wisdom of James, disciple of Jesus the sage (New Testament Readings), London/New York 1999. Becker, E.-M., Jews and Christians in Conflict? Polemical and Satirical Elements in Revelation 2 – 3, in: Critique and Apologetics. Jews, Christians and Pagans in Antiquity, ed. by A.-Ch. Jakobsen, J. Ulrich and D. Brakke, Frankfurt am Main 2009, 111 – 136. Berger, K., Die impliziten Gegner. Zur Methode des Erschließens von Gegnern in neutestamentlichen Texten, in: Kirche. Festschrift fr G. Bornkamm, Tbingen 1980, 373 – 400. Bickerman, E., Ritualmord und Eselskult, in: Studies in Jewish and Christian History 2 (AGJU 9), Leiden 1980, 225 – 255. Braungart G., Albrecht, H.M., Art. Polemik, in: RGG4 6 (2003), 1439 – 1441. Dibelius, M., Der Brief des Jakobus (KEK XV), 19568. Dieckmann, W., Streiten ber das Streiten. Normative Grundlagen polemischer Metakommunikation, Tbingen 2005. Gamble, H.Y., Books and readers in the Early Church, New Haven 1990. Gamble, H.Y., The Pauline Corpus and the Early Christian Book, in: Paul and the legacies of Paul. Ed. by W. Babock, Dallas 1990, 265 – 280. Goodacre, M., Review of Richard Bauckham, James, in: Reviews in Religion and Theology 7 (2000), 52 – 54. Hahn F., Mller, P., Der Jakobusbrief, in: ThR 63 (1998), 1 – 73. Hengel, M., Der Jakobusbrief als antipaulinische Polemik, in: Tradition and Interpretation in the New Testament. Essays in Honor of E. Earle Ellis for His 60th Birthday, ed. by G.F. Hawthorne and O. Betz, Grand Rapids/Tbingen 1987, 248 – 265. Johnson, L.T., Brother of Jesus Friend of God: Studies in the Letter of James, Grand Rapids 2004. Johnson, L.T., The Letter of James. The Anchor Bible, New York u. a. 1995. Johnson, L.T., The New Testament’s Anti-Jewish Slander and the Conventions of Ancient Polemic, in: JBL 108 (1989), 419 – 441. Jonge, H.J. de, The Function of Religious Polemics: The Case of the Revelation of John Versus the Imperial Cult, in: Religious Polemics in Context. Papers presented to the Second International Conference of the Leiden Institute for the Study of Religions (LISOR) held at Leiden, 27 – 28 April 2000, ed. by T. Hettema and A. van der Kooij, Assen 2004, 279 – 290. Konradt M., „Jakobus, der Gerechte“. Erwgungen zur Verfasserfiktion des Jakobusbriefes, in: Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frhchristlichen Briefen. Hg. von J. Frey u. a. (WUNT 246), Tbingen 2009, 575 – 597. Konradt, M., Christliche Existenz nach dem Jakobusbrief. Eine Studie zu seiner soteriologischen und ethischen Konzeption (StUNT 22), Gçttingen 1998.

378

Oda Wischmeyer

Lindemann, A., Paulus im ltesten Christentum. Das Bild des Apostels und die Rezeption der paulinischen Theologie in der frhchristlichen Literatur bis Marcion (BHTh 58), Tbingen 1979. Malherbe, A.J., Moral exhortation, a Graeco-Roman Sourcebook, Philadelphia 1986. Mayor, J.B., The Epistle of St. James, London 19133. Mitchell, M.M., Paul and the Rhetoric of Reconcitiation. An Exegetical Investigation of the Language and Composition of 1 Corinthians (HUT 28), Tbingen 1991. Mitchell, M.M., The Letter of James as a Document of Paulinism?, in: Reading James with New Eyes. Methodological Reassessments of the Letter of James, ed. by R.T. Webb and J.S. Kloppenborg (Library of NT Studies 342), London/New York 2007, 75 – 98. Popkes, W., Der Brief des Jakobus (ThHKNT 14), Leipzig 2001. Roskam, H.N., The Gospel of Mark as Polemic: The Persecution of the Markan Christian Community and the Purpose of Mark’s Gospel, in: Religious Polemics in Context. Papers presented to the Second International Conference of the Leiden Institute for the Study of Religions (LISOR) held at Leiden, 27 – 28 April 2000, ed. by T. Hettema and A. van der Kooij, Assen 2004, 294 – 303. Scornaienchi, L., Art. Polemik, in: Lexikon der Bibelhermeneutik (2009), 439 f. Speyer, W., Art. Polemik, in: DNP 10 (2001), 3 – 5. Stauffer, H., Art. Polemik, in: HWRh 6 (2003), 1403 – 1415. Stenzel, J., Rhetorischer Manichismus. Vorschlge zu einer Theorie der Polemik, in: Kontroversen, alte und neue. Akten des VII. Internationalen GermanistenKongresses Gçttingen 1985, Band 2: Formen und Formgeschichte des Streitens. Der Literaturstreit, hg. von F.J. Worstbrock und H. Koopmann, Tbingen 1986. Stowers, S.K., The Diatribe and Paul’s Letter to the Romans (SBLDS 57), Chico 1981. Stowers, S.K., The Diatribe, in: Aune, D.E. (ed.), Greco-Roman Literature and the New Testament: Selected Forms and Genres (SBL Sources for Biblical Studies 21), Atlanta 1988. Theißen, G., Die Gegenmission zu Paulus in Galatien, Philippi und Korinth: Versuch einer Einheitsdeutung, in: Beitrge zur urchristlichen Theologiegeschichte. Hg. von W. Kraus (BZNW 163), Berlin/New York 2009, 277 – 306. Uthemann, K.-H., Gçrgemanns, H., Art. Diatribe, in: DNP 3 (1997), 530 – 533. Wischmeyer, O., Die Kultur des Buches Jesus Sirach (BZNW 77), Berlin/New York 1995. Wischmeyer, O., Gut und Bçse. Antithetisches Denken im Neuen Testament und bei Jesus Sirach, in: dies., Von Ben Sira zu Paulus. Gesammelte Aufstze zu Texten, Theologie und Hermeneutik des Frhjudentums und des Neuen Testaments, hg. von E.-M. Becker (WUNT 173), Tbingen 2004, 66 – 73. Wischmeyer, O., Paulus als Autor, in: dies., Von Ben Sira zu Paulus. Gesammelte Aufstze zu Texten, Theologie und Hermeneutik des Frhjudentums und des Neuen Testaments, hg. von E.-M. Becker (WUNT 173), Tbingen 2004, 289 – 307.

Polemik im Jakobusbrief. Formen, Gegenstnde und Fronten

379

Wischmeyer, O., Beobachtungen zu Kommunikation, Gliederung und Gattung des Jakobusbriefes, in: Das Gesetz im frhen Judentum und im Neuen Testament. Festschrift fr Christoph Burchard zum 75. Geburtstag, hg. von D. Snger und M. Konradt (NTOA 57), Gçttingen/Fribourg 2006, 319 – 327. Wischmeyer, O., Rçmer 2,1 – 24 als Teil der Gerichtsrede des Paulus gegen die Menschheit, in: NTS 52 (2006), 356 – 376. Wischmeyer, O., Reconstructing the Social and Religious Milieu of James: Methods, Sources, and Possible Results, in: Matthew, James, and Didache. Three Related Documents in Their Jewish and Christian Settings, ed. by H. van de Sand and J. Zangenberg (SBL Symposium Ser. 45), Atlanta 2008, 33 – 41. Wischmeyer, O., Criticism of Judaism in Greek and Roman Sources: Charges and Apologetics (Second Century BC to Second Century AD), in: Critique and Apologetics. Jews, Christians and Pagans in Antiquity, ed. by A.-Ch. Jakobsen, J. Ulrich and D. Brakke, Frankfurt am Main 2009, 59 – 85.

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein? Historische und normative Aspekte Lorenzo Scornaienchi 1. Ein Einstieg: Jesus „dialecticus“ Si illos dixeris fuisse dialecticos, quia dolose, quia calumniose, quia malitiose interrogando in verbo capere cupiebant (tales enim etiam nos vultis videri); cur eis tamen Dominus respondit? Cur eos usque ad veritatis confessionem reddita ratione perduxit? Cur eis dixit, Quid me tentatis, hypocritae (Mt 22,15 – 21)? et non addidit, Dialectici? Cur sibi nummum demonstrari flagitavit, ut sententiam suam veracem exprimeret etiam de ore fallacium, ac non potius ait, Abscedite; neque enim loquendum est vobiscum, qui captiosas interrogationes proponitis, qui dialectice mecum agere vultis? Nihil tale dixit, nec adversus captiosos interrogatores, et verborum nostrorum callidos captatores exemplum tale nobis proposuit: sed ut eos potius etiam veritatis inimicos vigilanti interrogatione et invicta ratione testimonium veritati perhibere cogamus. Hoc nobis faciant vestri, si nos malitiosi et dialectici sumus. An se timere indicant, ne hoc eis nos potius faciamus? […] Si autem Christum dixeris dialecticum, laudabis dialecticam, quam mihi pro crimine obieceras. 1 „Wenn du sie (nmlich die Gegner Jesu) Dialektiker nennst, weil sie trgerisch, arglistig und bçsartig durch das Fragen Jesus im Wort fangen wollten, (du willst beweisen, dass wir auch so sind) warum antwortet ihnen dann der Herr? Warum sagte er ihnen: Weshalb versucht ihr mich, Heuchler (und fgt nicht „Dialektiker“ hinzu)? Warum forderte er, sie sollten ihm eine Mnze zeigen, um seine wahre Aussage sogar durch den Mund der Falschen auszusprechen, und sagte nicht eher: „Geht weg, denn es gibt nichts mit euch zu sprechen, weil ihr eine betrgerische Frage gestellt habt, weil ihr mit mir dialektisch umgehen wollt?“ Nichts derartiges hat er gesagt, noch hat er uns ein solches exemplum gegen verfngliche Frager und gescheite Haschende unserer Worte gegeben. Im Gegenteil will er, dass wir die Feinde der Wahrheit durch vorsichtige Befragung und unbesiegbare Argumentation zur Bezeugung der Wahrheit zwingen. Eure Anhnger sollen dies mit uns tun, wenn wir bçsartige Dialektiker sind. Aber zeigen sie vielleicht Furcht, dass wir mit ihnen dies besser machen? Wenn du Christus Dialektiker nennst, lobst du die Dialektik, die du mir als Verbrechen vorwirfst“.

1

Augustinus, Contra Cresconium 1,17,22.

382

Lorenzo Scornaienchi

Dieser Passus aus dem antidonatistischen Traktat des Augustinus ,Contra Cresconium‘ handelt von der grundstzlichen Frage, ob Streiten fr einen Christen angemessen sei. Die Diskussion dieser Frage umfasst das ganze erste Buch vor der Erçrterung der Taufe, des eigentlichen Themas der Debatte mit den Donatisten. Der Grammatiker Cresconius2 stellt die Anwendung der artes liberales 3 und insbesondere der Dialektik, die ein Erbe der paganen Welt und als solche den Christen fremd sei, fr die Erçrterung des Themas in Frage. Vor allem wird die Dialektik, die Augustin peritia disputandi 4 nennt, von den donatistischen Bischçfen als verdchtig betrachtet, da sie nicht der Wahrheit diene, sondern nur Streit und Feindschaft stifte. Die Donatisten wollen deshalb nicht in theologische Debatten verwickelt werden und Theologen, die dialektisch argumentieren, sogar meiden. Dialektik wird hier von Cresconius negativ verstanden und trifft sich etwa mit der heutigen Auffassung von Polemik, denn ein Dialektiker ist jemand, der „trgerisch, arglistig und bçsartig“ argumentiert.5 Augustin betont, im Gegensatz dazu, die wichtige Funktion der Dialektik, um die Wahrheit zu erlangen, und rechtfertigt vor allem ihre Anwendung im theologischen Diskurs, indem er Beispiele aus dem Neuen Testament anfhrt. Paulus war ein dialecticus und ein disputator. 6 Er debattierte gegen Stoiker und Epikureer. Apollos wird in 2 3

4 5

6

Vgl. Kriegsbaum, Art. Cresconius, 494. Die Diskussion ber die Anwendung der Grammatik und der Rhetorik und die Frage nach der Beziehung der christlichen Theologie zu der antiken Bildung wird von Weissengruber, Augustins Wertung von Grammatik und Rhetorik im Traktat Contra Cresconium, 104 – 124, gefhrt. Augustin betrachtet nach Weissengruber diese Disziplinen als einen Schatz, der mit dem Schatz verglichen werden kann, den die Juden aus gypten mitgenommen haben. Weissengruber behandelt ausschließlich diesen kulturellen Aspekt, die Konfrontation der christlichen Welt mit der heidnischen Erbschaft. Die Rhetorik und die Dialektik stellen aber noch die weitere ethische Frage nach der Fiktion, dem Betrug und der Aggression durch die Sprache. Dieser Aspekt ist fr diesen Aufsatz sehr wichtig. Contra Cresconium 1,13,13. Contra Cresconium 1,13,16 „ideo me doctores vestri velut hominem dialecticum merito fugiendum potius et cavendum quam refellendum revicendumque censuerint“. Die Bezeichnung „homo dialecticus“ hatte vermutlich im damaligen Gebrauch eine pejorative Bedeutung etwa wie heute Polemiker. Vgl. A.C. De Veer, Notes complmentaires zu Contra Cresconium 1,3, 745: „Il est vident, en effect, que si Cresconius reprochait Augustin d’Þtre un ,homo dialecticus‘, il donnait ce mot un sens pjoratif universellement accept dans l’Antiquit et qui ne visait pas l’usage de la dialectique honnÞte, mais son abus.“ Contra Cresconium 1,14,17, Augustin unterscheidet zwischen disputator (anscheinend nicht negativ konnotiert) und dialecticus. Die Termini sind Synonyme, und Augustin betont mit ironischer Unterstellung: „puto iam quod apostolum

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein?

383

der Apostelgeschichte als Redner (dictor) prsentiert. Und vor allem war Jesus ein Dialektiker, weil er Debatten mit den Juden fhrte und ihre Fragen beantwortete. Nach Augustinus ist die Dialektik sogar Gott nicht fremd, weil er die Menschen zum Disputieren ruft, wie man feststellen kann, wenn man den griechischen Text von Jes 1,18 liest.7 Der Augustinus-Text gibt uns nicht nur einen Einblick in die christlichen Diskussionen der Sptantike. Es vermittelt darber hinaus methodische Einsichten, die fr die Frage nach dem polemischen Profil Jesu wichtig sind: (1) Erstens zeigt sich, dass in der christlichen Kirche schon sehr frh die Frage nach angemessenem Sprechen eine Rolle gespielt hat und dass in diesem Zusammenhang immer wieder die Kontinuitt zwischen dem Beispiel Jesu und dem Verhalten der Christen thematisiert wurde. Die Frage, wie Jesus sich konkret verhalten habe, war fr die Christen selbst maßgebend, aber auch fr die Außenstehenden, die in Jesus den Grnder und Reprsentanten der ganzen christlichen Bewegung sahen, ihn zunchst aber als Gekreuzigten und damit als politischen Rebell oder als Verbrecher wahrnahmen, d. h. als eine Person, die kein Interesse erwecken konnte oder sogar verachtet wurde. Die Frage, ob Jesus ein Polemiker war, hat zugleich noch weitere Konsequenzen. Sie zwingt zu der Klrung, gegen wen er polemisch argumentierte und in welchem Zusammenhang diese Polemik stand. (2) Zweitens wirft Augustinus eine wichtige normative Frage auf. Polemik (wie fr Cresconius die „Dialektik“) ist ein tendenziell eher negativ besetzter Begriff, der oft als Synonym fr aggressives und unsachliches Sprechen betrachtet wird. Es ist auch in der Gegenwart nicht leicht, Jesus als Polemiker zu definieren, ohne in Konflikt mit christlichen Jesusbildern zu geraten, weil der Begriff „Polemiker“ weitgehend negativ besetzt ist. Augustin verteidigte seine Bildung und seine Strategie, theologisch zu argumentieren und gegen die falschen theologischen Lehren zu kmpfen, indem er eine konstruktive Form der Dialektik annahm, die zur Wahrheit fhrt. Theologische Auseinandersetzungen gab es, so will Augustin sagen, von Anfang an, weil sich in diesen Auseinandersetzungen die Wahrheit behauptet. Die Alternative wre eine skeptische Vermeidung jeder Ausein-

7

disputatorem non neges, etiamsi dialecticum neges. Inprobare ergo in vocabulo Graeco, quod adprobare cogeris in Latino, quid est aliud quam indoctis praetentare fallaciam, doctis facere iniuriam?“ Contra Cresconium 1,14,18. Augustin zitiert den lateinischen Text „venite, disputemus, dicit dominus“ verweist aber auf den griechischen Text, bei dem das Verb diak´colai benutzt wird: ja· deOte ja· diekecwh_lem k´cei j¼qior.

384

Lorenzo Scornaienchi

andersetzung, die zu bloßem Relativismus fhren wrde. Behauptet man mit Augustin eine konstruktive Spielart der Polemik, dann stellt sich gleichzeitig die normative Frage nach den Grenzen zwischen einer konstruktiven und einer destruktiven Debatte. In dieser Frage ist die Position Augustins gegenber den Donatisten, die jede Form von Auseinandersetzung scheuten, relativ einfach. Jesus ist das Modell dieser dialektischen Debatte, weil er keine falschen Argumente benutzt und keine sophistische Haltung hat, wie sie im Gegenteil bei seinen Gegnern zu erkennen ist. (3) Drittens benutzt Augustin die Streitgesprche als Beispiel, um Jesus als Dialektiker zu definieren, der sich mit seinen Gegnern in einen Dialog einlsst. Die Evangelien entwerfen aber ein differenzierteres Bild des streitenden Jesus, der einerseits seine Gesprchspartner mit den Mitteln der Invektive anspricht und andererseits ein nicht-aggressives Sprechen vorschreibt. Eine kritisch-exegetische Untersuchung der Evangelientexte wird hier sehr viel vorsichtiger argumentieren mssen als Augustinus.

2. Definition der Polemik und die Frage ihrer Normierung Bereits Augustins Unterscheidung von „Sophisten“, die er mit Pharisern und Schriftgelehrten gleichsetzt, und „Dialektikern“ wie Jesus und Paulus beruht auf einer normativen Ordnung des polemischen Verfahrens. Die Auseinandersetzung mit Cresconius zeigt nmlich zwei verschiedene Auffassungen von „Dialektik“, die aus einer metatheoretischen Diskussion hervorgehen: eine aggressive und streitschtige Form steht einer sachlichen Form gegenber, die die Wahrheit sucht und nicht bloß rechthaberisch ist. Die gleiche Unterscheidung ist auch fr den Terminus „Polemik“ von Bedeutung.8 Die meisten Definitionen sprechen von Polemik als von einer unsachlichen und aggressiven Art des Argumentierens, die oft eher die Person des Gegners angreifen, als ein Thema grndlich erçrtern will.9 Nach dieser Sicht ist Polemik jeder alltglichen oder literarischen Form der Aggression durch Sprache verwandt.10 Damit ist in der Tat ein Wesenszug der Polemik benannt. Nach J. Stenzel gehçren aber Aggression und Aufregung eher nicht zu den primren Elementen des polemischen Verfahrens, denn der Polemiker fhrt seine Angriffe oft kaltbltig und gezielt aus. Stenzels De8 Vgl. Braungart, Art. Polemik I, 1440. 9 Vgl. Scheichl, Art. Polemik, 117. 10 Dieser Ansatz wird im ausfhrlichen Sammelband Declerq, Murat, Dangel, La parole polmique, behandelt.

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein?

385

finition, die Polemik als einen rhetorischen Vorgang versteht, bei dem ein Thema vor der ffentlichkeit behandelt wird, ist hier sehr hilfreich. Das Ziel des Polemikers ist es, sich durch seine rhetorische Geschicklichkeit vor der ffentlichkeit, die Stenzel „polemische Instanz“ nennt, auf Kosten seines Gegners als vir bonus zu erweisen.11 Diese rhetorische Darstellung des polemischen Verfahrens ermçglicht es, Polemik klar von den Formen des alltglichen Streitens oder der Beleidigung zu unterscheiden. Nach Stenzels Verstndnis wird Polemik immer in thematisch zentrierten Debatten verwendet, wobei aber die sachlichen Argumente hufig mit der Person des Gegners in Zusammenhang stehen, so dass oft keine wirkliche Unterscheidung von argumenta ad rem und argumenta ad personam mçglich ist. Denn Polemik unterscheidet sich dadurch von der Kritik, dass sie immer eine persçnliche Komponente hat, und von der Beleidigung dadurch, dass sie immer argumentieren will. In diesem rhetorischen Deutungsschema stellt Polemik einen Zwischenzustand zwischen zwei Extremen dar und befindet sich daher immer in einer unstabilen Position. Erhellend ist auch die Abgrenzung zwischen Polemik und Invektive. Die Invektive ist die literarische Form, die sich nur mit der Person des Gegners beschftigt, sie kann daher als der der Sachkritik entgegengesetzte Pol betrachtet werden.12 Ein Polemiker beansprucht, sachliche Kritik zu ben, aber diese kann Formen der persçnlichen Beleidigung einschließen. Derartige Unterscheidungen haben eine normative Komponente. Die Frage der Normativitt der Polemik ist von W. Dieckmann13 fr die neuere deutsche Literatur behandelt worden. Die deutsche Literatur hat nach Lessings Anti-Goeze-Reden Polemik immer mit einem gewissen Interesse betrachtet, ohne das Polemik einen realen Platz in der Literatur gewinnen konnte. Nach Dieckmann kommt der Polemik stets die schon angesprochene „Doppelbçdigkeit“ zwischen sachlicher und persçnlicher Zielrichtung der Argumentation zu.14 Diese grundstzliche Doppelnatur der Polemik erfordert ein stndiges normatives Bemhen, durch das das aggressive 11 Stenzel, Rhetorischer Manichismus, 4 – 5. 12 Wichtig fr die antike Literatur ist die Untersuchung von Koster, Die Invektive in der griechischen und rçmischen Literatur. Vgl. auch den Beitrag von S. Koster in diesem Band. 13 Dieckmann, Streiten ber das Streiten. 14 Dieckmann, Streiten ber das Streiten, 26. Er gewinnt diese Erkenntnis aus dem Werk von R. Specht ber die Anti-Goeze-Reden von Lessing. Die gleiche Meinung finden wir bei Lazarowicz, Verkehrte Welt, 181: „Die Polemik, so kçnnen wir sagen, hat in dem Bereich der pragmatischen Literatur ihren Platz zwischen dem Pasquill und der Kritik“.

386

Lorenzo Scornaienchi

Element der Polemik als notwendig erklrt wird. Diese Normativitt ist aber keine externe Abgrenzung der Polemik, sondern ihre interne Regulierung. Die Normativittsdebatte gehçrt zur Polemik selbst. Normative Bemerkungen kçnnen sogar der polemischen Absicht dienen, um den Gegner schlechtzumachen. Dieckmann unterscheidet zwei Formen der Normativitt als metatheoretischer Beschftigung, metakommunikative und extrakommunikative ußerungen, die die Normativitt charakterisieren.15 Eine metakommunikative Normierung bezeichnet die Thematisierung des polemischen Verfahrens im Verlauf der Debatte durch die Beteiligten selbst, eine extrakommunikative Normierung bezeichnet jedes Urteil ber die Angemessenheit der Polemik, das von außen und von Nicht-Beteiligten kommt. Diese Unterscheidung Dieckmanns kann fr Jesus als Polemiker fruchtbar gemacht werden. Im Fall Jesu von Nazareth spielt vor allem die extrakommunikative Normierung eine wichtige Rolle. Die externe Deutung und Normierung der polemischen Ttigkeit Jesu ist in der Jesus-Tradition und in den Evangelien Bestandteil der Modellierung des jeweiligen JesusBildes. Wir finden in diesen vorliterarischen und literarischen Jesusbildern die gleiche Logik, die allgemein bei der Auseinandersetzung mit dem Phnomen der Polemik begegnet: Die Polemik wird zwar in ihrer aggressiven Wirkung grundstzlich verworfen, gleichzeitig ist sie aber notwendig, um die Wahrheit zu konturieren. Interessant scheint mir, dass das Konfliktpotential, das in der Gestalt Jesu und seiner Wirkung liegt, trotz aller spteren Normierungen und Korrekturen in den Evangelien nirgendwo vçllig unterdrckt wird. Der Grund liegt einerseits in der narrativen Strategie der Passionserzhlung, nach der die Opposition gegen die Person Jesu zum Kreuzestod fhrte. Diese Opposition wird im Johannesevangelium als metaphysische Opposition zwischen Gott und Welt, zwischen Licht und Finsternis gedeutet. Andererseits ist die theologische Auseinandersetzung Jesu mit der offiziellen Religion des Judentums trotz der Vernderungen und Transformationen der Themen und Motive fester Bestandteil der Formierung der synoptischen Tradition und bildet in den Evangelien eine Konstante, die zum narrativen Konzept aller Evangelien gehçrt.

15 Dieckmann, Streiten ber das Streiten, 91 – 93.

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein?

387

3. Das polemische Profil Jesu. Methodische berlegungen 3.1 Die Vielfalt des Materials und seine Interpretation Die Evangelien entwerfen unterschiedliche Szenarien der polemischen Ttigkeit Jesu. Jesus bedient sich einerseits der Invektive gegen Phariser und Schriftgelehrte (z. B. Mt 23), anderseits aber ist er auch ein ruhiger und sachlicher Gesprchsteilnehmer, der beleidigende Ausdrcke vermeidet und trotz der feindseligen Absichten seiner Gegner bei seinen Antworten stets objektiv bleibt (wie in den Streitgesprchen). Was das Bild noch komplizierter macht, sind die Normen ber das Sprechen, die Jesus selbst gibt und die sich gegen jede aggressive und beleidigende Sprache richten. In der ersten Antithese der Bergpredigt (Mt 5,22) vergleicht Jesus die beleidigenden Anreden Naj² und lyq´ mit einem Mord und fordert die hçchste Strafe fr sie. Die Affekte, vor allem der Zorn (p÷r b aqcifºlemor), werden abgelehnt und in ihrer destruktiven Wirkung beschrieben, die genauso schlimm ist wie die reale und physische Form der Gewalt.16 Der Widerspruch wird auffallend, wenn man diesen Text mit Mt 23,17 vergleicht, wo Jesus die Phariser und Schriftgelehrten als lyqo· ja· tuvko¸ anspricht, und wenn man den aufgeregten und aggressiven Ton des ganzen Kapitels betrachtet, das als çffentliche Rede Jesu konzipiert ist. Diese Widersprche in den narrativen und argumentativen Konzepten der Jesusbilder der synoptischen Evangelien fordern eine Erklrung. Ein Blick in die Forschungsgeschichte ist hier unerlsslich. Die liberale Jesus-Forschung hat die Polemik und die scharfen Reden Jesu als historisch betrachtet. Was darzustellen und zu erklren blieb, waren die Variationen in den ußerungen Jesu, die in den Evangelien enthalten sind, und der Widerspruch zwischen aggressiver Rede und anti-aggressiver Normierung des Sprechens bei Jesus. E. Renan schlug in seinem „Leben Jesu“ eine geographische Erklrung dieser Unterschiede vor.17 Jesu Wirken habe sich in zwei Hauptorten entfaltet, in Galila und in Jerusalem. Diese zwei Wirkungssttten im Leben Jesu htten seine Stimmung so unterschiedlich beeinflusst, dass er jeweils eine vçllig andere Haltung eingenommen habe. So 16 Dass die ersten Antithesen eine Reflexion ber die Destruktivitt der Affekte ist, scheint mir aus dem Ausdruck in 5,28 pq¹r t¹ 1pihul/sai aqtμm hervorzugehen. Das Begehren ist das gefhrlichste aller Affekte. Hier wird es ausschließlich auf die Sexualitt bezogen. Diese Diskussion ber die Affekte kçnnte dafr sprechen, die zwei Antithesen eher in der spteren Zeit der matthischen Redaktion zu situieren als eine jesuanische Formulierung anzunehmen. 17 Renan, Vie de Jsus, 226.

388

Lorenzo Scornaienchi

befand sich Jesus in Galila, inspiriert durch die Schçnheit und die ppigkeit der Landschaft, in einer gelassenen Haltung und konnte eine so schçne und hochmoralische Rede wie die Bergpredigt halten. Seine Gleichnisse, die meistens Themen aus dem Naturreich behandeln, enthalten dieselbe idyllische Vorstellung von der Natur, die die Wirklichkeit Gottes widerspiegeln kann. In Jerusalem dagegen, wohin er nach dem Tod des Johannes zog, habe er durch die dstere Umgebung und die isolierte Position der ,grauen‘ Stadt Jerusalem eine traurige Haltung angenommen, die seine apokalyptischen Visionen zum Wahn htten eskalieren lassen. Diese Situation war fr die scharfe Polemik gegen die religiçsen Autoritten verantwortlich, die dann zu seinem Tod fhrte. K.T. Keim schlug in seinem monumentalen Leben Jesu,18 das in der neutestamentlichen Exegese in Vergessenheit geraten ist, eine innere Erklrung vor, die besser zum liberalen Versuch, die Persçnlichkeit Jesu zu rekonstruieren, passte: eine christologisch-psychologische Erklrung. Jesus empfand eine enorme innere Spannung, weil er gleichzeitig gçttlich und menschlich war. Seine teils aggressiven, teils friedlichen und gelassenen Aussagen kçnnen aus diesem besonderen Zustand zwischen menschlichem und gçttlichem Bewusstsein erklrt werden. Die psychologische Erklrung fhrte zu einem psychiatrisch modellierten Profil der Persçnlichkeit Jesu als eines Neurotikers. Gegen diese Entwrfe und gegen jede psychologisierende Darstellung der Person Jesu definierte Albert Schweitzer Jesus als Apokalyptiker, der nicht mit modernen Kategorien gedeutet und beschrieben werden kçnne.19 Die Wende der Formgeschichte, die auf eine historische Rekonstruktion des Lebens Jesu verzichtete und sich statt dessen auf die kritische Darstellung der Entstehung der Jesus-Tradition im Rahmen der Verkndigung der frhen Gemeinden konzentrierte, fhrte auch zu einer eigenen Bewertung des polemischen Materials der synoptischen Tradition. Die Debatten zwischen Jesus und den Pharisern und Schriftgelehrten, die die Evangelien darstellen, sind in diesem Paradigma keine Dokumente der Polemik des historischen Jesus, sondern sie enthalten die theologischen Diskussionen der frhen Kirche gegen das Judentum, die auf Jesus rckprojiziert werden.20 18 Keim, Geschichte Jesu von Nazara, 639. 19 Schweitzer, Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, 631 – 632. 20 So schreibt z. B. Bultmann in seinen Jesus-Buch, 67: „Das geht nun vollends hervor aus einer Reihe von Kampfworten und Konfliktszenen, die im einzelnen ihre Formulierung erst durch die Gemeinde erhalten haben; jedoch ist in diesem Punkt das Verhalten der Gemeinde das beste Zeugnis fr die Lehre Jesu“.

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein?

389

Bultmann kann dadurch das polemische Bild, das seine Vorgnger von Jesus gezeichnet hatten, revidieren: „Jesus hat nicht das Gesetz bekmpft. Sondern er hat es, dessen Autoritt fr ihn selbstverstndlich war, erklrt“.21 Die sog. neue Fragestellung zum historischen Jesus (third quest) hat diese Schlussfolgerungen der Formgeschichte aufgenommen und weitergefhrt. E.P. Sanders spricht in Bezug auf die Konflikte in den Evangelien von einer Rckprojektion der Polemik der Kirche auf den historischen Jesus.22 Jesus sei Jude gewesen und habe in keiner Hinsicht das System der Religion seiner Zeit in Frage gestellt. Dieses historische Urteil wurde der Ausgangspunkt der jngsten Jesus-Forschung. Nach J.D.G. Dunn sollte die dritte Frage nach dem historischen Jesus noch genauer als „quest on Jesus the Jew“23 bezeichnet werden. Dunn wendet sich damit vor allem gegen die These von J.D. Crossan und B. Mack, die Jesus als kynischen Philosophen interpretieren. Diese Autoren werden von Dunn als neoliberal bezeichnet: sie kçnnen wieder mit Harnack von Hellenisierung sprechen, aber nicht mehr nur in Bezug auf die christliche Kirche, sondern jetzt sogar in Bezug auf Jesus selbst. Crossan und Mack sind aber m. E. dem third quest nicht so fern, wie Dunn zeigen mçchte. Sie gehen im Grunde von dem gleichen Paradigma aus, nmlich von dem Versuch, Jesus von seiner Umwelt her zu beschreiben, aber sie setzen die Akzente bei der Rekonstruktion der Umwelt anders. Crossans Jesusinterpretation nimmt ihren Ansatz bei den kynischen Wanderphilosophen und ist damit der Vorstellung verpflichtet, dass die Verkndigung Jesu nicht von religiçser Polemik, sondern nur von sozialem Protest, der das Reich Gottes und die Mahlgemeinschaft als Grundprinzipien hatte, getragen gewesen sei. Nach Crossan war Jesus hellenisiert, er habe keine religiçse Polemik gefhrt, sondern hatte eine radikale soziale Botschaft.24 Dunn weist noch auf einen anderen Aspekt des third quest hin, wenn er schreibt: „In closing the gap between Jesus and Judaism, such scholars open up the other gap, the one between Jesus and the Christianity“.25 Die Diskussion ber den polemischen Jesus kann vielleicht weitere Aspekte zur Situierung Jesu zwischen Judentum, kynischer Philosophie und Urchristentum erschließen. 21 Bultmann, Jesus, 57. 22 Sanders, The Historical Figure of Jesus, 214. In Bezug auf die Streitgesprche in Mk 2,1 – 3,6 schreibt er auf S. 217: „This is not to say that they all really took place. I have suggested that they reveal the signs of retrojection: later disputes have been thrust back into the lifetime of Jesus. […] The disputes may have taken place, but not necessarily between Jesus and the scribes and Pharisees“. 23 Dunn, A New Perspective on Jesus, 62. 24 Crossan, Jesus. Ein revolutionres Leben, 94 – 104. 25 Dunn, A New Perspective on Jesus, 62.

390

Lorenzo Scornaienchi

Im Folgenden setze ich voraus, dass Jesus selbst polemisch gewirkt hat. Die Jesus-berlieferung hat diese Polemik erweitert, neu formuliert und erzhlerisch gedeutet. Dabei sind immer wieder neue charakteristische JesusBilder entstanden. Man kann m. E. mindestens drei Momente in der synoptischen Entwicklung unterscheiden: die prophetische Deutung Jesu in der Logienquelle Q, in der sich Jesus als Prophet gegen die Frçmmigkeit seiner Zeit wendet. Das ist eine erste Deutung, bei der das Prophetische im Verhalten und vor allem in der Verkndigung Jesu im Mittelpunkt steht. Ein zweites Moment ist die neue Deutung der Polemik Jesu als Bestandteil gelehrter Debatten ber die Schriftauslegung im Markusevangelium unmittelbar nach dem jdischen Krieg. Bei Markus tritt das prophetische Bild von Jesus in den Hintergrund und wird als Missverstndnis der Person Jesu interpretiert. Jesus ist der Sohn Gottes und kein Prophet. Ein drittes Moment finden wir in den Evangelien des Matthus und Lukas. Beide Evangelien beleben wieder das prophetische Bild von Jesus, indem sie den Stoff der Logienquelle verwenden. Fr beide Evangelien ist aber Jesus kein prophetischer Polemiker. Im Lukasevangelium dient der polemische Stoff aus Q der Kritik an der jdischen Religion. Jesus setzt in diesem Evangelium die heftigen Invektiven innerhalb des neuen literarischen Rahmens eines Symposions ein (Lk 11,37 – 54). Das Matthusevangelium verwendet in Kapitel 23 die Invektiven, die ihre prophetische Kraft voll entfalten, zur scharfen Verurteilung der religiçsen leader, die spter das Volk in die Katastrophe des jdischen Krieges fhren werden. Matthus will mit der jdischen Gemeinde seiner Zeit in einen Dialog eintreten und betont deswegen die Aktualitt Jesu, der in seiner Zeit dem Gesetz treu blieb und eine Radikalisierung der Gebote lehrte. Jesus verkçrpert in diesem Zusammenhang das Ideal des nicht-aggressiven Sprechens. Die Invektive gegen die Phariser und gegen die Schriftgelehrten als Ankndigung des Gerichtes Gottes wird nicht als Widerspruch zum nicht-aggressiven Sprechen empfunden. Man kann in dieser Entwicklung den bergang von einem Jesus als Subjekt der Polemik, der selbst polemisch spricht und eine besondere polemische Rede- und Argumentationsart vertritt, zu einem Jesus, der im Gegenteil Objekt der Polemik der religiçsen Autoritten seiner Zeit wird, beobachten.

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein?

391

3.2 Auf der Suche nach der Koordinaten der Polemik Jesu Dass die Verkndigung Jesu eine gewisse polemische Potenz hatte, kann man aus den Invektiven schließen, die in den Evangelien berliefert werden. Mit diesen Invektiven spricht Jesus in der Regel die Theologen und die religiçsen Autoritten seiner Zeit an. Die grundstzliche Echtheit der Invektiven wird in der exegetischen Literatur vorausgesetzt, weil es sonst schwierig wre, die Funktion dieser Anreden zu erklren. Man kann eine quantitative Zunahme und eine inhaltliche Verschrfung innerhalb polemischer Auseinandersetzungen der christlichen Gemeinden mit den Synagogen annehmen, kaum aber eine Neuerfindung.26 Ein typisches Merkmal der Invektive ist die Bezeichnung von Menschen als Tiere oder besonders als Dmonen. Einmal benennt Jesus Herodes Antipas einen „Fuchs“ (!k¾pen Lk 13,32) nach der Hinrichtung des Johannes des Tufers, ohne diese Bezeichnung nher zu erklren. Nicht nur Gegner oder Feinde werden mit solchen Namen etikettiert. Sogar Petrus wird als „Satan“ (satam÷r Mt 16,23) angesprochen. Es ist kaum bestimmbar, ob mit der Bezeichnung in „Schweine“oder „Hunde“ (Mt 7,6) eine konkrete Gruppe gemeint ist, oder ob es sich nur um eine Metapher fr Verschwendung handelt: Lμ d_te t¹ ûciom to?r jus·m lgd³ b²kgte to»r laqcaq¸tar rl_m 5lpqoshem t_m wo¸qym, l¶pote jatapat¶sousim aqto»r 1m to?r pos·m aqt_m ja· stqav´mter N¶nysim rl÷r Jesus benutzt eine abwertende Anrede an die Heiden, jum²qia, als er sich weigert, die Tochter der Syrophçnikerin zu heilen. Hunde werden als unreine und besonders gefhrliche Tiere fr eine religiçse Gemeinschaft empfunden. Die Argumentationskraft der Syrophçnikerin berwindet das Vorurteil des Juden Jesus und ermçglicht die Heilung der Tochter. Eine grundstzliche polemische Abzweckung kann m. E. bei den Logien Jesu angenommen werden, die Kriegs- und Gewaltmetaphorik verwenden.

26 Ich weise auf eine Parallele mit Paulus hin. In Apg 23,3 spricht Paulus den Hohenpriester mit der Anrede to?we jejomial´me an, nachdem er unter dessen Befehl geschlagen wurde. Dieser Satz, der aus Ez 22,28 stammt und mit dem jesuanischen im Zusammenhang steht, ist vermutlich von Lukas erfunden. Sie sttzt sich aber auf die Tatsache, dass Paulus trotz seiner rhetorisch gepflegten Sprache ebenfalls die Invektive benutzte. Das kann ein Merkmal sein, das zusammen mit der Erinnerung an die Person des Paulus tradiert wurde. Das Gleiche kann fr Jesus gelten. Das wrde fr eine Echtheit seiner Anredeformen sprechen. Zu dem Vorwurf des Paulus vgl. den Beitrag von W. Wischmeyer in diesem Band.

392

Lorenzo Scornaienchi

Dazu gehçren die Logien von der Botschaft Jesu als Schwert oder Krieg27 im Gegensatz zum Frieden (Mt 10,34) oder als Feuer (Lk 12,49), das sich weiter fortpflanzt. Die gleiche Gewaltmetaphorik finden wir in dem Spruch ber den Starken (Mk 3,27 par.) oder ber die Gewaltttigen im Strmerspruch (Mt 11,12// Lk 16,16). Letztere Stelle, die sehr umstritten ist, wird im nchsten Abschnitt ausfhrlich besprochen werden. Jesus bedient sich dieser Metaphorik der Gewalt auf eine Art, die an die prophetische Predigt erinnert. Es handelt sich nicht, wie immer wieder vorgeschlagen wurde, um Merkmale einer revolutionren Ttigkeit des historischen Jesus, sondern um metaphorischen Gebrauch solcher Terminologie im prophetischen Stil.28 Jesus wollte keinen Aufstand gegen Rom anstiften, obwohl er die Hinrichtung eines Rebellen am Kreuz erlitt. Er wollte durch seine Predigt innerhalb des jdischen Volkes wirken. Darauf deuten auch die weiteren Logien Jesu hin, die eher Gewaltlosigkeit und Feindesliebe untersttzen. Es ist kein polemisches Logion gegen die rçmische Herrschaft berliefert. Jesus predigt im Gegenteil die Unterwerfung unter die ungerechten Maßnahmen der militrischen Besatzung (Mt 5,41). Das wird durch das Verb !ccaqe¼y und die Aufforderung zur Bezahlung des Census (Mk 12,13 – 17) deutlich. Sogar auf die Nachricht vom brutalen Massaker des Pilatus in Lk 13,1 reagiert Jesus mit einer Forderung zur Umkehr seiner Landesleute und nicht mit Polemik gegen den rçmischen Stadthalter.29 Andere konkurrierende Bewegungen wie die des Johannes des Tufers werden nicht direkt zum Objekt einer polemischen Auseinandersetzung Jesu, sondern eher positiv beurteilt oder gelobt (exemplarisch Mt 11,7 – 18// Lk 7,24 – 35). Die Provokation, die Jesus-Bewegung gegen die JohannesBewegung zu stellen, kommt eher von außen, nmlich von der Beobachtung, dass die Jesus-Anhnger, anders als die Phariser und die Jnger des Johannes, keine tadellose religiçse Observanz ben (Mk 2,18). Als einziges Beispiel verdeckter Polemik der Christen gegen die Johannes-Anhnger gilt die Frage des gefangenen Johannes an Jesus (Mt 11,1 – 6). Diese Perikope betrifft aber nicht den historischen Jesus, sondern hçchstens die Frage nach 27 Unklar bleibt jedenfalls die Bedeutung von Lk 22,36. Es scheint mir aber schwierig, diese Stelle als einen Aufruf Jesu zum bewaffneten Widerstand zu interpretieren. 28 Diese These wurde vor allem von Brandon, Jesus and the Zelots, 331 – 337 vertreten. 29 Es ist allerdings unsicher, ob diese Aussagen wirklich als Kommentar des historischen Jesus zu einem aktuellen Geschehen zu betrachten sind. Es ist nicht einfach, ein solches Ereignis in Galila zu der Zeit Jesu zu bestimmen. Schweizer, Das Evangelium nach Lukas, 144, schlgt vor, das Gemetzel in Jerusalem (Antiquitates 18,60 – 62) zu bercksichtigen, und nicht die Ermordung der Samaritaner auf dem Garizim (Antiquitates 18,85 – 87), ein Geschehnis, das nach dem Tod Jesu stattfand.

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein?

393

der Messianitt Jesu in den spteren Debatten zwischen Christen und der Johannes-Gruppe. Die meisten Invektiven sind gegen die Phariser und die Schriftgelehrten gerichtet. Eine exemplarische Stelle, die schon erwhnt wurde, ist Mt 23, wo Jesus die aggressiven Anreden rpojqita¸, bdgco¸, tuvko¸, lyqo· ja· tuvko¸ benutzt. Die Vorwrfe betreffen meistens das Verhalten dieser Personengruppen, nicht ihre Lehre oder ihre Religion. Die bloße Pflege der ußeren Riten der Religion wird mit dem Bild der getnchten Grber t²voi jejomial´moi (Mt 23,27), das ausfhrlich erklrt wird, kritisiert. In diesem Zusammenhang legt Matthus Jesus Wendungen in den Mund, die auf Johannes den Tufer zurckgehen (Mt 3,7//Lk 3,7), hier fungieren sie als weitere Invektive gegen die Phariser und die Schriftgelehrten: cemm¶lata 1widm_m (Mt 23,33), sogar mit der Variante eveir. Die Tatsache, dass Matthus diesen Ausdruck der Predigt des Johannes des Tufers verwendet, besttigt seine Intention, die prophetische Predigt Jesu durch das Beispiel des Johannes noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen. Eine weitere Invektive Jesu gilt seinen Zeitgenossen, der „bçsen und treulosen Generation“ (ceme± pomgq± ja· loiwak¸r) (Mt 12,39; 16,4 und Mk 8,38). Diese Sprachformen lassen gewisse Rckschlsse auf den historischen Jesus zu. Der Begriff „Prophet“, der sich hier nahezulegen scheint und der in der gegenwrtigen Jesus-Forschung sehr oft benutzt wird, ist aber nicht sehr przise, weil die Prophetie ein religiçses Phnomen des ersten Tempels ist.30 Die Bezeichnung wurde in der Folgezeit sehr unterschiedlichen Formen von religiçsen Bewegungen zugeschrieben. Wright definiert Jesus als ein „oracular“ und einen „leadership prophet“, weil er nicht nur Orakel ausgesprochen, sondern auch eine Gruppe von Menschen durch seine charismatische Predigt gesammelt habe.31 Propheten wurden zur Zeit Jesu aber die apokalyptischen Prediger genannt, die zur Revolte gegen Rom aufriefen und besondere mchtige Zeichen ankndigten. Da Jesus trotz seiner apokalyptischen Predigt nicht zur politischen Revolte aufrief, mussten sich die Evangelisten, vor allem Markus, Mhe geben, seine Person von diesen Aufrhrern unterscheidbar darzustellen. Kurz gesagt: In Jesu Polemik finden sich prophetische Elemente, ohne dass er dadurch zum „Propheten“ im religionsgeschichtliche Sinn wird. 30 Wright, Jesus and the Victory of God, 162. 31 Wright, Jesus, 163. „Rather, I suggest that Jesus was seen as, and saw himself as, a prophet; not a particular one necessarily, as though there were an individual set of shoes ready-made into which he was consciously stepping, but a prophet like the prophets of old“.

394

Lorenzo Scornaienchi

Die oq²i-Stze, die Jesus gegen die Dçrfer Galilas (Mt 11,20 – 24; Lk 10,13 – 15) und gegen die religiçsen Reprsentanten ausspricht, und die Makarismen, die einigen Randgruppen zugesprochen werden, vermitteln einen Eindruck von der Kraft der jesuanischen Polemik. Formal kçnnen sie mit der Lob- und Tadelrede der griechischen Welt verglichen werden. Die Tadelrede ist oft die Basis, auf der sich die Invektive aufbaut. In der Tat sind die Wehe-Stze aber kein Urteil ber menschliche Eigenschaften. Sie bringen das Urteil Gottes ber die Menschheit vor dem Endgericht zum Ausdruck, das als unmittelbar nah gedacht wird. Vor diesem Urteil sind religiçse oder menschliche Tugenden vorzuweisen. Zu den formalen Aspekten des polemischen Profils Jesu gehçrt auch die paradoxe Erzhlweise in einigen seiner Gleichnisse, die menschliche Verhltnisse in Frage stellen oder in einer unerwarteten Art und Weise beleuchten (Mt 20,1 – 16; 21, 28 – 32; Lk 16,1 – 6; 16,19 – 31; 18,1 – 8; 18,9 – 14). Manche Exegeten finden in dieser paradoxen Erzhlweise eine gewisse Ironie,32 die teilweise eine polemische Intention haben kann. Dem prophetischen Stil gehçrt die Unterscheidung von den Menschen, die getadelt, und jenen, die gelobt werden, an. Der prophetische Stil der Aussagen Jesu reicht aus, um den grundstzlichen polemischen Charakter seiner Predigt zu erklren, ohne dass man einen taktischen, d. h. rhetorischen Gebrauch vermuten muss. Polemik als Stilmittel wird in der Regel entweder von besonders anerkannten Gelehrten benutzt, um ihre herausragende Position zu betonen, oder von unbedeutenden Menschen, die hoffen, sich durch den Angriff gegen bekannte Persçnlichkeiten profilieren zu kçnnen. Solch taktischer Einsatz der Polemik, um Macht zu bekommen, ist im Fall Jesu eher auszuschließen.33 Die Frage, wogegen sich denn Jesu Polemik inhaltlich richte, ist umstritten. Sie betrifft vor allem das Verhltnis Jesu zur Tora oder generell zu den Traditionen, den Lehren und der Praxis der jdischen Religion. Zunchst ist 32 Zum Thema Ironie und satirische Elemente in der Verkndigung Jesu sind die Studien von H. Clavier ber die ganze Predigt Jesus und von W. Harnisch ber die Gleichnisse grundlegend. Nach Clavier (L’ironie dans l’enseignement de Jsus, 6) ist die Ironie Jesu in der prophetischen Tradition verwurzelt und hat eine ethische Funktion. Nach Harnisch aber hat die Ironie Jesu eine eschatologische Funktion, wie er im besonderen Fall von Lk 18,1 – 8 zeigt (430ff ). „Der zufllige Rechtgewinn der Witwe erscheint als die lcherliche Abbildung des eschatologischen Heils, als ironische Privation jener Flle, die der Makarismus allen nach Gerechtigkeit Hungernden zuwendet“ (S. 435). 33 Gegen die These von Capps, Jesus as Power Tactician, 158 – 189. Er nimmt die Thesen von Jay Haley auf, der eine detaillierte Strategie schildert, durch die Jesus an die Macht wollte. Jesus attackierte die religiçsen leaders und zeigte, dass sie sich vom wahren Glauben entfernt hatten, um den Konsens der Bevçlkerung zu gewinnen.

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein?

395

deutlich, dass Jesus keiner der bekannten jdischen Gruppierungen seiner Zeit angehçrte, sondern er scheint einzelne Positionen der verschiedenen Gruppen geteilt zu haben, ohne sich mit einer zu identifizieren. Er kann nach Theißen die Vorstellung von der Gottesherrschaft und der theokratischen Macht mit den Zeloten und Zeichen-Propheten teilen, ohne ihre Idee eines gewaltttigen Einsatzes zu billigen. Er kann der Vorstellung von der Auferstehung bei den Pharisern (und gegen die Sadduzer) zustimmen, aber gleichzeitig kritisch gegenber den pharisischen Traditionen sein. Er kann wie die Essener dem Tempel gegenber kritisch sein, aber er eignet sich nicht ihre Askese und ihre Reinheitsvorstellungen an.34 Vielleicht war gerade diese Stellung zwischen den Fronten ein Grund fr die Debatten, die in den Evangelien erzhlerisch dargestellt werden. Die Frage nach dem Verhltnis Jesu zur Tora wird konkret in Bezug auf vier Bereiche diskutiert: den Sabbat, die Reinheitsvorschriften, die Antithesen und den Tempel. Fr Ksemann hat Jesus mit einer „unerhçrten Souvernitt“ wesentliche Bereiche der Tora in Frage gestellt, vor allem den Sabbat und die Reinheitsvorschriften. Seine Autoritt, die in der Formel „Ich aber sage euch“ ihren sprachlichen Ausdruck findet, hat nach Ksemann keine Analogien in der jdischen Welt und ist daher der Grund, weshalb er zum Tode verurteilt wurde.35 Die Autoren des third quest haben, wie wir schon sahen, eine solche direkte Kritik Jesu an der Tora ausgeschlossen. Nach D. Flusser argumentiert Jesus eher gegen den Lebenswandel der Phariser als gegen das Gesetz als solches: „What Jesus said, thus, has nothing to do with a supposed abrogation of Judaic law, but is a part of a criticism directed to the Pharisees“36. Vor allem E.P. Sanders weist darauf hin, dass Debatten ber das Gesetz eine hufige Beschftigung zur Zeit Jesu waren und nicht Kritik am Gesetz oder seinem gçttlichen Ursprung bedeuteten. „The people who make such suggestion should clarify in what sense Jesus opposed the Law“.37 Er unterscheidet verschiedene Stufen einer Kritik am Gesetz im Allgemeinen. 34 Theißen, Jesus im Judentum, besonders die Tabellen auf S. 44 – 46. 35 Ksemann, Das Problem des historischen Jesus, 206 – 208. Besonders eindrucksvoll ist der Satz auf S. 208 „Jesus hat mit einer unerhçrten Souvernitt am Wortlaut der Tora und der Autoritt des Moses vorbergehen kçnnen. Diese Souvernitt erschttert nicht nur die Grundlagen des Sptjudentum und verursacht darum entscheidend seinen Tod, sondern hebt darber hinaus die Weltanschauung der Antike mit ihrer Antithese von kultisch und profan und ihrer Dmonologie aus den Angeln“. 36 Flusser, The Sage from Galilee, 37. 37 Sanders, The Historical Figure of Jesus, 210.

396

Lorenzo Scornaienchi

Jesus habe nie gelehrt, den Sabbat oder die Speisevorschriften zu brechen.38 Die einzige bertretung, die nach Sanders Jesus zugeschrieben werden kçnnte, ist es, dass er dem zur Nachfolge gerufenen Jnger nicht erlaubte, den Vater zu bestatten. Sonst widerspricht Jesus keinem einzigen Gebot der Tora. Die Konflikte am Sabbat haben unrealistische Konturen und setzen die Debatte der Kirche und nicht des historischen Jesus voraus.39 Die Debatte ber das Hndewaschen, die dann unerwartet in die Frage der Reinheit der Speisen bergeht, sei auch von der Kirche gestaltet worden. Das Reinheitslogion Mk 7,15 ist nach Sanders nicht ursprnglich, weil Paulus sonst in seinen Auseinandersetzungen ber die Position der Heiden diese Aussage zitiert htte. In Apg 10,9 – 17 muss sich Petrus erst durch eine Offenbarung davon berzeugen lassen, unreine Tiere zu essen.40 Die Tempelaktion ist nach Sanders weder eine Reinigung der Heiligkeit des Tempels vom Kommerz noch ein revolutionrer Akt. Sie ist eine symbolische Demonstration der zuknftigen Zerstçrung des Tempels, was sich mit den Worten in Mk 13,1 – 2 verbindet. Diese Aktion drckt aber keine Opposition zum Tempel aus, sondern steht in der Linie der Erwartung eines neuen Tempels, die stark im Judentum verwurzelt war.41 Andere Exegeten nehmen eine gewisse Revision der Vorschriften der Tora und der Tradition durch Jesus an.42 Man kann den Erzhlungen entnehmen, dass Jesus eine freie Haltung gegenber dem Sabbat hatte und fr die Hilfe im Notfall pldierte, was dem Judentum nicht fremd war. Die Reinheitsvorschriften werden an vielen konkreten Fllen gebrochen. Jesus isst mit Sndern, und unter seinen Jngern sind viele Menschen, die nach den Kriterien der Tora als unrein gelten. Er berhrt Ausstzige, Kranke, eine menstruierende Frau. Er hat Kontakte mit Heiden. Die Antithesen weisen auf eine Auseinandersetzung Jesu mit einigen Vorschriften der Tora hin. Jesus verwirft die Ehescheidung, die in der Tora erlaubt war. Inwiefern Jesus 38 A.a.O., 220. 39 Sanders, Jesus and Judaism, 265 – 266. Dass die Frage nach dem Sabbat in der christlichen Kirch noch nicht geklrt war, ist nach Sanders durch Gal 4,10 bewiesen, wo klar wird, dass die Gegner des Paulus die Galater zum Feiern des Sabbat wieder gewinnen wollen. 40 E.P. Sanders, Jesus and Judaism, 250. 41 A.a.O., 61 – 76. 42 Dunn, The Parting of the Ways, 58 nimmt gegen Sanders an, dass das Logion von Mk 7,15 eine Relativierung der Reinheitsvorschriften ist. Er widerlegt die These von Sanders, nach der die Reinheit erst nach 70 n. Chr. eine Bedeutung in der Diskussion zwischen Christen und Juden erhielt. Mk 7,2ff ist eine prmarkinische Tradition, die sicherlich vor 70 zurckgeht, wenn man die Datierung des Markusevangelium um das Jahr 70 ansetzt.

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein?

397

die Reinheitsvorschriften ber die Speisen aufgehoben hat, bleibt unsicher. Nach Theißen ist das Reinheitslogion von Mk 7,15 echt und muss in seiner Indikativform genommen werden und nicht als Forderung, die Reinheitsvorschriften zu brechen. Der Imperativ ist erst in Apg 10,13; 11,7 zu finden. In Rçm 14,14 sagt Paulus „Ich weiß und bin gewiss in dem Herrn Jesus, dass nichts unrein ist an sich selbst“, was fr Theißen ein Nachklang von Mk 7,15 sein kçnnte und eine Wirkungsplausibilitt dieses Logions zeigen wrde.43 Das Logion entspricht der Diskussion ber die Reinheit im Diasporajudentum bei Philo und in Palstina in den Schriften von Qumran (1QS 3,79), d. h. es hat Kontextplausibilitt.44 Nach Theißen verband sich diese Haltung gegenber den Reinheitsvorschriften mit der allgemeinen Vorstellung Jesu, die Trennung zwischen profan und heilig und zwischen Heiden und Juden aufzuheben. Das wrde auch die Tempelaktion erklren. Die Tempelaktion muss in Verbindung mit den Logien Jesu gebracht werden, die die Zerstçrung des Tempels ankndigen (Mk 13,1 – 2; EvTh 71, Mk 14,58/Mt 26,61 und Joh 2,16). In Mk 14,58 wird das Logion von der Zerstçrung des Tempels als „falsches Zeugnis“ im Prozess gegen Jesus angefhrt. Das ist eine redaktionelle Korrektur des Markus, denn in Joh 2,16 und in Thomasevangelium 71 geht das Logion auf Jesus selbst zurck. Bei der Tempelaktion handelt sich um einen symbolischen Akt. Jeder Versuch, sie als revolutionren Angriff zu deuten, stçßt auf das Problem, dass die rçmische Garnison eine derartige Revolte sofort erstickt htte.45 Ich fasse hier die Elemente, die sich aus diesem berblick ergeben und die das polemische Profil Jesu charakterisieren, zusammen. Es sind formal Jesu Anwendung aggressiver Sprachformen gegen die religiçsen Autoritten und inhaltlich Jesu Kritik einiger zentraler Bestandteile der jdischen Re43 Theißen, Das Reinheitslogion, 83. Dass Paulus wirklich ein Logion Jesu an dieser Stelle, zitiert ist aber eher unwahrscheinlich. Der Gebrauch des Adjektivs joimºr kçnnte auch eine Wirkung der paulinischen Literatur auf Markus beweisen. 44 Theißen, Das Reinheitslogion, 88: „Unser Fazit ist daher: Das Reineitslogion Mk 7,15 passt ausgezeichnet in das Judentum des 1. Jh. n. Chr. Es drfte von Jesus selbst stammen. Jdische Kontexplausibilitt und christliche Wirkungsplausibilitt machen es wahrscheinlich.“ 45 Eine neue Rekonstruktion, die teilweise das revolutionre Paradigma wieder aufnimmt, wird von B. Chilton vorgeschlagen. Nach Chilton (Rabbi Jesus, 228 – 229) handelt es sich um eine schnelle Aktion von Jesus und seinen Jngern, die keinen Anlass fr die Reaktion der Tempelwchter und der rçmischen Truppe in der Festung Antonia gab. Die Jesus-Anhnger konnten sich nach der Aktion wieder in der Menge tarnen. Die Opfer unterbrachen das Sukkot. Whrend der Aktion geschah nach Chilton ein Mord durch Barabbas.

398

Lorenzo Scornaienchi

ligion, nmlich der Reinheitsvorschriften, des Sabbats und des Tempels, und der pharisischen Tradition des Korban. Dies sind die Elemente, die die Entstehung von Konflikten Jesu mit den offiziellen religiçsen Reprsentanten plausibel machen und Material fr polemische ußerungen Jesu darstellen. Diese Elemente werden ebenfalls im Laufe der Geschichte der Jesus-Tradition immer wieder neu interpretiert, wie ich noch zeigen werde.

4. Das Streiten fr das Reich Gottes: der „Strmerspruch“ Der „Strmerspruch“ in Mt 11,12 f und Lk 16,16, der in den Zusammenhang der Polemik Jesu gehçrt, ist eine wirkliche crux interpretum 46 in der Auslegung der synoptischen Evangelien. Der Grund, diesem Logion hier besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, ist nicht nur, wie oben gesagt, die Nennung von Gewalt, die oft in polemischen Zusammenhngen zu Sprache kommt. Einige Exegeten sind vielmehr der Meinung, dass sich das Logion aus einem polemischen Zusammenhang erklren lsst. B.E. Thiering sieht in den „Gewaltttigen“ aufgrund des Gebrauchs dieses Substantivs in Qumran47 die falschen Lehrer, die die christliche Gemeinde gefhrden. Das Gottesreich sei in diesem Logion mit einer Gruppe von Lehren identifiziert, die zum Objekt des Angriffs werde. Thierings Interpretation versetzt uns in die Mitte der theologischen Kontroversen: „On the evidence from the Qumran literature, the saying on the violent men originates not in a context of the problem of lawfullness or zelotry, but in the context of doctrinal disputation“.48 Thiering sagt aber nicht, welche Kontroverse hier im Grunde gemeint ist. Die Interpretation von G. Theißen setzt eine hnliche polemische Situation voraus. Er sttzt seine These auf den Ausdruck bi²seshai to»r mºlour, die unter anderem auch bei Josephus vorkommt (z. B. Antiquitates 4,143). Die Gesetzlosigkeit (!mol¸a), die dem Ausdruck entspricht, wird den Pharisern und Schriftgelehrten in Mt 23,28 vorgeworfen. Es ist auch mçglich, dass von der Seite der jdischen Religion der gleiche Vorwurf gegen die Christen geußert wurde, denn Jesus vertrat eine „liberale Interpretation“ (so Theißen) des Gesetzes, ohne es aufheben zu wollen. „Gewaltttige“ steht 46 Luz, Das Evangelium nach Matthus, 176, „Der ursprngliche Sinn des nun folgenden ,Strmerspruchs‘ ist eines der grçßten Rtsel der Synoptikerexegese“. Vgl. Schweizer, Das Evangelium nach Matthus, 170 – 171. 47 Thiering, Are „Violent Men“ False Teachers, 294 – 296. 48 A.a.O., 297.

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein?

399

nach Theißen fr Gesetzlose, – eine polemische Bezeichnung, die die Christen gern als Selbststigmatisierung auf sich selbst bezogen: „Der Strmerspruch“ – sagt Theißen zum Schluss – „greift einen Vorwurf auf (oder antizipiert ihn), der Jesus und seine Anhnger als Gewalttter gegen den Willen Gottes brandmarkt“.49 Die Interpretation dieser Verse hngt von der Deutung des Verbs bi²feshai und des Substantivs biasta¸ ab. Das Verb kann als Passiv oder Medium verstanden werden. Die bliche bersetzung des Verbs im Medium „Gewalt anwenden“, „oder „gewaltsam durchbrechen“ oder im Passiv „Gewalt erleiden“ sind problematisch, weil der Zusammenhang zwischen Gewalt und Reich Gottes eine genauere Erklrung bençtigt. Das Substantiv biasta¸ und das Verb "qp²feim kçnnen in bonam partem oder in malam partem gedeutet werden. In bonam partem werden die biasta¸ als irgendwelche Jnger oder Nachfolger Jesu angesehen, die Teil am Reich Gottes haben und es ergreifen. In malam partem werden sie als feindliche Personen oder Mchte, die das Reich Gottes verfolgen und es schließlich besiegen, interpretiert.50 Die Kombination aller mçglichen Varianten kann dann die verschiedensten Szenarien aufschließen: Politische, innerchristliche, ketzerische, dmonische Feindschaften oder Auseinandersetzungen kçnnen gemeint sein.51 Die Vorstellung der Gewaltausbung scheint von dem Verb "qp²feim untersttzt zu werden, das im Sinne von „erbeuten“, „rauben“, „an sich reißen“ gebraucht wird. Eine weitere Schwierigkeit bereitet die zeitliche Bestimmung im Text „von Johannes an“, die die Andeutung einer Verfol-

49 Theißen, Jnger als Gewalttter, 168. 50 A.a.O., 159, sagt mit Recht, dass gerade derSieg der Verfolger ber das Reich Gottes die Interpretation in malam partem als unwahrscheinlich macht: „Der Strmerspruch wrde von einer Niederlage Gottes sprechen. Das ist unwahrscheinlich“. 51 Ein ausfhrlicher Bericht ber die Forschungsgeschichte zum Thema von den Vtern bis zur Gegenwart wird von Cameron, Violence and the Kingdom. The Interpretation of Matthew 11,12, unternommen. Nach Cameron ist diese Stelle, wie der Begriff Gottes Reich nach der Definition von J. Weiß, wie Wachs in der Hand der Theologen gewesen. Er schreibt noch auf S. 247: „The chameleon-like tendency of the saying to assume the colour of the exegete’s theological background is evident from the beginning“. Eine schematische Darstellung aller mçglichen Interpretationen bietet auch G. Theißen, Jnger als Gewalttter, 155 – 157. Eine ausfhrliche Diskussion der beiden Deutungsmçglichkeiten in bonam und in malam partem bietet Hfner, Gewalt gegen die Basileia? Zum Problem der Auslegung des „Strmerspruches“ Mt 11,12. Er beweist in seinem Aufsatz vor allem, dass die Interpretation des Spruches in malam partem nicht haltbar ist.

400

Lorenzo Scornaienchi

gung gegen die christliche Kirche noch schwieriger macht. U. Luz52 betont mit Recht die Notwendigkeit, die semantische Eigenart der Termini ernstzunehmen, was fr ihn die Interpretation in malam partem notwendig macht. Das Problem ist der Zusammenhang zwischen den beiden semantisch inkongruenten Wçrtern biasta¸ und basike¸a (heoO).53 Eine einfache Lçsung lge in der Vermutung, dass Jesus seine Jnger in dem Logion zu gewaltsamem Widerstand aufgefordert habe.54 Dem widerspricht die Tatsache, dass die Christen sich nicht am jdischen Krieg gegen Rom beteiligt haben. In Bezug auf die Rekonstruktion des Q-Textes besteht ein gewisser Konsens, indem meistens die matthische Fassung als nher an der Vorlage angesehen wird. Die kritische Edition von Q rekonstruiert diesen Text folgendermaßen55 : b […] mºlor ja· oR pqov/tai 6yr Yy²mmou !p¹ [tºte] B basike¸a toO heoO bi²fetai ja· biasta· "qp²fousim aqt¶m. („Das Gesetz und die Propheten (bis) zu Johannes. Von da her kommt das Reich Gottes mit Gewalt, und die Gewaltttigen ergreifen es.“) Clemens Alexandrinus, derdas Logion oft zitiert, gibt einen wichtigen Hinweis fr die Interpretation dieser Stelle, indem er bias²shai im Sinne von „argumentieren mit Kraft“ interpretiert56. Hier sehe ich einen neuen Erklrungsansatz. Clemens zitiert die Stelle zuerst in Verbindung mit Mt 7,14 und 7,7, dem Anklopfen und Suchen und der engen Pforte und dem schmalen Weg. Im Mittelpunkt stehen die Schwierigkeiten des christlichen Lebens und die Notwendigkeit des Ausharrens. Clemens zitiert auch den in den Evangelien nicht enthaltenen Spruch Jesu biast_m 5stim B basike¸a toO heoO.57 Im seinem Werk ,Quis dives salvetur‘ wird Mt 11,12 mit der Aussage von Mk 10,27: „Bei Menschen ist es unmçglich aber nicht bei Gott“ zusammengebracht. Das Beispiel des Reichen zeigt nach Clemens, dass es zwar unmçglich ist, mit eigenen Krften das Reich Gottes zu gewinnen, aber man muss trotzdem anklopfen und suchen, denn die Gewaltttigen erhalten das Reich Gottes.

52 Luz, Das Matthusevangelium, 178, „Die Entscheidung kann nur von – eindeutig! – Sprachgebrauch von bi²folai her“, d. h. fr Luz passiv und negativ. 53 Theißen, Jnger als Gewaltttiger, 158. 54 Brandon, Jesus and the Zelots, 200, Diskussion in der Anm. 5. 55 Robinson, Hoffmann, Kloppenborg, The Critical Edition of Q, 464. Siehe auch Hoffmann, Heil, Die Spruchquelle, 100. 56 Liddell & Scott, 314, 4. Bedeutung: „argue vehemently“ […] „persist in assertion“. 57 Clemens, Stromateis. IV,2,5,3.

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein?

401

Oqd³ t_m jaheudºmtym ja· bkaje¼omtym 1stim B basike¸a toO heoO !kk‘ aR biasta· "qp²fousim art¶m. avtg c±q lºmg b¸a jak¶, heºm bi²sashai, ja· paq± heoO fyμm "qp²sai.58

Eine weitere Stelle, die fr die Interpretation des Strmerlogions hilfreich sein kann, findet sich im fnften Buch der Stromateis, wo Clemens die Gewalt und die Gewaltttigen im Sinne einer asketischen Perspektive auslegt: OR c±q "qp²fomter tμm basike¸am biasta·, oq to?r 1qistijo?r kºcoir, 1mdekewe¸ô d³ aqhoO b¸ou !diake¸ptoir te eqwa?r 1jbi²feshai eUqgytai t±r 1p· to?r pqot´qoir "laqt¶sasim !pake¸vomter jgk?dar.59

Hier wird die Gewalt als frommes Leben verstanden. Interessant ist bei dieser Deutung in bonam partem, dass Clemens eine weitere Deutung ausschließt, die er nicht genauer ausfhrt, weil seine Kritik vermutlich fr den Sprachgebrauch der Zeit an der Hand liegt: das Ergreifen des Reiches durch die Gewaltttige durch die „eristischen Reden“ (to?r kºcoir 1qistijo?r). Clemens spricht hier einen Zusammenhang zwischen Sprechen und Gewalt an, der fr unsern Zusammenhang wichtig ist. Die Eristik ist nach Aristoteles die Form der Auseinandersetzung, bei der keine kooperierende Bemhung der Aktanten vorhanden ist. Im Gegensatz zur Dialektik werden in der Eristik auch falsche Argumente angewendet, um den Sieg zu erreichen. Aristoteles definiert die Eristik aus der Perspektive der logischen Argumente. In einem allgemeineren Sinn ist der Eristiker ein Mensch, der rechthaberisch ist und vor allem mit einer gewissen Leidenschaft, Vehemenz und Hartnckigkeit seine Argumente vertritt. Er kann gewaltsam sprechen und auf seiner Argumentation insistieren. Dabei ist das Wort 1mdekewe¸a bei Clemens erhellend. Den Zusammenhang von Gewalt und Sprechen im Gebrauch des Verbs bi²feshai kann man auch bei anderen griechischen Autoren feststellen. Bei Plato begegnet das Verb bi²feshai in der Bedeutung von „Sprechen mit Kraft“ und „Beharren beim Argumentieren“. Das beste Beispiel ist in der Politeia zu finden, hier lesen wir die Wendung bi²feshai t` kºc\: 58 Clemens, quis dives salvetur, 21,3. Das entspricht dem Ideal des Klemens, ein asketisches Leben mit Gebet zu fhren. Am Ende von 21,3 macht er ein Wortspiel bia¸yr, l÷kkom d³ beba¸yr („ Mit Gewalt, aber vielmehr mit Stetigkeit“). 59 Clemens, Stromateis V,3,16,7. „Denn wird nicht gesagt, die „Gewaltttigen, die das Himmelreich an sich reißen“, erzwingen es mit streitschtigen Reden, sondern, mit der Stetigkeit eines rechtschaffenen Lebens und unablssigen Gebeten, nachdem sie die Flecken aus den frheren Snden weggewischt haben“.

402

Lorenzo Scornaienchi

Oute c±q %m le k²hoir jajouqc_m, oute le kah½m bi²sashai t` kºc\ d¼maio.60

Auch im Sophistes wird die Strke der Argumentation gegen die Thesen von Parmenides ber das Sein mit den Verben basam¸feim und bi²feshai ausgedrckt.61 Den gleichen Zusammenhang von Sprechen und Gewalt finden wir in den Reden des Demosthenes. In der Rede in Midiam wird das Verb bi²fashai als eine Steigerung des gewçhnlichen Sprechens im Sinne von „beharren“, „etwas stetig behaupten“ benutzt: lμ to¸mum 1÷te taOt‘ aqt¹m k´ceim, lgd‘ %m bi²fgtai, pe¸hesh‘ ¢r dijaiºm ti k´comti62 %m t‘ 1c½ v_ %m te lμ v_, vgs·m eQmai ja· bi²fetai, oqj aqh_m.63

Und schließlich eine weitere Stelle aus der ersten Rede in Aristogitonem: du‘ 5tg bi²fetai k´ceim oxtor oqj 1n¹m aqt`, !kk± k´cei c‘ bl_r.64.

Diese Vorstellung einer beharrenden Haltung im Sprechen passt sehr gut in den Zusammenhang des Strmerspruchs. Das prophetische Sprechen ist eine eindrucksvolle und energische Art zu sprechen, weil es sich nicht um eine menschliche Meinung handelt, sondern um das Urteil Gottes. Lukas scheint diesen Hintergrund gefasst zu haben, indem er den terminus technicus 60 Platon, Politeia 341b. 61 Platon, Sophistes 241d sowie Politeia 361b: ja· 1±m %qa sv²kkgti ti 1pamoqhoOshai dumat` eXmai, k´ceim te Rjam` emti pq¹r t¹ pe¸heim, 1²m ti lgm¼gtai t_m !dijgl²tym, ja· bi²sahai fsa %m b¸ar d´gtai, di² te !mdqe¸am ja· N¾lgm ja· di± paqasjeu¶m v¸kym ja· oqs¸ar. Hier werden zwei Flle geschildert, eine allgemeine schlechte Situation und ein Prozess. Im ersten Fall benutzt er seine berzeugungskraft, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Im zweiten Fall muss er die ganze Kraft anwenden, ber die er verfgt. Mit b¸a und bi²feshai ist hier nicht die physische Gewalt gemeint, sondern allgemein seine ganze Macht, von innerlicher Kraft bis zum Vermçgen. Beide Termini sind eine Steigerung von berzeugendem Sprechen, wie man aus der Parallele entnehmen kann. Die deutschen bersetzungen sind eher an der Grundbedeutung von bi²feshai von „Gewalt anwenden“ verbunden, vgl. z. B. R. Rufener, Der Staat, 113: „Dem vollendet Ungerechten mssen wir also die vollendeste Ungerechtigkeit zuteilen und nichts davon wegnehmen, sondern zulassen […] daß er einen Fehler, der er begangen hat, wieder gut zu machen versteht, weil er berzeigend zu reden weiß, wenn er seiner Ungerechtigkeit zur Anzeige kommt, und weil er, wo immer es Gewalt anwenden kann, vermçge seines Mutes und seiner Kraft und mit Hilfe der Freunde und des Vermçgens, die er erworben hat“. 62 Demosthenes Orationes 21,40, „Erlaubt ihm nicht, dies zu sagen, und auch wenn er darauf beharrt, lasst euch nicht berzeugen, als ob er etwas Gerechtes sagen wrde.“ 63 Demosthenes, Orationes 21,205 „Wenn ich es zugebe oder nicht zugebe, er sagt, es ist so,und insistiert, aber zu Unrecht“. 64 Demosthenes, Orationes 26,37. „Zwei Jahre lang hat er beharrend sein Recht behauptet; es ist aber ihm nicht erlaubt, aber er tut das trotzdem“

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein?

403

der Verkndigung eqaccek¸feim einfgt: j mºlor ja· oR pqov/tai l´wqi Yy²mmou·!p¹ tºte B basike¸a toO heoO eqaccek¸fetai ja· p÷r eQr aqtμm bi²fetai.Das kann man wie folgt bersetzen: „Das Gesetz und die Propheten (reichen) bis Johannes, seitdem wird das Reich Gottes verkndigt und jeder wird da hinein mit energischen Reden gençtigt“. Hier ist das unklare und leicht zu missverstehende biasta¸ verschwunden, es bleibt das Verb bi²fetai, das in den Kontext der Verkndigung eingebettet ist. Die redundante und daher ursprnglichere Version des Matthusevangeliums kann so verstanden werden: Johannes der Tufer erçffnet die neue Zeit, in der die prophetische Scheltrede zum Reich Gottes fhrt. Die biasta¸ sind daher die Jnger Jesu, die seine Verkndigung mit prophetischen Sprachformen vor dem anbrechenden Reich Gottes verkndigen. Dieser Spruch ist daher wichtig, weil er die Vorstellung der Christen wiedergibt, bei denen die Logienquelle abgefasst wurde. Jesus wird hier hauptschlich als Prophet dargestellt, obwohl er mehr als ein Prophet war. Vor allem sein Tod wird von Q in Kontinuitt mit dem Tod der Propheten interpretiert.65 Er kann mit Johannes dem Tufer verglichen werden. Er benutzt die Gattung der prophetischen Scheltrede (Mt 23), und die Jnger mssen sich an dies Modell halten. Die ursprngliche Form dieses Spruchs kçnnte in dem Logion erhalten sein, das in der synoptischen Tradition berliefert wurde und sich nur bei den Vtern findet: biast_m c±q B basike¸a. Mit anderen Worten: Jesus war nach Q ein Polemiker, und die Jnger mussten seine Argumentationskraft weiter vertreten, um die Menschen fr das Reich Gottes zuzurichten. Es handelt hier sich eher um eine formale Haltung als um eine theologische Auseinandersetzung: Die Inhalte, die Jesus diskutiert hat, bleiben im Hintergrund.

5. Die markinischen Streitgesprche: Die Polemik gegen Jesus 5.1 Hintergrundsdiskussionen ber die Streitgesprche Die Streitgesprche des Markusevangeliums bilden einen Jesus ab, der kontinuierlich in Debatten mit den religiçsen leaders verwickelt ist. Die Bezeichnung „Streitgesprche“ hat sich seit der ersten Untersuchung von M. 65 Lk 13,34//Mt 23,37. Der Text in beiden Evangelien ist identisch: Yeqousakμl Yeqousak¶l, B !pojte¸mousa to»r pqov¶tar ja· kihobokoOsa to»r !pestakl´mour pq¹r aqt¶m, pos²jir Ah´kgsa 1pisum²nai t± t´jma sou dm tqºpom eqmir tμm 2aut/r mossi±m rp¹ t±r pt´qucar, ja· oqj Ahek¶sate.

404

Lorenzo Scornaienchi

Albertz66 in der deutschen Exegese durch die Aufnahme des Begriffs bei R. Bultmann durchgesetzt, obwohl sie nicht przise ist. Ein Streitgesprch wre eigentlich ein lngerer Wortwechsel zwischen zwei debattierenden Menschen, dessen literarische Wiedergabe die feindlich gesinnten Aktanten gleichmßig reprsentieren msste. Dies geschieht vor allem in den Komçdien, in denen der Dialog als Wortkampf zwischen gleichwertigen Kontrahenten behandelt wird. Die Streitgesprche stellen dagegen die Gegner Jesu als stilisierten Gestalten dar, deren Aussagen, vor allem deren Fragen kaum przisiert oder ausgefhrt werden. Formal sind diese Texte eher mit den Apophthegmen zu vergleichen, die auf eine pointierte Antwort des Hauptdarstellers hinzielen. Die Apophethegmen oder Chrien67 sind nur auf die Aussage der einen Hauptfigur fokussiert, whrend die Gegner oder die Gesprchspartner im Hintergrund bleiben und im Text nur die Rolle der Fragensteller oder Stichwortgeber spielen. Der Vorschlag von B. Repschinski, diese Texte als Wortstreit (%cym kºcym) zu lesen,68 muss sich mit der Krze der Texte und der Unbestimmtheit der Gegner auseinandersetzen. Noch wichtiger ist Folgendes: In der literarischen Darstellung von Wortstreiten ist immer die Figur eines Schiedsrichters prsent, der den Gewinner bestimmt. Er muss immer namentlich am Anfang des Streites bestimmt werden. Die markinischen Streitgesprche sind deshalb keine Wettkmpfe, sondern Konflikte, deren Ziel nicht der Lorbeer des Sieges ist, sondern die eindeutige und magistrale Entscheidung einer Frage, die die Fragenden zum Schweigen bringt. Die polemische Natur dieser Konflikte ist bereits von der Formgeschichte erkannt worden. Das Interesse der Formgeschichte galt eigentlich nicht diesen kleinen Formen an sich, sondern einer Theorie ber die Ent66 Albertz, Die synoptischen Streitgesprche. Das Werk entstand unmittelbar nach dem Ende des ersten Weltkriegs, wurde aber nach den Werken von Dibelius und Bultmann gedruckt. 67 Eine genaue Unterscheidung zwischen diesen Formen ist schwer vorzunehmen. Die beiden Formen werden in der spteren griechischen Literatur praktisch synonymisch verwendet. Fr Berger, Formgeschichte, 82 sind die Chrien ein Oberbegriff dieser aphoristischen Formen, whrend die Apophthegmen einen speziellen Fall darstellen und mehr mit Frage und Antwort arbeiten. Ich bevorzuge das Wort Apophthegma, weil diese Form in biographischen Werken vorkommt. Die Chrie ist im Grund eine Erfindung der kynischen Philosophie, die damit ihre Lehrstze einem breiten Publikum zugnglich machen wollte. Die Chrie hat den Vorteil, komplexe Zusammenhnge hçchst synthetisch zu formulieren. Die Verfassung von Chrien ist dann eine Aufgabe in den rhetorischen Schulen geworden, wie wir aus den spteren Handbchern sehen kçnnen. 68 Repschinski, The Controversy Stories, 284 – 293.

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein?

405

wicklung der synoptischen Tradition. Die Konflikte und ihre literarische Inszenierung waren per definitionem Randerscheinungen, weil sie nicht das Kerygma (das heißt: den Kern und den Motorder berlieferung) enthielten, sondern zur Katechese gehçrten und Nachrichten ber Jesus gaben. Das erklrt m. E., weshalb der Vergleich mit hnlichen Formen der hellenistischen Literatur immer mit Vorsicht unternommen und die Rolle der Evangelisten immer als minimal betrachtet wurde. Diese waren fr die formgeschichtliche Perspektive bloße Sammler schon existierenden Stoffes. Diese beiden Aspekte wurde spter durch die neue formgeschichtliche Forschung, die besonders in Nordamerika aufblhte69, und durch die Redaktionsgeschichte70 ergnzt – zwei Anstze, an deren Abgleich weiter gearbeitet werden muss71. 5.2 Streitgesprche und die Polemik Jesu Die Entstehung der literarischen Form der Streitgesprche lsst sich – wie oben gesagt – am besten erklren, wenn man eine polemische Wirksamkeit Jesu annimmt. Wie wir sahen, liegt es nahe, dass Jesus wegen seines Verhaltens und wegen seiner theologischen Positionen in Konflikte mit den jdischen Theologen seiner Zeit geriet. Diese negative Erinnerung an die Person Jesu (und nicht erst an seine Jnger oder an seine spteren Anhnger wie Paulus) wird durch die frhrabbinische Literatur besttigt,72 die eine eigene Traditionslinie außerhalb der christlichen Literatur darstellt und 69 Ich meine vor allem die Untersuchungen von D.E. Aune und die Studien der ersten und der zweiten „SBL Pronouncement Story Work Group“unter der Leitung von R. Tannhill (1975 – 1981) und von V. Robbins (1981 – 1987). Die Ergebnisse der ersten Phase wurden in Semeia 20 (1981) mit dem Titel „Pronouncement Story“ verçffentlicht. Die Ergebnisse der zweiten Phase wurden in Semeia 64 (1993) mit dem Titel „The Rhetoric of Pronouncement“ verçffentlicht. In Deutschland ist dieses neue formgeschichtliche Interesse durch K. Berger vertreten worden. Die Diskussion wurde aber nicht rezipiert. 70 Das beste Beispiel dieser redaktionsgeschichtlichen Untersuchungen ist das Buch von Weiß, „Eine neue Lehre in Vollmacht“. 71 Das ist die Intention meines Habilitationsprojekts am Fachbereich Theologie der Universitt Erlangen, das sich speziell mit den markinischen Streitgesprchen beschftigt. 72 Vgl. Schfer, Jesus im Talmud, vor allem die zwei Kapitel „Der frivole Schler“ 69 – 82 und „Die Hinrichtung Jesu“ 12 – 152. Maier, Jesus von Nazareth in der talmudischen berlieferung, 237, stellt in Frage, dass die Person von bSanh 43a–b mit Jesus identifiziert werden sollte.

406

Lorenzo Scornaienchi

ihrerseits auch die Polemik der heidnischen Philosophen bis Celsos beeinflusst. Trotz dieses Zusammenhanges mit der Polemik kçnnen die einzelnen Streitgesprche nicht auf ein Urgesprch zurckgefhrt werden, wie Albertz in seiner Untersuchung beweisen wollte. Eine differenzierte Entstehungsgeschichte dieser Texte ist wahrscheinlicher, und das erklrt auch die Variationen in der Form und der Struktur der Texte. Die Kontinuitt mit dem historischen Jesus sollte ebenfalls differenziert gedacht werden: Bei manchen Texten ist sie thematischer Art wie bei der Debatte ber den Sabbat, bei manchen wird sie durch die Verwendung eines Logions gesichert, bei einigen ist eine Situation berliefert. Die Streitgesprche gelten jedenfalls als eine erste Art der Reflexion ber die Polemik Jesu. Trotz der Verschiedenheit der Materialien und ihres in manchen Fllen nicht gegltteten Zustandes sind die Texte von dem Gesichtspunkt einer metatheoretischen Normierung aus ziemlich einheitlich. (a) Jesus ist derjenige, der immer von seinen Gegner attackiert wird. Sie versuchen ihn durch irgendwelche Kunstgriffe in eine Falle zu locken. (b) Jesus antwortet immer auf die Fragen der Gegner und nimmt nie eine aggressive oder beleidigende Haltung ein. Anders als die Invektiven der Logienquelle sind die Antworten der markinischen Streitgesprche immer sachlich und enthalten nie Formen des aggressiven Sprechens. Im Markusevangelium verwendet Jesus aggressive Sprechformen nur gegen die Dmonen (1,25), die er austreibt, und gegen das Unwetter (4,39), aber nie gegen Menschen. Nur einmal nennt seine Gegner in Mk 7,4 rpojqita¸ als eine Einfhrung zum Jesaja-Zitat. Was weiter auffllt, ist die indirekte Formulierung der Kritik an den religiçsen Autoritten in Mk 12,38 – 42, die die Form einer Warnung und einer Unterweisung fr die Jnger hat. Das verstrkt das Bild von Jesus als Lehrer, der die Unterweisung fr seine Jnger von den çffentlichen Reden unterscheidet (siehe auch Mk 4,10 – 12). In Mk 3,5 empfindet Jesus Zorn fr die Verstocktheit des Herzens seiner Gegner, aber er fasst dies Gefhl nicht in Worte. Diese Beobachtungen zeigen, dass die Streitgesprche zwar religiçse Polemik wiedergeben, diese aber normativen Kriterien unterzogen wird. Jesus wird konsequent als Lehrer gezeichnet, der durch seine Weisheit die listigen Fragen der Gegner immer beantworten und notfalls ad absurdum fhren kann. Zwei Flle stellen eine Ausnahme dar, besttigen aber zugleich die faire Haltung Jesu. (a) Eine heidnische Frau kann ihn durch ihre Argumentation berzeugen, ihre Tochter zu heilen. Sie nimmt eine semantische Erweiterung des Wortes „Hund“ (jum²qiom) in 7,28 vor, indem sie darauf hinweist, dass die Hunde nicht nur gefhrliche und aggressive Tiere sind, sondern als Haustiere die vom Esstisch gefallenen Brosamen fressen. (b) Ein Schriftgelehrter in Mk

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein?

407

12,28 – 34 besttigt Jesu Antwort, und Jesus lobt ihn.73 Beide Flle besttigen, dass Jesus einer fairen Art des Debattierens verpflichtet ist. Was ist der Zweck dieser normierten Darstellung der Polemik Jesu? Die Normierung, wie wir sahen, kann selbst der Polemik dienen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass die Streitgesprche die religiçse Polemik gegen das Judentum weiterfhren. Einige Argumente sind im Grunde zu schwach fr eine wirkliche Polemik gegen jdische Positionen, wie z. B. das Beispiel Davids in 2,25ff zum Sabbat. Die Leser des Evangeliums sind sicherlich keine Juden oder Judenchristen, wenn der Autor den Begriff joimºr im Sinne von „unrein“ erklren muss (Mk 7,2), da es sich um einen terminus technicus des jdischen Kults handelt, der nicht einfach von heidnischen Lesern verstanden werden konnte. Es liegt deshalb nah, dass diese Konfliktsszenen fr einen externen Leserkreis geschrieben werden. Durch die literarische Inszenierung der Konflikte in den Streitgesprchen werden bestimmte Vorwrfe gegen die Person Jesu thematisiert und widerlegt. Im Grund handelt es sich dabei nicht mehr um eine Thematisierung der Polemik Jesu, sondern der Polemik gegen Jesus von Seiten der jdischen und der heidnischen Umwelt. Das Modell dieser literarischen Anwendung der Streitgesprche wird von Markus aus einem sicher vorliegenden Streit bernommen: dem Belzeebulstreit, der schon in Q enthalten ist. Es geht dabei um den Vorwurf gegen Jesus, er sei ein Zauberer gewesen und habe mit der Hilfe des Teufels gewirkt. Jesus selbst deckt den unsinnigen Charakter dieser These auf. Diese Debatte reicht bis zum Johannesevangelium (8,48 und 10,20 dailºmiom 5wei ja· la¸metai). Dieser Konflikt wird zum Vorbild, um alle Vorwrfe gegen Jesus in der gleichen Art und Weise von ihm selbst widerlegen zu lassen. Nun waren nicht nur Jesu Lehre oder seine Handlungen, sondern vor allem sein Tod ein Problem: Als Gekreuzigter konnte er in der rçmischen Welt mit einem Verbrecher und Rebell identifiziert werden, in der jdischen Welt mit einem Ketzer und Verfluchten. Die Streitgesprche sollen in diesem Zusammenhang beweisen, dass die jdischen Autoritten fanatisch gegen Jesus eingestellt waren und seine Hinrichtung vorbereitet haben.

73 Bei der Parallelstellen in Mt 22,35 – 40 wird dieses positive Ergebnis ins Negative umgesetzt, in Lk 10,25 – 28 teilweise korrigiert.

408

Lorenzo Scornaienchi

5.3 Die literarische Inszenierung der Streitgesprche im Markusevangelium Das Markusevangelium wurde vermutlich unmittelbar nach dem jdischen Krieg geschrieben, kurz nach dem Jahre 70. Die Christen mussten ihre Positionierung zum rçmischen Reich klren und ihre Identitt als jdische Sekte vor dem Verdacht schtzen, dass sie auch Rebellen sein kçnnten, weil ihr Grnder am Kreuz hingerichtet worden war. Jesus konnte ein Rebell gewesen sein, der gegen Rom das Volk aufbringen wollte. Nach der jdischen Meinung war er ein Abtrnniger und Zauberer, der zum Tode verurteilt worden war. Unter den Anstiftern der jdischen Revolte gegen Rom gab es viele apokalyptische Propheten, die Wunder versprachen und das Volk gegen Rom aufhetzten. Die Anklagerede bkasvgl¸a,74 mit der das jdische Gericht Jesus dem rçmischen Prfekten auslieferte (Mk 14,64), wird in der ersten Sammlung der Streitgesprche diskutiert. Markus will seinen Lesern deutlich machen, dass diese Anklage von der jdischen Religion erhoben wird, die mit ihren Reinheits- und Speisevorschriften und mit den Regeln der Sabbatobservanz leicht zu verletzen ist, auch wenn man, wie im Fall von Jesus, gut handeln will.75 Die zweite Sammlung der Streitgesprche betrifft die Frage der 1nous¸a im eigentlichen Sinne, d. h. die Frage, ob Jesus einen Machtanspruch gestellt hat. Jesus aber stellt sich nicht gegen die Bezahlung der Steuer an den Kaiser (12,13 – 17); betont die Macht Gottes bezglich der Auferstehung (12,18 – 26) und schließt aus, dass der Messias eine kçnigliche Figur sei, die als solche in Konkurrenz mit der Macht Roms treten kçnnte (Mk 12,35 – 37). Das ist die Meinung seiner Gegner, nicht die Interpretation Jesu. Die 1nous¸a Jesu hat keine politische Inhalte: sie ist einerseits die auctoritas eines Lehrers, der sich mit seiner Weisheit in Diskussionen behaupten kann, und anderseits hat 74 Zum Thema bkasvgl¸a bkasvgle?m vgl. die semantische Untersuchung von Yabro Collins, The Charge of Blasphemy in Mark 14,64. Die Blasphemie-Anklage ist hauptschlich mit dem messianischen Anspruch Jesu verbunden. Das wird auch in Joh 10,33 gesagt: peq· jakoO 5qcou oq kih²fol´m se !kk± peq· bkasvgl¸ar, ja· fti s» %mhqypor £m poie?r seaut¹m heºm. Markus aber vertritt noch eine breitere semantische Vorstellung von blasfhm¸a, so etwa wie „Beleidigung“, „rufmçrderische Aussage“ und, bezglich Gott und der Religion, „Respektlosigkeit“, „irreligiçse Haltung“, „ketzerische Aussage“. Das kçnnte vielleicht historisch plausibler sein. Markus will zeigen, dass Jesus diese Art des Sprechens nicht benutzt hat und dass er immer korrekt mit seinen Gegner umging. 75 Diese Besonderheit der jdischen Religion mit ihren Vorschriften und dem Sabbat war auch in der rçmischen Welt bekannt, wie von Tacitus (Historiae 5,3 – 5) besttigt wird.

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein?

409

er die 1nous¸a des Sohnes Gottes, die sich in den Wundern erweist. Jesus ist allerdings kein apokalyptischer Prophet wie diejenigen, die den Krieg verursacht haben. Im Evangelium wird jeder Ansatz, ihn als Prophet zu definieren, korrigiert. Es bleibt nur der bekannte Spruch in Mk 6,4 oqj 5stim pqov¶tgr %tilor eQ lμ 1m t0 patq¸di aqtoO ja· 1m to?r succemeOsim aqtoO ja· 1m t0 oQj¸ô aqtoO. brig, der aber keine eindeutige Identifikation Jesu mit einem Propheten herstellt. In 8,28 wird Jesus von dem Volk eXr t_m pqovgt_m gehalten, eine Ansicht, die danach durch das Bekenntnis des Petrus

korrigiert wird. In Mk 14,65 wird der Prophet Objekt des Spottes der Soldaten, wie in Mk 15,19 der Kçnig, was besttigt, dass fr Markus Jesus nicht mit der Hilfe dieser Kategorien beschrieben werden kann. Die Streitgesprche als Mikrogattungen werden von Markus in eine biographische Makrogattung (das Evangelium) eingefgt. Hier ist ihre Hauptfunktion zu sehen. Jesus wurde ungerecht verurteilt und hingerichtet. Er war der Sohn Gottes und hat wie ein Lehrer den Willen Gottes verkndigt. Die Antike bietet viele Beispiele von Lehrern und Philosophen, die ungerecht zum Tode verurteilt wurden. Das beste Beispiel ist sicherlich Sokrates, der wegen Verfhrung der Jugend und wegen Asebie76 verurteilt wurde. Im Zentrum des Evangeliums stellen die Passionsankndigungen Jesu eine gewisse Verbindung zwischen dieser sokratischen Tradition und dem Evangelium her. Jesus identifiziert sich mit dem sokratischen d¸jaior,77 der ungerecht gefoltert und gekreuzigt wird. Der Hçhepunkt des Evangeliums ist das Bekenntnis des rçmischen Hauptmanns vor dem Kreuz in 15,39.78 Das ist das einzige Mal im Evangelium, dass ein Mensch Jesus als Sohn Gottes bekennt. Diese Erklrung ist im Markusevangelium sonst auf Gott beschrnkt: bei der Taufe und bei der Verklrung. In Mk 15 berwindet der Heide und Vertreter der rçmischen Militrmacht alle Vorurteile gegen 76 Die politischen und die religiçsen Elemente kreuzen sich auch in der Anklage gegen Sokrates. Die Berufung auf den da¸lym wurde als eine Form von Zauberei verstanden und als eine Herausforderung der offiziellen Religion Athens. Die Anklageschrift gegen Sokrates ist von Platon Apologia 24b und Xenophon Memorabilia 1,1 tradiert. 77 Vgl. Platon Resp. 361e: b d¸jaior lastic¾setai, stqebk¾setai, ded¶setai, 1jjauh¶setai t¡vhakl¾, tekeut_m p²mta jaj± pah½m !maswimdukeuh¶setai Eine erste Aufnahme in der jdischen Literatur ist in SapSal 2,12 dokumentiert. Der Zusammenhang dieser Stelle mit der Passionankndigung wurde schon von Benz, Der gekreuzigte Gerechte bei Plato, im Neuen Testament und in der alten Kirche, 1061 – 1062, beobachtet. 78 Die Debatte ber dies Bekenntnis und berden fehlenden bestimmten Artikel in den Aussagen wird immer wieder diskutiert, vgl. z. B. Shiner, The Ambiguous Pronouncement of the Centurion and the Shrouding of Meaning in Mark.

410

Lorenzo Scornaienchi

den Gekreuzigten, erklrt ihn zum d¸jaior, aber mehr noch: er erklrt ihn als Sohn Gottes. Die Apologie der Person Jesu und das Bekenntnis seines gçttlichen Ursprungs treffen sich in einem coup de scene. Das Markusevangelium spielt auf diesen beiden Ebenen, Jesus ist der gute did²sjakor, aber nicht nur ein Lehrer. Die heidnischen Leser sollen sich mit dem rçmischen Hauptmann identifizieren und Jesus als Lehrer und als Sohn Gottes bekennen. Die Streitgesprche haben eine unerlssliche Funktion in diesem Aufriss des Evangeliums und erweisen sich nicht als Randformen, sondern als zentraler Bestandteil des Evangeliums. Die Polemik, in die Jesus verwickelt wird, wird zum Gegenmittel gegen die Polemik gegen die Person Jesu.

6. Schluss Wie polemisch war Jesus wirklich? Wie polemisch darf er sein? Die Debatten, an denen er teilgenommen hat, und vor allem die harten Vorwrfe, die er den Reprsentanten der jdischen Religion seiner Zeit gemacht hat, sind immer wieder normativen Korrekturen unterzogen worden. Die Evangelisten entschieden sich aber trotz aller nderungen und Transformationen nicht dafr, Jesu polemische Wirksamkeit vçllig zu streichen. Dies geschah vielleicht, weil das wesentliche Element des Geschicks Jesu, sein Tod am Kreuz, Opposition und Widerspruch voraussetzt und nicht einfach mit einem harmonisch und friedlich gezeichneten Bild seiner religiçsen Umwelt vereinbart werden kann. Hinzu kommt: Die Evangelisten haben die Polemik beibehalten, um zu zeigen, dass die Wahrheit stets umkmpft ist. Die Christen sollen deshalb nie denken, dass das Evangelium selbstverstndlich sei und ohne Schwierigkeit angenommen werden kçnne. Das ist der Sinn des Johannesevangeliums, das diesen Widerspruch und Kampf in dem Gegensatz von Licht und Finsternis reprsentiert. Die Evangelisten bleiben ihren Traditionen treu und verzichten darauf, Jesus als Ireniker darzustellen. Wir haben nun die ltesten Zeugnisse der Polemik Jesu untersucht, die Logienquelle Q und das Markusevangelium. Die Logienquelle entwirft ein prophetisches Bild von Jesus. Jesus war ein Prophet und teilte mit den Propheten das Schicksal des gewaltsamen und ungerechten Todes. Er benutzte das Instrument der Scheltrede gegen die Phariser und Schriftgelehrten. Die sprachliche Aggression dient als Identittsmerkmal der damaligen Generation, die durch ihre gewaltsame Predigt in das Reich Gottes einzudringen erhofft. Der sogenannte Strmerspruch scheint mir ein wichtiges Element in diesem Zusammenhang zu sein, das die prophetische Interpretation von Jesus und das Bewusstsein der Traditionstrger verbindet.

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein?

411

Jesus als prophetische Figur kann mit Johannes dem Tufer verglichen werden, wie man dem Kontext des Spruches entnehmen kann. Das entspricht der Haltung und dem Leben der Gemeinde, die sich das prophetisch aggressive Sprechen aneignet in der Hoffnung, dadurch das Reich Gottes zu erlangen. Das Markusevangelium, entstanden unmittelbar nach dem jdischen Krieg, entwirft ein anderes polemisches Profil Jesu fr einen anderen religiçsen und literarischen Kontext. Jesu Wirksamkeit ist im Markusevangelium durch stndige Konflikte charakterisiert, aber Jesus attackiert nicht einzelne jdische Gruppen, sondern er wird von den jdischen Theologen attackiert, die versuchen, ihn zu falschen Aussagen zu verleiten, um ihn beschuldigen zu kçnnen. Jesus bringt diese Plne seiner Gegner zum Scheitern, weil er durch sein dialektisches Debattieren die sophistischen Kunstgriffe der Gegner immer direkt widerlegen kann oder sie ad absurdum fhrt. Jesus ist hier kein prophetischer Redner. Er ist ein Lehrer, der keine aggressive Sprache braucht, sondern seine Ausdrucksweise stets kontrolliert. Markus entdeckt hier sicher einen Aspekt der sprachlichen Wirksamkeit Jesu selbst wieder, der in der prophetischen Polarisierung der 50er Jahre nicht mehr beachtet wurde. Damit verteidigt er Jesus und zeichnet ihn als souvernen Lehrer, der der Wahrheit zum Durchbruch verhilft. Das Thema „Jesus als Polemiker“reicht ber die Evangelien hinaus nicht nur in die hoch polemische Geschichte der Alten Kirche hinein, wie Augustin und die Donatisten exemplarisch zeigen, sondern bleibt auch im Rahmen der historischen Jesusforschung umstritten. Die neueste JesusForschung stellt, wie wir gesehen haben, in Frage, dass Jesus sich polemisch gegenber seiner religiçsen Umwelt geußert habe. Aber eine historische und literarische Analyse kann die Polemik Jesu und die Polemik gegen Jesus nicht vçllig uminterpretieren oder als sptere Gemeindebildung erklren. Eine solche Konstruktion wre selbst eine normative Antwort auf das polemische Wirken Jesu.

Literatur Albertz, M., Die synoptischen Streitgesprche. Ein Beitrag zur Formgeschichte des Urchristentums, Berlin 1921. Augustin, Contra Cresconium grammaticum et donatista, Scripta contra donatistas II, ed. M. Petschenig (CSEL 52), Wien/Leipzig 1909. Augustin, Contra Cresconium libri IV de unico baptismo, ed. G. Finaert, A.C. De Veer (Oeuvre de Saint Augustin 31/4 Traits anti-donatistes), Brgge 1968.

412

Lorenzo Scornaienchi

Benz, E. Der gekreuzigte Gerechte bei Plato, im Neuen Testament und in der alten Kirche, in: AGSK 12 (1950), 1031 – 1073. Berger, K. Formen und Gattungen im Neuen Testament (UTB 8541), Tbingen/ Basel 2005. Brandon, S.G.F., Jesus and the Zealots. A Study of the Political Factor in Primitive Christianity, Manchester 1967. Braungart, G., Art. Polemik I, in: RGG4 6 (2003), 1439 – 1440. Cameron, P.S., Violence and the Kingdom. The Interpretation of Matthew 11,12 (ANTI 5), Frankfurt 1988. Capps, D. Jesus as Power Tactician, in: JSHJ 2 (2004), 158 – 189. Chilton, B., Rabbi Jesus. An Intimate Biography. The Jewish Life and Teaching that Inspired Christianity, New York u. a. 2000. Clavier, H., L’ironie dans l’enseignement de Jsus, in: NT 1 (1956) 3 – 20. Crossan, J.D., Jesus. Ein revolutionres Leben, Mnchen 1996. Crossan, J.D., The Historical Jesus. The Life of a Mediterranean Jewish Peasant, San Francisco 1991. Declerq, G., Murat, M., Dangel, J., La parole polmique, Colloques, congr s et confrence 11, Paris 2003. Dieckmann, Walther, Streiten ber das Streiten. Normative Grundlagen polemischer Metakommunikation (KSW 65), Tbingen 2005. Dunn, J.D.G., A New Perspective on Jesus. What the Quest for the Historical Jesus Missed, Grand Rapids 2005. Dunn, J.D.G., The Partings of the Ways Between Christianity and Judaism and their Significance for the Character of Christianity, London 20062. Flusser D., The Sage from Galilee. Rediscovering Jesus’ Genius, with R.S. Notley, Grand Rapids/Cambridge 2007. Harnisch, W. Die Ironie als Stilmittel in Gleichnissen Jesu, in: EvTh 32 (1972), 421 – 435. Hoffmann P., Heil C. (Hg.), Die Spruchquelle. Studienausgabe Griechisch und Deutsch, Darmstadt 2002. Ksemann, E., Das Problem des historischen Jesus, in: ders. Exegetische Versuche und Besinnungen I, Gçttingen 1960, 187 – 223. Keim, K.T., Geschichte Jesu von Nazara in ihrer Verkettung mit dem Gesamtleben seines Volkes. Band III: Das Jerusalemische Todesostern, Zrich 1872. Koster, S., Die Invektive in der griechischen und rçmischen Antike, Meisenheim 1980. Kriegsbaum B., Art. Cresconius, in: RGG4 2 (1999), 494. Lazarowicz, K., Verkehrte Welt: Vorstudien zu einer Geschichte der deutschen Satire, Tbingen 1963. Luz, U., Das Evangelium nach Matthus. Band 2 (EKK I/2), Neukirchen-Vluyn/ Zrich 1990. Maier, J., Jesus von Nazareth in der talmudischen berlieferung (EdF 82), Darmstadt 1978. Platon, Der Staat. Politeia, hg. von R. Rufener und T.A. Szlezk, Zrich/Dsseldorf 2000. Renan, E., Vie de Jsus, Paris 18637.

Jesus als Polemiker oder: Wie polemisch darf Jesus sein?

413

Repschinski, B., The Controversy Stories in the Gospel of Matthew. Their Redaction, Form and Relevance for the Relationship Between the Matthean Community and Formative Judaism, FRLANT 189, Gçttingen 2000. Robinson J.M., Hoffmann P., Kloppenborg J.S. (eds), The Critical Edition of Q, Minneapolis/Lçwen 2000. Sanders, E.P., Jesus und Judaism, London 1985. Sanders, E.P., The Historical Figure of Jesus, London 1993. Schfer, P., Jesus im Talmud, Tbingen 20102. Scheichl, S.P., Art. Polemik, in: Weimar, K. (Hg.) Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft 3 (2003), 117 – 120. Schweitzer, A., Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, Tbingen 19516. Schweizer, E., Das Evangelium nach Lukas, (NTD 3), Gçttingen 1982. Schweizer, E., Das Evangelium nach Matthus (NTD 2), Gçttingen 1973. Shiner, W.T., The Ambiguous Pronouncement of the Centurion and the Shrouding of Meaning in Mark, in: JSNT 78 (2000), 3 – 22. Stenzel, J., Rhetorischer Manichismus. Vorschlge zu einer Theorie der Polemik, in: Worstbrock, F.J., Koopmann H. (Hg.), Formen und Formgeschichte des Streitens – Der Literaturstreit, Tbingen 1986, 3 – 11. Theißen, G., Das Reinheitslogion Mk 7,15 und die Trennung von Juden und Christen, in: Merz, A. (Hg.), Jesus als historische Gestalt. Beitrge zur Jesusforschung. Zum 60. Geburtstag von G. Theißen (FRLANT 202), Gçttingen 2003, 373 – 89. Theißen, G., Jesus im Judentum. Drei Versuche einer Ortsbestimmung, in: Merz, A. (Hg.), Jesus als historische Gestalt. Beitrge zur Jesusforschung. Zum 60. Geburtstag von G. Theißen, FRLANT 202, Gçttingen 2003, 35 – 56. Theißen, G., Jnger als Gewalttter (Mt 11,12 f; Lk16,16). Der Strmerspruch als Selbststigmatisierung einer Minoritt, in: Merz, A. (Hg.), Jesus als historische Gestalt. Beitrge zur Jesusforschung. Zum 60. Geburtstag von G. Theißen (FRLANT 202), Gçttingen 2003, 153 – 168. Thiering, B.E., Are the „Violent Men“ False Teachers?, in: NT 21(1979), 293 – 297. Weiß, W., „Eine neue Lehre in Vollmacht“. Die Streit- und Schulgesprche des Markus-Evangeliums (BZNW 52), Berlin 1988. Weissengruber, Franz, Augustins Wertung von Grammatik und Rhetorik im Traktat Contra Cresconium, in: Hermes 105 (1977), 101 – 124. Wright, N.T., Jesus and the Victory of God, Christian Origins and the Question of God, vol. 2, Minneapolis 1996. Yabro Collins, A., The Charge of Blasphemy in Mark 14,64, in: JSNT 26 (2004), 379 – 40.

Die literarische Form der Streitgesprche Boris Repschinski Die Frage der literarischen Form der Streitgesprche ist in den letzten Jahren wenig ausfhrlich behandelt worden. Dies mag an der strker synchronen Orientierung vieler neuerer biblischer Forschungen liegen. Tatschlich hat ja die Formkritik ihren Ursprung in der diachronen Fragestellung. Die verschiedenen Formen narrativer Exegesen konnten daher zumindest mit dem ursprnglichen Anliegen der Formkritik wenig anfangen. Die Ergebnisse der formgeschichtlichen Analysen gingen allerdings zumindest im Fall der Streitgesprche so weit auseinander, dass sich kaum Tragfhiges fr eine Textauslegung, sei sie synchron oder diachron, sagen ließ. Im Folgenden soll die Geschichte der formkritischen Untersuchungen noch einmal kurz aufgerollt werden und den Kontext vorbereiten, in dem die formalen Analysen des zweiten Teils gesehen werden mssen. Letztlich wird dann nach dem Wert solcher Analysen fr die Textinterpretation zu fragen sein.

1. Streitgesprche in der Geschichte der Formkritik Schon zu Beginn formkritischer Exegese fanden die Streitgesprche in den Evangelien einige Aufmerksamkeit. Dies mag daran liegen, dass sie auf den ersten Blick einen durchaus gewichtigen Teil der Evangelien ausmachen. Gleich zu Anfang lsst sich allerdings auch feststellen, dass diese Untersuchungen sich auf die synoptischen Evangelien beschrnkten. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, whrend der Blte der Formkritik, gehçren Martin Albertz, Rudolf Bultmann, Martin Dibelius und Vincent Taylor1 zu denen, die sich mit der literarischen Form der Streitgesprche befassten. Die Studien von Albertz, Bultmann und Dibelius entstanden mehr oder weniger zeitgleich und unabhngig voneinander, whrend Taylor schon auf sie zugreifen konnte. Mit dem Aufkommen der Redaktionskritik und schließlich 1

Albertz, Die synoptischen Streitgesprche; Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition; Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums; Taylor, The formation of the Gospel tradition.

416

Boris Repschinski

der narrativen Analysen tritt die Formfrage in den Hintergrund. Ausnahmen sind die Arbeiten von Arland Hultgren, Robert Tannehill, Klaus Berger und Boris Repschinski2. In den neueren Arbeiten wird sichtbar, wie die Streitgesprche wieder in die Nhe von Redeformen gerckt werden, die auch in der Antike bekannt und benannt waren. 1.1 Martin Albertz Martin Albertz, heute auch bekannt als Widerstndler gegen das NS-Regime,3 beschftigte sich schon frh mit Fragen nach der Entstehung und frhen Geschichte des Christentums und fand in der Formkritik eine Methode, die diesem Interesse entsprach. Albertz prgte den Begriff „Streitgesprche“fr Perikopen in den synoptischen Evangelien, in denen Jesus mit Gegnern debattiert. Fr ihn waren die Streitgesprche der Evangelien ein Zugang zu den Auseinandersetzungen des historischen Jesus mit seinen Gegnern, die in einer literarischen Konstruktion Ausdruck und berlieferung fanden. Fr Albertz lag der Sitz im Leben der Streitgesprche in Jesu prophetischer Haltung gegen falsche Fhrer in Israel. Ihre formale, literarische Gestalt bezogen die Gesprche aus prophetischer Literatur, die ebenfalls die Auseinandersetzung von Propheten mit einer widerspenstigen Fhrung des Volkes Israel anprangerten.4 Albertz entdeckte zwei formale Gestaltungselemente in den Streitgesprchen. Einen ersten Teil nannte er „Exposition“ und erkannte ihre Funktion in der Einfhrung derer, die Jesus zu einem Streit herausfordern. Mit dieser Einfhrung kann auch das eigentliche Thema des Streits festgelegt werden. Das zweite formale Element besteht nach Albertz im „Gesprch“, das aus einem oder mehreren Reden Jesu und seiner Gegner bestehen kann. 2

3 4

Hultgren, Jesus and his adversaries; Tannehill, Introduction: The pronouncement story and its types; Tannehill, Varieties of synoptic pronouncement stories; Berger, Formgeschichte des Neuen Testaments; Berger, Hellenistische Gattungen im Neuen Testament; Repschinski, The controversy stories in the gospel of Matthew. Allerdings ist bei Hultgren und Repschinski anzumerken, dass sie nicht in der blichen Tradition formkritischer Studien stehen, sondern andere Ziele verfolgen. Ab 1931 war Albertz Pfarrer der Berliner Nikolaikirche, ab 1933 Mitglied der bekennenden Kirche. Whrend der Nazizeit wurde Albertz mehrfach verhaftet und zu Gefngnisstrafen verurteilt. Albertz zitiert eine Reihe von Beispielen, von denen die meisten aus Jesaja, Jeremia und Ezechiel stammen. Hier seien als wichtigste genannt: Am 8,4 – 8; Hos 6,1 – 4; Jes 28,7 – 13; Mi 2,1 – 11; vgl. Albertz, Die synoptischen Streitgesprche, 157 – 158.

Die literarische Form der Streitgesprche

417

Optional kann ein Streitgesprch auch „Schlussbemerkungen“ enthalten, die eine Reaktion oder ein Ergebnis festhalten kçnnen. Zusammen formen diese Elemente das „Streitgesprch“.5 1.2 Martin Dibelius Martin Dibelius verortete den Ursprung der Streitgesprche, und der neutestamentlichen Texte generell, in der expandierenden Mission in der hellenistischen Welt. Er orientierte sich daher in seiner formgeschichtlichen Arbeit mehr an hellenistischer Literatur.6 Dabei stellte er eine Verbindung zwischen den Streitgesprchen und den von ihm so genannten Paradigmata7 der Antike her. Ein Paradigma war fr Dibelius ein wichtiges Instrument frhchristlicher Missionare in einer hellenistisch gebildeten Welt. Dieser Sitz im Leben fhrte nach Dibelius zu den Besonderheiten der literarischen Form. Wichtig war die Abrundung von erzhlerischem Beginn und Ende, denn sie ermçglichte den von einem grçßeren literarischen Kontext unabhngigen Gebrauch einer Geschichte. Daneben war ein Paradigma kurz und enthielt mçglichst wenig Ausschmckung der Charaktere oder der Szene. Der Stil war erbaulich und didaktisch mit einer Betonung eines abschließenden Satzes Jesu, wie er fr homiletische Zwecke geeignet schien, etwa durch eine Sentenz, eine abschließende Tat Jesu, oder auch die Begeisterung der Zuhçrer.8 Natrlich gibt es in den Evangelien Texte, die nur entfernt dieser Form entsprechen, und Dibelius sah dies auch so. Deshalb schloss er aus diesem Phnomen, dass die Texte, die der idealen Form am Nchsten kommen, auch die ltesten Texte sein mssten.9 Im Gegensatz zu Albertz jedoch fhrte Dibelius die der idealen Form entsprechenden Texte nicht auf den histori5

6 7

8 9

Die etwas vagen berlegungen zu streng formalen Gesichtspunkten fhrten Bultmann in spteren Auflagen dazu, Albertz’ Arbeit „methodische Unsicherheit“ vorzuwerfen und ihr den Charakter einer formgeschichtlichen Untersuchung abzusprechen. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 41 Anm. 1. Dibelius fhrt lediglich sechs solcher Beispiele an; die zitierten Schriftsteller sind Diogenes Lartius, Xenophon, Lukian, Philostratus, und letztlich das Werk Philologus. Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, 153 – 157. M. Dibelius, Zur Formgeschichte der Evangelien, 195. Dies ist auch der Grund, weshalb Dibelius letztlich die Terminologie von Albertz und Bultmann ablehnt. Die Paradigmata von Dibelius enstprechen in moderner Forschung den Chreiai, gelegentlich auch als Chrien bezeichnet. Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, 44 – 58. Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, 61.

418

Boris Repschinski

schen Jesus zurck, sondern auf die Verkndigung frhchristlicher Missionare. Fr Dibelius war der Rckschluss auf Situationen um den historischen Jesus nicht mehr mçglich, die literarische Form wies lediglich auf eine nachçsterliche Verkndigung. 1.3 Rudolf Bultmann Rudolf Bultmann arbeitete unabhngig von Dibelius zur gleichen Zeit. Fr ihn waren die Streitgesprche eine Untergruppe der Apophthegmata, zu denen auch Lehrgesprche und biographische Apophthegmata gehçren.10 Apophthegmata sind eine erweiterte Form von Sprchen, in denen „an die einmal existierenden Szenen – einheitlich konzipiert oder komponiert – freie Logien angefgt wurden“11. Die existierenden Szenen gehen dabei nicht auf Ereignisse im Umfeld des historischen Jesus zurck, sondern sind reale oder erfundene Szenen, die ihren Ursprung in den Bedrfnissen der Gemeinden finden, whrend die freien Logien nicht an eine Situation gebunden sind. Die kreative Kraft hinter der Kombination von Sprchen und Szenen liegt in der Krze und Pointe der Sprche. Fr die Streitgesprche bedeutet dies, dass die ihre besondere Eigenart durch die Situation erhalten, in die der jeweilige Spruch eingebunden wird. Fr Bultmann fhrt dies zu drei formalen Elementen. Das erste Element beschreibt eine Handlung oder Meinung Jesu oder seiner Jnger, die dann in einem zweiten Formelement durch eine gegnerische Frage oder einen direkten Einwand in Frage gestellt wird. Das dritte Element besteht in der Antwort Jesu, die selbst drei Mçglichkeiten der Form hat: Sie ist entweder eine Frage, oder eine Metapher, die gelegentlich auch ein Schriftzitat sein mag, oder sie ist eine Kombination dieser beiden Mçglichkeiten. Mit diesen formalen Elementen erstellte Bultmann einen seiner Meinung nach vollstndigen Katalog von Streitgesprchen. Bultmann sah deutlich, dass viele Streitgesprche um Themen kreisen, die erst auf dem Hintergrund jdischer Religiositt verstndlich werden. Er schloss daraus, dass Streitgesprche ihren spezifischen Sitz im Leben in den palstinischen judenchristlichen Gemeinden hatten, die ihr Verhltnis zum 10 Die Ausgabe von G. Theißen, der hier gefolgt wird, enthlt den Nachdruck der zweiten Ausgabe von 1931. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 61. 11 Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 64 (Emphasis original). Im Folgenden spricht Bultmann von der „zeugenden Kraft der Apophthegmata“.

Die literarische Form der Streitgesprche

419

jdischen Gesetz neu erarbeiten mussten. Evidenz fand Bultmann in hnlichen Gesprchen innerhalb rabbinischer Literatur, auch wenn er die Verwandtschaft mit hellenistischen Apophthegmata nicht vçllig bestritt.12 Einen in der Geschichte der Gemeinde oder gar im historischen Jesus verankerten historischen Ursprung konnte Bultmann in den Streitgesprchen nicht mehr entdecken, sondern er sprach den Streitgesprchen im Gegenteil „novellistische Zge“13 zu und verwies damit auf die verhltnismßige Aktualitt der Gesprche innerhalb der Genese der Evangelientexte. 1.4 Vincent Taylor Whrend Dibelius und Bultmann den Ursprung der Streitgesprche in der Situation frhchristlicher Gemeinden fanden, war Taylors Ansatz vorsichtiger. Er gab zwar zu, dass die Gemeinden durchaus in die Geschichten eingriffen und diese Geschichten erzhlten, weil sie eine Antwort auf aktuelle Fragen suchten. Allerdings hielt Taylor auch daran fest, dass diese Antworten auf Fragen der Gemeinde in den Ereignissen um den historischen Jesus ihren Ursprung hatten.14 Damit nahm Taylor der von Dibelius und Bultmann noch postulierten Diskontinuitt zwischen dem historischen Jesus und der Gemeindebildung die Schrfe. Allerdings hatte dies auch zur Folge, dass Taylor nicht mehr nach Parallelen in hellenistischer oder rabbinischer Literatur suchte, sondern sich auf die Form der Gesprche in den Evangelien beschrnkte. Taylor beobachtete, dass in diesen Geschichten nicht wirklich ein Gesprch stattfindet. Er sah, dass die Form aus einer kurzen Schilderung einer Situation oder Frage besteht, die zu einem autoritativen Urteil Jesu fhrt. Aus diesem Grund nannte Taylor diese Geschichten auch „pronouncement stories“15.

12 13 14 15

Dies geht allein schon aus der Verwendung des Begriffs „Apophthegmata“ hervor. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 72. Taylor, The formation of the Gospel tradition, 37. Taylor, The formation of the Gospel tradition, 65: „Everything leads up to the final word of Jesus, which for the early Christians must have had the force of a pronouncement.“

420

Boris Repschinski

1.5 Arland Hultgren Zwischen Taylor und Hultgren lagen Jahre, in denen die redaktionskritische Methode innerhalb der historisch-kritischen Exegese gegenber der Formkritik die berhand gewann. Hultgrens Verdienst ist es, diese beiden Methoden zusammen gebracht zu haben. Er betrachtete vier Streitgesprche im literarischen Vergleich und entdeckte dabei, dass die frheren Formen dieser Gesprche, wie sie durch Markus und die vormarkinische Tradition berliefert sind, sehr viel weniger einer strikten Form folgen, als dies die spteren Versionen der Gesprche tun.16 Zustzlich lsst sich redaktionelles Interesse an Streitgesprchen feststellen, da diese Gesprche in Sammlungen wie Mk 2,1 – 3,6 auftauchen. Hultgren sprach von einer „primitive church consciousness“. Damit brachte er Dibelius’ Theorie zu Fall, die von der strikten Form auf die lteste berlieferung schloss.17 Das Interesse der frhen Kirchen bestand fr Hultgren im dramatischen Wortwechsel zwischen Jesus und seinen Gegnern. Hultgren betonte das narrative Element gegenber dem Herrenwort als formales Gestaltungsprinzip. Daher identifizierte er drei wesentliche formale Kriterien, die ein Streitgesprch bestimmen: die einleitende Erzhlung, die Frage oder Attacke der Gegner, und das antwortende Herrenwort.18 Hultgrens wichtigste Beobachtung betraf das Herrenwort, das oft nicht unabhngig von der gegnerischen Anfrage gedacht werden kann. Andererseits begegnet man auch Streitgesprchen mit einem relativ unabhngigen Herrenwort. Hultgren unterschied daher zwischen uneinheitlichen und einheitlichen Streitgesprchen.19 Mit dem Blick auf die redaktionelle Entwicklung lehnte Hultgren auch einen einheitlichen Sitz im Leben ab; fr ihn reflektierten sie unterschiedliche Situationen in unterschiedlichen Entwicklungsphasen der Gemeinde. 16 Diese Beobachtung wurde durch die redaktionskritischen Analysen der matthischen Streitgesprche erhrtet. Vgl. Repschinski, The controversy stories in the gospel of Matthew, 62 – 235. 17 Gleichzeitig setzt Hultgren diese Entwicklung auch sehr viel spter als Bultmann an; vgl. Hultgren, Jesus and his adversaries, 50. 18 Kleinere Elemente betreffen insbesondere das Herrenwort: Es kann eine Gegenfrage oder ein Schriftzitat enthalten; es kann parallel strukturiert sein. Vgl. Hultgren, Jesus and his adversaries, 52 – 59. Grundstzlich ist also Hultgrens formale Analyse der Bultmanns vergleichbar. 19 Hultgren, Jesus and his adversaries, 20, spricht von „non-unitary“ und „unitary conflict stories“. Diese Distinktion findet sich auch schon bei Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 51.

Die literarische Form der Streitgesprche

421

1.6 Moderne Chreiai-Studien In einer neuen Phase formkritischer Studien setzte sich Tannehill im Rahmen seiner Studien zu Chreiai mit den Streitgesprchen auseinander. Diese Studien waren Teil eines Projektes der SBL, zu denen auch eine Reihe andere Forscher beitrugen.20 Die Erforschung rhetorischer Lehrbcher der Antike, sogenannter Progymnasmata, zeigte deutlich, wie sehr Chreiai im Schulbetrieb antiker Rhetorik verwurzelt waren; sie waren tatschlich eine der Grundbungen angehender Rhetoriker. Dabei wird ebenfalls deutlich, dass Chreiai zwar auch in jdischer Literatur vorkamen, dass ihr Gebrauch in hellenistischer Literatur jedoch weit umfnglicher geschah.21 Auch Klaus Berger sah die Chreiai als die bergeordnete Gattung der Streitgesprche an.22 Berger sah die Antwort innerhalb von Chreiai oft als Sentenz oder Gnome formuliert, stellte aber nicht wie Bultmann eine kausale Verbindung zwischen Gnome und Chreiai her, zumal Gleichnisse als Antworten in Chreiai ebenso hufig vorkommen wie Sentenzen. Dabei werden Streitgesprche nach Berger hufig durch Scheltreden ergnzt.23 Den situativen Platz von Streitgesprchen sah Berger in „noch nicht ganz hoffnungslosen“24 Gemeinde-externen Auseinandersetzungen mit Gegnern, bezog sich aber dabei weniger auf die Form der Streitgesprche an sich sondern auf ihren Gebrauch innerhalb der Evangelien. 20 Einen berblick verschafft das von Tannehill im Jahr 1981 herausgegebene Themenheft von Semeia zu den Chreiai als literarisches Phnomen der Antike. Vgl. ebenfalls Mack, Persuasive pronouncements; Mack, Robbins, Patterns of persuasion in the Gospels; Robbins, The chreia and the New Testament. 21 Siehe dazu Robbins, Ancient quotes and anecdotes. 22 Berger, Hellenistische Gattungen im Neuen Testament, hier: 1305 – 1310; siehe auch Berger, Formgeschichte des Neuen Testaments, 88 – 90, wo er diese Verbindung nicht mehr erwhnt. Bergers Versuch, zwischen Apophthegmata und Chreiai als der narrativen Erweiterung von Apophthegmata zu unterscheiden, hat sich nicht durchgesetzt. 23 Berger, Formgeschichte des Neuen Testaments, 88, nennt Mk 7,1 – 15 par.; Lk 12,13 – 21 und bewertet dies Ausdehnung von Streitgesprchen als formgeschichtlich neuartig. 24 Berger, Formgeschichte des Neuen Testaments, 89. Vgl. auch Johnson, The New Testament’s anti-Jewish slander and the conventions of ancient polemic; Johnson bezieht sich allerdings nicht ausdrcklich auf die Streitgesprche. Dahinter steht die Frage, ob apologetische Literatur tatschlich ad extram gewandt ist, oder ob Apologetik innergemeindliche Selbstversicherungen darstellt. Diese Frage kann hier nicht geklrt werden; die Diskussion fr jdische Literatur wird jedoch gut zusammengefasst von Barclay, Apologetics in the Jewish diaspora.

422

Boris Repschinski

1.7 Ergebnis Formgeschichtliche Studien als solche sind selbst ein eigenartiges literarisches Genre, wenigstens in der Geschichte der Exegese. Auf der einen Seite sind sie streng literarisch interessiert und versuchen Strukturen des Textes zu verdeutlichen und systematisieren. Hier stellt man schnell fest, dass sich die vorgestellten Studien auf sehr unterschiedliche Ergebnisse festlegen. Auf der anderen Seite stellt man ebenfalls fest, dass sich diese Studien immer auch darauf einlassen, einen sozialen Kontext zu postulieren, in denen die eruierten Strukturen angeblich ihre grçßte Wirkung entfalten. Gerade letztere Versuche bleiben jedoch nicht sehr erfolgreich. Hultgren zeigte, dass sich die Annahme der ltesten Form als die auf die formalen Elemente reduzierteste Version nicht halten lsst. Sind Streitgesprche eine Unterform der Chreiai, lassen sie sich nicht einmal auf ein jdisches oder hellenistisches Umfeld reduzieren. Damit lsst sich aber auch ein Sitz im Leben nicht mehr an der Form festmachen. Bergers Versuche lehnen sich daher nicht mehr an die Form als solche an, sondern ziehen Rckschlsse aus ihrer Verwendung innerhalb der grçßeren Schriften.25 Als Konsens der Studien lsst sich festhalten, dass Streitgesprche eine Unterform von Chreiai bilden, in denen oft eine Sentenz den Hçhepunkt und Abschluss bildet. Chreiai allerdings sind eine ußerst verbreitete literarische Gattung, die sich nicht auf hellenistisches oder jdisches Umfeld beschrnken lsst. Sie gehçrten zur Grundlage rhetorischer Ausbildung, nicht jedoch zu den rhetorisch kunstvollen Inventionen, obwohl Chreiai natrlich auch kunstvoll erweitert werden konnten. Als konstitutive Elemente eines Streitgesprchs lassen sich eine Anklage oder ein Vorwurf sowie eine Antwort festhalten. Die Antwort entspricht in ihrer Form oft einer Sentenz, kann aber auch ausgeweitet werden. Zu diesen beiden Elementen kann im Einzelfall auch eine narrative Einleitung oder ein narrativer Rahmen treten. Damit beantwortet der Forschungsberblick zumindest die Frage, was ein Streitgesprch eigentlich ist: Es ist eine dialogische Gegenberstellung gegnerischer Positionen in aller Krze, deren sentenzenhafter Abschluss darauf abzielt, die in Frage gestellte und zuletzt zur Sprache kommende Position als die berzeugendere darzustellen. Dem entspricht auch die Erweiterung der Sentenz in eine Scheltrede. Dabei ist wichtig 25 Dazu ist zudem anzumerken, dass Bergers Schlussfolgerungen durchaus umstritten sind. Bergers Paradebeispiel, Lk 16,14 – 31, kann sowohl als Geschichte einer vom Judentum schon getrennten wie als eine noch mit dem Judentum in Auseinandersetzung stehenden Gruppe betrachtet werden.

Die literarische Form der Streitgesprche

423

festzuhalten, dass die Erzhlung nicht der berzeugung der Gegner innerhalb der Erzhlung dient, sondern ihre Kunst der berzeugungskraft26 auf die Leser und Leserinnen des Textes zielen. Im Folgenden nun wird zu fragen sein, ob sich ein Strukturmuster entdecken lsst, das die Zusammensetzung der einzelnen Teile in Streitgesprchen erklren kann.

2. Strukturelle Beobachtungen an Streitgesprchen im Matthusevangelium Betrachtet man die Streitgesprche der Evangelien, stellt man schnell ihre weite Verbreitung fest. Allein das Matthusevangelium berichtet 16 Streitgesprche.27 Am Beispiel dieses Evangeliums sollen nun einige formale Beobachtungen erlutert werden. 2.1 Die erzhlerische Einleitung Die erzhlerische Einleitung zu den Streitgesprchen variiert sehr stark. Acht Erzhlungen werden durch eine eigenstndige Einleitung geprgt, die jedoch im Charakter nicht einheitlich ist. Zweimal wird die Einleitung benutzt, um ein Wunder als die Gelegenheit fr ein Streitgesprch zu schildern (Mt 9,2; 12,9). Aber auch das Verhalten der Jnger kann Anlass zu einem Streitgesprch geben (12,1) oder das Verhalten von Jesus selbst (9,10; 22,34). Einmal gibt die Einleitung lediglich charakterisierende Informationen ber die Gegner Jesu, ohne das eigentliche Thema des Gesprchs schon anzudeuten (22,15 – 16). Zweimal bilden Sammelinformationen ber Wunder und Ehre Jesu die Einleitung, allerdings nicht den eigentlichen Streitfall (12,22 – 23; 21,14 – 15). In weiteren acht Fllen sind die Einleitungen so kurz gehalten, dass sie ihre grammatische und syntaktische Unabhngigkeit in der Geschichte verlieren. In der Regel werden Informationen ber Gegner und Redeein26 Siehe dazu besonders: Kennedy, The art of persuasion in Greece; Mack, Robbins, Patterns of persuasion in the Gospels. 27 Diese sind: Mt 9,2 – 8; 9,10 – 13; 9,14 – 17; 12,1 – 8; 12,9 – 14; 12,22 – 37; 12,38 – 45; 15,1 – 9; 16,1 – 4; 19,3 – 9; 21,14 – 17; 21,23 – 27; 22,15 – 22; 22,23 – 33; 22,34 – 40; 22,41 – 46. Vgl. Repschinski, The controversy stories in the gospel of Matthew, 264 – 273.

424

Boris Repschinski

leitung der Gegner in eine einzige Phrase kombiniert. Eine typische Phrase dieser Art findet sich in Mt 15,1: T|te pqos]qwomtai t` YgsoO !p¹ Zeqosok}lym Vaqisa?oi ja· cqallate?r k]comter. Gegner tauchen auf und bringen unverzglich ihre Einwnde vor.28 Doch selbst die Ankunft der Gegner ist nicht unbedingt notwendig, wie in 12,38, wo lediglich deren Gegenwart notiert wird. Gelegentlich benutzt Matthus auch die Einleitung, um den feindlichen Absichten der Gegner Ausdruck zu verleihen. Dies kann explizit geschehen, indem Matthus den Gegnern eine versucherische Absicht unterstellt (peiq\fomter : 16,1; 19,3; 22,35), von einem Komplott erzhlt (22,15), oder die Suche nach Grnden fr eine Anklage erwhnt (12,9). Trotzdem ist die feindliche Gesinnung der Gegner kein entscheidendes Merkmal der Einleitung eines Streitgesprchs; dazu ist ihr Auftreten nicht konsistent genug. Grundstzlich lsst sich festhalten, dass die narrative Einleitung ber die Vorstellung der Gegner keinen erkennbaren Regeln folgt. Weder bestimmt sie konsistent den Inhalt der Kontroverse, noch stellt sie die Gegner schon immer als Gegner dar. Ihre hufige Krze suggeriert im Gegenteil die relative Entbehrlichkeit der narrativen Einleitung. 2.2 Der Einwand Der Einwand in den Streitgesprchen wird mit zwei Ausnahmen immer in direkter Rede berichtet. Die erste Ausnahme ist 16,1 mit einer Zeichenforderung in indirekter Rede, whrend die zweite Ausnahme (22,23 – 33) insofern eine Besonderheit darstellt, als es einen doppelten Einwand gibt. Der erste Einwand wird in indirekter, der zweite in direkter Rede formuliert. Dies deutet darauf hin, dass direkte Rede ein wesentliches, aber auch nicht unumstçßliches formales Element von Streitgesprchen ist. In einem einzigen Fall folgt dem Einwand ein erzhlerischer Kommentar ber die bçsen Absichten der Gegner (12,10). Ist der Einwand in direkter – oder einmal indirekter – Rede vorgebracht, so ist er zumeist an Jesus adressiert, der dann auch die Erwiderung gibt. Allerdings lsst sich auch feststellen, dass in den frhen Streitgesprchen Jesus in der Erwiderung einen Vorwurf aufnimmt, der nicht direkt an ihn 28 hnlich auch in 9,14; 16,1; 19,3; 21,23; 22,23; 22,41. Diese Form der Einleitung eignet sich zwar besonders, wenn das so eingeleitete Streitgesprch in eine Gruppe von Gesprchen steht. Allerdings muss dies nicht so sein; siehe beispielsweise in 15,1.

Die literarische Form der Streitgesprche

425

gerichtet ist, sondern entweder an die Jnger (9,3; 9,11) oder an die umstehende Menge (12,24). Der Inhalt der verschiedenen Einwnde variiert stark. Er mag das beobachtbare Verhalten Jesu oder seiner Jnger betreffen, entweder als Gedankengang (9,3; 12,2) oder als ausdrckliche Anklage (12,24). Der Einwand kann eine Frage (9,11; 9,15; 12,9; 15,1; 19,3; 21,16) oder eine Doppelfrage beinhalten (21,23; 21,41; 22,17; 22,28; 22,35). Oft geht es dabei um das jdische Gesetz (12,2; 19,3; 22,17; 22,23 – 28; 22,36) oder die damit verwandte Tradition (15,2). Andere hingegen betreffen die Legitimation Jesu, wie in der Zeichenforderung (12,38; 16,1), der Davidsohnschaft Jesu (21,16; 22,42) oder seiner angebliche Zusammenarbeit mit Beelzebul (12,24). Somit lsst sich formal sagen, dass außer der direkten Rede dem Einwand der Streitgesprche keine eindeutigen formalen oder inhaltlichen Charakteristika zuzuordnen sind. 2.3 Die Erwiderung Die Erwiderung in den Streitgesprchen ist ausschließlich Jesus vorbehalten und wird mit einer kurzen berleitung prsentiert, die formelhaft anmutet. Zumeist lautet sie eWpem aqto?r, ersetzt lediglich in 21,16 durch k]cei und in 22,37 durch 5vg. Gelegentlich entfllt das Pronomen aqto?r (9,4; 19,4; 22,18) oder wird, der Situation angemessen, im Singular benutzt. Das Subjekt der Einleitung zur Erwiderung wird meistens mit b d] benannt, lediglich ein Mal wird d] durch ja_ ersetzt (9,4). Erweiterungen kçnnen durch die Nennung des Namens Jesu geschehen (9,4; 21,16; 21,24; 22,18; 22,29), manchmal auch durch das Partizip !pojqihe?r (12,39; 15,3; 16,2; 19,4; 21,24; 22,29) oder durch eine dem Kontext entsprechende Partizipialkonstruktion (9,4; 9,12; 12,25; 22,18) ergnzt. Ist die Einleitung der Erwiderung von einiger Konsistenz, ist die eigentliche Erwiderung es sehr viel weniger. Dies wird schon in der Lnge sichtbar. Der Umfang kann von weniger als einem einzigen Vers (16,4) bis hin zu 13 Versen (12,25 – 37) reichen. Meistens jedoch liegt der Umfang am unteren Ende dieses Spektrums. Inhaltlich lsst sich beobachten, dass mehr als die Hlfte der Erwiderungen ein Schriftzitat enthalten (9,10 – 13; 12,1 – 8; 15,1 – 9; 19,3 – 9; 21,14 – 17; 22,23 – 33; 22,34 – 40; 22,41 – 46), doch ist dies nicht konsistent genug, um als formales Charakteristikum zu gelten. Ebenfalls enthalten mehrere Erwiderungen direkte Polemik gegen die Gegner bezglich ihrer Unbelesenheit in der Schrift (12,3.5.7; 19,4;

426

Boris Repschinski

21,16; 22,31), jeweils mit der Phrase oqj !m]cmyte (in 21,16 oqd]pote !m]cmyte) formuliert. Schließlich weitet 15,3 die Schriftunkenntnis in die Anklage einer bewussten bertretung gçttlicher Gesetze aus: rle?r paqaba_mete tμm 1mtokμm toO heoO di± tμm paq\dosim rl_m. Wiederum entwickelt sich hier ein Thema, ohne dass es zum formalen Kriterium wird. Zwar erscheinen die meisten der Erwiderungen als eine Sentenz Jesu, es gibt allerdings auch gewichtige Ausnahmen. Augenfllig ist dies in 9,2 – 8, wo der eigentliche Streitfall mit einem Heilungswunder verknpft wird und der Hçhepunkt im Wunder besteht. Aber auch in 12,22 – 37 fllt es schwer, eine abschließende Sentenz in der Antwort Jesu zu entdecken, da dieses Gesprch in eine Scheltrede mndet. Damit ergibt sich fr die formale Untersuchung, dass die abschließende Sentenz auch ersetzbar ist. In dieser Form entfernen sich Streitgesprche also von den Chreiai. 2.4 Erweiterte Gesprche Vier der matthischen Streitgesprche gehen ber die bliche Form von Einwand und Erwiderung hinaus. Dabei kann die Erwiderung von einer Gegenfrage beantwortet werden, die ihrerseits wiederum eine Erwiderung bençtigt (19,3 – 9). Aber die erste Erwiderung Jesu kann auch eine Frage sein, die berlegungen und eine Antwort auf Seiten der Gegner herausfordert und mit einer Sentenz Jesu endet (21,23 – 27). In 22,15 – 22 wird der Dialog kurz durch die Inspektion der zur Diskussion stehenden Steuermnze unterbrochen, dann wieder aufgenommen. Letztlich kann Jesus selbst mit einer Frage herausfordern, eine Antwort bekommen und mit einer weiteren Frage erwidern, die nur noch auf das Schweigen der Gegner stçßt (22,41 – 46). Diese Beobachtungen fhren zu der Schlussfolgerung, dass selbst die doch vorherrschende Struktur von Einwand mit erwidernder Sentenz nicht unumstçßlich ist. 2.5 Der erzhlerische Schluss Sieben der matthischen Streitgesprche werden mit einem erzhlerischen Teil abgeschlossen. Von diesen Abschlssen beschftigen sich zwei mit der Reaktion der Umstehenden (9,8; 22,33). Drei berichten die Reaktion der Gegner (12,14; 22,22; 22,46). Zwei Abschlsse erzhlen die Reaktion Jesu (16,4; 21,17). Zweimal werden zudem Wunderberichte in den Abschluss einbezogen (9,7; 12,13). Die Reaktion wird immer durch ja_ eingeleitet,

Die literarische Form der Streitgesprche

427

außer einmal durch t|te in 12,13, wo die direkte Ansprache Jesu an den Mann mit der vertrockneten Hand das Wunder beginnt. Die Reaktionen der Umstehenden sind einmal positiv (9,8) und einmal negativ (22,33), whrend die der Gegner immer negativ sind, indem sie Jesus umbringen wollen (12,14), weggehen (22,22) oder einfach nicht mehr antworten kçnnen (22,46). Die Reaktionen Jesu sind ebenfalls negativ: Er verlsst seine Gegner (16,4; 21,17). Damit ergibt sich, dass der erzhlerische Schluss, soweit er berhaupt vorhanden ist, keine Motive enthlt, die als konstitutiv fr die Form der Streitgesprche erachtet werden kçnnten. Auffllig jedoch ist, dass bis auf eine Ausnahme keine der Erzhlungen einen positiven Schluss hat. Und selbst in 9,2 – 8 betrifft der positive Schluss nicht den Konflikt zwischen den gegnerischen Parteien, sondern die Reaktion Unbeteiligter. Somit wird im erzhlerischen Schluss der Streitgesprche besonders deutlich, dass die Streitgesprche auf der Ebene der erzhlten Ereignisse, seien sie nun fiktiv oder nicht, keine Lçsung anbieten. Daher legt sich auch nahe, dass die eigentliche Funktion der Streitgesprche eine andere sein muss. 2.6 Der Streit in den Streitgesprchen Die Streitgesprche unterscheiden sich von den Chreiai durch die Anwesenheit expliziter Feindseligkeit. Dies ußert sich gelegentlich in den erzhlerischen Rahmen, wenn die Gegner Jesus anzuklagen (12,9) oder zu tçten suchen (12,13), wenn sie Jesus versuchen wollen (16,1; 19,3, 22,35), wenn sie sich ber Jesus rgern (21,15) oder sich zusammenrotten, um Jesus eine Falle zu stellen (22,15). Einmal drckt Matthus diese Feindseligkeit subtil aus (22,34).29 Auch der Einwand kann dazu dienen, Feindseligkeit explizit zu machen. Dazu gehçren die Anschuldigung von Blasphemie (9,3) oder vom Bund mit Beelzebul (12,24) oder Jesus und seine Jnger handelten dem jdischen Gesetz entgegen (12,2; 15,5). Auch die Frage nach Legitimation ist eine feindselige Unterstellung (21,23). Doch auch die scheinbar unverfngliche

29 Die Phrase sum^whgsam 1p· t¹ aqt| ist wahrscheinlich eine Anspielung auf das Zusammenrotten der Feinde in Ps 2,2. Siehe Repschinski, The controversy stories in the gospel of Matthew, 216.

428

Boris Repschinski

Anrede did\sjake (9,10; 12,38; 22,16; 22,24; 22,35) ist schon ein Zeichen fr Feindseligkeit.30 Schließlich kann auch die Erwiderung Jesu dazu dienen, Feindseligkeit auszudrcken. Wiederholt drckt die Erwiderung aus, dass die Gegner bçse sind, oder Bçses denken (9,4; 12,34; 12,39.45; 16,4). Hufig ist auch die Anklage, die Gegner htten die Schrift nicht gelesen oder seien verwirrt (12,3.5.7; 21,16; 22,29.31), sie seien Heuchler (15,7; 22,18) oder Natterngezcht (12,34), die das Gesetz Gottes missachten (15,3) und hartherzig seien (19,8). Diese Art der Polemik in der Erwiderung bertrumpft die Polemik des Einwandes bei Weitem. Dem entspricht auch die Ausfhrung der Erwiderung in eine Scheltrede in 12,22 – 37, und letztlich die Polemik von Mt 23. Die Polemik dieser Gesprche ist hart, obwohl sie auch Teil antiker Rhetorik war31. Sie charakterisiert die Streitgesprche als Erzhlungen, die keine Lçsung suchen, sondern den Konflikt verschrfen und dem Wettkampf der streitenden Parteien dienen.32 Diese Polemik ist es auch, die letztlich Streitgesprche von Chreiai unterscheidet. Dabei wird allerdings deutlich, dass sich die Polemik einer formalen Analyse entzieht. Sie kommt in verschiedenen Formen, und sie ist ebenfalls abhngig von den jeweiligen Schriften.33

3. Schlussfolgerungen Mehrere Schlussfolgerungen drngen sich nach der Betrachtung der Streitgesprche nach formalen Gesichtspunkten auf. Zunchst sind Streitgesprche als eine Untergruppe der Chreiai Teil einer grçßeren Erzhlung, im Falle neutestamentlicher Literatur der Evangelien. Damit kommt ihnen auch eine hnliche rhetorische Funktion wie den Chreiai zu, die sich an der erzhlerischen Situation festmacht. Zwar wird von einem Gesprch oder einem Streit zwischen zwei einander feindlich gesonnenen Gruppen be30 Lediglich die Gegner Jesu reden ihn als Lehrer an; damit wird der Titel selbst suspekt und ein Zeichen von Feindseligkeit. Siehe Repschinski, The controversy stories in the gospel of Matthew, 274. 31 Siehe Johnson, The New Testament’s anti-Jewish slander and the conventions of ancient polemic. 32 Dem entspricht auch, dass Bruce Malina die Geschichten gut in sein „honor – shame“ Modell einbauen kann und sie „honor-contest stories“ nennt. Malina/ Hultgren, Jesus and his adversaries (Book Review), 131 – 133, hier 132. 33 So ist zu beobachten, dass did\sjake im Matthusevangelium zwar ein Zeichen fr Feindseligkeit ist, nicht aber deshalb auch in anderen Evangelien.

Die literarische Form der Streitgesprche

429

richtet, allerdings richtet sich dieser Bericht nicht offensichtlich an eine dieser Gruppen, sondern an einen Leser. Dieser mag einer der Gruppen angehçren, aber dies ist nicht notwendig so. Gleichzeitig haben diese Geschichten eine rhetorische berzeugungskraft, die aus ihrem sentenzenhaften, oft auch schlagfertigem Schluss entspringt. Jedoch ist diese berzeugungskraft eben an die Leser gerichtet. Die Streitgesprche der Evangelien wollen den Leser auf die Position Jesu einschwçren. Ihr Anliegen ist nicht, die Gegner Jesu zu berzeugen. Diesem Befund entspricht auch die Beobachtung, dass die Streitgesprche zwar die gegnerischen Positionen darstellen, dass es allerdings nicht zu einer Versçhnung der Gegner kommt. Die Streitgesprche sind in diesem Sinne als wiederkehrendes literarisches Stilmittel im grçßeren Kontext der Evangelien statisch und treiben die eigentliche Handlung nicht voran. Die Positionen der gegnerischen Parteien beeinflussen sich gegenseitig nicht. Zunchst in griechischen Tragçdien, spter allerdings auch weit verbreitet in anderen Literaturgattungen, ist dies ein bewusst eingesetztes Stilmittel. Was dort als ein Wettkampf mit Worten (!c½m k|cym34) bezeichnet wird, ist ein Dialog, in dem miteinander nicht versçhnbare Personen ihre Position darlegen. Diese Art der Dialoge hat oft einen dezidiert didaktischen oder moralischen Charakter. In griechischer und hellenistischer Literatur kommt zu den streitenden Parteien jedoch noch eine dritte Figur hinzu, die des Schiedsrichters. Die Streitgesprche sind kein ausgewachsener !c½m k|cym im engen Sinn. Dafr sind sie formal zu nahe an den Chreiai verortet. Allerdings fllt auf, dass manche Elemente durchaus vergleichbar sind. Dazu gehçren die Unversçhnlichkeit der gegnerischen Positionen, die harsche Polemik, das didaktisch-moralische Anliegen, aber auch der offene Ausgang, der von den klassischen !c_mer durch den Schiedsrichter gelçst wird. Den Streitgesprchen fehlt auf der erzhlerischen Ebene ein solcher Schiedsrichter. Allerdings lsst gerade der offene erzhlerische Schluss die Vermutung zu, dass die Streitgesprche auf der textpragmatischen Ebene die Leser als Schiedsrichter im Blick haben. Es ist also durchaus mçglich, die Streitgesprche als eine fr einen narrativen Kontext adaptierte und verkrzte Form des !c~m 34 Dieser terminus technicus wird schon von Euripides benutzt; vgl. Andromache 234. Gelegentlich benutzt er auch ûlikka k|cym ; vgl. Medea 546. Zu Studien siehe: Froleyks, Der Agon Logon in der antiken Literatur; Lloyd, The Agon in Euripides; Dubischar, Die Agonszenen bei Euripides. Froleyks attestiert die weite Verbreitung von Agones in antiker Literatur, whrend Lloyd und Dubischar analytische Schrfe bei der Analyse der Agones bei Euripides zeigen.

430

Boris Repschinski

k|cym zu bezeichnen.35 Dies wrde auch die Tendenz mancher Streitge-

sprche erklren, die restriktive Form der Chreiai durch Scheltreden zu erweitern. Eine letzte Beobachtung betrifft die soziale Verortung der Streitgesprche. Ihr statischer Charakter lsst es wenig plausibel erscheinen, die Gesprche als einen Versuch der berzeugung der in ihnen sichtbaren gegnerischen Positionen oder Personen zu sehen und sie somit als eine Erinnerung an den historischen Jesus und seine Auseinandersetzungen zu verstehen. Solche Auseinandersetzungen wird es sicher gegeben haben, und die Streitgesprche mçgen daran auch anschließen. Doch legt die literarische Verarbeitung innerhalb der Evangelien und das nachweisbare redaktionelle Interesse an ihnen doch eher ein apologetisches Interesse nahe. Es scheint also plausibler zu sein, dass die Gesprche der Versicherung derer dienen, die sich den in der Position Jesu sichtbaren berzeugungen schon angeschlossen haben. Die Apologetik der Streitgesprche scheint nach innen gerichtet zu sein, auf die Gruppe der Jesusglubigen, die sich vielleicht noch mit hnlichen Gegnern beschftigen muss, die aber auch schon zur berzeugung gekommen ist, dass die gegnerische Gruppe abzulehnen ist. Dem entspricht die inhaltliche Streuung in den von den Streitgesprchen angesprochenen Sachthemen. Bei den matthischen Streitgesprchen wird deutlich, dass es nicht mehr um inhaltliche Fragen wie die Auslegung des Gesetzes, der Tradition, oder der Autoritt Jesu geht. All dies mag noch eine Rolle spielen, aber letztlich ist das Anliegen der Streitgesprche die grundstzliche Delegitimation der gegnerischen Gruppe. In den Evangelien ist diese Gruppe der Gegner klar identifiziert als jdische Fhrer, seien sie nun Phariser, Schriftgelehrte, Sadduzer, lteste des Volkes oder Hohepriester. In den einzelnen Evangelien ist dann jeweils noch zu unterscheiden, ob diese Gruppe der jdischen Fhrer als ein Platzhalter fr die Juden allgemein benutzt wird, wie beispielsweise das Markusevangelium gelegentlich vermuten lsst, um eine heidenchristliche Gruppe der Richtigkeit der Distanzierung von jdischen Gruppen zu versichern. Alternativ kann der Konflikt innerjdisch gefhrt werden, wie es die matthischen Streitgesprche implizieren. Der Anspruch letzterer ist es, diese jdischen Fhrer in

35 So vorgeschlagen von Berger, Hellenistische Gattungen im Neuen Testament, 1305 – 1310. Siehe auch Repschinski, The controversy stories in the gospel of Matthew, 284 – 292. Bisher hat diese These allerdings wenig Resonanz gefunden, und in Bergers spterer Formgeschichte fehlt diese Diskussion.

Die literarische Form der Streitgesprche

431

einem innerjdischen Streit mit der christusglubigen Gemeinde zu ersetzen.36

Literatur Albertz, M., Die synoptischen Streitgesprche. Ein Beitrag zur Formgeschichte des Urchristentums, Berlin 1921. Barclay, J.M.G., Apologetics in the Jewish diaspora, in: Bartlett, J. R. (Hg.), Jews in the Hellenistic and Roman cities, London 2002, 129 – 148. Berger, K., Formgeschichte des Neuen Testaments, Heidelberg 1984. Berger, K., Hellenistische Gattungen im Neuen Testament, in: ANRW II.25.2, 1031 – 1432. Bultmann, R., Die Geschichte der synoptischen Tradition. Mit einem Nachwort von G. Theißen, Gçttingen 199510. Dibelius, M., Die Formgeschichte des Evangeliums, Tbingen 19594. Dibelius, M., Zur Formgeschichte der Evangelien: in: Theologische Rundschau 1 (1929). Dubischar, M., Die Agonszenen bei Euripides. Untersuchungen zu ausgewhlten Dramen (Drama Beiheft 13), Stuttgart 2001. Fiedler, P., Das Matthusevangelium (ThKNT 1), Stuttgart/Berlin/Kçln 2006. Froleyks, W.J., Der Agon Logon in der antiken Literatur, Diss. Bonn 1973. Hultgren, A., Jesus and his adversaries: The form and function of the conflict stories in the synoptic tradition, Minneapolis 1979. Johnson, L.T., The New Testament’s anti-Jewish slander and the conventions of ancient polemic, in: JBL 108 (1989), 419 – 441. Kennedy, G., The art of persuasion in Greece, Princeton 1963. Lloyd, M., The Agon in Euripides, Oxford 1992. Mack, B.L., Persuasive pronouncements. An evaluation of recent studies on the chreia, in: Semeia 64 (1994), 283 – 287. Mack, B.L., Robbins, V.K., Patterns of persuasion in the Gospels, Foundations and Facets: Literary Facets, Sonoma 1989. Malina, B.J., Hultgren, A.J. Jesus and his adversaries (Book Review), in: CBQ 43 (1981), 131 – 133. Overman, J.A., Matthew’s Gospel and formative Judaism. The social world of the Matthean community, Minneapolis 1990. Repschinski, B., The controversy stories in the Gospel of Matthew. Their redaction, form, and relevance for the relationship between the Matthean community and formative Judaism (FRLANT 189), Gçttingen 2000. 36 Eine solche Sichtweise passt auch gut in den Gesamtrahmen einer Interpretation, die das Matthusevangelium als eine Schrift einer Gruppe identifiziert, die in einen innerjdischen Konflikt um den Fhrungsanspruch des jdischen Volkes nach der Zerstçrung Jerusalems verwickelt ist. Vgl. Overman, Matthew’s Gospel and formative Judaism. The social world of the Matthean community; Saldarini, Matthew’s Christian-Jewish community; Sim, The Gospel of Matthew and Christian Judaism; P. Fiedler, Das Matthusevangelium.

432

Boris Repschinski

Robbins, V.K., The chreia and the New Testament, in: Aune, D.E. (Hg.), GrecoRoman literature and the New Testament. Selected forms and genres (SBL.SBS 21), Atlanta 1988, 1 – 24. Robbins, V.K., Ancient quotes and anecdotes. From crib to crypt, Foundations and Facets Reference Series, Sonoma 1989. Saldarini, A.J., Matthew’s Christian-Jewish community, Chicago/London 1994. Sim, D.C., The Gospel of Matthew and Christian Judaism: The history and social setting of the Matthean community (SNTW 127), Edinburgh 1998. Tannehill, R.C., Introduction: The pronouncement story and its types, in: Semeia 20 (1981), 1 – 13. Tannehill, R.C., Varieties of synoptic pronouncement stories, in: Semeia 20 (1981), 101 – 119. Taylor, V., The formation of the Gospel tradition, London 1935.

Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums. Eine kritische relecture der formgeschichtlichen Methode Eve-Marie Becker Themenstellung Das mir gestellte Thema birgt zwei Implikationen: erstens nmlich, dass im Markus-Evangelium Streitgesprche zu finden seien. Unter ,Streitgesprchen‘ ist dabei eine bestimmte, formgeschichtlich definierte Gruppe von Jesus-berlieferungen zu verstehen, mit der die jngste Forschung nur mehr am Rande beschftigt war und ist1. So wird dieser Beitrag einer kritischen relecture der formgeschichtlichen Methode und ihrer Sicht auf die ,Streitgesprche‘ dienen. Zweitens impliziert die Themenstellung, dass der Evangelist Markus, also der Redaktor, mit der Tradierung und Bearbeitung solcher ,Streitgesprche‘ einen bestimmten narrativen, literarischen und/oder theologischen Plan verfolgt habe. Die beiden genannten Implikationen geben meinem Beitrag die Struktur vor: So werde ich zunchst nach der formgeschichtlichen Definition des ,Streitgesprchs‘ fragen (1.). Im zweiten Abschnitt wird es um die Frage gehen, wie und mit welcher Funktion Markus die ihm vorliegenden berlieferungen von ,Streitgesprchen‘ (2.1.) bearbeitet und in seiner Evangelien-Erzhlung narrativ kontextualisiert hat (2.2.). Abschließend soll dann aber auch im Blick auf die Thematik des vorliegenden Bandes die literarische und theologische Funktion der ,Streitgesprche‘ als ein mçglicher Beitrag der Evangelienschreibung zu einer frhchristlichen Streitkultur kritisch gewrdigt werden (3.): Es geht letztlich also darum, die Streitgesprche als polemische Elemente der Evangelienliteratur zu untersuchen und damit dem Bereich der frhchristlichen religiçsen und literarischen Polemik zuzuordnen2. 1 2

B. Repschinskis Arbeiten stellen eher eine Ausnahme dar. Vgl. zuletzt auch: Hettema, van der Kooij, Religious Polemics in Context; Becker, Jews and Christians in Conflict?

434

Eve-Marie Becker

1. Das sog. ,Streitgesprch‘ form- und literaturgeschichtlich betrachtet Im Markus-Evangelium ist Jesus mehrfach in Streitigkeiten (sufgte?m) verwickelt: In Mk 1,27 geraten diejenigen, die bei einem Exorzismus in Kapernaum zugegen sind, in Streit miteinander. In Mk 8,11 fangen die Phariser mit Jesus zu streiten an und ,versuchen‘ ihn damit, dass sie von ihm ein Zeichen vom Himmel fordern. Im Anschluss an die Verklrung Jesu (Mk 9,2 – 8) diskutieren Petrus, Jakobus und Johannes heftig ber die Auferstehung von den Toten (9,10). Unmittelbar danach befinden sich die brigen Jnger Jesu im Streit mit den Schriftgelehrten (Mk 9,14.16). Nur in Mk 12,28 begegnet sufgte?m unmittelbar im Zusammenhang mit einem ,Streitgesprch‘: Hier nmlich beobachtet ein Schriftgelehrter den vorausgegangenen Disput Jesu mit den Sadduzern ber die Auferstehung und tritt seinerseits mit einer respektvoll formulierten Frage ber das wichtigste Gebot an Jesus heran (Mk 12,28b). Neben dem lexiomatischen Gebrauch von sufgte?m3 finden sich allerdings auch polemische Elemente z. B. in Mk 8,32 f.: Die scharfe Polemik Jesu gegen Petrus scheint hier der Abwehr einer Versuchungssituation, zugleich aber auch der Selbstvergewisserung Jesu zu dienen. Offenbar besteht hier ein Meinungsstreit ber das Schicksal Jesu4. Das Markus-Evangelium kennt also einerseits das Phnomen des ,Streitens’ im Kontext von Jesu Wirken und Lehren und beinhaltet andererseits polemische Sprachformen und Redeelemente – beides aber begegnet innerhalb und außerhalb von Streitgesprchen. Wir kçnnen daher vorlufig folgende Unterscheidung festhalten: zwischen dem Phnomen des Streitens oder Debattierens und der Verwendung von polemischen Sprach- und Redeformen sowie der Gestaltung von ,Streitgesprchen‘ als narrativ gerahmten Konfliktsituationen. Was also ist ein ,Streitgesprch‘? Ein sog. ,Streitgesprch‘ ist formal betrachtet eine dialogische Szene, in der zwei Parteien als Gegner aufeinandertreffen und miteinander streiten. Dabei kommen in der Regel beide Parteien explizit zu Wort. Die dialogische Szene ist narrativ gerahmt. So kann in Abwandlung fr das ,Streitgesprch‘ gelten, was Rudolf Bultmann in seiner Dissertation von 1910 ber den dialogischen Stil der Diatribe gesagt 3 4

Vgl. dazu auch Schneider, Art. sufgt´y jtk.; Larsson, Art. sufgt´y. Es wurde bei der Tagung diskutiert, inwiefern die Polemik nicht nur der Auseinandersetzung mit Gegnern oder der Vernichtung gegnerischer Meinungen, sondern gerade auch der Selbstvergewisserung der eigenen Person dient. – Vgl. dazu etwa den Beitrag von B. Aland im vorliegenden Band.

Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums

435

hatte5 : ,Das Streitgesprch ist einerseits dem Dialog, andererseits der Erzhlung verwandt; und diese doppelte Verwandtschaft prgt sich deutlich in seinem Stil aus‘6. Die Betrachtung des ,Streitgesprches‘ bewegt sich in ebendieser Spannung von dialogischem Wortwechsel und szenisch-narrativer Rahmung. Dementsprechend wird das ,Streitgesprch‘ gerne dreigliedrig unterteilt, nmlich in: „Exposition – Gesprch – Wort Jesu“7. Dieser Unterteilung liegt freilich die Vermutung zugrunde, dass der Kern des Streitgesprchs – nmlich das Wort Jesu – aus der Wortberlieferung stamme. Fr die formale Bestimmung des ,Streitgesprchs’ ist indes die Beschreibung seiner polemischen Elemente wichtig, die Martin Albertz in seiner Untersuchung (1921) herausgestellt hatte: „Bei den Streitgesprchen liegt aller Nachdruck auf dem Streitgesprch als solchem. […] Damit unterscheidet sich das Streitgesprch von den vielen anderen Gesprchen des Evangeliums. […] Die Streitgesprche werfen eine Frage auf. Meist tun sie das ausdrcklich“8. ,Streitgesprche‘ begegnen als dialogische Wortwechsel in der neutestamentlichen Literatur nicht isoliert, d. h. als literarische Einzeltexte, so wie dies einerseits in ausgearbeiteter dialogischer Form in Justins ,Dialog mit dem Juden Tryphon‘ (Mitte des 2. Jhs.)9 der Fall ist: Hier ist die ganze Schrift als Lehr- oder Streitdisput konzipiert. Andererseits kennen wir aus der paganen und christlichen Antike Schriften in Form von sog. apophthegmatischen Sammlungen, z. B. die Apophthegmata des Aristippos aus Kyrene 5 6

7

8 9

Bultmann, Der Stil der paulinischen Predigt und die kynisch-stoische Diatribe. Bultmann, Der Stil der paulinischen Predigt und die kynisch-stoische Diatribe, 10 beschreibt die Diatribe hier wie folgt: „Die Diatribe ist einerseits dem Dialog, andererseits der Rede verwandt; und diese doppelte Verwandtschaft prgt sich deutlich in ihrem Stil aus“. So Weiss, „Eine neue Lehre in Vollmacht“, 4. „Die Exposition dient der Schilderung einer Situation beziehungsweise eines Anlasses (fr das Folgende) oder der Einfhrung von Fragestellern. Das Gesprch ist in einen oder mehrere Gesprchsgnge gegliedert. Die Gesprchspartner kritisieren das im Anlaß vorgestellte Verhalten oder legen eine allgemeine religiçse Frage zur Entscheidung vor. Das Schlußwort Jesu hat fr das Gesprch einseitig entscheidenden Charakter“, ebd. – Ob diese Dreigliedrigkeit in jedem der sog. ,Streitgesprche’ tatschlich zu finden ist, muß geprft werden. Albertz, Die synoptischen Streitgesprche, 133. Vgl. Marcovich, Iustini Martyris Dialogus cum Tryphone; Justinus, Dialog mit dem Juden Tryphon. bersetzt von P. Haeuser. Neu hg. von K. Greschat und M. Tilly. – Der ,Dialog mit dem Juden Tryphon‘ lßt sich auch als ,Kontrovers-Dialog‘, so: Weber, Art. Dialog, 192, oder als ,antijudaistischer Dialog‘, so: Rçwekamp, Art. Antijudaistische Dialoge, 41, bezeichnen. – Vgl. insgesamt auch: Vetten, Art. Justin der Mrtyrer, 411 – 414.

436

Eve-Marie Becker

(5./4. Jh. v. Chr.)10 oder die Apophthegmata Patrum/!povh´clata patq_m (4./5. Jh.)11. Die synoptischen ,Streitgesprche‘ hingegen – und hier liegt auch ihr Unterschied zu einem Großteil der griechisch-hellenistischen Literatur12 – sind nicht als eine zusammenhngende Schrift konzipiert, sondern sie sind in einen grçßeren literarischen Prosa-Text, nmlich in die Makro-Gattung ,Evangelium‘ eingebettet. hnlich sind auch einzelne chrien-fçrmige Anekdoten ber Sokrates nur ein Teil der !polmglome¼lata Syjq²tou/ memorabilia des Xenophon (z. B. III,13,1)13. Weil also die neutestamentlichen ,Streitgesprche‘ in den grçßeren literarischen Kontext eines ProsaTextes eingebunden sind, stellt sich die moderne, im ersten Viertel des 20. Jhs. begonnene Erforschung der ,Streitgesprche‘ oder controversy stories 14 als eine formgeschichtliche Aufgabe15 im Rahmen einer sehr viel weiter gefassten literaturgeschichtlichen Fragestellung16. In diesem Zu-

10 Vgl. Mannebach, Aristippi et Cyrenaicorum fragmenta. – Vgl. auch Gemoll, Das Apophthegma. – In diesem Zusammenhang wre auch an die Schrift Plutarchs: Septem sapientium convivium zu denken, vgl. Paton u. a., Plutarchi moralia. Band 1. 11 Vgl. Guy, Les Apophtegmes des P res; Miller, Weisung der Vter. Vgl. auch Bousset, Apophthegmata. – Zu weiteren Literaturhinweisen: Pauli, Art. Apophthegmata Patrum, 52; vom Esbroeck, Art. Apophthegmata patrum, 635; K. Savvidis, Art. Apophthegmata patrum, 894. 12 Auf die Nhe der Streitgesprche zu den Apophthegmata-Sammlungen bei griechischen Philosophen und Politikern hatte ja Porton, The Pronouncement Story in Tannaitic Literature, hingewiesen und damit Bultmanns Rckfhrung der Streitgesprche auf die palstinische Urgemeinde in Frage gestellt (vgl. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 41 ff.). 13 Darauf weist bereits Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, 6. Auflage. 3. photomechanischer Nachdruck der dritten Auflage mit einem erweiterten Nachdruck von G. Iber, 152, hin. 14 Zur bersicht ber die Forschung und die hier unterschiedlich verwendete Terminologie (Streitgesprche/controversy dialogues, Paradigmen/paradigms, pronouncement stories, conflict stories) vgl. Weiss, „Eine neue Lehre in Vollmacht“, 3 – 32; Repschinski, The Controversy Stories in the Gospel of Matthew, 236 ff.; ders., Taking on the Elite. The Matthean Controversy Stories. 15 Zur frhen Geschichte der formgeschichtlichen Forschung vgl. auch Dibelius, Zur Formgeschichte der Evangelien. 16 Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, 1, hat dabei grundstzlich auf den engen Zusammenhang von Formgeschichte und Literaturgeschichte hingewiesen, auch wenn sich seine Begrndung vor allem von der Betrachtung der neutestamentlichen Texte und Schriften als „Kleinliteratur“ (ebd.) herleitet.

Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums

437

sammenhang werden die ,Streitgesprche‘als ,Kleinformen‘ verstanden und in den Makro-Kontext der Evangelienliteratur eingeordnet17. Die ,klassische Formgeschichte‘ der synoptischen Evangelien nach Rudolf Bultmann analysiert die ,Streitgesprche‘ in vier Perspektiven: Sie bemht sich erstens im Sinne einer literarkritischen Dekomposition um eine Trennung von Tradition und Redaktion in den einzelnen ,Streitgesprchen‘18. Sie bt zweitens Echtheitskritik – bei Bultmann „Sachkritik“ genannt19 –, d. h. sie fragt nach der mçglichen Authentizitt der Traditionen hinter den ,Streitgesprchen‘ und einer mçglichen Rckfhrung der Traditionen auf (den historischen) Jesus20. Sie sucht drittens nach mçglichen den ,Streitgesprchen‘ analogen literarischen Formen in der griechisch-rçmischen sowie in der frhjdischen und rabbinischen Literatur. Und viertens fragt die Formgeschichte nach dem fr unseren Zusammenhang wichtigen ,Sitz im Leben‘ der ,Streitgesprche‘: Die Frage nach dem ,Sitz im Leben‘ ist fr Bultmann sogar „zuerst zu stellen; und die Antwort wird lauten: in der Apologetik und Polemik der palstinensischen Gemeinde“21. Die formgeschichtliche Debatte ist aber nach wie vor neben Bultmann (1921) auch durch die Arbeit von Martin Dibelius (1919/1933) bestimmt. Dibelius hat in der Neubearbeitung seiner ,Formgeschichte‘ von 1933, die bereits auf Bultmanns Entwurf kritisch reagiert22, die Kategorie des ,Streitgesprchs‘ zur Beschreibung einer frhen eigenstndigen berlieferungsform synoptischer Traditionen abgelehnt: „Ich wende mich […] gegen 17 Dieser Ansatz ist wesentlich von F. Overbecks Bewertung der neutestamentlichen Literatur als „Urliteratur“ beeinflusst, vgl. ders., ber die Anfnge der patristischen Literatur, 16 ff. (erstmals erschienen in: HZ 48 [1882] 417 – 472). 18 Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 3 – 8. 19 Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, z. B. 3 und 8: Bultmann ist der Meinung, „daß die formgeschichtliche Arbeit gerade wegen der Bezogenheit der literarischen Formen auf das Leben und die Geschichte der urchristlichen Gemeinde nicht nur mit ihren literarkritischen Voraussetzungen auch sachkritische Urteile voraussetzt, sondern auch zu sachkritischen Urteilen (ber Echtheit eines Wortes, Geschichtlichkeit eines Berichts […]) fhren muß“ (a.a.O., 6). 20 Auch diese Perspektive der Formgeschichte muß brigens im Blick auf die Frage, wieweit sich Bultmanns Sicht des historischen Jesus als theologisches Problem darstellet – vgl. etwa Lindemann, Zur Einfhrung. Die Frage nach dem historischen Jesus als historisches und theologisches Problem, 1 – 21 – bercksichtigt werden. 21 Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 41. 22 In der Ausgabe von 1919 (Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, IV) finden sich lediglich Abschnitte zu: „Formgeschichte […], Die Predigt […], Das Paradigma […], Die Novelle […], Sammlung […], Die Parnese […], Der Mythus […], Form und Geschichte“. – Zur Diskussion ber den Ansatz der „Formgeschichte“ vgl. auch Hammann, Rudolf Bultmann, 101 – 113.

438

Eve-Marie Becker

die Klassifizierung Bultmanns, der ,Streit- und Schulgesprche‘ als Untergruppe der Apophthegmata bezeichnet. […] Ich bestreite aber nicht, daß Markus oder ein lterer Sammler gewisse Paradigmen als Streitgesprche begriffen und darum – besonders in Mk 2 und Mk 12 – zusammengefgt hat“23. Dibelius benutzt stattdessen die Kategorie des ,Paradigmas‘, welches auf die frhchristliche Predigt zurckgeht, und versteht die Paradigmen insgesamt als Teil des sog. ,Erzhlungsstoffes‘24. Er erlutert diese Zuordnung im Blick auf die Formbestimmung von Mk 2,1 – 12 exemplarisch wie folgt: Die „Analyse der Geschichte vom Gelhmten zeigt […], daß man derartige Stcke nicht als Streitgesprche bezeichnen kann. Die Art eines echten […] Gesprchs wrde es mit sich bringen, daß in Rede und Gegenrede ein Thema zur Entwicklung und Behandlung kme. In dieser Geschichte dagegen und in den meisten anderen Paradigmen hat der Gegenredner keine selbstndige Bedeutung. Er soll nur wie hier die entscheidende Tat Jesu hervorrufen […]. Das leitende Interesse haftet nicht am Gesprch, sondern an Wort oder Tat Jesu […]. Man hat also auch kein Recht, aus jenen dialogischen Elementen den ,Sitz im Leben‘zu erschließen und die Perikopen deshalb aus den Diskussionen der Gemeinde abzuleiten“25. Fr Dibelius also lassen z. B. die sog. markinischen Streitgesprche – ungleich den rabbinischen Streit- und Schulgesprchen – einen dialogischen Charakter vermissen und gehçren insgesamt eher dem Bereich der Erzhlberlieferung an26. In der Ausgabe seiner Formgeschichte von 1919 hatte Dibelius ebendiese Funktion der Paradigmen theologisch gedeutet, nmlich als „Ueberlieferung von Jesus […] zu einer Zeit, da Sehnsucht nach dem Ende und Bewußtsein der Weltfremdheit die Pflege geschichtlicher Ueberlieferung oder die Ausbildung einer Literatur […] noch gar nicht aufkommen ließ“, bestimmt27. Obwohl Dibelius‘ Einwnde gegen die Klassifizierung von Streitgesprchen durchaus berechtigt und wichtig sind, hat sich – wie exemplarisch Philipp Vielhauer (1975)28, Wolfgang Weiß 23 24 25 26 27

Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, 64 Anm. 1. Vgl. Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, 34 ff. und 130. Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, 64 f. Vgl. Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, 65 f. und 130 ff. Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, 35. Dibelius fhrt hier fort: „Das was an ,Geschichte’, was an ,Literatur’ in den Gemeinden vorhanden ist, hat sein Leben nur innerhalb der Predigt und durch die Predigt. Der Prediger ist es, der zugleich berliefert und erzhlt; darum fehlt den Paradigmen die Objektivitt des Protokolls und der Farbenreichtum der Novelle; daher eignet ihnen aber auch werbende und erbauende Kraft“ (a.a.O., 35 f.). 28 Vgl. Vielhauer, Geschichte der urchristlichen Literatur, besonders: 300.

Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums

439

(1989)29, Gerd Theißen (1995)30, Joel Marcus (2000)31 oder zuletzt Adela Yarbro Collins (2007)32 zeigen – Bultmanns Terminologie der ,Streitgesprche‘ als einer Untergruppe der Apophthegmata bis heute weitgehend durchsetzen kçnnen. Wir sind also weiterhin forschungsgeschichtlich auf Bultmann verwiesen. Bultmann greift mit seiner Zuordnung der ,Streitgesprche‘ zu den Apophthegmata seinerzeit u. a. auf die Untersuchungen von Paul Wendland (1912) und Wilhelm Gemoll (1924) zurck33. Fr Bultmann sind die Apophthegmata Teil der Wortberlieferung. Auch Bultmann ist sich allerdings wie Dibelius der Bedeutung der narrativen Elemente in den sog. Apophthegmata bewußt: „Ich rechne aber unter die Wortberlieferung eine Gattung von Traditionsstcken, die man versucht sein kçnnte, zu den Geschichten zu zhlen, nmlich solche Stcke, deren Pointe ein in einen kurzen Rahmen gefaßtes Jesuswort bildet“34. Die Form des Apophthegmas begegnet seiner Meinung nach neben ,Streitgesprchen‘ auch in sog. ,Schulgesprchen‘ oder in biographischen Zusammenhngen (,biographische Apophthegmata‘)35. Im Markus-Evangelium werden insgesamt folgende Perikopen den sog. Apophthegmata zugerechnet:

29 Vgl. Weiß, „Eine neue Lehre in Vollmacht“, besonders: 33 ff. 30 Vgl. Theißen, Die Erforschung der synoptischen Tradition seit R. Bultmann. Ein berblick ber die formgeschichtliche Arbeit im 20. Jahrhundert, in: Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 409 – 452, 433 – 435. 31 Vgl. z. B. zu Mk 2,1 – 3,6: Marcus, Mark 1 – 8, besonders; 212 – 224. Vgl. auch Dewey, Literary structure of the controversy stories in Mark 2:1 – 3:6. 32 Vgl. Yarbro Collins, Mark, z. B. 182 Anm. 1. 33 Vgl. Wendland, Die hellenistisch-rçmische Kultur in ihren Beziehungen zu Judentum und Christentum, besonders: 261. Gemoll, Das Apophthegma. – Vgl. auch Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 8 Anm. 2. 34 Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 8. 35 Vgl. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 8 – 38. Vgl. zur Systematisierung auch z. B. Dormeyer, Art. Formen/Gattungen III. Neues Testament, 192 f.– Die Typologisierung der Apophthegmen nach z. B. Tannehill, Types and Functions of Apophthegmas in the Synoptic Gospels, hat sich nicht durchsetzen kçnnen, vgl. hierzu etwa auch Theißen, Die Erforschung der synoptischen Tradition seit R. Bultmann, 434 f.

440

Eve-Marie Becker

Streit- und Schulgesprche

2,1 – 12; 2,15 – 17; 2,18 – 22; 2,23 – 28; 3,1 – 6; 3,22 – 30; 7,1 – 23;36 9,38 – 40; 10,2 – 12; 10,17 – 31; 10,35 – 45; 11,20 – 25; 11,27 – 33; 12,13 – 17; 12,18 – 27; 12,28 – 34

Biographische Apophthegmata 1,16 – 20; 2,14; 3,20 f.31 – 35; 6,1 – 6; 7,24 – 31; 10,13 – 16; 11,15 – 19; 12,41 – 44; 13,1 – 2; 14,3 – 9

bersicht I: Apophthegmata im Markus-Evangelium (in narrativer Folge)37:

Bultmann nimmt fr die sog. ,Streit- und Schulgesprche‘, die er zunchst aus Grnden der Formverwandtschaft typologisch zusammenfaßt38 und erst spter berlieferungsgenetisch unterscheidet (vgl. 2.1.)39, folgende Situationen an: (a) „Heilungen Jesu sind der Anlaß“, (b) „In anderer Weise ist Jesu bzw. der Jnger Verhalten der Anlaß“, (c) „Der Meister wird gefragt“und: (d) „Die Fragen von Gegnern gestellt“40. Folgende Texte im Markus-Evangelium werden diesen vier verschiedenen Gruppen zugewiesen41:

36 Als Anhang fhrt Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 38 Mk 7,24 – 31 als „eine Art Streitgesprch“ an. 37 Nach Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 8 – 38. 38 Dies geschieht offenbar mit der Begrndung: „Die Streit- und Schulgesprche sind nahe verwandt, und es wird sich zeigen, daß gelegentlich ein Stck vom Schul- zum Streitgesprch geworden ist“, Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 39 f. 39 Vgl. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 39 – 58. 40 Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, VII. 41 Zu den Parallelen bei den Seitenreferenten vgl. 3.

Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums

(a) „Heilungen Jesu sind der Anlaß“

(b) „In anderer Weise ist Jesu bzw. der Jnger Verhalten der Anlaß“

(c) „Der Meister wird gefragt“

441

(d) „Die Fragen von Gegnern gestellt“

2,1 – 12; 2,15 – 17; 2,18 – 22; 3,1 – 6; 3,22 – 2,23 – 28; 30; 7,1 – 23;

11,27 – 33

9,38 – 40 (Jnger); 10,17 – 31 (unbek. 10,2 – 12; Person); 10,35 – 45 (Jnger); 11,20 – 25 (Jnger); 12,13 – 17; 12,28 – 34 (Jd. 12,18 – 27 Autoritt)

bersicht II: Situationen der Streit- und Schulgesprche im Markus-Evangelium (in narrativer Folge)42

Zu den ,Schulgesprchen‘ sind die Texte aus Gruppe (c) zu rechnen (Mk 9,38 – 40; 10,17 – 31; 10,35 – 45; 11,20 – 25; 12,28 – 34)43. Zu den eigentlichen ,Streitgesprchen‘ hingegen, auf die sich der folgende Beitrag konzentrieren soll, sind die Gruppen (a), (b) und (d) zu zhlen, denn nur hier kommt es zu einer von den Gegnern Jesu provozierten (z. B. Mk 2,6; 2,24) oder ausgenutzten (z. B. Mk 3,6; 10,2) Streitsituation, und nur hier begegnen innerhalb der Apophthegmata auch polemische Elemente44. Mk 12,28 – 34 bildet in der markinischen Version dagegen keine Streitsituation ab45. So kçnnen ,Schul- und Streitgesprche‘ nach Wolfgang Weiß wie folgt unterschieden werden: „Das Wesentliche der Streitgesprche sind die das Gesprch jeweils beherrschenden Bestandteile von Rede und Gegenrede, das Wesentliche der Schulgesprche die Bestandteile von Rede und Antwort. Diese Bestandteile spiegeln verschiedene Ausrichtungen wider, im Streitgesprch auf den Disput hin, im Schulgesprch auf ein schulmßig Lehre vermittelndes Gesprch hin: Die Zeitgenossen bringen in Streitgesprchen

42 43 44 45

Nach Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 8 – 26. Vgl. auch Weiß, „Eine neue Lehre in Vollmacht“, 33. So auch Marcus, Mark 1 – 8, 218. Anders Mt 22,35 – 40/Lk 10,25 – 28. Zur Frage nach der ursprnglichen Form von Mk 12,28 – 34: Bultmann, Geschichte der synoptischen Tradition, 21 vermutet, dass Mt und Lk, bei denen der cqallate¼r kaum mehr „gutwillig“ erscheint, eine ursprnglichere Form bewahrt haben kçnnten. Dazu auch 2.2.

442

Eve-Marie Becker

einen Vorwurf oder Angriff vor, in Schulgesprchen stellen sie eine echte Frage“46. So finden sich nach Bultmann im Ergebnis insgesamt 11 ,Streitgesprche‘ im Markus-Evangelium: Mk 2,1 – 12; 2,15 – 17; 2,18 – 22; 2,23 – 28; 3,1 – 6; 3,22 – 30; 7,1 – 23; 10,2 – 12; 11,27 – 33; 12,13 – 17; 12,18 – 27.47 In diesen Perikopen treten jdische Autoritten als Gegner auf. Es handelt sich im Einzelnen um folgende Personen oder Personengruppen: • Schriftgelehrte (Mk 2,6; 3,22), • Schriftgelehrte und Phariser (Mk 2,16; 7,1.5), • Phariser (Mk 2,1848 ; 2,24; 3,249 ; 10,2), • Phariser und Anhnger des Herodes (Mk 12,13), • Hohepriester, Schriftgelehrte und lteste (Mk 11,27) sowie • Sadduzer (Mk 12,18). Folgende Themen werden in den ,Streitgesprchen‘ verhandelt: • Frage nach Jesu Vollmacht (Mk 11,27 – 33; im Blick auf Sndenvergebung: Mk 2,1 – 12; im Blick auf Dmonenaustreibungen: Mk 3,22 – 30), • Speise- und Reinheitsgebote (Mk 2,15 – 17; 7,1 – 23), • Fastenbruche (Mk 2,18 – 22), • Sabbatgebote (Mk 2,23 – 28; 3,1 – 6), • Fragen der Schriftauslegung (Ehescheidung: Mk 10,2 – 12; Auferstehung: Mk 12,18 – 27) sowie • die Frage der Steuerzahlung (Mk 12,13 – 17). In diesen Zusammenhngen begegnen verschiedene polemische Elemente seitens der Gegner Jesu: • Die Schriftgelehrten bezichtigen Jesus explizit der Blasphemie (Mk 2,7; vgl. auch Mk 14,64) • und der dmonischen Besessenheit (Mk 3,22); • Schriftgelehrte und Phariser kritisieren Jesu Umgang mit Zçllnern und Sndern (Mk 2,15 ff.); • die Phariser ,versuchen‘ Jesus (Mk 10,2; vgl. auch 8,11) bzw., • sie wollen ihn in ,Worten fangen‘ (Mk 12,13); 46 Weiß, „Eine neue Lehre in Vollmacht“, 34. 47 So auch Weiß, „Eine neue Lehre in Vollmacht“, 33. 48 Unklar ist hier, worauf sich 5qwomtai ja· k´cousim bezieht: auf die Phariser oder auch auf die Jnger des Johannes (Mk 2,18)? 49 Auch hier scheinen wieder die Phariser – vgl. V. 6 – gemeint zu sein.

Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums

443

• sie sprechen ihn ironisch und heuchlerisch (rpºjqisir : Mk 12,15) mit did²sjake an (Mk 12,14.19); • die Gegner Jesu suchen einen Anlaß zur Anklage Jesu (Mk 3,2.6), und • sie kritisieren das Verhalten seiner Jnger (mangelnde Fastenpraxis: Mk 2,18 ff.; mangelnde Sabbat-Observanz: Mk 2,23 ff.; mangelnde Beachtung der Reinheitsvorschriften: Mk 7,2 ff.). Daneben hat aber auch das Verhalten Jesu polemische Zge: • In Mk 3,5 blickt Jesus seine Gegner let’ aqc/r an; • zudem stellt er ihnen vielfach rhetorische Fragen (Mk 2,9; 2,19; 2,25; 3,4; 12,24.26), die z. T. einen polemischen Grundzug haben (z. B. Mk 12,24). Die Polemik innerhalb der ,Streitgesprche‘ ist also durchaus nicht einseitig bei den Gegnern Jesu zu finden. Auch Jesus argumentiert polemisch. Gleichwohl sucht er selbst nicht von sich aus den Streit. Vielmehr wird die Streitsituation von den Gegnern provoziert und an Jesus herangetragen. Bis hierher kçnnen wir also festhalten: Die ,Streitgesprche‘ lassen sich infolge Bultmanns Analyse als eine spezifische Gruppe von Jesus-berlieferungen definieren. Bei dieser Klassifizierung ist jedoch zu beachten, dass die bergnge zu anderen formverwandten dialogisch-szenischen Texten, wie sie nicht nur im Markus-Evangelium, sondern auch in der Logienquelle zu finden sind, fließend bleiben: Denn szenisch-dialogische Texte begegnen zum einen in den schon genannten ,Schulgesprchen‘ (Mk 12,28 – 34) oder in der Herrenwort-berlieferung, hier etwa in Form von Gemeinderegeln (Mk 12,35 – 37). Zum anderen sind sogar einzelne Szenen, die der Erzhl-berlieferung zugerechnet werden, wie z. B. Q 4,1 – 13 („Geschichtserzhlung und Legende“50) oder Mk 7,24 – 31 („Wundererzhlung“), hnlich den Streitgesprchen (vgl. aber auch Q 7,1 – 10)51 dialogisch gestaltet. Die bergnge zwischen den verschiedenen berlieferungsformen einerseits sowie zwischen den verschiedenen berlieferungsbereichen (vormarkinische berlieferungen; Q-berlieferungen) andererseits bleiben fließend. Gleichwohl gilt es trotz dieser fließenden bergnge, auch einen wichtigen und grundlegenden Unterschied zwischen Markus und Q festzuhalten: „Q hat offenbar berhaupt kein Streitgesprch Jesu mit den Pharisern und 50 Vgl. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 271 – 275. 51 Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 38 f.

444

Eve-Marie Becker

Schriftgelehrten berichtet“52. Und weitere Streitsituationen Jesu mit jdischen Autoritten, die sich bei Lukas und bei Matthus finden, sind weitgehend unabhngig von der form- und berlieferungsgeschichtlichen Genese der (vor-)markinischen Streitgesprche zu deuten: Lk 7,30 ist wohl als redaktioneller Eingriff zu werten. Q 11,42 – 44 enthlt einen Weheruf Jesu gegen die Phariser, der im Blick auf seine Formung und Funktion allerdings deutlich zu den ,prophetischen und apokalyptischen Worten‘ zu rechnen ist (vgl. auch ThEv 87; 102; 112)53. Der Beelzebul-Vorwurf im Zusammenhang einer Dmonenaustreibung in Q 11,14 – 26 (Lk 11,14 ff.) erschließt uns den Charakter der Logienquelle Q in ihrer Differenz zu Markus eindringlich. Denn in Q 11 wird keine jdische Autoritt genannt, es ist also keine Streitsituation mit den Pharisern oder Schriftgelehrten erkennbar. Anders aber in dem Paralleltext, der uns in Mk 3,22 – 27 vorliegt – wir haben hier also offenbar mit einer Doppelberlieferung zu rechnen: Fr Markus liegt ein Konflikt mit den Schriftgelehrten vor (Mk 3,22). Interessanterweise folgt Matthus wohl bei seiner Bearbeitung des Q-Textes (Mt 12,22 – 29) der markinischen Deutung der berlieferung, wenn er explizit die Phariser zu Wort kommen lsst (Mt 12,24; vgl. auch 9,34) und die Szene als Konflikt mit den jdischen Autoritten wertet. Diese Beobachtung zu Q 11,14 ff./Mk 3,22 ff. unterstreicht in ihrer Weise noch einmal, was schon ber die Herkunft und Genese des Streitgesprchs gesagt wurde: Beim Streitgesprch als narrativ gerahmter und dialogisch gestalteter Szene eines Streits Jesu mit den jdischen Autoritten handelt es sich um ein Erzhlelement, das fr die vormarkinische und fr die markinische Evangelien-berlieferung typisch ist.

2. ,Streitgesprche‘als dialogische und narrativ gerahmte Szenen in Mk 2 – 12 2.1. Die berlieferungen und ihre Herkunft Im Anschluß an die soeben vorgenommene formgeschichtliche Typologisierung der synoptischen ,Streit- und Schulgesprche‘ stellt Bultmann dar, wie man sich die berlieferungsgeschichtliche Genese der ,Streitgesprche‘ 52 Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition 54. 53 Vgl. etwa Vielhauer, Geschichte der urchristlichen Literatur, 630; Strecker, Literaturgeschichte des Neuen Testaments, 176.

Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums

445

vorzustellen hat. Ich werde Bultmanns54 berlegungen kurz referieren und mit den Ergebnissen der neueren Evangelien-Forschung konfrontieren: (1) Bultmann wertet die Konstruktion der szenischen Rahmung der ,Streitgesprche‘ (z. B. das hrenraufen in Mk 2,23) als Indiz dafr, dass die „Streitgesprche […] smtlich ideale Szenen“sind, d. h. „nicht Berichte ber geschichtliche Begebenheiten, sondern Konstruktionen, die eine Idee in einer konkreten Szene bildhaft zum Ausdruck bringen“55. Hier klingt bereits an, dass die narrativen Elemente fast durchweg als Rahmung und im Vergleich zum Wort oder Ausspruch als sekundr verstanden werden. Doch selbst wenn die narrativ-szenische Rahmung tendenziell sekundr sein sollte, weisen die Streitgesprche, die berwiegend einerseits in Galila (Mk 2 – 3), andererseits in Jerusalem (Mk 11 – 12)56 verortet sind, Lokalspezifika oder ,Lokalkolorit‘57 auf, das die jeweiligen berlieferungen an Ortstraditionen, vielleicht an lokalspezifische „Traditionsstrnge“ bindet58. Das etwa gilt fr Mk 2,1 – 12: Das hier verwendete Lexem st´cg kçnnte als ein Hinweis auf bestimmte Haus- und Dachtypen in Kapernaum gelesen werden (vgl. auch Q 7,6)59. Auch Mk 2,23 ([…] paqapoqe¼heshai di± t_m spoq¸lym) ist nicht zufllig an Galila gebunden: Denn die „Ebenen von Galilaea […] waren die Kornkammern Palaestinas“60. Und schon fr die hellenistische Zeit ist der Versand von Weizen aus Galila in die phçnizischen Stdte belegt.61 Ein hnliches Lokalprofil kçnnte auch fr die spezifische uR¹r Dau¸d-Debatte in Jerusalem in Mk 12,35 – 37 – eine Perikope, die Bultmann nicht den Apophthegmata, sondern der Herrenwort-berlieferung („Gesetzesworte und Gemeinderegeln“)62 zuweist – zu vermuten sein63. Es liegen daher insgesamt wohl keine idealtypischen Szenen vor, sondern lokalspezifisch geprgte berlieferungen, die auch Markus als reale Szenen versteht und in 54 Vgl. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 39 – 56. 55 Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 40. 56 So unterscheidet auch Albertz, Die synoptischen Streitgesprche, 5 – 48, vor allem ,galilische’ (Mk 2,1 – 3,6) und ,jerusalemische’ (11,15 – 17.37 – 33; 12,13 – 40) Streitgesprche. 57 Vgl. Theißen, Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien. 58 Becker, Das Markus-Evangelium im Rahmen antiker Historiographie, 266 ff. 59 Vgl. dazu die vorsichtigen berlegungen in: Becker, Das Markus-Evangelium im Rahmen antiker Historiographie, 287 ff. 60 Avi-Yonah, Art. Palaestina, 433. Vgl. auch Strange, First Century Galilee from Archaeology and from the Texts, besonders: 41. 61 Vgl. M. Avi-Yonah, Art. Palaestina, 433. 62 Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 144 – 146. 63 Vgl. noch einmal Becker, Das Markus-Evangelium im Rahmen antiker Historiographie, 271 – 283.

446

Eve-Marie Becker

seine narrative Konzeption einbindet. Die berlieferungen sollen nicht nur ,Erinnerungen an Jesu Worte‘ enthalten64, sondern Ereignisgeschichte transportieren. (2) Nach Bultmann erfolgt „die Antwort [Jesu, E-MB] auf den Angriff […] in mehr oder weniger prinzipieller Form, besonders gern als Gegenfrage oder als Bildwort oder als beides zugleich“65. Diese Beobachtung ist m. E. zutreffend und rechtfertigt es, die Streitgesprche grundstzlich mit der Wortberlieferung in einen Zusammenhang zu bringen, auch wenn etwa Dibelius berechtigte Einwnde gegen diese Zuordnung formuliert hatte, die von Theißen aufgegriffen werden66. Dass die Wortberlieferung in der Geschichte der Jesus-berlieferungen eine entscheidende, wenn nicht gar pr-dominierende Rolle hatte, zeigen die Logienquelle Q, vor allem aber das Thomas-Evangelium. Gleichwohl deutet die Logienberlieferung, wie sie sich vermutlich in Q erhalten hat, auch auf jeweils fließende, oben schon genannte bergnge hin: Texte wie Q 4,1 – 13; 7,1 – 10; 7,18 – 35; 11,14 – 2067 und 11,16.29 – 30 weisen nicht nur eine dialogische Struktur, sondern teilweise auch eine narrative Rahmung auf. So enthlt Q selbst nicht nur dialogische Szenen, sondern auch einzelne Elemente von Erzhlberlieferung (besonders Q 4,1 – 13). Die Frage, ob diese Elemente erst in einer spteren Redaktionsschicht in Q eingedrungen seien68, ist fr diesen grundstzlichen Befund unerheblich. Wichtig ist vielmehr die Beobachtung, dass im Bereich der synoptischen Traditionen die berlieferung der Worte Jesu tendenziell deren narrative Rahmung und Einbettung mit sich bringt. (3) Die gegenwrtige formgeschichtliche Diskussion ist indes durch eine terminologische Frage bestimmt, die das Zuordnungsverhltnis von ,Streitgesprch‘, Apophthegma und Chrie sowie Gnome betrifft69. Auch diese Diskussion ist wesentlich durch die Bultmann-Dibelius-Debatte vorgeprgt: Dibelius suchte in kritischer Auseinandersetzung mit Gemoll und Bultmann nicht in den Apophthegmen, sondern in den Chrien eine 64 Vgl. insgesamt Schrçter, Erinnerung an Jesu Worte. 65 Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 42. 66 Vgl. dazu auch: Theißen, Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien, 120, der die Apophthegmen zur ,Erzhlberlieferung‘ rechnet. 67 Hier handelt es sich vermutlich um eine sog. Doppelberlieferung. 68 So z. B. Kloppenborg Verbin, Excavating Q. – Vgl. dazu auch: Heil, Einleitung, besonders: 15 – 17. 69 Vgl. Berger, Formgeschichte des Neuen Testaments, 80 – 93; Hock, O’Neill, The Chreia in Ancient Rhetoric, besonders: 295 ff.; Dormeyer, Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte, 159 – 166.

Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums

447

mçgliche formgeschichtliche Analogie zu einem Teil der „evangelischen Erzhlungen“ zu sehen70. Das Apophthegma (facete dictum/sententia) ist „der in einer bestimmten, oft schwierigen Situation treffend, meist kurz, manchmal rtselhaft formulierte Ausspruch […], der Anspruch auf Authentizitt erhebt“71. Die Chrie/Chreia (wqe¸a) hingegen ist eine knapp „formulierte Anekdote mit lehrhafter Tendenz, die an einem historischen Beispiel den Inhalt einer cm¾lg erlutert. Formale Berhrung mit dem !pºvhecla und der Fabel ist nicht selten. Sammlungen gab es seit dem 4. Jh. v. Chr. […] Sie fanden z. B. im rhetorischen Unterricht und im philosophischen Vortrag Verwendung“72. Klaus Berger hat im Anschluss an Quintilian (institutio oratoria I,9,4: (I) dixit ille – (II) interrogatus ille – (III) cum quis dixisset aliquid vel fecisset) drei Chrien-Typen in der frhchristlichen Literatur identifiziert: „Nach Typ I sind die Logien des ThomasEv gestaltet (Jesus sagte […])[…], nach Typ II etwa Mt 18,1 – 3. Typ III liegt vor in Mk 12,41 – 44“73. Nach Bergers Ansatz ist die formgeschichtliche Aufgabe in erster Linie nicht durch eine berlieferungsgenetische Analyse, sondern durch eine entstehungstypologische Untersuchung und Einordnung der synoptischen Texte in die hellenistische Literatur zu bearbeiten74. Wie aber lassen sich ,Apophthegma‘ und ,Chrie‘ sinnvoll unterscheiden?75 Nach Georg Strecker betonen ,Apophthegma‘ und ,Chrie‘ „zwei verschiedene Aspekte derselben Gattung […]. Das Apophthegma bezieht sich im allgemeinen strker auf die Person, dagegen die Chrie auf die Situation, da in letzterer eine allgemeine Sentenz auf einen besonderen Fall (wqe¸a) angewendet wird“76. Fr Theißen hingegen bringt der „Austausch des Begriffs ,Apophthegma‘gegen ,Chrie‘ […] keinen Erkenntnisgewinn“77. Ich teile die Einschtzung Theißens: Die ,Streitgesprche‘ stellen eine synoptische Kleinform dar, zu der sich in der antiken Literatur zwar 70 Dibelius, Die Formgeschichte des Evangeliums, 149 – 164, hier: 149. Zur Definition der Chrie: „Es ist die Wiedergabe eines kurzen pointierten Ausspruchs von allgemeiner Bedeutung, der auf eine bestimmte Person zurckgefhrt und aus einer bestimmten Situation abgeleitet wird“ (a.a.O., 150). 71 Grtner, Art. Apophthegma, 893. 72 Grtner, Art. Chreia, 1161. 73 Berger, Hellenistische Gattungen im Neuen Testament, 1094. – Zur Auseinandersetzung Bergers mit Dibelius und Bultmann, vgl. a.a.O., 1096 ff. 74 Vgl. auch Berger, Einfhrung in die Formgeschichte, besonders § 1 und § 12. 75 Zu Gnome vgl. z. B. Aristoteles, Rhetorica 1395a. 76 Strecker, Literaturgeschichte des Neuen Testaments, 202 mit Hinweis auf Berger, Hellenistische Gattungen im Neuen Testament, 1093. 77 Theißen, Die Erforschung der synoptischen Tradition seit R. Bultmann, 434.

448

Eve-Marie Becker

Formverwandtschaften, aber keine identischen ,(Mikro-)Gattungen‘ finden lassen. Die genannte Form- und Gattungsdiskussion ist deswegen wichtig, weil sich hinter ihr nicht nur terminologische, sondern auch weitreichende literaturgeschichtliche berlegungen verbergen. Zum einen geht es darum, die Streitgesprche strker dem Bereich der hellenistischen Rhetorik zuordnen zu wollen, whrend Bultmann die Streitgesprche vor allem in Analogie zu den (proto-)rabbinischen Diskussionen sieht78. Theißen schlgt hier einen Mittelweg vor, wenn er davor warnt, Alternativen zu schaffen, und vielmehr die rabbinische und frhchristliche Literatur als „Zeugen desselben Akkulturationsprozesses zwischen Judentum und Hellenismus“ begreift79. Zum anderen gelten Chrien – wie etwa David E. Aune betont – als protobiographische Elemente in der antiken Literaturgeschichte80. Ihre Verwendung im Bereich der Evangelien-berlieferung wird daher gerne als Hinweis darauf gewertet, dass die Gattung ,Evangelium‘ in einer literaturgeschichtlichen Nhe zur antiken Biographie stehe81. Zweifellos dienen die Chrien einer personenzentrierten Darstellung. Die Personenzentrierung ist allerdings nur ein Bestandteil einer insgesamt ereignisgeschichtlich geprgten Erzhlkonzeption. Mit anderen Worten: Selbst wenn die Chrien einen proto-biographischen Charakter haben, so werden sie ja durch ihre Kontextualisierung in der Evangelien-Erzhlung zu ereignisgeschichtlich relevanten Erzhleinheiten transformiert. (4) Bultmanns nchste berlegung betrifft die Frage, „ob man es [bei den Streitgesprchen, E-MB] mit einer einheitlichen Konzeption zu tun hat, oder ob die Szene eine nachtrglich Bildung fr ein isoliert tradiertes Logion ist“82. Auch wenn Bultmann tendenziell davon ausgeht, dass „im allgemeinen die Worte eine Situation erzeugt“ haben, „nicht umgekehrt“83, ist die

78 Vgl. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 42 – 48. – Zur Kritik an dieser Zuordnung vgl. auch Repschinski, The Controversy Stories in the Gospel of Matthew, besonders: 242 f. 79 Theißen, Die Erforschung der synoptischen Tradition seit R. Bultmann, 435. 80 Vgl. z. B. Aune, The New Testament in Its Literary Environment, 34 f. 81 Zur Kritik an der Biographie-These vgl. Becker, Das Markus-Evangelium im Rahmen antiker Historiographie, z. B. 61 ff. und 405 ff. 82 Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 48. 83 Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 49. – Als Beispiel fr den umgekehrten Vorgang – eine Situation/Aktion hat ein Logion an sich gebunden – verweist R. Bultmann auf Joh 13,1 – 20, vgl. ders., Das Evangelium des Johannes, 351 f.

Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums

449

konzeptionelle Einheitlichkeit der Perikopen im Einzelfall zu prfen: Denn einzelne Streitgesprche stellen durchaus „einheitliche Konzeptionen“dar84. In der vorausgegangenen literar- und redaktionskritischen Einzelanalyse der markinischen Streitgesprche war Bultmann zu folgenden Ergebnissen gelangt, die insgesamt drei mçgliche Entstehungsprozesse zu erkennen geben: 1. Als „organisches Apophthegma“ bzw. als „einheitliche Komposition“85 gelten folgende Perikopen, in denen die Sprche zeitgleich zu den Geschichten konzipiert worden sind: Mk 3,1 – 6; 3,22 – 26; 12,13 – 17; 12,18 – 2786. Die Einheitlichkeit der Konzeption kann dabei entweder auf Authentizitt (Mk 12,13 – 17)87 oder aber auf eine vollstndige Gemeindebildung (z. B. Mk 12,18 – 27)88 hinweisen. 2. In folgenden Perikopen scheinen die Sprche/Argumente dagegen lter und die sie rahmenden Geschichten eine sekundre Komposition zu sein89 : Mk 2,1 – 12; 2,15 – 17; 2,18 – 22; 2,23 – 28; 7,1 – 23; 10,2 – 12; 11,27 – 3390. Die narrativ-rahmende Konzeption ist dabei tendenziell auf Gemeindebildung zurckzufhren. Die markinischen ,Streitgesprche‘ lassen also auf einen komplexen Kompositionsprozeß schließen, der tendenziell mit Logienberlieferung beginnt, die durch Gemeindebildungen konzipiert und berformt wird und dann durch redaktionelle Bearbeitung und Deutung (z. B. Mk 3,6) im Markus-Evangelium zum vorlufigen Abschluß kommt91. Whrend Bultmann die Frage, wieweit die Formung der berlieferung „in der mndlichen oder in der schriftlichen Tradition erfolgt ist, fr relativ nebenschlich“92 hlt, spielt sie in der gegenwrtigen Synoptiker-Exegese eine erhebliche Rolle: Mit Aufkommen der sog. Oralitts-Forschung werden der antiken Mndlichkeits- und Schriftlichkeitskultur jeweils eigene Gesetzmßigkei-

84 85 86 87 88 89 90 91 92

Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 49. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 9 und 11. Vgl. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 9, 11, 25. Vgl. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 25. Vgl. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 25. Vgl. auch Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 48. Vgl. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 12 f., 14, 16, 17, 18, 25. Vgl. 2.2. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 50.

450

Eve-Marie Becker

ten bei der berlieferung und Gestaltung von Jesus-Traditionen zuerkannt93. (5) Nach Bultmann ist die Genese der ,Streitgesprche‘ aus berlieferungsgeschichtlicher Sicht daher wie folgt zu rekonstruieren: • Einzelne Sentenzen oder Logien (1. berlieferungsstufe) werden als Argumente aufgegriffen und • durch eine dialogische Szene narrativ gerahmt (2. berlieferungsstufe). • Auf einer 3. berlieferungsstufe kçnnten solche dialogischen Szenen gesammelt worden sein (z. B. Mk 2 – 3).94 • Mit der Rezeption und Bearbeitung solcher mçglicher Sammlungen durch den Evangelisten Markus ist schließlich die redaktionelle berlieferungsstufe (4. berlieferungsstufe) erreicht. • Das Markus-Evangelium selbst dient dann als Quelle, besser: literarische Vorlage, die die Seitenreferenten Matthus und Lukas (5. berlieferungsstufe) in eigener Weise bearbeiten (vgl. Lk 7,30). Whrend im allgemeinen die „Auseinandersetzungen der christlichen Gemeinden mit jdischen Gruppen“ oder der Versuch, „Probleme und Konflikte innerhalb der Gemeinde zu lçsen“ bzw. die „innergemeindliche Debatte“ als ,Sitz im Leben’ der ,Streitgesprche‘ bestimmt werden95, zeichnet Weiß nach, wie sich die Funktion der ,Streitgesprche‘ komplementr zu 93 Vgl. zuletzt z. B. Breytenbach, Art. Mndlichkeit II. Neutestamentlich, 395 – 396; Arzt-Grabner, Art. Schriftlichkeit, 528 – 529. 94 Die Diskussion, ob solche vormarkinischen Sammlungen existiert haben – vgl. dazu besonders Kuhn, ltere Sammlungen im Markusevangelium; Weiß, „Eine neue Lehre in Vollmacht“, 18 – 32; vgl. etwa auch die bersicht bei Lhrmann, Das Markusevangelium, 56 f; Marcus, Mark 1 – 8, 212 ff. – kann hier nicht eigens vertieft werden. Vgl. dazu auch meine berlegungen in: E.-M. Becker, Das MarkusEvangelium im Rahmen antiker Historiographie, 268 ff. –Theißen, Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien, 125 schlgt im Blick auf den theologischen Charakter der mçglichen Sammlungen folgende Differenzierung vor: In Mk 2,1 – 3,6 handelt es sich um kurze Apophthegmen mit einer christologischen Argumentation, in Kap. 12 hingegen um lngere Apophthegmen mit einer theozentrischen Argumentation. 95 Conzelmann, Lindemann, Arbeitsbuch zum Neuen Testament, 88, 89, 98. – Theißen, Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien, 126 schlgt im Blick auf die o.g. Differenzierung der Apophthegmen in Mk 2 – 3 und Mk 12 vor, hinter der ,theozentrischen Argumentation‘ „berzeugungen, die diese Gruppen mit Teilen des Judentums […] gemeinsam haben“, und hinter der ,christologischen Argumentation „Normen“, „Wo Christen von der Mehrheit jdischen Gruppen abweichen“, zu vermuten.

Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums

451

deren form- und berlieferungsgeschichtlicher Genese entwickelt haben kçnnte: Demnach ist die ,Grundform der Streitgesprche‘ (oben: 1. berlieferungsstufe) auf „Debatten mit jdischen Gruppen zurckzufhren“96. Im Hintergrund z. B. der Galila-berlieferungen in Mk 2 – 3 kçnnten dabei durchaus – wie G. Bertram und T. Klauser meinen – reale Konfliktsituationen zu vermuten sein97. hnliches gilt z. B. fr das ,Streitgesprch’ ber die Auferstehung in Mk 12,18 – 27, wie Hans Conzelmann andeutet98. Dagegen tritt in der vormarkinischen berlieferungsstufe (oben 2.–3. berlieferungsstufe) das „Gemeindeinteresse strker hervor“: Der Anlaß der ,Streitgesprche‘ weist eher „auf eine innergemeindliche als auf eine außergemeindliche Debatte“99. Theißen hingegen versucht die berlieferungstrger strker sozialgeschichtlich zu profilieren: Demnach wurden die Apophthegmen wegen ihrer Nhe zur ,Gelehrten‘-Tradition wohl von „Lehrern, Predigern, Missionaren und Wandercharismatikern“ tradiert100.

96 Weiß, „Eine neue Lehre in Vollmacht“, 280: „Die Streitgesprche sind also aus einem apologetischen Interesse im Sinne einer Selbsterklrung gegenber jdischen Vorwrfen entstanden beziehungsweise gebildet worden“. „In den Streitgesprchen werden unter der apologetischen Zielsetzung die Argumente zu einer Gesprchsszene ausgestaltet, wodurch eine fest umrissene berlieferung entsteht“ (a.a.O., 281). 97 „Die mildeste Form der Auseinandersetzung zwischen dem galilischen Judentum u. dem Christentum, der mndliche Meinungsaustausch, wird angedauert haben, solange in G(alila) noch Anhnger Jesu aus der Zeit seiner Ttigkeit als Wanderprediger lebten u. solange es noch Familienangehçrige Jesu gab, die in der Heimat geblieben waren oder zeitweilig dahin zurckkehrten, um nach ihrem Eigentum zu schauen“ (Bertram, Klauser, Art. Galilaea, 811). 98 „Die Anschauung Jesu wie des frhen Christentums von der A(auferstehung) der Toten stammt aus dem Judentum […]. Daß man sich dessen bewußt ist, zeigt die Polemik gegen die Sadduzer und die Hervorhebung der bereinstimmung mit den Pharisern (Mk 12,18ffpar; Apg 23,6ff )“ (Conzelmann, Art. Auferstehung V. Im NT, 695). 99 Weiß, „Eine neue Lehre in Vollmacht“, 302. Durch die narrative Rahmung werden die ,Streitgesprche‘ im „Anlaß […] strker historisch gebunden […]. Die Verankerung im Wirken Jesu gibt der Verwendung der Streitgesprche jetzt nicht nur autoritative, sondern ber eine bloße historische Fixierung hinausgehende christologisch legitimierende Kraft“, ebd. 100 Theißen, Lokalokolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien, 122. „Die in den Apophthegmen dargestellte Kommunikation ist eine Auseinandersetzung zwischen ,Gelehrten‘, d. h. zwischen Inhabern einer besonderen Rolle […] Die Annahme liegt nahe, daß Apophthegmen anders als die Wundergeschichten keine allgemeinen Volksberlieferungen waren, sondern bestimmten Rollentrgern zuzuordnen sind: nmlich jenen, die im entstehenden Urchristentum predigten und lehrten“, a.a.O.,

452

Eve-Marie Becker

(6) Wie aber verhalten sich nach Bultmann die ,Streitgesprche‘ zum ,historischen Jesus‘? „Geht etwas von diesen Streitgesprchen auf Jesus selbst zurck, so ist es außer der allgemeinen geistigen Haltung das entscheidende Wort“101. Doch auch wenn die ,Streitgesprche‘ selbst kaum als historische Berichte zu lesen sind, hlt Bultmann fest: „So wenig […] die einzelnen Streitgesprche historische Berichte ber einzelne Ereignisse des Lebens Jesu sind: der allgemeine Charakter dieses Lebens und Wirkens wird in ihnen auf Grund geschichtlicher Erinnerung richtig wiedergegeben sein“102. Die gegenwrtige Diskussion ber die Authentizitt von Jesus-berlieferungen in Form von ,Streitgesprchen‘ ist weitaus komplexer: Hier wird erstens diskutiert, wieweit sich die sog. Wortberlieferung im berlieferungsprozeß berhaupt von ihrer narrativen Rahmung trennen und isolieren lsst. Zweitens wurden in der Jesus-Forschung seit dem sog. ,new quest‘ 103 vor allem die sog. Authentizittskriterien modifiziert, „criteria by which it could be determined what within the Jesus tradition can be attributed with confidence to Jesus himself“104. Demnach muss die Authentizitt der Jesus-berlieferung jeweils individuell und unter Zuhilfenahme der sog. Plausibilittskriterien untersucht werden105 : Wendet man etwa das Kriterium der ,Kontextplausibilitt‘106 auf das ,Streitgesprch‘ ber das hrenraufen in Mk 2,23 – 28 an, so kçnnen beiden zum Kernbestand der berlieferung gezhlten Elementen der markinischen Perikope – der

101 102 103 104 105

106

121. Insgesamt handelt es sich nach Theißen hier um „Gemeindeberlieferung“, a.a.O., 122. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition 51. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition 52. Vgl. Theißen, Merz, Der historische Jesus, 26 – 30. Dunn, Introduction, 87 – 89, hier: 88. – Zu den Authentizittskriterien vgl. insgesamt z. B.: Theißen, Winter, Die Kriterienfrage in der Jesusforschung; Porter, The criteria for authenticity in historical-Jesus research. Theißen und Winter definieren die „Kontextplausibilitt“ und die „Wirkungsplausibilitt“ mit den jeweils komplementren Unterkriterien von „Kontextentsprechung/Kontextueller Individualitt“ sowie „Quellenkohrenz/Tendenzwidrigkeit“ als Kriterien der Jesus-Forschung, vgl. Theißen, Winter, Die Kriterienfrage in der Jesusforschung. – Vgl. dazu zuletzt auch etwa Marguerat, L’aube du christianisme, besonders: 131 f. Das Kriterium der Kontextplausibilitt besagt in Hinsicht auf die Kontextentsprechung: „Was Jesus gewollt und gesagt hat, muß mit dem Judentum in der ersten Hlfte des ersten Jahrhunderts in Galila vereinbar sein.“ Komplementr gilt das Unterkriterium der „kontextuellen Individualitt“: „Was Jesus gewollt und getan hat, muß als eine individuelle Erscheinung im Rahmen des damaligen Judentums erkennbar sein“ (Theißen, Winter, Die Kriterienfrage in der Jesusforschung, 216; im Original kursiv).

Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums

453

Erzhltradition in 2,23 ff. und der Logienberlieferung in 2,27 – eine historische Plausibilitt zuerkannt werden107. Bultmann hingegen hatte die „Komposition“ fr eine „Gemeindebildung“ gehalten108. Drittens wird ebenso seit dem sog. ,third quest‘ in der Jesus-Forschung die „Konzentration auf die Wortberlieferung als Quelle fr einigermaßen gesicherte historische Erkenntnisse ber Jesus“ grundstzlich in Frage gestellt109. Stattdessen werden vermehrt auch Wunderberlieferungen110 oder – besonders im gegenwrtigen „Jesus Research“ – biographische Aspekte111 zur Rekonstruktion des Lebens und Wirkens Jesu von Nazaret herangezogen. Viertens wird in Folge der sozial- und religionshistorischen Forschung die fr die Analyse der,Streitgesprche‘ wichtige Frage untersucht, „whether the opposition between Jesus and the Pharisees as portrayed in the Gospels reflects the historical realities of Jesus‘ ministry“112. James D. G. Dunn kommt in dieser Debatte mit Ed P. Sanders, der rituelle Fragen wie die der Sabbat-Observanz nicht auf den historischen Jesus, sondern auf Konflikte innerhalb der christlichen Gemeinde zurckfhren wollte113, zu dem vorlufigen Ergebnis: „Mark’s portrayal of Pharisees concerned about issues of sabbath observance and ritual purity fits much more closely into the period of Jesus’ ministry than Sanders allows“114. So ist die Diskussion ber die mçglichen historischen oder authentischen Elemente in den Streitgesprchsszenen eng mit der Frage verbunden, wie Jesu Verhltnis zum Judentum zu beschreiben und zu rekonstruieren sei. (7) Und schließlich meint Bultmann bei der berlieferungsgeschichte der ,Streitgesprche‘ eine „Tendenz, als Gegner Jesu stets die Phariser und 107 Vgl. Becker, Der Sabbat als sakralisierte Zeit. 108 Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 14: Die „Gemeinde legt die Rechtfertigung ihrer Sabbatpraxis Jesus in den Mund“. 109 du Toit, Erneut auf der Suche nach Jesus, 111. 110 Vgl. z. B. Meier, A Marginal Jew. Vol. II, 509 – 1038. 111 Der „Jesus Research“ verknpft diese Fragen auch mit archologischer Forschung vgl. dazu etwa einzelne Beitrge in: Charlesworth, Jesus and Archaeology, wie z. B.: Dunn, Did Jesus Attend the Synagogue? – Zum „Jesus Research“ vgl. Charlesworth, Jesus Research and Archaeology, 11 – 63. 112 Dunn, Pharisees, Sinners, and Jesus, 465. 113 Vgl. Sanders, Jesus and Judaism, besonders: 199, 209, 264: „There was no substantial conflict between Jesus and the Pharisees with regard to Sabbath, food, and purity laws“ (a.a.O., 264). 114 Dunn, Pharisees, Sinners, and Jesus, 474. Vgl. auch ders. a.a.O., 475 in Auswertung der vier relevanten Quellenbereiche ber die Phariser (rabbinische Traditionen [vgl.: Neusner, The Rabbinic Traditions about the Pharisees before 70], Josephus, Paulus und die synoptischen Evangelien).

454

Eve-Marie Becker

Schriftgelehrten auftreten zu lassen“115, feststellen zu kçnnen. Als Beispiele hierfr nennt Bultmann literarkritische Indizien, die auf sekundre Erzhlelemente hinweisen (Mk 3,6 im Verhltnis zu 3,1 – 5 und Mk 2,18), oder sogar textgeschichtliche Indizien (Handschrift D in Mk 10,2)116. Bultmann geht in seiner Beobachtung sogar so weit, zu vermuten, dass die Schriftgelehrten und Phariser als Gegner Jesu ber die ,Streitgesprche‘ hinaus auch in andere Textstcke der Evangelienberlieferung eingedrungen seien (z. B. Mk 9,14)117. So kçnnte das Motiv der,Gegner Jesu‘auf redaktioneller Ebene auf andere Perikopen in der Evangelien-Erzhlung abgefrbt haben – eine redaktionelle markinische Tendenz, die bei Matthus und Lukas sogar zuzunehmen scheint118. Im Lichte der oben genannten Einsichten aus der historischen Jesus-Forschung greift eine rein literar- und redaktionskritische Analyse des Gegner-Motivs sicher zu kurz. Dennoch kçnnte Bultmann sachlich119, vor allem aber methodisch darin zuzustimmen sein, dass die redaktionellen Tendenzen hinter der narrativen Konzeption, mit der die Evangelien die Gegner Jesu inszenieren, kritisch aufzudecken sind: Das jeweilige Gegner-Bild ist nicht nur zeitgeschichtlich von Belang, sondern bedarf ggf. auch einer hermeneutisch fundierten sachkritischen Dekonstruktion.

115 Vgl. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 54 (im Original z. T. gesperrt gedruckt). 116 „Mk 3,1 – 5 werden die Gegner nicht als Phariser oder Schriftgelehrte bezeichnet, sondern bleiben unbestimmt und sind erst in dem sekundren Vers 6 als die Phariser bestimmt worden […] Mk 2,18 werden sie neben den Johannes-Jngern sekundr sein; Mk 10,2 fehlen sie in D vielleicht mit Recht“ (Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 54). 117 Vgl. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 54 f. 118 Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 55 verweist hier auf z. B. Mt 12,33 – 35 im Vergleich mit Q 6,43 – 45 oder Lk 17,20. „Daß hier berall die bestimmten Angaben die sekundren sind, drfte klar sein; ebenso, daß man wirklich von einer bestimmten Tendenz der berlieferung reden muß“ (ebd.). – Die oben angestellten berlegungen zur Doppelberlieferung in Q 11/Mk 3 jedoch lassen zunchst die Frage nach dem Alter der berlieferung offen – erkennbar war lediglich, dass Mt – anders als Lk und offenbar in Anlehnung an Mk – seine Q-Vorlage zu einem Konflikt Jesu mit den jdischen Autoritten gestaltet. 119 „Selbstverstndlich will ich nicht aus allen Streitgesprchen die Phariser und Schriftgelehrten fortschaffen; ich will nur eine Tendenz der berlieferung aufweisen und vor der schematischen Auffassung, wie sie den Evangelisten eigen ist, warnen“ (Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 56).

Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums

455

2.2. Zur literarischen und theologischen Funktion der ,Streitgesprche‘ im Markus-Evangelium Wie kann nun im Anschluß an die bisher erfolgte form- und berlieferungsgeschichtliche Dekomposition der markinischen ,Streitgesprche‘ bestimmt werden, welche redaktionellen Interessen der Evangelist Markus bei seiner Rezeption, Bearbeitung und Deutung der Streitgesprche verfolgt hat? Mit dieser Frage erreichen wir die Ebene der redaktionsgeschichtlichen Betrachtung der markinischen Streitgesprche, die die form- und berlieferungsgeschichtliche Frage notwendig voraussetzt, solange die ,Streitgesprche‘ nicht – wie Detlev Dormeyer vorgeschlagen hat120 – einer rein synchronen, etwa stilistischen, Betrachtung unterzogen bleiben sollen121: Erst die redaktionsgeschichtliche Betrachtung gibt als Abschluß der diachronen ,textgenetischen‘ Analyse auch die literarischen und theologischen Eigeninteressen des Evangelisten zu erkennen. Wie aber werden diese redaktionellen Interessen speziell im Blick auf die Bearbeitung der Streitgesprche erkennbar, und wo liegen sie? (1) Der Evangelist Markus bernimmt die ,Streitgesprche’ aus ihm vorliegenden berlieferungen, evtl. sogar aus vormarkinischen Sammlungen. Die Themen sowie die Konzeption und die Struktur eines ,Streitgesprches‘ – bestehend aus Exposition, Gesprch, Wort Jesu – gehen nicht auf Markus selbst zurck. Die vielfltige Bindung der berlieferungen an Lokalspezifika in Galila und Jerusalem deutet darauf hin, dass die narrative Rahmung wohl schon vor Markus historisch kontextualisiert ist und dass auch fr den Redaktor Markus geschichtliche Reminiszenzen und keine idealen Szenen vorliegen. (2) Zudem bearbeitet Markus die ihm vorliegenden ,Streitgesprche‘ redaktionell. Er tut dies in verschiedener Hinsicht: (2.1) Er verknpft die berlieferungen/Sammlungen von ,Streitgesprchen‘ parataktisch-narrativ122 mit den brigen, ihm vorliegenden berlieferungsbereichen (z. B. Wundergeschichten, Gleichnisse, Passionsgeschichte). Die ,Streitgesprche‘ sind durch diese parataktische Reihung den anderen Themen und ber120 Vgl. faktisch z. B. Dormeyer, Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte, 162 – 166. 121 Vgl. dazu auch kritisch Theißen, Die Erforschung der synoptischen Tradition seit R. Bultmann, 433 f. 122 Zum parataktischen Stil vgl. etwa Reiser, Sprache und literarische Formen des Neuen Testaments, 58 ff.

456

Eve-Marie Becker

lieferungen der Evangelienerzhlung zu- und gleichgeordnet. (2.2) Dabei werden die ,Streitgesprche‘ in eine ereignisgeschichtliche Abfolge hineingestellt. So lassen sich in Mk 2 – 3; 7 und 11 – 12 Reihungen von ,Streitgesprchen’ erkennen, die zwar darauf zurckzufhren sind, dass Markus diese berlieferungen bereits in Sammlungen vorgefunden hat. Doch damit ist die Abfolge der Streitgesprche noch nicht hinreichend erklrt. Vielmehr wird hinter der Anordnung der einzelnen Szenen in der Evangelienerzhlung auch eine topographische, narrative, thematische und theologische Struktur erkennbar: Die ,Streitgesprche‘ in Mk 2 – 3 sind tendenziell an Galila gebunden und ereignen sich zu Beginn der Wirksamkeit Jesu (Mk 1,14 ff.): Dem chronologischen Aufriß des Markus-Evangeliums (maximal einjhrige Ttigkeit Jesu und schnelle Ereignisfolge: eqh¼r) entspricht brigens auch der Hinweis auf die Getreidefelder im Frhling (Mk 2,23 ff.). Die ,Streitgesprche‘ in Mk 11 – 12 sind thematisch tendenziell an Jerusalem gebunden und ereignen sich zu Beginn des Jerusalem-Aufenthaltes Jesu (Mk 11,1 ff.)123. Whrend das erste ,Streitgesprch’ im Zusammenhang einer Krankenheilung stattfindet (Mk 2,1 – 12)124, ist im letzten ,Streitgesprch’ – sicher nicht zufllig – die Auferstehung Thema der Debatte (Mk 12,18 – 27)125. So ordnet Markus die ,Streitgesprche‘topographisch, chronologisch und thematisch sinnvoll in seine Evangelienerzhlung ein. (2.3) Auf markinische Redaktion geht im Einzelfall die konkrete Erwhnung der Gegnerschaft zurck (Mk 3,1 – 5; 3,6). Fr Markus scheinen aber insbesondere die Gruppe der Phariser und der Schriftgelehrten als Gegner topisch zu sein. Allerdings ist z. B. die Erwhnung der Sadduzer in Mk 12,18 von konstitutiver Bedeutung fr Mk 12,18 – 27. Ob die erwhnten Gegner jeweils eine topische Funktion haben oder ob sie fr die berlieferung des Streitgesprchs konstitutiv sind, ist daher im Einzelfall zu prfen. (2.4) Der deutlichste redaktionelle Eingriff findet sich in Mk 3,6. Markus lsst die erste Reihung von ,Streitgesprchen’ in den Todesbeschluss mnden und gibt damit ein wichtiges narratives Erzhlinteresse zu erkennen: Die Konflikte Jesu mit den jdischen Autoritten in Galila und Jerusalem (Mk 12,13) fhren letztlich zum Tod Jesu. Mit diesem redaktionellen Eingriff verknpft Markus die berlieferung der ,Streitgesprche‘ narrativ mit der Passions123 Zur Unterscheidung bei Theißen, Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien. 124 Zur komplexen form- und berlieferungsgeschichtlichen Genese von Mk 2,1 – 12 vgl. zuletzt etwa Marcus, Mark 1 – 8, 215 ff. 125 Vgl. auch als Parallelphnomen im Blick auf die Wunder/Zeichen bei Johannes: Joh 11.

Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums

457

geschichte und deutet wiederum die ,Streitgesprche‘ als ereignisgeschichtliche Szenen: Markus erzhlt gleichsam ber das Streiten Jesu als Voraussetzung seines Sterbens in Jerusalem. (3) Ein kurzer Blick auf die Seitenreferenten: Matthus folgt Markus weitgehend in Hinsicht auf die Anzahl und Struktur der ,Streitgesprche‘ (vgl. auch Q 11,14 – 26 oben). Dies ist offenbar darauf zurckzufhren, dass weder in Q noch im matthischen Sondergut weitere ,Streitgesprchs‘berlieferungen existiert haben. Allerdings findet sich in Mt 22,35 – 40par. Lk 10,25 – 28 im Unterschied zur Vorlage in Mk 12,28 – 34, die als Schulgesprchs-Szene gestaltet ist, ein weiteres ,Streitgesprch‘. Diese Beobachtung wirft die Frage auf, ob es nach Markus zur Ausweitung der Form der ,Streitgesprche‘ gekommen ist, ob Matthus und Lukas hier auf eine gemeinsame (ltere) Vorlage zurckgreifen126 oder ob diese Differenz als ein minor agreement zu werten ist, d. h., ob den Seitenreferenten ein Deuterooder Proto-Markus vorlag. Lukas geht insgesamt offenbar freier als Matthus mit der ihm durch Markus vorgegebenen Streitgesprchs-berlieferung um: Denn er lsst zwei markinische ,Streitgesprche’ aus (Mk 7,1 – 23; 10,2 – 12) und fgt drei weitere ,Streitgesprche’ (Lk 7,36 – 50; 13,10 – 17; 14,1 – 6) ein, die ihm offenbar in seiner Sondergutberlieferung vorgelegen haben. Markus

Matthus

Lukas

2,1 – 12 2,15 – 17 2,18 – 22 2,23 – 28 3,1 – 6

9,1 – 8 9,10 – 13 9,14 – 17 12,1 – 8 12,9 – 14

3,22 – 30 7,1 – 23 10,2 – 12

12,24 – 29 15,1 – 20 19,3 – 9

11,27 – 33 12,13 – 17 12,18 – 27

21,23 – 27 22,15 – 22 22,23 – 33

5,17 – 26 5,27 – 32 5,33 – 39 6,1 – 5 6,6 – 11 7,36 – 50 (L) 11,15 – 22 / / 13,10 – 17 (L) 14,1 – 6 (L) 20,1 – 8 20,20 – 26 20,27 – 40

bersicht III: Die synoptischen ,Streitgesprche‘ im Vergleich

126 Vgl. hnlich Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, 21: Bultmann vermutet, dass Lk 10,25 f. auf eine „andere Fassung des Textes“ hinweist.

458

Eve-Marie Becker

Im Ergebnis bleibt der Umgang der Seitenreferenten mit den ,Streitgesprchen‘ unspezifisch. Und so lassen sich nur wenig Rckschlsse darauf ziehen, wie sich die Form des ,Streitgesprchs‘ nach Markus literarisch und theologisch entwickelt habe. Das aber bedeutet auch: Schon Markus scheint den Hçhepunkt der Streitkultur zu erreichen, wie sie in den ,Streitgesprchen‘ abgebildet wird und/oder inszeniert ist.

3. Kurzer Ausblick: Die markinischen ,Streitgesprche‘ als Beitrag zu einer frhchristlichen Streitkultur Abschließend ist nach der Funktion und Bedeutung der markinischen ,Streitgesprche‘ im Kontext der Evangelienerzhlung zu fragen. Auch bei der Bearbeitung dieser Frage kann sich ein Blick auf mçgliche Vergleichstexte in Q und bei den Seitenreferenten als hilfreich erweisen. Die Logienquelle Q enthlt – so wie das matthische Sondergut – offenbar keine ,Streitgesprche‘ Jesu mit Pharisern. Dialogische und narrativ gerahmte Szenen mit polemischen Elementen finden sich in Q lediglich in Q 4,1 – 13; 7,18 – 35; 11,14 – 20. Das matthische Sondergut enthlt zwar keine ,Streitgesprche‘, kennt aber das Phnomen der Polemik: Denn in der monologischen Rede Jesu gegen die Phariser (Mt 23), die sich als eine invektivische Form bestimmen lßt, kommt eine scharfe Polemik Jesu gegen die Phariser zum Ausdruck. Polemik, Streit und Konflikt sind also bekannt und verbreitet. Sie begegnen nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der sog. ,Streitgesprche‘. Die Form des ,Streitgesprchs‘ ist offenbar allerdings fr die vormarkinische und markinische Konzeption von Streit und Konflikt typisch: So ist das Markus-Evangelium die lteste synoptische Quelle, die ,Streitgesprche‘ Jesu mit jdischen Autoritten als dialogische Szenen enthlt. Markus hat diese ,Streitgesprche‘ zwar nicht selbst geschaffen, sondern eher berliefert, wohl aber bearbeitet und gedeutet (s. o.). Welche spezifische Funktion haben die ,Streitgesprche’ fr die ,frhchristliche Streitkultur‘, und wie unterscheiden sie sich von anderen, teilweise usserst polemischen Texten wie Mt 23? Die (vor-)markinischen ,Streitgesprche’ bewegen sich in formgeschichtlicher Hinsicht in der Spannung von Wort- und Erzhlberlieferung. Dies gilt auch dann, wenn man Bultmanns Analysen kritisch gegenber steht: Denn auch wenn man der Annahme, der form- und berlieferungsgeschichtliche Nucleus der ,Streitgesprche’ liege in dem Wort oder Ausspruch Jesu, folgt, deutet doch der Umstand, dass die ,Streitgesprche’

Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums

459

wohl schon bald dialogisch-szenisch und narrativ gerahmt worden sind, eine grundstzliche Nhe zur Erzhlberlieferung an. Nur in der Spannung von Wort- und Erzhlberlieferung wird das Spezifikum der ,Streitgesprche‘ erkennbar. Umstritten freilich bleibt die Bestimmung des ,Sitzes im Leben’: Dient die Formierung der ,Streitgesprche’ der inner- oder außergemeindlichen Apologetik und Polemik (Bultmann), oder sind sie eher erzhlendes Repertoire des frhchristlichen Predigers (Dibelius)? Die den ,Streitgesprchen’ inhrente Polemik – auf Seiten der Gegner und auf Seiten Jesu – jedenfalls weist darauf hin, dass es eine frhchristliche Streitkultur gab, bei der es augenscheinlich darum ging, Jesu sachliche Souvernitt und persçnliche Integritt zu demonstrieren. Die Streitsituationen in den (vor-)markinischen ,Streitgesprchen’ sind dialogisch-szenisch und narrativ gestaltet. Im Vergleich dazu weisen die Streitsituationen, in die Jesus laut der brigen berlieferungsformen- und bereiche gestellt ist, signifikante Unterschiede auf: Die Streitsituation in Q 4 verlsst die Sphre menschlichen Streits – denn hier stehen sich Jesus und der di²bokor gegenber. Die Polemik gegen die Phariser in Mt 23 ist einseitig auf Jesus fokussiert. In der Passionsgeschichte gehen Streit und Polemik einseitig von den Anklgern Jesu aus (z. B. Mk 14,63 – 65). So sind die ,Streitgesprche‘ nach der oben vorgenommenen Definition geradezu ein Spezifikum der vormarkinischen berlieferung. Eine gewisse Nhe zum lukanischen Sondergut (s. o.) bleibt auffallend. Doch erreichen die ,Streitgesprche‘ im Markus-Evangelium vorlufig ihren literarischen und theologischen Hçhepunkt. Das ist nicht zufllig der Fall, und so ist die literatur- und theologiegeschichtliche Bedeutung der ,Streitgesprche‘ kaum zu berschtzen. Denn als Scharnier zwischen der Wort- und Erzhlberlieferung sind die ,Streitgesprche‘ ein Prototyp der Evangelienerzhlung insgesamt: Die ,Streitgesprche‘ spiegeln beispielhaft den literarischen Bauplan des Evangeliums wider und weisen damit auch darauf hin, dass jedenfalls eine literarische und theologische Funktion der Evangelienerzhlung in der Polemik besteht. So erschließt uns die Frage nach dem polemischen Charakter der Streitgesprche sogar wichtige Aspekte der Evangelienkonzeption berhaupt. Diese Beobachtung kçnnte schließlich einen wichtigen Hinweis auf die Entstehungssituation des Markus-Evangeliums geben. Denn der Umstand, dass die ,Streitgesprche‘ nicht nur konstitutive Bedeutung fr die Evangelienerzhlung haben, sondern diese als Verbindung von Wort- und Erzhlberlieferung geradezu in nuce abbilden, erschliesst uns die Situation, in der sich die Hçrer und Leser (vgl. Mk 13,14) des Markus-Evangeliums befinden (vgl. insgesamt Mk 13). So wie Jesu Verkndigung des Evangeli-

460

Eve-Marie Becker

ums (Mk 1,14 f.) in Streit und Konflikt dargestellt wird, so wird auch jenen, die fr Jesus ,Zeugnis‘ ablegen (Mk 13,9), Verfolgung angekndigt: Denn nicht nur die Prsenz des ,heiligen Geistes‘ (Mk 13,11), sondern auch die Erfahrung von Haß (Mk 13,13) ist ein Kennzeichen der endzeitlichen ,Wehen‘ und der Bewhrung darin.

Literatur Albertz, M., Die synoptischen Streitgesprche. Ein Beitrag zur Formgeschichte des Urchristentums, Berlin 1921. Arzt-Grabner, P., Art. Schriftlichkeit, in: Wischmeyer, O. et al. (Hg.), Lexikon der Bibelhermeneutik. Begriffe – Methoden – Theorien – Konzepte, Berlin/New York 2009, 528 – 529. Aune, D.E., The New Testament in Its Literary Environment, Cambridge 1984. Avi-Yonah, M., Art. Palaestina, in: RE.S 13 (1973), 321 – 454. Becker, E.-M., Das Markus-Evangelium im Rahmen antiker Historiographie (WUNT 194), Tbingen 2006. Becker, E.-M., Der Sabbat als sakralisierte Zeit. Wandlungsprozesse vom alten Israel bis zum frhesten Christentum, in: Hamm, B. u. a. (Hg.), Sakralitt zwischen Antike und Neuzeit (Beitrge zur Hagiographie 6), Stuttgart 2007, 23 – 41. Becker, E.-M., Jews and Christians in Conflict? Polemical and satirical elements in Revelation 2 – 3: Critique and Apologetic writings, in: Jews, Christians and Pagans in Antiquity, ed. by A.C. Lund-Jacobsen et al. (ECCA 4), Frankfurt u. a. 2009, 111 – 136. Berger, K., Einfhrung in die Formgeschichte (UTB 1444), Tbingen 1987. Berger, K., Formgeschichte des Neuen Testaments, Heidelberg 1984. Berger, K., Hellenistische Gattungen im Neuen Testament, in: ANRW II.25.2 (1984), 1031 – 1432. Bertram G., Klauser, T., Art. Galilaea, in: RAC 8 (1972), 796 – 821. Bousset, W., Apophthegmata. Studien zur Geschichte des ltesten Mçnchtums, Textberlieferung und Charakter der Apophthegmata Patrum, Tbingen 1923 (ND 1969). Breytenbach, C., Art. Mndlichkeit II. Neutestamentlich, in: Wischmeyer, O. et al. (Hg.), Lexikon der Bibelhermeneutik. Begriffe – Methoden – Theorien – Konzepte, Berlin/New York 2009, 395 – 396. Bultmann, R., Das Evangelium des Johannes (KEK 2), Gçttingen21 1986. Bultmann, R., Der Stil der paulinischen Predigt und die kynisch-stoische Diatribe. Nachdruck der 1. Auflage von 1910 (FRLANT 13), Gçttingen 1984. Bultmann, R., Die Geschichte der synoptischen Tradition. Mit einem Nachwort von G. Theißen, Gçttingen 199510. Charlesworth, J.H. (ed.), Jesus and Archaeology, Grand Rapids/Cambridge 2006. Charlesworth, J.H., Jesus Research and Archaeology. A New Perspective, in: ders., Jesus and Archaeology, Grand Rapids/Cambridge 2006, 11 – 63. Conzelmann H., Lindemann, A., Arbeitsbuch zum Neuen Testament (UTB 52), Tbingen 200013.

Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums

461

Conzelmann, H., Art. Auferstehung V. Im NT, in: RGG3 1 (1957), 695 – 696. Dewey, J., Literary structure of the controversy stories in Mark 2:1 – 3:6, in: JBL 92 (1973), 394 – 401. Dibelius, M., Zur Formgeschichte der Evangelien, in: ThR 1 (1929), 185 – 216. Dibelius, M., Die Formgeschichte des Evangeliums, 6. Auflage. 3. photomechanischer Nachdruck der dritten Auflage mit einem erweiterten Nachdruck von G. Iber, hg. von G. Bornkamm, Tbingen 1971. Dormeyer, D., Art. Formen/Gattungen III. Neues Testament, in: RGG4 3 (2000), 190 – 196. Dormeyer, D., Das Neue Testament im Rahmen der antiken Literaturgeschichte. Eine Einfhrung, Darmstadt 1993. Dunn, J.D.G., Did Jesus Attend the Synagogue?, in: ders., Jesus and Archaeology, Grand Rapids/Cambridge 2006, 206 – 222. Dunn, J.D.G., Introduction, in: ders., McKnight, S. (eds), The Historical Jesus in Recent Research, Winona Lake 2005, 87 – 89. Dunn, J.D.G., Pharisees, Sinners, and Jesus, in: ders., McKnight, S. (eds), The Historical Jesus in Recent Research, Winona Lake 2005, 463 – 488. du Toit, D., Erneut auf der Suche nach Jesus. Eine kritische Bestandsaufnahme der Jesusforschung am Anfang des 21. Jahrhunderts, in: Kçrtner, U. H. J. (Hg.), Jesus im 21. Jahrhundert. Bultmanns Jesusbuch und die heutige Jesusforschung, Neukirchen-Vluyn 2002, 91 – 134. Esbroeck, M. vom, Art. Apophthegmata patrum, in: RGG4 1 (1998), 635. Grtner, H.A., Art. Apophthegma, in: DNP 1 (1996), 893 – 894. Grtner, H.A., Art. Chreia, in: DKP 1 (1979), 1161. Gemoll, W., Das Apophthegma. Literarhistorische Studien, Wien 1924. Guy, J.-C. (Ed.), Les Apophtegmes des P res. Vol. I–III (SC 387/474/498), Paris 1993/2003/2005. Hammann, K., Rudolf Bultmann, eine Biographie, Tbingen 20092. Heil, C., Einleitung: Die Spruchquelle Q. Studienausgabe Griechisch und Deutsch. Hg. und eingeleitet von P. Hoffmann und C. Heil, Darmstadt 2002, 11 – 28. Hettema, T.L., Kooij A. van der (eds.), Religious Polemics in Context. Papers Presented to the Second International Conference of the Leiden Institute for the Study of Religions (LISOR), held at Leiden, 27 – 28 April 2000 (STAR 11), Assen 2004. Hock, R.F., O’Neill, E.N., The Chreia in Ancient Rhetoric. Vol. I: The Progymnasmata (Texts and Translations Graeco-Roman Religion Series 9/27), Atlanta 1986. Justinus. Dialog mit dem Juden Tryphon. bersetzt von P. Haeuser. Neu hg. von K. Greschat und M. Tilly (BKV), Wiesbaden 2005. Kloppenborg Verbin, J.S., Excavating Q. The History and Settings of the Sayings Gospel, Minneapolis 2000. Kçrtner, U.H.J. (Hg.), Jesus im 21. Jahrhundert. Bultmanns Jesusbuch und die heutige Jesusforschung, Neukirchen-Vluyn 2002. Kuhn, H.W. ltere Sammlungen im Markusevangelium (StUNT 8), Gçttingen 1970. Larsson, E., Art. sufgt´y, in: EWNT 3 (19922), 679 – 680.

462

Eve-Marie Becker

Lindemann, A., Zur Einfhrung. Die Frage nach dem historischen Jesus als historisches und theologisches Problem, in: Kçrnter, U.H.J. (Hg.), Jesus im 21. Jahrhundert. Bultmanns Jesusbuch und die heutige Jesusforschung, Neukirchen-Vluyn 2002, 1 – 21. Lhrmann, D., Das Markusevangelium (HNT 3), Tbingen 1987. Mannebach, E., Aristippi et Cyrenaicorum fragmenta, Leiden 1961. Marcovich, M. (Hg.), Iustini Martyris Dialogus cum Tryphone (Patristische Texte und Studien 47), Berlin/New York 1997. Marcus, J., Mark 1 – 8. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 27), New Haven/London 2000. Marguerat, D., L’aube du christianisme (Le Monde De La Bible 60), Gen ve 2008. Meier, J.P., A Marginal Jew. Rethinking the Historical Jesus. Vol. I–III, New York/ London u. a., 1991 – 2001. Miller, B., Weisung der Vter. Apophthegmata Patrum, Freiburg 19984. Neusner, J., The Rabbinic Traditions about the Pharisees before 70, 3 vols, Leiden 1971. Overbeck, F., ber die Anfnge der patristischen Literatur, Darmstadt 1984. Paton, W.R. u. a., Plutarchi moralia. Band 1, Leipzig2 1974 (ND 1993). Pauli, J., Art. Apophthegmata Patrum, in: Dçpp, S., Geerlings, W. (Hg.), Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg u. a. 20023, 52. Porter, S.E., The criteria for authenticity in historical-Jesus research. Previous discussion and new proposals (JSNT.SS 191), Sheffield 2000. Porton, G.G., The Pronouncement Story in Tannaitic Literature. A Review of Bultmann’s Theory, in: Semeia 20 (1981), 81 – 99. Reiser, M., Sprache und literarische Formen des Neuen Testaments. Eine Einfhrung (UTB 2197), Paderborn u. a. 2001. Repschinski, B., Taking on the Elite. The Matthean Controversy Stories, in: SBL seminar papers 38 (1999), 1 – 23. Repschinski, B., The Controversy Stories in the Gospel of Matthew. Their Redaction, Form and Relevance for the Relationship Between the Matthean Community and Formative Judaism (FRLANT 189), Gçttingen 2000. Rçwekamp, G., Art. Antijudaistische Dialoge, in: Dçpp S., Geerlings, W. (Hg.), Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg u. a. 20023, 41 – 42. Sanders, E.P., Jesus and Judaism, Philadelphia 1985. Savvidis, K., Art. Apophthegmata patrum, in: DNP 1 (1996), 894. Schneider, J., Art. sufgt´y jtk., in: ThWNT 7 (1964), 747 – 748. Schrçter, J., Erinnerung an Jesu Worte. Studien zur Rezeption der Logienberlieferung in Markus, Q und Thomas (WMANT 76), Neukirchen-Vluyn 1997. Strange, J.F., First Century Galilee from Archaeology and from the Texts, in: Edwards, D.R., McCollough, C.T. (eds), Archaeology and the Galilee. Texts and Contexts in the Graeco-Roman and Byzantine Periods (SFSHJ 143), Atlanta 1997, 39 – 48. Strecker, G., Literaturgeschichte des Neuen Testaments (UTB 1682), Gçttingen 1992. Tannehill, R.C., Types and Functions of Apophthegmas in the Synoptic Gospels, in: ANRW II.25.2 (1984), 1792 – 1829. Theißen G., Merz, A., Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Gçttingen 20013.

Die markinischen ,Streitgesprche‘ im Plan des Evangeliums

463

Theißen G., Winter, D., Die Kriterienfrage in der Jesusforschung. Vom Differenzkriterium zum Plausibilittskriterium (NTOA 34), Freiburg/Gçttingen 1997. Theißen, G., Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien. Ein Beitrag zur Geschichte der synoptischen Tradition (NTOA 8), Freiburg/Gçttingen 1989/ 19922. Vetten, C.P., Art. Justin der Mrtyrer, in: Dçpp S., Geerlings, W. (Hg.), Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg u. a. 20023, 411 – 414. Vielhauer, P., Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Vter, Berlin/New York 1975. Weber, D., Art. Dialog, in: Dçpp S., Geerlings, W. (Hg.), Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg u. a. 20023, 191 – 193. Weiss, W., „Eine neue Lehre in Vollmacht“. Die Streit- und Schulgesprche des Markus-Evangeliums (BZNW 52), Berlin/New York 1989. Wendland, P., Die hellenistisch-rçmische Kultur in ihren Beziehungen zu Judentum und Christentum. Die urchristlichen Literaturformen (HNT I/2 und 3), Tbingen 1912. Yarbro Collins, A., Mark. A Commentary (Hermeneia), Minneapolis 2007.

Kritik an Paulus im Matthusevangelium? Von der Kunst verdeckter Polemik im Urchristentum Gerd Theißen Der folgende Beitrag vertritt die These, dass das Matthusevangelium verdeckt gegen Paulus polemisiert, obwohl Paulus nirgendwo mit Namen genannt wird.1 Diese Annahme ist nicht neu: Seit dem 19. Jh. wurde Mt 5,19 als Polemik2 gegen Paulus gedeutet. Dort wird in der Einleitung der Bergpredigt jeder Lehrer kritisiert, der die kleinsten Gebote auflçst und deshalb der Kleinste im Himmelreich genannt wird. Die Tbinger Schule, die das Urchristentum durch den Konflikt zwischen einer Paulus- und Petruspartei geprgt sah, war fr kleinste polemische Zwischentçne hellhçrig. Daher ist es kein Zufall, dass diese Deutung auf Vertreter der Tbinger Schule im 19. Jh. zurckgeht3 und zusammenfassend am Ende dieses Jahrhunderts von H.J. Holtzmann vertreten wurde.4 Aber auch im 20. Jh. finden wir sie berall

1

2 3

4

Vgl. Theißen, Kirche oder Sekte?, 170 f.; ders., Die Entstehung des Neuen Testaments als literaturgeschichtliches Problem, 195 – 197. Meine These habe ich im Austausch mit Prof. K.Ch. Wong (Chinese University Hongkong) weiter entwickelt (vgl. sein unverçffentlichtes Manuskript: „Evangelien im Dialog mit Paulus“). Anregungen verdanke ich ferner der Examensarbeit von Birte Schwiderski: „Antipaulinische Polemik im Matthusevangelium“ (2009), die parallel zur Arbeit an diesem Manuskript entstand. Prof. D.C. Sim (Catholic University, Victoria Australien) hat das Verdienst, als erster die antipaulinische Tendenz des Matthusevangelium neu entdeckt zu haben (s.u. Anm. 8). Ich danke ihm fr Kritik und Anregungen. Dass ich zunchst unabhngig von ihm zur Annahme einer antipaulinischen Polemik im Matthusevangelium gekommen bin, spricht gewiss nicht gegen unsere These. Der Begriff „Polemik“ ist kein terminus technicus der antiken Rhetorik. Vgl. H. Stauffer, Art. Polemik. Polemik wendet sich gegen eine sachliche Position, die Invektive gegen eine Person. Wir verwenden den Begriff „Polemik“ im weiteren Sinn. Die Deutung begegnet zuerst bei Schlern von F. Chr. Bauer: Kçstlin, Der Ursprung und die Komposition der synoptischen Evangelien, 55; Hilgenfeld, Die Evangelien nach ihrer Entstehung und geschichtlichen Bedeutung; Pfleiderer, Das Urchristentum, Band 1, 564. Holtzmann, Neutestamentliche Theologie, Band 1, 152 – 160, 439 – 433, besonders: 152ff Anm. 1. Er sieht nicht nur in 5,17 – 19 eine Polemik gegen Paulus, sondern auch im Missionsbefehl (Mt 28,19 – 20). Die Polemik gegen die Menschen,

466

Gerd Theißen

dort, wo die Pluralitt des Urchristentums nicht harmonisiert wird: Rudolf Bultmann hielt sie fr mçglich,5 J. Weiß und S.G.F. Brandon fr wahrscheinlich,6 H.D. Betz war von ihr berzeugt, schrieb sie aber einer vormatthischen Quelle zu,7 whrend Ch. Heublt sie fr einen Ausdruck matthischer Theologie hielt.8 Vor allem D.C. Sim hat in jngster Zeit in mehreren Verçffentlichungen die These entwickelt, dass das Matthusevangelium eine antipaulinische Tendenz vertritt, die nicht nur in Mt 5,19, sondern auch in der Polemik gegen Irrlehrer in Mt 7,21 – 23, im Messiasbekenntnis des Petrus und im universalen Missionsbefehl am Ende des Evangeliums zum Ausdruck kommt.9 Ihm kommt das Verdienst zu, als erster eine umfassendere antipaulinische Deutung des Matthusevangeliums entwickelt zu haben. Nach wie vor stehen die meisten Exegeten jedoch einer solchen antipaulinischen Auslegung des Matthusevangeliums als Ganzem oder an einzelnen Stellen zurckhaltend gegenber.10 Manche sehen ganz im Gegenteil eine grundstzliche bereinstimmung zwischen Matthus und Paulus, andere bestimmen ihr Verhltnis in sachlicher Hinsicht als notwendige komplementre Ergnzung, die meisten aber halten das Mattthusevangelium weder fr pro- noch fr antipaulinisch, sondern fr unpau-

5 6 7 8 9

10

die „Gesetzlosigkeit tun“ (Mt 7,23; 13,41), deutet er als eine allgemeinere Polemik gegen einen Antinomismus paulinischen Typs. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 58; hnlich Klostermann, Das Matthusevangelium, 41. Weiß, Das Urchristentum, 585; Montefiore, The Synoptic Gospels, 52 – 53; Manson, The Sayings of Jesus, 154; Brandon, The Fall of Jerusalem and the Christian Church, 233 – 237. Betz, Die hermeneutischen Prinzipien in der Bergpredigt (Mt. 5:17 – 20); ders., The Sermon on the Mount, 188 – 189. Heublt, Mt 5,17 – 20 – ein Beitrag zur Theologie des Evangelisten Matthus, 145. Sim, The Gospel of Matthew and Christian Judaism, 165 – 213; ders., Matthew, Paul and the origin and nature of the gentile mission; ders., Paul and Matthew on the Torah: Theory and Practice; ders., Matthew and the Pauline Corpus: A preliminary intertextual study (erscheint ca. 2009). Ich danke D.C. Sim dafr, dass er mir seine Arbeiten zugnglich gemacht hat. Als Beispiel seien zwei grundlegende Bcher zur Auseinandersetzung mit Paulus im Urchristentum genannt: Ldemann, Paulus der Heidenapostel. Band 2: Antipaulinismus im frhen Christentum, behandelt das Matthusevangelium nicht. Lindemann, Paulus im ltesten Christentum, diskutiert drei Stellen als „Indizien fr einen mçglichen kontroversen Zusammenhang mit Paulus: 5,17 – 19; 7,22 f und 13,24 – 28“ (155). Nur fr 5,19 sieht er einen polemischen Bezug zu Paulus, der aber schon in der Tradition enthalten war, ohne dass das Matthusevangelium noch die ursprngliche Spitze kenne. Das Matthusevangelium sei nicht anti-, sondern unpaulinisch.

Kritik an Paulus im Matthusevangelium?

467

linisch.11 Sofern polemische Zge in ihm vorkommen, denken sie eher an eine Polemik gegen eine allgemeine heidenchristliche Strçmung, zu der im weiteren Sinne Paulus gehçren mag, aber die nicht primr mit der Person des Paulus verbunden ist.12 Meine berlegungen nehmen wie die Arbeiten von D.C. Sim eine grundstzlichere Polemik gegen Paulus an. Die Hauptthese ist: Nicht nur die Bergpredigt, sondern jede der fnf großen Reden des Matthusevangeliums enthlt verdeckte Polemik gegen Paulus. Diese fnf Reden stehen im Mittelpunkt des Matthusevangeliums. Wenn alle eine verdeckte Kritik an Paulus enthalten – und anders als verdeckt ist sie in einem erzhlenden Buch ber Jesus nicht vorstellbar –, dann ist diese Kritik keine Nebensache. Die Reden erçffnen innerhalb einer Erzhlung am ehesten die Mçglichkeit, im Rahmen der erzhlten Zeit Hinweise auf eine zuknftige Zeit zu geben. Sie enthalten mit ihren eschatologischen Ausblicken Vorgriffe auf die Zukunft und sprechen mit vielen Mahnungen unmittelbar in die Gegenwart hinein. Das Matthusevangelium betont diese Gegenwartsbedeutung der Reden an seinem Ende, wenn Jesus im Missionsbefehl alle Menschen dazu verpflichtet, alles zu halten, was er (in seinen Worten) aufgetragen hat (Mt 28,20).13 Verdeckte Polemik darf ungenau, maßlos und widersprchlich sein! Sie schmeichelt den Hçrern, wenn sie trotz undeutlicher Anspielungen den Angegriffenen identifizieren kçnnen. Sie schtzt gleichzeitig den Autor durch ihre Anonymitt. Er kann sich immer darauf zurckziehen, er habe

11 Vgl. den berblick ber die Forschung bei Sim, Matthew’s anti-Paulinism, 767 – 738. 12 Meist sieht man im Matthusevangelium eine Polemik gegen ein antinomistisches Heidenchristentum, in dem paulinische Positionen radikalisiert weiter wirken. So Barth, Das Gesetzesverstndnis des Evangelisten Matthus, 149 – 154. Vgl. auch Luz, Das Evangelium nach Matthus (EKK I/1), 317; hnlich Davies, Allison, The Gospel According to St. Matthew, 497. 13 Außerhalb der fnf großen Reden gibt es natrlich noch andere Worte Jesu, die in die Zukunft weisen, etwa die Antwort Jesu auf das Messiasbekenntnis des Petrus (Mt 16,17 – 20). Wenn Petrus nicht „Fleisch und Blut“ seine Erkenntnis verdankt, dass Jesus der „Sohn des lebendigen Gottes“ ist, sondern einer „Offenbarung“ Gottes, so entspricht das der Schilderung des Damaskuserlebnisses durch Paulus in Gal 1,15 – 16, wonach Gott ihm seinen „Sohn“ „offenbart“ hat, ohne dass er sich mit „Fleisch und Blut“ beriet. Sim, Matthew and the Pauline Corpus, sieht hier eine Opposition zwischen Petrus und Paulus. Fr ihn ist die Beziehung zwischen Mt 16,17 – 18a auf der einen, Gal 1,12.16 – 17 und 1Kor 10,4 auf der anderen Seite ein Testfall fr eine intertextuelle Beziehung des Matthusevangeliums zu den paulinischen Briefen.

468

Gerd Theißen

niemanden konkret gemeint! Manchmal soll die Namenlosigkeit den Angegriffenen zustzlich herabsetzen: Er ist nur ein „Jemand“, eine Unperson. Wie anonyme Polemik funktioniert, sei anhand eines Artikels der evangelikalen Presseagentur „idea“aus dem Jahr 2003 gezeigt. Referiert wird hier der Vortrag eines Theologen mit der Kernaussage, das Herz der Theologie sei krank, „weil man der Gottesfrage, die jeder Text stellt, ausgewichen ist und das Heil stets in der Deutung des Textes durch sachfremde Kriterien und Maßstbe gesehen hat.“ Neben der Seelsorge gilt insbesondere die moderne Bibelauslegung als krank: „Die Humanwissenschaften wie die atheistische Anthropologie Heideggers, die Psychologie und die Soziologie, die Religionstheorie und allerlei Philosophien hat man jeweils als Block der Exegese vorgeschaltet, weil man meinte, so endlich wissenschaftlich und modern zu sein’.“ Zweifellos ist Rudolf Bultmann gemeint. Aber er ist schon lange Vergangenheit. Der Angriff gegen Psychologie, Soziologie und Religionstheorie in der Exegese kann sich nicht gegen ihn richten. Fr Eingeweihte ist klar, dass meine Arbeiten gemeint sind.14 Ich fhle mich durch die Nhe zu R. Bultmann zwar geehrt, meine aber, dass diese Polemik kollegiale Wertschtzung auf eine allzu dialektische Art zum Ausdruck bringt; denn sie stammt von meinem Kollegen Heidelberger Klaus Berger. Er macht mich fr die Herzinsuffizienz der gegenwrtigen Theologie verantwortlich. Verdeckte Polemik gibt es auch heute. Aber auch der Matthus-Evangelist bediente sich dieser Strategie. Wer es ihm in der Gegenwart nachtut, befindet sich in bester Gesellschaft. Wir kçnnen m. E. vier Varianten solch einer verdeckten Polemik im Matthusevangelium und im Urchristentum entdecken. Erstens eine anonyme Polemik gegen „einige“ oder „irgendjemand“ (t¸mer oder t¸r). Paulus polemisiert gegen „einige“, die behaupten, er lehre das Bçse, damit das Gute herauskomme (Rçm 3,8). Er kritisiert: „Einige“ essen rituell geschlachtetes Fleisch aus Gewohnheit als Gçtzenopferfleisch (1Kor 8,7). „Einige“ lehren, es gebe keine Auferstehung der Toten (1Kor 15,12; vgl. 1Kor 4,18). „Einige“ verwirren die Gemeinden in Galatien (Gal 1,7).15 Daneben polemisiert er gegen bestimmte Personen, deren Namen wahrscheinlich allen bekannt war – verschweigt ihn aber: Da gibt es „jemanden“, 14 Der Artikel ist berschrieben: „Neutestamentler Prof. Berger: Die Theologie hat ein krankes Herz. Warum die Zahl der Theologiestudenten drastisch zurckgeht – Psychologie verdrngt Seelsorge“, Idea 7/2003, 10 (vom 17. Januar 2003). 15 „Einige“ kommen von Jakobus und werden zu Gegnern des Paulus (Gal 2,12). Die Konkurrenten des gefangenen Paulus sind im Philipperbrief anonym; sie werden als „einige“ angesprochen (Phil 1,15).

Kritik an Paulus im Matthusevangelium?

469

der mit der Frau seines Vaters zusammen lebt (1Kor 5,1), oder „jemanden“, der Paulus schwer beleidigt hat (2Kor 2,5), oder judenchristliche Missionare, die als „irgendjemand“ angegriffen werden (2Kor 11,29). Zweitens gibt es figurative Polemik: Zwar werden hier Personen oder Gruppen genannt. Alles passt auf sie. Aber sie sind nicht die eigentlich Gemeinten. Die muss der Hçrer durch bertragung selbst herausfinden. Die antike Rhetorik nennt das eine controversia figurata, eine Polemik, die erst der Hçrer auf den Gemeinten bertragen muss. Sie gehçrt zur figrlichen Rede (oratio figurata), fr die Quintilian den griechischen Fachausdruck „Schema“ bringt und die natrlich nicht nur polemische Texte umfasst. Fr Quinitilian ist die controversia figurata eine Gedankenfigur, „bei der wir in einer Art von Argwohn das verstanden wissen wollen, was wir nicht sagen, nicht gerade das Gegenteil wie bei der Ironie, sondern etwas Verdecktes und dem Sprsinn des Hçrers zum Suchen berlassenes“ (Institutio oratoria IX,2,65). Wir finden solche Polemik auch im Neuen Testament: Paulus polemisiert am Anfang des 1 Korintherbriefs allgemein gegen Konkurrenz und Streit und wendet das in einem zweiten Schritt auf sich und Apollos an. Durch leteswgl²tisa (1Kor 4,6) spielt er sogar auf den rhetorischen Terminus Schema (sw/la) an.16 Explizit bezieht er seine Kritik auf Apollos und auf sich selbst, gemeint sind aber vor allem die Korinther, die das aber selbst merken sollen. Ein Grenzfall figurativer Polemik ist drittens die pseudonyme Polemik. In den judenchristlichen Pseudo-Klementinen finden wir Polemik gegen Paulus, die sich explizit gegen Simon Magus wendet. Dennoch muss der Leser an Paulus denken, wenn Petrus unter Anspielung auf seinen Konflikt in Antiochien mit Paulus (Gal 2,11) und sein Messiasbekenntnis in Mt 16,17 zu Simon sagt: „Wenn du nicht ein Feind wrest, dann httest du nicht mich verleumdet und meine Predigt geschmht, […] , als ob ich unzweifelhaft verurteilt, du aber anerkannt seiest. Und wenn du mich ,verurteilt’ nennst, so beschuldigst du Gott, der mir den Christus offenbarte, und setzt den herab, der mich der Offenbarung wegen selig gepriesen hat“ (Homiliae XVII,19,5 – 6). Hier richtet sich eine Polemik stellvertretend gegen einen anderen. Anonyme Polemik wird zur pseudonymen Polemik. Die allgemeine figurative Polemik basiert auf einem bertragungsakt zwischen zwei getrennten Grçßen, die pseudonyme Polemik auf einem Identifizierungsakt ein und derselben Gestalt, die mit falschem Namen angesprochen wird. 16 So Heinrici, Der erste Brief an die Korinther, 147; Lampe, Theological Wisdom and the „Word About the Cross“.

470

Gerd Theißen

Schließlich gibt es verdeckte Polemik, die sich gegen mythische Figuren richtet, aber Menschen meint – ein zweiter Grenzfall figurativer Polemik. Man polemisiert gegen den Satan, kritisiert aber den Kaiser. Ein Beispiel findet sich in der Ascensio Jesajae: „Und nachdem es mit ihr (sc. der Welt) zu Ende gekommen ist, wird Beliar, der große Frst, der Kçnig dieser Welt, der sie beherrscht hat, seit sie besteht, herabkommen, und er wird aus seinem Firmament herabsteigen in der Gestalt eines Menschen, eines ungerechten Kçnigs, eines Muttermçrders, was eben dieser Kçnig ist, – die Pflanzung, die die zwçlf Apostel des Geliebten gepflanzt haben, wird er verfolgen, und von den Zwçlfen wird einer in seine Hand gegeben werden.“ (Ascensio Jesajae IV,1 – 3). Gemeint ist der Muttermçrder und Christenverfolger Nero. Polemisiert aber wird gegen den Satan, der sich vorbergehend in Nero inkorporiert. Ein weiteres Beispiel solcher mythologischer Polemik ist die Johannesapokalypse: In der Gestalt des Untiers aus dem Meer wird gegen den rçmischen Staat und seine Kaiser polemisiert. Wir kçnnen also bei verdeckter Polemik anonyme, figurative, pseudonyme und mythologische Polemik unterscheiden, wobei die beiden letzten Varianten Grenz- oder Sonderflle figurativer Polemik sind. Alle Formen von Polemik sind im urchristlichen Schrifttum belegbar. Auch im Matthusevangelium kçnnen wir grundstzlich mit ihnen rechnen, wobei der narrative Rahmen der Reden zu bercksichtigen ist. In einer Erzhlung von Vergangenem kann man nicht direkt gegen spter auftretende Gestalten polemisieren.17 Fazit unserer Einleitung ist: Literarisch gesehen gibt es die Mçglichkeit einer verdeckten Polemik im Matthusevangelium. Das sagt noch nicht, dass sie tatschlich vorliegt, und auch dann nicht, dass sie sich gegen Paulus richtet. Entscheidend ist: Konnte der Leser des Matthusevangeliums die verdeckte Polemik durchschauen? Dazu gehen wir die fnf großen Reden des Evangeliums durch.

17 Das Matthusevangelium ist kein Brief, durch den man in direkte Interaktion mit seinen Lesern tritt. Es ist eine Erzhlung von Jesus, die in der Vergangenheit spielt. Will man im Rahmen einer solchen Erzhlung gegen jemanden polemisieren, der erst nach Jesu Tod wirkte, dann muss diese Polemik anonym gestaltet sein: Entweder steht sie in einer Voraussage von Ereignissen nach dem Tode Jesu (wie in der synoptischen Apokalypse) oder sie wird als Polemik gegen einen generellen Typos gestaltet und der Leser muss selbst erschließen, wer unter diesen Typos fllt. Die Polemik wird dann undeutlich sein.

Kritik an Paulus im Matthusevangelium?

471

1. Polemik gegen Paulus als liberalen Gesetzeslehrer in Mt 5,19 In der programmatischen Einleitung zur Bergpredigt polemisiert Matthus gegen die Auffassung, Jesus sei gekommen, um das Gesetz aufzulçsen (Mt 5,17). Damit kçnnte er gegen eine paulinische Position Stellung nehmen.18 Sachlich kennt nmlich Paulus eine zeitliche Begrenzung des Gesetzes bis zum Kommen Christi (Gal 3,19).19 Selbst wenn er in Rçm 10,4 mit t´kor c±q mºlou Wqistºr gemeint haben sollte, Christus sei das Ziel des Gesetzes, konnte seine Aussage doch schon damals so verstanden worden sein, wie ihn viele Exegeten noch heute verstehen: Christus ist das Ende des Gesetzes. Auf jeden Fall hat Paulus sich frh in den Ruf gebracht, „gegen das Gesetz zu lehren“ (Apg 21,28). Die in Mt 5,17 verwandte Wendung vom Auflçsen des Gesetzes (jatak¼eim) hat im Neuen Testament nur eine einzige Parallele: Paulus benutzt sie bei der Darstellung des antiochenischen Konflikts (Gal 2,18) in der Wortopposition von „Auflçsen“ und „Errichten“ (oQjodole?m). Paulus kennt aber auch das „Erfllen“ (pkgq_sai) der Gesetzesforderungen (Rçm 8,4), so dass die Doppelwendung vom „Auflçsen und Erfllen des Gesetzes“ (jatak¼eim und pkgq_sai) in Mt 5,17 an paulinische Sprache erinnert.20 Die anschließende Beteuerung, dass das Gesetz in allen Kleinigkeiten bis zum Vergehen von Himmel und Erde Geltung hat (Mt 5,18 = QLk 16,17), hat keine spezifisch antipaulinische Tendenz, weist aber auf eine formale Gemeinsamkeit zwischen dem gesetzesfreien Paulus und dem gesetzestreuen Matthus hin: Auch in Mt 5,18 wird die Geltung des Gesetzes befristet. Es gilt nicht ewig. Der Streitpunkt ist nur, wann die Frist abgelaufen ist. Fr 18 Nimmt Mt 5,17 mit „Meint nicht […] lμ mol¸sgte)“ nur theoretisch gegen eine Position Stellung? Mit der Warnung: „Meint nicht […] (lμ dºngte)“ wird in Mt 3,9 gegen eine wirklich bezeugte Position von Juden Stellung genommen, die auf ihre Abstammung von Abraham stolz sind (vgl. Joh 8,33). Mit lμ mol¸sgte wird in Mt 10,34 die Sehnsucht nach einem Messias zurckgewiesen, der Frieden auf Erden bringt. Auch diese Position ist in Lk 2,14 gut bezeugt. Alles spricht dafr, dass auch in Mt 5,17 eine tatschlich vertretene Position zurckgewiesen wird. 19 Umstritten ist, ob Christus in Rçm 10,4 das „Ende“ oder das „Ziel“ des Gesetzes ist. 20 Vom Liebesgebot als Erfllung des Gesetzes spricht Paulus noch in Rçm 13,8.10 und Gal 5,14. Holtzmann, Neutestamentliche Theologie, Band 1, 153 Anm. 1, spricht daher von einer Aneignung der „Lehrsprache des Paulus“ durch den MatthusEvangelisten. – Matthus spricht in Mt 5,17 freilich nicht nur vom Gesetz, sondern auch von den Propheten, mçglicherweise nur als Auffllung einer festen Wendung. Oder muss man annehmen, dass auch der Vorwurf im Raum stand, Paulus widersprche den Weissagungen der Propheten? Ein Messias, der das Gesetz auflçsen sollte, war in den messianischen Weissagungen nicht vorgesehen.

472

Gerd Theißen

Paulus war schon mit dem Kommen des Messias das Ende da. Seitdem kann das Gesetz in einigen Punkten zur Diskussion gestellt werden. Nun wird in Mt 5,19 gegen einen anonymen Gesetzeslehrer polemisiert, der die kleinsten Gebote (l¸am t_m 1mtok_m to¼tym t_m 1kaw¸stym) auflçst und eben deshalb der „Kleinste“ (1k²wistor) in der Gottesherrschaft genannt wird (Mt 5,19). Das kçnnte auf Paulus zielen; denn 1k²wistor erinnert assoziativ an seine Selbstbezeichnung in 1Kor 15,9 als den „Geringsten der Apostel“.21 Diese Selbstbezeichnung des Paulus wirkte in nachpaulinischer Zeit nach.22 Paulus wurde im Epheserbrief sogar zum „Allergeringsten“ (1kawistºteqor) aller Heiligen (Eph 3,8) und in den Pastoralbriefen zum „Ersten“ der Snder (1Tim 1,15). Solche Aussagen waren Ende des 1. Jh.s lebendig. Ein Echo von ihnen kçnnte im etwa gleichzeitig entstandenen Matthusevangelium vorliegen. Da nur im Matthusevangelium Petrus der „Erste“ unter den zwçlf Jngern genannt wird (pq_tor S¸lym Mt 10,2),23 rckt „der Letzte“ in Mt 5,19 in einen Gegensatz zu Petrus. Nun kçnnte man mit Recht einwenden, dass diese subtile Beziehung zwischen dem Ersten und dem Letzten nur exegetisch trainierte Leser des Matthusevangeliums merken. Aber auch dem naiven Leser prgt sich Petrus als der ein, der die (Lehr-)Vollmacht zu lçsen (k¼eim) und zu binden hat (Mt 16,19). Daher wird er vielleicht auch an Petrus denken, wenn in Mt 5,19 von jemandem die Rede ist, der alle Gesetze lehrt, sie nicht auflçst (k¼eim) und dadurch einen „großen“ Rang in der Gottesherrschaft einnehmen wird.24 21 Natrlich kçnnen wir nicht voraussetzen, dass der 1Kor in Syrien zur Zeit des Matthusevangeliums bekannt ist. Aber die Selbstzeichnung als der „Geringste“ erscheint in 1Kor 15,9 in einem Abschnitt, bei dem Paulus am Ende den Konsens mit den anderen Aposteln betont (15,11). Es ist wahrscheinlich, dass er schon im syrischen Christentum als der „Letzte“ galt, der durch eine Ostererscheinung zum Apostel berufen worden war. – Im brigen galt schon der Stamm Benjamin, aus dem Paulus stammte, als der kleinste Stamm (t/r vuk/r t/r 1kaw¸stgr) (1Sam 9,21 LXX). So eine Anregung von J. Levenson nach Betz, The Sermon on the Mount, 188 Anm. 150. 22 Diese Beobachtungen zum Nachwirken der superlativischen Selbstbezeichnung des Paulus in nachpaulinischer Zeit verdanke ich B. Schwiderski (vgl. Anm. 1). Dadurch wird wahrscheinlicher, dass der Matthus-Evangelist sie kennen konnte und mit ihr auf Paulus anspielt. 23 Vgl. Holtzmann, Neutestamentliche Theologie, Band 1, 431. 24 Kein Gegenargument ist, dass Mt 5,19 nur von geringen Geboten spricht, dass Paulus aber „nie einzelne Gebote, sondern das ganze Gesetz fr aufgehoben erklrt hat“ (Weiss, Das Matthus-Evangelium, 106 Anm.). Denn wenn jemand bei der Auflçsung der geringsten Gebote der Geringste im Himmelreich wird, um wie viel mehr, wenn er grçßere Gebote auflçst! Historisch mssen wir zudem von dem Bild des Paulus ausgehen, das dieser durch sein Auftreten in Syrien hinterlassen hat, nicht

Kritik an Paulus im Matthusevangelium?

473

ber den angegriffenen Gesetzeslehrer heißt es, dass er die „Menschen“ eine freiere Gesetzesauslegung lehrt. Adressat seiner Lehre sind nicht nur Juden, sondern „Menschen“ berhaupt. Das passt zu Paulus, der alle Vçlker lehren wollte, passt aber auch zu anderen jdischen Lehrern. Wenn vorher von „Menschen“die Rede ist, die das „Salz der Erde“und das „Licht der Welt“ anerkennen bzw. verwerfen, so sind auf jeden Fall „Menschen“ in einem universalen Sinne gemeint (vgl. Mt 7,12; 10,17 u. ç.). Dieser Gesetzeslehrer soll trotz scharfer Kritik an ihm einen Platz im Himmelreich erhalten – freilich nicht einen Platz nach der Regel, dass der Letzte der Erste sein wird (Mt 20,1.16), sondern nach dem Analogieprinzip: Wer die geringsten Gebote auflçst, soll auch der Geringste in der Gottesherrschaft25 genannt werden.26 Die Polemik meint nicht allgemein ein gesetzesfreies Heidenchristentum, also eine Strçmung, die von vielen Menschen vertreten wurde. Dagegen spricht weniger der Singular im verallgemeinernden Relativsatz: Die Polemik trifft danach jeden, „wer auch immer […] so lehrt (fr 1±m owm).“ Dadurch wren mehrere Lehrer nicht ausgeschlossen. Dass die Polemik anders als die in Mt 7,15.22 oder 24,11 nicht im Plural formuliert wird, weist freilich darauf hin, dass eher an einen einzigen Lehrer gedacht sein kçnnte. Dass faktisch nur an einen einzigen gedacht ist, ergibt sich aus dem Superlativ: Nur ein einziger kann streng genommen der Geringste in der Gottesherrschaft sein. Freilich lsst sich nicht ausschließen, dass damit nur die allgemeine Rolle des Geringsten gemeint ist – aber nicht konkret der, der sie einnimmt. Aber beides schließt sich nicht aus: Wenn Mt in 11,11 den „Kleinsten“ (lijqºteqor) in der Gottesherrschaft noch ber Johannes den Tufer einordnet, dann ist die Rolle des „Kleinsten“ von unseren Erkenntnissen ber Paulus aufgrund seiner Briefe: Der antiochenische Konflikt begann bei „kleinen“ Speisegeboten. Erst Paulus hat den Streit ins Grundstzliche gehoben. Diejenigen, die im antiochenischen Konflikt anderer Meinung waren als Paulus, mssen bestrzt gewesen sein, dass er wegen so kleiner Gebote eine Gemeinde spaltete. Das Verhalten von Petrus und Barnabas zeigt, dass sie den Speisegeboten keinen hohen Rang zugestanden: Sie hatten sich am Anfang nicht an sie gehalten. 25 Dabei ist an die eschatologische Gottesherrschaft gedacht (wie in Mt 5,3 und 5,20). Aber wenn im Himmel Menschen groß oder klein „genannt“ werden, kçnnten diese Menschen theoretisch zur gegenwrtigen Kirche gehçren (vgl. Mt 18,1 – 5). 26 Oder ist die Logik die: Wer die geringsten Gebote auflsst, wird gering in der Gottesherrschaft sein. Wer aber wie Paulus auch wichtige Gebote auflçst, wird gar nicht in sie hineinkommen. So B. Schwiderski (s. o. Anm. 1). Die Polemik wre dann noch schrfer – und sie stnde nicht im Widerspruch zu anderen Stellen, wo den Ttern von Gesetzlosigkeit der Ausschluss aus der Gottesherrschaft angedroht wird (Mt 7,23; 13,41).

474

Gerd Theißen

gemeint, die aber von einer konkreten Person eingenommen wird: Johannes der Tufer ist faktisch der „Allerkleinste“. Ebenso drfte Matthus auch in 5,19 an eine konkrete Person gedacht haben. Unser vorlufiges Fazit ist: Die Adressaten des Matthusevangeliums mussten erkennen, dass sich die anonyme Polemik in Mt 5,19 gegen eine bestimmte, individuelle Person richten konnte, nicht nur gegen eine allgemeine Strçmung. Falls sie ein wenig von Paulus wussten, lag es nahe, dass sie zunchst an ihn dachten.27 Am Ende des Hauptteils der Bergpredigt stoßen wir in 7,13 – 27 erneut auf deutliche Abgrenzungen und Polemiken. Zwei Wege tun sich vor dem Hçrer auf, ein breiter Weg zum Verderben fr viele, ein enger zum Heil fr wenige (Mt 7,13 f ). Die Zwei-Wege-Lehre nimmt einen traditionellen Topos auf. Er denkt an einen allgemeinen Kontrast von Heil und Unheil. Jedoch kann Matthus die vielen Berufenen den wenigen Auserwhlten entgegensetzen (Mt 22,14) und damit auch innerchristlich eine Grenzlinie ziehen.28 Dennoch sollte man in dieser ganz allgemeinen Warnung keine spezielle Warnung vor Paulus und dem von ihm gelehrten Weg zum Leben sehen – genauso wenig wie in dem abschließenden Gleichnis vom Hausbau: Der Fels, auf den man sicher bauen kann (Mt 7,24 f ), ist nicht Petrus, der spter zum „Felsen“ erklrt wird, auf dem die Kirche gebaut wird (Mt 16,18).29 Selbst wenn der Autor eine solche Assoziation intendiert haben sollte, wrde sie durch andere Assoziationen durchkreuzt: Bei den Samen, die auf „Felsiges“ (petq¾dg) fallen (Mt 13,5.20), soll man gewiss nicht an Petrus denken. Konkreter ist die Warnung gegen „Pseudopropheten“, die wie Wçlfe im Schafsfell kommen (Mt 7,15), die zwar „Herr, Herr!“ sagen, aber nicht tun, was der Herr ihnen sagt. Sie berufen sich auf ihre Charismen, auf Prophetien, Exorzismen und Wundertaten im Namen Jesu, werden aber dennoch vom Weltenrichter abgewiesen, weil sie „Gesetzlosigkeit“ (!mol¸a) tun (Mt 7,21 – 23). Hier werden eindeutig Christen kritisiert. Manches erinnert an paulinische Christen:30 In den paulinischen Gemeinden spielte das Bekenntnis zum Kyrios eine zentrale Rolle: Dieses Bekenntnis hat zusammen mit dem Glauben an die Auferstehung rettende Kraft (Rçm 10,9 vgl. 1Kor 12,3; 27 Vgl. Sim, Matthew and Christian Judaism, 207 – 209. 28 Sim, Matthew and Christian Judaism, 209: Die Heidenchristen sind die vielen auf dem breiten Weg zum Verderben, die matthischen Judenchristen die wenigen auf dem Weg zum Leben. 29 Anders Sim, Matthew and Christian Judaism, 210; Betz, Sermon on the Mount, 563 f. 30 Sim, Matthew and Christian Judaism, 209 f., sowie ders., Matthew 7.21 – 23.

Kritik an Paulus im Matthusevangelium?

475

Phil 2,11). Paulus fasst mit diesem Bekenntnis seine Botschaft zusammen (2Kor 4,5). In Mt 7,21 – 23 aber wird ihm rettende Kraft abgesprochen. Das Bekenntnis reicht nicht aus, wenn nicht Taten hinzu kommen.31 Diese Taten kçnnen nicht nur außernormale Fhigkeiten wie Prophetie, Exorzismen und Heilungen sein. Solche charismatische Gaben wurden im paulinischen Christentum hoch geschtzt (1Kor 12,9 – 10).32 Es mssen darber hinaus Taten der „Gesetzlosigkeit“ sein. Versteht man darunter Gesetzesbertretungen bei bleibender Geltung des Gesetzes, so trfe der Vorwurf der „Gesetzlosigkeit“ keine bestimmte Gruppe. Versteht man aber darunter eine „gesetzesfreie“ Praxis, die nicht mehr alle Thoragebote anerkennt, so kçnnte man an Paulus und seine Gemeinden denken: Die Kritik an ihm in Rçm 3,8, er wolle das Bçse, damit das Gute herauskomme, kritisiert nicht Gesetzesbertretung, sondern eine gesetzfreie Praxis. Eine Schwierigkeit bleibt: Am Anfang der Bergpredigt erhlt der liberale Gesetzeslehrer einen kleinen Platz im Himmelreich (Mt 5,19), an ihrem Ende werden die Kritisierten vom Himmelreich ausgeschlossen (Mt 7,21 – 23). Die Polemik gegen sie wird schrfer. Aber wahrscheinlich soll eine Steigerung darin bestehen, dass in 5,19 nur von der „Lehre“ die Rede ist, in Mt 7,21 – 23 dagegen von der „Praxis“. Das Tun ist in Judentum und Judenchristentum entscheidend. Wir htten dann ein sinnvolles Crescendo, abgesehen davon, dass Polemik nicht kohrent und logisch sein muss. Kein Widerspruch bestnde natrlich zwischen beiden Stellen, wenn man fr Mt 5,19 einen faktischen Ausschluss des dort angesprochenen Gesetzeslehrers vom Himmelreich annimmt.

31 Sim, Matthew 7.21 – 23, 331 f. 32 Man muss dann die „Machttaten“ (1meqc¶lata dum²leym) in 1Kor 12,10 auf Exorzismen beziehen, die „Gaben der Heilungen“ (waq¸slata Qal²tym) in 1Kor 12,9 dagegen auf allgemeine Heilungen. Vgl. Friedrich, Art. d¼malir, 865; Sim, Matthew 7.21 – 23, 336 – 341, interpretiert darber hinaus die Geschichte vom fremden Exorzisten, der im „Namen Jesu“ Dmonen austreibt (Mk 9,38 – 40), auf Paulus und sieht in Mt 7,22 eine kritische Verarbeitung dieser berlieferung: Markus verteidige Paulus, Matthus verdamme ihn. Aber Exorzismen gehçren nicht zu den typischen Merkmalen des paulinischen Auftretens. Falls man das Markusevangelium in die Nhe des Paulus rckt, kann Paulus außerdem aus Sicht des Evangelisten kaum ein fremder Exorzist sein.

476

Gerd Theißen

2. Polemik gegen sich selbst versorgende Missionare (Mt 10,9) In der Aussendungsrede grenzt sich der Mt-Evangelist deutlich von der Heiden- und Samarienmission ab mit einer Mahnung, die sich nur bei ihm findet: „Geht nicht den Weg zu den Heiden und zieht in keine Stadt der Samariter, sondern geht hin zu den verlorenen Schafen aus dem Haus Israel“ (Mt 10,5 – 6). Dieses Wort Jesu wendet sich gegen eine geschichtlich identifizierbare Mission: Aus Jerusalem geflohene Anhnger des Stephanus haben sowohl in Samarien missioniert als auch in Antiochien als erste Heiden angesprochen (Apg 8,4 – 13; 11,19 – 21). Das Matthusevangelium steht in einer anderen Tradition: in der Tradition der Judenchristen, die sich auf die Israelmission beschrnken wollten und als deren Sprecher Petrus und Jakobus beim Apostelkonzil auftraten (Gal 2,1 – 10). Die entscheidenden Gestalten der aus dem Stephanuskreis hervorgegangenen antiochenischen Heidenmission waren dagegen Paulus und Barnabas (Apg 13,1 – 3). Das Matthusevangelium ndert nun an einer Stelle die Ausrstungsregeln fr Missionare in einer Weise, die aufhorchen lsst. Markus schrieb, Jesus habe seinen Jngern geboten, „nichts mitzunehmen auf den Weg als allein einen Stab, kein Brot, keine Tasche, kein Geld im Grtel […]“ (Mk 6,8 – 9). Lukas schrieb in seiner Wiedergabe der Q-Fassung der Aussendungsrede dagegen: „Tragt keinen Geldbeutel bei euch, keine Tasche und keine Schuhe […]“ (Lk 10,4). Nur das Matthusevangelium macht aus dem Gebot zum Besitzverzicht ein Erwerbsverbot. Er sagt nicht, die Jnger sollten kein Gold, Silber oder Kupfer auf ihre Wanderungen mitnehmen, sondern: „Erwerbt euch nicht Gold, Silber oder Kupfer (lμ jt¶sgshe wqus¹m lgd³ %qcuqom lgd³ wakjºm)!“ (Mt 10,9). Man kçnnte das als Abmilderung der strengen Aussendungs- und Ausrstungsregeln betrachten. Alle drfen Geld auf die Reise mitnehmen, aber drfen auf ihr nicht Geld erwerben. Aber gleichzeitig kçnnte darin eine Polemik stecken. Wer finanzierte denn im Urchristentum seine Missionsreisen durch Erwerbsarbeit? Das taten nur Barnabas und Paulus – also die beiden prominentesten Vertreter der kurz zuvor kritisierten Heidenmission! Paulus ist sich dessen sehr bewusst, dass ihn das von den anderen Aposteln unterscheidet (1Kor 9,6). In Mt 10,9 wird daher wahrscheinlich die von ihnen vertretene Missionsmethode kritisiert. jt²olai kann Erwerben durch Geld (Apg 1,18; 8,10; 22,28) und Erwerben von Geld (Xenophon, Memorabilia I,6,3) bedeuten. Der Akzent liegt darauf, dass etwas legal in den Besitz eines Menschen bergeht, nicht unbedingt darauf, ob das durch Kauf oder Arbeit geschieht. Die „Honorierung“ der Verkndigung und Heilttigkeit der Apostel lsst sich mit der

Kritik an Paulus im Matthusevangelium?

477

„Honorierung“ des Sokrates vergleichen. ber Sokrates heißt es nmlich bei Xenophon: „Und Geld nimmst du schon gar nicht (oq kalb²meir), dessen Erwerb doch Freude macht (û ja· jtyl´mour eqvqa¸mei) und dessen Besitz ein freieres und angenehmeres Leben zu fhren gestattet (ja· jejtgl´mour 1keuheqi¾teqºm te ja· Fdiom poie? f/m).“ (Xenophon, Memorabilia I,6,3). So wie Sokrates umsonst seine Lehre anbietet, gilt auch fr das Lehren und Heilen bei Matthus: „Umsonst habt ihr’s empfangen (1k²bete), umsonst gebt es auch!“ (Mt 10,8). Matthus wrde dann verbieten, dass die Jnger fr ihre Heilungen Geldspenden annehmen (kalb²meim) und sich dadurch (allmhlich) einen kleinen Besitz „erwerben“ (lμ jt¶sgshe). Man beachte wie bei Xenophon den Wechsel des Verbs von kalb²meim zu jt÷shai. Mt verheißt den Jngern, dass sie statt Geld Naturalien als „Lohn“ erhalten. Denn „der Arbeiter ist seine Speise wert“ (Mt 10,10). Letzteres wre freilich ein Unterschied zu Sokrates, der wie Paulus sein Brot durch sein Handwerk verdiente. Zwei Fragen sind fr das Verstndnis der matthischen Ausendungsregel zu unterscheiden: Wird verboten, whrend der Reise Geld anzunehmen oder als Ausrstung schon bei Antritt der Reise mitzunehmen? Geschieht der Erwerb von Geld durch Annahme von Spenden oder durch Eigenarbeit – sei es vor oder whrend der Reise? Viele Exegeten denken an Gelderwerb whrend der Reise.33 Dafr kann man anfhren: Matthus beginnt anders als Mk 6,8 und Lk 10,4 (=Q) mit einem Auftrag zur Verkndigung und zum Heilen (Mt 10,7 – 8), erst danach folgen die Ausrstungsregeln mit dem Verbot des Gelderwerbs (Mt 10,9 f ). Mçglich ist aber auch ein Erwerb von Geld vor der Missionsreise – so wie man sich vor der Reise Vorratstasche, Hemd, Schuhe und Wanderstab besorgen muss.34 Die unmittelbar folgende Aussage ber die Ausrstung der Apostel sprche dafr, dass solch ein vorhergehendes Beschaffen von Geld – sei es durch Spenden der Heimatgemeinden, sei es durch Erwerbsarbeit der Apostel – ausgeschlossen werden soll. Die Formulierung im Matthusevangelium umfasst m. E. beides. Sie verbietet sowohl Gelderwerb als vorhergehende Reiseausrstung als auch Gelderwerb als Lebensunterhalt whrend der Reise.

33 So Davies, Allison, The Gospel According to St Matthew, 172, und Luz, Das Evangelium nach Matthus (I/2), 95. 34 Wiefel, Das Evangelium nach Matthus, 191, bersetzt: „Erwerbt euch kein Geld, auch nicht Silber […]!“, und deutet das als „Verbot der Mitnahme von Mnzen“ (193).

478

Gerd Theißen

Wie man die Ausrstungsregeln des Matthusevangeliums im syrischen Urchristentum interpretierte, kçnnen wir anhand der Didache erkennen, da diese das Matthusevangelium als ihr Evangelium betrachtet und sich fr ihre Regeln im Umgang mit Aposteln und Propheten explizit auf das „Gebot des Evangeliums“ beruft (Didache 11,3). Danach gibt es zwei Mçglichkeiten: Apostel und Propheten drfen auf keinen Fall whrend ihrer Reise Geld erwerben. Das wird in Did 11,12 zum Kriterium fr das Erkennen von Pseudopropheten: „Wer aber im Geist sagt: Gib mir Geld oder etwas anderes, auf den sollt ihr nicht hçren! Wenn er jedoch fr einen anderen zu geben anordnet, soll ihn keiner richten!“ Daneben gibt es eine zweite Mçglichkeit, die mit dem Apostelstatus unvereinbar ist: Wenn sich ein vorbeikommender Christ lngere Zeit niederlassen will, so soll er arbeiten, um fr sich zu sorgen (Did 12,2 – 5), d. h. er soll einer Erwerbsarbeit nachgehen. Apostel und Propheten drfen ohnehin nicht lnger als ein bis zwei Tage an einem Ort bleiben. Paulus wrde unter diese zweite Regel fallen: Er hat, wie er selbst bezeugt (1Thess 2,9; 1Kor 4,12), whrend seiner Missionsreisen „Geld“ durch eigene Arbeit erworben und musste dafr lngere Zeit an einem Ort bleiben. Nach dem Verstndnis des Matthusevangeliums und der Didache wre er dann kein richtiger Apostel. Die Gemeinde der Didache hat aus Mt 10 also beides herausgelesen: das Verbot von lngerer Erwerbsarbeit fr Apostel und Propheten und das Verbot von Geldspenden an sie. Apostel und Propheten sollen nur Brot fr einen Tag erhalten (Did 11,6). Genau das entspricht dem Vaterunser: „Gib uns unser Brot fr den Tag heute“ (Did 8,2). Dass Mt 10,9 fr Apostel genauso wie die Didache Erwerbsarbeit whrend der Reise ausschließen will und nicht nur Geldspenden fr Lehre und Wundertaten, passt im brigen auch zum Verbot von „Gold und Silber“ im Matthusevangelium, whrend in Mk 6,8 nur von Kupfer die Rede ist. Matthus denkt an große Betrge, wie man sie sich am ehesten durch Erwerbsarbeit (oder durch Großspenden) beschaffen kann. Die Aussendungsrede des Matthusevangeliums ist bewusst so formuliert, dass sie nicht nur Geldspenden whrend der Reise als Lohn fr die Apostel ausschließt, sondern darber hinaus auch Gelderwerb durch eigene Arbeit vor und whrend der Reise. Das Matthusevangelium wurde schon frh so verstanden, wie die Didache zeigt. Wer Geld aufgrund seiner charismatischen Fhigkeiten auf seinen Reisen erwirbt, ist so wenig ein Apostel wie der, der sich in einer Gemeinde fr mehr als zwei Tage niederlsst, um Geld zu erwerben. Die Vertreter der vorher kritisierten Heidenmission wie Barnabas und Paulus taten genau das. Gegen sie wird deswegen indirekt in Mt 10,9 polemisiert. Das ist um so wahrscheinlicher, als Paulus wegen seiner

Kritik an Paulus im Matthusevangelium?

479

Erwerbsarbeit tatschlich von judenchristlicher Seite kritisiert worden ist. In Korinth tritt er dieser Kritik mit der Frage entgegen: Bin ich denn kein Apostel, weil ich wie Barnabas mit eigenen Hnden fr meinen Unterhalt sorge? Sein Apostolat begrndet er ausschließlich in seiner Ostererscheinung und seinem Missionsauftrag (1Kor 9,1ff ). Der Streit steigert sich in Korinth nach dem Eintreffen neuer Missionare im 2. Korintherbrief. Sarkastisch fragt Paulus dort die Korinther, ob er etwa gesndigt habe, als er ihnen das Evangelium unentgeltlich verkndigt hat: „Andere Gemeinden habe ich beraubt und Geld von ihnen genommen, um euch dienen zu kçnnen“ (2Kor 11,8). Die Abnderung der Aussendungsrede im Matthusevangelium kçnnte ein Echo auf den Streit um die Missionsmethode des Barnabas und Paulus sein, die durch Erwerbsarbeit ihre Mission finanzierten. Wohlgemerkt: Die Aussendungsrede kritisiert nicht direkt Paulus, wohl aber jenen Typus von Missionar, der von ihm und Barnabas vertreten wurde. Es handelt sich um eine figurative Polemik, bei dem Hçrer und Leser selbst das an die Apostel gerichtete Verbot des Gelderwerbs auf Paulus und Barnabas und vergleichbare Missionare anwenden mussten.

3. Polemik gegen einen feindseligen Menschen (Mt 13,25) In der Gleichnisrede begegnet im Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen ein feindseliger Mensch (Mt 13,24 ff.36 – 43). Er streut Unkraut unter den Weizen. In den Pseudoklementinen wird dieser „feindselige Mensch“ mit Paulus identifiziert. Petrus schreibt dort: „Haben doch einige von den Heiden meine gesetzliche Verkndigung verworfen und eine gesetzlose und unsinnige Lehre des feindlichen Menschen (b %mhqypor 1whqºr) vorgezogen. Und zwar haben einige noch zu meinen Lebzeiten versucht, durch mancherlei Deutungen meine Worte zu verdrehen, als ob ich die Auflçsung des Gesetzes lehrte und, obwohl ich dieser Ansicht sei, dies nicht freimtig ußere. Aber das sei ferne!“ (Epistula Petri 2,3 – 4). Dass man in der Wirkungsgeschichte des Gleichnisses vom Unkraut unter dem Weizen beim „feindseligen Menschen“ an Paulus gedacht hat, sagt aber nichts ber den ursprnglichen Textsinn. Wird doch dieser feindselige Mensch in der Auslegung des Gleichnisses mit dem Teufel identifiziert (Mt 13,39). Deswegen wollen manche eine Deutung auf Paulus von vornherein ausschließen.35 Paulus kçnne nicht mit dem Satan identifiziert werden. Aber das ist nicht unbedingt notwendig. Paulus bzw. seine Lehre kçnnten auch zu den 35 Holtzmann, Neutestamentliche Theologie, Band 1, 432.

480

Gerd Theißen

bçsen Samenkçrnern gehçren, die der Satan gest hat. Dem Satan stehen in der Auslegung des Gleichnisses die Engel gegenber, welche die gute Saat, d. h. die guten Menschen, „gest“ haben. Es bleibt vielleicht bewusst in der Schwebe, ob der Teufel selbst in dem feindlichen Menschen vorbergehend erscheint oder durch ihn hindurch wirkt, ohne mit ihm identisch zu sein – oder ob er mit dem feindlichen Menschen identisch ist, der andere Menschen zur Verbreitung seines Samens nutzt. Grundstzlich ist eine Verteufelung von Gegnern im Urchristentum mçglich. Paulus polemisiert gegen seine judenchristlichen Gegner im 2 Kor mit den Worten: „Denn solche sind falsche Apostel, betrgerische Arbeiter und verstellen sich als Apostel Christi. Und das ist auch kein Wunder; denn er selbst, der Satan, verstellt sich als Engel des Lichts. Darum ist es nichts Großes, wenn sich auch seine Diener verstellen als Diener der Gerechtigkeit; deren Ende wird sein nach ihren Werken“ (2Kor 11,14). Die Gegner sind Diener des Satans, nicht der Satan selbst. Aber sie verstellen sich, wie er es tut. Und es ist nur ein kleiner Schritt bis dahin zu behaupten, in ihnen erschiene der Satan in verkleideter Gestalt. Zurck zu unserem Gleichnis: Falls das Unkraut unter dem Weizen das paulinische Christentum meint, wre Paulus eines der Samenkçrner, die der Teufel ausgestreut hat. Seine Gemeinden wuchern als Unkraut unter dem Weizen. Hinter der Ausbreitung seiner Lehre steht der Satan. Das Matthusevangelium sagt nun: Solche Menschen wie Paulus und seine Anhnger muss man zwar in der Gemeinde tolerieren, das letzte Urteil ber sie soll man Gott anvertrauen!36 Es bliebe aber ein Widerspruch zu Mt 5,19: Paulus erhlt nach Mt 5,19 den kleinsten Platz im Himmelreich. Aber schon in Mt 7,21 – 23 ist der Ton schrfer geworden. Nach der Gleichnisrede wren Menschen wie Paulus definitiv vom Himmelreich ausgeschlossen. Solche Widersprche sind in einer urchristlichen Schrift mçglich. Auch wenn Paulus nicht direkt mit dem Satan identifiziert, sondern ihm untergeordnet wird, ist diese Polemik maßlos. Mythologische Polemik schießt oft ber das Ziel hinaus. Und auch dazu kçnnte man ein modernes Beispiel anfhren: Wenn ein Kollege eine Verçffentlichung ber den Teufel seiner Fakultt aus „gegebenem Anlass“ (conditione data) widmet, dann steht das

36 Vorausgesetzt ist, dass man im Gleichnis und seiner Auslegung nicht nur eine Unterscheidung zwischen der Gemeinde (als dem guten Samen) und der Welt außerhalb der Gemeinde (dem bçsen Samen) sieht. Die Welt reicht vielmehr mitten in die Gemeinde hinein. Sie selbst ist ein corpus mixtum. So Luz, Das Evangelium nach Matthus (I/2), 325 und 341, fr das Gleichnis, und fr dessen Auslegung.

Kritik an Paulus im Matthusevangelium?

481

in Widerspruch zu anderen Aussagen aus demselben Munde – aber Polemik ist selten widerspruchsfrei.37

4. Polemik gegen den, der rgernis verursacht (Mt 18,6) Die Gemeinderede beginnt mit einem Schulgesprch darber, wer der Grçßte im Himmelreich ist – also mit einem Thema, das auch in der programmatischen Einleitung der Bergpredigt in Mt 5,19 eine Rolle spielt: Wenn der Leser dort eine Polemik gegen Paulus, den „Geringsten“ im Himmelreich, herausgehçrt hat, kçnnte er hier erneut assoziativ an Paulus und seine Position denken. Nach diesem Schulgesprch wird ein Wehe ber den ausgerufen, durch den rgernisse kommen (Q: Mt 18,6/Lk 17,1): „Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Bçsen verfhrt (sjamdak¸sg), fr den wre es besser, dass ein Mhlstein an seinen Hals gehngt und er ersuft wrde im Meer, wo es am tiefsten ist. Weh der Welt der Verfhrungen wegen (!p¹ t_m sjamd²kym)! Es mssen ja Verfhrungen kommen; doch weh dem Menschen, der zum Bçsen verfhrt!“Auf den ersten Blick scheint es abwegig, hier eine verdeckte Polemik gegen Paulus zu sehen? Hat er etwa „Kleinen“ Anstoß gegeben? Hat er nicht ganz im Gegenteil in seinen Briefen gerade dafr geworben, dass man dem schwachen Bruder keinen Anstoß wegen kleiner Speisegebote geben soll? Ist nicht gerade das sein Anliegen im Streit zwischen Starken und Schwachen in Korinth und in Rom? In beiden Texten begegnet das Stichwort sjamdak¸feim (1Kor 8,13) und sj²mdakom (Rçm 14,13). Aber dem syrischen Christentum hat sich ein ganz anderer Paulus eingeprgt: Im antiochenischen Konflikt vertrat Paulus eine andere Haltung als die, die er gegenber Starken und Schwachen in Korinth und Rom einnahm. In Antiochien wollte er sich nicht gegen seine inneren berzeugungen in Speisefragen um des Friedens willen an andere anpassen. Er verband Speisesitten mit einer Grundsatzfrage: Die Wahrheit des Evangeliums sei gefhrdet! Hier hat er nach seinen eigenen, erst spter formulierten Kriterien bewusst „rgernis“ und „Anstoß“ riskiert. Paulus nimmt zudem im Galater- und 1 Korintherbrief den Begriff „Skandalon“ positiv fr sich und seine Verkndigung in Anspruch. Seinen Gegnern warf er vor, dass sie das rgernis des Kreuzes aufheben wollten (Gal 5,11). Gerade fr Juden (und potentiell auch fr Judenchristen) sei das Kreuz 37 Vgl. Berger, Wozu ist der Teufel da?

482

Gerd Theißen

ein rgernis! Und dabei ist besonders pikant, dass er das Skandalon des Kreuzes in Gal 5,11 gerade gegen die ins Feld fhrt, die jdischen Gesetzesnormen wie dem Beschneidungsgebot folgen wollen. Paulus war bewusst, dass er fr Judenchristen ein rgernis, ein Skandalon, war. Ist es da nicht wahrscheinlich, dass sie ihn auch tatschlich fr ein Skandalon hielten? Daher ist denkbar, dass ein Leser des Matthusevangeliums bei der Polemik gegen den, der fr die Kleinen ein „Skandalon“ war, an Paulus dachte. Es handelt sich hierbei um eine anonyme Polemik, in der richtiger Hass zum Ausdruck kommt. Ehe man das kritisiert, sollte man freilich bedenken: Petrus wird in der Gemeinderede dazu gemahnt, unbegrenzt seinem Bruder zu vergeben. Diese Gemeinderede enthlt zwar eine unertrglich scharfe Invektive gegen diejenigen, die ein Skandalon verursachen – aber verpflichtet auch zur grenzenlosen Vergebensbereitschaft. Dieser Petrus ist aber noch in einer anderen Weise ein Gegenmodell zu dem, der ein sj²mdakom verursacht. Unmittelbar vor der Gemeinderede, also vor dem Rangstreit ber den Grçßten im Himmelreich und dem Weheruf ber den Verfhrer der Kleinen, lesen wir die Perikope von der Tempelsteuer. Petrus wird gefragt, ob sein Meister die Doppeldrachme fr den Tempel zahlt. Jesus belehrt ihn in einem geheimen Gesprch: Eigentlich seien sie frei, nicht zu zahlen. Denn Kçnige nehmen nur von Fremden Steuern, nicht aber von ihren eigenen Sçhnen. Aber um ihnen kein rgernis zu geben (Vma lμ sjamdak¸sylem aqto¼r), solle er einen Fisch angeln, in seinem Munde werde er eine Doppeldrachme finden, die er als Tempelsteuer zahlen solle. Petrus ist derjenige, der das sjamdak¸feim vermeidet und sich anpasst. Ein anonymer anderer, der gleich danach scharf angegriffen wird, aber provoziert das sj²mdakom. Wenn der antiochenische Konflikt auch nur ein wenig in Syrien und Antiochien nachgewirkt hat, dann musste man bei diesem Skandalverursacher an Paulus – oder zumindest auch an Paulus – denken!

5. Polemik gegen Phariser, die Proselyten machen (Mt 23,15) In der Phariserrede, die man als Einleitung der großen eschatologischen Rede verstehen kann, findet sich eine interessante Polemik gegen Phariser, die missionieren: „Weh euch, Schriftgelehrte und Phariser, ihr Heuchler, die ihr Land und Meer durchzieht, damit ihr einen Proselyten gewinnt; und wenn er’s geworden ist, macht ihr aus ihm ein Kind der Hçlle, doppelt so schlimm wie ihr“ (Mt 23,15). Meist wird das als Polemik gegen jdische Missionare gewertet. Das Problem ist nur: Uns ist von einer pharisischen

Kritik an Paulus im Matthusevangelium?

483

Mission nichts bekannt. Oder nur sehr wenig, wenn man jenen (wahrscheinlich pharisischen) Eleazar als einen Missionar betrachtet, der den Kçnig von Adiabene berzeugt, er msse sich beschneiden lassen (Josephus Antiquitates 20,34 – 48). Aber der Kçnig war schon vor ihm durch einen jdischen Kaufmann fr das Judentum gewonnen worden. Eine programmatische pharisische Mission lsst sich dieser Geschichte nicht entnehmen. Hinzu kommt, dass wir keine Belege fr Phariser außerhalb Palstinas haben. Auch dieser Weheruf in Mt 23,15 kçnnte ein Hieb gegen Paulus sein. Vieles trifft auf ihn zu: Erstens war er in seiner Vorzeit ein Phariser gewesen und hatte sich dessen gerhmt. In Syrien muss diese Vorzeit bekannt gewesen sein. Zweitens durchzog er Meer und Land auf seiner Mission. Drittens war er ein erfolgreicher Missionar: Er machte Heiden zu „Proselyten“. Viertens entwickelten sich die von ihm gegrndeten Gemeinden oft in einer Weise, die fr Judenchristen abstoßend war: In ihren Augen blhten dort Libertinisten, Gnostiker usw. Den Judenchristen konnten manche Heidenchristen wie „Sçhne der Hçlle“ erscheinen. Hatte Paulus nicht manchmal in seinen Gemeinden Schwierigkeiten, ein Minimum an Ethik durchzusetzen? Auch hier handelt es sich um verdeckte Polemik: Direkt getroffen werden nicht-christliche Phariser. Der Hçrer und Leser muss die Anwendung auf Paulus selbst finden. Es handelt sich um eine figurative Polemik, im Grunde um eine pseudonyme Polemik: Denn es ist irrefhrend, gegen die Gegner der Christen zu polemisieren, aber einen ihrer Missionare zu meinen. Dazu passt, dass in der dann unmittelbar folgenden eschatologischen Rede, m. E. einmal direkt auf die paulinische Verkndigung Bezug genommen wird. Schon im Markusevangelium stand in der kleinen Apokalypse, dass vor dem Weltende das Evangelium allen Vçlkern verkndigt werden msse. Der Matthus-Evangelist nimmt das auf, przisiert es aber, indem er an ein ganz bestimmtes Evangelium denkt: „Und es wird gepredigt werden dieses Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis fr alle Vçlker, und dann wird das Ende kommen“ (Mt 24.14). Mit „diesem Evangelium“ grenzt sich das Matthusevangelium gegen ein anderes Evangelium ab, das auch weltweit verkndigt wird. Das kann nur das paulinische Evangelium sein. Bei der Salbung in Bethanien spricht Matthus noch einmal von „diesem Evangelium“und auch an dieser Stelle wird betont, dass es in der ganzen Welt verkndigt wird (Mt 26,13). Dass Matthus an den beiden Stellen – und nur an diesen Stellen, wo er von der weltweiten Verkndigung des Evangeliums spricht, sein Evangelium als „dieses Evangelium der Gottesherrschaft“ von einem anderen Evangelium abhebt, lsst

484

Gerd Theißen

sich als verdeckte Polemik gegen die paulinische Heidenmission verstehen. Im Matthusevangelium weist er damit auf die vorher erwhnte weltweite Mission der Phariser zurck: Seine Mission des „Evangeliums von der Gottesherrschaft“ bringt das Heil in alle Welt, jene andere Mission aber macht jenseits des Meeres Proselyten und schafft Unheil. Vielleicht lsst der Matthus-Evangelist etwas von diesem Unheil in Mt 24,10 – 12 unter dem Stichwort !mol¸a ahnen. Er weissagt dort einen großen „Abfall“ in der Endzeit durch das Wirken falscher Propheten. Diese Warnung stand schon in seiner Quelle. Aber er fgt neu ein: „Und weil die Gesetzlosigkeit (!mol¸a) berhand nimmt, wird die Liebe bei vielen erkalten“ (Mt 24,12). Gesetzlosigkeit ist Lieblosigkeit. Das Gesetz, gegen das verstoßen wird, ist in diesem Fall das Liebesgebot. Nun begegnete der Begriff !mol¸a schon in Mt 7,23 und 13,41 – und zwar jeweils an Stellen, an denen wir Polemik gegen Paulus oder Paulusanhnger vermutet haben. Sollte auch hier an ihn gedacht sein?38 Bedeutet !mol¸a etwa „Gesetzlosigkeit“ in dem Sinne, dass die Heidenchristen die Thora nicht mehr (ganz) praktizieren? Dagegen spricht Mt 23,28, wo auch den Pharisern vorgeworfen wird, sie seien voll Heuchelei und !mol¸a. Wenn es !mol¸a auch bei Pharisern gibt, ist das kein Proprium der Heidenchristen. Die Heuchelei der Phariser meint die nur scheinbare Erfllung des Gesetzes, whrend !mol¸a den tatschlichen Gesetzesbruch meint. Derselbe Widerspruch zwischen Sein und Schein begegnet auch in Mt 7,23: Die Herr-Herr-Sager prtendieren scheinbare Frçmmigkeit, verwirklichen sie aber nicht. In 13,41 gehçren die, die !mol¸a tun, scheinbar zur Gemeinde. Erst der Weltenrichter identifiziert sie als Unkraut unter dem Weizen. !mol¸a meint also meist eine nur scheinbare Erfllung des Gesetzes, nicht aber den offenkundigen Gesetzesbruch. Das aber ist eine gemeinsame Klammer fr Heidenchristen und Phariser. Insofern kçnnte in der Polemik gegen die, die !mol¸a tun, auch eine Spitze gegen Paulus und das paulinische Heidenchristentum stecken – obwohl die Phariser unter demselben Defizit leiden.

38 Sim, Matthew and Christian Judaism, 204, denkt bei den „Ttern der Gesetzlosigkeit“ an Mitglieder der gesetzesfreien paulinischen Heidenchristentums. Fr ein allgemeineres Verstndnis pldieren Sand, Die Polemik gegen ,Gesetzlosigkeit’ im Evangelium nach Matthus und bei Paulus, sowie Davison, Anomia and the Question of an Antinomian Polemic in Matthew.

Kritik an Paulus im Matthusevangelium?

485

* Fassen wir zusammen. Wir haben in allen fnf großen Reden des Matthusevangeliums eine verdeckte Polemik gegen Paulus gefunden: in der Bergpredigt eine anonyme Polemik gegen einen ungenannten Gesetzeslehre (Mt 5,19), in der Aussendungsrede eine figurative Polemik, welche die Apostel vor Gelderwerb warnt, aber auf Heidenmissionare bertragen werden soll (Mt 10,9), in der Gleichnisrede eine mythologische Polemik, die den Satan aktiviert, um ihn hinter der Ttigkeit des Paulus zu sehen, in der Phariser- und Endzeitrede pseudonyme Polemik, wenn man unter einem „Pseudonym“ auch unzutreffende Gruppenbezeichnungen versteht: Die Polemik gegen missionierende Phariser soll indirekt Paulus treffen (Mt 23,15). Gewiss wird Paulus nirgendwo namentlich erwhnt. Es ist daher verstndlich, dass viele Leser und Exegeten die Bezugnahmen auf Paulus berlesen und berhçren. Aber nehmen wir eine Analogie: Lukas kennt nachweislich Paulus. Er bewundert ihn und erzhlt in der Apg viel von ihm – und doch finden wir in seinem Evangelium keinen einzigen Hinweis auf ihn. Wer denkt beim Gleichnis vom Zçllner und Phariser daran, dass die paulinische Rechtfertigungslehre anklingen kçnnte, wenn der Zçllner „gerechtfertigt“ in sein Haus geht (Lk 18,14)? Und dennoch ist das wahrscheinlich ein Echo der paulinischen Rechtfertigungslehre. Ganz versteckte Hinweise weisen im Lukasevangelium sicher auf Paulus. Die kleinen „Stiche“ und groben „Schlge“ gegen Paulus im Matthusevangelium sprechen eine sehr viel deutlichere Sprache. Ein kurzer berblick ber die literarische „Schicht“, in der sich diese Stiche und Hiebe finden, zeigt: Der Matthus-Evangelist hat dabei ganz gewiss traditionelle Worte aufgegriffen, aber immer gibt es Hinweise auf eine redaktionelle Gestaltung durch Komposition der einzelnen Worte im Kontext (in der folgenden Tabelle angezeigt durch ein +) und bzw. oder durch redaktionelle Abwandlung der Worte (im Folgenden angezeigt durch *): Logienquelle Matthisches Matthische Sondergut Redaktion MtS 5,19

+ MtS 5,17 Die Komposition der drei Logien Mt 5,17, 18 und 19 ist mt Redaktionsarbeit. Zwei der Worte sind mt Sondergut.

486

Gerd Theißen

Logienquelle Matthisches Matthische Sondergut Redaktion + MtS 10,5

* Mt 10,9

Mt hat die Ausrstungsregel redaktionell bearbeitet und sie mit einer Sondergutberlieferung ber die Samarien- und Heidenmission verbunden.

MtS 13,25

Mtr 13,39

Die allegorische Auslegung wurde wahrscheinlich durch den MtEvangelisten redaktionell hinzugefgt.

Q: Mt 18,6/ + MtS Lk 17,2 17,24 – 27

MtS 23,15

Mt hat eine Q-berlieferung redaktionell mit einer Sondergutberlieferung kombiniert. + * Mt 24,14

Eine Sondergutberlieferung ber die weltweite Mission der Phariser wird durch mt Komposition zum Kontrast zu einer anderen weltweiten Mission.

Wir kçnnen davon ausgehen: Die verdeckte Polemik gegen Paulus wurde durch den Matthus-Evangelisten selbst redaktionell unter Verwendung von Traditionen gestaltet. Sie war nicht einfach im Traditionsgut enthalten. Sie entspricht einer bewussten Intention des Evangelisten. Um so mehr muss man sich natrlich fragen: Warum hat man sie Jahrhunderte lang berhçrt? Spricht es nicht gegen die hier vorgetragene These, dass sie nur akribisch mit viel Kombinationskunst erschlossen wurde? Wir sind eine plausible Erklrung dafr schuldig, warum sie so unwirksam geblieben ist. Die Antwort ist einfach: Seitdem das Matthusevangelium und die Paulusbriefe nebeneinander im Kanon vereint waren und beide gleichwertige Bestandteile des Kanons geworden waren, las der Leser diese Schriften harmonisierend. Ein grundstzlicher Widerspruch zwischen ihnen war nicht vorstellbar, Polemik des einen Autors gegen den anderen noch weniger. Dort, wo man aber eine Polemik akzeptierte, durfte sie sich in der Regel nicht gegen Paulus direkt richten, sondern nur gegen einen missverstandenen Paulus oder gegen libertinistische Anhnger von ihm, die mit Paulus nicht identisch waren. So wurde jeder Konflikt zwischen zwei kanonischen Autoren vermieden: Matthus selbst und der recht verstandene

Kritik an Paulus im Matthusevangelium?

487

Paulus drfen sich weder sachlich widersprechen noch gegeneinander polemisieren. Ein Historiker begngt sich freilich nicht damit, etwas in der Geschichte nachzuweisen; er muss es aus seinem geschichtlichen Kontext heraus erklren. Abschließend ist daher nach den geschichtlichen Mçglichkeitsbedingungen fr solch eine Polemik im Matthusevangelium zu fragen. Die geschichtlichen Voraussetzungen fr eine Polemik des Matthusevangeliums gegen Paulus sind, dass der Matthus-Evangelist etwas von Paulus wissen konnte. Das aber ist sehr wahrscheinlich, auch wenn man dem Matthus-Evangelisten nicht unbedingt die Kenntnis der paulinischen Briefe zuschreiben muss.39 ber die großen Gestalten der frhen Christentumsgeschichte kursierten auch mndliche berlieferungen. Dafr, dass das Matthusevangelium Paulustraditionen in der einen oder anderen Weise kannte, sprechen drei Beobachtungen und Argumente. Eine erste Beobachtung betrifft das geographische Wirkungsgebiet des frhen Paulus: Paulus war von ca. 35 n. Chr. bis zum antiochenischen Konflikt etwa 14 Jahre lang Missionar der Gemeinde in Antiochien, der Hauptstadt Syriens.40 Das Matthusevangelium wurde in dem Gebiet geschrieben, in dem Paulus 50 Jahre vorher gewirkt hat. Den syrischen Gemeinden muss er sich als Missionar eingeprgt haben – ganz unabhngig davon, ob seine Briefe Ende des 1. Jahrhunderts dort bekannt waren oder nicht. Ein zweites Argument ist die inhaltliche Konkurrenz von Paulus und Matthus: Das Matthusevangelium schildert den Weg von der partikularen Israelmission (zu Lebzeiten Jesu) zur universalen Heidenmission (nach seinem Tod). Es fhrt diese Heidenmission aber nicht auf Paulus zurck, sondern auf den Missionsbefehl des Auferstandenen an die elf Jnger.41 39 Sim, Matthew and the Pauline Corpus. A Preliminary Intertextual Study (unpubliziertes Manuskript), zeigt die Mçglichkeit auf, dass der Mt-Evangelist Paulusbriefe gekannt haben kçnnte. 40 Paulus selbst spricht von seiner Mission in Syrien und Kilikien in Gal 1,21, von der wir sonst wenig wissen. 41 Weiß, Das Urchristentum, 585, sagt mit Recht: „Wenn 28,19 die Zwçlf an alle Heiden gesandt werden, so ist diese vçllige Ignorierung des Paulus (sc. im Matthusevangelium) schwer vorstellbar, sobald das Evangelium in seinem eigensten Missionsgebiet entstanden wre“. Sim, Matthew, Paul and the origin and nature of the gentile mission: The great commisssion in Matthew 28:16 – 20 as an antiPauline tradition, 377 – 392, sieht im bergehen des Paulus eine antipaulinische Polemik. – Mt 22,1 – 14 lsst erkennen, dass der Durchbruch zur Heidenmission in den Gemeinden des Matthusevangelium erst nach der Zerstçrung Jerusalems im Jahre 70 n. Chr. erfolgt ist. Denn im Gleichnis vom großen Hochzeitsmahl werden

488

Gerd Theißen

Wenn sich eine syrische Gemeinde zur Heidenmission durchringt, ist es wahrscheinlich, dass sie sich mit dem grçßten Heidenmissionar ihrer Geschichte, mit Paulus, auseinandersetzt. Schließlich ist Polemik gegen Paulus im Judenchristentum von Anfang an bezeugt. Paulus selbst ist Zeuge dafr, dass er von Judenchristen geschmht und bekmpft wurde. Der Jakobusbrief polemisiert anonym gegen seine Rechtfertigungslehre (Jak 2,18 – 24). Die Kirchenvter berichten, dass die Judenchristen Paulus fr einen Apostaten vom Gesetz hielten (Irenus, Adversus Haereses I,26,2),42 Die Anabathmoi des Jakobou (Epiphanius, Liber de Haeresibus 30,16,6 – 9) machen ihm den Vorwurf, er sei kein Jude, sondern stamme von griechischen Eltern ab. Um die Tochter eines (Hohen?)Priesters heiraten zu kçnnen, habe er sich beschneiden lassen und sei dann, als sein Werben erfolglos war, zu einem Gegner der Beschneidung, des Sabbats und des Gesetzes geworden. Die Pseudo-Klementinen belegen die Nachwirkung einer vehementen antipaulinischen Kritik im Judenchristentum. Sie enthalten eine schroffe pseudonyme Polemik an Paulus, indem sie dem Erzketzer Simon Magus seine Zge verleihen. Die verdeckte Polemik des Matthusevangeliums gegen Paulus ordnet sich also geschichtlich gut in den Kontext des Judenchristentums ein. Literarisch ist sie mçglich. Die Frage ist nur: Ist sie an den fnf genannten Stellen deutlich genug, um vom Leser erkannt zu werden? M.E. ist sie auf jeden Fall deutlich genug, um die These einer verdeckten Polemik gegen Paulus im Matthusevangelium erneut zur Diskussion zu stellen.

Literatur Barth, G., Das Gesetzesverstndnis des Evangelisten Matthus, in: Bornkamm, G., Barth, G,. Held, H.J., berlieferung und Auslegung im Matthusevangelium (WMANT 1), Neukirchen 1960, 54 – 154. Berger, K., Wozu ist der Teufel da?, Stuttgart 1998. Betz, H.D., Die hermeneutischen Prinzipien in der Bergpredigt (Mt. 5:17 – 20), in: ders., Synoptische Studien. Gesammelte Aufstze, Band 2, Tbingen 1992, 111 – 126. Betz, H.D., The Sermon on the Mount, Minneapolis 1995. Brandon, S.G.F., The Fall of Jerusalem and the Christian Church, London 19572. die Menschen auf den Straßen und an den Zunen erst in einem zweiten „Anlauf“ eingeladen, nachdem die ersten Gste abgesagt haben und ihre Stadt zerstçrt worden ist. 42 Vgl. Epiphanius, Liber de Haeresibus 30,16,8; 30,25,1; Origenes, contra Celsum V,65; Homiliae in Jer 20,1 – 7.

Kritik an Paulus im Matthusevangelium?

489

Bultmann, R., Theologie des Neuen Testaments, Tbingen 19614. Davies, D.W., Allison, D.C., The Gospel According to St Matthew, Edinburgh 1991. Davison, J.E., Anomia and the Question of an Antinomian Polemic in Matthew, in: JBL 104 (1985), 617 – 635. Friedrich, G., Art. d¼malir, in: EWNT 1 (1980), 860 – 867. Heinrici, C.F.G., Der erste Brief an die Korinther (KEK 5), Gçttingen 18868. Heublt, C., Mt 5,17 – 20 – ein Beitrag zur Theologie des Evangelisten Matthus, in: ZNW 71 (1980), 143 – 149. Hilgenfeld, A., Die Evangelien nach ihrer Entstehung und geschichtlichen Bedeutung, Leipzig 1854. Holtzmann, H.J., Neutestamentliche Theologie. Band 1, Freiburg/Tbingen 1897. Klostermann, E., Das Matthusevangelium (HNT 4), Tbingen 19714. Kçstlin, K.R., Der Ursprung und die Komposition der synoptischen Evangelien, Stuttgart 1853. Lampe, P., Theological Wisdom and the „Word About the Cross“: The Rhetorical Scheme in I Corinthians 1 – 4, in: Interpretation 44 (1990), 117 – 131. Lindemann, A., Paulus im ltesten Christentum. Das Bild des Apostels und die Rezeption der paulinischen Theologie in der frhchristlichen Literatur bis Marcion (BHTh 58), Tbingen 1979. Ldemann, G., Paulus der Heidenapostel. Band 2: Antipaulinismus im frhen Christentum (FRLANT 130), Gçttingen 1983. Luz, U., Das Evangelium nach Matthus (EKK I,1), Zrich/Neukirchen-Vluyn 20022. Luz, U., Das Evangelium nach Matthus (EKK I,2), Zrich/Neukirchen-Vluyn 1990. Manson, T.W., The Sayings of Jesus, London 19492. Montefiore, C.G., The Synoptic Gospels, London 1927. Pfleiderer, O., Das Urchristentum. Band 1, Berlin 19022. Sand, A., Die Polemik gegen ,Gesetzlosigkeit’ im Evangelium nach Matthus und bei Paulus, in: BZ 14 (1970), 112 – 125. Sim, D.C., Matthew and the Pauline Corpus: A preliminary intertextual study, JSNT 31 (2009), 401 – 422. Sim, D.C., Matthew, Paul and the origin and nature of the gentile mission: The great commission in Matthew 28:16 – 20 as an anti-Pauline tradition, in: HTS 64 (2008), 377 – 392. Sim, D.C., Matthew’s anti-Paulinism: A neglected feature of Matthean studies, in: HTS 58 (2002), 767 – 738. Sim, D.C., Paul and Matthew on the Torah: Theory and Practice, in: P. Middletwon, A. Paddison, K. Wenell (eds.), Paul, Grace and Freedom. FS J.K.Riches, London 2009, 50 – 64. Sim, D.C., The Gospel of Matthew and Christian Judaism: the historical and social setting of the Matthean community, Edinburgh 1998. Stauffer, H., Art. Polemik, in: Historisches Wçrterbuch der Rhetorik 6 (2003), 1403 – 1415.

490

Gerd Theißen

Theißen, G., Die Entstehung des Neuen Testaments als literaturgeschichtliches Problem, Heidelberg 2007. Theißen, G., Kirche oder Sekte? ber Einheit und Konflikt im frhen Urchristentum, in: ThG 48 (2005), 162 – 175. Weiss, B., Das Matthus-Evangelium (KEK), Gçttingen 18908. Wiefel, W., Das Evangelium nach Matthus (ThHK 1), Leipzig 1998.

Polemical Strategies in the Gospel of Matthew David C. Sim 1. Introduction There is no denying the polemical nature of Matthew’s Gospel. The evangelist’s pronounced tendency to polemicise runs right throughout his narrative, and can be considered one of its most dominant features. A striking aspect of Matthew’s polemic is that it is directed not simply at one group. The evangelist has a number of distinct parties in his polemical sights, and he wastes no opportunity to criticise and condemn those groups or entities that do not measure up to his standards. It is, however, important to note that Matthew’s polemic is not mono-dimensional. Its nature and intensity differs from group to group, and runs the full spectrum from the nasty and vindictive to the tempered and measured. The manner in which the evangelist nuances and modifies his polemical material according to the particular group he is criticising demonstrates a high level of care and sophistication. In this study I will explore the general contours of Matthew’s polemical strategies, and address a number of pertinent questions. Against which groups does the evangelist polemicise? What methods of attack does he employ, and what is the level of intensity in each case? How can we best explain the differences in Matthew’s polemical discourse? Why, for example, is he more severe on some groups and more lenient on others? In response to these questions, the following answers will be provided. Matthew polemicises against four distinct groups – the scribes and Pharisees, false Christians, the Roman Empire and the Gentiles. His most severe polemic is reserved for the scribes and Pharisees, not simply because he opposes them at the ideological level but also because his small Christian group was undergoing persecution at the hands of these opponents. Those deemed to be false followers of Christ, Christians who have a relaxed attitude to the Mosaic Law, are also targeted by the evangelist. In this case there is no direct threat to Matthew’s group, so his critique of these Christians is not as constant as his criticism of the scribes and Phar-

492

David C. Sim

isees. But the evangelist nonetheless is completely opposed ideologically to these false Christians, and polemicises against them for failing to follow one of the fundamental aspects of Jesus’ teaching. In the case of the Roman Empire, there is no evidence that the Romans posed any immediate problems for Matthew’s community. However, Matthew holds the typical Jewish view, which was exacerbated after the Jewish war of 66 – 70, that Rome was fundamentally an evil entity which opposed the purposes of God in the world. His critique of Rome is presented obliquely rather than clearly, because a direct and open condemnation of the Empire may have resulted in unwanted and dangerous Roman attention. The most mild of the evangelist’s polemical language is directed towards the Gentile world. Although there is some evidence that Matthew’s community had previously suffered violence at the hands of local Gentiles, they appear not to have posed any substantial threat at the time the Gospel was written. His criticism of the Gentile world can be largely explained on the basis of the common Jewish antipathy towards the godless and idolatrous Gentiles. There are two good measures of the depth of Matthew’s polemical attacks. One of these concerns the figure of Satan in the context of his polemical strategies. Where the group in question is linked with Satan, Matthew emphasises their inherently wicked nature, which justifies in turn his severe critique of them. The scribes and Pharisees, lawless Christians and the Roman Empire are all tarred with the same Satanic brush, while the broader Gentile world is not. The second indicator is the eschatological fate of these groups. The evangelist highlights that false Christians as well as the scribes and Pharisees will be punished in the eternal fires of Gehenna. He also spells out that at the end of the age the Roman Empire will be utterly destroyed, though it is only implicit that the Romans will face the punishment by everlasting fire. The same holds true of the Gentile world. We can see from this that the real targets of Matthew’s polemic are those he considered to be false Jews and false Christians. The scribes and Pharisees are condemned for not accepting the messiahship of Jesus as well as for their crimes against Matthew’s community, while false Christians are condemned for not taking seriously enough the command of Jesus to observe all parts of the Torah.

Polemical Strategies in the Gospel of Matthew

493

2. Matthew’s Polemic against the Scribes and Pharisees As is well known, Matthew’s most concerted and fiercest polemic is directed towards the scribes and Pharisees. While it is true that other groups of Jewish leaders are also presented as opponents of Jesus,1 the scribes and Pharisees emerge as the real villains of Matthew’s narrative.2 Each group can appear alone or in association with other groups,3 but they appear together as a distinct bloc throughout the text (5:20; 12:38; 15:1; 23:2, 13, 15, 23, 25, 27, 29). In the conflict stories that deal with the Torah and its correct interpretation it is always the Pharisees who act as Jesus’ major antagonists (12:1 – 8, 9 – 14; 19:3 – 9; 22:24 – 40, 41 – 46), although in 15:1 – 20 they are linked with the scribes. On a number of occasions the evangelist has introduced both the Pharisees and the note of conflict into these traditions (22:34 – 40; 41 – 46; cf. 12:39 – 42).4 Matthew’s polemical material pertaining to the scribes and Pharisees is distributed throughout the whole narrative, but it reaches it climax in the highly charged polemic of Chapter 23.5 The evangelist’s depiction of these groups can be summarised in the following manner.6 The scribes and Pharisees are offended by the teaching of Jesus (15:12), they think evil of him (9:4), they charge him with blasphemy (9:3) and demon-possession (9:34; 12:24), they attack him for breaking the Torah (12:2; cf. 15:1 – 2) and for eating with sinners (9:11), they test him (19:3; 22:15 – 16, 34 – 35) and they plot to kill him (12:14). In response to this treatment by these opponents, the Matthean Jesus denounces the scribes and Pharisees in the harshest of terms. They are hypocrites (15:7; 22:18; 23:13, 15, 23, 25, 27 – 29; cf. 6:2, 5; 16; 23:3), blind men (15:14; 23:16, 17, 19, 24, 26), children of Gehen1 2 3

4 5 6

Tilborg, The Jewish Leaders in Matthew, 1 – 6. Cf. too Kingsbury, ‘The Developing Conflict between Jesus and the Jewish Leaders in Matthew’s Gospel’, 57 – 73. Overman, Matthew’s Gospel and Formative Judaism, 142. The scribes alone find reference in 7:29; 9:3; 17:10, while the Pharisees alone are mentioned in 9:11, 14, 34; 12:2, 14, 24; 15:12; 19:3; 22:15, 34, 41. The scribes are linked with the high priests in 2:4; 20:18 and 21:15, and the Pharisees with the Sadducees in 3:7; 16:1, 6, 11, 12 and with the high priests in 21:45 and 27:62. Overman, Matthew’s Gospel and Formative Judaism, 78 – 86. For a more thorough analysis of these passages, see Repschinski, The Controversy Stories in the Gospel of Matthew. On this chapter, see Saldarini, Delegitimation of Leaders in Matthew 23. See Sim, The Gospel of Matthew and Christian Judaism,119 – 20.

494

David C. Sim

na (23: 15) and a brood of vipers (3:7; 12:34; 23:33). Moreover, they fail to practise what they preach (23:3, 27 – 29), they place intolerable burdens on others (23:4), they solicit admiration (23:5 – 7), they place their own tradition before the will of God (15:2 – 3; 23:15 – 26), they lack the appropriate level of righteousness (5:20), and are even guilty of murder (23:29 – 36; cf. 22:6). In abusing their leadership roles, they lead the people astray (15:14), prevent them from entering the kingdom of heaven (23:13), and so make them twice as much a child of Gehenna as they are (23:15). Both the scribes (9:4) and the Pharisees (12:34; 22:18) are described as being evil (pomgqºr/pomgq¸a), which marks them as followers of Satan, the evil one (b pomgqºr ; cf. 5:37; 6:13; 13:19, 38).7 Because they are inherently wicked and closely associated with Satan, they are the appropriate leaders of ‘this evil generation’ (12:38 – 42; 16:1 – 4) and to a large extent are responsible for it. As part of his tirade against the scribes and the Pharisees, Matthew spells out that they face eschatological punishments for their crimes. In 12:24 the Pharisees charge Jesus with being in league with Satan. Since Jesus is imbued with the Spirit of God (12:28; cf. 3:16 – 17), their false accusation constitutes a blasphemy against the Spirit, and such a sin can never be forgiven either in this age or the age to come (12:31 – 32). At the judgement they will be duly condemned by the men of Ninevah and the queen of the south (12:41 – 42), and their ultimate fate lies in the eternal fires of Gehenna. They can be called ‘sons of Gehenna’ because they will not escape the judgement of Gehenna (23:33). In 3:7 – 12 the Pharisees (and the Sadducees) are singled out as deserving the wrath to come. The one who comes after John will have a winnowing fork to clear his threshing floor and the wicked will be burnt with unquenchable fire. It is clear from the above that Matthew’s polemic against the scribes and Pharisees is both extreme and vindictive. These groups are charged with a multitude of crimes against Jesus and the Jewish community at large. They stand with Satan and oppose the will of God, and they will be punished for their sins in a most vengeful and terrible manner. How are we to explain this dominant Matthean theme? At one time it was argued that such harsh and exaggerated polemic indicates the great distance between Matthew’s Christian group and the local Jewish popu7

Tilborg, The Jewish Leaders in Matthew, 45, and Sim, Apocalyptic Eschatology in the Gospel of Matthew, 76 – 77.

Polemical Strategies in the Gospel of Matthew

495

lation,8 but such a view has fallen from favour. It is now well understood on the basis of social-scientific studies that intense polemical and stereotypical language such as we find in Matthew does not reflect the distance between the two opposing parties. Rather, it reflects both physical and ideological proximity between the disputants, since its very purpose is to distance one group from the other. A general sociological rule of thumb is that the closer the relationship between the dissenting parties, the more intense the conflict and the sharper the resultant polemic.9 The extreme type of polemic witnessed in the evangelist’s tirade against the scribes and Pharisees finds many parallels in the Jewish sectarian literature of the day.10 In trying to identify the historical reality underlying Matthew’s intense polemic, it is generally acknowledged that the evangelist’s home community was engaged in a bitter struggle with the leaders of Formative Judaism in the period following the disastrous Jewish revolt of 66 – 70. The term ‘Formative Judaism’ refers to the tradition of the Pharisees and other groups as they sought to re-organise and consolidate the religion of Judaism following the destruction of Jerusalem and its temple and the other catastrophic effects of the war.11 In accord with the pre-conflict tradition of the Pharisees, the major focus of Formative Judaism was on the Torah and its correct application in everyday life. An important aspect of this emphasis was the tradition of the elders (or the fathers), 8 The distance could be physical or chronological. The first view is proposed by Tilborg, The Jewish Leaders in Matthew, 171, who suggests that Matthew’s community lived well away from any Jewish groups. The alternative view, that the Matthean community experienced problems with the Jewish population in the past but not at the time the Gospel was written, is proffered by Hare, The Theme of Jewish Persecution of Christians in the Gospel according to St. Matthew, 126 – 27, and Garland, The Intention of Matthew 23, 45. 9 See Coser, The Functions of Social Conflict, 67 – 72. The relevance of the work of Coser and other sociologists for the understanding of Matthew’s anti-Pharisaic polemic is emphasised by Overman, Matthew’s Gospel and Formative Judaism, 146 – 47; Repschinski, The Controversy Stories in the Gospel of Matthew, 53 – 54, Stanton, A Gospel for a New People, 98 – 99, and Saldarini, Matthew’s Christian-Jewish Community, 87 – 90. 10 Overman, Matthew’s Gospel and Formative Judaism, 19 – 23, 141 – 47. Cf. too Stanton, A Gospel for a New People, 85 – 107. 11 The term ‘Formative Judaism’ was coined by J. Neusner, whose seminal work in this area covers a multitude of publications. For a concise summary of his reconstruction of this Jewish tradition, see Neusner, ‘The Formation of Rabbinic Judaism: Yavneh from A.D. 70 – 100’. See too Overman, Matthew’s Gospel and Formative Judaism, 35 – 71.

496

David C. Sim

an oral tradition that had developed over the centuries comprising interpretations of the Biblical commandments by Pharisaic sages as well as peculiarly Pharisaic rules that had no obvious basis in the scriptures. This process of reconstruction and consolidation that we call Formative Judaism took many centuries to achieve its ultimate goal and exercise total control over the widespread Jewish communities. In the time of Matthew towards the end of the first century, it was in its very early stages of development, but the evidence of the Gospel suggests that it was sufficiently cohesive to have gained an influential position in the immediate setting of Matthew’s community.12 It is generally accepted that Matthew’s group and the leaders of Formative Judaism, the scribes and the Pharisees, came into conflict when the latter attempted to exert its authority and its interpretation of Judaism over the local Jewish population. Part of its strategy was to discredit the views and beliefs of other Jewish groups. The Gospel provides evidence that these opponents constructed their own claims about Jesus that were intended to counter those of the Matthean community. One such claim was that Jesus was not resurrected from the dead. His tomb was found empty because the disciples stole the body. Matthew responds to this charge with the elaborate story of the guard at the tomb, and the bribing of the soldiers to say that the disciples had taken the body of Jesus while the guards slept (27:62 – 66; 28:11 – 15).13 A further case in point concerns the explanation of Jesus’ miracles. The Pharisees contend that the exorcisms of Jesus are performed with the assistance of Satan rather than with the power of God (9:4; 12:24, 27), and the Matthean community is ‘tarred with the same brush’ (10:25). The evangelist responds by stipulating that Jesus’ miracles are performed with the ‘Spirit of God’ (12:18, 28) and that the accusation of the Pharisees amounts to blasphemy (12:31 – 32).14 It is also patently obvious from the Gospel that Matthew’s group clashed with the scribes and Pharisees over the manner in which the Torah was to be interpreted. The proponents of Formative Judaism want12 In the light of this, Overman, Matthew’s Gospel and Formative Judaism, 158 – 59, located Matthew and his community in Galilee where Formative Judaism was initially based. However, the conflict between the Matthean community and Formative Judaism does not necessarily tie the Gospel to the Jewish homeland. See the critical analysis in Sim, Reconstructing the Social and Religious Milieu of Matthew, 21 – 25. 13 Stanton, A Gospel for a New People, 171. 14 Stanton, A Gospel for a New People, 173 – 78.

Polemical Strategies in the Gospel of Matthew

497

ed other Jews to follow the tradition of the elders, and even to observe peculiarly Pharisaic tradition such as ritual handwashing before meals (cf. 15:2). The Matthean community, however, followed Jesus’ interpretation of the Torah.15 While the whole Law was to be faithfully kept (5:17 – 19), it was be interpreted through the lens of the double love command (24:34 – 40; cf. 7:12; 19:18 – 19), and the prophetic tradition (5:17; 11:12 – 13; 12:7). The Torah can be divided into its more important and less important demands (23:23), and when the two come into conflict the greater commandments take priority (cf. 12:1 – 14). The so-called Antitheses in 5:21 – 48 spell out concrete instances of how the Law is to be implemented in everyday life. Given the extreme importance of the Torah to both the Matthean community and to the leaders of Formative Judaism, it was inevitable that they would clash over this fundamental issue. The conflict clearly led to the evangelist’s group breaking contact with the local synagogues where their opponents held positions of power and authority. This is indicated by the fact that Matthew as narrator refers often to ‘their synagogues’ (4:23//Mk 1:39; 9:35; 10:17; 12:9; 13:54) or, when Jesus addresses the Pharisees directly, ‘your synagogues’ (23:34). Despite this attempt to distance themselves physically from their opponents, the members of Matthew’s community could hardly have avoided them altogether. They doubtless continued to encounter them in the street (cf. 6:2, 5, 16) or in the market-place (23:7). It is likely as well that these encounters sometimes led to acts of persecution against the evangelist’s group, including acts of physical violence (5:10 – 12).16 We should not confuse the intention of the Matthean community to distance itself from Formative Judaism with the intention to separate from the religion of Judaism itself. The evangelist and his group remained fundamentally Jewish and had no desire to move beyond the borders of Ju-

15 For more detailed discussions of the interpretation of the Mosaic Law in Matthew’s Gospel, see Sim, Matthew and Christian Judaism, 123 – 39; Overman, Matthew’s Gospel and Formative Judaism, 73 – 90; Saldarini, Matthew’s Christian-Jewish Community, 124 – 64; Konradt, Die vollkommene Erfllung der Tora und der Konflikt mit den Pharisern im Matthusevangelium, 129 – 52, and Cuvillier, Torah Observance and Radicalization in the First Gospel. Matthew and First-Century Judaism: A Contribution to the Debate. 16 See Sim, Matthew and Christian Judaism, 152 – 57.

498

David C. Sim

daism.17 It identified its own tradition as the legitimate version of the Jewish faith just as the scribes and Pharisees identified their particular tradition as the only worthy type of Judaism in the post-war era. The conflict between these two groups was thus an internal Jewish debate between different forms of Judaism.18 Matthew’s harsh polemic against the scribes and Pharisees must therefore be understood within its socio-religious and historical contexts. His exaggerated and vindictive polemic has its origin in his community’s conflict with these more powerful opponents. The leaders of Formative Judaism presented a considerable and growing threat to the evangelist’s group by ridiculing their attachment to Jesus, by preventing others from associating with them and by subjecting them to certain forms of persecution. Matthew’s polemic is a direct response to that situation. It draws a sharp distinction between the evangelist’s righteous community and the scribes and Pharisees who stand with the forces of evil. At the same time Matthew discredits and delegitimates the claims of these people by questioning their morality, their motives, their allegiance to God and their interpretation of God’s Law. His affirmations that these opponents will be punished by the eternal fires of Gehenna satisfies his community’s expectation of divine justice that their persecutors will receive their just deserts, and it serves as well as a warning to diffident members who may be thinking of succumbing to the pressure and joining ‘the other side’.19

17 For the view that the Matthean community had a thoroughly Jewish outlook and shared much in common with Formative Judaism, see Saldarini, Matthew’s Christian-Jewish Community, 194 – 206. 18 The debate as to whether Matthew’s community still identified itself within Judaism or had broken with that tradition has dominated Matthean studies for the past two decades. For a brief review of the major issues and the important scholarly contributions, see Sim, Social and Religious Milieu of Matthew, 27 – 28. A. Runesson argues that it was not simply a conflict between two Jewish groups, but a conflict between different Pharisaic groups. See Runesson, Rethinking Early Jewish-Christian Relations. 19 Sim, Apocalyptic Eschatology, 228, 236.

Polemical Strategies in the Gospel of Matthew

499

3. Matthew’s Polemic against False Christians A good deal of Matthew’s Gospel is concerned with the issue of discipleship and correct Christian behaviour. The evangelist spells out what followers of Jesus should believe about him and how should they act in the light of the teachings he imparted.20 He also emphasises the eschatological penalties that await those in his own community if they fail to measure up to the standards set by Jesus (cf. 5:21 – 22, 27 – 30; 7:1 – 5; 18:8 – 9, 21 – 35; 24:45 – 51; 25:14 – 30).21 Matthew does not, however, only pay attention to the Christian conduct of his own local group. He is also concerned with the broader Christian movement and those followers of Jesus who belong to different Christian streams of thought. At the end of the first century when the Gospel was written, the Christian church was still a very diverse phenomenon. In addition to Christian Jews like the Matthean community which clung tenaciously to their Jewish heritage and continued to observe the Torah, there existed a number of other strands of the Christian movement. The Q, Pauline and Johannine traditions represent three obvious examples, but there were others as well that existed on the margins.22 What was Matthew’s attitude towards these alternative Christian groups? Does he engage any of them in a polemical manner in the course of his narrative? If so, what is the precise nature of his polemic against them? There are two preliminary points to be noted before we deal with these questions. First, unlike the scribes and Pharisees who are situated within the story of Jesus’ ministry, we do not meet false or unworthy Christians as characters in Matthew’s narrative. There is a simple reason for this. False Christians, as understood by the evangelist, clearly did not exist during the mission of the earthly Jesus, and their appearance in his Gospel narrative would have been anachronistic in the extreme. But Matthew overcomes this problem by having Jesus issue warnings about the future appearance of such Christians and by having him speak about their eschatological fate. The second point is that, again in distinction to the scribes and Pharisees, the evangelist does not name these Christians 20 See Matera, New Testament Ethics, 36 – 63. 21 Matthew uses these judgemental texts to enhance group solidarity and to enforce correct communal behaviour. See Sim, Apocalyptic Eschatology, 235 – 41. 22 The Book of Revelation refers to certain Christians in Pergamum who hold the false teaching of the Nicolaitans (2:15), while Ignatius of Antioch mentions a docetic ‘heresy’ in his letters to the Trallians and the Smyrneans (Trall. 9:1; Smyrn. 1:1; 3:1 – 3; 4:1 – 2; 5:2; 7:1).

500

David C. Sim

he opposes and condemns. There is also an obvious reason for this. The diverse groups within the early Christian movement did not create distinctive names for themselves. They usually referred to themselves by traditional designations such as ‘the righteous’, ‘the saints’ and so on. The word ‘Christian’ was known to Luke at the end of the first century (Acts 11:26), and Ignatius of Antioch was familiar with the term ‘Christianity’ in the early second century (Letter to the Magnesians 10:3), but how widespread these terms were and to whom they applied is unclear. Matthew therefore has to identify these false Christians by other means. They can be identified, as the Matthean Jesus makes clear in 7:15 – 20, by ‘their fruits’. In other words, they can be known by what they say and do. I have argued in a number of studies that the Law-observant evangelist was opposed to the Law-liberal theology of Paul, and he shapes his Jesus material in a number of passages to polemicise against the apostle himself and his gospel (cf. 5:17 – 19; 7:13 – 27; 16:17 – 19; 13:36 – 43; 28:16 – 20).23 I do not wish to repeat that discussion here because the study of Gerd Theissen in this volume admirably tackles that subject from another perspective. My comments in this section will therefore be of a more general nature. Matthew presents two texts in particular that refer to false Christians outside his own circle, and in each he spells out the deficiency in their Christian praxis as well as their eschatological fate. We shall begin with 7:15 – 23.24 All of this material derives from Q (cf. Lk 6:43 – 46; 13:25 – 27), but Matthew has edited it significantly to deliver a stinging rebuke to those who follow a questionable Christian path.25 The section begins with a reference to false (Christian) prophets using the metaphor of trees and their fruits (7:15 – 20). A good tree bears good fruit, while an 23 Sim, Matthew and Christian Judaism, 188 – 211; idem, Matthew’s Anti-Paulinism; idem, Matthew 7.21 – 23; idem, Matthew, Paul and the Origin and Nature of the Gentile Mission; idem, Matthew and the Pauline Corpus: A Preliminary Intertextual Study; idem, Paul and Matthew on the Torah: Theory and Practice. For similar statements concerning Matthew’s anti-Paulinism, see Catchpole, Resurrection People, 43 – 62; Theissen, Kirche oder Sekte?, and Painter, Matthew and John, 74 – 75. Other scholars have offered critical evaluations of this view. See Harrington, Matthew and Paul, 15 – 18; Zangenberg, Matthew and James, 120, and Willitts, The Friendship of Matthew and Paul: A Response to a Recent Trend in the Interpretation of Matthew’s Gospel. 24 For a more detailed analysis of this material, see Sim, Matthew and Christian Judaism, 209 – 11. 25 Sim, Matthew 7.21 – 23, 327 – 28.

Polemical Strategies in the Gospel of Matthew

501

evil tree bears evil fruit. The end of the pericope spells out the eschatological consequences of this situation. Those trees that do not bear good fruit will be cut down and thrown into the fire. This is then followed by a scene of judgement where Jesus the final judge (cf. 25:31 – 46) condemns these false followers. He stipulates that not all who confess him as Lord will enter the kingdom of heaven; only those who do the will of the heavenly father will do so. He continues that many of the condemned will address him as Lord and say in their defence that they performed miracles in his name, but Jesus will declare to them that he never knew or recognised them. He will then send them from his presence to the eternal fires (cf. v. 19) because they are workers of lawlessness (oR 1qcafºlemoi tμm !mol¸am). The fact that these people confess Jesus as Lord and work miracles in his name marks them as Christian, but the type of Christian they are is clearly indicated by the description of them by Jesus the judge. They are workers of lawlessness (!mol¸a), which can only mean that they belong to the stream(s) of the Christian tradition that had a relaxed attitude towards the Torah. Earlier in the Sermon Jesus had affirmed that every part of the Torah (mºlor), even the least commandments, were to be observed in full by his followers (5:17 – 19), and now the dire eschatological consequences for not observing this directive are emphasised.26 While this text can be viewed as a specific attack on Paul and his followers,27 it can of course include other Christian groups which also adopted a ‘liberal’ attitude towards the Law.28 The second text is the interpretation of the parable of the tares in 13:36 – 43,29 which is doubtless a creation of Matthew himself.30 In ex26 That this text refers to rejection or relaxation of the Mosaic Law, see Sim, Matthew and Christian Judaism, 204 – 05; Turner, Matthew, 220, and Fiedler, Das Matthusevangelium, 194. Despite the clear association of mºlor in 5:17 and !mol¸a in 7:23, many scholars do not interpret the latter term in relation to the Torah. They understand it in a much broader sense as sin or wickedness in general. See Davies, Allison, Matthew, volume 1, 188, and France, The Gospel of Matthew, 295. This interpretation, however, completely dilutes the very point Matthew was making. 27 See Sim, Matthew 7.21 – 23, 328 – 42 for detailed discussion. 28 This could include the Johannine community, which also had a low opinion of the ritual requirements of the Mosaic Law (cf. 1:17; 5:9 – 18; 7:22). See the comparison between Matthew and John on this issue by Painter, Matthew and John, 72 – 77, 80 – 84. 29 Sim, Matthew and Christian Judaism, 203 – 04. 30 See the convincing discussion in Jeremias, The Parables of Jesus, 81 – 85.

502

David C. Sim

plaining the meaning of the parable in 13:24 – 30, the evangelist provides his understanding of the origin of these false Christians as well as their end-time fate. The Son of Man (Jesus) sows the good seed (the sons of the kingdom) in the field (the world), while his enemy (the devil) sows weeds (the sons of the evil one) among the seed. The two grow together (cf. 22:10) until the harvest (the eschatological judgement) when the Son of Man will send the reapers (his angels) to gather out of his kingdom all causes of sin and doers of lawlessness (toOr poioOmtar tμm !mol¸am) who will then be thrown into the fiery furnace (Gehenna). The righteous, by contrast, will shine like the sun in the kingdom of their father (heaven). The kingdom of the Son of Man in v. 41 (cf. 16:28; 20:21) is best identified with the Christian movement as a whole, in which case the evangelist is expressing his view that the Christian church in general comprises both righteous and wicked members.31 The former have their origin in Jesus the Son of Man, while the latter were created by Satan. As in 7:21 – 23, these false Christians are characterised by lawlessness, and it is on account of their failure to observe the Torah that they will face a severe eschatological punishment. This text describes their final fate in precisely the same terms as 7:15 – 23; it will be unimaginable suffering and torment in the fires of Gehenna. Once again it is likely that Matthew had Paul and his followers directly in view here, but this punishment would theoretically apply to all Christians who relaxed or dispensed with the Mosaic Law. It is interesting to note that the evangelist’s polemic against these Law-free Christians has close contacts with his polemic against the scribes and Pharisees. Just as these leaders of Formative Judaism are deemed to be lawless (23:28), so too are these Christians (7:23; 13:43). For Mat31 Sim, Matthew and Christian Judaism, 203; Fiedler, Matthusevangelium, 267, and McIver, The Parable of the Weeds Among the Wheat (Mt 13:24 – 30, 36 – 43) and the Relationship Between the Kingdom and the Church as Portrayed in the Gospel of Matthew, 643 – 59. Other scholars opt for a different interpretation. They argue that the contrast is not between different groups within the church, but between those within and outside the believing community. The righteous are therefore Christians, while the wicked stand for those who reject the message of Jesus. See France, Matthew, 533; Keener, A Commentary on the Gospel of Matthew, 390; Ewherido, Matthew’s Gospel and Judaism in the Late First Century C.E., 161, and Luomanen, Corpus Mixtum – An Appropriate Description of Matthew’s Community?, 471 – 72. The problem with this interpretation is that it does not take seriously enough the connection this text has with 7:21 – 23 through the catchword ‘lawless’. If false and lawless Christians are in view in the earlier passage, then they are in this later one as well.

Polemical Strategies in the Gospel of Matthew

503

thew true Law-observance involves obedience to the whole Torah according to the definitive interpretation of Jesus. The scribes and Pharisees fail in this regard because they interpret the Law according to the tradition of the fathers, while the false Christians err by dismissing certain ritual components of the Torah. Both activities, in the view of the evangelist, amount to lawlessness.32 A further notable parallel between these groups is that both work in the service of Satan. The false Christians are described as the sons of the evil one who are created and controlled by Satan (13:38 – 39), while the scribes and Pharisees are constantly denoted as evil (9:4; 12:34; 22:18).33 Moreover, both groups will share the same horrible eschatological fate.34 Just as the scribes and Pharisees will be punished in the eternal fires of Gehenna (3:7 – 12; 23:15, 33) where they will weep and gnash their teeth (8:12), so too will the lawless ones in the Christian movement find themselves in the everlasting fire (7:19; 13:42, 49) where they will likewise lament their plight (13:42, 50; cf. 22:13). What can we infer from the evangelist’s polemic against Law-free Christians? The first thing to note is that Matthew’s polemic was seemingly not occasioned by the physical proximity of these false Christians. There is no clear indication that these Law-free Christians were in direct contact with the evanglist’s community. In distinction to his treatment of the scribes and Pharisees, Matthew never accuses these Christian opponents of particular crimes committed against his group; their failing is at the level of Christian doctrine and practice. The fact that the Matthean Jesus issues warnings about the arrival of such people (7:15 – 20; cf. 24:12) probably means that they were a potential future threat but not a current problem. Secondly, even though these liberal Christians posed no immediate threat to the evangelist’s community, Matthew was nonetheless utterly opposed to them at the ideological level. They believed they were faithful followers of Christ, but in reality they were false disciples because they ignored one of his basic teachings. So seriously did the evangelist take this ‘heresy’ that he believed that these false Christians would share the same horrible eternal punishment as the scribes and Pharisees.

32 Sim, Matthew and Christian Judaism, 204 – 206. 33 Sim, Apocalyptic Eschatology, 223 – 224. 34 Sim, Apocalyptic Eschatology, 230 – 231.

504

David C. Sim

4. Matthew’s Polemic Against the Roman Empire The polemical sweep of Matthew’s narrative extends to the Roman Empire. The subject of the early Christians’ views of and interactions with Imperial Rome had long been a focus of scholarly attention, especially with regard to the Acts of the Apostles and the Book of Revelation, but it was sadly neglected in Matthean studies until W. Carter brought it into the field with two significant monographs.35 Carter’s important work explored what was an obvious context for the evangelist, namely its Roman Imperial context. No matter where we physically place the evangelist and his community, they lived within the Roman Empire and were subject to all of its negative features – economic oppression and exploitation, heavy taxation, overwhelming military power and its abuse, gross idolatry and offensive arrogance.36 Moreover, the story of Jesus narrated by the evangelist was set in Roman-occupied Galilee and Judea, and Jesus was brutally executed in Roman fashion by Roman soldiers on the orders of the local Roman governor. In the context of his own historical setting and in the light of the narrative he tells, Matthew could hardly fail to express some views about the dominant political, religious, military and economic power of his day. We learn something of these views by examining the evangelist’s characterisation of the Romans who appear throughout his story. Here we find a mixture of good and bad. Examples of the former include the Centurion of Capernaum who demonstrates immense faith in Jesus (8:5 – 13) and Pilate’s wife who acknowledges that Jesus is righteous and innocent (27:19), while in the latter category are Pilate (27:11 – 26) and the soldiers who guard Jesus’ tomb (27:62 – 66; 28:4, 11 – 15).37 But while Mat35 Carter, Matthew and the Margins; idem, Matthew and Empire. 36 See Carter, Matthew and Empire, 9 – 53. Some of his discussion assumes the consensus view that Matthew was written in Antioch on the Orontes, but most of his analysis is applicable wherever the Gospel is placed in the Roman Empire. For a more general summary of the workings of the Roman Empire, See Duling, Empire: Theories, Methods, Models, 49 – 74. 37 For a detailed analysis of the Roman characters in Matthew’s narrative, see Weaver, “Thus You Will Know Them by their Fruits”, 107 – 27. While I concur with Weaver’s discussion for the most part, I disagree with her understanding of the Roman soldiers who mock, degrade and finally crucify Jesus in Mt. 27:27 – 54. Weaver follows the consensus view that these soldiers, having witnessed the apocalyptic events that accompany Jesus’ death, ultimately make the Christian confession of faith that Jesus is the Son of God (“Thus You will know them by their fruits”, 121 – 22). It is, however, preferable to view these characters as

Polemical Strategies in the Gospel of Matthew

505

thew accepts that individual Romans can exhibit positive qualities, he leaves his readers in no doubt that the Roman Empire as a whole is an evil entity that is opposed to the purposes of God and which ultimately will meet with eschatological destruction. The clearest indication of Matthew’s view is found in the temptation narrative (4:1 – 11). Satan’s third attempt to test Jesus sees him take Jesus to a high mountain where he displays before him all the kingdoms of the world and their glory. The tempter tells Jesus that he will give all of these realms to him if Jesus worships him rather than God. Jesus responds by saying that he worships God alone (cf. Dtn 6:13), and he commands that Satan depart (vv. 8 – 10). This episode assumes that, since Satan has the power to give all the kingdoms of the world to Jesus, he is ultimately in control of them. The dominant and omnipresent power in the settings of both Jesus and Matthew, the Roman Empire, is clearly included here. The evangelist is therefore making the point that the worldly power that is Rome comes under the direct control of Satan himself. The Roman Empire serves the interests of Satan in the world and so stands in opposition to the purposes of God.38 The close connection between Satan and Rome in this pericope finds a parallel in the book of Revelation, where Satan as the dragon (Rev 12:7 – 9; cf. 20:2) gives all power and authority to the beast, the Roman Empire (13:2 – 4). The evangelist does not press the alliance between the Romans and Satan in the course of his narrative, although the Roman characters in the passion narrative are depicted in a most unfavourable light. Pilate fails to act in a just manner and condemns Jesus to the cross. The soldiers who undertake this task mock, beat and humiliate Jesus, while the guards at the tomb conspire to cover up the reality of Jesus’ resurrection. If Matthew sees the hand of Satan behind these machinations, he does not make the point explicitly. He does, however, confirm and emphasise the link between the Roman Empire and Satan in his eschatological scenario.

examples of evil Romans who degrade and execute the Messiah, and whose affirmation of Jesus’ status is more an acknowledgement of their crime against Jesus and their defeat in the face of a superior supernatural force. See Sim, The “Confession” of the Soldiers in Matthew 27:54. 38 So correctly Carter, Matthew and Empire, 62 – 63. Cf. too Davies, Allison, Matthew, volume 1, 371. On the other hand, France, Matthew, 135 is less convinced that this text assumes a close alliance between Satan and Rome.

506

David C. Sim

I have argued this point in a number of previous studies and need only summarise those earlier discussions here.39 Matthew adopts the common eschatological notion that the final event in history will involve a major war between the righteous and the forces of evil (cf. Dan. 11:40 – 45; 1 En 56:5 – 7; 90:10 – 19; Sibylline Oracles 3:63 – 74; 1QM; Rev. 19:11 – 21). At the end of the age, the righteous will be subjected to great tribulation (Mt. 24:15 – 27). The perpetrators of this tribulation are identified in 24:28; ‘where the corpse is there the eagles will be gathered’. The corpse is a cryptic reference to Satan while the eagles, which appeared on the standards of the Roman legions, represent the Roman Empire and its armies (cf. 4 Ezra 11 – 12). The tribulation ends with the arrival from heaven of Jesus the Son of Man who is accompanied by an angelic retinue (24:29 – 31). Matthew describes the returning Jesus in overtly military terms. The angels who accompany him are the twelve legions of angels referred to earlier in the Gospel (cf. 26:53), and the sign of the Son of Man that precedes his arrival is his military standard (24:30). That this is the correct interpretation of this motif is confirmed by the later reference to the trumpet call (24:31); the coupling of the standard and the trumpet was well established in Jewish eschatology (1QM 2:15 – 4:17; cf. Is 18:3; Jer 6:1; 51:27). Unlike the book of Revelation, Matthew does not describe a battle between these two opposing forces, and it is likely that he envisages the immediate surrender of the Satanic and Roman alliance as they realise the superiority of Jesus’ heavenly army. The evangelist does not specifically describe the eschatological punishment of the Romans, but it is clear that they are included in the scene of universal judgement in 25:31 – 46. Here the Son of man sits on his throne of glory and before him are gathered all the nations (25:31 – 32), which recalls the reference to all the kingdoms of the world that come under the influence of Satan in 4:8. As allies of Satan the Romans will be separated from the righteous and be sent to the eternal fire prepared for Satan and his angels (25:41). We can see from the above discussion that Matthew engages in a clear polemic against the Roman Empire. This is of course not unusual or unexpected from a Jewish author who witnessed the military might of Rome crush mercilessly the Jewish uprising and all that ensued from that victory 39 Sim, Apocalyptic Eschatology, 100 – 08, and idem, Rome in Matthew’s Eschatology, 96 – 100. See too the important contributions by Carter, Matthew and Empire, 86 – 88, and idem, Are there Imperial Texts in the Class?.

Polemical Strategies in the Gospel of Matthew

507

– the slaughter and enslavement of hundreds of thousands of Jews, the decimation of the Jewish homeland and the destruction of Jerusalem and its temple. In the evangelist’s view, the Romans too, like the scribes and Pharisees and the false Christians, serve Satan and oppose the will of God, and just as these Jewish and Christian groups will be visited with vengeance and eternal punishment, so too will be the Roman Empire. But, unlike his polemic against his Jewish and Christian opponents, Matthew’s polemical strategy against Rome is much more subtle. The evangelist disguises his critique of Rome by referring to it in oblique ways – ‘all the kingdoms of the world’ in 4:8, ‘the eagles’ in 24:28 and ‘all the nations’ in 25:32. Such a ‘coded’ critique of Rome, where the criticism would be obvious to insiders but not immediately apparent to outsiders, was a common phenomenon in the Jewish and Christian apocalyptic literature after the first Jewish revolt. For example, Rome is often referred to as ‘Babylon’ in these texts (4 Ezra 3:1 – 2, 28 – 31; 2 Bar 10:211:1; 67:7; Sibylline Oracles 5:143, 159 – 60; Rev. 14:8; 16:19; 17:5; 18:2, 10, 21), and all of them make the point that this Empire will meet with destruction on account of its many crimes and sins. The reference to the Empire that destroyed the second temple by using the name of the Empire that destroyed the first temple would have been obvious to those with a knowledge of Jewish history, but not to those with no such knowledge. The reason for these coded critiques of Rome is obvious. Any Jewish text, especially after the Jewish war, that openly challenged Rome’s right to rule and hoped for the Empire’s destruction, would have put its author and perhaps many others in a dangerous and precarious position. The use of coded language and metaphors enabled the Jews to vent their frustrations and anger on Rome and to predict its ultimate demise without putting themselves at risk.40 The Christian Jewish Matthew saw the sense in this policy, and adopted it in his own critique of the Roman Empire.

5. Matthew’s Polemic Against the Gentiles It was once an axiom of Matthean scholarship that Matthew’s Gospel was completely pro-Gentile. The text has a universalistic perspective and all the Gentiles in the Gospel are favourably depicted. This evidence led to the conclusion that Matthew’s community was either actively engaged 40 See Riches, Matthew’s Missionary Strategy in Colonial Perspective, 130 – 31.

508

David C. Sim

in a Gentile mission or was planning to become so engaged.41 I challenged this rather optimistic and lop-sided view of this matter in a number of studies, arguing that Matthew’s treatment of his Gentile characters is not as consistent as had been maintained and that certain Gospel pericopes had been misinterpreted.42 I do not intend here to enter fully into this complex area or to restate all of my earlier discussion, but one aspect of that analysis is relevant in this study. An important component of my corrective was to highlight a number of passages in the Gospel that appear to polemicise to some extent against the Gentiles as a whole (Mt 5:46 – 47, 6:7 – 8, 6:31 – 32; 7:6 and 18:15 – 17). Four of these passages appear in the Sermon on the Mount, the fundamental Matthean discourse that establishes the code of conduct for community members, while the other appears in the section concerning the regulations that guide the church. These texts create a very different impression of the evangelist’s view of the Gentile world, and can be dealt with quickly here.43 Two texts derive from Q. In Mt. 6:31 – 32 (cf. Lk 12:29 – 30), Jesus informs his followers not to follow the example of the Gentiles (t± 5hmg). Just as the Gentiles are concerned with mundane matters, the followers of Jesus should put their trust in God. The Lucan text also contains t± 5hmg so it is clear that both evangelists have followed the original Q text. The critique here is relatively mild, but it serves to distance Matthew’s Christian Jewish group from the wider Gentile world. The same can be said of Mt 5:46 – 47 (cf. Lk 6:32 – 33). The Matthean version states that it is not enough to salute only one’s brethren because even the Gentiles (oR 1hmijo¸) do the same, while the Lucan text contains ‘sinners’ ("laqtyko¸) in place of ‘Gentiles’. Since "laqtyko¸ is a favourite word of Luke, it is generally accepted that the Lucan text is redactional and that Matthew 41 The most detailed study of Matthew’s universalism and positive attitude toward the Gentiles is that of Tisera, Universalism according to the Gospel of Matthew. 42 See Sim, The Gospel of Matthew and the Gentiles; idem, Matthew and Christian Judaism, 215 – 56. Cf. too a number of studies on individual texts; Sim, The “Confession” of the Soldiers, 401 – 24, and idem, The Magi: Gentiles or Jews?. Critical Responses were quick to appear. See Senior, Between Two Worlds: Gentile and Jewish Christians in Matthew’s Gospel, and Byrne, The Messiah in Whose Name “The Gentiles Will Hope” (Mt 13:21). The Byrne article is followed by my response: Sim, Matthew and the Gentiles: A Response to Brendan Byrne. 43 For detailed discussion of these texts, see Sim, Matthew and Christian Judaism, 226 – 231, 237 – 239.

Polemical Strategies in the Gospel of Matthew

509

reflects the original Q wording.44 Again there is an explicit contrast between Matthew’s readers and the Gentile world; they are not to emulate the practices of these people but are to exceed them. These two anti-Gentile traditions from Q are not overtly polemical, but they do establish that for Matthew it was important to warn his Jewish community not to model themselves on Gentile practices. The three other anti-Gentile statements, which are all unparalleled, are more vigorously polemical. Just prior to the Lord’s Prayer in 6:9 – 13, the Matthean Jesus condemns the Gentiles (oR 1hmijo¸) for the wordy nature and empty content of their prayers, and again instructs his listeners not to imitate this aspect of Gentile life (6:7 – 8). This is a stronger critique of the non-Jewish world that condemns one of their religious practices. The polemic intensifies in the short logion in 7:6. Here Jesus speaks metaphorically, and tells his disciples not to give dogs what is holy or to cast pearls before swine, lest they trample you and then attack you. This saying has caused scholars a good deal of difficulty, but its overall meaning for Matthew is perfectly clear. The pearls represent the kingdom (cf. 13:45 – 46), and this may be the sense of what is holy as well. The dogs almost certainly represent the Gentiles. Not only was this was a common derogatory Jewish term for Gentiles,45 but Jesus refers to this group in precisely this way when addressing the Canaanite woman (15:26). The reference to the swine may be a further Gentile reference, since this understanding of the term was also found in contemporary Judaism.46 Reading in this way the metaphorical terms in this saying, Matthew here is either advising his community members not to engage in the Gentile mission or warning them of the dangers associated with such a mission; preaching to the Gentiles might lead to physical attacks. The fifth and final anti-Gentile statement appears in 18:15 – 17. This tradition spells out the ‘grievance policy’ of the Matthean community. An aggrieved member is to discuss the matter with the offender alone but, if that fails, then he or she is to try again in the company of two witnesses (cf. Deut. 19:15). In the case of further failure, the issue is to be brought before the whole community. If the wrongdoer does not accept the will of the community, then he or she is to be treated as a tax-collector and a 44 Davies, Allison, Matthew, volume 1, 559. 45 See the discussion of the relevant texts in Strack, Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, volume 1, 722 – 26. 46 Strack, Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, volume 1, 448 – 50.

510

David C. Sim

Gentile (1hmijºr). Since punishment is in view, it is agreed by scholars that the offender is to be excluded from the group. It can be inferred from this that Matthew’s Christian Jewish community largely avoided contact with the Gentile world. While individual Gentiles in Matthew’s narrative are treated sympathetically or even positively – the Centurion of Capernaum in 8:5 – 13 is the best example – these texts reveal the evangelist’s view of the Gentile population as a whole. Gentiles are irreligious and ungodly people whose example is to be avoided. Matthew perceives them as an outsider group who can potentially respond to the gospel with violence. Many Matthean scholars, however, do not draw this conclusion. While they concede that the passages in question might contain an anti-Gentile perspective, they are reluctant to attribute such a view to Matthew. They argue that these are stereotypical and stock (Jewish or Christian Jewish) judgements that the evangelist simply took over without necessarily agreeing with them.47 This rather feeble response requires little comment. If redaction criticism has taught us anything, it is that Matthew was not a conservative compiler of traditions. He retained material when he approved of it and edited or omitted traditions when they did not appeal to him.48 The contention that he accepted these anti-Gentile statements when they conflicted with his own point of view is not a serious exegetical tool, but more a scholarly ploy to omit from consideration texts that do not cohere with the consensus view. We have to infer from the fact that Matthew adopted these traditions seemingly unchanged from Q and other sources that he agreed with their sentiments.49 In order to explain the presence of these polemical statements against the Gentiles, we need to look no further than Matthew’s Jewish background. In agreement with many of their Jewish contemporaries, the evangelist and his readers perceived the Gentile world to be largely idolatrous and immoral, and with which contact should be kept to a minimum. While a case can be made that Matthew’s group had been perse47 See the discussion of scholars holding this view in Sim, Matthew and Christian Judaism, 229 – 230. Later proponents of this view include Senior, Between Two Worlds, 11 and France, Matthew, 693 – 694; 48 For a detailed discussion of Matthew’s redactional methods, see Sim, Apocalyptic Eschatology, 15 – 18. 49 See the recent work of Konradt, Israel, Kirche und die Vçlker im Matthusevangelium, 392, who takes seriously the anti-Gentile perspective in Matthew, though not agreeing with my analysis at every point.

Polemical Strategies in the Gospel of Matthew

511

cuted by Gentiles at the time of the Jewish war,50 there is no evidence of such a situation at the time the Gospel was written. The evangelist’s polemic is therefore rather mild, and conforms to the customary and stereotypical Jewish critique of Gentile culture. Certainly he makes no attempt either to link the Gentiles with Satan or to highlight their eschatological punishment. It is true that 25:31 – 46 also involves the judgement of the Gentiles, but it does not focus exclusively on them. The term ‘all the nations’ includes the Jews as well.

6. Conclusions This study has attempted to demonstrate the full sweep of Matthew’s polemical strategies in his Gospel narrative. The evangelist polemicises against no less than four groups, but his polemical discourse is tailored in each case. The most strident critique is reserved for the scribes and Pharisees, the leaders of Formative Judaism. Matthew attacks these people not simply for the failure to accept the messiahship of Jesus but also for their persecution of his community. While the polemic here is exaggerated and vindictive, it was in direct response to the situation of oppression and persecution that his group was experiencing. Matthew spells out that these opponents serve the interests of Satan and will for their many crimes receive eternal punishment in the fires of Gehenna. The evangelist’s polemic against Law-free Christians occurs in the predictions of Jesus concerning the future. These false Christians who claim to follow Jesus will be met with eschatological punishment. The polemic in this case was not related to the immediate setting of Matthew and his readers, but the evangelist totally opposed such Christians at the ideological level and took the opportunity to condemn them in the strongest terms. They too are instruments of Satan and will burn forever in Gehenna. The Roman Empire was also in Matthew’s polemical sights. While there is no evidence of active Roman persecution of the evangelist’s group, the polemic against Rome has its origins in Matthew’s post-70 Jewish perspective. Like the leaders of Formative Judaism and false Christians, the Romans are also linked to Satan and will suffer the same postjudgement fate. As did other Jewish authors, Matthew disguises to some extent his critique of Rome. Finally, the Gospel presents a reasonably mild polemic against the Gentile world. The polemic in this case 50 Sim, Matthew and Christian Judaism, 231 – 36.

512

David C. Sim

amounts to stock Jewish criticisms of the pagan world and its potential dangers. No connection is made between the Gentiles and Satan, and Matthew sees no need to highlight the eschatological fate of the Gentiles. The polemical content of Matthew’s Gospel is not perhaps its most attractive feature. In these times of inter-faith dialogue, many readers find offensive the vengeful treatment of the scribes and Pharisees. Similarly, in these ecumenical times few would agree with his harsh views concerning Christians whose tradition was different to his. But Matthew was a first century Christian Jew and he must be judged by the standards of his day rather than by our modern standards. The use of polemical strategies was widespread and acceptable in his world. Although his polemical material may not be the most endearing aspect of his Gospel, it is clear that Matthew used this particular literary weapon in a nuanced and sophisticated way. He carefully tailored his critiques and polemical assaults to each group he was attacking, and he graded the level and intensity of his polemic in proportion to the physical and ideological threat each party posed to his community.

Bibliography Byrne, B., The Messiah in Whose Name “The Gentiles Will Hope” (Matt. 13:21): Gentile Inclusion as an Essential Element of Matthew’s Christology, in: ABR 50 (2002), 55 – 73. Carter, W., Matthew and the Margins: A Sociopolitical and Religious Reading, Maryknoll 2000. Carter, W., Matthew and Empire: Initial Explorations, Harrisburg 2001. Carter, W., Are there Imperial Texts in the Class? Intertextual Eagles and Matthean Eschatology as “Lights Out” Time for Imperial Rome (Matthew 24:27 – 31), in: JBL 122 (2003), 467 – 87. Catchpole, D., Resurrection People: Studies in the Resurrection Narratives of the Gospels, London 2000. Coser, L., The Functions of Social Conflict, New York 1964. Cuvillier, ., Torah Observance and Radicalization in the First Gospel. Matthew and First-Century Judaism: A Contribution to the Debate, in: NTS 55 (2009), 144 – 59. Davies, W.D., Allison, D.C., A Critical and Exegetical Commentary on the Gospel according to Saint Matthew, 3 volumes (ICC), Edinburgh 1988 – 1997. Duling, D.C., Empire: Theories, Methods, Models, in: Riches, J., Sim D.C. (eds), The Gospel of Matthew in its Roman Imperial Context (JSNTSup 276), London 2005, 49 – 74.

Polemical Strategies in the Gospel of Matthew

513

Ewherido, A.O., Matthew’s Gospel and Judaism in the Late First Century C.E.: The Evidence from Matthew’s Chapter on Parables (Matthew 13:1 – 52) (SBL 91), New York 2006. Fiedler, P., Das Matthusevangelium (ThKNT 1), Stuttgart 2006. France, R.T., The Gospel of Matthew (NICNT), Grand Rapids 2007. Garland, D.E., The Intention of Matthew 23 (NovTSup 52), Leiden 1979. Hagner, D.A., Matthew, 2 volumes (WBC 33 A and 33 B), Dallas 1993 – 1996. Hare, D.R.A., The Theme of Jewish Persecution of Christians in the Gospel according to St. Matthew (SNTSMS 6), Cambridge 1967. Harrington, D.J., Matthew and Paul, in: Sim, D.C., Repschinski, B. (eds), Matthew and His Christian Contemporaries (LNTS 333), London 2008, 11 – 26. Jeremias, J., The Parables of Jesus, London 19723. Keener, C.S., A Commentary on the Gospel of Matthew, Grand Rapids 1999. Kingsbury, J.D., The Developing Conflict between Jesus and the Jewish Leaders in Matthew’s Gospel, in: CBQ 49 (1987), 57 – 73. Konradt, M., Die vollkommene Erfllung der Tora und der Konflikt mit den Pharisern im Matthusevangelium, in: Snger, D., Konradt, M. (eds), Das Gesetz im frhen Judentum und im Neuen Testament: Festschrift fr Christoph Burchard zum 75. Geburtstag, Gçttingen 2006, 129 – 52. Konradt, M., Israel, Kirche und die Vçlker im Matthusevangelium (WUNT 215), Tbingen 2007. Luomanen, P., Corpus Mixtum – An Appropriate Description of Matthew’s Community?, in: JBL 117 (1998), 469 – 80. McIver, R., The Parable of the Weeds Among the Wheat (Matt 13:24 – 30, 36 – 43) and the Relationship Between the Kingdom and the Church as Portrayed in the Gospel of Matthew, in: JBL 114 (1995), 643 – 59. Matera, F.J., New Testament Ethics: The Legacies of Jesus and Paul, Louisville 1996. Neusner, J., The Formation of Rabbinic Judaism: Yavneh from A.D. 70 – 100, in: ANRW II 19,2 (1979), 3 – 42. Overman, J.A., Matthew’s Gospel and Formative Judaism: The Social World of the Matthean Community, Minneapolis 1990. Painter, J., Matthew and John, in: Sim, D.C., Repschinski, B. (eds), Matthew and His Christian Contemporaries (LNTS 333), London 2008, 66 – 86. Repschinski, B., The Controversy Stories in the Gospel of Matthew: Their Redaction, Form and Relevance for the Relationship between the Matthean Community and Formative Judaism (FRLANT 189), Gçttingen 2000. Riches, J., Matthew’s Missionary Strategy in Colonial Perspective, in: Riches, J., Sim D.C. (eds), The Gospel of Matthew in its Roman Imperial Context (JSNTSup 276), London 2005, 128 – 42. Runesson, A., Rethinking Early Jewish-Christian Relations: Matthean Community History as Pharisaic Intragroup Conflict, in: JBL 127 (2008), 95 – 132. Saldarini, A.J., Delegitimation of Leaders in Matthew 23, in: CBQ 54 (1992), 659 – 81. Saldarini, A J., Matthew’s Christian-Jewish Community, Chicago 1994.

514

David C. Sim

Senior, D., Between Two Worlds: Gentile and Jewish Christians in Matthew’s Gospel, in: CBQ 61 (1999), 1 – 23. Sim, D.C., The “Confession” of the Soldiers in Matthew 27:54, in: HeyJ 34 (1993), 401 – 24. Sim, D.C., The Gospel of Matthew and the Gentiles, in: JSNT 57 (1995), 19 – 48. Sim, D.C., Apocalyptic Eschatology in the Gospel of Matthew (SNTSMS 88), Cambridge 1996. Sim, D.C., The Gospel of Matthew and Christian Judaism: The History and Social Setting of the Matthean Community (SNTW), Edinburgh 1998. Sim, D.C., The Magi: Gentiles or Jews?, in: HTS 55 (1999), 980 – 1000. Sim, D.C., Matthew’s Anti-Paulinism: A Neglected Feature of Matthean Studies, in: HTS 58 (2002), 767 – 83. Sim, D.C., Matthew and the Gentiles: A Response to Brendan Byrne, in: ABR 50 (2002), 74 – 79. Sim, D.C., Rome in Matthew’s Eschatology, in: Riches, J., Sim D.C. (eds), The Gospel of Matthew in its Roman Imperial Context (JSNTSup 276), London 2005, 91 – 106. Sim, D.C., Matthew 7.21 – 23: Further Evidence of Its Anti-Pauline Perspective, in: NTS 53 (2007), 325 – 43. Sim, D.C., Matthew, Paul and the Origin and Nature of the Gentile Mission: The Great Commission in Matthew 28:16 – 20 as an Anti-Pauline Tradition, in: HTS 64 (2008), 377 – 92. Sim, D.C., Reconstructing the Social and Religious Milieu of Matthew: Methods, Sources and Possible Results, in: Sandt, H. van de, Zangenberg, J. (eds), Matthew, James and Didache: Three Related Documents in Their Jewish and Christian Settings (SBLSS 45), Atlanta 2008, 13 – 32. Sim, D.C., Matthew and the Pauline Corpus: A Preliminary Intertextual Study, in: JSNT 31 (2009), 401 – 22. Sim, D.C., Paul and Matthew on the Torah: Theory and Practice, in: Middleton, P., Paddison, A., Wenell K. (eds), Paul, Grace and Freedom: Essays in Honour of John K. Riches (T & T Clark Biblical Studies), London 2009, 50 – 64. Stanton, G.N., A Gospel for a New People: Studies in Matthew, Edinburgh 1992. Strack, H.L., Billerbeck, P., Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch. 4 volumes, Munich 1951 – 19563. Theissen, G., ‘Kirche oder Sekte? ber Einheit und Konflikt in frhen Urchristentum’, in: Theologie und Gegenwart 48 (2005), 126 – 75. Tilborg, S. van, The Jewish Leaders in Matthew, Leiden 1972. Tisera, G., Universalism according to the Gospel of Matthew (EUS 23.482), Frankfurt 1993. Turner, D.L., Matthew (BECNT), Grand Rapids 2008. Weaver, D.J., “Thus You Will Know Them by their Fruits”: The Roman Characters of the Gospel of Matthew, in: Riches, J., Sim D.C. (eds), The Gospel of Matthew in its Roman Imperial Context (JSNTSup 276), London 2005, 107 – 27.

Polemical Strategies in the Gospel of Matthew

515

Willitts, J., The Friendship of Matthew and Paul: A Response to a Recent Trend in the Interpretation of Matthew’s Gospel, in: HTS 65 (2009), 1 – 8. Zangenberg, J., Matthew and James, in: Sim, D.C., Repschinski, B. (eds), Matthew and His Christian Contemporaries (LNTS 333), London 2008, 104 – 22.

Polemik im eschatologischen Kontext Israel und die Heiden im lukanischen Doppelwerk1 Ulrike Mittmann „Mnner aus Israel, […] Jesus, den Nazarener, habt ihr durch die Hand der Heiden ans Kreuz geschlagen und getçtet!“ (Apg 2,22f.); „Den Frst des Lebens habt ihr getçtet!“ (Apg 3,15); „Ihr habt [Jesus] ans Holz gehngt und getçtet!“ (Apg 5,30; vgl. Apg 10,39). Ein Paukenschlag nach dem anderen! Die polemische Konfrontation bestimmt den Erzhlduktus der Apostelgeschichte und lsst in der Messiasfrage die Juden als Verrter ihres eigenen Glaubens erscheinen. Der Vorwurf, den lang erwarteten Erlçser getçtet zu haben, zieht sich wie ein Leitfaden durch die Petrusreden (Apg 2,14 – 36; 3,12 – 26; 4,8 – 12; 5,29 – 32). Und hçrt man ihn im Lichte der paulinischen Verstockungsrede Apg 28,25 – 28, die das lukanische Doppelwerk abschließt, so scheint das Urteil ber die Juden gesprochen: Der Verrat an Gott selbst kann nicht folgenlos bleiben. Wer seinen Gott verwirft, muss selbst verworfen werden. Die Erkenntnis der gottgewirkten Verwerfung Israels scheint unausweichlich zu sein; und unausweichlich ist daher auch die Frage, wie die gegen Juden gerichtete Polemik in der Apostelgeschichte theologisch zu bewerten ist. Ist sie das Zeichen eines ausgeprgten Antijudaismus?2 Oder portraitiert Lukas hier, da er Petrus stets in 1. Person sprechen lsst („der Gott unserer Vter“; Apg 3,13; 5,30), eine innerjdische Diskussion, ohne damit das Judentum als solches zu verunglimpfen? Ist also, rhetorisch gesehen, das Sprachgeschehen als innerjdische Polemik zu bestimmen?3

1

2 3

Die vorliegende Studie grndet auf umfangreichen Vorarbeiten zum Thema, die in die Interpretation einfließen und die systematisch-theologische Entfaltung bestimmen. Da hier im Blick auf die Frage des lukanischen Kreuzesverstndnisses und der lukanischen Christologie keine neuerliche Grundlegung erfolgen kann, wird im Gang der Argumentation auf die entsprechenden Passagen der fraglichen Referenzwerke verwiesen mit Schwerpunkt auf der Monographie „Der Shnetod des Gottesknechts“. Vgl. z. B. Hare, The Rejection of the Jews. Gager, The Origins of Anti-Semitism, 9, hat den Begriff „innerjdische Polemik“ in die Diskussion eingefhrt. Einen Forschungsberblick bieten Wasserberg, Aus Is-

518

Ulrike Mittmann

Die Frage, wer genau die Adressaten des wiederholten polemischen Angriffs des Petrus gegen diejenigen sind, die Jesus von Nazareth getçtet haben, ist schon deshalb nicht einfach zu beantworten, weil die Henker Jesu als „Mnner Israels“ angeredet werden (Apg 2,22; 3,12). Reprsentieren sie das gesamte jdische Volk? Oder geht es hier um eine Scheidung innerhalb Israels? Eine Antwort auf diese Fragen zu geben, bedeutet nicht allein, ein rhetorisches Problem seiner Lçsung zuzufhren, sondern bedeutet zugleich, das eschatologische Hauptthema der Apostelgeschichte zu entfalten: die Frage nach dem endzeitlichen Schicksal Israels. Welches Schicksal erwartet nach Lukas die Juden, die ihren Messias Jesus ablehnen? Reprsentieren sie das Volk Israel, und wre Israel demnach in seiner Gesamtheit von Gott verworfen – ungeachtet der wenigen, die sich zu Jesus als dem Messias Israels bekennen und zu einem Teil der eschatologischen Heilsgemeinde geworden sind?4 Oder ist diese Heilsgemeinde das neue, wahre Israel aus Juden und Heiden, whrend die in Gottesfeindschaft befangenen Juden als „NichtIsrael“ zu gelten haben?5 An dieser Stelle kommen die Heidenvçlker in den Blick, deren Schicksal sowohl in alttestamentlicher als auch in neutestamentlicher Tradition berall dort mitbedacht wird, wo es um das Ende der Zeit und die Errichtung der ewigen Gottesherrschaft geht (Jes 25,6 – 8; 55,5, 60,1 – 3; Rçm 11,25; 15,27 u. ç.). Da aber zur Zeit des Lukas das heidnische Element in den Christengemeinden berwiegt und der Verfasser der Apostelgeschichte, nicht anders als Paulus, die Rolle der Heiden im Licht des Christusgeschehens eigenstndig reflektieren muss, ergeben sich weitere Fragen: Wie bestimmt Lukas grundstzlich das Verhltnis von Juden und Heiden, zum einen im Blick auf Israels uranfngliche Erwhlung, zum anderen im Blick auf die eschatologische Errettung des Menschen? Und wie sind im heilsgeschichtlichen Gesamthorizont seines Doppelwerkes der individuelle und der universelle Aspekt des Rettungsgeschehens miteinander verwoben? Die Dringlichkeit, das eschatologische Geschehen sowohl von seiner individuellen als auch von seiner universellen Seite aus zu beleuchten, erweist die Verstockungsthematik, die sich bis zum Ende hin wie ein roter Faden durch das lukanische Doppelwerk zieht (Lk 4,16 – 30; 24,13 – 35; Apg 7,51 – 53; 17,30; 19,9; 28,26 – 28)6 und beide Aspekte umschließt. Beide

4 5 6

raels Mitte – Heil fr die Welt, 19 – 30, und Lehnert, Die Provokation Israels, 214 – 224. So etwa Schille, Apostelgeschichte, 479. Vgl. Roloff, Apostelgeschichte, 371.374f. Dazu ausfhrlich Mittmann-Richert, Der Shnetod des Gottesknechts, 265 – 280.

Polemik im eschatologischen Kontext

519

Aspekte mssen daher von Lukas auch hinsichtlich der Aufhebung der Verstockung am Ende der Zeit bedacht worden sein. In welcher Weise das geschieht, wird deutlich, wenn die Verstockung als ein gçttliches Geschehen in den Blick kommt. Denn im Lichte der Verstockung als einer von Gott selbst verordneten und gewirkten Gottesfeindschaft gewinnt die Frage der Ablehnung des gottgesandten Messias eine ganz neue Dimension. Ja, es wird die Frage der Schuld an seiner Verwerfung, die in den eingangs zitierten Passagen den Charakter eines polemischen Vorwurfs hat, zum theologischen Problem: Kann Gott diejenigen verdammen, denen er selbst es auferlegt hat, die Last der Gottesfeindschaft zu tragen? Oder hebt Gott am Ende der Zeit sein Verstockungsurteil auf ? Und wenn ja, folgt daraus die Rettung ganz Israels? Oder geht mit der ffnung einst verschlossener Augen und Ohren das Gericht einher? An dieser Stelle gewinnt die Frage nach der gegen die „Mnner Israels“ gerichteten Polemik in der Apostelgeschichte eine besondere Brisanz, da sie die Frage nach der Mçglichkeit der Rettung der Henker Jesu ist, die, wenn Lukas sie negativ beantwortet htte, zum Gerichtsurteil ber das Judentum insgesamt wrde, dem in den oben zitierten Worten des Petrus eine Kollektivschuld am Tode Jesu zugeschrieben wird. Die soteriologischen und eschatologischen Alternativen, die sich im Blick auf das Kreuzigungsgeschehen aus der Frage nach der anthropologischen Dimension des gçttlichen Verstockungshandelns ergeben, kçnnten hrter nicht sein. Um so dringlicher stellt sich die Aufgabe, das Israelbild des Autors aus dem Gesamtkontext seines Werkes zu erheben.

1. Israel im lukanischen Doppelwerk Das Israelbild des Lukas muss aus dem erzhlerischen Gegensatz erhoben werden, der zwischen Anfang und Ende des lukanischen Doppelwerkes besteht, und aus der Mehrdimensionalitt der eschatologischen Reflexion.7 Es ist ja ganz auffllig, dass das jdische Volk, ber das Paulus am Ende das Verstockungswort Jes 6,9f. spricht (Apg 28,26 – 28), am Anfang als dasje7

Es wird in diesem Zusammenhang darauf verzichtet, die Forschungsdiskussion zu referieren und die Aporien zu benennen, die sich aus der Periodisierung des lukanischen Geschichtsentwurfs ergeben, wie sie von Conzelmann, Die Mitte der Zeit, und seinen Nachfolgern zum hermeneutischen Grunddatum der Auslegung des lukanischen Doppelwerkes erhoben wurde. S. dazu ausfhrlich Mittmann-Richert, Der Shnetod des Gottesknechts, 265 – 269.

520

Ulrike Mittmann

nige Volk erscheint, in dessen Mitte der Messias geboren wird und das seinen Messias schon im Kind in der Krippe erkennt und anerkennt (Lk 2,1 – 20). Das Hirtenbild gewinnt in diesem Zusammenhang seine Bedeutung aus dem Bezug zu Jakob bzw. „Israel“ (Gen 32,29), dem Stammvater des Volkes und Ur-Hirten Israels.8 Der Bezug ist nicht nur sprachlicher Art9, sondern besteht auch und vor allem in der kompositorischen Integration all jener Jakobs- bzw. „Israel“-Erzhlungen in ein Gesamtbild, welche die Rckkehr Jakobs von Haran auf die Hirtenfelder bei Bethlehem zum Thema haben. So ist mit dem Erscheinen des Engels inmitten des ganzen himmlischen Heeres (Lk 2,13) auf die kurze Notiz in Gen 32,2f. angespielt, in welcher Jakob in Machanajim auf das himmlische Engelheer Gottes trifft (vgl. Gen 28,10 – 22), whrend der Hinweis auf das Feld (Lk 2,8) bei Bethlehem die Tradition von Rahels Begrbnis in Bethlehem (Gen 35,19) und Jakobs Ansiedlung an einem „Herdenturm“ (Migdal-Eder) genannten Ort aufnimmt (Gen 35,21), den die sptere jdische Auslegung ebenfalls in Bethlehem lokalisiert hat (Targum Jonathan I zu Gen 35,21). Das Hirtenfeld bei Bethlehem bezeichnet bei Lukas also genau den Ort, an welchem Jakob, der Stammvater und Namenspatron Israels, siedelte. Die Hirten in der lukanischen Geburtsgeschichte sind damit als Jakobs-Volk gekennzeichnet. Sie sind die Nachkommen des Ur-Hirten Israels und zeugen, da sie die Ankunft des Messias in Israels Mitte jubelnd verknden (Lk 2,20), von der eschatologischen Erfllung des Schicksals ihres Volkes, das in Jakob seinen Ursprung hat. Damit werden sie zu Garanten des mit der messianischen Geburt verknpften Heils: der Rettung und eschatologischen Wiederherstellung des Zwçlf-Stmme-Volkes aus Jakob (vgl. Lk 2,10: „Freude fr das ganze Volk“). Was dabei die Verbindung zwischen Jakob und David betrifft, die durch die Kennzeichnung des Messias als j¼qior 1m pºkei Dau¸d geschaffen wird, so ist 8 9

Vgl. den instruktiven Beitrag von Grimm, Hirten erst kundgemacht, der insbesondere die sprachlichen Zusammenhnge herausgearbeitet hat; s. Anm. 9. Die Beschreibung der Hirtenexistenz in Lk 2,8 (ja· poil´mer Gsam 1m t0 w¾qô t0 aqt0 !cqaukoOmter ja· vuk²ssomter vukaj±r t/r mujt¹r 1p· tμm po¸lmgm aqt_m) ist im deutlichen Rckbezug auf Gen 30,31; 31,38 – 40 gestaltet (Gen 30,31: Oq d¾seir loi oqh´m7 1±m poi¶s,r loi t¹ N/la toOto, p²kim poilam_ t± pqºbat² sou ja· vuk²ny ; vgl. auch Gen 31,39f ). Die Parallele ist um so markanter, als die Hirtenttigkeit gewçhnlich durch die Wendung „Schafe weiden“ (poila¸meim) charakterisiert wird (Gen 30,36; 37,2.13; Ex 2,16; 3,1 u. ç.), nur ganz selten durch die Wendung „Schafe hten“ (griech. vuk²sseim). Das Hten ist hier Inbegriff einer besonderen persçnlichen Sorgfaltspflicht fr das anvertraute Leben. Jakob ist in der Tradition der einzige namentlich genannte Hirte, der als „Hter“ seiner Schafe auftritt. In den Kommentaren zu Lk 2 findet die markante Jakobparallele erstaunlicherweise kaum Beachtung; vgl. stellvertretend fr andere Wolter, Lukasevangelium, 127.

Polemik im eschatologischen Kontext

521

dieselbe durch Gen 49,10 vorgegeben, wo Jakob in der Sterbeweissagung fr Juda, auf dessen Stammesgebiet Bethlehem liegt, den knftigen Regenten nach dem Text der LXX folgendermaßen ankndigt: oqj 1jke¸xei %qwym 1n Iouda ja· Bco¼lemor 1j t_m lgq_m aqtoO, 6yr #m 5kh, t± !poje¸lema aqt`, ja· aqt¹r pqosdoj¸a 1hm_m. Jakob selbst kndigt hier den messianischen Herrscher aus Juda an, und in der lukanischen Geburtserzhlung erfllt sich diese Ankndigung mit der Nachricht, dass der Herrscher und Retter des Volkes Israels geboren ist. Da das Lukasevangelium aber in so programmatischer Weise an seinem Anfang das Christusgeschehen als Israelgeschehen stilisiert und dabei die Annahme der Freudenbotschaft durch das Volk in unvergleichlicher emotionaler Intensitt vor Augen stellt, erscheint auf den ersten Blick das gegenteilige Bild am Ende des lukanischen Doppelwerkes um so rtselhafter. Die Unvereinbarkeit der Bilder aber fhrt notwendig zu der Frage, welches Bild das fr Lukas eschatologisch bestimmende ist: das Bild eines Volkes, das seinen Messias erkennt und anerkennt und daher am Ende die verheißene Wiederherstellung erfhrt, oder das Bild eines Volkes, das seinen Messias verfolgt und vom Heil in Christus ausgeschlossen wird? Wenn Lukas den Ausschluss Israels vom Heil intendierte – oder zumindest den Ausschluss des ganz berwiegend in Feindschaft zu Christus befangenen Teils des Volkes –, welche Funktion htte dann das so strahlende Anfangsbild? Ist es nur die Folie, vor welcher Israels Schuld am Tode des Messias, wie sie polemisch in Apg 2,23; 3,15 und 5,30 festgestellt wird, desto grçßer erscheint? Wieder ist es das Evangelium, das letztgenannte Vorstellung als undenkbar zu erweisen scheint. Denn an seinem Ende, gerade dort, wo beim letzten Mahl Jesu mit seinen Jngern das Ziel der Sendung Jesu in den Blick kommt, erçffnet ein Wort Jesu den Blick auf das eschatologische Ende. Es ist das Wort vom Thronen der zwçlf Jnger und ihrer endzeitlichen Richterfunktion im Reich Gottes, Lk 22,29f., ein Wort, in welchem den Jngern selbst das Reich zugeeignet wird. Die zwçlf Jnger aber sind bei Lukas, nicht anders als bei Markus und Matthus, die Reprsentanten Israels als eines Volkes aus zwçlf Stmmen. Sie bilden also, gegen die historische Realitt, das Volk in seiner eschatologischen Gestalt ab.10 Und wieder stellt sich die Frage: Warum malt Lukas ausgerechnet in der Abendmahlsperikope, in welcher die Bedeutung des Todes Jesu reflektiert wird, das Bild einer endzeitlichen Israelherrschaft? Denn nicht anders kann man das Bild verstehen: Die zwçlf Jnger Jesu erhalten jeder einen Thronplatz im eschatologischen Gottesreich 10 Ausfhrlich zur Stelle Mittmann-Richert, Der Shnetod des Gottesknechts, 157 – 176.

522

Ulrike Mittmann

und reprsentieren das Volk in seiner Ganzheit (Lk 22,29f. par. Mt 19,28). Das Bild entspricht der Erwartung der basike¸a t` Ysqa¶k in Apg 1,6, deren knftige Realisation der Auferstandene hier besttigt. Da allerdings die Teilhabe der Jnger an der Ausbung der Herrschaft im Gottesreich nach Lk 22,30 konkret wird in der Ausbung des Richteramtes ber Israel, bleibt an dieser Stelle die Frage, ob die Erwartung der endzeitlichen Wiederherstellung Israels im lukanischen Doppelwerk nicht doch einhergeht mit der Gewissheit der Scheidung Israels und Verwerfung des in Gottesfeindschaft befangenen Teils des Volkes. Das scheint im Kontext der Abendmahlsperikope auch das „Wehe“ ber den Verrter Jesu nahezulegen (Lk 22,22), der unmittelbar vor dem Jngergesprch durch Jesus identifiziert wird. Judas erscheint hier als Reprsentant desjenigen Teils des jdischen Volkes, das seinen Messias verwirft; und das „Wehe“, das die gçttliche Verwerfung des Jesus Verwerfenden manifestiert, entspricht sachlich der polemischen Anklage gegen die Juden in den Petrusreden der Apostelgeschichte (Apg 2,23; 3,15; 5,31). Die Frage nach dem eschatologischen Schicksal Israels wird hier zur Frage individueller und universeller Christuserkenntnis und -anerkenntnis und des Zusammenhangs beider Aspekte im eschatologischen Gesamtkontext. Die genannten Aspekte im Einzelnen zu analysieren, kann aber nur gelingen, wenn die Diskrepanz zwischen Anfang und Ende des lukanischen Doppelwerkes eine Erklrung gefunden hat. Der Schlssel zum Verstndnis der vermeintlichen Widersprche im Israelbild des Lukas liegt im Schlusswort der Apostelgeschichte, im sogenannten Verstockungswort Jes 6,9f., das Paulus hier zitiert. Dieses Wort bildet nicht nur den Schlusspunkt der Apostelgeschichte, sondern bestimmt die erzhlerische Konzeption des gesamten lukanischen Werkes. Erst wenn deutlich ist, warum Lukas die Verwerfung des Messias Israels durch sein Volk als ein Verstockungsgeschehen versteht und warum er das Lautwerden des Verkndigungswortes vom ersten çffentlichen Auftreten Jesu an in den Kontext gçttlich verhngter Gottesfeindschaft stellt (Lk 4,16 – 30), kann auch die Frage beantwortet werden, warum Lukas am Heilsprrogativ Israels festhlt, obwohl er sein Werk mit dem Hinweis auf die Gottesfeindschaft und daher Verlorenheit Israels im Zustand der Verstockung enden lsst.

Polemik im eschatologischen Kontext

523

2. Die Funktion von Jes 6,9f. im lukanischen Gesamtkontext Die hohe Bedeutung, die fr Lukas das Verstockungswort Jes 6,9f. fr das Verstndnis der eschatologischen Zusammenhnge hat,11 zeigt schon die Tatsache, dass er es vollstndig dem Wortlaut der LXX entsprechend zitiert12 : Jes 6,9 – 10 LXX

Apg 28,26 – 27

poqe¼hgti ja· eQp¹m t` ka` to¼t\ (ajo0 !jo¼sete ja· oq lμ sum/te ja· bk´pomter bk´xete ja· oq lμ Udgte

poqe¼hgti pq¹r t¹m ka¹m toOtom ja· eQpºm !jo0 !jo¼sete ja· oq lμ sum/te ja· bk´pomter bk´xete ja· oq lμ Udgte

1paw¼mhg c±q B jaqd¸a toO kaoO to¼tou ja· to?r ¡s·m aqt_m baq´yr Ejousam ja· to»r avhaklo»r aqt_m 1j²llusam l¶pote Udysim to?r avhaklo?r ja· to?r ¡s·m !jo¼sysim ja· t0 jaqd¸ô sum_sim ja· 1pistq´xysim ja· Q²solai aqto¼r

1paw¼mhg c±q B jaqd¸a toO kaoO to¼tou ja· to?r ¡s·m baq´yr Ejousam ja· to»r avhaklo»r aqt_m 1j²llusam l¶pote Udysim to?r avhaklo?r ja· to?r ¡s·m !jo¼sysim ja· t0 jaqd¸ô sum_sim ja· 1pistq´xysim ja· Q²solai aqto¼r

Das Zitat mndet in die Erkenntnis, dass das Heil (t¹ syt¶qiom) den Heiden gesandt sei und sie die Heilsbotschaft hçrten (Apg 28,28). Die Feststellung, dass wegen der Ablehnung des Gotteswortes durch Israel das in diesem Wort verheißene Heil den Heidenvçlkern zugeeignet wird, erklingt als Urteil ber Israel. Der im Zustand der Verstockung gltige Ausschluss vom Heil bedeutet den Verlust der Gottesgemeinschaft und damit den Verlust des Le11 Einen berblick ber die Literatur zur neutestamentlichen Rezeption von Jes 6,9f. bietet Hartley, Wisdom Background, 7 – 54. Schon die Krze der quellentextlich und rezeptionsgeschichtlich ganz allgemein gehaltenen Liste zeigt, dass die Verstockungsthematik zu den exegetisch und systematisch-theologisch noch nicht umfassend bearbeiteten Forschungsfeldern gehçrt und dass insbesondere Apg 28,26 – 28 zu denjenigen Texten des Neuen Testaments gehçrt, welche man ihrer Brisanz und kontextuellen Sperrigkeit wegen lieber umgeht, als sie zu problematisieren. Das gilt auch fr den Autor selbst, der die rezeptionsgeschichtliche Analyse von Jes, 6,9f. auf die Synoptiker eingerenzt, was ihn der Aufgabe enthebt, das mit der Verstockung verbundene theologische Gesamtkonzept des Lukas von Apg 28,26 – 28 her zu erhellen. Statt dessen erhebt er die Bedeutung von Jes 6,9f. fr Lukas aus Lk 8,9f. Weiterfhrend dagegen Lehnert, Die Provokation Israels. 12 Die Abweichungen sind gering. Sie betreffen vor allem die Eingangszeile. Im zweiten Satzglied von V. 27 hat Lukas ausserdem das Genitivattribut aqt_m getilgt.

524

Ulrike Mittmann

bens. Israel verfllt – das ist die Kehrseite der mit der Verstockung Israels einhergehenden Erwhlung der Heiden – dem Gericht. Da Lukas hier ber Israel mit der Ansage des Gerichts das letzte Wort spricht, scheint das historische Geschehen der Verwerfung Christi in der Verwerfung des Verkndigungswortes und der Verfolgung der Christuszeugen letztgltige eschatologische Relevanz zu haben. Gerade das aber ist die Frage. Es ist die Frage nach der eschatologischen Kausalitt historischer Realitt, wie sie die Verwerfung des Messias durch den Großteil seines Volkes fr Lukas darstellt. Die Frage stellt sich um so dringlicher, als Lukas das historische Geschehen auf das Verstockungshandeln Gottes zurckfhrt und es damit im Willen Gottes verankert. Damit ist, im Blick auf Israel, ein innerer Zusammenhang zeitlicher und endzeitlicher Ereignisse gegeben. Ob allerdings als Heils- oder als Unheilszusammenhang, muss aus dem von Lukas so programmatisch zitierten Wort selbst erhoben werden, und das heißt zunchst: aus der Bedeutung, die es im ursprnglichen Kontext der jesajanischen Verkndigung hat. Rein ußerlich entspricht die Situation Jesajas im Zusammenhang der jesajanischen Gerichtsprophetie strukturell ganz derjenigen, die Lukas fr Paulus als Verkndiger des Christuswortes vor den Ohren Israels voraussetzt: Zwar ist der Knder des Heils zu Israel gesandt, aber Gott selbst hindert den Menschen an der wahren Gotteserkenntnis und damit an der geforderten Umkehr zu Gott als Voraussetzung der Heilsteilgabe. Ja, die Verstockung realisiert sich im Lautwerden des Verkndigungswortes selbst und erscheint als der wahre Auftrag des Propheten. Das wird im Hebrischen noch deutlicher als im griechischen Text,13 weil hier nicht futurisch, sondern imperativisch formuliert wird (Jes 6,9): „Hçrt, aber versteht nicht! Seht, aber erkennt nicht!“ Die prophetische Botschaft ist im Blick auf die intendierte Ablehnung durch Israel selbstwirksam. Gott selbst wirkt, was er kndet. Das heißt nicht, dass Gott den Menschen urschlich zur Abkehr und damit zum Sndigen zwingt, sondern es bedeutet, dass Gott den Menschen dort belsst, wo er als der Macht der Snde verfallenes Geschçpf ohnehin in sich selbst befangen lebt: in der Gottesferne und damit im Bereich des Todes. Das Verstockungshandeln Gottes ist im Gesamtzusammenhang von Protojesaja ganz auf das Volk Israel ausgerichtet.14 Nicht im Blick ist das Individuum und die Mçglichkeit individuell vollzogener Hinwendung zu Gott. Fr die Gesamtheit des Volkes als einer heilvollen Grçße wird in 13 Vgl. Koet, Isaiah in Luke-Acts, 96. 14 Umfassend zur Verstockung im Buch Jesaja Uhlig, The Theme of Hardening in the Book of Isaiah.

Polemik im eschatologischen Kontext

525

diesem Verstockungswort die Mçglichkeit ungeteilter Umkehr zu Gott ausgeschlossen. Und sie wird ausgeschlossen, weil Gott ber das ungehorsame Volk das Gericht verhngt hat (Jes 6,11 – 13), ein Gericht, das der Beseitigung aller Snde und alles Bçsen dient, bevor Gott das eschatologische Heil ber das Volk herauffhrt. Dies ist, auf der synchronen Ebene, der gedankliche Duktus von Jes 6 – 12, der, ungeachtet der historisch-kritischen Rekonstruktion15 der literarischen Zusammenhnge und der Prophetie Protojesajas, die Verstehensvoraussetzung fr die urchristliche und damit auch fr die lukanische Textauslegung bildet. Da das Buch Jesaja in allen seinen Teilen die von Lukas meistrezipierte Schrift ist, und dies ganz offensichtlich wegen der in ihm enthaltenen Heilsverkndigung, wren die Weichen hermeneutisch falsch gestellt, wrde man annehmen, dass Lukas in Apg 28,26 – 28 Jesaja zum Zeugen der ewigen Verwerfung Israels aufruft, whrend er andernorts den Heilscharakter der jesajanischen Prophetie herausstellt.16 Das gilt insbesondere fr das Anfangsbild seines Evangeliums, in welchem das Israel verheißene und in Jesus erschienene Heil nicht von ungefhr im Rckgriff gerade auf diejenigen protojesajanischen Texte besungen wird, die im direkten Anschluss an das Verstockungswort Jes 6,9f. die Ankunft des Heilskçnigs fr Israel und die eschatologische Zeitenwende ankndigen: Jes 7,14; 9,1 – 6 und 11,1 – 10 (Lk 1,26 – 38.46 – 56.67 – 79).17 Narratologisch ist daher der Zusammenhang von Jes 6,9f. und den sich anschließenden Geburts- und Heilsverheißungen als Leseanweisung fr Anfang und Schluss des Doppelwerkes zu bestimmen, damit als hermeneutischer Schlssel fr die in der Forschung immer noch offene eschatologische Frage. So gilt, im Blick auf Lukas, fr den unmittelbaren Kontext von Jes 6,9f.: Das Letzte ist das Heilswort (Jes 9,1 – 6; 11,1 – 10; 12,1 – 6), nicht das Gerichtswort (Jes 8,5 – 23).18 Die Verstockung dient als das von Gott ber 15 Vgl. den berblick ber die im Blick auf die Gesamtkomposition stark divergierenden Forschungsanstze bei Uhlig, The Theme of Hardening in the Book of Isaiah, 31 – 42. 16 Zur hermeneutischen Schlsselrolle Jesajas fr das Verstndnis des Lukas s. auch Koet, Isaiah in Luke-Acts, 79 – 81. Die Interpretation des Zitats Jes 6,9f. am Ende der Apostelgeschichte geht allerdings ber die Feststellung nicht hinaus, dass der von Lukas zitierte Text eine wichtige Rolle auch im Kontext der synoptischen Gleichnisse spiele (vgl. Mk 4,10 – 12). 17 Dazu ausfhrlich Mittmann-Richert, Magnifikat und Benediktus, 144 – 153. 18 Vgl. Beuken, Jesaja 1 – 12, 164 – 167 („Exkurs: Das Problem der Verstockung und die Stellung des Kapitels im Buch“), im Rahmen der Auslegung von Jes 5,1 – 9,6 (10,4): Die Immanuelschrift in einem mehrfachen Rahmen; Hartley, Wisdom Background, 165. S. auch: Zmijewski, Apostelgeschichte, 885f.

526

Ulrike Mittmann

Israel verhngte Gericht der vollstndigen Beseitigung der Snde und des Bçsen in Israel als Voraussetzung der dauerhaften Heilszueignung. Sie ist, was Israel betrifft, also ein zeitlich begrenztes Phnomen – „Wie lange?“ (Jes 6,11) –, kein auf immer von Gott ber sein Volk verhngtes Schicksal.19 Man wird daher nicht annehmen drfen, dass Lukas dieses „Wie lange?“ des Propheten, das unmittelbar auf die von ihm in Apg 28,26 – 28 zitierten Verse folgt und nicht von ungefhr die erste Reaktion des Propheten ist, berlas oder wissentlich ignorierte. Vielmehr wird man selbst dann, wenn man, wie oft geschehen, Lukas einseitig die Sache der heidenchristlichen Kirche vertreten lsst, davon ausgehen mssen, dass er die mit dem Zitat verknpfte Frage nach der Dauer der ber Israel verhngten gçttlichen Verstockung gestellt und beantwortet hat.20 Denn selbst das Postulat einer zeitlich unbegrenzten, auf ewig geltenden Verstockung setzt ein Nachdenken ber das Wesen der Verstockung voraus, da es die eschatologische Umprgung eines in der Tradition zeitlich befristeten Phnomens bedeutete, was gewiss nicht rein intuitiv, sondern reflektiert geschah – wenn es denn berhaupt geschah. Wenn ja, dann htte Lukas den fr die jesajanische Verkndigung geltenden zeitlichen Vorbehalt getilgt und die Verstockung Israels im Sinne der Verwerfung Israels eschatologisch fixiert. Er htte Petrus in diesem Fall allein deshalb so polemisch auf die Schuld der Juden am Tod ihres Messias hinweisen lassen, weil er damit eine Begrndung fr Israels Ausschluss vom Heil liefern konnte. Der Vorwurf einer grundstzlich antijdischen Haltung und einer rein konfrontativen Polemik bestnde in diesem Fall zu recht. Lsst allerdings schon der werkbergreifende jesajanische Textbezug an dieser Auslegung von Apg 28,26 – 28 zweifeln, so machen sie auch diejenigen Texte des lukanischen Doppelwerkes fraglich, die das Thema „Verstockung Israels“narrativ entfalten, zwei Zentraltexte des Lukasevangeliums, die beide motivisch ganz auf Jes 6,9f. bezogen sind und von diesem Text her ihr theologisches Profil gewinnen: zum einen Lk 4,16 – 30, die sog. Nazarethperikope, die gemeinsam mit Apg 28,26 – 28 die Klammer um die gesamte Geschichte Jesu und des Urchristentums bildet, zum anderen Lk 24,13 – 35, die Emmauserzhlung, die innerhalb des Evangeliums das Pendant zur Nazaretherzhlung darstellt und die Verstockungsthematik nicht aus der Perspektive der gottgewirkten menschlichen Blindheit re19 Vgl. Beuken, Jesaja 1,1 – 12, 177f. 20 Die grundstzliche Bedeutung von Jes 6,9f. fr das urchristliche Verstndnis der Sendung Jesu zeigt sich auch in Mk 4,10 – 12. Auch Markus fhrt das Unverstndnis aller Menschen auf das Verstockungshandeln Gottes zurck und verankert im Verstockungsgedanken die Notwendigkeit der Verwerfung Jesu durch sein Volk.

Polemik im eschatologischen Kontext

527

flektiert, sondern aus der Perspektive der gottgeschenkten Aufhebung menschlicher Blindheit, und d. h. der gottgewirkten Aufhebung der Verstockung. Da sowohl im negativen wie im positiven Fall die Verstockung Angehçrige des Volkes Israel betrifft, gewinnen die genannten Perikopen in Blick auf die Frage nach der Haltung des Lukas dem Judentum gegenber zentrale Bedeutung.21 2.1 Die Verwerfung Jesu in Nazareth Dass es in Nazareth um ein Verstockungsgeschehen geht, zeigt die auffllige Hervorhebung der Sinnesorgane all derer, die Zeugen des Beginns der çffentlichen Verkndigung Jesu werden. Augen und Ohren sind nach Jes 6,9f., wenn sie in rechter Weise geçffnet sind, die Sinne, welche die Gotteserkenntnis vermitteln. Die Nazarener aber, die der Selbstoffenbarung Jesu in ihrer Synagoge gewrdigt werden, versagen gnzlich, wo sie htten sehen und hçren mssen: ußerlich gebrauchen sie ihre Augen, sie starren sogar auf Jesus (Lk 4,20: ja· p²mtym oR avhaklo· 1m t0 sumacyc0 Gsam !tem¸fomter aqt`), aber sie erkennen ihn nicht. Sie „sehen“ nur den Sohn Josephs (Lk 4,22), nicht den in ihre Mitte gesandten Messias, als welcher Jesus sich ihnen in der Lesung des Textes Jes 61,1 offenbart (Lk 4,18: 5wqis´m le). Nicht besser steht es mit dem Hçren. Obwohl Jesus den Nazarenern im Anschluss an die Lesung verkndigt, die Schrift habe sich am heutigen Tag „vor ihren Ohren“ erfllt (Lk 4,21: s¶leqom pepk¶qytai B cqavμ avtg 1m to?r ¡s·m rl_m), begreifen sie rein gar nichts von dem, was sich in ihrer Mitte vollzieht. Und weil sie nichts begreifen und Jesus ihnen ihr Unverstndnis vorwirft (Lk 4,23), schlgt ihre anfngliche Neugier demjenigen gegenber, den sie als einen der ihren kennen, in Zorn um, einen Zorn, der so groß ist, dass er zur Tçtungsabsicht wird. Dramatischer kann das Geschehen nicht inszeniert werden: Kaum dass der Messias Israels çffentlich hervortritt, wird er vom Tode bedroht. Und es ist sein eigenes Volk, das Volk, in dessen Mitte er nach Lk 2,1 – 20 gesandt ist, das ihm nach dem Leben trachtet. Lukas setzt in dieser Perikope narrativ um, was der gçttliche Verstockungsauftrag an Jesaja 21 Da die genannten Erzhlungen in der Studie „Der Shnetod des Gottesknechts“ (s. Anm. 1) ausfhrlich ausgelegt wurden, wird im vorliegenden Kontext auf eine detaillierte Exegese verzichtet. Hier sollen nur die Linien ausgezogen und zusammengefhrt werden, welche die Bedeutung des Verstockungsmotivs fr das Verstndnis des lukanischen Gesamtwerks und damit die Position erhellen, die Lukas im Blick auf Israel bzw. das jdische Volk einnimmt.

528

Ulrike Mittmann

impliziert: eine Predigt, die nicht Heilserkenntnis wirkt, sondern Gottesfeindschaft provoziert. Im Unterschied zu Jesaja ist dabei Jesus nicht nur der Knder des Heils, sondern in Person derjenige, der das Heil in Israel aufrichtet, ja das Heil selbst verkçrpert. Die Aufnahme der Verstockungsmotivik aus Jes 6,9f. manifestiert in diesem Zusammenhang die Verankerung des Geschehens im Willen Gottes. Dass die Nazarener sehen und doch nicht sehen, dass sie hçren und doch nicht hçren, liegt in Gottes Heilsplan beschlossen, der Israel zum genannten Zeitpunkt das Sehen und Hçren verwehrt. Das aber heißt, dass der Anschlag auf Jesu Leben nach lukanischem Verstndnis im Willen Gottes begrndet liegt, und zwar – das zeigt das Jesajazitat, welches Jesus bei seinem ersten çffentlichen Auftreten ber seine Sendung stellt – im Heilswillen Gottes. Das Wort Jes 61,1f. ist nach urchristlichem Verstndnis ein Gottesknechtswort, gehçrt also in den großen Zusammenhang der Tradition, welche von der Sendung einer prophetisch-kçniglichen, von Gott als „Knecht“ (pa?r heoO) betitelten Heilsgestalt zu Israel und den Vçlkern handelt und das Heil aus dem Tode des Knechts erwachsen sieht (Jes 42,1 – 4; 49,1 – 6; 50,4 – 9; 52,13 – 53,12). Im Sinne eines solchen Geschehenszusammenhangs zumindest hat das Urchristentum die Gottesknechtstradition rezipiert einschließlich der in den Umkreis dieser Tradition gehçrenden spteren Texte bzw. Textpassagen Jes 42.6 – 8; 49,7 – 9 und Jes 61,1 – 3.22 Die Identifikation des in Lk 4,18f. zitierten Textes Jes 61,1f. als Gottesknechtswort liefert den hermeneutischen Schlssel fr die Auslegung der Nazarethperikope und damit den hermeneutischen Schlssel fr das lukanische Verstndnis des gçttlichen Verstockungshandelns allgemein. Denn auch die Gottesknechtstradition, die bei Lukas immer als ein Geschehenszusammenhang vor Augen steht, zeichnet das Schicksal des Knechts als von der Unfhigkeit Israels bestimmt, ihn als den von Gott gesandten Heilsknder zu erkennen. Die Verwerfung seiner Person bedeutet die Verwerfung des gçttlichen Wortes und ist die Folge einer das ganze Volk be22 Ausfhrlich zur Begrndung Mittmann-Richert, Der Shnetod des Gottesknechts, 252 – 256. Die genannte Arbeit stellt die soteriologische Grundlegung der hier im Blick auf die lukanische Israel-Problematik prsentierten Sicht der Zusammenhnge dar. Die dort vollzogene Verankerung der lukanischen Soteriologie in der jesajanischen Gottesknechtstradition kann hier nicht wiederholt und dokumentiert werden. – Dass Jes 61,1f. eine Fortschreibung der deuterojesajanischen Gottesknechtslieder darstellt, ist in der alttestamentlichen Wissenschaft allgemein anerkannt; s. loc. cit. mit einer Sammlung der entsprechenden Kommentare und Einzelstudien.

Polemik im eschatologischen Kontext

529

treffenden Blindheit (Jes 53,1 – 3). Das Sterben des Knechts aber bewirkt – und das erscheint im Kontrast zu Jes 6,9f. als das gnzlich Neue – die Rettung gerade desjenigen Volkes, das ihn verworfen hat (Jes 53,10 – 12), ein Geschehen, das nach Gottes Willen die Rettung der Heiden von vornherein mit umgreift (Jes 42,1 – 4; 49,5f.; 52,15). Das Heil selbst wird in Jes 61,1f. in messianischen Bildern (vgl. Jes 61,1: 5wqis´m le) geschildert und als das Ereignis der universellen Schuldbefreiung Israels charakterisiert. Wenn daher Lukas programmatisch gerade dort das Gottesknechtsgeschehen zur Folie seiner Darstellung des Weges Jesu macht, wo er die Blindheit Israels und damit die Schuld des Volkes am Tod Jesu vor Auge stellt, dann weist er damit voraus auf die aus dem Tode des Knechts fr Israel erwachsende Schuldbefreiung und auf die eschatologische Sammlung und Rettung des Volkes, von der alle Gottesknechtstexte knden. Dass die Rettung Israels die Aufhebung der Verstockung und die ffnung der Augen durch Gott selbst voraussetzt und also dem Wollen und Handeln des einzelnen entzogen ist, wird erzhlerisch meisterhaft in der Emmausperikope Lk 24,13 – 35 in Szene gesetzt. Sie çffnet, als Gegenbild zur Nazaretherzhlung, den Blick auf das Israel zugedachte Heil und reflektiert aus nachçsterlicher Perspektive, nicht weniger programmatisch als die Nazaretherzhlung, den inneren Zusammenhang des historisch-eschatologischen Geschehens: christologisch den Zusammenhang von Tod und Auferstehung, anthropologisch und soteriologisch den Zusammenhang von Schuld und Erlçsung, alles aber als Antwort auf die große Frage der eschatologischen Kausalitt der Geschichte, systematisch-theologisch gesprochen: des inneren Zusammenhangs von Zeit und Ewigkeit. 2.2 Die ffnung blinder Augen in Emmaus Die Emmauserzhlung gehçrt schon deshalb in den Kontext einer Reflexion ber Inhalt und Wesen der gegen Israel gerichteten Polemik im lukanischen Doppelwerk, weil Jesus selbst hier die Jnger, die ihn nicht erkennen (Lk 24,16) und ihn ber das Kreuzigungsgeschehen in Jerusalem belehren wollen (Lk 24,19 – 24), verbal attackiert: „Oh ihr Toren!“, was modernen Sprachgepflogenheiten entsprechend besser zu bersetzen wre: „Dummkçpfe seid ihr!“ Hier wird auch das jede Polemik konstituierende emotionale Moment fassbar, ja, die Emmausperikope kann als die im Ganzen emotionalste Erzhlung der Evangelien gelten, allerdings in dem Sinne, dass Lukas die Emotion als bewusstes Stilmittel einsetzt: Der Wechsel von Trauer und Verzweiflung (Lk 24,17) zu brennender Freude (Lk 24,32) auf Seiten

530

Ulrike Mittmann

der Jnger markiert einen Seinswechsel: den Wechsel von Unwissenheit im Zustand der Verstockung hin zur Erkenntnis der Bedeutung des Todes Jesu und damit zur Erkenntnis Jesu selbst im Zustand der von Gott geschenkten ffnung der Augen (Lk 24,31).23 Gewiss klingt der den Jngern geltende Vorwurf Jesu, dumm und unwissend zu sein, harmloser als der von Petrus an die Juden allgemein gerichtete Vorwurf, den Messias gekreuzigt zu haben (Apg 2,23; 3,15; 5,30; 10,39), er ist es aber nicht. Denn der Vorwurf der Dummheit als Vorwurf der Unwissenheit manifestiert auf anthropologischer Ebene das Problem: die Blindheit Israels dem gottgesandten Messias gegenber, wobei hier die Blindheit als das Unvermçgen charakterisiert wird, die Notwendigkeit des Todes des Messias zu erkennen, d. h. das Unvermçgen, den Kreuzestod als das signum der Messianitt Jesu zu erkennen. Die allgemeine Unkenntnis aber stellt die Emmausjnger im Kontext des Lukasevangeliums den Henkern Jesu gleich, fr die Jesus selbst die Vergebung Gottes erfleht (Lk 23,34a): „Vater, vergib ihnen, denn Sie wissen nicht, was sie tun!“24 Hier wird das eschatologische Tableau erkennbar: Es ist die Unwissenheit seines Volkes, die Blindheit dem Messias Israels gegenber, die Jesus ans Kreuz bringt; es ist das Unvermçgen des Menschen, zu erkennen, wer Jesus wirklich ist, nmlich derjenige, der Israel und die Vçlker erlçst. Dieses Unvermçgen wird in der Emmausperikope nher qualifiziert als das Unvermçgen zu erkennen, dass der Messias Israels das Volk durch seinen Tod erlçst. Damit kommen aber bei Lukas auch die Jnger Jesu auf der Seite derer zu stehen, die in der Apostelgeschichte angeklagt werden, den Tod des Messias Israels verschuldet zu haben, und d. h.: sie kommen an der Seite des Judas zu stehen. Der Unterschied zwischen den Emmausjngern und Judas ist kein Unterschied der inneren Haltung – alle haben sie nicht verstanden, worum es bei Jesu Sendung geht25 –, der Unterschied liegt allein im erwhlenden Handeln Gottes: Den Emmausjngern çffnet Gott selbst die Augen (Lk 24,31), whrend Judas als Sinnbild des verstockten Menschen zum Werkzeug der Tçtung des Messias wird. Die innere Dramatik der Emmauserzhlung erwchst aus der Tatsache, dass hier gerade diejenigen als verstockt dargestellt und damit den Henkern Jesu gleichgestellt werden, die eigentlich 23 Zur Emmauserzhlung als einer Verstockungserzhlung vgl. auch Schwemer, Der Auferstandene, 95.98. 24 Zum textkritischen Problem und zur Auslegung der Stelle s. Mittmann-Richert, Der Shnetod des Gottesknechts, 98 – 100. 25 Das gilt, wie Lukas im Jngergesprch Lk 22,24 – 38 deutlich macht, auch fr alle anderen Jnger, insbesondere fr Petrus; vgl. Lk 22,31f.

Polemik im eschatologischen Kontext

531

als Anhnger Jesu zu gelten haben. Lukas qualifiziert also, was Israel betrifft, alle Menschen als grundstzlich in Unkenntnis befangen. Was das Unvermçgen betrifft, Jesus als den gottgesandten Erlçser zu erkennen, besteht fr Lukas kein Unterschied in Israel. Der Unterschied liegt nicht im Bereich des menschlichen Willens zur Nachfolge Jesu, der Unterschied liegt im gçttlichen Willen zur ffnung der Augen (Lk 24, 16.31) – im negativen Fall: zur Verschließung der Augen, wie sie am Ende des lukanischen Werkes im Verstockungswort Jes 6,9f. angedeutet ist. Die durch Gott in der Emmauserzhlung selbst vermittelte Christuserkenntnis ist – entsprechend der Anfangsfrage nach dem Sinn des Kreuzestodes Jesu (Lk 24,19 – 21) und im Rckbezug auf die Deutung des Todes Jesu beim Abendmahl – die Erkenntnis der soteriologischen Bedeutung des Todes Jesu, d. h. der Bedeutung des Sterbens des Messias „fr mich“.26 Im Gesamtkontext des lukanischen Doppelwerkes wird die in Emmaus von Gott selbst gewhrte Christuserkenntnis allerdings zum eschatologischen Problem: Da sie als Gottesgeschenk erscheint, das die Integration in das durch Christi Sterben und Auferstehung gewirkte Heil sichert, wird die Frage nach denjenigen in Israel virulent, denen im Hier und Jetzt der von Lukas geschilderten Geschichte diese ffnung der Augen von Gott her nicht zuteil wird. Die Frage gewinnt schon deshalb im nachçsterlichen Kontext ganz neu an Brisanz, weil nach lukanischem Verstndnis der Tod Jesu, nicht anders als bei Markus, das Heilsereignis der Befreiung des Menschen von der Sndenmacht ist und damit der Befreiung des Menschen von dem, was das Sehen und damit den Glauben hindert.27 Man sollte daher erwarten, dass nach Jesu Tod und Auferstehung auch diejenigen zum Sehen kommen, welche vorher – im Zustand der Verstockung – das notwendige Werkzeug der Erfllung des Leidensweges Jesu waren. Die Verstockung Israels aber dauert an. Und die Frage nach dem „Warum“, die Frage nach dem Verharren Israels im Zustand der Blindheit und Feindschaft seinem Messias gegenber, ist eine Frage, die nicht nur an Lukas zu stellen ist, sondern die er auch selbst stellt, drngend stellt. Und er beantwortet sie von der Erkenntnis der Geschichtlichkeit der Gottesoffenbarung in Jesus her, welche die Integration des Menschen in das Reich und Leben Jesu und damit die Vollendung der Geschichte verbrgt. 26 Eine ausfhrliche Darstellung des Abendmahlsbezugs der Perikope und der soteriologischen Zusammenhnge in: Mittmann-Richert, Erinnerung und Heilserkenntnis im Lukasevangelium, 243 – 270. 27 Diese Sicht auf die lukanische Soteriologie im Einzelnen zu begrnden, kann hier nicht geschehen. S. dazu die in Anm. 1 und 26 genannten Studien.

532

Ulrike Mittmann

3. Die Vollendung des Menschen und seiner Geschichte Die Bindung des Menschen an Zeit und Raum bedeutet fr Lukas zunchst, dass mit dem Zur-Welt-Kommen Gottes in Bethlehem inmitten seines Volkes und dem Sterben des Gottesknechts in Jerusalem sich das Heil in menschlich-irdischer Bedingtheit realisiert. Im Blick auf die Vergangenheit gewinnt das Christusgeschehen geschichtliche Faktizitt, im Blick auf die Zukunft geschichtliche Wirksamkeit. Damit aber erscheint auch die nachçsterliche Heilsbotschaft als von vornherein geschichtlich bedingt. Ihre Verbreitung entspricht der Verhaftung des Menschen im Irdischen: Die Verkndigung des Christusevangeliums braucht „Zeit“, um „rumlich“ weiterzuschreiten. Dabei wird auch im Blick auf die Heiden ihr Sein vor der Annahme der Christusbotschaft als Blindheit, und d. h. als Verstocktheit, verstanden. Die Aufhebung der Verstockung der Heiden in der ffnung ihrer Augen durch Gott selbst geschieht im Akt der Verkndigung (Apg 26,17f.), und d. h. in der individuellen Anrede, welche wirkt, was sie verheißt: die Befreiung des Menschen von seiner Gottesfeindschaft und seine Integration in die Christusgemeinschaft.28 Ja, es muss die genannte Stelle Apg 26,17f., in welcher Paulus vor Damaskus durch Christus selbst in das Amt der Verkndigung der Christusbotschaft eingesetzt wird, als positives Pendant zum Schlusswort Apg 28,26 – 28 gelten, da sie den ausdrcklichen Auftrag zur ffnung der Augen der Heiden enthlt (!mo?nai avhaklo»r aqt_m) als Voraussetzung ihrer Hinwendung zu Gott im Akt des Empfangs der Sndenvergebung (toO 1pistq´xai […] 1p· t¹m heºm, toO kabe?m aqto»r %vesim "laqti_m). Der hier Paulus ausdrcklich erteilte Auftrag zur Aufhebung der Verstockung der Heiden muss aber nicht allein aufgrund des Kontrastes in engstem Zusammenhang mit dem Verstockungswort Apg 28,26 – 28 gelesen werden, sondern auch deshalb, weil es den in beiden Worten auf das irdische Verkndigungsgeschehen gerichteten Blick eschatologisch weitet und die innergeschichtliche Begrenztheit des Verstockungswortes am Schluss der Apostelgeschichte manifestiert. Denn der Auftrag zur ffnung der Augen der Heiden endet mit der Verheißung eines „Erbteils unter den Geheiligten“ (jk/qom 1m to?r Bciasl´moir), d. h. eines Platzes in der Gemeinschaft des Gottesvolkes, die eschatologisch als Gemeinschaft des Glaubens (p¸stei t0 eQr 1l´) konstituiert ist. Hier wird fr das Ende der Geschichte angekndigt, was innergeschichtlich noch ausgeschlossen erscheint: das Zum-Glauben-Kommen Israels, die erkennende 28 Zur lukanischen Wort-Gottes-Theologie s. Mittmann-Richert, Erinnerung und Heilserkenntnis im Lukasevangelium, 244 – 250.

Polemik im eschatologischen Kontext

533

Hinwendung zu Christus, die sich auch an Israel nicht anders vollziehen kann als an den Heiden, nmlich als Aufhebung der Verstockung durch Gott selbst. Die historische Problematik erwchst nach dem Verstndnis des Lukas aus der gleichzeitig individuellen und berindividuellen Dynamik der Verstockung, die ihrerseits die Konsequenz der Christusoffenbarung ist als eines Geschehens, das sich in der unmittelbaren Anrede des Menschen im Akt der Verkndigung individuell realisiert, aber auf die universelle Befreiung der Menschheit aus der sndigen Selbstbefangenheit zielt. Dabei wird fr Lukas die Gottesknechtsexistenz Jesu im Blick auf die endzeitliche Sammlung Israels und der Vçlker zum hermeneutischen Schlssel, da sie die Heilsnotwendigkeit der Verwerfung des Messias durch sein Volk manifestiert und die geschichtliche Bedingtheit des Offenbarwerdens Gottes in Tod und Auferstehung seines Sohnes (Lk 1,35; 4,3.9; 9,35) als Voraussetzung der eschatologischen Integration des Menschen in den transzendenten Lebensraum Gottes verstehen hilft. Lukas verankert also die Historizitt des Individuums als anthropologische Bedingtheit in der Weise im Ratschluss Gottes, dass im Tode Jesu der Mensch und seine Geschichte gemeinsam zur Vollendung gelangen, damit aber notwendig die Geschichte Israels und der Vçlker. Die Tatsache, dass fr Lukas die Verstockung Israels die historische Konsequenz der Gottesknechtsexistenz Jesu ist (vgl. Apg 3,13.26; 4,27.30), hilft schließlich auch, das heilsgeschichtliche Gesamtkonzept des Lukas zu verstehen, dessen unverrckbares Fundament der Heilsvorzug Israels ist, wie er sich aus der Erwhlung des Volkes am Sinai ergibt. Das Heilsprrogativ Israels dokumentieren im lukanischen Gesamtwerk all jene Texte, die eingangs ausfhrlich besprochen wurden (Lk 2,1 – 20; Lk 22,29f.; Apg 1,6)29 einschließlich der Schlsselstelle Apg 26,17f.30 Dass Lukas im Blick auf die eschatologische Heilsvollendung das traditionelle Schema umkehrt, wonach die eschatologische Sammlung der Vçlker der Sammlung Israels nachfolgt, geschieht in bewusster Adaption der Gottesknechtstradition, welche die Sendung des zum Leiden bestimmten Knechts ausdrcklich als Sendung zu den Heiden charakterisiert (Jes 42,1 – 4.6; 49,1.6) und die Gottes29 Auf der hohen Bedeutung von Lk 22,29f. fr das Verstndnis des lukanischen Israelbildes insistiert auch Fuller, The Restoration of Israel, 250 – 254.272f. Da er allerdings bei seiner Analyse der lukanischen Eschatologie ausgerechnet Apg 28,26 – 28 ausklammert und den Bruch im Israelbild innerhalb des lukanischen Doppelwerkes nicht bedenkt, bleibt die These einer fr die Endzeit erwarteten Sammlung und Wiederherstellung Israels plakativ. 30 Vgl. auch Lk 2,25 – 35; dazu Schrçter, Heil fr die Heiden und Israel, 298 – 304.

534

Ulrike Mittmann

knechtserkenntnis der Heiden der Blindheit Israels entgegensetzt (Jes 52,15). Diesen Gegensatz fasst Lukas als zeitlichen Gegensatz, von welchem ausgehend er die Geschichte Israels und der Vçlker systematisiert. Dabei folgt er der Grunderkenntnis, dass die uranfngliche Erwhlung Israels im Akt der Selbstoffenbarung Gottes am Sinai auf Seiten der Heidenvçlker die gçttliche Bestimmung zu einem Sein in Gottesferne und Gottesfeindschaft impliziert. Das zeigt sich philologisch schon daran, dass Lukas die mit der Sendung Jesu einhergehende Verstockung Israels in Apg 19,9 gerade mit jenem Verb bezeichnet, das in Ex 7 – 11, der klassischen Verstockungserzhlung, die von Gott gewirkte Verstockung des Pharaos als Reprsentant des Heidentums bezeichnet: 1sjkgqo¼mto ja· Ape¸houm (vgl. Ex 7,3.22; 8,15; 9,12.35; 10,20 u. ç.).31 So werden die Heiden zum Werkzeug der Erwhlung Israels und tragen im Zustand der Verstockung die Last der aus der Gottesfeindschaft resultierenden Schuld. Dass sich im Lichte der Sendung Jesu als Sendung des Gottesknechts die Verhltnisse umkehren und nun Israel das Schicksal der Verstockung zu tragen bekommt und zum Werkzeug der Erlçsung der Heiden wird, liegt fr Lukas in Jes 52,15 beschlossen: oXr oqj !mgcc´kg peq· aqtoO, exomtai, ja· oT oqj !jgjºasim, sum¶sousim – „Denen davon nicht verkndigt wurde, die werden sehen, und die nicht gehçrt haben, werden erkennen“. Die Terminologie stimmt ganz mit der des Verstockungswortes Jes 6,9f. berein und signalisiert im Blick auf die Heiden, dass mit der Sendung des Knechts das Verstockungsurteil Gottes ber die Vçlkerwelt aufgehoben ist. Dies entspricht der in Jes 42,1 – 4.6 und Jes 49,1.6 proklamierten Sendung des Gottesknechts zu den Heiden und wird in der Kreuzigungsszene in der Erkenntnis des rçmischen Hauptmanns versinnbildlicht, der in Jesus den „Gerechten“ erkennt (Lk 23,47), und d. h. nach Jes 53,11, den Gottesknecht.32 Das Zum-Sehen-Kommen der Heiden im Sinne wahrer Gotteserkenntnis aber steht im erzhlerischen Gesamtduktus von Jes 53 in Antithese zur Blindheit Israels dem Heilsboten gegenber und zur aktiv vollzogenen Abwendung des Volkes vom Gottesknecht (Jes 53,1 – 4), ein Geschehen, in welchem Lukas die Vorabschattung der Verwerfung und Kreuzigung Jesu durch die Juden erkennt. Um so mehr wird ihm das vierte Gottesknechtslied zum Siegel der Verheißung, dass die Verwerfung des Knechts und sein Gang in den Tod Israel zum Heil gereicht (Jes 53,10 – 12), allerdings historisch in der Weise, dass die Heilsvollendung als Vollendung 31 Vgl. auch Rçm 9,17f. 32 Ausfhrlich zum Gottesknechtsbezug der lukanischen Kreuzigungserzhlung Lk 23,32 – 49: Mittmann–Richert, Der Shnetod des Gottesknechts, 89 – 110.

Polemik im eschatologischen Kontext

535

der Geschichte in der Integration auch der Heiden in das Israel verheißene Heil von Gott her die Verstockung Israels ber Tod und Auferstehung des Knechts hinaus notwendig macht. Auf diesen Tatbestand zielt nach der Ankndigung der basike¸a t` Ysqa¶k in Apg 1,6 und der Verheißung der endzeitlichen Teilnahme der Heiden an der Israel verbrgten jkgqomol¸a des Gottesreiches in Apg 26,17f. das Verstockungswort am Ende der Apostelgeschichte.33 Dass dieses Wort nicht das letzte Wort ber Israel ist, sondern der Verheißung seiner Aufhebung durch denjenigen unterliegt, der als Gottesknecht fr Israel und die Heiden in den Tod ging, zeigt in der Apostelgeschichte die besondere Charakterisierung der Verkndiger der Christusbotschaft als Knechte des Knechts, allen voran Paulus. Ja, das Wirken des Paulus erscheint in der Apostelgeschichte nicht nur narrativ als Abbild des Wirkens Jesu selbst stilisiert, sondern wird vor Damaskus, im Kontext der bereits rezipierten Stelle Apg 26,17f., durch den auferstandenen und erhçhten Christus als „Gottesknechtsamt“ definiert. Die Ansage der ffnung der Augen der Heiden und ihrer Hinwendung „von der Finsternis zum Licht“ (Apg 26,18) entspricht hier ganz dem entsprechend formulierten Auftrag des Gottesknechts in Jes 42,6f. und verankert die Verkndigung der Zeugen Christi als Knechte des Knechts im Tod des Knechts als dem Ereignis universeller Schuldbefreiung.34

33 Dass P. Seul in seinem großen „Rettung fr alle“ berschriebenen Werk (Seul, Rettung fr alle. Die Romreise des Paulus nach Apg 27,1 – 28,16) auf eine Auseinandersetzung mit dem Verstockungswort Apg 28,26 – 28 verzichtet und die Textauslegung nach Apg 28,16 abbricht, lsst seine im Titel formulierte These als sachlich unbegrndet erscheinen. Das gilt auch fr Deutschmann, Die Hoffnung Israels, der von Apg 28,20 her ein positives Israelverstndnis des Lukas entwickelt, ohne auf das unmittelbar folgende Verstockungswort Apg 28,26 – 28 einzugehen, und fr Munck, The Acts of the Apostles, 259, der in der Auslegung von Apg 28,25 – 28 ohne weitere Begrndung feststellt: „Paul knew that the Gentiles’reception of the Gospel in turn would cause God to save all Israel.“ In der Neubearbeitung des Kommentars relativiert Fitzmyer, The Acts of the Apostles, 791, zwar den plakativen Lçsungsansatz seines Vorgngers, indem er die Forschungsdiskussion zu Apg 28,26 – 28 dokumentiert; er tut dies jedoch, ohne sich selbst auf eine bestimmte Deutung der Stelle festzulegen, was im Blick auf die Programmatik der Verse am Schluss des Doppelwerkes dem Verzicht auf eine Erhebung des theologischen Programms der Apostelgeschichte gleichkommt. 34 Weitere Belege fr die auch in anderen Zusammenhngen christologisch begrndete Integration der Heiden in das Israel verheißene Heil bei Schrçter, Heil fr Israel und die Heiden, 289 – 298.

536

Ulrike Mittmann

4. Das Amt der Christusverkndigung als Amt der Verstockung und Heilsbereitung Der Doppelcharakter der nachçsterlichen Verkndigung der Christusboten zeigt sich in der Apostelgeschichte am deutlichsten an Paulus, dessen Weg dem Weg Jesu in den Tod erzhlerisch parallel gestaltet ist. Die Parallelitt zeigt sich in der fortgesetzten Wiederholung des Nazarethgeschehens: Wie Jesus bei seinem ersten Auftreten (Lk 4,16), so beginnt auch Paulus sein Verkndigungswerk an jedem neuen Ort, den er betritt, am Sabbat in der Synagoge (Apg 13,5.14.44; 14,1; 17,1f.10; 18,4.19; 19,8). Und immer wieder neu erfhrt der Verkndiger des Evangeliums dabei die gewaltsame Ablehnung seiner Predigt durch seine ursprnglichen Glaubensgenossen, die Juden. Es folgt die Hinwendung zu den Heiden (Apg 13,45 – 51; 14,2 – 7; 17,5 – 9.13f.; 18,6; 19,9). Ja, in der fr das Verstndnis der dynamischen Struktur der Evangeliumsverkndigung wichtigen Perikope Apg 13,14 – 51, welche ganz der Nazarethperikope nachempfunden ist,35 wird die Verwerfung des Paulus durch die Juden und die darauf folgende Hinwendung zu den Heiden auch ausdrcklich mit einer Gottesknechtsverheißung begrndet (Jes 49,6 LXX; Apg 13,47): t´heij² se […] eQr v_r 1hm_m toO eWma¸ se eQr sytgq¸am 6yr 1sw²tou t/r c/r.36 In der ebenfalls modellhaften Szene Apg 17,1 – 9 wird das Geschehen – hnlich wie in der Schilderung des Leidensweges Jesu – auf die Anklage wegen politischen Aufruhrs hin entwickelt und auf den zuknftigen Prozess hin pointiert (Apg 17,6 – 9). Die Verwerfung des Paulus erscheint durchgehend als der Motorder Ausbreitung der Christusbotschaft „bis an das Ende der Erde“ (vgl. Apg 1,8) und sein Verkndigungswort als Stein des Anstoßes, derdas Verwerfungsgeschehen in Gang setzt. Nun schließt allerdings um des eschatologisch noch offenen Endes der Evangeliumsverkndigung willen Lukas sein Werk nicht mit dem Tod des Paulus, wie es die von ihm erzhlerisch verfolgte Parallelitt gebçte. Denn gerade am Ende seines Werkes will Lukas die weltweite Ausstrahlung der Christusbotschaft dokumentieren, wofr kein Ort so geeignet ist wie die Welthauptstadt Rom. Da die Botschaft Christi im Zentrum der heidnischen 35 Die Schriftlesung ist der Ausgangspunkt der nachfolgenden Heilsverkndigung (vgl. Lk 4,16 – 21 mit Apg 13,15; vgl. auch Apg 17,2). Zum Gottesknechtszitat s. o. das Folgende. 36 In Antiochien erfllt sich das mit der Gottesknechtsexistenz Jesu auch seinem Verkndiger auferlegte Leiden in der ttlichen Verfolgung des Paulus durch die Juden und in seinem Hinauswurf aus der Stadt (vgl. Lk 4,29 mit Apg 13,50).

Polemik im eschatologischen Kontext

537

Macht erklingt, kommt das Ende weltlicher Herrschaft in den Blick und damit das Ende der Geschichte in der Erfllung der Israel und den Vçlkern geltenden Verheißung des Gottesreiches. Das Bild des Knechts, der in Ausbung seines Amtes wie Jesus den gewaltsamen Tod erleidet, verknpft Lukas nicht mit Paulus, sondern mit Stephanus. In der Stephanuserzhlung Apg 6,8 – 7,60 kombiniert Lukas die Verstockungsmotive der Nazarethperikope neu und verschmilzt sie zu einem typologischen Bild: Die Tçtung des Stephanus erfolgt aufgrund der Tatsache, dass die anwesende Schar sich die Ohren zuhlt (Apg 7,57), d. h. im Zustand der Verstockung handelt. Beide aber, Paulus und Stephanus, sind im nachçsterlichen Verkndigungskontext gerade wegen der verstockenden Wirksamkeit ihrer Botschaft Wegbereiter des Israel verheißenen Heils. Wenn daher in den Anfangskapiteln der Apostelgeschichte Petrus Anklage erhebt gegen die „Mnner Israels“, die den Knecht Gottes (Apg 3,13.26; 4,27.30), Jesus, den Retter und Anfhrer zum Leben (Apg 3,15) getçtet haben, dann bindet Lukas mit diesem Rckverweis auf das Kreuz als tçdliche Folge der Blindheit Israels seinem Messias gegenber das nachçsterliche Verstockungsgeschehen von Apg 28,26 – 28 mit dem vorçsterlichen Verwerfungsgeschehen zusammen und verankert beides im Geheimnis der Gottesknechtsexistenz Jesu. Die nachçsterliche Kontinuitt der Verwerfung Jesu durch sein Volk als eines in Gottes Willen gegrndeten Geschehens wird dabei zur Grundlage eschatologischer Heilsgewissheit. Sie grndet in der Erkenntnis, dass Gott die menschliche Gottesfeindschaft um ihrer eschatologischen berwindung willen historisch in Dienst genommen hat, eine Last, die zu tragen Israel und den Heiden gleichermaßen auferlegt war, mit dem Unterschied, dass in der Heilserfllung die Heiden als Anteilseigner des verheißenen Erbes Israels erscheinen und der Heilsvorrang Israels vom Sinai her gewahrt bleibt.

Resmee Die bis in die Gegenwart reichende einseitige Deutung der polemischen Passagen der Apostelgeschichte als Ausdruck eines religionssoziologisch polarisierenden Interesses, das sich rhetorischer Konventionen bedient, um wirksam zu sein, konnte nur deshalb eine so große Wirkung erzielen, weil sie von der Voraussetzung einer einseitigen Ausrichtung des Autors auf die heidenchristliche Kirche und einer soteriologisch reduzierten Kreuzes-

538

Ulrike Mittmann

theologie her konzipiert wurde.37 Dass Lukas den Heilsvorrang Israels durchgehend anerkennt38 und von ihm her das eschatologische Heilsbild entwirft, schien angesichts der Heftigkeit des gegen die Juden gerichteten Angriffs undenkbar. Das Idealbild des Anfangs geriet damit notwendig zum Sinnbild verspielter Mçglichkeiten des ehemaligen Gottesvolkes. Und selbst Versuche, die antijdische Polemik theologisch zu entschrfen, erwiesen sich am Ende oft als Verlegenheitslçsungen, welche statt der von Lukas angeblich postulierten Verwerfung Israels dem grundstzlichen Desinteresse des Autors am Schicksal Israels zugunsten der Rettung der Heiden das Wort redeten.39 Ganz anders stellt sich das Bild im Kontext der lukanischen Verstockungsaussagen und ihrer jesajanischen Bezugstexte dar, welche die Gottesfeindschaft Israels nie anders als im Blick auf die gottgewirkte Errettung aus Schuldverfallenheit und Gericht thematisieren, gerade dort, wo die Unmçglichkeit selbstwirksamer Umkehr zu Gott erkannt wird (Jes 53). Die anthropologische Einsicht in das Unvermçgen des Menschen – aller Menschen –, Gott zu erkennen, wenn nicht Gott selbst die Augen çffnet und mit dem Sehen das Verstehen schenkt,40 wird fr Lukas zur soteriologischen Grundsatzfrage, die dort, wo sie zur eschatologischen Reflexion wird, stets im Blick auf den universellen Heilscharakter des Todes Jesu als des zu Israel und den Vçlkern gesandten Gottesknechts bedacht wird. Die Antwort, die Lukas auf das eschatologische Schicksal Israels und der Vçlker gibt, grndet in der von Jes 53 her gewonnenen Erkenntnis der Notwendigkeit des Leidens und Sterbens Jesu (vgl. Lk 24,26), damit der 37 Zur Forschungslage Schrçter, Heil fr die Heiden und Israel, 285 – 289; Neubrand, Israel, 39 – 77. Zur soteriologischen Problematik insgesamt vgl. Mittmann-Richert, Der Shnetod des Gottesknechts, 1 – 54.265 – 269. 38 Gegen Eckey, Apostelgeschichte II, 592f. Marguerat, The First Christian Historian, 226, ist dagegen der berzeugung, dass Lukas nur deshalb das Ende seines Werkes offenhalte, weil er selbst keine Lçsung fr das Problem der fortdauernden Verwerfung Christi durch sein Volk habe. 39 Stellvertretend fr andere Wasserberg, Aus Israels Mitte, der am Schluss seines großen Versuchs, Lukas vom Vorwurf des Antijudaismus zu befreien (Kapitel XVII. Zur Frage: Ist Lk-Act antijdisch?; 361 – 366), dies nur auf dem Weg einer psychologischen Entschrfung der gegen Israel gerichteten Polemik vermag: Lukas sei persçnlich enttuscht davon gewesen, dass „viele Juden nicht zu Jesus finden konnten“; op. cit., 365. 40 Von einem „optimistischen Menschenbild“, wie es Seul, Rettung fr alle, 264, im Anschluss an Bovon, Lukasevangelium I, 25, postuliert und zur Grundlage seiner Rekonstruktion des Verhltnisses von Juden und Heiden in der Apostelgeschichte macht, wird man bei Lukas gewiss nicht sprechen kçnnen.

Polemik im eschatologischen Kontext

539

Notwendigkeit der Verwerfung des Messias und Knechts durch sein Volk und also der Notwendigkeit der Blindheit und des Unglaubens Israels. Die geschichtlich in der Tçtung des Messias wirksame Gottesfeindschaft Israels erkennt Lukas im heilsgeschichtlichen Gesamtzusammenhang des Offenbarwerdens Gottes auf Erden als das von Gott selbst gewhlte Mittel der eschatologischen berwindung aller Gottesfeindschaft und damit der eschatologischen Aufhebung der Verstockung Israels. Was im Blick auf das eschatologische Schicksal Israels die eingangs vorgestellten Alternativen betrifft, so schließt der hier zur Anschauung gebrachte offenbarungsgeschichtliche Zusammenhang eine Scheidung Israels aus.41 Lukas ist sich der Erlçsung ganz Israels am Ende der Zeit gewiss,42 der Erlçsung auch von der Schuld am Tode des Messias Israels, die er in den polemischen Passagen auch deshalb zur Kollektivschuld erhebt, weil damit die mit Judas verbundene Schuld- und Schicksalsfrage jeder individuellen Bewertung enthoben ist. Dass auf der literarischen Ebene die Polemik strikt auf Petrus beschrnkt bleibt, kennzeichnet sie als innerjdische Polemik, was die gngige These eines einseitig auf die heidenchristliche Kirche ausgerichteten polemischen Interesses des Lukas43 hinfllig macht. Ja, es dokumentiert der innerjdische Disput das stete Ringen des Autors um das Schicksal des Gottesvolkes, aber nicht in dem Sinne, dass im eschatologischen Kontext die mehrheitlich heidenchristliche Kirche als das „wahre Israel“ erscheint,44 sondern im Sinne der uranfnglichen Erwhlung des jdischen Volkes. Im geschichtlichen und die Geschichte gleichzeitig transzendierenden Zusammenhang der von Lukas in der Apostelgeschichte geschilderten Ereignisse erfllt die scharfe Polemik zum einen die Funktion, die Verstockung Israels zu manifestieren. Sie ist zum anderen das movens der nachçsterlich fortdauernden Verwerfung Christi in der Verwerfung seiner Zeugen, dies aber um der eschatologischen berwindung der Verstockung willen, die sich innergeschichtlich bereits in der ffnung der Augen der Heiden realisiert und fr das Ende der Zeit von 41 Gegen Jervell, Das gespaltene Israel, 82; Eltester, Israel im lukanischen Werk, 118f.124.130f.; Lohfink, Die Sammlung Israels, 61f.95 u. ç. 42 Vgl. Lehnert, Die Provokation Israels, 286 – 296; Schrçter, Heil fr die Heiden und Israel, 307f. S. auch Pervo, Acts, 684f. 43 Vgl. Wasserberg, Aus Israels Mitte, 365, der von Identittsfindung durch Abgrenzung spricht und in der Verstockung als ein gegen Israel gerichtetes Handeln Gottes das lukanische Mittel der Legitimation und Sicherung heidenchristlicher Existenz und Zukunft erkennt. „Die Frage nach Israels Zukunft ist offensichtlich nicht seine Frage“ (loc. cit.). 44 So z. B. Jervell, The Theology of the Acts of the Apostles, 17.23 u. ç.; ders., Apostelgeschichte, 89.92f. u. ç.

540

Ulrike Mittmann

Lukas als ein Ereignis der gottgeschenkten Christuserkenntnis und damit Heilsvollendung ganz Israels erwartet wird. Es ist kein Zufall, dass dieser Heilszusammenhang sogar in einer der eingangs zitierten polemischen Passagen thematisiert (Apg 5,30f.): „Der Gott unserer Vter hat Jesus auferweckt, welchen ihr an das Holz gehngt und getçtet habt. Den hat Gott durch seine rechte Hand erhçht zum Frsten und Heiland, um Israel Umkehr und Vergebung der Snden zu gewhren.“ Wie lange (Jes 6,11) Israel auf seine Wiederherstellung als von der Last der Verstockung befreites Gottesvolk warten muss, verwehrt in Apg 1,7 Jesus den Jngern zu fragen. Dass sie aber der Aufrichtung der basike¸a t` Ysqa¶k (Apg 1,6) gewiss sein drfen, duldet nach Lukas keinen Zweifel.

Literatur Beuken, W.A.M., Jesaja 1 – 12 (HThK), Freiburg/Basel/Wien 2003. Bovon, F., Das Evangelium nach Lukas. 1. Teilband: Lk 1,1 – 9,50 (EKK 3/1), Dsseldorf/Zrich/Neukirchen-Vluyn 1989. Conzelmann, H., Die Mitte der Zeit. Studien zur Theologie des Lukas (BHTh 17), Tbingen 19937 (= Nachdr. der 4., verb. u. erg. Aufl. 1962). Deutschmann, A., Die Hoffnung Israels (Apg 28,20), in: BN 105 (2000), 54 – 60. Eckey, W., Die Apostelgeschichte. Der Weg des Evangeliums von Jerusalem nach Rom, Teilband 2: Apg 15,36 – 28,31, Neukirchen-Vluyn 2000. Eltester, W., Israel im lukanischen Werk und die Nazarethperikope, in: Eltester, W., Grßer, E., Strobel, A., Tannehill, R.C. (Hg.), Jesus in Nazareth (BZNW 40), Berlin/New York 1972, 76 – 147. Fitzmyer, J.A., The Acts of the Apostles. A New Translation with Introduction and Commentary (AncB 31), New Haven/London 1998. Fuller, M.E., The Restoration of Israel. Israel’s Re-gathering and the Fate of the Nations in Early Jewish Literature and Luke-Acts (BZNW 138), Berlin/New York 2006. Gager, J.G., The Origins of Anti-Semitism. Attitudes Toward Judaism in Pagan and Christian Antiquity, New York u.a. 1983. Grimm, W., Hirten erst kundgemacht. Eine exegetische Meditation, in: Lindner H., in Verbindung mit der Otto-Michel-Arbeitsgemeinschaft (Hg.), „Ich bin ein Hebrer“. Gedenken an Otto Michel (1903 – 1993), Gießen/Basel 2003, 338 – 355. Hare, D.R.A., The Rejection of the Jews in the Synoptic Gospels and Acts, in: Davies, A.T. (Hg.), Antisemitism and the Foundations of Christianity, New York 1979, 27 – 47. Hartley, D.E., The Wisdom Background and Parabolic Implications of Isaiah 6:9 – 10 in the Synoptics (Studies in Biblical Literature 100), New York u. a. 2006. Jervell, J., Die Apostelgeschichte (KEK 3), Gçttingen 199817 (= 1. Aufl. der neuen Auslegung).

Polemik im eschatologischen Kontext

541

Jervell, J., Das gespaltene Israel und die Heidenvçlker. Zur Motivierung der Heidenmission in der Apostelgeschichte, in: Studia Theologica 19 (1965), 68 – 96. Jervell, J., The Theology of the Acts of the Apostles, Cambridge 1996. Koet, B.J., Isaiah in Luke-Acts, in: Moyise, S., Menken, M.J.J. (Hg.), Isaiah in the New Testament, London/New York 2005, 79 – 100. Lehnert, V.A., Die Provokation Israels. Die paradoxe Funktion von Jes 6,9 – 10 bei Markus und Lukas. Ein textprogamatischer Versuch im Kontext gegenwrtiger Rezeptionssthetik und Lesetheorie (Neukirchener Theologische Dissertationen und Habilitationen 25), Neukirchen-Vluyn 1999. Lohfink, E. Die Sammlung Israels. Eine Untersuchung zur lukanischen Ekklesiologie (SANT 39), Mnchen 1975. Marguerat, D., The First Christian Historian. Writing the „Acts of the Apostles“ (MSSNTS 121), Cambridge 2002. Mittmann-Richert, U., Der Shnetod des Gottesknechts. Jesaja 53 im Lukasevangelium (WUNT 220), Tbingen 2008. Mittmann-Richert, U., Erinnerung und Heilserkenntnis im Lukasevangelium. Ein Beitrag zum neutestamentlichen Abendmahlsverstndnis, in: Barton, S.C., Stuckenbruck, L.T., Wold, B.G. (Hg.), Memory in the Bible and Antiquity. The Fifth Durham-Tbingen Research Symposium (WUNT 212), Tbingen 2007, 243 – 276. Mittmann-Richert, U., Magnifikat und Benediktus. Die ltesten Zeugnisse der judenchristlichen Tradition von der Geburt des Messias (WUNT 2. Reihe 90), Tbingen 1996. Munck, J., The Acts of the Apostles (AncB 31), Garden City/New York 198612. Neubrand, M. Israel, die Vçlker und die Kirche. Eine exegetische Studie zu Apg 15 (SBB 55), Stuttgart 2006. Pervo, R.I., Acts. A Commentary (Hermeneia – A Critical and Historical Commentary on the Bible), Minneapolis 2009. Roloff, J., Apostelgeschichte (NTD 5), Gçttingen/Zrich 198818 (= 2. Aufl. der neuen Fassung). Schille, Gottfried, Die Apostelgeschichte des Lukas (ThHNT 5), Neubearbeitung, Berlin 19842 (1. Aufl. 1963). Schrçter, J. Heil fr die Heiden und Israel. Zum Zusammenhang von Christologie und Volk Gottes bei Lukas, in: Breytenbach, C., Schrçter, J. (Hg.), unter Mitwirkung von du Toit, D.S., Die Apostelgeschichte und die hellenistische Geschichtsschreibung. Festschrift fr E. Plmacher zum seinem 65. Geburtstag (Ancient Judaism and Early Christianity 57), Leiden/Boston 2004, 285 – 308. Schwemer, A.M., Der Auferstandene und die Emmausjnger, in: Avemarie, F., Lichtenberger, H. (Hg.)., Auferstehung – Resurrection (WUNT 135), Tbingen 2001, 95 – 117. Seul, P., Rettung fr alle. Die Romreise des Paulus nach Apg 27,1 – 28,16 (BBB 146), Berlin/Wien 2003. Uhlig, T., The Theme of Hardening in the Book of Isaiah. An Analysis of Communicative Action (FAT 2. Reihe 39), Tbingen 2009. Wasserberg, G., Aus Israels Mitte – Heil fr die Welt. Eine narrativ-exegetische Studie zur Theologie des Lukas (BZNW 92), Berlin/New York 1998.

542

Ulrike Mittmann

Wolter, M., Das Lukasevangelium (HNT 5), Tbingen 2008. Zmijewski, J., Die Apostelgeschichte (RNT), Regensburg 1994.

Implizite Polemik durch Parallelisierung. Der %kkor %ccekor Qswuqºr (Apk 10,1 f.5), der Gott Helios und der Koloss von Rhodos Thomas Witulski Dietrich-Alex Koch gewidmet

Wer im Zusammenhang mit der Apokalypse des Johannes den Begriff ,Polemik‘ verwendet, bezieht sich allermeist auf die Auseinandersetzungen, die der Seher in außerordentlich zugespitzer Weise und mit einer – positivironisierend formuliert – klaren, krftigen und farbigen Ausdrucksweise einerseits innerhalb der Sendschreiben mit jdischen und innerchristlichen Gegnern, andererseits insbesondere im zweiten Teil seines Werkes mit dem Imperium Romanum und dessen fhrenden Reprsentanten fhrt. Im Rahmen dieser Auseinandersetzungen ist es dem Apokalyptiker darum zu tun, das Imperium Romanum und dessen Regenten als Spießgesellen der aus dem Himmel auf die Erde geworfenen widergçttlichen Macht, des satam÷r, zu entlarven und diejenigen aus den Reihen der christlichen Gemeinden, die den Verlockungen insbesondere der kultisch-religiçsen Kaiserverehrung nachgeben und sich jenen nicht rckhaltlos verweigern, der poqme¸a und der eQdykokatqe¸a zu zeihen. Diese Auseinandersetzungen erwecken in der Regel nicht den Eindruck eines von gegenseitigem Respekt geleiteten und ausschließlich der ratio verpflichteten philosophischen Diskurses; vielmehr kmpft der Seher hier zumindest mit verbal außerordentlich harten Bandagen und lsst in einer durchaus sehr grobschlchtigen Diktion kein gutes Haar an seinen Kontrahenten innerhalb und außerhalb der Gemeinde. Dass er auf der Klaviatur der polemischen Auseinandersetzung mit Andersdenkenden aber nicht nur die vollen und alles bertçnenden Akkorde, sondern auch die leisen Zwischentçne zum Klingen zu bringen vermag, zeigt der Apokalyptiker, wenn er im Rahmen seiner Epistel die – womçglich von ihm selbst entwickelte – Methode des ,polemical parallelism‘, der Polemik durch Parallelisierung zur Anwendung bringt. Bereits in seinem 1923 in 4. Auflage erschienenen epochalen Werk „Licht vom Osten“ vertrat Adolf Deissmann die Ansicht, dass insbesondere der Verfasser der Johannesapo-

544

Thomas Witulski

kalypse seine Auseinandersetzung1 mit dem Imperium Romanum und der kultisch-religiçsen Kaiserverehrung betrieb, indem er Parallelen zwischen der Caesaren- und der Christusverehrung zog und somit Parallelisierungen vollzog: „Dies ist denn tatschlich zu beobachten: der in die Mittelmeerwelt hinaustretende Christuskult zeigt schon frhe das Bestreben, die dieser Welt gelufigen und jetzt eben auf die vergçtterten Kaiser bertragenen (oder im Kaiserkult vielleicht auch neu geschaffenen Kultworte) fr Christus zu reservieren. So entsteht ein polemischer Parallelismus zwischen Kaiserkult und Christuskult, der auch da empfunden wird, wo die vom Christuskult bereits mitgebrachten Urworte aus den Schatzkammern der Septuagintabibel und des Evangeliums mit hnlich- oder gleichklingenden solennen Begriffen des Kaiserkultes zusammentreffen“2. Dieser von Deissmann formulierte Ansatz ist in neuerer Zeit u. a. durch die Forschungen von E. Stauffer, R. Bauckham, D.E. Aune und P. Barnett ausgebaut und fr die Interpretation des letzten Buches des neutestamentlichen Kanons fruchtbar gemacht worden3. Allerdings standen in diesen Untersuchungen zunchst in erster Linie die Parallelen zwischen der kultisch-religiçsen Kaiser- und der Christusverehrung im Fokus des Interesses; hier konnte gezeigt werden, dass „the author of the Apocalypse was thoroughly convinced that the claims of Ceasar were antithetical to those of Christ4. Spter und ergnzend dazu wurde der Nachweis polemischer Parallelitten dann etwa auf den falschen Propheten, die dritte Figur der ,himmlischen Trinitt‘5, ausgedehnt. Der Methode des ,polemical parallelism‘ liegt im Kern die auf dem Wege der Interpretation der aktuellen und real existierenden Wirklichkeit gewonnene theologische Erkenntnis der Existenz zweier wenn nicht in gleicher, so doch zumindest in hnlicher Weise soteriologische Relevanz beanspruchender Zeichensysteme zugrunde, die in Hinsicht auf ihre jeweilige Konstruktion von Wirklichkeit und ihre jeweilige sinnstiftende Valenz in einem antithetischen Gegenber zueinander stehen. Indem der Apokalyptiker einerseits – hier durchaus auf dem Wege der eher subtilen und ironisierenden Allusion – formale, strukturelle und inhaltliche Parallelen zwischen diesen beiden Zeichensystemen aufzeigt, sichtbar macht oder aber in kreativer 1 2 3 4 5

Zum Begriff der Polemik als einer „Methode der Auseinandersetzung“ vgl. Stauffer, Art. Polemik, 1403. Deissmann, Licht vom Osten, 290 f. Vgl. hierzu nur die Ausfhrungen in Barnett, Polemical Parallelism, 111 ff. Aune, The Influence of Roman Imperial Cult Ceremonial on the Apocalypse of John, 5. Vgl. hierzu etwa Georgi, Who is the ,True Prophet‘, 100 ff. und Barnett, Polemical Parallelism, 116 ff.

Implizite Polemik durch Parallelisierung

545

Weise selbst konstruiert, andererseits aber zugleich auch erkennen lsst, dass die beiden Zeichensysteme und deren jeweilige Wirklichkeitskonstruktion und Sinnstiftung in ihrer jeweiligen soteriologischen Relevanz und Qualitt diametral differieren, transportiert er, womçglich eher implizit-konnotativ als explizit, folgende Information: Beide Zeichensysteme lassen sich im Blick auf ihren jeweiligen soteriologischen Impetus nicht miteinander vereinbaren, sondern stehen in einem konkurrierenden, prziser: exkludierenden Verhltnis zueinander. Tragfhige Sinnstiftung und belastbare Wirklichkeitskonstruktion erfolgen jedoch nur innerhalb eines der beiden Zeichensysteme, das mit diesem einen in Konkurrenz stehende andere Zeichensystem wird in seinem soteriologisch degenerativen Charakter entlarvt; der soteriologischen Qualitt des einen steht die ,pseudosoteriologische‘ Qualitt des anderen gegenber. Die einzig angemessene Haltung gegenber diesen beiden Offerten der Wirklichkeitskonstruktion und Sinnstiftung kann somit nur diejenige eines kompromisslosen ,pro‘ zugunsten der einen und eines ebenso kompromisslosen ,contra‘ gegenber der anderen sein. Im Rahmen der Beobachtungen und Forschungen zu polemischen Parallelisierungen in der Johannesoffenbarung geriet bisher nur selten eine zwar nicht im Zentrum der Darstellung der Offenbarung stehende, aber dennoch keineswegs unwichtige6 Figur in den Blick, nmlich der in Apk 10,1 ff. auftretende %kkor %ccekor Qswuqºr, dessen Erscheinung die in Apk 11; 12 ff.7 beschriebenen Ereignisse einleitet. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung soll zunchst gezeigt werden, dass der Apokalyptiker die Beschreibung dieses %kkor %ccekor Qswuqºr bewusst als ,polemical parallelism‘ zu der Figur des Sonnengottes Helios, der in der Antike u. a. in der zu den sieben Weltwundern8 gerechneten Figur des Kolosses von Rhodos Gestalt gewann9, konstruiert hat. Mit dem Aufweis dieser bewussten Parallelisierung wre 6

7

8 9

Vgl. hierzu etwa Giesen, Die Offenbarung des Johannes, 230, der angesichts der ußeren Erscheinung dieses %kkor %ccekor Qswuqºr feststellt: „Seine ußere Erscheinung unterstreicht seine herausragende Stellung: Ihm kommen gçttliche Attribute zu“, und 230 f.: „Kein anderer Engel in der Offb hat so viele gçttliche Zge wie der starke Engel in 10,1“. Zur zentralen Bedeutung von Apk 12 – 14 fr die Darstellung der Apk insgesamt vgl. etwa Mller, Die Offenbarung des Johannes, 33: „Kap. 12 – 14 bilden die dramatische Mitte innerhalb der Visionsberichte des apokalyptischen Hauptteils der Offb“. Vgl. hierzu ausfhrlich J. Berndt, in: Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 103 f. Dass es sich bei der Figur des Kolosses von Rhodos um eine Darstellung des Gottes Helios handelt, besttigt neben anderen Quellen auch C. Plinius Secundus, naturalis historiae XXXIV 41.

546

Thomas Witulski

u. U. zugleich ein weiteres Indiz zugunsten der Datierung der Abfassung der Johannesoffenbarung in die Zeit Hadrians, prziser in die Jahre zwischen 132 und 135 n. Chr.10, gewonnen, da durchaus mit Grund anzunehmen ist, dass eben dieser Kaiser, wie noch zu zeigen sein wird, offensichtlich fr die Wiederherstellung dieser zu seiner Zeit zerstçrt darniederliegenden Monumentalstatue sorgte.

1. Der in Apk 10,1 – 11 auftretende %kkor %ccekor Qswuqºr 1.1 Das ußere Erscheinungsbild des Engels (Apk 10,1 – 6) In Apk 10,1 sieht der Apokalyptiker einen mit einer Wolke bekleideten %kkor %ccekor Qswuqºr vom Himmel herabsteigen; ber seinem Haupt befindet sich eine Uqir, sein Angesicht gleicht der Sonne, seine Fße Sulen von Feuer (Apk 10,1b). In seiner Hand hlt er ein aufgeschlagenes bibkaq¸diom (Apk 10,2a), seinen rechten Fuß setzt er auf das Meer, seinen linken auf das Land (Apk 10,2b). Im Rahmen der Ausrichtung seines Auftrags hebt er seine rechte Hand zum Himmel (Apk 10,5), um zu schwçren (Apk 10,6a), dass die Vollendung des Geheimnisses Gottes unmittelbar bevorsteht (Apk 11,6bf.). In der Forschung wird die ber dem Haupt des %kkor %ccekor Qswuqºr befindliche Uqir insbesondere unter Verweis auf Ez 1,28 weitgehend als Regenbogen gedeutet11. Dieser Interpretation widerraten jedoch zwei Beobachtungen: (a) Zunchst ist in Ez 1,28 mit dem Terminus tºnom ein anderer Begriff gewhlt als in Apk 10,1. Da der Apokalyptiker aber an anderer Stelle, etwa in Apk 11,1 und 21,1512, durchaus auf ezechielische Begriffe zurckgreift, wenn es ihm darum zu tun ist, den offensichtlich gleichen Gegenstand oder den gleichen Vorgang zu bezeichnen, muss im Blick auf die Deutung des Begriffs Uqir in Apk 10,1 davon ausgegangen werden, dass dieser hier gerade nicht im Sinne von ,Regenbogen‘ zu verstehen ist13. (b) In Apk 10 Vgl. zu dieser Datierung grundlegend Witulski, Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian, 346 ff. 11 Vgl. hierzu neben anderen Bousset, Die Offenbarung Johannis, 308 und Giesen, Die Offenbarung des Johannes, 230. 12 Vgl. zu diesen beiden Belegstellen Witulski, Apk 11,1 f. und die (Neu-)Grndung Jerusalems durch Kaiser Hadrian (im Erscheinen). 13 Prigent, Commentary on the Apocalypse of St. John, 226 weist mit Recht darauf hin, dass der Begriff Uqir in der LXX niemals im Sinne von ,Regenbogen‘ verwendet worden ist.

Implizite Polemik durch Parallelisierung

547

4,3, der zweiten Belegstelle fr den Begriff Uqir in der Apk, wird mit diesem ein offensichtlich um den Thron Gottes herumreichender Bogen beschrieben. Sowohl die Farbgebung dieser Uqir – sie sieht aus wie ein Smaragd, schimmert also grnlich und eben nicht, wie ein Regenbogen, mehrfarbig14 – als auch die Positionierung – rund um den Thron Gottes herum und eben nicht, wie in Ez 1,28LXX, 1m t0 mev´k, 1m Bl´qô retoO – sprechen dafr, dass dieser Terminus hier nicht im Sinne eines Regenbogens, sondern im Sinne eines „bright-coloured circle surrounding another body“15 bzw. eines Halo zu fassen ist16. Damit ist aber die Frage nach der Erklrung des gleichen Begriffs in Apk 10,1 eben in diesem Sinne vorentschieden17. 1.2 Motivgeschichtliche Parallelen Im Rahmen der Versuche, die einzelnen Merkmale bzw. Motive des ußeren Erscheinungsbildes des %kkor %ccekor Qswuqºr motivgeschichtlich nachzuweisen und herzuleiten, verweisen zahlreiche Exegeten im Blick auf die Wolke, die den Engel umgibt, einerseits auf die alttestamentlichen Belege fr das Kommen Gottes in oder auf einer Wolke18, andererseits auf Dan 7,13 als den einzigen alttestamentlichen Beleg, der das Motiv der Wolke und des Kommens in oder mit einer Wolke nicht mit der Gestalt Gottes, sondern mit einer anderen Figur, nmlich der des Menschensohnes, verknpft19. Allerdings wird in keinem der zahlreichen alttestamentlichen Belege die entsprechende Wolke, so wie hier in Apk 10,1, als Kleidungsstck20 Gottes bzw.

14 Vgl. hierzu instruktiv Satake, Die Offenbarung des Johannes, 195, A. 9; hnlich hier Charles, A Critical and Exegetical Commentary on the Revelation of St. John I, 115, der im Blick auf Apk 4,3 von einem Halo oder einem Nimbus redet. 15 Vgl. zu dieser bersetzung Liddell, Scott, Jones, A Greek-English Lexicon, s.v. Uqir, 836. 16 Vgl. hierzu auch zumindest die bersetzung bei Aune, Revelation 6 – 16, 557. 17 Vgl. hierzu neben anderen Bousset, Die Offenbarung Johannis, 308, der auf die Apk 10,1 begegnende Verwendung des Terminus Uqir mit dem bestimmten Artikel hinweist und folgert: „Die Iris […] ist schon oben einmal als Attribut des thronenden Weltrichters erwhnt ([Apk] 4,3)“. hnlich hier Beale, The Book of Revelation, 524: „Consequently, the rainbow of 4:3 is now applied to the heavenly being of 10:1“. 18 Vgl. hierzu die Belege bei Beale, The Book of Revelation, 525 f. 19 Vgl. hierzu Beale, The Book of Revelation, 523. 20 Die durchaus recht zahlreichen Belege fr das Verbum peqib²kky in der Apk (vgl. hierzu Moulton, Geden, A Concordance to the Greek Testament, 795) nçtigen zu der Annahme, den Begriff hier im Sinne von „bekleiden, ankleiden“ zu verstehen.

548

Thomas Witulski

des Menschensohnes bezeichnet21; dies scheint ein erster Hinweis dafr zu sein, dass der Apokalyptiker bei der Darstellung des ußeren Erscheinungsbildes des %kkor %ccekor Qswuqºr zumindest auch auf andere als auf alttestamentliche22 bzw. frhjdische Traditionen zurckgegriffen bzw. Motive der alttestamentlichen, frhjdischen oder auch urchristlichen Tradition neu- und umgestaltet hat. Als motivgeschichtlicher Nachweis fr die Uqir ber dem Haupt des %kkor %ccekor Qswuqºr23 werden in der Forschung hauptschlich und mit großer Regelmßigkeit Ez 1,26 – 28LXX und die dortige Darstellung des auf dem Thronwagen Sitzenden, insbesondere die Ausfhrungen in Ez 1,28 angefhrt24. Die deutlichen inhaltlichen Differenzen zwischen den Einlassungen des alttestamentlichen Propheten und dem in Apk 10,1 zur Uqir des %kkor %ccekor Qswuqºr Ausgefhrten lassen jedoch erkennen, dass dieser Hinweis motivgeschichtlich kaum verfangen kann: (a) Whrend sich nach Apk 10,1 die Uqir des %kkor %ccekor Qswuqºr an, ber oder um dessen Haupt befindet, wird der Ez 1,28LXX beschriebene tºnom an seinem nachgerade natrlichen Ort, nmlich 1m t0 mev´k, 1m Bl´qô retoO lokalisiert. (b) Whrend in Apk 10,1 die Uqir des %kkor %ccekor Qswuqºr als solche im 21 Vgl. hierzu mit Recht Mller, Die Offenbarung des Johannes, 200, der im vorliegenden Zusammenhang auf Ps. 104,3 und Dan 7,13 verweist, aber dann feststellt: „Allerdings liegt hier nur ein loser Anklang vor“. Dies gilt insbesondere auch im Blick auf Apk 1,7; hier verweist der Apokalyptiker auf das (Wieder-)Kommen Christi und fhrt aus: Ydo» 5qwetai let± t_m mevek_m, wobei die Wolken aber eben nicht als Kleidungsstck dargestellt werden. Vçllig mit Recht stellt daher Lohmeyer, Die Offenbarung des Johannes, 84 fest: „So oft die Wolke auch als Form der Theophanie im ATerwhnt wird, so eigenartig ist die Vorstellung, dass die Wolke das ,Kleid‘ des Engels sei“; inwieweit die von Lohmeyer stattdessen aber in Anschlag gebrachten Parallelen aus mandischen Texten motivgeschichtliche Quellen fr Apk 10,1 darstellen kçnnen, muss schon aus Grnden der Datierung mehr als fraglich bleiben, zumal die konkret angefhrten Belege Ginz¼ 48,2 f.; 29,33 f. durchaus auch erhebliche Differenzen zu Apk 10,1 erkennen lassen. Noch abwegiger ist der von Kraft, Die Offenbarung des Johannes, 147 in diesem Zusammenhang diskutierte Vorschlag, dieses Motiv mit den Ausfhrungen in 1Kor 10,1 in Verbindung zu bringen. 22 Der einzige Beleg in der LXX fr die Verwendung des Substantivs mev´kg und des Verbums peqib²kky innerhalb eines gemeinsamen Kontextes findet sich in Ps 146,8LXX: t peqib²kkomti t¹m oqqam¹m 1m mev´kair ; dort wird Gott als jemand beschrieben, der den Himmel mit Wolken bedeckt. 23 Nach Beale, The Book of Revelation, 523 spricht neben anderem auch dieses Charakteristikum des %kkor %ccekor Qswuqºr dafr, in ihm ein „divine being“ zu vermuten. 24 Vgl. hierzu etwa Beale, The Book of Revelation, 523, der davon spricht, dass Ez 1,26 – 28 „especially near in thought“zu diesem Charakteristikum des %kkor %ccekor Qswuqºr zu sehen ist.

Implizite Polemik durch Parallelisierung

549

Zentrum des Darstellungsinteresses steht, wird in Ez 1,28 der Satz ¢r fqasir tºnou ftam × 1m t0 mev´k, 1m Bl´qô retoO dazu verwendet, den Glanz um den Thronwagen und die auf diesem sitzende Person herum in einem Vergleich anschaulich zu beschreiben. (c) Whrend der Apokalyptiker in Apk 10,1 den Terminus Uqir verwendet und damit offensichtlich ein Halo bezeichnen will, begegnet in Ez 1,28 der Begriff tºnom im Sinne von ,Regenbogen‘. Diese Differenzen zwischen Apk 10,1 und Ez 1,28LXX lassen eine motivgeschichtliche Abhngigkeit des einen Belegs vom anderen mehr als unwahrscheinlich erscheinen. Im Blick auf die Uqir des %kkor %ccekor Qswuqºr steht somit zu vermuten, dass der Apokalyptiker in seiner Darstellung hier andere als die gngigerweise vermuteten alttestamentlichen oder frhjdischen Traditionen verarbeitet hat. ber Ez 1,26 – 28LXX hinaus verweisen etwa U.B. Mller und H. Giesen im Blick auf die motivgeschichtliche Herleitung des Motivs der Uqir ber dem Haupt des %kkor %ccekor Qswuqºr noch auf Gen 9,13 f.25 ; einen Beleg, der allerdings aus hnlichen Erwgungen noch weniger als Ez 1,26 – 28LXX als motivgeschichtliche Quelle fr Apk 10,1 in Frage kommen kann. Gleiches gilt fr den u. a. von H. Giesen26 angefhrten Beleg ApkAbr 11,2; hier wird ein Engel beschrieben, der eine Kopfbedeckung trgt, die einem Regenbogen27 hnelt. Da der Terminus Uqir Apk 10,1 kaum im Sinne eines Regenbogens interpretiert zu werden vermag, lassen sich, unabhngig von der außerordentlich umstrittenen Frage der Datierung dieser frhjdischen Schrift28, die entsprechenden Ausfhrungen von ApkAbr 11,2 nicht als motivgeschichtliche Quelle fr Apk 10,1 wahrscheinlich machen. Der Vergleich des Angesichts des %kkor %ccekor Qswuqºr mit der Sonne scheint ein zumindest in frhjdischen und neutestamentlichen Schriften offensichtlich verbreitetes Motiv darzustellen, das im Rahmen von Theophanieschilderungen, von Beschreibungen der ins Eschaton eingezogenen Gerechten und von Darstellungen der Konsequenzen von Erfahrungen der 25 Vgl. Mller, Die Offenbarung des Johannes, 200 und Giesen, Die Offenbarung des Johannes, 230. 26 Vgl. Giesen, Die Offenbarung des Johannes, 230. 27 „Sein Leib hatte das Aussehen des Saphirs, und sein Antlitz war wie Chrysolith, und das Haar seines Hauptes glich dem Schnee, und der Turban auf seinem Haupte hatte das Aussehen des Regenbogens“; Text nach Philonenko-Sayar, Philonenko, Die Apokalypse Abrahams, 432. 28 Vgl. hierzu nur Rubinkiewicz, Apocalypse of Abraham, 683: „It is commonly held that our pseudepigraphon was composed at the end of the first century A.D. No decisive argument, however, has been given in support of this date“. Sicher scheint nur zu sein, dass die ApkAbr nach 70 n. Chr. verfasst worden ist.

550

Thomas Witulski

Anwesenheit und Gegenwart Gottes begegnet29. Auch der Apokalyptiker verwendet dieses Motiv außer in Apk 10,1 noch in Apk 1,16, um das Angesicht des in Apk 1,10 auftretenden Menschensohnhnlichen zu beschreiben: ja· B exir aqtoO ¢r b Fkior va¸mei 1m t0 dum²lei aqtoO. Auffllig ist freilich, dass in Apk 10,1 das Angesicht des %kkor %ccekor Qswuqºr unmittelbar mit der Sonne verglichen wird, wohingegen in Apk 1,16 der Vergleichspunkt zwischen dem Angesicht des Menschensohnhnlichen und der Sonne darin besteht, dass beide in hnlicher bzw. gleicher Weise strahlen. Ohne diese Differenz ber Gebhr exegetisch belasten zu kçnnen oder zu wollen, lsst sich die Annahme kaum in Abrede stellen, dass der Apokalyptiker hier in Apk 10,1 die Parallelitt zwischen dem Angesicht des Engels und der Sonne erheblich unmittelbarer und letzten Endes auch umfassender beschreiben wollte als die in Apk 1,16 explizierte zwischen der Sonne und dem Menschensohnhnlichen. Werden die anderen in der exegetischen Literatur zum Motiv des sonnengleichen Glnzens oder Strahlens des Angesichts einer Person angefhrten Parallelen durchgemustert, so ergibt sich folgendes Bild: In den brigen Fllen werden weitestgehend, wie in Apk 1,16 und auch Mt 17,2, der einzigen weiteren neutestamentlichen Belegstelle30 fr dieses Motiv31, das entsprechende Angesicht und die Sonne im Blick auf ihr Leuchten, Strahlen oder Glnzen parallelisiert; dies gilt etwa fr ApkZeph32 6,11;

29 So etwa Aune, Revelation 6 – 16, 557: „Comparing the face to the sun is a metaphor used in theophanies […], and to describe the transformed appearance of the righteous in the eschaton […] or as a result of their experience of the presence of God“; dort auch weiteres Belegmaterial. 30 Der Verweis auf 2Kor 3,7 (vgl. hierzu Aune, Revelation 6 – 16, 558) trgt hier nichts aus, da Paulus hier zwar von der dºna auf dem Angesicht des Mose (vgl. hierzu etwa Bultmann, Der zweite Brief an die Korinther, 83), nicht aber von der Sonne spricht. hnliches gilt im Blick auf Mt 13,43; hier geht es um das Leuchten der Gerechten, nicht aber um das Leuchten oder Glnzen ihres Angesichtes. Wiefel, Das Evangelium nach Matthus, 260 fhrt im Blick auf diesen Beleg aus: „Das sonnengleiche Strahlen ist Ausdruck einer verklrten Leiblichkeit“. 31 Nach Wiefel, Das Evangelium nach Matthus, 309 entspricht „der der Sonne vergleichbare Glanz des Angesichts […] der Schilderung des Mose Ex 24,29“. 32 Oegema, Apokalypsen, 183 hlt mit Verweis auf Diebner „eine Datierung der Endredaktion [von ApkZeph] vor dem Ende des 2. Jh.s n. Chr. […] als unwahrscheinlich“; als Entstehungsort nimmt er gypten an (183 f.). Damit fllt die ApkZeph als motivgeschichtliche Quelle fr die neutestamentliche Apk mit großer Wahrscheinlichkeit aus, auch wenn „einzelne Teile […] auf ltere Traditionen zurckgehen“ (183) kçnnen.

Implizite Polemik durch Parallelisierung

551

4Esr33 7,97.125, 2Hen34 1,5 (Rec. A); 19,1 (Rec. J) und ApkPaul35 12. Daraus ist zweierlei zu folgern: (a) Die wenigen Belege fr das Motiv eines unmittelbaren und umfassenden Vergleiches des Angesichts einer Person mit der Sonne, so wie es in Apk 10,1 vorliegt, stammen aus gnzlich verschiedenen Zeiten und sind unterschiedlichster Provenienz. (b) Dieses Motiv findet sich in dieser expliziten Weise weder in der frhchristlichen noch in der frhjdischen Literatur, was die Frage evoziert, aus welchen Quellen der Apokalyptiker bei der Beschreibung dieses Elements des Erscheinungsbildes des %kkor %ccekor Qswuqºr geschçpft hat. Andere in der Literatur im Rahmen der Diskussion dieses Motivs angefhrte Belege wie etwa ApkPetr36 1; TestAbr37 7,3 f.; 12,5 16,6 (Rec. A) bieten anscheinend zwar eine Apk 10,1 entsprechende unmittelbare und umfassendere Parallelisierung. Allerdings wird in diesen Parallelen nicht nur das Angesicht, sondern, hnlich wie in Mt 13,43, die hier jeweils auftretende Gestalt in ihrer Gesamtheit mit der Sonne in Beziehung gesetzt. Das Motiv der pºder ¢r stOkoi puqºr wird in der exegetischen Literatur hufig als eine Anspielung auf Ex 13,21 und die dort erwhnte Wolken- und Feuersule gedeutet38. Darber hinaus fallen nach 1Hen39 18,11; 21,7, 33 Oegema, Apokalypsen, 98 datiert 4Esr um 100 n. Chr. und nimmt als Entstehungsort Rom oder Palstina an. Metzger, The Fourth Book of Ezra, 526 votiert im Blick auf die Endredaktion von 4Esr fr die Zeit um 120 n. Chr. und geht von der Abfassung der Schrift in Palstina aus. 34 Bçttrich, Das slavische Henochbuch, 812 f. datiert diese Schrift in die Zeit zwischen der Zeitenwende und 70 n. Chr. 35 Duensing, de Santos Otero, Apokalypse des Paulus, 644 ff. machen im Blick auf die Entstehungszeit dieser Apokalypse keine Angabe; in jedem Falle ist sie jedoch spter als die neutestamentliche Apk entstanden und kommt somit, wie ApkZeph, als motivgeschichtliche Quelle fr jene nicht in Frage. 36 Nach Mller, Offenbarung des Petrus, 564 ist diese Schrift um 135 n. Chr. zu datieren, also zeitgleich mit der Apk entstanden; in ApkPetr 1 fhrt Christus selbst aus, dass er in seiner Herrlichkeit kommen und „siebenmal so hell wie die Sonne leuchte[n]“ (567) werde. Im Unterschied zu Apk 10,1 wird hier die gesamte Person Christi mit der Sonne in Beziehung gesetzt. 37 Sanders, Testament of Abraham, 875 datiert die Abfassung des TestAbr um 100 n. Chr. „plus or minus twenty-five years“; als Abfassungsort nimmt er, hier im Unterschied zu anderen Forschern, die die These der Entstehung dieser Schrift in Palstina vertreten, gypten an (875). Im Blick auf die Abfassung der wohl erweiterten Rezension A hnlich Janssen, Testament Abrahams, 200 mit Verweis auf Schmidt. 38 Vgl. hierzu etwa Aune, Revelation 6 – 16, 558, der darber hinaus noch auf SapSal 18,3 und OrSib III 250 f. verweist, zwei Belege, in denen Ex 13,21 aufgenommen wird.

552

Thomas Witulski

offensichtlich im Rahmen eines gçttlichen Strafgerichts, Feuersulen in einen tiefen Abgrund40 ; der Tragiker Ezechiel41 beschreibt eine feurige Sule als ein dem Mose gegebenes Zeichen (Exagoge, 247)42. Diese bersicht lsst deutlich werden: Das Motiv der feurigen oder wie Feuer brennenden Sule ist in der alttestamentlichen und frhjdischen Literatur durchaus belegt, allerdings nicht in Verbindung mit der Figur bzw. den Fßen einer Gestalt oder eines Engels. Auch das Motiv der pºder ¢r stOkoi puqºr, das sich zudem durchaus charakteristisch von der Beschreibung der Fße des Menschensohnhlichen in Apk 1,15, die des nheren als floioi wakjokib²m\ ¢r 1m jal¸m\ pephqyl´mgr beschrieben werden, unterscheidet43, scheint sich also einer von ihm augenscheinlich fr notwendig befundenen kreativen Neuschçpfung des Apokalyptikers zu verdanken, wobei dessen konkretes Motiv dafr noch zu suchen bleibt. In doppelter Hinsicht gleiches gilt fr die in Apk 10,2b vorliegende Beschreibung der Fußstellung des %kkor %ccekor Qswuqºr44 ; dieser setzt seinen rechten Fuß auf das Meer, seinen linken auf das Land. Zwar ist letzten Endes nicht zu bestreiten, dass die Kombination der Begriffe hak²ssa und c/ insbesondere auch im Alten Testament zur Beschreibung der „universal sovereignty“45 oder auch der kçrperlichen Grçße46 der entsprechenden Gestalt, hier natrlich vor allem Gottes, hufig begegnet47; fr die fr Apk

39 Uhlig, 1Hen, 494 datiert das „Buch der Wchter“, das die Kapitel 1 – 36 umfasst, in die Zeit zwischen dem Ende des 3. und der Mitte des 2. Jh. v. Chr. 40 Vgl. hierzu Aune, Revelation 6 – 16, 558. 41 Nach Vogt, Tragiker Ezechiel, 117 ist die Entstehung dieses Werkes zwischen der zweiten Hlfte des 3. und den Anfang des 1. Jh. v. Chr. zu setzen. 42 So wiederum Aune, Revelation 6 – 16, 558. 43 Anders hier Beale, The Book of Revelation, 529, der das Motiv der pºder ¢r stOkoi puqºr sowohl mit Apk 1,15 als auch mit Apk 2,18 in Verbindung bringt. Dass Apk 1,15 und Apk 2,18 schon aufgrund ihrer terminologischen Parallelitt miteinander zusammenhngen, soll hier nicht bestritten werden; gerade diese terminologische Parallelitt aber fehlt im Blick auf Apk 10,2b. 44 Der Hinweis auf das bibkaq¸diom, das der %kkor %ccekor Qswuqºr in der Hand hlt, kann hier ausgespart bleiben; er geht sicherlich auf den Apokalyptiker zurck. 45 Beale, The Book of Revelation, 529. 46 Vgl. hierzu etwa Lohmeyer, Die Offenbarung des Johannes, 85; hnlich auch Mller, Die Offenbarung des Johannes, 201: „Die riesenhafte Grçße des Engels wird sichtbar, wenn er seine Beine auf das Meer und das Land setzt“. 47 Vgl. hierzu etwa die Auflistung der Belege bei Beale, The Book of Revelation, 529.

Implizite Polemik durch Parallelisierung

553

10,2b charakteristische Ausgestaltung des entsprechenden Motivs aber finden sich keine direkten weiteren Belege48. Anders scheint es im Blick auf die Beschreibung der Schwurhandlung des %kkor %ccekor Qswuqºr in Apk 10,5 f. auszusehen, die vom Apokalyptiker wie folgt beschrieben wird: ja· b %ccekor […] Gqgm tμm we?qa aqtoO tμm den¸am eQr t¹m oqqam¹m (6) ja· ¥losem 1m t` f_mti eQr to»r aQ_mar t_m aQ¾mym jtk. In der exegetischen Literatur werden als Parallelen zu dieser Darstellung insbesondere zwei alttestamentliche Belege angefhrt, nmlich Dtn 32,40LXX: !q_ eQr t¹m oqqam¹m tμm we?q² lou ja· aloOlai t0 deniø lou ja· 1q_ jtk. und Dan 12,7LXX: ja· vxyse tμm deni±m ja· !qisteq±m eQr t¹m oqqam¹m ja· ¥lose t¹m f_mta eQr t¹m aQ_ma he¹m jtk.49. Dass zwischen den Ausfhrungen in Apk 10,5 f. auf der einen und Dtn 32,40LXX und insbesondere Dan 12,7LXX50 auf der anderen Seite durchaus sprachliche und auch inhaltliche hnlichkeiten bzw. Parallelitten bestehen, ist schlechterdings nicht zu leugnen; immerhin geht es sowohl in Apk 10,5 f. als auch in Dtn 32,40 und Dan 12,7 um einen Schwur, der geleistet wird, in Dan 12,7 werden darber hinaus, hnlich wie in Apk 10,6 f. und z. T. sogar syntaktisch parallel51, Angaben zu Zeit und Dauer der Realisierung des endzeitlichen Geschichtsplanes Gottes, der zudem jeweils als Schwurzeuge aufgerufen wird52, gemacht53. Freilich drfen aber auch die jeweiligen Unterschiede 48 Dies gilt auch im Blick auf das von Aune, Revelation 6 – 16, 559 erwhnte magische Amulett aus Palstina; hier werden drei gçttliche Wesen als in einer großen Furt stehend beschrieben (vgl. Naveh, Shaked, Amulets, Nr. 6, 3 – 7). 49 Vgl. hierzu neben anderen etwa Aune, Revelation 6 – 16, 564. 50 Vgl. hierzu etwa Aune, Revelation 6 – 16, 564, der Dan 12,7LXX als die einzige wirkliche alttestamentliche Parallele zu und Quelle fr Apk 10,5 definiert: „[…] and this [d.h. Dan 12,7] is clearly the source of the gesture in Rev 10:5 – 6“; hnlich auch Beale, The Book of Revelation, 537, der feststellt: „Dan 12:7 is a development of Deut. 32:40, which also may be secondarily in mind here in Revelation“. Noch deutlicher hier Charles, A Critical and Exegetical Commentary on the Revelation of St. John I, 262, der im Blick auf die Schwurhandlung in Apk 10,5 f. feststellt: „Next we observe that the text is clearly derived from Dan. xii. 7“. 51 Vgl. zu den syntaktischen Parallelitten zwischen Dan 12,7 und Apk 10,6 ausfhrlich Aune, Revelation 6 – 16, 567. 52 Zur Parallelitt der jeweiligen Titulaturen Gottes in Dan 12,7 und Apk 10,6 vgl. u. a. Prigent, Commentary on the Apocalypse of St. John, 331: „Here the angel gives to God a title that takes inspiration from Dan 12:7“. 53 Vgl. hierzu Mller, Die Offenbarung des Johannes, 202: „Im Anschluß an Dan 12,7 und unter Aufnahme der eigenen Versicherung in [Apk] 6,11 […] lsst der Verfasser den Engel erklren: Es wird keine Verzçgerungsfrist geben; vielmehr wird zur Zeit der siebten Posaune das Geheimnis Gottes erfllt sein. Dies meint den endzeitlichen Geschichtsplan Gottes, der zum Heil der Glubigen sich bald vollendet“.

554

Thomas Witulski

nicht bersehen werden: (a) In Dtn 32,40LXX bleibt etwa unklar, welche Hand zum Himmel erhoben wird; dies hat zur Folge, dass sich der Gestus des Hebens der Hand nicht mit Notwendigkeit auf die Schwurhandlung beziehen muss, sondern der Schwur stattdessen durchaus als eine vom Heben der Hand unabhngige Handlung t0 deniø lou interpretiert werden kann54. Hingegen sind in Apk 10,5 f. das Heben der rechten Hand und der Schwur weitaus enger aufeinander bezogen und bilden letzten Endes eine Handlungseinheit55. Darber hinaus ist in Dtn 32,40 Gott selbst derjenige, der den Schwur ausfhrt, whrend in Apk 10,5 f. ein Engel einen Schwur leistet56. (b) Whrend der in Dan 12,7 Schwçrende, der %mhqypor eWr 1mdedul´mor b¼ssima (Dan 10,5LXX)57, die rechte und die linke Hand hebt, um seinen Schwur bei dem in Ewigkeit lebenden Gott zu leisten, hebt der %kkor %ccekor Qswuqºr in Apk 10,5 zum Schwur lediglich die rechte Hand58. Darber hinaus steht der %mhqypor eWr 1mdedul´mor b¼ssima bei seinem Schwur 1p²my toO vdator toO potaloO, whrend der %kkor %ccekor Qswuqºr mit einem Fuß auf dem Meer und dem anderen auf der Erde steht. Schließlich sagt der %mhqypor eWr 1mdedul´mor b¼ssima in Dan 12,7LXX das Ende in jaiq¹m ja· jaiqo»r ja· Flisu jaiqoO an, dem %kkor %ccekor Qswuqºr zufolge verbleibt keine Zeit mehr59. Aus diesen hier aufgewiesenen Differenzen folgt: Bei der Beschreibung der Schwurhandlung des %kkor %ccekor 54 Diese Deutungsmçglichkeit konzediert Aune, Revelation 6 – 16, 564: „In the important passage in Deut 32:40, the first line of v 40 can be construed as the second part of the last line of v 39, i. e., ,and no one can deliver from my hand, for I lift up my hand to heaven. I swear: As I live forever […]‘“. 55 So etwa Mller, Die Offenbarung des Johannes, 202: „Mit der Gebrde der Handaufhebung leitet der ,starke Engel‘ seinen feierlichen Schwur ein“. 56 Vgl. im Blick auf diese Differenz, die zwischen Dtn 32,40LXX und Dan 12,7 in hnlicher Weise vorliegt, Lust, For I lift up my hand to heaven and swear, 163. 57 Nach Mller, Die Offenbarung des Johannes, 83 handelt es sich bei dieser Gestalt um den Engelfrsten Gabriel, wiewohl dies explizit nicht gesagt wird. 58 Vgl. hierzu mit Recht Aune, Revelation 6 – 16, 564: „In LXX Deut 32:40 and Rev 10,5 alone, however, is the right hand raised as a gesture accompanying an oath“. 59 Vgl. zu dieser Differenz instruktiv Prigent, Commentary on the Apocalypse of St. John, 332: „It is interesting to note in this regard the way in which the model furnished by Dan 12 is put to use. The prophet receives the revelation that the end will come in ,three and a half times‘ […]. There is thus a delay: the time that is granted to the eschatological enemy, of whom Antiochus Epihphanes is the incarnation. Must we understand with Charles that the length of time solemnly promised by the angel in our text also announces as a corollary the temporary domination of the Antichrist? Nothing indicates that here“. hnlich auch Satake, Die Offenbarung des Johannes, 256: „Das einleitende Wort des Engels […] hebt, verglichen mit Dan 12,7 […], die dringende Nhe des Endes hervor“.

Implizite Polemik durch Parallelisierung

555

Qswuqºr greift der Apokalyptiker augenscheinlich zwar (wiederum) auf alttestamentliche Texte und alttestamentliches Motivmaterial zurck, gestaltet und verknpft diese aber in kreativer Weise neu. Nicht zuletzt aufgrund der oben diskutierten Berhrungspunkte zwischen Apk 10,5 f. und Dan 12,7LXX gehen nicht wenige Exegeten davon aus, das „John’s conception of the angel is based in part on allusions to Dan 12:5 – 7“60 ; hier schwçrt ein in weißes Leinen gekleideter Mann, dessen ußere Erscheinung in Dan 10,5 f. beschrieben wird, dass die Errettung der Erwhlten des Volkes Israel in dreieinhalb Zeiten geschehen soll. Ein flchtiger Blick auf die Beschreibung der ußeren Erscheinung dieses in weißes Leinen gekleideten Mannes zeigt jedoch bereits, dass zwischen ihr und der Darstellung der ußeren Erscheinung des %kkor %ccekor Qswuqºr in Apk 10,1 f. erhebliche Differenzen bestehen, wohingegen der Apokalyptiker Dan 10,5 f. aber im Rahmen seiner Beschreibung des Menschensohnhnlichen in Apk 1,13 – 15 aufgenommen zu haben scheint61. Damit aber scheidet die Figur des %mhqypor eWr 1mdedul´mor b¼ssima als interpretatorischer Hintergrund fr die Gestalt des %kkor %ccekor Qswuqºr in Apk 10,1 f.5 im Grunde aus, da kaum plausibel erklrt werden kann, dass der Apokalyptiker die eine Gestalt aus Dan 10 – 12 als gemeinsame traditionsbzw. motivgeschichtliche Interpretationsgrundlage fr zwei deutlich voneinander zu unterscheidenden Figuren seines eigenen Werkes, den Menschensohnhnlichen, der als der Erste, Letzte und Lebendige (Apk 1,17 f.) den Apokalyptiker mit der Abfassung seines Werkes beauftragt, und den Apk 10 auftretenden %kkor %ccekor Qswuqºr, dem die Attribute des Menschensohnhnlichen in keiner Weise zukommen62, verwenden wollte. 60 Aune, Revelation 6 – 16, 556; noch deutlicher hier Beale, The Book of Revelation, 524: „It is implicit in v 1 and clear in vv 2 – 6 that the portrait of the angel in ch. 10 is modeled on the heavenly being in the vision of Daniel 10 – 12“. 61 Vgl. hierzu Mller, Die Offenbarung des Johannes, 83: „Die weitere Schilderung der Gestalt [des Menschensohnhnlichen] folgt in erster Linie Dan 10,5 f.“; noch deutlicher hier Lohmeyer, Die Offenbarung des Johannes, 16: „Die folgende Beschreibung Christi […] ist aus der danielischen Vision c. 10 erwachsen und in fast allen Einzelheiten bestimmt“. 62 In diesem Sinne mssen auch smtliche Versuche, die Gestalt des Menschensohnhnlichen bzw. des !qm¸om Christus mit derjenigen des %kkor %ccekor Qswuqºr zu identifizieren (vgl. hierzu etwa Beale, The Book of Revelation, 525), als unzulnglich abgewiesen werden; die Apposition %kkor bezieht sich offensichtlich auf den erstmalig in Apk 5,2 genannten ,ersten‘ %ccekor Qswuqºr und soll explizieren, dass nun in Apk 10 eben ein anderer %ccekor Qswuqºr auftritt (vgl. hierzu etwa Aune, Revelation 6 – 16, 557.

556

Thomas Witulski

Fazit: Im Rahmen seiner Darstellung des %kkor %ccekor Qswuqºr und dessen ußeren Erscheinungsbildes in Apk 10,1 f.5 greift der Apokalyptiker zwar durchaus auf Motive zurck, die – zumindest vereinzelt – auch an anderen Stellen in der alttestamentlichen, frhjdischen oder auch urchristlichen Literatur verwendet worden sind. Allerdings bernimmt er die ihm vorliegenden Motive niemals einfach nur, sondern gestaltet und prgt sie innerhalb der Entwicklung seiner eigenen Darstellung jeweils neu63. Dies gilt insbesondere fr die von ihm neu geschaffene und neu konzeptionierte Figur des %kkor %ccekor Qswuqºr in ihrer Gesamtheit, die, unbeschadet des Nachweises einzelner ihrer Motive, so in der alttestamentlichen, frhjdischen und urchristlichen Literatur ohne Vorbild ist. Zu fragen bleibt, welcher Umstand solche schriftstellerische Kreativitt evoziert hat. Ein einfacher Hinweis auf die eschatologische Konzeption des Apokalyptikers, die auf die unmittelbare Nhe des Endes abhebt, vermag womçglich die inhaltlichen Differenzen zwischen dem Schwur in Dan 12,7LXX und demjenigen in Apk 10,6 f. erklren, reicht als Antwort auf die Frage nach den Motiven des Apokalyptikers fr die von ihm vorgelegte (Neu-)Konzeptionierung der Gestalt des %kkor %ccekor Qswuqºr insgesamt aber sicherlich nicht zu.

2. Ein neuer Erklrungsversuch In dem 1998 erschienenen zweiten Band seines großen Apk-Kommentars weist D.E. Aune darauf hin, dass der Apokalyptiker fr die Konzeption des Apk 10 auftretenden %kkor %ccekor Qswuqºr einerseits die Gestalt des in Dan 10 – 12 auftretenden und insbesondere in Dan 10,5 f.; 12,5 – 7 beschriebenen %mhqypor eWr 1mdedul´mor b¼ssima, andererseits aber die Figur des Kolosses von Rhodos verwendet habe. Ohne diesem Hinweis historisch detailliert nachzugehen oder ihn in seine daran anschließende Exegese von Apk 10 einfließen zu lassen, stellt er in der Einleitung zu seinem Kommentar zu Apk 10 fest: „John’s conception of this angelic figure also apperars to have been modeled after ancient conceptions of the famous Colossos of Rho63 Vgl. im Blick auf die Verarbeitung nichtalttestamentlichen apokalyptischen Materials durch den Apokalyptiker bereits Bauckham, The Climax of Prophecy, 83 f.: „This confirms other indications that the writers of apocalypses, Jewish and Christian, customarily incorporated preexisting items or blocks of traditional material. Such traditions might be reproduced very conservatively […] or they might be adapted in highly creative ways to the author’s own purposes (as is usually the case in the Apocalypse of John [!])“.

Implizite Polemik durch Parallelisierung

557

des“64. Um nun ber Aune hinausgehend diesen Hinweis fr die vorliegende Studie und die ihr zugrundeliegende These der vom Apokalyptiker bewusst praktizierten und explizierten Polemik durch Parallelisierung – somit zunchst also fr die Exegese von Apk 10 –, darber hinaus dann aber auch fr die Datierung der Apk insgesamt fruchtbar zu machen, ist es in einem ersten Schritt erforderlich, einerseits die Geschichte dieses Kolosses selbst, andererseits dann aber auch dessen knstlerische Gestaltung und darber hinaus auch die Epitheta und Charakteristika des Gottes Helios, den die rhodische Kolossalstatue abbildet, einer detaillierteren Betrachtung zu unterziehen. 2.1 Der Koloss von Rhodos und der Gott Helios 2.1.1 Die Geschichte des Kolosses von Rhodos Im Rahmen von Streitigkeiten um das Erbe Alexanders des Großen belagerte Demetrios I. Poliorketes, der Sohn des Antigonos I. Monophthalmos, eines der Generle Alexanders, im Jahr 305 v. Chr. die Stadt Rhodos. Nach einem Jahr erfolgloser Belagerung65 zogen die Belagerer, nachdem unter Vermittlung der Athener ein zumindest nach außen so propagierter Freundschaftsvertrag zwischen Demetrios I. Poliorketes und den Rhodiern zustande gekommen war, dann wieder ab. Unmittelbar nach dem Abzug der Belagerer sicherten die Rhodier „ihre Stadt im Bereich des Hafens und auf der gefhrdeten Landseite im Sden mit einem gewaltigen Festungswerk“66 ; im Zusammenhang dieser Arbeiten ließen sie von Chares von Lindos, einem von der Insel stammenden Knstler und Schler des Lysippos von Sikyon, am Molenkopf des alten Kriegshafens67 eine ca. 30 m hohe Statue des

64 Apk II, 556; vgl. hierzu auch 556 f.: „The many similarities between the description of the angel in [Apk] 10:1 – 6 and that which is known of the Colossos of Rhodes suggest that the imagery involved was widely known and generally connected with the magnificient Colossos“. Dieser Hinweis wird immerhin aufgenommen von Prigent, Commentary on the Apocalypse of St. John, 327, A. 2, wobei Prigent allerdings skeptisch ergnzt: „[…] despite the fact that the latter [d.h. der Koloss] was destroyed by an earthquake in 224 B.C.“. 65 Zu den Einzelheiten der Belagerung vgl. Polybios, Historiae XX 82. 66 Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 51. 67 Zur Diskussion um den Standort des Koloss von Rhodos vgl. ausfhrlich Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 53 – 64; Hoepfer stellt fest: „Fr den Koloss in Frage kommt unseres Erachtens einzig ein isolierter Standort am Meer mit einer Fernwirkung, wie sie spter der Freiheitsstatue in New York und ohne

558

Thomas Witulski

Sonnengottes Helios68, den Koloss von Rhodos69, errichten, der nach insgesamt zwçlfjhriger Bauzeit, also wohl im Jahr 292 v. Chr., fertiggestellt worden ist70. Im Jahr 225/226 v. Chr. wurde der Koloss durch ein Erdbeben zerstçrt71 und offensichtlich erst auf Initiative des Kaisers Hadrian, der sich im September/Oktober 124 n. Chr. im Rahmen seiner ersten Inspektionsreise72 auf der Insel Rhodos aufhielt73, wieder errichtet74. Dies berichtet zumindest der von ca. 490 bis ca. 575 n. Chr. lebende Chronist J. Malalas75 in seiner ,Chronographia‘: „Whrend seiner Herrschaft hat derselbe Hadrian auch den Koloss von Rhodos wiedererrichtet, der whrend des unheilvollen Erdbebens gefallen war, damals, in alter Zeit, als die Stadt und die Insel Rhodos gelitten hatten. 31276 Jahre lag er (am Boden), ohne dass etwas von ihm verloren gegangen war. Fr das Aufrichten und Aufstellen am selben Ort hat er fr Maschinen, Seile und Handwerker drei

68

69 70 71 72 73 74

75 76

Ausnahme allen neuzeitlichen Kolossen eigen ist“ (57). hnlich auch Gabriel, La construction, l’attitude et l’emplacement du colosse de Rhodes, 347 ff. Vgl. hierzu neben anderen antiken Quellen nur Strabon, Geographika, XIV 2,5 (625); zu weiteren Quellen vgl. Overbeck, Die antiken Schriftquellen zur Geschichte der bildenden Knste bei den Griechen, Nr. 1539 – 1554, 291 ff. Nach Jessen, Art. Helios, 66 muss die Insel Rhodos als die „festeste Sttze des H.[elios]Kults“ angesehen werden. Nach Anthologia Graeca VI 171 handelt es sich hierbei um ein Weihegeschenk fr den Gott Helios. Zu diesem Datum vgl. Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 52. hnlich auch Neudecker, Art. Chares [4], 1098 f., der die Herstellung der Kolossalstatue in die Zeit zwischen 304 und 293 v. Chr. datiert. Vgl. hierzu Sonnabend, Art. Rhodos I–III, 997 und Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 100. Zu den Reisen Hadrians insgesamt vgl. Halfmann, Itinera principum, 188 f., zu seinen Aufenthalten in der Provinz Asia neuestens Witulski, Die Aufenthalte des Kaisers Hadrian in der rçmischen Provinz Asia, 150 ff. Vgl. hierzu Halfmann, Itinera principum, 191. Zur Verknpfung der von Hadrian veranlassten Wiedererrichtung des rhodischen Kolosses mit diesem Besuch auf der Insel vgl. Halfmann, Itinera principum, 201 und Weber, Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers Hadrianus, 143, der die von Malalas erwhnte Begebenheit „sicher“ auf den Aufenthalt Hadrians auf Rhodos im Jahr 124 n. Chr. beziehen will. Zu Malalas vgl. Hamm, Meier, Art. Johannes Malalas, 351 ff. Vgl. hierzu die Konjektur von Stauffenberg im textkritischen Apparat bei Thurn, Chronographia, 211; Stauffenberg korrigiert die Zahl tib’ in tlb’, um so eine historisch zutreffende Zeitangabe zu erhalten.

Implizite Polemik durch Parallelisierung

559

Centenaria Gold ausgegeben. So steht es darunter zu lesen, wo er das Datum und den Geldaufwand aufschreiben ließ.“77

Wiewohl der historische Wahrheitsgehalt der Ausfhrungen des Malalas in der althistorischen Forschung durchaus unterschiedlich beurteilt wird78, zeigt ein Blick auf die ab Chronographia XI 11 – 20 jeweils prsentierten Nachrichten und Informationen, dass sie im wesentlichen als historisch zuverlssig und korrekt angesehen werden mssen79. Dann aber ist in der Tat zu fragen, warum sich Malalas ausgerechnet bei seiner Darstellung der Wiedererrichtung des Kolosses von Rhodos durch Hadrian in Chronographia XI 18 geirrt haben bzw. ihm dort eine Verwechslung unterlaufen sein sollte80, zumal Malalas, immerhin ein „ausgebildeter Jurist“81, an anderer 77 XI 18 (279,14 – 20). bersetzung nach I. Arvanitis bei Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 102, und Jeffreys, Jeffreys, Scott, The Chronicle of John Malalas, 148; fr den griechischen Text vgl. Thurn, Chronographia, 211. 78 Vgl. hierzu Weber, Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers Hadrianus, 143 f., der die Ausfhrungen des Malalas fr historisch plausibel und auch durchaus wahrscheinlich hlt; im Unterschied dazu geht Boatwright, Hadrian and the Cities of the Roman Empire, 24, davon aus, dass „his [d.h. des Malalas] report that Hadrian rebuilt the Colossus of Rhodes is complete balderdash“. Sie nimmt an (vgl. 24, A. 34), dass Malalas die Wiedererrichtung des Kolosses von Rhodos mit der durch Hadrian im Jahr 128/130 n. Chr. veranlassten Umsetzung des Kolosses des Nero in Rom verwechselt habe; fr Boatwright stellt das Schweigen smtlicher briger antiker Quellen ber diese angebliche Maßnahme Hadrians einen der wichtigsten Grnde fr ihre Annahme der historischen Unzuverlssigkeit des Malalas zumindest in dieser Passage seines Werkes dar. Ob die Annahme einer solchen Verwechselung aber historisch plausibel gemacht werden kann, muss jedoch zumindest außerordentlich fraglich bleiben; Rhodos ist nicht Rom und der Koloss des Nero nicht derjenige von Rhodos. Vgl. hierzu auch Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 102: „Nach heutiger Kenntnis liegt bei keinem der Berichte [des Malalas ab Chronographia XI 13] eine Verwechslung oder ein Fehler vor. […] Dass eigentlich der Koloss des Nero gemeint sei, ist allein deswegen ganz unwahrscheinlich, weil des Kaisers Wirken im Westen mit keinem Wort erwhnt wird. […] Beide Schilderungen kçnnen nicht verwechselt werden. Sie scheinen vielmehr Hadrians Interesse an Riesenstatuen zu besttigen“. Dieses Dictum Hoepfners gilt auch im Blick auf das Urteil von Fndling, Kommentar zur Vita Hadriani der Historia Augusta, 902: „Die Nachricht ber den Statuentransport in Rom fhrte bis zur byzantinischen Zeit offenbar zum Irrglauben, Hadrian habe den weitaus prominenteren […] Koloss von Rhodos wieder aufrichten lassen“. 79 Vgl. hierzu ausfhrlich Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 102, der ausfhrt, dass Malalas im Blick auf seine historische Darstellung bereits „in hellenistischer Zeit […] sicheren Boden“ gewinnt. 80 So mit Recht Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 102. 81 Thurn, Chronographia, 1*.

560

Thomas Witulski

Stelle unbestritten zutreffend ber die Kolossalstatue referiert82 und die Darstellung, dass er den rhodischen Koloss habe wiedererrichten lassen, durchaus dem sonstigen Wirken Hadrians als „Restaurator und Erneuerer alter Kulte“83 entspricht84. Darber hinaus spricht der letzte Satz der Darstellung des Malalas, in dem er die Quelle seines Wissens nennt, deutlich fr die Zuverlssigkeit seiner Ausfhrungen insgesamt, auch wenn ihm der Inhalt der hier angesprochenen Dedikationsinschrift Hadrians wohl nur durch Vermittlung bekannt gewesen ist85. In der Literatur wird vor allem mit zwei Argumenten versucht, die historische Unzuverlssigkeit der Ausfhrungen des Malalas ber die Wiedererrichtung der rhodischen Kolossalstatue in hadrianischer Zeit zu erweisen, (a) einerseits mit dem aber kaum berzeugenden Hinweis darauf, dass Malalas innerhalb seiner Darstellung eine Verwechslung unterlaufen sei, (b) andererseits aber dem Argument, dass andere, zeitgençssische Quellen ber die von Hadrian veranlasste Wiedererrichtung des Kolosses von Rhodos schweigen; so erwhne etwa Pausanias in seinen Ausfhrungen zu einem Erdbeben in der Zeit der Regentschaft des Antoninus Pius (138 – 161 n. Chr.), das auch und womçglich sogar insbesondere die Insel Rhodos erschttert hat, den wiedererrichteten Koloss von Rhodos nicht86. In II 7,1 schreibt Pausanias: „Als sie [d.h. die Einwohner der Stadt Sikyon] schon schwach waren, kam noch ein Erdbeben dazu, machte die Stadt fast menschenleer und nahm ihnen auch 82 Vgl. hierzu Chronographia V 43 und zum Gesamtzusammenhang der chronologischen Angaben des Malalas Demus-Quatember, Bemerkungen zur Chronologie des Kolosses von Rhodos, 146 ff. 83 Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 102. 84 Auch Aune, Revelation 6 – 16, 556 geht offensichtlich davon aus, dass der Nachricht des Malalas ber die Wiedererrichtung des Kolosses von Rhodos durch Hadrian historische Zuverlssigkeit zukommt. 85 Vgl. hierzu Weber, Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers Hadrianus, 143 f.: „Trotzdem die Nachricht [des Malalas] singulr ist, gewinnt sie Vertrauen dadurch, dass sei die Angaben nach der Dedikationsinschrift Hadrians (freilich wohl durch Vermittlung) gibt“. Deutlich anders sehen demgegenber die Notizen ber das Aufstellen und das Bewegen des rhodischen Kolosses in Dindorf, Chronicon paschale I 476,6 f.: b 1m Uºd\ jokoss¹r 1p· t/r !qw/r *dqiamoO pq_tor j 1jim¶hg ; und I 464,13 f., bezogen auf die Zeit der Kaiser Vespasian und Titus : 1p· to¼tym rp²tym 1m Uºd\ b jokoss¹r !mest²hg, j l/jor 5wym pod_m (Text nach MPG 92, 617.597) aus; hier werden eben gerade keine Angaben zur Herkunft der Informationen gemacht. Weber, Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers Hadrianus, 143, A. 512 hlt diese Notizen mit Hinweis auf Drr mit Recht fr „verwirrt“. 86 Vgl. zu diesem Argument insbesondere Weber, Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers Hadrianus, 144.

Implizite Polemik durch Parallelisierung

561

viele Sehenswrdigkeiten. Er beschdigte auch die Stdte in Karien und Lykien, und besonders die Insel Rhodos wurde erschttert, so dass auch der Spruch der Sibylle ber Rhodos in Erfllung gegangen zu sein scheint.“87

In VIII 43,4 formuliert er: „In Lykien und Karien zerstçrte ein heftiges Erdbeben die Stdte und auch Kos und Rhodos; der Kaiser Antoninus stellte auch diese wieder her durch reichliche Aufwendungen und Eifer beim Wiederaufbau. Wieviel Geldspenden er den Griechen und den Barbaren, die darum baten, gab, und seine Bauten in Griechenland und Ionien und bei Karthago und in Syrien haben andere genauestens beschrieben.“88

Ob das Schweigen des Pausanias aber die historische Unzuverlssigkeit des Malalas zu erweisen vermag, muss doch m. E. noch sehr dahingestellt bleiben. Der in beiden Passagen zu beobachtende, doch recht summarische Stil des Pausanias scheint darauf hinzudeuten, dass es ihm an dieser Stelle offensichtlich nicht darum ging, die Zerstçrungen, die das Erdbeben angerichtet hat, in allen Einzelheiten zu beschreiben89. Darber hinaus ist auch denkbar, dass Pausanias die Auswirkungen des berichteten Erdbebens nur vom Hçrensagen kannte und die Trmmer des rhodischen Kolosses nicht selbst in Augenschein genommen hat. Immerhin lassen sich neben der Erwhnung des Malalas in Chronographia XI 13, der hier von Hadrian als Nkior *dqiamºr spricht, zwei inschriftliche Belege fr die Verehrung des Kaisers Hadrian als me¹r Nkior namhaft machen, IEry 513 und – mçglicherweise – eine von A. Ippel in erstmalig verçffentlichte Inschrift aus Pergamon90. H. Engelmann und R. Merkelbach geben die Inschrift IEry 513 folgendermaßen wieder91: 87 bersetzung nach Meyer, Pausanias, 114; fr den griechischen Text vgl. Jones, Pausanias I, 280.282. 88 Text nach Jones, Pausanias IV, 118.120; bersetzung nach Meyer, Pausanias, 426. 89 Dies belegt im Blick auf II 7,1 allein schon der Sachverhalt, dass Pausanias schon ber die zerstçrten Sehenswrdigkeiten der Stadt Sikyon, die an dieser Stelle seines Werkes immerhin im Zentrum seines Darstellungsinteresses steht, keinerlei Einzelheiten verlauten lsst; dass er sich angesichts dessen im Blick auf die hier nur ,en passant‘ geschilderten Zerstçrungen in Karien, Lykien und auf Rhodos ebenfalls nicht in Details verliert, ist nur konsequent. In Hinsicht auf VIII 43,4 wird erkennbar, dass es Pausanias hier um die Region Arkadien, nicht aber um die Insel Rhodos oder die rhodische Peraia geht; darber hinaus gibt Pausanias selbst durch seinen Verweis auf andere Quellen zu erkennen, dass er selbst ber die Wiederaufbaumaßnahmen des Antoninus Pius – und womçglich dann auch ber die vorangegangenen Zerstçrungen – nur summarisch zu berichten beabsichtigt. 90 Vgl. hierzu Ippel, Die Arbeiten zu Pergamon 1910 – 1911, 286, Nr. 12 und die Wiedergabe von H. Mller auf der Internetseite des DAI.

562

Thomas Witulski

Aqtojq² toqi Ja¸ saqi Tqaia m` *dqia m` iku[l] p¸\ m´\ Jk¸\, jt¸[st,].

Nach A. Ippel ist die aus Pergamon stammende und wahrscheinlich auf den rçmischen Kaiser Hadrian zu beziehende Inschrift, die H. Mller – ebenfalls mit Wahrscheinlichkeit – in die Zeit zwischen 129 und 138 n. Chr. datiert, folgendermaßen zu lesen: […] [L]ec¸styi Jk[¸yi] Di· ikulp[¸yi] Syt[/qi].

Beide Inschriften belegen, dass Hadrian als amtierender Herrscher in der rçmischen Provinz Asia durchaus mit dem Sonnengott Helios in Verbindung gebracht worden ist. Dies vermag einerseits die Annahme, dass er die Wiederherstellung der diesen Gott abbildenden rhodischen Kolossalstatue veranlasste, zu erhrten, andererseits aber auch – zustzlich – zu erklren und zu begrnden, warum der Apokalyptiker in seinem Werk den %kkor %ccekor Qswuqºr nach dem Modell eben des Helios konstruierte und konzipierte, zumal die Insel Rhodos als einer der bedeutendsten Sttzpunkte der HeliosVerehrung in unmittelbarer Nhe des asianischen Festlandes lag, was impliziert, dass die dortigen Verhltnisse und auch die dort praktizierte HeliosVerehrung den Adressaten der Apk, den sieben Gemeinden in der Provinz Asia (Apk 1,4.11), sicherlich nicht unbekannt gewesen sind. Aus alledem folgt: Zwar ist einerseits im Blick auf die Frage der Wiedererrichtung des Kolosses von Rhodos durch Hadrian allein durch die Angaben des Malalas letzte Sicherheit nicht zu gewinnen; dass aber seiner Darstellung durchaus eine erhebliche historische Plausibilitt und Wahrscheinlichkeit innewohnen, lsst sich andererseits aber auch kaum bestreiten. Dass Hadrian den Koloss des Nero in Rom umstellen ließ, bezeugt HA, Hadr. 19,12 f.: (12) transtulit et Colossum stantem atque suspensum per Decrianum architectum de eo loco in quo nunc templum Urbis est, ingenti molimine, ita ut operi etiam elephantos viginti quattuor exhiberet. (13) et cum hoc simulacrum post 91 Vgl. Engelmann, Merkelbach, Die Inschriften von Erythrai und Klazomenai, 518.

Implizite Polemik durch Parallelisierung

563

Neronis vultum deletum, cui antea dicatum fuerat. Soli consecrasset, aliud tale Apollodoro architecto auctore facere Lunae molitus est.92

Wenn Hadrian nun nachweislich und glaubhaft in Rom eine solche Maßnahme veranlaßt hat, warum dann nicht auch die Wiedererrichtung einer Kolossalstatue in Rhodos: hier ging es immerhin um ein Bauwerk von letzten Endes doch berregionaler Bekanntheit und Bedeutung. 2.1.2 Das Erscheinungsbild des Gottes Helios bzw. des Kolosses von Rhodos Nach W. Hoepfner lassen sich einige von ihm prsentierte und diskutierte, vornehmlich aus dem dritten bzw. vierten nachchristlichen Jahrhundert stammende bronzene Kleinskulpturen93 als dem Koloss von Rhodos nachgebildete94 Darstellungen des Gottes Helios nachweisen. Diesen im Detail durchaus unterschiedlichen Darstellungen des Helios eigenen im Blick auf dessen Erscheinungsbild folgende wesentliche Gemeinsamkeiten95 : (a) Der mit lockigem Haar bedeckte Kopf des Gottes wird jeweils von 92 „Durch den Architekten Decrianus ließ er auch den Koloss in senkrechtem Schwebezustand von der Sttte, wo heutzutage der Tempel der rçmischen Stadtgçttin steht, mit gewaltigem Kraftaufwand versetzen, stellte er doch fr den Transport sogar vierundzwanzig Elefanten zur Verfgung. (13) Da er diese Statue, die ursprnglich Neros Zge, fr den sie zuvor bestimmt gewesen war, aufwies, dem Sonnengott geweiht hatte, trug er sich auf den Rat des Architekten Apollodorus hin mit dem Plan eines Pendants, das die Mondgçttin darstellen sollte“ (Text nach Hohl, Scriptores Historiae Augustae I, 21; bersetzung nach Hohl, Historia Augusta I, 49). 93 Zu den Abbildungen des Gottes Helios auf ebenfalls aus dieser Zeit stammenden Gemmen vgl. Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 68 f. 94 Vgl. hierzu insgesamt die Ausfhrungen Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 65 ff.; Hoepfner geht davon aus, dass „diesen Kleinbronzen [zweifellos] ein gemeinsames Vorbild zugrunde“ (65) liegt. Im Rahmen seiner Argumentation weist Hoepfner insbesondere auf eine aus Montdidier in Gallien stammende Kleinbronze hin; deren ungewçhnliche Proportionen lassen sie ihm als verkleinerte Nachbildung der rhodischen Kolossalstatue erscheinen (vgl. 67 f.); zur Begrndung der Annahme, dass der in den Kleinbronzen insgesamt dargestellte Typus des Gottes Helios eine Nachbildung des Kolosses von Rhodos darstellt, vgl. ausfhrlich 70. Bemerkenswert ist darber hinaus der Hinweis Hoepfners auf eine Helios-Kleinbronze aus Ordona, die mit einer Sttze am rechten Arm versehen ist (66, Abb. 95.96); diese Sttze am Arm habe „nur Sinn, wenn es sich um die Nachbildung einer Kolossalstatue handelt“. Anders hier Vedder, Rezension zu W. Hoepfner, 1106 f. 95 Vgl. hierzu insbesondere Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 65, der hier die Gemeinsamkeiten in den unterschiedlichen Helios-Darstellungen benennt.

564

Thomas Witulski

einem Strahlenkranz mit sieben oder auch mehreren ausgestalteten einzelnen Strahlen umgeben. (b) In den allermeisten Fllen sind der rechte Arm und die rechte Hand96 erhoben, offensichtlich zum Gruß97. H. Maryon rekonstruiert aufgrund eines auf Rhodos gefunden Reliefs, das nach seiner Interpretation eine zeitgençssische Darstellung des rhodischen Kolosses bietet, eine Statue, die ihre rechte Hand erhebt, um seine Augen vor der aufgehenden Sonne zu schtzen98. Nach A. Gabriel hat der Koloss von Rhodos seinen rechten Arm, wohl aus statischen Grnden, in den Himmel gestreckt und hlt in seiner rechten Hand eine Fackel als Symbol fr das ,Licht der Freiheit‘99 ; dabei verweist Gabriel auf einen Hinweis in der Suda, s.v. jokossae¼r100. U. Vedder geht hingegen davon aus, dass der rhodische Koloss als opfernder Gott dargestellt ist, was impliziert, dass seine rechte Hand gesenkt ist101; allerdings muss sie selbst einrumen: „Der Statuentypus des opfernden Gottes wirkt im frhen 3. Jh. v. Chr. zwar altertmlich, ist aber nicht vçllig [!] ausgeschlossen“102. Vedder versucht, ihre Rekonstruktion mit dem Hinweis zu sttzen, dass es sich bei der rhodischen Kolossalstatue um eine Weihegeschenk handelt103. Wenn aber die Rhodier ihrem Gott Helios als Dank fr seinen Schutz whrend der Belagerung durch Demetrios I. Poliorketes eine Statue weihen wollten, ist nicht einzusehen, warum sie diese 96 Die linke Hand des Helios hlt hufig eine Peitsche, die gegen die Hfte gestemmt ist; vgl. hierzu Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 65. Matern, Helios und Sol, 99 ff. ordnet die von Hoepfner prsentierten und erst gegen Ende des zweiten bzw. ab dem dritten nachchristlichen Jahrhundert nachweisbaren Statuen dem sog. ,Sol-Invictus‘-Typus zu. Dabei weist sie darauf hin, dass „das einzige offensichtliche Kriterium, das die Darstellung eines Sol Invictus-Typus von denen anderer Sol- oder Heliosdarstellungen […] unterscheidet, […] die erhobene rechte Hand [sei], deren Innenflche blicherweise dem Betrachter zugewandt sei“. Sie hlt es aber – und dies ist im Rahmen der vorliegenden Argumentation entscheidend – „fr mçglich und von der postulierten Bildaussage her fr stimmig, dass die Ikonographie des in rçmischer Zeit Sol Invictus genannten Gottes in ihren Grundzgen auf den Koloss von Rhodos zurckgeht“. Damit wre der Gestus der erhobenen rechten Hand des Helios auch schon vor dem dritten nachchristlichen Jahrhundert bekannt und im Laufe der Zeit nachgerade ein Charakteristikum seiner Darstellung geworden. 97 Vgl. hierzu etwa Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 65. 98 Vgl. hierzu Maryon, The Colossus of Rhodes, 72. 99 Vgl. hierzu Construction, 337.345; vgl. auch Z. 6 des Weiheepigramms Antholgia Graeca VI 17. 100 Vgl. hierzu Construction, 345, A. 2 101 Vgl. hierzu Rez. Hoepfner, 1104 ff. 102 Rez. Hoepfner, 1106. 103 Vgl. Rez. Hoepfner, 1106.

Implizite Polemik durch Parallelisierung

565

Statue als opfernde Gottheit darstellen sollten; weit mehr Sinn machte es da schon, mit A. Gabriel das ,Licht der Freiheit‘ in der rechten Hand des Helios zu sehen. (c) Der Oberkçrper der Gottheit ist in der Regel mit der Chamlys, einem Mantel, bekleidet. (d) Die Figur des Helios ist jeweils als „im Laufen begriffen“104 dargestellt; er scheint auf dem rechten Bein zu stehen und das linke nachzuziehen. 2.1.3 Der Status des Gottes Helios In der griechischen Mythologie gilt Helios als Sohn des Hyperion und seiner mit ihm vermhlten Schwester Theia, beide Kinder des Uranos und der Gaia105 ; er gehçrt somit zum Gçttergeschlecht der Titanen106. Helios wird nicht unter die Gçtter des Olymps subsumiert107 und begegnet in der Dichtung immer wieder als ein Gott, der anderen mchtigeren Gottheiten untergeordnet erscheint und deren Anordnungen auszufhren hat108. Dies gilt insbesondere im Blick auf das Verhltnis des Helios zu Zeus, der zusammen mit Hera an der Spitze des olympischen Gçtterstaates steht. Insbesondere aus der griechischen Dichtung lassen sich zahlreiche Belege fr die Unterordnung des Helios unter den Gçttervater Zeus und den Gehorsam, den ersterer dem letzteren zu erweisen hat, beibringen109. Als eines von mehreren Beispielen sei in diesem Zusammenhang eine Passage aus der,Elektra‘ des Euripides zitiert; Zeus wendet hier angesichts der Gruel im Hause des Atreus und der Thyestes den Lauf der Sonne und der Gestirne rckwrts: 104 Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 67; vgl. auch 71. Dementsprechend begegnet die Darstellung des Helios als eines unermdlichen Wanderers, der am Himmel daherschreitet, hufig in der griechischen Dichtung, wiewohl auch die Vorstellung, er fahre mit einer Quadriga am Himmel entlang, durchaus ebenfalls belegt ist; Belege fr beide Vorstellungen bei Jessen, Art. Helios, 88. 105 Vgl. zu diesem Gesichtspunkt ausfhrlich Jessen, Art. Helios, 77 f.; als wichtigster Beleg ist hier Hesiod, Theog. 134; 371 ff.; 956; 1011 zu nennen. 106 Vgl. zu letzterem Gordon, Art. Sol I., 692. 107 Vgl. hierzu Jessen, Art. Helios, 62. Eine der außerordentlich seltenen Ausnahmen bilden die Ausfhrungen Homers in Od. XII 374 ff.; ihnen zufolge hat Helios einen Platz im Rat der brigen Gçtter gefunden. 108 Vgl. hierzu neben zahlreichen anderen Belegen Homer, Il. XVIII 239 f.: J´kiom d‘ !j²lamta bo_pir pºtmia Nqg j p´lxem 1p ©jeamo?o No±r !´jomta m´eshai (Text nach Rup, Ilias II, 146); weitere Belege bei Jessen, Art. Helios, 63. 109 Vgl. hierzu Jessen, Art. Helios, 63, der allein aus dem Opus Homers mehrere Belege zu nennen vermag.

566

Thomas Witulski

tºte dμ tºte vaemm±r %stqym let´bas’ bdo»r Fe»r ja· v´ccor !ek¸ou keujºm te pqºsypom !oOr, t± d’ 6speqa m_t’ 1ka¼mei heql÷i vkoc· heop¼q\, mev´kai d’ 5mudqoh pq¹r %qjtom neqa¸ t’ )llym¸der 6dqai vh¸mous’ !peiqºqosoi, jakk¸stym elbqym Diºhem steqe?sai.110

Diese Einlassung des Euripides lsst die Unterordnung der Sonne und damit auch des Sonnengottes Helios unter den Gçttervater Zeus deutlich erkennen; Zeus ist in der Lage, den festgesetzten Lauf der Sonne um- und nachgerade ins Gegenteil zu verkehren. Dem korrespondiert, auch wenn er sonst durchaus auch als heºr bezeichnet werden kann111, die letzten Endes doch abschwchende Bezeichnung des Helios als eines den Unsterblichen lediglich hnlichen112. Schon seit den Zeiten Homers wird die Sonne „dank der Regularitt ihrer Bahn“113 als Verkçrperung und Garant der kosmischen Ordnung114 angesehen; dies belegt beispielhaft eine Einlassung des zwischen 390/89 und 330/29 v. Chr. lebenden115 attischen Redners Hypereides: „Gleichwie nmlich Helios die gesamte Oikumene durchwandert, die Stunden in angemessener Weise trennt und alles bestens anordnet, zugunsten der Vernnftigen und Tchtigen unter den Menschen Sorge trgt fr Leben sowohl als auch Nahrung, Frucht und alles andere zum Leben Dienliche.“116

110 Elektra, 726 ff.; „Da, ja da j Wandte Zeus j Jh herum die Bahnen der Sterne, j Wandte des Helios Leuchte j Wandte des Morgens strahlendes Antlitz. j Des Abends Schatten trieb er j Zurck mit dem sengenden Blitzstrahl. j Da zog feuchte Wolke nach Norden, j Trockener Sitz des Ammon. j Lechzt nach erquickendem Taufall, j Ewig des seligen Regens beraubt (Text und bersetzung nach Buschor, Zimmermann, Euripides. Ausgewhlte Tragçdien I, 254 f.). 111 Vgl. hierzu etwa Homer, Od. XII 261. 112 Vgl. hierzu etwa hymni Homerici XXXI 6 f. : J´kiºm t‘ !j²lamt‘ 1pie¸jekom !ham²toisom j dr va¸mei hmgto?si ja· !ham²toisi heo?sim (Text nach Allen, Homeri Opera, 90). 113 Gordon, Art. Sol I., 693. 114 Vgl. hierzu auch Od. XII 379 ff.; neben anderen sieht etwa Cicero, rep. VI 17 – hier noch weitergehend – Helios als die „bestimmende. Macht der kosmischen Ordnung“ (Gordon, Art. Sol I., 693) an. 115 Vgl. hierzu Grtner, Art. Hypereides, 1276. 116 Text nach Kenyon, EPITAVIOS, col. 2 f.

Implizite Polemik durch Parallelisierung

567

Darber hinaus wird der Gott Helios als derjenige der Gçtter charakterisiert, der alles sieht und alles hçrt117; zudem weiß er zu verknden, was in der Ferne geschehen ist118. Der allsehende Titan galt verbreitet als Zeuge und Garant von Schwren, als Zeuge und ,Wchter der Wahrheit‘ sowie als ,Auge der Gerechtigkeit‘119. 2.2 Der %kkor %ccekor Qswuqºr (Apk 10,1 f.5), der Gott Helios und der Koloss von Rhodos. Versuch eines Vergleiches Wird die Darstellung des %kkor %ccekor Qswuqºr in Apk 10,1 f.5 mit dem Erscheinungsbild des Kolosses von Rhodos, soweit es aus spteren Darstellungen ableitbar ist, und den dem Gott Helios in der antiken Literatur beigelegten Epitheta und Charakteristika verglichen, so ergeben sich frappante bereinstimmungen: (a) Die der Titulatur des %kkor %ccekor Qswuqºr inhrente Charakterisierung als eines offensichtlich mit einer durchaus bedeutenden Macht ausgestatteten Zwischenwesens zwischen Gott und den Menschen entspricht przise dem Bild des Helios als eines den Unsterblichen lediglich hnlichen Gottes, der sich der Macht anderer Gottheiten fgen und ihren Anordnungen Folge leisten muss und nicht zu den olympischen Gçttern zu zhlen ist. Durchaus nicht ohne Bedeutung ist die Tatsache, dass die Inschrift IG II 1585 fr das Athen des 3. vorchristlichen Jahrhunderts eine gemeinsame, an die Gçtter Helios und Zeus Meilichios gerichtete Weihung belegt120 : Jk¸yi ja· Di· Leik[iw¸yi] Lall¸a121.

Diese gemeinsame Weihung gewinnt ihre Brisanz durch den Sachverhalt, dass der mit erheblicher Untersttzung des Kaisers Hadrian ausgebaute, vollendete und schließlich zwischen 130 und 132 n. Chr. geweihte Tempel

117 Vgl. hierzu etwa Il. III 277: fr p²mt’ 1voqør ja· p²mt’ 1jajo¼eir (Text nach Rup, Ilias I, 102); hnlich auch Od. XI 109; XII 323. 118 Vgl. hierzu etwa Aischylos, Ag. 611 und Sophokles, Trach. 94 ff.; Ai. 846ff, 119 Vgl. hierzu neben Jessen, Art. Helios, 59 f. und R.L. Gordon, Art. Sol I., 693 als antiker Beleg hymni Orphici VIII 16 – 18: de?jta dijaios¼mgr, vikom²late, d´spota jºslou j pistov}kan, aQe· pamup´qtate, p÷sim !qyc´, j ella dijaios¼mgr, f_gr v_r (Text nach Athanassakis, The Orphic Hymns, 14). 120 Vgl. hierzu bereits Jessen, Art. Helios, 66. 121 Text nach Koehler, Corpus Inscriptionum Atticarum II, 88.

568

Thomas Witulski

des Zeus Olympios in Athen122 nicht zuletzt auch aufgrund der von Hadrian innerhalb dieses Heiligtums geweihten Schlange123 mit der Verehrung der Gottheit Zeus Meilichios in Verbindung gebracht werden konnte124. Wenn nun aber eben durch die Weihe des Zeus Olympios-Tempels in Athen und durch mit dieser Weihe in Verbindung stehende weitere Weihehandlungen ein – mçglicherweise zuvor bereits bestehender – Zusammenhang zwischen den Gottheiten Zeus Olympios, Zeus Meilichios und Helios neu konstituiert oder aber restituiert worden ist, dann erklrt sich umso einleuchtender, dass der Apokalyptiker, zumal in Verbindung mit dem rçmischen Kaiser Hadrian als dem ersten der beiden Apk 13 geschilderten h¶qia125, bei der Gestaltung der Figur des %kkor %ccekor Qswuqºr Apk 10 in polemischer Absicht auf das Modell des Sonnengottes Helios zurckgegriffen hat. (b) Der Hinweis des Apokalyptikers, dass der %kkor %ccekor Qswuqºr mit einer Wolke bekleidet sei, passt sehr gut zum Bild des am Himmel entlang wandernden oder auch fahrenden Sonnengottes, dessen Gestalt eine Wolke umhllt126. (c) Die im Sinne eines Halo zu interpretierende Uqir auf dem Haupt des %kkor %ccekor Qswuqºr weist auf den Strahlenkranz des Helios, der dessen mit lockigem Haar bedeckten Kopf umgibt127. (d) Die sehr unmittelbare und umfassende Parallelisierung des Angesichtes %kkor %ccekor Qswuqºr mit der Sonne lsst sich im Rahmen eines angenommenen Bezuges dieser Figur auf den Sonnengott Helios gnzlich zwanglos erklren. (e) Das Motiv der pºder ¢r stOkoi puqºr findet seine Entsprechung im bronzenen Leuchten der Fße sowohl des Kolosses von Rhodos als auch seiner Abbilder, den Kleinbron122 Vgl. hierzu neuestens Witulski, Kaiserkult in Kleinasien, 109 ff. 123 Vgl. hierzu Cassius Dio LXIL 16,1 und Witulski, Kaiserkult in Kleinasien, 110 mit A. 383. 124 Nach Tçlle-Kastenbein, Olympieion, 159 diente diese Kultstiftung „restaurativ dem Zeus Meilichios, der in Athen vor allem in Ilissosgebeit und an den Diasien verehrt wurde. […] Wahrscheinlich hat der Kult fr den Zeus Olympios den ursprnglich chthonischen Kult fr Zeus Meilichios im Ilissosgebiet berlagert, oder im Laufe der Zeit wurden die chthonischen Riten mit den olympischen verbunden. Zeus Meilichios erscheint mythisch in Gestalt einer großen Schlange, und eine solche sollte mçglicherweise in der hadrianischen Vorstellung zur Wiederbelebung dieses Kultes und zur Sichtbarmachung der positiven Gesinnung des Gottes beitragen“. 125 Vgl. hierzu ausfhrlich Witulski, Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian, 219 ff. 126 Diese beiden Aspekte werden von Aune aufgrund seiner nur auf den Koloss von Rhodos verengten und den Gott Helios, den die Kolossalstatue ja immerhin darstellt, unbercksichtigt gelassenen Betrachtungsweise nicht gesehen. 127 So bereits Aune, Revelation 6 – 16, 556.

Implizite Polemik durch Parallelisierung

569

zen128. (f ) Die Fußstellung des %kkor %ccekor Qswuqºr – der rechte Fuß auf dem Meer und der linke auf dem Land – entspricht einerseits ebenfalls derjenigen der rhodischen Kolossalstatue und seinen verkleinerten Darstellungen, andererseits dem in der Literatur gezeichneten Bild des wandernden Helios, der einen Fuß vor den anderen setzt129. Eine andere Mçglichkeit, die Fußstellung des %kkor %ccekor Qswuqºr auf den Koloss von Rhodos zu beziehen, ergibt sich aus dem Anthologia Graeca VI 171 berlieferten Weiheepigramm zur Weihe der rhodischen Kolossalstatue130, das H. Beckby folgendermaßen wiedergibt: Aqt` so· pq¹r mkulpom 1laj¼mamto jokoss¹m tºmde Uºdou ma´tai Dyq¸dor, )´kie, w²kjeom, "m¸aj jOla jateum²samter 5stexam p²tqam duslem´ym 1m²qoir. oq c±q rp³q pek²cour lºmom %mhesam, !kk± ja· 1m cø "bq¹m !douk¾tou v´ccor 1keuheq¸ar to?r c±q !v‘ Jqajk/qor !enghe?si cem´hkar p²tqior 1m pºmt\ jAm whom· joiqam¸a.131

Auch wenn es sich bei dem Hinweis oq c±q rp³q pek²cour lºmom %mhesam, !kk± ja· 1m cø (V. 5) um „eine allgemeine Aussage, die analog zum letzten Vers des Epigramms ,Herrschaft zu See und am Lande‘formuliert wurde und nicht als konkrete Bemerkung in Bezug auf einen mçglichen Standort 128 Vgl. zu diesem Gesichtspunkt ebenfalls Aune, Revelation 6 – 16, 556. Dass es sich beim rhodischen Koloss um eine Bronzestatue handelte, besttigt Philo Byzantius, peq· t_m 2pt± heaul²tym 4,1 – 6. 129 An dieser Stelle wenig berzeugend Aune, Revelation 6 – 16, 556, der eine historisch unzutreffende Darstellung des Kolosses (vgl. hierzu Hoepfner, Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios, 13 ff.) auf die Apk 10,2.5 vorliegende Beschreibung der Fußstellung des Engels beziehen will: „According to a popular but erroneous view, the Colossos stood astride the harbor of Rhodes permitting ships to pass through its legs; actually it stood on a promontory overlooking the harbour (see 10:5, ,the angel whom I saw standing on sea and land‘)“. 130 Nach Gow, Page, The Greek Anthology II, 588 „was [dieses Epigramm] plainly inscribed on or near the statue, presumably soon after its completion, and it may be assigned with some confidence to the first quarter of the third century B.C.“ 131 „Dir selbst Helios ließen die Bewohner des dorischen Rhodos diesen bronzenen Koloss zum Olymp emporwachsen, als sie die Woge der Enyo (= des Krieges) besnftigt hatten und das Vaterland dicht mit der Beute der Feinde bekrnzten. Sie stellten ihn als Weihgeschenk auf, nicht nur ber dem Meere, sondern auch in der Erde, das edle Licht unversklavter Freiheit; den aus dem Geschlecht des Herakles Entstandenen steht traditionell die Herrschaft zu See und am Lande zu“ (Text nach Beckby, Anthologia Graeca I, 542; bersetzung nach Vedder, Der Koloß von Rhodos, 27.)

570

Thomas Witulski

ausgewertet werden darf“132, handeln sollte, zeigt dieser doch eine frappante Parallelitt zu der Apk 10,2b.5 beschriebenen Fußstellung des %kkor %ccekor Qswuqºr. Gut denkbar wre, dass der Apokalyptiker hier bewusst eine Parallele zu der entsprechenden Aussage des Weiheepigramms des Kolosses von Rhodos konstruiert hat, das ihm durchaus noch bekannt gewesen sein kann. (g) Nach Apk 10,5 hebt der %kkor %ccekor Qswuqºr seine rechte Hand zum Himmel; gleiches tun sowohl der Gott Helios als auch der Koloss von Rhodos, zumindest ihren Darstellungen in der Kunst zufolge133. Aus alledem folgt: Smtliche einzelnen Merkmale bzw. Motive des ußeren Erscheinungsbildes des %kkor %ccekor Qswuqºr (Apk 10,1 f.5) lassen sich weitgehend zwanglos als Parallele zum Erscheinungsbild des Gottes Helios bzw. einer seiner berhmtesten Nachbildungen, der Statue des Kolosses von Rhodos, erklren. Daraus ergibt sich als ein erstes Ergebnis der vorliegenden Studie folgende These: Der Apokalyptiker hat die Figur des %kkor %ccekor Qswuqºr ganz bewusst als Parallele zu dem auf der nahegelegenen Insel Rhodos nicht zuletzt auch in der Statue des Kolosses von Rhodos verehrten Sonnengottes Helios konzipiert und konstruiert.

3. Das literarische Darstellungsinteresse des Apokalyptikers Mit der offensichtlich von ihm selbst konstruierten Parallelitt der Figur des %kkor %ccekor Qswuqºr mit dem in der Statue des Kolosses von Rhodos verkçrperten Sonnengott Helios – und damit wird als Konsequenz aus der ersten eine zweite These formuliert – entwickelt der Apokalyptiker eine polemische Parallelisierung: Im Rahmen der Methode des ,polemical parallelism‘ stellt er derjenigen Gestalt, die im Rahmen des ,pseudosoteriologischen‘ Zeichensystems als Garant sowohl der Stabilitt der kosmischen Ordnung als auch der Wahrheit fungiert, eine Figur gegenber, die innerhalb des mit diesem ,pseudosoteriologischen‘ konkurrierenden, soteriologisch qualifizierten Zeichensystems in ebensolcher Funktion auftritt. Mit dieser zunchst personalen Parallelisierung çffnet der Apokalyptiker seinen Rezipienten, allerdings weit eher implizit und auf eine subtil polemisch-ironisierende Art und Weise als denn expressis verbis, den Blick fr eine grundlegende sachlich-theoretische Diskrepanz: Die von der Figur des %kkor %ccekor Qswuqºr Apk 10,6 f. beschworene und verkndete Wahrheit des Endes des aktuell existierenden ,pseudosoteriologischen‘ Zeichensystems 132 Vedder, Der Koloß von Rhodos, 28. 133 Vgl. hierzu ebenfalls Aune, Revelation 6 – 16, 556.

Implizite Polemik durch Parallelisierung

571

und der innerhalb dessen konstruierten bestehenden Wirklichkeit und der innerhalb dessen Platz greifenden Sinnstiftung steht der von Helios garantierten und verkçrperten, auf Stabilitt des Bestehenden abzielenden Wahrheit unmittelbar und unvereinbar gegenber und setzt – und dies ist entscheidend – dieser zugleich ihr Ende. Die neue Wahrheit – und eben dies garantiert der %kkor %ccekor Qswuqºr in seiner Parallelitt zu Helios als ,Wchter der Wahrheit‘ innerhalb des neuen, soteriologisch qualifizierten Zeichensystems – besteht in der unmittelbar bevorstehenden Vollendung des lust¶qiom heoO als einer einen neuen, Sinn stiftenden soteriologischen Wirklichkeit. Das, was der Apokalyptiker spter, etwa in Apk 17 ff., mit seiner hçchst polemischen Beschreibung des Untergangs Babylons bzw. Roms dann explizit darlegen wird, wird hier in Apk 10,1 ff. mit Hilfe der Methode des ,polemical parallelism‘ nachgerade implizit expliziert und damit in gewisser Weise vorbereitet. Diese hier in Apk vorliegende implizite Polemik enthlt zwei textpragmatische Implikationen, einerseits eine seelsorgerliche – die in der Apk angeschriebenen Glubigen kçnnen sich in ihrer gegenwrtigen Situation der Bedrngnis134 auch gegen den Augenschein auf die bleibende Gltigkeit der innerhalb des einzig zu recht so qualifizierten soteriologischen Zeichensystems konstruierten Wirklichkeit verlassen –, andererseits eine parnetische – der Apokalyptiker will die Rezipienten seines Werkes davor warnen, die eingeschlagene und bisher durchgehaltene Haltung der kompromisslosen Verweigerung gegenber den Verlockungen des ,pseudoreligiçsen‘ Zeichensystems, hier v. a. der kultisch-religiçsen Kaiserverehrung, zu verlassen135. Kurz und knapp: Dem Apokalyptiker ist es mit seiner (impliziten) polemischen Parallelisierung des %kkor %ccekor Qswuqºr mit dem

134 Vgl. hierzu Mller, Die Offenbarung des Johannes, 202: „Der Verfasser sieht sich damit als Glied einer prophetischen Kette atl. und ntl. Propheten, wobei ihm als letztem hier offenbart wird, dass die Vollendung des Geheimnisses sich nicht verzçgert. Diese trçstliche Versicherung ist nçtig angesichts der Sorge seiner bedrngten Gemeinde […], nçtig aber auch wegen seiner Absicht, weitere Weisssagungen anzufgen, die den Eindruck erwecken kçnnten, als wrde das Ende verziehen“. 135 Vgl. hierzu etwa Mller, Die Offenbarung des Johannes, 94, der im Blick auf die berwindersprche am Ende der Sendschreiben in Apk 2 f. formuliert: „Es geht um das Bestehenkçnnen in der Bedrngnis der endzeitlichen Kampfsituation, um das Standhalten angesichts der Machenschaften des Satans“; zur Situation der Christen in der rçmischen Provinz Asia zur Zeit der Abfassung der Apk vgl. darber hinaus ausfhrlich Witulski, Kaiserkult in Kleinasien, 90 ff. und ders., Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian, passim.

572

Thomas Witulski

Sonnengott Helios darum zu tun, seine Leser/Hçrer „mit allen zur Verfgung stehenden Mitteln letztinstanzlich“136 auf seine Seite zu ziehen. Einen besonderen Akzent erhielte dieses eher auf der literarischen Ebene formulierte Gesamtergebnis, wenn die o. diskutierte Einlassung des J. Malalas zutrfe, dass der rçmische Kaiser Hadrian die zerstçrte Statue des Kolosses von Rhodos wieder aufbauen ließ. ber die besprochenen interpretatorischen Implikationen hinaus wre damit nmlich ein weiteres Argument fr die Datierung der Johannesoffenbarung in die Zeit Hadrians, prziser in die Zeit zwischen 132 und 135 n. Chr., gewonnen; der Apokalyptiker fhrte die Gestalt des in der rhodischen Kolossalstatue abgebildeten Sonnengottes Helios hier ein, weil ihm und seinen Rezipienten diese Statue eben aufgrund der durch Hadrian veranlassten Wiedererrichtung des Kolosses von Rhodos in unmittelbarer geographische Nhe vor Augen stand.

Literatur Allen, T.W., Homeri Opera V. Hymnos Cyclum Fragmenta Margiten Batrachomyomachiam Vitas Continens (SCBO), Oxford 19555. Athanassakis, A.N., The Orphic Hymns (SBL.TT 12), GRRS 4, Missoula 1977. Aune, D.E., The Influence of Roman Imperial Cult Ceremonial on the Apocalypse of John, in: BR 38 (1983), 5 – 26. Aune, D.E., Revelation 6 – 16 (WBC 52 B), Nashville 1998. Barnett, P., Polemical Parallelism: Some further Reflections on the Apocalypse, in: JSNT 35 (1989), 111 – 120. Bauckham, R., The Climax of Prophecy. Studies on the Book of Revelation, Edinburgh 1993. Beale, G.K., The Book of Revelation. A Commentary on the Greek Text (NIGTC), Grand Rapids/Carlisle 1999. Beckby, H. (Hg.), Anthologia Graeca I: Buch I–IV (Tusculum), Mnchen 19652. Boatwright, M.T., Hadrian and the Cities of the Roman Empire, Princeton 2000. Bçttrich, C., Das slavische Henochbuch (JSHRZ V), Gtersloh 1995, 781 – 1040. Bousset, W., Die Offenbarung Johannis (KEK 16), Gçttingen 19066. Bultmann, R., Der zweite Brief an die Korinther (KEK Sonderband), Gçttingen 19872. Buschor, E., Zimmermann, H. (Hg.), Euripides. Ausgewhlte Tragçdien I.II (Tusculum), Zrich u. a. 1996. Charles, R.H., A Critical and Exegetical Commentary on the Revelation of St. John. Vol. I.II (ICC), Edinburgh 19502. Demus-Quatember, M., Bemerkungen zur Chronologie des Kolosses von Rhodos, in: Studien zur sptantiken und byzantinischen Kunst, in: Festschrift F.W. Deichmann. Band III, Bonn 1986, 143 – 148. 136 Stauffer, Art. Polemik, 1404.

Implizite Polemik durch Parallelisierung

573

Dindorf, L. (Hg.), Chronicon Paschale. Exemplar Vaticanum I–2 (CSHB), Bonn 1832. Duensing H., de Santos Otero, A. (Hg.), Apokalypse des Paulus, in: Schneemelcher, W. (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen II: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tbingen 19976. Engelmann, H., Merkelbach, R. (Hg.), Die Inschriften von Erythrai und Klazomenai II, Nr. 201 – 536 (IK 3), Bonn 1973. Evelyn-White, H.G. (Hg.), Hesiod. The Homeric Hymns and Homerica (LCL 57), London/Cambridge 1964. Fndling, J., Kommentar zur Vita Hadriani der Historia Augusta, Band 2 (Ant. Reihe 4, Serie 3), Bonn 2006. Gabriel, A., La construction, l’attitude et l’emplacement du colosse de Rhodes, in: BCH 56 (1932), 331 – 369. Georgi, D., Who is the ,True Prophet‘, in: HThR 79 (1986), 100 – 126. Giesen, H., Die Offenbarung des Johannes (RNT), Regensburg 1997. Gordon, R.L., Art. Sol I., in: DNP 11 (2001), 692 – 695. Gow, A.S.F., Page, L.D. (Hg.), The Greek Anthology. Hellenistic Epigrams I.II., Cambridge 1965. Halfmann, H., Itinera principum. Geschichte und Typologie der Kaiserreisen im Rçmischen Reich (Heidelberger Althistorische Beitrge und Epigraphische Studien 2), Stuttgart 1986. Hamm, U., Meier, M., Art. Johannes Malalas, in: LACL, 351 – 353. Hoepfner, W., Der Koloss von Rhodos und die Bauten des Helios. Neue Forschungen zu einem der sieben Weltwunder, Mainz 2003. Hohl, H. (Hg.), Historia Augusta. Rçmische Kaisergestalten I (BAW.RR), Zrich/ Mnchen 1976. Hohl, H. (Hg.), Scriptores Historiae Augustae I (BSGRT), Stuttgart/Leipzig 19975. Ippel, A., Die Arbeiten zu Pergamon 1910 – 1911. II. Die Inschriften, in: MDAI.A 37 (1912), 277 – 303. Janssen, E. (Hg.), Testament Abrahams (JSHRZ III 2), Gtersloh 19802, 193 – 256. Jeffreys, E., Jeffreys, M., Scott, R. u. a. (Hg.), The Chronicle of John Malalas, A Translation (Byzantina Australiensia 4), Melbourne 1986. Jessen, O., Art. Helios, in: PRE 8 (1912/1913), 58 – 93. Jones, W.H.S. (Hg.), Pausanias. Description of Greece I, Books I and II (LCL 93), London/Cambridge 19696. Jones, W.H.S. (Hg.), Pausanias. Description of Greece III: Books VI–VIII (I–XXI) (LCL 272), London/Cambridge 19665. Jones, W.H.S. (Hg.), Pausanias. Description of Greece IV: Books VIII (XXII)–X (LCL), London/Cambridge 19654. Kenyon, F.G. (Hg.), Hyperidis Orationes et Fragmenta (SCBO), Oxford 19542. Koehler, U., Corpus Inscriptionum Atticarum II: Inscriptiones Atticae. Aetatis quae est inter Euclidis Annum et Augusti Tempora III, Berlin 1888 [IG II]. Kraft, H., Die Offenbarung des Johannes (HNT 16a), Tbingen 1974. Liddell, H.G., Scott, R., Jones, H.S. (Hg.), A Greek-English Lexicon, Oxford 1968 (ND 1977). Lohmeyer, E., Die Offenbarung des Johannes (HNT 16), Tbingen 19532.

574

Thomas Witulski

Lust, J., For I lift up my hand to heaven and swear: Deut 32:40, in: Garca Martnez, F. u. a. (Hg.), Studies in Deuteronomy. FS C.J. Labuschagne (VT.S 53), Leiden 1994, 155 – 164. Maryon, H., The Colossus of Rhodes, in: JHS 76 (1956), 68 – 86. Matern, P., Helios und Sol. Kulte und Ikonographie des griechischen und rçmischen Sonnengottes, Istanbul 2002. Metzger, B.M. (Hg.), The Fourth Book of Ezra, in: OPT 1, 517 – 559. Meyer, E. (Hg.), Pausanias. Beschreibung Griechenlands (BAW.Gr), Zrich 1954. Migne, J.-P. (Hg.), Chronicon Paschale (MPG 92) Turnhout. Moulton, W.F., Geden, A.S., A Concordance to the Greek Testament, Edinburgh 19805. Mller, C.D.G. (Hg.), Offenbarung des Petrus, in: Schneemelcher, W. (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen II: Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, Tbingen 19976, 562 – 578. Mller, U.B., Die Offenbarung des Johannes (TK 19), Gtersloh/Wrzburg 19952. Oegema, G., Apokalypsen, in: Lichtenberger, H., Oegema, G. (Hg.), Supplementa. Einfhrung zu den Jdischen Schriften aus hellenistisch-rçmischer Zeit (JSHRZ VI), Gtersloh 2001. Overbeck, J. (Hg.), Die antiken Schriftquellen zur Geschichte der bildenden Knste bei den Griechen, Hildesheim/New York 1971. Philonenko-Sayar, B., Philonenko, M. (Hg.), Die Apokalypse Abrahams (JSHRZ V), Gtersloh 1982. Prigent, P., Commentary on the Apocalypse of St. John, Tbingen 2001. Rubinkiewicz, R. (Hg.), Apocalypse of Abraham, in: OTP 1, 681 – 705. Rup, H. (Hg.), Homer. Ilias: Erster bis vierzehnter Gesang (Tusculum), Nçrdlingen 1948. Rup, H. (Hg.), Homer. Ilias: Fnfzehnter bis vierundzwanzigster Gesang (Tusculum), Nçrdlingen 1948. Sanders, E.P. (Hg.), Testament of Abraham, in: OTP 1, 871 – 902. Satake, A., Die Offenbarung des Johannes (KEK 16), Gçttingen 2008. Schenk Graf von Stauffenberg, A., Die Rçmische Kaisergeschichte bei Malalas. Griechischer Text der Bcher IX–XII und Untersuchungen, Stuttgart 1931. Stauffer, H., Art. Polemik, in: Historisches Wçrterbuch der Rhetorik 6 (2003), 1403 – 1415. Thurn, J.(Hg.), Ioannis Malalae Chronographia (CFHB.B 35), Berlin 2000. Toelle-Kastenbein, R., Das Olympieion in Athen (Arbeiten zur Archologie), Kçln 1994. Vedder, U., Der Koloß von Rhodos – Mythos und Wirklichkeit eines Weltwunders, in: Nrnberger Bltter zur Archologie, 16 (1999/2000), 23 – 40. Vedder, U., Rezension zu W. Hoepfner, Der Koloß von Rhodos, in: Gçttinger Forum der Altertumswissenschaften 7 (2004), 1103 – 1113. Uhlig, S., Das thiopische Henochbuch (JSRHZ V), Gtersloh 1984, 461 – 780. Vogt, E., Tragiker Ezechiel (JSHRZ IV), Gtersloh 1983,113 – 133. Weber, W., Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers Hadrianus. Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1907, Hildesheim/New York 1973. Wiefel, W., Das Evangelium nach Matthus (ThHK 1), Leipzig 1998.

Implizite Polemik durch Parallelisierung

575

Witulski, T., Die Aufenthalte des Kaisers Hadrian in der rçmischen Provinz Asia, in: Bienert, D. u. a. (Hg.), Paulus und die antike Welt. Beitrge zur zeit- und religionsgeschichtlichen Erforschung des paulinischen Christentums. FS D.-A. Koch (FRLANT 222), Gçttingen 2008, 150 – 167. Witulski, T., Die Johannesoffenbarung und Kaiser Hadrian. Studien zur Datierung der neutestamentlichen Apokalypse (FRLANT 221), Gçttingen 2007. Witulski, T., Kaiserkult in Kleinasien. Die Entwicklung der kultisch-religiçsen Kaiserverehrung in der rçmischen Provinz Asia von Augustus bis Antoninus Pius (NTOA 63), Gçttingen 2007.

Teil 3: Wirkungen und Entwicklungen an Beispielen aus der Alten Kirche

Polemik bei Irenus von Lyon. Strategie – Ertrag – Wirkung Barbara Aland Wenn das Stichwort Polemik bei Irenus fllt, scheint schon alles bekannt zu sein: Irenus polemisiert gegen die Gnostiker. Er tut es mit allen Verdrehungen, absichtlichen Missdeutungen, Vergleichen von Unvergleichbarem, so dass man seinen Aussagen in keiner Weise trauen kann. Seiner Polemik haftet eher der Ruch des Unseriçsen und Tendenziçsen an. Ihr Quellenwert fr die Gnosis scheint jedenfalls gering zu sein, und dieser Quellenwert ist es auch, der im Zusammenhang mit der Polemik vor allem interessiert.1 Hier wird anders vorgegangen. Die Polemik selbst steht im Vordergrund. Wir fragen, was Irenus damit vor welchem Publikum erreichen will, wie er dem entsprechend vorgeht, wie seine Polemik „gemacht“ wird, damit sie berzeugt, und damit zusammenhngend, wie und warum sie wirkt. Es geht bei Irenus nahezu ausschließlich um Hretikerpolemik, nicht um Juden-, nicht um Heidenpolemik. Polemik dieser Art ist etwas Grundstzliches und damit Neues,2 weil es das christliche Selbstverstndnis an seiner Wurzel betrifft und damit eine berlebensfrage fr die christliche Gemeinschaft schlechthin ist. So zumindest versteht es Irenus. Ein wechselseitiger und zwingender Zusammenhang der Polemik mit der Ausbildung einer eigenen Theologie wird sich daraus ergeben. Im einzelnen untersuchen wir zunchst Voraussetzungen, Absicht und Adressaten der Polemik des Irenus, d. h. die Kommunikationssituation, in die hinein sein Werk „Aufweis und Widerlegung der flschlich so genannten Gnosis“ geschrieben ist, am Ende des 2. Jahrhunderts in der zwar am Rande des Rçmischen Reiches liegenden, aber mit der Oikumene vielfach gut 1

2

Hier sind vor allem amerikanische Forscher zu nennen, allen voran King, What is Gnosticism? u. a., die sehr viel fr die Offenlegung der Strategien des von ihr so genannten gnostisch-orthodoxen Diskurses geleistet hat. Sie und ihre Kollegen sind weniger an dem theologischen Ertrag dieses Diskurses interessiert, bestreiten ihn sogar weitgehend. So schon fr die Hretikerpolemik der christlichen lateinischen Literatur, insbesondere bei Tertullian, Opelt, Die Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin, 210 – 213.

580

Barbara Aland

verbundenen Stadt Lugdunum3 (1). Es folgt die Darstellung der polemischen Argumentationsstruktur von ,Adversus Haereses‘ (AH) in formaler und sachlicher Hinsicht, die, wie sich herausstellen wird, Auswirkungen auf die Ausbildung von Irenus eigener Theologie hat, die ohne die Polemik nicht zu verstehen ist (2). Daraus ergibt sich die Frage nach den Argumentationsprmissen sowohl der angegriffenen Gnostiker als auch des Irenus. Es gibt sie, die von beiden anerkannt, aber unterschiedlich verstanden werden (3). Schließlich wird der Ertrag und die historische Wirkung der Polemik des Irenus zu behandeln sein (4).

1. Absicht und Voraussetzungen der Polemik des Irenus in ,Adversus haereses‘ Irenus will die Gnostiker widerlegen und ihre Lehre vernichten. Er sucht nicht den Dialog, will sich nicht theologisch verstndigen oder mit den Hretikern ber die angemessene Lçsung theologischer Probleme diskutieren, sondern es steht fr ihn von vorn herein fest, dass sie Unrecht haben und ihr Einfluss aufzuheben ist. Das sagt er gleich zu Beginn seines Werkes (Praefatio 1,1) unter vielsagender Bezugnahme auf 1. Timotheus 1,3 f, in dessen Nachfolge er sich stellt. Daraus folgt als unhinterfragbare Voraussetzung seines Werkes: Die Lehren der Hretiker sind sachlich falsch und werden formal von ihnen mit hinterhltiger Raffinesse (pamo¼qcyr Praefatio 1,1 und 2) vorgebracht, so dass sie schlichte Seelen (!j´qaioi) verfhren und ins Verderben strzen. Entsprechend muss die Widerlegung in den Augen seiner anvisierten Adressaten formal und sachlich angemessen und dadurch wirksam sein.4 Irenus richtet sein Werk an einen !capgtºr, dem er Informationen ber die Hretiker und Hinweise zu ihrer Widerlegung mitteilen will, und umschreibt damit eine einflussreiche, traditionelle kirchliche ffentlichkeit von Klerus und Lehrern nicht nur in der Umgebung von Lugdunum, sondern in der gesamten Oikumene. Auf diesen Anspruch lassen Lnge und

3 4

Zu Stadt und Geschichte von Lyon vgl. jetzt J.-F. Reynaud, Art. Lyon, 802 – 811. Was die Strategie eines christlichen Werkes des 2. Jahrhunderts angeht, genauer die Frage: „Wie verschafft sich der Trger einer religiçsen Botschaft Gehçr, gewinnt er selbst Glaubwrdigkeit?“ ist viel zu lernen von Rpke, Der Hirte des Hermas: Plausibilisierungs- und Legitimierungsstrategien im bergang von Antike und Christentum, 278.

Polemik bei Irenus von Lyon. Strategie – Ertrag – Wirkung

581

Intensitt des gewaltigen Werkes schließen. Ihm entsprechend mssen Form und Inhalt der beabsichtigten Widerlegung sein. Das heißt formal, dass sich Irenus zeitbedingt blicher Polemik bedienen kann und muss. Es ist daher weder Torheit noch Bosheit, wenn er gnostische Lehren verzerrt darstellt, sondern entspricht dem Genus der Polemik, ein Genus, dessen Regeln er sich schon bei der Kommentierung des eingangs vorgefhrten gnostischen Mythos (AH 1,1 – 9) durchaus fhig erweist. Irenus Polemik muss ihre Adressaten erreichen, sie ist daher „rhetorisch“ und muss es sein. Sachlich sind damit auch die Inhalte der Theologie betroffen, die Irenus gegen die der Gnostiker setzt. Sie mssen den Adressaten entsprechen, er muss sich als einer dieser Adressaten erweisen, und deswegen bezieht er sich bekanntermaßen so hufig auf anerkannte theologische Autoritten des 2. Jahrhunderts.5 Ihre Position will er strken, durch die bereinstimmung mit ihnen wird aber auch seine eigene Position von vorn herein verifiziert. Die hufigen Bezugnahmen auf den „gçttlichen Alten“, auf Polykarp, Papias und Ignatius, auf Clemens von Rom und Hermas, auf den kleinasiatischen Presbyter sowie Justin entsprechen gewiss Irenus eigenen theologischen berzeugungen, aber seine eigene Theologie berragt sie alle. Er hat es deswegen nicht nçtig, sich auf sie zu berufen, aber er braucht sie, um die Tradition zu bezeichnen, in die er sich stellen will, und um seine Stellungnahme gegen die Gnosis kirchlich zu legitimieren. Auch diese Berufungen sind polemische Rhetorik.6 Irenus will innerkirchlich wirken, nicht apologetisch. Die „Heiden“ (gentes) begegnen polemisch nur am Rande als diejenigen, im Vergleich mit denen die Hretiker noch schlimmer sind.7 Nicht die Rechtfertigung der eigenen Lebensweise vor den Nichtchristen steht an, es geht auch nicht um einen Dialog ber die Wahrheit des christlichen Glaubens, denn diese Prmisse teilen beide Kontrahenten. Was sie entzweit, ist die Bestimmung dieser Wahrheit und ihrer Kriterien.8 Es geht daher um die Begrndung der eigenen Identitt vor der christlichen Gemeinde selbst. Das ist der eigent5

6 7 8

Irenus nennt namentlich oder durch indirekten Verweis den „gçttlichen Alten“ (Melito von Sardes?), Polykarp, Papias und Ignatius von Antiochien, den ersten Klemensbrief, den Hirten des Hermas, Justin und den kleinasiatischen Presbyter. Siehe die die Stellenauflistung bei Brox, Irenus von Lyon, zu AH 1,15,6. Es ist also nicht nur so, dass Irenus mit „berkommenem Gut“ arbeitet, wie es die ltere Forschung zu Irenus richtig sah, sondern es muss betont werden, dass er dieses ltere Gut notwendig strategisch braucht und nutzt. AH 1,22,1; 2,9,2; 2,14,9. Ganz anders als z. B. in Lukians Hermotimos, wo aufgezeigt wird, dass die erstrebte Wahrheit generell unzugnglich ist.

582

Barbara Aland

liche Grund fr seine Polemik, und sie erfordert auch eine zusammenfassende Neudarstellung und Gesamtbegrndung der christlichen Theologie. Das ist neu.9 Zwar gibt es Ketzerpolemik schon im Neuen Testament, und Irenus stellt sich bewusst in die Tradition des 1. Timotheusbriefes, des Judas- und 2. Petrusbriefes und des 1. Johannesbriefes. Aber die Situation hat sich gegenber diesen Schreiben gendert und erfordert jetzt eine umfassende Darstellung der christlichen Lehre und ihrer Konsequenzen, von der Schçpfung bis zum Eschaton, so umfassend, wie es der gnostische Mythos auch zu sein beanspruchte. Das hat es bisher nicht gegeben, und Irenus macht schon durch die monumentale Anlage seines Werkes klar, dass er dies zu leisten beabsichtigt. Wie macht er das?

2. Die Argumentations- und Kommunikationsstrategie des Irenus Irenus gibt mehrfach in seinem Werk orientierende Zusammenfassungen, in denen er angibt, was er im Vorstehenden geleistet zu haben beansprucht. In einer solchen, in der Praefatio des 3. Buches, beschreibt er auch in Krze seine argumentative Vorgehensweise. Er gibt an (1) die Lehrmeinungen (sententiae absconditae) der Hretiker çffentlich gemacht zu haben, die schon durch ihren Ursprung disqualifiziert sind, weil sie angeblich auf „geheimer“ Mitteilung durch den Herrn beruhen. Er beansprucht (2), schon mit der Verçffentlichung ihrer pluralen Thesen deren Unterschiedlichkeit (varietas) und damit ihre Widersprche deutlich gemacht zu haben, durch die sich ihre Thesen selbst aufheben, und er behauptet (3), eine umfassende Widerlegung gegeben zu haben, einen sermo destruens. Damit beschreibt er sein taktisches Vorgehen, dessen polemische Strategie jetzt aufzudecken ist. 2.1 Die Verçffentlichung der sententiae absconditae Irenus hat tatschlich gnostische Lehrmeinungen bekannt gemacht und sich damit in den Augen seiner Adressaten den Anschein kenntnisreicher Objektivitt gegeben. Dass er im ersten Buch allen Ketzerreferaten voran die breite Paraphrase eines gnostischen Mythos setzt, geschieht polemisch-argumentativ bewusst. Denn der Mythos ruft schon durch seine Sprache und 9

Vgl. dazu Opelt, Die Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin.

Polemik bei Irenus von Lyon. Strategie – Ertrag – Wirkung

583

Bildhaftigkeit den beabsichtigten Eindruck des Fabulçsen, Unbegrndeten, Wirren und Erdichteten hervor, den Irenus durch seine eigenen ironischen „Ergnzungen“ (AH 1,4,4) und Kommentierungen (AH 1,9,4 und 1,4,3) noch verstrkt, um dem dann anschließend in 1,10,1 – 2 die knappe Klarheit, Einheitlichkeit und Universalitt der „regula fidei“entgegen zu setzen – in sich ein polemisch-rhetorisches Meisterstck. Die Flle der darauf im 1. Buch folgenden Ketzerreferate demonstriert schon als solche: hier ist varietas, folglich Widersprche und das heißt Unwahrheit.10 Das kann auch gar nicht anders sein, weil die Hretiker sich eben nicht auf den einen, in der regula bezeichneten Ursprung beziehen, sondern auf Simon Magus, die Quelle und Wurzel aller Hresien (1,22,2; 1,23,2), ein irenisches Konstrukt, das fr antike Hçrer die Unwahrheit der aus dieser Wurzel stammenden Lehren geradezu beweist. Schon das erste Buch enthlt so die gesamte ketzerbekmpfende Strategie des Irenus: Wirrnis der sententiae, Verschiedenheit und Widersprche, falscher Ursprung. Es ergeben sich daraus auch schon die Umrisse der einen wahren Lehre, die gegen die Verschiedenheit der Hretiker zu setzen unbedingt zur polemischen Strategie des Irenus gehçren muss und wird: statt der Vielheit und Verschiedenheit eine einheitliche Lehre, statt der Widersprche eine in sich konsistente Konzeption, statt des falschen Ursprungs der eine wahre Ursprung in Christus, dem Logos, berliefert durch die zuverlssige Tradition, statt der verwerflichen Lebensfhrung der „vollkommene und tadellose“ Lebensstil der Tradenten der kirchlichen Wahrheit.11 2.2 Die varietas, ihre Widersprche und ihre Widerlegung Dass die gnostischen Hresien widersprchlich sind, hat Irenus im ersten Buch schon praktisch vorgefhrt. Fr ihre Widerlegung im zweiten Buch bezieht er sich wieder auf den Mythos, den er als reprsentatives Paradigma gnostischer Lehre seinen Quellen vorangestellt hatte. Er bietet hinreichende 10 Vgl. zusammenfassend AH 1,22,1: „Wir halten an der Norm der Wahrheit fest“ (Cum teneamus autem nos regulam veritatis). Es folgt eine auf Schriftzitate gesttzte lngere Fassung dieser regula. Sie wird abschließend kommentiert mit: „Diese Norm halten wir also fest – mçgen sie (die Hretiker) auch noch so sehr Verschiedenes und Vielfltiges reden, leicht kçnnen wir nachweisen, dass sie von der Wahrheit abgewichen sind.“ (hanc ergo tenentes regulam, licet valde varia et multa dicant, facile eos deviasse a veritate arguimus). 11 Vgl. 1Tim 3,2 in AH 3,3,1.

584

Barbara Aland

Angriffsflchen, wenn er nicht, wie es antik durchaus blich war, als Ausdrucksform sui generis gedeutet wurde,12 sondern, wie es Irenus tut, als quasi naturwissenschaftliche Abhandlung betrachtet, wçrtlich genommen und so auf Widersprche abgeklopft wird. Es ist dies das polemische Verfahren, das Irenus durchweg anwendet. Es bietet ihm die Mçglichkeit, Begriffe, Zahlen, Fakten und Handlungsablufe des Mythos als logischbiologische Tatsachen gemeint wçrtlich zu nehmen und dann als unprzise, inkongruent und falsch aufzuzeigen. Das ist ein fr unsere Begriffe unerfreuliches Verfahren, da es von vorn herein und absichtlich den Aussagewillen des Gegners nicht beachtet und daher als solches nicht „gerecht“ sein kann. Aber eine Klage ber ein solches methodisches Vorgehen wrde ins Leere laufen, denn Irenus bedient sich damit antik blicher und anerkannter polemischer Mittel13 und drfte bei seinem Publikum nicht nur auf Zustimmung gestoßen sein, sondern es auch in ihrer kirchlichen Lehrmeinung gefestigt haben. Wir geben hier nur einige wenige Beispiele fr dieses polemische Vorgehen.14 Irenus rechnet etwa vor, dass die, Zahl der angeblich 30 onen des Mythos in bestimmten Passagen der mythischen Erzhlung berschritten, in bestimmten anderen aber unterschritten wrde, weil – nach Irenus Logik – bestimmte Entitten des Pleromas nicht oder gerade doch zu den onen gezhlt werden mssten (AH 2,1 – 8). Vergleichbar stellt Irenus den im Mythos begegnenden Begriff der Emanation der onen mit weit reichenden Konsequenzen in Frage (AH 2,17,1 – 10), indem er fragt, ob sie wie Strahlen der Sonne mit ihrem Ursprung vereint oder als bloße Wirkung von ihm getrennt seien, ob sie gleicher Substanz wie er seien oder nicht, ob gleich alt wie er oder nicht, ob gleichfçrmig oder zusammengesetzt. Im jeweils ersten Fall wren sie gleicher Substanz wie der Vater, d. h. leidensunfhig (impassibilia), kçnnten also gar nicht fallen, obwohl im Mythos der Fall eines onen ja zentrales Ereignis ist. Oder aber, wenn wirklich einer der onen fiel, wie der Mythos es behauptet, dann erweist das, dass die onen aus einer andern Substanz als der des Vaters stammen, einer, die capax passionum, leidensfhig ist. Wie sollte dann aber diese dem Ursprung unhnliche (dissimilis) substantia in das unvergngliche 12 Vgl. den berblick ber die verschiedenen Deutungsmçglichkeiten von Mythen bei Plutarch, De sera numinis vindicta 22 – 44. 13 Vgl. dazu reichliche Belege in mehreren Beitrgen dieses Bandes. 14 Man kann es im Einzelnen gut anhand der hilfreichen bersetzung und Gliederung von AH durch Brox studieren, die einen Beitrag zum Studium dieses langwierigen, redundanten, auch empçrenden, aber großartigen Werkes des Irenus liefert.

Polemik bei Irenus von Lyon. Strategie – Ertrag – Wirkung

585

Pleroma eingehen, in dem die onen ja sein sollen? Oder ist das Pleroma gar nicht „spiritale“, pneumatisch, und also auch sie, die angeblichen Pneumatiker nicht, sondern hçchst menschliche Menschen, und decouvrieren also die so genannten onen, die ja vom Vater sein sollen, durch dieses ihr zweideutiges Wesen auch den Vater selbst, den Gott der Gnostiker (AH 2,17,3)? Und so fort. Man begreift die Art der polemischen Argumentation. In hnlicher Weise wird der Raum „des Schattens und der Leere“ (vgl. AH 1,4,1), in den der on Sophia gefallen sein soll, in seinem Verhltnis zum Pleroma problematisiert (AH 2,3,1 – 2,4,1). Ist die Leere, da sie ja außerhalb des Pleroma sein soll, etwa grçßer als das Pleroma, vielleicht sogar als der Propator und Bythos selbst? Vergleichbar wird die gnostische sogenannte Naturenlehre als widersprchlich und falsch „aufgedeckt“ (AH 2,19,1 – 7), indem einzelne Sequenzen des Mythos gegeneinander ausgespielt werden. Zu vergleichen ist dementsprechend auch die angeblich widersprchliche Entgegensetzung von Sophia und Enthymesis (AH 2,18,1 – 4), die im Sinne des Mythos ja nur verschiedene Aspekte und damit Konsequenzen des einen Rettungsgeschehens darstellen. Zur wirklichen Verstndigung dient das alles nicht, und das soll es auch nicht. Wenn die gnostischen Hretiker als „vanissimi sophistae“ angeredet werden (AH 2,17,10), so trifft eine solche Bezeichnung gewiss auch auf Irenus zu. Wenn er ihnen vorwirft, sie htten ihre Begriffe und Vorgehensweisen der Philosophie entlehnt (AH 2,14,2 – 7), so hat er am ehesten Richtiges beobachtet und spricht damit einen tatschlichen fundamentalen Unterschied an: Die gnostische Suche nach Verstehen ist dem Entschluss des Irenus zum Glauben, den er mit Papias’ „Glaubhaft ist das denen, die glauben“15 formuliert, entgegengesetzt (AH 5,33,4). Tertullian wird vorbereitet. 2.3 Die Konstruktion der eigentlichen Differenzpunkte Das bisher Besprochene ist weitgehend polemische Rhetorik, deren Aufwand nicht wirklich zu verstehen ist, wenn nicht deutlich wird, warum Irenus ihn betreibt. Worin also, so ist zu fragen, bestehen die Differenzen, die so schwerwiegend sind, dass es notwendig erscheint, die gnostische Lehre auf diese Weise grundstzlich und vollstndig zu vernichten? Irenus macht 15 „Haec autem credibilia sunt credentibus“, so bei Irenus AH 5,33,4. Vçllig berechtigt ist die Anmerkung von Brox zu dieser Stelle, der auf die große Bedeutung dieses Satzes fr das Verstndnis des Gesamtanliegens des Irenus hinweist, vgl. Brox, Irenus von Lyon, hier: Anm.116.

586

Barbara Aland

es durch sein ganzes Werk hindurch immer wieder deutlich: Was ihn zutiefst beunruhigt, ist die Trennung des Gottes und Vaters von dem Schçpfer der Welt mit allen ihren Konsequenzen. Gegen Ende des 2. Buches, als er seine Argumente gegen die Gnostiker noch einmal zusammenfasst, formuliert er es eindrcklich: „und das (alle bisherigen Einwnde) passt genauso auf die, die von Marcion, von Simon und Menander herkommen, sowie auf alle anderen, die die Schçpfung, die doch uns hier entspricht, vom Vater trennen.“16 Es ist diese Trennung unserer Schçpfung, der Schçpfung, in der wir sind, und die wir sind, von Gott, dem Vater, die den zentralen Punkt seiner Kritik, mehr noch seines Entsetzens gegenber dieser Art von gnostischer Theologie ausmacht. Wenn die Einheit von Gottvater und Schçpfer nicht vorausgesetzt werden kann, gibt es auch keine Menschwerdung Christi, des Sohnes Gottes und Logos, keine Rekapitulation durch ihn, keine Auferstehung des Leibes und keine Wiederherstellung der Schçpfung. Wohlgemerkt, wenn sich diese Trennung von Gott, dem Vater, und dem Schçpfer als das zentrale Thema der Kritik und Polemik des Irenus erweist, dann ist – gleichsam von der Technik der Polemik her – anzumerken, dass er hier eine polemische Reduzierung vornimmt, durch die er sich, ausgehend von bestimmten gegnerischen Formulierungen, ein Bild des Kontrahenten zurechtmacht, gegen das er dann heftig und redundant vorgeht. Die These von der Trennung zwischen Gott und Weltschçpfer und die daraus folgende weitere These von der Auflçsung des einen Christus in verschiedene Erlçsergestalten entspricht nicht gnostischer Theologie, gewiss nicht in dieser einlinigen Plattheit. Wenn Irenus sie so polemisch verkrzend voraussetzt, ist wieder polemische Rhetorik am Werk. Denn um ein wirkliches Verstehen der gnostischen Aussagen ber Gott, den Schçpfer und die Schaffung der Welt sowie die scheinbar vielen Erlçsergestalten kmmert sich Irenus nicht, aber auch das ist polemisch notwendig. Wir rhren hier an den Kern der Auseinandersetzung. Auch nur den Anschein einer Trennung von Gott und Schçpfer – einen Anschein, den die Gnostiker ja durchaus erwecken, ja sogar zuweilen dezidiert behaupten, allerdings um der Lçsung anderer theologisch-philosophischer Fragen willen wie etwa des „unde malum?“ – will Irenus wegen seiner heilstheologischen Bedeutung und Konsequenzen unbedingt vermeiden. Schon die drohende Gefahr dieser Trennung allein lsst ihm keine andere Mçglichkeit als die vollstndiger und bedingungsloser Abgrenzung und – von der 16 „[…] et adversos eos qui sunt a Marcione et Simone et Menandro, vel quicumque alii sunt qui similiter dividunt eam qae secundum nos est conditionem a patre, similiter erit ad eos aptatum“, AH 2,31,1.

Polemik bei Irenus von Lyon. Strategie – Ertrag – Wirkung

587

Technik der Polemik her gesehen – die der verkrzenden Zuspitzung der perhorreszierten These. Irenus konstruiert damit gezielt und polemisch ein Bild von der Gnosis mit dem Zweck, es effektiv und fr sein Publikum berzeugend bekmpfen und widerlegen zu kçnnen. Die ausgewhlten Zge dieses Bildes sind nicht frei erfunden, was strategisch auch ganz ungeschickt gewesen wre. Aber sie spiegeln in ihrer zugespitzten Krze doch auch nicht das Zentrum und Bemhen der gnostischen Theologie. Insofern reden sachlich beide Gegner gnzlich aneinander vorbei. Jedoch bewirkt es das gewaltige Werk des Irenus mit seiner erdrckenden wiederholenden Wucht, dass das von ihm gezeichnete Bild der Gnosis geschichtsbestimmend wirksam geworden ist. Irenus Konstrukt der Gnosis mit seinen knappen, scheinbar faktischen Lehrbehauptungen (Gott und Schçpfer getrennt, mehrere Erlçsergestalten, leibfeindliche Einstellung), die so gut wie nicht im einzelnen belegt und erçrtert werden, bestimmt das Bild der Gnosis bis heute. Es beeinflusst nicht nur die Vorstellung von Gnosis in der Alten Kirche, – das wre verstndlich – sondern wirkt als Feindbild bis in moderne Darstellungen hinein.17

3. Die Argumentationprmissen des Irenus Irenus Widerlegung muss, soll sie wirksam sein, auf Argumentationsprmissen beruhen, die zumindest seine Adressaten, besser auch seine Kontrahenten teilen, um seiner Polemik berzeugungskraft zu verleihen. Dass es sie gibt, ist indirekt ein wichtiges historisches Zeugnis fr den Stand der christlichen Selbstbegrndung am Ende des 2. Jahrhunderts. Die Prmissen sind Schrift, Tradition und Lebensfhrung. Dass sie von beiden Seiten des Diskurses verschieden verstanden und gebraucht werden, dass sie auch unterschiedliche Wertigkeit haben, wird sich zeigen, sonst gbe es keine Differenzen. Dass sich auf der Basis dieser Voraussetzungen auch die grundlegenden Theologie beider Diskursteilnehmer herausbilden, wird sich erweisen.

17 Vgl. dazu ausfhrlicher Aland, Einfhrung, 6 – 15.

588

Barbara Aland

3.1 Die Schrift Dass Irenus seine mit Buch 2 schon abgeschlossene Widerlegung der Hretiker noch durch eine sich ber drei Bcher hinziehende Beweisfhrung aus den „Schriften des Herrn“ ergnzt,18 ist nicht ein donum superadditum, wie er insinuiert,19 sondern integraler Bestandteil seiner polemischen Widerlegung. Denn auch die gnostischen Hretiker untersttzen ihre mythischen wie nichtmythischen Ausfhrungen ja mit Schriftzitaten, und sie tun das offensichtlich deswegen, weil es fr einen christlichen Autor und Lehrer sptestens (?) in der zweiten Hlfte des 2. Jahrhunderts geraten war, die bereinstimmung mit der Schrift, d. h. mindestens der Evangelien und der Paulusbriefe, nachzuweisen, um vor christlichem Publikum zu ressieren. Fr Irenus ergibt sich daraus, dass den Gegnern die Mçglichkeit zur Bezugnahme auf die Schrift und damit Besttigung ihrer hretischen Lehre genommen werden muss, und zwar nicht nur durch den Nachweis einzelner fehlerhafter Exegesen, sondern grundstzlich. Das geschieht in prinzipieller Weise in der praefatio und in den berhmten ersten Kapiteln des 3. Buches von AH, in denen Irenus „nachweist“, dass die Hretiker sich der Schrift gar nicht bedienen kçnnen, weil sie ihnen nicht anvertraut ist. Zusammengefasst wird das im Schlusssatz der praefatio: „Der Kyrios ber alles hat nmlich den Aposteln die Vollmacht zur Evangeliumsverkndigung (potestas evangelii) gegeben. Durch diese haben auch ,wir’die Wahrheit erkannt, das heißt die Lehre des Sohnen Gottes.“ Das wird unwiderleglich unterstrichen durch das an die Apostel gerichtete Herrenwort aus Lukas 10,16 „Wer euch hçrt, hçrt mich, und wer euch verachtet, verachtet mich und den, der mich gesandt hat.“20 Diese lckenlose Kette allein bevollmchtigter Verkndiger des Evangeliums wird am folgenden Beginn des 3. Buches (AH 3,1,1) noch einmal wiederholt: Das Evangelium wurde durch die Apostel mndlich verkndigt, dann von denselben Aposteln nach Gottes Willen verschriftet und gelangte so zu uns, scil. der Kirche, als – wieder in bezeichnender Anspielung auf den 1. Timotheusbrief (3,15)21 – „Fundament und Sule“ unseres Glaubens. 18 S. dazu AH 2,35,4 und 3 Praefatio 19 „[…] praeterquam opinabaris ..“ (AH 3 Praefatio). 20 „Etenim dominus omnium dedit apostolis suis potestatem evangelii , per quos et veritatem, hoc est Dei filii doctrinam, cognovimus; quibus et dixit dominus: ‘Qui vos audit me audit, et qui vos contemnit me contemnit et eum qui me misit’.“ (AH 3, Praefatio) 21 Vgl. so auch in AH 1, Praefatio 1.

Polemik bei Irenus von Lyon. Strategie – Ertrag – Wirkung

589

Irenus wendet damit das alte traditionelle Argument von der berlieferung der Wahrheit geschickt ins Polemische (und bestreitet dadurch .den Gnostikern jedes Recht und jede Fhigkeit zur Schriftnutzung). Das Problem der Unterschiede zwischen den Evangelien, auf das die Hretiker hinweisen (vgl. AH 3,2,1), negiert Irenus vçllig und lastet vielmehr die varietas allein den Gnostikern an.22 Fr die Apostel und ihre Nachfolger23 reklamiert er, dieselbe Wahrheit zu verkndigen, und fasst diese geschickt in einer sehr knappen regula-artigen Formulierung zusammen (AH 3,1,2). Wer ihnen widerspricht, verachtet nicht nur sie als „Freunde Gottes“, sondern auch den Herrn, der sie bevollmchtigt, ja Gott selbst. Zusammenfassend dann: „Das tun alle Hretiker“.24 Damit ist den gnostischen Hretikern von vorn herein die Grundlage fr jedes Argumentieren mit der Schrift entzogen. Nicht erst die durch drei Bcher hin folgenden einzelnen Schriftzitate und Exegesen sind es also, die ihr Unrecht beweisen, sondern dieses steht schon am Anfang der Auseinandersetzung um die Schrift fest. Diesem ußerst wirksamen Auftakt – Irenus schließt die Reihen mit seinen Adressaten, dem Klerus der Kirche und entzieht seinen Gegnern von vornherein das Mitspracherecht fr alles Folgende – schließt sich ein fingierter Dialog an, in dem die Gegner scheinbar zu Wort kommen und in dem nun auch die andern beiden Argumentationsprmissen erçrtert – und ebenfalls den Gnostikern entwunden werden.25 3.2 Die Tradition (als Schlssel zur Schrift) Der genannte Dialog26 kann verschieden gelesen werden. Liest man ihn aus der Perspektive der Gnostiker, so erweisen diese sich als kritische Leser der Schrift, die deren Sinn ergrnden wollen und die Begrndung ihres Schriftverstndnisses reflektieren. Aus der Perspektive des Irenus, fr den den Gnostikern ja schon jede Berechtigung der Berufung auf die Schrift entzogen ist, sieht das ganz anders aus, und er betrachtet den im Folgenden 22 Fr die Apostel und die gesamte kirchliche berlieferung behauptet Irenus – in bergehung smtlicher Verschiedenheiten kirchlicher Lehre – die Einheit und Identitt: „Sie haben das Evangelium Gottes, alle gemeinsam und jeder fr sich“ ([…] et omnes pariter et singuli eorum habentes evangelium Dei, AH 3 Praefatio). Tertullian und auch Cyprian werden vorbereitet. 23 „Omnes isti“, AH 3,1,2. 24 „quod faciunt omnes haretici“, AH 3,1,2. 25 AH 3,2,1 – 3,2,3. 26 S. oben Anm. 24.

590

Barbara Aland

(3,2,1 – 3) von ihm wiedergegebenen Dialog ganz sicher als fr seine Sache siegreich. Er ist ein Kernstck seiner polemischen Erçrterung der Argumentationsprmissen. Der Dialog: Die Hretiker, so Irenus, weisen ihrerseits die Berechtigung ihrer Widerlegung aufgrund der „Schriften“ zurck, da diese nicht fehlerfrei seien und nicht autoritativ, weil sie unterschiedliche Aussagen machen und man daher aus ihnen die Wahrheit nur erheben kçnne, wenn man die Tradition kenne. Nicht schriftlich sei sie nmlich berliefert worden, sondern durch die lebendige Stimme, weswegen auch Paulus gesagt habe: „Weisheit reden wir unter den Vollkommenen, aber nicht Weisheit von dieser Welt“ (1Kor 2,6). „[…] in accusationem convertuntur ipsarum scripturarum, quasi non recte habeant neque sint ex auctoritate, et quia varie sint dictae, et quia non possit ex his inveniri veritas ab his qui nesciant traditionem. Non enim per litteras traditam illam sed per vivam vocem, ob quam causam et Paulum dixisse: „Sapientiam autem loquimur inter perfectos, sapientiam autem non mundi huius.“ (AH 3,2,1)

Die varietas der Schrift – auch hier, jetzt von der anderen Seite, als disqualifizierendes Argument benutzt – erfordert also einen Leitfaden, der nach den Gnostikern in der „viva vox“, d. h. in der ihnen zuteil gewordenen geheimen Unterrichtung durch Jesus oder den Geist27 gegeben ist, worauf auch Paulus in 1Kor 2,6 anspiele. Mit der so genannten viva vox ist nicht auf den Gegensatz von schriftlicher und mndlicher berlieferung Bezug genommen, sondern vielmehr steht der antike sprichwçrtliche Gebrauch der viva vox im Hintergrund,28 dem entsprechend im rhetorischen oder auch philosophischen Unterricht erst das lebendige Vorbild des Lehrers und sein Vortrag den Sinn der schriftlichen Unterweisungen voll erfassen lsst.29 Entsprechend weist auch 27 Die Hinweise auf geheime Unterrichtung durch Jesus, auch in der Zeit zwischen Auferstehung und Himmelfahrt, sind in gnostischen Schriften bekanntlich sehr hufig, und auch Irenus sieht sie ja als charakteristische gnostische Legitimierung an, wenn er gnostische Lehren als „sententias absconditas, ut ipsi putant“ einfhrt (AH 3, Praefatio). 28 Vgl dazu hilfreich Gamble, Books and Readers in the Early Church, 28 – 32, unter Hinweis auf Alexander, The Living Voice, mit reichen Quellenbelegen. 29 Dass die „viva vox“ eines geliebten und geachteten Lehrers strker wirkte als dessen schriftliche Lehranweisungen und Beispiele, geht besonders aus Quintilian hervor, institutio oratoria 2,2,8: „Denn mag er (der Lehrer) auch gengend nachahmenswerte Stellen aus der Lektre bringen, so hat doch das ,lebendige Wort’, wie man es nennt, reichere Nhrkraft fr den Geist ([…] tamen viva illa, ut dicitur, vox alit

Polemik bei Irenus von Lyon. Strategie – Ertrag – Wirkung

591

der viel diskutierte Hinweis des Papias auf die vymμ f_sa eher auf den Gegensatz des lebendig erfahrenen gegenber dem verschrifteten Zeugnis von Jesus hin als auf den prinzipiellen Vorrang der mndlichen gegenber der schriftlichen berlieferung. Fr die Gnostiker umschreibt das, was sie nach Irenus „viva vox“ nennen, die lebendige geistige und geistliche Erfahrung der Gotteserkenntnis, auch der Offenbarung, die ja im Mythos nur umspielt werden kann und logisch diskursiver Erçrterung nicht gnzlich zugnglich ist. Sie korrespondiert der „Suche“, zu der in gnostischen Texten so hufig aufgefordert wird,30 als Inbegriff gnostischer Vestehensbemhung und entspricht gnostischer Reflexion der Mçglichkeiten der Wahrheitserkenntnis. Dass allerdings gnostische Hretiker diese „viva vox“ mit „traditio“ bezeichnet und gleichgesetzt htten, wie Irenus in dem von ihm fingierten Dialog voraussetzt, scheint mir fraglich. Eher sind beide Begriffe von Irenus selbst gewhlt und polemisch einander gegenbergestellt worden. Er kannte zweifellos den Begriff der „viva vox“ von Papias her und auch als feste Redewendung, umschrieb damit ironisch den Ursprung des gnostischen Anspruchs auf Wahrheitserkenntnis und setzte dagegen seine fest umrissene, sich auf sichtbare Gewhrsleute sttzende Tradition. Sie umschreibt er gegen Ende des Dialogs als die berlieferung, „die auf die Apostel zurckgeht und die durch die Aufeinanderfolgen der Presbyter in den Kirchen bewahrt wird“31, eine Tradition, die er im Anschluss am Beispiel der Kirchen in Rom und in Kleinasien sichtbar verifiziert.32 Dass die Gnostiker dieser Tradition widersprechen, wenn er sie mit dem Hinweis darauf „provoziert“ (provocamus eos, AH 3,2,2), ist leicht zu begreifen. Der polemische Dialog AH 3,2,1 – 3 mit seiner Kommentierung durch Irenus33 wre einer ausfhrlichen Analyse wert. Er ist ein bemerkenswertes Stck innerchristlicher Polemik des 2. Jahrhunderts, d. h. in der Zeit, in der

30 31 32 33

plenius […]) – und vor allem das des Lehrers, den die Schler, wenn sie nur richtig angeleitet worden sind, lieben und verehren. Ja, es lsst sich kaum ausdrcken, wie viel lieber wir dem Vorbild derer folgen, denen wir gut sind.“ (bersetzung H. Rahn). Es lsst sich von hier aus gut verstehen, wie es zur bertragung des Begriffs der ,viva vox’ auf den Bereich der Jesusberlieferung kam. Vgl. auch Plinius der Jngere, epistulae 2,3,9. Vgl. stellvertretend fr viele andere Belege den Beginn des Thomasevangeliums 1 – 2. „[…] eam traditionem quae est ab apostolis, quae per successiones presbyterorum in ecclesiis custoditur“, AH 3,2,2. Vgl. die berhmten Kapitel AH 3,3,2 – 3,4,1. AH 3,2,3 – 3,3,1.

592

Barbara Aland

erst reflexiv bedacht werden musste, was christlicher Glaube in dieser Welt bedeuten kçnnte. Irenus beschreibt mit Przision und unter Einsatz anerkannter polemischer Mittel einen Gegensatz zwischen Gnostikern und „Katholiken“, der auf tatschlichen Unterschieden beruht und nicht falsch ist, der aber in seiner Zuspitzung und Ausschließlichkeit den Gegensatz unberwindbar und die Hretiker zu Hretikern macht. 3.3 Die Lebensfhrung Gute Lebensfhrung ist eine selbstverstndliche Folge von Erkenntnis und entsprechender Lehre bzw. wenn sie fehlt, geradezu ein Beweis des Irrtums. Das ist nicht nur antik gedacht, sondern vor allem natrlich christlich.34 Irenus macht sich dieses anerkannte Argument zunutze, wenn er zum Abschluss seines programmatischen Dialogs (AH 3,3,1) beilufig darauf verweist, dass von einer geheimen berlieferung der Wahrheit an die Gnostiker schon deshalb nicht die Rede sein kçnne, weil die Apostel ja die Wahrheit denen bermitteln mussten, die „absolut vollkommen und in jeder Beziehung untadelig“ seien35, was wieder, wie indirekt vorausgesetzt wird, fr die Gnostiker nicht gilt. Hinweise auf die mangelnde Moral und schlechte Ethik der Hretiker durchziehen das gesamte Werk des Irenus,36 aber das geschieht doch eher beilufig, eben weil es ein wirksames polemisches Argument ist, und betrifft Personen der Vergangenheit. Bemerkenswert ist, dass zeitgençssische fhrende Persçnlichkeiten niemals moralisch disqualifiziert und auch Mitglieder gnostischer Gruppierungen aus Irenus unmittelbarer Umgebung nicht der Unmoral geziehen werden. Der Grund liegt auf der Hand: Irenus mçchte zumindest den einen oder andern zurckgewinnen „ad conversio-

34 Vgl. als ein Beispiel unter vielen Justins Beschreibung des christlichen Lebenswandels, der den Worten des Herrn entspricht, mit der in einer Apologie eindrcklichen Schlussbemerkung: „Die nun, von denen sich herausstellt, dass sie nicht so leben, wie er gelehrt hat, sollen nicht als Christen angesehen werden, auch wenn sie mit der Zunge seine Lehren bekennen“, Apologie 1,14 – 16, hier bes. 16,9. 35 „Valde enim perfectos et irreprehensibiles in omnibus (cf. 1Timo 3,2) eos volebant esse quos et successores relinquebant […] AH 3,3,1. 36 So schon bei der Vorstellung der gnostischen Lehren im 1.Buch in AH 1,6,3 – 4 und dann breit im Zusammenhang mit Karpokrates, der fr Ausflle gegen die ble Moral der Gnostiker immer wieder gut ist, vgl. AH 1,25,1 – 6 und 1,28,2 (hier im Zusammenhang mit Basilides).

Polemik bei Irenus von Lyon. Strategie – Ertrag – Wirkung

593

nem veritatis“,37 und das gelingt kaum auf der Basis moralischer Verunglimpfung. Der einzige Vorwurf dieser Art, der Gnostikern, auch und gerade schlichten Personen, gemacht wird, ist der der „Aufgeblasenheit“ (inflatus iste talis, AH 3,15,2). Aber dieser Vorwurf hat einen dogmatischen Hintergrund, denn „aufgeblasen“ gibt sich gerade der schlichte Anhnger der gnostischen Verkndigung, der meint, infolge gnostischer Belehrung, Erkenntnis erlangt und ins Pleroma schon eingegangen zu sein.38 Dieser Vorwurf dient also der Bloßstellung der gnostischen Lehre selbst. Jetzt erst, nachdem Recht und Unrecht eindeutig und unwiderleglich geklrt und den Gnostikern die Berufung auf alle drei Argumentationsprmissen aus den Hnden gewunden sind,39 wendet sich Irenus den „Beweisen aus den Schriften“ im einzelnen zu. Sie kçnnen sachlich fr die Auseinandersetzung mit den gnostischen Hretikern nichts Neues mehr erbringen. Die Methode, die er verfolgt, knpft wieder bei der polemischen Reduzierung der gnostischen Theologie an, von der oben die Rede war.40 Er behandelt nur die polemisch zusammengefassten angeblichen Thesen der Gnostiker (Gott und Schçpfer sind verschieden, es gibt verschiedene Erlçsergestalten, Jesus und Christus sind nicht derselbe) und „widerlegt“ sie, indem er fr die entsprechenden Gegenthesen (der eine Gott und Schçpfer, der eine Christus als Logos und Gottes Sohn) die entsprechenden biblischen Belegstellen aus den Schriften des Herrn und dem Alten Testament in großer und mhsamer Flle zusammentrgt. Eine weitergehende Exegese einzelner Passagen der Schriften wird nicht angestrebt, was zumindest fr das dritte und weitgehend auch das vierte Buch gilt. Aber Irenus nimmt seine Sache ernst. Die Aufgabe, der er sich verpflichtet weiß, nçtigt ihn, der die Bibel materialiter sehr gut kennt, nun auch zum Bemhen um wirkliches Verstehen. So etwa im fnften Buch, 1 – 14, wenn er den fr ihn schwierigen Sinnes des paulinischen „Fleisch und Blut kçnnen das Reich Gottes nicht ererben“41 zu ergrnden sucht und nicht aufgibt, bevor er nicht zu einer biblisch begrndeten Erklrung der fr sein 37 AH 3,15,3, vgl. auch AH 2,31,1 u. ç. 38 Vgl. diesen Vorwurf auch bei Plotin, Enneades, II 9 (33) 51 – 59 (Gegen die Gnostiker). 39 Als Ergebnis dessen formuliert Irenus in AH 3,5,1: „Traditione igitur quae est ab apostolis sic se habente in ecclesia et permanente apud nos , revertamur ad eam quae est ex scripturis ostensionem eorum qui evangelium conscripserunt de Deo sententiam […]“. 40 Vgl. oben S. 585 – 587. 41 1Kor 15,50, s. AH 5,9,1.

594

Barbara Aland

Verstehen notwendigen leiblichen Auferstehung kommt. Irenus lernt auf die Schrift zu hçren.42 ber die Beschftigung mit der Schrift kommt er dazu, ausgehend von der gegen die Gnostiker gerichteten Grundthese von dem einen Gott und Schçpfer, eine umfassende eigene theologische Konzeption zu entwerfen. Sie ist nicht mehr polemisch, stellt aber in sich und als ganze die eigentliche berwindung der gnostischen Hretiker und damit den Abschluss der Polemik dar. Davon ist im abschließenden Kapitel zu reden.

4. Ertrag und Wirkung der Polemik des Irenus Was wird erreicht? Wir fragen im folgenden nicht nach dem Quellenwert und der Berechtigung der irenischen Darstellung und Widerlegung der Gnosis, sondern – auf der Basis des bisher Erarbeiteten – nach der faktischen Wirkung seiner Polemik in Kirchengeschichte und Theologie, seiner Wirkung auf die Herausbildung und Bedeutung des Phnomens „Hresie“sowie die Entstehung und Fixierung des Begriffs und der Sache von kirchlicher „Orthodoxie“. Die Wirkung ist erstaunlich und kaum zu berschtzen. 4.1 Das Bild der Gnosis als Konstrukt Wir sahen schon: Irenus sucht nicht den Dialog mit den zu bestreitenden Gegnern, in dem das Recht oder Unrecht der gegenstzlichen Meinungen erst festgestellt werden msste – obwohl er sich formal dialogisch gibt,43 sondern er weiß von vorn herein, dass er im Recht ist, und behauptet seine Position als die Position der Kirche, indem er sie gegen die Gnostiker erst etabliert, wie zu zeigen sein wird. Um die Gnosis wirksam widerlegen zu kçnnen, braucht Irenus ein scharf umrissenes Feindbild, das er bestreiten kann. Die in Wahrheit außerordentlich vielfltige und keineswegs klar definierte gnostisierende und gnostische Bewegung grenzt er ein auf ein bestimmtes Erscheinungsbild der 42 Zu Irenus Exegese am besten Noormann, Irenus als Paulusinterpret. 43 An zahlreichen Stellen seines Werkes gibt Irenus vor, direkt das Gesprch mit seinen Kontrahenten aufzunehmen und zu ihren Thesen Stellung zu nehmen, eingeleitet durch Formeln wie: „Sie kçnnen doch nicht behaupten […]“, „Sie beschweren sich ber uns, dass wir […]“ oder „Es ist nicht so, wie sie sagen […]“ vgl. AH 3,15,1 – 3,16,2; 3,18,1 und 3,18,5 – 6; 4,28,3 – 29,3; 4,34,3; 4,35,4; 4,39,2 et passim.

Polemik bei Irenus von Lyon. Strategie – Ertrag – Wirkung

595

zu bekmpfenden Hresie, dem er auch einen Namen gibt: „Gnosis“ – so in bewusster Aufnahme von 1. Timotheus 6,20 und teilweisen gnostischen Selbstbezeichnungen. Die Konstruktion dieses Bildes geschieht scheinbar objektiv auf der Basis der im ersten Buch zitierten Quellen, aber diese Quellen werden tendenziçs ausgewertet und auf bestimmte Thesen reduziert, Thesen, die eindeutig und vor allem im Sinne der angesprochenen kirchlichen Adressaten berzeugend zu widerlegen sind. Das so entstehende Konstrukt von „Gnosis“ grndet also nicht auf Verstehensbemhung und angemessener Interpretation der ohnehin schon tendenziçs angeordneten und wohl auch schon tendenziçs ausgewhlten Quellen, sondern ist bestimmt von seiner Widerlegbarkeit im Sinne des angesprochenen Publikums. Wie perfekt dieses durch und durch polemische Vorgehen ist, zeigt seine Wirkung bis heute.44 Dass Irenus Konstrukt des Phnomens „Gnosis“ mit seinen klassischen Themen (Gott und Schçpfer getrennt, verschiedene – doketisch verstandene – Erlçsergestalten) auf polemischer Reduktion beruht und damit so nicht zutrifft, weil es nicht auf angemessener Interpretation der gnostischen Quellen grndet, kann man durchschauen, wenn man sich fragt: Ist es vorstellbar, dass schlichte Mitglieder christlicher Gemeinden, die, wie es Irenus voraussetzt, offensichtlich in großer Anzahl zu den gnostischen Predigern berliefen,45 dies taten, wenn solche Themen propagiert wurden? Kann man sich vorstellen, dass Christen, die aus dem Gottesdienst mit der Genesis vertraut waren, beeindruckt und fasziniert wurden durch eine Trennung von Gott und Schçpfer und dessen Deklassierung als unwissend und bçse? Ist es historisch denkbar, dass Christen, die die Evangelien kannten, die Annahme von mehreren Erlçsergestalten, mehreren Christi, als berzeugend ansahen? Doch kaum. Wohl kann ein gewisser Doketismus attraktiv sein – er scheint rational zu befriedigen, und das Gleiche gilt fr eine gewisse Spiritualisierung der Gestalt Christi und der Erlçsungsvorstellung berhaupt. Beides ist auch im Neuen Testament angelegt. Dass aber die Themen, die Irenus als gnostisches Kernanliegen propagiert, dieses in ihrer kruden Massivitt und tçrichten Reduziertheit wirklich gewesen sein sollen, entbehrt jeder historischen Wahrscheinlichkeit. Aber das zu bedenken, ist eher eine Aufgabe fr die Gnosisforschung. Dass es fr Irenus und sein Anliegen attraktiv war, diese angeblichen gnostischen Thesen, die ja, wenn auch in grober Reduzierung, als aus den Quellen erhoben dargestellt werden konnten, liegt allerdings auf der Hand. 44 Vgl. oben Anm. 17. 45 Vgl. AH 1 Praefatio; 3,15,2.

596

Barbara Aland

Die Thesen sind doch offenbar so formuliert, dass sie durch die in der regula fidei zusammengefasste eine Wahrheit widerlegt werden konnten. Irenus widerlegt nicht die Gnosis, sondern sein Konstrukt von „Gnosis“, und seine Widerlegung entspricht der traditionellen Theologie seiner kirchlichen Adressaten und wirkt deshalb bei ihnen. Irenus fasst sie mçglicherweise zum ersten Mal unter dem Begriff der „regula fidei“zusammen und gibt damit der rechtglubigen Theologie einen Namen, so, wie er der „Gnosis“ einen Namen gegeben hat. Hretisches Konstrukt und rechtglubige kirchliche Widerlegung bedingen einander. Aber so ist es eben doch nicht ausschließlich. Irenus begngt sich nicht mit seinem gnostischen Konstrukt und dessen der Tradition entsprechender Widerlegung. Das htte auch nicht gengt, denn es war ja eine Tatsache, dass die Gnosis in den christlichen Gemeinden gewirkt und viele fr sich gewonnen hatte. Das musste ernst genommen werden. Es musste gezeigt werden, dass und vor allem inwiefern die traditionelle Theologie der kirchlichen Adressaten tatschlich geeignet war, die Gnosis, wie sie wirklich war und wirkte, zu berwinden. D.h. es musste (auf dem Boden der kirchlichen Theologie) ein Gegenkonzept entworfen werden, das die wahre Faszination und Bedeutung der gnostischen Bewegung ernst nahm, nicht nur deren knstlich konstruierte Thesen. Ein kirchliches umfassendes Gegenkonzept zur historischen Grçße der Gnosis war erforderlich, und Irenus liefert es. 4.2 Der sachliche Gegenentwurf und seine Begrndung Irenus kommt erst allmhlich zu seinem umfassenden Gegenentwurf, indem er seine Argumentationsprmissen begrndet. Wir beginnen daher mit diesen. 4.2.1 Die Schriftbeweise gegen das Konstrukt der „Gnosis“ Irenus liefert die Schriftbeweise, nachdem er im zweiten Buch die gnostischen Lehrmeinungen schon widerlegt zu haben behauptet, weil er nicht den Anschein erwecken wolle, den Beweis aus den Schriften des Herrn zu vermeiden, obwohl sie das alles doch noch viel deutlicher und klarer verkndeten.46 In Wahrheit kann er diesen Beweis gar nicht umgehen, weil die 46 AH 2,35,4: „Sed ne putemur fugere illam quae ex scripturis dominicis est probationem, ipsis scripturis multo manifestius et clarius hoc ipsum praedicantibus, his tamen qui non prave intendunt eis […].“

Polemik bei Irenus von Lyon. Strategie – Ertrag – Wirkung

597

legitimierende Berufung auf die „Schriften“ nicht nur in seiner eigenen kirchlichen Tradition eingefhrt ist, sondern weil sich vor allem die Gnostiker vielfach auf die „Schriften“ beriefen – auch sie offensichtlich deswegen, weil auch fr sie die Schriften des Herrn schon als autoritative Texte galten, an denen sie, weil sie mit ihnen bereinzustimmen beanspruchten, das Recht ihrer eigenen theologischen Interpretation erweisen konnten. Dieses Legitimierungsinstrument musste Irenus ihnen folglich aus der Hand winden (und tat damit einen entscheidenden Schritt zur Kanonisierung des Neuen Testaments). Seinem polemischen Konstrukt von „Gnosis“ gemß beschrnkt sich Irenus bei seiner Erforschung der „Schriften“ auf die Themen, die sein Gnosiskonzept ausmachen (Gott und Schçpfer sind verschieden, es gibt mehrere Erlçsergestalten usw.47) und beweist folglich ausfhrlich, dass seine Gegenthesen (der eine Gott ist Schçpfer, ein Christus ist Logos und Erlçser) der Schrift entsprechen. Zu einer echten Auslegung einzelner Schriftpassagen kann es angesichts dieser Zielvorgabe gar nicht kommen. Was gefragt ist, sind belegartige Beweise fr seine kirchlichen Gegenthesen durch mçglichst alle Schriften des Alten und Neuen Testaments hin. Die schiere Menge dieser Belege ist ausschlaggebend und daher angestrebt,48 und Irenus liefert sie durch die gesamten Bcher 3 und 4 seines Werkes hin. Differenzierungen wren bei dieser Absicht eher stçrend. Dass damit aber auch jede Nachfrage nach dem Grund etwa fr die gnostische Konzeption von Schçpfung unterbleiben muss, die ja keineswegs nur negative Zge trgt49 und keineswegs von gçttlicher und nur gçttlicher Gestaltungs- und Erlçsungskraft abgetrennt ist, ist einsichtig.50 Die Qualitt der einzelnen so gearteten „Beweise“ ist unterschiedlich, wie schon mehrfach angemerkt wurde.51 Das ist angesichts der berbordenden assoziativen Gedankenflle des Irenus nicht verwunderlich. Auf die Menge kommt es an: „Weil es aber viele Worte des Herrn gibt, die den einen und selben Vater als Schçpfer dieser Welt verknden, mussten wir auch die in 47 Ein vergleichbarer Fall liegt vor bei Ignatius von Antiochien. Seine Gegner erliegen vornehmlich der doketistischen Gefahr. Entsprechend sind seine „Glaubensformeln“ zentriert um Menschwerdung, Erdenwandel und Passion. Vgl. dazu Ritter, Art. Glaubensbekenntnis(se), 400 – 402. 48 Mit vollem Rechtweist N. Brox, der von Irenus viel versteht, darauf in der Einleitung seiner bersetzung des 4. Buches von AH hin, vgl. Brox, Irenus von Lyon, 7 – 10. 49 Vgl etwa die ptolemische Charakterisierung des Demiurgen in AH 1,7, 4. 50 Vgl. bei Irenus AH 1,5,1 – 3. 51 Vgl wieder Brox, Irenus von Lyon, in der Einleitung des 4.Buches, hier: 7 – 8.

598

Barbara Aland

vielen Irrtmern Befangenen durch vieles widerlegen, so dass sie durch vieles widerlegt sich vielleicht zur Wahrheit bekehren und gerettet werden“, sagt er im Schlussabschnitt des vierten Buches.52 Erst im fnften Buch beginnt sich diese Vorgehensweise zu ndern, als Irenus sich fr seine „Beweise“dem Apostel Paulus als dem Autor zuwendet, auf den sich die Gnostiker explizit fr ihre theologische Interpretation berufen. Hier geht Irenus – bei der Behandlung der gleichen Themen, die jetzt um die Anthropologie erweitert werden53 – auf den Text des Paulus zumindest im Ansatz wirklich ein, und es gelingt ihm, etwa fr 1Kor 15,50, eine seiner traditionellen Theologie entsprechende Auslegung zu finden, die diesen Namen verdient.54 Bemerkenswerter Weise nimmt er dabei, wie berhaupt im fnften Buch, indirekt Anregungen seiner hretischen Widersacher auf.55 4.2.2 Der Gegenentwurf: umfassender Heilsplan (dispositio) versus umfassender Mythos Es geht fr Irenus – wie auch fr seine Kontrahenten – um Dinge von so großer Tragweite, dass es in dieser Auseinandersetzung nicht bei bloßer Polemik ironisierender Art sein Bewenden haben konnte. Gefragt war letztlich ein Gegenentwurf zu dem umfassenden Konzept, das die gnostischen Kontrahenten in ihrem Mythos boten. Es war nicht ungeschickt von den Gnostikern, den Mythos zu einer wichtigen Ausdrucksform ihres theologischen Anliegens zu whlen. Zwar wird die Aussageform Mythos in der Antike hufig als erfundene Fabel abgelehnt56 und auch Irenus greift in diesem Sinne das luhokoce?m der Gnostiker an57, aber das ist doch nur ein Aspekt der Sachlage. Der Mythos, 52 AH 4,41,4: „Quoniam autem multi quidem domini sermones, unum autem et eundem omnes annuntiant patrem factorem mundi huius, oportebat et nos propter eos qui in multis erroribus continentur per multa confutare, si quo modo possent per multa confutati ad veritatem converti et salvari.“ 53 Vgl. dazu die Fassung der regula fidei in AH 4,41,4. 54 Vgl. AH 5, 1 – 14. 55 Ich denke dabei an die Vorstellung vom Menschen, wie sie sich weniger im Begriff als in der Sache der „subiectio“ niederschlgt, dazu Aland, Fides und Subiectio. 56 S. dazu die kenntnisreiche Berichterstattung von Hçlkeskamp, Mythos und Politik – (nicht nur) in der Antike. Anregungen und Angebote der neuen „historischen Politikforschung“, 9 – 15. 57 Irenus ironisiert das Mythologisieren der Gnostiker (AH 1,2,3; 1,4,3) und verspottet es durch eigene, die gnostische Mythendichtung erweiternde Mythenstiftung (AH 1,4,4).

Polemik bei Irenus von Lyon. Strategie – Ertrag – Wirkung

599

der eQj½r lOhor Platons (Timaios 29d), war ja durchaus eine mçgliche und anerkannte Redeweise, um sich der Wahrheit anzunhern, wenn ber Themen wie „die Gçtter und die Entstehung des Alls“ (Timaios 29c) geredet werden sollte, die der diskursiven Erçrterung des Menschen nicht zugnglich sind.58 Mythen deuten als solche schon an, dass es um umfassende, erste und letzte Dinge geht. Da sie der Deutung fhig, ja ihrer gerade zu bedrftig sind59, entfllt auch der Verdacht von Rechthaberei des Mythenverfassers, vielmehr laden Mythen zum Dialog ein60, zum ernsthaften Austausch ber die anvisierte, tastend umspielte letzte Wahrheit. Auf den Aussagebereich christlicher Autoren bertragen heißt das, dass Mythen durchaus eine berechtigte und anspruchsvolle Ausdrucksform sein konnten, um – auf der Basis und neben rational philosophischer Erçrterungen, die Gnostiker auch vornahmen – eine bildhaft visionre Gesamtschau des auf Offenbarung beruhenden Zusammenhangs zwischen Gott, Welt und Mensch zu geben.61 Diesem Anspruch, mit dem der gnostische Mythos als Mythos auftrat, musste Irenus begegnen. Das konnte nicht nur durch pauschale Abwertungen der mythischen Ausdrucksform als fabulçs oder durch eigene, den gnostischen Mythos ironisch erweiternde Mythendichtungen62 geschehen. Auch alle anderen Maßnahmen der polemischen Widerlegung, die wir kennen gelernt haben, konnten nicht gengen. Vielmehr konnte Irenus dem Faszinosum des Mythos nur begegnen, wenn er ihm etwas hnlich 58 Vgl. Platon, Phaidros 276d–e und weiter Hçlkeskamp, Mythos und Politik – (nicht nur) in der Antike. Anregungen und Angebote der neuen „historischen Politikforschung“, 13 – 15: „der Mythos erscheint hier geradezu als eine Form des Diskurses ,avant la lettre’“ (14). 59 Vgl. zu den verschiedenen Mçglichkeiten der Mythendeutung Plutarch, De Iside et Osiride 22 – 44. 60 Die vielfltigen Mythenvariationen und Mythenstiftungen der Gnostiker sind in diesem Sinne zu verstehen. 61 Im ausgehenden 1. und 2. Jahrhundert nimmt insbesondere Plutarch die Aussageform der Mythendeutung und Mythendichtung der platonischen Tradition auf. Vgl. die Schlussmythen in De genio Socratis, in De facie in orbe lunae und besonders in De sera numinis vindicta, Schriften, in denen die argumentative Erçrterung mit ihren Mythen so verschrnkt ist, dass diese das vorher Erçrterte bildhaft, narrativ, im Sinne einer umfassenden Schau auf anderer Ebene zur Sprache bringen und ergnzen (Vgl. dazu Plutarch, Drei religionsphilosophische Schriften, 318 – 339, besonders: 325 – 327). Eben dieses Verhltnis zwischen Logos und Mythos zeichnet auch die frhe Gnosis des 2. Jahrhunderts aus, wie wir insbesondere in den Schulen des Basilides und des Valentin noch verfolgen kçnnen. Der Mythos folgt auf die argumentativ philosophische Verstehensbemhung um die Wahrheit. 62 Vgl. dazu etwa zeitgleich mit Irenus den Skeptiker Sextus Empiricus, adversus Mathematicos I 263 – 269, bes. 264 f.

600

Barbara Aland

Umfassendes, hnlich die Weltgeschichte vom Uranfang bis zum Eschaton Deutendes entgegensetzte, das sich zudem auf die Fakten der christlichen Tradition sttzen lsst. Irenus findet – und konstruiert – es: in der Heilsordnung, der dispositio, Gottes und stellt damit dem umfassenden Fall- und Rettungsgeschehen des gnostischen Mythos das eine umfassende Heilsgeschehen der gçttlichen Oikonomia gegenber. Den aus seiner Tradition aufgenommenen Begriff der oQjomol¸a (besonders Eph 1,10)63 entwickelt Irenus, polemisch gegen die Gnostiker gewandt, erstmals zu einer folgerichtigen Sequenz der Heilsveranstaltungen des einen Gottes und Vaters, von Anfang bis Ende, von der Schçpfung bis zum Eschaton. Aus der bereits als Heilsereignis begriffenen Schçpfung, die Irenus so wichtig ist, ergeben sich (gegen ihre gnostische Verkennung) mit Notwendigkeit alle weiteren Heilsveranstaltungen Gottes: der eine Christus, der in die Schçpfung eingeht, inkarniert und gekreuzigt wird; die Rekapitulation durch ihn, in dem der Heilswille Gottes auf den Punkt gebracht und vollendet wird;64 die leibliche Auferstehung;65 die durch die Rekapitulation ermçglichte, (chiliastische) Wiederherstellung der Schçpfung am Ende66 und das Konzept des planmßigen „Wachstums“ der Schçpfung und des Menschen hin zu ihrer Vollendung.67 Eine Stufe ergibt sich dabei folgerichtig aus der andern.68

63 Den Begriff der Oikonomia benutzten auch die Gnostiker. Er bezieht sich bei ihnen – rumlich und zeitlich – auf die Welt und den Menschen, insofern sie gerettet werden. Das geschieht durch den Soter bzw. Jesus (AH 1,15,3), der in dieser Welt Erlçserfunktion hat und dabei analog seinem „Vater“ Christos wirkt, der dieselbe festigende, d. h. vollendende Funktion im Reich der onen hat (AH 1,2,5). Mit Oikonomia wird nach den Quellen des Irenus bei den Gnostikern die Heilsveranstaltung Gottes, des Vaters, beschrieben, insofern sie sich auf diese Welt (auch auf sie, cf. AH 1,14,9) und auf diesen Menschen bezieht. Diese Heilsveranstaltung ist analog derer, die im Pleroma der onen geschehen ist. Sie ist folglich ein Aspekt der einen Oikonomia des einen Gottes und Vaters, den auch die Gnostiker verehren. Dass auch sie hier von der Eingangseulogie des Epheserbriefes beeinflusst sind, ist offensichtlich. 64 !majevakai¾sashai, vgl. Eph 1,10, AH Buch 3 und 4 passim. 65 AH 5,1 – 14 66 Conditione revocata AH 5,33,4. Vgl. insgesamt dazu 5,32,1 – 5,35,2. 67 Augmentum, vgl. AH 4,38,4. 68 Der Sndenfall ist in diese Konzeption nur indirekt und unbefriedigend eingebaut. Er wird ganz dem Menschen und seiner „Schwche“ angelastet, einer Schwche, die er bewies, obwohl und weil ihm der freie Wille gtig verliehen war (AH 4,38,4: „Secundum benignitatem suam bene dedit – scil. Deus – bonum et similes sibi suae potestatis homines fecit; secundum autem providentiam scivit hominum infir-

Polemik bei Irenus von Lyon. Strategie – Ertrag – Wirkung

601

Irenus sah dieses Gesamtkonzept der Oikonomia Gottes in den Schriften des Herrn und der Apostel wie des Alten Testaments besttigt. Indem er es so darstellt, systematisiert er den urchristlichen Schriftbeweis. In der regula fidei sieht er diesen umfassenden Heilsplan zusammengefasst, und es ist daher kein Zufall, sondern volle Absicht, wenn er dieses umfassende Konzept der Oikonomia, przisiert in der regula fidei, schon gleich zu Anfang seines Werkes direkt nach dem langen Zitat des gnostischen Mythos in seiner ausfhrlichsten Form nennt (AH 1,10,1), damit demonstrierend: Der in der regula zusammengefasste Heilsplan des einen Gottes ist das umfassende Gegenstck zum angemaßten hretischen Mythos; die durch sichere Gewhrsleute beglaubigte Oikonomia (AH 1,10,2) steht dem nur vage und irrtmlich vermutenden und suchenden Instrument des Mythos entgegen. Diese Gegenberstellung gleich zu Beginn von AH ist beraus eindrcklich und steckt den Rahmen fr das gesamte weitere Werk des Irenus ab. Denn er weiß, wie er ebenfalls gleich anfangs (AH 1,10,3) sagt, dass es Aufgabe der kirchlichen Theologen ist, den Inhalt der Schrift immer wieder zu bedenken (pqosepeneqc²feshai) und ihn den Grundfakten der Wahrheit einzupassen (sumoijeioOm t` t/r !kghe¸ar rpoh´sei), ihn zu „erklren“ (savgm¸feim) und zu „verstehen“ (sum¸eim) suchen, ihn zu „erforschen“ (1neqeum÷m), zu „verkndigen“ (!pacc´keim), zu „lehren“ (did²sjeim) und zu „verbreiten“ (diacc´keim). Das zu tun, macht die Tradition aus und ist Aufgabe der Tradition der Kirche, begrndet auch gewisse Verschiedenheiten der kirchlichen Ausdrucksweisen, niemals aber die als zentrale Irrlehren gebrandmarkten Irrlehren der Hretiker. Daraus ergibt sich als Fazit: Irenus hat mit seiner Polemik, die einen kirchlich-theologischen Gegenentwurf hervorruft und erzwingt, die Gnosis in der Alten Kirche berwunden und eine antihretische Literaturgattung begrndet. Mindestens Tertullian, Hippolyt und Epiphanius sind darin gnzlich von ihm abhngig. Er trgt entscheidend zur Bildung der katholischen Kirche bei, ja, ist in vieler Hinsicht der Beginn dieser Kirche, weniger durch seinen theologischen Entwurf der Oikonomia als durch seinen Begriff der einen Kirche, verbunden mit der entschlossenen Ausgrenzung alles Hretischen, in der all seine Polemik ihren Grund hat. Dabei ist es kaum nur Machtbewusstsein, das Irenus treibt, sondern Sorge und Angst vor einer christlichen Verkndigung, die „unsere Schçpfung hier, die wir doch auch sind, vom Vater trennt.“ mitatem et quae ventura essent ex ea […]“). Die Last der Schuld ldt Irenus ganz und gar dem Menschen auf, damit die Lçsung Augustins vorbereitend.

602

Barbara Aland

Literatur Aland, B., Fides und Subiectio: Zur Anthropologie des Irenus, in: dies., Was ist Gnosis? (WUNT 239), Tbingen 2009, 183 – 203. Aland, B., Einfhrung, in: dies., Was ist Gnosis? (WUNT 239), Tbingen 2009, 1 – 21. Alexander. L., The Living Voice. Scepticism towards the Written Word in Early Christian and in Gaeco-Roman Texts, in: The Bible in Three Dimensions. Ed. by D.J.A. Clines, Sheffield 1990, 221 – 247. Brox, N., Irenus von Lyon. Epideixis. Darlegung der Apostolischen Verkndigung. Adversus haereses. Gegen die Hresien I–V, bersetzt und eingeleitet von N. Brox (FC 8/1 – 5), Freiburg 1993 – 2005. Gamble, H.Y., Books and Readers in the Early Church. A History of Early Christian Texts, New Haven/London 1995. Hçlkeskamp, K.-J., Mythos und Politik – (nicht nur) in der Antike. Anregungen und Angebote der neuen „historischen Politikforschung“, in: Historische Zeitschrift 288 (2009), 1 – 50. King, K.L., What is Gnosticism?, Cambridge/London 2003. Noormann, R., Irenus als Paulusinterpret. Zur Rezeption und Wirkung der paulinischen und deuteropaulinischen Briefe im Werk des Irenus von Lyon (WUNT II.6), Tbingen 1994. Opelt, I., Die Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin, Heidelberg 1980. Plutarch. Drei religionsphilosophische Schriften. ber den Aberglauben, ber die spte Strafe der Gottheit, ber Isis und Osiris. Griechisch-deutsch, bers. u. hrsg. von H. Gçrgemanns unter Mitarbeit von R. Feldmeier und J. Assmann, Dsseldorf 20092. Reynaud, J.-F., Art. Lyon, in: RAC Lf. 183/184 (2009), 802 – 828. Ritter, A.M., Art. Glaubensbekenntnis(se) V, in: TRE XIII (1984), 400 – 402. Rpke, J., Der Hirte des Hermas: Plausibilisierungs- und Legitimierungsstrategien im bergang von Antike und Christentum, in: ZAC 8 (2004), 276 – 298.

Polemik bei Augustin Wolfgang Wischmeyer Polemik stellt sich als ein Kommunikationszusammenhang dar, der auf vielen Ebenen stattfindet und sehr unterschiedliche Perspektiven besitzt. Es gibt eine Innen- und eine Außenrichtung: das eigene Selbst oder die eigene Gruppe soll gefestigt, vielleicht auch erweitert und die fremde Gruppe soll vernichtet werden. Damit ist einerseits auf die literarisch-sthetische Seite verwiesen, andererseits auf die Dimension von Macht und Gewalt. Dabei spielt die Wortwahl die entscheidende Rolle. Diese Bedeutung der Semantik ist auch deshalb zu betonen, weil Polemik in smtlichen denkbaren literarischen Formen erscheinen kann. Man kann ber Polemik als Historiker nicht reden, ohne den Kontext empirischer Gewalt im Blick zu haben, der ja nicht beziehungslos neben der witzigen oder menschenverachtenden literarischen Polemik steht. Im Folgenden wollen wir von allgemeinen berlegungen ausgehen und diese mit einem flchtigen berblick verbinden, um uns einer Schlsselfigur der Christentumsgeschichte zu nhern, die zudem in besonderem Masse auf Grund ihrer Polemik mit religiçser Intoleranz und Gewalt verbunden wird. Dabei soll eine Predigt Augustins, ,Enarrationes in Psalmos 95 LXX’, im Mittelpunkt der Ausfhrungen stehen. Religiçse Polemik wird in der Neuzeit schon lange Zeit fr eine speziell christliche Form der Intoleranz gehalten, was dann in der aufgeklrten und multikonfessionellen Gesellschaft soweit ging, dass religiçse Themen fr ein gesellschaftlich konvenierendes Gesprch tabu waren. ber Geld, Essen und Religion unterhlt man sich nicht. Und die aufgeklrte Anti-Polemik sah im Gegensatz zur Wahrheit findenden Polemik des philosophischen Gesprchs nun in der Christentumsgeschichte und besonders in der Theologiegeschichte eine einzige sinnlose Polemik christlicher Religionsparteien, deren Hasstiraden gegen die andere Partei nur durch die noch gesteigerten und mitunter seit der Hinrichtung Priscillians von Avila 385 n. Chr. tçdlichen Exzesse gegen Abweichler von der eigenen Theologenschule berboten wurden. Dieser Vorwurf des Abfalls vom wahren Glauben war dann auch gegen Juden und Muslime gerichtet. Oder, um es mit Goethe zu sagen: „Es ist die ganze Kirchengeschichte/Mischmasch von Irrtum und von Gewalt.“ So ist Polemik vor allem ein „die Kommunikationskultur seit ihren Anfngen

604

Wolfgang Wischmeyer

begleitendes Phnomen in all seinen Ausprgungen“, wobei der Begriff seit der Mitte des 19. Jahrhunderts sich zunehmend von der Bezeichnung einer wissenschaftlichen Kontroverse, in der „der Leser […] mit allen zur Verfgung stehenden Mitteln letztinstanzlich auf die Seite des Polemisierenden gezogen werden soll“, sich wandelt zu einem „berwiegend negativ konnotiert[en] im Sinne eines , der persçnlich anfeindet und eine unbedingte Vernichtung des Gegners zum Ziel hat“.1 So kam es zu der weit verbreiteten und durch den jdischen Holocaust scheinbar besttigten Auffassung, dass die christliche Polemik gegen Andersglubige oder Unglubige auf direkter Straße und unwiederbringlich zu menschenverachtender und die Ketzer ausrottender Intoleranz fhre. Dagegen helfe nur Aufbau und Pflege des allgemeinmenschlichen Harmoniebedrfnisses, das zudem manche Nationen auf eine durchaus nicht unpolemische Art und Weise fr sich reklamieren. Dabei ist unbedingt richtig, dass die ethische Dimension der Polemik im Kontext der Rezeptionsgeschichte nicht ausgeblendet werden darf, gerade wenn der Leser oder Hçrer einer solchen Polemik sich seinen Text schafft. Das gilt aber auch gerade dann, wenn zwar eine gewisse Verdichtung und Zunahme der unglckseligen Zwillinge „Power and Persuasion“, damit greife ich auf Peter Browns aussagekrftigen Titel zurck2, in der sich christianisierenden Sptantike gesehen wird, aber auch der Blick nicht verhllt wird vor der uralten Verbindung von Religion und Gewalt, wie sie in der Klassik etwa der Asebieprozess des Sokrates, der antike Antisemitismus, aber auch die jdischen Asebieprozesse gegen Stephanus und Paulus bezeugen. Was es mit der antiken Asebie auf sich hat, hat jngst Paul Veyne mit den Versen der Athena aus den ,Eumeniden’ des Aischylos gekennzeichnet: Zu „Die Gottlosen aber stoße aus; denn ganz wie ein Grtner will ich, dass das Geschlecht dieser Gerechten hier frei von Leid ist.“3 kann Veyne schreiben: „Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit fallen zusammen, das Unkraut der Gottlosen wrde die guten Brger ersticken“.4 In der Sprache der Sptantike kçnnen wir diesen Zusammenhang von Religion und Gewaltbereitschaft gegen den Andersdenkenden und Andersglubigen etwa mit dem Selbstbewusstsein Kaiser Justinians illustrieren, wie es der Diakon Agapet in seiner ,Ekthesis’ berliefert, dass nmlich Gott nichts und niemanden bençtige, der Kaiser allein 1 2 3 4

Stauffer, Art. Polemik, 1403 f. Dazu Brown, Power and persuasion in late antiquity. Aischylos, Eumeniden 910 – 912. Veyne, Die griechisch-rçmische Religion, 60.

Polemik bei Augustin

605

Gott bençtige, so dass jede Auflehnung des tobenden Volkes, auch, ja erst recht in Religionssachen nichts anderes als das Geklff tobender Hunde sei.5 Richtig ist auch und bildet schließlich die Basis jener kurz skizzierten modernen antichristlichen Mentalitt, dass in der kirchen- und theologiegeschichtlichen Literatur seit ihren Anfngen ganz ohne Zweifel Polemik in den verschiedensten literarischen Formen eine große Rolle spielt und dass diese Polemik gegen eine verherrlichte Gewalt in einen sowohl literarischen als auch historischen Kontext tritt, wie zuletzt Ramsay MacMullen in seinem Buch ber die altkirchlichen Konzilien gezeigt hat.6 Ob der Anteil der Polemik hier grçsser ist als in anderen Religionen vermag ich nicht zu sagen. Jedenfalls werden im christlichen Bereich seit der Alten Kirche die verschiedensten literarischen Klein- und Großformen, vor allem Streitgesprch und Abhandlung, in polemischer Absicht genutzt, manchmal in sekundre Gattungen wie die Mrtyrerakten eingebracht und sogar mit Zgen der Parodie versehen.7 Auch das neue Judasevangelium ist wie andere gnostische Texte, etwa das ,Evangelium Veritatis’, nach einer jngsten Untersuchung ebenso von einer polemischen Grundstruktur bestimmt wie die großkirchlichen Gegenschriften.8 Denken Sie darber hinaus an die vielen altkirchlichen Schriften, deren Titel mit contra oder adversus beginnt oder in dem etwa altercatio begegnet. Die lateinisch christliche Literatur hat mit einem Großmeister der literarischen Polemik ihren furiosen Auftakt, Tertullian, der gegen nichtkatholische Christen und Großkirche ebenso wie gegen seine nichtchristliche Zeitgenossen die hohe Kunst der literarischen Polemik mit Florett und Vorschlaghammer auszuben versteht. Dabei braucht er sich nicht auf eine literarische Gattung festzulegen, denn ebenso wie fr das Lob kennt die antike Rhetorik fr die „Vermittlung von Agressionstechnik“ (Stauffer) kein spezifisch ihr zugeordnetes Genus.9 Diese religiçse Polemik setzt sich im Mittelalter fort, dabei darf man als einen der großen Vermittler auch der Polemik ins lateinische Mittelalter Hieronymus nicht vergessen mit seinen teilweise mit unerfreulichen persçnlichen Anschuldigungen gespickten Schriften gegen die Irrtmer der Anhnger des Origenes und des Pelagius, und erreicht mit dem Beginn der 5 6 7 8 9

Meier, Justinian, 10; ders., Das andere Zeitalter Justinians, 133.Vgl. Agapet, Ekthesis 63. Vgl. MacMullen, Voting about God. Opelt, Hieronymus’ Streitschriften; dies., Die Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustinus. Dazu Williams, The Gospel of Judas. Zur Bedeutung von Polemik jetzt Gwynn, Eusebians.

606

Wolfgang Wischmeyer

Neuzeit und dem konfessionellen Zeitalter einen neuen Hçhepunkt, der zudem durch die neuen Medien Druck, Druckgraphik und Flugbltter gekennzeichnet ist. Sie kennen alle den ungeheueren output der drei Religionsparteien. Es darf aber nicht vergessen werden, dass diese zum Teil wste Polemik der Frhneuzeit in einem direkten Zusammenhang steht mit jener der mittelalterlichen Kirchenreformer, so etwa das um 1403 entstandene Werk ,De squaloribus Romanae curiae’des Heidelberger Theologieprofessors und Rektors, Krakauer Universittsreformers, Wormser Bischofs und kreierten Kardinals Matthus von Krakau10, und der Humanisten, wie die doch wohl dem Erasmus zuzuschreibende polemische Posse ,Iulius exclusus’ zeigt.11 Selbst die christliche Predigt ist von Anfang an durch Polemik wenigstens zum Teil mitbestimmt, wie der 2. Clemensbrief als wohl lteste christliche Predigt12 und die Paschahomilie des Melito von Sardes13 zeigen. Uns interessiert aber hier nicht das alte homiletische Problem, gegen die anwesenden Predigthçrer zu polemisieren, wenn man die Abwesenden meint. Hier kommen wir wieder zum schon mehrfach angesprochenen Problem der Strkung der Selbstidentitt. Wir wollen uns vielmehr jetzt Augustin von Hippo zuwenden, gerade weil dieser immer wieder, nicht zuletzt auch von Kurt Flasch, als Verursacher einer zu Gewalt und Schrecken fhrenden Polemik gesehen wird,14 und zwar in allen drei großen Problembereichen, mit denen er als Bischof konfrontiert war, dem der Fremdreligion Manichismus, kompliziert durch des Kirchenvaters ehemalige Zugehçrigkeit zu dieser Religion, sowie den schismatischen Gruppen der Donatisten und Pelagianer gegenber, also in der causa ecclesiae und der causa gratiae. Zudem war seine Position zunehmend bestimmt durch eine Zusammenarbeit mit dem immer strker gewaltbereiten sptantiken Staat. Der Lehrer des „dilige et fac quid vis“ 15 gilt bei vielen heutigen Zeitgenossen als Lehrer, der mit dem „cogite intrare“, seiner VetusLatina-Version von Lk 14,23, direkt seine Polemik in die Schreckensherrschaft der Lieblosigkeit berfhrt und die klerikale Gewaltherrschaft ein-

10 11 12 13 14 15

Dazu Nuding, Matthus von Krakau. Fabisch, Julius exclusus coelis. Vgl. Pratscher, Der zweite Clemensbrief. Cohick, The Peri Pascha attributed of Sardis. Flasch, Logik des Schreckens. In epistulam Ioannis ad Parthos, tractatus 7,8. Vgl. Berrouard, Art. Dilige et quod vis fac.

Polemik bei Augustin

607

gefhrt habe.16 Dabei ist der Anteil der Theologen unter den so denkenden Zeitgenossen berproportional hoch. In der Tat bilden einige der sog. antipelagianischen Schriften Augustins einen Gipfelpunkt der antiken polemischen Literatur. Hier sind besonders die spten Schriften gegen Julian von Aeclanum zu nennen, die in ungewçhnlicher Weise mit langen Ketten von Zitaten und Gegenzitaten einen sich steigernden Kampf um die richtige Paulusinterpretation von zwei hochgebildeten Theologen dokumentiert, die auf der Basis der Textphilologie in einer „der interessantesten und gelehrtesten intellektuellen, aber auch polemisch-grobianischen Debatten der Antike“ gipfelt, die durch Augustins Tod 430 abgebrochen wurde.17 Wir wollen uns jedoch auf eine Quelle aus der spten Auseinandersetzung mit den Donatisten konzentrieren, die zu den literarisierten Predigten Augustins gehçrt, die durch seine Zusammenstellung und Bearbeitung zum „ersten vollstndigen Psalmenkommentar der westlichen Kirche wurden18 und seit Erasmus als ,Enarrationes in Psalmos‘ bekannt ist. Bei den Enarrationes handelt es sich um Augustins umfangreichstes Werk, entstanden vom ersten bis zum Beginn des dritten Jahrzehntes des 5. Jahrhunderts, das uns die große Liebe Augustins zum Psalter zeigt. Zwischen 405 und 411 nach Gert Partoens oder aber eher im Jahre 412, vielleicht aber erst am Beginn der zwanziger Jahre des 5. Jahrhunderts, so die Herausgeber Eligius Dekkers und Johannes Fraipont im CCSL19, hielt Augustin in Hippo eine Predigt ber Psalm 95 LXX. Diese Predigt soll im Zentrum meiner Ausfhrungen stehen, weil sie auf eine besondere Weise das Thema der Kirche zwischen Katholizitt und Partikularitt aufnimmt und sehr deutlich und mit aller Raffinesse augustinischer Sprach- und Redekunst die Einheit und eine universalistische Katholizitt verteidigt und gegen die davon abweichende donatistische Sichtweise polemisiert. Dabei zeigt Augustin in dieser unendlichen Auseinandersetzung mit der Sonderkirche Nordafrikas einmal mehr, wie nach seiner Auslegung von 1Tim 3,1 das Amt des Bischofs ein Amt der Arbeit und nicht der Ehre ist (vgl. Contra Donatistas 19,19), wie Claudia Rapp in ihrem Buch ber die Bischçfe der Sptantike betont,20 und dass durch Augustins Hermeneutik die 16 Vgl. Augustin, Epistulae 93,2; 185,6; 208,7, sermones 112; Quodvultd. L. Prom. 3,39. Aufnahme fand die altlateinische Version auch im Decretum Gratiani p.2, c. 23, q. 4, c. 37 und p.2, c. 23, q. 66., c.1. 17 Dazu Wischmeyer, Paulus und Augustin. 18 Mller, Fiedrowicz, Art. Enarrationes in Psalmos, 804 – 858. 19 CCSL 39 (1956), 1342 – 1353. 20 Rapp, Holy Bishops in Late Antiquity, 116.

608

Wolfgang Wischmeyer

Auslegung der Bibel dabei das eigentliche Arbeitsfeld eines Bischofs ist und jenen auslegungsgeschichtlich sehr folgereichen universalistischen Akzent erhlt, der unsere Weltgeschichte im Bedeutungshorizont etwa der alttestamentlichen Wste sieht: saeculum autem hoc eremus est (Augustinus sermones 4,9,9). Claudia Rapp kommentiert dies wie folgt: diese Deutung „already contains in a nutshell the idea that would later become influential […] that the Christian existence is that of the peregrinus, a stranger in this world embarked on a lifelong pilgrimage to a better place“.21 Nehmen wir als Datum der Entstehung der Predigt, die zu einer kleinen Gruppe von Predigten mit einem starken antidonatistischen Akzent gehçrt, das Jahr 412, so befinden wir uns im unmittelbaren Schatten der großen und vom Staat verordneten und einberufenen Bischofversammlung, die in Carthago vom 1. bis zum 8. Juni 411 zusammenkam und auf der 286 Katholiken 285 Donatisten gegenberstanden. In Zusammenarbeit mit dem befreundeten tribunus militum Flavius Marcellinus, der immer wieder versuchte, wenigstens eine formale Anlehnung an Prozesse fr die Verhandlungsfhrung und damit einen geordneten Ablauf der Veranstaltung durchzusetzen, dominierte Augustin als Sprecher der katholischen Seite die Verhandlungen. Dabei betont er zwei Theologumena: 1. die Universalitt der catholica und 2. die ekklesiologische Vorstellung des corpus permixtum. Pamela Bright fasst das Ergebnis der collatio kurz zusammen: „Die Entscheidung fiel am 8. Juni 411 zugunsten der catholici, ein entsprechendes Edikt vom 26. Juni zog daraus die rechtlichen Konsequenzen […] Marcellinus besttigte die bisherige Gesetzgebung gegen die Donatisten. Zwar beruhigte die Konferenz von 411 die Lage noch nicht endgltig, doch war jetzt hier von staatlicher Seite aus eine eindeutige Entscheidung gefallen, die die Donatisten mehr und mehr in die Defensive drngte. Die Position des rçmischen Staates war nun klar, ein donatistischer Revisionsantrag wurde Anfang 412 abgewiesen“.22 Augustin fasst 417 im Brief an den comes Africae Bonifatius, auch unter dem Titel ,De correctione Donatistarum‘ bekannt, noch einmal zusammen: Daher ist die katholische Kirche allein der Leib Christi, dessen Haupt jener ist, der Retter seines Leibes. Außerhalb dieses Leibes macht der Heilige Geist niemanden lebendig, da ja, wie der Apostel selbst sagt, die Liebe Gottes in unseren Herzen durch den Heiligen Geist ausgegossen ist, der uns gegeben ist.

21 Ebd. 22 Bright, Das donatistische Schisma, 177.

Polemik bei Augustin

609

Nicht ist aber derjenige ein Teilhaber an der Liebe Gottes, der ein Feind der Einheit ist.23

Es ist hier nun nicht der Ort, die Geschichte des donatistischen Streites, der Entwicklung und der Spaltungen dieser Kirche und ihrer Theologie zu schildern.24 Ich kann auch nicht die unterschiedlichen wissenschaftlichen Anstze darstellen, die Position der Donatisten zu verstehen, etwa als politische oder soziale Protestbewegung, als religiçses Phnomen oder Beispiel von christlicher africainit. Unser Fallbeispiel betrifft die Polemik in der Psalmenpredigt des katholischen Bischofs von Hippo und die dahinter stehende Lehre von der Kirche, wie sie gegen eine donatistische Ekklesiologie entwickelt wird, die genauso ihre – etwas andere – Katholizit betont und die Selbstbezeichnung einer Kirche des Petrus und des Paulus whlt, also das stadtrçmische Doppelapostolat als ihren Ausgang annimmt, doch diese Kirche von der Kirche des Judas in Africa und bersee, also der catholica, bedroht sieht und damit einer kumene der dimensionalen Katholizitt eine solche der qualitativen Katholizitt gegenberstellt. Mein Herr und Bruder Severus25 schiebt bis jetzt unsere Freude ber die Predigt auf, die er uns schuldet. Denn er weiß nicht, fr welch einen großen Schuldner er gehalten wird. Denn alle Kirchen, durch die er zieht, hat der Herr durch seinen Mund erfreut. Um wie viel mehr ist also jene zu erfreuen, von der der Herr ihn zu den brigen gebracht hat. Aber was sollen wir machen, außer dass wir seinem Willen dienen? Brder, ich habe gesagt, er schiebe auf, aber er betrgt nicht. Haltet ihn deshalb als Schuldner fest, und lasst ihn nicht aus, außer er habe gezahlt. Eure Liebe achte darauf: wie viel schenkt der Herr!

Angeredet als dominus et frater ist der Bischof von Mileve, der entweder Augustinus schon seit seiner Schler- und Studentenzeit bekannt ist oder eine Zeit lang in der seminarhnlichen Gemeinschaft in Hippo lebte und den Augustin gerne predigen hçren mçchte, der aber nun unter den Predigthçrern sitzt. Die Gemeinde Hippo soll ihn nicht fortlassen, bevor er gepredigt hat. Und der Prediger bindet mit einer nicht nur unpolemischen, sondern im hçchsten Grade erfreulichen Formel quantum donat dominus den Gast und seine Gemeinde zusammen, einer alliterierenden Formel, die

23 Augustin, Epistulae 185,50. 24 Dazu Frend, The Donatist of Protest in Roman North Africa, sowie Maier, Le dossier du donatisme (TU 134/135). 25 Mandouze, Prosopographie de l’Afrique Chrtienne (303 – 533), 1070 – 1075, hier: Severus 1. Als Bischof von Mileve, Mileue in Numidie, heute Mila in Algerien, nachgewiesen von 395 bis 426 n. Chr.

610

Wolfgang Wischmeyer

nur bei Augustin belegt ist, und von den 33 bei ihm belegten Beispielen finden sich zwçlf in den Enarrationes. 26 Mit Bau und Haus und Gefangenschaft lsst sich Augustin hier von der Psalmenberschrift drei Schlsselworte vorgeben, deren assoziierende Bildfhigkeit er in seiner Predigt exzessiv nutzen wird, ohne die vom Psalm selbst mitgegebene Grundstimmung des jubelnden Singens zu verlieren. Alle Steine des Hauses sollen wissen, was sie gesungen haben. Es wird nmlich Gottes Haus gebaut, nicht an dem Ort, wo Salomon baute. Denn er baute den Tempel, und vom Tempel hçrtet ihr ja, was der Herr ber ihn gesagt hat (3Kçn 6,1). Als die Jnger die Steine des Tempels und seine ungeheueren Massen bewunderten und dem Herrn ihre Bewunderung und ihr Staunen mitteilten, da sagte der Herr zu ihnen: Amen ich sage euch, hier wird kein Stein auf einem Stein bleiben, der nicht zerstçrt werden wird (Mt 24,1.2). Kein solches Haus wird gebaut. Denn seht, wo gebaut wird, weil nicht an einem Ort, weil nicht irgendwo gebaut wird.

Mit dem „omnes lapides ipsius domus“ schlgt Augustin hier zuerst den universalen Ton an, der – nicht zuletzt durch den Psalmentext untersttzt – durchlaufend bestimmend bleiben wird und der mit seinem Universalismus ein Grundelement der Polemik in unserer Predigt bildet. Das Haus, das gebaut werden soll, ist das Haus Gottes. Dem entspricht gerade der Jubel, das Singen, das den Bau begleitet, ja eigentlich alle Elemente des Baus umfasst und Bauen und Singen sozusagen identifiziert. In der Visualisierung der Bildersprache schwingt auch eine Melodisierung mit, die Augustins von frh an bezeugtes großes Interesse an der Musik spiegelt. Dabei wird ein Dreifaches vom Prediger vorausgesetzt und festgehalten: 1. Es handelt sich um eine christliche allegorische Redeweise; 2. es ist nicht vom Jerusalemer Tempel die Rede; 3. dieses Haus Gottes hat keinen Ort in der Welt, sondern die Welt – und nicht nur sie – ist sein Ort.

Hinzu kommt vielleicht ein Viertes: die sachgemße Sprache, um ber das Haus zu sprechen, ist eigentlich die des Liedes, genau genommen: des neuen Liedes. Damit ist der Prediger nach seinem doppelten exordium beim 1. Vers des Psalms: Singet dem Herrn ein neues Lied, singet dem Herrn alle Welt. Wenn alle Welt ein neues Lied singt, wird sie gebaut, wenn sie singt, denn das Singen selbst ist Bauen, das aber nur, wenn sie nicht das alte Lied singt. Die Begierde des Fleisches singt das alte; die Gottesliebe singt das neue. Was auch immer du aus Begierde singst, du singst das alte; auch wenn die Worte des neuen Liedes im Munde tçnen, so ist doch im Munde des Snders nicht ein kunstvolles Lob (vgl. Sir 26 Nach CLCLT 5.

Polemik bei Augustin

611

15,9). Besser ist, dass du als neues Lied schweigst, als dass du als altes Lied singst, weil, wenn du neu wirst und schweigst, es nicht in dem Ohren der Menschen tçnt: denn dein Herz verschweigt das neue Lied nicht, und es gelangt zu den Ohren Gottes, der dich als einen neuen Menschen gemacht hat. Du liebst und schweigst: die Liebe ist die Stimme selbst zu Gott und diese Liebe selbst ist das neue Lied.

Hier ist nun Augustin, der natrlich sehr wohl weiß, dass nicht nur eine persuasive, sondern auch eine polemische Grundlinie in dieser Predigt vorhanden sein wird, ja es sich im Grunde um eine antidonatistische Predigt handelt, bei seinem Grundthema, seinem, wenn man so will, einzigen und immer neu variierten Lebensthema, vielleicht auch Lebensproblem, der Liebe, die das Sein des neuen Menschen bestimmt. Wo? Sie hat ihren Ort in der ganzen Welt. Gleichsam assoziativ gestattet sich der Prediger einen Blick auf eine negative Gegenwelt, den Jerusalemer Tempel und die Ruine der donatistischen Kirche, eines das andere abbildend, beides kein Haus, erst recht nicht das Haus Gottes, beides alt, alt im negativen Sinn, abbruchreif und abgebrochen, beides auf einen Ort fixiert, auf einen kleinen partikulren Ort innerhalb der ganzen Welt, die das Haus Gottes ist. Aber er, – ist es der Prediger oder ist es die angesprochene Gemeinde? – hat ja noch die Steine zur Hand, und zwar nicht nur die apokalyptischen Steine aus Mt 24, sondern den Eckstein, den Grundstein Christus aus der Predigt des Petrus in Apg 4, der zur Rettung und damit zur Taufe, zum Anziehen des Christus und allem guten Neuen fhrt. Dabei versteht Augustin darunter etwas ganz Anderes, das von der vorfindlichen Wirklichkeit total verschieden ist: und so bindet die Liebe sie [die Steine] in Einheit zusammen, dass nicht ein Stein auf dem Stein liegt, sondern alle Steine ein Stein sind. Der durch die Erneuerung der Liebe errichtete Bau nach der Gefangenschaft zeigt sich auch darin als Bau der Einheit: leidend in der Liebe zu einander, eifrig zu bewahren die Einheit des Geistes, in der Fessel des Friedens (Eph 4,2 f.). Wo die Einheit des Geistes ist, da ist der eine Stein, aber ein Stein geworden aus vielen. Wie ist aus vielen einer geworden? Durch wechselseitiges Leiden in der Liebe. Augustin spielt mit dem alten Bild von der Kirche als Haus, das in den liturgischen Texten der Lesungen vorgegeben ist, die dem Gottesdienst und der Predigt zugrunde liegen. Der Bischof kann in der ersten Hlfte des 5.Jahrhunderts feststellen: Dieses Haus wuchs gewaltig und hat viele Vçlker umfasst; es hat aber noch nicht alle Vçlker in Besitz genommen. Im Wachsen hat es schon viele in die Hand bekommen, alle wird es in Besitz nehmen.

612

Wolfgang Wischmeyer

Gerade das aber findet Widerspruch bei denen qui domesticos eius esse se gloriantur. Welch negativen Stellenwert der falsche Selbstruhm bei Augustin besitzt, wissen wir alle. Er ist als Ausdruck des amor sui die absolute Opposition zum amor dei und zur humilitas. Von daher ist eine Position, die sagt: er habe schon entschieden, unmçglich. Natrlich sind damit die Donatisten gemeint und sie sind angesprochen, wenn es heißt: keiner soll sagen, soll auch noch jene Sprache zum Glauben kommen, sollen auch noch die Barbaren zum Glauben kommen? Ihnen, die so tun, als htten sie, allein sie, etwas exklusiv in ihrem sicheren Besitz, wird vorgehalten: Und was soll das anderes bedeuten, dass der heilige Geist in Feuerzungen erschienen ist (Apg 2,3), als dass es keine Bestndigkeit irgendeiner Sprache gibt außer einer solchen, die in jenem Feuer gelutert ist? Haben wir denn nicht schon viele barbarische Vçlker, die zum Christusglauben gekommen sind? Wohin das rçmische Reich noch nicht gekommen ist, da hat schon Christus seinen Besitz. Was bisher denen, die mit dem Schwert kmpfen, verschlossen ist, ist dem nicht verschlossen, der mit dem Holz kmpft. Auf dem Fundamentstein Christus, charakterisiert durch das Holz, also das Kreuz als der reprsentativen Visualisierung der Demut, wird das neue universale Haus der Getauften gebaut, die çkumenische Kirche. Denn der Herr hat vom Holz zu regieren begonnen. Wer ist es, der mit dem Holz kmpft? Christus. Von seinem Kreuz aus hat er die Kçnige besiegt und den Unterworfenen eben das Kreuz auf die Stirn gezeichnet. Und sie rhmen sich dessen, denn dort ist ihr Heil. Da ist nicht die Rede, ja kann gar nicht davon die Rede sein, dass eine Wiedertaufe in Befolgung einer lokalen Tradition gefordert ist. Eine solche war ja in cyprianischer Tradition eine der Grundforderungen der donatistischen Partei, gegen die sich nicht nur die andere Seite, sondern auch Rom und der ganze Westen entschieden hatten, d. h. der ganze Erdkreis, soweit er schon christianisiert war. Das theodosianische Reich wird als zum grçßten Teil schon christianisiert angesehen, die ganze Welt steht offenbar in absehbarer Zeit vor ihrer Christianisierung, ein Vorgang, der fr Augustin, der ja nun wahrlich genug von Schismen und theologischen Streitigkeiten weiß, nur unter der Vorstellung der Einheit denkbar ist, einer religiçsen Einheit, nicht einer politischen, wie er als Realist, der auch die Grenzen des rçmischen Reiches kennt, feststellt. Rom und die Barbaren bilden das Haus Gottes. Die Macht des Kreuzes geht weit ber die Macht und Strke des Schwertes des rçmischen Legionrs hinaus.

Polemik bei Augustin

613

Wie wchst der Bau? Er sagt, rhmt von Tag zu Tag sein Heil! Von Tag zu Tag soll gepredigt werden, von Tag zu Tag, so sagt er, soll gebaut werden; mein Haus soll wachsen, sagt der Herr. Und von den Arbeitern wrde dann gesagt werden: Wo befiehlst du, dass gebaut wird? Wo willst du, dass dein Haus wchst? Whle uns einen geeigneten Ort, einen weitrumigen Ort, wenn du willst, dass dir ein gerumiges Haus gebaut wird! Wo befiehlst du, dass wir von Tag zu Tag rhmen?

Diese transimperiale und vielleicht auch transpolitische Einheitsvorstellung hat aber auch ihre Feinde. Es gibt gewissermaßen Stçrenfriede, die in einem frechen Selbstruhm sagen: Wir sind die Einheit, unsere Gruppe ist das Ganze, denn wir kennen die Entscheidungen des Herrn alle genau. Der Selbstruhm wird in den Ausfhrungen zu den folgenden Versen besonders angegriffen, stellt er doch wie Augustin in den zeitlich nun einsetzenden Auseinandersetzungen mit Pelagius und mit Julian von Aeclanum den Gegenbegriff zur humilitas als der sachgemßen christlichen Lebensfhrung dar. Er zeigt den Ort und spricht: Verkndet unter den Heiden seinen Ruhm. Seinen Ruhm verkndet unter den Heiden! Seinen Ruhm, nicht euren Ruhm. O ihr Bauleute, seinen Ruhm rhmt unter den Heiden! Wenn ihr euren Ruhm verkndigen wolltet, so fallt ihr; wenn seinen, so werdet ihr aufgebaut werden, wenn ihr baut. Deshalb haben die, die ihren Ruhm verkndigen wollten, in jenem Haus nicht sein wollen, und deshalb singen sie auch nicht das neue Lied mit der ganzen Erde. Denn sie stehen nicht in einer Gemeinschaft mit dem ganzen Erdkreis; sie sind also nicht beteiligt am Bau des Hauses, sondern haben nur eine getnchte Wand errichtet (Ez 13,14; Apg 32,3).

Einer der Hçhepunkte der Polemik ist die Weiterfhrung des Bildes der getnchten Wand mit all ihren prophetischen Drohassoziationen zur Kulissenarchitektur, deren Tr vom Nichts ins Nichts fhrt. Es gibt zudem keine Identifikation einer einzelnen Sprache und damit einer bestimmten Ethnie mit dem Christlichen ohne eine Transformation durch den pfingstlichen Geist. Zu dieser Transformation gehçrt aber auch die Verbindung aller Vçlker im Reich Christi. Wie kann man das deutlicher schildern als damit, dass auch die Barbaren voll in dieses Reich Christi ohne Diskriminierung integriert sind? Wie viel droht doch Gott einer getnchten Wand an? Gibt es nicht unzhlige Zeugnisse der Propheten, nach denen er eine getnchte Wand verflucht? Was ist eine getnchte Wand anderes als Heuchelei, d. h. Tuschung? Außen ist sie hell, innen Schmutz. Was ich sagen will, ist schon lngst gesagt worden, aber da es von dem Geist gesagt ist, an dem der Herr uns teilzuhaben fr wert hielt, haben auch wir das gesagt; und was wir nun im selben Geist sagen, haben auch jene gesagt, die vor uns waren. Deshalb darf es nicht bergangen werden, sondern muss

614

Wolfgang Wischmeyer

wieder gesagt werden, weil es durch ein Geschenk Gottes gesagt worden ist. Man kçnnte, wenn man ber die getnchte Wand spricht, etwa dieses sagen: Wenn jemand in einer Wand, die nicht mit anderen Wnden verbunden, sondern alleinstehend errichtet ist, eine Tr macht, so steht derjenige, der eingetreten ist, draußen.

Das Reich Christi vom Kreuz ist das alle Welt und damit auch alle Sprachen umfassende neue Haus, um das es in und mit der Kirche geht. Hier ist nun in der Predigt mit dem Wort Partei als Opposition zum johanneischen „Ich bin die Tr“ eine entscheidende Weiche gestellt worden: denn im augustinischen Sprachgebrauch ist die donatistische Kirche die pars Donati, der der Bischof wegen ihres selbstherrlichen Rhmens der afrikanischen Partikularitt das Kirchesein abspricht, weil sie das Kirchesein exklusiv fr sich reklamiert und usurpiert. Augustin benutzt in seinem Gesamtwerk unzhlige Male die Gleichnisse vom Fischfang und von der Ackersaat, um zu zeigen, dass die exklusive Vereinnahmung etwa des Weizens als Identifikationsmerkmal durch die Donatisten falsch ist (vgl. Contra litteras Petiliani 2 und 3 und Contra epistulam Parmeniani 2,2; 3,3): „Als Christus die Bedeutung des Gleichnisses erluterte, sagte er nicht: der Acker ist Africa, sondern: der Acker ist die Welt“ (Contra epistulam Parmeniani 1,14). Der Universalismus des Psalms erçffnet eine dimensionale Perspektive von Katholizitt, die ber die binnenmaghrebinische weit hinausfhrt: catholica enim ecclesia, quae non in sola Africa sicut pars Donati sed per omnes gentes, sicut promissa est, dilatatur atque diffunditur in universo mundo, sicut dicit apostolus (ep. 208,6). Die wahre Kirche ist nicht nur in Africa, und weder die rçmischen Provinzen noch gebruchliche Landschaftsnamen wie Getulia beschreiben God’s own country. Verkndet unter den Vçlkern seinen Ruhm! Was heißt das: unter den Vçlkern? Werden hier nicht Vçlker genannt, und auch nur wenige; hat hier nicht die Partei, die die getnchte Wand errichtet hat, ein Argument? Warum sind die Vçlker nicht allein Getulia, Numidia, Mauretania, Byzacium? Die Vçlker sind alle Provinzen. Die Gottesrede zerstçrt die Rede fr die heuchlerische und getnchte Wand und baut das Haus mit dem ganzen Erdkreis. Es ist zu wenig, was er sagt, Verkndet unter den Vçlkern seinen Ruhm; damit du nicht irgendwelche Vçlker davon ausnehmen zu kçnnen glaubst, setzt er fort und sagt: Unter allen Nationen sind seine Wundertaten.

Und diese Wundertaten werden an der humilitas der vita Christi beschrieben in Opposition zum Selbstruhm der pars Donati: Denn der Herr ist groß und sehr zu loben. Welcher Herr, wenn nicht Jesus Christus ist groß und sehr zu loben? Du weißt genau, warum er als Mensch erschien; du weißt genau, dass er von einer Frau in der Gebrmutter empfangen

Polemik bei Augustin

615

wurde, du weißt, dass er aus der Gebrmutter geboren wurde, du weißt, dass er gesugt wurde, dass er auf den Armen getragen wurde, dass er beschnitten, dass ein Opfer fr ihn dargebracht wurde, damit er wchse, schließlich weißt du, dass er geohrfeigt, bespuckt, mit Dornen gekrçnt und gekreuzigt wurde und gestorben ist, von einer Lanze durchbohrt wurde; du weist, dass er das alles erlitten hat: Groß ist er und sehr zu loben. Verachtet den geringen nicht, erkennt den großen. Gering ist er geworden, weil ihr gering wart; als großer soll er erkannt werden, und ihr werdet in ihm groß werden. So nmlich wird das Haus gebaut, so werden die Balken in diesem Haus aufgerichtet, so wachsen die Steine, die zum Gebude gefhrt werden. Wachst also, erkennt den großen Christus, der geringe ist groß, sehr groß!

Das Christentum ist, wie Augustin immer wieder betont, aus Rom, ja strker noch aus dem Osten nach Africa gekommen, es hat seine Wurzel bei den orientalischen Kirchen.27 Jetzt gibt es aber dort in Africa wie in den Kirchen in aller Welt auch eine deformitas atque impietas africanarum regionum 28, in der catholica und in der donatistischen Kirche, die nicht nur die einzige katholische Kirche sein will29 und deren Sitz nur nach einer falschen Bibelhermeneutik zu selektiven Aussagen des Alten Testaments ber den „Mittag“ (meridies, Sden) und die Sonne mit Africa identifziert werden kann.30 Nach dieser falschen Bibelauslegung sei die wahre catholica nur noch in Africa zu finden, nachdem alle anderen Kirchen mit Jerusalem zugrunde gegangen seien.31 Ist nicht so auch in jener Partei (pars), die nicht mit dem Haus ein neues Lied singen , sondern nur eine Mauer bauen wollte, und diese auch nur getncht, nicht geklrt, was es bedeutet, dass die Mauer eine Tr hat? Wenn du eingetreten bist, befindest du dich wieder draußen. Das, weil jene nicht durch die Tr eingetreten sind und ihre Tr nicht in einen Innenraum fhrt. Denn der Herr sagt: Ich bin die Tr, durch mich tritt man ein (Joh 10,7.9). Wer sind diejenigen, die eintreten? Die den Ruhm des Herrn suchen, nicht den eigenen. Wer tritt durch die Tr ein? Diejenigen, die tun, was gesagt ist: Verkndet unter den Vçlkern seinen Ruhm! Wer durch die Tr eintritt, ist der Hirte der Schafe, sagt der Herr. Wer aber auf einem anderen Weg (pars) hineinsteigt, ist ein Dieb und Ruber. Wer durch die Tre eintritt, ist demtig; wer auf einem anderen Weg hineinsteigt, ist hochmtig. Deshalb sagt er von dem einen, er trete ein, von dem anderen, er steige hinein. Aber der eine wird um seines Eintretens willen aufgenommen, der andere strzt bei seinem Hineinsteigen ab.

27 28 29 30 31

Augustin, Epistulae 52,2; 49. A.a.O. 23,7. A.a.O. 208. A.a.O. 93. Augustin, De secta Donati 16,42; 13,32.

616

Wolfgang Wischmeyer

Augustins Polemik gegen die donatistische Exegese, die im Alten Testament Nordafrika als exklusiven Wohnsitz Gottes und der unkontaminierten Kirche begrndet sieht, findet auf sehr unterschiedlichen Ebenen und mit sehr unterschiedlichen Argumenten statt, angefangen mit solchen, dass Africa zwar im Sden liegt, aber nicht der Sden ist.32 So wirft Augustin in Predigten den Donatisten vor, sie glaubten, Gott sei allein in Africa, habe sich gewissermaßen nach Africa zurckgezogen, herrsche allein noch in Africa und werde auch dann von dort zum Gericht kommen.33 In der augustinischen Auslegung des Johannesevangeliums finden wir donatistische oder Donatisten in die Schuhe geschobene Bemerkungen, die wir auch in unserer Psalmenauslegung wieder finden werden: Christus sei nur gekommen, um Africa zu erlçsen und er regiere nur in Africa (in Joh 13,3. 14), an anderer Stelle in den ,Enarrationes’: „Ecclesia Christi pars Donati est“.34 Dem sucht Augustin entgegenzustellen: „Chorus Christi ab oriente in occidente consonat“.35 Diese Exegese steht ganz in der Stimmung derjenigen unseres Ps 95LXX. Die weit ber die Freude an der Rhetorik hinausgehende Ernsthaftigkeit zeigt die Aufnahme des Gleichnisses vom verlorenen Sohn in unsere Predigt und die daran anschließenden Fragen. Ich zitiere: Sehr undankbar ber ihren Preis oder aber viel zu bermtig sind die, die sagen, entweder sei jener Preis so klein, dass er nur die Afrikaner erlçst habe, oder aber sie selbst seien so groß, dass der Preis fr sie allein gegeben sei. Sie mçgen also nicht jubeln, nein, sie sind ja schließlich hochmtig: wieviel er gegeben hat, das hat er fr das Ganze gegeben. Er weiß, was er gekauft hat, weil er weiß, fr wie viel er gekauft hat. Die Menschen wurden nmlich als Gefangene unter dem Teufel gehalten und dienten den Dmonen; aber sie sind aus der Gefangenschaft erlçst worden. Sie konnten sich verkaufen, aber sie konnten sich nicht erlçsen. Es kam der Erlçser und zahlte den Preis; er vergoss sein Blut, er kaufte den Erdkreis. Fragt ihr, was er gekauft hat? Seht, was er gegeben hat, und ihr findet, was er gekauft hat. Das Blut Christi, das ist der Preis. Was ist es wert? Was, wenn nicht der ganze Erdkreis? Was, wenn nicht alle Vçlker?

Ich komme zum Schluss. Augustin verteidigt in unserer Predigt wie in zahlreichen anderen Schriften die Katholizitt der Kirche gegen die Donatisten. Er tut dies auf der Basis von Texten der christlichen Bibel. Dabei steht der Psalm 95 LXX als Predigttext, der Vers fr Vers ausgelegt wird, dominant im Vordergrund. Seinem Auditorium ist dieser Text aus dem von ihm gesungenem Psalmengesang der Liturgie dieses Gottesdienstes bekannt. 32 33 34 35

A.a.O. 16,41. Augustin, Sermones 46. Augustin, Enarrationes in Psalmos 49,3. A.a.O. 149,7.

Polemik bei Augustin

617

Die Polemik nach außen gegen die getrennte Gruppe, die die Predigt nicht hçrt und wahrscheinlich auch nicht liest, hat im Predigtauditorium ihren primren Rezipienten, der ber grundlegende Sachverhalte aufgeklrt werden soll, die zur augustinischen Ekklesiologie gehçren. Der Bischof versteht die Kirche als eine Grçße, die – da von Gottes Barmherzigkeit und Liebe bestimmt – alle politischen Gebilde sprengt und letztendlich zu einem Universum aller Menschen fhrt. Demgegenber zeigt sich aus der Perspektive Augustins bei den Donatisten eine Reduktion der ursprnglichen Dimension des Evangeliums auf einen geographisch kleinen und soziologisch schwer zu bestimmenden Kreis. Dies ist ekklesiologisch eine Perversion, deren Grund er in der – sagen wir es wieder in der augustinischen Terminologie – superbia und im amor sui sieht. Das fordert seine Polemik heraus. Wogegen Augustin polemisiert, drfen wir wohl heute mit Nationalismen, Traditionalismen und Konventionen oder auch Selbstfindungen und Selbstbesttigungsstrategien identifizieren. Er selbst nennt davon bestimmte Menschen „quakende Frçsche“, eine polemische Tiermetapher der Fabel, die Prudentius fr die Gçtterkritik gebraucht und die ganz allgemein den Toren bezeichnet. Die ganze Welt habe Scheu vor seinem Anlitz! Sagt es unter den Nationen: Der Herr hat vom Holz her regiert. Und er hat den Erdkreis zurecht gebracht, der nicht bewegt werden wird. Welche Zeugnisse zum Bau des Hauses Gottes! Es donnern die Wolken der Himmel ber den ganzen Erdkreis, dass das Haus Gottes gebaut wird, und die Frçsche aus dem Sumpf quaken: Wir allein sind Christen. Was fr Zeugnisse bringe ich dafr vor? Die des Psalters. Ich bringe vor, was du als Tauber singst. ffne deine Ohren! Du singst dieses, du singst mit mir – und du stimmst doch nicht mit mir berein. Deine Stimme lsst ertçnen, was meine Stimme ertçnen lsst, und doch stimmt dein Herz nicht mit meinem Herzen zusammen. Singst du das wirklich? Sieh auf die Zeugnisse des Erdkreises: Die ganze Welt habe Scheu vor seinem Anlitz! Und du sagst, du hast keine Scheu? Sagt unter den Nationen: der Herr hat vom Holz her regiert. Oder werden gerade hier die behaupten und sagen, sie regieren vom Holz her, die mit den Knppeln der Circumcellionen regieren? Vom Kreuz Christi her regiere, wenn du vom Holz her regieren willst. Denn dieses dein Holz macht dich zu einem hçlzernen: das Holz Christi lsst dich das Meer berqueren. Du hçrst den Psalm sagen: Er hat den Erkreis zurecht gebracht, der nicht bewegt werden wird, und du sagst, es gbe nach diesem Zurechtbringen nicht nur eine Bewegung, sondern eine Verminderung. Sagst du wirklich, dass er lge? Wenn die Pseudopropheten schreien: Siehe hier ist Christus, siehe er ist dort, sagen sie also Wahres, und der Prophet lgt? Brder, gegen die so deutlichen Stimmen hçrt ihr in den Ecken das Geflster: Dieser hat ausgeliefert und verraten und jener hat ausgeliefert und verraten. Was sagst du? Mssen deine Worte gehçrt werden oder die Worte Gottes? Denn er hat den Erdkreis zurecht gebracht, der nicht bewegt werden

618

Wolfgang Wischmeyer

wird. Also zeige ich dir den Erdkreis, der gebaut wurde. Nimm die Opfergabe, tritt ein in die Vorhçfe des Herrn. Du hast keine Opfergaben und willst deshalb nicht eintreten. Was soll das heißen? Wenn Gott dir als Opfergabe einen Stier, einen Ziegenbock oder einen Widder anzeigte, dann wrdest du finden, was du herbei tragen kçnntest. Er zeigte dir aber ein demtiges Herz an, und du willst nicht eintreten. Das aber findest du in dir nicht, weil du von Hochmut angeschwollen bist. Denn er hat den Erdkreis zurecht gebracht, der nicht bewegt werden wird. Er wird die Nationen mit gerechtem Urteil richten. Dann werden alle klagen, die ein gerechtes Urteil nicht lieben.

Die hier angeschlagene Thematik des Endgerichtes, die Augustin in den Psalm hineinliest, dominiert unsere Predigt in der ganzen zweiten Hlfte bis an ihr Ende, wie sie ja bis auf den heutigen Tag fr Predigtschlsse nicht ungewçhnlich ist. Die Gerichtsdrohung droht dem ganzen Erdkreis; auch Afrika, auch die pars Donati sind davon nicht von Natur und durch die Gnade der geographischen Lage ihrer Geburt ausgenommen. Vielmehr sind sie genauso iniusti, sind sie genauso Lgner wie alle anderen Menschen und wie diese auf Barmherzigkeit angewiesen. Das am Anfang der Predigt im Zusammenhang mit dem unter den Hçrern sitzenden Bischof Severus von Mileve betonte evokative „quantum donat dominus!“ erhlt hier seine universale Bedeutung. Die gçttliche Barmherzigkeit ist aber eine formative: Alle Menschen mssen dieser gçttlichen Barmherzigkeit konform sein. Dabei kann Barmherzigkeit aber nur gezeigt werden, weil Gott Barmherzigkeit gezeigt hat. So wird alle menschliche Barmherzigkeit zur Rckgabe dessen, was Gott gegeben hat. Hier bildet „quid enim habes, quod non accepisti?“ (1Kor 4,7), ein Lieblingsziat Augustins, mit dem er gesttzt auf die Autoritt des Paulus besonders gern in den antipelagianischen Schriften argumentiert, einen deutlichen Schlussakzent, der das Ende der Predigt signalisiert. Gott opfert man, was man von ihm hat, und das sind Barmherzigkeit, Demut, Bekenntnis und Friede. Das ist der wahre Tugendkatalog und damit auch die einzig Gott genehme Opfergabe. Allein wenn man sie hat, kann man sicher das Kommen des Richters erwarten. All dies aber gehçrt zu dem, was hier der Prediger Augustin mit vielen polemischen Stichen den Donatisten abspricht. So kann er mit der Drohung des Gerichtes und der ewigen Vernichtung enden, indem er seine Hçrer mahnt und strkt und auf die, gegen die er als iniustus und mendax polemisiert, die aber natrlich nicht anwesend sind, ein letztes Mal den Psalmvers anwendet: „qui iudicabit orbem terrarum in aequitate et populos in veritate sua.“ Denn er wird den Erdkreis in Gerechtigkeit richten, nicht nur einen Teil, denn er hat keinen Teil erkauft. Den ganzen hat er zu richten, denn er hat fr den ganzen den Preis gezahlt. Ihr habt das Evangelium gehçrt, dass er, als er gekommen ist, sagte, er werde seine Erwhlten von den vier Winde her zusammenfhren (Mk

Polemik bei Augustin

619

13,27). Er sammelt alle Erwhlten von den vier Winden her, also aus dem ganzen Erdkreis. Ich habe anderswo schon gesagt36, dass in der griechischen Sprache Adam der Erdkreis bedeutet. Die vier Buchstaben sind A, D, A und M. Auf Griechisch haben nun die vier Erdteile diese Anfangsbuchstaben: (Amatok¶m nennen sie den Orient, D¼sim den Occident, 7Aqjtom den Norden und Lesglbq¸am den Sden. Damit hast du Adam. Er war an einem Ort, ist gefallen, und obwohl er auf gewisse Weise dadurch kleiner geworden ist, hat er den Erdkreis gefllt. Aber die Barmherzigkeit Gottes sammelt von berall her die Bruchstcke, schmiedet sie im Feuer der Liebe zusammen und macht, was zerbrochen war, zu einem. Jener Knstler versteht es, das zu machen. Keiner mçge daran zweifeln. Es ist freilich eine große Aufgabe, aber ihr wisst, wer der Knstler ist. Der macht es wieder gut, der es gemacht hat; der restauriert es, der es geformt hat. Er wird den Erdkreis richten in Gerechtigkeit und die Nationen in seiner Wahrheit. Was ist Gerechtigkeit und Wahrheit? Er wird die Erwhlten um sich sammeln zum Gericht, die brigen aber wird er davon trennen. Dabei wird er die einen zu seiner rechten und die anderen zu seiner linken Seite aufstellen (Mt 25,31 – 46). Was aber ist gerechter, was wahrer als das, dass diejenigen keine Barmherzigkeit vom Richter erwarten drfen, die nicht barmherzig handeln wollten, bevor der Richter kam? Die aber barmherzig handeln wollten, werden mit Barmherzigkeit gerichtet. Denn er wird denen, die zu seiner Rechten stehen, sagen: Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters, nehmt das Kçnigreich ein, das euch bereitet ist seit Anbeginn der Welt. Und er rechnet die Werke der Barmherzigkeit zu: Ich habe gehungert, und ihr gabt mir zu essen; ich habe gedrstet, und ihr habt mich getrnkt usw. Was rechnet er denen, die auf der linken Seite stehen, zu? Dass sie keine Barmherzigkeit tun wollten. Und wo werden sie hingehen? Geht ins ewige Feuer! Dieses bçse Wort wird ein großes Seufzen machen. Aber was sagt ein anderer Psalm: In ewigem Gedchtnis wird der Gerechte sein; vor dem bçsen Wort wird er keine Furcht haben (Ps 111,7). Was ist dieses bçse Wort? Geht in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist. Wer sich ber das gute Wort freut, wird keine Furcht vor dem bçsen Wort haben. Wie sie sich ber das gute Wort freuen werden: Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters!, so werden sie sich auch nicht frchten vor jenem Wort: Geht in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln. Das ist Gerechtigkeit, das ist Wahrheit. Nmlich er wird richten den Erdkreis in Gerechtigkeit und die Nationen in seiner Wahrheit. Wird etwa, weil du ungerecht bist, der Richter nicht gerecht sein? Oder weil du ein Lgner bist, die Wahrheit nicht wahrhaftig sein? Wenn du aber Barmherzigkeit erlangen willst, dann sei barmherzig, ehe er kommt! Erlass die Schulden, wenn bei dir etwas geliehen ist, gib von dem, was du im berfluss hast! Denn von wessen Gut gibst du, wenn nicht von seinem? Wenn du von dem deinen geben wrdest, dann wre es eine Spende; wenn du es aber von seinem gibst, so ist es nur eine Rckgabe. Was aber hast du denn, was du nicht empfangen hast (1Kor 4,7)? Das sind die Gott angenehmsten Opfergaben: Barmherzigkeit, Demut, Bekenntnis, Friede, Liebe. Lasst uns diese herbeibringen, und wir werden die Ankunft des Richters sicher erwarten, der richten wird den Erdkreis in Gerechtigkeit und die Nationen in seiner Wahrheit. 36 Augustinus, In Iohannis euangelium tractatus 9, 14, 6ff; 10, 12, 4 ff.

620

Wolfgang Wischmeyer

Literatur Berrouard, M.-F., Art. Dilige et quod vis fac, in: Mayer, C. (Hg.), AugustinusLexikon. Band I, Basel 1986 – 1994, 453 – 455. Bright, P., Das Donatistische Schisma bis 390 n. Chr., in: Drecoll, V.H. (Hg.), Augustin Handbuch, Tbingen 2007. Brown, P., Power and persuasion in late antiquity, Madison 1988. Cohick, L.-H., The Peri Pascha attributed of Sardis, Atlanta 2000. Drecoll, V.H. (Hg.), Augustin-Handbuch, Tbingen 2007. Fabisch, P., Julius exclusus coelis, Mnster 2008. Flasch, K. (Hg.), Logik des Schreckens, Mainz 19952. Frend, W.H.C., The Donatists. A Movement of Protest in Roman North Africa, Oxford 1952. Gwynn, D.M., Eusebians: The polemic of Athanasius of Alexandria and the construction of the „Arian Controversy“, Oxford 2007. MacMullen, R., Voting about God, New Haven 2006. Maier, J.-L., Le dossier du donatisme (TU 134/135), Berlin 1987/1989. Mandouze, A., Prosopographie de l’Afrique Chrtienne (303 – 533), Paris 1982. Meier, M., Das andere Zeitalter Justinians, Gçttingen 2003. Meier, M., Justinian (Beck’sche Reihe Wissen), Mnchen 2004. Mller, H., Fiedrowicz, M., Art. Enarrationes in Psalmos, in: Mayer, C. (Hg.), Augustinus-Lexikon. Band II, Basel 1996 – 2001, 804 – 858. Nuding, M., Matthus von Krakau, Tbingen 2007. Opelt, I., Die Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustinus, Heidelberg 1980. Opelt, I., Hieronymus’ Streitschriften, Heidelberg 1973. Pratscher, W., Der zweite Clemensbrief, Gçttingen2007. Rapp, C., Holy Bishops in Late Antiquity, Berkeley 2005. Stauffer, H., Art. Polemik, in: Historisches Wçrterbuch der Rhetorik 6 (2003), 1403 – 1415. Veyne, P., Die griechisch-rçmische Religion, Stuttgart 2008. Williams, F., The Gospel of Judas: Its Polemic, its Exegesis, and its Place in Church History, in: VC 62 (2008), 371 – 403. Wischmeyer, W., Paulus und Augustin, in: Becker, E.-M., Pilhofer, P. (Hg.), Biographie und Persçnlichkeit des Paulus (WUNT 187), Tbingen. 2005.

Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works Maijastina Kahlos Rogo, quid a nobis libere dictum est […] num quem amarior sermo pulsavit? I ask what I have said with excessive freedom […] Have I assailed anyone in bitter terms? Hieronymus, Epistulae 27.2

1. Jerome in pamphlet warfare Jerome of Stridon (346 – 420) was notorious for his vitriolic wit, polemic and satire already in his own time. His contemporaries both appreciated and reproached him as a skilful polemicist. Jerome was himself aware of his inclination to be drawn into ceaseless controversies.1 Modern scholars have portrayed him as “irascible to the point of morbidity” and described “his inherently irascible and intolerant personality” and his pleasure in insulting others.2 1

2

Jerome’s contemporaries were Sulpicius Severus (dialogi 1.21: verum haec describenda mordacius beato Hieronymo relinquamus) and Palladius (historia Lausiaca 36.6 on Jerome’s malevolence). Jerome (Epistulae 45.2) tells us how in Rome people regarded him as an infamous and slippery turncoat, a liar and a deceiver using Satanic arts (Ego probrosus, ego versipellis et lubricus, ego mendax et Satanae arte decipiens). For general introductions of Jerome’s life, see Kelly, Jerome, and Rebenich, Jerome. Kelly, Jerome, 55: “He was also Jerome – self-willed and sharp-tongued, irascible to the point of morbidity”; also 25: “We may suspect, however, that, not for the last time, his passionate temperament, his tactlessness, or his uncontrollable tongue, or some combination of these, had landed him in some major imprudence, some disastrous indiscretion”; also 110: “Self-knowledge and self-criticism seem to have been almost completely lacking to him”. Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 197: “his inherently irascible and intolerant personality”; also 11: “Jerome’s proud and irascible nature”; also 187: “satire degenerates into choleric malevolence”. Grtzmacher, Hieronymus I, 14; I, 156: “er hatte geradezu Freude daran, andere zu verletzen”; also Grtzmacher, Hieronymus II, 210: “Hieronymus kennt die Menschen zwar nur von einer Seite, nmlich von der schlechten”.

622

Maijastina Kahlos

The present article examines the rhetorical strategies in Jerome’s polemical writings, Dialogus contra Luciferianos (in 378/379), Adversus Helvidium (in 383), Adversus Iovinianum (in 393), Contra Iohannem Hierosolymitanum (in 395/396), Apologia adversus libros Rufini (in 401), Contra Vigilantium (in 406) and Dialogi adversus Pelagianos (in 415). His letters and exegetical works are used as comparative material.3 The most vehement invectives rise in the situations of contention with Jovinian, Vigilantius and Rufinus. In these controversies between Jerome and his competitors, theological issues and personal aversions, clerical ambitions and rivalry for spiritual leadership were inseparably intertwined. It is noteworthy that Jerome and his opponents competed with each other for attention and financial resources within the same Christian aristocratic circles.4 Jerome’s polemic and satire have been meticulously analysed by Ilona Opelt and David Wiesen. Opelt has carried out a structural analysis of Jerome’s seven polemical works and scrutinized the elements of his argumentation (such as exordia, questions, anaphors, antitheses and irony), whereas Wiesen has introduced Jerome’s satire as targeting specific groups. Furthermore, Benedetto Clausi has examined Jerome’s use of 3

4

The overviews of the polemical works: Dialogus contra Luciferianos: Canellis, Saint Jr me et les Ariens, 155 – 194, Canellis, Jrome. Dbat entre un Lucifrien et un orthodoxe, 28 – 54; Kelly, Jerome, 62 – 64; Adversus Helvidium (in 383): Milazzo, L’utilizzazione della scrittura nell’“Adversus Helvidium” di Gerolamo, 21 – 24, Hunter, Marriage, Celibacy, and Heresy in Ancient Christianity, 188 – 192, Hunter, Helvidius, Jovinian, and the Virginity in Late Fourth-Century Rome, 47 – 50, Kelly, Jerome, 105 – 109; Adversus Iovinianum (in 393): Hunter, Rereading the Jovinianist Controversy; Hunter, Marriage, Celibacy, and Heresy in Ancient Christianity, 24 – 30, 230 – 234, Duval, L’affaire Jovinien, 97 – 111, Clark, The Origenist Controversy, 130 – 132; Contra Iohannem Hierosolymitanum (between 395 – 399): de Vog, Histoire littraire du movement monastique dans l’antiquit, 16 – 48, Clark, The Origenist Controversy, 132 – 137, Kelly, Jerome, 206 – 209; Apologia adversus libros Rufini (in 401 – 402 or 402 – 403): Clark The Origenist Controversy, 137 – 148, de Vog, Histoire littraire du movement monastique dans l’antiquit, 69 – 77, Kelly, Jerome, 232 – 258; Contra Vigilantium (in 406): Hunter, Vigilantius of Calagurris and Victricius of Rouen, 401 – 410, Kelly, Jerome, 286 – 290; and Dialogi adversus Pelagianos: Clark, The Origenist Controversy, 221 – 227, Kelly, Jerome, 309 – 322. For the networks of hostility and friendship within the Christian elite, see Clark, The Origenist Controversy, esp. 11 – 42, 246 – 247, Hunter, Marriage, Celibacy, and Heresy in Ancient Christianity, 73 – 74, 242, Hunter, Rereading the Jovinianist Controversy, 454, Maier, The Topography of Heresy and Dissent in Late-Fourth-Century Rome, 232 – 249. Clark, The Origenist Controversy, 14 refers to non-theological issues lying beneath the surface of the Origenist controversy.

Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works

623

Bible in his polemical writings and Ben it Jeanjean has analyzed Jerome as polemicist and heresiologist.5 My approach is somewhat different. Instead, I focus on discussing which rhetorical strategies Jerome uses to construe a particular image of an opponent and to undermine the opponent’s position, thus reinforcing his own position.

2. Weakening opposing arguments Jerome’s polemical works against Rufinus, Helvidius, Jovinian, Vigilantius and John of Jerusalem are targeted against specific writings of the opponents. In Against Jovinian he announces that he goes through item by item the antagonist’s work that he aims to refute.6 One of Jerome’s ways of repudiating opposing arguments was to label them as inconsistent and even paradoxical. An antagonist’s reasoning is refuted by describing its consequences ad absurdum. 7 For instance, Jerome uses this method in his dismissal of Jovinian’s claim that God has designed animals for humans as nutrition and therefore it is wrong to abstain from eating them (as ascetics did). Jerome reasons that if everything that moves and lives was made for food and prepared for the stomach, then why were animals such as elephants, lions, leopards and wolves created? In order to embarrass his adversary, Jerome continues the list with vipers, scorpions, bugs, lice and fleas, vultures, eagles, crows, hawks, whales, dolphins, seals and small snails. Neither do people eat the flesh of lions, vipers, vultures, storks, kites or worms. Then he proceeds to argue that God did not create animals for nutrition but for medical uses.8 5

6 7 8

For the structural analysis of Jerome’s polemical works, see Opelt 1973, 13 – 154, and for the elements of Jerome’s rhetoric, see Opelt 1973, 155 – 196. Wiesen classified Jerome’s polemic as targeted against contemporary society, churchmen, women, heretics, Jews and pagans, and finally personal enemies. Claudi 1997, 39 – 79; Jeanjean, Saint Jr me entre polmique et hrsiologie, 143 – 153. E.g., contra Iovinianum 1.4. For Jerome’s argumentation against specific writings, see Opelt 1973, 156 – 159. Opelt 1973, 170 – 171 calls this method Verdeutlichung. Other examples: contra Iovinianum 1.33; contra Pelagianos 1.23; contra Rufinum 2.12. Contra Iovinianum 2.6. What is interesting in both Jerome’s and Jovinian’s argumentation is that neither argues for the existence of animals for their own sake. Both writers are boxed into justifying the existence of animals for the use of humans. The ad absurdum method is closely related to the straw man strategy in which rival views are twisted into a simplified construction that is more painless to contest.

624

Maijastina Kahlos

3. Intellectual disqualification Opposing views could be labelled as intellectually dubious in many other ways, too. Jerome depicts Jovinian’s and Rufinus’ arguments as so preposterous that one cannot refrain from laughing at them.9 Furthermore, rivalling opinions are ridiculed as old-womanish. When defending himself against the insinuations made by Rufinus, Jerome asserts that he will not lower himself to the stupidities of old-womanish quarrels (anilium iurgiorum deliramenta), even if he could for his turn throw mischievous allusions against Rufinus.10 Similarly, in regard to John of Jerusalem, Jerome waves his views aside as the nonsense of old hags (aniles et superfluae cantilenae) and the jokes that nursemaids tell to children (ludicra quaedam afferunt gerulae).11 Here Jerome follows the Roman and Christian traditions of disparaging rivalling views and beliefs as old wives’ tales.12 For his part, Jerome’s views and practices seem to have been labelled as the folly of miserable women (muliercularum deliramenta) by Vigilantius.13 In the strategy of intellectual disqualification, the personality of an antagonist is inseparable from his arguments and vice versa. For instance, the insanity of an opponent generates mad arguments. Jerome portrays his opponents as raving with madness, using terms such as vecordia, rabies, insanum caput and morbus phreneticus. 14 Jovinian is seized with madness to such an extent that he should be bound with chains (Hippocratis 9 Contra Iovinianum 2.28: Quis autem risum tenere queat; contra Rufinum 3.23: risum tenere non possum. Cf. Contra Luciferianos 12 and contra Helvidium 10. 10 Contra Rufinum 3.22. Rufinus had alluded to the obscure circumstances of Jerome’s infamous departure from Rome and his voyage to Palestine in 385. Nonetheless, Jerome turns the accusation into a counter-attack, insinuating that Rufinus could also be blamed for many things. 11 Contra Iohannem 14 and 21; for the discussion on the latter passage, see also n. 66. 12 In a similar way Paulinus of Nola, for instance, labels the opinions of Platonists as ridiculous fables of old women (epistulae 16.4): ridiculam anilis fabulae cantilenam; also epistulae 1.9: aniles quaestiones. Roman and Christian writers respectively despised popular and rivalling religious practices as old-womanish superstitions, aniles superstitiones; Ammianus Marcellinus, Res gestae 21.16.18: anilis superstitio; Lactantius Institutiones Divinae 5.2: cohibita impia et anili superstitione; Firmicus Maternus, De errore profanarum religionum 17.4. For the technique, see also Kahlos, Debate and Dialogue, 73 – 74. 13 Contra Vigilantium 12. Jerome implies that Vigilantius might deride his views as muliercularum deliramenta. See also n. 57. 14 Consueta vecordia: Contra Iovinianum 1.26; rabies: contra Helvidium1; insanum caput: contra Vigilantium 5; arreptum morbo phrenetico: Contra Iovinianum 1.3.

Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works

625

vinculis alligandum).15 Jerome seems to have regarded this slander as so effective that he also employs it in reviling Vigilantius, who has lost his head and therefore needs to be bound with chains.16 If the opponent is not raving with madness, he is at least stupid and ignorant.17 Jovinian is characterized by his customary stupidity (illa solita stoliditate). Nonetheless, Jovinian’s foolishness does not hinder Jerome from reviling Jovinian as a cunning debater (callidus disputator).18 Those who criticized Jerome’s revisions of the old Latin versions of the gospels were two-legged asses (ad nostros bipedes asellos) for whom he should blow a trumpet because a lyre would not affect them.19 In Rufinus’ case Jerome’s abuse is at its harshest: when mocking his ignorance, Jerome states that in fact all of Rufinus’ writing should be destroyed.20 Irony is one of Jerome’s ways of deriding Rufinus, whom he calls the column of wisdom (sapientiae columen).21

15 Contra Iovinianum 1.3: Nonne vel febrem somniare eum putes, vel arreptum morbo phrenetico, Hippocratis vinculis alligandum? Jerome refers to the chains that were recommended for mental patients in medical literature. 16 Contra Vigilantium 4: hominem moti capitis, atque Hippocratis vinculis alligandum. 17 Extreme ignorance: e. g., contra Helvidium18; 1: homo rusticanus et vix primis litteris imbutus. 18 Contra Iovinianum 1.25; also stulte. Cf. Contra Iovinianum 2.21: ad perversitatem sui dogmatis callidus disputator inclinat. The inconsistency in Jerome’s depiction of Jovinian is also pointed out by Opelt 1973, 59 n. 172. 19 Epistulae 27.3. For the context of the dispute, see Hunter, Marriage, Celibacy, and Heresy in Ancient Christianity, 161 and Kelly, Jerome, 89. For the use of animal metaphors, see the discussion below. 20 Contra Rufinum 3.26: omnis tibi scriptura delenda est. Jerome accuses Rufinus of teaching what he does not know and writing what he is ignorant of – that is, of admitting to a certain level of uncertainty. Jerome also derides Rufinus for confessing ignorance on the origin of the soul: contra Rufinum 3.30; see Clark, The Origenist Controversy, 222; Frst, Augustins Briefwechsel mit Hieronymus, 208. 21 Contra Rufinum 1.13: sapientiae columen et norma Catonianae severitatis. This is reminiscent of Cicero’s columen rei publicae (pro Sestio 8.18). Opelt 1973, 89 n. 57.

626

Maijastina Kahlos

4. Barbarous language Attacks against an opponent’s language and style are a significant part of Jerome’s polemic. This is an effective way of questioning intellectual credibility – if one cannot write elegantly, one cannot think properly – and diverting attention from substance to style. The most callous critique is targeted against Jovinian’s style. Jerome states that he could not even understand what Jovinian had written – so great was the barbarity (scriptorum tanta barbaries est) of his writings and so filled with mistakes (tantis vitiis spurcissimus sermo confusus est) was his depraved language.22 At one moment Jovinian puffs himself up, but at another he is down to earth. This is how Jerome describes Jovinian’s style, comparing him to an injured snake that now and then tries to rise up but must give up in its attempt. In this way Jerome implies that the grand style is too much for Jovinian, who nonetheless is not satisfied with human language but tries to aim higher than he can reach.23 Jerome sums up in quoting Horace, “the mountains will be in labour, and a ridiculous mouse will be brought forth” (Parturient montes, nascetur ridiculus mus).24 Jerome culminates his attack by comparing the rival’s writing with vomiting (quod hesternam crapulam ructans, ita evomuit).25 Jerome parallels Vigilantius’ writing with vomiting, too.26 Furthermore, he connects his derision of Vigilantius’ style with Vigilantius’ low social origins as the son of a tavern keeper from the Aquitanian Calagurris. Vigilantius comes from Calagurris, the birthplace of one of the

22 Contra Iovinianum 1.1. Jovianian’s style is also called portenta verborum and descriptionis dedecus (Contra Iovinianum 1.3). See also Clausi, Bibbia e polemica negli scritti controversiali di Gerolamo, 46 and Jeanjean, Saint Jr me entre polmique et hrsiologie, 145 – 147. 23 Contra Iovinianum 1.1: Totus enim tumet, totus iacet: attollit se per singula, et quasi debilitatus coluber, in ipso conatu frangitur. Non est contentus nostro, id est, humano more loqui, altius quiddam agreditur. For Jerome’s attack on style, see Opelt 1973, 38 and Kelly, Jerome, 183. 24 Contra Iovinianum 1.1, quoting Horace’s Ars poetica v. 139. In referring to the incomprehensibility of Jovinian’s text, Jerome also quotes Plautus’ Pseudolus on the impenetrability of Sibylla’s prophecies; in order to understand Jovinian’s obscurity, one should be able to prophesize (nam divinandum est). 25 Contra Iovinianum 1.1. Here Jerome follows the tradition of Roman invectives in which the opponent’s literary production is labelled as nausea or vomitus, e. g., Cicero, Orationes Philippicae 5.7.20. Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 217; 223. 26 Contra Vigilantium 3: libros […] quos inter crapulam stertens evomuit.

Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works

627

greatest Roman teachers of eloquence, Quintilian, and this leads Jerome to joke that Vigilantius is a mute Quintilian (mutus Quintilianus).27 Rufinus’ language is also a target of Jerome’s mockery: Rufinus only mumbles in Latin and proceeds at a tortoise’s slow pace. He should return to the school of grammaticus with children to learn eloquence.28 Jerome declares that he takes greater pains in reading Rufinus’ text than Rufinus does in writing it.29 Jerome asserts that he had decided to keep quiet about Rufinus’ miserable language. However, he must pounce on some errors because Rufinus’ disciples esteem their master’s eloquence.30 Jerome is aware that his critique of language might be inopportune in Christian literature. He writes that it is not customary among Christians to reprimand errors of language. However, he justifies his conduct in explaining that in his mockery he will show how irresponsible it is to teach and write what one does not know. The same applies to prudence in thinking. Thus, Jerome implies that faults in language correspond to faults in thinking.31 27 Contra Vigilantium 1: Iste caupo Calagurritanus, et in perversum propter nomen viculi sui mutus Quintilianus miscet aquam vino. For the mixture of wine and water, see below. Either Vigilantius’ father was a taverner or his family was connected with selling wine, but Jerome makes Vigilantius himself a taverner. For more mockery of Vigilantius’s style, see Contra Vigilantium 3: imperitus, et verbis et scientia, et sermone inconditus. 28 Contra Rufinum 1.17. Jerome is attached to this expression of a tortoise’s speed, for he uses it in contra Pelagianos 3.16: testudineo incedens gradu. Cf. Plautus (Aulularia 49): Testudineum istum tibi ego grandibo gradum. Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 179; Opelt 1973, 153 n. 16. 29 Contra Rufinum 1.30: id enim in legendo patior, quod tu pateris in scribendo. Similarly Jerome exclaims that he has more trouble in reviling the text than Rufinus in writing it (contra Rufinum 2.9: Tam putide et confuse loquitur, ut plus ego in reprehendendo laborem, quam ille in scribendo). Mockery of Rufinus’ style is also found in contra Rufinum 2.9: Rogo quae ista licentia figurarum? Quae modorum et temporum perturbatio?; 2.10: O infelices animas, quae tantis vitiorum lanceis vulnerantur!; 2.15; 3.6; 3.10; 3.16; 2.11: verborum portent. For the mockery of an opponent’s uncouthness, see Opelt, Die Lateinischen Schimpfwçrter und verwandte sprachliche Erscheinungen, 230 – 231. 30 Contra Rufinum 2.6: Super verborum vitiis tacere decreveram; sed quia discipuli eius mirantur eloquentiam praeceptoris, pauca perstringam. Before criticizing Rufinus’ style, Jerome (Contra Rufinum 2.5) reproached Rufinus for evading the questions at issue. For the charge of obscuring the real issues, see below. 31 Contra Rufinum 2.10: Scio inter Christianos verborum vitia non solere reprehendi; sed ex paucis ostendere volui, cuius temeritatis sit docere quod nescias, scribere quod ignores: ut simile prudentiam et in sensibus requiramus.

628

Maijastina Kahlos

Furthermore, in the very same chapter Jerome both reproaches Rufinus as an illiterate writer (sumcqave»r !ccqallatºr) and declares that he will not seize on language but arguments. He writes, “I will refute you, not as the user of solaecisms and barbarisms but as a lying, deceitful and impudent man.”32

5. The snares of logic and rhetoric versus Christian simplicity In theological disputes adversaries are often blamed for using rhetorical trickery, traps of dialectic and subtleties of philosophy.33 Jerome satirizes Rufinus as a most eloquent person who plays with rhetorical tricks and pretends simplicity. John of Jerusalem is labelled as using avoidance and deceit.34 In contrast to an opponent’s rhetorical, dialectical, logical and philosophical machinery, Jerome announces that he himself represents Christian simplicity and plain faith.35 In Contra Helvidium he asserts that he neither has any aspiration to enter the camps of eloquence nor makes use of the traps of dialecticians or Aristotle’s thicket. Instead, the very words of Scripture must be brought in.36 Nonetheless, after this declaration he starts his own sophisticated and even complicated production of Biblical evidence, especially in chapter 4. At the end of Contra Helvidium Jerome admits that after all he has been rhetorical and played a little the role of a declamator. This, however, is Helvidius’ fault because he has

32 Contra Rufinum 3.6: et te nequaquam soloecistam et barbarum, sed mendacem, subdolum, impudentem esse convincam. In contra Rufinum 3.10 Jerome returns to Rufinus’ stylistic faults (salebris et voraginibus vitiorum). 33 Heretics were usually labelled as addicted to pagan philosophy and led astray by secular wisdom. For the connection between Greek philosophy and heresy, see Lenox-Conyngham, Ambrose and Philosophy, 120. 34 Contra Rufinum 3.21: homo eloquentissimus arte ludis rhetorica; […] Haec est tua tota simplicitas; Contra Iohannem 19: strophae et praestrigiae; cf. contra Pelagianos 3.12: theatrales praestrigias. Cf. commentarii in Osee 3.12 on the eloquence and tricks of heretics (verbositate et argutiis hereticorum) and commentarii in Ezechielem 2.7 on their pompous words (verba pompatica). 35 For the Christian simplicity in Jerome’s writings, see Lardet, L’apologie de Jr me contre Rufin, 29 – 30. 36 Contra Helvidium 2: Non campum rhetorici desideramus eloquii, non dialecticorum tendiculas, nec Aristotelis spineta conquirimus: ipsa Scripturarum verba ponenda sunt. For the attack against Helvidius’ style, see Kelly, Jerome, 105.

Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works

629

compelled Jerome to this. Nonetheless, Helvidius has been overcome by the truth.37 In Dialogus contra Luciferianos, the interlocutors accuse each other of using rhetorical and logical trickery and discarding Christian simplicity. The ‘Orthodox’ contrasts the core of Scripture and the flowers of rhetoric.38 For his part the Luciferian urges his adversary, the ‘Orthodox’, to leave aside the argumentation of philosophers and speak with Christian simplicity – and not to follow dialecticians but rather fishermen.39

6. A Luxurious Life The moral disqualification of an opponent is standard ammunition in invectives against religious rivals and theological opponents. The purpose is to undermine opponents’ credibility by attacking their moral character. In these attacks, heresy40 was recurrently equated with immorality. Jerome follows these standards, connecting his adversaries with luxury, drunkenness, lingering with women and sexual promiscuity. Jovinian challenged Jerome’s version of asceticism, and therefore, in Jerome’s eyes, he must be loafing in luxury. In one of the most malicious passages Jovinian is depicted as a slave to vice and extravagance (servus […] vitiorum atque luxuriae). He is a dog that has returned to his vomit (canis revertens ad vomitum suum) – this is a frequently used metaphor for heretics and apostates that Jerome applies in labelling him as a renegade monk.41 Jovinian has exchanged his ascetic life for a lavish life: 37 Contra Helvidium22: Rhetoricati sumus, et in morem declamatorum, paululum lusimus. Tu nos, Helvidi, coegisti, […]. 38 Contra Luciferianos11: […] non quomodo Scripturarum medullas ebibant, sed quomodo aurem populi declamatorum flosculis mulceant. Cf. similar mutual charges in contra Pelagianos 1.14; 3.3; 3.7; 3.12. The ‘orthodox’ interlocutor also criticizes bishops who have imbued from worldly learning – de Aristotelis et Platonis sinu – and asserts that the Arian heresy emerges from secular wisdom. The idea that heresy originated from Greek philosophy, especially Platonism, was commonplace in heresiological literature; see Lenox-Conyngham, Ambrose and Philosophy, 112 – 128. 39 Contra Luciferianos14: Oro te ut, philosophorum argumentatio deposita, Christiana simplicitate mecum loquaris, si tamen non dialecticos sequaris, sed piscatores. 40 ‘Heresy’ and ‘heretics’ should be read with inverted commas throughout this article. The same applies to the words ‘pagans’ and ‘paganism’. 41 Contra Iovinianum 1.40. The dog returning to his vomit: Prov. 26.11; see Kinzig, “Trample upon me …”, 92 – 111.

630

Maijastina Kahlos

Jerome lists that Jovinian has abandoned his filthy tunic, bare feet, and simple bread and water for a beaming white garment, smooth skin, for honeyed wine and refined meat dishes, for exquisite sauces, for baths and massages and for taverns. Furthermore, Jerome writes, Jovinian has preferred his belly to Christ (ventrem praeferat Christo). Jerome describes Jovianian as handsome, fat, sleek and bright as if he were a bridegroom (iste formosus monachus, crassus, nitidus, dealbatus et quasi sponsus semper incedens) – this is also a spiteful allusion to Jovinian’s defence of marriage.42 We have no indication that Jovinian abandoned his own ascetic life (despite his defence of the value of marriage and procreation). Nevertheless, Jerome continuously depicts him as a traitor who has transformed from a dirty poor monk to a presumptuous dandy. Several contrasts are drawn between Jovinian’s earlier life as a monk and what Jerome claims is his present life: earlier Jovinian was barefooted, now he walks in shoes, which are even decorated; earlier he wore simple dirty clothes, now he is dressed in fashionable linen and silk. Jovinian’s appearance is depicted as the opposite of an ascetic: his cheeks shine red, his skin glows, and hair adorns his head.43 The naming of Jovinian as Epicurus belongs to these labels of luxury. Jerome calls Jovinian Epicurus noster, who lustfully loiters in his gardens with his youths and women. Jovinian’s adherents are fat, sleek and shining white as well.44 They can always be recognized because they are so handsome, their hair neatly curled and well-groomed, their cheeks nicely ruby,

42 Contra Iovinianum 1.40: Nam cum monachum esse se iactitet: et post sordidam tunicam, et nudos pedes, et cibarium panem, et aquae potum, ad candidas vestes, et nitidam cutem, ad mulsum et elaboratas carnes, ad iura Apitii et Paxami ad balneas quoque ac fricticulas, et popinas se conferat, […]. Crassus, nitidus and dealbatus are also repeated in Contra Iovinianum 2.36. 43 Contra Iovinianum 2.21: Ante nudo eras pede: modo non solum calcceto, sed et ornato. Tunc pexa tunica et nigra subucula vestiebaris, sordidatus et pallidus, et callosam opere gestitans manum; nunc lineis et sericis vestibus, et Atrebatum ac Laodiceae indumentis ornatus incedis. Rubent buccae, nitet cutis, comae in occipitium frontemque tornantur: protensus est aqualiculus, insurgunt humeri, turget guttur, et de obesis faucibus vix suffocata verba promuntur. 44 Contra Iovinianum 2.36: Nunc restat ut Epicurum nostrum subantem in hortulis suis inter adolescentulos et mulierculos alloquamur. Favent tibi crassi, nitidi, dealbati […]. Jerome uses disparaging diminutives such as hortulis, adolescentulos and mulierculos.

Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works

631

and they belong to Jovinian’s herd (de tuo armento), or rather they grunt among his pigs. This is another reference to Epicurus’ school.45 Furthermore, Jovinian’s group is contrasted with Jerome’s flock, from which come the gloomy, pale and dirty as if they were strangers to this world. The grunting of Jovinian’s herd is contraposed with Jerome’s supporters, who keep silent in speech but speak through their appearance and gesture.46 Jerome refers to the popularity of Jovinian’s teaching.47 However, Jerome asserts, this indicates only that many want to fall into their own vices. Jerome again jokes about Epicurus’ pigs, painting a picture of Jovinian’s followers as being fattened to be pork for hell (gehennae succidiae).48

7. Sexual promiscuity and excess The image of the opponent’s luxurious life is closely connected with the denigration of sexual excesses. In Jerome’s rhetoric, Jovinian and Vigilantius, who confronted Jerome’s strand of asceticism and tested his views on virginity, are marked by sexual intemperance and promiscuity. Jerome parallels Jovinian with Basilides, who in the heresiological literature recurrently appears as one of the most renowned heretics. Basilides, the master of luxury and shameful intercourse (magister luxuriae

45 Contra Iovinianum 2.36: Quoscunque formosos, quoscunque calamistratos, quos crine composito, quos rubentibus buccis videro, de tuo armento sunt, imo inter tuos sues grunniunt. For the use of the swine metaphor in the polemic against the Epicureans, see Opelt, Die Lateinischen Schimpfwçrter und verwandte sprachliche Erscheinungen, 233 – 234. Jerome’s mockery is also reminiscent of Horace’s ep. 1.4. v. 15 – 16: Epicuri de grege porcus. 46 Contra Iovinianum 2.36: De nostro grege tristes, pallidi, sordidati, et quasi peregrini huius saeculi, licet sermone taceant, habitu loquuntur et gestu. 47 Contra Iovinianum 2.36: Ne glorieris, quod multos discipulos habeas. The multitude of Jovinian’s followers is contrasted with the small number of Jesus’ disciples (Jesus was even left alone on the cross). In Contra Iovinianum 2.37 Jerome refers to Jovinian’s rich and aristocratic adherents. For Jovinian’s success in aristocratic circles, see Hunter, Marriage, Celibacy, and Heresy in Ancient Christianity, 72 – 73 and Duval, L’affaire Jovinien, 34, 38 – 39. 48 Contra Iovinianum 2.36: Quod multi acquiescunt sententiae tuae, indicium voluptatis est […] plures porci post te currant, quos gehennae succidiae nutrias? Another allusion to Epicurus’ herd is in Contra Iovinianum 2.37, in which Jovinian’s swineherds are richer than the shepherds of Jerome’s group.

632

Maijastina Kahlos

et turpissimorum complexuum), has been transformed into Jovinian.49 In their sexual intemperance Jovinian’s followers are compared to goats and horses. Quoting Jeremiah, Jerome depicts them as mad horses that neigh after women as soon as they see them.50 Jerome also uses other animal metaphors to stress their sexual indulgence: in Jovinian’s bird houses there are not doves but hoopoes, which fly around the whole brothel of filthy debauchery.51 Vigilantius receives his share of Jerome’s mockery. According to Jerome, Vigilantius loosens lust’s bridle and increases the natural ardour of the flesh. Then humans would by no means differ from swine and other brute animals, Jerome states, employing the same passage from Jeremiah with the imagery of mad horses as in his attack against Jovinian.52 In Jerome’s denigration, sexual promiscuity is the outcome of the opposing view. After Jovinian’s teaching, men and women bathe together, and consequently, even the facade of modesty has been uncovered.53 The female entourage of Jerome’s adversaries, Jovinian and Pelagius, are called Amazons.54 In his commentary on Isaiah, Jerome refers rudely to the senate of matrons and women that influence ecclesiastical life. The charge of lingering with women or the insinuation of female influence had been a conventional way of embarrassing a rival in Roman political invectives, and this traditional arsenal was utilized in the polemic between

49 Contra Iovinianum 2.37. Other insinuations of Jovinian’s sexual interests: Contra Iovinianum 1.20; 2.36: Aristippi multitudo as an insinuation of hedonism; see Opelt 1973, 62 n. 192. 50 Contra Iovinianum 2.37: […] et hirci plurimas secum capras trahunt. ‘Equi insanientes in feminas facti sunt’ (Jer. 5:8), statim, ut mulieres viderint, adhinniunt, et impatientiam suam, proh nefas! 51 Contra Iovinianum 2.37: […] in aviariis tuis non turtures, sed upupae nutriuntur, quae tota foetidae voluptatis lustra circumvolent. Lustrum refers both to a nest of wild animals and a brothel. 52 Contra Vigilantium 2: Hoc docuit Dormitantius, libidini frena permittens, et naturalem carnis ardorem, qui in adolescentia plerumque fervescit, suis hortatibus duplicans. […] ut nihil sit quo distemus a porcis, quo differamus a brutis animantibus, quo ab equis, de quibus scriptum est [Jer. 5:8]: ‘Equi insanientes in feminas facti sunt mihi: unusquisque in uxorem proximi sui hinniebat’. 53 Contra Iovinianum 2.36 states that Jovinian has shown his approval for baths for both sexes. 54 Contra Iovinianum 2.37: Amazones exerta mamma, et nudo brachio et genu; contra Pelagianos 1.25: Amazonas tuas; 2.24.

Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works

633

rivalling Christian groups.55 As was discussed above, opposing views were reviled as old-womanish nonsense. The charge of association with women was also used against Jerome’s camp. It is well known that Jerome was also forced to defend himself against the scandals and charges of consorting with aristocratic women in Rome.56 In his treatise Vigilantius had labelled the celebration of vigiliae as stimulating promiscuity, and Jerome must defend the vigiliae against these charges. Jerome also defends himself against Vigilantius’ insinuations against the muliercularum deliramenta, writing that he is not ashamed of having the faith of those women who were the first to see the risen Christ. He declares that Vigilantius is free to belch with the worldly people; he himself will fast with women and religious men. For his part, Jerome makes a counter-offensive associating Vigilantius with the looms of women (inter mulierum textrinas) as well as taverns (in tabernis tuis) and the ignorant mob (vulgus indoctum).57

8. Cheaters, charlatans and liars The opponent’s motives are implied as doubtful and self-seeking. In his denigration of Vigilantius, Jerome explains that Vigilantius as a tavern keeper is worried about the revenue of his taverns. If temperance and sobriety prevail, his taverns will not be profitable. For Jerome, Vigilantius’ greed is evident because Vigilantius wants to prevent payments sent to Jerusalem in usus sanctorum. 58 55 Commentarii in Esaiam 2.3.12 (CCL 73, 52). Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 108. For the insinuations of female influence, see Cooper, Insinuations of Womanly Influence, 150 – 164. 56 E.g., in Epistulae 45.3: matronae et mulieres sint noster senatus. Jerome complains about the indignation that his relations with aristocratic women, especially with the rich widow Paula, aroused in Rome. For Jerome’s circle of women in Rome, see Rebenich, Hieronymus und sein Kreis, 154 – 170 and Arjava, Jerome and Women, 5 – 18. 57 Vigilantius’ charges: contra Vigilantium 9; 12; Jerome’s defence: contra Vigilantium 12: Tu ructato cum saeculi hominibus, ego ieiunabo cum feminis, imo cum religiosis viris. Jerome’s counter-attack: contra Vigilantium 6. 58 Contra Vigilantium 13: ne tabernae tuae lucra non habeant; vigilias diaboli ac temulenta convivia tota nocte exercere non possis. In the same passage Jerome anticipates counter charges of greed against himself. Vigilantius is also labelled as a drunkard in contra Vigilantium 10 – 12. Insinuations of avarice appears also in Contra Luciferianos 2.12.

634

Maijastina Kahlos

Jerome labels his adversaries, especially John of Jerusalem, as deceivers who lead ignorant people astray. When listening to John of Jerusalem, the uneducated populace would not be able to suspect any trick or snare.59 As a cunning disputer Jovinian twists the Scriptural passages to support his teaching.60 He is both one of the predicted Antichrists and the mythical Proteus. As Proteus and as a slippery snake he assumes various portentous forms: he is at the same time both Epicurean in his advocacy of sexual intercourse and gluttony and Stoic in his reckoning of rewards and punishments.61 Moreover, Jovinian is a deceitful charlatan (fictus ariolus) and false prophet. This is evident because false prophets (pseudoprophetae) promise nice things, and the truth is bitter.62 Rufinus in particular is branded as a liar. Jerome declares with irony that he must block his nose in order to escape the torment caused by the odour of Rufinus’ truth and benedictions.63 Furthermore, in his apology against Rufinus, Jerome repeatedly accuses Rufinus of having forged and circulated a letter in Jerome’s name.64 Jerome stresses the insincerity of his adversaries, especially Rufinus and John of Jerusalem, by charging them with evading the real issue. Rufinus is said to abuse Jerome’s simplicity and by his tricks and pomp of 59 Contra Iohannem 24: […] ut auribus illuderet nescientium […] audit vulgus indoctum […] haec audiens indoctum vulgus […] nullam stropham, nullas insidias suspicatur; 27: ad decipiendas aures ignorantium; 36. For cheaters and charlatans in the polemic between philosophical schools, see Johnson, The New Testament’s anti-Jewish Slander and the Conventions of Ancient Polemic, 430 – 431. 60 Contra Iovinianum 2.21: ad perversitatem sui dogmatis callidus disputator inclinat; see also Contra Iovinianum 2.24: perverse et lubrice. 61 Contra Iovinianum 2.21: Simulque miror, quomodo serpens lubricus et Proteus noster in variarum se mutet portenta formarum. Qui enim in coitu et saturitate Epicureus est, subito in retributione meritorum Stoicus efficitur. Cf. Contra Iovinianum 2.33: noster Zeno; 2.36: Epicurum nostrum. This charge also serves to assimilate the opponent with pagan philosophy. Hunter, Marriage, Celibacy, and Heresy in Ancient Christianity, 233. 62 Contra Iovinianum 2.36; 2.37. 63 Contra Rufinum 3.26: Faciam ergo quod praecipis, claudam nares meas, ne veritatis et benedictionum tuarum suavissimo odore crucientur; also 3.16. Rufinus had blamed Jerome for the smell of his sins. The smell alludes to lying. Opelt 1973, 114 n. 242; Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 233. Rufinus appears as a liar in contra Rufinum 2.2; 2.3: pudet me apertissimi mendacii; 3.1; 3.10: ironically homini veracissimo. 64 Contra Rufinum 2.24. For his part, Jerome refutes accusations according to which his adherents had both falsified and stolen Rufinus’ writings (contra Rufinum 3.5; 3.3).

Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works

635

words turns attention from a specific question to other matters.65 John of Jerusalem dodges the real issues: Jerome blames him for escaping the combat zone and for directing “us rustics” off track in the manner of nursemaids who distract children with little jokes when they ask for food. Moreover, when John is asked for a hand, he offers a foot.66 The deceitfulness is made visible in Jerome’s apology against Rufinus, in which Rufinus appears as a false friend. Jerome writes that it is easier to beware of a clear enemy than one who hides under the name of a friend.67 Jerome accuses his opponents of feigning simplicity. Rufinus puts on a pretence of simplicity in vain because Jerome knows his malicious purposes.68 The same applies to John of Jerusalem, whose simplicity is interpreted as mischievousness and a circus performance, such as walking on tiptoe on eggs and spikes.69

65 Contra Rufinum 2.5: sed occupatus in aliis, simplicitate nostra abuteris, et praestigiis pompaque verborum haerere nos non sinis quaestioni. As was mentioned above, Jerome himself draws attention to the style and language of his opponents. 66 Contra Iohannem 16: de scammate et loco certaminis egrediens; 21: sicut parvulis cibum poscentibus, ludicra quaedam afferunt gerulae, ut avocent mentes eorum, sic et tu nos rusticos avocas ad alia; see also n. 11; Contra Iohannem 18: manum peteris, et pedem porrigis. Opelt 1973, 97 – 98; Clausi, Bibbia e polemica negli scritti controversiali di Gerolamo, 47. 67 Contra Rufinum 2.35: nisi quod levius est, professum inimicum cavere, quam hostem latentem sub amici nomine sustinere; also 1.1: Quod sub amici nomine inimici insidias deprehendi? Jerome emphatically repeats the terms of friendship: contra Rufinum 2.34: amice dulcissime; 2.35: ad familiarem meum; 1.10: audi consilium amici; 1.11: amicum quondam tuum; 1.1: frater et collega. 68 Contra Rufinum 1.1: Simplicitatem obtendere non potest, in quo artifex deprehenditur malitia. See also contra Rufinum 1.2 ironically: simpliciter errasse se iurat; simplicitatem tuam; nisi forte eadem simplicitate; 1.9: amice simplicissime. 69 Contra Iohannem 2: Quam ille simplicitatem vocat, ego malitiam interpretor. […] Nunc vero quae ista simplicitas est, quasi super ova et aristas inter theatrales praestigias pendenti gradu incedere; also 22: et simplicitas tua nihil in se habeat quod callide taceas; rusticitate simulata; 28.

636

Maijastina Kahlos

9. The rhetoric of abuse ad personam: appearance, origin and naming Discrediting a rival by ridiculing his or her outward appearance and social origin was part of invective rhetoric in antiquity.70 In the case of Rufinus, Jerome makes a caricature of his former friend’s outward appearance, referring to the wrinkles on his forehead and his knitted eyebrows.71 Vigilantius is described as a drunkard with a red face and foaming lips who is shouting wildly (rubente facie et spumantibus labiis, effrenatisque conviciis).72 In an attack against an adversary whom he only calls by the abusive name Onasus, Jerome tells him to hide his big nose and keep his mouth shut; only then will he look handsome and be a good speaker.73 As was mentioned above, Jerome aims to embarrass Vigilantius by alluding to his origin from the family of a tavern keeper. In fact, in Jerome’s vilification Vigilantius becomes the tavern keeper himself, and his connection with selling wine is repeatedly derided. For instance, Jerome depicts Vigilantius as forming his theology surrounded by cups (inter phialas), cakes (ad placentas) and banquets (inter epulas).74 Furthermore, Jerome scoffs at Vigilantius’ origin from the Aquitanian Gaul and invents savage ancestors for him, the Vectones, Arrabaci and Celtiberi, whom Pompeius conquered centuries ago. Jerome states that Vigilantius originates from among brigands and uses this as a pretext to label Vigilantius as a raider upon the church. Consequently, Vigilantius is associated with barbarity and robbery and branded as an internal enemy.75 Jerome reviles Vigilantius’ cowardly and shameful behaviour during his visit to Jerome’s ascetic community in Bethlehem in 395. The com70 Cicero (De oratore 2.54 – 71; Brutus 47), for instance, discusses the ridiculing of opponents in speeches. Quintilian (Institutio Oratoria 6.3.28) allows insults against adversaries in speeches. The writer of Ad Herennium (1.5) advises the orator to bring opponents into contempt by presenting their weaknesses. Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 168 – 169, 211. 71 Contra Rufinum 1.13: hominem rugosae frontis adductique supercilii; also 1.32: Quid austeritate frontis, et contractis rugatisque naribus. Rugata fronte is one of Jerome’s favourite expressions (commentarii in epistulam ad Ephesios 2.4, PL 26, 525C; commentarii in in epistulam ad Titum 1, PL 26, 601 A). Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 98 – 99; Kelly, Jerome, 253. 72 Contra Vigilantium 10. 73 Epistulae 40. Kelly, Jerome, 110. For the identification of ‘Onasus’, see Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 203 – 205 and Kelly, Jerome, 110. 74 Contra Vigilantium 1. Kelly, Jerome, 289. 75 Contra Vigilantium 4.

Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works

637

munity was awakened by an earthquake in the middle of the night, and Vigilantius was so terrified that he began praying in a completely undressed state, as Jerome malevolently puts it, stripped of tunic and faith (tunica et fide nudus).76 The most abusive insults are hurled at Vigilantius and Rufinus. Jerome calls Vigilantius’ teaching dirty excrement vomited from the abyss of his heart. Rufinus’ views arise from the dung heap of his heart.77 Names are important, and mocking an adversary using defamatory names belongs essentially to the genre of invectives.78 Jerome plays on the name Vigilantius, ‘Awake’, composing a contrasting name Dormitantius, ‘Sleepy’. In fact, Jerome is so fond of his pun that he repeats the name Dormitantius several times in his treatise79 and plays with the verbs dormire (to sleep) and vigilare (to be awake).80 For his part Rufinus is the target of pejorative renaming as Grunnius Corocotta Porcellus, ‘Porky the Grunter’, thus associating him with grunting swines.81 76 Contra Vigilantium 11. Jerome implies that Vigilantius had also been drunk. For the incident, see Kelly, Jerome, 193. 77 Contra Vigilantium 8: de barathro pectoris sui coenosam spurcitiam evomens. Jerome’s abuse is a counter-attack against Vigilantius’ disparagement of the relics of martyrs as filthy. contra Rufinum 3.42: de uno pectoris sterquilinio. Cf. commentarii in Osee 1.15 – 16 (CCL 76, 48). 78 E.g., Cicero, De oratore 2.249 on the puns on names. 79 Contra Vigilantium 1: Exortus est subito Vigilantius, seu verius Dormitantius, qui immundo spiritu pugnet contra Christi spiritum; contra Vigilantium 2; 4; 8; 15; 17; also Epistulae 109.1; 109.3. According to Opelt 1973, 121, Dormitantius as an enthymeme is meant to show that Vigilantius’ name is unjustified. Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 220 aptly remarks that Dormitantius loses much of its force through ceaseless repetition. 80 Contra Vigilantium 5: Vigilantius ebrius et dormiens; 6: vigilans dormis et dormiens scribis; 10: dormiente; 15: Dormitantius vigilabit; 16: Nulla securitas est vicino serpente dormire; 17: Dormitantius […] vigilaverit; also Epistulae 61.4 to Vigilantius. Other puns on names by Jerome are Macarius as the source of unhappiness (Epistulae 127.9) and Melania as “bearing witness to the blackness of her wickedness” (Epistulae 133.3). Clark, The Origenist Controversy, 223, Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 220; Jeanjean, Saint Jr me entre polmique et hrsiologie, 148. 81 Jerome uses the code name Grunnius in, e. g., commentarii in Isaiam, praefatio (CCL 73 A, 465); Epistulae 125.18: Grunnius […] bene nummatus. Jerome also calls Rufinus a scorpion and a many-headed hydra. Clark, The Origenist Controversy, 14; 146 – 149; Jeanjean, Saint Jr me entre polmique et hrsiologie, 150; Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 220, 229. Jerome (Epistulae 138) also renames Pelagius as Catilina, thus connecting him with conspiracy and treachery: see Frst, Augustins Briefwechsel mit Hieronymus, 234 n. 19.

638

Maijastina Kahlos

Names are also used as polemical enthymemata. For Jerome even the etymology of Jovinian’s name is evidence of his wretchedness. Jerome warns his reader to be on guard against Jovinian’s name because it is derived from an idol – the Roman deity Jupiter. Now when the Capitol is in ruins and the temples and ceremonies of Jupiter have perished, why should Jupiter’s name and vices flourish? With his own name Jovinian is branded with a pagan label.82

10. Heretical, Jewish and pagan labels In ecclesiastical disputes, a theological rival was usually discredited by connecting him to a renowned and often already officially condemned heresy. This rhetorical technique, termed reductio ad haeresim,83 was utilized by both Jerome and his opponents. Jerome had to defend his ascetic movement against Jovinian’s charges of heresy. He asserts that he and his associates do not follow the teachings of Marcion, the Manichaeans or Tatian.84 Jerome replies to the accusations of heresy with counter-attacks, for instance, paralleling Jovinian with Basilides, one of the most renowned heretics of earlier centuries. Basilides has transmigrated into Jovinian, Jerome announces.85 For his part Vigilantius is Jovinian in recarnation.86 82 Contra Iovinianum 2.38: Cave Ioviniani nomen, quod de idolo derivatum est. Squalet Capitolium, templa Iovis et caeremoniae conciderunt. Cur vocabulum eius, et vitia apud te vigeant? For arguing with etymologies, see Opelt, Art. Etymologie, 836 – 837. Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 220 n. 62 – 66. For the pagan label, see below. 83 Stead, Rhetorical Method in Athanasius, 131 – 132; Wessel, Cyril of Alexandria and the Nestorian Controversy, 216. 84 Contra Iovinianum 1.3; 2.16. ‘Manichaean’ was frequently used as an abusive term in order to discredit a theological opponent. E.g., Priscillian, Ambrose, Augustine and Jerome were denigrated as Manichaeans. Jerome (Epistulae 22.13) states that anyone who had become pale from fasting could be labelled Manichaean. Hunter, Marriage, Celibacy, and Heresy in Ancient Christianity, 29 – 30, 130 – 146; Hunter, Rereading the Jovinianist Controversy, 457 – 459. 85 Contra Iovinianum 2.37. Jerome depicts ecclesiastical history as a battlefield against heresies. No place in the world where Christianity has expanded has been spared from the windings of the snake, that is, heresy. 86 Contra Vigilantium 1: sic in isto Ioviniani mens prava surrexit. In contra Pelagianos 2.15; 2.24; 3.1; 3.15 the opponent is branded as the successor of Jovinian. Jerome’s strategy is similar to that of Cyril of Alexandria, who paralleled his ecclesiastical rival Nestorius with Arius, which turned out to be a successful strategy

Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works

639

Vigilantius is bundled together with several renowned heresies. Jerome argues that Vigilantius cannot boast of having created a new crime. Here Jerome follows the heresiological tradition that lumped all the heresies together. This was an efficient rhetorical weapon because a writer could place all the varieties of rivalling views in the same category and hit them with one stroke.87 Vigilantius’ heretical label is reinforced with insinuations about the poison that he spreads around.88 Jerome writes that Vigilantius mixes water with wine (miscet aquam vino): this is both an allusion to the tavern keeping of Vigilantius’ father and the charge of mixing the water of heresy with the wine of true doctrine.89 In the disputes between Christian groups, the assimilation of rival views with Jews and pagans, especially pagan philosophy, was a frequently used polemical device. In a few instances, Jerome vilifies the views of his rivals as the blasphemies of the Pharisees.90 Jerome and his opponents connect each other reciprocally with pagan deities, practices or philosophy. Jerome refutes Vigilantius’ accusations, according to which the reverence paid to the relics of holy men, vigils held in honour of martyrs and the burning of tapers were in fact pagan practices.91 Similarly, Jerome denies Jovinian’s claims that Jerome and his ascetic circle are followers of the pagan Empedocles and Pythagoras.92 For his part, Jerome uses Jovinian’s

87

88

89 90 91 92

because Arius’ views had already been condemned: e. g., epistula Cyrilli ad monachos, ep. 1.7; 1.15 (= ACO 1.1.1 pp. 10 – 23); hom. 4 (= ACO 1.1.2 p. 104), oratio ad Theodosium imperatorem (= ACO 1.1.1 p. 79). Wessel, Cyril of Alexandria and the Nestorian Controversy, 189, 263 – 264, 302. Contra Vigilantium 8: ne et in hoc quasi repertor novi sceleris glorieris. contra Vigilantium 6 names Balsamus, Barbelus, Manichaeus (i. e., Mani), Leusiboras and Basilides; contra Vigilantium 8 lists Eunomius, Montanus and again Manichaeus. Contra Vigilantium 1; 8; also Contra Luciferianos15; Contra Iohannem 3. The metaphor of poison is commonplace in attacks against heresies. Jerome declares Rufinus’ views poison and his own an antidote (contra Rufinum 3.8; also 3.43). Cf. Contra Iohannem 1; 25. Rufinus mixes his poison with honey to make it drinkable (contra Rufinum 1.7); cf. Contra Iohannem 3. For theological maladies, poison and antidote, see Elm, The diagnostic gaze, 94 – 95 and Lyman, Ascetics and Bishops, 154 – 155. Contra Vigilantium 1. Cf. Tertullian, De anima 3.2. Contra Iovinianum 1.4: Pharisaeorum […] blasphemias; contra Helvidium18; Contra Iohannem 31; contra Pelagianos 2.25. Contra Vigilantium 10. For the discussion, see Kahlos, The Importance of Being a Pagan, 51 – 57. Contra Iovinianum 2.6. Rufinus (apologia contra Hieronymum 2.13, CCL 20, 93) defamed Jerome for even exceeding pagan profanity in calling his aristocratic

640

Maijastina Kahlos

very name to associate him with the Roman god Jupiter.93 Vigilantius is connected with the Roman deities Mercurius (greed) and Bacchus (drunkenness), who are said to speak in Vigilantius’ person.94 Jerome plays the pagan label against John of Jerusalem, whose doctrine he slanders as the composition of pagan fables (de gentilium fabulis dogma contextum).95 In Contra Vigilantium he even associates his rival with both pagan philosophy and heresy, Porphyry of Tyre and Eunomius.96

11. Outside humanity: demons, monsters and animals The most extreme form of denigration is the demonization of an opponent. Jerome follows the common idea that heresies were the invention of the devil who, after having failed to destroy the church during the persecution, attempted to tear it down in a more intricate way by setting it into confusion through heresies. Jerome labels Jovinian’s views as the teaching of the Antichrist.97 Vigilantius is depicted as fighting with an unclean spirit (immundo spiritu) against Christ’s spirit and utilizing diabolical snares (diaboli […] insidiis). Instead of the standard of the cross, Vigilantius carries the sign of the devil, and demons dwell with him.98 Moreover, it is the unclean spirit (spiritus iste immundus) that drives Vigilantius to write against the martyr cult.99

93

94 95 96 97 98 99

friend Paula the mother-in-law of God (in Jerome’s letter Epistulae 22.20). Clark, The Origenist Controversy, 15; Hunter, Marriage, Celibacy, and Heresy in Ancient Christianity, 233: Kelly, Jerome, 100, 102, 250 – 251. See n. 82. Hunter, Marriage, Celibacy, and Heresy in Ancient Christianity, 233. In Dialogus contra Luciferianos 2, there is an interesting debate between the ‘Orthodox’ and the Luciferian on whether heretics are Christians. The ‘Orthodox’, representing Jerome’s views, regards them as Christians, while the Luciferian considers them pagans. Contra Vigilantium 10. Contra Iohannem 19; cf. Contra Iohannem 32. Contra Vigilantium 10: in morem gentilium impiorumque. Contra Iovinianum 2.21: haec vera est Antichristi praedicatio. Contra Vigilantium 1: Exortus est subito Vigilantius, seu verius Dormitantius, qui immundo spiritu pugnet contra Christi spiritum; contra Vigilantium 4; 5: daemones […] inhabitatores Vigilantii. Contra Vigilantium 10.

Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works

641

In his pretentious exordium of Contra Vigilantium, Jerome likens his adversary to the mythical and biblical monsters that the world has generated, centaurs and sirens, owls and pelicans, Leviathan and Behemoth, Cerberus and the Stymphalian birds, the Erymanthian boar and the Nemean lion, the chimaera and multi-headed Hydra, Cacus and the three-bodied Geryon. In addition to these monsters, there has emerged Vigilantius, who fights against the spirit of Christ.100 Jerome also calls Vigilantius a portent that should be driven back to the end of the world.101 As we have discussed above, Jerome uses metaphors of animals, such as horses, goats, doves and hoopoes, to denigrate his opponents as sexually immoderate. The swine of the Epicurean herd served as the emblem for immoderation, gluttony and promiscuity.102 Animal metaphors also paint an image of an adversary as despicable, harmful, untrustworthy and even perilous creatures. Jerome’s rivals are dogs, foxes, different birds of prey, scorpions and snakes.103 He compares Jovinian and his fol-

100 Contra Vigilantium 1.1: Multa in orbe monstra generata sunt: centauros et sirenas, ululas et onocrotalos in Isaia [13; 24] legimus. Job [3; 40] Leviathan et Behemoth mystico sermone describit. Cerberum et Stymphalidas, aprumque Erymanthium, et leonem Nemaeum, chimaeram atque hydram multorum capitum narrant fabulae poetarum. Cacum describit Vergilius [Aen. 1.8]. Triformem Geryonem Hispaniae prodiderunt. Sola Gallia monstra non habuit, sed viris semper fortibus et eloquentissimis abundavit. Exortus est subito Vigilantius, seu verius Dormitantius, qui immundo spiritu pugnet contra Christi spiritum. Cf. Comentarii in Ezechielem 1 praefatio (CCL 75, 3), in which Rufinus is called hydra multarum capitum. For monsters in polemical literarure, see Opelt, Die Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin, 235. 101 Contra Vigilantium 8: O portentum in terras ultimas deportandum. This expression comes from Cicero (in Verrem 2.1.(15).40: o portentum in ultimas terras exportandum). Opelt 1973, 124 n. 40; Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 186. 102 See n. 51 – 52. 103 Dogs: contra Vigilantium 6; 11; foxes (as the emblem of cunningness): contra Rufinum 3.7; scorpions: contra Rufinum 3.42; Contra Iohannem 8; snakes: Contra Iovinianum 1.3; contra Vigilantium 15 – 16; Contra Iohannem 3; 25. The snake is used as the symbol of heresy. The snake also refers to the snake in the paradise myth: contra Rufinum 3.7. Jerome often reviles Rufinus as a snake (excetra, serpens) or a scorpion: Clark, The Origenist Controversy, 146 – 148, Opelt 1973, 126 n. 55 and Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 234 – 235. For animal imagery, see Opelt 1973, 23, 118; Kelly, Jerome, 168 – 169 and Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 186.

642

Maijastina Kahlos

lowers to birds of prey such as vultures, eagles, hawks and owls, thus reviling Jovinian’s defence of eating meat.104

12. Jerome’s polemic in the tradition of invectives and in the context of his life Jerome’s polemical strategies are keenly anchored to the tradition of invectives, both Graeco-Roman and Christian. Harsh slanders were an essential part of the rhetoric used in courts of law, disputes between religious groups as well as in debates between philosophical schools. Jerome’s invectives against his theological adversaries follow the conventional expressions and elements of this highly stereotypical polemic that had evolved over the course of centuries.105 He utilizes conventional rhetorical material: in his polemical works, there are reminiscences and quotations from Cicero’s speeches as well as Roman satire (Horace, Persius and Juvenal). Much of Jerome’s ammunition was gathered from Christian apologetics and heresiological literature, especially Tertullian.106 Jerome often accuses his opponents of issues similar to those that he himself had been blamed for.107 In many cases, his slanders serve as counter-attack and self-defence, for instance, in the dispute with Rufinus and in the polemic against Vigilantius. Vigilantius had associated Jerome’s ascetic circle with heresy and paganism, and Jerome reacted by launching a counter-offensive (see above). In the controversy between Jerome and Rufinus, both sling mutual charges of love for Origen.108 104 Contra Iovinianum 2.36: omnes sues et canes, et quia carnem amas, vultures quoque, aquilae, accipitres, et bubones. A vulture is often used as the emblem of greed: Opelt, Die Lateinischen Schimpfwçrter und verwandte sprachliche Erscheinungen, 91 n. 8. 105 For the social setting of the polemic in the philosophical schools and religious movements, see Johnson, The New Testament’s anti-Jewish Slander and the Conventions of Ancient Polemic, 429 – 430. 106 For the influence of Roman and Christian literature, Cicero and Tertullian in particular, Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 9 – 10, 72, 122, 133, 137; Opelt 1973, 38, 165, Hunter, Marriage, Celibacy, and Heresy in Ancient Christianity, 12, Duval, Jrome ennemi de l’hrsie, non de l’hrtique, 217 – 218. 107 Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 36 – 38 writes of Jerome’s readiness to attack faults of which he too was guilty. 108 For the controversy, see Clark, The Origenist Controversy, 137 – 141, and for the development of Jerome’s ambiguous relationship with Origen, see Clark, The Origenist Controversy, 122 – 150.

Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works

643

Jerome was defamed for spending his time with aristocratic women in Rome (see above), whereas he accused his opponents of lingering with women, insinuating about their promiscuous behaviour.109 Similarly, Jerome implied that Vigilantius’ motives for his teaching were self-seeking and greedy indeed (see above), while he himself was blamed for self-seeking interests with the wealthy widows and heiresses in his ascetic circle.110 In regard to secular literature, accusations of reading, teaching and cherishing it were hurled back and forth between Jerome and Rufinus.111

13. Jerome’s ideal of polemic In his polemical works and letters Jerome outlines his ideal of proper polemic. The truth must come before rhetorical skill.112 In Adversus Iovinianum he writes that he will proceed by refuting the propositions of his adversary one by one and relying on the evidence of Scripture. In this way Jovinian cannot complain that he has been overcome by eloquence rather than truth.113 Jerome stresses that rumours do not serve as arguments. He wipes out Rufinus’ accusations, commenting that mere after-dinner stories should not be taken as arguments. With a noble disdain, he writes that he could paint Rufinus in the same abusing colours and answer with the same insanity that Rufinus uses, but declines to.114 109 See n. 53 – 54. Jerome (Epistulae 53.7) derides clerics who philosophize on the Scripture with women (inter mulierculas de sacris litteris philosophantur); cf. Epistulae 22.28. Jerome (Epistulae 57.13) also connects Rufinus with the looms of women. It is noteworthy that Jerome never blames his patron bishop of Rome Damasus, for loitering with women; Damasus’ conduct was reproached by his opponents (Collectio Avellana, ep. 1, CSEL 35, 1 – 4). Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 38, 71, 76 – 77, 130, 224; Kelly, Jerome, 109. 110 During Jerome’s stay in Chalcis, rumours were circulated that he had engaged in improper financial gain (Epistulae 17; Kelly, Jerome, 54 – 55). For Jerome’s concern for finances, see Kelly, Jerome, 193. 111 Rufinus’ attack against Jerome’s attachment to secular literature in his apology (apologia contra Hieronymum 2.6 – 9, CCL 20, 87 – 91); Jerome’s self-defence and counter-attacks against Rufinus (contra Rufinum 1.30 – 31; 3.32). Clark, The Origenist Controversy, 15; Kelly, Jerome, 42 – 43; Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 69 – 70, 99. 112 Opelt 1973, 39 n. 24 calls this “Objektivitt in polemischer Kleidung”. 113 Contra Iovinianum 1.4: […] ne querulus garria, se eloquentia magis quam veritate superatum. Cf. contra Helvidium12. 114 Contra Rufinum 2.20: huiuscemodi deliramenta dimittas et prandiorum coenarumque fabulas pro argumento non teneas veritatis. contra Rufinum 3.42: Possem

644

Maijastina Kahlos

For Jerome, the objective of appropriate polemic should not be mere quarrelsomeness and a fervour for victory. He states that the task of a polemicist is to teach rather than win (magis docere quam vincere). Furthermore, he criticizes certain clergymen who are too eager to engage in disputes and who quarrel with puffed-up words.115 A good writer should not be too contentious (contentiosus) and confrontational (pugnax).116 However, Jerome sometimes does acknowledge that he is debating in a competitive way. When replying to Jovinian’s discussion on the purpose of animals, Jerome admits that he replies in the manner of contending boys (puerorum more certantium).117 In Dialogus contra Luciferianos the dispute and arguments between the ‘Orthodox’ and the Luciferian are compared to the squabbling of little children (parvulorum inter se certantium ritu).118 Jerome was heavily criticized for attacking Jovinian in a too crude and violent manner and had to give an explanation for his polemic in his letters; in his defence Jerome states that the belligerent style is more justified in polemical than in instructional works.119 Jerome regards his own rhetorical strategies as proper. He announces that he will not imitate Rufinus and fall into a vile denigration of his opponent. For he who is able to commit filthy things, also speaks filthy words (ille loquatur spurcitias, qui potest spurca committere).120 Jerome justifies his polemic as a defence, for instance, repeatedly in the apology

115

116 117 118 119

120

et ego tuis te coloribus pingere et insanire contra insanientem. Jerome continues to describe Rufinus’ false accusations and insinuations. See also contra Rufinum 3.16. Advice in Epistulae 60.10; clergymen in Epistulae 69.9. As Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 83 points out, Jerome’s own life and writings were filled with violent debates, and yet he censured others for this inclination; also Wiesen, St. Jerome as a Satirist, 173. Contra Luciferianos 11. Cf. contra Helvidium14: contentiosum funem non traho. Contra Iovinianum 2.6. Jerome puts forth an annoying counter-question on the purpose of vipers and scorpions. Contra Luciferianos 11: Igitur, parvulorum inter se certantium ritu, quicquid dixeris, dicam: affirmabis, affirmabo, negabis, negabo! Canellis, Jrome. Dbat entre un Lucifrien et un orthodoxe, 129 n. 3; Opelt 1973, 19 n. 37. Hieronymus Epistulae 48 – 50, esp. 49.2; 49.13: in altero pugnandum, in altero docendum est. Rufinus (apologia contra Hieronymum 2.42) also refers to the great indignation aroused by Jerome’s tractate against Jovinian. Kelly, Jerome, 187; Vuolanto 56 – 57; Hunter, Marriage, Celibacy, and Heresy in Ancient Christianity, 244 – 259; Clausi, Bibbia e polemica negli scritti controversiali di Gerolamo, 41 – 42; Duval, L’affaire Jovinien, 247 – 266. Contra Rufinum 3.1.

Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works

645

against Rufinus.121 He writes that he does not want to appear as if he has started the battle; he is only healing his own wound. The reader must decide who threw the first blow. Jerome compares himself with an animal that has horns, that is, which is able to defend itself.122 He nonetheless is aware that his pamphlet war with Rufinus appears far from sublime in the eyes of their listeners: two old men fighting with each other over heretics.123 Jerome’s motives are pure and justified while his opponent attacks due to malevolence or self-interest.124 He assures the reader that he does not write polemic for amusement, but that he must correct injustice.125 Jerome states several times that he cannot remain silent. Either the need for self-defence or the duty to correct errors compels him to break his silence. The theme of silence also appears in other ecclesiastical writers’ polemical works: for example, Cyril of Alexandria writes that he has kept silence in the past, but now that the high point of evil has been reached, it is urgent to speak openly.126

121 Contra Rufinum passim; e. g., 1.21; 1.22; 2.1; 2.23; 2.24; 2.35; 3.2; 3.3. For Jerome’s defensive technique, see Opelt 1973, 86, 95, 106, 116, 128 – 129, 140. 122 Contra Rufinum 1.5: ne prior laesisse videar, qui et vulneratus nequaquam contra persecutorem tela direxi: sed meo tantum vulneri admovi manum; 1.31: cornutam bestiam petis. This is reminiscent of Horace (Satirae 1.4.34). Opelt 1973, 163. 123 Contra Rufinum 3.9: Quae enim est audientium aedificatio, duos senes inter se propter haereticos digladiari. Jerome assures the reader that he fights reluctantly. If Rufinus were to cease accusing him, Jerome would cease defending himself. 124 E.g. in Contra Iohannem 1 Jerome assures the reader that he writes, not due to enmity or a desire for glory, but because of Pammachius’ request and the zeal of faith. The adversary’s malevolence, invidia, appears in contra Rufinum 2.14; greed: contra Rufinum 3.4; contra Vigilantium 13. 125 Contra Vigilantium 1: Hac dolentis magis effudi animo quam ridentis, dum me cohibere non possum, et iniuriam apostolorum ac martyrum surda nequeo aure transire; also contra Vigilantium 3. 126 Contra Iohannem 1; contra Helvidium1; contra Rufinum 1.4: quod hucusque silentium modestiae fuerit, non malae conscientiae; also 3.2; 3.3; 3.9: et nisi tu provocares, semper taciturum fuisse. Cf. Cyrilli epistulae 11.1 (=ACO 1.1.5 p. 10). For the silence, see also Duval, Jrome ennemi de l’hrsie, non de l’hrtique, 221.

646

Maijastina Kahlos

14. Concluding remarks Jerome’s own arguments in his polemical works were not particularly elaborate or profound; his theology was closely interwoven with his ascetic aspirations and personal ambitions.127 Against this background, it is understandable that vilification and personal attacks played such a significant part in his attacks. In Jerome’s writing, the classical and Christian tradition of invectives and his perfervid temper became a grave combination. In the controversies concerning the theological views of Helvidius, Jovinian and Vigilantius, for instance, the outcome – the condemnation of their opinions – resulted from different factors, such as ecclesiastical power struggles and the contest for spiritual leadership. Nonetheless, Jerome’s polemic and the construction of an opponent’s image had an obvious impact in these ecclesiastical disputes.

Bibliography Adversus Helvidium: Sancti Eusebii Hieronymi Stridonensis prebyteri opera omnia II (Patrologia Latina 23), Paris 1883. Dialogus contra Luciferianos: Sancti Hieronymi Presbyteri opera. Pars 3, Opera polemica 4: Altercatio Luciferiani et orthodoxi, ed. A. Canellis, (CCL 79B), Turnhout 2000. Jrome. Dbat entre un Lucifrien et un orthodoxe (Altercatio Luciferiani et orthodoxi). Introduction, texte critique, traduction, notes et index par A. Canellis (SC 473), Paris, 2003. Adversus Iovinianum: Sancti Eusebii Hieronymi Stridonensis prebyteri opera omnia II (Patrologia Latina 23), Paris 1883. Contra Iohannem Hierosolymitanum: Sancti Hieronymi Presbyteri opera. Pars 3, 2, Opera polemica 2: Contra Iohannem, ed. J.-L. Feiertag (CCL 79 A), Turnhout 1999. Apologia adversus libros Rufini: Sancti Hieronymi Presbyteri opera. Ps. 3, 1, Opera polemica: Contra Rufinum, ed. P. Lardet (CCL 79), Turnhout 1982. 127 For evaluations of Jerome’s theology in his polemical works, see, e. g., Clark, The Origenist Controversy, 121 – 122, 157 and Kelly, Jerome, 186. Clark, The Origenist Controversy, 121, even argues that in the Origenist controversy against Rufinus, Jerome’s primary concern was to “save his own skin” against charges of Origenism. Similarly, according to Hunter, Marriage, Celibacy, and Heresy in Ancient Christianity, 244, in the Jovinianist controversy, Jerome’s main purpose was to escape the charge of heresy.

Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works

647

Contra Vigilantium: Sancti Hieronymi Presbyteri opera. Pars 3, 5, Opera polemica 5: Adversus Vigilantium, ed. J.-L. Feiertag (CCL 79C), Turnhout 2005. Dialogi adversus Pelagianos: Sancti Hieronymi Presbyteri opera. Pars 3,2, Opera polemica: Dialogus adversus Pelagianos, ed. C. Moreschini (CCL 80), Turnhout 1990. Letters: Sancti Eusebii Hieronymi epistulae I–II. Rec. I. Hilberg (CSEL 45), Wien 19962. Sancti Eusebii Hieronymi epistulae III. Rec. I. Hilberg (CSEL 46), Wien/Leipzig 1918. Saint Jr me. Lettres I–III, ed. J. Labourt, Paris 1949 – 1953. Arjava, A., Jerome and Women, in: Arctos 23 (1989), 5 – 18. Canellis, A., Saint Jr me et les Ariens. Nouveaux elements en vue de la datation de l’Altercatio Luciferiani et Orthodoxi?, in: Les chrtiens face leurs adversaries dans l’occident latin au IVe si cle. d. Jean-Michel Poinsotte (Publications de l’Universit de Rouen), Rouen 2001, 156 – 194. Canellis, A., Jrome. Dbat entre un Lucifrien et un orthodoxe (Altercatio Luciferiani et orthodoxi). Introduction, texte critique, traduction, notes et index par Aline Canellis (SC 473), Paris, 2003. Clark, E.A., The Origenist Controversy: The Cultural Construction of an early Christian Debate, Princeton 1992. Clausi, B., Bibbia e polemica negli scritti controversiali di Gerolamo. Problemi e piste di ricerche. Motivi letterari ed esegetici in Gerolamo, a cura di Claudio Moreschini e Giovanni Menestrina, Brescia 1997, 39 – 79. Cooper, K., Insinuations of Womanly Influence: An Aspect of the Christianization of the Roman Aristocracy, in: Journal of Roman Studies 82 (1992), 150 – 164. Duval, Y.-M., Jrome ennemi de l’hrsie, non de l’hrtique. De la proclamation d’un principe son application pratique, in: Les chrtiens face leurs adversaries dans l’occident latin au IVe si cle. d. J.-M. Poinsotte (Publications de l’Universit de Rouen), Rouen 2001, 211 – 231. Duval, Y.-M., L’affaire Jovinien. D’une crise de la socit romaine une crise de la pense chrtienne la fin du IV et au dbut du V si cle (Studia Ephemeridis Augustinianum 83), Roma 2003. Elm, S., The diagnostic gaze. Gregory of Nazianzus’ theory of orthodox priesthood in his orations 8 De pace and 2 Apologia de fuga sua, in: Orthodoxie, christianisme, histoire. d. S. Elm, . Rebillard et A. Romano (Collection de l’cole franÅaise de Rome 270), Rome 2000, 83 – 100. Frst, A., Augustins Briefwechsel mit Hieronymus (JAC Ergnzungsband 29), Mnster 1999. Grtzmacher, G., Hieronymus. Eine biographische Studie zur alten Kirchengeschichte I–II, Leipzig 1901. Hunter, D.G., Helvidius, Jovinian, and the Virginity in Late Fourth-Century Rome, in: Journal of Early Christian Studies 1.1 (1993), 47 – 71.

648

Maijastina Kahlos

Hunter, D.G., Rereading the Jovinianist Controversy: Asceticism and Clerical Authority in Late Ancient Christianity, in: Journal of Medieval and Early Modern Studies 33.3 (2003), 453 – 470. Hunter, D.G., Vigilantius of Calagurris and Victricius of Rouen: Ascetics, Relics, and Relics in Late Roman Gaul, in: Journal of Early Christian Studies 7.3 (1999), 401 – 430. Hunter, D.G., Marriage, Celibacy, and Heresy in Ancient Christianity. The Jovinianist Controversy, Oxford 2007. Jeanjean, B., Saint Jr me entre polmique et hrsiologie (Du portrait charge l’hrsiologie dans l’Aduersus Heluidium, l’Aduersus Iouinianum et le Contra Vigilantium), in: Les chrtiens face leurs adversaries dans l’occident latin au IVe si cle. d. J.-M. Poinsotte (Publications de l’Universit de Rouen), Rouen 2001, 143 – 153. Johnson, L.T., The New Testament’s anti-Jewish Slander and the Conventions of Ancient Polemic, in: Journal of Biblical Literature 108.3 (1989), 419 – 441. Kahlos, M., The Importance of Being a Pagan, in: Cristianesimo nella storia 31.2 (2009), 51 – 57. Kahlos, M., Debate and Dialogue – Christian and Pagan Cultures, c. 380 – 430, Aldershot 2007. Kelly, J.N.D., Jerome: His Life, Writings and Controversies, New York 1975. Kinzig, W., “Trample upon me …”. The Sophists Asterius and Hecebolius: Turncoats in the Fourth Century A.D., in: Christian Faith and Greek Philosophy in Late Antiquity. Essays in Tribute to G.C. Stead, edited by L.R. Wickham and C.P. Bammel, Leiden 1993, 92 – 111. Lardet, P., L’apologie de Jr me contre Rufin. Un commentaire (Supplements to Vigiliae Christianae XV), Leiden 1993. Lenox-Conyngham, A., Ambrose and Philosophy, in: Christian Faith and Greek Philosophy in Late Antiquity. Essays in Tribute to G.C. Stead, edited by L.R. Wickham and C.P. Bammel, Leiden 1993, 112 – 128. Lyman, J.R., Ascetics and Bishops. Epiphanius on Orthodoxy, in: Orthodoxie, christianisme, histoire. d. S. Elm, . Rebillard et A. Romano (Collection de l’cole franÅaise de Rome 270), Rome 2000, 149 – 161. Maier, H.O., The Topography of Heresy and Dissent in Late-Fourth-Century Rome, in: Historia 44 (1995), 232 – 249. Milazzo, V., L’utilizzazione della scrittura nell’“Adversus Helvidium” di Gerolamo: tra grammatica ed esegesi biblica, in: Orpheus n.s. 1 (1994), 21 – 45. Opelt, I., Art. Etymologie, in: RAC 6 (1966), 797 – 844. Opelt, I., Die Lateinischen Schimpfwçrter und verwandte sprachliche Erscheinungen, Heidelberg 1965. Opelt, I., Die Polemik in der christlichen lateinischen Literatur von Tertullian bis Augustin, Heidelberg 1980. Opelt, I., Hieronymus’ Streitschriften, Heidelberg 1973. Rebenich, S., Hieronymus und sein Kreis: Prosopographische und sozialgeschichtliche Untersuchungen (Historia Einzelschriften 72), Stuttgart 1992. Rebenich, S., Jerome. The Early Church Fathers, London 2002. Stead, C.G., Rhetorical Method in Athanasius, in: Vigiliae Christianae 30 (1976), 121 – 137.

Rhetorical strategies in Jerome’s polemical works

649

Vog, A. de, Histoire littraire du movement monastique dans l’antiquit: Le monachisme latin, Paris 1996. Wessel, S., Cyril of Alexandria and the Nestorian Controversy: The Making of a Saint and of a Heretic, Oxford 2004. Wiesen, D.S., St. Jerome as a Satirist: A Study in Christian Latin Thought and Letters, Ithaca 1964.

Register Altes und Neues Testament Altes Testament Gen 1,1 113 Gen 1,29 313 Gen 1,31 313 Gen 9,13 f. 549 Gen 12,7 159 Gen 13,15 159 Gen 15,5 159 Gen 17,7 159 Gen 24,7 159 Gen 25,6 131 Gen 28,10 – 22 520 Gen 32,29 520 Gen 35,19 520 Gen 35,21 520 Gen 47,28 108 Gen 49,10 520 Ex 7,3 534 Ex 7,22 534 Ex 8,14 308 Ex 8,15 534 Ex 9,11 308 Ex 9,12 534 Ex 9,35 534 Ex 10,20 534 Ex 13,21 551 Ex 20,4 – 6 219 Ex 23,2 107 Num 16,5

308

Dtn 4,26 28 Dtn 4,32 112 Dtn 4,37 158 Dtn 5,8 – 10 219 Dtn 6,13 505 Dtn 7,7 158 Dtn 7,25 f. 220, 221, 222

Dtn 10,15 158 Dtn 14,2 158 Dtn 21,23 116 Dtn 30,12 107 Dtn 30,6 285 Dtn 30,19 28 Dtn 31,28 28 Dtn 32,1 28, 29 Dtn 32,40 553, 554 Jos 22,22 Jos 24,32

115 108

Ps 50 21, 22, 33, 34 Ps 50,1 115 Ps 50,4 28 Ps 50,6 28 Ps 50,16 34 Ps 104,3 548 Ps 111,7 619 Spr 24,6

104

Jes 1,18 383 Jes 3,13 23, 30, 348 Jes 3,14 23 Jes 3,13 – 15 23, 25, 26, 32 Jes 5,1 – 9 525 Jes 5,1 – 7 24, 26 Jes 5,8 ff. 20 Jes 6 – 12 525 Jes 6,8 f. 523 Jes 6,9 519, 522, 523, 524, 525, 527, 528, 529, 531, 534 Jes 6,11 526 Jes 6,11 – 13 525 Jes 7,14 525 Jes 8,3 506 Jes 8,5 – 23 525 Jes 9,1 – 6 525

652

Register Altes und Neues Testament

Jes 11,1 – 10 525 Jes 12,1 – 6 525 Jes 25,6 – 8 518 Jes 28,7 – 13 416 Jes 29,13 17 Jes 41,21 – 29 33 Jes 42,1 – 4 528, 529, 533, 534 Jes 42,6 f. 535 Jes 49,1 – 6 528, 533, 534 Jes 49,5 f. 529 Jes 49,7 – 9 528 Jes 50,4 – 9 528 Jes 52,13 – 53,12 528 Jes 52,15 529 Jes 53,1 – 3 528 Jes 53,1 – 4 534 Jes 53,10 – 12 529, 534 Jes 53,11 534 Jes 55,5 518 Jes 60,1 – 3 518 Jes 61,1 527, 528, 529 Jer 2 348 Jer 2,4 – 8 27, 28 Jer 2,4 – 13 26, 29, 30 Jer 3,4 – 13 29 Jer 4,4 285 Jer 5,5 145 Jer 6,1 506 Jer 9,25 f. 81, 285 Jer 12,3 365 Jer 25,30 – 31 31, 32 Jer 29[36],8 163 Jer 51,27 506 Ez 1,26 – 28 548, 549 Ez 1,28 546, 547, 548, 549 Ez 13,14 613 Dan 7,13 547, 548 Dan 10,5 554, 555, 556 Dan 11,40 – 45 506 Dan 12,5 – 7 555 Dan 12,7 553, 554, 555, 556 Dan 12,7 Hos 4,1 – 3 25 Hos 4 – 11 26

Hos 4,3 25, 26 Hos 6,1 – 4 416 Hos 12 22, 23, 25 Hos 12,3 – 15 22, 23, 25, 26 Am 5,1 – 2 Am 8,4 – 8

20 416

Mi 1 – 3 32 Mi 2,1 – 11 416 Mi 4 – 5 32 Mi 6 – 7 32 Mi 6 – 8 29 Mi 6,2 – 5 30 Mi 6,3 – 5 29, 30 1Makk 6,58 142 1Makk 11,50 142 1Makk 11,62 142 1Makk 11,66 142 1Makk 13,45 142 1Makk 13,50 142 2Makk 4,34 142 2Makk 4,45 163 2Makk 11,26 142 2Makk 12,11 142 2Makk 13,22 142 2Makk 14,19 142 Neues Testament Mt 3,7 50, 393, 493 Mt 3,7 – 12 494 Mt 3,16 – 17 494 Mt 4,1 – 11 505 Mt 5,17 471, 485 Mt 5,17 – 19 466, 485 Mt 5,18 471 Mt 5,19 466, 471, 472, 474, 475, 480, 485 Mt 5,20 493, 494 Mt 5,21 – 48 497 Mt 5,22 387 Mt 5,37 494 Mt 5,41 392 Mt 5,46 – 47 508 Mt 6,2 493

Register Altes und Neues Testament

Mt 6,7 – 8 509, 508 Mt 6,13 494 Mt 6,31 – 32 508 Mt 7,6 508 Mt 7,7 400 Mt 7,12 473 Mt 7,13 f. 474 Mt 7,14 400 Mt 7,15 473 Mt 7,15 – 20 500 Mt 7,15 – 23 500 Mt 7,19 503 Mt 7,21 – 23 502 Mt 7,22 473 Mt 7,23 484 Mt 7,24 f. 474 Mt 8,5 – 13 510 Mt 8,12 503 Mt 9,2 423 Mt 9,2 – 8 423, 425, 426, 427 Mt 9,3 425 Mt 9,4 425, 428, 493 Mt 9,7 426 Mt 9,8 426, 427 Mt 9,10 423, 428 Mt 9,10 – 13 423, 425 Mt 9,11 425 Mt 9,12 425 Mt 9,15 425 Mt 9,34 444, 493 Mt 10,2 507 Mt 10,17 473 Mt 10,25 496 Mt 11,1 – 6 507 Mt 11,12 400 Mt 11,12 – 13 497 Mt 11,29 – 30 145 Mt 12,1 423 Mt 12,1 – 8 423, 425, 493 Mt 12,2 425, 427, 493 Mt 12,3 425, 428 Mt 12,5 425, 428 Mt 12,7 425, 428, 497 Mt 12,9 423, 424, 425, 427 Mt 12,9 – 14 423, 493 Mt 12,10 424 Mt 12,13 426, 427 Mt 12,14 426, 427

653

Mt 12,18 496 Mt 12,22 – 23 423 Mt 12,22 – 37 423, 425 Mt 12,24 425, 425, 427, 444, 493 Mt 12,25 425 Mt 12,25 – 37 425, 428 Mt 12,28 494 Mt 12,31 – 32 494 Mt 12,34 428, 494 Mt 12,38 424, 428, 493 Mt 12,38 – 42 493 Mt 12,39 393, 425, 428 Mt 12,41 – 42 494 Mt 12,45 428 Mt 13,5 474 Mt 13,19 494 Mt 13,20 474 Mt 13,24 ff. 479 Mt 13,24 – 30 502 Mt 13,25 500 Mt 13,36 – 43 479 Mt 13,38 494 Mt 13,38 – 39 503 Mt 13,39 479 Mt 13,41 484 Mt 13,42 503 Mt 13,43 550 Mt 15,1 424, 425, 493 Mt 15,1 – 2 493 Mt 15,1 – 9 425 Mt 15,1 – 20 493 Mt 15,2 494 Mt 15,2 – 3 494 Mt 15,3 425, 428 Mt 15,5 427 Mt 15,7 428, 493 Mt 15,12 493 Mt 15,14 493 Mt 16,1 424, 427 Mt 16,1 – 4 494 Mt 16,2 425 Mt 16,4 425, 426, 427, 428 Mt 16,17 469 Mt 16,17 – 18a 467 Mt 16,17 – 20 467 Mt 16,18 474 Mt 16,19 507 Mt 16,28 502

654

Register Altes und Neues Testament

Mt 17,2 550 Mt 18,1 – 5 473 Mt 18,6 481, 486 Mt 19,3 424, 425, 427, 493 Mt 19,3 – 9 425, 493 Mt 19,4 425 Mt 19,8 428 Mt 19,18 – 19 497 Mt 19,28 521 Mt 20,1 473 Mt 20,1 – 16 394 Mt 20,16 473 Mt 20,21 502 Mt 21,14 – 15 423 Mt 21,14 – 17 425 Mt 21,15 427 Mt 21,16 425, 428 Mt 21,17 426, 427 Mt 21,23 425, 427 Mt 21,23 – 27 426 Mt 21,24 425 Mt 21,28 – 32 394 Mt 21,41 425 Mt 22,1 – 14 487 Mt 22,6 494 Mt 22,10 502 Mt 22,13 503 Mt 22,14 474 Mt 22,15 424, 427 Mt 22,15 – 16 493 Mt 22,15 – 22 381, 423, 426 Mt 22,15 – 16 423 Mt 22,16 428 Mt 22,17 425 Mt 22,18 425, 428, 493 Mt 22,22 426, 427 Mt 22,23 – 33 423, 424, 425 Mt 22,24 428 Mt 22,34 – 40 423, 425, 493 Mt 22,28 425 Mt 22,29 425, 428 Mt 22,31 425, 428 Mt 22,33 426, 427 Mt 22,34 423, 427 Mt 22,34 – 35 493 Mt 22,34 – 40 493 Mt 22,35 424, 425, 427, 428 Mt 22,35 – 40 407, 441, 457

Mt 22,36 425 Mt 22,37 425 Mt 22,39 52 Mt 22,41 – 46 423, 425, 426, 493 Mt 22,46 426, 427 Mt 23 2, 50, 387, 393, 403, 428, 458, 459 Mt 23,2 493 Mt 23,3 493, 494 Mt 23,4 494 Mt 23,5 – 7 494 Mt 23,13 493, 494 Mt 23,15 482, 483, 485, 493 Mt 23,15 – 26 494 Mt 23,16 52, 493 Mt 23,17 387, 493 Mt 23,19 493 Mt 23,23 493 Mt 23,24 493 Mt 23,25 493 Mt 23,26 493 Mt 23,27 393, 493 Mt 23,27 – 29 493, 494 Mt 23,28 398, 484 Mt 23,29 493 Mt 23,29 – 36 494 Mt 23,33 393, 494 Mt 23,37 403 Mt 24 611 Mt 24,1 610 Mt 24,2 610 Mt 24,10 – 12 484 Mt 24,11 473 Mt 24,12 484 Mt 24,14 483, 486 Mt 24,15 – 27 506 Mt 24,34 – 40 497 Mt 24,36 160 Mt 25,31 – 46 506 Mt 26,13 483 Mt 26,61 397 Mt 27,11 – 26 504 Mt 27,19 504 Mt 27,20 163 Mt 27,27 240 Mt 27,27 – 54 504 Mt 27,62 – 66 504 Mt 28,4 504

Register Altes und Neues Testament

Mt 28,11 – 15 504 Mt 28,14 163 Mt 28,19 465 Mt 28,20 467 Mk 1,14 ff. 456, 459 Mk 1,27 434 Mk 1,39 497 Mk 2,1 – 12 442 Mk 2,1 – 3,6 420, 439, 445 Mk 2,6 442 Mk 2,7 442 Mk 2,9 443 Mk 2,15 – 17 442 Mk 2,15 ff. 443 Mk 2,16 442 Mk 2,18 442 Mk 2,18 – 22 442 Mk 2,18 ff. 443 Mk 2,19 443 Mk 2,23 – 28 442, 453 Mk 2,23 ff. 443, 456 Mk 2,24 442 Mk 2,25 443 Mk 3,1 – 5 456 Mk 3,1 – 6 442 Mk 3,2 442, 443 Mk 3,4 443 Mk 3,5 443 Mk 3,6 443, 456 Mk 3,22 442, 444 Mk 3,22 – 27 444 MK 3,22 – 30 442 Mk 3,22 ff. 444 Mk 3,27 392 Mk 4,10 – 12 525 Mk 6,8 477, 478 Mk 6,8 – 9 476 Mk 7,1 442 Mk 7,1 – 15 421 Mk 7,1 – 23 17, 442, 457 Mk 7,2 407, 443 Mk 7,2 ff. 443 Mk 7,4 406 Mk 7,5 442 Mk 7,6 – 7 17 Mk 7,15 396, 397 Mk 7,18 – 35 446, 458

Mk 7,24 – 31 443 Mk 8,11 434, 443 Mk 8,32 f. 434 Mk 8,38 393 Mk 9,2 – 8 434 Mk 9,10 434 Mk 9,14 434 Mk 9,16 434 Mk 9,35 497 Mk 9,38 – 40 441 Mk 10,2 442, 443 Mk 10,2 – 12 442 Mk 10,17 497 Mk 10,17 – 31 441 Mk 10,27 400 Mk 10,35 – 45 441 Mk 11,1 ff. 456 Mk 11,14 – 20 446, 458 Mk 11,20 – 25 441 Mk 11,27 442 Mk 11,27 – 33 442 Mk 12,9 497 Mk 12,13 442, 443 Mk 12,13 – 17 442 Mk 12,14 443 Mk 12,15 443 Mk 12,18 442 Mk 12,18 – 27 442 Mk 12,19 443 Mk 12,24 443 Mk 12,26 443 Mk 12,28 434 Mk 12,28b 434 Mk 12,28 – 34 441, 443 Mk 12,35 – 37 443 Mk 12,38 – 42 406 Mk 12,41 – 44 447 Mk 13,11 460 Mk 13,14 459 Mk 13,27 618 f. Mk 13,54 497 Mk 14,58 397 Mk 14,64 442 Mk 15,19 409 Lk 1,3 89 Lk 1,26 – 38 525 Lk 1,35 533

655

656

Register Altes und Neues Testament

Lk 1,46 – 56 525 Lk 1,67 – 79 535 Lk 2,1 – 20 519, 527, 533 Lk 2,8 520 Lk 2,10 520 Lk 2,13 520 Lk 2,20 520 Lk 3,7 50, 393 Lk 4,3 533 Lk 4,9 533 Lk 4,16 536 Lk 4,16 – 30 518, 522, 526 Lk 4,18 f. 527, 528 Lk 4,20 527 Lk 4,21 527 Lk 4,22 527 Lk 4,23 527 Lk 6,32 – 33 508 Lk 6,43 – 46 500 Lk 7,24 – 35 392 Lk 7,30 440, 450 Lk 7,36 – 50 457 Lk 9,35 533 Lk 10,4 476, 477 Lk 10,13 – 15 394 Lk 10,16 588 Lk 10,25 – 28 407, 441, 457 Lk 11,14 ff. 444 Lk 11,37 – 54 390 Lk 12,29 – 30 508 Lk 12,49 392 Lk 13,10 – 17 457 Lk 13,25 – 27 500 Lk 13,32 391 Lk 14,1 – 6 457 Lk 14,23 606 Lk 16,1 – 6 394 Lk 16,16 392, 398 Lk 16,19 – 31 394, 422 Lk 17,1 481 Lk 18,1 – 8 394 Lk 18,9 – 14 394 Lk 18,14 485 Lk 22,22 522 Lk 22,29 f. 533 Lk 22,30 522 Lk 23,34a 530 Lk 24,16 529

Lk 24,17 529 Lk 24,13 – 35 518 Lk 24,19 – 21 531 Lk 24,19 – 24 529 Lk 24,26 539 Lk 24,31 530 Joh 1,11 341 Joh 1,41 348 Joh 2,6 348 Joh 2,16 397 Joh 4,25 348 Joh 5,16 341 Joh 5,18 341 Joh 6,51 ff. 340 Joh 6,60 ff. 340, 351 Joh 7 – 10 341 Joh 7,14 342 Joh 7,35 348 Joh 8,21 – 30 342, 343 Joh 8,30 ff. 342, 343, 351 Joh 8,31 – 47 340, 341 Joh 8,31 – 36 343, 344 Joh 8,31 ff. 1, 340, 341, 343, 344, 345, 351 Joh 8,32 344, 345 Joh 8,37 – 47 341, 346, 351 Joh 8,42 – 47 346, 352 Joh 8,42a 345 Joh 8,43b 344 Joh 8,44 345 Joh 8,47 345 Joh 8,47b 344 Joh 8,53 108 Joh 8,59 341 Joh 9,22 346 Joh 10,16 348 Joh 11,45 – 53 341 Joh 11,52 348 Joh 11,55 348 Joh 12,20 ff. 348 Joh 12,42 346 Joh 13,1 – 17,26 349 Joh 13,10 160 Joh 13,34 f. 334, 340, 351 Joh 14,1 349 Joh 14,6 345 Joh 14,15 345

Register Altes und Neues Testament

Joh 14,21 345 Joh 14,23 f. 345 Joh 14,27 349 Joh 15,18 – 25 349 Joh 16,2 346 Joh 16,33 349 Joh 17,14 349 Joh 17,20 – 26 350 Joh 18,20 348 Joh 18,28 348 Joh 19,40 348 Joh 20,30 f. 351 Apg 1,6 522, 533, 535 Apg 1,18 476 Apg 2,3 612 Apg 2,14 – 36 517 Apg 2,22 518 Apg 2,23 517, 521, 522, 530 Apg 3,12 518 Apg 3,13 517, 533, 537 Apg 3,15 521, 522, 530 Apg 3,26 533, 537 Apg 4 611 Apg 4,25 533, 537 Apg 4,27 533, 537 Apg 4,36 135 Apg 5,30 517 Apg 5,31 521, 522, 530 Apg 6,8 – 7,60 536, 537 Apg 7,51 – 53 518 Apg 7,57 537 Apg 8,4 – 13 476 Apg 8,10 476 Apg 9,27 135 Apg 10,9 – 17 396 Apg 10,13 397 Apg 10,39 517 Apg 11,7 397 Apg 11,19 – 21 476 Apg 11,26 500 Apg 12,20 163 Apg 13,1 – 3 476 Apg 13,5 536 Apg 13,14 536 Apg 13,14 – 51 536 Apg 13,15 536 Apg 13,45 – 51 536

Apg 13,47 536 Apg 14,1 536 Apg 14,2 – 7 536 Apg 14,19 163 Apg 15,39 189 Apg 17,1 f. 536 Apg 17,2 536 Apg 17,1 – 9 536 Apg 17,5 – 9 536 Apg 17,6 – 9 536 Apg 17,10 536 Apg 17,13 f. 536 Apg 17,18 2, 3 Apg 17,30 518 Apg 18,4 536 Apg 18,6 536 Apg 18,19 536 Apg 19,8 536 Apg 19,9 518, 536 Apg 19,26 163 Apg 19,37 219, 221 Apg 21,28 471 Apg 22,28 476 Apg 23,35 240 Apg 26,17 f. 532, 533, 535 Apg 26,18 535 Apg 28,26 – 28 518 Apg 28,28 523 Apg 32,3 613 Rçm 1 – 3 366 Rçm 1,5 169 Rçm 1,9 246 Rçm 1,13 211 Rçm 1,16 145 Rçm 1,18 176 Rçm 1,18 – 3,20 212 Rçm 1,18 – 32 212 Rçm 1,19 – 3,8 223 Rçm 1,23 214 Rçm 1,29 214, 364 Rçm 1,32 213, 214, 223 Rçm 2,8 163 Rçm 2,17 – 24 229 Rçm 2,22 218 Rçm 2,29 258 Rçm 3,9b 223 Rçm 3,10 – 18 223

657

658

Register Altes und Neues Testament

Rçm 3,30 145 Rçm 5,11 246 Rçm 6,17 169 Rçm 7,7 216 Rçm 7,11 228 Rçm 9,21 f. 301 Rçm 10,6 – 8 107 Rçm 10,9 475 Rçm 10,12 145 Rçm 10,16 164 Rçm 11,25 518 Rçm 14,13 481 Rçm 14,14 160, 397 Rçm 15,17 246 Rçm 15,19 228 Rçm 15,20b 211 Rçm 15,24 212 Rçm 15,27 518 Rçm 15,30 f. 227 Rçm 16,1 189 Rçm 16,1 – 23 212 Rçm 16,3 – 16 212, 224, 225 Rçm 16,16a 226 Rçm 16,17b 229 Rçm 16,17b–20 224, 225 Rçm 16,18 226, 228 Rçm 16,19 169 Rçm 16,20 186, 228 Rçm 16,20b 212, 224 Rçm 16,21 f. 224, 225 Rçm 16,26 169 1Kor 1,1 158 1Kor 1,12 135 1Kor 1,23 118 1Kor 1,28 206 1Kor 1,31 246 1Kor 2 262 1Kor 2,1 279 1Kor 2,3 279 1Kor 2,6 590 1Kor 3,5 – 17 188, 192, 205 1Kor 3,12 192 1Kor 3,14 f. 192 1Kor 3,15 205 1Kor 3,17 192 1Kor 3,22 135 1Kor 4,7 618, 619

1Kor 4,12 478 1Kor 4,18 468 1Kor 5,11 222 1Kor 6,10 223 1Kor 8,1 – 13 144 1Kor 8,7 468 1Kor 8,11 205 1Kor 8,13 481 1Kor 9,1 ff. 479 1Kor 9,5 135 1Kor 9,6 476 1Kor 9,20 139 1Kor 11,11 114 1Kor 10,14 – 33 144 1Kor 10,32 158 1Kor 11,22 158 1Kor 12,3 475 1Kor 12,9 – 10 475 1Kor 12,12 f. 160 1Kor 13 336 1Kor 13,2 371 1Kor 15,5 135 1Kor 15,7 135 1Kor 15,9 158 1Kor 15,12 468 1Kor 15,15 205 1Kor 15,50 593, 598 1Kor 16,3 135 1Kor 16,22 225 2Kor 1,1 158 2Kor 1,8 – 11 185 2Kor 1,16 135 2Kor 2,5 192, 469 2Kor 2,17 f. 227 2Kor 3,7 550 2Kor 4,5 475 2Kor 5,19 f. 173 2Kor 6,14 – 7,1 193, 195, 200 2Kor 7,5 – 16 196 2Kor 9,6 228 2Kor 10,1 – 6 198 2Kor 10,6 196, 197, 198 2Kor 10,10 161, 183 2Kor 10,17 246 2Kor 11 205 2Kor 11,1 – 4 200, 203 2Kor 11,3 228

Register Altes und Neues Testament

2Kor 11,4 203, 204, 205 2Kor 11,5 276 2Kor 11,6 161 2Kor 11,8 479 2Kor 11,13 237, 246 2Kor 11,13 – 15 276 2Kor 11,14 480 2Kor 11,15 172, 205 2Kor 11,23 189 2Kor 11,29 469 Gal 1,1 – 5 168 Gal 1,2 165, 174 Gal 1,3 f. 176 Gal 1,4 168, 170, 174, 175 Gal 1,5 175 Gal 1,6 155, 159, 165, 173, 176 Gal 1,6 – 9 168 Gal 1,7 138, 160, 163, 168, 177 Gal 1,8 2, 172, 204 Gal 1,11 f. 175 Gal 1,11 – 2,14 149 Gal 1,11 – 2,21 149 Gal 1,12 467 Gal 1,12 – 2,14 135 Gal 1,13 158, 177 Gal 1,13 f. 138 Gal 1,13 – 2,14 137 Gal 1,15 f. 175, 467 Gal 1,16 f. 467 Gal 1,17 – 20 158 Gal 1,17 f. 135 Gal 1,18 135 Gal 1,18 – 19 124 Gal 1,19 135, 160, 171 Gal 2,1 135 Gal 2,1 – 2 135 Gal 2,1 – 10 158 Gal 2,3 155, 157, 159 Gal 2,4 124, 149, 173 Gal 2,5 160, 164, 177 Gal 2,6 – 10 155 Gal 2,6 157 Gal 2,7 f. 135 Gal 2,7 160 Gal 2,9 124, 135, 157, 175 Gal 2,11 135 Gal 2,11 – 14 155, 157, 158, 162, 167

659

Gal 2,12 124, 135, 157, 177 Gal 2,12 f. 149 Gal 2,13 135 Gal 2,14 135, 160, 164, 177 Gal 2,15 138 Gal 2,15 – 21 134, 169 Gal 2,16 157, 160, 161, 168, 173, 176 Gal 2,17 – 21 157 Gal 2,19 170 Gal 2,20 160 Gal 2,21a 159 Gal 2,21b 160 Gal 3,1 163, 164, 170 Gal 3,1 – 5 148 Gal 3,1 – 4,31 169 Gal 3,2 175 Gal 3,2 – 5 162 Gal 3,3 170, 173, 176 Gal 3,4 176 Gal 3,4b 173 Gal 3,5 175 Gal 3,6 – 29 344 Gal 3,7 169 Gal 3,8 145 Gal 3,9 169 Gal 3,11 161 Gal 3,13 168 Gal 3,14 157, 175, 178 Gal 3,15 – 18 176 Gal 3,16 159 Gal 3,19 471 Gal 3,21 161 Gal 3,22 160 Gal 3,23 172 Gal 3,23 – 25 168 Gal 3,26 174 Gal 3,26 – 28 160 Gal 3,28 145, 155, 160 Gal 3,29 174, 178 Gal 4,1 – 7 176 Gal 4,3 168 Gal 4,5 – 7 176 Gal 4,5 168, 173 Gal 4,6 174, 175 Gal 4,7 178 Gal 4,8 157 Gal 4,9 162, 176 Gal 4,10 176

660

Register Altes und Neues Testament

Gal 4,10 – 11 125 Gal 4,11 155, 173 Gal 4,12 173 Gal 4,12 – 20 165, 170, 176 Gal 4,17 176, 177 Gal 4,17 f. 165 Gal 4,20 155, 162 Gal 4,21 148, 162, 170, 173, 175 Gal 4,21 – 31 158, 175, 176 Gal 4,25 135 Gal 4,26 135, 173 Gal 4,28 169, 174 Gal 4,29 173 Gal 4,31 168, 169, 174 Gal 5,1 145, 168, 173 Gal 5,1 – 6,10 127 Gal 5,1 – 4 162 Gal 5,2 157, 159 Gal 5,3 f. 134 Gal 5,4 176 Gal 5,4b 176 Gal 5,5 168, 173 Gal 5,6 160, 169 Gal 5,7 160, 163, 164 Gal 5,7a 170 Gal 5,7b 169 Gal 5,8 163 Gal 5,10 163, 177 Gal 5,10b 172 Gal 5,11 176, 482 Gal 5,12 163, 171 Gal 5,13 173 Gal 5,13 – 6,10 169, 175 Gal 5,14 52, 471 Gal 5,16 175 Gal 5,18 173 Gal 5,18 – 22 175 Gal 5,22 169 Gal 5,25 168, 175 Gal 6,8 173 Gal 6,9 168 Gal 6,11 – 18 125 Gal 6,12 155, 157, 162, 166, 176 Gal 6,12 f. 159, 177 Gal 6,12 – 13 157 Gal 6,13a 167 Gal 6,13b 166 Gal 6,14 175

Gal 6,15 Gal 6,16 Gal 6,17 Gal 6,17a Gal 6,18

160, 162 169 175 157, 171 175, 178

Eph 1,10 600 Eph 3,8 472 Eph 4,2 f. 611 Eph 4,22 228 Eph 5,6 228 Phil 1,9 – 11 266 Phil 1,12 247 Phil 1,12 – 26 248 Phil 1,14 249 Phil 1,15 468 Phil 1,15 – 17 237, 249 Phil 1,18 249 Phil 1,21 ff. 248, 250 Phil 1,23 238 Phil 1,28 172, 237, 249 Phil 2,11 475 Phil 2,25 ff. 243 Phil 3,1 235 Phil 3,2 227, 238, 243, 245 Phil 3,2 – 4 233, 234, 235, 236, 239, 241, 242 Phil 3,3 236, 237 Phil 3,3 – 11 237 Phil 3,4 233, 243, 246 Phil 3,5 – 11 250 Phil 3,6 250 Phil 3,7 f. 250 Phil 3,8 f. 332 Phil 3,9 250 Phil 3,10 f. 250 Phil 3,17 – 21 227, 249, 251 Phil 3,18 237, 251 Phil 3,19 226, 227, 228 Phil 5,3 283 Phil 5,10 283 Phil 5,11 283 Kol 1,1 – 2 265 Kol 1,3 – 4,6 265 Kol 1,3 – 8 266 Kol 1,5 164, 267

Register Altes und Neues Testament

Kol 1,6 267 Kol 1,9 f. 263, 279 Kol 1,9 – 11 266 Kol 1,10 267 Kol 1,12 – 13 267 Kol 1,14 268 Kol 1,15 – 20 266, 267, 268 Kol 1,16 269 Kol 1,17 269 Kol 1,18 269 Kol 1,19 269, 281 Kol 1,20 269 Kol 1,21 282 Kol 1,21 – 22 266 Kol 1,21 – 23 270 Kol 1,23 288 Kol 1,24 279 Kol 1,24 – 2,5 262, 275 Kol 1,26 – 27 266 Kol 1,27 262, 282 Kol 1,28 279 Kol 2,1 – 2 263 Kol 2,2 279, 280 Kol 2,3 266, 279, 280 Kol 2,6 264, 271, 272 Kol 2,6 – 7 263, 272 Kol 2,6 – 23 264 Kol 2,6 ff. 270 Kol 2,8 260, 267, 271, 273, 274, 277, 280 Kol 2,8 – 10 266 Kol 2,9 281 Kol 2,9 – 15 271, 272 Kol 2,10 279 Kol 2,10 – 15 271 Kol 2,11 – 12 266, 281 Kol 2,11 – 13 266 Kol 2,12b 266 Kol 2,14 – 15 266 Kol 2,16 – 23 266, 271, 272, 274, 283 Kol 2,18 275 Kol 2,20 264 Kol 2,22 – 23 280 Kol 2,23 271, 275, 280 Kol 3,1 264 Kol 3,1 – 4,6 265 Kol 3,1 ff. 286 Kol 3,5 264, 271, 282

661

Kol 3,5 – 7 282 Kol 3,7 266 Kol 3,16 279 Kol 4,6 287 Kol 4,10 135 Kol 4,18 249 1Thess 2,9 478 1Thess 2,14 135 1Thess 2,16c 172 2Thess 2,10

228

1Tim 1,3 298 1Tim 1,3 – 10 297, 314, 316 1Tim 1,3 – 20 319 1Tim 1,4 305, 306 1Tim 1,6 299 1Tim 1,7 304 1Tim 1,10 297, 310 1Tim 1,15 472 1Tim 1,16 305 1Tim 1,19 299, 303 1Tim 1,20 299, 312 1Tim 2,4 298, 321 1Tim 2,14 302 1Tim 3,2 f. 321, 583 1Tim 3,15 298 1Tim 4,1 299, 307 1Tim 4,1 – 5 314 1Tim 4,3 299, 314, 321, 325 1Tim 4,3 – 5 300 1Tim 4,7 298, 300, 305 1Tim 4,8 299 1Tim 5,4 318 1Tim 6,3 297, 298, 300 1Tim 6,3 – 5 316 1Tim 6,4 303, 305, 306, 320 1Tim 6,5 298, 301 1Tim 6,10 299, 301, 302, 310, 317 1Tim 6,20 299 2Tim 1,16 250 2Tim 2,12 303 2Tim 2,14 228, 306, 316, 319, 320 2Tim 2,14 – 4,5 319 2Tim 2,15 f. 298 2Tim 2,16 297, 298, 305, 309

662

Register Altes und Neues Testament

2Tim 2,16 – 21 316 2Tim 2,17 305 2Tim 2,17 f. 312 2Tim 2,18 298, 303, 307 2Tim 2,19 301 2Tim 2,20 301 2Tim 2,23 298, 306 2Tim 2,25 322 2Tim 3,1 306, 307 2Tim 3,1 – 4 307, 321 2Tim 3,1 – 9 316 2Tim 3,13 302, 303, 309 2Tim 3,5 298, 300, 303 2Tim 3,6 299, 302 2Tim 3,8 298, 303, 307 2Tim 4,3 300, 316 2Tim 4,14 310 2Tim 4,4 305 Tit 1,1 298 Tit 1,2 310, 311 Tit 1,9 f. 297, 317, 318 Tit 1,10 311 Tit 1,10 f. 228 Tit 1,10 – 11a 303 Tit 1,10 – 16 297, 312, 315, 316, 322 Tit 1,11 308 Tit 1,12 309 Tit 1,13 298 Tit 1,14 298, 305, 311 Tit 1,15 304 Tit 1,16 6, 303, 304 Tit 2,1 297 Tit 3,4 311 Tit 3,9 298, 306, 311, 318, 320 Tit 3,9 – 11 297, 316 Tit 3,10 298, 303 2Petr 2,3 172 2Petr 2,13 228 1Joh 1,1 – 5 335 1Joh 1,5b 336, 337 1Joh 1,6a 336 1Joh 1,8 – 2,2 336 1Joh 2,1 335, 350 1Joh 2,7 f. 336 1Joh 2,7 – 11 331, 337, 338, 350

1Joh 2,9 – 11 337 1Joh 2,9a 336, 337 1Joh 2,9b 336 1Joh 2,12 335 1Joh 2,15 – 17 350 1Joh 2,18 332 1Joh 2,22 338, 351 1Joh 3,5a 345 1Joh 3,5b 345 1Joh 3,6a 345 1Joh 3,6b 345 1Joh 3,7 – 10 332, 346, 350 1Joh 3,8 f. 345 1Joh 3,11 345 1Joh 3,11 – 18 350 1Joh 3,16 331 1Joh 4,1 333, 350 1Joh 4,2 338, 351 1Joh 4,3 350 1Joh 4,7 – 5,4 336 1Joh 4,14 350 1Joh 4,15 351 1Joh 4,19 350 1Joh 4,19 – 21 331 1Joh 4,20 337 1Joh 5,1 351 2Joh 2 – 6 334 2Joh 7 332, 333, 334, 338, 350, 351 2Joh 10 f. 332, 350 3Joh 3 333, 350 3Joh 5 333, 350 3Joh 7 333, 350 3Joh 8 333, 350 3Joh 9 f. 334 3Joh 9b 334 3Joh 11b 334 3Joh 12 333, 350 Hebr 11,31 Hebr 13,17 Jak 1,5 Jak 1,13 Jak 1,23 Jak 1,26 Jak 2,1

364 164

361 361 361 361 363

Register Altes und Neues Testament

Jak 2,2 ff. 361 Jak 2,5 362 Jak 2,6 362 Jak 2,8 361 Jak 2,9 361 Jak 2,10 167, 361 Jak 2,11 365 Jak 2,12 361 Jak 2,14 361, 363 Jak 2,14 – 26 360, 361, 362, 363, 366, 368, 369, 371 Jak 2,15 f. 361, 364 Jak 2,16 361, 363 Jak 2,18 361, 363, 364 Jak 2,18 – 24 362, 372, 488 Jak 2,19 364 Jak 2,20 362, 365 Jak 2,24 – 26 366, 367 Jak 2,25 364 Jak 2,26 371 Jak 3,1 366 Jak 3,2 361, 366 Jak 3,3 163 Jak 3,6 365 Jak 3,13 366 Jak 3,13 – 4,6 375 Jak 3,14 – 16 363 Jak 4,1 5, 363 Jak 4,2 5 Jak 4,1 – 4 364 Jak 4,1 – 12 362 Jak 4,1 – 5,6 362 Jak 4,2 364 Jak 4,4 361, 362, 365 Jak 4,8 362, 365 Jak 4,11 f. 365 Jak 4,13 361, 362, 363, 365 Jak 4,14 365

663

Jak 4,15 361 Jak 5,1 362, 363, 365 Jak 5,1 – 6 364 Jak 5,14 359 Jak 5,5 f. 365 Jak 5,19 361 Apk 1,4 561 Apk 1,10 550 Apk 1,11 561 Apk 1,13 – 15 555 Apk 1,15 552 Apk 1,16 550 Apk 1,17 f. 555 Apk 2,6 332, 364 Apk 2,14 223, 364 Apk 2,15 499 Apk 2,18 552 Apk 4,3 547 Apk 9,21 223 Apk 10,1 545, 546 Apk 10,1 – 6 546 Apk 10,2 546, 552, 569, 570 Apk 10,5 546, 553, 554, 555, 570 Apk 10,6 546, 553, 571 Apk 11 545 Apk 11,1 546 Apk 11,6bf. 546 Apk 12 ff. 545 Apk 12,7 – 9 505 Apk 14,8 507 Apk 16,19 507 Apk 17,5 507 Apk 18,2 507 Apk 18,10 507 Apk 18,21 507 Apk 20,2 505 Apk 21,15 546

Register rabbinische, griechische und lateinische Literatur Frhjdische Apokryphen und Pseudepigraphen Apokalypse Abrahams 11,2 549 Apokalypse Zephanjas 6,11 550 Aristeasbrief 138

215

Ascensio Iesajae (Himmelfahrt Jesajas) 4,1 – 3 470 thiopisches Henochbuch (1Henoch) 18,11 551 21,7 551 Slawisches Henochbuch (2Henoch) 1,5 551 19,1 551 4Esra 7,97 551 7,125 551 11 – 12 506 3Makkaber 7,5 93 7,11 227 4Makkaber 5,17 167 5,19 ff. 167 Jubilenbuch 2,19 f. 158 15,30 f. 158 16,28 131

Jesus Sirach 7,3 132 44,20 131 Psalmen Salomos 1,8 221 2,3 221 8,12 221 Sapientia Salomonis 2,10 364 2,12 364 2,19 364 Syrischer Baruch (2Baruch) 10,2 507 11,1 507 57,2 131 67,7 507 Sibyllinische Orakel 3,63 – 74 506 3,250 f. 551 5,143 507 5,159 – 60 507 Testament Abrahams 7,3 f. 551 12,5 551 16,6 551 Testament Levis 14,1 – 6 221, 223 Tragiker Ezechiel Exagoge 247 552

666

Register rabbinische, griechische und lateinische Literatur

Qumrantexte Gemeinderegel 1QS 1,9 338 1QS 1,13 f. 167 1QS2,16 338 1QS 3,13 338 1QS 3,24 f. 338 1OS 3,21 338 1QS 3,79 397 1QS 4,11 338 1QS 5,3 – 6 286 1QS 5,24 – 26 286

De migratione Abrahami 171 91 De mutatione nominum 205 De opificio mundi 7 De plantatione 151 245 Quaestiones in Genesim 3,33

Kriegsrolle 1QM 1,1 – 13 338 1QM 2,15 – 4,17 506 4QMidrEschata III,8 f. = 4Q174 1 – 2 I,8 f. 338

Quod omnis probus liber sit 90 245 De specialibus legibus 1,304 f. 286 2,255 215 3,182 167

De agricultura 159 90, 91 162 90 164 91

De vita contemplativa 40 245 90, 91

De confusione linguarum 163 De decalogo 79 245 114 f. 245 De gigantibus 35

245

Legatio ad Gaium 139 Legum allegoriae 3,115 3,233 90, 228

De somniis 1,220 91 2,267 245 De virtutibus 218 215

Philon von Alexandria De Abrahamo 5 – 6 131 60 – 61 131 70 215 266 245 275 131

De cherubim 9 – 10

215

245

223

Flavius Josephus Antiquitates Iudaicae 1,1 f. 88 1,17 89 2,322 82 3,179 82 4,143 398 4,207 96 8,290 96 9,1 96 11,171 82 12,3 – 9 81 14,190 – 264 157 18,60 – 62 392 18,85 – 87 392 20,34 – 48 483

Register rabbinische, griechische und lateinische Literatur

Bellum Iudaicum 1,2 f. 89 1,16 88 1,40 82 1,88 82 6,42 85 Contra Apionem 1,1 – 5 79 1,3 f. 87, 90 1,24 87 1,6 – 59 79 1,15 87, 88 1,24 88 1,44 90 1,44 – 46 87 1,46 88 1,53 79, 87, 91 1,57 87, 90 1,60 – 218 79 1,66 97 1,73 94 1,100 87 1,172 81 1,73 – 105 83 1,100 93 1,105 86, 89, 90 1,160 87, 90 1,172 f. 81 1,205 – 211 81 1,205 86 1,212 86 1,213 f. 87, 90 1,214 86 1,216 85, 89 1,217 87, 88 1,219 f. 87 1,219 – 2,256 79 1,222 87, 90 1,223 f. 87, 94 1,224 87, 94 1.225 f. 87 1,227 94 1,228 – 287 83 1,229 86, 90 1,230 89, 90 1,239 83 1,249 83

1,251 94 1,252 86, 90 1,253 83 1,254 f. 86, 90, 92 1,260 86, 91 1,261 83 1,264 83 1,267 86, 90 1,279 86, 90 1,286 f. 86, 89, 90 1,288 – 293 81 1,290 82 1,293 86, 87, 90 1,298 86, 92 1,301 86, 89 1,303 86, 89 1,304 – 311 82 1,304 86 1,319 f. 86, 89, 90, 92 2,2 – 144 83 2,3 86, 91 2,6 86, 89 2,6 f. 89 2,4 87, 90 2,10 84 2,12 86, 91, 92 2,14 f. 86, 91 2,15 84, 92 2,17 86, 92 2,20 86, 92 2,22 f. 86, 91 2,23 84, 93 2,25 f. 86, 92 2,26 91 2,27 84 2,28 – 32 87, 89, 91, 94 2,28 – 49 86, 94 2,40 f. 97 2,48 89 2,56 – 60 87, 93 2,56 – 70 86, 97 2,62 89 2,65 84, 87, 94 2,66 87, 94 2,68 84 2,70 87, 94 2,73 84, 97 2,74 f. 97

667

668

Register rabbinische, griechische und lateinische Literatur

2,79 f. 86, 91 2,81 87, 94 2,82 86 2,85 86, 91 2,88 f. 86 2,89 – 96 84, 91 2,90 86, 87, 93 2,91 86, 92 2,97 86, 89 2,100 86, 89 2,109 f. 86, 89 2,111 92 2,112 – 114 85, 91 2,115 86, 92 2,121 84, 86 2,124 f. 86, 89 2,125 84, 92 2,132 86 2,133 89 2,135 85, 92 2,135 – 238 86 2,136 92 2,137 85, 89 2,138 f. 87, 94 2,142 – 144 86 2,143 f. 92 2,145 80, 82, 86, 91 2,147 78 2,148 85 2,225 f. 93 2,236 – 256 80, 94 2,236 82, 86 2,237 96 2,242 – 254 87, 94 2,253 94 2,255 86, 87, 88, 91 2,269 87, 93 2,270 86, 87, 91, 93 2,269 – 275 87 2,273 93 2,275 87, 93, 94 2,282 87 2,287 – 296 80 2,287 87, 90 2,289 87, 90 2,295 86, 91

Rabbinische Literatur Mischna Avot 2,1 131 3,5 145 4,2 131 Berakhot 2,2 145 Qiddushin 4,14 131 Tosefta Jerusalemer Talmud yAvoda Zara 39c,16 104 yBerakhot 1,3 – 3b 105 9,1/9 – 12d,59 – 62 112 9,1/12 – 12d,71 – 13a,4 115 9,1/19 – 13a,34 116 9,1/30 – 13b,20 116 9,1/30 – 13b,21 116 9,1/34 – 13b,41 – 44 116 9,7 – 14b 117 yChagiga 2,2 – 77d.21 – 25

105

yKetubbot 12,2/3 – 34d, 68 106 12,3/10 – 35a,41 108 12,3/16 – 35a,72 – 35b,6 107 35b,4 – 29 108 yOrla 1,1/6 – 60c,75 ff. 106 yQiddushin 61d 167 yShabbat 3c,35 – 37 105 6,10/12-14-8d,24 – 37

112

Register rabbinische, griechische und lateinische Literatur

Babylonischer Talmud bBava Mezi’a 59b 106 85b 107 86a 106

Sifre Numeri 15,22 167

bEruvin 13b 105 50a 104

Midrash Psalmen 15 § 7 (60a) 167

bJoma 286 131 bMakkot 24a 167 bMenachot 85b 109 88b 109 bSanhedrin 17a 106 42a 104 88b 105 110a 105 bShabbat 116ab 117 bSota 49a 105 bSukka 20a 109 Midrashim Bereshit Rabba 8,10 115 22,2 114 Bemidbar Rabba 11 104 Sifra Leviticus 19,33 (91a) 167

669

Sifre Deuteronomium 48 109

Targume Targum Jonathan I zu Gen 35,21 520 Neutestamentliche Apokryphen und Pseudepigraphen Apokalypse des Paulus 12 551 Apokalypse des Petrus 1 551 Nag-Hammadi-Texte Apokryphon des Johannes (NHC II,1 31,1 ff.23 f.) 339 Evangelium Veritatis (NHC I/3 43,9 – 24) 339 Thomasevangelium (NHC II,2 10.11.16.24.33.50.61.71. 77.83.87. 102. 112) 339 Philipperevangelium (NHC II,3 69,8 – 14) 339 Antike Autoren und Kirchenschriftsteller Agapet Ekthesis 63 605 Aischylus Agamemnon 611 567 Eumenides 910 – 912 604 Aristophanes Aves 1295 41 Augustinus Contra Cresconium grammaticum 1,13,13 382

670 1,13,16 1,14,17 1,14,18 1,17,22

Register rabbinische, griechische und lateinische Literatur

382 382 382 381

Contra Donatistas 19,19 607 Contra epistulam Parmeniani 2,2 614 3,3 614 Contra litteras Petiliani 1,14 614 2 614 3 614 De secta Donati 16,41 f. 615 13,32 615 De Trinitate 12,7,9 114 Enarrationes in Psalmos 95 LXX 49,3 616 149,7 616 Epistulae 23,7 615 49 615 52,2 615 93 615 93,2 607 185,6 607 185,50 609 208 615 208,7 615 In Iohannis euangelium tractatus 9, 14, 6ff 619 10, 12, 4 ff. 619 Sermones 4,9,9 608 46 616 112 607

Aristoteles Rhetorica I,2,1355b–56a 170 I,2,1356a–1358a 165 II,1,3/1377b 262 II,1,5 f/1378a 262 II,2,1380a–80b 170 1395a 447 III,18,1419a 165 De arte poetica 5,1449b 8 41 Cassius Dio LXIX 16,1 568 Catull Carmina 29 47 57 47 Cicero De Inventione I,31 165 I,34 165 De natura deorum 2,70 94 De oratore I,60 170 II,41 f. 257 II,54 – 71 636 II,65 f. 257 II,78 257 II,114 f. 170 II,121 170 II,128 f. 170 II,196 170 II,206 170 II,249 In L. Calpurnium Pisonem oratio 27 50 37 50 53 ff. 45 59 ff. 47

Register rabbinische, griechische und lateinische Literatur

In Verrem 2,1 641 2,40 641 4,65 240 5,92 240

32,30 90 40,8 – 19 137 41,1 – 6 137 54,1 89 55,7 90 70,10 89 77 f.

Orator 128 170

Dionysios von Halikarnassos Antiquitates Romanae 2,18 – 23 94

Pro Flacco 28,67 81 De re publica 6,17 566 Clemens von Alexandria Excerpta ex Theodoto 78,2 339 Quis dives salvetur 21,3 401 Stromateis IV,2,5,3 400 V,3,16,7 401 Cyprian Epistulae 76,2

249

Demosthenes Orationes 21,40 402 21,205 402 26,37 402 Didache 8,2 478 11,3 478 11,6 478 11,12 478 12,2 – 5 478 Dion Chrysostomos Orationes 4,33 88, 90 11,14 92 12,12 89 23,11 88, 90

Epiktet Dissertationes I,4,18 288 I,5,9 90 I,29,44 – 49 348 II,18,27 f 169 II,26,4 – 5 278 III,7,21 92 III,10,6 – 8 169 III,15,2 f. 169 III,21,2 f. 169 III,24,110 – 114 348 III,26,28 348 Epiphanius von Salamis Liber de Haeresibus 30,16,6 – 9 488 30,16,8 488 30,25,1 488 Euripides Andromache 234 429 Elektra 726 ff. 566 Medea 546 429 Eusebius Historia ecclesiastica 5,31,35 249 Praeparatio Evangelica 9,19,1 85

671

672

Register rabbinische, griechische und lateinische Literatur

Firmicus Maternus De errore profanarum religionum 17,4 624 Aulus Gellius Noctes Atticae 5,14,1 – 3

91

Hekataios von Milet FGH 1, F1 94 Heraklit 22 B 42 43 Hermogenes Progymnasmata 11

257

Herodian Ab excessu divi Marci liber 1,1 88 Herodot Historiae 2,42 94 8,134 163 Hesiod Theogonia 134 565 371 ff. 565 956 565 1011 565 Hieronymus Adversus Helvidium 1 624 2 628 10 624 12 643 14 644 18 625 22 629 Adversus Iovinianum 1,1 626 1,3 624, 625, 626, 638, 641 1,4 623, 639, 643 1,20 632

1,25 625 1,26 624 1,33 623 1,40 629, 630 2,6 623, 639, 644 2,16 638 2,21 625, 630, 634, 640 2,24 634 2,28 624 2,33 634 2,36 630, 631, 632, 634, 642 2,37 631, 632, 634, 638 2,38 638 Apologia adversus libros Rufini (contra Rufinum) 1,1 635 1,2 635 1,4 645 1,5 645 1,7 639 1,13 625, 636 1,17 627 1,21 645 1,22 645 1,30 f. 627, 643, 645 2,1 645 2,2 634 2,3 634 2,5 627, 635 2,6 627 2,9 627 2,10 627 2,12 623 2,14 645 2,20 643 2,23 645 2,24 634, 645 2,34 635 2,35 635, 645 3,1 644 3,2 645 3,3 634, 645 3,4 645 3,5 634 3,6 628 3,7 641 3,8 639

Register rabbinische, griechische und lateinische Literatur

3,9 645 3,10 628 3,16 644 3,21 628 3,22 624 3,23 624 3,26 625, 634 3,30 625 3,32 643 3,42 637, 641, 643

1,25 632 2,15 638 2,24 638 2,25 639 3,1 638 3,3 629 3,7 629 3,12 628, 629 3,15 638 3,16 627

Contra Iohannem Hierosolymitanum 1 639, 645 2 635 3 639, 641 8 641 14 624 16 635 19 628, 640 21 624 24 634 25 639, 641 31 639 32 640

Dialogus contra Luciferianos 2 633, 640 11 629, 644 12 624, 633 14 629 15 639

Contra Vigilantium 1 627, 636, 637, 638, 639, 640, 641, 645 2 632, 637 3 626, 627, 645 4 625, 636, 637, 640 5 624, 637, 640 6 633, 639, 641 8 637, 639, 641 9 633 10 – 12 633 10 636, 640 11 637, 641 12 624, 633 13 633, 645 15 637, 641 16 637, 641 17 637 Dialogi adversus Pelagianos (contra Pelagianos) 1,14 629 1,23 623

Epistulae 17 643 22,13 638 22,28 643 27,2 621 27,3 625 40 636 45,2 621 53,7 643 57,13 643 60,10 644 61,4 637 69,9 644 109 637 127,9 637 133,3 637 138 637 Historia Augusta Vita Hadriani 19,12 f 559 Homer Hymni Homerici 31,6 f. 566 Ilias 1,79 163 2,211 – 242 57 3,277 567

673

674

Register rabbinische, griechische und lateinische Literatur

6,360 163 9,345 163 18,239 f. 565 Odyssee 11,109 567 12,261 566 12,374 ff. 565 12,379 ff. 566 Horaz Satires 1,4,34 645 Sermones 1,9 81 Hymni Orphici 8,16 – 18 567 Irenus von Lyon Adversus Haereses 1,1 – 9 581 1,2,3 598 1,2,5 600 1,4,1 585 1,4,3 583 1,4,4 598 1,5,1 – 3 597 1,6,3 – 4 592 1,7,4 597 1,9,4 583 1,10,1 – 2 583 1,10,3 601 1,14,9 600 1,15,3 600 1,22,1 583 1,22,2 583 1,23,2 583 1,25,1 – 6 592 1,28,2 592 2,1 – 8 584 2,3,1 – 2,4,1 585 2,14,2 – 7 585 2,17,1 – 10 585 2,17,3 585 2,17,10 585 2,18,1 – 4 585

2,19,1 – 7 585 2,31,1 586 2,35,4 588 3,1,1 588 3,1,2 589 3,2,1 589 3,2,2 591 3,2,3 – 3,3,1 591 3,3,1 592 3,3,2 – 3,4,1 591 3,5,1 593 3,15,2 593 3,15,3 593 3,18,1 594 3,18,5 – 6 594 4,28,3 – 29,3 594 4,34,3 594 4,41,4 598 5,1 – 14 600 5,9,1 593 5,33,4 585, 600 Ignatius von Antiochia An die Epheser 11,2 249 An die Magnesier 10,3 An die Smyrner 1,1 499 3,1 – 3 499 4,1 – 2 499 5,2 499 7,1 499 10,2 250 An die Trallianer 9,1 499 Justinus Martyr Apologia 1,14 – 16 592 Dialogus cum Tryphone 44,1 344 47,1 ff. 344 140,2 344

Register rabbinische, griechische und lateinische Literatur

Juvenal Saturae 4,1 – 12 94

Pseudologista 1 f. 70 2 61

Kyrill von Alexandria Epistula ad monachos 1,7 639 1,15 639

Quomodo historia concribenda sit 15 65 16 65 30 65 32 65

Lactanz Institutiones Divinae 5,2 624

Rhetorum praeceptor 26 64

Johannes Malalas Chronographia V 43 560 XI 13 559 XI 18 559 XI 10 – 20 559 Lukian von Samosata Adversus indoctum 8 – 10 72 11 – 12 72 13 72 14 72 15 72 19 61 21 72 Alexander

61, 67 – 73

Calumniae non temere credendum 6 58 9 59 15 60 24 60

Lukrez De rerum natura 1,716 ff. 44 1,830 ff. 44 Mark Aurel Selbstbetrachtungen 3,4 169 4,18 169 Origenes Contra Celsum III,5 84 V,65 488 Homiliae in Ieremiam 20,1 – 7 488 Palladius von Helenopolis Historia Lausiaca 36,6 621 Paulinus von Nola Epistulae 1,4 624 16,4 624

Lexiphanes 1 62 21 63 25 63

Pausanias IV,118 562 IV,120 562 VIII,43 562

De morte Peregrini 31 – 36 73 37 – 42 73 43 – 45 71

Platon Apologie 20a–c 90 24b 409

675

676

Register rabbinische, griechische und lateinische Literatur

Gorgias 454c 90 462b–466a 90 471d–472c 90 502c–503b 90 504d–e 90 Kriton 49c–d 90 Leges 9,854 f.

220

Menon 75c–d 91 Phaidros 276d–e 599 Politeia 304a 90 361b 402 378d 89

Plinius der Jngere Epistulae 2,3,9 591 Plotin Enneades II,9 (33) 51 – 59

593

Plutarch De Iside et Osiride 22 – 44 599 De sera numinis vindicta 22 – 44 584 De superstitione 8 81 Moralia 1086E 1100C 1117D 1124C 1129B

90 92 91 88 90

Protagoras 313 c–d 90 313c–314c 90 338a 163

Polybios von Megalopolis Historiae 20,82 557

Sophistes 223c–226a 90 241d 402

Polykarp von Smyrna An die Philipper 1,1 249 12,2 250

Theaitetos 154d–e 90 167e 90 172e–173b 90 Timaios 22b 93 29d 599 Plinius der ltere Naturalis Historia 7,2 (9) 93 34,41 545

Pseudo-Heraklit Epistolae 4,1 – 2 278 5,1 – 2 278 6,1 – 2 278 7,4 – 5 278 Pseudo-Klementinen Epistula Petri 2,3 – 4 479 Homiliae 17,19,5 – 6

469

Register rabbinische, griechische und lateinische Literatur

Quintilian Institutio oratoria 1,9,4 447 2,2,8 590 3,8,10 – 11 137 4,2,43 140 4,2,87 137 5,10 165 9,2,65 469 11,1,30 167

Strabon Geographika 11,11,3 (517) 93 14,2,5 (625) 558 16,2,35 (760 f.) 94 16,2,40 (763) 81

Rhetorica ad Herennium 2,13,19 41

Sulpicius Severus Dialogi 1,21 621

Rufinus Apologia contra Hieronymum 2,6 – 9 643 2,13 639 2,42 644 Seneca De beneficiis 7,1,7 288 Epistulae morales ad Lucilium 2,2 289 17,1 169 78,16 169 89,4 274 90,3 274 109,6 169 Sextus Empiricus Adversus mathematicos I,263 – 269 599

Sueton Caligula 37,2 241 Tiberius 37 241

Tacitus Annales 2,11,3 241 4,2 241 Historiae 5,3 – 5 408 5,5 311 5,5,1 84 5,5,2 98 5,8,2 f. 85 Tertullian Adversus Marcionem 5,2 – 4 123 De anima 3,2 639

Antigone 67 163

Theon Progymnasmata 11 257 101 257 109 258 120 f. 257 128 f. 257

Trachinerinnen 94 ff. 567

Thukydides Historia 3,31

Sophokles Aias 846 ff. 567

163

Ulpian Digesten 48,13,17

220

677

678

Register rabbinische, griechische und lateinische Literatur

Xenophanes 21 B 11 – 16 43

Xenophon Memorabilia 1,1 409 1,6,3 476 3,13,1 436

Register Sachen und Personen Abfall, endzeitlicher 484 Abfall, von Gott/von Jahwe/vom rechten Glauben 29, 170, 202, 307, 603 Aberglaube 81, 624 Abgrenzung 42, 79, 110, 187, 229, 237, 249, 250, 297, 298, 299, 300, 301, 314, 315, 316, 321, 322, 324, 325, 474, 586 Abqualifizierung 227, 228, 299, 391, 304, 306, 315, 316, 321, 324, 325, 624 Abraham 108, 128, 129, 130, 131, 147, 158, 159, 160, 174, 175, 178, 340, 341, 342, 344 ad absurdum 43, 46, 88, 93, 364, 406, 411, 623 ad personam 191, 357, 385, 636 Affekt(-erregung) 170, 194, 387 africainit 609 Aggression(-sobjekt) 2, 5, 7, 8, 39, 43, 44, 50, 66, 78, 87, 96, 144, 166, 167, 177, 178, 185, 186, 187, 233, 276, 357, 364, 365, 383, 384, 386, 393, 397, 406, 410 Agitator/Agitation 123, 124, 130, 138, 147, 202, 203, 234, 236, 238, 251, 336 Akzentuierung 325, 326 Anathema(-Formel) 171, 173, 225 Anekdote 68, 71, 436, 447 Anonym/Anonymitt/Anonymisierung 10, 61, 63, 64, 65, 66, 68, 72, 73, 74, 162, 177, 190, 192, 467, 468, 469, 470, 472, 474, 482, 482 Antijudaismus/Judenfeindschaft 7, 8, 10, 77 – 98, 209 – 232, 517 Antipaulinismus 229, 360, 367, 368, 371, 466, 471, 488

Apologetik/apologetisch 7, 10, 77, 80, 89, 95, 97, 137, 156, 186, 201, 357, 375, 430, 437, 459, 581, 642 Apophthegma/-ta 418, 419, 436, 438, 439, 440, 441, 446, 447, 448, 449 Argumentation 4, 5, 10, 11, 39, 59, 78, 86, 97, 111, 183, 186, 188, 192, 198, 205, 211, 213, 217, 218, 223, 233, 235, 250, 251, 256, 257, 258, 260, 264, 276, 289, 313, 314, 315, 325, 335, 343, 344, 357, 362, 365, 366, 371, 385, 390, 391, 401, 403, 580, 582, 585, 587, 589, 590, 593, 596, 622, 629 Aristoteles 165, 401 Arius 638, 639 Askese/Asket 68, 73, 299, 395, 623, 629, 630, 631, 636, 638, 639, 642, 643, 646 Auferstehung 128, 205, 250, 281, 300, 312, 341, 395, 408, 434, 442, 451, 456, 468, 475, 505, 529, 531, 533, 535, 586, 594, 600 Außenseiter 124, 187, 259, 287, 507, 510 Authentizitt(skriterien) 71, 295, 437, 447, 449, 452, Autobiographie 135, 149, 233, 235, 242, 243, 244, 247, 248, 251, 252 Autoritt 6, 7, 17, 18, 50, 89, 163, 173, 186, 191, 198, 200, 203, 204, 205, 325, 334, 358, 374, 388, 389, 390, 391, 395, 397, 406, 407, 419, 430, 441, 442, 444, 456, 458, 581, 590, 597, 618 Barbaren/Barbarismus 626, 628, 636

562, 612, 613,

680

Register Sachen und Personen

Barnabas 132, 135, 136, 138, 142, 147, 150, 189, 476, 478, 479 Basilides 592, 599, 631, 638, 639 Beelzebul 425, 427, 444 Bergpredigt (s. Predigt) Beschimpfung 50, 51, 52, 57, 59, 71, 88, 89, 91, 184, 276 Beschneidung 85, 92, 123, 124, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 135, 139, 140, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 160, 166, 167, 171, 172, 176, 233, 239, 282, 283, 285, 286, 310, 311, 326, 482, 488 Betrug 23, 25, 73, 224, 228 Beurteilung 39, 87, 89, 105, 156, 157, 162, 191, 216, 305, 307, 386, 390 Beziehungsdynamik, polemische 186, 196 Bildung (paide¸a) 8, 50, 55, 56, 61, 62, 63, 64, 65, 70, 72, 362, 382 Blasphemie (bkasvgl¸a) Blindheit 526, 527, 528, 529, 530, 531, 532, 534, 537, 539 Catull 41, 47, 48, 49 Chrie/Chreia 257, 421, 422, 426, 427, 428, 429, 430, 447 Christen, judaisierende 115, 236, 237, 238, 239 Christus-Sehnsucht 248 Chronologie 242 Cicero 40, 42, 43, 44, 45, 46, 51, 276, 642 confutatio 257 Controversy stories 436 Damasus 643 Dmon/Dmonisierung 493, 640 Dekalog 26, 34, 216, 219, 364, 366, Dekomposition 437, 455 diachron/diachrone Analyse 415, 455 Dialektik/dialektisch 103, 104, 114, 206, 259, 266, 267, 268, 269, 270, 275, 276, 281, 290, 332, 376, 381, 382, 383, 384, 401, 411, 468, 628, 629 Dialog 9, 10, 11, 12, 41, 62, 72, 372, 384, 390, 404, 422, 426, 429, 435,

438, 443, 444, 445, 446, 450, 458, 459, 512, 580, 581, 589, 590, 591, 592, 594, 599, 629 Diatribe 41, 50, 52, 256, 358, 363, 372, 373, 374, 435 Diebstahl 219, 221, 222, 223 Dienstengel 111 Diffamie/Diffamierung 43, 45, 56, 167, 178, 332, 335, Disput 41, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 128, 362, 382, 383, 398, 434, 436, 442, 495, 625, 628, 634, 638, 639, 642, 644, 646 Distanzierung 194, 197, 205, 298, 314, 430 Drama/Dramaturgie 41, 57, 72, 194, 196, 205, 342, 347, 420, 530 Ehebruch 219, 222, 223 Ehelosigkeit 622 Einwohnung, gçttliche 105, 113 Ekklesiologie 168, 169, 174, 175, 191, 336, 608, 609, 617 Emmauserzhlung 526, 529, 530, 531 Empedokles 44, 68 Enkomiastik 5, 57, 67, 73, 74, 88, 258, 269, 287 enthymemata 638 Epikur 44, 45, 68, 69 Epikureer/Epikureismus 50, 69, 382, 631, 634, 641 Erfahrung 124, 165, 166, 167, 175, 202, 223, 227, 259, 284, 349, 350, 460, 549, 591 (Christus-)erkenntnis/Heilserkenntnis 25, 26, 199, 213, 217, 250, 303, 336, 522, 523, 524, 527, 528, 531, 537, 538, 540, 591, Ermutigung 249, 263, 272, 278, 286 Erzvter 108 Eschatologie/eschatologisch 20, 32, 169, 172, 173, 177, 192, 202, 251, 314, 339, 467, 483, 492, 494, 499, 500, 501, 502, 503, 505, 506, 511, 512, 517 – 541, 556, Eunomius 639, 640

Register Sachen und Personen

Exklusion 185, 193, 197, 198, 200, 204, 205 Exklusivitt/Exklusivitt/exklusiv 64, 161, 185, 187, 195, 201, 202, 204, 205, 280, 284, 285, 288, 614, 616 Exodus 26, 30, 82, 83, 84, 86, 92, 93 Exposition 174, 416, 435, 455 Falschlehrer 227, 298, 300, 301, 304, 307, 308, 310, 314, 315, 316, 317, 320, 321, 322, 324, 325, 326, 360 Fehlurteil 96 Fiktion/fiktional 59, 65, 84, 90, 320 Fluch 25, 171, 172, 173, 224, 243, 247, 248, 407, 613 Form, literarische 5, 358, 385, 415 – 432 Formgeschichte 388, 389, 404, 437, 438, Formkritik 415, 416, 420 Fremdreligion 606 Galila-berlieferungen 341, 387, 388, 394, 445, 451, 455, 456, Gattung 5, 19, 20, 33, 41, 44, 57, 73, 74, 184, 209, 211, 317, 318, 358, 403, 409, 421, 422, 429, 436, 439, 447, 448, 601, 605 Gefangenschaft 239, 249, 610, 611, 616 Gegenargumentation 313, 314 Gegner 43, 44, 45, 46, 59, 61, 64, 65, 67, 72, 78, 79, 86, 87, 89, 92, 95, 103, 105, 110, 111, 156, 161, 162, 163, 164, 166, 167, 168, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 184, 186, 188, 193, 194, 197, 198, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 212, 226, 227, 234, 235, 236, 237, 238, 239, 241, 245, 246, 247, 250, 251, 260, 261, 275, 276, 283, 289, 297, 298, 299, 300, 301, 302, 303, 304, 305, 306, 307, 308, 310, 311, 312, 313, 314, 315, 316, 317, 318, 319, 320, 321, 323, 324, 336, 343, 358, 359, 360, 363, 365, 366, 367, 372, 375, 384, 385, 386, 391, 404, 406, 411, 416, 493, 623, 624

681

Gemeinderegel 443, 446 Gerechtigkeit 25, 26, 32, 221, 250, 256, 498 Gericht(-srede) 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 538, 616, 618 Geschichtsschreibung 65, 79, 88, 95 Gesetz 2, 3, 17, 80, 83, 84, 95, 160, 167, 168, 169, 170, 218, 219, 220, 223, 239, 242, 310, 349, 362, 368, 390, 395, 398, 400, 403, 419, 425, 426, 427, 428, 430, 445, 471, 472, 473, 488 „Gesunde Lehre“ 300, 312, 312 Gewalt 46, 64, 188, 387, 391, 392, 395, 398, 399, 400, 401, 402, 410, 536, 537, 557, 581, 587, 603, 604, 605, 606 Gewinn 66, 191, 302, 315, 323, 448 Glaube(-nsnorm) 31, 42, 81, 87, 89, 94, 158, 159, 160, 161, 165, 169, 170, 175, 200, 205, 226, 250, 298, 300, 302, 303, 307, 312, 315, 336, 337, 338, 342, 343, 351, 360, 362, 364, 365, 367, 374, 475, 517, 531, 532, 539, 581, 585, 588, 592, 603, 612 Gnome 421, 447 Gnosis/Gnostiker/gnostisch 6, 110, 111, 317, 579, 581, 587, 594, 595, 596, 597, 601 Gottesfeindschaft 518, 519, 522, 528, 532, 534, 537, 538, 539 Gottesknecht(-stradition) 528, 529, 532, 533, 534, 535, 536, 537, 538 Gottesverehrung 213, 214 Gçtzenbilder/Gçtzendienst 213, 216, 219, 221, 222, 223 Hadrian 546, 558, 559, 560, 561, 562, 563, 568, 572 Haft/Haftumstnde/Haftsituation 247, 248, 249, 250 Hallstimme 109, 111 Hresie/Hretiker heretical label 2, 3, 104 – 119, 210, 236, 580, 581, 582, 583, 585, 588, 589, 590, 591, 592, 593, 594, 638, 639, 640,

682

Register Sachen und Personen

Heiden/Heidenvçlker/Vçlker 3, 6, 7, 93, 110, 111, 209 – 232, 396, 397, 517 – 542, 581, 612, 613, 614, Heidenchristen/heidenchristlich 158, 163, 168, 349, 430, 467, 473, 483, 484, 526, 537, 539 Heidenmission 157, 476, 478, 484, 485, 486, 487, 488 Heidenpolemik 579, 214, 215, 216, 217, 219 Heilsplan (dispositio) 598, 600 Heirat 630 Helvidius 623, 628, 629, 646 Herrenwort 420, 443, 445, 588 Hieronymus 605, 621 – 649 Hinrichtung 116, 341, 391, 392, 407, 603 Hirte/Hirten 42, 520, 615 Historischer Jesus 388, 389, 392, 393, 396, 406, 411, 416, 418, 419, 430, 437, 452, 453, 454 Hochverrat 222, 229 Homerkritik 95 Homosexualitt 61, 93, 216 Horaz 41, 51, 626, 642 Hund 91, 233, 237, 245, 246, 391, 406 Identitt 6, 9, 10, 64, 98, 115, 157, 170, 173, 203, 237, 250, 251, 255, 256, 258, 259, 260, 261, 270, 274, 281, 282, 286, 288, 289, 290, 322, 343, 346, 366, 376, 406, 410, 581, 606, Identittsfindung 255, 256, 258, 288, 289, 290 Idolatrie 217, 282, 492, 504, 510 Initiation 281, 284, 285, 286 Inklusion 185, 193, 197, 200, 246 Instanz, polemische 58, 162, 165, 167, 173, 177, 185, 186, 187, 195, 196, 197, 200, 201, 204, 324, 326, 385, Intoleranz 10, 87, 603, 604, 621, Invektive/invektiv 1, 2, 3, 5, 39 – 53, 86, 91, 95, 162, 210, 296, 310, 358, 365, 384, 385, 387, 390, 393, 394, 406, 458, 482

Ironie 5, 44, 45, 64, 71, 88, 92, 162, 357, 364, 394, 469 Islam/islamisch 103, 603 Israel 20, 22, 23, 25, 27, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 107, 109, 112, 116, 117, 123, 128, 130, 159, 160, 169, 216, 219, 221, 307, 308, 311, 345, 351, 364, 416, 476, 487, 517 – 541, 555 Jakob 22, 23, 33, 177, 520, 521 Jakobus 357 – 379, 434, 476, 488 Jambus 41 Jannes und Jambres 308, 321 Jesaja 406, 524, 525, 527, 528, 538 „Jesus Research“ 453 Jovinian 622, 623, 624, 625, 626, 629, 630, 631, 632, 634, 638, 639, 640, 641, 642, 643, 644, 646 Judas 22, 359, 522, 530, 539, 582, 605, 609 Juden 1, 2, 3, 5, 6, 7, 77 – 98, 109, 110, 115, 117, 157, 209 – 232, 237, 239, 310, 311, 322, 340, 341, 343, 346, 347, 349, 350, 364, 383, 386, 388, 393, 397, 407, 430, 448, 453, 473, 481, 517, 530, 534, 536, 538, 579, 603 Juvenal 642 Kaiserkult 97, 544, 568 Kampfepistel 212 Kampfsituation 239, 571 Kanon(-isierung) 35, 597 jatatol¶ 237, 238, 242, 245, 246 Katholizitt 607, 609, 614, 616 Ketzerpolemik 212, 224, 225, 229, 582 Ketzerschluss 212, 226 Kirchenvter 4, 117, 371, 488, 606 Kleinform 49, 437, 448 Koloss von Rhodos 543 – 575 Kompilation 234, 235, 236, 252 Konfrontation 72, 113, 114, 157, 212, 244, 341, 517 Kontextplausibilitt 397, 452 Kontrahent 86, 92, 95, 158, 161, 167, 193, 201, 244, 245, 250, 252, 332,

Register Sachen und Personen

336, 340, 404, 543, 581, 586, 587, 598 Kosmokrator 116, 118 Kosmos 349, 350 Kosmologie/kosmologisch 284 Krankheit 48, 82, 248 Kreuz Jesu/Kreuzigung/kreuzigen 116, 118, 159, 170, 206, 237, 250, 383, 386, 392, 407, 408, 409, 410, 481, 482, 517, 519, 529, 530, 531, 534, 537, 600, 612, 614, 615, 617 Kritik, prophetische 17 – 37 Kultbilder 215 Kynische Briefe 278 Kyrill von Alexandrien 638, 639, 645 Lebensfhrung 41, 61, 64, 65, 68, 361, 365, 583, 587, 592, 613 Legitimation 425, 427, 430 Lehre/Lehrer 1, 2, 5,8, 33, 34, 50, 104, 105, 109, 114, 115, 168, 219, 224, 225, 227, 229, 236, 237, 238, 258, 262, 268, 270, 275, 277, 278, 298, 299, 300 – 329, 334, 335, 351, 352, 359, 360, 361, 362, 365, 366, 368, 374, 375, 376, 383, 394, 398, 406, 408, 409, 410, 411, 441, 451, 465, 471, 472, 473, 475, 479, 480, 485, 488, 580, 581, 582, 583, 585, 588, 590, 592, 593, 601, 606, 609, 627 Lehrgedicht 42 Lehrgesprch 114, 418 Lehrhaus (Yeshiva) 106 List 85, 228, 382, 406 Literarkritik 46, 227 Lob(-rede) (s. Enkomion) Logienquelle Q 1, 390, 403, 406, 410, 443, 444, 446, 458, 486 Logion/Logien 392, 396, 397, 398, 400, 401, 403, 406, 418, 447, 448, 449, 450, 453, 509 Lokalkolorit 445 Luziferianer 629, 644 (Er-)Mahnung/Mahnrede 20, 31, 34, 198, 227, 263, 271, 272, 285, 286, 287, 288, 316, 317, 318, 337, 344, 367, 467, 476

683

Makrokontext 235 Manicher 186, 606, 638 Markion 114, 123, 586, 638 Martyrium 115, 117 Messias 408, 466, 469, 472, 517, 518, 519, 520, 521, 522, 524, 526, 527, 530, 531, 533, 537, 539 Metakommunikation/metakommunikativ 263, 266, 272, 386 Mikrokontext 233, 234, 235, 243, 251 Minim/Miner (s. Hresie/Hretiker) minor agreements 457 Mischna 104, 108, 109, 110, 131 Monotheismus 87, 96, 97, 260, 280, 282 Muslim/Muslime 103, 105, 603 Mythenkritik 94, 95 Mythos 305, 339, 581, 582, 583, 584, 585, 591, 598, 599, 600, 601 Name Gottes 218 Nazaretherzhlung 526, 527, 528, 529, 536, 537 Negativ-Muster 305, 306, 307, 309, 314, 315, 316, 320, 324, 326 Nestorius 638, 639 Objekt, polemisches 185 (Gesetzes-)Obervanz 81, 123, 125, 130, 131, 132, 133, 134, 139, 145, 146, 147, 148, 168, 149, 392, 408, 443, 453, 503 Ofen von Akhnay 106 Offenbarung 213, 335, 396, 469, 527, 531, 533, 534, 539, 591, 599 Oikonomia 600, 601 Oralitt 450 Origenes 605 Ortsangabe 240 Palladius 621 Pantheon 94, 96 Paradigma 105, 388, 389, 417, 583 Parnese 264, 265 Partikularitt 607, 614 Passionsgeschichte 455, 459 Patriarchen (s. Erzvter)

684

Register Sachen und Personen

Paulinus von Nola 624 Pauschalurteil 88 Pelagianer 606, 607, 618 peqitol¶ 236, 242, 245, 311 Persius 642 Person/Personalitt 39, 40, 41, 43, 44, 45, 47, 50, 66, 78, 86, 87, 88, 90, 91, 131, 138, 175, 177, 188, 190, 192, 209, 211, 229, 230, 242, 248, 257, 272, 296, 312, 385, 386, 388, 390, 399, 407, 410, 447, 448, 467, 468, 624 persona non grata 177 Personenbezogenheit 4, 40, 448 persuasio 156 Petrus 1, 167, 168, 359, 367, 391, 396, 409, 434, 465, 466, 469, 472, 474, 476, 479, 482, 517, 518, 519, 522, 526, 530, 539, 609, 611 Petrusreden 517, 522 Phariser 2, 50, 51, 237, 273, 384, 387, 388, 390, 392, 393, 395, 398, 410, 430, 434, 442, 444, 453, 454, 456, 458, 482, 483, 484, 485, 491, 492, 493, 494, 495, 496, 497, 498, 499, 502, 503, 507, 511, 512, 639 Phariserschelte 51 Philosophie/Philosoph/philosophisch „pilpul“ 104 Platon 8, 43, 62, 163, 220, 599 Plautus 626, 627 Polemik, anonyme 468, 469, 474, 482, 485 Polemik, direkte 425 Polemik, figurative 469, 479, 483, 485 Polemik, mythologische 470, 485 Polemik, pseudonyme 469, 483, 485 Polemik, verdeckte 177, 467, 468, 470, 481, 483, 484, 485, 486, 488 „Polemisches Dreieck“ 174, 177, 324, 325 Polytheismus 87, 113, 217 Porphyrios von Tyros 640 Positive Selbstdarstellung 325 Pragmatik/pragmatisch 9, 95, 174, 183, 193, 251, 260, 267, 275, 277, 358, 429, 571

pqait¾qiom 240 (Berg-)Predigt 8, 50, 51, 184, 203, 387, 388, 392, 393, 394, 410, 438, 465, 467, 469, 471, 474, 475, 481, 483, 485, 528, 536, 606, 607, 608, 609, 610, 611, 613, 614, 616, 617, 618 Predigtauditorium 617 Priesterpolemik 221 Priscillian 603 progymnasmata 257, 421 Promiskuitt 629, 631, 632, 633, 641, 643 pronouncement stories 416, 419, 436 propositio 234, 263 Proselytenidentitt 170, 173 Pseudepigraphie 242, 249, 251, 295, 320, 368 Publikum 58, 60, 65, 66, 78, 95, 97, 137, 139, 185, 187, 209, 256, 257, 258, 267, 268, 271, 273, 275, 282, 287, 360, 372, 579, 584, 587, 588, 595 Pythagoras 70, 639

quaestio finita 257, 276, 289 quaestio infinita 257, 276, 289 Rahmung, narrativ-szenische 445 Redaktion 18, 19, 20, 22, 26, 27, 30, 31, 32, 33, 397, 405, 416, 420, 430, 437, 444, 446, 449, 450, 454, 455, 456, 485, 486 Redefreiheit 40, 45 reductio ad haeresim 638 refutatio 257, 272, 283, Reich Gottes/Gottesherrschaft 389, 395, 398, 399, 400, 403, 410, 411, 472, 473, 484, 518, 521, 593 Rhetorik 2, 4, 5, 56, 63, 78, 85, 91, 165, 172, 184, 187, 191, 192, 196, 197, 198, 200, 204, 205, 209, 226, 296, 421, 428, 448, 469, 581, 585, 586, 605, 616 rb 17 – 37 Ritualmord 84 Ritus 131, 266, 274, 276, 281, 283, 284, 285, 286, 288

Register Sachen und Personen

Rufinus 622, 623, 624, 625, 627, 628, 634, 635, 636, 637, 642, 643, 644, 645 Sabbat 81, 84, 86, 132, 148, 395, 396, 398, 406, 407, 442, 453, 488, 536, Sammlung Israels 533 Satan 1, 184, 186, 193, 196, 201, 228, 229, 276, 375, 391, 470, 479, 480, 485, 492, 494, 496, 502, 503, 505, 506, 507, 511, 512, Satire 5, 41, 51, 59, 64, 66, 256, 621, 622, 642, Scharlatan 67, 68, 73, 74, 82, 633, 634 Scheinheiligkeit 228 Scheltrede 5, 358, 403, 410, 421, 422, 426, 428, 430 Schreibstil 242 Schriftbeweise 596 Schriftgelehrte 2, 18, 29, 46, 50, 51, 384, 387, 388, 390, 393, 406, 430, 434, 442, 443, 444, 454, 456, 482, Schule Hillels 105 Schule Shammais 105 Schulgesprch 438, 439, 440, 441, 442, 443, 444, 457, 481 Selbstbezeichnung 472, 595, 609 Selbstinszenierung 242, 252 Semiotik/semiotisch 259 Sentenz 417, 421, 422, 426, 429, 447, 450 Sexualitt 93, 216, 632, 634 Situation, polemische 58, 185, 187, 212, 314, 324, 398 „Sitz im Leben“ 17 – 37, 416, 417, 418, 420, 422, 437, 438, 450 Skandalon 118, 481, 482 Skeptizismus/Skeptiker 103, 383 Sondergut 457, 458, 459, 485, 486 Sophist/Sophistik 41, 52,66, 91, 319, 384, 402, 411, 585 Speisegebote 85, 313, 481 Stephanus 476, 537, 604 Stoiker 51, 85, 277, 382, 634 Streitgesprch 103, 114, 118, 340, 384, 387, 403, 404, 405, 406, 407,

685

408, 409, 410, 415 – 432, 433 – 463 Streitschrift 3, 5, 7, 178, 358 Subjekt, polemisches 174, 325 Sulpicius Severus 621 Schuld(-befreiung) 12, 20, 23, 25, 66, 214, 223, 229, 519, 521, 526, 529, 534, 535, 538, 539 synchron/synchrone Analyse 260, 415, 455, 525 synkrisis 49, 269 Tadel (vgl. vituperatio) 4, 67, 68, 73, 74, 184, 209, 394 Talmud 103, 104, 105, 106, 107, 108, 114 Tatian 638 Taufe 129, 160, 281, 283, 284, 285, 286, 382, 409, 611 Tempel(-kult) 84 Tempel, heidnische 221, 222 Tempelraub 82, 218, 219, 220, 221, 222, 223 Tertullian 579, 582, 585, 601, 605, 642 Tierverehrung (s. Zoolatrie) Tod 1, 67, 68, 69, 108, 116, 118, 201, 332, 341, 388, 403, 407, 408, 409, 410, 456, 519, 521, 524, 526, 528, 530, 531, 533, 535, 536, 537, 538, 539 Tod Jesu (s. Kreuz; s. Tod) Todesengel 106 Topik/Topoi/Topos, literarischer 2, 41, 50, 64, 71, 72, 163, 167, 172, 237, 239, 242, 248, 249, 269, 276, 278, 282, 306, 307, 319, 474, 456 Tora 2, 3, 18, 30, 34, 35, 82, 84, 103 – 119, 128, 145, 148, 168, 173, 218, 219, 220, 226, 229, 239, 395, 396, 492, 493, 495, 496, 497, 499, 501, 503 Tradition 1, 18, 19, 22, 24, 50, 52, 62, 72, 77, 78, 83, 95, 109, 128, 129, 130, 131, 138, 145, 259, 272, 273, 283, 304, 307, 311, 320, 323, 324, 339, 347, 351, 371, 386, 388, 394, 395, 396, 398, 403, 405, 409, 410,

686

Register Sachen und Personen

420, 425, 430, 437, 439, 445, 446, 449, 450, 451, 453, 476, 486, 487, 493, 494, 495, 496, 497, 498, 499, 500, 501, 503, 509, 510, 512, 518, 520, 526, 528, 533, 548, 549, 581, 582, 583, 587, 590, 591, 597, 601, 612, 639, 642, 646 Umkehr 34, 312, 322, 392, 524, 525, 538, 540 Ungeheuer 640, 641 Ungerechtigkeit 256, 645 Unreinheit 194, 213, 216, 223 Unterstellung 41, 89, 91, 325, 326, 427 Unwissenheit/Unverstndnis 527, 530 Unzucht 2, 221, 223 (Gerichts-)Urteil 23, 106, 172, 173, 212, 213, 214, 215, 223, 224, 303, 395, 402, 409, 519 Vergleich 11, 12, 46, 50, 69, 70, 117, 133, 190, 202, 268, 269, 280, 310, 316, 320, 321, 339, 368, 405, 420, 567 Verkndigung 18, 19, 165, 167, 172, 175, 202, 203, 217, 249, 318, 388, 389, 390, 391, 403, 409, 418, 459, 476, 477, 479, 481, 483, 520, 522, 524, 525, 527, 532, 533, 534, 535, 536, 588, 593, 601 Verleumdung (diabok^) 5, 58, 59, 60, 66, 74, 79, 80, 86, 90, 91, 218, 222, 229, 358 Verstockung 519, 534 Verwerfung 517, 519, 522, 524, 526, 527, 528, 533, 534, 536, 537, 538, 539

Verurteilung 5, 7 Vigilantius 622, 623, 624, 625, 626, 627, 631, 632, 633, 636, 637, 638, 639, 640, 641, 642, 643, 646 vir bonus 166, 167, 325, 385 vir malus 166 vituperatio (xºcor) 41, 49, 57, 172, 184, 256, viva vox 590, 591 Vorurteil 93, 95, 155, 156, 167, 323, 324, 391 Vorurteil, antijdisch 310, 315 Vorurteil, antikretisch 310, 322, 324, 326 Vorurteilsstruktur 155, 156 Wahrheit 1, 11, 12, 59, 77, 88, 90, 106, 127, 144, 150, 160, 163, 164, 165, 166, 169, 177, 196, 214, 215, 229, 265, 267, 274, 284, 298, 300, 322, 343, 344, 345, 381, 383, 384, 386, 410, 411, 481, 559, 567, 570, 571, 581, 583, 588, 589, 590, 591, 592, 594, 596, 598, 599, 601, 603, 619, 629, 634, 643 Weisheit/weisheitlich 5, 34, 45, 51, 262, 263, 267, 274, 275, 276, 279, 280, 358, 363, 366, 367, 368, 374, 376, 406, 408, 590, 625 Wettkampf (!cym kºcym) 428, 429 Wiedergewinnung der Gegner 205 Wundergeschichte 451, 455 Xenophobie

98

Zeitkritik 60, 63 Zeno 634 Zoolatrie 96