Peregrine Pickle: Band 4 [Neue Auflage, Reprint 2021]
 9783112515204, 9783112515198

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Pi'cMelKJbcutcL

-LM yr.ch:ednes, (s. B.r. S. 130— 144,) Seine Streitigkeiten mit Sterne, der ihn unter dem Namen Smelfungus ver­ schiedentlich geisselte, sind zu bekannt, als daß ich ihrer zu erwähnen brauchte. Smollet's Tod er­ folgte zu Massa Carara am lezren Jun. 1769. Daß der Dol'tor auch eine recht anaeneme poetische Ader hatte, erhellt aus einigen kleinen Gelegenheitsqedichten, Haupt,aü-lich aus dem: the tearsof Scotland. bas in einer Sammlung Geistreicher Ge­ dichte, die den Titel führt: the Union, ist abgedrukt worden. Auch ist oer Nerlaffc 'zw'ier dramatischen Stükke: the Rcgicide, Tragedy,

im 1.1749 gedrukt, die Gurrick nicht annam **) ---) Meines Wissens übersezt worden.

sind Beide nicht in's Teutsche

** ) Daher die erstaunliche Animosität, die in dem Ur­ theil herrscht, das er den M a l t h e se r r i t t e v im fünf und zwanzigsten Kapitel des zweiten

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und die nie aufaeführt worden ist; und non theReprisal or th e Tears of Old-England, Farce, auf dein Theater zu Drnry-Lane i7S7, mir nicht gft-feit Beifall ansgesührt. Man schreibt ihm noch einen Roman zu, der im Teutschen den Titel führt: Abenteuer des R i t t e r s L a u n c e l 0 t G r e aves und zuKoppenhagen 177 2 bei Rothe erschienen ist. Allein er ist sicher ein untergeschobnes Produkt, oder mein Gefühl müsste mich ungemeitr tauschen. Ein Mann, der den Humphry Rlinkev und den Pickle ge­ schrieben, kann unmöglich seineLaufbahn so schliessen. Bandes über ibn fallen lasst. Wer Garrick aus Lichtenberg' s und S t u r.z c n’6 meisterhaften Schilderungen kennt, wird, ohne die Anekdote zu wissen, dasider No seins der Neuern cm Stük des D 0 kt 0 r ' s zurükgewiesen bat, so etwas ver­ muten ; mir wenigstens ging es so, eh' ich die Bio­ graphie von S m 0 ll e t durch den Herrn Professor S ch m i d t erhalten batte. S m 0 ll e t bat in der neuen Edition alles was er über G arri ck gesagt batte, weggelassen; allein die Beurtheilung, von O. uin ist stehn geblieben; auch soll O.«in ,nach dem Zeugnisse Mehrerer im Tragischen nicht besser gewesen sein , als ibn der Doktor schildert. Ich habe sein Urtheil über Garrick nicht unterdrükt, rum zu zeigen, wie weit den bravsten Mann eine Privatbeleidigung hinreissen kann. In der Vorrede der neuen Edition spielt Sm oll et gewis aufdiefen unanständigen AusfallaufGa rr i ck an/ wenn er sagt: „Der Verfasser gesteht mit zerknirschtem „Herzen , das; er ein oder zweimal den Eingebungen „persönlicher Nachgier zu viel Gebdr gegeben, und „die Karaktere so geschildert bat, wie sie ihm dazu„mal durch das vergrössernde Medium des Vorur„theils erschienen; allein bei dieser Auflage hat er „sich bemühet, alle diese Ausschweifungen und So„tisen wieder gut zu machen."

Inhalt.

Inhalt»

Erstes Kapitel.

peueyrme eilt nach der Garnison, seiner Base den lezten Liebesdienst zu erzeigen. Gauntlet kommt, Seite s

ihn zu seiner Hochzeit einzuladen.

Zweites Kapitel. peuegrme trift auf dem Wege nach der Garnison eine Hcelstrassennymphe an, die er zu sich nimmt und zu einer seinen Dame umschaftS. zz

Drittes Kapitel. pevegrine bekömult einen Besuch von pallet, ge­ rat in eine genaue Bekanntschaft mit einem der edlen Newmarketsritter, und wird durch Kunst­ verständige angeführt. S. st

Pereg. PrMe IV. B.

)G

I it halt. Viertes Kapitel. Ein grosser Man» nimmt pickle'n in Protektion. Leztrer giebt sich zum Parliamentsgliede an, wirb aber in seiner Erwartmig getäuscht und gar arg überlistet. S. 6;

Fünftes Kapitel. Pickle hrselt dem Minister fleissig, findet von un­ gefähr die junge Mistriß Gauntlet, und mus sich Gesellschaften von-weniger erhabnem Range wäh­ len. S. 90

Sechstes Kapitel. Ladtvallader macht bei seinem Freund den Tröster und dieser bei ihm. Leztrer findet, daß man ihn ganz allerliebst angeführt hat. S. ni

Siebentes Kapitel, peregvine wird von der Aufrichtigkeit des Ministev'o überzeugt. Sein Stolz und Ehrgeiz leben von neuem auf und werde» abermals gedemütigt. S, 128

Achtes Kapitel, pevegrine wagt sich mit Schriften in's Publikum; wird Mitglied eines Autorenklubs. S. 140

Neuntes Kapitel. Wie es ferner in dem Antorklub hergeht.

S. 160

Inhalt.

Zehntes Kapitel. Der junge Squire wird bei cineiu Alterthumsken»er der ersten Ordnung eingeführt und beginnt ein Kläffer zu werden. S. 187

Elftes Kapitel, peregrine» wird das Haus des Ministers verbo­ gen , fein Gehalt genommen und von ihm ausgesprengt, daß er wahnsinnig geworden fei. -S.-or

Zwölftes Kapitel, peregrine schreibt gegen den Minister, der ihn in Verhaft zu bringen weis. Er liefert sich selbst aber in's F l e e t. S.--7

Dreizehntes Kapitel, peregrine scheint mit seinem Käfig ziemlich zufrie­ den, wird zu seinem Erstaunen von zwei alten Bekannten überrascht, die sich ganz wider feinen Willen in seiner Nachbarschaft cinguartiercn. ©, 266

Vierzehntes Kapitel. Die Verbündeten thun einen Ausfall auf Lrabtcee’n, weswegen sie aus dem Fleet verbannt werden, peregrine beginnt die Wirkungen der Gefangenschaft zu empfinden. S. -8g.

Fünfzehntes Kapitel. Das Unglüksgcwvlk fängt an sich zu zertheilen. S.-s8

)(8

Inhalt.

Sechzehnteö Kapitc.l.

söhnt sich mit dem Lieutenant wieder aus unb erneuert seine Verbindungen mit der Gesellschaft. Er hat Gelegenheit einen merkwür­ digen Beweis von Selbstverleugnung abzulcgeir.

Pevcgviiie

S. 314

Siebenzehntcs Kapitel,

gerät in einen ausserordentlichen Brief­ wechsel, der durch einen ganz unerwarteten Vor­ fall unterbrochen wird. S. 324

pcregrine

Achtzehntes Kapitel,

peregrine nimmt Abschied vom Fleet und Best; vv» der väterlichen Nachlassenschaft. S. 341 Neunzehntes Kapitel.

Pickle leistet seinem Varee den lezten Liebesdienst, und kehrt in einer sehr wichtigen Absicht nach London zurük. S. 334 Lcztes Kapitel.

verschast sich die reichlichste Schadloshaltung für alle ihm bisher widcrfahrne Kränkungen.

Pickle

S.zLr

Erstes

Erstes Kapitel,

peregkme eilt nach der Garnison, seiner Ba­ se den lezten Liebesdienst zu erzeigen. Ganntler kommt, ihn zu seiner Hochzeit einzuladen.

den Zirkel dieser Belustigungen war die Zeit unsers Melden vertheilt und wenig junge Herren

von seinem Alter geniessen des Lebens so angenem. Freilich bekam er unterweilen sehr ernste Rügen von der Vernunft; dies diente aber nur dazu, seine Be­

gierde zu reizen, und die von ihr so weislich ver­

dammten Ergözungen zu wiederholen. Jezt erhielt er einen Brief, der ihn zu dem Entschlus brachte, auf sein Landgut zu gehn. Der Brief lautete wie folget: pereg. Pickle IV. B.

A

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Vedder Pickle!

Ich hoffe, Ihr sollt'n besser's Gleichgewicht hat-en, wie Eure Vase.

Die hat sieben Wochen in ihrer» Bet­

te fest vor Anker liegen gedahn.

Das Wasser hat et-

lichemal in ihrem Kielramn gar hoch gestanden, un ich

fürchte, ihre Planken sind so verrottet, daß sie in Kür­

zern wird in Stükken fallen müssen.

Ich habe alles

gedahn, was in meiner Macht ist,'sie dicht zu halten, int dafür gesorgt, daß keen plözlicher Windstos sie oversezen rnöchte.

'S sind zwce Dokters hier gewest.

Die,

haben Spcigatten in ihrem untern Verdek gemacht, int

sechs Maas Wasser h'rausgepumpt.

Ich meines Parts

wundre mich, wie vor'n Deisel, däs dahingekommen ist.

Das Getränk, wisst Ihr Wohl,

lies sie nicht

'«mal gern in die Schuhe losen, vielweniger in 'n Hals. Aber die Schäkers, die Dokters, rnachen's wie die un-

geschikten Zimmerleute; statt een Lek zuzustopfen, ma­

chen sie immer 'n Paar neue; und so löst sie denn ge­ schwind wieder voll.

Das schlimmste dabei ist, daß sie

keenen Tropfen Rauscher mehr durch die Zähne lassen

Will, un daß 's Ruder ihres Verstandes ganz fort ist. Sie macht verdeifelte Schwankungen mit ihrer Zun­

ge; schnakt da von'nem fremden Lande, das sie's neue Grusalehm nennt, un wünscht im Flusse Gorden 'nen

sichern Ankergrund zu finden.

Der Pfarrer, mus ich

sagen, giebt sich viel Mühe, ihre Seele sicher durchzu­ steuern ; schwogt ganz gescheit von ehristlicher Liebe inr 'en Armen.

Drum hat sie denen ooch zweehundert

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Pfund in ihrem Testament vermacht.

Sir Gama-

-l i e l und Euer Bruder das Pukkellinichen ist da ge­ west; sie wollten vorgelassen werden unsre sehn. Abers ich wollt 's nicht leiden, dasi sie an Bord kämen, druM

richtet ich meine Kanonen uf sie un so segelten sie wie­

der ab.

Eure Schwester, Mistriß Clover, steht in

Eenem fort Schildwach bei Ihrer Muhme, ohne sich

ablösen zu lassen. sen.

'S is 'n gutherziges junges Weib­

'S würde, mir lieb sein, Euch in der Garnison

zu sprechen, VcdLer, wenn just der Wind Eurer Nei­ gung dahin stunde.

'S Ware vielleicht für Eure Vase

’n Trost, Euch noch an ihrem Vord zu sehn, da iHv

Anker will loslassen duhn. So viel für diesmal! Ver­ harre allstets

Euer Freund und dienstwilligster Diener, John Hatchway.

Den folgenden Morgen nach Empfang dieses Brie­ ses machte sich peregrine zu Pferde auf den Weg nach dem Kastell, sowohl um seine Achtung gegen seine Base, als auch seine Freundschaft gegen den braven rechtschafnen zu bezeigen. Pipes be­ gleitete ihn. Er hatte Verlangen, seinen alten Schifskameraden wieder zu sehn. Pickle kam zu spät. Mistriß hatchway hatte bereits ihren Geist in ihrem fünfundsechzigsten Jahre aufgegeben. Der Wittwer schien seinen Verlust mit christlicher ErgeA 3

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Einig zu ertragen, und führte sich bei der Gelegen heit sehr dem Wohlstände gemaS aus, wiewohl er sich nicht jene heftige Ausbrüche des Schmerzes zu Schulden kommen lies, welche einige zärtliche Gat­ ten beim Abscheiden ihrer Weiber empfunden haben. Der Lieutenant war von Natur Philosoph und so sehr geneigt, mit allen Fügungen der Vorsicht zu­ frieden zu sein, daß er nicht weniger in dieser, wie in jeder andern Eraugnis in seinem Leben festiglich

glaubte, daß alles, was sich zutrüge, zum Vesten

Diente. peregrine hatte daher nicht viel zu thun, ihn zu trösten. Allein seine Schwester macht' es ihm sauerer. Diese jammerte mit der innigsten Wehmut, mit dem gerührtesten Herzen über den Lod der ein­ zigen Verwandtin, mit der sie vertrauten Umgang gehabt hatte. Denn was ihre Mutter anlangte, so war die in ihrer Feindschaft gegen Dulten Llover'ir rmd peregrine'n unversöhnlicher und in ihrem Grol­ le heftiger, als je. Was anfänglich flüchtige Auf­

wallung des Unwillens gewesen war, hatte sich um

die Zeit zu dem eingewurzeltsten Hasse festgesezt. Und was Gam betrift, der von dem Landvolke jezt mit dem Namen Her junge Squire beehrt wur­

de, so hatte der noch stets den Posten eines Hand-

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langers der Kaprisen und der Rachgier der Muttes.

Er ergrif jede Gelegenheit, Juliens Ruhe zu stö­ ren , ihren guten Namen zu verkleinern und geaeu die Unterthanen und Domestiken ihres Mannes, der von friedsamerem und schüchternem Karakter mar, Beleidigung auszuüben. DcrHauptzeitvertreib des jünger» Pickle aber iir

diesen leiten Jahren war die Jagd. Er hatte sich

darin durch seine Unerschrokkenheit und durch seine merkwürdige Gestalt einigen Ruf erworben. Leztere nam von Tage zu Tag an Häslichkeit zu. Dies

brachte einen Herrn aus der Nachbarschaft, den der Ritter vom Aste durch seinen Uebermut beleidigt

hatte, auf einen lustigen Einfall, iich zu rächen. Er kleidete eines Tags einen grossen Pavian, den er hatte, so an, wie Gam sich auf derJagd zu tragen

pflegte; lies dies Thier auf einen seiner hiziqsten Iagdklepper mit ausgespreiteten Beinen sezen, cs dar­ auf fest binden, und so hinter die Hunde hersprengen. Das Pferd hatte in Kurzem alle die andern über­ holt. Die ganze Gesellschaft sah dessen Reiter 'fit Gam an, und grösste ihn mir einem lauten Halloh,

wie er bei ihnen vorübersprengte. Zugleich machten

sie die Bemerkung: der Squire habe wieder sein gewöhnliches gutes Glfif., indem er besser beritten Az

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sei als seine Machbaren. Als Pickle nachher in eig­ ner Person erschien, bewirkte er bei den Zuschauern ein grosses Erstaunen. Einer davon fragte ihn: ob er sich getheilt habe, und zeigte auf seinen Repräsen­ tanten, der um die Zeit die Hunde meist eingeholt hatte. Hierauf verfolgte der wirkliche Gam den un­ tergeschobnen. Wie er ihn erreicht hatte, machte ihn diese Konterfeiung so rasend, daß er den Pavian mit der Peitsche anfiel. Aller Wahrscheinlichkeit nach würd' er ihn seinem Zorne aufgeopfert haben, hat­ ten ihn die andern Fuchsjager nicht daran verhindert. Um die Uneinigkeit zwischen den beiden Jagdkame­ raden beizulegen, schlugen sie sich isss Mittel. Sie erstaunten und ergezten sich nicht wenig, als sie entdekten, wer eigentlich des Hökkerichs Gegner war. Leztrer ward durch sie Gam's Wut entrissen, und wieder zu seinem Herrn zurükgeschikt. peregrine übernam aus Ansuchen seines Freundes Iack die Besorgung des Leichenbegängnisses seiner Base. Seine Aeliern wurden dazu eingeladen, san­ den es aber nicht für ratsam, zu erscheinen. Auch achteten sie nicht auf seine eifrige Bitte um die Er­ laubnis, ihnen persönlich aufwarten zu dürfen. Nichtsdestoweniger bewirkte der alte Gamaliel, auf -Anhezen seiner Frau, einen Vefel von D octo r'S

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C o nt m o ii s, der Hatchway'n nötigte, den leitest

Willen seiner Frau vorzuzeigen, weil zu vermuten stände, daß sie ihm als ihrem Bruder einen Theil des baaren Geldes würde vermacht haben, über das sie (wie er wohl wusste) disponiren konnte. Allein dieser Schritt half ihm zu weiter nichts, als daß er

das Vergnügen hatte, sich von der Erblasserin völ­ lig übergangen zu sehn. Sie hatte ihr ganzes Ver­ mögen ihrem Manne hinterlassen, ausgenommen tau­ send Pfund nebst ihren Juweelen für Juliens Toch­ ter, die in des Lieutenants Briefe erwähnte Mild­ thätigkeit und einige unbeträchtliche Vermächtnisse für ihre Lieblinge unter den Domestiken. Wenige Tage nach der Beerdigung dieser guten Dame wurde unser ^elb durch seinen Freund Geoffry angenem überrascht. Er war wegen der Beförderung nach England gekommen, die erperegrinens Einflus zu danken hatte, die er aber auf

die Rechnung eines gewissen Hofmanns sezte, der A 4 Doctor' s C o m m o n s. „ Das Kollegium für die „ Doktoren und Professoren des bürgerlichen und

„ geistlichen Rechts, worin sich der Adrniralitatsr „richter, der Kanzler des Erzbischofs von Kan-

„ terbrm) u. s. w. befinden."

Adelung- Johnson.

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ihm zuvor $u bleiten versprochen hatte, und' der sich jezt dies Verdienst um ihn sehr bescheiden zueiguete, da er es sich von Niemand streitig gemacht sahe. Gauntlet theilte Pickle'» sein gutes Glük mit, der ihm hierzu als zu einer Begebenheit gratulirte, wo­ von er vorher nichts gewusst habe. Gauntlet erzal­ te ihm zugleich, daß sein Oheim zu Windsor we­ gen dieser Beförderung so fort in seine Verbindung mit seiner liebenswürdigen Sophie gewilligt habe. Der Hochzeittag wäre bereits festgesezt, und es fehl­ te weiter nichts zu seiner Glükseeligkeit, als daßpetegeine dieses Fest mit seiner Gegenwart beehrte. Unser Held nam diese Einladung mit grosser Leb­ haftigkeit an, wie er erfuhr, daß Emilie als Braut­ jungfer dabei sein würde. Er wiederholte jezt, was er zuvor an feinen Freund geschrieben, nämlich, daß er nicht nur willens, sondern auch äusserst ungedul­ dig sei, sich selbst und sein ganzes Vermögen der jungen Dame zu Füssen zu legen, und so sein unsin­ niges Betragen gegen «sie abzubüssen. Geoffry dank­ te ihm für diese rechtschafne Absichten, und versprach, sich seines und Sophiens Einflusses zu seinem Vesten zu bedienen. Doch war er wegen eines guten Erfolgs zweifelhaft, da die Delikatesse seiner Schwester, wie

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er wusste, nicht den »lindesten Schatte» von Unehrerbietigkeit vertragen konnte. Er gestand sogar: er sek nicht sicher, ob sie mit Pickle'» in Einer Gesell­

schaft erscheinen würde. Da sie aber deshalb nichts siipulirt hatte, wollt' er ihr Stillschweigen auf's be­ ste auslegen, und sie seine Absicht nicht eher wis­ sen lassen, als bis es zu spat für sie wäre, sich mit einigem Anstande zurükzuziehn. Die Hofnung, Emilie'» zir sehn, sich mit ihr zu unterhalten, viel­

leicht! sogar auszusvhuen, nachdem er so viel und so lange von ihrem Misfallen gelitten hatte, erregte einen Aufruhr in pickle's Brust; Bilder drängte« Bilder in seiner Seele, und Freude und Bangigkeit wechselten in seltsamen Gemisch in ihm ab. Gauntlet blieb einige Tage bei ihm. Dann zeigte er ihmdeiz Lag der Trauung an, und nam von ihm Abschied, um die zur Hochzeit erforderlichen Anstalten zu tref­ fen. pcuegrine und sein Freund Harchway mach­

ten indes eine» Besuch bei ihren Bekannten in der Gegend ringsum, in der Absicht, ihre Gesinnungen wegen eines Projekts auszuforschen, worauf Erstrer vor Kurzem! gefallen war.

Er wollte sich nämlich

bei der bevorstehenden Wahl der neuen Parliaiiients-

glieder als Kandidat für einen gewissen Burgflekkerr ln der Nachbarschaft antragen.

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Dieser Plan, den ihm einer von seinen vornenicn Patronen an die Hand gegeben hatte, würde

nach Wunsch ausgeschlagen sein, wäre die Wahl un­ mittelbar vor sich aeganaen. Allein eh sie geschahe, wurde sein Interesse durch verschiedne kleine Vor­ fälle überwogen, deren wir in der Folge gedenken wollen. Mittlerweile! erschien er zu Windsor den Abend vor dem Hochzeittage seines Freundes. Geoffry meldete ihm: er und Sophie hätten die

äusserste Schwierigkeit gehabt, seine Schwester da­ hin zu vermögen, bei der Hochzeit gegenwärtig zu sein, als sie erfahren habe, -aß ihr ehmaliger Lieb­ haber dazu cingcladcu sei; und sie hätte ihre Ein­ willigung nicht eher von sich gegeben, «IS bis sie ihr

Beide in percgrincns Name» versprochen: er solle die alte Materie nicht wieder auffrischen, ja nicht einmal auf den FuS eines alten Bekannten sich mit

ihr unterhalten. Diese Präliminarartikel verdrossen unsern jun­ gen 'Zerrn heftig; gleichwohl versprach er sie pünkt­

lich zu beobachten. Er glaubte durch Stolz und Un­

willen so gut befestigt zu sein, daß er beschlos, ihr mit solcher Gleichgültigkeit zu begegnen, daß, wie

er hoste, ihre Eiielkest dadurch sollte gekränkt,, und

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sie für ihre Unversöhnlichkeit bestraft werde». Mit diesen Gesinnungen ausgerüstet, ward er den folgenden Tag von Geossry bei der Braut eingeführt. Diese empfing ihn mir ihrer gewöhnlichen Sanftheit und Leutseligkeit. Emilie war zugegen, prckle

machte ihr von weitem seine Verbeugung, die sie durch einen frostigen Knix und mit einem eiskalten Gesicht erwiederte. Wiewohl ihn dies Betragen in seinem -.Unwillen bestärkte, so untergrub doch ihre Schönheit seinen Entschlus. Ihm dauchte, ihre

Reize hätten seit ihrer lezten Trennung unendlich zu­ genommen. Lausend wonnevolle Bilder kehrten.in seine Einbildungskraft zurük, und er fühlte seine ganze Seele in Zärtlichkeit und Liebe ausgelöst. Um diese gefährliche Ideen zu verdrängen, be­ müht' er sich, mit S.yphre'n eine muntre Unterre­ dung über die bevorstehende Ceremonie anzufangen;

allein seine Zunge verrichtete ihr Amt gar links; seine Augen wurden, wie durch einen Zauber, nach Emilie'n hingezogen; troz allem seinen Streben

entwischte ihm ein tiefer Seufzer, und sein ganzes Wesen verriet Angst und Verwirrung. ,

Der Bräutigam bemerkte seinen Zustand und

.kürzte daher den Besuch ab.

Auf dem Wege nach

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dem LoqiS seines Freundes bezeigt' er ihm sein Leiv-

lvesen, daß er nnschuldigerwelse ihn mismutig ge­ macht habe, indem er ihn Emiliens Anblik ausgesezt, der, wie er bemerkt hatte, ihm lästig gewesen sei. peregrine, der sich unter der Zeit wieder gesammlet hatte, versicherte ihm, auf Antrieb seines

Sroljes r er habe sich geirrt; die Zerrüttung, worin er ihn bemerkt halte, rührte von einer Uebelkeit Her, von der er seit einiger Zeit Anwandlungen be­

käme. Um ihm nun zu zeigen, wie philosophisch er Emi­

liens Verachtung ertrüge, die er bei aller Ehrerbie­

tung gegen ihr Benemen ein wenig zu hart zu fin­ den nicht umhin könne, so bat er den Bräutigam, der Anstalten zu einem Ball auf den Abend getroffen

hatte, ihn mit einer artigen Moitie zu versorgen. Er wolle in dem Fall unstreitige Beweise von der Ruhe seines Herzens geben.

Ich hoste, versezte Geossey, im Stande zu sein, durch Sophiens Beihülfe die Zwistigkeit zwischen memev Schwester und Ihnen beiznlegen, deshalb hab' ich sie für heute Abend an keinen versagt. Da sie aber so störrisch hartnäkkig ist, will ich Ihnen eine recht schöne junge Dame zu verschaffen sucheiv

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Seren Chapeau er nicht unlieb sein wird,' sie gegen Emilie'n zu vertauschen. Die Vorstellung, eine Gelegenheit zu haben, mit einem andern Frauenzimmer vor den Augen sei­ ner unversöhnlichen Gebieterin galant zu thun, »nterstüzre Pickles Lebensgeister bei der Feierlichkeit, die Gauntleten den feurigsten Wunsch seines Her­ zens gewährte. Mittelst dieser Herzstärkung war unser igelt> bei der Mittagstafel so ruhig, daß ex, wiewohl er seiner schonen Feindin gegen über sas, im Stande war, mit anscheinender Frvlichkeit und guter Laune einige gelegentliche Scherze über das neue Paar hervorzubringen. Auch Emilie schien sich nicht weiter um seine Gegenwart zu kümmern, als daß sie ihn von dem Antheil an den froh belebenden Dlikkea ausschlvs, die sie an die übrigen von der Gesellschaft austheilte. Dies ruhige Betragen von ihrer Seite bestärkte ihn in seinem Entschlus, in­ dem es ihm einen Dorwand an die Hand gab, ihre Fühlbarkeit in Zweifel zu ziehn. Denn er konnte nicht begreifen, wie ein feinfühlendes Frauenzim­ mer in der Gegenwart eines Mannes ungerührt sein könne, mit dem sie kürzlich in genauer Verbindung gestanden hatte. Er erwog hierbei nicht, daß sie weit mehr Ursach hatte,, seine vvrgespiegelte Unbe-

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kangenheit zu verdammen, und, daß ihr äufsers Be­ tragen , so gut wie das seiiiige, eine saure Frucht

des Stolzes und der Entrüstung sei» konnte.

Dieser Wetteifer im Verstellen dauerte bis zu

Mitternacht, als die Gesellschaff sich zum Tanzen paarte,

peregrine ervfnete den Ball, durch eine

Menuet mit der Braut. Sodann wandt' er sich an

das junge Frauenzimmer, der er von Gauntlet empfolen war.

Es freute ihn ungemein, zu sehen,

daß ihre Figur und Gesichtsbildung im Stande war,

selbst Emilie'n Eifersucht einzuflössen.

Er bemerkte

inzwischen zu gleicher Zeit, daß seine Gebieterin mit einem jungen muntren Officier engagirt war, den er (troz aller gebührenden Achtung gegen sich selbst) für keinen verächtlichen Nebcnbuler ansehir

konnte. Dessenungeachtet begann er die Feindselig­

keit zuerst.

Er lies sich plözlich mit seiner Moitie

in eine geheime Unterredung ein, und grif sie so­

gleich mit den schmeichelhaftesten Komplimenten an, die bald zum Kapitel der Liebe führten. Hierüber

breitete er sich mit grosser Kunst und Beredsamkeit Nus, und bediente sich dazu nicht blos seiner gelausigen Zunge, sondern auch der Augensprache, auf Äe er sich Vollkommen verstand.

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Dies Betragen ward bald von der ganzen Ge­ sellschaft bemerkt. Der grösste Theil davon glaubte,

er wäre im guten Ernst von den Reizen seiner Moitie gefesselt. Emrlre hingegen durchsähe seine Ab­ sichten, und kehrte seine Waffen aegen ihn. Sie schien die Reden seines Nebenbulers, der in der Kunst zu lieben kein Neuling war, mit Vergnügen anzuhören. Sie assektirte eine ungemeine Lebhaf­

tigkeit, und kicherte laut bei allem, was er ihr iu's Ohr wisperte; so daß auch sie ihrer Seits die Auf­ merksamkeit der Gesellschaft auf sich zog, die sich

einbildete: der Offfcier habe an des Bräutigam's Schwester eine Eroberung gemacht.

Selbst peregrine fing an, diese Meinung zu he­

gen; sie bemächtigte sich allmalig seiner frohen Lau« ne und füllte endlich seinen Busen mit Wut. Er bestrebte sich, seinen Unwillen zu unterdräkken, und rief jede Veranlassung zur Eitelkeit und zur Rache zu Hülfe. Ergab sich die äusserste Mühe, seine

Augen von dem leidigen Gegenstände abzugewöhnen, der ihn unruhig machte. Aber seine Augen gehorch­

ten seinem Gebote nicht.

Er wünschte aller seiner

Sinne beraubt zu sein, wenn er sie lachen hörte oder dem Officier zulächeln sahe; und als er ihr beim Konttetanr die.Hand.geben musste, durchbeb-

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te diese Berührung alle seineNerven und entzündete

eine Flamme in ihm, die er kaum zurükhalten konn­ te. Mit Einem Wort, seine Bemühungen, die La­

ge seiner Seele zu verbergen, waren so heftig, daß

sein Körper diese Erschütterung nicht aushalten konn­ te. Der Schweis strömte ihm von der Stirn, alle Farbe entschwand seinen Wangen, die Kniee fingen an zu schlottern, und sein Gesicht ihn zu verlassen. Er wäre sonach langelang auf den Boden hingestürzt,

hatt' er sich nicht schnell in ein andres Zimmer be­

geben , wo er ohnmächtig auf ein Ruhebette hin­ sank. In dem Zustande fand ihn sein Freund, der ihm folgte, wie er ihn mit solchen Symptomen ei­ ner plözlichcn Unbäslichkeit weggehen sahe. Als Pickle den Gebrauch seiner Sinne wieder hatte,

bat ihn Gauntlet inständig, sich lieber eines Bettes

in seinem Hause zu bedienen, als sich der Nachtluft auszufezen, wenn er nach seiner Wohnung ginge. Allein er konnte ihn nicht vermögen', dies Anerbie­ ten anzunemen. Daher wikkelt' er ihn in einen Mantel, führte ihn nach dem Wirtshanse, wo er

logirte, half ihn entkleiden und brachte ihn in'S Bette. Kaum war er darin, so bekam er einen hef­ tigen Anfall vom kalten Fieber.

Geoffey bezeigte sich

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sich sehr zärtlich, und wollte wirklich, troz seiner

Lage, ihm die ganze Nacht über Gesellschaft leisten. Allein sein Freund bestand darauf, er sollte zu sei­ nen Gasten zurükkehrcii und ihn bei seiner Moitie wegen seines plözlichcn Wcggehns entschuldigen. Dies war schlechrerdings notwendig, um die Gesellschaft zu beruhigen, die er in grosser Bestür­ zung wegen seiner Abwesenheit fand. Denn da ei­ nige Frauenzimmer den Bräutigam dem Fremden

hatten auf den FuS Nachfolge» sehn, ohne zu wissen weshalb, begannen sie einen Streit zwischen ihnen zu besorgen. Emilie, die so erschüttert war, daß sie nicht stehen konnte, und sich genötigt sahe, Zu­

flucht zum Riechbüchschen zu ncmen, bediente sich des Vorwandes, daß sie gleicher Meinung sei.

Die Braut, welche das ganze Geheimnis ver­ stand, war die Einzige, die mit Bedacht und Geseztheit handelte. Sie Maas Emiliens Uebelwer­ den der wahren Ursach bei, nämlich der Theilname an dem Zustande ihres Liebhabers; und versicher­

te den Frauenzimmern: Pickle's Weggeh» bedeute nichts ausserordentliches. Er sei häufig Anwandlun­

gen von Ohnmachten unterworfen, die ih» oft ganz unerwartet überfielen. peeeg. Pickle IV. B.

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Gauntlet's Ankunft besiat'gte die Wahrbeit die­ ser Behauptung.

Er entschuldigte fernen Freund

in seinem Namen bei der Gesellschaft, und berich­ tete, daß ihm plözlich übel geworden sei. Die Ga­ ste kehrten nun wieder zu ihrer vorigen Ergözlichkeit, zum Tanzzurük, nur mit dem Unterschied, daßEmilie, die nicht wohl und sehrmüde war, siezn

entschuldigen bat, wenn sie nicht Theil daran name. Daher ward peregrinens Moitie, die sich jezt un­ versagt befand, mit dem Offi ei er gepaart, der

ihr anfänglich zugedacht war. Mittlerweile begab sich die Braut mit ihrer Schwägerin in ein andres Zimmer. Erstre schmäl­ te etwas mit Lezierer wegen ihrer Grausamkeit ge­ gen pickten und versicherte ihr auf Geoffry's Be­

richt, daß er ihretwegen einen heftigen Fieberansall bekommen habe, der wahrscheinlich eine gefarliche Wirkung auf seine Gesundheit haben würde. Wie­

wohl Emilie in ihren Antworten auf die liebrei­

chen Vorstellungen der sanften Sophie unbeweglich war, so machten doch Mitleid und Liebe auf ihr Herz Eindruk und erweichten es. Sie befand sich

ausser Stande, ihr Amt, die Braut zu Bette zu

bringen zu verrichten, und begab sich aus ihre Stu-

be, wo sie insgeheim mit der Unbäslichkeit ihres Liebhabers sympathisirte.

Den folgenden Morgen, so früh es nur der Wohlstand erlaubte die Arme seines theuren Wei­ bes zu verlassen, machte Kapitän Gaunüet beipe-

regrine'n seinen Besuch. Er hatte eine sehr verdrüsliche und unruhige Nacht und kurze Anfalle von Wahnsinn gehabt, bei denen es dem Pipes ausnemend sauer geworden war, ihn zu halten Er gestand wirklich Geossry'n, daß die Vorstel­

lungen von Emjlie'n und dem jungen Ofsicier ihn

nicht verliessen, daß sie ihn mit ganz unaussprech­ licher Angst ansüllten, seinen Geist zerrütteten, kurz ihn so marterten, daß er lieber den Tod, als noch einmal so quälende Betrachtungen ausstehn wollte. Sein Freund beruhigte ihn inzwischen durch die Versicherung: die Neigung seiner Schwester würde über alle Bemühungen des Unwillens und Stolzes

die Oberhand behalten, und stüzte diese Behaup­

tung auf die Erzalung, wie sie durch den Bericht von seiner Krankheit sei gerührt worden. Zugleich gab er ihm den Rat, um Sophiens Vermittlung in einem Briefe anzusuchen, den sie Emrlie'n mit­

theilen sollte. V 2

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Diese Gelegenheit dünkte p-cegrine'n ;u gäustig, als daß er sie hätte versäumen sollen. Erfor­ derte Papier, richtete sich im Bette ans, und schrieb im ersten Feuer folgende Bittschrift an Geoffcx's liebenswürdiges Weib: Werthgeschäzte Frau, Ein jammervolles, zerschlagnes Herz kann sich nie vergebens an Ihre Gutthatigkeit wenden.

Daher hab»

ich die Dreistigkeit in diesen Tagen der Wonne, mich Ih­

nen mit der Sprache der Betrübnis zu nähern und Sie zu ersuchen, sich der Sache eines unglüklichen Liebhabers

anzunemen, der mit unaussprechlicher Angst über seine

zermchtete Hofnung trauert. Suchen Sie mir Verzei­ hung von dem göttlichen Geschöpfe zu bewirken, das ich in dem Uebermaas/in der Zügellosigkeit meiner Leidenschaft

so.tödtlich beleidigt habe.

Gütiger Himmel! ist denn

meine Schuld garnicht abzubüssen? Ist mir alle Hof-

nnng zur Verzeihung abgeschnitten? Bin ich aus ewig zum Elend und zur Verzweiflung bestimmt? Ich habe

mich zu allen den Sühnopfern erboten, welche zu leisten die aufrichtigste, vollkommenste Reue mir nur anraten konnte, und sie verwirft meine Demütigungen und mei­

ne Busfertigkeit.

Wofern ihr Unwille rnich bis ür5

Grab verfolgen will, so soll sie mir nur ihr Wohlge­ fallen hieran äussern, und man soll mich mit dem Na­

men Schurke brandmarken, und mein Gedächtnis soll allen Nachkommen Schande und Abscheu sein, wenn

(

2l

)

ich mich einen Augeublik bedenke, ein Leben aufzuopfern.

Las Emilie'» verhasst ist. Hal Madam, indem ich meinen Schmerz, meine Verzweiflung vor Ihnen ergies­

se , biikk' ich in dem Zimmer, wo ich liege, rings um mich, und jeder wohlbekannte Gegenstand, der mir hier in

die Augen fallt, erinnert mich an den wonnevollen , an Len seligen Lag, an dem die schöne, die gute,

die

zärtliche Sophie meine Fürsprecherin ward, wiewobl ich ihr ganz fremd war und eine entzükkende Aussöh-

rmng zwischen mir und jener schönen Zauberin bewirkte, die jezt so unversöhnlich aufgebracht ist.

Können die

Foltern des Gewissens und fehlgcschlagner Erwartung,

können die heftigen Anfälle von Wahnsinn, die ich ge­ habt , sie nicht befriedigen, so lassen Sie sie vorschrei­ ben, was sie für Abbüssungen meint, die ich ferner er­

dulden soll.

Erfüll» ich ihren Ausspruch nicht pünkt­

lich , so will ich auf ewig ein Gegenstand ihrer Ver­

achtung sein. Ihrer gütigen Vermittlung, theuerste Frau, theuer­ ste S o p h i e, theuerste Gattin meines Freundes, über­

lass' ich mich völlig.

Ich weis. Sie werden sich mei­

ner Sache als einer Angelegenheit annemcn, von der meine ganze Glükseligkeit abhängt; und ich hoffe Al­

les von Ihrem Mitleid und Ihrer Neigung wohl zu

tönn, so wie ich Alles von der Streng' und der Unmenschlichkeit der nenn' ich cs,

Mist

eine

befürchte.

grausame

Art

Unmenschlichkeit von Delikatesse,

die mit der Zärtlichkeit der menschlichen Natur nicht V Z

( bestehen kann.

22

)

Die niedrigste Verachtnng sei mein

Loos, wenn ich je unter einer solchen Bürde mein Les

den fortschleppe.-------- Doch ich fange an zu rasen. Ich beschwöre Sic bei Ihrer Leutseligkeit und sanftem

Karaktcr, ich beschwöre Sie bei Ihrer Liebe zu dein Manne, den der Himmel zu Ihrem Bcschüzer bestimmt

hat, verwenden Sie Ihren Einflus auf diesen Aengel

des Zorns zum Vesten

Ihres verpflichteten und ergebnen Dicners

P.

P i ck l e.

Diesen Brief händigte Geossry sogleich seiner Frau ein. Sie las ihn mit der innigsten Theilnarne/ und eilte damit auf das Zimmer ihrer Schwe­ ster. Hier, sagte sie und überreichte ihr das Pa­ pier, ist etwas, das ich Ihrer ernstesten Aufmerk­ samkeit empfelen mus. Emilie, welche sogleich vermutete, was es sei, weigerte sich schlechterdings, das Papier anzusehn, ja selbst lesen zu hören. Jezt trat der Bruder Ln's Zimmer und gab ihr scharfe Verweise über ihren Stolz und über ihre Hartnäkkigkeit, beschuldigte sie der Thorheit und der Ver­ stellung und nam sich mit solcher Wärme sei­ nes Freundes an, daß sie seine Vorstellungen un-

(

23

)

freundschaftlich sand, in eine Flut von Thränen ausbrach und ihm Parteilichkeit und Mangel an Zu­ neigung verwarf. Geoffcy - der für seine Schwe­ ster die vollkommenste Liebe und Hochachtung hegte, bat um Verzeihung, daß er sie beleidigt habe, küsste die Tropfen weg, die ihren schönen Augen entstürzten, und ersuchte sie, nur um seinetwillen die Erklärung seines Freundes anzuhören.

- Auf so vieles dringendes Bitten konnte sie sich nicht erwehren den Vries anzuhören. Nachdem er ihn vorgelesen hatte, beklagte sie ihr Schiksal, an so vieler Unruhe und Unannemlichkeit Schuld sein zu müssen. Sie bat ihren Bruder Sir prckle'n zu versichern; sie sei keine willkührliche Fein­ din seiner Ruhe, vielmehr wünschte sie ihm alles nur mögliche Glük; doch hoffe sie, würd'es ihr niemand verdenken, daß sie ihr eignes Glük zn Rate zöge, und daher jede fernere Erörterung oder jeden weitern Umgang mit einer Person vermiede, mit der sie sich genötigt sähe, jede Gemeinschaft auszuheben. Umsonst erschöpfte das neue paar alle seine Beredsamkeit, nm ihr zu beweisen, daß der von V 4

c

24

)

unfern Helden angebotne Ersaz der Beleidigung, die sie von ihm erlitten, völlig angemessen sei; daß wenn sie sich mit einem reuevollen Liebhaber aus­

söhnte, der sich Bedingungen von ihr unterwürfe, welche sie wolle, die skrupulösesten und strengsten

Richter des Dekorums ihre »Ehre frei sprechen wür­

den ; und ihre Unbiegsamkeit würde mit Recht dem Stolz und der Fühllosigkeit ihres Herzens zugeschrieben werden. Allein sie war taub gegen alle ih­

re Gründe, Ermahnungen und dringende Bitten, und drohte, das Haus unmittelbar zu verlassen,

wenn sie ihr nicht versprachen, die Materie nicht mehr auf die Bahn bringen zu wollen.

Recht herzlich gekränkt durch den üblen Erfolg sciuerBemähungen, kehrte Dcoffcy zu seinem Freun­ de zuräk, und berichtete ihm den ganzen Verlaus von seiner Unterredung mit Emilien mit so vieler

Schonung als nur immer möglich. Da er aber nicht umhin konnte, ihres zulezt geänssertcn Entschlusses zu

erwähnen, so war peregrine genötigt, den bittern Kelch sehlgeschlagener Erwartung zu leeren. Dies

brachte seine Leidenschaften in eine solche Wallung, daß er in eine kurze Eptase von Verzweiflung geriet,

worin er tausenderlei Ausschweifungen verübte. Doch

(

25

)

dieser Parorismus ging bald in tiefe Verschlossenheit und in düstren Unwillen über, dem er insgeheim »achhing. Unter dem Vorwande, der Ruhe zu be­

dürfen , machte er sich so bald wie möglich von der Gesellschaft deS Vssicieva los. Indes er so lag, und seine diesmalige Lage über­ dachte, kam sein Freund Pipes, der die Ursache sei­

ner Angst kannte und fest glaubte, Emilie liebe im Grunde seinen 'Zerrn, so sehr sie sich auch bemühe, ihre Gesinnungen zu verheinilichen; Tour, sag' ich,

kam auf einen Einfall, von dem er glaubte, daß er alles in Ordnung bringen würde. Daher sczt' er

ihn auch ohne Verzug in's Werk. Ohne Hut lief er grade nach deni Hanse von Sophiens Vater

nud erkünstelte eine Mine des Erstaunens und der Bestürzung, die ihm sonst gar nicht eigen war. Er donnerte mit solcher Heftigkeit an die Thüre, daß

er die ganze Familie in einem Angenblik auf den Flur herausbrachte.

Als er vorgelassen wurde, so

fing er an zu gleicher Zeit den Mund aufzusperren, umher zu starren, zu keuchen, und gab keine'Ant­ wort, wie Geosscy ihn fragte: was eS gäbe, bis Mistriß Gauntlct ihm ihre Besorgnisse wegen seines

Herrn äusserte. Wie Pickle genannt wurde, schien B r

C

26

)

Tom einen angestrengten Versuch zum sprechen zu machen, und versezre in einem bellenden Ton: Sich selbst ufgebracht, zerreis meiucBramsegel! Mit die­ sen Worten deutete er auf seinen Hals, und hob sich aus den Zehen empor, um den Sinn seiner Re­ de ganz deutlich zu machen. Ohne eine weitre Frage zu thun stürzte Geoffvy aus dem Hause, und flog nachdem Gasthofe, im äussersten Schrekken und Kummer. Sophie inzwi­ schen, die des Boren Sprache nicht recht verstand, wandte sich nochmals an ihn und sagte mit grosser Lebhaftigkeit: ich hoffe, daß Sir Prckle'n kein übler Zufall betroffen hat. Keen Zufall weiterst versezte Tom. He hat sich vor Liebe ufgehänqt. Kaum waren diese Worte aus seinem Munde, als Emi­ lie, die an der Thüre des BesuchzimmerS lauschte, laut aufschrie und sinnlos zu Boden sank. Ihre Schwägerin, die von dieser Nachricht beinahe eben so erschüttert war, bediente sich des Beistandes ihres Mädchens; ohne denselben wäre sie ebenfalls nieder­ gestürzt.

Als Pipes Emiliens Stimme vernam, wünscht er sich zu dem gutem Erfolg feiner List Glük. Er sprang hinzu, ihr zu helfen, hob sie in einen Lehn-

sitthl und stand ihr bei, bis sie sich von ihrer Ohtt-

rnacht wieder erholt hatte. Iert hörte er sie bett Namen seines Herrn mit allem Wahnsinn verzweislungsvoller Liebe ausrufen. Sodann trabte er in

vollem Lauf wieder nach dem WirtShause voll herz­ licher Freude, peregrine'n erzalen zu können, was für ein Geständnis er seiner Geliebten abgeprefft

habe. Er wusste sich mit diesem sinnreichen Einfall ausserordentlich viel. Mittlerweile war Geoffry in dem Hause ange-

langt, wo, seinem Vermuten nach, sich die unglükliche Katastrophe ereignet hatte. Ohne sich unter­

wärts weiter zu erkundigen, lief er die Treppe nach peregrinens Zimmer hinauf, und da er es verschlos­ sen fand, sprengt' er die Thüre durch einen Fuöiritt auf. Mein wie gros war sein Erstaunen, als unseu Held bei seinem Hineintrit vom Bette auf­

fuhr und ihm entgegenstürmte: Wer zum Teufel: ist denn da? Gauntlet war sprachlos vor Erstau­

nen, und blieb auf dem Ort, wo er stand, wie an­ genagelt.

Kaum traute er dem Zeugnisse seiner

Sinne. Endlich vertrieb peregrme mit einer Mi­

ne des Misvergnügens, die klarlich verriet, wie we­

nig ihur jenes Hereinbrechen gefallen hatte, durch eine zweite Rede Geoffry's Furcht, indem er zu

C

28

)

ihm sagte: Ich sehe, Sie betrachten mich als Ih­ ren Freund, daß Sie so ohir' alle Ceremonie mit mir umgehn. Der Gffieier von der Falschheit der erhaltnen

Nachricht überzeugt, begann sich einzubilden: Pick­ le habe den Plan entworfen, den sein Bedienter ausgeführt hatte. Er sah ihn für einen unzurechtsertigenden Betrug an, der für seine Schwester: oder Frau sehr traurige Folgen hätte haben können. Daher antwortete er in einem hochfahrenden Tone:

Sir, Sie müssen diese Störung Ihrer Ruhe sich selbst Schuld geben und sie lediglich dem jämmerlichen

Spässe beimesscn, den Sie auf die Bahn gebracht haben. Pickle, der stets lebhaft und vor diesem Besuch aus Ungeduld mehr denn halb wahnsinnig war, trat dicht vor Gcoffcy'n hin, wie er sich so kavalieri'sch behandelt sahe, nam eine wilde oder vielmehr wahn­

sinnige Mine an und sagte: Hören Sie Sir, Sie irren Sich, wenn Sie denken, daß ich spasse; es

ist ivicklich mein voller bittrer Ernst, das versichr' ich Ihnen. Gauntlet war nicht der Man», dem ein finstres Gesicht Schrek in die Glieder jagte. Da er sich von semand brüskirt sahe, über dessen Betragen er sich

(

=9

)

mit Fug zu beschwere» Ursach zu habe» glaubte, s» «am er seinen soldatischen Fehdeblik an, warf sich in die Brust, und versezte mit erhöhter Stimme: Sir pcucgvine, es mag nun Ihr Spas oder Ernst gewesen sein, solmüssen Sie mir erlauben, Ihne» zu i sagen, daß Ihr Plan kindisch, unschiklich und

«»freundschaftlich gewesen, um ihn nicht härter zu

benennen, peregrine. Tod und Teufel! len mit meiner Unruhe.

Sir, Sie spie­

Hat Ihre Beschuldi­

gung Verstand und Sinn, so erklären Sie Sich

deutlicher, und dann werd' ich wissen, was für eine Antwort darauf sich für mich ziemet. Gauntlet. Ich kam in ganz andern Gesinnungen .

hieher; da Sie mich aber zu Vorwürfen reizen und mir ohne Ursach so brüsk und launisch begegncii, so will ich Ihnen denn ohn' alle Umschwei­ fe sagen, daß Sie die Ruhe meiner Familie auf das freventlichste gestört haben. Sie schikken Ih-

.

re» Kerl mit der so überraschenden Nachricht zu uns, daß Sie Sich ein Leides angethan hätten, um uns den heftigsten Schrek einzujagen. Diese Beschuldigung bestürzte peregrine'n höch­ lich. Er stand stillschweigend da, mit dem wildesten

Blik des Erstaunens, begierig den Umstand zu wis-

(

30

)

sen, auf den sein Ankläger anspielte und voll Erbitterung, daß dies über feine Vegreifungskrast ging. Indes, daß diese beiden aufgebrachten Freunde,

voll gegenseitigen Stellungen, gegen pes herein. Ohne zu achten, sagte er

Unwillens in ihren Augen und einander über standen, trat Pi­ im mindesten auf ihren Zustand zu seinem Herrn: Können im­

mer die Bramstengen Ihres Herzens ufsezen duhn,

un die Frödenflaggen wehen lassen! ha Ihr Feins­ liebchen, Mistriß Emilie, h'rumgesteuert. 's Schif

hat sich gewend't un nimmt 'nen ganz annern Loos, just nach 'ent Hafen, wo Sie's hinha'n wullen. peregrine, der die Kunstsprache seines Bedien­

ten nicht ganz weg hatte, befal ihm bei Strafe sei­ ner immerwährenden Ungnade ihm eine deutlichere Erklärung zu geben und brachte durch verschiedne

Fragen den ganzen Plan heraus, den jener zu sei­ nem Besten ausgeführt hatte. Dieser Bericht mach­ te unfern Squire nicht wenig verlegen. Er würde seinen Diener auf der Stelle für seine Verwegen­ heit bestraft haben, hätt' er nicht deutlich eingesehn, daß die Absicht dieses Menschen blos gewesen war,

seine Ruhe und Zufriedenheit zu befördern. Auf der andern Seite aber wusst' er nicht, wie er, ohne sich zu einer Erklärung herabzulassen, die seine gegen-

(

Zr

)

wattige Stimmung nicht ertragen konnte, sich vondem Verdacht los machen sollte, den Geoffry heg­

te , als ob er dies Projekt entworfen habe.

Nach einer Pause nwtibt? er sich gleichwohl mit einer finstern und gerunzelten Stirn zu Pipes und sagte: Das ist nun das zweitemal, Schlingel, daß ich durch Deine Unwissenheit und TolldreistiakeiL

bei der jungen Dame in Miskredit gesezt werde.

Wofern Du Dich künftig ohne meine gemessne Vor­ schrift und Vefel wieder in meine Angelegenheiten mischest, bei allem was heilig ist! ich bringe Dich ohn' alle Gnad' und Barmherzigkeit um. Fort! las mein Pferd sattlen.

Pipes ging hinaus, um diesen Vefel zu vollzie-

heu. Iezt wandte sich unser junge Herr auch zum Officier, legte die Hand auf die Brust und sagte mit feierlichem Vlik und Stimme: Kapitän Gaunt-

let, ich bin, auf Ehre, an dem seichten Kunstgrif

unschuldig, den Sie für meine Erfindung halten. Sie lassen meines Vedünkens, weder meinem Ver­ stände, noch meiner Ehrliebe Gerechtigkeit wieder­

fahren , da Sie mich einer so unverschämten Unge­ reimtheit fähig achten. Was Ihre Schwester an­

langt, so hab' ich sie ein einzigesmal in meinem Le­

ben im ungestümen wahnsinnigen Taumel der Ve-

( 32 ) Sterben beleidigt. Ich habe aber darüber solche Crklaruiigcn gethan und solche.Genugthuungen ange­ boten , die wenig Frauenzimmer ihres Ranges wür­ den ausgeschlagen haben. Jezt bei Gott! bin ich entschlossen, jede Quaal der sehlgeschlagnen Erwar­ tung und der Verzweiflung viel lieber zu erdulden, als mich wieder vor ihrer Grausamkeit und vor ih­ rem Stolze zu beugen, die sich beide schlechterdings nicht rechtsertigeil lassen. Wie er dieses gesagt hatte, eilt er schnell die Treppe hinunter und sezte sich sogleich zu Pferde. Seine Lebensgeister wurden durch seinen Unwillen uuterstüzt, der ihn bewog, sich selbst anzugelvben, für Emiliens stolze Verschmähung in dem Besiz der ersten gutwilligen Dirne, die ihm unterwegs begeg­ nete, Trost zn suchen. Indes, dast er sich in diesen Gesinnungen auf den Weg nach dem Kastelle machte, kehrte Gauntlet, dessen Seele zwischen Aerger, Schaam und Theilname schwebte, nach seines Vaters Hause zurük. Hier fand er seine Schwester über die Nach­ richt von peregrlnens Tod noch kn heftiger Unru­ he. Er entdekte augeubliklich das Geheimnis und erzälte zugleich umständlich das Gespräch, das er und Pickle im Wirtöhause gehabt hatten. Das Benemei;

«erneu des Legiern schildert' er mit einigen bittern Ausdrükken, die weder Emilie'» angenem waren, noch von der sanften Sophie gebilligt wurden, die ihm zärtliche Verweise gab, daß er Pevegdne'n in einem Misverständnisse hätte abreisen lassen.

Zweites

Kapitel,

peregrine trift auf dem Wege nach der Garnis son eine Heerstrassennymphe an, die er zu

sich nimmt und zu einer feinen Dame um

)

fmit verfugte sich ^adgy unverzüglich »ach der Woh-

nuttg seines 'Zerrn, und erschien vor ihm mit der Eilfertigsten Mine.

Wiewohl peregrine sich bei

seinem langgezertenIammergestchte kaum des Lachens erwehren konnte, so unterlies er dennoch nicht ihm einen scharfen Verweis zu geben und ihm zu sa­ gen : er hätte das durch Bitten erhalten können,

was er sich verstoliiemeise genommen habe.

Der

Schuldige versicherte ihm: nächst der göttlichen Rache wäre unter allen Uebeln, die er sich zuzuziehn am meisten fürchtete, daS Missallen seines Herrn das ärgste. Die Liebe habe sein Gehirn so zerrüttet

gehabt, daß sie alle andre Vorstellungen ausser die,

seine Begierde zu befriedigen, daraus verbannt hät­ te. Er gestand: er würde nicht vermögend gewesen

sein, seinem leiblichen Vater Treue und Gehorsam

zu beobachten, wenn dieser seiner Leidenschest ent­ gegen gewesen wäre. Sodann appellirte er aus daS

Herz seines . Eschcnburg > § Shakspeare V. 2. S. 294. Wie es euch gefällt.

A. des Uebersi

(

57

)

zuräkzukehren und der verachteten Königin Kleopa«

tra wieder seine Cour zu machen. Ha i gut weil wir just davon sprechen! Sie müs­

sen wissen , lieber Sir, daß diese Acgyptische Für­ stin so viel geschmakvolle Liebhaber erhalten hat , daß ich, so wahr ich ru leben hoffe, mich in keiner gerin­ ge» Klemme befand, weil ich, wen» ich sie einem

überlassen hätte, all' die übrigen Mitwerber würde vor den Kopf gestossen haben. Und welcher Mensch thut das gern seinen Freunden? Wenigstens hab' ich mir's zum Grundsaz gemacht, den geringsten Schein von Undankbarkeit ru vermeiden. Vielleicht hab' ich darin unrecht; allein jeder Mensch hat nun seine Art und Weise. Zu dem'Ende schlug ich al­

len ihren Bewerbern vor: sie ausruspielen. Auf den FuS würde jeder gleichen Antheil an ihrer Gunst haben, und der Preis würde Fort une»s Ent­ scheidung überlasse» sein. Dieser Plan fand sehr viel Behage». Der Einsa; war eine ausserordentli­ che Kleinigkeit, eine halbe Guinee. Die halbe Stadt drängte sich in mein Haus, um zu unterzeichneit. Aber ich war ihr gehorsamer Diener-' Gedulden Sie Sich ein wenig meine Herren bis erst meine speciel­

len Freunde bedient sind. Unter diese Anzal geb' ich mir die Ehre auch Sir peeegrine'n zu rechnen. D;

(

58

)

Hier ist eine Abschrift von dieser Lotterie; und ich

hoffe, daß, wenn die Liste sollte durch seinen Na­ men gegiert werden, ungeachtet seiner wohl verdien­

ten Siege unter den jungen Damen, ihn doch ein­

mal der kleine Schmolltopf, Miß Fortuna ge­ nannt, vermeiden wird. Hchehe l

Indem er dies sagte, machte er tausend possierche Verbeugungen und überreichte pickle'n die Li­

ste. Wie dieser sahe, daß die Anzahl der Subskri­ benten auf Hundert eingeschrenkt war, sagte er:

Mir däucht, Sie sind in Ihren Erwartungen allzu

mässig. Ich meiner Seils zweifle gar nicht, daß Ihr Gemälde, dessen Preis Sie nur auf fünfzig Pfund angeschlagen haben, noch für fünfhundert ein wohlfeiler Kauf sein würde.

Auf diese unerwar­

tete Anmerkung versezte pallet, daß er sich's nicht unterstände unter Kennern den Preis seines Gemäl­

des zu bestimmen; allein er sähe sich bei Schäzung

seiner Werke genötigt, auf die- Gothische Unwissen­ heit seines Zeitalters Rüksicht zu »einen. Unser abenteuernde Ritter merkte sogleich die

eigentliche Absicht dieser Lotterie. Es war nichts anders als eine feine Bettelei, um ein armseliges Stük unterzubringen, das er sonst nicht für zwanzig

Schillinge los geworden wäre. Weit entfernt nun

(

59

)

den armen Mann in seiner Not dadurch zu kranken, daß er von seiner Vermutung den leichtesten Wink fallen lies, bat sich Pickle sechs Loose aus, wofern er ihm nach seinem Plan könnte so viel zukommen lassen. Nach einigem Bedenken lies sich der Makv bereit finden, ihm blos aus Freundschaft und Ehrerbietung sein Gesuch zu gewahren. Doch macht* er dabei die Anmerkung: er müsse nunmehr eini­ ge seiner vertrauten Freunde ausschliessen. Nach­ dem er das Geld empfangen hatte, gab er perevrine'n seine Adresse und bat ihn nach seiner Be­ quemlichkeit die Fürstin zu besuchen, welche ihm, wie er gewis sei, ihre anziehendsten Nerze vorlegen würde, um seine Einbildungskraft zu fesseln. Hier­ auf nam er von ihm Abschied, mit dem Erfolg sei­ nes Hülfsmittels sehr wohl zufrieden. Wiewohl peregrine in Versuchung war das Por­ trat zu besehen, das, wie er sich einbildete, der lä­ cherlichen Seltsamkeit des Malers völlig entspre­ chen musste, so wollt* er sich dennoch weder in die unangeneme Lage sezen, entweder dies Machwerk seinem Gewissen und der gesunden Vernunft zum Troz zu loben oder es zur unaussprechlichen Krän­ kung seines armseeligen Urhebers zu verwerfen. Daher lies er es sich nie träumen, dem Maler einen

(

6o

3

Gegenbesuch zu-machen; auch hort' er nie, daß des­ sen Lotterie sei gelegen worden. Um diese Zeit würd' er eingeladen, einige Wo­

chen auf dein Landflze eines gewissen vornemen Herrn zuzubringen , mit dem er während seiner ob-

beschriebenen Dcbauchen war bekannt geworden. Se. Lordschasc zeichneten sich durch Ihre Geschik-

lichkeit und durch Ihr Glük im Pferderennen aus.

Daher war Ihre Wohnung stets mit Kennern und Verehrern dieses edlen Zeitvertreibs angefüllt. Die ganze Unterhaltung drehte sich um diese Materie.

Nach und nach" erlangte peregrine einige Kennt­ nisse von Pferden, und von der Ergözlichkeit der Wettrennen.

Denn die ganze Beschäftigung bei

Tage bestand, Essen und Trinken abgerechnet, dar­

in , daß sie die Stuterei von Sr. Lordschaft besa­

hen, und die Thiere abrichtcten. Unser Held blikte diese Belustigungen so wohl mit dem Auge des Wohlbehagens, als der Neugier

an. Er betrachtete das Pferd als ein schönes und edles Geschöpf und empfand bei dessen erstaunlichen Schnelligkeit das feinere Wohlbehagen des Kenner-. In Kurzem ward er mit jedem Pferde im Stalle

des Lords bekannt und interessirte sich für den Ruf

eines jeden; zugleich befriedigte er seine Wisbegier

6i

(

)

Lurch genaue Aufmerksamkeit, wie Viele Thiere ver­ pflegt und zu den Wettrennen dressirt wurden. Sein

wirt sah seinen Eifer und frischte denselben an,

weil er sich davon einigen Vortheil-versprach.

Er

stellte zur Belustigung seines Freundes einige Pri-

vatrennen an, und lies ihn, um seiner Fähigkeit

zu schmeicheln, seine ersten Wetten gewinnen. Auf diese Art hatte der Schlaue ihn in Feuer, in Lust zu wagen und in die Stimmung gesezt, sich

gegen das Urtheil von Leuten, die ihr ganzes. Le­

hen hindurch sich blos auf Pferderennen gelegt hat­ ten , auf seine eigne Urtheilskraft zu verlassen.

Er

begleitete den Lord nach Newmarket und da ihn mit Einem Male der Genius dieses Orts ergrif,

Newmarket.

Um einen deutlichen Vegrif von der

Einrichtung der an diesem Orte üblichen Pferde­ rennen zu erlangen, empfel' ich meinen Lesern

die Abhandlung: der

Von den Pferderennen

Engländer überhaupt,

Sesonders von

dem zu

und auch

Newmarkets

in des Herrn von Güttderode Beschreibung einer Reise aus Teutschland durch ei­

nen Tbeit von Frankreich, u'nd

Holland.

Breslau

England

1783.

bei

Meyer, Sie steht Th. 2. S. 130.-155 und ist

(

62

)

zeichneten ihn alle versammleten Kenner als ein

feines Wildbret aus. Manche von ihnen machten Mittel ausfindig, ihn in'S Garn zu ziehn, troz allen Ermahnungen und Warnungen des Lords, der

ihn zu seinem eignen Behuf aussparen wollte. Es ist fast für einen jeden/so furchtsam und phlegmatisch er auch immer sein mag, unmöglich ein un­ befangner Zuschauer bei dieser gewühlvollen Scene

zu sein. Der Dämon des Spiels schwebt gleich ei­ nem pestilentialischen Dunste in der Luft, und stekt

mit seinen giftigen Ausflüssen alle Gegenwärtige

ganz unfehlbar an. Sie breiten sich so schnell von Person zu Person aus, wie ein panischer Schrekken. peregrirre'n ergris diese epidemische Krankheit in einem hohen Grade. Nachdem er alle die verschiedneu Gaunereien dieses Orts durchgegangen war, und einige wenige elende Hunderte dabei verloren hatte, lies er sich mit seinem hochgrbornen Freund zugleich in grosse Nennen ein, und wagte nicht we­

niger als dreitausend Pfund auf deren Ausgang. In der That würd' er eine so beträchtliche Summe nicht

auf das Spiel gesezt haben, hatte die Meinung und so. gründlich, wie sie von einem so erfahrnen Ken­ ner in der Reitkunst sich erwarten lasst.

A. des Uebers.

(

63

)

der Beitritt des Lord's, ibn nicht bestärkt, der auf eben den Erfolg eine gleiche Wette sezte. Oie beiden Verbündeten machten sich anhei­

schig auf Verlust von sechstausend Pfund mit einer

vierspännigen Schäse gegen eine andre dreimal die Rennbahn rund zu jagen. Unser abenteuernde Ritter hatte das Vergnügen seinen Gegner beim er­

sten und zweiten Nennen hinter sich bleiben zu sehn. Allein plözlich stürzte einer seiner Gäule nieder. Der Zufall ris ihm den Siegerpalm aus den Hän­

den und brachte ihn in Schimpf und Schaden.

Dies Uttglük, das er seiner Ausschweifung und Verwegenheit juschrieb, ging ihm tief zu Herzen,

doch lies er sich hiervon äusserlich nichts merken, weil sein edler Verbündeter seinen Verlust mit phi­ losophischer Resignation ertrug und sich so wohl als peregrine'n mit der Hofnung tröstete, es bei einer

andern Gelegenheit wieder einzuholen. Nichtsdesto­ weniger konnte sich unser junge Squire nicht ent­ halten, den Gleichmut dieses Herren zu bewundern, ja sogar zu beneiden, denn er wusste nicht, daßSe. Lordschafr es so eingerichtet hatten, daß Sie bei

dem Unglük gewannen. Um dies wieder gut zu ma­ chen , kaufte peregrine verschiedne Pferde auf Enrpfel seines Freundes, sind that mit ihm, statt

(

64

)

nach London zurükzukehren, eine Tour ru den be­ rühmteste« Pferderennen in E n g l a n d. Nach verschiednem Glükswechsel bracht' er es darauf endlich so weit, daß er noch eh' die Zeit der Renne» vor­ über war, seinen Verlust verdreifacht hatte. Allein seine Hvfnung schien mit seinem Unglük zuzuiieme». Er kam mit Anfang des Winters nach her Stadt, völlig überzeugt, daß das Glük sich not­ wendig ändern müsste und daß er zur künftigen Pfer­ derennzeit die glüklichen Früchte seiner Erfahrungen einärnten werde. In dieser Zuversicht schien er alle Vorstellungen der Klugheit und der Wirtlichkeit zu unterdrükken. Sein voriger Aufwand war, gegen den jezigen gehalten, lediglich Sparsamkeit. Er unterzeichnete auf die Oper und auf ein halbes Du­ zend Konzerte in verschiednen Theilen der Stadt; ward der Wohlthäter verschiedner Hospitäler, kauf­ te eine Gemäldesammlung von Wert, mietete sich ein Haus, das er im prächtigsten Gefchmak auSinöblirte, schäfte sich einen grossen Vorrat Französischer Weine an, und gab seinen vornemen Freunden aus­ schweifende Bankette. Diese überhäuften ihn dafür mit Komplimenten und bestanden darauf: er sollte von ihrem Ansehn und ihrer Dienstbereitwilligkeit Gebrauch machen.

Vier«

c

65

)

Viertes Kapitel. Ein grosser Mann nimmt Pickle'» in Protek­ tion.

Leztrer giebt sich zum Parliamentö-

gliede an,

wird aber in seiner Erwartung

getauscht und gar arg überlistet.

Unter peregrinens erklärte» Gönnern, die er

cr gröstentheils durchschaute, befand sich ein grosser Mann, der sich mit Würde in der Sphäre zu be­

haupten schien, worein ihn das Glük gesezt hatte. Sein Betragen gegen pickt«'» bestand nicht in ei­

ner steten Menge freundlich - grinsender Artigkeiten, in allgemeinen Aeusserungen der Freundschaft und Achtung. Mit Geständnissen von Beiden schien er so karg, wie der Biedermann es zu sein pflegt. Sei­ ne Zuvorkommuiigen gegen Peregrin«'» schiene»

das Resultat reifer Ueberlegung und der Erfahrung zu sein. Er schmälte den jungen Herrn wegen sei­ ner Ausschweifungen mit der Aufrichtigkeit eines standhaften Freundes aus. Nachdem er durch allnialiges Ausforschen den Zustand seiner Privatange­ legenheiten kannte , tadelte er sein Betrage» mit

der Mine der Redlichkeit und der Theilnanie. pereg. PickleIV. B. E

(

66

)

Der Lord stellte ihm die thörichte« und gefärlichen Folgen der ausschweifenden Lebensart vor, worein er sich gestürzt hatte. Er riet ihm mit vie­

ler Wörme, seine Rennpferde zu verkaufen, weil sie ihn sonst unmerklich auffressen würden; seine über­ flüssige Ausgaben einzuschränken, die nur dazu dien­ ten, ihn dem Spott und der Undankbarkeit derer Preis zu geben, die davon Vortheile zögen; sei»

Geld auf sichre Hypotheken mit guten Zinsen ausruthun; und seinen ehmaligen Entschluö, Kandidat

für einen Burgflekken bei der bevorstehenden Wahl

eines neuen ParliamentS zu werden, auszuführen. In dem Fall versprach ihm der Davalier mit sei­ nem Einflus und Rat beizustehen, und gab ihm die

Versichrung, daß er sein Glük bereits als gemacht ansehn könne, wenn er einen Siz im Parliament erhielte. Unsre abenteuernde Ritter sah ein, wie weis' und heilsam dieser Rat sei. Er dankte seinem edel­ mütig«» Warner dafür und betheuerte, daß er sich

in jedem Stük darnach richten wollte. Unmittelbar darauf legt' er Hand an eine Reformation. Er durchforschte den Zustand seiner Finanzen auf'S al­ lersorgfältigste, und nach einer genauen Untersu-

chuilg gab er stinrm Gönner zu versteh«, seinVcc-

(

67

)

mögen sei bis auf vierzchntausend dreihundert und dreissig Pfund geschmolzen, wovon er aus der Dank und der Südseekompagnie die Renten jährlich zu zie­

hen habe. Das Kastell und dessen Zubehör nicht inbegriffen, wovon er die Einkünfte jährlich aus sechzig Pfund anschlug. Er wünschte daher, Se. Lordschaft möchten, da Sie die Güte gehabt hät­ ten, ihn mit Ihrer Freundschaft und mit Ihrem Rate zu beehren, Ihre Grosmut noch weiter aus­

dehnen und ihm Mittelund Wege anweisen, seilt Geld aus das vortheilhasteste anzmegen. Der Lord gab ihm zur Antwort: ich meiner Seits bemenge mich nicht mit Geldsachen; doch wer­

den Sie Leute genug finden, die geneigt sind auf Ländereien Geld aufzunenien. Allein in Unterhand­ lungen von dem Belange müssen Sie äusserst vor­ sichtig zu Werke gehn. Ich verspreche Ihnen, cS

meinem Intendanten auszutragen, daß er Ihnen ei­ ne sichre Hypothek verschast. Dieser Agent musste sich also dem Geschäfte nnterziehn. Seine Nachforschungen waren einige Lage hindurch vergebens. Unser junge Squire

sah sich also genötigt, selbst Hand an bas Werk zu

legen. Er lernte dadurch eine Menge Leute kennen, die für sicher gehalten wurden, und die ihm für die E a

(

68

)

ganze Summe Hypotheken anbote». Wenn er aber seinem vornemen Freunde alle Umstände verlegte, erregten Se. Lordschaft so viele Zweifel und Ein­

wendungen bei einem jeden, daß er abgcschrckt wur­

de, sich mit diesen Leuten cinzulasse». Inzwischen pries er sich sehr glüklich, daß ihn ein weiser Mann mit seinem Rat und seinen Lehren unterstüzte. Dessenungeachtet fing unser Held an ungcduldig zu werden, wie er alle Geldmäkler und Notare in der ganzen Stadt ohne den geringsten Erfolg zu Rate gezogen hatte. Er beschlos zu einer öffentlichen

Anzeige seine Zuflucht zu «einen. Allein der Lord

riet ihm, diesen Versuch so lange anstehn zu lassen, bis alle andre Mittel sehlgeschlage» waren. Denn

alle Zungendrescher in ganz London würden da­ durch aufmerksam werden, und ihn, wenn sie ihn gleich nicht „über das Ohr hauen" könnten, doch ganz unfehlbar so plagen und quälen, daß er nicht einen Augenblik Ruhe hätte.

Eben wie pecegrine von dieser Unterredung zu-

rükkam, traf er von ungefähr dicht bei des Lords Hotel dessen Haushofmeister. Er hielt denselben

auf, um ihm von dem üblen Erfolg seiner Vcniühungen Nachricht zu geben. Der Andre äusserte hierüber einige Lheilname, rieb das Kinn mit der

( 6s ) Hand in einer nachdenkenden Stellung, und sagte: Ebe» Sir Pickle fallt mir etwas ein , wodurch Ih­ re Sache vielleicht kann abgemacht werden. Auf iuii Wink bat unser junger Herr den Mann, ihn in das nächste Kaffeehaus ru begleiten. Sie wähl­ ten sich ein einsames Zimmer, und der gravitätische Intendant gab peregrine'n zu verstehn, daß eini­ ge von des Lords Gütern wegen einer Schuld, die dessen Grosvater zur Versorgung der jünger» Kinder aus der Familie gemacht habe, verhypothezirt wäre»; und daß man diese Grundstükke nicht wieder einlösen könnte, wofern diese Schuld nicht in wenige» Monaten abgetragen würde. Mylord, fezt' er hinzu, hat immer auf eine» glänzenden Fus gelebt, und ungeachtet seines an­ sehnliche» Vermögens und der Einkünfte von seinen verfchiednen Ehrenämtern so wenig Geld zurükgelegt, daß ich überzeugt bin, er wird sich genötigt sehn, zehntausend Pfund aufzunemen um die Sum­ me voll zu machen, die zur Einlösung jener Grundstükke erforderlich ist. Nun bin ich zwar gewis, daß, wenn sein Vorhaben bekannt wäre, Leute von al­ len Standen ihn bestürmen würden, ihr Geld anzunemen. Den» auf so ungezweiselte Sicherheit lehnt jedermann gern Geld. Es kann auch wohl

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70

)

feilt, daß er schon irgend einem speciellen Bekann­ ten den Vorzug versprochen hat. Inzwischen will ich, wenn's Ihnen gefällig ist, Se. Lordschaft,

da ich weis, wie sehr Sie Ihr Interesse zu Herzen

«eitteit, darüber sondiren und Ihne» in ein oder ein Paar Tagen von dem Erfolg Nachricht geben. Pevegcine’n entzäkte die Aussicht, seine Angele­ genheit so ganz nach Wunsch abmachen zu können. Er dankte dem Haushofmeister für diesen sreund-

fchaftlichen Wink und füe das, was er für ihn thun wollte, und versicherte ihm, sich thätig dankbar ge­

gen ihn zu erzeigen, wenn die Sache zur Nichtig­ keit käme. Den Lag darauf brachte ihm der gütige Intendant die ftöliche Nachricht: Se. Lordschaft

wären es zufrieden, zehntausend Pfund auf Hypo­ thek und fünf Proeent von ihm zu borgen. Dienam er als einen Beweis der besondern Achtung seines hohen Gdnners an. Die nötigen Schriften wurden unmittelbar aufgesezt, und das Geld dem Lord überliefert, der in Gegenwart des Gläubi­ gers dem Haushofmeister auf's schärfste anbefal,

die Zinsen genau mit dem Quartaltage abzutragen.

Nachdem auf d i e Art der grösste Theil von dem Vermögen unsers Melden glükiich untergebracht und der Agent mit fünfzig Pfund beschenkt war, begann


und auf die Unge­ duld und über den Ungestüm der Jugend deklamiren, als wenn Sie über alle Leidenschaften des Herzens eine unumschränkte Herrschaft erlangt hatten ? Sie

waren so liebreich, mich vor ein Paar Tagen in mei­ ner Betrübnis durch Vorwürfe über meine Unbesonneliheit und über mein unregelmässiges Verfahren zu beleidigen. Gefezt, ich wollte nun diese Be­ schuldigung umkehren und fragen: wie kann ein Mann von Ihrer grossen Klugheit sein ganzes Ver­ mögen der Verwaltung unwissender Bauern anverIrauen? Wie kann er so blind sei», und die Not­ wendigkeit von Reparaturen, Ameliorationen, wie

auch die Gefahr von Bankeruten, Diehsterben und Miswachs nicht vorausfehn ? Weshalb verwandelten

Sie Ihre Ländereien nicht in baares Geld und kauf­ ten Sich dafür (da Sie doch keine Verwandten am Le­ ben haben) eine Leibrente, wovon Sie ganz bequem hätten leben können, ohne üble Folgen zu besorgen.

Können Sie nicht indem ganzenBündelIhrerPhilü-

(

121

)

sophie irgend eine Sentenz finden, um sich bei die­

sem alltäglichen Unglük zu "trösten? Vermaledeit sei Eure schnelle Zunge! rief der

Cyniker vor Galle halb crstikt. Ich wollte Ihr hat­ tet den Sch... oder die Fr.. . im.Halse/ so wür­ det Ihr mich ini'cht mit Eurem Geschnatter so plakkcu und trillcn. Und doch würde eine Aelster weit vernünftiger über diese Sache schwazcn wie Ihr. Wisst denn Herr Superklug/ daß mein Fall gar nicht vor den Sprengel der Philosophie gehört. War' ich an allen meinen Gliedern verstümmelt/ vom Zip­ perlein' oder Stein geplagt/ hatte ich meine Freiheit/ mein einziges Kind/ oder meinen theuersten Freund/

Euch etwa/ verloren/ so hätte die Philosophie zu meinem Troste etwas beitragen können? Aber kann wohl die Philosophie meine Schulden bezahlen oder mich von der Last der Verbindlichkeit gegen einen Pak Kerle befreien/ die ich verachte? So redet!...

Heraus mit der Sprache l... Bewiesen! oder der Himmel stopfe Euren Mund auf immer.

Das sind also die tröstlichen Früchte Ihrer Men­ schenfeindschaft / antwortete der junge Mann; Ihr löblicher Plan sich von allen Banden der Gesellschaft

los zu machen und Sich in einer höher» Sphäre

herumzubewegen, als die Ihrige ist. Wären Sie H s

c

r22

)

Hiebt so ausgezeichnet weise und so geneigt gewesen, die Menschen zu verlachen, so wurde eine so lumpichte Unannemlichkeit Sie nie ausser Fassung ge­ bracht haben. Jeder Freund härte Ihnen mit der Summe quaeftionis ausgeholfen. Nun aber kann' die Welt Ihr Lachen erwiedern. Denn Sie stehn mit Ihren Bekannten auf einem so guten Fus, daß denselben nichts mehr Behagen schaffen kann, als die Nachricht, daß Sie mittelst einer wohlbefestiglen Schlinge Sich dem Verdrus über Ihre fehlgeschlagne Erwartung entzogen haben. Ich erwähne dies nicht ohne Absicht. Cs verdient Ueberlegung. Sollt' es dazu kommen, so will ich mein Mögliches bei dem Leichenbesichtiger anwenden, daß er in seinem Bericht der Tollheit nicht vergesse, da­ mit Ihr Leichnam ein christliches Begräbnis erhält. L e i ch e n b e si ch t i g c r, zu Englisch Coroner. „Dies „ist eine Art von Gerichtspcrson, die nach der

„ Verordnung der Geseze durch G e sch w o r n e

„ mrtersuchen lasst, ob

ein Verstorbner, dessen

„Todesart verdächtig ist, eines natürlichen oder

„ gewaltsamen Todes gestorben sei.

Bei der Ve-

„sichtigung des Leichnams wird gemeiniglich der

„ Ausspruch

gethan,

„ Sinnen gewesen,

ras;

der

Entleibte

von

(hinacy) Dies geschieht, um

„ das Vermögen dieser Unglüklichen für ihre An-

(

123

)

Mit diesen Worten verlies er ihn, mit der art ihm verübten Rache wohl zufrieden. Auf Lvabtvee’rt hatte sie eine so heftige Wirkung, daß er al­ ler Wahrscheinlichkeit nach zu dem vorgeschlagnen Hülfsmittel würde seine Zuflucht genommen haben, wenn ihm nicht die einzige vorhin gedachte Betrachtung zurürgehalten hatte. Allein seine Abgeneigtheit, seine Nebenmenschen zu verpflichten und zu unterhalten, hinderte ihm, jenen Ausweg einzuschla­ gen; bis ihm zum Glük durch diePost sein Irrthum wegen der Lage seiner Angelegenheiten benommen wurde. Diese Nachricht wirkte so auf ihn, daß er nicht nur unserm Helden die List vergab, (denn er schrieb sie sogleich ihrem rechten Urheber zu) sondern ihm auch seine Verse anbot. Auf die Art kam eS für jezt wieder zu einem freundschaftlichen Vergleich. Mittlerweile war peregrine nicht saumselig den Grossen seine Aufwartung zu machen. Er unter­ lies es nie bei jedem Lever zu erscheinen; wand-' te alle seine Betriebsamkeit und seinen ganzen Scharfsinn an von erledigten Bedienungen Nach„ verwandten zu retten,

weil es sonft verfallen

„würde, und um ihnen ein ehrliches Begräbnis

„zu verschaffen."

- - und 80.)

Wendeborn.

(Th. 2. S. 279

(

124

)

richt eiiizuziehn; und empfal sich täglich dem Ein­

flüsse seines Patrone, der sein Interesse mit grosser Zuneigung wahrzuncmen schien.

Nichtsdestoweni­

ger kam er mit seinem Gesuch stets zu spät, oder aber der Minister hatte die Stelle nicht zu verge­

ben , um die er sich bewarb. Diese Nachrichten, wiewohl sie stets mit den

wärmsten Betheurungen der Freundschaft und Ach­ tung niitgetheilt wurde», flössten dennoch dem jun­ gen Squire grossen Verdacht ein. Er sah sie für

Ausflüchte und Winkelzüge eines unausrichtigeir Hofliiaiins an. Dies gab er auch ohne Umschweife

seinem Freunde, dem Lord zu verstehe». Zugleich äusserte er auch die Absicht, seine hypothekarische Verschreibung für baareö Geld zu verkaufen und al­ les bis auf den lezten Schilling daran zu wenden, die Absichten des Ministers bei der ersten Wahl, die

ec begünstigen würde, zu hintertreiben. Sv. Lord­ schaft fehlte es bei solche» Gelegenheiten nie an schiklichen Ermahnungen. Er bemühte sich jezt nicht,

ihn durch Versicherungen von der Gewogenheit des

Ministers zu besänftigen, weil er merkte, daß die­ se Arzneimittel durch den wiederholten Gebrauch bei unserm abenteuernden Ritter ihre Kraft verlo­

ren hatten. Er bekämpfte seine Drohungen nur

(

125

)

durch die Vorstellung: M des Ministers' Börse

weit grösser fei als Sir percgrinens; daß folglich der junge Herr notwendig den Kürzern riehen müss­

te, wenn er sich's angelegen sein liesse, dem In­ teresse von Sr. Gnaden entgegenzuarbeitcn; daß er in dem Fall sich aller Mittel des Unterhalts würde

gänzlich beraubt sehn und ihn« auch alle Hofnung benommen sein, je versorgt zu werden. An der Richtigkeit dieser Bemerkung konnte der

Squire nicht zweifeln, wiewohl sie eben nicht dazu diente, das Betragen des Ministers zu rechtferti­ gen. Pickle begann in der That die Aufrichtigkeit seines patron's in Zweifel zu riehn. Er hatte sei­ ner Meinung nach mit seiner Ungeduld nur gespielt und war sogar seinem Verlangen, bei dem Mini­ ster noch eine Privataudienz zu haben, durch elen­ de Gründe ausgewichen. Der Lord lies sich über­

dies nicht mehr so leicht sprechen wie gewöhnlich; und peregrine hatte sich genötigt gesehn, dessen

Intendanten oft zu mahnen, bevor er das lezte Quartal von seinen Zinsen erhalten konnte.

Durch diese Betrachtungen beunruhigt, wandt' er sich an den Lord, den er durch die Sache mit seinem Sohne sich verbindlich gemacht hatte und

fragte ihn um Rat. Er erfuhr jezt zu seiner gröss-

c

126

)

ten Kränkung, daß jener Herr, auf den er so lange sein Vertrauen gesezt hatte, ein Mann von sehr unbedeutendem Kredit sei. Der neue Ratgeber, der zwar auch Hofmann, aber ein Nebenbuler von je­ nen: war, gab unserm abenteuernden Ritter zu verstehn, daß er sich seither auf ein zerbrochneS Rohr gestüzt habe. Sein vorgeblicher Patron sei ein Mann von verfallnen Glüksumstanden und gesunknem Einflüsse. Ein Lächeln, ein Paar Worte in's Ohr waren alles, was man für ihn thäte. Ich meiner Seits, fuhr dieser Herr fort, wür­ de stolz darauf gewesen sein, eine Gelegenheit zu haben, meinen Einflus beim Minister für Sie zu verwenden. Da Sie Sich aber unter die Protektion eines andren Peers begeben haben, dessen Interesse dem meinigen entgegenlauft, so kann ich mich Ih­ rer Sache nicht annemen, ohne mir die VeschuldiHung zuzuziehn, als wenn ich jenem Herrn seins Klienten debauchiren wollte. Eine solche Beschul­ digung such' ich vor allen auf das sorgfältigste zu vermeiden. Doch steht mein Rat stets zu Ihren Diensten. Zum Beweise hiervon geb' ich Ihnen den Rat, jezt schlechterdings auf noch eine Unterredung ryit Sir Steady Steerweli zu bestehn, um ihm selbst Ihre Ansprüche vorzulegen, damit Sie

(

127

)

nicht riskiren, daß dieselben falsch vorgestellt wer­

den. Ich würde mich in dieser Unterredung bemü­

hen, dem Minister, wo irgend möglich, ein spe­

cielles Versprechen abzupressen, das er mit irgend einiger Achtung gegen seinen guten Namen nicht

zurükziehn darf.

Denn allgemeine Versichrungen

sind notwendige Waffen, welche die Minister tra­

gen müssen, um sich gegen den ungestümen Anlauf

derjenigen zu schüzen, die sie eben so wenig begün­ stigen als beleidigen wollen.

Dieser Rat war so in der Seele unsers aben­ teuernden Ritters gegeben, daß er die erste Gele­ genheit ergrif, Audienz zu verlangen. Er sagte sei­ nem Gönner ganz plan: wenn Se. Lordschast ihm

diese Gunst nicht bewirkten, müsst' er Ihren Ein-

stus für sehr unbedeutend halten und alle seine Hof-

nungen aufgeben. In dem Fall sei er entschlossen, seine hypothekarische Verschreibung einem andren zu

überlassen, sich eine Leibrente zu kaufen und unab­ hängig zu leben.

C

128

)

Siebentes Kapitel. Peregrins wird von der Aufrichtigkeit des Mir nistcr'a überzeugt.

Sein Stolz und Ehr­

geiz leben von neuem auf und werden aber­ mals gedemütigt.

38äre das Geld unsers jungen Heven in andern

Händen gewesen, so würd' es den Peer vielleicht

wenig gekümmert haben, entweder sein Gesuch $u befriedigen oder sich seiner Rache zu widersezem. Allein er wusste, daß der Verkauf der hypothekari­ schen Verfchreibung nicht ohne eine Untersuchung ge­

schehen konnte, der er sich nicht gern äusseren woll­ te. Daher wandt' er allen seine» Kredit an, ihm

die ungestüm verlangte Audienz zu verschaffen. Er

erhielt sie.

pecegrine trug nunniehr mit grosser

Wärme und Beredsamkeit Sr. Herrlichkeit den Stos vor, den sein Vermögen bei dem Wahlge­

schäfte für den Burgstekken erhalten, zu dem er sich als Kandidat angegeben hatte; gedachte seiner

fehlgcschlagnen Erwartmig bei der zweite» Wahl, erinnerte ihn an die Versprechungen, womit er bis­

her

c

i29

)

her war Ungehalten worden und bat zum Schlus, il)iu zu sagen, was er sich von der Gewogenheit Sr. Herrlichkeit zu versprechen habe. Der Minister: hörte ihn ruhig bis zu Ende anr hierauf vcrsezl' er mit einem sehr huldreichen Ge­ sicht: Er wäre von seinen Verdiensten und seiner Anhänglichkeit genau unterrichtet, und vollkommen geneigt, ihn von der Achtung zu überzeugen, die er für beide hegte. Allein er habe bis erst vor Kurzem nicht recht eigentlich gewusst, worauf er sich Rech­ nung machte; auch ständ' es nicht in seiner Gewalt, Posten für alle diejenigen zu erschaffen, denen er zu diene» geneigt sei. Allein Sir peregrine solle ihm irgend einen möglichen Weg zeigen, seine freundschastlichen Gesinnungen an den Lag zu legen, und er würde nicht entstehen ihm seinen Plan ansführen zu helfen. pcvcgvine hielt ihn bei dieser Aeusserung fest und erwähnte verschiedner Stellen, die, wie er wusste, noch unbesezt waren. Der Ministen suchte wieder die alten Ausflüchte hervor. Die eine Be­ dienung hing nicht von seinem Departement ad, die andre war dem dritten Sohn eines gewissen Grafen vor dem Tode des lezten Besizcrs verspro­ chen worden, die dritte war mit einer Pension beper-eg. Pickle IV. B. 3

(

igo

)

fdjiuert, die einen ansehnlichen Theil des Gehalts wcgnam. Kurz gegen alle seine Vorschläge wurden solche Einwendungen gemacht, die er mimöglich He­ den konnte. Er sah deutlich ein, daß dies alles nur scheinbare Vorwande waren, um das Kränkende ei­ ner abschlägigen Antwort zu bemänteln. Durch die­

sen Mangel an Aufrichtigkeit und Dankbarkeit er« -bittest, sagte er: ich kann leicht vvraussehn, daß es an solche» Schwierigkeiten nie fehlen wird, iveti» ich mich wegen irgend einer Stelle nielden werde. Deshalb will ich mir nur die Mühe sparen, weiter

darum anzusuchen. Wie er dies gesagt hatte, gierig er ziemlich brüs­ ke fort und athmete nichts als Groll und Rache.

Allein sein Patron, der eS nicht für ratsam hielt,

ihn ans daö Aeussersre zu treiben, fand Mittel, Se.

Herrlichkeit zu überreden, etwas zu thun, um de» Zorn des jungen Mannes z» besänftigen; und noch denselben Abend erhielt unser abenteuernde Ritter eine Botschaft vom Lord: daß er ihn un­

verzüglich zu sprechen wünschte. Dieser Einladung zufolge eilte Pickle nach des­ sen Hotel und erschien vor ihm mit sehr bewölktem Gesicht, welches jedem, dem daran gelegen war,

1» erkennen gab: er sei zu sehr voller Galle, umge;

(

131

)

genwattig Verweise anzuhören. Der scharfsichtige Peer iiai» sich daher in Acht, ihn wegen seines Bc-

tragens bei der Audienz zur Rede zu stellen; er gab ihm aber zu verstehn: der Ministen habe ihm in

Betracht seiner Dienste einen Bankzettel auf drei­ hundert Pfund geschikt', mit dem Versprechen: ihm jährlich so lange eine gleiche Summe zu zahlen, bis

für ihn anderweitig gesorgt wäre. Diese Eröfnung besänftigte einigermassen unsern jungen Mamr. Er lies es sich gefallen, dies Geschenk anzunemen r und stattete folgenden Tages beim Lever des Minister's gegen den Geber seine» verpflichteten Dank flb. Dieser beehrte ihn mit einem ungemein gefäl­ ligen Lächeln, das alle Ueberrcste seines Unwillens gänzlich zerstreute. Denn da er die wahre Ursach nicht errate» konnte, weshalb man ihn mit solcher Schonung behandelte, so sah' er diese Herablassung als einen uugezweifelten Beweis von Sir Steadys Aufrichtigkeit an, und glaubte sestiglich *. er würd'

ihm bei erster Gelegenheit lieber eine Stelle geben als ihm länger dies Gehalt aus seiner eignen Ta­ sche zahlen. Aller Wahrscheinlichkeit Nach würde dies se Weissagung eingetrvffcn sein, hatte nicht ein uns

rersehner Zufall seinen Kredit bei Hofe in einem Nu ganz zu Grunde gerichtet, 2 2

(

132

)

Mittlerweile belebte dieser kurzdauernde Strahl -es Glüks wiederum die Idee» von Stolz und Ehr­ geiz , seine alten Lieblinge: Sein Gesicht erheiterte sich wieder, seine gute Laune kehrte zurük; aus sei­ nem ganzen Wesen leuchtete die lebhafteste Freude hervor. In der That begannen seine Mitkliente» ihn als einen Menschen zu betrachten, der im Stei­ gen sei, wie sie sahen, was für eine besondre Ach­ tung ihm bei den öffentlichen Levers zu Theil wur­ de. Ja einige von ihnen buhlten aus der Ursache tim seine Gewogenheit. Er vermied nun nicht mehr langer seine vorigen engen Bekanntschaften, mit denen er einen guten Theil seines Vermögens hin­ gebracht hatte; sonder» kam mit ihnen in der ehmaligen Gemütsruhe und Vertraulichkeit an den Or­ ten der öffentlichen Ergözungen wieder zusammen; ja er lies sich sogar auf Rechnung, daß seine feuri­ ge Erwartungen würden erfüllt werden, wieder in einige ihrer Excesse ein. Ladwalladcc und er er­ neuerten ihre Arbeiten im Departement des Lächer­ lichen , und führte» verschiedne Unternemunge» ge­ gen Leute aus, die ihre Unzufriedenheit rege ge­ macht hatten. Allein diese Ergözungen wurden bald durch einen eben so unerwarteten als nachtheilige Folgen haben-

(

133

)

den Ungläksfall unterbrochen. Seinen hrchgebornen Patron traf ein Schlagstus. Die Aerzte stell­ ten ihn davon wiederher, um ihn nach allen Re­ geln ihrer Kunst zu expediren. Sonach ging er zwei Monate, nachdem sie waren herbeigerufen worden, den Weg alles Fleisches, peregrine war über die­ ses Eraugnis sehr niedergeschlagen; nicht nur aus Freundschaft gegen den Verstorbnen, dem er man­ cherlei und grosse Verbindlichkeiten zu haben glaub­ te, sondern auch weil er besorgte,, seine Interesse würde durch den Abgang dieses peee's, den er für seine Hauptstüze ansah, einen heftigen Stos bekom­ men. Daher legt' er aus Achtung für das Andenken seines verstorbnen Freundes Trauer an; in der That hatte er mehr Ursach zu trauren, als er sich's jezt einbildete. Wie der Quartaltag kam, wandt' er sich wegen seiner Zinsen, wie gewöhnlich an den Haushofmeister von dem Erben des Lords, und der Leser wird gern gestehn, daß er einige Ursach hatte bestürzt zu sein, als ihm dieser Mann sagte, daß er weder auf Kapital noch Zinsen Ansprüche machen könnte. Zwar rnus man gestehn, daß der Haushofmeister sowohl höflich als auch sehr vernünftig über diese Sache sprach. Ihre Mine, Sir, sagt' er zu Picken,

2 Z

(

134

)

spricht Sie von allem Verdacht los, daß Sie einen Betrug im Sinne haben; aber die Hypothek auf die Grundstükke, deren Sie erwähnen, hat schon lange vor der Zeit, eh Sie das Geld geliehen zu haben borgeben, ei» andrer bekommen. Heute mor­ gen erst hab' ich ein Quartal von diesen Zinse» aus­ gezahlt, wie aus diesem Recepisse erhellt, das Sie durchleseir können, wenn es Ihnen gefällig ist.

peeegrine'n war diese Nachricht, die ihm Alles raubte, ein solcher Donnerschlag, daß er kein Wort Hervorbrillgen konnte. Ein Umstand, der dem In­ tendanten keine gute Meinung von ihm beibrachte. Er fing wirklich in gutem Ernst an, einige Zweifel wegen der Redlichkeit des Fordernden zu hegen; Henn unter den Papieren des Verstorbnen, die er genau untersucht hatte, war keine Schrift, kein Zet­ tel, keine Recepisse vorhanden gewesen, das auf diese Schuld Bezug gehabt hätte. Nach einer lan­ gen Pause der Betäubung sammlete sich peregrine so weit, daß er ihm sagen konnte; Sie irren sich entweder ganz über die Maassen, oder der verstorb­ ne Lord ist der grösste Betrüger auf Erden gewesen. Allein mein Herr Intendant, erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, daß Ihre blosse Versichrung hier-

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rZ5

)

über mir nicht hinreichend ist, den Verlust sott zehn­

tausend Pfund ruhig zu ertragen. Nach dieser Aeusserung begab er sich weg, über

die Einwendungen so» jenem so misvergnügt, daß

er nicht wusste, wie er fvrtkam. Da der Park auf seinem Wege lag, lief er in demselben herum, und brach in einen Monolog aus zum Lobe seines ver­ storbnen Freundes. Der Nefran war allemal eine Reihe unzusammenhängender Flüche gegen sich selbst. Endlich legten sich allmälig seine Aufwallungen, und

Nachdenken grif Plaz. Er stellte ernsthafte und kum­ mervolle Betrachtungen über sein Unglük an und beschlos, ohne Zeitverlust Rechtsgelehrte zu Rate zu ziehn. Doch vor allen Dingen nam er sich vor, sich selbst an den Erbe» zu wenden; vielleicht ist dieser, dachte er, durch eine ganz ungeschminkte Vorstellung der Sache zu bewegen, daß er mir Gerechtigkeit wicderfahren lässt.

Diesem Cntschlus zufolge stekt' er den folgenden Morgen seine Schriften zu sich und begab sich in ei­ ner Sänfte nach dem Haufe des jungen Lords.

Sein gutes Ansehn und ein kleines Trinkgeld an den Thürsteher verschaften ihm Zutritt zu demsel­

ben.

Er legte dem Lavaliere die ganze Sache

umständlich vor, bekräftigte seine Behauptungen I 4

C

136

)

Lurch die Papiere, die er verwies, und schilderte den Schimpf, den er auf das Andenken des Ver­ storbnen bringen würde, wen» er sich genötigt seh» sollte, sich an ein öffentliches Iustizkollegium dieserhalb zu wende». Der Vollzieher des Testaments, ein Mann von feiner Erziehung, beklagte ihn mit dem gutherzig­ sten Wesen, wiewohl er sich über die Sache selbst nicht sehr zu verwundern schien; allein er wünschte, daß wenn der Betrug einmal sollte begangen wer­ den , der Schaden den ersten hypothekarische» Gläu­ biger möchte betroffen haben. Es wäre dies ein die­ bischer Wuchrer, sezt' er hinzu, der durch das Elend seiner Mbengcschvpfe reich geworden sei. Zur Ant­ wort auf die Vorstellungen unsers Melden bemerkte er, daß er sich nicht für verpflichtet hielte, die min­ deste Achtung gegen den guten Namen seines Vor­ gängers zu bezeigen. Dieser habe ihn sehr barba­ risch und ungerecht behandelt, und ,i6m nicht nur seinen Schu; und Beistand gänzlich versagt, sondern auch seine Erbschaft so viel verkümmert, als nur in seiner Macht gestanden. Auf die Art könne kein Billigdenkender erwarten, daß er zehntausend Pfund von seinen Schulden bczalen würde, wofür er kei­ nen Werd erhalten habe.

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)

Tro; seinem Verdrusse sonnte pevegvkne sich nicht enthalten, in seinem Innern zu gestehn, daß ' diese abschlägige Antwort so unbillig eben nicht feü Nachdem er seinem Unwillen in den heftigsten An­ züglichkeiten gegen den Verstorbnen Lust gemacht hatte, nam er von dessen gefälligem Erben Abschied, und ging sogleich zu einem Rechtskonsulenten, dem er seine Sache vorlegte. Dieser versicherte ihm: er habe einen vortrestichcn Proces. Dem zufolge wurde ihm diese Rechtssache übergeben. Alle diese Maasregeln wurden in der ersten Hize genommen, wo pevegrinens Geister durch die verschiedne» Leidenschaften, die sein Unglüksfall bef ihm erregte, in so heftiger Wallung waren, daß er, was Berauschung war, für Gleichmut nam; und zwei ganze Lage verstrichen, eh' er zum rechten Ge­ fühl seines Ungläks kam. Hierauf »am er eine schmerzvolle Selbstprüfung vor. Jeder Umstand der Untersuchung erzeugte neue marternde Betrachtun­ gen. Das gänzliche Resultat war die Entdekkung, daß sein Vermögen rein fort und er in einem An­ stand der bejammernswürdigsten Abhängigkeit sei. Diese Verstellung allein würde ihn in seiner bangen Mutlosigkeit zu einem verzweiflungsvollen Unternemen getrieben haben, hätte nicht das Vertrauen 35

(

138

)

suf feine Richter und Sachwalter und die Versichrung des Ministcr's, die (so unbedeutend die Welt sie auch gemeiniglich gefunden hat) die einzigen

Bollwerke zwischen dem Elende und ihm waren / ihn

einigermaassen beruhigt. Die menschliche Seele ist von Natur biegsam und schmiegt sich, wenn sie nur die geringste Hvfmmg zur Stüze hat, auf eine bewundernswürdige

Art in alle Fügungen des Glüks, zumal wenn die

Einbildungskraft srölich und schwelgrisch ist. Das war der Fall mit unserm abenteuernden Ritter.

Statt den melancholischen Ideen nachzuhängen, die

fein Verlust in ihm erzeugte, »am er seine Zuflucht

zu den eiitzükkendsten Täuschungen der Hofnmig, schmeichelte sich selbst mit den unwesentlichen Plä­

nen künftiger Grosse und bemühte sich, den Vor­ hang der Vergessenheit über die vergangnen Zeiten

zu ziehn. Nach einigem Bedenken entschlos er sich, Lrab-

tree'n mit seinem Unglük bekannt zu machen, da­ mit er ein für allemal die Feuerprobe seiner Satyre aushalten mochte, ohne sich einer langen Reihe sarkastischer Winke und zweideutiger Anspielungen rmszusezen, die ihm unerträglich waren. KemnaH

(

139

)

ergrif er die erste Gelegenheit, ihm zu erzalen, daß er durch die Treulosigkeit seines gewesnen Gönners gänzlich zu Grunde gerichtet sei. Zugleich bat er ihn, seine Betrübnis nicht durch jene beissende An­ merkungen zu vergrössern, welche Leuten von sei­ ner menschenfeindlichen Stimmung eigen waren. Tadwallader hörte diese Erklärung mit innerm Er§ staunen an, in seinem Gesichte war aber davon nicht die fluchtigste Spur zu bemerken. Nach einer Pause versezte er: Unser Held hatte nicht Ursach, von ihm neue Anmerkungen über-einen Vorfall zu erwarten, den er so lange vorhergesehn und täglich erwartet habe. Hierauf ermahnt" er ihn mit einem ironischen Lächeln, sich mit dem Versprechen des Ministers zu trösten, der unstreitig die Schuld seines verstorbnen Busenfreundes abtragen würde»

Achtes

Kapitel.

pevcgrme wagt sich mit Schriften m's Publi­ kum; wird Mitglied eines Autorenklubs.

Nachdem unser junge Herr diese peinliche Erklä­

rung gctbfttt, fing er an, in seinem Kopfe Plane umherzuwälzen, um den Mangel seiner jährlichen Einkünfte zu ersezen, die jczt so fürchterlich ge­

schmolzen waren. Endlich beschlos er seine durch Natur und Erziehung erhaltnen Talente zu benuzen. In seinem lleberflus hatte er von vcrschiedneu

Schriftstellern gehört, die, ohne die geringsten An­ sprüche auf Genie oder schönwissenschaftliche Kennt­

nisse machen zu können, dadurch ihren ganz artigen Unterhalt sanden, daß sie für, Buchhändler Arbei­

ten unternimm, die mit; litterarischem Ruf ganz und gar nichts zu thun hatten. Einer zum Beispiel übcrnam Uebersezungen von aller Art, für so und so viel Honorar jeden Bogen. Er hielt wirklich fünf

bis sechs Handlanger, die wie die Schreiber in ei­ nem Kontore vollauf zu thun hatten.

Dadurch

ward er in den Stand gefeit, ganz gemächlich zu le­

be», und seines Freundes und einer guten Flasche

(

i4i

)

Wein zu geniessen, ohne nach einem andern Ruf zu

geizen, als den eines ehrlichen Mannes rind guteir Nachbarn. Ein andrer entwarf eine Menge Plane für neue Wörterbücher und lies dieselben unter sei­ nen Augen durch Laglöhner ausfübrcn. Geschichte und Reisebeschreibimgen waren daS Fach des Drit­

ten. Er lies sie durch subalterne Arbeiter samnsseir »der abkürzen. Pickle hatte bei den Vergleichungen, die er anstell-

te, gegen seine Fähigkeiten so viel Achtung, daß er alle Zweifel verbannte, ob er im Stande sein wür­

de, einen jeden dieser Entrepreneurs in den vcrschiednen Zweigen ihres Metiers zu übertreffen, wenn er sich je zu diesem Versuche genötigt sahe. Al­

lein sein Ehrgeiz trieb ihn an, seinen Ruhm mit seinem Vortheil zu vereinigen. Zu dem Ende ver­ suchte er einige Produkte, die ihm bei der Welt Eh­

re machen und zugleich seinen Kredit bei de» Käu­ fern von Handschriften in London gründen möchten.

In der Absicht rief er die Musen au; und da er wusste, wie wenig man in unserm Zeitalter von al­ len Arten von Gedichten halt, worin nicht Satyrs »der Obscönitaten vorkommen, so verfertigt' er ei­

ne Nachahmung vom Iuvenal und geisselte darin verschiedne bekannte und angesehne Thoren und Dö-

(

r§2

)

ftwichter mit eben so vieler Wahrheit als Wiz utib Strenge. Wiewohl sein Name nicht auf dem Titel­ blatte dieses Produkts siand, so hatt' er es doch so einzurichten gewusst, daß das Werk inänniglich dem wahren Verfasser zugcschrieben wurde. Auch sah er sich in der Erwartung eines glüklichen Erfolgs nicht betrogen; denn die Auflage ward sehr bald abgesezt und die Broschüre der Stof der Unterredungen in allen geschmakvvllen Zirkeln. Dieser glükliche Debüt zog ihm nicht allein die Bekanntschaft der Buchhändler zu, die ihn in ihr Interesse zu zieh» suchten, sondern erregte auch die Aufmerksamkeit einer gewissen Gesellschaft von Au­ toren , die sich selbst die A k a d e m i c nannten. Sie beehrten ihn mit einer Deputation, welche ihm den Antrag überbrachte, das sie mit einmütiger Bewilli­ gung ihn zu ihrem Mitgliede aufnenicn wollten. Die Person, dessen sie sich zu diesem Geschäft be­ dienten, war ein Dichter, der ehmals von der Gut­ herzigkeit unsers Helden Beweise, erhalten hatte. Dieser Minin wandte alle seine Beredsamkeit an, pickle'ir zu bewegen, das Anerbieteit seiner Kolle­ gen nicht auszuschlagen. Zugleich beschrieb er sie auf eine solche Art, daß pickle's Neugier entflammt wurde. Er entlies den Deputirten mit einerDank-

c

143

)

sagung für die grosse Ehre, die sie ihm erwiesen und mit dem festen Versprechen, sein ganzes Bestreben

dahin zu richten, ihres fernern Beifalls würdig zu sein. Er ward nachher durch eben diesen Abgesandten von den in dieser Akademie üblichen Ceremonien unterrichtet; und machte auf dessen Angabe eine Ode, die an dem Abend seiner Einführung sollte

öffentlich deklamirt werden. Die Gesellschaft, er­ fuhr Pickle, bestand aus nichts anderm, als einer

Bande Autoren, die sich ihres gemeinschaftlichen Vortheils und Vergnügens wegen gegen eine andre Autorenklike, die ihre erklärten Feinde und Ver-

laumder waren, eimnütiglich zu Schuz und Lruz verbunden hatten. Kein Wunder also, daß sie sich

durch eine so schazbare Erwerbung zu verstärken suchten, als unser Held nach aller Wahrscheinlich­ keit sein musste.

Diese Akademie bestand sonach blos aus Autoren

und zwar aus Autoren von allen Gattungen in An­ sehung des Rufs, von demLLedchenschmidte an, des­ sen Produkte in Musik gesezt und in Marybone . M ar!) b 0 ne, eine nencrbaute Vorstadt von L 0 tt£> 0 n f woselbst mehrere tausend Häuser von Lustmädchen und untcrhaltnen Frauenzimmern Le-

abgesungen werde», bis $u dem dramatische» Dich­

ter hinauf, der im Kothurn auf de» Schauplaz tritt, Ja eins von den Mitglieder» hatte sogar acht Bü­

cher eines Heldengedichts verfertigt, zu deren Be­ kanntmachung er jezt Subskribenten sanimlete. Daß eine solche Sammlung von Söhne» des

Apoll's einen ganzen Abend in Ordnung und ohne Verlezung des Wohlstandes hatte hinbringen kön­

nen, ohne unter dem Zepter eines Obern zu stehn, lasst sich nicht vermuten. Dies hatteir sie auch vor­ ausgesehn und deshalb einen Präsidenten erwählt, der mit der vollen Macht bekleidet war, jedes Mit­ glied , welches die Harmonie oder die Subordination

des Ganzen zu stören versuchte, zum Stillschweigen zu verweisen.

Der Weise, der jezt Meister vom

Stuhle war, hatte schon Jahre, und sein Gesicht war ein lebendiges Bild des grollsüchtigen Wismuts,

der auf wiederholte Verwerfung zu erfolgen pflegt. Er wohnt werden, c S. Wendeborn Th. i. S. 166. Th. s.S. 107.) Diese Klasse von Weiber» ist immcv sehr freigebig und daher kein Wunder, wenn Apoll's darbende Bastarde sich fleissig vor ihre» Thüren versammle». A. des Ucbers.

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145

)

Er war mit seinen Theaterprodukten ausserordentlich uuglüklich gewesen; und mich der Worte eines pro* fallen Spötters zu bedienen, (welcher der Verurtheilung seines lezten Stüks beigewohnt hatte) oh­ ne Erlösung verdammt worden. Nichts desto weniger hielt er sich noch immer am Rande des Par­ nasses auf, übersezte einige Klassiker und schrieb Miscellanien. Durch eine unerschütterliche Zuversicht­ lichkeit, durch übermütigen Troz, durch die Giftig­ keit einer unbändigen Zunge und einige Menschen­ kenntnis hatte er sich den Ruf eines gelehrten und wizigen Mannes bei Leuten erworben, die keins von Beiden waren; das heisst, bei neun und dreissig von Vierzigen unter denen, womit er Umgang pflog» Ja selbst in der Akademie sahen ihn einige Wenige in eben dem Lichte an. Der grösste Theil inzwi­ schen von denen, die seine Wahl begünstigt hatten, waren Personen, die sich vor seiner Bosheit furch­ ten , vor seiner Erfahrung oder Alter Ehrfurcht hat­ ten oder seinen Mitwerber, den Heldendichter, hasste». Der Hauptendzwek ihrer Gesellschaft war, (wie ich bereits flüchtig bemerkt habe) einander bei ihren Produkten zu unterstüzen und ihnen Beifall zu ver­ schaffen. Sie priesen dieselben wechselsweise mit alpereg. Pickle IV. B. K

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146

)

ler ihrer Kunst und ihrem Einst»-,' nicht nur kn Privatunterredungen, sondern auch durch gelegent­ liche Epigramme, Kritiken und Anzeigen, die sie in

öffentliche Blätter rükken liessen, zum Verkauf air.

Diese Wissenschaft, die nian gemeinhin unter dem

Namen Autorklimpereie» kennt, trieben sie zu einem solchen Gipfel der Feinheit, daß sehr ost

der Autor aus sein eigne- Werk eine schmähvolle

Antwort schrieb, um die Neugier der Leute zu ent­ stammen, die es überseh» hatten. Ungeachtet der

allgemeinen Harmonie in dieser Gesellschaft, dauer­ te doch seit langer Zeit eine Privaterbitterung zwi­ schen den beiden obgedachten Nebenbuler» wegen

des Vorrang-, ob er wohl durch die Mehrheit der

Stimme» dem gegenwärtige» Vorsteher warzuerkannt worden.

Dieser heimliche Groll äusserte

sich nicht in Schmähungen oder in Herausforderung, sondern er offenbarte sich bei jeder Zusammenkunft

durch Verfuche, eiiiander durch beissende Einfalle

und sinnreiche Repartieen zu verdunkeln. Deninach ward allemal gegen Abend ein lekkeres Gericht von

d e r Art aufgelischt, das zur Unterhaltung und den

jüngern Mitgliedern zum Beispiel diente. Sie er­ mangelten nie, sich bei der Gelegenheit zu theilen

und sich für einen oder den andern der beiden Kam-

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»47

)

psenden zu erklären, den sie durch ihre Vlikke, Ge­ bärden und Beifall, so wie es der Disput Mit sich brachte, aufmunterten. • ' Dieses ehrwürdige Konsistorium wurde in dem besten Zimmer eines Alehauses gehalten. Hier konn­ te ein jeder, wie er's seiner Börse oder Neigung zu­ träglich sand — denn jedes Mitglied bezahlte beson­ ders für das, was er gewählt hatte—Wein, Punsch oder Bier bekommen; und hier ward unser ^eliunter zwanzig ihm ganz unbekannte Leute eingeführt, deren Gesichter und Anzug ein sehr malerisches Quod­ libet gaben. Man empfing ihn mit der grössten Feier­ lichkeit aus daS liebreichste. Ihm ward sein.Plaz zur Rechten des Präsidenten angewiesen, sodann Stillschweigen geboten und seine Einführungsode laut abgelefen, die allgemeinen Belfall erhielt. Hier­ auf ward ihm der übliche Eid vorgelegt, der ihn verpflichtete, auf die Ehre und den Vortheil der Gesellschaft in jedem Stande des Lebens Rüksicht zu nemen, so viel nur in seinem Vermögen stände. Nachdem ihm derselbe abgenommen war, wurden seine Schläfe mit einem Lorbeerkranze umwunden, -er zu solchen Einweihungen heilig aufgehoben ward. Nachdem diese Gebrauche mit der gehörigen Feier­ lichkeit vollzogen waren, sah sich das neue Mitglied KL

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148

)

rings im Saale um und nam seine Kollegen in et# was scharfer» Augenschein. Er bemerkte an ihnen

eine seltsame Sammlung von Perrüken in Rülsicht

auf Farbe, Modeschnitt und Grosse. Dergleichen war ihm noch nie vorgekommen. Diejenigen, die

unfern dem Präsidenten auf jeder Seitesassen, un­ terschieden sich durch ehrwürdigeAlongeperrüken / de­

ren Tuppehs von bewundernswürdiger Verschieden­ heit waren.

Einige stiegen schräg abwärts/ wie das

Glacis in einer Festung, andre erhoben sich in zwei

unterschiednen Spizen, wie die Hügel Helikon

und Parna ö; andre aber waren wie die Hörner des Jupiter Am mon gewunden und zurükgebogen. Nächst diesen erschienen Beutel- Stuz-und

Zopf- Perrüken/ manche davon waren blosse fiicce-

danca, künstlich genug von ihren Eigenthümern

selbst fabricirt; an den untern Enden des Tisches aber zeigten sich unförmliche Haarmassen/ die sich

gar nicht beschreiben liessen. Ihre Kleider passten zu ihrem Hauptschmuk ziem­

lich gut. Der Anzug der obern Bank war anstän­ dig und sauber; der der zweiten Klasse abgetragen

und beschwurt und am untern Ende des Zinnnerö bemerkt' er verschiedne Versuche, zerrissne Beinklei­ der und schmnzige Wäsche zu verbergen. 2a er könn-

te aus ihren Gesichtöbildungen die verschiednen Dichtarteu erkennen, worin sie die Musen übten. Er sah ganz deutlich die Tragödie in der gravitäti­ schen Feierlichkeit des Blikö, Die Satyre aus den Stirnrunzeln des Neides und Misverguügens hervorlauschen, die Elegie aus einem Leichengesichte hervorgreinen; die Idylle aus höchst fade- schmach­ tenden Vlikken herausdröseln, die Ode in einem wahnsinnigen Starren sich abmalen, und das Epi­ gramm aus einem mutwilligen Lächeln hervorschielen. Vielleicht übertrieb unser s^elb seine Deuter­ talente, wenn er behauptete, daß er ausser diesen Entdekkuttgen den Zustand von den Finanzen eines jeden deutlich bemerken könnte, und sich anheischig machte, die Summe, die jeder besässe, zu erraten, ohne über drei Aarthings zu fehlen. Die Unterredung war nicht allgemein, sondern fing an sich zu zertheilen. Der Epische Dichter hat­ te wirklich die Aufmerksamkeit eines engern AusK r Farthing, der vierte Theil eines Englischen Pfen­ nigs; die kleinste Englische Münzsorte, welche ungefähr ein und einen halben Teutschen Pfen­ nig hat. A. d. Uebers.




Fünfter. Eher wird das Oxthoft in ihn kriechen.

Es mus ein Stüksas oder ein Ocean sein.

Sechster. Kein Wunder dann, wenn er unter­ sinkt. Siebenter. Wenn auch; er kömmt doch wieder herauf, wenn seine Galle geborsten ist. Achter. Das mus sehr bald geschehn , denn sie hat schon lauge bersten wollen. Neunter. Nein, nein, ich gebe mein Wort drauf:

er bleibt im Grunde stekken: er hat eine na­ türliche Behendigkeit im Sinken. Zehnter. Gleichwohl hab' ich ihn schon in den

Wolken gesehn.

Eilster. Seinen Verstand? Ja, der ist bewölkt genug. Zehnter. Und diese Wolken waren so mitternäch­ tig-dunkel, daß niemand des Dichters Meinung durchdringen konnte.

Zwölfter. Bei alle dem ist er doch leicht zu durch­ schauen. Dreizehnter.

Sprechen Sie doch, als wenn sein

Kopf von Glas wäre.

'vierzehnter. Sein Kopf ist von weit dauerhaf­ terer Masse; er wird eher biegen als entzweibrechem

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I7i

>

Präsident. Gleichwohl hab' ich ihn schon zerbro­ chen gefehlt.

Ein Andrer. Kömmt etwa Wiz aus der Oefnung? Präsident. Der ist so subtil, daß man ihn nicht bemerken kaun.

Ein dritter Mund war grade geölnet, als dies flebungsspiel plözlich durch das fürchterliche Geschrei: Feuer', unterbrochen ward. Dies Geschrei kam auS der Küche und sezte das ganze Kollegium in Ver­ wirrung. Keiner wollte im Herausgehn der Lezte sein; daher war der Ausgang gleich versperrt; ein jeder ward von dem gestossen, der sich von unge­

fähr hinter ihm befand. Hader und Exklamationen

entsprangen * aus diesen Friktionen; Wolken von Rauch rollten in das Zimmer hinauf uud Schrekken sas auf jedem Gesicht. Als peueyvtne keine Aussicht erblikte, zur Thür hinauszukommen, ösnet' er das Fenster und sprang mit bestem Erfolg hinunter auf die Strasse. Hier fand er eine Menge Leute, die das Feuer mit löschen zu helfen zusammengekvmmen waren. Ver-

schiedne Mitglieder des Kollegiums folgten seinem

Beispiele und retteten sich glüklich. Der Präsident wollte nicht gern dies Mittel ergreifen und stand

C

r/2

)

zitternd und bebend im Vegrif sich hinabzulassen, weil er an seiner Gewandtheit zweifelte und die Fol­ gen die'es Sprungs fürchtete. Unterd e r Zeitpassirte eine Sanfte vorbei. Er nam die Gelegenheit wahr und sprang mit solcher Anstrengung auf diesel­ be, daß sie sogleich in den Rinnstein geworfen ward, zum fürchterlichen Schrek für die Fracht, die aus einem gewissen weibischen Stuzer bestand, der im schönsten Staate sich in eine Assamblee tragen lies. As dies Phantom von einem Manne das Ge­ töse über sich hörte und sich zugleich umgeworserr fühlte, bildete er sich ein: ein ganzes Haus wäre mif die Sänfte gestürzt, Und sties vor Furcht zer­ schmettert zu werden, ein Gekreisch aus. Das Volk glaubte, es käme aus einer Weiberkehle und eilte ihm zu Hülfe. Die Sänftenträger hatten sich kaum erholt, als sie, statt dem Stuzer beizustehn, hin­ ter deil herrannten, der sie umgestürzt hatte. Al­ lein dieser war gewohnt, Gerichtsdienern zu entwischen. Er vertiefte sich in ein enges Gäschen, verschwand in einem Augenblik und ward von kei­ ner lebendigen Seele mehr gesehn, als bis er sich des folgenden Tages in Lowerbill wieder blikfeit lies.

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)

Der menschliche Theil des Pöbels, der sich be­ mühte, der vermeinten Dame zu Hülfe zu kommen, merkte kaum sein Versehn, gewahrte kaum den Stuzer, der voll Schrek und Furcht um sich her starrte, als sich sein Mitleid in Mutwillen verwan­ delte. Er lies die abgeschmaktesten Spässe überdeö jungen Mannes Unglük ergehn und bezeigte nunmehr nicht die mindeste Lust es ihm zu erleichtern. .Ans die Art befand sich der arme Säuberling in einet unangenemen Presse. Endlich erbarmte sich Pickle seiner Lage, verwandte sich für ihn und beredete die Sänftenträger, ihn in das Haus eines Apothekers in der Nachbarschaft zu tragen. Das Unglük von jenem gereichte Leztrem zu nicht geringem Frömmelt. Denn die Furcht hatte aus des jungen Herrn Ner­ ven so heftig gewirkt, daß er in Wahnsinn verfiel und vierzehn Tage lang aller seiner Sinne beraubt war. Wahrend d e r Zeit lies man es ihm weder an Arzenei, an Essen und Trinken noch an Aufwar­ tung abgehn; man bediente ihn recht königlichwie die Rechnungen seines Wirts bewiesen. Wie unser abenteuernde Ritter diesen Urrglüklichen wohlbehalten unter Dach und Fach sahe, kehrt* er wieder nach der andern Scene des Jam-

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)

niers jurük. Das ganze Feuer war nicht anders gc# wesen als eine Esse voller Nus. Die Bemühungen der ganzen Hauögenossenschaft hatten daher den Brand glüklich gedampft. Er hatte weiter keine üble Folgen gehabt, als daß die Nachbarn waren in Schrek und Unruhe gesezt, die Akademie gestört und das Gehirn eines Stuzers in Unordnung gebracht worderr.

Da Pickle sehr begierig war, die besondern Ver­ ordnungen dieser Gesellschaft, die sich ihm stufen­ weise aufzudekken schien, naher kennen zu lernen, so ermangelt' er nicht, sich bei der nächsten Zusam­ menkunft einzusinden. Diesmal wurden verschiedne ^Bittschriften zum Behuf der Mitglieder vorgelegt, die im Fleet, in Marshalsea und in der Kingsbench in Verhaft fassen- Da diese uttglüklichen Schriftsteller von ihren Kollegen nichts erwarteten, als guten Rat und solche Dienstleistun­ gen, die nicht die Börse betrafen, so wurden ihre Memoriale mit grosser Sorgfalt und Menschlich­ keit erwogen. Bei dieser Gelegenheit stand es in peregvinens Macht, dem Kollegium zu zeigen, wie viel er in der Welt galt. Denn es traf sich, 'daß er mit dem Gläubiger von einem der-Verhafte-

(

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)

Uw bekannt war; er wusste, daß die Strenge von jenem aus Unwillen über das Betragen des Leztern herrührte. Dieser hatte nämlich den andern in ei­ ner Schrift beissend durchgezogen, weil er sich ge­ weigert, ihm eine neue Forderung zu gewahren, nachdem er ihm eine beträchtliche Summe vvrgeschossen hatte. Als unser Held nun hörte, daß der Autor sein Vergehn bereute und geneigt sei, sich gehörig zu unterwerfen, versprach er, bei dessen Gläubiger seinen Kredit zur Vermittlung eines Ver­ gleichs zu verwenden. Er erhielt auch wirklich in wenigen Tagen die Freiheit seines Kollegen. Nachdem diese Wichten gegen die Gesellschaft abgemacht waren, ward die Konversation allgemein. Es wurden einige neue Produkte freimütig beur­ theilt, zumal solche, deren Autoren mit der Akade­ mie in keiner Verbindung standen oder ihr gänzlich unbekannt waren. Selbst das Theater entging der Kritik dieser Versammlung nicht. Es wurde wö­ chentlich eine Deputation der einsichtsvollsten Mit­ glieder in jedes Schauspielhaus geschikt, um Be­ merkungen über das Spiel der Darsteller zu machen. Mithin wurden die Censoren der vorigen Woche auf­ gerufen, ihren Rapport abzustatten- Die Stükke, die

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)

sie gesehn hatten, waren die sch ö n e B u s fe r t i g e *) und die Rache.**) Derjenige, der die erste von diesen beiden Tra­ gödien untersucht hatte, gestand, er habe keine wesentliche Bemerkungen über die vornemsten Ak­ tors gemacht- Im Ganzen genommen hab' er sich recht gut unterhalten. Anfänglich hatt' er sich durch die Kleidung des Loth ar io irre machen lassen und ihn für einen Puppenspieler genommen, der zur Belustigung der Gaste a u f K a l l i st e n s Hoch­ zeit sei gemietet worden. Nachher wäre er.über dessen unvernünftiges Begehren nicht wenig erstaunt, als er bei seiner Herausforderung des Hora zio ver­ langt hatte, daß ein solcher schwerfälliger Gegner ihn eine ganze Meile weit unter Felsen suchen solle. Was sich ohne die augenscheinlichste Gefahr eines Beinbruchs nicht gut hatte bewerkstelligen lassen, pere* ) Dies Stük befindet sich unter dem Namen K a l l i st e

inSchmidt'sEnglischemTheater. Th.3. A. d. U e ber s. **) Trauerspiel vom D. P 0 ung s. Theater der Brit­ ten, das 1770. in Berlin und Leipzig herausge­

kommen ist.

Th. 2.

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177

)

peeeguine bildete sich ein, diese Bemerkung rühre von gänzlicher Unbekanntschaft mit dem Stükke her; deshalb bemerkte er, daß der Kunstrichter sich vielleicht durch die Worte der Ausforderung hatt te irre fuhren lassen, die so lauteten: — Westwärts von der Stadt eine Meile,

Dort nntcr jenen Felsen, wart' ich morgen Zwei Stunden vor dem Mittag Deiner.

Sir, antwortete der Beurtheilen, ich kannte Len Text nicht, sonst würd' ich meinen Tadel gegen den Autor und nicht gegen den Schauspieler gerich­ tet haben, der bei dem Worte: Stadt, etwas tauge inne hielt und dann die Worre: Eine Mei­ le dort unter jen en Felsen wart' ich mor­ gen , ohne die geringste Pause aussprach. Vielleicht hat er mittelst seines grossen Scharfsinns entdekt, daß dies die wahre Interpunktion des Dichters ist, rmd daß Lothari0 wirklich einen Anschlag auf die Schienbeine von Altamont's Freund gemacht hat. In d em Fall ist er zu loben, so wie in seinen andern Verbesserungen der Geschiklichkeit zu agiren. Doch seine Raffinements in der Kunst schwer zu ster­ ben, kann ich nicht billigen. Sein Fall und sein Venemen beim Tode im Karakter dieses muntern Libertins sind nach meinen Gedanken das leibhafte pereg. Pickle IV. B.

M

(

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)

Wild eines Kesselflikkers, der, von Wachholder über­ wältigt, gegen einen Pfahl taumelt, in die Gosse fällt, Hammer und Pfanne der Hand entgleiten lässt, verfchiedne konvulsivische Bewegungen macht, sich emporzuraffc», und da er merkt, daß er da) nicht kam,, sich mit häufig durch Schlukkcn uuterbrochner Stimme an den ihn umringenden Pöbel

um Hülfe wendet. Ich gestehe, entgegnete Pickle,

die Aktion

dieses Schauspielers ist nicht von aller unnatürli­

chen Heftigkeit und von lächerlichen Gestikulatio­ nen frei. Er hat ein gewisses Flatterfeuer, wo­ durch er bei den Zuhörern seine Rechnung findet, die nie ermangeln, ihn mit besondern Merkmalen ihres Beifalls r» beehren. Allein ich denke, das Gleichnis mit einem Kesselflikker ist zu streng, und vielmehr eine von jene» grotesken Vergleichungen, womit man die ernsthaftesten und feierlichsten Vor­ fälle lächerlich machen kann, als eine treue Darstel­

lung des Geschehnen. Was die Verkehrung des Sinnes vom Autor durch eine Unrichtigkeit in der Deklamation anlangt, so ist das etwas so gewöhnli­ ches, selbst bei den berühmtesten Schauspielern, daß man es für ein unüberwindliches Hindernis halten

kann- Die Lheaterdeklamativn ist nun einmal reei-

(

179

)

kativmüssig. Die Veräusserung, daß allemal mit einer Zeile der Verstand schliesst, scheint dazu AnlaS gegeben zu haben: trift cs. sich nun, daß das lczte

Wort eine neue Periode anfangt, so mus notwen­ dig der Sinn des Gauzen dadurch leiben. Unzälige Fehler der Art hab' ich von dem Aesop unsers Zeitalters, dec sich mit dem richtigsten Vortrage brüstet, begehn Horen. Seine Versehe» sind zuverlässig von nicht gros­ sem Belang, entgegnete der zweite Censor. Im

Gauren genommen ist Quin unstreitig der vollkom­ menste und untadelhafteste Schauspieler, der je unsre Bühne betreten, ungeachtet der blinde» Anbetung, die man seinem Nebenbnler rollt. Ich ging rwei Abende expres hin, sein Spiel zu krilisircn, und fand keinen Anlas ihn ;u tadeln, dagegen aber unendlich viel Stof zur Bewunderung und zum Beifall. Im

Pierre ist er gros, im Othello vortreflich, im Z a n g a aber unnachahmlich. Ausser seiner deutli­ chen Aussprache, seine» würdevollen Attitüden, sei­ nem ausdruksvvllem Gesichte, waren seine Gesten so' richtig und bedeutsam, daß jemand, der gänzlich des Gehörs beraubt wäre, dennoch jedes Wort, biii-

Eum spricht, durch das blosse Sehn hatte versteh» M 3

( 180 ) «Nissen. Gewis nichts kann vortreflichcr sein, als -ie Art, wie er Isabelle'n erzälte, daß Alonzv sich benommen habe, nachdem er den meutrischen Brief gefunden, den sie auf des Mauren Anstisten hatte fallen lassen; und wenn er, um sei­ ne Rache zu krönen, entdekt, daß er selbst von al­ lem sich ereigneten Unheil der Erfinder gewesen, ist seine Deklamation und Spiel in den wenigen, meist einsylbigen Worten: So wisse beim; die That — that ich

gar meisterhaft.

peregvine sah den Runstoichter einige Minu­ ten starr an und sagte darauf: Ich bilde mir ein, daß dies Ihr Lob Ironie ist; denn bei den Stellen, deren Sie erwähnen, glaub ich gesehn zu haben, baß der Schauspieler seinen übrigen närrischen Klim­ pereien die Krone äusserte. Die Absicht des Ver­ fassers ist, daß der Maur seinem Vertrauten eine Nachricht in wenigen Zeilen hinterbringei, soll. Die­ se müssen freilich mit Eifer und Zufriedenheit herdeklamirt werden, aber nicht mit den lächerlichen Geberden einer Meertaze, womit meines Vedünkens seine Aktion vvllkommue Aehnlichkeit hatte, wie er folgende plane Worte sagte:

(

iSr

)

Er nam ihn auf;

Doch kaum war er vor feinem Vlik entfaltet, So starrt' er schnell, als hatt' ein Pfeil sein Auge

Durchbohrt, und warf ihn zitternd auf den Boden.

Bei den ersten beiden Worten bükt sich dieser vortrefliche Schauspieler und thut, als hob' er et­ was von der Erde auf. Wenn er das Folgende herDeklamirt, macht er es so, wie man einen Brief auf­ bricht. Wenn er das Gleichnis vom Pfeile verträgt,

der durch das Auge fährt, bewegt er rasch seinen Zeigestnger gegen das Auge; sodann springt er mit grosser Heftigkeit Zurük, wenn er die Worte sagt:

So starrt er schnell; und kommt er zu der Stelle: warfihn zitternd auf den Boden, so zittert und bebt er an all'seinen Gliedern, und das Papier, das er in der Einbildung hält, entsinkt der bebenden Hand. Den lezten Theil seiner Be­ schreibung trägt er mit eben den kleinfügigen Gesti­

kulationen vor, wenn er sagt: Bestürzt und bleich stand erst mein Opfer La,

Hielt einen Seufzer noch zurük, und stieS Ihn dann heraus; rieb seine Stirn und naur

Ihn wieder auf.

Der Schauspieler starrt hier wild, seufzt zweimal,

so jämmerlich, als wär' er im Begris zu erstilken,.

M r

t

182

)

reibt die Stirn und macht die Pantomime etwas von der Erde aufzuheben. Auch fehlt es an eben diesen Feinheiten im stummen Spiele nicht, wcnir er seine Erzälung mit folgenden Worten schliesst:

Er stand im Anfang da, als wollt' er lesen. Von Furcht geschockt, zerdrükt' er ihn, und stell' Ihn, einer Natter gleich, in seine» Busen. Hier ahmt dieser einsichtsvolle Darstellsr Al oii-

zv's Verwirrung und Kummer nach. Er scheint

sein Auge auf etwas zu heften, zieht es unmittelbar darauf voll Schrek und mit grösster Schnelligkeit da­ von zurük, drükt alsdann seine Fäuste mit solcher Heftigkeit zusammen, als wolle er sofort Isa bel­ len's Nase pakken, darauf stekt er es mit dem Schrek und der Erschütterung eines auf der That

ertappten Diebes in den Busen. Wäre der Schau­ spieler des Gebrauchs der Sprache beraubt und sah'

er sich genötigt, sich blos an die Augen der Zu­ schauer zu wenden, so möchte alle diese Pantomime nötig sein, seine Meinung an den Tag zu legen.

Allein, wenn er die Freiheit hat, seine Vorstellun­ gen durch Worte auszudrükken, so kann nichts ge­ zwungner und altväter'scher sein, als dies überflüs­

sige Pantvmlmisircn.

(

183

)

Nicht etwa, daß ich Vie Grazie der Aktion vom Theater verbannen wollte. Ohne dieselbe würden

die herrlichsten Sentiments, so vvrtreflich sie immer auch eingekleidet sei» mögen, ohne Leben undKraft

scheinen. Allein diese Aktion ist von jenen lächerli­

chen Burleskengeberden so verschieden als der Vor­

trag eines Tullins aus der Sprecherbühne von den Narrenspvssen eines Pikkelberings in einer Markt-

schreicrbude. Zum Beweis, daß ich nichts Unwahres behaupte, beruf' ich mich aufJederman, der mit Be-

vbachterauge das Elegante in den Attitüden und das

Schikliche in den Gcberde» beobachtet hat, sowie es allgemein im wirklichen Leben dafür anerkannt wird.

Zwar hab' ich eine» Gaskogner gekannt, dessen Gliedinaassen insgesamt so beredt waren als seine Zunge. Er sagte nie das Wort: Schlaf, ohne sei­

nen Kopf auf seine Hand zu stüzen. Sprach er voneinem Pferde, so fuhr er vom Stuhle auf und trabte queer durch das Zimmer. Sonnt’ er aber dies nicht,

sas er so, daß er dadurch der Gesellschaft hätte inüffe» beschwerlich fallen, so begnügte er sich laut zu

wiehern. Fiel von ungefähr sein Gespräch auf einen Hund, so wakkelte er mit dem Steis und fletschte die Zähne, man kann nicht besser. Ja einmal drükt'

er sein Verlangen, bei Seite zu gehn, auf eine Art

M4

f

i84

)

aus, welche die Natur so getreu nachahmte, daß die ganze Gesellschaft glaubte, er habe über sein Ziel hinausgeschossen und deswegen ihre Nasen verwahr­ te. Allein Niemand hat diesen Possenreisser für das Muster eines seinen mündlichen sowohl als körperli­ chen Vortrags angesehn. Ich meines Theils bekenne, daß der Schauspie­ ler von dem dieNede ist, durch alle diese Eigenschaf­ ten eine gute Figur in der Posse Perseus und Andromeda als Pantalvn's Diener machen würde. Vielleicht möcht' er sich auch einigen Ruhm erwerben, wenn er die Rache in eine Pantomime verwandelte. In dem Fall wollt' ich ihm raten, mit einer Hand voll Mehl auf das Theater zu kom­ men , wenir er die Worte: Bestürzt und bleich U. s. w. zu sagen hat; auch dünkt mir sollt' er die Stelle von der Natter durch schrekliches Zischen le­ bendiger darzustellen suchen. Doch lassen Sie uns auf die Situation kommen, worin der moderne A.esop sich so sehr soll ausgezeichnet haben. Ich meine die Erklärung, die in den Worten liegt: So wis­ se denn, die That — that ich. Es kann sein, daß er seinen Vortrag seit der Zeit geändert hat, da ich dies Stük nicht gesehn habe. Gewis ist es «her, daß wie ich ihn in dieser kritischen Verfassung

C

185

)

sah, mir sein Benemen so seltsam vorkam, daß ich mir wirklich einbildete, er bekäme eine Anwand­ lung von Epilepsie. Denn er stand zwei Minute» lang schwankend und mit ofnem Munde und starren Au­ gen , wie ein Mensch, dem plözlich die Glieder gelahmt werden; und nach vielen Verdrehungen und Seiten­ schieben, als wenn er Flöhe in seinem Wamse gehabt hatte, hob er das Wort: I ch aus seiner Lunge her­ vor, wie man einen ungeheuer schweren Anker aus einem.schlammichten Grunde emporzuheben pflegt. Diese Kritik war dem grössten Theil der Academieiens angenem: denn sie hielten auf den Schauspie­ ler nicht sehr viel, von dem die Rede war. Der Be­ wundrer dieses Herrn antwortete prckle'n nicht, son­ dern wisperte den neben ihm Sizenden die Frage zu: ob peregrine etwa dem Theater ein Stük angeboLen habe und damit zurükgewiesen sei? Diese Frage geschahe nicht so leise, daß sie nicht unserm aben­ teuernden Ritter zu Ohren gekommen wäre. Er schien Lust zu haben, darauf zu antworten, als ihm ein andres Mitglied dadurch zuvorkam, daß es die Meinung und das Gutachten der Gesellschaft über­ ein Hirtenlied sich erbat, das er eben verfertigt habe. Bevor dieser Mann sein Produkt der Versamm­ lung zur Einsicht vorlegen konnte, bemerkte der M5

c -86 ) Vorsteher mitlsplenetischer Mine, er hätte feilte

Zeit nüzlicher anweiiden solle«, als zur Verferti­

gung einer Art von Gedichten, worin er vormalS keinen Beifall eingcärutet hatte.

Freilich wurde mein leztes Produkt in der Art nicht allrugünsrig aufgenvmmen, versezte der Dich­

ter; allein dies rührte einzig und allein! von dem Inhalte her, der nicht alles Interesse der Leiden-

schaften des Herzens auf sich zog. Aber hier, wer­

ter Sir, ist der Fall ganz anders. Dies Hirtengedicht hab' ich auf de» Tod meiner Grosmutter ge­

macht, einer Frau, die in jedem Betracht der Thrä­

nen wert war, die ich über ihrem Grabe vergossen habe. Dies kleine Werk ist eine echte Geburt un­ geheuchelter Traurigkeit. Die Flekken, die Sie auf, dem Papiere crblikken, siud Spuren des Schmerzes,

worin ich geschrieben habe. Lacrymae fecere literas. Und traun! wer es mit thranenlosem Auge lesen

kann, der mus ein Kieselhcrz im Busen tragen. Wenn dem so ist, versezte der Präsident, so

wünscht' ich, Sie sparten uns den Jammer, es ver­

lesen zu hören. Wir haben insgesamt wahre An­ lasse zur Traurigkeit genug, als daß wir nötig hät­

ten erdichtetem Kummer »achzujagen.

Ungeachtet dieser abschrekkenden Antwort, bat der Poet auf's dringendste: ihm zu erlauben, eine Probe seiner Arbeit verlegen zu dürfen. Allein man schrankte diese Probe ans wenige Zeilen ein. Dies verdroS den Elegikev so, daß er sein Manuskript

einstckte. Bald darauf ging die ganze Versammlung

auseinander.

Zehntes Kapitel. Der junge Squire wird bei einem Alterthums­

kenner der ersten Ordnung eingcführt und be­

ginnt ein Kläffer zu werden.

bisher hatte peregrine den Autor gemacht, ohne

andre Früchte von dieser Beschäftigung einznärn-

tcn, als den kleinen Ruf, den ihm seine lezte Sa­

tyrs erworben hatte. Nunmehr aber hielt er cs für

hohe Zeit dem luftigen Ruhm durch einen soliden Pudding das gehörige Gewicht zu ge­ ben. Er lies sich daher mit einigen Buchhändlern

In Traktaten wegen einer gewissen Ueberfezung ein, die er für zweihundert Pfund zu liefern sich anhei­

schig machte. Nachdem er diesen Vergleich geschlos-

Ungeachtet dieser abschrekkenden Antwort, bat der Poet auf's dringendste: ihm zu erlauben, eine Probe seiner Arbeit verlegen zu dürfen. Allein man schrankte diese Probe ans wenige Zeilen ein. Dies verdroS den Elegikev so, daß er sein Manuskript

einstckte. Bald darauf ging die ganze Versammlung

auseinander.

Zehntes Kapitel. Der junge Squire wird bei einem Alterthums­

kenner der ersten Ordnung eingcführt und be­

ginnt ein Kläffer zu werden.

bisher hatte peregrine den Autor gemacht, ohne

andre Früchte von dieser Beschäftigung einznärn-

tcn, als den kleinen Ruf, den ihm seine lezte Sa­

tyrs erworben hatte. Nunmehr aber hielt er cs für

hohe Zeit dem luftigen Ruhm durch einen soliden Pudding das gehörige Gewicht zu ge­ ben. Er lies sich daher mit einigen Buchhändlern

In Traktaten wegen einer gewissen Ueberfezung ein, die er für zweihundert Pfund zu liefern sich anhei­

schig machte. Nachdem er diesen Vergleich geschlos-

(

ISS

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sen hatte, ging er mit grossem Eifer att dies Pen­ sum; stand früh des Morgens auf, arbeitete den ganzen Tag über, machte sich nur erst des Abends mit den Fledermäusen zugleich aus, und erschien auf dem Kaffeehause, wo er sich mit den öffentlichen Blättern und der dort befindlichen Gesellschaft bis um neun Uhr unterhielt. Dann begab er sich wie­ der auf seine Stube, hielt eine leichte Abendmalzeit und eilte zur Ruh, um mit dem Hahne wieder ausstehn zu können. Diese plözliche Veränderung seiner vorigen Le­ bensart passte so wenig zu seinem Temperamente, Daß er zum erstenmale in seinem Leben mit aufstei­ genden Dünsten und Unverdaulichkeit geplagt wurde. Dies erzeugte Aengstlichkeit und Niedergeschlagen­ heit bei ihm; ja sogar sein Gehirn ward einigermaassen dadurch zerrüttet. Kaum hatt'er diese Entdek-' kung gemacht, so zog er einen jungen Arzt darüber zu Rate, der ein Mitglied der Autorakademie war und zu der Zeit in sehr enger Bekanntschaft mit un­ serm Melden stand. Dieser Sohn des Aeskulap'ö Maas feine Krankheit, nachdem er den Fall erwogen hatte, der wahren Ursache bei, nämlich dem Mangel an Be­ wegung. Er widerriet peregrme'n seine Anstren-

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gung im Studiren, bis er sich nach und nach an das flzende Leben gewöhnt hcltte, gab ihm den Rat sich in gehörigern Maas mit einem guten Freunde und einer Flasche Wein zu ergözen, sich seine vorige Le­ bensart nach und nach abzugewöhnen, vor allen Din­ gen aber gleich nach seinem ersten Schlaf auszustehn, und sich durch einen Morgenspaziergang Bewegung zu machen. Um das lezte Stuk dieser Vorschrift dem jungen Herrn behaglicher zu machen, versprach der Arzt, ihn auf diesen frühen Exkursionen zu begleiten und ihm sogar bei einem gewissen ängesehnen Mann Zu­ tritt zu verschaffen, der den geringern Kunstkennern dieses Zeitalters ein öffentliches Frühstük gäbe und oft seinen Kredit für diejenigen verwendete, die sich in seinem Schuz und Beifall auf eine geschikte Art zu erhalten wüssten. Dieser Vorschlag war unserm jungen Squire ungemein annemlich. Er sah zuvor, daß er ausser dem Vortheile, der ihm aus einer solchen schazbaren Bekanntschaft zuwachsen konnte, in der Unterre­ dung so vieler gelehrten Gaste viel Unterhaltung und Vergnügen haben würde. Ueberdies traffen die Er­ fordernisse seiner Gesundheit und seines Interesses in noch einem Punkte zusammen. Das Lever des

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Ministev's ward schon früh des Morgens gehalten; sonach konnt' er seinen Spaziergang verrichten, sei* ne Aufwartung machen und an jener philosophischen Tafel srübstükken, ohne daß er dadurch seinen an­ dern Beschäftigungen vielen Abbruch that.

Nachdem dies verabredet war, führte der Av;t unsern abenteuernden Ritter in das Haus jenes berühmten Weife,», welchem er ihn als einen Mann von Genie und Geschmak empsolen hatte, dem sehr nach der Ehre seiner Bekanntschaft verlangte.

Al­

lein zuvor hatt' er ihm durch die Vorstellung den Zutritt bei ihm gebahnt, daß Peregrins ein junger

Mann voller Ehrgeiz, von Verstand und Geschik-

lichkeit fei, der in der Welt notwendig Figur ma­ chen müsste. Daher würd' er den übrigen Klienten eines solchen Patrons ein beträchtliches Reliefgeben und durch seine Geisteseigeiischaften, durch seine Unerschrokkenheit und feurige Gemütsart ein vvllkommner Herold seines Ruhms sein. Aus d e r Rük^ ficht ward er sehr verbindlich von dem Wirt ausge-

uvmmen, Verein Mann von guter Erziehung und einiger Gelehrsamkeit war, und dabei Edelmut und Geschmak besas; seine Schwache aber war, daß er

in allen dreien für ein unnachahmliches Muster woll­

te angesehir fein.

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ryr

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Um nun diesen Ruf zu erlangen und zu unter-sturen, stand sein Haus allen Leuten offen, die nur einige Ansprüche auf Gelehrsamkeit machten; mit' hin umgab ihn ei» seltsames Gemisch von Präten­ denten. Allein keiner davon ward abgcwiesen; weil selbst der unbedeutendste einigermaassen zurAusbrei-

tung seines Rufs beitragen konnte.

Wiewohl ein

Kläffer der Witterung nicht nachgch» kann, so ist er doch wenigstens im Stande, das Wild aufzujagen und durch sein Blassen das Halloh zu vermeh­

ren. Kein Wunder also, wenn ein .'junger Man»

von pickle's Vollkommenheiten in diese Meute auf-

genoinmen, ja sogar dazu eingeladen ward. Nachdem unser junger Squire mit einer kurze» Privataudienz im Kabinette war beehrt worden, ward er in ein anders Zimmer gewiesen, wo ein Halbduzend seiner Mitklienten ihren Mäcen erwar­ teten. Dieser erschien wenig Minuten nachher mit

dem huldreichste» Gesichte, nain die Morgenkomplimente an und feste sich ohne weitre Umstände i»

ihrer Mitte zunr Frähstük nieder. Die Unterredung fiel zuerst auf das Wetter^ Dies ward auf eine sehr philosophische Art von ei­

nem aus der Gesellschaft untersucht, der alle Baro­ meter und Khermometer zu Rate gezogen zu habe»

(

ryr

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schien, bevor er den Ausspruch wagte: daßderMorgen kalt sei. Nachdem diese Materie mit grösster Genauigkeit war erörtert worden, erkundigte sich daö Haupt der Gesellschaft nach Neuigkeiten aus, der gelehrten Welt. Kaum hatt' er dies Verlangen geöussert, als jeder von den Gasten den Mundöfnete, um dessen Neugier zu befriedigen. Der Erste, der die Aufmerksamkeit des Lord's fesselte, war ein hagrer, zusammengeschrumpfter Alterthumsforscher, der wie eine lebendige Muun'e aussahe, welche der Sand der Wüste verbrannt hat. Er erzälte seinem hohen Patron: er hätte von un­ gefähr eine Schaumünze gesunden, die er, wie­ wohl die Zeit ihr Gepräge verlöscht habe, dennoch sowohl nach dem Klange und dem Geschmak des Metalles als nach der Farbe und den Bestandthei­ len des Rostes für eine echte Antike zu erklären wa­ gen wolle. Mit diesen Worten zog er eine Kupfer­ münze hervor, die durch das Mer so verzehrt und unförmlich geworden war, daß man mit genauer Not Spuren des Gepräges bemerkte. Nichtsdesto­ weniger behauptete der Renner, -ein Gesicht im Durchschnitt zu erblikken, woraus er schlos, daß dies Stük unter den ersten Kaisern geschlagen sei. Auf der Gegenseite bemüht' er sich das unterste Ende ei­ nes

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nes Speers und einen Theil vom Parazonium, den

Attributen der Virtus der Römer nebst einem Ue-

berrest der Falte des Multicium, worin sie geklei­ det war, anzudeuten. Ausgleiche Art entdekte er

eine Ekke von dem Buchstaben N. und etwas weiter davon ein ganzes I. Aus diesen Umständen mutmaasste und schlos er in der That, daß diese Mün­ ze vom Severus zu Ehren des Sieges sei geschla­ gen worden, den er nach Einname derPasse des Ge­

birges Taurus, über seinen Mitbewerber Niger

davon getragen hatte. Diese Kritik schien dem gü­ tigen Wirte sehr befriedigend. Er besah das Ge­

präge mit Hülfe seiner Brille auf's genauste, ent-

dekte völlig die angegebnen Kennzeichen, und ge­ ruhte die Erklärung sehr scharfsinnig zu nennen. Diese Seltenheit ging durch alle Hände der Ge­ genwärtigen und jeder Kunstkenner belekte das Ku­

pfer wie die Reihe an ihn kam, wars'ö auf den Ka­

min , um dessen Klang zu hören und fiel dem ausgesprochnen Urtheile bei.

Endlich bekam es auch

unser junger Herr zu Gesichte, der zwar kein Al-

Lerthumskenner, doch mit der gangbaren Münze gut bekannt war. Kaum hatt' er seine Augen auf diese schäzbare Antike geworfen, als er ohne Bedenken

behauptete: daß es nichts anders sei als der Ueberpereg. Pickle IV. B.

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rest eines Englischen Farthing's, und das Speer, das Parazonium und das Multicium waren Ueber-

bleibsel der Attribute und der Tracht, womit und

worin GroSbrittannien persouificirt auf unsrer Kupfermünze vorgestellt würde.

Diese kühne Behauptung schien den Patron aus­

ser Fassung zu bringen. Der Münzenkeiinev ward inzwischen sehr aufgebracht, fletschte die Zähne wie ein ergriinnlter Pavian und sagte: Was sprechen

Sie da von einem kupfernen Farthing ? Haben Sie

je bei neuerm Kupfer solchen Geschmak gefunden? Kosten ©ie*< nur, junger Herr; und ich bin über­ zeugt, daß, wo Sie Sich jemals mit solchen Sachen

abgegeben, haben, Sie einen so grossen Unterschied im Geschmak zwischen dieser Münze und einem Eng­ lischen Farthing verspüren werden, als zwischen ei­

ner Zwiebel und einer Stekrübe ist. Ausserdem hat

diese Münze den wahren Klang vom Korinthische» Erze, und dann so-fleht die Figur ausrecht; Britlannia hingegen ist gelehnt; und wie ist es mög­

lich einen Palmenzweig für ein Parazonium anzusehu? Alle übrige Personen aus der Gesellschaft ergrif­

fen die Partei des Aunstkennero, weil ihre Ehre

mit auf dem Spiele stand. Der Patron fand sich

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)

in eben der Lage; daher nam er ein feierliches Ge­ sicht an, worin er etwas Msvergnügerl durchschim-

rnern lies und sagte zuperegrine'n: Da er sich nicht eigentlich auf diesen Zweig der Gelehrsamkeit gelegt habe, wundre er sich nicht, daß er darin einen Irr­ thum begangen hatte. Pickle verstand diesen Ver­ weis. Wiewohl ihn die Eitelkeit und Verhörung des Wims und seiner Mitgaste verdroö, so bat er doch wegen seiner Vermessenheit um Verzeihung.

Man entschuldigte ihn sonach in Betracht seiner Un­ erfahrenheit und der Englische Farthing ward der Benennung einer echten Antike gewürdigt.

Derjenige, .der sich nun an das Oberhaupt

wandte, war ein Erzmathematiker, der hauptsäch­ lich Mechanik studirt hatte, und sich mit den Verbes­ serungen brüstete, die er bei verschiednen Maschinen zum häuslichen Gebrauch gemacht. Ieztlegt' erden Ris einer neuen Erfindung vor, Kopfkohl auf eine solche Art abzufchneiden, daß der Strunk vor dem ihn in Fäulnis sezenden Regen gesichert und im Stande wäre, eine reichliche Nachlese schmakhaster

Sprossen hervorzubringen. In dieser wichtigen Ma­ schine hatt' er alle Kräfte der Mechanik vereinigt

und solche Menge Eisen und Holzwerk darin ver­ braucht , daß ohne Pferd und Rad diese Maschine R 2

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sich nicht hätte in Bewegung seren lasse«».

Diese

Einwendungen drängten sich jedem so sehr auf, daß

sie dein Oberinspektor beim ersten Anblik einfielen. Er lobte die Erstndung sehr und bemerkte, daß man

sie noch zu viele» nüjlichen Msichten brauchen konn­

te, wenn sie sich nur etwas tragbarer und bequemer einrichten liesse. Der Erfinder hatte diese Schwierigkeiten nicht vvrausgesehn, war also auch nicht gefasst, sie auS

dem Wege zu räume». Doch nani er diesen Wink gut auf und versprach seine Geschiklichkeit von neue»!

dazu anruwcnden, die Einrichtung seines Risses abruändern.

Inzwischen musst' er einige ernsthafte

Ironien von den übrigen Kunstkennern über sich er­ gebn lassen. Sie gratulirten ihm zu der so glüklichen Erfindung, wodurch eine Familie in einem Vierteljahr ein Gericht Kopfkohl mehr durch eine so geringe Ausgabe und Mühe gewinnen könnte,

als der Ankauf, Gebrauch und die Unterhaltung ei­ tler so ungeheuren Maschine betragen würde. Kei­

ner war aber in seinen Aninerkungeit über dies me­ chanische Werkzeug beissender als der Naturforscher,

der nach ihn« den Beifall des hohen Gönners für eine merkwürdige Untersuchung in Detref der Er-

reugnng der Mistfliegen zu erlangen suchte. Er hat-

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tc eine kuriose Methode ausfindig gemacht, die Eier dieser Insekten zu samnilen, aufzuheben und sogar int Winter durch gewisse Modifikalivnen einer künst­ lichen Wärme auszubrüten. Kaum war die Beschaf­ fenheit dieser Entdekkung der Gesellschaft mitgetheilt worden, alsperegrine nicht langer an sich halten konnte. Er brach in ein lautes Gelächter aus, das alle am Tisch austekre, selbst den wirt nicht aus­ genommen , dein es unmöglich ward, seine gewöhn­ liche Gravität beizubchaltcn. Diese unschikliche Lustigkeit musste den Philoso­ phen notwendig kranken. Nach einer Pause, wah­ rend welcher Unwill' uitd Verachtung sich -kn seinem Gcflchte malten, verwies er unserm jungens ernt sein unphilosvphisches Betragen, und äbernam eS ihm zu beweisen, daß der Gegenstaud seiner Unter­ suchung für den Fortschritt und Wachsthum der Na­ turkunde von unendlichem Belange sei. Allein der rachcvolle Maschinist lies ihm gar keine Ruhe. Er gab ihm jezt seine ironische Lobeserhebungen mit grossem Nachdruk wegen seines Mistbeets zur Er­ zeugung jenes Ungeziefers zurük und riet ihm seinen ganzen Prozes der Königlichen Societät vor­ zulegen. Sie würde ihm unstreitig eine Denkmünze ertheilen und ihm als einem vorzüglichen Beförderer

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nüzlicher Künste i» ihren Memoiren und Abhandlun­ gen einen Plaz einräumen. Hätten S>e> sagt' er, Ihre gelehrte Bemühun­

gen dahin verwandt, ein wirksames VertilgungSmittel dieses Ungeziefers auszufinden, das den Men­

schen eben so »achtheilig als beschwerlich ist, so wür­ den Sie Sich unstreitig mit der Betrachtung des

durch Sie bewirkten Guten haben begnügen müssen. Allein das sonderbare Mittel, die Insekten zu ver­

vielfältigen, wird Ihnen gewis einen ehrenvollen Rang unter den einsichtsvollen Philosophen verschaf­

fen. Mich wundert's gar nicht, versezte der Nalurforscher, daß Sie solchen Abscheu gegen die In­ sekten haben. Aller Wahrscheinlichkeit nach fürchten

Sie Sich: sie möchten Ihnen nicht einen Kohlkovf abznschneiden übrig lassen.

Sir, erwiederte der Me-

chanikus mit der grössten Bitterkeit in Stimm' und Gesicht: Wenn der Kopf vom Kohle so hohl ist,

als bei gewissen Mistphilofvphen, so lohnt es nicht der Mühe, ihn abzuschneidcn. Ich werde nie über Kohl mit dem Sehne einer Gurke streite» I versezte der FliegenbrMcr, indem er auf die Sippschaft sei­

nes Antagonisten anspielte.

Diese Beschimpfung

verdrvö Leitern. Er sprang mit wütenden Blikkeir

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lyy

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aus und rief: Tod und Hölle, Slr, meinen'Sie mich? Hier schlug der hohe Gönner sich in'S „Mittel, weil er aus ihre» Drohungen abnam, daß es zwi­ schen Beiden zu einem Bruch kommen würde. Er verwies ihnen ihren Mangel an Mässigung und empial ihnen Freundschaft und Eintracht gegen die Go­

then und Vandalen dieser Zeit, die jede Gelegen­ heit ergriffe», die Anhänger der Philosophie und nüzlicher Kenntnisse lächerlich zu machen und ihnen allen Mut zu benemen. Nach dieser Ermahnung unterstanden sie sich nicht ihren Streit sortzuseze». Er war allein Anschein nach völlig geendet. Allein der Mechaniker behielt

seinen Groll bei. Nach dem Frühstäk brach die Ge­ sellschaft auf. Der Maschinist trat auf der Strasse seinen Gegner an und verlangte von ihm zu wissen: wie er hätte so «erwägen sein können, eine so mut­ willige Anmerkung über seine Familie zu machen.

Der Fliegenbritter beschuldigte, da er so zur.Rede gestellt ward, den Mathematiker, daß er durch

das Gleichnis mit dem hohlen Krautkopf derangreifcnde Theil gewesen sei. Nun ging die Fehde von neuem los. Der Maschinist schritt zu einer mathe­

matischen Demonstration, hob seine Hand als eine

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)

Wage auf, flies sie wie durch'einen Hebel vorwärts,

fasste des Naturforscher's Nase zwischen zwei von seinen Fingern und drehte sie herum als wie ver­

mittelst einer Schraube oder eines Schwungrads. Wären sie genötigt gewesen, den Streit mit

gleichen Waffen zu führen, so würde der angreifen­ de Theil einen grosse» Vortheil über den Andern erhalten haben, der ihm an Starke der Muskeln

bei weitem nicht gleich kam. Allein der Philosoph,

der zum Glük mit einem Rohre versehn war, hatte

sich kaum aus dieser schimpflichen Klemme gezogen,

als er seine Waffen mit grosser Fertigkeit gegen daS

Haupt und die Schultern seines Antagonisten hand­ habte. Dieser fand grosses Misbehagen an solchein lplazregen. Er suchte daher sein Heil in der Flucht.

Der ergrimmte Sieger verfolgte ihn und trieb ihir ton einem Ende der Strasse zum andern. Dervcrsammleten Menge sowohl als auch unserm Melden

und dessen Einfübrer, die bei dem ganzen Auftritt

Zuschauer waren, machte dies ein unaussprechliches

Vergllügcn. Auf d i e Art ward unser abenteuernde Ritter

in die Gesellschaft der Kläffer eingeweiht, wie­ wohl er noch nicht völlig seine neue Vcrufspflichten

einsahe. Der junge Arzt aber erklärte sie ihm und

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schmälte ihn zugleich wegen seines unhöflichen Be­ tragens bei Gelegenheit der Schaumünze aus. Er gab ihm ru verstehn, daß ihres Patrons Gunst von

keinem Menschen weder zu gewinnen noch beizubetzalten sei, der sich erkühne ihn eines Irrthums zu

überführen. Daher riet er ihm, dessen Schwäche zu respektiren und den alten Herrn mit allem dem Diensteifer und der Ehrerbietung zu behandlcn, die seine eigne Würde ihin nur erlaubte. Diese Aufga­ be war für einen Mann von unsers selben ge­ schmeidigem Karakter, um so leichter, da der Vir-

luosena Benemcn von der übermütigen Selbstsucht ganz frei war, die er ohne de» äussersten Widerwil­ len nicht ertragen konnte. Der Alte war vielmehr ein milder und gutthätiger Mann; und Pickle n

behagte seine Schwäche mehr als sie ihm misficl,

weil sie bei ihm eine höhere Einsicht vvraussezte und

daher seiner Eitelkeit schmeichelte. Peregrins „uzte diese Warnnng und bediente sich seiner einschmeichelnde» Eigeirschaften so gut, daß er in sehr Kurzem als einer der Haupllieblinge Les patron's angesehen ward, dem er ein kleines

Gelegenheitsgedicht dedieirte.

Iederman stand in

dem Wahn: er würde unter den Klienten des alten Nr

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202

)

Herrn einer der ersten sein, der die Früchte seiner Anhänglichkeit elnärntete.

Elftes

Kapitel,

peregrme'n wird das Hans des Ministers verboten,

sein Gehalt genommen und von

ihm ausgesprengt, daß er wahnsinnig ge­ worden sei.

fliese Aussicht eines glüklichcn Erfolgs und seine

Erwartungen von dem Minister, de» er nicht ver­ nachlässigte, gereichten ihm zum Trost bei den ihm zugestossnen Widerwärtigkeiten und bei der Unze-

wisheit seines Prozesses, den er zur Wiedererlan­ gung seiner zehntausend Pfund noch immer fortsezte.

Die Sachwalter leerten noch immer seinen Deutel und füllten seinen Kopf mit unwesentlichen Hofnun-

gen.

Er sah sich wirklich genötigt, von seinem

Buchhändler Geld aus Konto seiner Uebersezung zu borgen, um nur die Forderungen jener raubsüchti­

gen H a r p v e n zu befriedige». Dies that er lieber, als daß er den Menschenhassev behelligen oder zu feinem Freunde Hatchway seine Zuflucht nemen

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Herrn einer der ersten sein, der die Früchte seiner Anhänglichkeit elnärntete.

Elftes

Kapitel,

peregrme'n wird das Hans des Ministers verboten,

sein Gehalt genommen und von

ihm ausgesprengt, daß er wahnsinnig ge­ worden sei.

fliese Aussicht eines glüklichcn Erfolgs und seine

Erwartungen von dem Minister, de» er nicht ver­ nachlässigte, gereichten ihm zum Trost bei den ihm zugestossnen Widerwärtigkeiten und bei der Unze-

wisheit seines Prozesses, den er zur Wiedererlan­ gung seiner zehntausend Pfund noch immer fortsezte.

Die Sachwalter leerten noch immer seinen Deutel und füllten seinen Kopf mit unwesentlichen Hofnun-

gen.

Er sah sich wirklich genötigt, von seinem

Buchhändler Geld aus Konto seiner Uebersezung zu borgen, um nur die Forderungen jener raubsüchti­

gen H a r p v e n zu befriedige». Dies that er lieber, als daß er den Menschenhassev behelligen oder zu feinem Freunde Hatchway seine Zuflucht nemen

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wollte, der in'seincm Kastelle von seiner Not ganz nnd gar nichts wusste. Auch die Ankunft des Ostindienfahrers, worauf er hundert Pfund gewagt har­ te, erleichterte seine Bedrängnisse nicht im minde­ sten. Denn er erfuhr: sein Schuldner hätte zu Bombay gefährlich krank gelegen, wie das Schis abgegangen wäre, und es sei sehr mislich, ob er sein Geld wiederbekommen würde. Inder Lage lässt sich's eben nicht vermuten, daß er ein ruhiges Leben führte. Inzwischen gab er sich Mühe gegen alle sich ihm ausdringenden Schrekbilder des Unglüks anzukämpfen. Doch zu­ weilen brachen solche Fluthen der Betrübnis aufseinen Geist los, daß alle die muntren Bilder seiner Hofnung niedergerissen und er in den Abgrund der Verzweiflung versenkt wurde. Jede Kutsche, die auf der Strasse bei ihm vorbeifnhr, jede Person von Rang und Vermögen, die ihm zu Gesichte kam, rief die srölichen Bilder seiner ehmaligen Lebensart wie­ der in sein Gedächtnis zurük. Hierzu gesellten sich so kränkende. Betrachtungen, daß seine Seele, da­ durch tödtlich verwundet ward. Daher, lebt' er be­ ständig unter allen Foltern des Neides und der Un­ ruhe. Ich verstehe unter Neid nicht jene nieder­ trächtige Leidenschaft,' vermöge deren jemand sich

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über das Gläk seines Nächsten betrübt, wenn er

dasselbe auch »och so sehr verdient hat; sondern je­

nen sich selbstguälenden Unwillen über die Glükseeligkeit der Thoren, Unwissenden und Bösewichter.

Ohne die Stralen der Freude, die er »och zuweilen

in dein Umgänge mit wenigen Freunden empfand, war' er nicht im Stande gewesen, sein Dasein zu

ertragen; oder fei» Gehirn würde wenigstens in hef­ tige Zerrüttung gerate» sein. Doch man findet im­

mer selbst in der schlimmste» Lage irgend einen Um­ stand , der einem Erleichterung verschaft.

Derglei­

chen ausfindig zu m ache» war Pickle so sinnreich dast er gegen seine sehlgeschlagnen Erwartungen ei­ nen lange dauernden Straus hielt, bis die Zeit da

war, wo ihm sein Iahrgehalt von dreihundert Pfund

gezalt zu werden pflegte.

Da er inzwischen deir Tag verstreichen sahe, oh­

ne den ihm bewilligten Schadenersaz zu erhalten, obschon er sich so bedeutend bei dem Lever des Mtnister's präsentirte, als das Jahr um war, so

schrieb er einen Brief an Sir Steady, erinnerte

ihn an sein Versprechen, an die Lage, worin er sich

befände, und gab ihm zu verstehn, er wäre in sol­

cher Verlegenheit, baß er sich genötigt sähe, um seilt Gehalt für das folgende Jahr anMÄen.

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Den folgenden Morgen noch der Absendung deS Briefes ging der Verfasser in das Hous von Sr. Herrlichkeit, in der Erwartung auf ousdräklichcn

Wefel vorgclassen zu werden. Mein er betrog sich in seiner Hofnung; der Minister war nicht sichtbar. Er erschien sodann beim Lever und hoste in's Kabknet gerufen zu werden. So fleissig er aber auch auf jeden Blik von Sir Steady lauerte, so konnte er doch keinen erlangen und hatte das Vergnügen ihn weggehn zu sehn, ohne der geringsten Ausmcrksqmkeit von ihm gewürdigt zu werdeit.

Diese Kennzeichen vorsazlicher Vernachlässigung waren unserm Melden gar im geringsten nicht angenem. Er ging voll tödtlichen VcrdruS und Unwil­ len ..ach Hause und feste einen sehr bittern Ver­ weisbrief an Se. Herrlichkeit auf. Die Folge da­

von war, daß er nicht nur aller Ansprüche auf eine Privataudienz beraubt, sondern daß ihm aus Sir

Sready's eignen Vefek an einem öffentlichen Audienztage der Zutritt versagt wurde. Dies Verbot, das seinen gänzlichen Untergang ankündigte, erfüllte peregrine'n mit Wut, Scheck und Verzweiflnilg. Er drohte dem Thürsteher, der ihm den Besel des Minister'» zu wissen that, er

wollt' ihn ans der Stelle für feine Vermessenheit

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züchtigen und flies zum äussersten Erstaunen derer, die bei dieser Unterredung zugegen waren, die gif­ tigsten Verwünschungen gegen dessen Herrn ausNachdem er sich in vergeblichen Exklamationen er­ schöpft hatte, kehrte er in dem wahnsinnigsten Zu­ stande nach seinem Logis zurük. Er zerbisseineLippen, so daß das Blut ihm den Mund herabrann, schlug den Kopf und die geballten Hande gegen, die Ekken seines Kamins und weinte unter den bitter­ sten Aeusserungen seines Schmerzes. Pipes, der gerade Sinn genug hatte, um den Unterschied zwischen der gegenwärtigen und der ehmaligen Lage seines ^cvvit einzusehn, hörte die Aus­ brüche seines Unttmts und versuchte in sein Zimmer zu kommen, um ihn zu trösten. Wie er die Thür von innen verschlossen fand, verlangt' er eingelassen zu werden, sonst würd'er, wieerihm versicherte, eh' man eine Hand umwendete, sich Eintritt in die „Kam„ pane" verschaffen, peregrine befal ihm bei sei­ nem Zorn sich fvrtzubegeben und schwur, ihm strakö vor den Kopf zu schiessen, wenn er es wagte, die Thür auszubrechen. Ohne sich an dies Gebot im mindesten zu kehren, legte £om sogleich Hand an das Werk. SeinHeru, höchst erbittert über diesen Ätangel an Gehorsam und Ehrerbietung, der ihm in

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207

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seinem jezigen Parorismus weit grösser und zur Bestra­ fung aufforderiider schien, flogin'sKabinct, ergrifeinS seiner bereits goladnen Pistolen und kaum trat sein Die­ ner, der das Schlos gesprengt hatte, hinein, als erihm

das Pistol grade vor das Gestcht hielt und abdrükte. Zum Glük sing das Zündkraut nicht und brannte so ab. Mithin blieb Pickles wütendes Projekt ohne Erfolg. Der biedre Pipes, wiewohl er den In­

halt des Gewehrs kannte, war bei diesem Angrif ganz ruhig geblieben und fragte ohne die mindeste Veränderung der Mine: ob denn die ganze Reise durch Unwetter sein müsse? So wütend peregrine auch war, so reute ihn

doch in dem Augenblik, da er es gethan hatte, fein boshafter Vvrsa; gegen einen so treuen Diener. Wär' eS unglüklich ausgefallen, so hätt' er, aller Wahrscheinlichkeit nach das andre Pistole auf sich selbst abgeseuert. Es giebt gewisse Betrachtungen, die auf den Geist selbst mitten in dessen Zerrüttung mit unwiderstehlicher Kraft wirken. Die augenbllk-

liche Erinnerung an einen besondern Auftritt, wel­

che durch die Züge des zum Lod erkohrnen Opfercrwekt wird, hat oft den Dolch der Hand des Mör­ ders entrissen. Ein solcher Antrieb schüzte den Pi­ pes gegen einen abermaligen Versuch seines ergrimm-

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len Herrn. Die freundschaftliche Veranlassung sei« nes jezigen Uiigchorsanis wirkte wie ein elektrischer

Schlag auf pecegrine'N/ als er die faltenvolle Stirne seines Dieners betrachtete/ worin sowohl seine lange und treue Dienste als auch die Empfelung des verstorbnen Kommobo« geschrieben standen. Ob sich gleich sein Zorn alsbald gelegt hatte und

sein Herr bittre Reue über jene That empfand / so blieb seine Stirn doch immer gerunrelt/ und er warf de» wildesten Blik auf den / der sich Ihm aufgedkckngt hatte. Bube/ sagt' er/ wie könnt Ihr so

wenig Respekt vor mir haben? Pipes antwortete

ganz gelassen: Warum sollt' 'ch denn «ich Hand an­ legen dhüii/ 's Schis ru erhellen/ wenn 's mehr Segel als Ballast am Bord hat? Un der Steuer­ mann's Ruder aus Dcschperazjohn fahren lasst? Was ha'n denn een oder'n Paar Reefen zu sagen/ die schecp ablvseii/ so lang noch unser Steven stark un 's Schis

dicht un gut is. Verliert man uf der eenen Fahrt, so gewinnt man uf der annern. 'ch will ver­ dammt siN/ wo wir «ich nvch'nmal günstigen Wind attrapiren dhun. Fehlt's Ihne» etwa an Proviant?

Sie ha'n ja 'n recht hübsch Kgp'tal an Gelde in

mei-

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2O§

)

liteiitem Kielraum geladen; sollen fein willkommen sm, wenn Sie's wieder h'rufhisserl. Hier ward Tom durch Lrabtree's Ankunft unterbrochen. Wie dieser peregrrne'n mit einem Pi­ stol in der Hand, seine Blikke so wild , Kopf, Hän­ de und Mund mit Blut besudelt sahe, und noch über­ dies das abgeblizte Pulver roch, so glaubt' er wirk­ lich, daß sein Freund entweder einen Mord began­ gen habe, oder noch begehen wolle.. Demnach eilt' er in grösster Schnelligkeit die Treppe wieder hinunter,'. So sehr er sich aber auch hastete, so holte ihn Pipes doch noch auf dem Flure wieder ein. Dieser treue Kerl brachte ihn wieder nach seines Herrn Zimmer zuruk und machte unterwegs die Anmerkung: je;t war' es nicht Zeit abzusegeln, da sein Kamerad in Not stake und seine Hülfe brauchte. In Ladwallader's Gesicht, der sich dergestalt im Gedränge befand, war etwas so wehmütig - ernsthaf­ tes, daß unser Held zu einer andern Zeit über sei­ ne Besorgnis würde herzlich gelacht haben, allein jezt war ihm nicht im mindesten lächerlich zu Mute§ Er hatte unter der Zeit sein Pistol weggelegt, und sich, (wiewohl vergebens) bemüht, seine innre Un­ ruhe unter einer gelassnen Aussenseite zu verbergen. Er konnte keine Sylbe gegen den Menscherchasserr pereg. prMe IV. B. O

C sie y Hervorbringen und starrte ihn stillschweigend mit den wahnflniiigsten Blikken an. Dies diente eben nicht da­

zu , die Ängstlichkeit seines Freundes zu vermindern.

Endlich hatte sich Lrabtree ein wenig gesammlet rind sagte: Ich wundre mich, daß Sie sonst nie Ih­ ren Manngetödtet haben. Sagen Sie mir doch, ich bitte Sie, wo ist denn der todte Leichnam von Ih­ nen hingeschaft worden? Pickle, der jezt seine Spra­ che wieder hatte, bekal seinem Bedienten, das Zim­

mer zu verlassen, und erzälte sodann Lrabtree'» ohne den mindesten Zusammenhang das treulose Vc^ fahren des Minister's.

Der Vertraute war sehr froh, als er sich in sei­

ner Furcht betrogen fand. Denn er hatte wirklich geschlossen, daß einem das Lebe» mässe genommen sein. Er fand unsern jungen Mann zu sehr in Wallung, als daß er es gewagt hätte, ihn auf de» gewöhnlichen Fus zu behandeln. Er gestand daher: Sir Steady sei ein Schurke, und belebte Pickle'»

durch die Hofnung, daß er dereinst in den Fall kom­ men könnte, Repressalien zu gebrauchen. Zugleich

bot er ihm in dem jezigen Drange seine Börse an und ermahnte ihn, alle seine Kräfte zu gebrauchen, um sich von solchem »Renegatenzeuge" unabhängig

zu machen. Zum Schlus ritt er, das ihm widerfahr-

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211

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ne Unreckl dem vornemen Kavaliere vorzustellenden er sich ehmalS verbindlich gemacht hatte, nm ihn dadurch zu vermögen, sich für ihn zu verwenden» oder wenigstens eine bcsriedigende Erklärung vom Minister zu erlangen, damit er keine übereilte Maasreqeln zur Rache ergriffe.

Diese Ermahnungen waren weit milder und behäglichcr, als unser Held, sie von dem Menschen­

hasser crwarrete. Sie thaten daher auf seinen itt Aufruhr gesezte» Geist eine sehr günstige Wirkung. Die heftige Wallung legte fiel) allmälig und er ward endlich so geschmeidig, daß er sich nach seinem Rate zu richten versprach. Dem zu folge inachte er den

folgenden Morgen dem Lord seine Aufwartung. Die­ ser empfing ihn, wie gewöhnlich, sehr höflich, und hörte seine Beschwerde» mit grosser Geduld an. wie­ wohl (beiläufig erwähnt) Zorn und Rache perrgri»

ne'n vcrschiednemale heftig aufbrausen machten. Der Peer inisbilligte auf eine sanfte Art den Ver­ weisbrief an den Minifter, der so. unglükliche Fol­ gen hervorgebracht hatte. Er war so gefällig, es über sich zu nemen, SirSteady'n seine Sache zu empfe-

len. Noch denselben Tag erfüllte er sein Verspreche». Der Minister aber sagte ihm zu seinem äussersten Er­ staunen rdes armen jungen Herrn Gehirn sei so in ZerO 9

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rütkung geraten, daß man ihm unmöglich irgend einen Posten anvertrauen und mir die geringsten Dienste von ihm erwarten könnte! Man könne nicht verlan­ gen, daß er (Sir Steady) die Ausschweifungen jenes Menschen aus seinem eignen Beutel unterstü;en solle. Er habe auf Ansuchen eines verstorbnen vornemen Kavaliers ihm dreihundert Pfund ge­ schenkt, weil Pickle bei einer gewissen Wahl einen Verlust erlitten zu haben vorgegeben hatte. Allein seit der Zeit hab' er so untrügliche Beweise von sei­ ner Verrüktheit aus seinen unsinnigen Briefen sowohl als aus seinem persönlichen Betragen bemerkt, daß er sich genötigt gesehn, Ordre zu stellen, Pickle'» Nicht mehr vorzulassen. Um diese Behauptung zu bestärken, rief der Mi­ nister seinen Lhürsteher und einen seiner Hausvfficiere zu Zeugen, der die Verwünschungen angehört hatte, die unserm Helden entfuhren, als er die Thüre vor sich verschlossen gesehn. Kurz der Lord ward überzeugt, daß Pickle ganz sicher und bona fide so unsinnig sei wie ein Märzhase. Aus diese Nachricht fing er an sich gewisser Symptome des Wahnsinns zu erinnern, die sich bei dessen lezteiu Besuche äusserten. Er entsann sich, daß seine Re­ den nicht recht zusammenhängend,, seine Eeberden

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heftig und seine Blikke wild gewesen waren. Dies alles bewies nun ailgenschekiilich, daß pickle's Ver­ nunft in Unordnung sei. Daher beschlos er, seiner

eignen Ehr' und Sicherheit wegen sich einer so gefarlichen Bekanntschaft zu entzieh». In d e r Absicht ahmt' er Sir Steady'n nach,

und befal, daß seine Thüre vor unserm abenteuern­ den Ritter sollte verschlossen sein. Wie dieser nun kam, um den Ausgang von der Unterredung des Lord's mit deni Minister zu erfahren, schlug man

ihm die Thür vor der Nase zu, und der Thorsteher sagte ihm durch das eiserne Thor, daß er nicht nö­ thig hatte, sich wieder herzubemühen, da der Lord

ihn bäte: seine Besuche nicht zu wiederholen. Auf diese Erklärung sagte Pickle kein Wort. Er schrieb sie sogleich dem Liebesdienste des Minister'» zu, ge­ gen den er auf seinem Wege nach Ladwallader'» nichts denn Befehdung und Rache schnaubte. Wie dieser die Art vernommen hatte, wie peregrine war empfangen worden, bat er ihn, alle Diane zur Rache so lange aufzugebeu, bis er (Lrabtree) daS

ganze Geheimnis zu enthüllen im Stande sein würde. Und er zweifelte nicht, dies durch seine Bekannt-

schäft mit einer Familie zu können, mit welcher der Lord, öfters den Abend beim Whist znbxöchke. . 0 3

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Nicht lange, so sand er die erwünschte Gelegenheit. Der Peer, der weder Vorschrift noch Ver­ bindlichkeit hatte, die Sache geheim zu halten, er-

Me als Neuigkeit in der ersten Gesellschaft das Um glük des jungen Herrn. peregrineno Name war rn der feinen Welt nicht so unbekannt, daß dieser Vorfall nicht das allgemeine Gespräch auf einen gan-

M Tag hätte abgeben sollen. Auf die Art kam diese Nachricht bald dessen Freunde zu Ohren. Leztrer fand Mittel, die Angabe des Minister's ganz umständlich zu erfahren, so wie sie oben ist erzalt

worden. Ja er lief sogar Gefahr, Sir Sready's Meinung beizufallen, wenn er auf alle die Hand­ lungen der Ungeduld und des Ungestüms von prck-

!e sich besann und sie mit einander verglich. In der That findet nichts so leicht Glauben als die Beschuldigung von Tollheit, wem man sie auch üufbürden mag. Ist der Argwohn der Welt erst einrttal rege gemacht und ihr Beobachterblik worauf ge­

richtet worden, so wird der Klügste, der Kälteste sich durch ein oder das andre in seinem Betragen dieser Anklage schuldig beweisen. Jedes Sonderba­ re in seiner Kleidung und Aufführung (und bei wem könnte man nicht dergleichen bemerken?) das vor­ der gar nicht wahrgenvmmen wurde, wird jezt mit

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^llen Vergrösserungen der Einbildungskraft' des

Beobachters gegen ihn aufgestellt. Der scharfsichtige Unterfucher bemerkt in jedem Vlik der Augen, jederBewegung des Fingers oder des Kopfs, Verrüktheit. Wenn jener spricht, so ist etwas Seltsames

km Räsonnement und im Auödruk; wenn er schweigt, brütet seine Einbildungskraft über irgend einer aus­

schweifenden Grille. Die Gelassenheit in seinem Be­

tragen ist nichts als lichter Augenblik, und sein Af­ fekt lauter Tollheit. Da Leute von der ruhigsten und einfvrmigsteie Lebensart und Betragen solchen Beurtheilungen un­

terworfen sind, so ist es gar kein Wunder, daß sie bei einem Jüngling von peregrinens feurigem Ka-

raktcr Plaz griffen, der bei verschiednen Gelegenhei­

ten alle dergleichen Anmerkungen rechtfertigte, die nur seine ärgsten Feinde machen konnten.

Er ward

sonach als einer von jenen unternemendeir Wildfän-

gen geschildert, die, nachdem sie ihr Vermögen ver­ schweigt , vertollt haben, so glüklich sind, ihren Ver­

stand zu verlieren und mithin den Mangel und die Schande nicht fühlen, die sie sich selbst zuzvgen.

Ans Ladwalladec'n selbst machte dies Gerücht

einen solchen Eindruk, daß er eine Zeitlang unschlüs­ sig war i was ex von unserm Melden denken sollte.

O 4

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Es dauerte eine geraume Zeit, eh' er es über sich

gewinnen konnte, ihm die erhaltnen Nachrichten

ruitzutheilen oder überhaupt als mit einem Menschen

von nicht krankem Verstände »mzugehn.

Endlich

aber wagt' er es doch, prcklr'n alles zu eiirdekken« Doch geschahe dies mit der Vorsicht und den Win­

kelzügen, die er für nötig hielt, den jungen Herrn von Ueberschreitung aller Grenzen der Mässigung ab­

zuhalten. Allein für diesmal sah' er sich in seinem Prognostikon auf eine angeneme Art betrogen.

So

erbitt rt unser Held über das Betragen des Mi­ nister'» and) war, so konnt' er sich doch nicht ent­ halten, über diese possirliche Verläumdung zu lachen.

Ich will diese Kalumm'e, sagt' er zu seinem Freun­

de bald auf eine Art widerlegen, die ihrem Urheber nicht angenem sein soll.

Dieser Staatsmann pflegt

alle diejenigen so auzuschwarzcn, welchen er Ver­ bindlichkeiten hat, deren er sich nicht entledigen mag.

Der Knif ist ihm freilich schon mehr denn Einmal .gelungen. Er hat wirklich verschiedne schwachköpfi­

ge Geschöpfe so au den Rand der Verzweiflung ge­ trieben, daß sie in der That wahnsinnig geworden sind. Dadurch ist er denn von ihrem Ueberlausen

befreit und sein Urtheil zugleich bestätigt ivordeil. Ich

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217

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aber habe, dem Himmel sei. Dank, einen solchen Grad philosophischer Entschlossenheiterlangt, dastich alle seine Maschinerien mit ruhigem Gemüt ertra­ gen kann. In Kurzem will ich das Ungeheuer in seinen wahren Zügen von Arglist, Treulosigkert und Undankbarkeit der Welt vorstellen. Dies war in der Tbar der Plan, mit dem sich peregrme wahrend Lrabtree's Nachforschungen ge­ hegt hatte. Ie;L schmeichelte derselbe seiner Einbil­ dungskraft wirklich so sehr, daß er sich im Grande glaubte, seinen Gegner, troz aller seiner Mact, ganz nach seinem Gefallen zu demütigen und sich zugleich unter denen auszuzeichnen, die zu der Zeit gegen die Negierung schrieben. Dies Vorhaben wä­ re so ausschweifend nicht gewesen, als es wohl schei­ nen mag, hätt' er nur nicht einen wesenCuchen Um­ stand übersehn, der LadwalUrder'n nicyt einfieb wie er dies Projekt billigte. Indes er solchergestalt auf Rache sann, hatte das Gerücht von seiner Gemütskrankheit, das, wie immer, auch diesmal seinen Kreislauf machte, die Ohren jener Dame erreicht, deren unglüklicheSchiksale wir im dritten Theile dieser Geschichte berührt haben, der Lady V.. Der Umgang, mit dem sie unsern Helden beehrt, war zwar längst auö dermlO 5

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geführten Ursach unterbrochen worben, nämlich, weil er ihren zaubervollen Reizen zu unterliegen be­ sorgt hntte. Er war aufrichtig genug gewesen, ihr .die Veranlassung zu entdekken, weshalb er sich aus ihrer Gegenwart verbannte, uttb sie billigte diese weiseZurükhaltung, wiewohl sie mit der Fortdauer seiner innigen Freundschaft und seines Umgangs, deren sich keine Dame im Königreich schämen durf­ te, würde sehr zufrieden gewesen sein. Ungeachtet Dieses unterbrochnen Umgangs behielte sie noch im­ mer Freundschaft und Achtung für ihn; und fühlte allen den Schmerz, den ein menschliches Herz em­ pfinden mus, als sie sein Unglük und seine bejam­ mernswürdige Krankheit erfuhr. Sie hatte gesehn, wie man tut Sonnenschein seines Glüks um seine Gunst gebrrlt, sich bei ihm anzuschmeicheln gesucht hatte; allein sie wusste aus eigner Erfahrung, wie das Ungeziefer von Maulfreunden beim Ungewitter der Trübsal sich verkriecht. Ihr Mitleid bachte sich ihn als einen armen unglüklichen Wahnsinnigen, Der, aller Notwendigkeiten des Lebens beraubt, die zerstörten Ueberreste der Menschheit umherschleppt 'und der Verachtung und dem Abscheu seiner Mit­ geschöpfe das traurige Schauspiel einer srähverwelkten Jugend darbeut.

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21Y

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Diese Vorstellunaen des Mitleids machten tiefen Eindruk (uif sie. Aus dem Grunde sua-ce sie den

Theil der Srabt auszuforschen, worin Pickle wohn-

Le. Wieste ihn wusste, sezte sie alle überflüssige Ce­ remonien bei Seite, und begab sich in einer Miets­ kutsche nach seiner Wohnung. Der immer treue PL-

pes ösnete ihr die Thür.

Die Lady besann sich sogleich auf die Züge die­ ses treuen Bedienten, den sie wegen seiner Anhäng­

lichkeit und Treue in ihrem Herzen zu lieben nicht umhin konnte. Sie pries ihn wegen dieser beiden Eigenschaften ausis liebreichste; sodann fragte sie im

mildesten Tone: Wie es mit der Gesundheit seines Herrn stände; und ob er sichtbar sei? Tom, der sich nicht vorstellen konnte , daß der Besuch einer schonen Dame einen jungen Mann von prckle's Temperamente unwillkommen sein würde,

gab keine mündliche Antwort. Er winkte der Lady blos mit einer schalkischen Mine, über die sie sich des Lächelns nicht erwehren konnte, und ging leise die Treppe hinauf. Diesem Winke gemäs folgte sie ihren: stummen Führer in das Zimmer unsers Mel­

den. Sie fand ihn am Schreibetisch im vollen Begrif, eine Lobschrist auf seinen Freund Sir Steady Lu verfertigen» Die Natur seines Werks harte sei-

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MM Gesicht einen ungewöhnlichen Grad von Leb­ haftigkeit ertheilt. Ein saubrer Hausanzug gab ihm ein sehr vorteilhaftes Insehn in den Augen einer Person, die allen Flitterkram unnüzer Zierraten m achtet. Sie war ausserordentlich wohl damit zufrie­ den , daß sie ihre Erwartungen auf eine so angenerne Art getauscht sahe. Denn anstatt der schmuzigen Umstande, der Dürftigkeit; und des Jammer­ gesichts, welche die Verrüktheit begleiten, war al­ les anständig und artig; und die Mine des Patien­ ten verriet innre Zufriedenheit. Als Leztrer das Rauschen von seidnem Zeuge im Zimmer hörte, hob er die Augen vom Papiere empor, und da er die Lady gewahr ward, befiel ihn Erstaunen und tiefe Ehrfurcht, vou bei dem Anblik eines übernatürlichen Wesens. Eh' er sich von seiner Verlegenheit, die ihm daS Blut in die Wangen trieb, erholt hatte, erzalte sie ihm: sie wäre aus alter Bekanntschaft gekommen, ihn zu besuchen, wiewohl er ihr längst Anlas zu der Vermutung gegeben, daß er die Existenz einer sol­ chen Person wie sie gänzlich vergessen hätte. Er sagte ihr den feurigsten Dank für diese ganz uner­ wartete Ehre ihres Besuchs, und versicherte, daß der Anlas zu ihrem Verweise nicht seine Schuld sei,

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sondern, daß der Grund hiervon blos in seinem gros­ sen Ungluk läge; und wenn es auch bei ihm gestan­ den hatte, sie so leicht zu vergessen, als sie es sich einzubilden schiene, so würd' er ihr doch nie Ursach gegeben haben, ihn einer Vernachlässigung seiner schuldigen Ehrerbietung zu zeihen. Noch immer über seinen Gemütszustand ringewis, fing sie an von verschiednen Sachen mit ihm zu sprechen, und fand sich in allen Strikten von-ihm so befriedigt, daß sie nicht mehr zweifelte, er sei blos durch die Bosheit seiner Feinde in ein falsches Licht gestellt worden. Sie entdekte ihm daher ganz freimütig die Veranlassung und Absicht ihres Be­ suchs. Es gebrach ihm nicht an Aeusserungen der Dankbarkeit für dies Beispiel von Edelmut und Freundschaft, das ihm sogar Thränen aus den Au­ gen presste. Was die Anschuldigung von Tollheit betraf, so erklärte er sich darüber so sehr zur Zufrie­ denheit der Lady, daß sie augenscheinlich sahe, man habe ihm gar barbarisch mitgespielt und jene Beschuldigung sei nichts als die niederträchtigste Verlaumdung. So sehr er sich auch bestrebte, den wahren Zu­ stand seiner Finanzen zu verbergen, so war es ihm doch unmöglich, ihr jene Erzalung zu machen, ohne

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etwas von den Bedrängnissen zu verraten, die ihsi quälten. Das Uebrige erriet die Scharssicht dieser Dame. Sie bot ihm daher nicht nur ihren Veistand an, sondern reichte ihm auch eine Banknote auf eine beträchtliche Summe und bat ihn dringend : dies als ein geringes Merkmal ihrer Achtung und als einen Beweis von dem anzunemen, was sie für ihn zu thun gesonnen sei. Allein er schlug dies Merkmal ihrer Gewogenheit schlechterdings aus; Und versicherte ihr: wiewohl seine Angelegenheiten in einer etwas verworrnen Lage waren, so hab* ihn doch noch nicht im mindesten Mangel gedrückt, und er bäte sie, ihm nicht die Bürde so unnötiger Ver­ bindlichkeiten anftuladen.' Da sie sich also genötigt sahe, seine Weigerung gelten zu lassen, betheuerte sie: sie würd' es ihm nie verzeihen, wenn sie je erführe, daß er zur Zeit der Verlegenheit ihren Beistand ausgeschlagen hätte, oder wofern er sich nicht an ihre Freundschaft wen­ dete, wenn er sich weaen Geldsachen in Drange be­ fände. Uebertriebne Delikatesse in dem Punkt, sagte sie, werd' ich für eine Misbilligung meines Betragens ansehn; denn ich habe selbst in dringen­ den Fähen zu meinen Freunden meine Zuflucht.geKommen.

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Diese edelmütigen Vorstellungen und Beweise einer besondern Freundschaft mussten notwendig ei­ nen tiefen Eittdruk auf das Herz unsers Melden machen, dem noch die Wunden schmerzten, welche die Reize dieser Dame ihm ehmals gemacht hatten. Er suhlte nicht nur alles z was ein Mann von Ehr' und Gefühl bei solchen Geleaenheiten empfinden mus, sondern es erwachten auch die Gejühle einer zärtlichern Leidenschaft in feiner Brust. Daher konnt' er nicht umhin sich solcher Ausdrükke zu bedienen, die den Bewegungen in seiner Seele gemas waren, und er sagte ihr endlich frei heraus: wenn er geson­ nen wäre, etwas zu bettlen, so würd' er um seiner Ruhe willen etwas von weit mehrerm Belang erste-hen, als der ihm angebotne liebreiche Beistand sei. Die Lady besas zu viel Einsicht, umseiueMeinung nicht zu verstehn; da sie aber nicht für gut fand, ihn in seinen Liebesbewerbuugen auszumuntern, so stellte sie sich, als uame sie dies als ge­ wöhnliche Galanterie auf und ersuchte ihn auf eiuö scherzhafte Art, ihr nicht Anlas zu geben, zu glau­ ben, daß seine lichten Augenblikke vorüber waren. InWahrheit, Mylady, sagt' er, ich merke, ich bekomme meinen Anfall wieder, und ich sehe nicht

ein, Wühttlt ich mich nicht des Privilegiums bedie­ nen soll, das meine Krankheit mir ertheilt, mich für Ihren Bewundrer zu erklären. Wenn Sie das thun, versezte die Lady, so werd' ich nicht sothöricht sein, einem Wahnsinnigen Glauben beizumessen; wofern Sie mir nicht deutlich beweisen, daß die Liebe Ihr Gehirn zerrüttet hat; und d-e r Be­ weis möchte Ihnen, meines Bedruckens, schwer fallen. So schwer eben nicht, gnädige Frau, rief der junge Mann. Hier in meinem Pulte liegen überzeugende Beweise, daß eben diese Liebe mich wahnsinnig gemacht hat. Sie zweifeln an diesem Vergeben; erlauben Sie also Ihnen hierüber Be­ lage zu geben. Indem er dies sagte, öfnete er den Schreibtisch, und zog aus dessen einem Fache ein Papier hervor, das er ihr überreichte. Es enthielt ein Gedicht, welches er zu ihrem Lobe gleich nach der Zeit verfer­ tigt, da sie ihn mit ihrer Geschichte umständlich be­ kannt gemacht hatte. Hier ist es: i.

Wenn ich mit innigem Entzükken In Deinen Reiz verloren bin;

Dann saug' ich Luft aus Deinen Vlikken,

Und schier ist meine Freiheit hin.

(

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Doch, wenn auch Reiz Dich rings umfliesst, Wenn Harmonie Dich rings umgiesst.

Wenn Du auch jung und blühend bist.

Dein Aug' ein ofner Himmel ist; Wenn lieblich lächelt Dein Gesicht Und heiter ist, wie Sonnenlicht:

Doch raubt es mir die Freiheit nicht.

Mein liegt meinen Vlikkeu essen

Die edle, schöne Seele da, Die schwer von Stürmen jüngst getroffen, Mit Ruhe dennoch um sich sah;

Die sich mit Starke, Mut und Kraft An jedem Orte Licht erschafft,

Bei Miz der Güte nicht vergisst. Und kunstlos, sanft und redlich ist: Dann schwindet meine Freiheit hin;

Ich fühle, holde Zauberin, Daß ich ein Sklav der Liebe bin.

Nachdem die Lady es gelesen hatte, sagte sie: Wenn ich zu Argwohn geneigt wäre, würd' ich glau­ ben, daß ich an der Entstehung dieses Gedichts nicht den mindesten Antheil hatte; daß ein weit liebens­ würdigerer Gegenstand Sie dazu müsse begeistert haben. Doch dem sei wie ihm wolle, ich will ein* Peres. Pickle IV. B.

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226

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mal Ihr Wort für Ihre Absicht neme». Ich danke Ihnen mithin für dies unverdiente Kompliment/ so zufällig ich auch dazu gelange. Dessenungeachtet mus ich so frei sein , Ihnen zu sagen: es ist nun­ mehr hohe Zeit für Sie/ jenem ungcbundne» Geiste der Galanterie zu entsagen, dem Sie so lange freien Lauf gelassen haben. Schränken Sie sich jezt blos aus die schöne Emilie ein; hängen Sieblos an der.

Sie verdient in allem Betracht Ihre ganze Aufmerk­ samkeit und Achtung.

Bei Erwähnung dieses Namens, den sei» Herz nie ohne heftige Wallung anhvren konnte/ wurde

sein ganzer Nervenbau erschüttert. Eh' er sich den Folgen eines solchen Gesprächs äusseren wollte, brach er lieber das Thema von der Liebe ganz ab, und brachte auf eine feine Art eine andre Materie auf die Bah». •

(

22/

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Zwölftes Kapitel, pecegrine schreibt gegen den Minister, der ihn in-Verhaft zu bringen weis. Er liefert sich selbst aber in's Fleet.

Nie Lady, -,'e ihre» Besuch weit über die ge­

wöhnliche Dauer ausgedehnt hatte, wiederholte ih­

re Freundschaftsbetheuruiigen auf die freimütigste und verpflichtendste Art, und nam darauf von un­ serm abenreuernden Ritter Abschied. Er versprach in wenigen Tagen in ihrem Hotel seine Aufwartung

$u machen und ihr seine Ehrerbietigkeit ju bezeigen. Mittlerweile ging er wieder an seine Arbeit. Er trug die ernfllichsten Beschwerden wider den Mini­ ster vor, nicht nur in Nüksicht seiner Undankbar­ keit, sondern auch wegen seiner schlechten Verwal­ tung der öffentlichen Angelegenheiten. Diesen Aufsaz sandt' er dem Verfasser eines Wochenblatts, der

bereits seit langer Zeit für einen erklärren politi­ schen Reformator galt. Wenig Lage darauf erschien dieser Aufsaz in jenem Blatte mit einer Note des P a

( Herausgebers,

228

)

worin derselbe de» Verfasser bat,

ihn ferner mit Beitragen zu beehren. Die Reflexionen in diefem kleinen Versuche wa­ ren so wizig , verrieten so viel gesunde Urtheilskraft,

verbreiteten so vieles und so helles Licht über die Sache, daß sie die Ansinerksainkeit des Publikums auf eine ganz ausserordentliche Art an sich zogen,

und dem Rufe des Wochenblatts, worin er eingerükt war, aufzuhelsen begannen.

Der Minister war nicht der Lezte, der dies Pro­ dukt in die Hände bekam. Troz aller feiner gepries-

nen Mässigung ward er dadurch so sehr aufgebracht, daß er sogleich Spürhunde ausschikte. Mittelst Be­

stechung bekam er peregrinens Manuskript zu Ge­ sicht. Auf den ersten Anblik erkannt' er dessen Hand. Um aber seiner Meinung noch mehr Grund zu ge­

ben , verglich er dies Papier mit zwei Briefen, die er von unserm abenteuernden Ritter erhalten hat­

te. Hätt' er gewusst, daß der junge Squire so ausgezeichnete Talente zu beissenden Deklaniativnen

besas, so würd' er ihm vielleicht nie Ursach zum Misvergnägen gegeben, sondern ihn vielmehr zur Rechtfertigung seiner Maasrcgeln gebraucht habeir.

Ja er hätte ihm wohl sogar wie andre Schriftsteller

behandelt, die er von der Oppositionspartei ab «nd

(

229

)

kN feilt Interesse gezogen, war' er nicht durch die

Heftigkeit dieses ersten AngrifS zur Rachbegier an­ gestemmt worden. Kaum hatt' er daher jene Ent­ deckung gemacht, als er seiner Kreatur, dem Gbeufteueccinnemee, der pickle's Schuldschein in Han­

den hatte, seine Verhaltungsbefele sandte. Den folgenden Tag, als iniftr Autor auf einem gewissen Kaffeehause in einem Zirkel seiner Bekann­ ten stand und mit grosser Beredsamkeit über die Ge­ brechen der Staatsverwaltung deklamirte, trat eilt

Gerichtsdiener ihn an, dem fünf oder sechs dienst­ bare Geister folgten. Erstrer sagte ganz laut: er habe wegen zwvlfhundert Pfund einen Verhastsbefel auf Ansuchen Master Ravage Meanum wider ihn.

Die ganze Gesellschaft erstaunte über diese An­ rede. Der Beklagte selbst musste dadurch notwen­

digerweise ausser Fassung geraten. Mitten in seiner Betroffenheit begrüsst'er (gleichsam aus Instinkt) den Frohn mit seinem Rohre queer über den Kopf. Auf diesen Hieb umzingelte und entwafnete ihn daS

Kommando und schleppte ihn auf die schimpflichste Art in die nächste Taverne. Keiner der Zuschauer schlug sich für ihn in's Mittel; keiner von ihnen be­

suchte ihn in seiner Gefangenschaft oder bot ihm nur

Pr

(

-ZV

)

im mindesten seinen Rat oder Beistand an. -So

diensteifrig ist Kaffeehaussreundschaft! Dieser Streich schmerzte unsern Melden um so heftiger, je unerwarteter er ihm kam. Denn er hatte die Schuld, derentwegen er verhaftet wurde, rein vergessen. Inzwischen war sein Unwille jezt vor­ züglich gegen den Gerichtsdiener entbrannt, der sei­

ne Pflicht auf eine so unehrerbietige Art verrichtet hatte. Der erste Gebrauch, den er von seiner Be­

sinnung in dent Hause machte, wohin er war geführt worden, bestand darin, -ast er den § r o h n für sein übermütiges und, unschikliches Betragen züchtigte. Er musste diese Arbeit mit blossen Händen verrich­ ten , weil man alle andre Waffen gar klüglich aus dem Wege geräumt hatte. Der Verbrecher er­ trug seine Züchtigung mit erstaunlicher Geduld und

Resignation, bat gar dehmütig um Verzeihung und betheuerte bei Gott: er wäre nie einem Gentle­ man mit Wissen und Willen übel begegnet; man habe ihn aber bei Verlust seines Dienstes anbefvlcn, unsern abenteuernden Ritter auf auSdrükliche An­

weisung des Gläubigers in Verhaft zu nemcn.

Durch diese Erklärung ward peregcine besänf­ tigt und erwachte auS dem Wahnsinn der Leiden­

schaft zu allen Schreknissen der Ueberlegnng, Alle

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231

)

Glorie seiner Jugend war nunmehr verdunkelt, alle

Blüten seiner Hofnung verwelkt und er sah sich zu jedem Elende der Gesangeuschaft verdammt ohne die mindeste Aussicht zur Befreiung, ausgenommen, wenn sein ProzeS gut ausfiele. Allein das Zutrauen

darauf hatt' er die lezte Zeit von Lag zu Tage mehr verloren. Was wurde aus den Ungläklichen werden, wen» ihre Gemütsverfassung es ihnen nicht erlaubte, eine Leidenschaft gegen die andre in's Feld zu stellen ? Leidenschaften, die in der.menschlichen Brust gleich Gifte» von verschiedner Art wirke», deren eins dem andern die Kraft benimmt. Die Betrübnis unsres Melden herrschte ganz unumschränkt, bis sie vou der

Rachgier abgesezt wurde. So lange diese die Ober­ gewalt behielt, betrachtete er alles Vvrgefallne als Mittel und Wege zu deren Befriedigung. Wofern ich auch Zeit Lebens gefangen sein, wo­ fern ich auch allen meinen stolzen Erwartungen ent­ sagen muS, sprach er bei sich selbst, so werd'ich doch wenigstens das Vergnügen haben, dermaassen mit meinen Ketten zu klirren, daß die Ruhe mei­

nes Gegners dadurch «nteibrochen wird; und ich

werd' in »»einer eignen Brust den Frieden und den frohen Mut aufsuchen, die ich in alle» Scenen meines

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2Z2

)

Glüks $u finde» nicht vermögend war. Von der Welt losgerisse» werd' ich von aller Thorheit nnd Undankbarkeit befreit und zugleich alles Aufwandes überhoben sein, den ich zu erschwingen sehr schwer, wo nicht unmöglich würde gefunden haben. Ich wer­ de wenig oder gar keine Versuchung fühlen, meine Zeit übel anzuwende», und ungestörte Gelegenheit finden mir meinen Unterhalt zu erwerben und mei­ ne Rache zu verfolgen. Alles genau überlegt, ist ein Kerker die beste Lonne, worin sich ein cynischer Philosoph zurükziehn kann. Diesen tröstlichen Betrachtungen zufolge sandt' er Lrabtvee'n einen Brief, worin er ihm seine» Un« fall und auch seine» Entschlus meldete, isich unmit­ telbar in's § l e e t zu verfügen. Zugleich bat er sei­ nen Freund, ihm einen verststndige» Sachwalter von seiner Vekaniltschaft zu senden, der ihm Anlei­ tung gäbe, was er zur Erreichung seines Vorhaben­ für Maasregeln zu ncmen nötig habe. Vach Em­ pfang dieser Nachricht ging der Menschenhassei: in eigner Person zu einem Gesezverstandigen und brach­ te ihn nach dem Hause des Schergen, wohin der Gefangne sich hatte bringen lassen. Unter Anleitung dieses Ratgebers ward pcvegrine vor den Richter geführt, woselbst er dem Gewahrsam eines Ge-

)

=33

(

richtsdieuers lübergebeu wurde. Nachdem er de» gerichtlichen Vefel in Bezug auf feie Habens-cor.

xus Akte bczalt hatte, wurde er von jenem Mann

in'S Fleet gebracht und dem Aufseher desselben Lberantwortet. Hier ward er in eine kleine Kammer geführt und war genötigt, sich eine ganze halbe Stunde von allen Stokmeistem und Thürstehern! in Augen­ schein iiemen zu lassen. Sie besichtigten ihn auf's genauste, um im Staude zu sein, ihn beim ersten Vlik wieder zu erkennen. Sodann würd' er frei

P 5 Habeas - corpus Mw.

„ Ihr zufolge darf kein Eng-

„ länder ohne sattsamcn Beweis zur gesanglichen

„ Haft gebracht werden.

Ist er wegen eines gen

„ ringen Verbrechens oder Schulden halber gefangn

„lich eingezogen worden, so erhält er dennoch, „ wenn er sich ans diese Akte beruft, vom Qbcr„richter die Freiheit, sich vom engern Arrest zu „entledigen und dagegen in die Gefängnisse der „Königlichen Bank zu Southwark oder deS

„sogenannten

Fleet'S in London zu gehn.

„Er mus die Ursach seines Vcrhafts wissen und

„innerhalb vier und zwanzig Stunden zum vor-

„lausigen

Verhör

gebracht

mann (Th. it S, 43s)

Werden."

Volks

c

2Z4

)

nach der Herrenseite geführt/ für welches Vor­ recht er ein Ansehnliches entrichtet hatte.

Diese Herrenseite ist ein grosses weitläufiges Ge­ bäude/ da- an hundert Logis zur Bequemlichkeit

der Gefangnen hat/ die dafür wöchentlich eine nicht unbeträchtliche Summe bezalen. Kurz dieser Ort ist wie eine Stadt/ die von aller Gemeinschaft mit al­

len benachbarten Oerter» abgesondert ist/ nach eigneir Gesezen regiert wird/ und zunr Behuf ihrer Einwohner mit allen notwendig - erforderlichen Ge­

mächlichkeiten des Lebens versehen ist. 'Hier befin­ det sich ein Kaffeehaus, wo rechtliche Leute sich be­

lustigen können und wo es alle nur ersinnliche Ge­ tränke giebt; und ein öffentliches Speisehaus, wo man um billigeir Preis alle Gerichte haben kann, so viel und welche man nur immer will, und wo für

die armen Gefangnen alle Arteir von Lebensmitteln gekocht und gebraten werden. Ja es sind sogar ge­

wisse öffentliche Bediente da, die ohne Vezaluug verbunden find auf den Markt zu gehn, wenn der oder jener es verlangt. Auch sind die hier befindli­

chen Gefangnen nicht so eingesperrt, daß ihnen die

Wohlthat der freien Lust benommen wäre. An je­ nes Gebäude stösst ein freier Plaz von beträchtlicher Grösse, wo sie durch Spaliere »gehn, Ballschlagen,

(

235

)

Kegelschieben oder auf irgend eine andre ihnen be­

liebige Art sich belustigen und eine Bewegung ma­ chen können. Wie unser abenteuernde Ritter das Bürger­ recht in dieser Gemeinheit erlangt hatte, befand er

sich in der Irre mitten unter Wildfremden, deren Ansehn ihn gar tut geringsten nicht für sie einnam. Pickle lies mit seinem Freunde Ladwallader allent­ halben an diesem Orte herum und begab sich hier­

aus nach dem Kaffeehause, um sich weiter nach den besondern Gebrauchen zu erkundigen, die er not­ wendig wissen musste. Indem er sich hier bemühte, von dem Kaffee­

schenken Nachrichten einzuziehn, trat ein Mann in

Priesterkleidern ihn an und fragte ihn gar höflich: ob er erst neu cmgekommen sei? Da ihm dies war beantwortet worden, bewillkomme er ihn in ihrer

Gesellschaft, und übernam es sehr gastsreuudschastlich, ihn von den Verfassungen dieser Kommunität zu unterrichten. Der liebreicheGerstlichegab prck!e'n zu verstehn, daß seine erste Sorge sein müsste,

sich ein Logis zu verschaffen. Eine gewisse Anzal Zimmer in diesem Gefäng­ nisse, erzalt' er ihm, würde um einerlei Preis ver­

mietet, doch einige davon waren bequemer wie die

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2Z6

)

andern. Wennidie Inhaber der bessern Logis die­ selben räumten, so hätten diejenigen die länger in diesem Hause gewesen wären, vor de» übrigen Be­ wohnern de» Vorzug, sie in Besiz zu nenien, so an» gesehen Leztere auch immer sein möchten. Zu Zei­ ten, wenn das Fleet sehr voll wäre, würde zwei Personen nur Eine Stube eingeräumt, doch sähen die Gefangnen dies eben nicht als ein grosses Unze«lach an. Weil es in dem Fall stets Mannsperso­ nen genug gäbe, die mit den Frauenzimmern Stub' und Bette herzlich gern theilten. Allein, es hätte eine Zeit gegeben, wo selbst dies Hülfsmittel nicht hinreichend gewesen wäre. Denn nachdem man je­ des Zimmer doppelt besezt hätte, wäre dennoch ei­ ne beträchtliche Anzal Personen ohne Logis geblie­ ben. Auf d i e Art hätten die Leztangekoinmnen ihre Wohnung in Mount Seoundrel aufschlagen müssen, eine Reihe kläglich eingerichteter Zimmer, worin sie sich wie Kraut und Rüben mitten un­ ter Unflat und Ungeziefer durch einander befunden hätten, bis die Reihe sie getroffen, andre Zimmer zu erhalten. Als peregrine die Beschreibung dieses Orts hor­ te, ward ihm wegen seines Nachtlagers bange. Ker Pf

vesand bringen, von wo ich mich lisch Flandern einschiffen lies. Da ich mich aber genötigt sahe, WcrbungS halber wieder hieher $u kommen, kapew tc man mich rum rweitenmale weg. Mein erster Fanger erhielt jezt keine andre Geiiugthuung, als eine Vollmacht, mich in Verwahrung zu behalten. Dadurch ist mein Aufenthalt allhier, meines BedünkenS so lange bestimmt, bis das Parliameiit eS nach seiner grossen Güte für gut befindet, durch ei­ ne neue Akte zum Besten unvermögender Schuldner meine Bären losjubinden. Jederman gestand, daß das Glük des Haupt­ manns der Kühnheit seines Unternemens gleich ge­ wesen wäre, das ganz nach Soldatenartsei. Allein einer der Kaufleute bemerkte, daß der Gerichtsdie­ ner wenig Erfahrung müsse gehabt haben, weil et einen so wichtigen Gesaiiglien einem so schlecht ver­ wahrten Orte anvertraut habe. Ware der Kapitän, sagte er, einem so pfiffige» Buben in die Hände ge­ fallen , wie der Kerl ist, der mich arretirte, so würd' ihm das Entwischen nicht so leicht gewesen fein. Den» die Art, wie man mich weggenommen, hat, ist vielleicht die ansserordentlichste, deren man sich in diesen drei Königreichen bedient hat.

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255

)

Sie müssen wissen, meine Herren, fuhr dieser

Mann fort, ich hatte durch Assekurirung von Schis­ sen wahrend des Krieges so grossen Verlust erlitten, daß ich mich genötigt sahe, mit der Zahlung inne zu halten. Inzwischen wollt' ich, da ich noch gute Aussichten vor niir hatte, Einen HandlungSjweig erhalten, und mich nicht unmittelbar mit meinen Gläubigern in Vergleich einlasscn. Ich empfing wie gewöhnlich von auswärts her Maaren in Kommission»' Um nun den Besuchen der Gerichtsdlener nicht aus-

gesezt zu sein, ging ich nie auS, sondern verwandel­ te meine» ersten Stok in eine Niederlage. Mittelst einer Winde, die ich in meinem obersten Stokwerk angebracht hatte, lies ich meine Waaren hinauf­

schaffen. Die sinnreichen Spürhunde bedienten sich man­ cher Kniss, mich aus meiner Verschanzung ju lob ken. Ich erhielt unzälige Botschaften von Leuten, die mich wegen besondrer Geschäfte in gewissen Wirts­ häusern sprechen wollten. Ein andermal bekam ich Aufforderungen auf's Land zu kommen, um meine

Mutter zu sehn, die, wie's hies, auf den Tod lag-

Eines Abends ward eine rechtliche Frau auf. meiner Schwelle von Kindcsnöten ergriffen. Zu einer an­

dern Zeit ward ich durch ein Geschrei über Mord

(

256

)

auf -er Strasse beunruhigt. Ei» andresmal würd'

ich durch ein blindes Fcuerlarmen in Schrek gefeit. Da ich aber beständig auf meiner Hut stund,

macht' ich alle ihre Versuche zu Schanden, und hielt mich gegen alle ihre Erfindungen gesichert. Allein einer dieser Bluthunde (ich glaube der Teufel selbst

half ihm darauf) ersann eine Schlinge, worin ich endlich gefangen ward. Er erkundigte sich ganz ge­ nau nach allen Details meines Handels, und er­ fuhr unter andern, daß verschiedne Kisten mit Flo­

renzertaft für mich auf dein Pakhöfe stünden.

Er

lies sich eine Kiste von der nemlichen Grösse verfer­

tigen mit Luftlöchern in dem Boden und N. III. ge­ zeichnet. In diese legt' er sich, ward unter andern

Gütern vor meine Thür gebracht, und, wie ihn die Reihe traf, in mein Waarenlager hinaufgewun­ den. Hier stand ich mit einem Hammer, uni die Ki­ sten zu öfnen und deren Inhalt mit der Faktur zu vergleichen. Sie können sich mein Erstaunen und

meine Bestürzung denken, als ich bei Eröfnung die­ ser Kiste einen Gerichtsdiener, wie Lazarus aus

dem Grabe mit dem Kopf hervorgehn sahe und ihn erklären hörte, daß er einen Haftbesel wegen tau­

send Pfund gegen mich habe.

Ich schlug i» der That

(

'257

)

That mit -em Hammer nach seinem Kopfe, ver­

fehlt' ihn aber in der Verwirrung, worin ich war. Eh' ich noch Einmal meinen Streich führen konnte, sprang der Kerl mit grosser Behendigkeit auf, und verrichtete sein Amt in Gegenwart verschiedner Zeugen, die er zu dem Ende auf der Strasse versammlet hatte. Sonach konnt' ich mich unmöglich aus dem Garne loswikkeln, ohne einen Verhaftbefel, als gegen einen Entlaufnen, für mich

zu bewirken, wogegen ich keinen Schuz würde ge,habt haben. Hatte ich aber den Inhalt der- Kiste gekannt, so würd' ich bei allem was heilig ist! mei­ nem Ablader befolen haben, sie so hoch hinauf zn zieh» als es nur die Winde zuliesse und dann hatt' ich, wie von ungefähr, den Strik durchgeschnitten. Dies Mittel, sagte der Ritter mit dem roten

Bande, würd' ihm den Mut zu dergleichen gesarli-

chen Unternemungen für die Zukunft benommen ha­ ben und ein Beispiel des Schreks für seine Kolle­

gen gewesen sein. Ihre Geschichte erinnert mich an den Streich, wodurch sich Tom Hackabout in

Freiheit sezte. Es war ein tapfrer ehrlicher Junge und ein alter Bekannter von mir. Durch die Vor- .

wundungen und Verstümmlungen der Hascher hatt' er sich so in Ruf gesezt, daß ein gewisserHerr, dem pereg. Pickle IV. B. R

(

2?8

)

Schergenhause übel mitgespi'elt hatte, gleich »ach wiedererlangter Freiheit eine von Hackabout's Schuldverschreibungen, die mit sehrgrossem Diskonto verkauft wurden, für fünf Schillinge an sich brachte, in der Absicht sich an seinem theureir 'Wirt zu rachen. Darauf wirkt' er einen Haftbcsel aus und stellte ihn eben dem Gerichtsdiener zu, der ihn so schlecht behandelt hatte. Nach fleissigem Spüren sand der Häscher eine Gelegenheit, seinen Befel an dem Beklagten zu voll­ ziehe». Dieser brach ihm ohne Umstände ein Vein, zerschlug ihm den Kopfund bearbeitete ihn so, daß er ohne Sinn' und Bewegung auf der Stelle liegen blieb. Durch dergleichen Thaten machte sich dieser Held so furchtbar, daß kein Gerichtsdiener allein es übernemen wollte, ihn in Verhaft zu bringen. Auf die Art erschien er an allen öffentliche» Or­ ten unangetastet. Endlich verbanden sich einige Ge­ richtsdiener von Marshalsea gegenihn, und zwei davon wagten es in Begleitung von drei desperaten Helfershelfern, ihn eines Tages nahe am Strande beim Marktflekken Hungerford anzugreifen. Es war ihm unmöglich Widerstand zu thun, weil die ganze Rotte zugleich als eben so viele Tiger aufibn losstürzte und ihm die Arme so fest hielt, daß er kei-

nen Finger regen konnte. Da er sich so übermannt sahe, bat er, ihn sogleich in's Gefängnis zu bringen. Man trug ihn zu dem Ende in ein Boot. Wieste in der Mitte des Wassers waren, fand er Gelegenheitdas Fahrzeug wie von ungefähr umzuwerfen. Ein jeder von ihnen suchte sich so gut er konnte zu retten, ohne sich im mindesten an den Gefangnen zu kehren. Hackabout war mit diesem Elemente ganz vertraut. Er feite sich mit ausgespreiteten Füssen auf den Kiel des Boots und ermahnte die Gerichtsdiener ihr Le­ ben durchs Schwimmen zu retten; sonst betheuerte er ihnen bei Gott, wäre keine Hülfe für sie. Die Bootsleute waren unverzüglich von ihren Freunden herausgeholt worden. Mein diese hatten so wenig Lust den Häschern zu helfen, daß sie viel­ mehr von ferne standen und über ihren Unfall jubilirten. Kurz, zwei von den Fünfen sanken zu Grunde und sahen Gottes ^liebe Sonne nie mehr wieder. Die übrigen Drei retteten sich mit vieler Müh' und Not. Der Strom hatte sie gegen eine Mistdarke getrieben, an deren Steuerruder klammer­ ten sie sich an. Tom schwamm indes mit grosser Kaltblütigkeit queer über nach der Küste von S u r r y. Nach diesem Stükchen fürchtete sich die ganze Brüderschaft so sehr vor ihm, daß. sie schon zitterte-

(

260

)

wenn nur sein Name genannt wurde. Allein eben der Nuf, den vielleicht einige als vortheilhast für einen Lief in Schulden stekkeuden Menschen halten mögen, war das grösste Unglük, das ihn nur ixv gend treffen konnte. Denn kein Kaufmann wollte ahm die geringste Kleinigkeit mehr auf Kredit geben, weil er voraussezte, daß er nicht durch den ordentli­ chen Lauf der Geseze würde Entschädigung erlangen können. Der pfauueu billigte die Art nicht im geringsten, wie Hackabout entwischt war. Er sah' es als einen sehr unchristlichen Versuch gegen das Leben seiner Nebenmenschen an. Es ist schon genug, sagte er, daß wir durch List den Gesezen unsers' Landes ent­ weichen, ohne daß wir noch dazu die Diener der Ge­ rechtigkeit ermorden.. Ich meines Theils kann die Hand auf die Brust legen und mit Wahrheit bezeugen, daß ich den Kerl, dermichgefangennam, von ganzem Herzen verzeihe, so verräterisch/ schändlich und gottlos er auch dabei zu Werke ging. Sie müssen wissen, Sirpecegrine, fuhr er fort, ich wurde eines Tages nach meiner Kapelle gerufen, ixxn ein Paar Seute durch das heilige Baud der Ehe zusammenzusügen. Es stand damals so mit mir, daß ich vor Verhaftnemung bange sein musste. Ich

c

261

>

betrachtete gar vorsichtiglich den Menschen durch ein Gitter, das ich.zu dem Ende verfertigen lassen, eh ich mich naher wagte. Er hatte ein Schifferwams und Pumphosen an, und seine Mine war so simpel/ daß sie mir allen Verdacht benam. Sonach trug ich weiter kein Bedenken, herauszukommen. Ich bc; gann meine Amtspflicht und war bereits mit der Trauformel zu Ende, als die vermeinliche Frauens­ person ein Papier aus dem Busen zog und mit männ­ licher Stimme rief: Sir, Sie sind mein Gefangner. Ich habe einen Verhastöbefel auf Sie wegen fünf­ hundert Pfund. Diese Erklärung rührte mich wie ein Donner, nicht so wohl in Bettes meines Unglüks, denn das kann ich (dem Himmel sei Dank'.) mit Geduld und Resignation ertragen, sondern wegen der Ruchlo­ sigkeit des Buben, der erstlich eine so indische Ab­ sicht unter dem Mantel der Religion verbarg, unddaun zweitens eine so ehrwürdige Ceremonie schän­ dete, was er gar nicht nötig gehabt hätte, denn sein Zwet war wirklich schon vorher erreicht. Doch, ich verzeihe der armen Seele, denn sie wusste wirl-, lich nicht, was sie that. Ich hoffe von Ihnen, Sir SippK, Sie werden eben diese christliche Lügende Rz

(

262

)

gegen den Menschen ausüben, der Sie auf eine Ähnliche Art hinter das Licht führte.

O verflucht sei der Schurke! rief der Ritter. Wär' ich sein Richter, so würd ich ihn zum ewigen

Feuer verdamine«! Der Schlingel der'. Mich in ei­ ner solchen Gesellschaft so zu beschimpfen, wo fast

alles, was man beau Monde nennt, zusammen war. Als unser Held Begierde äusserte, das Nähere dieser Begebenheit zu wissen, so befriedigte der Ritter sein

Verlangen durch folgende Erzälung: Ich befand mich eines Abends bei einer gewissen

Lady in grosser Spielgesellschaft, als mir einer von

den Bedienten meldete: so eben wäre ein sehr reich gekleideter Fremder in einer Sänfte und fünf Be­ dienten mit Fakkeln neben sich angekommen und wol­ le nicht eher die Treppe hinauf, als bis er von Sir

Sipple'n herausgeführt würde. Aus diesem Bericht urtheilt' ich, es wäre einet

von meinen Freunden unter den Staiidespersonen, und ging nach erhaltner Erlaubnis von der Lady, ihn

heraufbringen zu dürfen, in den Vorsaal hinunter. Hier erblikt'ich einen Mann, den ich, soviel ich mich auch besann, nie gesehn hatte. Inzwischen war sein

Aufzug so prächtig, daß ich nicht den mindesten Ver­ dacht auf seinen wahren Stand schopie» konnte.

(

26z

)

• Als er mich hi'neinkommen sahe, macht' er mir eine sehr artige Verbeugung uud sagte: er halte zwar nicht die Ehre meiner Bekanntschaft, dennoch hab' er in Ansehung eines Briefes, den ihm ein specieller Freund gegeben, sich nicht entbrechen kön­ nen , mir selbst hier seine Aufwartung zu machen. -Mit diesen Worten stekt' er mir ein Papier in die Hände und kündigte mir zugleich an: er hätte wegen zehntausend Pfund einen Verhaftöbefel auf mich.

Es würde am zuträglichsten für mich sein, wenn ich mich ohne Widerstand. ergäbe. Er habe zwanzig Mann Wache bei sich, die in verschiednen Verklei­ dungen die Thüren bcsezt hielten, um sich meiner

troz allen« Widerstände zu versichern. Durch die List dieses Hvlunken höchst erbittert, fuhr der Ritter fort und voller Zutrauen aufdie wirkli­ chen Bedienten, dieimSaalewaren, sagteichzuihn«: Ihr seid also ein schurk'scher Gerichtsbedienter, der sich unterstanden hat, Kavalierkleider anzulegen, um

die Gesellschaft der Lady hier zu stören. Nemt den Burschen hier, meine lieben Leute, wandt' ich mich

an die Bedienten und wälzt ihn in« Rinnstein herum. Hier sind zehn Guineen für Eure Mühe.

Kaum waren diese Worte arisgesprochc», als man mich ergriff aufhob und in die Sänfte feite.

R4

c

264

)

Alles das war das Werk eines Augenbliks. Zwar suchten die Bedienten vom Hause und einige andre Lakaien mir zur Hülfe zu kommen und brachten die ganze Gesellschaft oben in Aufruhr. Da aber der Gerichtsdielter mit der grössesten Unverschämtheit behauptete: ich würde wegen einer Staatssache ein­ gezogen, und sich so viele Leute zu seinem Beistände versammleten, so wollte die Gräfin nicht, daß der vorgebliche Staatsbote sollte Lnsultirt werden. Auf die Art ward ich ohne weitre Hindernis und Beun­ ruhigung nach dem Gefängnisse des Landrichters gebracht. Kaum war der Ritten mit seiner Erzalung zu Ende, so meldete man unserm Melden, daß auf dem Kaffeezimmer ein Herr wäre, der ihn zu sprechen verlangte. Er fand hier seinen Freund Lrabtree, der alle seine Angelegenheiten, nach-der den Lag zuvor genommnen Abrede besorgt hatte, und ihm jezt von den Anmerkungen Bericht -abzustatten kam, die er über sein Ungluk hatte machen hören. Denn er war auf eine so ausserordentliche und öffentliche Art in Verhaft genommen worden, daß die dabei. Ge­ genwärtigen es sogleich unter ihre Bekannten verbreiteten. Noch denselben Abend ward an verschiednen Thee-und Spieltischen davon gesprochen

(

26z

)

Nur darin wich man von der Wahrheit ab, daß man seine Schuld zwölftausend Pfund statt zwölfhundert betragen lies. Aus diesem Umstand mutmasste man, peregrine sei von Anfang an ein Gauner gewesen, der durch seine Unverschämtheit und sein Aeusseres Kredit er­ langt und die Leute beredet habe, daß er ein Gent­ leman sei und Vermögen habe. Sie freuten sich da­ her über seinen Unfall; sahen es für eine gerechte Strafe seines Betrugs und seiner Vermessenheit an und.begannen sich verschiedner Züge aus seinem Le­ ben zu erinnern, die ihnen deutlich bewiesen, daß er lange zuvor, eh' er an das Ende seiner Laufbahn gekommen war, ein abgefeimterAvantürier gewesen sei. Pickle, der seinen Ruhm jezt auf immer unter­ gegangen glaubte, nam diese Nachricht mit der stol­ zen Verachtung auf, die einen Menschen in den Stand sezt, sich von der Welt wirklich abzuziehn. Er gab mit grosser Gemütsruhe dem Menschenhas­ ser eine unterhaltende Beschreibung von alle dem, was er seit ihrer lezten Trennung gesehn und ge­ hört hatte. Indem sie sich auf die Art bei einer Schaale Kaffee die Zeit vertrieben, kam der Pfar­ rer zu ihnen. Er wünschte unserm Melden Glük, daß er sein Ungemach mit so philosophischer Ruhü R 5

c 266 ) ertrüge, und begann den beiden Freunden einige nierkwürdige Züge aus der Privatgeschichte verschiedner Gefangnen aufjutischen, die zufälligerweise hineinkamen.

Dreizehntes Kapitel, peregvme scheint mit seinem Käfig ziemlich zufrieden, wird zu seinem Erstaunen von zwei alten Bekannten überrascht, die sich ganz wider seinen Willen in seiner Nach­ barschaft cinquartieren.

ganz regelmässig in den Geheimnissen des Fle et'S eingeweiht und mit den Sitten und der Lebensart an diesem Orte einigermaassen ausgesöhnt, fing Pickle an, den Stachel der Ueberlegung zu ertragen, ohne dagegen zu lökken; und da er es für höchst unvorsichtig hielt, sein Vorhaben länger zu verzögern, wodurch er allein in.seiner Gefangen­ schaft einige Gemächlichkeit u»d frohe Stunden er­ langen konnte, so beschlos er seine llebersezung wie­ der vorzunemen und wöchentlich ein Gelegenheit^

c 266 ) ertrüge, und begann den beiden Freunden einige nierkwürdige Züge aus der Privatgeschichte verschiedner Gefangnen aufjutischen, die zufälligerweise hineinkamen.

Dreizehntes Kapitel, peregvme scheint mit seinem Käfig ziemlich zufrieden, wird zu seinem Erstaunen von zwei alten Bekannten überrascht, die sich ganz wider seinen Willen in seiner Nach­ barschaft cinquartieren.

ganz regelmässig in den Geheimnissen des Fle et'S eingeweiht und mit den Sitten und der Lebensart an diesem Orte einigermaassen ausgesöhnt, fing Pickle an, den Stachel der Ueberlegung zu ertragen, ohne dagegen zu lökken; und da er es für höchst unvorsichtig hielt, sein Vorhaben länger zu verzögern, wodurch er allein in.seiner Gefangen­ schaft einige Gemächlichkeit u»d frohe Stunden er­ langen konnte, so beschlos er seine llebersezung wie­ der vorzunemen und wöchentlich ein Gelegenheit^

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)

blatt zu schreiben, um sich an dem Ministe»! zu rä­ chen , dem er ewigen Krieg geschworen hatte.

In d e r Absicht verschloS er sich in seine Stube rind machte sich mit grossem Eifer und Anstrengung an das Werk, als er von einem Briefträger unter­ brochen ward, der ihm einen Brief in die Hand fiekte und in einem Augenblik verschwand, bevor er Zeit hatte, den Inhalt durchzusehn. Unsee Held öfnete das Billet und erstaunte nicht wenig, eine Banknote auf sunszig Pfund in einem weissen Bogen Papier eingcschlossen zu finde». Nach­ dem sein Gedächtnis und seineScharfsicht an diesenr unerwarteten Glüksfall sich geübt hatte, so macht' er endlich den Schlus: dies könne-von niemand anders herkommei» als von eben der Lady, die ihn einige Tage zuvor zu besuchen .die Freundschaft ge­ habt hatte. Plözlich brach in seine Ohren der wohl­ bekannte Schall der Bootsmannspfeise herein, die stets uni Pipes Hals zum Andenken seines chmaligen Metiers hing. Nach diesem Tone hort' er ein hölzernes Bein die Treppe herauspoltern. Er öfne­ te die Thür und gewahrte seinen alle» Freund Hatchway und dessen ehmaligen Schifskaineraden hinter Km,

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-68

)

Nach einem herzlichen Handschütteln und dem

gewöhnlichen Grus: Na, wiestehfs, Vedder pick' le? sezte sich der bidre Jak ohne Umstände nieder. Er Miste im Zimmer umher und sagte mit einem

schalkhaften Lächeln: Zerreis mein Bramsegel! habt

endlich 'ne sichre Bucht gefunden, Vedder; seid hier

vor Wind un allem Unwetter geborgen; braucht Euch hier »ich h'naus auf die Schildwach zu stellen, oder bange zu sein, daß 's Schis den Anker lichte. Raum habt Ihr freilich nid): übrig. Hätt' ich ge­

wusst , daß sie Euch so eng zusammenpakken gedahn, jh so hätte mir Tom mein eegen Hangbett her­ schleppen sollen, un denn hättet Ihr immer das

grosse ungeschlachte Dings von Sturmhaus nieder­

reissen mögen

Doch vielleicht geht Ihr selbander

zu Bette un mögt Euch mit Eurem Mensche nich

Nägeln un Segeltuch anvertrauen. Pickle nam diese Scherze mit sehr guter Laune

auf und schraubte ihn dagegen mit der Milchmagd int Kastelle. Sodann erkundigt' er sich nach seinen Freunden in der dortigen Gegend,, fragte: ober

kürzlich seine Nichte besucht hätte, und verlangte endlich zn wissen: was den Lieutenant nach L o n-

dvn geführt habe.

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26y

)

Hatchway befriedigte seine Neugier in allen Stükken , und gab ihm auf die lezte Frage zur Ant­ wort: Habe vom Pipes gehört, daß Ihr ttpnt User fest sizen duht; drum bin ich vom Lande gekommen, um Euch Widder flott zu machen. Ich wees uich, wie eegentlich der Wind steht, können Euch aber dreitausend Pfund wieder in die offenbare See h'nausbringen, so sprecht, un eh' "ne Seegerstunde um is, sotten Euch keene widrige Winde mehr ushalten duhn. Dies Airerbieten wärderr wenig Leute in der Lar­ ge unsers Helden gänzlich ausgeschlagen haben , zu­ mal da er alle Ursache von der Welt hatte zn glau­ ben : es sei nicht blos ein leeres bedeutungsloses Kompliment, sondern vielmehr ein aufrichtiger Zoll der Freundschaft, den der Lieutenant willig, ja so­ gar mit Vergnügen würde entrichtet haben. Nichts destoweniger schlug peregrine diese Unterstüzung ein für allemal aus, doch nicht ohne seine Dankbarkeit durch Ausdrükke zu äusser», wie sie der Veranlas­ sung angemessen waren. Er gab ihm zu verstehn: es würde noch Zeit genug sein, sich seiner Grosmut zu bedienen, wenn er aller andren Hülfsquetten be­ raubt wäre.

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272

)

Jak wandte alle seine Beredsamkeit an, ihn da­ hin zu vermögen, sich dieser bequemen Gelegenheit zur Erlangung der Freiheit zu bedienen. Da er aber sei­ ne Gründe zu schwach sand, bestand er darauf: doch wenigstens einen Geldsukkurs zur Bestreitung seiner -gegenwärtigen Bedürfnisse anzunemen, und schwur mit grosser Heftigkeit: nie wieder zum Kastelle zurükzukehren, wenn er ihn nicht auf den Fus eines jeden andern Pachters sezen und sonach jährlich sei­ ne Renten annemen würde. Unser junge Herr schwur dagegen eben so kräf­ tig: er würde ihn nie in einem solchen Lichte be­ trachten. Er stellte ihm vor: er habe ihm das Schlos schon längst sowohl als ein Unterpfand seiner Achtung, als auch um des Lommodore's Verlan­ gen zu erfüllen auf Zeit Lebens überlassen; er bat ihn, zu seinen gewöhnlichen Geschäften zurükzukehren, und betheuerte: wenn er in die Notwendigkeit käme, von seinen Freunden Geld zu borgen, sollte Hatchway der erste sein, den er um Sukkurö bit­ ten wollte. Um den Lieutenant zu überzeugen, daß es ge­ genwärtig noch nicht so weit mit ihm gekommen sei, zog Pickle die im Briefe eingeschlossen gewesneVankriete nebst seinem baaren Geld hervor. Zugleich er-

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271

)

wähnte er einiger andrer Fonds, die er ans dem Stegereif ersann, um des Lieutenants Theilname zu tauschen. Hierauf besal er dem Pipes, Hatchrvay'n auf das Kaffeehaus zu führen, damit er sich daselbst eine halbe Stunde mit den Zeitungen unter­ hielte. Wahrend der Zeit wollte Pickle sich anziehn und Mittagsessen für sie Beide bestellen, damit so lange als der Lieutenant an diesem Orte bleiben könnte, einer des andern Gesellschaft zu geniessen im Stande sei. Kaum waren die beiden Seeleute fort, so ergris unser ^db die Feder und schrieb an seine edel­ mütige Wohlthäterin folgenden Brief/ wor­ in er die Banknote einschloö: Gnädige Frau, Ihre Güte ist nicht scharfsinniger als mein Arg­

wohn.

Vergebens snchcn Sie mich durch eine Hand­

lung des Edelmuts zu hintergebn, deren niemand auf

Erden fähig ist, als Jhro Herrlichkeit. Name nicht unterzeichnet war,

Wiewohl Ihr

so entdekten sich doch

völlig Ihre Gesinnungen durch den Einschlus.

Ich

mns um die Erlaubnis bitten, denselben mit eben dm

Regungen der Dankbarkeit und aus eben den Gründen

zurüksenden 'ju dürfen, die ich zu erkennen gab, als ich das lezte Mal die Ehre hatte, über diese Materie

mit Ihnen zu sprechen.

Bin ich gleich durch die Schure

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272

)

fcvei und die Undankbarkeit der Menschen meiner Frei­

heit beraubt? so fehlt mir'ö doch nicht an den übrigen Gemächlichkeiten des Lebens; daher bitt' ich miet) zu

entschuldigen, daß ich nicht ohne Not das Gewicht der Verbindlichkeiten vermehre, die Sie miv aufgelegt ha­ ben.

Ich bin, gnädige Frau, Ew. Herrlichkeit

vcrbundenster und ergebenster Diener

peregrine Pickle.

Nachdem er sich angezogen hatte, fand er sich an

-dem bestimmten Orte ein.

Er sandte Pipes mit

dem Briefe fort, den ich den Lesern so eben vorge­ legt habe und befal ihm, denselben im Hause der

Lady abzugeben, ohn' eine Antwort zu erwarten.

Mittlerweile bestellt' er das Mittagsbrod, das er

auf seinem Zimmer mit Freund Hatchway'n sehr frölich verzehrte, nachdem er ihm alle Merkwürdig­

keiten des Orts gezeigt hatte.

Wahrend der Mahlzeit wiederholte Jack sein gü­

tiges Erbieten gegen unsern abenteurendcn Ritter. Dieser lehnt' es nochmals mit der vorigen Hartnäkkigkeit ab, und bat, ihn damit nicht weiter zu be­ helligen. Bestehn Sie aber darauf, fuhr er fort, mir neue Beweise Ihrer Freundschaft zu geben, so

können Sie mir dadurch eine Probe davon ablegen, daß

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2/3

)

daß Sie Pipes zu Sich nemen. Denn nichts geht mir mehr nahe, als daß ich nicht km Stande bin, einen so treuen Domestiken zu versorgen. Der Lieutenant bat ihn deshalb unbekümmert zu sein. Er wäre von selbst völlig gestimmt, seinen alten Schifskameraden auf freundschaftlichen Fuszu behandeln und ihn nie Mangel leiden zu lassen, so lang' er nur noch einen Schilling habe. Sodann be­ gann er einige Winke von seinem Vorbaben fallen zu lassen, sein Standquartier im Fleet zu nemen. Die Luft an diesem Orte, bemerkte er, schiene sehr gut zu sein, und des Landlebens war'er überdrüssig. Dies war aber noch keine plane Erklärung. Des­ halb beantwortete es peuegrine auch nicht so, wie­ wohl er die Absicht seines Freundes merkte. Er nam die Gelegenheit wahr, alle Ungemachlichkeiten dieses Orts auf eine solche Art zu beschreiben, daß er ihn von der Ausführung eines so thörichten Pro­ jekts abzuschrekken hoffen konnte. Gleichwohl fruchtete dies Mittel so wenig zur Erreichung seines Zweks, daß es vielmehr eine ganz entgegengesezte Wirkung that und Hatchway'n einen Grund gegen pickle's Abgeneigtheit, diesen umgenemen Plaz zu verlassen, an die Hand gab. Mer Wahrscheinlichkeit nach, würde sich Jack über seipereg.pjcklelV.B. S

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274

)

iten Plan deutlicher herausaelassen habe», wenn sie

nicht in ihrem Gespräch durch Ladwalladcr'n wäre»

unterbrochen worden, der seinen täglichen Besuch zu machen nie unterstes.

Hatchwaymutmaasste, daß der Fremde eine ge­

heime Angelegenheit mit seinem Freunde mochte abzumachen haben, er verlies daher das Zimmer unter

dem Vorwande, einen Spaziergang vorzniiemeu. Pi­ pes begegnete ihm an der Thüre; der Lieutenant verlangte seine Begleitung »ach dem sogenannten

Spiclplaze im Fleet. Hier hielten die beiden Kame­

raden während des Spazierganges einen Rat über Pickle'», worin beschlossen ward, daß sie, weil er hartnäkkig darauf beharrte, ihren Beistand nicht anznnemen, ihre Wohnung • in seiner Nachbarschaft

aufschlagen wollten, damit sie bei der Hand wären/

seinen Bedärfnisse» troz seiner falschen Delikatesse abzuhelfen, so wie seine Angelegenheiten es heisch­ ten.

Nachdem sie diesen EntschluS gefasst hatten, er­ kundigten sie sich bey dem Kaffeeschcnken nach einem Logis. Dieser wies sie an den Aufseher des Gefäng­ nisses. Der Lieutenant sagte denr Manne mit sei­

ner gewöhnlichen Weisheit: er wär'ein Verwandter

von pevegrine'» und wolle ihn lieber, so lange bis

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275

)

feine Sachen wieder in Ordnung wären, selbst Ge­ sellschaft leisten, als den jungen Herrn den unver­

des

meidlichen

Unannemlichkeiten

überlassen.

Diese Maasregeln,

Gefängnisses

feste er hinzu,

wünscht' er um so eifriger zu nemen, weil der Ge« fangue zuweilen Zerrüttungen der Einbildungskraft unterworfen sei, und in einem solchen Fall hätt"

er ausserordentliche Wartung nötig. Ich bitte Sie

deshalb, schlos er, mir 'n Losch! für mich tut mei­

nen Kerl anweisen zu dhun; will 'S Ihnen recht gut bezalen. ■

Der Aufseher, ein Mann von Gefühl und

Menschlichkeit, konnte sich nicht entbrechen, seinen Entschlus zu loben; und räumte ihm sogleich, weil

eben damals verschiedne Zimmer unbesezt waren,

einPaarStuben ein, die unmittelbar für ihn zurecht gemacht wurden. Nachdem Jack dies Geschäft zu seinem grössten

Vergnügen in Richtigkeit gebracht hatte, schikr' er den Pipes nach seinem Mantelsak und kehrte wieder

nach dem Kaffeehause zurük. Hier fand er pecegctne’n, mit dem er den übrigen Theil des Abends

zubrachte.

Unser «Selb hielt es für ausgemacht, daß Hatchway.den. folgenden Tag nach der Garnison zurüki S-

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2/6

)

Zehn würde. Zu dem Ende, sezt' er ein Verzeich­ nis einiger Bücher ans, die er im Schlosse zurükgclassen hatte, undbatIack, ihm dieselben mit der Landkutsche unter Cradtvee's Adresse nach der Stadt zu senden. Er warnte ihn sodann, ja nicht den ge­

ringsten Wink von seinem Unglük in seiner Nachbar­ schaft fallen zu lassen, und dasselbe so lange wie nur immer möglich vor seiner Schwester verborgen zu halten, die, wie er wusste, über diese Nachricht sich unmässig betrüben würde. Auch wollt' er eben

sowenig, daß sie seinen übrigen Anverwandten zu

Ohren käme, den» die, bemerkter, würden über sein Unglük ftohlokken. Hatchway hörte seine Erinnerungen mit grosser

Aufmerksamkeit an und versprach sich darnach zu

richten. Sodann fingen sie an, alle die lustigen Auftritte zu rekapituliren, die sie ehmals zusammen gehabt hatten. AIs cs nun schon ziemlich tief Abend

war, sagte pecegrine mit scheinbarem Sträuben

zu ihm: in wenig Minuten würden die Thore des Fleet für die Nacht verschlossen sein; er müsse da­ her unumgänglich in sein Wirtshaus zurükeilen. Jack versicherte ihm: er könne nicht daran denken, ihn

nach einer so laugen Trennung sobald zu verlassen; mid er wäre gesonnen, noch eine oder zwei Stunden

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277

)

langer bei ihm zu bleiben und sollt' er darüber auch auf der Strasse kampiren müssen. Pickle lies sich dies Begehren lieber gefallen,

als daß er seinen Gast beleidigen wollte, und be­ schlos , sein Bette mit ihm zu theilen. Es wurden ein Paar junge Hüner mit Spargel zum Abendbrod bestellt. Pipes wartete ihnen mit innrer Zufrie­

denheit auf. Die Weinflasche ging frölich rund biS zu Mitternacht- Jezt stand der Lieutenant auf,

um Abschied zu nemen; und bemerkte: er sei mü­ de vom Reiten und habe Lust sich niederzulegen. Auf diesen Wink brachte Pipes eine angezündete Laterne zum Vorschein.

Jack schüttelte seinem

wirt die Hand und versprach: sich morgen beizei­

ten einzustellen. peregrine bildete sich ein: der Wein, den Jack

reichlich genossen, spräche aus ihm; daher sagte er: wenn er sich niederlegen wolle, so wäre sein Bette hier in diesem Kämmerchen schon iit Bereitschaft, und befal dem Bedienten, seinen Herrn auszuklekden. ^atchway gab ihm hierauf zu verstehn: Er dürfe seinem Freunde nicht beschwerlich fallen; er sei bereits mit einem Logis ver.ehn. Der junge t^erv wollte dies deutlicher erklärt wissen; und je­ ner bekannte ihm ganz frank und frei heraus, was er Sz

(

278

)

gethan hatte. Ihr habt mir, sage er, den Ort so

arg abgenialt, daß ach Euch unmöglich ohne Gesell­ schaft hier kann lassen duhn.

Unser Ritter, der keine Wohlthaten zu ertra­ gen im Stande war und der voraus sah, daß dies ungewöhnliche Beispiel von Hatchway's Freund­ schaft den Plan durchkreuzen würde, den er zu sei­ nem Unterhalt gemacht hatte; daß ihm dadurch Zeit und Aufmerksamkeit würde geraubt und er ausser Stand gefeit werden, in seinen Arbeiten fortzufahren, nam des folgenden Tages den Lieutenant al­

lein vor und zeigte ihm die Thorheit und üblen Fol­

gen, die sein Schritt haben könnte.

Die Welt, bemerkte er, würd' es durchgängig für eine blosse Thorheit erklären, und seine Anvertvandten könnten das, wenn sie sonst wollte», zum Grunde gebrauchen, einen Befel gegen ihn, als ei­ tlen Wahnsinnigen auszmvirken. Seine Abwesen­ heit von der Garnison würde auch seinem Hauswe­

sen sehr nachtheilig sein, und sein Bleiben im Fl ce t würde ihm pickle'n selbst zum grossen Hindernis ge­

reichen , indem seine Hvfnung zur Wiedererlangung der Freiheit gänzlich davon abhinge, daß er von

allem Umgänge und aller Störung befreit sei-

(

279

)

Auf diese Vorstellungen antwortete Jack: aus der Meinung der Welt mach' er sich so viel als aus einer vcrsaulten Garnschnur. Wenn seine Ver­ wandten Lust hatten seinen Oberlof für schadhaft jit erklären, so zweifelt' er nicht im Stande zu sein, die Besichtigiing auszuhakte», ohne für unfähig zum Dienst erklärt zu werden. Was das Kastell aiikangte, so würde ihm von den Sachen, die er da abzu­ machen hatte, nichts davon laufen. Was aber pickle's Störung durch seine Gegenwart beträfe, sczt' er hinzu, so gäb' er ihm sein Wort, nie eher an Bord zu kommen, als bis er ein Signal von ihm hörte, daß er Willens sei, mit ihm einen Diskurs zu hakten. ZumSchlussagt'crlhm: erwürdeaufjeden Fall, da bleiben, wo er wäre, ohne davon irgend jemanden Re­ chenschaft zu geben, er möchte auch sein, wer er wollte. Wie peregrine ihn so entschlossen sahe, lies er ab, ferner in ihn zu dringen; doch «am er sich vor, ihn durch Zurükhaltung und eine hochfahrende geringschäzige Behandlung aus seinem Plan heraus;», ärgern. Den» er konnte den Gedanken nicht ertra­ gen : irgend jemanden auf Erden so offenbare Ver­ bindlichkeiten zu haben. In der Absicht verlies er den Lieutenant unter einem schlichten Vorwande, S4

L

280

)

nachdem er ihm zuvor gesagt: er könne nicht das Vergnügen haben, zu Mittage seiner Gesellschaft zu

geniessen, indem er sich bereits in einen Klub mit einigen seiner Kerkergenosse» versagt habe. Jack, ganz fremd in Pointilliösität, hatte ans dieser Erklärung gar nichts arges; unmittelbar dar­

auf nam er seine Zuflucht zu dem Gutachten seines Geheimenrats, des Master Pipes. Dieser that ihm den Vorschlag in das Kaffeehaus und in dieGarkü-

che zu gehn und den Leuten daselbst zu sagen, er wolle alles das Getränk und die Speisen bezalen, die Pickle würde auf sein Zimmer bringen lassen. Dies Auskunftsmittel wurde sogleich in's Werk ge­ richtet, und Hatchway legte, (weil an diesem Or­

te nichts auf Kredit gegeben wurde) beim Koch und beim Weinschenken eine Summe zur Sicherheit nie­ der. Dabei lies er den Wink fliegen: man mässe notwendig einen solchen Weg einschlagen, um sei­ nem Neffen pcregrine beizustehn, der seltsame

,»Schrullen" bekäme, derentwegen man ihn unmög­ lich auf eine andre Art unter die Arme greifen könnte. Diesen Insinuationen zufolge lief noch desselben Tages das Gemurmel im Fleet herum: Pickle

sei ein unglüklicher Gentleman, dessen Verstand in

Unordnung geraten wäre; der Lieutenant aber wäre

(

281

)

ein naher Verwandter von ihm / der ssch der Unbe­ haglichkeit, in einem Gefängnisse zu leben, blos des­ halb unterworfen hätte, um ein wachsames Auge über seine Aufführung haben zu können. Doch das Gerücht kam unserm Melden nicht eher als den fol­ genden Tag zu Ohren, wie er einen von den Lauf­ burschen, der ihm auswartete, in die Garküche schikte, ein paar junge Hüner und noch sonst etwas zum Essen zu bestellen und zu bezalen. Denn er hat­ te Freund Hatchway'n zu Mittage gebeten, in der Hosnung, daß er im Stande sein würde, ihn zu be­ reden: wieder auf das Land hinauszuziehn, nach­ dem er die Kränkungen eines ganzen Tages an die­ sem Orte auögestanden hatte. Der Bote kam mit der Versichrung zurük: das Essen solle nach seinem Vefel zu Mittage bereit sein; das Geld «ber bracht' er wieder zurük, und sagte: sein Anverwandter hät­ te bereits bezalt, was er bestellt habe. pereguine'n machte diese Nachricht eben so be­ stürzt als ärgerlich. Er beschlos dem Lieutenant wegen seiner unzeitigen Dienstfertigkeit gar ernstlich den Text zu lesen, weil er dies seiner Ehre für sehr nachtheilig hielt. Mittlerweile schikt' er seinen Auf­ wärter auf das Kaffeehaus nach Wein. Wie er hier seinem Kredit auf eben die Art den Rükken gehal-

S5

(

28L

)

Jett sahe, würd' er über die Verwägenheit von

Hatchway'o Freundschaft äusserst erbittert und quastioiiirte den Aufwärter mit solchen Aeusserungen des Mißvergnügens, daß der Bursche, um einen so gu­ ten Herrn nicht zu beleidigen, Pickle'» ganz frank «nd frei das Geschichtchen inittheilte, das auf seine Kosten hcrumlief. Diese Nachricht sezte den jungen sgeetn so in

Zorn, daß er dem Lieutenant einen bittren Brief voller Beschwerden schrieb. Er »am darin nicht nur seine Einladung zuruk, sondern erklärte auch, daß er nie mit ihm reden wollte, so lang' er an diesem Orte bleibe» würde.

Nachdem er solchergestalt de» Eingebungen sei­ nes Zorns gehorcht hatte, benachrichtigt' er de» Gar­ koch: er brauche das nicht, was bestellt wäre. So­ dann ging er auf das Kaffeehaus und sagte zu dem Wirt i Ich habe gehört, der Fremde mit dem Höl­ zernei» Beine hat Sie und andre durch lächerliche

Vorstellungen cingeiionmien,

die dahin abzielen,

meine» gesunden Verstand in Zweifel zu bringen. Er hat, um diese Anschuldigungen zu bekräftige», unter dem Dekmantel der Blutsfreundschaft, sich

unterfangen, für mich alle meine Ausgaben z«m vor-

ßuä zu bezalen.

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28Z

)

Ich kann deshalb nicht umhin, fuhr er fort, — diese Gerechtigkeit bin ich mir schuldig — Ihne» die Erklärung zu thu», daß der lahme Mann wirk­

lich der Unsinnige ist, der seinen Wachtern zu ent­

rinnen gewusst hat. Sie finde» sonach Ihre Rech­

nung nicht dabei, wenn Sie dessen Vefclen folge» und ihn veranlassen, Ihr Haus, fleissig zu besuchen.

Ich meine- Ort- werde nie mehr über Ihre Schwel­ le kommen oder Ihnen das geringste zuwenden, rvenn ich in Zukunft finde, daß Sie von dem un-

glüklichen Wahnsinnigen Pränumeration für mich annemen. Den Weinschenken niachte diese zurükgeschobne Beschuldigung bestürzt. Nach vielem Zweifel» und

Uoberlegen schlos er endlich: Beide Theile müsste» verrükt sein: der Fremde, weil er eines andren

Schulden wider seinen Willen bezalte, und Pickle, weil er durch eine so voreilige Freundschaft beleidigt

würde.

Vierzehntes Kapitel. Die Verbündeten

thun

einen

Ausfall

auf

Lrabtree'n, weswegen sie aus dem Fleet verbannt werden, Wirkungen

der

Peregrins beginnt die Gefangenschaft

zu

em­

pfinden.

unser igclb an dem allgemeinen Tisch zu Mittage gegessen hatte, begab ec sich mit seinem Freund Ladwallader wie gewöhnlich auf sein Zim­ mer. Hatchway aber und sein Verbündeter, die genötigt gewesen waren, den Mundvorrat, den sie bezalt hatten, selbst ansjuzehren, erneuerten ihre Beratschlagungen über die alte Materie. Pipes gab seinem Schifskammeraden unter andern zu

verstehn: der alte taube Hagestolz, den er den Lag zuvor auf pcrrgrinens Zimmer gesehn, wäre dessen

vvrnemster Vertrauter. Harchway entdekte sogleich mittelst, seiner grossen Scharssicht: die Halsstarrig­ keit des junne» Herrn rühre blos von den Zure­

dungen des Menschenhassers her, daher wär'eS ihre Sache, diesen „Burschen" dafür zu züchtigen.

(

285

)

Diese Meinung nam Pipes um so williger an, da er allemal geglaubt hatte, der Alte sei em Stük

von einem Hexenmeister, oder ein böser Geist, von dessen Bekanntschaft sich eben nicht viel Gutes erwarten liesse. Dergleichen Vorstellungen hatten ihm

sgabgt’e Vorspiegeleien eingeflösst.

Leztrer hatte

sich ehemals gegen den ehrlichen Tom etwas von Lrabtree's tiefen Kenntnissen in der schwarzen Kunst

verlauten lassen; insbesondre hatt' er erwähnt, daß

dieser Mann im Besiz des Steins der Weisen sei. Dieser Behauptung hatte Pipes unbedingten Glau­ ben beigemessen,

bis sein Herr Schulden halber

in's Gefängnis gebracht wurde. Jezt konnt' er nicht länger glauben, daß Ladwallader Bestzer eines so

schäzbaren Kunststüks wäre, weil er sonst zuverlässig Die Befreiung seines vertrautesten Freundes würde bewirkt haben. In diesen Gesinnungen nam er an Hatchway's

Rache den wärmsten Antheil. Sie beschlossen bek erster Gelegenheit, den vermeinten Geisterbanner,

wenn er von seinem Besuch bei peregrrne'n zurük-

käme, zu ergreifen und ohne Bedenken die Brunnenzüchtigung an ihm zu vollziehen. Diesen Plan

würden sie noch denselben Abend ausgeführt haben,

wäre der Menschenhasser zum Glük nicht von un-

(

286

)

gefähr weggegangen, eh' es dunkel war und kevov sie von seinem Abzüge Nachricht hatten. Oes folgenden Tages hielten sie Wacht, bis er ankam. Wie er vorbei ging, schwenkte vipes sei­ nen Hut und sagte: Hol' Euch der Deuvel Ihr ohle dofe Kanalljel W.'r müssen straks zusammen en­ tern ; uit wahrhast'gen Gott 'ch will Eurem Ober^ los so nahe liegen duhn, daß Eure Ohrpforten den Schall h'nein lassen sollen un wär'nsie ovch duppelt mit usqedrehten Tauen gekalsatert. Des Menschenfeind's Ohren waren nicht so ver­ schlossen, daß sie nicht diesen Wink hatten verne­ inen sollen. Wiewol derselbe in Ausdräkken vorges tragen wurde, die Cadwalladev'n nicht verständ­ lich waren, so macht' er dennoch auf seine Furcht solchen Eindruk, daß er peregrirre'n seine Besorg­ nis durch die Aeusserung eröfnete: die Mine des Bu­ ben mit dem hölzernen Beine gefiele ihm ganz und gar nicht. Pickle versicherte ihm, er habe von den beiden Seeleuten gar nichts zu befürchten; sie könn­ ten ja keine Ursach haben, lgegen ihn entrüstet zu sein, oder hatten sie die ja, so würden sie doch keinen Schritt wagen, der ihnen, wie sie wohl wüss­ ten, alle Wege zur Aussöhnung mir ihm, wonach sie so. ängstlich strebten, versperren und überdies den

(

287

)

Oberaufseher dieses Orts dcrmaassen beleidigen wörde, daß er sie unfehlbar aus seinem Gebiete ver­

jagte.

Ungeachtet dieser Versichrung, verlies sich unsee

junge Herr nicht so sehr auf des Lieutenant’» lieberlegsamkeit, daß er Lradiree's Furcht für ganz un­

gegründet halten sollte. Er vermutete gleich, daß Jack über eine Vertraulichkeit ärgerlich geworden

sei, von der er sich ausgeschlossen sahe, und daß ec sein widriges Geschik Ladrvalladcc'o Eingebungen

znschreibe, den er, aller Wahrscheinlichkeit nach, süc seinen vermeintlichen Rat zu bestrafen Willens sek.

Allein er wusste, daß seinem Freund von des Lieu­

tenant'» Rache an einem Orre nicht viel Nachtheil

erwachsen konnte, den er sogleich mit seinem Ge­ schrei in Unruh zu sezeu vermochte. Daher wünsch­ te er, daß Erstrer in diese Schlinge geraten möchte, weil ihm dies einen Vorwand an die Hand gäbe, sich zu beschweren, und weil dies die Seeleute nö­

tigen würde, ihren Arifenhalt zu verlassen. Auf d i e Art würd' er von ihrer Gesellschaft befreit wer­

den , woran er jezt kein Vergnügen finden konnte.

Alles ging so, wie er vvrhergesehn hatte.

Der

Menschenhasser wurde wie er von peregrine'ir kam, von Harchway'ir und Pipe» angefallen. Sie

(

288

)

rranren ihn ohne Umstände beim Kragen und be­ gannen ibn nach dem Brunnen zu schleppen. Hier würden sie ihm zuverlässig mit einem sehr unbehag­ lichen Bade aukgewartethaben, hätt' er seineStimme nicht so gewaltig erhoben, daß augenbliklich eine Menge Einwohner, ja selbst peregrine, zu seinem Beistände hinzustürzten. Die Angreifenden würden auf ihrem Vorhaben beharrt sein, wäre die Oppositionspartei so beschaf­ fen gewesen, daß sie die Möglichkeit vor sich gesehn hätten, ihr mit Ersolg die Spize zu bieten. Auch liessen sie ihre Veure nicht eher fahren, als bis den Leztern wenigstens noch ein Duzend Personen zu Hälfe gekommen war und bis peregrine mit dro­ hender Mine und einem gebietrjschen Wesen, sei­ nem alten Bedienten anbefolen hatte, davon ab­ zustehn. Nunmehr fanden sie's für ratsam abzusegeln und in eine Bucht einzulausen. Unser Held hingegen begleitete den erschroknen Ladwalladev bis an das Thor und reichte bei dem Aufseher eine förmliche Klage gegen die Aufrührer ein, auf die er die Be­ schuldigung des Wahnsinnes zurükschob. Seine Kla­ ge wurde durch das Zeugnis von zwanzig Personen bestätigt, die von der Gewaltthätigkeit Augenzerjgen

e

289

)

gen gewesen waren, die sie gegen den alten Herrn verübt hatten.

Auf die Anzeige sandte der Aufseher Hatchway'n eine Botschaft, und lies ihm raten, den fol­ genden Tag auszuziehn, widrigenfalls würde man genötigt sein, ihn mit Gewalt zur Räumung seines Logis zu notigen. Der Lieutenant weigerte sich hartnakkig, diesem Wink zu gehorchen. Daher ward er den folgenden Morgen, als er sich auf dem gros­ sen Plaze mit Spazierengehn belustigte, plözlich von den Konstablen des dortigen Gerichtshofes umringt, die ihn und seinen ehmaligen Rameraden unversehens gefangen namen und den Stokmeistern überlieferten. Diese liessen sie unverzüglich hinaus und sezten ihre Sachen an die Seite des Grabens. Inzwischen war diese Vertreibung nicht ohne hartnäkkigen Widerstand von Seiten der Verbrecher ab­ gelaufen. Hatte man Leztere nicht überrascht, so würden sie dem ganzen Fleet Tro; geboten und al­ ler Wahrscheinlichkeit nach verschiedne Trägödien ausgefuhrt haben, bevor sie wären überwältigt wor­ den. So wie aber die Sache jczt lag, schied der Lieutenant nicht von seinem Führer, ohne ihn.zum Lebewohl bei der Nase zu zupfen. pereg. Pickle IV. B. T

(

2YS

)

Um einem so löblichen Beispiele zu folgen, gab Pipes seinem Begleiter zum Andenken einen Schlag auf sein einziges Auge. Doch dieser hielt es für

schinipffich, sich in dergleichen HöflichkeitsbezeigunStn übertreffen zn lassen und erwiderte das Kompliment so treuherziglich, daß Tom's Auge die Stelle eines polyedrischen Glases vertrat.

Dies waren gegenseitige Winke, sich schlagfertig

zu niachen. Mithin war ein jeder von ihnen in ei­ nem Augenblik bis zum Gurt entblösst. Unverzüg­ lich ward von de» Fleischern aus dem Markte ein

Kreis um sie her geschlossen. Ei» Paar von denen ehrwürdigen Priestern, die in dem Theile der

Stadt in Schlafrökken unihergehn, uin Heuraten

zu stifte», warfen sich zu Sekundanten und Schieds­

richtern des bevorstehenden Gefechts auf. Nunmehr

begann das Treffe» ohne weitre Vorbereitungen. An Stärke und Behendigkeit waren die streiten­

den Parteien einander gleich; allein der Kerkernieisier war ordentlich zur Baxkunst angewiesen worden;

hatte mehr denn Einmal sich durch seine Tapferkeit und Geschiklichkeit in dieser ritterlichen Uebung

im Angesicht des Publikums ausgezeichnet, und int

(

2YI

)

Laufe seiner Heldenthaten Ein Auge auf dem Kampf«

plar eingebüsst. Don diesem Unglük ermangelte Pipes nicht, Duzen zu zieh». Er hatte schon verschiedne harte

Schläge gegen Schlafe und Kinnbakken bekomme«

und es unmöglich gefunden, seinem Gegner eine« Streich auf seine Vorratskammer anzubringen, ss

geschikt wurde sie gegen jeden Angkif vertheidigt.Daher änderte er seine Batterie, und erregte, weil

er so gut links als rechts war, ein solches Gerassel

an der blinden Seite des Stokmeisters, daß dieser Held ihn linkhändig glaubte und daher seine Auf­ merksamkeit aus diese Seite wandte. Sonach kehrte

er den unerlcuchteten Theil seines Gesichts gege« Pipes rechte Hand, dieser gab ihm, da jener sich

vor derselben nicht in Acht nam, schlauerweise eine« solchen Stos unter die fünfte Rippe, daß er äugen-

bliklich ohne Besinnung zu den Füssen des Siegers auf das Pflaster hinstürzte.

Pipes enipfing hierauf Glükwünsche wegen seines Sieges, nicht allein von Freund Harchway>

sondem auch von alle» Umstehenden, hauptsächlich von dem Priester, der sich seiner Sache angenom­

men hatte. Leztrer lud den Fremden in sein Logir

La

(

292

)

ein, das er in einem benachbarten Alehanse hat­ te. Sie wurden hier so sehr nach ihrem Geschmak

bewirtet, daß sie beschlossen, so lange sie in der

Stadt blieben, keinen andern Wohnplaz zu suchen; und ungeachtet aller der Beschimpfungen und Hin­ dernisse, die ihnen in ihren Bemühungen, unserm

abenteuernden Ritter zu dienen, aufgestossen wa­

ren, gaben sieden Entschlus dennoch nicht auf,sich

ferner für ihn zu verwenden, oder, um mich einer Ale hause.

So wenig man es in England für

unanständig hält, Wenn Geistliche bis nach Mit­ ternacht in öffentlichen

Vierhäusern

znbringen,

(s. unter andern Mon'zens Neise S. 161. der neuen Auflage) eben so wenig findet man etwas

dagegen einzuwenden, wenn sie m solchen Schen­ ken logiren.

Man Weis dort, daß diese Herren

Lurch nähern Umgang mit dem gemeinen Mann

und zwar in Stunden, wenn dieser zur Traulich­

keit gestimmt worden , wie in dergleichen Versammlungsbrtern das wohl gemeiniglich der Fall ist, —

unendlich mehr ausrichten können, als durch ihre Kanzelreden.

Ob diese Männer nun alle solche Gele­

genheiten nuzen, oder ob andre Beweggründe sie

zur Wahl bestimmt haben,

ihren Wohnplaz in

Alehänsern aufzuschlagen, ist hier nicht der Ort zu entscheiden.

A. ö. Ueb.

(

293

)

getheilten Redensart zu bedienen, so lange zu war­ ten , bis die Pauke ein Loch bekäme. Indes, daß sie da ihren Wohnplaz ausschluaen und in dem ganzen Bezirk um den Graben herum sich freundschaftliche Verbindungen gemacht hatten, war peregcine des Umgangs mir CadwaUader'n beraubt. Dieser meldete ihm schriftlich: er sand' es nicht ratsam, sein Leben durch einen Besuch bei ihm in Gefahr zu sezen, so lange solche Mordgesellen die Wege besezt hielten, die er passiren müsste. Denn er hatte sich bemüht, von den Fahrten der Seeleute Erkundigung einzuziehn, und den Hafen erfahren, wo sie vor Anker lagen. Unser Held war an Crabtree's Umgang so ge­ wöhnt, da dessen Karakter so gut zu der Sonderbar­ keit des seiuigen stimmte, daß er desselben in denen Umständen, wo beinahe jeder andre Quell des Ver­ gnügens für ihn verstopft war, sehr ungern entbehr te. Gleichwohl musst' er sich seinem harten Schiksal unterwerfen. Dle Karaktere seiner Mitgefangnen gefielen ihm ganz und gar nicht; er sah sich daher genötigt sein Vergnügen in sich selbst zu suchen. Zwar hatt' er wohl Gelegenheit, mit einigen Leuten umzugehn, denen es weder an Verstand noch an Grundsäzen '

Tz

C

294

)

fehlte; allein aus ihrer aller Betragen leuchtete ein gewisser Mangel an Anstand, eine gewisse Schmuzigkeit der Gesinnungen, eine Art von kerkcrmässigem Anstrich hervor, den sie durch die Lange der Gefan­ genschaft angenommen hatten, welches alles der Delikatesse unsers Melden höchst zuwider war. Da­ her entzog er sich, so viel nur immer möglich, allen ihren Partieen, ohne diejenigen zu beleidigen, mit denen er leben musste. Er nam seine Arbeit mit unglaublichem Eifer und Beharrlichkeit wieder vor, indem sein Mut durch den Beifall uiiterstüzt wurde, den einige strenge Philippische Reden erhielten, die er gelegentlich gegen den Urheber feines Unglüks bekannt gemacht hatte. Aber auch seine Menschlichkeit blieb in den Zeiten nicht unbeschäftigt, die seine Rache ihm frei lies. Der mus aller Sympathie und alles Mitleids be­ raubt sein, der unter so vielen Gegenständen des Elends leben kann, ohne einen Antrieb zu empfin­ den, ihre Not zu erleichtern. Beinahe jeder Tag stellte ihm jammervolle Scenen vor Augen, die gar leicht seine Aufmerksamkeit zu spannen und seine Gutthätigkeit zu beschäftigen vermochten. Bestän­ dig wurden ihm ohne seine Nachfragen Umstürze von Häusern bekannt, die von den bejammernswürdig-

C

2Y5

)

sten Umstanden häuslicher Leiden begleitet waren; in seine Ohren 'tonte das Geschrei der unglüklichen

Gattin, die aus dem Schoosse des Ueberflusses und Vergnügens ihrem Manne in diese Wohnungen des Elends und Mangels zu folgen sich genötigt sahe.

Alle Minute» empörten die nakten und Hagern Ge­

stalten des Hungers und der Kälte seine Augen;

und seine Einbildungskraft spiegelte ihm ihren Jam­ mer noch tausendfach grösser vor. In dieser Gemütsstimniuug war seine Börse nie

verschlossen, weil sein Herz offen stand. Ohne au

seine geringe Kasse zu denken, übt' er sein Mitleid gegen alle Kinder des Jammers au» und erhielt die

allgemeine Liebe, die zwar sehr behäglich ist, ihm aber gar nicht ersprieslich war. Kurz, seine Gut­ thätigkeit hielt mit seinen Umstanden nicht Schritt, und es dauerte nicht lange, so war er gänzlich er­

schöpft. Jezt nam er seine Zuflucht zu seinem Ver­ leger. Mit grosser Mühe erhielt er von ihm schma­

le Vorschüsse, und unmittelbar darauf sank er wie­ der in seine Unenthaltsamkeit im Wohlthun zurük. Er kannte seine Schwäche hierin und fand sie un­

heilbar. Er sahe zuvor, daß er troz seinem ange­

strengten Fleisse nie im Stande sein würde, derglei­

chen Ausgaben zu erschwingen.

£4

(

296

)

Diese Betrachtung machte tiefen Eindruk auf ihn. Der Beifall des Publikums, den er erhalten hatte, oder der noch zu erwerben stand, begann, wie eine ost gebrauchte Herzstärkung, seine Wirkung auf seine Einbildungskraft ;it verlieren. Seine Ge­ sundheit litt durch seine sizendc Lebensart und seine i« heftige Anstrengung. Das Gesicht ward schwach, die Eslust verlor sich, seine Lebensgeister schwanden, so daß er melankolisch, verdrossen und also ganz un­ fähig ward, von den einzige» Mitteln Gebrauch zu machen, die ihm zu seinem Unterhalte übrig waren. Ueberdics bekam er eine Nachricht, die warlich nicht dazu diente, seine Lage im mindeste« zu erleichtern. Sein Sachwalter lies ihn wissen', daß sein Prozcs verloren und er in die Unkosten verdammt fei. Dies war aber nicht die einzige krankende Neuigkeit, die ihm kund ward; er erfuhr zugleich, daß sein Buch­ händler Bankrott gemacht hatte, und daß sein Freund Lcabtuee in den lezten Zügen läge. Dies waren so tröstliche Betrachtungen sür einen Jüngling von pecegrinens Karakter, der so eigensinnig war, daß er immer stolzer und unbiegsamer ward, je mehr sein Elend zunam. Eh' er Hatchrvay'n verpflichtet sein wollte, der um die Thore des Gefängnisses.-bestandig herumschwebte und eifrig

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297

)

M'eine Gelegenheit lauerte ihm beizustehen, un­ terwarf er sich viel lieber der Beraubung säst aller Bequemlichkeiten des Lebens. Er versezte nunmehr seine Kleider an einen Irischen Pfänderleiher im Fleet, um sich mit dem dafür erhaltnen Gelde die Notwendigkeiten anschaffen zu können, ohne die er schlechterdings hätte umkommen müssen. Allmalig erzeugte sein Unglük in ihm den gif­ tigsten Grell gegen alle. Menschen, und sein Herz ward allen Freuden des Lebens so abgeneigt, daß es ihn wenig kümmerte, wie bald er sein elendes Dasein aufgäbe. Wiewohl er täglich auffallende Beispiele vom Wechsel des Glüks vor Augen hatte, so konnte er doch nie den Gedanken ertragen lernen, wie seine Leidensgenossen auf der niedrigsten Stufe der Abhängigkeit zu leben. Wenn er Aeusserungen von seinen Verwandten und vertrauten Freunden verweigert hatte, denen er doch ehmals Verbindlich­ keiten erwiesen, so lässt sich gar nicht vermuten) daß er Vorschlägen von der Art Gehör geben sollen, die ihm von einigen seiner Mitgefangnen gethan wurden, mit denen er Bekanntschaft gemacht hatte. Er war sogar vorsichtiger denn je, sich Verbindlich­ keiten auszuladen; cr vermied jezt seine ehmaligen Tischgenossen, nm den rinailgenemen Freundschaft^ £•

anerbietunge» auszuweichen; und da er an dem Geistlichen Neigung wahrzunemen glaubte, den Zu­ stand seiner Finanzen kennen zu lernen, so benanr er ihm den Mut, weitre Erörterungen einzuzichn und lehnte dieselben ab. Zulezt schlvs er sich voir aller Gesellschaft aus.

Fünfzehntes Kapitel. Das Unglükögewölk fangt an sich zu zer­ theilen.

Andern er in diesem verlaffnen Zustande schmachte­ te und eben so viel Abscheu vorder Welt als vor sich selbst enipfand, kam Hauptmann Gauntlrt in L v nd o n an. Er wollte sich für seine weitre Beförde­ rung bei der Armee verwenden und gab sich auf be­ sondern Betrieb seiner Frau alle Mühe, peregrint’it auszuforsche». Er selbst fühlte Drang sich mit ihm auszusöhneii, sollt' eS ihm auch sogar eine klei­ ne Demütigung kosten. Allein an dem Orte, wo man ihn hingewiesen hatte, konnt' er keine Nach­ richt von ihm erhalten. Daraus schlvs er: «nstr

anerbietunge» auszuweichen; und da er an dem Geistlichen Neigung wahrzunemen glaubte, den Zu­ stand seiner Finanzen kennen zu lernen, so benanr er ihm den Mut, weitre Erörterungen einzuzichn und lehnte dieselben ab. Zulezt schlvs er sich voir aller Gesellschaft aus.

Fünfzehntes Kapitel. Das Unglükögewölk fangt an sich zu zer­ theilen.

Andern er in diesem verlaffnen Zustande schmachte­ te und eben so viel Abscheu vorder Welt als vor sich selbst enipfand, kam Hauptmann Gauntlrt in L v nd o n an. Er wollte sich für seine weitre Beförde­ rung bei der Armee verwenden und gab sich auf be­ sondern Betrieb seiner Frau alle Mühe, peregrint’it auszuforsche». Er selbst fühlte Drang sich mit ihm auszusöhneii, sollt' eS ihm auch sogar eine klei­ ne Demütigung kosten. Allein an dem Orte, wo man ihn hingewiesen hatte, konnt' er keine Nach­ richt von ihm erhalten. Daraus schlvs er: «nstr

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299

)

Held mässe seinen Siz auf dem Lande aufgeschlage» haben, und beschäftigte sich demnach wieder mit seinen eignen Angelegenheiten, in der Absicht sei­ ne Nachforschungen wieder anrufangen, wcnnersei« ne Sache in Richtigkeit gebracht hatte. Cr erösnete sein Gesuch seinem vermeinten Gön­ ner, der sich das Verdienst angemaafft hatte, ihm zur Hauptmannssteile verhelfen zu haben, und dem dafür ein ansehnliches Geschenk zu Theil geworden war. Dieser Herr schnieichelte ihm auch mit der Hofnung, daß er durch seinen Kanal seinen Zwek erreichen würde. Mittlerweile hatte ec mit einem von den Schrei­ bern aus der Kriegskammer Bekanntschaft gemacht, weil man ihm gesagt, das dessen Rat und Beistand ihm in seinem Plane behüstich sein würde. Wie er mit diesem Mann über die Aussichten sprach, die ihm waren gemacht worden, erfuhr er, daß der Lord, auf den er sich verlies, ein Mann ohne Einsius und gänrlich ausser Stande sei, seine Beförde­ rung ru bewirken. Zugleich äusserte der Ratgeber ihm sein Befremden, daß der Hauptmann Gauntlet nicht lieber den Peer um seine Fürsprache ansuche, dessen Verwendung er seinen jezigen Poste» ru ver­ sunken habe.

(

3oo

)

Diese Anmerkung führte eine Erläuterung herbei, wodurch Geoffuy zu seinem unendlichen Erstaunen den Irrthum entdekte, worin er so lange we­ gen seines Gönners gewesen war. Doch konnt' er den Beweggrund nicht erraten, der diesen Kavalier, mit dem er in reiner Bekanntschaft oder Verbin­ dung stand, sollte dahin vermocht haben, seinen Einflus ;u seinem Behuf zu verwenden. Wie dem aber auch sein mochte, so hielt eres für seine Schul­ digkeit, diesem Herrn seinen Dank dafür abzustatten. In der Absicht verfügt' er sich den folgenden Mor­ gen nach dessen Wohnung. Er wurde sehr höflich ausgenommen und erfuhr, daß Pickle derjenige sei, dessen Freundschaft er seine lezte Beförderung zu verdanken hatte. Man kann sie nicht beschreiben, die Regungen der Dankbarkeit, der Lieb' und der Reue, die sich Gauntlet's Seele bemächtigten, als dies Geheim­ nis sich vor ihm aufschlos. Gütiger Himmel! rief er mit emporgehobnen Handen, hab' ich so lange mit meinem Wohlthäter in Feindschaft gelebt? Schon eh'ich wusste, daß ich ihm diese Verbind­ lichkeit hatte, war ich gesonnen, mich mit ihmausrusöhnen, was auch die Bedingungen sein möchten. Nun aber werd' ich nicht eher einen Augenblik Ru-

t

301

)

he haben, als bis ich Gelegenheit gesunden, ihm meinen vollen Dank für seine heldenmütige Frenndschast zu llussern. Ich vermute aus der Art der Gunstbezeigung, die Ihre Herrlichkeit meinem Pickle haben widerfahren lassen, daß er Ihnen gut be­ kannt ist; und ich würde mich für ausserordentlich glüklich halten, wenn ich von Ihnen erfahren könn­ te, wo er wohl eigentlich anzutreffen sein mag. Der Mann, bei dem er vor einiger Zeit logirt hat, weis mir nicht zu sagen, wo er hingekommen ist. Der Peer, den so wohl diese edelmütige Selbst­ verleugnung von peregrinem, als auch die Fühlbar­ keit von dessen Freunde rührte, bedauerte das Unglük unsers Melden, und berichtete Gauntlete'n: Pickle habe über den Verlust seines Vermögens, das er durchgebracht, schon langst den Verstand verlohren und sei von seinen Gläubigern in's Fleet gesezt worden. Ob er aber noch in der Gefangen­ schaft lebe oder durch den Tod von seinen Wider­ wärtigkeiten sei befreit worden, könn' er nicht sa­ gen, weil er sich darnach nicht erkundigt habe. Kaum hatte Seoffry diese Nachricht erhalten, als er, dessen Blut vor Schmerz und Ungeduld auf­ zusprudeln begann, .um Verzeihung wegen seines plözlichen Weggehens bat und. den Lord augenblik--

(

302

)

lich verlies. Er feste sich wieder in seine Mietskutfche und befal ihn grade nach dem Fleet ju fah­ ren. Wie der Wage» auf der einem Seite des Marktes fortrvllte, erstaunt' er über den Anblik von Hatchway und Pipes. Beide standen in fchmuzkgen Nachtmüzen, die halb mit den Hüten bebest

innren, und einen kurzen Pfeifcnstummel im Mun­ de, an einer Gärtnerbude und boten auf Blumen­ kohl. Gauntlet freute sich, die beiden Seeleute zu

erblikken, denn er hielt es für ein glüklicheSOmeit, feinen Freund zu finde». Er lies de» Kutscher still halte» und rief den Lieutenant bei Namen. Iack erwiderte diesen Zuruf mit einem Hilloah, blikte

sich um und erkannte das Gesicht feines alten guten Bekannten. Mit grossem Eifer lief er auf die Kut­ sche zu, und schüttelte dem Hauptmanne herzlich

Sie Hand. Zapperment, sagte er, 's is mir lieb, daß Du «ns endlich »fliessen duhst. Nu werden wir im Stande fein, 's rechte Gewicht vom Schiffe zu fin­ den um es in 'n ander Fahrwasser zu bringen. Ich meines Parts habe zu meiner Zeit manch' ehrliches Bruderherz von Kam'raden gehabt un 'n zu een oder

andern Zeit wieder h'rum steuern können. Abers

Sie halsstarrige Kröte da frägt viel nach ’m Ruder

(

303

)

noch nach 'en Brassen; un wird, denk' ich, da ru Grunde sinken, wo er vorAnker liegen dubr. Gauntlet, derIack's Meinung zum Theilver­

ssand, stieg sogleich aus und ging mit Hatchway und Tom nach dem Logis des Seemanns. Hier erfuhr er alles, was zwischen dem Lieutenant und

peregrine'n vorgcsallen war. Dafür theilt' er sei«

ner Seils ^atchway'n die Entdckkung mit, die er in Betref seiner Beförderung gemacht hatte. Jack gab keine Zeichen der Derwundrung von

sich, sondern nam seinen Stummel aus dem Mun­ de und sagte: Seht Ihr Kaptckn, das iS nich daS

eenz'ge Freundsstük, dat Ihr 'm zu danken habt« Das Geld, was Ihr als 'ne vhle Schuld vom Lom-modore kriegtet, war ’n blosser Schneller, den

Pickle Euch zu Liebe ersonnen. Er abcrs will lie­ ber ohne Segel un Takelage un ohne eenen Bissen

am Bord in die wilde See h'naustreiben, als von irgend 'nem Menschen Beistand annemen duhn. Dieser Aufschlus erstaunte Geossriy'n nicht nur, sondern krcknkte ihn auch. Sein Stolz ward da­

durch beleidigt und seineBegierde angespornt, pickle'n die vielen Verbindlichkeiten, die er ihm hatten

eiiil'germaassen zu vergelten. Er erkundigte sich nach der gegenwärtigen Lage des Gefangnen, und ver-

(

304

)

rram: er' sei unbaö, mit ben gemeinsten Notwendigfeiten .des Lebens nur mittelmässig versehn, und dennoch stets taub gegen alle und jede DiensterbieLungen. Er fing an bei dieser Erzälung von pickle's rauher Hartnäkkigkeit und Stolz äusserst bekümmert zu werden. Beides, war ihm bange, würde ihm hinderlich fein, fein Vorrecht, ihn in feinen Drang­ salen zu unterstüzen, auszuüben. Inzwischen beschlos er, fein Mittel unversucht zu lassen, das zur Zernichtung eines so verderblichen Vorurtheils dienen konnte. Er ging in den Kerker und ward nach dem Ge.mach des unglüklichen Gefangnen gewiesen, an des­ sen Thüre er sanft anklopste. Voll Schrek und Er­ staunen fuhr er zurük, als sie geöfnet ward. Die Gestalt, die ihm unter die Augen trat, war der Ueberrest feines einst glüklichen Freundes; aber so kläglich verunstaltet, daß seine Züge kaum noch zu erkennen, waren. Der blühende, muntre, schim­ mernde, hochbrüstige Jüngling, war in ein bleiches, hohläugiges, niedergeschlagnes, hagres, fchmuziges Gespenst verwandelt und das lebendige Bild der Krankheit, des Mangels und der Verzweiflung. Doch hatten feine Augeg noch eine gewisse Wildheit, die durch fein bewölktes Gesicht einen düstern Glan warf»