Neue Christologische Untersuchungen
 9783110647419, 9783110644920, 2019930903

Table of contents :
Vorwort
Gedenkrede für Luise Abramowski im Akademischen Festakt, Tübingen, 23. Januar 2019
Inhaltsverzeichnis
1 Studien zur Handschrift British Library add. 12156, insbesondere Theodor von Mopsuestia, De incarnatione
1.1 Zur geplanten Ausgabe von Brit. Mus. add. 12156
1.2 Die Anakephalaiosis zum Panarion des Epiphanius in der Handschrift Brit Mus. Add. 12156
1.3 Über die Fragmente des Theodor von Mopsuestia in Brit. Libr. add. 12.156 und das doppelt überlieferte christologische Fragment
1.4 Die Reste der syrischen Übersetzung von Theodor von Mopsuestia, De Incarnatione, in Add. 14.669
1.5 Theodor von Mopsuestia
2 Babai der Große
2.1 Die Christologie Babais des Großen
2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen
3 Weitere Einzelstudien zur syrischen Kirchengeschichte (nach 1992 entstanden)
3.1 Die liturgische Homilie des Ps. Narses mit dem Messbekenntnis und einem Theodor-Zitat
3.2 Zu den Schriften des Michael Malpana / Badoqa
3.3 Narsai, Ephräm und Kyrill über Jesu Verlassenheitsruf Matth. 27,46
3.4 „Der Stupor, der das Gebet unterbricht“ Euagrius, Cent. Suppl. 30, in Übersetzung, Original (?) und Interpretation
3.5 Martyrius-Sahdona and Dissent in the Church of the East
3.6 Die nachephesinische Christologie der edessenischen Theodorianer
3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch der Kirche des Ostens
4 Ältere Beiträge zur syrischen Kirchengeschichte (vor 1992 entstanden)
4.1 Ein unbekanntes Zitat aus Contra Eunomium des Theodor von Mopsuestia
4.2 Ps.-Nestorius und Philoxenus von Mabbug
4.3 Dadisho Qatraya and his Commentary on the Book of the Abbas Isaiah
5 Beiträge zur Dogmengeschichte des 4.–6. Jahrhunderts
5.1 Die dritte Arianerrede des Athanasius Eusebianer und Arianer und das westliche Serdicense
5.2 Was hat das Nicaeno-Constantinopolitanum (C) mit dem Konzil von Konstantinopel 381 zu tun?
5.3 The History of Research into Nestorius
5.4 Der Christusglaube der Konzilien
5.5 Der Geist als „Band“ zwischen Vater und Sohn – ein Theologoumenon der Eusebianer?
5.6 Die Sitzung des Konzils von Ephesus am 22. Juli 431 „Über die Befestigung des Symbols der heiligen Väter von Nicäa und über den vom Presbyter Charisius übergebenen Libellus“
5.7 Nicänismus und Gnosis im Rom des Bischofs Liberius: Der Fall des Marius Victorinus
5.8 Concilium Ephesenum – 431
5.9 „Audi, ut dico“ Literarische Beobachtungen und chronologische Erwägungen zu Marius Victorinus und den „platonisierenden“ Nag Hammadi-Traktaten
Verzeichnis der Ersterscheinungsorte
Bibliographie
Quellenverzeichnis
Bibelstellen
Namen
Sachregister

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Luise Abramowski Neue christologische Untersuchungen

Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften

Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur (TU) Archiv für die Ausgabe der Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte Begründet von O. von Gebhardt und A. von Harnack Herausgegeben von Christoph Markschies

Band 187

Luise Abramowski

Neue christologische Untersuchungen

Bearbeitet von Alexander Schilling Herausgegeben von Volker Henning Drecoll, Hanns Christof Brennecke und Christoph Markschies

Herausgegeben durch die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften von Christoph Markschies

ISBN 978-3-11-064492-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-064741-9 ISSN 0082-3589 Library of Congress Control Number: 2019930903 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Dörlemann Satz, Lemförde Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Hanns Christof Brennecke, Volker Henning Drecoll, Christoph Markschies

Vorwort    Vorwort

Nach längerer Krankheit starb am 3. November 2014 in Tübingen Luise Abramowski, weltweit anerkannte Spezialistin für die Dogmen- und Theologiegeschichte der christlichen Antike, insbesondere aber für die antiochenische Tradition, Nestorius und die Kirche des Ostens. Bereits der schmale Band „Drei christologische Untersuchungen“1 zeigte nicht nur das dogmengeschichtliche Interesse der Autorin, sondern auch ihre Selbständigkeit im Blick auf die Gnosisforschung wie auch für die Rekonstruktion der christologischen Diskussionen. In Gesprächen mit Luise Abramowski am Krankenbett kam die Frage auf, was denn wohl aus ihrer unvollendeten Edition der syrischen Fragmente der Schrift De incarnatione des Theodor von Mopsuestia in der Handschrift British Library add. 12.156 werden könne. Daraus entstand die Idee, den akademischen Gedenkakt der Evangelisch-Theologischen Fakultät Tübingen – wohin sie, 1928 in Ostpreußen geboren und in Riga aufgewachsen, nach ihrer Zeit als Seminarassistentin in Bonn und der Prägung durch den von ihr sehr verehrten Reformationshistoriker Ernst Bizer 1974 berufen worden war und wo sie bis 1995 lehrte – mit der Vorstellung eines Sammelbandes von Beiträgen dieser besonderen Forscherin zu verbinden.2 In diesem Band sollte einerseits die genannte Edition der Theodorfragmente veröffentlicht werden, andererseits aber auch eine Reihe von weiteren Aufsätzen, die nicht in dem 1992 erschienenen Aufsatzband „Formula and Context“3 enthalten waren. Die von Luise Abramowski bevorzugte Gattung war der Aufsatz, wobei sie sowohl kurze Bemerkungen zu spezifischen Problemen auf wenigen Seiten veröffentlichte als auch lange, vielfach überarbeitete und mit Marginalien ergänzte Manuskripte einreichte, die den Setzer (oder auch schon die Assistenten) vor besondere Herausforderungen stellten. Bei der Auswahl der Aufsätze für den neuen und abschließenden Sammelband war es daher den Herausgebenden – dem Nachfolger von Frau Abramowski und ihren beiden Assistenten – ein Anliegen, einerseits die genannte Edition der Theodor-­ Fragmente abzuschließen und damit eng zusammenhängende Untersuchungen zusammenzustellen, andererseits aber auch Aufsätze zur Christologie, so besonders zu Babai dem Großen, aber auch zur syrischen Kirchengeschichte bzw. der Kirche

1 L. Abramowski, Drei christologische Untersuchungen (Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 45), Berlin 1981. 2 Zu ihrem eigenen Blick auf ihren wissenschaftlichen Werdegang vgl. L. Abramowski, Dogmengeschichte und Literarkritik, in: D. Meyer (Hg.): Kirchengeschichte als Autobiographie. Ein Blick in die Werkstatt zeitgenössischer Kirchenhistoriker, Bd. 2 (Schriften des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte 154), Köln 2002, 1-15. 3 L. Abramowski, Formula and Context. Studies in Early Christian Thought, Variorum Collected Studies Series, Hampshire/Brookfield 1992. https://doi.org/10.1515/9783110647419-100

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 Hanns Christof Brennecke, Volker Henning Drecoll, Christoph Markschies

des Ostens und der Dogmengeschichte des vierten und fünften Jahrhunderts zu vereinen. Grundlage der Auswahl war das Verzeichnis ihrer Veröffentlichungen in der ihr gewidmeten Festschrift unter dem Titel „Logos“, das dann in dem ihr gewidmeten Sonderheft der „Zeitschrift für antikes Christentum“ ergänzt worden war4. Der erwähnte Gedenkakt der Tübinger Evangelischen Fakultät für Luise Abramowski fand am 23. Januar 2019 statt. Die akademische Gedächtnisvorlesung mit dem Titel „Die Anfänge der antiochenischen Theologie“ hielt im Anschluss an Worte der Fakultät und aus dem Schülerkreis Hanns Christof Brennecke. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Alexander Markus Schilling, der selbst von Luise Abramowski geprägt worden war und den sie sich selbst als Bearbeiter vorstellen konnte, die Aufsätze digitalisiert und das komplexe Konvolut der Theodorfragmente aufgearbeitet. Trotzdem konnte der Band leider nicht mehr, wie ursprünglich vorgesehen, im Jahr des akademischen Gedenkaktes erscheinen, sondern wurde erst jetzt fertiggestellt, mit Registern versehen und zum Druck gebracht. Die Aufsätze wurden dabei weitestgehend so belassen, wie sie im Erstdruck waren, mit den spezifischen Eigenarten und damit auch auf dem jeweiligen Forschungsstand und in den Formalia des ursprünglichen Veröffentlichungsortes. Nur bei der Edition der Theodor-Fragmente wurden die Verweise auf die inzwischen erfolgte Drucklegung der Edition der Fragmente des Leontius von Byzanz durch Brian E. Daley und die praktische Zusammenstellung der griechischen und lateinischen Theodorfragmente durch Till Jansen nachgetragen.5 Andere Verweise (etwa auf inzwischen erschienene, damals noch unveröffentlichte Aufsätze) wurden in eckige Klammern gesetzt. Ziel war es, zu vermeiden, dass der Blick auf die Forschungen dieser einzigartigen Lehrerin durch ἁλμυραὶ ἐπιρροαί6 getrübt werden würde. Auch für die Einträge im Register wurden die der Autorin geläufigen Namen weitgehend beibehalten. Dank gebührt besonders dem ursprünglichen Bearbeiter, Herrn Alexander Markus Schilling, der die Artikel eingescannt, geprüft und zum Druck vorbereitet hat. Außerdem hat er die fehlenden oder von Luise Abramowski nur handschriftlich skizzierten Synopsen für die Edition der Theodorfragmente erarbeitet. Für Hinweise danken wir außerdem Herrn Privatdozenten Dr. Nestor Kavvadas und Frau Prof. Dr. Dr. h.c. Theresia Hainthaler. Den finalen Textzustand verantwortet Volker Henning Drecoll. Für die 4 C. Markschies, Bibliographie Luise Abramowski, in: H. C. Brennecke/E. L. Grasmück/C. Markschies (Hgg.): Logos. Festschrift für Luise Abramowski zum 8. Juli 1993 (Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 67), Berlin 1993, 619–632; Bibliographie Luise Abramowski, Zeitschrift für antikes Christentum 12 (2008) 5–9. 5 B. E. Daley, Leontius of Byzantium. Complete Works. Edited and Translated, with an Introduction (Oxford Early Christian Texts), Oxford 2017; T. Jansen, Theodor von Mopsuestia, De incarnatione. Überlieferung und Christologie der griechischen und lateinischen Fragmente einschließlich Textausgabe (Patristische Texte und Studien 65), Berlin 2009, 210–291. 6 Vgl. Gregor von Nazianz, De vita sua 1707 (Gregor von Nazianz, De vita sua. Einleitung, Text, Übersetzung, Kommentar. Hg., eingeleitet und erklärt von C. Jungck [Wissenschaftliche Kommentare zu griechischen und lateinischen Schriftstellern], Heidelberg 1974, 136).



   Vorwort 

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finanzielle Ermöglichung des Projekts danken wir der Gertrud-und-Alexander-Böhlig-­ Stiftung für einen namhaften Zuschuss. Dem Verlag de Gruyter, namentlich Herrn Dr. Albrecht Döhnert, danken wir für das freundliche Interesse, das der Verlag auch postum für seine Autorin unter Beweis gestellt hat, und sein besonderes Engagement bei diesem nicht einfachen Manuskript. Bei der Erarbeitung des vorliegenden Sammelbandes ist den Herausgebern der stets eigene Wege suchende Arbeitsstil von Luise Abramowski ebenso deutlich noch einmal vor Augen getreten wie die Tatsache, dass sie oft wie selbstverständlich voraussetzte, was für andere, weniger Eingeweihte erst mühsam herauszufinden war. Sehr ausführliche Zitate, umfassende Belege und lange Listen von Sekundärliteratur in umfangreichen Fußnoten waren ihr regelrecht zuwider. Diesen sparsamen wissenschaftlichen Stil pflegte sie zeitlebens sehr bewusst und empfahl ihn auch dem akademischen Nachwuchs: „Wenn Sie nichts Neues zu sagen haben, sollten Sie auch nichts veröffentlichen“, riet sie einem ihrer frisch habilitierten Schüler zum Beginn seines selbständigen akademischen Lebensweges. Lehrbücher waren daher ihre Sache nicht. Heutige Wissenschaft arbeitet zumeist anders. Aber die Fähigkeit von Luise Abramowski, aus Einzelbeobachtungen am Text übergreifende Thesen zu entwickeln und zu verfolgen, ist nach wie vor ebenso beeindruckend wie die Fähigkeit, besonders auch in der syrischen Kirchengeschichte Schneisen geschlagen und Linien gezogen zu haben. Dies wird auch in ihren noch zu veröffentlichenden Beiträgen in dem großen Sammelwerk „Jesus der Christus im Glauben der Kirche“ von Alois Grillmeier und Theresia Hainthaler deutlich hervortreten. Dass der vorliegende Sammelband die Forschungen von Luise Abramowski zusammenführt und gut zugänglich macht, verbinden die Herausgeber mit der Hoffnung, dass ihre Studien auch künftig vielfach anregend wirken mögen. im November 2020 Hanns Christof Brennecke, Erlangen-Nürnberg Volker Henning Drecoll, Tübingen Christoph Markschies, Berlin

Christoph Markschies

Gedenkrede für Luise Abramowski im Akademischen Festakt, Tübingen, 23. Januar 2019 „Dogmengeschichte und Literarkritik“  – mit diesen Worten hat Luise Abramowski einen autobiographischen Beitrag überschrieben, der kurz nach der letzten Jahrtausendwende in einem Sammelwerk eher selbstreferentieller Texte damals zeitgenössischer Kirchenhistoriker veröffentlicht wurde1. Die Überschrift „Dogmengeschichte und Literarkritik“ ist treffend und ihre Autorin hat, wie ich bezeugen kann, immer wieder einmal erwogen, sie als Titel über Veröffentlichungen zu setzen, beispielsweise über ihre ins Englische übersetzten Aufsätze2. Die Überschrift „Dogmengeschichte und Literarkritik“ ist treffend, weil sie tatsächlich das Spezifikum der Tübinger Ordinaria beschreibt, zu deren akademischem Gedächtnis wir uns versammelt haben. Auch wenn die Auswahl in dem Sammelband „Kirchengeschichte als Autobiographie“, in dem „Dogmengeschichte und Literarkritik“ veröffentlicht wurde, etwas beliebig wirkt, reicht es, Kollegen-Namen zu nennen, um zu erkennen, dass in der Kombination beider Zugriffe auf Vergangenheit eine Pointe (aber natürlich auch nur eine Pointe) der Arbeiten meiner akademischen Lehrerin im Vergleich zu ihren Altersgenossen und deren Lehrern im Fache lag. Wilhelm Schneemelcher und Friedhelm Winkelmann veröffentlichen im selben Band und repräsentieren die Berliner Traditionen Hans Lietzmanns, also die Traditionen einer Kombination von Textedition, dogmengeschichtlicher Detailarbeit und mehr oder weniger umfangreichen erzählerischen Entwürfen3. Robert Stupperich erwähnt dankbar Karl Holl, einen anderen großen Berliner Kirchenhistoriker, bis auf den heutigen Tag Leitstern mancher Reformationshistoriker4. Luise Abramowski gehörte in keine dieser Traditionslinien. Im genannten Beitrag verschweigt sie, wer ihre überraschende Kombination einer

1 L. Abramowski, Dogmengeschichte und Literarkritik, in: D. Meyer (Hg.): Kirchengeschichte als Autobiographie. Ein Blick in die Werkstatt zeitgenössischer Kirchenhistoriker, Bd. 2 (Schriften des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte 154), Köln 2002, 1–15. – Die Tübinger Worte für Luise Abramowski wurden lediglich durch Fußnoten ergänzt, der Charakter der mündlichen Rede blieb bewahrt. 2  L. Abramowski, Formula and Context. Studies in Early Christian Thought, Variorum Collected Studies Series, Hampshire/Brookfield 1992. 3 W. Schneemelcher, Rückblicke, Erinnerungen und Betrachtungen, in: D. Meyer (Hg.): Kirchengeschichte als Autobiographie. Ein Blick in die Werkstatt zeitgenössischer Kirchenhistoriker, Bd. 2 (Schriften des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte 154), Köln 2002, 257–326 sowie Friedhelm Winkelmann, Als Kirchenhistoriker in der Berliner Akademie der Wissenschaften, in: ebd., 367–406. 4 R. Stupperich, Mein Lebensweg von Moskau und vom Ural bis Westeuropa, in: D. Meyer (Hg.): Kirchengeschichte als Autobiographie. Ein Blick in die Werkstatt zeitgenössischer Kirchenhistoriker, Bd. 1 (Schriften des Vereins für Rheinische Kirchengeschichte 138), Köln 1999, 371–396. https://doi.org/10.1515/9783110647419-101



Gedenkrede für Luise Abramowski 

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Zugriffsweise der historischen und systematischen Theologie mit einer Methode der exegetischen, vor allem der deutschen alttestamentlichen Wissenschaft als Lehrer grundgelegt hat. Ihre Autobiographie beginnt, ganz wie es ihre nüchterne, ostpreußisch geprägte Art war, mit dem Satz: „Geboren 8. Juli 1928 in Ostpreußen, Schuljahre in Riga, Lyck (Ostpreußen) und Potsdam. Dort Abitur 1946“5. Man hätte es durchaus ausführlicher formulieren können und die ersten achtzehn Lebensjahre durchaus detaillierter beschreiben können, mindestens in einem autobiographischen Essay, und das zweimalige „Ostpreußen“ fällt in der dürren Aufzählung durchaus auf. Und auch Riga war ihr eigentlich wichtig und sie erzählte gelegentlich von der Armut im reformierten Pfarrhaus und vom Neid auf den Reichtum der lutherischen Amtskollegen ihres Vaters. Anlässlich ihres achtzigsten Geburtstags exegesierte sie für die festliche Versammlung im Speisesaal des Tübinger Stifts anstelle des wissenschaftlichen Vortrags eine im Antiquariat erworbene Postkarte in die lettische Hauptstadt nach allen Regeln der Kunst6. Über all das steht im erwähnten Beitrag unter der Überschrift „Dogmengeschichte und Literarkritik“ praktisch nichts zu lesen, „weil ich es zu langweilig fand für mich“. So hat Frau Abramowski mir handschriftlich in ihrer klaren, feinen Handschrift auf den Sonderdruck geschrieben. Was für sie langweilig war, hielt sie selbst nicht schriftlich fest, obwohl es für andere durchaus höchst interessant gewesen wäre. Wenn man verstehen will, warum von Beginn des Studiums in Bonn an die Literarkritik zur Dogmengeschichte trat, muss man die erste Seite der „Geschichte Israels“ aufschlagen, die Martin Noth, seit 1945 Ordinarius für Altes Testament in Bonn, 1950 im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht publizierte. „Für freundliche Hilfe beim Korrekturlesen und für die Anfertigung der Register danke ich Fräulein stud. theol. Luise Abramowski in Bonn, der Tochter meines Freundes Rudolf Abramowski, der 1945 aus seiner Gemeinde und aus seiner wissenschaftlichen Arbeit plötzlich und für uns allzu früh abberufen wurde“7. Abberufen? „Auf dem Wege zur Deportation in die sowjetische Kriegsgefangenschaft jämmerlich erfroren“, so hat Luise Abramowski mündlich den schlimmen Verlust des sie prägenden Vaters knapp beschrieben, dessen (ihm ursprünglich von Erich Seeberg gestelltes) Dissertationsthema sie mit ihrer 1955 abgeschlossenen Bonner Dissertation aufgenommen und bearbeitet hat8. Martin Noth hat mit Hilfe der

5 Abramowski, Dogmengeschichte und Literarkritik, 1. 6 R. Abramowski/E. Cube, Chronik der deutsch-reformierten Gemeinde in Riga, hg. im Auftrag des Presbyteriums, Göttingen 1933. 7 M. Noth, Geschichte Israels, Göttingen 1950, 5. 8 L. Abramowski, [Vorwort zu:] H. C. Brennecke, Bibliographie Rudolf Abramowski, in: H. C. Brennecke/E. L. Grasmück/C. Markschies (Hgg.): Logos. Festschrift für Luise Abramowski zum 8. Juli 1993 (Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 67), Berlin 1993, 633 (Bibliographie: 634–640). Zur Geschichte ihres Dissertationsthemas: L. Abramowski, Untersuchungen zum Liber Heraclidis des Nestorius (Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium 242 = Subsidia 22), Louvain 1963, 11  f.

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 Christoph Markschies

literarkritischen Methode bekanntlich seine Überlieferungsgeschichte des Pentateuch entwickelt und seine Hypothese eines deuteronomistischen Geschichtswerks formuliert. Man sieht an einem Studienfreund von Luise Abramowski, an Rudolf Smend, wie sehr solche Bonner alttestamentlichen Anregungen auch anderswo bis in die Gegenwart gewirkt haben9. Ich will aber nun nicht ausführlicher über diese Dissertation sprechen, die ein erster Beleg für die Bedeutung der Literarkritik für die Dogmen- und Theologiegeschichte ist: Der sogenannte Liber Heraclidis kann dann und nur dann als Quelle für die Rekonstruktion der Theologie des Nestorius herangezogen werden, wenn man den komplexen Wachstumsprozess des uns heute in einer Handvoll syrischer Handschriften überlieferten Textes in Anschlag bringt; Alois Kardinal Grillmeier hat vor vielen Jahren die gründlichen Untersuchungen von Frau Abramowski zu den drei Etappen des Wachstums auf zweieinhalb Seiten knapp zusammengefasst10. Mir begegnete diese Form der Kombination von Dogmengeschichte und Literarkritik als Tübinger Student in den späten achtziger Jahren nicht in der syrischen Lektüre, die Frau Abramowski bis fast zur Jahrtausendwende regelmäßig hielt (dort lasen wir die Didascalia apostolorum in einer gerade erschienenen Edition11 und nicht den Liber Heraclidis), sondern in der Vorlesung zur Dogmengeschichte, die an vier Nachmittagen jeweils fünfundvierzigminütig gehalten wurde. Aus den Lehrveranstaltungen erwuchsen ihre Aufsätze und in die Lehrveranstaltungen wurden diese Aufsätze wieder im Modus des Selbstreferates hineingetragen. Sowohl in den Vorlesungen „Dogmengeschichte I/1“ als auch „Dogmengeschichte I/2 (Antike nach Chalzedon)“ und ebenso im Spezial-Kolleg „Gnosis“ erlebte man ihre spezifische Kombination von „Dogmengeschichte und Literarkritik“. Ein einziges Beispiel: Frau Abramowski hatte in dem häresiologischen Kompendium des stadtrömischen Theologen Hippolyt (mir sei einmal diese vereinfachende Charakterisierung gestattet) einen „gnostischen Logostheologen“ als Redaktor eines Quellenkomplexes entdeckt12, also wieder drei Ebenen – Hippolyt, gnostisches Sondergut und Logosredaktor – eines literarischen Wachstums hervorgehoben und mit ihrem kleinen grünen Stummelbleistift in der deutschen Übersetzung des Hippolyt die entsprechenden Abschnitte mit den Buch-

9 R. Smend, Martin Noth (1902–1968), in: ders., Kritiker und Exegeten. Portraitskizzen zu vier Jahrhunderten alttestamentlicher Wissenschaft, Göttingen 2017, 825–846. 10 A. Kardinal Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche. Bd. 1 Von der Apostolischen Zeit bis zum Konzil von Chalcedon (451), 2., verbesserte Aufl., Freiburg u.  a. 1982, 708–710. 11 The Didascalia Apostolorum in Syriac, Vol. I Chapters I–X, ed. by A. Vööbus (Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium 401 = Scriptores Syri 175), Louvain 1979 bzw. Vol. II Chapters XI–XXVI, ed. by A. Vööbus (Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium 407 = Scriptores Syri 179), Louvain 1979. – Das von Frau Abramowski reich annotierte Handexemplar, das in dieser Übung des Sommersemesters 1986 verwendet wurde, befindet sich inzwischen in meinem Besitz. 12 L. Abramowski, Ein gnostischer Logostheologe. Umfang und Redaktor des gnostischen Sonderguts in Hippolyts „Widerlegung der Häresien“, in: dies., Drei christologische Untersuchungen (Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 45), Berlin/New York 1981, 18–62.



Gedenkrede für Luise Abramowski 

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staben „R“ für Redaktor und „T“ für Tradition markiert; der nicht markierte Rest war Hippolyt, ihrer Ansicht nach jedenfalls13. Bevor ich meine akademische Lehrerin als Kirchenhistorikerin im Geiste von Martin Noth zurechtstilisiere, sollte ich wenigstens noch anfügen, wie sehr ihr Bonner akademischer Lehrer Ernst Bizer und dessen sehr spezifische Sicht auf die Anfänge der Reformation wie der Pointen der Theologie Martin Luthers ihre Arbeit prägte – immer wieder gern hat sie Lutherpredigten gelesen und damit das Problem der Identifikation von „Hauptschriften“ des Reformators durch die Schule Karl Holls mehr indirekt zum Ausdruck gebracht, immer wieder hat sie auch in das Neue Testament und in die Theologiegeschichte des Mittelalters ausgegriffen, nicht immer zum Vergnügen ihrer Kollegen.14 So viele Jahre nach ihrem Tode darf man vielleicht auch anfügen, dass sie zeitlebens trotz allen Interesses an Martin Luther eine nüchterne reformierte Christin war, die antiochenische Differenzierung zwischen göttlichen und menschlichen Seiten Jesu Christi auch in ihrer Gegenwart theologisch für die überzeugendere Form der christologischen Reflexion hielt und die alexandrinische Tradition ihr eher ferner lag15. Sie war, wie es Ostpreußen eben waren16, den Menschen herzlich zugetan17, konnte aber auch schroff werden und war verletzbar vor allem durch die Herabsetzung, die man im letzten Jahrhundert Frauen im akademischen Betrieb entgegenbrachte. Den Tübinger Ruf (inzwischen darf man es vielleicht öffentlich machen), hat sie im Jahre 1974 wider eigenes Erwarten nur erhalten, weil ein prominenter, von ihrer Gelehrsamkeit beeindruckter Systematiker der Fakultät beim zuständigen Referenten des Ministeriums in Stuttgart intervenierte und der spätere Generalsekretär des Stifterverbandes und Berliner Wissenschaftssenator die Liste der

13 Es handelte sich um: Des heiligen Hippolytus von Rom Widerlegung aller Häresien. Aus dem Griechischen übersetzt von K. Graf Preysing (Bibliothek der Kirchenväter, 1. R. 40) München 1922; inzwischen im Internet zugänglich unter: https://bkv.unifr.ch/works/116/versions/134/divisions/103673 (letzter Zugriff am 15.11.2020). 14 Entsprechende Nachweise finden sich in den beiden Bibliographien: C. Markschies, Bibliographie Luise Abramowski, in: H. C. Brennecke/E. L. Grasmück/C. Markschies (Hgg.): Logos. Festschrift für Luise Abramowski zum 8. Juli 1993 (Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 67), Berlin 1993, 619–632 sowie Bibliographie Luise Abramowski, Zeitschrift für antikes Christentum 12 (2008) 5–9. 15 Das merkte man vor allem dann, wie ich in meiner Predigt anlässlich ihrer Beerdigung am 14.11.2014 auf dem Tübinger Bergfriedhof gesagt habe, „wenn sie sich ein Herz fasste und immer noch ganz aufgeregt die Kanzel der Tübinger Stiftskirche erkletterte, um zu predigen“ im Akademischen Gottesdienst. 16 Da sie mehrfach recht brüsk abwies, „Doktormutter“ zu sein, und stets „Professor“ genannt werden mochte, nicht „Professorin“ (sie wollte, wie sie mir einmal sagte, den Beruf ihrer männlichen Kollegen ergreifen und nicht einen eigenständigen in einer weiblichen Form), wäre es ihr nicht recht gewesen, hier die weibliche Form „Ostpreußin“ anzufügen. 17 Insbesondere Studentinnen, die während des Studiums ein Kind bekamen, unterstützte sie ebenso liebenswürdig wie großherzig.

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 Christoph Markschies

hohen Tübinger Fakultät kippte und den primo loco gesetzten Kollegen nicht berief18. Tempi passati. Auch die Emeritierung von Frau Abramowski am Ende des Wintersemesters 1994/1995 liegt schon wieder fast ein Vierteljahrhundert zurück. Nicht alles, was Luise Abramowski vollenden wollte, ist angesichts ihrer instabilen Gesundheit in den letzten Lebensjahren schon vollendet – so warten Beiträge für das von Theresia Hainthaler herausgegebene Werk „Jesus der Christus im Glauben der Kirche“ noch auf ihre Publikation mit den entsprechenden Bänden. Zu den vorbereitenden Materialien, die Frau Abramowski, gründlich wie stets und dem überhasteten Vielschreiben gänzlich abhold, in Angriff nahm, gehört ein Manuskript der syrischen Fragmente einer zentralen Schrift antiochenischer Theologie, des als Ganzem verlorenen Buches De incarnatione des Theodor von Mopsuestia. Auf dieses Manuskript, seine Geschichte und die Kontexte möchte ich kurz noch eingehen, weil die Zusammenhänge für die Autorin des Manuskripts höchst charakteristisch sind. Seit längerem war bekannt, dass Luise Abramowski an der syrischen Überlieferung von De incarnatione arbeitete. Etwas verwundert musste die Fachwelt dann aber zur Kenntnis nehmen, dass vor inzwischen fast zwanzig Jahren ein junger Göttinger Doktoratsstudent meinte, unter dem Buchtitel „Theodor von Mopsuestia, De Incarnatione“19 ausschließlich die griechischen und lateinischen Fragmente übersetzen und originalsprachlich erneut edieren zu können. Syriaca sunt, non leguntur. Keine syrisch geschriebene Zeile befindet sich in diesem Buch, das doch ein bis in die Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts noch vollständig in syrischer Übersetzung und beträchtlichen syrischen Fragmenten erhaltenes antikes Werk behandelt.20 Zu Lebzeiten erschienen die Vorarbeiten von Luise Abramowski für die Edition der syrischen

18 So mir gegenüber der spätere Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, Manfred Erhardt, damals Referent für die Universität Tübingen im Kultusministerium Baden-Württemberg, mündlich bei einem Gespräch im Februar 2006 in Berlin. Erhardt hat diese Sicht noch einmal bei einem Gespräch im Oktober 2019 bekräftigt. 19 T. Jansen, Theodor von Mopsuestia, De incarnatione. Überlieferung und Christologie der griechischen und lateinischen Fragmente einschließlich Textausgabe (Patristische Texte und Studien 65), Berlin 2009.  – Im Vorwort wird Luise Abramowski gedankt „für ein sehr motivierendes Gespräch, weiterführende Korrekturen und Hinweise sowie ihre Unterstützung bei der Veröffentlichung dieser Studie“ (aaO., VII). 20 Der Kollege Ekkehard Mühlenberg als Betreuer der Dissertation wies mich bei einem Gespräch nach dem Tübinger Festakt 2019 darauf hin, dass in der Klärung stemmatischer Verhältnisse durch die Arbeit ein Wert an sich liege und Frau Abramowski durchaus der Meinung gewesen sei, man könne nur die griechische und lateinische Seite der Überlieferung der Schrift Theodors studieren. Der hier vorgetragene kritische Einwand wird freilich nicht allein von mir geltend gemacht: „Leider scheint der Autor [sc. Jansen] des Syrischen (und des Armenischen) nicht mächtig, so dass er die Forschungsergebnisse der Grande Dame der deutschen Syrologie, Luise Abramowski, ungeprüft übernehmen muss. Überhaupt ist der Ausfall der syrischen Tradition, und zwar sowohl der monophysitischen wie auch der diophy­ sitischen, im Falle Theodor aufs heftigste zu beklagen“ (P. Bruns, Rez. Till Jansen: Theodor von Mopsuestia, De incarnatione, Sehepunkte 11 (2011), Nr. 3 (http://www.sehepunkte.de/2011/03/17540.html; letzter Zugriff am 15.11.2020). Ganz ähnlich äußert sich in seiner Rezension der Dissertation S. Gerber,



Gedenkrede für Luise Abramowski 

 XIII

Traditionen und ihre Übersetzung nicht mehr. Erst jetzt kann an die Seite der durchaus verdienstvollen Neuedition der griechischen und lateinischen Überlieferung durch Jansen und der Fragmente bei Leontius von Byzanz durch Daley21 eine neue Edition der beiden Reihen syrischer Fragmente der Schrift De incarnatione treten. Frau Abramowski kam auf dieses Thema ursprünglich im Zuge ihrer Vorarbeiten für die Ausgabe der berühmten syrisch-miaphysitischen Handschrift Brit. Mus. Add. 12156 für das Löwener „Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium“, zusätzlich herausgefordert durch die Aufgabe, ein Manuskript des römischen Jesuiten Raimund Köbert vom römischen Päpstlichen Bibelinstitut22 mit Übersetzungen der Fragmente für Kardinal Grillmeiers erwähntes Werk kritisch durchzusehen. Ihre handschriftlichen Vorarbeiten für eine grundlegende Revision der deutschen Übersetzung von Köbert übertrug der damalige Assistent 1990 erstmals in eine digitale Form (ein Lehrstuhlsekretariat war Frau Abramowski bei den Tübinger Verhandlungen nicht zugebilligt worden)23. Dank der Hilfe der Gertrud-und-Alexander-Böhlig-Stiftung, dank der Arbeit von Alexander Markus Schilling, Volker Drecoll und Hanns Christof Brennecke ist, was ich als Assistent einst in den Computer schrieb, nun zu einer veritablen Edition von syrischem Text und deutscher Übersetzung samt griechischen und lateinischen Parallelen im Apparat auf über fünfzig Seiten angewachsen. Angesichts der langen Veröffentlichungsdauer kann man nur darauf hinweisen, dass gut Ding bekanntlich Weile haben will, und hoffen, dass die hier nun vorgelegte Fassung einigermaßen dem entspricht, was sich Luise Abramowski zu Lebzeiten vorgestellt hatte. Der Band christologischer Untersuchungen, in dem diese erweiterte Edition der syrischen Fragmente Theodors erscheint, ist ein Zeichen des bleibenden Dankes von Volker Drecoll, Hanns Christof Brennecke und mir an unsere hochverehrte akademische Lehrerin bzw. Lehrstuhlvorgängerin, deren methodische Strenge und rigorose Gelehrsamkeit wir noch immer gelegentlich als Druck empfinden, aber deren attraktive Seiten uns ebenso immer bewusst sind, um ihre Worte über den eigenen Vater

in: Zeitschrift für Antikes Christentum 15 (2011) 539–542. Weitere Belege für diese Einschätzung könnten angefügt werden. 21 B. E. Daley, Leontius of Byzantium. Complete Works. Edited and Translated, with an Introduction (Oxford Early Christian Texts), Oxford 2017. 22 W. R. Mayer, In memoriam: P. Raimund Köbert SJ (1903–1987), Orientalia. Nova Series 57 (1988) 212–217. 23 In der „editorischen Notiz des Bearbeiters“ Alexander Markus Schilling (unten, S. 37  f.) ist diese Fassung als „Typoskript h)“ bezeichnet. Die Datumsangabe „(1. Manuskriptstufe, 30. Dezember 1990)“ wurde von mir seinerzeit gegenüber der handschriftlichen Vorlage eingefügt und sollte den damit erfolgten Beginn der elektronischen Erfassung von weiteren digitalen Bearbeitungsstufen unterscheiden helfen. Bis 1994 nahm Frau Abramowski aber nur noch handschriftliche Ergänzungen in diesem Ausdruck vor, die sie nicht mehr in die elektronische Fassung der Datei einfügen ließ. Der handschriftlich korrigierte Ausdruck (das Typoskript) gibt also vermutlich ihren Überlegungsstand aus dieser Zeit wieder.

XIV 

 Gedenkrede für Luise Abramowski

geringfügig zu modifizieren24. „Was wissen Sie über Vööbus als Editor?“, lautete die erste Frage in der erwähnten Syrisch-Übung über die Didascalia Apostolorum an eine Handvoll Studierende mittleren Semesters, die natürlich nichts, aber auch gar nichts über den estnischen evangelischen Theologen, Kirchenhistoriker und Orientalisten Arthur Vööbus und seine Verdienste als Editor wussten. Erst am Ende des Semesters, da wussten die Teilnehmenden nicht nur viel über eine bemerkenswerte spätantike Kirchenordnung, sondern auch etwas über Vööbus als Editor25. Für solche aus heutiger Perspektive wenig von didaktischer Kunst geprägten, aber höchst intensiven und einprägsamen Einführungen wie die hier beispielhaft vorgestellte sind vermutlich nicht nur die drei genannten Kirchenhistoriker Luise Abramowski bis heute dafür außerordentlich dankbar. Viele haben Grund, ihr bleibend dankbar zu sein. Ich illustriere, weil allzu viel Dank der magistra (wie Ernst Ludwig Grasmück zu sagen pflegte) gar nicht recht gewesen wäre, diese Zusammenhänge abschließend mit einer Anekdote. Als der schöne Vorlesungssaal im Tübinger Theologicum kurz vor der Einweihung stand, besuchte Frau Abramowski den nahezu fertiggestellten Raum und inspizierte vor allem das Vorlesungspult. Der nicht wenig stolze Architekt wartete gespannt auf einen freundlichen Kommentar zu dem eindrücklichen oktogonalen Bau und seinen sorgfältig ästhetisch gestalteten Details. Der Kommentar kam auch, aber er fiel ganz anders aus als erwartet: „Wie kann man“, sagte Frau Abramowski damals, „nur ein so unpraktisches Vorlesungspult hier hinstellen. Es lässt sich ja gar nicht in der Höhe verstellen“. So oder ungefähr so sprach sie und das unpraktische Vorlesungspult wurde prompt vom zerknirschten Architekten umgerüstet. Seither kann es in der Höhe verstellt werden – und nach dieser Geschichte werden mir auch die glauben, die das noch gar nicht wussten, dass es mindestens in Tübingen noch viele kaum bekannte gute Gründe gibt, Luise Abramowski dankbar zu sein. Die im Sammelband vorgelegten Aufsätze und Editionen zählen mit Sicherheit zu diesen kaum bekannten oder gänzlich unbekannten Gründen.

24 Abramowski, [Vorwort zu:] H. C. Brennecke, Bibliographie Rudolf Abramowski, 633. 25 Nahezu sicher bin ich mir aber, dass Frau Abramowski uns nichts darüber erzählte, dass ­Vööbus nicht nur an der estnischen theologischen Fakultät der Universität Tartu arbeitete (ders., The Department of Theology at the University of Tartu. Its Life and Work, Martyrdom and Annihilation [Papers of the Estonian Theological Society in Exile. Scholarly Series 14], Stockholm 1963), sondern auch an der „Luther-Akademie“, einem maßgeblich von Erich Seeberg, dem akademischen Lehrer von Rudolf Abramowski, bestimmten Versuch, wieder eine deutsche theologische Ausbildungsstätte am Ort zu errichten (diese Hochschule wurde 1931 gegründet und schloss 1938; S. Bitter, Umdeutung des Christentums. Der baltische Theologe Erich Seeberg im Nationalsozialismus, in: M. Garleff [Hg.]: Deutschbalten, Weimarer Republik und Drittes Reich, Bd. 1, 2., durchg. u. erg. Aufl., Köln u.  a. 2008, [267–296] 275-280). Laut Hinweis von Vööbus im ersten Band seiner Edition der Didaskalie (p. 10*) gehen die Vorarbeiten der Edition auf die Zeit zurück, die er in seiner Heimat verbracht hat.

Inhaltsverzeichnis  Vorwort  V Gedenkrede für Luise Abramowski  VIII

1

Studien zur Handschrift British Library add. 12156, ­insbesondere Theodor von Mopsuestia, De incarnatione

1.1

Zur geplanten Ausgabe von Brit. Mus. add. 12156  3

1.2

Die Anakephalaiosis zum Panarion des ­Epiphanius in der Handschrift Brit Mus. Add. 12156  10

1.3

Über die Fragmente des Theodor von Mopsuestia in Brit. Libr. add. 12.156 und das doppelt überlieferte christologische Fragment  22 Pater Köberts Übersetzung und sein Urteil über das berühmte doppelt überlieferte Fragment  22 Wie zuverlässig ist die Überlieferung der Schriften Theodors?  23 Die Fragmente Theodors in add. 12.156  27

1 2 3 1.4

Die Reste der syrischen Übersetzung von Theodor von Mopsuestia, De Incarnatione, in Add. 14.669  29

1.5

Theodor von Mopsuestia  37 Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums, übersetzt und erklärt  37 [Editorische Notiz des Bearbeiters]  37

2

Babai der Große

2.1 Die Christologie Babais des Großen  89 I.  89 II.  96 III.  102 2.2 I II III

Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen  111 Über die Gestalt des Auferstehungsleibes  111 Hypostasis und Prosopon  117 Christus und der Hl. Geist  130

XVI  IV V

 Inhaltsverzeichnis

Diskussion antiochenischer Grundbegriffe  139 Schluss: Die religiöse Grundeinstellung Babais  149

3

Weitere Einzelstudien zur syrischen Kirchengeschichte (nach 1992 entstanden)

3.1

Die liturgische Homilie des Ps. Narses mit dem Messbekenntnis und einem Theodor-Zitat  153

3.2

Zu den Schriften des Michael Malpana / Badoqa  166

3.3 Narsai, Ephräm und Kyrill über Jesu ­Verlassenheitsruf Matth. 27,46  175 1 Narsai  175 2 Ephräm und Narsai  178 3 Verlassensein und Nicht-Verlassensein – Unterscheidung und Einheit in Christus  183 4 Kyrill von Alexandrien  185 3.4

„Der Stupor, der das Gebet unterbricht“ Euagrius, Cent. Suppl. 30, in Übersetzung, Original (?) und Interpretation  195

3.5

Martyrius-Sahdona and Dissent in the Church of the East  208

3.6

Die nachephesinische Christologie der ­edessenischen Theodorianer  220

3.7

Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch der Kirche des Ostens  228 1 „Allgemeiner Bischof“ – episkopos katholikos  228 2 Patriarch  234 3 Mar Aba  243 3.1 Zusammenfassung  255 4 Das Protokoll der Synode von 424  256 5 Der „Briefwechsel des Katholikos Papa“ und die ­Sonderstellung von ep. VIII  271

Inhaltsverzeichnis 

 XVII

4

Ältere Beiträge zur syrischen Kirchengeschichte (vor 1992 entstanden)

4.1

Ein unbekanntes Zitat aus Contra Eunomium des Theodor von Mopsuestia  281

4.2

Ps.-Nestorius und Philoxenus von Mabbug  288

4.3

3 4 5

Dadisho Qatraya and his Commentary on the Book of the Abbas Isaiah  293 The „filioque“ in the procession of the Holy Spirit  294 Dadisho’s protest against the multiplication of hymns in the life of the solitaries  294 The solitaries and the meaning of scripture  296 Dadisho and the eskolayē  297 Theodore of Mopsuestia in Dadisho’s commentary  299

5

Beiträge zur Dogmengeschichte des 4.–6. Jahrhunderts

5.1

Die dritte Arianerrede des Athanasius. Eusebianer und Arianer und das westliche Serdicense  307 Die These Kannengiessers  307 Ctr. Ar. III 59–67: gegen eine Formel der Eusebianer  310 Ctr. Ar. III 1–25 und das „westliche“ Serdicense  313 Ursacius und Valens über das Leiden von Logos und Geist und der Text des Serdicense  316 Athanasius und der Hypostasenstreit  319 Ctr. Ar. III 26: Eine biblische Argumentation der Arianer  325

1 2

1 2 3 4 5 6 5.2 1 2 3 4 5 6

Was hat das Nicaeno-Constantinopolitanum (C) mit dem Konzil von Konstantinopel 381 zu tun?  331 Der theologische Tomus von 381  331 A.-M.  Ritter über die Entstehung von C  335 Theodor als neunicänischer Theologe nach seinen Katechesen  337 Theodor über das Nicaenum und seine Vervollständigung im III.  Artikel  340 Die Damasus-Briefe und die Subskription der großen ­Meletianersynode in Cod. Veron. LX  341 Eine römische Notiz über die Vervollständigung des Artikels über den Heiligen Geist im Nicaenum  343

XVIII 

 Inhaltsverzeichnis

7 8 9

Theodor über die „ökumenische“ Synode  345 Theodors Bekenntnis, die römische Formel und C.  346 Vom Romano-Nicaenum zum „Bekenntnis der 150 Väter“ in Chalcedon  349 Anhang A: Über das „Symbol der Kirche von Antiochien“ (Hahn § 130, Denzinger/ Schönmetzer Nr. 50)  352 Anhang B: Der Text von Theodors Symbol  357 5.3

The History of Research into Nestorius  363

5.4 1 2 3

Der Christusglaube der Konzilien  375 Die vier ökumenischen Konzilien  375 Vorstellung der Konzilstexte  376 Die theologische Problematik  379

5.5

Der Geist als „Band“ zwischen Vater und Sohn – ein Theologoumenon der Eusebianer?  399

5.6

Die Sitzung des Konzils von Ephesus am 22. Juli 431. „Über die Befestigung des Symbols der heiligen Väter von Nicäa und über den vom Presbyter Charisius übergebenen Libellus“  405

5.7

Nicänismus und Gnosis im Rom des Bischofs Liberius: Der Fall des Marius Victorinus  414

5.8

Concilium Ephesenum – 431  466

5.9

„Audi, ut dico“. Literarische Beobachtungen und chronologische Erwägungen zu Marius Victorinus und den „platonisierenden“ Nag Hammadi-Traktaten  472 I Marius Victorinus  472 II Barbelognostiker  481 III Chronologische Probleme  488 Verzeichnis der Ersterscheinungsorte  497 Bibliographie  499 Quellen  509 Bibel  520 Namen (Personen und Orte)  522 Sachregister  531

1 Studien zur Handschrift British Library add. 12156, insbesondere Theodor von Mopsuestia, De incarnatione

1.1 Zur geplanten Ausgabe von Brit. Mus. add. 12156 Die Verfasserin dieses Beitrags plant seit langem eine Ausgabe der berühmten syrisch-monophysitischen Handschrift Brit. Mus. add. 12156 für das Löwener Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium. Entgegen früheren Ankündigungen wird die Ausgabe die ganze Handschrift zum Inhalt haben, nicht nur den besonders bekannten Teil bis f. 91r. Das ganze Manuskript nämlich verdient als überlieferungsgeschichtliche Einheit im Sinne von Eduard Schwartz behandelt zu werden. Schwartz selber hat schon 1927 den Wunsch nach einem Abdruck des ganzen Textes geäußert,1 meint aber offensichtlich die Hauptpartie bis f. 91r (die Handschrift hat 137 Blätter). Doch eine Edition von f. 1–91 wäre in größerem Maßstab nur wieder das, was bisher schon häufig vorgenommen wurde: eine Teiledition.2 Vom schichtweisen Anwachsen der Sammlung bis zu ihrer jetzigen Gestalt kann man sich anhand einer Schematisierung ihres Inhalts eine Vorstellung machen, wobei es nützlich ist, wenn man sich von der Wrightschen Gliederung3 frei macht. Der Anfang der Handschrift ist wie üblich zerstört, f. 1 beginnt in einem der Florilegien des Timotheus Aelurus. I Narratio Timothei f. 1r II Epistulae Timothei f. 29v III Solutio definitionis Chalcedonensis Timothei f. 39v IV Solutio tomi Leonis Timothei f. 42v V Timotheus de conversione dyophysitarum f. 61r VI Collectio epistularum f. 63r VII Florilegium Edessenum f. 69r VIII Blasphemiae Diodori, Theodori, Nestorii f. 80r IX Collectio epistularum f. 90r X Cyrilli apologia ad Andream f. 91r XI Cyrilli apologia ad Theodoretum f. 107v XII Gregorius Thaumaturgus ad Theopompum f. 122v XIII Epiphanii Anacephalaiosis f. 129v4.

1 E.  Schwartz, Codex Vaticanus gr. 1431, eine antichalkedonensische Sammlung aus der Zeit Kaiser Zenos, Abh. Bayer. Akad. Wiss., phil-hist. Kl. XXXII, 6, München 1927, 131. 2 Die jüngste ist: R.  Y. Ebied–L.  R. Wickham, A collection of unpublished Syriac letters of Timothy Aelurus, Journ. Theol. Stud., N.  S. 21, 1970, 321–369, wo f. 29v–36v reproduziert und übersetzt werden, versehen mit Apparat und Einleitung. – Seither eine weitere Timotheusedition [L.  A. meint wohl R.  Y.  Ebied–L.  R.  Wickham, Timothy Aelurus: Against the Definition of the Council of Chalcedon, Orientalia Lovaniensia Analecta 18, 1985, 115–166, mit einer Edition von Nr. III – d. Red.]. 3 W.  Wright, Catalogue of Syriac Manuscripts in the British Museum, acquired since the year 1838, London 1870, 639–648. 4 Dazu jetzt L.  Abramowski, Die Anakephalaiosis zum Panarion des Epiphanius in der Handschrift Brit. Mus. add. 12156, Le Muséon 96, 1983, 217–230 [hier in diesem Band S. 10–21]. https://doi.org/10.1515/9783110647419-001

4 

 1.1 Zur geplanten Ausgabe von Brit. Mus. add. 12156

24

[24] Die Gruppe der Timotheus-Schriften (I–V)5 bildet eine überlieferungsgeschichtliche Einheit. Die Briefsammlung (VI + IX) scheint durch VII + VIII (Flor. Ed. und „Lästerungen“) nachträglich unterbrochen. Beide Gruppen der Briefe enthalten Stücke aus der Zeit zwischen den ephesinischen Konzilien, die in VI kompromittieren Theodoret, waren also im Drei-Kapitel-Streit zu gebrauchen, was aber nicht besagt, daß man sie dann erst zusammengestellt hätte. Die „Lästerungen“ der berühmtesten (oder in unserm Fall: der berüchtigtsten) Antiochener sind übrigens unter Beobachtung gleichmäßiger Proportionen zusammengestellt: jeder Autor liefert etwas über 30 Zitate; Diodor beginnt f. 80r, Theodor f. 83v, Nestorius f. 86v, und IX beginnt f. 90r. Der Kolophon f. 91r und die Seitenüberschriften der Handschrift schreiben alles Vorangehende, also I–IX, dem Timotheus zu; für den Kolophon der ganzen Hs. (f. 137v) besteht der Inhalt dementsprechend aus vier Teilen: Timotheus, Kyrill, Gregor Thaumaturgus, Epiphanius. Überlieferungsgeschichtlich bedeutet der Kolophon f. 91r, daß der Mann, dem wir die Sammlung in ihrem jetzigen Umfang verdanken, I–IX schon als eine Sammlung vorfand und sich gewiß nach ihrem Lemma richtete, das von einem Werk oder den Werken des Timotheus Aelurus sprach, ohne des Anhangs VI–IX zu gedenken. Wahrscheinlich ist das wieder Absicht des Kompilators von I–IX, der den Anhang VI–IX hinzufügte und ihn gerne unter dem Namen des Alexandriners mitlaufen ließ. Richtet sich die Tendenz von I–V gegen das Chalcedonense und gegen einen extremen Monophysitismus6, so erweitert der Anhang VI–IX dies durch seine gegen die Antiochener gerichtete Tendenz. An diesem Punkt der Überlieferung verschiebt sich der geographische „Sitz im Leben“ der Sammlung: wir befinden uns jetzt nicht mehr im Patriarchat von Alexandria, sondern im Patriarchat von Antiochien. Aus der Tendenz von VI–IX ergibt sich ferner, daß X–XIII keine zufälligen Hinzufügungen sind, sondern das in I–IX vorliegende Material bewußt ergänzen wollen: X und XI verstärken den anti-antiochenischen Akzent noch einmal erheblich, entsprechen also ganz den Absichten von VI–IX.  Außerdem war Kyrill die Hauptautorität für die von der ganzen Sammlung vertretene Richtung. Die Schrift des Gregor Thaumaturgus7 handelt das Problem ab, ob Gott leiden könne – das theopaschitische Thema durchzieht bekanntlich die christologischen Auseinandersetzungen während ihrer ganzen Dauer, ein sachlicher Zusammenhang ist also auch hier gegeben. Man kann ihn auch konkreter bestimmen: eine Abhandlung ehrwürdiger Herkunft über „das Leiden des Leidensunfähigen“ (vgl. den Titel von Crouzels Aufsatz) war eine erwünschte Unter-

5 Schwartz, a.a.  O. 126. 130, machte wie schon F.  Nau vor ihm darauf aufmerksam, daß die Schriften des Timotheus f. 63 enden und nicht erst f. 91. 6 Vgl. Schwartz, 129 und Ebied-Wickham, 327  f. 7 Jüngst untersucht von H.  Crouzel, La passion de l’impassible. Un essai apologétique et polémique du IIIe siècle, in: L’homme devant dieu. Mélanges H. de Lubac I, Paris 1963, 269–279; seither auch von der Verfasserin. [L.  A. denkt vermutlich an ihren Artikel ‚Das Bekenntnis des Gregor Thaumaturgus bei Gregor von Nyssa und das Problem seiner Echtheit‘, Zeitschrift für Kirchengeschichte 87, 1976, 145–166 – d. Red.].

24,  25

1.1 Zur geplanten Ausgabe von Brit. Mus. add. 12156 

 5

stützung für die Verfechter des theopaschitischen Zusatzes zum Trishagion, sei es für einen Petrus Fullo oder einen Philoxenus. Das Auftreten des Epiphanius (XIII) erkläre ich mir vorläufig so, daß er gewissermaßen als allgemein antihäretisches Ausrufezeichen an den Schluß gesetzt wurde. XII und XIII ist gemeinsam die Funktion der allgemein unbezweifelten Autorität von Schriftstellern aus der Zeit vor den [25] nestorianischen Streitigkeiten. Rein äußerliche Anknüpfungspunkte für die Hinzufügung von X–XIII sind dadurch gegeben, daß alle drei Autoren in einem oder mehreren der Florilegien von I–IX zitiert werden. Schematisch sieht das Anwachsen der Sammlung so aus: A = I–V B = VI+IX  [A+B (+c)]+D = add. 12156 c = VII+VIII        D = X–XIII An welchem Zeitpunkt dieser Entwicklung hat man sich den Eingriff der syrischen Übersetzung zu denken? Existierte A–D vollständig zunächst auf Griechisch? Schwartz8 ist der Meinung, daß „der Epitomator der Timotheosstücke mit dem nicht ganz ungelehrten Mann zu identifizieren“ sei, der die Sammlung bis f.  91r (nach meiner Zählung I–IX) zusammenstellte, und daß das jedenfalls noch griechisch erfolgt sei. Dies wird durch die Tatsache bestätigt, daß die Exzerpte aus dem Brief des Andreas von Samosata an Rabbula von Edessa nicht der syrischen Fassung des vollständigen Briefes9 entstammen können, da sie eine andere Übersetzung aufweisen. Die gängigsten biblischen Stichworte zur Christologie sind zwar identisch (obwohl es auch da einige Abweichungen gibt), aber die hatten beide Übersetzer natürlich im Kopf.10 Ob der weitere Zuwachs griechisch oder syrisch vor sich ging, bedarf noch der genaueren Untersuchung. Wrights Bemerkungen11 zu den Palimpsestblättern von Brit. Mus. add. 17198 legen irgendeine Beziehung dieser Blätter zur Handschrift add. 12156 nahe. Er sagt von ihnen: „The palimpsest portions of this volume12 originally formed part of a manuscript written in three columns in a small elegant Estrangela of the VIth cent. The older text is now most distinctly legible on foll. 27 and 28. Judging by the running title“ (sc. „Synode in Ephesus“), „arab., which is still visible on foll. 30a and 25b, at 8 A.a.  O. 131. 9 Nach Vat. Borg. Syr. 82 publiziert und mit italienischer Übersetzung versehen von F. Pericoli-Ridolfini, Rivista degli Studi Orientali 28, 1953, 153–169. 10 Was G.  G. Blum, Rabbula von Edessa, CSCO 300 (Subs. 34), Löwen 1969, S. 155 Anm. 15, meint, wenn er sagt: „Es wurde bisher noch nicht bemerkt, daß die von Overbeck wiedergegebenen Fragmente aus diesem Brief stammen“, wird mir nicht deutlich. Denn Pericoli-Ridolfini macht auf Overbecks Edition aus add. 12156 in seiner Einleitung aufmerksam, kennzeichnet die Exzerpte im syrischen Text durch eckige Klammern und notiert die Textdifferenzen im Anschluß an den Text. Die Tatsache der verschiedenen Übersetzung wird weder von ihm noch von Blum bemerkt. 11 A.a.  O. 503. 12 f. 1–6 und 23–32.

6 

 1.1 Zur geplanten Ausgabe von Brit. Mus. add. 12156

25, 26

the foot of the page, this manuscript contained, among other things, the Acts of one of the Councils of Ephesus. It also comprised the Anakephalaeosis of Epiphanius; at least there is written on foll. 24b and 29a, in slanting Greek uncials of later date, the same list of heretical sects, that we find appended to that work in Add. 12156, f. 137a.“ Leider zeigt sich der alte verblaßte bzw. verschwundene Text auch unter der Ultraviolettlampe nicht deutlicher13. Ich hatte gehofft, daß hier vielleicht die Reste einer Parallelhandschrift zu add. 12156 vorliegen könnten, aber ich konnte die gelegentlich erkennbaren Bruchstücke von Lemmata, Kolophonen oder Seitentiteln (das ursprünglich Rubrizierte ist schwarz geworden und deswegen lesbarer als der Text) mit keinem [26] der in add. 12156 vorhandenen identifizieren. Es ist klar, daß es sich um christologische Texte handelt („Gott Logos“, „vollständige Menschheit“, Joh. 1, 14, „Person“ etc.). F. 24r (der alte Text steht hier wie öfter auf dem Kopf) kann man den Namen des Nestorius erkennen, f. 31r sind die 12 Anathemata Kyrills erwähnt. Soweit ich ausmachen konnte, geht die Anakephalaiosis des Epiphanius der griechischen Häretikerliste nicht voran. Dieser Liste fehlt im Unterschied zu add. 12156 die Numerierung mit griechischen Buchstaben, auch ist sie nicht auf die gleiche Weise auf den Textspiegel der Seite verteilt. Die Schrift des alten Texts der Palimpsestblätter von add. 17198 ist kleiner als die von 12156, aber es kann sich nur um denselben Schreiber, also Talya von Edessa, handeln, so gleichartig ist das Schriftbild. In add. 12156 findet man zur Kennzeichnung nicht rubrizierter Zitate eine Art von Anführungszeichen > vor jeder Zeile, eine solche Serie von mehreren > übereinander ist in add. 17198  f. 4r zu sehen. Für die Ergänzung des zerstörten Anfangs von add. 12156 aus einem anderen Manuskript verweisen Ebied/Wickham14 auf A.  Moberg: „The manuscript“ add. 12156 „is defective near the beginning; about five leaves, one leaf at the beginning and four leaves after fol. 8, are wanting. But the missing portions were discovered by A.  Moberg15 in some fragments believed to contain the missing part of the manuscript.“ Diese Mitteilung ist etwas mißverständlich formuliert: es handelt sich nicht um den fehlenden Teil der Handschrift, sondern des Textes, auch wird leider nicht die verlorene halbe Lage 2 ergänzt (add. 12156 ist in Quaternionen gelegt), sondern nur ein Teil des verlorenen Anfangs von Lage 1. Nach der Lagenzählung müssen übrigens am Anfang von add. 12156 zwei Blätter fehlen und nicht nur eins, denn das Ende der Lage 1 ist, am Bestand gezählt, f. 6v, während es bei Vollständigkeit f. 8v sein müßte; es ist natürlich nicht gesagt, daß mit dem verlorenen ersten Blatt auch Text verloren gegangen ist, es kann ja ein Deck- oder Titelblatt gewesen sein. Die von Moberg beschriebenen und identifizierten Fragmente stammen aus einer Serto-Handschrift von 932, die

13 Ich danke hier gerne den Beamten des Britischen Museums für ihre freundlichen Bemühungen. 14 A.a.  O. 322. 15 A.  Moberg, On some fragments of the book of Timotheos Ailuros against the Synod of Chalcedon, Lund 1928.

26,  27

1.1 Zur geplanten Ausgabe von Brit. Mus. add. 12156 

 7

den syrischen Timotheus Aelurus exzerpierte. Hier würde man gerne wissen, ob die Quelle für diese Exzerpte den ganzen Inhalt von add. 12156 bot oder nur A–c. Wie so sehr häufig bei syrischen Handschriften, die ihren Wert aus ihrer Singularität und damit der ihres Inhalts haben, ist also kaum unmittelbare textkritische Arbeit möglich; mittelbar ergibt sich einiges aus der vorhandenen Parallelüberlieferung. Für die überlieferungsgeschichtliche Auswertung der Parallelüberlieferung und die Identifizierung der vielen Zitate haben die Einzeleditionen, die Analysen von Lebon und vor allem die grundlegende Arbeit von Schwartz reiche Vorarbeit geleistet. Ich stelle hier jetzt nur zusammen, was sich beiläufig bei der Bearbeitung anderer Gegenstände in jüngster Zeit an Förderlichem für add. 12156 ergeben hat. A. de Halleux befaßt sich in der Einleitung seiner Ausgabe des Philoxenusbriefes an die Mönche von Senun16 mit unserer Handschrift. Er kann bei drei Zitaten des Philoxenus Parallelen im Florilegium Edesse[27]num (= VII) feststellen; das ist zwar keine breite Berührung, aber eins der betreffenden Zitate ist ein Ps.-Basiliuszitat, das sonst unbekannt ist. In seinen folgenden Bemerkungen meint de Halleux mit „Florileg“ dann nicht mehr nur das Flor. Edess., sondern den Gesamtinhalt des „Timotheus“-Teils von add. 12156, also f. 1–91r: dieser Inhalt biete nicht nur patristische Zitate, sondern auch Exzerpte aus Diodor, Theodor, Theodoret, eine historische Darstellung des Räuberkonzils und einen polemischen Abschnitt gegen Chalcedon und den Tomus des Leo. „Cette structure composite donne, croyons-nous, une bonne idée du document que l’evêque de Mabbog devait avoir à sa disposition en écrivant aux moines de Senoun“. De Halleux nimmt also offensichtlich an, daß Philoxenus so etwas Ähnliches wie A–c gekannt und benutzt hat. J.  Lebon hat in seinem nachgelassenen Buch über den Mönch Marcian17 die drei Marcian-Zitate aus dem Florilegium Edessenum (Nr.  69–71 in Ruckers Ausgabe18) abgedruckt19 und neu übersetzt.20 Schon früher21 hatte er innerhalb der MarcianZitate Exzerpte aus dem Tomus ad Antiochenos des Athanasius gefunden: am Ende von Nr. 70 ist Tom. ad Ant. 3 (PG 26, 800 A) benutzt, Nr. 71 besteht bis auf eine Einführungszeile ganz aus Athanasius-Text (Tom. 7, co1. 804 B–805 A, mit einer Auslassung). Ich füge hinzu, daß die syrische Übersetzung des Athanasius-Textes nicht identisch ist mit der, die Brit. Mus. 8606 vom Tomus ad Antiochenos bietet und die von R.  W. Thomson in seinen Athanasiana II22 ediert worden ist. Das ist beim griechi-

16 CSCO 232. Löwen 1963, XIII f. 17 J.  Lebon, Le moine saint Marcien. Étude critique des sources, édition de ses écrits. Éd. A. van Roy (Spicilegium sacrum Lovaniense 36), Löwen 1968. 18 I.  Rucker, Sitz.-Ber. Bayer. Akad. Wiss., phil.-hist. Abt., 1933, H. 5, 39–44. 19 Lebon, a.a.  O. 207–209. 20 S. 256–258. 21 Siehe S. 24 Anm. 24. 22 CSCO 272. 273, Löwen 1967.

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 1.1 Zur geplanten Ausgabe von Brit. Mus. add. 12156

27, 28

schen Ursprung des Flor. Edess. nicht anders zu erwarten. Lebon hat ferner23 zwei der Epiphanius-Zitate, Flor. Edess. Nr. 50 und 51, als Exzerpte aus ἡ κατὰ μέρος πίστις des Apollinaris erkannt (Nr. 50 = Lietzmann 178,8–14; Nr. 51 = Lietzmann 177,12–178,7; diese Angaben werden im Marcian-Buch nicht mitgeliefert). Marcel Richard selber hat für das Zitat Nr. 14 des Florilegium Edessenum (Methodius von Olympus, De resurrectione) den Schluß auf griechisch wiedergefunden. Er steht in einem Florileg der Handschrift 86 (84) des Nationalmuseums von Ochrida, aus dem Richard einige unbekannte Texte veröffentlicht hat.24 Inzwischen liegt glücklicherweise die kritische Ausgabe der Akten des Konzils von 553 vor.25 Die Akten weisen bekanntlich folgende Berührungspunkte mit unserer Handschrift auf: 1) bei Diodor- und Theodor-Zitaten; 2) beim Tomus des Proklus an die Armenier; 3) beim Brief Rabbulas an Kyrill. Ich gebe hier eine Liste der Parallelen nach der Reihenfolge im Aktenband; für die syrische Seite verzichte ich an dieser Stelle auf alle Editionsangaben, man findet sie im Apparat der Konzilsakten, wogegen die Fundorte in unserer Hs. dort nicht stehen. [28] ACO IV 1 add. 12156 p. 55,6–10 Theodor f. 83v p. 56,20–57,2 „Theodor“ f. 81v–82r Diodor p. 5,4–13 Theodor f. 85r (diese Stelle ist eine bekannte Crux der Theodor-Interpretation, da eine andere syrische Fassung erhebliche Abweichung in der christologischen Terminologie aufweist) p. 61,12–14. 17–19 „Theodor“ f. 83v Diodor p. 74,5–7 „Theodor“ f. 83r Diodor p. 75,3  f. „Theodor“ f. 82v Diodor p. 75,20–30 (= 56,20–57,2)26 „Theodor“ f. 81v–82r Diodor p. 76,12  f. 17–19 (= 61,12–14. 17–19) „Theodor“ f. 83v Diodor p. 85,11–22 Proclus ad Armenios f. 66r f. p. 85,25–86,6 Proclus ad Armenios f. 67r p. 89,8–15 Rabbula ad Cyrillum f. 91r (add. 12156 bietet im Gegensatz zu den Akten nur ein Exzerpt aus diesem Brief; interessanter Weise hat die Collectio Casinensis der ephesinischen Akten – ACO I 4, p. 212,23–30 – genau das gleiche Exzerpt, in einer anderen lateinischen Übersetzung als ACO IV 1; das ist für die Herkunft der Briefsammlung VI+IX in unserer Handschrift nicht unwichtig) p. 111,27–112,6 (= 85,11–22) Proclus f. 66r f.

23 A.a.  O. 23 Anm. 21. 24 M.  Richard, Quelques nouveaux fragments des pères anténicéens et nicéens, Symbolae Osloenses 38, 1963, 76–83. Unser Zitat dort S. 81. 25 Acta Conciliorum Oecumenicorum IV 1, ed. J.  Straub, Berlin 1971. 26 Bei den von den Akten wiederholt zitierten Stücken sind die lateinischen Fassungen nicht völlig identisch.

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1.1 Zur geplanten Ausgabe von Brit. Mus. add. 12156 

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Als ein Dokument des gemäßigten Monophysitismus verdient also gewiß die ganze Sammlung add. 12156 die gleiche editorische Aufmerksamkeit wie die Severus- und Philoxenuscorpora.

1.2 Die Anakephalaiosis zum Panarion des ­Epiphanius1 in der Handschrift Brit Mus. Add. 12156 Die syrische monophysitische Handschrift Add. 12156, geschrieben im Jahr 562, enthält als letztes Stück (f. 120 u22-136 u1) die Anakephalaiosis des Panarions, d.  h. die Zusammenstellung jener Inhaltsangaben, die Epiphanius jedem tomos seines Werkes vorausgeschickt hat. Epiphanius hat das Panarion in drei Bücher gegliedert und diese wieder in zusammen sieben tomoi, Bände, wie er uns selber mitteilt (Proömium, Holl I p.  156, 27–29 und 161,21  f.). Die Überschriften zu den Bänden zählen sie doppelt: sowohl innerhalb des Buches wie auch durchlaufend3. Zwei rein listenmäßige Zusammenstellungen der behandelten 80 Häresien gibt Epiphanius im Proömium und nennt auch sie anakephalaiosis und epigraphe (p. 161,19). Diese Listen mit einigen Rahmenstücken des Proömiums stehen am Anfang des Auszugs aus dem Panarion, der als die „Anakephalaiosis“ bekannt ist4. Der Auszug „muß bereits vor 428 entstanden sein, da ihn Augustin für seine Schrift De haeresibus benutzt hat“5. Er war auch in der ersten Gesamtausgabe der Epiphaniusschriften enthalten6. Als ein „bequemes Handbüchlein der Ketzergeschichte“ ist die Anakephalaiosis „viel stärker benutzt worden als das ursprüngliche Werk.“7 [218] Zu den Benutzern gehört also auch unser syrischer Codex. Aber während für alle Bestandteile dieser berühmten Sammlung sich die spezifische Intention des Schlußredaktors genau angeben läßt (auch für den Traktat des „großen Gregor“, der dem Epiphanius vorausgeht), scheint mir die Funktion des Epiphaniustextes mehr 1 Epiphanius ed. Karl Holl (GCS 25. 31. 37, 1915–1933, zitiert als (Holl) I.  II. III. [Verglichen wurde von d. Red. die Zweitauflage: Epiphanius I.  Ancoratus und Panarion haer. 1–33. Herausgegeben von Karl Holl †, zweite, erweiterte Auflage herausgegeben von Marc Bergermann und Christian-Friedrich Collatz […] Teilband I/2. Addenda & Corrigenda, GCS Neue Folge 10/2, Berlin 2013.] 2 Die Hs. ist dreispaltig geschrieben. Ich gebe die Kolumnen und auch die Zeilen an 3 Es ergibt sich: I 1. 2. 3 (= 1. 2. 3) II 1. 2 (= 4. 5) III 1. 2 (= 6. 7). Die Verwirrung wird dann komplett, wenn die Seitenüberschrift Holl II p. 213 „Tom. 3“ (der durchlaufenden Zählung) angibt, wo „Tom 4“ (= II 1) stehen müßte. 4 Diese selbständige griechische Anakephalaiosis ist in Holls Ausgabe nicht enthalten, erscheint aber in seinem Apparat zu den Texten, aus denen sie zusammengestellt ist. Nach Holls Apparat ist die griech. Anakephalaiosis im Folgenden benutzt, wenn sie vom Text des Panarions abweicht. 5 Altaner/Stuiber, Patrologie § 80,2. 6 Holl III, p. X. 7 Karl Holl, Die handschriftliche Überlieferung des Epiphanius (Texte und Untersuchungen 36,2) 1910, p.  98. Holl hat sich über die „Unechtheit“ der Anakephalaiosis höchst verächtlich geäußert (p. 95–98), er meint damit, daß nicht Epiphanius selber der Exzerptor ist. https://doi.org/10.1515/9783110647419-002

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1.2 Die Anakephalaiosis zum Panarion des ­Epiphanius 

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eine generelle zu sein. Holl schildert in der Geschichte der Epiphaniusausgaben des 16. und 17. Jahrhunderts den „konfessionellen Wettbewerb“ als Triebkraft, jede Seite hoffte, „daß der alte Ketzerbestreiter“ ihr „Waffen gegen die Häretiker ihrer Tage liefern“ würde8. Eine solche Absicht hat auch der Schlußredaktor gehabt, die Häretiker, gegen die sich die Sammlung richtet, sind die Vertreter des Chalcedonense (im Teil, der auf Timoteus Älurus zurückgeht) und die Antiochener (in den zugewachsenen Bestandteilen); ihnen wird der Ketzerbestreiter kat’exochen am Schluß entgegegehalten. Add. 12156 ist älter als alle erhaltenen griechischen Epiphaniushandschriften (deren älteste ist Vatic. Gr. 503 saec. IX), doch ist sie von Holl für seine Ausgabe nicht ausgewertet worden. Die Übersetzung zeigt anfangs (bis zur Behandlung der Gnostiker einschließlich) noch die Unbefangenheit des älteren Übersetzungstyps, der σάρξ durch ‫„ ܦܓܪܐ‬Leib“ wiedergeben kann und οὐσία durch ‫„ ܟܝܢܐ‬Natur“9. Dieser Übersetzungstyp war noch in den nestorianischen Streitigkeiten gängig, Beleg sind die beiden Kyrilltraktate unserer Hs., auf deren textritische Auswertung Pusey für seine Kyrillausgabe verzichtete, weil diese „alte“ Übersetzung eine Übertragung darstellt10. Für die Geschichte der Sammlung Add. 12156 bedeutet Puseys Urteil über die Kyrillübersetzung, daß Kyrill nicht erst für die Sammlung übersetzt wurde, sondern daß man eine vorhandene Übersetzung benutzte. Für Epiphanius wird dasselbe gelten können. Man wird als Übersetzungszeit die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts in Anschlag bringen können, was den Wert unserer Hs. als Textzeugen natürlich noch erhöht. Das Lemma der Anakephalaiosis in Add. 12156 lautet (f. 129 u2  f.): „Buch des seligen Epiphanius, Bischofs von Cypern, über den Dissensus [219] (‫ )ܦܠܝܓܘܬ ̈ܪܥܝܢܐ‬der Häresien, welche vor der Erscheinung unseres Herrn im Leib (‫ )ܕܦܓܪܐ‬waren, und über jene nach der Himmelfahrt; es sind 80. Ihre Namen aber und der Unterschied ihrer Ursachen sind folgendermaßen“. Darin stecken Stichworte aus dem Proömium des Epiphanius, u.  a. die ἔνσαρκος παρουσία Christi von I p. 155,21, die charakteristischerweise als „Erscheinung im Leib“11 wiedergegeben wird. Der „dissensus“ sind wohl die σχίσματα von I p. 157,1; „welche sind 80. Ihre Namen aber und der Unterschied ihrer Ursachen sind folgendermaßen“ übersetzt mehr oder weniger genau p. 157,1  f.:

8 Holl TU 36,2 p. 5. 9 F. 131 r3,3 ‫ܕܡܢ ܟܝܢܐ‬Holl I p. 165,20 ἐκ τῆς … οὐσίας. Aber f. 131 r3,4 ‫ ܟܝܢܗ‬für φύσιν I p. 165,21. 10 S.  P. N.  Cyrilli, archiepiscopi alexandrini epistulae tres oecumenicae, libri quinque contra Nestorium, XII capitum explanatio, XII capitum defensio utraque, scholia de incarnatione unigeniti ed. Ph. E.  Pusey, Oxford 1875 (= Band VI der opera Cyrilli, was aber nur auf dem Einband steht). Was wir in Add. 12156 haben, ist die XII capitum defensio utraque. – Die Bemerkung über Alter und Freiheit der Übersetzung p. X.  Pusey hat die wichtige Beobachtung gemacht, daß die syrische Fassung bestimmte Eigentümlichkeiten mit der lateinischen Fassung des Marius Mercator gemeinsam hat. 11 Aber I p. 157,21 ἔνσαρκος ist f. 130 r1,8 mit ‫ ܕܒܒܣܪ‬übersetzt, ebenso f. 132 r2,22 für I p. 227,13.

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 1.2 Die Anakephalaiosis zum Panarion des ­Epiphanius

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εἰσιν ὀγδοήκοντα, ὧν αἱ ὀνομασίαι καὶ αἱ προφάσεις αὗται. Das syrische Lemma rafft aufs äußerste zusammen, was die selbständige griechische Anakephalaiosis an einleitenden Bemerkungen vollständig zitiert. Epiphanius hat seine doppelte Ketzerliste im Proömium nach folgenden Gesichtspunkten gegliedert: die erste Liste führt zunächst die 20 Häresien vor Christus auf und dann (mit neu einsetzender Zählung) die 60 nach Christus; die zweite Liste gliedert die Häresien nach den sieben Bänden der drei Bücher. Die griechische Anakephalaiosis enthält wie gesagt beide Listen, unser syrischer Text verfährt dagegen ökonomischer: er übernimmt nur die erste Liste samt dem verbindenden Text über die Erscheinung Christi (letzterer I p. 157,19–158,1) zwischen den beiden Gruppen der 20 und 60 Häresien: f. 129 u3,6 – f. 130 r3,42 = I p. 157,2–159,13. Eine Differenz besteht in den Zahlen: im Proömium des Panarion werden die Ordnungszahlen 1.–20. und 1.–60. als Worte ausgeschrieben, die griechische Anakephalaiosis läßt die Zahlen fort, die syrische Fassung jedoch zählt, aber erstens mit Buchstabenziffern und zweitens durchlaufend von 1.–80. – immerhin ist sie damit näher am Panarion. f.  130 u folgt ein neues Lemma, welches die Form einer Seitenüberschrift hat, wie sie in unserer Handschrift am Ende jeder Lage üblich ist: „Kurze Aufzählung der Verschiedenheit der Ursachen der Häresien. Zuerst aber sind die Mütter aller Häresien fünf, aus denen die andern entsprossen, die vier ersten sind aber“. Von „Zuerst aber…“ an ist dies eine verkürzte Übersetzung des einleitenden Satzes der Inhaltsangabe von Band 1, I p. 162,3–5. Unsere Handschrift stellt jeder Häresie ein rubriziertes Lemma voran, wobei die Ordnungszahl als Wort ausgeschrieben ist, nach dem Muster: „Die dritte Häresie: der Hellenismus“ (f.  130 u1,37  f.). Der Text setzt dann mit dem Namen der betreffenden Häresie ein, wie im Griechischen, [220] die laufende Nummer erscheint als Ziffer am Rand. Im Fall der Samariter und Juden werden die beiden griechischen Gruppenüberschriften (I p.  166,20 „Die Stämme der Samariter sind vier“; p.  167,3 „Die Häresien der Juden sind sieben“) in die syrischen Lemmata einbezogen, was im ersten Fall ergibt: „Die Stämme der Samariter sind vier. Ihre erste Häresie aber, welche ist die zehnte der vorangehenden Zählung, sind die Gorothener“ (f. 131 u1,21– 26). Das Lemma zu den Schriftgelehrten (Nr. 14) ist ganz ähnlich konstruiert (f. 131 u2,24–29). Die Gliederung nach Bänden des Panarions wird im Unterschied zur selbständigen griechischen Anakephalaiosis in der syrischen nicht angezeigt. Am Ende des zweiten Bandes des Panarions hat Epiphanius einen Abschnitt, den er überschreibt: ἐνδημία Χριστοῦ ἡ μία καὶ μόνη οὖσα τοῦ θεοῦ πίστις (I p. 227,10–233). Diesen Abschnitt (bis auf die vier letzten Zeilen) hat die griechische Anakephalaiosis vollständig übernommen. Die syrische Fassung dagegen bringt daraus nur ein Minimum, und dieses wird ohne ein kennzeichnendes Lemma direkt an die Mitteilung über die Herodianer (Nr. 20) angeschlossen. f. 132 r2,20–28 ‫ ܐܢܝܢ‬ist I p. 227,12–15; f. 132 r2,28–31 repetiert passenderweise die Bemerkung des Epiphanius, daß er sich kurz fassen wolle I p. 233,9  f.; f. 132 r2,32–38 verarbeitet I p. 233,11  f.

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Den Kürzungen hier des Zwischenstücks und vorher des Proömiums stehen ein paar Auffüllungen gegenüber. Nr. 62, die Sabellianer, werden in der Inhaltsangabe des 4. Bandes zweier Zeilen gewürdigt. Die griechische Anakephalaiosis stellt einige Worte davon um; die Hs. U des Panarions ergänzt einige Worte, die Marcell von Ankyra meinen. Aber die syrische Fassung greift auf die ausführliche Darstellung der Sabellianer im Panarion zurück: f. 135 r 3  f. Holl II p. 389, 7  f. 4–10 11–13 (Zeile 11 gekürzt) 10  f. 16 12  f.     p. 390, 3  f. 13  f. 3 (gekürzt) 14–16 4  f. 16–25 5–15 (sehr stark zusammengezogen) Ein Rückgriff auf die vollständige Darstellung des Panarions erklärt auch die Differenz des syrischen Textes zum griechischen im letzten Satz von Nr. 70 (Audianer). Das Adverb ‫( ܥܓܘܪܐܝܬ‬f. 135 u1,17) nimmt auf ἀποκρότως von III p. 234,9 (bzw. ἀπόκροτον p. 234,16), [221] und das Stichwort τὸ κατ’εἰκόνα wird im Syrischen zu „nach unserm Bild und Gleichnis“ der Bibelstelle, die III p. 234,11 zitiert ist. Nr. 77 (Apollinaristen) erfährt im Syrischen einen Zusatz aus Bestandteilen der ausführlichen Darstellung: f. 136 r 3,1–6 Holl III p. 436,11 und 12 6–11 p. 448,33 und 449,1  f. Nr. 49 (Pepuzianer): f. 134 r2,29 schiebt die Priszillianer vor die Quintillianer ein; das muß veranlaßt sein durch einen Blick auf die Überschrift der ausführlichen Darstellung II p. 241,18. Schwierig zu beurteilen ist die Differenz zwischen syrischem und griechischem Text hinsichtlich des Fastens oder vielmehr Nichtfastens der Aerianer (Nr. 75). Im Griechischen heißt es (III p. 231,14  f.): νηστεύειν δὲ τετράδα (= Mittwoch) καὶ προσάββατον (= Freitag) καὶ τεσσαρακοστὴν καὶ πάσχα κωλύει. Dagegen liest man f. 135 u3,23–27: „Zu fasten aber ziemt es sich am Mittwoch, am Sabbat (? ‫ )ܒܫܒܐ‬und am Freitag, das Quadragesimal- und das Osterfasten aber verbietet er“. ‫ ܒܫܒܐ‬ist eine Verlesung12 für ‫ ܒܚܕ ܒܫܒܐ‬Sonntag. Zwischen Mittwoch und Freitag steht der Sonntag bestimmt am falschen Platz. Aus der ausführlichen Mitteilung des Epiphanius über die Meinungen des Aerius zum Fasten (III p. 335,11–28) erfährt man, daß die Gruppe den Ehrgeiz hatte, eher am Sonntag zu fasten, am Mittwoch und am Freitag aber zu essen. Vielfach werde allerdings freiwillig am Mittwoch gefastet. Zu Ostern ißt man. Es sieht mir so aus, als ob der Sonntag, an dem man fasten soll, und der Mittwoch, an dem man fasten kann, 12 Weitere Fehler innerhalb der syrischen Überlieferung: f. 134 r2,36 ‫ ܪܒܬܐ‬für II p. 211,13 ἔρημον. Die richtige Wiedergabe wäre ‫ܕܒܪܐ‬. Repariert werden muß auch das unverständliche ‫ ܟܝܢܐ‬f. 134 r3,19 für II p. 211,22 ἐμπέσῃ. Jetzt steht da ‫ܕܒܗ ܟܝܢܐ‬, das ist offenkundig durch Haplographie des ‫ ܗ‬aus ‫ܕܒܗ ܗܘܝܐ‬ entstanden. – Siehe auch die folgende Anmerkung.

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 1.2 Die Anakephalaiosis zum Panarion des ­Epiphanius

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aus der ausführlichen Darstellung in die Inhaltsangabe übernommen worden sind, daß aber durch Textverderbnis die jetzige Konfusion übriggeblieben ist. Ergänzt worden ist auch die Notiz Nr. 48 über die Montanisten und Taskodrugiten. Aber dieser casus unterscheidet sich von den bisher besprochenen Fällen, weil der Zuwachs nicht dem ausführlichen Text des Epiphanius entnommen ist. Der Zusatz betrifft die Taskodrugiten, für die das Panarion II p. 239,11–16 zwar eine Namenserklärung bietet, von der aber das Syrische keinen Gebrauch macht. Statt dessen sagt es (f. 134 r2,15–25): „Auch die Taskodrugiten aber fügen sie13 hinzu [222] wegen (‫= ܥܠ‬ διά) des Irrtums ihrer Häresie, und dieser (ist), daß sie ohne Hemmung Speisen genießen und unaussprechlichen Umgang mit Frauen haben und Täter von Schamlosigkeiten (sind), wie die anderen Häresien, um ein Fest zu begehen“. Das ist allgemeinste Schilderung eines orgiastischen Kultes. Spezielleres sagt Filastrius von Brescia (gestorben um 397) in seinem Diversarum haereseon liber zu haer. 75 (p. 38,21  ff. Marx, zitiert bei Holl II im Apparat zu p. 239,11  ff.): „Alii sunt iterum Ascodrugitae in Galatia qui utrem inflantes ponunt et cooperiunt in sua ecclesia et circum­ eunt eum insanientes potius et bacchantes sicut illi pagani Liberipatriani, insanis mentibus more gentilium furentes“. Vage Kunde hiervon scheint auch in unserer syrischen Bemerkung zu stecken. Diese Bemerkung erweist sich durch ihren Beginn mit „sie fügen hinzu“ (besser „er fügt hinzu“) als Glosse. Das διά und der kahle Infinitiv am Schluß machen es wahrscheinlich, daß die Glosse bereits im griechischen Text stand, der der Übersetzung zugrundeliegt. (Über zwei andere Glossen, die etwas älter sein müssen, s.  u.). Der Kolophon der syr. Anakephalaiosis (f. 136 r3 unten – f. 136 u1 oben) ist mit dem Lemma identisch. Eine Merkwürdigkeit ist, daß auf der freien Seite (f. 137r), die dem Kolophon der Handschrift gegenüberliegt, die Liste der 80 Häresien bei Epiphanius in der kürzest möglichen Fassung in griechischer Schrift erscheint, mit griechischen Buchstaben gezählt. Wright urteilt in seiner Beschreibung von 1215614: „evidently written at the same time as the rest of the manuscript“. Vielleicht war diese Liste der vom Endredaktor benutzten syrischen Fassung beigegeben und wurde deshalb übernommen. Die Liste taucht griechisch noch einmal in einer syrischen Handschrift des Britischen Museums auf, in Add. 17198. Wright schreibt darüber15: „The palimpsest portions of this volume16 originally formed part of a manuscript written in three columns in a small elegant Estrangela of the VIth cent. The older text is now most discinctly legible on foll. 27 and 28. Judging by the running title ‫ܣܘܢܗܕܣ ܕܒܐܦܣܘܣ‬, which is still visible on foll. 30a and 25b, at the fooot of the page, this manuscript 13 f. 134 r2,17 ‫ܐܘܣܦܘ‬. Aber das Plural-‫ ܘ‬ist zum folgenden ‫ ܥܠ‬zu ziehen. Daher: „Auch die Taskodrugiten aber fügt er (sc. Epiphanius) hinzu und (zwar) wegen…“. 14 W.  Wright, Catalogue of Syriac Manuscripts in the British Museum, acquired since the year 1838, London 1870, p. 648. 15 Ibid. p. 503. 16 Das sind f. 1–6 und 23–32.

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1.2 Die Anakephalaiosis zum Panarion des ­Epiphanius 

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contained, among other things, the Acts of one of the Councils of Ephesus. It also comprised the Anakephalaiosis of Epiphanius; at least there is written on foll. 24b and 29a, in slanting Greek uncials of later date, the same list of heretical sects, that we find [223] appended to that work in Add. 12156, f. 137a“. Ich mußte leider feststellen, daß sich der alte verblaßte oder verschwundene Text auch unter der Ultraviolettlampe nicht deutlicher zeigte. Meine Hoffnung war, daß hier vielleicht die Reste einer Parallelhandschrift zu Add. 12156 vorliegen könnten, aber ich konnte die gelegentlich erkennbaren Bruchstücke von Lemmata, Kolophonen und Seitentiteln (das ursprünglich Rubrizierte ist schwarz geworden und deswegen lesbarer als der Text) mit keinem der in 12156 vorhandenen identifizieren. Es ist klar, daß es sich um christologische Texte handelt („Gott Logos“, „vollständige Menschheit“, Joh. 1,14, „Person“ etc.). F. 24r (der alte Text steht hier wie öfter auf dem Kopf) kann man den Namen des Nestorius erkennen, f. 31r sind die Anathemata Kyrills erwähnt. Soweit ich ausmachen konnte, geht die Anakephalaiosis des Epiphanius der griechischen Häretikerliste nicht voran. Dieser Liste fehlt im Unterschied zu 12156 die griechische Bezifferung, auch ist sie nicht auf die gleiche Weise über die Seite verteilt. Die syrische Schrift des alten Textes der Palimpsestblätter ist kleiner als die von 12156, aber das Schriftbild ist so gleichartig, daß es sich nach meiner Meinung um den Schreiber von 12156, also um Talya von Edessa handeln muß. Die Beziehung zwischen den beiden Handschriften liegt in der Person des Schreibers und der Ähnlichkeit des Gegenstandes; vielleicht hat das jemanden veranlaßt, auf dem freien Raum der eventuell ausgeschiedenen Blätter die griechische Liste zu Übungszwecken abzumalen. * *   * Der Vergleich der syr. Anakephalaiosis mit der griechischen Form fördert also zwei umfangreiche Kürzungen, andererseits aber Ergänzungen aus der ausführlichen Darstellung zutage, außerdem eine Glosse griechischen Ursprungs. D.  h. daß wir eine Bearbeitung der Anakephalaiosis vor uns haben. Kürzungen und Ergänzungen können zu drei Zeitpunkten stattgefunden haben: a) noch am griechischen Text, b) für die syrische Übersetzung, c) für die Aufnahme in unsere Textsammlung. Die erste Kürzung (die Streichung der zweiten Liste des Proömiums) ist so naheliegend, daß sie zu jedem Zeitpunkt denkbar ist. Aber die Reduktion des „einen und einzigen Glaubens“ (s.  o. p. 220 [hier in diesem Band S. 12]) auf beinahe nichts würde man nicht von der syrischen Sammlung erwarten, die ja vor umfangreichen Texten nirgends zurückscheut. So bleiben die erste und die zweite Möglichkeit übrig. Abgesehen von den großen Kürzungen gibt es immer wieder kleine, unbedeutende Kürzungen, die schwer einer bestimmten Phase der Über[224]lieferung zuzuschreiben sind. Anders ist es mit einer Art von Überschuß, die eindeutig aus der Tatsache der Übersetzung in eine andere Sprache resultiert. Dazu gehören die Fälle, wo die als Fremdwort übernommenen griechischen Ketzerbezeichnungen mit syrischen

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 1.2 Die Anakephalaiosis zum Panarion des ­Epiphanius

224, 225

Wörtern erklärt werden, Z.  B. f. 134 r3,27 (zu „Aloger“): „die übersetzt werden: ohne Wort“. Syrisch ist auch die Ergänzung der copula durch ‫ ܐܝܬܝܗܘܢ‬,‫ ܡܬܩܪܝܢ‬u.  ä.17 Sehr selten kommt es vor, daß das Syrische wirklich eine andere Lesart einer bestimmten griechischen Vokabel voraussetzt als der griechische Text18. Es handelt sich um folgende Stellen: Nr. 16 (Sadduzäer) I p. 167,23 ἄγγελον liest f. 132 r1,5 im Plural, was mir der bessere Text zu sein scheint19. Sonst ist es jedoch umgekehrt: Nr. 35 (Kolorbasioi) II p. 1,12 ἐδίδαξεν liest f. 133 r3,23 ἔδειξεν. Der griechische Text ist vorzuziehen. Nr. 45 (Severiani) f. 134 r1,17 hat das merkwürdige ‫ܐܣܐܪܩܘܢܛܘܢ‬, was nur durch ein Verderben von II p. 4,2 τέ τινας ἀρχόντων zu τέ ἀσαρχόντων erklärlich scheint. Nr. 75 (Pneumatomachen) III p. 231,7 κεκτίσθαι, wogegen f. 135 u3,1 ‫ ܕܩܢܐ‬griech. κεκτῆσθαι voraussetzt. Das kann man zunächst für eine Verbesserung halten. Aber der griechische Text ist schon von der griechischen Anakephalaiosis und dann wieder von Holl als schwierig empfunden worden. Zeile 6–8 lautet: (die Pneumatomachen) κτιστὸν αὐτὸ (sc. den Geist) ὁριζόμενοι καὶ οὐκ ὂν ἐκ τῆς θεότητος, μᾶλλον δὲ καταχρηστικῶς δι’ἐνέργειαν κεκτίσθαι, ἁγιαστικὴν αὐτὸ δύναμιν φάσκοντες εἶναι μόνον. Die griechische Anakephalaiosis erleichtert δι’ἐνέργειαν zu κατὰ ἰδίαν ἐνέργ. Holl fragt, ob man δι’ἐνεργείας lesen solle. Wenn die vom syrischen Text vorausgesetzte Lesart κεκτῆσθαι mehr ist als ein Itazismus, stellt auch sie eine Erleichterung dar. Das ganze Kolon μᾶλλον-κεκτίσθαι ist inhaltlich schwierig: 1) verträgt es sich nicht [225] gut mit dem nächsten Kolon, 2) ist gar nicht leicht zu erkennen, worauf sich καταχρηστικῶς beziehen soll, 3) konnte man offensichtlich mit δι’ἐνέργειαν nichts anfangen. Viel ist gewonnen, wenn man das Kolon richtigt übersetzt: „vielmehr aber uneigentlich wegen des Geschaffenseins als Kraft“20 (und nicht etwa „um der Kraft willen“, wie anscheinend Holl verstanden und deswegen korrigiert hat). So wie der Satz dasteht, muß sich „uneigentlich“ auf das vorangehende „und nicht aus Gott seiend“ beziehen. Diese Aussage erfährt also eine einschränkende Erläuterung, denn

17 Auch kleine paraphrasierende Erweiterungen wie (ich gebe nur Beispiele) f. 132 r1,17 ‫ܝܘܡ‬, f. 135 r2,31 ‫ܒܝܘܠܦܢܗܘܢ‬, f. 135 r3,1 ‫ ܓܒܪܐ ܚܕ‬gehen sicher aufs Konto der Übersetzung. Schwanken kann man bei f. 131 u3,35 ‫( ܘܓܕܐ‬καὶ τύχην), was keine Entsprechung im Griechischen hat. I p. 167,19  f. steht γένεσιν καὶ εἱμαρμένην, da kann die τύχη einem von selbst in die Feder fließen, schreibe man nun griechisch oder syrisch. 18 Eine andere Satztrennung liegt zugrunde der Übersetzung f. 130 u2,5  f. von I p. 163,4 θέσμους. εἰδώλων μέντοι  – das Syrische las den Punkt nach εἰδώλων, was falsch ist. Falsche Satztrennung auch f. 131 r1,15 und 18, wo noch das syrische Lemma Nr. 4 dazwischentritt. I p. 164,15  f. τοῦ Ἀβραὰμ θεοσεβείᾳ καὶ μετέπειτα – das Syrische setzt den Punkt nach μετέπειτα (und bringt dann sein Lemma Nr. 4); damit bestätigt es das ursprüngliche Fehlen der von Holl ergänzten Ordnungszahl. 19 Die ausführliche Darstellung hat I p. 208,2 ebenfalls den Plural. 20 D.  h. der Akkusativ zu δι’ ist der Infinitiv; ἐνέργειαν ist das Subjekt des acc.c.inf. und nicht das Akkusativobjekt zu δι’.

225, 226 

1.2 Die Anakephalaiosis zum Panarion des ­Epiphanius 

 17

als von Gott geschaffene Kraft kommt der Geist ja auf eine bestimmte Weise von Gott. Da aber darauf sogleich ein Kolon über den Geist als „bloß heiligende Kraft“ folgt, das wieder abwertet, was eben positiv bewertet wurde, kann nur einer der beiden Nebensätze ursprünglich sein21. Mit μᾶλλον δέ ist sehr wohl eine Glosse einzuleiten; διά-Sätze mit acc.c.inf. sind allerdings ganz im Stil des Epiphanius22, man vergleiche aber schon oben die nur durch das Syrische aufbewahrte Glosse, die sich ebenfalls an diesen Stil hält. Mit dem eben besprochenen Fall sind wir bei den Textschwierigkeiten des Epiphanius angelangt, wie sie Holl anzeigt und immer wieder verbessert. Es wird sich ergeben, daß die syrische Anakephalaiosis schon den gleichen Text gelesen hat und manchmal Mühe gehabt hat, mit ihm fertig zu werden. 1) Holl I p. 163,5 vermißt Holl ein Nomen zu οἷς, das Syrische fand ein solches Nomen nicht vor. 2) p. 163,8 ergänzt Holl eine partizipiale Apposition, die das Syrische nicht hat. 3) p. 164,6 das Gleiche (das von Holl vorgeschlagene Partizip ist κεκλημένοι; der Syrer fügt ja gelegentlich ‫ ܡܬܩܪܝܢ‬ein – aber nicht hier). 4) p. 234,9 das Gleiche. 5) II p. 1,4 hält Holl den Text nicht nur für ergänzungsbedürftig, sondern für verderbt: er meint, der Fehler liege im Partizip πορφύρεον μεταβάλων. Aber der Syrer las schon diesen Text. 6) An der Übersetzung (f. 133 r3,6–11) kann man sehen, daß der Syrer II p. 1,6–8 nicht richtig verstanden hat. Es ist aber kein Zweifel, daß [226] er den erhaltenen griechischen Text las. Dieser lautet: καὶ αὐτὸς δὲ τῶν εἴκοσι τεσσάρων στοιχείων βούλεται τὰ πάντα ἡγεῖσθαι ὁμοίως Οὐαλεντίνῳ. Holl setzt das Verderbtheitszeichen vor ἡγεῖσθαι. Das Syrische vereinfacht „er will“ zu „er sagt“, macht aus dem Genitiv der 24 Prinzipien mit Hilfe von ‫ ܕܒܝܕ‬einen Instrumentalis und versteht das von Holl angezweifelte Verb in seiner Bedeutung „führen“, veranlaßt durch die mediale Form, passivisch („das All wird durch die 24 Prinzipien geführt“). ἡγέομαι kann aber mit dem Genitiv konstruiert werden; in der Bedeutung „den Anfang machen“, „beginnen“ kann das, was oder womit man beginnt, im Genitiv stehen. Übersetzt ergibt das: „Und er will aber, daß das All seinen Anfang genommen hat in den 24 Prinzipien, ähnlich dem Valentin“ (Valentin hatte 30). Auch so bleibt der Satz sehr hart, denn ἡγέομαι + gen. meint nach den Beispielen des Lexikons eigentlich „Beginnen mit einer Tätigkeit oder dergleichen“ (λόγου καὶ ἔργου z.  B.). Lampe, PGL, s.v. zitiert unsern Satz nicht nach Epiphanius, sondern nach Johannes Damascenus, wo er in exakt der gleichen Konstruktion erscheint, und gibt ihm die Sonderbedeutung (3.) „come from“ ohne einen weiteren Beleg. 21 Dafür spricht auch, daß das Wort ἐνέργεια keine Rücksicht darauf nimmt, daß Epiphanius das Gleiche mit δύναμις bezeichnet. Zwischen ἐνέργεια und δύναμις besteht an dieser Stelle keine aristotelische Differenz! 22 Vergleiche Z.  B. das Stück über die Angeliker in der ausführlichen Darstellung II p. 379,12–21.

18 

 1.2 Die Anakephalaiosis zum Panarion des ­Epiphanius

226, 227

7) Eine Lücke postuliert Holl im Satz II p. 3,5  f.: (Marcion) ἀνελθών τε εἰς Ῥώμην καὶ αἰτήσας μετάνοιαν τοὺς κατ’ ἐκεῖνο καιροῦ καὶ μὴ τυχών. Zwischen καιροῦ und καὶ μὴ ergänzt Holl πρεσβυτέρους, was ja naheliegt. Das Syrische hatte dieselbe Empfindung und ergänzt „von den Bischöfen“ (f.  133 u2,45). Aber bei genauer Übersetzung von τοὺς κατ’ ἐκεῖνο καιροῦ ist eine Ergänzung nicht nötig. Das Syrische hat κατ’ ἐκεῖνο καιροῦ zu κατ’ ἐκεῖνον καιρόν verlesen (f. 133 u3,1), was man auch heute bei der Lektüre fast automatisch tut. Doch substantiviert der Artikel τούς den adverbialen Akkusativ κατ’ ἐκεῖνο („dort“) und erhält seinerseits durch diesen Akkusativ ausreichenden Inhalt; καιροῦ heißt „zur rechten Zeit“. So ist das Ganze zu übersetzen: (Marcion) „nach Rom gehend und von denen dort zur gegebenen Zeit Buße erbittend und nicht erlangend…“. 8) Eine Erleichterung sowohl durch Holl wie durch den Syrer findet statt II p. 213,2 χωρὶς ἐνίων ὀλίγων ὧν διαφέρεται, wo Holl περί vor ὧν einfügt und der Syrer f. 134 u2,22 ‫ ܕܡܛܠܬܗܝܢ‬hat. Das Syrische hätte aber in jedem Fall den Genitiv ὧν nicht wörtlich übersetzen können und war zu einer Umschreibung gezwungen; es ist kein Zeuge für eventuelles Vorhandensein des von Holl gewünschten Textes. 9) II p. 213,5 fügt Holl λέγων ein, was das Syrische nicht bestätigt. 10) II p. 213,16  f. findet Holl so unerträglich hart, daß er wieder zur Annahme von Textverderbnis greift: αὐχοῦντες δὲ ἦσαν ἀγγελικὴν ἔχειν τάξιν ἢ διὰ τὸ ἀγγέλους προσκεκλῆσθαι. Die Verderbnis sieht [227] er im letzten Infinitiv sitzen, aber die Härte wird eigentlich geschaffen durch den Anschluß mit ἢ διά, der aus der Konstruktion fällt. In der ausführlichen Erklärung stellt Epiphanius Vermutungen darüber an, warum die „Angeliker“, von denen er zugegebenermaßen nichts weiß, zu ihrem Namen gekommen sind (p. 379,12–21); es werden mehrere Möglichkeiten zur Auswahl angeboten, aber von den in der Anakephalaiosis genannten nur die erste. Die syrische Übersetzung vereinfacht, indem sie das ἤ fortläßt (f. 134 u3,27), was einen falschen Kausalnexus schafft. Ich möchte in ἢ διά … eine Glosse sehen, von der Art, wie wir sie bereits einmal griechisch und einmal syrisch belegt haben. 11) II p. 213,18  f. ergänzt Holl wie häufig ein Partizip; auch dem Syrer war der Text zu kahl, er schiebt die copula ‫ ܐܝܬܝܗܘܢ‬ein (f. 134 u3,37). 12) III p. 1,8  f. (über Paul von Samosata, der Christus beschreibt als die alttestamentlichen Aussagen „vorausverheißend“) ἔχοντα, μὴ προόντα δέ, ἀλλὰ ἀπὸ Μαρίας καὶ δεῦρο διὰ τῆς ἐνσάρκου παρουσίας. ἔχοντα und προόντα sind Holls Verbesserungen, die griechische Handschrift des Panarions und die selbständige griechische Anakephalaiosis haben die Partizipien im Genitiv und das zweite ohne die Vorsilbe προ-. Da das Syrische sowohl acc.c.inf. wie genit.abs. auflösen muß, läßt sich von der Übersetzung her keine Entscheidung für den richtigen casus treffen. Doch ist deutlich, daß die Übersetzung die Vorsilbe προ- nicht gelesen hat: „nicht aber war er“ f. 135 r2,16. ἀλλά wird übersetzt mit ‫ܐܐܠ ܐܢ‬, wird also in der Bedeutung „außer, ausgenommen, es sei denn“ verstanden (wogegen Holls Textfassung die Bedeutung „sondern“ erfordert). Es spricht alles für den griechischen Text, wie die griechische Handschrift ihn liest, Holls Korrekturen wären rückgängig zu machen; daß die Kon-

227, 228 

1.2 Die Anakephalaiosis zum Panarion des ­Epiphanius 

 19

struktion vom abhängigen Akkusativ zum genit.abs. wechselt, ist doch ohne weiteres möglich. Dadurch entfällt auch Holls übliche Ergänzung eines Partizips am Ende des Satzes. Z. 8  f. μὴ ὄντος δέ, ἀλλὰ … wäre dann zu übersetzen: „indem er nicht ist, es sei denn aus Maria und hier (sc. auf Erden) durch die Erscheinung im Fleisch“. Der Gegensatz ist derselbe wie der von Zeile 5 ἀνύπαρκτον und 6  f. ἀπὸ δὲ Μαρίας καὶ δεῦρο εἶναι. 13) III p. 1,11 σχήματι: dazu schlägt Holl im Apparat die Ergänzung eines Infinitivs vor, aber sie läßt sich aus dem Syrischen nicht belegen. 14) Ein vertrackter Fall ist III p. 230,8  f. Hier hat Holl die Fassung der selbständigen griechischen Anakephalaiosis in den Text übernommen und die Lesung der Hs. des Panarions in den Apparat verwiesen. [228] Den gewonnenen Text betrachtet er dann immer noch als ergänzungsbedürftig. Die syrische Anakephalaiosis hätte jedoch Holl vom Alter des von ihm verworfenen Textes überzeugen können. Freilich kommt auch das Syrische ohne eine Erleichterung nicht aus, genausowenig wie die selbständige griechische Anakephalaiosis, Johannes Damascenus und Holl selbst. Wahrscheinlich ist sogar die Lesart der griechischen Handschrift J bereits eine Erleichterung des Ursprünglichen. Ich restituiere zunächst aus Holls Apparat Zeile 8  f., wie J sie liest: (sie beten nicht mit uns) ψέγοντες τοὺς παρ’ ἡμῖν ἐπισκόπους23 πλουσίους καὶ ἄλλους, ἀλλὰ καὶ διὰ τὸ πάσχα ποιεῖν ἰδιαζόντως. Syrisch sieht das so aus (f. 135 ̈ u1,8–12): ‫ܐܠܦܣܩܦܐ ܕܠܘܬܢ܂ ܘܠܚ̈ܪܢܐ ܐܝܟ ̇ܡܢ ܕܥܬܝ̈ܪܝܢ܂ ܐܐܠ ܐܦ ܡܛܠ ܕܥܒܕܝܢ ܦܨܚܐ‬ ‫ܒܕܥܕܠܝܢ‬ .‫ ܡܢܗܘܢ ܘܠܗܘܢ‬Der Übersetzer hat also ἀλλά nach dem Punkt gelesen – wie J.  Gestoßen hat er sich begreiflicherweise an πλουσίους καὶ ἄλλους, er hat sich geholfen, indem er die Reihenfolge beider Wörter umdrehte, ἄλλος als „fremd“ verstand, was ja möglich ist, und einen kausalen Bezug herstellte: (sie beten nicht mit uns), „indem sie Bischöfe bei uns auch als fremde, als solche die reich (sind) tadeln, aber auch weil sie Ostern für sich begehen“. Die selbständige griechische Anakephalaiosis schiebt nach πλουσίους ein ἀποκαλοῦντες (worauf Holl seinerseits αὐτούς dazwischen setzt), aber der Einschub ist überflüssig, da ψέγω auch mit doppeltem Akkusativ konstruiert werden kann (ein Beleg bei Liddell-Scott). Man muß also übersetzen: „Sie tadeln die Bischöfe bei uns als reiche“. Der große Anstoß bleibt natürlich das absolute ἄλλους am Ende des Satzes. Alle Griechen ziehen das ἀλλά vom Beginn des nächsten Satzes zu ἄλλους in Gestalt folgender Verbesserungen: ἄλλους ἄλλους selbständige griech. Anakephalaiosis, ἄλλους εἰς ἄλλα Johannes Damascenus, ἄλλους ἄλλως Holl. Ich selber frage mich, ob man nicht ἄλλους ἄλλα restituieren soll, womit man den Lautbestand bewahren würde. ἄλλος als Adjektiv kann heißen, „außerdem, überdies, sonst noch“; Beispiele aus dem Lexikon: ὁπλῖται καὶ ἄλλοι ἱππεὶς „Schwerbewaffnete und außerdem Reiter“, λίθοι καὶ ἄλλα ζῷα (Steine und außerdem Lebewesen). In all diesen Fällen stehen natürlich

23 Holls Komma fällt weg.

20 

 1.2 Die Anakephalaiosis zum Panarion des ­Epiphanius

228–230

Adjektiv und Nomen im gleichen genus. Demnach wäre die Lesart der selbst. griech. Anakephalaiosis die korrekteste; wenn man ψέγοντες  …  ἐπισκόπους πλουσίους καὶ ἄλλους ἄλλους übersetzt, gibt das: „indem sie [229] die Bischöfe … tadelten als reiche und als sonst noch andere“; in gutem Deutsch wäre das: „und als sonst noch anderes“, also genau ἄλλους ἄλλα. Ist eine solche griechische Konstruktion unmöglich? Oder dem Epiphanius unmöglich? Wenn man an dessen Gebrauch von ἡγέομαι c. genit. und von ψέγω mit doppeltem Akkusativ denkt (was der griech. Anakephalaiosis entweder unvertraut oder nicht fein genug war, s.  o.) traut man ihm ja Verschiedenes zu. 15) f. 136 r1,36  f. ‫ ܦܘ̈ܪܣܐ ܕܐܝܟ ܗܠܝܢ‬bestätigt Dindorfs Konjektur διὰ τοιούτων τρόπων Holl III p. 232,6  f. (διὰ τοιούτων J; διὰ τοιοῦτον τρόπον Anak.). Dagegen werden die beiden Hollschen Ergänzungen p. 232,7 und 9 durch das Syrische nicht bestätigt. Doch fügt die Übersetzung an der zweiten Stelle die copula ‫ܐܝܬܝܗܘܢ‬ ein. * *   * Für die Bestimmung des Verhältnisses der syrischen Anakephalaiosis zum Panarion und zur selbständigen griechischen Anakephalaiosis muß bedacht werden, daß die Übersetzung im Fall einer Differenz zwischen den beiden griechischen Textformen eine Tendenz hat, mit den Handschriften oder der Handschrift des Panarions zu gehen, aber keineswegs immer; bei kleinen Abweichungen ist gerade das Umgekehrte der Fall. Aus der Edition von Add. 12156 wird man das im Einzelnen ersehen können24. Als überlieferungsgeschichtliche Folgerung ergibt sich, daß die Anakephalaiosis als Auszug aus dem Panarion zwei selbständige Entwicklungsformen aufweist, die griechische und die uns in der syrischen Übersetzung vorliegende. Die [230] Bearbeitung, der die Exzerpte dabei unterzogen wurden, ist von so verschiedener Art, daß uns Add.

24 Als Beispiel die erste syrische Seite der Inhaltsangabe von Band 1, f. 130 u. f. 130 u1,33 ‫= ܐܬܚܠܛܘ‬ προσεκρίθησαν (assimilieren), wie die Hss. des Pan. I p. 162,15; wogegen Anakeph. liest προσεκλίθησαν (hinneigen). f. 130 u1,40 ‫= ܡܢ ܙܒܢܘܗܝ‬ ἀπὸ τῶν χρόνων wie die Hss. des Pan. I p. 163,1; Anakeph.: πρὸ ἓξ χρόνων. Aber: f. 130 u2,19 ‫= ܕܫܘܐ‬ ἄξιον wie Anakeph.; wogegen Pan. I p. 163, 8 δοκοῦν liest. Ι p. 164,4 hat Holl καὶ τὴν προσωνυμίαν τῇ χῶρᾳ παρεχομένου aus der Anakeph. in den Text übernommen; wie in den Hss. des Pan. fehlt es auch im Syr. f. 130 u3,17  f. Anscheinend ist das eine erläuternde Ergänzung in der selbständigen griech. Anakeph., so wie die syrische ihrerseits solche an anderen Stellen aufweist – in unserm Fall gleich zwei Zeilen weiter zu ἀπὸ τῆς ἐλαίας I p. 164,5: das wird übersetzt unter Transliteration von ἐλαίας f. 130 u3,19  f. ‫ܡܢ ܐܐܠܐ‬, und dies wird wiederum erklärt Zeile 20  f. ‫ܗܢܘ ܕܝܢ ܡܢ ܙܝܬܐ‬. Es ist also mit mehr Textentwicklung der selbständigen griechischen Anakeph. zu rechnen, als Holl veranschlagt hat. I p. 164,7 haben die Hss. des Pan. und das Syrische ὅτε αἱ γλῶσσαι διεμερίσθησαν τῶν πάντων, was in der Anakeph. fehlt; das Gleiche gilt für Zeile 8 πάντες.

230 

1.2 Die Anakephalaiosis zum Panarion des ­Epiphanius 

 21

12156 trotz einer weiteren Bearbeitung durch die Übersetzung Belege für das hohe Alter bestimmter Epiphaniuslesarten bieten kann, die trotz Holls berechtigter stilistischer Empfindlichkeit (die die Textzeugen immer wieder teilen) für die Ursprünglichkeit dieser Lesarten sprechen.

1.3 Über die Fragmente des Theodor von Mopsuestia in Brit. Libr. add. 12.156 und das doppelt überlieferte christologische Fragment1 1 Pater Köberts Übersetzung und sein Urteil über das berühmte doppelt überlieferte Fragment Kurz vor seinem Tod (27. Sept. 1987) schickte Pater Köbert vom Istituto Biblico in Rom an Pater Grillmeier in Frankfurt ein Manuskript, das eine deutsche Übersetzung der Theodor-Fragmente aus add. 12.156 und eine kurze Einleitung enthielt. Am Ende der Einleitung befindet sich ein Datum: 3. März 1985; ich nehme an, daß Köbert an diesem Tag seine Arbeit abschloß. 1903 geboren, war er also 82 Jahre alt. Nach einigen allgemeinen Bemerkungen befaßte sich seine Einleitung nur mit dem berühmten Fall, wo ein anderes syrisches Manuskript eine Gestalt des Textes überliefert, in der der Ausdruck „eine Hypostase“ für den einen Christus gebraucht wird, während sich add. 12.156 mit der normalen Bezeichnung „ein prosopon“ begnügte. Bekanntlich hielt Marcel Richard die Fassung von add. 14.669 für eine Wiedergabe des authentischen Theodortextes; er betrachtete folglich die Übersetzung in add. 12.156 als Beleg für die Abänderung des Originals mit feindlicher Absicht. Richards Auffassung ist in die Clavis Patrum Graecorum II eingegangen, wo Maurice Geerard, unter Nr.  3856, zwischen Fragmenten der traditio genuina (add. 14.669 und Facundus von Hermiane) und der traditio alterata von De incarnatione unterscheidet. Die Fragmente aus add. 12.156 erscheinen natürlich in der zweiten Gruppe. Aber Köbert dreht in seinem unpublizierten Aufsatz dies Verhältnis um: nach seiner Meinung ist die Fassung von add. 14.669 das Werk eines Edesseners, der geneigt war, der Synode von Chalcedon zuzustimmen und deswegen die Terminologie in diesem Sinne änderte. Pater Grillmeier erwog eine Veröffentlichung von Köberts Arbeit in einer Appendix zu Band II 2 von „Jesus der Christus im Glauben der Kirche“, weil Köbert zu Recht darauf hingewiesen hatte, daß es keine deutsche Übersetzung [2] der Fragmente gibt. In jedem Falle wäre eine vollständige Übersetzung wünschenswert, denn Sachaus Übersetzung ist schwer zugänglich2, nicht vollständig und ändert die Reihenfolge der 1 Als communication auf der syrischen Konferenz 1990 in Kottayam, Kerala (Indien) auf Englisch vorgetragen; die englische Fassung ist in der Zeitschrift „The Harp“ des St. Ephrem Ecumenical Institute, Kottayam erschienen (vol. VI, No. 3, 1993, p. 199–206). – Für die deutsche Fassung habe ich einige Anmerkungen beigefügt. 2 Die UB in Tübingen besitzt kein Exemplar. Man vergleiche das mit dem beneidenswerten Zustand vor reichlich hundert Jahren, beschrieben von H.  B.  Swete, Theodori episcopi Mopsuesteni in epistolas b. Pauli commentarii, 1882, voI.  II, p. 289 n. 2: „as these books“ (sc. de Lagarde und Sachau) „are inexpensive and can easily be procured, I have contended myself with an occasional reference to them“. https://doi.org/10.1515/9783110647419-003

2,  3

2 Wie zuverlässig ist die Überlieferung der Schriften Theodors? 

 23

letzten Fragmente, die eine kleine Appendix zu den Auszügen aus De incarnatione bilden. Vor der Veröffentlichung beschloß Pater Grillmeier, jemand zu befragen, der mit den spezifischen Problemen vertraut war, ließ Köberts handgeschriebenen Text mit der Maschine abschreiben und schickte ihn mir. Ich votierte für getrennte Veröffentlichung, weil für bibliographische Zwecke die Übersetzung in Grillmeiers Band verloren gewesen wäre. In der Annahme, es würde nur einige technische Arbeit an der Einleitung nötig sein und eine Kontrolle der Übersetzung, war ich bereit, die Veröffentlichung zu übernehmen. Statt dessen mußte ich feststellen, daß die Übersetzung neu gemacht werden mußte, daß es keinen Verweis auf die ältere Kritik Sullivans an der These von Richard gab und daß der ganze Apparat der Parallelüberlieferungen, soweit es sie gibt, noch anzufertigen war. All dies kostete viel mehr Zeit, als ursprünglich veranschlagt war, und die Arbeit ist noch nicht ganz abgeschlossen3. Aber ich will jetzt schon sagen, daß ich vollkommen mit Köbert darin übereinstimme, auf welcher Seite der berühmte Text in seiner authentischen, wenn auch übersetzten Form zu suchen ist: in add. 12.156; die Fassung von add. 14.669 stellt eine Bearbeitung der betreffenden Stelle dar. Grillmeier sah natürlich sofort die Konsequenz von Köberts Urteil: die Bewertung der Fragmente aus De incarnatione in der Clavis Patrum Graecorum müßte umgedreht werden (die Exzerpte bei Facundus sind freilich auszunehmen). Dies bringt uns zu unserem nächsten Abschnitt:

2 Wie zuverlässig ist die Überlieferung der Schriften Theodors? Hinsichtlich der Überlieferung der Werke Theodors sind in Wirklichkeit folgende Unterscheidungen zu treffen: a) Freundliche Überlieferung und Überlieferung durch Gegner, sei es des griechischen Originals oder der Übersetzungen ins Lateinische und Syrische. [3] Für die gegnerische Überlieferung ist charakteristisch, daß sie eine einseitige Auswahl trifft, d.  h. es werden Exzerpte ausgewählt, die der Orthodoxie des Verfassers Schaden zufügen sollen, so daß sich ein schiefes Bild von seinen Auffassungen ergibt. Es gibt Fälle, wo die Fragmente so aus dem Kontext herausgeschnitten sind, daß Thesen, die der Verfasser bekämpft, als seine eigenen erscheinen (so gelegentlich in den Testimonia für das Konzil von 553 und daher von Papst Vigilius reproduziert). Die Theodor-Sammlung in add. 12.156 ist die einseitigste von allen. Es gibt da ein Exzerpt, zu dem ein breiter griechischer Kontext bei Leontius erhalten ist,

Die Analecta Syriaca, Leipzig 1858, von Paul de Lagarde sind einmal nachgedruckt worden (Osnabrück 1967). Die Arbeit von Eduard Sachau, Theodori Mopsuesteni fragmenta syriaca, Leipzig 1869, enthält u.  a. Edition und lateinische Übersetzung der erwähnten Fragmente von add. 14.669, dazu auch eine lateinische Übersetzung dessen, was de Lagarde von Theodor aus add. 12.156 abdruckt. 3 Inzwischen habe ich auch die Reste von De incarnatione in add. 14.669 übersetzt [für alles dazu im Nachlass Erhaltene siehe hier in diesem Band S. 37–85 – d. Red.]; ich muß gestehen, daß sie literarisch und als Übersetzung keinen guten Eindruck machen.

24 

 1.3 Über die Fragmente des Theodor von Mopsuestia

3, 4

selbst ein feindlich gesinnter Tradent, an ihm sieht man, daß der Text im Original von Sätzen über die Einheit der Natur des einen Christus eingerahmt war – Sätze, die vom syrischen Exzerpt mit Absicht weggelassen wurden. – Fragmente der freundlichen Überlieferung sind die bei Facundus, die auf die (verlorene) Apologie Theodorets für Diodor und Theodor zurückgehen. b) Eine zweite Unterscheidung betrifft nur die Übersetzungen. Es ist die Unterscheidung zwischen sklavisch wörtlicher Übersetzung und sprachlich besser zu lesender Übertragung. Sullivan hat in seinem Buch von 1956 wieder und wieder feststellen müssen, daß die lateinischen Fragmente der gegnerischen Überlieferung dem griechischen Text sklavisch folgen, wo immer man die Möglichkeit des Vergleichs hat. Das Resultat meiner Beobachtungen an unserer Sammlung ist genau das gleiche. Dies ist nicht immer eine Hilfe beim Übersetzen, im Gegenteil. Theodor ist manchmal schwierig zu verstehen und die syrische Übersetzung noch schwieriger zu lesen, hat vielleicht auch das Original nicht richtig verstanden4. Es gibt immer noch Stellen, wo mir die Übersetzung ins Deutsche nicht recht glücken will. Andererseits findet man Fälle, wo man den zugrundeliegenden griechischen Ausdruck erahnen und so den rechten Sinn finden kann, oder man kann wenigstens wahrnehmen, daß das Syrische eine falsche Bedeutung von mehreren möglichen eines Wortes übersetzte, und findet so den korrekten Sinn des Textes. Die beiden verschiedenen Typen von Übersetzung können nicht Ergebnis von Zufällen sein, sondern scheinen mit der Funktion des übersetzten Textes zu tun zu haben. Die Fälle der allzu wörtlichen Übersetzungen sind sicherlich nicht das Resultat der Unfähigkeit des jeweiligen Übersetzers (obwohl Fehler in der Wahl der Synonyme oder falsches Textverständnis natürlich Mängel andeuten), auch stellen sie nicht5 eine Phase in der Entwicklung syrischer Übersetzungstechnik dar, da das Phänomen ja auch in der lateinischen Überlieferung auftaucht. Ich halte es für eine Sache des literarischen genus, genauer eines theologi[4]schen literarischen genus: Fragmente, die so übersetzt werden, sind testimonia, Belegtexte in der dogmatischen Auseinandersetzung, die ihre Beweiskraft gerade durch buchstäbliche Genauigkeit erhalten sollen. Zum Vergleich müßte man die syrischen Übersetzungen der Katechetischen Homilien, des Johanneskommentars und von De incarnatione in add. 14.669 heranziehen. Dies sind keine Übersetzungen von Exzerpten, sondern von ganzen Schriften, auch wenn nur Teile der Handschrift von De incarnatione überlebt haben. Man sollte annehmen, daß diese Werke übersetzt wurden, weil man sie in der eigenen Gemeinschaft lesen oder lehren wollte. Das schließt nicht aus, daß der Übersetzer von De incarnatione in add. 14.669 wünscht, daß Theodor in einer besonderen dogmatischen Interpretation gelesen werden soll und dies gewiß aus einem apologetisch-theo-

4 Es ist nützlich daran zu erinnern, daß die Sammlung von Theodorexzerpten in add. 12.156 dem Übersetzer schon als griechische Zusammenstellung vorlag. 5 Man sollte besser sagen „nicht nur“.

4,  5

2 Wie zuverlässig ist die Überlieferung der Schriften Theodors? 

 25

logischen und/oder kirchenparteilichen Interesse. Übersetzungen mit einer positiv lehrmäßigen, unterweisenden oder erbaulichen Zielsetzung müssen lesbar sein und dürfen den Benutzer nicht über fürchterlich harte, unsyrische Konstruktionen stolpern lassen; dies würde den Zugang zu etwas doch für wertvoll Erachtetem sehr einschränken. Wenn wir aber im Lichte solcher Annahmen uns wieder das Syrisch von add. 14.669 ansehen (nämlich beim Versuch, es zu übersetzen), dann finden wir, daß die syrische Übersetzung dem (nicht mehr existierenden) Griechisch nur zu wörtlich folgt, wie man an der ungeschickten Syntax merkt. Das macht die berühmte christologische Stelle mit ihrer abweichenden Fassung um so auffälliger als einen bewußten Versuch der inhaltlichen Korrektur. Wir können diesen Fall nämlich mit zwei viel kürzeren Passagen vergleichen, wo add. 14.669 und 12.156 denselben griechischen Text in mehr oder weniger gleicher Weise übersetzen. So wird De incarnatione in den Fassungen von add. 14.669 zu einem Sonderfall, der in keine der beiden etablierten Kategorien paßt6. Richard hat den Fragmenten aus De incarnatione in add. 12.156 laufende Nummern gegeben; das berühmte Fragment hat die Nr. 16 (die beiden anderen mit Parallelen in add. 14.669 haben die Nummern 19 und 20). In seinem Artikel hat Richard nicht behandelt die kleinere Gruppe von Exzerpten, die in 12.156 auf die Texte aus De incarnatione folgen. Ich habe jetzt seine Zählung in diesen Anhang hinein fortgeführt. Nr. 32 ist ein Zitat aus den Katechetischen Homilien; in der Handschrift, die Tonneau, der zweite Herausgeber der Homilien, photostatisch abdruckte, entsprechen dem 7 Zeilen (f.15u). Obwohl die Passage [5] so kurz ist, läßt sich sogar etwas Textkritisches zu ihr sagen: einige Wörter am rechten Rand der Hs. sind leicht verwischt, und in zwei Fällen hat jemand versucht, die Buchstaben mit Bleistift nachzuzeichnen. Das erste Mal ist die Nachzeichnung richtig (‫ ܐܒܐ‬Zeile 20), das zweite Mal nicht ganz (Zeile 24 lies ‫ܒܣܗܕܘܬܗ‬, so gedruckt bei Mingana und von Tonneau übersetzt). Aber Zeile 21 beginnt mit einem Wort, das Mingana als ‫ ܒܐܝܕܗ‬las; Tonneaus Übersetzung folgt dieser Lesart: „et par lui“, „and through him“. Mir scheint aber das fragliche Wort ‫ ܘܒܠܒܫܗ‬zu lauten (man bedenke, daß es sich um nestorianische Schrift handelt!): „and through his garment“, „et par son vêtement“, was sehr gut in den Kontext paßt. Vergleicht man die beiden Übersetzungen dieses Textstückes auf den beiden Seiten der Tradenten, dann ergibt sich Folgendes: In der freundlichen Tradition gibt es zwei Fälle leichter Vereinfachung:

6 Weitere Angaben über De incarnatione in add. 14.669 findet man in meinem Beitrag zur Festschrift für Sebastian Brock, die 1995 erscheinen soll [hier in diesem Band S. 29–36]. – Was den Johanneskommentar Theodors betrifft, so ergab eine Übersetzung der ersten 20 Seiten der Ausgabe von Vosté (CSCO 115/116 Syri 62/63), also der Widmung, des Argumentum und des Anfangs des ersten Buches, in einer Übung mit Studenten, daß jedenfalls auf diesen Seiten eine sklavisch wörtliche Übersetzung von großer Umständlichkeit vorliegt. Aus Vostés lateinischer Übersetzung des Syrischen kann man das natürlich erkennen. War die syrische Fassung vielleicht als Leseübersetzung für den Schulgebrauch in Edessa gedacht, wo man sie neben das griechische Original legte?

26 

 1.3 Über die Fragmente des Theodor von Mopsuestia

5 ,6

a) „Der eine Herr“ wird in der gegnerischen Tradition prädiziert als „der von jener Natur, die eine und göttlich ist, von der der Vater ist“. In der freundlichen Tradition heißt es: „der von der göttlichen Natur Gottes, des Vaters, ist“. b) Eine weitere Prädikation im gegnerischen Fragment ist: „von dem der Engel sagt, auf welche Weise es geziemend war, daß er genannt werden sollte“ – das spielt auf Lk 1,32 an. In der freundlichen Überlieferung lesen wir: „weil er der Mensch ist, von dem der Engel sagt, daß er Jesus genannt werden sollte“ – eine Anspielung auf Lk 1,31. Diese letztere Fassung ist leichter zu verstehen, da eine direkte Aussage gemacht wird, aber sie ersetzt bei dieser Gelegenheit die für Theodor so charakteristische Phrase „es war geziemend“. Ohne Frage ist die syrische Fassung der feindlichen Fragmentensammlung die Wiedergabe des genuinen Textes. Man bemerkt auch die Übersetzung von „annehmen“ (assumere), was wirklich ausreichend theodorisch ist, durch „sich bekleiden“, was man als Syriazisierung betrachten kann; „in ihm seiend“ ist wiedergegeben durch das stärkere „wohnte in ihm“; „gibt Erkenntnis von sich selbst in ihm“ wird zu „offenbart durch sein Gewand“. Man kann diese Beobachtungen zusammenfassen als „Antiochenisierung“ eines ohnehin antiochenischen Textes, ohne Änderung des Sinnes. Als Rudolf Abramowski 1934 (ZNW Bd. 33) auf die damals gerade erfolgte Veröffentlichung der Katechetischen Homilien durch Mingana aufmerksam machte, schrieb er, daß die lateinische Version der Konzilsexzerpte aus den Homilien nun im Licht der syrischen Übersetzung des Gesamttextes untersucht werden sollte. Seine eigene erste allgemeine Beobachtung ging dahin, daß die syrische Übersetzung in den meisten Fällen einen besseren Sinn als das oft ziemlich dunkle Latein ergibt; und daß ferner die lateinischen Exzerpte zum Nachteil des Verfassers behandelt worden waren (p. 68). Auf p. 69 stellte R.  Abramowski die beiden syrischen Fassungen des Exzerpts aus den Homilien nebeneinander, die wir gerade behandelt haben, aber er wertete die Differenzen nicht aus, wie wir das eben getan haben. Danach verglich er die lateinischen Fragmente einzeln [6] mit der vollständigen syrischen Übersetzung. Sein Schlußurteil lautet, daß die syrische Übersetzung leichter zu lesen und zu verstehen ist – hier stimmen wir ihm zu; deswegen schien sie ihm getreuer das Original wiederzugeben. Dem kann ich, obwohl es sich um meinen Vater handelt, nicht zustimmen; das Umgekehrte ist vielmehr richtig. Kehren wir nun zu Theodors christologischem Text in den voneinander abweichenden Fassungen in add. 12.156 und 14.669 zurück. Köbert stellt richtig fest, daß die Übersetzung von 12.516 einen zusammenhängenden Argumentationsgang wiedergibt, in dem jedes Argument und jeder Vergleich seinen Platz hat, wogegen add. 14.669 nur eine lose Kette von Gedanken darbietet. Ich brauche seinen Nachweis nicht im einzelnen vorzuführen, und Köberts Ergebnisse habe ich schon genannt. Aber ich kann ergänzende Beobachtungen anführen, die es unmöglich machen, an add. 14.669 als Wiedergabe des authentischen Textes des Autors (jedenfalls an dieser Stelle) festzuhalten. Add. 12.156 hat eine äußerst schwierige Passage über den inneren und äußeren Menschen, die in 14.669 radikal vereinfacht und verkürzt worden ist (und

6,  7

3 Die Fragmente Theodors in add. 12.156 

 27

vielleicht sogar falsch gewendet worden ist). Glücklicherweise gibt es eine lateinische Parallele bei Facundus zu add. 12.156, eine Parallele nicht zum Text, sondern zum Gedanken, wodurch Theodors Meinung etwas deutlicher wird, obwohl die Übersetzung des Syrischen immer noch schwierig bleibt. Es ist unmöglich, daß die kürzere, einfachere Gestalt des Textes in add. 14.669 sich zu dem komplizierten Arrangement entwickelt haben sollte, wie es add. 12.156 aufweist. Schließlich finden wir auf der Seite von add. 14.669 den Ausdruck ‫ ܦܪܨܘܦܐ ܕܚܕܝܘܬܐ‬πρόσωπον τῆς ἑνώσεως, das ist ein Begriff, den der späte Nestorius benutzt, aber Theodor, soweit ich sehe, niemals; add. 12.156 hat den Begriff nicht. An diesem Punkt meiner Arbeit an der Sammlung von Theodorfragmenten in add. 12.156 nahm ich nach reichlich 30 Jahren wieder F.  A. Sullivans Buch „The Christology of Theodore of Mopsuestia“ von 1956 zur Hand und las aufs neue die Kapitel 2 und 3, d.  h. die Hauptmasse dieses Werkes (p. 35–158). Sullivan behandelt darin die Verläßlichkeit der gegnerischen Überlieferung der Theodorfragmente und untersucht die Evidenz von Verfälschungen, wie sie Devreesse zusammengestellt hatte. Richard und Devreesse werden scharf kritisiert, und der Verfasser nimmt seinen eigenen Standpunkt in der damaligen Debatte über die Neubewertung der antiochenischen Theologie ein. Da solche (milde ausgedrückt) konservativen Theologen wie Ortiz de Urbina, Diepen und Parente mit Zustimmung erwähnt werden, mußte (und sollte) Sullivans Buch als Ausdruck unfreundlicher Gesinnung gegenüber Theodors Verteidigern erscheinen, die Belege für ihre Auffassung in der antiochenischen und nestorianischen Überlieferung der Werke ihres Helden suchten. Hier muß nun zwar widerwillig (widerwillig, weil wir alle Marcel Richard so sehr schätzten und seine große Gelehrsamkeit noch verehren), aber deutlich gesagt werden, daß Sullivans Untersu[7]chung der Beziehungen der verschiedenen Überlieferungsstränge zueinander und zu den Übersetzungen methodisch fehlerlos ist. Und seine Beobachtungen zu den verschiedenen Graden von Freiheit in den syrischen Theodorübersetzungen sind überaus nützlich. Aber daraus folgt noch keineswegs, daß man auch seiner Auffassung vom „Nestorianismus“ Theodors, des Nestorius und ihrer Freunde zustimmen muß.

3 Die Fragmente Theodors in add. 12.156 In seinem Aufsatz über die Überlieferung von Theodors De incarnatione (jetzt Opera minora, 1977, Nr.  41) behandelt Richard unsere Sammlung nur in einem Anhang (p.72–74), entsprechend seinem abschätzigen Urteil über die gegnerische Überlieferung. Trotzdem sind seine Mitteilungen sehr hilfreich. Wie ich schon sagte, bezog er die Fragmente, die in dieser Sammlung nicht aus De incarnatione stammten, in seine Untersuchung nicht ein. Daher wird auf diese Fragmente auch nicht in Acta Conciliorum Oecumenicorum hingewiesen und ebenfalls nicht in einer Liste, die ich in einem kleinen Aufsatz über die ganze Hs. add. 12.156 zusammenstellte; dieser Aufsatz, verfaßt viele Jahre vorher, ist erst 1987 veröffentlicht worden in „Texte und

28 

 1.3 Über die Fragmente des Theodor von Mopsuestia

7, 8

Textkritik“ (= Texte und Untersuchungen 133) [hier in diesem Band S. 3–9]. Ich gebe darin eine Inhaltsübersicht von add. 12.156, die sich von den üblichen Aufstellungen löst, die sich an Wrights Katalog anlehnten. Die „Blasphemien Diodors, Theodors und des Nestorius“ sind Nr. VIII in meiner Gliederung. Diese Nr. VIII gehört mit Nr. VI, VII und IX zu dem Teil der Hs., der die antiochenische Theologie denunziert, während das Rahmenwerk gegen Chalcedon und den Tomus Leonis gerichtet ist. In seiner Zählung der Fragmente hat Richard übersehen, daß Nr.  9 aus zwei Stücken besteht, die ich als a) und b) unterscheide. Nr. 24 ist das letzte Fragment aus De incarnatione, die Appendix geht weiter bis Nr. 33. Nr. 25 habe ich in zwei Stücke geteilt, wie es das erhaltene griechische Original erfordert, obwohl im Syrischen die Unterbrechung nicht durch ein Lemma angezeigt wird, falls man nicht eine Gruppe von drei Punkten als Hinweis nehmen kann, weil solche drei Punkte oft, aber nicht immer das Ende eines Exzerpts bezeichnen. Die größere Zahl der Fragmente ist aus anderen Tradenten nicht bekannt: Nr. 2–10. 15. 17. 18. 21–24. 26. 28. 29. 33, d.  h. 17 Exzerpte aus De incarnatione und 4 im Anhang. Nr.16 und 19 haben Parallelen nur in add. 14.669, ebenso der erste Satz von Nr. 20, der Rest des Fragments ist auch lateinisch überliefert. Richard meinte, daß Nr.12 keine Parallele hätte, aber schon vor ihm hatte R.  Abramowski die entsprechende Stelle griechisch in den Auszügen bei Leontius gefunden. Wir wissen, daß De incarnatione in Bücher und Kapitel unterteilt war, wobei [8] die Kapitelzählung durch die Bücher hin kontinuierlich war. Unser Kompilator gibt nur die Kapitelzahlen an, die Fragmente sind aus den Kapiteln 11. 33. 35. 36. 37. 38. 50.  51. 56. 59.  60. 63 (das berühmte christologische Fragment stammt aus diesem Kapitel). 66. 73. 77. Die Fragmente sind meist kurz, eine der Ausnahmen ist Zitat Nr. 16 aus c. 63. Die vom Kollektor hergestellten Auszüge konzentrieren sich auf die Unterscheidung zwischen dem Logos und dem angenommenen Menschen in Christus und auf die Vollständigkeit seiner menschlichen Natur. Es ist deutlich, daß die Vorstellung vom Menschen (ἄνθρωπος) in Christus7 gegen Apollinarius und dessen spezifisches christologisches Verständnis von ἄνθρωπος entwickelt worden ist, wo der „Mensch“ (nicht das Fleisch) „vom Himmel“ ist (nach I.  Kor. 15,47). Das Interesse des Kompilators ist natürlich nicht auf Apollinarius gerichtet, aber wir verstehen Theodor nicht richtig, wenn wir nicht wahrnehmen, wogegen er kämpfte.

7 Im Kommentar zu Joh. 1,14 verweist Theodor den Leser auf De incarnatione, er nennt das Werk zutreffend „den Band, den wir über die Menschheit unseres Herrn geschrieben haben“ (115 p. 34,18f/116 p. 23,33).

1.4 Die Reste der syrischen Übersetzung von Theodor von Mopsuestia, De Incarnatione, in Add. 14.6691 Im Jahr 1869 hat Eduard Sachau die Reste einer syrischen Übersetzung von De incarnatione des Theodor von Mopsuestia herausgegeben.2 Es handelt sich um 18 Pergamentblätter bzw. Reste von solchen Blättern, die am Anfang von add. 14.669 im Britischen Museum, jetzt British Library, aufbewahrt werden. Die Ausgabe Sachaus erschien noch vor Wrights Katalog (1870–72) der syrischen Handschriften; der Katalog führt in der Beschreibung von add. 14.669 die Ausgabe schon an. Nach Wrights Beschreibung gilt als add. 14.669 nur der Rest von De incarnatione; tatsächlich enthält der Band inzwischen 59 Blätter von verschiedenen Händen, größere und kleinere Überreste von Hss., die wegen der Blattverluste genauso anonym sind wie die Stücke aus De incarnatione. Vermutlich verdanken wir Sachau die Identifikation des Verfassers. Während des Sortierens haben sich die Seitenzahlen des Bandes verschoben, wie man an durchgestrichenen Ziffern sehen kann (die Paginierung ist mit Bleistift vorgenommen worden). Gelegentlich findet man am Rand in Bleistift die Angabe einer Bibelstelle. Wegen des schlechten Zustandes der erhaltenen Blätter hat Sachau vielfach Buchstaben oder Wörter ergänzen müssen, die Ergänzungen erscheinen im Drucktext in eckigen Klammern. Über die Tatsache der Edition als solcher hinaus sind wahrscheinlich diese Ergänzungen sein bleibendes [24] Verdienst. Soweit ich sehen kann, hat seitdem niemand mehr das ganze Ms. mit dem Druck verglichen. Daß ich die Ergänzungen des Semitisten Sachau meinerseits verbessern könnte, erwarte ich kaum. Beim Übersetzen habe ich jedenfalls nur in zwei oder drei Fällen seine Ergänzungen aus inhaltlichen Gründen ändern müssen. In seiner lateinischen Übersetzung hat Sachau die Reste von Sätzen, die zu Beginn oder Ende der Seiten oder der lesbaren Partien auf den Seiten standen, nicht wiedergegeben. Vor allem hat er in die Übersetzung nicht vollständig übernommen, was 1 Ein Teil des Folgenden wurde auf dem Symposium syriacum im August 1992 in Cambridge vorgetragen. Nach der Tagung habe ich in London mit dem Vergleich von Ms. und Sachaus Druck begonnen; das führt zu kleinen Änderungen gegenüber dem Redetext. – Über das Problem, auf welcher Seite der Überlieferung von De incarnatione der authentische Text zu finden ist, habe ich mich in meinem Referat auf dem syrischen Kongreß in Kottayam (Kerala) 1990 ausgesprochen: die Entscheidung fiel gegen Richard. Siehe Abramowski, L, „On the fragments of Theodore of Mopsuestia in Brit. Libr. add. 12156 and the christological fragment in double tradition“, The Harp. A Review of Syriac and Oriental Studies, 6 (1993), 199–206. Eine deutsche Fassung vermehrt um einige Anmerkungen, Oriens Christianus, 79 (1995), 1–8 [hier in diesem Band S. 22–28]. Im dritten Abschnitt des Aufsatzes ist statt ACO IV 2 zu lesen: ACO IV 1 [hier korrigert – d. Red.]. 2 Theodori Mopsuestensi fragmenta syriaca, p. ‫– ܨܓ‬ ‫ ܡܗ‬syrischer Text, pp. 28–57 lateinische Übersetzung. https://doi.org/10.1515/9783110647419-004

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 1.4 Die Reste der syrischen Übersetzung von Theodor von Mopsuestia

24, 25

sich an Angaben über Bücher und Kapitel von De incarnatione im Syrischen findet. Das hat erstens zur Folge, daß er selber eine überflüssige falsche Anordnung von zwei Blättern vornimmt und daß zweitens Marcel Richard in seinem berühmten Aufsatz über die Überlieferung von De incarnatione3 die Kapitelangabe „43“ auf f. 4 b col. 1 nicht nennt.4 In Wrights Katalog hätte Richard die Angabe finden können, aber er zitiert den Katalog nicht, ohne Zweifel war er durch die Kriegs-und Besatzungszeit daran gehindert.5 Wright hat die Hs. im zweiten Band seines Katalogs beschrieben (p. 483): die Blätter alle mehr oder weniger „stained, torn, and mutilated“. Außer den vollständigen Angaben über Bücher- und Kapitelzahlen findet man auch die Mitteilung, daß die Zahl einer Lage (quire) sich erhalten hat: ,‫ ܛ‬also 9, auf f. 6 b; Sachau hatte das nicht übernommen. Ferner hören wir, daß die capitulatio des IX.  Buches – 63. 64. 65 – „subsequently“ geändert worden sei in 64. 65. 66. Auch davon steht nichts bei Sachau. Devreesse in seinem Essai6 hat ebenfalls davon keine Kenntnis genommen.7 In der Tat ist in add. 12.156 das Stück, das in unsrer Hs. das Ende des VllI.  Buches darstellt, mit der Herkunftsangabe „aus c. 63“ versehen. Wright sagt leider nicht, ob die nachträgliche Änderung von der Hand des ersten Schreibers vorgenomen wurde und ob auch nach der capitulatio zu Beginn des neuen Kapitels „63“ in ‚64‘ geändert worden ist. Die Autopsie ergab, daß die Korrekturen der capitulatio nur schwach wahrnehmbar sind, also nicht mit der gleichen Tinte geschrieben wurden, daher auch nicht von der gleichen Hand sind. Die [25] Veränderung von ‫ ܓ‬zu ‫ܕ‬, ist kaum zu erkennen. Am Beginn des c. 63 = 64 ist der winzige ‫ܕ‬ – Haken nur für den bemerklich, der die vorangehenden Änderungen der Zahlzeichen nicht übersehen hat. Die Zählung der Blätter der Hs. ist vermutlich bei der Inventarisierung im Britischen Museum erfolgt. Wright bemerkt: „Whether the leaves, as now arranged, are in correct sequence, is very uncertain“. Sachau hat eine Neuordnung vorgenommen8, 3 Richard, M, „La tradition des fragments du traité Περὶ τῆς ἐνανθρωπήσεως de Théodore de Mopsueste“, Le Muséon, 46 (1943), 55–75 = Opera minora, II, No 41. 4 p. 63. 5 Sein Aufsatz erschien 1943 im Muséon. 6 Devreesse, R., Essai sur Théodore de Mopsueste, (Studi e testi, 141, Città del Vaticano, 1948). 7 p. 47 oben. 8 Er druckt die Blätter in der Reihenfolge f. 3 p. 28 / ‫ܡܗ‬ f. 5 p. 30 / ,‫ܡܚ‬ f. 6 p. 32 / ‫ܢܐ‬ f. 8 p. 34 /‫ܢܕ‬ f. 2 p. 35 / ‫ܢܘ‬ f. 4 p. 36 / ‫ܣ‬ f. 7 p. 38 / ‫ܣܓ‬ f.14 p. 40 / ‫ܣܘ‬ f. 10 p. 43 / ‫ܣܛ‬ f. 12 p. 45 / ‫ܥܒ‬

25,  26

1.4 Die Reste der syrischen Übersetzung von Theodor von Mopsuestia 

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damit aber nur „die Unordnung vergrößert“, wie Richard mit Recht sagt.9 Unter keinen Umständen hätte Sachau die Blätter 12/13 vor f. 11 stellen dürfen, denn f. 11 enthält den Anfang von Buch XI, f. 12 b hat den laufenden Seitentitel „Buch XI“, wie Sachau als Anmerkung zum syrischen Text selber mitteilt.10 Richards eigene Zusammenstellung der Textangaben über Bücher und Kapitel11 ist nicht ganz vollständig und enthält Verwechslungen und Fehler. Devreesse hat dann eine Gesamtübersicht über den Inhalt und die Gliederung von De incarnatione unter Berücksichtigung aller Überlieferungszweige [26] hergestellt,12 dabei aber wie gesagt zu Buch IX die Korrektur der Capitulatio in add. 14.669 nicht beachtet. Die verschiedenen Tradenten verfahren mit den Angaben über die Einteilung von De incarnatione verschieden und ohne Konsequenz, nur das Florileg in add. 12.156 gibt jedesmal die Kapitelnummer an, aber nie das Buch. Devreesses Zusammenstellung wäre freilich noch hilfreicher, wenn er immer, und nicht bloß manchmal, die Blattnummern von add. 14.669 angegeben hätte und nicht wie meistens nur die Seitenzahlen aus Sachaus lateinischer Übersetzung. Auch nach Devreesse bleiben Unsicherheiten, die man nicht beseitigen kann, weil es dazu an Material mangelt. Seine Anordnung der Blätter (die man aber erschließen muß) ist zutreffender als die Sachaus. Auch er hat aber nicht gemerkt, daß Blatt 5 gedreht werden muß, also recto zu verso wird – dies ist eine Beobachtung, die Rud. Abramowski in seinem Handexemplar von Sachau eingetragen hat. Das bedeutet, daß man nicht wie Devreesse13 die Blätter 8 und 14 zwischen 5 und 6 schalten kann, weil 6 an f. 5 b (neu) anschließt. Der Übersetzer von add. 14.669 muß gelegentlich Schwierigkeiten mit Theodors Griechisch und mit dem Griechischen überhaupt gehabt haben. Es gibt Passagen, wo mir trotz Sachaus lateinischer Übersetzung eine verständliche deutsche Übersetzung bisher nicht gelungen ist. Sachaus Übersetzung ist auch nicht fehlerfrei, aber natürlich durch ihre bloße Existenz sehr hilfreich. Ich teile jetzt solche Fälle mit, wo der syrische Übersetzer sein Ungeschick in der Übersetzung von Einzelwörtern und Begriffen offenbart. Es sind alles Stellen ohne

f. 13 p. 47 / ‫ܥܗ‬ f. 11 p. 49 / ‫ܥܚ‬ f. 9 p.. 50 / ‫ܦܐ‬ f. 16 p. 51 / ‫ܦܒ‬ f. 17 p. 52 / ‫ܦܕ‬ f. 1 p. 54 / ‫ܦܙ‬ f. 15 p 55 / ‫ܨ‬. 9 p. 62. Siehe auch die Einzelkorrekturen bei Richard, p.62 n. 32, sie sind aber ihrerseits nicht fehlerfrei. 10 p. ‫ܥܕ‬. 11 p. 62  f. 12 p. 45–48 im Essai. 13 p. 46.

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 1.4 Die Reste der syrischen Übersetzung von Theodor von Mopsuestia

26, 27

Parallelüberlieferung. In der Übersetzung von f. 3 tauchen bei Sachau14 zweimal apprehensio localis und einmal apprehensio opinionis auf. Das regierende nomen heißt syrisch, ‫„ ܠܒܝܟܘܬܐ‬Festhalten“, was keinen Sinn gibt. In den griechischen Fragmenten fand ich schließlich als einzig mögliche griechische Äquivalente σχέσις ἐν τόπῳ und σχέσις τῆς γνώμης, beides in Konstruktionen mit κατά gebraucht. σχέσις heißt dann „Verhältnis, Beziehung“. Weder bei Brockelmann, noch im Thesaurus fand ich das syrische Wort in dieser Bedeutung. Weil ich schon bei f. 3 bin, weise ich noch auf die gedankenlose Verwendung eines Peshitta-Zitats hin, wo es für den Gedankengang auf die wörtliche Übersetzung des griechischen Bibeltextes angekommen wäre. Wegen Joh. 1,14 wird das Verb „Werden“ diskutiert; Theodor zitiert u.  a. 1. Kor. 11,1 „werdet meine Nachahmer“, μιμηταί μου [27] γίνεσθε; der Übersetzer überträgt mit der Peshitta: „Ahmt mich nach“ – womit die Pointe natürlich verdorben ist. Auf den Blättern 5/6 erscheint ein syrisches ‫ܥܡ‬, „mit“, das ein griechisches μετά übersetzen muß, das aber im Original den Sinn von „nach“ hatte. Die richtige Übersetzung wäre also ‫ ܒܬܪ‬gewesen. Nicht wundern kann man sich, daß der Übersetzer f.  14 mit dem griechischen θατεραλήπτοι seine Mühe hat. Das ist ein Ausdruck aus Eusebs Kirchengeschichte, die Theodor hier heranzieht. PGL s. v. kann dies ironische Wort nur mit einem kleinen Satz übersetzen: „able to be caught by other means“. f. 16/17 übersetzt „fallen“ wörtlich das griechische πίπτω, das an dieser Stelle nur verständlich ist im Sinn von „be applied to, relate to“ (PGL s.v.: E), also eine andere syrische Vokabel erfordert hätte. f. 15 hat der Übersetzer nicht gemerkt, daß das griechische πρό, das er mit „vor“ wiedergibt, hier „statt“ heißt, wofür ‫ ܚܠܦ‬hätte gewählt werden müssen. Zu einigen Passagen in add. 14.669 gibt es bekanntlich Parallelen in den anderen Überlieferungssträngen, die längste und meistdiskutierte stellt das Ende von VIII dar. Ein allgemeiner Eindruck, den man aus dem Vergleichen der Parallelen gewinnt, ist der, daß add. 14.669 kürzt. Am auffälligsten ist dies Verfahren am Ende von Buch Vlll, was u.  U. auch daran liegt, daß das zugrunde liegende Vergleichsmaterial umfangreicher ist als in den anderen Fällen. Die Kürzungen dienen immer einer formalen Vereinfachung. Diese kann darin bestehen, daß ein zweites Verbum ausgelassen wird, wenn der Satz auch mit einem Verb konstruiert werden kann; oder ein Adjektiv kann vereinfacht werden oder auch ganz weggelassen werden; oder es wird eine gedanklich und formal genau parallele Satzkonstruktion Theodors verwischt und in ihrem zweiten Glied zusammengezogen. In dem schon erwähnten berühmten christologischen Text vom Ende von Buch VIII, aus c. 63 nach add. 12.156 und der korrigierten Zählung in add. 14.669, kommt noch eine bewußte Bearbeitung der christologischen Terminologie dazu, die darin besteht, daß die Lehre von den zwei πρόσωπα, die unter dem Gesichtspunkt der

14 p. 28,17; 29, 18  f; 29,2.

27–29

1.4 Die Reste der syrischen Übersetzung von Theodor von Mopsuestia 

 33

Einheit der beiden Naturen ein πρόσωπον sind, radikal beseitigt worden ist, auch für den anthropologischen Vergleichsfall. Statt dessen sind es zwei Hypostasen, die eine Hypostase und ein πρόσωπον bilden.15 Auch im unbearbeiteten Text kommen zwei [28] Hypostasen vor: für Leib und Seele im Menschen; aber im christologischen Fall wird von Hypostase ausdrücklich nur für den Logos geredet, erst die Bearbeitung hat auch für die menschliche Natur Christi qnōma, Hypostase. Die antiochenische Grundformel: zwei Naturen und ein πρόσωπον haben beide Fassungen natürlich gemeinsam. Benutzer der Übersetzung, die durch add. 14.669 partiell erhalten ist, konnten nicht mehr erkennen, daß die Christologie der beiden πρόσωπα, die ein πρόσωπον sind, wie sie reich ausgearbeitet bei Nestorius und Ps. Nestorius im Liber Heraclidis vorliegt, ihre Quelle in diesem Text von De incarnatione hat. Man hat den Eindruck, daß die Zwei-Prosopen-Christologie nur an dieser Stelle von De incarnatione angedeutet wurde; die feindliche Überlieferung hätte sonst kaum darauf verzichtet, mehrere solcher Aussagen vorzuführen, umgekehrt wird gerade aus diesem Kapitel außerordentlich häufig zitiert. Es ist schon früher aufgefallen, daß add. 14.669 an sonstigen Stellen, wo das eine christologische πρόσωπον erscheint, nirgendwo automatisch „eine Hypostase“ hinzusetzt.16 Aber in diesen Passagen werden auch nicht die beiden Naturen genauer als zwei Hypostasen und zwei prosopa bestimmt, so daß in die nicht vorhandene Differenzierung auch nicht korrigierend eingegriffen werden mußte. Wegen der wenigen Reste, die von der bearbeiteten Übersetzung übrig geblieben sind, ist die Zahl der Parallelen aus der andern Tradition nicht groß, es gibt sie nur zu vier TextsteIlen von add. 14.669. Erstens ein Fall, wo nur add. 12.156 eine Parallele liefert, Nr. 19 nach Richards Zählung, die ich beibehalte; es ist eine Stelle aus Buch XI, c. 73. Zweitens ein Text, wo neben einer Parallele in add. 12.156 (Nr. 20) ein kleineres Stück lateinisch durch die Konzilsakten überliefert ist, ebenfalls aus Buch XI, c. 73. Drittens eine Passage mit einer lateinischen Parallele in den Konzilsakten und bei Vigilius und einer etwas kürzeren bei Leontius, aus Buch XIII, c. 78. Und schließlich viertens den erstaunlichen Zufall, daß ausgerechnet aus Buch VIII, c. 63, unsere Handschrift einen Rest erhalten hat, der länger ist als die vielfältigen Zitate daraus in add. 12.156 (Nr. 16), bei Leontius und in den lateinischen Quellen. [29] Man fragt sich, ob die antiochenisch-nestorianische theologische Literatur in syrischer Sprache wirklich nur auf jene Übersetzung von De incarnatione angewiesen war, deren Reste uns in add. 14.669 aufbewahrt sind. Devreesse zitiert am Ende

15 Diese Differenzen kommen am besten heraus, wenn man add. 14.669 und add. 12.156 nebeneinander schreibt, möglichst zeilengleich, weil beide Zeugen ein Stück gemeinsam [28] haben, das Leontius ausgelassen hat. Sullivan, F A, The christology of Theodore of Mopsuestia, (Rom, 1956), hat die Unterschiede längst festgestellt, aber in seiner ausführlichen Debatte mit Richard einerseits und Diepen andererseits (64  ff.) verlieren sich seine Mitteilungen darüber etwas. Wegen der vorhandenen Leontiusexzerpte hat er add. 12156 Nr. 16 nicht herangezogen. 16 Sullivan, 62 mit n. 64.

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 1.4 Die Reste der syrischen Übersetzung von Theodor von Mopsuestia

29 ,30

seines Essai17 einige Zeilen aus dem Synodicon orientale:18 „C’est ce que dit le bienheureux Théodore dans son livre Sur l’Incarnation, chapitre huitième, où il affirme clairement deux natures et deux hypostases dans l’unique personne du Christ, Fils de Dieu“. Mit „chapitre“ wird mēmra übersetzt, also Buch.19 Devreesse gibt als Quelle die Synode von 612 an, aber es handelt sich um Auszüge der Vita des Märtyrers Georg (Giwargis), die von Babai dem Großen stammt und in der dem Helden die Christologie Babais in den Mund gelegt wird – eine Märtyrerbiographie war ein gutes Mittel, diese Theologie auch bei nicht gelehrten Christen zu verbreiten. Chabot bietet in der Tat die Auszüge als Ergänzung zu dem Dokument von 612 an, das ja auch von Babai stammt; er gibt die Auszüge in Übersetzung, den syrischen Text muß man in Bedjans Ausgabe20 nachlesen. Es ist erfreulich, daß Chabot hier qnōmā mit Hypostase übersetzt, in den übrigen Übersetzungen seines Bandes sagt er irreführend „personne“ für qnōmā. Bemerkenswert, daß auch Babai auf das schon mehrfach besprochene Stück aus De incarnatione, Buch VIII angewiesen ist (es handelt sich mit Sicherheit um c. 63); das bestätigt die oben ausgesprochene Vermutung, daß dies die einzige Passage des Werks war, wo man dergleichen finden konnte. Wie man weiß, bekämpft Babai die eine zusammengesetzte Hypostase Christi, wie sie die Neuchalcedonenser, jedenfalls Kaiser Justinian, und Ḥenana von Nisibis lehrten. Im Kontext des Zitats aus der Vita des Giwargis wird das Thema ausdrücklich behandelt. Welche Übersetzung von Theodors De incarnatione hat Babai vor Augen gehabt? Das ironische Faktum ist ja, daß die überarbeitete Fassung einerseits die zwei christologischen Hypostasen viel deutlicher hervortreten läßt als die feindliche Tradition – sie wäre also als Autorität für Babai besser geeignet gewesen; aber andererseits führt die bearbeitete Fassung auch die eine Hypostase in Christus ein, was sie für Babais Argumentation völlig ungeeignet machte. Soll man etwa mit dem Gedanken spielen, daß Babai nicht damit zu rechnen brauchte, daß die [30] Adressaten der Georgsvita bei Theodor nachschlagen würden? Aber wenn ein belesener Mönch das doch getan hätte? Oder Ḥenana-Anhänger höhnisch den Finger auf Babais angreifbare Argumentation gelegt hätten? Man möchte deswegen gerne vermuten, daß Babai eine genauere Übersetzung von De incarnatione kannte, man kommt aber über diese Vermutung nicht hinaus (sie gleicht auch mehr einem Wunsch). Es ist seit langem bekannt, daß Theodor bar Koni in seinen Scholien aus der bearbeiteten Fassung von De incarnatione VIII zitiert,21 und zwar mit Auslassungen (die er aber nicht als solche anzeigt). Man findet das im Buch IX der Scholien; Abschnitt 3

17 p. 276 n. 6. 18 Ed. Chabot, J-B, (Paris, 1902), 627. 19 So auch richtig Braun, O, siehe die nächste Anmerkung. 20 Bedjan, P, (ed). Histoire de Mar·Jabalah, (Paris, 1895)2. Die zitierte Stelle, 499. Eine deutsche Übersetzung der Geschichte des Georg in Bibliothek der Kirchenväter, Band 22 (1915), von Oskar Braun, das Zitat p. 249. 21 Cf. Sullivan, 70  ff.

30  ,31

1.4 Die Reste der syrischen Übersetzung von Theodor von Mopsuestia 

 35

behandelt die Frage: „Wo wird ein qnōmā in Christus ausgesagt?“ Zunächst zitiert bar Koni dreimal aus den Taufkatechesen; wo er eine Hypostase sagt, redet die Hs., die den modernen Ausgaben der Katechesen zugrundeliegt, von einem prosopon (Tonneau/ Devreesse kennzeichnen die Stellen, wo bar Koni abweicht). Für die Katechesen muß man also damit rechnen, daß es zwei nicht ganz identische Formen der syrischen Übersetzung gegeben hat, was die termini für die Einheit in Christus betraf. Jedenfalls ist die Christologie der einen Hypostase nicht die bar Konis; wenn man die Überschrift von IX 3 noch als theoretisches Problem ansehen könnte, so zeigt die Überschrift von IX 4 eine wirkliche Aporie für die Nestorianer an: „Wenn der selige Interpret und die Väter vor ihm die Vokabel ‚eine Hypostase‘ in Christus gebraucht haben, warum verwerfen wir sie jetzt?“.22 Das nächste, X.  Buch von bar Konis Scholien besteht aus einem katechetisch-kontroverstheologischen Dialog, der mit der Christologie der beiden πρόσωπα arbeitet; die ἀσύγχυτος ἕνωσις beider ergibt das eine πρόσωπον des einen Christus. Da bar Koni offensichtlich Theodors De incarnatione nur in der bearbeiteten Fassung kannte, kann diese Schrift nicht die Quelle seiner Christologie der zwei πρόσωπα sein, vielmehr muß er die letztere direkt oder indirekt aus dem Liber Heraclidis des Nestorius haben, der ja seit dem 6. Jahrhundert in Übersetzung vorlag. Scher hat in seiner Ausgabe der Scholien des bar Koni zum Zitat aus De incarnatione Varianten aus seinen Hss. mitgeteilt;23 soweit es sich um einzelne Wörter handelt (n. 4–7), geben die Varianten die Textform von add. [31] 14.669 wieder. Die in n. 8 mitgeteilte Variante repariert weitgehend die zweite24 der beiden Auslassungen im Zitat, nicht ohne einen verdeutlichenden Eingriff in Theodors Text (Scher gibt keine Hinweise auf add. 14.669 bzw. Sachau). Die Übersetzung der Scherschen Ausgabe ist erst 1981 und 1982 erschienen,25 das Verdienst von R.  Hespel und R.  Draguet. In ihrer Wiedergabe der christologischen Partien irritiert mich die Übersetzung von qnōmā mit „personne“ und von πρόσωπον mit „personnage“; die konsequente Anwendung dieses Verfahrens führt in der Übersetzung von Mt. 27,30 zur grotesken Formulierung „Ils crachèrent sur son personnage“26 für „Sie spien in sein Angesicht“. In ihren Angaben zu den Theodorzitaten27 sind die beiden Bearbeiter einerseits ausgesprochen altmodisch: die Taufkatechesen werden nach Mingana zitiert, statt nach Tonneau/ Devreesse, die Konzilsakten nach Mansi angegeben, statt nach ACO IV 1. Andererseits sind sie nicht altmodisch genug, denn verblüffenderweise wird die entscheidende Parallele aus add. 14.669 in Sachaus Ausgabe gar nicht erwähnt; es gibt auch keinen Hinweis auf die in den 40er Jahren beginnende Diskussion über die beiden Über-

22 Cf. schon Scher, A, 1910 zu bar Koni IX 3, zitiert von Devreesse, Essai, 276 n. 6. 23 Liber Scholiorum, 11. Band, CSCO. 69 (syr. 26) 1912, 190 n. 4–8. 24 An dieser Auslassung ist vielleicht ein homoioarkton schuld. 25 Band I: CSCO. 431 (syr. 187); II: 432 (188). 26 X 5, p. 197. 27 Ergänzend ziehe man Devreesse, p.276 n. 6 zu den Zitaten heran.

36 

 1.4 Die Reste der syrischen Übersetzung von Theodor von Mopsuestia

31, 32

lieferungsformen des Theodortextes. Und zu guter letzt ist im Index der Zitate ausgerechnet dieser vieldiskutierte Text vergessen worden! Weil Draguet und Hespel Sachaus Ausgabe nicht zur Kenntnis genommen haben, können sie die lange Variante in Schers n. 8 in ihrer Funktion nicht beurteilen. Sie sagen: zwei Hss. „portent une variante, de l’autorité de laquelle il est difficile de juger“.28 In der Übersetzung kontaminieren sie den Beginn beider Fassungen.29 Inzwischen hat Hespel auch die Zusätze der Urmia-Fassungen der Scholien ediert,30 über Theodor von Mopsuestia gibt es darin nichts. Wenn man nun zum Schluß fragt, wie man es mit der Verläßlichkeit von add. 14.669 als Übersetzung in jenen Partien halten soll, wo man keine Parallelüberlieferung zur Kontrolle hat (und das ist die Hauptmasse), so wäre meine Antwort, daß man, abgesehen von VIII 63, das Material ruhig zur Ergänzung des sonst bekannten Textes benutzen soll  – falls man es [32] übersetzen kann! VIII 63 muß wie gesagt schon im griechischen Original Theodors ein Sonderfall an terminologischer Differenzierung gewesen sein. Und in seiner durch den Übersetzer überarbeiteten Form führt das Kapitel uns eine Spielart antiochenischer Christologie vor, für die mir sonst kein Beispiel bekannt ist.

28 CSCO. 432, p. 141 n. 13. 29 Sie schreiben p.  141,20: „Et c’est pourquoi il a dit que“, was aus der Variante stammt; es muß heißen: „Et en cette (matière)“. 30 CSCO. 464. 465 (syr. 197. 198), 1984.

1.5 Theodor von Mopsuestia Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums, übersetzt und erklärt [Editorische Notiz des Bearbeiters] [Text, Similien- und Anmerkungsapparat folgen, soweit möglich, in Wortlaut und Einrichtung dem (auf den „30. Dezember 1990“ datierten und als „1. Manuskriptstufe“ bezeichneten) Typoskript aus dem Nachlass von Luise Abramowski in der Universitätsbibliothek Tübingen. Neben (mit Anmerkungen versehenen) Kopien von Fotografien der Hs. British Library (vormals British Museum), add. 12156, fol. 79v–89v, und (annotierten) Kopien der Edition von Lagarde (Analecta Syriaca, Leipzig 1858, reprint Osnabrück 1967, p. 100–108) haben sich innerhalb des betreffenden Nachlass-Konvoluts mehrere (zumeist undatierte, sicherlich bereits seit der Zeit der Bearbeitung z.  T. aus der Ordnung geratene) Vorarbeiten und Textstufen erhalten, die mit den Auskünften, die L.  A. in ihren Publikationen dazu gegeben hat (vgl. in diesem Band S. 3–9.22–36), in Verbindung zu bringen sind: a) das (von L.  A. mit dem Datum 14. 12. 88 versehene) Typoskript (im Umfang von 10 DIN A4-Seiten) der Übersetzung von P.  Köbert, ursprünglich betitelt „P. de Lagardes syrische Theodor v. Mopsuestia-Fragmente übersetzt“, der Titel ist von L.  A. jedoch durchgestrichen worden, b) hsl. Korrekturen dieser Übersetzung auf Köberts Typoskript, c) eine mit Notizen versehene, in den Kopfzeilen bisweilen als „Apparat“ bezeichnete Tabelle als Übersicht über den Inhalt der syrischen Handschrift add. 12156, mit deren Foliierung versehen (79v–90r) und, wie diese, dreikolumnig angelegt (um den Platz für den Eintrag von Parallelen und Similien zu gewinnen, der auf der Kopie der Fotographie fehlt), d) Entwurf (im Umfang von drei DIN A4-Seiten, wovon drei Viertel der ersten Seite genutzt, die beiden anderen Blätter mit Anmerkungen versehen sind) zu einer praefatio, betitelt „Raymond Köbert (†), Die Fragmente des Theodor von Mopsuestia aus P. de Lagarde, Analecta Syriaca, übersetzt und eingeleitet von Luise Abramowski“; Formulierungen daraus finden sich z.  T. in späteren Publikationen wieder (hier in diesem Band S. 22–36), e) eine mit dem Titel „Theodor[-]Fragmente aus add. 12156“ versehene, handschriftliche synoptische Zusammenstellung der syrischen Fragmente aus add. 12156 und add. 14.669 zu frg. 16, 19 und 20 sowie zwei Texte aus add. 14669, von denen einer synoptisch mit dem entsprechenden Leontiustext, einer synoptisch mit dem entsprechenden Theodor bar Koni-Text (unter Berücksichtigung einer wichtigen hsl. Variante) zusammengestellt ist, im Umfang von 9 DIN A4-Seiten. Nur für frg. 16 hatte L.  A. den synoptischen Vergleich zwischen add. 12.156 und add. 14.669 in die abgehttps://doi.org/10.1515/9783110647419-005

38 

 1.5 Theodor von Mopsuestia

tippte Manuskriptfassung (h) übernommen. Für frg. 19 und 20 wurde dies anhand der handschriftlichen Synopsen noch ergänzt. Die letzteren beiden Synopsen zu den Paralleltexten zu add. 14.669 wurden in den beiden Anhängen aus diesem vorläufigen Manuskript erarbeitet. f) Bruchstück eines Manuskripts, betitelt „Die Exzerpte aus Th. v. M / De Incarnatione in add. 12156 / Übersetzung + App.“, von dem lediglich das Titelblatt sowie die vier hsl. paginierten DIN A4-Seiten 7–10 erhalten sind, g) eine letzte Manuskriptfassung (im Umfang von 36 DIN A4-Seiten + einem eingelegten Zettel), undatiert und ohne Titel, die in kopierter Form in ihrem Schülerkreis bekannt geworden ist, h) das ganz zu Anfang erwähnte datierte Typoskript (im Umfang von 40 DIN A4Seiten) mit wenigen hsl. Anmerkungen, das mithin dem Druck zugrunde zu legen war. Unterstreichungen im Typoskript sind kursiv gesetzt, die in doppelte runde Klammern (( )) gesetzten Nummern der Fragmente fett. Rückgriffe auf andere Textstufen, weitere Ergänzungen und sonstige Verständnishilfen sind in eckige Klammern gesetzt, z.  T. in die Anmerkungen verwiesen, z.  T. im Klartext belassen. – Dem Umstand, dass keine definitive, für den Druck aufbereitete „Fassung letzter Hand“, sondern lediglich eine erste (!) Manuskriptstufe überliefert ist, musste Rechnung getragen werden. Bisweilen wurde von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, in den Anmerkungen auf ein alternatives Textverständnis hinzuweisen; die wenigen, behutsamen Eingriffe in den Text sind akribisch verzeichnet, soll es doch hier um L.  A.s Verständnis der z.  T. überaus schwierigen Texte gehen. Behufs größtmöglicher Transparenz ist L.  A.s deutscher Übersetzung der syrische Text nach der ed. Lagarde beigegeben und mit den Fotografien der Hs. aus dem Nachlass von L.  A. erneut abgeglichen worden. Die im syrischen Text abgedruckten typographischen Zeichen der Ergänzung [ ] ohne Äquivalent in der hsl. Vorlage sind aus Lagarde übernommen; die von L.  A. im Anmerkungsapparat ihres Typoskripts monierten Druckfehler bei Lagarde sind im Text korrigiert, ihre Emendationen in den Text gesetzt: wo nötig werden in den Anmerkungen entsprechende Hinweise gegeben. – In der Manuskriptfassung (g) finden sich hin und wieder stichwortartige und weitergehende Formulierungen, die vielleicht als konzeptartige Vorstufen zu der auf dem Titelblatt des Typoskripts (h) zwar noch angekündigten, von L.  A. jedoch offenbar nicht mehr ausgearbeiteten „Erklärung“ angesprochen werden müssen – mithin als Interpretationshinweise, die dann aber nicht mehr weiterverfolgt worden und, mitsamt dem Rest des Konvoluts, schlussendlich liegen geblieben sind. Da L.  A. diese z.  T. flüchtig hingeworfenen Notizen bei Erstellung des Typoskripts (h) nicht mehr berücksichtigt hat – die Gründe dafür kennen wir nicht –, wurde auf deren Mitteilung hier verzichtet.]



[Titel]

Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums 

f. 83v col. 2 (Lagarde p. 100,22)

̈ ̈ ‫ܓܘܕܦܐ܀‬ ‫ܟܬܒܐ ܕܬܐܕܘܪܘܣ‬ ‫ܡܢ‬

[Lemma]

 39

Schmähungen aus den Schriften Theodors

[f. 83v col. 2] (Lagarde p. 100,23–24)

‫ ܡܢ ܡܐܡܪܐ ̇ܗܘ‬.‫ܡܢ ܟܬܒܐ ܕܥܠ ܡܬܒܪܢܫܢܘܬܐ‬ ‫ ܡܛܠ ܕܡܫܚܠܦܐܝܬ‬.‫ܕܫܘܪܝܗ ܐܝܬܘܗܝ ܗܟܢܐ‬ ̈ .‫ܣܓܝܐܐ ܒܡܠܬܐ ܕܡܬܒܪܢܫܘܬܐ ܐܣܟܠܘ‬

Aus der Schrift über die Menschwerdung1, aus dem Buch, dessen Beginn2 so ist: „Weil viele auf verschiedene Weise in der Lehre von der Menschwerdung1 irrten …“

Sachau (ohne die Gesamtüberschrift) p. 63. Lagarde läßt im syrischen Wort das zweite „n“ aus. Das ist also das incipit von Buch I, siehe die Zuordnung des folgenden Zitats in der Parallelüberlieferung

1

2

[Der syrische Text ist nach n. 1 auf die Orthographie von add. 12156 hin korrigiert – d.  Red.]

40  1

 1.5 Theodor von Mopsuestia

f. 83v col. 2 (Lagarde p. 100,25–30)

‫ܡܢ ܪܝܫܐ ܕܚܕܥܣܪ [܀] ܡܢ ܒܬܪ ܕܝܢ ܩܝܡܬܐ ܟܕ‬ ̈ ‫ ܗܝܕܝܢ ܐܦ‬.‫ܬܠܡܝܕܐ ܡܢ ܪܘܚܐ ܡܫܬܒܠܝܢ ܗܘܘ‬ ‫ ܐܝܟ‬.‫ܒܓܠܝܢܐ ܐܝܕܥܬܐ ܓܡܝܪܬܐ ܡܩܒܠܝܢ ܗܘܘ‬ ̈ ‫ ܕܡܥܠܝܘܬܗ ܿܗܝ ܕܡܝܬܪܐ ܡܢ‬.‫ܕܢܕܥܘܢ‬ ‫ܕܒܢܝ ܐܢܫܐ‬ ̣ ‫ܗܘܐ ܒܐܝܩܪܐ ܡܕܡ ܫܚܝܡܐ‬ ‫ܚ̈ܪܢܐ‬ ̣ ‫ ܐܠ‬.‫ܕܫܪܟܐ‬ ̣ ̈ ‫ ܐܝܟ ܕܠܘܬ ܒܢܝܢܫܐ ܚ̈ܪܢܐ‬.‫ܗܘܬ‬ ‫ܕܡܢ ܐܠܗܐ‬ ̣ .‫ ܐܐܠ ܒܚܕܝܘܬܐ ܕܠܘܬ ܐܠܗܐ ܡܠܬܐ‬.‫ܕܫܪܟܐ‬ ̇ ‫ ܡܢ ܒܬܪ‬.‫ܕܒܗ ܒܟܠܗ ܐܝܩܪܐ ܡܫܘܬܦ ܥܡܗ‬ ‫̇ܗܝ‬ ‫ܡܣܩܬܗ ܕܠܫܡܝܐ܀‬

Aus Kapitel  11. Nach der Auferstehung aber, als die Jünger1 vom heiligen Geist2 geführt wurden, da empfingen sie auch durch Offenbarung vollkommene Erkenntnis, damit sie wissen sollten, daß sein Hervorragen, das das der übrigen Menschen übertraf, nicht in einer bloßen Ehre von Gott her geschah wie auch die bei den übrigen3 Menschen, sondern durch die Vereintheit mit dem Gott Logos, durch die er der ganzen Ehre mit ihm teilhaftig ist nach der Auffahrt in den Himmel.

Sachau p. 63. 1 = Ende des Zitats XXV 31 ex libro primo de incarnatione Konzil 553: ACO IV 1 p. 55,6–10 = Ende des Zitats c. XXVI Const. Vig., ohne Lemmata: Coll. Avell. p. 260, 17–23 Swete II p. 291,7–12 [vgl. Jansen frg. I (p. 233,6–10)]. vom Exzerptor ergänzt fehlt ad scientiam 3 ms. und Lagarde ‫ܚ̈ܪܢܐ ܕܫܪܪܐ‬, daher Sachau aliorum veritatis, aber zu lesen ist ‫ܚ̈ܪܢܐ ܕܫܪܟܐ‬, wie kurz danach; durch f. 84v col. 3 als Übersetzung von λοιποί erwiesen. 1

2

[Der syrische Text ist nach der Konjektur von n. 3 emendiert – d. Red.]



Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums 

2

fol. 83v col. 2–84r col. 1 (Lagarde p. 101,1–17)

‫ܡܢ ܫܘܪܝܗ ܕܪܝܫܐ ܕܬܠܬܝܢ ܘܬܠܬܐ [܀] ܟܕ ܓܝܪ‬ ‫ ܕܐܝܟܢܐ ܕܒܝܕ ܚܕ ܒܪܢܫܐ ܚܛܝܬܐ‬:‫ܐܡܪ‬ ‫ܫܠܝܚܐ‬ ̣ ‫ ܘܒܝܕ ܚܛܝܬܐ ܡܘܬܐ܆ ܗܟܢܐ‬:‫ܠܥܠܡܐ ܥܠܬ‬ ‫ܐܦ ܛܝܒܘܬܐ ܒܚܕ ܒܪܢܫܐ ܝܫܘܥ ܡܫܝܚܐ‬ ̇ ̈ ‫ܐܝܬܝܗ ܕܟܠܢܫ ̇ܗܝ‬ ‫ ܕܓܘܐ‬.‫ܐܬܝܬܪܬ‬ ‫ܒܣܓܝܐܐ‬ ̣ ̈ ̇ .‫ ܐܠܝܠܝܢ ܕܡܢ ܦܬܓܡܐ ܕܫܠܝܚܐ ܢܒܥܢ‬.‫ܕܢܒܥܘܢ‬ ̈ ‫ܐܢܗܘ ܕܫܪܝܪܐܝܬ ܡܫܬܘܕܥܝܢ ܕܡܬܛܦܝܣܝܢ‬ ‫ܠܩܐܠ‬ ̣ ̈ ‫ ܠܢ‬.‫ ܐܐܠ ܟܕ ܠܗܠܝܢ ܐܠ ܡܬܛܦܝܣ ̣ܝܢ‬.‫ܫܠܝܚܝܐ‬ ‫ ܘܥܠ ̇ܗܝ ܡܦܢܝܢ ܚܢܢ‬.‫ ܕܡܢܘ ܫܪܝܗ ܕܙܛܐܡܐ‬.‫ܡܫܐܠܝܢ‬ .‫ ܟܕ ܫܘܒܗܪܐ ܕܝܠܢ ܚܫܒܝܢܢ‬.‫ܦܬܓܡܐ ܚܘܝܚܐܝܬ‬ ̈ .‫ܦܬܓܡܐ ̈ܫܠܝܚܝܐ‬ ‫ܕܐܝܬܘܗܝ ܡܦܩ ܒܪܘܚܐ ܕܚܠܦ‬ ̇‫ܙܕܩ ܗܘܐ ܕܢܫܪܝܗ‬ ̇ ‫ ܕܒܪ ܐܢܫܐ ̇ܡܢ ܒܕܘܒܪܗ‬.‫ܘܐܡܪܝܢܢ‬ ̣ ‫ ܡܛܠ ܕܝܢ ܕܒܪܢܫܐ ܫܚܝܡܐ ܐܠ‬.‫ܠܐܠ ܡܫܬܡܥܢܘܬܐ‬ ‫ܡܨܝܐ ܗܘܬ܆ ܕܟܕ ܡܬܟܬܫ ܥܡ ܚܛܝܬܐ ܗܝܕܝܢ‬ ̇ ‫ ܟܕ ܓܝܪ ܐܣܬܬܬܬ ܒܟܝܢܐ ܕܝܠܢ‬.‫ܠܚܝܠܗ‬ ‫ܢܙܟܝܘܗܝ‬ ̣ ̇ ‫ܒܐܪܝܟܘܬܗ ܕܙܒܢܐ ܘܕܐܬܩܕܡܬ܆ ܠܘܬܗ ܩܢܝܐ ܗܘܬ‬ ̇ ‫ ܟܕ ܕܠܝܐܠܝܬ ܗܕܐ ܡܫܥܒܕܐ ܗܘܬ܆‬.‫ܠܗ ܠܢܦܫܐ‬ ̇ ‫ܠܗܘ‬ ̇ ̇ ‫ܐܘ ܓܝܪ‬ .‫ܥܡܗ ܡܨܛܒܐ ܗܘܐ‬ ‫ܕܠܡܬܟܬܫܘ‬ ̇ ‫ ܐܬܒܥܝܬ‬.‫ܡܙܕܟܝܐ ܗܘܬ ܡܢ ܬܟܬܘܫܐ ܕܠܘܬ ܗܘ‬ ‫ ܕܟܕ ܨܒܝܢܐ ܕܕܘܒܪܐ‬.‫ܥܡܘܪܘܬܐ ܕܐܠܗܐ ܡܠܬܐ‬ ܿ ‫ ܒܡܥܕܪܢܘܬܐ‬.‫ܢܟܝܢܐ‬ ‫ܕܡܢ ܒܪܢܫܐ ܡܬܢܛܪ ܕܐܠ‬ ̇ ‫ܕܝܢ ܕܐܠܗܐ ܡܠܬܐ‬ ‫ܕܝܗܒ ܗܘܐ ܕܓܡܝܪܐܝܬ‬ ̇ ‫ ܘܢܫܪܐ‬.‫ ܕܠܝܐܠܝܬ ܡܢ ܚܛܝܬܐ ܢܓܗܐ‬.‫ܢܬܡܨܐ‬ ‫ܠܐܠ ܡܫܬܡܥܢܘܬܐ ܕܗܘܬ ܒܝܕ ܪܫܐ ܕܓܒܝܠܬܢ܀‬

Aus dem Beginn von Kapitel  33. Indem der Apostel sagte: „Wie durch einen Menschen Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod“ (Rm. 5,12), so ist auch „die Gnade“ durch einen Menschen Jesus Christus in vielen überreich geworden“ (Rm. 5,15), ist allen aufgegeben1 zu erforschen, was aus den Worten des Apostels2 hervorgehoben wird, wenn sie (nur) wahrhaft lernen als den apostolischen Worten Gehorchende. Indem sie ihnen aber nicht gehorchen, fragen sie uns: Was ist die Lösung des Problems (ζήτημα)? Und darauf antworten wir freudig, indem wir es uns zum Ruhm anrechnen: es ist das Eintreten für die apostolischen Worte. Und wir sagen, zwar hätte es sich geziemt, daß der Mensch in seiner Lebensführung den Ungehorsam überwunden hätte. Weil aber der bloße Mensch, wenn er mit den Sünden kämpfte, nicht imstande war, dann ihre Macht zu besiegen, indem sie nämlich verwurzelt war in unserer Natur durch die Länge der Zeit und weil vorher ihm die Seele zum Besitz geworden war, indem diese (die Sünde) leicht den unterwarf, der mit ihr kämpfen wollte, (andernfalls wäre sie besiegt worden aus dem Kampf gegen ihn), – (weil das so war), wurde die Einwohnung des Gott Logos notwendig, während der Wille der Lebensführung aus dem Menschen ohne Schaden bewahrt wurde durch die Hilfe aber des Gott Logos.

Sachau p. 63  f. – Ohne Parallelüberlieferung. 1 2

 41

hier stand gewiß κοινόν und das hat auch die Bedeutung ms. und Lagarde: Plural, aber wohl falsche Assimilation

42 

 1.5 Theodor von Mopsuestia

Der gab ihm, daß er vollständig vermochte, der Sünde leicht zu entkommen und den Ungehorsam zu überwinden, der im Anfang unserer Schöpfung entstanden war.



3

Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums 

 43

f. 84r col. 1–2 (Lagarde p. 101,18–102,3)

‫ܡܢ ܪܫܐ ܕܬܠܬܝܢ ܘܚܡܫܐ [܀] ܡܬܕܡܝܢ ܕܝܢ‬ ̈ ‫ܗܘܐ ܠܘܬܢ ܩܢܝܢ ܗܘܘ‬ ̣ ‫ ܕܐܠ‬.‫ܢ‬ ̣ ‫ܐܓܘܢܘܗܝ ܕܡܪ‬ ‫ ܐܐܠ ܕܡܛܠ ܡܬܚܙܝܢܘܬܐ ܡܕܡ ܝܬܝܪܐܝܬ‬.‫ܝܘܬܪܢܐ‬ ‫ ܐܝܕܝܥܐ‬:‫ ܐܢ ܕܝܢ ܗܕܐ ܠܡܐܡܪ ܐܠ ܡܨܝܐ‬.‫ܗܘܘ‬ ‫ ܐܓܘܢܐ ܪܒܐ ܠܘܬ‬.‫ܗܘܬ‬ ‫ܗܝ ܓܝܪ ܕܗܕܐ ܡܛܠܬܢ‬ ̣ ̈ .‫ ܙܥܘܪܐ ܕܝܢ ܠܘܬ ܗܠܝܢ ܕܒܣܪܐ‬.‫ܚܫܐ ܕܢܦܫܐ ܐܩܝܡ‬ ‫ܟܡܐ ܕܐܦ ܛܒ ܝܬܝܪܐܝܬ ܠܡܥܙܝܘ ܗܠܝܢ ܓܕܫܐ‬ ̇ ‫ܐܝܬܝܗ ܗܘܬ ̇ܗܝ ܕܥܠ ܚܘܠܡܢܐ‬ ‫ ܗܢܘ ܕܝܢ ܗܕܐ‬.‫ܗܘܬ‬ ‫ ܘܝܕܝܥܐ ܗܝ ܕܟܕ ܒܣܪܐ ܘܢܦܫܐ‬.‫ܝܬܝܪܐ ܣܢܝܩܐ ܗܘܬ‬ ‫ ܒܝܕ ܬ̈ܪܝܗܘܢ ܚܠܦ ܬ̈ܪܝܗܘܢ ܒܐܓܘܢܐ ܩܐܡ‬.‫ܢܣܒ‬ ̣ ‫ ܘܡܟܒܫ‬.‫ ܟܕ ܡܡܝܬ ̇ܡܢ ܒܒܣܪܐ ܠܚܛܝܬܐ‬.‫ܗܘܐ‬ ‫ ܘܕܕܠܝܐܠܝܬ ܢܙܕܟܝܢ ܒܚܘܫܒܐ ܡܝܬܪܐ‬.‫ܠ̈ܪܓܝܓܬܗ‬ ̇ ̇ ‫ܕܢܦܫܐ‬ ‫ܪܕܐ ܗܘܐ ܕܝܢ ܠܢܦܫܐ ܘܡܕܪܫ ܕܐܦ‬ .‫ܥܒܕ‬ ̇ ‫ܠܚܫܐ‬ ̈ .‫ ܘܠ̈ܪܓܝܓܬܐ ܕܒܣܪܐ ܬܬܝܟ‬.‫ܕܝܠܗ ܬܫܥܒܕ‬ ‫ܗܠܝܢ ܓܝܪ ܐܠܗܘܬܐ ܟܕ ܥܡܪܐ ܫܪܝܬ ܠܡܦܪܢܣܘ‬ ‫ ܘܥܠ ܗܕܐ ܐܦ ܛܝܒܘܬܐ ܕܪܘܚܐ‬.‫ܠܟܠ ܚܕ ܡܢܗܘܢ‬ ̇ ‫ܕܩܘܕܫܐ ܐܝܬ ܗܘܐ‬ ‫ ܐܝܟ‬.‫ܕܡܥܕܪܐ ܠܘܬ ܗܕܐ‬ ‫ ܕܫܪܝܪܐܝܬ ܪܒ‬.‫ܐܡܪ‬ ̣ ‫ܡܐ ܕܐܦ ܛܘܒܢܐ ܫܠܝܚܐ‬ .‫ ̇ܗܘ ܕܐܬܓܠܝ ܒܒܣܪܐ‬.‫ܗܘ ܪܙܐ ܕܕܚܠܬ ܐܠܗܐ‬ ‫ ܡܛܠ ܕܐܦ ܚܢܢ ܥܘܕܪܢܐ ܕܪܘܚܐ‬.‫ܘܐܙܕܕܩ ܒܪܘܚܐ‬ ‫ܥܬܝܕܝܢ ܗܘܝܢ ܕܢܩܒܠ ܠܘܬ ܫܘܠܡܐ ܕܙܕܝܩܘܬܐ܀‬

Aus Kapitel  35. Es scheinen aber die Kämpfe unseres Herrn nicht geschehen zu sein, daß sie für uns Tugend erwerben, sondern eher wegen einer Zurschaustellung1 geschehen zu sein. Wenn aber dies nicht gesagt werden kann, denn ist es klar, daß dies unseretwillen geschah, (dann) führte er einen großen Kampf gegen die Leidenschaften der Seele, einen kleinen aber gegen die des Fleisches; um wieviel eher war auch ihnen zu widerstehen. D.  h. aber, diese (sc. die Seele) war es, die mehr der Heilung bedurfte. Und es ist klar, daß er (sc. der Logos), als er Fleisch und Seele annahm, durch beide um beide im Kampf stand. Nachdem er im Fleisch die Sünden tötete und seine Begierden unterwarf, bewirkte er, daß sie auch leichter besiegt wurden durch einen besseren Gedanken der Seele. Er unterwies aber die Seele und lehrte sie, auch ihre eigenen Leidenschaften zu unterwerfen und die Begierden des Fleisches zu unterdrücken. Dies nämlich begann die Gottheit als einwirkend jedem von ihnen (sc. Fleisch und Seele) zuzuteilen. Und dazu war es auch die Gnade des heiligen Geistes2, die dabei half, wie es auch der selige Apostel sagte: „Wahrhaftig groß ist das Geheimnis der Gottesfurcht; welcher offenbart wurde im Fleisch und gerechtfertigt wurde im

Sachau p. 64 – Ohne Parallelüberlieferung. Lagarde liest ‫ܡܬܚܙܝܢܝܬܐ‬, so übersetzt auch Sachau, der aber anmerkt, das ms. lese ‫ܡܬܚܙܘܙܝܢܘܬܐ‬. Darum korrigiert R.  Abramowski handschriftlich Sachaus Übersetzung, ebenso übersetzt Köbert; vom Sinn wird das auch erfordert. Tatsächlich hat die Hs. ‫( ܡܬܚܙ ܝܢܘܬܐ‬in zwei Worten), und dazwischen ist etwas hineingekritzelt, was ich in meiner Fotografie nicht mehr lesen kann. 2 Ein Druckfehler bei Lagarde verwechselt syr. „d“ und „r“ [und wurde hier nach dem ms. korrigiert – d.  Red.] 1

44 

 1.5 Theodor von Mopsuestia

Geist“ (1. Tim 3,16), weil auch wir erwarten, die Hilfe des Geistes zu empfangen zur Vollendung der Gerechtigkeit.



4

Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums 

f. 84r col. 2 (Lagarde p. 102,4–6)

‫ܡܢ ܪܝܫܐ ܕܬܠܬܝܢ ܘܫܬܐ [܀] ܡܛܠ ܓܝܪ ܕܥܬܝܕ‬ ̈ ‫ܗܘܐ‬ :‫ ܕܥܠ ܥܘܕܪܢܐ ܣܢܝܩܝܢ‬:‫ܕܠܒܢܝ ܐܢܫܐ ܕܒܬܪܟܢ‬ ‫ܠܘܬ ܫܘܡܠܝܐ ܕܡܝܬܪܘܬܐ ܓܡܝܪܬܐ܆ ܢܬܠ‬ ̇ ‫ ܗܕܐ ܒܗ ܠܘܩܕܡ ܣܥܪ‬.‫ܥܘܕܪܢܐ ܕܪܘܚܐ‬ ‫ܒܗܘ‬ ̣ ̣ .‫ܕܐܬܢܣܒ‬ Sachau p. 64 – Ohne Parallelüberlieferung.

5

Aus Kapitel  36. Weil es nämlich sein sollte, daß er den Menschen, die der Hilfe bedürfen zur Vollendung der ganzen Vollkommenheit, danach die Hilfe des Geistes geben würde, tat er dies zuerst in dem, der angenommen wurde.

f. 84r col. 2 (Lagarde p. 102,7–10)

̇ ̈ ‫ ܐܝܟ ܡܐ ܕܟܕ ܠܘܬ‬.‫ܘܬܘܒ‬ .‫ܗܘܐ‬ ‫ܬܠܡܝܕܘܗܝ ܡܡܠܠ‬ ‫ܥܠ ܡܘܗܒܬܐ ܕܪܘܚܐ ̇ܗܝ ܕܥܬܝܕܐ ܗܘܬ ܠܡܐܬܐ‬ ̇ ‫ܠܘܬܗܘ‬ ‫ܢܣܒ‬ ̣ .‫ܢ‬ ̣ ‫ ܡܛܠ ܕܡܢ ܕܝܠܝ‬.‫ܕܗܘ ܠܝ ܢܫܒܚ‬ ̣ .‫ܐܡܪ‬ ‫ ܐܐܠ ܡܢ ܕܝܠܝ‬.‫ܐܡ ̣ܪ‬ ̣ .‫ܗܘܐ ܡܢܝ‬ ̣ ‫ ܐܠ‬.‫ܘܢܚܘܐ ܠܟܘܢ‬

Sachau p. 64  f. – Ohne Parallelüberlieferung.

6

 45

Und wiederum. Wie er sagte, als er zu seinen Jüngern redete über die Gabe des Geistes, die zu ihnen kommen sollte: „Er wird mich verherrlichen, weil er von dem Meinen genommen hat und euch kundtun wird“ (Joh. 16,14). Er sagte nicht „von mir“, sondern „von dem Meinen“.

f. 84r col. 2–3 (Lagarde p. 102,11–16)

‫ܡܢ ܪܝܫܐ ܕܬܠܬܝܢ ܘܫܒܥܐ [܀] ܐܐܠ ܐܦ ܒܪܘܚܐ‬ ̇ ‫ ܐܢ ܓܝܪ‬.‫ܕܥܒܕ ܗܘܐ ܬܕܡ̈ܪܬܐ‬ ‫ܐܡܪ‬ ̣ ‫ܕܐܠܗܐ‬ ̈ ‫ ܡܢܘ‬.‫ܠܡ ܐܢܐ ܒܪܘܚܐ ܕܐܠܗܐ ܡܦܩ ܐܢܐ ܕܝܘ ܼܐ‬ ̇ ‫ ܐܝܟ ܕܥܠ ܐܠܗܐ‬.‫ܦܛܥܐ‬ ‫ܕܝܢ ̇ܗܘ ܕܗܟܢܐ ܐܝܬܘܗܝ‬ ̈ .‫ܡܠܬܐ ܢܐܡܪ ܇ ܕܒܪܘܚܐ ܕܐܠܗܐ ܡܩܦ ܕܝܘܐ‬ ̈ ‫ܡܛܠ ܕܗܕܐ‬ ̇ ‫ܗܘܐ‬ ‫ܕܒܢܝ ܐܢܫܐ‬ ̣ ‫ ܐܝܠܝܢ ܕܐܠ‬.‫ܐܝܬܝܗ‬ ̣ ܿ ‫ ܥܠ ܗܘ‬.‫ܒܚܝܐܠ ܕܝܠܗܘܢ ܬܕܡ̈ܪܬܐ ܠܡܣܥܪ ܣܦܩܝܢ‬ ̇ .‫ܐܝܬܝܗ‬ ‫ܕܝܢ ܕܐܬܢܣܒ ܕܗܟܢܐ ܢܐܡܪ ܕܛܟܣܐ‬

Sachau p. 65. – Ohne Parallelüberlieferung.

Aus Kapitel  37. Aber auch, daß er durch den Geist Gottes Wunder wirke, hat er gesagt: „Wenn ich nämlich durch den Geist Gottes Dämonen austreibe“ (Mt  12,28). Wer ist aber so töricht, daß er vom Gott Logos sagen würde, daß er durch den Geist Gottes Dämonen austriebe, weil das (Sache) der Menschen ist, die nicht durch ihre eigene Kraft Wunder zu tun vermögen. Von jenem aber, der angenommen wurde, ist es in Ordnung, so zu reden.

46  7

 1.5 Theodor von Mopsuestia

f. 84r col. 3-f. 84v col. 1 (Lagarde p. 102,17–103,4)

‫ܡܢ ܪܝܫܐ ܕܬܠܬܝܢ ܘܬܡܢܝܐ [܀] ܡܘܕܥܐ ܕܝܢ ܐܦ‬ ‫ ܕܐܠ ܬܕܚܠܘܢ ܡܢ ܐܝܠܝܢ ܕܩܛܠܝܢ‬:‫ܕܐ ̇ܡܪ‬ ̣ ‫ܡܠܬܗ ܕܡܪܢ‬ ‫ ܕܚܠܘ ܕܝܢ‬:‫ ܠܢܦܫܐ ܕܝܢ ܐܠ ܡܫܟܚܝܢ ܠܡܩܛܠ‬:‫ܠܦܓܪܐ‬ ‫ ܡܢ ̇ܡܢ ܕܡܫܟܚ ܕܠܢܦܫܐ ܘܠܦܓܪܐ ܢܘܒܕ‬.‫ܝܬܝܪܐܝܬ‬ ̣ ‫ ܗܟܢܐ ܗܟܝܠ ܚܘܫܒܐ ܕܝܠܗܘܢ ܕܦܛܥܐ‬.‫ܒܓܗܢܐ‬ ‫ ܿܗܘ ܓܝܪ ܕܠܘܬ ܨܒܝܢܐ ܚܐܪ‬.‫ܐܝܬܘܗܝ ܡܬܟܣܣ‬ ̇ ‫ܕܢܦܫܐ‬ ‫ܒܗ ܒܕܡܘܬܐ ܐܦ ܠܢܣܝܒܘܬܐ ܕܒܣܪܐ‬ ̣ ̇ ̇ ‫ ܗܝ ܕܐܠ‬.‫ ܕܝܬܝܪܬܐ ܐܝܬܝܗ ܡܟܣ‬.‫ܕܢܦܫܐ‬ ‫ܥܡ‬ ̣ ̇ ‫ ܡܢ ܓܝܪ ܨܒܝܢܐ ܗܘܝܐ‬.‫ܐܝܬܝܗ‬ ‫ܗܘܐ ܗܟܢܐ‬ ̣ ‫ ܣܢܝܩ ܕܝܢ ܗܢܐ ܐܦ ܥܠ ܥܘܕܪܢܐ‬.‫ܡܝܬܪܘܬܐ‬ ̇ .‫ܕܡܢ ܐܠܗܐ ܠܘܬ ܗܕܐ‬ ‫ܒܗܝ ܕܡܨܛܠܝܢܐܝܬ‬ ‫ ܘܡܛܠ ܗܕܐ ܡܪܢ ܟܕ ܒܪ ܐܢܫܐ‬.‫ܠܘܬ ܚܛܝܬܐ ܢܬܝܦ‬ ̇ ‫ܐܪܝܡܗ‬ ‫ ܕܡܢ ܒܣܪܗ‬.‫ܝܗܒ ܠܗ‬ ̣ ‫ ܛܘܒܐ ܪܒܐ‬.‫ܢܣ ̣ܒ‬ ̣ ‫ ܘܡܢ ܢܦܫܗ ܠܡܫܬܪܥܢܘܬܐ‬.‫ܠܚܛܝܬܐ ܕܡܣܬܬܐ‬ ̈ ‫ ܘܠܡܨܛܠܝܢܘܬܐ ܕܠܘܬ‬.‫ܚܫܐ‬ ‫ܕܠܝܠܬܐ ܕܠܘܬ‬ ̇ ‫ ܗܟܢܐ ܓܝܪ ܡܢ ܒܣܪܐ ܡܢ ܠܬܙܝܙܘܬܐ‬.‫ܚܛܝܬܐ‬ ‫ ܐܠܘܚܕܢܐ‬.‫ܢܦܫܐ‬ ‫ ܡܢ ܕܝܢ‬.‫ܕܪܓܬܐ ܕܐܝܬ ܒܗ ܐܪܝܡ‬ ̣ ̈ ̈ ̈ ‫ܗܘܐ ܟܕ ܠܗܘܢ ܠܚܫܐ ܘܠܙܘܥܐ‬ ̣ ‫ ܐܠ‬.‫ܕܚܫܐ ̇ܒܛܠ‬ ‫ ܗܠܝܢ ܓܝܪ ܒܬ̈ܪܝܗܘܢ ܥܕܡܐ ܠܗܫܐ‬.‫ܐܪܝܡ‬ ‫ ܐܐܠ ܟܕ ܠܚܝܠܗܘܢ ܙܥܙܥ܆ ܘܒܝܕ ܕܘܒ̈ܪܐ‬.‫ܡܬܙܝܥܝܢ‬ ̇ ̇ ‫ܥܒܕܗ ܕܐܠ‬ .‫ܝܗ ̣ܒ‬ ‫ܕܝܠܗ ܡܪܕܘܬܐ‬ ̣ ‫ܕܠܚܡܐ ܠܢܦܫܐ‬ ̇ ̈ ‫ ܘܒܡܥܠܢܘܬܐ‬.‫ܡܙܕܟܝܢܝܬܐ ܬܗܘܐ ܒܚܫܐ ܕܝܠܗ‬ ̈ ̈ ‫ܕܚܘܫܒܐ‬ ‫ ܢܬܕܚܩ ܩܪܒܐ ܕܗܠܝܢ ܕܐܝܬܝܗܘܢ‬.‫ܛܒ ̣ܐ‬ ̈ ‫ ܠܡܬܝܟܘ ܕܝܢ ܐܦ ܠ̈ܪܓܝܓܬܐ ܕܒܣܪܐ‬.‫ܒܝܫܐ‬ ‫ ܟܕ ܡܣܬܝܥܐ‬.‫ܒܡܨܛܠܝܢܘܬܐ ܕܠܘܬ ܛܒܬܐ‬ ‫ܒܥܘܕܪܢܐ ܕܪܘܚܐ܀‬

Sachau p. 65. – Ohne Parallelüberlieferung.

Aus Kapitel 38. Es läßt aber auch erkennen das Wort unseres Herrn, der sagt: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können. Fürchtet euch aber vielmehr vor dem, der die Seele und den Leib in die Hölle verderben kann“ (Mt 10,28). So also wird ihr Gedanke getadelt, der töricht ist. Jener (sc. Apollinaris) nämlich, der auf den Willen der Seele blickt, tadelt auf gleiche Weise auch über die Annahme des Fleisches mit der Seele, welche überflüssig ist. Das ist aber nicht so. Aus dem Willen nämlich entsteht die Vorzüglichkeit [der Seele]. Dieser (sc. der Wille) bedarf aber auch der Hilfe von Gott dazu, weil er (zum Bösen) geneigt zur Sünde hingezogen wird. Und deswegen, als unser Herr den Menschen annahm, gab er ihm als großes Gut, daß er aus seinem Fleisch die eingewurzelte Sünde entfernte und aus seiner Seele die leichte Verführbarkeit zu den Leidenschaften und die Geneigtheit zur Sünde. So nämlich entfernte er aus dem Fleisch die Heftigkeit des Begehrens, die in ihm ist, tilgte aber aus der Seele die Macht der Leidenschaften, nicht indem er die Leidenschaften (selbst) und die Erregungen entfernte, diese regen sich nämlich in beiden bis jetzt, sondern indem er ihre Macht erschütterte. Und durch seine eigene Lebensführung gab er die zur Seele passende Beziehung, er bewirkte, daß sie unbesiegbar wurde durch ihre eigenen Leidenschaften, und durch das Eingeben guter Gedanken die Schlachtreihe jener, die schlecht sind, zurückgestoßen wurde; zum Bezwingen



Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums 

 47

aber auch der Begierden des Fleisches durch Neigung zum Guten, indem ihr (der Seele) beigestanden wurde durch Hilfe des Geistes.

48  8

 1.5 Theodor von Mopsuestia

fol. 84v col. 1 (Lagarde p. 103,5–9)

.‫ܡܘܬܐ‬ ‫ܡܢ ܪܝܫܐ ܕܚܡܫܝܢ [܀] ܡܛܠ ܕܒܝܕ ܒܪܢܫܐ‬ ܼ ̈ ‫ܡܛܠܗܢܐ ܐܦ ܒܝܕ ܒܪܢܫܐ ܩܝܡܬܐ‬ ‫ ܐܝܟ‬.‫ܕܡܝܬܐ‬ ‫ ܕܐܠ ̇ܘܐܠ ܕܚܪܢܝܐܝܬ ܩܝܡܬܐ ܬܬܝܗܒ‬.‫ܕܝܕܝܥܐ‬ ‫̇ܡܢ‬ ܼ ܿ ܿ ̇ ̈ .‫ ܐܐܠ ܐܢ ܒܝܕ ܗܘ ܕܕܡܐ ܒܟܝܢܐ‬.‫ܠܒܢܝ ܐܢܫܐ‬ ̇ ̇ ‫ܕܗܘܐ‬ ‫ ܗܘ‬.‫ܐܝܟ ܡܐ ܕܐܝܬܘܗܝ ܗܘܐ ܒܟܝܢܐ‬ ̣ ̇ ̇ ‫ ܕܐܝܟ ܗܢܐ‬.‫ܥܠܬܐ ܠܡܘܬܐ‬ ‫ ܐܦ ܗܘ‬.‫ܗܘܐ‬ ‫ܙܕܩ ܕ ̣ܢ‬ ̣ ̣ ‫ܕܐܝܬܘܗܝ ܥܠܬܐ ܕܩܝܡܬܐ܀‬

Sachau p. 66. – Ohne Parallelüberlieferung.

Aus Kapitel  50. „Weil durch einen Menschen Tod, deswegen auch durch einen Menschen Auferstehung der Toten“ (1. Kor. 15,21), so daß klar ist, daß es sich nicht ziemt, daß den Menschen auf andere Weise die Auferstehung gegeben werden sollte, es sei denn durch jenen, der gleich war von Natur. Wie von Natur war jener, der die Ursache des Todes war, ein solcher mußte auch werden jener, der Ursache der Auferstehung ist.



9a1

Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums 

 49

f. 84v col. 1–2 (Lagarde p. 103,10–16)

‫ܡܢ ܪܝܫܐ ܕܚܡܫܝܢ ܘܚܕ [܀] ܐܠܗܐ ܓܝܪ ܕܛܥܝܢ‬ ̇ ‫ ܐܠ ܓܝܪ ܐܢܫ‬.‫ܒܣܪܐ ܐܠ ܡܬܐܡܪ‬ ‫ܐܡܪ ܕܐܠܗܐ‬ ‫ܕܥܡܪ ܒܗ‬ ‫ ܒܪܢܫܐ ܕܝܢ ܬܘܒ ܢܐܡܪ‬.‫ܒܣܪܐ ܛܥܝܢ‬ ̣ ‫ ̇ܗܝ‬.‫ܐܠܠܗܐ ܐܠ ܫܟܝܪܐ‬ ‫ ܗܢܘ ܕܝܢ ܕܛܥܝܢ‬:‫ܐܠܗܐ‬ ̣ ̇ ‫ܐܝܬܝܗ‬ ‫ܕܗܢܘܢ ܠܡܪܡܘ ܐܝܟ ̇ܡܢ ܕܓܠܝܐܝܬ‬ ̣ :‫ ܐܢ ܓܝܪ ܒܪ ܐܢܫܐ ܡܬܐܡܪ‬.‫ܫܟܝܪܬܐ ܐܝܨܦܘ‬ ̇ ‫ܐܝܟ ܕܡܢ ܟܬܒܐ ܐܠܗܝܐ ܚܘܝܢܢ܆‬ ‫ܗܘܐ ܕܝܢ‬ ̣ ‫ܥܡܪ‬ ܿ ‫ܒܗܢܐ ܐܠܗܐ ܡܠܬܐ܆‬ ‫ܐܘ ܟܝܬ ܐܝܬܘܗܝ ܗܘܐ‬ ܿ ‫ܒܗ܆‬ ‫ ܐܠ ܫܟܝܪܐ ܠܡܐܡܪ‬.‫ܠܡܐܡܪ‬ ‫ܐܘ ܐܝܟ ܕܨܒܝܢ‬ ̣ ̇ .‫ܕܥܡܪ ܒܗ‬ ̣ ‫ܕܛܥܝܢ ܗܘܐ ܒܪܢܫܐ ܐܠܠܗܐ ܠܗܘ‬

Aus Kapitel  51. Daß „Gott Fleisch trägt“ (=  θεὸς σαρκοφόρος), wird nicht gesagt, niemand nämlich sagt, daß Gott Fleisch trägt. Wir wollen aber wiederum vom Menschen sagen, daß in ihm Gott gewohnt hat. D.  h. aber, daß „Gott tragend“ (=  θεοφόρος) nicht falsch ist, was jene zu beseitigen sich bemühen, weil es nämlich offensichtlich falsch sei. Wenn er nämlich Mensch genannt wird, wie wir aus der göttlichen Schrift gezeigt haben, in diesem aber der Gott Logos wohnte oder in ihm war, oder wie man sagen will, ist es nicht falsch zu sagen, daß der Mensch Gott trug, der in ihm wohnte.

Sachau p. 66. – Ohne Parallelüberlieferung. Richard hatte l.c. [M.  Richard, La tradition des fragments du traité Περὶ τῆς ἐνανθρωπήσεως de Théodore de Mopsueste, Le Muséon, 46 (1943), 55–75 = Opera minora II, Nr. 41, Louvain 1977, vgl. in diesem Band S. 25–33 – d. Red.] übersehen, daß aus diesem Kapitel zwei Zitate gegeben werden. Um weiter Richards Zählung beibehalten zu können, habe ich zu dieser Untergliederung gegriffen.

1

50  9b1

 1.5 Theodor von Mopsuestia

f. 84v col. 2 (Lagarde p. 103,16–20)

‫ ܕܚܪܢܐ‬.‫ܘܬܘܒ [܀] ܡܫܐܠܝܢ ܓܝܪ ܗܕܐ ܝܬܝܪܐܝܬ‬ ̇ .‫ܗܘ ܡܫܝܚܐ ܘܚܪܢܐ ܒܪܐ ܕܐܠܗܐ‬ ‫ܐܘ ܼܗܘ‬ .‫ܘܗܘ ܐܝܬܘܗܝ ܒܪܐ ܕܐܠܗܐ‬ ܼ ‫ܐܝܬܘܗܝ ܡܫܝܚܐ‬ .‫ܘܐܢ ܐܢܫ ܢܦܢܐ ܦܬܓܡܐ ܘܢܐܡܪ ܕܗܘܝܘ ܟܕ ̣ܗ ̣ܘ‬ ‫ܡܚܕܐ ܡܣܒܪܝܢ ܕܗܕܐ ܩܘܝܡܐ ܕܟܘܪܗܢܐ ܕܝܠܗܘܢ‬ ‫ܢܣܒܘ܀‬

Und wiederum. Sie fragen ferner dies: Ist Christus einer und ein anderer der Sohn Gottes, oder: ist dieser Christus und jener2 Sohn Gottes? Und wollte jemand antworten und sagen: Es ist derselbe, weisen sie sofort zurück3, daß sie dies als Bestätigung ihrer Krankheit empfangen haben.

Sachau p. 66. – Ohne Parallelüberlieferung. s. n. 1 zu 9a Man sollte annehmen, daß dieses Pronomen einen starken diakritischen Punkt erhalten müßte; Sachau übersetzt genauer. 3 [Anm. d. Red.: Lagarde und Abramowski lesen ‫( ܡܒܣܪܝܢ‬von ‫ ܒܣܪ‬zurückweisen, beschuldigen, ver1

2

urteilen, verwerfen), das ms. liest aber eindeutig ‫( ܡܣܒܪܝܢ‬von ‫ ܣܒܪ‬meinen, glauben, annehmen), dann müsste man übersetzen: ... denken sie sofort, daß sie dies als ...]



10

Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums 

 51

f. 84v col. 2 (Lagarde p. 103, 21–25)

‫ܡܢ ܪܝܫܐ ܕܚܡܫܝܢ ܘܫܬܐ [܀] ܚܟܡܬܐ ܠܡ ܡܡܠܠܝܢ‬ ̇ ‫ܠܟܘܠܗ ܟܪܘܙܘܬܐ‬ .‫ܪܐ‬ ̣ ‫ ܚܟܡܬܐ ܕܝܢ ̣ܩ‬.‫ܚܢܢ ܒܓܡܝ̈ܪܐ‬ ̇ ‫ ̇ܗܝ‬.‫ܕܥܠ ܡܫܝܚܐ‬ ‫ ܕܟܕ‬.‫ܕܒܗ ܠܟܠ ܐܢܫ ܡܠܦܝܢ ܗܘܘ‬ ̇ ‫ܐܠܗܐ ܡܠܬܐ‬ ‫ ܗܟܢܐ ܟܠܡܕܡ ܒܒܪ ܐܢܫܐ‬.‫ܥܡܪ‬ ‫ ܐܠ ܗܘܐ ܡܛܠ‬.‫ ܐܝܬܘܗܝ ܕܝܢ ܙܩܝܦܐ ܝܩܝܪܐ‬.‫ܕܒܪ‬ ̇ ‫ܕܗܘ ܕܚܫ ܇ ܐܐܠ ܡܛܠ ܚܝܐܠ‬ ܿ ‫ܟܝܢܐ‬ .‫ܕܗܘ ܕܢܣܒ‬

Sachau p. 66. – Ohne Parallelüberlieferung.

Aus Kapitel 56. „Weisheit reden wir unter den Vollkommenen“ (1. Kor. 2,6). Weisheit hat er aber die ganze Verkündigung über Christus genannt, durch die sie jedermann lehrten, daß, indem der Gott Logos einwohnte, er so alles im Menschen leistete. Es ist das Kreuz aber eine Ehre, nicht wegen der Natur dessen, der gelitten hat, sondern wegen der Kraft dessen, der (ihn) angenommen hatte.

52  11

 1.5 Theodor von Mopsuestia

f. 84v col. 2–3 (Lagarde p. 103,26–104,2)

‫ܢ ܐܦܢ‬ ̣ ‫ܡܢ ܪܝܫܐ ܕܚܡܫܝܢ ܘܬܫܥܐ [܀] ܐܦ ܡܪ‬ ‫ܒܗܠܝܢ ܕܒܬܪܟܢ ܠܓܡܪ ܩ ̣ܢܐ ܒܗ ܡܫܡܠܝܐܝܬ‬ ‫ ܟܕܐܠ ܡܬܦܪܫܢܐܝܬ‬:‫ܐܠܠܗܐ ܡܠܬܐ ܕܡܥܒܕ‬ ̇ ‫ ܐܐܠ ܟܝܬ‬.‫ܠܘܬܗ‬ ‫ܠܟܠܗ ܡܥܒܕܢܘܬܐ‬ ‫ܩ ̣ܢܐ ܗܘܐ‬ ̣ .‫ܐܦ ܩܕܡ ܗܕܐ ܛܒ ܣܓܝ ܐܝܬܘܗܝ ܗܘܐ ܒܗ‬ ̇ ̈ ‫ܣܓܝܐܬܐ ܡܢ ܐܝܠܝܢ ܕܡܬܒܥܝܢ ܟܕ ܡܫܬܒܩ‬ ‫ܕܣܥܪ‬ ̇ .‫ܗܘܐ ܕܫܥܬܐ ܩܕܡ ܙܩܝܦܐ ܡܛܘܠܬܗ ܕܚܫܚܬܐ‬ ̇ ‫ܕܒܨܒܝܢܐ ܕܝܠܗ ܡܝܬܪܘܬܐ ܕܚܠܦܝܢ‬ ‫ ܟܕ‬.‫ܢܡܐܠ‬ ‫ ܠܘܬ‬.‫ܡܬܚܦܛ ܗܘܐ ܡܢܗ ܐܦ ܒܗܠܝܢ ܘܡܬܚܝܠ‬ ̈ ‫ܫܘܡܠܝܐ ܓܡܝܪܐ ܕܐܝܠܝܢ‬ ‫ܕܙܕܩܢ܀‬

Aus Kapitel  59. Auch unser Herr1, wenn er auch danach vollkommen in sich den einwirkenden Gott Logos gänzlich besaß, indem dieser ungetrennt die ganze Einwirkung auf ihn besaß, aber auch davor war dies sehr viel in ihm, daß er nichts von dem tat, was erforderlich war, indem ihm gestattet war bis vor dem Kreuz2 wegen des Notwendigen durch seinen eigenen Willen die Tugend um unseretwillen zu erfüllen, indem er angereizt wurde von ihm auch darin und gestärkt wurde zur vollkommenen Erfüllung des sich Geziemenden.

Sachau p. 66. 11 = Swete II p. 296,13–19 [= Fragmentum Leontii 2 (p. 458,11–18 ed. Daley); Jansen frg. VII (p. 240,5– 12)], enthalten in einem der langen Zitate bei Leontius, aus dem 7. Buch [von De incarnatione] 1 2

gr. „der Herr“ zu „vor dem Kreuz“ vgl. Swete II p. 297,16–18 [Jansen frg. VII (p. 241,44–47)].



12

Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums 

 53

f. 84v col. 3 (Lagarde p. 104,2–6)

‫] ܡܢܗ ܟܕ ܡܢܗ ܕܪܝܫܐ [܀] ܡܛܠ ܕܩܕܡ‬.[‫ܘܒܬܪ ܚ̈ܪܢܝܬܐ‬ .‫ܕܢܕܥ ܛܠܝܐ ܛܒܬܐ ܐܘ ܒܝܫܬܐ ܡܥܨܐ ܠܒܝܫܬܐ‬ .‫ܠܒܝܫܬܐ‬ ‫ ܐܢ ܓܝܪ ܡܥܨܐ‬.‫ܕܢܓܒܐ ܛܒܬܐ‬ ܼ ̇ ‫ ܕܒܦܘܪܫܢܐ‬.‫ ܐܝܕܝܥܐ ܗܝ‬.‫ܓܒܐ ܕܝܢ ܛܒܬܐ‬ ‫ܠܗܝ‬ ̣ ‫ ܒܦܘܪܫܢܐ ܓܝܪ ܕܠܘܬ‬.‫ ܠܗܕܐ ܕܝܢ ܐܚܒ‬.‫̇ܡܢ ܣ ̣ܢܐ‬ ‫ܒܝܫܬܐ ܓܒܝܬܐ ܡܢ ܟܠܦܪܘܣ ܗܘܝܐ܀‬

Und nach anderem aus demselben Kapitel (sc. 59). „Denn ehe ein Kind das Gute oder das Böse erkennt, widersteht es dem Bösen, daß es das Gute erwähle“ (Jes 7,1[6]). Wenn es nämlich dem Bösen widersteht, das Gute aber wählt1, dann ist es klar, daß es durch Unterscheidung jenes haßt, dieses aber liebt. Durch Unterscheidung jedenfalls geschieht die Wahl zum Bösen.

Sachau p. 67. 12 Nicht unbekannt, wie bei Richard p. 73 irrtümlich angegeben, sondern = Swete p. 297,19–22 (so schon R.  Abramowski handschriftlich) innerhalb eines längeren Zitates bei Leontius, aus Buch 7 [von De incarnatione = fragmentum Leontii 2 (p. 460,24–27 ed. Daley), Jansen frg. VII (p.241,47–51)]. „Wenn es – aber wählt“ fehlt im Gr. durch homoioteleuton (ἀγαθόν)[;] jedenfalls fehlt es [im fragmentum Leontii und entsprechend] bei Swete.

1

54 

 1.5 Theodor von Mopsuestia

13

f. 84v col. 3–85r col. 1 (Lagarde p. 104,6–15)

‫] ܐܝܕܝܥܐ ܗܝ ܕܝܢ ܐܪܐ ܐܦ ܗܕܐ‬.[‫ܘܬܘܒ‬ ‫ܕܡܝܬܪܘܬܐ ܚܬܝܬܐܝܬ ܘܒܕܠܝܠܘܬܐ ܣܓܝܐܬܐ‬ ̈ ‫ ܠܘܬ ܗܠܝܢ‬:‫ܫܡܠܝ ܝܬܝܪ ܡܢ ܡܐ ܕܡܨܝܐ ܗܘܬ‬ ‫ܒܢܝ‬ ̣ ‫ܐܢܫܐ ܐܚ̈ܪܢܐ‬ ‫ ܟܡܐ ܕܐܦ ܒܡܩܕܡܘܬ‬.‫ܕܫܪܟܐ‬ ܼ ‫ ܟܕ‬.‫ܝܕܥܬܐ ܕܗܕܐ ܕܐܝܟܢܐ ܥܬܝܕ ܗܘܐ ܕܢܗܘܐ‬ ̇ .‫ܕܓܒܝܠܬܐ‬ ‫ܚܝܕܗ ܠܗ ܐܠܗܐ ܡܠܬܐ ܒܗ ܒܫܘܪܝܐ‬ ̇ ‫ܬܥܕܝܪܐ ܪܒܐ ܕܡܢܗ‬ ‫ܝܗܒ ܗܘܐ ܠܘܬ ܫܘܡܠܝܐ‬ ‫ ܟܕ ܚܠܦ ܦܘܪܩܢܐ ܕܟܠ ܗܠܝܢ‬.‫ܕܐܝܠܝܢ ܕܡܬܒܥܝܢ‬ ‫ ܘܡܚܦܛ ܗܘܐ ܠܗ ܠܘܬ‬.‫ܕܥܠܘܗܝ ܡܕܒܪ ܗܘܐ‬ ̈ ‫ ܟܕ ܡܩܠ ܡܢܗ ܠܣܘܓܐܐ‬.‫ܓܡܝܪܢ‬ ‫ܐܝܠܝܢ ܕܝܬܝܪ‬ ̈ ‫ ܘܐܢ‬.‫ܕܥܡܐܠ ܐܢ ̣ܗܘ ܕܕܢܦܫܐ ܐܝܬܝܗܘܢ‬ ‫ ܘܗܟܢܐ ܫܘܡܠܝܐ ܪܒܐ‬.‫̣ܗܘ ܕܒܝܕ ܦܓܪܐ ܐܢܘܢ‬ ‫ܘܡܩܠܐܠ ܕܡܝܬܪܘܬܐ ܠܗ ܡܥܬܕ ܗܘܐ܀‬

Und wiederum. Es ist klar aber auch dies, daß1 er die Tugend genau und mit ganzer Leichtigkeit mehr erfüllte, als es möglich war bei den übrigen Menschen, umso mehr, als durch Vorherwissen, daß es so sein werde, der Gott Logos, als er ihn mit sich vereinte im Anfang des Gebildetwerdens, (ihm) große Hilfe von sich gab zur Vollendung des Erforderlichen, indem er wegen der Erlösung aller das Seine (‫= ܕܥܠܘܗܝ‬ τὸ κατ’ αὐτόν) veranstaltete (οἰκονομεῖν). Und er ermunterte ihn zum Vollkommneren, indem er ihm erleichterte die Menge der Mühen, seien es die der Seele oder die durch den Leib. Und so bereitete er ihm die große und erleichterte Erfüllung der Tugend.

Sachau p. 67 13 =  Swete p.  298,1–9 =  zweite Hälfte eines Zitates bei Leontius, aus Buch 7 [von De incarnatione = fragmentum Leontii 3 (p. 462,17–26 ed. Daley); Jansen frg. VIII (p. 242,9–17)] 1

gr. „wie“

[L.  A. folgt mit ihrer Übersetzung „veranstaltete (οἰκονομεῖν)“ (gegen ‫ ܡܕܒܕ‬der Edition von Lagarde) stillschweigend der (bereits von Sachau notierten) Lesart der Hs.: ‫ܡܕܒܪ‬ – d. Red.]



Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums 

14

 55

f. 85r col. 1 (Lagarde p. 104,16–19)

‫ܡܢ ܪܝܫܐ ܕܫܬܝܢ [܀] ܡܚܝܕ ܗܘܐ ܓܝܪ ܐܠܠܗܐ‬ ‫ܡܠܬܐ ܡܢ ܫܘܪܝܐ ̇ܗܘ ܕܐܬܢܣܒ ܐܦ ܒܡܩܕܡܘܬ‬ ̇ ‫ ܟܕ‬.‫ܐܝܕܥܬܐ‬ ‫ܒܗ ܒܓܒܝܠܬܐ ܕܒܡܪܒܥܐ ܫܘܪܝܐ‬ .‫ ܟܕ ܕܝܢ ܡܢ ܟܕܘ ܠܚܕܝܘܬܐ ܐܫܬܘ ܼܝ‬.‫ܕܚܕܝܘܬܐ ܩܒܠ‬ ‫ܟܠܗܝܢ ܩܒܠ ܗܘܐ ܐܝܠܝܢ ܕܡܨܝܐ ܗܘܬ ܕܒܪܢܫܐ‬ ‫ܢܩܒܠ܀‬

Aus Kapitel 60. Es war vereinigt nämlich mit dem Gott Logos1 von Anfang an jener, der angenommen wurde auch2 im Vorherwissen, indem er in der Bildung im Mutterschoß den Anfang der Einheit empfing. Indem er aber von da an der Vereinigung gewürdigt wurde, empfing er alles, was ein Mensch empfangen konnte.

Sachau p. 67 übersetzt dieses Fragment nicht, sondern verweist auf p. 60 Nr. 2; dort unser Text als Bestandteil eines etwas längeren Exzerpts; aus p. V erfährt man, daß Nr. 2 aus einer Hs. (add. 12157) des Severus stammt, Ctr. Gramm., also in einer anderen syr. Übersetzung dort vorliegt. 14 = Swete p. 298, 10–12 (nicht 14, wie bei Richard p. 73 zu lesen; Richards Zeilenangabe trifft für das Severusfragment aus Ctr. Gramm. zu). Beginn eines längeren Fragmentes bei Leontius, aus Buch 7 [von De incarnatione = fragmentum Leontii 4 (p. 464,2–4 ed. Daley); Jansen, frg. IX (p. 242  f.,2–5)]. Severus zitiert aus demselben Stück, das bei Leontius erhalten ist, zweimal: a) etwas länger im Philalethes, darin entspricht unserem Exzerpt: CSCO vol. 133 (Script. syr. 68) p. 156,7–11 textus, vol. 134 (69) p. 128,16–21 versio, ed. Hespel. Richard und Devreesse im Essai waren noch auf die Ausgabe von Sachau angewiesen; b) etwas kürzer in Ctr. Grammatic[um][*] III 15, darin unser Exzerpt: CSCO 93 (Script. Syri 45) p. 254,14–18 textus, vol. 94 (46) p. 178,30–33 versio ed. Lebon. Dort wird die Herkunft des Zitats angegeben: aus dem 2. Buch Kyrills gegen Theodor (offenbar verloren). 1) fehlt im Griech., aber nicht bei Severus 2) fehlt im Griech. und bei Severus [*]

[So korrekt in der Manuskriptfassung (g)]

56  15

 1.5 Theodor von Mopsuestia

f. 85r col. 1 (Lagarde p. 104,19–26)

‫ܡܢܗ ܟܕ ܡܢܗ ܕܪܝܫܐ [܀] ܐܡܬܝ ܓܝܪ ܕܐܝܟ‬ ‫ ܘܒܪ ܟܝܢܐ ܕܐܒܐ܆‬:‫ܕܥܠ ܐܠܗܐ ܘܥܒܘܕܐ ܕܟܘܠ‬ ‫ܘܕܡܫܬܒܚ ܥܡܗ ܡܛܠ ܩܪܝܒܘܬܐ ܟܝܢܝܬܐ ܡܡܠܠܝܢ‬ ‫ ܐܡܬܝ ܕܝܢ‬.‫ ܠܟܝܢܗ ܕܡܠܬܐ ܡܣܬܟܠܝܢ ܚܢܢ‬.‫ܚ ̣ܢܢ‬ ‫ܕܐܝܟ ܕܥܠ ܡܣܝܟܐ܆ ܘܕܗܫܐ ̇ܡܢ ܐܝܬܘܗܝ ܠܥܠ ܡܢ‬ ̇ ‫ܫܡܝܐ܆ ܠܚܪܬܐ ܕܝܢ‬ .‫ܕܫܘܢܝܐ‬ ‫ܐܬܐ ܠܗܪܟܐ ܒܙܘܥܐ‬ ̣ ܿ ‫ ܠܗܘ ܕܒܚܕܝܘܬܐ‬.‫ܗܝܕܝܢ ܠܒܪܢܫܐ ܡܣܬܟܠܝܢܢ‬ ̇ ‫ܟܠܗ‬ ‫ ܘܠܗܕܐ‬.‫ܕܠܘܬ ̇ܗܘ ܡܩܒܠ ܐܝܩܪܐ ܕܡܢ ܟܠ‬ ܿ ̇ ‫ܕܟܠܗ ܬܒܝܠ܀‬ ‫ܘܐܬܐ ̇ܕܝܢܐ‬ ‫ܬܫܒܘܚܬܐ ܐܫܬܘܝ‬

Sachau p. 67. – Ohne Parallelüberlieferung.

Aus demselben Kapitel (= 60). Wenn wir nämlich (von ihm) als Gott und Schöpfer des Alls und (von) dem dem Vater Wesensgleichen und dem mit ihm wegen der natürlichen Verwandtschaft Verehrten sprechen, (dann) verstehen wir (darunter) die Natur des Logos. Wenn wir aber (von ihm) als vom Begrenzten (sprechen) und von dem, der jetzt zwar über dem Himmel ist, am Ende aber hierher kommt mit der Erschütterung der Verwandlung, dann verstehen wir (darunter) den Menschen, ihn, der in Vereinigung mit jenem die Ehre von allen empfängt und dieser ganzen Herrlichkeit für würdig gehalten wurde und als Richter der ganzen Welt kommt.

̈ .‫ܕܠܟܝܢܐ ܡܦܪܫܝܢ ܚ ̣ܢܢ‬ ‫ܐܡܬܝ ܓܝܪ‬ ‫ܕܡܫܠܡܢܐ ܗܘ ܟܝܢܐ ܕܐܠܗܐ ܡܠܬܐ‬ ‫ ܘܡܫܠܡܢܐ ܗܘ‬.‫ܐܡܪܝܢ ܐܢܚܢܢ‬

‫ܘܐܝܟܢܐ ܕܠܗܠ ܐܠ ܢܟܝܐ ܠܡܢܝܢܐ‬ ‫ܕܬܪܝܢܘܬܐ܆ ̇ܗܝ ܕܚܕ ܢܬܐܡܪ ܒܣܪܐ܆‬ ̇ ‫ܓܠܝܐ ܗܝ ܓܝܪ‬ .‫ܡܬܐܡܪ‬ ‫ܒܐܝܕܐ ܚܕ‬ ̣ ܿ ‫ ܠܫܘܚܠܦܐ‬.‫ܗܟܢܐ ܐܦ ܗܪܟܐ ܐܠ ܡܟܝܐ‬ ̈ .‫ܕܟܝܢܐ ܚܕܝܘܬܐ ܕܦܪܨܘܦܐ‬

Aus Kapitel 63. 1. Was unser1 Herr über2 Mann und Frau gesagt hat: „daß sie von nun an nicht zwei sind, sondern ein Fleisch“ (Mt. 19,6)3, sagen wir auch passend in Bezug (= κατά) auf die Weise der Einigung: daß sie von nun an nicht zwei πρόσωπα sind, sondern eins, es ist klar, (daß es so ist), indem die Naturen unterschieden werden. 2. Und wie es dort der Zahl der Zweiheit nicht schadet, daß das Fleisch „eins“ genannt werden soll  – es ist nämlich deutlich, in welcher (Weise)4 „eins“ gesagt wird, so schadet auch hier nicht dem Unterschied der Naturen die Einheit des πρόσωπον. 3. Wenn wir nämlich die Naturen unterscheiden, sagen wir, daß die Natur des Gott

f. 85r col. 1–3 (Lagarde p. 104,27–105,24)

‫ܡܢ ܪܝܫܐ ܕܫܬܝܢ ܘܬܠܬܐ܀‬ ‫̇ܗܝ ܕܡܪܢ ܥܠ ̇ܗܝ ܕܓܒܪܐ ܘܐܢܬܬܐ‬ :‫ ܕܐܠ ܡܟܝܠ ܐܝܬܝܗܘܢ ܬ̈ܪܝܢ‬.‫ܐܡܪ‬ ̣ ‫ܐܐܠ ܒܣܪܐ ̣ܚܕ ܐܡܪܝܢܢ ܐܦ ܚܢܢ‬ ‫ ܕܐܠ‬.‫ܙܕܩܐܝܬ ܐܝܟ ܡܠܬܐ ܕܚܕܝܘܬܐ‬ .‫ܡܟܝܠ ܐܝܬܝܗܘܢ ܬ̈ܪܝܢ ܦ̈ܪܨܘܦܐ‬ ‫ ܐܝܕܝܥܐ ܕܝܢ ܕܟܕ ܡܦܪܫܝܢ‬.‫ܐܐܠ ܚܕ‬ ̈ .‫ܟܝܢܐ‬

16[*]

‫ܐܟܙܢܐ ܓܝܪ ܕܠܗܠ ܐܠ ܡܣܬܪܚܐ ܡܢ‬ .‫ܡܢܝܢܐ ܕܬ̈ܪܝܢ ܕܢܬܐܡܪܘܢ ܚܕ ܒܣܪܐ‬ :‫ܗܝ ܓܝܪ ܐܝܟܢܐ ܡܬܐܡܪܝܢ‬ ݂ ‫ܓܠܝܐ‬ ‫ܗܟܢܐ ܐܦ ܗܪ[ܟܐ ܐܠ] ܡܬܚܒܐܠ‬ ‫ܚܕܝܘܬܗ [ܕܦ]ܪܨܘܦܐ ܡܢ ܫܘܚܠܦܐ‬ ̈ .‫ܕܟܝܢܐ‬

2. Wie nämlich dort nicht abgeschnitten wird von der Zahl zwei, daß sie ein Fleisch genannt werden sollen,  – es ist nämlich klar, wie sie (so) genannt werden,  – so erfährt auch hier die Einheit des πρόσωπον keinen Schaden vom Unterschied der Naturen. 3. Wenn wir nämlich über die Naturen nachdenken, verstehen wir die göttliche Natur

̈ ‫ܡܐ ܓܝܪ ܕܥܠ‬ ‫ܟܝܢܐ ܪܢܝܢ ܐܢܚܢܢ‬ ‫ܡܣܬܟܠܝܢܢ ܟܝܢܐ ܐܠܗܝܐ ܒܩܢܘܡܗ‬ :‫ܘܟܝܢܐ ܐܢܫܝܐ‬

‫ܘܐܝܟ ̇ܗܝ ܕܐܡܪ ܡܪܢ ܥܠ ܓܒܪܐ‬ ‫ܘܐܢܬܬܐ ܕܐܠ [ܐܝܬܝ]ܗܘܢ [ܬ̈ܪܝ]ܢ‬ ‫ ܗܟܢܐ ܐܦ ܚܢܢ‬.‫ܡܟܝܠ ܐܐܠ ܚܕ ܒܣܪ‬ .‫ܕܚܕܝܘܬܐ‬ ‫ܐܡܪܝܢ ܐܢܚܢܢ ܐܝܟ ܡܠܬܐ‬ ܼ .‫ܕܐܠ ܡܟܝܠ ܐܝܬܝܗܘܢ ܬ̈ܪܝܢ ܐܐܠ ܚܕ‬ ̈ ‫ܘܓܠܝܐ ܗ[ܝ] ܕܟܕ‬ ̈ ‫[ܡܫ]ܚܠܦܝܢ‬ .‫ܟܝܢܐ‬

1. Was unser Herr über Mann und Frau gesagt hat: „daß sie nicht zwei sind von nun an, sondern ein Fleisch“ (Mt  19,6) so auch sagen wir in Bezug auf die Weise der Einigung, daß sie nicht von nun an zwei sind, sondern eins, und es ist klar (daß es so ist), indem die Naturen verschieden sind.

[16’][**]  (Sachau p. ‫ ܥ‬l. 2 – ‫ ܥܐ‬l. 10)

 Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums   57

‫ܘܒܕܓܘܢ ܐܦ ܟܠ ܚܕ ܡܢܗܘܢ ܐܝܟ‬ ‫ ܒܦܪܨܘܦܐ ܕܝܠܗ‬.‫ܕܟܝܢܐ‬ ‫ܡܠܬܐ‬ ̣ .‫ܡܬܐܡܪ‬

‫ ܕܟܕ‬.‫ܗܟܢܐ ܕܡܬܦܪܫܝܢ ܝܕܥܝܢܢ ܠܗܘܢ‬ ̇ ‫ ̇ܒ‬.‫ܡܬܪܚܩܐ ܢܦܫܐ ܡܢ ܦܓܪܐ‬ ‫ܝܬܗ‬ ̇ ̇ .‫ܕܝܠܗ ܩܝܡܐ‬ ‫ ܘܒܦܪܨܘܦܐ‬.‫ܐܝܬܝܗ‬

̈ ‫ܕܠܟܝܢܐ‬ ‫ ܐܡܬܝ‬:‫ܐܦ ܓܝܪ ܒܒܪ ܐܢܫܐ‬ ‫ ܐܚܪܢܐ ܐܡܪܝܢܢ ܟܝܢܐ‬.‫ܡܦܪܫܝ ̣ܢܢ‬ ‫ ܩܢܘܡܐ‬.‫ ܘܐܚܪܢܐ ܕܦܓܪܐ‬.‫ܕܢܦܫܐ‬ ̇ ‫ܠܚܘܕܝܐ‬ .‫ܕܗܝ ܘܠܚܘܕܝܐ ܕܗܢܐ‬

‫ ܚܕ‬.‫ܢܚܘܪ‬ ‫ܐܡܬܝ ܕܝܢ ܕܠܘܬ ܢܩܝܦܘܬܐ‬ ̣ .‫ܦܪܨܘܦܐ ܗܝܕܝܢ ܐܡܪܝܢ ܚܢܢ‬

‫ ܐܠ ܓܝܪ ܐܝܬ ܠܡܐܡܪ‬.‫ܦܪܨܘܦܐ‬ ‫ ܡܫܠܡܢܐ ܕܝܢ‬.‫ܩܢܘܡܐ ܕܐܠ ܦܪܨܘܦܐ‬ ̇ ‫ ܐܦ ܦܪܨܘܦܐ‬.‫ܐܦ ܟܝܢܐ ܕܒܪܢܫܐ‬ ‫ܒܗ‬ .‫ܒܕܡܘܬܐ‬

5. Auch im Menschen nämlich, sagen wir, wenn wir die Naturen unterscheiden eine Natur der Seele und eine andere des Leibes, eine Hypostase für sich dieser und eine Hypostase für sich jener. 6. So erkennen wir, daß sie unterschieden sind, daß wenn die Seele sich vom Leib trennt, sie in sich selbst ist7 und in ihrem eigenen πρόσωπον bleibt. 7. Und deswegen wird auch von jedem von ihnen gesagt, daß es nach der Weise der Natur

Logos vollkommen ist und vollkommen das πρόσωπον, – man kann nämlich nicht Hypostase ohne πρόσωπον sagen  – vollkommen aber auch die Natur des Menschen, und5 das πρόσωπον ebenso. 4. Wenn wir aber auf die Verbindung blicken, dann sagen wir ein πρόσωπον6. 4. Wenn wir aber auf die Verbindung blicken, dann sagen wir ein πρόσωπον und eine Hypostase. 5. Wie nämlich, wenn wir die Natur des Menschen unterscheiden, wir eine Natur der Seele und eine andere des Leibes sagen, indem wir wissen daß jede von ihnen Hypostase und Natur hat. 6. Und wir sind überzeugt, daß wenn die Seele vom Leib getrennt wird, (sie) in ihrer Natur und in ihrer Hypostase bleibt. 7. Und jedes von beiden hat Natur und Hypostase.

in ihrer Hypostase und die menschliche Natur.

‫ܘܟܠ ܚܕ ܚܕ ܡܢܗܘܢ ܟܝܢܐ ܘܩܢܘܡܐ‬ :‫ܐܝܬ ܠܗ‬

‫ܘܡܦܣܝܢܢ ܕܟܕ [ܡܬ]ܦܪܫܐ ܢܦܫܐ ܡܢ‬ ̇ ̇ :‫ܘܒܩܢܘܡܗ‬ ‫ܒܟܝܢܗ‬ ‫ܦܓܪܐ ܡܩܘܝܐ‬

‫ܐܟܙܢܐ ܓܝܪ ܕܡܐ ܕܡܦܪܫ[ܝܢ] ܐܢܚܢܢ‬ ‫ܟܝܢܗ ܕܒܪ ܐ[ܢܫ]ܐ ܐܡܪܝܢ ܐܢܚܢܢ‬ ‫ܕܐܚܪܝܢ ܗܘ ܟܝܢܗ ܕܢܦܫܐ ܘܐ[ܚܪ]ܝܢ‬ ‫ ܟܕ ܠܚܕ ܚܕ ܡܢܗܘܢ ܩܢܘ[ܡ]ܐ‬:‫ܕܦܓܪܐ‬ ‫ܘܟܝܢܐ ܝܕܥܝܢ ܐܢܚܢܢ ܕܐܝܬ ܠܗ‬

‫ ܚܕ‬.‫ܢܚܘܪ‬ ‫ܡܐ ܕܝܢ ܕܒܢܩܝܦܘܬܐ‬ ݂ .‫ ܐܡܪܝܢ ܐܢܚܢܢ‬.‫ܦܪܨܘܦܐ ܘܚܕ ܩܢܘܡܐ‬

58   1.5 Theodor von Mopsuestia

‫ܟܡܐ ܕܝܢ ܕܡܢܩܦ ܒܬ̈ܪܬܝܗܝܢ ܕܟܢܝܫܢ‬ ̇ ‫ܡܬܐܡܪ‬ .‫ܢ ܒܗ ܕܝܢ ܒܙܢܐ ܐܦ ܗܪܟܐ‬ ‫ܠܚܘܕܝܐ ܐܡܪܝܢ ܚܢܢ ܟܝܢܐ ܕܐܠܗܐ‬ .‫ ܠܚܘܕܝܐ ܕܝܢ ܐܦ ̇ܗܘ ܕܒܪܢܫܐ‬.‫ܡܠܬܐ‬

‫ܟܕ ܟܠ ܚܕ ܡܢܗܘܢ ܠܚܘܕܐܝܬ ܠܫܘܡܗܐ‬ ‫ ܝܕܝܥܐ ܕܝܢ ܕܥܡ‬.‫ܕܟܠܗ ܓܘܐ ܐܫܬܘܝ‬ ̇ ‫ܬܘܣܦܬܐ‬ ‫ ܕܐܠ ܒܩܐܠ‬.‫ܘܕܠܒܪ‬ ‫ܕܗܝ ܕܠܓܘ‬ ܼ ‫ ܠܟܠܗ ܐܟܚܕܐ ܘܒܒܨܝܪܘܬܐ‬.‫ܫܪܝܐ‬ ̣ ̇ ‫ܕܫܘܡܗܐ‬ .‫ܢܣܬܟܠ‬

.‫ܗܟܢܐ ܟܝܬ ܐܦ ܒܪ ܐܢܫܐ ܕܠܓܘ‬ ‫ ܡܢ ܦܘܠܘܣ ܡܫܬܡܗ‬.‫ܘܒܪܢܫܐ ܕܠܒܪ‬

in seinem eigenen πρόσωπον sei. 8. So wird auch der „innere Mensch“ und „der äußere Mensch“ von Paulus benannt (cf. 2. Kor. 4,16). 9. Während jeder von ihnen für sich der gemeinsamen Benennung (sc. Mensch) gewürdigt worden ist, ist aber klar, daß mit dem Zusatz „innerer“ und „äußerer“, nicht durch die gewöhnliche Vokabel, wir das Ganze zugleich auch in Ablösung der Bezeichnung verstehen werden. 10. Wie aber das Verbundene in beiden, die zusammengesetzt sind, ausgesagt wird8, in derselben Weise9 sagen wir auch hier für sich die Natur10 des Gott Logos, besonders aber auch die des Menschen. 10. Wenn sie nämlich verbunden sind in einem, nennen wir sie eine Hypostase und ein πρόσωπον und benennen sie [beide][***] durch ein (sc. Wort). In derselben Weise sagen wir auch hier, daß es die göttliche Natur gibt und die menschliche.

8. So nämlich auch lernen wir den „inneren Menschen“ und den „äußeren Menschen“ vom Apostel (cf. 2. Kor. 4,16). 9. Und ihre Besonderheit vor dem, was gemeinsam ist, will er benennen mit dem Zusatz „innerer“ und „äußerer“, damit er sie nicht mit der simplen Vokabel (sc. Mensch) benenne.

‫ܟܡܐ ܓܝܪ ܕܢܩܝܦܝܢ ܒـ[ܚܕ] ܚܕ ܩܢܘܡܐ‬ .‫ܘܚܕ ܦܪܨܘܦܐ ܐܡܪܝܢ ܚܢܢ ܠܗܘܢ‬ ‫ܘܠܬ̈ܪܝܗܘܢ ܒܚܕ ܡܫܡܗܝܢ ܐܢܚܢܢ܉‬ ‫ܒܗ ܒܙܢܐ ܐܦ ܗܪܟܐ ܐܡܪܝܢ ܐܢܚܢܢ‬ ‫ ܟܝܢܐ ܐܠܗܝܐ ܘܟܝܢܐ‬.‫ܕܐܝܬܘܗܝ‬ .‫ܐܢܫܝܐ‬

‫ܘܝܚܝܕܝܘܬܗܘܢ ܡܢ ܡܕܡ ܕܐܝܬ‬ ̇ ‫ܠܓܘܐ ܢܫܡܗ ܒܬܘܣܦܬܐ‬ ‫ܗܝ ܕܓܘܝܐ‬ ‫ ܕܐܠ ܒܒܪܬ ܩܐܠ ܫܚܝܡܬܐ‬:‫ܘܕܒܪܝܐ‬ .‫ܢܫܡܗ ܐܢܘܢ‬

‫ܗܟܢܐ ܓܝܪ ܐܦ ܒܪܢܫܐ ܓܘܝܐ ܘܒܪ‬ :‫ܐܢܫܐ ܒܪܝܐ ܡܢ ܫܠܝܚܐ ܝܠܦܝܢ ܐܢܚܢܢ‬

 Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums   59

13. Wenn wir aber auf die Vereinigung blicken, dann verkünden wir, daß beide Naturen ein πρόσωπον sind, indem zugleich11 die Menschheit mit der Gottheit Ehre von der ganzen Schöpfung empfängt, und12 die Gottheit in ihr alles Erforderliche vollendet.

11. Unterschieden sind nämlich die Naturen, aber das eine πρόσωπον erweist sich in der Vereinigung. 12. Also auch hier, wenn wir uns bemühen, die Naturen zu unterscheiden, sagen wir, daß vollkommen ist das πρόσωπον des Menschen, vollkommen aber auch das der Gottheit. 12. [Und damit][*****], wenn wir die Naturen verstehen wollen[:] Sagen wir[,] daß vollkommen ist der Mensch in seiner Hypostase, sagen wir, daß [auch Gott vollkommen ist (sc. in seiner Hypostase)][******]. 13. Wenn wir aber die Vereinigung verstehen wollen, verkündigen wir die zwei Naturen als ein πρόσωπον und eine Hypostase, indem wir wissen, daß wegen der Einheit der Gottheit die Menschheit von der Schöpfung Ehre empfängt und die Gottheit in ihr alles tut.

11. Und indem [die Naturen erkannt sind][****], ist es ein πρόσωπον der Vereinigung.

.‫ܠܡܣܬܟܠܘ‬ ‫ܡܐ ܕܝܢ ܚܕܝܘܬܐ ܢܨܒܐ‬ ܼ ]‫ܚܕ ܦܪܨܘܦܐ ܘܚܕ ܩܢܘܡܐ ܡܟـ[ܪܙܝܢ‬ ̈ ‫ܐܢܚܢܢ ܠܬ̈ܪܝܗܘܢ‬ ‫ ܟܕ ܝܕܥܝܢ‬.‫ܟܝܢܐ‬ ‫ܐܢܚܢܢ ܕܡܛܠ ܚܕܝܘܬܐ ܕܐܠܗܘܬܐ‬ ‫ܐܢܫܘܬܐ ܡܢ ܒܪܝܬܐ ܐ[ܝܩܪ]ܐ‬ ̇ ‫ ܘܐܠܗܘܬܐ‬.‫ܡܩܒܐܠ‬ ‫ܒܗ ܟܠ ܡܕܡ‬ ܼ … ‫ܣܥܪܐ‬

̈ ‫ܕܟـ[ܝܢـ]ـܐ ܢܨܒܐ‬ ‫ܘܒܗܕܐ ܐܡܬܝ‬ ‫ܠܡܣܬܟܠܘ ܐܡܪܝܢ ܐܢܚܢܢ܉ ܕܡܫܡܠܝܐ‬ ‫ ܐܡܪܝܢ ܐܢܚܢܢ܉‬.‫̇ܗܘ ܒܪܢܫܐ ܒܩܢܘܡܗ‬ .‫ܕܐܦ ܡܫܡܠܝܐ ̇ܗܘ ܐܠܗܐ‬

̈ ‫ܦܪܨܘܦܐ‬ ‫ ܚܕ‬.‫ܢܐ‬ ‫ܘܟܕ ܝܕܝܥܝܢ‬ ܼ ܼ ‫ܟܝ‬ .‫ܕܚܕܝܘܬܐ ܐܝܬܘܗܝ‬

2

1

fehlt im Gr. eigtl. „über das von“ – hat der Übersetzer ἐπὶ τὰ τοῦ statt ἐπί τε τοῦ gelesen[?]

Richard hat eine griechische Rückübersetzung, dazu die Korrekturen von Köbert.

In seiner Übersetzung p. 43  f. setzt Sachau die vorhandenen Leontius-Stücke [fragmentum Leontii 6 (p. 466,5–15 ed. Daley); Jansen frg. XII (p. 244,5–16); fragmentum Leontii 7 (p. 466,17–468,6 ed. Daley); Jansen frg. XIII (p. 245,2–10) – d. Red.] ein!

.‫ܐܡܬܝ ܕܝܢ ܕܠܘܬ ܚܕܝܘܬܐ ܚܝܪܝܢ ܚ ̣ܢܢ‬ ‫ܗܝܕܝܢ ܕܚܕ ܐܝܬܘܗܝ ܦܪܨܘܦܐ ܬ̈ܪܝܗܘܢ‬ ̈ ‫ ܟܕ ܡܚܝܕܐܝܬ ܐܢܫܘܬܐ‬.‫ܟܝܢܐ ܡܟܪܙܝܢܢ‬ ̇‫ ܐܝܩܪܐ ܕܡܢ ܟܘܠܗ‬.‫ܥܡ ܐܠܗܘܬܐ‬ ̇ .‫ܒܗ‬ ̣ ‫ ܐܦ ܐܠܗܘܬܐ‬.‫ܒܪܝܬܐ ܡܩܒܐܠ‬ ‫ܟܠܗܝܢ ܐܝܠܝܢ ܕܡܬܒܥܝܢ ܡܫܡܠܝܐ܀‬

̈ ‫ܕܠܟܝܢܐ‬ ‫ܡܕܝܢ ܐܦ ܗܪܟܐ ܐܡܬܝ‬ ‫ܠܡܦܪܫܘ ܝܨܝܦܝܢ ܚܢܢ܆ ܕܡܫܠܡܢܐ‬ .‫ܐܝܬܘܗܝ ܦܪܨܘܦܗ ܕܒܪ ܐܢܫܐ ܐܡܪܝܢܢ‬ .‫ܡܫܠܡܢܐ ܕܝܢ ܐܦ ̇ܗܘ ܕܐܠܗܘܬܐ‬

̈ ‫ܡܦܪܫܝܢ ܓܝܪ‬ ‫ ܚܕ ܕܝܢ ܦܪܨܘܦܐ‬.‫ܟܝܢܐ‬ .‫ܒܚܕܝܘܬܐ ܡܬܓܡܪ‬

60   1.5 Theodor von Mopsuestia

nicht Peš. setzt griech. ᾗ voraus

[*]

[Für die im Typoskript auf der folgenden Seite gegebene alternative syrische Version aus add. 14669 (Sachau p. ‫ ܥ‬l. 2 – ‫ ܥܐ‬l. 10) wird zur besseren Unterscheidung die Nummer 16’ eingeführt. Die von L.  A. zum Vergleich der beiden Versionen eingeführte Zeilenzählung in ihren Übersetzungen, die den Charakter der alternativen Version besonders deutlich aufzeigen, musste schweren Herzens aufgegeben werden. Stattdessen wird, ausgehend von den syntaktischen Gegebenheiten der Übersetzung L.  A.s von 16, eine Satzzählung eingeführt, die sich für 16’ (sowie die im Anhang 1 gegebene syrische Parallele) an 16 orientiert – d. Red.]. [**] [s. die vorige Anmerkung. Die typographische Einrichtung des syrischen Texts folgt mutatis mutandis den Richtlinien der ‚editorischen Notiz des Herausgebers‘ zu diesem Beitrag. Ein dritter Überlieferungsträger (Theodor bar Koni) ist im Anhang 1 verglichen worden – d. Red.] [***] [Nach dem Syrischen zu ergänzen – d. Red.] [****] [In Übereinstimmung mit der Grammatik des Kontexts sowie der syrischen Parallele in Anhang 1 liest L.  A. ihrer Übersetzung zufolge ‫ ܝܕܥܝܢܢ‬und übersetzt dementsprechend „indem wir die Naturen erkennen“. Der von Sachau edierte Text bietet – in exakter Übereinstimmung mit der griechischen Parallele (διακεκριμέναι [γὰρ αἱ φύσεις]) – an dieser Stelle ‫ܝܕܝܥܝܢ‬, und dementsprechend ist die oben gegebene Übersetzung korrigiert – d. Red.] [*****] [L.  A. übersetzt „Und hierin“; es ist vor dem Hintergrund der in Anhang 1 gegebenen griechischen Parallele zu erwägen, ob durch den Bestandteil ‫ܘܒܗܕܐ‬ nicht ὥστε κἀνταῦθα wiedergegeben werden soll, mithin „Und damit (ergibt sich)“ zu verstehen ist; die Interpunktion ist dahingehend behutsam geändert – d. Red.] [******] Der Lesart der Manuskriptfassung (g) („auch diese vollkommen Gott ist“) steht im Typoskript (h) eine Lesart gegenüber, die (wegen Verwechslung von „a“ und „d“) leicht durch Verlesen erklärt werden kann („durch diesen vollkommen Gott ist“); das im Klartext vorgeschlagene Textverständnis ist (nicht zuletzt wegen des parallelismus membrorum) wohl vorzuziehen, die syrische Parallele in Anhang 1 hat einen einfacheren Text – d. Red.]

6

‫ܐܦ‬ hier endet das erste parallele Leontiusstück [die Bemerkung fehlt im Typoskript (h), wo ein größeres spatium anzeigt, dass eine syrische Wendung zur Einfügung vorgesehen war; zu dieser Stelle hsl. i.m.:] hier Parallele in 1466[9, s. unten Anhang 1. Bei dem von L.  A. gemeinten Leontiusstück handelt es sich um fragmentum Leontii 6 (p. 466,5–15 ed. Daley); Jansen frg. XII (p. 244,4–16) – d. Red.] 7 ̇ ‫( ܒܝܬܗ‬in sich selbst – Köbert) 8 ms. ‫ܡܬܐܡܪܢ‬, ich halte das für falsch assimiliert 9 hier setzt wieder die griech. Parallele ein [fragmentum Leontii (p. 466,17–468,6 ed. Daley); Jansen frg. XIII (p. 245,2–10), s.unten Anhang 1 – d. Red.] 10 οὐσία 11 ‫ܡܚܝܕܐܝܬ‬, fehlt im Griechischen 12 ‫ ܐܦ‬für καί

5

4

3

 Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums   61

62  17

 1.5 Theodor von Mopsuestia

f. 85r col. 3–85v col. 1 (Lagarde p. 105,25–28)

̈ ‫ܡܢ ܪܝܫܐ ܕܫܬܝܢ ܘܫܬܐ [܀] ܡܕܝܢ ܐܦ ܡܢ‬ ‫ܣܗܕܘܬܐ‬ ‫ ܘܡܢ ܣܕܪܐ ܕܐܝܠܝܢ ܕܡܬܐܡܪܢ܆‬:‫ܐܝܠܝܢ ܕܡܣܪܚܝܢ‬ ‫ ܕܒܪ ܐܢܫܐ ܐܠܗܐ ܡܠܬܐ ܥܡ ܒܣܪܐ‬.‫ܡܬܚܘܝܐ‬ ̣ ‫ ܐܐܠ ܒܪܢܫܐ ܗܘ ܚܝܘܬܐ ܕܐܝܟ‬.‫ܕܢܬܝܩܪ ܐܠ ܡܫܟܚ‬ ‫ܗܕܐ܀‬

Aus Kapitel 66. Also auch aus den vorgelegten Belegstellen und aus der Reihenfolge des Gesagten ist erwiesen, daß als „Mensch“ nicht der Gott Logos mit dem Fleisch verehrt werden kann, sondern der Mensch ist ein Lebewesen wie andere auch.1

Sachau p. 67. – Ohne Parallelüberlieferung. „wie andere auch“ ist meine Wiedergabe von ‫ܕܐܝܟ ܗܕܐ‬. Diese beiden syr. Worte dienen zur Wiedergabe von gr. ποῖος, was hier keinen Sinn ergibt, falls nicht der Text absichtlich verfälschend herausgeschnitten worden ist. Es ist anzunehmen, daß im Griech. ποιός, „irgendeiner“ stand. R.  Abramowski korrigierte hsl. Sachaus „ut hoc (!)“ in quoddam.

1



18

Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums 

 63

f. 85v col.1 (Lagarde p. 105,28–106,3)

.‫ܕܘܟ‬ ‫ܘܬܘܒ [܀] ܡܕܝܢ ܡܬܟܣܣܝܢ ܗܠܝܢ ܡܢ ܟܠ‬ ̣ ‫ܗܘܐ ܒܟܘܢܝܐ‬ ̣ ‫ ܡܛܠ ܕܐܠ‬.‫ܕܣܓܝ ܦܛܥܐܝܬ ܐܡܪܝܢ‬ .‫ܕܒܪܢܫܐ ܡܬܝܕܥ ܐܠܗܐ ܡܠܬܐ ܥܡ ܒܣܪܐ‬ ‫ ܕܟܕ ܥܠ ܡܫܝܚܐ‬.‫ܐܝܕܝܥܐ ܕ ̣ܝܢ ܕܟܬܒܐ ܐܡܝܢܐܝܬ‬ ‫ ܠܟܝܢܐ ܕܒܪ ܐܢܫܐ‬.‫ܡܬܥܗܕ‬ ‫ܟܘܢܝܐ ܕܒܪ ܐܢܫܐ‬ ̣ .‫ ܠܦܘܪܩܢܐ ܕܝܠܢ‬:‫ܡܫܘܕܥ ܕܡܫܠܡܢܐ ܐܬܢܣܒ ܡܢܗ‬ ̇ .‫ܠܗܘ ܕܠܟܬܒܐ ̇ܡ ̣ܢ ܥܝܕܐ ܐܝܬ ܕܒܟܘܢܝܐ ܗܢܐ ܢܩܪܐ‬

Sachau p. 67  f. – Ohne Parallelüberlieferung

Und wiederum. Daher werden von überall her jene getadelt, die sehr töricht reden. Denn unter der Bezeichnung „Mensch“ wird nicht der Logos mit dem Fleisch [erkannt]. Es ist aber klar, daß die Schrift beständig, indem in Bezug auf Christus die Bezeichnung „Mensch“ erwähnt (wird), diese Natur der Menschen anzeigt, die als vollständige von ihm angenommen wurde zu unserer Erlösung, jene (sc. Natur), von der die Schrift die Gewohnheit hat, sie mit dieser Bezeichnung zu nennen.

f. 85v col. 1 (Lagarde p. 106,4–8) Aus Kapitel 731. Es sagte aber unser Herr2: „Ich habe deinen Namen den Menschen kundgemacht“ (Joh. 17,6 Peš.). Es ist nun klar, daß er das über den sagte, der angenommen wurde, dem Ehre von der ganzen Schöpfung gegeben wurde, und das Bekenntnis der Herrschaft und die Anbetung wurde von allen, vor den Himmlischen und Irdischen und denen unter der Erde vollzogen3. Diese Gnade aber empfing der, der angenommen wurde.

̇ ‫[ܘܗܘ ܡܪܢ ܠܘܬ ܐܒܘܗܝ ܐܡܪ‬ ̈ ‫ܕܐܘܕܥܬ ܫܡܟ‬ ‫ܠܒܢܝ‬ ܼ ܼ ̇ ‫ ܓܠܝܐ ܼܗܘ ܥܘܕ ܕܗܠ ܼܝܢ ܥܠ ܗܘ ܕܐܬܢܣܒ‬.‫ܐܢܫܐ‬ ̇ ‫ܟܠܗ ܒܪܝܬܐ܇‬ ‫ ܕܠܗ ܐܬܝܗܒ ܐܝܩܪܐ ܡܢ‬.‫ܐܡܝ̈ܪܢ‬ ‫ܘܬܘܕܝܬܐ ܕܡܪܘܬܐ ܘܣܓܕܬܐ ܕܡܢ ܟܘܠ ܕܒܫܡܝܐ‬ ‫ ܠܗܕܐ ܛܝܒܘܬܐ‬.‫ܘܕܒܐܪܥܐ܇ ܘܕܠܬܚܬ ܡܢ ܐܪܥܐ‬ ]‫ܢܣ ܼܒ ̇ܗܘ ܕܐܬܢܣܒ‬ ܼ

[19’ (Sachau p. ‫ ܥܗ‬l. 10–16)][*]

Richard p. 62 n. 32 spricht im letzten Satz dieser Anm. von zwei Fragmenten aus c. 66, die nach Sachaus eigenen Angaben in add. 14669 eine Parallele haben, dort von Sachau aber nicht gekennzeichnet seien. Es handelt sich dabei jedoch um unsere Exzerpte 19 und 20, und die weist unsere Hs. dem c. 73 zu. D.  h. aber, daß in Richards Klartext p. 63 (zu add. 14669  f. 12–13) oben zu Buch XI nicht c. 66 gehören kann, sondern c. 73 (und ist nicht Richards Angabe zu f. 11 aus seiner Anm. 32 über falsche Rekonstruktion unseres Exzerpts 20 durch Sachau am Beginn von Buch XI in add. 14669 zu korrigieren?). [Die Manuskriptfassung (g) fährt fort:] In add. 14669 geht letzter Satz des Exzerpts weiter: quum non sit simplex et solus pro se, sed in unione Dei Verbi. Charakteristisch für [die] feindselige Art des Ausschnitts. [Stattdessen steht im Typoskript (h) neben dem letzten dort vorkommenden Satz hsl.:] Quatsch. s. aber doch die nächsten Seiten, wo das Richtige gesagt ist. [– d. Red.]

Von Sachau nicht übersetzt, statt dessen verweist er auf seine Übersetzung von add. 14669, wo unser Exzerpt (wie 20) in einem langen Bruchstück, in einer anderen syrischen Übersetzung, erhalten ist: p. ‫ ܥܗ‬l. 10–16 Text, p. 47,2–7 Übers. [nebenstehend abgedruckt als 19’ – d. Red.]

.‫ܐܡܪ‬ ̣ ‫ܗܘ ܗܟܝܠ ܡܪܢ‬ ̣ ]‫ܡܢ ܪܝܫܐ ܕܫܒܥܝܢ ܘܬܠܬܐ [܀‬ ̈ ‫ܕܐܘܕܥܬ ܫܡܟ‬ ‫ ܕܗܠܝܢ‬.‫ ܐܝܕܝܥܐ ܐܪܐ‬.‫ܠܒܢܝ ܐܢܫܐ‬ ̇ .‫ܥܠ ̇ܗܘ ܕܐܬܢܣܒ ܐܡܪ‬ ‫ܠܗܘ ܕܐܬܝܗܒ ܠܗ ܐܝܩܪܐ‬ ̣ ܿ ̇ ‫ܡܢ‬ ‫ ܘܬܘܕܝܬܐ ܕܡܪܘܬܐ ܘܣܓܕܬܐ ܕܡܢ‬.‫ܒܪܝܬܐ‬ ‫ܟܠܗ‬ ̈ ‫ܟܘܠ܇ ܕܡܢ ܫܡܝܢܐ ܘܐ̈ܪܥܢܝܐ ܘܕܠܬܚܬ ܡܢ ܐܪܥܐ‬ .‫ܫܩܠ ̇ܗܘ ܕܐܬܢܣܒ‬ ̣ ‫ ܗܕܐ ܕܝܢ ܛܝܒܘܬܐ‬.‫ܡܫܬܡܠܝܐ‬

19

64   1.5 Theodor von Mopsuestia

Bei Richard p. 73 irrtümlich als LXXI bezeichnet. add. 14669 + „beim Vater“ 3 „vollzogen“ fehlt in add. 14669.

[*]

[Die Parallele aus add. 14669 (ed. Sachau) ist nach den Angaben des Similienapparates aus der eingangs erwähnten Synopse (e) eingefügt und – nach dem Vorbild von 16’ (s. dort) – mit der Nummer 19’ versehen worden; für die späteren Vorstufen inklusive Typoskript hat L.  A. auf eine Anführung verzichtet [vgl. in diesem Band S. 37  f.]. Die typographische Einrichtung des syrischen Texts folgt mutatis mutandis den Richtlinien der ‚editorischen Notiz des Herausgebers‘ zu diesem Beitrag – d. Red.]

2

1

 Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums   65

f. 85v col. 1–2 (Lagarde p. 106,8–14) Und wiederum. Manchmal fragen sie: einer und ein anderer, oder ebenderselbe? Manchmal aber: Ist er Erlöser oder Erlöster1, Helfer oder Hilfe Empfangender? Dafür genügt aber auch, was gesagt wurde, wo wir auch den Unterschied der Naturen erwiesen und die Einheit der Person, und daß[,] entsprechend der Naturen, jener Hilfe empfangen hat, dieser aber als Helfer gefunden wird, während die Einheit klar ist, aus der die ungetrennte Ehre von der ganzen Schöpfung vollbracht wird2.

‫ ܐܘ ܗܘܝܘ‬.‫ܘܐܚܪܢܐ‬ ‫ ܕܐܚܪܢܐ ̣ܗܘ‬.‫ܘܡ[ܫ]ܐܠܝܢ ܒܙܒܢ‬ ܼ ‫ ܡܥܕܪܢܐ ܼܗܘ‬.‫ܕܚܢܢܐ ܼܗܘ ܐܘ ܡܬܚܢܢܐ‬ ܲ� .‫ ܘܬܘܒ‬.‫ܟܕ ̣ܗܘ‬ ̈ .‫ ܣܦܩܢ ܐܝܠܝܢ ܕܐܬܡܠܠ‬.‫ ܠܘܬ ܗܠܝܢ ܕܝܢ‬.‫ܐܘ ܡܬܥܕܪܢܐ‬ ̈ ‫ܐܝܟܐ ܕܦܘܪܫܢܐ‬ .‫ܕܟܝܢܐ ܚܘܝ ܼܢܢ ܘܚܕܝܘܬܗ ܕܦܪܨܘܦܐ‬ ‫ ܟܕ‬.‫ ܗܢܐ ܕ ܼܝܢ ܕܥܕܪ ܡܬܚܙܐ‬.‫ ܿܗܘ ܐܬܥܕܪ‬.‫ܘܕܒܟܝܢܐ‬ ̣ ‫ܝܕܝܥܐ ܚܕܝܘܬܐ ܕܬ̈ܪܝܗܘܢ܇ ܕܡܩܒܐܠ ܣܓܕܬܐ ܡܢ‬ ̇ ]:‫ܟܠܗ ܒܪܝܬܐ‬

[20’ (Sachau p. ‫ ܥܙ‬l. 14–20)][*]

Der größere Teil von 20 (beginnend: „Dafür genügt aber auch …“) = Swete II p. 302, 34–37 [vgl. Jansen frg. XXII (p. 249,1–5)], aus der 6. Sitzung des 5. Konzils (Vergleich des Ibas-Briefes mit Aktenauszügen), ACO IV 1 p. 180,1–5 (in PG 66 col. 983+984 ist dies Exzerpt aus den Konzilsakten abgedruckt, es existiert dort col. 1002 noch einmal fälschlich als 2. Zitat aus Ctr. Eunomium). Lemma ACO IV 1 p. 180,1: in undecimo libro de incarnatione. In ACO IV 1 fehlt der Hinweis auf add. 12156, trotz Richard; ebenso fehlt er in meiner Liste. Richard p. 67 druckt das Konzilsfragment und das entsprechende Stück aus add. 14669 in Sachaus Übers. nebeneinander; er vermutet unter dem „beneficium accipere“ bzw. „adiuvare“ das gr. εὐεργετεῖν. Swete und ACO IV 1 p. 180 verweisen auf Sachau p. ‫ ܥܛ‬und p. 49. Dazu bemerkt Richard, l.c. p. 62 n. 32, daß Sachau „zu Unrecht geglaubt habe“, den Konzilstext „in den ersten sehr verstümmelten Zeilen des Buches XI auf f. 110 col. 1 wiederzufinden.“ Sachau druckt nämlich den Konzilstext ab und setzt die wenigen Worte, die im Syrischen überhaupt erhalten sind, in eckige Klammern – aber diese Worte gehören keineswegs notwendig in diesen Rahmen. Um nicht derartig in die Irre zu führen, hätte er gerade umgekehrt die Klammern um das aus dem Lateinischen „Ergänzte“ setzen müssen!

Von Sachau nicht übersetzt, statt dessen verweist er auf seine Übersetzung von add. 14669, wo unser Exzerpt in einem der langen Bruchstücke in anderer syr. Übers. enthalten ist: p. ‫ ܥܐ‬l. 14–20 Text (aus f. 13b), p. 48,13–20 Übers. [nebenstehend abgedruckt als 20’ – d. Red.]

̇ .‫ܘܬܘܒ [܀] ܒܙܒܢ ̇ܡܢ ܡܫܐܠܝ ̇ܢ ܚܪܢܐ ܗܘ ܘܚܪܢܐ‬ ‫ܐܘ‬ ̣ ̣ ̣ ̇ ‫ ܦܪܘܩܐ ܗܘ‬.‫ ܒܙܒܢ ܕܝܢ‬.‫ܗܘ ܟܕ ܗܘ‬ .‫ܐܘ ܡܬܦܪܩܢܐ‬ ܼ ̣ ̣ ̇ ‫ܡܥܕܪܢܐ ܗܘ‬ ‫ ܠܘܬ ܕܝܢ ܗܠܝܢ ܣܦܩܢ ̇ܡܢ‬.‫ܐܘ ܡܬܥܕܪܢܐ‬ ̣ ̣ ̈ ‫ ܐܝܟܐ ܕܐܦ ܫܘܚܠܦܐ‬.‫ܐܦ ܐܝܠܝܢ ܕܐܬܐܡܪ‬ ‫ܕܟܝܢܐ‬ ̇‫ ܗܘ‬.‫ܟܝܢܐ‬ ܼ ̈ ‫ ܘܕܐܝܟ‬.‫ ܘܚܕܝܘܬܐ ܕܦܪܨܘܦܐ‬.‫ܚܘܝܢ ܚܢܢ‬ ‫ ܟܕ ܐܝܕܝܥܐ‬.‫ ܗܢܐ ܕܝܢ ܡܥܕܪܢܐ ܡܫܬܟܚ‬.‫̇ܡܢ ܐܬܥܕܪ‬ ̇ ‫ܕܡܢܗ ܐܝܩܪܐ ܐܠ ܡܬܦܪܫܢܐ ܡܢ‬ ̇ ‫ܟܠܗ‬ ‫ܚܕܝܘܬܐ ̇ܗܝ‬ .‫ܒܪܝܬܐ ܡܬܡܐܠ‬

20

66   1.5 Theodor von Mopsuestia

add. 14669 (Sachau): „Barmherziger oder Barmherzigkeit Empfangender“. „aus der – vollbracht wird“: add. 14669 „welche von der ganzen Schöpfung Anbetung empfängt“

[*]

[Die Parallele aus add. 14669 (ed. Sachau) ist nach den Angaben des Similienapparates aus der eingangs erwähnten Synopse (e) eingefügt und – nach dem Vorbild von 16’ (s. dort) – mit der Nummer 20’ versehen worden – d. Red.]

2

1

 Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums   67

68  21

 1.5 Theodor von Mopsuestia

f. 85v col. 2 (Lagarde p. 106,14–17)

‫] ܘܗܠܝܢ ̇ܡܢ ܐܝܟ ̇ܡܢ ܕܐܠ ܣܓܝ‬.[ ‫ܘܒܬܪ ܚ̈ܪܢܝܬܐ‬ ̈ ‫ ܥܠ‬.‫ܬܬܡܬܚ‬ .‫ܟܝܢܐ ܣܦܩܐܝܬ ܐܬܐܡܪ‬ ‫ܡܠܬܐ‬ ̣ ̇ ‫ ܕܓܠܝܐܝܬ ܡܢ ܟܬܒܐ‬.‫ܡܢܢ‬ ‫ܘܥܠ ̇ܗܝ ܕܬܬܚܘܐ‬ ̇ .‫ ̇ܗܘ ̇ܡܢ ܕܡܥܕܪ ܗܢܐ ܕܝܢ ܕܡܬܥܕܪ ܡܬܚܘܐ‬.‫ܐܠܗܝܐ‬

Und nach anderem. Und dies nämlich[,] damit nämlich die Rede nicht zu lang ausgedehnt wird, ist genug über die Naturen gesagt und über das, was von uns erwiesen werden sollte, daß deutlich von der göttlichen Schrift jener zwar als Helfer, dieser aber als der, dem geholfen wird, erwiesen wird.

Sachau p. 68. – Ohne Parallelüberlieferung.

22

f. 85v col. 2 (Lagarde p. 106,18–21)

.‫ܗܫܐ‬ ‫ܡܢ ܪܝܫܐ ܕܫܒܥܝܢ ܘܫܒܥܐ [܀] ܘܡܛܠ ܗܕܐ‬ ̣ ‫ ܬܬܚܘܐ ܕܝܢ ܗܕܐ ܒܥܘܕܪܢܐ‬.‫ܗܠܝܢ ̇ܡܢ ܢܫܬܒܩܢ‬ ‫ ܕܒܪ ܐܢܫܐ ܕܐܬܢܣܒ ܒܝܕ ܐܝܠܝܢ‬.‫ܕܐܠܗܐ‬ ‫ ܕܚܪܢܐ ̣ܗܘ ܒܟܝܢܐ ܠܒܪ ܡܢ‬.‫ܓܠܝܐܝܬ‬ ‫ܕܐܬܐܡܪ‬ ̣ .‫ܐܠܗܐ ܡܠܬܐ ܐܬܚܘܝ ܠܢ‬

Sachau p. 68. – Ohne Parallelüberlieferung. 1

‫= ܠܒܪ ܡܢ‬ ἀλλά (πλήν)

Aus Kapitel 77. Und darum soll dies jetzt verlassen werden. Es soll also dies mit Hilfe Gottes erwiesen werden, daß der Mensch, der angenommen wurde, durch das, was deutlich gesagt wurde, erwiesen wurde als ein anderer in der Natur als1 der Gott Logos.



23

Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums 

 69

f. 85v col. 2 (Lagarde p. 106,21–24)

̇ ‫ܘܒܬܪ ܚ̈ܪܢܝܬܐ [܀] ܝܐܐ ܗܘܐ ܓܝܪ‬ ‫ܠܗܘ ܕܟܠ‬ ‫ ܝܕܝܥܐ ܕܝܢ ܕܐܠܠܗܐ ܡܠܬܐ‬.‫ܒܐܝܕܗ ܘܟܠ ܡܛܠܬܗ‬ ̈ .‫ܐܡܪ‬ ̇ ̈ ‫ ܐܠܝܠܝܢ‬.‫ܣܓܝܐܐ ܐܥܠ ܠܬܫܒܘܚܬܐ‬ ‫ܘܒܢܝܐ‬ ̈ ̈ ‫ ܕܠܪܝܫܐ ܕܚܝܝܗܘܢ ܒܝܕ‬.‫ܕܠܣܝܡܬ ܒܢܝܐ ܐܫܬܘܝܘ‬ ̈ ̇ ‫ ܠܒܪܢܫܐ ܕܐܬܢܣܒ ܡܢܗ‬.‫ܚܫܐ ܢܓܡܘܪ‬ .‫ܐܡܪ‬

Und nach anderem. „Es ziemte sich nämlich dem, durch den alles und um dessentwillen alles1 (ist)“  – [es ist klar, daß er vom Gott Logos redet – „und der viele Söhne zur Herrlichkeit führte“, jene, die er der Sohnesannahme für würdig erachtete, „daß er das Haupt ihres Lebens1 durch Leiden vollendete“ (Hebr. 2,10), – er redet vom Menschen, der von ihm angenommen wurde][*]

Sachau p. 68. – Ohne Parallelüberlieferung in exakt dieser Form, vgl. jedoch Swete II, p. 303,10–14 [griech. = fragmentum Leontii 14 (p. 472,14–17 ed. Daley); Jansen frg. XXIV (p. 250,4–6); lat. Swete II, p. 303,9–13 = ACO IV,1 p. 62,3–5] sowie innerhalb eines längeren Fragments zu Hebr. 2,9–10 aus der griech. Katenenüberlieferung (Staab, Pauluskommentare p. 204), dessen zweite Hälfte ganz christologisch ist, die folgenden Zeilen: Staab p. 204, 36–205,1 ἔπρεπε γὰρ αὐτῷ, δι’ ὃν τὰ πάντα καὶ δι’ oὗ τὰ πάντα· δηλονότι τῷ θεῷ λόγῳ λέγων ἐπειδήπερ πολλοῖς τῆς υἱότητος μετέδωκεν καὶ εἰς τὴν δόξαν ἤγαγεν ταύτην, τὸν τῆς ἁπάντων σωτηρίας ἀρχηγόν, τὸν κύριον ἡμῶν καὶ σωτῆρα Ἰησοῦν τὸν Χριστόν, τὸν παρ’ αὐτοῦ ληφθέντα ἄνθρωπον διὰ τῶν παθημάτων τέλειον ἀποφῆναι. Der Bibeltext entspricht exakt der Pešitta, daher auch Abweichungen in der Reihenfolge der Präpositionen (sie stehen im griech. NT in umgekehrter Reihenfolge) bzw. die Art der Übersetzung von „Anführer ihres Heils“.

1

[Da im Syrischen ein Äquivalent für das ἐπειδήπερ der griech. Katenenüberlieferung fehlt, ist zu erwägen, ob der syrische Übersetzer nicht den zweiten Teil der Aussage – im Unterschied zum Griechischen, wo die Konstruktion des Satzes anders fortgeführt wird – ebenfalls von λέγων abhängig ̇ wird ja ganz am Ende wiederaufgenommen. Für das in eckige Klammern Gesetzte konstruiert hat: ‫ܐܡܪ‬ wäre dann folgendes Textverständnis anzusetzen: „klar ist, daß er (hier) den Gott Logos meint – und (bei) ‚der viele Söhne zur Herrlichkeit führte‘, jene, die er der Sohnesannahme für würdig erachtete, ‚daß er das Haupt ihres Lebens durch Leiden vollendete‘ (Hebr. 2,10), (ist klar, daß er) den Menschen, der von ihm angenommen wurde, meint“ – d. Red.]

[*]

24

f. 85v col. 2–3 (Lagarde p. 106,24–27)

‫ܘܒܬܪ ܚ̈ܪܢܝܬܐ [܀] ܣܦܩܐܝܬ ܗܟܝܠ ܐܦ ܡܢ ܗܠܝܢ‬ ‫ ܕܒܪܐ ܕܐܠܗܐ ܡܢܗ ܘܠܗ܇ ܒܪܢܫܐ‬.‫ܡܬܚܘܝܐ‬ ‫ܡܬܐܡܪ ̇ܗܘ ܕܐܬܢܣܒ ܡܢ ܐܠܗܐ ܡܠܬܐ܀‬

Sachau p. 68. – Ohne Parallelüberlieferung.

Und nach anderem. Zur Genüge ist also auch aus diesem bewiesen, daß der Sohn Gottes für sich allein (ist). „Mensch“ wird (dagegen) genannt er, der angenommen wurde vom Gott Logos.

70  25a

 1.5 Theodor von Mopsuestia

f. 85v col. 3 (Lagarde p. 106,28–107,6)

̈ ‫ܡܢ ܣܝܡܐ ܕܗܝܡܢܘܬܐ [܀] ܘܐܠ ܬ̈ܪܝܢ‬ ‫ܒܢܝܐ ܐܡܪܝܢ‬ ‫ ܡܛܠ ܕܚܕ ܗܘ ܒܪܐ ܒܟܝܢܐ‬.‫ܚ ̣ܢܢ ܘܐܠ ܬ̈ܪܝܢ ܡ̈ܪܘܬܐ‬ ̇ .‫ ܝܚܝܕܝܐ ܒܪܗ ܕܐܒܐ‬.‫ܐܠܗܐ ܡܠܬܐ‬ ‫ܠܗܘ ܕܗܢܐ‬ ‫ ܡܫܬܘܬܦ ܒܟܘܢܝܐ‬.‫ܒܒܪܘܬܐ‬ ‫ܟܕ ܢܩܝܦ ܘܡܚܝܢ‬ ̣ ‫ ܒܟܝܢܐ ܐܠܗܐ ܗܘ‬.‫ܘܒܐܝܩܪܐ ܕܒܪܐ ܘܡܪܝܐ ̇ܗܘ‬ ̇ .‫ܡܠܬܐ‬ .‫ ܡܫܬܘܬܦ ܒܐܝܩܪܐ‬.‫ܗܢܐ‬ ‫ܠܗܘ ܕܟܕ ܢܩܝܦ‬ ܼ ̈ ‫ ܘܐܠ ܬ̈ܪܝܢ‬.‫ܘܡܛܠ ܗܕܐ ܐܠ ܬ̈ܪܝܢ ܒܢܝܐ ܐܡܪܝܢ ܚ ̣ܢܢ‬ ‫ ܡܛܠ ܕܝܢ ܕܝܕܝܥ ̣ܗܘ ̇ܗܘ ܕܒܟܝܢܐ ܐܝܬܘܗܝ‬.‫ܡ̈ܪܘܬܐ‬ ‫ ܕܢܩܝܦܘܬܐ ܐܠ ܡܬܦܪܫܢܝܬܐ ܩܢܐ‬.‫ܒܪܐ ܘܡܪܝܐ‬ ‫ ܡܣܬܠܩ‬.‫ܐܬܢܣܒ‬ ‫ܠܘܬܗ܆ ܗܢܐ ܕܚܠܦ ܦܘܪܩܢܐ ܕܝܠܢ‬ ̣ ‫ܠܘܬܗ ܐܟܚܕܐ ܒܫܘܡܗܐ ܘܒܐܝܩܪܐ ܕܒܪܐ‬ ‫ܘܕܡܪܝܐ܀‬

Aus dem Glaubensbekenntnis. Und wir sagen nicht zwei Söhne und nicht zwei Herren, weil einer ist der Sohn von Natur1, der Gott Logos, der eingeborene Sohn des Vaters. Indem ihm dieser verbunden und ˹angeeignet ist in der Sohnschaft2 hat er teil an der Benennung und Ehre des Sohnes. Und Herr ist von Natur1 der Gott Logos, indem dieser ihm verbunden ist, hat er teil an der Ehre. Und deswegen sagen wir nicht zwei Söhne und nicht zwei Herren. Und weil von ihm bekannt ist, daß er von Natur1 Sohn und Herr ist, ist er, der die ungetrennte Verbindung zu ihm besitzt, der um unserer Erlösung willen angenommen wurde, zugleich zu ihm emporgehoben3 durch die Benennung und durch die Ehre des Sohnes und Herrn.

Von Sachau nicht übersetzt, er verweist auf die entsprechende Stelle in PG 66. Mit 25a beginnend behandelt Sachau die Zitate nicht mehr in der Reihenfolge der Hs., sondern sortiert sie nach ihrer Herkunft in den Schriften Theodors. Richard führt die Zitate ab 25 nicht in seiner Liste auf, weil er sich nur mit der Überlieferung von De incarnatione befaßt. Das Glaubensbekenntnis stammt nicht von Theodor, es wird in Ephesus 431 vorgebracht … Devreesse, Essai (s. ACO IV p. 70 Apparat) … aber offensichtlich aus seiner Theologie abgeleitet, cf. die Lemmata bei Swete. 25a = Swete p. 329, 25–330,6 gr. (aus den ephes. Akten), p. 329,27–330,8 lat. (aus den Akten des 5. Konzils). Swete verweist auf Lagarde und Sachau. In Ephesus vollständig gr., unser Exzerpt darin ACO I 1,7 p. 98,27–99,4. Vollständig auch in den Akten des 5. Konzils, lat., unser Exzerpt darin ACO IV 1, p. 71,18–25. Über andere lateinische Übersetzungen des ganzen Bekenntnisses s. den App. in ACO IV 1, p. 70. Fundstelle in unserer Hs. in ACO IV 1 nicht angegeben, weil das Zitat nicht in Richards Liste aufgeführt und auch nicht in meiner Zusammenstellung. gr. κατ’ οὐσίαν, lat. secundum essentiam. „angeeignet – Sohnschaft“ erscheint besser als die gr. μετέχων θεότητος (= lat.)[. W]ie die anderen Fassungen? 3 „zugleich – emporgehoben“: συναναφέρεται, lat. conrefertur. 1

2



25b1

Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums 

 71

f. 85v col. 3 (Lagarde p. 107,6–11)

.‫ܚܕ ܗܟܝܠ ܒܪܐ ܐܡܪܝܢ ܚܢܢ ܘܡܪܝܐ ܠܝܫܘܥ ܡܫܝܚܐ‬ ‫ ܐܠܠܗܐ ܡܠܬܐ‬.‫ ܟܕ ܠܘܩܕܡ ̇ܡ ̣ܢ‬.‫ܗܘܐ‬ ̣ ‫ܕܒܐܝܕܗ ܟܠ‬ ܿ .‫ܡܣܬܟܠܝܢ ܚܢܢ‬ ‫ܠܗܘ ܕܒܟܝܢܐ ܐܝܬܘܗܝ ܒܪܐ‬ ̇ ‫ ܡܣܬܟܠܝܢ ܚܢܢ ܕܝܢ ܥܡܗ‬.‫ܕܐܠܗܐ‬ ‫ܠܗܘ ܕܐܬܢܣܒ‬ ‫ ̇ܗܘ ܕܡܫܚܗ ܐܠܗܐ ܒܪܘܚܐ‬.‫ܝܫܘܥ ܕܡܢ ܢܨܪܬ‬ ‫ ܕܒܢܩܝܦܘܬܐ ܕܠܘܬ ܐܠܗܐ‬.‫ܕܩܘܕܫܐ ܘܒܚܝܐܠ‬ ‫ܡܠܬܐ ܒܒܪܘܬܐ ܡܫܘܬܦ ܘܒܡܪܘܬܐ܀‬

Einen Sohn aber sagen wird und Herrn Jesus Christus, durch den alles wurde; indem wir vor allem zwar den Gott Logos denken, ihn, der von Natur2 Sohn Gottes3 ist; indem wir aber mit ihm denken den, der angenommen wurde, „Jesus von Nazareth, den Gott mit dem heiligen4 Geist und mit Kraft gesalbt hat“ (Acta 10,38), der durch die Verbindung zum Gott Logos an der Sohnschaft und Herrschaft Anteil hat.

Von Sachau nicht übersetzt, [er] verweist auf die entsprechenden Zeilen der PG 66 25b = Swete p. 330,20–30 gr. (aus ephes. Akten), 23–35 lat. (aus den Akten des 5. Konzils). In Ephesus vollständig gr., unser Exzerpt darin: ACO I 1,7 p. 99,10–13. Vollständig auch in den Akten des 5. Konzils, lat.; unser Exzerpt darin ACO IV 1 p.  71,31–35. Über andere lateinische Übersetzungen des ganzen Bekenntnisses s. den App. in ACO IV 1, p. 70. Fundstelle in unserer Hs. in ACO IV 1 nicht angegeben, weil nicht in Richards Liste aufgeführt und deswegen auch nicht in meiner Zusammenstellung. Ohne Lemma, aber nach dem letzten Wort von 25a hat der Schreiber einige Punkte in horizontaler Anordnung gesetzt, die auch sonst bei ihm am Ende eines Exzerpts erscheinen – freilich nicht regelmäßig. Tatsächlich fehlen zwischen den Exzerpten 25a und 25b einige Zeilen des Originals, siehe die Stellenangaben aus ACO I 1,7, p. [98–99]. 2 gr. κατ’ οὐσίαν, lat. secundum essentiam. 3 ausgelassen καὶ κύριον 4 fehlt im Griechischen, vorhanden im Lat. 1

72  26

 1.5 Theodor von Mopsuestia

f. 85v col. 3-f. 86r col. 1 (Lagarde p. 107,12–17)

̇ ‫ܡܢ ܦܘܫܩܐ ܕܐܘܢܓܠܝܘܢ ܕܡܬܝ [܀] ܗܢܐ ܟܠܗ‬ ‫ܐܡܪ‬ ܿ ‫ ܐܝܟ ܕܐܦ ܐܠ ܣܐܘܢܗ‬.‫ܡܥܠܝ ܡܢܝ‬ ‫ܕܗܘ ܠܡܫܩܠ‬ ‫̇ܗܘ‬ ̣ ܿ ̇ ̇ ‫ ܘܕܐܠ ܢܣܬܒܪ ܕܗܠܝܢ ܟܕ ܡܫܟܢ ܠܗ‬.‫ܐܢܐ ܫܘܐ ܐܢܐ‬ .‫ ܼܗܘ ܠܡ ܢܥܡܕܟܘܢ ܒܪܘܚܐ ܕܩܘܕܫܐ ܘܒܢܘܪܐ‬.‫ܐܡܪ‬ ̣ ‫ ̇ܗܝ ܕܐܢܐ ܠܡܬܠ‬:‫ܕܪܘܚܐ‬ ‫ܛܝܒܘܬܐ‬ ‫ܢ‬ ‫ܠܟܘ‬ ‫ܢܬܠ‬ ‫ܘ‬ ‫ܿܗ‬ ܼ ̇ .‫ܐܠ ܡܨܝܐ‬ ‫ ܠܘ ܡܛܠ ܟܝܢܐ‬.‫ܝܗܒ ܠܟܘܢ ܕܝܢ ̇ܗܘ‬ ‫ ܐܐܠ ܡܛܠ ܚܝܐܠ ܕܐܝܬ ܒܗ܀‬.‫ܕܝܠܗ‬ ̣

Aus der Erklärung des Matthäusevangeliums. Dieser ist, sagt jener (sc. der Täufer), soviel erhabener als ich, „daß ich ihm auch seine Schuhe zu entfernen nicht würdig bin“ (Mt  3,11). Und damit man nicht meine, er habe das gesagt, um sich ihm angenehm zu machen1 (fügt er hinzu): „Der wird euch mit dem hl. Geist und mit Feuer taufen“ (ibid.), der wird euch die Gnade des Geistes geben, welche ich euch nicht zu geben vermag. Der gibt euch nicht wegen seiner eigenen Natur, sondern wegen der Kraft, die in ihm ist.

Sachau p. 69. – Ohne Parallelüberlieferung. 1

Payne Smith: ‫ ܫܟܢ‬χαρίζεται, gratificiens, ut placeret – gratis, sine causa

27

f. 86r col. 1 (Lagarde p. 107,17–22)

‫ܘܒܬܪ ܐܚ̈ܪܢܝܬܐ [܀] ܐܦ ܓܝܪ ̇ܗܝ ܕܗܢܐ ܐܝܬܘܗܝ‬ ‫ ܕܫܢܝܘܬܐ ܗܝ ܓܠܝܬܐ‬.‫ܐܨܛܒܝܬ‬ ‫ܒܪܝ ܚܒܝܒܐ ܕܒܗ‬ ̣ ̇ ‫ܐܡܪ‬ ̇ ‫ܕܢܣܒܪ ܕܥܠ ܐܠܗܐ ܡܠܬܐ‬ ‫ ̇ܗܘ ܓܝܪ‬.‫ܠܗ‬ ‫ܕܐܡܪ ܕܗܢܐ ܐܝܬܘܗܝ ܒܪܝ ܚܒܝܒܐ܆ ܘܐܘܣܦ ܕܒܗ‬ ̣ ̈ ‫ܕܒܢܝܐ‬ ‫ ܒܦܚܡܐ‬.‫ܕܓܠܝܐܝܬ‬ ‫ ܐܘܕܥ‬.‫ܐܨܛܒܝܬ‬ ̣ ̣ ̈ ‫ ܕܐܠ‬.‫ܐܡܪ‬ ‫ ܘܐܠ ܣܓܝ‬.‫ܠܗ‬ ̣ ‫ܚ̈ܪܢܐ ܗܕܐ‬ ̣ ‫ܚܒܝܒܐ ܗܘܘ‬ ‫ܕܢܫܦܪܘܢ ܠܗ ܐܫܟܚܘ܀‬

Und nach anderem. Auch von diesem (Wort) nämlich: „Dieser ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe“ (Mt 3,17), zu meinen, er sage es vom Gott Logos, ist offenkundige Verrücktheit. Der nämlich, der gesagt hat: „Dieser ist mein lieber Sohn“ und hinzufügte: „an dem ich Wohlgefallen habe“, läßt erkennen, daß er dies offensichtlich im Vergleich zu anderen Söhnen gesagt hat, die ihm nicht lieb waren und ihm nicht sehr gefallen konnten.

Sachau p. 69 übersetzt nicht, sondern verweist auf PG 66,705–6, aber dort ist das Exzerpt aus den Konzilsakten abgedruckt und nicht etwa ein griech. Original. 27 = ACO IV 1, p. 60,8–12 Nr. XL 48 Lemma: Item eiusdem Theodori ex interpretatione secundum Matthaium Evangelii. Auf den ersten Teil des Texts spielt an Innozenz v. Maronea, ACO IV 2 p. 72,10–12. – Gleicher Umfang, gleiche Übers. wie Konzilsakten Vig. Const. 40 (Verweis fehlt in ACO IV 1), Coll. Avell. p. 270,12–17.



28

Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums 

 73

f. 86r col. 1 (Lagarde p. 107,22–27)

‫ܘܒܬܪ ܐܚ̈ܪܢܝܬܐ [܀] ܟܬܒܐ ܕܗܘܝܗ ܕܝܫܘܥ ܡܫܝܚܐ‬ ‫ ܥܠ‬.‫ܐܡܪ‬ .‫ܒܪܗ ܕܕܘܝܕ‬ ܼ ̣ ‫ܕܫܠܡܐ ܠܗܕܐ ܐܦ ܦܘܠܘܣ‬ ‫ ܐܠ ܓܝܪ‬.‫ܕܗܘܐ ܡܢ ܙܪܥܐ ܕܕܘܝܕ ܒܒܣܪ‬ ‫ܒܪܗ ̇ܗܘ‬ ̣ ̇ .‫ܕܥܡܪ‬ ̣ ‫ܐܡܪ ܠܗܘܢ ܕܡܢܐ ܡܣܬܒܪܐ ܠܟܘܢ ܥܠ ܗܘ‬ ̣ ܿ .‫ܐܘ ܥܠ ܐܠܗܐ ܡܠܬܐ‬ ̇ ‫ܐܘ ܥܠ ܒܪܐ ܕܐܠܗܐ‬ ‫ ܕܠܗ ̇ܗܝ ܕܡܢ ܕܘܝܕ ܕܬܬܠܚܡ ܐܠ‬.‫ܿܗܘ ܕܐܬܝܠܕ ܡܢܗ‬ .‫ܡܨܝܐ ܗܘܬ‬

Und nach anderem. „Buch des Werdens Jesu Christi des Sohnes David“ (Mt  1,1), damit stimmt auch überein, was Paulus gesagt hat: „Über seinen Sohn, der wurde aus dem Samen Davids im Fleisch“ (Rm 1,3). Er sagt nicht zu ihm (cf. Mt 1,13–16): was dünkt euch über ihn, der einwohnte oder über den Gott Logos oder über den Sohn Gottes, der aus ihm geboren wurde? Auf ihn kann das „aus David“ nicht angewendet werden.

Sachau p. 69. – Ohne Parallelüberlieferung.

29

f. 86r col. 1–2 (Lagarde p. 107,27–29)

̇ ̇ ‫ܘܒܬܪ ܚ̈ܪܢܝܬܐ [܀] ܗܕܐ ܗܟܝܠ‬ ‫ܕܗܘܐ‬ ̣ ‫ ܕܗܘ‬.‫ܐܡܪ‬ ܿ ‫ ܕܢܐܡܪ ܕܗܘ ܕܐܬܢܣܒ‬.‫ܡܢ ܙܪܥܐ ܕܕܘܝܕ ܒܒܣܪ‬ ‫ ܟܕ‬.‫ܐܬܝܠܕ ܘܐܬܚܘܝ ܫܪܝܪܐܝܬ ܒܪܐ ܕܐܠܗܐ‬ ‫ܒܚܝܐܠ ܕܪܘܚܐ ܕܩܘܕܫܐ ܩܡ܀‬

Sachau p. 69. – Ohne Parallelüberlieferung.

Und nach anderem. Dies also sagt er: „Jener der geworden ist aus dem Samen Davids im Fleisch (cf. Rm. 1,3)“, so daß er sagen will: jener, der angenommen wurde, wurde geboren und wahrhaft, als Gottes Sohn erwiesen, als er durch die Kraft des Geistes auferstand (cf. Rm 1,4).

74  30

 1.5 Theodor von Mopsuestia

f. 86r col. 2 (Lagarde p. 108,1–6)

‫ܕܥܒ̈ܪܝܐ ܀ ܘܡܢܘ ܿܗܘ‬ ܼ ‫ܡܢ ܦܘܫܩܐ ܕܐܓܪܬܐ‬ ̇ ̇ ̇ ‫ܕܠܬܐܒܝܠ ܥܐܠ܇ ܘܡܪܘܬܐ ܕܥܠܝܗ ܢܣܒ܇ ܡܢ ܗܝ‬ ̈ ‫ ܐܦܐܠ‬.‫ܡܐܠܟܐ ܗܘܝܐ ܠܗ‬ ‫ܕܐܦ ܕܢܣܬܓܕ ܡܢ‬ ̇ ‫ܓܝܪ ܐܢ ܢܫ ̣ܢܐ ܐܢܫ ܐܡܪ܇ ܕܐܠܗܐ ܡܠܬܐ‬ ‫ ̇ܗܘ ܕܟܠܗܝܢ ܐܝܠܝܢ ܕܐܠ‬.‫ܗܘܐ ܿܗܘ ܕܥܐܠ‬ ̣ ‫ܐܝܬܘܗܝ‬ ܿ ̈ ‫ ܗܝ‬.‫ܡܬܡܠܠ‬ ‫ ܘܒܚܝܠܗ ܕܐܠ‬.‫ܥܒܕ‬ ̣ ̣ ‫ܐܝܬܝܗܝܢ ܗܘܝ‬ ‫ܝܗܒ ܠܗܝܢ ܀‬ ̣ ‫ܕܢܗܘܝܢ ܐܝܬܝܗܝܢ‬

Aus der Erklärung des Hebräerbriefes. Wer ist es, der in den Weltkreis eintritt und die Herrschaft über ihn empfängt, von wo an ihm auch geschah, daß er von den Engeln angebetet wurde (cf. Hebr 1,6)? Auch nicht, wenn jemand verrückt wäre, würde er sagen, daß es der Gott Logos sei, der eintritt, er, der alles nicht Seiende machte und durch seine unaussprechliche Kraft ihm gab zu sein.

Sachau p. 70. 30 [=] Swete p. 305,16–241 (ausnahmsweise mit Hinweis auf Lagarde) = ACO IV 1 p. 81,5–8 „post alia“, aus Kyrills Schrift gegen Theodor. Von den Bearbeitern ist auf die Parallele in add. 12156 nicht hingewiesen, weil dies Zitat in Richards Liste nicht erscheint. Dementsprechend fehlt der Text auch in meiner Liste 1987. 1 zu De incarnatione gestellt, bei einzelnen Zitaten bei Swete gehen die Zuschreibungen durcheinander (weil in De incarnatione auch die Paulustexte aus Hebr. behandelt werden?).



31

Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums 

 75

f. 86 r col. 2–3 (Lagarde p. 108,7–12)

‫ܡܢ ܡܐܡܪܐ ܕܠܘܬ ܐܝܠܝܢ ܕܥܡܕܝܢ [܀] ܝܫܘܥ ܓܝܪ‬ ̇ ‫ ̇ܗܘ ܕܡܫܚܗ ܐܠܗܐ ܒܪܘܚܐ‬.‫ܐܡܪ ܕܡܢ ܢܨܪܬ‬ ̇ .‫ ܗܘ ܕܟܕ ܠܡܫܝܚܘܬܗ ܐܫܬܘ ̣ܝ‬.‫ܕܩܘܕܫܐ ܘܒܚܝܐܠ‬ ̇ ‫ ܐܡܪ ܓܝܪ‬.‫ܕܐܠ ܡܘܡܐ ܐܬܓܡܪ ܒܟܠ ܡܕܡ‬ ‫ܕܗܘ‬ .‫ܕܒܝܕ ܪܘܚܐ ܕܠܥܠܡ ܕܐܠ ܡܘܡܐ ܢܦܫܗ ܩܪܒ ܐܠܠܗܐ‬ ‫ ܐܦܐܠ‬.‫ܘܠܢܩܝܦܘܬܐ ܕܠܘܬ ܟܝܢܐ ܐܠܗܝܐ ܐܫܬܘܝ‬ ܼ ̇ ‫ ܐܠܘ ܐܠ ܠܘܩܕܡ‬.‫ܗܘܐ‬ ‫ܓܝܪ ܢܩܝܦܘܬܐ ̇ܗܝ ܡܩܒܠ‬ ̇ .‫ܐܬܓܡܪ‬ ‫ܕܐܠ ܡܘܡܐ‬

Aus der Rede an die zu Taufenden1. „Jesus nämlich“, sagt er, „von Nazareth, den Gott mit dem heiligen2 Geist und mit der Kraft gesalbt hat“ (Acta 10,38), welcher, indem er der Salbung gewürdigt wurde, ohne Tadel (Hebr  9,14) in allen Dingen vollkommen war3, er sagte nämlich, daß er, „der durch den ewigen Geist ohne Tadel sich Gott darbrachte“ (Hebr 9,14)4, auch der Verbindung mit der göttlichen Natur gewürdigt wurde. Auch hätte er diese Verbindung nicht empfangen, wenn er nicht zuerst ohne Tadel vollkommen gewesen wäre5.

Sachau p. 68  f. 31 [=] Swete p. 326,1–4; ausnahmsweise mit Hinweis auf Lagarde. ACO IV 1 p. 60, 1–4, Lemma: item eiusdem ex eodem libro (sc. ad baptizandos) Nr. XXXVIII 47; = Vig. Const. 39 (ohne Lemma) Coll. Avell. p. 269,26–270,3. Eine andere latein. Übersetzung bei Innozenz v. Maronea ACO IV 2 p. 72,1–5; diese Fassung hat mit den anderen das Schlußkolon gemeinsam, hat aber wie das Syrische den vollständigen Text. Der Hinweis auf add. 12156 fehlt im App. von ACO IV 1, weil Richard die Zitate 24  ff. nicht aufgelistet hatte; dementsprechend fehlt die Parallele auch in meiner Liste. R.  Abramowski hsl.6 und der App. in ACO IV 1 verweisen auf ein Zitat aus der Hebräererklärung (Nr. XXXI 39) das mit dem gleichen Bibelzitat beginnt. In den katechet. Reden Theodors ist das Fragment weder von R.  Abr. („unde“) noch von den Bearbeitern von ACO IV 1 aufgefunden worden. Wahrscheinlich wurde das Lemma verwechselt; der Text gehört vielleicht noch in die Hebräer-Erklärung; das nächste Zitat stammt aus den Taufreden. 2 fehlt in den lateinischen Parallele der Konzilsakten und des Vigilius, vorhanden bei Innozenz. v. Maronea 3 Hier folgen in der Hs. 3 ½ expungierte Zeilen (Dittographie [scil. der Worte ‫ ܐܬܓܡܪ‬bis ‫ܡܘܡܐ‬ – d. Red.]), die Lagarde daher weggelassen hat. 4 „er sagte nämlich – Gott darbrachte“ fehlt in den lat. Parallelen (Homoioteleuton ἄμωμον?) des Konzils und des Vigilius, aber vorhanden bei Innozenz von M. 5 Die latein. Parallelen fahren fort: „ut sic condeceat illius unitatem“ (Konz., Vig.); Innozenz von Maronea: „ut ita per eius claresceret unitatem“. 6 s. auch Aufsatz ZNW [33,] 1934, [66–84]. 1

f. 86r col. 3 (Lagarde p. 108,13–18) Und nach anderem. Den also, sagte er, bekennen wir als einen Herren, der von jener Natur ist, die eine ist und göttlich, aus der der Vater ist, er, der den Menschen um unserer Erlösung willen annahm, und, als er in ihm war, die Kenntnis von sich jedermann gab; er, von dem der Engel sagte, wie es sich ziemte, daß er gerufen werden sollte (Lc 1,32); er, der gesalbt wurde mit dem hl. Geist (Acta 10,38), durch den er ohne Makel war (Hebr  9,14) und gerechtfertigt wurde (1 Tim  3,16) nach dem Wort des seligen Paulus.

‫ ܕܐܝܬܘܗܝ ܡܢ ̇ܗܘ‬.‫[ܠܗܢܐ ܠܡ ܹܡܫܬܟܠܝܢܢ ܚܕ ܡܪܝܐ‬ ܵ ‫ܟܝܢܐ ܐܠܗܝܐ ܕܐܠܗܐ ܐܒܐ܆ ܕܚܠܦ ܦܘܪܩܢܢ ܒܪܢܫܐ‬ ܿ ‫ܠ ܸܒܫ ܘܒܗ ܥܡܪ ܘ[ܒܠܒܫ]ܗ ܐܬܓ ܸܠܝ ܘܐܬ ܼܝܕܥ‬ ܵ ‫ ܕܗܘ‬.‫ܒܢܝܢܫܐ‬ ̈ ‫ܠܟܠܗܘܢ‬ ‫ܗܢܐ ܒܪܢܫܐ ܕܝܫܘܥ ܼܢܬܩܪܐ‬ ܵ ܲ� ‫ܐܬܐܡܪ ܘܐܬܡܫܚ ܕܪܘܚܐ ܕܩܘܕܫܐ܆‬ ܹ ‫ܡܢ ܡܐܠܟܐ‬ ‫ ܐܝܟ ܣܗܕܘܬܗ ܕܛܘܒܢܐ‬.‫ܥܡܪ ܘܐܙܕܕܩ‬ ܲ� ‫ܘܒܗ ܼܐ ܼܬ‬ ]‫ܦܘܠܘܣ ܀‬

Parallele in der (edess.) Übersetzung der Katechetischen Reden[*]

Tonneaus Übers.: C’est celui-ci, disent-ils, que nous tenons pour seul Seigneur, qui est de la nature divine de Dieu le Père, – laquelle pour notre salut se revêtit d’un homme, habita en lui et fut manifestée par lui1: et connue de tous les hommes, – parce qu’il est cet homme dont l’ange dit qu’il serait appelé Jesus [Lc. 1,31!]. Et il fut oint de l’Esprit–Saint, par qui il fut parfait et justifié, au témoignage du bienheureux Paul.

32 nach Mingana nachgeweisen von R.  Abramowski hsl.; aus den 3. Katechetischen Homilien § 5 zweite Hälfte ed. Tonneau f. 15v, 18–24 Text, p. 59,18–24 Übers.; natürlich in anderer syrischer Übersetzung.

Sachau p. 69

‫ ܚܕ ܡܪܝܐ‬.‫ܐܡܪ‬ ‫ܘܒܬܪ ܚ̈ܪܢܝܬܐ [܀] ܠܗܢܐ ܗܟܝܠ‬ ̣ ‫ ̇ܗܘ ܕܐܝܬܘܗܝ ܚܕ‬.‫ ܕܐܝܬܘܗܝ ܡܢ ܟܝܢܐ‬.‫ܡܘܕܝܢ ܚܢܢ‬ ‫ ̇ܗܘ ܕܒܪܢܫܐ ܚܠܦ‬.‫ ܕܡܢܗ ܐܝܬܘܗܝ ܐܒܐ‬.‫ܘܐܠܗܝܐ‬ ‫ ܝܕܥܬܐ ܕܝܠܗ‬.‫ܗܘܐ‬ ܼ ‫ܦܘܪܩܢܐ ܕܝܠܢ‬ ̣ ‫ ܘܟܕ ܒܗ‬.‫ܢܣܒ‬ ̇ ‫ ̇ܗܘ ܕܐܝܟܢܐ‬.‫ܠܟܠܢܫ ܝܗܒ‬ ‫ܙܕܩ ܕܢܬܩܪܐ ܡܐܠܟܐ‬ ̣ ‫ ܕܒܐܝܕܗ ܕܐܠ‬.‫ ܿܗܘ ܕܐܬܡܫܚ ܒܪܘܚܐ ܕܩܘܕܫܐ‬.‫ܐܡܪ‬ ̣ ‫ ܐܝܟ ܩܠܗ ܕܛܘܒܢܐ ܦܘܠܘܣ‬.‫ܘܐܙܕܕܩ‬ ‫ܗܘܐ‬ ̣ ‫ܡܘܡܐ‬ ̣

32

76   1.5 Theodor von Mopsuestia

Korr, „par son vêtement“

[*]

[Der syrische Text ist nach der eingangs erwähnten, zwischen p. 35 und 36 der Manuskriptfassung (g) erhaltenen Einlage eingefügt, die diakritischen Punkte nach dem Faksimile der Handschrift (ed. Tonneau / Devreesse) ergänzt. Die in eckige Klammern gesetzte Korruptele der Handschrift (s. dazu die Ausführungen S. 29–36 in diesem Band) ist nach dem Vorschlag von L.  A. emendiert worden (cf. auch n. 1 der linken Kolumne). Eine deutsche Übersetzung hat unterdessen P.  Bruns in Band  17 der Reihe „Fontes Christiani“ (Theodor von Mopsuestia, Katechetische Homilien, Freiburg 1994) vorgelegt; Bruns übersetzt: „Diesen, heißt es, begreifen wir als den einen Herrn, der aus jener göttlichen Natur Gottes, des Vaters, ist, die um unseres Heiles willen einen Menschen anzog und in ihm wohnte und durch ihn [em. Abramowski: durch sein Kleid] allen Menschen offenbar und erkennbar wurde: Dies ist der Mensch, der nach dem Wort des Engels Jesus genannt werden soll. Er wurde mit Heiligem Geist gesalbt und in ihm vollkommen und gerechtfertigt gemäß dem Zeugnis des seligen Paulus (vgl. Apg 10,38; 1. Tim 3,16; Hebr 2,9  f ).“ – d. Red.]

1

1

Cf. was R.  Abramowski in ZNW [33,] 1934, [66–84,] über die Relation der syrischen Übersetzung zu den bei Swete überlieferten Fragmenten sagt: er ist der Meinung, die syrische Übersetzung biete den besseren Text gegenüber dem holperigen Latein. Aber wenn es sich auch um eine Glättung handelt? [L.  A. hat ihre Anschauungen dazu noch einmal überdacht, vgl. dazu in diesem Band S. 26 – d. Red.]

Die syrische Übersetzung der Katechetischen Reden entstand anders als die in add. 12156 in der Überlieferung, die Theodor nicht nur freundlich gesonnen war, sondern ihn hoch verehrte. Was besagt das für die Zuverlässigkeit der Wiedergabe des griechischen Textes? Mein Eindruck ist, daß es sich um denselben griechischen Text handelt, nur ist die Übersetzung in den Katechesen viel glatter. Von den gekennzeichneten Differenzen ist „anziehen“ für „annehmen“ eine Syriazisierung; „einwohnen“ für „in ihm war“ Einsetzen der beliebten antiochenischen Vokabel; der Zusatz „offenbarend“ ist charakteristisch für die nestorianische Theologie. „Jesus“ für „der sich ziemte“ ist eine Erleichterung und Glättung durch das Geläufigere. Kurz: 12156 hat die Eigentümlichkeiten des Theodor-Textes vermutlich besser bewahrt1.

 Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums   77

78  33

 1.5 Theodor von Mopsuestia

f. 86r col. 3 (Lagarde p. 108, 19–24)

‫ܕܩܪܒ ܗܘܐ ܠܗ ܙܒܢܐ‬ ̣ ‫ܡܢ ܦܘܫܩܐ ܕܡܬܝ [܀] ܡܛܠ ܕܝܢ‬ ‫ܢܣܒ ܫܕܪ ܠܡܕܒܪܢܘܬܐ‬ ̣ .‫ܕܓܡܝܪܘܬܐ ܕܡܣܬܟܝܐ‬ ̇ .‫ ܐܬܢܣܒ‬.‫ ܘܚܠܦܝܢ‬.‫ ܠܗܢܐ ܕܡܢܢ‬.‫ܕܚܠܦܝܢ‬ ‫ܠܗܘ ܕܐܦ‬ ܼ ̣ ‫ܒܛܟܣܐ ܕܒܪܐ ܒܝܕ ܢܩܝܦܘܬܐ ܕܠܘܬ ܐܠܗܐ ܡܠܬܐ‬ ‫ ܥܠ ܕܒܪܢܫܐ‬.‫ ̇ܗܘ ܕܟܕ ܡܢ ܐܢܬܬܐ ܐܬܝ ܼܠܕ‬.‫ܚܘܝ‬ ̇ ‫ܢܗܘܐ ܐܝܬܘܗܝ ܒܟܝܢܐ‬ ‫ ܬܚܝܬ ܢܡܘܣܐ‬.‫ܙܕܩ ܗܘܐ‬ ‫ܕܢܗܘܐ ܥܒܕܗ܀‬

Aus dem Matthäus-Kommentar. Weil aber für ihn herangekommen war die Zeit der erwarteten Erfüllung, nahm er und sandte zur Heilsveranstaltung um unseretwillen jenen, den er aus uns und um unseretwillen angenommen hatte, den er auch (als) im Rang des Sohnes (befindlich) erwiesen hat durch die Verbindung mit dem Gott Logos. [Diesen, – indem er von einer Frau geboren wurde, weil er Mensch werden sollte, ist (er) von Natur, (was) sich ziemt, – (diesen) hat er unter das Gesetz getan1.][*]

Sachau p. 69  f. Ohne Parallelüberlieferung; auch bei Reuß, Matthäus-Kommentare nicht auffindbar. 1

Das gesamte Fragment ist eine charakteristische Paraphrase von Gal 4,4.

[L.  A. hat im Zuge ihres Ringens um das rechte Verständnis dieser vertrackten Stelle in jeder Textstufe eine andere Lösung schriftlich fixiert: P.  Köbert hatte in seinem maschinenschriftlichen Konzept (a) folgende Übersetzung vorgeschlagen: „den er, weil er vom Weib geboren und der Natur nach Mensch sein sollte, mit Recht dem Gesetz unterwarf“. L.  A. hat diese Paraphrase in ihrem Exemplar handschriftlich zu folgender Rohübersetzung (b) verbessert: „der, indem er vom Weib geboren wurde, weil er Mensch werden sollte, ist (es) von Natur; daher ziemt es sich, daß er machte, daß er unter dem Gesetz sei.“ In der nächsten nachvollziehbaren Textstufe, der Manuskriptfassung (g), stand nun zunächst: „Diesen, – indem er von einer Frau geboren wurde, damit weil er Mensch wurde werden sollte, ist (es er) von Natur, (was) sich ziemt, – hat er unter das Gesetz getan.“ L.  A. hat in margine dazu angemerkt „Syntax?“ und den Wortlaut in calce noch einmal korrigiert. Die korrigierte Form hat dann Eingang gefunden in das Typoskript (h) und ist hier abgedruckt. – Die größte Schwierigkeit bereitet das in add. 12156 ohne Vokalpunkte geschriebene ‫ ܥܒܕܗ‬das entweder substantivisch aufzufassen ist (in der Bedeutung „sein Knecht“ bzw. „sein Machen“ / „seine Tat“), oder aber als finite Verbform („[er] machte ihn“ / „[er] tat ihn“). Die bekannte Willkür bei der Setzung von Interpunktionszeichen in syrischen Handschriften tut ein Übriges. Wenn nicht überhaupt eine Textverderbnis vorliegt, sind sprachlich (ob auch inhaltlich?) mehrere Übersetzungen möglich – wovon allerdings keine ganz unproblematisch zu sein scheint: „dem, als er von einer Frau geboren wurde, auf dass er Mensch werden sollte der Natur nach, es sich ziemte, unter dem Gesetz, dass er werde sein Knecht.“ Oder: „als dieser von einer Frau geboren wurde, da es sich ziemte, dass er Mensch werden sollte der Natur nach – unter das Gesetz, damit es geschehe (= erfüllt werde o.  ä.), tat er ihn.“ – d. Red.] [*]

‫ܘܐܝܟ ̇ܗܝ ܕܐܡܪ ܡܪܢ ܥܠ ܓܒܪܐ‬ ‫ܘܐܢܬܬܐ ܕܐܠ ܐܝܬܝܗܘܢ ܬ̈ܪܝܢ ܡܟܝܠ‬ ‫ ܗܟܢܐ ܐܦ ܚܢܢ ܐܡܪܝܢ‬.‫ܐܐܠ ܚܕ ܒܣܪ‬ ‫ ܕܐܠ‬.‫ܕܚܕܝܘܬܐ‬ ‫ܐܢܚܢܢ ܐܝܟ ܡܠܬܐ‬ ܼ .‫ܡܟܝܠ ܐܝܬܝܗܘܢ ܬ̈ܪܝܢ ܐܐܠ ܚܕ‬ ̈ ‫ܘܓܠܝܐ ܗܝ ܕܟܕ ̈ܡܫܚܠܦܝܢ‬ ‫ ܐܟܙܢܐ‬.‫ܟܝܢܐ‬ ‫ܓܝܪ ܕܠܗܠ ܐܠ ܡܣܬܪܚܐ ܡܢ ܡܢܝܢܐ‬

[16’.1–2]

.‫ ܓܠܝܐ ܗ ܼܝ‬.‫ܡܢ ܗܠܝܢ ܗܟܝܠ ܟܠܗܝܢ‬ ‫ ܘܐܠ‬.‫ܕܝܬܝܪܬܐ ܗܝ ܡܠܬܐ ܕܡܘܙܓܐ‬ ‫ ܐܐܠ ܟܕ ܡܟܬܪܝܢ‬.‫ܚܫܚܐ ܘܐܠ ܠܚܡܐ‬ ܼ ̇ ̈ ‫ ܒܝܕ‬.‫ܐܝܬܝܗ ܚܕܝܘܬܐ‬ ‫ܟܝܢܐ ܕܐܠ ܫܪܝܐ‬ ̈ ‫ܗܕܐ ܓܝܪ ܢܩܦܘ ܟܝܢܐ ܘܚܕ ܦܪܨܘܦܐ‬ .‫ܥܒܕܘ ܒܚܕܝܘܬܐ‬

Πανταχόθεν ἄρα δῆλον ὡς περιττὸν μὲν τὸ τῆς κράσεως καὶ ἀπρεπὲς καὶ ἀφαρμόζον, ἑκάστης τῶν φύσεων ἀδιαλύτως ἐφ’ ἑαυτῆς μεινάσης. πρόδηλον δὲ ὡς τὸ τῆς ἑνώσεως ἐφαρμόζον· διὰ γὰρ ταύτης συναχθεῖσαι αἱ φύσεις ἓν πρόσωπον κατὰ τὴν ἕνωσιν ἀπετέλεσαν·

ὥστε ὅπερ ὁ κύριος ἐπί τε τοῦ ἀνδρὸς καὶ τῆς γυναικός φησιν· ὥστε οὐκέτι εἰσὶ δύο, ἀλλὰ σὰρξ μία, εἴποιμεν ἂν καὶ ἡμεῖς εἰκότως κατὰ τὸν τῆς ἑνώσεως λόγον, ὥστε οὐκέτι εἰσὶ δύο πρόσωπα ἀλλ’ ἕν, δηλονότι τῶν

(Sachau p. ‫ܣܛ‬, [l.]19-‫ܥ‬, [l.] 16.23–25)

[frg. Leontii 6 (p.  466,2–15 ed. Daley) =  frg. XII Jansen (p. 244,4–16) =] Swete 299,1–26

‫ܘܒܡܐܡܪܐ ܕܬܡܢܝܐ ܕܦܓܪܢܘܬܐ‬ ̇ .‫ܐܡܪ‬

CSCO 69 (Syr. 26) p.  190, (12) 13–25 textus [mit Modifikationen – d. Red.]

CSCO 432 (Syr. 188) p. 141, 9–20 versio [mit Modifikationen – d. Red.] [**] Et dans le Mimrā VIIIe de l’incorporation il dit:

Theod[or] Bar Konai, Buch der Scholien IX 3 ed. Scher, trad. Hespel/ Draguet (Indices de Halleux),

[Anhang 1:] innerhalb der berühmten Stelle aus Buch VIII[*]

 Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums   79

[16’.3–4] ̈ ‫ܡܐ ܓܝܪ ܕܥܠ‬ ‫ܟܝܢܐ ܪܢܝܢ ܐܢܚܢܢ‬ ‫ܡܣܬܟܠܝܢܢ ܟܝܢܐ ܐܠܗܝܐ ܒܩܢܘܡܗ‬ ‫ ܡܐ ܕܝܢ ܕܒܢܩܝܦܘܬܐ‬:‫ܘܟܝܢܐ ܐܢܫܝܐ‬ .‫ ܚܕ ܦܪܨܘܦܐ ܘܚܕ ܩܢܘܡܐ‬.‫ܢܚܘܪ‬ ݂ .‫ܐܡܪܝܢ ܐܢܚܢܢ‬

‫ ܓܠܝܐ‬.‫ܕܬ̈ܪܝܢ ܕܢܬܐܡܪܘܢ ܚܕ ܒܣܪܐ‬ ‫ ܗܟܢܐ‬:‫ܗܝ ܓܝܪ ܐܝܟܢܐ ܡܬܐܡܪܝܢ‬ ݂ ‫ܐܦ ܗܪܟܐ ܐܠ ܡܬܚܒܐܠ ܚܕܝܘܬܗ‬ ̈ ‫ܕܦܪܨܘܦܐ ܡܢ ܫܘܚܠܦܐ‬ .‫ܕܟܝܢܐ‬

‫ܐܟܙܢܐ ܓܝܪ ܕܡܐ ܕܡܦܪܫܝܢ ܐܢܚܢܢ‬ ‫ܟܝܢܗ ܕܒܪ ܐܢܫܐ ܐܡܪܝܢ ܐܢܚܢܢ ܕܐܚܪܝܢ‬

[16’.5]

Folgt ein Stück, das nur in den syrischen Versionen enthalten [ist]: zweiter Vergleich: Einheit von Leib und Seele [i.  e. 16’.5–7]; 3. Vergleich: innerer Mensch und äußerer Mensch [i.  e. 16’.8–9 – d. Red.]

ὅταν μὲν γὰρ τὰς φύσεις διακρίνωμεν, τελείαν τὴν φύσιν τοῦ θεοῦ λόγου φαμέν, καὶ τέλειον τὸ πρόσωπον· οὐδὲ γὰρ ἀπρόσωπον ἔστιν ὑπόστασιν εἰπεῖν· τελείαν δὲ καὶ τὴν τοῦ ἀνθρώπου φύσιν, καὶ τὸ πρόσωπον ὁμοίως· ὅταν μέντοι ἐπὶ τὴν συνάφειαν ἀπίδωμεν, ἓν πρόσωπον τότε φαμέν.

φύσεων διακεκριμένων· ὥσπερ γὰρ ἐκεῖ οὐ λυμαίνεται τῷ ἀριθμῷ τῆς δυάδος τὸ μίαν λέγεσθαι τὴν σάρκα, πρόδηλον γὰρ καθ’ ὃ μία λέγονται· οὕτω κἀνταῦθα οὐ λυμαίνεται τῇ τῶν φύσεων διαφορᾷ τοῦ προσώπου ἡ ἕνωσις.

̇ ‫ܕܡܦܪܫܝܢܢ ܟܢܝܗ‬ ‫ܐܟܙܢܐ ܓܝܪ ܕܡܐ‬ ̇ ‫ܐܡܪܝܢܢ ܕܐܚܪܝܢ ܼܗܘ ܟܝܢܗ‬ .‫ܕܒܪܢܫܐ‬

̈ ‫ܕܡܐ ܕܥܠ‬ ‫ ܡܣܬܟܠܝܢܢ ܟܝܢܐ‬.‫ܟܝܢܐ ܪܢܝܢܢ‬ ‫ܒܩܢܘܡܗ ܘܟܝܢܐ ܐܢܫܝܐ‬ ‫ܐܠܗܝܐ‬ ܼ .‫ ܡܐ ܕܝܢ ܕܒܢܩܝܦܘܬܐ ܢܚܘܪ‬.‫ܒܩܢܘܡܗ‬ ̇ ‫ܚܕ ܦܪܨܘܦܐ ܘܚܕ ܩܢܘܡܐ‬ .‫ܐܡܪܝܢܢ‬

De même en effet que, lorsque nous séparons la nature de

«Quand nous pensons au sujet des natures, nous comprenons la nature divine en son hypostase et la nature humaine en son hypostase; mais quand nous regardons la jonction, nous disons une personne et une hypostase.

80   1.5 Theodor von Mopsuestia

‫ܒܗ ܒܙܢܐ ܐܦ ܗܪܟܐ ܐܡܪܝܢ ܐܢܚܢܢ‬ ‫ ܟܝܢܐ ܐܠܗܝܐ ܘܟܝܢܐ‬.‫ܕܐܝܬܘܗܝ‬ ̈ ‫ܐܢܫܝܐ ܘܟܕ ܝܕܝܥܝܢ‬ ‫ܦܪܨܘܦܐ‬ ‫ ܚܕ‬.‫ܢܐ‬ ܼ ܼ ‫ܟܝ‬ ‫ ܘܒܗܕܐ ܐܡܬܝ‬.‫ܕܚܕܝܘܬܐ ܐܝܬܘܗܝ‬ ̈ ‫ܕܟܝܢܐ ܢܨܒܐ ܠܡܣܬܟܠܘ ܐܡܪܝܢ‬ ̇ .‫ܐܢܚܢܢ܆ ܕܡܫܡܠܝܐ ܗܘ ܒܪܢܫܐ ܒܩܢܘܡܗ‬ ‫ܐܡܪܝܢ ܐܢܚܢܢ܉ ܕܐܦ ܡܫܡܠܝܐ ̇ܗܘ‬

τὸν αὐτὸν δὴ τρόπον κἀνταῦθα ἰδίαν φαμὲν τοῦ θεοῦ λόγου τὴν οὐσίαν, ἰδίαν καὶ τὴν τοῦ ἀνθρώπου· διακεκριμέναι γὰρ αἱ φύσεις, ἓν δὲ τὸ πρόσωπον τῇ ἑνώσει ἀποτελούμενον· ὥστε κἀνταῦθα ὅταν μὲν τὰς φύσεις διακρίνειν πειρώμεθα, τέλειον τὸ πρόσωπον φαμὲν εἶναι τὸ τοῦ ἀνθρώπου, τέλειον δὲ καὶ τὸ τῆς θεότητος.

.‫ܐܠܗܐ‬

[Text teilweise ergänzt aus dem Apparat,] Scher n. 8[***]

(Sachau p.‫ ܥ‬, [l.] 25-[‫ ܥܐ‬l. 10]), [16’.10b-13]

[frg. Leontii 7 (p.  466,17–468,6 ed. Daley) =  frg. XIII Jansen (p. 245,2–10) =] Swete 300,3–10 (inhaltlich das Obige wiederholend!)

de la même façon nous disons ici aussi la nature divine et la nature humaine, et bien que [nous comprenions d]es natures, il est une seule personne d’union. Et en cette matière, lorsque nous voulons faire comprendre les natures, nous disons que parfait est l’homme en son hypostase et parfait le Dieu Verbe en son hypostase,

mais que, [lorsqu’]elles sont jointes en une seule, nous leur attribuons une seule hypostase et une seule personne et nous nommons les deux en un,

‫ ܚܕ ܩܢܘܡܐ ܘܚܕ‬:‫] ܕܢܩܝܦܝܢ ܒܚܕ‬1[‫ܟܡܐ‬ ̇ ‫ܦܪܨܘܦܐ‬ ‫ ܘܠܬܪܝܗܘܢ‬:‫ܐܡܪܝܢܢ ܠܗܘܢ‬ ‫ܒܚܕ ܡܫܡܗܝܢܢ‬

[…] [16’.10a] ‫ܟܡܐ ܓܝܪ ܕܢܩܝܦܝܢ ܒܚܕ ܚܕ ܩܢܘܡܐ‬ .‫ܘܚܕ ܦܪܨܘܦܐ ܐܡܪܝܢ ܚܢܢ ܠܗܘܢ‬ ‫ܘܠܬ̈ܪܝܗܘܢ ܒܚܕ ܡܫܡܗܝܢ ܐܢܚܢܢ܉‬

.‫ܒܗܢܐ ܙܢܐ ܐܡܪܝܢܢ ܐܦ ܗܪܟܐ‬ ‫ ܘܟܕ‬.‫ܟܝܢܐ ܐܠܗܝܐ ܘܟܝܢܐ ܐܢܫܝܐ‬ ̈ ‫ܝܕܥܝܢܢ‬ ‫ܟܝܢܐ܆ ܚܕ ܦܪܨܘܦܐ ܕܚܕܝܘܬܐ‬ ̈ ‫ܕܟܝܢܐ‬ ‫ ܘܒܗܕܐ ܐܡܬܝ‬.‫ܐܝܬܘܗܝ‬ ‫ܢܨܒܐ ܠܡܣܬܟܠܘ܆ ܐܡܪܝܢܢ ܕܡܫܡܠܝܐ‬ ‫ ܘܡܫܡܠܝܐ ܼܗܘ‬:‫ܼܗܘ ܒܪܢܫܐ ܒܩܢܘܡܗ‬ .‫ܐܠܗܐ ܡܠܬܐ ܒܩܢܘܡܗ‬

l’homme, nous disons qu’autre est la nature du corps et autre (celle) de l’âme tout en disant que chacune d’elles a nature et hypostase,

‫ ܟܕ ܠܚܕ ܚܕ‬.‫ܕܦܓܪܐ ܘܐܚܪܝܢ ܕܢܦܫܐ‬ ‫ܡܢܗܘܢ ܟܝܢܐ ܘܩܢܘܡܐ ܐܡܪܝܢܢ ܕܐܝܬ‬ :‫ܠܗ‬

‫ ܟܕ‬:‫ܗܘ ܟܝܢܗ ܕܢܦܫܐ ܘܐܚܪܝܢ ܕܦܓܪܐ‬ ‫ܠܚܕ ܚܕ ܡܢܗܘܢ ܩܢܘܡܐ ܘܟܝܢܐ ܝܕܥܝܢ‬ ‫ܐܢܚܢܢ ܕܐܝܬ ܠܗ‬

 Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums   81

‫ܟܕ ܝܕܥܝܢ ܐܢܚܢܢ ܕܡܛܠ ܚܕܝܘܬܐ‬ ‫ܕܐܠܗܘܬܐ ܐܢܫܘܬܐ ܡܢ ܒܪܝܬܐ‬ ̇ ‫ ܘܐܠܗܘܬܐ‬.‫ܐܝܩܪܐ ܡܩܒܐܠ‬ ‫ܒܗ ܟܠ‬ ܼ ]****[.‫ܡܕܡ ܣܥܪܐ‬

τῆς τε ἀνθρωπότητος τῇ θεότητι τὴν παρὰ τῆς κτίσεως τιμὴν δεχομένης, καὶ τῆς θεότητος ἐν αὐτῇ πάντα ἐπιτελούσης τὰ δέοντα.

[S. oben zu 16’; zum Zeugnis des Joseph Ḥazzāyā, s. hier in diesem Band S. 211 Anm. 22 – d. Red.]

.‫ܠܡܣܬܟܠܘ‬ ‫ܡܐ ܕܝܢ ܚܕܝܘܬܐ ܢܨܒܐ‬ ܼ ‫ܚܕ ܦܪܨܘܦܐ ܘܚܕ ܩܢܘܡܐ ܡܟܪܙܝܢ‬ ̈ ‫ܐܢܚܢܢ ܠܬ̈ܪܝܗܘܢ‬ .‫ܟܝܢܐ‬

ὅταν δὲ πρὸς τὴν ἕνωσιν ἀποβλέψωμεν, τότε ἓν εἶναι τὸ πρόσωπον ἄμφω τὰς φύσεις κηρύττομεν συνημμένως,

mais quand nous voulons faire comprendre l’union: [nous disons] une personne (prosôpon) et une hypostase pour les deux natures[»].

[Hespel/Draguet verweisen in n. 12 auf die teilweise Übereinstimmung mit PG 66, 961C; PG 86a, 1073B, Mansi IX, 215D, Swete, Theodori II, Appendix A, 299 – d. Red.]

[2]

[ms. ‫ܡܐ ܓܝܪ‬ – d. Red.] [Das Verb ‫ ܢܒܥܐ‬im Text von Scher ist hier durch den Text zwischen den eckigen Klammern ersetzt, den Scher in Anm. 8 aus zwei Handschriften bietet, der weitgehend dem in add. 14669 Gebotenen entspricht und wie folgt ̈ ‫ܐܡܪ܂ ܕܟܕ‬ eingeleitet wird: ‫ܟܝܢܐ‬ ܼ ‫ܘܥܠ ܗܕܐ‬. Bei dem von Scher in den Haupttext gesetzten Text handelt es sich um eine Kürzung, die von ‫ ܢܨܒܐ ܠܡܣܬܟܠܘ‬zu ‫ ܢܨܒܐ ܠܡܣܬܟܠܘ‬springt und dies durch ‫ ܢܒܥܐ ܠܡܣܬܟܠܘ‬ersetzt. Der in Anm. 8 bei Scher gebotene Text enthält nicht den Ausdruck ‫ܚܕ ܩܢܘܡܐ‬, der aber in frg. 16’,5 und auch sonst bei Theodor breit belegt ist, cf. gerade den Zitatkontext bei Theodor bar Koni, Liber scholiorum IX,3. Dass der Ausdruck in add. 12156 und auch bei Leontius nicht vorkommt, könnte Anpassung an späteren Sprachgebrauch sein, vgl. Theodor bar Koni, Liber scholiorum IX,4; vgl. auch die Überlegungen von L.  A. oben in diesem Band S. 34  f. . – d. Red.] [1]

‫] ܠܡܣܬܟܠܘ܆‬2[‫ܡܐ ܕܝܢ ܕܚܕܝܘܬܐ ܢܨܒܐ‬ ‫ܚܕ ܦܪܨܘܦܐ ܘܚܕ ܩܢܘܡܐ ܐܡܪܝܢܢ‬ ̈ ‫ܠܬ̈ܪܝܗܘܢ‬ .‫ܟܝܢܐ‬

82   1.5 Theodor von Mopsuestia

[Aus zwei Gegenüberstellungen der Synopse (e) zusammengezogen und anhand der edd. von Jansen, Sachau und Scher kontrolliert, die Urmiah-Rezension vom Scholienbuch des Theodor bar Koni (ed. / trad. Hespel, CSCO 447/447, Scriptores Syri 193/194) und auch die Anhänge des Silvanus von Qardu (ed. / trad. Hespel, CSCO 464/465, Scriptores Syri 197/198) wurden verglichen. Bis auf die einleitende Partie ist der Text der syrischen Kolumne neben dem Griechischen bereits als 16’ abgedruckt. Die von L.  A. benutzten Nachweise durch Seiten- und Zeilenzählung nach Sachaus Ausgabe sind an geeigneter Stelle durch die in 16’ (s. dort) eingeführte Satzzählung ergänzt worden – d. Red.] [**] : Die franz. Übersetzung von Hespel/Draguet ist nach dem Handexemplar von L.A. korrigiert worden, wo L. A. die Übersetzung von ‫ ܐܡܘܢܩ‬mit personne und die von ‫ ܐܦܘܨܪܦ‬mit personnage korrigiert hat (in hypostase und personne). Auch weitere kleinere handschriftliche Verbesserungsvorschläge wurden berücksichtigt. [***] [An dieser Stelle ist der Text unter Zugrundelegung sowohl von Schers Ausgabe, als auch der Variante in Schers n. 8 konstituiert. In n. 13 der Übersetzung wird von Hespel/Draguet der Text aus Schers n. 8 als une variante, de l’autorité de laquelle il est difficile de{s} juger angesprochen (s. in diesem Band auch S. 35) – doch wird aus der Parallele ad. 14669 klar, dass in manchen Handschriften eine Lücke vorliegt, nachdem in einem Teil der Überlieferung der Eingang des Satzes wohl schon schwierig zu entziffern war – d. Red.] [****] Für den letzten Halbsatz 16’.13b (aus add. 14669) gibt es keine Entsprechung bei Theodor bar Koni – d. Red.]

[*]

 Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums   83

84 

 1.5 Theodor von Mopsuestia

[Anhang 2:] Leontius, aus Buch XIII[*] [frg. Leontii 21 (p.  478,9–13 ed. Daley) =  frg. XXXIII (p.  253,2–254,6) Jansen =] Swete 306,23–307,5

([Sachau][**] p. ‫ ܦܙ‬l. 1[-8])

ὃς ἐφανερώθη ἐν σαρκί, ἐδικαιώθη ἐν πνεύματι, δεδικαιῶσθαι ἐν πνεύματι λέγων αὐτόν, εἴτε ὡς πρὸ τοῦ βαπτίσματος μετὰ τῆς προσηκούσης ἀκριβείας τὸν νόμον φυλάξαντα, εἴτε ὡς καὶ μετ’ ἐκεῖνο τὴν τῆς χάριτος πολιτείαν τῇ τοῦ πνεύματος συνεργίᾳ[***] μετὰ πολλῆς πληρώσαντα τῆς ἀκριβείας.

̇ ‫ܕܐܬܓܠܝ ܒܒܣܪ ܘܐܙܕܕܩ ܒܪܘܚ ܕܐܙܕܕܩ ܒܪܘܚ‬ ‫ܐܡܪ‬ ܼ ܼ ̇ ‫ܕܒܟܠܗ ܚܬܝܬܘܬܐ �ܲܢܛܪܗ‬ ‫ ܐܘ ܩܕܡ ܡܥܡܘܕܝܬܐ‬.‫ܠܗ‬ ܼ ‫ ܐܘ ܒܬܪ ܗܕܐ ܕܒܕܘܒ̈ܪܐ ܕܛܝܒܘܬܐ‬.‫ܠܢܡܘܣܐ‬ .‫ܕܪܘܚܐ ܘܒܡܚܦܛܢܘܬܗ ܐܫܬܡܠܝ‬

[*] [Aus der Synopse (e) übertragen und anhand der ed. Sachau kontrolliert. Die Synopse vermerkt zwischen den Stellenangaben für den griech. und den syr. Text noch: „latein. Konz. + Vigil wie griechisch“, vgl. die Angaben bei Daley p. 478 ad locum. – d. Red.] [**] L.  A. schreibt hier irrtümlich ‚Swete‘ – d. Red.] [***] L.  A. schreibt mit Swete συνεργείᾳ und bietet πληροῦντα, Daley hingegen bietet πληρώσαντα.



Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums 

 85

[Anhang 3: Synopse der syrischen und griechischen Überlieferung] Syrisch = Abramowski frg.

Jansen frg.

Fundort für Parallelüberlieferung ACO IV,1, p. 55,6–10

frg. 1

frg. I (p. 233,7–10)

frg. 2–10

ohne Parallelüberlieferung

frg. 11

frg. VII (p. 240,5–12)

frg. Leontii 2 (p. 458,11–18 ed. Daley)

frg. 12

frg. VII (p. 241,47–51)

frg. Leontii 2 (p. 460,24–27 ed.

frg. 13

frg. VIII (p. 242,9–17)

frg. Leontii 3 (p. 462,17–26 ed.

Daley) Daley) frg. 14

frg. IX (p. 242  f.,2–5)

frg. 15

ohne Parallelüberlieferung

frg. 16 Satz 1–4

frg. XII (p. 244,5–16)

frg. Leontii 4 (p. 464,2–4 ed. Daley) frg. Leontii 6 (p. 466,5–15 ed. Daley)

frg. 16 Satz 5

syr. Parallele Theodor bar

CSCO 69 (Syr. 26) p. 190,16–19

Koni IX 3 frg. 16 Satz 6–9

ohne Parallelüberlieferung

frg. 16 Satz 10a-13a

syr. Parallele Theodor bar

frg. 16 Satz 10b-13

frg. XIII (p. 245,2–10)

frg. 17–18

ohne Parallelüberlieferung

frg. 19

gehört sachlich zu frg.

CSCO 69 (Syr. 26) p. 190,19–25

Koni IX 3 frg. Leontii 7 (p. 466,17–468,6 ed. Daley)

XIX–XXI frg. 20

vgl. frg. XXII (p. 249,1–5)

frg. 21–22

ohne Parallelüberlieferung

ACO IV,1, p. 180,1–5

frg. 23

vgl. frg. XXIV (p.250,4–6)

frg. 24

ohne Parallelüberlieferung

frg. 25a

fehlt bei Jansen, nur Swete

Ephesus ACO I,1,7, p. 98,27–99,4

frg. 25b

fehlt bei Jansen, nur Swete

Ephesus ACO I,1,7, p. 99,10–13

frg. 26

ohne Parallelüberlieferung

frg. Leontii 14 (p. 472,14–17 ed. Daley)

frg. 27

fehlt bei Jansen

frg. 28–29

ohne Parallelüberlieferung

ACO IV,1. p. 60,8–12

frg. 30

fehlt bei Jansen, nur Swete

ACO IV,1, p. 81,2–4

frg. 31

fehlt bei Jansen, nur Swete

ACO IV,1, p. 60,1–4

frg. 32

syr. Parallele Kat. Hom. III,5

Studi e testi 145, fol. 15v, Z. 18–24 (p. 58,18–24 Tonneau/Devreesse)

frg. 33

ohne Parallelüberlieferung

app. 2: Ende von cap. 78 (aus

frg. XXXIII (p. 253,2–254,6)

add. 14669, fehlt in add. 12156)

frg. Leontii 21 (p. 478,9–13 ed. Daley)

2 Babai der Große

2.1 Die Christologie Babais des Großen1 I. Von den vielen Schriften, die Babai der Große verfaßt hat, sind nur wenige erhalten. Für die Christologie sind das: die systematische Monographie „De unione“2 (so der Titel bei Ebed-Jesu; in der Eingangsnotiz des Schreibers heißt das Buch „De divinitate et de humanitate et de persona unionis“3), der kurze vatikanische Traktat, der als Anhang zu „De unione“ ediert ist4; eine noch kürzere Darstellung der Zentralthese der nestorianischen Christologie enthält eine jüngst publizierte Cambridger Handschrift5. Nach allgemeiner Auffassung hat Babai einen beträchtlichen Anteil an der Autorschaft oder ist überhaupt der Autor des Bekenntnisses der persischen Bischöfe vor dem Großkönig Kosrau vom Jahr 612, mit dem die Zwei-Hypostasen-Christologie zur offiziellen Lehre der persischen Kirche wurde6. In der Vita des Märtyrers Georg schildert Babai die Auseinandersetzung mit den Anhängern des Ḥenana, die Argumente, die er seinem Helden in den Mund legt, sind mindestens in der Formulierung die des Autors7. Gelegentliche christologische Aussagen findet man auch im dicken EuagriusKommentar8 (welcher der „kurze“ heißt, [220] da es einen noch ausführlicheren gab), wo Babai die syrische Vulgata, d.  h. die entschärfte Fassung, der Centurien (SI nach Guillaumonts Unterscheidung) und einen Anhang erläutert. Wir werden uns hier an „De unione“ und an den vatikanischen Traktat halten. Die Literatur über Babai ist nicht sehr umfangreich. Wirklich ergiebig wird sie erst da, wo man diesem Theologen nicht gleich mit der Frage: orthodox oder häretisch9, gegenübertritt. Scipioni, der sich das in seiner Monographie über den Liber Heraclidis

1 Diskussionsbeiträge erscheinen in den Anmerkungen. 2 Ed. A.  Vaschalde, CSCO 79. 80 (Script. Syri 34. 35), Löwen 1915. 3 Textus p. 1, 5–7 (versio p. 1, 4–7). 4 P. 291–307 (p. 235–247). Thema der Schrift: aus der hypostatischen Einheit von Leib und Seele im Menschen ist eine hypostatische Einheit der Person Christi nicht abzuleiten. 5 Ed. L.  Abramowski/A.  E. Goodman, A Nestorian Collection of Christological Texts, Cambridge 1972, I p. 207–209 (II p. 123–125). Thema: für die Vereinigung der beiden Naturen zu einem prosopon in Christus braucht man zwei Hypostasen, weil sonst die ganze göttliche Natur und die ganze Menschheit zu diesem einen prosopon vereint werden würden. 6 Ed. J.  Chabot, Synodicon Orientale, Paris 1902, p. 562–580 (p. 580–598); unvollständig, mit manchmal etwas besserem Text, Abramowski/Goodman p. 150–169 (p. 88–101). 7 Die betreffenden Stücke der Vita in Übersetzung bequem zusammengestellt von Chabot, p. 625– 634. 8 Ed. W.  Frankenberg, Euagrius Ponticus. Abh. Ges. Wiss. Göttingen, phil. hist. Kl., NF XIII 2, Berlin 1912. 9 So noch W.  De Vries, Die syrisch-nestorianische Haltung zu Chalcedon, in: Das Konzil von Chalkedon, ed. A.  Grillmeier /H.  Bacht, I, Würzburg 1951, p. 603–635. https://doi.org/10.1515/9783110647419-006

90 

 2.1 Die Christologie Babais des Großen

220, 221

für Nestorius vorgenommen hat10, vermochte dadurch zum Verständnis der Christologie des Bischofs von Konstantinopel Wichtigstes beizutragen. Die gleiche Einstellung bringt er auch Babai entgegen, mit dem gleichen guten Erfolg; er zieht Babai zum Vergleich mit Nestorius und zur gegenseitigen Erklärung heran, weil Babai den Liber Heraclidis kennt und benutzt (aber nicht nennt!)11. Scipioni betrachtet freilich noch den ganzen Liber Heraclidis als Werk des Nestorius (wie Babai das selbstverständlich tut) und ist deswegen manchmal zu korrigieren. Da Scipioni seine Babai-Untersuchungen nicht im Titel seines Nestorius-Buches erwähnt, ist sein Beitrag den jetzt noch zu nennenden Autoren, die sich mit Babai befaßt haben, entgangen. So Adam in seiner Dogmengeschichte12, bei dem die Lehre Babais einen gar zu archaischen Anstrich bekommt. Wanda Wolska verfolgt in ihrer umfassenden Behandlung der „Christlichen Topographie“ des Kosmas Indikopleustes13 den Einfluß „theodorischer“ und nisibenischer Theologie auf Kosmas. Ihr Buch, dessen wissenschaftsgeschichtliche und theologiegeschichtliche Qualitäten ich bereits bei früherer [221] Gelegenheit gerühmt habe14, enthält als Appendix II einen Vergleich der Theologie der „Christlichen Topographie“ und der nestorianischen Lehre Babais d. Gr.15. Auf der Basis vieler Gemeinsamkeiten muß die Verfasserin feststellen, daß Babai eine viel weiter ausgebildete Terminologie habe und daß bei ihm entfaltet sei, was bei Kosmas und den von ihm benutzten Quellen erst angelegt sei. Das ist eine zu einlinige Betrachtung; einer der Gründe für die differenziertere Terminologie Babais ist eben seine Benutzung des Liber Heraclidis, also einer Schrift antiochenischer Theologie, die älter ist als die von Kosmas benutzten Schriften und Gedanken nisibenischer Theologie. Man muß sich überhaupt die vielfältigen individuellen Ausprägungen und möglichen Erscheinungsformen der antiochenischen Theologie und Christologie und der dazugehörigen Einzeltraditionen vergegenwärtigen. Es ist das große Verdienst von Wanda Wolska, unter diesen die von Theodor von Mopsuestia zu Kosmas Indikopleustes führende Linie verfolgt zu haben. Mit der ihm eigenen Kompetenz hat Guillaumont Babais Schriften

10 L.  I. Scipioni, Ricerche sulla cristologia del ‚Libro di Eraclide‘ di Nestorio, Fribourg 1956, p. 13. 11 Über die sehr bescheidene äußere Bezeugung des Liber Heraclidis bei den Syrern siehe L.  Abramowski, Untersuchungen zum Liber Heraclidis des Nestorius, CSCO 242 (Subs. 22), Löwen 1963, p. 4  ff. BarʿEdta (ibid. p. 6  f.), der den Lib. Her. auswendig lernte, gehörte bezeichnenderweise zum „Großen Kloster“ des Abraham von Kaškar; 561 gründete er im Auftrag Abrahams selber ein Kloster, dessen Vorsteher er wurde. Babai selber war Abt des „großen Klosters“, „De unione“ ist an die Brüder dieses Klosters gerichtet, einer von den Brüdern war ein Verwandter Abrahams („De unione“, versio p. 2). – Benutzt, aber von den Autoren nicht genannt, wird der Lib. Her. auch in der „Nestorian Collection“. 12 A.  Adam, Lehrbuch der Dogmengeschichte I, Gütersloh 1965, p. 344–347. 13 W.  Wolska, La Topographie chrétienne du Cosmas Indicopleustès. Theologie et Science au VIe siècle, Paris 1962. 14 Zeitschr. f. Kirchengeschichte 76 (1965), p. 164  f. 15 Op. cit. p. 288–292.

221, 222 I. 

 91

für seine Untersuchung der Geschichte des Origenismus16 ausgewertet, seit Scipioni (den auch Guillaumont nicht herangezogen hat) der beste Beitrag zur Kenntnis von „De unione“. Ebenso wichtig für die Geschichte der „nestorianischen“ Christologie im strengsten Sinn ist Guillaumonts Edition einer neuchalkedonensisch-nestorianischen Disputation zwischen Kaiser Justinian und dem Bischof Paul von Nisibis samt G.s Einleitung17. Diese Disputation wird vom Herausgeber mit guten Gründen auf 562 oder 563 datiert18; sie erscheint ihm deswegen so wichtig, weil hier ein Mitglied der Hierarchie vor 612 die Lehre von den zwei christologischen Hypostasen vertritt. Ich bin inzwischen der Ansicht, daß die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der neuchalkedonensischen hypostasis synthetos die persischen Dyophysiten zur Ausbildung der Zwei-Hypostasen-Christologie veranlaßt hat. Seit 539/40 stand ihnen die [222] syrische Übersetzung des Liber Heraclidis als theologische Basis dafür zur Verfügung19. Wie die Synodalbekenntnisse bezeugen, bedeutete das nicht, daß die einfachere und ältere Form der antiochenischen Christologie sofort verdrängt wurde, wo man sich mit der Formel von zwei Naturen und einem prosopon begnügte. Als aber innerhalb der persischen Kirche selbst und zwar durch die einflußreiche Gestalt des Ḥenana eine Ergänzung der Zwei-Naturen-Christologie durch die Lehre von der einen (zusammengesetzten) Hypostase propagiert wurde, wurde es zu gefährlich, die Wahl offen zu lassen zwischen der Formel „Zwei Naturen – ein prosopon“ und ihrer Weiterentwicklung „Zwei Naturen – zwei Hypostasen – ein prosopon“; schlichtere Gemüter waren offensichtlich nicht in der Lage, die ältere antiochenische Formel ohne weitere qualifizierende, eindeutige Ergänzung gegen die Ḥenana-Interpretation zu verteidigen. Die Entscheidung von 612 legt fest, daß die überkommene Christologie nur noch in der durch die zwei Hypostasen interpretierten Form vertreten werden dürfe, danach gibt es keine Option mehr. Der Einfluß des Ḥenana und seiner Schüler hat freilich noch lange nachgewirkt. Bei dieser Gelegenheit scheint es nicht überflüssig, für eine eindeutige Terminologie in der Bezeichnung der verschiedenen antiochenischen Richtungen einzutreten, vor allem für einen genau definierten und beschränkten Gebrauch von „nestorianisch“.

16 A.  Guillaumont, Les ‚Kephalaia Gnostica‘ d’Évagre le Pontique et l’histoire de l’origénisme chez les grecs et les syriens, Paris 1962. 17 A.  Guillaumont, Justinien et l’église de Perse, Dumbarton Oak Papers 23/24 (1969/70), p. 39–66 und Photographien der syrischen Handschrift (Übersetzung: p. 62–66). – G. verwies in der Diskussion auf diesen Text als einen Beleg für das Auftreten der Formel von den zwei Hypostasen vor Babai und erinnerte angesichts dessen an die bekannte Tatsache, daß die synodalen Dokumente der persischen Kirche vor 612 die Lehre von den zwei Hypostasen nicht enthalten. 18 P. 55. 19 In der Diskussion sagte Pater Macomber, daß Cyrus von Edessa der Übersetzer des Liber Heraclidis ins Syrische sein könne, Cyrus gehöre zum Kreis um den späteren Katholikos Mar Aba, und im Vorwort des Übersetzers fänden sich Ähnlichkeiten zur Phraseologie des Cyrus. – Dies wäre ein schöner Fortschritt in den geringfügigen Kenntnissen, die wir von der Überlieferungsgeschichte des Liber Heraclidis haben.

92 

 2.1 Die Christologie Babais des Großen

222, 223

„Antiochenisch“ ist der umfassendste Begriff, aber nicht jeder Vertreter antiochenischer Christologie ist auch „nestorianisch“. Vor allem sollte man (auch unbewusst) nicht die Anathemata Kyrills zum Maßstab dessen machen, was als nestorianisch zu gelten habe: jene zwölf Sätze sind auch im Schrifttum Kyrills ein extremer Text, ihre Absicht ist bewußt denunziatorisch; Theodorets Zitatsammlungen im „Eranistes“ zeigen, wie breit die Tradition ist, die vom Bannstrahl der Anathemata betroffen wird. Und die Monophysiten waren nur konsequent, wenn ihnen durch die Brille der kyrillischen Verdammungssätze gesehen der Tomus Leonis und die entsprechenden Passagen des Chalcedonense als suspekt bis häretisch erschienen. Da es sich also nicht darum handeln kann, den undifferenzierten Gebrauch von „nestorianisch“ als Schimpf[223]wort weiter fortzusetzen, ist nach einer sachgemäßen Verwendung zu suchen. Die dyophysitische Kirche Persiens, „die heilige Kirche des Ostens“ wie sie sich selber nannte20, hat in späterer Zeit das Scheltwort „Nestorianer“ zur Selbstbezeichnung gemacht21, als die Formulierungen von 612 längst als orthodox festlagen. Nestorianisch wäre dann das Bekenntnis zu zwei Naturen in zwei Hypostasen im einen prosopon Christi. Offiziell ist also die Kirche Persiens nestorianisch erst ab 612, vorher wurden in ihr verschiedene Varianten der antiochenischen Theologie vertreten; die Zwei-Hypostasen-Christologie ist eine spezialisierte Variante unter diesen. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob dann Nestorius als nestorianisch zu bezeichnen ist. Ohne Zweifel vertritt Nestorius die Auffassung, daß die zwei Naturen in Christus zwei Hypostasen zur Folge haben – dies tut er aber erst, wie Richard gezeigt hat22, nachdem er die Anathemata Kyrills erhalten hat, wo eben aus der von Nestorius mit scharfen rhetorischen Mitteln vertretenen antiochenischen Christologie die (zu verurteilende) Folgerung gezogen wird, Nestorius lehre dann horribile dictu zwei Hypostasen in Christus (womit Kyrill zum Erfinder des Nestorianismus geworden ist). Die Naivität des Nestorius läßt sich daran ermessen, daß er sich vom raffinierten Kyrill in diese Position manövrieren ließ; der Bischof von Konstantinopel war ein Mann, auf den sich die englischen Adjektive „unworldly and saintly“ anwenden lassen, was man beides von Kyrill nicht sagen kann. Am Verhalten der beiden Bischöfe nach Ephesus 431 zeigt sich dieser Charakterunterschied besonders deutlich – man braucht sich nur vorzustellen, wie anders der Gang der Ereignisse verlaufen wäre, wenn sich Nestorius mit etwas Bestechung den Weg nach Konstantinopel gebahnt hätte, wie Kyrill es so erfolgreich für den Rückweg nach Alexandrien tat. Die Bezeichnung nestorianisch im oben angegebenen Sinn ist bemerkenswerterweise für die sehr individuelle Ausprägung, die die Christologie des Nestorius in der zweiten Apologie (d.  h. dem echten Teil des Liber Heraclidis) gefunden hat, zu eng. Grillmeier unterstreicht mit Recht die Bedeutung der zweiten Apologie als eines der ersten theo20 Nestorian Collection II, p. 36, 26  f. 21 Ibid. II, p. 3,7; 31,8. 22 M.  Richard, L’introduction du mot „Hypostase“ dans la théologie de l’incarnation, Mél. sc. rel. 2 (1945), p. 255–258.

223–225 I. 

 93

retischen Traktate über die Christologie23. [224] Nestorius bemüht sich hier unter den feststehenden Voraussetzungen antiochenischer Christologie, das Zustandekommen des einen prosopon aus den beiden Naturen zu bestimmen. Zwar hat jede der Naturen eine Hypostase, aber jede dieser Hypostasen hat auch ein prosopon, und aus den prosopa der beiden Naturen kommt die Einheit des einen prosopon Christi zustande, indem ein prosopon das andere gebraucht (dieser Gebrauch ist als niemals unterbrochen gedacht)24. Das Interesse des Nestorius liegt ganz bei diesen beiden prosopa und wie man sich ihre Vereinigung zu denken habe  – hier liegt das proprium der voll entfalteten Christologie des exilierten Bischofs von Konstantinopel. Daran wird nun auch der Unterschied zur Christologie Babais d. Gr. deutlich, denn obwohl auch bei Babai Aussagen erscheinen, die jeder Natur über die Hypostase hinaus ein prosopon zuteilen (da er seinen Nestorius ja gut kennt), so liegt sein Interesse bei den zwei Hypostasen, ihm kommt es darauf an, wie diese beiden Hypostasen zum einen prosopon werden. Es handelt sich um eine eindeutige Akzentverschiebung, erklärlich aus der veränderten kirchengeschichtlichen und dogmengeschichtlichen Situation, in der sich die Vertreter der strikten antiochenischen Tradition befanden. Worauf es jetzt ankommt, ist das Bekenntnis zu zwei Hypostasen als Merkmal der Orthodoxie. Wenn sich das Adjektiv „nestorisch“ in andere Sprachen übersetzen ließe (was leider nicht der Fall ist), müßte man es für Nestorius (und für Ps. Nestorius, den Verfasser des Dialogs am Anfang des Liber Heraclidis) verwenden, um seine persönliche Eigenart im Vergleich zu den Nestorianern (= Vertretern einer Zwei-Hypostasen-Christologie à tout prix) festzuhalten. Daß vom Entwurf des Nestorius aus auch ein anderer Weg beschritten werden konnte als der zu Babai führende, wo die zwei Hypostasen zur Hauptsache werden, sieht man am Ps. Nestorius vom Anfang des Liber Heraclidis. Was er auf der Basis der NestoriusFormel „Zwei Naturen –zwei Hypostasen – zwei prosopa – ein prosopon“ entwickelt, ist wohl die interessanteste Variante und Ausbildung der antiochenischen Grundformel der zwei Naturen in einem prosopon: „Zwei Naturen – zwei-prosopa – ein prosopon“. D.  h. dieser Ps. Nestorius verzichtet überhaupt auf den Gebrauch des Begriffs Hypostasis für die Christologie, mit Ausnahme einer unauffälligen Stelle, wo er von einer Hypostase spricht, was Nau so unwahrscheinlich vorkam, daß er in seiner Übersetzung [225] (er hielt ja das ganze Buch für echt) eine zweite Hypostase ergänzt25. Die Verlegenheit, die die eine chalkedonische Hypostase vielfach auslöste, vor allen bei den Antiochenern, umgeht Ps. Nestorius also auf die simpelste Weise, indem er den Begriff gar nicht benutzt. Auch er sah den scopus des Nestorius offensichtlich bei den zwei prosopa und nicht bei den zwei Hypostasen. Wir wissen inzwischen, daß Ps. Nestorius den Philoxenus bekämpft; zu den gegnerischen Stichworten gehört die henōsis 23 A.  Grillmeier, Das scandalum oecumenicum des Nestorius in kirchlich-dogmatischer und theologiegeschichtlicher Sicht, Scholastik 36 (1961), p. 354. 24 Abramowski, Untersuchungen, p. 202  ff. 25 Abramowski, Untersuchungen, p. 161  f. und 184  f.

94 

 2.1 Die Christologie Babais des Großen

225, 226

physikē und die synthesis physikē26, aber (noch) nicht die hypostasis synthetos  – ihr gegenüber wäre Ps. Nestorius mit seinem Verzicht auf die Vokabel „hypostasis“ nicht durchgekommen. Anders als Ps. Nestorius führt Babai einen Zweifrontenkrieg: gegen Philoxenus (die Beziehungen auf ihn sind in „De unione“ auf Schritt und Tritt spürbar) und gegen die neuchalkedonensische Christologie der einen zusammengesetzten Hypostase samt ihrer innernestorianischen Aufnahme durch Ḥenana. Die theologische Leistung des Nestorius und des Ps. Nestorius kann man recht ermessen, wenn man ihre Erwägungen über die zwei Naturen, die zwei prosopa und das eine prosopon Christi mit zwei Passagen bei Theodor von Mopsuestia vergleicht, die vermutlich den Ansatzpunkt für die Zwei-prosopa-Christologie geliefert haben. Im VIII.  Buch von „De incarnatione“ heißt es: „Wenn wir die Naturen unterscheiden, sagen wir die vollständige Natur des Gott Logos aus und vollständig das prosopon; man kann von Hypostasis nicht ohne prosopon (aprosopon) sprechen; (wir sagen) aber auch die vollständige Natur des Menschen (aus) und ebenso das prosopon; wenn wir jedoch auf die synapheia blicken, dann sagen wir ein prosopon aus.“27. Ganz Ähnliches wenige Zeilen später28. Hinsichtlich der Vokabel „hypostasis“29 haben wir hier den bei Theodor üblichen Gebrauch, nämlich den trinitarischen; es ist kein Zufall, daß der menschlichen Natur Christi nicht automatisch in Analogie auch eine Hypostase zugeteilt wird (oder im Rückschluß vom prosopon auf die Hypostase in Anwendung des Grundsatzes, daß man von Hypostase nicht ohne prosopon sprechen könne). Über die Relation der beiden prosopa zum einen prosopon äußert Theodor nichts, es ist für ihn eine [226] Unterscheidung secundum quid, ob man von zwei oder von einem prosopon zu sprechen hat. Nestorius und Ps. Nestorius dagegen schlagen sich höchst eindrucksvoll mit dieser Schwierigkeit herum und versuchen, die beiden prosopa wirklich zusammenzubringen, Nestorius durch den „Gebrauch“, was Ps. Nestorius weiter präzisiert als gegenseitige Aneignung. Hier hat also eine echte Weiterentwicklung theodorischer Formeln stattgefunden. Aber auf das Ganze der Theologie Theodors von Mopsuestia gesehen ist Nestorius kein „Theodorianer“. Bei Theodor ist die antiochenische Christologie in einen Reichtum religiöser Bezüge eingebettet, wie bei keinem sonstigen Vertreter der Schule, und von diesen Bezügen findet man bei Nestorius kaum eine Spur: weder von der Katastasen-, noch von der Tauf- oder der Teilhabe-Lehre mit ihrer eschatologischen Ausprägung und ihrer systematischen Verbindung untereinander und mit der Christologie. Um zur Geschichte der Zwei-Hypostasen-Christologie und ihrer Auseinandersetzung mit der Lehre von der einen zusammengesetzten Hypostase zurückzukehren: wenn die Datierung des Leontius von Jerusalem richtig ist, dann ist seine Schrift 26 Leontius von Jerusalem bekämpft in „Contra Monophysitas“ diese als Vertreter der physis synthetos. 27 Swete II, p. 299,18–26 (ein Zitat bei Leontius). 28 Ibid. p. 300,4–8. 29 „Hypostasis“ erscheint p. 300,4–8 nicht.

226, 227 I. 

 95

„Contra Nestorianos“ bis jetzt der älteste Beleg für diese Auseinandersetzung. Nach dem griechischen Titel ist die Abhandlung gerichtet gegen Leute, die zwei Hypostasen Christi lehren und die synthesis nicht bekennen. Lib. I verteidigt die synthesis und enthält endlose Darlegungen über Teil und Ganzes, Umschriebenes und Unendliches; hierzu sind zu vergleichen die entsprechend mühsamen Passagen in der „Nestorian Collection“30, in „De unione“ und dort auch noch Babais Vorwurf gegen Ḥenana, er zerlege die unendliche und unteilbare Gottheit in Teile31; lib. II verteidigt die hypostatische Vereinigung; lib. III polemisiert gegen die Lehre von den zwei Söhnen; lib. IV: theotokos; lib. V: psilos anthropos; lib. VI: theophoros anthropos; lib. VII: unus ex trinitate passus est carne. Zwischen dieser Schrift und den nestorianischen Texten besteht der engste polemische Bezug, der noch gründlicher Untersuchung bedarf. Wenn Moeller in seinem klassischen Aufsatz über den Neuchalkedonismus32 dem Leontius von Jerusalem33 [227] „mindestens ebensoviel Bedeutung“ zuschreibt wie dem anderen Leontius34, so ist das unter diesen Umständen noch einmal zu unterstreichen. Man kann aber nicht mehr wie Moeller sagen, daß der von Leontius bekämpfte Nestorianismus „gänzlich theoretisch“ sei35, nachdem uns die Gegenposition in zwar etwas jüngeren Schriften, aber in extenso vorliegt. Formal besteht die Gemeinsamkeit der Vorliebe „für logische Diskussionen“36 (außer Babai glänzen darin auch seine Zeit- und Gesinnungsgenossen Ḥenanišo der Mönch und Michael Malpana, siehe ihre Texte in der „Nestorian Collection“); wenn „Contra Nestorianos“ nach Moellers Urteil „unlesbar“37 ist, so sind nestorianische Theologen oft auch nicht viel besser. Leontius von Jerusalem hat eine Sonderstellung unter den neuchalkedonensischen Theologen, zu der u.  a. gehört, daß er hinsichtlich der Drei Kapitel „sehr diskret“38 ist und überraschenderweise den Ausdruck kyriakos anthropos gebraucht39, worin, wie in andern Dingen, er in Pamphilus von Jerusalem einen Nachfolger hat40. Dies alles macht die theologische Herkunft des Leontius v. J., die Gestalt seiner Kontakte zu Vertretern der strikten antiochenischen Theologie (griechischer und/oder syrischer Zunge?) und seinen möglichen Einfluß auf Ḥenana zu sehr interessanten Fragen.

30 Z.  B.  II p. 42  ff. 31 Versio p. 19; textus p. 109,7–10 (versio p. 77,15–17) „si pars cum toto composita est, quaenam est illa pars cum toto composita? Si pars dei cum toto homine, ecce impietas pagana Ḥenanae Chaldaei maledicti.“ 32 Ch. Moeller, Le chalcédonisme et le neo-chalcédonisme en Orient de 451 à la fin du VIe siècle, in: Chalkedon I, p. 637–720. 33 Über Leontius von Jerusalem ibid. p. 686  f. 693. 701  f. 34 Ibid. p. 687. 35 Ibid. 36 Ibid. 37 Ibid. 38 Ibid. 39 Moeller, p. 693 n. 163, führt zehn Stellen auf. 40 Ibid. p. 693.

96 

 2.1 Die Christologie Babais des Großen

227, 228

II. „De unione“, wie es uns heute überliefert ist (auf welch schmaler handschriftlicher Basis, kann man aus Vaschaldes Einleitung sehen), besteht aus sieben Büchern, mēmrē, was Vaschalde mit tractatus übersetzt. Die Bücher sind wiederum in Kapitel unterteilt, aber die Kapitel sind ohne Rücksicht auf die Gliederung in Bücher durchgezählt, c. 1–21; die Kapitelzählung endet mit dem 6. Buch. Das 7. Buch enthält keine Kapitel, es beginnt daher auch nicht wie die vorangegangenen sechs mit einer capitulatio, sondern mit einem Lemma, das versucht, vom Inhalt eine Vorstellung zu geben. Buch 7 ist nicht vollständig, der Text bricht [228] in einer längeren eucharistischen Abhandlung ab; Vaschalde teilt mit: „Manus recentior in L addidit: ‚In saeculum saeculorum. Amen. Explicit tractatus Mar Babai‘ coniectura ut videtur. – In cod. A amanuensis hanc clausulam adiecit: ‚Explicit in adiutorio Domini nostri liber iste confessionis Nestorianorum, qui confitentur duas hypostases et duas naturas, et Spiritum de Patre procedere, compositus a Mar Babai.‘“ (Es folgt ein Gloria patri)41. Chabot, der für Vaschalde das Druckmanuskript in London mit L verglich, stellte fest: „Desunt tamen in fine codicis saltem aliquot folia“42. Wenn es „einige Blätter“ waren, so ist das wahrscheinlich nicht mehr als das fehlende Stück von Buch 7, aus Chabots vorsichtigem „mindestens“ zu schließen, daß es sich bei dem Verlorenen um ein weiteres (8.) Buch von „De unione“ gehandelt haben könnte, ist nicht nötig. Die zunächst geringfügig erscheinende formale Differenz zwischen den Büchern 1–6 und Buch 7, daß nämlich Buch 7 keine Fortsetzung der Kapitelgliederung bringt, ist ein nützlicher Fingerzeig in der Richtung auf weitere Unterschiede. Die Kapiteleinteilung 1–21 ist offensichtlich authentisch43, auch die Kapitelüberschriften sind kein nachträgliche Erfindung, wie das oft der Fall ist, denn der Text zu Beginn der Kapitel setzt vielfach diese Überschriften voraus. Überhaupt handelt es sich bei diesen 21 Kapiteln (also den Büchern 1–6) um eine sorgfältige literarische Komposition: die Kapitel 1. 2. 3. 6. 8. 9. 11. 19. 20. 21 beginnen mit Einleitungsformeln teils religiöser, teils literarischer Art; mit Ausnahme des sehr kurzen 14. Kapitels haben alle Kapitel eine Schlußformel, im allgemeinen ein Gloria patri, c. 13 endet mit einer Kurzfassung von Phil. 2, 8–11, und c. 15 hat eine literarische Schlußformel. Die Gliederung in Bücher ist demgegenüber sekundär, gruppiert aber sachgemäß und respektiert die ursprüngliche Gliederung und Zählung. Ich nehme an, daß die Einteilung in Bücher erfolgte, als den 21 Kapiteln das jetzige 7. Buch angefügt wurde, das nicht in Kapitel unterteilt war. Es ist keine Frage, daß auch Buch 7 von Babai stammt, ja vielleicht hat er selbst die Zusammenstellung von 1–6 und 7 vorgenommen. Ursprünglich aber muß Buch 7 ein selbständiger Traktat gewesen sein. Das Lemma zu Buch 7 betrachtet es u.  a. auch 41 Versio p. 233 n. 7, cf. textus p. 289 n. 1. 42 Textus p. III. 43 Das Lemma von L spricht von „Kapiteln“, in denen „De unione“ abgefaßt sei, und nicht von mēmrē; textus p. 1,7 (versio p. 1,7).

228–230 II. 

 97

als Epitome zum gesamten Werk, weil manches darin wiederholt wird. Buch 7 [229] erhält seine innere Gliederung von gegnerischen Aussagen, die der Reihe nach widerlegt werden, ohne jede Einleitung setzt das Buch gleich mit einer solchen Aussage ein. In c. 1–21 werden die Gegner und Autoren meist mit Namen genannt, das geschieht in Buch 7 nicht. Vaschalde hat hier die gegnerischen Sätze dankenswerterweise mit Anführungszeichen versehen, obwohl er im ganzen in seiner Übersetzung von „De unione“ im Gebrauch von Zitatzeichen nicht sehr konsequent ist. Viel wichtiger wäre natürlich zu wissen, ob und wie konsequent Babai selber in der Anwendung des syrischen Zitationszeichens lam (das ja auch einfach „nämlich“ heißen kann) ist. Sind damit gekennzeichnete Sätze eindeutig wörtliches Zitat? Oder wenigstens verläßliche Stichworte oder bloße Referate? Hat es etwas zu bedeuten, wenn in einem kurzen Text mehrere lam kurz aufeinander folgen, oder wenn lam überhaupt fehlt, obwohl der Satz eindeutig nicht die Meinung Babais widergibt (in Buch 7 ist das dreimal der Fall)? Und wieviel geht von solchen Unregelmäßigkeiten etwa auf Schreiber zurück? Diese Fragen werden bei interessanteren „Zitaten“ (?) als denen von Buch 7 erst wichtig, nämlich bei einem winzigen Theodor-Zitat c. 21 und noch mehr bei Anführungen aus Ḥenana c. 12. Nebeneinander gestellt ergeben die gegnerischen Sätze in Buch 7 folgendes Bild: Textus p. 252,24–26 (versio p. 205,7–9) „Verbum caro factum est, et ipsum est quod crucifixum est et passum est et mortuum“, et: „ipsum in natura sua et hypostasi sua et44 non alius, ne sint duo“. 260,13  f. (211,11  f.) Im ganzen (bekuleh) ist der Gott Logos, der fleischgeworden ist, gestorben. 263,30  f. (214,1) „Die Jungfrau hat Gott geboren, der fleischgeworden ist.“ 268,6  f. (217,7  f.) Caro verbi ipsa est hypostasis et natura eius. 272,24–26 (220,28  f.) „Non separo assumptum ab assumente, ne sint duo filii; sed45 ‚factum est caro‘.“ 274,5–8 (221,35–37) Quemadmodum corpus et anima sunt una hypostasis, homo, sic deus verbum et homo sunt una natura et una hypostasis constituta ex deo et corpore et anima. [230] 276,26  f. (223,36) „Misit deus filium suum et factus est de muliere“ (Gal. 4,4)46. 278,23  f. (225,22) „Gott, der fleischgeworden ist, ist Christus“. 279,22  f. (226,14  f.) „Sanctus deus, sanctus fortis, sanctus immortalis, qui crucifixus est pro nobis“. 280,16 (226,36) „Voluntate sua crucifixus est et mortuus est“. 283,22–24 (229,16  f.) „Confitemini vos sumere; non corpus et sanguinem dei, sed corpus et sanguinem hominis“.

44 „Et“ von mir nach dem Syrischen. – Im Folgenden mache ich nicht immer darauf aufmerksam, wenn ich Vaschaldes Latein in Kleinigkeiten dem Syrischen stärker anpasse. 45 Die Zitierung von Joh. 1,14 ist ihrerseits noch emmal durch lam gekennzeichnet; Vaschalde ergänzt: „dico: verbum“. 46 Der Kontext zeigt, daß der Bibelvers ein Argument der Gegner war, Vaschalde hat das richtig gesehen. Im „Buch der Sentenzen“ des Philoxenus (so de Halleux’s Bezeichnung für die „Tractatus tres de trinitate et incarnatione“, die Vaschalde als CSCO 9.10 herausgegeben hat) wird nach Ausweis des Bibelstellenregisters mit Ausnahme von Joh. 1,14 kein einzelner Vers so oft zitiert wie Gal. 4,4.

98 

 2.1 Die Christologie Babais des Großen

230, 231

Bei dieser Zusammenstellung habe ich das Vorkommen von lam strikt berücksichtigt: die erste Passage (p. 252) erscheint zerlegt in zwei Zitate (Vaschalde hat das zweite lam mit „quidem“ übersetzt, was ich weglasse), die drei Passagen (p. 260. 268. 274), die kein lam enthalten, reproduziere ich ohne Anführungszeichen. Läßt sich irgendein Sinn im Gebrauch oder Nichtgebrauch des syrischen Zitationszeichens erblicken? Anscheinend kann man das nur, wenn man den Inhalt der Aussagen betrachtet. Aus der Zusammenstellung ergibt sich, daß wir keinen fortlaufenden Text vor uns haben, sondern nur die Kernsätze eines solchen; dieser Text seinerseits polemisiert gegen antiochenische, genauer gegen nestorianische Theologie. Der Autor ist Monophysit, die von ihm vertretene Christologie zeigt philoxenianische Züge. Die „Zitate“ p. 260 und 268 sind eine solche Vergröberung der Christologie des Philoxenus, daß das nicht nur das Werk eines weniger begabten Epigonen sein kann, sondern daß mir darin bereits polemische Absicht zu liegen scheint. Dann wäre das Fehlen des zitierenden lam also skrupulöse und lobenswerte Genauigkeit Babais. Auch bei p.  274 ist der Schluß wohl bereits polemische Interpretation. Wahrscheinlich muß das Problem der Zuverlässigkeit bei jeder in Frage kommenden Stelle neu untersucht werden. Ich gehe hier jetzt einige besonders interessante Fälle durch. Im 9. Kap. zitiert Babai den Philoxenus unter Namensnennung mit seiner Auffassung vom Wunder: das eigentliche Wunder ist das, was den Inhalt der „Christologie des Werdens“ ausmacht. Die Meinung des Philoxenus wird eingeführt mit „dixit“, was das Zitatzeichen lam an sich überflüssig macht, trotzdem steht es da: [231] textus p. 76,29–77,8 (versio p. 62,14–21) „haec non dicenda esse signa et miracula quae fecit dominus noster: quod aquam in vinum mutavit, quod multiplicavit panem, quod sanavit aegros, quod eiecit daemonia, quod suscitavit mortuos; sed haec esse miracula et signa quae fecit: cum non esset homo, factus est homo; eum non esset finitus, conclusus est in ventre virginis, et natus est ex ea hypostatice, et suxit lac, et involutus est pannis; cum non esset passibilis nec mortalis, mortuus est et sepultus est et resurrexit“.

Daß dies tatsächlich die Ansicht des Philoxenus ist, wissen wir aus de Halleux’s Referat über den Kommentar zum Johannes-Prolog: „ce devenir constitue le miracle par excellence (f. 12r15r)“47, „le devenir de Dieu Verbe révèle mieux encore que ses miracles sa puissance, son immutabilité et sa grâce (f. 190v-192r; 193v-195v)“48. Babai gibt also hier mindestens ein relativ zuverlässiges Referat, relativ sage ich, weil Philoxenus ja nicht den Wundercharakter der Wunder leugnet, sondern mit dem noch größeren Wunder der Menschwerdung vergleicht. Stilistisch kann der Abschnitt sehr wohl von Philoxenus stammen. Im „Buch der Sentenzen“ III 3 gibt es für die Wunder des irdischen Jesus eine ähnliche Aufzählung (im Kontext polemisiert Philoxenus gegen die antiochenische Auffassung der Entstehung der menschlichen Natur Christi,

47 A. de Halleux, Philoxène de Mabbog, sa vie, ses écrits, sa théologie. Löwen 1963, p. 152. 48 Ibid. 158.

231, 232 II. 

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die er kräftig verzerrt darstellt, und das nach seiner Meinung falsch verstandene pro nobis, das die Folge daraus sei)49: „Et etiam ea quae fecit, causa nostri valuit facere; verbi gratia quod mundavit leprosos, aperuit oculos caecorum, sanavit morbos, curavit dolores, eiecit daemones, ambulavit super mare, compescuit ventos, multiplicavit panem, satiavit esurientes, suscitavit mortuos, aquam in vinum convertit, erexit curvos, stabilivit claudos, et omnia quae eum fecisse scriptum est“. Im 10. Kap. stellt Babai die Meinung des Paul von Samosata vor, diese Passage wimmelt von lam, eins davon ist falsch und überflüssig, und drei am Schluß kennzeichnen nicht Bibelzitate selbst, sondern deren Einleitungen, die den Kontext zusammenraffen (für diese vier Fälle siehe die Anmerkungen). Da die ganze Aussagenreihe mit „impie dixit“ eingeführt wird, hat der erste Satz ganz korrekt kein lam. Ich gliedere den Abschnitt den lam [232] entsprechend da, wo sie mir richtig gesetzt scheinen, durch Anführungszeichen: textus p. 89,9–28 (versio p. 83,8–25) „Dominum nostrum esse hominem simplicem, velut unum de prophetis et iustis, in quo voluntas divina habitavit; et enim initium habuisse ex Maria“; „et non exsistere filium aeternum patri consubstantialem, sed unam esse hypostasim naturae divinae“; „et nomen Christi denotare hominem unctum et esset sicut unus de unctis, qui per honorem vocatus est filius sicut Salomon“; non50 autem personam unionis duarum naturarum et duarum hypostaseon in una adhaesione filiationis; „et ex baptismo possedisse nomen filiationis, quia accepit gratiam spiritus sancti ut deus per eum adimpleret oeconomiam suam, secundum51 vocem in Jordane auditam: ‚Hic est filius meus dilectus in quo mihi complacui‘“; „et non esse deo filium naturalem, quia una est hypostasis dei“; „et hoc cognosci ex eo quod ipse Christus post baptismum, cum accepisset librum et legisset: ‚Spiritus domini super me; propterea unxit me, etc.‘ postquam50 legerat, dixit: ‚Hodie impleta est scriptura ista in auribus vestris, sicut50 illi, coram quibus legit, ‚testimonium ei dederunt‘52 se verbum eius ratum habere“.

Was hier vorliegt, ist eine Darstellung der Lehre des Samosateners vom Standpunkt der (jung)nicänischen Orthodoxie – Homoousie des Sohnes und Trinität in drei Hypostasen müssen gelehrt werden –, sie kann nicht älter sein als die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts; wenn also Babai wörtlich zitieren sollte, zitiert er diese Darstellung und leider nicht Paul selbst, die Quellenlage war damals schon nicht viel besser als heute, wie es scheint. Zum ersten Satz gibt es eine halbe Parallele bei Nestorius: „dicit Christum hominem solum et tunc solum initium habere ex quo de virgine natus est“53. Der Autor der von Babai benutzten Darstellung könnte Theodor von Mopsuestia sein, obwohl das reine Vermutung ist; seine Schmähung des Samosateners in den Katechetischen Reden, auch von Facundus zitiert, legt jedenfalls Wert darauf, daß Paul dem Eingeborenen keine Hypostase zuschreibt: „Ange de Satan, Paul de Samosate, qui dit 49 Ed. Vaschalde, Tractatus tres … Löwen 1907, textus CSCO 9 p. 208, 19–24 (versio 10, p. 155,6–11). 50 Hier steht ein lam, obwohl der Satz eindeutig nestorianische Interpretation ist. 51 Hier steht ein lam. 52 „Bezeugen“ stammt aus Lc. 4,22. 53 Sermo XVIII, ed. F.  Loofs, Nestoriana, p. 304,6–8.

100 

 2.1 Die Christologie Babais des Großen

232–234

qu’est simplement homme le Christ Notre-Seigneur et qui méconnait l’hypostase de la divinité du (Fils) Unique (existant) avant les siècles“54. [233] Im 12. Kap. zitiert Babai am Schluß den Ḥenana mit einigen wenigen konkreten Einzelaussagen, die trotz ihrer Kürze und geringen Zahl wichtig sind, weil uns ja vom schwarzen Schaf der Nestorianer fast nichts direkt überliefert ist. Guillaumont hat die Vorwürfe Babais gegen Ḥenana und seine Schüler bequem zusammengestellt55, mit reichlichen Belegen, dabei erscheint auch eine der hier aufgezählten Stellen. Den lam-Zeichen folgend, gehe ich mit dem Gebrauch der Anführungszeichen weiter als Vaschalde. Die Sätze werden eingeleitet mit „sic impie dixerunt“, daher hat der erste Satz kein syrisches Zitatzeichen: textus p. 137,31–138,2 (versio p. 111,6  f.) „Christus dicitur quia venit ad mensuras humanas“, et: „factus est ex infinito finitus, et cecidit sub mensuram quantitatis“56. 138,3–6 (111,9–12) „Christus est deus, et deus est Christus“, et: „hae appellationes nihil diversi denotant“; „quemadmodum nullum est discrimen inter unigenitum et primogenitum“, et „hae duae (appellationes) idem significant“.

Im Syrischen haben „Christus“ und „Maß“ die gleichen Radikale mšḥ, wie Vaschalde und Guillaumont schon anmerken, das entsprechende Argument ist daher nur im Syrischen sinnvoll. Das gibt ihm eine gute Chance, wirklich von Ḥenana zu stammen. Babai hat auf dies christologische Wortspiel bereits in c. 957 angespielt. Mit der Identifikation von „Eingeborenem“ und „Erstgeborenem“ setzt sich Babai am Ende des 17. Kapitels auseinander58: „si dixeris primogenitum, ipse est; si dixeris unigenitum, ipse est … verumtamen non secundum idem.“ „Derselbe“ ist Christus, das eine prosopon; die Bezeichnungen meinen für Babai nicht dasselbe, wohl aber denselben. Zum gleichen Problemkreis gehört eine Mitteilung über Ḥenanas Auffassung (es ist kein Zitat), die Babai im 20. Kap. macht59: „‚Jesus‘ operationem tantum denotat absque hypostasi humana, ut interpretatus est (pšq) Ḥenana adiabenus.“ Diesem Einwand, der auf der Mt. 1,21 gegebenen Namensdeutung beruht, sah sich schon Theodor von Mopsuestia gegenüber, vielleicht ist das Ḥenanas Quelle – obwohl der Einwand so nahe liegt, daß [234] man auch von selber darauf kommen konnte. Wenn man freilich wie Ḥenana an der Unterhöhlung der Autorität des „Interpreten“ arbeitete, war jeder ältere Bundesgenosse mit Sicherheit willkommen. Für Theodor steht fest (und ebenso für seine ganze Schule), daß „Jesus die Bezeichnung für den assump-

54 Hom. 13 (= 2. Rede über die Taufe), ed. R.  Tonneau/R.  Devreesse (Studi e testi 145), Citta deI Vaticano 1949, p. 381,12–14. 55 Les ‚Kephalaia gnostica‘ p. 189  ff. 56 Zitiert ibid. p. 190. 57 Textus p. 96,11  f. (versio p. 77,33), mit dem Kontext zitiert von Guillaumont p. 189  f. 58 P. 172,20  f. 24 (p. 139,14  f. 17). 59 P. 209,17–19 (p. 169,17  f.).

234, 235 II. 

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tus“60 ist, so wie von den Aposteln, welche Petrus und Paulus heißen; man könne auch so sagen: so (sc. Jesus) werde er benannt nach der Geburt aus Maria61. Theodors biblischer Beleg ist ohne Zweifel Lc. 1,31, wo Empfängnis, Geburt und Namengebung nebeneinander stehen. „Aber dazu sagen sie: der Name ‚Jesus‘ bedeutet Heiland, wie solle aber der Mensch Heiland genannt werden? Sie haben vergessen, daß auch der Sohn Nuns Jesus hieß“, dabei ist das noch nicht einmal sein Geburtsname, sondern er ist später so von Moses genannt worden; es ist aber klar, daß der Name nicht einem Menschen beigelegt worden wäre, wenn er die göttliche Natur bezeichnete62. Aus den winzigen Ḥenana-Zitaten, die nicht viel mehr sind als Stichworte, ist zu entnehmen, daß Ḥenana die traditionelle antiochenisch-nestorianische Argumentation mit den Namen Christi auf der gleichen Basis zu entkräften versucht, möglichst von der Wortbedeutung her. Seine neue, nur im Syrischen mögliche Erklärung des Namens Christus aus der zweiten Bedeutung von mšḥ wirkt freilich an den Haaren herbeigezogen. Aber gewiß hat Ḥenana um ihretwillen die gemeinchristliche Auffassung nicht aufgegeben. Nur auf den Vorwurf, daß er Gott der Endlichkeit unterwerfe mit seiner Form der Christologie, antwortet er mit dem Fündlein, daß eben die Bezeichnung „Christus“ für Gott (nämlich als fleischgewordene zweite Person der Trinität) gerade dieses auch beinhalte, daß der Fleischgewordene gemessen würde wie jedes endliche Wesen; und wenn „Gott“ und „Christus“ das gleiche bezeichnen, ist für den Fall der Inkarnation die Aussage der Begrenztheit auch für Gott zu machen. Für Babai dagegen ist die Vereinigung von Unendlichem und Endlichem in Christus ein Wunder, für das es keine Begründung außer der Tatsache selbst gibt. In Sachen der Titel „Christus“, „Eingeborener“, „Erstgeborener“ ist Ḥenanas Argumentation nicht sehr überzeugend  – wenn man schon auf dieser Basis operiert. Jedoch fehlt uns der gesamte Kontext, bestimmt mit Absicht. Was Ḥenana und Philo[235]xenus zu so gefährlichen Gegnern der antiochenisch Gesinnten machte, war ihre eigene ursprünglich antiochenische Ausbildung, die immer wieder spürbar ist. Selbst der Kernsatz der philoxenianischen Christologie vom „Werden ohne Verwandlung“ macht sich im Grunde die erlernte Methode zunutze, um sie gegen die ehemaligen edessenischen und dann nisibenischen Kollegen zu wenden: wenn man die zweite Hälfte von Joh. 1,14 a („und wohnte unter uns“) wörtlich zu nehmen habe, und zwar so wörtlich, daß die erste Hälfte („das Wort wurde Fleisch“) dadurch erst recht interpretiert werde, dann gebe es keinen biblisch (oder biblizistisch) zu rechtfertigenden Grund, warum das Umgekehrte nicht gelten dürfte. An dem Grundsatz der Unwandelbarkeit der Gottheit hält auch er fest (was seine Gegner als absurd betrachten, s. vor allem Ps. Nestorius).

60 De incarnat. lib. 12 (Leontius-Zitat), Swete II p. 304,14. 61 Ibid. l.14–16. 62 Aus dem nächsten Leontius-Zitat, ibid. p. 304,17–27.

102 

 2.1 Die Christologie Babais des Großen

235, 236

Schließlich sind hier noch zwei kleine Theodor-Zitate aus dem 21. Kap. zu besprechen, es ist auch die einzige Stelle in „De unione“, wo Theodor als auctoritas erwähnt wird. Kap. 21 ist wohl überhaupt der Höhepunkt des ganzen Werks. Das erste Zitat wird mit „dixit“ eingeleitet: textus p. 246,7  f. (versio p. 199,35  f.) „Unionem dicimus adhaesionem duorum, ubi unum quid63 reputantur secundum personam“.

Die zweite Hälfte dieses Satzes wird zehn Zeilen später wieder aufgenommen und mit lam als Zitat gekennzeichnet, außerdem sagt Babai jetzt „dicuntur“ für „reputantur“. Hinzugefügt wird mit einem neuen lam ein weiteres Zitat: 246,18  f. (200,9  f.) „Non secundum naturam sunt unum quid, sed secundum personam sunt unus filius, dominus, Christus, Emmanuel etc.“

Ich habe bisher diese Zitate nicht identifizieren können. Sie gehören sicher zusammen in den gleichen Kontext, ohne daß das zweite die direkte Fortsetzung des ersten wäre (was auch durch das zweite lam ausgeschlossen ist, wenn man es sensu stricto zu nehmen hat). Beide Zitate haben gemeinsam das Stichwort „unum quid“ und seine sachliche Füllung durch den Begriff prosopon. Den Gedankengang vom ersten Zitat zum zweiten kann man mit einiger Wahrscheinlichkeit rekonstruieren: zunächst gibt Theodor [236] eine sich allgemein gebende Definition von „unio“, dann spricht er von dem Fall, auf den die Definition angewendet werden soll (für den sie jedoch eigens erst geschaffen wurde), nämlich den christologischen, wo zwei Naturen durch synapheia vereint werden – diese Passage wird hier nicht zitiert; dann erfolgt schließlich die Anwendung mit dem Ergebnis, daß Christus „unum quid“ als prosopon ist. Es ist bemerkenswert, daß Babai den großen Meister nicht als Autortät für die Lehre von den zwei Hypostasen zitiert, sicher gab diese Stelle nichts dafür her, sonst hätte sich Babai das kaum entgehen lassen.

III. Babai versteht seine Monographie als systematisch ordnende Darstellung der von den Vätern überkommenen Lehre (versio p.  3). Die Väter ihrerseits stehen in der apostolischen Tradition die sich wiederum auf den Herrn gründet (p. 2). Kirchlichkeit und apostolische Tradition werden im ganzen Buch betont, natürlich auch in polemischer Absetzung (etwa bei der Lehre vom gegliederten, nicht kugelgestaltigen Auferstehungsleib) (p. 46. 84  f. 100. 111. 146; im vatikanischen Traktat p. 247).

63 Vaschalde sagt hier gegen die syrische Wortstellung „quid unum“, bei der Wiederaufnahme des Zitats schreibt er richtig „unum quid“.

236, 237 III. 

 103

Tatsächlich laufen bei Babai alle Stränge antiochenischer Traditionen zusammen, mehr oder weniger genau miteinander verknüpft, meist noch gut voneinander zu unterscheiden, vor allem wenn ein Ausgleich leicht divergierender topoi nicht ausdrücklich vorgenommen wird. So finden wir das gemein-antiochenische Theologoumenon des „liturgischen prosopon“ Christi, also die Einheit von Ehre, Macht, Anbetung, die dem einen Herrn schuldig ist; die theodorische Teilhabe-Christologie und -soteriologie wirkt nach (wogegen Theodors Tauftheologie und die eschatologische Katastasenlehre in den Hintergrund treten); wir finden das Theologoumenon des Offenbarungs-prosopon, das aus 1. Tim. 3,16 entwickelt wurde und von dem wir nicht wissen, wer es zuerst formuliert hat (vielleicht in Ergänzung des prosopon der Ehre), das aber wohl als edessenisch-nisibenischer topos betrachtet werden kann – daneben erscheint gelegentlich der Gedanke, den man aus Theodor und Nestorius kennt, daß die Menschheit Christi seine Gottheit verbirgt. Babai hat eine Vorliebe für adverbiale Neubildungen in der christologischen Nomenklatur, Vaschalde gibt im Textband von [237] „De unione“64 eine Liste solcher Adverbien und einiger entsprechender Abstrakta, die nicht bei Payne-Smith stehen. Aber auch sonst belegte Adverbien benutzt Babai gerne, zwei davon wirklich bis zum Exzess, beide der Unterstreichung der christologischen Einheit und ihrer Unauflöslichkeit dienend: „unitive“65 (mḥayyedāith) und „et in aeternum“ (walʿālam), das erste erscheint in „De unione“ und im vatikanischen Traktat mindestens 175mal, das zweite mindestens 115mal. „Et in aeternum“ stammt aus Hebr. 13,8: „Jesus Christus gestern und heute, derselbe auch in Ewigkeit“, manchmal wird auch der ganze Vers zitiert. Walʿālam ist so sehr festgeprägter Ausdruck, geradezu terminus technicus, daß das „et“ unter allen Umständen festgehalten wird, ob es nun syntaktisch paßt oder nicht; Vaschalde hat deswegen oft „et“ nicht übersetzt. Hebr. 13,8 wird offenbar als eine Art christologischer Definition betrachtet, wo jeder einzelne Bestandteil Fundamentalcharakter hat. Babai ist aber nicht der erste, der entdeckt hat, daß man „et in aeternum“ zum Ausbalancieren der nestorianischen Form der Zwei-Naturenlehre benutzen kann: in der von Guillaumont heraugegebenen Disputation unterstreicht der Nestorianer die Einheit ohne Trennung mit „continuellement et à jamais“ (amināith walʿālam)66. Babai fand also auch hier eine (nisibenische?) Tradition vor, aber hat er die Tradition walʿālam schon mit derartig einhämmernder Wirkung verwendet? Eine ältere Überlieferung versah die aus Hebr. 13,8 zu gewinnenden christologischen Elemente mit anderen Akzenten. Babai kennt auch sie und übernimmt sie an drei Stellen: textus p. 62,2–5 (versio p. 50,4–8); 263,23–30 (213,29–38); 272,19–22 (220,21–25). In dieser Tradition findet man im Hebräer-Vers beide Naturen Christi wieder, wobei „gestern und heute“ auf die menschliche Natur zu beziehen sind, „und

64 Nach p. VI.  Vaschalde gibt immer nur eine FundsteIle an. 65 In seltenen Einzelfällen übersetzt der Herausgeber auch anders. 66 Guillaumont, Justinien et l’église de Perse, p. 65 und f. 19r 1.21.

104 

 2.1 Die Christologie Babais des Großen

237, 238

in Ewigkeit“ auf die göttliche; die Einheit der Person wird ausgesagt durch „derselbe“. Es ist charakteristisch für Babai, daß er in allen drei Fällen die Darlegung beschließt mit seinem gewöhnlichen Refrain, daß die eine Person Christi eins sei „et in aeternum“. Die beiden Auslegungen von „et in aeternum“ sind ja nicht identisch, wenn eine die Gottheit meint, die andere die Einheit der Person – Babai fand aber nichts dabei, sie einfach zu addieren. Es ist klar, welche Auslegung ihm die wichtigere ist, es ist ebenso klar, daß es text- und sinngemäßer ist, „et in aeternum“ auf „ipse est“ zu beziehen, als auf die göttliche [238] Natur Christi. Ich zitiere hier die längste und ausführlichste der drei Passagen, zumal sie ein Standardtheologoumenon Babais ebenfalls enthält: Bewahrung der beiden Naturen, ihrer Eigentümlichkeit und daher auch ihrer Hypostasen, also die nestorianische Interpretation der Formel, die wir aus dem Tomus Leonis und der chalkedonensischen Definition kennen: versio p. 213,29–38 „‚Jesus Christus heri et hodie, ipse est et in aeternum‘ scilicet67, Christus servatur in natura sua et in hypostasi humana quae in tempore nata est ex beata Maria, et venit ad existentiam, et formata est per spiritum sanctum: quod est illud: ‚heri et hodie‘; et servatur in proprietate sua et etiam in hypostasi sua divina quae ab aeterno est, ante saecula, sine mutatione, ‚et in aeternum‘; illud autem: ‚ipse est‘, significat eum esse eamdem hanc unam personam, et hanc unionem non solutum iri nec confusum iri, et in aeternum‘“.

Ich habe die etwas artifizielle Zerlegung von Hebr. 13,8 in drei Belege für die beiden Naturen und die Einheit der Person die ältere Überlieferung genannt, weil Spuren davon sich bei Nestorius finden. In der antiarianischen Auslegung des Hebräerbriefs, die der Inhalt seines Sermo V ist, ist „der gestern und heute“ (gemeint ist: der, von dem zeitliche Aussagen gemacht werden) identisch mit dem „Samen Abrahams“ von Hebr. 2,1668. In der X.  Predigt werden die „saecula“ von Hebr. 13,8 auf die göttliche Natur bezogen, der Hauptgesichtspunkt ist jedoch, daß aus dem Vers hervorgeht, wie der Christusname ein Indiz für beide Naturen in ihrer Einheit ist69: „Interrogemus iam si nomen hoc, id est ‚Christus‘ … ad utraque designanda pertineat. ‚Jesus Christus‘ inquit ‚heri et hodie, ipse idem in saecula‘, sicut enim deus existens et homo, idem ipse secundum Paulum et novissimus et ante saecula, sicut homo quidem recens, sicut deus autem ante saecula“. Wenn ein Philoxenus-Zitat bei Dionysius bar Salibi, auf das schon Assemani aufmerksam gemacht hat und das de Halleux bespricht70, echt ist, dann kann man die Lehre von der Beseelung des menschlichen Leibes nach 40  Tagen, auch des

67 = lam. Also hier kein Zitationszeichen? 68 Loofs p. 234,16; p. 234,1–5 beschreibt Nestorius die arianische exegetische Methode, die den Text in kleinste Einzelbestandteile zerlegt; zur Widerlegung sei man gezwungen, auf diese Methode einzugehen. 69 Loofs p. 270,1–7. – Hebr. 13,8 als ganzer Vers als Beleg für die Einheit der Person in Sermo XVIII, p. 303,10–12. 70 De Halleux, Philoxène, p. 143 und p. 372 n. 34.

238–240 III. 

 105

menschlichen [239] Leibes Christi (bei bereits bestehender Vereinigung von Logos und Fleisch seit dem Augenblick der Empfängnis), die für Babai eine beträchtliche Rolle spielt, als bereits in Edessa ausgebildet betrachten. Bar Salibi führt in seinem LukasKommentar an71: „Philoxenus dicit: Verbum deus et caro ex Maria simul ad unionem cucurrerunt; et postquam verbum factum est caro, sicut dixit Johannes, et mansit quadraginta dies in membris et formis, animam rationalem accepit iuxta ordinem hominum quorum corpus, postquam perfectum est membris et formis per dies quadraginta, animam recipit; apparet inde quod verbum caro factum est, nam per ‚factum est caro‘ dicit: unitum est carni. Si quis dixerit: caro per hos quadraginta dies mortua erat, respondebis: vivens erat, quia vivebat vita divinitatis verbi. Et etiam in cruce, cum anima a corpore separata fuisset, corpus vivens erat vita divinitatis eius, quia haec non separata est ab alterutro. – Hic doctor est ex eis qui dicunt corpus prius esse anima“. Eine Parallelstelle dazu in den übrigen Werken des Philoxenus hat de Halleux nicht gefunden, bringt aber Aussagen bei, die Inkarnation und Beseelung als zwei Etappen unterscheiden; ihnen läßt sich allerdings eine andere gegenüberstellen, die den Beginn der Existenz von Fleisch und Seele mit dem Einzug des Logos in die Jungfrau gleichsetzt. Man könne an eine eventuelle Lehrentwicklung denken, noch eher aber daran, daß Philoxenus das Problem als theologisch unerheblich ansah. Von Babai kann man das nicht sagen. Die Beseelung Christi nach 40 Tagen wird ausführlich im 10. Kap. Von „De unione“ besprochen. Das Kapitel handelt vom Zeitpunkt, an dem die Vereinigung von göttlicher und menschlicher Natur in Christus stattgefunden hat. Babai geht alle Vorschläge in der zeitlichen Reihenfolge des Lebens Jesu durch – alle erweisen sich als falsch, da die Vereinigung vom ersten Augenblick der Empfängnis an besteht, es gibt bei Babai so wenig Jesus als einen psilos anthropos wie bei irgendeinem anderen Antiochener. Falsch ist es also auch, den Termin der Beseelung des Embryo 40 Tage nach der Empfängnis als Zeitpunkt der Vereinigung der Naturen anzusetzen (versio p. 82). Die Probleme, die sich aus der Geltung sowohl der christologischen These von der Vereinigung der Naturen im Augenblick der Empfängnis wie der anthropologischen von der Beseelung erst nach 40 Tagen ergeben, werden von Babai mit einigem Aufwand diskutiert. Die Definition des menschlichen Leibes als eines [240] gegliederten Organismus verwertet Babai auch in einem anderen theologischen Zusammenhang mit Erfolg, nämlich bei der Widerlegung von der Lehre eines kugelgestaltigen Auferstehungsleibes in Kap. 19. Ich stelle zunächst die anthropologische Anschauung dar (die ihrerseits z.  T. biblisch begründet wird) und lasse dann die christologische Verarbeitung folgen. Sehr knapp zusammengefaßt äußert sich Babai im vatikanischen Traktat, der mit einer Definition des Menschen und der Beziehung von Leib und Seele in ihm beginnt: der Embryo im Mutterleib ist bis zu seiner Beseelung „tanquam zoophyton, sine sensu, et cum incremento tantum“ (p. 235). Kap. 10 von „De unione“ führt das

71 Ed. Vaschalde, textus CSCO 113 p. 248,17–29 (versio 114 p. 201, 1–13).

106 

 2.1 Die Christologie Babais des Großen

240, 241

aus: Während dieser Zeit wird er gebildet, geformt, gegliedert, dann wird die Seele in ihm geschaffen; von da ab heißt er Mensch, denn der Mensch ist Leib und Seele, nicht (bloß) Fleisch und Seele; das Fleisch ist Bestandteil des Leibes aber nicht (selbst schon) in Gliedern geordneter Leib. Die Seele kann im Leib als ihrem Haus erst hypostatisch wohnen, wenn dieses Haus gebaut ist. Man weiß ja, daß die Seele den Leib verläßt, wenn die wichtigsten Glieder desselben, Herz oder Kopf, zerstört werden, das gilt pränatal genauso wie nach der Geburt. Die Seele wird im Leib von vornherein so geschaffen, daß ihre Vereinigung mit dem Leib vom Bestehen dessen wichtigster Glieder abhängt (p.  89). Die Tage der natürlichen Reinigung (der Frau nach der Geburt) sind Beweis für den Zwischenraum von 40 Tagen zwischen Empfängnis und Beseelung. Man findet das klar, genau und unzweideutig im Gesetz des Mose, die mosaischen Vorschriften sind der Beleg für die Beseelung nach 40 Tagen in Gestalt der Schöpfung der Seele im Leib. Der noch seelenlose Leib wächst in der Mutter wie eine Pflanze; weil das wachsende Wesen schwach und zart ist und dazu kalt, weil es der Seele ermangelt, die es belebt und bewegt, sammelt sich um es herum ein nicht abfließender Überfluß an; nach der Beseelung wächst es dann, so es gesund ist, aus weiter hinzutretender Materie, aus der es sich ernährt, heran. Nach erfolgter Geburt wird jener in den anfänglichen 40  Tagen angesammelte Überfluß, der die Funktion hatte, den Fötus weich zu betten, wieder abgegeben. Das dauert so lang wie die Ansammlung des Überflusses und ergibt die Reinigungsfrist von 40 Tagen. Was da ausgeschieden wird, gehört demnach nicht zur Einheit von Leib und Seele. Nicht nur ist die Reinigungsdauer eine Erfahrungstatsache, sondern es gibt auch Ärzte, die darüber geschrieben haben72. Die Schrift und das mosaische [241] Reinigungsgesetz machen die Sache ganz klar, und Babai zitiert Lev. 12,2–4. 6–8 (p. 94  f.). Auch im Philoxenus-Zitat oben dienen die 40 Tage bis zur Beseelung der ersten Formung und Gliederung des Fötus; die Zahl 40 wäre von ihm vermutlich auf die gleiche Weise begründet worden. Von Lexikon-Artikeln über „Beseelung“73 habe ich mich belehren lassen, daß Beseelung nach der Empfängnis, wobei dem männlichen Geschlecht 40, dem weiblichen Geschlecht aber 80 Tage zugemessen werden74, von „den meisten scholastischen Autoren“ (unter Verweis auf die gleiche Bibelstelle) vetreten wurde und daß diese Auffassung als aristotelisch galt. Doch ist Aristoteles (De generatione animalium) in dieser Sache nicht sehr deutlich, und in jedem Fall gibt er nicht diese (biblischen!) Fristen an. Waszinks Besprechung einschlägiger spätantiker und früher christlicher Autoren75 ergibt keinen Beleg vor Philoxenus, und die von Philoxenus benutzte und von Babai ausgebreitete Theorie erscheint bei Waszink 72 Hier würde man gern wissen, ob Babais Mediziner auch über die [241] Verknüpfung der 40-tägigen Reinigung mit der Beseelungslehre geschrieben haben, seine Formulierung läßt das offen. 73 DThC 1,2, col. 1309; LThK2 II, col. 294. 74 Vom weiblichen Fötus reden weder Philoxenus noch Babai, da sie an der christologischen Anwendung interessiert sind. 75 RAC 2, col. 176–183.

241, 242 III. 

 107

nicht. Man sieht jedoch nun, daß das entsprechende Stück scholastischer Gelehrsamkeit älter ist als die Scholastik und am Ende des 5. Jahrhunderts schon bekannt war. Nicht für die Frist von 40 Tagen, aber für die nachträgliche Beseelung überhaupt ist die zweite Schöpfungsgeschichte ein ausgezeichneter Beleg, besonders brauchbar, weil man von Adam einmal auf die allgemeinmenschliche Gültigkeit, zum andern auf die Besonderheit der Erschaffung des ersten Menschen und die noch größere Besonderheit der Geburt und Person Christi schließen kann. Das zweite ist der Anlaß für Babai, die beiden Stellen Gen. 1,26 und 2,7 unter dem Gesichtspunkt der Beseelung abzuhandeln. Dabei nimmt er es in Kauf, daß die nachträgliche Beseelung nicht ohne Konsequenz für den Begriff der imago dei ist. Die Schrift legt dar, wie zuerst Adam in allen seinen Gliedern geformt und zu einem Leib gemacht wurde, und dann erzählt sie die Erschaffung der Seele in ihm. Mit dem Gesicht (in das Gott blies) meint sie pars pro toto den ganzen Körper, ohne den Körper ist auch kein Gesicht da; Gesicht (appē) ist das prosopon76, in dem alle Organe der sinnlichen Wahrnehmung sitzen. Und dort, bei Adam, ge[242]schah mit der Annahme des Staubes seine Formung, auch wenn ihm die Seele noch nicht eingeblasen war, denn es war jetzt nicht mehr bloßer (šḥima) Staub, sondern durch seine Formung wurde er mit dem Bilde Gottes geehrt. Das alles hat auch pädagogische, belehrende Absicht: nämlich für die Engel, die aus der Differenz zwischen dem leblosen Adam vor der Beseelung und dem aufgerichteten und Gott lobenden Adam nach der Beseelung, der abgesehen vom Körper ihnen gleich ist, lernen sollen, daß Gott auch sie als vernunftbegabte Wesen aus dem Nichts erschuf. Von den beiden Teilen der einen Hypostase Mensch – dem Band der sichtbaren und geistigen Schöpfung – kann keine nicht Bild Gottes genannt werden, denn der zum Leib geformte Staub, auch wenn er noch nicht mit seiner Genossin, der Seele, vereint ist, ist nicht mehr Staub, sondern initium imaginis dei; die Einhauchung der Seele vollendet das Bild Gottes (versio p. 89,33  ff.). Für die Kyrillianer – und Babai nennt hier Eutyches und Severus, aber nicht Philoxenus (p. 83,32  ff.) – hat die unio naturalis et hypostatica zur Folge, daß eine Beseelung nach 40 Tagen nicht in Frage kommt, weil die unio naturalis und hypostatica nicht zweimal geschieht (p. 84,9  ff.)77. Auch für Babai findet die Vereinigung beider Naturen im Augenblick der Engelsverkündigung als dem der Empfängnis statt, aber die auf sie zutreffenden Eigenschaften sind nicht „naturalis et hypostatica“, sondern „voluntaria et personalis“78. Nach dem Grundsatz, daß jede der beiden Naturen auch in der Vereinigung ihre Eigentümlichkeiten bewahrt, hält sich die menschliche Natur

76 Die christologische Assoziation, die sich einstellt, ist beabsichtigt, vgl. im Folgenden „Annahme“ und šḥima = psilos. 77 Die Passage ist von lam durchsetzt; all diese wohl severianischen Stichworte müßten noch identifiziert werden (ebenso p. 88,24–30). Es wird nicht deutlich, ob diese Gegner die nachträgliche Beseelung ausdrücklich bekämpfen. 78 Textus p. 91,2–21 (versio p. 84,23–85,4), wo diese Bestimmung vorkommt, ist eine zusammenfassende christologische Formulierung, Babais; was hier steht, ist ihm besonders wichtig. Die Dignität

108 

 2.1 Die Christologie Babais des Großen

242, 243

in Christus an ihre taxis; nach Hebr. 4,15 ist Jesus abgesehen von der Sünde uns in allem gleich – dazu allerdings kommt weiter die wunderbare Jungfräulichkeit seiner Mutter (dies ist ist ein Punkt, an dem Babai ganz orthodox und korrekt lehrt, virginitas in partu eingeschlossen). Dieser Grundsatz impliziert, daß in der vom ersten Moment an bestehenden Vereinigung von göttlicher und menschlicher Natur (welche Einheit in Ewigkeit unauflöslich ist!) [243]) „der Mensch unseres Herrn“79 zunächst noch nicht ganz fertig ist, „sein beseelter hypostatischer Charakter (qnomtānuthā) ist noch nicht vollendet“ (versio p. 86,15  f.). Auch das Nicänum liefert einen Beleg für die nachträgliche Beseelung Christi, denn dort heiß es zunächst „eum incarnatum esse“, und dann fügen die Väter hinzu „inhumanatum“, was für Babai bedeutet „durch die vernünftige Seele“ (p. 87,27  f.). Die Lehre von der nachträglichen Beseelung durch Erschaffung der Seele im gerade gegliederten Fötus hat auch eine nützliche Spitze gegen Origenes und seine präexistenten Seelen, die in die Leiber zur Strafe geschickt werden (p. 88,22  f.)80. Vom Augenblick der Empfängnis an ist das noch nicht beseelte Fleisch die Wohnung und der Tempel der Gottheit, die die menschliche Natur zu ihrem prosopon angenommen hat, durch sie wird es geformt und gegliedert und wird die Seele in ihm geschaffen; es wird also nicht zuerst der Mensch konstituiert, damit dann der Logos in ihm Wohnung bezieht81, sondern vom ersten Moment der Empfängnis besteht die Einwohnung des Logos. Hier muß sich Babai daran erinnern, daß eigentlich der hl. Geist Jesus „bildet“82, aber vom Logos gilt dazu, daß er im Menschen „unitive“ wohnt – und der Vater hat Wohlgefallen daran (womit das gefährliche Stichwort eudokia aus der älteren antiochenischen Christologie einen geeigneten Platz in der Relation zwischen Trinitätslehre und Christologie zugewiesen erhalten hat) (p. 91,24  ff.). Selbstverständlich ist keine Rede davon (ebensowenig wie bei den Gegnern), daß die Vereinigung mit dem Gott Logos zweimal geschieht, auch nicht mit dem unsterblichen Auferstehungsleib, es ist immer dieselbe unauflösliche Einheit, die sich durchhält. Bei der Beseelung tritt die Seele nicht von außen in den Leib ein, sie wird in ihm geschaffen wie in allen anderen Menschen, noch tritt der Logos von außen in die Seele Christi ein, um in ihr zu wohnen (p. 92). Selbst während der Grabesruhe Christi, wo die Seele sich vom Leibe trennt, um ins Paradies zu fliegen, ist der Logos unauflöslich mit beidem verbunden, und der Wiedereintritt der Seele in den Leib bei der Auferstehung bedeutet keine neue Vereinigung des Logos mit der menschlichen Natur, weil diese Einheit unauflöslich und unveränderlich immer weiter bestand (p. 93).

der Stelle wird unterstrichen durch die einrahmenden Sätze: es handle sich mit dem hier Gesagten um das Bekenntnis der Kirche Christi. 79 Diese Bezeichnung ist entwickelt aus dem kyriakos anthropos. 80 Cf. den 1. Anathematismus gegen Origenes von 543, woraus dies Anfang und Schluß sind. 81 Dies ist die Meinung, die Philoxenus im „Buch der Sentenzen“ unermüdlich den Antiochenern unterschiebt. 82 Lc. 1,35!

244, 245 III. 

 109

[244] Man wird sehr wohl urteilen müssen, daß eine Einheit, von der solche Aussagen gemacht werden können, nicht locker und ungenügend ist, sondern im Gegenteil von wirklich einzigartiger Festigkeit, die ja zudem ausdrücklich als ewig gültig bezeichnet wird. Sachlich betrachtet ist sie mehr als eine hypostatische Union, denn die hypostatische Union von Leib und Seele (für diese vgl. man für viele andere Stellen den Beginn des vatikanischen Traktats) ist lösbar und wird auch gelöst, die beiden Naturen in Christus sind aber nie mehr voneinander zu lösen, und ihre Einheit übersteht alles, was die menschliche Natur in Werden, Vergehen und Auferstehen durchmacht. Das liegt ohne Zweifel an der Göttlichkeit der göttlichen Natur in Christus, so daß ihre Präponderanz durch ihr Wesen selbst sich auswirkt, bei aller scheinbaren Symmetrie der christologischen Konstruktion. Gerade die Erwägungen über die nachträgliche Beseelung zeigen den Logos buchstäblich personbildend. Das Irritierende und Irreführende ist, daß der Begriff prosopon trotzdem bei Babai immer seinen alten Sinn beibehält: was man von außen sieht, was man vor Augen hat. Am deutlichsten wird das bei den vielen Erklärungsversuchen mit Hilfe von Beispielen für die Einheit der beiden Naturen in Christus. Wenn man auch jedesmal strikt auf Babais Hinweise zu achten hat, daß die Beispiele immer nur eine annäherungsweise Ähnlichkeit hätten, und wenn auch in jedem Fall das tertium comparationis exakt erhoben werden muß83, es bleibt die Tatsache, daß die Beispiele (am deutlichsten die Sonne im Spiegel) eine nur von außen als solche erscheinende Einheit belegen. Wenn Babai im eigentlichen Sinne christologisch redet, ist nicht zu übersehen, daß er mehr meint und Tieferes meint. Aber selbst das so unbefriedigende Gleichnis von der Sonne im Spiegel hat auch noch einen zur Deutung von Babais Intention positiv verwendbaren Zug: die unermeßliche Differenz zwischen den sich vereinigenden Naturen, die die Tatsache ihrer Vereinigung zu einem Wunder macht. Luise Abramowski [245] Discussion Guillaumont. – J’ai suivi votre conférence avec un grand intérêt. Vous avez beaucoup insisté sur le rôle de Babai dans la formulation des deux hypostases. C’est un fait que, quand on parcourt les actes des synodes de l’Église nestorienne au cours des Ve et VIe siècles, on ne voit dans aucune des confessions de foi l’affirmation explicite des deux hypostases. Vous mentionnez l’assemblée des évêques de 612: c’est, semble-t-il, la première fois, que l’on voit formulée, d’une façon nette, la confession des deux hypostases. Vous avez dit que cette confession de foi fut inspirée par Babai, et, de fait, on

83 Es würde sich lohnen, die verschiedenen Vergleiche auch positiver Art mit dem Verhältnis von Leib und Seele zueinander bei Babai zusammenzustellen, wobei die Unterordnung des Vergleichs unter das jeweils Intendierte das Entscheidende wäre.

110 

 2.1 Die Christologie Babais des Großen

245

remarque un complet accord entre elle et la christologie de Babai. Serait-ce celui-ci qui aurait, pour la première fois, formulé aussi nettement les deux hypostases? Je me permets de rappeler que j’ai publié, en 1970, dans les Dumbarton Oaks Papers (no 23–24), le texte d’une discussion qui fut organisée, je pense peu après la paix de 561, entre des théologiens orthodoxes et une délégation de théologiens nestoriens venue de Perse et conduite par Paul de Nisibe. Dans ce texte, on voit les théologiens nestoriens affirmer et défendre, de façon tout à fait explicite, la doctrine des deux hypostases; c’est déjà la christologie de Babai. Il apparaît donc que celui-ci ne fut pas le premier, dans l’Église de Perse, à formuler explicitement la théorie des deux hypostases. Son influence, sur ce point, semble cependant avoir été décisive, car, apres lui, les professions de foi des synodes nestoriens contiennent régulièrement l’affirmation des deux hypostases, alors qu’auparavant il n’en est pas fait mention.

2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen1 I Über die Gestalt des Auferstehungsleibes Im 19. Kapitel von „De unione“2 bekämpft Babai die Lehre vom kugelgestaltigen Auferstehungsleib, die die Ḥenana-Anhänger aus spiritualistischen Motiven vertreten, mit seiner schon bei anderer Gelegenheit3 verwendeten Definition des menschlichen Leibes, auch des Leibes Christi, als eines gegliederten. Auch der Auferstehungsleib sei selbstverständlich gegliedert. Autorität für diese Definition des menschlichen Leibes ist Paulus mit I.  Kor. 124. Zur weiteren Klärung bedient sich Babai der syrischen Synonyme für „corpus“ und unterscheidet sie als „Leib“ (pagrā) und „Körper“ (gušmā) (Vaschalde hilft sich, indem er gušmā mit „materiale“ übersetzt). Das Gegliedertsein ist das Mehr des Leibes gegenüber dem (bloß Raum verdrängenden, physikalischen) Körper (textus p. 182,6–9; versio p. 147,17–20): „Alles was Leib hat, ist auch Körper; aber nicht jeder Körper ist Leib; es wird auch nicht Leib genannt, was keine Glieder besitzt, denn siehe, Steine und Hölzer und Heu und Staub heißen niemals Leib“. Die Stellen bei Paulus über die Auferstehung, die [290] Babai darauf zitiert, reden jedenfalls alle von pagrā, „Leib“, sei es von unserem oder vom Leib Christi, es muß sich also immer um einen gegliederten Leib handeln. Das Gegliedertsein des menschlichen Leibes ist ein alter topos der Auseinandersetzung mit den Vertretern der sphäroiden Auferstehungsgestalt5, doch wird er von Babai mit großer Lebendigkeit verwendet. Gewiß hat „Kugel“ als mathematischer oder physikalischer Begriff die gušmā-pagrā-Argumentation veranlaßt. Brockelmann verweist im Lexikon unter gušmā Nr. 2 auf eine Passage bei Theodor bar Koni, wo diese Vokabel den mathematischen oder physikalischen Körper meine6. Sie steht in der

1 Vergleiche L.  Abramowski, Die Christologie Babais des Großen, in Symposium Syriacum 1972 (= Or. Chr. Analecta 197), Rom 1974, p. 219–244 [hier in diesem Band S. 89–110]. [Aus technischen Gründen wird die mit jeder Seite neu beginnende Fußnotenzählung des Originals hier fortlaufend geführt – d. Red.] 2 Ed. A.  Vaschalde, CSCO 79. 80 (Script. Syri 34. 35), Löwen 1915. 3 „De unione“ c. 10, besprochen Abramowski, Christologie Babais, p. 239  ff. [hier in diesem Band S. 105–109]. 4 Versio p. 147. – Zur Vereinfachung zitiere ich im Folgenden oft nur den Übersetzungsband, doch ist selbstverständlich von mir selber das syrische Original immer herangezogen worden. Häufig habe ich Vaschaldes Latein dem Syrischen stärker angeglichen, aufmerksam mache ich darauf nur in interessanten Fällen. 5 S. unten p. 291 n. 4 [hier in diesem Band S. 112 Anm. 7]. 6 Theodor bar Koni, Liber Scholiorum, ed. A.  Scher (CSCO 55 = Script. Syri 19, kein Übersetzungsband [trad. R.  Hespel/R.  Draguet, CSCO 448 und 463 = Script. Syri 194 und 197 – d. Red.]), Löwen 1910, p. 55. – Eine andere mögliche Differenzierung zwischen pagrā und gušmā notiert A.  Guillaumont, Les ‚Kephalaia Gnostica‘ d’Evagre le Pontique et l’histoire de l’origénisme chez les grecs et les syriens, Paris https://doi.org/10.1515/9783110647419-007

112 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

290, 291

zweiten memrā des Scholienbuches, diese memrā handelt vom Menschen als imago dei. Auf die Frage „Was ist Leib (pagrā)“ wird die Bestimmung gegeben: „Ordnung (wörtlich: Aufreihung) in natürlichen Gliedern und umgrenzt entsprechend der Weisheit, die sie gegründet hat“ – von der „Anordnung“ der Glieder, die für den Leib konstitutiv ist, spricht Babai mehrfach im 10. Kapitel von „De unione“. Theodor b. Koni fragt als nächstes nach dem Unterschied zwischen gušmā und pagrā: ein Leib ist auch Körper, aber nicht jeder Körper auch Leib – dazu vergleiche man das Babai-Zitat oben. Bei Theodor wird dann „Leib“ noch als lebendig und mit Sinneswahrnehmung ausgestattet definiert, wogegen „Körper“ wieder der allgemeinere Begriff ist, unter den auch nicht lebendige Körper fallen. Schließlich wird „Körper“ als dreidimensional bestimmt. Es ist klar, daß Babai und Theodor b. Koni aus der gleichen Tradition schöpfen und deren Bestimmungen zitieren bzw. benutzen. Die Einzelheiten der Polemik Babais gegen den sphäroiden Auferstehungsleib und die von ihm mitgeteilten Argumente seiner Gegner referiert Guillaumont in seiner Euagrius-Monographie7, [291] ich brauche sie hier deshalb nicht zu wiederholen. Während Guillaumont es 1962 noch dahingestellt sein läßt, ob Babais Klassifizierung seiner Gegner als Origenisten ein polemischer Trick sei oder nicht8, ist er jetzt der Ansicht, daß der Vorwurf des Origenismus einen Anhalt an der Realität habe9; dieser Meinung schließe ich mich an. Wir hätten darin einen weiteren Beleg für Beziehungen Ḥenanas zur griechischen Theologie des 6. Jahrhunderts zu sehen, in diesem Fall zu der der origenistischen Mönche Palästinas, auch wenn man nicht gleich wie Labourt es für „wahrscheinlich“ zu halten braucht, daß Ḥenana bei ihnen studiert habe10. Guillaumont verfolgt auch den topos vom sphäroiden Auferstehungsleib, der weder direkt aus Origenes noch aus Euagrius abzuleiten ist, soweit wie möglich durch die patristische Literatur zurück (die älteste Anspielung darauf scheint sich bei Methodius zu finden)11. Ergänzend zu den Literaturverweisen bei Guillaumont ist anzumerken, daß E.  R. Dodds im Kommentar seiner Ausgabe der Elementa Theologica des Proklus den sphäroiden Auferstehungsleib der Anathemata von 543 und 553 versuchsweise mit dem neuplatonischen ὄχημα, dem Seelenvehikel, zusammenbringt, denn auch dieses ist kugelgestaltig wie der menschliche Schädel, die Sterne, das All12. Aber die 1962, p. 114 n. 149: der syrische Übersetzer der Zenturien sagt pagrā für den Leib aus Fleisch, gušmā für die Leiber aus einer anderen Zusammensetzung (Engel, Dämonen, vergeistigte Leiber), während das griechische Original vermutlich beide Arten mit dem einen Wort σῶμα bezeichnete. 7 Guillaumont, ‚Kephalaia‘, p. 191  f. 8 Ibid., p. 195  f. 9 A.  Guillaumont, Justinien et l’église de Perse, Dumbarton Oaks Papers 23/24 (1969/70), p. 61. 10 J.  Labourt, Le christianisme dans l’empire perse sous la dynastie sassanide (224–632), Paris 1904, p. 280. 11 Guillaumont, ‚Kephalaia‘, p. 143 mit n. 74, p. 114 mit nn. 12 Proclus, The Elements of Theology, ed. E.  R. Dodds, Oxford 19632, p. 308 zur prop. 210 des Proklus. Ibid. n. 3 eine hübsche Variante: „According to Olympiodorus in Alc. p. 16 it is egg-shaped; having been distorted out of perfect sphericity by its association with the material body“. Im Nachtrag p. 347

291–293

I Über die Gestalt des Auferstehungsleibes 

 113

Tatsache, daß die Vokabel ὄχημα in der immer wieder entstehenden Debatte über den kugelgestaltigen Auferstehungsleib nicht fällt, scheint mir gegen die Vermutung zu sprechen, daß das neuplatonische Seelenvehikel der Ursprung dieser uns so merkwürdig anmutenden [292] Auffassung sein könnte. Bei Euagrius kommt in den Zenturien zwar zweimal markabthā vor (I 67; II 51), was Guillaumont mit „un char“ übersetzt13 und was nur ὄχημα sein kann; aber weder sagt Euagrius von diesem vehiculum, daß es kugelgestaltig sei, noch bezeichnet er den geistigen oder Auferstehungsleib damit. In I 67 könnte ebensogut organon dastehen, sonst von Euagrius gerne benutzt, es ist die praktikē, die das vehiculum der Seele zum Erlangen der Gotteserkenntnis abgibt14. II 51: „Vehiculum des Wissens (sind) Feuer und Luft; vehiculum aber des Nichtwissens (sind) Luft und Wasser“, setzt allerdings neuplatonische Anschauungen über das Zustandekommen von ὄχημα voraus, man vergleiche das Referat über Aussagen des Porphyrius bei Dodds15. Aus dem stoischen Material, das Joh. Bauer zu den „corpora orbiculata“ zusammenstellt (Hieronymus hatte schon die Kugelgestaltigkeit als stoisch bezeichnet)16 und das z.  T. stark ethisch akzentuiert ist (Kugel als vollkommene Form!), kann man den Eindruck gewinnen, daß von hier aus, nämlich der Kugelgestalt der vom Leibe befreiten Seele, ein Einfluß auf die neuplatonische Vorstellung von ochēma der Seele ausgegangen ist; das neuplatonische Seelenvehikel hat ja ohnehin etwas unpassend Materialistisches an sich. Das sphäroide Seelenvehikel der Neuplatoniker und der sphäroide Auferstehungsleib mancher christlicher Spiritualisten hätten dann ein Ursprungselement gemeinsam, ohne daß man das eine aus dem anderen ableiten müßte. Die Diskussion über die Gestalt des Auferstehungsleibes ist ein Ableger der Debatte über die Identität von irdischem Leib und Auferstehungsleib, wobei sich Vertreter wie Leugner der [293] Identität auf die gleichen paulinischen Texte, I.  Kor. 15, beriefen17. Für Babai ist es natürlich derselbe Leib, der aufersteht; unter den Irrtümern über den Auferstehungsleib, die er zu Beginn des 19. Kap. aufzählt, ist die These vom

vermerkt Dodds den Nachweis von Chadwick und Festugière, wonach die vermeintliche Belegstelle. für den kugelgestaltigen Auferstehungsleib bei Origenes (De oratione 31,3) die Himmelskörper meint. Über das ὄχημα bei Proklus und den Neuplatonikern cf. bei Dodds das griechische Register s.v. und das allgemeine Register s.v. „body“ – „‚first‘ (astral) body“. 13 Les six centuries des ‚Kephalaia Gnostica‘ d’Évagre le Pontique, ed. A.  Guillaumont, Patr. Orient. XXVIII, I, p. 49 und 81 (auch die abgemilderte „Vulgata“ hat die Vokabel, p. 48 und 80). 14 Dieser ethische Gebrauch auch bei Gregor von Nyssa, wie mich mein Bonner Kollege R.  Hübner belehrt. 15 Dodds, o.c., p. 318 (in der Appendix II „The Astral Body in Neoplatonism“, p. 313–321). 16 Joh. Bauer, Corpora orbiculata. Eine verschollene Origenesexegese bei Pseudo-Hieronymus. Zeitschr. f. kath. Theologie 82 (1960), p. 333–341. – Bauer sieht noch in De orat. 31,3 einen Beleg für die Kugelgestalt der geistigen Körper bei Origenes. Sein Nachweis des origeneischen Materials im ps. hieronymianischen Hiob-Kommentar ist gerade im Punkt der sphäroiden geistigen Leiber nicht geglückt, obwohl die übrigen Parallelen überzeugend sind. 17 Guillaumont, ‚Kephalaia‘, p. 115 n. 153.

114 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

293, 294

„anderen“ Leib die vierte. Alles, was bei Paulus über die Unterschiede zwischen dem irdischen Leib und dem auferstehenden Leib gesagt wird, ist auf denselben Leib zu beziehen. Ich glaube nicht, daß man Babai überinterpretiert, wenn man sagt, das Festhalten an der Identität des Leibes akzentuiere das Neue, das durch die Auferstehung aus dem Alten wird. Aus I.  Kor. 15,51  f. liest er Folgendes heraus: „Und siehe, der ganze Mensch wird verwandelt, in seinem Leib und in seiner Seele, indem er aufgerichtet und gesegnet wird“ (textus p. 182,16  f.; versio p. 147,26–28), – womit Babai die Verwandlung in Analogie zur Erschaffung des ersten Menschen bringt18, sie ist Neuschöpfung. Die Verse 53 und 42–44 besagen: „Und siehe, ebenderselbe Leib, der gesät wird, nachdem er sterblich wandelte und durch seine Seele dieses zeitliche und leidende Leben lebte, derselbe lebt unsterblich durch die Kraft des heiligen Geistes und bleibt unsterblich“ (textus p. 182, 24–28; versio p. 147,35–148,3)19. Also: derselbe Leib vor und nach der Auferstehung, er lebt vor und nach der Auferstehung, aber es ist ein jeweils ganz anderes Leben, weil es aus zwei verschiedenen Quellen fließt. Es ist derselbe Leib, aber „er wird in seiner Natur erneuert zur Unsterblichkeit“ (p. 183,13  f.; p. 148, 18  f.). Dieser Leib ist „unsterblich und unvergänglich und leidensunfähig, und ihm mangelt nichts“ (p. 188, 14  f.; p. 152, 26  f.). Auf der Basis der Identität von irdischem und Auferstehungsleib leistet es sich Babai, der paulinischen Unvergänglichkeit der durch die Auferstehung erneuerten menschlichen Natur Christi die körperlichen Einzelheiten aus den Auferstehungsgeschichten [294] der Evangelien strikt unterzuordnen. Er tut das, indem er sie zu Wundern erklärt, die eigens für den betreffenden Augenblick herbeigeführt werden. Wie seine Gegner steht Babai also unter dem spiritualisierenden Einfluß von I.  Kor. 15; da wo es theologisch irrelevant ist, hat er keine Hemmungen, etwas an der äußeren Erscheinung des Auferstandenen für bloßen Schein zu erklären, seine Gewänder nämlich. Folgendes entwickelt Babai: Wie es vor der Auferstehung drei Wunder gab, die weit erhaben über die menschliche Natur des Herrn waren und die Kraft der Gottheit zeigen sollten, die in ihr „unitive“20 und in einer synapheia wohnt (das sind Jungfrauengeburt21, Wandel auf dem Wasser, Verklärungsgeschichte), so tat unser Herr nach der Auferstehung Wunder, die geringer22 waren als der nunmehr mangellose, 18 Vaschalde übersetzt: „… anima sua, integer et benedictus“. Babai spielt aber, was gar nicht leicht zu erkennen ist, mit diesen Worten auf die Schöpfungsgeschichte an; zu „aufgerichtet“ vergleiche man die Darstellung im 10. Kap. (s. Abramowski, Christologie Babais, p. 242 [hier in diesem Band S. 107]; versio p. 90,14  f.); „gesegnet“ stammt aus Gen. 1,28. 19 So gesagt, gilt das für die Christen; in Bezug auf Christus müßten diese Aussagen durch solche über den Logos in seiner Verbindung mit der menschlichen Natur ergänzt werden. 20 Abramowski, Christologie Babais, p. 237 [hier in diesem Band S. 103  f.]. 21 Ein Wunder, das die Kraft der Gottheit des Auferstandenen erweist, ist der Eintritt durch die verschlossenen Türen zu den Jüngern. Babai erwähnt es deshalb als vergleichbar mit der Jungfrauengeburt im Anschluß an diese (versio p. 153,2–5) und nicht etwa unter der speziellen Klasse der Wunder, die „geringer“ sind als der auferstandene Leib. 22 Cf. die vorhergehende Anmerkung.

294, 295 

I Über die Gestalt des Auferstehungsleibes 

 115

unsterbliche, leidensunfähige Leib; ihre Funktion war, die Zweifelnden darin zu bestärken, daß es derselbe Leib war, der wie verheißen aus dem Grabe auferstand (versio p.  152, 18  ff.). Entsprechend den drei Wundern, die auf die Gottheit Christi hinweisen sollen, sind es auch drei Wunder, die die Leiblichkeit des Auferstandenen anzeigen (versio p. 154, 19). Die erneuerte Auferstehungsleiblichkeit wird in diesen Geschichten zum Nutzen der Jünger also als eine irdischere dargeboten, als sie wirklich ist: obwohl sie leidensunfähig ist, kann sie die Wundmale vorweisen, obwohl sie bedürfnislos ist, nimmt sie Speise zu sich – dies ist es, was Babai sagen will. Was die Dreizahl der Wunder angeht, so habe ich mit dem Zählen Schwierigkeiten, weil anders als bei den Göttlichkeitswundern des irdischen Jesus Babai nicht selber ausdrücklich zählt. Eindeutig ist das erste Wunder, auch am breitesten abgehandelt: die Wundmale des Auferstandenen (versio p. 154,21  ff.), das zweite muß Essen und Trinken des Auferstandenen sein (p. 156,18  ff.), das dritte seine Kleidung, trotz ihrer kerygmatischen Bedeutungslosigkeit (p. 156,35  ff.). Im einzelnen sieht das so aus: Der Leib stand unvergänglich [295] auf, (deswegen) waren keine aufgerissenen und eingegrabenen Wundmale an ihm; „er machte“ sie „an ihm“ (textus p. 190,26; versio p. 154,22) in dem Augenblick, da er Hände und Füße seinen Jüngern vorwies. Trotzdem sind es wirkliche, echte Wundmale (siehe das mehrfach wiederholte „wahrhaftig“ textus p. 190,28. 30. 31, „in Wahrheit“ p. 191,3), keine phantasmata. Bei den Jüngern taten sie jedenfalls ihre Wirkung. Nach der Auferstehung war den Jüngern zunächst die Besonderheit und Einzigartigkeit der Auferstehung Jesu nicht klar: sie wußten nicht, daß er zur Unvergänglichkeit auferstanden war, sondern hielten das für eine Auferstehung zur (erneuten) Vergänglichkeit wie bei Lazarus und den von den Propheten Auferweckten. Solche Auferweckten trugen vielleicht ihre alten und neuen Narben und Wunden an sich (womit Babai meint, daß Christus mit der ad-hoc-Produktion der Wundmale an seinem jetzt unvergänglichen Leib auf eine mögliche Erwartungshaltung der Jünger einging, da sie es ja besser nicht wußten; hier sieht man wieder, wie sehr die Betonung der Unvergänglichkeit mit der Betonung der Leiblichkeit in Konkurrenz treten kann). Nachdem die Jünger durch Anschauen und Betasten Christi zum Glauben gebracht worden waren, wurden die Wunden wieder der unsterblichen, unvergänglichen Natur, die keine Wunden hat, angeglichen, der Natur, in der er auferstanden war und in der es keine Wundmale gibt (textus p.  191,14  ff., 192,4  ff.; versio p. 155,3  ff., 23  ff.); kurz: die Wundmale verschwinden und der Leib verbleibt in der Unvergänglichkeit seiner Natur (textus p. 192,19–21; versio p. 156,1  f.). Kombiniert mit dieser Erläuterung des Wundercharakters der Wundmale ist ein Vergleich mit der Verklärungsgeschichte, der zweifach ausgewertet wird. Dort auf dem Berge sollte der verklärte Leib den Jüngern die Tatsache seiner Vereinigung mit der göttlichen Natur erweisen, ihnen auch die Herrlichkeit des zukünftigen Auferstehungsleibes vor Augen führen, und wie dann dieses unaussprechliche Licht wieder bedeckt wurde, so geschah es auch nach der Auferstehung. Wie damals verbarg er den Glanz mit der „fleischlichen Farbe der Sterblichkeit“ bis zur Himmelfahrt (textus p. 191,18–192,2; versio p. 155,6–21). Dies ist die erste Auswertung des Vergleichs. Dann

116 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

295–297

wiederholt Babai das Argument (er sagt das ausdrücklich; solche Wiederholungen zur besseren Einprägung und zur weiteren Klarstellung gibt es mehrfach in „De unione“), und dabei verschiebt sich der Akzent: [296] Wirklichkeit der Herrlichkeit auf dem Verklärungsberg, Wirklichkeit des vorgezeigten sterblichen Fleisches nach der Auferstehung. „Quemadmodum gloria illa splendens quam in monte ostendit vere erat, et deinde corpus eius in natura sua sicut omnia corpora quae adhuc in mortalitate sunt erat in colore carnali et in ceteris, sic et post resurrectionem vere eis ostendit colorem carnis mortalis sicut colorem omnium hominum, absque gloria sua, celans gloriam suam velo cuius causa potuerunt ad eum accedere et cum eo conversari“ (textus p. 192,10–18; versio p. 155,30–3623).

Die Wirklichkeit gilt dann auch für die Aufnahme von Speise und Trank durch den Auferstandenen; wie die Wirklichkeit des Verklärungsglanzes geheimnisvoll24 war, so auch das, was mit Speise und Trank im Auferstandenen geschieht: seine heiligen Hände führen die Speise in seinen heiligen Mund, aber die Speise nährt nicht, sondern wird wunderbarlich vernichtet. Das gleiche wird jenen geschehen, die beim Essen von der Auferstehungsumwandlung in Unsterblichkeit betroffen werden: die Leiblichkeit wird als unsterbliche weiterbestehen, aber in ihr werden sich keine Speisereste mehr finden (textus p. 193,8–28; versio p. 156,18–35). Nicht ganz gerechtfertigt läßt nun Babai seine Darlegung über die Gewänder des Auferstandenen sich mit „So auch“ anschließen, denn im entscheidenden Punkt verhält sich da die Sache ganz anders: Jesus erschien den Jüngern in Gestalt eines Bekleideten, obwohl es in Wahrheit keine Kleider waren; denn die Leintücher, in die sein Leib gewickelt worden war, blieben im Grabe (vgl. auch weiter oben im gleichen Kapitel textus p. 183,25–28; versio p. 148,30–33: der Leib stand auf mit allen seinen Gliedern, nur ohne die Leintücher, die im Grab gefunden wurden und die zur Auferstehung nicht nötig waren), und die Kleider, die Jesus vor der Kreuzigung anhatte, hatten ja die Soldaten [297] unter sich geteilt. Die Kleidung war nur nötig, um für die Jünger das vertraute Erscheinungsbild herzustellen. Aber über die Kleidung hatten die Jünger keine Zweifel, sonst wäre sie ihnen „wahrhaftig“ gezeigt worden, wie er ihnen Brot und Feuer und Fisch „wahrhaftig“ zeigte, obwohl ihr Wie und Woher unbekannt ist25. Jesus mußte den Jüngern die „Wahrheit“ der Kleider nicht vorführen, da sie ja

23 Umgekehrt bedeckte während der Verklärung der göttliche „Glanz die Farbe des sterblichen Fleisches“, versio p. 155,19–21. 24 Eine Anspielung auf die Parallele von Verklärung und Erscheinungen des Auferstandenen am Ende von c. 9, textus p. 88,7  f. Vaschalde übersetzt dort: „et ex argumento typico quod in monte discipulis suis ostendit“ (versio p. 82,12  f.). Aber im Licht von versio p. 156,18  f. übersetzt man besser: „et e demonstratione mystica quam …“. 25 Babai läßt in der Behandlung der wunderhaften Seiten der Erscheinungsgeschichten drei Prinzipien Gerechtigkeit widerfahren: dem Biblizismus, dem paulinischen Auferstehungsverständnis von I.  Kor. 15 und den Erfordernissen der Zwei-Naturenlehre; die entstehenden Absurditäten nimmt er in

297, 298 

II Hypostasis und Prosopon 

 117

nicht die Auferstehung der Gewänder predigen sollten! Der Auferstehung des Leibes mußte er sie freilich vergewissern, da sie an ihr zweifelten und doch darüber predigen sollten. Die Funktion der Wunder zusammenfassend sagt Babai: Bis zur Auferstehung sollten Lehre, Zeichen und Wunder unseres Herrn hauptsächlich zeigen, daß er nicht bloß Mensch sei, sondern auch Gott, der „unitive“ im Leib seines Tempels wohnt. Nach der Auferstehung war es sein Anliegen, die Jünger davon zu überzeugen, daß er in seiner Leiblichkeit auferstanden sei (textus 193,28–195,3; versio p. 156,35–157,33).

II Hypostasis und Prosopon Zweimal, im 9. und im 17. Kapitel von „De unione“, sieht Babai sich veranlaßt, einen christologischen terminus der „Väter“ zu zitieren und zu interpretieren. Die beiden Stellen lauten so: textus p.  98,20 (drittes bis fünftes Wort). 84,28 (letztes Wort)  – 85,526 (versio p.  79,21–26) „Et id quod dicunt patres sancti personam naturalem et hypostaticam, non est quia appellaverunt unam hypostasim, sed in hac illla persona unius domini Jesu Christi agnoscuntur duae naturae et duae hypostases divinitatis et humanitatis Christi, et non in distantia, sed hypostasis infinita in una adhaesione27“. Textus p. 164,18–22 (versio p. 133, 8–12) „Et idcirco patres de hac unione dixerunt personam esse [298] naturalem et hypostaticam, ad significandum naturas in hypostasibus suis agnosci in hac una persona Christi, filii dei, non autem naturas absque hypostasibus“.

„Persona naturalis et hypostatica“ ist hier Bezeichnung für das eine prosopon Christi. Obwohl diese Bezeichnung doch lebhaft an die unio naturalis et hypostatica der kyrillischen Tradition erinnern muß, akzeptiert Babai sie. Freilich muß er sich die Formel durch eine Interpretation mundgerecht machen, die jenem kyrillischen Anklang gänzlich widerspricht, indem er den beiden Adjektiven den Hinweis auf nicht bloß zwei Naturen, sondern auch zwei Hypostasen entnehmen will, also die nestorianische christologische Formel in sie hineinliest. Warum hat er dann nicht lieber ganz auf die ihm im Grunde anstößige Formulierung verzichtet, anstatt sich mit dieser greifbaren Verlegenheitsinterpretation aus der Affäre zu ziehen? Der Grund kann nur in der Autorität der betreffenden „Väter“ liegen, die auch eine solche Formulierung deckte. Tatsächlich bringt der überlieferte Text des Liber Heraclidis an einer Stelle (Bedjan p. 125,13  f., Nau p. 81,20) die Formel „persona naturalis et hypostatica“. Es war also ausgerechnet der Name des Nestorius, unter dem sie auftrat – kein Wunder, daß Babai versucht, durch Uminterpretation mit ihr fertig zu werden. Scipioni28 zitiert die zweite Kauf – sie unterscheiden sich übrigens nicht sehr von denen, mit denen extreme Monophysiten in der Beurteilung des irdischen Jesus vor der Auferstehung zu kämpfen haben. 26 Im syrischen Manuskript liegt eine Blattvertauschung vor. 27 Hier ist zu ergänzen: „cum hypostasi finita“, was durch homoioteleuton ausgefallen sein könnte. 28 L.  I. Scipioni, Ricerche sulla cristologia del ‚Libro di Eraclide‘ di Nestorio, Fribourg 1956.

118 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

298, 299

der oben angegebenen Babai-Stellen dreimal: p. 125 (mit reichlich Kontext), p. 142 und 150, aber ohne ihre innere Widersprüchlichkeit zu empfinden. Scipionis Deutung der Interpretation der Formel durch Babai ist notwendigerweise umso schwieriger, als er Babais Darlegungen für sachgemäß halten muß, p. 142: „Il prosopon dell’unione è veramente prosopon naturale e ipostatico, appunto perché è esso il principio della caratterizzazione e singolarizzazione dell’ipostasi: esso è infatti l’unico prosopon delle due ipostasi, il principio per cui Gesù e il Figlio di Dio sono uno solo, lui è sempre il medesimo. Sul plano del prosopon dunque, è chiara l’affermazione di un solo ed unico prosopon naturale e ipostatico“. Aber so schwierig ist nicht einmal Babai. – Gegen Ende des 17. Kapitels benutzt Babai selber einmal die Formel „persona naturalis et hypostatica“, an dieser Stelle aber im Plural (textus p 171, 9  f.; versio [299] p. 138,11). Zwar ist hier von der Trinität die Rede, in der nicht zwei „personae naturales et hypostaticae“ eine Hypostase bilden können (Vater und Sohn z.  B.), aber die Trinität liefert die Analogie zur Christologie, wie die Fortsetzung zeigt. Auch wenn die christologische Anwendung nicht noch einmal ausdrücklich die Formel zitiert, wird doch völlig klar, wie Babai sie benutzen würde: für jede der beiden Naturen in Christus und nicht für das prosopon unionis, d.  h. genauso wie Nestorius und Ps. Nestorius prosopon physikon verwenden, nämlich als prosopon der betreffenden Natur29. Ich habe an anderer Stelle nachgewiesen30, daß die Adjektive „naturalis et hypostatica“ eine Glosse zum letzten Wort (das ist „prosopon“) des Dialogs des Ps.Nestorius im Lib. Her. sind, sie stammen also nicht einmal von Ps. Nestorius, um von Nestorius ganz zu schweigen. Die einzige Erklärung, die ich seinerzeit für das Eindringen der Glosse geben konnte (ihr Auftreten bei Babai war mir damals noch nicht bewußt), beruhte auf dem Gebrauch der Formel „persona naturalis et hypostatica“ bei Martyrius-Sahdona, wo damit das eine prosopon Christi gemeint ist, dessen Einheit durch die beiden Adjektive unterstrichen werden soll31. Ich nahm an, daß irgendjemand, der mit der Christologie dieses Theologen vertraut war, diese Glosse angebracht hätte. Martyrius-Sahdona ist etwas jünger als Babai, die Glosse wäre dann „frühestens hundert Jahre nach der Übersetzung des Liber Heraclidis ins Syrische“ in den Text eingedrungen. Da aber nun Babai den Text schon in seiner glossierten Gestalt kannte, muß dieses Datum revidiert werden. Babais Lebenszeit ist jetzt der terminus ante quem. Statt einfach zu vermuten, daß Martyrius die Formel im Lib. Her. (wo sie einmal erscheint) gefunden haben sollte, um ihr dann in seiner eigenen Christologie etwas mehr Raum zu geben, bin ich geneigt, in der Glosse einen Beleg dafür zu sehen, daß in bestimmten persischen dyophysitischen Kreisen bereits vor Martyrius diese Formel in Gebrauch war und einerseits in den Lib. 29 L.  Abramowski, Untersuchungen zum Liber Heraclidis des Nestorius, CSCO 242 = Subs. 22, Löwen 1963, p. 183. 30 Abramowski, Untersuchungen, p. 182  f. mit n. 81. 31 A. de Halleux, La christologie de Martyrius-Sahdona dans l’évolution du nestorianisme, Orient. Christ. Per. 23 (1957), p. 18  f.; 21.

299–301 

II Hypostasis und Prosopon 

 119

Her. eingetragen wurde, andererseits von Marty[300]rius wieder aufgegriffen wurde. Daß „persona naturalis et hypostatica“ in Analogie zu „unio naturalis et hypostatica“ gebildet ist, daran wird man kaum zweifeln. Vermutlich sollte prosopon als zentraler antiochenischer Begriff für die Einheit der Naturen in Christus auf diese Weise theologisch aufgefüllt und gewichtiger gemacht werden. So wohnt der Formulierung in sich selbst eine vermittelnde Funktion zu einer kyrillisch beeinflußten Christologie inne, also zur neuchalkedonensischen  – haben wir aber daher schon das Recht, darin den Sprachgebrauch der Ḥenana-Schule zu sehen? Sicher scheint mir, daß die glossierenden Adjektive im Lib. Her. aus vermittelnder Absicht eingefügt wurden; doch es ist nicht leicht zu sagen, welche Seite an einer solchen Vermittlung besonderes Interesse gehabt hätte32. [301] Analog zu Babais Verhalten gegenüber dem Ausdruck „persona naturalis et hypostatica“ muß eine Schwierigkeit an anderer Stelle erklärt werden. Im Vat. Trakt. (III, versio p. 240,9  ff.) berichtet Babai, ihm würde von streitsüchtigen Leuten vorgehalten: „Siehe, auch frühere Väter haben den Ausdruck gebraucht ‚eine Hypostase aus zwei Naturen‘“ (textus p. 305,11–13; versio p. 246,9– 32 Auf dem römischen „Symposium Syriacum“ vom Herbst 1972 verwies mich P. van Esbroeck (Brüssel) auf Leontius als mögliche Quelle von „prosopon physikon kai hypostatikon“, und mit größter Liebenswürdigkeit teilte er mir brieflich mehrere Passagen aus Contra Nestorianos des Leontius von Jerusalem mit, die ihm zutreffend schienen. Ich danke ihm dafür auch an dieser Stelle sehr herzlich. Tatsächlich tauchen bei Leontius die Adjektive physikon, hypostatikon und sogar prosopikon auf; so PG 86 I col. 1572 C und 1573 A (van Esbroeck) hypostatikon prosopon, das meint aber dort das Gesicht des Individuums. Oder es kann col 1568 B (aus II 14) die Rede sein von den idiomata physika kai prosopika, die zahlreich seien in der Hypostase des Logos. Aber diese Stellen betreffen ja nicht das eine prosopon Christi in zwei Naturen; das ist anders in II 34, col. 1592 C (van Esbroeck), wo auf Christus, also nicht etwa auf eine der beiden Naturen, der Ausdruck prosopon physikon angewendet wird. Hier ist immerhin die Hälfte jener Formel vorhanden, die als Glosse im Liber Heraclidis erscheint und die von Martyrius-Sahdona benutzt wird. Dieselbe Leontiusstelle elektrisierte mich, weil in ihr der terminus πρόσωπον τῆς ἑνώσεως vorkommt, den wir aus dem Liber Heraclidis und dementsprechend auch von Babai kennen. In den früher bekannten Nestorius-Fragmenten erschien der Ausdruck nicht, inzwischen haben wir aber die unbekannte Fortsetzung eines bekannten Fragments in der Nestorian Collection (ed. Abramowski/Goodman, vol. II, p.  73, 2  f. und Apparat p.  72), die belegt, daß Nestorius auch schon vor der zweiten Apologie sich gelegentlich so ausdrücken konnte. Leontius, Ctr. Nestorianos II 34, befaßt sich nach meiner Meinung entweder direkt mit dem Nestoriusbuch oder mit Argumenten und termini, die diesem Buch von antiochenischen Theologen entnommen wurden: nicht nur bekämpft er die persona unionis als unzureichend, er kennt auch prosopon physikon als ein den einzelnen Naturen zugehöriges prosopon, als pros. phys. des [301] Logos und als pros. phys. des Fleisches. Er führt die Antiochener ad absurdum, indem er ihnen vorrechnet, daß ihre Christologie bei vier prosopa enden müsse, dem pros. phys. des Logos, dem pros. τῆς ἑνώσεως Christi, dem pros. phys. Christi, dem pros. phys. des. Fleisches. Von diesen vier ist das dritte, das prosopon physikon Christi, ein von Leontius für notwendig erklärtes: nur dieses sei ἓν πρόσωπον.  – Als einziges griechisches Zeugnis für die zweite Apologie des Nestorius (in der erweiterten Form, in der sie uns heute als Lib. Her. vorliegt) gab es bisher die Nachricht in der Kirchengeschichte des Euagrius Scholasticus (Abramowski, Untersuchungen, p. 13–15); mit Leontius hätten wir nun einen weiteren, noch dazu älteren griechischen Zeugen. Die zweite Apologie hat demnach in den griechischen nach-chalcedonensischen Debatten schon ihre Rolle gespielt, bevor sie bei den syrischen Dyophysiten zur Wirkung kam.

120 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

301, 302

11). Auch hier verwirft Babai weder den Ausspruch noch seinen Urheber, sondern versucht verständlich zu machen, wieso man früher noch so sprechen konnte, was der Fortgang der Auseinandersetzung inzwischen unmöglich mache. Der gemeinte Vater kann niemand anders als Flavian von Konstantinopel sein, und wieder basiert Babais Toleranz auf der Autorität des Nestorius. Nestorius (es handelt sich hier um den echten) bringt bekanntlich mit größter Anteilnahme am Schluß der zweiten Apologie einen Bericht über die Schicksale Flavians vor und während der Räubersynode (der Bericht enthält mehrere Interpolationen33). Nicht nur die Parallelität der Schicksale ist dem Nestorius wichtig (dem Flavian ist es allerdings noch viel schlimmer ergangen als ihm selber), sondern angesichts des naiven Monophysitismus des Eutyches empfindet er auch eine Gemeinsamkeit in ihrer christologischen Einstellung: „Ich und Flavian dachten dasselbe“ (Bedjan p. 495,17  f.; Nau p. 316,28). Daß Flavian von einer christologischen Hypostase sprach, berichtet Nestorius nicht, obwohl es ihm bei seiner Aktenkenntnis nicht verborgen gewesen sein kann; aber er zitiert Flavians „aus zwei Naturen“ (Bedjan p. 471,11; Nau p. 301,13  f.). Das Eintreten des Nesto[302]rius für den unglücklichen Flavian deckt für Babai anscheinend auch die flavianische mia hypostasis. Das 17. Kapitel von „De unione“ hat die Überschrift: „De hoc: Quaenam est differentia inter hypostasim et personam et quomodo persona sumitur et permanet, et hypostasis non sumitur?“ Babai beginnt mit Definitionen von hypostasis und prosopon, spricht dann von beiden Begriffen in der Trinität, um schließlich zur Christologie überzugehen – bei diesem Übergang fehlt leider ein Blatt des syrischen Textes34. Eine kürzere Fassung des Inhalts bietet ein Abschnitt35 des vatikanischen Traktats, den Vaschalde als Appendix seiner Edition von „De unione“ angehängt hat. Das Lemma lautet hier: „De illo: Cur persona datur et assumitur, dum hypostasis nec datur nec assumitur?“ Scipioni hat beide Stücke in seinem NestoriusBuch benutzt36. Doch lohnt es sich, noch einmal darauf einzugehen in Ergänzung zu dem, was Scipioni bereits notiert hat. Der Abschnitt im Vatikanischen Traktat (Vat. Trakt. II) scheint mir die längere Fassung des 17. Kapitels vorauszusetzen. Ein terminologischer Unterschied ist, daß „persona communis“ (ein Ausdruck aus dem echten Teil des Lib. Her., d.  h. der zweiten 33 Abramowski, Untersuchungen, p. 118  ff. 34 Cf. versio p. 131 n. 4. 35 Textus p. 299,25  ff. (versio p. 241,37  ff.). Eine Seite in Vaschaldes Übersetzung dieses Abschnitts (p. 242) scheint versehentlich ein überholtes Stadium der Korrektur abgedruckt zu haben; Vaschalde ist sonst gerade bezüglich der termini technici sehr verläßlich. Zeile 1  f. „οὐσίαν substantiam“ ist eine typische falsch gelesene Korrektur, der das Adjektiv singularem zum Opfer gefallen ist; es muß richtig heißen: „eam enim appellant substantiam singularem“. p. 242,19: „hypostasis“ ist nicht als Ergänzung des Übersetzers gekennzeichnet, außerdem ist die Ergänzung nicht richtig, s. unten p. 313 [hier in diesem Band S. 128  f.]. p. 242,37 „persona filiationis“ muß heißen „hypostasis filiationis“ (cf. p.  242,14 und 243,28, wo richtig übersetzt ist). Bei Scipioni sind leider alle drei Fälle unkorrigiert konserviert. 36 Scipioni, Ricerche, p. 110  ff.; 125  ff.

302–304 

II Hypostasis und Prosopon 

 121

Apologie des Nestorius, den Ps. Nestorius nicht benutzt37) im 17. Kap. erscheint38, aber nicht im Vat. Trakt. II, dort heißt es vielmehr, wie sonst in „De unione“ (auch in c. 17), „persona unionis“, was ebenfalls ein Ausdruck des echten Nestorius ist. [303] „Persona propria“39 (einer bestimmten Hypostase einer Natur) tritt im späteren und kürzeren Text in den Vordergrund: im 17. Kap. wird es nur zweimal gebraucht40, im Vat. Trakt II fünfmal41. Gegenüber dem Lib. Her. fällt auf, daß der doppelte Gebrauch von „eigen“, den Ps. Nestorius auf der Basis einiger Stellen beim echten Nestorius entwickelt hat42, bei Babai fehlt; es wird also nicht das von der andern Natur „angenommene“ prosopon als „eigenes“ (= zueigen gemachtes) bezeichnet. Wenn man so will, bleibt Babai damit hinter dem Lib. Her. zurück. Die bewußte Wahl unter den bereit liegenden termini ist Bestandteil seiner systematisierenden Absicht, denn der Verzicht auf den doppelten Gebrauch von „persona propria“ macht die Terminologie klarer; auch erhält die Babai so wichtige Zwei-Hypostasen-Lehre einen weiteren Akzent, wenn nur das einer Hypostase von Natur aus zugehörige prosopon das „eigene“ pros­ opon ist. Die Thematisierung der Austauschbarkeit der prosopa in besonderen Kapiteln zeigt an, daß sich Babai der Bedeutung dieses Theologumenons für den Lib. Her. bewußt war. Die Behandlung des Gegenstandes ist ebenfalls beherrscht von der Akzentverschiebung gegenüber Nestorius (und erst recht gegenüber Ps. Nestorius): für Nestorius brachte der gegenseitige Gebrauch der prosopa die Naturen oder ousiai zur Vereinigung, weil die Naturen unmittelbar dazu nicht in der Lage sind43; dem Babai ist wichtiger, daß die Hypostasen nicht die Vermittlung übernehmen kön[304]nen. Daß das prosopon mitteilbar ist, die Hypostase aber nicht, geht in die Definition der beiden Begriffe ein, mit denen Babai c. 17 beginnt (im Vat. Trakt. II ist die Definition überhaupt auf diese Differenz reduziert). Eine Hypostase kann nicht in der Weise einer anderen Hypostase gegeben und von ihr angenommen werden, daß das Ergebnis eine einzige Hypostase wäre (c. 17 textus p. 161,1  ff., versio p. 130,17  ff.; Vat. Trakt. II textus p. 301,7  ff., versio p. 243,2  ff.). Während für Nestorius das negative

37 Abramowski, Untersuchungen, p. 206  f. 38 Textus p. 162,11 (versio p. 131,17  f.); 163,14 (132,11); 164,8 (132,33  f.); 164,17 (133,7). 39 „Propria“ = dilānāyā. Im Liber Heraclidis heißt es statt dessen noch dileh. Die Adjektivform beseitigt jeden Zweifel daran, ob es sich wie bei dileh am Ende um bloße Verstärkung des Possessivpronomens handeln könnte, cf. zu diesem Problem Abramowski, Untersuchungen, p. 186. 40 Textus p. 160,27  f. (versio p. 130,12); 169,5 (136,24). 41 Textus p. 300,8 (versio p. 242,10); 300,9 (242,12); 300,10 (242, 12  f.); 300,27 (242,29); 301,3 (242,36). 42 Vergleiche Abramowski, Untersuchungen, p. 207 (mit n. 3) über Nestorius mit ibid. p. 185–191 über Ps. Nestorius. 43 Die eine ousia macht Gebrauch vom prosopon der anderen ousia, aber nicht unmittelbar von der anderen ousia, Liber Heraclidis, textus p.  425,14  ff. Bedjan (versio p.  272,36  ff. Nau); 439,20–440,2 (282,7–10). Nestorius kann sehr wohl sagen: „Die Naturen sind nicht ohne Hypostasen“ 442,16 (284  f.), wobei Hypostase offensichtlich die Konkretion ist. Der Satz gehört in die Diskussion über die Unterscheidung der Naturen nur in der Vorstellung (cf. Andreas von Samosata), die Nestorius ablehnt.

122 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

304–306

Ziel des topos vom austauschbaren prosopon die Ablehnung der henosis physike war, ist es für Babai die Ablehnung der einen christologischen Hypostase. In beiden Kapiteln versucht Babai, den christologischen prosopon-Tausch von einer Allgemeingültigkeit des Phänomens her einsichtig zu machen, aber auf diese Weise gelingt es ihm natürlich nicht, die Besonderheit des christologischen Falles abzuleiten, die ihm trotzdem selbstverständlich ist44. Gar nicht erst ausgesprochen wird eine vorgängige Einschränkung der Allgemeingültigkeit auf die prosopa und Hypostasen verschiedener Naturen; es kann sich ja nicht darum handeln, daß etwa die trinitarischen Hypostasen untereinander ihre prosopa austauschen oder menschliche Individuen untereinander45. Im 17. Kap. wird die Allgemeingültigkeit an den trinitarischen Hypostasen vorgeführt, die ihre prosopa, die gleichzeitig ihre Namen sind  – Vater, Sohn und Geist –, an Menschen weitergegeben, die sie dann „assumptive“ innehaben (versio p. 130,28  ff.). Der Übergang zur Christologie fehlt, wie gesagt46, das christologische Ergebnis steht aber da (textus p. 162,7–13, versio p. 131,13–1947). Es zeigt sich, daß das Ausgetauschte oder Mitgeteilte und Angenommene [305] in Christus nicht nur „assumptive“, sondern auch „unitive“48 [306] innegehabt wird. Die Basis für den

44 Cf. in c. 11 (versio p. 102,7–9): „unam ergo esse personam assumentis et assumpti, et hoc apud nullam creaturam umquam exstitisse aut exsistere nisi apud hominem domini nostri“. 45 Die Weitergabe des Vaternamens unter Menschen, textus p. 161, 15–21 (versio p. 130,30–36), nach ihren zwei möglichen modi der generatio oder der doctrina und gratia darf einen nicht in die Irre führen, denn beides sind nur Ausführungsmöglichkeiten der Übernahme des Namens „Vater“ von der ersten Person der Trinität, der er eigentlich zukommt. In der Trinität sind die Namen (Vater, Sohn, Geist) die prosopa (textus p. 161,7  f.; versio p. 130,22  f.). 46 S. oben p. 302 mit n. 1 [hier in diesem Band S. 120 mit Anm. 34]. 47 Diese Zeilen sind ein einziger Satz. – Als Parallelstelle cf. in c. 16 p. 154,21  ff. (versio p. 125,9  ff.). 48 Welch begründenden Charakter das Adverb „unitive“ für Babai hat, sieht man aus dem 16. Kapitel, in dem die Zwei-Söhne-Lehre abgelehnt wird. Textus p. 152,25–28 (versio p. 123,27–30): „Si vero confitemur humanitatem unitive habere cum divinitate honorem et nomen filiationis et adorationem, cur nos arguunt quasi duos filios dicamus?“ „Unitive“ kann Synonym zu „personaliter“ sein, der Gegensatz ist in beiden Fällen „secundum naturam“, so im 20. Kapitel über die Namen Christi: der Logos gibt das Seine der angenommenen menschlichen Natur „unitive et non secundum naturam“ und nimmt das der Menschheit Eigene an, so daß er (der Logos) Mensch und Menschensohn heißt „personaliter et non secundum naturam“, und dieses Geben und Nehmen findet „ex unione“ statt (textus p. 212,24–27; versio p. 172,7–10). Außer den so sehr zahlreichen Fällen, wo „unitive“ dazu dient, das christologische Spezifikum zu bezeichnen, gibt es eine Handvoll Ausnahmen, wo eine andere Einheit als die christologische durch dieses Adverb charakterisiert wird. Dazu gehört nicht versio p. 90,33, wo der Kontext den christologischen und nicht den Bezug auf den ersten Adam herstellt, wie es auch ganz versio p. 178,29–31 entspricht. In „De unione“ steht die einzige nicht-christologische Ausnahme, wenn ich nichts übersehen habe, textus p. 129,20 (versio p. 104,19), im Beispiel von der Sonne im Spiegel. Der Spiegel ist ein besonders bearbeitetes Eisen (hochgradig geglättet). Diese Verarbeitung macht das Spiegeleisen im Unterschied zum gewöhnlichen Eisen dazu fähig, die ganze Gestalt (σχῆμα) der Sonne unitive in sich aufzunehmen und was zur Sonne gehört, so daß er heiß wird und man mit dem geeigneten Material Feuer daran entzünden kann. Trotzdem findet keine confusio der Eigentümlichkeiten statt, auch wird die Sonne durch Aufnahme in noch soviel Spiegeln nicht in Teile zerlegt, noch wird sie

306 

II Hypostasis und Prosopon 

 123

Austausch ist das prosopon unionis49, so daß, was aussieht wie das Ergebnis des prosopon-Tausches, tatsächlich dessen theologische Voraussetzung ist: „ex persona unionis sua inter se dant et sumunt“. Am Ende des Satzes lassen freilich die beiden biblischen Belegstellen für das „eine gemeinsame prosopon“ des Verborgenen und Offenbarten50, nämlich „Sie spien in sein Angesicht (prosopon)“ und „Niemand wird mein Angesicht (prosopon) sehen und leben“, den Eindruck entstehen, als sei das eine gemeinsame prosopon hier nichts weiter als zufällig dieselbe Vokabel; nach der antiochenischen Regel der divisio vocum wäre das korrekte Verständnis der beiden Stellen sogar die Unterscheidung der Naturen und ihrer prosopa. So wird man tatsächlich in den beiden Bibelstellen zunächst Belege für Verborgenheit und Offenbarung zu sehen haben und nicht sogleich für die Einheit. Die Einheit wird nicht diesen

in das Eisen verwandelt, noch nimmt sie die Eigentümlichkeiten der Natur des Eisens an. Der Spiegel aber nimmt alles von der Sonne an, nicht in seiner Natur, sondern durch die unio mit der Sonne ist ein glänzendes Licht in einem prosopon der Sonne und des Spiegels. Zur richtigen Bewertung der Passage muß man wissen, was das II.  Kapitel zum Gegenstand hat, nämlich: „Quomodo, cum deus sit in omni loco infinite, dicimus eum habitare in homine suo unitive et peculiariter“. Ich denke, daß dem Babai in diesem einen Fall „unitive“ mehr aus Versehen aus dem zu Erklärenden in das Beispiel geraten ist. – Alle anderen Ausnahmen stehen im Vat. Traktat., nicht im (II.) Abschnitt über den Austausch der prosopa, sondern im (I.) Teil über die hypostatische Union des Menschen und betreffen auch diese: textus p. 291,13; 292,18 (versio p. 235,14; 236,6  f.) „unitive et hypostatice“, p. 296,26 (p. 239,23) „naturaliter unitive“. Daß Leib und Seele eine unio bilden, leugnet Babai nie, nur unterscheidet sich diese unio von der christologischen eben darin, daß es eine physische und hypostatische Union ist. Ebenfalls auf eine Hypostase bezogen, aber die „irgendeines Lebewesens“, findet sich „unitive“ textus p. 298,12 (versio p. 240,34). 49 „Prosopon unionis“ steht textus p. 162,7 im status constructus, Vaschalde übersetzt das (versio p. 131,13) als „ex parte unionis“; so verfährt er auch (nur benutzt er manchmal „nomine unionis“ oder „ratione unionis“, einmal auch „propter unionem“) an den anderen Stellen, wo der terminus im status constructus anstatt in der Genetivbildung mit d erscheint. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind das textus p. 107,7 (versio p. 75,28  f.); 154,21.25.30 (125,9.13.18); 174,28 (141,13); 175,2 (141,16  f.); 175,30 (142,11); 213,31 (173,10); 214,6 (173,16); 214,17 (173, 26); 223,20 (181,20); im Vat. Trakt. 301,22  f. 25  f. (243,17. 20). Vaschalde ist offenbar der Ansicht, daß Babai absichtlich einen Unterschied mache zwischen ‫ ܡܢ ܦܪܨܘܦܐ ܕܚܕܝܘܬܐ‬und ‫ ܡܢ ܦܪܨܘܦܐ ܚܕܝܘܬܐ‬und daß der letztere Fall der aus der griechischen Bibelexegese bekannten Zitationsformel ἐκ προσώπου τινὸς λέγειν entspreche. Aber die formale Parallele des ἐκ προσώπου reicht dazu nicht aus; und inhaltlich besteht der Unterschied, daß die exegetische Zitationsformel ja meint, daß eigentlich jemand anders spricht als das πρόσωπον, nämlich der Verfasser, die Schrift oder der heilige Geist, während Babais Formel gerade den ermöglichenden Grund und nicht das Medium einer Aussage angibt. Vaschaldes Übersetzung läßt also eine ganze Reihe von Belegstellen für πρόσ. τῆς ἑνώσεως verschwinden und verwischt damit die eminente systematische Funktion der Formel. Die kürzere Form des stat. constr. entspricht am besten einem deutschen zusammengesetzten Nomen, „Unionsprosopon“, unterstreicht also die enge Zusammengehörigkeit der Bestandteile; rein äußerlich mag sie im Übrigen von den im Syrischen möglichen ‫ ܦܪܨܘܦ‬Formen beeinflußt sein. 50 „Das eine gemeinsame prosopon des Verborgenen und Offenbarten“ ist eine hübsche Kombination aus dem echten Nestorius („ein gemeinsames prosopon“) und Ps. Nestorius („prosopon der Offenbarung“).

124 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

306–308

beiden Zitaten [307] entnommen, sondern die vorher schon beschriebene Einheit liefert die Voraussetzung für die hier vorliegende Verwendung der beiden prosoponZitate. Der folgende Vergleich mit der Einheit von Leib und Seele (obwohl sich diese Einheit als „naturalis, hypostatica, obstricta, passibilis“ von der christologischen als „personalis, voluntaria, non obstricta, non passibilis“ unterscheidet) hat als tertium quid, daß die Einheit die Voraussetzung für Aussagekommunikation und -identität ist und nicht ihr Ergebnis (versio p. 131,20  ff.). Damit wird unsere eben gegebene Interpretation des vorangehenden christologischen Satzes bestätigt. Als ein besonders gelungenes Beispiel für die Mitteilbarkeit und Einheit von prosopon bei zwei total verschiedenen Hypostasen empfindet Babai offensichtlich die Goldmünze mit dem darauf eingeprägten Bild des Königs und den vollständigen Abdruck davon in Wachs oder Ton (textus p. 164,26  ff.; versio p. 133,16  ff.). Wenn irgend etwas, dann ist dieses Beispiel der böswilligen Mißdeutung fähig, weil man ja Münze und Abdruck einzeln in die Hand nehmen kann. Aber das ist nicht das tertium quid. Babai weiß sehr wohl, wo die Grenze des Vergleichs liegt: zwischen den beiden christologischen Hypostasen gibt es nicht die (beliebige räumliche) Entfernung (textus p. 166,5  f.; versio p. 134,14). Es ist unverkennbar, daß Babai die Kostbarkeit des Goldes gerade als angemessenes Bild für die Herrlichkeit der göttlichen Natur erscheint, und (das Wachs oder) der Ton des Abdrucks soll gewiß den aus Erde geschaffenen Menschen assoziieren. Von der geprägten Goldmünze sagt Babai ausdrücklich, darunter habe man die Gottheit des Sohnes, d.  h. die Hypostase des Gott Logos zu verstehen (textus p. 165,1  f.; versio p. 133,22). Die Prägung kann in Wachs oder Ton vollständig abgedrückt werden, so daß das höchste Bild des Königs mit allen Ehren darin wieder sichtbar wird, ohne daß Gold und Ton ihre Natur verlieren und ohne daß die Goldmünze ihre Prägung verliert – und das prosopon des Königs ist doch eins: „eigentlich“ und „fest“ gehört es in seiner ganzen Schönheit zur Hypostase des Goldes, „assumptive“ und „personaliter“ auch zur Hypostase des Tons. (Das Adverb „unitive“ fehlt ganz korrekt im Gleichnis, es erscheint erwartungsgemäß erst in der christologischen Aussage selber, textus p. 166,3; versio p. 134,12). Der innere theologische Ertrag des Beispiels ist nicht unbeträchtlich: man hat den ganzen Herrn auch in der [308] unscheinbaren Natur seiner irdischen Erscheinung, weil diese ihre Prägung von der göttlichen Natur erhalten hat. Wie wenig Prägeform und Abguß als zwei verschiedene Gegenstände Babai in Verlegenheit setzen, sieht man daran, daß er zu Anfang von Vat. Trakt. II gerade an ihnen die Allgemeingültigkeit der Regel vom mitteilbaren prosopon vorführt. Wahrscheinlich ist der Schritt zur Christologie für ihn ein Schluß a minore ad maius: wenn Einheit des prosopon nach dessen Weitergabe selbst bei Münze und Wachsabdruck besteht, wie dann erst recht bei den beiden christologischen Hypostasen auf der Basis ihrer Vereinigung. Jedenfalls insistiert er auf der Gültigkeit der Regel auch im Fall räumlicher Trennung. Während die Hypostase „fest“ ist, gilt vom prosopon: „persona vero est fixa et assumi potest; fixa, quia indicat distinctionem hypostaseos, (id est) hanc (hypostasim) non esse illam; et assumi potest ab alia

308, 309 

II Hypostasis und Prosopon 

 125

hypostasi51, et sicut imago relative ad exemplar, et etiam cum distantia“ (textus p.  299,29–300,2.3  f.; versio p.  242,2–4.6  f.). Vaschalde merkt zu „distantia“ an: „Id est cum exemplar non sit praesens“. Für die Christologie gilt dagegen: „hanc autem personam filiationis homo domini nostri sumpsit unitive, non cum distantia, nec ut esset hypostasis filiationis, sed persona filiationis“ (textus p.  302,4–6; versio p. 243,26–28). Die „persona filiationis“ ist, technisch ausgedrückt, die „persona fixa“ der Hypostase Gott Logos. Aber auch der Logos nimmt ein prosopon an, daher heißt es in der Fortsetzung der eben zitierten Stelle: „Et deus verbum, una de hypostasibus trinitatis, sumpsit ad personam suam formam servi, et habitu (schema) inventus est ut homo. Non autem factus est homo secundum hypostasim, sed formam servi sumpsit. Alius est assumens et alius assumptus“ (textus p.  302,7–11; versio p. 243,28–32).

Der letzte Satz bietet in dieser Form natürlich das übliche Ärgernis der antiochenischen Christologie; aber man ist berechtigt, ihn so zu lesen: „Alia (hypostasis) est assumens et alia (hypostasis) [309] est assumptus“  – qnomā (=  hypostasis) ist im Syrischen maskulin, erfordert also auch das adjektivische Pronomen in diesem genus. „Eine der Hypostasen der Trinität“ als Apposition zu Gott Logos ist bei Babai ziemlich häufig52; es ist bewußte Anspielung auf die theopaschitische Formel „Unus ex trinitate passus est“, die nicht bloß den Monophysiten, sondern auch den Neochalcedonensern teuer war. Analog zu „eine der Hypostasen der Trinität“ kann Babai für die menschliche Natur Christi auch bilden: „eine der Hypostasen der Menschen“, so textus p. 300, 15  f. (versio p. 242,17  f.)53. Diese Formulierung steht in einem Abschnitt, der eingehender besprochen werden muß und den ich deswegen hier vollständig zitiere (textus p. 300,14–24; versio p. 242,17–26)54: „Et etiam humanitas filii est hypostasis subsistens, una (18) de hypostasibus hominum, sicut omnes homines, etsi non est (19) simplex (šḥimā), sed plena divinitate. Persona autem eius (20) distinguitur non solum per hoc quod ad filiationem pertinet, (21) sed etiam per hoc quod non est Paulus nec Petrus secundum (22) hypostasim, sed per proprietatem hypostasis singularis (23) per quam distinguitur ab alia (sc. hyp.), sive imagine sua sive specie sua, sive forma (24)

51 Ich habe hier fortgelassen den Satz versio p. 242,5  f. „et indicat omnia quae hypostasis possidet in sua distinctione ab alia“ (textus p. 300,2  f.). Der Satz ist eine an den falschen Platz geratene Glosse, er gehört zur Beschreibung des prosopon fixum (= des „eigenen“ prosopon) und will sie vervollständigen; wo er jetzt steht, macht er die Aussage über das „angenommene“ prosopon nahezu unverständlich. 52 Cf. auch die Überschriften der Kapitel 6 und 8. 53 Dieselbe Analogiebildung (vollständiger), ebenfalls als Auslegung von Phil 2,7, versio p. 102,16–18 (c. 11). 54 Zum leichteren Rückverweis schalte ich Vaschaldes Zeilenzahlen ein. Die Übersetzung ist korrigiert.

126 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

309–311

sua pulchra, sive puritate animae suae, sive sanctitate sua (25) sublimi, sive per hoc quod est in ordine divinitatis per unio-(26)-nem, sive per alia cetera“.

Zeile 17 „hypostasis subsistens“ – wenn man auch das nomen latinisierte, klänge das sehr tautologisch, „subsistentia subsistens“. Trotzdem ist „subsistens“ wahrscheinlich die beste Übersetzung, wenn man das lateinische Verb sehr konkret als „verharren“ versteht, was ja zu seinen Bedeutungen gehört. Babais Synonym für „subsistens“ ist „fest“ (qbiʿā), wie man z.  B. an versio p. 242,33 sehen kann55. „Fest“, gebraucht Babai jedoch auch von der „persona propria“ der Hypostase (welche persona aber im Unterschied zur Hypostase bekanntlich „gegeben“ und [310] „angenommen“ werden kann56, siehe versio p. 242,3657. Normalerweise haftet „subsistens“ als terminus technicus an „hypostasis“58; und anscheinend so formelhaft, daß Babai zur „Übersetzung“ mit „fest“ greift, um das Gemeinte verständlicher zu machen). Bei der Identifikation von hypostasis mit „ousia singularis“ (versio p. 242,1  f. 34  f.) läßt Babai erkennen, daß diese Definition in den Rahmen einer bestimmten, nicht von ihm geprägten, Nomenklatur gehört, derer er sich hier bedient: „man nennt sie auch …“; bei „hypostasis subsistens“ gibt er an dieser Stelle solch einen Hinweis nicht, er benutzt diesen terminus auch [311] öfter als „ousia singularis“. Aber der erste Satz von c. 17 enthält beide Definitionen miteinander verbunden, und wieder sagt Babai: „hypostasis 55 Ein anderes Synonym ist „befestigt“, mšarrar, textus p. 299,27 (versio p. 241,39). 56 Die Überschrift zu c. 17: das prosopon wird „angenommen und bleibt“, vereint beide Eigenschaften von prosopon. 57 Adverbial textus p. 71,11.13 (versio p. 57,29.31). Synonym zu „fest“: „natürlich“ p. 71,13 (p. 57,31), Gegenstück: „personaliter“, „assumptive“, „unitive“ p. 71,12.14 (p. 57,29.32). Was in dieser Passage „fest“ zu den jeweiligen Hypostasen gehört, sind die nomina „Sohn Gottes“, „Menschensohn“; jedoch drückt Babai sich elliptisch aus: „Sohn Gottes“ muß man erschließen aus Analogie zu „Menschensohn“ (versio p. 57,30  f.); ein paar Zeilen vorher (versio p. 57,26) erscheint „Sohn Gottes“ als Name des ganzen Christus, daran assoziiert Babai das Folgende, wobei er nicht ausdrücklich sagt, daß „Sohn Gottes“ nun als natürlicher Name der göttlichen Hypostase zu nehmen ist. 58 Ausnahmen: „persona subsistens“ c. 3, versio p. 18,32  f.: das Beispiel verhält sich zur Sache wie das Spiegelbild zur „persona subsistens“ (textus p. 22,26) – das Beispiel ist hier übrigens die Eucharistie für die Sache Christologie. – Der Mensch und sein Spiegelbild seinerseits als Beispiel für die Christologie c. 17, versio p. 136,18  ff.; hier erscheinen alle Adverbien, die in der vorigen Anmerkung genannt sind, u.  a. „fest“.  – „Natura subsistens“ c. 3, textus p.  24,20  f. (versio p.  20,9) im Unterschied zum blossen Gedanken („virtus rationalis“). – Ziemlich schwierig die „naturae subsistentes“ Vat. Trakt. I, textus p. 296,29 (versio p. 239,26  f.): wie Gott die einfachen Naturen in ihrer Einfachheit schuf, so setzte er sie auch zusammen in ἕνωσις, κρᾶσις, μίξις in jeder einzelnen der naturae subsistentes (versio p. 239,24–27). Das soll ja nicht heißen, daß die „einfachen“ Naturen nicht „subsistieren“ oder daß „subsistens“ identisch mit „zusammengesetzt“ sei, was in der Tat gegen alle Gewohnheit Babais wäre. Die richtige Erklärung liefert der Kontext, aus ihm ergibt sich, daß „subsistentes“ an der angegebenen Stelle Kürzel für die besondere Art des „Subsistierens“ zusammengesetzter Naturen ist, die nämlich „ineinander (wörtlich: aus einander) subsistieren und wirken“ (textus p. 296,30; versio p. 239,27  f.). – Den vergänglichen Tempeln wird gegenübergestellt die „veritas subsistens“ (textus p. 236,17; versio p. 192,12) des eigentlichen Tempels, nämlich der menschlichen Natur Christi.

311, 312 

II Hypostasis und Prosopon 

 127

heißt …“. Was Vaschalde als „subsistens“ übersetzt, ist mqym, das als ptz. pass. Pael zu vokalisieren ist (aus Babais Synonymen ist das zu erschließen): mqayyam, auch als Adjektiv benutzt. qnomā mqayyam könnte einem griechischen ὑπόστασις μόνιμος entsprechen59. Der vollständige Ausdruck ist qnomā mqayyam byātheh (textus p. 301,7), Vaschalde Übersetzt „hypostasis … subsistens in esse suo“ (versio p. 243,2  f.). Aber ich schlage vor, yāthā hier in seiner möglichen Funktion als Reflexivpronomen zu nehmen (da das „Sein“ ja schon in der Bestimmung als ousia singularis gegeben ist), so daß man zu verstehen hätte: „hypostasis subsistens in se“, was ausgezeichnet zur Bedeutung „fest“, „befestigt“, „verharrend“ passen würde. Es spricht nicht dagegen, daß in der Definition zu Beginn des 17. Kapitels yāthā mit einem Adjektiv versehen ist, das ein Synonym zu „singularis“ bei ousia darstellt: mqayyam byātheh lḥodaitā (textus 159,16  f.), Vaschalde: „subsistit in esse suo unico“ (versio 129,4  f.)60; im Folgenden übersetzt Vaschalde das gleiche Adjektiv mit „individuus“, das auch hier vorzuziehen ist. Das würde ergeben: „subsistens in se individua“. „Subsistens in se“ kann praktisch auch für „hypostasis“ eintreten, so in einer anthropologischen Bestimmung, wo die menschliche Hypostase mit der eines Tieres und der eines Engels verglichen wird, um ihre Eigentümlichkeit gegenüber diesen beiden recht deutlich zu machen (textus p. 298,11–18; versio p. 240,33–241,361): [312] (hypostasis humana) „non est tantum aer, aut ignis, aut aqua, aut terra, sive unitive sive mixte, sicut hypostasis alicuius animalis; neque (tantum) anima subsistens in se sine corpore, sicut angelus quidam qui simpliciter (pšiṭāith) ferit, et circuit, …; sed (anima) cum corpore unita est naturaliter …“.

Die Grundbefindlichkeit einer geistigen Hypostase ist ἁπλότης (pšiṭuthā), deswegen kann eine solche „einfache hypostasis subsistens in se“ nicht mit einer anderen zusammen eine neue Hypostase bilden (undenkbar daher eine hypostasis composita mit dem Gott Logos als Bestandteil). So heißt es im Hinblick auf die Christologie in c. 21 (textus p. 242,24–243,2; versio p. 197,10–18):

59 Proclus, Elementa Theologica, prop. 102 (p. 92,10 Dodds). Für eine mögliche andere Entsprechung siehe nächste Seite [hier in diesem Band S. 128]. 60 Die Fortsetzung textus p. 159,17  f. hat Vaschalde (versio p. 129, 5  f.) so übersetzt: „et distincta est a multis non quia una facta est, sed quia interdum recipit apud ea, quae …“. Vaschalde hat ausgelassen „etiam“ (textus p. 159,18) nach „sed“; dieses „etiam“ berechtigt dazu, ein ergänzendes „solum“ zwischen „non“ und „quia“ einzufügen. Das gibt: „et distincta est a multis non (solum) quia una facta est, sed etiam quia interdum recipit …“. Entsprechend ist Scipionis italienische Fassung der Stelle, o.c. p. 110, zu korrigieren und ebenso seine Erläuterung p. 111, Zeile 6 von unten. Babai ist so auch leichter zu verstehen. 61 Aus Vat. Trakt. (I). Vaschaldes Übersetzung des Satzes ist irreführend. – Wegen des Gebrauchs von „unitive“ ist diese Stelle schon am Ende von p. 305 n. 1 [hier in diesem Band S. 122 Anm. 48] herangezogen worden.

128 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

312, 313

„Nemo autem, sumens aliquid et praesertim aliquid non consubstantiale sibi, potest constituere cum illo unam naturam et unam hypostasim; nec potest aliquid aliud hypostasi eius adiici et ipsum esse eamdem hypostasim in simplicitate (pšiṭuthā) sua prima. Impossibile est enim assumptum esse cum assumente unam hypostasim subsistentem. Ecce assumens praesubsistens62 est in sua hypostaticitate perfecta et infinita, sicut pater et sicut spiritus sanctus; et quomodo additio fieri posset naturae infinitae?“

Die Auseinandersetzung mit der Lehre von der einen zusammengesetzten Hypostase in Christus und die entgegengesetzte Lehre von den zwei christologischen Hypostasen, die nicht eine Hypostase bilden können, hat offensichtlich einen solchen Satz, wie man ihn bei Proklus finden kann, zur Voraussetzung: τὸ αὐθυπόστατον ἀμερές ἐστι καὶ ἁπλοῦν63. Die Folgerungen des Proklus aus der Zusammengesetztheit einer Hypostase64, Auflösbarkeit und Verlust der Existenz, müssen natürlich unter Hinblick auf den Logos zur Ablehnung der christologischen zusammengesetzten Hypostase führen. Ist vielleicht mqayyam byātheh („subsistens in se“) ein (vermutlich älterer) Versuch einer möglichst genauen Übersetzung von αὐθυπόστατον? Das würde [313] der oben (p. 311 [hier in diesem Band S. 127]) gegebenen Erklärung durch ὑπόστασις μόνιμος nicht widersprechen, denn nur das αὐθυπόστατον hat μονή, „Beharren“. Freilich ist „subsistens in se“ für Babai Bestandteil der Definition jeder Hypostase, nicht bloß der „einfachen“, also geistigen, sondern auch der menschlichen, die ausdrücklich als zusammengesetzt bezeichnet wird. Die Lehre von der Auferstehung des Leibes macht dem christlichen Theologen, anders als dem Neuplatoniker, das „Bleiben“ der menschlichen Hypostase auch nach dem Tode aussagbar, obwohl sie sich als zusammengesetzte Hypostase definitionsgemäß im Tode zunächst auflöst65. Die „simplicitas“ der letzten Babai-Zitate ist nicht dieselbe wie in versio p. 242 Zeile 19 (o. p. 309) „simplex (šḥimā)“, die andere syrische Vokabel macht das ja schon deutlich, Vaschalde schiebt zur Erklärung vorher „hypostasis“ ein, ohne es, wie es nötig wäre, durch Klammern als Ergänzung zu kennzeichnen. Außerdem ist die Ergänzung nicht richtig, denn es ist natürlich von „homo simplex“ die Rede, so daß 62 Die Seele einer menschlichen Hypostase dagegen ist nicht eine „hypostasis praesubsistens in se“; nach Babais Anthropologie wird sie in jedem Menschen neu erschaffen (s. Abramowski, Christologie Babais, p. 240 [hier in diesem Band S. 105]); der Mensch ist auch nicht „anima subsistens in se“, siehe das Zitat oben. 63 So Proclus, o.c. prop.  47, p.  46,29 Dodds; fast wörtlich auch in der Begründung von prop.  86, p. 78,25  f. 64 O.c., p. 46,33  ff. und prop. 48. 65 Als eine Kurzform von qnomā mqayyam byātheh betrachte ich qnom yātheh in lib. VII (textus p. 254,15.17), Vaschalde übersetzt „hypostasis sua propria“ (versio p. 206,21.23), die vollständige Form im Kontext textus p. 255,13 (versio p. 207,7). Gemeint ist in allen drei Fällen die „caro Christi“, hier der durch die Polemik vorgegebene Ausdruck für die menschliche Natur. – Der „hypostasis subsistens“ wird häufig die „dynamis“ oder „energeia haud subsistens“ entgegengesetzt, so in der Bestimmung des Logos als einer eigenen göttlichen Hypostase in c. 5 und c. 20; cf. „natura subsistens“ oben p. 310 n. 3 [hier in diesem Band S. 126 Anm. 58].

313–315

II Hypostasis und Prosopon 

 129

Zeile 18  f. lauten muß: „etsi non est (homo) simplex, sed plena divinitate“. Für das richtige Verständnis von Babais Christologie ist dies ein sehr wichtiger Satz: selbst bei schärfster denkbarer Analyse der Person Christi, einer Analyse, die nicht davor zurückschreckt, die menschliche Natur in ihr so konkret werden zu lassen wie die Gottheit – und nichts anderes ist mit dem Begriff Hypostase gemeint –, ist nicht von dem Fundament der Einheit der Person66 [314] abzusehen, die auch die Konkretion der menschlichen Natur in dieser Einheit, die menschliche Hypostase, bestimmt: sie ist voll von Gottheit. Dies wird im Folgenden technisch ausgedrückt: zur Eigentümlichkeit dieser menschlichen Hypostase gehört, daß sie zur Sohnschaft des Gott Logos gehört (Zeile 20), ja zur Ordnung der Gottheit durch die Einigung (Zeile 25  f.)67. 66 Auf dem römischen „Symposium Syriacum“ 1972 griff Pater Ortiz de Urbina das Problem der stoischen Ableitung von Babais (und Nestorius’) prosopon-Begriff auf, wie sie Scipioni vorgenommen hat. Meine Antwort in der Diskussion, daß aus hermeneutischen Gründen auf diese Ableitung nicht verzichtet werden könne (nur so kann man überhaupt verstehen, wieso die Einheit der Einzelpersönlichkeit Christi im einen prosopon und nicht bereits in der einen Hypostase lokalisiert wird), blieb leider hinter dem zurück, was ich schon in meinem Nestorius-Buch referiert hatte. A.  Grillmeier hatte ja bereits in seinem Nestorius-[314]Aufsatz von 1961 (Scholastik 36, p. 321–356) auf die Vermittlung dieses stoischen Gutes an die Antiochener durch die kappadokische Trinitätslehre hingewiesen. Für Basilius d. Gr. ist die Benutzung der stoischen Analyse des Allgemeinbegriffs (wo erst prosopon = Name aus dem Einzelexemplar = Hypostase der Gattung die Einzelpersönlichkeit macht, die unverwechselbar ist) nunmehr endgültig nachgewiesen durch die ausgezeichneten Darlegungen von R.  Hübner, Gregor von Nyssa als Verfasser der sog. Ep. 38 des Basilius, in: Epektasis. Mélanges Danielou, Paris 1972, p. 463–490, für unser Problem entscheidend p. 474–481 und 483. Unter Berücksichtigung dieser Modifikation hinsichtlich der Vermittlung der Begrifflichkeit hat man Scipioni also recht zu geben; es bleibt das hervorragende Verdienst seines Buches, den Schlüssel zu einem Problem gefunden zu haben, das bis dahin nur höchst unbefriedigende Lösungen gefunden hatte. Angesichts der Hübnerschen Ergebnisse sind auch die Einwände, die Canon Turner auf dem Internationalen Patristischen Kongreß in Oxford 1971 gegen Scipionis Berufung auf die Stoa vorbrachte, hinfällig. Die Theologen, die die Terminologie der kappadokischen Trinitätslehre auf die Christologie anwendeten, waren jedoch genausowenig reine Stoiker wie Basilius (cf. Hübner, p. 483: „Das alles zeigt einmal mehr, daß man aus Basilius keinen stoischen Metaphysiker machen darf und sich hüten muß, alles nach einem Schema zu erklären“); die neuplatonischen Anklänge, die sich zum Hypostasis-Begriff (s.  o.) finden ließen, belegen den philosophischen Synkretismus des Zeitalters mit seinen Variationsmöglichkeiten. Doch ist dieser Synkretismus nichts wahllos, sondern die einzelnen Elemente, aus denen er sich zusammensetzt, sind im Allgemeinen theologischen Intentionen untergeordnet. Eine nur aristotelische oder nur neuplatonische oder nur stoische Ableitung wird der antiochenischen Theologie nicht gerecht (cf. Hübner, p. 482 über Basilius: „Die Verwendung stoischer Vorstellungen bei einem begrenzten Problem der Trinitätslehre hat ihn nicht daran gehindert, sich bei einem anderen aristotelischen Begriffsmittel oder plotinischer Spekulationen zu bedienen“). 67 Der Abschnitt, schwierig genug durch die gleichzeitige Verfolgung zweier Anliegen, enthält noch die zusätzliche Schwierigkeit des syntaktischen und gedanklichen Anschlusses des „sed“-Satzes in Zeile 22. Vaschalde hilft sich, indem er „sed“ mit „quatenus“ übersetzt, „per quam“ (Zeile 23) wegläßt und „distinguitur“ (Wiederholung von Zeile 20) mit „differt“ übersetzt, dadurch erreicht er eine erträgliche Glättung. Aber bei genauerer Betrachtung ist der „sed“-Satz Zeile 22  f. eine Ver[315]doppelung des „sed“-Satzes von Zeile 21  f., nämlich eine Erläuterung desselben in mehr technischer Nomenklatur. Ich bin geneigt, in dieser Verdoppelung eine Glosse zu sehen. Ohne sie müßten Z. 21–23 so gelesen

130 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

315, 316

[315] III Christus und der Hl. Geist Kapitel 17 über den Austausch der prosopa ist in der uns heute vorliegenden Gliederung von „De unione“ das letzte des IV.  Buches, das mit c. 12 beginnt. Der systematische Zusammenhang der c. 12–17 ist folgender: der doppelte oder gar dreifache Bezug bestimmter Bezeichnungen der Person Christi („Gesalbter“, „Sohn“, „Erstgeborener“) auf diese eine Person und ihre Natur auf Grund des biblischen Befundes (c. 12–14), Darstellung desselben Problems in der technischen Sprache der Analyse des Allgemeinbegriffs (jedoch nur scheinbar des Allgemeinbegriffs schlechthin, in Wirklichkeit ganz unter dem Gesichtspunkt der besonderen christologischen Erfordernisse) – c. 17. Die Voraussetzung, die c. 17 als Kommentar zu c. 12–14 möglich macht und umgekehrt, ist die Gleichung Name = prosopon, prosopon = Name. c. 15 und 16 sind nicht zufällige Einschübe, sondern behandeln zwei Probleme, die sich aus dem Vorhergehenden ergeben: die Taufe Jesu (c. 15) als zweite Salbung mit dem heiligen Geist, und den Dauervorwurf der Zwei-Söhne-Lehre (c. 16), ein immer aktuelles Thema der antiochenischen und nestorianischen Apologetik. Der für Babai jüngste Beitrag zur alten Diskussion über die christologische Bedeutung der biblischen Namen und Titel Jesu scheint der des Ḥenana zu sein68, er wird am Ende des 12. Kapitels zitiert, leider nur in Stichworten. Ḥenana erklärte „primogenitus“ und „unigenitus“ der Wortbedeutung nach für identisch; dies ist der Anlaß für die Sichtung des biblischen Ma[316]terials zu „primogenitus“ im sehr kurzen 14. Kap. Weiter zog Ḥenana für „Christus“ die nur im Syrischen mögliche Erklärung „der dem Maß unterworfene“ heran, um unter der Voraussetzung „Christus“ = „Gott“ im Christusnamen den menschgewordenen Gott zu finden. Babai stellt Ḥenana darin neben Kyrill (versio p. 111,4  f.: „Cyrillus enim et Ḥenana maledictus, sentina omnium haereseon, sic impie dixerunt“), aber Kyrill konnte ja nicht gut mit den beiden syrischen Wurzeln mšḥ argumentiert haben69. Doch stieß ich bei einer Durchsicht der syrischen Übersetzung der Apologien Kyrills für seine Anathematismen in Brit. Mus. add. 12.156 mehrere Mal auf mšuḥtha = „Maß“. Tatsächlich spricht Kyrill in den beiden Apologien gerne von dem menschlichen Aspekt Christi in der Weise, daß der Logos sich dem „menschlichen Maß“ unterworfen habe (μέτρον τῆς ἀνθρωπότητος, μέτρον τῆς κενώσεως u.  ä.), andererseits verhält der Logos sich nach seiner göttlichen Natur werden: „(21) sed etiam per hoc quod non est Paulus nec Petrus secundum (22) hypostasim, (23) sive imagine sua, sive specie sua, sive forma (24) sua pulchra“ etc. – Das Ausgeschiedene wäre die zweite Glosse auf einer Seite Text (für die andere siehe oben p. 308 n. 1 [hier in diesem Band S. 125 Anm. 51]); die äußerste inhaltliche Gedrängtheit von Babais Darstellung macht solche Zusätze begreiflich. Der Glossator zeigt sich gut trainiert in den nestorianischen oder Babais eigenen Definitionen, dementsprechend schulmeisterlich sind auch seine Glossen. 68 Cf. Abramowski, Christologie Babais, p. 233  f. [hier in diesem Band S. 100  f.]. 69 Ich hielt die Kombination der beiden Namen in dieser Sache zunächst für eine polemische Unterstellung Babais, deswegen ist Kyrill bei der ersten Besprechung dieser Stelle (Abramowski, Christologie Babais, p. 233 [hier in diesem Band S. 100]) nicht erwähnt.

316–318

III Christus und der Hl. Geist 

 131

zum Vater ἰσομέτρως70. Ḥenana hat also einen kyrillischen Gedanken unter Ausnutzung der sprachlichen Möglichkeiten des Syrischen weitergesponnen und polemisch gegen die Christologie seiner Kollegen gewendet. Wir erfahren damit eine weitere wünschenswerte Einzelheit über seine Lehre, denn vermutlich hat er sich ja selber auf Kyrill berufen. Ferner zeigt sich an diesem Beispiel aufs Neue, daß die Polemik Babais in „De unione“ erstaunlich konkret und korrekt in Einzelheiten ist. Falls Ḥenana die Quelle seines Gedankens nicht angegeben haben sollte, wäre das Ganze ein Beleg für Babais eigene Kyrill-Kenntnis; das Vorhandensein einer alten syrischen Übersetzung der Apologien ist durch add. 12.156 belegt. Wahrscheinlich glaubte Ḥenana durch seine Deutung von „Christus“ endgültig die Gefahr gebannt, aus der Wortbedeutung „Gesalbter“ notwendigerweise auf die Taufe als Zeitpunkt der Salbung und damit der Einsetzung zum Christus (und zum Sohn) gewiesen zu werden, mit anderen Worten: so zu lehren, wie es dem Paul von Samosata zugeschrieben wurde. Mit dem Vor[317]wurf, nichts anderes zu lehren als der Samosataner, sahen sich Antiochener und Nestorianer ja immer konfrontiert, auch Babai weist ihn zurück (Beginn von c. 1071). Die Lehre von der doppelten Salbung Christi, wie Babai sie in c. 12 vorträgt, hat den Zweck, den Namen „Christus“ in seiner eigentlichen Bedeutung festzuhalten und diese aufs engste mit der Einheit der Person zu verbinden, ohne doch von der Tatsache der Geistmitteilung und Sohneseinsetzung bei der Taufe abzusehen, da die Evangelien sie nun einmal berichten. Daß auch diese Lösung die Schwierigkeiten nicht beseitigt, macht die bloße Existenz von Kap. 15 deutlich. Der antiochenische Biblizismus hat immer das Problem der Konkurrenz von Logos und Geist in der Christologie zutagetreten lassen72, in dem sich ja nur die verschiedenen christologischen Konzeptionen des NT widerspiegeln; Kyrills 9. Anathematismus leitete daraus den unberechtigten Vorwurf ab, die Antiochener faßten Jesus als einen bloßen geistbegabten Menschen auf. Eine andere Christologie als die Logoschristologie ist zwar für die Antiochener ebenso undenkbar wie für ihre Zeitgenossen aus anderen theologischen Schulen, aber theologische Grundprobleme pflegen auf verschiedenen Ebenen der Debatte immer aufs neue aufzutauchen. Für Babai ist „Christus“ der Eigenname der menschlichen Natur in Christus und zugleich praktisch Bezeichnung für das Zustandekommen der Einheit der Naturen, wegen der Beteiligung des heiligen Geistes an der Empfängnis (Mt. 1,20; Lc. 1,35), die ihrerseits der Zeitpunkt der Vereinigung der beiden Naturen ist. Die Beteiligung des heiligen Geistes wird als Salbung verstanden73, [318] obwohl an den beiden Bibel-

70 Cyrillus, Adv. Orient., ACO I 1,7 p. 45,5  f.; 47,7  f.; 47,14  f.; 47,22–24; 56,9; 56,28  f.; 58,30  f.; Adv. Theodoret., ACO I 1,6 p. 119,5  f.; 123,12  f.; 124,3; 124,21; 129,10  f.; 129,14  f.; 138,22; 139,4; 139,6. 71 Cf. Abramowski, Christologie Babais, p. 231  f. [hier in diesem Band S. 99]. 72 Für Theodor von Mopsuestia cf. L.  Abramowski, Zur Theologie Theodors von Mopsuestia, Zeitschr. f. Kirchengeschichte 72 (1961), p. 287  ff. 73 Das ist natürlich keine Erfindung Babais, sondern traditionell, cf. den Nestorianer in der von Guillaumont herausgegebenen Disputation (Dumbarton Oaks Papers 23/24, 1969/70) p. 65: „… unité

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 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

318, 319

stellen die Vokabel nicht gebraucht wird; sie war aber aus Lc. 2,11 (der heute geborene Heiland ist „christos kyrios“) leicht einzutragen; wahrscheinlicher ist aber, daß Acta 10,38 („Jesus von Nazareth, wie ihn Gott gesalbt hat mit dem heiligen Geist und mit Kraft“) mit Mt. 1,20 kombiniert worden ist. Für Babai sind Ps. 45,8; Acta 2,36; 10,3874 Belege für die erste Salbung Christi (d.  h. diese Stellen werden mit Hilfe der Aussagen der synoptischen Engelsverkündigung auf den Zeitpunkt der Vereinigung der beiden Naturen in Christus fixiert). Von der unctio ab utero spricht Babai häufig; eine charakteristische Passage, wo sie auf die Menschheit bezogen wird, steht in c. 8 (textus p. 68,1–4; versio p. 55,5–17): „Et quemadmodum nomen proprium filii ad divinitatem Christi pertinet, sic et nomen proprium Christi ad humanitatem filii. Haec enim a spiritu sancto uncta est ab utero, initio formationis suae, ut esset cum deo verbo unus filius75 in una adhaesione, in una virtute et potestate et adoratione et in aeternum … Itaque ab unione et deinceps, Christus est filius, et filius est Christus, in una persona; et hoc modo in una persona agnoscuntur duae naturae et duae hypostases in proprietatibus suis. Ab unione et deinceps, deus verbum non est filius absque humanitate sua, neque homo eius, Iesus a Nazareth, est Christus absque divinitate sua“.

Die Salbung ist nicht etwas, was unmittelbar vom Gott Logos ausgesagt werden kann, so im gleichen Kapitel etwas vorher, als Erläuterung von Acta 2,36 (versio p. 54, 11–14): „Non enim [319] deus verbum factus est dominus, neque ipse unctus est76 ut esset de la personne de deux natures et deux hypostases, qui se sont jointes dans la sein de la vierge dès le commencement de la formation du corps, par le moyen de l’onction de saint esprit et par sa puissance, sans séparation, continuellement et à jamais“. Schon Theodor von Mopsuestia in einem Zitat aus De incarn. XIV in den Akten des Konzils von 553 (ACO IV I, p. 52,1–3 = Swete II, p. 309, 24–26): „et spiritus autem non abest, utpote etiam in loco unctionis factus ei, et cum eo est semper qui adsumptus est“. 74 Acta 10,38 erscheint auch unter den biblischen Belegen für die zweite Salbung Christi (versio p. 109,16  f.). – Auslegung von Ps. 45 (44),8 unter Heranziehung von Acta 10,38 im Psalmenkommentar Theodors (ed. Devreesse, Studi e testi 93); Vers 8 b („Gott dein Gott hat dich gesalbt“): dies kann nicht von Gott Vater gesagt sein, muß also Christus meinen, die Aussage unterscheidet die Einheit der Naturen, zeigt Einheit des prosopon (Devreesse p. 289); Vers 8 c („Freudenöl“): die im Gesetz Gesalbten wurden mit Öl gesalbt, aber hier ist ein auszeichnendes Moment angegeben („vor deinen Genossen“): dieser wird mit dem heiligen Geist gesalbt (Acta 10,38 von Devreese p. 290 dazu angemerkt). – Zwei weitere antiarianische Auslegungen des Psalmverses, von denen die des Athanasius unter „Salbung“ ganz selbstverständlich den heiligen Geist versteht, s. nächste Seite n. 1 [hier in diesem Band S. 132 Anm. 76]. 75 Dieselbe Begründung für „Christus“ als nomen proprium der Menschheit versio p. 56,20–22. 76 Das ganze Zitat gibt die Explikation zu Theodors Kürzel in der Auslegung von Ps. 45(44),8b (Unterscheidung der Naturen, Einheit des prosopon, o. p. 318 n. 1). – Zu „deus verbum … neque unctus est“ vergleiche man Ambrosius, De fide I 3,24 (CSEL 78, p. 12,27–13,35 Faller): „Denique habes in psalmo quadragesimo quarto, quod et deum patrem dixit propheta nec deum filium denegavit dicens: ‚Sedis tua, deus, in saeculum saeculi‘ et infra: ‚Unxit te deus, deus tuus oleum iustitiae prae consortibus tuis‘. Deus est, qui unguit, et deus, qui ‚secundum carnem‘ unguitur ‚dei filius‘. Denique quos habet unctionis suae nisi in carne consortes? Vides igitur quia deus a deo unctus. Sed in adsumptione naturae unctus humanae dei filius designatur, nec legis forma violatur“. Fallers umfangreicher Apparat

319, 320 

III Christus und der Hl. Geist 

 133

Christus in dignitate filiationis cum filio, sed humanitas eius uncta est ut esset filius cum eo in una persona“. An anderer Stelle kann es aber einfach heißen (c. 11, versio p.  102,5): „nomen Christi, quod unionem denotat“, eine halbe Seite weiter (textus p. 127,8  f.; versio p. 102,19  f.): „Christus, cuius unctio est unio eius, quemadmodum nos saepe diximus“. Das Insistieren auf der Salbung im Zusammenhang mit der Einheit der Naturen geht innerhalb der nestorianischen Tradition, soweit ich das beurteilen kann, nicht auf Nestorius selber zurück. Auch für Nestorius ist streng genommen „Christus“ ein Name [320] der menschlichen Natur, wie „Sohn“ Name der göttlichen Natur ist, so in Sermo X77: „Deswegen wird der Gott Logos auch ‚Christus‘ genannt, weil er die ununterbrochene synapheia mit Christus hat. Und es kommt nicht vor, daß der Gott Logos irgendetwas ohne die Menschheit tut; was aufs genaueste vollendet wird, ist die höchste synapheia, nicht die apotheosis78, wie die neueren Schulweisen meinen“.

Aber viel häufiger sagt Nestorius, daß „Christus“ und „Herr“ und „Sohn“ Namen sind, die beide Naturen bezeichnen; manchmal offenbart einer dieser Namen die Gottheit, manchmal die Menschheit, manchmal beides, so heißt es in Sermo X gleich zweimal79. D.  h. Nestorius argumentiert mit dem biblischen Befund und nicht mit der etymologischen Bedeutung. Loofs’ Register zeigt, daß „Christus als Bezeichnung für beide Naturen“ geradezu ein Standardterminus in den Nestoriana ist80. Es ist nicht uninteressant, daß in diesem (allerdings nicht erschöpfenden) Register „salben“ nur einmal, als Stichwort „chrisma“, auftaucht, mit nur einem Beleg; und das ist ein von Marius verweist auf Athanasius, Contra Arianos I 46 (PG 26, 105 B ff.) als Quelle. Col. 108 AB: Der Logos wird gesalbt, nicht damit er Gott werde, – das war er schon vorher; nicht damit er König werde, – er regierte ja schon ewig. Unseretwegen ist die Salbung geschehen. Bei den Israeliten wurde man durch die Salbung zum König. Vom Logos, der immer mit dem Vater regierte, der den heiligen Geist darreicht, wird hier wiederum das Gesalbtwerden ausgesagt, ὡς ἄνθρωπος λεγόμενος τῷ πνεύματι χρίεσθαι damit er uns bereite. – Jedoch col. 109 C: Der Logos wird nicht vom Geist gesalbt (cf. Theodor), den er doch selber gibt, sondern das von ihm angenommene Fleisch. Athanasius, Ambrosius, Theodor bieten drei Varianten des Versuchs, mit Hilfe der Zwei-NaturenChristologie den Arianern Ps. 45 (44) und die entsprechenden Passagen des Hebräerbriefes als wirksame biblische Fundierung der Subordination des Logos zu entwinden. Die Differenz zwischen den Varianten ist sehr gering; einzig die (gut johanneische) Bindung (oder gar Unterordnung) des Geistes an (oder unter) den Logos bei Athanasius ist ein deutlich anderer Akzent gegenüber der synoptischlukanischen Geistauffassung der Antiochener. Aber die soteriologische Erklärung von christologisch schwer unterzubringenden Aussagen finden wir auch bei Babai. Und der letzte Satz des AmbrosiusZitats setzt assumptio der menschlichen Natur und unctio gleich. 77 Loofs, Nestoriana, Halle 1905, p. 275,9–14. 78 Was Nestorius meint, ist dies: das Problem ist nicht, wie man die menschliche Natur vergottet, sondern wie man göttliche und menschliche Natur begrifflich überhaupt zusammenbringt. 79 Loofs p. 269 und 273. 80 Loofs p. 397 a.

134 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

320, 321

Mercator formulierter Text81, dem Nestorius in den Mund gelegt, der so beginnt: „Ego unum Christum definio, qui a chrismate unctus sit dicendus …“. Das Verständnis der Beteiligung des heiligen Geistes bei der Empfängnis Christi als Salbung, gewonnen aus der Kombination verschiedener biblischer Aussagen, die ihrerseits von theologischer Intention bestimmt ist, ist längst vor Babai zustandegekommen. Aber hat jemand vor ihm schon die systematisierende oder auch schematisierende Konsequenz daraus gezogen, nunmehr von der doppelten Anwendung des Begriffs „Salbung“ auf Christus zu sprechen (Überschrift des 12. Kapitels)? Für Babai bezeugt die Schrift selbst die zweifache Anwendung. Eine Salbung geschieht zu Beginn seiner „Bildung“: der Geist salbt und der Logos nimmt die menschliche Natur als sein prosopon an; das kann in eine [321] Beziehung der Folge gebracht werden (versio p. 107,1782), so daß die Salbung als Voraussetzung der Annahme erscheint – es kann aber beides als mit der „Bildung“ einfach gleichzeitig dargestellt werden, wobei assumptio noch vor der unctio steht (ibid. l. 19  f.). Conceptio, Salbung und Annahme durch den Logos sind ein einziger Akt (s.  o.: „unctio est unio“), und Christus war „der Gesalbte“ „unitive ab utero matris“ (ibid. l. 21). Lc. 2,11 gibt den Beleg dafür ab, daß der eben Geborene bereits Christus ist. Er ist es durch „unctio sublimis“ (l. 29). Die „Heiligkeit“ von Lc. 1,35 ist die „spezielle und erhabene Salbung“, wo der heilige Geist die Stelle des Öls einnimmt (l. 32  f.). „Salbung“ wird definiert als eine Handlung, die dem Gesalbten eine Ehre verleiht, die viel höher ist als seine Natur, daher Ps. 45,8 („vor deinen Genossen“) als Prophezeiung auf Christus. Bei den Alten sonderte die heiligende Salbung zum Priester-, Königs-, Prophetenamt aus; „der Mensch unseres Herrn“ wird zur Einheit mit dem Gott Logos gesalbt mit dem Geist. Versio p. 108,9  f.: „et unctio fecit eum filium et dominum“ wird aus Acta 2,36 plus Acta 10,38 gefolgert (das „fecit“ stammt aus der ersten Stelle). Die Anbetung der Magier erhielt das Kind als König und Herr, und das war es durch die Einigung. Die Gaben der Magier deutet Babai teils christologisch, teils soteriologisch; die Magier wollten damit bezeichnen, wen sie da anbeteten: mit dem Gold den König, mit der Myrrhe Leiden und Tod, die Teufel, Sünde und Tod besiegen sollten, der Weihrauch gibt eindeutigen Hinweis auf den verehrungswürdigen Tempel, in dem Gott „unitive“ wohnt in einer synapheia „et in aeternum“ (versio p. 108,19–27). Die zweite Salbung, die in der Taufe (versio p. 108,28  ff.), hat soteriologische und ekklesiologische Funktion und ist die Begründung für unseren Christennamen. Die Sohneseinsetzung, die in der Taufe vorgenommen wird, ist jene, die an uns weitergegeben werden kann. Dafür wird er Erstgeborener vieler Brüder und empfängt als erster das Unterpfand der Unsterblichkeit und Unveränderlichkeit (cf. Theodor von Mopsuestia), er empfängt sie, damit wir sie auf dieselbe Weise empfangen können, nach ihm, und so zu seinen Brüdern und zu Gliedern an seinem Leibe werden. Die

81 Loofs p. 359. 82 Cf. versio p. 107,33  f.; 108,8  f.

321–323

III Christus und der Hl. Geist 

 135

beiden Salbungen sind verschieden und nicht identisch; ebenso sind wir nicht auf die gleiche Weise Söhne Gottes [322] wie Christus Sohn Gottes ist, denn seine Sohnschaft besteht in der unio mit dem Logos, in der assumptio zum prosopon des Logos, und nicht diese vermittelt uns die heiligende Taufsalbung. Zwar wendet Babai einmal den terminus synapheia auf unsere Einheit mit Christus an83, wie die Taufe sie schafft, aber er qualifiziert ihn durch das Adjektiv „geistlich“ (textus p. 137,8; versio 110,19  f.), wogegen die christologische synapheia, wie er sofort hinzusetzt, durch das Adverb „unitive“ bestimmt wird. Durch die erste Salbung ist Christus „für uns Herr in ordine divinitatis“ (textus p. 137,12  f.; versio p. 110,24  f.). Nachdem Babai noch die Häretiker abgewehrt hat, unter ihnen Ḥenana, faßt er zusammen: „Veritas autem in ecclesia sancta servatur: nomen Christi denotat personam unionis“ (textus p. 138,8  f.; versio p. 111,14  f.) – hier trifft er sich wieder mit Nestorius. C. 15 von „De unione“ handelt nicht bloß von der Taufe, wie man nach der Überschrift („De baptismo; et quonam baptismo baptizatus est dominus noster“) meinen könnte; der Schlußsatz des Kapitels läßt besser erkennen, worum es geht (versio p. 123, I4–17): „Haec omnia vero diximus propter Theopaschitas qui negant assumptionem capitis generis nostri et delent proprietates naturae eius, et (dicunt) eum non implevisse oboedientiam nec iustificatum esse in spiritu ut scriptum est“.

Es geht um die Widerfahrnisse des irdischen Jesus, speziell um die Einwirkungen des heiligen Geistes auf ihn. Alle biblischen Aussagen darüber sind festzuhalten, eben weil es biblische Aussagen sind. Was die Schrift sagt, ist wahr und nicht gelogen; die Schrift der Lüge zeihen, ist Frevel (versio p.  118,13  ff.). Aber alle diese schwierigen Stellen sind unter der Voraussetzung zu erklären, daß Christus den Geist seit seiner ersten Salbung, also seit seiner Vereinigung mit dem Logos, schon besitzt, ihn immer und ununterbrochen hat; „‚descendit spiritus‘, dum in eo erat“ (versio p.  118,34). Um jedes Mißverständnis auszuschließen, wird [323] ausdrücklich abgelehnt, daß Christus in der Taufe die Erstlinge der Unsterblichkeit „von außen“ erhalten habe, genausowenig wie bei der Auferstehung „von außen“ eine Kraft in ihn einging; in beiden Fällen ist es die Gottheit, die in ihm ist, die ihn auferweckt bzw. die Erstlinge des Zukünftigen gibt (deren Bestätigung und Vollendung die Auferstehung ist) (versio p. 120,9  ff.). Wenn es aber so ist, daß Christus den Geist schon immer hat, dann stellt sich unvermeidlich die Frage, warum es dann in der Schrift heißt, der Geist sei in der Taufe auf ihn herabgestiegen oder daß der Geist ihn leitete oder daß er Wunder durch die Kraft des Geistes tat. Babai gibt folgende Erklärung: So wie es zur Realität

83 Wozu I.  Kor. 6,17 (‫ ;ܡܬܢܦܩ‬Peš. ‫ )ܢܦܩ‬den Anlaß bietet. – Kyrill pflegt mit dieser Stelle (das griechische Wort ist κολλώμενος) gegen die christologische Verwendung von συνάφεια überhaupt zu Felde zu ziehen, da sie den Unterschied von Christus und Christ verwische. „Adhaesio spiritualis“ noch c. 21 zur gleichen Bibelstelle (versio p. 186, 23), siehe u. p. 330 [hier in diesem Band S. 141].

136 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

323, 324

der menschlichen Natur Christi gehört, daß das Kind Jesus zum Mann heranwächst, gehört es zur Realität seiner menschlichen Natur und ihrer dauernden Vereinigung mit dem Logos, daß diese Natur auch nach der Vereinigung von der Gottheit in ihr Dinge empfängt, die sie vorher nicht hatte, so Fortschritt in Weisheit und Gnade, so die Taufe als Angeld der Unsterblichkeit. Sonst hätte die göttliche Natur ja nicht die sterbliche und wandelbare Natur Adams angenommen, sondern eine andere (textus p. 144,11–20; versio p. 116,28–117,1). Jesu Todesangst, seine Trostbedürftigkeit, sein Sterben haben belehrende (hinsichtlich der Realität der erlösungsbedürftigen menschlichen Natur, die die seine ist) und vergewissernde Funktion (hinsichtlich der Verheißungen, die auf diese Natur bezogen sind): „ut scriptura nobis ostenderet naturam adameam et debilem, quam deus verbum sumpsit, e natura sua debilem fuisse, et ordinem suum servasse, et relictam esse in naturalibus suis, ut (deus verbum) agnosceretur vere sumpsisse hominem passibilem et mortalem, qui est ex semine domus Abraham et David, et promissiones non esse falsas, et hunc (hominem) per oboedientiam suam iustificatum esse84, et implevisse omnem iustitiam85, [324] et passionibus perfectum esse86, ut esset immortalis et immutabilis et primogenitus ex mortuis“ (textus p. 145,14–23; versio p. 117,26–34).

Jesus macht Erfahrungen, die für alle gelten sollen, wie es im 8. Kap. ausdrücklich, Hebr. 5,8 erläuternd, heißt; der entsprechende Satz beginnt (wie Vers 8: καίπερ ὢν υἱός) mit dem Hinweis auf die Sohnschaft der menschlichen Natur und die Vereinigung „unitive et in aeternum“, um dann fortzufahren: „‚ex timore et passionibus quas tulit didicit oboedientiam‘, et quam proficua sit iis qui eam adimplent“ (textus p. 61,14; versio p. 49, 23  f.). Die Auslegung von Hebr. 5,8  f. in c. 15 lautet (textus p. 145,25–146,10; versio p. 118,1–1587): „(1) Etsi enim erat filius ab utero per unionem suam ad (2) deum verbum in una filiatione, tamen, propter passiones, quas (3) tulit, didicit oboedientiam et ita perfectus est, id est, didicit id (4) in quo erat propter oboedientiam suam. Non enim cognovit im-(5)-mortalitatem et immutabilitatem quales essent donec illas in (6) hypostasi sua humana reapse accepit, quemadmodum passi-(7)-bilia88 non cognovit donec in eis tentatus est, quia ea non habuit (8) naturaliter et sta-

84 Dies ist ein Satz der sog. „Bewährungslehre“, nur daß diese Bewährung nicht die christologische Einheit zur Folge hat, sondern auf ihrer Basis ausgesprochen wird. „Per oboedientiam suam iustificatum esse“ kombiniert I.  Tim. 3,16 („gerechtfertigt“) mit dem „Gehorsam“ von sowohl Hebr. 5,8  f. wie Phil. 2 (die beiden letzteren Stellen kombiniert versio p. 49,24  f.), dies alles vermutlich nicht ohne Einfluß von Rm. 5,18  f., wo Gehorsam, Gerechtigkeit und Gerechtmachen nebeneinander stehen – Christi Gehorsam und unsere Gerechtigkeit. Christi „Gerechtigkeit“ (der Gesetzeserfüllung) konnte wieder aus Mt. 3,15 in die Rm.-Stelle eingetragen werden, cf. die nächste Anmerkung. 85 Cf. Mt. 3,15. 86 Cf. Hebr. 2,10. 87 Ich füge Vaschaldes Zeilenzählung in den Text ein. 88 Das Syrische meint wörtlich: „das, was Leiden verursacht“.

324, 325 

III Christus und der Hl. Geist 

 137

biliter, sed per experientiam in hypostasi sua89 (humana) accepit: (9) ‚Non habemus pontificem qui non possit compati infirmitati (10) nostrae, tentatum autem per omnia sicut nos, absque peccato‘ (Hebr. 4,15). (11) Ergo90 sine experientia, nec cognitiones quas expertus est di-(12)-dicit et cognovit; nec falsum est illud: ‚Proficiebat statura sua (13) et sapientia sua et gratia‘ (Lc. 2,40). Vera enim sunt omnia quae (14) scriptura dicit ipsum in hypostasi sua humana pertulisse, non (15) falsa; absit!“

Das Subjekt des Abschnittes ist Christus, das eine prosopon aus zwei Naturen (konkret: aus zwei Hypostasen). In Zeile 3 ist das den Hebräertext im Sinne einer Folgerung verstärkende „ita“ zu notieren; noch interessanter ist in Zeile 3/4 die Interpretation („id est“) von ἔμαθεν durch Erweiterung des Gegenstandes und Inhalts des „Lernens“: er erfuhr, was es war, worin er sich wegen [325] seines Gehorsams befand. Dieses „was“ ist im unmittelbaren Kontext nicht etwa das irdische Jammertal mit seinen Leiden, sondern sind Unsterblichkeit und Unveränderlichkeit,  – sonst würde Babai nicht eine Aussage gerade darüber sogleich im nächsten Satz folgen lassen (Zeile 4–6). Mit anderen Worten: Babai macht die „perfectio“ zum Inhalt von „Lernen“, und er identifiziert die „Vollendung“ von Hebr. 5,9 mit dem (endgültigen) Empfang von Unsterblichkeit und Unveränderlichkeit; von der soteriologischen Notwendigkeit dieses Empfanges durch die menschliche Natur Christi haben wir oben schon gesprochen, sie ist in Babais Satz mitzudenken und für ihn nichts anderes als eine Übersetzung von „Verursacher des ewigen Heils“ in Hebr. 5,9. Der Begründungszusammenhang zwischen Gehorsam und Vollendung, der in Hebr. 5,8  f. ja nicht wörtlich gegeben ist, von Babai aber hergestellt wird, ist wahrscheinlich aus Phil. 2,8  f. gewonnen (Vers 8 „gehorsam“, Vers 9 διό). Der Satz „Non enim cognovit  …“ (Zeile 4–6) klingt sehr anstößig, wenn man bedenkt, daß das Subjekt auch hier der ganze Christus ist. Da aber Antiochener und Nestorianer von der Gottheit Gottes und also auch des Gott Logos die allerstrengste Auffassung hatten, darf man Babai hier nicht so verstehen, als ob Christus nach seiner göttlichen Natur Unsterblichkeit und Unveränderlichkeit habe kennenlernen müssen, sondern es ist seine menschliche Natur, d.  h. seine menschliche Hypostase, der sie erst widerfahren müssen, und von ihr heißt es ja auch, daß sie beides empfängt. Der Vergleichssatz „quemadmodum passibilia  …“ (Zeile 6–8) zeigt, daß die menschliche Hypostase Christi, die einerseits wegen der Realität ihrer menschlichen Natur Unsterblichkeit und Unveränderlichkeit erst kennen lernen mußte, andererseits wegen der Realität ihrer immer bestehenden Vereinigung mit dem Logos nicht „von Natur aus“, nicht „fest“91 „Leidenschaffendes“92 besitzt, sondern es erst erfahren

89 Vaschalde übersetzt baqnomeh als Reflexivpronomen: „in seipso“. 90 „Tentatus“ aus Hebr. 4,15 und „experientia“ Zeile 11 und 8 haben im Syrischen die gleiche Wurzel. 91 Über die „feste“ Relation der Eigentümlichkeit zur Hypostase s. oben p. 308  ff. [hier in diesem Band S. 124  ff.]. 92 S. oben p. 324 n. 3 [hier in diesem Band S. 136 Anm. 88].

138 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

325–327

muß. Und da das Kennenlernen solche Erfahrungen voraussetzt, ist die Aussage über den Fortschritt Jesu in Weisheit durchaus sachgemäß (Zeile 11–12). Der pädagogische und vergewissernde Sinn der Herabkunft [326] des Geistes in der Taufe, obwohl Christus den Geist doch schon immer hatte, hat noch andere Aspekte; auch fügt sich die Tauferzählung, die am Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu steht, dadurch in die pädagogischen Rücksichten auf das Anfangsstadium der Hörer und Leser der evangelischen Eingangskapitel ein: „Et quia omnia priora in principio evangelii huius vivificantis sensibiliter facta sunt propter puerilem scientiam, quo magis firmarentur homines de iis quae ad divinitatem spectant, et crederent etiam futuris quorum mysteria iam accepimus, hac de causa spiritus sanctus visus est in forma columbae descendens et manens super illum qui spiritu sancto non erat privatus“ (textus p. 149,9–15; versio p. 119,26–32).

Bei „divinitas“ könnte man speziell an die göttliche Natur Christi denken, so daß man aus der Zusammenstellung von Babais Aussagen über den Sinn der Herabkunft des Geistes in der Taufe als Summe gewinnen könnte, wir würden darin über beide Naturen Christi belehrt. Aber aus der Fortsetzung des eben Zitierten muß man entnehmen, daß es sich um die göttliche Natur überhaupt, also auch die von Vater und Geist handelt. Der Geist und die Stimme des Vaters kommen „von oben“; das darf man nicht lokal mißverstehen, vielmehr ist die „sublimitas der göttlichen Natur“ darin zu finden. „Erhaben“ (oder darf man übersetzen „transzendent“?) ist aber nicht nur die göttliche Natur, sondern auch ihre Vereinigung mit der Menschheit. Das soll man aus der Gestalt des „vollkommenen“ Vogels, der Taube, lernen. Zugleich bietet sich Babai aus dem Vergleich zwischen der vollständigen Vogelgestalt und der einzelnen pfingstlichen Feuerflamme über dem einzelnen Apostelhaupt die Gelegenheit, den Unterschied im Geistbesitz zwischen Jesus und den Aposteln klar zu machen: Christus hat den Geist ganz (d.  h. Jesus ist eben nicht bloß irgendein geistbegabter Mensch wie ein Prophet oder ein Apostel). Die ganze Passage lautet (textus p. 149,30–150,13; versio p. 121,14–27): „(spiritus) per visionem tamen corporeitatis volatilis perfecti, in forma columbae, descendit et mansit super illum, ut omnes discerent totam sublimitatem huius oeconomiae adorandae in eo perfectae93: ‚In eo habitat omnis plenitudo divinitatis cor-[327]poraliter‘ et: ‚Ex plenitudine eius omnes accepimus‘. Quapropter spiritus in apostolos ex parte descendit per visionem linguarum et divisus est super unumquemque eorum, sed super eum fuit tota perfectio volatilis in forma columbae. Et hoc non obstante quod erat templum divinitatis ab utero, et unctus fuerat in initio formationis suae ut esset filius per unionem cum filio aeterno, tamen, donec in baptismo accepit mysterium immortalitatis, nullam virtutem nullumque signum fecit, ut disceremus nos cum baptismo arrham vitae immortalis et incorruptibilis recipere“.

93 Vaschalde übersetzt das Partizip gerundivisch und zieht es zu „sublimitatem“. Aber „oeconomia“ ist hier wie an vielen anderen Stellen synonym mit „unio“ der beiden Naturen (man vergleiche zum Beispiel [327] den Titel und den Eingang des 6. Kapitels, oder versio p. 185,1 und 3; daher auch „prosopon oeconomiae“, was soviel ist wie „prosopon unionis“), und die ist bereits vollständig.

327, 328 

IV Diskussion antiochenischer Grundbegriffe 

 139

Nach der Taufe beginnt die „nova conversatio“ Jesu (versio p. 121,33), sie wird mit den üblichen Stichworten (Heilungen, eschatologische Predigt) beschrieben, Babai setzt hinzu: „et erudiebat eos scientiam perfectam divinitatis“ (versio p. 122,2  f.94). Übrigens hätte Christus selbstverständlich schon vor seiner Taufe Wunderheilungen vollbringen können, auf Grund seiner Vereinigung mit dem Gott Logos, aber es war eben noch nicht der richtige Zeitpunkt (versio p. 122,3–6). Genauso könnte Christus jetzt schon (in unserer Gegenwart) auf Grund seiner Einheit mit dem Gott Logos die allgemeine Totenauferstehung und die Unterwerfung aller Dinge unter seine Herrschaft herbeiführen, aber er wird es erst tun, wenn er vom Himmel her offenbart werden wird (versio p. 122,6–10). Wie Christus der Herr aller ist, ihm aber doch noch nicht alles unterworfen ist, so besaß er vor der Taufe zwar die Wunderkraft, tat aber noch keine Wunder (versio p. 122, 14–16). Babai ist also in der Lage, einen Sinn darin zu finden, daß der Geist, den Christus doch hat, auf ihn bei der Taufe herniedersteigt; und dieser Sinn hat sogar mehrere direkt oder indirekt soteriologische Aspekte. Aber wie soll man sich die Kombination von vorhandenem Geist und zusätzlich einwirkendem Geist vorstellen? Anläßlich von Lc. 4,1 zeigt sich, daß Babai an eine spezielle Aktivität oder Aktivierung des Geistes denkt, den Jesus schon immer hat (versio p. 122, 10–14), eine Aktivierung in95 [328] Jesus96. Für die Taufsalbung gilt das parallel: der Geist, der in ihm war, gab ihm diese (zweite) Salbung durch die Taufe (versio p. 123,6–8).

IV Diskussion antiochenischer Grundbegriffe Das ursprüngliche Schlußkapitel von „De unione“, c. 21, analysiert die traditionellen antiochenischen Bezeichnungen für die christologische Union (assumptio, habitatio, templum, vestimentum, adhaesio). Dieses Kapitel zeigt die Sorgfalt des Verfassers im Aufbau von „De unione“, denn es korrespondiert c. 2 (c. 1 hat reine Einleitungsfunktion), wo unter der Überschrift „De essentia aeterna naturae divinae“ umfangreiche Erwägungen über die vor allem biblischen Gottesnamen angestellt werden, immer unter dem Gesichtspunkt, wie sich Wesen und Bezeichnung zueinander verhalten. In ihrer christologischen Verwendung haben die fünf termini assumptio usw. eine gemeinsame Funktion, diese Funktion ergibt die Eigentümlichkeit gegenüber dem pro-

94 Cf. p. 123,9  f. 95 Cf. oben p. 323 [hier in diesem Band S. 136]: das Angeld der Unsterblichkeit kommt nicht „von außen“ zu Jesus. 96 Stellen der Apostelgeschichte, die vom (erneuten) Erfülltwerden der Apostel durch den Geist (für eine bestimmte Handlung) reden, wie Acta 4,8; 13,9, werden auf die gleiche Weise erklärt. Für Petrus wird vorausgesetzt, daß er den Geist seit Pfingsten hat, Paulus hat ihn seit seiner Bekehrung. – Auch der antiochenische Biblizismus (cf. oben das Ende von p. 319 n. 1 [hier in diesem Band S. 132 Anm. 76]) kann nicht ohne die Korrektur von Archaismen auskommen.

140 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

328–330

fanen Gebrauch; „quae ipsius propriae sunt“, (Vaschaldes Übersetzung des doppelten dilāh von textus p. 227,24) im folgenden Zitat ist der Ausdruck dafür (versio p. 185,3– 6): „Hae quidem appellationes unionis illius adorandae, quae ipsius propriae sunt, ad indicationem claram et inconfusam et unitam duarum naturarum et duarum hypostaseon in unam personam dicuntur“. Vom Bedeutungsgehalt her sind die termini freilich nicht deckungsgleich, es muß ja auch einen Grund haben, warum sie alle gebraucht werden. Der Rückgang auf den gewöhnlichen, profanen Gebrauch der fünf termini erweist ihre Differenzen untereinander. Das wird rasch (versio p. 185,9–26) an den folgenden Paaren durchgeführt: assumptio und habitatio, habitatio und vestimentum, habitatio und templum. Auch ist [329] jeder dieser termini nicht deckungsgleich mit unio, was Babai aber in dieser Kurzübersicht nur im ersten Fall ausdrücklich sagt. Sehr ausführlich wird Babai dann für die synapheia (= adhaesio oder conjunctio), was der Wichtigkeit dieses Begriffes bei Theodor und Nestorius entspricht (textus p. 228,16  ff.; versio p. 185,27  ff.). Eine adhaesio findet z.  B. statt zwischen den Fischen und dem Wasser, oder zwischen unserer Kleidung und unserer Haut; aber in diesen beiden Fällen von Kontakt spricht niemand von Vereinigung, Fische und Wasser etc. stellen nicht wegen ihres Kontaktes „unum quid“97 dar, nicht eine Person und ein Wirken, daher heißen die Fische auch nicht „ex persona unionis“ Wasser und umgekehrt. „Unum quid“ stammt aus dem Theodor-Zitat über synapheia, unio und prosopon, das Babai am Ende des 21. Kapitels bringt (versio p. 199  f.)98. Andererseits kann man nicht überall, wo durch Vereinigung unum quid zustande kommt, von synapheia sprechen, weil synapheia auch Grenze und Kontakte von zwei (aneinandergrenzenden) Dingen bedeutet99. Leib und Seele sind hypostatisch vereinigt, aber das ist keine synapheia, man kann nicht sagen, daß die beiden (bloß) aneinander grenzen100. Ebensowenig befindet sich das im Feuer brennende Holz oder glühende Eisen in der Relation einer synapheia mit dem Feuer (oder umgekehrt). Synapheia für sich allein bringt nicht eine Natur oder eine Hypostase zustande. Die synapheia zeigt jedoch den Unterschied der Eigentümlichkeit von Hypostasen an; oder von Teilen, die miteinander verbunden sind; oder eines Teils mit dem Ganzen. Synapheia bedeutet auch, daß zwischen dem so Verbundenen keine räumliche Entfernung nach Ort und Lage herrscht (da es ja aneinander stößt). – So ist es [330] Babai gelungen, aus einer der profanen Bedeutungen von synhaptō gleich zwei brauchbare Bestimmungen

97 „Unum quid“ textus p. 228,19 und noch einmal Zeile 23 (versio p. 185,31.35, Vaschalde übersetzt „Aliquid unum“). 98 Das Zitat ist besprochen Abramowski, Christologie Babais, p. 235  f. [hier in diesem Band S. 102]. 99 „Aneinandergrenzen“ ist tatsächlich eine der Bedeutung von συνάπτω s. Liddell-Scott s.v. B, 1. 100 Gemeint ist: „gewissermaßen bloß mit den Seitenflächen oder Kanten einander berühren“. Das ist ein alter topos antistoischer Polemik, obwohl die Stoa nicht die συνάφεια von Leib und Seele lehrte, sondern Leib und Seele als ἡνωμένον ζῷον verstand, s. H.  Dörrie, Porphyrios’ ‚Symmikta Zetemata‘, München 1959, p. 31  f. Belegstellen für die antistoische Polemik aus Chalcidius, Priskian und Nemesius ibid. p. 30  f., 46; dazu p. 137.

330, 331 

IV Diskussion antiochenischer Grundbegriffe 

 141

abzuleiten: aus dem implizierten Begriff „Grenze“ die Unterscheidung101, aus dem Aneinandergrenzen die Ablehnung des Vorwurfs der räumlichen Trennung zwischen den betroffenen Bestandteilen102. Im weiteren religiösen Gebrauch (als unterschieden vom christologischen) redet man aber von Verbundensein gerade auch angesichts großer räumlicher Entfernung (versio p. 186,10  ff.): wir Christen sind in einem Glauben und in der Liebe zu Christus vereint, aber das ist keine synapheia der „Nähe der Hypostasen“, wir halten uns nicht an den Händen oder umarmen uns alle miteinander, denn der eine ist im Osten, der andere im Westen oder in anderen voneinander entfernten Gebieten. I. Kor. 6,17 meint „geistliche synapheia“103, die aus der geistlichen Geburt der Taufe herrührt. Es kommt keine „persona unionis“ dadurch zustande. Es ist dies weder eine hypostatische, materiale104 Verbindung, noch eine personale (auf diese letztere käme es aber an). Ebensowenig stellt das Verbundensein in weltlicher Gesinnungsgemeinschaft (jemand hängt einem Weisen105 an oder einem Toren) eine Vereinigung der Hypostasen her. Es gibt weiter eine synapheia, wo Teile ohne räumliche Distanz miteinander verbun[331]den sind106, ohne daß dieses nun Einwohnung oder unio personalis wäre: die (Bau-) Teile eines Hauses hängen zusammen107, aber man sagt doch nicht, daß sie ineinander wohnen. Die Gemeinschaft von Mann und Frau ist nicht Einwohnung, sie sind nicht einer das Gewand des anderen oder einer der Tempel des anderen, die Beziehung zwischen Mann und Frau ist nicht unio personalis durch assumptio. Wenn in der Schrift von Gottes Wohnen unter seinem Volk gesprochen wird (versio p. 187,3  ff.), so ist das kein Wohnen „conjuncte, unitive, personaliter“, „ita ut ipsi sint dii et deus sit ipsi assumptive per unionem personae“.

101 Für die christologische Verwendung mußte der ebenfalls implizierte Begriff „Begrenztheit“ wegen der göttlichen Natur ausgeschaltet werden. Das geschieht auch in der unten zitierten Kernstelle des Kapitels. 102 Dieser Vorwurf geht auf die stoische „Einteilung von den Arten der Körper“ zurück, wo unter den παρακείμενα die συνημμένα und die διεστῶτα unterschieden werden, s. das Schema bei Dörrie, Porphyrios, p. 27. Das antiochenische christologische Verständnis von synapheia als ἕνωσις (das gleiche gilt wahrscheinlich auch für „coniunctio“ bei Tertullian) paßt nicht recht in die Lehrbuchschemata. Trotzdem benutzt Kyrill diese Schemata (woraus man ihren Bekanntheitsgrad ermessen kann), um mit ihren topoi gegen die antiochenische Christologie zu polemisieren. Babai seinerseits kennt alle diese topoi genausogut, seine Meisterschaft zeigt sich darin, wie er das Material aufnimmt und seine Elemente positiv zu verwerten versteht. 103 S. oben p. 322 [hier in diesem Band S. 135]. 104 Textus p. 229,22: müßte ‫ ܥܘܒܢܝܐ‬nicht heißen ‫( ܥܘܒܝܢܝܐ‬was belegt ist), da der Stamm ‫ ܥܒܝ‬ist? 105 Ein solcher Einwand bei Kyrill (Patr. Greek Lex.), Quod unus sit Christus, Aubert V I (PG 75) 733 C: συνάπτοιτο δ’ἂν καὶ μαθητὴς διδασκάλῳ. 106 Vaschaldes Übersetzung versio p. 183,31–33 von textus p. 229, 27–29 ist nicht klar genug. – Verbindung von Teilen als Möglichkeit einer synapheia s. oben p. 329 [hier in diesem Band S. 140]. 107 Dies ist ein altes stoisches Beispiel für συναπτόμενα σώματα, Dörrie, Porphyrios, p. 40 n 1.

142 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

331, 332

Die Kernstelle des 21.  Kapitels (textus p.  230,13–29; versio p.  187,12–25) macht klar, nicht nur worin die besondere Verwendung der fünf termini in der Christologie besteht, sondern auch die Besonderheit der christologischen Union selbst108: „(12) Diese anbetungswürdige und wunderbare und unaussprechliche Vereinigung hat also (13) alle diese Weisen und geht über sie hinaus in der unerforschlichen und erhabenen (14) Weise der (Vereinigung), die (mehr ist) als Teile, die sich gegenseitig (15) begrenzen, und die nicht nur eine synapheia von außen ist und nicht (16) ein Einschließen und Begrenzen von innen und nicht (geschieht) personaliter bei (räumlicher) Entfernung (17) und durch den Willen, während (die Bestandteile) Abstand halten, sondern (das ist die Vereinigung:) der Unendliche (18) im Endlichen, und sie bleiben erhalten ἀσυγχύτως, ἀκράτως (19) ἀμίκτως, ἀσυνθέτως, ἀμερίστως. Dies ist keine Vereinigung (20) bei (räumlicher) Distanz, und die Vereinigung ist nicht endlich, der Notwendigkeit (21) unterworfen und leidensfähig, sondern eine willentliche und personale zu einer (22) anbetungswürdigen oeconomia, in einer synapheia und Einwohnung und (23) Vereinigung des Annehmenden mit dem Angenommenen, und (es ist) eine συνάφεια ἀσύγχυτος109 und eine unendliche (24) Einwohnung. Auf unendliche Weise nämlich wohnt Gott unitive in seiner endlichen (25) Menschheit, wie die Sonne in der glänzenden Perle, in einer Vereinigung“.

[332] Die diesem Zitat vorangehenden Erwägungen hatten schon ergeben, daß jeder der fünf termini (habitatio etc.) christologisch nur so verwendbar ist, daß er die anderen termini in ihrem Bedeutungsgehalt nicht ausschließt; also sind alle fünf verwendbar in gegenseitiger Determination (Zeile 13), was gegenüber dem profanen usw. Gebrauch einen grundsätzlichen Unterschied macht. Die vorangehenden Erwägungen hatten ferner ergeben, daß die fünf termini für ihre christologische Verwendung eine neue Füllung vom Ergebnis der christologischen Einigung her erhielten: die synapheia usw. mußte eine solche sein, daß ein prosopon aus zwei Naturen und zwei Hypostasen damit sachgemäß beschrieben werden konnte. Die christologische Einheit ist also mehr als die Addition aller dieser fünf termini (Zeile 13/14), selbst in ihrer christologischen Ausrichtung. Diese Differenz ist nicht eine quantitative, sondern eine qualitative, denn es sind in Christus vereinigt Unendliches und Endliches (Zeile 17/18). Die Unendlichkeit der göttlichen Natur überwältigt gewissermaßen den modus unionis und macht ihn selber unendlich (Zeile 20) und damit unvorstellbar, unfaßlich; die anschaulichen unter den fünf termini, wie etwa „Einwohnung“, sind dieser Behandlung nicht gewachsen: die „unendliche Einwohnung“ (Zeile 23–25) ist eben nicht mehr anschaulich. Anschaulich aber ist das Ergebnis der Einigung der Naturen, das eine prosopon; die in der Perle glänzende Sonne (Zeile 25) ist ein Bild für die Wahrnehmbarkeit des einen prosopon (wie die Sonne im Spiegel110). Die Aussagen 108 Zeilenzahlen aus Vaschaldes Übersetzung. 109 Alle griechischen termini in diesem Abschnitt sind von mir für die entsprechenden syrischen Vokabeln eingesetzt. 110 S.  Abramowski, Christologie Babais, p. 244 [hier in diesem Band S. 109]; von der in der Perle glänzenden Sonne redet Babai noch c. 11, versio p. 106, 11  f., ohne den Vergleich auszuführen; er sagt, er habe das anderswo, d.  h. in einer anderen Schrift getan.

332–334 

IV Diskussion antiochenischer Grundbegriffe 

 143

über die unio personalis et voluntaria in Zeile 16/17 und 21 stehen nicht im Widerspruch zueinander – man weiß aus zahllosen Stellen in „De unione“, daß „personalis et voluntaria“ den entscheidenden Unterschied zur physischen und hypostatischen Union bezeichnen; in Zeile 16/17 wird das übliche Mißverständnis abgewehrt. Zeile 23 führt den terminus assumptio ein, den Babai bisher in c. 21 noch nicht analysiert hatte, das wird nun (versio p. 187, 25–31) nachgeholt. Die entscheidende Leistung des Begriffes ist: „assumptio enim exacte indicat naturas diversas in proprietatibus ipsarum“; das assumere geschieht „unitive“, das Angenommene [333] ist prosopon des Annehmenden und wird „hoch erhöht“111 im ordo divinitatis. Nach einigen Abschweifungen wird der Gegenstand ausführlicher wieder aufgenommen (textus p. 232,14–23; versio p. 188,35–189,7): „Assumptio et assumens, proprietates exactas hypostaseon completarum denotat: formam dei, unam de hypostasibus trinitatis, deum verbum, et formam servi, unam de hypostatibus hominum112, hominem Jesum unitum, quem deus verbum ad personam suam assumpsit et in quo habitavit ut sese revelaret. Et quia impossibile est assumentem possidere proprietatem naturae assumpti, nec assumptus possidere potest proprietatem naturae assumentis, ergo assumptio ab assumente (facta) monet nos etiam de honore sublimi assumpti apud assumentem“.

D.  h. „assumptio“ macht uns sowohl das Ausmaß des Abstandes zwischen Gott und Mensch bewußt, der in Christus überwunden wurde, wie auch die Ungeheuerlichkeit dieser Überwindung. „Assumptio“ (ἀναλαμβάνειν etc.) ist für antiochenische Theologen immer Kürzel, Chiffre für Phil. 2. Freilich steht 2,7 λαβών und nicht ἀναλαβών, ich frage mich daher, ob hier nicht eine alte (womöglich älter als Theodor von Mopsuestia) Kombination von Phil. 2,7 und der letzten Zeile von I.  Tim. 3,16 (ἀνελήμφθη ἐν δόξῃ) vorliegt113, wobei sehr wohl die letztere Stelle im Sinne [334] der ersteren 111 ‫ ܢܬܥܐܠ ܡܪܡܪܡܐܝܬ‬textus p. 231,3 (versio p. 187,30 „sublimiter elevaretur“) ist gewiß Anspielung auf das ὑπερύψωσεν von Phil. 2,9. Eine substantivische Anspielung mit den gleichen Vokabeln Abramowski/Goodman, A Nestorian Collection I, p. 180,13 (II, p. 107,16 „an elevation to great dignity“): ‫ ܡܬܥܠܝܢܘܬܐ ܕܪܘܡܪܡܐ‬In der Peš. erscheint das griechische Kompositum als ‫ܐܣܓܝ ܪܡܪܡܗ‬. Wenn Babai in „De unione“ Phil. 2,9 ausdrücklich zitiert, bietet er die Form der Peš. (textus p. 131,2; 140,5; 175,15  f.; 283,17  f.; versio p. 105,16; 113,5  f.; 141,30; 229,11); ebenso verhält sich die „Nestorian Collection“. J.  Kerschensteiner, Der altsyrische Paulustext (CSCO 315 = Subs. 37), Löwen 1970, hat bei Ephräm ‫ܥܠܝ‬ ‫ ܘܐܪܝܡܗ‬gefunden (p. 84, Nr. 480. 481), bei Aphraates die Anspielung ‫( ܐܬܬܪܝܡ ܘܐܬܥܠܝ‬p. 90, Nr. 526). Die am Anfang unserer Anmerkung zitierten Formen setzen ‫ ܥܠܝ ܡܪܡܪܡܐܝܬ‬voraus, was sicherlich die genaueste Übersetzung ist; sie kombiniert Elemente aus den vorhandenen Übersetzungen (Ephr. und Peš.). 112 S. oben p. 309 [hier in diesem Band S. 125  f.]. 113 I.  Tim. 3,16 ist die einzige der in Frage kommenden Stellen (Mc. 16,19; Lc. 9,51; Acta 1,2. 11. 22), die sich für eine solche Kombination eignet. Die lateinische Vulgata hat Phil. 2,7 „accipiens“, I.  Tim. 3,16 „assumptus“ (das vor-und nebenhieronymianische Material zeigt [334] praktisch keine Differenzen; Ausnahme ist Victorinus von Pettau, der Grieche war und vermutlich direkt aus dem griechischen NT übersetzte: Phil. 2,7 „sumpsit“, I.  Tim. 3,16 „receptum“, s. Wordsworth-White ad loc.). Cf. Leo I. (der kein Griechisch konnte) im Tomus: „adsumpsit formam servi sine sorde peccati“ (ACO II 2, p. 27,11  f.),

144 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

334, 335

gedeutet worden sein konnte. Merkwürdigerweise behauptet Babai im Anschluß an das Zitat oben: „Quapropter patres in symbolo fidei suae dixerunt: ‚assumpsit‘“ (versio p. 189,7  f.; cf. p. 197,9  f.). Vaschalde macht in der Anmerkung darauf aufmerksam, daß die beiden syrischen Verben, die er mit „assumpsit“ übersetzt, offensichtlich das griechische compositum ἀναλαμβάνειν wiedergeben sollen114. Kurz vorher hatte Babai aus dem Nicaenum zitiert: „incorporatus115 et inhumanatus est“ (textus p.  232,8; versio p.  188,29); durch das neue „Zitat“ aus dem Symbol legt er nahe, „assumpsit“ fände sich im Nicaenum, aber da steht es keineswegs. Babai ist jedoch nicht der Erfinder der Behauptung, die das „assumpsit“ als durch das Symbol autorisiert neben das „incarnatus et inhumanatus est“ des Nicaenums stellt. Philoxenus kennt sie auch: im Kommentar zum Johannes-Prolog erklärt er, daß das „(Mensch-) Werden“ Christi sich im Nicaenum fände, die „assumptio“ hätten die Väter von Konstantinopel (381) ausgesagt116. De Halleux zitiert als Beleg aus dem Nicaeno-Constantinopolitanum „aus dem heiligen Geist und der Jungfrau Maria“117 – nur enthält dieses Kolon sowenig das Wort „assumpsit“ wie das ganze Bekenntnis oder das noch nicht erweiterte Nicaenum. Einiges Blättern in der Hahnschen Symbolsammlung118 ergab die mir wahrscheinliche Quelle für die Behauptung vom [335] Vorhandensein von „assumpsit“ in einem Symbol: Ps. Athanasius = Marcell von Ankyra in der „Expositio fidei“ (PG 25). Die Menschwerdung wird in dem dort erklärten Symbol so ausgesagt: ἐκ τῆς ἀχράντου παρθένου Μαρίας τὸν ἡμέτερον ἀνείληφεν ἄνθρωπον119. Weder Babai noch Philoxenus haben die Kombination der beiden verschiedenen Menschwerdungsformeln selber vorgenommen.  – Philoxenus ist der Zeuge dafür, daß sie vor Babai bekannt war; und die falsche historische Ableitung des Philoxenus zeigt, daß er wiederum die Herkunft des „assumpsit“ nicht kannte, obwohl es ihm unter dem Namen des Athanasius akzeptabel sein mußte. Beider Interesse an der Formel ist auch nicht identisch: für Philoxenus belegte sie, daß man „assumere“ als „Werden“ auszulegen hatte, für Babai ergab sich umgekehrt aus ihr die Berechtigung, „Menschwerden“ auch als „assumptio“ zu verstehen. Dies ist wahrscheinlich auch die Meinung desjenigen gewesen, der das Nicaenum durch „Athanasius“ interpretierte und den wir daher

„adsumpta est de matre domini natura, non culpa“ (p. 28,7  f.) und „carnem … adsumpserit“ (p. 29,15). Aber auch: „servilem formam … suscepit“ (p. 28, 4  f.). – Ein Beispiel aus Ambrosius oben p. 319 n. 1 [hier in diesem Band S. 132 Anm. 76]. 114 Das gilt übrigens auch für „assumpsit“ versio p. 189,2 (und für 29,28; 30,5; wahrscheinlich fände man noch eine Handvoll weiterer Stellen). 115 ‫ܐܬܓܫܡ ܘܐܬܒܪܢܫ‬. Dies ist die syrische Fassung des Nicaenums der Synode von 410, Chabot, Synodicon Orientale, p. 22,30 textus (p. 262 versio). Aber „De unione“ c. 10, textus p. 95,2  f. (versio p. 87,27  f.): ‫ܐܬܒܣܪ‬ … ‫ܐܬܒܪܢܫ‬. 116 A. de Halleux, Philoxène de Mabbog, Löwen 1963, p. 153. 117 Ibid. n. 17. 118 A. und L.  Hahn, Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln der alten Kirche, Breslau 18973. 119 Ibid. p. 265,14  f.

335, 336 

IV Diskussion antiochenischer Grundbegriffe 

 145

unter den Antiochenern zu suchen haben werden120. Was den Philoxenus betrifft, so haben wir hier einen weiteren Beleg für [336] das interessante Faktum, daß er auch in seiner monophysitischen Zeit niemals ganz verleugnen kann, was er in Edessa an Traditionen antiochenischer Theologie in sich aufgenommen hat. Für Babai ist die christologische „assumptio“ nicht „Nehmen“ in irgendeinem gewöhnlichen Sinn (versio p. 189,8–13): hier wird nicht etwas in die Hand genommen und wieder fortgelegt oder fortgeworfen; selbst die Rippe, die Gott aus Adam nimmt, um daraus etwas zu schaffen, ist nicht Objekt von assumptio im christologischen Sinn, denn diese führt zur unio. Allgemein ist zu den Benennungen für die christologische Einheit zu bemerken (versio p. 189,15–18): „Unumquodque ex his nominibus nos aliquid singulare docet quod aliud non habet. Etsi enim in aliquo consentiunt, in aliquo tamen differunt in significatione (quae est eis) apud seipsa“. Dies wird einer Besprechung von habitatio, vestimentum und templum vorausgeschickt. Habitatio hat die Funktion, adhaesio zu qualifizieren: wenn habitare ausgesagt wird, kann adhaesio nicht meinen, daß Gott nur äußerlich und finite der forma servi verbunden sei, die er zu seinem prosopon angenommen hat. Einige Schwierigkeiten macht Babai die Vorstellung von der Menschheit Christi als Gewand, vestimentum, seiner Gottheit. „Vestimentum enim cum eo, qui illud induit, non facit unionem“ (versio p. 189,26  f.). Vielmehr muß aus der Tatsache der unio abgeleitet werden, wie vestimentum christologisch zu verstehen ist; es wird sich ergeben, daß dieses „Gewand“ niemals mehr abgelegt wird, es ist ein „unausziehbares“, „vereintes“ Gewand. Es wird also eine Umdeutung vorgenommen. Trotzdem vermag Babai dem traditionellen Bild auch unmittelbar brauchbare Aspekte abzugewinnen: der sich Bekleidende und sein Gewand sind nicht eine Natur oder eine Hypostase (versio p. 195,35  f.; p. 195,33–197,10 ist ein zusammenhängender Abschnitt über vestimentum). So wie ein Gewand die Glieder verbirgt, die es bedeckt, so ist 120 Der Einfluß der Theologie des Marcell von Ankyra auf die antiochenische Theologie muß dringend in seinem genauen Ausmaß untersucht werden. Die Herkunft des „homo assumptus“, dieses für Theodor und dann für Antiochener und Nestorianer so charakteristischen Ausdrucks, aus Marcells („Athanasius’“) Schriften scheint mir außer Frage. Die Arbeiten von Martin Tetz über die Überlieferung dieser Ps.-Athanasiana, über den Umfang des marcellischen Schrifttums und über Marcells Theologie bieten inzwischen eine gesicherte Grundlage für einen solchen Vergleich (M.  Tetz, Zur Theologie des Markell von Ankyra I-III, Zeitschr. f. Kirchengeschichte 75, 1964, p. 217–270; 79, 1968, p. 3–42; 83, 1972, p. 145–194; Markelliana und Athanasios von Alexandrien, Zeitschr. Neutestmentl. Wiss. 64, 1973, p. 75–121). Marcell würde endlich die zeitliche Lücke schließen zwischen Eustathius von Antiochien († vor 337) einerseits und Diodor von Tarsus († vor 394) und Theodor von Mopsuestia († 428) andererseits; ich will damit Marcell keineswegs zum Antiochener machen, sondern nur auf ein weiteres zu berücksichtigendes Element für die Geschichte der antiochenischen Theologie aufmerksam machen. Eine glatte Sukzessionslinie kommt sowieso nicht zustande: es genügt an die Sonderstellung Diodors zu denken, der nicht Eustathianer, sondern Meletianer war, dessen vielzitierte christologische Schrift ein spätes und am Rande seiner Interessen liegendes Werk war, dem die menschliche Seele Christi theologisch uninteressant war (was um jene Zeit bereits altmodisch anti-origenistisch war) und von dem eine Linie zurück zu Euseb von Emesa führt.

146 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

336–338

die Gottheit verborgen in der menschlichen Natur, die sie offenbart121. Hier assoziiert sich die traditionelle Sonderform von vestimentum als Bild für die menschliche Natur Christi: als königlicher Purpur. [337] „Membra enim corporeitatis adorandae sunt regiae purpurae, quas induit deus verbum, a spiritu sancto praeclare contextae, e materia corporis virginis beatae Mariae. Et ab initio texturae, vestiens in ea fuit, et in aeternum, inexuendum et inseparabiliter“ (versio p. 196,11–15; cf. 199,9122; 204,13 „vestimentum unitum“). Wenn das Gewand des Königs zerrissen wird, ist das noch keine Verwundung des Leibes des Königs, aber eine Schande ist es für den König wie für das königliche Gewand. Dies ist direkt christologisch zu übertragen: die der menschlichen Natur Christi zugefügten Leiden werden vom Logos wegen der Leidensunfähigkeit der göttlichen Natur nicht erlitten, aber die Schmach, die Christus angetan wurde in Gefangennahme und Kreuzigung, fällt sehr wohl auch auf seine göttliche Natur. „contumelia tamen, qua crucifixores templum et vestimentum eius affecerunt, ei incumbit, quia ipse habitat in eo unitive et vestimentum eius est sumptum. Etenim qui vestimentum suum induit, non induit illud absque assumptione123; nec vestimentum eius est distans ab illo, sed illi adhaeret124“ (textus p. 242,18–23; versio p. 197.4–9)125.

Anders als „Gewand“ muß „Tempel“ als Bezeichnung für die menschliche Natur Christi nicht umgedeutet werden, im Gegenteil, hier enthüllt der christologische Gebrauch erst, was [338] „Tempel“ eigentlich meint. Dieser Tempel erfährt keine Verwandlung oder Stillegung, weil die in ihm wohnende Gottheit ihn niemals verläßt. Wie die Gesalbten, Priester, Erstgeborenen und Könige Christus, das Urbild, vorweg abbildeten, so bildeten die alten Tempel die beständige Wahrheit dieses eigentlichen Tempels ab, denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit (versio p.  192,5–13). 121 Man beachte, wie hier die beiden traditionellen Funktionen der Menschheit Christi miteinander verbunden sind: die menschliche Natur Christi verbirgt und offenbart die ihr innewohnende göttliche Natur. 122 Babais Vorliebe für Adverbien feiert hier Triumphe: ‫ ܠܒܘܫܐܝܬ ܐܠܫܠܘܚܐܝܬ‬textus p. 241,23; 245,10. 123 Im Syrischen ein Adverb. 124 S. die vorige Anmerkung. 125 Nestorius führt das Betroffensein des Logos vor am Vergleich mit dem König und seinem Standbild: Schändung des Standbildes ist Schändung des Herrschers. So in einer Passage im Brief an Alexander von Hierapolis, die Severus zweimal zitiert (in Ctr. Gramm. und im Philalethes), s. Abramowski, Untersuchungen, p. 227  f. mit n. 41. Verehrung der Menschheit Christi verglichen mit der Verehrung von Kaiserbildern bei Theodor von Mopsuestia, De incarn. XIV, ACO IV I, p. 51,21–32 = Swete II, p. 309, 9–30. – Babai übernimmt den Vergleich der menschlichen Natur mit dem kaiserlichen Standbild nicht (und setzt sich damit stillschweigend von Theodor ab): gegen diesen Vergleich würden dieselben Einwände gelten, wie gegen den Vergleich mit dem Gesandten (räumliche Trennung). – Nestorius selber korrigiert das Bild vom königlichen Purpur unter einem anderen Aspekt: „adoro tanquam animatam regis purpuram“ (Sermo IX), s. Abramowski, Untersuchungen, p. 228.

338, 339

IV Diskussion antiochenischer Grundbegriffe 

 147

„Itaque humanitas Christi, filii dei, est templum divinitatis Christi, filii dei, modo peculiari et sublimi, cui nihil aequale est“ (versio p. 194,6–8). Mehrfach taucht in der Diskussion von „vestimentum“ und „templum“ auch der „Gesandte“ oder der ἀντικαῖσαρ als Vergleich für die menschliche Natur Christi auf, aber immer nur um abgelehnt zu werden (versio p.  191,34  f.; 197,34–36; 199,8; 204,14. 22–24). Denn der Vergleich impliziert unweigerlich räumlichen Abstand – der Gesandte tritt ja in Erscheinung, weil der, den er vertritt, eben nicht selber am gleichen Ort ist. Daß überhaupt die Möglichkeit des Vergleichs erwogen wird, liegt in der Auffassung begründet, wonach der Gesandte die Person des ihn Sendenden vertritt, also „sein prosopon trägt“. Aber „der König trägt nicht“ umgekehrt „das prosopon des Gesandten“ (textus p. 251,27; versio p. 204,20  f.). Diese Gegenseitigkeit, d.  h. der prosopon-Tausch, ist jedoch für die Christologie entscheidend: „Wie die Menschheit unseres Herrn das prosopon seiner Gottheit trägt, so auch seine Gottheit das seiner Menschheit in einer synapheia“ (textus p. 251,25–27; versio p. 204,18–20). Kap. 21 schließt folgendermaßen (textus p. 252,1–15; versio p. 204,23–36)126: „Hic ergo myste-(24)-rium est magnum et stupendum et res mirabilis, quia deus (25) verbum formam servi ad personam suam sumpsit, id est, (26) hominem completum, et habitavit in eo unitive infinite: (27) ‚manifestatus est in carne‘ (I.  Tim. 3,16); et humanitas eius, per unio-(28)nem eum illo, accepit nomen excellentius omnibus nominibus, (29) id est, filium et dominum, in una potestate et in una domi-(30)-natione. Et ille factus est is secundum unionem, non secundum (31) naturam: ‚filius hominis qui est in caelo‘ (Ioh. 3,13); et is factus est (32) ille secundum unionem, non secundum naturam, id est, filius (33) et dominus gloriae. Et in hac una persona agnoscuntur duae (34) naturae cum proprietatibus suis sine separatione; et [339] unus est (35) dominus Jesus Christus, filius dei unigenitus, heri et hodie et (36) in aeternum“ (es folgt ein Gloria patri).

Es ist kein Zufall, daß an so prominenter Stelle hier am Schluß des 21. Kapitels (also am ursprünglichen Schluß von „De unione“), in der Zusammenfassung, die Beurteilung des christologischen Faktums als Wunder erscheint (Zeile 23  f.). Sie durchzieht das ganze Buch. Die Wunderhaftigkeit rechtfertigt ihrerseits aufs Neue die verschiedenen Bezeichnungen für die Vereinigung der Naturen, weil eine von ihnen allein zur Erfassung des Wunders nicht ausreicht: „Dictum est enim: habitatio, et adhaesio, et templum, et vestimentum, et unio, quia non potes per unum exemplum unamque appellationem discentibus declarare et confirmare hanc unionem mirabilem, inconfusam et non admixtam et immixtam127 et impassibilem, id est, ineffabilem … nisi (adhibueris) omnes similitudines et notitias et appellationes et nomina, quae nobis veritatem confessionis nostrae declarant et confirmant, ut discamus et doceamur hanc unionem adorandam eum omni certitudine et fide infallibili“ (versio p. 203,2–7.10–13).

126 Ich setze Vaschaldes Zeilenzahlen in das Zitat. 127 „Non admixtam et immixtam“ negieren μίξις (‫ )ܚܠܛ‬und κρᾶσις (‫)ܡܙܓ‬.

148 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

339, 340

Auf dem Wunder der christologischen Vereinigung beruht auch, daß im christologischen Fall diese termini sich alle gegenseitig interpretieren: „Aliud quidem est vestimentum, et aliud templum, et aliud adhaesio, et aliud unio. Hic autem haec omnia sunt in omnibus128 per prodigium stupendum et mirabile et ineffabile. Ita enim homo domini nostri appellatus est (sc. vestimentum et templum), non solum ad significandum quod divinitas non est in distantia ab humanitate, sed et quod humanitas eius personam divinitatis sumpsit non in distantia sicut legatus, sed coniuncte, et quod etiam proprietates divinitatis et humanitatis eius servantur sine confusione, et quod unio non est per compositionem, nec necessaria“ (versio p. 191,28–37).

Das Wunder ist die Einheit der Person aus dem unendlichen Gott und der endlichen menschlichen Natur, in der der Logos seine Unendlichkeit nicht verliert; so, auf diese personbildende Weise, wohnt er nur in Jesus in einem für uns sichtbaren Men[340]schen (versio p. 204,25–27). Mit einiger Verblüffung stellt man fest, daß Babai hier jetzt bereit ist, vom „Werden“ (‫ܗܘܐ‬ ̣ ) zu sprechen, Zeile 30–32: „ille factus est is, … et is factus est ille“ („ille“ ist der „Gottessohn“, „is“ der „Menschensohn“). Das immer vorhandene antiochenische Unbehagen gegenüber dem ἐγένετο von Joh. 1,14 hatte, seitdem Philoxenus dieses „Werden“ zum zentralen Stück seiner Christologie gemacht hatte, sich ja eher noch verschärft. Worauf es an unserer Stelle ankommt, das ist die Identitätsaussage samt ihrer Begründung in der Vereinigung der Naturen, nicht in der Natur (Zeile 30  f. und 32  f.); da die Vereinigung der Naturen das eine prosopon ist, was hier (Zeile 33  f.) einfach vorausgesetzt wird, gründet die Identität in der Einheit der Person129. Diese analysiert sich wiederum als Austausch der prosopa oder Namen; das wird vorgeführt in einer Parallele zu unserm Zitat, in dessen Kontext aber ausdrücklich gegen das „factus est“ polemisiert wird! Im 20. Kap., in dem Babai über die Namen Christi spricht, heißt es (textus p. 213,27–214,10; versio p. 173,6–20): „‚Forma dei formam servi sumpsit, et factus est in similitudine hominum, et habitu inventus est ut homo‘, et non ‚factus est‘ homo; et formam sumpsit, et non forma factus est; et in similitudinem factus est, et non natura humana factus est. E persona autem unionis130, sicut dixi, et quemadmodum unitae sunt naturae ad unam personam oeconomiae, servatis proprietatibus suis absque confusione, sic unita sunt personaliter etiam nomina naturarum, quae sua vicissim commutant, non secundum naturam, sed in assumptione personae unita131: filius altissimi (est)

̇ 128 Vaschalde übersetzt ‫ ܒܟܠܗܝܢ‬von textus p. 235,28 mit „omnino“ (nach Analogie von ‫ܒܟܠܗ‬ ). 129 So nur wenig vorher, wo Babai erläutert, wie sich die gewöhnliche Relation von Gewand und Bekleidetem von der christologischen unterscheidet: Gewöhnlicherweise „vestimentum non habitat in eo qui illud induit, nec unitur cum eo in una persona ita ut personaliter vestimentum sit induens, et induens sit vestimentum, in una virtute et voluntate etcetera“ (versio p. 203,18–21). 130 Vaschalde übersetzt die stat. constr.-Bildung (zu diesem Problem s.  o. p. 306 n. 1 [hier in diesem Band S. 123 Anm. 49]) mit „ratione autem unionis“. 131 Vaschalde bezieht „unita“ auf „persona“, was grammatisch ebenso korrekt ist, mir aber inhaltlich schwierig erscheint.

340, 341 

V Schluss: Die religiöse Grundeinstellung Babais 

 149

filius hominis, et filius hominis (est) filius altissimi, e persona unionis132 enim et adhaesione et habitatione, dum [341] filius altissimi manet in suis naturaliter et homine suo indutus est, et est cum eo in unione unus filius altissimi; et homo domini nostri est homo secundum naturam suam in ipsa unione“.

Das „factus est“ vom Ende des 21. Kapitels läßt sich mit diesem Text nicht vollständig ausgleichen, doch ist immerhin die Qualifikation (versio p. 204,30–32) „secundum unionem, non secundum naturam … secundum unionem, non secundum naturam“ zu berücksichtigen. Sie bestimmt die Identitätsaussage und damit auch den Aspekt, unter dem ein „factus est“ für Babai aussagbar ist.

V Schluss: Die religiöse Grundeinstellung Babais Im 9. Kap. feiert Babai den Inhaber des Stuhles Petri, dem Eutyches und Dioskur ihren Untergang verdanken (versio p. 61, 27  ff.), als „Leo mirabilis“ (textus p. 76,13; versio p. 61,35). Hierin kann sich Babai durch die Autorität des Nestorius im Liber Heraclidis gedeckt fühlen133, wo Leo I. uneingeschränkt gelobt wird. Nestorius hatte bekanntlich den Tomus ad Flavianum zugeschickt bekommen (Lib. Her., versio Nau p. 298), genauer: einen Teil desselben (Nau p.  330), und pries Gott wegen der makellosen Orthodoxie der römischen Kirche, obwohl er seinerseits keine Freundlichkeiten von dort erfahren hatte (textus Bedjan p. 466, 16  f.; versio Nau p. 298,21–23). Die Entscheidung Leos gegen Eutyches und für Flavian betrachtet Nestorius geradezu als inspiriert (Bedjan p. 472,20–473,1; Nau p. 302,10–12). Babai seinerseits macht von der leonisch-chalcedonensischen Formel „salva igitur proprietate utriusque naturae“ verblüffend häufigen Gebrauch134, von den vier berühmten chalcedonensischen [342] Adverbien erscheint vor allem immer wieder ἀσυγχύτως. Hand in Hand mit dem Gebrauch dieses Vokabulars geht eine religiöse Einstellung gegenüber dem christologischen Faktum, die der des Philoxenus überraschend gleicht: die Einheit der beiden Naturen in Christus wird als Wunder betrachtet. Deswegen ist es nicht ganz fair, wenn Babai den christologischen Wunderbegriff des

132 Vaschalde übersetzt hier die stat. constr.-Bildung mit „propter unionem“; siehe n. 2 [hier in diesem Band S. 148 Anm. 130]. 133 Cf. oben p. 298  f. und 301 [hier in diesem Band S. 117  f. und 119  f.], wo bestimmte erstaunliche Aussagen Babais nur durch die Benutzung des Liber Heraclidis mitsamt allen unechten Bestandteilen zu erklären sind. 134 Textus p. 57,14–17 (versio p. 46,11–14); 60,19–21 (48,33–35); 75,22  f. (61,13  f. Kyrill!); 98 (sic),15– 17 (79,16–18); 86,10–14 (80,20–23); 88,14–20 (82,19–24); 91,24  f. (85,6  f.); 110,15  f. (89,14–16); 120,13  f. (97,10  f.); 123,9  f. (99,17  f.); 123,13–18 (99,21–25); 166,20  f. (134,28  f.); 201,3–6 (162,27–29); 209,20–23 (169,20–22); 210,11–13 (170,4–6); 211,25–27 (171,14  f.); 211,28–30 (171,16–18); 213,4–6 (172,18–20); 214,1  f. (173, 11  f.); 234,5  f. (191,8  f.); 236,2–4 (191,35–37); 248,23  f. (202,2  f.); 262, [342] 11–14 (212,28–31); 262,25  f. (213,4); 268,1  f. (217,1  f.); 272,14–16 (220, 17  f.); 276,24–26 (223,33  f.); 298,27  f. (241,12  f.).

150 

 2.2 Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen

341, 342

Philoxenus tadelt135, wenn auch klar ist, was ihm daran anstößig ist: nicht das Wunder, sondern was als Wunder bezeichnet wird, nämlich das „Werden“ des Gott Logos. Von der Unaussprechlichkeit, Unerforschlichkeit und Unbegreiflichkeit der christologischen Einheit redet Babai ja ununterbrochen. Es ist das „Wie“ der Vereinigung von Unendlichem im Endlichen, das über allen Verstand geht (c. 6, versio p. 30,12  ff.; c. 17, versio p. 134, 31  ff.)136. Für die Relation der drei trinitarischen Hypostasen untereinander gilt das gleiche (c.5). All dies gehört in den Zusammenhang der religiösen Einstellung zur Aufgabe der Theologie überhaupt, d.  h. zum Verhältnis von Glauben und Forschen, in dem der Glaube den absoluten Vorrang hat. Deswegen handelt das 1. Kap. von „De unione“ einleitend über den Glauben (weitere Erwägungen über Glauben und Forschen findet man in den Kapiteln 2 und 3). Philoxenus bestimmt das Verhältnis von Glauben und Forschen ganz ähnlich137. Gemeinsamkeiten dieser Art möchte de Halleux auf die bei beiden Theologen vorauszusetzende Vertrautheit mit der Theologie Ephräms zurückführen138. Ich möchte allerdings einen Schritt weitergehen: gerade weil der syrische Monophysitismus des Philoxenus die einheimische Tradition aus der Zeit vor der Glaubensspaltung nicht vernachlässigte, lag darin für den strikten Dyophysitismus der syrischen Antiochener ein Motiv, auf der Kontinuität dieser Tradition seinerseits zu insistieren. Auf dem Fundament eines festen Glaubens und des Haltens [343] der Gebote139 ist meditativer Aufstieg140 durch „schweigendes Denken“ „über alles Erforschbare hinaus“ möglich in den Bereich trinitarischer und christologischer Relationen (c. 6, versio p. 31), unter dieser Voraussetzung darf man dort „wagen zu forschen“. So ermöglicht sich Babai seine z.  T. doch hochgradig „technischen“ Erwägungen über die Christologie, ohne den Grundsatz der Vorordnung des Glaubens und des rechten christlichen Lebens zu verletzen. Nie aber verliert er aus dem Auge, daß der Gegenstand seines Buches ist: die „unio adoranda et ineffabilis“.

135 Abramowski, Christologie Babais, p. 230  f. [hier in diesem Band S. 98  f.]. 136 de Halleux, Philoxène, p.  428 n. 22: Philoxenus konnte die Unterscheidung von „quod“ und „quomodo“ bei Ephräm finden (bei der erläuterten Philoxenus-Stelle handelt es sich um die Existenz Gottes). 137 Cf. ibid., p. 439 n. 53 zum Beispiel. 138 Mündliche Mitteilung. 139 de Halleux, Philoxène, p. 442 n. 63 (Ende) zum Beispiel. 140 Meditativer Aufstieg, Reinigung, Erleuchtung als Voraussetzung für theologisches Reden: Babai „De unione“, versio p. 5  f.; cf. de Halleux, o.c., p. 437 n. 50 zum Beispiel.

3 Weitere Einzelstudien zur syrischen Kirchengeschichte (nach 1992 entstanden)

3.1 Die liturgische Homilie des Ps. Narses mit dem Messbekenntnis und einem Theodor-Zitat Abstract: The homily entitled ‚Exposition of the Mysteries‘ (translated by Connolly from Mingana’s edition of Narsai’s homilies) has already been shown not to be a genuine work of Narsai. It is, however, still of interest for the history of the creed and of the liturgy. It seems to be the earliest source referring to the creed as part of the eucharist in the Church of the East. The homily paraphrases the baptismal creed of Antioch (A) and in so doing purports to render the faith of the Nicene fathers, thus confirming the broader use of the ‚symbol of the 318 fathers‘ as established by the more recent Symbolforschung. Another such case is the creed explained in the synod of Išoʿyahb I in 585; the relationship of this creed to A and C is cleared up. The quotation from Theodore in the homily is very characteristic of his christology, though ps-Narsai seems to have missed the point – on purpose? Die hier zu besprechende Homilie trägt in Minganas Ausgabe1 die Nummer 17 und in der Liste der ihm bekannten Homilien dieses Theologen die Nummer 35. Die ältere Literatur zitiert nach der Ausgabe, während neuerdings die Listennummern bevorzugt werden. Um mögliche Konfusionen zu vermeiden, werde ich den Text als Nr. 35/17 zählen. Meine Stellung zur Echtheitsfrage ist bereits aus der Überschrift oben ersichtlich. Als ‚liturgische Homilie‘ ist der Traktat seit Connollys Übersetzung2 bekannt, wo er mit drei weiteren Homilien ebenfalls liturgischen Inhalts aus der Narses-Ausgabe zusammengestellt ist. Connolly hat die vier Traktate als A-D aneinandergereiht. A ist 35/17, B = 39/22, C = 38/21, D = 59/32. Connolly sah sich zu einer Untersuchung der Authentizität der Homilie genötigt, weil die Zuschreibung in den [88] Handschriften nicht einheitlich ist und neben Narses auch viel spätere Autorennamen auftauchen. Connolly arbeitete mit den Mitteln interner Kritik,3 obwohl ihm die Grenzen dieser Methode bewußt waren.4 Nach einem sorgfältigen Vergleich von 35/17 mit andern Reden Narsais kam Connolly zu folgendem

Article note: The author wishes to thank Dr J.  F.  Coakley who kindly transferred the type-written manuscript of this paper on to his PC. 1 A.  Mingana, Narsai Doctoris Syri Homiliae et Carmina, 2 Bände (Mosul: Imprimerie Dominicaine, 1905). 2 R.  H.  Connolly, The liturgical homilies of Narsai (Texts and Studies, VIII.1; Cambridge: University Press, 1909), Homilie A =  35/17: 1–32, bei Zitaten aus Connolly habe ich weitgehend auf die Großschreibung bestimmter Wörter verzichtet. 3 Homilies of Narsai, xv. 4 Ibid., xvi. https://doi.org/10.1515/9783110647419-008

154 

 3.1 Die liturgische Homilie des Ps. Narses

88, 89

Ergebnis: ‚The foregoing evidence points to the conclusion that the writer of A was Narsai himself‘ und nicht ein Autor des 13. Jahrhunderts, wie es einige Handschriften angeben.5 Zu den handschriftlichen Grundlagen der Edition Minganas als ganzer äußerte Connolly sich kritisch: ‚The account which Fr. Mingana gives of his MSS is not very precise‘,6 was dann im einzelnen vorgeführt wird; die speziellen Mitteilungen über 35/17 fand Connolly ‚somewhat puzzling‘.7 Inzwischen hat S.  Y.  H.  Jammo in seiner Untersuchung über die Struktur der chaldäischen Messe (1979)8 22 Handschriften für unsere Homilie benennen können.9 Er setzt sich mit guten Argumenten mit der These Rahmanis auseinander,10 die in 35/17 verschiedene byzantinische Einflüsse am Werk sieht; im übrigen hält Jammo an der Echtheit fest. Die nicht publizierte römische Dissertation von F.  G.  McLeod von 1968,11 in der die Echtheit bestritten wird, ist Jammo offensichtlich nicht bekannt. Der entscheidende Schritt in der Echtheitsfrage ist S.  Brock zu verdanken. In seiner Untersuchung über die Wortbildung im Syrischen und wie man sie für die Datierung anonymer Texte verwenden könne,12 ergibt sich für unsere Homilie: ‚We will discover that the presence of certain tell-tale adjectival forms in -aya and -anaya makes it very unlikely that the memra can really be from the pen of Narsai‘. Brock führt die entsprechenden Formen an, stellt ihre Einzigartigkeit im Corpus der bisher publizierten Schriften Narsais fest und bietet ihre datierbare Bezeugung bei andern Autoren (Cyrus von Edessa und Babai dem Großen). ‚There would thus seem to be good reason for dating the homily to some time subsequent to Narsai, perhaps to the sixth century (rather than to Abdishoʿ of Elam in the thirteenth)‘.13 [89] Judith Frishman gibt in ihrer Dissertation von 1992 über Narsai14 einen Überblick über die bisherige Diskussion, was die Echtheitsfrage von 35/17 angeht.15 Die 5 Ibid., xxxviii. 6 Ibid., xi. 7 Ibid., xiii. 8 S.  Y.  H.  Jammo, La structure de la messe chaldéenne du début jusqu’à l’anaphore. Étude historique (Orientalia Christiana Analecta, 207; Rom: 1979). 9 Ibid., 14–15. 10 Ibid., 19–24. Über Einschübe im Text, 25. 11 F.  G.  McLeod, ‚The soteriology of Narsai‘ (Dissertation, Rom, 1968). Ich danke Dr Judith Frishman, Leiden, für die große Mühe, der sie sich liebenswürdigerweise unterzogen hat, um mir die Benutzung dieser Arbeit zu ermöglichen. 12 S.  Brock, ‚Diachronic aspects of Syriac word formation: an aid for dating anonymous texts‘, in V.  Symposium Syriacum 1988 (Orientalia Christiana Analecta 236; Rom, 1990), 321–30. 13 Ibid., 327–8. 14 J.  Frishman, ‚The ways and means of the divine economy. An edition, translation and study of six biblical homilies by Narsai‘ (Dissertation, Leiden, 1992). 15 Ibid., 12–14 des dritten Teils (die drei Teile des Buches haben leider separate Paginierungen). Zu 13 n. 100 merke ich an, daß die eine christologische Hypostase aus dem Sachau-Text des Theodor von Mopsuestia nicht als authentisch gelten kann, sondern eine Bearbeitung darstellt. Cf. jetzt L.  Abramowski, Die Reste der syrischen Übersetzung von Theodor von Mopsuestia, De incarnatione, in

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Verfasserin kann ihrerseits eine kleine Liste von Ausdrücken beisteuern,16 die sie beim echten Narses nicht gefunden hat, die Folgerung könne nur sein, daß die Rede weder im Ganzen noch in Teilen von Narses geschrieben sei. Wenn wir die Zahl der stilistischen und darstellerischen Übereinstimmungen zwischen unserm Text und den echten Narses-Homilien, wie Connolly sie aufzählt, zusammenhalten mit den Beobachtungen McLeods, Brocks und Frishmans, dann ergibt sich, daß der Autor sich zwar bewußt und mit viel Erfolg in die Schule des Narsai begeben hat, sich aber durch die Anachronismen der Wortbildung (Brock) doch als Nachahmer verrät, freilich als ein sehr begabter. Mir selber ist eine weitere Differenz zwischen 35/17 und den drei andern liturgischen Homilien aufgefallen, und zwar hinsichtlich des liturgischen Personals. Während 35/17, ‚Erklärung der Mysterien‘, von mehreren Priestern und Diakonen spricht, unter denen ein Priester als Zelebrant ausgewählt ist (Mingana, i. 272–3, Connolly, 3–4), erwähnt 38/21 (C bei Connolly), ‚Über die Mysterien der Kirche und über die Taufe‘, immer nur einen Priester und einmal neben ihm zwei Diakone (Mingana, i. 350, Connolly, 55), – dies innerhalb der Beschreibung der Taufe und ihrer Deutung. In der Schilderung dieses Sakraments werden keine liturgischen Stücke zitiert, wohl aber in der sich anschließenden Beschreibung der eucharistischen Liturgie. Ein Glaubensbekenntnis findet sich nicht darunter (im Unterschied zu 35/17!). Hom. 39/22 ‚Über die Taufe‘ (B bei Connolly) erwähnt das Glaubensbekenntnis im Zusammenhang mit der Taufe, wobei immer Renuntiatio und Bekenntnis zusammengestellt werden (Connolly, 36, 38, 44); inhaltlich wird bei diesen Gelegenheiten nur vom Bekenntnis zum Schöpfer bzw. zur Gottheit gesprochen: der Täufling entsagt dem Satan, um sich dem Schöpfer zuzuwenden. Welche Gestalt das betreffende Taufbekenntnis hatte, kann daher aus 39/22 nicht erschlossen werden. Unsere Homilie 35/17 ist symbolgeschichtlich und deswegen auch liturgiegeschichtlich17 von großem Interesse, und das in [90] dreifacher Hinsicht: erstens wegen der Verwendung eines Bekenntnisses im eucharistischen Gottesdienst, zweitens wegen des Typs des so verwendeten Bekenntnisses und drittens wegen der Bezeichnung des Bekenntnisses als nicänisch18 durch den Verfasser. Der zweite Punkt ist bereits durch Connolly geklärt worden, der erkannte, daß hier das seit Caspari so bezeichnete ‚Nestorianum‘ in freier Form wiedergegeben add. 14.669, Aram 5, 1.2 (published 1996 = Festschrift Sebastian P.  Brock), 23–32 [hier in diesem Band S. 29–36]. 16 ‚Ways and means‘, 14. 17 Connolly selber führt folgende liturgiegeschichtlichen Untersuchungen durch: ‚The rite of baptism in Narsai’s homilies‘ (xlii–xlix); ‚The formula of renunciation in Narsai’s baptismal rite’ (xlix); ‚Narsai’s liturgy and the existing Nestorian rites’ (l–lxxi). 18 Theodor betrachtet in seinen in Antiochien gehaltenen Katechesen das von ihm erklärte dortige Symbol ebenfalls als nicänisch. Cf. J.  N.  D.  Kelly, Altchristliche Glaubensbekenntnisse (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1972), 345: Die Bezeichnung ‚der Glaube der 318 Väter‘ war unspezifisch und wurde gewohnheitsmäßig auch für C verwendet, und zwar noch im 6. Jahrhundert.

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wird.19 Der erste Punkt ist m. W. in der Behandlung unserer Homilie bisher noch nicht beachtet worden. Doch ist 35/17 wohl der erste Beleg dafür, dass das Taufbekenntnis in die eucharistische Liturgie auch der syrisch sprechenden dyophysitischen Kirche Persiens eingeführt wurde (eine explizite Nachricht darüber scheint nicht vorzuliegen). Zur Beurteilung dieses Phänomens ist der Anspruch auf nicänische Orthodoxie für das Bekenntnis (siehe oben Punkt 3) heranzuziehen. In diesem Zusammenhang gewinnt nun die Echtheitsfrage von 35/17 neben ihrer literargeschichtlichen auch eine liturgiegeschichtliche Bedeutung, denn mit der Verfasserfrage ist die Datierung des Textes verbunden. Wäre Narses der Verfasser, so wäre die Einfügung des Credo in die Meßliturgie seines kirchlichen Bereichs erstaunlich früh erfolgt, vor 502, dem allgemein akzeptierten Todesdatum des Narsai. Spricht man die Homilie mit guten Gründen dem Narses ab, so verliert man einen festen terminus ad quem für die Einfügung und wird außerdem in die Periode nach Narses geführt. Einen relativen zeitlichen Anhaltspunkt gewinnt man aus Bemerkungen des Verfassers unserer Homilie, die auf die Wiedergabe des Symbols folgen. Es heißt da: ‚This did the 318 priests seal; and they proscribed and anathematized every one that confesses not according to their confession‘ – die 318 Priester sind natürlich die Väter von Nicäa. ‚The church confesses according to the confession of the fathers,20 and she cites21 their confession also at the time of the mysteries‘(‫ܘܐܦ ܡܫܡܫܐ ܬܘܒ ܠܗܝܡܢܘܬܗܘܢ‬ ‫ ܒܥܕܢ ܐ̈ܪܙܐ‬Mingana, 275, Connolly, 6). Der von mir hervorgehobene letzte Satz spricht dafür, daß die Zitation des Credo im eucharistischen Gottesdienst noch keine uralte Selbstverständlichkeit war, sonst wäre es nicht nötig gewesen, die Priesteramtskandidaten, an die die Homilie gerichtet ist,22 auf diese Tatsache eigens hinzuweisen. Man [91] kann daher vermuten, daß diese liturgische Neuerung nicht allzu lange Zeit zurück lag. Aber wann ist sie eingetreten? In seinem Buch über die altchristlichen Glaubensbekenntnisse bespricht J.  N.  D.  Kelly23 die Nachrichten, die wir über denselben Vorgang zunächst in Antiochien und dann in Konstantinopel haben, wo offenbar diese Entwicklung, die ja auch im lateinischen Westen allmählich eintrat, ihren Ursprung hatte. Für Kelly ist es fraglos, daß nicht nur in Konstantinopel, sondern auch in Antiochien24 das Nicaeno19 Homilies of Narsai, lxxi–lxxvi. 20 Gemeint sind die von Nicäa. 21 Connolly sagt ‚employs‘. 22 Cf. Anfang und Ende der Homilie: ‚Come, then, o son of the divine mystery, hear the record  – marvellous to tell – of the mysteries of the church‘ (1); ‚Come then, o son of mystery of the sons of the church, learn the order by which thou mayest draw nigh to the priesthood …‘ (31). 23 Glaubensbekenntnisse, 343–5. Was bei Jammo, La messe chaldéenne, 188, darüber steht, ist schon beim Erscheinungstermin seines Buches überholt gewesen. Mit ‚Gaspari‘ bei Jammo ist Caspari gemeint. 24 Kelly ist zuzustimmen, wenn er (344) gegen Capelle die beiden Berichte über die Einführung des Bekenntnisses in die eucharistische Liturgie nicht als einander ausschließend betrachtet und auch nicht den Bericht über die Vorgänge in Konstantinopel wegen der Augenzeugenschaft des Berichter-

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Constantinopolitanum (= C) in die Liturgie eingeführt wurde, daher seine Überschrift ‚C in der Abendmahlsliturgie‘ für den betreffenden Abschnitt.25 Für Konstantinopel ist das gewiß richtig, aber ist es auch für Antiochien zwingend? Schließlich besaß man in Antiochien ein Taufbekenntnis, das C sehr ähnlich war und seinem Gehalt nach als nicänisch galt: das Antiochenum, von dem wir wissen, daß es 428 noch in Antiochien in Gebrauch war. Sollte es zu der Zeit des Antichalcedonensers Petrus Fullo, der als erster vorschrieb, daß das Bekenntnis ‚in jeder Synaxis‘ zu sprechen sei, bereits durch das reine C verdrängt gewesen sein? Die erwähnten Nachrichten über das, was Kelly als ‚eine revolutionäre Neuerung‘26 in der Geschichte der Liturgie bezeichnet, stammen aus der Kirchengeschichte des Theodorus Lektor oder Anagnostes, genauer gesagt aus dem, was von dieser Kirchengeschichte noch übrig ist. Kelly und dementsprechend auch Jammo waren noch auf den Text bei Migne angewiesen. Nun liegt seit 1971 die kritische Ausgabe des Theodorus Anagnostes in den ‚Griechischen Christlichen Schriftstellern‘ durch G.  C.  Hansen vor, deren Fragmenten- und Paragraphenzählung jetzt maßgeblich ist. Es zeigt sich, daß von den liturgischen Maßnahmen des Petrus Fullo in Antiochien27 an zwei Stellen der Epitome der Kirchengeschichte die Rede ist, die Einfügung des Symbols in die Synaxis wird an beiden Stellen erwähnt. § 427 (118) berichtet von dem christologischen Zusatz des Petrus zum Trishagion und wie der chalcedonensische Patriarch Kalandius seinerseits ihn durch einen weiteren Zusatz theologisch erträglich zu machen versuchte [92] und daß Petrus, als er aufs neue Patriarch war, den Kalandius-Zusatz wieder strich. (Der Zusatz des Kalandius wird noch einmal in § 545, 155, erwähnt.) Auf die Nachricht über dieses Hin und Her folgt § 428 (118, 27–8): ‚Petrus der Walker dachte sich aus, daß in den Gottesdiensten immer das Symbol gesprochen werden sollte, das vorher nicht gesprochen (worden war).‘ Die zweite Stelle sammelt die liturgischen Neuerungen des Petrus Fullo, § 547 (115, 17–20): ‚Er sagt, daß Petrus der Walker sich ausgedacht habe, daß das Salböl in der Kirche in Gegenwart des ganzen Volkes geweiht werden sollte und die Epiklese über den Wassern zu Epiphanias am Abend geschehen sollte und daß in jedem Gebet die Theotokos gennant werden sollte‘. Kelly bezieht sich in seinen Anmerkungen28 auf eine schwer zugängliche kleine Arbeit von B.  Capelle, der für den jetzigen § 428 die Verfasserschaft durch Theodor Anagnostes bestritt mit der Begründung, die Notiz stünde

statters als den einzig verläßlichen gelten läßt. Ich halte es für denkbar, daß die Maßnahme des Petrus Fullo und der seither bestehende usus in Antiochien das Vorbild für die Reichshauptstadt abgaben, zumal auch hier die Initiative von einem Antichalcedonenser ausging. Die Beziehungen zwischen den Antichalcedonensern der beiden großen Städte waren außerordentlich eng. 25 Glaubensbekenntnisse, 343. 26 Ibid. 27 Petrus der Walker (Gnapheus, Fullo) war mehrfach Patriarch von Antiochien: 471, 475–7, 485–8; gestorben 488. 28 Glaubensbekenntnisse, 343 n. 1und 344 n. 3.

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sehr isoliert da. Von dem jetzigen § 547 scheint bei Capelle keine Rede gewesen zu sein. Mich dünkt nicht einmal eine Streichung der Nachricht als überflüssige Dublette an einer der beiden Stellen notwendig, da ja auch der Eingriff des Kalandius in das erweiterte Trishagion zweimal berichtet wird (s.  o.). Der von Kelly ausgewertete Abschnitt des Theodor Anagnostes über die Ereignisse in Konstantinopel unter dem Antichalcedonenser Timotheus (511–518) ist § 501 (143, 16–19) der Epitome: Timotheus veranlaßte, daß das Symbol des Glaubens der 318 Väter in jedem Gottesdienst gesprochen werden sollte, (das diente ihm) nämlich (auch) zur Verleumdung des Makedonius, als ob der das Symbol nicht angenommen hätte, das vorher (nur) einmal im Jahr gesprochen wurde, am heiligen Freitag des göttlichen Leidens bei Gelegenheit der bischöfliche Katechese.

Kelly macht mit Recht auf das interessante Faktum aufmerksam, daß es antichalcedonensische Hierarchen sind, die in den beiden östlichen Zentren des Reiches die Einfügung des Taufbekenntnisses in den eucharistischen Gottesdienst vornehmen. Auch seine Bestimmung des Motivs ist richtig: Betonung der Orthodoxie des eignen (Partei-)Standpunkts durch regelmäßige Zitation des (nach meiner Meinung: jeweils gebräuchlichen) ‚Nicänums‘. Daß beim nächsten ‚Konfessionswechsel‘ auf dem Konstantinopler Thronos 518 (Timotheus wird durch Johannes abgelöst) das Symbol in der Synaxis nicht wieder gestrichen wird, liegt nicht nur an der inzwischen eingetretenen Gewöhnung an diese Gestalt der Liturgie, sondern m.  E. auch daran, daß man die Berufung auf das ‚Nicänum‘ in dieser liturgischen Form nicht gut den Antichalcedonensern überlassen konnte oder wollte. Genau das gleiche Motiv muß auch zur Einfügung des ‚nicänischen‘ Symbols in die [93] Synaxis der dyophysitischen Kirche des persischen Reiches geführt haben. Leider helfen uns die Nachrichten bei Theodorus Lektor in der Datierungsfrage nicht weiter: wir haben keine Möglichkeit, das Alter der Ps.-Narses-Homilie durch das Datum der liturgischen Neuerung bei den persischen Dyophysiten zu bestimmen, weil wir dies Datum nicht kennen, sondern sind vielmehr darauf angewiesen, von der ziemlich vagen Datierung der Homilie (s.  o.) einen ungefähren Rückschluß auf den Zeitpunkt der liturgischen Veränderung vorzunehmen. Es war der Exkurs, in dem G.  L. Dossetti die Geschichte des von Theodor in seinen Katechesen erklärten Bekenntnisses skizziert,29 der mich dazu veranlaßte, mich mit der Ps.-Narses-Homilie zu beschäftigen. Für das Bekenntnis bei Theodor als das Bekenntnis der Kirche von Antiochien, zunächst der neunicänischen, meletianischen, dann der mit den Altnicänern vereinigten Kirche, und für das Verhältnis dieses Bekennt-

29 G.  L.  Dossetti, Il simbolo di Nicea e di Constantinopoli. Edizione critica (Rom: Herder, 1967). Den Exkurs findet man als n. 24, 278–81.

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nisses zu C verweise ich auf meine Untersuchung von 1992.30 Das Bekenntnis sollte als Antiochenum bezeichnet werden; das seit Caspari ‚Nestorianum‘ genannte Bekenntnis ist nichts anderes als dies Antiochenum. Casparis Benennung rührt von seinem Fundort des Textes her; die Katechesen Theodors konnte er noch nicht kennen.31 Was aus Euseb (von Doryläum) und Johannes Cassian als ‚altes‘ Bekenntnis der Kirche von Antiochien bekannt ist, sind absichtlich zusammengeschnittene Exzerpte aus dem Antiochenum. Die älteren Bestimmungen der Abhängigkeitsverhältnisse sind damit überholt. Dossetti stellt die Vermutung auf,32 daß Caspari den Text des ‚Nestorianum‘ gefunden habe ‚nel quadro della Liturgia battesimale nestoriana composta dal catholicos Išoʿyahb III (647–c. 658); infatti [94] il simbolo che vi compare è, a giudicare della versione tedesca di G.  Diettrich, Die nestorianische Taufliturgie, Giessen 1903, p. 31 s. identico al nostro‘. Dieser letzte Punkt ist richtig; aber was den handschriftlichen Fundort betrifft, so finden wir bei Caspari recht ausführliche Angaben, die Dossettis Vermutung überflüssig machen. Caspari berichtet nämlich, er habe den Text aus einer Abschrift, die ihm ein Bamberger Kollege, Dr. Schönfelder, hergestellt habe. Die Vorlage der Abschrift war Cod. orient. 147 der Königlichen Hofbibliothek zu München, der ‚ein nestorianisches Brevier enthält‘.33 In der Anmerkung34 dazu sagt Caspari: Es ist derselbe Codex, aus dem Abt Prof. Dr. Haneberg in der Zeitschrift der Deutschen morgenländischen Gesellschaft B.  III S. 231  ff. drei nestorianische Kirchenlieder, eins von Theodor von Mopsvestia, eins von Narses und eins von Babäus (Babai), mitgeteilt hat. Dr. Haneberg bemerkt daselbst (S. 232) über den Codex Folgendes: ‚Es (das nestorianische Brevier) enthält von Fol. 1–87 den Psalter; von da bis zum Ende von Fol. 138 verschiedene Hymnen, Sequenzen, Antiphone, Orationen, mit der Angabe, ob selbe am Werktage, oder Sonntage, ob zur Matutin, oder Vesper u. s. w. zu beten seien.‘

30 L.  Abramowski, ‚Was hat das Nicaeno-Constantinopolitanum (C) mit dem Konzil von Konstantinopel 381 zu tun?‘, Theologie und Philosophie, 67 (1992), 481–513 [hier in diesem Band S. 331–362 – d. Red.]. 31 Casparis unvergleichliche Vertrautheit mit den Tauf- und sonstigen Bekennmissen, von der alle Späteren zehren (oder hinter der sie zurückbleiben, wenn sie ihn nicht gelesen haben), erlaubte ihm, die symbolgeschichtliche Laufbahn des Kolons ‚Geist der Wahrheit‘ aus dem III.  Artikel des Antiochenums anzugeben: die neutestamentliche Wendung (Joh. 15,16; cf. 14,17) erscheint in der Dritten antiochenischen Formel, im Symbol der dritten Synode von Sirmium, im Symbol von Nike und von Konstantinopel 360, bei Basilius d. Gr. und im Symbol, das der Presbyter Charisius in Ephesus 431 vorlas. Cf. C.  P. Caspari, ‚Das Taufbekenntnis der Nestorianer aus Cod. orient. 147 der Königlichen Hofbibliothek zu München‘, 132. Die so betitelte Untersuchung ist Nr. V, 113–42 im Band Ungedruckte, unbeachtete und wenig beachtete Quellen zur Geschichte des Taufsymbols und der Glaubensregel (Band I, Christiania, 1866). In der freien Wiedergabe des Antiochenums in unserer Ps.-Narses-Homilie fehlt übrigens die Entsprechung zu diesem Kolon. S.  Connolly, Homilies, lxxiv, linke Spalte. 32 Dossetti, Il simbolo, 279 unten. 33 Caspari, ‚Taufbekenntnis‘, 115. 34 Ibid., 115 n. 2.

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Haneberg erklärt auch, woraus sich die nestorianische Herkunft der Handschrift ergibt. Geschrieben ist sie 1608. Das Taufsymbol steht nach Schönfelder f. 94b der Hs. Dr. Haneberg bemerkt weiterhin, dass der Name Theodorus in der Aufschrift des Kirchenliedes von Theodor von Mopsveste ausradiert sei, und dass ganz in derselben Weise auch am Anfange der Handschrift gegen den Namen dieses Vorläufers des Nestorianismus verfahren sei, nur dass er hier durch einen aufgeklebten Papierstreifen wieder ergänzt worden, während der Ausdruck ‚selig, heilig‘, daselbst durchstrichen geblieben, und zieht daraus den Schluss, die Handschrift sei in die Hände von Jakobiten oder Katholiken gerathen und dann wieder an Nestorianer zurückgekommen.

Diesem Urteil Hanebergs setzt Caspari das seine entgegen, das ohne Zweifel das zutreffende ist: Da sich in dem dritten Artikel des Taufbekenntnisses zu den Worten ‚der ausgeht‘ der Zusatz ‚und vom Sohne‘ … findet (ob über den Worten oder am Rande konnte mir Dr. Schönfelder nicht sagen), so kann die Handschrift nur in den Händen unirter Nestorianer gewesen und aus ihnen wieder in die Hände nichtunirter zurückgekommen sein.

Als früheste Bezeugung des Antiochenums nach Theodors Katechesen führt Dossetti unsere Ps.-Narses-Homilie an, die er aber für echt hält35 mit entsprechender Folge für ihre Datierung), [95] was von mir seiner Zeit noch nicht in Frage gestellt worden war.36 Während das Antiochenum in Ps. Narses 35/17 als Meßsymbol frei wiedergegeben wird, erfolgt seine Verwendung bei der zeitlich nächsten uns bekannten Gelegenheit in anderer Weise. Die Synode der persischen Kirche von 585 unter Išoʿyahb I. stellt es an die Spitze ihrer Kanones, ‚diluito però in un commento dogmatico (Chabot, Synodicon Orientale, Paris 1902, testo siriaco p. 133–136, trad. francese p. 393–398). Il testo che si lascia ricostruire è il nostro, però molto assimilato a C, e con alla fine gli anathematismi di Nicea.‘37 Dies Urteil Dossettis trifft den Sachverhalt besser als das von Brock, der das kommentierte Symbol as ‚the Nicene-Constantinopolitan creed‘ bezeichnet, aber konzediert: ‚there seem to be some reminiscences of Theodore’s commentary‘.38 Tatsächlich ist aber das kommentierte Symbol eine bewußte Kombination

35 Il simbolo, 279–80. 36 Abramowski, ‚Nicaeno-Constantinopolitanum‘, 512 [hier in diesem Band S. 360 – d. Red.]. Die dort von mir angekündigte Untersuchung lege ich hiermit vor. 37 Il simbolo, 280. 38 S.  Brock, ‚The christology of the Church of the East in the Synods of the fifth to early seventh century: preliminary considerations and materials‘, in Aksum-Thyateira. Festschrift Archbishop Methodios of Thyateira and Great Britain (Athens, 1985), 125–42; ich zitiere 136 n. 64. Der Artikel übersetzt die Bekenntnisse der betreffenden Synoden ins Englische und schickt dem eine Einleitung voran, die außer historischen Angaben eine differenzierende Charakteristik der theologischen Richtungen der Zeit enthält. Zur Synode von 585 s. 127 (no. 6), Übersetzung der langen dogmatischen Erklärung, 136–8.

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aus dem Antiochenum und C, also aus zwei gebräuchlichen und ohnehin nahe verwandten ‚nicänischen‘ Bekenntnissen; durch die Hinzufügung der Anathemata aus dem alten Nicänum von 325, also aus N, soll der nicänische Charakter und damit die Rechtgläubigkeit noch einmal unterstrichen werden. Chabot hat in seiner Übersetzung39 die einzelnen Kola des Bekenntnistextes durch Kursivdruck hervorgehoben; der Verfasser hat das durch seine Einleitungsformeln möglich gemacht. Der Verfasser sagt auch ausdrücklich, er ‚setze das {das} Symbol der Väter hin, tel qu’il est‘, indem er jeden Satz mit einem kurzen Kommentar versehen wolle. Davor hatte er die 318 Väter von Nicäa angerufen und die 150 von Byzanz (Chabot, Übers., 394). Gewissermaßen als Überschrift über seine Erklärung des Glaubensbekenntnisses setzt er die jeweils ersten Kola der drei Artikel:40 [96] I Nous croyons en un seul Dieu Père tout-puissant, II et en un seul Seigneur, Jésus-Christ, Fils de Dieu, III et un seul41 Esprit-Saint qui procède du Père Die Auslegung betont das dreimalige ‚seul‘ (394–5). Der (nur zu Beginn nicht ganz) vollständige Text sieht so aus: (395) I 1 (…) un seul Dieu 2 (…) tout puissant 3 créateur de toutes choses, visibles et invisibles IIa 4 en un seul Seigneur Jésus-Christ (396) 5 (…) unique 6 et premier-né de toutes les créatures 7 par lequel ont été constitués les mondes et créés toutes choses 8 qui a été engendré de son Père avant tous les siècles, 9 et qui n’a pas été fait; 10 lumière de la lumière 11 Dieu vrai de Dieu vrai,

39 Chabot hält das Bekenntnis für C (so 394 n. 3), fügt aber hinzu: ‚Néanmoins il semble y avoir quelques légères différences entre le texte qui a passé en syriaque, et celui qui est donné dans les collections conciliaires‘; er druckt den Text von C in dieser Anmerkung ab. P. 396 nn. 1 und 3 hat Chabot die Anwesenheit der beiden (für das Antiochenum charakteristischen) Bibelstellen Kol. 1,15 und Hebr. 1,3 im Bekenntnistext bemerkt. Casparis Arbeiten sind Chabot offensichtlich unbekannt. 40 Die Gliederung und die Zählung der drei Artikel mit römischen Ziffern von mir, ebenso unten die Zeilenzählung in der vollständigen Fassung. 41 ‚Un seul‘ beim heiligen Geist aus dem Antiochenum; nach den Aussagen Theodors ist es übernommen aus dem römischen Bekenntnis, für das ich die Bezeichnung Romano-Nicaenum vorgeschlagen habe; s. Abramowski, ‚Nicaeno-Constantinopolitanum‘, 498 [hier in diesem Band S. 348 – d. Red.].

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12 ὁμοούσιον au Père 13 par lequel tout a été fait IIb 14 celui qui pour nous autres hommes 15 et pour notre salut est decendu du ciel 16 a pris un corps de l’Esprit-Saint et de Marie la Vierge et s’est fait homme 17 et il fut crucifié pour nous du temps de Ponce-Pilate, 18 il a souffert, 19 est mort, 20 a été enseveli 21 et est resuscité le troisième jour, comme disent les Livres saints 22 et il monta au cieux 23 et il est assis à la droite de son Père. 24 Et il viendra dans la gloire 25 juger les vivants et les morts, 26 celui don’t le royaume n’aura pas fin. [97] IIIa 27 Et en un seul Esprit-Saint, 28 seigneur, vivificateur, 29 qui procède du Père, 30 qui est adoré avec le Père et le Fils, 31 qui a parlé par les Prophètes et les Apôtres. (398) IIIb 32 Et en une seule Église, sainte, catholique et apostolique 33 et en un42 seul baptême pour la rémission des péchés, 34 et en la résurrection des morts, et en la vie nouvelle dans le siècle futur. Die Formulierung, mit der die nicänischen Anathemata angeschlossen werden, zeigt, daß der Verfasser das Vorangehende als ein ‚Nicänum‘ betrachtet: ‚Après avoir ainsi abondamment et complètement prêché la vérité, ils (sc. les Pères) se mettent ensuite à anathematiser Arius et les partisans de son erreur …‘ (398). Um die tatsächlichen Beziehungen zwischen diesem Bekenntnis, dem Antiochenum und C zu klären, führe ich einen Einzelvergleich durch. Ich lege dafür das Antiochenum zugrunde (A) in der Gliederung und Zählung, wie ich sie an anderer Stelle gegeben habe.43 Ich notiere nur Abweichungen von A, sei es in der Reihenfolge der Kola, sei es im Textmaterial; die Art der Beziehung zu C wird dabei ebenfalls zutagetreten – der Leser wird gebeten, auch den gegliederten Text von C heranzuziehen,44

42 Chabot hat ‚un‘ aus Versehen ausgelassen. 43 ‚Nicaeno-Constantinopolitanum‘, 513 [hier in diesem Band S. 361  f. – d. Red.]. 44 Ibid., 512–13 [hier in diesem Band S. 361 – d. Red.].

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falls er aus meinen Erläuterungen and Folgerungen zu einer konkreteren Anschauung gelangen will. 6 = A 6 (Kol. 1,15) 7 = A 11! (cf. Hebr. 1,3) 8 = A7 9 = A8 10 aus C (ohne Entsprechung in A) 11 = A9 13 = C (ohne Entsprechung in A, cf. jedoch 7 = A 11) 16 = C (cf. a 16) 17 = C (cf. A 17) 18 = C (ohne Entsprechung in A) 19 ! (weder in A noch in C) 24 = C (cf. A 22) 26 = C (ohne Entsprechung in A) zwischen 27 und 28 fehlt A 25 (πνεῦμα τῆς ἀληθείας) 28 = C (cf. A 27) [98] 30 = C (ohne Entsprechung in A) 31 = C (ohne Entsprechung in A, die ‚Apostel‘ fehlen auch in C, wie schon Chabot bemerkte) 32 = C (cf. A 28) 33 cf. C (cf. A 29) 34 cf. C (cf. A 30). Daß A und nicht C der Ausgangspunkt für das Symbol der Synode des Išoʿyahb ist, sieht man einerseits an den beibehaltenen biblischen, für A charakteristischen Kola Kol. 1,15 und Hebr. 1,3 und an den nicht vorhandenen Verben in Artikel IIIb. Es ist nun aber A aus C aufgefüllt worden, fast alle Unterschiede zum reinen A sind so zu erklären. Einmal finden wir eine Umstellung: um den Abschluß des Artikels IIa aus C übernehmen zu können (oben Zeile 13), ist A 11 zu A 6 gestellt worden und erscheint in unserm Bekenntnis nun als Zeile 7, daraus folgt eine Verschiebung der übrigen Zeilen. Die Auffüllungen sind besonders auffällig im Artikel III über den heiligen Geist, wo C reichere Aussagen hat als A.  Zeile 26 (am Ende von IIb) übernimmt aus C den bekannten antimarkellischen Satz, dafür ist in III das Kolon über den ‚Geist der Wahrheit‘, das nach A zu erwarten wäre, gestrichen. Die erwähnten Auffüllungen aus C erklären es, warum unser Bekenntnis auf den ersten Blick als leicht modifiziertes C erscheinen kann. Der Urheber dieser Kombination von A mit C ist sicher Išoʿyahb I. selber. Schließlich verdient noch das in Homilie 35/17 enthaltene Zitat aus Theodor von Mopsuestia unsere Aufmerksamkeit. Obwohl Connolly es nicht übersehen hat, ist es seither nicht beachtet worden (s. jedoch den Korrekturzusatz unten); daher fehlt es auch in

164 

98, 99

 3.1 Die liturgische Homilie des Ps. Narses

der sonst so vorzüglichen Zusammenstellung in CPG II.  Connolly stellt Vermutungen über die eventuelle Herkunft des Exzerpts45 an und spricht von ihm auch in seiner Einleitung.46 Er hält eine Herkunft aus den Taufkatechesen für möglich, dieses Werk war ja damals noch nicht ediert. Aber in der Eucharistieerklärung der Katechesen findet man den Text nicht. Als Quelle denkbar wären sowohl der Matthäus-Kommentar wie der Kommentar zum 1. Korintherbrief, aber unter den erhaltenen Katenenfragmenten aus diesen Kommentaren sucht man das Zitat vergeblich, was einen wegen des Inhalts auch nicht verwundert. Auch in den feindseligen Florilegien des 5. Konzils erscheinen die Zeilen nicht, obwohl sie dort eigentlich hätten willkommen sein müssen. Ich zitiere zunächst die überprüfte englische Übersetzung des [99] Fragments mit etwas Kontext und führe danach den syrischen Text ohne Umrahmung an. Man sieht gleich, daß Theodor e persona Christi spricht. Ps. Narses (Connolly, 16–17): That he gave thanks and blessed is written in the Gospel full of life: what he said the chosen apostles have not made known to us. The great teacher and interpreter Theodorus has handed down the tradition that our Lord spoke thus when he took the bread: ‚Of all glory and confession and praise is the nature of thy Godhead worthy, o Lord of all; for in all generations thou hast accomplished and performed thy dispensation, as though for the salvation and redemption of men. And though they were ungrateful in their works, Thou in thy mercy didst not cease from helping them. And that Thou mightest accomplish the redemption of all and the renewal of all, Thou didst take me (who am) of the nature of Adam, and didst join me to thee. And in me shall be fulfilled all the compacts and all the promises; and in me shall be realized the mysteries and types (shewn) unto the just men (of old). And because I have been without blemish, and have fully performed all righteousness, by me thou dost uproot all sin from human kind. And because I die without fault and without offence, in me thou appointest a resurrection of the body for the whole nature‘. To this effect did the Son of the Most High make confession to His Father, and these words he spoke when he gave his body and his blood. Mingana, Homiliae, i. 284–5:

45 Homilies of Narsai, 17 n. 1. 46 Ibid., lxix n. 5.

̈ ‫ܬܫܒܚܬܐ ܘܟܠ‬ ̈ ̈ ‫ܠܟܠ‬ :‫ܩܘܠܣܐ‬ ‫ܬܘܕܝܬܐ ܘܟܠ‬

1

̇ ‫ܫܘܐ ܟܝܢܐ ܕܐܠܗܘܬܟ ܡܪܐ ܕܟܐܠ܀‬ :‫ܕܒܟܠ ܕ̈ܪܐ ܫܡܠܝܬ ܘܓܡܪܬ ܡܕܒܪܢܘܬܟ‬

2

̈ ‫ܕܠܚܝܐ ܘܠܦܘܪܩܢܐ‬ ̈ ‫ܐܝܟ‬ ‫ܕܒܢܝܢܫܐ܀‬

3 4

̈ ‫ܘܟܕ ܛܒ ܗܢܘܢ ܗܘܘ‬ ̈ :‫ܒܥܒܕܝܗܘܢ‬ ‫ܛܠܘܡܐ‬

5

‫ܐܢܬ ܒܝܕ ̈ܪܚܡܝܟ ܐܠ ܡܗܡܐ ܗܘܝܬ ܡܢ ܥܘܕܪܢܗܘܢ܀‬

6

:‫ܘܐܝܟ ܕܬܫܡܐܠ ܦܘܪܩܢ ܟܐܠ ܘܚܘܕܬ ܟܐܠ‬ ‫ܢܣܒܬܢܝ ܡܢܗ ܕܟܝܢ ܐܕܡ ܘܠܟ ܐܩܦܬܢܝ܀‬

7 8

99,  100

3.1 Die liturgische Homilie des Ps. Narses 

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̈ ̈ ‫ܘܒܝ ܢܬܓܡܪܘܢ ܟܠ‬ :‫ܡܘܠܟܢܐ‬ ‫ܫܘܘܕܝܐ ܘܟܠ‬ ̈ ̈ ‫ܘܒܝ ܢܫܬܠܡܘܢ ܐ̈ܪܙܐ ܘܛܘܦܣܐ ܕܠܘܬ ܟܐܢܐ܀‬

9 10

̇ ‫ܘܕܗܘܝܬ ܕܐܠ ܡܘܡ ܘܓܡܪܬ‬ [100] :‫ܟܠܗ ܙܕܝܩܘܬܐ‬

11

̇ ‫ܠܟܠܗ ܚܛܝܬܐ ܡܢ ܐܢܫܘܬܐ܀‬ ‫ܥܩܪ ܐܢܬ‬ :‫ܘܕܡܐܬ ܐܢܐ ܕܐܠ ܚܘܝܒܐ ܘܕܐܠ ܣܟܠܘ‬

12

‫ܡܓܙܪ ܐܢܬ ܒܝ ܢܚܡܬܐ ܕܦܓܪܐ ܠܟܠܗ ܟܝܢܐ܀‬

13 14

Es ist begreiflich, daß der Verfasser der Homilie meint, das Gebet Jesu sei an den Vater gerichtet (siehe seine auf das Zitat folgende Bemerkung) – dem heutigen Leser geht es zunächt ja auch nicht anders, man sieht den Text in Analogie zu den johanneischen Abschiedsreden. Aber spätestens vom dritten englischen Satz an (‚And that Thou mightest accomplish …‘), wahrscheinlich aber von Anfang an, spricht Jesus mit dem Logos, mit dem er vereint ist; entscheidend dafür ist syrisch Zeile 8 (bei Connolly das letzte Wort von 16 und der Anfang von 17), denn die Kola ‚Du hast mich (an) genommen‘ und ‚Du hast mich mit dir verbunden (= vereint)‘ enthalten die immer von Theodor gebrauchten Verben für die Vereinigung der göttlichen und menschlichen Natur in Christus. Was auf die erwähnte Zeile folgt, sind Aussagen über den mit dem Logos vereinten irdischen Jesus, wie sie uns aus den Resten von De incarnatione ganz geläufig sind. Interessant ist auch die Einleitung zum Zitat, die das Mittel der exegetischen Paraphrase im loqui e persona Christi nicht erkannt hat (absichtlich?) und das von Theodor formulierte Gebet, daß das in Mt. 26,26 erwähnte ‚Dankgebet‘ mit Inhalt füllen sollte, für Weitergabe einer ‚Überlieferung‘ hält, die den zu kargen Evangelientext ergänzen sollte. So ist Theodor für den Homileten zwar Autorität und Quelle, aber gleichzeitig werden charakteristische theodorische Konturen verwischt, sowohl christologischinhaltlich wie exegetisch-methodisch. Korrekturzusatz: Inzwischen stelle ich fest, daß das Zitat aus Theodor doch nicht völlig übersehen worden ist. W.  F.  Macomber entdeckte eine Parallele ohne Verfasserangabe in der Erklärung des Passah‘ des Cyrus von Edessa, siehe seine Ausgabe und Übersetzung in CSCO 355–6 (Syr. 155–6; 1974): dort 57–8/49–50, 49  f., dazu die Anmerkungen und die Hinweise in der Einleitung. Ferner hat Macomber den beiden Textfassungen einen Beitrag in den Mélanges F.  Graffin gewidmet: ‚An anaphora[l] prayer [composed] by Theodore of Mopsuestia‘, Parole de l’Orient, 6/7 (1975–76), 341–7.

3.2 Zu den Schriften des Michael Malpana / Badoqa In der hilfreichen Quellenkunde, die ein Bestandteil von Band 2/1 in A.  Grillmeiers großem christologischen Werk ist1, gibt es unter den Definitionssammlungen des 7./8.  Jahrhunderts „Das Buch der Definitionen und Unterteilungen“ des Michael Malpana oder Badoqa2, herausgegeben, übersetzt und kommentiert von G.  Furlani 19263. Ein weiterer Text des Michael ist 1972 als Bestandteil (Nr. III) der „Nestorianischen Sammlung christologischer Texte“4 ediert und übersetzt worden. Es handelt sich dabei um einen draša, einen „Disput“, was die beiden Herausgeber nicht genau genug als „Traktat“ wiedergegeben haben5. Die Patrologia Syriaca von I.  Ortiz de Urbina in der ersten Auflage von 1958 weiß nichts von Furlanis Edition (in der zweiten Auflage von 1965 ist das nicht anders)6 und sagt auch nichts über die bei Baumstark natürlich erwähnten und seit langem bekannten chronologischen Schwierigkeiten7, die mit der Verfasserangabe Michael Malpana für das „Buch der Definitionen“ verbunden sind. Im Katalog der gedruckten [2] syrischen Bücher des Britischen Museums von C.  Moss (1962) erscheint Furlanis Arbeit in der eindrucksvollen Liste von dessen Werken als Querverweis auf Michael Badoqa8. Jetzt, zur Vorbereitung für den Abschnitt über die Christologie der „Alten Kirche des Ostens“ (der sog. Nestorianer), der in Band 2/3 von Grillmeiers oben genannter

1 A.  Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 2/1. Freiburg etc. 1986, 22–103. 2 Ibid. 98  f. – Bei der Transkription syrischer Wörter verzichte ich auf die Kennzeichnung langer Vokale, auch innerhalb von Zitaten aus der Sekundärliteratur. 3 G.  Furlani, „‚Il libro delle definizioni e divisioni‘ di Michele l’interprete“, Atti della Reale Accademia Nazionali dei Lincei, serie 6, vol. 2 (1926), 5–194. 4 L.  Abramowski and A.  E.  Goodman (eds.), A Nestorian collection of christological texts, 2 vols., Cambridge 1972. Über den Michaeltext vol. 11, xxxiv f., der syrische Text vol. I, 105–113, die englische Übersetzung vol. 11, 61–65. 5 „Treatise“ vol. II, 61,20, ebenso 65,40 (Kolophon). Auch das Lemma des Textes Nr. IV hat „treatise“, 66,1, wo richtiger „dispute“ stünde. – In der von Furlani edierten Definitionssammlung befaßt sich Nr. 149 mit draša. was Furlani korrekt mit „La disputa“ übersetzt. Die Definition beginnt (Furlani 123): „La disputa è un esame e un’investigazione di qualcosa sulla quale verte divergenza e controversia, come la dualità delle nature del Messia e la dualità delle sue ipostasi in una persona dell’economia (divina)“. Dies ist eine der Passagen der Sammlung, die ihren Verfasser als Nestorianer ausweist. Der Text fährt fort, vier Arten von Disputen zu unterscheiden. Die vorangehende Bestimmung, Nr. 148, heißt ʿenyana, „Unterhaltung“, sie kann mündlich oder schriftlich vor sich gehen und dient dem Gedankenaustausch – der streitbare „Disput“ hebt sich also deutlich von ihr ab. 6 I.  Ortiz de Urbina, Patrologia syriaca, Rom 1958, 125 § 69; Michael magister Nisibenus; in der 2. Auflage 134 § 70. 7 A.  Baumstark, Geschichte der syrischen Literatur, Bonn 1922, 129. 8 C.  Moss, Catalogue of Syriac printed books and related literature in the British Museum, London 1962, 375 und 745. https://doi.org/10.1515/9783110647419-009

2,  3

3.2 Zu den Schriften des Michael Malpana / Badoqa 

 167

Darstellung erscheinen soll, war es erwünscht, einen Eindruck von diesem umfangreichen Werk unter dem Namen des Michael zu gewinnen. Schon die ältere Forschung war zu dem Ergebnis gekommen, daß das „Buch der Definitionen“ nicht von einem Michael stammen könne, der zur Zeit des Ḥenana an der Schule von Nisibis in der Funktion wirkte, die seine Beinamen ausweisen und der dann zu denen gehörte, die die Schule im Protest gegen Ḥenana verließen9. Wegen der benutzten Quellen kann das „Buch der Defmitionen“ nicht in die Zeit um 600 gehören, in der Michael Malpana anzusiedeln ist. Man griff daher zum Ausweg, einen gleichnamigen Bischof aus der Zeit um 900 zum Verfasser zu erklären10, eine Annahme, der auch Furlani folgt11. Tatsächlich muß die Zuschreibung an Michael Malpana oder Badoqa als sekundär betrachtet werden, womit die Verlegenheit dahinfällt, einen Michael zu finden, der der durch den feststehenden terminus a quo gegebenen ungefähren Datierung entspricht. Zwar taucht die Zuschreibung an den offenbar recht berühmten „Lehrer Michael“ in der späten hsl. Überlieferung auf, aber nicht in den beiden ältesten von Furlani besprochenen Hss., deren eine Furlani überhaupt erst entdeckt hat12 (Baumstark war sie noch unbekannt). Glücklicherweise erlauben die bei Furlani mitgeteilten Lemmata und Kolophone, zu erklären, wie es zu der Zuschreibung gekommen ist, die dann die erwähnten chronologischen Schwierigkeiten nach sich zog. Furlani hat diese Möglichkeit zur Klärung der Verhältnisse nicht erkannt, und seine Präsentation des Materials [3] ist nicht dazu angetan, sie anderen zu erleichtern. Dazu gehört auch, daß er, abgesehen von der von ihm neu zugezogenen Hs., das Alter der von ihm benutzten oder auch nur erwähnten Hss. nicht angibt, sondern es dem Leser überläßt, sich die entsprechenden Daten selber zusammenzusuchen. Für einen Teil springt Baumstark mit seiner großen Genauigkeit ein. Chronologisch rückt die von Furlani gefundene und von ihm als letzte erwähnte Hs. an den Anfang einer Liste, die sich nach dem Alter der Mss. richtet: 1) Brit. Mus. add. 14538, von Furlani mit dem Sigel L versehen (Furl. 12  f.) und unter Zitation des Wrightschen Katalogs beschrieben. Wright datiert die Hs. auf „ungefähr das 10. Jhdt.“ (Furl. 13). Der Herausgeber selber kommt durch den Vergleich mit der Schrift eines anderen Ms.s sogar „schon“ auf „das neunte oder den Anfang des zehnten Jahrhunderts“ (ibid.). Das würde diese

9 Zu dieser „Krise“ an der von Ḥenana geleiteten Schule von Nisibis s. G.  J. Reinink, „‚Edessa grew dim and Nisibis shone forth‘: The School of Nisibis at the transition of the sixth-seventh century“, in: J.  W.  Drijvers and A.  A.  MacDonald (eds.), Centres of learning, Leiden etc. 1995, 77–89; und derselbe, „Tradition and the Formation of the ‚Nestorian‘ Identity in 6th-7th Century Iraq“, in: L.  Conrad (ed.), Late Antiquity and Early Islam. Fourth Workshop: Patterns of Communal Identity (Studies in Late Antiquity and Early Islam), Princeton N.  Y. 1999 (forthcoming [tatsächlich erschienen in der Zeitschrift ‚Church History and Religious Culture‘ 89, 2009, 217–250 – d. Red.]). 10 Baumstark, Geschichte, 129, n. 2. 11 Furlani, „Il libro“, 194. 12 Furlani, „IL libro“, 12.

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 3.2 Zu den Schriften des Michael Malpana / Badoqa

3, 4

Hs. ganz in die Nähe der zu vermutenden Abfassungszeit des Textes rücken (was Furlani merkwürdigerweise nicht erwähnt) und verleiht damit allen eventuellen Angaben über den Autor ein Gewicht, dessen sich der Herausgeber offenbar nicht bewußt ist. Das „Buch der Definitionen“ steht am Anfang der Hs., f. 1–11. Das Lemma für die ganze Hs. und das anschließende Lemma ihres ersten Bestandteils sind erhalten. Aber die letzten Blätter des „Buches der Definitionen“ fehlen; damit ist der Kolophon dieser Schrift in L leider verloren. 2) Petermann 9 (Berlin) =  B (Furl. 11  f.). Die Hs. ist 1259/60 geschrieben13. Furlani hat sie zur Grundlage seiner Edition gemacht, abgewichen sei er nur von ihr, wenn sich ein eindeutiger Fehler gefunden habe, oder die anderen Mss. eine bessere Lesart geliefert hätten (Furl. 12). 3) India Office 9 (London) = I.  Weder hier (12), noch in seiner früheren Beschreibung der sehr umfangreichen Hs. gibt Furlani ihr Alter an14; deswegen hilft auch Baumstark nicht, da er seine Datierungen aus den jeweiligen Katalogen bzw. Hss.-Beschreibungen bezieht. 4) University Library Cambridge add. 2812 = C (Furl. 12). Diese Hs. ist bei Baumstark nicht genannt, was Furlani aber nicht eigens erwähnt. Aus der Beschreibung in Wrights Katalog15erfährt man, daß die Hs. aus dem frühen 19. Jhdt. stammt. „Written in a good current Nestorian hand of the xixth cent.“16 „the colophon“ (sc. der ganzen Hs.), f. 132a, „states that the book was finished on the 26th of the first Teshri, in the year 2118 = a.  D. 1806, when Mar John was metropolitan, at Alḳosh, by the deacon Hormizd, son of Ḥanna, from the village of Piyoz.“17

[4] C ist nahe verwandt mit I, beide müssen Abschriften von einer gemeinsamen Vorlage sein. I hat jedoch Korrekturen nach einem Ms. vom Typ B vorgenommen (Furl. 12). Nicht in Augenschein nehmen konnte der Herausgeber die von A.  Scher beschriebenen Hss., die sich in nahöstlichen Bibliotheken befanden (Furl. 14): Notre-Dame des Semences 52 (15. Jhdt.)18 und 142 (vom Jahr 1678/9)19, eine Hs. im Kloster des Rabban Hormizd (bei Baumstark keine Angabe zum Datum) und schließlich Mardin 62 (vom Jahr 1887)20. Die Hs. Mardin 62 bietet aber nur die lange Definition (Nr. 225 in Furlanis Edition des „Buchs der Definitionen“) über den Traum; die „Schrift über Träume“, bei Baumstark als eigener Titel unter dem Namen Michaels aufgeführt21, ist also nicht nur als selbständige Schrift zu streichen, sondern fällt auch mit dem gesamten „Buch der Definitionen“ unter das Unechtheitsverdikt, was Michael Badoqa als ihren Verfasser betrifft.

13 Baumstark, Geschichte, 129, n. 12. 14 G.  Furlani, „Il manoscritto siriaco 9 dell’India Office“, Rivista degli Studi Orientali 10 (1923–25), 315–320. 15 W.  Wright, A catalogue of the Syriac manuscripts preserved in the library of the University of Cambridge, Cambridge 1901, vol. II, 635–643. 16 Wright, Catalogue Cambridge, 635. 17 Wright, Catalogue Cambridge, 643. 18 Baumstark, Geschichte, 129, n. 10 in Verbindung mit n. 9. 19 Baumstark, Geschichte, 129, n. 10. Baumstark nennt ferner die Hs. Brl Or oct 1132, die ins 17. / 18. Jhdt. gehört; von Furlani, „Il libro“, wird sie nicht erwähnt und daher auch nicht benutzt. 20 Baumstark, Geschichte, 129, n. 8. 21 Baumstark, Geschichte, 129.

4,  5

3.2 Zu den Schriften des Michael Malpana / Badoqa 

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Betrachten wir nun die Lemmata und Kolophone zum „Buch der Definitionen“ in der chronologischen Reihenfolge der von Furlani benutzten Hss. Bei dieser Gelegenheit stellt sich ein methodischer Fehler Furlanis heraus: Obwohl er richtig Petermann 9 = B zur Grundlage seiner Edition macht (über die Sonderstellung von L s.  u.), druckt er als Lemma und Kolophon im Klartext nicht das von B, sondern das von I (India Office 9) und verweist die entsprechenden Zeilen aus B in den Apparat. Wer etwa nur die italienische Übersetzung Furlanis benutzt und nicht die Angaben der Einleitung (11–13) im Kopf hat, kann sich dieser Tatsache nicht bewußt werden. Aber auch die Präsentation des syrischen Textes ist nicht deutlich genug. So erscheinen bei dessen Beginn, 17, die marginalen Folio-Angaben schon beim Lemma22, so daß man zunächst den Eindruck haben könnte, das Lemma sei für alle Hss. gleich, während es sich tatsächlich um das Lemma von I handelt. Der Apparat sagt zu diesen Zeilen 1–4: „1–4 I, C, L:“. Was syrisch auf den Kolophon folgt (4 Zeilen und ein Wort), ist das Lemma von L, wie man aus der Einleitung (13) erschließen kann. Das Lemma von C ist mit dem von I so eng ver[5] wandt, daß es nicht aufgeführt wird. Dementsprechend hätten die Siglen im Apparat sortiert werden müssen: „1–4 I (C); L:“. Das kurze Lemma von B folgt nach dem syrischen großen Satztrenner auf das von L. Mit den Kolophonen der Hss. verfährt Furlani folgendermaßen: Die Verfasserangabe aus I (fast gleich C, s. App.) übernimmt er in den Klartext; die Gebetsformeln der Schreiber von I und C bringt er im Apparat; der Kolophon von B mit seiner abweichenden Verfasserangabe ist vollständig in den Apparat verbannt; von L ist ja leider wegen des Blattverlustes kein Kolophon erhalten (s. schon oben). Wie schon gesagt, steht in L das „Buch der Definitionen“ zu Beginn der Hs.; deren Lemma lautet (syrisch 17 App.): Auf die Kraft unseres Herrn Jesus Christus, unseres wahren Gottes, und durch seine Hilfe und Gnade beginnen wir zu schreiben dies Buch der Logik, das gesammelt (ist) aus Philosophen oder Weisen über natürliche (Gegenstände) mit andern Dingen, die aus göttlichen Schriften und Lehrern inspiriert vom23 heiligen Geist (entnommen sind).

Hieran schließt sich unmittelbar an das Lemma des ersten Stücks in der Hs., mit dem dann die Lemmata in den jüngeren Hss. zu vergleichen sind (syr. 17 App., italienisch 13):

22 Zu Beginn der Übersetzung (Furlani, „Il libro“, 100) ist die Folio-Zählung etwas sachgemäßer angegeben: Sie steht nach dem Lemma und vor Beginn des eigentlichen Textes, nur macht die Druckanordnung die gute Absicht wieder zunichte, indem die Abschnittsgliederung die Ziffer an den Schluß des Lemmas setzt. 23 Zu lesen ist mit Reinink, dem ich für den Hinweis danke, nepiḥai für den Schreib- oder Druckfehler zapiḥai.

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 3.2 Zu den Schriften des Michael Malpana / Badoqa

5, 6

Zuerst der Traktat (memra) der Definitionen aller Dinge mit ihren Erklärungen und ihren eignen (Unter-) Teilungen, der gesammelt (ist) aus den Büchern der Philosophen von einem die Lehre liebenden Menschen.

L läßt den Kollektor im Lemma also anonym bleiben, ob das im Kolophon anders war, können wir wegen des Textverlustes nicht wissen. Das Lemma von B (syr. 17 App., italien. 11)24: Wiederum schreiben wir einen Traktat (memra), der über die Erklärung der Definitionen (geht), die alle modi (betreffen), der gemacht ist von einem der geübten Lehrer (malpane mhire). Herr, hilf mir Elendem durch deine Gnade.

Auch in diesem Lemma ist der Sammler noch anonym. Anders ist das im Kolophon (syr. 99 App., italien. 11): Ende des Buches der Definitionen, das gemacht worden ist vom großen Vater Bazud Badoqa. Gesegnet sei Gott in Ewigkeit und verherrlicht sein Name von Geschlecht zu Geschlecht25.

[6] Hier erhält der Kollektor einen Namen, den des Badoqa Bazud. Furlani26 identifiziert den Namen Bazud sicher richtig mit dem des Abzud (Fortfall des Alaph zu Beginn des Wortes), der aus Ebed-Jesu als Verfasser einer Definitionssammlung bekannt ist. Das Lexikon des Bar Bahlul, in das über eine Zwischenstufe und in der Gestalt, wie L sie bietet, das „Buch der Definitionen“ eingegangen ist27, zitiert die Bestimmung von qraitha (Nr. 27 Furlani, „l’appellazione“) unter dem Namen des Abzud. Aus all diesem zieht Furlani die nicht haltbare Folgerung, Michael Badoqa und Abzud seien (als Personen!) identisch28. M.  E. bedeutet die Namensnennung bei Bar Bahlul, daß der Lexikograph diese Definition (auch) bei Abzud gefunden hat. Das Lemma von I (syr. 17, 1–4, italien. 100 und, ohne Einleitungssatz, 12): Wiederum, durch die Kraft der Trinität, der beseligenden, schreiben wir einen Traktat, der über die Erklärung der Definitionen aller modi und Dinge (geht) mit ihren Erklärungen und der (Unter-)Teilung der Dinge, der gemacht ist von Mar Michael Badoqa und geübtem Lehrer (malpana mhira). Unser Herr, hilf mir durch dein Erbarmen. Amen.

24 Furlani sagt „specie“ für „modi“ und „celebri“ für „geübte“. 25 Furlani übersetzt die Schlußbitte so: „Benedici, Dio, il mondo che loda il Tuo nome in eterno.“ 26 Furlani, „Il libro“, 189 und 10. Furlani behauptet 189, n. 2, daß Baumstark, Geschichte, 129, der Identifikation widerspräche; aber Baumstark bezweifelt eher die Zuschreibung des Textes als die Identifikation der Namensformen. 27 Siehe das Schema Furlani, „Il libro“, 193 und dazu 3. Allerdings handelt es sich dabei um die Textfassung, wie L sie vertritt, mit ihren Besonderheiten, ibid. 13. 28 Furlani, „Il libro“, 189  f.

6,  7

3.2 Zu den Schriften des Michael Malpana / Badoqa 

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Vergleicht man das mit dem Lemma von B, so sieht man, was im Lauf der handschriftlichen Überlieferung passiert ist und zwar spätestens in der gemeinsamen Vorlage von I und C: Aus „einem der geübten Lehrer“ ist „der geübte Lehrer“ geworden. Nun kannte man einen Mann, der zur Unterscheidung von andern gleichnamigen den Beinamen „Lehrer“ (malpana) trug, nämlich den nisibenischen Lehrer Michael; es ist leicht zu begreifen, daß man den anonymen Sammler aus seinem Zustand auf diese Weise herausholen wollte. Ist die abweichende Namensgebung im Kolophon B aus dem gleichen Bedürfnis entstanden? Oder ist uns damit der Name des tatsächlichen Sammlers erhalten geblieben? Hier macht sich der Verlust des Kolophons in L bedauerlich bemerkbar, vielleicht wäre mit seiner Hilfe eine Entscheidung möglich gewesen. Demjenigen, der den Namen Michael Malpana für den Verfasser einsetzte, kann die Namensgebung, wie sie in B vorliegt, nicht bekannt gewesen sein. Das würde dagegen sprechen, daß uns durch B der tatsächliche Kollektor erhalten geblieben ist. Jedenfalls hat die Zuschreibung an [7] Michael Malpana sich durchgesetzt, wie man an den Hss. in den orientalischen Bibliotheken sehen kann, die Furlani aufzählt, und deren eventuelle Abhängigkeit untereinander (und ihr Verhältnis zu I und C) den Weg der Namensgebungen wohl noch genauer erkennen ließe. Der Kolophon von I (syr. 99 teils im Klartext, teils im App., italien. teils 131) lautet: Ende des Buches der Definitionen, das gemacht worden (ist) vom großen29 Lehrer der Kirche, Mar Michael Badoqa. Unser Herr möge ihn ruhen lassen in den (Himmel-)Reichswohnungen und uns Sündern barmherzig (sein) durch seine Gebete. Amen.

Das Adjektiv „groß“ erinnert an den Kolophon von B, sollte sich darin ein überlieferungsgeschichtlicher Konnex andeuten, der von der Namensfrage zu unterscheiden wäre? Das Lemma von C (syrisch nicht eigens aufgeführt, weil fast identisch mit dem von I, italien. 12): „Scriviamo un discorso sopra la spiegazione delle definizioni di ogni modo e cosa assieme alle loro spiegazione e la divisione delle cose stesse, fatto da Mons. Michele l’interprete e celebre dottore.“ Ich nehme an, daß auch hier das Adjektiv „celebre“ für syrisch mhira steht. Der Kolophon von C (syr. 99 teils im Klartext, teils im App., italien. 12): Ende des Buches der Definitionen, das gemacht worden ist vom Lehrer30 Mar Michael. Und Gott die Herrlichkeit und dem Schreiber Hormizd von Seert31. Vergebung der Schuld im Gericht. Amen.

29 Vergleiche im Kolophon von B den „großen Vater“. – C hat nicht raba de ʿedta, s. 99 App. 30 Für eine kleine Differenz zu I s. die vorige Anmerkung. 31 Zum Schreiber Hormizd s. oben auch den Kolophon der ganzen Hs.

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 3.2 Zu den Schriften des Michael Malpana / Badoqa

7, 8

Vergleicht man diesen Kolophon mit dem von I, so hat man den Eindruck, daß bei I eine Vermehrung der Prädikate des Michael vorliegt, und nicht, wie Furlani annimmt (99 App. zu Zeile 5), eine Auslassung auf der Seite von C. Unter den Hss. nimmt L eine Sonderstellung ein, weil sie den Text in einer Form bietet, die sie stark von B, C und I unterscheidet. Furlani (13) beschreibt die Textgestalt so: „Die Definitionen sind nicht numeriert. Charakteristisch ist für diese Redaktion des Textes die Auslassung aller Eigennamen und jener Sätze, in denen sie vorkommen. Es fehlen auch die drei arabischen Glossen der Definitionen 75, 76 und 95. An manchen Stellen ist der Text kürzer; fast jede Zeile zeigt Abweichungen in Bezug auf die codices B, C und I, die einen einheitlichen Text haben. Die Les[8]arten dieses codex sind nicht gut.“ Man müsse also zwei Texte unterscheiden, einerseits den guten von B, C und I und andererseits den kürzeren, schlechten von L.  Furlani ist der Meinung, daß der originale Text der Sammlung auf der Seite von B, C und I sich finde (d.  h. er betrachtet L wohl als Kürzung des Originaltextes, die zudem schlecht überliefert ist). Dennoch ist es der Text von L, der von „Bar Sarošway in sein Lexikon eingefügt worden ist, und Bar Sarošway ist von Bar Bahlul ausgeplündert worden. Also findet sich der Text von L fast vollständig in der Edition des Lexikons des Bar Bahlul, die Duval“ (1901) „besorgt hat“. Auf derselben Seite (13) zeichnet Furlani ein Stemma der von ihm besprochenen Hss., die er alle auf verschiedene Weise, direkt oder indirekt, auf einen Archetyp zurückführt, L gehört für ihn zu den indirekt abgeleiteten. Gegen Ende seiner Arbeit (193) legt Furlani einen riesigen und komplizierten Stammbaum des in das „Buch der Definitionen“ eingegangenen Stoffes vor. Nach dem, was ich oben dargelegt habe, muß der Verfassername „Michael“ für das „Buch“ zugunsten eines „Anonymus“ gestrichen werden; und nach dem, was Furlani selber über die Definitionssammlung sagt, wie sie L überliefert und wie sie bei den beiden Lexikographen weiterlebt, wäre deren Produzent, ebenfalls wohl anonym, als eine eigene Größe darin unterzubringen. In besagtem Stammbaum finden wir rechts und links von „Michael, Buch der Definitionen“ zwei weitere Titel unter demselben Verfassernamen: „Der Mensch als Mikrokosmos“ und „Quästionen“. „Der Mensch als Mikrokosmos“ steht in derselben Hs. I, die einer der Zeugen für das „Buch der Definitionen“ ist, auf den Blättern 421a1– 426a2. Während aber die Definitionssammlung in Furlanis Analyse der Hs. die Nr. 26 hat, erscheint „Der Mensch als Mikrokosmos“ erst als Nr. 7732. M.  W. ist diese Schrift nicht ediert. Furlani (192) teilt mit, daß ihr Verfasser in seiner Einleitung den Text als letztes Buch seiner „Quästionen“ bezeichne33. Dies könnten nach Meinung Furlanis nur Quästionen gegen die Häretiker sein, denn unter dem Namen des Michael 32 Furlani, „Il manuscritto siriaco 9“: Für Nr. 77 s. 320, für Nr. 26 s. 317. 33 Ich kann ohne Autopsie der Hs. nicht erkennen, ob der Erläuterungssatz, „cioè l’ultima delle Questioni sulle eresie o della tašʿitha delle eresie“, Furlanis eigne Gleichsetzung ist oder die des syrischen Autors. Was dann über die Absicht dieser letzten Quästion folgt („e quest’ultima se propone …“) referiert natürlich die Einleitung des Textes.

8–10

3.2 Zu den Schriften des Michael Malpana / Badoqa 

 173

laufe in einer Hs. von Seert ein Werk gegen die Häretiker; die Quästionen über die hl. Schrift, erwähnt bei Ebed-Jesu, kämen dagegen nicht in Frage. Wenn Furlani (193) nun aber vermutet, die Quästio über den „Menschen [9] als Mikrokosmos“ wäre von Aḥudemmeh und Theodor bar Koni abhängig (wie das „Buch der Definitionen“), dann käme auch hier nicht der nisibenische Lehrer Michael als Autor in Frage. Um die Entscheidung in dieser Frage fördern zu können, müßte man die Quästio herausgeben und untersuchen. Zunächst bin ich in diesem Fall gegen ein von vornherein negatives Urteil, vor allem wegen des jetzt noch zu besprechenden Textes. Die Quästionen des Michael begegnen uns nämlich noch einmal, woran Furlani (192) erinnert: Das „Buch der Biene“ des Salomo von Bosra (13. Jhdt.) zitiert im 57. Kapitel (einem von mehreren über die eschatologischen Ereignisse) am Schluß34: Michael the expositor35 and exegete36, however, says otherwise37 in the book of Questions, speaking as follows: ‘The world will not pass away and be dissolved before the vivification of the dead, but the coming of our Lord will be seen first of all, who will come with the spiritual hosts; and immediately our Lord’s power will compel the earth to give up the parts of the bodies of men who have been slain and have become dust and ashes within it; and there will be a making ready and preparation of the souls to receive their bodies all together. If, before the vivification of the dead, the world and all that is therein were to pass away, from whence pray would the dead rise?38 Those who say that the world will pass away before the vivification of the dead are fools and simpletons; for Christ will not make the world pass away before the vivification of the dead, but He will first raise the dead, and men will see with their eyes the passing away of the world, the uprooting of the elements, and the destruction of the heavens and the earth and the sun and the moon and the stars; and from here sorrow will begin to reign in the mind of the wicked, and endless joy in the mind of the righteous.’

Bis zum Beweis des Gegenteils sehe ich keinen Anlaß, das Buch der Quästionen des Michael Badoqa bei Salomo von Bosra für etwas anderes zu halten als die Quästionen, von denen Michael in seiner Quästio über den „Menschen als Mikrokosmos“ spricht. Zusammenfassend können wir sagen, daß das „Buch der Definitionen“ nicht nur nicht vom nisibenischen Lehrer Michael Badoqa stam[10]men kann (was man immer schon annahm), sondern daß es auch nicht von irgendeinem Michael um 900 zusammengestellt worden ist, der womöglich noch mit dem Kollegen Abzud zu identifizieren wäre. Vielmehr war das „Buch“ ursprünglich anonym; zaghaft wurde einmal der Ver-

34 E.  A.  W.  Budge (ed.), The Book of the Bee, Oxford 1886, syr. qoph-nun-dalat bis qoph-nun-he. engl. Übersetzung 135. Ich führe das Zitat zur größeren Bequemlichkeit des Lesers hier an. 35 Mpašqana. 36 Badoqa. 37 „Anders“ nämlich als die vorher referierten Meinungen, von denen die letzte die des „Interpreten“ war, also die des Theodor von Mopsuestia, wie Budge richtig vermutet. 38 Man beachte dies scharf logische Element in der Argumentation des Verfassers und vergleiche damit den durch extreme Knappheit der Syllogismen auffälligen „Disput“ in der „Nestorianischen Sammlung“ (oben n. 4).

174 

 3.2 Zu den Schriften des Michael Malpana / Badoqa

10

fasser als „Bazud“ bezeichnet (Hs. B), zog aber sonst auf die oben eruierte Weise den Namen des Michael Malpana oder / und Badoqa an sich. Die „Schrift über Träume“ hat Furlani als Bestandteil des „Buchs der Definitionen“ ausgemacht, wo sie eine lange Definition bildet; aus der Liste selbständiger Werke des echten oder unechten Michael ist sie daher zu streichen. Dagegen sind der „Disput“ in der „Nestorianischen Sammlung christologischer Texte“ und das Exzerpt aus den „Quästionen“ im „Buch der Biene“, als deren Verfasser Michael Malpana / Mpašqana / Badoqa angegeben wird, in ihrer Echtheit nicht angreifbar. Die Quästio über den „Menschen als Mikrokosmos“, die nach den Angaben ihres Verfassers die letzte im Buch der Quästionen war, müßte ediert und auf ihre Echtheit hin untersucht werden.

3.3 Narsai, Ephräm und Kyrill über Jesu ­Verlassenheitsruf Matth. 27,46 1 Narsai Die metrische Homilie des Narsai „Über die Heilsveranstaltung1 unseres Herrn im Leib und über das Todes-2 und Kreuzesleiden“ liegt seit mehreren Jahren in der kritischen Ausgabe durch Frederick G.  McLeod vor3. In der Schilderung und Deutung der Kreuzigung (Zeile 479–581) werden drei der Worte des sterbenden Jesus herangezogen, alle nicht als genaue Zitate: die Verheißung des Paradieses an den Räuber (cf. Lc. 23,43), das Legen4 der „Seele“ in die Hände Gottes (cf. Lc. 23,46, wo der „Geist“ in die Hände des Vaters übergeben wird) und der Verlassenheitsruf (cf. Mt. 27,46). Die Erklärungen der beiden letzten Worte sind so miteinander verknüpft, daß sie im Zusammenhang zitiert und besprochen werden müssen5. Zeile 512–581: In den Leiden des Todes litt / der Leib, das Gewand6 des Eingeborenen, und er7 verließ ihn nicht und ging nicht von ihm fort, / auch nicht im Augenblick der Demütigung. 518/9 Ihm8 vertraute er an seine Seele, / der Sterbliche, indem er trauerte: 520/1 „In deine Hände lege ich meine Seele9, / bringe sie an ihren Wohnort in Frieden“. 514/5 [44] 516/7

1 Hier steht das übliche syrische Wort für griechisch oikonomia; der Herausgeber McLeod (s. die übernächste Anmerkung) übersetzt mit „manner of acting“, was der syrischen Wurzel genau entspricht, s. auch seine Anmerkung zur Stelle (p. 107 n. 1). 2 Tod und Kreuz in dieser Reihenfolge. 3 Narsai’s Metrical Homilies on the Nativity, Epiphany, Passion, Resurrection and Ascension. Critical Edition of Syriac text, English translation by Frederick G.  McLeod (PO 41,1 = Nr. 182) 1979. In Minganas Liste der erhaltenen Narsai-Homilien hat die Passions-Homilie die Nr. XXXVI, in seine Teiledition von 1906 hat Mingana sie nicht aufgenommen (vermutlich aus theologischen Bedenken). Über Minganas Liste und Edition s. McLeod p. 8 n. 6. Es wäre wünschenswert, daß alle Editoren in ihren Ausgaben die Minganaschen Nummern sowohl der Liste wie auch der evtl. Edition zum Text angeben würden, nicht nur in der Einleitung (wie Z.  B.  McLeod). 4 Über die verschiedenen syrischen Verben, die für griechisch paratithemai gebraucht werden, s. den unten genannten Aufsatz von Tj. Baarda, p. 296. 5 McLeod, der den Gesamttext durch Zwischenüberschriften gliedert, setzt zwischen 525 und 526 die Überschrift „Narsai’s rejection of his Adversaries’ Position“. 6 Zum „Gewand“ s. Sebastian Brock, Clothing metaphors as a means of theological expression in Syriac tradition, in: Margot Schmidt (Hg.), Typus, Symbol, Allegorie bei den östlichen Vätern und ihre Parallelen im Mittelalter, Regensburg 1982, p. 11–38. Jetzt [44] auch in: Sebastian Brock, Studies in Syriac Christianity (Coll. Stud. Series 357), Aldershot 1992. 7 Sc. der Eingeborene. 8 Sc. dem Eingeborenen. 9 Cf. Lc. 23,46. https://doi.org/10.1515/9783110647419-010

176 

 3.3 Narsai, Ephräm und Kyrill über Jesu ­Verlassenheitsruf Matth. 27,46

522/3 524/5 526/7 528/9 530/1 532/3 534/5 536/7 538/9 540/1 542/3 544/5 546/7 548/9 [45] 550/1 552/3 554/5 556/7 558/9 560/1 562/3 564/5 566/7

44, 45

Sein Haupt neigte er am Kreuz / und übergab seine Seele dem Schöpfer, indem das Fortgehen seiner Seele bezeugt, / daß seine Demütigung10 nicht eine aus Notwendigkeit war. Sieh’ den Augenblick, der zeigt, / wessen Leiden und Tod das sind, indem der Sohn unseres Geschlechts uns lehrt, / daß der Logos nicht teil hat an seinem Leiden. „In deine Hände lege ich meine Seele“ / – laßt uns fragen, wessen Seele das ist? Die des eingeborenen Sohnes aus dem Vater / oder die unseres Genossen, eines Sohnes Adams? Die Gottheit hat keine Seele!11 / Häretiker, irre nicht! Nicht in der Seele besteht12 / das Leben der Gottheit. Die Seele des Sterblichen ist es, / dessen Glieder er angezogen hat, und da Leiden seine Glieder berührte, / verließ sie ihn in der (äußersten) Bedrängnis. Wessen Seele war im Leib, / den der Logos zu seiner Wohnung erwählte? Sie bezeugt durch ihr Fortgehen, / daß sie ihn verlassen hat im Augenblick des Todes. Es war der Leidensfähige, der litt / in den harten Leiden des Kreuzes, als er schrie mit Ächzen: „Mein Gott, mein Gott, verlaß mich nicht“13. Nicht der Logos flehte / zu seinem Vater, der eins mit ihm ist. Gott hat nicht einen Gott14, / Eutyches15! Warum streitest du? Nicht der Logos neigte sein Haupt / und übergab seine Seele am Kreuz; die Quelle des Lebens stirbt nicht! / Halte zurück deine Schmähung, Unverschämter! Nicht wurden in den Seienden16 eingeschlagen / Nägel und ein Speer in die Seite! Der Eingeborene hat keine Glieder, / sei nicht unverschämt, Häretiker! Der aus Fleisch17 ist es, dessen Leib / befestigt wurde am Holz des Kreuzes; und er brachte Flehen dar, / weil er der Hilfe bedürftig war. Der Leibliche ist es, der den Tod schmeckte, / weil er sterblich war in seiner Natur

10 Eine Hs. liest „sein Tod“, s. McLeod p. 124 n. 161. 11 Diese sehr kraß klingende Aussage wird durch die nächste Doppelzeile verständlich. 12 McLeod übersetzt das Partizip mit einem Perfekt: „There has not subsisted in a soul: the vitality of the Divinity“. 13 [45]Cf. Mt. 27,46. – McLeod übersetzt das Aphel von rpʾ mit „schwach machen“: „do not let me grow weak“. Zwar kann das Kausativum des Grundstamms „weich“, „faul“ diese wörtliche Bedeutung haben, aber die Belege für die Bedeutung „verlassen“ scheinen zahlreicher zu sein. 14 Das ist ein altes antiarianisches Argument. 15 Die Nennung des Eutyches wird gelegentlich zur Frühdatierung dieser Homilie benutzt, aber auch der Antichalcedonenser Timotheus Älurus († 477) muß sich noch mit Eutychianern auseinandersetzen, so daß die Nennung des Namens keinen terminus ad quem abgibt. Ebenso legt Philoxenus Wert darauf, sich von Eutyches zu unterscheiden. 16 Ich bevorzuge diese Übersetzung von ʾytyʾ, vielleicht wäre „Ewiger“ im Zusammenhang noch passender. McLeod hat „Self-Existent“ (gewiß weil „being“ im Englischen eine viel zu breite Bedeutung hat), aber das klingt zu sehr nach Hypostase. 17 Im Syrischen das von „Fleisch“ abgeleitete Adjektiv, das in wörtlicher Übersetzung zu unpassend ist, ganz gleich, ob man „fleischern“ oder „fleischlich“ sagt.

45–47 1 Narsai 

568/9 570/1 572/3 574/5 576/7 [46] 578/9 580/1

 177

und den Eingeborenen anflehte, / daß er sogleich die Seele ihm zurückgeben möge. Er18 neigte sein Haupt am Galgen / und übergab seine Seele dem Schöpfer; und als seine Seele fortging nach Eden, / blieb sein Leib im Grabe. Nicht verließ der Logos des Vaters / die reine Wohnung19, die er sich erwählt hatte; und obwohl er von Anfang an in ihm war, / litt er nicht in den Erniedrigungen. Niemals ging er von ihr fort, / nicht in den Leiden und nicht am Kreuz; und niemals litt er in seiner Natur / in den Leiden, die der Leibliche ertrug.

Die „Zitate“ aus Lc. 23,46 und Mt. 27,46 sind, wie schon gesagt, keine solchen, auch sind sie keine Textvarianten, sondern stellen Interpretationen durch den Autor dar. Die Veränderungen gegenüber dem Wortlaut sind im zweiten Fall viel stärker als im ersten. Mit dem Ersatz von „Geist“ durch „Seele“ in Lc. 23,46 erspart sich Narsai Darlegungen darüber, wie „Geist“ an dieser Stelle zu verstehen sei, des Inhalts etwa, daß es sich hier nicht um die trinitarische Person des Heiligen Geistes handeln könne. Ganz richtig betrachtet er „Geist“ als menschliches Lebensprinzip und setzt dafür „Seele“ ein; die Seele als Lebensprinzip des menschlichen Leibes einerseits und andererseits die Gottheit als Leben ihrer selbst: 536/7. 540/1. 544/5. 556/7. 568/9. 572/3. Theologisch wird die Hingabe der Seele durch den Gekreuzigten in mehrfacher Hinsicht ausgewertet. Der nächstliegende Aspekt ist die Freiwilligkeit des Todes Jesu (525: „nicht aus Notwendigkeit“), aber der Beweis dafür ist natürlich nicht, wie es aus Narsais Formulierung scheinen könnte, daß die Seele fortging, sondern daß durch die Rede in der ersten Person Jesus als Handelnder erscheint: im Tod wird ihm die Seele nicht genommen, sondern er gibt seine Seele hin und stirbt deswegen. Zweitens, und damit kommen wir zur Christologie im engeren Sinn, ist der Tod ein Beweis dafür, daß hier ein wirkliches, leibliches, menschliches Sterben vor sich ging: die Seele wird abgegeben, der Leib stirbt, das Haupt des Gekreuzigten sinkt herab (522/3. 570/1). Die Frontstellung, in der Narses argumentiert, erfordert aber auch den negativen Ausdruck desselben Tatbestandes: nicht der Logos neigte sein Haupt und überlieferte seine Seele am Kreuz (554/5). Auf der polemischen Absetzung liegt drittens das Hauptgewicht dieses ganzen Abschnitts der Passionshomilie, was im Einzelnen vorzuführen nicht nötig ist; ich verweise auf McLeods Zwischenüberschrift. Ausführlich wird dargelegt, um wessen Seele es sich nicht handelt: es ist nicht die Seele des Logos oder der Gottheit. Verblüffend ist, wie Narsai den Empfänger der Seele bestimmt: es ist der Eingeborene (518/9 in Verbindung mit den vorangehenden Doppelversen). Zwar kann es auch heißen (523 und 571), daß der [47] Sterbende die Seele dem Schöpfer übergibt, aber 568/9 ist es wieder der Eingeborene, der die Seele (an den Leib) zurückgeben soll

18 Sc. der Leibliche. 19 Sc. den Leib.

178 

 3.3 Narsai, Ephräm und Kyrill über Jesu ­Verlassenheitsruf Matth. 27,46

47, 48

(über diese Stelle weiter unten). Man geht sicher nicht fehl, wenn man im Schöpfer wiederum den Logos sieht. Bei Lukas geht bekanntlich dem Hingabewort die Anrede „Vater“ voran; es ist merkwürdig, daß diese Tatsache von Narsai nicht berücksichtigt wird, ja diese Anrede gar nicht zitiert wird. Hat das etwas mit Ephräm und dem Diatessaron zu tun?

2 Ephräm und Narsai In der armenischen Übersetzung des ephrämischen Kommentars zum Diatessaron fehlt jedenfalls auch die Anrede „Vater“20, das Hingabewort steht am Anfang von c. XXI,1 in Leloirs Gliederung21. Die Erklärung beginnt dann freilich mit dem überraschenden Satz: Divinitas eius humanitatem suam commendavit22, was mit dem biblischen Text nun schon gar nicht übereinstimmt. Glücklicherweise haben wir ein Fragment des syrischen Textes für etwa zwei Drittel von XXI,1, herausgegeben und eingehend untersucht von Tj. Baarda (1961/2)23. Das Fragment ist ein Exzerpt aus Ephräms Kommentar innerhalb einer nestorianischen Hs., gehört also nicht zu den Blättern der Hs. Chester Beatty 709, die von Leloir in zwei Gruppen 1963 und 1990 herausgegeben wurden24. Chester Beatty 709 enthielt den [48] ganzen Kommentar, aber aus den bis jetzt aufgefundenen Blättern ist er noch nicht vollständig herzustel20 Die zwei von mir konsultierten späteren Formen des Diatessarons bieten die Anrede „Vater“ (s. unten n. 36). 21 Louis Leloir (ed.), Saint Éphrem, Commentaire de l’evangile concordant. Version arménienne. (CSCO 137 = Arm. 1 textus, 145 = 2 versio) 1953. 1954. Des Armenischen unkundig, zitiere ich nur den Übersetzungsband und zwar als CSCO 145, um die Unterscheidung zwischen den verschiedenen gleich betitelten Ausgaben Leloirs zu erleichtern. Cap. XXI,I: p. 222. 22 CSCO 145 p. 222,9  f. 23 Tj. Baarda, A Syriac fragment of Mar Ephraem’s Commentary on the Diatessaron, New Testament Studies 8 (1961/2) p. 287–300. 24 Louis Leloir (ed.), Saint Éphrem, Commentaire de l’Évangile concordant. Texte Syriaque (Manuscrit Chester Beatty 709), (Chester Beatty Monographs 8), Dublin 1963. Derselbe (ed.), Saint Éphrem, Commentaire de l’Évangile concordant … Folios additionnels (Chester Beatty Monographs 8). Löwen-Paris 1990. In diesem zweiten Band will Leloir eine besonders anschauliche lateinische Wiedergabe des Syrischen vorlegen und reproduziert daher präfigierte und suffigierte Satzteile als an ihr Beziehungswort durch Bindestriche gebundene; die Wirkung ist eher irritierend. Im Folgenden unterscheide ich diese beiden Bände als Chest. Beatty 709 I und II.  Als Anhang druckt Leloir in Chest. Beatty 709 II einen Aufsatz ab, in dem ein Einzelblatt derselben Hs. publiziert ist: Pedro Ortiz Valdivieso, Un nuevo fragmento siriáco del Comentario de [48] san Efrén al Diatésaron (P Palau Rib. 2). Studia Papyrologica 5 (1966) p. 7–17. Leider hat Leloir nicht auch Baardas Publikation wiederabgedruckt (aus kodikologischem Purismus?), er verweist auf sie in Chest. Beatty 709 II p. VII n. 6. Die englische Übersetzung von Carmel McCarthy, Saint Ephrem’s Commentary on Tatian’s Diatessaron (Journ. Sem. Stud. Suppl. 2), Oxford 1993, fügt die erhaltenen syrischen Originalbestandteile ineinander, ergänzt die Lücken durch das Armenische, bringt zwar das Baardasche Fragment, aber – so stark ist Leloirs Suggestion – in einer Anmerkung zu c. XXI, 1 (p. 316 n. 1).

48,  49

2 Ephräm und Narsai 

 179

len, so daß man für das Fehlende auf die armenische Übersetzung angewiesen ist. Das Exzerpt bei Baarda hat in den publizierten Chester-Beatty-Blättern bisher kein Gegenstück. Das Fragment beginnt genau wie die armenische Übersetzung mit dem Kreuzeswort ohne die Anrede an den Vater25. Baarda hat den syrischen Text abgedruckt und läßt auf ihn im Paralleldruck englische Übersetzungen des Syrischen und des Armenischen folgen26. Es zeigt sich schon am syrischen Original, daß die armenische Übersetzung des ersten erklärenden Satzes nicht richtig ist. Aber Baardas englische Übersetzung ist ihrerseits nicht zutreffend: „327 his manhood commended his 4 godhead, for it left it [i.  e. his godhead], 5 and let it suffer“. „His godhead“ von Zeile 3/4 ist syrisch ein Nomen mit präfigiertem lamad. Baardas Übersetzung versteht das lamad als Akkusativzeichen. Offenbar war der armenische Übersetzer derselben Meinung, hielt das Ergebnis der Übersetzung für theologisch unerträglich und kehrte deswegen das Verhältnis von Nominativ und Akkusativ um. Aber „his godhead“ mit lamad ist ein Dativ: „seine Menschheit empfahl seiner Gottheit“, „his manhood commended to his godhead“. Weder der armenische Übersetzer noch Baarda haben [49] gesehen, daß das Objekt der Empfehlung oder Übergabe stillschweigend aus dem unmittelbar vorangehenden biblischen Satz zu ergänzen ist: es wird „empfohlen“ er, nämlich der Geist Jesu. Also muß man übersetzen: „his manhood commended (it) to his godhead“. Im Rest von Zeile 4 ist die Position der ergänzenden Klammer zu verändern. So wie sie jetzt bei Baarda steht, liest man daraus ab, daß die menschliche Natur die göttliche verläßt, aber schon Zeile 5, „and let it suffer“, macht diese Auffassung unmöglich. Richtig muß man schreiben: „for it [i.  e. his godhead] left it (sc. the manhood) and let it suffer“. Folgen muß man Baardas Korrektur am syrischen Text von Zeile 8, wo aus dem „aber“ ein „nicht“ gemacht wird (Streichung eines alaph; die armenische Übersetzung hat noch das Richtige gelesen). Nicht zustimmen kann ich in Zeile 10 der Übersetzung von „Kraft“ mit präfigiertem beth durch „by [a] force“: die göttliche Natur kann doch nicht während des Todes Christi „durch eine Kraft“ verborgen sein;

25 Dieselbe Textfassung, also ohne die Anrede „Vater“ und mit dem gleichen syrischen Verbum (Partizip mgʾl statt sʿm) wird zitiert und sʿm als nicht zutreffend verworfen in einem Ps. Nestorius-Text, L.  Abramowski – A.  E.  Goodman (eds.), A Nestorian collection of christological texts. Cambridge 1972, vol. I p. 205, (20) 21  f., vol II p. 123, (2) 3–5. Cf. schon Abramowski-Goodman, NTS 13 (1967) p. 290  f. Weder Baarda, noch die beiden Genannten befassen sich mit dem Faktum der fehlenden Anrede. – Das Zitat bei diesem Ps.-Nestorius wäre natürlich besonders wertvoll, wenn es unmittelbar aus dem Diatessaron stammte und nicht erst aus Ephräms Kommentar. Leider sehe ich keine Möglichkeit, diese Frage zu entscheiden. 26 Baarda p. 289  f. McCarthy (p. 316 n. 1) gibt eine eigene Übersetzung in flüssigerem Englisch, die aber an den von mir diskutierten Problemen nichts ändert; Baardas Korrektur von „aber“ in „nicht“ (s.  u.) wird von McCarthy natürlich übernommen. 27 Um die Besprechung des Textes zu erleichtern, zähle ich die Zeilen von Baardas Übersetzung durch (das Lemma ist nicht mitgezählt). Die Kürze der Zeilen erklärt sich aus dem Paralleldruck der beiden englischen Übersetzungen.

180 

 3.3 Narsai, Ephräm und Kyrill über Jesu ­Verlassenheitsruf Matth. 27,46

49, 50

zutreffender ist das armenische „in His force“. Zeile 22 „perceive“ für syrisch rgš28 wäre vielleicht noch besser „feel“. Die Klammer „something“ Zeile 24 ist überflüssig, weil der Inhalt des „Gezeigten“ Zeile 27  f. und 30–34 mitgeteilt wird. Mit diesen wenigen Änderungen erhält Baardas Übersetzung folgende Gestalt: Mar Ehpraem, the Teacher, from the Commentary of the Diatessaron Gospel: 1 Into thy hands – quoth he – 2 I commend29 my spirit; 3 his manhood commended (it) to his 4 godhead, for it (i.  e. his godhead) left it, 5 and let [50] it suffer. 6 In this way, then, He was 7 separated from him, 8 not so that He tore 9 Himself away from him, but 10 while being hidden in (His) force 11 from the slain one 12 and the slayers. 13 For if He had appeared, 14 not even he that had been 15 slain would have feared; 16 and if He had been revealed, 17 not even the slayers 18 would have been able to slay. 19 But He surely guarded him, 20 lest he perished – while the 21 Guardian knew and he that 22 was guarded did not feel. 23 And then, at last, He was re-24 vealed, and He shewed 25 to both of them, 26 not only to the slain one 27 – that he was not left 28 alone in Sheol –, 29 but also to the slayers 30 – that they were not able 31 to perform their work: 32 and to guard the grave, 33 and to keep the corpse 34 in custody –.

Eine grammatische Schwierigkeit, die auch eine inhaltliche ist, hat Baarda mit Recht angesichts dieses Textes empfunden, nämlich den Übergang von „seiner Menschheit und seiner Gottheit“, zwei femininen Abstrakta (Zeile 3–5), zu den maskulinen Pronomina der folgenden Zeilen: „er30 war von ihm getrennt etc.“; danach sei evident, daß Subjekt und Objekt nicht länger Menschheit und Gottheit seien31. In einer Anmerkung stellt Baarda folgende Erwägung an32: „The sudden transition from feminine to 28 rgš kann sowohl „fühlen“ wie „verstehen“ heißen (McCarthy hat das ebenfalls mögliche „perceive“). Daher hat die armenische Übersetzung „nesciente“ als wörtlichen Gegensatz zu „sciente“ gewählt (entsprechend auch Baarda, der direkt aus dem Armenischen ins Englische übersetzt), ohne daß man deswegen annehmen müßte, der armenische Übersetzer habe etwas anderes als rgš gelesen. 29 Hier fügt Baarda „[her]“ ein, um durch diese Wiedergabe des als Suffix vorweggenommenen Objekts die Differenz der Lesart der Stelle gegenüber anderen syrischen NT-Versionen auch in der Übersetzung deutlich zu machen, s. Baarda p. 296 Punkt (2). – Übrigens sagt Leloir zu Chester Beatty 709 I p. 210/211 in n. 3 zu § 5, der „Gebrauch der femininen Verbform bei rwḥʾ (hier und anderswo, infra)“ sei „den Gewohnheiten Ephräms entgegen und begründe einen Zweifel an der Echtheit der Passage, ja selbst dieses ganzen letzten Fragments.“ Meint Leloir damit den zusammenhängenden Text der Blätter bis fast zum Ende des Buches? Baardas Fragment würde nach diesen Kriterien unter dasselbe Verdikt fallen. Ich habe in Chest. Beatty I nach Stellen mit „Geist“ und einem zugehörigen Verb gesucht und fand (keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit!) in c. XXII,3 (also Leloirs infra) p. 234/235 „Geist“ mit femin. verb. finitum. Leloir scheint aber nicht beachtet zu haben, daß auch an viel früheren Stellen des Bandes das Gleiche zu beobachten ist, so in c. I,10 [50] (gleich im ersten Satz) p. 8/9 fem. verb. fin., c. I,25 im Zitat Lc. 1,35 fem. verb. fin., c. X,15 p. 50/51 Zeile 2 fem. part. act. In Chest. Beatty 709 II ist es nicht anders. Das heißt, daß man den ganzen Diatessaron-Kommentar dem Ephräm aberkennen müßte! Aber ist die Erklärung für das grammatische Phänomen nicht in der Tatsache zu suchen, daß Ephräm sich nach dem kommentierten Bibeltext richtet? 30 Auch im Syrischen maskulin; damit ist ausgeschlossen, daß es sich um den Geist handelt. 31 Baarda p. 298 Punkt (f). 32 Baarda p. 298 n. 4.

50,  51

2 Ephräm und Narsai 

 181

masculine may be significant for the theology of Mar Ephraem. He does not mention the new subject and object explicitly, but there is reason to think of Father and Son. This would mean that he is identifying Father and godhead, Son and manhood. Therefore it could get a place in the Nestorian dogmatic catena in our manuscript“. Dieser Erklärungsversuch (der, was das Nestorianische betrifft, inhaltlich falsch ist) wird überflüssig durch einen Blick auf die Fortsetzung des Ephrämschen Kommentars in der armenischen Übersetzung:33 „Et (Deus)34 confirmavit [51] factis promissionem suam mortalibus; ostendit (enim) et perficiendo manifestavit, humanitatem suam posse pati, quia ecce mortua est; ostendit etiam eos, qui moriuntur, posse (rursus) vivere. Et resuscitavit eam (sc. humanitatem) …“. Ephräm wechselt also ganz unbefangen zwischen konkreten und abstrakten termini, ohne irgendeine inhaltliche Verschiebung. Für unseren Vergleich mit Narses ist es wichtig, daß Ephräm das Hingabewort von Lc. 23,46 als Gelegenheit nimmt, die Verlassenheit Jesu im Kreuzestod zu deuten, also Mt. 27,46 zu erklären. Dabei hatte Ephräm Mt. 27,46 schon in c. XX,30 zitiert und zwar, anders als Narses, wörtlich35. Die Auslegung in XX,30 macht aber das Verlassenwerden des Gekreuzigten gar nicht zum Thema, vielmehr wird der Sterbende als Sieger dargestellt. In dieser Passage läßt Ephräm den Ruf auch an den Vater gerichtet sein (was bei Narses nicht der Fall ist). Weiter ist in diesem Abschnitt enthalten eine Darstellung des Mißverständnisses „Eli/Elias“. Ferner spricht Ephräm von „ersten“ und „zweiten Ruf“ und ihrer Wirkung; der erste Ruf ist natürlich das zitierte Wort Jesu, der zweite muß nach dem matthäischen Text die „laute Stimme“ sein, mit der Jesus „schrie“, indem er „seinen Geist aufgab“ (Mt. 27,50). Man könnte nun annehmen, daß das Diatessaron an dieser Stelle Lc. 23,46 heranzog („Ich übergebe meinen Geist …“). In Ephräms Kommentar zum Diatessaron ist an der oben zitierten Stelle XXI,1 jedenfalls eine solche Kombination vorausgesetzt und Narses arbeitet ebenfalls mit ihr. Von den uns heute zugänglichen Diatessaronformen habe ich zwei nachgeschlagen, sie stellen die beiden Sätze nicht unmittelbar nebeneinander36.

33 CSCO 145, p. 222, 19  ff. 34 Leloir CSCO 145 p. 222,19 ergänzt statt „(Deus)“ das neutralere „(Dominus)“. Aber s. den Anfang des nächsten, zweiten Paragraphen, p.  222,27–29: Natus est Deus naturae humanae unitus, non nativitate personae suae, sed nativitate naturae sibi coniunctae, cui naturale erat nasci secundum carnem. – Man würde vieles für das syrische Original dieser Stelle geben, aber leider hat man den syrischen Text erst wieder ab c. XXI,4 Mitte. 35 CSCO 145 p. 216,18; die im Folgenden referierte Auslegung reicht bis 217,10. 36 Zum Diatessaron s. Z.  B.  K.  Th. Schäfer, Art. „Diatessaron“, LThK2, Bd.  3 (1959) und Dietrich Wünsch, Art. „Evangelienharmonie“, TRE, Bd. 10 (1982). Die arabische Übersetzung des syrischen Diatessaron wurde im 11. Jhdt. vom Nestorianer Abu’l-Farradj auf Grundlage einer syrischen Hs. des 9. Jhdts. hergestellt, diese letztere war stark von der syrischen Vulgata beeinflußt (Schäfer Sp. 349 mit Wünsche p. 628). Ich benutze die Ausgabe Tatiani Evangeliorum harmoniae arabice, ed. Augustinus Ciasca, Rom 1888. Dort folgen auf das Verlassenheitswort sieben Bibelstellen, unter ihnen die übrigen Kreuzesworte, und dann erst das Hingabewort (p. 92 von Ciascas lateinischer Übersetzung). – Ähnlich

182 

 3.3 Narsai, Ephräm und Kyrill über Jesu ­Verlassenheitsruf Matth. 27,46

51–53

Bei Narsai werden beide Kreuzesworte von der menschlichen Natur Christi an die göttliche gerichtet, der Leidende spricht zum in [52] ihm wohnenden Logos37. Bei Ephräm wird das nicht derartig deutlich dargestellt, aber das Verlassenwerden betrifft auch bei ihm nicht Jesus und den Vater, und der Geist wird nicht dem Vater übergeben, sondern der Gottheit Christi38. Diese Art der Exegese muß uns fremdartig und artifiziell erscheinen, rückt uns ab von dem unmittelbaren Eindruck, den der evangelische Leidensbericht auf uns macht, wir sehen uns vor einer theologischen Konstruktion. Man fragt sich nach den theologischen Motiven für die Einführung dieser Diffizilitäten. Der Hauptgrund muß die feste Überzeugung beider Autoren von der Tatsache sein, daß Christus sowohl Mensch als Gott ist: von diesem theologischen Fundament kann dann auch nicht bei der Auslegung der Kreuzesworte abgesehen werden. Ohne Zweifel redet in ihnen Christus als Mensch – aber ist christologisch denkbar, daß er gewis[53]sermaßen an seiner göttlichen Natur vorbei, unter Absehung vom Faktum, daß er auch Gott ist, zum Vater, zu Gott redet? Offenbar nicht. Dazu kommt, daß für beide Theologen, für den Nicäner Ephräm und für den Neunicäner Narsai die Homoousie der ist es im Lütticher Diatessaron. Ausgabe: Diatessaron Leodiense/Het Luikse Diatessaron, ed. C.  C. de Bruin, Leiden 1970, p. 266/268 des Originals, p. 267/269 der englischen Übersetzung. 37 Vergleiche das in zwei Fassungen durch Ps. Narsai und Kyrus von Edessa überlieferte Dankgebet, das Theodor von Mopsuestia beim letzten Mahl durch Jesus an den Logos richten läßt, – an den Logos, der ihn angenommen hat. Zu Ps. Narsai s. L.  Abramowski in Bulletin of John Ryland’s Library 78 (1996) p. 87–100 [in diesem Band S. 153–165], schon früher aber zu Kyrus von Edessa und Ps. Narsai F.  W.  Macomber in CSCO 355/356 (Syr. 155/156) 1974 und Parole de l’Orient 6/7 (1975/1976) p. 341–347. 38 G.  Jouassard, L’abandon du Christ en croix dans la tradition grecque des IVe et Ve siècles, RSR 5 (1925) p. 609–633, weist (p. 616  f.) auf die „wirklich merkwürdige“ Exegese des Verlassenheitsrufes durch Epiphanius im Panarion hin: „Pour lui, cette interrogation est le fait de la nature humaine de Jésus s’adressant à sa propre nature divine. Non pas que l’une soit alors séparée de l’autre“. Epiphanius bringt sie in seinem Kapitel über die Arianer (Häresie 69), § 63,1–68,6, GCS Epiphanius III (ed. Holl) 1933, p.  211,33–216,31. In der jetzt vollständig vorliegenden englischen Übersetzung des Panarion: Frank Williams (transl.), The Panarion of Epiphanius of Salamis, Books II and III (Sects 47–80, De Fide), (Nag Hammadi and Manichaean Studies 36), Leiden etc. 1994, p. 381 (unten) – 386. Jouassard, der noch nach Migne zitiert, übersetzt das wichtigste Stück ins Französische und bemerkt dazu (Hervorhebung von mir, wie schon oben): „À prendre à la lettre cet exposé, il faudrait dire que pour saint Épiphane la divinité n’est pas demeurée unie au corps de Notre Seigneur pendant le triduum mortis. Mais ce n’est pas là ce qui attire son attention; ce qu’il veut montrer avant tout contre ses adversaires, c’est qu’au moment de la mort la divinité ne s’est pas séparée de l’âme de Jésus, qu’il n’y avait alors en lui qu’une seule personne, Dieu et homme tout à la fois, bien que parlant à la divinité comme on le fait à une autre personne. La pensée d’Épiphane est peut-être un peu compliqué, sa façon d’exprimer à certains égards incorrecte“; aber im Ganzen sehe man, worauf es ihm ankomme. Man könne feststellen, daß „sur le point précis des sentiments de Jésus en croix“, Epiphanius nicht der Versuchung zu einer allegorischen Auslegung unterliegt. – Epiphanius legt also wie Ephräm und Narsai Mt. 27,46 inner-christologisch aus, aber anders als der letztere läßt er im Tod den Logos nicht mit dem Leib, sondern mit der Seele verbunden sein. Eine derart scharfe Unterscheidung in der Person Christi ist also nicht nur im Umkreis der Schule Diodors zu finden; das Problem der Einheit der beiden Naturen, wie es sich unter dem Aspekt der Trennung von Leib und Seele im Tode darstellt, löst Epiphanius allerdings auf eine Weise, die der antiochenischen entgegengesetzt ist.

53,  54

3 Verlassensein und Nicht-Verlassensein 

 183

Gottheit Christi mit der des Vaters gilt. Die Gottheit des Angeredeten ist daher keine andere als die des Vaters, auch wenn es nicht die gleiche trinitarische Person ist. In Mt. 27,46 lautet zudem die Anrede nicht „Vater“, sondern „Gott“, was vermutlich eine Rolle gespielt hat, auch wenn es uns sophistisch erscheint, damit zu argumentieren.

3 Verlassensein und Nicht-Verlassensein – Unterscheidung und Einheit in Christus a) Ephräm Ephräm redet eindeutig davon, daß die Gottheit Christi seine Menschheit verläßt und sie leiden läßt (Zeile 3–5). Das ergibt eine Trennung zwischen ihnen („er war getrennt von ihm“, Zeile 6  f.), die wiederum von Ephräm zweifach gedeutet wird, einmal negativ, einmal „positiv“. Die Trennung heißt nicht, daß sich das Göttliche vom Menschlichen in Christus „losreißt“ (oder „abschneidet“, Zeile 8  f.), d.  h. die Einheit wird nicht aufgehoben. Wohl aber tritt ein, was für den sterbenden Jesus so furchtbar ist, wie wenn Gott sich von ihm losgerissen hätte: Gott in seiner Macht „verbirgt“ sich nicht nur vor dem Hinrichtungspersonal, sondern auch vor dem Sterbenden (Zeile 10–12), anders ist dessen Angst nicht zu erklären (Zeile 15), ebensowenig wie die Tatsache, daß er wirklich umgebracht wird. Die Einsamkeit eines Mißhandelten und einem qualvollen Tod Überantworteten kann kaum ergreifender ausgedrückt werden. Zwar ist aus der Auferstehung abzuleiten, daß Gott ihn in seiner Hut behalten hat, aber der Sterbende und Gestorbene nahm das nicht wahr, „fühlte“ es nicht (Zeile 19–22). Der ungeheure Kontrast zwischen dem „Wissen“ des „Behütenden“ (Zeile 20  f.) und dem „NichtFühlen“ des „Behüteten“ wird innerhalb der einen Person Christi angesetzt, die aber gegen allen Augenschein trotzdem „nicht zerrissen“ ist; erst in der Auferweckung kommen göttliches Wissen und menschliches Fühlen wieder zusammen. Daß es Ephräm darum geht, die Realität von Leiden und Tod der menschlichen Natur in Christus darzulegen, sagt er ausdrücklich in [54] der nur armenisch erhaltenen Fortsetzung unseres Textes39. Im darauf folgenden § 2 handelt Ephräm von der menschlichen Geburt Gottes in der mit ihm verbundenen menschlichen Natur, um die reale Leiblichkeit Jesu zu belegen, die die Voraussetzung für das reale Leiden und Sterben ist. Und in § 3 teilt er uns mit, daß er dies zur Widerlegung doketischer Auffassungen von Christi Leiden und Sterben vortrage. D.  h., daß es das Insistieren auf dem wirklichen menschlichen Leiden Christi ist, eines Christus, der zugleich Gott ist, das zu einer so scharfen Unterscheidung der beiden Aspekte in Christus führt, daß die menschliche Natur in ihm zu seiner Gottheit spricht und die göttliche ihrerseits für die menschliche Natur nicht mehr wahrnehmbar ist.

39 S.  o. n. 34.

184 

 3.3 Narsai, Ephräm und Kyrill über Jesu ­Verlassenheitsruf Matth. 27,46

54, 55

b) Narsai Im eingangs zitierten Stück aus der Passionshomilie des Narses sind Leiden und Nicht-Leiden, Sterben und Nicht-Sterben streng und scharf auf den „Sohn aus unserm Geschlecht“ (Zeile 528) und den Logos (529) verteilt. Diese Unterscheidung durchzieht den ganzen Text, es bedarf dazu keiner weiteren Zitate. Der Leidende ist es, der die beiden hier ausgelegten Kreuzworte an den Nicht-Leidenden richtet. Aber anders als bei Ephräm entspricht die Trennungslinie zwischen Verlassen und Verlassensein nicht dieser genauen Unterscheidung der beiden Naturen in Christus. Vielmehr äußert sich die Einheit des christologischen Subjekts gerade darin, daß der Logos den „aus unserem Geschlecht“ nicht verläßt, selbst in der Phase, da im Tode die Seele aus dem Leib Jesu fortgeht. Das Verlassenwerden wird, was die Relation des Göttlichen zum Menschlichen betrifft, nicht als Verborgenheit des Göttlichen gedeutet, wie bei Ephräm, sondern es wird innerhalb des einen christologischen Subjekts verschoben und zwar in die menschliche Natur: das Verlassen ist das Verlassen des Leibes Christi durch seine Seele. Der Logos verläßt, wie gesagt, den Leib nicht: „Und er (der Eingeborene) verließ ihn nicht und ging nicht von ihm fort, / auch nicht im Augenblick der Demütigung» (Zeile 516/7); „Nicht verließ der Logos des Vaters / die reine Wohnung (den Leib), die er sich erwählt hatte“ (574/5); „Und obwohl er von Anfang an in ihr (der Wohnung) war, litt er nicht in den Erniedrigungen“ (576/7); „Niemals ging er von ihr (der Wohnung) fort, / [55] nicht in den Leiden und nicht am Kreuz“ (578/9). Eng verbunden mit Aussagen über das Nicht-Leiden des Logos während des Leidens Christi bilden die Zeilen über den Logos, der den Leib Christi, ob beseelt oder unbeseelt, lebendig oder tot, nicht verläßt, den Rahmen um die Auslegung von Hingabe-und Verlassenheitswort. Und ungefähr in der Mitte des Textes steht das, wie man nun sieht, notwendig umformulierte Verlassenheitswort. Dies Wort beklagt, anders als im biblischen Text, nicht das Verlassensein durch Gott, sondern bittet darum, daß dieser Zustand nicht eintreten möge, – eine Bitte, der bereits positiv entsprochen ist. Die eben referierten Aussagen Narsais, bestimmt wie sie sind vom Prinzip der Einheit der Person Christi, beachten gleichzeitig das andere Prinzip, daß die Einheit die Eigentümlichkeiten der göttlichen und menschlichen Naturen aufweisen muß: der Logos leidet auch in seiner Untrennbarkeit vom Menschen nicht, wiewohl der vom Logos ungetrennte Mensch dem menschlichen Tod unterworfen ist: seine Seele löst sich im Tode vom Leib. Das menschliche Leiden und der menschliche Tod des Gekreuzigten bleiben menschlich und verlieren nichts von ihrem Schrecken: Demütigung (Zeile 517), Trauer (519), das Leiden der Glieder, d.  h. der körperliche Schmerz (540), die (äußerste) Bedrängnis (541), das harte Leiden des Kreuzes (547), Geschrei mit Ächzen (548), das Flehen des Hilflosen (550. 564/5. 568), die eingeschlagenen Nägel, der Stich des Speers in die Seite (558/9, cf. auch 562/3). Die Spannung, die der Kontrast der beiden Naturen im einen Christus hervorruft, ist außerordentlich. Erst die Auferstehung löst sie (644/5): „Aber das Wort, das in ihm

55,  56

4 Kyrill von Alexandrien 

 185

wohnt“ (nämlich „im äußeren Tempel seines Leibes“, 642), „baute“ (nach der Zerstörung des Leibes durch den Tod, 643) „ein Gebäude, das niemals wieder erschüttert werden wird“. Da der Logos gerade das, was sterblich ist am Menschen, den Leib, nicht verläßt, bleibt als eigentliches Verlassen nur das Verlassen des Leibes durch die Seele übrig: „das Fortgehen seiner Seele“ (524), da „verließ sie (die Seele) ihn in (äußerster) Bedrängnis“ (541), „ihr (der Seele) Fortgehen“ (544), sie hat ihn „verlassen im Augenblick des Todes“ (545), „als seine Seele fortging nach Eden“ (572, cf. 521: „bringe sie an ihren Wohnort in Frieden“). Nach all dem gewinnt man den Eindruck, daß Zeile 568/9, wo der Leibliche „den Eingeborenen anflehte, / daß er sogleich die Seele ihm [56] zurückgeben möge“, nicht etwa das Hingabewort, sondern den ohnehin umformulierten Verlassenheitsruf paraphrasieren soll.

4 Kyrill von Alexandrien Wie eindringend die theologische Bemühung um die beiden Kreuzesworte ist, die wir bei Ephräm und Narsai vorfinden, kann man sich leicht an einem Gegenbeispiel klarmachen, dem Kyrills40. Er hat sich mit dem Verlassenheitswort an mehreren Stellen befaßt: im Thesaurus (zwischen 423 und 425?)41, in zwei Fragmenten aus dem Matthäus-Kommentar (Datum?)42, in De recta fide ad Augustas (430) und im Dialog Quod unus sit Christus (434–437?). Es würde sich nahelegen, die Texte nach ihrer Entstehung vor oder nach dem Ausbruch des nestorianischen Streites zu gruppieren. Doch ist selbst noch in der Schrift an die Kaiserinnen der antiarianische Skopos für die Auslegung bestimmend; erst im Dialog QUX43 wird die antiochenische Auslegung scharf bekämpft.

a) Thesaurus de sancta et consubstantiali trinitate Das 24. Buch des Thesaurus ist Worten des Trauerns oder Fürchtens im Munde Christi gewidmet; die Arianer nahmen ja solche Aussprüche zum Anlaß, Christus eine dem Vater untergeordnete Gottheit zuzuschreiben. So muß auch der Gebrauch des Ver-

40 Literatur zur patristischen Exegese von Mt. 27,46 bei Hermann Josef Sieben, Exegesis Patrum. Saggio bibliografico sull’esegesi biblica dei Padri nella Chiesa (Sussidi Patristici 2), Rom 1983, Nr. 987–991. 41 Hinweis auf die Stelle bei Jacques Liébaert, La doctrine christologique de Saint Cyrille d’Alexandrie avant la querelle nestorienne. Lille 1951, p. 119. 42 Das erste davon und die Passage aus De recta fide ad Augustas angegeben bei de Durand (s.  u. n. 58) p. 445 n. 1. 43 Ich übernehme die bequeme Abkürzung aus de Durand.

186 

 3.3 Narsai, Ephräm und Kyrill über Jesu ­Verlassenheitsruf Matth. 27,46

56–58

lassenheitswortes in einem eigenen Abschnitt gerechtfertigt werden (PG 75, 397 D / 400 A). Jaques Liébaert hat in seinem ausgezeichneten Buch über die Christologie Kyrills vor 428 nur eine kurze Passage zu diesem Text. In ihr stellt er den für den Kyrill dieser Phase charakteristischen Bezug zu Athanasius her (in diesem Fall zu Contra Arianos III 56 und 57) und bemerkt dazu: „Christ a dit qu’il était abandonné; qu’à cette parole ait correspondu un sentiment réel, Cyrille, semble-t-il, ne le [57] pense pas; aucun indice positif ne le suggère“44. Dies zutreffende Urteil wird sich im Folgenden bestätigen, und eine andere Beobachtung wird hinzukommen. Es ist nützlich, zum genannten Abschnitt aus dem Thesaurus die beiden unmittelbar vorangehenden zu stellen (397 B und C). 1) 397 B: Wenn die Heiligen, in deren innerem Menschen Jesus Christus wohnte, den Tod nicht gefürchtet haben, wie soll dann er den Tod gefürchtet haben, der die anderen lehrt, den Tod zu verachten? Wenn man die Tapferkeit derer bewundert, die den Logos haben, wie kann man dann den Logos für schwach und mutlos halten, von Angst und Schrecken ergriffen? 2) 397 C: Der Heiland hat durch seinen Tod den Tod vernichtet. Wie er den Tod nicht vernichtet hätte, wenn er nicht gestorben wäre, so gilt das auch für alle Leiden des Fleisches. Wenn er (es?) sich nicht gefürchtet hätte, wäre die Natur (sc. unsere) nicht frei von Furcht geworden (ebenso für Trauer und Erregung). Auf dieselbe Weise sind alle menschlichen Widerfahrnisse Christi zu verstehen, in Christus „findest du die Leiden des Fleisches in Bewegung gesetzt“, nicht als ob er davon beherrscht wäre wie wir, sondern (vielmehr) werden sie von der Kraft des im Fleische wohnenden Logos vernichtet, die Natur wird zum Besseren verwandelt. 3) Schließlich 397 D / 400 A: „Über ‚Mein Gott, mein Gott‘“: Im Kreuz Christi rühmen wir uns und glauben, daß wir durch es gerettet werden, weil der Logos Gottes unseretwegen Fleisch geworden ist, für uns gekreuzigt worden ist, um in uns den Tod zu zerstören. Wiederum wird er uns mit ihm auferwecken und uns aus der Vergänglichkeit zur Unvergänglichkeit führen. „Es mußte nun auch durch ihn erwiesen werden, daß er im Augenblick des Leidens wirklich Mensch war und nicht auf Grund irgendeiner Einbildung für einen Menschen (bloß) gehalten wurde. Und aus dieser Ursache sagte er das zum Menschen passende: ‚Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen‘, und: ‚Möge der Kelch an mir vorübergehen‘. Durch seine Werke aber zeigte er, daß der um unseretwillen Mensch gewordene Gott ist und dies am Kreuz erduldete wegen unser aller Heil.“ Die Werke sind die die [58] Kreuzigung begleitenden wunderbaren Erscheinungen, sie und anderes erweisen den Inkarnierten als Gott. Nach dem Spott der Schaulustigen deutet schon der Ausruf des Centurions die Ereignisse als göttliche.

44 Liébaert p. 119. In n. 1 verweist Liébaert auf die Behandlung dieser Stelle aus dem Thesaurus durch Jouassard, wo sie nur in Funktion der Kontroverse Kyrills mit Nestorius betrachtet werde, man müsse sie aber gegen die arianische Verwendung von Mt. 27,46 gerichtet sehen.

58, 59

4 Kyrill von Alexandrien 

 187

Abschnitt 1) legt gegen die Arianer dar, daß die Leiden Christi nicht die Leiden des im Fleische wohnenden Logos sein können, Abschnitt 2), daß die menschlichen Leiden und der Tod Christi aus soteriologischen Gründen geschehen: sie sollen die „Natur“ (nämlich die menschliche, also unsere) von ihnen befreien. Abschnitt 3) fügt den vorwiegend soteriologischen Motiven einen antidoketischen Aspekt hinzu: auch im Leiden muß der Inkarnierte wirklich Mensch sein und nicht bloß für einen gehalten werden, deswegen spricht er Worte wie Mt. 27,46. Aber eine Auslegung des Verlassenseins als solchem gibt Kyrill hier nicht. Er verfährt wie Ephräm im DiatessaronKommentar XX,30, wo auf die Zitation des Verlassenheitswortes eine Auslegung nicht folgt – freilich wird sie dort, wie wir gesehen haben, in XXI,1 in Verbindung mit dem Hingabewort nachgeliefert.

b) Zwei Fragmente aus dem Matthäus-Kommentar Nur bei Severus von Antiochien ist ein längeres Exzerpt aus dem 12. Buch des Matthäus-Kommentars zu Mt. 27,46 überliefert; man findet es in Contra Grammaticum III 1,645, Ich zitiere es vollständig46 in Lebons wie immer ausgezeichneter Übersetzung, die ich am Syrischen überprüft habe; zwei kleine Abweichungen kennzeichne ich, auch hebe ich besonders wichtige Zeilen hervor: His autem similia47 et in libro duodecimo enarrationis explanatoriae evangelii Matthaei scripsit sic Cyrillus: Extensis autem tenebris usque ad horam nonam, vocem humanam48 emisit unigenitus. Dixit enim: „Deus meus, Deus meus, utquid dereliquisti [59] me“. Nec quisquam putabit, qui sensum habeat, tanquam infirmatum vel egentem auxilio eum talia dixisse, nam Deus est secundum naturam et ipse virtus Patris (esse) concipitur. Haec autem rursus propter nos secundum dispensationem dixit, ut aliquid rursus eorum, quae pro humanitate universaque natura per ipsum recte geruntur, disceremus49. Et quidam est hoc? Ipsa siquidem hominis natura, quia non habebat fiduciam apud Deum omnium, tum propter transgressionem originalem, tum quia „prona est ad malum

45 Severi Antiocheni liber contra impium Grammaticum III 1, ed. Joseph Lebon (CSCO 93 =  Syr. 45 textus; 94 = 46 versio) p. 80,7–81,22 Text; p. 56,15–57,17 Übersetzung. 46 Da der Severus-Band 1929 erschien, kannte Jouassard dieses Zitat noch nicht; de Durand p. 445 n. 1 verweist auf die Passage, zitiert aber nur ein winziges Stück daraus. – Ich habe die Stellenangaben zu den biblischen Zitaten aus Lebons Anmerkungen in den Text übernommen und die kursiv gesetzten Ergänzungen eingeklammert. 47 Severus zitiert kurz vorher ein wenig aus Quod unus sit Christus. Es kommt ihm in seinem Kontext darauf an, daß Kyrill in der Auslegung von Mt. 27,46 keine divisio vocum (Verteilung der Worte Christi auf die beiden Naturen) vornimmt. 48 „Humanam“ tritt sozusagen für megalē(i) des Evangelienberichts ein. 49 Cf. den Satz Leos d. Gr. aus einem Passionssermon (PL 64,372): Vox ista, dilectissimi, non est querela, sed doctrina, zitiert bei L.  Mahieu, L’abandon du Christ sur la croix, Mélanges de science religieuse 2 (1945) p. 214. Der Aufsatz als ganzer (p. 207–242) verfolgt nach einer kurzen patristischen Übersicht das Problem vom frühen Mittelalter bis in die Neuzeit.

188 

 3.3 Narsai, Ephräm und Kyrill über Jesu ­Verlassenheitsruf Matth. 27,46

59, 60

ab adolescentia sua“ (Gen. 8,21), ut scriptum est, non clambat libere ad Deum „Ut quid dereliquisti me“. At quia perfecte irreprehensibilis et libera ab omni peccato apparuit in Christo, – nam „peccatum non fecit“ (1. Petrus. 2,22), – orat ut respiciat et adiutor iam in suis (necessitatibus) fiat Deus omnium. Iam autem dicere „Deus meus, Deus meus“, non modicae fiduciae est, nam dedignatur esse Deus eorum, qui diligunt peccata; propterea enim ad Judaeos dicebat „Quia vos non estis populus meus, nec ergo sim Deus vester“ (Hos. 1,9). Scandalum minime accipiendum est, si accidenter50 dicat Unigenitus, quamvis natura Deus sit „Deus meus, Deus meus“; exinde enim nullum detrimentum patitur, nihilque rursus de gloria sua detrahit, quando ut homo dicit ad Patrem, qui in caelis (est) „Deus meus, Deus meus“, quia nos quoque patrem vocamus Deum, utpote qui ad filiationem vocati sumus, et quamvis inveniamur inter creaturas et conditionem servitutis naturaliter habeamus. Quemadmodum ergo filiatio per gratiam non educit nos ab eo quod natura servi simus et cum servis reponamur, ita neque detrudit vere et naturaliter filium ad hoc ut sit servus et creatura sicut nos, id quod oeconomiae cum carne convenit. Hinc, etsi Deum vocat Patrem cum factus est sicut nos et in nostris propter nos ut homo, nihilominus tamen est natura Deus, servans naturae suae propriam nobilitatem et absque mutatione maiestatem et absque laesione dignitatem, etsi caro factus, dum pulchre concedit etiam formae servi id quod evidenter51 et irreprehensibiliter ipsi debetur.

Wie eine Kurzfassung dieser Auslegung wirkt das Exzerpt, das Josef Reuß in seiner Zusammenstellung von Fragmenten der Matthäus-Erklärung aus Katenen mitteilen kann (Kyrill Nr. 312)52. In dieser [60] Sammlung ist Kyrill der einzige, der etwas zu Mt. 27,46 beisteuert. Das muß natürlich nicht heißen, daß alle anderen in dem Band vertretenen Erklärer sich vor der Auseinandersetzung mit dem schwierigen Wort gescheut hätten; viel eher ist anzunehmen, daß den Katenisten die Auslegung Kyrills am akzeptabelsten erschien53, allerdings mit einer entscheidenden Abmilderung: der Rufende wird als „der Herr“ und nicht als „Eingeborener“ (oder „Logos“) bezeichnet, d.  h. es wird ihm nicht der Titel gegeben, der zunächst dem Präexistenten und damit seiner göttlichen Natur zukommt, sondern jener, unter den von vornherein auch seine menschliche Natur gefaßt ist. Dies Fragment lautet: Der Herr sagte dies Wort als Mensch, damit er für unsere, der Menschen Natur bewirke54, daß wir zu Gott mit Zuversicht (parrhesia) sagen (können): „Warum hast du mich verlassen?“; nur

50 Lebon hat „forte“ für syr. gdšʾ, was beides sowohl „wahrscheinlich“ wie „zufällig“ heißen kann. Aber die letztere Bedeutung liegt hier vor, sie ist sensu stricto zu nehmen: „nicht die (göttliche) Natur als solche betreffend“. 51 Lebon „singulariter“, wie „evidenter“ eine der möglichen Übersetzungen von ydyʿʾyt (griech. dēlon?), aber „evidenter“ paßt besser. 52 Joseph Reuß (ed.), Matthäus-Kommentare aus der griechischen Kirche aus Katenenhandschriften gesammelt (TU 61), Berlin 1957, p. 265. Das Exzerpt läuft unter der [60] Doppelzuschreibung Johannes (gemeint ist Chrysostomus) – Kyrill. Die Berechtigung der Zuschreibung an Kyrill ergibt sich aus dem Vergleich mit dem unten angeführten Stück aus QUX. 53 Zu den Autoren des Bandes gehört auch Theodor von Mopsuestia; wie seine Auslegung von Mt. 27,46 ausgesehen haben könnte, ergibt sich (aber nur partiell!) aus einer polemischen Äußerung Kyrills, die unten zitiert wird. 54 Für diese Übersetzung des Verbums katorthoō s. Guido Müller, Lexicon Athanasium, s.v. 2.

60,  61

4 Kyrill von Alexandrien 

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den Reinen nämlich und (denen) ohne Sünde ist (es möglich), dies furchtlos55 zu sagen. Indem er zum Vater sagt: „Mein Gott“, erleidet der von Natur Gott seiende keinen Schaden hinsichtlich seiner eigenen Gottheit und Herrlichkeit, wenn er als Mensch dies seiner Menschheit geziemende sagt; da ja auch wir, wenn wir Gott „Vater“ nennen, deswegen nicht (von uns) abtun, daß wir von Natur Menschen sind und Geschöpfe Gottes, auch wenn Gott aus Gnade uns zur Sohnschaft ruft wegen des Glaubens an Christus.

In dieser Kurzfassung tritt der antiarianische Akzent deutlich hervor, er bestimmt zwei Drittel des Textes. Blicken wir nun auf das ausführliche Exzerpt bei Severus, so springt wie in der Kurzfassung gegenüber den Ausführungen im Thesaurus die Deutung des Verlassenheitsrufes als eines Ausdrucks der Zuversicht neu und auch befremdlich ins Auge. Im Thesaurus konnte man noch den Eindruck haben, daß Mt. 27,46 nach den vorangehen[61]den Erwägungen Kyrills zu jenen Worten Christi zu zählen sei, in denen sich menschliche Furcht äußerte. Anders als im Katenenfragment ist es der Eingeborene, der mit menschlicher Stimme ruft; aber da er von Natur Gott ist, darf daraus nicht eine Hilfsbedürftigkeit des Rufenden abgeleitet werden. Der Ruf ergeht vielmehr mit soteriologischer Absicht: Christus handelt für die ganze menschliche Natur, wir sollen aus seinem Ruf etwas lernen. Die menschliche Natur in Ganzen hat wegen ihrer Sündhaftigkeit keine Zuversicht zu Gott, konnte nicht „frei“ so rufen. – (Bezieht sich die Zuversicht und Freiheit auf die „Warum“-Frage, die ja einen Vorwurf impliziert, den man gegen Gott doch nicht erheben darf?) – Nur der von Sünden Freie kann so zu Gott beten – was Kyrill folgendermaßen begründet: Frei von der Sünde ist Christus. Schon der Ruf „Mein Gott, mein Gott“ ist Zeichen nicht geringen Vertrauens (– ein sehr schöner Gedanke, und im Blick auf den ganzen Psalm auch zutreffend –). Menschen, die Gott nicht lieben, würden so nicht rufen. Daß der Eingeborene, Gott von Natur, seinen Vater als „mein Gott“ anredet, kann nicht als Ärgernis gelten, denn dieser Ausruf affiziert nicht die göttliche Natur als solche, sondern verhält sich akzidentiell zu ihr, so daß ihr dadurch kein Schaden hinzugefügt wird. Positiv, auf die menschliche Natur hingewendet, ist dem Ausruf zu entnehmen, daß der Eingeborene um unseretwillen Mensch geworden ist wie wir und er deswegen der Knechtsgestalt zugesteht, was ihr zukommt. Die antiarianische Tendenz ist auch in diesem längeren Stück aus dem MatthäusKommentar grundlegend. Was das Insistieren auf dem soteriologischen Ertrag des Kreuzestodes betrifft, so ist dagegen gewiß nichts einzuwenden. Freilich hören wir nichts vom Zustand des am Kreuz hängenden Menschen, von dem doch der Evangelientext auf ergreifende Weise spricht. Kyrills „optimistische“ Exegese wirkt dem

55 Die normale Bedeutung von adeēs ist „bedürfnislos“, doch kennt Liddell/Scott auch die von einem anderen Stamm abgeleitete, hier von mir bevorzugte Übersetzung. „Unbedürftig“ der Hilfe wäre der Logos; die menschliche Natur ist natürlich auf Hilfe angewiesen, aber nicht im Fall des sündenlosen Jesus, der uns seine „Zuversicht“, nämlich auf die zu gewährende Hilfe, mitteilen will.

190 

 3.3 Narsai, Ephräm und Kyrill über Jesu ­Verlassenheitsruf Matth. 27,46

61, 62

gegenüber geradezu unpassend. Es erscheint daher nicht als Zufall, daß er uns in diesem Kontext eine Erklärung des Verlassenseins nicht gibt, sich also mit dem wirklichen theologischen Problem des Psalmzitats im Munde des Gekreuzigten nicht befaßt. c) Ad Augustas de recta fide 17 (olim 18)56 Der Abschnitt beginnt mit dem Zitat Mt. 27,46, und sofort wird die rhetorische Frage gestellt: „Sagen wir folglich, daß der Logos aus [62] Gott Vater selber der Hilfe von oben bedürfe?“ Eine solche Annahme wäre töricht57, ist er doch Mitherrscher mit dem Vater, an der Schöpfung beteiligt und Herr der Heerscharen. Dann folgt (ohne irgendeine Überleitung) ein möglicher Einwand aus der Passionsgeschichte: „Aber er war doch schwach gegenüber den Anschlägen der Juden, und die Hand der Kreuzigenden war für ihn unbezwingbar“. Dem hält Kyrill Jes. 40,15.18 entgegen, wo die „Völker“ „wie ein Tropfen am Krug sind“, also wie nichts – aber Gott gegenüber sind Vergleiche gar nicht angebracht (d.  h. der Abstand ist nicht zu ermessen)! Hierauf folgt eine Nacherzählung von Joh. 18,3–6, wie beim ersten Anlauf die Häscher Jesus nicht greifen können, vielmehr auf sein „Ich bin’s“ auf die Erde niederfallen. Der Gedanke einer Schwäche Christi muß zurückgewiesen werden: „Wie war der schwach, der durch ein Wort allein die Schwäche der (ihm) Auflauernden erwiesen hat?“ – Wie man sieht, sind bis hierher die „Argumente“ unverbunden nebeneinander gestellt. In einem zweiten Anlauf wird das anders, wie man am Folgenden beobachten kann. Was besagt denn nun aber der Verlassenheitsruf (der jetzt noch einmal zitiert wird)? An dieser Stelle sieht sich Kyrill (in der Sequenz unserer Texte zum ersten Mal) genötigt, den Inhalt des Verbums „verlassen“ zu bestimmen; verschiedene Formen des Verbums und das entsprechende Nomen werden in den nächsten Zeilen gebraucht. Die Erklärung ist, wie wir sehen werden, wiederum heilsgeschichtlich-soteriologisch. Der Verfasser setzt beim Vorvater Adam an: Er hat das göttliche Gebot verletzt und sich nicht darum gekümmert, deswegen „wurde die Natur des Menschen von Gott gewissermaßen (! pōs) verlassen“, verflucht und vom Tod festgehalten. Nach Ankunft des eingeborenen Logos Gottes, der den Samen Abrahams annahm und den Brüdern gleich wurde, mußte mit dem Fluch und der Vergänglichkeit auch die Verlassenheit aufhören, die die Natur des Menschen in den Anfängen erfahren hat. Wie er gleich uns teilhat an Fleisch und Blut, so sagt er wie einer der Verlassenen, „Warum hast du mich verlassen?“. Das sagt der, der unsere Verlassenheit beendet, wie einer, der den Vater seiner selbst wegen überredet und dessen Wohlgesinntheit 56 ACO I 1,5 p. 34,18–35,8. 57 Kyrill und die Antiochener ziehen aus dieser ihnen gemeinsamen Voraussetzung ganz verschiedene Schlüsse. Kyrill: der Logos (qua Mensch) ruft, daher ist der Ruf kein Hilfeschrei; die Antiochener: es ist ein Hilfeschrei, daher ruft nicht der Logos, sondern der Mensch (oder der Herr als Mensch).

62–64 

4 Kyrill von Alexandrien 

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(eumeneia) anruft als eine auf sich und den ersten (Menschen) bezogene. Christus ist der [63] Verursacher alles Guten für uns; wenn jemand sagen wollte, er, Christus, habe etwas auf menschliche Weise vom Vater empfangen, so hat er das unserer Natur zugewendet, da er ja vollkommen ist und als Gott überhaupt nichts bedarf. Das Verlassensein wird also umgedeutet als der Zustand der seit dem Sündenfall (gewissermaßen!) bestehenden Gottverlassenheit des Sünders, die im eigentlichen Sinn von Christus nicht ausgesagt werden kann. Mit dem Sünder, d.  h. mit der menschlichen Natur solidarisiert sich der Inkarnierte am Kreuz und ruft um Hilfe, als ob er ein solcher Sünder wäre. Damit ruft er Hilfe für uns herbei und gewährt sie uns zugleich. Vom tatsächlichen Leiden, der Einsamkeit und der Todesangst eines grausam Hingerichteten ist in dieser Deutung nichts mehr zu spüren – über der Summierung des soteriologischen Ertrags ist die Anstößigkeit des Kreuzestodes verschwunden.

d) Quod unus sit Christus Im Unterschied zur eben referierten Darstellung in der Schrift an die Kaiserinnen betreibt Kyrill in QUX deutliche Polemik gegen die antiochenische Christologie in ihrer Anwendung auf Mt. 27,46. G.  M. de Durand hat in seiner Einleitung zur Ausgabe von QUX58 nachgewiesen, daß Kyrill hier nicht nur Theodor von Mopsuestia bekämpft, sondern auch Diodor von Tarsus59. De Durand zitiert dazu aus Diodor, Fragm. 18, in Brières Übersetzung60, wobei sich in die Wiedergabe ein Fehler eingeschlichen hat61; ich lasse das gleiche Stück in deutscher Übersetzung folgen, aber um einen für dies Exzerpt charakteristischen Satz verlängert, und verfahre dabei wörtlicher als R.  Abramowski62: „Denn das (Wort): ‚Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?‘ gehört nicht nur nicht dem Gott Logos, sondern ich bestreite auch nicht, daß es dem Leib gehört, als einem, der, weil er verlassen wurde, schreit. Warum nämlich klagt er als einer, der [64] verlassen wurde? Sah er nicht gleich seine Auferstehung und seine Herrlichkeit voraus?“63.

58 Cyrille d’Alexandrie. Deux dialogues christologiques, ed. G.  M. de Durand (SC 97), Paris 1964. 59 De Durand p. 64  ff. 60 M.  Brière, Fragments syriaques de Diodore de Tarse, ROC 30 (1946) p. 266. 61 De Durand p. 65  f. In der 3. Zeile der linken Spalte von p. 66 muß man für „a été créé“ lesen: „il a crié“. 62 Rudolf Abramowski, Der theologische Nachlaß des Diodor von Tarsus, ZNW 42 (1949) p. 37. 63 Das Fragment endet nach weiteren Zeilen mit einer analogen Frage (so Brière; R.  Abramowski liest den Satz als Indikativ). Falls Diodor auf diese Fragen in seinem Text eine Antwort gegeben haben sollte, die Fragen also nicht nur als rhetorische gestellt haben sollte, ist eine solche Antwort sorgfältig nicht mitexzerpiert worden. Wir kennen die Technik des Exzerptors aus seiner Behandlung von Texten Theodors in derselben Sammlung, weil wir bei Theodor, anders als bei Diodor, Vergleichsmöglichkeiten durch mehrere Tradenten haben.

192 

 3.3 Narsai, Ephräm und Kyrill über Jesu ­Verlassenheitsruf Matth. 27,46

64, 65

Kyrill64 wendet sich gegen dies Verständnis des Kreuzeswortes (das von Diodor durch seine Frage bezeichnete Problem beachtet er gar nicht) und „staunt“ über die Antiochener, die den Leidenden als mit dem Eingeborenen verbunden und als der göttlichen Würde teilhaftig65 bezeichnen, um ihn danach den Schrecken des Todes auszusetzen, damit er uns entspreche, nämlich „nackt“ sei und als einer dastünde, der aus den göttlichen Würden keinen Gewinn gezogen habe. Wir erkennen die theodorischen Stichworte der synapheia66 und der Teilhabe an der göttlichen Ehre. Und tatsächlich lassen die Antiochener Jesus wirklich die Todesschrecken erleiden – was Kyrill offensichtlich für falsch hält, denn Jesus müsse doch etwas von seiner Vereinigung mit der göttlichen Natur gehabt haben. Diese Konsequenz aus der Göttlichkeit der Christusgestalt wirkt in ihrer Verharmlosung der tatsächlichen Leiden eines zu einem qualvollen Tode Verurteilten geradezu zynisch. Kurz darauf gibt Kyrill „den Sinn der Worte des Heilandes“ (im Verlassenheitsruf) an. In längerer Darlegung entwickelt er wieder die uns schon bekannten Gedanken von der durch Adam erworbenen Gottverlassenheit (von einem einschränkenden „gewissermaßen“ hört man nichts mehr): „Da wir ja Verfluchte geworden sind durch die Übertretung Adams … Verlassene von Gott.“ Ein zweiter Adam [65] war nötig (dies eine Entfaltung des topos gegenüber der vorigen Schrift), der jenseits aller Sünde ist, fleckenlos, Anfang des neuen Geschlechts, also Christus, der die menschliche Natur ändert und die göttliche eumeneia (s. schon oben) vom Vater herabruft und die Verlassenheit durch Gehorsam beendet (der „Gehorsam“ ist wiederum eine Erweiterung der Motivgruppe). Kyrill zitiert jetzt wie schon im Matthäus-Kommentar: „Er beging nämlich keine Sünde“ (cf.  1. Petr. 2,22), in ihm wurde unsere Natur „reich an Tadellosigkeit“, so daß er schließlich aus Zuversicht (parrhesia, s. oben das Exzerpt bei Severus und das Katenenexzerpt) schreien konnte: Mt. 27,46. Bedenke, daß der Mensch gewordene Eingeborene solche Worte spricht, als einer von uns und für die ganze Natur, fast (mononouchi) als wollte er sagen – und nun legt Kyrill seine Deutung des Verlassenheitsrufs als Rede in der 1. Person in den Mund des Sterbenden, es ist die heilsgeschichtlichsoteriologische Erläuterung, die wir schon kennen. Macht man sich die konkrete Situation des Gekreuzigten klar, während er das Verlassenheitswort ruft, dann sieht man, wie weit Kyrill von der Imagination des tatsäch64 Für das Folgende SC 97 p. 442 / 444/ 446/ 448. 65 De Durand fügt p. 442,21 aus dem Syrischen und Armenischen anthrōpon ein, aber diese Erleichterung ist überflüssig, koinōnon als Subjekt des AcI genügt vollständig. 66 Es ist nicht überflüssig, daran zu erinnern, daß synapheia (und das dazugehörige Verb) für die Antiochener (und nicht nur für sie, vergleiche conjunctio bei Augustin) ein terminus technicus ist, der die Bedeutung von asynchytos henōsis hat. Kyrill dagegen, entweder absichtlich mißverstehend oder mit diesem Sprachgebrauch nicht vertraut, will nur die gewöhnliche Bedeutung von u.  a. „freundschaftlichen Verbundenheit“ wie z.  B. unter Lehrern und Schülern darin sehen. Wenn er die Meinung von Antiochenern unter der Benutzung dieser Vokabel wiedergibt, ist nach seiner Auffassung damit ipso facto mangelnde Orthodoxie angedeutet.

65,  66

4 Kyrill von Alexandrien 

 193

lichen Vorgangs entfernt ist67; man vergleiche damit oben Narsais Darstellung: „Und er sprach mit Ächzen“. Die Selbsterläuterung beginnt wieder bei der Gebotsübertretung des ersten Menschen und ihren Folgen; es werden hier auch die Täuschungen des „Drachens“ erwähnt. „Mich aber hast du als zweiten Anfang gepflanzt“, ich heiße zweiter Adam. In mir siehst du die Natur des Menschen gereinigt. „Beende die Verlassenheit“. Ich habe den Satan besiegt, er hat nichts von dem Seinen in mir gefunden. Kyrill fügt hinzu (ich habe das oben schon zitiert): „Solcherart ist nun, wie ich meine, der Sinn der Worte des Erlösers“68. Im Fortgang des Dialogs wird noch einmal die antiochenische Auffassung mit Abscheu bedacht: „Es ist also Unsinn und vollständig von den heiligen Schriften abweichend zu meinen und zu sagen, daß der angenommene Mensch als ein von dem ihm verbundenen Logos [66] verlassener die menschlichen Worte gebraucht habe“69. Vermutlich hat Kyrill einen Theodor-Text vor Augen, obwohl uns merkwürdigerweise ein genau entsprechender nicht überliefert ist70. Aber soviel ist deutlich, daß an der gemeinten Stelle der Verlassenheitsruf an den Logos gerichtet war. Da die synapheia von Logos und Mensch in Christus für die Antiochener unauflöslich ist (was Kyrill natürlich nicht erkennen läßt), ist anzunehmen, daß wie bei Narsai für die Frist der Grabesruhe die Einheit von Logos und Leib vorauszusetzen ist. Im Übrigen muß man mit der Rückprojektion von der sehr speziellen Auslegung Narsais zu den Antiochenern der vorangegangenen Generation(en) große Vorsicht walten lassen (das gilt besonders für die Umformulierung des Verlassenheitsrufes). Denn Narsai reagiert ja bereits, wie seine Heraufbeschwörung des Eutyches zeigt, auf die extremeren Anhänger Kyrills. Der immer beibehaltene antiarianische Ansatz der kyrillischen Auslegung von Mt. 27,46 äußert sich im Festhalten am Apathie-Axiom für die göttliche Natur Christi – das Axiom ist für ihn genauso in Geltung wie für die Antiochener. Nur wirkt es sich

67 Cf. ebenso Jouassard p.  630: „Transformer un gémissement en explosion de confiance et d’assurance, voilà certes qui est fait pour nous dérouter un peu et qui ne repond guère à la première impression produite en nous par le récit évangélique. Cependant tel est bien le sentiment de saint Cyrille, qui dépasse ainsi le point de vue de ceux qui l’avaient dévancé dans l’interprétation métaphorique de ce passage“. 68 SC 97 p. 444,17  f. 69 SC 97 p. 446,31–34. – Zu „verbunden“ s. n. 66. 70 Was in der 4. Sitzung des 5. Konzils 553 (wohl aus dem Psalmenkommentar) Theodors zitiert wird (ACO IV 1 p. 53,18–27), enthält Mt. 27,46. Aber das Zitat wird angeführt, weil Theodor sagt: psalmus (sc. 21 LXX) nullatenus convenit domino, denn Christus, der ohne Sünde ist, könne nicht gesagt haben: longe a salute mea verba delictorum meorum (Vers 2b des Psalmes; LXX setzt eine andere Vokalisierung als der masoretische Text voraus). Als er in der Passion bedrückt wurde, habe der Herr selber secundum communem hominum legem Mt. 27,46 gesagt. Die Apostel sind es offensichtlich, die Vers 19 auf ihn bezogen haben, denn was David zuerst supra modum (kath’hyperochēn?) von sich selber sagte, wegen der ihm zugefügten Bosheiten, das geschah Christus in Wirklichkeit.

194 

 3.3 Narsai, Ephräm und Kyrill über Jesu ­Verlassenheitsruf Matth. 27,46

66, 67

anders aus: es überstrahlt gewissermaßen die menschliche Natur Christi (auch wenn als Begründung deren Sündlosigkeit und Vollkommenheit angegeben werden). Dem Nicht-Leiden-Können der Gottheit entspricht das faktische Nicht-Leiden der menschlichen Natur Christi – doch wird ihr der Tod nicht abgesprochen. Während bei Kyrill der am Kreuz Sterbende selber keine Verlassenheit empfindet, sondern sich durch seinen Ruf mit uns in unserer sündlichen Gottverlassenheit solidarisiert, erleidet bei Ephräm der Gekreuzigte die furchtbare Einsamkeit des Gefolterten, in der er nicht weiß, daß Gott (seine Gottheit) sich nicht von ihm losgerissen hat. Bei Narsai schließlich sind die Leiden des am Kreuz Hängenden realistisch genug gesehen: der Sterbende „fleht mit Ächzen“, weil er [67] der Hilfe bedarf. Aber aus der bitteren Feststellung der Gottverlassenheit ist eine Bitte darum geworden, daß es zu dieser Verlassenheit nicht kommen möge; verstanden als Bitte um alsbaldige Rückgabe der hingegebenen Seele wird daraus die Bitte um die Wiederherstellung der Einheit von Leib und Seele und damit um die Aufhebung des eingetretenen Todes. Bei Narsai wirkt also die bevorstehende Auferweckung auf sein Verständnis der Verlassenheit zurück71. Les extrêmes se touchent: Wie bei Kyrill müssen wir bei dem strikten Antikyrillianer Narsai eine Abmilderung des Verlassenheitsrufes bis zur Umdeutung konstatieren. Nicht nur teilen beide wie schon gesagt das Apathieaxiom, sondern ihre Versuche zur Bewältigung des biblischen Textes beruhen in beiden Fällen auf der Überzeugung von der unauflöslichen Einheit des gottmenschlichen Christus.

71 Umso bedauerlicher ist es, daß uns die Fortsetzung von Diodors Fragment 18 nicht erhalten ist (s.  o. bei und mit n. 63), die vielleicht eine Vorgeschichte von Narsais Exegese hätte erkennen lassen.

3.4 „Der Stupor, der das Gebet unterbricht“ Euagrius, Cent. Suppl. 30, in Übersetzung, Original (?) und Interpretation Mit der ersten Zeile meiner Überschrift zitiere ich einen Titel aus Beulays Monographie über Johannes von Dalyatha1: „La stupeur, qui interrompt la prière“; der Titel geht den Seiten 215–239 in Beulays Buch voran. Inhaltlich ist er eine Kurzfassung der Sentenz 30 aus den Supplementa zu den Centurien der Kephalaia gnostica, die wir in ihrer syrischen Übersetzung aus dem sogenannten Kurzen Kommentar des Babai zu den Centurien und den Supplementa2 kennen. Dieser Satz lautet syrisch3:

‫ ܗܝ ܕܒܠܚܘܕ ܡܢ ܢܘܗܪܐ ܕܬܠܝܬܝܘܬܐ ܩܕܝܫܬܐ ܒܝܕ ܬܗܪܐ‬:‫ ܬܩܢܘܬܗ ܕܗܘܢܐ‬:‫ܨܠܘܬܐ ܐܝܬܝܗ‬ .‫ܡܬܦܣܩܐ‬ Frankenberg, der Herausgeber des Kommentars zu den Centurien, gibt folgende Griechische Retroversion4: Προσευχή ἐστι κατάστασις νοὸς μόνον ὑπὸ τοῦ τῆς ἁγίας τριάδος φωτὸς δι’ ἐκστάσεως … Man bemerkt, daß Frankenberg die Rückübersetzung des letzten Wortes in der Sentenz, des Partizips ‫ܡܬܦܣܩܐ‬, offen gelassen hat. Wir werden sehen, daß es dafür zwei Erklärungsmöglichkeiten gibt. [16] Die erste davon liefert Hausherr in einem Aufsatz von 19325: Frankenberg habe offensichtlich das Wort unverständlich gefunden, sei davor zurückgeschreckt, das erweise Ehre seiner Klarsichtigkeit. Denn die ganze Schwierigkeit sei einem simplen Lesefehler des syrischen Übersetzers zu verdanken, wie man am gerade zu Tage getretenen griechischen Original der Sentenz 30 sehen könne, enthalten im Ms. Paris. Fonds grec 913 unter dem Namen des Nilus. Dort lautet der Satz6: Προσευχή ἐστι κατάστασις νοῦ ὑπὸ φωτὸς μόνου γινομένη τῆς ἁγίας τριάδος. Hausherr macht keine Angaben über den Finder und den Publikationsort, aber es handelt sich um Muyldermans’ Euagriana von 1931, und zwar um die Note additionelle7. Für Hausherr beruht die Theorie des Isaak von Ninive, daß es jenseits des 1 R.  Beulay, L’enseignement spirituel de Jean de Dalyatha, mystique syro-orientale du VIIIe siècle, Paris 1990. 2 W.  Frankenberg (ed.), Euagrius Ponticus (AGWG.  PH-NF 13,2) 1912, p. 8–471. 3 P. 454. 4 P. 455. 5 I.  Hausherr, Par delà l’oraison pure grâce à une coquille. A propos d’un texte d’Évagre, Rev. d’ascetique et de mystique 13 (1932) p. 184–188. Photomechanisch wieder abgedruckt: I.  Hausherr, Hésychasme et prière (OCA 176) 1966, p. 8–12. Ich zitiere hier nach den Seitenzahlen von 1932, weil auch Beulay das tut, es erleichtert die Verfolgung von Querverweisen. 6 Hausherr 1932 p. 187. 7 J. Muyldermans, Euagriana. Extrait de la revue le Muséon, t. XLIV, augmenté de Nouveaux fragments grecs inédits, Paris 1931. Im Muséon hatte der Artikel zwei Teile, der erste hieß „Evagriana“ https://doi.org/10.1515/9783110647419-011

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 3.4 „Der Stupor, der das Gebet unterbricht“

16–18

„reinen Gebets“ einen weiteren Gebetszustand gebe – der aber eigentlich ein NichtGebet sei, für die sich Isaak in der Tat auf die Sentenz des Euagrius beruft8, ganz auf dem postulierten Lesefehler. Daher auch die spöttische Überschrift von Hausherrs Artikel: „Par l’oraison pure grâce à [17] une coquille“, „Über das reine Gebet hinaus dank eines Lesefehlers“. Der Übersetzer habe τεμνομένη für γινομένη gelesen, oder „vielleicht, was sich noch leichter erklären ließe“: τεμομένη anstelle von γινομένη9. Hausherr argumentiert also mit der wörtlichsten Bedeutung des syrischen Partizips als „abgeschnitten“, ohne die übertragenen Bedeutungen zu berücksichtigen. ‫ܦܣܩ‬ im Grundstamm kann „unterbrechen“ und „aufhören“ heißen, im Ethpeel, dessen Partizip hier vorliegen muß, „unterbrochen werden“; nur für das Ethpaal ist die reine Grundbedeutung in verschärfter Form ohne Metaphorik angegeben. Das Problem ist für Isaak von Ninive aufgenommen worden von Khalifé-Hachem im Mémorial Khouri-Sarkis 196910, wie es scheint veranlaßt durch den Wiederabdruck von Hausherrs Aufsatz in einem Sammelband von 196111, und für Johannes von Dalyatha von Beulay12. Beide rechtfertigen einerseits Isaak gegenüber dem absprechenden Urteil Hausherrs, beide akzeptieren aber andererseits Hausherrs Behauptung, daß der Ps. Nilus-Satz die Originalfassung des Euagrius darstelle und daß das debattierte syrische Partizip eine Fehllesung und eine Fehlübersetzung sei. Beulay läßt sich dadurch nicht aus der Fassung bringen: „Indessen hat sich die nestorianische mystische Tradition dieser fehlerhaften Übersetzung angeschlossen, um ihre Lehre vom Gebet zu formulieren, wie man nicht nur bei Isaak von Ninive sehen kann, sondern auch bei Johannes von Dalyatha und Joseph Hazzaya13. Erstaunlicherweise erwähnt keiner von den drei Gelehrten, daß der griechisch überlieferte Satz sich nicht nur in der Bedeutung des Partizips vom syrischen unterscheidet, sondern daß in ihm auch ein entscheidendes Element fehlt, nämlich die griechische Entsprechung zu ‫ܒܝܕ ܬܗܪܐ‬, also δι’ ἐκστάσεως. Der [18] Unterschied zur Gestalt des Satzes, wie wir ihn aus Babai und Isaak kennen, ist also größer als von

(p. 37–67), der zweite „Note additionelle à Evagriana“ (p. 369–383). Ich zitiere nach den Seitenzahlen des Extrait. Die von Hausherr angeführte Textgestalt findet man dort p. 41 unter der griechischen Ziffer κς΄. 8 Über diese Passage bei Isaak s. auch weiter unten Abschnitt II [hier in diesem Band S. 202–207]. Ausgabe: P.  Bedjan (ed.), Mar Isaacus Ninivita, De perfectione religiosa, Paris/Leipzig 1909. Englische Übersetzung: A.  J.  Wensinck, Mystic treatises by Isaac of Niniveh translated from Bedjan’s Syriac text with an introduction and registers (VNAW L NR 23,1). Die Seitenzahlen in den Registern sind die von Bedjans Ausgabe. Weder Bedjan noch Wensinck haben eine Zeilenzählung. 9 Hausherr 1932 p. 188. 10 E.  Khalifé-Hachem, La prière pure et la prière spirituelle selon Isaac de Ninive, Mémorial Mgr Gabriel Khouri–Sarkis, Löwen 1969, p. 157–173. 11 S. oben n. 5. 12 S. oben p. 1 bei n. 1 [hier in diesem Band S. 195]. 13 Beulay 1990 p. 217. Hausherrs Auffassung ist auch in Beulays Anmerkungen zu Johannes von Dal­ yatha, ep.12,3 eingegangen, PO 39,3 = Nr. 180, 1978, p. 337 n. 6–8.

18,  19

3.4 „Der Stupor, der das Gebet unterbricht“  

 197

Hausherr beschrieben. Es stellt sich deswegen erneut die Frage, auf welcher Seite der Überlieferung der ursprüngliche Sinn aufbewahrt wurde. Ist „durch die Ekstase“ im Syrischen hinzugefügt worden oder etwa im Griechischen gestrichen worden? Im letzteren Fall würde es sich um eine kritische Abmilderung handeln; das Phänomen als solches kennen wir ja für das ganze Corpus der Kephalaia gnostica. Einer Kürzung rein mechanisch-praktischer Art ist die Sentenz 30 in einer weiteren Stufe der Überlieferung unterzogen worden. Der vorangehende Satz 29 geht auch in Fonds grec 913 voran14. Was in Frankenbergs Retroversion heißt15: προσευχή ἐστι κατάστασις νοὸς πάντων ἐν τῇ γῇ λογισμῶν φθαρτική erscheint im Fonds grec 913 als16: προσευχή ἐστι κατάστασις νοῦ, φθαρτικὴ παντὸς ἐπιγείου νοήματος. Die einzige Differenz ist hier im Numerus von „Gedanke“ zu sehen (daß Frankenberg nicht das richtige Synonym gewählt hat, spielt keine Rolle), Frankenbergs „auf der Erde“ zeigt nur die übliche Schwierigkeit an, ein zusammengesetztes griechisches Wort im Syrischen adäquat wiederzugeben. Hier kann man annehmen daß wir tatsächlich das griechische Original von Satz 29 vor uns haben. Im Cod. Barb. Gr. 515 nun sind die Sätze 29 und 30 wegen des gleichen Anfangs folgendermaßen zusammengezogen worden17: προσευχή ἐστι κατάστασις νοῦ, φθαρτικὴ παντὸς ἐπιγείου νοήματος ὑπὸ φωτὸς μόνου γινομένη τῆς ἁγίας τριάδος. [19] Innerhalb der Supplementa zu den Centurien des Euagrius stehen die Sätze 29 und 30 in einer kleinen Gruppe von Definitionen des Gebetes in seinen verschiedenen Gestalten und Gehalten (29–33). Aussagen über den Zustand des Intellekts findet man schon in c. 2–4. Allerdings hilft keine davon zur Beantwortung der Frage, ob die Ekstase in das Original von Satz 30 gehört, und wenn ja, wie, d.  h. mit welchem Verb, ihre Auswirkung auf das Gebet als Zustand des Intellekts beschrieben wurde. Hausherr erklärte übrigens 193618, daß „Euagrius die Theorie der Ekstase fallen gelassen“ habe19; suppl. 30 erwähnt er bei dieser Gelegenheit nicht, genauso wenig wie er ‫= ܬܗܪܐ‬ Ekstase bei seiner Untersuchung der ursprünglichen Gestalt von 30 beachtet hatte. Hinsichtlich der Ekstase kommt man etwas weiter, wenn man die Schrift „Über das Gebet“ aus PG 79 heranzieht, die dort unter den Werken des Nilus sich

14 Um Konfusionen zu vermeiden, behalte ich durchgängig die Numerierung der Supplement-Centurien bei, wie sie in Babais Kommentar gegeben ist; die von Muyldermans edierten (Ps.) Nilus-Sammlungen haben andere Zählungen. Deren Ziffern gebe ich in den Anmerkungen. 15 Frankenberg p. 453. 16 Muyldermans p. 41 (Nr. κς΄). 17 Muyldermans p. 17 (Nr. 17). 18 Hausherr, „Ignorance infinie“, OCP 2 (1936) p. 351–362; abgedruckt im Sammelband I.  Hausherr, Hésychasme et prière (OCA 176) 1966, p. 38–49 (Doppelte Pagination). 19 Ibid. p. 357–359. 359 unten, 361 oben.

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 3.4 „Der Stupor, der das Gebet unterbricht“

19, 20

befindet, von Hausherr aber 1934 dem Euagrius zugewiesen wurde20, mit Recht, wie seither allgemein anerkannt. Des Interesses halber erwähne ich den Schluß von c. 70, wo das Verhältnis von Gebet und „Gedanke“ bestimmt wird wie oben in unserem Satz 29: προσευχὴ γάρ ἐστιν ἀπόθεσις νοημάτων, „Gebet nämlich ist Entfernen der Gedanken“. Der Gebetszustand kann verschwinden, c. 47: Wenn du in Zorn gerätst, läßt er (der Dämon) „die beste Katastase, eingeübt aus dem Beten, verschwinden (ἀφανίζει).“ Das ist sofort einsichtig: eine negative Seelenregung macht es unmöglich, im „besten Zustand“ zu verharren. Unser Problem ist freilich, ob der Gebetszustand auch durch etwas noch Höheres oder die höchste Form des Zustandes aufhört, ein „Zustand des Intellekts“ zu sein, „dahinschwindet“. Während Euagrius zu Beginn der Supplement-Centurien von der Katastase des Intellekts spricht und später vom Gebet als Katastase des Intellekts, betreffen die Aussagen der Gebetsschrift hauptsächlich die Katastase des Gebets [20] (über Katastase des Intellekts c.3, siehe unten). Man könnte das zueinander in das Verhältnis einer weitergetriebenen Spezifizierung (nämlich im Supplement) setzen, aber ich bin mir nicht sicher, ob Euagrius sich soweit systematisieren läßt. Wahrscheinlich muß man auch nach den intendierten Empfängern unterscheiden, – die Gebetsschrift ist auf Bitten eines Mitbruders geschrieben, wogegen die Supplement-Centurien von der Gattung der vorangehenden gnostischen Centurien sind. Der Sentenzcharakter ist allerdings beiden Texten gemeinsam. Das Vokabular der Ekstase und Entrückung finden wir in den Kapiteln 3 und 52 der Gebetsschrift. c. 321: „Das Gebet ist Unterredung des Intellekts mit Gott; welcher Katastase bedarf der Intellekt, damit er in Ruhe sei, um unabgelenkt22 außer sich gestellt zu werden zu seinem vertrauten Herrn hin und mit ihm sich zu unterhalten ohne irgendeinen Vermittler?“.

20 Rev. d’asc. et de myst. 15 (1934) p.  34–94. 113–170. Genaue Angaben über die Wiederveröffentlichungen bei Guillaumont in seiner Monographie über die Kephalaia gnostica: p. 342. 21 ἡ προσευχὴ ὁμιλία ἐστι νοῦ πρὸς τὸν θεόν. ποίας οὖν δεῖται κατάστασις ὁ νοῦς, ἵνα ἡσυχάσῃ ἀμεταστρόφως ἐκσταθῆναι πρὸς τὸν οἰκεῖον δεσπότην, καὶ συνομιλεῖν αὐτῷ μηδενός μεσιτεύοντος; In der von Hausherr veröffentlichten syrischen Übersetzung der ersten 35 Kapitel (entsprechen 32 Kapiteln im Griechischen) der Gebetsschrift (OCP 5, 1939, p. 11–16, innerhalb des Aufsatzes Le „De oratione“ d’Évagre le Pontique en syriaque et en arabe, p. 7–71) wird ἐκσταθῆναι, das ja eine Reihe von Bedeutungen hat, mit ‫ܚܬܡܬܢ‬, „ausgestreckt werden“, wiedergegeben (p. 11); die lateinische Übersetzung (PL 79) sagt „transeat“. 22 So die syrische Übersetzung höchst treffend für ἀμεταστρόφως, wogegen die lateinische Übersetzung in PL das abgeleitete „immutabiliter“ schreibt und sich verpflichtet fühlt, noch ein „mutet“ hinzuzusetzen: „sese immutabiliter mutet“.

20–22 

3.4 „Der Stupor, der das Gebet unterbricht“  

 199

c.5223: „Die Katastase des Gebets ist leidenschaftsloses Verhalten, durch äußerste Liebe zur intelligiblen Höhe entrückend den philosophischen geistlichen Intellekt24“. [21] Wenn ich das richtig verstehe, dann ist der Gebetszustand und der entsprechende Zustand des Intellekts die Grundlage und Voraussetzung für das Außersichgeraten und die Entrückung. Es wird nicht darüber reflektiert, ob die Entrückung als eine eigene Stufe innerhalb dieses Zustandes betrachtet werden soll oder nicht. Unter Berücksichtigung von Supplement Nr. 30 ergibt sich eine Ambivalenz, die wohl partiell die anscheinende oder scheinbare Inkonsistenz bei Isaak von Ninive erklären kann. Wir werden sehen, daß Babai in seiner Kommentierung eine entschiedene Meinung vertritt, die einer konservativen Interpretation der Aussagen der Gebetsschrift entspricht, auch wenn er diese nicht erwähnt. Die von Muyldermans edierte Fassung von Satz 30, die Hausherr für das Original hält, eliminiert das Problem, indem sie die Erwähnung der Ekstase streicht. Es handelt sich also um eine Erleichterung des Textes. Da, wie wir sehen, Euagrius von Entrückung beim Gebet sprechen kann, ist hier die Regel von der lectio difficilior anzuwenden und δι’ ἐκστάσεως als zum ursprünglichen Text des Euagrius gehörig zu betrachten. Fügen wir also „durch Ekstase“ in die griechisch überlieferte Form von Satz 30 ein, dann erhalten wir: προσευχή ἐστι κατάστασις νοῦ ὑπὸ φωτὸς μόνου γινομένη τῆς ἁγίας τριάδος δι’ ἐκστάσεως. Auf den ersten Blick ist ersichtlich, daß jetzt γινομένη nicht mehr in die Aussage paßt, denn selbstverständlich kommt das Gebet als Katastase des Intellekts nicht erst durch Ekstase zustande. Das Partizip γινομένη kann also in dieser Form nicht das von Euagrius geschriebene sein. Dagegen scheint mir die Stellung des Partizips mitten im Satz die originale zu sein und die Umstellung im Syrischen eine begreifliche syntaktische Erleichterung. Ich schließe das daraus, daß in Satz 29 sich die Dinge genauso verhalten: das verbal funktionierende Adjektiv steht in Muyldermans’ Textgestalt in der Mitte, das syrische Partizip, das seiner Wiedergabe dient, am Ende des Satzes. Übrigens war „durch Ekstase“ am Ende des griechischen Satzes besonders leicht fortzulassen. Ich frage mich, ob nicht etwa das jetzige γινομένη ebenfalls das Restprodukt einer Streichung sein könnte. Man braucht ein Verb, daß sich in seinem Bedeutungsbereich mindestens teilweise mit der syrischen Übersetzung über[22]schneidet. Bildet man von ‫ ܦܣܩ‬im Sinn von „unterbrechen“ ein Passiv, gibt das „unterbrochen werden“, wie

23 κατάστασίς ἐστι προσευχῆς ἕξις ἀπαθὴς ἔρωτι ἀκροτάτῳ εἰς ὕψος νοητόν ἁρπάζουσα τὸν φιλόσοφον καὶ πνευματικὸν νοῦν. Eine syrische Übersetzung von c. 52 liegt nicht vor, s. oben n. 21. 24 Hausherr OCP 1936 (s. oben n. 18) p. 359 zu dieser Stelle: Hier rede Euagrius nicht von eigentlicher Ekstase.

200 

 3.4 „Der Stupor, der das Gebet unterbricht“

22, 23

belegt ist; nimmt man die für unseren Fall näherliegende Bedeutung „aufhören“, so müßte man ziemlich umständlich mit „zum Aufhören gebracht werden“ übersetzen. Dies scheint mir von der Sache her die bestmögliche Bedeutung, denn ist das in die Ekstase umschlagende Gebet streng genommen noch ein Zustand des Intellekts? Hat der Intellekt dann noch ein Bewußtsein seiner selbst? Angesichts der Methode, [den Wortlaut] der erhaltenen griechischen Fassung durch bloße Streichung zu ändern, möchte ich vorschlagen dem griechischen γινομένη ein ἀπό voranzustellen: ἀπογινομένη. Seine mediale Form würde die Wahl einer passivischen Form im Syrischen erklären. Das griechische Verb ist anscheinend nicht sehr häufig, in Lampes PGL wird es als Lemma nicht geführt, was aber nur heißt, daß seine Bedeutung als bekannt vorausgesetzt wird. Unter den Synonymen, die die Lexika bieten, sind „verloren gehen, dahinschwinden“ (Menge/Güthling), „to be taken away“ (Liddell/Scott) recht brauchbar. ‫ ܡܬܦܣܩܐ‬wäre als Versuch zu nehmen, die gemeinte Konnotation eines schwierigen griechischen Verbs, für das es wohl kein genaues syrisches Äquivalent gibt, in Annäherung festzuhalten. Wir erhalten also als griechisches Original von Satz 30: προσευχή ἐστι κατάστασις νοῦ ὑπὸ φωτὸς μόνου ἀπογινομένη (?) τῆς ἁγίας τριάδος δι’ ἐκστάσεως, wobei das restituierte Partizip leider hypothetisch bleibt. Die beiden Sätze 29 und 30 des Supplements bilden eine kleine Sequenz: 29 zeigt die aktive Wirkung des Gebets als einer Katastase des Intellekts auf die irdischen Gedanken  – es vernichtet sie. Satz  30 läßt dem Gebet als intellektuellem Zustand etwas widerfahren  – es schwindet dahin oder erstirbt, dies aber als einzigartiges, außergewöhnliches Ereignis, nämlich durch Ekstase. Es ist schwierig, den Bezug des μόνον genau zu bestimmen – soll es echte von falsch abgeleiteter Ekstase unterscheiden? Oder soll es allgemeiner die einzigartige, positive Voraussetzung benennen, unter der der Gebetszustand dahinschwinden kann, ohne daß es sich um den nur zu leicht eintretenden Abstieg in den Bereich irdischer und daher zerstreuender Gedanken handelt? Die syrischen Mönche haben den Satz 30 natürlich mit dem Partizip ‫ܡܬܦܣܩܐ‬ gelesen und die mit dem Verbum gegebenen Konnotationen für ihre Interpre[23]tationen vorausgesetzt. Der Kommentar Babais verwendet die möglichen Bedeutungen geradezu gegen den offenkundigen Sinn des Textes, der ihm so anstößig war wie der griechischen Überlieferung, die in der Muyldermanschen Edition vorliegt. Und hierhin liegt der wahre Grund für Frankenbergs Verzicht auf eine Retroversion des Partizips: er hat die Diskrepanz zwischen dem Skopus des Euagrius und der Tendenzkritik seines Kommentators empfunden, ließ sich aber von der letzteren so sehr beeinflussen, daß er sich nicht für Euagrius entscheiden konnte. Babai stellt der kleinen Gruppe 29–33 mit den Gebetsdefinitionen eine einleitende Bemerkung voran25: „Und indem

25 Syrisch Frankenberg p. 454 oben; die deutsche Übersetzung 453 unten ist nicht genau genug.

23,  24

3.4 „Der Stupor, der das Gebet unterbricht“  

 201

er unterscheidet Arten des Gebets, durch das wir Gott nahegebracht werden26 durch Gnaden bringenden Umgang, sagt er:“ und nun folgt Satz 29. Diesem Satz widmet der Kommentator eine Auslegung, die die negative Aussage positiv auffüllt27: „Also geistliches Gebet, das unkörperlich (ist), das frei ist von allen Zerstreuungen; und der Mensch ist auf reine Weise mit Gott in seinem Umgang. Vereinend ist dies, wenn durch Sammlung aller Zerstreutheiten und durch das Licht, das auf den betenden Verstand (‫ )ܡܕܥܐ‬fällt, vernichtet werden )‫ )ܡܬܚܒܠܝܢ‬weg von jeder Schau alle Gedanken, die an Irdisches gewöhnt sind (und) sich mit Eitelkeiten befassen.“ Mit der Einführung von Satz 30 stellt Babai schon die Weiche für seine Auslegung28: „Und indem er den Ausspruch“, nämlich 29, „zur Erläuterung auf andere Weise wiederholt, sagt er:“ (es folgt Satz 30). Babai will also in c. 30 keinen neuen Gedanken sehen, sondern eine Wiederholung dessen, was von Euagrius schon in c. 29 gesagt wurde. Das wirkt sich so aus, daß der Kommentator breiter sagt, was er bereits in der Erklärung von 29 gesagt hat, jetzt aber alle verbalen Bestandteile von c. 30 darin unterbringt, darunter ‫ ܦܣܩ‬ak[24]tiv wie passiv, – alles jedoch in seiner gedanklichen Funktion leicht verschoben oder gar umgedreht. Das von Babai benutzte Adjektiv „natürlich“ meint den ursprünglichen menschlichen Zustand als imago dei, „unnatürlich“ dessen Verderbnis. Da Babai, wie gesagt, insinuieren will, daß Euagrius hier das Gleiche sagt, wie vorher, spielt der Gesichtspunkt, daß das Gebet alles Irdische beiseite läßt, auch in dieser Erklärung eine Rolle. Babais Kommentar zu c. 30 lautet29: „Dies ist das selige Gebet (, von dem gilt), ganz und gar neigt (‫ )ܨܐܠ‬der Mensch sein Denken mit seinen Sinnen zur erhabenen Schau, und es gibt nichts, was ihn unterbricht (!, ‫ )ܦܣܩ‬und hindert, während er in seinem natürlichen Zustand (‫)ܒܬܩܢܘܬܗ‬ steht, in dem er das angenehme Abbild ist durch die Gnaden der verehrungswürdigen Herrschaft, welcher (sc. der Zustand) ihn trennt (‫ )ܦܪܫ‬von allen Bewegungsäußerungen und Unruhen der Un-Natürlichkeit. Nur (‫ )ܒܠܚܘܕ‬durch (‫ )ܒܝܕ‬die wundervolle (‫ )ܬܗܝܪܐ‬und unaussprechliche Ekstase (‫)ܬܗܪܐ‬, durch das eigene Licht (‫ )ܢܘܗܪܐ‬der heiligen Trinität (s. c. 30), das auf die Seele fällt, ist sie abgeschnitten (!, ‫ )ܡܬܦܣܩܐ‬von allen flüchtigen und beunruhigenden Verbindungen und materiellen Impressionen und mit Gott vereinigt in einem Geist in der Schau seiner strahlenden Schönheit, (mit Gott,) dem Geber aller erfreuenden Wonnen.“ Wir sehen, daß Babai, anders als die überlieferte griechische Fassung von c. 30, die Ekstase nicht streicht, ja daß er sie ebenfalls als etwas außerordentliches betrachtet: in ihr ist der Mensch wie im Zustand vor dem Fall. Das so verstandene Gebet vereinigt mit Gott. – Man fühlt sich an verschiedene Aussagen aus der Schrift des Euagrius über das Gebet erinnert, nicht bloß an die oben schon zitierten. Da Babai das Gebet (natürlich 26 Cf. De oratione c. 65: Willst du beten, dann tu nichts, was dem Gebet entgegengesetzt ist, ἵνα ὁ θεὸς ἐγγίσας συμπορεύσηται σοι. Bei συμπορεύσηται denke man an die Emmausgeschichte aus Lk. 24! 27 27 Frankenberg p. 454/455 28 Ibid. 29 Ibid. Die deutsche Übersetzung ist nicht spezifisch genug.

202 

 3.4 „Der Stupor, der das Gebet unterbricht“

24–26

in seinem höchsten Grad, was er aber nicht eigens sagt) als Ekstase bestimmt, kann einerseits diese Ekstase nicht die „Unterbrechung“ des Gebetszustandes darstellen; andererseits kann sie selber auch nicht unterbrochen werden. Also muß Babai das Partizip ‫ ܡܬܦܣܩܐ‬des euagrianischen Satzes anders verstehen; er nimmt es wörtlich als „abgeschnitten“ (wie Hausherr!) und, in Konsequenz seiner These, daß die Sätze 29 und 30 das Gleiche sagen, als analog zum Verbaladjektiv ‫ܡܚܒܠܢܝܬܐ‬, „vernichtend“, von c. 29. Das Gebet als Ekstase „schneidet“ die Seele von den irdischen Gedanken „ab“. [25] II Eine andere, keineswegs negative, Art und Weise, mit dem Satz des Euagrius umzugehen, finden wir bei Isaak von Ninive. Ich brauche hier nicht vollständig KhaliféHachems Darlegungen30 zu referieren, in denen er das Verhältnis von „reinem Gebet“ und „geistlichem Gebet“ bei Isaak klärt. Anhand des in diesem Aufsatz zitierten und reflektierten Materials und seiner Überprüfung am Original ist mir klar geworden, daß Isaak zu jenen monastischen Autoren gehört, die die Spiritualität des Euagrius und die des Theodor von Mopsuestia – letztere ganz von der Eschatologie bestimmt31 – auszugleichen versuchen32. Das eschatologische Moment ist von Khalifé-Hachem gesehen worden, aber nicht die darin liegende Beziehung zu Theodor (übrigens wird dieser als „seliger Interpret“ De perf. rel. p. 168 unten erwähnt33). [26] Man sehe die Passage aus 30 S. oben n. 10. 31 S.  I. Oñatibia, La vida christiana, tipo de las realidades celestes. Un concepto basico de la teologia de Teodoro de Mopsuestia, Scriptorium Victoriense I (1954), p.  100–133, in meinem Aufsatz zitiert nach dem Sonderdruck p. 1–34; L.  Abramowski, Zur Theologie Theodors von Mopsuestia, ZKG 72 (1961) p. 263–293 (englisch im Sammelband Formula and Context. Studies in early Christian thought [Variorum, Coll. St. Ser. 365], Aldershot 1992. 32 Cf. L.  Abramowski, Dadisho Qatraya and his Commentary on the Book of the Abbas Isaiah, The Harp (Kottayam, Kerala) 4 (1991) p. 67–83 [hier in diesem Band S. 293–304]. – Anders als Dadisho betreibt Isaak keine polemische Auseinandersetzung mit den „Schulleuten“ und versucht auch keine Re-Interpretation Theodors, sondern zitiert ihn als Autorität in religiosis mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie Euagrius. Übrigens betreffen die Theodor-Zitate nicht die Eschatologie. 33 Mit Hilfe von Wensincks Register, das wie gesagt Bedjans Seitenzahl angibt, findet man die übrigen Erwähnungen des „seligen Interpreten“ und die damit evtl. verbundenen Zitate. Einmal fällt auch der Personenname und der Bischofstitel mit dem Epitheton „Licht der ganzen Welt“. Bei der Mehrzahl der Zitate ist kein Fundort angegeben, einmal jedoch der Genesis-Kommentar und einmal der Matthäus-Kommentar. In Isaaks 19. Traktat, der von den Offenbarungen und den Wirkungen durch Bilder in den Heiligen handelt, gibt es Darlegungen (Bedjan p. 155–159) über Kategorien von Offenbarungen u.  a., für die sich der [26] Verfasser auf Theodor beruft: Man könne das aus dem Schrifttum „des in der ganzen Welt berühmten seligen Bischofs Theodor lernen“, er spricht „über Weise und Ordnung der Offenbarungen besonders in den drei Bänden über die Genesis und in den zwei über Hiob und im letzten über die Zwölf (sc. Propheten) und im Kommentar zu Acta und dem zu Matthäus“. Bedjan p. 159  f. bespricht den Unterschied von Offenbarungen in Bildern und ohne Bilder: Das zeige klar „der selige Interpret im zweiten Band des Hiob“. – Dies scheint mir alles dafür zu sprechen, daß Isaak die Exegetica Theodors gut kannte; die übliche Weise, diese Kenntnis zu erwerben, bestand in Teilnahme

26, 27

3.4 „Der Stupor, der das Gebet unterbricht“  

 203

De perfectione religiosa p. 508 (obere Hälfte): „Gebet ist Leere des Denkens (, Leere) von allem, was (die Dinge) hier unten (angeht), und ein Herz, das seinen Blick vollständig wendet auf die Sehnsucht der Hoffnung auf das Zukünftige34“. Die geistliche Phase des Gebets fällt zusammen mit dem Leben in der Neuen Welt nach der Auferstehung“, sagt Khalifé-Hachem35 und fährt fort: „Isaak ist sehr deutlich an diesem Punkt; [27] jedes Mal, wenn er von dieser Phase zu sprechen hat, beeilt er sich hinzuzufügen, daß sie zum zukünftigen Leben nach der Auferstehung gehört“. KhaliféHachem gibt36 ein sehr charakteristisches Zitat aus De perf. rel. p. 304 (unten); wo er „Commentateur lumineux“ übersetzt (was Theodor von Mopsuestia wäre!), heißt es tatsächlich „erleuchteter Kommentar“37. Ich vermute, daß dies der Kommentar Babais zu den Centurien des Euagrius ist – aber welcher, der uns erhaltene „kurze“ oder der verlorene „lange“? Jedenfalls erscheint, als aus dem Kommentar angeführt, das Stichwort „Ekstase“ (‫)ܬܗܪܐ‬. Der Text Isaaks lautet: „Von hier an wird er (der Intellekt)38 leicht in Bewegung gesetzt werden, zu dem39 was einzigartige Erkenntnis genannt wird40, was, nach (dem) im erleuchteten Kommentar (gesagten), Ekstase in am Schulbetrieb, eine solche ist wohl für Isaak vorauszusetzen. – Bei dieser Gelegenheit will ich auch erwähnen, daß Wensincks Register uns zu einem Zitat des Diodor von Tarsus verhilft (Bedjan p. 285), das bisher, soweit ich sehe, noch nicht zur Kenntnis genommen worden ist. Diodor wird bezeichnet als „in Dialektik (oder: Beredsamkeit?) Geübter“ und als „Meister der Unterscheidung“. Der Inhalt ist asketisch und befaßt sich mit dem Gericht, womit als wahrscheinliche Herkunft die Schrift „De providentia“ sich nahelegt. Da Wensincks Übersetzung der zweiten Hälfte des Zitats ungenügend ist, gebe ich hier meine Übersetzung des ganzen Exzerpts: „Unterstützung des Leibes in seiner Weichheit und seiner Zartheit gibt der Seele rasch eine Leidensempfindlichkeit, und sie beklagt ihretwegen den Tod, und das Gericht Gottes empfängt sie furchtsam. Die Seele aber, die beständig denkt in Sorgsamkeit auf das, was sich ziemt, ist ruhig in sich selbst, und geringfügig sind ihre Sorgen“ (sc. vor dem Gericht), „indem sie keine Reue hat (= nichts zu bereuen hat)“. Die Reihe der von H.  G.  Weis gezählten Zitate I – IV aus Diodors Schrift De providentia wird somit um eine Nummer V vermehrt. Nr. IV aus Dadisho Qatraya, von Weis in einer Hs. veröffentlicht, ist jetzt in Draguets Ausgabe des Dadisho in CSCO 326/327 aufzusuchen. H.  G.  Weis, Diodor von Tarsus, Περὶ πρόνοιας, in: Paul de Lagarde und die syrische Kirchengeschichte, Göttingen 1968, p. 217–230. 34 Z.  T. zitiert von Khalifé-Hachem (s. oben n. 10) p. 159. 35 Ibid. p. 163. 36 Ibid. 37 Wensinck p. 203 hat „a clear interpretation“. 38 So Khalifé-Hachem; Wensinck p. 203 hat das neutrale „one“ (deutsch: „man“). – Kurz vorher redet Isaak zweimal von ‫ܬܐܘܪܝܐ ܕܩܢܘܡܗܘܢ‬, „theoria ihrer selbst“; Wensinck übersetzt mit „personal contemplation“, ein charakteristisches Beispiel dafür, wie irreführend die mechanische Übersetzung von ‫ ܩܢܘܡܐ‬mit „Person“ ist. 39 ‫ ܥܠ‬nehme ich hier als „Präposition der Bewegung“, cf. Payne–Smith / Margoliouth s.v., b): „to, unto“. [Die (hier in cruces gesetzte) Zeichengruppe †mhein†, im Originalbeitrag direkt vor der Fußnote, allerdings ohne Äquivalent im zugrundeliegenden syrischen Text, ist zu tilgen – d. Red.] 40 Im Kommentar zur Cent. V 55 (Frankenberg p. 340 letzte Zeile / p. 343 oben) finde ich als euagrianischen Ausdruck ‫ ܝܕܥܬܐ ܝܚܝܕܝܬܐ‬und zwar in einem Zitat aus II 3. Wenn man nachschlägt, steht dort der vollere Ausdruck .‫ ܝܕܥܬܐ ܝܚܝܕܝܬܐ ܕܝܚܝܕܝܘܬܐ‬Der Kommentar zu V 55 zitiert auch noch I 88. In keinem der drei Euagrius-Texte und der zugehörigen Auslegungen steht ‫„ ܬܗܪܐ‬Ekstase“.

204 

 3.4 „Der Stupor, der das Gebet unterbricht“

27–29

Gott ist, d.  h. die Ordnung des zukünftigen (Lebens)wandels, der gegeben wird in der Freiheit des Lebens in der Unsterblichkeit in jenem Wandel nach der Auferstehung“. (Mit „d.  h.“ beginnt die Erläuterung Isaaks zu Euagrius und Babai.) Hier auf Erden wird das vielleicht von einem unter Tausenden erreicht. Auch ist, um wieder Khalifé-Hachem zu zitieren41, „der paradiesische Zustand anscheinend kein stabiler in diesem Leben“. Nach Isaaks Worten ist er „Symbol ‫ ܐܪܙܐ‬des Seins jenes zukünftigen Wandels“ (De perf. rel. p. 260,4  f.). [28] Das „geistliche Gebet“ bei Isaak ist eine Phase jenseits des „reinen Gebets“. „Im geistlichen Gebet ist der Intellekt vollständig durch den Geist absorbiert wie im zukünftigen Leben42“. Wir lesen bei Isaak (De perf rel. p. 170,2  ff.43): „De même que les saints dans le monde nouveau44, lorsque l’inlellect est absorbé45 par l’Esprit, ne prient plus, mais, dans l’extase46, se reposent dans cette gloire délicieuse, ainsi, quand l’intellect est jugé digne de percevoir ce bonheur futur, il s’oublie lui–même avec toutes les choses d’ici-bas. Il n’est plus mis en branle dorénavant par l’idée de quelque chose“. – Hier finden wir also Aussagen über die Auswirkungen der Ekstase auf den Intellekt in Relation zum Gebet. – „Wenn das geistliche Gebet nicht Gebet ist“, sagt Khalifé-Hachem über Isaaks Meinung47, „tritt es indessen doch durch Intervention des Geistes während des Gebetes ein“. Und ferner48: Man nennt es Gebet aus der Verlegenheit heraus, einen angemessenen Namen für diesen Zustand zu finden. „La prière spirituelle s’exprime concrètement dans l’âme dans un état d’extase (tehrō) provoqué par l’amour de Dieu. Cet état est accompagné d’un apaisement total physique et mental“. Isaak hat in Traktat oder Kapitel  22 ein kleines Euagrius-Florileg zusammengestellt, das u.  a. Supplement 30 enthält49. Die uns hier interessierende Passage De perf. rel. p. 173 unten bis p. 175 ist zu einem kleinen Teil von Khalifé-Hachem übersetzt, zu einem größeren von Hausherr. Das erste und letzte Euagrius-Zitat ist schon durch die verschiedenen Fachleute identifiziert, die beiden dazwischen waren auch aufzufinden. [29] Bedjan p. 173: (Isaak) „Welches ist die Zeit, die (so) heilig und geeignet für die Heiligung und den Empfang der Gaben ist, wie die Zeit des Gebetes, in der der Mensch sich mit Gott unterredet? (Geeignet) deswegen, weil in dieser Zeitspanne, 41 Khalifé-Hachem p. 164. 42 Ibid. p. 165. 43 Bei Khalifé-Hachem p. 165, n. 25 und 26, ist p. 169 angegeben. 44 Die Hervorhebungen in der Übersetzung sind von mir. 45 ‫ܐܬܒܠܥ‬, „verschlungen“. 46 ‫ܬܗܪܐ‬. 47 Khalifé-Hachem p. 166. 48 Ibid. p. 167. 49 Mit Hilfe von Wensincks Register sind weitere Euagrius-Zitate oder Erwähnungen seines Namens auffindbar. Ich habe nicht nachgeforscht, ob irgendjemand ihnen schon seine Aufmerksamkeit zugewendet hat.

29,  30

3.4 „Der Stupor, der das Gebet unterbricht“  

 205

die im Bitten zu Gott besteht, und Flehen und Unterredung mit ihm (ist), und jede Emotion und (jeder) Gedanke des Menschen von überall her zwingend dorthin versammelt ist und er in Gott (p.174) allein denkt und Gnade sucht, auch sein ganzes Denken verschlungen ist50 in der Unterredung mit ihm und sein Herz von ihm erfüllt ist. Von hier aus bringt auch der heilige Geist in ihm (sc. dem Menschen) einige unbegreifliche Intellektionen51 hervor52, entsprechend dem Maß (= der Befähigung) des Menschen, (sie, d.  h. die Intellektionen) in ihm hervorzubringen53, indem er (der Geist) Anlaß nimmt von dem, was er (der Mensch) erbittet, so daß das Gebet durch diese Intellektionen abgeschnitten54 wird von der Selbstbeweglichkeit55 und der Intellekt durch Ekstase verschlungen56 und die Sehnsucht nach dem erbetenen Vergessen. Und in tiefer Trunkenheit versinken seine Fähigkeiten, und er ist nicht in dieser Welt. Und von daher ist dort keine Unterscheidung des Leibes und der Seele und keine Erinnerung an irgendetwas. Wie Euagrius sagt: (es folgt Suppl. Satz 30, s. oben p. 1 [hier in diesem Band S. 196]). (Isaak) Du hast gesehen, wie das Gebet unterbrochen57 wird durch die Ekstase der Intellektionen, jene, die vom Gebet im Denken erzeugt werden, wie ich am Anfang des Traktats gesagt habe und an vielen Stellen bis hierher. Wiederum sagt er (Euagrius, Suppl. 4): ‚Die Katastase des Intellekts ist die Höhe der Intelligiblen, welcher vergleichbar ist der Farbe des Himmels, über dem aufgeht in der Zeit des Gebets das Licht der [30] heiligen Trinität58‘. (Isaak:) Und wann ist der Mensch gewürdigt dieser ganzen Gnade, daß er in der Zeit des Gebets zu dieser Größe erhoben wird? Er sagt (Euagrius, Suppl. 25): ‚Wenn der Intellekt den alten Menschen auszieht, und den neuen durch Gnade anzieht, dann auch (p. 175) sieht er seinen Zustand in der Zeit des Gebets, indem er dem Saphir gleicht oder der Farbe des Himmels, der der Ort Gottes von den Ältesten Israels genannt wurde, der ihnen erschien auf dem Berg‘. (Isaak:) Also, wenn ich gesagt habe, es ziemt sich nicht, diese geistliche Gabe Gebet zu nennen – aber was (dann)? Erzeugnis des reinen Gebets, das im Geist verschlungen

50 ‫ܒܠܝܥ‬, cf. oben n. 45. 51 Diese Übersetzung von ‫( ̈ܣܘܟܐܠ‬die hier als geistgewirkt gelten) nach Beulay, zur Unterscheidung von bloßen ‫ ̈ܚܘܫܒܐ‬. 52 Aph. der Wurzel ‫ ܳܙܥ‬, „bewegen“, = „bewegt werden“. 53 = n. 52. 54 ‫ܡܬܦܣܩܐ‬ 55 Zu „abgeschnitten von der Selbstbeweglichkeit“ cf. Babais Kommentar zu Suppl. 30 und das dortige Verständnis von „abgeschnitten“. 56 Wie n. 45. 57 ‫ܡܬܦܣܩܐ‬ 58 Hiervon hat man inzwischen das Original: Muyldermans, Euagriana, p. 38 Ziffer δ΄ und p. 15 Nr. 3. Die beiden Fassungen korrigieren sich gegenseitig, s. die Apparate So ist zu lesen: νοῦ κατάστασίς ἐστιν ὕψος νοητὸν οὐρανίῳ χρώματι παρεμφερές ᾧ καὶ τὸ τῆς ἁγίας τριάδος κατὰ τὸν καιρὸν τῆς προσευχῆς ἐπιγίνεται φῶς. – Das Syrische hat für νοητόν offenbar den pluralischen Genitiv νοητῶν vorgefunden (oder dieses Verständnis bevorzugt?). Zu ὕψος νοητόν s. oben n. 23, Gebetsschrift c. 52.

206 

 3.4 „Der Stupor, der das Gebet unterbricht“

30, 31

ist59. Der Intellekt ist also dort angelangt oberhalb des Gebets, und im Finden von etwas Besserem verläßt ihn60 das Gebet. Und von da ab betet er nicht im eigentlichen Sinn, sondern es ist ein Blicken durch Ekstase61 auf unerforschliche Dinge, die nicht von der Welt der Sterblichen sind. Und er ist still in der Nicht-Erkenntnis von allem Hiesigen. Dies ist die Nicht-Erkenntnis, von der es heißt: Selig ist, der begegnet ist der unüberschreitbaren Nicht-Erkenntnis, der im Gebet, wie Euagrius gesagt hat (Cent. III 88)62.“ [31] Isaak sieht also in der Ekstase nicht etwas innerhalb des Gebets, wie Babai den Satz des Euagrius interpretierte, sondern auf der Basis des Gebets etwas „oberhalb“ (nicht außerhalb!) davon. Babais Kommentar hat er ohne Zweifel gelesen und loyal dessen Verständnis von ‫ ܡܬܦܣܩܐ‬als „abgeschnitten“ übernommen, auch wendet er das Partizip wie Babai auf die irdischen Dinge an. Das freilich hindert Isaak nicht, ‫ ܡܬܦܣܩܐ‬auch so zu verwenden, wie es im Text des Euagrius gemeint ist: als Unterbrechen, Unterbrochenwerden, Aufhören, und daraus die Folgerung für den Intellekt und das Gebet durch diesen Eingriff des Göttlichen zu ziehen: er und es werden „verschlungen“. Johannes von Dalyatha schließlich hat Isaak und Euagrius gelesen. Ep.  12,3 beginnt: „Das Gebet ist, sagt er, Reinheit des Intellekts, dessen (sc. des Gebets63) Gebetsbewegungen nicht aufhören64, es sei denn unter dem Aufgehen des heiligen Lichtes der Trinität über dem Intellekt. Er sagt nämlich: Durch die Ekstase, die durch das Licht (geschieht), wird das Gebet unterbrochen“. Beulay hat den ersten der beiden 59 ‫ܡܬܒܠܥ‬. 60 ‫ܦܫܬ ܡܢܗ‬. 61 ‫ܬܡܗܐ‬. 62 Die Quelle dieses Satzes bei Euagrius wurde nachgewiesen von I.  Hausherr, „Ignorance infinie“. OCP 2 (1936) p. 351–361 (= Hésychasme et prière, s. oben n. 5, p. 38–49), und ebenso von Guillaumont, PO 28,1 p. 134 n. 2. Hausherr bemüht sich 1926, die Aussage in dieser Form als mit der sonstigen Lehre des Euagrius vereinbar zu erweisen. Guillaumont hält die „Nicht-Erkenntnis“ der Fassung S1 für eine leicht erklärliche Verlesung (l.c. n. 1). Die Verlesung hat zur Voraussetzung die fakultative Schreibung ‫ ܐܝܕܥܬܐ‬für ‫( ܝܕܥܬܐ‬alaph als eine mater lectionis vor das yod gesetzt). Mit dem präfigierten Dativlamad ergibt die längere Schreibung ‫ܐܠܝܕܥܬܐ‬, das leicht in zwei Wörter zerlegt werden konnte: ‫ܐܠ‬ wird zur Ne[31]gation und erfordert ein weiteres lamad zur Kennzeichnung des Kasus. S2 hat ‫ܐܠܝܕܥܬܐ‬ und das Armenische dem genau entsprechend „à la science“. Nach dem Erscheinen von Guillaumonts Ausgabe der Centurien der Kephalaia gnostica (1958) hat Hausherr das Problem wieder aufgenommen (Ignorance infinie ou science infinie, OCP 25, 1959, p. 44–52: Hésychasme et prière p. 238–246). Hausherr möchte an seiner alten Auffassung festhalten; die außerordentliche Bedeutung von Guillaumonts Fund der nicht gemilderten Version spielt er herunter und dies, obwohl die von Hausherr nach einer Moskauer Publikation in OCP 5 (1939) veröffentlichten griechischen Sätze des Euagrius die Fassung S2 als Übersetzung des Originals bestätigten, was er bei Lektüre der Anmerkungen Guillaumonts leicht hätte feststellen können. Was er auf der zweiten Seite des Aufsatzes über die syrischen Verschreibungsmöglichkeiten sagt, läßt die entscheidenden Schritte weg; die von ihm aufgeführten Differenzen der Buchstabenformen in Estrangelo und Serto sind für das Problem irrelevant. 63 Das im Syrischen feminine Suffix bezieht sich formal entweder auf „Gebet“ (syrisch feminin) oder auf „Reinheit“, inhaltlich auf „Gebet“, nicht auf „Intellekt“. 64 ‫ܩܛܥܝܢ‬, also ein weiteres Synonym fur das Phänomen.

31,  32

3.4 „Der Stupor, der das Gebet unterbricht“  

 207

Sätze durch Zitationszeichen hervorgehoben, nicht den zweiten. Der zweite Satz ist natürlich eine stark verkürzte Wiedergabe von Euagrius Suppl. 30, das Autoren-„er“ darin ist also [32] Euagrius. Der erste Satz enthält Elemente von Suppl. 30, erinnert in der Ausdrucksweise aber auch an Isaak (die Gebetsbewegungen!) – Beulays Ausweg, „er sagt“ mit „man sagt“ zu übersetzen, ist für die nicht sehr große Genauigkeit im Zitieren, wie Johannes von Dalayatha sie hier praktiziert, ganz angemessen. Vom eschatologischen Vorbehalt, unter den Isaak die Ekstase stellt, spüren wir bei Johannes nichts. Aber wenn Isaak ihn hätte kennen können, hätte er wohl eingeräumt, daß Johannes zu den verschwindend wenigen gehört, denen eine solche Ekstase gewährt wird. Was den modus traditionis betrifft, so charakterisiert die Kurzformel für Suppl. 30 bei Johannes das der griechischen reduzierten Gestalt des Satzes entgegengesetzte Ende des Spektrums der Euagrius-Rezeption: vollständige Zustimmung.

3.5 Martyrius-Sahdona and Dissent in the Church of the East Summary: Martyrius-Sahdona seems to be the only one among the exponents of the christology of the one hypostasis in the East Syrian Church of whom a complete text has survived, a chapter „On faith“ in his Book of Perfection. Others of the same conviction (but here we are completely dependent on polemics) propagated the one hypostasis as a composite one like the Greek neo-Chalcedonians. In this respect Sahdona differs from them. Except in the matter of the one hypostasis his christology is of East Syrian hue, as has been demonstrated by de Halleux against older opinions. What has not been noticed before is Sahdona’s use of the spurious introduction (Ps.-Nestorius) to the Liber Heraclidis of Nestorius, important to Sahdona because of two tiny interpolations in the sense of the Chalcedonian one hypostasis. These interpolations determine Sahdona’s reception of a text whose authority his opponents were not in a position to contest. [14] *** Damnatio memoriae has dealt very effectively with the writings of those teachers and monks in the Church of the East who taught that the divine-human unity of Christ’s person should be understood as one prosopon and one hypostasis, qnoma in Syriac. Good luck however has preserved one complete text originating from this school of thought: a chapter in the Book of Perfection by Martyrius-Sahdona, thus in a spiritual tractate destined for monks.1 The monk Sahdona became bishop between 635 and 640; it was the catholicos Ishoʿyahb III (died in 6592) who finally exiled the obstinate bishop to the west, the west being in this case Edessa. The reason why christology has its own chapter in Sahdona’s book is the author’s plan to treat the virtues one by one in the second part of his work, after having written about them in general in the first part. He therefore starts with faith in chapter 2 of the second part, under the heading „On the true faith and the sane profession of orthodoxy“. The contents follow the traditional order: God (§ 2–8), Trinity (one nature in three hypostases, § 9–18), oikonomia Anmerkung: [Die französische und deutsche Version des Resumées aus dem Originalbeitrag sind an dieser Stelle getilgt, die Bibliographie der Seiten 25–27 des Originalbeitrags in die Anmerkungen eingearbeitet worden – d. Red.] 1 de Halleux 1961 [A. de Halleux, Martyrius (Sahdona). Œuvres spirituelles II.  Livre de la perfection 2e partie (ch. 1–7) (CSCO 214, script. syr. 90), Louvain, 1961; ibid. (CSCO 215, script. syr. 91), Louvain, 1961 – d. Red.], p. 8–25 textus, p. 8–25 versio. 2 So according to Fiey 1970 [J.-M.  Fiey, „Īšōʿyaw le grand. Vie du catholicos nestorien Īšōʿyaw III d’Adiabène (580–659)“, Orientalia Christiana Periodica 36, 1970, p. 5–46 – d. Red.], p. 7, where the author tries to work out an „approximately reasonable“ chronology of the catholicoi Ishoʿyahb II, Mar Emmeh and Ishoʿyahb Ill. https://doi.org/10.1515/9783110647419-012

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3.5 Martyrius-Sahdona and Dissent in the Church of the East 

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in Christ (§ 19–38, the longest section); the Last Things are not taking up much place: § 40–41.3 All important work on Sahdona has been done by André de Halleux. He analyzed Sahdona’s christology in 1957;4 in 1958 he deconstructed the work of his predecessors on the biography of Sahdona, whose method „semble avoir été jusqu’ici celle du concordisme“, and then gathered together the strands of the diverse trustworthy sources.5 Jean-Maurice Fiey however stated some disagreement with de Halleux in chronological [15] matters.6 Quite correctly de Halleux calls the life of Sahdona a „vie mouvementée“. Indeed Ishoʿyahb, battling with Sahdona when still a metropolitan, claims in his letter to the bishops of Beth-Garmai „on Sahdona“ (II, 30) that Sahdona accepted the faith of the church on eight occasions, three times with his signature and seal, five times by oral confession before the synod – and that he as many times returned to this error.7 De Halleux also has given us the critical edition and translation of Sahdona’s Œuvres spirituelles in four volumes in CSCO, from 1960 to 1965; the Book of Perfection fills three of them.8 Since then Sebastian Brock found „A further fragment of the Sinai Sahdona manuscript“ and published it in 1968.9 The „discovery“ „demands a reconsideration of de Halleux’s ordering“ of some pages of Sahdona’s text; Brock supplies

3 Chapter 2 has 47 paragraphs. 4 de Halleux 1957 [A. de Halleux, „La christologie de Martyrius-Sahdona dans l’évolution du nestorianisme“, Orientalia Christiana Periodica 23, 1957, p. 5–32 – d. Red.]. 5 de Halleux 1958 [A. de Halleux, „La vie mouvementée d’un ‚hérétique‘ de l’église nestorienne“, Orientalia Christiana Periodica 24, 1958, p. 93–128 – d. Red.]; the quotation p. 94, the résumé p. 125–128. 6 Fiey 1970 [wie Anm. 2 – d. Red.] ‚ p. 19 n. 4. I do not propose to go into these differences and their reasons. Fiey by the way declares himself not to be competent „d’étudier si Sahdona était vraiment chalcédonien ou autre chose“ (p. 19). 7 Duval 1904 [R.  Duval, Išōʿyahb Patriarchae III Liber Epistularum [CSCO 11, script. syr. 11], Louvain, 1904], p. 209,23–28 textus; Duval 1905 [R.  Duval, Išōʿyahb Patriarchae III Liber Epistularum (CSCO 12, script. syr.12), Louvain 1905 – d. Red.], p. 152,19–23 versio. The collection of letters is divided into three parts: I. letters of the bishop, II. letters of the metropolitan, III. letters of the catholicos. Fiey prefers to designate the parts with the abbreviations B., M., C. and adds Roman numerals; in this he is followed by Winkler 2001 [D.  W.  Winkler, „Die Christologie des ostsyrischen Katholikos Īshōʿyaw III. von Adiabene (580–659)“, Studia Patristica 35, Leuven, 2001, p. 516–526 – d. Red.]. In their papers ep. II, 30 becomes M.  XXX etc., not very helpful I find, I therefore keep to the practice of de Halleux. 8 de Halleux 1960 [A. de Halleux, Martyrius (Sahdona). Œuvres spirituelles I.  Livre de la perfection 1e partie (CSCO 200, script. syr. 86), Louvain, 1960; ibid. (CSCO 201, script. syr. 87), Louvain, 1960], 1961 [A. de Halleux, Martyrius (Sahdona). Œuvres spirituelles II.  Livre de la perfection 2e partie (ch. 1–7) (CSCO 214, script. syr. 90), Louvain, 1961; ibid. (CSCO 215, script. syr. 91), Louvain, 1961], 1965a [A. de Halleux, Martyrius (Sahdona). Œuvres spirituelles III.  Livre de la perfection 2e partie (ch. 8–14) (CSCO 252, script. syr. 110), Louvain, 1965; ibid. (CSCO 253, script. syr. 111), Louvain, 1965]. Brock 1968 [S.  Brock, „A further fragment of the Sinai Sahdona manuscript“, Le Muséon 81, 1968, p. 139–154 – d. Red.]. 9 Brock 1968 [wie Anm. 7 – d. Red.].

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the rearrangement in his own translation.10 De Halleux himself published another „Chapitre retrouvé“ of Sahdona’s work in 1975.11 This chapter has been transmitted as an independent Memra; judged by internal criteria its place is in the first part, second treatise, of the Book, between the existing chapters 3 and 7.12 – In addition to this there has to be considered the proposal of Fiey that the true author of Ishoʿyahb’s letter III, 22 (the last of the collection) could be Sahdona.13 [16] De Halleux’s paper on the christology of Sahdona is implicitly as well as explicitly a critique on Wilhelm de Vries’s view of Sahdona as expressed in „Die syrisch-nestorianische Haltung zu Chalkedon“ of 1951.14 De Vries took Sahdona to be „the main representative of anti-Nestorian christology in the Persian Church“.15 He therefore only could find it „strange“ when in this so-called anti-Nestorian he has to state „Nestorian expressions“, though he kindly assumes that Sahdona’s intention are the right ones; so de Vries goes on interpreting expressions to him strongly objectionable in bonam partem  – all because of Sahdona’s one hypostasis. „Nestorian“ under the plume of de Vries has the strongest possible heresiological connotation, it expresses per se rejection. De Halleux is unable to find monophysite or Chalcedonian traits in Sahdona’s christology. The one hypostasis excepted, his views are those of the Nestorian theology of the VIIth century. „The basic line of his theology even excludes a Chalcedonian origin“.16 The so-called „Chalcedonian“ tendencies in the Church of the East are considered by de Halleux to have arisen in this church herself.17 He even discusses a possible contribution by Theodore of Mopsuestia, taking into account the Syriac translation of

10 Brock 1968 [wie Anm. 7 – d. Red.], p. 150–154. 11 de Halleux 1975 [A. de Halleux, „Un chapitre retrouvé du Livre de la perfection de Martyrius“, Le Muséon 88, 1975, p. 253–296 – d. Red.]. 12 de Halleux 1975 [wie Anm. 11 – d. Red.], p. 259  f. 13 First hinted at Fiey 1970 [wie Anm. 2 – d. Red.], p. 20 n. 1, discussed at greater length p. 24–25. The title of the letter differs from all the others, beginning „Copy (ṣḥḥʾ) of a letter written …“, while all the letters in part III have a title beginning „To (lwt) …“. One can easily agree when Fiey considers the letter to be „a piece added to the dossier“ (p. 24). Fiey’s doubts concern the writer’s account of his time in prison and in exile, first in Nisibis, then in Edessa (the letter is written to Edessa). All of this has no confirmation from other sources (p. 24  f.) and seems to fit rather Sahdona’s biography than Ishoʿyahb’s. The long theological part of the letter Fiey leaves to a theologian to judge from the Syriac text whether the writer is an orthodox Nestorian or not (p. 25). The answer is simple: yes, the writer of the letter is an orthodox Nestorian. But even this, Fiey argues, needs not speak against Sahdona as author, since he has changed his opinion often enough. I cannot decide the matter here; the [16] manner of writing seems to me very much like Ishoʿyahb’s in the corpus of his letters. 14 de Vries 1951 [W. de Vries, „Die syrisch-nestorianische Haltung zu Chalkedon“, in A.  Grillmeier / H.  Bacht (eds.), Das Konzil von Chalkedon. Geschichte und Gegenwart I, Würzburg, 1951, p. 603–635 – d. Red.], on Sahdona p. 629–634. 15 de Vries 1951 [wie Anm. 14 – d. Red.], p. 629. 16 de Halleux 1957 [wie Anm. 4 – d. Red.], p. 24. 17 de Halleux 1958 [wie Anm. 5 – d. Red.], p. 128.

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De incarnatione, preserved in parts in Brit. Libr. add. 14.669. He says: „According to a certain tradition, Theodore of Mopsuestia would have maintained the unicity of the hypostasis in Christ. The testimonies of this tradition probably conserve the precious vestiges of a formula familiar to the great Interpreter“.18 And Marcel Richard took the Syriac version as containing the authentic Theodorian formula for the unity in Christ and therefore Theodore as a forerunner of the Chalcedonian one hypostasis. But since then it has been demonstrated,19 that the relationship between the Greek and the Syriac version of the famous passage in De incarnatione is to be reversed: the Greek is authentic and not the hypothetic Greek underlying the Syriac of add. 14.669.20 An astounding („astonishing“ is too weak an expression) – an astounding fact is that the encyclopaedia of Theodore bar Koni (VIIIth century) has knowledge only of this clumsy [17] translation of his famous namesake’s treatise.21 It is not surprising that in IX, 4 he puts the embarrassing question: „When the blessed Interpreter and the fathers before him used the term ‚one hypostasis‘ in Christ, why do we reject it now?“ But Joseph Ḥazzaya in the late VIIth century knew of both versions, for he declared the „one hypostasis“ in Theodore’s text to be a falsification by the first translator.22 In his paper of 1957 de Halleux assumed that there was for some time a co-existence between the christologies of the one and of the two hypostases in the East Syrian church.23 Did he understand this co-existence to have been a peaceful one? But did such a period ever exist? For from the time of Ḥenana (director of the school of Nisibis

18 de Halleux 1957 [wie Anm. 4 – d. Red.], p. 26 n. 1. 19 By R.  Köbert in a manuscript sent to A.  Grillmeier and taken up by me, see the following note. 20 Abramowski 1993 [L.  Abramowski, „On the fragments of Theodore of Mopsuestia in Brit. Libr. add. 12156 and the christological fragment in double tradition“, The Harp 6, 1993, p. 199–206]; German translation with notes added Abramowski 1995 [L.  Abramowski, „Über die Fragmente des Theodor von Mopsuestia in Brit. Libr. add. 12.156 und das doppelt überlieferte christologische Fragment“, Oriens Christianus 79, 1995, p. 1–8, in diesem Band S. 22–28 – d. Red.]; on Köbert p. 1  f. 21 Abramowski 1993 [L.  Abramowski, „Die Reste der syrischen Übersetzung von Theodor von Mopsuestia, De incarnatione, in add. 14.669“, Aram 5, 1993 (FS S.  Brock), p. 23–32] (1996), on Bar Koni, p. 30  f. [in diesem Band S. 29–36, hier S. 34  f. – d. Red.]. 22 Scher 1910 [A.  Scher, „Ioseph Ḥazzaya, écrivain syriaque du VIIIe siecle“, Rivista degli studi orientali 3, 1910, p. 45–63 – d. Red.]. The dates given by Scher to Joseph Ḥazzaya and Theodore bar Koni have to be reversed: Joseph Ḥazzaya belongs to the second half of the VIIth century, and Theodor bar Koni to the VIIIth. The Syriac version of Theodore’s De incarnatione teaching one hypostasis in Christ is as far as I can see attested in a fourfold manner: 1. by the remains of a ms. of it in Brit. Libr. add. 14.669; 2. by the ms. described by Scher, then in the library at Séert; lost in the First War. The learned Chaldaeen archbishop of Séert himself was killed in a massacre; 3. by Joseph Ḥazzaya in the VIIth century; 4. by Theodore bar Koni in the VIIIth century. Of his ms. Scher says p. 63: „partout où il parle de l’union, il dit qu’il y a dans le Christ une seule hypostase (‫“)ܩܢܘܡܐ‬. 23 de Halleux 1957 [wie Anm. 4 – d. Red.], p. 29.

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from 572 until 610) onwards both schools of thought were attacking each other until the final victory of the christology of the two hypostases in the one Christ. Is there any discernible influence of the Syriac version of Theodore’s De incarnatione represented by add. 14.669 on these developments? We have already seen that the authentic Theodore can be excluded from being a possible starting point of the christology of the one hypostasis with the East Syrians. Concerning the christology of the two hypostases it is well known that it became the official doctrine of the Church of the East with the document of the year 612. But in 1969/70 Antoine Guillaumont published an excerpt of a dialogue between the emperor Justinian and a number of Greek theologians on the one side and a delegation of Persian bishops on the other, the latter invited by the emperor, he himself being an important theologian of neo-Chalcedonian stamp.24 The excerpt begins with the problem of two hypostases, or more exactly in a polemical formulation of the same problem by the emperor (§ 1):25 the body which the God Logos [18] assumed in the incarnation, was it another man,26 perceived in his own hypostasis external to him? The answer of the „Nestorian“ (§ 2), as he is called in the text, does not bother to refute the term „external“ but begins with Philippians 2 and the confession of the undivided union in Christ, then turns the table on the „Orthodox“ and asks for an explanation of his christology. Later on the „Nestorian“ firmly confesses (§ 10.33): Christ is two hypostases and two natures and the two hypostases are one prosopon. The „Orthodox“ offers his own solution to the problem of the union of two natures in the one Christ (§ 13): the hypostasis synthetos. The excerpt is handed down in a monophysite manuscript which certainly explains the selection of the topics;27 but even so there is no report of a condemnation by one party or the other attached to it. The Persian tradition also proudly remembers the doctrinal statement of the eastern delegates and their return home, amply honoured by their host.28 The emperor’s initiative, highly surprising in view of his synod of 553 with its condamnation of Theodore (who is spoken of in the Acts in the foulest language imaginable), is put into its political context by A.  Guillaumont and its date established: 562 or 563. But at least as surprising as Justinian’s initiative is the very fact that the delegates from the east were explaining their christology as one of two hypostases at this time. 24 Guillaumont 1969/1970 [A.  Guillaumont, „Iustinien et l’Église de Perse“, Dumbarton Oaks Papers 23/24, 1969/1970, p. 39–66 – d. Red.]. 25 The numbering of the paragraphs is my own, it follows Guillaumont’s alineas which correspond to the change of speakers. 26 The expression does not mean „a second man“, but „another, (a) man“. 27 The topics are: the two hypostases and the „quaternity“ in place of the Trinity, alleged by the „Orthodox“. This latter part begins with § 18 and has its own title. § 35 (the last one) is an indication of a further subject treated by the participants: „Et il est encore demandé: y-a-t-il une hypostase née sans filiation? Et si pour chaque hypostase il y a une filiation, il est évident que cela fait deux Fils“. The whole text (a reproduction of the Syriac is added by the editor) merits a detailed analysis. 28 Guillaumont 1969/1970 [wie Anm. 24 – d. Red.], p. 50  f.

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The eastern synods, with the exception of the one under the catholicos Acacius 486, did not even use the term prosopon for Christ before 585, let alone hypostasis. In this they follow a manner of speaking established by the Theodorians at the School of the Persians at Edessa and transferred to Nisibis by Narsai. The exchange of polemics between Philoxenus and Ḥabib, recently analysed,29 shows the existence of quite a distinct form of Antiochene christology in Syriac for the second half of the fifth century. A strict distinction of the language of theologia and oikonomia is required for the use of the term hypostasis: it is to be restricted to trinitarian doctrine, the christological use is not permitted. So the very sharply expressed dyophysite doctrine does neither take the form of the teaching of one hypostasis nor of two hypostases. Philoxenus claims a doctrine of two hypostases by Ḥabib, but does not quote a single line in proof of this, so there was none. This evidence is confirmed by Narsai’s [19] christological homilies, enabling us to argue from a quantitatively broader basis of texts than that constituted by the excerpts from Ḥabib alone, also covering a longer period in time.30 Both the monk Ḥabib and the teacher Narsai are even very sparing in their use of prosopon. Compared with that the christology of the Persian delegates of 562/3 demonstrates a new element in the way the two natures in Christ are defined by the Easterns. The delegates, no doubt the best instructed under their colleagues, must have been quite familiar with what they were declaring with so much confidence. The terminology of the two hypostases is compared to that of the earlier Edessenian Theodorians a turning around by 180 degrees, but there is no change of the theological thinking behind it. What is the source of this alteration of the traditional Edessenian-Nisibenian terminology to a more complicated one? I know no other explanation than the introduction of the Liber Heraclidis of Nestorius into Persia, translated into Syriac in 539/40,31

29 Abramowski 2002 [L.  Abramowski, „Aus dem Streit um das ‚Unus ex trinitate passus est‘: Der Protest des Ḥabib gegen die Epistula dogmatica des Philoxenus an die Mönche“, in A.  Grillmeier / Th. Hainthaler (eds.), Jesus der Christus im Glauben der Kirche 2/3, Freiburg, 2002, p. 570–647 – d. Red.]. 30 A short paper on the Edessenian-Nisibenian christology will appear in the forthcoming volume of the Halle conference on Edessa, held in 2005 [Edessa in hellenistisch-römischer Zeit: Religion, Kultur und Politik zwischen Ost und West; Beiträge des Internationalen Edessa-Symposiums in Halle an der Saale, 14. – 17. Juli 2005, hrsg. von Lutz Greisiger, Beirut/Würzburg 2009, p. 1–9, hier in diesem Band S. 220–227. – A long chapter on Narsai and his and Ḥabib’s christology is prepared for the projected volume on the Church of the East in Grillmeier / Hainthaler, Jesus der Christus im Glauben der Kirche [noch nicht erschienen – d. Red.]. 31 Macomber 1974 [W.  F. Macomber, Six Explanations of the Liturgical Feasts by Cyrus of Edessa, an East Syrian theologian of the mid sixth century (CSCO 355, script. syr. 155), Louvain, 1974; ibid. (CSCO 356, script. syr.156), Louvain, 1974 – d. Red.] in his introduction, p. XII, gives that date as 537. He suggests Cyrus as a possible translator of the Liber Heraclidis, though there is no trace in the „Explanations“ of the characteristic christological nomenclature of that book. Macomber translates trinitarian qnoma as „person“, in the one christological occurrence as „substance“, but considering also „hypostasis“ (p. 139 n. 4). It seems to me that qnwmh here has the sense of „he himself“.

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evidently imported from Constantinople by Mar Aba.32 The leader of the Persian delegation at the colloquium with Justinian was a disciple of Mar Aba, bishop Paul of Nisibis (officiated 551–573).33 It was this Paul who had Ḥenana removed from the school there because of the unorthodox christology proclaimed by him in public. It is easy to suppose that Ḥenana’s dissent was a protest against the teaching of his metropolitan and thus an indirect sequel of the assimilation of the christology of the Liber Heraclidis by the higher clergy or at least by a part of it. But after the death of bishop Paul, Ḥenana became the director of the Nisibene school, so he must have had the necessary qualities for that office. Is it also an indication for the existence of a great number of doctrinal adherents in the school and in the town? The continuing polemics against Ḥenana suggest that he taught a composite hypostasis in Christ which of course has a very neo-Chalcedonian ring. If this term was not known to him beforehand there is a possible written source for his knowledge of the argumentation on the Greek side: the [20] report of bishop Paul on the colloquium, lost to us.34 How one would have liked to compare that report with the excerpts published by Guillaumont! Bedjan as well as de Halleux think that Sahdona was taught in his youth at Nisibis; Fiey remains sceptical, since he did not find any testimony for this.35 Though Sahdona is a proponent of the one hypostasis in Christ, he does not qualify it as „composite“, neither in the Book of Perfection, nor does his opponent Ishoʿyahb reproach him with it. There are two tiny literal quotations from Sahdona (sadly without indication of the source and certainly not from the Book) in Ishoʿyahb’s letter II, 7.36 Both are expressions for „one hypostasis“, the first is a synonym, mqymwtʾ yḥydytʾ), translated by Duval as subsistentia unica, the next is qnwmʾ lḥwdyʾ, hypostasis singularis. In his „confession of the sane faith“ in the „Book“ the author rejects a possible composition in one ousia. When I read Sahdona’s chapter on the faith in preparation for this paper combined with a re-reading of de Halleux’s pioneering article of 1957, I found to my great surprise that Sahdona has been a student of the Ps.-Nestorian introduction to the Liber Heraclidis, and that he used this part only of the Liber in his chapter. And he read that introduction (which is a treatise complete in itself) in the form we have it today, 32 See Abramowski 1963 [L.  Abramowski, Untersuchungen zum Liber Heraclidis des Nestorius (CSCO 242, Subsidia 22), Louvain, 1963 – d. Red.], p. 7–13. 33 On Paul see Fiey 1977 [J.-M.  Fiey, Nisibe, métropole syriaque orientale et ses suffragants des origines à nos jours (CSCO 388, Subsidia 54), Louvain, 1977 – d. Red.], 51–55. The date of his death (573) p. 55. 34 About a possible (in the meantime lost) Arabic translation of this report see Fiey 1977 [wie Anm. 33 – d. Red.], p. 52 with n. 258. 35 Fiey 1970 [wie Anm. 2 – d. Red.], p. 20 n. 1: „Le fait n’est mentionné ni dans ses notices biographiques ni dans ses œuvres. Le seul indice possible serait contenu dans la lettre attribuée à Īšōʿyaw, C.  XXII, ou Sahdōna parlerait (si mon hypothèse est exacte) de ‚notre Nisibe‘; encore l’expression peut-elle s’entendre également en référence à l’orthodoxie nestorienne de la ville“. (About the authorship of ep. III, 22 see already above). 36 Duval 1904 [wie Anm. 7], p. 136,9 textus; Duval 1905 [wie Anm. 7 – d. Red.], p. 102,6  f. versio.

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that is to say with two very small but highly problematic interpolations, both however central to Sahdona’s christological thinking. One of the glosses is an unobtrusive „one hypostasis“, ḥd qnwmʾ, slipped in before ḥd prṣwpʾ.37 In founding his christology on Ps.-Nestorius, Sahdona gained two advantages: he was able to dismiss any reproach of taking over (neo-)Chalcedonian tendencies, and over against those who wanted to press him into their own line of thinking he could point out that he was using the same book which served as source for the christology of two hypostases so what was wrong with that? – I am sorry to say that I have found no trace of an exchange of views in this manner, so it remains just a guess. Still, one could put the question, why Sahdona though exiled twice (once finally) was so often forgiven for backsliding into error. Did he promise to read farther on in the Liber Heraclidis following an imaginable indication by his opponents that the latter and far larger part of the book contained the [21] final decisions of its author and that these were to be taken as the valid ones? The second interpolation consists of two words in the last line (14) of Bedjan’s p. 125, two adjectives following lprṣwpʾ of line 13. The adjectives are kynyʾ wqnwmyʾ, „natural and hypostatic“. Those are also the last words of the introduction to the Liber Heraclidis.38 The authentic part begins on p. 126 under the heading ʿl hymnwtʾ, „On the faith“ (because „the faith of the 318 in Nicaea“ is mentioned in line 2  f.). Whoever put that heading there must have been under the impression that at this point something distinct from the foregoing text was beginning. Both interpolations mar the terminological consistency of Ps.-Nestorius and therefore the clarity of his thought. To perceive this we have to remember that Nestorius in his Second Apology, i.  e. in the authentic part of the Liber Heraclidis, for his christology uses a scheme of individuation which runs physis, hypostasis, prosopon. With a consequence which is just lacking to the famous passage of Theodore’s De incarnatione, he applies the scheme to both natures: two natures, two hypostases, two prosopa – and then his difficult task is to unify the two prosopa in the one prosopon of the one Christ. The writer of the introduction for his part obviously felt the necessity to protect the book of Nestorius from the quite real danger of destruction on imperial territory by providing a harmless hermeneutical key to it. What he does is to cut out from the

37 Bedjan 1910 [P.  Bedjan (ed.), Nestorius, Le Livre d’Héraclide de Damas. Paris, Leipzig, 1910 – d. Red.], p. 81,4  f. On this passage see Abramowski 1963 [wie Anm. 32 – d. Red.], p. 183–185. 38 With Bedjan 1910 [wie Anm. 37 – d. Red.], p. 125,10 mdyn (Nau 1910 [F.  Nau, Nestorius, Le Livre d’Heraclide de Damas, avec le concours du R.  P. Bedjan et de M.  Brière, Paris, 1910 – d. Red.], p. 81,16 „Par consequent“) a new paragraph begins, of a summarizing character: „Therefore also in no other manner except this one we find the words of the divine scriptures apply to Christ, but as we have examined and found: that all do not fit the union of nature but the prosopon naturel et hypostatique“ (I have made use of the French form of the adjectives to give them their syntactic position in analogy to the Syriac). In the preceding text the problem of the suffering of the Logos is treated.

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original scheme the stratum of hypostasis; the remaining scheme reads: two natures, two prosopa – and then he also proceeds to unify the two prosopa in the one prosopon of the one Christ. On that difficult point he succeeds to develop a more satisfying solution than Nestorius himself. On the moot point of hypostasis he teaches neither one nor two hypostases. His avoidance of the term in christology reminds us of the Theodorians of Edessa and then of Nisibis, though they did not know the Liber Heraclidis before its discovery and subsequent translation into Syriac. But the great difference between them concerns the use of prosopon: prominent in Ps.-Nestorius, very rare with the Syriac Theodorians. Where and when to locate the writer of the two interpolations to the text of Ps.-Nestorius? His choice of the one hypostasis puts him into the [22] Chalcedonian camp. I would seek him in Constantinople (like Ps.-Nestorius), where alone the whole work was (secretly) available. In my opinion he intends to give the hermeneutical key a just perceptible further turn so to speak in the interest of the book’s safety. The second interpolation seems to have been taken from the authentic Nestorius, and this as maladroitly as possible.39 In any case, prosopon physikon in both, Nestorius and Ps.-Nestorius, belongs to the natures and not to the prosopon of union in Christ.40 The inconsistencies of terminology and of meaning created by the interpolations in Ps.-Nestorius are not only mirrored but also enlarged in Sahdona. For him the „natural and hypostatic prosopon“ expresses the unity in Christ, just as the interpolator intended. From easily overlooked additions to the text of Ps.-Nestorius, the interpolated words have become the center and the distinguishing traits of Sahdona’s christology. Most of the interesting things in Sahdona have been noted of course by de Halleux, but not the dependence on Ps.-Nestorius, because his article was published before my monograph of 1963 on the Liber Heraclidis, where I distinguished two main authors of that work. In my book I made use of de Halleux to explain the second interpolation, but took it at that time to be an insertion in the Liber Heraclidis by the circle of Sahdona.41

39 The second interpolation consisting of the two adjectives „naturel et hypostatique“ seems to have been taken from the text of the authentic Nestorius, though a contrario: Bedjan 1910 [wie Anm. 37 – d. Red.], p. 133,13  f. Nestorius says: „Ils“ (the opposite party) „détruisent tout cela par l’union naturelle et hypostatique“ (Nau: „personnelle“). The meaning of Nestorius is of course: the union is not one of nature or hypostasis. Two pages farther back (Bedjan 1910, p. 131) Nestorius insists on the „union volontaire“ against the „union naturelle“ – this (in connection with suffering) is also the subject of discussion by Ps.-Nestorius immediately before his concluding remark quoted by me in the note before this one. Thus the interpolator took that pair of adjectives from a context similar to his own and placed it next to his term of union, the prosopon. The authentic Nestorius develops the principles of his christology in Bedjan 1910, p. 128,7  ff. („Others again …“): the two natures do not mix, but are one prosopon of the two natures, „while they both keep the proprieties of their natures“ (p. 129,2  f.). 40 Abramowski 1963 [wie Anm. 32 – d. Red.], p. 187  f. (Ps.-Nestorius) and p. 217  f. (Nestorius). 41 Abramowski 1963 [wie Anm. 32 – d. Red.], p. 183 with n. 81.

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I shall now proceed to note, and to comment on, some points in Sahdona’s chapter on the „sane faith“. Quite in a Theodorian manner he speaks of the „future realities“ (Sahdona II, 2, § 4). – Passing from the Trinity to christology (II, 2, § 19) he explains oikonomia as a „mystery of the most ineffable union of Jesus, our God“. There are two other cases in the Book of Perfection where he calls Christ „our God“.42 Sahdona is not the first and not the only one in his church to use this predication of Christ. [23] It is for instance very characteristic for the catholicos Timothy I.43 – We are reminded of the Edessenians Narsai and Ḥabib when Sahdona speaks of the abasement of the divine Son „through goodwill and love for the Father“ (II, 2, § 20). Already in the next paragraph (II, 2, § 21) we find the following statement: The God Logos uniting to himself in sublime fashion the nature of our humanity from the beginning of its formation and forever, has made it with himself one hypostasis and prosopon in a wonderful, ineffable union. The same terms again in a purely Theodorian, Edessenian setting (II, 2, §  22): The God Logos put on a human body, „he joined the honour of his hypostasis to the visible“, manifesting himself through it to the world „and therefore he is thought and spoken of (as) the one prosopon and hypostasis of the Son, the assuming one and the assumed.“ In the next section (II, 2, § 23) there are the two prosopa which constitute the one prosopon. Sahdona speaks of the temple in which the assumer manifests his prosopon and then goes on to speak of the „own prosopon“ of the human nature: its own prosopon is never seen by itself alone without the godhead. – Here we have a reflex of the „own prosopon“ of Ps.-Nestorius in its first meaning (the second meaning below in § 30): each of the two natures in Christ has its own prosopon, whose unity is the one prosopon.44 II 2, § 25: Each nature participates in the properties of the other so that „this one is called that one, that one is called this one, because of the union“. Compare that with

42 II, 3, § 12 and in de Halleux 1975 [wie Anm. 11 – d. Red.], § 39, p. 286. 43 The NT source for this predication is Tite 2, 13: The epiphany τοῦ μεγάλου θεοῦ καὶ σωτῆρος ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ. Then there is Romans 9, 5: ὁ Χριστὸς τὸ κατὰ σάρκα, ὁ ὢν ἐπὶ πάντων θεός. The Peshitta places „over all“ after „God“, so the identification catches the eye even quicker than in the Greek. In Theodoret [Theodoret of Cyrus, That even after the inhumanation our Lord Jesus Christ is one Son, Patrologia Graeca 83, col. 1433–1440 – d. Red.] we find in a little tractate from the year 448/9 a passage about the appellation „God“ and „man“ for the one Son, „each nature attracting its suitable appellation“. For „man“ he quotes I Timothy 2, 5  f., for „God“ Tite 2, 13, for both names Romans 9, 5. PG 83, 1436B.  English translation of the treatise in Pásztori-Kupán 2006 [I.  Pásztori-Kupán, Theodoret of Cyrus, London, New York, 2006 – d. Red.], p. 188–192, of the relevant passage, p. 190. For another, pre-Ephesinian passage on Romans 9, 5 in Theodoret see ibid., p. 168 for PG 75 (Ps.-Cyril!), 1472B. – Certainly lists like this one were in use in the schools of Edessa and Nisibis. 44 There is a whole chapter on the „own prosopon and the own εἰκών“ in Abramowski 1963 [wie Anm. 32 – d. Red.], p. 186–193.

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Ps.-Nestorius: „One prosopon without doubt,45 this one (is) that one and that one this one, while this one and that one remain“.46 [24] II, 2, § 28: The idea of „one ousia composite of two natures“ is rejected by Sahdona, the correct way to speak is of the „hypostatic prosopon of the natures“; the same expression in § 29. These passages show that the prosopon hypostatikon from the last line of Ps.-Nestorius has been read by Sahdona as indicating the one prosopon of Christ. In II, 2, § 30 we meet the concept, well known from the authentic part of the Liber Heraclidis, that the prosopon of one nature makes use of the prosopon of the other nature; and we also meet the term „his (or its) own prosopon“ in the second of the possible two senses: „made own“, „appropriated“, which is of course the effect of the mutual use. This was a development of the concept by Ps.-Nestorius,47 a more satisfying way to reach the union in Christ through the prosopa than Nestorius himself had achieved. – In the same sentence occurs the expression „natural prosopon“ for the one prosopon of the one Christ: „Although each of them (sc. God and man) has the propriety of his nature, they are not two prosopa, but one prosopon, because each of them makes use of what is his companion’s (ḥbrh); and it (the prosopon) is natural and not metaphorical (šʾylʾ), because of the inseparable union of the two natures“. To the confusion of the reader Sahdona then speaks in § 31 of the „natural prosopon“ as belonging to the nature (that is to say in the original correct manner) and not to the union of natures. De Halleux has noted the difference of meaning and tried to make sense of it; the true explanation through the dependence on the interpolated text of Ps.-Nestorius was not known to him, as I have said above. In § 32 Sahdona evidently returns to the use of prosopon physikon for the one Son: „And therefore the prosopon is natural and one is the Son in two“. How shall we place Sahdona in the line of those people in the Church of the East who taught that the unity of Christ had to be expressed not only by one prosopon but by one hypostasis as well? Ishoʿyahb claims in his letter II, 7, written to Sahdona himself, that Isaiah of Taḥal „has written before you the same things in the same manner“.48 Here the future catholicos certainly refers to the polemical writings of Sahdona, lost to us. But even so it is doubtful whether Ishoʿyahb’s assertion can be true literally. All we know of Isaiah is his partisanship of Ḥenana at Nisibis and that Ḥenanishoʿ the Monk and Babai the Great engaged in strong polemics against him, evidently because of the hypostasis synthetos. Well, we have [25] seen that Sahdona did not use that term, witness Ishoʿyahb himself. As far as we can judge in our present state of knowledge, 45 Syr. dlʾ pwlg, translated by Nau 1910 [wie Anm. 38 – d. Red.], p. 63, in its first, literal sense as „sans division“. 46 Bedjan 1910 [wie Anm. 37 – d. Red.], p. 96,18  f. 47 See n. 45. 48 Duval 1904 [wie Anm. 7], p. 133,10–12 textus; Duva11905 [wie Anm. 7 – d. Red.], p. 100,6–8 versio.

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we may ascribe to Sahdona a considerable degree of originality for his selection of a literary and doctrinal source of incontestable authority, for of course the Liber Heraclidis as a whole was considered to be authentic. He must have read that work with the greatest attention to note those tiny Chalcedonian additions which some monk in Constantinople in sympathy with Antiochene theology and/or in memory of the former bishop wanted to add for the safety of the last Apology of Nestorius for himself; and, more interesting to us, Sahdona noted the difference between the introduction and the main work in the matter of christological terminology. But his leading interest, the assertion of one hypostasis in Christ, altered the original intention of the interpolations: they are now turned against Nestorius and those who taught like him. So in an indirect manner Sahdona’s one hypostasis has an „old“-Chalcedonian origin and differs in this point from the neo-Chalcedonian hypostasis synthetos which is attributed to the school of Ḥenana.49

49 I wish to thank Dr.  Th. Hainthaler and Dr.  M.  Kellermann for their help in library matters; Dr. F.  Thome had the great kindness to produce a PC copy of my ms. [Die im Original sich hier anschließende Bibliographie ist sowohl in die Anmerkungen des Beitrages als auch in die allgemeine Bibliographie, in diesem Band S. 499–508, eingearbeitet worden – d. Red.]

3.6 Die nachephesinische Christologie der ­edessenischen Theodorianer1 Der Vertreter der edessenisch-theodorianischen Christologie, von dem wir das umfangreichste literarische Material besitzen, ist Narsai (ca. 415–502/3). Zunächst wirkte er an der Schule der Perser in Edessa, schließlich für die letzten Jahrzehnte seines Lebens an der von ihm mitbegründeten Schule von Nisibis. Der Traktat, den der in Edessa ausgebildete Habib in den frühen 80er Jahren des 5. Jahrhunderts gegen Philoxenus schrieb, ist zwar nur noch in Zitaten bei Philoxenus erhalten;2 diese erlauben aber, zusammengenommen mit den christologischen Homilien Narsais, überhaupt erst die Wahrnehmung dieser Christologie als einer spezifischen Ausprägung der antiochenischen Schultheologie. In Edessa geschult sind auch der Bischof Barsauma von Nisibis, dem die Schulgründung dort verdankt wird, und der persische Katholikos Acacius. Doch haben wir von ihnen nur knappe synodale Verlautbarungen im Synodicon Orientale,3 die sich zwar entweder für Theodor äußern oder gerade nur andeutend theodorianisch formulieren, aber die edessenischen Spezifika nicht aufweisen. Die Wirksamkeit all dieser Theologen fällt in die Zeit nach dem chalkedonischen Konzil 451, aber jene Synode bildet für sie keinen Bezugspunkt; diese Funktion hat vielmehr die monophysitische Ausprägung der kyrillischen Christologie, wie sie vor allem durch Philoxenus im syrischen Sprachbereich aggressiv vertreten wurde. Sowohl Philoxenus wie auch der sehr viel zurückhaltendere Kyrillianer Jakob von Sarug haben ebenfalls in Edessa studiert und sind dort vom antiochenischen Lager in das der Kyrillanhänger übergewechselt. Habib hat den Grundsatz ausgesprochen, dass die Nomenklatur der theologia und der oikonomia nicht identisch sei. Diesen Grundsatz befolgt auch Narsai. [2] Das wirkt sich so aus, dass prosopon,4 parsopa, von ihm nur christologisch, d.  h. für die eine Person Christi gebraucht wird, in der göttliche und menschliche Natur geeint sind;

1 Der vorliegende Text ist der Versuch einer Kurzanzeige des gleichnamigen zweiten Teils eines Kapitels „Von Edessa nach Nisibis“; der erste Teil des Kapitels analysiert unter dem Titel „Narsai“ christologische Homilien dieses Theologen. Das ganze Kapitel liegt druckfertig vor und ist für den Band über die orientalischen Kirchen in dem von Alois Grillmeier begründeten und von Theresia Hainthaler fortgeführten Werk Jesus der Christus im Glauben der Kirche bestimmt, [noch nicht erschienen – d. Red.]. 2 Dazu siehe meine Untersuchung „Aus dem Streit um das ‚Unus ex trinitate passus est‘: Der Protest des Habib gegen die Epistula dogmatica des Philoxenus an die Mönche“, in: Jesus der Christus im Glauben der Kirche, II,3: Die Kirchen von Jerusalem und Antiochien nach 451 bis 600, Theresia Hainthaler, Hrsg., Freiburg im Breisgau u.  a. 2002, 570–647. 3 Barsauma (zitiert im Jahr 605): Synodicon Orientale ou Receuil des synodes nestoriens, Publ., trad., et annoté par J[ean]-B[aptiste] Chabot, Paris 1902 (NEMBN, 37), 211. 475; Acacius: ibid. 54  f. 302. 4 Im Folgenden benutze ich das griechische Wort für die syrische Entsprechung, die in diesem Fall ohnehin ein Lehnwort ist. https://doi.org/10.1515/9783110647419-013

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3.6 Die nachephesinische Christologie der ­edessenischen Theodorianer 

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qnoma (was hypostasis5 entspricht) dagegen für den Logos als göttliche trinitarische Hypostase reserviert ist. Diese Restriktionen sind aus Theodor von Mopsuestia nicht abzuleiten. Sie müssen ihren Ursprung in den heftigen Streitigkeiten zwischen Theodor-und Kyrillanhängern in Edessa haben. Ich vermute sogar, dass es sich um einen kollektiven Beschluss des theodorianisch gesinnten Teils des Lehrkörpers der Schule handelt, der nicht erst mit den Proklamationen und Provokationen des Philoxenus zu tun hat, sondern schon nach 431, also Jahrzehnte früher gefällt wurde. Die Provokation war ja auch nicht erst die des Philoxenus, vielmehr schon die Kyrills mit seiner Einführung der einen Hypostase in ihrer pseudoathanasianischen, d.  h. apollinaristischen, Bestimmung in die Christologie. Während Nestorius auf eine Suggestion Kyrills einging und noch in Konstantinopel in einer Predigt von den „doppelten Hypostasen der Naturen“ in Christus sprach, enthalten sich die rein christologischen Dokumente des Friedensschlusses zwischen Antiochien und Alexandrien von 433 auf beiden Seiten gänzlich des Begriffs der Hypostase, schon weil sie das Problem der für die Antiochener unannehmbaren Anathemata Kyrills aussparen. Dass die zu postulierende Entscheidung in der Hypostasenfrage hinsichtlich der Christologie mit dem Sprachgebrauch der Dokumente von 433 übereinstimmt und von den Aussagen des Nestorius keine Notiz nimmt, ist zunächst aus der nachephesinischen Situation zu erklären; aber wenn man aus Narsais Homilie XI6 ablesen kann, was alles ihr Verfasser von Nestorius nicht weiß, dann muss man zusätzlich annehmen, dass die entsprechenden Texte des Nestorius in Edessa nicht bekannt waren.7 Und es ist kein Zufall, dass die genannte Predigt mit ihrer Erwähnung des Nestorius erst aus Narsais nisibenischer Zeit stammt. Verglichen mit der rigiden Sprachregelung der edessenischen Theodorianer erscheint die Terminologie ihres Meisters Theodor sowohl in der Trinitätslehre wie in der Christologie sehr flexibel, vor allem wenn man die vom Presbyter Charisi[3]us in Ephesus denunzierte Ekthesis8 mit den bekannten christologischen Stücken aus De incarnatione und Contra Eunomium vergleicht. Allerdings befand sich Theodor auch nicht in einer Situation, die mit der durch die kyrillischen Anathemata und die Verurteilung des Nestorius geschaffenen vergleichbar war. 5 Im Folgenden häufig für die syrische Entsprechung qnoma. 6 Vgl. hierzu Luise Abramowski, „Narsai, Homilie XI“, The harp 20 (2006) = Fs. Jakob Thekeparampil, 333–348. 7 Zwar wissen wir aus edessenischen Protokollen, die auf der ephesinischen Synode 449 verlesen wurden, dass man bei Ibas und seinem Diakon Maron „Schriften“ des Nestorius gefunden hatte (Akten der ephesinischen Synode vom Jahre 449. Syrisch. Hrsg. von Johannes Flemming. Mit Georg Hoffmanns dt. Übers. und seinen Anm., Berlin 1917, Nachdr. Göttingen 1970 [AAWG.  PH, N.  F. 15, 1], 18  f. 26  f. 44  f.) – wenn wir nur auch wüssten, welche Schriften. Jene Schriften sind ohne Zweifel nach ihrem Auffinden durch die edessenischen Feinde des Ibas vernichtet worden. 8 Text ACO I 1, 7 97–99; dazu Luise Abramowski, „Die Sitzung des Konzils von Ephesus am 22. Juli 431 ‚Über die Befestigung des Symbols der heiligen Väter in Nicäa und über den von Presbyter Charisius übergebenen Libellus‘“, ZKG 115 (2004), 382–390 [hier in diesem Band S. 405–413].

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Die antiochenische Grundformel der Christologie lautet bekanntlich: zwei Naturen, ein prosopon. Sie gilt für die Edessener wie für die Kirche des Perserreiches. Bei Narsai ist aber das eine prosopon viel seltener, als man erwarten sollte angesichts der vielfachen Betonung der Einheit in Christus. Oft kann man es nur erschließen aus der Abwehr des Vorwurfs, er lehre zwei prosopa und zwei Söhne. So sagt er zum Beispiel, die Hörer seiner Predigt sollten nicht denken, dass von zwei prosopa, „die voneinander Abstand halten“, geredet werde, wenn er von Christus als Mensch spreche. Die Einheit des prosopon ist die Einheit des Sohnes. Die dyophysitische Konstitution Christi bleibt im Übrigen erhalten im Auferstandenen und in dem zum Gericht Wiederkehrenden; die menschliche Natur in ihm, wiewohl verherrlicht, wird ebenso wenig vermischt oder verwandelt wie der Logos. Aber „der Sohn Gottes ist ein prosopon nicht von Natur“ wegen der totalen Verschiedenheit der beiden Naturen, „weil Gott Gott ist und Mensch Mensch“. Diese Verschiedenheit kann nur durch die Gottheit überwunden werden. Die Ablehnung der Einheit „von Natur“ impliziert den Protest gegen Kyrills ἕνωσις φυσική aus dem dritten Anathematismus gegen Nestorius. Für Narsai ist die Einheit des christologischen prosopon ein Geheimnis und deswegen Gegenstand des Glaubens – d.  h., dass die gewöhnlichen Kategorien auf diesen Fall nicht anwendbar sind. Die Unterscheidung der beiden Naturen (zur Vermeidung ihrer σύγχυσις, syr. bulbala) haben schon Christus und seine Jünger gelehrt; also ist sie mit dem Christentum selbst gegeben und daher ebenso alt wie dies. Die Differenz der beiden Naturen bezeichnet Narsai als die einer „Ordnung“. Es ist der Logos, der den ungeheuren Abstand zwischen den „Ordnungen“ überwindet: er nennt seinen Leib aus Liebe „Sohn Gottes in seinem eigenen Rang“, also dem göttlichen; er gibt ihm diesen Rang, ohne etwas von seiner Göttlichkeit einzubüßen. Die Einheit des prosopon ist Ergebnis der Aktivität des Logos. Etwas anders ausgedrückt: Die Einheit des prosopon kommt durch die göttliche Wesenheit zustande, und zwar nicht durch deren Natur, sondern durch die Liebe. Es ist die Liebe Gottes, also eine persönliche Beziehung, die aus Schöpfer und Geschöpf eine Person bildet; sie unterscheidet sich jedoch von allen anderen persönlichen Beziehungen durch ihre Unauflöslichkeit, der auch der Tod nichts anhaben kann. [4] Die Auseinandersetzung mit den Kyrillianern kreist um die theologisch korrekte Rede vom Logos. Der Logos als trinitarische Hypostase wird vollständig durch seine göttliche Natur bestimmt, er ist ohne Anfang, unendlich, grenzenlos und deswegen nicht begrenzbar. „Physikalische“, „physische“ Aussagen können von ihm nicht gemacht werden, weder „Werden“ noch örtliche Veränderung sind der göttlichen Natur der zweiten Hypostase angemessen. Es sind die Gegner, die sagen: Der Logos wurde in seiner Hypostase (sc. Fleisch), oder: Seine Hypostase war Fleisch. Das wird ausdrücklich abgelehnt: „Nicht wurde der Logos Fleisch in seiner Hypostase“. Korrekt dagegen ist die Aussage: Der Logos trug den Menschen. Eine charakteristische Wiedergabe von Joh 1, 1 ist: „Im Anfang war der Logos, und er war bei Gott, und der Logos war Gott in Hypostase und Macht“: Wenn die Gegner sagen, die Hypostase sei

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Fleisch geworden, dann kann der Logos nicht das Fleisch aus Maria getragen haben, was negative soteriologische Folgen nach sich zöge. Das Werden von Fleisch „ist fern“ vom anfangslosen göttlichen Wesen. – So finden wir, dass der Terminus qnoma für den Logos in heilsgeschichtlichen Zusammenhängen von Narsai nur gebraucht wird, wenn er die Gegner zitiert und zurückweist. Für die „oikonomia“9 und damit für die Christologie differenziert Narsai zwischen der göttlichen Natur des Logos und seiner Aktivitäten (wir sahen das oben schon in der Frage der Einheit der Person Christi). Die Differenzierung demonstriert Narsai zum Beispiel in der Deutung biblischer Aussagen über das Herabsteigen und Hinaufsteigen Gottes, auch Habib tut das. Es ist das Problem der Ortsveränderung des doch Allgegenwärtigen – die „Toren“ verstehen das nicht richtig. Der Aufbruch des Sohnes vom Vater ist nicht Entfernung vom Vater, vielmehr „kam zur Welt sein Wille“. Der Sohn kam, aber „er kam gänzlich in seinem Willen“. „Seine Natur ist überall, aber sein Wille geht und kommt“. Was Narsai bei genauer Redeweise dem Willen des Logos zuschreibt, kann er an anderen Stellen einfach vom Logos aussagen, das ist sogar der häufigere Fall. Der Wille und die Liebe sind nicht nur die Weise der göttlichen Aktivität, sie liegen ihr auch als Motiv voraus. Vom Sohn, der im Vater verborgen ist, wird gesagt: „Und wegen der Liebe zu uns trug er den vollkommenen Menschen und machte ihn mit sich eins in der Herrschaft und in der Macht“. Das Fleischwerden von Joh 1,14 ist so zu verstehen (man beachte auch hier die aktive Rolle des Logos): „Er bildete sich das Fleisch und wohnte in ihm durch seinen Willen“. „Sein Wille wohnte in unserer Natur, und es blieb seine Natur in ihrer Verborgenheit“. Im Gegensatz zur göttlichen Natur kann der Wille begrenzt werden (sonst wäre die Einwohnung nicht denkbar): „Während der Logos seinen Willen im (angenommenen Menschen) begrenzte, hat er seine Natur in ihm nicht begrenzt“. D.  h. der göttliche Wille des göttlichen Logos wird nicht durch irgendetwas Außergöttliches begrenzt, sondern es ist eine Selbstbegrenzung des Logos für das [5] Wohnen im Leib. Der Eingeborene ist der Schöpfer des Tempels, d.  h. des Leibes; in diesem seinem Werk wollte er wohnen. „Liebe“, „Wille“ und „Kraft“ des Logos sind in ihrer Wirkung auf die menschliche Natur Christi austauschbar. Es kann von der Selbsterniedrigung des Logos gesprochen werden, wenn man sie seinem Willen zuschreibt und nicht seiner göttlichen Wesenheit. Ein Hauptthema der christologischen Homilien Narsais ist die Offenbarung des Unsichtbaren im Sichtbaren. Das Sichtbare ist unser Zugang zum Unsichtbaren, das Offenbare zum Verborgenen; nicht nur hier auf Erden, jetzt, sondern auch dort im Jenseits. So „offenbarte der Schöpfer dem ganzen Kosmos in einem gekreuzigten Mann den Namen seines göttlichen Wesens und die große Kraft seiner Gottheit“. Die Offenbarung durch das Mittel des Sichtbaren ist auf der Seite des Göttlichen notwendig

9 Die Umschrift der griechischen Vokabeln für die syrische Entsprechung mdabranutha.

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zur Durchführung der Heilsabsichten wegen der göttlichen Transzendenz und auf der Seite der Adressaten wegen deren naturgegebener Begrenztheit und Unfähigkeit. Der göttliche Sohn konnte in seiner Natur von den Sterblichen nicht betrachtet werden; er „trug einen Menschen“, um darin „seinen Glanz“ zu verbergen. Das gilt noch für die Wiederkunft Christi: „Die Offenbarung seines Leibes sehen die Himmlischen und die Irdischen (während seine Gottheit verborgen ist) durch den Türvorhang der Menschheit“. Den Wiederkommenden überhaupt zu sehen, ist nur möglich durch den (inzwischen verherrlichten) Leib: „Ihn betrachten die Sterblichen offen von Angesicht zu Angesicht“. Das Sehen des Sichtbaren gewährt uns Trost, da wir doch die Hypostase des Logos nicht sehen können. Freilich entbehren wir nach der Himmelfahrt den unmittelbaren Anblick des verherrlichten Jesus, aber „in gewisser Weise sehen wir ihn hier“, d.  h. jetzt, „in Mysterien und Rätseln“, dort jedoch „mit offenem Antlitz sehen wir ihn selbst, nicht aber die Hypostase des Logos“, weil das unmöglich ist. In der johanneischen Fassung der Taufgeschichte (Joh 1,32) heißt es allerdings: „Ich sah den Geist herabsteigen als eine Taube  …“. Das wird so erklärt, dass der Täufer zu diesem Sehen „durch eine Offenbarung gewürdigt“ wurde. Der Homilet sieht sich hier vor der Notwendigkeit, die Aussage des Evangelientextes mit dem Grundsatz der Unsichtbarkeit des Göttlichen auszugleichen. Seine Paraphrase von Joh 1,32  f. sieht dann so aus: „Ich sah den Geist, eine verborgene Natur, im Geheimnis des Vogels herabsteigen (und) verborgen im Offenbaren bleiben in vollkommener Liebe“. Die Einheit von Logos und Leib löst sich weder im Grab noch bei der Himmelfahrt auf: in der Himmelfahrt wird emporgehoben der Verborgene im Offenbaren, der Gott im Leib. In vier Homilien Narsais (LXXIX.  IV. XXXVI.  XLV) gibt es Aussagen, die sich mit der Unsichtbarkeit des Göttlichen und mit unserer Angewiesenheit auf den Sichtbaren (auch im Jenseits) nicht abfinden wollen. Sie reklamieren für die „Re[6]gungen der Seele“ eine Sicht in der Tiefe des Unsichtbaren, des Göttlichen. Diese Äußerungen sind literarisch als Interpolationen derselben Hand erkennbar, sie artikulieren ein spirituelles Ungenügen an dem von Narsai vertretenen Grundsatz. In Homilie XLV schließt sich dem eine weitere Stimme an, die das Angewiesensein auf das Sichtbare erst nach schwerem Ringen um den Zugang zur göttlichen Wesenheit akzeptiert. Der Logos hat „einen von uns“ angenommen, durch die Einheit mit ihm wirkt er auf ihn ein und damit auch auf uns. Was die Kyrillianer vom inkarnierten Logos sagen, laufe darauf hinaus, dass sie Gott dem „Verächtlichen“ unterwerfen, d.  h. allem, was zur menschlichen Natur gehört; andererseits verweigern sie unserer Natur die Ehre dessen, der sie angenommen hat. Der Sohn macht nämlich uns groß, indem „er unsere verächtliche Natur anzog und sie mit sich hinaufführte in den Himmel zur Ehre“, zum Sitz zur Rechten Gottes. Der Mensch „nahm teil an den herrlichen (Dingen) wegen der Liebe des ihn Annehmenden“. „Unser Geschlechtsgenosse“ ist zur „Vollkommenheit“ gekommen „in der Einheit mit dem Logos“. Die Ehrung des Sterblichen durch die „Herrlichkeiten des Eingeborenen“ fand nicht nur damals statt, sie gilt bis in alle

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Ewigkeit, „so dass kein Ende seiner Macht“ – wir erkennen hier die Folge des Weiterbestehens der menschlichen Natur Christi auch nach der Himmelfahrt. Um seine Macht im angenommenen Menschen zu zeigen, hat der Logos ihn als vernunftbegabtes Abbild von sich selber hergestellt; damit wird der Mensch, den der Logos in Maria für sich selbst zur Wohnung schafft, als zweiter Adam charakterisiert – auch er imago Dei, aber eben nicht verderbt. Der „Mittler aus unserm Geschlecht“ ist Abbild der Herrlichkeit des Logos. Die Wirkung des Annehmenden auf den Angenommenen zeigt sich in der Überwindung des Todes. Übrigens ist schon durch die Weise seiner Empfängnis und Geburt der Geborene heiliger und herrlicher als die übrigen „Leiblichen“, auch erhabener als seine Mutter. Das ist ein Ausdruck der Christusfrömmigkeit, basierend auf den Geburtsgeschichten des Neuen Testaments; ein Ausgleich mit der Rede von der Verächtlichkeit der menschlichen Natur wird nicht vorgenommen. Im zweiten Adam findet die Erneuerung des Menschen statt. An Leib und Seele ist der zweite Adam dem ersten gleich, aber „in Vollmacht ist er der Herr Adams und seiner Nachkommen“, er ist an Ehre größer als alle geworden. „Es ist das Fleisch, das erhöht wurde und Kraft erlangte durch die göttliche Wesenheit“, diese jedoch war selbstverständlich nicht auf die Kraft des „verächtlichen Fleisches“ angewiesen. Die Himmelfahrt ist das Wunder der Erhöhung der verächtlichen menschlichen Natur. „Ich habe mich sehr verwundert, wie sehr unser Lehm in seiner Verächtlichkeit groß gemacht worden ist, der, obwohl Staub, die Vollmacht erlangt hat und begonnen hat, über alles zu herrschen“. Die „Verächtlichkeit“ unserer Natur leitete sich ab aus der Materie, die der Schöpfer bei der Erschaffung benutzt. Diese Natur ist aus Lehm, aus Staub, „irden“ in des Wortes ursprünglicher Bedeutung: aus Erde (Gen  2). Im biblischen [7] Text wird dem „Staub der Erde“ (hebräisch und syrisch die gleichen Vokabeln) kein qualifizierendes Adjektiv beigegeben. Aber aus dem Alten Testament ist die negative Konnotation leicht zu gewinnen, jedenfalls ist sie Narsai selbstverständlich, auch Habib kennt sie. Die Verwertung des Motivs stellt die Gemeinsamkeit der menschlichen Natur, unserer und der Christi, seit dem Anfang der Schöpfung fest. Die niedrige Herkunft der menschlichen Natur aus dem verächtlichen Stoff, den der Schöpfer für sie verwendete, stellt aber auch den größtmöglichen Kontrast zur „Erhöhung“ zur „Ehre“ zu den „Herrlichkeiten“ dar, die dieser Natur durch ihre Vereinigung mit dem Logos in Christus zuteil werden. Auch uns, die wir die menschliche Natur mit Christus gemeinsam haben, teilt sich die Ehre mit: „Unser Staub wird erhöht durch die Ehre mit dem Sohn unseres Geschlechts“. So sind aus den beiden Schöpfungsgeschichten in Gen 1 und 2 zwei verschiedene Aspekte der menschlichen Natur Christi in Hinsicht auf unser Heil gewonnen worden. Die edessenisch-theodorianische Schulung hat eine Nachwirkung auch beim Kyrillianer Jacob von Sarug (ca. 451–521) gehabt. Jakob berichtet selber, dass er an der Schule seine Wendung von der theodorianischen zur kyrillianischen Fraktion vollzog, als dort die Schriften Diodors übersetzt wurden. Die Spuren seiner ursprünglichen Aus-

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bildung sind mir erst sichtbar geworden, als ich die Darstellung seiner Christologie und Theologie durch Tanios Bou Mansour10 ein zweites Mal las, nachdem ich mich durch Habib und Narsai hindurch gearbeitet hatte. Die Debatten über die Echtheitsfragen, geführt von Paul Peeters und Paul Krüger, sind durch die vorzüglichen Arbeiten von Taeke Jansma beendet worden.11 Bou Mansour bezeichnet die Unterscheidung zwischen Natur und oikonomia in Aussagen über den Sohn Gottes als ein Grundaxiom der Christologie Jakobs; in seiner Darstellung in Band II, 3 von Jesus der Christus verwendet Bou Mansour das Grundaxiom als Gliederungsprinzip. Er möchte es aus der alexandrinischen Christologie ableiten. Tatsächlich ist es jedoch dieselbe Unterscheidung, mit der sowohl Habib wie Narsai arbeiten. Es handelt sich also um gemeinsames Schulerbe; die Differenz liegt im Umgang damit. Jacob betont die Unveränderlichkeit der göttlichen Natur so stark, dass Krüger und Roberta C.  Chesnut12 die Gefahr des Doketismus drohen sehen. Die Gottheit sei überbewertet, logisch ergebe sich daraus die Unmöglichkeit einer Einung des Logos mit der menschlichen Natur. D.  h., dass Jacob eine einseitige Übernahme aus der Naturenlehre der Schule vorgenommen hat und auf die Darstellung der [8] menschlichen Natur, jedenfalls in der Form, wie die Schule sie lehrte, verzichtet bzw. sie vermeidet. Und das Leiden Christi schreibt er, seiner neuen Überzeugung entsprechend, der göttlichen Hypostase, qnoma, zu. Aus den Referaten bei Bou Mansour könnte man schließen, dass qnoma im Sinn von Hypostase bei Jacob relativ häufig sei; aber in vielen Fällen wird das Wort in seiner abgeschliffenen Bedeutung als Reflexiv- oder Identitätspronomen verwendet, so dass man es richtiger mit „Selbst“ übersetzen muss, was übrigens das theologische Gewicht der betreffenden Aussagen nicht im Geringsten abschwächt. Bou Mansour sieht die christologische Frage bei Jacob „in die trinitarische Dimension integriert“ wie bei Ephräm. Aber dazu bedarf es nicht des Rückgriffs auf Ephräm, denn das Phänomen ergibt sich aus dem Streit der beiden Schulrichtungen über das Problem, wie die mit dem Logos vereinte menschliche Natur Christi in ihrem Verhältnis zur Trinität zu sehen ist. Ebenfalls zum Schulerbe gehören bei Jacob die Adams-Typologie und das Gegensatzpaar „verborgen“ – „offenbar“, natürlich in leicht verschobener Verwendung. Der getadelten Überbetonung der göttlichen Natur in Christus (siehe oben) entspricht, dass Jacob, anders als Kyrill, es vermeidet, die menschliche Natur Christi als Natur zu bezeichnen. Die Frage ist, ob es sich nur um einen Verzicht auf den Terminus,

10 Tanios Bou Mansour, „Die Christologie des Jacob von Sarug“, in: Jesus der Christus im Glauben der Kirche, II, 3: Die Kirchen von Jerusalem und Antiochien nach 451 bis 600, Theresia Hainthaler, Hrsg., Freiburg im Breisgau u.  a. 2002, 449–499. Ergänzend dazu ders., La théologie de Jacques de Saroug, II: Christologie, trinité, eschatologie, méthode exégétique et théologique, Kaslik 2000 (Bibliothèque de l’Université Saint-Esprit, Kaslik, Liban, 40). 11 Referat über die Diskussion bei Bou Mansour, „Christologie“ (Anm. 10). 12 Wie Anm. 10.

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3.6 Die nachephesinische Christologie der ­edessenischen Theodorianer 

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oder um einen Verzicht in der Sache handelt. Vermutlich hat Jacob dies simple sprachliche Mittel gewählt, um sich dem Vorwurf, er lehre zwei Naturen, zu entziehen. Über die Unveränderlichkeit der Natur des Logos in der Menschwerdung gibt es eine Stelle, in der sich exemplarisch Jacobs theologische Herkunft und die polemische Abkehr von ihr ausdrücken: „Der Logos ist nicht verwandelt worden, sondern blieb in seiner göttlichen Natur, am Ende stieg er durch Liebe hypostatisch und willentlich herab … Er war nämlich Gott und wurde Mensch“. Abstieg des Logos durch Liebe und Willen – das lehrten auch die Theodorianer, was sie aber ablehnten, weil der göttlichen Natur des Logos nicht angemessen, war der Abstieg der Hypostase Logos; sie hätten daher nicht gesagt „hypostatisch und willentlich“, sondern „ökonomisch und willentlich“. Jacob unterscheidet neutestamentliche Texte, die zur „leiblichen Ordnung“ gehören, von andern, die sowohl die Menschheit wie die Gottheit des Sohnes betreffen. Dazu gehören verblüffenderweise die Gebete, die Jesus an den Vater richtet: Jesus bittet den Vater, während er weiß, dass er beim Vater ist, um jede Bitte zu erhören. Er betet, weil er Mensch geworden ist, und er erhört, weil er Sohn von Ewigkeit ist. – Gebet und Erhörung finden also in dem einen Christus statt; das ist eine Unterscheidung, die ohne das durch die Schule vermittelte Vorbild Theodors nicht denkbar ist.13 [9] Ein überraschendes spätes Echo der Art, wie die edessenischen Theodorianer mit dem Problem von hypostasis in der Christologie umgingen, finden wir im Lemma zum Brief, den der Katholikos Georg I. im Jahr 680 an den Priester Mina richtet. Das Lemma stammt vom Sammler des Synodicon Orientale, ist also noch einmal später als der Brief. Das Lemma teilt mit, der Brief lehre „über die Gottheit Christi und seine Menschheit, und dass nicht … der Gott Logos verwandelt wurde und Mensch wurde in seiner Hypostase“.14 Diese Formulierung, die direkt aus Narsai oder Habib entnommen sein könnte, kommt im ganzen Brief Georgs nicht vor; der Katholikos vertritt, wie nach 612 korrekt, eine Christologie der zwei Naturen, der zwei Hypostasen und des einen prosopon. Offenbar ist der Sammler des Synodicon Orientale mit der Literatur der edessenisch-theodorianischen Phase der antiochenischen Theologie noch vertraut, vor allem wohl mit Narsai.

13 Siehe Luise Abramowski, „Die liturgische Homilie des Ps. Narses mit dem Messbekenntnis und einem Theodor-Zitat“, BJRL 78 (1996), 87–100 [hier in diesem Band S. 153–165]; dies., „Narsai, Ephräm und Kyrill [9] über Jesu Verlassenheitsruf, Matth. 27,46“, in: Crossroad of cultures. Studies in liturgy and patristics in honor of Gabriele Winkler, Hans-Jürgen Feulner, Elena Velkovska und Robert F.  Taft, Hrsg., Roma 2000 (OCA, 260), 43–67 [hier in diesem Band S. 175–194]. Für „Ephräm“ in diesem Titel wäre jetzt „Pseudo-Ephräm“ zu setzen (es handelt sich um den Diatesseron-Kommentar). 14 Synodicon Orientale (Anm. 3), 227.490.

3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch der Kirche des Ostens 1 „Allgemeiner Bischof“ – episkopos katholikos In einem more suo erfrischend scharf formulierten Beitrag aus dem Jahr 1967 (wieder aufgenommen 1970) zur Einführung des Titels „Patriarch“ für den Bischof von Seleukia-Ktesiphon berührt J.-M.  Fiey notwendigerweise auch den Titel „Katholikos“ für den Inhaber dieses Thronos.1 Denn Fieys Ausgangsfrage ist, warum dieser Prälat den doppelten Titel „Katholikos-Patriarch“ trage und was die Beziehung beider Titel zueinander sei. „Dès l’abord nous sommes handicapés par l’absence d’une étude d’ensemble sur la nature exacte du catholicat. Si l’étymologie du mot catholicos est claire, les débuts de son emploi dans le langage ecclésiastique, avec le changement de sens qu’il subit en y passant du langage civil2, n’ont pas encore, que je sache, été étudiés systématiquement“3. Man wisse nicht, wann der Begriff „Katholikos“ sich gebildet habe. Die persischen Märtyrerakten sprechen nur vom Bischof von SeleukiaKtesiphon und der Kirchenhistoriker Sozomenos (der persische Märtyrerakten kennt) vom Erzbischof4; die Kirchengeschichte des [2] Sozomenos führt übrigens bis zum Jahr 439, und in der Synode von 410 gehört „Erzbischof“ wie „Katholikos“ zu den Titeln des Isaak von Seleukia-Ktesiphon.5

Anmerkung: Für technische, lexikographische, bibliothekarische und bibliographische Hilfe danke ich den doctores, Priv. Dozenten, Professoren, S.  Gerö, Theresia Hainthaler, Mechthild Kellermann, W.  Löhr, Karin Metzler, A.  Schilling. Die PC-Abschrift wird der immer hilfsbereiten Kollegin Hainthaler verdankt. 1 J.-M.  Fiey, Les étapes de la prise de conscience de son identité patriarcale par l’église syrienne orientale, L’Orient Syrien 12, 1967, 3–22. Wieder abgedruckt mit wenigen sprachlichen Veränderungen und einigen Erweiterungen als Chap. III unter dem Titel „Catholicat et patriarcat“ in Ders., Jalons pour une histoire de l’église en Iraq, CSCO 310, Subs. 36, 1970, 66–84. Im Folgenden zitiert nach den „Jalons“. Vorangegangen war: W. de Vries, Antiochien und Seleucia-Ctesiphon, Patriarch und Katholikos?, in: Mélanges E.  Tisserant III, StT 233, 1964, 429–450. 2 Meine Hervorhebung. Nachweise für den zivilen Gebrauch des substantivierten Adjektivs καθολικός in nicht-kirchlichen Quellen bei Liddell-Scott s.v., in kirchlichen Quellen in PGL.  Liddell-Scott bestimmen den Titel als „supervisor of accounts (οἱ καθόλου λόγοι), = Lat. procurator a rationibus“. 3 Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 66  f. 4 Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 83. 5 Synodicon Orientale ou Recueil des synodes nestoriens publié, traduit et annoté par J.  B.  Chabot d’après le ms. Syriaque 332 de la Bibliothèque Nationale et le ms. K.  VI, 4 du Musée Borgia à Rome, NEMBN 37, Paris 1902, 18,11 [syrischer Text]/254 [französische Übersetzung; im Text = Synodicon Orientale]: „Haupt der Bischöfe“. https://doi.org/10.1515/9783110647419-014

2,  3

1 „Allgemeiner Bischof“ – episkopos katholikos 

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Die Akten dieser Synode von 410, die ersten6, die uns aus der Kirche des Ostens überliefert sind, gebrauchen den Titel Katholikos „ohne weiteres“ („d’emblée“). Zwar erwägt Fiey, ob der Titel nachträglich in die Akten eingefügt worden sein könnte (wie der Titel „Patriarch“ in die Akten der Synode von 424, dazu s.  u.7). Aber dagegen spricht m.  E. die Selbstverständlichkeit, mit der die Vokabel auftritt; sie muss den Teilnehmern der Synode bereits vorher geläufig gewesen sein. Aber wie lange schon? Ich denke, man kann zu einer plausiblen Vermutung kommen. Labourts synchronistische Tabelle gibt für die Jahre 346–383 an: „Vacance“ auf der Patriarchenseite8; diese Sedisvakanz fällt in die zweite Hälfte der Herrschaft des Großkönigs Šapurs II. (Regierungszeit 309–379) und in die ersten Jahre seiner Nachfolge. Dies war eine lange Zeit der Christenverfolgung, deren Zeugnisse in den Märtyrerakten vorliegen. Die persischrömischen Friedensschlüsse unter Šapur II. (mit Theodosius I.) und Bahram IV. (ausgehandelt mit Stilicho) mussten den Christen Erleichterung verschaffen9. „Au reste, l’histoire de cette époque est pour nous fort obscure. Si nous pouvons conjecturer avec quelque vraisemblance que les Églises de Perse virent leur condition s’ameliorer progressivement, nous ne saurions dire en quoi précisement consista cette amélioration. La persécution fut certainement suspendue; mais la réorganisation de la hiérarchie dut subir encore bien des entraves“10. „Un fait est du moins certain. Les Actes du concile de Séleucie tenu en 410 supposent la plupart des sièges épiscopaux pourvus de titulaires. Quelques-uns même étaient [3] disputés par plusieurs compétiteurs. Il semble donc que la paix regnât depuis un assez grand nombre d’années, puisque les chrétientés persanes avaient pu, dans une large mesure, réparer les désastres que leur avait causés la longue persécution de Sapor“11. Wenn nun die Märtyrerakten der Verfolgung unter Šapur II. den Titel Katholikos für den Bischof der Hauptstadt noch nicht kennen, die Akten der Versammlung von 410 ihn aber benutzen, dann muss der Gebrauch in der Zwischenzeit aufgekommen sein; offenbar war auch hierfür die Zeitspanne lang genug.

6 Das zweite Lemma zur Synode von 410 (Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 17/253) spricht von „der Versammlung der Bischöfe, die zum ersten Mal im Land der Perser geschah“ – doch gab es mindestens schon eine Synode ca. 100 Jahre vorher unter Papa; der Bericht darüber spielt eine große Rolle in den Akten von 424, s.  u. Zu Bekenntnis, Ablauf und Kanones der Synode s. auch P.  Bruns, Bemerkungen zur Rezeption des Nicaenums in der ostsyrischen Kirche, AHC 32, 2000, 1–22. Anachronistisch bezeichnet Bruns den seinerzeitigen Bischof von Antiochien als „Patriarch“, a.a.  O., 16. Zur „Tatsache, dass Persien bis ins 5. Ih. hinein jurisdiktioneIl von Antiochien abhängig war“ (a.a.  O.,1 Anm. 2), s. unten die Korrekturen an dieser Auffassung. 7 Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 83. Das zweite Lemma ist sekundär. 8 J.  Labourt, Le christianisme dans l’empire perse sous la dynastie sassanide (224–632), Paris 1904, 353. 9 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 84. 10 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 85. 11 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 86.

230 

 3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch

3, 4

An dieser Stelle muss die Problemstellung Fieys, wie der Übergang vom Katholikos als eines weltlichen Rechnungsführers oder Finanzbeamten zu einem ranghöchsten Bischof mit diesem Titel vorzustellen sei, für falsch erklärt werden. Der Ausgangspunkt für den kirchlichen Titel in der Gestalt eines substantivierten Adjektivs ist nicht der weltliche Titel, sondern das Adjektiv katholikos bei episkopos, beide griechischen Wörter als aramaisierte Lehnwörter12 genommen, denn bis zum Beweis des Gegenteils ist anzunehmen, dass diese Form des Titels in der Bedeutung „allgemeiner Bischof“ innerhalb der ostsyrischen Kirche für den Bischof der Hauptstadt gebildet und nicht von außen auf ihn angewendet worden ist13. In diesem Titel steckt ein Anspruch, der über den eines Ehrenvorranges hinausgeht: der Titelträger bezeichnet sich als Bischof, der der ganzen Kirche „des Ostens und der angrenzenden Gebiete“ vorsteht. Es ist anzunehmen, dass es der Inhaber des Thronos selber war, der den Titel prägte – also Isaak14 (und nicht einer seiner schwer zu greifenden beiden Vorgänger15). Der Zustand der Kirche nach der Verfolgung konnte so dem Bischof Isaak die Chance bieten, seinen Anspruch durch den neuen Titel auszudrücken. [4] Der vollständige Titel heißt episkopos katholikos16, katholikos ist die Kurzform für diesen umständlichen Titel; die Kurz- oder absolute Form ist dann in der Tat wieder ein substantiviertes Adjektiv wie im Fall jener griechischen Beamten. Im Synodicon Orientale ist das häufige Vorkommen des vollständigen Titels durch Chabots Übersetzungspraxis verdeckt: er setzt immer, wenn die beiden Worte nebeneinander stehen, ein Komma zwischen sie, so dass sie auch im syrischen Original als zwei Nomina nebeneinander zu stehen scheinen. Aber nicht nur zeigt Chabots Interpunktion dies sein Verständnis an, sondern auch die nicht-analoge Übersetzung der beiden Bestandteile: „évêque, catholicos“17. Die Suggestionskraft dieser Gewohnheit

12 In nicht-vokalisierter Umschrift ʾpsqwpʾ qtwlyqʾ. 13 Und weswegen nahm man ein griechisches Wort als Adjektiv und nicht ein mögliches syrisches? 14 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 85 Anm. 4, zweiter Abschnitt, zu lesen auf S. 86, verweist auf die Synode des Dadišoʿ 424, wo vom Katholikos Isaak gesagt wird, „par les mains duquel fut restitué, après avoir vaqué pendant 22 ans, le prinicpat (ršnwtʾ) du suprème sacerdoce sur le peuple chrétien, et qui exalta l’Église, par la reconstitution du principat, grâce à la grande faveur que Dieu lui avait donnée près du roi“ (Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 48,30–33/292  f.). Zwar steht diese Aussage in einem anzweifelbaren Teil der Akten von 424 (in der Rede des Bischofs Agapet, darüber s.  u.), aber sie bleibt historisch wahrscheinlich, zumal die Akten der Synode des Isaak von 410 vorhanden waren. Wenn in derselben Rede der Bischof Papa als Katholikos bezeichnet wird (Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 46,18/289  f.), ist das eine Rückprojektion. 15 Über die Problematik der Existenz dieser Personen s. Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 85 mit den Anmerkungen und Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 64. 16 Im Folgenden behalte ich aus Gründen des leichteren Schreibens und Lesens die Umschrift der zugrunde liegenden griechischen Wörter in lateinischen Buchstaben bei und verzichte auf die Umschrift der syrischen Lehnworte. 17 Die richtige Wiedergabe wäre „évêque général“, „Gesamtbischof“; die Übersetzung „katholischer Bischof“ verbietet sich in allen Sprachen wegen ihrer Konnotation im heutigen Gebrauch.

4,  5

1 „Allgemeiner Bischof“ – episkopos katholikos 

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ist so stark, dass selbst von einem so kritischen Geist wie Fiey die abgekürzte Form des Titels für die ursprüngliche gehalten wird. Der vollständige Titel blieb in Gebrauch neben dem Kurztitel18. So haben wir den vollständigen Titel bei Kosmas Indikopleustes, die Person des Mar Aba betreffend: (Πατρίκιος = Aba) … ὃς καὶ αὐτὸς νυνὶ ἐκ θείας χάριτος ἐπὶ τοὺς ὑψηλοὺς καὶ ἀρχιερατικοὺς θρόνους ἀνήχθη τῆς ὅλης Περσίδος, καθολικὸς ἐπίσκοπος τῶν αὐθότι κατασταθείς19. Diese Angabe ist nach 540, dem Jahr der Wahl des Mar Aba in sein Amt, geschrieben. Sie spielt mit ἀρχιερατικοὺς auf den Titel „Erzbischof“ an, den die Prälaten der persischen Königsstadt ebenfalls zu führen pflegten20 (so schon im Protokoll der Synode von 410, wie gesagt), und bezieht καθολικός richtig auf das „ganze Persien“. Kosmas ist hiermit Zeuge für die ältere Bezeichnung des obersten Bischofs der Kirche in Persien in ihrer vollständigen Form, während bei Mar Aba selbst ein weiterer Titel hinzu[5]tritt, der des Patriarchen. Offenbar dauerte es einige Zeit, bis das auch von außen, in diesem Fall von Kosmas Indikopleustes in Alexandrien, wahrgenommen werden konnte; das gleiche Phänomen im Jahrhundert davor beim Kirchenhistoriker Sozomenos, dem der Titel Katholikos für den Bischof von SeleukiaKtesiphon einige Zeit nach dessen Einführung noch nicht geläufig ist (s.  o.)21. Eine Form der Titelhäufungen für den obersten Bischof im Protokoll von 410 lautet (ich verdeutsche Chabots Übersetzung und reproduziere seine Interpunktion): „Isaak, Bischof von Seleukia und Ktesiphon, Katholikos, Erzbischof des ganzen Ostens“ (so dreimal – ein weiteres Mal ohne den „ganzen Osten“22). M.  E. ist auch in dieser Titelform „katholikos“ Adjektiv zu episkopos, der Ortsgenitiv ist eingefügt, um jede Idee im Keim zu ersticken, dass etwa der Bischof eines anderen bedeutenden Ortes der episkopos katholikos sein könnte; die ganz unsemitische Wortstellung, die den griechischen Einfluss auf die syrische Syntax verrät, unterstreicht das noch: die

18 Ich gebe als Beispiele nur die Unterschriften unter die Synodalprotokolle: 410 Isaak, „episkopos katholikos“ (Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 35/274); 420 Yahbalaha „episkopos katholikos“ (a.a.  O., 42/283); 424 Dadišoʿ: die Unterschriften werden erwähnt (a.a.  O., 52/297), aber nicht aufgeführt (das Protokoll dieser Synode steckt ohnehin voller Probleme, denen unten ein eigener Abschnitt gewidmet werden muss); 486 Acacius „episkopos katholikos“ (a.a.  O., 59/306); 497 (Šila für) Babai „episkopos katholikos“ (a.a.  O., 65/315); mit Mar Aba 544 beginnt die Selbstbezeichnung „Patriarch“ neben dem Kurztitel „Katholikos“, über die Unterschriften der verschiedenen von Mar Aba verabschiedeten Dokumente s.  u.; überraschenderweise unterschreibt Joseph, dem es an Selbstbewusstsein nicht mangelte, 554 noch mit „episkopos katholikos“ (a.a.  O., 108/366), seine Nachfolger unterschreiben mit „Katholikos, Patriarch“ oder nur mit „Patriarch“. 19 Komas Ind., Christliche Topographie II 2 (SC 141, 307 Wolska-Conus). 20 In offensichtlicher Angleichung an den sich im 4. Jahrhundert entwickelnden Gebrauch für Oberbischöfe im römischen Reich. 21 Vermutlich waren diese Titel zunächst im innerkirchlichen Dienstgebrauch üblich, ehe sie öffentlich bekannt waren. 22 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 18,10–12/254; 19,1  f./256; 19,20  f./257; 20,31  f./259.

232 

 3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch

5, 6

„Städte“23 sind vom Bischofstitel buchstäblich eingeklammert. Die Bedeutung der Formulierung wäre: „Isaak von Seleukia-Ktesiphon, episkopos katholikos “24. Auch im Dokument von 410 kann „Katholikos“ schon absolut, als Nomen, auftreten. Bei Mar Aba 544 haben wir dann als Ableitung aus dem Titel das Abstraktum qtwlykwtʾ25 und, besonders interessant, das aramaisierte Adjektiv in femininer Form in der Bedeutung „durch den Katholikos“: die mdbrnwtʾ qtwlyqytʾ der Kirche, „das katholische Kirchenregiment“ = „das Kirchenregiment des Katholikos“ oder „durch den Katholikos“ als Gesamtbischof26 Zwei Phänomene des Titelgebrauchs im Protokoll von 410 sind bisher in ihrer Bedeutung für das Verhältnis der Kirche im persischen Reich zur Kirche in der römischen Diözesis Oriens mit Antiochien als Hauptstadt nicht erkannt worden. Erstens. Im vierten Abschnitt des Synodaltextes (nach Chabots Gliederung in seiner Übersetzung, die dem Inhalt genau entspricht, 255 unten) [6] werden die Bischöfe aufgezählt, die ihren Kollegen Maruta von Maipherkat mit dem Schreiben versahen, das dieser vor dem Großkönig verlesen sollte. Mit Namen werden genannt die Bischöfe von Antiochien, Aleppo, Edessa, Tella, Amida. Der Titel des Bischofs von Antiochien27 lautet nicht einfach „Bischof“, sondern episkopos katholikos (von Chabot auch an dieser Stelle in seiner irreführenden Wiedergabe „évêque, catholicos“ geschrieben). Das heißt, dass die Stellung oder der Rang des Bischofs von Antiochien dem des Bischofs der persischen Hauptstadt gleichgesetzt wird (wie auch umgekehrt); zwar ist wie gesagt der Titel griechisch, aber er ist in der syrisch sprechenden Kirche Persiens geläufig und wird offensichtlich vom dortigen Verfasser des Protokolls auf den Antiochener angewendet. Zweitens. Fiey28 zählt zur Synode von 420 die Titel auf, die 410 und 420 dem Haupt der Kirche des persischen Reiches gegeben werden (und zu denen „Patriarch“ nicht gehört29), unter ihnen „Groß-Metropolit“. Hieran ist zu korrigieren, dass dieser Titel (teil-übersetzt in seiner Mischform: mtrwpwlytys rbʾ) nur 410 gebraucht wird, dort

23 So wird in den Quellen häufig die Doppelstadt Seleukia-Ktesiphon bezeichnet (daher oben im Zitat aus Kosmas auch der Plural θρόνοι). 24 In den Kanones VI und XII wird durch Glossen die Bindung des Primats an die Kirche von Kōkē eingetragen, dazu s. unten. 25 In Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 69,1/318, versehentlich mit „patriarcat“ übersetzt. Zu lesen ist also: „la dualité du catholicat introduite par .“ 26 Chabot, Synodicon (wie Anm.  5), 68,23  f. und 69,2/318  f.: „le gouvernement catholique du patriarcat“; a.a.  O., 69,11  f./319: „unité du gouvernement catholique“. 27 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 255 Anm. 3 zu Porphyrius von Antiochien: „Porphyrios homme de mœurs depravées, partisan de Theophile d’Alexandrie et ennemi de saint Jean Chrysostome, qui se fit donner subrepticement l’ordination episcopale à la mort de Flavien (403) et occupa le siège jusqu’en 413“. 28 Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 78. 29 Vom (zweiten) Lemma Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 253  f. ist abzusehen, es ist jünger als der Text des Protokolls.

6,  7

1 „Allgemeiner Bischof“ – episkopos katholikos 

 233

nur in den Kanones, und in keiner anderen Synode. Es handelt sich um die Kanones 1 (263)30, 6 (264), 18 (270 zweimal), 19 (271), 21 (272 zweimal, 273 zweimal). Was die Kanones von 410 beschreiben, ist eine Kirche mit einer dreistufigen Bischofshierarchie: Bischof, Metropolit31, Groß-Metropolit/Katholikos; mit den Worten Labourts32: „ une hiérarchie méthodiquement organisée appliquait par tout l’empire des règles uniformes que l’experience presque séculaire des chrétientés du monde romain avait consacrées et, pour ainsi dire, canonisées“. Es ist nicht anzunehmen, dass die Provinzialgliederung als solche etwas Neues für die Kirche des Perserreiches war; hier werden aber die Horizontalbeziehungen (Bezirksgrenzen!) und die Vertikalbeziehungen genau bestimmt. Ohne Zweifel ist darin der Einfluss des Maruta entscheidend. Während der Titel episkopos katholikos bzw. Katholikos einen Anspruch des Oberbischofs [7] ausdrückt, ist der Titel Groß-Metropolit systemisch bezogen auf die bestehende Art der kirchlichen Organisation. Man könnte sagen, dass der „allgemeine Bischof“ seinen Anspruch auf Leitung in diesem riesigen Kirchengebiet in seiner Funktion als Obermetropolit verwirklicht. In keiner der römischen Reichsdiözesen war das dreistufige Bischofssystem so deutlich ausgeprägt wie in der Diözesis Oriens, und diese war von den natürlichen Gegebenheiten her die der persischen Kirche bekannteste. Man kann vermuten, dass der Titel Groß-Metropolit von Maruta in die kanonischen Bestimmungen der Synode von 410 eingeführt worden ist; war er vielleicht in der Kirche der Diözesis Oriens für den Bischof von Antiochien in Gebrauch? Das GPL bietet leider keinen Beleg; es wäre sehr befriedigend, wenn aus der Literatur der Zeit zwischen 381 und 451 ein solcher zutage träte. In der Kirche des Ostens hat der Titel sich jedenfalls nicht durchgesetzt. Von Marutas Standpunkt aus gesehen hat der Bischof von Antiochien gegenüber seinem großen Kirchengebiet natürlich die Stellung eines Ober- oder Groß-Metropoliten. Wenn es Maruta zu verdanken ist, wie ich annehme, dass dieser systemische Titel auf den Katholikos von Seleukia-Ktesiphon angewendet wird, dann sieht auch er, ein Bischof „aus dem Gebiet der Römer“ ‚ den Inhaber dieses Thronos als einen Oberbischof im Rang des Oberbischofs von Antiochien; er teilt also die Auffassung des Protokollanten, der den antiochenischen Bischof als episkopos katholikos von Antiochien bezeichnet (s.  o.). In moderner (katholischer) ekklesiologischer Terminologie ausgedrückt ist das Verhältnis der beiden Prälaten zueinander das der Kollegialität, und zwar von beiden Seiten aus gesehen. Es besteht keine kanonische Abhängigkeit der Kirche des Ostens von der der Reichsdiözese Oriens im Sinn von Ein- oder gar Unterordnung. 30 Labourts „Table analytique de matières“ zum Synodicon Orientale (wie Anm. 5), 689a, gibt unter „Metropolitain (Grand)“ nur diese Stelle. 31 In den Kanones von 410 kann auch der Bischof von Seleukia-Ktesiphon „Metropolit“ heißen. Ich kann nicht entscheiden, ob in diesen Fällen immer rbʾ („groß“) ausgefallen ist. Auch war, streng genommen, der Bischof Metropolit seiner Kirchenprovinz. 32 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 98.

234 

 3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch

7, 8

Das schließt aber westliche Anteilnahme am Schicksal der Christen im persischen Reich und konkrete Hilfe nicht aus. So dankt der Synodaltext für das „Gedenken der Liebe zu uns“ und „die Besorgtheit der Wahrnehmung uns betreffend“33, die die spezielle kirchliche Beauftragung des Bischofs Maruta (der ja als Mitglied einer kaiserlichen Gesandtschaft nach Persien gekommen war) und seine Ausrüstung mit einem Brief an den [8] Großkönig veranlasst hatte. Die beiden Hendiadyoin sind gewiss mit größter Sorgfalt für den Ausdruck gewählt.

2 Patriarch „Die34 Worte ‚Patriarch‘ und ‚Patriarchat‘ sind griechische Worte. Glaubt man den Spezialisten, dann erscheinen diese Worte im heutigen Sinn in griechischen Texten erst nach Chalcedon (451). Man kann also nicht erwarten, sie in nicht-griechischen Texten, syrischen z.  B., vor diesem Datum zu finden. Wenn man sie findet, beweist das ohne jeden Zweifel, dass diese Texte in der Folgezeit bearbeitet worden sind, um in ihnen die seitdem definierten termini einzufügen“. Solche Bearbeitungen im Synodicon Orientale vorzufinden, dürfe nicht erstaunen bei einer Sammlung, die erst nach der Entstehung der jüngsten darin erhaltenen Bestandteile zusammengestellt worden ist (Ende des 8. Jahrhunderts). Besonders für die Synode von 424 hat man schon längst Anachronismen bemerkt. „Pour le point qui nous occupe, nous devons être intraitables et biffer le mot ‚patriarche‘ dans les textes du Synodicon partout où nous le trouverons employé au sens propre avant 451.“35 Der „Unnachgiebigkeit“ in dieser Sache schließe ich mich gerne an, das bloße „Durchstreichen“ ist freilich zu simpel, und tatsächlich verfährt Fiey beim Durchgang durch die betreffenden Texte differenzierter  – aber doch nicht differenziert genug, was den Fall des Barsauma angeht, wie wir gleich sehen werden. Für die Synode von 410 weist nur das (zweite) Lemma den anachronistischen Titel auf, und dies Lemma ist „visiblement l’œuvre du compilateur ou des copistes“.36 Die Synode von 420 ist in

33 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 256 oben übersetzt mit „l’excellence de leur charité“, was syrisch a.a.  O., 18,27 ḥwsyʾ dḥwbhwn ist; und mit „la sollicitude de leur prudence“, was syrisch a.a.  O., 18,28 ʾwkpwtʾ dpwršnhwn ist. ḥwsyʾ, „Versöhnung“ sagen die Lexika, ist der Brustschild des Hohenpriesters von Ex 25  ff. Die Bedeutung der Vokabel an dieser Stelle des Textes geht sehr schön aus Ex 28,29  f. hervor: „So soll Aaron die Namen der Söhne Israels in der Brusttasche auf seinem Herzen tragen, wenn er in das Heiligtum geht, zum gnädigen Gedenken vor dem Herrn allezeit. 30 Und du sollst in deine Brusttasche tun die Lose ‚Licht und Recht‘, so dass sie auf dem Herzen Aarons seien, wenn er hineingeht vor den Herrn, dass er die Entscheidungen für die Kinder Israels auf seinem Herzen trage vor dem Herrn allezeit“. 34 Das Folgende bis zum Ende des Abschnitts Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 77. 35 Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 77  f. 36 Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 78.

8, 9 2 Patriarch 

 235

dieser Sache unauffällig37, ganz im Gegensatz zu der von 424, wo der Titel Patriarch siebenmal vorkommt (siebenmal auch das Wort Katholikos bzw. seine Ableitungen38). In der Tat ist es die Synode von 424, die das eigentliche Problem darstellt, durchaus mit Folgerungen für die Integrität ihres Protokolls, s.  u. [9] Die Synode des Acacius von 486 kennt nur den Titel Katholikos (im Lemma)39 und episkopos katholikos (im Eingang des Protokolls und in der Unterschriftenliste am Schluss). Fiey spricht dann von den „Akten“ der Synode des (Metropoliten) Barsauma von 48440, wo der Titel Patriarch nicht vorkomme. Fieys Stellenangabe für diese „Akten“41 betrifft jedoch nicht die Akten, sondern die Mitteilung des Kompilators, dass und warum er diese Akten nicht in seine Sammlung aufgenommen habe: Barsauma und seine Mitsynodalen haben diese Akten widerrufen und damit ungültig gemacht. In dieser Mitteilung des Kompilators wird Acacius „Katholikos Patriarch“ genannt, und es ist die Rede von der „patriarchalen“ Provinz von SeleukiaKtesiphon. Den Hinweis des Kompilators auf den Aufbewahrungsort der Texte, das Archiv des „Patriarchats“42, verdankt man dem Übersetzer Chabot, denn im Syrischen heißt es „Archiv des Katholikos“43. Geht „Patriarch“ etc. auf die Gewohnheit des späteren Kompilators zurück, so zeigt Chabots Übersetzungsversehen (wir haben oben schon einmal eine analoge Verwechslung gefunden44), wie leicht die Titel und ihre Derivate austauschbar waren, nachdem sie einmal beide nebeneinander in Übung waren. Angesichts der Synode von 486 ist der Befund in den Briefen des Barsauma45 überraschend; man liest hier beide Titel für den Katholikos Acacius, und Fiey neigt dazu, dies als eine Änderung durch die Überlieferung zu betrachten. Ich selber würde ihm gerne folgen, nur sprechen inhaltliche Gründe dagegen: Barsauma arbeitet nicht nur mit dem Konzept der Väterlichkeit des Oberbischofs, wozu ihm der Patriarchen-

37 Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 78. Freilich ist zweimal von der „paternité“ des Katholikos die Rede, Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 277, übrigens auch einmal im Protokoll von 410, ibid., 265. „Vater“ war eine ganz übliche Anrede für einen Bischof. Das Abstraktum assoziiert sich später gerne dem Patriarchentitel. 38 Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 78. „Katholikat“ im Lemma Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 43/285 und 45,6/288 im Text. 39 Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 79. Über Barsauma und seine Synoden s. S.  Gero, Barṣauma of Nisibis and Persian Christianity in the fifth century, CSCO 426, Subs. 63, 1981 und meinen Abschnitt in Grillmeier/Hainthaler, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 2/6 (noch nicht erschienen). 40 Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 79. 41 Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 79 Anm. 64, Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 308–309. 42 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 309 oben. 43 Syrisch Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 61,18. 44 S. oben Abschnitt I, Anm. 25. Cf. auch Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 535 Anm. 1: „ élu Acacius comme patriarche “, wo es korrekt heißen muss „catholicos“. 45 Über die Überlieferung dieser Briefe in zwei Gruppen s. Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 531 und die Schreibernotiz, a.a.  O., 539 mit Chabots Anm. 2.

236 

 3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch

9, 10

titel ein Anlass sein konnte, vor allem aber, und das ist entscheidend, benutzt er die Anrede „Vater der Väter“, die eine Umschreibung für „Patriarch“ ist. Ich denke nicht, dass ein Kopist, der gewohnheitsmäßig „Katholikos“ und „Patriarch“, weil austauschbar, nebeneinander gebraucht, den umschreibenden Titel ebenfalls mechanisch benutzt hätte. Ich stelle den Befund bei Bar[10]sauma zusammen (ist es nur mein Eindruck, dass die Anrede „o Vater“ eine besondere Rolle spielt?): Erster Brief des Barsauma (Synodicon Orientale, 531  f.), verfasst im Namen einer Gruppe von Bischöfen um Barsauma an eine andere, kleinere Gruppe von Bischöfen. Beginn: „Après que j’eus souscrit à la sentence auprès de Notre Père Mar Acacius, patriarche “ Zweiter Brief (Synodicon Orientale, 532–534), Adresse und Absender: „Au vénérable ami de Dieu Mar Acacius, patriarche; – Ton affectionné (der dich liebende) Bar Çauma: Paix en Notre-Seigneur“. Schluss: „ maintenant, nous sommes pour toujours les disciples et les sujets du siège de Votre Paternité. – Porte-toi bien en Notre-Seigneur et prie pour nous“. Dritter Brief (Synodicon Orientale, 534–536), Adresse und Absender: „Au venerable ami de Dieu, Mar Acacius, patriarche; – Ton affectionné Bar Çauma: Paix en Notre-Seigneur“. Im Eingang: „ ô vénérable et saint Père des pères, Mar Acacius, archévêque, patriarche ô père miséricordieux.“; S. 535: „Votre Paternité“ dreimal; Schluss S. 536: „Ayez un souvenir dans vos prières de la nuit et du jour, ô notre Père honoré et choisi de Dieu “. Vierter Brief (Synodicon Orientale, 536  f.), Adresse und Absender: „Au vertueux et saint ami du Christ notre Père Mar Acacius, évêque et46 catholicos; – Ton affectionné Bar Çauma: paix en Notre-Seigneur“. Am Schluss: „ et prie pour nous, ô notre Père“. (Fünfter) Brief (Synodicon Orientale, 538), Lemma: „Nous écrivons la lettre de Bar Çauma, métropolitain de Nisibe, à Mar Acacius, catholicos“. Adresse und Absender: „Au vénérable saint et ami de Dieu, notre Père Mar Acacius, évêque et catholicos; – Ton affectionné Bar Çauma: Paix en Notre-Seigneur“. Beginn: „Nous avons prouvé de tout temps à Ta Paternité l’accord de notre esprit “.

46 So noch einmal in der Adresse des (5.) Briefes, s. weiter unten; einmal auch im corpus des 1. Briefes, Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 532. Dies „und“ scheint meine Korrektur an Chabots Komma zwischen „évêque“ und „catholicos“ aufzuheben. Doch begegnet die Konjunktion „und“ zwischen den heiden Titelbestandteilen innerhalb der Edition des Synodicon Orientale nur in diesen Briefen. Die Einfügung muss aus einer Zeit stammen, als der vollständige Titel „episkopos katholikos“ nicht mehr benutzt wurde und Katholikos nur noch als Nomen verstanden wurde. An dieser Kleinigkeit wirkt sich die Sonderüberlieferung der Briefe aus.

10, 11 2 Patriarch 

 237

(Sechster) Brief (Synodicon Orientale, 538  f.), Lemma: „Du même Mar Bar Çauma à Mar Acacius, catholicos, patriarche“. Adresse und Absender: „Au vénérable et saint ami du Christ Mar Acacius, évêque, patriarche; – Ton affectionné Bar Çauma: Paix en Notre-Seigneur“. [11] Schluss: „Prie pour nous, ô notre Père, et ne te souviens plus de nos aberrations“. Diese Schlussbitte ist ganz wörtlich zu nehmen, wenn man sich an Barsaumas Synodalveranstaltung in Beit Lapat erinnert. Hier findet man den Schlüssel für die von Barsauma angewendete, in seiner Kirche bisher nicht übliche, überschwengliche Titulatur: es sind ebensoviele captationes benevolentiae. Die jedes Mal wiederholte Beteuerung seiner Zuneigung zum Katholikos gehört in denselben Stilbereich. Man kann sich leicht vorstellen, dass der Katholikos Acacius (485–495/6) und sein Nachfolger Babai (497–502/3) keine Neigung verspürten, einen Titel in den kirchlichen Gebrauch zu übernehmen, den der Rebell Barsauma aus allzu durchsichtigen Gründen der üblichen Titulatur hinzugefügt hatte. Der Versuch als solcher setzt aber voraus, dass „Patriarch“ inzwischen in der Kirche des römischen Reiches für einen Oberbischof geläufig war. In der Actio III des Konzils von Chalcedon 451 apostrophierten die kaiserlichen Kommissare „die sehr ehrwürdigen Patriarchen jeder Diözese“, οἱ ὁσιώτατοι πατριάρχαι διοικήσεως ἑκάστης47, wobei „Diözese“ ein Terminus der staatlichen Gliederung ist. Für unsere Fragestellung wäre es interessant, den Titel Patriarch auf den Bischof von Antiochien angewendet zu sehen, und zwar noch im 5. Jahrhundert. Mit der Affäre des Barsauma befinden wir uns zeitlich nicht nur im Streit um das Trishagion, sondern auch zu Beginn des Acacianischen Schismas (484–518) zwischen Rom und Konstantinopel. Dazu gibt es die Darstellung des Ablaufs von Eduard Schwartz (1934)48, die auch eine Urkundenliste enthält49. Schwartz selber verwendet durchgängig „Patriarch“ für die Oberbischöfe. Eine der Quellensammlungen zum Schisma ist die von Otto Guenther 1908 in CSEL 35,1.2 edierte Collectio Avellana50 („Epistulae imperatorum pontificum aliorum“), deren Texte von 367 bis 553 reichen. Eine generelle Feststellung ist mit Hilfe von Guenthers Indices rasch zu treffen: die päpstliche Kanzlei in Rom verwendet die patriarchale Nomenklatur überhaupt nicht, weder für den eigenen Sitz, noch für die gleichrangigen Sitze im Osten des Reiches. Das ist zu beachten für die Oberbischöfe von Antiochien in römischer Titulierung.

47 ACO II, p. 78,26. – Dies ist die Stelle, auf die sich Fiey bezieht, wenn er Chalcedon zur Wasserscheide für den speziellen Gebrauch des Titels Patriarch für den Oberbischof macht. 48 E.  Schwartz, Publizistische Sammlungen zum Acacianischen Schisma, ABAW Phil. hist. Kl. NF 10, 1934. 49 Schwartz, Acacianisches Schisma (wie Anm. 48), 161–170. 50 So immer von Schwartz bezeichnet, weil der vom Editor Guenther gewählte Titel zum Zitieren zu umständlich und unspezifisch ist.

238 

 3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch

11–13

Umgekehrt jedoch wird in den Schreiben anderer nach Rom der römische Bischof, der papa, [12] (wie längst üblich) als Patriarch und/oder als pater patrum adressiert51; pater patrum ist ja nichts anderes als eine erläuternde Übertragung von patriarcha („Vater der Väter“ als Übertragung von „Patriarch“ auch bei Barsauma, s.  o.). Das älteste Beispiel in der Coll. Avellana ist wohl Brief Nr. 80, ein Schreiben der Bischöfe von Dardanien (einer balkanischen Provinz) an Gelasius (der sich selbst in Nr. 79 schlicht als episcopus bezeichnet) vom Jahr 494: „Domino sancto apostolico et beatissimo patri patrum Gelasio papae urbis Romae humiles episcopi Dardaniae“52 – so in der Adresse, ein paar Zeilen weiter auch in der Anrede: pater patrum53; im übrigen hält man sich an das genuin römische Vokabular der apostolica sedes (s. auch schon die Adresse). Sonst heißt in der Coll. Avellana nur noch der Bischof von Konstantinopel „Patriarch“ und kein einziger der Bischöfe von Antiochien. Für den Chalcedonenser Kalandion (Calendion in Guenthers Index), Bischof von 481/2–485 (vertrieben durch Petrus Fullo, der damit zum dritten Mal in Antiochien Bischof wurde), erklärt sich das aus der Tatsache, dass er ausschließlich in den römischen Schreiben erwähnt wird (gelegentlich mit dem Epitheton sanctus oder catholicus54), meist im Zusammenhang seiner Vertreibung durch Petrus. Nach der Wahl des Kalandion bezeichnet ihn Simplicius von Rom in einem Brief nach Konstantinopel von 482 (Coll. Avell. Nr. 69), also noch vor Ausbruch des Acacianischen Schismas, als „frater et coepiscopus noster“ und „antistes tantae urbis“, den man in „consortium nostrum“ aufnehme55. Vierzehn Jahre später, 496, spricht Gelasius von Rom in einem sehr langen Schreiben an die dardanischen Bischöfe (Coll. Avell. Nr. 95) von Kalandion als tertiae sedis episcopus, dessen Absetzung und Substitution durch den „offenbaren Häretiker“ Petrus (Fullo) Acacius zugelassen habe56. Wie es die Bischöfe von Antiochien um diese Zeit selbst mit dem Titel Patriarch hielten, dafür gibt es einen Beleg für denselben Petrus Fullo in der Kirchengeschichte des Zacharias Rhetor, V 10. Es handelt sich um den [13] Brief einer antiochenischen

51 Zum Thema siehe jüngst Th. Hainthaler, Einige Überlegungen zum Titel ‚Patriarch des Westens‘, in: Th. Hainthaler/F.  Mali/G.  Emmenegger (Hrsgg.), Einheit und Katholizität der Kirche, Innsbruck/Wien 2009. 52 CSEL 35,1; 223,12  f. 53 Zeile 18. In Guenthers so vorzüglichem Index fehlen versehentlich die beiden Belegstellen, 223,12  f. 18 für pater patrum. Ohne Schwartzens Inhaltsangabe und Teiledition von Cod. Berol. 79 in Schwartz, Acacianisches Schisma (wie Anm. 48), 61  ff. hätte ich die charakteristische Anrede nicht gefunden. In seiner Analyse des Cod. Berol. 79 zitiert Schwartz den Ausdruck, 106 im Lemma der Nr. 40 („patri patrum“), verweist für den Text aber auf Coll. Avellana Nr. 80. 54 „Catholicus“ heißt hier natürlich „rechtgläubig“ im Sinne von chalcedonensisch. 55 CSEL 35,1; 155,1–4. 56 CSEL 35,1: 384,1–13.

13, 14 2 Patriarch 

 239

Synode von 485 unter dem Bischof Petrus an Petrus (Mongus) von Alexandrien57; darin heißt es58: Als wir zusammenkamen und mit dem der göttlichen Liebe Geschuldeten von unserm gläubigen Vater, dem Patriarchen Petrus, empfangen wurden, der uns deutlich Freundlichkeit und Leutseligkeit zeigte, da hielten wir in Allem Eintracht mit ihm, und er mit uns, und wir waren (miteinander) verbunden im Dienst des Geistes 59. Im gleichen Brief wird zu Anfang Petrus von Alexandrien als Erzbischof60 bezeichnet und ebenso später Acacius von Konstantinopel61. Man wird nicht annehmen, dass Vorgänger oder Nachfolger des antiochenischen Petrus sich mit einem geringeren Titel begnügten. Jedenfalls liegt damit ein antiochenisches Vorbild für den schmeichelhaften Gebrauch des Patriarchentitels durch Barsauma für seinen Katholikos vor. Das Protokoll der Synode des Katholikos Babai von 497 erfordert ebenfalls eine nähere Betrachtung, weil hier der Titel Patriarch öfter zu finden ist, als es nach einer Bemerkung von Fiey62 scheinen könnte, aber interessanterweise nicht an jenen Stellen, wo der topos der Väterlichkeit verwendet wird oder wo speziell von der Anerkennung der Person Babais in ihrem Amt die Rede ist. Auch kann nach dem oben Gesagten hier Anachronismus nicht als absolutes Ausschlusskriterium dienen. Nach der Teilnehmerliste innerhalb des Protokolls (eine anders angeordnete und nicht ganz identische ist dem Protokoll vorangestellt63) lesen [14] wir: „Wir haben uns 57 Der Brief ist Nr. 64 in der Urkundenliste von Schwartz, Acacianisches Schisma (wie Anm. 48), 165  f.: „Schreiben einer vom Kaiser“ (= Zeno) „nach Antiochien berufenen Synode der Bischöfe der antiochenischen Diözese über den neueingesetzten Patriarchen Petrus (den Walker) und die Annahme des Henotikon an Petrus Mongos “. Im „Lexikon der antiken christlichen Literatur“ (in der Ausgabe von 1998 und allen folgenden) scheint ein Unglück mit dem Stichwort „Zacharias Rhetor“ passiert zu sein, was die Kirchengeschichte betrifft. Man liest: „Sie stützt sich nicht auf Dokumente, sondern gibt ausschließlich persönliche Erlebnisse des Z. wieder“! Das Gegenteil ist der Fall, wie schon unser Brief zeigt; zu den Dokumenten gehört auch das Henotikon. 58 Ed. E.  W. Brooks, CSCO 83 (Syr. 38) textus; 234,14–19; 87 (41) versio; 162,2–6. Die folgende deutsche Übersetzung ist die von K.  Ahrens und G.  Krüger (von mir stark überarbeitet), Die sogenannte Kirchengeschichte des Zacharias Rhetor, Leipzig 1899, 81. Brooks hat außer einer Liste bemerkenswerter syrischer Wörter keinerlei Indices, der deutsche Band dagegen hat 95 Seiten Anmerkungen, die Brooks als doctissimae bezeichnet, dazu verschiedene andere Hilfsmittel, u.  a. ein Namensverzeichnis. Mit dessen Hilfe stellt man fest, dass Petrus Fullo nur an dieser Stelle Patriarch genannt wird. 59 Das heißt doch wohl, dass man einen Gottesdienst zusammen feierte. 60 Ahrens/Krüger, Kirchengeschichte (wie Anm. 58): „Oberbischof“. 61 Also noch keine automatische Verwendung des Titels Patriarch! 62 Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 80 Anm. 69, dazu s. noch einmal unten. 63 Dazu kommt noch die Liste der Unterschriften. Chabot, Synodicon (wie Anm.  5), 310 Anm.  3 macht auf die Differenzen zwischen den Listen aufmerksam und verweist auf die Behandlung des Problems in einem seiner Anhänge. Das ist Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 620  f., Note II, wo er fast alle Schwierigkeiten löst. Im „Atlas zur Kirchenge[14]schichte“ von Jedin/Latourette/Martin, Freiburg 1970, gibt Karte 10 A die Bistümer der „persischen Kirche im Jahr 497“ an (Autoren: J.-M.  Fiey/J.  Martin; 16*); in der Legende hieße es besser „Sitz des Katholikos“ statt „des Patriarchen“. „Im Jahr 497

240 

 3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch

14, 15

aber alle versammelt in gutem Willen und in Liebe zur Ehre und um zu grüßen unsern Vater, den verehrten Mar Babai, Katholikos“64. „Er hat uns mit Liebe empfangen als Brüder und Glieder dieser väterlichen Herrschaft (ršnwtʾ)“65 – wahrscheinlich sollte man in Gedanken ergänzen: „des Katholikos von Seleukia-Ktesiphon“. Anlass für die Versammlung war ein Edikt des Großkönigs Zamasp, das eine Heiratsverfügung für den gesamten Klerus verlangte66. So beschließt man eine entsprechende Reform, sie gilt vom „Patriarchen bis zum untersten im Bund“, d.  h. im Klerus. Hinsichtlich „nur dieses Punktes“ akzeptiere man die Synode von Beit Lapat (das ist die des Barsauma von 484)67, man akzeptiert die Abmachung von Beit ʿEdrai (zwischen dem Katholikos Acacius und Barsauma), die Synode des Acacius und den wahren Glauben. Die gegenseitigen Anathemata und Interdikte zwischen Acacius und Barsauma und ihren Anhängern in den Jahren von 491 bis 497 werden annulliert, die Schriftstücke müssen zerrissen werden, niemand darf sie aufbewahren68. Soweit die Aufarbeitung der Vergangenheit. „Maintenant et desormais“ (wmkyl wlhl Synodicon Orientale, 64,3/313,4 „und von jetzt an“) beteuert man die Loyalität gegenüber Babai, dem „episkopos katholikos69, Haupt, Regierer, Befehlenden und Vollmächtigen“ – der Titel „Patriarch“ ist in dieser Reihe nicht enthalten. Wenn Ba[15]bai ihn hätte führen wollen, dann hätte er in dieser Reihung aufgezählt werden können, neben all den Vokabeln des Verwalten und Regierens (siehe auch schon oben). Der natürliche Übergang von der unerfreulichen Vergangenheit zu den guten Vorsätzen des „Jetzt“ wird unterbrochen durch einen Abschnitt (Synodicon Orientale, 64,1–3/313,1–3), der sich viel allgemeiner äußert:

fand eine gutbesuchte Synode statt, deren Akten uns erhalten sind. Aufgenommen wurden aber nicht nur die Bistümer, die in diesen Akten genannt sind, sondern auch die, die zwar nicht 497, aber vorher und nachher auf Synoden bezeugt sind.“ (p. 16*). 64 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 311. Hier hätte sich „Patriarch“ gut anfügen lassen, wenn es dem Katholikos darauf angekommen wäre. Ein ähnlicher Fall etwas weiter unten. 65 Ich habe an dieser Stelle (Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 63,9) die syrische Vokabel mit dem starken Synonym „Herrschaft“ übersetzt, weil man am „Vorrang“, was ich im Folgenden bevorzuge, ja nicht gut als Bruder teilhaben kann. 66 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 312. Dazu s. S.  Gerö, Die antiasketische Bewegung im persischen Christentum – Einfluss zoroastrischer Ethik?, in: III.  Symposium Syriacum 1980, OCA 221, 1983, 187–191, dort, S. 190  f. zum Edikt des Zamasp, der „den orthodoxen Zoroastrismus gegen die Häresie der Mazdakiten verteidigte“. Diese waren für eine Frauengemeinschaft eingetreten. „Es gibt Indizien dafür, dass die persischen Christen die Unterdrückung dieser Sekte unterstützten“. „Konvergenz der Interessen“, aber kein zoroastrischer „Einfluss“. 67 Die Exzerpte des Ebedjesus mit den Heiratsbestimmungen der Synode von Beit Lapat bei Chabot wiedergegeben und übersetzt, siehe Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 623–625. 68 Dazu s. auch Gero, Barṣauma of Nisibis (wie Anm. 39), 53–59 über den möglichen Hintergrund jener Auseinandersetzungen. 69 Chabot übersetzt, seiner Gewohnheit folgend: „évêque, comme catholicos“.

15, 16 2 Patriarch 

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„Wir stimmen aber auch mit den korrekten Gesetzen überein, die auf Synoden von den früheren Vätern festgelegt wurden, die zu Recht die Ehre und den Vorrang (ršnwtʾ) dieses apostolischen Sitzes der großen Kirche von Kōkē rechtfertigen“70. Als Anschluss an das Vorangegangene stört das zunächst nicht, aber es stört nun der zeitliche Neueinsatz mit „und von jetzt an“. Dies spricht dafür, dass es sich bei diesen wenigen Zeilen um einen Einschub handelt (wie üblich macht er sich erst an seinem Ende bemerkbar); zum formalen Gesichtspunkt kommt der inhaltliche: vorgetragen wird ein Teil der patriarchalen Topik (die Bindung an die – große – Kirche von Kōkē und die Apostolizität des Thronos von Seleukia), wie sie Mar Aba entwickeln wird, aber auch hier erscheint weder „patriarchal“ oder „Patriarch“. Auf die Loyalitätserklärung gegenüber Babai folgt (als dritter Abschnitt Synodicon Orientale, 313) eine Reihe von Maßnahmen gegen den, der sich „gegen diesen Vorrang und diesen Sitz der Väter“ stellen und sich „vom Leib seiner Brüder, der Bischöfe des ganzen Ostens trennen“ will: zunächst Ermahnung durch die Brüder; wenn das nicht hilft, gilt die Gemeinschaft mit ihm als aufgehoben, es sei denn, er käme zum Patriarchen und stimme dem jetzt Beschlossenen schriftlich zu wie ein (guter) Schüler (oder: Jünger). Darauf werden zwei Anordnungen über die reguläre Frequenz von Synoden gegeben (Synodicon Orientale, 313, untere Hälfte): a) Provinzialsynoden haben zweimal im Jahr stattzufinden; aber b) Synoden der Gesamtkirche nicht alle zwei Jahre beim Patriarchen nach bisheriger Vorschrift, sondern alle vier Jahre, es sei denn, ein dringendes Problem veranlasse den Patriarchen zur Einberufung einer Versammlung. Unbegründetes Fernbleiben ist nicht gestattet. Zwei Fälle solchen Fernbleibens werden verurteilt. a) Der Bischof Papa von Beit Lapat hat dem „orthodoxen Glauben“ zuzustimmen (also war er wohl radikaler Kyrillianer)71; schon einmal hatte eine Synode ihn unter [16] Anathem gestellt, damit war er abgesetzt72. b) Der zweite Fall ist der des Metropoliten der Persis73, dem eine Frist gesetzt wird, um zu „unserm Vater, Mar Babai, Katholikos“ zu kommen, dass er ihn begrüße und verehre; wenn er das nicht tut und sich dem Katholikos nicht anschließt, ist die Gemeinschaft mit ihm aufgehoben und er wird abgesetzt. Dieser Bischof war 70 Hierzu merkt Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 313 Anm. 1 an: „Allusion à l’interdiction d’en appeler de la sentence du patriarche à celui d’Antioche. Cf. ci-dessus, p. 296“, – das meint die Synode von 424. Selbst wenn die betreffenden Aussagen von 424 echt wären, stellt doch unsere Passage keine solche Anspielung dar; sie betrifft vielmehr den Primat innerhalb der persischen Kirche. 71 Man denke an den Einfluss des Philoxenus zu dieser Zeit. So auch Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 157. 72 Unter den Unterzeichnern unserer Synode von 497 steht an zweiter Stelle der Diakon der Kirche von Beit Lapat, Metropole des Beit Ḥuzaye, im Auftrag seines Metropoliten Marwei. 73 Wogegen selbst der Bischof des weit entfernten Merw (heute im Süden Turkmenistans) vielleicht anwesend war, Nr. 13 der Unterschriftenliste; freilich fehlt er in der Teilnehmerliste des Protokolls, möglicherweise hat er wie andere nachträglich unterschrieben. Jedenfalls lässt er es nicht an Anerkennung mangeln.

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 3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch

16, 17

also nicht bereit, den Vorrang des Bischofs von Seleukia-Ktesiphon als episkopos katholikos anzuerkennen. Nach einer allgemeinen Zustimmungserklärung (Synodicon Orientale, 314 unten) zu dem bis hierher Niedergeschriebenen folgt (314  f.) eine Regelung über die Gültigkeit von Bischofswahlen aus der Zeit des Streits (nämlich zwischen Barsauma und Acacius), sofern sie nach den kanonischen Regeln erfolgt sind und nicht jemand die Zustände ausgenutzt hat, um das Amt irregulär an sich zu reißen. Das Synodalprotokoll wird an erster Stelle nicht vom Katholikos unterzeichnet, sondern von seinem Archidiakon Šila (gewiss der Verfasser des Protokolls)74, in dieser Unterschrift heißt Babai einmal „episkopos katholikos des Ostens“ und einmal „Katholikos“. Bei der Unterschrift an 11. Stelle, wo zwei Priester den Bischof Šila von Hormizd-Ardasir vertreten, wird die Zustimmung zur Synode des Babai, Patriarch des Ostens, erklärt. Das ist der einzige Fall im ganzen Protokoll, wo dieser Titel einem der Katholikoi namentlich zugeordnet wird, sonst heißen sowohl Acacius wie Babai mit ihrem Oberbischofstitel immer Katholikos. In der oben schon erwähnten Anmerkung nennt Fiey75 die Synode von 497 als eventuell früheste Möglichkeit einer Verwendung des Titels „Patriarch“ für den Katholikos. Er findet den Titel nur an einer Stelle (Synodicon Orientale, 313), „dans la citation d’un canon qui était encore en vigueur au temps du compilateur et dont le texte semble bien avoir été mis à jour. Partout ailleurs le titre de catholicos est seul employé“. Mein obiges Referat zeigt, dass Fieys Beobachtung erheblich zu revidieren ist. Der von Fiey erwähnte Kanon ist die Vorschrift über die Frequenz der Gesamtsynoden (Synodicon Orientale, 313 unten). Sicher hat Fiey Recht mit seiner Annahme, dass die Verwendung des Titels Patriarch im Protokoll [17] dieser Synode aus späterer Gewohnheit erfolgt76. Doch ist „Patriarch“ wohl nicht einfach zu streichen, sondern eher durch „Katholikos“ zu ersetzen. Eine andere Art von Eingriff stellt der von mir oben gekennzeichnete Einschub dar, er stammt gewiss von jener Hand, die in zwei Fällen in den Kanones der Synode von 410 die Bindung des Primats an die Kirche von Kōkē glossierend einfügte. Fiey veranstaltet eine „Gegenprobe“ für seine Folgerung, dass der Titel „Patriarch“ bei seinem Auftreten in den syrischen Synodalakten vor dem Ende des 5. Jahrhunderts, „et a fortiori en 424“, als Interpolation zu betrachten sei. Die Gegenprobe lautet77: „Supposons que le siège de Séleucie-Ctésiphon soit devenu ‚patriarcal‘ en 424; puisqu’en 451 l’Église de Perse n’était pas encore devenue nestorienne et n’était donc pas séparée de l’Église universelle, on aurait trouvé des traces de cette décision 74 Seinem späteren Nachfolger, Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 315 Anm. 1. 75 Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 80 Anm. 69. 76 Vermutlich hat man bei der späteren Veränderung der Heiratsvorschriften das Protokoll von 497 zur Hand genommen und abgeschrieben und bei dieser Gelegenheit die Titulatur recht beiläufig aktualisiert. 77 Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 80 Anm. 79.

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3 Mar Aba 

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dans les actes du concile de Chalcédoine, ne serait-ce que dans le fameux canon 28 qui consacre la pentarchie de Rome, Constantinople, Alexandrie, Jérusalem et Antioche“. Aber der „berühmte 28. Kanon“ von 451 hat die Funktion, den Bischof von Konstantinopel als Bischof des „neuen Rom“ mit einem genau umrissenen ObermetropolieBereich zu versehen (nämlich mit dem Gebiet der Reichsdiözesen Thrakien, Pontus, Asien, also einem Gebiet von enormer Ausdehnung); zu Beginn gibt der Kanon eine Begründung für den romgleichen Rang von Konstantinopel, der in c. 3 von 381 (auf den man sich bezieht) ja nur einfach statuiert worden war78. Die übrigen Mitglieder dessen, was später Pentarchie genannt wird, werden in c. 28 gar nicht erwähnt. Der Grundfehler des kleinen Abschnitts bei Fiey ist jedoch, dass er den Charakter eines kaiserlichen oder Reichskonzils, wie ihn die Synode von 451 hat, verkennt; sie konnte Beschlüsse nur für die Oikumene des römischen Reichs fassen.

[18] 3 Mar Aba „En fait il semble que ce ne soit qu’à partir de Mār Ābā, en 544, que les deux titres de catholicos et de patriarche aient été employés équivalemment dans les synodes“79. Und das war eine Zeit, in der im römischen Reich der Titel Patriarch für den Oberbischof kirchlich und staatlich allgemein gebräuchlich war, wie die Novellen Justinians und die Konzilsakten bezeugen, speziell auch für Antiochien und den in diesen Jahrzehnten chalcedonensischen Inhaber dieses Stuhls, Ephraem (527–545)80. Das von Fiey angegebene Datum 544 kann noch auf das Jahr 540 zurückgeschoben werden, in dem Aba81 zum Katholikos gewählt wurde und gleich darauf seinen Visitationszug durch die Kirche des persischen Reichs begann, um die Folgen der Doppelwahl von 52482 zu beseitigen, wofür die Amtszeit seines unmittelbaren Vorgängers Paul im Jahr 78 Der romgleiche Rang und seine Begründung erregten bekanntlich den größten Anstoß in Rom, der Streit darüber zwischen „altem“ und „neuem“ Rom macht die Berühmtheit des c. 28 aus. Ein Beispiel aus dem acacianischen Streit ist der oben erwähnte Brief des römischen Bischofs Gelasius, Coll. Avellana Nr. 95, an die Bischöfe der Provinz Dardania, in dem der Römer spottet (CSEL 35,1; 387,16–19): „Risimus autem, quod praerogativam volunt Acacio comparari, quia episcopus fuerit regiae civitatis. numquid apud Ravennam, apud Mediolanum, apud Sirmium, apud Triveros multis temporibus non constitit imperator?“ Cf. im c. 28: „ primatum reddimus iuniori Romae ut qui regno et senato honorificatur civitas secundam post eam (sc. magnam Romam) esse censemus.“ Zum Problem s.  a. de Halleux, Les deux Rome dans la définition de Chalcédoine sur les prérogatives du siège de Constantinople, in: Mémoire Mgr. Maxime de Sardes (Genf) =  Patrologie et Œcuménisme, Leuven 1990, 504–519 mit der ihn auszeichnenden Souveränität. 79 Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 80. 80 Freundlicher Hinweis von Th. Hainthaler. 81 „Mar“ bei Aba ist der Titel „Herr“, der jedem Bischof und a fortiori jedem Katholikos zusteht. Im Fall des Aba hat man sich angewöhnt, ihn als Namensbestandteil zu behandeln. 82 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 159–167 über Šila (505–523), den Nachfolger des Katholikos Babai, und über die danach einsetzenden Wirren nach der Doppelwahl von 524 und die Zustände bis 539.

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539 viel zu kurz gewesen war. Mit der Wahl Pauls hatte die „Zweiheit83 des Katholikats“ aufgehört. So eindeutig es ist, dass sich Mar Aba selber mit dem Titel Patriarch bezeichnet, so unsicher bleibt, ob sein Vorgänger Paul schon mit ihm ausgestattet war. Es ist gewiss kein Zufall, dass der Titel jetzt, nach Beseitigung des Schismas, in Gebrauch kommt; denn die Gewinner der Doppelwahl von 524 haben beide sich als Katholikos betrachtet und so benannt. Damit konnte dieser Titel als leicht kompromittiert betrachtet werden und also Verstärkung84 sehr wohl gebrauchen – alles, was den Primat und die Vollmacht des Bischofs von Seleukia-Ktesiphon unterstützen konnte, wurde herangezogen85. Es besteht vielleicht eine Analogie zur vermuteten Einführung des Titels Katholikos nach der langen Verfolgungszeit des 4. Jahrhunderts: es wird nach Zeiten des Niedergangs ein Titel gewählt, der den Bischof der Hauptstadt vor allen anderen Bischöfen seiner Kirche auszeichnet: episkopos katholikos steht für den Anspruch, dem „Ganzen“ vorzustehen, „Patriarch“ verleiht eine entrückende Würde von „Alter“ sowohl im geistlichen wie im dienstlichen Sinn und enthält zugleich das emotiona[19]le Element der Väterlichkeit86 (von dem schon Barsauma Gebrauch machte). Die Betonung des obersten Amtes in seiner Bedeutung für die Wiederherstellung und den Erhalt der Einheit der Kirche wurde zu einer geradezu verzweifelten Notwendigkeit, nachdem Mar Aba von den Vertretern der persischen Religion angeklagt und in ein fernes Exil nach Azerbeidjan verbannt worden war, von wo aus er seine kaum reformierte Kirche zusammenhalten musste. Dies gelang immerhin soweit, dass sich kein Gegen-Katholikos/Patriarch erhob. Freilich spricht sein Nachfolger Josef im Protokoll der Synode von 554 von den Schwierigkeiten, die während der jahrelangen Gefangenschaft seines Vorgängers herrschten87: „Cela avait permis à certains turbateurs et corrupteurs d’accomplir le dessein de leur malice, de troubler l’ordre convenable, de fouler aux pieds les canons ecclésiastiques et de mépriser les préceptes divins, de semer la zizanie, c’est-à-dire les troubles et les divisions, et de susciter des revoltes“. Im Folgenden durchmustere ich Mar Abas Synodaltexte in der Anordnung, wie sie Chabot im Synodicon Orientale abgedruckt hat, d.  h. verteilt auf Hauptteil und Anhang, obwohl ich mit dieser Verteilung nicht einverstanden bin. Die Zusammenstellung der „kirchlichen Schriften“ Mar Abas wurde im Januar 544 vorgenommen88, „nachdem der Erzbischof, Patriarch, sich im Kampf für den

83 So der von Mar Aba durchgängig benutzte Ausdruck. 84 Man gab ja den älteren Titel nicht auf, sondern wertete ihn auf. 85 Erinnerte man sich noch an Barsaumas schmeichlerische Verwendung des Titels? 86 Dieser Gesichtspunkt ist auch J.  Habbi wichtig in seinem Beitrag: La structure patriarcale de l’église in: R.  Coppola (ed.), Incontro fra canoni d’Oriente e d’Occidente, Bari 1994, 157–82. 87 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 353. 88 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 318.

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3 Mar Aba 

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Namen Christi und die Kanones der heiligen Kirche eingesetzt hatte und er wegen dieses Kampfes ins Exil verschickt wurde, um der Wahrheit willen“89. Es werden sechs Dokumente aufgezählt90. Die Vorrede 20] zu dieser Sammlung gibt die promulgie89 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 319. 90 Der Titel von Nr.  1 enthält zwei Wörter offensichtlich griechischen Ursprungs, deren Originalschreibung und Bedeutung nicht leicht zu eruieren sind. Der Titel wird zweimal gegeben, in zwei verschiedenen Formen, dazu ist die Schreibung des längeren der beiden Wörter nicht ganz identisch. In der Liste der Dokumente hat Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 319 „le synode orthodoxe des réformes provinciales“; die letzten beiden Worte übersetzen, 69,17 prksymsṭyʾ hgmwnqyʾ. Die Überschrift des Dokuments in Chabots Übersetzung, 320: „Pragmatique des réformes provinciales“ für syrisch, 69,24 prsymysṭyqw dtwrṣʾ hgmwnyqyʾ. Im ersten der syrischen Wörter fehlt in der Form, wie die Liste es schreibt, im Vergleich zur Überschrift ein qof, umgekehrt fehlt in der Überschrift im Vergleich zur Liste ein kaf. Schreibfehler in der Quelle? Druckfehler? Beginnen wir mit dem zweiten bzw. dritten der beiden Wörter, mit hgmwnqyʾ (oder hgmwnyqyʾ). Darin ist ohne weiteres das griechische Adjektiv ἡγεμονικός zu erkennen, s. auch Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 319 Anm. 2. Aber als syrisches Lehnwort erscheint das Adjektiv lexikographisch erst in Mrs. Margoliouths Supplementum (1927) zum Thesaurus Syr. Sie gibt zwei Belege an und zwei Bedeutungen. Der erste Beleg [20] stammt aus einer Hs. philosophischen Inhalts, sie übersetzt mit „authoritative“; der zweite Beleg sind unsere beiden Stellen (für den Thesaurus selbst stand die Edition des Synodicon Orientale noch nicht zur Verfügung), hierfür wird Chabots Übersetzung „provincial“ übernommen und dies als kirchlicher Gebrauch klassifiziert („Eccles.“). Das schwierige prks// bzw. prs// erscheint im Thesaurus (col. 3265), geschrieben in der plenioren Form (mit 3 yod) und mit dem kaf nach den Anfangsbuchstaben pr; die Übersetzung „libri correctionum imperialium“ gibt natürlich auch die beiden auf prk// folgenden Wörter wieder. Die Quelle für den Thesaurus ist das syrisch-arabische Lexikon von Bar Bahlul, das aus dem Aktentext zitiert, was in Chabots Druck der S. 69,24 entspricht (der sprachlichen Entwicklung folgend ist bei Bar Bahlul das h von ἡγεμονικός zu ʾy geworden). Bar Bahluls Übertragung, die eine Erläuterung ist, lautet: tšʿytʾ dtwrṣʾ mdbrnʾyt. Chabot hat sich mit den Vokabeln in Synodicon (wie Anm. 5), 319 Anm. 2 befasst. Zu Bahluls Übertragung (die bei Chabot einen Druckfehler enthält: ein alaf für ein tau) zitiert er deren lateinische Übersetzung durch Duval: narrationes correctionum oeconomice. Zu der crux prk// sagt Chabot: Es sei „composé avec πρᾶξις et un autre élément que je ne saurais reconnaitre“. Chabots Übersetzung und Bar Bahluls Übertragung von hgmwnqyʾ mit „provincial“ bzw. „oeconomice“ erklären sich daraus, dass sie die Vokabel vom syrischen Fremdwort hegemon als Nomen ableiten müssen, dem Titel für den Provinzpräfekten etc., also auf die Provinzverwaltung oder auf Verwaltung überhaupt beziehen, griechisch οἰκονομία, syrisch mdbrnwtʾ. Mrs. Margoliouth übernimmt die rätselhafte Vokabel prk// aus dem Thesaurus ins Supplement (p. 276) und korrigiert Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 69,17 und 24 danach. Als zugrundeliegendes griechisches Wort will sie παρασχηματιστικοί erkennen; das hat den Vorteil, dass das m berücksichtigt ist, und den Nachteil, dass eine Metathesis von k und s angenommen wird. Aber den Syrern war πρᾶξις als Fremdwort ganz geläufig, und zwar in Transliteration ohne jede Metathese. Mrs. Margoliouth übersetzt das Verb im Kontext als „(books) about change (or) reforms“. Aber das Verb παρασχηματίζω ist ungeeignet zur Erklärung. In PGL hat es drei Bedeutungen, alle von negativem Gehalt: 1. disguise, 2. feign, 3. treat in unseemly fashion. Die Grundbedeutung findet man in Sophocles, Greek Lexicon, und zwar nach Grammatikern des 2. und 4. (?) Jahrhunderts: „to form alongside, formation from“; man erkennt, dass die in PGL mitgeteilten Bedeutungen daraus abgeleitet sind. M.  E. steckt vielmehr in der ersten Hälfte von prk// das griechische πράξιμος, Liddell/Scott s.v. II τὰ πράξιμα „practical aims“. Das „andere Element“, das Chabot nicht zu erkennen vermochte, möchte

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rende Autorität an91: Mar Aba, Patriarch, und die Metropoliten und anderen Bischöfe (die sich erstaunlicher[21]weise in einer gewissen Anzahl bei ihm am Verbannungsort versammeln konnten); das Datum wird nach den Regierungsjahren des Großkönigs und denen Mar Abas angegeben: „im 5. Jahr der katholischen Regierung (= Regierung durch den Katholikos) des Patriarchats des heiligen Erzbischofs Mar Aba, Katholikos, Patriarch“. Hier ist ein sorgfältig bedachtes Hendiadyoin der beiden Titel formuliert. Es folgt92 die Erinnerung an die Beseitigung der „Zweiheit“93 mit ihrem Ergebnis: Die Zweiheit des Katholikats, eingeführt von Elisa und Narsai, hat aufgehört, die Einheit der katholischen Verwaltung des Patriarchats wurde wieder hergestellt in Seleukia-Ktesiphon, im ganzen Osten und den benachbarten Gebieten durch den Eifer des Erzbischofs Mar Aba, Patriarch, und der heiligen Synode der Metropoliten und Bischöfe mit ihm. Die Reformschriften werden zusammengestellt zur Befestigung und Stützung der Kanones, die sich auf die Einheit der katholischen Verwaltung beziehen, die nach der apostolischen Tradition dem patriarchalen Thron der Kirche von Kōkē94 in ich auf στίζω zurückführen, Liddell/Scott s.v. II „put a punctation mark“; davon gibt es das Verbaladjektiv στικτέον, das zur II.  Bedeutung gehört: „one must put a punctation mark“. So könnte man ein griechisches πραξιμοστίκτ(ε)ον postulieren, „abzuhandelnder (bzw. hier eher: abgehandelter) Punkt“. Mit ἡγεμονικόν im Sinn von „hauptsächlich“ (s. PGL s.v. I.  A.2 „principal“) würde das für Mar Abas Fonnulierung ergeben: „Die hauptsächlichen abgehandelten Punkte“. Die große Schwierigkeit ist, dass das hypothetische πραξιμοστίκτ(ε)ον im Griechischen ebenso ein hapax legomenon wäre wie die syrische Form es tatsächlich ist. Es lässt sich auch in den neueren Wörterbüchern des byzantinischen Griechisch nicht finden (freundliche Auskunft der Kollegin K.  Metzler). Ich halte es durchaus für möglich, dass Mar Aba selber sich sprachschöpferisch betätigt hat! Aber warum der Aufwand? 91 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 318. 92 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 318  f. 93 Im Unterschied zu den übrigen Rückblicken wird der Vorgänger Paul hier nicht erwähnt. 94 Über die Lage von Kōkē (kwkʾ) zwischen dem alten hellenistischen Seleukia und dem parthisehen Ktesiphon, s. die Zeichnungen von Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 42–44 samt begleitendem Text. Das Gebiet von Kōkē wird 230 zur sassanidischen Stadt Veh Ardašir (Mahoza in jüdischen Quellen – eigentlich eine generische Bezeichnung: „befestigte Stadt“, s. M.  Kmosko, Patrologia Syriaca I 2, Paris 1907, 809 Anm. 2). Diese Stadt konnte dann auch das Neue Seleukia heißen (nachdem das alte in Trümmern lag) oder einfach Seleukia, wie in unserm Text oben. Auf den Zeichnungen Fieys ist auch die Lage der Kirche von Kōkē angegeben. 1967 hat J.-M.  Fiey einen Aufsatz über die „Städte“ geschrieben, der in seinem Sammelband „Communités syriaques en Iran et Irak des origines à 1552“ wieder abgedruckt ist, Variorum 1979, 397–420: Topographie chrétienne de Mahoze. „La topographie ici proposée diffère quelquefois sensiblement des cartes dressées par les missions archéologiques allemande, américaine ou italienne qui ont fouillé le site. La clef en est évidemment l’observation et la datation des changements de lit du Tigre. La découverte de celui de 79/116 m’a été fournie d’abord par le Talmud; elle a été corroborée par de nombreux autres textes et vérifiée sur les photographies aériennes“ (a.a.  O., 401). Fiey ist der Meinung, dass die Kirche von Kōkē, die später die „große“ heißt, sich an der Stelle der Gründung (um das Jahr 100) des Mari befand; sie wurde mehrfach zerstört, wieder aufgebaut, vergrößert. Eine Vergrößerung unter Mar Aba fand statt zwischen 540 und 541 (nicht 450 und 451, wie gedruckt steht) (Fiey, Topographie, 404), also am Beginn der energischen Tätigkeit des Katholikos. Seit wann aber hat die Kirche den Beinamen „die Große“? Sucht man im Synodicon Orientale, wo vor Mar Aba Kōkē erwähnt wird, so sind das die Synoden von 410 und 497 (von 424 ist wegen der spe-

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3 Mar Aba 

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der Stadt Seleukia, zukommt, von dem alle Verwal[22]tungen des östlichen Gebietes und der benachbarten Gegenden ausgehen (yld pass.!), was Glaube und kirchliches christliches Leben betrifft. Das Patriarchat ist also nicht nur Autorität, sondern Quelle und Ursprung aller anderen Autorität, die als aus ihr abgeleitet erscheint. Seleukia-Ktesiphon wird in diesem Zusammenhang zweimal erwähnt95. Das erste Schriftstück: „Abgehandelte Punkte der hauptsächlichen Reform“ (Synodicon Orientale, 320–332). Tatsächlich handelt es sich um zwei Texte. Der zweite Text ist das Verfahren gegen Abraham, „genannt Sohn des Audmihr, aus Beit Lapat“. Dies Dokument beginnt syr. S. 73,16 (Übers. 324 unten) und sein Ende fällt mit dem Ende des ersten Schriftstücks zusammen. Das Verfahren findet in Beit Lapat statt und ist deswegen dort angefügt worden, wo im Visitationsbericht des ersten Teils diese Metropole erreicht wird. Der syrische Anschluss: „Und weil geblieben war in seiner Unverschämtheit und Frechheit er, der genannt wird Abraham, Sohn des “, wirkt nur auf den ersten Blick glatt und natürlich; Chabot jedoch beginnt mit Recht einen neuen Absatz, unterschlägt aber die, eine verlorengegangene Einleitung voraussetzenden, Wörter „Und weil“. Während der erste Teil des Schriftstücks die Stationen der gesamten Visitation auf wenigen Seiten kurz abhandelt (obwohl man z.  B. in Rew-Ardašir „lange Zeit“ bleibt), wird hier die skandalöse Geschichte eines einzigen Mannes breit dargestellt, der einmal Metropolit von Beit Lapat war. Seine Geschichte beginnt bereits unter dem Katholikos Šila, also noch vor 523, sie hat mehrere Phasen; Mar Aba war zweimal mit ihr befasst. Bei seiner ersten Untersuchung des Falls legt Abraham ein ausführliches Schuldbekenntnis ab, in dem er es an Ironie nicht fehlen lässt und es an umständlicher Genauigkeit mit dem obersten Bischof durchaus aufnehmen kann. An die bei dieser Gelegenheit ausgesprochene Verurteilung hat er sich nicht gehalten, sondern eine Rebellion entfesselt

zifischen Probleme der Akten hier abzusehen). 410 c. VI über die Versammlung der Bischöfe zitiert zunächst den Kanon „der Synode“ (d.  h. von Nicäa) über die zweimal jährlich zu veranstaltenden Synoden. Es wird aber beantragt, dass solche Versammlungen nur alle zwei Jahre stattfinden sollen; der Großmetropolit, „der auf dem Thron von Kōkē sitzt“ (Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 25,4  f./264  f.), soll dazu [22] schriftlich einladen. C.  XII über die Ehre, die dem Katholikos zukommt, endet mit einer Glosse, die syntaktisch nachklappt und sich selbst als Glosse deklariert durch „d.  h.“, hnw dyn: die Bischöfe versprechen Gehorsam „dem episkopos katholikos, Erzbischof, Metropoliten von Seleukia und Ktesiphon bis zum Kommen Christi in allem Geziemenden, das befohlen wird, d.  h. jedem Bischof, der auf diesem großen Thron der Kirche von Kōkē sitzt“ (a.a.  O., 27,1  f./266). Das legt den Verdacht nahe, dass der entsprechende Relativsatz in c. VI ebenfalls ein Einschub durch dieselbe Hand ist. Beginnt also das Insistieren auf der Lokalisation zur gleichen Zeit wie die Einführung des Patriarchentitels? 95 In der Synode des Babai 497 gehört die Erwähnung der Kirche von Kōkē in einen Einschub über den Primat des dortigen „apostolischen Sitzes“, s. oben zu Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 313. Seleukia und Ktesiphon als Versammlungsort (ibid., 311) ist dagegen Bestandteil des Protokolls.

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 3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch

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mit schlimmen Folgen für die daran Beteiligten, daher der Schlussakt in Beit Lapat mit erneuter Verurteilung. [23] Um zum ersten Teil zurückzukehren, so beginnt er nach den protokollarischen Präliminarien (Datum: Oktober 540; Loyalitätserklärung gegenüber dem Großkönig) mit dem Hinweis auf das Ende der „Zweiheit“, die fünfzehn Jahre geherrscht habe. Die „Zweiheit“ ist hassenswert und schändlich wie eine Frau, die zwei Männer hat oder wie ein Leib mit zwei Köpfen (dies Motiv wird uns wiederbegegnen). Die Einheit der Regierung (oikonomia) ist wiederhergestellt auf dem Thron des Patriarchats, der nach apostolischer Überlieferung in Seleukia und Ktesiphon sitzt, den bekannten Städten des Beit Aramayē; von der Regierung dieses apostolischen und väterlichen Thrones fließen und werden weitergegeben die geistlichen Ordinationen, die kanonische Vollkommenheit etc. und alle Ordnungen der apostolischen Priesterschaft für jede Stadt ganz Persiens, des Restes des Ostens und der benachbarten Gebiete. Hier findet sich also derselbe Gedankenkomplex wie schon in der Vorrede. Mit dem nächsten Absatz96 begibt sich der Patriarch Mar Aba mit einer Gruppe von Bischöfen auf die Visitationsreise. Die erste Etappe führt in die Gegend von PerozŠabor, d.  h. von den „Städten“ aus in nordwestliche Richtung, danach aber nach Süden und Südosten. Labourt bemerkt zur Reiseroute97: „Il semble que, dans le Nord, la réforme se soit accomplie sans difficulté, soit par ce que les déréglements y étaient moins grands, soit à cause du prestige personnel de Maraba et des métropolitains qui s’associèrent à son œuvre98. Mais la Basse-Chaldée, la Susiane et la Perse propre, terre classique des schismes et des révoltes, réclamaient des soins particuliers“. Nicht nur Doppelbesetzungen der Bischofsstühle gab es dort, sondern auch: „certains évêques s’etaient proclamés independants de l’un et l’autre catholicos“ während der Periode der „Zweiheit“. Am Anfang des genannten Abschnitts heißt es: „La faiblesse du saint ami du Christ, le patriarche Mar Aba, fut réconfortée “. „Schwäche“, mḥylwtʾ, wird üblicherweise mit dem Suff. der 1. Pers. so gebraucht, wie wir sagen würden „meine Wenigkeit“99. In der Schriften-Sammlung Mar Abas kommt der Ausdruck weiter vor, auch in der 1. Pers. plur. Hier haben wir die 3. Person und dazu ein Wortspiel: „gestärkt werden“ hat die Radikale ḥyl, „die Person des Patriarchen wurde gestärkt“ – wodurch? [24] In diesem ersten Teil des I.  Schriftstücks trägt Mar Aba durchweg den Titel „Patriarch“. Im zweiten Teil wird, wie oben schon gesagt, der Katholikos Šila erwähnt, der

96 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 321. 97 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 171. 98 Aber siehe in einem der folgenden Schriftstücke die schlechten Nachrichten aus Nisibis, die bereits in die Exilszeit Mar Abas fallen. 99 Cf. J.  Payne Smith (Margoliouth), A compendious Syriac dictionary, Oxford 1903, Nachdruck 1957. Im dritten Brief des Barsauma haben wir „meine“ und „unsere Schwäche“ (Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 535 und 536) als indirekten Ausdruck für „ich“ und „wir“. Sind es vielleicht besonders starke Charaktere, die so zu formulieren lieben?

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jenen Abraham seinerzeit schon verurteilt hatte. Nach dem Ende der „Zweiheit“, die Abraham ausgenutzt hatte, verurteilte ihn Paul, der Vorgänger des Mar Aba sofort wieder. Für unsere Fragestellung ist interessant, dass der „verblichene Mar Paulus“ prädiziert wird mit „qui était patriarche“ (syr. 74,21, Übers. 326). Ich finde diese Formulierung auffällig, weil sie nicht einfach „Patriarch“ nach dem Namen einfügt, sondern eine Identifikationsformel benutzt. Zur Unterscheidung von dem andern Paul, dem Metropoliten von Beit Lapat? Oder ist das ein Hinweis darauf, dass mit dem Katholikos Paul die Titulierung mit „Patriarch“ begonnen hat? Wegen der Titelfrage und einiger Einzelheiten werfen wir noch einen Blick auf das Schuldbekenntnis des Abraham100. Es beginnt mit einer Erzählung: Nach dem Tod des Paulus, „qui était évêque patriarche“ (74,31  f./326)  – auch hier wieder die Identifikationsformel. Es müsste dieselbe Hand sein, die im Text des Mar Aba und im Bekenntnis des Abraham diese Formel eingefügt hat. In diesem zweiten Fall ist der Titel aus zwei Bestandteilen zusammengesetzt und erinnert an episkopos katholikos; aber anders als katholikos ist in dieser Zusammensetzung patriarches eindeutig ein Nomen. Abraham jedenfalls fährt fort: ihm (sc. Paul) folgte Mar Aba „im Besitz der Regierung des Patriarchats“ (Chabot hat das Adjektiv „patriarcal“). Um überhaupt vorgelassen zu werden, hält sich Abraham in Büßerhaltung, barfuß auf dem nackten Boden (es war Februar)101, vor dem „Haus des Katholikos“ auf. Schließlich wird sein Fall vor einem großen Auditorium verhandelt. Mar Aba hält „eine große Lehrrede“ (was sehr charakteristisch für ihn zu sein scheint102), „die der Gelegenheit angemessen war und die Sache darlegte“. Es schließt sich eine eingehende Untersuchung und Befragung an, Abraham darf ausgiebig selber sprechen. Aber das Ergebnis ist nicht das, was Abraham erwartet hatte103: „Tandis que je pensais que mes paroles m’innocenteraient, on y trouve la preuve de ma culpabilité“. Was die Titelfrage angeht, so finden wir im Schuldbekenntnis weiter: „unser Vater, der Patriarch“, „väterliche Besorgnis“ des Herrn Patriarchen; [25] aber: „Šila Katholikos“ (75,28/327), Mar Aba: Katholikos, Patriarch, der verstorbene Paulus Patriarch. Es wird die Versammlung derer erwähnt, die den wählen sollten, der des Patriarchats würdig war (d.  h. Mar Aba); unser Vater Mar Aba, Katholikos. Abraham nimmt seine Verurteilung an und unterschreibt als erster; nach den Zeugenunterschriften (Bischöfe und Kleriker) sagt er: „Et sur ma demande, le vertueux, l’élu de Dieu, Mar Aba, évêque, patriarche, a apposé son cachet et a confirmé (cet écrit)“ – hier haben wir also dieselbe Kombination von episkopos patriarches wie oben bei Paul. 100 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 326–328. 101 Dem deutschen Leser fällt natürlich König Heinrich IV. in Canossa ein, jedenfalls nach der traditionellen Darstellung seines Bußganges; diese Darstellung ist weitgehend legendär. 102 Cf. Mar Aba über sich selbst im II. Schriftstück („Über die Orthodoxie des Glaubens“), Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 551: „Nous vous avons longuement avertis d’après les Livres saints “. 103 Es ging ihm also anders als König Heinrich in Canossa, der sich ja vom Bann lösen konnte.

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Im Bericht über das weitere Verhalten des Abraham und die amtliche Reaktion darauf erscheint schlicht der Titel Patriarch ohne Namen. Das abschließende Urteil beginnt: „Ich, Aba, Patriarch “, weiter „ wir haben“, „ ich, Patriarch“. Am Anfang der Unterschriftenliste: „Und ich, Aba, Patriarch, habe geschrieben “. Aus dem I.  Schriftstück insgesamt geht hervor, dass Aba sich selbst als Patriarch bezeichnet und nicht bloß so angeredet wird; dass der Titel konsequent nicht auf Šila, den Katholikos vor der „Zweiheit“, angewendet wird (das spricht dafür, dass Šilas Vorgänger Babai den Titel auch noch nicht führte); dass drittens die Titulierung Pauls, des unmittelbaren, nur kurz amtierenden Vorgängers Mar Abas als Patriarch mindestens ex post vorgenommen wird. Es gibt kein Mittel zu entscheiden, ob er tatsächlich während seiner Amtszeit so genannt wurde, noch ob er sich selber so bezeichnete. Das III.104 Schriftstück: „Über den Lebenswandel nach festen Regeln“ (Synodicon Orientale, 332–338). Der Absender ist „Aba, Patriarch“, Adressat der ganze Klerus, angefangen bei den Metropoliten. Auch hier, nach der Einleitung unter dem Motto, „Gott zu fürchten, ist der Anfang des rechten Weges“, die Erinnerung an „die Zweiheit auf dem Thron des Patriarchats“; die „Zweiheit des Regimes“ hat aufgehört, die „Einheit des katholischen Throns“ ist hergestellt, die Mehrzahl der Provinzen reformiert. Jetzt ist eine Reform für die gläubigen Laien nötig. Ein allgemeines Verbot von Insubordination, Verschwörung und Schismen wird aufgestellt. Der ganze übrige Text ist Ehevorschriften gewidmet. Das IV.  Schriftstück (Synodicon Orientale, 338–345), nach Segestan105 (heute teils im Iran, teils im südlichen Afghanistan)106 gerichtet, ist, wie [26] aus dem Eingang hervorgeht, bereits der zweite Brief Mar Abas in der darin verhandelten Angelegenheit. Hier bezeichnet der Absender sich als „Aba, Katholikos“. Es bleibt im ganzen Brief dabei, dass nur dieser Titel und seine Derivate verwendet werden, „Patriarch“ und Derivate überhaupt nicht. Auf der ersten Seite der Übersetzung wird das verwischt, weil Chabot einmal „Patriarchat“ für „Katholikat“ setzt und einmal „patriarcal“ für „Katholikat“ (danach ist seine Übersetzung korrekt). Wieder lesen wir die Erinnerung an die überwundene „Zweiheit“, die eine Schande und eine Anomalie in der Kirche Christi darstellt, wie zwei Köpfe am selben Leib oder zwei Ehemänner für eine Frau (siehe schon oben Schriftstück I). In jener Zeit blieben die Kanones und Gebote der Apostel lange unbeachtet. Der Katholikos Paul stellte mit Hilfe des Großkönigs die Einheit der Autorität des Katholikos wieder

104 S.  Chabots Erläuterung dieser Ziffer in Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 332 Anm. 4; über die Platzierung des Schriftstücks II, siehe a.a.  O., 319 Anm. 7. 105 J.-M.  Fiey, Chrétientés syriaques du Ḫorasan et Ségéstan, Muséon 86, 1973, 75–104; abgedruckt in ders., Communautés syriaques (wie Anm. 94) als Nr. VI. 106 Fiey, Chrétientés syriaques (wie Anm. 105), 75, cf. die Kartenzeichnung, a.a.  O., 78; zu Mar Abas Brief ibid., 95.

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her. Er begann „beim Wort Gottes“107 zu bestimmen, was die Bischöfe betrifft. Ich selber führe das fort, sagt Mar Aba, und zitiert die „von uns“ (damit meint er sich und die assistierenden Bischöfe) getroffene Bestimmung, nach der Narses und Elisa sich die Autorität des Katholikos angemaßt hatten ohne die Zustimmung der beiden Städte Seleukia und Ktesiphon. Niemand dürfe diese beiden Männer „beim unerforschlichen Wort Gottes“ als Katholikos bezeichnen. Was von Paul und ihm, Mar Aba, gesagt und geschrieben wurde, ist in der Autorität des Heiligen Geistes geschehen (oder, etwas weiter unten: durch die Autorität und Gnade Christi, unseres Herrn). Es wird erneut (man denke an den vom Verfasser erwähnten früheren Brief nach Segestan) die Regulierung unkanonischer Besetzung von Bistümern erklärt. Auffallend häufig lesen wir die Beschwörungsformel „par la parole de Dieu“. Die erfolgte Anwendung der Vorschriften „dans votre pays“ wird dargelegt. Jetzt ist aber eine neue Situation entstanden: ein zweiter geweihter Bischof (Metropolit) ist bei Mar Aba erschienen und hat einen Eid abgelegt: er habe seit seiner Ordination niemals etwas von den Regelungen seit der wiederhergestellten Einheit des Katholikats gehört. Obwohl er unter die Regelungen fällt und ihm die Ausübung des Amts (in der früheren Korrespondenz) untersagt worden war, „haben wir ihn absolviert vor dem Herrn, ihm den Frieden gegeben und mit ihm das Opfer gefeiert“. Die gute Bezeugung der Person und die weite Entfernung seines Landes dienen Mar Aba zur Begründung für die Ausnahme, zu der er sich entschlossen hat. Es folgt eine lange Reihe von Bestimmungen, wie und wo der wieder zu seinem Episkopat Zugelassene in Relation zu dem schon vorhandenen Bischof arbeiten dürfe; Mar Aba versucht, jede nur mögliche auftretende [27] Schwierigkeit vorweg zu erwägen und entsprechende Lösungen vorzuschreiben. Der Text ist wieder durchsetzt von der erwähnten Beschwörungsformel. Zehn Zeugen haben unterschrieben, alles Bischöfe, einer von ihnen ist der Bischof von Azerbeidjan; also ist der Brief wohl im dortigen Exil verfasst. Was ist der Grund für die auffällige Häufigkeit der Beschwörung der Adressaten? Warum überhaupt Beschwörungen und warum diese? „Wort Gottes“ meint vielleicht ganz konkret das Evangelienbuch als eine numinose Autorität, die dort in Segestan präsent ist, während der Katholikos durch sein Exil weiter entfernt ist denn je. Seine Autorität war für den benachteiligten Bischof groß genug, um ihn aufzusuchen – ein anderes war es aber, die durch den Katholikos vorgenommene Restitution auch dort, wo sie wirken sollte, durchzusetzen. War Mar Aba schon bei seinem Visitationszug nicht über die Persis hinaus nach Osten gezogen, so war jetzt persönliches Eingreifen am Ort ganz und gar unmöglich, darum der drängende Verweis auf eine höhere Autorität. Verwunderlich ist der Verzicht auf jeden Gebrauch des patriarchaIen Vokabulars, es bleibt beim traditionellen Katholikos-Titel. Der Grund dafür muss wohl bei den

107 Die gewöhnliche Übersetzung wäre „durch das Wort Gottes“, aber der Charakter einer Beschwörung wird mit der angegebenen Übersetzung deutlicher.

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Adressaten gesucht werden: konnte man ihnen neben den einschneidenden Reformmaßnahmen den Titel noch nicht zumuten, weil eben erst eingeführt und für jene fernen Gegenden108 noch ungewohnt? Man muss sich hier daran erinnern, dass Kosmas Indikopleustes ebenfalls nur den Titel Katholikos für seinen Freund Patrikios (= Aba) als jetzt amtierendes Oberhaupt der persischen Kirche kennt. Das V.  Schriftstück „Über Definitionen und Kanones aller Distinktionen der kirchlichen Verwaltung“ (Synodicon Orientale, 345–351). Dieser Text enthält die Ekklesiologie Mar Abas. Das Dokument ist adressiert an namentlich genannte Metropoliten und an die Bischöfe („unsere Brüder und Kollegen“) namentlich aufgezählter Metropolien, darunter die vom „patriarchalen Thronos“ abhängigen. Absender: „Aba, Patriarch“, und Gruß folgen. Wir und ihr, schreibt Mar Aba, die wir die Schlüssel des Himmelreiches halten, müssen von ganzer Seele, mit allen Kräften109 die Definitionen und Kanones der Kirche Gottes bewahren, der Kirche, die der geistliche Leib unseres Heilandes ist. Wir müssen uns besonders um die Leiter (mdbrnʾ) kümmern, ohne die das Christentum nicht bestehen kann. Deswegen setzte Christus die Apostel ein, um die Menschen zu unterweisen. après avoir opéré des signes et des prodiges, après avoir enseigné sa doctrine, il faisait nécessairement connaître d’avance, par ses paraboles, les hérauts de son évangile et les chefs de son Église, le don céleste qu’ils devaient recevoir, la [28] puissance qu’ils ont dans les hauteurs et les profondeurs, les œuvres qui leur conviennent, leur patience dans les tourments, leurs labeurs dans la prédication de son (évangile), cette prédication elle-même et les choses qui devaient s’accomplir par elle et à cause d’elle, les luttes et les épreuves qu’ils subiraient pour elle, et (chacune) des choses qui ont lieu avant nous, qui ont lieu de nos jours ou qui auront lieu après nous. Il leur interdit tout ce qui n’était pas convenable pour eux.110

(Als er dies schrieb, stand Mar Aba erst am Anfang seiner Leiden; aber jeder Bischof seiner Kirche wusste, was für ein Schicksal ihm bestimmt sein konnte). Paulus selbst, fährt der Verfasser fort, der soviel Leiden für die Wahrheit erduldet hat, wachte mit Sorgfalt über die Hirten der Kirche: er ordinierte Metropoliten in den Metropolen und Bischöfe in den Städten. Hier wird der zweistufigen Bischofshierarchie also ein paulinischer Ursprung zugeschrieben. „Die heiligen Väter, die nach den Aposteln gewählt wurden, folgten in deren Spuren.“ Die folgenden Zeilen blicken auf die schon lange Geschichte der dreistufigen Bischofshierarchie zurück, projizieren den Patriarchentitel in eine frühere Zeit, sofern es die eigene persische Kirche betrifft, und erklären diese Ordnung der Kirche für ein

108 Um wieviel größer war die Entfernung vom Patriarchat Antiochien! 109 Bewusste Erinnerung an das Liebesgebot. 110 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 346–347.

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Werk des heiligen Geistes; beiläufig wird die Aufrechterhaltung der hierarchischen Ordnung im „Gebiet des Westens“ idealisiert (Synodicon Orientale, 347–348): Il n’y avait pas de métropolitain ou d’évêque qui osât franchir les limites assignées par le patriarche, ni d’évêque qui se crût permis de s’élever au-dessus du métropolitain; mais le véritable évêque connaissait le temps auquel il devait se rendre près du métropolitain, et le métropolitain sage n’oubliait pas le temps où il devait aller trouver le patriarche, ainsi qu’on peut le voir dans la région occidentale et dans les régions voisines; car, bien que des schismes et des querelles se soient élevés là, pour divers motifs, au sujet de la foi, cependant, en ce qui concerne la discipline, c’est-à-dire les canons apostoliques, la hiérarchie sacerdotale et les définitions ecclésiastiques, personne n’oserait les y mépriser, avec (l’espoir d’) échapper à la punition et à la juste condamnation de son mépris. Quand des choses ont été justement définies par un évêque quel qu’il soit, aucun de ceux soumis à sa juridiction ne peut les annuler; de même, l’évêque ne peut annuler ou transgresser les choses justement prohibées ou définies par un métropolitain; de même aussi, les métropolitains et les évêques ne peuvent abroger ou annuler les choses justement prohibées ou définies par le patriarche; car le Saint-Esprit a ordonné la hiérarchie sacerdotale de telle sorte que les ordres inférieurs dépendent des moyens, et les moyens des supérieurs, comme des degrés par lesquels montent ceux qui sont dignes de recevoir la promesse de l’ascension dans les cieux

und andere in die Tiefe der Bestrafung, weil sie der Wahrheit nicht gehorchten. Eine praktische Folgerung schließt sich an: Einberufungen zu Synoden durch Patriarch, Metropolit, Bischof ist sofort zu gehorchen. Aber dann nimmt der Gedanke eine überraschende Wendung; offensichtlich kündigt sich hier der konkrete Anlass für das ganze Schreiben an, auch wenn Mar [29] Aba zunächst wieder generelle Bestimmungen trifft: Wenn die Metropoliten oder Bischöfe sich am Sitz des Patriarchen versammeln (wollen), und entsprechend beim Metropoliten oder Bischof, et si pour quelque motif, le patriarche ou le métropolitain ne se trouve pas dans sa résidence, les métropolitains et les évêques ne peuvent pas même entrer dans la ville où est le siège du patriarche, ou, s’il arrive qu’ils y entrent, ils ne peuvent en aucune façon prescrire, agir, rédiger des écrits, relativement au gouvernement ou aux affaires ecclésiastiques, sans lui ou sans sa permission,111

sie dürfen nicht einmal ohne ihn ihr Amt ausüben (=  die Eucharistie feiern?). Das Gleiche gilt für die Bischöfe am Sitz des Metropoliten, falls nicht der Patriarch anwesend ist. So habe man es immer in unserer Kirche gehalten; Widersetzlichkeiten seien ausgeräumt worden. In den fünfzehn Jahren der „Zweiheit“ hat die Unordnung sich allerdings unerträglich ausgeweitet. Ihre Beseitigung wird auf die bekannte Weise beschrieben112. Aber jetzt sind zwei Fälle aufgetreten, die ein Eingreifen verlangen: der Metropolit Paul von Beit Lapat ist gestorben, und wir können nicht hinabziehen, wie man uns bittet, um die Nachfolge zu regeln. In Nisibis herrscht Unruhe seit einigen Jahren: der 111 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 348. 112 Durch den Katholikos Paul und „unsere Schwäche“ (= „meine Wenigkeit“).

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Bischof wird unterdrückt, lebt (eingeschlossen?) in seinem Haus, und wir sind gehindert hinaufzuziehen. Im Augenblick ist unsere Lage voller Schwierigkeiten, wir können keine Synode zusammenrufen. Solange dieser Zustand dauert, und damit nicht das Gleiche passiert wie früher in der Persis, wo manche sich der Metropolitenautorität bemächtigten ohne Zustimmung des Katholikos, bestimmen wir, dass weder in Beit Lapat noch in Nisibis noch sonstwo ein Metropolit oder Bischof eingesetzt werde ohne unsere Bevollmächtigung, Gegenwart oder Briefe. Es folgen die üblichen abgestuften Strafen für Übertretungen, für das Annullieren der apostolischen Tradition und der kirchlichen Kanones. Hier wird auch einmal von der Beschwörungsformel „beim Wort Gottes“ Gebrauch gemacht, die im Brief nach Segestan so häufig erschien. Das Schreiben wird durch einen Boten (wohl identisch mit einem der bischöflichen Unterzeichner) zu den Adressaten gebracht, der die Unterschriften einzusammeln und das unterschriebene Dokument an Mar Aba zurückzubringen hat. Mar Aba unterschreibt als erster: „Ich, Aba, Patriarch“, es folgen siebzehn weitere Unterschriften. Mar Aba versucht mit diesem Text, zunächst faits accomplis an zwei bedeutenden Metropolitensitzen zu verhindern; wie er die Probleme positiv (schriftlich und durch Beauftragte, da an persönliches Auftreten nicht zu denken war) gelöst hat, ist nicht überliefert. Auf jeden Fall behielt er die Fäden des Kirchenregiments auch in dieser Situation in der Hand. [30] Das II.  Schriftstück: „Über die Orthodoxie des Glaubens“ (Synodicon Orientale, 550–553). Hier bezeichnet sich Mar Aba als Absender mit dem doppelten Titel „Kathohkos, Patriarch des Ostens“. Im Übrigen handelt es sich um eine Darstellung der Trinitätslehre und Christologie, über die ich an anderer Stelle handele113. Das VI.  Schriftstück: „Aus dem VI.  Brief, der überschrieben ist Praktikē“114 (Synodicon Orientale, 553–555). In diesem Text geht es um die Regelung der Nachfolge im Patriarchat selber, wie nämlich im Fall des Todes des jetzigen Inhabers bei Wahl und Weihe des Nachfolgers zu verfahren sei. Da diese Regelung zu den 544 (d.  h. wenige Jahre nach seiner Wahl) von Mar Aba zusammengestellten Schriften gehört, also am Exilsort verfasst ist, kann sie als Anzeichen dafür genommen werden, wie lebensgefährlich dem Verfasser 113 Im Kapitel über Mar Aba in Grillmeier/Hainthaler, Jesus der Christus im Glauben der Kirche 2/6 (noch nicht gedruckt). 114 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 543, Anm. 1 zum syrischen Text: „Ce titre est tiré de la citation empruntée au synode de Timothée Ier; cf. ci-dessous, p. 602, 1. 15. Le fragment est aussi cité par ʿEbedjesus, Tr. IX, ch. ii, et par Élie de Nisibe (probablement d’après Timothée) (cf. Bibl. Or. III, p. 1, p. 272)“. D.  h., dass alle Stellenangaben im Thesaurus syr. Praktikē auf die Überschrift dieses einen bestimmten Briefes des Mar Aba zurückgehen; also ist die verallgemeinernde Definition „with ʾgrtʾ a synodical letter“ (Payne Smith, A compendious Syriac dictionary) nicht zutreffend. Handelt es sich auch hier um eine Darbietung von Mar Abas Kenntnissen des Griechischen? „Praktikē“: „wie man verfahren soll“.

30, 31 3.1 Zusammenfassung 

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seine Lage erschien und wie sehr Vorsorge dafür getroffen werden musste, dass nach seinem Tod, unter welchen Umständen auch immer, nicht erneut irreguläre Wahlen vorgenommen werden würden und die mühsam hergestellte institutionelle Einheit wieder zerfiele. So sind die Vorschriften auch alles andere als provisorisch, sondern sehen eine genau einzuhaltende Prozedur vor, die auch unter normalen Umständen zu verwenden war. Die Wahl hat durch bestimmte Bischöfe in den „Städten“ stattzufinden und, in Übereinstimmung mit ihnen, die Ordination in der Kirche von Kōkē, „nach der Tradition der heiligen Väter“; der Gewählte wird auf dem „katholischen Thron“ eingesetzt, um Mar Abas Platz nach seinem Tod einzunehmen. Dies alles ist bestimmt „beim Wort unseres Herrn“. Eine Einsetzung, die woanders als in der großen Kirche von Kōkē vorgenommen wird, ist ungültig. Kanones des Mar Aba, „des Patriarchen, und der Bischöfe bei ihm“ (Synodicon Orientale, 555–561). Eingangs werden die Quellen für diese Sammlung genannt, erst westliche Synoden, darunter interessanterweise Chalcedon; dann östliche: die Synode des Ostens in Seleukia-Ktesiphon unter dem Katholikos Isaak (= des Jahres 410) und die Synode des heiligen [31] Mar Aba selbst. Es wird kaum ein Zufall sein, dass dem Isaak der Titel „Patriarch“ hier nicht beigelegt wird, eine Rückprojektion nicht vorgenommen wird. Die Kanones behandeln das Alltagsleben der Christen, ihrer Gemeinden und ihrer Priester. Von den höheren hierarchischen Rängen oberhalb des Bischofs finden wir den Erzbischof in c. XIII, Metropoliten in den cc. XIX und 37115; in c. 37 auch den Patriarchen (der Metropolit hat den eben ordinierten Bischof zum Patriarchen zu schicken, damit dieser ihn bestätige). C.  XXXIX bestimmt, dass auch ungerecht erscheinende Zensuren durch alle hierarchischen Ränge hindurch einzuhalten sind (z.  B. eine Zensur einen Metropoliten betreffend durch den Patriarchen), bis die Angelegenheit auf Antrag des Zensurierten in der „allgemeinen Versammlung“ geklärt wird. Der Titel Katholikos erscheint in den Kanones nicht.

3.1 Zusammenfassung Die Durchsicht der Dokumente hat Fieys Beobachtung bestätigt, dass der Titel Patriarch erst seit Mar Aba für den Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Obermetropoliten der persischen Kirche fest etabliert ist, unter Beibehaltung des älteren Titel Katholikos. Zusätzlich konnte die Entwicklung einer bestimmten Topik durch Mar Aba festgestellt werden. Dass die Übernahme des Titels in Analogie zum westlichen Gebrauch

115 Normalerweise gibt Chabot römische Ziffern für die syrische und dazu in Klammern arabische Ziffern für die arabische Überlieferung dieser Kanones an (Chabot, Synodicon (wie Anm.  5), 556 Anm. 2). Für c. 29–37 fehlt der syrische Text (a.a.  O., 559 Anm. 4), daher nur die arabischen Ziffern.

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 3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch

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(d.  h. vor allem zu dem in Antiochien) und unter dessen Einfluss geschah, musste postuliert werden; Voraussetzung ist die Gleichrangigkeit der Sitze von Seleukia und Antiochien, wie sie sich aus dem Protokoll der Synode von 410 ergab. Es konnten Übergangsstufen für den Titelgebrauch festgestellt werden: die Schmeichelei des Barsauma gegenüber Acacius; Kosmas Indikopleustes, der nur den Titel episkopos katholikos für Mar Aba kennt; der Verzicht auf den neuen Titel gegenüber dem hohen Klerus im weit abgelegenen Segestan, für den „westliche“ Analogien nicht viel bedeuten konnten. Die Benutzung des Titels im Synodalprotokoll von 497 ist wohl spätere Eintragung; der Nachfolger Babais erhält noch 540/544 im Rückblick nicht den Titel „Patriarch“. Deutlich ausgesprochen wird die Analogie zu den „westlichen“ Patriarchen später bei Išoyahb I., in c. 29 der Synode von 585 (der ganze Kanon ist ein Traktat über die hierarchische Struktur der Kirche): „Der heilige Geist setzte ein vier Patriarchen im Gebiet des Westens und einen fünften im Gebiet des Ostens“116 – hier haben wir die Pentarchie aus [32] ostsyrischer Sicht. Leider sagt Išoyahb nicht, welches die vier westlichen Patriarchate sind – Rom, Alexandrien, Antiochien gewiss, aber Konstantinopel oder Jerusalem? Schon die Zwölf (Apostel) sind von Christus selbst als Patriarchen eingesetzt117, womit sie den „absolut“ höchsten Rang einnehmen, „d.  h. aber katholisch118 und väterlich“119. Die hierarchische Stufung ist also göttliche Stiftung, so alt wie die Kirche selbst.

4 Das Protokoll der Synode von 424 Die Synode von 424120, die von der Reinstitution des Katholikos Dadišoʿ handelt, zieht als Parallele zu dessen Schicksal die Geschichte des Mar Papa heran121, der hundert Jahre vorher122, vor der großen Verfolgung, Bischof von Seleukia gewesen war. Unter dem Namen des Papa gibt es einen ganzen Briefwechsel, der ebenfalls berücksichtigt werden muss123. Wenden wir die Beobachtung Fieys über das Aufkommen des Titels Katholikos auf beide Textgruppen an, so müssen wir als erstes feststellen, dass die Bezeichnung 116 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 160,7–11/419–420. 117 Siehe auch Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 69 Anm. 17. 118 Adverb, abgeleitet vom Titel Katholikos! Die Erläuterung bezieht sich auf das Adverb klnʾyt, „absolut“. 119 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 159,28/419. Petrus wird hier nicht genannt, wohl aber Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 160,15–16/420 neben Paulus im Zusammenhang der Aussagen über das fünfte Patriarchat. 120 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 258–298. 121 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 289 unten–292. 122 Zu den Datierungsproblemen s. unten. 123 Dazu unten Abschnitt 5.

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4 Das Protokoll der Synode von 424 

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des Mar Papa als Katholikos eine Rückprojektion des 5. (und des 6.) Jahrhunderts ist und somit anachronistisch. Es lässt sich nicht entscheiden, ob in diesen Texten „Katholikos“ den Titel „Bischof“ für Papa ersetzt, oder ob der Titel dem Namen aus der Sicht einer späteren Zeit einfach hinzugefügt wurde. Erwähnenswert scheint mir, dass der Titel an keiner Stelle die ursprüngliche und vollständige Form episkopos katholikos hat, weder in den Akten noch im Briefwechsel. Wenn für Mar Papa schon der Titel Katholikos anachronistisch ist, dann gilt das a fortiori für den Titel Patriarch, nicht bloß für Papa, sondern für alle Personen, die in den beiden literarischen Komplexen, die beide zeitgenössisch sein wollen, so benannt werden, da diese Personen alle ins 4. und ins frühe 5. Jahrhundert gehören. Mit dem bloßen Streichen des Titels, wie von Fiey empfohlen, ist es, wie schon gesagt, nicht getan; die von ihm empfohlene „Nicht-Verhandelbarkeit“ („nous devons être intrai­ tables 124) [33] in Sachen des Titels wird sich aber als sehr nützlich für die Beurteilung von Textteilen oder ganzen Texten erweisen. Ehe ich auf die „patriarchalen“ Elemente der Akten von 424 und der Papa-Korrespondenz eingehe unter Berücksichtigung der oben bei Mar Aba herausgearbeiteten topoi, kann schon auf S.  Geros Aufsatz von 1982125 verwiesen werden, der „petrinische“ Elemente in den Akten von 424 ausmacht, die mit guten Gründen einer Bearbeitung des 8. Jahrhunderts zugewiesen werden. Gero spricht von einer „introduction of the argument of a specifically Petrine primacy“126. (Übrigens findet sich dies Argument nicht in der „Korrespondenz Papas“). Wie gut sich die Additionen herauslösen lassen, führe ich hier im Einzelnen vor: Die Synode von 424 wird eröffnet mit der Bitte der versammelten Bischöfe127, dass doch Dadišoʿ auf seinen Sitz zurückkehren möge, „de se remettre à la tête de l’Église de Dieu, de reprendre la direction de la bergerie du Christ, dans tous les pays de l’Orient, qui lui a été confiée par (Chabot: dans) le Christ, par le sacerdoce suprême qu’il a reçu, comme à Pierre, le chef des Apôtres“128. Dieser Vergleich klappt syntaktisch nach, er lässt sich ohne Schwierigkeiten streichen. Im Brief der „westlichen“ Väter, der vom Bischof Agapet auf der Synode verlesen wird und den Labourt für „wohl verstanden apokryph“ erklärt129 (darüber ausführlicher unten), erscheint ein zweites Mal ein petrinisches Argument unter den Gründen, warum die Kirche (des Ostens) nur einen Leiter haben dürfe130.

124 S. oben bei Anm. 35. 125 S.  Gero, The see of Peter in Babyton: Western influences on the ecclesiology of early Eastern Christianity, in: N.  G.  Garsoian/Th.  F.  Mathews/R.  W.  Thomson (eds.), East of Byzantium: Syria and Armenia in the formative period, Dumbarton Oaks 1982, 45–51. Gero notiert S. 48 Fieys Urteil über den anachronistischen Gebrauch des Titels „Patriarch“ in den Akten von 424. 126 Gero, The see of Peter (wie Anm. 125), 48  f. 127 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 286 oben. 128 Wörtlich: „comme au chef des Apôtres, Pierre“, Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 44,5. 129 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 21 Anm. 1. 130 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 292 oben/syr. 48,7–15.

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 3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch

33, 34

Et de même que le Père de vérité est un, que son Fils, le Christ sauveur, est un, que son Esprit vivant et consolateur est un: de même, le Fils ne s’est choisi qu’un seul intendant fidèle, Simon Bar Yôna, surnommé Pierre, à qui il a fait cette promesse: ‚Sur cette pierre je bâtirai mon Église‘, et: ‚Je te donnerai les clefs du royaume des cieux‘; mais il n’a pas été dit par le Christ à tous les disciples: ‚Sur vous je bâtirai‘, ni: ‚Je vous donnerai‘. Le don du sacerdoce a été concédé à tous les Apôtres, mais le principat unique, c’est-à-dire la paternité131 spirituelle, n’a pas été donné à tous132; et, pour un seul Dieu véritable, il [34] n’y a aussi qu’un seul économe fidèle, qui est le chef, le directeur et le procureur de ses frères.

Auch dieser ganze Abschnitt lässt sich aus dem Kontext ohne Störung von dessen Zusammenhalt lösen und so als Interpolation erkennen. Es bewährt sich hier wieder die Beobachtung, dass Einfügungen erst an ihrem Ende als solche erkennbar werden. Der petrinischen Einfügung gehen nämlich voran133 Beispiele für unumkehrbare Unterordnung: Kinder  – Eltern; Ehefrauen  – Männer; und in den Fällen, wo die Männer den Frauen gehorchten, hatten sie Strafen auf sich gezogen, weil sie nicht „les constitutions et les lois placées par Dieu dans la nature“ beobachtet hätten; es zieme sich, dass jede Vollkommenheit (d.  h. auch in dieser Hinsicht) sich erst recht in der Kirche fände. Und nach dem Einschub geht es weiter: „Ces lois et ces constitutions sont observées dans notre Église“, ohne irgendwelchen Bezug auf das Zwischenstück. Eine dritte Gelegenheit für petrinische Akzentuierung ist der Schluss der Rede des Agapet, wo er nach seinen langen Ausführungen über Papa, Isaak und Yahbalaha zum Anlass der Synode zurückkehrt. Hier handelt es sich um zwei kleine Interpolationen134, von denen eine aber sehr auffällig ist. Dem Titel und Namen des Dadišoʿ wird eine Reihe von Appositionen vorangestellt („notre directeur, notre dispensateur “ etc.), nachgestellt wird die Erläuterung (Synodicon Orientale, syr. 50,2): „der ist (Identifikationsformel hwyw) für uns Petrus“; das folgende „Haupt unserer kirchlichen Versammlung“ könnte wieder zum Original gehören. Am Schluss des Abschnitts ist zugesetzt (Synodicon Orientale, syr. 50,6  f.): „nach dem Gebot Christi an das Haupt der Apostel, Petrus“. Gero geht dann freilich noch weiter, indem er auch die „declaration of total independence from the western ‚patriarchs‘“ als „more congruent with circumstances of the eighth century“ erklärt als mit denen der 420er Jahre135: d.  h. dass er sie derselben Hand wie die petrinischen Einfügungen zuschreiben möchte. Bis in die jüngste Zeit aber wird das Protokoll der Synode von 424 für das Dokument der Emanzipation der persischen Kirche vom Patriarchat Antiochien und für die Einführung des Patriarchentitels bereits vor der Periode der christologischen Streitig131 In diesem Kontext ist „Väterlichkeit“ gewiss eine Anspielung auf die Patriarchenwürde. 132 Cf. dagegen die Auffassung Išoʿyahbs I. auf der Synode von 585 in c. 29: die Apostel als Patriarchen von Christus eingesetzt (schon oben zitiert). 133 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 291 unten. 134 Im Abschnitt, der in Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 294 mit „Und jetzt “ beginnt. 135 Gero, The see of Peter (wie Anm. 125), 49.

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4 Das Protokoll der Synode von 424 

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keiten betrachtet. So Joseph Feghali 1979 in den Melanges Dauvillier136: Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon „a été reconnu{e} avec des pouvoirs étendus par le patriarche d’Antioche, [35] avec le titre de catholicos. Puis, alors que le catholicos Dadišoʿ avait été contesté et peut-être pour répondre au reproche secret que les chrétiens étaient les alliés des Romains, le synode de 424 proclame que leur chef sera désormais indépendant et ne pourra être jugé que par le Christ; et il ajoute au titre de catholicos celui de patriarche. Et ainsi, cette église, qui s’intitulait ‚Église orientale‘ se sépare du patriarcat d’Antioche et par là même de l’Église universelle137. La rupture sera totale après l’adoption des doctrines condamnées par le concile d’Éphèse et soutenues par Nestorius“. Die von Fiey bereits 1967/1970 gemachten Beobachtungen und die Folgerungen, die er daraus gezogen hat, sind Feghali unbekannt; bei Fiey lesen wir138: „Si, comme il est vraisemblable, les Églises de Perse n’eurent jamais que des liens tres lâches avec les autres Églises, et notamment avec Antioche, le problème de leur émancipation serait un faux problème, et il serait inutile de lui chercher une occasion.“ Ein völlig anderer Aspekt dieser Synode ist Joseph Habbi wichtig; Habbi plädiert 1994 für die „structure patriarcale de l’église“139. „Afin de corroborer historiquement cette idée, on peut invoquer deux exemples je parle des deux Patriarcats-Catholicats, celui de l’Orient de Séleucie-Ctésiphon Mésopotamien et le Arménien“, „ces deux Patriarcats reflètent le mieux la réalité des premières communautés chrétiennes, à cause de leur isolement obligatoire, pour des raisons politiques“140. Habbi führt zunächst aus der Synode von 410 die Stellung des Katholikos Isaak an141. Danach sammelt er einige patriarchale und petrinische Aussagen der Synode von 424 und faßt zusammen: „Chaque Catholicos ou Patriarche est chef suprême, père et Pierre de son église autonome“142. Auch hier keine Kenntnis von Fiey und der inzwischen vorliegenden Arbeit von Gero, aber eine völlig andere Einstellung zur Selbständigkeit der persischen Kirche als bei Feghali, worin sich ohne Zweifel eine verschiedene kirchliche Denominationszugehörigkeit der Autoren spiegelt. Sowohl Feghali wie Habbi lesen den Text von 424 so, als ob nicht schon viele Jahrzehnte vor den jüngeren Untersuchungen Zweifel an der Integrität gerade dieses Synodalprotokolls geäußert worden wären, nämlich von Labourt in seinem bekannten Standardwerk von 1904 (und von [36] Westphal 1901)143. Labourt berichtet über 136 J.  Feghali, Perspectives sur l’histoire et l’institution des patriarches orientaux, in: Mélanges Jean Dauvillier, Toulouse 1979, 269–292; hier 281, meine Hervorhebungen. 137 Ist also die église universelle nur die auf dem Boden des römischen Reiches? 138 Fiey, Jalons (wie Anm. 1),82, meine Hervorhebungen. 139 J.  Habbi, La structure patriarcale de l’église, in: R.  Coppola (ed.), Atti del congresso internazionale Incontro fra Canoni d’Oriente e d’Occidente, Bari 1994, 157–182. 140 Habbi, La structure (wie Anm. 139), 179. 141 Habbi, La structure (wie Anm. 139), 180. 142 Habbi, La structure (wie Anm. 139), 181. 143 G.  Westphals Titel bei Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8) in der Bibliographie, S.  XVIII: Untersuchungen über die Quellen und die Glaubwürdigkeit der Patriarchalchroniken des Mari ibn Su-

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die Synode nach den Akten144, schreibt aber in einer Anmerkung145: „§ 1 Je ne puis me défendre de concevoir des doutes assez graves sur l’authenticité des actes de Dadišoʿ (Syn. orient., p. 285–299), au moins en ce qui concerne la partie où sont rapportées les allocutions des métropolitains Agapit et Osée, ainsi que l’histoire de Papa et de Milès. § 2 Ces doutes sont partagés par M.  Westphal (op. cit., p. 162), qui trouve les discours composés sur un plan bien artificiel. § 3 Ils sont fortifiés par la considération du singulier parallélisme qui éxiste entre la situation de Iahbalaha et de Maʿna, telle qu’elle ressort du texte de Mare que nous avons rapporte plus haut (p. 103, n. 1), et celle de Papa et de Milès. § 4 Papa et Iahbalaha sont évêques de Séleucie; Maʿna et Milès, évêques de Perse. § 5 Maʿna et Milès font, en synode, des remontrances à Iahbalaha et à Papa. § 6 Pour avoir dédaigné ces observations, l’évêque de Séleucie est, dans les deux cas, foudroyé par un mal subit. § 7 Il fait appel, dans les deux cas, aux ‚Pères occidentaux‘ (Acace d’Amid146). § 8 Les Pères occidentaux déposent les adversaires de Papa. § 9 De même les évêques dont nous avons rapporté les noms (p. 120, n. 7) ont été déposés par Iahbalaha et Acace, puis de nouveau par Dadišoʿ (et Acace?). §  10 Est-il téméraire de penser que Dadišoʿ, pour les besoins de sa cause, favorisa l’éclosion d’une littérature apocryphe, et en fit lire un résumé dans le synode de 424? § 11 Autre coïncidence, non moins singulière: D’après le Briefwechsel des Katholikos Papa, édité par M.  Braun, et la ‚lettre des occidentaux‘ publiée par ʿAbdišoʿ (Coll. can., Tr. IX, ch. v), la missive est apportée aux orientaux par Ḥabib-Agapet, et dans le Synodicon, c’est Agapit de Beit Lapat, qui est censé défendre, en vertu des décisions antérieures des ‚directeurs de l’Occident‘, la primauté du siège de Séleucie. § 12 La question est, cependant, loin d’être tirée au clair. § 13 Si Dadišoʿ invoque la décision des Occidentaux intervenue en faveur de son prédécesseur Iahbalaha, pourquoi fait-il interdire, par les évêques de son synode, tout recours ultérieur à ces mêmes Occidentaux et décider qu’on ne pourra en appeler du tribunal du catholicos qu’à celui de [37] Dieu meme?“ Durch diesen letzten Satz wird auch der Synodalbeschluss in die Gruppe der verdächtigen Bestandteile der Akten einbezogen147. Die in § 10 von Labourt angestellte Erwägung, dass Dadišoʿ hinter der apokryphen Literatur stehen

laiman, ʿAmr ibn Matai und Saliba ibn Johannan. Thèse de doctorat de Strasbourg 1901 (von mir nicht herangezogen). Bei Gero, The see of Peter (wie Anm. 125), 38, wird der Erscheinungsort angegeben: Kirchhayn N.-L. (es handelt sich gewiss um einen Privatdruck). Hinweise auf die Arbeiten Westphals, Labourts, Fieys bei Gero, a.a.  O., 48. 144 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 119–125. 145 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 125 Anm. 1. Ich füge §-Ziffern ein, um leichter darüber diskutieren zu können. 146 Das kann sich nur auf den Fall des Jahbalaha beziehen. 147 W.  Hage, Das orientalische Christentum, RM 29,2, Stuttgart 2007 (der Band ist eine bewunderungswürdige Leistung), geht ebenfalls noch von der Echtheit des Synodalbeschlusses von 424 aus (a.a.  O., 275 oben), jedoch ist ihm die Autokephalie der Kirche im Perserreich selbstverständlich. Ich erlaube mir noch zu beklagen, dass Hage von der „Trennungschristologie“ der Antiochener und „Nestorianer“ spricht (a.a.  O., 32 und 465), richtig ist „Unterscheidungschristologie“.

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4 Das Protokoll der Synode von 424 

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könnte, die in den auf der Synode gehaltenen Reden ihren Niederschlag finde, kann beiseite gelassen werden148: Nicht nur spricht der Charakter des Katholikos dagegen, wie er sich in der Darstellung seines Schicksals durch ihn selber und in seinem durchaus ernst zu nehmenden Widerstand gegen seine Reinstitution äußert, sondern vor allem jenes Kriteriums, auf das uns Fiey aufmerksam gemacht hat, die Verwendung des Patriarchentitels. Zum §  11 des Zitats aus Labourt ist Chabots Anmerkung beim ersten Auftreten des Agapet auf der Synode von 424 zu vergleichen149: „Agapit, év. de Beit Lapat, le même, semble-t-il, qui avait d’abord été reprouvé150 dans le synode d’Isaac (cf. ci-dessus, p. 271) et qui assista au synode de Yahbalaha (cf. p. 283). Selon ʿÉbedjésus (Coll. can., Tr. IV, chap. v) la prétendue lettre des évêques occidentaux aurait été apportée au catholicos de Séleucie par cet Agapit, ce qui aurait valu à son siège l’honneur du premier rang. Mais cette légende est en contradiction avec les actes du synode d’Isaac qui présentent Agapit comme révolté151“. Es lässt sich leicht erkennen, dass die angebliche Überbringung des angeblichen westlichen Briefes durch Agapet aus der Einleitung zur Rede des Agapet auf der Synode herausgesponnen ist152: Agapet erhebt sich und bittet um Erlaubnis, „de lire les lettres canoniques, qui furent envoyées en divers temps par les directeurs de l’Occident vers nos anciens Pères, et en dernier lieu du temps des catholicos Mar Isaac et Mar Yahbalaha“ (also in der Zeit des Agapet selbst). Was Chabots Rückverweise betrifft, so bringt S. 283 des Synodicon Orientale die Unterschriften der Synode von 420, wo Agapet in unangefochtener und prominenter Stellung firmiert, nämlich als Erster nach dem Katholikos und Acacius, ihm folgt (wie 424) Hosea von Nisibis. [38] Chabots Einwand, Agapet sei ein „révolté“ und könne deswegen die Rolle eines Überbringers nicht gespielt haben, ist aus Chabots Rückverweis auf S. 271 des Synodicon Orientale in sein eigenes „réprouvé“ zu korrigieren und damit zu widerlegen; hier handelt es sich um c. XXI der Synode von 410, wo man liest: „Le trouble et la confusion règnent dans certains pays où se trouvent des villes dont les évêques ont été destitués et rejetés“. Es folgt ein Satz, der in beiden Hss. des Synodicon Orientale verstümmelt ist, in dem aber der Name des Agapet sich unter den aufgezählten Bischöfen findet. Chabots ausgezeichnete Erläuterung; „En comparant les deux textes“ (d.  h. der beiden Hss.) „avec la suite de canon, on voit clairement qu’il s’agit du trouble excité

148 Ein anderer Hinweis Labourts (siehe Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 21 Anm. 1) und Fieys (Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 73 Anm. 34) auf einen Zusammenhang zwischen dem Katholikos Joseph, dem Nachfolger des Mar Aba, also 6.  Jahrhundert, und dem „Briefwechsel des Katholikos Papa“ – ein Zusammenhang, der auf eine Bemerkung bei Barhebräus zurückgeht – hat größere Chancen, einen wahren Kern zu enthalten. 149 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 289 Anm. 2. 150 Meine Hervorhebung. 151 Meine Hervorhebung. 152 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 289 Mitte.

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dans le Beit Houzayé par la présence simultanée de plusieurs évêques dans une même ville, occasionnée surtout, à ce qu’il semble, par la compétition au titre de métropolitain des évêques de Beit Lapat et de Karka de Lêdan, chacun d’eux ayant sans doute ordonné un évêque de son parti dans les différents sièges“. Dass dieser Wettstreit zugunsten des Agapet ausgefallen und er damit Mitglied der legitimen Hierarchie geworden war, ergibt sich aus seinem Listenplatz 420 so gut wie 424; so konnte man dem realen wichtigen Prälaten angebliche Handlungen mit Plausibilität zuschreiben. Am Faktum der Synode von 424 als solchem hat, so weit ich sehe, bisher niemand gezweifelt, ebensowenig wie an ihrem eigentlichen Anlass, der Wiedereinsetzung des Katholikos Dadišoʿ. Im Folgenden wird vorausgesetzt, dass es einen schriftlichen Niederschlag der Synodalverhandlung gab, also einen ursprünglichen Text. Was uns jetzt vorliegt, ist eine erhebliche Erweiterung des Ursprünglichen. Ob bei dieser umfangreichen Bearbeitung etwas vom „Urtext“ verlorengegangen ist, ist schwer zu entscheiden; jedoch sind alle wichtigen Schritte bis zum erneuten Antritt der Leitung der Kirche durch Dadišoʿ protokolliert. Ich versuche nun, mit Hilfe eines Schemas aus großen und kleinen Buchstaben die ursprünglichen und die später eingefügten Abschnitte der Akten zu unterscheiden, manchmal ist die Unterscheidung unsicher. Die Druckanordnung von Chabots Übersetzung gibt die natürliche Gliederung des Textes wieder; in ganz wenigen Fällen habe ich noch weiter unterteilt. Synodicon Orientale, S. 285 (a) Redaktor des Synodicon, Lemma153: „Assemblee des metropolitains “ (B) Zeit-und Ortsangabe154: „En la 4e année de Waran “ und Liste der Teilnehmer. S. 286 (C) und (c): Gegenstand der Synode155: „Tous ces évêques présentèrent une supplique “. [39] Den Gedanken, dass das höchste Amt dem Katholikos durch Christus (nicht „in Christus“ wie bei Chabot) anvertraut worden sei, kennen wir aus der Patriarchaltheologie des Mar Aba. Hier auch die erste „petrinische“ Hinzufügung, „comme à Pierre, le chef des Apôtres“. S. 286–287 (d) Die Supplik156: „De l’accord (dirent-ils) et de l’avis des saints “. Der Abschnitt ist fast ganz von der späteren Patriarchalideologie erfüllt: „ le don du patriarcat a été donné et confirmé à ce siège béni qui est dans la grande église de Kōkē De ton siège (ce don) s’est propagé et répandu sur tous les sièges épiscopaux et il se propage et se répand encore sans interruption“, kein herrscherlicher Eingriff kann diesen Lauf unterbrechen. Dies kann jedenfalls nicht die ursprüngliche Supplik sein.

153 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 43,1–5. 154 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 43,9–20. 155 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 44,1–5. 156 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 44,5–14.

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S.  287 (e) oder (E): Einleitung zur Rede des Dadišoʿ157: „Après que ces choses eurent été dites par nous “, sprach der „berühmte Konfessor“ „zu unserer Versammlung.“ S. 287–289 (F) Rede des Dadišoʿ158: „Les réprouvés qui sont parmis nous “. Es gibt keinen Grund, diese Rede dem Dadišoʿ abzusprechen. Die Emotion am Schluss der Rede ist echt159 (Synodicon Orientale, 289): „Et maintenant pourquoi fatiguez-vous mon âme affligée, qui est triste outre mesure à cause de la multitude des tribulations qui ont passé sur elle? Pour votre honneur modeste, j’ai subi un grand affront et une affliction démesurée. Laissez-moi m’affliger dans les pleurs sur la ruine de l’Église, sur l’humiliation et la perte de ses enfants“. Il dit ces choses, et ses yeux répandaient des larmes; il pleurait dans sa douleur et fit pleurer tous les évêques.

Die spätere kurze Rede, mit der Dadišoʿ im weiteren Verlauf der Synode der Supplik nachgeben wird (S. 297 (R) s.  u.) ist im selben Tonfall des Schmerzes und der Bitterkeit gehalten und ebenso genuin. S. 289–294160 (g) Rede des Agapet mit Einschluss des „Briefes der westlichen Väter“ (h) (Synodicon Orientale, 291–292)161: „Alors l’évêque Agapit se leva “. Zu Beginn ist es ein Referat über diese Rede (Synodicon Orientale, 289)162: „Agapit lut les lettres, et continua à parler successivement des premiers troubles “, beginnend mit der Geschichte des Papa. Man kann nicht erkennen, wann das Referat in die direkte Rede übergeht. Chabot setzt hier auch noch kein Anführungszeichen, erst den genannten Brief schließt er in die Zeichen ein. Agapit bezeichnet den Papa [40] als „Patriarch“ (Synodicon Orientale, 291 oben). Die „westlichen Väter“ bestimmen in ihrem Brief, dass Papa das „patriarchale Regiment“ wieder aufnehmen solle; an dieser Stelle folgt der größere „petrinische“ Einschub (Synodicon Orientale, 292)163. Der Brief der „westlichen Väter“ schließt mit einem Satz in „patriarchaler“ Sprache, auf dessen Inhalt es dem Verfasser der späten Bestandteile der Akten besonders angekommen sein muss (Synodicon Orientale, 292)164: „Et de même dans la région orientale, dans le siège patriarcal établi dans la ville de Séleucie, dans la grande église de Kōkē, les évêques ne peuvent tenir une assemblée contre leur chef et leur maître, car ils n’ont point le pouvoir de se faire ses juges; qu’ils sachent qu’ils n’ont pas le droit d’étendre la main sur ce qui ne leur a été donné ni par Dieu ni par les hommes“.

157 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 44,15–16. 158 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 44,17–46,8. 159 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 46,3–8. 160 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 46,9–50,7. 161 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 47,20–48,27. 162 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 46,14. 163 S. schon oben. 164 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 48,22–27.

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S.  292 unten165 (i) Abschlussbemerkung Agapets über Papa, darin166: die Schreiben aus dem Westen „étaient confirmés par l’autorité de la parole de Dieu“. S. 292–293167 (j) Agapet weiter: über den Katholikos Isaak. S. 293168 (k) Agapet weiter: über den Katholikos Yahbalaha. S. 293–294 Zeile 5 von unten (l)169, beginnt eine Zusammenfassung der ganzen Rede mit direkter Anrede der Versammelten: „Vous le savez, ô nos Pères “, wenn Schisma und Uneinigkeit bei uns herrschten, waren die westlichen Väter die Stütze „de cette Paternité“170, mit der wir alle verbunden sind, wie die Glieder mit dem Haupt. S. 294 (m) (und M?)171: „Und jetzt “: Man erwartet, dass nun Dadišoʿ angefleht werden wird, sein Leitungsamt wieder anzunehmen – das geschieht auch, aber erst nach einem reichlichen Drittel des Abschnitts, beginnend bei den Worten172 „Venez, cicatrisons les blessures de notre peuple “. Vorher aber wird erklärt, warum man jetzt ohne westliche Hilfe handeln müsse: „Et maintenant que la persécution et l’angoisse se sont tellement appésanties sur nous, le temps ne leur permet [41] pas de s’occuper de nous comme auparavant“. Wir müssen uns selber bemühen und uns gegenseitig helfen durch die uns übergeordnete Autorität, ohne die wir verloren sind. Zur Behauptung, „jetzt“ sei westliche Hilfe unmöglich, bemerkt Labourt zurecht173: „Comment concilier cette assertion avec le fait, récent encore, de l’intervention des Romains dans le traité de paix qui mit fin à la période aiguë de la persécution de Bahrām? Acace d’Amid, qui déjà avait été délégué au synode de Iahbalaba, venait de gagner aux chrétiens l’estime du roi de Perse, en rachetant, au prix des vases sacrés de son église, sept mille prisonniers et en les renvoyant à leur souverain se trouvait donc probablement à la Porte Royale tandis que Dadišoʿ tenait son concile “. Labourt hält die Behauptung von der jetzt unmöglichen westlichen Hilfe für einen Vorwand des Dadišoʿ – so in seinem Klartext unter der Voraussetzung der vollständigen Echtheit der Akten; wir haben aber aus der dazugehörigen Anmerkung gesehen, dass diese Voraussetzung Labourt selbst anfechtbar erscheint. Die von ihm festgestellte Diskrepanz fällt also dem Verfasser der späteren Aktenbestandteile

165 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 48,27–30. 166 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 48,28–29. 167 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 48,30–49,12. 168 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 49,12–22. 169 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 49,22–27. 170 Hier ist „Väterlichkeit“ (oder „Vaterschaft“, wie O.  Braun übersetzt, s. unten) der patriarchalen Topik zuzurechnen, innerhalb derer die Vokabel für „Patriarch“ oder „Patriarchenwürde“ eintreten kann oder darauf anspielt. Freilich findet man schon vorher die Anwendung auf einen Katholikos, s. den Fall des Jahbalaha, Synode von 420, Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 277. Hat eine bearbeitende Hand ein anderes Attribut damit ersetzt? 171 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 49,27–50,7. 172 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 49,31. 173 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 124.

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zur Last und ist ein Indiz für deren Unechtheit. Was für ein „Jetzt“ imaginiert dieser Verfasser? S. 294 im Hauptteil des Abschnitts (m), der wie gesagt mit „Venez, cicatrisons “ beginnt, wird zur Aufopferung für den Katholikos aufgerufen; diesem Titel werden eine Reihe von Apposita der Leitung beigesellt, darunter „Vater“ wie schon öfter. In die Apposita ist wiederum einer der „petrinischen“ Zusätze eingefügt. Der Katholikos als „notre dispensateur, le distributeur de toutes les richesses des trésors divins“, ist ein Motiv, das wir aus Mar Aba kennen. Die erneute Bitte, der sich Weigernde möge die Supplik seiner Bischöfe annehmen, wird von der Ankündigung begleitet, dass man dieser Bitte weiteren Nachdruck verleihen würde durch Demonstration „von Trauer, Sack und Asche, Weinen und Klagen“ „an seiner Pforte“, d.  h. die Bischöfe würden in der Weise der öffentlichen Kirchenbuße um sein Nachgeben flehen. Diese letztere Ankündigung könnte auch schon auf der tatsächlichen Versammlung ausgesprochen worden sein, da man ja offensichtlich aller Mittel zur Überredung des tief Verletzten bedurfte. Wenn dann von der „Rückkehr auf seinen väterlichen Stuhl und die Wiederaufnahme seines Regiments über uns“ die Rede ist, so gehört das wohl zur „patriarchalischen“ Redeweise („väterlich“ heißt natürlich „als Vater“). Es folgt der letzte der „petrinischen“ Zusätze. [42] S. 294–295174 (n) oder (N)? „Après que ces choses eurent été dites “, folgt eine kurze Anrede der Versammlung durch den Bischof Hosea von Nisibis. Es spricht übrigens nichts dagegen, dass auf der Synode von 424, so wie sie tatsächlich stattgefunden hat, die beiden Bischöfe Agapet und Hosea das Wort ergriffen haben. Agapet hat gewiss nicht die Rede gehalten, wie wir sie heute lesen, bei der Wortmeldung des Hosea kann man nicht völlig sicher sein, nimmt sie doch Motive aus der Rede des Dadišoʿ auf. Hosea fordert die Kollegen auf, zu reagieren und den Zustand schweigender Verwirrung aufzugeben. Tun wir das Naheliegende (wir brauchen uns nicht zur – vom Tagungsort entfernten  – Pforte175 des wahren Kirchenoberhauptes zu begeben), ergreifen wir mit unsern Händen seine Füße! S. 295176 (O) „Tous les évêques se levèrent alors et se prosternèrent “. Man beachte, wieviel Text folgt, bis Dadišoʿ die vor ihm Liegenden auffordert, sich zu erheben: er tut das erst im Abschnitt (R), S. 297. Die Bischöfe richten weinend eine Supplik an Dadišoʿ, in der sie ihn um Verzeihung bitten; er möge doch sein Antlitz nicht von seiner Kirche abwenden, sie sind einverstanden mit oder fordern geradezu die Bestrafung derer, die sich am Katholikos vergangen haben. Gegen Ende fällt die Anrede „Ta Paternité“.

174 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 50,7–20. 175 Cf. oben am Schluss der Rede des Agapet die „Pforte“ des Dadišoʿ, vor der die Büßenden auftreten wollen. 176 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 50,21–51,3.

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 3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch

42, 43, 45

Nichts spricht dagegen, diese Supplik für echt zu halten, vielleicht mit Ausnahme dieser Anrede. S.  295–297177 (p) „Et nous avons accepté “. Es schließt sich der Supplik an (ohne irgendeine Regiebemerkung dazwischen178) eine nachträgliche Konstruktion des Ablaufs der Beziehungen zwischen den Orientalen und den Okzidentalen auf der Basis der Patriarchalideologie. Auf dieser Darstellung beruht die historisch unhaltbare These von der Abnabelung der Kirche des Ostens von der westlichen Kirche im Jahr 424. Der Abschnitt gibt sich als Beschluss der Synode: Wir haben angenommen die „göttlichen Gebote und väterlichen Gesetze, die von Zeit zu Zeit in dieses östliche Gebiet geschickt wurden“, des Inhalts, dass jener, der Vater ist, nicht aus seiner Kirche verjagt werden darf (cf. den Brief der „westlichen Väter“ in der Rede des Agapet!). Es wird eine westliche Bestimmung mitgeteilt (S.  296 oben179)180, die besagt, dass die Bischöfe keine Synode ge[43]gen ihr Haupt veranstalten dürfen, keine Klageschrift gegen ihn verfassen dürfen, „jedoch wenn sie zu klagen haben und ihnen auf der Synode in seiner Anwesenheit keine Genugtuung widerfährt, sie an die Patriarchen,

177 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 51,4–52,3. 178 Chabots Übersetzung hat nur einen Gedankenstrich zwischen den Abschnitten (O) und (p). 179 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 51,8–12. 180 [43]Zu dieser Stelle sagt Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 296 Anm. 1: „Le passage suivant est cité par ʿÉbedjésus (Coll. can., Tr. IX, chap. v; Mai, p. 163) sous la rubrique: Occidentales; mais il n’a pas compris ou il altère le sens exact, en attribuant aux Occidentaux les paroles mêmes de ce synode et la définition par laquelle on interdit de faire appel des décisions du patriarche de Seleucie à celui d’Antioche“ (man beachte, dass die Ortsnamen von Chabot interpretierend eingefügt sind!). Die Stelle bei Ebedjesus wird lateinisch aus Assemani, Bibliotheca Orientalis III 56 zitiert von O.  Braun am Ende seiner deutschen Übersetzung des „Briefwechsels des Katholikos Papa“, ZKTh 18, 1894, 182. Alex. Schilling schrieb mir den syrischen Text aus Assemani ab. Braun hält die Passage übrigens für ein Zitat (er meint wohl: aus dem nicht erhaltenen Teil) der ep. VIII des „Briefwechsels“; aber tatsächlich ist es eine tendenziöse Zusammenfassung eines Abschnitts aus der (angeblichen) Synodalentscheidung von 424. „Ebedjesus: Occidentales. Quod autem a Patribus nostris spiritualibus dictum est, Judicium videlicet Patriarchae Orientis nostris Patriarchis esse reservatum; quia habita exacta inquisitione compertum fuit, Patriarchae accusatores in suis delationibus fuisse falsitatis convictos, et Patriarchas illatorum criminum omnino immunes: nunc definimus in potestate et verba vivo Dei, nullum deinceps habere jus Metropolitas et Episcopos, sed nec Christianos Orientis, ad accusationes criminationesve instruendas adversus proprium Patriarchem, easque ad Patres nostros Occidentales verba aut scripto deferendas. Quodsi rursus aliud quidpiam objiciant, sicut hactenus fecerunt, ipsis respondemus: Patriarcham omnium Christianorum Orientis esse judicem; ipsius autem Patriarchae judicem esse Christum.“ Was mag Ebedjesus (oder eine/seine Quelle?) zu der historisch unhaltbaren Behauptung veranlasst haben, dass das Urteil über den Patriarchen des Ostens den „westlichen“ Patriarchen vorbehalten gewesen sei (ein Zustand, der „jetzt“ zu ändern sei)? Im Text von 424 wird vielmehr eine allgemeine Regel aufgestellt (Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 296 oben) (die übrigens die Gleichrangigkeit aller Patriarchen voraussetzt), die Ebedjesus offenbar auf den speziellen Fall zuspitzen will – eine völlig missglückte applicatio.

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4 Das Protokoll der Synode von 424 

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seine Kollegen, appellieren sollen, die zwischen ihm und ihnen unterscheiden werden, nachdem sie die Sache geprüft haben“. Wo gibt es eine solche „westliche“ Regel? Chabot hat keine Anmerkung zu dieser Behauptung des Textes. „Wir aber“181 („comme maintes fois “ – so fährt Chabot nach einem Komma fort, indem er den langen Satz leicht umstellt) „ bestimmen jetzt beim Wort Gottes182: Que les Orientaux ne pourront se plaindre devant les patriarches occidentaux de leur patriarche. Que toute cause qui ne pourra être résolue en présence de celui-ci soit réservée au tribunal du Christ“. Ein Text, der hier und weiter oben von „Patriarchen“ im Plural spricht, kann erst zu einer Zeit abgefasst worden sein, als es völlig üblich war, von [44] den Oberbischöfen im römischen Reich als „Patriarchen“ zu sprechen, d.  h. Jahrzehnte oder auch mehr als 100 Jahre nach der Synode von 424. Es darf keine Synode gegen den Katholikos gehalten werden, keine Klageschrift gegen ihn, etc., wie es in früheren Fällen, speziell im Fall des Papa geschah. „Pour aucun motif on ne pourra penser ou dire que le catholicos de l’Orient peut être jugé par ceux qui sont au-dessous de lui, ou par un patriarche comme lui“. „Wir Bischöfe alle, wie alle, die nach uns kommen werden, stimmen zu und geben unsere Approbation, Abwesende und Anwesende, allem was deine Väterlichkeit tun wird und alle Väter (tun werden), die nach uns kommen werden und deinen Thron innehaben werden“. S. 297183 (Q) „Die Bischöfe fügten hinzu und sagten: Es lebe der Herr und lebe du selbst, unser Vater! Wir werden deine Füße nicht loslassen und uns nicht von der Erde erheben, ehe du nicht unserer jetzigen Versammlung und der ganzen Kirche den Frieden gibst“. S. 297 (R)184 Die Ansprache des Dadišoʿ; auf ihren Charakter habe ich schon oben hingewiesen. Die Bischöfe antworten darauf mit Amen. (s)185 Die Bischöfe bestätigen noch einmal, was sie „in Übereinstimmung mit dir, unser Vater“, definiert haben, – da diese Bestimmungen ja alle in den späten Bestandteilen der Akten enthalten sind, ist auch (s) dieser Schicht zuzurechnen. Wie öfter im Text erscheint hier noch einmal die Beschwörungsformel „beim lebendigen Wort der Trinität“. S. 297–298186 (t) oder erst der Redaktor des Synodicon: Über die Unterschriften, die früher im Text enthalten waren und hier nicht eigens angeführt werden.

181 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 51,12. 182 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 296 Anm. 2: „Tout ce qui suit est cité à peu près textuellement par ʿÉbedjésus loc. cit.“ (s. die vorletzte Anmerkung) „Mai p. 164“. 183 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 52,4–6. 184 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 52,7–16. 185 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 52,17–27. 186 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), syr. 52,29–53,2.

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 3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch

44, 45

Zu den Abschnitten (g), Geschichte des Papa, und den darin eingeschlossenen Brief der „westlichen Väter“ (h) in der Rede des Agapet sind noch folgende Beobachtungen zusammenzustellen. Diese Texte müssen natürlich Rücksicht darauf nehmen, dass die beiden Gegner des Papa, Miles (Bischof von Susa)187 und Simeon (Barṣabbaʿe, Gegenbischof und Nach[45]folger), berühmte Märtyrer der großen Verfolgung waren. Sie konnten deswegen nicht selber als Rebellen dargestellt werden, sondern als wegen ihrer Schlichtheit, Unwissenheit und Gutgläubigkeit von den aufsässigen Bischöfen Verführte, während sie selber doch tugendhaft waren. Die Rebellen wollten als Ankläger und Zeugen gegen Papa auftreten, während Miles und die tugendhaften Bischöfe wie er Richter sein sollten. Obwohl sie kein Recht zu dieser Funktion als Richter hatten, sprachen sie die Absetzung Papas aus. Die Sache kam vor die Ohren der „westlichen Väter“ (es wird nicht gesagt wie), diese untersuchen die Schmähungen gegen Papa und setzen die Rebellen ab. Von den tugendhaften Bischöfen, die an der Versammlung gegen Papa teilnahmen188, „sind manche aus dieser Welt gegangen geehrt durch das Martyrium“, andere sind in gutem Ruf verstorben, die noch Lebenden behielten ihre Stellung, weil man sie als naiv und simpel und deswegen als leicht zu Verführende betrachtete. Es waren die westlichen Väter, die dem Papa sein Recht verschafften gegen die Versammlung seiner Schüler, die kein Recht dazu hatten (eine solche Synode einzuberufen) – dies der Refrain (und das Grundthema des ganzen Aktenkomplexes in seiner heutigen Gestalt). Der erste Satz des Briefes der „westlichen Väter“ ist ein vaticinium ex eventu, was keine großen Hoffnungen in die Vertrauenswürdigkeit vielleicht eines Grundbestan-

187 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), druckt die Auseinandersetzung zwischen Papa und Miles in den beiden erhaltenen Versionen ab, zunächst die aus den Akten von 424, danach die aus der Sicht der Gegenseite aus den Akten des hl. Miles. Labourt bemerkt dazu: „Ces deux versions ne sont ni l’une ni l’autre originales. Mais elles dépendent d’une tradition commune qu’il n’y a pas lieu de suspecter“. Der Vergleich zeigt, dass die Fassung von „424“ eine Auswahl vornimmt, die als solche bereits tendenziös ist. Selbst die skandalöse und dem kirchlichen Gedächtnis für immer eingeprägte Szene, in der Papa zornig auf das Evangelienbuch einschlägt unter dem Ruf, [45] „Sprich, Evangelium, sprich!“ (wofür er mit einer Lähmung bezahlen muss), wird verschieden umrahmt. 188 Zum Problem der Datierung s. Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 26 Anm. 1: „Je renonce. pour ma part, à essayer de déterminer la date de ces évènements en coordonnant les renseignements fournis par des annalistes dont aucun n’est antérieur au XIIe siècle.“ Westphal in seiner Dissertation meint der Synode des Papa das Datum 313/4 geben zu können, kalkuliert in Relation zum Martyrium des Simon und zur Nachricht in der Passio des Miles, dass der Bischof von Seleukia die Lähmungsattacke zwölf Jahre überlebt habe. Aber die Miles-Akten seien so tendenziös, dass Vorsicht geboten sei. „À mon avis, il est impossible d’établir une chronologie solide pour les années qui ont précédé la persécution de Sapor II.“ Zu Papa in der Chronik von Arbela (die Labourt noch nicht kannte), s. W.  Schwaigert, Miles und Papa: Der Kampf um den Primat. Ein Beitrag zur Diskussion um die Chronik von Arbela, in: V.  Symposium Syriacum, Leuven 1988, OCA 236, 1990, 393–402.

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4 Das Protokoll der Synode von 424 

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des von Text erweckt: Mar Papa wird in den Diptychen189 einen Platz vor allen seinen Vorgängern erhalten. Der nächste Satz gibt eine kanonistisch korrekte Regelung den zweiten prominenten Gegner betreffend; man erkennt wieder das Motiv des verführten Unschuldigen: Wir wissen, dass Simeon, der an Stelle Papas eingesetzt wurde, ein tugendhafter und göttlicher Mensch ist, den die Versammlung mit Gewalt [46] zwingen musste; er soll der Archidiakon des Papa werden und bei dessen Tod sein Nachfolger in der „patriarchalen Regierung“. Nun ist das Archidiakonat in der persischen Kirche zum ersten Mal in den Kanones von 410 bezeugt190, und es ist die Frage, ob es im ersten Viertel des 4. Jahrhunderts im „Westen“ überhaupt schon existierte, also auch hier ein Anachronismus in dem, was als nachträgliche Harmonisierung ärgerlicher kirchlicher Zustände leicht zu erkennen ist. Die Akten der Synode von 424 sind also in der uns vorliegenden Gestalt das Produkt einer späteren Zeit auf der Basis eines ursprünglichen Grundbestandes. Vermutlich war dieser Grundbestand nicht viel umfangreicher als er sich jetzt mit einem gewissen Ausmaß an Unsicherheit erheben lässt. Es ist sogar denkbar, dass es dieser geringe Umfang war, der überhaupt zu den großen Erweiterungen einlud. Für den Zeitpunkt der Erweiterung lässt sich ein terminus a quo angeben: die Zeit des Mar Aba, weil die von diesem ausgebildete Patriarchalterminologie benutzt wird. Es wird aber niemand auf die Idee kommen, in Mar Aba den Produzenten unseres Aktentextes zu vermuten – er hatte andere Sorgen. Ein guter Kandidat ist jedoch der nächste Katholikos, Joseph (552–567). Die patriarchale Sprache seines Vorgängers wird von ihm übernommen, wie man an der Adresse der Akten seiner Synode von 554 ablesen kann191: Aux vénérables amis de Dieu, nos frères et collègues, les métropolitains et évêques des provinces de la région orientale, qui dans la vraie foi au Christ, sont en communion, par l’institution paternelle, avec le trône apostolique qui est (fixé) en l’église de Kôké, dans les villes royales de Séleucie et Ctésiphon192; Joseph institué catholicos, patriarche et les évêques de la grande province du siège apostolique, patriarcal et paternel, établi dans la grande église de Kôké, à Séleucie et Ctésiphon : Paix abondante .

Das Kirchenregiment des Joseph war derartig despotisch193, dass die Bischöfe sich beklagten und einen Beschwerdebrief an ihn richteten, um den sich der Katholikos nicht kümmerte. „Eine Synode versammelte sich und sprach seine Absetzung aus. Er

189 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 291 übersetzt „livre des vivants“, richtiger ist „livre de vie“, terminus technicus für Diptychon. Zum vaticinium s. Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), ibid. Anm. 2: „Cf. les diptyques publiés par Brightmann, Eastern Liturgies, p. 276“. 190 Can. XV. 191 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 95,13–22/352. 192 Im Folgenden nur Stichworte aus dem vollständigen Text. 193 Kurz bei Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 352, Anm. 1; ausführlich Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 192–197 (d.i. der Paragraph über Joseph, darin 194–195); Baumstark 124.

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 3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch

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fuhr trotzdem mit Ordinationen fort und vollzog Akte der patriarchalen Jurisdiktion (Labourt).“ Schließlich194 wendeten die Bischöfe sich durch Vermittlung an den Großkönig. Auf einer [47] neuen Synode wurde wieder die Absetzung ausgesprochen, der Katholikos in den Laienstand versetzt; als Datum wird das Jahr 567 vermutet195. Joseph, der vom Großkönig eingesetzt worden war, stand196 jedoch auch danach „si bien en cour qu’on n’osa pas lui choisir un successeur. Le patriarche déposé soutint sa cause avec une énergie bien conforme à sa caractère. Dès qu’il se sentit menacé, il rédigea divers écrits, tous déstinés à affirmer la primauté absolue du siège de Séleucie et l’universelle et suprême juridiction de son titulaire“. Ich zähle zu dieser gegnerischen Schriftstellerei auch die Hinzufügungen zu den ursprünglichen Akten der Synode von 424. Was er darin über die Unabsetzbarkeit des Katholikos schreibt und über das Verbot, gegen ihn Anklageschriften zu verfassen, will die Absetzung, die ihm von seinen Suffraganen trotzdem widerfahren ist, als illegal erweisen und gegen Beschlüsse gerichtet, die ein (vorgeblich) ehrwürdiges Alter aufwiesen. Man kann sich fragen, warum er für seine kreative Beschäftigung nicht noch weiter zurückgegangen ist. Aber die Isolation vom „Westen“ und das Angewiesensein auf eigene Lösungen, die er für „jetzt“ (d.  h. für seine Gegenwart und nicht die der Synode!) behauptet, konnte schlechterdings nicht in Akten von Synoden interpoliert werden, an denen jeweils ein „westlicher“ Bischof nicht nur anwesend, sondern auch aktiv an kirchenordnenden Maßnahmen der Synodalen beteiligt war wie 410 und 420. Jedoch machte die Aufnahme der Geschichte des Papa in die Rede des Agapet einen Rückgriff sogar bis ins frühe 4. Jahrhundert möglich. Die Datierung des interpolierten Gesamttextes auf das nun weit zurückliegende Jahr 424 zog schließlich jene späten „petrinischen“ Zusätze an, auf die Gero aufmerksam gemacht hat. Beiläufig schreibt die Überlieferung Joseph die Zusammenstellung eines Patriarchenkatalogs zu197, „qui, sans doute, tendait à démontrer l’apostolicité du siège de Séleucie“ vermutet Labourt (welche Art von „Apostolizität“ meint er?). Für uns interesssanter ist das Auftauchen seines Namens im Zusammenhang mit dem apokryphen „Briefwechsel des Katholikos Papa“. „Il augmenta du moins ce dossier dont certaines pièces existaient avant lui“ (Labourt)198. Um einen modischen Ausdruck zu gebrauchen: es entsteht ein literarischer „Anfangsverdacht“ gegen Joseph (dazu s. den folgenden Abschnitt).

194 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 195–196. 195 Chabot, Synodicon (wie Anm. 5), 352 Anm. 1: „Il est regardé comme illégitime et son nom est omis dans certaines listes patriarcales.“ 196 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 196–197. 197 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 197 mit Anm. 1. Diese Mitteilung bei Assemani, Bibl. Or. III, p. 435. Der Tradent ist Elie Djauhari, bei Baumstark, p. 124 n. 7 (in anderer Schreibung). 198 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 197.

48,  49

5 Der „Briefwechsel des Katholikos Papa“ und die ­Sonderstellung von ep. VIII 

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[48]5 Der „Briefwechsel des Katholikos Papa“ und die ­Sonderstellung von ep. VIII Von den literarischen und historischen Problemen des „Briefwechsels des Katholikos Papa“ sagt Labourt zweimal: „La question est, cependant, loin d’être tirée au clair“199. Es ist hier nicht die Absicht, zu vollständiger Klarheit zu gelangen, sondern bescheidener unter Anwendung des Fieyschen Kriteriums der Verwendung des Patriarchentitels und in Erweiterung des Kriteriums auf die von Mar Aba ausgebildete und von Joseph übernommene patriarchale Topik, die anachronistischen Züge noch deutlicher herauszuarbeiten. Das hat eine gewisse Bedeutung, weil eine Passage aus ep. VIII („Brief der westlichen Väter“) in die kirchenrechtliche Sammlung des Ebedjesu aufgenommen wurde. O.  Braun legte 1894 eine deutsche Übersetzung des Briefwechsels vor und fügte eine Untersuchung bei200, die Labourt unter schärferer Beurteilung der Echtheitsfrage201 auswertete. Aber noch Baumstark202 (obwohl er doch Labourts Zweifel an der Rede des Agapet gekannt haben muss) leitet aus der Verlesung eines Briefes der „westlichen Väter“ an Papa auf der Synode von 424 (s.  o.) ab, dass jedenfalls ep. VIII nicht erst vom Katholikos Joseph verfasst sein könne. Dies Argument ist hinfällig durch das, was oben in Abschnitt 4 herausgearbeitet wurde. Alle, die sich bis Fiey einschließlich mit dem „Briefwechsel“ befasst haben, kennen natürlich die Nachricht bei Bar Hebräus203: Et reperiuntur epistulae consolatoriae a S.  Iacobo Nisibeno et etiam a S.  Ephraem missae ad hunc Papam ob amissionem dexterae et increpatio contra episcopos, qui audacter ad[49]versus eum procedebant. Et quidam dicunt epistolas illas Iosephum Catholicum, cum depositus esset, composuisse204. 199 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 125 Anm. 1 (126) und 21 Anm. 1, an dieser letzten Stelle steht „du reste“ für „cependant“. 200 O.  Braun, Der Briefwechsel des Katholikos Papa von Seleucia. Ein Beitrag zur Geschichte der ostsyrischen Kirche im vierten Jahrhundert, ZKTh 18, 1894, 163–182 übersetzte Texte, 546–565 Untersuchung. Ich modernisiere Brauns Orthographie. 201 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 21 Anm. 1: „Nous ne pouvons admettre, comme le fait M.  Braun, qu’il y ait dans cette correspondance des parties apocryphes et des parties authentiques“. 202 Baumstark, 124, Anm. 10 u.  a. Diskussion über mögliche Entstehungszeiten einzelner Briefe. 203 Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 72 verweist darauf, dass M.  Kmosko die Mehrzahl der wichtigsten Stücke zum Konflikt Papa – Miles bequem zusammengestellt habe; die uns interessierende Passage aus Barhebräus befindet sich auch darunter. Kmosko bietet sie innerhalb seiner Abhandlung über Simeon Bar Sabbaʿe, Patrologia Syriaca I 2; 667 syr., 668 lat. Kmosko zitiert damit J.  B.  Abbeloos/Th.  J.  Lamy, Gregorii Barhebraei chronicon ecclesiasticum, t. III, 27 sq. Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 549 hat dieselbe Bandzahl, Baumstark dagegen (124) Band 2, – folgt er damit Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 21 Anm. 1 und 197 Anm. 2, der seinerseits einen Schreibfehler produziert hätte? 204 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 559 sieht in der Passage bei Barhebräus einen „äußeren Zeugen für die Echtheit“ der fraglichen beiden Briefe (tatsächlich bezeugt Barhebräus damit nur die Existenz des Briefwechsels), weist aber auf die Bezweiflung derselben durch die anonymen „quidam“

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 3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch

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Es handelt sich um den V. und VI.  Brief der Sammlung. Zur leichteren Verständigung hier die Liste der Lemmata der acht Briefe: (Braun, 164) I Brief des Eusebius, Patriarchen von Rom, an Papa den Katholikos des Morgenlandes. (165) II Ein anderer (Brief) des Juda Kyriakos, Bischofs von Jerusalem, an Papa. III (Brief) der Königin Helena an Papa. (166) IV (Brief) des heiligen Papa an die Königin Helena. (167) V Brief des heiligen Jakob, des Bischofs, an Papa. (169) VI Folgt (der Brief) des Mar Aphrem, des Lehrers, an Mar Papa, den Katholikos, den Patriarchen. (174) VII Brief des Mar Papa an die Nisibener. (178) VIII Synodalschreiben der abendländischen Väter an Mar Papa, den Katholikos, worin sie das aufheben, was gegen ihn von den Anhängern des Miles und ihren Genossen geschehen war. Braun zerlegt die Sammlung in formeller und inhaltlicher Beziehung mit Recht in zwei Gruppen, I–IV und V–VIII.  In der ersten Gruppe sind die Sätze kurz und die Briefe selber auch. Die zweite Gruppe unterscheidet sich stilistisch „sehr zu ihrem Nachteil“ von der ersten Gruppe; ein „Übermaß des Pathos“ kennzeichnet sie, derselbe Gedanke wird in „zahlreichen Variationen“ vorgetragen, die Satzkonstruktionen sind so „verschroben“, dass es schwer falle, den Sinn zu erheben205. Auch die geographische Reichweite der beiden Briefgruppen ist verschieden; die erste Gruppe greift nicht bloß in den griechischen Westen, sondern gar in den lateinischen aus, während die zweite Gruppe mit Ausnahme der ep. VIII im syrischen Westen bleibt. Die erste Gruppe endet mit einem Brief des Papa, in der zweiten Gruppe aber nimmt schon der vorletzte Brief die analoge Position ein. Ep. VIII erhält bereits dadurch eine Sonderstellung. Während Brief VII mit vatici[50]nia ex eventu endet, der angebliche Verfasser also in eine Zukunft blickt, die noch nicht eingetreten ist, seiner Kirche damit eine Botschaft hinterlässt und so dem Briefcorpus einen geistlichen Abschluss gibt, nimmt ep. VIII die in den vorangegangenen Briefen verhandelte Sache aufs Neue auf und bezieht sich deutlich auf diese Briefe. Brief VIII gibt eine große Gruppe von Absendern mit nur griechischen Namen an als Mitglieder einer Kirchenversammlung; man habe sich die Briefe des Bischofs Jakob von Nisibis und

hin. „Es ist möglich, dass“ Joseph „in diesem Vorbild Trost suchte“, jedoch habe die Datierung sich nach ep. VII zu richten. Die Ähnlichkeit der Situation (und des Charakters) von Papa und Joseph auch bei Fiey, Jalons (wie Anm. 1),73 und Anm. 34: „Alle Quellen geben die stolze und diktatorische Haltung Papas als Hauptursache der Rebellion der Bischöfe“ gegen ihn an. „Cette attitude se rapproche étonnament de celle du catholicos Joseph, à qui justement Bar Hebraeus attribue la confection de la correspondance de Pāpā, laquelle l’aurait justifié et soutenu“. 205 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 555–558.

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5 Der „Briefwechsel des Katholikos Papa“ und die ­Sonderstellung von ep. VIII 

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des Ephräm aus dem Aramäischen ins Griechische übersetzen lassen206 (das sind ep. V und VI der Sammlung). Hier wird also wie in den Briefen I–IV der griechische Westen einbezogen. Der anachronistische Patriarchentitel erscheint in den Lemmata der Briefe I und VI – in I auch für den Bischof von Rom! Während der Titel in diesen Lemmata eine Hinzufügung zu einer ursprünglichen Fassung sein könnte, wie Braun meint207, würde ich in den übrigen Fällen zu dieser Erklärung nicht greifen. In ep. I enthält auch die Adresse den Titel208. Es ist ferner vom Stuhl des Mar Thomas die Rede, ein deutliches Indiz für späte Abfassung209. Ep. II hat die Adresse „dem Väterchen Papa,“210; nun ist „Vater“ selbstverständlich eine übliche Bischofsanrede oder auch kollektive Bezeichnung für Bischöfe, cf. die „westlichen Väter“, von denen öfter in unseren Quellen gesprochen wird; aber wenn die Anrede dann „Vaterschaft“ lautet211, so steht dies Abstraktum hier für „Patriarch“. Die Adresse von ep. III bezeichnet Papa als „Patriarchen des Orients“212. Ep. IV, deren Verfasser Papa sein soll, zeigt sich demütig: „eine kleine Hütte ist unser Bethaus“213 – wie groß war die Kirche in den „Städten“ zur Zeit des realen Papa? Wir erinnern uns, dass zur Patriarchaltopik des 6. Jahrhunderts die Bindung der Legitimität des Katholikos/Patriarchen an die „große Kirche von Seleukia-Ktesiphon in Kōkē“ gehört. Papa bezeichnet sich selber als der „Schwache“214 – angesichts seines notorisch cholerischen Charakters wirkt das wie eine subtile Ironie des tatsächlichen Verfassers. Das Epitheton wird in einem der folgenden Briefe wieder aufgenommen werden. [51] Ep. V hat den Titel „Patriarch“ in der Adresse215. Der Brief ist voll von der Anrede „Vaterschaft“216, wobei die Bedeutung zwischen dem Geistlichen und dem Institutionellen oszilliert. Hier wird auch auf die Szene angespielt, wo „du deine Hand gegen das Evangelium ausgestreckt“ hast, mit der „Prüfung, die in derselben Stunde über deine Vaterschaft kam“ (gemeint ist die Lähmung des Arms, mit dem Papa auf das Evangelienbuch – zum Skandalon der Synodalen – eingeschlagen hatte)217. Ep. VI bietet den Titel im Lemma, wie gesagt218. Auch hier haben wir sehr

206 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 178. 207 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 556. 208 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 164. 209 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 165. Nirgendwo im Synodicon Orientale wird Thomas in Verbindung mit dem Stuhl von Seleukia gebracht. 210 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 165. 211 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 165. 212 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 165. 213 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 166. 214 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 167. Cf. Mar Aba „die Schwäche des Katholikos“. 215 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 167. 216 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 167–169 passim. 217 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 169. 218 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 169.

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 3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch

51, 52

häufig die Anrede „Vaterschaft“219. Wir hören, dass „zu deiner Patriarchenwahl Orient und Okzident einstimmte“220, achtundsechzig221 Jahre „verwaltest du das Hohenpriestertum in Orient und Okzident (!)“222. Es wird von Gefangenschaft und Folter berichtet, die Papa erlitt223. In ep. VII bezeichnet sich Papa wieder als „der Schwache“224, das hat der Verfasser dieser Gruppe von Briefen aus ep. III übernommen. Zu den vaticinia ex eventu, Ausweis der Unechtheit des Briefes, zählt die Voraussage einer Verfolgung225: „Die Dauer der [52] Drangsal in der Kirche des Morgenlandes wird aber sein vier Jahrwochen“ (= 28 Jahre, man beachte die danielische Sprache, die dem Papa Prophetenstatus verleiht), „und drei Patriarchen einer nach dem andern wie Feldherren an der Spitze ihrer Lager werden vollendet in schrecklichen Todesarten“. Dazu vergleiche man bei Labourt die Serie der Katholikoi Simon Barṣabbaʿe, Šahdost, Barbaʿšemin mit den Todesdaten 341, 342, 346 vor der jahrzehntelangen Vakanz während der großen Verfolgung226. Der Nachtragscharakter von ep. VIII geht bereits aus dem Lemma227 hervor, denn im Brief VII hatte Papa ja bereits den Gegnern Miles etc. verziehen. In der Adresse228 heißt Papa Patriarch und Metropolit, „deine Vaterschaft“ wird angeredet, wie in den übrigen Briefen; seine lange Amtszeit wird erwähnt, ebenso die Strafe, die ihm (für

219 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 167–173 passim. 220 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 171. 221 Cf. unten in Brief VIII das Lebensalter von 100  Jahren. Braun, Briefwechsel (wie Anm.  200), 561  f. versucht eine biographische Notiz zu Papa: „Über die Zeit seiner Geburt wird nirgends berichtet; nach den Angaben über seine Regierungszeit und seinen Tod mögen wir dieselbe ungefähr zwischen 220 und 230 ansetzen. Nach Barhebräus wurde er nämlich 266 ordiniert und starb nach 69-jähriger Regierung, also 335. Aus den Angaben des Mare ist nur zu entnehmen, dass er in hohem Alter nach einer Regierung von 70 Jahren unter Schapur (II) starb. Abdischo gibt ihm eine ungefähre Regierungsdauer von 68 Jahren. Amr dagegen lässt ihn schon 247 ordiniert sein und nach 79jähriger Regierung i.  J. 326 sterben. Sehr spät sind alle diese Angaben; die meiste Wahrscheinlichkeit haben die des auch sonst zuverlässigen Barhebräus, da sie mit den Daten der immerhin alten Briefe am besten sich in Einklang bringen lassen.“ Solange wir nichts Besseres haben, müssen die Briefe unserer „Korrespondenz“ als Quelle für diese chronologischen Angaben gelten, die daher keinen selbständigen Wert haben. Die Daten des langen Lebens und des langen Episkopats wirken zwar legendär, aber die auffällige Länge dürfte sie dem kirchlichen Gedächtnis so eingeprägt haben wie der Schlag auf das Evangelienbuch. Labourt in seiner Table synchronique (siehe Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 353) gibt nur an: „Vers 310: Papa“. Fiey, Jalons (wie Anm. 1), 72 hat in der Überschrift „Papa (310–329)“. 222 Und „Okzident“ ist ein Schreiberirrtum: Wiederholung des Begriffspaars, das kurz vorher genannt wird (bei Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 171 stehen nun 3 kurze Zeilen zwischen den Erwähnungen). 223 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 173. Wieviel ist darin eventuell aus älteren Nachrichten aufbewahrt? 224 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 174. 225 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 176. 226 Labourt, Le christianisme (wie Anm. 8), 353 Table synchronique. 227 S. die oben zusammengestellten Lemmata. 228 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 178.

52 ,53

5 Der „Briefwechsel des Katholikos Papa“ und die ­Sonderstellung von ep. VIII 

 275

den Schlag auf das Evangelienbuch) zuteil wurde229. Sein Alter wird mit 100 Jahren angegeben. Die (vorgeblichen „westlichen“) Verfasser sprechen von den „Orthodoxen“, „die mit uns sind“230. Außerordentlich bemerkenswert ist der Schluss des überlieferten Briefes (der Text bricht vor dem eigentlichen Ende ab). Um die Besprechung zu erleichtern, versehe ich Brauns Übersetzung mit einer Paragraphenzählung231. „§ 1 Es wäre ersprießlich gewesen, dass die große Gnade der Patriarchenwürde dem Thron deiner Vaterschaft nicht gegeben worden wäre. §  2 Weil im Gebiet des Morgenlandes keine Metropoliten ordiniert worden wären, so wären alle Bischöfe dem Thron deiner Heiligkeit unterworfen. §  3 Jetzt aber ist wegen der Patriarchenwürde deine Ehre geschmälert und es ist klar, dass dieses wegen des Hochmuts und Ungehorsams der von dir ordinierten Metropoliten der Fall ist. § 4 Wir wissen aber, dass wenn die Metropoliten einen gegen ihren Patriarchen ergebenen Sinn besitzen würden, sie nicht zuließen, dass die Streitigkeiten in ihrem Gebiet so groß würden. § 5 Vielmehr geht aus den Tatsachen und den Schreiben unseres Bruders Mar Jakob232 hervor, dass diese dieselben hervorrufen und befördern, ohne daran zu denken, dass der Patriarch der Richter und Bestrafer ihrer Torheiten sein werde. § 6 Ja wiederholt gingen sie mit einer Klage gegen ihren Patriarchen zu unseren Vätern, und wenn ihre Einwendungen untersucht und geprüft wurden, wurden nicht nur die Patriarchen als Recht habend erfunden in den gegen sie vorgebrachten Einwänden, sondern vielmehr die Metropoliten und Bischöfe wurden schuldig befunden, von ihnen ausgestoßen und aus ihrem Range entfernt. § 7 Und siehe, sie schlagen die Kirche eures Gebiets mit den Geißeln ihrer Auflehnungen und mit der Rache ihrer [53] Parteiung. § 8 Und das haben wir entschieden und233 bei uns selbst ersonnen, dass das der Kirche nützlich sei, was unsere Väter früher bestimmt, als sie die Patriarchalgewalt jenem euren morgenländischen Stuhle, der in der Kirche von Kuke (ist), verliehen, dass er nämlich Metropoliten ordiniere, wo er es als nützlich erkennt, dass er über sie Gewalt habe, sie aufzustellen, wenn sie würdig sind, und sie abzusetzen um ihrer Vergehen willen, und ebenso solle der Patriarch Richter und Bestrafer sein über alle Bischöfe in der ganzen Kirche seines Gebietes; er solle die Gewalt und die Macht haben. § 9 Und auch wir bestimmen, indem wir dem zustimmen234, dass jeden, der Streit und Unruhe stiftet und von seinem Nacken die Dienstbarkeit des Patriarchen abschüttelt, der Patriarch absetze und einen anderen an seiner Stelle ordiniere. § 10 Und er soll

229 All dies Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 179. 230 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 180. 231 Das folgende lange Zitat Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 181–182. 232 Ep. V in dieser Sammlung. 233 Braun, Briefwechsel (wie Anm. 200), 181 Anm. 2: Das Folgende „hat Abdischo von Saliba als Zitat in seine Kanonensammlung aufgenommen. Vgl. B.  O.  III 56; Mai, Scriptorum veterum nova collectio X 164“. 234 Hier endet das Zitat bei Ebedjesus.

276 

 3.7 Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch

53 ,54

Gewalt haben über alle Ordinationen, Irritationen, Absetzungen, Zurechtweisungen, über die Aufstellung von Canones, über die Vermehrung und Vergrößerung der Kirchen, Klöster und auch der Bischofssitze; auch wenn es nötig ist, dieselben zu verkleinern wegen des Bestandes und Vorteiles der anderen Kirchen und Bischofssitze. Wir stimmen zu, dass “. Der zitierte Abschnitt aus ep. VIII ist in sich erstaunlich zwiespältig in seiner Einstellung zum Patriarchenamt. § 1 bezeichnet einmal die Patriarchenwürde als „eine große Gnade“ (also doch wohl als göttliche Gabe), andererseits aber wäre es besser, wenn der Adressat sie nicht erhalten hätte! Die überraschende Erklärung in § 2: ohne die Bischöfe in der Stellung von Metropoliten wären dir alle Bischöfe unterworfen. D.  h. der Patriarch an der Spitze des Metropolitansystems ist durch die mittlere hierarchische Stufe der Metropoliten an der unmittelbaren Ausübung seiner Amtsgewalt über alle Bischöfe gehindert. Der Verfasser ist offensichtlich der Auffassung, dass Patriarchat und Metropolitansystem in der Kirche des Ostens zugleich eingeführt wurden. § 3 wiederholt die negative Einschätzung der Patriarchenwürde: ihretwegen „ist deine Ehre geschmälert“! und das liegt an den Metropoliten, die der Patriarch aber selber einsetzt (= er ist Bestandteil des Systems, das ihm so viel Ärger bereitet), ihnen mangelt es an der zu erwartenden Loyalität (§ 4), sie bedenken nicht, welche richterliche Autorität der Patriarch über sie hat (§  5). Was bis hierher an negativer Einschätzung des Patriarchenamtes gesagt worden ist, geht geradezu in überirdischer Empathie auf die Empfindungen des Amtsinhabers ein, der sich wohl gerne als „Katholikos“ im allerwörtlichsten Sinn gerieren würde (allerdings wird der Titel „Katholikos“ gar nicht genannt!). Indem der reale Verfasser des Briefs dies Urteil über seine Situation den „westlichen Vätern“ zuschreibt, gibt er ihnen als Außenseiter die Rolle einer neutralen Instanz, die nicht in die akuten Streitigkeiten impliziert ist. Soll § 6 wirklich für die Zeit des Papas gelten, indem hier die „westlichen Väter“ auf die Zeit „unserer Väter“ zurückblicken, das wäre auf das [54] dritte und beginnende vierte Jahrhundert? Die vorgeblichen Verfasser des Briefes müssten mehrere solcher Vorfälle im Blick haben, wie sie die Rede des Agapet in den bearbeiteten Akten von 424 schildert, nur eben noch einmal weiter zurückprojiziert. Wie weit sind dem tatsächlichen Verfasser die Zeitebenen durcheinander geraten? Oder liegt hier literarischer Einfluss der Akten von 424 vor? In § 8 beginnt das Zitat, das Ebedjesus der ep. VIII entnommen hat, nämlich die von den „westlichen Vätern“ jetzt gegebene Bestimmung. Ihr Inhalt: sie erklärt für „nützlich“ eine „frühere“ Bestimmung „unserer Väter“, nämlich die Einführung des Patriarchal-Metropolitan-Systems im Orient. Damit wird die oben in den §§ 1–3 geäußerte Kritik an eben diesem System wieder zurückgenommen – das System ist doch nützlich für die Kirche (wenn auch nicht im gleichen Maß für deren obersten Leiter?). Der Rückverweis verlegt die Existenz der mehrstufigen Bischofshierarchie in irgendeine Vorzeit – vor Papa oder in dessen lange zurückliegende Anfangszeit? Der Anachronismus des ganzen Textes enthüllt sich, wenn man sieht, wie viele Zeiträume hintereinandergestaffelt werden. Das Zitat des § 8 bei Ebedjesu ist aber vor allem ver-

54,  55

5 Der „Briefwechsel des Katholikos Papa“ und die ­Sonderstellung von ep. VIII 

 277

anlasst durch die Behauptung: unsere Väter haben die Patriarchalgewalt dem morgenländischen Stuhl in der Kirche von Kōkē verliehen. Die Bindung an die (große) Kirche von Kōkē gehört in die Patriarchalideologie, wie sie Mar Aba entwickelt hat. Seit wann aber betrachtet man in der Kirche Persiens die Patriarchenwürde als vom „Westen“ (d.  h. von Antiochien) her verliehen? Als wichtigste Funktion des Patriarchen wird in § 8 seine Vollmacht zum Einsetzen von Metropoliten genannt. Die §§ 9 und 10, bei Ebedjesu nicht zitiert, geben Ausführungsbestimmungen. Unsere Untersuchung oben hat gezeigt, dass die konsequente Durchführung des Metropolitansystems unter dem „Großmetropoliten“ (410) und die selbstbewusste Formulierung der Patriarchalideologie (540) nicht zusammenfallen und dass der Patriarchentitel dem Katholikos von Seleukia-Ktesiphon nicht verliehen wurde, sondern dass dieser ihn für sich in Anspruch nahm, weil er im Westen üblich geworden war für einen Obermetropoliten, mit dem man sich als gleichrangig erachtete, d.  h. für den von Antiochien. Das Protokoll der Synode von 410 ist das Dokument des Bewusstseins der Gleichrangigkeit, das dort vom „westlichen“ Beobachter offensichtlich geteilt wurde. Sowohl das Metropolitansystem wie der Patriarchentitel sind allerdings westlichen Ursprungs; das erste wurde in Persien aus pragmatischen Gründen vervollkommnet, unter kanonistischer Mithilfe der geographisch nächsten kirchlichen Nachbarn, die unter günstigeren politischen Bedingungen leben konnten; das Motiv für die Übernahme des zweiten habe ich genannt: die bestehende Gleichrangigkeit von [55] Seleukia und Antiochien auch in der nun im „Westen“ üblichen Terminologie auszudrücken. Was aber ist das Motiv unseres Textes, die Patriarchenwürde als eine von „westlichen Vätern“ an den Bischof von Seleukia-Ktesiphon verliehen aufzufassen? Ist es nur eine Extrapolation aus dem nicht zu bestreitenden westlichen Ursprung des Titels? Oder empfand der Verfasser, der Titel bedürfe der Legitimierung? Der leider verlorene Rest des Briefes hätte vielleicht gezeigt, ob noch ein anderes Thema als die Vollmacht des Patriarchen über die Metropoliten verhandelt worden wäre, aus dem man für dies Problem hätte Schlüsse ziehen können.

4 Ältere Beiträge zur syrischen Kirchengeschichte (vor 1992 entstanden)

4.1 Ein unbekanntes Zitat aus Contra Eunomium des Theodor von Mopsuestia Die Handschrift Or. 13191 der Cambridge University Library enthält u.  a. 36 Kephalaia (f. 90u – 104u), die dem Nestorius zugeschrieben werden. A.  E. Goodman hat ihnen eine Untersuchung gewidmet2. Drei dieser Kephalaia (28.17.18)3 kannte man schon aus Vat. Syr. 179  f. l04, sie sind in die „Nestoriana“ von Loofs (p. 371 Text, p. 218  f. Übers.) aufgenommen worden. Sowohl Loofs wie auch Goodman möchten für die Echtheit plädieren, doch sind sich beide ihrer Sache nicht vollkommen sicher. Das Problem der Authentizität kann hier nicht näher untersucht werden; mir selbst scheint es ziemlich sicher, dass die Kephalaia nicht von Nestorius stammen. Sie bekämpfen nicht die μία φύσις und die σύγχυσις, sondern die ὑπόστασις σύνθετος und die σύνθεσις in der einen Person Christi, wenden sich also gar nicht direkt gegen Kyrill, sondern gegen die neuchalkedonische Christologie, die sich auf Kyrill beruft. Die Tatsache, dass Theodor von Mopsuestia als Zeuge herangezogen wird, spricht keineswegs für Nestorius als Verfasser, denn meines Wissens zitiert Nestorius nie ausdrücklich den grössten Antiochener. [98)) Das Theodorzitat findet sich im 1. Kephalaion (f. 90u – 91u). Seine Herkunft wird angegeben: es stammt aus dem 18. λόγος4 gegen Eunomius. Aus diesem Werk Theodors kannte man bisher nur ein5 Zitat bei Facundus IX, 3 (PL 67, col. 754 C), das ins „10. Buch“ gehört. Facundus verdankt es mit vielen anderen Zitaten der Apologie Theodorets für Diodor und Theodor6, hat also auch die Fundstelle aus dieser Quelle. Dagegen darf angenommen werden, dass der Verfasser der Kephalaia direkten Zugang

Anmerkung: Ich verdanke die Möglichkeit zur Veröffentlichung dieses Zitats der Großzügigkeit von Rev.  a. E.  Goodman in Rampton/Cambridge. Rev. Goodman stellte mir seine Photokopien der Kephalaia sowie eine von ihm angefertigte englische Übersetzung zur Verfügung, die mir meine eigene Übersetzung natürlich ganz wesentlich erleichterte. Es ist eine Edition der ganzen Handschrift Or. 1319 geplant; sie enthält nestorianische Texte, die zum grossen Teil unbekannt sind. 1 Beschrieben von A.  E. Goodman, The Jenks Collection of Syriac Manuscripts in the University Library, Cambridge. Journal of the Royal Asiatic Society, Oct. 1939, p. 596–8. 2 Examination of some Nestorian Kephalaia (Or. University Library, Cambridge) in: Essays and Studies presented to Stanley Arthur Cook, ed. by D.  Wynton Thomas (Cambridge Oriental Series, No. 2), London 1950, p. 73  ff. Ich benutze einen Sonderdruck mit der Seitenzählung 1–10. 3 Cf. Goodman, p. 1. 4 ‫ܡܐܡܪܐ‬. Das kann zwar auch „Homilie“ heissen, wird aber ebenso für logoi als Unterabschnitte eines Buches verwendet. 5 Nur PG 66, 1002 wird ein zweites Zitat aufgeführt; aber das ist ein Irrtum. Das Zitat gehört nach dem Text der 6. Sitzung des 5. Konzils zu De incarnatione. Als solches erscheint es schon vorher richtig PG 66, 985. 6 L.  Abramowski, Reste von Theodorets Apologie für Diodor und Theodor bei Facundus, Studia Patristica I [erschienen 1957] (Texte und Untersuchungen 63), p. 61–69. https://doi.org/10.1515/9783110647419-015

282 

 4.1 Ein unbekanntes Zitat aus Contra Eunomium des Theodor von Mopsuestia

98, 99

zu der Schrift des späteren Bischofs von Mopsuestia hatte. Wie wir aus der „Bibliothek“ des Photius wissen (cod. 4 und 177), hat Theodor eine Schrift „in 25“ (cod. 4) bzw. „28“ (cod. 177) logoi für Basilius gegen Eunomius verfasst. Ebed-Jesu hat in seinem Schriftstellerkatalog Basilius und Eunomius auf zwei verschiedene Titel verteilt – aber seine Vertrautheit mit dem Inhalt der von ihm aufgezählten Bücher ist nicht nur an dieser Stelle fraglich, so dass man sich lieber auf Photius verlässt. Dennoch ist Assemani Ebed-Jesu gefolgt, ebenso neuerdings Devreesse (Essai sur Théodore de Mopsueste p. 49). Doch sind die angeblichen zwei Werke mit Swete (Theodore of Mopsuestia on the Minor Epistles of St. Paul, II p.  322) für eine „unwahrscheinliche Konjektur“ zu halten. Auch E.  Amman (Dict. Théol. Cath., XV, 1, col. 239 s.) hält an einem Werk gegen Eunomius fest. Zu den Angaben des Photius würde ein 18. logos sehr gut passen, das Lemma unseres Zitates ist demnach vertrauenswürdig. Trotzdem muss man fragen, ob das Zitat nicht vom Verfasser der Kephalaia für seine Zwecke erfunden worden ist. Dazu kommt, dass das Ende des Zitats nicht leicht zu bestimmen ist. Fällt es mit dem Schluss des 1. Kephalaions zusammen, oder endet das Zitat schon vorher? Diese Probleme können nur an Hand des Textes erörtert werden. Ich lasse aus dem 1. Kephalaion das Stück vom Lemma des Zitats bis zum Ende des Keph. folgen, nach dem Text der Handschrift und in Übersetzung, ausserdem noch den grössten [99] Teil des 3. Keph., das, wie man sehen wird, eine Art Scholion dazu darstellt.*

̈ ‫ܗܕܐ ܥܡ ܐܚ̈ܪܢܝܐܬ‬ ‫ܣܓܝܐܝܬܐ ܐܦ ܛܘܒܢܐ ܬܐܕܘܪܐ‬ ̇ ‫ܒܡܐܡܪܐ ܕܬܡܢܬܥܣܪ ܕܠܘܩܒܠ ܐܘܢܡܝܣ ܐܡܪ ܗܟܢܐ܀‬ ‫ܦܪܨܘܦܐ ܥܦܝܦܐܝܬ ܡܬܐܡܪ ܐܘ ܓܝܪ ܠܗ ܠܩܢܘܡܐ ܡܘܕܥ‬ ‫ ܐܘ ܠܘܬ ܐܝܩܪܐ ܘܪܒܘܬܐ‬:‫ܘܡܕܡ ܕܝܐܬܘܗܝ ܟܠ ܚܕ ܚܕ ܡܢܢ‬ ‫ ܩܢܘܡܗ‬:‫ ܦܘܠܘܣ ܘܦܛܪܘܣ‬:‫ܘܣܓܕܬܐ ܡܬܦܪܥ ܕܐܝܟ ܐܝܟܢ‬ ‫ ܦܪܨܘܦܗ ܕܝܢ ܕܡܪܢ‬.‫ܘܦܪܨܘܦܗ ܕܚܕ ܚܕ ܡܢܗܘܢ ܡܘܕܥ‬ ‫ ܡܛܠ ܓܝܪ‬:‫ ܐܝܩܪܐ ܘܪܒܘܬܐ ܘܣܓܕܬܐ ܡܘܕܥ‬:‫ܡܫܝܚܐ‬ ‫ ܐܝܩܪܐ ܕܩܢܘܡܗ ܡܩܦ‬:‫ܕܐܠܗܐ ܡܠܬܐ ܒܐܢܫܘܬܐ ܐܬܓܠܝ‬ ‫ ܕܐܝܩܪܐ‬:‫ ܘܡܛܠ ܗܢܐ ܦܪܨܘܦܗ ܕܡܫܝܚܐ‬.‫ܠܡܬܚܙܝܢܘܬܐ‬ ̈ ‫ ܠܘ ܕܐܘܣܝܐ ܕܬܪܝܗܘܢ‬.‫ܐܝܬܘܗܝ ܡܘܕܥ‬ ‫ ܐܝܩܪܐ‬:‫ܟܝܢܐ‬ ‫ ܐܐܠ ܡܬܥܠܝܢܘܬܐ ܕܪܘܡܪܡܐ‬.‫ܓܝܪ ܐܠ ܟܝܢܐ ܘܐܠ ܩܢܘܡܐ‬ ‫ ̇ܗܘ ܓܝܪ ܡܕܡ ܕܐܝܬܝܗܘܢ‬.‫ܕܡܬܦܪܥܐ ܡܛܠ ܥܠܬܐ ܕܓܠܝܢܐ‬ ‫ ܼܗܘ ܗܢܐ‬:‫ܠܗ ܡܠܟܐ ܐ̈ܪܓܘܢܐ ܐܘ ܐܣܛܐܠ ܕܡܠܟܘܬܐ‬ ̇ ‫ܐܬܢܣܒܬ ܐܠ‬ ‫ܐܝܬܝܗ ܠܗ ܐܠܠܗܐ ܡܠܬܐ ܪܫܝܬܐ ܕܡܢܢ‬ ܼ .‫ ܒܣܓܕܬܐ‬.‫ ܐܠ ܡܬܪܚܩܢܐܝܬ‬.‫ ܐܠ ܡܫܬܠܚܢܐܝܬ‬.‫ܡܬܦܪܫܢܐܝܬ‬ .‫ܐܟܙܢܐ ܗܟܝܠ ܕܠܘ ܒܟܝܢܐ ܐܝܬܝܗܘܢ ܠܗ ܐ̈ܪܓܘܢܐ ܠܡܠܟܐ‬ ‫ ܐܢܓܝܪ‬.‫ܗܟܢܐ ܐܦܐܠ ܐܠܠܗܐ ܡܠܬܐ ܒܟܝܢܐ ܐܝܬ ܠܗ ܒܣܪܐ‬

5

10

15

* [Hier musste  – mit Rücksicht auf L.  A.s Bezugnahmen weiter unten  – beim Neusatz eine durchgehende Zeilenzählung sowohl für den Text, als auch für die Übersetzung eingeführt werden; im Original ist lediglich für die Übersetzung i.m. eine Zeilenzählung in Fünferschritten mitgeführt– d. Red.]

99, 100

4.1 Ein unbekanntes Zitat aus Contra Eunomium des Theodor von Mopsuestia 

‫ ܢܘܟܪܝ‬:‫ܢܣܝܡ ܐܢܫ ܕܟܝܢܐܝܬ ܐܝܬ ܠܗ ܒܣܪܐ ܐܠܠܗܐ ܡܠܬܐ‬ ‫ ܒܕܡܩܒܠ ܫܘܓܢܝܐ ܒܬܘܣܦܬܐ‬.‫ܐܠܝܬܘܬܐ ܐܠܗܝܬܐ ̇ܗܘܐ ܠܗ‬ ̇ ‫ ܐܟܝܢܐ ܼܡܢ ܡܢܬܐ‬:‫ ܐܢܕܝܢ ܒܣܪܐ ܒܟܝܢܐ ܠܝܬ ܠܗ‬.‫ܕܟܝܢܐ‬ ‫ܐܡܪ‬ :‫ܐܦܘܠܝܢܪܝܣ ܕܒܪ ܐܝܬܘܬܐ ܼܗܘ ܕܐܒܐ ܼܗܘ ܟܕ ܼܗܘ ܒܐܠܗܘܬܐܗ‬ ‫ܘܒܪ ܟܝܢܐ ܕܝܠܢ ܼܗܘ ܟܕ ܼܗܘ ܒܒܣܪ ܐܝܟ ܕܢܫܟܚ ܢܥܒܕܝܘܗܝ‬ ̈ ‫ ܡܪܟܒܐ ܡܕܡ‬.‫ܠܟܝܢܐ‬ ‫ ̇ܗܘ ܓܝܪ ܕܗܟܢܐ ܡܬܦܠܓ‬:‫ܡܪܟܒܐ‬ ‫ܗܘܐ ܘܡܫܬܟܚ ܒܟܝܢܐ܀‬ ܼ

 283

20

Dies sagt mit vielem anderen auch der selige Theodor 2im 18. Buch gegen Eunomius so: 3‚Prosopon‘ wird auf doppelte Weise gebraucht: entweder bezeichnet7 es [100] die Hypostase und das, was jeder von uns ist, oder es wird der Ehre und 5der Grösse 4 und der Anbetung zuerkannt, folgendermassen: ‚Paulus‘ und 6‚Petrus‘8 bezeichnen Hypostase und Prosopon jedes von ihnen (beiden); 7das Prosopon aber unseres Herrn Christus bedeutet Ehre und Grösse und 8Anbetung. Weil sich der Gott Logos in der Menschheit offenbarte, verband 9er die Ehre seiner Hypostase mit dem Sichtbaren. Und deswegen bezeichnet 10das ‚Prosopon Christi‘, dass es (ein Prosopon) der Ehre ist, nicht (ein 11Prosopon) der Usia der zwei Naturen. Denn Ehre ist weder Natur noch Hypostase, sondern eine sehr grosse Erhöhung,9 die zugesprochen wird aus 13Ursache 12 der Offenbarung. Was für den König Purpurgewänder oder könig14liche Kleider sind, das ist für den Gott Logos der Anfang, den er aus uns 15genommen hat,10 unzertrennlich, unveräusserlich, ohne (räumliche) Entfer16nung in der Anbetung.11 Wie der König also nicht durch Natur Purpurge17wänder hat, so hat auch nicht der Gott Logos durch 1

7 Das Partizip Aphel ‫ܝܕܥ‬, das mehrfach im Zitat erscheint, macht für Übersetzung und Verständnis Schwierigkeiten, wenn man es mit den Lexikon-Bedeutungen „cognoscere fecit, docuit, nuntiavit“ wiedergeben will. Am ehesten kommt nuntiare in Frage. Man muss für die Übersetzung versuchen, die mutmaßliche griechische Vokabel zu finden. Das scheint mir σημαίνω zu sein. [100] Sie deckt sich mit „nuntiare“ in der Bedeutung „anzeigen“; in unserm Fall kommen eher die Bedeutungen „bezeichnen, bedeuten“ in Betracht, die ich in meiner Übersetzung dementsprechend verwendet habe. Als Gewährsmann kann Theodor selber dienen: in einem Text aus dem 12. Buch von De incarnatione benutzt er diesen Ausdruck auf die gleiche Weise. Der Text ist griechisch bei Leontius erhalten; ich zitiere der Einfachheit halber die sehr genaue lateinische Version, Constitutum Vigilii Nr. 48 (CSEL XXXV, 1 p. 276, 14–19): „Sed ad hoc dicunt quod Iesus nomen saluatorem significat (σημαίνει); ‚saluator autem‘ dicunt ‚quomodo ille homo dicatur?‘: obliti, quod Iesus dicebatur etiam filius Naue et, quod mirandum est, quia non sic uocatus est fortuito in generatione sed transnominatus a Mose. certum autem est, quod non hoc imponere homini patiebatur, si autem diuinam naturam omnimodo significabat (σημαντικόν)“. 8 „Petrus und Paulus“ (in dieser Reihenfolge) in De incarnatione, lib. 12 (Zitat nach Leontius, PG 66, 935). 9 Cf. Phil. 2, 9. 10 Cf. De incarnatione (lib. 15), lateinisch Labbé t. V, 461 D: „nec enim sicut homo in utero ut esset suscepit initium …“ 11 Ein gutes Beispiel für die gemeinsame Anbetung ist das Zitat Vigilius Nr. 9 aus dem 3. Buch gegen Apollinarius (CSEL XXXV, 1 p. 245, 18–26).

284 

 4.1 Ein unbekanntes Zitat aus Contra Eunomium des Theodor von Mopsuestia

100–102

Natur Fleisch. Wenn 18jemand behauptet, dass der Gott Logos natürlicherweise Fleisch hat, ge19schieht der göttlichen Usia eine Entfremdung12 durch ihn, weil er sich einer Veränderung unterzieht durch Hinzufügung einer Natur. Wenn er aber 21nicht durch 20 Natur Fleisch hat, wie sagt Apollinarius, dass ebenderselbe 22teilweise13 dem Vater wesensgleich ist in seiner Gottheit und derselbe uns [101] 23wesensgleich im Fleisch, so dass er ihn zusammengesetzt14 machen kann. 24Denn wer so in Naturen zerlegt wird, ist etwas Zusammengesetztes und 25wird in der Natur gefunden. Dieser Text wird im 3. Keph.15 folgendermassen kommentiert: Hypostase und Prosopon ist dasselbe in Bezug auf die Menschen, in 2welcher Weise auch immer 1 gesagt. Die Hypostase des Paulus ist das Proso3pon des Paulus, die Hypostase des Petrus ist das Prosopon des Petrus. 4Wenn wir aber von unserm Herrn Christus ‚Prosopon‘ sagen, d.  h. aber von 5den beiden Naturen der Gottheit und der Menschheit, wird nicht auch 6bloss eine zusammengesetzte Hypostase ausgesagt, sondern es bedeutet Ehre 7und Grösse und Anbetung. Denn er, der angenommen wurde, d.  h. aber 8die menschliche Natur, in der Gott sich unaufhörlich offenbart, zog die 9Herrlichkeit Gottes an und in der Ordnung des Proposon des Eingeborenen 10Gottes erschien er der Schöpfung. Das eine Prosopon ist (ein Prosopon) 11der Ehre. Denn wenn auch die Menschheit ihre eigne Hypostase hat, wie 12es der Fall ist, ist doch diese Hypostase der Tempel ihres Bewohners und 13die Offenbarung dessen, der ihn angenommen hat und der σημαντικός16 14Gottes. Und es gab keine Zeit, dass er für sich allein erschien, so dass sein 15eigenes Prosopon ohne Gottheit sich dem Beschauer offenbart hätte, sondern 16alles, was er ist, ist mit dem ihn Annehmenden erhöht, wie das Gewand mit 17dem es Anziehenden und wie der Purpur mit dem König und wie die Eikon 18mit dem Archetypus. Das, was jedem von ihnen gehört, ist nicht sein eigen, 19etwas, was in ihm ist, sondern dessen, mit dem er erhöht ist. Wenn nämlich 20für sich selber ist der, der angenommen wurde, oder nackt oder bloss oder getrennt von dem, der ihn annimmt, würden zwei Prosopa und zwei Söhne 22ausgesagt. Darin 21 aber, dass es mit dem Gott Logos in der Vereinigung erhöht 23ist, wird das Prosopon Gottes in der Knechtsgestalt offenbart. Wenn näm24lich zwei Naturen im Sterblichen eine Hypostase ergeben, o Apollinarius, 25macht also eine Natur den Teil der Hypostase. Das ist bei Gott nicht mög26lich; und wenn zwei Hypostasen zwei Prosopa ergeben, ergeben sich auch 27zwei Söhne. Wenn du aber sagst, dass die Naturen natürlicherweise anein28ander Anteil haben und eine zusammengesetzte Hypostase aus beiden wird, 29ist diese Hypostase etwas anderes als das, was vorher war, weil sie zusam30mengesetzt statt einfach ist, und von der Wesensgleichheit mit dem Vater ist 31sie gänzlich entfremdet. Während nämlich das Wesen des Vaters in seiner 32Einfachheit bleibt, wird das des Sohns zusammengesetzt. Wer dieses sagt, [102] 33führt einen Unterschied im Wesen ein,

12 Man darf griechisch ἀλλοίωσις voraussetzen. 13 Das Syrische folgt offenbar der im Griechischen möglichen freieren Wortstellung, so dass jetzt wörtlich dasteht: „Wie sagt Apollinarius teilweise, dass …“. Aber die teilweise Homousie ist ja gerade der Vorwurf, der gegen Apollinarius erhoben wird, cf. dazu als ausgezeichnete Parallele das Zitat aus dem 3. Buch gegen Apollinarius, Vig. Nr. 1 (CSEL XXXV, 1 p. 237, 7–238, 36). 14 Jobius, ein Schüler des Apollinarius, vertrat ausdrücklich eine „zusammengesetzte Hypostase“, cf. M.  Richard, L’introduction du mot „Hypostase“ dans la théologie de l’incarnation, Mél. de science religieuse, 2 (1945), p. 8  f. 15 Die Überschrift dieses Kephalaion lautet: „Wie müssen Hypostasis und Prosopon verstanden werden?“ 16 ‫ܡܫܘܕܥܢܐ‬.

102, 103 

4.1 Ein unbekanntes Zitat aus Contra Eunomium des Theodor von Mopsuestia 

 285

und die Tatsache der Oikonomia in 34unserer Menschheit bedeutet dann die Herabsetzung ihres Erlösers! Wenn 35jemand sagt, die Hypostase besteht aus zwei Naturen, des dem Vater in 36seiner Gottheit Wesensgleichen und des uns in seiner Menschheit Wesens37gleichen, behauptet der, der das sagt, erst recht die Zusammensetzung. 38Denn jede Natur, die eine Hypostase hat, die in verschiedene Naturen 39zerteilt ist und die mit ihnen Verwandtschaft hat, ist zusammengesetzt und 40jedem der Natur nach entfremdet. Diejenigen, die so etwas von Gott denken, 41sind voll von Gottlosigkeit. Denn man muss sagen: der dem Vater wesensgleich 42ist, nahm unzertrennlich den uns Wesensgleichen an, zu seiner Offenbarung  43… (Es schliesst sich ein Vergleich der zusammengesetzten Hypostase mit 44einem Gewebe aus Wolle und Leinen an. Dieser Vergleich hat keine Paral45lele mehr im 1. Keph., deswegen kann er hier fortgelassen werden).

Das 3. Keph. folgt also dem Gedankengang des Zitates im 1. Keph. Schritt für Schritt, und zwar bis zum Ende des 1. Keph. Offensichtlich setzt der Kommentator diesen Text als gedankliche und literarische Einheit voraus. Dass er überhaupt die Notwendigkeit empfindet, einen solchen paraphrasierenden Kommentar vorzulegen, spricht dafür, dass der ganze Text vom Lemma bis zum Ende des 1. Keph. einem anderen Autor als dem der Kephalaia angehört. Dann aber kommt bei der Genauigkeit des Lemmas niemand anders als Theodor in Frage. In den übrigen Kephalaia ist ein solcher Fall, dass ein Kephalaion ein anderes in ganzer Länge paraphrasiert, auch nicht zu verzeichnen, obwohl es an der Wiederholung von Bildern und Gedanken sonst natürlich nicht mangelt. Anklänge an unser Zitat finden sich auch in anderen Kephalaia. Theodor sagt, das Prosopon Christi bedeute „Ehre, Grösse und Anbetung“ (syr. Zeile 4  f. und 7, übers. 4  f. und 7  f.). Der Verfasser der Kephalaia behält diese Dreierformel bei, nicht bloss im 3. Keph. (Z. 6  f.), wo man sie ohnehin erwartet, sondern auch mit leichten Varianten an anderen Stellen. So wird sie etwas umgestellt im 2. Keph. verwendet; im 9. Keph. wird sie variiert zu „Ehre, Vollmacht Anbetung“; im 14. Keph. erscheint sie in der ursprünglichen Form, nur etwas auseinandergezogen. Selbstverständlich tauchen alle in der Dreierreihe verwendeten Begriffe mehrfach einzeln auf, sie sind ja ein fester Bestandteil der späteren antiochenischen und nestorianischen Christologie. Die Zusammenstellung dieser Begriffe zu Reihen klingt deutlich an Doxologien17 an und macht ihren liturgischen Gehalt18 besonders spürbar.

17 Man vergleiche etwa die Doxologien aus der Apokalypse des Johannes. [103] Apc. 4,11 δόξα, τιμή, δύναμις (3) 5,12 δύναμις, πλοῦτος, σοφία, ἰσχύς, τιμή, δόξα, εὐλογία (7) 5,13 εὐλογία, τιμή, δόξα, κράτος (4) 7,12 εὐλογία, δόξα, σοφία, εὐχαριστία, τιμή, δύναμις, ἰσχύς (7) 12,10 σωτηρία, δύναμις, βασιλεία (Gott), ἐξουσία (Christus) (4) 19,1 σωτηρία, δόξα, δύναμις (3) (Ist es Zufall, dass die Zahl der Reihenglieder diese Regelmässigkeit der Anordnung zeigt: 3, 7, 4, 7, 4, 3? Es ist jedenfalls eine Spielerei mit der Zahl 7, ganz oder zerlegt. Die Symbolträchtigkeit dieser Ziffer ist bekannt, ebenso die Neigung der Apokalypse zur Zahlensymbolik.) 18 Ich darf auf meine Bemerkungen Oriens christianus 41 (1957), p. 63  f. verweisen.

286 

 4.1 Ein unbekanntes Zitat aus Contra Eunomium des Theodor von Mopsuestia

103, 104

[103] Ein Gedanke des Zitats, der uns noch unter anderem Gesichtspunkt beschäftigen muss, ist dem Verfasser der Kephalaia besonders lieb: der Gedanke der „Offenbarung“ (im Zitat Zeile 8 und 12 bzw. 8 und 13). Man trifft ihn wieder im 3. Keph., und zwar sehr verstärkt; ferner in den Keph. 8, 10 und 12. Haben wir bisher nach Anklängen an das Zitat in den übrigen Kephalaia gesucht, so ist jetzt zu fragen, was sich an theologischen Unterschieden ergibt. Dafür genügt ein Vergleich von Zitat und Keph. 3. Am Ende des Zitats wird aus der Christologie des Apollinarius die Konsequenz gezogen, er lehre einen aus Gott und Mensch zusammengesetzten Christus; es wird nicht gesagt, dass Apollinarius einen zusammengesetzten Christus behauptet habe. Für das 3. Keph. dagegen ist die zusammengesetzte Hypostase die These des Gegners, die bekämpft werden muss, wie in allen übrigen Kephalaia auch. Wichtiger ist die Verschiebung im Gebrauch des Terminus „Hypostasis“, den man festellen kann. Das Zitat wendet diesen Begriff auf Christus bezogen nur einmal an19, und zwar wird der Gott Logos damit bezeichnet (Text Z. 8, Übers. Z. 9). Von der Menschheit Christi als Hypostase wird nicht gesprochen. Anders 3. Keph., wo es heisst (Z. 11  f.): „Denn wenn auch die Menschheit (sc. Christi) ihre eigene Hypostase hat …“ Freilich wird später die Konsequenz, dass zwei Hypostasen zwei Prosopa ergeben, als falsch abgelehnt. Ein Gedanke des Zitats erscheint mir auffällig und verdächtig: die „Offenbarung“ (s.  o.) und ihre Rolle in der Konstitution der einen Person Christi. In dieser Betonung ist er mir aus den Schrif[104]ten Theodors sonst nicht vertraut. In den vier Reden aus den Taufkatechesen z.  B., die der Christologie gewidmet sind (Hom. catéch. V-VIII), erscheint er gar nicht. Nur einmal gibt es eine Ausnahme –: Hom. VII § 15, aber das ist ein Zitat aus Titus 2, 13 und bezieht sich deswegen auf die Wiederkehr Christi am Ende der Zeit. ‫ ܓܠܝܢܐ‬ist an dieser Stelle für ἐπιφάνεια gebraucht; diesen griechischen Terminus können wir auch als Äquivalent an den entsprechenden Stellen der Kephalaia und besonders des Zitats voraussetzen. Für Theodor typisch ist nicht die Gedankenverbindung συνάφεια – ἐπιφάνεια, sondern συνάφεια – οἰκονομία. Im 3. Keph. tauchen die Vokabeln „Offenbarung“ und „offenbaren“ gleich fünfmal auf. Sie waren dem Autor der Kephalaia offensichtlich wichtig. Es ist gewiss nicht nötig, das ganze Zitat wegen dieses sonst bei Theodor nicht anzutreffenden Gedankens für unecht zu halten, zumal sich zum übrigen Text Parallelen nachweisen lassen. Doch scheint es unter diesen Umständen gerechtfertigt, eine kleine Emendation vorzunehmen. Ich würde vorschlagen, den Satz Z. 10–12 (Text ‫– ܐܝܩܪܐ‬ ‫)ܓܠܝܢܐ‬, bzw. 11–13 (Übersetzung „Denn Ehre – aus Ursache der Offenbarung“) als erklärende Glosse, die in den Text eingedrungen ist, zu streichen. Der Form nach ist dieser Satz eine typische Glosse; inhaltlich hinterlässt er nach seiner Streichung keine Lücke. Freilich ist dann der Gedanke der Offenbarung (zwei Sätze

19 Vorher wird zweimal im Fall des menschlichen Individuums „Hypostase“ für identisch mit „Prosopon“ erklärt; später wird gesagt, „Ehre“ sei keine Hypostase.

104 

4.1 Ein unbekanntes Zitat aus Contra Eunomium des Theodor von Mopsuestia 

 287

vorher) immer noch im Text enthalten; er hat ja die Glosse veranlasst. Doch nach Streichung der Glosse wirkt er längst nicht so betont. Normalerweise würde man aber auch hier erwarten: „Als sich der Gott Logos in der Menschheit offenbarte, verband er die Ehre seiner Hypostase mit dem Sichtbaren.“ Ist hier ein ὅτε in ὅτι verlesen worden? Auch eine falsche Auflösung eines griechischen Partizips kann der Grund sein. Welche von beiden Möglichkeiten man in Betracht ziehen will – wenn man überhaupt konjizieren will, – hängt davon ab, ob man die Kephalaia für ursprünglich griechisch hält oder nicht20.

20 Goodman (Examination p. 4) ist von der griechischen Abfassung der Kephalaia überzeugt.

4.2 Ps.-Nestorius und Philoxenus von Mabbug Wie ich an anderer Stelle nachgewiesen habe,1 stammt der Dialog2 zwischen „Nestorius“ und „Sophronius“ am Anfang des Liber Heraclidis3 nicht von Nestorius selber, sondern von einem andern Verfasser, den ich „Ps.-Nestorius“ genannt habe. Ps.-Nestorius muß in Konstantinopel lokalisiert werden, seine umfangreiche Einleitung zur zweiten Apologie des Nestorius ist zwischen 451 und 525 entstanden,4 – eine genauere Datierung war bisher nicht zu gewinnen. Jetzt läßt sich aber der terminus post quem um drei Jahrzehnte näher an den terminus ante quem heranrücken; der historische Hintergrund für den Dialog wird dadurch deutlicher und macht den Text sehr viel interessanter. Dieser Fortschritt ist möglich geworden durch die hervorragende Darstellung des Wirkens und der Theologie des Philoxenus von Mabbug, die André de Halleux zu verdanken ist.5 Mit Hilfe dieser Darstellung kann man erkennen, daß eine der von Ps.Nestorius bekämpften christologischen Meinungen keine andere als die des Philoxenus ist (Ps.-Nestorius nennt außer den Arianern, Paulinianern und Manichäern keine Ketzer bei Namen, um sich nicht durch Anachronismen zu verraten). Der Dialog des Ps.-Nestorius zerfällt rein formal gesehen in zwei Teile, einen ersten, der wirklich dialogisch durchgeführt ist (Bedjan 10–76; Nau 5–49), und einen zweiten, in dem die Dialogform aufgegeben ist (Bedjan 76–125; Nau 49–816). Dem formalen entspricht auch ein inhaltlicher Unterschied: der Dialogteil behandelt polemisch verschiedene falsche Christologien, die darauf folgende Abhandlung trägt des Verfassers Meinung im Zusammenhang vor. Dem dialogischen Teil der Schrift des Ps.-Nestorius läßt sich folgende Gliederung abgewinnen: Proömium zur ganzen Schrift, Bedjan 10,8–11,5; Nau 5,7–24. Einleitung, Bedjan 11,7–14,8; Nau 5,26–7,30. a) „Heiden“, „Juden“, „Manichäer“, „Paulinianer“,7 Bedjan 11,7–12,8; Nau 5,26 bis 6,20. b) „Arianer“, Bedjan 12,12–13,15; Nau 6,24–7,18.

1 L.  Abramowski, Untersuchungen zum Liber Heraclidis des Nestorius (CSCO 242 = Subsidia 22), Löwen 1963, S. 108  ff. 2 Die Kapitelüberschriften, die dem Text heute sein Gesicht geben, sind spätere syrische Zutat. 3 Nestorius, Le livre d’Héraclide de Damas, ed. P.  Bedjan, Paris/Leipzig 1910, 10–125; dass. trad. F.  Nau, Paris 1910, 5–81. 4 Untersuchungen S. 199  f. 5 A. de Halleux, Philoxène de Mabbog. Sa vie, ses écrits, son théologie, Löwen 1963. 6 Untersuchungen S. 158  ff. 7 D.  h. die Anhänger Pauls von Samosata. https://doi.org/10.1515/9783110647419-016

123 

4.2 Ps.-Nestorius und Philoxenus von Mabbug 

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c) „Aus den vorgenannten Gruppen entstandene Häresien“,8 Bedjan 13,17–14,8; Nau 7,20–30 [123] 1. Christologische Meinungen, die die Menschheit Christi zu kurz kommen lassen, Bedjan 14,11–63,14; Nau 8,1–40,17. a) Gott „wird“ Fleisch, Bedjan 14,119-34,18; Nau 8,1–21,3. b) Das Fleisch wird in die ousia Gottes verwandelt, Bedjan 34,19–49,4; Nau 21,4– 30,18. c) μία φύσις durch συναγωγή und σύνθεσις φυσική, aber ἕνωσις ohne Vermischung, Bedjan 49,9–63,14; Nau 30,21–40,17. 2. „Häresien, die Christus nur als Menschen bekennen“, Bedjan 63,17–76,10; Nau 40,20–49,2. a) („Sabellianer“10) Bedjan 64,9–13; Nau 40,35–41,4. b) Zwei-Söhne-Lehre, Bedjan 64,17–76,10; Nau 41,8–49,2. Die Bekämpfung des Philoxenus ist natürlich im ersten Abschnitt des dialogischen Teils zu suchen, und zwar ist er gleich mit der ersten Variante gemeint; es ist also der Text 1a), Bedjan 14,11–34,18 (Nau 8,1–21,3),11 der unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten ist. Wie im ganzen Dialog so hat „Sophronius“ auch in diesem Stück vor allem die Aufgabe, die Argumente der gerade bekämpften Christologie vorzubringen. In 1a) vertritt er daher die Auffassung, daß Gott Mensch werden kann, ohne daß er aufhört, seiner Natur nach Gott zu sein; daß er dennoch „in Wahrheit“ Mensch geworden ist; abstrakter: daß eine Natur zu einer andern Natur werden kann, ohne ihre erste Natur aufzugeben.12 Unter den Beispielen für die Möglichkeit eines solchen Vorgangs finden sich die Wunder von Exodus 7: „Der Stab des Mose,13 als er wahrhaftig Schlange wurde, ist Schlange (und) auch Stab; und das Wasser des Nils, das Blut wurde, wurde die Natur des Blutes (und) auch des Wassers. Es ist dieselbe ousia, auch wenn sie verwandelt wird“ (Bedjan 25,17–20; Nau 15,14–17).14 Dieselben Beispiele gibt auch Philoxenus als „types du devenir sans changement obscurément prédits dans les miracles de l’Exode“ in seinem ungedruckten Kommentar zum Prolog des Johannesevangeli-

8 Dieser Abschnitt ist völlig verstümmelt, war aber wohl ohnehin sehr kurz. Erhalten haben sich fast nur die sekundären (s.  o. Anm. 2) syrischen Kapitelüberschriften. 9 Bedjan 14,9 (Nau 8,6) kommt „Sophronius“ zum erstenmal zu Wort; auch daran wird deutlich, daß alles Vorangehende Einleitung ist. 10 Diese Bezeichnung ist sekundäre Einfügung. 11 Untersuchungen S. 137–144 ist er analysiert. 12 Wie Ps.-Nestorius bekämpft auch der „Nestorianer“ Habib diese These des Philoxenus und zwar mit demselben Einwand, nämlich „estimant contradictoire qu’un être devienne en restant ce qu’il était“, de Halleux S. 229. Über die Schrift des Philoxenus gegen Habib und über die Person des letzteren s. de Halleux S. 225–238. 13 Im biblischen Text ist es Aarons Stab, der zur Schlange wird. 14 Untersuchungen S. 140.

290 

 4.2 Ps.-Nestorius und Philoxenus von Mabbug

123, 124

ums15 und offenbar auch in anderen Schriften.16 Weder „Sophronius“ noch Philoxenus beschränken sich auf diese beiden Beispiele, die Reihe der Exodus-Wunder ist bei Philoxenus viel länger, und wahrscheinlich ließen sich auch die übrigen von „Sophronius“ gegebenen Beispiele in Philoxenus-Texten wiederfinden.17 Bei Philoxenus und bei Ps.-Nestorius dienen diese Beispiele der Demonstration einer „Christologie des Werdens“ (so der von de Halleux geprägte Ausdruck). Das „Werden“ ist natürlich das von Joh. 1,14. Es ist das Verdienst von de Halleux, [124] das „Mysterium des göttlichen Werdens“ als Grundgedanken der Christologie des Philoxenus herausgestellt zu haben:18 „La définition christologique qui lui tient le plus à coeur et qui revient inlassablement sous sa plume est celle du devenir sans changement“; „eine unendliche Zahl von Stellen“ belegt das.19 Für das „Werden“ in Darstellung und Widerlegung der Lehre des Philoxenus durch Ps.-Nestorius verweise ich auf die von mir in der Behandlung des Abschnitts20 zitierten Texte. Philoxenus besteht mit Nachdruck darauf, daß der Logos „wahrhaftig“, „wirklich“, „in Wahrheit“ Mensch wurde und nicht bloß in einem σχῆμα, in der δόκησις, in einem Phantasiegebilde. Dementsprechend läßt Ps.-Nestorius den „Sophronius“ beharrlich mit diesen Stichworten operieren.21 Wie steht es dann mit der „Wirklichkeit“ der Engelerscheinungen und der Erscheinungen Gottes vor den Frommen des AT? Die philoxenianische Antwort auf diese Frage22 wird von Ps.-Nestorius durch den Mund des „Sophronius“ sehr verzerrt wiedergegeben23 und mit Hohn ad absurdum geführt. Das „Werden“ des Logos zum Menschen setzt für jeden in der antiochenischen Theologie Geschulten das Axiom von der Unveränderlichkeit Gottes auf unerträgliche Weise aufs Spiel. Dem Argument der Unveränderlichkeit, Leidensunfähigkeit, Unendlichkeit Gottes (die keine Begrenzung gestattet) auf der antiochenischen (und nestorianischen) Seite wird von den Monophysiten unentwegt das Argument der Allmacht Gottes entgegengehalten, der alles könne, was er wolle. Dieser feste Topos der christologischen Kontroverse wird von Ps.-Nestorius mit relativer Ausführlichkeit

15 de Halleux S. 155 und 325. 16 de Halleux S. 155 Anm. 28 und S. 325 Anm. 40 gibt aus dem Buch gegen Habib und dem Sentenzenbuch Parallelstellen zur Passage im Johanneskommentar, aber ich kann seinen Angaben nicht entnehmen, ob sie gerade das Schlangen- und Blutwunder betreffen oder nicht vielmehr die anderen Wunder aus Exodus 10. 14. 9. 3, die Philoxenus auch aufführt. 17 Vgl. die „Sophronius“-Reden Bedjan 24–27 (Nau 14–16) mit dem, was de Halleux S. 325 über die Bemühungen des Philoxenus sagt. 18 de Halleux S. 317  ff. 19 de Halleux S. 317 mit Anm. 3. 20 S.  o. Anm. 11. – Man zähle nur in Naus Übersetzung „devenir“ und „devenu“! 21 Man vergleiche Untersuchungen S. 137  ff. mit de Halleux S. 366  ff. 22 de Halleux S. 369  f. 23 Untersuchungen S. 141.

124, 125 

4.2 Ps.-Nestorius und Philoxenus von Mabbug 

 291

behandelt.24 Während Philoxenus für die Allmacht Gottes plädiert, ohne doch daraus seine Veränderlichkeit abzuleiten,25 hält Ps.-Nestorius dem im Sinne seiner Tradition die unaufgebbare Unveränderlichkeit der göttlichen ousia entgegen.26 Daß es dem Ps.-Nestorius wichtiger war, die hauptsächlichen Vorwürfe des Philoxenus gegen die Vertreter der antiochenischen Tradition (auch die Chalcedonenser nennt Philoxenus nach monophysitischem usus „Nestorianer“) zu Wort kommen zu lassen und zu entkräften, als ein formvollendetes literarisches Kunstwerk zu schaffen, zeigt sich an der abrupten Art, mit der er den „Anti-Intellektualismus“27 des Philoxenus in die Debatte einbezieht. Der Dialogverfasser hat „Nestorius“ ein Dilemma aufstellen lassen: entweder wird Gott Fleisch, dann ist er nicht mehr Gott, was unmöglich ist – oder das Fleisch ist ein Phantasiegebilde. Hierauf hat „Sophronius“ zu antworten: „Was im Glauben angenommen zu werden ziemte, nehmt ihr mit natürlicher Vernunft auf (ἐν λόγῳ φυσικῷ); ihr führt es auf Unmöglichkeiten hinaus, und vom Glauben der Christenheit trennt ihr uns in Wahrheit wie Heiden und wie Manichäer, die sich am Kreuz Christi ärgern“.28 Die Identifizierung des theologischen Gegners in der uns hier interessierenden Partie des pseudonestorianischen Dialogs bringt mit sich, daß der gelegentlich fast un[125]verständliche Text jetzt sehr viel durchsichtiger wird; zumal wir inzwischen wissen, wie die von Ps. Nestorius in diesem Abschnitt bekämpfte Christologie wirklich aussah und in welchen größeren Zusammenhang die von ihm ziemlich unordentlich aufgehäuften gegnerischen Argumente gehören. Die literarische Aktivität des Philoxenus erstreckt sich über vier Jahrzehnte, von ca. 480 bis 521.29 Das Todesjahr des exilierten Bischofs von Mabbug – mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit 52330 – ist schon fast der terminus ante quem für die Schrift des Ps.-Nestorius. Mit etwa 480 wäre der terminus a quo gegeben. Da man Ps.-Nestorius in Konstantinopel suchen muß, kann man sich fragen, ob nicht das zweimalige Auftreten des Philoxenus dort mit der Abfassung des Dialogs in Verbindung zu bringen ist. Weil die eigentliche Wechselrede erst mit der Christologie des Philoxenus einsetzt,31 liegt die Annahme nahe, daß sie den aktuellen Anlaß zur Komposition der Schrift bot. Philoxenus hat sich 521 im Brief an die Mönche von Senun beklagt, daß er bei seinen zwei Besuchen in Konstantinopel von „nestorianischen 24 Bedjan 19,3–21,11; Nau 11,23–12,21. 25 de Halleux S.  347  ff.  475  f. Ein glänzendes Argument des Philoxenus gegen das antiochenische Apathie-Axiom ebd. S. 347 Anm. 32. 26 Untersuchungen S. 137  f. 27 de Halleux S. 326 gibt der Einstellung des Philoxenus diesen Namen, „non sans quelque exagération d’ailleurs“. Der Antirationalismus des Philoxenus hat in der Hauptsache eine anti„nestorianische“ Intention, vgl. ebd. S. 430. 437. 475  f. 28 Bedjan 23,5–9; Nau 13,21–25; Untersuchungen S. 139. 29 de Halleux S. 315. 30 de Halleux S. 101. 31 S.  o. Anm. 9.

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 4.2 Ps.-Nestorius und Philoxenus von Mabbug

125

Häretikern“ verfolgt worden sei. Diese Klage läßt sich ohne weiteres auf den offenbar erfolglosen Besuch des Jahres 507 beziehen, als er mit seinem Wunsch nach Verdammung der großen Antiochener, der Synode von Chalkedon und des Tomus Leonis sich so unpopulär machte, daß Kaiser Anastasius ihn wohl oder übel zum heimlichen Verlassen der Hauptstadt bewegen mußte.32 Anders steht es mit des Philoxenus konstantinoplem Aufenthalt von 484:33 „Nous ne voyons pas bien la nature des persécutions que Philoxène essuya à cette occasion; en effet, non seulement la politique religieuse de l’empereur Zénon et du patriarche Acace favorisait davantage les monophysites depuis la publication de l’hénotique, mais on sait déjà que le dénonciateur de Calendion obtint gain de cause; s’etait-il heurté dans la capitale aux milieux monastiques chalcédoniens d’où provenait le patriarche d’Antioche qu’il venait diffamer“.34 Da es ziemlich sicher ist, daß Ps.-Nestorius Mönch war,35 haben wir in ihm einen Vertreter jener dyophysitischen „milieux monastiques“ Konstantinopels zu sehen, die dem Philoxenus feindlich gegenüberstanden. Trotzdem sehe ich keine Möglichkeit, den Dialog des Ps.-Nestorius mit Sicherheit entweder auf 484 oder auf 507 zu datieren; die Kombination der Abfassungszeit mit den Reisen des Philoxenus nach Konstantinopel bleibt ohnehin Hypothese. Die Abfassung der verschiedenen Bestandteile des Liber Heraclidis geschah also in drei aufeinanderfolgenden Etappen: 1. der echte Teil, d.  h. die zweite Apologie des Nestorius, wurde zwischen 438 und 450 geschrieben;36 2. die Einschübe des konstantinopler Interpolators zwischen 451 und 470;37 3. der Dialog des Ps.-Nestorius zwischen 480 und 525. Neben den echten Partien kann der Text des Ps.-Nestorius wegen der Seltenheit zeitgenössischer dyophysitischer Schriften besonderes Interesse in Anspruch nehmen.

32 de Halleux S. 60  ff. – de Halleux hält nur zwei Aufenthalte des Philoxenus in Konstantinopel für möglich und belegbar (S. 59 und S. 60 Anm. 72), so daß gegen die übliche Meinung ein Zusammentreffen zwischen Philoxenus und Severus bei des letzteren Aufenthalt in Konstantinopel 508–511 nicht stattgefunden hat. 33 de Halleux S. 37  f. 34 de Halleux S. 61. 35 Untersuchungen S. 145. 198. 199. 36 Untersuchungen S. 203. 37 Untersuchungen S. 130.

4.3 Dadisho Qatraya and his Commentary on the Book of the Abbas Isaiah This Dadisho is called after his birth-place to distinguish him from a famous namesake living in the 6th century who was also a monk. The author of the Commentary mentioned in the title of my paper belongs to the later 7th century. Both bearers of the name were Nestorians. The Commentary of the later Dadisho was edited and translated into French by René Draguet in CSCO, volumes 326 and 327 (=  144 and 145 in the Series Syriaca of the Corpus), in 1972. The Book of the Abbas Isaiah is the Syriac version and development of wisdom material from the fathers of the Egyptian desert. The Commentary on Abbas Isaiah consisted originally of 26 logoi, 15 of which have been preserved. Draguet thinks highly of Dadisho’s work: „By the quality of exegesis, the breadth of erudition and the sobriety of style, the commentary belongs to the best productions of Nestorian literature; the tools of philological analysis are used to serve the doctrinal synthesis“ (versio p. 8*). All the older Greek sources used by Dadisho were known to him from Syriac translations. In commenting Isaiah he notes textual variants in different manuscripts, also differences in punctuation and their effect on the understanding of the text. It is evident that they had the use of a rich library. „He quotes the Apophthegmata of the Egyptian fathers from the Syriac Paradise or other collections“, the Macarian literature, „the opuscula of [68] Mark the Hermit, the Historia Lausiaca, the Historia monachorum in Aegypto, Evagrius, Athanasius, Theodore of Mopsuestia, John Chrysostome, Basil, Theodoretus, Mar Babai, John the Seer and others“ (versio p. 9*). The author displays a distinct sense of the distance in time between his own present and the golden time of the first desert fathers. He tells us, where he composed the discourses which have come down to us: I to VI were written in the monastery of Rabkennare and VII to XIII in the monastery of the Holy Apostles (versio p. 13*). Of course he did not doubt that the work he commented on was in its entirety the work of Isaiah. Nor could he guess that his Syriac lsaiah represented the last of a long development of growing material (versio p. 16*). In this paper I shall not treat the spirit of the Syriac Isaiah and of Dadisho as such. Draguet, in his editions of Isaiah and of Dadisho, has provided very useful indexes of the spiritual topoi; the student is referred to them. Here I shall draw attention to some points I found when I read the commentary. Except the first they concern the practice of the spiritual life and the problems raised by traditions of different origins.

Article note: Dr. Luise Abramowski, Professor at the University of Tubingen, Germany, is a scholar in Syriac heritage. https://doi.org/10.1515/9783110647419-017

294 

 4.3 Dadisho Qatraya and his Commentary on the Book of the Abbas Isaiah

68, 69

1 The „filioque“ in the procession of the Holy Spirit In Dadisho’s commentary we find in XIII 2 two passages which read: the Holy Ghost „consubstantial with the Father and the Son, who proceeds from the Father and the Son“ (versio p.  133, 25  f. and 134, 30). Draguet in his analytical index has an entry „Esprit“, where he notes: „Third person of the Holy Trinity, proceeding from the Father and the Son“ – one would expect an exclamation mark after „Son“ or a sic, but there is neither. Procession of the Spirit from the Father and the Son has become the Western form of expression for this article of faith, and since the filioque was a later Western addition to the symbol of Constantinople it has become over the centuries an ugly bone of contention between the Latin West and the Greek East and indeed continues to be so until this day. Dadisho’s filioque cannot be a Nestorian speciality, however, for I looked into Babai the Great, the best dogmatician of the Nestorian church, and found him corrrectly reproducing the Cappadocian teaching. In chapter 5 of De unione Babai is quite explicit about the procession of the Spirit (Vaschalde p. 30 textus, p. 25 versio), he repeats [69] several times that the Spirit proceeds from the Father while nothing is said of the Son as a source of procession. According to Vaschalde’s translation it could appear that Babai is anticipating the monopatrism of Photius of Constantinople: Spiritus sanctus qui ex Patre solo procedit (p. 25, 7) – which is quite possible grammatically. But the context requires without the least doubt that only the Holy Spirit proceeded from the Father as only the Son was generated by the Father. So the correct translation of that line reads: Spiritus sanctus qui solus ex Patre procedit. What are we to make of Dadisho’s expressions? I propose that we take them as an affirmation of the findings of scholars that, contrary to the assertions of later polemics since the 9th century until today, the Greek patristic tradition is in no way unanimous on this point of doctrine. In any case it cannot have been a point at issue among the theologians of the Syriac East, when two loyal Nestorians express themselves differently in the matter.

2 Dadisho’s protest against the multiplication of hymns in the life of the solitaries This is a problem of the author’s own time, treated in discourse XIII 6. Dadisho does not at all like the new development in the use of hymns in monastic life, he heaps strong abuse on the new practice, considering it no less than the work of the devil. The reason for this strong view is that Dadisho can take the new practice only as a way to distract the solitaries from their proper task of meditation. Hymns, responses, canons, antiphonies have been introduced into the ‫ ܥܘܡܪܐ‬of the brothers to destroy and hinder the proper observances and the meditation on God concerning ‫ܥܘܡܩܐ‬. Draguet notes that it can mean „a convent in the strict sense or a semi-anachoretic group“. In fact both ways of ascetic living were combined in the monastic commu-

69–71 

2 Dadisho’s protest against the multiplication of hymns 

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nities in which both Dadishos lived. The responses and antiphonies mentioned by our Dadisho presuppose singing or saying them in a group rather in the form of the convent than of the semi-anachoretic way of life. Those hymns and chants are not the hymns and canons in use „until now“, which of course speaks strongly against them in the eyes of Dadisho. The young solitaries are responsible for [70] the introduction and they must be blamed for this deviation from the old and proven. With the exaggeration born of anger Dadisho asserts that the inventors continue daily with further additions. The root of the development is located by the author in the spiritual poverty and lack of observance in the young which he does not hesitate to call their ruin. The possibility to consider the multiplication of hymns as an increase of the praise and glorification of God in the community does not enter Dadishos argument at all. The solitaries – we may speak of them as monks in this connection – cannot possibly find time for their proper observances when they are obliged to know (by heart) such abundance of hymns and canons. So time and mind are occupied when they should properly be used for quietness, concentration, meditation. In passing I want to point to an obvious analogy to the development Dadisho complains about: in Cluny and the monasteries attached to it the hours of office were lengthened by being filled up with more readings and chantings which changed the older Benedictine usage. Time for manual or other work, prescribed in Benedict’s rule, was very much reduced and the famous balance of Benedict’s inspiration destroyed. Though this happened three centuries later and in the Latin West, it is interesting to see comparable changes occurring here and there. To return to Dadisho: in discourse XII he remarks spitefully that to know such an amount of hymns and canons „is the work of klerikoi and eskolayē and not of solitaries“ (p. 141,17  f. versio). Draguet with his great knowledge of Syriac literature calls the first group „clercs et scoliastes,“ „clerics and scholiasts“. According to the average French dictionary a „scoliaste“ is somebody making scholia, i.  e. annotations to a text; but the usual meaning „pupils“ or „students“ seems more applicable here where learning by repetition matters. In any case, Dadisho always seems to mention the eskolayē with disdain. Since they appear more frequently in another context of the commentary we shall deal with them later. According to Dadisho the proper work of the solitaries is „the suffering, the tears, the labour of penitence.“ If they are busy with too much liturgical practice, there is left no place for the real work of the solitary. In other words: spiritual life [71] is made too easy, the long solitary hours of silence are shortened, the life of the monks looses much of its character. Of course the recurring comparison with the ideal olden time of the first Egyptian fathers is applied to the problem treated here. At that time – already more than three hundred years ago for Dadisho – the deplorable multitude of hymns and canons did not exist. Historically valuable is the comparison with the immediate past of the another himself [i.  e. his namesake? – d. Red.]. From Babai the Great’s „Rules for the novices“ Dadisho quotes the precept concerning the things to be said by the solitary

296 

 4.3 Dadisho Qatraya and his Commentary on the Book of the Abbas Isaiah

71, 72

in his cell at compline and at night and can detect only one hymn and not several in the series of texts, and this one hymn belongs to the compline only. And from his own experience Dadisho tells us that in the convent of Rabban Shapur only one hymn was said and that only at the second office of the night; at complines they had no hymn, not even on Sundays (p. 142 versio). And this was their usage, though they had several brothers who practised the canon, amongst them the famous Makarinus with a beautiful carrying voice. Nevertheless, Rabban Shapur and the fathers with him did not allow the brothers to charge themselves with anything capable to diminish the ardour of their labours (ibid.). What unseemly struggles have been the result of the changes in the offices! Especially at feast days, above all on Palm Sunday! The days of the saints which should be days of rejoicing and exultation for superiors and inferiors have changed to times of sorrow and grief by the multiplication and the innovation of hymns. How the singers enjoy themselves in intoning them, even if the hymns are insipid and composed by some youngster! (p. 142 versio). – We may will gather that Dadisho was one of those who protested against the alterations and so perhaps contributed to the quarrels he deplores so much.

3 The solitaries and the meaning of scripture The subject just discussed belongs to the wider context of attacks by the devils against the monks. Also a diabolical instrument is the wish to search the meaning of scripture (XIII 4  ff.). Therefore the study of the bible is to be undertaken with extreme caution – and that rule applies not only to the novices. [72] The danger of independent biblical study consists in using up time and zeal which should be concentrated on corporal and spiritual observances fit for the solitaries work, prayer, thinking about God, meditation on moral progress. While the matter of the multiplied hymns was something quite new, a problem of contemporary solitary life, the zeal to discover the meaning of scriptural passages was discusscd already by the Book of the Abbas Isaiah. The thing to be avoided is a „perpetual and disordered study of scripture“ (versio p. 139). Isaiah is quoted as saying: „To love the searching of scriptures brings about hostility and dissension, while weeping over your sins leads to concord“. It is even to be thought of as a sin when the solitary in his cell is searching into the scriptures and not into his own sins. Searching the scriptures is permissible only when it is done wisely and orderly and under guidance, according to Isaiah. Dadisho fears that the very young brethren, being laymen in scriptural matters, may go astray in their search „like eskolayē“. When they gather together they get excited over the study of meanings; all of which lead to heated debates and invectives (versio p. 139). Dadisho quotes with approval the abbas Poimen who counselled that profitable talk among brethren should take the sayings of fathers for its subject, because talking about the scriptures is dangerous. The reason for Poimen’s counsel is explained in discourse VI 4 (Dadisho himself

72,  73

4 Dadisho and the eskolayē 

 297

refers back to that passage). As already in case of Isaiah he feels obliged to justify the warning of the senior: of course the senior does not intend to honour the writings of the fathers above the scriptures. But there is the danger of the brothers falling into a blasphemous understanding of biblical texts. Meanwhile, the sayings of the fathers recommend themselves, because they are simple and clear (p. 82 versio) and therefore easy to understand. When a young brother seeks a „gnostic senior“ (that is a senior of wisdom and knowledge) to learn about biblical matters from him, that is of course to be recommended (ibid.). After this digression in XIII 5 on hymns (see above) Dadisho returns to the main problem in XIII 6 (p. 143  ff. versio). As is his habit in the treatment of Isaiah, now single points of possible obscurity are considered. We hear that there had been [73] in Egypt brothers who wished to pass on their love of knowledge concerning the meaning of scripture and the mysteries of divine oikonomia. But in this way they endangered and destroyed the ability to observe solitude and seclusion. Knowledge of truth is to be acquired in other ways: by teaching and by grace. By teaching: by listening to teachers; by grace means: to acquire knowledge „from the glory of the observances“. But what do the brothers do: even in the offices of the psalms they ponder over the meaning of phrases. Sometimes they feel enlightened about the meaning and then they are proud of it – but they do not recognise that the „light“ is coming from the devil (p. 144). Dadisho tells us that the blessed Anthony himself did not read the scriptures and their commentaries (p. 145 versio). The warnings of Isaiah are not intended for beginners only or for brothers in the middle stage, but also for the perfect, who have been illuminated by grace about sense and interpretation of the scriptures (p. 146 versio). God is best honoured not by knowledge as such of a multitude of significations: but by ascetic labours which are never without fear of God and the terror of the last judgement (p. 147). If you want to know numerous scriptural meanings, commence with the knowledge of God, and the beginning of that is to keep the commandments (p. 148 versio). In the lengthy treatment of the problems of bible study one senses Dadisho’s uneasiness in his need to apologize for the ordinances of the abbas Isaiah and to justify them. Perhaps in the older material, commented upon by Dadisho, last echos are audible of the fights between Egyptian Origenist and anti-Origenist monastic factions. One of the means to compose fights of this kind was to forbid discussions about the meaning of difficult words and passages, except under the guidance of a senior.

4 Dadisho and the eskolayē We already had occasion to note the disdain of eskolayē expressed by our author, and felt some difficulty to define the meaning of the term. Let us first collect the material. a) In VIII 3, explaining Isaiah’s order that a brother reading or psalmodising at table or in the assembly should not be corrected, except when he asks for it himself,

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 4.3 Dadisho Qatraya and his Commentary on the Book of the Abbas Isaiah

73–75

Dadisho says [74] that few people are able to correct in a manner acceptable to the reader. And he continues: „En effet, à l’assemblée commune des frères réunis pour la prière et la lecture, c’est le sens des paroles des Pères qu’ils doivent s’expliquer les uns aux autres et non pas des lectures de mots, – ce qui est un travail de eskolayē et non pas de solitaires réservés et qui se gardent; – et s’il faut une correction des mots des lectures …“ (versio p. 102). b) In X 2 we find Dadisho saying: Some of the eskolayē, professors (badoqē) or who are called by them teachers (malphanē) – of words, without works – who left the common knowledge of scriptures which cannot be acquired but by practice of the commandments … deride the saint abbas Isaiah, saying that he is the teacher (malphana) of the youths in the school (beth sephrē); I myself have heard this once from one of them and was astonished by his audacity and stupidity“. The contrary is true: bishops, teachers and wise men would do well to learn from Isaiah when they start with monasticism. c) Xl 2 (p. 111 versio): „Cette observance du monachisme est plus élevée que, et différente de, toutes les observances du monde, non seulement de celle des fidèles mais aussi des scoliastes et des clercs, et toute la pratique et la beauté de son œuvre tient dans la retraite“. d) XI 7 (p. 120 versio) will be treated below in connection with Theodore of Mopsuestia. We will note here only that Theodore’s historical interpretation of scripture is considered as fit (only) for the eskolayē. The following passages from discourse XIII have been treated already in the last section from another point of view. e) XIII 4 (p. 139 versio): The young brethren are warned that they should not lead their mind astray after the sense of scripture „like eskolayē“ and then quarrel about it. f) XIII 4 (p. 140 versio) „… ceux qui étaient incultes“ (idiotai) „et incapables d’apprendre à discuter sur la sagesse“, les diables „les poussaient à étudier et à méditer le sens des écritures à la façon des scoliastes, en négligeant la méditation profitable du salut de leur vie“. [75] g) XIII 5 (p. 141 versio): How to think about the betterment of your life as solitary, „quand il est requis de connaître une telle abondance d’hymnes et de canons? C’est là en effet l’ouvrage des clercs, scoliastes, et non celui de solitaire“. For this last passage I have considered above „pupil“ or „student“ as translation for eskolaya. But pupil in the meaning of schoolboy is evidently rendered by „youth in the beth sephrē“, see (b), though that seems to be an expression used by the party Dadisho is hostile to, that is to say by the eskolayē themselves. The best way to render eskolayē seems to be the generic „people of the school“, school people. In all the passages quoted a hostility between monastery and (theological) school and vice versa, see (b), is surfacing which can remind one of similar tensions between monastic and scholastic theology in the medieval Latin West. Dadisho, the solitary, looks down on the works of secular clerics and eskolayē, see (g), and the eskolayē retort with disparagement of the spiritual authority of the abbas Isaiah, taken as his text by Dadisho, see (b).

75,  76

5 Theodore of Mopsuestia in Dadisho’s commentary 

 299

What are the „works“ of the eskolayē, if we try to turn the sneers of Dadisho into a positive description? 1. They are „teachers of words“, see (b). 2. They have to know the correct way to „read“ a word, see (a), – in a language where the written word consists only of the consonants an art in itself. (Remember that the continuous script of Greek or Latin manuscripts required also the ability of „reading“ to break the line correctly into words). 3. They are the people who be expected to know (by heart, evidently) such an amount of hymns and canons see (g); that is to say they are used to learning by repetition. 4. Among the eskolayē are badoqē and malphanē, researchers and teachers, see (b). 5. They are people busy with historical exegesis of the scriptures in the manner of Theodore of Mopsuestia, see (d). By all this it becomes evident that the eskolayē of all degrees are the students and professors of a / or the Nestorian School of Theology (Nisibis?). If those tensions existed between monastery and school, what then is the authority of the Interpreter himself in the eyes of Dadisho?

[76] 5 Theodore of Mopsuestia in Dadisho’s commentary Discourse I 17, p. 19 versio. After citing St. Paul on love, Dadisho goes on: The blessed Interpreter and the fathers of the desert are in harmony when writing on love – sometimes they distinguish between the love of God and the love of our neighbour, sometimes not. He then quotes from Theodore’s book „On the perfection of the observances.“ The title of this work was known from Abdisho, the quotation here seems the only fragment known so far. Theodore is commenting Lamentations 3,27–30 which is therefore quoted by Dadisho himself; the Interpreter’s text follows, its tenor being that only the solitary in his retreat can have complete love of God and neighbour. In fact, of the four lines of biblical text, two are interpreted as concerning the solitary – is the book really by Theodore? In I 20 (p. 23 versio) Theodore’s teaching is only referred to, being that humility and love affirm and condition each other – does this allude to the same book by Theodore? I 36 (p. 37 versio) wants to explain why abbas Isaiah, the desert fathers and the Interpreter order us to pray for the help of the Spirit to accomplish our virtues. Did we not receive the Spirit in baptism? In any case it is the same Spirit (this against the Messalians). Framed by quotations from Marcus Eremita and Evagrius two excerpts from Theodore’s explication of the Lord’s Prayer appear (the second repeated in VII 3). Draguet could not find the quotations in the Catechetical Homily on the Lord’s Prayer, but they could easily come from the Commentary on Matthew. In the first quotation Theodore says in explanation of „Your kingdom come:“ „He calls here ‚kingdom of heavens‘ the grace of the Holy Spirit.“ Explaining Matth. 5,8 in the second quotation Theodore paraphrases: „Blessed are who have a spirit pure of bad actions, because they will be favoured with an abundant action of the Spirit and will receive

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 4.3 Dadisho Qatraya and his Commentary on the Book of the Abbas Isaiah

76–78

by this the exact revelation of God“ (repeated without the first line in VII 14). The use of „exact“ [ἀκριβής, syr. ‫ܚܬܝܬܐ‬ – d. Red.] is characteristic of Theodore, the meaning is here „perfect, complete.“ In I 37 (p. 39 versio) we have a short excerpt from the Commentary on John, identified by Draguet: „We being always with him and showing him with great care our endeavours about him.“ VII 7 (p. 90 versio): In this chapter Dadisho is collecting definitions of „that power of the Spirit which the perfect receive down here.“ He begins with [77] Paul (the Epistle to the Hebrews in fact), goes on with Markus Eremita, Evagrius, Ammonius, Theodore and ends with our Lord himself. The two definitions from Theodore seem to come from the same source as in I 36 (Explanation of the Lord’s Prayer). The first definition uses the „participation“ which is again very characteristic of Theodore. VII 14 (p. 99 versio). Dadisho makes some interesting remarks on the hermeneutics of Theodore which are not explained quite correctly by Draguet. Dadisho says: „It is right to notify the reader also of this: the blessed Theodore, the Interpreter, because he did historical interpretation as it was fitting and advantageous for all together, did not explain spiritually ‫ ܪܘܚܢܐܝܬ‬as the hermit fathers (do), except (in) a few (passages), as ‚Blessed are the pure of heart, because they shall behold God‘ (Mt. 5,8) and ‚Who loves me and keeps my commandments, my Father will love him and I shall also love him and I shall show myself to him‘ (John 14, 15. 21. 23) and others similar; he knew that few are those who reach the purity of heart and deserve divine revelations.“ Draguet in his notes on 13 and 14 on p. 99 does not give the cross references to I 36 and 37; instead he refers to a passage from the Commentary on John and another from the Catechetical Homilies and adds to the latter: „where however the commentary on these verses does not seem to go beyond the historical interpretation.“ But Dadisho has nothing else in mind than the explanations he has quoted in I 36 and 37. From all what he says it is evident that he considers them to be a description of the spiritual life, of the life of the solitaries and that he therefore calls them spiritual interpretations. When Dadisho in VII 14 says: Theodore „knew that few are those who reach the purity of heart and deserve divine revelations,“ he is alluding to the Theodore quotation in I 36 and drawing a conclusion which for Dadisho is a matter of course: those few are the solitaries. „Spiritual interpretation“ then as understood by Dadisho means: texts like the verses quoted being applied to the life of perfection led only by the solitaries. The continuation of the passage just discussed confirms this. Dadisho cites from and refers to explanations of 2 Cor. 3,13 and 3,18 by Theodore. Theodore is reported to have said that „from glory to glory“ means the pledge of the Spirit received in [78] baptism („from glory“) and the glorification which the saints will receive in heaven („to glory“). But that is not considered sufficient: „But abbas Isaiah and the other solitary fathers explain these phrases spiritually as is indicated above,“ that is to say in VII 11 and VII 14. One would surmise that the passages from St. Paul are highly spiritually by themselves and that Theodore’s eschatological explanations are no less so, but no. The spiritual explanation „indicated above“ postulates the glorification,

78,  79

5 Theodore of Mopsuestia in Dadisho’s commentary 

 301

accomplished in heaven after the resurrection according to Theodore and St. Paul, as something to be given now, on earth, in this life, to the saints. XI 2 (p. 112 versio). In a small collection about the meaning of the cross for followers of Christ from Theodore, Basil, Macarius, Evagrius, Isaiah, Theodore’s definition is only reported, not quoted; „Theodore the interpreter understands it thus: that one makes oneself die to every wordly business and care, thinks and does only what pleases God and is agreeable to him, supporting all labours and accepting all tribulations for it.“ The title of the work by Theodore is not given and Draguet could not identify the text in question. Xl 17 (p. 120 versio). Dadisho quotes a saying of Theodore about the effects of Psalm singing. Draguet could not find it in the published fragments of Theodore’s commentary on the Psalms, but I do not think that it must necessarily originate from that Commentary. As in VII 14 the remarks of Dadisho following the quotation are very interesting. Theodore says that the Psalms „when they are sung in prayer by holy men in the right way, chase demons away from us and let come near the holy angels and the Lord of angels, our Lord Christ.“ Dadisho takes up „in the right way“ and asserts that clearly Theodore by that utterance did not intend his own historical interpretation nor the „hermeneutical“ (as Draguet translates ‫ )ܡܬܪܓܡܢܝܐ‬of Basil and John (Chrysostome). In place of „hermeneutical“ translate „homiletic“ since ‫ ܬܪܓܡ‬can also have the meaning „to preach,“ ‚homilein‘ which fits perfectly: both Basil and Chrysostome wrote homilies on the Psalms or had them attributed to their name. The historical explanation is fit for the eskolayē, says Dadisho, the homiletical for the secular people. But „the right manner“ intended by Theodore is taken by Dadisho to be the spiritual [79] understanding of the Psalms which only the solitaries (see Theodore’s „holy men“) have while chanting the Psalms. What Dadisho seems to say is that the solitaries are getting a spiritual experience in praying with the words of the Psalms: or perhaps even that the Psalms in a special manner apply only to them; he cannot mean spiritual explanation in the sense of a written work. XIV (p. 160 versio). Here again Theodore appears together with a collection of sayings from the fathers of the desert. The subject is now the kingdom of God. The main interest of Dadisho is to harmonize the eschatological thrust, so characteristic of Theodore, with the certainty of the solitaries to behold the heavenly light here and now for which the story of the transfiguration Christ is the main testimony from the gospel. Theodore is quoted with an explanation of Luke 17, 21 (a text not known before) and another quotation (on p. 161) (also unknown). Christ’s announcing the approach of the kingdom of heaven is understood by the teachers as concerning the kingdom to come, by reason of the „taxis“ of the story. But the solitary fathers explain the announcement spiritually: „If you do penitence at once as is fitting then at once immediately you will enjoy within you, down here on earth, the kingdom of heaven in a manifestation of light, through the power of the Holy Spirit“ (XIV 5 p. 162 versio).

302 

 4.3 Dadisho Qatraya and his Commentary on the Book of the Abbas Isaiah

79–81

Discourse XV contains quite a number of quotations from the blessed Interpreter. The subject of the treatise is the fate of the soul after death, this is treated at considerable length. Theodore teaches the sleep of the souls in paradise until the last judgement, which goes against the grain with Dadisho. On the other hand Theodore distinguishes between paradise and heaven, and with this against an opinion, attributed above (XV 18 beginning, cf. also XV 12 n. 16) to Mani, Origen and Didymus, according to which … the souls are sleeping like the bodies“. XV 13 (p. 204 versio) tries to solve the problem where the just are dwelling after leaving their bodies, and whether they are able to feel and to praise in this state. As usual a collection of opinions and quotations is presented, beginning with Theodore and going on with several desert fathers. Theodore’s opinion is, [80] so Dadisho tells us, that the souls of the just, when they leave the world, go and enter paradise. A quotation from the Interpreter’s Commentary on the Gospel is given, evidently unknown. Dadisho does not say which Gospel, but because of the word from the crucified Christ to the robber (Luke 23, 43) which is the text to be explained we can take it that the Commentary in question is about Luke. In fact, in XV 15 the Commentary on Luke is mentioned. Theodore says in the fragment inter alia that the souls of those who love God and therefore shall enjoy the kingdom of heaven after the last judgement, go at the hour of death to the paradise and there they shall be until the hour of judgement in a fitting place. But when the souls of the just are in paradise, do they behold the Lord in a manifestation of light and do they praise God – or not? (p. 205 versio). This question is treated in XV 14. For Dadisho the answer is yes, they do (p. 206 versio), and he tries to demonstrate this from none other than Theodore. He quotes for this purpose a passage, unknown otherwise, from the Commentary on 2 Corinthians, concerning Paul’s rapture into paradise. Paul’s expression „The ineffable words“ heard in paradise are described by Theodore as words which fit intellectual beings „and saints which are moved by the grace of the Spirit“. These last words are the operative ones for Dadisho. He is able to present another passage from Theodore where the operation of the Spirit on the souls of the departed is expressed clearly. The excerpt is from the Treatise on the Holy Spirit (book 6), of which we knew before only the title (from Abdisho). If the just in paradise praise God, they then can certainly also pray and their prayer can assist those who ask the departed for help (XV 15, p. 206 versio). Again Dadisho wishes to demonstrate this from Theodore. And so we get something very interesting and rare indeed: a glimpse of Theodore’s personal piety, but not without an expression of the correct theological foundation of his piety – perhaps the combination is characteristic for the great divine. The quotation is from the „Apology“ which precedes the argumentum of the Commentary on Luke and was unknown before. Theodore tells us that he has been ill and that he got help in his illness through the office of the blessed Thekla, „of whom we have already received much good, [81] the blessed apostle having always confirmed it by his prayers for us.“ It is God’s will which makes the ministry of the blessed effective, not only during their life on earth but also after their depart from this life, and especially now. – Note the grades of legitimation of the

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5 Theodore of Mopsuestia in Dadisho’s commentary 

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saint’s help: Thekla’s help is confirmed by the apostle’s prayers (Paul’s of course, the connection of the two is taken for granted), and it is the will of God which makes their help possible. The matter of the prayer of the departed saint is further affirmed by a quotation from Nestorius, about the good fortune to have a friend who has been a saint, is now in paradise and can help by his prayers. – It is a pity that we are not told the source of the fragment which shows as in the case of Theodore an aspect of the thinking of the author we were unaware of before. After this there is a text from Theodoret’s Historia religiosa and sayings from the desert fathers on the topic of the chapter. The next variant of the subject, treated in XV 16 (p. 208 versio), concerns the question, whether the souls of the just rejoice in paradise  – of course they do. Theodore is called as a witness, this time with his book Against the magoi, called „Mastubya“ after the addresse, again a work known before only by its title from Abdisho; the quotation is located at the end of the work, in the last section. Theodore says that the souls in paradise have a joy which is a pledge (of the final joy). Dadisho wants the reader to look at Theodore’s text with special attention, he will then find there the words „joy“ and „their joy“; and now he, Dadisho, is going to quote from Theodore „without addition or omission“. What Theodore in fact is teaching in the two quotations which follow (p. 208  f. versio) is the doctrine of the sleep of the souls in paradise. In the second quotation (p. 209) the expression „as in sleep and in repose“ occurs. Dadisho welcomes this as an opportunity to assert, that the words in question do not indicate the cessation of the rational faculty of the souls, but the fact that the souls do not have to struggle any longer for justice as in the miserable state on earth. After citing again an unknown text of Theodore (from a letter, contained in the book called „Pearls“) on the „sweet and spiritual sleep“, Dadisho insists that Theodore does not use the verb „to sleep“, that he does not say „they lie in sleep“, but that his expression is „repose as in sleep“. He constructs [82] a contrast between „sleep“ and asserts that sleep is something which belongs to the body and not to the soul. So Dadisho has now succeeded to harmonize, rather artificially, the intentions of both his authorities, the desert fathers and the Interpreter – but in the sense of the desert fathers. The method he uses is the one he disdained in the eskolayē: to look after the words and their meaning – on former occasions he deemed that to be beneath the spiritual level of the solitary and worthy only of the school people. They of course would not have appreciated at all what he did with the exact sense of the Interpreter’s words. But we must note on the other hand the evident interest of Dadisho to keep to the authority of Theodore in the realm of a spirituality fed from other sources. To attain this end he is ready to pay the price of reading Theodore in the light of the spirituality he lives in himself and therefore to reinterprete him. But by the same means a number of Theodorian quotations, unknown from other sources, has been preserved for us – a result of this struggle between contrasting loyalities for which we may be grateful.

304 

 4.3 Dadisho Qatraya and his Commentary on the Book of the Abbas Isaiah

82, 83

Additional Note The book of Dadisho Qatraya on the Abbas Isaiah has a prominent place in a booklength paper by R.  Macina in Proche-Orient Chrétien 32 (1982) p. 86–124. 263–301; 33(1983) p. 39–103, with the title: L’homme à l’école de Dieu. D’Antioche à Nisibe: profil herméneutique, théologique et kérygmatique du mouvement scoliaste nestorien. Monographie programmatique. We note that Macina uses „scoliaste“ for eskolaya in the same sense as Draguet, that is to say as „belonging to the schools“. For Theodore’s veneration of saint Thecla (see above p. 80  f. [hier in diesem Band S.302  f.]), we find another reference in the „Cause of the foundation of schools“ by Barhadbeshabba (PO IV 4) (the correct translation of this title should be: „Introductory exposition to the session of the School“, Macina 1982 p. 118 n. 27). This reference is quoted by Macina 1982 p. 267 in his own French translation from PO IV 4 p. 379, without a cross-reference to [83] Dadisho. We read in Barhadbeshahba: „And when he was elevated to the episcopate of Mopsuestia, he constantly threw himself on the tomb of saint Thecla and asked (her) help to receive the capability to interprete the scriptures“. The passage from Dadisho XI 17, discussed by me on p. 78 above [hier in diesem Band S. 301], is quoted by Macina p. 289  f. in Draguets translation including the adjective „hermeneutical“, but on his next page Macina explains that turgama in this connexion is to be understood as „homily“. In his evaluation of Dadisho’s use of the spiritual sense of the scriptures Macina is not specific enough. The generalizing conclusions drawn by him and applied to Nestorian biblical interpretation as a whole have still to be tested. The question is whether all Nestorian monastic communities were having the special brand of spirituality as represented by Dadisho. The reason why Dadisho is not satisfied with Theodore is the Interpreter’s own spirituality (and not only his „historical“ exegesis) with its strong eschatological accent: here on earth we participate in the things promised to us in hope and expectation, the fulness of heavenly joy and all perfection awaits us in our life. But the claim of Dadisho’s solitaries is that they already see the heavenly light in full and live the life of heaven here on earth – this is to be understood by the „perfection“ of the solitary life.

5 Beiträge zur Dogmengeschichte des 4.–6. Jahrhunderts

5.1 Die dritte Arianerrede des Athanasius Eusebianer und Arianer und das westliche Serdicense Martin Tetz zum 65. Geburtstag

1 Die These Kannengiessers Charles Kannengiesser hat mehrfach, am ausführlichsten in seinem Buch „Athanase d’Alexandrie, évêque et écrivain. Une lecture des traités Contre les Ariens“ (Paris 1983), die Meinung vertreten, die dritte Abhandlung des Athanasius gegen die Arianer habe nicht den Bischof von Alexandrien zum Verfasser. Als möglichen Autor schlägt er Apollinarius vor. Bisher scheint Kannengiessers Meinung nicht auf große Gegenliebe gestoßen zu sein. Aber eine Wirkung hat sie insofern schon gehabt, als die von Martin Tetz in seinem TRE-Artikel „Athanasius“ versuchsweise vorgenommene Datierung der Schriften des Bischofs für die Arianerreden eine chronologische Differenzierung aufweist: Oratio I-II 340/341?, Oratio III 345/346? Tetz lag Kannengiessers These noch in der Gestalt eines Artikels von 19751 vor. Den von Kannengiesser betonten „deutlichen terminologischen Abstand zu den beiden ersten Reden u.  a.“ sieht Tetz „thematisch bedingt“, wobei man aus seinen Bemerkungen am genannten Ort den Eindruck gewinnt, als ob es sich um die einsetzende christologische Debatte handle. Ich referiere zunächst Kannengiessers Darstellung. Die 3. Rede hat weder eine allgemeine Einleitung noch einen allgemeinen Schluß (p. 93), sie setzt die beiden ersten Reden als bekannt voraus und verweist hin und wieder auf sie (p. 93  f.). Die Technik der Komposition ist schulmäßig (p. 99). Man findet keine Spur eines Verweises auf die Ursprünge der arianischen Krise oder historische oder konkrete Erinnerungen, wie sie in I/II die Textdossiers [390] begleiten, die Gegner bleiben außerordentlich und fern; es gibt keine erzählende Polemik oder pastorale Katechese wie in I/II (p. 102). Ton und Stil in der Behandlung der lehrmäßigen Themen haben sich verändert (p. 104). C. 59 (Eingang des Großabschnittes 59–67) weist anfangs einige Ähnlichkeiten zu den großen Einleitungen in I/II auf (p. 107). In c. 67 findet man doch etwas wie einen allgemeinen Schluß der dritten Rede, auch wenn er nicht so überlegt und kohärent ist, wie man es aus I/II kennt (p. 109). Euseb (von Nikomedien) wird, im Gegensatz zu I/II, in der dritten Rede nicht genannt (p.121). Arius ist verschwunden, Asterius wird zweimal erwähnt und zitiert: 1 C.  Kannengießer, Le mystère pascal du Christ selon Athanase d’Alexandrie, Rech. de science religieuse 63 (1975) p. 407–442. – Für die Reinschrift dieses Aufsatzes danke ich meinem Assistenten Ch. Markschies. https://doi.org/10.1515/9783110647419-018

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„Avec le troisième CA, nous restons finalement sur un champ de bataille où l’ennemi doctrinal tend à devenir anonyme, et le combat purement théorique“ (p.  127). Die „Thalia“ des Arius ist nicht genannt, „ni apparemment ‚connue‘ par l’auteur de CA III“, jedenfalls spielt sie für die Komposition keine Rolle (p. 155). Das Asterius-Zitat in III 2 (Nr. IX in Kannengiessers Zählung der Asterius–Zitate in den Reden) „könnte uns entfernen“ von den Zitaten aus dem Syntagmation, die Athanasius in I/II bringt. Und in III 60 (Zitat Nr. X) wird Asterius in einer ganz überraschenden Weise benutzt (p.162). Die Einleitungen zu diesen Zitaten „ignorieren objektiv, was vorher über Asterius gesagt worden war“, es zeigt sich eine neue polemische Einstellung gegenüber dem Sophisten (p. 165). Als Gliederung ergibt sich für die dritte Rede: c. 1–25. 26–58. 59–67. Das Mittelstück ist lange Zeit als selbständiger Traktat umgelaufen; „Über Johannes 1,14“ heißt es in der indirekten Überlieferung (p. 246). An c. 1–16 fällt auf, daß die Darlegungen über die göttliche Einheit nicht die geringste Neigung zu irgendeiner Aktualisierung der biblischen Offenbarung zeigen (p.247). „Les règles herméneutiques de CA I–lI sont comme oubliées, bien qu’on les trouve supposées ailleurs en ce troisième traité et rappelées en des termes nouveaux“. „Pas un instant, cet auteur ne songe à discuter vraiment l’opinion qu’il prétend combattre. On demeure dans une ignorance à peu près complète au sujet de cette dernière. Les ‚ariens‘ se limitent au rôle de repoussoir théorique pour justifier des variations sur les thèmes d’un exercice de type assez scolaire“ (p. 248). In den letzten Kapiteln der dritten Rede gibt es wiederholte Rückverweise auf I/II (p. 249). Im Mittelteil (26–58) wird die Inkarnation „nicht als Ereignis der Heilsgeschichte dargestellt, sondern als modifizierter Zustand des Logos, welcher von nun an mit dem angenommenen Fleisch solidarisch ist“, wogegen sie in I/II als Hauptereignis unserer Geschichte gefeiert und aktualisiert wird (p. 250). Die „vorgeblichen Gegner“ verhalten sich völlig passiv (p. 251). Der Verfasser der dritten Rede, obwohl er I/II nicht bloß gelesen, sondern auch aufmerksam gelesen hat, hat nicht die beiden Ebenen unterschieden, auf denen Athanasius dort redet, nämlich die Polemik gegen die exkommunizierten Christen und die pastorale Ermahnung an die Adresse der wahren Empfänger von I/II, d.  h. die orthodox gebliebenen Gläubigen, die von ihrem Bischof ein schriftliches Zeugnis verlangten. In der dritten Rede wird alles abstrakter, schulmäßiger. Dazu kommen die lehrmäßigen Unterschiede, [391] beides ist nur zu erklären durch einen Unterschied des Verfassers (p. 311). In den Kapiteln 1–6 tauchen Ausdrücke für den Sohn und den Vater auf, die nicht in I/II zu finden sind; „d’où aussi la nouveauté du style, avec ses effets de symétrie et ses redondances dues à l’emploi répété des mêmes épithètes; d’où surtout un angle de vue strictement ‚théologique‘ où l’affirmation de Dieu se suffit à elle-même, en sa rigueur conceptuelle, sans aucune allusion à l’expérience concrète de la foi ou à l’histoire du salut“ (p.  313). Es ist wichtig, die spekulative Basis der Gedanken des Verfassers zu sehen; es handelt sich um eine vertiefte Vorstellung von der göttlichen Einheit, von der aus die Gottheit des Sohnes verteidigt wird, um eine Theorie der θεότης an sich, in deren Zusammenhang die nötigen Präzisionen über die

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1 Die These Kannengiessers 

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Gottheit des Sohnes gegeben werden (p. 316). Die von Athanasius in I/II benutzten Analogien für den Ursprung des Sohnes werden in der dritten Rede neu gedacht und angepaßt auf eine Weise, wie man es aus I/II nicht kennt (p. 317). Ein guter stilistischer Kontrast ergibt sich, wenn man Orat. II 51 oder 53 mit der dritten Rede vergleicht: „là des propositions sinueuses et complexes qui font appel à l’imagination et suggèrent de méditer sur des réalités narrées; ici des théorèmes et des énoncés de principes, dont la répétition analytique forme und réseau abstrait. La configuration des textes s’en trouve changée“ (p. 320 n. 51). Das Ich des Verfassers ist an die Entscheidungen innerhalb der theoretischen Auseinandersetzungen gebunden (p. 322). III 9 nimmt das πρωτότοκος von Kol. 1,15 auf „dans une ignorance apparament complète de l’exposé auquel il s’était prêté en CA II 62–64“ (p. 323 n. 57). Die Wiederholungen des Verfassers zeigen eine „unermüdliche (und jugendliche?) Strenge“ (p. 334). Auch in den Kapiteln 26–58 erweist sich der Verfasser als Theoretiker (p. 339). Seine spekulative Einstellung ist nicht einfach eine Addition oder Korrektur zu I/II (p. 340  f.). Inhalt und Form der Darlegung bleiben gegenüber der Eigentümlichkeit des Athanasius von I/II fremd, der Verfasser ist ein anderer (p. 341). Es handelt sich nicht, wie bereits vorgeschlagen (n. 86: von Tetz, TRE l.c. p. 345), um eine andere Phase der antiarianischen Polemik. Im 26. Kapitel der dritten Rede illustrieren die den Gegnern in den Mund gelegten Bibelverse den rein „angelesenen“ (livresque), um nicht zu sagen fiktiven Charakter der antiarianischen Polemik; kein Hinweis auf eine unmittelbare Erfahrung ist zu finden. Für die Kapitel 32  ff. beobachtet Kannengiesser eine Inspiration durch I/II oder durch andere athanasianische Schriften (p.  348  f.). C. 67 bietet eine Stilübung, die sich absichtlich an die erste Rede anschließt; aber das geht nicht über eine „lointaine relecture“ hinaus, deren Zweckmäßigkeit schwierig auszumachen ist. Nach seinem Durchgang durch die dritte Rede gilt für Kannengiesser die Unterscheidung zweier Verfasser für I/II und III als „fermement acquise“, es käme jetzt nur noch darauf an, die wichtigeren Konsequenzen aus dieser Unterscheidung zu ziehen (p. 368). Die Zuschreibung der Rede an den noch jungen Apollinarius will Kannengiesser bis zur weiteren Klärung im Modus interrogationis belassen (p. 413). – Soweit mein Referat. [392] Was Kannengiesser überzeugend gelungen ist, ist der Nachweis der Sonderstellung der dritten Rede gegenüber dem corpus von I/II.  Die Sonderstellung beruht vor allem auf einer anderen Weise der Darlegung des theologischen Stoffes durch den Verfasser der Rede; aber Kannengiessers Insistieren auf dem abstrakten, systematischen Zug im Denken des Verfassers übertreibt beträchtlich. Die unübersehbar vorhandenen Bezüge zu I/II sind aufgezeigt, aber die mit Händen zu greifenden Beziehungen zu De incarnatione im mittleren Teil der dritten Rede werden nicht eigens erwähnt  – wenn man boshaft sein will, könnte man sagen, sie werden kaschiert. Kannengiesser würde darauf wohl erwidern, es handle sich hierbei um Benutzung der etwas älteren Athanasius-Schrift durch einen anderen. Dagegen ist hinwiederum an die Tatsache zu erinnern, daß Athanasius selbst im Tomus ad Antiochenos 362 auf

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 5.1 Die dritte Arianerrede des Athanasius

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c. 30–33 der dritten Rede zurückgreift.2 Das alles spricht schon eher dafür, daß derselbe Autor bei Gelegenheit bzw. Notwendigkeit auf einmal bereits Durchdachtes und Formuliertes zurückkommt und daß nicht zwischendurch ein Wechsel der Autoren zu postulieren ist. C.  Stead beklagt in seiner ausführlichen Rezension von Kannengiessers Buch,3 daß K. keinen anderen Bezug zur Theologie der Zeitgenossen oder Vorgänger des Athanasius berücksichtige als zu der der Arianer, selbst die offenkundige Abhängigkeit von Markell von Ankyra in der Auslegung von Prov. 8,22 werde nicht genannt.4 Für die dritte Rede nun behauptet Kannengiesser selbst ausdrücklich, wie wir gesehen haben, den rein theoretischen Charakter der Polemik, Entfernung von irgendeiner konkreten Situation, völlige Ungreifbarkeit der Gegner. Aber diese Behauptung Kannengiessers kann man widerlegen, und damit wird auch eine relativ genaue Datierung möglich.

2 Ctr. Ar. III 59–67: gegen eine Formel der Eusebianer Dieser Abschnitt wird von Kannengiesser (p. III) als Anhang bezeichnet und überschrieben „Contre la thèse de l’origine du Verbe selon la décision et volonté du Père“. Die von Athanasius bekämpfte Formel vom Ursprung des Sohnes βουλήσει καὶ θελήσει findet man zweimal in der (von Athanasius in De synodis 26 überlieferten) Ekthesis makrostichos, und zwar einmal am Ende des langen zweiten Anathematismus, der dem vierten antiochenischen Bekenntnis für die Synode von Serdica angehängt wurde (d.  h. also im „östlichen“ Serdicense, das Athanasius in De synodis nicht eigens zitiert, weil in der Formula makrostichos ohnehin enthalten),5 und zum anderen im ent[393]sprechenden Abschnitt der Erläuterungen zu den Anathemata.6 Auf den ersten Blick stellt sich die Frage, welche von den beiden Darlegungen der Eusebianer Athanasius im Anhang der dritten Rede im Auge hat, das „östliche“ Serdicense oder erst die Formula makrostichos. Von der Beziehung zu diesen Texten der Eusebianer sagt Kannengiesser nichts. Auch Stead, der die inhaltlichen Ausführungen des Athanasius im Anhang der dritten Rede kritisiert,7 scheint sie nicht bekannt zu sein, sonst hätte er den Anteil der unmit2 Cf. M.  Tetz, Über nikänische Orthodoxie. Der sog. Tomus ad Antiochenos des Athanasius von Alex­ andrien. ZNW 66 (1975) p. 194–222; hier p. 214. 3 JThSt NS. 36 (1985) p. 220–229. 4 Ibid. p. 225. 5 Die vierte antiochenische Formel führt Athanasius in De synodis 25 an. 6 Das Wortpaar „durch Entschluß und Willen“ erscheint an beiden Stellen des eusebianischen Textes in negierter Form: Wer sagt, daß nicht durch Beschluß und nicht durch Willen der Sohn aus dem Vater geboren sei, der sei Anathema. 7 C.  Stead, The freedom of the will and the Arian Controversy in: Platonismus und Christentum. Festschrift Heinrich Dörrie (JAC, Erg. Bd. 10), Münster 1983, p. 243–257; nachgedruckt in C.  Stead, Sub-

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2 Ctr. Ar. III 59–67: gegen eine Formel der Eusebianer 

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telbaren polemischen Motivation in den Argumenten des Alexandriners in sein Urteil einbezogen (obwohl dies Urteil dadurch wohl auch nicht milder geworden wäre). Tatsächlich ist längst (1899!) von A.  Stülcken der Querverweis angegeben worden, freilich mit falscher Auswertung.8 Stülcken meint nämlich, daß der betreffende Anathematismus der „östlichen“ Formel von Serdica9 sich gegen den Athanasius von Ctr. Ar. III 59–67 richte. Denn Athanasius deute dort nicht einmal an, daß „ihm eine darauf bezügliche Synodalformel bekannt sei. Die Priorität scheint also bei ihm zu liegen“. Für Stülcken ergibt sich so als terminus ad quem für die Abfassung der Reden das Jahr 343 (d.  h. Serdica); und weil Athanasius Gewalttätigkeiten der Arianer erst für die Zukunft erwartete (II 43), müßten sie „wohl vor der Verbannung des Athanasius, d.  h. 339, verfaßt sein“. Mit Recht sagt Stülcken, dieser Schluß sei nicht sicher, aber für wahrscheinlich hält er ihn doch. Zur Klärung der Fragen müssen wir den Text des Athanasius auf verwertbare Indizien absuchen. Eine Überleitung zum Thema des Anhangs stellt Athanasius in der zweiten Hälfte von III 58 her. Am Schluß des Kapitels werden die Gegner mit der Hydra verglichen: mit der Wahrheit in Feindschaft lebend „ersinnen sie Neuerungen“ (ἐπινοοῦσι καινότερα), damit sie sich noch mehr als Christusfeinde erweisen (den Ausdruck übernimmt Athanasius noch in der Einleitung zur formula makrostichos in De synodis: ὡς γὰρ καινότερά τινα ἐπινοήσαντες; aus Ctr. Ar. III 58 und 59 ist jetzt zu erschließen, was neu sein soll). C. 59: Trotz aller Gegenbeweise, die selbst den Teufel entmutigt hätten, „ersinnen sie wiederum und murmeln, und den [394] einen flüstern sie zu, die anderen umsummen sie wie die Mücken, indem sie sagen: ‚Es sei: so erklärt ihr das und siegt mit euren Schlüssen und Beweisen; aber man muß sagen, daß durch Entschluß und Willen der Sohn vom Vater her entstanden ist (ἀλλὰ δεῖ λέγειν βουλήσει καὶ θελήσει γεγενῆσθαι τὸν υἱὸν ὑπὸ τοῦ πατρός).‘“ Das ließe sich natürlich noch rechtgläubig deuten, auch wenn es ungeschickt gesagt sei; aber da es die Häretiker sind, die das sagen, ist die Aussage verdächtig. Man muß prüfen, ob sie nicht, widerlegt in allen Dingen, wie die Hydren „einen neuen Ausdruck ersonnen haben (καινότερον ἐπενόησαν λεξείδιον)“. „Dasselbe meint, wer sagt: Durch Entscheidung wurde der Sohn, und wer sagt: Es war einmal, daß er nicht war, und: Aus dem Nichtseienden wurde der Sohn und ist ein Geschöpf“. Woher kommt der Aus-

stance and illusion in the Christian fathers (Collected Studies 224), London 1985; hier p. 225–257 des Originals. 8 A.  Stülcken, Athanasiana. Litterar- und dogmengeschichtliche Untersuchungen (TU 19,4), Leipzig 1899, p. 47. 9 Stülcken nennt nach der älteren Annahme als Tagungsort der „östlichen“ Synode Philippopolis. – Eine nützliche Übersicht zur Geschichte der Datierungsversuche für die Arianerreden gibt E.  Moutsoulas: Τὸ πρόβλημα τῆς χρονολογήσεως τῶν „Τριῶν κατὰ Ἀρειανῶν“ λόγων τοῦ μεγάλου Ἀθανασίου, Θεολογία 47 (1976) p. 542–557. 674–692. Moutsoulas datiert die Reden auf ca. 338 (p. 692). Den Hinweis auf Stülcken verdanke ich diesem Aufsatz: p. 550.

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394, 395

druck βουλήσει καὶ θελήσει oder aus welcher Schrift (γραφή) bringen sie das wieder vor?10 In c. 60 gibt es ein Asterius-Zitat (wie schon in III 2). C. 61 wiederholt die Identifikation von βουλήσει und ἦν ποτε ὅτε οὐκ ἦν. Die Gegner sollten sich doch damit begnügen, nur das letztere zu sagen. C. 62 hat uns ein echtes Argument der Gegner aufbewahrt: „Wenn er nicht durch Entschluß wurde, dann bekam Gott seinen Sohn zwangsläufig und nicht als Wollender (εἰ μὴ βουλήσει γέγονεν, οὐκοῦν ἀνάγκη καὶ μὴ θέλων ἔσχεν ὁ θεὸς υἱόν). Zu diesem Satz ist zu vergleichen Formula makrostichos VIII: Wer unfromm sagt, daß der Sohn οὐ βουλήσει οὐδὲ θελήσει gezeugt worden sei, der schreibe Gott ἀνάγκην δὲ δηλονότι ἀβούλητον καὶ ἀπροαίρετον zu, ἵνα ἄκων γεννήσῃ τὸν υἱόν. Das sei außerhalb aller κοιναὶ ἔννοιαι über Gott und außerhalb des Willens der inspirierten Schrift. Der Gedanke, daß der Sohn aus dem Willen des Vaters stammt, ist ein alter Topos der Logostheologie, und selbst Athanasius konzediert (c. 59), daß er richtig verstanden werden kann. Aus seinen Bemerkungen geht aber auch eindeutig hervor, daß die Gegner jetzt die eingängige Formulierung βουλήσει καὶ θελήσει „sich ausgedacht haben“. Es kann gegen Stülcken keine Rede davon sein, daß diese Formulierung von Athanasius stammt und daß die Formula makrostichos und schon vorher das „östliche“ Serdicense darauf erst reagieren. Auch wenn die Einlassungen des Athanasius in ihrem konkreten Bezug für uns nur auf dem Hintergrund dieser beiden Texte lebendig werden, so muß doch die zweite Hälfte von Stülckens Argumentation bedacht werden: er, Stülcken, könne keine Erwähnung einer Glaubensformel im Text des Athanasius finden. Das ist noch nicht zwingend genug formuliert. Man muß etwas genauer fragen, ob Athanasius sich so ausgedrückt hätte, wie er es tut, wenn ihm das eusebianische Willensargument bereits in der Form eines Anathema vorgelegen hätte. Seine Beschreibung der Tätigkeit der Gegner scheint mir dagegen zu sprechen. Damit fiele dann mein Problem dahin, welches der beiden eusebianischen Bekenntnisse Athanasius im Anhang der [395] dritten Rede voraussetze. In der Beantwortung der Frage habe ich mehrfach geschwankt, aber wegen der Bemerkungen über die ἀνάγκη hätte sie zugunsten der Formula makrostichos entschieden werden müssen, mit entsprechenden Konsequenzen für die Datierung. Die Situation, die zu Anfang des 59. Kapitels beschrieben wird (s.  o.), zeigt die Gegner in starker diplomatischer Aktivität begriffen; sie wollen möglichst vielen Leuten (oder besser wohl: Gruppen) ihren Standpunkt darlegen und damit überzeugen, indem sie „murmeln, flüstern, summen“, d.  h. sowohl vorsichtig wie hartnäckig auftreten. Man wird kaum annehmen, daß Athanasius selber einer der Adressaten ihrer Bemühungen war; natürlich hatte er aber davon Kenntnis. Man muß postulieren, daß es eine schriftliche Darlegung der Eusebianer gegeben hat, denn was wir oben als

10 In der Formula makrostichos wird immer wieder mit der Schriftgemäßheit argumentiert.

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3 Ctr. Ar. III 1–25 und das „westliche“ Serdicense 

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Wiedergabe ihrer Meinung durch Athanasius zitiert haben, ist ja ganz zutreffend und gehört nicht in den Bereich der Unterstellung und Konsequenzmacherei, mit der die Polemik so gerne arbeitet und zu der ja auch Athanasius sogleich übergeht, indem er den Adressaten jene arianischen Sätze unterschieben will, die sie doch ausdrücklich in der vierten antiochenischen Formel unter Anathem gestellt hatten. Der Inhalt dessen, was die Gegner vermitteln wollen, ist erstaunlich; sie konzedieren der Gegenseite, daß sie recht hat – „es sei; so erklärt ihr das und siegt mit euren Schlüssen und Beweisen“ – (und es ist eine ebenso erstaunliche Konzession des Athanasius, daß er uns das mitteilt), ihre einzige Bedingung ist, daß sie hinsichtlich des Ursprunges des Sohnes aus dem Vater den Willensaspekt betonen (oder ihn wenigstens nicht untergehen lassen wollen). Das Motiv dafür kennen wir: es soll der Gedanke physischen Zwanges, naturhaften Ablaufs vom Vater ferngehalten werden. Die positiven Darlegungen des Athanasius zeigen, daß man an diesem Punkt sich wohl hätte einigen können, jedoch macht Athanasius diese Möglichkeit zunichte, indem er, wie eben schon gesagt, die Eusebianer so zu Arianern erklärend, das Willensargument mit den arianischen Spitzensätzen zusammenwirft, trotz deren Verurteilung durch die Eusebianer. Was wir aus den Ausführungen des Athanasius erschließen können, ist ein Versuch der Eusebianer vor der Synode von Serdica, in Sachen der trinitarischen Differenzen zu einer Einigung mit der Gegenseite zu kommen. Dieser Versuch hat sich anscheinend schriftlich niedergeschlagen, und Athanasius seinerseits reagiert darauf, ebenfalls vor Serdica.

3 Ctr. Ar. III 1–25 und das „westliche“ Serdicense Der eben gewonnene zeitliche Ansatz wird bestätigt durch die Bezüge zur zeitgenössischen Diskussion, die im ersten Teil der dritten Rede, den Kapiteln 1–25, festzustellen sind. Zunächst ist eine Bemerkung des Athanasius am Anfang von c. 10 heranzuziehen. Der Alexandriner teilt als Auffassung [396] der Gegner mit: „Da ja, was der Vater will, dies auch der Sohn will und (der Sohn) weder den Gedanken noch den Urteilen widerspricht, sondern in allem mit ihm übereinstimmt (ἀλλ’ ἐν πᾶσίν ἐστι σύμφωνος αὐτῷ), indem er die ταυτότης der Anordnungen (δόγματα) (darbietet) und die mit der Lehre des Vaters übereinstimmende und zusammenhängende Rede vorbringt“.11 Athanasius fügt hinzu: „Dies nämlich nicht nur zu sagen, sondern auch zu schreiben 11 Dieser Text ist von G.  Bardy (Recherches sur Saint Lucien d’Antioche et son école, Paris 1936) als Asteriuszitat Nr. XIV aufgeführt worden, in einer mit Nr. XI beginnenden Reihe von Zitaten, wo Athanasius den Asterius zwar nicht nenne, aber auf ihn anzuspielen scheine. Kannengiesser, der die Zitationsweisen des Athanasius in den Arianerreden genau untersucht hat, hat das Zitat mit Recht nicht in seine eigene Zusammenstellung aufgenommen. W.  Kinzig (In search of Asterius. Studies on the Authorship of the Homilies on Psalms, Göttingen 1990) zählt Bardys Nr. XIV zu den in ihrer Echt-

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 5.1 Die dritte Arianerrede des Athanasius

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haben einige gewagt“. Inhaltlich erinnert das Gesagte an die zweite antiochenische Formel, wo die Dreiheit der Gottheit in den Hypostasen, die Einheit in der συμφωνία gesehen wird.12 Ferner lehnt das „westliche“ Serdicense (Theodoret § 45, Loofs/Tetz § 913) die Auslegung von Joh. 10,30 als Einssein διὰ τὴν συμφωνίαν καὶ ὁμόνοιαν ab. Aber was Athanasius hier mitteilt, ist viel expliziter, und vermutlich ist es nicht bloß Referat über das, was ihm schriftlich vorliegt, sondern sogar Zitat daraus. Der von ihm gemeinte Text kann nicht mit einer der uns bekannten eusebianischen regulae fidei identisch sein, es muß sich um ein umfänglicheres Schriftstück handeln. Damit kann eine Bemerkung von M.  Tetz zur Debatte über Joh. 17,21 im „westlichen“ Serdicense korrigiert werden; Tetz schreibt: „In den unmittelbaren Voraussetzungen des ‚Serdicense‘ wird keine Verbindung mit Joh. 17,21 greifbar“, deswegen zieht er einschlägige Stellen aus den antimarkellischen Schriften Eusebs heran.14 Unsere bisherigen Ausführungen erlauben uns jedoch den Hinweis auf die Kapitel 22–25 der dritten Rede des Athanasius, die der Auslegung von Joh. 17,20–23 gewidmet sind, und zwar als Antwort auf eine Auslegung der Gegner, die in schriftlicher Form vorhanden gewesen sein muß. Dieselbe Auslegung wird im letzten Abschnitt des Serdicense abgelehnt. Vergleicht man schließlich die in III 1–25 verhandelten johanneischen Stellen mit denen im „westlichen“ Serdicense, so erhält man folgendes Bild: [397] III 1–6 über Joh. 14,10, dazu in c. 3 u. 5.: Joh. 10,30; c. 4: Joh. 17,10 7–16 über Deut. 32,3915 c. 7: Joh. 14,28

Serd. § 41 (§ 4): Joh. 14,10; 10,30

Serd. § 45 (§ 8): Joh. 14,28 Serd. § 45. 47 (§ 9. 10): Joh 10,30

heit fragwürdigen Zitaten (p. 126), führt es daher in Klammern an. Das Zitat ist jetzt dem Asterius endgültig abzusprechen. 12 Zu diesem Bekenntnis zitiert J.  N.  D.  Kelly (Altchristliche Glaubensbekenntnisse, Göttingen 1972) p. 265 Contra Celsum 8, 12 (Koetschau II, 229  f.): (Wir beten an den Vater der Wahrheit und den Sohn, der die Wahrheit ist) ὄντα δύο τῇ ὑποστάσει πράγματα, ἓν δὲ τῇ ὁμονοίᾳ καὶ τῇ συμφωνίᾳ καὶ τῇ ταυτότητι τοῦ βουλήματος. Origenes beteuert vorher, daß er nlcht zu denen gehöre, die die beiden Hypostasen Vater und Sohn leugnen. – Wie man sieht, ist der Bezug zur Origenesstelle in der Passage, die Athanasius in c. 10 als Meinung der Gegner zitiert, noch viel enger als in der zweiten antiochenischen Formel. 13 S. die nächste Anmerkung. 14 M.  Tetz, Ante omnia de sancta fide et de integritate veritatis. Glaubensfragen auf der Synode von Serdica (342), ZNW 76 (1985) p. 243–269; hier p. 265. 15 Athanasius liest nicht, bzw. seine Gegner lesen nicht ἐγώ εἰμι, sondern ἐγὼ μόνος, d.  h. einen Text, wie er der Vulgatafassung zugrundeliegt (ego sim solus).

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3 Ctr. Ar. III 1–25 und das „westliche“ Serdicense 

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17–21 über Joh. 17,11 22–25 über Joh. 17,20–23

Serd. § 50 (§ 12): Joh 17,21 Serd. § 51 (§ 12): Joh. 10,30+17,21

Hieran bestätigt sich, daß Athanasius und der oder die Verfasser des Serdicense sich mit demselben Text der Eusebianer befassen, nur läßt sich aus der breiteren Darstellung des Athanasius eine bessere Vorstellung von deren Argumentation gewinnen: man sieht, daß auch die Stelle Deut. 32,39 (in einer bestimmten Lesart) zu ihrem Repertoire gehörte. Zu den von Tetz vermißten „unmittelbaren Voraussetzungen“ des Serdicense können wir also jene zu erschließende Schrift der Eusebianer zählen. Für die dritte Arianerrede ergibt sich gegen Kannengiesser, daß sich Athanasius sehr wohl mit konkreten Gegnern zu befassen hat, und zwar mit neuen Gegnern – jedoch tut er dies nicht ausschließlich, wie wir unten sehen werden. Die neuen Gegner bekämpft der Alexandriner nicht bloß allgemein, sondern richtet sich gegen schriftliche Äußerungen dieser Gruppe. Mir scheint, daß man zwei Schriften der Eusebianer postulieren muß, da der von Kannengiesser richtig als Appendix bezeichnete Teil über die Willensfrage (c. 59–67) eine eusebianische Ausgleichsinitiative voraussetzt (s.  o.), die auf die vorangegangene Schrift, die Athanasius im ersten Teil bekämpfte, erst folgte. Im „westlichen“ Serdicense hat das keinen Niederschlag (mehr?) gefunden. Das Serdicense hat eine für eine regula fidei erstaunliche Länge und ist zudem von notorischer Unübersichtlichkeit. Dies wird etwas verständlicher, wenn man sich klar macht, daß nicht nur der eigene Standpunkt mit polemischer Schärfe vorgetragen wird, sondern zugleich die eusebianische Auslegung der für die Einheit der Gottheit wichtigsten Bibelstellen zurückgewiesen werden mußte. Das dritte Element, das zur Komplikation beiträgt, und das bis in die Textgestalt hinein, sind Äußerungen des Valens und Ursacius, erwähnt gleich zu Anfang (§ 38 / § 3). Deren spezifische Stichworte erscheinen übrigens nicht in der dritten Rede des Athanasius, so daß auch das [398] Serdicense ein Segment von Polemik für sich hat, wie Athanasius hinsichtlich der Willensfrage. Wahrscheinlich hängt das mit den im Moment der Abfassung jeweils bekannten Schriften der Gegenpartei oder -parteien zusammen. Wir wenden uns nun zunächst der Polemik gegen Ursacius und Valens im Serdicense zu, ehe wir zu unseren Beobachtungen an der dritten Arianerrede zurückkehren.

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 5.1 Die dritte Arianerrede des Athanasius

398, 399

4 Ursacius und Valens über das Leiden von Logos und Geist und der Text des Serdicense In diesem Abschnitt werde ich mich leider gezwungen sehen, dem Adressaten meiner Widmung mehrfach zu widersprechen. Als Aussage des Valens und Ursacius teilt uns das Serdicense mit (§ 38/§ 3), „daß der Logos und daß der Geist durchbohrt16 und geschlachtet wurde17 und starb und auferstand“; außerdem reden sie von drei Hypostasen. Die Verfasser setzen dagegen ihr Bekenntnis zur einen göttlichen Hypostase (§  39/§  4). Aus der Diskussionslage der Zeit ergibt sich gegen diese oder angesichts dieser Lehre die Anfrage: „Was ist (dann) die Hypostase des Sohnes?“ (§ 40 – so richtig abteilend die Theodoret-Ausgabe, wogegen Loofs/Tetz ihren § 4 weiterlaufen lassen). Antwort: Es ist die einzige (sc. Hypostase) des Vaters, – Tetz hingegen liest: „ allein die des Vaters“. Aber die Einfügung des μή ist nicht zu rechtfertigen; auch die Antwort des Athanasius hätte (bei bewußt abweichender Terminologie) gelautet: das Sein des Sohnes ist die οὐσία des Vaters (s.  u.). Die Begründung des Serdicense für die Antwort auf die Frage nach der Hypostase des Sohnes heißt: der Vater ist niemals ohne den Sohn und der Sohn nicht ohne den Vater gewesen; und das wird dann noch einmal eingeprägt im nächsten Satz: „Höchst absurd (ἀτοπώτατον) nämlich ist …“. Tetz jedoch liest nicht „ohne den Vater“ im eben referierten Satz, sondern, unter Vermutung einer falschen Kürzelauflösung, „ohne den Geist“. Aber diese Konjektur ist angesichts der wiederholenden Einprägung der Argumente im nächsten Satz unhaltbar. Tetz ist beeinflußt worden von der Nennung der ganzen Trinität im Anfang seines §  4 und außerdem, wie er selber sagt,18 von der Wortgruppe, die dem eben genannten ἀτοπώτατον vorangeht: ὅ ἐστι λόγος πνεῦμα. Als besseren Text schlägt Tetz vor: ὅτι ἐστι λόγος πνεῦμα, damit ist eine inhaltliche Verbindung mit dem übrigen Text hergestellt. Ich halte das für vergebliche Liebesmüh’; vielmehr ist das Ganze eine falsch erklärende und fälschlich in den Text geratene [399] Glosse zu „Sohn“,19 ὅ ἐστι entspricht ja einem erläuternden τοῦτ’ ἐστι. Ich lese also Theodoret p. 113,17–114,1 Parmentier so: μηδὲ υἱὸν χωρὶς πατρὸς γεγενῆσθαι μηδὲ εἶναι δυνάσθαι [ὅ ἐστι λόγος πνεῦμα]. ἀτοπώτατον γάρ ἐστι …

16 In der Lesung dieses Wortes folge ich Loofs/Tetz. 17 Sic, Singular, wie auch die folgenden Verben. 18 Tetz p.254 c–c: „Der ganze Passus muß von seinem Ende her verstanden und rekonstruiert werden.“ 19 Vielleicht bezog sich die Glosse ursprünglich schon auf „Sohn“ in der Frage „Was ist die Hypostase des Sohnes?“

399, 400 

4 Ursacius und Valens über das Leiden von Logos und Geist 

 317

Die Glosse ist hingeschrieben worden unter dem Eindruck der im Text nicht sehr weit zurückliegenden Ursacius-Valens-Meinung über Logos und Geist, die aber an unserer Stelle noch gar nicht behandelt wird. Das geschieht erst in § 48 (§ 11). Hier wird zunächst ein Bekenntnis zum Heiligen Geist ausgesprochen, dann folgt ein Bekenntnis zur Menschwerdung. Das Problem ist, in welchem Kolon des in seiner jetzigen Gestalt schwierigen Textes der Übergang zwischen den beiden loci stattfindet. Der Gedankengang sieht so aus: Wir glauben an den Parakleten, das ἅγιον πνεῦμα, welches uns der Herr verhieß und sandte, ἔπεμψεν, καὶ τοῦτο πιστεύομεν πεμφθέν, – aber dies letzte Kolon läßt Tetz fort!20 Der Text fährt fort: καὶ τοῦτο οὐ πέπονθεν – worauf nun Tetz mit dem neutrischen τοῦτο wegen des folgenden christologischen Kolons in Schwierigkeiten gerät. Die beiden griechisch angeführten Kola ergeben zusammen einen vorzüglichen Sinn, vor allem im Blick auf die anfangs mitgeteilten Aussagen des Ursacius und Valens. Die liefen ja darauf hinaus, daß auch vom Geist Leidensaussagen gemacht wurden, und zwar über Leiden im Sinn der Passion Christi (weil nämlich das Göttliche in Christus als Logos und Geist bezeichnet wurde). Hier in unserem § 48 wird stillschweigend vorausgesetzt, daß vom Geist nicht christologisch, sondern pneumatologisch zu reden ist. Ausdrücklich gesagt wird, daß die Sendung des Geistes vom Geist her gesehen ein Gesendetwerden ist, sie ist in dem Sinn ein Widerfahrnis des Geistes, daß das Verbum im Passiv konstruiert werden kann. Aber das heißt nicht, daß der Geist auf die Weise leidet, wie Christus es vor dem Kreuz und am Kreuz widerfuhr. Das nächste Kolon, ἀλλ’ ὁ ἄνθρωπος ὃν ἐνεδύσατο gehört in den Bereich der Menschwerdungsaussagen und wirkt damit scheinbar zurück auf das Kolon davor. Aber die Lösung der textkritischen und inhaltlichen Probleme ist nicht auf die Weise von Tetz zu suchen, sondern kann am ehesten (und wieder im Blick auf Ursacius und Valens) durch Ausfall eines ganzen Kolons auf Grund von homoioteleton erklärt werden. Und dies „gleiche Ende“ kann nichts anderes gewesen sein als οὐ πέπονθεν; die Frage ist, wie das (göttliche) Subjekt des Satzes hieß. Nach den folgenden Zeilen wäre θεός denkbar, doch in einer Widerlegung des Ursacius und Valens würde man eher ὁ λόγος erwarten. Der Text ist also nicht zu heilen durch Streichung eines Kolons und Änderung des nächsten, sondern unter unveränderter Beibehaltung beider durch Einführung eines weiteren Kolons, das ausgefallen [400] ist . Theodoret p. 117,5  f. Parmentier ist zu lesen: καὶ τοῦτο (sc. τὸ ἅγιον πνεῦμα) πιστεύομεν πεμφθέν, καὶ τοῦτο οὐ πέπονθεν, , ἀλλ’ ὁ ἄνθρωπος ὃν ἐνεδύσατο.

Bei dieser Gelegenheit füge ich noch weitere Textverbesserungen an, wobei die Verderbnisse jedoch nicht mit dem Thema des Geistes zusammenhängen. Es handelt sich um das Bekenntnis zu den Sohnestiteln μονογενής und πρωτότοκος (§ 44/§ 7). 20 Er begründet das mit dem Befund bei Gregor von Elvira, l. c. p. 257 o–o.

318 

 5.1 Die dritte Arianerrede des Athanasius

400, 401

Loofs hatte den Text in einer Kleinigkeit erleichtert und in einer wichtigen Vokabel richtig verbessert; Tetz hat den Text von Loofs übernommen. Das Serdicense erläutert zunächst „Eingeborener“: Das ist der Logos, er ist überall und im Vater. „Erstgeborener“ dagegen meint den Menschen (in Christus). Das liest sich bei Theodoret so: τὸ πρωτότοκος δὲ τῷ ἀνθρώπῳ. Διαφέρει δὲ τῇ κοινῇ κτίσει, weil er auch Erstgeborener von den Toten (ist). Loofs streicht den Punkt, ersetzt das zweite δέ durch καί und korrigiert κοινῇ in καινῇ. Diese letzte Korrektur ist vorzüglich, entspricht ganz den Anschauungen Markells und wird deswegen auch von Scheidweiler (im Nachtrag) approbiert. Dagegen bin ich für Beibehaltung eines Satztrenners und des δέ und postuliere zusätzlich, daß vor dem Satztrenner ein erstes διαφέρει durch Haplographie ausgefallen ist. Folgende chiastische Konstruktion ist anzunehmen: τὸ πρωτότοκος δὲ τῷ ἀνθρώπῳ , διαφέρει δὲ τῇ καινῇ κτίσει, ὅτι καὶ πρωτότοκος ἐκ τῶν νεκρῶν.21 Die Vorliebe Markells für die Konstruktion des διαφέρειν mit dem Dativ ist bekannt  – hier scheint mir übrigens ein starkes Argument für die Annahme eines griechischen Originals für das „westliche“ Serdicense vorzuliegen;22 eine Übersetzung aus dem Latein hätte kaum diese Eigentümlichkeit Markells zu Tage gebracht. Schließlich ist in § 39 (§ 4) οἱ αἱρετικοί zu streichen. Es ist eine Glosse, genau wie „graeci“ in der lateinischen Übersetzung. Die lateinische Übersetzung hat offensichtlich die griechische Glosse noch nicht gelesen.23 Natürlich sind αὐτοί, ipsi, die Gegner, daher ist οἱ αἱρετικοί keine falsche Glosse (die lateinische Glosse ist nicht falsch, aber auch nicht treffend). Mißverständlich ist die griechische Glosse jedoch im höchsten Grade: sie suggeriert, daß die [401] Synonymität von ὑπόστασις und οὐσία häretisch sei,24 wovon jedoch in dieser Zeit keine Rede sein kann – Athanasius wäre sonst auch mit diesem Vorwurf zu treffen! Der Text ohne die Glosse meint entweder, daß die Gegner die Vokabel οὐσία der Vokabel ὑπόστασις vorziehen25 (eine

21 So für Theodoret p. 115,14–116,1 Parmentier zu lesen. 22 H. C.  Brennecke mündlich: nach der Zusammensetzung der Synode muß eine doppelte Originalfassung angenommen werden, griechisch und lateinisch. Ebenso plädiert K.  Seibt, der gerade eine Dissertation über Markell von Ankyra fertiggestellt hat, dafür, daß uns bei Theodoret das griechische Original des westlichen Serdicense erhalten ist (mündlich). 23 Theodoret p.  113,13  f. Parmentier muß lauten:  …  ὑπόστασιν, ἣν αὐτοὶ [οἱ αἱρετικοί] οὐσίαν προσαγορεύουσι. Die lateinische Übersetzung muß gelesen werden: substantiam, quam ipsi [graeci] sian appellant. Das u in sian ist Turners Ergänzung. Auch Schwartz liest: substantiam, quam ipsi οὐσίαν apellant, s. Scheidweilers Nachtrag zu p.113,13 Parmentier mit Hinweis auf [E.  Schwartz, Der griechische Text der Kanones von Serdika,] ZNW 30 (1931) [p. 1–35, hier] p. 7 [– d. Red.]. 24 Dieser Suggestion sind Loofs und in seinem Gefolge Tetz (l.c. p. 261) erlegen. Was Tetz zum Wortwechsel zwischen Ossius und Narcissus über die Zahl der trinitarischen οὐσίαι berichtet, betrifft ja nicht die Anstößigkeit der Vokabel οὐσία, sondern die Anstößigkeit einer Mehrzahl von οὐσίαι, seien es nun zwei (Vater und Sohn) oder drei (Vater, Sohn, Geist). Der Skandal wäre nicht geringer gewesen, wenn man stattdessen von Hypostasen geredet hätte. 25 Es könnte scheinen, als ob Narcissus es gewesen sei, der die Vokabel οὐσία vorgezogen hätte. Doch ist die Wortwahl ohne Zweifel durch die Frage des Ossius bestimmt.

401, 402 

5 Athanasius und der Hypostasenstreit 

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solche Bevorzugung läßt sich auch bei Athanasius beobachten); oder „sie selbst“ ist im Sinn von „sogar sie selbst“ zu verstehen und würde dann Übereinstimmung zwischen den Verfassern und ihren Gegnern hinsichtlich der Synonymität von οὐσία und ὑπόστασις andeuten – damit wären wir beim Gegenteil dessen, was Loofs und Tetz vermuten.

5 Athanasius und der Hypostasenstreit Wenn man bedenkt, wie eng die zeitliche Nachbarschaft der dritten Arianerrede des Athanasius und der beiden serdizensischen Bekenntnisse ist, dann erstaunt es doch, wie sich Athanasius in der umstrittenen Hypostasenfrage verhält: er verzichtet fast vollständig auf die trinitarische Benutzung der Vokabel. Das gilt nicht nur für die dritte Rede, sondern für seine Schriften überhaupt.26 Er tritt in der dritten Rede nicht mit Markell für eine göttliche Hypostase ein, wie das „westliche“ Serdicense es tut; er bekämpft auch nicht wie Markell und das Serdicense die drei göttlichen Hypostasen, aber selbstverständlich ist er auch nicht etwa für drei Hypostasen in der Trinität.27 Die [402] Desavouierung des Serdicense im Tomus ad Antiochenos von 362, in der

26 Man vergleiche in Müllers Lexicon Athanasianum die Kürze des Artikels ὑπόστασις und die Länge des Artikels οὐσία: das erste Stichwort füllt eine Spalte, aber davon sind ein Viertel Erläuterungen Müllers; das zweite Stichwort braucht mehr als drei Spalten. Den richtigen Eindruck von den Verhältnissen gewinnt man aber erst, wenn man auch noch die Häufigkeit von φύσις (1.a. natura divina: mehr als zwei Spalten) berücksichtigt. 27 Ein indirektes Indiz für das Verhältnis des Athanasius zum Hypostasenproblem läßt sich dem Komplex der „Dionys“-Zitate entnehmen (über die mangelnde Echtheit dieser Texte s. L.  Abramowski, Dionys von Rom († 258) und Dionys von Alexandrien († 264/5) in den arianischen Streitigkeiten des 4. Jahrhunderts. ZKG 93 [1982] p. 240–272) [engl. Fassung in L.  Abramowski, Formula and Context. Studies in Early Christian Thought, Variorum, Hampshire 1992, Nr. XI, pp.1–35 – d. Red.]. „Dionys von Rom“, zitiert von Athanasius in De decretis 26, spricht von drei Hypostasen in abwertender Form: sie erscheinen als „geteilte“ und als „drei Gottheiten“, als Aufhebung der Monarchia, als drei Götter, als „drei einander fremde Hypostasen“, die die heilige Monas trennen, sie werden mit den drei Prinzipien Marcions verglichen. Die Trias freilich wird von der Schrift gelehrt, aber nicht drei Götter. Zweimal heißt die Trias „göttlich“ (Opitz p. 22,10 und 23,15). „Dionys von [p. 402] Alexandrien“ bezieht sich hierauf, er sieht in der Charakterisierung der drei Hypostasen als „geteilte“ ein Übelwollen der Gegner, die Trias könne nur mit drei Hypostasen bewahrt werden. Es ist bezeichnend, daß dieser Text nicht von Athanasius aufbewahrt worden ist, sondern von Basilius, De spiritu sancto 29,72: εἰ τῷ τρεῖς εἶναι τὰς ὑποστάσεις, μερισμένας εἶναι λέγουσι, τρεῖς εἰσι κἂν μὴ θέλωσιν, ἢ τὴν θείαν τριάδα παντελῶς ἀνελέτωσαν. Basilius führt noch einen weiteren Satz des alexandrinischen Dionys an, in dem die Göttlichkeit der Trinität gesteigert ist: θειοτάτη γάρ, διὰ τοῦτο, μετὰ τὴν μονάδα καὶ ἡ τριάς. Es ist schade, daß die Begründung, auf die διὰ τοῦτο sich bezieht, nicht mitgeliefert wird. – Athanasius hat also eine ablehnende Darstellung der Drei-Hypostasen-Lehre zitiert (sie erscheint als arianisch: der Sohn ist Geschöpf), die korrigierende Antwort darauf (sie müßte vermittelnd eusebianisch gewesen sein) aber weggelassen. Es ist auch zu beachten, daß Dionys von Rom zwar gut markellianisch von Monas spricht, aber nicht von einer Hypostase.

320 

 5.1 Die dritte Arianerrede des Athanasius

402, 403

sich eine höchst realistische Einschätzung der Brauchbarkeit dieses Bekenntnisses für Einigungsbestrebungen mit den nichtarianischen Vertretern der Drei-HypostasenLehre ausdrückt, bedeutet jedenfalls in der Terminologie keine Änderung des athanasianischen Standpunktes. Wie sehr es Athanasius vermeidet, von Hypostasen zu sprechen, kann ein polemischer Ausfall gegen die Arianer zeigen, wo der terminus sich eigentlich nahe gelegt hätte, c. 16: die Arianer können Geschöpf (gemeint ist der Logos) nicht im Schöpfer (dem Vater) sehen, „weil deren φύσεις und ἐνέργειαι fremde und verschiedene sind“. Dementsprechend spricht er selber von der μία φύσις von Vater und Sohn, c. 4, oder von der φυσικὴ ἑνότης des Sohnes mit dem Vater, c.20. Doch überprüfen wir zunächst die wenigen Stellen, wo ὑπόστασις in der dritten Rede vorkommt. C. 1: Die Arianer verstehen weder a) a) a)

τί ἐστιν ἀληθινὸς πατήρ, μήτε τί ἐστιν ἀόρατον καὶ ἀΐδιον, μήτε τί ἐστιν ἀόρατος ὑπόστασις

b) b) b)

καὶ ἀληθινὸς υἱός, καὶ ἀπαύγασμα αὐτοῦ ἀόρατον, καὶ χαρακτὴρ ἀσώματος καὶ εἰκὼν ἀσώματος.

Aus dem Parallelismus geht klar hervor, daß ὑπόστασις hier den Vater bezeichnet und daß das Vokabular Hebr. 1,3 und auch direkt Sap. 7,26 (φῶς ἀΐδιον) entnommen ist. Dann finden wir ὑπόστασις erst wieder in den beiden vorletzten Kapiteln der dritten Rede, c. 65 und 66, und wiederum im Zusammenhang mit Hebr. 1,3. C. 65: καὶ γὰρ ὁ ἀπόστολος οὐ βουλήσεως, ἀλλὰ αὐτῆς τῆς πατρικῆς οὐσίας ἴδιον ἀπαύγασμα καὶ χαρακτῆρα τὸν υἱὸν κηρύττει, λέγων: (Hebr. 1,3)· εἰ δέ, ὡς προειρήκαμεν, ἐκ βουλήσεως οὐκ ἔστιν ἡ πατρικὴ οὐσία καὶ ὑπόστασις, εὔδηλον, ὡς οὔτε τὸ ἴδιον τῆς πατρικῆς ὑποστάσεως ἐκ βουλήσεως ἂν εἴη. ὁποία γὰρ ᾖ καὶ ὡς ἐὰν ᾖ μακαρία ἐκείνη ὑπόστασις, τοιοῦτον καὶ οὕτως εἶναι καὶ τὸ ἴδιον ἐξ αὐτῆς γέννημα δεῖ. Und in c. 66 lesen wir: ὥσπερ γὰρ τῆς ἰδίας ὑποστάσεώς ἐστι θελητής (sc. ὁ πατήρ), οὕτω καὶ ὁ υἱός, ἴδιος ὢν αὐτοῦ τῆς οὐσίας, οὐκ ἀθέλητός ἐστιν αὐτῷ. ὑπόστασις wird [403] also nur in drei Kapiteln von 68 gebraucht, nur auf den Vater bezogen und nur als Zitat aus oder deutliche Anspielung auf Hebr. 1,3. Erwartungsgemäß kann die Vokabel mit οὐσία gleichgesetzt werden, so c. 65 und 66, aber das führt trotzdem nicht dazu, daß bei anderen Gelegenheiten ὑπόστασις für οὐσία eintreten würde. Der durchgängige Gebrauch ist der von οὐσία oder φύσις. Das ist natürlich kein Zufall – was aber ist das Motiv des Athanasius für gerade diese Selektion aus dem vorhandenen Vokabular? Zur Erklärung muß man zunächst daran erinnern, daß Alexander von Alexandrien im Bekenntnis der Synode von Antiochien 324/5 hinsichtlich ὑπόστασις genauso verfährt wie Athanasius, und das, nachdem Alexander bis dahin sehr wohl von der Hypostase des Sohnes sprechen konnte (und für ὑπόστασις auch φύσις setzen konnte!). Die Konstellation aus theologischen und kirchenpolitischen Faktoren, die zu Alexanders Enthaltsamkeit in der Hypostasenfrage auf jener Synode

403, 404 

5 Athanasius und der Hypostasenstreit 

 321

geführt hatte,28 war inzwischen leicht verschoben, aber hatte sich in einigen Grundpositionen nicht verändert. Die fast absolute Präponderanz von οὐσία bei Athanasius ist allerdings durch das Nicänum bestimmt: die Herkunft des Sohnes „aus der οὐσία des Vaters“; die Ablehnung der Herkunft „aus einer anderen ὑπόστασις oder οὐσία“ – das sind die Aussagen, nach denen er sich richtet. Und es ist klar, daß für Athanasius der Ablehnungssatz zu ergänzen war durch „als der des Vaters“. Keine der beiden Vokabeln wird im Nicänum vom Sohn ausgesagt; hinsichtlich der οὐσία geht Athanasius gelegentlich weiter (s.  u.). Die bekannten Beschwörungen des Athanasius, am Nicänum festzuhalten, meinen vor allem (neben dem selbstverständlichen Anti-Arianismus) die dort gegebene Zurückhaltung im Vokabular; man sollte diese Beschwörungen also etwas entsakralisieren. Zwar hat sich der Bischof von Alexandrien mit seiner Zurückhaltung in der trinitarischen Nomenklatur am Ende nicht durchgesetzt, wie die neunicänische Formel zeigt, aber immerhin war die nicänische Partei nicht auf Markells eine trinitarische Hypostase festgelegt, und das ist das Verdienst des Athanasius. Der bekannte Lieblingsausdruck des Athanasius sowohl für die Sonderung des Sohnes wie für die engste Beziehung des Sohnes zum Vater ist ἴδιον γέννημα τοῦ πατρός bzw. τῆς οὐσίας τοῦ πατρός oder auch einfach τὸ ἴδιον τῆς οὐσίας (einige Beispiele in den oben gegebenen Zitaten aus c. 65 und 66). Es erübrigt sich, dafür Belege anzuführen, schon die beiden ersten Arianerreden kennen die Formulierungen. Entwickelt worden ist der Ausdruck als Gegenstück zum arianischen κτίσμα und zur „Fremdheit“ der Natur des Logos in Beziehung auf den Vater, die Athanasius den Arianern vorwirft. Müllers Lexicon führt unter „ἴδιος III“ fast zwei Spalten Belege für die „intima inter personas divinas conjunctio et unitas“ an (freilich sollte man besser nicht von „conjunctio“ sprechen, weil das selbst ein terminus technicus sein kann; „unitas“ ist natürlich völlig zutreffend). [404] In der dritten Rede befaßt sich Athanasius etwas spezifischer mit dem Problem von Einheit und Verschiedenheit in der Trinität. Der Anlaß ist die eusebianische (auf Origenes zurückgreifende) Bestimmung der Einheit der trinitarischen Person als „Identität (ταυτότης) der Gesinnung“, siehe oben in Abschnitt 3 die von Athanasius zitierten Stichworte. Athanasius übernimmt den Begriff der ταυτότης, c. 3. 4. 22. (23)29. 36, findet sie aber im Wesen. Der Gegenbegriff in Gestalt von ἑτερότης fehlt, aber die Sache nicht völlig, denn c. 4 stellt Athanasius fest, wie auf den Sohn ἕτερον und ταὐτόν angewendet werden können: ein anderes ist er als Erzeugtes, aber

28 Cf. L.  Abramowski, Die Synode von Antiochien 324/5 und ihr Symbol, ZKG 86 (1975) p. 356–366 [engl. Fassung in L.  Abramowski, Formula and Context. Studies in Early Christian Thought, Variorum, Hampshire 1992, Nr. III, pp. 1–12 – d. Red.]. 29 Athanasius sagt in III 23, daß die λέξις (= Vokabel) καθώς (also der Vergleich) nicht eine ταυτότης und ἰσότης impliziere, sondern Verschiedenes (ἄλλο καὶ ἄλλο).

322 

 5.1 Die dritte Arianerrede des Athanasius

404, 405

dasselbe als Gott,30 – man beachte das Neutrum! Die Identität liegt in der Gottheit, und die Gottheit ist eine οὐσία oder φύσις: c. 3 ταυτότης τῆς θεότητος, ἑνότης τῆς οὐσίας erklären sich gegenseitig, vgl. c. 4: ταυτότης τῆς μιᾶς θεότητος. C. 22: der Logos hat ταυτότης τῆς φύσεως mit dem Vater, das unterscheidet ihn von uns, in denen doch auch Christus ist (Joh. 17,23 „Ich in ihnen“). Aus der ununterscheidbaren ὁμοιότης und ταυτότης von Vater und Sohn darf man nicht wie Sabellius folgern, daß der Sohn der Vater sei, sagt c. 3631. Wegen der ὁμοιότης mit dem Vater hat er ewig, was er von ihm (dem Vater) hat, wegen seines Sohnseins hat er aus dem Vater, was er ewig hat (ibid.). Unter den aufgezählten Passagen über die Identität ist die wichtigste c. 3 (Ende) – 4. C. 3: Mit Recht sagt Christus zuerst: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh. 10,30), und fügt danach hinzu: „Ich im Vater und der Vater in mir“: (Joh. 14,10), ἵνα τὴν μὲν ταυτότητα τῆς θεότητος, τὴν δὲ ἑνότητα τῆς οὐσίας δείξῃ. C. 4 fährt fort: ἓν γάρ εἰσιν – und wehrt dann mögliche Mißverständnisse über die Art der Einheit ab, darunter (wie später c. 36) auch das des Sabellius, „der als Ketzer verurteilt wurde“. ἀλλὰ δύο μέν εἰσιν – und es folgt die ausdrückliche Ablehnung der Identifikationstheologie. μία δὲ ἡ φύσις, denn das Gezeugte ist dem Zeugenden nicht unähnlich, es ist sein Abbild, alles was dem Vater gehört, gehört dem Sohn. διὸ οὐδὲ ἄλλος θεὸς ὁ υἱός, er ist nicht von außen ausgedacht, nicht eine ξένη θεότης neben der des Vaters. εἰ γὰρ καὶ ἑτερόν ἐστιν ὡς γέννημα ὁ υἱός, ἀλλὰ ταὐτόν ἐστιν ὡς θεός. τῇ ἰδιότητι καὶ οἰκειότητι τῆς φύσεως καὶ τῇ ταυτότητι τῆς μιᾶς θεότητος wie (bereits) gesagt wurde. Auch der Abglanz ist Licht, und (zwar) nicht ein zweites (im Verhältnis) zur Sonne, auch nicht durch Teilhabe an ihr, sonder ganz als ihr ἴδιον γέννημα [405] (das significatum ist damit ins significans eingedrungen, aber das ergibt sich deswegen so leicht, weil „Abglanz“ bei Athanasius praktisch ein Namen für den Sohn ist). Ein solches γέννημα ist notwendigerweise ein Licht (man müßte eigentlich erwarten: ein Licht mit der Sonne). Und man möge nicht sagen, daß das zwei Lichter seien, zwar sind Sonne und Abglanz zwei (s.  o. über Vater und Sohn), eins aber ist das Licht, das im Abglanz alles erleuchtet. Daher ist die Gottheit des Sohnes die des Vaters, daher auch untrennbar (ἀδιαίρετος), und so ein Gott und so ist kein andrer neben ihm. Weil sie eins sind und ihre Gottheit eine, werden auch über den Sohn die gleichen Aussagen gemacht wie über den Vater, abgesehen vom Vater-Titel selbst. Das wird durchgeführt mit biblischen Belegen für die Namen Gott, Pantokrator, Herr, Licht und für die Sündenvergebung.

30 Einen ganz anderen inhaltlichen Zusammenhang hat die Ablehnung von ἕτερος am Ende von c. 6. Athanasius zitiert im letzten Drittel des Kapitels monotheistische alttestamentliche Aussagen und postuliert: οὐκ εἰς ἀναίρεσιν δὲ τοῦ υἱοῦ λέγεται. Er versucht einen Beweis und folgert: Also ist (das) nicht seinetwegen (sc. wegen des Sohnes) gesagt, ἀλλ’ εἰς ἀναίρεσιν τοῦ μὴ εἶναι ἕτερον, οἷός ἐστιν ὁ πατήρ, καὶ ὁ τούτου λόγος. Lampe PGL gibt als Übersetzung für ἀναίρεσις an der ersten Stelle „exclusion“, was vor allem für die zweite Stelle hilfreich ist und besser als „abolitio“ im Lexicon Athan. für beide Stellen. BKV behilft sich an der zweiten Stelle mit „Verwahrung“. 31 Auch das westliche Serdicense lehnt die Identifikationstheologie ab.

405, 406 

5 Athanasius und der Hypostasenstreit 

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Soweit ich sehe, ist die oben zweimal angeführte Stelle die einzige in der dritten Rede, wo ἕτερον in der Relation Sohn-Vater positiv verwendet wird. Die Absicht ist anti„sabellianisch“, es wird so die ταυτότης gegen Mißverständnisse abgesichert. Während für Identität und Einheit ein inhaltliches Abstraktum zur Verfügung steht (θεότης) und die Einheit als eine der φύσις und οὐσία dargestellt wird, fehlt auf den ersten Blick etwas Vergleichbares für die Unterschiedenheit des Sohnes, obwohl diese als gegeben zu gelten hat. Daß ὑπόστασις nur vom Vater und nur wegen Hebr. 1,3 gesagt wird, haben wir schon gesehen. πρόσωπον wird weder in der dritten Rede noch sonst für eine der trinitarischen Personen benutzt. Einmal finden wir in der dritten Rede ὕπαρξις für die Existenz des Sohnes (unter den wenigen Belegen für die Vokabel aus den echten Schriften ist es der einzige), c. 6: Der Sohn ist, welcher Art (οἷος) der Vater ist, weil er alles hat, was des Vaters ist; deswegen ist er unter „Vater“ mitbezeichnet. Niemand würde „Vater“ sagen μὴ ὑπάρχοντος υἱοῦ. Bei „Schöpfer“ und „Geschöpf“ verhält es sich anders: der Schöpfer ist Schöpfer schon vor den Geschöpfen. Wer aber Vater sagt, meint sogleich mit dem Vater καὶ τὴν τοῦ υἱοῦ ὕπαρξιν. Im selben Kapitel 6 stößt man auf eine, wie mir scheint, höchst seltene Verwendung von οὐσία, nämlich auf den Sohn selbst: „Was über den Vater gesagt wird, das wird über den Sohn gesagt, nicht weil es τῇ οὐσίᾳ αὐτοῦ aus Gnade oder Teilhabe zukommt, sondern weil das Sein selbst des Sohnes das eigene Erzeugte des väterlichen Wesens ist“. Die οὐσία des Sohnes32 müßte hier sein Wesen meinen; da die „Einheit des Wesens“ von Vater und Sohn durch Athanasius gesetzt wird, muß dann die οὐσία des Sohnes seine Gottheit bedeuten. In den Kapiteln 3–6 redet Athanasius mehrfach von τὸ εἶναι τοῦ υἱοῦ33 – ist das synonym zu οὐσία oder ὑπάρξις zu nehmen? Man muß versuchen, das [406] mit Hilfe des Kontextes zu bestimmen. In Auslegung von Joh. 14,10 („Ich im Vater und der Vater in mir“) legt Athanasius in c. 3 dar, wie die beiden Teile dieses Spruches zu verstehen sind. In der Erklärung des ersten Teils kommt τὸ εἶναι τοῦ υἱοῦ zweimal vor: Es ist der Sohn im Vater, wie zu denken erlaubt ist, ἐπειδὴ σύμπαν τὸ εἶναι τοῦ υἱοῦ, τοῦτο τῆς τοῦ πατρὸς οὐσίας ἴδιόν ἐστιν, wie aus dem Licht der Abglanz und aus der Quelle der Fluß, so daß der, der den Sohn sieht, τὸ ἴδιον des Vaters sieht und erkennt, daß τοῦ υἱοῦ τὸ εἶναι, aus dem Vater seiend, so im Vater ist. Nach der Erklärung des zweiten Teils des Spruches wird der Schluß gezogen: Indem τὸ εἶναι τοῦ υἱοῦ das εἶδος und die θεότης des Vaters ist, ist folgerichtig der Sohn im Vater und der Vater im Sohn. – Es ergibt sich also, daß die Frage nach dem Gehalt der Formulierung τὸ εἶναι τοῦ υἱοῦ nicht mit einem Entweder-Oder, mit „Wesen“ oder „Existenz“ beantwortet werden 32 Müller, Lex. Ath. scheint kein eigenes Lemma dafür zu haben. Im Artikel οὐσία gibt es im Abschnitt 4b β („una eademque οὐσία τοῦ πατρός est in λόγῳ – filio…“) eine Stelle mit ἡ τοῦ υἱοῦ οὐσία – aber die steht im Theognostzitat in De decretis. 33 III 60 spricht von τὸ εἶναι τοῦ λόγου (BKV: „des Sohnes“) und setzt das dem ἐκ βουλήσεως und πεποιῆσθαι entgegen. – In einem Zitat aus „Dionys von Alexandrien“ [406] in De sententia Dionysii 15,1 finden wir: Der Sohn hat nicht aus sich selbst, ἀλλ’ἐκ τοῦ πατρὸς ἔχει τὸ εἶναι (Opitz p, 57,3).

324 

 5.1 Die dritte Arianerrede des Athanasius

406, 407

kann, sondern eigentümlich athanasianisch soll eben beides zugleich damit gemeint sein: die Besonderung des Sohnes und seine Einheit mit dem Vater. Der Sohn ist εἶδος, was nach allem analog zu εἰκών zu verstehen ist34 – das deutet seine Unterscheidung vom Vater an; er ist aber auch θεότης und damit ist die Einheit ausgesagt. Gleiches gilt für den nächsten Beleg, c.5 (ganz am Ende): Da ja der Sohn εἰκών des Vaters ist, ist folgerichtig („aus Notwendigkeit“) zu erkennen, „daß die Gottheit und die ἰδιότης des Vaters das εἶναι des Sohnes ist.“ Hier muß wohl nicht mit „Eigentümlichkeit“ übersetzt werden, sondern eher mit „Eigentum“, im Sinne von ἴδιον γέννημα als Bezeichnung für den Sohn. Athanasius versteht seine eben gegebene Bestimmung als Erläuterung (καὶ τοῦτό ἐστιν) von Phil. 2,6a ὃς ἐν μορφῇ θεοῦ ὑπάρχων und dem ὁ πατὴρ ἐν ἐμοί aus Joh. 14,10. Ist μορφή synonym zu „Abbild“ zu nehmen, dann belegt die erste Bibelstelle die Unterscheidung des Sohnes vom Vater, die zweite die Einheit beider. „Gestalt der Gottheit“ ist nicht etwa ein Teil der Gottheit, sagt Athanasius (c. 6, am Anfang), „sondern πλήρωμα der Gottheit des Vaters ist das εἶναι des Sohnes, und der Sohn ist ganz Gott“. Damit soll ein mögliches Mißverständnis abgewehrt werden, das sich aus der Unterscheidung von Vater und Sohn ergeben könnte. Im Ganzen wird man urteilen können, daß Athanasius auf die Frage nach der Existenzweise des Sohnes, der sich auch der oder die Verfasser des Serdicense gegenüber sahen, eine Antwort gibt, die seiner mittleren Stellung zwischen den Vertretern der beiden unterschiedlichen Hypostasentheologien genau entspricht. Mit der Vokabel hypostasis konnte er für diesen Zweck nicht arbeiten, weil er sich unweigerlich damit auf der einen oder anderen Seite festgelegt hätte. Zwar ist man für die inhaltliche Füllung des Ausdrucks „das Sein des Sohnes“ wie gesagt ganz auf den Kontext angewiesen, es ergibt [407] sich aber auch daraus, daß Athanasius damit über den unbefriedigenden Zustand hinaus gelangt ist, der mit seinem Lieblingswort von dem „eigenen Gezeugten des Wesens des Vaters“ gegeben ist, wo die Einheit des Abgeleiteten mit seinem Ursprung durch den Begriff des Eigenen, der Zugehörigkeit, ausgedrückt werden soll. Kannengiesser hat ganz recht, wenn er feststellt, daß in diesen Partien der dritten Rede auf einem anderen Niveau als in den beiden ersten Reden argumentiert wird – die Auseinandersetzung mit den Eusebianern in einer Phase, wo diese einen Ausgleich suchten, machte das unumgänglich. Mit den gegen die Arianer gerichteten Angriffen auf die Geschöpflichkeit des Sohnes war es in dieser Situation nicht getan.

34 Der biblische Beleg für εἶδος =  Gestalt, analog zu μορφή und εἰκών wird erst mehrere Kapitel später nachgeliefert, nämlich c. 16: es ist Gen. 32,32 LXX, wo εἶδος τοῦ θεοῦ für Pniel steht.

407, 408

6 Ctr. Ar. III 26: Eine biblische Argumentation der Arianer 

 325

6 Ctr. Ar. III 26: Eine biblische Argumentation der Arianer Nachdem wir gesehen haben, daß der erste und der letzte Teil der Rede nicht den Arianern gelten, sondern den Eusebianern, wäre es naheliegend, auch den langen Mittelteil in dieselbe Frontstellung einzuordnen. Doch würde das zu einem verzerrten Urteil über den Mittelteil führen, denn die Kapitel 26 bis 58 sind tatsächlich gegen die Arianer gerichtet.35 Kannengiesser bezeichnet sie zwar als „Arianer“ in Anführungszeichen (s. sein Inhaltsverzeichnis und p. 344 z.  B.), für ihn stellen sie nur „contradicteurs sur commande“ dar (p. 344). Die Bibelstellen, die den Ausgang der Abhandlung des Athanasius bilden, seien von ihm den Arianern geradezu in den Mund gelegt worden: „Plus que toute autre documentation de ce genre en CA III – et il est vrai qu’elle n’y occupe jamais qu’une place minime –, la collection des versets bibliques placés ici dans la bouche des adversaires illustre le caractère purement livresque, pour ne pas dire fictif, de la polémique anti-arienne conduite par l’auteur de ce traité.“ Von irgendeiner Fiktion kann keine Rede sein. Was Athanasius als Argumentation der Arianer vorträgt, ist sorgfältig aufgebaut und mit den wirksamsten neutestamentlichen Bibelstellen angefüllt – niemals hätte Athanasius selber sich die Mühe gemacht, den Gegnern so brauchbares Material mundgerecht darzubieten. Seinerseits bedarf es eines unerhörten Aufwandes, mit den biblischen Einwänden der Gegner fertig zu werden. Es ist allerdings denkbar, daß er uns ein verkürztes Referat vorlegt, aber daß alle diese Bibelstellen und die Folgerungen aus ihnen von den Arianern vorgetragen wurden, kann nicht bezweifelt werden. Wenn es sich um des Athanasius eigene Zusammenstellung handelte, hätte er sich bei der Widerlegung an die vorgegebene Reihenfolge der Zitate gehalten, was er aber nicht tut. Wir haben in III 26 mindestens ein Referat, stellenweise wohl auch Zitat eines arianischen [408] Textes vor uns. Dieser Text nimmt am Anfang des Kapitels die athanasianische Formel ὅμοιος κατ’ οὐσίαν auf, die in den Reden I/II gebraucht wird,36 und zitiert das athanasia-

35 Nach der Zahl der Kapitel gerechnet, sind die Gewichte in der dritten Rede genau verteilt: 25–58 = 34 Kapitel gegen die Arianer, 1–24. 59–67 = 33 Kapitel gegen die Eusebianer. 36 Der älteste Beleg für ὅμοιος κατ’ οὐσίαν ist der Brief Alexanders von Alexandrien an alle Bischöfe, Ἑνὸς σώματος, Urkunde 4 b bei Opitz. C.  Stead hat jüngst, in Aufnahme älterer Meinungen, argumentiert, daß dieser Brief von Athanasius verfaßt sei, der hier im Auftrag seines Bischofs schreibe: C.  Stead, Athanasius’ earliest written work, JThSt NS. 39 (1988) p. 76–91. Die These von der Verfasserschaft des Athanasius ist völlig überzeugend, besonders der Abschnitt über die Lehre des Arius kommt jedem Leser der Arianerreden überaus geläufig vor. Wie der Titel der Abhandlung zeigt, ändert sich für Stead an der zeitlichen Unterbringung des Briefes nichts, zu ändern sei vielmehr die gängige Auffassung vom Beginn der theologischen schriftstellerischen Tätigkeit des Athanasius. Wir lesen am Schluß: „We all know that there is a strong case for dating the contra gentes and the De incarnatione to the 330s; but I think I have shown that Athanasius was charged with an important task by his diocesan at the age of little more than 20 years, and fulfilled it with distinction. In this light it is clearly possible that he should have written the works I have mentioned a year or two earlier. The case is not closed; but any doubts on the score of youth and inexperience must be banished for ever“. M.  E. sind die Kon-

326 

 5.1 Die dritte Arianerrede des Athanasius

408, 409

nische Lieblingsadjektiv für die Zusammengehörigkeit von Sohn und Vater, ἴδιος, in den Ausdrücken ἰδία σοφία, ἴδιος λόγος. D.  h. auch III 26 hat uns ein Stück der zeitgenössischen theologischen Debatte aufbewahrt und ist entsprechend zu würdigen. Kannengiesser meint, es seien die Arianer, die mit ihren Argumenten das christologische Problem in die Debatte brächten (s. seine Gliederung). Das [409] ist nicht zutreffend – sie bleiben innerhalb der trinitarischen Problematik, die das Verhältnis des Sohnes zum Vater betrifft. Sie bringen Abhängigkeits- und Niedrigkeitsaussagen über Christus vor, die es nicht zulassen, wie sie finden, daß der Sohn von Natur aus dem Vater ist (c. 26 Anfang), und schließlich zum Ergebnis führen, daß der Sohn Geschöpf ist und „eins von den Gewordenen“ (Schluß). Athanasius ist es dann, der das Problem sofort mit dem Beginn des 27. Kapitels auf die christologische Ebene überführt. Das „Lösungsprinzip“ ist in der Tat das christologische, aber es ist nicht, wie Kannengiesser schreibt, „die Einheit des Attributionssubjektes in Christus“, sondern der Akzent liegt gerade umgekehrt auf der Unterscheidung der menschlichen und göttlichen Werke des inkarnierten Logos. In der Einleitung von c. 26 behauptet Athanasius, daß die Arianer wie Paul von Samosata bloß „das Menschliche“ in Christus sehen; damit nimmt er die schon von Alexander von Alexandrien vorgebrachte Unterstellung wieder auf. Im Folgenden zitiere ich den Hauptteil des Kapitels wörtlich, indem ich den Text nach den aria-

sequenzen für die Datierung ganz andere und betreffen den Brief selbst. 1. ὅμοιος κατ’ οὐσίαν kann nicht vor dem nicänischen ὁμοούσιος formuliert sein. 2. Zwar wird in dem Brief die Lehre des Arius verurteilt, aber der große Bösewicht und Agitator ist Euseb von Nikomedien (während es in Urkunde 14, dem Brief Alexanders Ἡ φίλαρχος, der allgemein als später betrachtet wird, Arius selber ist). Es ist von der „alten Übelgesinnung“ (Opitz p. 7,11) des Euseb die Rede – wie alt soll diese Gesinnung sein, wenn der Brief zwischen 318 und 320 geschrieben worden ist? Eusebs Wechsel von Berytos nach Nikomedien wird in herabsetzenden Worten und Verben der Vergangenheit erwähnt. – Urk. 4 b ist uns durch die Kirchengeschichte des Sokrates erhalten (16), wogegen Urk. 14 Theodorets Kirchengeschichte (14) verdankt wird. Bardy, Lucien, hat Sokrates 16 für seinen Abschnitt über Euseb von Nikomedien ausgewertet und natürlich auch nicht die unbezahlbare Mitteilung am Schluß von 16 übersehen (man wünschte, es gäbe mehr solcher Notizen in den zeitgenössischen Schriften), daß Alexander und Arius aus den für sie günstigen Briefen Dossiers anlegten und daß die verschiedenen Sekten bis in die Zeit des Sokrates von diesen Sammlungen in ihrem Sinne Gebrauch machten. – Jemand, der mit Sicherheit von Alexanders Sammlung Gebrauch machte, war Alexanders Nachfolger; sollte er sie nicht am Ende um einen Alexanderbrief über Euseb bereichert haben zu einer Zeit (seit 328, der Rückkehr des Euseb von Nikomedien aus dem westlichen Exil), als der Bischof von Nikomedien sein sehr erfolgreicher Hauptgegner war? In dieser späteren Zeit konnte man mit Recht von der alten Übelgesinnung Eusebs sprechen, die sich gezeigt hatte, als er sich für Arius nach Ausbruch der Streitigkeiten einsetzte. Hätte nicht der Alexanderbrief des Athanasius ferner die Funktion haben können, den echten Brief Alexanders (Urk. 14) zu ersetzen bzw. zu verdrängen, da die Theologie des Briefes zur Abwehr der Drei-Hypostasen-Trinität der eusebianischen Mittelpartei nicht besonders brauchbar war (Vater und Sohn als πράγματα, ὑποστάσεις, φύσεις)? Glücklicherweise ist Alexanders Brief erhalten geblieben. Falls beide Kirchenhistoriker beide Briefe gekannt hätten, wäre es interessant gewesen, die Gründe für ihre Wahl zu erfahren – aber das ist natürlich ein eitler Wunschtraum.

409, 410 

6 Ctr. Ar. III 26: Eine biblische Argumentation der Arianer 

 327

nischen Stichworten gliedere, die herangezogenen Bibelstellen angebe und die Zwischenbemerkungen des Athanasius hervorhebe: … frech sagen sie: Wie kann der Sohn von Natur aus dem Vater sein und ihm gleich (a) (Sohn) dem Wesen nach, der sagt: „Mir ist gegeben alle Gewalt“, und: „Der Mt. 28,18 Vater richtet niemanden, sondern er hat das ganze Gericht dem Joh. 5,22 Sohn gegeben“, und: „Der Vater liebt den Sohn und hat alles in Joh. 5,35  f. seine Hand gegeben. Wer an den Sohn glaubt, hat das ewige Leben“, Lc. 10,22 und wiederum: „Alles ist mir übergeben worden von meinem Vater; Joh. 6,37 und niemand erkennt den Vater, wenn nicht der Sohn und wem der Sohn es offenbaren will“, und wiederum: „Alles, was mir der Vater gegeben hat, wird zu mir kommen“. Danach fügen sie hinzu: Wenn er, wie ihr sagt, Sohn von Natur war, hatte er es nicht nötig zu empfangen, sondern hatte (sc. all dies) als Sohn von Natur. Wie kann von Natur und37 wahre Kraft des Vaters sein, der zur (b) (Kraft) Stunde seines Leidens sagt: „Jetzt ist meine Seele betrübt; und was Joh. 12,27  f. soll ich sagen? Vater, rette mich aus dieser Stunde; aber deswegen Mt. 26,39 bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Joh. 13,21 Namen. Da kam eine Stimme aus dem Himmel: Ich habe euch verherrlicht und werde wiederum verherrli[410]chen“. Und wiederum sagte er das Gleiche: „Vater, wenn möglich, möge dieser Kelch vorübergehen“ und: „Dieses sagend wurde Jesus betrübt im Geist und bezeugte und sprach: Amen, Amen, ich sage euch, einer aus euch wird mich verraten“. Und nach diesen Dingen sagen die Übelgesinnten: Wenn er Kraft war, hätte er nicht gezagt, sondern hätte vielmehr auch anderen das Können gegeben. Danach sagen sie: Wenn er von Natur wahre und eigene Weisheit des Vaters war, (c) (Weisheit) wieso ist geschrieben: „Und Jesus schritt fort in Weisheit und Alter Lc. 2,52 und Gnade bei Gott und den Menschen“, und: „In die Gegend von Mt. 16,13 Cäsarea Philippi kommend, fragte er die Jünger, was die Menschen Joh. 11,34 sagten, wer er sei“; nach Bethanien gekommen, fragte er, wo Mc. 6,38 Lazarus liege; er sagte danach zu den Jüngern: „Wieviel Brote habt ihr?“ Wie nun, sagen sie, ist dieser Weisheit, der in der Weisheit fortschreitet und nicht weiß, was er von anderen zu erfahren wünscht?

37 Ich habe absichtlich die griechische Konstruktion wörtlich beibehalten, damit man erkennt, daß es sich um zwei Bestimmungen handelt: „Kraft des Vaters von Natur“ und „wahre Kraft des Vaters“.

328 

 5.1 Die dritte Arianerrede des Athanasius

410, 411

Es wird aber auch dies von ihnen gesagt: Wie kann der des Vaters eigenes Wort sein, ohne den der Vater (d) (Logos) niemals war, durch den er alles schafft, wie ihr meint, der am Kreuz Mt. 27,46 zwar sagt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Joh. 12,28 vorher aber betete: „Verherrliche deinen Namen“, und: „VerherrJoh. 17,5 liche du mich, Vater, mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, Mt. 26,41 ehe die Welt war“. Er betete aber in der Einsamkeit und ermahnte Mt. 13,32 die Jünger zu beten, daß sie nicht in Versuchung fielen; und: „Der Geist ist willig“, sagte er, „aber das Fleisch ist schwach;“ und: „Über (jenen) Tag und jene Stunde weiß niemand (etwas), weder die Engel, noch der Sohn“. Danach fügen wiederum die Nichtswürdigen dies hinzu: Wenn nach eurer Meinung der Sohn ewig bei Gott existierte, wäre er nicht unwissend über den Tag, sondern wüßte (über ihn) als Logos, nicht wäre verlassen worden der Mitexistierende, nicht hätte gebeten, Herrlichkeit zu empfangen, der sie im Vater hat, er hätte überhaupt nicht gebetet; denn Logos seiend hätte er nichts bedurft; aber da er ja Geschöpf ist und eins von den Gewordenen, hat er darum solches gesagt und bedurfte er dessen, was er nicht hatte. Denn den Geschöpfen [411] ist es eigentümlich nötig, zu haben und zu bitten um das, was sie nicht haben. Die Verlagerung von der trinitarischen auf die christologische Ebene in der Beurteilung der von den Arianern vorgebrachten Worte Jesu hat zur Folge, daß Athanasius sich nicht an die vorgegebene Gliederung hält, sondern so vorgeht, wie es Kannengiesser schematisch darstellt (p. III): Le Christ a „reçu“ il a „ignoré“ il a „grandi“ il a été „troublé“

(nr. 36–41); (nr. 42–50); (nr. 51–53); (nr. 54–58).

III 26 ist eine Fortsetzung der Debatte, die ihren Ausgangspunkt in der arianischen Unterscheidung eines eigentlichen vom uneigentlichen Logos (Weisheit, Kraft) genommen hat (der Sohn ist der uneigentliche Logos etc.). In Ctr. Ar. I/II hatte Athanasius diese Auffassung mit Asteriuszitaten belegt. In II 37 hält Athanasius der Unterscheidung den (einen!) „von Natur und38 eigenen Logos“ entgegen (analog für die anderen Titel). Die arianische Argumentation in III 26 versucht, mit den Worten Christi selbst, die in langer Kette vorgeführt werden, die Auffassung des Athanasius als biblisch unhaltbar zu erweisen. Von der Unterscheidung zweier Logoi (etc.) ist jetzt 38 Siehe die vorige Anmerkung.

411, 412 

6 Ctr. Ar. III 26: Eine biblische Argumentation der Arianer 

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gar nicht mehr die Rede. Wir können also feststellen, daß die Arianer auf die beiden ersten gegen sie gerichteten Reden des Athanasius eingegangen sind und versucht haben, die theologischen Sätze des Bischofs von Alexandrien zu widerlegen. Auch mit dem Mittelteil der dritten Rede befinden wir uns in der zeitgenössischen Diskussion. Um den inneren Zusammenhang dieser Diskussion in der Aufeinanderfolge von Asterius, Ctr. Ar. I/II, Arianern in III 26 und Athanasius in III 26–58 anschaulicher zu machen, führe ich hier noch II 37 in Übersetzung vor, wobei ich den Asteriustext durch Einrücken kennzeichne: (Athanasius) Deswegen wundere ich mich, wie diese, während Gott einer ist, nach ihren eigenen Begriffen viele Abbilder, Weisheiten und Logoi einführen und sagen, ein andrer sei zwar der eigene und von Natur Logos39 des Vaters, in dem er auch den Sohn machte, daß aber der wahrhaft Sohn (seiende) nur κατ’ ἐπίνοιαν Logos genannt werde, wie (er auch) Weinstock, Weg, Tür und Baum des Lebens (heiße). Und Weisheit wird er dem Namen nach genannt, sagen sie, eine andere nämlich sei die eigene und wahrhaftige Weisheit des Vaters, die ungezeugt mit ihm zusammen ist, in der er auch den Sohn schaffend ihn Weisheit der Teilhabe nach an jener nannte. Dies geriet ihnen nicht bloß zu Worten, sondern Arius hat das in seiner Thalia zusam[412]mengestellt, der Sophist Asterius aber schrieb, was wir auch früher (sc. I 32) gesagt haben, so: Nicht sagt der selige Paulus, daß er Christus verkündige, die Kraft Gottes oder die Weisheit Gottes, sondern ohne Hinzufügung des Artikels: Kraft Gottes und Gottes Weisheit (cf. 1. Kor. 1,24); verkündigend, daß die eigene Kraft eine andere sei, die ihm inneseiende und mit ihm ungezeugt existierende, daß sie klärlich Christus gezeugt habe, die ganze Welt aber geschaffen habe, von der er auch im Brief an die Römer lehrend sagt: „Sein Unsichtbares wird seit der Erschaffung der Welt als durch die Geschöpfe Erkanntes geschaut, die, seine,40 ewige Kraft und Gottheit“ (Rm. 1,20). Wie man nämlich nicht sagen könnte, die hier genannte Gottheit sei Christus, sondern sei der Vater selbst, so meine ich, ist auch die, seine,40 ewige Kraft und Gottheit nicht der eingeborene Sohn, sondern der Vater, der (ihn) gezeugt hat. Eine andere Kraft und Weisheit Gottes, lehrt er, sei die durch Christus gezeigte.

Und nach Wenigem sagt derselbe Asterius: Obwohl zwar die, seine,40 ewige Kraft und Weisheit, welche die Erwägungen (Nominativ!) der Wahrheit als anfangslos und ungezeugt erweisen, in der Tat als eine und dieselbe erscheint,41 (so) sind aber viele (femin.) die von ihm geschaffen (sc. Weisheiten und Kräfte), deren Erstgeborener und Eingeborener Christus ist; alle (fem.) sind gewiß in gleicher Weise von ihrem Besitzer abhängig; und alle werden mit Recht Kräfte dessen genannt, der sie geschaffen hat und 39 Ich hebe die vier Stichworte hervor, die die Gliederung (wenn auch nicht in derselben Reihenfolge) von III 26 bestimmen. 40 „Die, seine,…“ ist ein Versuch ἡ … αὐτοῦ auch in der Übersetzung beizubehalten, da es für die Argumentation des Asterius auf den Artikel ankommt. 41 Kannengiesser (p. 153) übersetzt das Ende dieses Satzes irreführend: „Cependant son éternelle Puissance et Sagesse, que les arguments de la vérité démontrent comme sans commencement ni génération, serait sans doute, elle aussi, l’une (des puissances)“.

330 

 5.1 Die dritte Arianerrede des Athanasius

412, 413

gebraucht; z.  B. sagt der Prophet (cf. Joel 2,25), die Heuschrecke, die eine gottgesandte Strafe der menschlichen Sünden geworden ist, werde nicht nur „Kraft“, sondern auch „große“ von Gott selbst genannt; der selige David aber ermahnt in mehreren Psalmen nicht nur Engel,42 sondern auch Kräfte,42 Gott zu loben.43

[413] In der dritten Arianerrede erscheint im antiarianischen Mittelteil kein Asteriuszitat, wohl aber je eins in den antieusebianischen Teilen, daher haben die beiden Zitate auch andere theologische Aspekte als die in I/II verwendeten – sie mußten ja in die veränderte Diskussionslage passen. Ihr polemischer Zweck ist, die Eusebianer mit den Arianern gleichzusetzen, sie unterstützten also, was Athanasius auch mit dürren Worten sich nicht scheut auszusprechen. In den Künsten der Polemik ist Athanasius bekanntlich so beschlagen wie seine Zeitgenossen.44 Daß seine Polemik in der dritten Rede auch kirchenpolitische Absichten im Vorfeld der Synode von Serdica diente, ist kaum zu bezweifeln. Man sollte sich klarmachen, daß der Bischof von Alexandrien eine Persönlichkeit von komplexem Charakter war: sowohl der Schrifttheologe, auf den Martin Tetz immer wieder verehrungsvoll hinweist, wie auch der Kirchenpolitiker, wie ihn Eduard Schwartz zu zeichnen liebte. Wer nur eine dieser Erscheinungsformen für den ganzen Mann hält, verzeichnet ihn.

42 BKV versieht die beiden Substantive mit dem Artikel, der aber absichtlich nicht dasteht. 43 Die beiden Asteriuszitate finden sich in ihrer längsten Form bei Athanasius, De synodis 18 (in Bardys Zählung Nr. I und II a). Von den Asteriuszitaten in Ctr. Ar. I/II sind Kannengiessers Nummern I (Kanneng. p. 35) und IV (p. 152) kurze und z.  T. freie Auszüge aus dem oben zitierten Text. Kannengiesser spricht mit Recht von der Präponderanz seines Zitats VII in Ctr. Ar. I/II (p. 174–181). – Eine knappe Zusammenfassung der Theologie des Sophisten Asterius nach den Fragmenten findet man bei Kinzig, In search of Asterius, p. 125–132. 44 Man kann nur unterstreichen, was Stead darüber sagt (JThSt 1985, p. 226): „I have argued that Athanasius’ superb theological imagination does not excuse his controversial methods; does not pre­ vent him from resorting on occasion to arguments that are downright dishonest and unsound. He is following a fashion in polemics of which modern Christians may well feel ashamed; indeed he has worked to extend and impose that tradition. I also think that sometimes, although the answer he presents to a problem as he conceives it is wholly convincing, the problem itself is misconceived.“

5.2 Was hat das Nicaeno-Constantinopolitanum (C) mit dem Konzil von Konstantinopel 381 zu tun? Für P.  Alois Grillmeier S.  J.

1 Der theologische Tomus von 381 Bevor wir uns mit dem Problem unseres Themas beschäftigen, beginnen wir mit einem Text, von dem feststeht, daß er etwas mit dem Konzil von Konstantinopel zu tun hat, nämlich mit der Zusammenfassung des theologischen Lehrschreibens des Konzils, welche Zusammenfassung die Synode des folgenden Jahres, abgehalten am gleichen Ort, in einem Brief mitgeteilt hat. Theodoret hat diesen an den Westen gerichteten Synodalbrief von 382 in seiner Kirchengeschichte aufbewahrt, ich zitiere daraus die Zusammenfassung in meiner Gliederung1: (Der nicänische Glaube lehrt uns) A I a πιστεύειν εἰς τὸ ὄνομα τοῦ πατρὸς καὶ υἱοῦ καὶ τοῦ ἁγίου πνεύματος b δηλαδὴ θεότητος καὶ δυνάμεως καὶ οὐσίας τοῦ πατρὸς καὶ τοῦ υἱοῦ καὶ τοῦ ἁγίου πνεύματος πιστευομένης, c ὁμοτιμοῦ τε τῆς ἀξίας καὶ συναϊδίου τῆς βασιλείας II a ἐν τρισὶ τελειοτάτοις ὑποστάσεσιν, ἤγουν τρισὶ τελειοτάταις προσώποις, b1 ὡς μήτε τὴν Σαβελλίου νόσον χώραν λαβεῖν συγχεομένων τῶν ὑποστάσεων εἴτ’ οὖν τῶν ἰδιοτήτων ἀναιρουμένων, b2α μήτε μὴν τὴν Εὐνομιανῶν καὶ Ἀρειανῶν καὶ πνευματομάχων βλασφημίαν ἰσχύειν, τῆς οὐσίας ἢ τῆς φύσεως [ἢ]2 τῆς θεότητος τεμνομένης b2β καὶ τῇ ἀκτίστῳ καὶ ὁμοουσίῳ καὶ συναϊδίῳ τριάδι μεταγενεστέρας τινὸς ἢ κτιστῆς ἢ ἑτερουσίου φύσεως ἐπαγομένης.

Anmerkung: Der Kern dieses Aufsatzes (die Abschnitte 2.–9.) wurde englisch auf dem XI. Internationalen Patristischen Kongreß im August 1991 vorgetragen, in überarbeiteter Form und um Abschnitt 1. vermehrt deutsch im Dezember 1992 in Tübingen; für den Druck ist der Text noch einmal überarbeitet worden, und es sind die Anhänge A und B sowie Anmerkungen dazugekommen. Für die Reinschrift auf PC danke ich meinem Assistenten Dr. Chr. Markschies. 1 Theodoret, h.e. (ed. Parmentier/Scheidweiler, GCS 44) V 9, 11  ff., 292,12–293,3. 2 Von mir als überflüssig und sinnstörend gestrichen. https://doi.org/10.1515/9783110647419-019

332 

 5.2 Nicaeno-Constantinopolitanum (C)

482

B a καὶ τὸν τῆς ἐνανθρωπήσεως δὲ τοῦ κυρίου λόγον ἀδιάστροφον σώζομεν, [482] οὔτε ἄψυχον οὔτε ἄνουν ἢ ἀτελῆ τὴν τῆς σαρκὸς οἰκονομίαν παραδεχόμενοι, b ὅλον δὲ εἰδότες τέλειον μὲν πρὸ αἰώνων ὄντα θεὸν λόγον, τέλειον δὲ ἄνθρωπον ἐπ’ ἐσχάτων τῶν ἡμερῶν διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν γενόμενον. Diese Kurzfassung hätte längst in die Quellensammlungen mit Konzilsentscheidungen aufgenommen werden müssen, analog zum Chalcedonense. Übersetzt lautet das Dokument: (Der nicänische Glaube lehrt uns) A I a zu glauben an den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes b indem eindeutig (δηλαδή) eine Gottheit und Kraft und Wesen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes geglaubt wird c gleichgeehrt auch an Würde und mitewig in der Herrschaft II a in drei ganz vollkommenen Hypostasen, das heißt drei vollkommenen Personen, b1 so daß weder das Übel des Sabellius Platz habe, wo die Hypostasen zusammengeschüttet werden oder die Eigentümlichkeiten aufgehoben werden, b2α noch auch die Lästerung der Eunomianer und Arianer und Pneumatomachen Macht habe, wo das Wesen oder die Natur3 der Gottheit zerschnitten wird b2β und der ungeschaffenen und gleichwesentlichen und mitewigen Trinität irgendeine jüngere oder geschaffene oder nicht gleichwesentliche Natur hinzugefügt wird. B a Und die Lehre von der Menschwerdung des Herrn bewahren wir unverdreht indem wir die Heilsveranstaltung des Fleisches und der Seele oder ohne νοῦς oder unvollständig auffassen b indem wir aber uneingeschränkt (ὅλον) den vollkommenen, vor den Äonen seienden Gott Logos kennen, den am Ende der Tage um unseres Heiles willen vollkommener Mensch gewordenen. Auf den ersten Blick erkennt man, daß es sich um zwei Themen handelt, Trinitätslehre und Christologie (A und B). Der christologische Teil richtet sich gegen Apollinarius,

3 Siehe die vorige Anmerkung zum griechischen Text. [L.  A. hat im griechischen Text das Äquivalent des deutschen Wortes „oder“ nach dem Wort für „Natur“ getilgt – d. Red.]

482, 483 

1 Der theologische Tomus von 381 

 333

zuerst in Abwehr des Falschen (a), dann in Feststellung des Richtigen (b). Falsch ist, die „Heilsveranstaltung im [483] Fleisch“, also die Inkarnation, sich so vorzustellen, als ob die menschliche Natur Christi keine Seele oder keinen νοῦς gehabt habe – bei Apollinarius tritt an ihre Stelle ja der Logos, was hier aber nicht eigens gesagt wird. Wir befassen uns im folgenden mit den Aussagen über die Trinität (A); sie sind in ein einziges langes Satzgebilde gepackt, unter Benutzung umfangreicher absoluter Genitive. Abschnitt I spricht von der Einheit der Trinität, Abschnitt II von der Dreiheit. Die Einheit ist zu finden in Gottheit, Kraft und Wesen von Vater, Sohn und Geist (b). Zeile (c) könnte wie eine bloße Verzierung wirken, ist es aber nicht. Denn hier in dieser Zeile geschieht etwas, was wir auch im ungefähr gleichzeitigen Tomus Damasi, einem westlichen Dokument, finden: es werden Prädikationen, die üblicherweise für eine der drei Personen der Trinität gebraucht werden, den Prädikaten für ihre Einheit zugeordnet. Die Homotimie war eine von Basilius von Cäsarea gern verwendete Bezeichnung für die Gleichgöttlichkeit des Geistes – zur Aussage der Homoousie des Geistes konnte sich dieser Kappadozier bekanntlich nicht entschließen. Und bei der Gleichewigkeit der Königsherrschaft treffen wir auf ein Stichwort aus den Auseinandersetzungen der Eusebianer mit der eigentümlichen Trinitätslehre des Markell von Ankyra4 samt der dazugehörigen Auslegung von 1 Kor 15. Diese Debatte betraf den Sohn in seiner Beziehung zum Vater. Die eine Gottheit wird geglaubt „in drei Hypostasen“ (II). Damit ist ausdrücklich die neunicänische Grundformel, eine ousia, drei Hypostasen gegeben, die in C ja nicht als solche erscheint. Die Superlativform τελειοτάταις (a) ist vielleicht als Übertrumpfen der „vollkommenen“ Personen der nächsten Zeile zu verstehen. De Halleux hat herausgefunden5, daß die altnicänische Partei sich zu „drei vollkommenen Personen“ als äußerster Aussage für die Dreiheit in der Einheit verstehen konnte, aber auf keinen Fall zu drei Hypostasen. „Drei Personen“ allein waren schon von Basilius als unzureichend abgewiesen worden, es müßten unbedingt auch drei Hypostasen prädiziert werden. Es ist interessant genug, daß die neunicänischen Meletianer die altnicänische Formel in ihren Text einbezogen haben, aber natürlich in ihrer eigenen Interpretation. Im langen Abschnitt IIb werden falsche Trinitätslehren abgewehrt. Man bemerkt bei dieser Gelegenheit übrigens einen chiastischen Aufbau des Gesamttextes: A

4 Über die Lehre des Markell von Ankyra jetzt grundlegend und frühere Interpretationen überholend die Tübinger Dissertation von K.  Seibt, Die Theologie des Markell von Ankyra. Sie wird in den „Arbeiten zur Kirchengeschichte“ (Berlin) veröffentlicht werden [Band 59, erschienen 1994, reprint 2014 – d. Red.]. 5 A. de Halleux, „Hypostase“ et „personne“ dans la formation du dogme trinitaire (ca. 375–381), in: RHE 79 (1984) 313–369.625–670. Jetzt in: A. de Halleux, Patrologie et Œcuménisme. Recueil d’études (BEThL 93), Löwen 1990, Nr. 5, 113–214. Dort werden die ursprünglichen Seitenzahlen mitgeführt, ich gebe beide an. Über das im Text genannte Phänomen: 329/129 mit Anmerkungen.

334 

 5.2 Nicaeno-Constantinopolitanum (C)

483, 484

beginnt mit der rechten Lehre über die Trinität und [484] weist dann die Varianten der falschen zurück; B dagegen setzt die rechte Lehre von Christus ans Ende. Dies ist ohne Zweifel bewußte Anordnung. II b 1 richtet sich gegen „Sabellius“ – das kann für die monarchianische Identifikation von Vater und Sohn stehen, aber auch für die Lehre von der einen göttlichen Hypostase, wie sie Markell von Ankyra vertreten hat; es ist wahrscheinlicher, daß der letztere hier bekämpft wird. Jedenfalls ist jede Trinitätslehre gemeint, die die drei göttlichen Hypostasen nicht unterscheidet. Eine solche Lehre würde die Hypostasen „zusammenschütten“ und ihre Eigentümlichkeiten aufheben. Es ist die Topik der ἀσύγχυτος ἕνωσις, die hier auf die Trinität angewendet wird (die Bewahrung der Eigentümlichkeit, ἰδιότης, gehört dazu)6: Die Interpretation der gegnerischen Auffassung als Ablehnung der ἀσύγχυτος ἕνωσις bedeutet natürlich, daß die Synode selber eben diese „unvermischte Einheit“ von der Trinität lehrt – auch das ein Erbe des Basilius. Die Lehre der Eunomianer, Arianer, Pneumatomachen, die ja verschiedene Grade von Subordination und Unähnlichkeit, sei es zwischen Sohn und Vater, sei es zwischen dem Geist und den beiden anderen Personen der Trinität annahmen, wird als Gegenstück zur falschen Einheitsvorstellung behandelt (b 2): sie zerschneiden die ousia oder Natur der Gottheit – das zweite = ἤ „oder“ habe ich gestrichen (α). Und damit (β) fügen sie der Trinität etwas hinzu, was später ist oder geschaffen, jedenfalls von anderer ousia als der der einen göttlichen, gleichwesentlichen, gleichewigen Trinität. Es ist zu beachten, daß das berühmte nicänische ὁμοούσιος, das dort das Verhältnis zwischen Vater und Sohn betrifft, hier als Prädikat für die ganze Trinität erscheint. Damit wiederholt sich der Vorgang, den wir schon in I c beobachtet haben: das Prädikat für eine bestimmte der trinitarischen Personen wird von dieser auf die ganze Trinität übertragen. Im Brief von 382 geht dieser theologischen Erklärung voran die Berufung auf Nicäa, und die Erklärung selbst schließt nun mit der Aufnahme eines nicänischen Ausdrucks in Bb: Mensch geworden „um unseres Heiles willen“. Der darauf folgende Paragraph des Briefes berichtet, daß man 381 in Konstantinopel die Häresien schriftlich verdammt habe – das alte Nicaenum (N) schloß bekanntlich mit Anathematismen. Wir kommen nun zu dem Text, der traditionell als das entscheidende Produkt der Synode von 381 gilt und dessen Beziehung zu dieser Synode so schwierig zu bestimmen ist, also zu C.

6 Zu diesem topos siehe meine Untersuchung Συνάφεια und ἀσύγχυτος ἕνωσις als Bezeichnung für trinitarische und christologische Einheit, in: L.  Abramowski, Drei christologische Untersuchungen (BZNW 45), Berlin 1981, 63–109.

484, 485

2 A.-M.  Ritter über die Entstehung von C 

 335

2 A.-M.  Ritter über die Entstehung von C In seiner Monographie von 1965 über das Konstantinopler Konzil und [485] sein Symbol hat Ritter7 eine Lösung des Problems vorgeschlagen, die seitdem als allgemein akzeptierte Meinung gelten konnte8. Nach Ritters Auffassung war das Glaubensbekenntnis „der 150 Väter“, wie es zum ersten Mal anscheinend in Chalcedon 451 genannt wurde, eine Formel, mit der die Mazedonianer in die neunicänische Orthodoxie eingegliedert werden sollten; dieser Plan mißglückte. Ritter selber konzediert9, daß das Symbol während der Synode in Konstantinopel keine weitere Rolle mehr spielte. Trotzdem ist C, betrachtet als Erzeugnis jenes Konzils, die Voraussetzung, auf der Ritters ganzes Buch basiert. Jüngst hat R.  Staats in einem Aufsatz in den Vigiliae Christianae10 aufs neue die Aufmerksamkeit auf die Entsprechungen zwischen C und dem Romanum im zweiten Artikel des Bekenntnisses gerichtet11. Es handelt sich um die Wendungen ἐκ πνεύματος ἁγίου καὶ Μαρίας τῆς παρθένου in der Inkarnationsaussage und ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου bei der Kreuzigung Jesu. Staats möchte vermuten, daß C von den Meletianern auf ihrer Synode von 379 in Antiochien12 formuliert wurde; diese Synode sei gegen Rom noch freundlich gestimmt gewesen13, im Unterschied zu Konstantinopel 381, wo eine dem Westen feindliche Stimmung herrschte. Da der Tomus der antiochenischen Synode in den Versammlungen von 381 und 382 anerkannt wurde, sei anzunehmen, daß Dokumente der antiochenischen Synode in den Akten der Konstantinopolitaner Synoden enthalten waren und so später der Versammlung von 381 zugeschrieben werden konnten. Dies ist ein wichtiger Punkt, an dem sich meine Argumentation mit der von Staats treffen wird. Aber ich kann Staats nicht zustimmen, wenn er meint, der „breitere (πλατύτερον) Glaube“ des Tomus von Antiochien, von dem 382 geredet wird, sei C14. Denn πλατύτερον, „breiter“, wird er genannt im Vergleich zur theologischen Zusammenfassung unmittelbar vorher im Brief15; diese Zusammenfassung wird als solche bezeichnet: ἐν κεφαλαίῳ16. Die Zusammenfassung und C unterscheiden sich nicht derartig in ihrer Länge, daß C der „breitere“ Text sein könnte. Es ist klar, daß Staats durch die 7 A.  M. Ritter, Das Konzil von Konstantinopel und sein Symbol. Göttingen 1965. 8 Siehe z.  B. de Halleux, l.c. 658/202 n. 3. 9 Ritter 197. 10 R.  Staats, Die römische Tradition im Symbol von 381 (NC) und seine Entstehung auf der Synode von Antiochien 379, in: VigChr 44 (1990), 209–221. 11 Ebd. 211. 12 De Halleux hat l.c. 640/184 diese Synode auf 380 datiert; doch hält er an dem neuen Datum nicht mehr fest (briefliche Mitteilung vom 2. 12. 1991). 13 Staats 213  f. 14 Ebd. 216. 15 Theodoret 292  f. 16 Theodoret 293,15.

336 

 5.2 Nicaeno-Constantinopolitanum (C)

485, 486

Formulierung17, „wir haben den Glauben bekannt“, dazu verleitet worden ist, den „breiteren“ Text mit C [486] zu identifizieren. Aber πίστις ist nichts anderes als das Material, das jetzt ἐν κεφαλαίῳ zusammengefaßt ist. Obwohl jede Nachricht über die Synode von 381 und ihre Vorgeschichte schon unzählige Male hin- und hergewendet worden ist, gibt es doch ein Zeugnis über den Ursprung von C, das die ihm gebührende Aufmerksamkeit bisher noch nicht gefunden hat. Es ist der erste Abschnitt (in Tonneaus Zählung) der 9. Katechetischen Homilie des Theodor von Mopsuestia18. Homilie 9 ist die erste der beiden Reden über den Heiligen Geist und die übrigen Aussagen des dritten Glaubensartikels. Es ist nützlich, sich in diesem Zusammenhang zu vergegenwärtigen, daß Theodor zur meletianischen Partei gehört, daß er ein Zeitgenosse der Ereignisse ist und zur Zeit der Synoden noch Presbyter in Antiochien war. Alles, was er zu berichten hat, ist also von großem Gewicht. Ritter hat freilich den Text berücksichtigt19, aus dem wir erfahren, daß eine westliche Synode den Artikel über den Heiligen Geist im Nicaenum ergänzte; daß die westliche Synode das so ergänzte Nicaenum in den Osten schickte, wo eine dortige Synode es unterschrieb. Die östliche Synode wird von Ritter korrekt als die große Meletianersynode identifiziert. Doch traut Ritter seinen eigenen Augen nicht; indem er die Regel, „Was nicht sein kann, das nicht sein darf“, anwendet, sagt er: „Nun ist aber nur von der Synode von 381, nicht jedoch von den gleichfalls in Frage kommenden Synoden von Antiochien und Rom eine Symbolerweiterung bezeugt“. Da sich Ritter aber gerade die traditionelle Zuschreibung von C an das Konzil von 381 zu untersuchen vorgenommen hatte, ist es natürlich ein methodischer Fehler, diese Tradition zum Kriterium ihrer eigenen Durchleuchtung zu machen. Theodor selber spricht in einem späteren Abschnitt der 9. Homilie, nämlich dem 14., von der „ökumenischen“ Synode; ihre Teilnehmer nennt er die „Lehrer der Kirche“. Der Katechet benennt auch das dogmatische Thema der Versammlung, und Ritter bezieht das auf C.  Dementsprechend kommt Ritter zum Ergebnis: „Folglich dürften wir in“ Theodors „Homilien einen unzweideutigen Beleg dafür besitzen, daß die Synode von 381 den nikäischen Glauben bezüglich der Lehre vom Hl. Geist ergänzte“20. Ich notiere, daß in Ritters „dürften wir“ sich doch noch eine Spur von Unsicherheit erhalten hat, trotz des Adjektivs „unzweideutig“. Ritters Behandlung der 9. Homilie Theodors hat aber das Verdienst, daß sie die Ereignisse, von denen die

17 Theodoret 293,9. 18 R.  Tonneau / R.  Devreesse (ed.), Les homélies catéchétiques de Théodore de Mopsueste (StT 145), Città del Vaticano 1949. – Die Bedeutung der angegebenen Stelle ging mir bei der Vorbereitung einer Tagung im Herbst 1989 auf, als ich über das Filioque sprechen sollte und, daran verzweifelnd, noch irgend etwas Neues zu diesem Thema sagen zu können, mich u.  a. dem Problem des Ursprungs von C zuwandte und dazu Theodor als Zeitgenossen las. 19 Ritter 154. 20 Ritter 155.

486, 487 

3 Theodor als neunicänischer Theologe nach seinen Katechesen 

 337

Abschnitte 1 und 14 spre[487]chen, unterscheidet, während andere sie auf dieselbe Synode bezogen haben. Eine Entstehung des ergänzten Nicaenum in Rom würde auf die natürlichste Weise das Vorhandensein der typischen römischen Klauseln über die Inkarnation und den Tod Christi in C erklären. Aber sollte man nicht auch auf der römischen Seite eine Spur davon finden können? Darauf werde ich weiter unten zurückkommen. Zunächst sehen wir uns etwas genauer die zehn Homilien Theodors über den Glauben an, besonders die beiden letzten über den Heiligen Geist.

3 Theodor als neunicänischer Theologe nach seinen Katechesen Seitdem die 16 Katechesen 1932/3 vollständig durch Minganas Ausgabe der syrischen Übersetzung21 bekannt wurden, sind sie von der Symbolforschung ausgewertet worden. A.  Rücker22 und J.  Lebon23 exzerpierten das vom Katecheten erklärte Credo und stellten eine Retroversion ins Griechische her. Ganz offensichtlich wurde das von Caspari rekonstruierte und ins Griechische zurückübersetzte sog. „Nestorianum“24 als Hilfe für die Rückübertragung benutzt. Man liest deswegen bei Lebon (abgedruckt bei Denzinger-Schönmetzer) „wir glauben“ statt „ich glaube“25. In der Literatur wird Theodor vor allem als wichtiger Zeuge für das Phänomen genannt, daß ein Credo, das soviel mehr Ähnlichkeit mit C als mit dem reinen Nicaenum hat, trotzdem als von „unseren seligen Vätern“ herrührend betrachtet wird. Die „seligen Väter“ sind die von Nicäa, wie Theodor ausdrücklich in Homilie 3 § 12 sagt. Es ist auffällig, wie oft Theodor die „seligen Väter“ in den zehn Tagen erwähnt, während derer er den Taufkandidaten den christlichen Glauben erklärt. Ich habe ungefähr 55 Fälle gezählt, wo die „seligen“ (oder „heiligen“) „Väter“ oder auch einfach die „Väter“ genannt werden: dabei sind nicht mitgezählt die Fälle, wo sie bloß unter dem Pronomen der 3. Person des Plurals erscheinen. Der syrische Text der Reden über den Glauben ist auf 140 Seiten geschrieben – das gibt eine Vorstellung von der Häufig-

21 A.  Mingana (ed.), Commentary of Theodore of Mopsuestia on the Nicene Creed (WoodSt V), Cambridge 1932; Commentary … on the Lord’s Prayer and on the Sacraments of Baptism and the Eucharist (ebd. VI), Cambridge 1933. 22 A.  Rücker, Ritus baptismi et missae, quem descripsit Theodorus ep. Mopsuestenus (OTHE.  L 2), Münster 1933, 43  f. 23 J.  Lebon, Les anciens symboles dans la définition de Chalcédoine, in: RHE 32 (1936), 809–876; hier 836. 24 Abgedruckt bei A. und L.  Hahn, Bibliothek der Symbole und Glaubensregeln, Breslau 18973 als § 132. Über das „Nestorianum“, seine FundsteIlen und die Fragen, die sich durch Theodors Symbol neu stellen, siehe G.  L. Dossetti, Il simbolo di Nicea e di Costantinopoli, Rom etc. 1967, 279–281 n. 24. Mit Recht sagt Dossetti 281: „Credo che la questione meriti un indagine più approfondita.“ Siehe auch unten am Ende von Anhang B, 512 [hier in diesem Band S. 360 – d. Red.]. 25 Über Rückers und Lebons Fassungen und die nötigen Korrekturen an ihnen siehe unten Anhang B.

338 

 5.2 Nicaeno-Constantinopolitanum (C)

487–489

keit der Erwähnung. Natürlich erscheinen die „Väter“ meist in [488] der Einleitung von Zitaten aus dem Bekenntnis, aber die hätte der Katechet auch mit „unser Glaube sagt“ oder dergleichen einführen können. Gewiß hat er seine Zitationsformeln nicht ohne Grund gewählt. Über das Datum der Taufreden herrscht keine Einigkeit. Hat Theodor sie vor 392 gehalten, als er noch Presbyter in Antiochien war, oder erst danach, als Bischof von Mopsuestia? Tonneau plädiert für das frühere Datum26. Der terminus a quo steht jedenfalls fest durch Homilie 9 § 14 über die „ökumenische Synode“ und deren Lehre über den Heiligen Geist. Das seit langem bestehende antiochenische Schisma setzte sich auch nach 381 fort, nachdem Bischof Meletius während des Konzils in Konstantinopel gestorben war. Bischof der Meletianer war jetzt Flavian; daneben gab es weiterhin die altnicänische Gemeinde unter Paulinus (und Euagrius nach ihm). In dieser Lage ist es leicht begreiflich, daß der Presbyter der neunicänischen Gemeinde, Theodor, ständig beteuert, daß seine Kirche fest im nicänischen Glauben stehe. Wenn wir die starke Akzentuierung des nicänischen Ursprungs des Bekenntnisses in diesem Licht betrachten, wird das zu einem Indiz für den Ort, an dem die Reden gehalten wurden: es ist eher an Antiochien27 zu denken als an Mopsuestia; zeitlich wären sie also zwischen 381 und 392 entstanden. Bei aller Betonung des Nicänischen ist es aber sehr wohl die neunicänische Trinitätslehre, in der die Täuflinge von Theodor unterwiesen werden. Homilie 2 und der Anfang der 3. Homilie interpretieren den Taufbefehl von Mt 28 mit der Lehre von den drei Hypostasen der einen göttlichen Natur. Es ist Christus selbst, der uns in seinen letzten Worten die Lehre von den drei trinitarischen Hypostasen überlieferte. Jede von ihnen ist wahrhaftig Gott, die göttliche Natur ist in den dreien, drei Hypostasen zu bekennen, heißt nicht, daß man einen Polytheismus bekenne (den die Täuflinge ja gerade hinter sich gelassen hatten), das sind die Hauptpunkte, die der Katechet den Hörern über die drei göttlichen Personen einprägen will. Mt 28 ist auch der Ausgangspunkt in der theologischen Zusammenfassung von 38228 und hatte daher wohl dieselbe Funktion in den tomoi von 381 und 379. In Homilie 2 § 5 erklärt Theodor, daß „die Lehre von den drei Hypostasen“ das „wahre Glaubensbekenntnis der Christen“ sei „und die wahre Erkenntnis jener, die zu Christi Jüngern gemacht worden sind“. Die Implikationen solcher Aussagen müssen denen klar gewesen sein, die sich des Vorhandenseins von zwei nicänisch gesinnten Gemeinden unter zwei Bischöfen in Antiochien bewußt waren. Unter diesen Umständen ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert, daß Kol 1, 15 in Artikel II a des theodorianischen Credos zitiert wird: [489] „der Erstgeborene aller Schöpfung“ (Homilie 3 § 6). Es ist dies eine der Differenzen zwischen Theodor 26 Tonneau XVI.  – Dem folgen Denzinger/Schönmetzer, geben aber inkonsequent als Ort an: Mopsu(h)estia in Cilicia. 27 Das Problem wird endgültig gelöst durch die Ausführung in Anhang A b) unten. 28 Theodoret 292, 12  f.

489, 490

3 Theodor als neunicänischer Theologe nach seinen Katechesen 

 339

und C, denn C hat die Worte nicht. An sich war πρωτότοκος πάσης κτίσεως eine von den Eusebianern geschätzte Prädikation des Sohnes, wir finden sie in der Formel der Kirchweihsynode von Antiochien 341. Sollte sich hier bei Theodor eine Spur der homöischen Vergangenheit der meletianischen Partei29 erhalten haben? Die traditionelle Synonymität von πρωτότοκος und μονογενής als Titel des präexistenten Sohnes war heftig von Markell von Ankyra bekämpft worden; Athanasius war ihm gefolgt, wie man an Contra Arianos II 62 sehen kann. Beide geben dem Titel πρωτότοκος, der an seiner biblischen Fundstelle eindeutig für die Präexistenz des Sohnes steht, eine neue Deutung: πρωτότοκος gehört nach ihrer Meinung zum Herabstieg des Sohnes zu den Geschöpfen. Damit sollen die subordinatianischen Konnotationen des Titels, wie die Gegner sie ausbeuteten, vermieden werden. Theodor – und dies ist der wirklich überraschende Aspekt in seiner Auslegung des Zitats als Teil des Taufcredos – folgt Markell und Athanasius in ihrer christologischen (also nicht trinitarischen) Interpretation des Titels. Äußert sich hierin eine Annäherung an die altnicänische Partei? Man muß auch fragen, was Theodors Quelle ist: allgemeine Kenntnis vom Vorhandensein einer solchen Exegese, oder konkrete Kenntnis einer athanasianischen oder pseud-athanasianischen Schrift? Im Zusammenhang von Theodors Erklärung des Bekenntnisses dient das inkarnatorische Verständnis von Kol 1, 15 seiner Absicht, die Einheit der beiden Naturen in der einen Person Christi schon in Artikel II a des Symbols ausgesprochen zu finden. Bei dieser Gelegenheit ist eine andere Differenz zwischen Theodors Taufsymbol und C zu erwähnen, in diesem Fall der Artikel II b; es ist die antimarkellische Zeile von C: οὗ τῆς βασιλείας οὐκ ἔσται τέλος. Diese Zeile fehlt bei Theodor. Ich bin mir nicht sicher, was man daraus folgern soll. Hängt C hier an der eusebianischen Tradition, während Theodor die antiochenischen Altnicäner nicht verärgern will? Die römischen, d.  h. damasianischen Dokumente der Zeit, die in den Osten gerichtet sind, und von denen wir noch reden werden, enthalten einige antimarkellische Sätze30. Wir haben schon gesehen, wie die theologische Zusammenfas[490]sung von 382 mit diesem topos umgeht: die Kategorie der βασιλεία wird in die Prädikate der Einheit und

29 Zum Problem des Übergangs des Meletius vom Homöertum zum Neunicänismus siehe H.  C. Brennecke, Erwägungen zu den Anfängen des Neunizänismus, in: Oecumenica et Patristica (FS W.  Schneemelcher), Chambésy-Genf 1989, 241–257. 30 Schwartz (siehe u. n. 32), Nr. 2, 20,1–21,4 unius usiae … tres tamen adseramus personas, nec redire in se aut minui … nec prolativum verbum ut generationem ei demamus. – Ibid. Nr. 4, 22,32–23,3 ita etiam plenitudinem dei verbi non prolativi sed nati neque in patre remanentis, ut non sit, sed ex aeterno in aeternum subsistentis perfectum, id est integrum transgressorem adsumpsisse et salvasse confidimus. – Die Darstellung und Verwerfung der Lehre Markells vom Logos als eines (bloßen) προφορικός schon in der Formula makrostichos der Eusebianer. Es ist anzunehmen, daß Basilius dem Westen diese Darstellung der markellischen Lehre vermittelt hat, cf. ep. 263 in den Westen, c. 5 (ed. Courtonne III, [490] 125,6–8): … die Lehre Markells sei: οὔτε υἱὸν ἐν ἰδίᾳ ὑποστάσει ὁμολογοῦν, ἀλλὰ προενεχθέντα καὶ πάλιν ὑποστρέψαντα εἰς τὸν ὅθεν προῆλθεν, οὔτε … – Ep. 263 wird erst auf 377 datiert, aber die Datierung von Schwartz Nr. 2–4 ist unsicher, terminus ad quem 379.

340 

 5.2 Nicaeno-Constantinopolitanum (C)

490, 491

Gleichheit von Vater, Sohn und Geist eingeordnet (s.  a. I c) und damit dem Bereich der Polemik entzogen.

4 Theodor über das Nicaenum und seine Vervollständigung im III.  Artikel Im ersten Paragraphen von Homilie 9 knüpft Theodor nach seiner Gewohnheit beim Thema der vorhergehenden Rede an: Ihr habt gehört, beginnt er, was die seligen Väter uns lehrten über den Vater und die οἰκονομία der Menschheit unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi in Übereinstimmung mit der Überlieferung der heiligen Schriften. Dann setzt der Katechet mit einem neuen Thema ein: „Nun wollen wir anführen, was da nach dem Gesagten steht; das ist jetzt der Satz über den Heiligen Geist, den die seligen Väter, die sich von überall her in der Stadt Nicäa in jener wunderbaren Synode versammelten, einfach und ohne (weitere) Untersuchung sagten: ‚und an den heiligen Geist‘“. Hier wird zum ersten Mal in den Taufreden ein Satz zitiert, wie er im reinen Nicaenum steht. Der Grund, der für die schlichte Formulierung von Nicäa in Sachen des Heiligen Geistes angegeben wird, ist der bekannte und zutreffende: „Sie meinten, daß dies zureichend war für die Hörer jener Zeit“. Der Katechet fährt fort: „Die nach ihnen jedoch übermittelten uns eine vollständige Lehre über den Heiligen Geist“. Wir hören auch, wie das vor sich ging: „Zuerst versammelten sich die westlichen Bischöfe untereinander und hielten eine Synode, weil sie nicht in den Osten kommen konnten wegen der Verfolgungen durch die Arianer, die in diesem Gebiet herrschten; und danach, als die göttliche Gnade die Verfolgung aufhören ließ, nahmen auch die östlichen Bischöfe mit Freuden die Lehre an, die von dieser westlichen Synode übermittelt worden war, und sie stimmten mit ihrer Meinung überein und zeigten durch ihre eigenen Unterschriften die Gemeinschaft mit ihnen an.“ In seiner Einleitung zu Theodors Reden hat Tonneau31 die zitierte Stelle mit einer Subskription der großen meletianischen Synode in Verbindung gebracht, welche Subskription in einer zusammengefaßten und isolierten Form am Ende einer Gruppe von römischen, genauer damasianischen Texten erhalten ist. Diese lateinischen Texte stehen im Codex Veronensis LX, E.  Schwartz hat sie 1936 kritisch herausgegeben32, Tonneau bezieht sich aber noch auf die älteren Ausgaben mit ihren falschen [491] Lesungen. Dieser kleine Komplex von Schriftstücken verdient einige Bemerkungen auch in unserem Zusammenhang.

31 Tonneau XVl n. 2. 32 E.  Schwartz, Über die Sammlung des Cod. Veronensis LX, in: ZNW 35 (1936) 1–23; der lateinische Text 19–23.

491, 492 

5 Die Damasus-Briefe und die Subskription der großen ­Meletianersynode 

 341

5 Die Damasus-Briefe und die Subskription der großen ­Meletianersynode in Cod. Veron. LX Die Sammlung besteht aus einem vollständigen Synodalbrief in den Osten und drei Exzerpten „ex parte decreti“. Unter den Gelehrten besteht keine Einigkeit über das Datum der verschiedenen Stücke und über die Frage, ob die Exzerpte aus einem Brief oder aus mehreren stammen. Der eine vollständige Brief, gewöhnlich als ep. 1 des Bischofs Damasus gezählt, betrifft den Fall des Bischofs Auxentius von Mailand. Die darauf folgenden Exzerpte pflegt man als ep. 2 des Damasus zu zählen. Dagegen hat Schwartz in seiner Ausgabe nach seiner Gewohnheit den einzelnen Stücken laufende Nummern gegeben, 1–5; Nr. 5 ist die östliche synodale Subskription. In Zukunft sollte man die Zählung nach diesen Nummern beibehalten. Nr.  1, der Brief „Confidimus quidem“, hat ein reguläres Lemma: „exemplum synodi habitae Romae episcoporum XCIII ex rescripto imperiali“; auch hat das Schreiben eine vollständige Angabe von Absendern und Empfängern. Es endet mit der Aufforderung an die Empfänger: „reciprocis sanctitatis vestrae litteris adprobate“ = „Anerkennt (dies) mit einem Antwortbrief eurer Heiligkeit“. Soll Nr. 5 dann der Rest des Zustimmungsbriefes sein, der mit Nr. 1 verlangt wurde? Schwartz war 1936 dieser Meinung33. Aber Nr. 1 hat auch einen Kolophon: „Ego Sabinus diaconus Mediolanensis legatus de authentico dedi“ = „Ich, der Legat, der mailändische Diakon Sabinus, habe dies nach dem Original gegeben“. M.  Richard nahm 1949 diese Bemerkung des Sabinus zum Ausgangspunkt für einen Aufsatz34, den man jetzt auch in den gesammelten Schriften nachlesen kann35. Der Kolophon besagt, daß Sabinus eine Kopie des ihm anvertrauten Originalbriefes anfertigte. Nach Meinung Richards war die Abschrift für Basilius von Cäsarea bestimmt, und Athanasius sei es gewesen, der die Abschrift veranlaßt hätte36. Aber hätte die Synode von Antiochien 379 eine gar nicht für sie bestimmte Kopie unterschrieben? Sie muß doch viel eher ein an sie selbst adressiertes Original erwartet haben! Zu dem formalen Argument gegen eine ursprüngliche Zusammengehörigkeit von Nr. 1 und Nr. 5 kommt ein inhaltliches. Es ist undenkbar, daß eine zeitgenössische Versammlung von Neunicänern der trinitarischen Aussage des Briefes Nr.  1 zugestimmt hätte, auch wenn alles andere in diesem Brief natürlich akzeptiert worden wäre: die Berufung auf [492] das Nicaenum und auf die apostolische Überlieferung und die Kritik an der Synode von Rimini. Es wird nämlich hinsichtlich der Trinität verlangt zu glauben, daß Vater, Sohn und Heiliger Geist von einer deitas, einer virtus (= Macht oder Kraft), einer figura und einer substantia seien (Schwartz p. 19,24  f.). Von diesen Vokabeln wären drei akzeptabel gewesen (falls man nicht unter substantia sofort ὑπόστασις verstanden hätte): una deitas, una virtus, una substantia. Aber was 33 Schwartz 14. 34 M.  Richard, Saint Basile et la mission du diacre Sabinus, in: AnBoll 67 (1949), 178–202. 35 M.  Richard, Opera Minora, T.  II, Turnhout/Löwen 1977, Nr. 34. 36 Richard 183. – Hat Basilius seinerseits eine Kopie für Antiochien anfertigen lassen?

342 

 5.2 Nicaeno-Constantinopolitanum (C)

492, 493

soll nur „figura“ bedeuten?37 Eine Gestalt, Erscheinungsweise, Person? In jeder dieser Bedeutungen wäre es den Vertretern auch der neunicänischen Drei-Hypostasen-Theologie unannehmbar gewesen. Für die Herleitung von „figura“ scheint nichts anderes in Frage zu kommen als Hebr  1,3 „figura substantiae eius“, die Übersetzung von χαρακτὴρ τῆς ὑποστάσεως αὐτοῦ. Hat man substantiae als explikativen Genitiv verstanden? Am biblischen Fundort ist es natürlich der Sohn, der als χαρακτήρ bezeichnet wird. Man kann jedenfalls den Legaten Sabinus bei seiner Mission nicht beneiden, wenn er etwa dem Basilius von Cäsarea die Meinung seiner abendländischen Auftraggeber hätte erklären sollen. Die Nrn. 2–4 in der Sammlung weisen keinerlei Protokoll auf, mit Ausnahme des schon erwähnten Lemmas, das in jedem Fall wiederholt wird, „item ex parte decreti“, und eines „explicit“ am Ende von Nr. 4. Diese gewissermaßen nackte Darbietung ist ohne Zweifel beabsichtigt. Nr.  5 selber ist ein Komplex aus Protokoll und Zitat. Zunächst haben wir ein Lemma, das besagt: „Diese Epistel oder expositio der römischen Synode, unter Damasus gehalten“, wurde in den Osten abgesandt, wo die ganze östliche Kirche eine Synode in Antiochien abhielt; sie glaubten in Übereinstimmung (mit dem Westen), alle stimmten dem oben dargelegten Glauben zu, und jeder bestätigte ihn durch seine Unterschrift. (Man vergleiche oben, Abschnitt 4., die Zitate aus Theodor!). Dann folgt der Anfang der Unterschriftenliste im vollen Wortlaut. Die erste Unterschrift ist die des Meletius episcopus, fünf Namen folgen in der Edition von Schwartz (einen dazwischen hat er gestrichen), der fünfte Name ist der des Bischofs von Tarsus, Diodor. Der Rest ist zusammengefaßt: „Similiter et alii CXLVI orientales episcopi subscripserunt“ – das macht zusammen 151 Bischöfe. Danach werden die Unterschriften beglaubigt: „quorum subscriptiones in authenticum hodie in archivis Romanae ecclesiae tenentur“38. Schließlich folgt der Kolophon der ganzen Sammlung: „explicit synodus Romana et Antiochensis“. Wessen „decretum“ ist es, dem die Exzerpte Nr. 2–4 „item“, „ebenso“ entnommen wurden? Schwartz hielt es für das Dekret der großen Mele[493]tianersynode39, das die in den vorangehenden Jahren aus Rom geschickten Dokumente enthalten gehabt hätte. Wir haben ja gesehen, daß er die Subskription Nr. 5 für die Antwort auf Nr. 1 hielt. Bei der Zusammenstellung des ganzen Komplexes im frühen 5. Jhdt. wären die Exzerpte dazwischen aus den Quellen im antiochenischen Archiv entnommen und an ihrem jetzigen Platz eingefügt worden40. Von wem stammen die Bemerkungen, von denen jetzt die Unterschriften der östlichen Synode eingerahmt sind? Sind sie in der 37 Dies Problem wird bei Richard nicht behandelt. 38 Das ist natürlich von der interessierten Seite aus gesagt – also der antiochenischen. Aber hätte man nach dem, was unten in Abschnitt 6. dargelegt wird, den Brief tatsächlich im römischen Archiv finden können? 39 Schwartz 14. 40 Schwartz 16.

493, 494 

6 Eine römische Notiz über die Vervollständigung des Artikels 

 343

Zeit der Zusammenstellung abgefaßt worden? Auch de Halleux ist der Meinung, daß die Exzerpte aus dem Dossier der Meletianer stammen41. Die Sabinuskopie (Nr. 1) muß sich ebenfalls darin befunden haben. Obwohl also Nr. 1 und Nr. 5 ursprünglich nicht zusammengehören können, ist das Interesse des Kollektors an ihrer Kombination leicht zu erkennen. Eine Zustimmung der Orientalen zum westlichen Urteil über Auxentius konnte den antiochenischen Anstrengungen nützen, irgendwelchen restlichen Verdacht auf „Arianismus“ der Meletianer zu zerstreuen. Die problematische trinitarische Formulierung von Nr. 1 konnte für den Sammler durch Nr. 2 als ausgeglichen gelten, denn dort wird von einer usia (Schwarz p. 20,24; 21,16  f.) und tres personae gesprochen; „eine usia“ geht natürlich auf östliche Intervention zurück, damit ist jedes Mißverständnis, das aus der Vokabel substantia hätte entstehen können, ausgeschlossen. Man würde viel dafür geben, den Brief der großen Meletianersynode zu besitzen, zu dem die erhaltene Unterschriftenliste ursprünglich gehörte, und erst recht den römischen Brief, auf den er antwortete! Nach der Enttäuschung über all das, was die Sammlung aus Cod. Veron. LX nicht über jene Synode sagt, gewinnen Theodors Bemerkungen aus Homilie 9 § 1 weiter an Gewicht. Und sie erlauben uns endlich, den Wert einer Bemerkung zu erkennen, die zur Einleitung des Tomus Damasi gehört und die bisher noch nicht in diesem Zusammenhang berücksichtigt wurde.

[494] 6 Eine römische Notiz über die Vervollständigung des Artikels über den Heiligen Geist im Nicaenum In Turners Ausgabe des Tomus Damasi in den Monumenta (I 2,1)42 geht dem Tomus eine Einleitung voran: „(Hier) beginnt der Glaube, verfaßt in Nicäa von den 318 (recht) gläubigen Bischöfen“43, worauf das Nicaenum in lateinischer Fassung folgt44. Auf der nächsten Seite45 beginnt Turner mit dem Paralleldruck des lateinischen Originals des Tomus und der griechischen Übersetzung aus Theodorets Kirchengeschichte. Theodoret bietet ein interessantes Lemma, aus dem hervorgeht, daß der Empfänger Paulinus (von Antiochien, so wird angenommen) sich gerade in Thessalonich in Macedonien befand. Einige lateinische Handschriften haben ein vergleichbares Lemma, doch kürzer und ohne Ortsangabe. Aber eine große Gruppe von Handschriften sagt – und man muß sich klar machen, daß die Bemerkung unmittelbar auf das letzte der nicä41 De Halleux, „Hypostase“ et „personne“, 365/165 n. 3 und 636/180 mit n. 1–4. 42 C.  H. Turner, [Tomus Damasi,] EOMIA [d.  h. Ecclesiae Occidentalis Monumenta Iuris Antiquissima – d. Red.] I 2,1 (1913), 283  ff. 43 Ebd. 283a. 44 Ebd. 283a.b. 45 Ebd. 284.

344 

 5.2 Nicaeno-Constantinopolitanum (C)

494, 495

nischen Anathemata folgt –: „Post hoc, concilium quod in urbe Roma congregatum est a catholicis episcopis addiderunt de spiritu sancto“ = „Danach fügte das Konzil, das in der Stadt Rom von den katholischen Bischöfen versammelt wurde, hinzu über den heiligen Geist“. Das entspricht ganz dem, was in der ersten Hälfte des Zitats aus Theodor steht (s.  o. Abschnitt 4.) und meint daher auch dieselbe römische Synode, von der in Nr.  5 der Sammlung aus Cod. Veron. LX die Rede war. Man würde nun erwarten, daß in der Einleitung des Tomus Damasi auf diese Bemerkung das erweiterte Nicaenum folgen würde oder zumindest der vervollständigte 3. Artikel46. Statt dessen folgt jetzt unmittelbar der Tomus des römischen Bischofs47. Turner hat die Notiz in eckige Klammern eingeschlossen, womit er Streichung anzeigt. Wie Ritter hinsichtlich des Berichtes bei Theodor traute Turner hier offensichtlich seinen Augen nicht, aber man muß bedenken, daß ihm die vollständigen Taufkatechesen Theodors noch nicht bekannt sein konnten. Zu den Hss., die die Notiz fortlassen, bemerkt Turner: „Wahrscheinlich richtig, es scheinen auch nicht die Worte des Konzils selbst zu sein“. Wie immer hat der große englische Gelehrte ein ungeheures Material zu dem abgedruckten Text gesammelt, und daraus geht hervor, daß die Notiz einer Kanonsammlung der ersten Hälfte des [495] 5. Jhdts. bekannt war und daß Papst Vigilius in seinem Constitutum von 554 (es handelt sich um das sog. Constitutum II) den Tomus Damasi mit dieser vorangehenden Notiz kannte48. Der erste Zeuge ist älter als alle Hss., die Turner für den Tomus Damasi benutzt hat (meist stammen sie aus karolingischer Zeit), der zweite so alt wie das älteste Ms. des Tomus. Die Notiz muß daher im Text stehen bleiben und die eckigen Klammern sind zu streichen. Wir haben hier also die von mir auf römischer Seite vermißte Spur von den Schritten, die zur Bildung von C führten. Die einzige Erklärung, die mir für die Verdrängung des römischen erweiterten Nicaenum durch den Tomus Damasi einfällt, ist diese: Die κοινωνία zwischen der Meletianersynode von Antiochien und Rom, die durch die Annahme des römischen Briefes mit dem ergänzten Nicaenum, bezeugt durch die Subskription, hergestellt worden war, wurde durch eine römische Entscheidung in einer anderen Richtung

46 Die Notiz hat aber die Schreiber einiger Hss. veranlaßt, den III.  Artikel des vorangehenden reinen N zu erweitern, nämlich um das Kolon neque facturam neque creaturam sed de substantia deitatis, Turner 283b,18–20; diese Ausdrücke sind aus dem II.  Artikel übernommen worden. 47 Der Anschluß wird dadurch erleichtert, daß der Tomus Damasi mit einem Rückverweis auf das Nicaenum und mit Aussagen über den Heiligen Geist beginnt. Aber der Tomus als ganzer befaßt sich ja nicht bloß mit der Lehre vom Geist. 48 Turner 284a, n. zu Zeile 28–31 und 296 n. 3 und n. 6. Die in n. 6 angegebene Fundstelle „c. XXVI“ entstammt der Zählung der Abschnitte in den älteren Aktenausgaben, nach denen Turner die Passage zitiert. Das sog. Constitutum II liegt seither in ACO IV 2 (1914) vor (138–168). Schwartz hat der titellos überlieferten Schrift, der auch der Anfang fehlt, die Überschrift gegeben. Ex Vigilii papae epistula de tribus capitulis, und hat diesen Titel durch spitze Klammern als Ergänzung gekennzeichnet. Das Turnersche Zitat p. 167,2–9 (im § 161), minimale Abweichungen in der Schreibung. Am Rand gibt Schwartz seinerseits einen Hinweis auf Turner.

495, 496 

7 Theodor über die „ökumenische“ Synode 

 345

wieder aufgehoben. Paulinus, der altnicänische Bischof von Antiochien, ging nach Rom, nachdem Flavian nach der Synode von 381 als Nachfolger des Meletius geweiht worden war; und in Rom wurde Paulinus erneut als der legitime Bischof von Antiochien anerkannt. Vielleicht hat er auf der Suffizienz des reinen Nicaenum bestanden, wobei er sich auf den Tomus ad Antiochenos des Athanasius hätte berufen können49 – ganz gleich, was er und die Römer tatsächlich über den Heiligen Geist zu sagen hatten. Natürlich konnten die Römer nicht gleichzeitig an der κοινωνία festhalten, zu der die Meletianer sich gerade bekannt hatten; so mußte das Dokument der κοινωνία, das erweiterte Nicaenum, dem Dokument der Übereinstimmung mit Paulinus weichen. Dieses letztere erschien jetzt als die Entfaltung nicänischen Glaubens. Es ist schwer zu entscheiden, ob die Notiz über die römische Erweiterung von N aus Versehen stehengeblieben ist oder mit Absicht. Wir können jedenfalls froh sein, daß die meisten alten [496] Schreiber nicht der Meinung Turners waren, sondern getreulich kopierten, was da stand.

7 Theodor über die „ökumenische“ Synode Wir kehren jetzt zu Theodors 9. Homilie zurück und nehmen den ersten Paragraphen dort wieder auf, wo wir zuletzt stehengeblieben waren. Nach der Erwähnung der östlichen Unterschrift unter den römischen Brief erklärt der Katechet den „nachträglich“ (nachträglich in bezug auf Nicäa) ergänzten Abschnitt für eine legitime Ergänzung: „Wenn ihr genau hinseht, werdet ihr finden, daß sie ihren Anlaß nahmen von den Seligen, die von überall her nach Nicäa in der ersten Synode kamen“. Die nächste historische Anspielung gibt es in §  14 derselben Rede, wie schon bemerkt. Der Redner faßt zunächst den Inhalt der vorangegangenen Seiten zusammen und fährt dann mit der Beschreibung fort, wie „diese Lehrer der Kirche“, die „aus der ganzen Schöpfung“ zusammenkamen, die Frage des Heiligen Geistes behandelten. „Aus der ganzen Schöpfung“ gibt das griechische οἰκουμενική im Fall der Synode von Nicäa wieder, also ist hier dasselbe griechische Wort vorauszusetzen. Auch der Synodalbrief von 382 gebraucht das Adjektiv „ökumenisch“ für die Synode von 38150. Es ist keine Frage, daß die Synode des Abschnitts 14 die Synode von Konstantinopel ist, auch wenn der Name nicht fällt. Dort mußte das Problem des Geistes behandelt werden, sagt Theodor, weil schlechte Menschen die Frechheit hatten, die Bezeichnung „Diener“ und „Geschöpf“ 49 In Alexandrien bedeutete das „Genügen“ von N, daß von jenen, die vom Homöertum zum nicänischen Glauben überwechselten, nicht die Unterschrift unter das „westliche“ Serdicense verlangt werden sollte. Tatsächlich wird aber auch schon eine falsche Lehre über den Geist abgewehrt, cf. M.  Tetz, Über nikäische Orthodoxie. Der sog. Tomus ad Antiochenos des Athanasius von Alexandrien, in: ZNW 66 (1975), 194–222; hier 200  f. 50 Theodoret 293, 21.

346 

 5.2 Nicaeno-Constantinopolitanum (C)

496, 497

für den Geist einzuführen51; andere gingen zwar nicht so weit, waren aber nicht von der Notwendigkeit überzeugt, den Geist Gott zu nennen. Deswegen waren „die Lehrer der Kirche, Erben der ersten seligen Väter“, gezwungen, die Absicht der Väter deutlich zu machen. Sie erwiesen in „genauer Untersuchung“ die Wahrheit des Glaubens, indem sie die Meinung der Väter erklärten. Sie schrieben uns, die Gläubigen zu warnen, und sie zerstörten den häretischen Irrtum. Und wie ihre Väter taten im Bekenntnis des Sohnes, indem sie Arius bekämpften, so taten sie für uns, indem sie vom Heiligen Geist sprachen und diejenigen bekämpften, die ihn schmähten. Dieser letzte Vergleich zwischen den Aussagen des Nicaenum über den Sohn und denen der Synode von 381 über den Geist führt leicht zur Identifikation der Aktivitäten der Synode mit der Produktion von C.  Nun hat man ja schon längst bemerkt, daß der III.  Artikel von C nicht ganz oder jedenfalls nicht explizit den Erfordernissen der Widerlegung der verschiedenen Formen der Unterordnung des Geistes entspricht. C nennt den Geist nicht ὁμοούσιον, nicht Gott, die Titel „Diener“ und „Geschöpf“ werden nicht ausdrücklich zurückgewiesen. All dies ist im To[497]mus von 379/381 geschehen, wie man aus der Zusammenfassung im Brief von 382 sehen kann. Und 382 beansprucht man Kontinuität zu Nicäa, und es wird mitgeteilt, daß die neuen Häresien unter Anathem gesetzt wurden.

8 Theodors Bekenntnis, die römische Formel und C. Wir haben gesehen, daß Theodor im 1. Abschnitt der Homilie 9 den III.  Artikel des Bekenntnisses aus dem reinen Nicaenum zitiert, in Abweichung von seiner üblichen Praxis. Im Abschnitt 16 nun zitiert er dieselbe Zeile in der Form: „Und an einen Heiligen Geist“, was eine Differenz nicht nur zum Nicaenum darstellt, sondern auch zu C. „Ein heiliger Geist“ ist sicher analog zu „ein Gott“ und „ein Herr“ der ersten beiden Artikel formuliert, während C in diesem Kolon beim Text des reinen Nicaenums bleibt. Was sagt Theodor selber über diese Differenz? Er beginnt: „Also nun, deswegen“ (nämlich wegen dessen, was im Abschnitt 15 theologisch gesagt wurde) „bekannten in dieser Einsicht unsere seligen Väter in ihrem Bekenntnis, daß der Heilige Geist mit dem Vater und dem Sohn göttlicher Natur ist; und durch Hinzufügung einiger weniger Worte bestätigten sie die Lehre der Kirche … indem sie sagten ‚Und an den einen heiligen Geist‘“. Zunächst scheint es, daß in den eben zitierten Zeilen das grammatische Subjekt beider Sätze dasselbe sei; um diesen Eindruck zu vermeiden, übersetzt Tonneau den zweiten Satz in unpersönlicher Form, auch macht er eine Anmerkung zu „einigen wenigen Worten“, welche lautet: „Das will besagen: (hinzugefügt) ‚durch die Väter des Konzils von Konstantinopel‘ 381“52. Mit dieser Erläuterung zeigt sich

51 Cf. den Eingang des Tomus Damasi. 52 Tonneau 239 n. 1.

497, 498

8 Theodors Bekenntnis, die römische Formel und C. 

 347

Tonneau nicht nur beeinflußt durch das übliche Verständnis von § 14, sondern vor allem durch die gewöhnliche Annahme, daß es das Konzil von 381 war, dem wir C verdanken. Aber Tonneau hat recht darin, daß er die beiden Sätze auf zwei verschiedene Subjekte verteilt. Nur ist aus § 1 klar, daß „sie“, die die Hinzufügung schrieben, die Mitglieder der westlichen Synode waren und deswegen auch hier das Subjekt des betreffenden Satzes sein müssen. Auch im nächsten Satz Theodors müssen zwei Subjekte unterschieden werden, die beide „sie“ heißen: Theodor insistiert darauf, daß die Rede vom „einen Heiligen Geist“ nichts anderes sei als die vom „Heiligen Geist“; „sie“ erklären, was „sie“ gesagt haben53. Es ist frustrierend, daß wir nicht mehr von Theodor über die Ergänzung des III.  Artikels erfahren als die Mitteilung über die „Hinzufügung einiger weniger Worte“ und daß eins von ihnen „unum“ vor „spiritum [498] sanctum“ war. Das Stück über den Heiligen Geist in Theodors Symbol ist tatsächlich kürzer als in C, es lautet nur: Καὶ εἰς ἓν πνεῦμα ἅγιον, πνεῦμα τῆς ἀληθείας54, τὸ ἐκ τοῦ πατρὸς ἐκπορευόμενον, πνεῦμα ζωοποιόν, – für sein eigenes Bekenntnis kann Theodor also mit Recht von „einigen wenigen Worten“ sprechen. Bestand die westliche Ergänzung in denselben Worten? Natürlich schreibt Theodor keinen Traktat über Symbolforschung, sondern eine Einführung in den christlichen Glauben. Aber warum macht er soviel Worte über die Differenz des „unum spiritum“ zwischen dem reinen Nicaenum und dem ergänzten Credo, während er doch über die Differenzen im II.  Artikel nichts gesagt hat und auch die übrigen zusätzlichen Aussagen über den Geist nicht eigens begründet? Liegt der Grund darin, daß eine Differenz in der Formulierung im Eingang eines Artikels so viel auffälliger ist als an anderen Stellen? Leicht ist dagegen aus der antiochenischen Situation der Hinweis auf die Übereinstimmung mit dem Westen zu begreifen, handelt es sich doch um die Übereinstimmung von Neunicänern mit Rom. Daran zu erinnern war gegenüber den Altnicänern, die sich der κοινωνία mit Rom rühmen konnten, nicht überflüssig, auch wenn die kurze Phase der meletianischen κοινωνία mit dem Westen von Rom her bereits wieder beendet worden war. Einige wenige Folgerungen symbolgeschichtlicher Art lassen sich aus Theodors Angaben55 immerhin erheben. Erstens: Das erweiterte Nicaenum, wie es von Rom nach Antiochien geschickt worden war, enthielt den Ausdruck „et in unum spiritum sanctum“. Zweitens: Überhaupt ist Theodors Symbol mit der römischen Formel in Beziehung zu setzen  – wenn wir nur wüßten, in welchem Ausmaß er sie reproduziert! Drittens: Wenn wir an die Zeile πρωτότοκος πάσης κτίσεως in Theodors Credo

53 Es ist zu vermuten, daß entweder schon die syrische Übersetzung oder erst deren hsl. Überlieferung die Differenz nicht mehr erkannt hat. Obwohl das Syrische bei weitem nicht den Reichtum an Pronominalformen aufweist wie das Griechische, wäre eine Unterscheidung durch diakritische Punkte möglich gewesen. 54 Über die Zugehörigkeit dieses Kolons zu Theodors Symbol siehe unten Anhang B. 55 Natürlich hat die bloße Existenz von Theodors Symbol schon Folgen für die Symbolgeschichte, siehe unten Anhang A.

348 

 5.2 Nicaeno-Constantinopolitanum (C)

498, 499

denken, an ihre Deutung durch den Katecheten und an die möglichen Gründe für ihre Einbeziehung in das Symbol, dann müssen wir damit rechnen, daß Theodor das Bekenntnis den katechetischen Notwendigkeiten der antiochenischen Situation anpaßte. Viertens: Die Übereinstimmungen zwischen Theodor und der westlichen Formel in der Sache des „unum spiritum sanctum“ auf der einen Seite und der Unterschied zu C auf der anderen Seite beweisen, daß auch C nicht ganz identisch mit der westlichen Formel sein kann. An diesem Punkt unserer Überlegungen ist es nützlich, eine Bezeichnung für das verlorene Symbol zu finden, das die westliche Synode nach Antiochien schickte: Romano-Nicaenum scheint mir passend. In der Reihe der Taufreden Theodors sind die interessanten Bemer[499]kungen von Homilie 9 über die Ausgestaltung des Nicaenums zum Romano-Nicaenum eine Ausnahme. In Homilie 10, wie schon in Homilie 1–8, sind wieder die „seligen Väter“ (also die von Nicäa) die Verfasser von Theodors Symbol, einschließlich der Hinzufügungen. Man nehme diese Passage vom Ende des 2. und vom Anfang des 3. Paragraphen in der Homilie 10: „… passend meinten unsere seligen Väter, daß sie die Lehre der Frömmigkeit durch eine kurze Hinzufügung befestigen sollten für alle Menschen und noch mehr für euch, die ihr dabei seid, euch der Gabe des Geistes zu nahen. Denn was haben sie gesagt? ‚Und an einen Heiligen Geist‘“. Wenn wir zur leichteren Handhabung auch den III.  Artikel in a) und b) zerlegen und zuerst Art. IIIb betrachten, so wird es wohl allgemeine Zustimmung finden, wenn wir nach Ausweis von C und von Theodors Symbol und des Romanum selbst annehmen, daß Art. IIIb (anders als in N) auch im Romano-Nicaenum erstens vorhanden war und zweitens die Stichworte Kirche, Taufe, Sündenvergebung, Auferstehung und ewiges Leben enthielt. Wenn Theodors Credo tatsächlich von der Auferstehung des Fleisches (und nicht bloß des Leibes) gesprochen haben sollte, wäre es an diesem Punkt näher am Romanum und damit gewiß auch am Romano-Nicaenum als C (Auferstehung der Toten)56. Was die Prädikate des Geistes in Art. III a betrifft, so verhilft der Tomus Damasi in Kombination mit den beiden Symbolen, deren Text wir haben, zu Rückschlüssen in der einen oder anderen Richtung. In der zweiten Serie der Verurteilungen in diesem Dokument liest man (Turner p. 291,117–123)57: 1 Si quis tres personas non dixerit veras, Patris et Filii et Spiritus sancti, 2 aequales 3 semper viventes 4 omnia continentes visibilia et invisibilia 5 omnia potentes 6 omnia iudicantes 7 omnia vivificantes

56 Über das Problem von syr. pagrā als Übersetzung von σῶμα und σάρξ, siehe unten Anhang B. 57 Die Zerlegung in Kola und ihre Zählung ist von mir.

499, 500 

9 Vom Romano-Nicaenum zum „Bekenntnis der 150 Väter“ in Chalcedon 

 349

8 omnia facientes 9 omnia salvantes: haereticus est. Diese Passage arbeitet mit dem gleichen Prinzip innertrinitarischer Prädikationen wie die theologische Zusammenfassung von 382: Prädikate, die für einzelne der trinitarischen Personen charakteristisch sind, werden allen Personen zugesprochen. Ich postuliere, daß im Romano-Nicaenum es der Geist war, der als „lebendigmachend“ prädiziert wurde, [500] nach der Analogie von C und Theodor, und daß von daher „vivificantes“ in Zeile 7 oben herzuleiten ist. Könnte man mit Hilfe der damasianischen Reihung auch eine andere Schwierigkeit lösen? Ich meine die Ableitung des merkwürdigen Adjektivs für den Geist, das nur C hat (Theodor nicht). κύριον ist m.  E. mit „mächtig“ zu übersetzen, im Sinn von „herrscherlich“. Ich vermute, daß im Romano-Nicaenum stand: et in unum spiritum sanctum, potentem et vivificantem. Wir sehen oben im damasianischen Text, daß das Prädikat omnipotens, das in einem dreigliedrigen Bekenntnis zur ersten Person der Trinität gehört, in seine Bestandteile zerlegt ist (5), als Analogiebildung zu den übrigen göttlichen Eigenschaften erscheint, die „alles“ betreffen, und allen drei Personen zugeschrieben wird. Von daher wäre es wiederum möglich, es einer einzelnen der drei Personen zuzuschreiben, der es ursprünglich nicht zu eigen war. Die griechische Übersetzung von potens konnte nicht mit einem Partizip oder Adjektiv der Stämme δύναμαι oder ἐνεργέω arbeiten, weil das keine Waffe gegen die Pneumatomachen geboten hätte und man damit über die Vorstellung vom Geist als einer bloßen Kraft wieder nicht hinausgekommen wäre. Was Theodor betrifft, so beschließt er seine Lehre über den Heiligen Geist mit Mt 28, hier nun gedeutet als Anzeige der Einheit der göttlichen Natur. Zu dieser Einheit wenden sich die von der Vielgötterei Bekehrten (Homilie 10 §§ 13 und 14). Damit ist der Katechet zum Ausgangspunkt seiner Lehre über die Trinität zurückgekehrt, nur hatte er zum Eingang im Taufbefehl die Lehre von den drei Hypostasen begründet gesehen. Mt 28 ist ihm also Beleg für die beiden Aspekte der Trinitätslehre, für die Dreiheit und die Einheit, und dem Schriftsteller Theodor ist es gelungen, seinen Darlegungen die angemessene inclusio zu geben.

9 Vom Romano-Nicaenum zum „Bekenntnis der 150 Väter“ in Chalcedon Sowohl Theodors Symbol wie C haben das Romano-Nicaenum zur Grundlage, in den Zeilen über die Inkarnation ergänzen sie sich, vielleicht auch an anderen Stellen. Theodors Formel, obwohl später als C, scheint in mancher Hinsicht näher beim Romano-Nicaenum zu sein. Man müßte eigentlich erwarten, daß eine Glaubensformel, die ausgeschickt wird, um bestätigt zu werden, wie es bei dem westlichen erweiterten Nicaenum in seiner Übersendung nach Antiochien der Fall war, im Antwortbrief wörtlich wiederholt wird.

350 

 5.2 Nicaeno-Constantinopolitanum (C)

500–502

Aber die Evidenz der Theodor-Formel schließt die vollständige wörtliche Identität von C mit dem Romano-Nicaenum aus. Die Frage ist jedoch, ob buchstäbliche Identität überhaupt ein Bedürfnis der Zeit war. Schließlich stellte die aus Rom kommende Formel bereits eine Veränderung des reinen Nicaenum dar, nicht nur im III.  Artikel, sondern auch im zweiten, wo das reine Nicae[501]num und das Romanum leicht ineinander zu schieben sind. Konnte man diese Gestalt des Bekenntnisses nicht einer weiteren Redaktion unterwerfen? Ich stelle die Hypothese auf, daß C die Gestalt ist, die dem Romano-Nicaenum auf der Meletianersynode in Antiochien gegeben wurde. An diesem Punkt trifft meine Argumentation wieder mit der von Staats zusammen. Als Formulierung der Meletianersynode war C bereits ein Symbol der (ziemlich genau) „150 Väter“, obwohl von ihnen und von anderen in den folgenden Jahrzehnten als nicänisches Symbol betrachtet. Aus dem Brief der Synode von 382 geht hervor, daß in der Lehre von der Trinität vollständige Kontinuität von der großen Meletianersynode 379 in Antiochien zu den beiden Synoden 381 und 382 in Konstantinopel herrscht. Es kann keinen Zweifel daran geben, daß die Dokumente der Synode von 379, die nach meiner Theorie C enthalten haben müssen, in Konstantinopel gebilligt wurden und in das Dossier von 381 aufgenommen wurden; die Urkunden von 382 sind wohl wiederum angefügt worden. Eine solche Ableitung von C würde diesem Symbol von seinem Ursprung her eine größere Bedeutung geben, als die bloß marginale Rolle, die ihm Ritters Erklärung zumessen mußte. Die Spuren der Kenntnis von C vor 451 sind wieder und wieder diskutiert worden. Anscheinend sind sie meist mit Konstantinopel verbunden. Zwischen Theodor und Nestorius als Bischof von Konstantinopel gibt es die überraschende Differenz ihrer Berufung auf das „Nicaenum“ in den Zeilen über die Inkarnation58. Diese Differenz entspricht der zwischen Theodor und C: Theodor hat γεννηθέντα unter den Inkarnationsaussagen59, C (und N!) nicht60. Es handelt sich um das Problem der „zweiten Geburt des Logos“, die Nestorius als der göttlichen Natur unangemessen betrachtete. Nestorius argumentiert mit C, das er natürlich als nicäni[502]sches Symbol versteht,

58 Darüber Lebon 843–845 mit einer entscheidenden Verbesserung eines bei Loofs abgedruckten Nestorius-Fragments; ihm folgend Ritter 198–200. 59 Man muß dazu aber auch Theodors Kautelen lesen, wenn er in Hom. 6 § 3 das „geboren“ von Art. IIb erklärt: „Il est certain que ce ne fut pas la nature divine du (Fils) Unique qu’ils pensent être née d’une femme, comme si de là elle eût eu (son) commencernent“; der aus dem Vater Geborene hat nicht seinen Anfang aus Maria; die Väter folgen den heiligen Schriften, die von den Naturen verschiedenartig reden, während sie eine Person auf Grund der „genauen συνάφεια“ lehren („genau“ hat den Sinn von „vollkommen“). Die Schriften sagen aber beide Ausdrücke von dem einen Sohn, um die Herrlichkeit des Eingeborenen zu zeigen und ebenso die Ehre des Menschen, mit dem er sich bekleidete. 60 Ich halte es für möglich, daß es der Einfluß des Diodor, seit 378 Bischof von Tarsus, war, der dafür sorgte, daß das römische γεννηθέντα nicht in den Art. IIb von C übernommen wurde; man vergleiche unten in Anhang A a), wie ein Antiochener formuliert, wenn er sich nicht an eine gegebene Vorlage hält.

502

9 Vom Romano-Nicaenum zum „Bekenntnis der 150 Väter“ in Chalcedon 

 351

und nicht mit dem von Theodor erklärten Symbol, obwohl Nestorius doch aus Antiochien stammte61. Die theologischen Reden, die Gregor von Nazianz in Konstantinopel gehalten hat, zeigen, daß aller Anlaß bestand, in der Reichshauptstadt die richtige Lehre über die Trinität im Klerus und Volk zu verbreiten. Zur weiteren Unterweisung der Gläubigen nach 381 konnte C für den nicänisch gesonnenen Klerus sehr viel brauchbarer sein als der viel längere und anspruchsvollere Tomus von 379/381. Man wird vermuten, daß die Akten von 379/381/382 die direkte oder indirekte Quelle für die örtliche Kenntnis des Symbols waren. Wie weit reichte die Kenntnis von C über den Einflußbereich der Kirche von Konstantinopel hinaus? In Ägypten jedenfalls kannte man es nicht62, und dem Nestorius drehte die kyrillische Partei einen Strick daraus, daß dessen Berufung auf das Nicaenum mit Formulierungen arbeitete (nämlich den aus dem RomanoNicaenum stammenden in Art. II b!), die im reinen Nicaenum nicht zu finden waren. Dies führte in Ephesus 431 zum Beschluß der kyrillischen Synode, daß dem Nicaenum nichts hinzugefügt werden dürfe. In Chalcedon 451 war das Symbol „der 150 Väter“, jetzt zum ersten Mal als solches bezeichnet, von vornherein in die Strategie der Konzilsleitung einbezogen, sofern diese Strategie auf eine Glaubensdefinition hinzielte63; es gab also Beamte, die von seiner Existenz als einer Ergänzung von N wußten bzw. darauf hingewiesen worden waren. Ich frage mich, ob es etwas zu bedeuten hat, daß bis zur 3. Sitzung einschließlich zum „Glauben der 150 Väter“ kein Ortsname angegeben wird (beim „Glauben der 318 Väter“ steht der Ortsname manchmal, aber nicht immer). In der 4. Sitzung erst wird die „Bestätigung“ des „Glaubens der 318“ durch die „150 Väter“ in Konstantinopel lokalisiert, auf der Synode „unter dem großen Theodosius“, und zwar hört man das zuerst aus dem Mund der römischen Legaten (Nr. 6) und dann (Nr. 8) von den kaiserlichen Kommissaren64. Könnte es nicht sein, daß die Römer sich inzwischen nach der Herkunft des Credos der 150 erkundigt hatten und man bei dieser Gelegenheit es der kaiserlichen Synode zuschrieb, um ihm größeres Gewicht zu geben?

Daß das Taufbekenntnis der neunicänischen Gemeinde von Antiochien, das Theodor erklärt, an diesem Punkt so nah am Romano-Nicaenum bleibt, muß mit der eigenartigen kirchlichen Situation in der Hauptstadt der Diözese Oriens zu tun haben. 61 Wie das gegen Nestorius gewendet werden konnte, zeigt die Contestatio Eusebii, siehe unten Anhang A b). 62 Cf. Ritter 204 n. 1. 63 Cf. ebd., 174. 64 ACO II 1 289,20–31 und 289,36–290,3 (ich benutze die durchlaufende Seitenzählung; Ritter pflegt die Seitenzahlen der einzelnen Faszikel von II 1 anzugeben). Die Übersetzung von Nr.  6, Zeile 25 οὗτινος – 27 ἀσπάζεται durch A.  J. Festugière (Actes du concile de Chalcédoine [Cahiers d’Orientalisme 4] Genf 1983, 42) ist irreführend (Ephesus „a semblablement embrassé l’exposé de foi du concile de Constantinople“) aber vielleicht nur auf Grund eines Versehens des Übersetzers in dieser erst nach seinem Tod herausgegebenen Arbeit.

352 

 5.2 Nicaeno-Constantinopolitanum (C)

502, 503

Unter den obwaltenden Umständen ist es nicht überraschend, daß jetzt nichts über die ursprüngliche Funktion der Formel als Dokument einer [503] (bald wieder vom Westen aufgehobenen) Union der Neunicäner mit dem Westen und über den römischen Anteil am Text gesagt wurde. All dies war ja offenkundig in Rom inzwischen wieder vergessen; und in Antiochien hatte die seit längerem zurückliegende Vereinigung der beiden nicänischen Parteien die dortigen Wunden geheilt. Mit der Zitation von C im Tomus von Chalcedon wird die Abfassung und Veröffentlichung der christologischen Definition dieses Konzils gerechtfertigt, gegen die sich viele Konzilsteilnehmer unter Berufung auf Ephesus 431 gewehrt hatten. Das ephesinische Verbot wird damit stillschweigend korrigiert. Der literarischen Form nach (indem sie nämlich nicht die deklaratorische Form des Taufbekenntnisses zum Vorbild nimmt) hat die Definition von Chalcedon ihren Vergleichstext nicht in C, sondern im Tomus von 379/381. Und in diesem letzteren, d.  h. in der uns allein noch zugänglichen Kurzfassung von 382, hat man die so oft angerufene „Theologie des ökumenischen Konzils von Konstantinopel“ zu suchen. Dem ökumenischen Gespräch könnte es nur nützlich sein, auf die Gemeinsamkeiten dieses Tomus und der gleichzeitigen römischen Dokumente zu achten, wie auf die römische Herkunft und die neunicänische Akzeptanz des Romano-Nicaenum, auf dem C basiert.

Anhang A: Über das „Symbol der Kirche von Antiochien“ (Hahn § 130, Denzinger/Schönmetzer Nr. 50) Ein Problem, auf das Dossetti (p. 281, in der Anmerkung) hinweist, ist das „der Beziehungen zwischen dem von Theodor kommentierten Symbol und dem alten Taufsymbol von Antiochien, das wir durch partielle Zitationen des hl. Johannes Chrysostomus, des ephesinischen Konzils und Cassians kennen (cf. Hahn § 130), zu denen man einige Formeln hinzufügen muß, zu gewinnen aus einer Paraphrase des Symbols, enthalten in einer jüngst publizierten Katechese des hl. Johannes Chrysostomus (Jean Chrysostome, Huit catéchèses baptismales inédites, ed. A.  Wenger, SC 50, Paris 1957, p. 118– 119). Gewöhnlich steht man unter dem Eindruck der Differenzen, die zwischen den beiden Texten auftreten, so daß man daraus ein Argument gegen die Zuschreibung der Katechesen Theodors an die antiochenische Periode des Autors zieht (s. Ritter, Das Konzil  …, p.  1533) und man im Symbol, das er kommentiert, ‚das Symbol von Mopsuestia‘ sieht. Ich glaube, daß die Frage eine eingehendere Untersuchung verdiente“. Soweit Dossetti. Ritter sagt an der erwähnten Stelle, „daß das aus“ Theodors „Zitaten rekonstruierbare Symbol in bemerkenswerter Weise von dem Wortlaut des Antiochenums abweicht, soweit es uns bekannt ist“. Die Glaubenszusammenfassung aus Wengers Katechesen erwähnt Ritter an dieser Stelle nicht. Wir beginnen mit der erwähnten Passage aus den „Acht Katechesen“ des Chrysostomus.

504, 505 

Anhang A: Über das „Symbol der Kirche von Antiochien“ 

 353

[504] a) Die regula fidei des Johannes Chrysostomus in den Wengerschen Katechesen Diese Taufreden sind noch in Antiochien gehalten. Wenger datiert sie auf etwa 390 (p.  63  f.); damit würden sie möglicherweise noch in die Zeit des antiochenischen Wirkens Theodors fallen. Es wäre sehr interessant, die von Wenger versuchte zeitliche Verteilung der „Acht Katechesen“ mit dem zeitlichen Ablauf der Unterweisung Theodors zu koordinieren. Offensichtlich waren an der Taufunterweisung mehrere Kleriker beteiligt. Für die Osterwoche, d.  h. für die postbaptismalen Katechesen, geht das aus Katechese VIII des Chrysostomus hervor (dazu Wenger p. 47). In einer der von A.  Papadopoulos-Kerameus edierten Reden (St. Petersburg 1909) sagt Chrysostomus: „Aber die Rede über den Glauben überlassen wir dem Lehrer“ (Wenger p. 94 n. 2). Es ist natürlich verführerisch, im didaskalos z.  B. den Kollegen Theodor zu vermuten, aber nach Meinung von Wenger ist der „Lehrer“ im Singular „der Lehrer par excellence in der christlichen Gemeinde, also der Bischof“ (p. 94, ebenso p. 247 n. 2); der Bischof dieser Zeit ist Flavian. In der ersten Katechese legt Johannes Chrysostomus „in Kürze den Katechumenen die hauptsächlichen Glaubensartikel dar“ (Wenger p.  91), nämlich in I 19–24. Die §§ 19 und 24 haben nur einleitende und abschließende Funktion, es genügt, das Stück dazwischen zu betrachten. Ich gebe griechisch nur die entscheidenden Sätze und zitiere im übrigen Wengers Übersetzung, den sich daraus ergebenden falschen grammatischen Anschluß zu Art. I des Bekenntnisses nehme ich in Kauf. § 20 Puisque le fondement de la piété est la foi, eh bien, disons devant vous quelques mots de celle-ci pour que, après avoir posé ce fondement inébranlable, nous puissions ensuite élever sans crainte tout l’édifice. Il faut donc que ceux qui se font inscrire en cette milice spéciale, milice spirituelle, (I) πιστεύειν εἰς τὸν τῶν ὅλων θεόν, τὸν πατέρα τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ τὸν πάντων αἴτιον, τὸν ἄφραστον, τὸν ἀπερινόητον, τὸν οὔτε λόγῳ οὔτε διανοίᾳ ἑρμηνευθῆναι δυνάμενον. § 21 (IIa) Καὶ εἰς τὸν κύριον ἡμῶν Ἰησοῦν Χριστόν, τὸν υἱὸν αὐτοῦ μονογενῆ, τὸν κατὰ πάντα ὅμοιον καὶ ἴσον τῷ πατρὶ καὶ ἀπαράλλακτον ἔχοντα τὴν πρὸς αὐτὸν ὁμοιότητα, τὸν ὁμοούσιον καὶ ἐν ἰδίᾳ ὑποστάσει γνωριζόμενον, τὸν ἀρρήτως ἐξ αὐτοῦ προελθόντα, τὸν χρόνων ἀνώτερον καὶ αἰώνων ἁπάντων δημιουργόν, (IIb) ἐν ὑστέροις δὲ καιροῖς διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν [505] μορφὴν δούλου ἀναλαβόντα καὶ ἄνθρωπον γενόμενον καὶ συναναστραφέντα τῇ ἀνθρωπίνῃ φύσει καὶ σταυρωθέντα καὶ τῇ τρίτῃ ἡμέρᾳ ἀναστάντα.

354 

 5.2 Nicaeno-Constantinopolitanum (C)

505, 506

§ 22 Il faut avoir ces vérités bien ancrées dans votre esprit pour n’être pas le proie facile des séductions diaboliques. Mais si les tenants d’Arius veulent vous faire trébucher, sachez bien que vous devrez vous boucher les oreilles à leur discours et leur répondre avec assurance en leur montrant ὅμοιον κατὰ τὴν οὐσίαν ὄντα τῷ πατρὶ τὸν υἱόν. Car c’est lui-même qui a dit: „Comme le Père resuscite les morts et les rend à la vie, ainsi le Fils fait vivre qui il veut à la vie“, καὶ διὰ πάντων δείκνυσιν ὅτι τὴν ἴσην ἔχει τῷ πατρὶ δύναμιν. Si d’un autre côté, Sabellius essaie de corrompre les saines croyances συναλείφων τὰς ὑποστάσεις, ferme aussi les oreilles, bien aimé, à ses discours et apprends-lui ὡς ἡ μὲν οὐσία πατρὸς καὶ υἱοῦ καὶ ἁγίου πνεύματος μία, τρεῖς δὲ ὑποστάσεις. Le Père en effet ne saurait être appelé Fils, ni le Fils appelé Père, ni l’Esprit Saint autrement que de son nom même, ἀλλ’ ἕκαστος ἐν τῇ ἰδίᾳ μένων ὑποστάσει τὴν ἴσην δύναμιν κέκτηται. § 23 Il faut en effet que cette autre vérité soit fixée dans notre pensée, ὅτι καὶ τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον τῆς αὐτῆς ἁξίας ἐστι, selon la parole du Christ à ses disciples: „Allez, enseignez toutes les nations et baptisez-les, au nom du Père et du Fils et du SaintEsprit.“ An diesen Darlegungen des Chrysostomus fällt der Wechsel der literarischen Form auf: zunächst spricht er in der vertrauten Form des Glaubensbekenntnisses, wenn auch nicht in dessen deklarativer Gestalt, sondern in der der regula fidei (πιστεύειν); die Artikel I, IIa und IIb folgen deutlich abgegrenzt aufeinander. Dann aber geht der Redner zu einem Raisonnement über die Trinität über, und innerhalb dieser Belehrung und Ermahnung, die auch Zurüstung für die Abwehr falscher Lehre ist, wird zum Schluß vom Geist gesprochen. Das Stück über die Trinitätslehre (§§ 22.23) erinnert in seinen Stichworten mehrfach an die theologische Zusammenfassung von 382. Wie Theodor akzentuiert Chrysostomus die neunicänische Lehre von der Trinität; daß der Sohn „in seiner eigenen Hypostase erkannt“ wird, ist sogar in Art. IIa aufgenommen worden und balanciert dort das homoousion aus. (Von der einen ousia von Vater, Sohn und Geist und von der ἀδιαίρετος τριάς hören wir auch in II 26). Im Blick auf das von Theodor erklärte Bekenntnis und auf die Polemik der beiden Nestoriusfeinde, von denen wir im nächsten Abschnitt reden werden, ist es interessant zu beobachten, daß Chrysostomus in Art. IIb γεννηθέντα nicht verwendet; darauf aufmerksam geworden, stellt man fest, daß es auch in Art. IIa fehlt. In Art. IIa steht für γεννηθέντα ein aktives Partizip: προελθόντα; in Art. IIb steht ebenfalls ein aktiver Ausdruck, das aus Phil 2 abgeleitete Kolon μορφὴν δούλου ἀναλαβόντα. (Es ist übrigens denkbar, daß dies letztere eher das nicänische Passivum [506] σαρκωθέντα vertritt, folgt es doch unmittelbar auf das nicänische Kolon „um unseres Heiles willen“). Dies alles ist gewiß theologische Absicht: dem Sohn widerfährt nicht etwas, sondern er ist aktives Subjekt auch der Menschwerdung; erst die Kreuzigung ist ein Erleiden, siehe das passive Partizip. Was Chrysostomus in dieser Katechese als Glaubensinhalt vorträgt, ist gegenüber dem von Theodor ausgelegten Bekenntnis selbständig, auch wenn er wie von selbst in die Form des Glaubensbekenntnisses fällt. Aber es besteht kein Grund, daraus zu

506, 507 

Anhang A: Über das „Symbol der Kirche von Antiochien“ 

 355

folgern, nur einer von beiden könne seine Katechesen in Antiochien gehalten haben. Mit dem, was man bisher für das „alte“ Bekenntnis der Kirche von Antiochien gehalten hat, lassen sich die Art. I und II des Chrysostomus auch nicht identifizieren. Vielmehr sind sie als seine persönliche Formulierung zu betrachten. Mit den Darlegungen über die Trinität und implicit über den Geist, die mit Warnungen vor Ketzereien verbunden sind, folgt er dem Auftrag des Konzils von Konstantinopel, von dem Theodor berichtet (s.  o. Abschnitt 7).

b) Die Exzerpte aus dem „Symbol der Kirche von Antiochien“ bei Euseb (von Doryläum) und Johannes Cassian Das „Bekenntnis der Kirche von Antiochien“ in der Contestatio (oder Obtestatio) (ACO I 1,1 p. 101  f.) des agens in rebus Eusebius, des späteren Bischofs von Doryläum und in der Schrift De incarnatione domini contra Nestorium des Johannes Cassian (ed. Petschenig, CSEL 17,1888, p. 235–391) ist nichts anderes als ein in sich gekürztes Exzerpt aus demselben Bekenntnis, das Theodor in seinen Katechesen auslegt. Entscheidend für diese Identifikation sind die Kola aus Kol 1,15 und Hebr 10,7, die genau an den gleichen Stellen in Art. IIa des Bekenntnisses auftauchen wie bei Theodor (Hebr 10,7 ist sowieso selten in Bekenntnissen zu finden). Um diese Relation zu verdeutlichen, zeichne ich das „Bekenntnis von Antiochien“ in den rekonstruierten Text des Theodor-Bekenntnisses (s.  u. 513  f. [hier in diesem Band S. 361  f. – d. Red.]) ein, zur Erleichterung ist in beiden Vergleichstexten jede Zeile numeriert. Überschuß gegenüber Theodor kennzeichne ich durch eckige Klammern, Fehlendes durch spitze Klammern. Differenzen hinsichtlich von καί und „et“ zu Beginn von Kola sind nicht berücksichtigt. I 1 Credo in unum [et solum verum] deum, 2 patrem omnipotentem 3 creatorem omnium visibilium et invisibilium [creaturarum] II a 4 et in dominum [nostrum] Jesum Christum 5 filium eius < statt: dei> unigenitum 6 et primogenitum totius creaturae, 7 ex eo natum ante omnia saecula 8 et non factum, 9 θεὸν ἀληθινὸν ἐκ θεοῦ ἀληθινοῦ, [507] 10 ὁμοούσιον τῷ πατρὶ , 11 δι’ οὗ οἱ αἰῶνες κατηρτίσθησαν καὶ τὰ πάντα ἐγένετο II b 12 τὸν δι’ ἡμᾶς 13 κατέλθοντα 14

15

16 καὶ γεννηθέντα ἐκ Μαρίας τῆς [ἁγίας] [τῆς ἀεὶ] παρθένου

356 

 5.2 Nicaeno-Constantinopolitanum (C)

507, 508

17 καὶ σταυρωθέντα ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου, 18 et sepultus 19 et tertia die ressurexit secundum scripturas 20 et ascendit in caelos 21

22 et iterum veniet 23 iudicare vivos et mortuos. Es ist bemerkenswert, daß nicht einmal in diesem Fall, in dem Nestorius durch einen autoritativen Text widerlegt werden soll, völlige Wörtlichkeit oder Buchstäblichkeit herrscht. Es wird nicht nur weggelassen, sondern auch hinzugefügt; freilich handelt es sich bei den Hinzufügungen meist um epitheta ornantia. Wieso Johannes Cassian mehr Text hat als Euseb, der doch seine Quelle ist, hat E.  Schwartz in seinen Konzilstudien (Straßburg 1914, p. 1–17) erklärt: Euseb schickte nicht nur seine Contestatio nach Rom, sondern auch das Material, aus dem er seine Zitate entnommen hatte (ibid. p. 16). In Zeile 12–16 unserer Zählung, wo mehr Text ausgelassen als übernommen worden ist, liest Cassian nicht mehr Wörter, als Euseb selber bietet; er hat also das Bekenntnis in Eusebs Zubereitung erhalten (dies in Korrektur an Schwartz, p. 16, „legte er in extenso bei“; Schwartz kannte damals noch nicht die Katechesen Theodors). Die Kürzungen haben die Teile a) und b) des II.  Artikels auf ungefähr die gleiche Länge gebracht; und das kurze Exzerpt bei Euseb ist ebenfalls in sich symmetrisch. Das Motiv für die Kürzung (von der Euseb nichts sagt und von der Cassian nichts weiß), geht aus der sehr interessanten Einleitung der Contestatio hervor (ACO I 1,1 p. 102,1–8; Zeile 3–8 findet man griechisch auch – nach einer älteren Ausgabe – bei Hahn, n. 400 zu § 130). Ich zitiere hier die deutsche Übersetzung von M.  Tetz (zum Streit zwischen Orthodoxie und Häresie an der Wende des 4. zum 5. Jahrhundert, Evangelische Theologie 21, 1961, p. 354–368; die Übersetzung der Contestatio p. 355  f.). Der Beginn des Zitates bezieht sich auf den vorangegangenen Vergleich von Nestoriuszitaten mit solchen des Paul von Samosata (letztere gewiß nicht echt). Tetz p. 356 (Hervorhebungen von mir): „So ist klar gezeigt, wie der Frevler sagt: der von Gott Gezeugte ist nicht von Maria geboren worden; er stimmt also mit Paul dem [508] Häretiker überein, denn der sagt: einer sei der Logos und ein andrer Jesus Christus, und er sei nicht einer, wie es die Orthodoxie lehrt. Deswegen exzerpiere ich dir, du Streiter für den heiligen Glauben, ein Stück aus dem Bekenntnis der Kirche von Antiochien, woher auch unser Christenname stammt, denn es kennt nicht zwei Söhne Gottes, sondern einen, der vor allen Äonen als Gott von Gott dem Vater gezeugt wurde, ὁμοούσιος dem Vater, und denselben als den unter Kaiser Augustus von der Jungfrau Maria Geborenen; es lautet:“. Das Symbol ist also von Euseb in Art. IIb zurechtgestutzt worden, damit die Aussage von der doppelten Geburt des Logos, auf die es ihm allein ankam, klar hervortreten sollte. Zur Unterstützung seiner Argumentation läßt Euseb in der Contestatio ein Zitat des Eustathius von Antiochien folgen, eines „der 318 Bischöfe der heiligen und

508, 509 

Anhang B:  Der Text von Theodors Symbol 

 357

großen Synode“. Tetz (p. 362) hat das Zitat in der ps.-athanasianischen (= markellischen) Schrift „De incarnatione et contra Arianos“ gefunden. Das Zitat besteht zu einem größeren Teil aus der Bibelstelle Bar 3,36–38; diese endet: καὶ τοῖς ἀνθρώποις συνανεστράφη, das wird im kleineren Rest des Zitates erklärt: πότε συνανεστράφη, εἰ μὴ ὅτε … Es ist dieselbe Baruchzeile, die einem Kolon bei Johannes Chrysostomus zugrundeliegt (s.  o. 505 [hier in diesem Band S. 353 – d. Red.]). Johannes Cassian hat seinerseits aus dem Hinweis auf Antiochien, „wo die Christen zuerst ihren Namen erhielten“, das Argument entwickelt, dies Symbol enthalte den allgemeinkirchlichen, den katholischen Glauben. Die entsprechenden Stellen aus lib. VI c. 3.5.6 sind mitgeteilt bei Hahn, n. 402 zu § 130b. Wenn man sich erinnert, daß das Bekenntnis in Theodors Katechesen auf dem Romano-Nicaenum ruht, ist Cassians Urteil nicht falsch – jedoch nicht ohne historische Ironie, blickt man auf die Überlieferungsgeschichte der Katechesen und auf die des Bekenntnisses („Nestorianum“). Zur Ehre der lateinischen Theologen muß gesagt werden, daß sie sich hundert Jahre nach Cassian lange gegen die Verurteilung der Drei Kapitel und damit Theodors wehrten. Mit der Ableitung der Euseb- und Cassianzitate aus dem Symbol, das bei Theodor kommentiert wird, ist endgültig erwiesen, daß der Interpret seine Unterweisungen in Antiochia als Presbyter und nicht erst in Mopsuestia als Bischof gehalten hat. Eusebs anklägerischer Rückgriff auf das Bekenntnis der Kirche von Antiochien, ausgelöst durch die Unmöglichkeit, aus der wörtlichen Formulierung in N oder C (beide haben in Art. II b nicht γεννηθέντα) Nestorius in seiner Ablehnung einer zweiten Geburt des Logos zu widerlegen, kann nichts anderes bedeuten, als daß um diese Zeit, im Jahr 428 oder 429, das von Theodor erklärte Bekenntnis immer noch Taufsymbol der antiochenischen Kirche war. Wenn wir doch eine vergleichbare Nachricht über C und seinen Gebrauch in Konstantinopel hätten!

[509] Anhang B:  Der Text von Theodors Symbol Zum besseren Verständnis für den Hauptteil dieses Aufsatzes wird am Ende ein Parallelabdruck von C und Theodors Symbol gegeben. Aber zu letzterem, das nach dem in Anhang A Gesagten für mindestens 45 Jahre das Symbol der Kirche von Antiochien war, sind ein paar Vorbemerkungen nötig. Da Theodor das Bekenntnis nicht in einem Stück zitiert, ergeben sich Unsicherheiten dann, wenn die typischen Zitationsformeln fehlen, mit denen der Katechet den Anschluß zwischen den Kola herstellt. Solche Bemerkungen sind z.  B.: „… und nachdem sie gesagt hatten: ‚…‘, setzten sie hinzu: ‚…‘“. In der Erklärung des III.  Artikels über den Geist und die Eschata gibt es zu wenig von diesen Hilfen, und so weichen die Rekonstruktionen hier am stärksten voneinander ab. Es gibt drei Rekonstruktionen, zwei davon sind griechische Retroversionen: a) griechisch: A.  Rücker, Ritus baptismi et missae, quem descripsit Theodorus ep. Mopsuestenus in sermonibus catecheticis (Opuscula et textus … ser. liturgica 2), Münster 1933, p. 43  f.;

358 

 5.2 Nicaeno-Constantinopolitanum (C)

509, 510

b) griechisch: J.  Lebon, Les anciens symboles dans la définition de Chalcedoine, RHE 32 (1936), p. 836 (der ganze Aufsatz p. 809–876) – ohne Kenntnis von a); c) französisch: zusammenzusetzen aus den kursiv gedruckten Zeilen in Tonneaus Inhaltsangabe der Katechesen, p. 619–621. In Denzinger/Schönmetzer ist Lebons Fassung abgedruckt, mit zwei Änderungen. Dossetti (p. 279 Anmerkung) sagt von den beiden griechischen Retroversionen: „non sono prive di mende“. Er bespricht dann nötige Änderungen an Lebons Fassung. Tonneaus Rekonstruktion erwähnt er nicht. Es ist nicht nötig, alle Fassungen abzudrucken; ich bespreche nur Einzelheiten. Rücker und Lebon bemerkten natürlich sofort die außerordentlich enge Verwandtschaft des Symbols bei Theodor mit dem „Nestorianum“, das Caspari ins Griechische rückübersetzt hatte, und nahmen Casparis Wortwahl als Grundlage ihrer Arbeit (Lebon sagt das ausdrücklich, l.c. p. 836 n. 2). Rücker hat mehr Anschlüsse mit καί als die übrigen Rekonstruktionen, aber das liste ich nicht auf; man vergleiche Lebons Bemerkungen zum Problem von Retroversionen; er gäbe nicht vor, „wie sich von selbst versteht“, „exakt bis in die kleinsten Elemente des Originals zu sein, wie Artikel und Konjunktionen, in deren Übersetzung die orientalischen Versionen manchmal mangelhaft oder eigenwillig sind. Man weiß auch, daß die griechischen Partizipien dort oft durch persönliche Formen des Verbums wiedergegeben werden“ (ibid.). In Rückers Version ist zu streichen ἐκ νεκρῶν nach der Auferstehung Christi „am dritten Tag nach den Schriften“. Rücker schreibt ferner nach der ostsyrischen Reihenfolge „zu richten die Toten und die Lebenden“. [510] Theodor zitiert jedoch Hom. 7 § 11 (p. 176 Zeile 10) die griechische Reihenfolge „Lebende und Tote“; wie de Halleux bemerkt hat, ist der Übersetzer (m.  E. könnte es auch ein Kopist gewesen sein) in den Zeilen 14 und 17 in seine eigene Gewohnheit gefallen („Tote und Lebende“): A. de Halleux, La Philoxénienne du symbole, in: Symposium Syriacum 1976 (OCA 205, 1978) p. 295–318; hier p. 298 (de Halleux’ Stellenangaben „p. 178“ und Zeile „12“ sind wie oben zu korrigieren). Ganz am Ende des Bekenntnisses hat Rücker „Auferstehung der Leiber“, wogegen das Syrische den Singular bietet. Lebon hat sich im Unterschied zu Rücker, gegen den Text, vom „Nestorianum“ darin beeinflussen lassen, daß er das Symbol mit der 1. Person des Plurals beginnt. Der Singular ist aber sogar durch Johannes Cassian überliefert (s.  o. Anhang A) und hat bei Hahn Anlaß zur n. 403 zu § 130b gegeben. Im 1. Artikel hat Lebon θεόν vor πατέρα ausgelassen (s. auch Dossetti p. 279 n. dazu), was wohl ein Versehen ist; bei Denz./ Schönm. ist das stillschweigend korrigiert. Artikel IIIb beginnt Lebon mit [ὁμολογοῦμεν] ἓν βάπτισμα (bei Denz./Schönm. sind die eckigen Klammern fortgelassen) und läßt dann die Kola über die Kirche und die Sündenvergebung folgen. Lebon versucht damit, der scheinbaren Reihenfolge der topoi bei Theodor gerecht zu werden, auch fand er „wir glauben eine Taufe“ im „Nestorianum“, freilich erscheint im „Nestorianum“ die sachlich richtigere Reihe: Kirche, Taufe, Sündenvergebung (vgl. die Diskussion bei Dossetti p. 279 n.).

510, 511 

Anhang B:  Der Text von Theodors Symbol 

 359

Um zu klären, ob Lebons Anordnung berechtigt ist, müssen wir in Theodors Hom. 10 den Übergang von § 14 zu § 15 genauer ansehen. § 14 ist noch Auslegung des Taufbefehls Christi; der Taufbefehl belehrt über die eine Natur von Vater, Sohn und Geist und gebietet die Taufe im Namen dieser drei. Der Paragraph endet: „Et il faut que nous, en ces noms de Père, Fils et Esprit-Saint dits au baptême, nous attendions d’être rénovés et recevoir une libération véritable“. § 15 beginnt: „Et en conséquence encore, à la profession baptismale ils ajoutèrent aussi la profession de la foi une Église catholique“ (Tonneaus Zitationszeichen um „eine katholische Kirche“ habe ich weggelassen). Aus diesem Satz ist leicht abzulesen, wie Lebon zu seinem Kolon „[wir glauben] eine Taufe“ hat kommen können: er hat es aus „profession baptismale“ abgeleitet. Aber „Taufbekenntnis“ meint nach dem Vorangegangenen das Bekenntnis zum Vater, Sohn und Geist, dem Befehl Christi entsprechend, also im Symbol die Artikel I, II und IIIa. Das wird bestätigt durch § 19 (Anfang) derselben Homilie, wo Theodor sagt: „Deswegen bekennt jeder von uns ‚Ich glaube und werde getauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes in der einen Kirche, der katholischen, heiligen‘“ (§ 21 jedoch: „heilige, katholische“). Die erste, trinitarische Hälfte der Aussage steht hier wieder für die Artikel I, II und IIIa des Taufsymbols; die zweite Hälfte verknüpft die erste Zeile von III b mit dem vorangegange[511]nen Text zum Gedanken, den der Katechet im Folgenden entwickelt. Die Prädikate der Kirche werden in der Reihenfolge „heilig“, „katholisch“, „eine“ am Schluß des § 19 erklärt. In der letzten Zeile des Symbols retrovertiert Lebon „die Auferstehung des Leibes“ als ἀνάστασιν σαρκός. Damit würde Theodors Symbol eine noch größere Nähe zum Romano-Nicaenum erhalten. Die Voraussetzung für Lebons Rückübersetzung ist die Tatsache, daß das syrische Wort für Leib, pagrā, nicht nur zur Übersetzung von σῶμα sondern eben auch von σάρξ dienen kann, so in den alten (der Peschitta vorausgehenden) Übersetzungen von Joh 1,14, vgl. de Halleux, La Philoxénienne … p. 308. Da die syrische Übersetzung der Katechetischen Homilien Theodors noch die älteren Übersetzungsformen für jene christologischen Termini bietet, die von σάρξ abgeleitet sind (de Halleux l.c. p. 309), besteht eine große Wahrscheinlichkeit, aber nicht vollständige Sicherheit, daß Lebons Rückübersetzung in Art. IIIb die richtige ist. Tonneau hat in seinem Inhaltsverzeichnis p. 621 versehentlich „resurrection des corps“, richtig p. 277 „resurrection du corps“. Dossetti hat als einziger postuliert, daß in Art. IIIa auf das Kolon „Und an einen heiligen Geist“ folgen müsse τὸ πνεῦμα τῆς ἀληθείας. Dies ist ein Punkt, an dem ich meine Meinung seit meinem Vortrag in Oxford geändert habe – ich gebe jetzt Dossetti recht. Das fragliche Kolon steht im „Nestorianum“, doch damit ist noch nicht gesagt, daß es auch in Theodors Symbol notwendig gestanden haben müsse. Aber Theodor gibt in Hom. 10 § 3 (Mitte) eine Auslegung von Joh 14,15  f. Dann fährt der Katechet fort: Zur Bestätigung seiner Worte fügte Jesus hinzu (aus dem pluralischen Verbum ist mit Tonneau p. 249 mit n. 4 ein Singular zu machen), welches die Würde des heiligen Geistes sei, „indem er sagt: ‚der Geist der Wahrheit‘ Joh 14,17)“. In § 4 spricht Theodor

360 

 5.2 Nicaeno-Constantinopolitanum (C)

511, 512

über die Lüge und Wahrheit, in § 5 führt er Psalmstellen über die Wahrheit an, in § 6 erklärt er, was es für uns bedeutet, wenn Jesus vom Geist der Wahrheit spricht. Dann heißt es in der Mitte des Paragraphen: „En sa brièveté donc ce fut un grand témoignage sur la nature de l’Esprit-Saint que nous signifia le Christ Notre-Seigneur en disant ‚Esprit de vérité‘.“ Danach werden weitere Kola aus Joh 14,17 zitiert. Entscheidend für die Zugehörigkeit dieser Prädikation des Geistes zum Text des Bekenntnisses ist der Anfang von § 7: „Ainsi, nos pères bienheureux dirent-ils aussi ce mot de l’Esprit-Saint, comme ils l’avaient reçu de Notre-Seigneur; et ils ajoutèrent encore cet autre: ‚Celui qui procède du Père‘. Ceci aussi avait été dit dans l’enseignement de Notre-Seigneur à ses disciples. ‚Quand viendra‘, dit-il, ‚l’Esprit Paraclet, celui que je vous enverrai, l’Esprit de vérité, celui qui procède du Père, il rendra témoignage de moi‘ Joh 15,26)“. Nach allem, was vorausgeht, kann „ce mot“ nur „Geist der Wahrheit“ sein; in Joh 15,26 steht dieses Prädikat des Geistes vor dem Kolon über das Hervorgehen des Geistes aus dem Vater. Als Quelle für den „Geist der Wahr[512]heit“ im Symbol ist daher diese letztere Bibelstelle anzusehen. Es ist wiederum das Vorkommen des Prädikats im Symbol, das Theodor zu seiner Abhandlung über den „Geist der Wahrheit“ veranlaßt hat. Als guter Exeget hat er auch die Parallelstelle in Joh 14 herangezogen und hat diese Passage zum Ausgangspunkt seines Gedankengangs gemacht. Als ein besonderes Verdienst Dossettis muß noch erwähnt werden, daß er den Fundstellen für das „Nestorianum“ vom 5. Jahrhundert an nachgegangen ist (p. 279  f., n.). Der älteste antiochenisch-nestorianische Theologe, den er nennen kann, ist Narsai mit seinen liturgischen Homilien. Das Verhältnis seines Textes zu Theodor und dessen Katechesen sollte man als nächstes untersuchen; ich hoffe, das in absehbarer Zeit tun zu können.*

(a) Konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis H.  Denzinger / A.  Schönmetzer, Enchiridion symbolorum (…), Barcelona u.  a. 361976, Nr. 150 (ebenso 371991 Hünermann). I Πιστεύομεν εἰς ἕνα θεόν, πατέρα παντοκράτορα, ποιητὴν οὐρανοῦ καὶ γῆς, ὁρατῶν τε πάντων καὶ ἀοράτων· II a καὶ εἰς ἕνα κύριον Ἰησοῦν Χριστόν, τὸν υἱὸν τοῦ Θεοῦ τὸν μονογενῆ, φῶς ἐκ φωτός, θεὸν ἀληθινὸν ἐκ θεοῦ ἀληθινοῦ,

* [L.  Abramowski, Die liturgische Homilie des Ps. Narses mit dem Messbekenntnis und einem Theodor-Zitat, BJRL 78 (1996) 87–100, hier in diesem Band S. 153–165 , vgl. S. 159 Anm. 30. – d. Red.]

512, 513 

Anhang B:  Der Text von Theodors Symbol 

 361

γεννηθέντα οὐ ποιηθέντα, ὁμοούσιον τῷ πατρί, δι’ οὗ τὰ πάντα ἐγένετο, II b τὸν δι’ ἡμᾶς τοὺς ἀνθρώπους καὶ διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν κατελθόντα ἐκ τῶν οὐρανῶν καὶ σαρκωθέντα ἐκ πνεύματος ἁγίου καὶ Μαρίας τῆς παρθένου καὶ ἐνανθρωπήσαντα, σταυρωθέντα τε ὑπὲρ ἡμῶν ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου καὶ παθόντα καὶ ταφέντα καὶ ἀναστάντα τῇ τρίτῃ ἡμέρᾳ κατὰ τὰς γραφὰς καὶ ἀνελθόντα εἰς τοὺς οὐρανοὺς καὶ καθεζόμενον ἐν δεξιᾷ τοῦ πατρὸς καὶ πάλιν ἐρχόμενον μετὰ δόξης κρῖναι ζῶντας καὶ νεκρούς, οὗ τῆς βασιλείας οὐκ ἔσται τέλος· III a καὶ εἰς τὸ πνεῦμα ἅγιον, τὸ κύριον καὶ ζωοποιόν, τὸ ἐκ τοῦ πατρὸς ἐκπορευόμενον, τὸ σὺν πατρὶ καὶ υἱῷ συμπροσκυνούμενον [513] καὶ συνδοξαζόμενον, τὸ λαλῆσαν διὰ τῶν προφητῶν. III b Εἰς μίαν ἁγίαν καθολικὴν καὶ ἀποστολικὴν ἐκκλησίαν. Ὁμολογοῦμεν ἓν βάπτισμα εἰς ἄφεσιν ἁμαρτιῶν. Προσδοκῶμεν ἀνάστασιν νεκρῶν καὶ ζωὴν τοῦ μέλλοντος αἰῶνος. Ἀμήν.

(b) Das von Theodor von Mopsuestia erklärte Symbol, zu gewinnen aus Katechesen I-X, leicht abweichend vom Text bei H.  Denzinger / A: Schönmetzer, Enchiridion symbolorum (…), Barcelona u.  a. 361976, Nr.  51 (ebenso 37 1991 Hünermann). I 1 Πιστεύω εἰς ἕνα θεόν, 2 πατέρα παντοκράτορα, 3 πάντων ὁρατῶν τε καὶ ἀοράτων ποιητήν. II a 4 Καὶ εἰς ἕνα κύριον Ἰησοῦν Χριστόν, 5 τὸν υἱὸν τοῦ Θεοῦ τὸν μονογενῆ, 6 τὸν πρωτότοκον πάσης κτίσεως (Kol 1,15), 7 τὸν ἐκ τοὺ πατρὸς αὐτοῦ γεννηθέντα πρὸ πάντων τῶν αἰώνων, 8 οὐ ποιηθέντα, 9 θεὸν ἀληθινὸν ἐκ θεοῦ ἀληθινοῦ,

362 

II b III a III b

 5.2 Nicaeno-Constantinopolitanum (C)

513

10 ὁμοούσιον τῷ πατρὶ αὐτοῦ, 11 δι’ οὗ οἱ αἰῶνες κατηρτίσθησαν (vgl. Hebr. 1,3) καὶ τὰ πάντα ἐγένετο, 12 τὸν δι’ ἡμᾶς τοὺς ἀνθρώπους 13 καὶ διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν κατελθόντα ἐκ τῶν οὐρανῶν 14 καὶ σαρκωθέντα 15 καὶ ἄνθρωπον γενόμενον, 16 γεννηθέντα ἐκ Μαρίας τῆς παρθένου, 17 καὶ σταυρωθέντα ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου, 18 ταφέντα 19 καὶ ἀναστάντα τῇ τρίτῃ ἡμέρᾳ κατὰ τὰς γραφάς, 20 ἀνελθόντα εἰς τοὺς οὐρανούς, 21 καθεζόμενον ἐκ δεξιῶν τοῦ θεοῦ 22 καὶ πάλιν ἐρχόμενον 23 κρῖναι ζῶντας καὶ νεκρούς. 24 Καὶ εἰς ἓν πνεῦμα ἅγιον, 25 πνεῦμα τῆς ἀληθείας 26 τὸ ἐκ τοῦ πατρὸς ἐκπορευόμενον, 27 πνεῦμα ζωοποιόν· 28 μίαν ἐκκλησίαν ἁγίαν καθολικήν, 29 ἄφεσιν ἁμαρτιῶν, 30 ἀνάστασιν σώματος (σαρκὸς?) καὶ ζωὴν αἰώνιον.

5.3 The History of Research into Nestorius Modern research concerning Nestorius, bishop of Constantinople 428–431, started with „Nestoriana“, edited by Friedrich Loofs in 1905. The book is a collection of the extant Greek and Syriac remains, often fragments, then known. For the first time fragments of the several sermons were put together by Loofs under their hearings or other characteristics, so that a picture of the preacher was beginning to emerge. Loofs’s fundamental work became the point of reference for every scholar who edited writings containing quotations from Nestorius, mainly Eduard Schwartz for the Acts of the Ecumenical Councils (ACO) and Joseph Lebon for Severus of Antioch (in CSCO). The edition of Severus added also new fragments formerly unknown. The „Nestoriana“ can be now brought up to date with the help of Maurice Geerard’s unvaluable Clavis Patrum Graecorum, vol. III, 1979, nos. 5.665–5.766; missing in his survey are only the few quotations, partly unknown, contained in the „Nestorian Collection of Christological Texts“ (see below). In 1910 Paul Bedjan edited under the name of his real author, Nestorius, „Le livre d’Héraclide de Damas“, the name Heraclides being of course a camouflage. In the same year already appeared the French translation of this long text, done by François Nau with the help of Bedjan himself and of M.  Brière. This volume com[55]prised also several appendixes, i.a. three complete Greek sermons by Nestorius. An English translation by G.  R.  Driver – and Leonard Hodgson followed in 1925, awkwardly called „The Bazaar of Heracleides“, because the translators were evidently not aware that ‫ ܬܓܘܪܬܐ‬can mean tractate; Anastos (s. below) even thought that it was a fault of the Syriac translator to use ‫ ܬܓܘܪܬܐ‬at all! Driver/Hodgson were reviewed by Loofs rather critically in 1926; the reviewer sketched a program of research still to be done on the book at that time, after the first flourish of publications caused by Bedjan’s and Nau’s foundation work had died down. It was this review which gave the idea to undertake the tasks, as listed by Loofs, myself, since nobody else had done it in the meantime. The results can be read in the second part of my monograph of 1963, a volume in the Subsidia of CSCO, with the title: „Untersuchungen zum liber Heraclidis des Nestorius“. To clear up the question of authenticity I subjected the work to literary critical analysis. Not all of the book was by Nestorius himself, but he is the author of the largest part which is his Second Apologia. At the end of the Apology I found some interpolations, presumably from the late 5th century. But more important is the fact that somebody I call Ps.-Nestorius has written a kind of introduction to the main part, in the form of a dialogue. All of this was done by Greek sympathisants, at Constantinople no doubt. To fit the Dialogue and the Second Apology together part of the original introduction by Nestorius was cut away. The demarcation line is between p. 125 and 126 of Bedjan’s edition. The results of this analysis have been accepted by Grillmeier, Gribomont and de Halleux, while others tried to interpret the facts in other ways. The existence of the Dialogue is an important witness to the survival of Antiochene chrishttps://doi.org/10.1515/9783110647419-020

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tology into the late fifth century in the Greek West. In fact it was still existing there in the 6th century. Ps.-Nestorius develops a christological doctrine which is a variant on the teaching of Nestorius. Concerning the two prosopa in Christ which are the one prosopon he is going a step further than Nestorius: the prosopon of one nature „appropriates“ the prosopon of the other nature and thus there is one prosopon, the „own“ prosopon of one nature becomes the „own“ prosopon of the other (and viceversa). But both authors differ completely in the use of hypostasis; the authentic Nestorius has two hypostases for the two natures in Christ, but the author of the dialogue does without the term in christological teaching  – with one surprising exception. He says after having spoken of „one“ and „two“ in Christ: „They have difference of nature, one qenoma and one parzopa“ (Bedjan p. 81,4  f.). Nau in his translation added to this, though in brackets: „(pour chaque nature)“ (p. 52,11  f.), because he considered the Dialogue to be authentic and could not believe that Nestorius would use μία ὑπόστασις for the one Christ. At this point let me digress for a moment. When Antiochene and Syriac dyophysite theologians of the 5th century take their basic formula, two natures, one prosopon, as a frame and start to develop it into the variants we find Nestorius and Ps.-Nestorius (there are further variants in the Syriac translation of Theodore of Mopsuestia, De incarnatione in add. 14.669, and in Narsai), they all have a common starting point. It is to be found in a single passage from Theodore’s De incarnatione, bk. VIII, ch. 63. All the elements of the later development are there, though in a rather loose connection, which explains why people felt free to go on from that in their own several ways. These elements are [56] 1) ὥστε οὐκέτι εἰσίν δύο πρόσωπα ἀλλ’ ἕν (in Christ), „so that there are not anymore two prosopa but one“; 2) οὐδὲ γὰρ ἀπρόσωπον ἔστιν ὑπόστασιν εἰπεῖν, „you may not say that hypostasis is without prosopon.“ This is said about the Logos and not repeated in the following sentence about the human nature – should we add it here mentally by inference? 3) the constitution of man is given as an example by Theodore: soul and body have each a nature, a hypostasis, a prosopon. The inference „therefore in Christ …“ is not drawn expressly. Theodore evidently never worked out this sketch in another of his works, so anybody who took it up had to try and answer for instance the question for himself, how the two prosopa were one prosopon in Christ. So far as I can see, this special question was taken up explicitly only by Nestorius and in his wake by Ps.-Nestorius. Later Syrians like Babai the Great and others when they speak of it are using the Liber Heraclidis which they of course took to be an authentic work throughout by Nestorius. In the conclusion of my monograph on the Lib. Her. (p. 228  f.) I pointed out the difficulties arising from the fundamental presuppositions of Nestorius. The presuppositions are three:

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1) The unity of the one Christ is a matter of course (it has been the merit of Scipioni to point this out firmly, see below) and is seen from the outside, so to speak, the one prosopon is a prosopon of doxology; it is also seen in Christ’s work and reign. 2) the absolutely transcendent nature of the God Logos which cannot unite itself with human nature in a „physical“ manner; 3) the full human nature without any diminution. During his time in Constantinople Nestorius did no more than to put side by side the three elements just defined. But the desription of Christ’s unity „from the outside“ was misunderstood to be purely external; nevertheless the polemics against the teaching of one nature and one hypostasis caused Nestorius to stress even sharper the differences of the two natures. But how to present the inner structure of the unity in Christ? The natures, unable to communicate as natures because of their definition, are to be further determined in such a way that their coming together could be understood as indivisible union. So Nestorius sharpens so to say their concept to the point of the prosopon physikon of each nature; the prosopa physika „use“ each other. The mutual „usage“ cannot be conceived to be interrupted even for a moment – otherwise there would not be the „one common prosopon of union“ of both. What Nestorius really aims at is the identity of existence of both natures. I have told you already, how much nearer Ps.-Nestorius has come to this aim (above p. 55 [hier in diesem Band S. 363). – So far about the Liber Heraclidis. It is of course impossible to deal here with all the literature on Nestorius even of modern times. For a usefully short survey see Grillmeier in the appendix of his English „Christ in Christian Tradition“ of 1965, p. 496–505, beginning with the year 517 and going on to 1963. Even for the time after 1945 I shall only mention and speak a few titles which seem to me to have advanced our understanding or are otherwise characteristic. The treatment of Nestorius and his christology by the specialists has been on the whole fair and balanced, sometimes even sympathetic. [57] Farthest in this direction went the renowned byzantinist Milton V.  Anastos, in his article in Dumbarton Oaks Papers of 1962 „Nestorius was orthodox“. It was just possible for Anastos to mention Grillmeier’s paper „Das scandalum oecumenicum…“ (Scholastik 1961) in his notes. He finds himself „in essential agreement“ with Grillmeier. „The major difference between us“, Anastos continues, „is that I take Nestorius to have been completely orthodox, whether judged on the criterion of the Chalcedonian Symbol or from the point of view of speculative theology, whereas he“ (Grillmeier) „has some reservations“. Anastos takes as point of comparison not only the Chalcedonense but also the second letter of Cyril to Nestorius. In his summing up we read (p. 139): „Still, since Cyril is universally esteemed in the Church as a Chalcedonian before Chalcedon, the christology of Nestorius, if orthodox, should be reconcilable, notwithstanding angry denials on both sides, with Cyril’s. In truth, it must be admitted, the line which separates them on this, as on all other issues, is either very thin or nonexistent. Both agreed that the qualities of the two natures are referable to the one person, Jesus Christ. They defined this entity somewhat differently, but it is

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obvious that Cyril’s ‚one prosopon … the one incarnate hypostasis of God the Logos‘ and Nestorius’ ‚one prosopon of Christ‘ … were both intended to define the Jesus Christ of the Gospels. Moreover, Cyril’s characteristic notion that ‚the Logos suffered in the flesh‘ is theologically the exact equivalent of Nestorius’ dogma that the Logos suffered in the prosopon of the manhood he took for his own“ (this latter expression is in fact from Ps.-Nestorius). „For as we have seen  …, the prosopon of the manhood is the schema or the flesh and body of Jesus Christ“. Two years later appeared, in Greek, the doctoral thesis of Georgios Bebis (Μπέμπης): „Contributions to the research on Nestorius, from the orthodox viewpoint“, Athens 1964. Evidently, for linguistic reasons, the author could not make use of Scipioni’s first monograph on Nestorius of 1956; the only case where there is a reference to the content of Scipioni, it is through Grillmeier’s „Das scandalum oecumenicum …“. Anastos is contradicted, and Bebis is scandalized by the connection seen by Grillmeier between Nestorius and the great Cappadocians for the use of their trinitarian distinctions between ousia, hypostasis, prosopon in christological matters. (I may add, that there are also christological expressions of Gregory Nazianzen taken up by Nestorius). The „orthodox viewpoint“ of Bebis is the neo-Palamitic one. But in spite of its many weaknesses the book has the merit to be the first Greek-orthodox monograph on Nestorius. The author is interested in an ecumenical dialogue with the Nestorians. He was able to read an unpublished Nestorian B.  D.-thesis from India, written in English by G.  D.  Mooken, A Re-examination of the Theology of Nestorius. With a view to assessing its relevance for today, Jahalpur 1961. I gather from Bebis’s report on the thesis, that Mooken follows the opinion of Loofs, that had Nestorius been present at Chalcedon, he would have been a pillar of orthodoxy. Evidently Mooken speaks of Cyril in conciliatory language and avers quite rightly that the two opponents approached the christological problem from different viewpoints. Bebis himself refutes correctly the old list of heretical clichés attributed to Nestorius. Therefore he insists that Nestorius does not teach like Paul of Samosata, that he is no Pelagian, that he does not teach two Sons in Christ, that the distinction of natures is not to be conceived as a spatial one. The exchange of prosopa in the Liber Heraclidis is considered a progress compared with [58] the earlier Nestoriana. – To all of this we all of us should be able to consent and should go on from that to more positive statements. Next I want to mention the two monographs written in Italian by the Dominican Luigi I.  Scipioni in 1956 and 1974 respectively. The first is called „Ricerche sulla cristologia del ‚Libro di Eraclide di Nestorio‘ with the subtitle „La formulazione teologica e il suo contesto filosofico“. Of course the whole of the Lib. Her. is still taken to be authentic. That has the result, as Gribomont noted (in his review of the second monograph, p. 115), that Scipioni’s picture of the christology of his hero was most lucid in the parts based on the dialogue (by Ps.-Nestorius) at the beginning of the Lib. Her. Scipioni also took the Liber de Unione of Babai the Great as a commentary on the Lib. Her., but, as Gribomont noted again (p. 113), perhaps without taking into account sufficiently the fact that Babai himself uses the Lib. Her. and therefore does not represent

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an independent Antiochene tradition. Nevertheless, „Ricerche“ is a very good book, not only because of his fundamentally positive view, but above all by the explanation given of the relationship between nature, hypostasis and prosopon with the help of „the Stoic position“ (part III of the book) which is quite illuminating. Grillmeier is right however, when he says that all this had been absorbed already by Christian theology before Nestorius, and when he indicates the relationship with Cappadocian formulas. But there is also a precedent nearer home, in the text I quoted above already, the De incarnatione of Theodore, where we can constitute the series of individuation as ousia or physis – hypostasis – prosopon. The connexion between Cappadocian and Antiochene terminology is easily explained by the common position the Cappadocian and Antiochene theologians took in the trinitarian debates of the time, that is the position of neo-Nicaenism. Meletius, the bishop of Antioch, was the most important figure at the ecumenical council in Constantinople in 381, and the Catechetical Homilies of the Antiochene presbyter Theodore, the later bishop of Mopsuestia, are a powerful statement of neo-Nicaene trinitarian thinking. Scipioni’s second monograph, Nestorio e il concilio di Efeso, of 1974, gives a lively narrative of the gripping story of Nestorius. The author’s judgement on Cyril’s christology is coolly critical: the Alexandrine’s teaching is oldfashioned and considering the problems raised by the teaching of Apollinarius. Concerning the ps.-Nestorian dialogue in the Lib. Her. Scipioni takes the position that it is written by Nestorius himself at the time of his first exile. This does not convince me at all, of course (which would not have surprised Gribomont, see op. cit. p. 115). A.  Grillmeier has worked on Nestorius through the continuing growth of his great work on christology and also i.a. in his paper „Das scandalum oecumenicum des Nestorius in kirchlich-dogmatischer und theologiegeschichtlicher Sicht“. This paper appeared first in the journal „Scholastik“ of 1961 and has been reworked and republished in the volume of Grillmeier’s collected papers, „Mit ihm und in ihm“, in 1975. As the title indicates, Grillmeier is distinguishing two viewpoints from the teaching of Nestorius has been, respectively can be judged: the ecclesiastical and dogmatical on one side, on the other the role of Nestorius in the history of theology. Concerning the first, resulting in the condemnation of the bishop, Grillmeier is apologetic and considers it unavoidable given the circumstances at the time, and therefore justified (p. 279  f.). But concerning the position of Nestorius in the history of theology the judgement has to be much more favourable. For Nesto[59]rius was sincerely trying to find a solution of the christological problem as it had been posed by Arianism and Apollinarism. He is to be claimed in fact as one of the first theologians who thought out a theory of incarnation. Grillmeier notices (p. 261) the bishop’s use of trinitarian terminology in christology, but in course in inversion, and asserts that nobody else had done this with so much deliberation. But this is not quite true, since Tertullian had done exactly the same more than 200 years earlier in Adversus Praxean – however Tertullian was not bothered by the term „hypostasis“. It is not necessary here to go into the reasons for this difference between the two theologians.

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Anyhow, the method used by Nestorius is seen by Grillmeier as one to raise the discussion of the problem to the level of theological and metaphysical analysis. The ecclesiastical framework of the thinking of the bishop has to be insisted on (ibid.). With the exception of the term „hypostasis“, Nestorius anticipated the Chalcedonian formula, for he speaks of Christ „in two natures“ or of „one prosopon in two natures“ (p. 263). But the passion, vehemence and impetuosity displayed in the disputes of the time blocked the way which could have led to a solution, if only there had been the possibility of common endeavour and careful analysis of arguments (p. 282). – If we are in a better position today and not so ready to hurl anathemata against each other, we may perhaps come to a better understanding. We now come to Grillmeier’s „Jesus der Christus im Glauben der Kirche“, vol. 1, third German edition of 1990 with corrections and additions. The chapters on Nestorius are arranged strictly in the chronological order of events, the treatment of the Liber Heraclidis is therefore to be found after the chapter on Ephesus 431. To describe the role of Nestorius in the development of christological tradition is considered by Grillmeier to be a contribution to the theological rehabilitation of the bishop. The better we can show the orthodoxy of his teaching, the easier will be the establishment of contact with the Nestorian church of today (p. 642). About the „kerygmatic“ necessity of the condemnation of Nestorius by the church Grillmeier speaks perhaps with more caution here than in the former paper. What was condemned was a „popular“ presentation of a heresy and of a heretic, which corresponded more to the exigencies of the church’s preaching than with historical exactitude (p. 644). Modern research has the ecumenical task to fill up the gap between what was seen as heresy and the real teaching of the condemned. The Second Vatican Council promoted just such a task (p. 645). Of Grillmeier’s chapter on the Ephesinum we may take note of the following remarks: The fathers of Ephesus did not create a new formula of faith – this refers to the synod held by Cyril of Alexandria, which won the recognition of the church. If one wants to speak of an „Ephesinian symbol“, there is the formula of the synod held by John of Antioch, which with some alterations became the symbolum unionis of 433. The theological center point of the Cyrillian synod was the content of the dogma of incarnation and the „heresy“ of Nestorius (p. 687). Very important was the strong stress on the council and creed of Nicaea; Cyril’s second letter to Nestorius was compared and found to be in conformity with it, while the answer of Nestorius was condemned as contrary to the Nicaean creed, in spite of the fact that the bishop of Constantinople had argued from it (p. 688). The lecture of the two letters by the synod is to be taken as the decisive dogmatical act of the synod. The dogmatical idea found in Nicaea by the Ephesinian fathers is: „One and the same is the eternal Son [60] of the Father and the Son born according to the flesh by the Virgin Mary, who is justly called theotokos“ (p. 689). Grillmeier’s chapter on the Liber Heraclidis I recommend as a very good description and analysis of the authentic parts of that book (p. 707–726). Grillmeier repeats

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his former observation that Nestorius is really interested in a unity of being in Christ. The idea of the exchange of prosopa is completed by the idea of perichoresis (p. 722  f.). But the Cappadocian language was not sufficient to express his real meaning and he himself was not able to surmount it. However, this treatment of the problem is not too simple but too complicated: „Truth does not lie in complication“ (p. 726). – At this point it may be useful to remind ourselves of a remark made by Josef Barbel concerning the insufficiency of the term prosopon as used by the Cappadocians and therefore by Nestorius (RHE 60, 1965, p. 499): „Naturellement, toute metaphysique de la personne fait défaut. Mais elle fait tout aussi chez Augustin. Et nous-mêmes, en savonsnous aujourd’hui tellement plus?“ To which we may add: Could we apply a better definition of person, should it exist, without further reflection and accommodation to the one person of Christ? The Antiochenes were very conscious of the problem. But in fact, whether we seek to define the unity of Christ on the level of nature, or hypostasis, or prosopon, or person in a more modern sense – in every case we have to define the term used in a special way, which is not applicable to any other though you will find always, I suppose, the special and unique application formulated as a general rule. I conclude the first part of my paper with two articles, quite recently printed, by our much regretted and truly irreplaceable colleague and friend, André de Halleux. These are: La première session du concile d’Éphèse (22 juin 431), in Ephemerides Theologicae Lovanienses 69 (1993), and: Nestorius, histoire et doctrine, in Irénikon 66 (1993) and p. 198 of this volume. The latter article was written for the Council of the Churches in the Middle East as de Halleux told me in his last letter – so the members of the Council here present will already know it. To begin with the paper on Ephesus 431 and the condemnation of Nestorius, de Halleux finds that very few of the newer standard works on the history of the church and of dogma are making direct use of the material in the diverse collections of the acts as edited for the first time critically by Ed. Schwartz in ACO.  The first session of Ephesus 431 especially is retold normally without taking into account the many stages of editing that a report went through, before the publicized form was reached; de Halleux speaks of a „cascade of adaptions“ and the consequent loss of correspondence with the original words. For the first session of Ephesus these usual disadvantages are doubled by another circumstance: the lack of impartial verification and of official authentification. There were gathered the followers of Cyril, being by themselves after they had expelled by force the imperial commissioner whose task it was to uphold the order of the proceedings. The „editio“ of the acts of this session therefore was dependant completely on the Alexandrian secretariat of the meeting. Since the imperial commissioner was of course going to submit his own report on the court, it was extremely urgent to produce as quickly as possible a report on the meeting by the actors which had to appear as keeping scrupulously close to the rules of procedure, which were those of the imperial senate (p. 48–51). [61] De Halleux then treats his subject in two chapters dealing with the time before the inauguration of the synod and the course of the first session, respectively. He

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ends with an „ecumenical conclusion“. For one purpose it is this conclusion which is most important (p. 81–87). The first session of the synod was not the doctrinal debate demanded by the emperor, but a judicial action against Nestorius as a heretic. The inauguration of the Cyrillian synod as it was engineered went against the imperial instruction and was therefore irregular. When one tries to evaluate that decisive session two questions pose themselves: 1) Was the process against Nestorius equitable? 2) Where is the „dogma of Ephesus“? (p. 82). Today one has to find an answer to these questions in the spirit of Vatican II.  Christians will have to purify their memory of the faults of the past so as to overcome them. To try to deny incontestable historical truths in the name of faith is a sign of badly understood faith and leads to bad apologetics (n. 178 on p. 83). Nestorius in his Apology complained that without bishop John of Antioch and his suffragans the Cyrillian synod was only a particular and partisan synod; the bishop of Alexandria was judge and interested party as well; the judgement was passed without the presence of the accused. The imperial commissioner himself told the Oriental bishops that the decision had been reached without any examination or investigation and contrary to the imperial instruction. But not very much later it was punishable to say this and the 5th ecumenical council condemned everybody who still kept to this opinion (p. 83). Today nobody can detect in the literary relicts of Nestorius the gross adoptianism which Cyril attributed to him and which the victim always repudiated. Concerning the title Theotokos we have to take note of the fact that Nestorius accepted it in his cathedral homily of Dec. 7, 430; that it was taken up in the symbolum unionis of 433 which was accepted in its turn by Cyril (p. 84). De Halleux speaks twice of the „orthodoxie foncière“ of Nestorius, meaning that he is basically orthodox. Having established that, one should be in a better position to say what the „dogma of Ephesus“ consists of (p. 85). Roman catholic theologians located it in the second letter of Cyril to Nestorius, condensing its content in the catchwords „Theotokos“ and „hypostatic union“. This is also what tradition kept as doctrinal result of the third ecumenical council. Cyril explained to adversaries and followers alike that „hypostatic“ or „natural union“ is nothing else than a „true“ union. Therefore the „dogma of Ephesus“ does not exclude the legitimacy of the Antiochene approach to the mystery of distinction in unity. And that is expressed in the symbolum unionis of 433 which can be considered to be the true doctrinal conclusion of the Ephesenian council. Nestorius could have signed that symbol. We should therefore undertake a rélecture of the Ephesenian judgement on Nestorius in the light of the symbolum unionis and in an ecumenical spirit. In recognizing the basic orthodoxy of Nestorius we of course do not overlook the weakness of his explanation of the unity of Christ’s person. The second paper of de Halleux, printed in Irénikon 1993 in two sections, is much shorter but treats the doctrinal side of the question in the same measure as the procedural. The opinions of de Halleux appear in even sharper relief than before. He considers the judicial action against Nestorius contestable (p. 40), the inauguration

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of the synod illegal, there is indeed no other ecumenical council that began its [62] proceedings by defying imperial instructions (p. 41). Though the ecclesiastical tribunal sought to compensate the juridical irregularity of its meeting by strict observation of the forms of procedure, it nevertheless acted against an elementary rule of natural right, by having the accuser as judge (p.  41). It is not certain whether the excerpts from Nestorius which now figure in the acts were read at all at the synod, in any case they were not discussed. If the theological expressions used by the author of the excerpts is sometimes disagreeably provoking, they nevertheless correspond to Antiochene christology which in its turn is not incompatible with the patristic florilegium included in the acts. – The accused is deposed, which is much more severe than to be excommunicated (p. 44). Nowhere his „heresy“ is put in precise terms, it is stated simply that he uttered blasphemies against Christ (p. 45). De Halleux then recounts the events after the arrival of John of Antioch at Ephesus: his own synod, and how the case of Nestorius was lost by the Orientals, not without help of enormous bribes from Alexandria distributed at Constantinople; how the Orientals were forced to assent to the condemnation of Nestorius’s doctrine, the persecution of those who refused to do this. One has to acknowledge the disinterested attitude of Nestorius during all these troubles, in spite of the even harder places of exile he was brought to in Egypt, where he lived until 450 (p. 45–50). Concerning the doctrine of Nestorius: his answer to the second letter of Cyril was judged in Ephesus to be in opposition to the faith of Nicaea, but it gives a philologically correct, Antiochene interpretation of the second article of the Nicaene creed. The disturbing expressions from his excerpts have to be read against the background of pre-Chalcedonian Antiochene christology with its strong anti-Apollinarian impetus (p. 163  f.). What about the opposition of Nestorius against the title Theotokos? This „bugbear“ (as the church historian Socrates called it, h.e. 7,32) has to be reduced to his just proportions. The title was far from being in universal usage and had to be explained to the Occident after Ephesus. In Cyril’s large œuvre it practically does not appear before 428, while it can be found in one of the homilies which Nau printed (in the Appendix to his translation of the Lib. Her.). Even at the heigth of the controversy Cyril is not constant in applying the title to Mary and he can call her the „holy Virgin“ without further attributes. Nestorius opposed an „Apollinarian“ interpretation of Theotokos, but he took up the expression in a sermon (of 430, mentioned already above) (p. 165). It is not the teaching of Nestorius that Jesus was constituted divine Son of God by his merits. Like all Antiochene theologians Nestorius refuses to let „ascend the properties of the flesh into the essence of God“. The humanity of the Word incarnate, its consubstantiality with us is taken very seriously by Nestorius. According to him, one may not say that the Word „became“ flesh, „becoming“ is interpreted as „inhabitation“ and as „taking on the form of a servant“. To use „to become“ for the Logos entrains mutability and that had been condemned by the Nicaene creed. Nestorius also uses the language of clothing – de Halleux refers at this point to the „venerable Syriac tradition“ in the use of the metaphor (p. 166), but I may also add that ­Alexander

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of Alexandria, the predecessor of Athanasius, employs this language. De Halleux regrets that Cyril by his restrictions has impoverished the christological heritage of the church universal. „In spite of all his glory, the Alexandrian christology represents a partial approach only to the mystery of incarnation. One should avoid to confuse Alexandrian particularities with the Apostolic tradition as such“ – for the Antiochene tradition [63] preserves other and authentic aspects of that tradition. Also regrettable is Cyril’s suspicion concerning the term synapheia, „conjunction“, which he misunderstood (intentionally) as simple moral union. Here I want to point out that synapheia is used by the Antiochenes in the sense of „unconfused union“ (asynchytos henosis), and that asynchytos henosis since its introduction into trinitarian and christological language belongs to the realm of the divine, is nothing less than a physical union and certainly not a mere moral union, but a supranatural union in the strictest sense. – De Halleux then mentions, as did Grillmeier, the passages where the thought of Nestorius could have been expressed by the term perichoresis (p. 167). Therefore de Halleux repeats his claim that Nestorius is basically orthodox in his intentions (p. 168). The next chapter is called by de Halleux „une christologie insatisfaisante“ (p. 169–174) – since by now we know all about this, I will take up only some of the author’s remarks, such as: „Let us avoid the condemnation of ‚the‘ dualism of hypostases, which is at first sight unacceptable for any Cyrillian, be he a Chalcedonian or a non-Chalcedonian“, for one has to remember that the concept of hypostasis (in its christological use) was not defined before the 6th century, and even then not in the same way by all (p. 171). Understood in the sense of Nestorius, hypostasis as objective and individual nature can be applied to Christ’s manhood in a completely orthodox sense (p. 172). The great question is of course the „prosopon of union“. De Halleux does not see it as deprived of all ontological consistence, but „at least of its signification of ultimate ontological principle“, that is of „person“ in the modern sense. Nestorius, though au fond an orthodox believer, was not a good theologian. He brought a defect of Antiochene christology to its extreme expression (p. 173). But Antiochene christology has an irreplaceable function: to remind us that the Christian paradox of God who is born, suffers and dies, cannot compromise the immutability and impassibility of the divine nature nor mutilate the humanitas assumpta in the exercise of its activity and its own will (p. 174). Concluding with „Une perspective pour le dialogue“ (p.  174–177), de Halleux emphasizes that the Assyrian church of the East professes through the formulas of her own tradition the common faith in the unconfused unity of Christ. In the creeds and theological statements of the patriarchal synods of this church, the specifica of the Liber Heraclidis, that is to say: the exchange of prosopa and the one common prosopon, do not appear. The greatest of her theologians, though, use these expressions (because they are the most educated among the clergy, we may add – the Liber Heraclidis does not make easy reading). The perspective for the near future as seen by de Halleux, looks like this: After clearing up the misunderstandings in matters of terminology, the Assyrian Church of

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5.3 The History of Research into Nestorius 

 373

the East couId agree to consider orthodox the Cyrillian and Chalcedonian formulas of the one hypostasis of the Word incarnate, situating the Hypostasis on the ontological level of person. However, this church must not be asked by the other churches to receive the formulas mentioned into her own christology; at the same time, her own formula of two hypostases in Christ are to be understood in an entirely orthodox sense, given the different concept of hypostasis. Each tradition has tried to express in ontological language something of the unfathomable mystery of union without separation and confusion. A common profession of faith, respectful of these traditions should content itself to be inspired by [64] the kerygmatic language of the Apostolic tradition, as it was condensed in the creed of Nicaea. De Halleux’s insights are of crucial importance for our consultations, for this reason I have referred to them at such length. But now of course the time and the space is lacking to do justice to Nestorianism in the same way. In spite of this I want to begin with some remarks on the translation of Syriac christological terminology in the existing editions. Those who do not read old Syriac are of course obliged to rely on translations. Some of them give a quite misleading picture of Nestorian christology by translating qenoma as „person“, „personne“, so that the two qenome, the two hypostases of Christ, become two persons. This then leads to the further difficulty to find a fitting translation for parzopa, prosopon. To give some instances from the nineties of the last century to the eighties of ours: „personne“ for qenoma is used by Martin in his edition and translation of Narsai’s Homily on the three Nestorian teachers (1899/1900); Frederick McLeod in his edition and translation of a group of Narsai’s Homilies on the Nativity, Epiphany, Passion etc. of Christ still does the same (Patr. Orient. 1979). But I hear that in the meantime he has seen the error of his ways. The great Chabot in his big volume containing the Synodicon Orientale (1902) appears to be not consistent in the way he renders qenoma; we find again and again „personne“, though occasionally he says hypostasis. To my amazement Robert Hespel and the venerable Draguet still kept to „personne“ for qenoma in their translation of the Scholia of Theodore bar Konai, the text of which had been edited by Addai Scher long ago. Hespel and Draguet then proceed to give parzopa as „personnage“ with sometimes unhappy results (CSCO 1981/2). Antiochene christology and exegesis reached the Christian church in Persia in full force by Narsai, formerly director of the School of Edessa and then in the same position at the School of Nisibis, where also other teachers assembled after the closure of the Edessene academy. A great difficulty is the fixation of the date of Narsai’s expulsion from Edessa, see the discussion in the Leiden thesis by Judith Frishman, „The Ways and Means of Divine Economy“, of 1992 (p.  1–6 of the third part). Frishman here edits and translates a group of six homilies of Narsai. Narsai’s arrival at Nisibis belongs to the second half of the 5th century (471 probably); but he did not bring with him the Liber Heraclidis, he did not even know that book. It was in the first half of the 6th century that the Liber Heraclidis came to Persia: Mar Aba, later Catholicos,

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 5.3 The History of Research into Nestorius

64, 65

brought a Greek copy from the West, from Constantinople, I believe. It was translated in 539/40 and gave to the dyophysite church there a second injection of Antiochene christology, in a very special form. The most effective use of it was made by Babai the Great (d. 628) in his book „On the divinity and the humanity and on the prosopon of union“, better known under his shorter title as De unione. The „Great Monastery“ of Abraham of Kashkar evidently had a copy of the translated Liber Heraclidis, for we know of Bar ʿEdta from this monastery, who learned the book by heart (really all of it?) before 561. Babai the Great himself was abbot of the Great Monastery and indeed addressed the Liber de Unione to the brethren there. This work shows him to be the best dogmatician of his church; a remarkable trait of it is the subtle reinterpretation of some topoi central to Theodore of Mopsuestia. On the other hand he takes over the two qenome and the complicated doctrine of the different kinds of prosopa from the Liber Heraclidis, which result in [65] the one prosopon of union, cp. the original title of De unione just quoted. It is his influence which altered with the document of 612 the character of the synodal statements of the Persian church, until his time of cautious expression, sometimes very near the Chalcedonian formula, sometimes insisting on adherence to the heritage of Theodore. There is a paper by Sebastian Brock in a Festschrift of 1985 describing and translating into English the material from the Synodicon Orientale. The document of 612 made two qenome in the one Christ the official teaching of the Church of the East. The reasons for this more radical expression of the christological dogma were the presence of a second ecclesiastical organization in Persia, of Severian persuasion, and a branch of neo-Chalcedonianism in the dyophysite church itself teaching one composite qenoma of Christ, so taking up the hypostasis synthetos from the West. In the person of Henana it dominated the School of Nisibis for several decades. A handbook like the „Nestorian collection of christological texts“, published by A.  E.  Goodman and me in 1972 is intended as a statement of Nestorian orthodoxy in view of these divergent christologies. If we look back from 612 to Narsai we find in his homilies also a clear doctrine of two natures, two qenome and one prosopon in Christ. As in Nestorius, the distinction of two hypostases by Narsai was certainly a reaction to Cyril’s one christological hypostasis as taught in a special provoking manner in the twelve anathemata. It is our task now to overcome the old misunderstandings and the hostile insinuations on both sides. The rich heritage of the Church of the East should be preserved by the efforts of us all.

5.4 Der Christusglaube der Konzilien 1 Die vier ökumenischen Konzilien Bei den vier Konzilien handelt es sich um die als „ökumenisch“ bezeichneten Synoden von 325 in Nicäa, 381 in Konstantinopel, 431 in Ephesus und 451 in Chalcedon. Das Adjektiv „ökumenisch“ hat sich im Lauf der Jahrhunderte in seiner Bedeutung gewandelt. „Ökumenisch“ hießen die Synoden damals, weil der Kaiser sie für das Reichsgebiet oder für seine Reichshälfte einberief. Für Römer und Griechen fiel das Römische Reich weitgehend mit der ihnen bekannten Welt zusammen, und die hieß oikoumene. Im Lauf der Zeit hat sich eine andere Bedeutung von „ökumenisch“ entwickelt, wenn man von „ökumenischen Synoden“ spricht: es sind die für die ganze Kirche verbindlichen. Alle vier genannten Synoden sind vom Kaiser einberufen worden: von Konstantin dem Großen, von Theodosius dem Großen, von Theodosius dem Zweiten und von Marcian, den die Schwester des zweiten Theodosius, die Prinzessin Pulcheria, geheiratet hatte. Mit Ausnahme von Ephesus 431 tagten die drei anderen Synoden, wenn schon nicht in Konstantinopel selbst, dann doch in der nächsten Nähe der östlichen Hauptstadt des Römischen Reiches, 325 in Nicäa in Bithynien und 451 in Chalcedon, so daß die Kaiser immer Kontrolle über diese Synoden ausüben konnten, wenn sie es wollten. Soweit wir etwas über den Ablauf der Synode von Nicäa wissen – und das ist leider sehr wenig – nahm Kaiser Konstantin an den Debatten dort teil. 451 wirkte Kaiser Marcian durch die das Konzil leitenden Senatoren auf die Bekennt[238]nisbildung ein. Ohne den Druck des Kaisers wäre das Chalcedonense in der uns jetzt vorliegenden Form nicht zustandegekommen. Über die Synode von 381 würden wir ebenfalls gerne mehr wissen, als es der Fall ist; aber über Ephesus 431, eine höchst unerfreuliche Veranstaltung, und Chalcedon 451 sind wir umso besser unterrichtet. Denn zu diesen beiden Synoden des 5. Jahrhunderts liegen uns große Aktensammlungen vor und die für die damalige Veröffentlichung bestimmten Protokolle. All diese Texte sind von Eduard Schwartz1 meisterhaft ediert worden. Dadurch sind ältere Ausgaben, Mansi2 vor allem, überholt. Für die beiden älteren Synoden ist nichts Vergleichbares überliefert, so daß manche Ungewißheiten bleiben und man in einigen Dingen über Hypothesen nicht hinauskommt. Die Dokumente, in denen die vier Konzilien ihren Christusglauben niedergelegt haben, sind das Ergebnis heftigster theologischer Auseinandersetzungen, und zwar auch zwischen Kirchenparteien oder Theologengruppen, die am positiven Ergebnis mitgewirkt haben. Diese Dokumente wollen abwehren, abgrenzen, ausgrenzen, defiAnmerkung: [Die Endnoten des Originals wurden in Fußnoten umgewandelt – d. Red.] 1 E.  Schwartz (ed.), Acta Conciliorum Oecumenicorum, Straßburg 1914  ff. 2 G.  D.  Mansi (ed.), Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio, Florenz/Venedig 1759–98. https://doi.org/10.1515/9783110647419-021

376 

 5.4 Der Christusglaube der Konzilien

238–240

nieren und unter Umständen einen Ausgleich herbeiführen. Deswegen mußte spezifiziert, differenziert, aber auch kombiniert werden. Die bloße Wiederholung des Alten, auch wenn man sich darauf immer berief, reichte bei neuen Fragestellungen nicht aus. Daraus erklärt sich der Gebrauch eines Vokabulars, das immer wieder als unbiblisch empfunden und kritisiert worden ist und noch wird, nämlich ousia („Wesen“), physis („Natur“), hypostasis (praktisch unübersetzbar, am besten als „Hypostase“ zu übernehmen), prosopon („Person“), und im Chalcedonense die vier bekannten negativen Adverbien, deren Leitwort asynchytos („unvermischt“) ist. Ganz wörtlich heißt asynchytos „nicht zusammengeschüttet“; weil es im Griechischen mehrere Ausdrücke für ‚mischen‘ gibt, ist es nützlich, beim Übersetzen genau zu sein. Über diese vier negativen Ad[239]verbien hat sich A. v. Harnack höhnisch und absprechend geäußert.3 Den Hintergrund solchen Vokabulars zu erforschen und damit zu einem besseren Verständnis zu kommen4, gehört zur historischen Arbeit, die auch in der Theologie unentbehrlich ist. Auf den vier ökumenischen Synoden wird das trinitarische und dann auch das christologische Problem behandelt. Auch wenn es sich in beiden Fällen um den Sohn Gottes handelt, ist es nützlich, wenn man die beiden Probleme unterscheidet, einfach um theologisch ein bißchen genauer zu reden. Distinguere est intellegere, sagte die Scholastik, „unterscheiden heißt verstehen“. Beim trinitarischen Problem geht es um das Verhältnis des Sohnes Gottes zu seinem Vater und später auch um das Verhältnis des Heiligen Geistes zu Vater und Sohn. Der christologische Streit betrifft das Verhältnis von Menschlichem und Göttlichem in Christus selber.

2 Vorstellung der Konzilstexte Zur Veranschaulichung habe ich vier Texte ausgewählt und diese übersetzt: Text I ist das Nicänum von 325. Er ist in vier Abschnitte gegliedert, Abschnitt II mit a) und b) unterteilt. Für die genauere Besprechung habe ich auch noch die Zeilen in II. a), b) durchgezählt. Text II bietet nicht das Nicäno-Konstantinopolitanum (im Folgenden = C), sondern eine präzise gefaßte theologische Definition. Diese Definition stammt aus dem Jahr 382, wo man ebenfalls in Konstantinopel zusammenkam und ist, wie die Synodalen selbst sagen, eine Kurzform dessen, was schon 379 in Antiochien formuliert und 381 in Konstantinopel wiederholt wurde. Während uns also die Zusammengehörigkeit der Vorlage dieser Kurzform und des ökumenischen Konzils von 381 durch die Beteiligten selbst bezeugt ist, [240] ist die Art des Zusammenhangs von C mit dem Konzil viel 3 A. von Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte II (4. Aufl.), Tübingen 1909, 397  f. 4 Für das chalcedonensische „unvermischt“ s. L.  Abramowski, Συνάφεια und ἀσυγχύτος ἕνωσις als Bezeichnung für trinitarische und christologische Einheit, in: dieselbe, Drei christologische Untersuchungen (BZNW 45), Berlin 1981, 63–109.

240, 241 

2 Vorstellung der Konzilstexte 

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schwerer zu bestimmen. Erst 451 heißt es, dieses Bekenntnis sei von den 150 Vätern unter dem großen Theodosius in Konstantinopel aufgestellt worden. Die Entstehung von C ist oft diskutiert worden. Die beiden jüngsten Hypothesen stammen von Adolf Martin Ritter, der ein Buch über das Konzil von Konstantinopel geschrieben hat5, und von mir selbst.6 Wenn man meiner Hypothese folgt, begreift man eher, warum in C, das uns als Meßbekenntnis vertraut ist, die eigentlich zu erwartenden termini der gerade ausgebildeten neunicänischen Trinitätslehre nicht vorkommen. Weder wird da von den „drei wesensgleichen Hypostasen“ und der „einen Wesenheit“ in der Trinität gesprochen, noch wird vom Heiligen Geist gesagt, er sei dem Vater und dem Sohn „wesensgleich“. Man hat sich deswegen immer bemühen müssen, diese Ausdrücke und das damit Gemeinte in den Text hineinzulesen. Nach meiner Auffassung, die sich auf die Kombination verschiedener, bisher noch nicht genügend beachteter Aussagen auf der griechischen wie römischen Seite gründet, geht C auf einen Text zurück, der in Rom entstanden ist. Wie wir aus einer Quelle wissen, hat in Rom eine Synode westlicher Bischöfe getagt, die das Nicänum von 325 um Aussagen über den Heiligen Geist erweiterten, diesen Text (den ich als Nicäno-Romanum bezeichne) in den Osten schickten, wo er von einer dortigen Synode akzeptiert wurde. Bei dieser östlichen Synode handelt es sich um eine große Versammlung, die 379 in Antiochien veranstaltet wurde. M.  E. ist C die bestätigende Rücksendung des Nicäno-Romanum nach Rom; eine solche Rücksendung war von den Römern verlangt worden. Der Text des Nicäno-Romanum muß bei dieser Gelegenheit noch eine gewisse Bearbeitung erfahren haben. Die römische Herkunft des Grundtextes von C würde erklären, warum wir nicht nur nichts von der neunicänischen Unterscheidung von ousia und hypostasis [241] hören, sondern auch warum diese Begriffe in C gar nicht vorkommen. Im lateinischen Westen hatte man mit hypostasis große Schwierigkeiten. Ferner würde eine römische Urform von C jene Textzeilen in C erklären, die dem Romanum und damit dem späteren Apostolicum entsprechen: die Aussagen über die Geburt aus dem Heiligen Geist und der Jungfrau Maria und die Kreuzigung unter Pontius Pilatus, die sich im alten Nicänum nicht finden. Die sich so ergebenden überraschenden Verbindungen von C nach Rom müßten sich auf das Gespräch mit der orthodoxen Kirche auswirken. Das Gespräch stolpert ja immer wieder über den späteren lateinischen Zusatz des „filioque“ in C; ja man kann geradezu von einer Vergiftung der Atmosphäre durch das „filioque“ sprechen. Wenn aber C einen römischen Ursprung hat, sieht die Sache etwas anders aus, selbst wenn man in Rom diese Tatsache einst vergessen hatte. C muß mit dem gesamten Aktenmaterial von 379 in Konstantinopel in die Akten der ökumenischen Synode von 381

5 A.  M.  Ritter, Das Konzil von Konstantinopel und sein Symbol, Göttingen 1965. 6 L.  Abramowski, Was hat das Nicaeno-Constantinopolitanum (C) mit dem Konzil von Konstantinopel 381 zu tun? in: THPh 67 (1992) 481–513 [hier in diesem Band S. 331–362 – d. Red.].

378 

 5.4 Der Christusglaube der Konzilien

241, 242

einverleibt worden sein. In Konstantinopel war C in kirchlichem Gebrauch, wie wir an Nestorius sehen, Bischof der Hauptstadt von 428 bis 431. C, wie wir es kennen, ist der Form nach ein reines Taufbekenntnis, ohne besonders schwierige Definitionen über das Nicänum hinaus. Das erklärt seinen großen liturgischen Erfolg. Es wurde im Osten tatsächlich als Taufsymbol benutzt, wurde zum eucharistischen Symbol, als diese liturgische Neuerung eingeführt wurde und kam unter Kaiser Justinian in den Westen. Doch beginnt, wie gesagt, die große Karriere von C nicht 381, sondern erst mit Chalcedon. Das Lehrschreiben von Chalcedon zitiert zuerst das alte Nicänum und dann C, unter anderem als Rechtfertigung dafür, daß man eine eigene christologische Definition vorlegte. Eine derartige Rechtfertigung war nötig wegen all derer, die die Ansicht vertraten, das Nicänum genüge, man brauche keine neuen Bekenntnisformulierungen. Einer solchen Auffassung konnte man C entgegenhalten [242] als ein wegen der umstrittenen trinitarischen Stellung des Geistes bereits erweitertes Nicänum. Die Lehrmeinung des zweiten ökumenischen Konzils liegt uns also in der Kurzfassung von 382 vor (Text II). Die genaueren theologischen Bestimmungen, die man in C vermißt, finden sich hier. Aber niemand würde auf die Idee kommen, diesen Text liturgisch zu verwenden. Text III stellt nicht etwa einen Text der kyrillischen Synode von Ephesus 431 dar – jener Synode, die die Kyrillianer als die einzig als rechtmäßig zu betrachtende Versammlung durchzusetzen verstanden. Was Text III enthält, ist das Vereinigungsbekenntnis zwischen den Antiochenern und Kyrill von Alexandrien von 433. A.  Grillmeier7 und der jüngst verstorbene Kirchenhistoriker, Orientalist und Patristiker A. de Halleux8 sind der Meinung, der ich mich anschließe, daß es dieses Bekenntnis ist, das als Abschluß des ephesinischen Konzils von 431 zu gelten habe. Der Text ist auch deswegen interessant, weil er offensichtlich in Chalcedon herangezogen worden ist. Wie Text II sich als Auslegung des Nicänums gab (ich habe das zu einer kurzen Einleitungsformel zusammengefaßt), so geht auch dem Text III, der das Kernstück eines längeren Schreibens ist, eine Berufung auf das Nicänum voran. Gemeint ist natürlich immer die Formel von 325. Das Nicänum will man auch 433 „bestätigen“ (im Denzinger-Hünermann ist plerophoria als „vollständige Erklärung“ übersetzt, aber das paßt nicht zur „Kürze“, in der die Verfasser sprechen wollen; in [kirchen]rechtlichen Texten heißt plerophorein „bestätigen“). Text IV ist der christologische Kern des chalcedonensischen Tomus (tomos = Lehrschreiben). Wie bereits erwähnt, werden der christologischen Definition sowohl das Nicänum wie nun auch C vorangestellt. Ehe auf weitere Einzelheiten eingegangen wird, ist zum theologischen Verständnis eine theologiegeschichtliche und problemgeschichtliche Einleitung nötig.

7 A.  Grillmeier, Jesus der Christus im Glauben der Kirche I (3. Aufl.), Freiburg etc. 1990, 687. 8 A. de Halleux, La première session du concile d’Éphèse (29 juin 431), in: ETL 69 (1993) 86.

243, 244 

3 Die theologische Problematik 

 379

[243] 3 Die theologische Problematik Das Bekenntnis zu Jesus, dem Christus, als dem Sohn Gottes, konnte verschieden gedeutet werden. Eine Hauptlinie der theologischen Entwicklung – es gibt nämlich mehrere – betont die Göttlichkeit dessen, der da zu Gott in Sohnesbeziehung gesetzt wird. Hieraus ergab sich schon früh die Gefahr, daß der Mensch Jesus in oder hinter dem göttlichen Jesus Christus verschwand. Deswegen haben wir ausgerechnet im Johannesprolog, der vom Eingeborenen als präexistentem Logos, Wort, spricht, der selbst theos, Gott, beim Vater ist, die für antike Ohren krasse Aussage, daß der Logos Fleisch wurde (Joh 1,14). Wie kraß, wird daran klar, daß sarx bei Paulus die Bedeutung von „Sündenfleisch“ hat. Die Johannesbriefe machen nicht nur das Bekenntnis zu Jesus als Christus (I Joh 2,22, vgl. 5,1) und als Sohn Gottes (I Joh 4,15, vgl. 5,5) zum Kriterium von Wahrheit und Irrtum, sondern die Unterscheidung der Geister vollzieht sich auch am Bekenntnis zum Jesus Christus, der im Fleisch gekommen ist (I Joh 4,2  f.; 2 Joh 7). Wer das nicht sagen will, ist nicht aus Gott, sagt der Verfasser, „löst Jesus auf“ (lyei ton Iesoun), wie die von Hans von Campenhausen9 bevorzugte Lesart von I Joh 4,3 sagt. Von Campenhausen versteht diese Lesart nicht im Sinn der zwar nicht falschen, aber verharmlosenden Umschreibung, wie sie das Bauersche Wörterbuch zum NT, 3. Auflage 1937, bietet: „lyein“ heiße an dieser Stelle „die richtige Lehre von Jesus durch Ablehnung außer Geltung setzen“, im Gegensatz zum Bekennen (homologein). Die Aland’sche Neubearbeitung des Wörterbuchs (6. Auflage 1988) verzichtet auf eine Übersetzung der Lesart. Die Betonung der Göttlichkeit oder Gottheit Christi macht also das Festhalten an seiner vollen irdischen Menschlichkeit, ja an seinem „Fleisch“ (sarx) schon früh zu einer besonderen Aufgabe, zur Soteriologie gesellt sich die Christologie. Wenn man bedenkt, daß [244] die Johannesbriefe etwas jünger sind als das Evangelium, dann finden wir uns mit ihnen am Anfang des zweiten Jahrhunderts. Aber die Betonung der sarx Christi wird im vierten Jahrhundert bei Apollinarius zum paradoxen Ergebnis führen, daß alles übrige an Christi menschlicher Natur, nämlich seine geistigseelischen Kräfte, vergöttlicht wurden, der „Mensch“ von seiner sarx unterschieden wird. Interessanterweise hat schon das Nicänum Jahrzehnte vor Apollinarius neben der Aussage „fleischgeworden“ (sarkothenta) auch „menschgeworden“ (enanthropesanta). Aus der Betonung der Göttlichkeit oder Gottheit Christi ergab sich aber noch eine weitere theologische Aufgabe. Wie nämlich konnte das Bekenntnis zu Christus als dem Gottgleichen (Phil 2,6) zum Logos, der Gott ist (Joh 1,1), mit dem alttestamentlichen Gebot des Monotheismus, der Verehrung des einen Gottes, vereinbart werden? Gewiß, auf Jesus wurden alttestamentliche Gottesprädikate, wie kyrios, Herr, über-

9 H. von Campenhausen, Das Bekenntnis im Urchristentum, in: Urchristliches und Altkirchliches, Tübingen 1979, 249–253 über den 1. Johannesbrief, 251 Anm. 153 über die Textvariante.

380 

 5.4 Der Christusglaube der Konzilien

244, 245

tragen. Das ist besonders bei Paulus der Fall, der den kyrios Jesus Christus von ho theos pater, von Gott, dem Vater, unterscheidet (auch wenn er manchmal den Vater ebenfalls kyrios nennt). Ist diese Unterscheidung die paulinische Lösung des monotheistischen Problems (was für eine paulinische Unterordnung des kyrios unter den Gott-Vater spräche)10 oder empfindet Paulus dies Problem noch gar nicht als brennend? Nicht nur die Übernahme des AT durch die Christen machte die Beachtung des monotheistischen Problems zu einer bleibenden Aufgabe, sondern natürlich auch die aus dem Monotheismus resultierende Polemik gegen den griechischen und römischen Polytheismus. Als religiöse Antriebskraft der trinitarischen Debatte kann die monotheistische Frage überhaupt nicht überschätzt werden. Es handelt sich keineswegs nur um einen Streit um Wörter oder gar Buchstaben, wie bei der oft verspotteten Differenz zwischen homoousious und homoiousios während einer relativ kurzen Phase des arianischen [245] Streites, wo der Unterschied ja nur in einem iota, dem kleinsten griechischen Buchstaben, besteht. Es handelt sich vielmehr um ein Problem von größter theoretisch-theologischer und praktisch-katechetischer Bedeutung. Die neunicänische Lösung der trinitarischen Frage, wo man in dem einen göttlichen Wesen drei gleichrangige Hypostasen unterscheidet, beseitigte das monotheistische Problem nicht, sondern beschwor die Gefahr einer Lehre von drei selbständigen Göttern herauf11, weswegen einer der drei großen Kappadocier einen Traktat schrieb „Quod non sint tres dii“, „daß es nicht drei Götter sind“; ein Traktat, dessen Argumentation durchaus überzeugender hätte ausfallen können. Schon im zweiten Jahrhundert finden wir zwei entgegengesetzte Lösungen für das Verhältnis des göttlichen Sohnes zum Vater im Rahmen der monotheistischen Problematik: einerseits die deutliche Unterordnung des Sohnes unter den Vater und die Identifikation von Sohn und Vater auf der anderen Seite. Bei der Identifikationstheologie stellt sich sogleich wieder das christologische Problem, wie Tertullian gesehen hat: wenn der göttliche Sohn der Vater ist, beziehungsweise der Vater der Sohn – was geschieht dann mit dem Menschen Jesus? In einer variierten Form wird diese Frage im vierten Jahrhundert wieder auftauchen. Die Identifikationstheologie beschäftigte die bedeutendsten Theologen während reichlich hundert Jahren (Justin, Tertullian, Novatian, Origenes und Dionys von Alexandrien). Es ist kein Zufall, daß alle Genannten Logostheologen sind – unter sich verschieden genug – und alle in verschiedenen Varianten die Unterordnung, Subordination, des Sohnes unter den Vater vertreten. Origenes ist es, der als erster die Unterscheidung von Vater, Sohn und Geist als solche von Hypostasen bezeichnet. Die Identifikationstheologie scheint diese Attacken nicht überlebt zu haben, sie wird aber gewissermaßen als Gespenst im vierten Jahrhundert 10 Das würde sehr gut zu 1 Kor 15,24–29 passen, wo für „das Ende“ von „Unterordnung“ ausdrücklich gesprochen wird. 11 Es bedarf deswegen einer eigenen Bestimmung der besonderen Einheit der drei Hypostasen in der einen ousia, s.  u. 262 [hier in diesem Band S. 391].

245–247 

3 Die theologische Problematik 

 381

unter der Bezeichnung des Sabellianismus oder Patripassia[246]nismus aufgerufen gegen solche Theologen, die scheinbar die Einheit des trinitarischen Gottes zu sehr betonen. Marcell von Ankyra muß sich immer wieder gegen solche Vorwürfe wehren. Die beste Widerlegung der Identifikationstheologie, die ich kenne, ist die durch Tertullian (er bekämpft Leute, die mit dem Stichwort monarchia, „Einherrschaft“, für die Einheit Gottes eintreten). Ich habe schon darauf hingewiesen, daß Tertullian den systematischen Zusammenhang von Trinitätslehre und Christologie sieht. Das durch die Monarchianer gestellte Problem löst er mit den Mitteln der Topik der asynchytos henosis und synapheia (lateinisch unio non confusa und coniunctio), also der „unvermischten Einung“. Damit findet er zunächst mit Ausnahme von Nachklängen bei Novatian keine Nachfolge. Dagegen haben die krassen Differenzierungen zwischen Vater und Sohn, die der Bischof Dionys von Alexandrien gegen die „Sabellianer“ in Libyen vorbringt, geradezu explosive Auswirkungen gehabt. Dieser Dionys war so bedeutend und berühmt, daß Euseb von Cäsarea ihm ein ganzes Buch in seiner Kirchengeschichte gewidmet hat. Von den Äußerungen des Dionys zur trinitarischen Frage sind freilich nur ein kurzes Zitat in einem arianischen Florileg und Stichworte in den Dokumenten des sogenannten Streits der Dionyse erhalten geblieben – das scheint mir kein Zufall zu sein. Was den Streit der beiden Dionyse betrifft, so habe ich nachgewiesen, daß dessen Dokumente erst ein Produkt des vierten Jahrhunderts sind12, veranlaßt eben durch die erwähnten Stichworte, die den Nicänern, speziell dem Athanasius, größte Schwierigkeiten bereiteten. Man muß bedenken, daß Athanasius als Bischof von Alexandrien in der Sukzession des großen Dionys stand. Die Arianer haben sich natürlich mit Wonne auf diesen früheren Bischof von Alexandrien gegen ihren großen Feind Athanasius berufen. Übrigens läßt sich die Suche nach einem theologischen Ahnen des Arius, die die Forschung [247] bis in die jüngste Zeit beschäftigt, durch den Hinweis auf diese große Autorität des dritten Jahrhunderts befriedigend beantworten. Dionys sagte, der Vater habe den Sohn „gemacht“; poiein, „machen“, steht in der Septuaginta von Gen 1,1 statt des zu erwartenden ktizein, „schaffen“. Weil der Vater den Sohn gemacht, das heißt geschaffen habe, könne der Vater nicht der Sohn sein. Dionys verglich das Verhältnis von Vater und Sohn mit dem vom Weingärtner und Weinstock, wofür er sich vermutlich auf die Reden des johanneischen Jesus berufen hat (Joh 15,1); anstößiger war noch der Vergleich mit dem Schiffsbauer und dem Schiff. Die Arianer beurteilten jedoch diese Aussagen aus einer anderen Perspektive: sie werten sie für das Nacheinander von Vater und Sohn aus. Der Vater, sagen sie, ist vor dem Sohn, der Sohn ist nach ihm und deswegen von ihm unterschieden und ihm untergeordnet. Nach antiker Lehre ist das Ältere immer besser als das Jüngere. Arius

12 L.  Abramowski, Dionys von Rom († 268) und Dionys von Alexandrien († 264/5) in den arianischen Streitigkeiten des 4. Jahrhunderts, in: ZKG 93 (1982) 240–272 [engl. Fassung in L.  Abramowski, Formula and Context. Studies in Early Christian Thought, Variorum, Hampshire 1992, Nr. XI, pp. 1–35 – d. Red.].

382 

 5.4 Der Christusglaube der Konzilien

247–249

und sein Bischof Alexander, der Vorgänger des Athanasius, stritten miteinander innerhalb des Paradigmas einer deutlichen Unterscheidung von Vater, Sohn und Geist; für beide Theologen hatte der Sohn eine eigene Hypostase. Arius aber wirft dem Bischof vor, daß er den Sohn auf eine solche Weise neben den Vater hinaufrücke, daß auch der Sohn zu einem „Ungezeugten“ (wie der Vater) würde. Hier, beim Widerspruch des Arius gegen die Lehre seines Bischofs, liegt m.  E. der Ausgangspunkt für den Streit, der fast das ganze vierte Jahrhundert durchzieht. Arius und die Bischöfe, die seine Partei ergriffen, als der Streit aus Alexandrien hinausgetragen wurde, folgerten daraus, daß Alexander zwei „ungezeugte Prinzipien“ (archai) lehre, was natürlich im Widerspruch zur Lehre vom einen Gott stehen würde. Alexander hat diesen Vorwurf mit Recht immer zurückgewiesen. Auch für ihn besteht die Einzigartigkeit des Vaters gegenüber dem Sohn darin, daß er ungezeugt sei. Man hat [248] den Eindruck, daß Alexander bereits „werden“ von „gezeugt/geboren werden“ unterscheidet. Einige Formen dieser griechischen Verben klangen gleich, so daß sowohl Schreibung wie Bedeutung durcheinander gingen  – schließlich ist Geborenwerden ja auch ein Werden. Arius hat wahrscheinlich diese Unterscheidung noch nicht vorgenommen. Seine Freunde zogen dann auch aus dem „Nicht-geworden-sein“ und aus dem „Gezeugt-werden“ des Sohnes, aber bei Unterscheidung der Verben, Argumente gegen die späteren Nicäner. Tatsächlich ist das Problem aber nicht erst aus der Debatte in Alexandrien bekannt: Schon in der Mitte des dritten Jahrhunderts lehrt Novatian, daß man nicht von zwei „Ungeborenen“ (innati) in Gott sprechen dürfe.13 Arius nahm gegen Alexander Proverbien 8 zu Hilfe, wo die Weisheit (in der griechischen Version) von sich sagt: „Der Herr hat mich geschaffen als Anfang seiner Wege“; ein paar Zeilen weiter sagt sie, der Herr habe sie gezeugt.14 Die richtige Deutung von Prov 8,22–31 war während des trinitarischen Streites Gegenstand vielfacher Bemühungen. Weisheit (sophia) und Logos waren schon lange identifiziert worden, nämlich in der Sapientia Salomonis, der spätesten Schrift des griechischen Alten Testaments; die meisten neutestamentlichen Schriften setzen diese Identifikation voraus. Übrigens muß man sich klarmachen, daß auch für Arius der Sohn Gottes nicht bloß Geschöpf, sondern ebenfalls Gott, theos, ist. Man mißversteht ihn und seine Anhänger, wenn man meint, sie rückten den Sohn nur auf die Ebene der Schöpfung herunter. Der Sohn ist für sie Gott als ein von Gott sowohl geborener wie geschaffener und beides auf eine außergewöhnliche Weise, die niemand sonst zukommt. Die Bischöfe außerhalb Ägyptens, die sich für Arius einsetzten, und zu ihnen gehört auch Euseb von Cäsarea, sagten dann unter anderem, der Sohn sei zwar selbst Gott, aber nicht wahrer Gott.15 Ehe wir uns darüber entrüsten, müssen wir uns an Joh 17,3 [249] (aus dem hohen13 Novatian, De trinitate XXXI 188. 14 Interessanterweise steht dies Verb im Präsens, während für die Schöpfungsaussage in Vers 22 eine Vergangenheitsform benutzt wird. 15 H.  G.  Opitz (ed.), Urkunden zur Geschichte des arianischen Streites 318–328 (Athanasius, Werke III 1), Berlin/Leipzig 1934, 5,7  f. (Urk. 3).

249, 250 

3 Die theologische Problematik 

 383

priesterlichen Gebet Jesu) erinnern, wo der johanneische Jesus sagt: „Dies aber ist das ewige Leben, daß sie dich, den allein wahren (alethinon) Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus.“ Eine der Schwierigkeiten der Auseinandersetzung bestand darin, daß beide Seiten Bibelzitate für ihre Auffassung anführen konnten. An anderer Stelle heißt es bei Arius, der Sohn sei „durch den Willen Gottes vor Zeiten und Äonen geschaffen“16, und der andere Euseb, Bischof von Nikomedien und Anführer der Origenisten, lehnt es ab zu sagen, der Sohn sei „aus dem Wesen des Vaters“17 – damit sind wir bei dem wohl wichtigsten Stichwort des Nicänums von 325. Der Streit hatte sich also ganz darauf zugespitzt, wie man die Herkunft des Sohnes aus dem Vater zu verstehen habe. Hierüber fand man nämlich nichts im Johannesprolog; das ist der Grund, warum man im AT nach Texten suchte, die weiterhelfen konnten. Der Johannesprolog sagt ja nur, „im Anfang war der Logos“. Die Passage aus Prov 8 (LXX) gab zwar Auskünfte über die Entstehung der Weisheit, war aber, gerade wenn man die entscheidenden Verben wörtlich nahm, doppeldeutig. So war der Proverbientext in diesem Stadium der Debatte eher eine zusätzliche Verlegenheit und geeignet, den Streit zu verschärfen. [250] Text I: Nicäa 325 (Denziger/Hünermann Nr. 125, 126) I Πιστεύομεν εἰς ἕνα Θεόν, πατέρα παντοκράτορα, πάντων ὁρατῶν τε καὶ ἀοράτων ποιητήν, 1 IIa καὶ εἰς ἕνα κύριον Ἰησοῦν Χριστόν, 2 τὸν υἱὸν τοῦ Θεοῦ, 3 γεννηθέντα ἐκ τοῦ Πατρὸς μονογενῆ, 4 τουτέστιν ἐκ τῆς οὐσίας τοῦ Πατρός, 5 Θεὸν ἐκ Θεοῦ, 6 φῶς ἐκ φωτός, 7 Θεὸν ἀληθινὸν ἐκ Θεοῦ ἀληθινοῦ, 8 γεννηθέντα οὐ ποιηθέντα, 9 ὁμοούσιον τῷ πατρί, 10 δι’οὗ τὰ πάντα ἐγένετο, 11 τά τε ἐν τῷ οὐρανῷ καὶ ἐν τῇ γῇ, 12 IIb τὸν δι’ ἡμᾶς τοὺς ἀνθρώπους 13 καὶ διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν κατελθόντα 14 καὶ σαρκωθέντα, ἐνανθρωπήσαντα, 15 παθόντα 16 καὶ ἀναστάντα τῇ τρίτῃ ἡμέρᾳ,

16 Ebd. 13,4 (Urk. 6). 17 Ebd. 16,3 (Urk. 8).

384 

 5.4 Der Christusglaube der Konzilien

250, 251

17 ἀνελθόντα εἰς τοὺς οὐρανούς, 18 ἐρχόμενον κρῖναι ζῶντας καὶ νεκρούς, III καὶ εἰς τὸ ἅγιον πνεῦμα. IV  Τοὺς δὲ λέγοντας· «ἦν ποτε ὅτε οὐκ ἦν», καὶ «πρὶν γεννηθῆναι οὐκ ἦν», καὶ ὅτι ἐξ οὐκ ὄντων ἐγένετο, ἢ ἐξ ἑτέρας ὑποστάσεως ἢ οὐσίας φάσκοντας εἶναι ἢ κτιστὸν ἢ τρεπτὸν ἢ ἀλλοιωτὸν τὸν υἱὸν τοῦ Θεοῦ, ἀναθεματίζει ἡ καθολικὴ ἐκκλησία. [251] Übersetzung I* I Wir glauben an einen Gott Vater, Allmächtigen Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren 1 IIa und an einen Herrn Jesus Christus, 2 den Sohn Gottes 3 aus dem Vater gezeugten Eingeborenen, 4 d.  h. aus dem Wesen des Vaters, 5 Gott aus Gott, 6 Licht aus Licht, 7 wahren Gott aus wahrem Gott, 8 gezeugten, nicht geschaffenen, 9 dem Vater wesensgleichen; 10 durch den alles wurde: 11 das im Himmel und das auf der Erde; 12 IIb den wegen uns Menschen 13 und wegen unseres Heils herabgestiegenen, 14 Fleisch gewordenen, Mensch gewordenen, 15 gelitten habenden 16 und am dritten Tage auferstandenen, 17 hinaufgestiegenen in die Himmel, 18 (den) kommenden zu richten die Lebenden und die Toten, III und an den heiligen Geist. IV Die aber sagen: „es war einmal, da er nicht war“; und: „vor dem Gezeugtwerden war er nicht“, und daß er aus dem Nicht-Seienden wurde; oder die sagen, der Sohn Gottes sei aus einer anderen Hypostase oder Wesenheit oder geschaffen oder verwandelt oder verändert, die anathematisiert die katholische Kirche.

* Im II.  Artikel extrem buchstäblich übersetzt, um die durchgängige Akkusativkonstruktion des Originals beizubehalten.

252, 253 

3 Die theologische Problematik 

 385

[252] Nach diesem langen Anmarsch können wir uns nun dem Bekenntnis der Synode von Nicäa 325 zuwenden (Text I). Unser Interesse gilt vor allem Art. IIa und darin den Zeilen 3–9 sowie den Anathemata (IV). In diesen Abschnitten hat sich die zeitgenössische Debatte niedergeschlagen. Dazu ist es nötig, daß wir auch einen Blick auf die Form des Symbols werfen, sie ist nicht ohne Merkwürdigkeiten. Wir stellen fest, daß abgesehen von den Verurteilungssätzen am Schluß, die Form eines dreiteiligen und trinitarischen – dreiteilig an sich ist ja noch nicht notwendig trinitarisch (siehe unten Text III!) – deklaratorischen Bekenntnisses gewählt wurde. Deklaratorisch heißt, daß in der ersten Person Singularis oder Pluralis geredet wird. Freilich ist der III.  Artikel zusammengestutzt auf die bloße Erwähnung des Heiligen Geistes. Übrigens ist das im Apostolicum ja auch nicht anders. Es fehlen jedoch im Nicänum im III.  Artikel auch die weiteren Stichworte: Kirche, Sündenvergebung, Auferstehung, die im Romanum/ Apostolicum sehr wohl zu finden sind. Nun hat Euseb von Cäsarea auf der Synode von 325 zum Beweis seiner Orthodoxie ein Bekenntnis vorgelegt, deklaratorisch und trinitarisch in der Form, worin der III.  Artikel genauso kurz war. Euseb hat behauptet, man habe sein Bekenntnis zur Grundlage des Nicänums genommen, allerdings, wie er zugeben muß, unter entscheidenden und einschneidenden theologischen Korrekturen, an denen er schwer zu schlucken hatte. Und selbstverständlich enthielt sein Bekenntnis nicht die Anathemata (Abschnitt IV des Nicänums). Eusebs Bekenntnis ist nicht etwa das Taufbekenntnis der Kirche von Cäsarea, wie die ältere Forschung annahm, es hat aber die Form eines Taufbekenntnisses. Das ist für die Symbolgeschichte, nach den Eingriffen, die Hans von Campenhausen vorgenommen hat, nicht unwichtig, weil Eusebs Symbol das Vorhandensein und Bekanntsein der typischen de[253]klaratorischen, trinitarischen Form des Taufbekenntnisses für diese Zeit bereits belegt. Daß das Nicänum selbst nicht für den liturgischen Gebrauch gedacht war, sehen wir an Artikel IIa, Zeile 4, die eine präzisierende Erläuterung zu ek tou patros, „aus dem Vater“ darstellt. Einen Satz, der anfängt mit „das heißt“, kann man in einem Taufbekenntnis nicht brauchen. Auch unterbricht diese Zeile die durchgehende Akkusativkonstruktion des zweiten Artikels, auf die ich in meiner Übersetzung hinweise. Formal störend, ist diese Erklärungszeile unter inhaltlichem Gesichtspunkt die wichtigste unter den positiven Aussagen des Artikels IIa. Das bleibt so für längere Zeit, denn anfangs war nicht das homoousion die Kernaussage, sondern ek tes ousias patros, „aus dem Wesen des Vaters“. Zeugnis dafür sind die Arianerreden des Athanasius, die er zwischen 339 und 342 geschrieben hat. Aber auch abgesehen vom definierenden Einschub der Zeile 4 ist der Aufbau der Zeilen 3 bis 9 nicht der beste. Zeile 3 wird in Zeile 8 wieder aufgenommen  – das Stichwort „gezeugt“ wird nun negativ bestimmt; es wird gesagt, was man nicht darunter zu verstehen habe. Auch Zeile 5 wird in Zeile 7 verdeutlichend wieder aufgenommen. Nach der Vorgeschichte des Konzils, die ich angedeutet habe, kann man erkennen, gegen wen speziell sich diese Aussagen richten. So wie Artikel IIa jetzt dasteht, ist er gewiß nicht in einem Zuge niedergeschrieben worden, sondern man hat an den entscheidenden

386 

 5.4 Der Christusglaube der Konzilien

253–255

Stellen an der eusebianischen Vorlage durch Weglassen und Hinzufügen herumgebastelt. In C ist das meiste von dieser formalen Unordnung beseitigt worden, man hat gewissermaßen aufgeräumt. Das erklärende Kolon „das heißt“ fehlt und damit interessanterweise auch das Sätzchen „aus dem Wesen des Vaters“. Ebenso fehlt das nicänische „Gott aus Gott“ (weil im „wahren Gott aus wahrem Gott“ enthalten) in C, aber in dessen lateinische Fassung ist es aus dem alten Nicänum [254] wieder eingedrungen, so daß man, wenn man C, das ökumenische Bekenntnis schlechthin, mit Orthodoxen zusammen spricht, schon an dieser Stelle aus dem Tritt gerät. Aber das zweimalige gennethenta, „gezeugt“, ist in C beibehalten. Und natürlich homoousion to patri, „gleichwesentlich mit dem Vater“. Offensichtlich sah man „aus dem Wesen des Vaters“ in homoousion enthalten. Homoousion war erst allmählich als das nicänische Kennwort in den Vordergrund getreten, nachdem es in den Jahrzehnten, die unmittelbar auf 325 folgen, kaum eine Rolle gespielt hat. Erst in den späten fünfziger Jahren wird es hervorgezogen und inhaltlich gefüllt, was wiederum an den Schriften des Athanasius zu sehen ist. Nun zum homoousios selbst (Zeile 9). Woher kommt das Wort? Verblüffenderweise müssen wir feststellen, daß es offenbar Arius war, der in einem an seinen Bischof gerichteten Glaubensbekenntnis, das noch fünfzehn alexandrinische, ägyptische und libysche Diakone, Presbyter und Bischöfe unterschrieben, die Vokabel homoousios in die Debatte warf. Man dürfe den Sohn nicht als „Gezeugten des Vaters“ bezeichnen, dann wäre er nämlich ein meros homoousion, ein „gleichwesentlicher Teil“, und das wäre manichäisch18, also häretisch. Es war die allgemeine, auch philosophische Auffassung von Gottheit, daß man von ihr nicht so sprechen dürfe, als ob sie „Teile“ habe, das hätte der göttlichen „Einfachheit“, haplotes, widersprochen. Der gnostische Gebrauch von meros homoousion für den göttlichen pneuma-Anteil im Menschen ist uns tatsächlich schon um 200 in Alexandrien durch Clemens von Alexandrien bezeugt. Bei Tertullian, also etwa gleichzeitig im lateinischen Afrika, findet man dafür consubstantivus, und zwar wohlgemerkt als Referat gnostischer Lehre. Aus den verstreuten Mitteilungen aus dem vierten Jahrhundert über die Vorgänge in Nicäa scheint mir für die Einfügung von homoousion to patri in das Bekenntnis angesichts der Vorgeschichte am plausibelsten das, was bei Ambrosius steht: Man [255] habe das Wort eingefügt, weil man sah, daß es den Anhängern des Arius zuwider war. Kein Wunder, daß es so lange dauerte, bis man zu einer positiven Würdigung der Vokabel kam. Selbstverständlich haben die Teilnehmer der Synode, die nicht Freunde des Arius waren, homoousios nicht als Ausdruck für den Sohn als „Teil“ des Vaters verstanden. Die Vokabel ist im Nicänum zunächst aber als Trotzreaktion zu beurteilen. Alexander von Alexandrien und seine Bundesgenossen haben jedenfalls vor 325 das Wort nicht benutzt.

18 Ebd. 12,11  f (Urk. 3).

255, 256 

3 Die theologische Problematik 

 387

Im Zusammenhang mit der positiven Würdigung von homoousios, die durch die Tatsache der Aufnahme in das Nicänum nötig wurde, kam es zur Konstruktion einer Vorgeschichte des Wortes, die in den kirchlichen Diskussionen schon des dritten Jahrhunderts stattgefunden haben sollte. Beide Seiten bringen solche Rückprojektionen, die Nicäner wie ihre Gegner. Auch die moderne Wissenschaft hat natürlich versucht, positive Motive für die Benutzung des Stichworts im Bekenntnis zu finden. So wurden respektable Urheber für die Einfügung angenommen, Kaiser Konstantin selbst oder der spanische Bischof Ossius, der Vertrauensmann des Kaisers. Artikel IIa des Nicänums bezieht also mit seinen immer neuen Bestimmungen über den Sohn, als einen aus dem Vater geborenen oder gezeugten, Stellung in der zeitgenössischen Debatte, wobei man schließlich zum Zweck der deutlichen Abgrenzung einen von den Gegnern perhorreszierten Ausdruck aufnahm, der natürlich umgedeutet werden mußte. Soweit ich es den späteren Schriften des Athanasius entnehmen kann, ist homoousios von ihm und wohl auch von anderen eher als Herkunftsbezeichnung verstanden worden und noch nicht so sehr als Äquivalent für die eine ousia von Vater und Sohn. Auf dies letztere Verständnis verlagert sich der Akzent in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts. Man hat folglich nicht zuerst eine Definition von homoousios aufgestellt, um [256] es dann in das Bekenntnis aufzunehmen, sondern die positive Füllung des Begriffs geschah erst allmählich. Das Gleiche gilt übrigens für ousia und hypostasis, die in den Anathemata des Nicänums erscheinen. Hier werden die beiden Vokabeln noch synonym gebraucht, erst in der neunicänischen Trinitätslehre sind sie unterschieden. Übrigens können wir bei allen großen Theologen in der Frühzeit des arianischen Streites feststellen, daß ousia, physis und hypostasis eine konkrete Bedeutung haben. Man erkennt das daran, daß pragma (Ding, Wirklichkeit) für hypostasis einstehen kann. Dies hilft zum Verständnis dieser besonders abstrakt erscheinenden Vokabel und gibt ihr einen positiven Gehalt. In den christologischen Debatten des sechsten Jahrhunderts wird man allerdings zu sehr viel komplizierteren Bestimmungen kommen. Dies also zu den Komplikationen und Hintergründen von Artikel IIa des Nicänums. Wenn wir nun den Artikel IIb des Bekenntnisses ansehen, dann haben wir einen völlig anderen Eindruck. Die Zeilen 12 und 13 setzen einen starken soteriologischen Akzent, der aber schon in Eusebs Bekenntis vorlag (was an demselben sehr zu loben ist), im Nicänum nur noch ausführlicher formuliert ist. Diesen soteriologischen Satz finden wir in allen Bekenntnissen oder Definitionen wieder, die die hier ausgewählten Texte ausmachen: Für uns und unser Heil ist der Sohn Gottes herabgekommen, Mensch geworden, Fleisch geworden. Wenn man will, kann man Artikel IIb des Nicänums mit seiner Aufzählung der Stationen des Weges Christi als narrativ, um einmal dieses Wort zu gebrauchen, als „erzählend“ bezeichnen. Es wird ja immer wieder gefordert, daß die Christologie, die Lehre von Christus als Gott und Mensch, recht verstanden erzählend darzulegen sei, in Aufnahme neutestamentlicher Aussagen. Peter Hünermann hat in seiner jüngst erschienenen Christologie darauf hingewiesen, daß das Zweite Vaticanum dieser

388 

 5.4 Der Christusglaube der Konzilien

256–258

Forderung gefolgt [257] sei. Gleichzeitig erhebt Hünermann den Vorwurf, daß den Aussagen des Konzils nun jede begriffliche Schärfe fehle.19 Es ist offenbar schwer, beide Gesichtspunkte zugleich zu beachten. Die Vokabeln aus Trinitätslehre und Christologie, die ich vorhin aufgezählt habe, sind im Lauf der Theologiegeschichte zu großen Definitionsnestern im Zusammenhang spekulativer Systeme geworden, was zur begreiflichen Reaktion geführt hat, daß man zum biblischen Zeugnis zurückkehren müsse und daß Christologie erzählend zu sein habe, von Christi Worten und Taten und Leiden zu unserem Heil zu berichten habe. Tatsächlich bietet Artikel IIb des Nicänums eine sehr knappe Auswahl aus dem Erzählungsstoff der Evangelien, das, was man für wirklich wichtig hielt. Und darunter befindet sich nicht die Geburt aus dem Heiligen Geist und der Jungfrau Maria. Auch in Text II, der Kurzfassung des Tomus von Konstantinopel, wird von der Jungfrauengeburt nichts gesagt. [258] Text II: Konstantinopel 382 (Zusammenfassung des Tomus Antiochien 379 = Konstantinopel 381; aus: Theodoret, h.e. [ed. Parmentier/Scheidweiler, GCS 44] V 9,11  f., 292,11–293,3; hier in meiner Gliederung und Übersetzung wie ThPh 67 (1992) 1  f.) (Der nicäniche Glaube lehrt uns) A I a πιστεύειν εἰς τὸ ὄνομα τοῦ πατρὸς καὶ τοῦ υἱοῦ καὶ τοῦ ἁγίου πνεύματος, b δηλαδὴ θεότητος καὶ δυνάμεως καὶ οὐσίας μιᾶς τοῦ πατρὸς καὶ τοῦ υἱοῦ καὶ τοῦ ἁγίου πνεύματος πιστευομένης, c ὁμοτιμοῦ τε τῆς ἀξίας καὶ συναϊδίου τῆς βασιλείας II a ἐν τρισὶ τελειοτάτοις ὑποστάσεσιν ἤγουν τρισὶ τελείοις προσώποις, b1 ὡς μήτε τὴν Σαβελλίου νόσον χώραν λαβεῖν συγχεομένων τῶν ὑποστάσεων εἴτ’ οὖν τῶν ἰδιοτήτων ἀναιρουμένων, b2a μήτε μὴν τὴν Εὐνομιανῶν καὶ Ἀρειανῶν καὶ Πνευματομάχων βλασφημίαν ἰσχύειν, τῆς οὐσίας ἢ τῆς φύσεως [ἢ] τῆς θεότητος τεμνομένης b2b καὶ τῇ ἀκτίστῳ καὶ ὁμοουσίῳ καὶ συναϊδίῳ τριάδι μεταγενεστέρας τινὸς ἢ κτιστῆς ἢ ἑτερουσίου φύσεως ἐπαγομένης. B a καὶ τὸν τῆς ἐνανθρωπήσεως δὲ τοῦ κυρίου λόγον ἀδιάστροφον σώζομεν,

19 P.  Hünermann, Jesus Christus. Gottes Wort in der Zeit, Münster 1994; über „die erzählende Christologie des II.  Vaticanums“ und die mangelnde begriffliche Schärfe: 352–357.

258–260

b

3 Die theologische Problematik 

 389

οὔτε ἄψυχον οὔτε ἄνουν ἢ ἀτελῆ τὴν τῆς σαρκὸς οἰκονομίαν παραδεχόμενοι, ὅλον δὲ εἰδότες τέλειον μὲν πρὸ αἰώνων ὄντα θεὸν λόγον, τέλειον δὲ ἄνθρωπον ἐπ’ἐσχάτων τῶν ἡμερῶν διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν γενόμενον.

[259] Übersetzung II (Der nicänische Glaube lehrt uns) A I a zu glauben an den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, b indem eindeutig (δηλαδή) eine Gottheit und Kraft und Wesen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes geglaubt wird, c gleichgeehrt auch an Würde und mitewig in der Herrschaft II a in drei ganz vollkommenen Hypostasen, das heißt in drei vollkommenen Personen, b1 so daß weder das Übel des Sabellius Platz habe, wo die Hypostasen zusammengeschüttet werden oder die Eigentümlichkeiten aufgehoben werden, b2a noch die Lästerung der Eunomianer und Arianer und Pneumatomachen Macht habe, wo das Wesen oder die Natur der Gottheit zerschnitten wird b2b und der ungeschaffenen und gleichwesentli chen und mitewigen Trinität irgendeine jüngere oder geschaffene oder nicht gleichwesentliche Natur hinzugefügt wird. B a Und die Lehre von der Menschwerdung des Herrn bewahren wir unverdreht, indem wir die Heilsveranstaltung des Fleisches nicht ohne Seele oder ohne νοῦς oder unvollständig auffassen, b indem wir aber uneingeschränkt (ὅλον) den voll kommenen, vor den Äonen seienden Gott Logos kennen, den am Ende der Tage um unseres Heiles willen vollkommener Mensch gewordenen. [260] Während das Nicänum das spezifisch christologische Problem nicht behandelt, geschieht dies im eben genannten Text II von 38220 in Teil B.  Die darin enthaltenen Aussagen sind speziell gegen Apollinarius gerichtet, auch wenn sein Name nicht

20 S. meinen in Anm. 6 zitierten Aufsatz.

390 

 5.4 Der Christusglaube der Konzilien

260, 261

genannt wird. Apollinarius war es, der – im Interesse einer plausibel erscheinenden Einheit der Person Christi – dem göttlichen Logos die Funktion von nous (Intellekt) oder Seele in Christus zuschreiben wollte. Die Konzilsteilnehmer dagegen bestehen darauf, daß der vollkommene Logos ein vollkommener, also auch vollständiger Mensch geworden ist. Während wir einerseits im Teil B auf die Verwendung nicänischer Aussagen achten können, bei aller Notwendigkeit, auf das durch Apollinarius gestellte Problem durch eine genauere Bestimmung der menschlichen Aspekte in Christus einzugehen, so ist andererseits die Übernahme der „doppelten Vollkommenheit“ Christi in die Bekenntnisse von 433 (Text III Teil A) und 451 (Text IV Zeilen 5 und 6) zu notieren. Aber das Hauptgewicht in Text II liegt immer noch in der Trinitätslehre, wie schon die Länge von Teil A im Vergleich mit Teil B zeigt. Teil A besteht aus einem einzigen langen Satz, in dem gehäuft die griechische Konstruktion des absoluten Genitivs auftritt und damit die Möglichkeit, möglichst viele wichtige Bestimmungen in gedrängter Form zusammenzustellen. A I spricht von der Einheit der Trinität, Abschnitt II von der Dreiheit. Die Einheit ist zu finden in Gottheit, Kraft und Wesen (ousia) von Vater, Sohn und Geist. Zeile Ic könnte wie eine barocke Ausschmückung wirken, ist es aber nicht. Denn hier stellt sich (wie schon weiter oben beim NicänoKonstantinopolitanum zu einem anderen Punkt beobachtet) eine Verbindung zur gleichzeitigen römischen Theologie her; hier geschieht etwas, was wir auch im römischen Tomus Damasi finden: es werden Prädikationen, die üblicherweise auf eine der Personen der Trinität bezogen werden, den Prädikaten für die trinitarische Ein[261]heit zugeordnet. Die homotimia („gleiche Ehre“) war eine von Basilius von Cäsarea gerne verwendete Bezeichnung für die Gleichgöttlichkeit des Geistes. Zur Aussage der Homoousie des Geistes konnte sich dieser berühmte Mann bekanntlich nicht durchringen. Bei der Gleichewigkeit der Königsherrschaft treffen wir auf ein Stichwort, das den Sohn in Auseinandersetzungen betraf, die zwischen Eusebianern und Marcell von Ankyra geführt wurden. Soweit zu den Aussagen über die Einheit. Teil A II in unserem Text spricht von der Dreiheit: die eine Gottheit wird geglaubt in drei Hypostasen. In A I und A II haben wir den maßgeblichen synodalen Text für die Unterscheidung von ousia und hypostasis in der Trinität, für die Unterscheidung, die im Nicäno-Konstantinopolitanum nicht zu finden ist. Die in den ökumenischen Debatten so häufig angerufene Theologie des Konzils von Konstantinopel liegt in unserem Definitionstext vor, der die neunicänische Trinitätslehre verbindlich macht. Die Unterscheidung von ousia und hypostasis bedeutet, daß die Synonymität dieser Vokabeln nun für die Trinitätslehre im griechischen Osten endgültig aufgegeben worden ist. Während bis dahin sowohl ousia wie hypostasis das Allgemeine wie das konkret Einzelne bedeuten konnten, wird in der Trinitätslehre die ousia zum Gemeinsamen der Gottheit, zum Wesen, während die drei Personen sich als Hypostasen voneinander unterscheiden. Die ersten Spuren der Differenzierung von ousia und hypostasis finden wir um 358; die Meletianer aus Antiochien tragen

261–263 

3 Die theologische Problematik 

 391

sie 362 auf der Synode von Alexandrien vor, die Athanasius veranstaltete. Die Theologen der meletianischen Partei wiederum bestimmen die Synoden von 379, 381, 382, denen wir unseren Text II verdanken. Interessant ist, daß sowohl Hieronymus wie Augustin sagen, daß sie die Unterscheidung von ousia und hypostasis aus der Philosophie nicht kannten; man kann sich daher fragen, ob die Differenzierung eigens für die trinitarische Debatte [262] vorgenommen wurde. Jedenfalls ermöglichte sie eine Lösung des fast intraktablen Gegensatzes von Ein-Hypostasentheologie und Drei-Hypostasentheologie, wie sie sich in Marcell von Ankyra auf der einen Seite und den Eusebianern auf der anderen Seite gegenüberstanden. Der Kompromiß beseitigte zwar die Subordination der drei trinitarischen Personen, wie sie ein origenistisches Erbe war, beschwor aber andererseits die schon erwähnte Gefahr herauf, daß man zu einer Lehre von drei gleichen Göttern kam, das heißt zum Tri­ theismus. Es mußte deswegen verhindert werden, daß die drei Personen der Trinität als bloß drei Individuen einer ousia erschienen. Das geschieht durch die asynchytos henosis, die von drei Exemplaren einer Gattung nicht ausgesagt werden konnte. In Text II finden wir das in Abwehr der Lehre des „Sabellius“ in Abschnitt A IIb 1 angesprochen. „Sabellius schüttet die Hypostasen zusammen“, „hebt ihre Eigentümlichkeiten auf“ – das ist falsch. Daraus ergibt sich als positive Auffassung der Verfasser, daß richtig die „unvermischte Einheit“ der drei Hypostasen zu lehren ist, so daß ihre „Eigentümlichkeiten bewahrt“ bleiben. Die Kurzformel für die neunicänische Trinitätslehre müßte also nicht nur „eine ousia, drei Hypostasen“ heißen, sondern sachgemäß „eine ousia, drei Hypostasen in ansynchytos henosis (unvermischter Einheit)“. Die Lösung dieses monotheistischen Problems ist im Osten und im Westen (Augustin) nicht völlig identisch; die augustinische Lösung ist dem Osten immer noch anstößig. Übrigens wird die Problematik (wie schon im Mittelalter) heute wieder aktuell in der Auseinandersetzung mit dem Islam, dem die christliche Trinität als Bruch des Gebots der Verehrung des einen Gottes erscheint. [263] Text III: Unionsbekenntnis 433 (Mittelstück eines längeren Dokuments; Denzinger/Hünermann Nr. 272) A Ὁμολογοῦμεν τοιγαροῦν τὸν κύριον ἡμῶν Ἰησοῦν Χριστὸν τὸν υἱὸν τοῦ θεοῦ τὸν μονογενῆ, θεὸν τέλειον καὶ ἄνθρωπον τέλειον ἐκ ψυχῆς λογικῆς καὶ σώματος, πρὸ αἰώνων μὲν ἐκ τοῦ πατρὸς γεννηθέντα κατὰ τὴν θεότητα, ἐπ’ ἐσχάτου δὲ τῶν ἡμερῶν τὸν αὐτὸν δι’ ἡμᾶς καὶ διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν ἐκ Μαρίας τῆς παρθένου κατὰ τὴν ἀνθρωπότητα, ὁμοούσιον τῷ πατρὶ τὸν αὐτὸν κατὰ τὴν θεότητα καὶ ὁμοούσιον ἡμῖν κατὰ τὴν ἀνθρωπότητα. B Δύο γὰρ φύσεων ἕνωσις γέγονεν· δι’ ὃ ἕνα Χριστόν, ἕνα υἱόν, ἕνα κύριον ὁμολογοῦμεν.

392 

C

 5.4 Der Christusglaube der Konzilien

263–265

Κατὰ ταύτην τὴν τῆς ἀσυγχύτου ἑνώσεως ἔννοιαν ὁμολογοῦμεν τὴν ἁγίαν παρθένον θεοτόκον διὰ τὸν θεὸν λόγον σαρκωθῆναι καὶ ἐνανθρωπῆναι καὶ ἐξ αὐτῆς τῆς συλλήψεως ἑνῶσαι ἑαυτῷ τὸν ἐξ αὐτῆς ληφθέντα ναόν.

[264] Übersetzung III A Wir bekennen also unseren Herrn Jesus Christus, den eingeborenen Sohn Gottes, vollkommenen Gott und vollkommenen Menschen, aus vernunftbegabter Seele und Leib, vor den Zeiten aus dem Vater geboren nach der Gottheit, am Ende der Tage aber denselben um unseretwillen und wegen unseres Heils aus Maria der Jungfrau (geborenen) nach der Menschheit, denselben wesensgleich dem Vater nach der Gottheit und wesensgleich uns nach der Menschheit. B Zweier Naturen Einigung geschah nämlich; deshalb bekennen wir einen Christus, einen Sohn, einen Herrn. C Entsprechend diesem Verständnis der unvermischten Einigung bekennen wir die heilige Jungfrau als Gottesgebärerin, weil der Gott Logos Fleisch und Mensch wurde und (vom Augenblick) der Empfängnis an mit sich den aus ihr (sc. der Jungfrau) genommenen Tempel vereinte. Text III, das Versöhnungsbekenntnis von 43321, gibt sich als deklaratorisches Bekenntnis, dreiteilig, aber nicht trinitarisch im Aufbau, sondern ganz der Christologie gewidmet. Es enthält eine Reihe von Sätzen aus dem Nicänum in neuem Arrangement und erinnert auch in der ersten Hälfte von Teil A an Text II von 382 (379/381), Teil B, [265] mit der doppelten Vollkommenheit und der antiapollinaristischen Spitze. Dazu kommt nun noch die doppelte Homoousie am Schluß dieses Teils, die in Chalcedon wieder aufgenommen wird. Teil A beschreibt also Christus in seinem doppelten Bezug zu Gott und zu uns: dieser Bezug erfordert, daß er sowohl Gott als auch Mensch ist, sowohl in seinem Wesen (aber man beachte, daß die Vokabel ousia für sich allein nicht erscheint, sondern nur im Adjektiv homoousios enthalten ist) wie nach seiner Herkunft. Es ist wahrscheinlich kein Zufall, daß die Geburt Christi im entsprechenden Partizip (gennethenta) nur einmal erwähnt ist, bei der Zeugung aus dem Vater; die Antiochener vermieden es noch hier, ausdrücklich von einer „zweiten Geburt des Logos“ zu sprechen. Andererseits ist die Fortsetzung mit der Herkunft aus der Jungfrau Maria so konstruiert, daß man automatisch ein „geboren“ ergänzt, wie es auch

21 Die folgenden Darlegungen zu III waren im mündlichen Vortrag noch nicht enthalten.

265, 266 

3 Die theologische Problematik 

 393

die deutsche Übersetzung in Denzinger/Hünermann tut, trotzdem hätte dort „geboren wurde“ in Klammern gesetzt werden müssen. Will man Teil A mit dem üblichen Aufbau des II.  Artikels in einem trinitarischen Taufbekenntnis vergleichen, so beobachtet man, daß sich Aussagen, die zu den Artikeln IIa und IIb gehören würden, in unserem Text abwechseln. Teil B statuiert lakonisch die Einung, henosis, zweier Naturen in Christus, ohne diese Einung gäbe es gar nicht das Bekenntnis zum einen Christus, Sohn, Herrn. Erst in diesem Teil werden Gottsein und Menschsein Christi „abstrakt“ als Naturen bezeichnet, damit einen Hauptstreitpunkt der Auseinandersetzungen zwischen Kyrill und Nestorius aufnehmend, aber die nächste Zeile kehrt sogleich zu den biblischen und nicänischen Titeln des einen Christus zurück. Teil C konzediert den Gebrauch des Titels Theotokos für Maria (was übrigens auch Nestorius noch in Konstantinopel getan hatte) auf der Basis des richtigen Verständnisses der Einung der beiden Naturen. Wie die Einung zu verstehen ist, wird aber erst hier nachgelie[266]fert (in einer bemerkenswerten Ökonomie der literarischen Mittel): es ist die asynchytos henosis, die „nicht zusammengeschüttete Einung“. Sie impliziert, daß die Naturen in der Einung erhalten bleiben, das wird aber hier wiederum nicht ausdrücklich gesagt. Am Ende von Teil C wird die Einung nun auch noch in typisch antiochenischer Redeweise beschrieben. Anlaß dazu gibt ausgerechnet das von der kyrillischen Seite in Ephesus 431 in den Vordergrund geschobene theotokos. Das Bekenntnis zum theotokos wird zunächst mit der nicänischen Zeile „weil der Gott Logos Fleisch und Mensch wurde“ begründet, was den Akzent schon leicht verschiebt. Schließlich ist theotokos dann richtig verstanden, wenn man sich klar macht, was schon „(im Augenblick) der Empfängnis“ passiert: „der Gott Logos vereinte mit sich den aus ihr (der Jungfrau) genommenen Tempel“. Die Übersetzung bei Denzinger/Hünermann wählt für das griechische lambanein (hier als Partizip lephtenta) statt „nehmen“ das Synonym „empfangen“ (in falscher Analogie zu syllepsis = „Empfängnis“); aber mit „nehmen“, „annehmen“ ist die Aktivität des Logos in der Menschwerdung angedeutet. Der „Tempel“ stammt aus einer Lieblingsstelle der antiochenischen Theologen, Joh 2,21: „Er aber sprach vom Tempel seines Leibes“, „Tempel“ steht also für „Leib“. – Der Aufwand, der eine Rezeption des theotokos in theologisch verantworteter Rede durch die Antiochener möglich machen soll, ist also sehr groß. Man spürt immer noch den Widerstand, den der allzu direkte, unreflektiert wörtliche Gebrauch des Marientitels ursprünglich bei den Antiochenern hervorrief. Man kann aber nicht umhin, das Geschick zu bewundern, mit dem in Sachen des theotokos, wenigstens in diesem Textstück, der antiochenischen Redeweise buchstäblich das letzte Wort bleibt.

394 

 5.4 Der Christusglaube der Konzilien

267, 268

[267] Text IV: Chalcedon, 451 (Gliederung von J.  Ortiz de Urbina, übernommen von A. de Halleux; Rev. Théol. de Louvain 7 (1976) 9 = Patrologie et Œcuménisme, Löwen 1990, 451)22 1. Ἑπόμενοι τοίνυν τοῖς ἁγίοις πατράσιν 2. ἕνα καὶ τὸν αὐτὸν ὁμολογεῖν υἱὸν 3. τὸν κύριον ἡμῶν Ἰησοῦν Χριστὸν 4. συμφώνως ἅπαντες ἐκδιδάσκομεν 5. τέλειον τὸν αὐτὸν ἐν θεότητι 6. καὶ τέλειον τὸν αὐτὸν ἐν ἀνθρωπότητι, 7. θεὸν ἀληθῶς καὶ ἄνθρωπον ἀληθῶς 8. τὸν αὐτὸν ἐκ ψυχῆς λογικῆς καὶ σώματος, 9. ὁμοούσιον τῶι πατρὶ κατὰ τὴν θεότητα 10. καὶ ὁμοούσιον ἡμῖν τὸν αὐτὸν κατὰ τὴν ἀνθρωπότητα, 11. κατὰ πάντα ὅμοιον ἡμῖν χωρὶς ἁμαρτίας, 12. πρὸ αἰώνων μὲν ἐκ τοῦ πατρὸς γεννηθέντα κατὰ τὴν θεότητα, 13. ἐπ’ ἐσχάτων δὲ τῶν ἡμερῶν 14. τὸν αὐτὸν δι’ ἡμᾶς καὶ διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν 15. ἐκ Μαρίας τῆς παρθένου τῆς θεοτόκου κατὰ τὴν ἀνθρωπότητα 16. ἕνα καὶ τὸν αὐτὸν Χριστὸν υἱὸν κύριον μονογενῆ, 17. ἐν δύο φύσεσιν 18. ἀσυγχύτως ἀτρέπτως ἀδιαιρέτως ἀχωρίστως γνωριζόμενον, 19. οὐδαμοῦ τῆς τῶν φύσεων διαφορᾶς ἀνηιρημένης διὰ τὴν ἕνωσιν, 20. σωιζομένης δὲ μᾶλλον τῆς ἰδιότητος ἑκατέρας φύσεως 21. καὶ εἰς ἓν πρόσωπον καὶ μίαν ὑπόστασιν συντρεχούσης, 22. οὐκ εἰς δύο πρόσωπα μεριζόμενον ἢ διαιρούμενον, 23. ἀλλ’ ἕνα καὶ τὸν αὐτὸν υἱὸν μονογενῆ 24. θεὸν λόγον κύριον Ἰησοῦν Χριστόν, 25. καθάπερ ἄνωθεν οἱ προφῆται περὶ αὐτοῦ 26. καὶ αὐτὸς ἡμᾶς Ἰησοῦς Χριστὸς ἐξεπαίδευσεν 27. καὶ τὸ τῶν πατέρων ἡμῖν παραδέδωκε σύμβολον. [268] Übersetzung IV* 1. In der Nachfolge der heiligen Väter also 2. lehren wir alle übereinstimmend, 3. unseren Herrn Jesus Christus 4. als ein und denselben Sohn zu bekennen; 22 Zu diesem Abschnitt vgl. A. de Halleux, La définition christologique à Chalcédoine, in: RTL 7 (1976) 3–23, 155–170 = Patrologie et Œcuménisme. Recueil d’études, Löwen 1990, 445–480. Hinsichtlich der Querverbindungen zum Tomus Leonis sind die ergänzenden Korrekturen in meiner Rezension in: ETL 69 (1993) 436  f. heranzuziehen. * Zeilen 2 und 4 aus Gründen des deutschen Satzbaus gegenüber dem Original vertauscht.

268, 269 

3 Die theologische Problematik 

 395

5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.

derselbe ist vollkommen in der Gottheit und derselbe ist vollkommen in der Menschheit; derselbe ist wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch aus vernunftbegabter Seele und Leib; derselbe ist der Gottheit nach dem Vater wesensgleich und der Menschheit nach uns wesensgleich, in allem uns gleich außer der Sünde (vgl. Hebr. 4,15); derselbe wurde einerseits der Gottheit nach vor den Zeiten aus dem Vater gezeugt, 13. andererseits in den letzten Tagen 14. {der Menschheit nach} ((wurde) derselbe =  τὸν αὐτὸν) unseretwegen und um unseres Heiles willen (geboren)* 15. aus Maria, der Jungfrau Gottesgebärerin, 16. ein und derselbe ist Christus, der einziggeborene Sohn und Herr, 17. der in zwei Naturen 18. unvermischt, unveränderlich, ungetrennt und unteilbar erkannt wird, 19. wobei nirgends wegen der Einung der Unterschied der Naturen aufgehoben ist, 20. vielmehr die Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen gewahrt bleibt 21. und sich in einer Person und einer Hypostase vereinigt; 22. nicht in zwei Personen geteilt oder getrennt, 23. sondern ein und derselbe ist der einziggeborene Sohn, 24. Gott, das Wort, der Herr Jesus Christus, 25. wie es früher die Propheten über ihn 26. und Jesus Christus selbst es uns gelehrt 27. und das Bekenntnis der Väter es uns überliefert hat. [269] Das Kernstück des Tomus von Chalcedon ist als ein einziger langer Satz konstruiert, in dem beinahe alle Aussagen über Christus im Akkusativ stehen. Umso auffälliger sind die Zeilen 19 bis 21, in denen ein Genitivus absolutus diese Konstruktion durchbricht. Diese Zeilen stellen eine Einfügung dar; wir wissen, daß auch die berühmten vier Adverbien in Zeile 18 bei dieser Gelegenheit in den Text der Definition aufgenommen wurden. Blickt man zunächst auf den Text, wie man ihn sich ursprünglich vorzustellen hat, so bemerkt man die Sorgfalt des Aufbaus schon daran, wie Anfang und Schluß aufeinander bezogen sind. Die „Väter“, denen man folgt, sind die von Nicäa; am Schluß werden sie in eine Lehr- und Überlieferungssukzession hineingestellt: Propheten, Jesus Christus selbst, das Symbol. Das „Symbol“ ist das von Nicäa, das Nicäno-Konstantinopolitanum ist im Kontext des ganzen Tomus darunter zu subsumieren, wird

* [Der Text der Übersetzung ist wohl verdruckt und hier nach dem griechischen Original korrigiert worden – d. Red.]

396 

 5.4 Der Christusglaube der Konzilien

269–271

es doch als notwendige Vervollständigung des Nicänums verstanden. Aber für den Verfasser des Grundtextes unserer Definition kann das nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit postuliert werden. Wie ein Refrain erscheint dreimal (Zeilen 2  f., 16, 23  f. des griechischen Originals) das Bekenntnis zu „einem und demselben“ Sohn und Herrn Jesus Christus, wobei die Zahl der Titulaturen zunimmt: in Zeile 16 kommt „Eingeborenen“ dazu, 23  f. auch noch „Gott Logos“. Diese Wiederholungen sind gleichzeitig Steigerungen. Die doppelte Vollkommenheit und die doppelte Homoousie, die anti-apollinaristische Präzisierung (Zeile 5), der (bereits nicänische) soteriologische Akzent mit der heilsgeschichtlichen „Datierung“ nach Hebr 1,2, der Titel Theotokos für Maria sind uns aus dem Unionsbekenntnis von 433 vertraut. Demgegenüber tritt hinzu der Hinweis auf die Sündlosigkeit des sonst in jeder Hinsicht uns „gleichen“ menschlichen Christus (Zeile 11). Es fehlt der antiochenische Hinweis auf den durch den Logos „angenommenen Tempel“. Die wie[270]derholten Einheitsaussagen durchwirken gewissermaßen alles, was über die doppelte Homoousie etc. dargelegt wird. Der doppelte Aspekt des einen Christus wird mit positiv und negativ etwas anderen Vokabeln in den zum ursprünglichen Bestand gehörigen Wörtern „in zwei Naturen“ (Zeile 17) „erkannt“ (Ende von Zeile 18) „und nicht in zwei Personen zerteilt und getrennt“ (Zeile 22) dargelegt. Auch die Rede von „zwei Naturen“ kennen wir aus dem Bekenntnis von 433. Es ist gar nicht leicht zu sagen, was in der Vorlage „in zwei Naturen erkannt“ heißen sollte; man kann aber wohl soviel sagen, daß die zwei Naturen in der Einheit weiter bestehen sollten, aber nicht so, daß daraus zwei verschiedene Gestalten, Personen, werden. Dieses letztere negative Kolon richtet sich gegen mißverstandene Aussagen des Nestorius. Aus der Tatsache, daß an dieser Stelle die Vorlage ergänzt worden ist, ist abzulesen, daß sie angesichts der anstehenden Probleme als nicht differenziert und spezifisch genug empfunden wurde. Es reichte offensichtlich nicht aus, die Tatsache der Existenz zweier Naturen in Christus nur zu erwähnen und ein Mißverständnis dieser Tatsache abzuwehren. Vielmehr bedurfte es einer Entfaltung dessen, wie Einheit und Zweiheit in Christus verstanden werden sollten. Dazu wird das Begriffsfeld der asynchytos henosis vollständiger herangezogen, als es 433 geschah. Es gehören nicht nur die vier Adverbien von Zeile 18 dazu, sondern auch alles, was in Zeilen 19 und 20 gesagt wird. Während die vier Adverbien, die übrigens im Satzbau grammatisch nicht leicht ein- bzw. zuzuordnen sind, einerseits die Unterscheidung („unvermischt, unverwandelt“), andererseits die Einheit („ungeteilt, ungetrennt“) in Christus betonen, werden zwei ganze Zeilen der Unterscheidung der Naturen und der Bewahrung ihrer Eigentümlichkeiten gewidmet, die durch die Einheit nicht aufgehoben werden dürften. Während der Grundtext die Gefahr zweier „Personen“ in Christus abwehrt (Zeile 22), will die Einfü[271]gung umgekehrt eine gefährlich erscheinende Folgerung aus der Einheit verhindern. Doch endet diese Passage ihrerseits mit einer Aussage über die Einheit des Christus, die „technischer“ klingt als die Betonung der Selbigkeit des einen Christus im Grundtext; Zeile 21 spricht von

271, 272 

3 Die theologische Problematik 

 397

der einen Person und der einen Hypostase in Christus. Die Verwendung des Begriffs hypostasis für den einen Christus, in den chalcedonensischen Debatten und hier, innerhalb der Einfügung, ohne Zweifel eine Konzession an die Kyrillianer, schafft die systematische Schwierigkeit, daß der Gott Logos als eine von drei trinitarischen Hypostasen und der ganze Christus als eine christologische Hypostase nicht ganz deckungsgleich sind. Im sechsten Jahrhundert wird man unter großem Aufwand versuchen, eine genauere Definition der einen christologischen Hypostase zu gewinnen. Im Unterschied zu dem absprechenden Urteil, das Harnack über die vier negativen Adverbien ausgesprochen hat (den Gesamtkomplex der asynchytos henosis kannte er noch nicht), läßt sich sehr wohl eine religiöse Dimension ihrer Bedeutung erschließen. Ich verweise hier auf meine bei anderer Gelegenheit angestellten Erwägungen23, aus denen ich folgendes übernehme: Die Nomenklatur der asynchytos henosis, von den Philosophen verwendet zunächst für den seelisch-geistigen Bereich, von dort übertragen auf den noetisch-göttlichen, und zwar auf die Relation des Einen zum Vielen, des Nous zu den Ideen, betrifft in dieser Fassung dezidiert den Bereich des Unkörperlichen, dessen, was nicht den Gesetzen der Physik unterliegt. Daher ist sie als angemessen für die Verwendung in Trinitätslehre und Christologie empfunden worden. Wie in der Trinitätslehre ist sie auch in der Christologie benutzt worden, wenn man die eigene Unterscheidungslehre gegen eine Einheitslehre verteidigen mußte, während man gleichzeitig das Anliegen der Einheit nicht vernachlässigen konnte, ohne doch die gegnerische Artikula[272]tion desselben übernehmen zu können. Ihre Bedeutung für die Christologie liegt darin, daß sie das Festhalten an der Vollständigkeit der menschlichen Natur Christi erlaubte. Daraus ergibt sich die Funktion dieser Nomenklatur im Chalcedonense: sie soll die Konnotationen einer der menschlich vergleichbaren Organeinheit, die der einen Hypostase Kyrills von ihrer (apollinaristischen) Herkunft her anhaften, ausbalancieren oder gar beseitigen. Die Sprache der „unvermischten Einung“ ist in diesem theologischen Zusammenhang ein Ausdruck für den göttlichen, übermenschlichen Charakter der Einheit von Gott und Mensch in Christus. Ihr Wunder besteht für uns darin, daß dies von einem gesagt werden kann, der gelebt und gelitten hat wie wir. Die in den vier negativen Adverbien unseres Textes sich äußernde Dialektik könnte man für ein höchst unbefriedigendes Ergebnis halten; aber sie spricht für die Kraft der göttlichen und menschlichen Wirklichkeit und Wahrheit, die gleichzeitig ausgesagt werden sollen. Es wirkt darin nach der theologische Stachel des monotheistischen Anspruchs und das Skandalon des Irdischen, das göttlich sein soll. Es ist als ein Verdienst der Unterscheidungschristologie zu betrachten, daß ihr griechischtheologisches Insistieren auf der Unveränderlichkeit Gottes die menschliche Natur Christi als ein Theologumenon allen weitverbreiteten altkirchlichen christologischen Vergöttlichungstendenzen zum Trotz erhalten hat. Unsere heutige Aufgabe ist ent-

23 S. den in Anm. 4 genannten Aufsatz, für das Folgende darin 105, 108  f.

398 

 5.4 Der Christusglaube der Konzilien

272

gegengesetzt, und ihre Voraussetzungen sind viel schwieriger. Der Mensch Jesus ist uns in jedem Fall geblieben; es kommt darauf an, von der Verbindlichkeit seiner Botschaft und der Autorität seiner Person angesichts des allgemeinen Atheismus so zu reden, daß es möglich wird, auf eine neue Weise von Gott zu sprechen. [S. 273 folgen im Original die Endnoten 4–23 – d. Red.]

5.5 Der Geist als „Band“ zwischen Vater und Sohn – ein Theologoumenon der Eusebianer?1 Athanasius (im ersten Teil seiner III.  Arianerrede2) wie auch Markell von Ankyra (im „westlichen“ Serdicense3) bekämpfen einen uns sonst unbekannten Text der Eusebianer und haben uns so einige Gedanken und Stichworte dieser Gegner aufbewahrt, für die wir andere Quellen nicht besitzen4. Die Eusebianer, so läßt sich erschließen, haben die Kapitel 10, 14 und 17 des Johannesevangeliums für ihre trinitarische Argumentation herangezogen; es kam ihnen darauf an, die Aussagen Christi über seine Einheit mit dem Vater und über die Einheit der Gläubigen untereinander und in Vater und Sohn in einem bestimmten Sinn zu deuten. Sowohl im Serdicense wie bei Athanasius finden wir, daß die Eusebianer zur Erklärung der johanneischen Einheitsaussagen dem heiligen Geist eine Funktion oder Rolle für die Konstitution der Einheit zugeschrieben haben. Sie gehen damit über den Text des Evangeliums hinaus, wo in den betreffenden Passagen vom Geist nicht gesprochen wird. Beginnen wir mit dem Serdicense. Für unser spezifisches Problem ist nur der letzte Abschnitt heranzuziehen, § 12 in der Gliederung von Martin Tetz5. [127] Markell wirft den Gegnern vor, sie verstünden nicht, auf welche Weise gesagt wird (sc. im hohenpriesterlichen Gebet), „da auch sie in uns eins seien“, ἵνα καὶ αὐτοὶ ἐν ἡμῖν ἓν ὦσι (Joh 17,21)6. Der Verfasser fährt fort: „Es ist klar, weswegen ‚eins‘: weil die Apostel den heiligen Geist Gottes empfangen haben; aber trotzdem waren sie nicht selbst Geist, auch war nicht einer von ihnen Logos oder Sophia oder Dynamis, war auch

1 Das Folgende wurde in verkürzter Form auf der Internationalen Patristischen Konferenz 1995 in Oxford vorgetragen und war dann für eine Festschrift bestimmt, deren Erscheinen für 1997 vorgesehen war. Änderungen in der Planung der letzteren veranlassen mich nun zur Veröffentlichung an dieser Stelle. Inhaltlich handelt es sich um eine erste Ergänzung der Skizze, die ich als Exkurs innerhalb meines Vertrags „Zur Trinitätslehre des Thomas von Aquin“ vorgelegt habe. Dieser Vortrag in ZThK 92/4, 1995, 466–480, der Exkurs 468–471. 2 Der erste Teil umfaßt die Kapitel 1–25. 3 Ich betrachte mit anderen die Verfasserschaft Markells an diesem Bekenntnis als etabliert. 4 Für die partiell gemeinsame Frontstellung von Athanasius und Markell in den genannten Schriften s. L.  Abramowski, Die dritte Arianerrede des Athanasius. Eusebianer und Arianer und das westliche Serdicense, ZKG 102, 1991, 389–413, hier 395–398 [hier in diesem Band S. 307–330]. 5 M.  Tetz, Ante omnia de sancta fide et de integritate veritatis. Glaubensfragen auf der Synode von Serdika (342), ZNW 76, 1985, 243–269. Der Text des Serdicense darin 252–254, der § 12 254. In Theodorets Kirchengeschichte, GCS 44, 1954, ed. Parmentier/Scheidweiler, entspricht dem §  12 der Abschnitt 117,12–118,4, mit anderer Paragraphenzählung. 6 Ich zitiere den Text in der Gestalt, wie ihn die Editoren der KG Theodorets mitteilen, weil ich sonst jede einzelne der Tetzischen Emendationen diskutieren müßte, was zu viel Platz einnehmen würde. Einer dieser Emendationen widerspreche ich sogleich (s.  o.) und werde meinerseits eine für diesen Abschnitt des notorisch schlecht überlieferten Textes vorschlagen. https://doi.org/10.1515/9783110647419-022

400 

 5.5 Der Geist als „Band“ zwischen Vater und Sohn

127, 128

nicht Monogenes“. Tetz will das Kolon „aber trotzdem waren sie nicht selbst Geist“ verbessern, indem er ἦσαν, „waren“, mit der lateinischen Fassung zu ἐκλήθησαν, „wurden genannt“, macht; er bezeichnet das als lectio difficilior – tatsächlich ist es eine erleichternde Lesart. Daß die Lesung ἦσαν beibehalten werden muß, wird aus Markells anschließender reductio ad absurdum deutlich, da ja auch keiner der Apostel λόγος, σοφία etc. „war“, ἦν. Indirekt ergibt sich aus den Worten Markells, daß die Eusebianer das Einswerden der Gläubigen als durch den heiligen Geist geschehen sahen – ein Gedanke, den für sich genommen, niemand als falsch bezeichnen wollen wird. Es ist Markells Interpretation der eusebianischen Aussage, daß er die Wirkung des Geistes durch die Apostel vermittelt denkt; die letzten Zeilen des § 127 bestätigen das, in ihnen ist vom heiligen Geist schon gar nicht mehr die Rede. In der eben zitierten Sequenz: „weil die Apostel den heiligen Geist empfangen haben; aber trotzdem waren sie nicht selbst Geist“ scheint mir die Abfolge der beiden Kola recht abrupt. Ich frage mich, ob nicht wie in zwei anderen von mir früher konstatierten Fällen8 ein Verlust durch homoioteleuton eingetreten ist, so daß man nach ἀλλ’ einfügen sollte: „obwohl die Apostel πνεῦμα ἅγιον ἔλαβον“, um dann mit dem vorhandenen Text fortzufahren: „waren sie trotzdem nicht selber Geist“. Das nächste Argument Markells betrifft das ἐν ἡμῖν des johanneischen Textes9; freilich handelt es sich um eine bloße Andeutung, die erst mit Hilfe der ausführlicheren Darlegungen des Athanasius in Ctr. Ar. III 21 und 22 über dasselbe ἐν ἡμῖν verständlicher wird. Während das Serdicense mit nicht leicht aufzuschlüsselnden Anspielungen arbeitet, stehen uns bei Athanasius die Kapitel 17–25 der III.  Rede zur Verfügung. C. 17 enhält zwei Zitate der Eusebianer (Athanasius redet von „Arianern“). Sie sind neueren Datums: ἐφεύρομεν καινοτέραν (sc. ἐπίνοιαν), legt Athanasius den Eusebianern in den Mund [128] a) Im Athener Druck10 264,17 οὕτως – 30 ἀπέστειλας. Dies erste Zitat besteht in der Hauptsache aus Joh  17,11 und 20–23, welche Verse die Begründung für die Meinung der Eusebianer abgeben, mit der das Zitat beginnt: „So ist der Sohn und der Vater eins, und so ist der Vater im Sohn und der Sohn im Vater, ὡς ἂν καὶ ἡμεῖς ἐν αὐτῷ γενοίμεθα = wie auch wir wohl in ihm sind; dies nämlich ist im Johannes-Evangelium geschrieben, was Christus für uns erbat, indem er sagt:“ – es folgen die angegebenen Bibelstellen; b) 264,31 εἰ – 37 ἀλλότριοι: Hier werden auch noch Joh 10,30 und 14,10 herangezogen. In diesem Zitat wenden sich die Eusebianer gegen die Einheit der οὐσία von Vater und Sohn und argumentieren folgendermaßen: „Wenn wie wir im Vater eins sind 7 Theodoret, 117,20–118,4. 8 Abramowski, Arianerrede (s. Anm. 4) 399  f. [hier in diesem Band S. 317  f.] 9 Theodoret, 117,17–118,4. 10 Ἔκδοσις τῆς ἀποστολικῆς διακονίας, Athen 1962 (Band 30 der Βιβλιοθηκὴ ἑλλήνων πατέρων κτλ.).

128, 129 

5.5 Der Geist als „Band“ zwischen Vater und Sohn 

 401

(γινόμεθα), so auch er und der Vater eins ist (sic), und so auch er im Vater ist – wie leitet ihr aus seiner Rede ‚Ich und der Vater sind eins‘, und: ‚Ich im Vater, und der Vater in mir‘ ab, da er eigener und gleicher (ἴδιον καὶ ὅμοιον) der οὐσία des Vaters11 ist? Notwendigerweise sind entweder auch wir eigene (ἰδίους) der οὐσία des Vaters, oder auch jener (sc. der Sohn) ist fremd (ἀλλότριον), wie auch wir fremde (ἀλλότριοι) sind“. Die Eusebianer behaupten also, daß unsere Einheit im Vater dieselbe sei wie die Einheit des Sohnes mit dem Vater, und unser Sein im Vater dasselbe wie das Sein des Sohnes im Vater und vor allem, daß das Sein des Sohnes im Vater (und ihre Einheit) zu verstehen sei von unserm Sein im Vater her (und von unserer Einheit in ihm). In den folgenden Kapiteln bemüht sich Athanasius, diese Gleichsetzung aufzulösen. Da bei den Eusebianern die Gleichsetzung verbunden ist mit dem Schluß von unserm Verhältnis zum Vater auf das des Sohnes zum Vater, muß auch diese nur in einer Richtung verlaufende Schlußfolgerung abgewiesen werden. Das geschieht nicht nur, indem die Richtung einfach umgedreht würde, sondern indem die enge, unvermittelte Beziehung, die in den Aussagen des johanneischen Jesus zwischen beiden Arten von Einheit herrscht, zu einer nur vermittelten aufgelöst wird. Ohne Zweifel bedeutet das eine Abschwächung gegenüber dem johanneischen Text, jedenfalls was unsere Einheit betrifft. „Was aus Gnade den Menschen gegeben wird, das wollen sie“ (sc. die Eusebianer), „daß es der gebenden Gottheit gleich sei“, sagt Athanasius gegen Ende von c. 17 (265,2  f.). „Was aus Gnade den Menschen gegeben ist“ kann als vorwegnehmende Überschrift für die folgenden Seiten betrachtet werden. Im Einzelnen will ich dem Argumentationsgang des Athanasius, der zunächst auch anders ansetzt, nicht folgen, auch nicht in bloßer Aufzählung, [129] vielmehr greife ich nur heraus, was das Thema dieses Beitrages betrifft. So hat der Geist wie im Serdicense so auch für Athanasius eine vermittelnde Funktion zwischen uns und Gott: „Wir aber werden durch Adoption und Gnade zu Söhnen gemacht, indem wir an seinem Geist teilhaben“, c. 19 (266,36  f.). In c. 21 hören wir vom „Band der Liebe“, σύνδεσμος τῆς ἀγάπης, das wir im Namen des Vaters und des Sohnes, als eins Gewordene, „als ein festes haben können« (268,19–21). Das „Band der Liebe“ ist ein deuteropaulinischer Ausdruck (Kol 3,14), in der III.  Arianerrede finden wir ihn noch einmal im letzten Satz von c. 2312, am Ende einer Gedankenreihe, die als Christusrede formuliert ist. Dieser letzte Satz von c. 23 stellt einen weiteren Beitrag zur Deutung des ἐν ἡμῖν von Joh 17,21 dar, verbunden mit einem typischen athanasianischen Gedanken: „Sie“ (sc. die Gläubigen) „bleiben nicht mehr tot, sondern vergöttlicht (θεοποιηθέντες) 11 Hier halten die Eusebianer dem Athanasius seine eigenen Stichworte vor, wie er sie in Contra Arianos I und II verwendet. Analoges Verhalten bei den Arianern, s. Abramowski, Arianerrede (s. Anm. 4) 408 [hier in diesem Band S. 325  f.]. 12 BKV schreibt in diesem Satz „Wort“, wo „Werk“ stehen müßte. Elf Zeilen weiter oben steht dort: „Wir also in ihnen, Vater!“, das muß richtig heißen: „Wirke also in ihnen, Vater!“.

402 

 5.5 Der Geist als „Band“ zwischen Vater und Sohn

129, 130

haben sie, ἐν ἡμῖν βλέποντες, untereinander den σύνδεσμος τῆς ἀγάπης“. ἐν ἡμῖν βλέποντες kann ja nur heißen: „auf uns blickend“ (BKV: „im Aufblick zu uns“), was gewiß hinter der Meinung des johanneischen Textes zurückbleibt. Außerhalb der III.  Arianerrede gibt Müllers Lexicon nur noch eine Stelle an, wo Athanasius vom σύνδεσμος τῆς ἀγάπης spricht, nämlich in der Apologia ctr. Arianos. In c. 23 steht auch der merkwürdige Satz (269,31  f.): ὅθεν αὐτὸς μὲν ὁ υἱός, ἁπλῶς καὶ χωρὶς συμπλοκῆς τινός ἐστιν ἐν τῷ πατρί· φύσει γὰρ ὑπάρχει τοῦτ’αὐτῷ = „Daher ist der Sohn selbst einfach und ohne συμπλοκῆς τινός im Vater; von Natur aus trifft das nämlich für ihn zu“13, συμπλοκή heißt Verbindung; im grammatischen Gebrauch ist es bei Athanasius synonym mit σύνδεσμος (s. G.  Müller [Hg.], Lexicon Athanasianum, Berlin 1952), also kann man die Synonymität von συμπλοκή und σύνδεσμος auch für die sonstige Verwendung durch Athanasius annehmen. Dann kann man es auch wie den σύνδεσμος von Kol 3,14 mit „Band“ übersetzen. Fragen muß man, ob τινός adjektivisch zu nehmen ist – „irgendein Band“ –, oder ob es substantivisch als ein weiteres Genitivobjekt verstanden werden soll  – „Band des  …“ oder „Band der …“. Nach dem Kontext legt sich nahe, in Gedanken für τινός zunächst einmal „der Liebe“ einzusetzen. Die συμπλοκὴ τινός wäre also die abzulehnende eusebianische Auffassung der Einheit von Vater und Sohn, ἁπλῶς hätte in diesem Zusammenhang die Bedeutung von „unmittelbar“. Die Meinung des Athanasius lautet dann nach dem Gesagten: „Daher ist der Sohn selbst unmittelbar und ohne Band von irgendetwas im Vater; von Natur aus trifft das nämlich für ihn zu“. Bedenkt man dies, so entsteht die Vermutung, daß es schon die Eusebianer waren, die mit Kol 3,14 arbeiteten. Zogen sie [130] vielleicht auch aus dieser Stelle einen Schluß für die Einheit von Vater und Sohn? Am deutlichsten wird uns die Auffassung der Gegner des Athanasius aus c. 24. Athanasius gewinnt aus Joh 4,13 die Erklärung dafür, wie wir in Gott sind und er in uns: durch die Gnade des Geistes, durch den Geist. 270,23–28: Nicht wie der Sohn im Vater ist, sind auch wir im Vater. „Nicht hat der Sohn Anteil am Geist (μετέχων ἐστὶ τοῦ πνεύματος), damit er dadurch im Vater sei; er ist nicht Empfänger (λαμβάνων ἐστί) des Geistes, sondern er selbst reicht ihn allen dar; und nicht verbindet (oder: vereint) der Geist den Logos mit dem Vater (καὶ oὐ τὸ πνεῦμα τὸν λόγον συνάπτει τῷ πατρί), sondern vielmehr empfängt der Geist vom Logos (cf. Joh 16,5)“. Für Athanasius gilt als das richtige Verständnis, daß der Sohn als „eigener“ Logos und Abglanz im Vater ist, wir dagegen ohne den Geist dem Vater fremd sind und fern von ihm; die Teilhabe am Geist ist es, die uns mit der Gottheit vereint (270,28–31). Als eusebianisch unter den abgelehnten Auffassungen vom Verhältnis von Sohn und Geist erscheint mir der Satz, daß das πνεῦμα den Logos mit dem Vater verbindet

13 Die Übersetzung in BKV läßt erkennen, wie schwierig der Satz zu verstehen ist, solange der tatsächliche Streitpunkt nicht begriffen ist: „Deshalb ist der Sohn selbst absolut und ohne jeden Zusatz im Vater. Denn dies kommt ihm von Natur aus zu.“

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5.5 Der Geist als „Band“ zwischen Vater und Sohn 

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oder vereint14. Von ihm aus wird die Aussage von der συμπλοκὴ τινός in c. 23 vollends klar: es ist die συμπλοκὴ πνεύματος, der Geist als Band (genitivus explicativus) zwischen Vater und Sohn. Wir können also mit einiger Mühe einen Versuch der Eusebianer vor Serdica15 ausmachen, zu befriedigenderen Aussagen über die Einheit von Vater und Sohn zu kommen als bisher, ohne doch die Einheit mit der Vokabel οὐσία zu bezeichnen, sie in der einen οὐσία oder φύσις zu finden. Als biblischen Ausgangspunkt nahmen sie die stärksten Einheitsaussagen, die wir haben, nämlich die aus dem Johannesevangelium. Joh 17 bot ihnen einen gedanklichen Zugang zum Geheimnis der innergöttlichen Einheit, weil diese, wie schon gesagt, unsere Einheit untereinander auch als eine solche im Göttlichen bewirkt. Mit dem dreimaligen καθώς von Joh 17,11. 21. 22 konnten sie ihr Rückschlußverfahren von unserer Einheit als eine in der göttlichen Einheit auf die göttliche Einheit selbst rechtfertigen. Kein Wunder, daß Athanasius von c. 18 bis 22 eine Hermeneutik des Vergleichs, speziell des biblischen, entwickeln muß, um das johanneische καθώς als Gleichheitszeichen zu entschärfen und auf unserer, der Gläubigen, Seite nur Nachahmung des göttlichen παράδειγμα zuzulassen. Sowohl aus dem, was Markell im Serdicense andeutet, wie aus den Gedankengängen des Athanasius geht hervor, daß die Eusebianer mit leicht beizubringenden biblischen Belegen unsere Einheit untereinander als eine solche des heiligen Geistes und der Liebe verstanden, das „Band der Liebe“ ist der [131] heilige Geist, der als Liebe und daher als die verbindende Kraft unter uns wirkt. Mit Hilfe des καθώς und des göttlichen ἐν ἡμῖν wurde das auf das innergöttliche Verhältnis übertragen: der Geist war nun das Band, die συμπλοκή, die den Logos und den Vater vereint, συνάπτει. Freilich ließ sich die unmittelbare innertrinitarische Verwendung dieses Vokabulars nicht biblisch belegen. Jedoch gibt es in den Oracula chaldaica schlagende Parallelen für die Verbindung des Ersten und Zweiten im Göttlichen durch das Dritte16, auf die man dankbar für die neue theologische Fragestellung zurückgegriffen haben könnte. Wir wissen ja, wie gut Euseb von Cäsarea Porphyrius und dadurch das vom Neupla-

14 Die beiden vorausgehenden Sätze sind wahrscheinlich die bloße Umkehrung der Meinung des Athanasius. 15 Was Athanasius die Eusebianer in c. 17 von ihrer „neueren Auffassung“ sagen läßt, ist chronologisch ernst zu nehmen. 16 Zitiert bei Abramowski, Trinitätslehre (s. Anm. 1) 470 mit Anm. 14 und 16. Es handelt sich erstens um Oracula chaldaica Fragm. 31 des Places: ἐξ ἀμφοῖν δὴ τῶνδε ῥέει τριάδος δέμα πρώτης / οὔσης οὐ πρώτης ἀλλ’ οὗ τὰ νοητά μετρεῖται. Es ist die erste Zeile dieses Fragments, auf die es hier ankommt. Zweitens ist zu nennen die Einleitung des Proklus († 485) zu Fragm. 4 des Places, zitiert von R.  Majercik, The Chaldean Oracles. Text, translation and commentary, Leiden 1989, in der Proklus eine Orakelmeinung referiert: πανταχοῦ γὰρ ἡ δύναμις τὸ μέσον κεκλήρωται καὶ ἐν μὲν τοῖς νοητοῖς συνάπτει τὸν πατέρα καὶ τὸν νοῦν. Augustin kannte die entsprechende Orakelstelle als porphyrianisch und wollte ihre trinitarische Übertragbarkeit nicht verstehen („non intelligo“), s. die Passage aus De civitate dei X,23, zitiert von Majercik, 8 Anm. 1.

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 5.5 Der Geist als „Band“ zwischen Vater und Sohn

131, 132

toniker tradierte Orakelmaterial kannte. Athanasius wird das kaum erkannt haben, sonst hätte seine Polemik wohl noch andere Züge angenommen. Dies alles könnte man als eine fast nicht mehr wahrzunehmende Episode in der Geschichte der eusebianischen Theologie rasch wieder vergessen, wenn nicht Athanasius mit jenem Satz, daß nicht der Geist den Logos mit dem Vater vereint, dem bekannten topos der augustinischen Trinitätslehre widersprochen hätte, lange ehe Augustin ihn entwickelt haben konnte. Es fragt sich, ob nicht ein literarischer Zusammenhang vorliegt. Natürlich kann dieser nicht über eine Kenntnis der III.  Arianerrede bei Augustin hergestellt werden, denn nicht nur wäre hier viel zu wenig darüber zu erfahren gewesen, sondern Athanasius denunziert den topos ja auch als arianisch, was seine Benutzung durch Augustin ausgeschlossen hätte. Andererseits erscheint bei Augustin die Lehre vom Geist als Band der Trinität in Begleitung typisch eusebianischer Ausdrücke, wie wir sie aus der Formula makrostichos und aus Euseb selber kennen, diese sind jedoch wiederum neunicänisch ergänzt – so wird ausdrücklich von der Einheit von „Gleichen“, aequalia, gesprochen. Man muß als Zwischenglied also eine Schrift postulieren, in der der eusebianische Versuch, die Einheit zwischen Vater und Sohn so zu erklären, wie ich es vorhin rekonstruierte17, sowohl aufgenommen als auch neunicänisch bearbeitet wurde. In diesem Stadium würde ich eine durchgängige Konzentration auf das innertrinitarische Problem annehmen, unter Verzicht auf die Analogie der Einheit der Gläubigen [132] als Ausgangspunkt des Gedankengangs, aber unter Benutzung der aus dieser Analogie gewonnenen Gleichung „Band der Liebe“ = „Band des Geistes“. Hatte ich neulich noch geschrieben: „Solange wir es nicht besser wissen, wird wohl Augustins inhaltliche Bestimmung des Einheitsbandes als Liebe als sein eigener Beitrag zur Weiterentwicklung des Gedankens zu gelten haben“18, so weiß man es nun durch die oben vorgenommene Untersuchung tatsächlich besser. Eine solche neunicänische Bearbeitung des von Athanasius bekämpften Textes kann nicht vor 362 geschehen sein und war vermutlich ein Unternehmen noch im griechischen Sprachraum. Als ein weiteres Vermittlungsglied zu Augustin wird man eine lateinische Übersetzung des postulierten trinitarischen Traktats anzunehmen haben. Wie auch immer der Weg ausgesehen haben mag, der vom ursprünglich eusebianischen Konzept zu Augustin führte, so hat es durch diesen eine Wirkung gehabt, die Athanasius und Markell sich niemals auch nur im Traum hätten vorstellen können. Und uns wird wieder einmal klar, daß die Diskussionen über die Trinitätslehre zwischen 340 und dem Anfang des 5. Jahrhunderts noch viel bunter und facettenreicher waren, als man es bisher schon wußte, und daß sich zugleich völlig unerwartete Querverbindungen auftun. 17 Damit modifiziere ich meine im Thomas-Aufsatz (s. Anm. 1) 469 und 471 angestellten Vermutungen über die Art der literarischen Beziehungen zwischen der eusebianischen Schrift, die Athanasius vor Augen hat, und dem, was Augustin gelesen hat. 18 Abramowski, Trinitätslehre (s. Anm. 1) 471.

5.6 Die Sitzung des Konzils von Ephesus am 22. Juli 431 „Über die Befestigung des Symbols der heiligen Väter von Nicäa und über den vom Presbyter Charisius übergebenen Libellus“ Nur die Collectio Atheniensis (= A) der ephesinischen Akten, ediert in ACO I 1,7, vom Herausgeber Eduard Schwartz besprochen in der Praefatio von ACO I 1,4, enthält Verhandlungen der kyrillischen Synode über regionale Probleme: A 73–79 über den Antrag des Presbyters Charisius aus Philadelphia in Lydien, A 80 über die Messalianer, A 81 über die Selbständigkeit der Kirche von Zypern, A 82 über die Bischöfe der Provinz Europe (das ist das Hinterland von Konstantinopel), A 83 über einen früheren Metropoliten in Pamphylien, cf. ACO I 1,4, p. XVII.  Aus den jeweiligen Protokollen sind Stücke ganz verschiedenen Umfangs übernommen worden, manchmal nur der Beschluss der Synode. Eine Ausnahme ist der Komplex A 73–79: Hier ist nicht nur aus dem Protokoll der Sitzung vom 22. Juli (Datum ACO I 1,7, p. 84,33) ausgewählt worden, sondern diese Auswahl hat in einer nachträglichen Bearbeitung beträchtliche Zusätze erhalten. Und zwar stammen diese Zusätze fast vollständig aus der ersten Sitzung der kyrillischen Synode vom 22. Juni 431, wie Schwartz leicht zeigen konnte, ACO I 1,4, p. XVIII–XXI; im Apparat zu I 1,7 sind die Fundstellen angegeben. Dazwischen sind auch kleinere Stücke eigens für die Bearbeitung formuliert worden, wie ich unten notieren werde. Der Bearbeiter der ursprünglichen Gesta sei nicht ein beliebiger späterer Fälscher, sondern vermutlich Kyrill selbst, so Schwartz I 1,4, p. XVIIIf. Schwartz zitiert in der Anmerkung zu I 1,7, p. 88,33 (eine Anmerkung die besser zur „Befestigung“ in der Überschrift p. 84,29 passen würde) aus Kyrills Brief an Acacius von Beröa, A 107,5 (I 1,7, p. 149,3  ff.): In Ephesus habe es ein idikon hypomnēma gegeben, welches den Glauben der nicänischen Väter „befestigte“, unter Beifügung von Väterzitaten. Was Kyrill meint, ist der erste Teil der Sitzung vom 22. Juli in der bearbeiteten Form. Das Ergebnis der Bearbeitung erhält eine Überschrift (I 1,7, p. 84,28–30), die den zweifachen Inhalt des Folgenden angibt, man kann sie oben im Titel dieser Untersuchung lesen. Das Protokoll selbst beginnt formgerecht mit dem Datum der Sitzung und dem Versammlungsort, dem Episkopeion des Bischofs Memnon von Ephesus (p. 84,31–36). Das Datum ist übrigens nicht nur in [383] lateinischer, sondern auch nach ägyptischer Zählung angegeben, ein deutlicher Hinweis auf die alexandrinische Redaktion auch dieses besonderen Komplexes. Danach wird die Teilnehmerliste der ersten Sitzung vom 22. Juni abgeschrieben, mit 157 Namen (p. 84–88). Man könnte sich ohnehin nicht vorstellen, wie 157 Personen im Bischofshaus getagt haben sollten; ganz zu schweigen von den 197 Personen der Liste A 79, also am Schluss – ist dieses Letztere eine Unterschriftenliste, erstellt im Umlaufverfahren? Nach A 73, der ausgeborgten Teilnehmerliste, eröffnet in A 74 § 1 der alexandrinische Obernotar Petrus den Geschäftsgang der Sitzung vom 22.  Juli, wie aus dem https://doi.org/10.1515/9783110647419-023

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Inhalt seiner Ankündigung zu erschließen ist (neben der Fürsorge „eurer“ Synode für den Glauben zeige sie auch Fürsorge für die disciplina und ordinatio ecclesiarum, cf. die lateinische Version ACO I 3, p. 120,34; damit sind die oben aufgezählten regionalen Probleme gemeint). Den horos, den die Synode hervorgebracht hat, hat er in Händen und will ihn vorlesen, wenn es der Versammlung gefällt. Die Synode stimmt zu, § 2: „Der von dieser (=  unserer) heiligen und ökumenischen Synode hervorgebrachte horos soll vorgelesen und den Akten eingefügt werden“. – Die beiden §§ 1 und 2 bilden offensichtlich den Anschluss an p. 84,31–34 innerhalb des Anfangs von A 73 und sind zusammen mit jener Passage als Reste des ursprünglichen, nicht bearbeiteten Aktentextes zu betrachten. Unvermittelt folgt in A 74 § 3 das Nicänum, ohne irgendeine Überleitungsformel oder Begründung. Selbst dies Bekenntnis ist aus der ersten Sitzung übernommen worden, denn das Lemma ist dasselbe wie dort: „Die Synode in Nicäa legte diesen Glauben dar“ (p. 89,3). – Blickt man übrigens von § 3 zurück auf § 2, so wirkt dieser wie der vermisste Übergang zum Nicänum – mit oder ohne Absicht des Redaktors? Fast vermute ich, dass Schwartz das auch so gesehen hat (s. seine oben erwähnte Anmerkung), und ich selber las es zunächst auch so. Dem Nicänum wird eine Bemerkung angeschlossen (§ 4, p. 89,14–20), die nicht aus der 1. Sitzung stammt, also vom Bearbeiter verfasst wurde. Sie soll zu A 75 überleiten, ihr Inhalt ist: Diesem Glauben müssen alle zustimmen, denn er ist fromm und ausreichend für ein nützliches Leben „unter dem Himmel“. Es gibt aber Leute, die diesen Glauben zu bekennen beanspruchen, die ihn falsch interpretieren und die Wahrheit nach ihrer Meinung auslegen, „Söhne des Irrtums und Kinder des Verderbens“, deswegen ist es nötig, Aussprüche auszulegen und zu verkündigen.  – D.  h. aber, das Nicänum allein genügt angeblich – und es genügt dann doch nicht. Denn die Gegenseite berief sich natürlich auch auf das Bekenntnis von Nicäa. A 75 kopiert nun das Väterflorileg der ersten Sitzung mitsamt den Zeilen der dortigen protokollarischen Vorbemerkungen; am Ende werden vier Zitate angehängt, die den originalen Beitrag des Redaktors zu dieser Kopie darstellen (p. 89–95). A 76 (p. 95,15  ff.) bietet eine zweite Einleitung innerhalb der bearbeiteten Sitzung; in der lateinischen Version geht ihr voran, wie es sich gehört: „Nachdem dies vorgelesen worden war, sagte der Presbyter von Alexandrien und Obernotar:“, ACO I 3, p. 128,1. Was er dann sagt, kennzeichnet das Vorangegangene als Beschluss über den nicänischen Glauben. Sechseinhalb [384] Zeilen im genitivus absolutus sind dazu nötig: Die auf Befehl der Kaiser aus „beinah“ der ganzen Ökumene in Ephesus versammelte heilige Synode der Bischöfe überall „hat definiert“ (horizousēs), „dass gilt und feststeht“ (kratein kai bebaian einai) der Glaube, „der dargelegt wurde durch den heiligen Geist“ durch die in Nicäa versammelten heiligen Väter, 318 an Zahl, (sie, die ephesinische Synode) hat das „formuliert (typousēs) in einer Weise, wie es sich in dieser Sache geziemt“ (dies ist die Selbstbeschreibung der Arbeit des Redaktors!). – Das bedeutet, dass im Sinne des Redaktors A 74 § 3 – A 75 Ende (p. 89,3–95,18) der horos der ephesinischen Synode über das Nicänum wäre. Tatsächlich aber ist er sein eigenes Werk.

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Nach dem langen genitivus absolutus ist das erste Wort des Hauptsatzes „Charisius“ (p.  96,2), mit ihm beginnt ein zusammenfassendes Referat über den wohl mündlichen Bericht des Charisius, Presbyters und Ökonoms der Kirche von Philadelphia. Am Ende des Referats wird auf den von Charisius eingereichten Libellus verwiesen, dieser folgt ebenso wie der Beschwerdepunkt, nämlich eine Ekthesis über die Menschwerdung, danach liest man weiter die Liste derer, die die „Darlegung“ in Philadelphia unterschrieben haben (p. 96–105). Das Verständnis dieser Schriftstücke wird erschwert durch drei Mystifikationen, von denen nur eine sich unmittelbar aus besagten Schriftstücken selbst aufklären lässt. 1) Der Ausgangspunkt der Vorgänge, die Charisius schildert, ist der Wunsch „einiger der aus Lydien stammenden Häretiker“, sich der katholischen Kirche zuzuwenden. Wer die „Häretiker“ sind, wird erst aus dem dritten der drei Anathemata klar, die der Ekthesis zur Unterschrift angehängt worden waren (p.100 oben, hier Zeile 2–4): „Jeder, der den heiligen Tag des pascha nicht nach der Setzung der heiligen und katholischen Kirche begeht, sei Anathema“. Es handelt sich also um Quartadecimaner; in den Abschwörformeln lautet ihre Selbstbezeichnung tessareskaidekatitēs (eine polemische Benennung, die anscheinend Epiphanius erfunden hat). Warum werden diese Leute nur so allgemein unter die Häretiker gerechnet und nicht gleich beim Namen genannt? 2) Jedenfalls geraten diese „Unglücklichen“ (p. 96,14) durch die Unterschrift des ihnen vorgelegten Textes nach Ansicht des Charisius in eine viel schlimmere Häresie. Der Verfasser jenes Textes bleibt anonym; weil sein Werk den Quartadecimanern als orthodox vorgelegt wurde, wird es in der redaktionellen Überschrift als paraplasthen „unterschoben“ (p. 97,25) (ich nehme den Genitiv zu ekthesis explikativ). Die lateinischen Übersetzungen der Akten geben das Partizip wieder mit seiner ersten nicht zutreffenden Bedeutung: „transformatum“, erstaunlicherweise folgt ihnen Schwartz (ACO I 1,4, p. XVIIII). Die Anonymität wird gelüftet im Brief Kyrills an Johannes von Antiochien, der in die Endphase des Streites um Theodor und Diodor nach dem Frieden von 433 gehört (439/440? S.  ZKG 67, 1955/6, p. 34–36). Schwartz hat ihn kritisch in seinen „Konzilstudien“ (Straßburg 1914) in zwei verschiedenen lateinischen Übersetzungen ediert, jetzt liegt er in der großen Ausgabe in ACO I 5, p. 314  f. (Coll. Sich. 15) in den Sammlungen zum ephesinischen Konzil vor und in IV I, p. 105  f. in den Akten des Konzils von 553. An der ersten Stelle hat das Lemma die Näherbestimmung „pro Theodoro“, weil [385] Kyrill sich auf das Argument der Gegenseite einlässt, dass man im Frieden mit der Kirche Verstorbene nicht nachträglich verdammen soll; an der zweiten Stelle dagegen redet man von der „conficta epistula“ (sc. ’Kyrills)! Der Brief gehört zu den kyrillischen „Stücken, die den konstantinopler Hoftheologen so unangenehm waren, dass sie ihre Echtheit bestritten“ (Schwarz, Konzilstudien p. 62). Man fragt sich natürlich, warum dieser Brief trotzdem in die Akten des 5. Konzils aufgenommen wurde. Der Grund sind die Aussagen über die von Charisius in Ephesus vorgelegte „unterschobene“ Ekthesis und ihren Verfasser. Die Ekthesis selber wird unter den zu verurteilenden Theodor-Texten des 5. Konzils aufgeführt, ACO IV 1,

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p. 70–72, unter der Überschrift „scelestum symbolon impii Theodori Mopsuestensi“. In den lateinischen Übersetzungen der ephesinischen Akten ist die Anonymität der Ekthesis bereits aufgehoben und Theodor als ihr Verfasser angegeben, s. den App. zu ACO I 1,7, p. 97,25. Kyrill spricht in seinem erwähnten Brief an Johannes von Antiochien von der expositio (= ekthesis) als „tamquam a Theodoro exposita, sicut dicebant qui protulerunt, nihilo sanum habente“. Die Synode habe sie getadelt als voll von „verdrehtem Verständnis“ und habe verurteilt jene, die ebenso dächten. „Dispensative (= oikonomikōs) nullum fecit viri mentionem nec ipsum nominatim anathemati subiecit nec vero alios“, wegen der Hochschätzung Theodors durch die anwesenden Orientalen, damit diese sich nicht von der Gemeinschaft mit dem Leib der allgemeinen Kirche trennten (hier nach der Fassung in ACO IV 1, p. 106 referiert). Man sieht, dass Charisius die Ekthesis als Text Theodors der kyrillischen Synode vorgelegt hatte und dass die Anonymität ein Resultat der synodalen Regie war. Das Referat über den Bericht des Charisius und wohl auch der Libellus selbst sind vor der Aufnahme in die Akten offensichtlich unter dem von Kyrill genannten Gesichtspunkt rezensiert worden: vielleicht ist Charisius gar schon für den mündlichen Vortrag daran gehindert worden, den Namen Theodors zu nennen. Die „anwesenden Orientalen“ müssen diejenigen Bischöfe der Diözese Oriens gewesen sein, die sich der kyrillischen Synode angeschlossen hatte und die man aus Eigeninteressse nicht verlieren wollte. Statt dessen wurden (inhaltliche) Beziehungen zu Nestorius hergestellt und die Nichtübereinstimmung mit dem Nicänum verurteilt, sowohl im Referat über den Charisius-Bericht (I 1,7, p. 96,8 und 11) wie im Libellus (p. 96,25 und 97,5) und in der Definition (p. 105,22 Nicäa); mit Schwartz I 1,4, p. XVIIII ist in letzterer die Einbeziehung der „perversen dogmata“ des Nestorius mitsamt dem Hinweis, dass sie „unten angefügt“ seien (I 1,7, p. 106,4) für einen kleinen Einschub des Redaktors zu halten. „Unten angefügt“ ist das Florileg aus Nestorius-Zitaten aus der 1. Sitzung der Synode (p. 106–111) einschließlich der hämischen Bemerkng des primicerius Petrus am Ende (p. 111,30  f.). In CPG II wird die Ekthesis als Nr. 3871 unter den Spuria Theodors aufgeführt unter Hinweis auf R.  Devreesse, Essai sur Théodore de Mopsueste (ST 141) 1948, 256  f. (im Supplementum der CPG von 1998 gibt es keine Ergänzung zu dieser Nummer). Aber Devreesses Begründungen sind nicht haltbar: Er verharmlost die Äußerungen Kyrills im Brief an Johannes (p. 228. [386] 256); die Argumentation des Afrikaners Facundus, des ausgezeichneten Verteidigers der Drei Kapitel, ist in ihrer Absicht nicht richtig wiedergegeben (p. 256 n. 13). Das für Devreesse entscheidende Argument, „dies Symbol“ entspreche „überhaupt nicht“ jenem, das Theodor in seinen Katechesen erklärt (p. 257), verrät einen allzu engen Begriff von Glaubensbekenntnis, vor allem aber berücksichtigt es nicht den redaktionellen Charakter der Überschrift der Ekthesis (ACO I 1,7, p. 97,25), diese nimmt das Stichwort „symbolon“ aus dem Referat auf, wo man liest, die Ekthesis sei „wie in der Art eines Symbols komponiert“, p. 96,13. In der Tat beginnt sie mit der Trinitätslehre, um dann sehr

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viel breiter die oikonomia zu behandeln, von der Menschwerdung bis zum Jüngsten Gericht. Der sachlich richtige Titel ist ohne Zweifel der im Übergang vom Referat zum Libellus mitgeteilte: „Ekthesis über die Menschwerdung des eingeborenen Sohnes Gottes“, p. 96,16  f. Von ihrem Inhalt her besteht nicht das geringste Bedenken, Theodor für ihren Verfasser zu halten. Die Ekthesis ist zur genaueren Belehrung für solche geschrieben, wie es am Eingang heißt, die „zum ersten Mal unterwiesen“ werden oder „aus irgendeinem häretischen Irrtum zur Wahrheit übergehen wollen“. Da Theodor 428 gestorben ist und die ganze Charisius-Affäre sich zur konstantinopler Amtszeit des Nestorius abspielte (also zwischen 428 und der ephesinischen Synode), ist die Ekthesis älter als diese Affäre und nicht speziell für die lydischen Quartadecimaner verfasst worden. Die eigentliche Zielgruppe ergibt sich aus den trinitarischen Aussagen: Es sind die Eunomianer. Ich hoffe, mich dazu an anderer Stelle äußern zu können.* 3) Die dritte Mystifikation betrifft den Ablauf der Ereignisse, der zur Aufnahme phil­adelphischer Quartadecimaner in die katholische Kirche führte. Im Referat über den mündlichen Bericht des Charisius hören wir: Zwei („angebliche“!) Presbyter, Antonius und Jakobus, kamen aus Konstantinopel mit Briefen der („angeblichen“) Presbyter Anastasius und Photius, beide „zu der Zeit“ „in der Umgebung“ des „Häretikers“ Nestorius. Statt, wie es sich ziemte, die apostolische und evangelische Glaubensüberlieferung der nicänischen Väter den Irrenden vorzulegen, brachten sie die Ekthesis mit.  – Hatten sich die lydischen „Häretiker“ selber nach Konstantinopel gewandt mit der Bitte um Unterweisung? Wäre nicht ihr Ortsbischof die erste Adresse für sie gewesen? – Im Libellus liest man nach einer längeren Einleitung über den falschen Glauben des Nestorius und über die seinetwegen von den Kaisern einberufene Synode, dass die Genossen seiner Gottlosigkeit, die Presbyter Anastasius und Photius (s.  o.), darauf hinarbeiteten, diesen Falschglauben in anderen Städten zu verbreiten. Zu diesem Zweck schickten sie den Jakobus aus (s.  o., Antonius wird hier nicht erwähnt), der so dachte wie sie und dem sie Tischgemeinschaft und Vertrauen gewährten, indem sie ihn den lydischen Bischöfen brieflich als orthodox empfahlen. In Philadelphia angekommen, brachte er einige der simpliciores (Kleriker noch dazu) soweit, dass sie die Ekthesis eines anderen Glaubens unterschrieben, indem er sie als orthodox vorgab. In der Synode möge nun nicht nur die Ekthesis vorgelesen werden, sondern auch die Briefe der Vorgenannten (also der konstantinopler Presbyter Anastasius und Photius, die den Jakobus als orthodox empfahlen, jedoch ihn, Charisius, [387] von koinonia und leiturgia als Häretiker entfernten). Zum Beweis seiner eigenen Orthodoxie fügt er ein (nicänisches) Bekenntnis an (das aber nicht wörtlich das Nicänum ist). – Hier im Libellus ist zwar von den lydischen Bischöfen im Allgemeinen die Rede, aber es wird

* [Bis zum Abschluss des Manuskripts war nicht zu ermitteln, ob L.  A. diese Ankündigung noch erfüllen konnte – d. Red.]

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auch hier der Eindruck erweckt, als ob die ganze Affäre auf beiden Seiten von Presbytern betrieben wurde. Dies kann nicht ganz den Tatsachen entsprechen. Aus den schon zitierten Angaben über „einige der Häretiker Lydiens“, die Absicht der konstantinopler Presbyter, den „Falschglauben“ „in anderen Städten“ zu verbreiten, die Sendung des Jakobus zu den lydischen Bischöfen (gewiss war Antonius auf die gleiche Weise beschäftigt, doch nach Philadelphia kam Jakobus), ergibt sich, dass die Willigkeit von Quartadecimanern zum Eintritt in die katholische Kirche sich nicht nur in Philadelphia äußerte. Dies musste die jeweiligen Bischöfe angehen. Ich möchte vermuten, dass die Bischöfe Lydiens sich über das (für sie erfreuliche) Phänomen untereinander verständigten und (auf einer Provinzialsynode?) ein gleichförmiges Vorgehen beschlossen. Dazu war Einigung darüber nötig, was den „Häretikern“ abzufordern war, negativ und positiv. Positiv war zu fordern die Zustimmung zu den ekklesiastika dogmata, siehe das erste der drei Anathemata am Ende der Ekthesis (ACO I 1,7, p. 100,1  f.). Dafür brauchte man wiederum eine maßgebliche Formulierung der „kirchlichen Lehre“. Sind die beiden Presbyter Antonius und Jakobus, die „von Konstantinopel herabkamen“ (p.  96,7  f.), vielleicht von den lydischen Bischöfen (versammelt auf einer Synode?) zunächst dorthin geschickt worden? Welchen Umfang hatte ihr Auftrag? Sollten sie eine brauchbare Zusammenfassung der kirchlichen Lehre mitbringen? Eine solche von mir vermutete Anfrage in der Hauptstadt des Reiches wäre ein Indiz für die allmählich sich entwickelnde Rolle Konstantinopels als Obermetropole für kleinasiatische Provinzen. Die richtige Adresse für die Anfrage wäre wohl trotzdem nicht die curia des Bischofs als vielmehr die synodos endēmousa gewesen, die Dauersynode der in Konstantinopel in kirchlichen und kirchenpolitischen Geschäften gerade anwesenden Bischöfe. Das lydische Problem konnte nicht als besonders schwergewichtig betrachtet werden, vielleicht wurde es am Rande der Sitzungen vom Sekretariat der Dauersynode erledigt (ohne ein zu postulierendes Sekretariat hätte diese Einrichtung von ständig wechselnder Zusammensetzung nicht funktionieren können)? Dass die Kleriker des hypothetischen Sekretariats Vertrauensleute des Bischofs waren, scheint selbstverständlich. Vertrauensleute des Bischofs Nestorius waren die Presbyter Anastasius und Photius (p. 96,9 „zu der Zeit in der Umgebung des Häretikers Nestorius“), und mit diesen beiden Namen befinden wir uns wieder auf dem Boden des Faktischen; über ihre amtlichen Aufgaben beim Bischof Nestorius habe ich spekuliert, weil ihnen ja ein bestimmtes Maß an Autorität zugekommen sein muss. Ihnen war jedenfalls der für solche Übertrittsfälle verfasste Text des Theodor bekannt und auf dem Weg über die Abgesandten muss der Name des Verfassers z.  B. in Philadelphia bekanntgewesen sein, sonst hätte Charisius ihn nicht in Ephesus mitteilen können (s.  o. den Brief Kyrills an Johannes von Antiochien). In Philadelphia hatte man keine Bedenken, den Text den [388] Quartadecimanern und den wenigen Novatianern vorzulegen bzw. vorzulesen; leider hat man keine entsprechenden Nachrichten von den anderen lydischen Bischofssitzen. Mit Erstaunen nimmt man in der Abschwörungsliste wahr, dass

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Charisius nicht von Anfang an gegen die Ekthesis agitiert haben kann; denn die drei letzten Namen in der Liste (§ 30–32 in A 76, p.104  f.; die Liste beginnt mit § 12), alle aus dem Landgebiet um Philadelphia, „rufen“ nicht nur den Bischof „an“ und den für das Umland zuständigen Chorbischof (auch er heißt Jakob), sondern ebenso den Presbyter und oikonomos Charisius. Wann also ist Charisius von koinonia und leiturgia ausgeschlossen worden und von wem? So wie er es am Ende des Libellus (vor seinem eigenen Bekenntnis) berichtet, haben ihn die beiden konstantinopler Presbyter ausgeschlossen, zugleich mit ihrer Empfehlung des Abgesandten Jakobus (p. 97,11–13). Dies ist nach Ausweis der Abschwörungsliste eine stark verkürzte Darstellung (und spricht dafür, dass diese Liste in ihrer originalen Form von Charisius vorgelegt und in der gleichen Gestalt für die Akten kopiert worden ist). Aber wäre nicht der Bischof von Philadelphia als erster für eine Exkommunikation zuständig gewesen? Und warum wird dessen Name im Referat und im Libellus nicht genannt? Eine Reihe der Abschwörenden „ruft“ den Bischof namentlich „an“: Es ist Theophanius. Er weilt zurzeit der ephesinischen Verhandlungen noch unter den Lebenden: mit Hilfe der Indices in ACO I 1,8 stellt er sich als ein Mitglied der Synode des Johannes von Antiochien heraus (p. 19). Nun waren Johannes und seine Synode wenige Tage vor der Sitzung des 22. Juli von der kyrillischen Synode verdammt worden, nämlich am 16. und 17. Juli (s. die hilfreiche Zeittafel der aus den Akten zu erhebenden Daten in ACO I 1,4, p. XXf.). Die Frage der (diskreten?) Auslassung seines Namens stellt sich damit aufs Neue. War die Bearbeitung des mündlichen Berichts des Charisius durch die Regie der kyrillischen Synode, von der ich oben gesprochen habe, schon vor jener Verdammung vorgenommen worden? Da man selten personelle Einzelheiten aus den Gemeinden der Zeit erfährt, will ich hier einige Beobachtungen mitteilen, die sich an der Abschwörungsliste machen lassen. Was die Zahlen angeht, so ist daran zu erinnern, dass Charisius berichtet hatte, dass „einige“ von den lydischen „Häretikern“ sich der katholischen Kirche hatten zuwenden wollen, die Liste wird deswegen nicht alle Quartadecimaner und Novatianer aus Stadt und Umgebung aufführen. Doch handelt es sich um mehr Personen als die Addition der Nummern ergibt, weil einmal zwei Namen zu einer Nummer gehören, einmal drei, und bei sechs Quartadecimanern ist hinzugefügt „mit ihren ganzen Häusern“. Fünf Personen sind Katharer oder Novatianer, 19 Quartadecimaner. Unter diesen sind 9 Analphabeten und einer „schwerfällig im Schreiben“, unter den Novatianern sind drei Analphabeten. Dreimal werden weltliche Berufe angegeben: § 13 bouleutēs, § 18 scholastikos (Rechtsanwalt), § 20 chrysochoos. Es ist bemerkenswert, dass der scholastikos als Einziger eine kurze Absage- und Zustimmungserklärung abgibt; er weiß, was für die Gültigkeit seines Schrittes nötig ist und was nicht, also legt er keine schweren Eide mit numinosem Gehalt ab (Berufung auf die hl. Trinität und auf die nike oder eusebeia der Kaiser, evtl. noch Verwünschungsformeln für den Bruch des Eides). In drei Fällen wird die Stellung in der Gemeinde [389] angegeben: § 16 Laie, § 30 (aus dem Umland) Exarchos der Quartadecimaner (auf welchen lokalen Bereich bezogen? Bezeichnung von außen oder Selbstbezeichnung?) §  31

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deuteropresbys (einer der Analphabeten). Die Analphabeten (denen die nicht gerade kurze Ekthesis vorgelesen wurde) unterschreiben durch andere, die in jedem einzelnen Fall benannt werden. Die Unterschriftshelfer stammen sowohl aus der Gruppe der Abschwörenden selbst (so der bouleutēs zweimal, einmal ein Novatianer für seine beiden Genossen) wie auch aus der aufnehmenden Gemeinde  – jedenfalls denke ich mir, dass die teilweise genannten kirchlichen Grade dahin gehören, leider wird nur vom Anagnostes Neoterius erwähnt, dass er einer der „Orthodoxen“ ist. – Eine ganze Reihe der Quartadecimaner gibt zum eigenen Namen auch den Vatersnamen im Genitiv an; hat der Vater den gleichen Namen, so steht dafür ein dis „zweimal“ (ich hatte mir diese Anwendung aus den inschriftlichen Belegen bei Liddell / Scott abgeleitet, Schwartzens Index der Personen bestätigt das durch Ausschreibung des Vaternamens im Genitiv nach dem dis). Der Beschluss der Synode (A 77) in Sachen der Ekthesis, die den Quartadecimanern vorgelegt wurde, beginnt mit den Worten: „Nachdem dies nun vorgelesen worden war, beschloss die heilige Synode…“ (p. 105,20). Ist tatsächlich die ganze Abschwörungsliste vorgelesen worden? Der Beschluss besteht aus zwei Teilen: Erstens darf niemand einen anderen Glauben vorlegen oder verfassen als den von den in Nicäa versammelten Vätern mit „dem heiligen Geist“ beschlossenen; doch ist diese Bestimmung weniger prinzpiell gemeint oder absolut zu nehmen, als es zunächst den Eindruck macht, denn die Fortsetzung zeigt, dass die Bestimmung auf den Fall des Übertritts aus dem Heidentum („Hellenismus“), Judentum oder irgendeiner Häresie „zur Erkenntnis der Wahrheit“ gemünzt ist (Zeile 22–24); für die Zuwiderhandelnden sind die üblichen hierarchisch abgestuften Kirchenstrafen vorgesehen. Der zweite Teil gibt den konkreten Anlass für diese allgemeineren Erwägungen (p. 106,1–8): Wenn Leute entdeckt werden sollten, von Bischöfen angefangen, die denken oder lehren wie die von Charisius (zum Zweck der Anklage, s. PGL prokomizō) vorgelegte Ekthesis „über die Menschwerdung des Sohnes Gottes“, dann verfallen sie dem Urteil dieser heiligen und ökumenischen Synode, mit den entsprechenden Kirchenstrafen. Hat das irgendeine nachträgliche Auswirkung auf die Vorgänge in Philadelphia gehabt? Ist das ganze Verfahren als null und nichtig zu betrachten, weil auf Grund der Zustimmung zur Ekthesis vollzogen? Die Berufung auf das Nicänum in dieser spezifischen Anwendung erinnert an das Verfahren des Athanasius gegenüber den Meletianern in Antiochien in seinem Tomus ad Antiochenos. Es könnte dies sogar bewusste Nachahmung sein. Athanasius hatte seinerzeit angeordnet, dass den zur nicänischen Orthodoxie Übertretenden nur das Nicänum zur Unterschrift vorgelegt werden sollte, aus der Einsicht, dass keiner der Meletianer bereit sein würde, wie von den Altnicänern gewünscht, ein so markellisches Dokument wie das „westliche“ Serdicense zu unterzeichnen und damit jeder Versuch zur Beseitigung des antiochenischen Schismas scheitern müsste. Er greift sogar zu dem illoyal erscheinenden Mittel, das Serdicense in seiner Autorität nachträglich herabzustufen und für irrelevant zu erklären.  – Die Differenzen zum Verfahren, das gegen unsere Ekthesis in Ephesus angewendet wird, [390] liegen auf der

390 

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Hand. Die Gemeinsamkeit liegt darin, dass die Suffizienz des Nicänums in beiden Fällen eine pragmatische ist und keine absolute, auch wenn die Kyrillianer in Chalcedon sich unter Berufung auf die letztere aufs Heftigste gegen eine neue Definition wehren werden. Mit den letzten Stücken des Aktenkomplexes, dem Nestoriusflorileg A 78 aus der ersten Sitzung, angekündigt durch den Einschub des Redaktors in A 77, und der Unterschriftenliste in A 79 wird die eigenartige Komposition aus tatsächlicher und fiktiver Synodalsitzung bis zum Ende durchgehalten. Der Ansatzpunkt für die nachträgliche Erweiterung war vermutlich der erste Satz des horos A 77 über das Nicänum als allein zu verwendendes Bekenntnis. Schwartz schreibt der Bearbeitung die „Intention“ zu, für den Einzelfall des Charisius-Antrags die „auctoritas generalis“, wie sie der Absetzung des Nestorius (in der ersten Sitzung) zukam, zu beanspruchen und damit das Urteil der Synode über jene Ekthesis „auf die ganze nestorianische Lehre auszudehnen“ (I 1,4, p. XVIIII), – man muss hinzusetzen: dies alles unter der übergeordneten Autorität des Nicänums. Auch die Bemerkung über die „ganze nestorianische Lehre“ muss genauer gefasst werden. Was hier passiert, ist die Verurteilung der antiochenischen Christologie in ihrem hochverehrten Schulhaupt Theodor unter dem Namen des Nestorius. Dass der Name des Verfassers der Ekthesis hier noch nicht fällt, obwohl er bekannt war, hat taktische Gründe, wie wir von Kyrill selber wissen. Damit wird eine unheilvolle Entwicklung angestoßen, die in der Verurteilung Theodors auf dem Konzil von 553 ihr beschämendes Ende findet. Als unbeabsichtigt positiven Ertrag der Sitzung der kyrillischen Synode am 22. Juli 431 ist die Aufnahme der Ekthesis als Beweisstück in den Aktentext anzusehen; es ist uns damit eine geschlossene Darstellung von Theodors Christo-Soteriologie in katechetischer Absicht erhalten, wie wir sie gerade in dieser Form sonst nicht besitzen.

5.7 Nicänismus und Gnosis im Rom des Bischofs Liberius: Der Fall des Marius Victorinus Michel Tardieu, Recherches sur la formation de l’Apocalypse de Zostrien et les sources de Marius Victorinus. Pierre Hadot, „Porphyre et Victorinus“. Questions et hypothèses, Res Orientales 9, Bures-sur-Yvette 1996. (Bezug über: Peeters Press, Bondgenotenlaan 153, B.  P. 41, B-3000 Leuven)1.

Der Gegenstand von Tardieus Untersuchung ist die textliche Parallele zwischen einigen schlecht erhaltenen Seiten der „Apokalypse des Zostrianus“ (NHC VIII,1) und zwei Kapiteln bei Marius Victorinus. „Zostrianus“ gehört bekanntlich zu den Titeln gnostischer Schriften, die man bis zu den Funden von Nag Hammadi nur aus der Vita Plotini (c. 16) des Porphyrius kannte. Die christlich-gnostischen Hörer in der Schule Plotins stießen auf den auch schriftlichen Widerspruch des Meisters; die eingehende Widerlegung ihrer namentlich aufgezählten Schriften fiel den Schülern zu: Porphyrius widerlegte „Zoroaster“, Amelius „Zostrianus“, charakteristischerweise in vierzig biblia. „Histoire d’une découverte“ (S.  9–17) heißt das erste Kapitel des Bandes, hier gibt Tardieu zunächst eine knappe Übersicht zur Forschungsgeschichte sowohl Marius Victorinus wie den koptischen „Zostrianus“ betreffend (S. 9–15a), um dann die einzelnen Schritte der Entdeckung zu beschreiben (S. 15a–17) – ein spannender, sich beschleunigender Ablauf, dem man die Begeisterung der Beteiligten noch bei der Lektüre abspürt. Die entscheidende Beobachtung, die die Sache ins Rollen brachte, ist übrigens der Aufmerksamkeit Hadots zu verdanken. Für Tardieu begann das Ganze mit Amelius, nämlich bei dessen knappem Referat über den Prolog des Johannesevangeliums, wie ihn Euseb in der Praeparatio evangelica XI 19,1 zitiert, jedoch ohne den Titel der [514] Schrift des Amelius anzugeben. Luc Brisson in seiner Monographie über Amelius2 hat das Zitat vermutungsweise der sonst nicht erhaltenen Widerlegung des „Zostrianus“ zuschreiben wollen3. Brisson bezeichnet das Referat des Amelius als „Kommentar“ zu Joh 14; Heinrich Dörrie, in seinem Aufsatz über das Zitat5, spricht von „einer neuplatonischen Exegese“ (Titel), 1 Ich habe das Buch erst im Jahr 2000 zur Besprechung erhalten. – Von Tardieu stammt der Löwenanteil an diesem Band, die Seiten 9–113; Hadots Beitrag, mit Recht als ein eigener Titel angegeben, steht auf den Seiten 117–125. Außerdem hat Hadot Remarques additionelles zu einigen Punkten der Abhandlung Tardieus geschrieben, S. 113  f. Die Asterisci auf den Seiten 96a, 100b, 110a, 112b verweisen auf Hadots Remarques. – Wegen des großen Formats ist das Buch zweispaltig gedruckt; wo es nützlich ist, kennzeichne ich die Spalten. 2 L.  Brisson, Amélius. Sa vie, son œuvre, sa doctrine, son style, ANRW II 36,2, Berlin / New York 1987, 793–860. 3 Ibid. 824 unten. 4 Ibid. 5 H.  Dörrie, Une exégèse néoplatonicienne du prologue de l’évangile de saint Jean (Amélius chez Eusèbe, Prép. Év. 11,19,1–4), in: J.  Fontaine/Ch. Kannengiesser (Hgg.), Epektasis, FS Jean Daniélou, Paris https://doi.org/10.1515/9783110647419-024

514, 515 

5.7 Nicänismus und Gnosis im Rom des Bischofs Liberius 

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gar von „toute une réinterprétation des sentences célèbres“ des Prologs6. Beim Wiederlesen des Aufsatzes von Dörrie finde ich seine Ergebnisse nicht haltbar; da sie von Brisson übernommen worden sind, veranstalte ich hier eine Digression über das Zitat und seine Deutung. Dörrie beginnt (75) mit der von Augustin, civ. X 29 Ende (Buch X ist ganz der Auseinandersetzung mit Porphyrius gewidmet), überlieferten Mitteilung Simplicians, die er mehrfach gehört hat (solebamus audire, sagt Augustin), daß ein bestimmter Platoniker gesagt habe, der Anfang des Johannesevangeliums müßte in allen Kirchen an prominenter Stelle, mit goldenen Buchstaben, angebracht werden. Dieser Satz kann sowohl von Simplician wie von Augustin nur im positiven Sinn als eine den Christen günstige Aussage verstanden worden sein. Wegen des Tradenten Simplician könnte man Marius Victorinus in dem quidam platonicus vermuten. Dörrie würde wohl am liebsten in dieser Gestalt den Amelius sehen, aber das sei „zu gewagt“ (83). In der Äußerung des Platonikers will Dörrie eine völlig andere Intention erkennen als die naheliegende, nämlich die einer raffinierten Unterminierung des Christentums. Der Platoniker habe gewiß nicht das Evangelium propagieren wollen, vielmehr sei die im Prolog ausgesprochene Lehre rein platonisch, dem Christentum also feindlich. Würde sie von den Christen richtig verstanden, würde das zu einem Zerfall des Christentums führen (75, ähnlich 79 oben). Jener Platoniker und Amelius hofften beide, mit Hilfe des Johannesprologs die christliche Theologie angreifen zu können. Nach ihrer Meinung enthielt der Prolog die vollständige Definition der zweiten Hypostase (83, vgl. auch 82 bei Anmerkung  34). Der Logos, von dem Amelius unter Benutzung des Prologs spricht, ist identisch mit der Weltseele (76. 78. 79). Die Weltseele wird von Dörrie hier also als zweite Hypostase gezählt; das setzt die stoffliche Einordnung des Ameliuszitats bei Euseb voraus (s.  u.), was Dörrie aber nicht sagt. Seine Rechtfertigung gibt er 82 Anmerkung 34: „Évidemment, la deuxième hypostase est rattachée par le Logos à la première, le Noûs, qui est l’être pur; d’autre part, aucune âme n’existera à l’écart du Logos. On remarque bien toute la [515] complexité de l’ontologie plotinienne“ (Hervorhebung von mir). Diese Anmerkung Dörries wird Brisson nötigen, bei seiner Behandlung des Ameliusexzerpts im Sinn von Dörrie einen „Umweg“ über Plotin zu machen; s.  u. Dörrie nennt die von ihm entdeckte Intention der beiden Platoniker eine „proposition curieuse“, die aus der bekannten Subtilität dieser Philosophen zu erklären sei (75). Nun bezweifelt ja niemand die Christenfeindlichkeit so berühmter Platoniker wie des Celsus, des Porphyrius und des Kaisers Julian; aber beim besten Willen vermag ich in den beiden von Dörrie hier untersuchten Texten keinen Beleg für die spezielle, das Christentum unterminierende Interpretation der Logoslehre des Johannesprologs zu sehen; um die abschätzige Meinung des Amelius über die Inkarnation zu erkennen,

1972, 75–87. Wieder abgedruckt in: H.  Dörrie, Platonica minora, München 1976, 491–507. Ich zitiere hier nach Epektasis. 6 Ibid. 76.

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515, 516

bedarf es keiner Subtilität. Die „proposition curieuse“ ist also die Dörries und nicht die dieser kurzen Texte. Damit ist jedoch nichts über die grundsätzliche Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit von (Neu)Platonismus und Christentum gesagt; es ist bekannt, daß Dörrie von ihrer Unvereinbarkeit überzeugt war. Bei Brisson basiert der Abschnitt über die Weltseele bei Amelius (840–843) ganz auf Dörrie. Im Teil 5 („Doctrine“, 830) finden wir „L’Âme“ (836), „Le nom de l’Âme“ (837), „Le domaine de l’Âme“ und schließlich „L’Âme du monde“ (840–843). Wie schon gesagt, beginnt Brisson den Abschnitt über die Seele mit der Feststellung, daß man einen Umweg über Plotin machen müsse. Was das Verhältnis von Logos und Seele anginge, so scheine die Meinung des Amelius sich mit der des Meisters zu decken (836). Vorausgesetzt, man akzeptiere die Hypothese der Identität von Logos und Weltseele im Zitat des Amelius, dann ließe die Lehre des Amelius von der Weltseele sich teilweise aus seinem Kommentar zum Johannesprolog wieder herstellen (840). Im Text des Amelius gibt es freilich keinen Anhaltspunkt für die Hypothese, daß hier über die Weltseele geredet würde, ebensowenig wie im breiteren Kontext des Euseb. Dörrie (78) hat ganz richtig aus dem Beginn des Zitats erschlossen (καὶ οὗτος ἄρα ἦν ὁ λόγος), daß eine Untersuchung über das Wesen des Logos unserem Abschnitt vorangegangen sein müsse und daß Amelius dabei ein Ergebnis erreicht habe, das er bei den beiden Autoren, die er zitiert, Heraklit und dem Evangelisten, wiederfindet. Den Johannes stellt Amelius freilich als anonymen barbaros vor. Übrigens geht das Referat des Amelius mit seinem letzten Satz über den Prolog hinaus. Was das Urteil des Amelius über das von ihm Mitgeteilte angeht, sofern es sich nicht schon aus dem Referat selber ergibt (s.  o.), hätte man es wohl in der Fortsetzung des Originaltextes zu suchen, aber die hat uns Euseb nicht überliefert. Euseb jedenfalls sieht im Logos nicht die Weltseele. Der Argumentationsgang bei Euseb ist anhand der (sekundären) Überschriften leicht zu überblicken: „Daß Gott allein Einer ist“ (XI 13); „Über das zweite Ursächliche“ (XI 14), und zwar nach Philo (15), Plato (16), Plotin (17), Numenius (18). Amelius wird eine eigene Überschrift zugestanden (19). Euseb gibt [516] dem „Barbaren“ vor und nach dem Zitat seinen richtigen Namen. Nachdem er noch Kol 1,15 als Aussage eines „anderen hebräischen Theologen“ zitiert hat, erklärt Euseb, daß hinsichtlich der „zweiten Ursache“ Übereinstimmung zwischen Griechen und „Hebräern“ herrsche (19,5). Μετίωμεν δῆτα καὶ ἐφ’ ἕτερα, kündigt er an; das nächste Thema sind laut Überschrift die „drei anfänglichen Hypostasen“ (XI 20), von denen die Weltseele die dritte ist. Anders als bei der zweiten gibt es hier die Differenz, daß die „Hebräer“ an die dritte Stelle den Heiligen Geist setzen (20,1). Die in der Platoerklärung „Erfahrenen“ legen die berühmte Stelle aus Platos zweitem Brief auf den ersten Gott, das zweite Ursächliche und das Dritte, nämlich die Weltseele, hin aus; letztere bestimmen sie auch als „dritten Gott“. „Die göttlichen λόγοι“ aber sprechen von der τριάς von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Über die Differenz hinsichtlich des dritten Göttlichen läßt Euseb sich nicht weiter aus, sondern kündigt als nächstes Thema das „Wesen des Guten“ (20,3) an.

516, 517 

5.7 Nicänismus und Gnosis im Rom des Bischofs Liberius 

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Im folgenden gebe ich einzelne Anmerkungen zum Text des Amelius z.  T. in Auseinandersetzung mit Dörrie. καὶ οὗτος ἄρα ἦν ὁ λόγος καθ’ ὃν αἰεὶ ὄντα τὰ γινόμενα ἐγίνετο, ὡς καὶ ὁ Ἡράκλειτος ἀξιώσειε καὶ νὴ Δί’ ὃν ὁ βάρβαρος ἀξιοῖ ἐν τῇ τῆς ἀρχῆς τάξει τε καὶ ἀξίᾳ καθεστηκότα πρὸς θεὸν εἶναι καὶ θεὸν εἶναι. δι’ οὗ πάνθ’ ἁπλῶς γεγενῆσθαι, ἐν ᾧ τὸ γενόμενον ζῶν καὶ ζωὴν καὶ ὂν πεφυκέναι. καὶ εἰς τὰ σώματα πίπτειν καὶ σάρκα ἐνδυσάμενον φαντάζεσθαι ἄνθρωπον μετὰ τοῦ καὶ τηνικαῦτα δεικνύειν τῆς φύσεως τὸ μεγαλεῖον. ἀμέλει καὶ ἀναλυθέντα πάλιν ἀποθεοῦσθαι καὶ θεὸν εἶναι, οἷος ἦν πρὸ τοῦ εἰς τὸ σῶμα καὶ τὴν σάρκα καὶ τὸν ἄνθρωπον καταχθῆναι. „Und dieser also war der Logos, in Bezug auf den, der immer ist, das Gewordene entstand, wie es auch Heraklit für recht gehalten hätte zu sagen, und von dem, bei Zeus, der Barbar es für recht hält zu sagen, daß der in der Ordnung und Würde des Prinzips Befindliche auf Gott hin ist und Gott ist, daß durch ihn schlechthin alles geworden ist; daß in ihm das Gewordene lebend und Leben und seiend ist; und daß er in die Leiber fällt und mit Fleisch bekleidet als Mensch erscheint, daß er damit zugleich die Herrlichkeit der Natur zeigt; schließlich, daß auch der Zerstörte wiederum vergottet wird und Gott ist, welcher er war, ehe er in den Leib und das Fleisch und den Menschen hinabstieg“. Die Interjektion νὴ Δία, „bei Zeus“, von Dörrie 78 mit „parbleu“ übersetzt, unterstreiche die darauf folgende Affirmation, nachdem der Hinweis auf Heraklit im Potentialis erfolgt war (ibid.). Es sei äußerst selten, daß ein philosophischer Text von einem Ausdruck dieser Art unterbrochen werde, man hüte sich normalerweise vor Emotionen in der Behandlung philosophischer Gegenstände. Die seltenen Ausnahmen markieren immer einen „point de culmination“, was für diese Stelle offensichtlich zutreffe (78 Anmerkung 12, übernommen von Brisson in seinem Abschnitt über den Stil des Amelius, 853  f.). Man fragt sich, welche Emotion hier ausgedrückt wird – Verwunderung? [517] Mit Recht bemerkenswert finden beide Spezialisten die Umwandlung der Bestimmung ἐν ἀρχῇ aus Joh 1,1 zu ἐν τῇ τῆς ἀρχῆς τάξει τε καὶ ἀξίᾳ – dessen werde der Logos vom barbaros gewürdigt. Der Logos befindet sich (καθεστηκότα) „in der Ordnung und Würde der ἀρχή“. Ἀρχή heißt also nicht „Anfang“ im zeitlichen Sinn, sondern bedeutet „Prinzip“. Die ἀρχή ist Gott, das ist die Folgerung, die Amelius aus den johanneischen Prädikationen πρὸς τὸν θεόν und θεός für den Logos zieht. Joh 1,3 wird zusammengefaßt: „Durch ihn ist schlechthin alles geworden“; schon eingangs, vor der Nennung des Heraklit, war „vom immer seienden Logos“ gesagt worden, daß καθ’ ὅν „das Gewordene wurde“. Für ἐν αὐτῷ ζωὴ ἦν aus Joh 1,4 wird eine charakteristische Erweiterung geboten. Dörrie 79: Der Begriff „Leben“ wird erklärt durch die Reihung ζῶν – ζωή – ὄν, also durch eine Stufung, in der „la valeur ontologique s’accroît à chaque degré“. Man sehe daran das besondere Interesse des Philosophen an dieser ontologischen Erklärung, die die Macht und die „actualité“ des Logos hervorhebe (den Dörrie an dieser Stelle ausdrücklich mit der Weltseele identifiziert).

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Die bei Amelius folgenden Aussagen findet Dörrie „sehr viel weniger interessant“ (79). Ich kann mich dem nicht anschließen. Mit Joh 1,14 ὁ λόγος σὰρξ ἐγένετο verfährt Amelius so, daß er dieses Kolon nicht wörtlich zitiert (nur σάρξ behält er bei), sondern amplifizierend überträgt. Das erste Kolon seiner Übertragung enthält eine pejorative Bewertung: καὶ εἰς σώματα πίπτειν. Das nächste Kolon καὶ σάρκα ἐνδυσάμενον ist für sich selbst genommen nicht auffällig, vielmehr sind die Verben des „Anziehens“ und „Tragens“ von Leib/Fleisch durch den Logos christlich ganz geläufig. Dörrie dagegen erinnert, dem Duktus seiner Interpretation entsprechend, daran (79 Anmerkung 23), daß die Metapher der Bekleidung der Seele mit dem Leib beim Eintritt in dies Leben reich variiert wird, die Vokabel ἐνδυσάμενον entspreche ganz den Traditionen der Πλατωνικοί. Das letzte der drei Kola, φαντάζεσθαι ἄνθρωπον, „erscheint er als Mensch“, enthüllt die doketische Auffassung der Menschwerdung durch Amelius bzw. seine Gewährsmänner. Aus dieser doketischen Stelle leitet sich der Vorschlag Brissons ab, die Exegese des Amelius als der Widerlegung des „Zostrianus“ zugehörig zu betrachten (842). Ich halte Brissons Annahme für überflüssig (obwohl sie sich in unerwarteter Weise auswirkte, s.  u.): Wenn Amelius soviel Interesse für den Johannesprolog aufbrachte, daß er ihn schriftlich verwendet, war er auch in der Lage sich umzuhören, wie er bei den „Barbaren“ verstanden wurde, seien es Kirchenchristen oder christliche Gnostiker. Dörrie (81) und ihm folgend Brisson (842) behaupten, daß die Fortsetzung bei Amelius, μετὰ τοῦ καὶ τηνικαῦτα δεικνύειν τῆς φύσεως μεγαλεῖον, keinerlei Entsprechung im Evangelientext habe. Aber der Satz ist nichts anderes als die Wiedergabe eines weiteren Kolons aus Joh 1,14, nämlich καὶ ἐθεασάμεθα τὴν δόξαν αὐτοῦ. „Die Größe der Natur (sc. des Logos)“ ist die Übertragung von δόξα, welches Wort für philosophische Leser ja nur „Meinung“ oder dergleichen hieß. [518] Der letzte Satz des Amelius ist wie gesagt nicht mehr aus dem Johannesprolog abzuleiten, sondern muß auf Informationen über die christliche Lehre beruhen, die sich Amelius beschafft hat. Ἀμέλει zu Beginn des Satzes wird von Brisson (841) mit „évidemment“ übersetzt, wogegen Dörrie für „nichts Besonderes“, „man braucht sich nicht zu wundern“ oder dgl. votiert (81) und diesen Ausdruck als für die Christen „schockierend“ betrachtet, eine Überinterpretation ganz in der Linie seiner Gesamtsicht. Ein bescheidenes „schließlich“ genügt. Bei ἀναλυθέντα (Dörrie 81 referierend: „der Logos wird sich wieder von seiner irdischen Bindung trennen“7, Brisson in der Übersetzung 841: „einmal zerstört“) ist es wohl erlaubt, an Joh 2,19.21 zu denken. Vers 19 Christus: λύσατε τὸν ναὸν τοῦτον, „brecht diesen Tempel ab“, Vers 21 der Evangelist: „Er aber redete vom Tempel seines Leibes“. Von der Wiederaufrichtung dieses Tempels, d.  h. der Auferstehung des Leibes, ist allerdings bei Amelius keine Rede, der Logos ist wieder Gott, wie er es

7 Meine Hervorhebung.

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vorher war. Bemerkenswert ist, daß vom vorigen Herabsteigen in „Leib“, „Fleisch“, „Mensch“ gesprochen wird, damit werden die drei Stichworte aus der Umschreibung der Inkarnation aufgenommen. Ihre Synonymität verrät Kenntnis des variablen christlichen Sprachgebrauchs in dieser Hinsicht. Die bloße Aufzählung im letzten Satz des Amelius wirkt reichlich dürr und mechanisch. Andrew Smith weist in seinem Beitrag „Porphyrian Studies since 1913“8 in einer Anmerkung9 auf F.  Börtzler10 hin, „(who) argues that Eusebius, though exact in his citations, often omits phrases or severely shortens passages“. Ich las die Notiz bei Smith, nachdem ich das Vorangehende geschrieben hatte; Börtzlers Beobachtung leuchtete mir unmittelbar als auf unseren Text anwendbar ein, nicht bloß auf die Schlußreihung. Mangels einer Textparallele kann ich meine Intuition nicht beweisen, aber angesichts der bekannten Breite in den Darstellungen des Amelius, von der Porphyrius leicht spottend berichtet, wird man sie für plausibel halten können. Eine Verbindung zwischen dem Ameliuszitat und „Zostrianus“ versuchte Tardieu von der anderen Seite, nämlich von der gnostischen Schrift her, zu knüpfen, um damit Brissons Vorschlag Beistand zu leisten. Tardieu hat in seiner gründlichen Untersuchung „Les gnostiques dans la Vie de Plotin. Analyse de chapitre 16“11 zwei von ihm rekonstruierte Stellen aus „Zostrianus“ herangezogen, die es nach seiner Meinung erlaubten, „de corroborer sur un fait textuel l’hypothèse de Brisson“12. Die entsprechende Passa[519]ge13 hat Tardieu unter Weglassung der koptisch geschriebenen Wörter bzw. Zitate in den uns vorliegenden Band aus seiner und Hadots Feder übernommen (S. 15  f.), und zwar in den Abschnitt „Histoire d’une découverte“: „Dans la métaphysique du Zostrien, le premier principe est identifié à l’esprit (pneuma) et porte son nom. Il est ‚l’Esprit invisible‘ (58,16–17 [des koptischen Textes]), l’Esprit trois fois puissant et invisible‘ (87,13–14). Les modalités de cette triple puissance de l’Esprit, qui est le Père, s’énoncent, comme dans d’autres traités gnostiques, à l’aide de spéculations sur la triade: existence (hyparxis), vie (onh, zoe) et science (episteme), appelée aussi ‚béatitude de la connaissance‘, où ‚perfection‘ cognitive, autrement dit la pensée. Or, dans le Zostrien, le Logos johannique sert de prédicat à l’hyparxis paternelle, ainsi que le montrent les deux fragments suivants qui sont une exégèse visiblement polémique du premier verset du prologue. 66,18–21 (texte copte) ‚Et en tant que dans l’existence, il (= le Père-Esprit) est commencement absolu, logos de lui-même et forme (eidos = idea) de lui-même‘.

8 A.  Smith, Porphyrian Studies since 1913, ANRW II 36,2, Berlin/New York 1987, 719–773. 9 Ibid. 743 Anm. 146. 10 F.  Börtzler, Porphyrios’ Schrift von den Götterbildern, Diss. Erlangen 1903, 12. 16–17. 11 In: L.  Brisson et alii (eds.), Porphyre. La vie de Plotin II, Paris 1992, 503–563. 12 Ibid. 539. 13 Ibid. 539  f.

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78,10–16 (texte copte) ‚Par acte, puissance et substance, elle (l’hyparxis) n’a pas eu à commencer avec le temps mais se manifesta éternellement, se tenant (ou: immobile) auprès de lui (= l’Esprit) éternellement‘. Dès lors que le Logos johannique est identique à la Sagesse personnifiée de la tradition juive (Prov 8,30: ‚J’étais auprès de lui‘), ce Logos ne peut, du point de vue de l’auteur du Zostrien, que désigner la forme d’existence propre au principe premier, et non pas celle du Fils. En repérant l’autorité scripturaire utilisée par le Zostrien et en proposant une paraphrase rectificatrice, Amélius aura soin de montrer l’inanité des deux interprétations du prologue chez ses adversaires: le Logos johannique ne saurait s’appliquer ni au principe premier (position du Zostrien) ni au second (thèse de polloi [d.  h. der Kirchenchristen]), mais seulement, du point de vue d’un néoplatonicien, à la troisième hypostase, c’est-à-dire, ainsi que cela a été bien expliqué par Brisson, à l’âme du monde.“ Wir bemerken an dieser Passage, daß der Name von Dörrie als Urheber der Meinung, der johanneische Logos bei Amelius sei die Weltseele, gar nicht mehr fällt (anders als bei Brisson). Ferner wird die Weltseele als dritte Hypostase gezählt, die von Dörrie ad hoc (wegen des eusebianischen Kontextes) eingeführte Zählung als zweite Hypostase nach dem Nous ist beseitigt. Oben habe ich dargelegt, daß die Identifikation von Logos und Weltseele dem Text des Amelius nicht zu entnehmen ist und Euseb sie nicht darin gefunden hat. Also korrigiert Amelius, anders als Tardieu möchte, auch nicht das Verständnis der πολλοί hinsichtlich der Stellung des Logos zum Vater („Prinzip“ bei Amelius). Selbst wenn die beiden koptischen Zitate wie oben von Tardieu nebeneinandergestellt sich auf Joh 1,1 beziehen sollten oder das wenigstens suggerieren könnten, ist im vergleichsweise [520] geradezu sachlichen Referat des Amelius über den Prolog kein Indiz für eine zweite polemische Richtung zu finden, so wenig wie für die erste. Nach dem nächsten und entscheidenden Schritt in der Beurteilung der Zostrianuszitate, wovon wir sogleich reden werden, verschwindet aus Tardieus Untersuchung stillschweigend die Beziehung zu Amelius und auch zum Johannesprolog, weil jetzt die tatsächlichen literarischen Zusammenhänge deutlich werden. Aber die tastenden Versuchsanordnungen Brissons und Tardieus haben ein Element im ersten der beiden Zitate aus „Zostrianus“ heraustreten lassen, das ohne Tardieus Rekonstruktion und Übersetzung14 nicht gesehen worden wäre. Hadot nämlich hat den oben zitierten Abschnitt Tardieus in der ersten Fassung mit den koptischen Zitaten gelesen und in der Formulierung „Logos seiner selbst“ „une citation littérale de Victorinus“ gesehen. Sie war ihm sofort kenntlich, weil er sie bei Victorinus als ein „véritable hapax legomenon de la philosophie“ aufgefunden hatte (Tardieu/Hadot S. 15). Hadot verglich die Umgebung der Zostrianuspassage, die die Formulierung enthielt, also NHC VIII,1, 64–67, mit den Abschnitten 49 und 50

14 Zur Übersetzung der kritischen Passagen bei Sieber und Layton s. Tardieu/Hadot S. 16.

520, 521 

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der Schrift Adversus Arium I des Victorinus und gewann den Eindruck, daß es sich um wirkliche Parallelen handle (Tardieu/Hadot S. 16). Tardieu stellte eine Synopse zwischen den beiden Quellen her (mit französischer Übersetzung des Koptischen) und eine kritische Edition der entsprechenden Seiten aus „Zostrianus“. Die erheblichen Textverluste konnten auf Grund der lateinischen Parallelen ergänzt werden. Die koptische Handschrift wird für einen Teil der Seiten (NHC VIII,1, 64.65.66.75) in photographischer Reproduktion geboten; rekonstruiert und übersetzt werden 64–68; 75; 84 Zeile 18–22; 74 Zeile 8–21 (in dieser Reihenfolge). Korrekturen an Tardieus Rekonstruktion des koptischen Textes enthalten die Rezensionen, die mir bisher bekannt geworden sind15. Es sind vier, die erstgenannte war mir bisher noch nicht zugänglich: von Birger A.  Pearson, Ph. Luisier16, Hans-Martin Schenke17 und Uwe Karsten Plisch18. Schenke (254a) konnte als „internes Arbeitspapier“ benutzen, was Plisch (633 Anmerkung 2) schon gedruckt vorlag: W.-P.  Funk, Concordance des textes de Nag Hammadi. Les Codices VIII et IX, Sainte-Foy und Louvain-Paris 1997. Schenke (254a/b) macht Vorschläge zu NHC VIII,1, 64,18  f. Luisier (212): Die ersten beiden Wörter von 64,24 (Zeile 23 bei Tardieu 35 und 49) „entsprechen sehr wohl dem ‚definitum‘ des Lateinischen, quelque chose comme πεπερασμένον en grec (statt „accessible“ Tardieu). [521] Zu 65,4–7 siehe Schenke 254b und Plisch 633 (Funk). Zu 65,10–15 Vorschläge von Schenke 254b und Plisch 633  f. (Funk). Zu 66,3  f. siehe Schenke 254bf., Plisch 634 (Funk). Luisier 212: „Que faire de M[EN en 66,5?“ Zu 66,9–13 siehe Schenke 255a (z.  T.  Funk); inhaltlich scheint mir seine bzw. Funks Rekonstruktion von Zeile 12 nicht möglich (ich kann nur nach der Übersetzung urteilen): „aus dem der wahrhaft seiende Geist stammt“ (statt Tardieu „qui procèdent de l’Esprit véritablement existant“ S. 38b); vgl. Tardieu S. 62a über das Verhältnis von Geist und den „wahrhaft Seienden“. Die betreffenden Wörter sind ein Überschuß gegenüber der lateinischen Parallele, so daß die Kontrollmöglichkeit entfällt. Zu 66,19  f. ergibt Schenkes Rekonstruktion (255a): „Er existiert, indem er etwas Einfaches ist“ =  „er ist etwas Einfaches“, vgl. Plisch 634 (Funk). Zu 66,22  f. tadelt Luisier 212 die falsche Wiedergabe des kausativen Infinitivs. Schenke 255b betrachtet das Textstückchen etwas breiter, nämlich Zeile 22–25; seine Rekonstruktion und Übersetzung von 66,22– 25 (255b) läßt mit dem Wegfall von Tardieus „distinguer“ (Tardieu/Hadot S. 39 und S. 53) natürlich auch die von Tardieu (ibid. S. 39) hergestellte Beziehung zu Numenius, Fragm. 11 dahinfallen (Fragm. 11 wird uns aber später zu einem Zitat bei Marius Victorinus einen gewissen Nutzen bringen). Als Gedanken von 66,22–25 erkennt Schenke 255b: „Der, der sich hat finden lassen, bewirkt, daß der, der ihn gesucht hat, zum wahren Sein kommt“; Übersetzung: „Und jener, den er suchen wird, macht, daß er 15 Für liebenswürdige bibliographische und bibliothekarische Hilfe danke ich Dr.  Mechthild Kellermann. 16 OCP 64, 1998, 211–213. Zu den Asterisci, die Luisier (213) rätselhaft erscheinen, s. oben Anm. 1. 17 JbAC 41, 1998, 252–256. 18 OLZ 93, 1998, 631–634.

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zu einem Seienden wird. In der Lebendigkeit aber ist er lebendig“. Zu 67,8: Plisch 634 sieht eine grammatische Unzulässigkeit; Schenke bespricht Zeile 7–10 (255b). Unter Benutzung von Funks Rekonstruktion von Zeile 7 (zweite Hälfte) und 8 kommt er zur Übersetzung „außer dem, was ihm allein gehört“. Zu 67,21  f. beobachtet Plisch 634 wieder eine grammatische Unzulässigkeit. Schenke 255bf. übersetzt auf Grund von Funk die Zeile 22 mit „und ein Bewohner“ (habitator). Auch an 68,7  f. üben Schenke (256a) und Plisch (634) aus grammatischen Gründen Kritik, Schenke will es vorläufig mit Funk halten. Zu Beginn des ersten Kapitels von Tardieu/Hadot gibt Tardieu eine knappe Übersicht der Erforschung der neuplatonischen Bezüge bei Marius Victorinus (S. 9  f.), die von P.  Henry bis zu P.  Hadot reicht und den Übergang von Plotin zu Porphyrius als hauptsächlicher Bezugsgröße bedeutet. Hadot hatte in seinem Kommentar (SC 69)19 die Suche nach den verlorenen (griechischen) Quellen des Victorinus nicht auf die heidnischen Philosophen beschränkt, sondern auch die gnostische Literatur eingeschlossen. „Da dieser Aspekt nicht in den Indices des Kommentarbandes erscheint“, stellt Tardieu eine Liste solcher Themen und Passagen zusammen (10  f.). Das Erstaunliche an diesem Material ist die Unbefangenheit, mit der es Victorinus benutzt: Er greift die betreffenden Gedanken nicht an, er [522] verhält sich nicht apologetisch – er ist sich offenbar nicht einmal bewußt, daß es sich um möglicherweise Anfechtbares handelt, und dies trotz einer Verurteilung Valentins an einer Stelle20. Noch am Schluß unseres Bandes sagt Hadot (Tardieu/Hadot S. 125b): „Tout cet aspect ‚gnostique‘ de Victorinus reste un problème inexpliqué“. Ich bin der Meinung, daß ein mehrfach bei Victorinus auftretender Topos ebenfalls zu diesem merkwürdigen Komplex gehören muß. Es handelt sich um Aussagen über Leiden des Logos, die nicht nur die Inkarnation betreffen. Eine solche Aussage fiel mir vor Jahren zuerst in dem überlangen Bekenntnis auf, das Victorinus in c. 47 von adv. Ar. I vorlegt21. Ich führe diesen Text hier vollständig in gegliederter Form an. Im Kommentar zu adv. Ar. I 47 in SC 69 (835–838) gibt Hadot „la structure générale“ an, im wesentlichen die traditionellen christlichen Stichworte in langer Liste, und Hinweise auf die Berührungspunkte mit den zeitgenössischen Bekenntnissen. Die uns hier interessierenden Zeilen werden darin nicht sichtbar. Verschiedene Wendungen werden von Hadot in den Einzelerklärungen besprochen, am wichtigsten für uns sind die Querverweise zu parallelen Abschnitten bei Victorinus, von denen ich weiter unten Gebrauch machen werde. Um mit der Zeilenzählung der Edition22 nicht ins Gehege zu

19 Marius Victorinus, Traités théologiques sur la Trinité II, Commentaire par Pierre Hadot, SC 69, Paris 1960. 20 S. unten zu Tardieu S. 111bf. [hier in diesem Band S. 443]. 21 Der Text füllt das ganze Kapitel 47 aus. 22 Die Zeilenzählung für jedes Kapitel ist identisch für die Ausgabe des Textes von Henry/Hadot in SC 68, 1960, und in CSEL 83, 1971, wie auch für die deutsche Übersetzung von Hadot/Brenke 1967. Die Angabe von Seitenzahlen kann daher weitgehend entfallen.

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kommen, zähle ich die Sinnzeilen mit Buchstaben; die Länge des Credos erfordert einen zweiten Durchgang durch das Alphabet, dann mit Doppelbuchstaben23. Marius Victorinus, adversus Arium I 47 a) Confitemur igitur deum patrem omnipotentem, b) confitemur filium unigenitum Jesum Christum, c) deum de deo, d) lumen verum de vero lumine, e) formam dei, f) qui habet substantiam de dei substantia, g) natura, generatione filium, h) simul cum patre consubstantiatum, quod Graeci ὁμοούσιον appellant, i) primogenitum ante constitutionem mundi et primogenitum ante omnem creaturam, j) hoc est et ante in substantiam24 veniendi et regenerationis et revivendi et reviviscendi, [523] k) primogenitum a mortuis, l) λόγον qui sit omnium universalis λόγος, m) λόγον autem ad deum, n) λόγον in postremis temporibus incarnatum et cruce vincentem mortem et omne peccatum, o) salvatorem nostrum, p) iudicem omnium, q) semper cum patre consubstantialem et ὁμοούσιον, r) potentiam activam a patria potentia et generantem et facientem omnia, s) et substantiam exsistendi omnium et generationem et reviviscentiam, t) quoniam vita est aeterna et dei virtus et sapientia, u) ipsum inversibilem, ininmutabilem iuxta quod λόγος est et quod semper λόγος est, w)25 iuxta autem quod est creare omnia et maxime iuxta in hyle actionem impassibiliter patientem, x) ut fons aquarum, inmutabilis, inpassibilis, extra omnem motionem, y) cum fluit et in flumen advenit, iuxta alveum et genera et qualitates terrae creditur pati, z) semper servans potentiam aquae suam et sicuti flumen irrigat terram nullam deminutionem sentiens, ad hoc quod est esse aquam, 23 Den Nachweis von Bibelstellen wiederhole ich hier nicht. 24 Diese substantia kann keine andre sein als die von Zeile s, die der Logos „macht“, Zeilen rs. Man würde eigentlich irgendeine Qualifikation zwecks Unterscheidung von der substantia Gottes erwarten (Zeile f), der absolute Gebrauch erstaunt. 25 Die Ziffer v hatte ich ursprünglich der zweiten Hälfte von Zeile u zugeteilt, was aber nicht richtig ist. v fällt also fort.

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aa) sic Christus ille est fluvius, de quo propheta dicit: qui irrigat et infundit totam terram. bb) Sed Christus totum omne irrigat et visibilia et invisibilia, cc) flumine vitae omnem, eorum quae sunt, substantiam rigat. dd) In quo autem vita, est Christus, ee) in quo rigat, sanctus spiritus, ff) in quo potentia est vitalitatis, pater et deus, gg) totum autem unus deus. hh) Confitemur ergo et sanctum spiritum ex deo patre omnia habentem, ii) τῷ λόγῳ hoc est Jesu Christo tradente illi omnia, quae Christus habet a patre. jj) Et isto huius modi modo26 et simul confitemur esse haec tria et isto quod unum et unum deum et ὁμοούσια ista et semper simul et patrem et filium et spiritum sanctum, kk) ineffabili potentia et ineloquibili generatione filium dei Jesum Christum, ll) λόγος qui sit ad deum mm) et imaginem et formam et characterem et refulgentiam patris et virtutem et sapientiam dei, [524] nn) per quae appareat et declaratur deus in potentia omnium oo) et existens et manens et agens omnia secundum actionem filii, id est τοῦ λόγου Jesu Christi, pp) quem incarnatum et crucifixum et resurgentem a mortuis qq) et ascendentem in caelos et sedentem ad dexteram patris et iudicem futurum venire et viventium et mortuorum, rr) patrem27 omnis creaturae et salvatorem ss)  et voce et toto corde confitemur semper. Ἀμήν. Gratia et pax a deo patre et filio eius Jesu Christo domino nostro, sic ista confitenti in omnia saeculi saeculorum. Unübersichtlich wie das Bekenntnis ist und wortreich, ganz im Stil der sonstigen theologischen Prosa des Victorinus (wie anders die Hymnen!), es muß trotzdem angenommen werden, daß alles, was in ihm enthalten ist, dem Verfasser wichtig genug war, in diese Zusammenfassung aufgenommen zu werden, so auch der Abschnitt w. x. y, genauer u–z. Es ist kein Wunder, daß Hadot in seinem Schematismus nur den Anfang von x anführt (ut fons aquarum…). Tatsächlich gibt es, soweit ich sehe, keine confessio fidei, die Aussagen dieser Art über Leiden des Logos aufweist. Das macht unseren Text zu einer singulären Erscheinung innerhalb seiner Gattung. Aber gibt es sonst einen

26 isto huius modi modo scheint der Versuch einer Wiedergabe von ὡσαύτως zu sein. Cf. Lc 22,20 ὡσαύτως in der Lutherbibel noch jetzt: „desselbigengleichen“ – genauso umständlich. 27 Hadot (SC 69, 838) verweist auf Ad. Candid. 18,5. Dort findet man: Pater ergo omnium et generator λόγος.

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„orthodoxen“ Theologen, der so über den Logos sprechen könnte? (Um von den Philosophen ganz zu schweigen). Die Sinnzeilen u–z wechseln sorgfältig zwischen der Unveränderlichkeit des Logos bzw. des Wassers (u, x, z) und ihrem „Leiden“ (w und y). Im Kommentar zu xy28 sagt Hadot zutreffend, daß der Vergleich mit dem Fluß traditionell sei, ebenso wie die Unterscheidung von Quelle und Fluß. Man muß aber hinzufügen, daß die Metapher sonst dazu dient, die Einheit und Unterschiedenheit von Vater und Sohn in der Trinität zu veranschaulichen, wogegen Victorinus hier verständlich machen will, wieso der Logos immer unveränderlicher Logos ist, andererseits aber in seiner schöpferischen Aktivität „leidet“, ohne „Verringerung“ seines Logosseins. Daß der Logos immer bleibt, was er ist, und doch hinsichtlich seiner Schöpfertätigkeit (und erst recht als inkarnierter) leidet, führt zur Aussage vom „leidensunfähig leidenden“ (Ende von w), also einer Einschränkung oder Relativierung im Blick auf das Leiden, eine Paradoxie im Blick auf die ἀπάθεια (impassibiliter patiens könnte auch von anderen Theologen, die nicht die Eigentümlichkeiten des Victorinus aufweisen, hinsichtlich der Leiden des Inkarnierten gesagt werden). Dieselbe Relativierung auch beim Wasser: Vom fließenden Wasser „nimmt man an, daß es leide“ (creditur pati, y), je nach dem Zustand des Flußbettes, über das es dahingleitet. Das Motiv [525] von Bewegungslosigkeit und Fließen (x am Ende, y am Anfang), also Bewegung in unserem Abschnitt nur auf Quelle und Fluß bezogen, erscheint an anderen Stellen bei Victorinus im Bereich des Göttlichen. „Ohne Verringerung“, in z auf das Sein des Wassers gesagt, ist natürlich auch auf den Logos anzuwenden, wie ich es eben auch getan habe. Die sich aus Hadots mannigfachen Querverweisen ergebenden Parallelstellen ordnen sich folgendermaßen: Adv. Ar. I 17,35; 22,47–51; 24,16; 32,57–78; 40,19–23; 44,36–38; 45,1–3; (IV 11,8 enthält nur eine Erwähnung der hylica); „et surtout“29 IV 31,31–53. Marius Victorinus, adv. Ar. I 17,32–37. Una igitur substantia quia idem spiritus, sed idem in tribus; ὁμοούσιον igitur. Unde non similis30 substantia, quia idem spiritus. Nec tamen idcirco passiones eaedem (wie in Sohn und hl. Geist) et in patre, quia unus spiritus. In duobus enim tantum velut passiones, quia iam progressi spiritus (plur.!) sunt. Zu den Leiden von Sohn und Geist s. den Kommentar Hadots zu I 16,23 über die „intériorité réciproque“ von Sohn und Geist und die Konzeption des Victorinus „d’une unité de mouvement entre le Fils et l’Esprit-Saint“31. Siehe auch den Verweis32 auf I 28,5 (2–7) Leiden und Bewegung: Jesus ist Gott, Sohn von Natur, Sohn im Fleisch … et quod ipse passus sit, qui secundum motionem, pater autem non, secundum cessationem

28 SC 69, 837 zu adv. Ar. I 47,16–26. 29 Wie Anm. 28. 30 = ὅμοιος, und das ist zu wenig! 31 SC 69, 756. 32 Ich habe anscheinend nicht notiert, wo Hadot den Querverweis gibt.

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(„repos“). – Das relativierende velut passiones von 17,36 (s.  o.) stimmt mit dem creditur pati, § y im Bekenntnis, überein. Adv. Ar. I 22,40–51: Universalis enim λόγος (vgl. im Bekenntnis § l) filius dei est cuius potentia proveniunt et procedunt in generationem omnia et consistunt. Ipsius ergo potentia procedens et simul existens cum patre, facit omnia et generat. Et ipsa haec potentia, in eo quod est ei praecedere (= procedere), quae quidem actio dicitur, ipsa patitur, si quid patitur (vgl. oben velut passiones), iuxta materias et substantias, quibus praestat proprium ad id quod est illis esse … qui semper est ad patrem et ὁμοούσιος. Et idcirco de filio dicitur quod et impassibilis et passibilis (s. im Bekenntnis § w), sed in progressu („procession“) passio, maxime autem in extremo progressionis, hoc est cum fuit in carne. – Hierzu33 wie zu anderen Stellen bei Victorinus weist Hadot darauf hin, daß Victorinus gegen den Vorwurf des Patripassianismus, den die Gegenpartei gegen die Homoousie von Vater und Sohn erhebt, die Leiden in die Aktivität des Logos verlegt. – „Patripassianismus“ ist ein Schimpfwort für die Lehre derjenigen, die den Sohn mit dem Vater identifizieren (die Monarchianer); diese Identifikation müsse notwendig das Leiden des Vaters zur Folge haben. Aber so weit man sehen kann, ist damit immer das Kreuzesleiden und der Tod Jesu gemeint. [526] Die Ausweitung des Leidensbereichs in die Präexistenz des Logos bei Victorinus soll zur innertrinitarischen Entlastung des Vaters vom Leiden dienen. Zugleich zeigt Victorinus aber eine Tendenz, die Leiden des Schöpferlogos zu uneigentlichen zu erklären, s.  o. si quid patitur (22,45) sowie die übrigen schon beobachteten Relativierungen. Zu diesen werden noch weitere treten (so gleich im nächsten Zitat), ich überlasse deren Wahrnehmung der Aufmerksamkeit des Lesers. Adv. Ar. I 24,13–18: Rursus quod filius λόγος est, in actionem festinans substantia („substance s’élançant vers l’acte“), vita enim λόγος et intellegentia, λόγος processit in substantiam („s’est avancé pour donner substance“) eorum quae sunt et intellectibilium et hylicorum. Et idcirco actio ipsius τοῦ λόγου propter imbecillitatem percipientium ipsum („à cause de la faiblesse de ceux qui le reçoivent“) et patitur et passibilis est vel potius passibilis dicitur. Adv. Ar. I 32,57–78 behandelt auf der anthropologischen Ebene, das heißt im Bereich der Seele, „das Problem des äußeren Aktes des Lebens und der Intelligenz“. Hadot beschreibt die Analogien und Differenzen zur Trinitätslehre34. Ich halte hier nur die Bestimmung der Bewegung als „Leiden“ fest, Zeile 61: Motio enim passio et motione passio; Zeile 64: Motione igitur omnis passio. Adv. Ar. I 40 dient der Exegese von 1Kor 1,24: Christus Gottes Weisheit und Kraft. Im Rahmen seiner Abhandlung muß sich Victorinus mit der richtigen Deutung des Genitivs θεοῦ in diesem Kolon befassen. Zeile 26–32: (Deus/pater) gignit enim ista in actionem et inpassibiliter quod ὁμοούσια sunt potentia et actio et deus et dei virtus et

33 SC 69, 773 zu adv. Ar. I 22,44–55. 34 SC 69, 805.

526, 527 

5.7 Nicänismus und Gnosis im Rom des Bischofs Liberius 

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sapientia. Quae cum activa sunt, iuxta ea quae foris sunt curam habentia ad deum sunt, semper sapientiam dantia, semper vivificantia, non deum sed a deo factam per semet ipsa omnem creaturam. Et si qua passio, in actione passio est. – Ich habe den ganzen Abschnitt nur zitiert wegen des kurzen Satzes über das „Leiden“ an seinem Ende. Ich finde es bemerkenswert, daß Victorinus einen solchen Satz hier überhaupt für nötig hält. Das gegen die Patripassianer gerichtete Kapitel adv. Ar. I 44 (mit dem Anfang von 45) stelle ich zunächst zurück und ziehe die von Hadot als besonders wichtig betrachtete Passage adv. Ar. IV 31,31–53 heran. Victorinus beginnt mit der erneuten Feststellung von Unterscheidung und Einheit in Gott: Alter pater, alter filius; hier folgt nun das Bild von Quelle und Fluß in der traditionellen Anwendung, Zeile 34  f.: Pater filii fons, filius ut flumen quod excurrit ex fonte. 35  f.: In der Quelle ist das Wasser rein und ruhig, 37–40: sibi occulto motu plenitudinem suam suggerens; item ut flumen motu apertiore per diversa discurrens, terrarum quas sulcat qualitatibus et adficitur et quodammodo patitur (vgl. im Bekenntnis § y), 40–53: So ist auch der Sohn seiner Substanz nach, die die des Vaters ist, rein, [527] leidensunfähig etc., regionibus per quas discurrit locisque vel supracaelestibus vel caelestibus vel intracaelestibus35 nunc spumat ut occurrentibus saxis quae sunt ex generibus animarum, campis quietus excurrit – recipit igitur passiones, non in eo quod substantia est, sed in actu aque operatione. Nam cum mysterium adventus sui compleret, tum iam passionem sustinuit, ut se exinaniret ut personam servi susciperet. Sic et reliqua, in quibus omnibus actus est et operatio, quamquam et in primo existentiae suae actu, sicuti in multis libris docuimus, passio extiterit recessionis a patre; unde et tenebrae, id est hyle, consecuta est, non creata. Sed haec plenius alibi. – Zu Zeile 36 führt Hadot Plotin Enn. III 8,10,7 an: πηγὴ … μένουσαν αὐτὴν ἡσύχως. Zu den Zeilen 40–45 erinnert Hadot an Oracula chaldaica Nr. 37 (bei des Places, während Hadot noch nach Kroll zitiert), Zeile 10 darin spricht von den „Ideen, die sich brechen an den Körpern der Welt“. Des Places seinerseits kann schon Hadots Hinweis und unsere Stelle zitieren mit dem „über die begegnenden Felsen“ hinweg „schäumenden“ Fluß/Sohn. – In den Zeilen 47–52 werden die Leiden des Sohnes in zurückschreitender Ordnung aufgezählt: Vollendung des Mysteriums seiner Ankunft (d.  h. der Kreuzestod); schon vorher die Entäußerung von Phil 2 und das Annehmen der persona servi; und ganz am Anfang, der erste actus seiner Existenz, die recessio vom Vater. Was Phil 2 betrifft, so ist auffällig, daß Victorinus μορφή mit persona übersetzt und nicht, wie doch naheliegend, mit forma. Derselbe Victorinus vermeidet (als einziger im Westen36) den Gebrauch von persona in der Trinitätslehre, ja er lehnt ihn ausdrücklich ab. Was mag er unter persona an dieser Stelle verstanden haben? Hadot und Hadot/Brenke übersetzen übrigens, als ob forma dastünde. Von größtem Interesse sind die Zeilen

35 intra kann auch „unten“ heißen, so hier. 36 J.  Ulrich, Die Anfänge der abendländischen Rezeption des Nizänums, PTS 39, Berlin/NewYork 1994, 250.

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49–53 am Schluß des Abschnitts (und damit am Ende von c. 31). Um mit den literarischen Querverweisen in den Zeilen 51 und 53 zu beginnen: Victorinus sagt, daß er so „in vielen Büchern gelehrt“ habe – das muß sich auf die passio recessionis a patre beziehen; und daß er „woanders“ sich ausführlicher geäußert habe,  – hier ist der unmittelbare Bezug die Entstehung der hyle. Mit dem Problem der Querverweise bei Victorinus befaßt sich Hadot in der Einleitung zur deutschen Übersetzung der theologischen Schriften, S. 35–43. Daß manche Querverweise sich auf verlorene theologische Schriften beziehen sollten, ist eine Erklärung, der Hadot mit methodischer Skepsis gegenübersteht: „Da diese Lösung nicht zu überprüfen ist, dürfte sie nur im äußersten Notfall erwogen werden“ (S. 35). Trotzdem räumt er ein (S. 37): „Dann gibt es Hinweise, die vermuten lassen, daß sich Victorinus auf andere als die uns erhaltenen theologischen Schriften bezieht“. Zu den Stellen, die Hadot anführt, gehört auch unsere Passage (S. 38): „Hinsichtlich des uns bekannten Werkes von Victorinus ist aber die Formulie[528]rung in multis libris recht übertrieben und haec plenius alibi ziemlich vage. Man muß entweder annehmen, daß die andern theologischen Werke verlorengegangen sind, oder zugeben, daß die bibliographischen Angaben des Victorinus keine exakten Anhaltspunkte bieten“. In diesen und einigen anderen Fällen kann man sich m.  E. sehr wohl für die erste Möglichkeit entscheiden. Gerne würde man noch wissen, wie sich die „vielen Bücher“ und das „woanders“ zueinander verhalten – „woanders“ meint in jedem Fall „nicht hier“, aber meint es auch „woanders als in den vielen Büchern“? Hat Victorinus gar ein bestimmtes Buch über die Entstehung der Materie geschrieben? So wie der Text jetzt dasteht, kann man die Frage leider nicht beantworten. Noch interessanter ist IV 31,51–53, was den Inhalt betrifft. Hadot stellt fest, daß die passio recessionis a patre das Gegenteil von dem sei, was Victorinus in I 22,51–55 und IV 32,4  f. sage. Das trifft für die erste Stelle zu, I 22,51  f.: Illa enim passiones non dicuntur: generatio a patre, motus primus et creatorem esse omnium. In IV 32,4–6 lesen wir einerseits: in actu passiones extitisse; andererseits: numquam separatum a patre ex aeterno, weder früher noch jetzt oder in Zukunft. Ist recessio also nicht mit separatio gleichzusetzen? Die Nicht-separatio muß wohl auf die substantia bezogen werden. I 51,32 würde das bestätigen: veluti defecit a potentia patris. – Hadots Hinweis auf Jamblichus37 trägt dazu bei, daß bereits der Übergang von Einheit zur Zweiheit als Leiden aufgefaßt werden kann: Die Dyade wird mit drei verschiedenen Synonymen für „Leiden“ bezeichnet. Zu den tenebrae (IV 31,52) als Folge (consecuta) der „Entfernung vom Vater“ fragt sich Hadot, ob darin nicht eine allegorische Deutung der Reihenfolge von Finsternis und Verlassenheitsruf in Mk 15,33  f. stecken könnte38 – ausgezeichnete Beobachtung; ich würde das für eine typisch gnostische Exegese halten. Was die Entstehung der Hyle angeht, so schreibt Plotin den Gnostikern die

37 SC 69, 1048 zu adv. Ar. IV 31,51. 38 Ibid. (vor dem Jamblichuszitat).

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Meinung zu (Enn. II 9,3,17); „que la matière était une conséquence indirecte, mais nécessaire“39. In der Anmerkung 573 der deutschen Übersetzung zur Aufeinanderfolge recessio – passio – tenebrae = hyle in unserer Passage erinnert Hadot natürlich an gnostische Spekulationen und nennt Irenäus, haer. I 4,1  f. Tardieu führt unsere Stelle denn auch als achten Punkt der Berührungen zu gnostischem Gedankengut bei Marius Victorinus an (Tardieu/Hadot S. 11a). Man muß auch Irenäus, haer. I 2 dazunehmen, wo „manche“ die Geschichte von der Entstehung der Materie nicht von der Achamoth (der niederen Sophia), sondern von der eigentlichen Sophia erzählen (was die Übertragung auf den Logos erleichtert), und zwar in einer einfacheren Form. Die Fassung, die Irenäus in haer. I 4 referiert, enthält aber die für die Victorinusstelle relevanten [529] Gedanken der Trennung und der Notwendigkeit (nämlich in den Schatten, in das Leere geworfen zu werden; I 4,1). Beide Fassungen enden mit der Feststellung des Irenäus, dies sei es, was „sie“ über den „ersten Anfang der Substanz der Materie“ sagen (haer. I 2,3 Ende), bzw. über „Zustandekommen und Substanz der Materie“ (haer. I 4,2 Anfang). Noch einmal aufgenommen werden muß die von Hadot zu adv. Ar. IV 31 genannte Stelle I 51,31  f. (s. schon oben). Es handelt sich um die prima motio, in der es (das Leben) veluti deficit a potentia patris, „sich gewissermaßen entfernte von der Kraft des Vaters“ (so Hadot in der französischen Übersetzung; in der deutschen Übersetzung liest man: Es hat „sich“ „der Kraft des Vaters gleichsam entledigt“ – was mir nicht so nah am Original scheint und eher nach Phil 2 klingt). Das relativierende veluti erkennen wir wieder. Andererseits steht der Gedanke in einer Darlegung über „den weiblichen und männlichen Zustand“ Christi, die Tardieu (S. 10b) als zweites unter den Themen aufzählt, die Victorinus mit den Gnostikern gemeinsam hat: „Androgynie du Logos“. Wir wenden uns jetzt dem antipatripassianischen Kapitel adv. Ar. I 44 (und dem Anfang von 45) zu, das ich oben zurückgestellt hatte. Sind wir also Patripassianer, wenn wir das Vorangehende gelehrt haben? Fragt Victorinus. Um den Unterschied zwischen der Wahrheit und dem serpentinum dogma jener darzustellen, faßt er ihre Lehre zusammen: Sie sagen, der einzige Gott (solum deum) sei der, den wir Vater nennen, er allein sei der Existierende und der Schöpfer; er sei nicht nur in die Welt gekommen, sondern auch ins Fleisch et alia omnia quae nos filium fecisse dicimus. Dagegen sagen wir (u.  a.) nicht nur „einen“, sondern „einen und einen“, aliud autem impassibile unum, aliud passum. Die weiteren Darlegungen des Victorinus schieben das Leiden des Logos/Sohnes immer weiter in die Heilsgeschichte hinaus. Der Verfasser ist hier zurückhaltender als in der Parallelstelle I 22,44–55 (einschließlich Kommentar), auf die Hadot in seinem Kommentar zu I 44,1–50 verweist. 44,16–25: Insofern der Logos Ursache ist, bleibt er nicht in sich selbst, obwohl er immer Logos ist und daher unwandelbar. Er wird „verschieden“ (alius et alius) entsprechend der

39 Ibid. zu adv. Ar. IV 31,52.

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genera eorum quae sunt, während er als universalis logos im Vater bleibt. Passiones sind also weder im Vater noch im Sohn anzusetzen, sondern bei denen, die je nach ihrem genus nicht die ganze Kraft des logos universalis empfangen, sondern die ihnen zugeteilte. Erst hinsichtlich des Fleischgewordenen ist von passio zu sprechen, Zeile 27–32: Secundum carnem ergo salvator passus est, secundum spiritum autem quod erat (sc. vor der Inkarnation) sine passione. Das Sohn-Sein ist keine passio, noch daß er etwas tut oder redet; alles geschieht aus göttlicher Kraft ohne passio. So ist das eher des Sohnes Bewegung, sowohl substantiale wie göttliche, aber nicht passio.  – Nach allem, was wir vorher gelesen haben, ist hier ein großes Ausrufezeichen anzubringen. – Victorinus weiß jedoch sehr wohl, daß noch nicht hier das von den Patripassianern gestellte Problem lag, s. Zeile 32–38: Nicht deswegen gab es Patripassianer, sondern [530] wegen des Kreuzes; diese Verruchten sagten, der Vater sei gekreuzigt worden, womit sie den Leidensunfähigen in Leiden „verwickeln“. Sie begreifen nicht, daß es notwendig etwas Leidensunfähiges geben müsse, wenn es etwas gibt, das leidet. „Wir jedoch sagen, daß auch der Sohn leidensunfähig ist, sofern er Logos ist, sofern er aber ‚Fleisch geworden ist‘, leidensfähig.“ Die Gemütsbewegungen, die Victorinus Zeile 38–40 aufzählt: Erbarmen, Zorn, Freude, Traurigkeit u.  dgl. sind „dort (ibi)“ (im Fleisch gewordenen) nicht passiones, sondern Natur und Substanz. Zu diesen Zeilen gibt Hadot in SC 69 keinen Kommentar; in der Anmerkung 236 zur deutschen Übersetzung faßt er sie mit dem folgenden Text zusammen und bezieht sie auf Gott; damit hätte Hadot das Alte Testament vor Augen. Aber könnte es nicht auch christologisch gemeint sein? Das Problem der Gemütsbewegungen Christi ist Anfang der vierziger Jahre des 4. Jahrhunderts zwischen den Arianern und Athanasius umstritten gewesen. Die Arianer sahen in den durch das Neue Testament bezeugten Seelenregungen Jesu den Beweis für den geringeren Grad seiner Gottheit, die seine οὐσία zu einer vom Vater verschiedenen machte. Victorinus spricht in der Fortsetzung vom Wirken des Geistes (Zeile 40–45), das scheint mir die christologische Deutung zu bestätigen. Das Wirken des Geistes ist genauer das Wirken seines „Wohlgeruchs“: beneolentia = εὐωδία aus 2 Kor 2,15. Aber Vers 15 und 16 (aus dem die nächsten Stichworte in Zeile 41 des Victorinus stammen) beziehen sich bei Paulus nicht auf den Geist, sondern auf unser Verhältnis zu Christus. Obwohl der Geist „per se der beste ist“, wie Victorinus sagt, ist er „für manche zum Leben, für manche zum Tod“. Das heißt aber nicht, daß er in seiner Natur verändert wird, sondern durch die Materie und den Willen der ihn Erfahrenden (patientium) („sich seine Wirkung ändert“, muß man ergänzen). Im nächsten Satz wird der Gedanke wieder verallgemeinert: Von der unwandelbaren Gottheit „wird gesagt“, daß sie „affiziert“ werde und „leide“, je nachdem ob sie (d.  h. ihre Handlungen) empfangen wird, „wie es sich gehört, oder anders“. Und zwar „wird es gesagt“, weil wir das Göttliche von unsern Sinnen her beurteilen. Aber die göttliche Natur als solche ist leidensunfähig (Zeile 49  f.). In der zusammenfassenden Zurückweisung der Patripassianer in c. 45 heißt es dann wieder in Zeile 1–3: nos et patrem dicimus et filium (das ist die Abweisung der Identifzierung beider), ipsum solum passibilem iuxta motum in

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hyle. Hadot sagt, in hyle meine in carne, wegen der Leidensaussagen von c. 44. Aber es ist kein Zufall, daß Victorinus diese allgemeinere Formulierung seiner Rede vom leidenden Logos benutzt; sie impliziert doch nicht nur das extremum progressionis (= Inkarnation), wie es Hadots Hinweis auf I 22,50 will, denn dort geht in Zeile 49 voran: in progressu passio. „Das Leiden des Heilands dem Fleisch nach“, I 44,27, ist natürlich eine gemeinchristliche Aussage. Aber das Besondere bei Victorinus ist das Leiden des Schöpfer-Logos in Bezug eben auf die Schöpfung und auf sein Handeln in der hyle. Daß dieser Gedanke im zusammenfassenden Bekenntnis von I 47 aufgenommen worden ist, zeigt seinen systemischen Charak[531]ter. Hadot gibt leider kein Urteil über dieses eigenartige Theologoumenon des Victorinus ab, so vorzüglich er es auch im jeweiligen Zusammenhang ausdeutet. Kehren wir nun zum Duktus der Untersuchung von Tardieu/Hadot zurück. Als ein zweites Kapitel bringt Tardieu „Eléments de chronologie“ (S. 19–26), das sind Daten von 246 bis 397/398, vom Eintritt des Amelius in die Schule Plotins bis zum Tod des Ambrosius. Ich zitiere aus der Einleitung zu diesem Kapitel (S. 19a): „Les réalisations de la philosophie païenne dans l’après-Numenius (Plotin, Porphyrius) vont contribuer à la christianisation des élites (Victorinus, Ambroise, Augustin). Les derniers gnostiques n’y effarouchent plus personne, sauf les philosophes dont ils ont adopté le langage. Comme on la voit avec la dispute d’ Aèce avec un Borborien (? 353), les gnostiques vont devenir contre les ariens les alliés objectifs de l’orthodoxie“. Zum Jahr 263 (Ankunft des Porphyrius in der Schule Plotins in Rom) notiert Tardieu die gnostischen Schriften, die in der Schule bekannt waren, und ihre Widerlegungen (S. 20). Anders als ich selbst (1983), Ruth Majercik (1992) und Andrew Smith (1987) (Tardieu S. 13b15a) nimmt Tardieu keine Bearbeitung der uns in Nag Hammadi erhaltenen Traktate unter dem Eindruck der porphyrianischen Philosophie an. Kapitel III (S. 27–45): „Synopse d’un exposé de métaphysique commun à Marius Victorinus et au Zostrien (Nag Hammadi Codices VIII,1)“. Die Synopse hat zwei Gestalten (S. 27): „La partie de cet exposé, concernant la méthode dite de théologie négative, est rigoreusement et textuellement la même chez Marius Victorinus I 49, 7–10. 18–40 et dans le Zostrien copte 64,11–66,12“. „À partir de Marius Victorinus I 50,1 = Zostrien 66,12, c’est-à-dire à partir du début de la partie de l’exposé consacré à la méthode dite de la théologie positive“, ist der Text nicht mehr buchstäblich identisch. Die Synopse sieht hier so aus: „Les éléments de la théologie positive de l’exposé“, die Marius Victorinus I 50,1–18 entsprechen und, verteilt über Zostrianus 66–75, paraphrasiert sind, „seront regroupés sous la forme de six testimonia“. Der Synopse schickt Tardieu die beiden Victorinuskapitel voran, zunächst in Photographie der schönen Berliner Handschrift, dann im zeilengleichen Abdruck aus der CSEL-Edition. In der eigentlichen Synopse (Tardieu S. 34–45) wird der koptische Text von einer interlinearen französischen Übersetzung begleitet. Für adv. Ar. I 50 und die koptische Seite des Materials war es die Absicht Tardieus, „de fixer les limites de la source commune jusqu’aux fragments littéraux 1 et 2“, „et non de rassembler tous les passages de Zostrien présentant des parallèles doctrinaux avec cette source ou une phraséologie analogue.

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Comme Victorinus de son côté, l’auteur gnostique s’inspire largement de ce morceau métaphysique“ (S. 38b)40. [532] Kapitel IV (S. 47–58): „Édition critique de la version copte de l’exposé“, eine Wiederherstellung des sehr zerstörten koptischen Textes auf der Basis der Synopse von Kapitel III, mit französischer Übersetzung. Sprachliche Anmerkungen koptologischer Kollegen habe ich oben zusammengestellt. Kapitel V (S.  59–114; darin S.  113b-114 zusätzliche Bemerkungen von P.  Hadot): „Divergences et variantes. Pour un commentaire de l’exposé“. Dies ist der Hauptteil des Buches und von stupender Belesenheit in philosophischen und gnostischen Texten. Glänzender Didaktiker, der Tardieu ist, schickt er dem Kommentar dessen Gliederung voran, die zugleich eine systematische Analyse des untersuchten Textes ist und damit eine Übersicht zu dessen höchst abstrakten Darlegungen (S. 59  f.). Die Schwierigkeit für die Rezensentin besteht darin, aus dem reichen Material auszuwählen. Das Exposé beginnt mit den Worten Sic audi ut dico, das Folgende wird damit als Offenbarung deklariert. „Cet artifice littéraire est essentiel et a pour but d’assimiler l’exposé métaphysique à un logos sacré, reçu au terme d’une montée ou descente“ (S. 61a). Adv. Ar. I 49,10–18 „Dénomination de l’Un et premiers éléments descriptifs“ (von Tardieu S. 62b-65b kommentiert) ist vom „Zostrianus“ nicht übernommen worden. Aus Tardieus Kommentar ersieht man, daß er die Zuschreibung des anonymen Parmenideskommentars an Porphyrius durch Hadot nicht für sicher hält, „Porphyrius“ als Verfassername wird von Tardieu in spitze Klammern gesetzt. – „Keins der Elemente, die in I 49,10–18 das Eine beschreiben, ist spezifisch neuplatonisch. Man findet sie tatsächlich wie bei den Gnostikern (dem clarus magister [von Irenäus, haer. I 11,3], im Apokryphon Johannis, Allogenes, in anderen Abschnitten des Zostrianus), so im Mittelplatonismus (Apuleius, Alcinous, Numenius, Clemens von Alexandrien)“. Daß dies Stück in der koptischen Parallele fehlt, ist wahrscheinlich auf eine Kürzung durch den Verfasser des „Zostrianus“ zurückzuführen. Im Unterschied zum clarus magister und zum Zostrianus hat Victorinus mit seinem vollständigen Text alle Schritte der Argumentation aufbewahrt (S. 65b). Adv. Ar. I 49,18–26, Zostrianus 64,17–65,4 (Tardieu S. 65b-75a): „La négation de toutes les formes“. „Cette méthode descriptive, très élaborée, présente dans l’exposé“ „la particularité de regrouper comme prédicats de l’Un des attributs négatifs platoniciens ou platonisés, originellement ne s’appliquant pas tous à l’Un“. Sie sind folgendermaßen organisiert: „Les premiers énumérés, qui concernent les exclusions d’égalité, de la détermination et de division, sont traditionellement attestés comme prédicats de l’Un; ils sont à rattacher au Parménide et au Sophiste. Puis viennent les

40 Hadot hatte seinerzeit das Stück unter den „Textes porphyriens de l’œuvre théologique de Marius Victorinus, Groupe II“, verteilt auf vier Paragraphen, abgedruckt: Porphyre et Victorinus II, Paris 1968, 27–29.

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termes qui, dans le Phèdre, qualifient le monde intelligible. Les troisièmes énumérés sont de qualificatifs traditionnels de la matière depuis le Timée.“ Diese Dreigliederung weist auf die drei Prinzipien der mittelplatonischen Metaphysik: Gott, Modell/Formen/Ideen, Materie (S. 65b). Das Exposé und Plotins Denken sind hinsichtlich der Behandlung des Einen (aus dem [533] Parmenides) vergleichbar: Das Eine ist nicht mehr Gegenstand logischer Übungen, sondern theologischer Meditation. Der Übergang vom einen zum anderen hat schon im Mittelplatonismus stattgefunden. Zu einzelnen Prädikaten: immensum =  ἀμέτρητον ist in mittelplatonischen Texten selten, aber reichlich bei den Gnostikern belegt (S. 66b). Das nächste Prädikat, invisibile =  ἀόρατον, fehlt merkwürdigerweise in der koptischen Parallele, obwohl es ständig von den Gnostikern als Ausdruck für die Transzendenz gebraucht wird (S. 67b). Die gnostische Gewohnheit, „unsichtbar“ auf Gott anzuwenden, kann nicht aus Plato oder der platonischen Tradition abgeleitet werden, sondern stammt aus der religiösen Philosophie der ersten beiden Jahrhunderte, das Neue Testament eingeschlossen, ebenso Philo. „Dans tous ces écrits, juifs, chrétiens ou païens, Dieu est dit ‚invisible‘ pour signifier qu’il échappe à la connaissance“. (A.  Orbe hat gezeigt, daß in allen diesen Texten mitsamt den gnostischen, „sehen“ „verstehen“ bedeutet, so daß ἀόρατος mit ἄγνωστος synonym ist). Der unsichtbare „Name“, nämlich Vater oder Geist, hat einen sichtbaren Namen oder Abbild nur in „Sohn“ oder „Intellekt“ (S. 67b). Sine colore =  ἀχρώματον (S.  71  f.). „Farblos“, griechisch oder koptisch, fehlt in der gnostischen Literatur, abgesehen vom „Zostrianus“, d.  h. dem koptischen Zeugen des Exposés. „On a là, par conséquent, un autre indice que la section du Zostrien commune avec Victorinus, dans laquelle figurent les deux attributs négatifs du Phèdre appliqués à l’Un, n’est pas d’origine gnostique.“ (S. 72b). Zwei kleine Überschüsse bei Victorinus sine qualitate und sine forma betreffend möchte Tardieu für mittelplatonische Glossen des Victorinus halten (das sind zwei von mehreren Fällen, wo man nicht recht entscheiden kann, ob Zostrianus kürzt oder Victorinus hinzufügt) (S. 73b). „La double exclusion de la forme et de la figure … est, en tant qu’argument de théologie négative, bien représentée chez les Gnostiques mais n’est pas une création gnostique“, vielmehr handelt es sich um mittelplatonische Begriffe (S. 74b). Tardieu beschließt diesen Abschnitt des Kommentars mit der Folgerung (S. 75a), das Exposé sei nicht gnostisch. Adv. Ar. I 49,26–40, Zostrianus 65,4–66,12 (Tardieu S. 75a-88b): „La voie d’éminence“. Am Anfang des hier kommentierten Stücks finden sich folgende drei Ausdrücke für „primauté par antériorité“ (S. 76a): prima causa, praeprincipium, praeintellegentia. Prima causa gibt es nirgends sonst in der gnostischen Literatur (S. 77b), wieder ein Hinweis darauf, daß das Exposé ein heidnischer philosophischer Text ist (S. 78a). Victorinus selber hat eine Neigung zu Neologismen mit dem Präfix der Anteriorität, die nach dem Modell von πρόον konstruiert sind: praecausa, praecognoscentia, praedivinatio, praeexistentia (Tardieu zählt noch mehr auf). Die meisten davon trifft man schon bei den Gnostikern an (man denke auch an den Titel Protennoia trimorphos,

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NHC XIII,1). Erster Zeuge für gnostische Wortbildungen dieser Art ist Irenäus; Plotin vermeidet sie, nicht aber die späteren Neuplatoniker (S. 78  f.). [534] Der größere Teil des kommentierten Abschnitts, I 49,29–40 bei Victorinus, ist eine Litanei von Aussagen „sur le dépassement des oppositions et différences“, ihre Reihe wird gegliedert durch „eine dreifache Anrufung der Kraft, die dem inhärent ist, der alle Gegensätzlichkeit und Unterschiedenheit übersteigend das Eine-Ganze ist“ (S. 79b). Auch weist der Text eine Einfügung des Victorinus auf (S. 80b), die durch Satzrhythmus und Inhalt innerhalb der „Litanei“ als eine Art von Kommentar auffällt. Ich zitiere das hier in Tardieus optischer Gliederung auch als ein Stilbeispiel. Exposé: Vict.:

ipsa motione celebrior, ipso statu stabilior motione enim ineloquibili status est, statu autem ineffabili superelativa motio est

Gegen den Duktus des unmittelbaren Kontextes wird eine zusätzliche Übersteigerung mit Aufhebung der Gegensätze in Überkreuzung der Begriffe hergestellt. Ich stelle daneben adv. Ar. I 49, 23–26 in der optischen Gliederung Tardieus (S. 70b unten – S. 71a oben); auch hier haben die Einfügungen keine Parallelen im „Zostrianus“. Exposé: Vict.: Exposé: Vict.:

sine figura sine qualitate neque inequalitate sine qualitate quale sine colore sine specie sine forma omnibus formis carens, neque quod sit ipsa forma qua formantur omnia

Die Neigung des Victorinus zu Wortspielen, nicht nur hier, ist unverkennbar. Im Vergleich zu verschiedenen Listen aus der religiösen philosophischen Literatur, die Tardieu zusammengestellt hat (S. 81–82a), erscheint die des Exposés sowohl origineller als auch komplexer. Die „dialektische Organisation“ der Begriffe, wie sie hier vorliegt, ist sonst in der gnostischen Literatur nicht zu finden, sie gehört dem mittleren Platonismus an (S. 82a). Übrigens wäre ohne die lateinische Fassung des Exposés die Suche nach den griechischen termini, die hinter den koptischen stecken, eine ziemlich hoffnungslose Sache. „De façon inattendue, c’est un rhéteur de Rome qui aujourd’hui fait progresser la coptologie. Grâce, en effet, à Marius Victorinus, on peut reconnaître que le traducteur égyptophone du Zostrien grec n’est pas entièrement

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dépourvu de métier et d’habilité“. Doch ist ihm die philosophische Fachterminologie nicht vertraut. Auch dies ein Hinweis, [535] daß das Exposé nicht aus der Gnosis stammt (S. 82b). Unter ideengeschichtlichen Gesichtspunkten dienen die Prädikationen in Gegensatzpaaren, die sich auf die Bewegung, die Teilung und die Mischung beziehen, in den Philosophien des 2. und 3. Jahrhunderts im Gefolge des Aristoteles und der Stoiker zur Bezeichnung von Zuständen der Materie. Die physikalische Terminologie wird auch in diesem Text metaphysisch auf das Eine angewendet, wie es schon im vorigen Abschnitt bei der Negation der Formen der Fall war (S. 83a). Zu adv. Ar. I 49,36  f.

vere ὂν totum, vere quae sunt omnia ipsum existens,

bemerkt Tardieu (S. 85b), das sei die einzige Aussage in der Reihe, die nicht eine Steigerung enthalte; er übersetzt sie, wie es auch das Koptische tut, mit: „le tout véritablement existant et les véritablement existants, il est tous ceux-là“. Die aufsteigende Leiter von den „vere quae sunt“ zu ihrer Ursache, dem „vere totum“, liest man in Ad Cand. 7,2–7. Es ist interessant, daß diese Passage eingeleitet wird wie das Exposé, also als Offenbarung: audi quemadmodum dico – wie gehören die Stücke zusammen? – Die Zeile aus adv. Ar. I 49 ist, wie schon Hadot ad locum festgestellt hat, „nicht vereinbar mit der Transzendenz des Einen“. Aber es handelt sich um eine sehr alte Formel; das verbietet, ihren Wortlaut dem Kontext anzupassen (S. 86a). Die Aussagen über die via eminentiae sind vom Verfasser des Exposés zwischen drei Doxologien gesetzt worden (s. die Gliederung S. 80a), die das Eine als „Macht“ charakterisieren: „la triple invocation de la puissance“. Diese Formeln sind nicht angelologisch zu nehmen, sondern metaphysisch. „Ces formules indiquent que l’argumentation de via eminentiae n’est pas un raisonnement dialectique systématisé, mais une langage de méditation religieuse entrant dans le cadre d’une révélation“ (S. 86b). Potentia potentiarum der mittleren Doxologie (fehlt im „Zostrianus“) ist ein Ausdruck von größter Seltenheit, Tardieu kennt nur zwei weitere Beispiele (S. 87b). Adv. Ar. I 50,1–21, Zostrianus 66,12–84,22 (Tardieu S. 88b-110): „Le tout intérieur à l’Un“. Von hier ab ist das Exposé, wie schon gesagt, von den beiden Tradenten verschieden behandelt worden: Während Victorinus einen zusammenhängenden Text bietet, sind dessen Bestandteile vom „Zostrianus“ in Stichworten, Paraphrasen, kürzeren Zitaten in seine eigene Darstellung verwoben worden. Das hat zur Folge, daß hier der koptische Text nicht mehr vollständig mit Hilfe des lateinischen rekonstruiert werden kann. „Outre leur lacunes, les dix-huit pages du Zostrien à examiner (66,12– 84,22) sont passablement embrouillées du point de vue de leur contenu. Elles utilisent une abondante terminologie philosophique, celle-là même employée par Marius Victorinus, mais sont entremêlées de traits et de réflexions proprement gnostiques qui aboutiront aux doxologies de Barbélo dans les pages 86–87 et suivantes.“ Marius Victorinus dagegen [536] bietet einen sicheren, kurzen, homogenen und kohärenten Text (Tardieu S. 88–89a).

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Tardieu kommentiert zunächst Victorinus (S. 89a-105b) und dann die Bruchstücke bei Zostrianus (S. 105b-110a). Adv. Ar. I 50 ist im gleichen pathetischen Stil einer philosophisch-religiösen Meditation geschrieben wie c. 49. Es enthält eine Reihe von Aussagen positiver Theologie „portant sur la forme, à la fois unifiante et extensive, de la puissance (ou Tout) inhérente à l’Un et sur les conséquences de la préexistence dans le Premier de ce qui est appelé à sortir de lui pour devenir second“ (S. 89a). Das philosophiegeschichtliche Problem des Textes ist die Bezeichnung des ersten Prinzips als πνεῦμα; es wurde schon von Hadot scharf empfunden, als man von dem gemeinsam benutzten Exposé noch nichts wußte. Hadot: „Comment admettre qu’un néoplatonicien ait pu donner à l’Un le nom de Pneuma?“41 Daher ist es für ihn nicht sicher, „que le développement concernant le dénomination d’Esprit provienne d’une source néoplatonicienne“42 (Tardieu S. 91a). – Ich frage hier schon, ob dies Problem in derselben Schärfe bestehen bleibt, wenn man mit Tardieu die mittelplatonische Provenienz des Textes in Betracht ziehen muß. Außerdem werde ich unten ein anderes grammatisches Verständnis für spiritus von I 50,5 postulieren, mit dem Hadots Schwierigkeit m.  E. fast verschwindet. Tardieu gliedert c. 50 in vier Abschnitte. Der erste: Adv. Ar. I 50,1–7 (Tardieu S. 91a98a): „Les dénominations de l’Un dans son rapport au Tout“. (Im Gefolge meiner Neuübersetzung des kritischen spiritus  – s.unten  – müßte man den Abschnitt bis Zeile 8 … a semet ipso ausdehnen). Im Verlauf seiner ausführlichen Kommentierung bemerkt Tardieu, daß „Allogenes“ (NHC XI,3) wie „Zostrianus“ einen großen Teil seiner Terminologie aus dem Exposé beziehe (S. 92b), auch die „Drei Stelen des Seth“ (NHC VII,5) kennen das Exposé (S. 97a). Besondere Aufmerksamkeit widmet Tardieu (S.  93a-98a) dem Ausdruck tripotens … spiritus aus 50,4  f., griechisch entspräche dem τὸ τριδύναμον πνεῦμα (d.  h., Tardieu setzt voraus, daß tripotens und spiritus im gleichen casus stehen); Victorinus adv. Ar. IV 21,26 hat τριδύναμος est deus. Bei den Gnostikern ist das Adjektiv häufig. Tardieu ist der Meinung, daß in allen Quellen tripotens spiritus in einem doppelten Sinn gebraucht wird, metaphysisch und arithmologisch; daraus resultiere die Ambivalenz der Stellung, die er in der göttlichen Hierarchie einnimmt. So handelt Tardieu zuerst von der metaphysischen Interpretation (S. 93a-95b), danach von der arithmologischen (S. 95b-98a). S. 96a: Man müsse die beiden Exegesen sehr wohl unterscheiden, nach Inhalt und Herkunft. Die numerische Deutung gehört zur pythagoräischen und neupythagoräischen Tradition, die metaphysische Erklärung ist mittelplatonisch. Allerdings stößt Tardieus Unterscheidung auf den Widerspruch Hadots in dessen Re[537]marques additionelles (a, S. 113b; bei Tardieu verweist ein Sternchen am Rand darauf): Er, Hadot, sehe nicht ein, worin das Interesse einer Unterscheidung der beiden Deutungen der dreifachen potentia liegen solle. „Les formules ‚arithmologi-

41 Porphyre et Victorinus I, 225  f. 42 Ibid. 297.

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ques‘ se réfèrent toujours tacitement aux formules ‚métaphysiques‘“. Tardieu selber beginnt (S. 93a) mit der Gleichsetzung von πνεῦμα und θεός in der mittleren Stoa und mit den bekannten Aussagen über das alles durchdringende und alles umfassende und daher einende πνεῦμα. „Notion avantageuse par la philosophie de sa fonction hégémonique et unifiante résultant de la conception tonique de son mouvement, le pneuma stoïcien reste une catégorie explicative de la matière. Dès lors qu’en perspective platonicienne elle devient par transfert ou transposition une catégorie et un nom de transcendance, un réajustement est nécessaire, ne serait-ce que par un trait de polémique antistoicienne“ (S. 93bf.). So sagt denn auch das Exposé vom deus/pater nicht nur tripotens in unalitate spiritus, sondern auch im nächsten Kolon: perfectus et supra spiritum (Zeile 5). Das wird wiederum erläutert (Zeile 5–7): non enim spirat, sed tantum43 spiritus est in eo quod est ei esse, spiritus spirans in semetipsum ut sit spiritus. Tardieu sagt, der Verfasser des Exposés habe (mit dem Kolon aus Zeile 5) die Gleichung, das Eine (Gott, Vater) = spiritus, hergestellt. Er folgt damit der Übersetzung und dem Kommentar Hadots (man vergleiche Hadots Lemma im Kommentar zu I 50,1–21: „L’Un est Dieu et Esprit“). Aber stimmt das? Der Anfang von c. 50 stellt zunächst eine Gleichung zwischen dem unum von c. 49 und dem deus/pater her und tut dies im Stil der Offenbarung: hic est deus, hic est pater. Eine gleichartige Identifikation von deus/pater und spiritus findet nicht ausdrücklich statt. Hadot und ihm folgend Tardieu setzen als ganz selbstverständlich und stillschweigend voraus, daß im Kolon tripotens in unalitate spiritus das letzte Wort, also spiritus, im Nominativ steht; das anschließende perfectus wird als Adjektiv zu spiritus verstanden (vgl. Hadots Übersetzung: „Esprit parfait…“, wobei „Esprit“ von Hadot ergänzt ist; in der deutschen Übersetzung analog). Nach meiner Meinung ist spiritus im Kolon tripotens … als Genitiv zu nehmen: „dreikräftig in unalitas des Geistes“. Hier haben wir die „fonction unifiante“ des Geistes, verlegt in die Transzendenz, in die Gottheit selbst. Dieselbe Funktion auch 50,18: indiscernibilis spiritus counitio, in diesem Fall haben Hadot und Tardieu spiritus als Genitiv übersetzt. Das nächste Kolon von Zeile 5, perfectus et44 supra spiritum, bezieht sich zurück auf den vorher als superperfectus45 Bezeichneten, es ist also nicht der Geist, der „über den Geist hinaus vollkommen“ ist, sondern der deus/pater46. Man [538] vergleiche die Wiederaufnahme von „dreikräftig“ in adv. Ar. IV 21,26: τριδύναμος

43 In SC 68 nicht übersetzt, wohl aber im deutschen Band. 44 In SC 68 mit „et“ übersetzt, im deutschen Band gar nicht. Richtig wäre „aussi“. 45 Zu dieser Lesart (statt super perfectos) s. Tardieu S. 27b und S. 92b. 46 Adv. Ar. I 50,4–6 perfectus superperfectus (die von Tardieu bevorzugte Lesart), tripotens in unalitate spiritus, perfectus et supra spiritum: non enim spirat, wird von Hadot so [538] übersetzt (Hervorhebungen von ihm): „parfait au-dessus des parfaits (der anderen Lesart folgend), Esprit, ayant en son unité, une triple puissance, Esprit parfait et qui est audessus de l’Esprit: car il ne souffle pas“, während es m.  E. heißen muß (meine Hervorhebungen): „parfait, superparfait (nach der einen Lesart), trois-puissant en unité de l’esprit, parfait aussi au-dessus de l’esprit, car il ne souffle pas.“

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est deus – Victorinus hat offensichtlich das tripotens des Exposés auf Gott bezogen und tut das auch hier. Die Gleichsetzung des unum mit spiritus findet also nicht statt. In der Reihung perfectus, superperfectus, tripotens … muß „dreikräftig“ als eine weitere Steigerung gedacht worden sein. Interessant ist, daß die Vokabel spiritus eine Reihe von Erläuterungen nach sich zieht, die das Verhältnis des Geistes zu deus/pater klären sollen. Diese Erläuterungen gehen, wie schon oben gesagt, nicht nur bis ut sit spiritus in 50,7, sondern beziehen auch die beiden nächsten Kola von Zeile 7 und 8 ein: quoniam est spiritus/inseparabilis a semetipso. Tardieus Druckanordnung S. 89b wäre entsprechend zu ändern. Das Subjekt der beiden eben zitierten Kola ist nicht deus/ pater, sondern der „Geist“ des vorangegangenen Kolons (ut sit spiritus). Die ganze kleine Partie (Zeile 5–8 perfectus et supra – inseparabilis a semetipso) fällt auch durch ihren argumentativen Stil auf: non enim, sed tantum, ut sit, quoniam, und hebt sich damit vom hymnischen Ton ab. Von wem stammen die Erläuterungen? Das Kolon perfectus et supra spiritum wehrt die mögliche Folgerung ab, daß der Geist wegen seiner Einungsfunktion die überlegene Größe sein könnte. Die Erhabenheit des grammatischen Subjekts deus/pater über den spiritus geht daraus hervor, daß Gott nicht „haucht“ (spirat)47. Das tut nur der Geist. Spiritus ist nicht von spirare zu trennen, damit der Geistcharakter erhalten bleibt (ut sit spiritus!); er haucht in semet ipsum, „weil der Geist untrennbar a semet ipso ist“48. Mit den beiden reflexiven Pronomina habe ich Schwierigkeiten; nimmt man sie streng syntaktisch, muß man sie auf den Geist beziehen; Hadot und Tardieu tun das auch. Aber es geht doch hier immer noch um das Verhältnis des Geistes zum Einen, zum deus/pater – wäre es nicht sinnvoller, im semet ipse den deus/pater zu sehen, „in den hinein der Geist haucht“ und „von dem er untrennbar ist“? [539] Victorinus würde damit das semet ipsum von 50,3 aufnehmen, wo von Gott gesagt wird: „sich selbst (semet ipsum) in unbewegter Bewegung bewahrend“. Das ipsi sibi et locus et habitator, in semet ipso manens (50,8  f.) meint jedenfalls wieder Gott und würde sich ohne die erläuternden Kola über den Geist leicht an perfectus, superperfectus, tripotens in unalitate spiritus von 50,4  f. anschließen. All dies ließe sich besser beurteilen, wenn eine wörtliche koptische Fassung dieser Partie des Exposés vorhanden wäre. Ich finde es sehr bemerkenswert, daß die 47 Der nächste Satz, einschränkend qualifizierend, Zeile 6 (meine Hervorhebungen): sed tantum spiritus est in eo, quod est ei esse, sieht aus wie eine ungeschickte und zu wörtliche Übersetzung aus dem Griechischen. (Vgl. auch weiter unten Zeile 12  f.: in potentia eius quod est esse, hoc est existentiae, etc.). Für Hadot ist Subjekt des Satzes, in Konsequenz seiner Übersetzung von spiritus in Zeile 5, deus/ pater = spiritus: „mais il est Esprit en ce qui est son être,“ – aber wieso dann tantum? Ich schlage vor: „Mais l’esprit est seulement en ce qui est l’être pour lui“. Auch so bleiben syntaktischer Anschluß und Deutung schwierig, es sei denn, man betrachtet spiritus spirans des anschließenden Kolons zusammen mit dem est unserer Zeile als das vollständige Prädikat: „mais l’esprit est seulement en ce qui est l’être pour lui esprit soufflant etc.“ (meine Hervorhebungen). 48 Hadots Kommentar zur Stelle, SC 69, 851, findet hier das Hauchen des Geistes nach innen und nach außen. Aber von letzterem ist hier nicht die Rede.

539, 540 

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über die Seiten 66 und 67 des „Zostrianus“ zerstreuten Textpartikel aus dem Exposé keine Übersetzung des so auffälligen tripotens in unalitate spiritūs (es wäre natürlich eine Übersetzung aus dem Griechischen) enthalten. Zwar setzt Tardieu (S. 41) neben Zostrianus 67,19  f. „C’est l’Esprit unique“ als mögliche Vergleichskola I 50,10 (simplicitate unus qui sit) und I 50,4  f. (in unalitate spiritus) aus Victorinus. Aber davor waren über das „Eine“ von Zostrianus 66,14 schon gesagt worden: Vater (67,5), Mutter (67,6), Idee der Idee (67,13), „Et il existe en tant que logos“ (67,15  f.), Tardieu S. 39 und 40. Man kann darüber debattieren, ob die Zeilen, die im „Zostrianus“ auf die Geistaussage folgen (Ort seiner selbst, wohnt in sich selbst, 67,21  f.), mit den wörtlichen Parallelen bei Victorinus und in derselben Sequenz sich auf den Geist beziehen oder auf das Eine (es wiederholt sich also das oben diskutierte Problem). Aber da sogleich wieder von der Existenz als Logos gesprochen wird, Zostrianus 67,24–68,1 „Er ist es, der…“, betrachte ich die Aussage über den Geist als ein Glied unter anderen, und nicht einmal das erste, einer Reihe von Bestimmungen über das Eine. Im übrigen ist für Barbelognostiker der Geist als erstes Prinzip ganz unproblematisch. Im Zusammenhang mit dem Problem der richtigen Deutung des in unalitate spiritus von adv. Ar. I 50,4 ist auch IV 24, 21–39 heranzuziehen. Dieser Abschnitt ist ein einziger Satz, bis auf die beiden letzten Worte, welche lauten: Haec deus (vgl. den Anfang von I 50: Hic est deus, hic pater). Der Anfang des Abschnitts bezieht sich auf das unmittelbar Vorangehende, eine Abhandlung über cognoscentia und cognoscibile in Gott. IV 24,21: Wenn es erlaubt sei, will der Verfasser auf dieselbe Weise vom „Ersten“ reden. Dem Ersten werden drei synonyme Bezeichnungen zur Seite gestellt, die offenbar alle wie das Erste in Anführungszeichen zu setzen sind; das ergibt sich daraus, daß wie vor den ersten drei nomina, die sächlich sind, so auch vor dem vierten, dem maskulinen deus, das neutrische illud steht: illud „primum“, illud „unum“, illud „solum“, illud „deus“ (S. 21  f.). Darauf folgt eine endlose Liste von Prädikationen, von denen die ersten sechzehn (!) mit vel aneinandergereiht werden49. An I 50 erinnern die ersten beiden Prädikate mit vel: vel spiritus, vel spirans, dann geht es weiter mit vel lumen, vel [540] luminans; ein Muster für die nächsten Zeilen in der Aufzählung ist das folgende vel existens, vel omniexistens … Worauf es hier ankommt, wenn wir uns an das Problem des Verhältnisses von unum und spiritus erinnern, ist die Tatsache, daß der Geist nicht zur illud-Reihe gehört, sondern zur vel-Reihe. Es ist daher nicht erlaubt, aus dem Text des Victorinus illud deus vel spiritus herauszuschneiden und damit dem Geist denselben Rang in der Hierarchie des Seins wie dem Einen zuzuschreiben. Deswegen ist es nicht richtig, wenn Hadot im Kommentar zu IV 24,21–39 die Stichworte der ersten Zeilen so gruppiert: unum, solum; deus, spiritus, lumen50 – das Semikolon muß nach deus stehen. (Die Gliederung des Weiteren entspricht selbstverständlich dem Text; nützlich auch die Erinnerung an das Apokryphon Johannis mit einer inhalt-

49 Hadot übersetzt jedes illud mit „ce“, die vielen vel läßt er unübersetzt. 50 SC 69, 1035; meine Hervorhebung.

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lich vergleichbaren Aufzählung: Licht, Leben, Seligkeit, Erkenntnis – sowohl als Sein wie als Gabe). Hier kehren wir wieder zu Tardieus Kommentar zum Exposé zurück. Natürlich durchzieht die auf der Nominativ-Übersetzung von spiritus in I 50,5 beruhende Deutung alles Folgende51 und wäre in meinem Sinn zu korrigieren. Adv. Ar. I 50,8–10 „L’intégralité de l’Un comme cause de Tout“ (S. 98a-99b). Nach dem, was ich weiter oben gesagt habe, beginnt der Abschnitt in Zeile 8 erst mit den Worten ipse sibi et locus … Die Formulierungen in Zeile 8 sind sämtlich traditionell (S. 98b). Manens in se auch IV 24,32 (vom Einen gesagt52) (S. 99a). Adv. Ar. I 50,10–18 „La participation plénière du Tout à l’Un“ (S. 99b-102a). „Diese Zeilen des Exposés weisen einen charakteristischen literarischen Zug auf“, die asyndetische Aneinanderreihung weicht einer „Argumentation mit Hilfe vollständiger und verbundener Sätze“ (S.  99b). Tardieu druckt nach dem lateinischen Text des Abschnitts seine eigene Übersetzung ab (S.  100a), für die er Hadots Analysen aus „Porphyrius et Victorinus“ berücksichtigt hat, wie er sagt (S.  99b). Tardieus Übersetzung erscheint, verglichen mit der Hadots in SC 68, wörtlicher. Im übrigen habe Hadot den Text so gründlich untersucht (Porphyrius et Victorinus I, Cap. IV-VI), daß nur Weniges hinzugefügt werden könne (S. 100b). Zu 50,10, simplicitate unus qui sit / tres potentias couniens, greift Tardieu eine wörtliche Beziehung zwischen dem Turiner Parmenideskommentar und unserm Exposé auf, die schon Hadot bemerkt hatte, als das Exposé noch als Text des Victorinus selber galt. Im Turiner Kommentar ist das mit dem Hinweis auf eine Aussage verknüpft, die den Chaldäischen Orakeln entstammt53. Dazu (und [541] überhaupt zu dem Abschnitt S. 100b-101a bei Tardieu) gibt es eine längere Anmerkung von Hadot (in unserm Band S. 113b-114a). Der Turiner Kommentar spricht von Leuten, die eine bestimmte Meinung vertreten: οἱ εἰπόντες. Hadot: οἱ εἰπόντες bezeichnet Philosophen, die die Orakel zitieren und vielleicht interpretieren; Hadot neigt dazu, dahinter den Numenius zu sehen. Außerdem bemerkt er: „La formule ἁπλότητι συνηνῶσθαι n’est pas liée nécessairement à la notion d’Esprit (dans les Oracles il s’agit du feu).“ Tardieu sieht im grammatischen Subjekt des hier diskutierten Abschnitts des Exposés den Geist; setzt man aber stattdessen auf Grund meiner Übersetzung „Gott“ als Subjekt, dann fällt jene Schwierigkeit fort, die auch Tardieu „en raison même de la dénomination d’Esprit (Pneuma) donnée à l’un-Père par l’exposé“ sieht (S. 101a oben); und zwar fiele die Schwierigkeit für den speziellen Fall von Tardieus These fort, nach der aus der Gleichung simplicitate … couniens (Vic-

51 Z.  B. als Bestandteil der Argumentation, Tardieu S. 98a: „Dès lors que le tripotens pneuma est in unalitate…“. 52 Tardieu: vom Dieu-Esprit. 53 ἁρπάσαι ἑαυτόν. – Für den Nutzen, den man aus dem Orakelvers für die Auslegung des ἁρπαγμός von Phil 2,6 ziehen kann, vgl. die erste Abhandlung in meinen „Drei christologischen Untersuchungen“, BZNW 45, Berlin/New York 1981, 1–17. Dort auch die neuplatonischen Auslegungen des Orakeltextes.

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torinus) = ἁπλότητι συνηνῶσθαι (Turiner Kommentar) abzuleiten sei, daß der Turiner Kommentar das Exposé gekannt habe und dies daher neben den Chaldäischen Orakeln ein „texte fondateur“ jenes Kommentars sei. Aber reicht diese eine wörtliche Parallele dazu aus? Interessant genug wäre die These in jedem Fall. Adv. Ar. I 50,16: et idea et λόγος sui ipsius (Subjekt ist potentia) – man erinnert sich, daß dieser Ausdruck die Identifikation des Exposés in Gang gesetzt hat. ἰδέα ἑαυτοῦ gibt es bei Numenius, wo der Ausdruck „die demiurgische Funktion“ des Zweiten Gottes charakterisiert, „selbst-hervorbringend sowohl die Idee seiner selbst wie den Kosmos“, αὐτοποιεῖ τήν τε ἰδέαν ἑαυτοῦ καὶ τὸν κόσμον“ (S.  101b). Nur haben wir es im Exposé mit dem ersten Prinzip zu tun, das die Idee und der Logos (nicht Kosmos) seiner selbst ist (und nicht „selbstproduziert“). – In diesem Zusammenhang ist übrigens bei Tardieu anders als früher (s. oben) keine Rede mehr vom Johannesprolog. Hadot diskutierte in seinem Porphyriusbuch54 schon die Frage, ob es sich an dieser Stelle um den johanneischen Logos handeln könne, hielt es aber für unwahrscheinlich. Über den Sprachgebrauch des Victorinus fügt er eine nützliche Beobachtung hinzu: „En effet, lorsque Victorinus parle du Logos en chrétien, il fait presque toujours allusion au texte même du prologue johannique. Ou alors, il emploie la formule λόγος vel νοῦς dans laquelle il souligne explicitement qu’il identifie Logos chrétien et intelligence néoplatonicienne“. An unserer Stelle sind λόγος und idea synonym (Tardieu S. 102a). Adv. Ar. I 50,16  f.: et vivere et agere habens – hierzu faßt Tardieu (S. 102b) eine lange Passage bei Hadot55 folgendermaßen zusammen: „L’agir en soi ou énergie pure de vivre est la caractéristique de l’être de l’Un, ce qu’il y a de plus parfait dans l’ordre de la transscendance et d’absolument incoordonné aux déterminations par les formes et les sub[542]stances“. Ich zitiere das, weil Tardieu hinzufügt: „Cette doctrine n’est pas connue avant l’auteur de l’exposé. Victorinus s’en fera largement l’écho.“56 Mit adv. Ar. I 50, 18–21 ist der letzte der vier Schritte erreicht, in die Tardieu die zweite, affirmative Hälfte des Exposés zerlegt hat (S. 103a. 104b). Es handelt sich um eine Art von „eulogie de l’Un-Tout en style litanique“, eine Reihe von Abstrakta, die im Griechischen die Endung -ότης haben würden. Dies „ist das einzige Stück aus der positiven Theologie des Exposés, das der Verfasser des Zostrianus buchstäblich abgeschrieben hat“. Was zwischen den beiden Kola über die counitio am Anfang und am Schluß der Passage steht, ist in das zweite Gebet der „Drei Stelen des Seth“ aufgenommen worden. Man hat also diese Kette metaphysischer Aussagen als hymnische Anrufung verstanden (S. 103a). Die Liste ist in ihrer Reihenfolge nicht zufällig (s. die beiden Schemata S. 103), genausowenig wie die Anordnung im negativen Teil des Exposés. Schließlich gibt Tardieu eine griechische Retroversion des Abschnitts (S. 104b), indem

54 Porphyre et Victorinus I, 249  f. 55 Ibid. 373–390. 56 Meine Hervorhebung.

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er für die letzten drei Zeilen die Lesarten der koptischen Parallele heranzieht. Er wird sie daher weiter unten noch einmal besprechen und rechtfertigen; Hadot wird das letzte griechische Kolon als nicht geglückte Retroversion kritisieren. Ein „großer Kommentar“ des Victorinus zum Exposé ist adv. Ar. IV 21,19–29,38; die „tics du style rhétorique“ des Victorinus lassen sich darin besonders gut beobachten (S. 105a). Die Untersuchung der Verwertung des zweiten Teils des Exposés im „Zostrianus“ folgt S. 105b-110a. Die Exegese des gnostischen Verfassers führt „zu einem unzusammenhängenden Text, der für uns sehr dunkel wäre“ ohne den lateinischen Zeugen. Es ist ganz klar, daß Victorinus nicht vom „Zostrianus“ abhängen kann, was das Exposé betrifft, sondern es auf andere Weise kennengelernt haben muß, S. 105b. Was man bei „Zostrianus“ liest, ist ein Kommentar zu Material aus dem Apokryphon des Johannes, unter Verwendung der zweiten Hälfte des Exposés (S. 105b). Keine Spur hat adv. Ar. I 50,5–7 im Koptischen hinterlassen, jene Erläuterung zu spiritus, deren Bedeutung und Funktion ich oben zu klären versuchte. Tardieu meint, dieser Abschnitt sei als für die Gnostiker uninteressant übergangen worden, wegen seines eher philosophiegeschichtlichen Charakters (S. 106a). Mir scheint das eine unzureichende Erklärung. Vielmehr hat entweder die korrigierende Behandlung von spiritus Anstoß erregt, oder aber diese kleine Passage wurde vom Verfasser des „Zostrianus“ in dem von ihm benutzten Text des Exposés gar nicht vorgefunden. Das letzte ist wohl wahrscheinlicher; oben hatte ich ja schon vermutet, daß der Abschnitt eine Einfügung des Victorinus ist. Das Fehlen einer wörtlichen Entsprechung des Kolons tripotens in unalitate spiritus im Koptischen, das mich so verwunderte (s. oben), findet [543] Tardieu gar nicht erstaunlich, man sehe seine Besprechung von „Zostrianus“ 66,7–21 (Testimonium 1, S. 106b): „Le paraphraste court-circuite …, car inutile pour lui, l’énoncé arithmologique de I 50,4–5: tripotens in unalitate“. Aber für das Problem des richtigen Casus von spiritus wäre eine wörtliche Parallele sehr hilfreich gewesen; πνεῦμα oder πνεύματος der griechischen Vorlage hätten sich anders als spiritus/spiritūs vom Leser nicht verwechseln lassen. Was mir beim Überblick über die sechs Testimonien und zwei Fragmente aus „Zostrianus“ zu adv. Ar. I 50 auffällt, ist der große Erfolg der Wendung „Idee und Logos seiner selbst“ (Victorinus I 50,16): Test. 1 „logos des soi-même et idée“, Test. 3 „idée d’idée“ „en tant que logos“, Test. 4 „comme logos et lieu de soi-même“, Test. 5 „l’idée et le logos de soi-même“. Der Hinweis auf Numenius Fragm. 11 zum zweiten Kolon von Testimonium 2 (S.  107a und schon S.  39a) fällt mit der Kritik der koptologischen Kollegen an der Rekonstruktion des koptischen Textes dahin (s. oben). Aber wäre die Aufforderung „zu unterscheiden“ im Numenius-Fragment nicht neben das von Hadot als anonymes Zitat gekennzeichnete quare enim dictum est: et ista discernis von adv. Ar. I 61,26  f. zu stellen? Es sieht so aus, als habe Numenius vom selben Satz Gebrauch gemacht, den Victorinus hier zitiert. Leider ist damit noch nichts über den Urheber gesagt. Hadot

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hat in unserm Band eine kleine Liste von bisher anonymen Zitaten bei Victorinus zusammengestellt (S. 123b unten). Darunter befindet sich auch adv. Ar. I 52,34  f., ideo effulgentia dicitur esse; ich sehe in effulgentia eine Wiedergabe des ἀπαύγασμα von Hebr 1,3 (Sap 7,26). In den Schlußbemerkungen Tardieus (S.  110a-113b) wird die Frage nach dem Verfasser des Exposés gestellt, die aber nur hypothetisch beantwortet werden kann (S.  110a). Das Exposé müsse als „document fondateur“ betrachtet werden, verfaßt von einem „auctor respecté“. Der Text hat für seine beiden Benutzer den Vorteil „de présenter une série de rapports métaphysiques dont pouvaient être tirées des applications particulières en fonction d’adversaires visés, ou de doctrines spécifiques“. Im Fall des Marius Victorinus sind das natürlich der Arianismus und die Trinitätslehre. Für den „Zostrianus“ stellt Tardieu innergnostische Verbindungslinien und Fronten fest (S. 110b). Innerhalb dieser Schrift erscheinen das Exposé und die Paraphrase der zweiten Hälfte erst im Schlußteil (in den Offenbarungen des Salamex), als Antwort auf eine der metaphysischen Fragen, die Zostrianus vor seinem himmlischen Aufstieg bewegen (S. 111a). Hinsichtlich des Problems, wieviel Kenntnis Victorinus von der Gnosis gehabt habe, das sich auch bei der Erwähnung des Valentinus stellt, übernimmt Tardieu (S. 111b) die Sicht Hadots zu adv. Ar. I 16,1  f. Hadot: „La doctrine que Victorinus prête à Valentin, ne correspond pas tout à fait à celle que rapportent Irénée et Tertullien“57; in CSEL ad loc. führt Hadot [544] adv. Prax. 8,2 an. Aber der betreffende Satz bei Victorinus ist nichts anderes als eine Kürzestfassung dessen, was bei Tertullian steht. Man muß nur den ganzen Gedankengang beider Autoren berücksichtigen. Victorinus schreibt: Quid igitur et tu, Valentine, dicis: processit primus aeon et volens videre patrem non potuit? Das sei zu beantworten mit Joh 1,18 (der Sohn im Schoß des Vaters): non solum ergo patrem videt, sed etiam in patre semper est. Tertullian, adv. Prax. 8,1–3, muß sich (gegen die Monarchianer) gegen den Vorwurf verteidigen, daß er mit seiner Lehre vom Sohn „irgendeine προβολή“ einführe, id est prolationem rei alterius ex altera, quod facit Valentinus, alium atque alium aeonem de aeone producens. Dagegen habe er, Tertullian, „erstens“ zu sagen, daß man auf die „Wahrheit“ einer Vokabel nicht verzichten müsse, weil auch die Häresie sie benützt (die Vokabel ist natürlich prolatio) (§ 1). Prolatus est sermo Dei an non? … Si prolatus est, cognosce προβολήν veritatis … Valentinus προβολάς suas discernit et separat ab auctore et ita longe ab eo ponit ut Aeon patrem nesciat. Denique desiderat nosse nec potest, was ihm sehr schlecht bekommt (§ 2). … Apud nos autem solus Filius Patrem novit et sinum Patris ipse exposuit (vgl. Joh 1,18) (§ 3). Die Bemerkung des Victorinus speist sich also aus Tertullian, auf welchem Wege auch immer. Der Vorwurf, den Hadot gegen Victorinus wegen nicht zutreffender Wiedergabe der Lehre Valentins erhebt, ist daher gegenstandslos.

57 SC 69, 756.

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Victorinus hat einen zeitgenössischen Anlaß, auf die angebliche Nichterkenntnis Gottes durch den Sohn als häretische zu deuten (et tu, Valentine). Es genügt, aus dem Material, das Hadot zur Stelle zitiert58, die Mitteilung des Hilarius über die Lehre des Arianers Eudoxius abzuschreiben: Quantum enim filius se extendit cognoscere patrem, tantum pater superextendit se ne cognitus filio sit. Hadot erwägt, was mir sehr plausibel erscheint, ob die Zusammenstellung von anhomöischen und valentianischen Aussagen dem Victorinus vielleicht in den ihm bekannten homöusianischen Dokumenten enthalten war. Victorinus hätte dann seine Kenntnis von diesem Punkt valentianischer Lehre aus dritter Hand: Er kann die Lehre der Valentinianer nicht aus eigener Anschauung kennen, sonst wäre ihm die unbefangene Aussage über die Entstehung der Materie aus dem Leiden des Logos (s. oben) nicht möglich gewesen. Es ist auch nicht denkbar, daß er adv. Praxeam des Tertullian gelesen hat, eine doch antipatripassianische Schrift (man denke an die Vorwürfe des Patripassianismus, gegen die sich Victorinus wehren muß!), und es trotzdem ablehnt, persona als trinitarischen Begriff zu verwenden. – Man kann vielleicht hier schon sagen, daß die Erwähnung Valentins bei Victorinus und die gnostischen Anklänge bei Victorinus nicht aus derselben Quelle stammen können. Zurück zur Frage nach dem Autor des Exposés, Tardieu S.  112a. Da der „Zostrianus“ nicht die Quelle des Victorinus für das Exposé sein kann, müssen sie eine gemeinsame Quelle für diesen Text haben. Dessen Verfas[545]ser sei ein Philosoph der platonischen Tradition. Doch könne es kein Neuplatoniker sein wegen des seinerzeit von Hadot angegebenen Grundes, daß kein Neuplatoniker dem Einen den Namen Pneuma gegeben habe. Aber wenn ich recht habe, fällt dieser Teil der Begründung fort. Wie rein platonisch müßte aber ein Mittelplatoniker sein? Ist es ausgeschlossen, daß er die unifizierende Funktion des stoischen Pneumas übernimmt? Und sind alle Vertreter der mittelplatonischen Richtung über einen Kamm zu scheren? In seinem Schlußabschitt muß Tardieu auch die Datierungsfrage für den „Zostrianus“ wieder aufnehmen. Zuerst ich und dann Ruth Majercik nahmen mit verschiedenen Begründungen an, daß der in NHC VIII,1 vorliegende Text eine porphyrianisierende Bearbeitung dessen sei, was der Plotinschule vorlag. Die Bearbeitung datierten wir auf die Zeit nach 268 (Auflösung der Schule Plotins)59. Unsere damaligen Versuche, mit dem Pneuma-Problem bei Porphyrius fertig zu werden, nennt Tardieu „peu crédibles“. Meine jetzige Meinung ersieht man aus dem Obigen. Wie schon aus Tardieus Zeittafel hervorgeht, setzt er den „Zostrianus“ in der uns bekannten Form auf 263 als bereits existierend an, zu dem Zeitpunkt, als Porphyrius zur Schule Plotins stieß (S. 112a). Tardieu sieht in Plotin, Enn. II 9 (33) 1,23–26 eine Anspielung des Meisters auf „Zostrianus“ 78,10–16 (in Tardieus Übersetzung in unserem Band S. 15b unten) und

58 Ibid. 59 S. oben zu Tardieu Kap. II, S. 20 mit Rückverweis auf Kap. I, S. 13b-15a.

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79,9–14. Die letzte Stelle gebe ich in Siebers Übersetzung aus NHL; in diesen Zeilen sind im Unterschied zu anderen so viele koptische Wörter erhalten, daß man sich der englischen Übersetzung wohl anvertrauen kann: „It is [from] the undivided one [that] it moves toward Existence in activity and [intellectual] perception and intellectual life, which was Blessedness and Divinity“. Beide Stellen gehören in die Paraphrase von adv. Ar. I 50, d.  h. der zweiten Hälfte des Exposés (S. 112b oben). Im Gegensatz zu Tardieu vermag ich keinen speziellen Bezug Plotins zu den genannten Passagen des „Zostrianus“ (d.  h. des Exposés) wahrzunehmen. A.  H.  Armstrong60 ist ohnehin der Meinung, daß im ersten Kapitel von Plotins antignostischem Traktat noch keine Auseinandersetzung mit gnostischen Lehren stattfinde, sondern eine Diskussion innerhalb der platonischen Schule über Probleme, die sich durch Numenius stellten. Nun kann man sagen, daß das einer Beziehung zum Exposé nicht im Wege stünde. Aber wie gesagt, es besteht zu wenig wörtlicher Kontakt zwischen den beiden Texten. Die von Tardieu postulierte Beziehung fällt daher als Beweis für das Vorhandensein des „Zostrianus“ schon 263 in seiner jetzigen Form aus. Der Autor des Exposés müsse eine „große Gestalt aus der Geschichte des Platonismus“ sein, sagt Tardieu (S. 112b) und plädiert für Numenius wegen dessen großer Bedeutung, wegen seines vielfältigen Einflusses und [546] der besonderen Beziehung des Amelius zu ihm (S. 113a). Hadot bezweifelt das in seiner letzten Note additionelle (S. 114b), in der Hauptsache wegen des spiritus in adv. Ar. I 50 (in seiner eigenen Nominativübersetzung). Auch wenn die Begründung in dieser Form fortfällt, verschwindet damit nicht die Problematik der Annahme, daß Numenius der Verfasser des Exposés sei. Ein Blick in das Register der Numenius-Ausgabe von des Places61 genügt, um zu erkennen, daß πνεῦμα in den erhaltenen Fragmenten überhaupt nicht vorkommt und das Verb πνεῖν nur einmal (Fragm. 24, Zeile 56). Dort meint es „wehen“, wie der Wind weht, und betrifft die wechselnden Meinungen des Sokrates! Das alles scheint mir nicht auf Numenius hinzuweisen. Pierre Hadot, „Porphyre et Victorinus“. Questions et Hypothèses (S. 117–125). Hadot nimmt zum Ausgangspunkt sein Urteil von 1968, „que l’unique source philosophique de Victorinus était à rechercher dans des textes, perdus, du néoplatonicien Porphyre“. Diese These ist jetzt unter Berücksichtigung unseres Exposés zu bedenken. Um seine Reaktion gebeten, will Hadot die Hauptthesen des Victorinus in seinen theologischen Schriften in Erinnerung rufen und dann die Gründe, die er für die engen Beziehungen zwischen diesen Schriften und Porphyrius sah. Schließlich sehe er aus

60 Plotinus II (LCL 441), 226  f. Anm. 1. 61 Numénius. Fragments, ed. É. des Places, CUFr, Paris 1973.

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der neuen Situation eine Reihe von Fragen entstehen, die ihm ohne gründliche Untersuchungen unlösbar scheinen. Hadots Übersicht über die Theologie des Victorinus (S. 117a-118b) ist jedem Interessenten zur Lektüre zu empfehlen; man müßte sie vollständig abschreiben, was ich hier nicht vorhabe. In der Art und Weise, wie Victorinus seinen Stoff abhandelt, sind „drei Typen zu unterscheiden“: 1. „des raisonnements proprement exégétiques et theólogiques qui se retrouvent pour la plupart chez les consubstantialistes latins de son époque“; 2. „de présentations de la structure de la Trinité qui correspondent au schéma général que nous avons décrit“; 3. „des développements philosophiques qui font figure de corps étrangers, parce qu’ils introduisent toute sortes des raffinements et de spéculations, qui ne sont pas très utiles à la démonstration théologique proprement dite, et compliquent inutilement le schéma général, en introduisant parfois des incohérences de vocabulaire“. In diesen philosophischen Abschnitten hat Victorinus zahlreiche griechische Wörter aus der technischen Sprache der Philosophen beibehalten, die man gewöhnlicherweise im Vokabular der Kirchenväter nicht findet. Daher die Folgerung, daß dieser lateinische Schriftsteller eine oder mehrere griechische Quellen für die systematische Darstellung seiner Trinitätstheologie benutzt haben muß (S. 118b-119a). [547] Die Analyse der theologischen Schriften des Victorinus brachte Hadot zur Unterscheidung von drei Gruppen von Gedankengängen, die drei literarische Einheiten darstellten, die ihrerseits drei literarische Quellen vorauszusetzen schienen, die aber miteinander inhaltlich engste Verwandtschaft zeigten. In der zweiten dieser Gruppen findet sich unser Exposé (S. 119a). Als neuplatonische Quelle des Victorinus schien nur Porphyrius denkbar; während des ganzen 4. Jahrhunderts ist er offenbar der einzige Neuplatoniker, der im Westen bekannt war (S.  119b). Es mußte sich um Porphyrius als Kommentator der Chaldäischen Orakel handeln. Weiter gab es inhaltliche Beziehungen und sogar solche literarischer Art zu den Resten des Turiner Parmenides-Kommentars. Stärker, als Hadot das tut, muß man das interessante Phänomen hervorheben, daß die zwei Parallelen im Wortlaut ausgerechnet unser Exposé betreffen, und zwar dessen zweite Hälfte. Der erste der beiden Fälle findet sich bei Victorinus, adv. Ar. I 50,10 und im Parmenides-Kommentar IX 4. Victorinus: „Il co-unifie en sa simplicité62, lui qui est un, les trois puissances: l’existence universelle, la vie universelle, la béatitude“. Der Parmenides-Kommentar IX 4, „résumant la doctrine des Oracles chaldaïques“ (bzw. deren Ausleger, s. Hadot oben zu οἱ εἰπόντες, S. 113bf.) hat: „Sa puissance et son Intellect sont co-unifiés en sa simplicité.“ Lateinisch counire und griechisch συνηνῶσθαι sind selten genug, das Zusammentreffen ist kaum zufällig (S. 120a). Es ist daran zu erinnern, daß Hadot in seiner eben erwähnten Note additionnelle (b) vermerkt, „mitvereint in Einfachheit“ sei ein Ausdruck aus den Chaldäischen Orakeln bzw. eines

62 Von Hadot hervorgehoben.

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ihrer Kommentatoren (S. 114a); auch teilt er eine Reihe von Fundstellen für den Ausdruck bei späteren Neuplatonikern mit.  – Was bedeutet das für den Ursprung des Exposés und für das Verhältnis von Exposé und Turiner Kommentar? Die andere wörtliche Beziehung gibt es zwischen adv. Ar. I 50,8: quoniam est spiritus inseparabilis a semetipso (ich hatte oben in meiner Interpretation der gesamten Passage über den Geist semetipso auf Gott bezogen) und drei Stellen im ParmenidesKommentar. Parm.-Komm. V 21  f. ἀχώριστον ἑαυτοῦ, „à propos de la connaissance qui est propre à Dieu“. Die beiden anderen Stellen, die Hadot anführt, biete ich in seiner Übersetzung aus der Edition: Parm. Komm. IV 7  f.: „Mais s’il est vrai que Dieu possède, comme quelque chose d’inséparable de Lui, l’être seul et audessus de tout…“63. XIII 19  f. spricht den reinen Rückbezug auf sich selbst aus: „étant essentiellement (ὄντως) impassible, essentiellement inséparable de soi-même“64. Während Tardieu (S. 98b) zu inseparabilis a semetipso sagt: „Cette formulation et les suivantes sont toutes des expressions [548] traditionnelles“, dann jedoch im ersten Absatz Beispiele bringt, die nicht alle exakt auf die Sache zutreffen und in keinem der Fälle wörtlich ἀχώριστον enthalten, um dann im zweiten Absatz die Stellen aus dem Kommentar anzuführen, sagt Hadot: „Or une telle expression, dans sa littéralité, est, je crois, unique, dans la littérature philosophique“ (Tardieu/Hadot S. 120b). Hadot referiert ferner über die Rezeption seiner Auffassung von der porphyrianischen Verfasserschaft des anonymen Parmenides-Kommentars: W.  Theiler und H.-D.  Saffrey akzeptierten seine These. A.  Smith und A.  Linguiti lehnten sie ab (deswegen fehlt in Smiths Porphyrius-Ausgabe bei Teubner65 der Turiner Kommentar), die Argumente Hadots schienen ihnen zu hypothetisch. Aber auch sie erkennen den porphyrianischen Einfluß auf den Kommentar. Linguiti möchte ihn ins 4. Jahrhundert legen, wogegen Hadot ihn auf das 3. Jahrhundert datierte (S. 121a). – Ich füge hinzu, daß der spätere Ansatz des Kommentars das Problem der Beziehung zwischen Kommentar und Exposé vereinfachen würde. Eigentlich, so Hadot, habe er dem Victorinus genug Lebenszeit gewidmet: „Ayant passé plus de vingt ans de ma vie à étudier ces questions, je m’étais bien promis, et même juré, de ne plus m’occuper de Victorinus et de laisser à d’autres le soin de corriger mes erreurs éventuelles et de faire de nouvelles découvertes“. Die Entdeckung eines gemeinsamen Quellentextes im „Zostrianismus“ und bei Victorinus habe ihn jedoch veranlaßt, sich noch einmal mit den Problemen zu befassen. (Man vergesse nicht, daß Hadot es war, der mit der Beobachtung des Vorkommens von idea et λόγος sui ipsius auf beiden Seiten den Prozeß der Entdeckung in Gang gebracht hatte!). Zunächst bestätige sich jene von seinen Thesen, die im Werk des Victorinus wörtlich übersetzte Passagen aus dem Griechischen postulierte. Eine solche Passage 63 Porphyre et Victorinus II, 75. 64 Ibid., 109. 65 Porphyrii philosophi fragmenta ed. A.  Smith, BiTeu, Stuttgart/Leipzig 1993; die Begründung dort XIII.

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kenne man nun. „Disons en passant qu’il faut d’ailleurs toujours s’attendre à ce que les auteurs latins de cette époque-là utilisent littéralement des documents grecs, n’en déplaise aux latinistes soucieux de défendre l’originalité des auteurs latins“ (S. 121b). Der neue Quellenbefund veranlaßt Hadot zu einer Durchmusterung der drei Gruppen philosophischer Texte, die Victorinus benutzt haben muß (S. 122a-123a). Im Verlauf dieser Übersicht findet er Anspielungen auf das Exposé an mehreren Stellen bei Victorinus, darunter in adv. Ar. III 7, eine Stelle, die ich oben schon herangezogen hatte. Freilich kann das Exposé „nicht vollständig den philosophischen Inhalt“ der drei Quellengruppen erklären: nicht die als porphyrianisch zu betrachtenden Elemente in der Gruppe I, nicht die zahlreichen Begriffe oder Ausdrücke aus den Chaldäischen Orakeln in Gruppe I und III (S. 123a). „L’œuvre de Victorinus reste donc encore bien mystérieuse“ (S. 123b). [549] Schließlich fragt Hadot, ob das Exposé den Victorinus ohne Zwischenstufe erreicht habe (S. 123b unten). Er findet, gäbe es nicht das Faktum der Benutzung durch den Verfasser des „Zostrianus“ und die Kenntnis dieser Offenbarung in der Schule Plotins, könnte das Exposé vom Inhalt her genauso gut postplotinisch sein wie mittelplatonisch. Auch Plotin habe affirmative Theologie gekannt; eine Formel allerdings wie „Idee seiner/ihrer selbst“ hätte er nicht zugelassen. „Das große Problem, das der Text“ des Exposés „stellt“, bleibe πνεῦμα/spiritus als Bezeichnung für das oberste Prinzip im lateinischen wie im koptischen Text (S. 124a). Das Problem in dieser Gestalt entschwindet unter meiner Übersetzung, siehe oben. Aber ist im Exposé in seiner griechischen Urform πνεῦμα vielleicht gar nicht vorgekommen? (S. 124b). Im ersten Teil des Textes findet man auf der koptischen Seite (Zostrianus 64,17) gleich zu Anfang die Identifikation zwischen dem Einen und dem Geist (man sehe dazu Tardieus Erläuterungen S. 62a), die auf der lateinischen Seite nicht vorhanden ist. (Wie gut die Identifikation in den Gesamtduktus des „Zostrianus“ paßt, ergibt sich aus Tardieus Zusammenstellungen an der angegebenen Stelle). Für den Fall, daß Victorinus das Exposé in christlich-gnostischer Überlieferung zugekommen ist, und zwar „rencontrée chez un auteur chrétien, défenseur du consubstantiel“66,  – dies die sensationelle, hypothetische Folgerung Hadots aus Tardieus Hinweisen auf die Rolle von Gnostikern in den antiarianischen Auseinandersetzungen – wäre es erklärlich, daß für Victorinus das Gnostische daran nicht erkennbar war. Hadot hält, wie schon gesagt, den „gnostischen“ Aspekt bei Victorinus (trotzdem) für ein noch nicht erklärtes Phänomen (S. 125); ich meine, daß er selbst und Tardieu uns den Schlüssel zur Erklärung geliefert haben: Man muß die eben zitierte Folgerung auf das ganze Material an gnostischen Gedanken und Wendungen ausdehnen. Ich werde weiter unten darauf zurückkommen. „Jusqu’ à nouvel ordre“, sagt Hadot zum Abschluß, glaube er weiterhin, daß die Fragmente des Parmenides-Kommentars von Porphyrius sind und daß zahlreiche phi-

66 Meine Hervorhebung.

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losophische Texte bei Victorinus ebenfalls porphyrianischen Ursprungs sind. Für den neu herauspräparierten Text sei sehr wahrscheinlich eine mittelplatonische Quelle anzunehmen. „Le mystère de Victorinus n’en est pas résolu pour autant; il s’obscurcit même, je crois, un peu plus.“ Angesichts seines hohen Alters überläßt er anderen die Probleme und beruft sich dafür auf Seneca (S. 125). Im gleichen Jahr wie Tardieu/Hadot, 1996, erschien ein Aufsatz von Chiara Ombretta Tommasi, Tripotens in unalitate spiritus: Mario Vittorino e la Gnosi67. Die Verfasserin konnte von unserem Besprechungsband noch keine Kenntnis haben. Ihr Interesse an der zitierten Formulierung liegt [550] nicht bei spiritus, sondern bei tripotens. Tommasi beginnt mit einer Zusammenstellung der Passagen mit tripotens: Adv. Ar. I 50,4; 50,11; 52,3; IV 21,26; schließlich führt sie „die komplizierte Digression über die Seele (I 56,3  ff.)“ an; von dieser Passage wird sie gegen Ende ihres Aufsatzes sagen, daß ich und Majercik68 sie zu wenig berücksichtigt hätten (73  f.). Die Hypothese, die Tommasi vorlegen will, lautet: „che Mario Vittorino avesse letto di prima mano dei testi gnostici“, aus denen einige Elemente sich in seinen theologischen Schriften „gefiltert und wiederverwendet“ finden, neben Begriffen, die aus der Philosophie kommen (53). Diese Auffälligkeiten können angesichts der Einzigartigkeit von Person und Werk des Victorinus im Panorama der lateinischen religiösen Schriftsteller nicht überraschen (53). Tommasi erwähnt natürlich die Nennung des Valentinus (54  f.) in adv. Ar. I 16 (ich habe oben gesagt, daß dieser Punkt von den übrigen gnostischen Phänomenen bei Victorinus unterschieden werden müsse). „L’immagine del dio tripotente … sarebbe … derivata a Mario Vittorino direttamente della letterature gnostica“, wenn auch wiederbearbeitet. Eine derartige Charakterisierung der Gottheit ist, soweit man sehen kann, die erste (und fast die einzige) in der lateinischen Welt und ebenso in der griechischen, daher die Notwendigkeit einer neuen gründlichen Untersuchung (56). τριδύναμος/tripotens ist eine ziemlich seltene Vokabel, in fast allen nicht-gnostischen Fällen angewendet auf die Seele (57); doch hat man einmal bei Augustin, De ordine II 5,51, tripotentem patrem et filium et spiritum sanctum (58)69. Wegen der früheren Hinweise von Hadot auf die Chaldäischen Orakel zu diesem Thema diskutiert Tommasi zunächst die Bedeutung von τριοῦχος und dann auch von τριφυής und τριγλώχις, τρικόρυμνος in der neuplatonischen Literatur, die mit Orakel­ exegese eventuell etwas zu tun hat (58–60). Doch ist ihr für τριδύναμος selbst eine gnostische Ableitung sicher (61). Bei den Gnostikern erscheint die Vokabel viele Male, sie wird geradezu formelhaft gebraucht. Sie kann sich sowohl auf die oberste Gottheit wie auf untergeordnete Größen beziehen, ohne daß man eine „genaue Kasuistik“ aufstellen könnte. Aus Hippolyt und Theodoret weiß man, daß die Peraten die dreifache Kraft Christus zuschrei67 Koinonia (Neapel) 20, 1996, 53–75. 68 S. oben zu Tardieu 19–26. 69 Diese Zeile ist nicht richtig herausgeschnitten; ich werde weiter unten den Abschnitt bei Augustin im Zusammenhang zitieren und besprechen.

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ben (τριφυῆ, τρίσωμον, τριδύναμον). Nach Ps.-Hieronymus, Indiculus de haeresibus (PL 81, 640b), nennen die Sethianer die oberste Kraft, „identificabile con il secondo principio transcendente, e dunque col Cristo“, trivirtus (62). In der Pistis Sophia und im Anonymus Brucianus mit ihren endlosen Vervielfältigungen der Entitäten wird die dreifache Kraft sowohl bösen Äonen wie wohltätigen Kräften, „esseri misteriosi“ und Symbolen der göttlichen Macht zugeschrieben. In der Pistis Sophia „il rapporto è pur sempre di subordinazione“ (63). Im Anon. Bruc. kann u.  a. auch der höchste Gott τριδύναμος heißen; [551] das Schlußgebet nennt ihn „Dreimalkräftigen des Lichtes“, der anderen dreikräftigen Gottheiten vorsteht. Beide Schriften haben keinen philosophischen Hintergrund (64). Im Apokryphon Johannis und in der Protennoia trimorphos ist jeweils eine untergeordnete Gottheit gemeint. Im Marsanes ist das dritte der drei höchsten Wesen „uno invisibile dai tre potere“. Das dreikräftige Eine in dieser Schrift ist „caratterizato dall’ azione (ἐνέργεια) e ha proprietà salvifiche e demiurgiche, e, da ultimo, si presenta come rivelato dall’ uno preesistente“, nähert sich also der Charakterisierung Christi als mit drei Kräften begabt bei Peraten und Sethianern. Marsanes, Allogenes, die Drei Stelen des Seth, Zostrianus gelten eher als philosophisch denn als christlich70, der philosophische Hintergrund als mittelplatonisch, alle sind sie sethianisch bzw. barbelognostisch. Gemeinsam ist ihnen auch die literarische Form der Offenbarung oder Apokalypse (64  f.). Die meisten Bezüge zum behandelten Problem finden sich im Allogenes. In seinem letzten Teil konzentriert sich die Offenbarung auf die noetische Triade und zuletzt auf das Eine. Tommasi will hier die Kapitel betrachten, in denen sich die Triade Existenz, Leben, Denken entfaltet; das sind die Kapitel, in denen sich Allogenes von anderen gnostischen Apokalypsen unterscheidet. Der dreikräftige unsichtbare Geist erscheint verschiedene Male; nicht immer ist er eine untergeordnete Größe, sondern wird mit der höchsten Kraft gleichgesetzt. „Il fatto che questo Tripotente Uno sia identificabile perfettamente con il Primo principio si rivela notevole perché in Vittorino è proprio Dio ad essere ‚tripotens‘“. Das unsichtbare und schweigende Eine bleibt undifferenziert, während das dreikräftige Eine sich in den drei Aspekten von ὕπαρξις, ζωή und νοῦς entfaltet. Es handelt sich nicht um einen generativen Prozeß, „sondern um ein continuum im Innern der Wirklichkeit“ (67  f.). Das Verhältnis Christi zum Vater bei Victorinus könnte davon beeinflußt sein. Die Triade Sein, Leben, Denken betreffend muß man mit der Gleichzeitigkeit („compresenza“) verschiedener Formulierungen im Koptischen rechnen (68  f.). Das Schwanken der verschiedenen Termini für die Triade kennzeichnet den unsystematischen und nicht rein philosophischen Charakter dieses Schrifttums (70)71. 70 Das ist eine von den Verfassern beabsichtigte Wirkung. 71 In einer Passage (70–72) über die von Victorinus benutzten Abstrakta ὀντότης etc. kann Tommasi ὀντότης bei Alexander von Aphrodisias belegen, 70 Anm. 67; Hadot hatte erwogen, ob Porphyrius vielleicht den Begriff geprägt hätte.  – In adv. Ar. III 7,9–12, von Tommasi zitiert (72), gibt es sogar

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Anders als bei den griechischen neuplatonischen Autoren gibt es bei Marius Victorinus das Wechseln zwischen beatitudo und intelligentia in der Triade. Hadots Erklärung für dies Phänomen hält Tommasi72 nicht für [552] überzeugend (72  f.). Vielmehr sei der Wechsel zwischen beatitudo und intelligentia charakteristisch für die von ihr besprochenen NH-Schriften (73). Schließlich wendet sich Tommasi dem Anfang von adv. Ar. I 56 zu. Hier wird vom tripotens spiritus gesagt, daß er die substantia der Seele geschaffen habe, die eine andere ist als die seine. Sie verhält sich zu ihm wie ein Echo zu vox oder verbum, sie ist eher imago vocis denn vox. Es folgt assoziativ der Verweis auf den Täufer als vox exclamans in deserto und die Anwendung auf die Seele als in der Wüste der Welt befindlich. Tommasi erwähnt die von Hadot hergestellten Bezüge zur Exegese Herakleons, an die diese Aussagen erinnern. „Dunque, anche in questo caso lo ‚spiritus tripotens‘ potrebbe essere una reminiscenza gnostica“ (74). Wenn man die Gnosis trotz einiger „ambiguità“ als „hervorragende Quelle“ des Victorinus bestimmt, dann würde sich Hadots Problem mit der Ableitung des dreikräftigen Geistes bei Victorinus auflösen; jedenfalls wäre der Ausdruck nicht aus der Orakelexegese des Porphyrius abzuleiten (74  f.). Im Anschluß an dies Referat über Tommasis Aufsatz muß ich auf die von ihr zitierte augustinische Zeile mit tripotens zurückkommen (s. oben zu Tommasi 58). Liest man bei Augustin nach, dann erweist sich das Zitat als nicht ganz zutreffend herausgeschnitten, die Zeichensetzung des Herausgebers W.  M.  Green in CChr.  SL 29 ist nicht unschuldig daran. Ich setze Augustin, De ordine II 5,16 hierher und lasse die Zählung der Zeilen mitlaufen, zur Erleichterung des Zitierens: (42) Duplex enim est via, quam sequimur, cum rerum nos (43) obscuritas movet, aut rationem aut certe auctoritatem. Philo(44)sophia rationem promittit et vix paucissimos liberat, quos (45) tamen non modo non contemnere illa mysteria sed sola intel(46) legere, ut intellegenda sunt, cogit, nullumque aliud habet (47) negotium, quae vera et, ut ita dicam, germana philosophia est, (48) quam ut doceat, quod sit omnium rerum principium sine prin(49)cipio quantusque in eo maneat intellectus quidve inde in (50) nostram salutem sine ulla degeneratione manaverit, quem (51) unum deum omnipotentem eumque tripotentem, patrem et (52) filium et spiritum sanctum, docent veneranda mysteria, quae (53) fide sincera et inconcussa populos liberant, nec confuse, ut (54) quidam, nec contumeliose, ut multi, praedicant. Quantum (55) autem illud sit, quod hoc etiam nostri generis corpus tantus (56) propter nos deus adsumere atque agere dignatus est, quanto (57) videtur vilius, tanto est clementia plenius et a quadam ingenio(58)sorum superbia longe alteque remotius. Ich habe in Zeile 51 ein Komma versetzt; Green plazierte es nach omnipotentem, trotz des eumque, das ein Komma überflüssig macht. Dadurch rückt er tripotentem als

ὑπαρκτότης (Zeile 12). Tommasi hat die Vokabel bei keinem griechischen Schriftsteller gefunden und hält sie für einen Neologismus des Victorinus. 72 Im Unterschied zu Majercik.

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Adjektiv zu patrem. Aber eumque bezieht tripotentem auf deum, daher mein Komma nach dieser auffälligen Vokabel. Die drei trinitarischen Namen explizieren ihrerseits tripotens. Tripotentem ist Assonanz zu omnipotentem, was im Zitat bei Tommasi nicht erkennbar wird. Augustin verbindet das Bekenntnis zum einen Gott [553] mit dem zum trinitarischen Gott, er benutzt dafür den Anfang des Romanums, Credo in unum deum, patrem omnipotentem, stellt aber auf die zitierte Weise um. Tripotentem erhält also eine sehr exponierte Stellung. Kurz darauf folgt die Aussage von der Annahme des Leibes „aus unserem Geschlecht“ und vom Aufenthalt in ihm (agere). Beides zusammen, die monotheistisch-trinitarische und die inkarnatorische Aussage, kann man als eine Kurzfassung der regula fidei bezeichnen. Der ganze § 16 von De ordine II 5 ist in Inhalt und Aufbau höchst charakteristisch für den frühen Augustin. Das Thema ist ratio und/oder auctoritas, Philosophie und/ oder Glaube. Auch die Philosophie wird daran gemessen, ob sie Heil bringen kann (Zeile 44.50), befreit aber „kaum die Wenigsten“ (Zeile 44), wogegen die Lehre der „Mysterien“ (d.  h. Lehre von den Heilsveranstaltungen) die Menge (populos) befreit (Zeile 53 – Querbezug innerhalb des Gedankenganges). Aufgabe der Philosophie ist (ein anderes negotium hat sie nicht, Zeile 46  f.), das Prinzip aller Dinge, das seinerseits kein Vorher hat, zu lehren, (ferner) den Intellekt, der in ihm bleibt und was (quid) dann zu unserm Heil ohne jede Herabminderung (degeneratio) heraustritt (Wortspiel manere/manare). In christlicher Gestalt sieht das so aus, wie es die unterstrichenen Zeilen ausdrücken. Für die Annahme des menschlichen Leibes durch einen „solchen Gott“ und das Wohnen in ihm kann, anders als für die Gotteslehre, kein philosophisches Äquivalent gefunden werden, im Gegenteil: sie ist von der superbia der geistreich Scharfsinnigen (d.  h. der Neuplatoniker) weit entfernt, da sie für jene nur verächtlich ist. Aber je verächtlicher, desto größer ist die darin sich äußernde clementia (Gottes). Pierre Courcelle möchte den von Augustin hier und wiederholt geäußerten Gedanken, daß die Menschwerdung des Logos, also Joh 1,14, die eigentliche Differenz zur Lehre der Neuplatoniker ausmache, auf Simplician zurückführen73. Es kommt auch nur Simplician in Frage als Quelle für das auffällige tripotens in Augustins De ordine, war doch Simplician mit Marius Victorinus in Rom „genauestens“ bekannt gewesen74. Wie dem Victorinus, so war auch Simplician und daher ebenso Augustin der gnostische Ursprung des Adjektivs, auf dem Tommasi insistiert, nicht bewußt oder bekannt. Es ist wohl kein Zufall, daß die Vokabel in einer der frühesten Schriften Augustins vorkommt, gemeinhin wird sie mit Contra Academicos und De beata vita auf 386 datiert, d.  h. nach der Bekehrung, aber vor der Taufe (387) ihres Verfassers. Courcelle

73 P.  Courcelle, Recherches sur les Confessions de Saint Augustin, Paris 1950, 173 und Anmerkungen; über Simplician und das Ausmaß seines Einflusses auf Augustin 168–174. 74 Augustin, conf. VIII 2,3: Victorinum ipsum recordatus est, quem, Romae cum esset, familiarissime noverat. Zitiert von Courcelle 138 Anm. 1.

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notiert75, daß Augustin hier schon die „katholische Lehre vom Logos“ vortrage (außer de ord. II 5,16 nennt er noch I 10,29). Wie ist es aber mit jener Anspielung auf das [554] Taufbekenntnis und die veneranda mysteria (Zeile 52 oben im Zitat) und die fides sincera et inconcussa (Zeile 53)? Würde ein noch nicht Getaufter so sprechen können bzw. dürfen, unabhängig davon, wieviel er von christlichen Glaubensinhalten schon weiß? Wäre also eine etwas spätere Datierung angebracht? Ein spätes Echo bei Augustin auf das Stück gnostischer Exegese bei Marius Victorinus, worin Johannes der Täufer als Allegorie der Seele verstanden wird und das ebenfalls nur durch Simplician vermittelt sein kann, hat Hadot schon 1950 in conf. VII 9,13 gefunden76. Conf. VII 9,13 (und der Anfang von 14) ist eine Auslegung des Johannesprologs. In der betreffenden Passage wird der Täufer von Augustin gar nicht genannt, die Seele tritt unmittelbar und ohne irgendeine Begründung an seine Stelle. Augustin zitiert Joh 1,1–5, läßt aber Vers 6 mit dem „von Gott gesandten Menschen, dessen Name Johannes“ war, fort und wählt interpretierend aus Vers 7 und 8, die doch ebenfalls von Johannes reden, das Folgende aus: et quia hominis anima, quamvis „testimonium perhibeat de lumine, non est“ tamen „ipsa lumen“, sed verbum, deus ipse, „est lumen verum, quod inluminat omnem hominem venientem in hunc mundum“. – Auch hier also in der ganzen Überlieferungskette Marius Victorinus  – Simplician  – Augustin kein Bewußtsein einer ursprünglich gnostischen Abstammung der Allegorese. Für das faszinierende Phänomen des Gnostischen bei einem Homoousianer beziehen sich Tardieu und Hadot in unserm Band auf einen Aufsatz von Tardieu, erschienen 1987 in der Festschrift für Claude Mondésert77. Bernhard Rehm hatte in einem Zweig der Überlieferung der pseudoclementinischen Rekognitionen eine Interpolation festgestellt (III 2–11), erhalten in der lateinischen Übersetzung Rufins und in der syrischen Übersetzung. Diese Einfügung bestimmte Rehm als eunomianisch. Rufin hatte in seinem Prolog darauf aufmerksam gemacht, daß man im Text fände quaedam … de ingenito deo genitoque disserta …, die über sein Verständnis hinausgingen, ut nihil amplius dicam (Tardieu, Diatribe 325  f.). Tardieu seinerseits identifiziert die Gegner der eunomianischen Polemik: Anhänger der Homoousie, „dont les dogmes mettent en danger l’unicité et l’absolue agennésie de l’inengendré“. Allerdings greift sie der Interpolator nicht direkt an, sondern unter der Maske anderer Häretiker, nämlich von Gnostikern (326–328). Den Plan der eunomianischen Interpolation vergleicht man am besten mit dem der Apologie des Eunomius. Die Einfügung besteht aus zwei Teilen, der erste gerichtet gegen 75 Ibid. 173 Anm. 4. 76 Erwähnt von Courcelle 173 Anm. 3: P.  Hadot, La notion de Dieu „causa sui“ chez Marius Victorinus Afer. Unveröffentlichte These am Institut Catholique, Paris 1950, 58. 77 M.  Tardieu, Une diatribe antignostique dans l’interpolation Eunomienne des Recognitiones, in: AΛΕΞANΔΡINA.  Hellénisme, judaisme et christianisme à Alexandrie. FS Claude Mondésert, Paris 1987, 325–337.

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die „Unwissenheit“, d.  h. die Gnostiker, der zweite gegen die „Torheit“, deren Vertreter Tardieu als [555] „Modalisten“ bezeichnet. (In seiner Apologie nennt Eunomius Namen: Sabellius, Markell, Photin). „Die Verteidigung der Agennesie des Ungezeugten stellt sich dar als methodische Untersuchung der drei Namen der Trias“. „Vater“ und „Sohn“ werden im ersten Teil besprochen, die Debatte über „Geist“ findet im zweiten, antisabellianischen Teil statt. Die These der Gnostiker wird so dargestellt: Für sie ist der Ungezeugte autopator und autogennetos (329). Vater und Sohn bilden eine ungezeugte Substanz. (Ich übergehe hier Tardieus Referat der Argumente der Widerlegung durch den Interpolator, mache aber auf das antimarkellische Stichwort non extendens aufmerksam). Während die „Frömmigkeit“ (d.  h. die eunomianische Auffassung) die Substanz des Sohnes „Monogenes, Erstgeborener, Sohn“ nennt, redet die „Unwissenheit“ von der Hervorbringung des „Ungezeugten“ als masculo-femina, als androgyn also (330). Die These der „Torheit“ und ihre Widerlegung sind miteinander verquickt (330), die Widerlegung läuft auf die Subordination von Sohn und Geist hinaus. Die Apologie des Eunomius, die dem Interpolator so offensichtlich als inhaltliches und literarisches Vorbild gedient hat, ist 360 geschrieben; die Einfügung ist von Rehm auf 378 datiert worden. Wo hat der Interpolator zu dieser Zeit die speziellen gnostischen Ausdrücke finden können? Und ist ein solcher Angriff durch einen radikalen Arianer auf Gnostiker eine Ausnahme? Tardieu befaßt sich zunächst mit den termini technici autopator und autogenetos (331). Diese sind nicht spezifisch gnostisch, Porphyrius bezieht sie an einer Stelle auf den Intellekt. Wenn der Interpolator behauptet, die Gegner bezögen beide Wörter auf den Ungezeugten, so läßt sich das aus gnostischen Quellen nicht belegen; zwar kommen in ihnen beide termini vor, aber verteilt auf zwei Größen. Aus der syrischen Übersetzung der Einfügung folgert Tardieu, daß die zweite der Bezeichnungen αὐτογεννήτωρ (aktives Subjekt) gewesen sein müsse. Das gibt ihm die Gelegenheit, in einer Anmerkung (34) verschiedene gnostische Titel auf -τωρ zu sammeln; darunter ist eine Stelle im Eugnostos (NHC III,3 §  8), wo autopator und autogennetor synonym sind (332). Eben diese Passage analysiert Tardieu im folgenden Klartext: „À la suite de son exposé des attributes négatifs du Père préexistant inengendré (§ 3), Eugnoste décrit l’activité notionelle du même Père s’apprêtant à sortir de lui-même (§ 8)“. In dieser Aktivität trägt er den Titel propator. Von ihm sagt der gnostische Text: il „se voit lui-même en lui-même comme dans un miroir, s’étant manifesté dans sa ressemblance en tant qu’autopatôr, c’est-à-dire en tant qu’autogenetôr, et vis-à-vis puisqu’en vis-à-vis du préexistant inengendré“78.

78 Epiphanius, haer. 26,10 (4) berichtet von den „Barbeliten“, daß sie den „Vater und Herrn aller“ als αὐτοπάτωρ bezeichnen; sie unterscheiden den αὐτολόχευτος („selbsterzeugt“) Christus von „unserem“ Christus.

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Dieser Abschnitt des Eugnostosbriefes bietet also nebeneinander, als zwei Namen des propator, sowohl autopator wie [556] autogennetor, wobei der zweite den ersten erläutert. Dies ist die nächste Parallele zur Behauptung des eunomianischen Interpolators. Freilich läßt dieser den Propator fort, was Tardieu eine „Nuance“ nennt (333), was ich aber als Vergröberung in polemischer Absicht bezeichnen würde. Man vergleiche nur, wie differenziert sich das Verhältnis der drei Größen des gnostischen Textes in Tardieus Erläuterung darstellt (334 oben). Tardieu beschäftigt sich dann mit dem dritten terminus technicus, den der Interpolator mitteilt: periclitantur enim filii impiorum pie se putantes intellegere, magnam blasphemiam ingenito ingerendo, masculofeminam eum existimantes. Tardieu weist überzeugend nach, daß von der (gnostischen) Sache, vom Kontext, von der syrischen Fassung und vom ältesten lateinischen Manuskript her nicht ingenito, sondern genito zu lesen ist. Sodann stellt Tardieu das jeweilige Subjekt des Adjektivs „androgyn“ im Eugnostos in den Fassungen von NHC III,3 und V,1 und im Derivat, der „Sophia Jesu Christi“ (im Berliner gnostischen Codex), vor: Es ist in keinem Fall der propator. „L’interpolateur eunomien n’a donc pas commis d’erreur en attribuant aux mêmes hérétiques qui qualifiaient le Père d’autopator et autogenetor, une doctrine selon laquelle l’entité médiane engendrée est dite ‚androgyne‘. C’est bien les gnostiques qui sont visés, et la Lettre d’Eugnoste en particulier“ (334  f.). „La lutte antignostique restait un sujet d’actualité chez les ariens“, auch bei denen der zweiten Generation (335). In der Anmerkung 46 fügt Tardieu hinzu, daß sie hierin ihrem Gründer, also dem Arius, folgten, der in seinem Brief an Alexander von Alexandrien den Valentin, Marcion und Mani angriff. – Aber in diesem Brief (Urk. 6 bei Opitz) greift Arius die Häretiker nicht als solche an, sondern er unterstellt der Trinitätslehre seines Bischofs und anderer gnostische Konsequenzen; man dürfe nicht wie Mani „das Erzeugte“, τὸ γέννημα, also den Sohn, als μέρος ὁμοούσιον τοῦ πατρός einführen (womit Arius seinerseits das strittige Adjektiv in die trinitarische Debatte einführte). Geht nun aus der eunomianischen Zusammenstellung oder Zusammenschau von Gnostikern und Nicänern hervor, daß diese beiden Gruppen ihrerseits gemeinsam gegen die radikalen Arianer kämpften? Tardieu ist dieser Meinung (336); er trägt sie vor, nachdem er die Erfahrung des Aetius mit einem „Borborianer“ geschildert (335) und an den Umgang des Epiphanius mit ägyptischen Gnostikern erinnert hat (336). Aber Tardieus Analyse der eunomianischen Interpolation gibt diese seine Folgerung nicht her. Die Einfügung denunziert ihren nizänischen Gegenpart als gnostisch und damit häretisch und verfährt somit formal wie Arius. Aber anders als Arius greift der Interpolator nicht auf die großen alten Ketzernamen zurück, sondern arbeitet mit Material, das uns besonders interessant erscheint, weil es in den Bereich der NH-Forschung gehört. Was der Interpolator kennt, glücklicher Mensch, ist das griechische Original (sofern man bei den Gnostikern mit ihren ständigen Bearbeitungen von „Original“ sprechen kann) eines Textes, den wir nur in koptischen Fassungen aus Nag [557] Hammadi lesen können. Wir haben hier ein Zeugnis der

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Außenwirkung79 eines Bestandteils der Literatur vor uns, die uns sonst nur in ihrer doppelten Einsargung in Übersetzung und Versteck erhalten geblieben ist. Und zwar handelt es sich um eine Außenwirkung, die später ist als die Zusammenstellung der koptischen Übersetzungen in jenen berühmten Codices, später aber auch als das spezielle Phänomen, das uns in den „Zostrianus“–Beziehungen und den sonstigen merkwürdigen Gnostizismen bei Marius Victorinus entgegentritt. Der Disput zwischen einem „Borborianer“ (Schimpfname für die Barbelognostiker, s. Epiphanius) und Aetius, den Tardieu heranzieht (335, nach Philostorgius, h.e. III 15), zeigt die Initiative auf Seiten des Gnostikers. Er ist es, der den Aetius in einen Wortwechsel „verwickelt“80, und zwar über die ἰδία δόξα, die „eigene Meinung“ (wohl: jedes von ihnen beiden), und dem Aetius eine vernichtende Niederlage beibringt81. Da Philostorgius derselben radikalarianischen Partei angehört wie Aetius, ist die Geschichte glaubwürdig, denn sie diente ja nicht zum Ruhm des Arianers. Aetius nimmt den Ausgang nicht nur als persönliche Niederlage, sondern es deprimiert ihn zutiefst, „daß die Lüge stärker ist als die Wahrheit“82. Mehr erfahren wir leider nicht über den Inhalt der Debatte. Aber man kann wohl supponieren, daß die jeweilige „eigene Auffassung“ die ersten Prinzipien betraf, trinitarisch gesprochen, die Relation des Sohnes zum Wesen des Vaters. Nichts läßt erkennen, daß der Gnostiker auch für die Nicäner gestritten hätte. Als Ausbeute83 bleibt für uns übrig, daß man einen Barbelognostiker auch in Kilikien antreffen konnte (und nicht bloß in Ägypten); und es ist das Urteil Tardieus über die Fähigkeiten des Gnostikers zu beachten: „Quand on sait qu’ Aèce reste l’inventeur de l’une des machines verbales les plus sophistiquées jamais sortie de la plume d’un écrivain grec (le Suntagmation) on est en droit de supposer que le gnostique qui triomphe de lui n’était pas un dialecticien dépourvu de talent“ (335). D.  h. daß der gnostische Kontrahent des Aetius auch eine entsprechende Ausbildung gehabt haben muß. Dieser Gesichtspunkt wird uns für die römischen Probleme nützlich sein. Aus dem berühmten Bericht des Epiphanius im Panarion (26) über ägyptische Barbelognostiker wissen wir, daß er als Jüngling beinahe von ihnen gewonnen worden wäre (seine nicht geringe Verlegenheit deswegen tritt immer wieder zutage). Er lebte unter ihnen, erfuhr ihre Gebräuche und Lehren (ich lasse den Wahrheitsgehalt seiner Beschreibungen der ausgeübten Praktiken dahingestellt) und las ihre Schriften. War es die Lektüre, die [558] ihm die Augen öffnete? Jedenfalls endete die Beziehung des Epiphanius zu diesen Menschen damit, daß er sie bei den Bischöfen denunzierte. Er fand heraus, wie viele von ihnen „sich in der Kirche verbargen“: Etwa 80 Personen 79 Siehe Tardieus Charakteristik des Eugnostosbriefes, 335: „Pensée et écrite pour les gens du dehors, la lettre connut une large diffusion“. 80 GCS Philostorgius 46,16  f. Bidez/Winkelmann. 81 Ibid. Zeile 17. 82 Zeile 18  f. 83 Zeile 15.

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wurden aus der Stadt gewiesen84.  – Man darf also folgern, daß die Gnostiker dem Epiphanius als Kirchenchristen begegneten. Legt man die Nachricht zugrunde, daß Epiphanius im Alter von etwa 20  Jahren ein Kloster in Palästina gründete (in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre des 4. Jahrhunderts), dann fällt sein Aufenthalt in Ägypten in die Frühzeit des Episkopats des Athanasius, ob vor oder nach der Synode von Tyrus im Jahr 335, läßt sich nicht entscheiden. Man hat aber nicht den Eindruck, daß die Auseinandersetzung des Athanasius mit Arius von irgendwelcher Relevanz für jene ägyptische Gemeinde war, in der Epiphanius sich aufhielt. Das Problem des Verhältnisses einer der Parteien im trinitarischen Streit zu Vertretern oder Lehren der Gnostiker stellt sich hier noch nicht. Festzuhalten ist jedoch, daß dem Ortsbischof die inneren Verhältnisse in seiner Kirche nicht so bekannt waren, daß er sich vor der Aktion des Epiphanius zum Einschreiten genötigt gesehen hätte. Der eunomianische Interpolator der pseudoklementischen Rekognitionen dagegen hat seine literarische Quelle als eine gnostische gekannt, deswegen hat er sie überhaupt für seine antinicänischen (bzw. antimarkellischen) Zwecke benutzt. Der Kontrahent des Aetius wird mit einem Schimpfnamen als Gnostiker einer bestimmten Richtung bezeichnet. Aber hat sich einer von beiden nicht als Angehöriger der Kirche betrachtet? Handelt es sich vielleicht um den Disput unter den beiden einzigen Intellektuellen am Ort, die dem Thema gewachsen waren? Epiphanius wiederum erkannte zunächst nicht, daß die Gruppe von Christen in der ägyptischen Stadt, die sich um ihn bemühte, geheime Sonderlehren vertrat. Seine damalige große Jugend mag ihn entschuldigen; er bewährte sich ja alsbald als Denunziant, wie schon gesagt. Keiner dieser Fälle, alle aus den 4. Jahrhundert, ist für sich genommen vollständig mit dem Fall des Marius Victorinus vergleichbar, keiner weist die sonderbare Konstellation auf, die wir bei Marius Victorinus vorfinden. Aber betrachten wir noch einen Berührungspunkt. Nehmen wir die Beziehung zum Ortsbischof (s. Epiphanius). Der zum Christentum übergetretene Rhetor Victorinus hat Bischof Liberius von Rom (352–366) zum genauen Zeitgenossen. Beide sind Verteidiger des Nicänums. Ja, am Schicksal des Liberius wird deutlich, wie akut der trinitarische Streit die römische Kirche dieser Jahre traf. Liberius mußte sein Eintreten für Athanasius unter Kaiser Konstantius mit dem Exil bezahlen (356); dort wurde er zur Unterzeichnung antinicänischer Formulierungen gezwungen. Daraufhin konnte er 358 nach Rom zurückkehren, fand [559] dort freilich einen Gegenbischof vor. In den folgenden Jahren bis zu seinem Tod sind amtliche Äußerungen des Liberius pronicänisch. Die Zeitgenossenschaft des Rhetors und des Bischofs ist, soweit ich sehe, zum ersten Mal von Jörg Ulrich in seinem Buch über die beginnende Rezeption des Nicä-

84 GCS Epiphanius I, 298,12–18 Holl/Dummer.

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nums im Westen berücksichtigt worden85. Bei Erich Caspar kommt Victorinus im Kapitel über den Pontifikat des Liberius gar nicht vor. Der Kontrast in der geistigen Ausstattung dieser beiden Vertreter des römischen Nicänismus könnte größer nicht sein. Liberius hat „kaum einmal irgendwelche Spuren theologischer Argumentation hinterlassen. Erst gegen Ende seines Lebens finden wir einige wenige dogmatische Aussagen aus seinem Munde“ (Ulrich 231). „Bei allem Einsatz in den kirchenpolitischen und -juristischen Fragen und trotz seiner damit verbundenen wichtigen Rolle für die wachsende Bedeutung des römischen Stuhls im Fortgang der Auseinandersetzungen ist Liberius theologisch offensichtlich wenig engagiert“ (233). Sein Verhalten gegenüber einer Delegation homöusianischer Bischöfe im Jahre 366 war zunächst ablehnend und verrät seine „völlige Unkenntnis orientaler Theologie“ (237). Während „die neunizänische Lösung bei einem Theologen wie Marius Victorinus längst in der Diskussion gewesen war“, findet man keine Andeutung davon im Schreiben des Papstes „anläßlich der Aufnahme der Homöusianer in die Kirchengemeinschaft mit dem Westen“ (240  f.). Sollte man nicht annehmen, daß an einem so prominenten Täufling wie Marius Victorinus der Bischof selber die Taufe vollzogen hätte? Aber wir hören nichts davon; allerdings war Liberius 355 auf der Synode von Mailand und mußte 356 ins Exil, er könnte also zum Zeitpunkt der Taufe abwesend gewesen sein. Es bleibt also bei der einzig bekannten Beziehung zu Simplician als zu einem Vertreter der Institution Kirche. Während Epiphanius, selber Christ, die geheimen Barbelognostiker „in der Kirche“ vorfand, kam Victorinus, der Nichtchrist, von außerhalb zu Christentum und Kirche. Und während das Milieu, in das der neugierige Epiphanius sich begeben hatte, nicht gerade einen intellektuellen Eindruck macht (so von Epiphanius mit seiner Schilderung beabsichtigt?), obwohl man eine eigene Literatur hatte, muß die christliche Gruppe in Rom, in der sich Victorinus über die neue Religion informieren konnte, einen anderen Charakter besessen haben; in ihr war ein Gedankenaustausch auf beträchtlicher Höhe möglich, auch wenn Victorinus vermutlich begabter als die übrigen Mitglieder der Gruppe war. In Ermangelung anderer Dokumente ist die einzige Quelle für den römischen christlichen Hintergrund der Theologie des Marius Victorinus dieser selbst mit seinen Schriften. Aus der Tatsache, daß er sich des gnostischen Charakters der viel diskutierten gnostischen Wendungen in seinen Werken nicht bewußt ist (daß Valentin zu verurteilen sei, weiß er [560] wohl nur aus einem ihm vorliegenden Synodaltext), muß geschlossen werden, daß sie ihm von niemandem als gnostisch gekennzeichnet worden sind, ganz gleich ob sie ihm mündlich oder schriftlich überkommen sind. Auch haben die Tradenten sich nicht selbst als Gnostiker bezeichnet, noch sind sie dem Victorinus von anderen mit einem der Gnostiker(Schimpf)namen belegt

85 J.  Ulrich (wie Anm. 36) über Liberius 231–245, über Marius Victorinus 244–263.

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worden. Das unterscheidet das Phänomen Marius Victorinus gänzlich von den drei oben diskutierten Beispielen aus dem 4.  Jahrhundert. Trotzdem ist die an diesen gewonnene Intuition Hadots und Tardieus richtig und bedarf nur einer weitergehenden Anwendung86. M.  E. sind alle gnostischen Bestandteile bei Victorinus und das Exposé auf eine und dieselbe Überlieferung zurückzuführen87; und diese Überlieferung läßt sich von der Quelle seiner nicänischen Theologie literarisch nicht ablösen. Damit postuliere ich, daß die entschiedenen Nicäner, mit denen es der christlich werdende Rhetor zu tun hatte, nach Ausweis seiner Schriften kirchlich im höchsten Grade assimilierte Gnostiker waren. Das Exposé in der Form, in der es dem Marius Victorinus vorlag, erlaubt eine genauere Bestimmung: Es handelte sich um Barbelognostiker, erstens wegen der Querbeziehung zum barbelognostischen „Zostrianus“, zweitens wegen des Leitfossils tripotens, in dessen Bewertung als barbelognostisch ich mit Tommasi übereinstimme. Abgesehen aber von dieser Vereinnahmungsgeste des tripotens bleibt Tardieus Charakterisierung des Exposés als nichtgnostisch bestehen. Wieso aber ging diese Gruppe in Rom im Nicänertum auf? War das die Wirkung der Denunziation der Nicäner durch die Arianer als gnostikergleich? Wirkte sich also diese Zusammenschau durch die radikalen Arianer auf die Gnostiker selber so aus, daß sie sich dem feindlichen Bild auf ganz unerwartete Weise anpaßten? (Indem nicht etwa die Nicäner Gnostiker wurden, sondern die Barbelognostiker  – in Rom jedenfalls – Nicäner!) Welche Rolle spielt die Erinnerung daran, daß ὁμοούσιος lange vorher, nicht erst von Mani, von Gnostikern gebraucht wurde? Tertullian kannte es, wie man weiß, als gnostischen terminus technicus, von ihm als consubstantivus oder consubstantialis übersetzt. Jetzt gebrauchte man es ohne Schwierigkeiten in einem christlich-trinitarischen Kontext. Eine Schlüsselstelle dafür könnte das Zitat über die erste Tetrade aus der Lehre des clarus magister bei Irenäus, haer. I 11,3, darstellen. Während im Referat über die ptolemäischen Mythen in haer. I 5 ὁμοούσιος für die Beziehungen im unteren Bereich der Kosmogonie benutzt wird – Homoousie der aus der Achamoth hervorgegangenen πνευματικά mit diesem ihrem Ursprung oder der ψυχικά untereinander  – wird die Homoousie beim clarus magister im Bereich der ersten Prinzipien gefunden. In der lateinischen Übersetzung steht für das griechische Adjektiv eiusdem sub[561]stantiae. Die Tetrade besteht aus vier verschiedenen Vokabeln für Einheit und Eins (in der Übersetzung in der griechischen Gestalt beibehalten), paarweise angeordnet; das zweite Paar geht aus dem ersten hervor, die Homoousie wird auf dieser zweiten Stufe erwähnt.

86 Ich habe schon oben (zu Tardieu/Hadot S. 125) vorläufig darauf hingewiesen. 87 Das Urteil Tommasis über einen unmittelbaren Zugang des Victorinus zu gnostischen Einzelschriften muß also modifiziert werden.

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προαρχή = μονότης / δύναμις = ἑνότης ἀρχή = μονάς / δύναμις ὁμοούσιος = ἕν Man möchte vermuten, daß sich in Rom so etwas wie eine barbelognostische Schule mit entsprechender Textüberlieferung über hundert Jahre hinweg gehalten hat. Christen waren sie auch zu Plotins Zeiten, obwohl sich ihre damaligen Schriften bemühten, möglichst nicht-christlich zu erscheinen (womit sie bei manchen modernen Forschern Erfolg hatten), um bei den neuplatonischen, christenfeindlichen Philosophen akzeptiert zu werden. Die Leute, mit denen es Marius Victorinus jetzt zu tun hat, haben sich ganz in die entgegengesetzte Richtung assimiliert (spielt die veränderte religionspolitische Lage dabei eine Rolle?) Doch scheint das starke philosophische Interesse ihnen geblieben zu sein. Vielleicht ist Victorinus gar unter den Philosophen, mit denen er ohne Zweifel verkehrte, auf diese Christen gestoßen? Der Übergang zum dezidiert kirchlichen Christentum ist für die Gruppe möglich durch den Verzicht auf das vorweltliche Drama des gnostischen Mythos. Stattdessen vertritt man die christliche Trinitätslehre in der nicänischen Form (wegen des ὁμοούσιος?!). Innerhalb der Trinitätslehre entwickelt man (oder behält man bei?) eine eigentümliche Logostheologie88, auf die ich oben aufmerksam gemacht habe. In ihr war man der kirchlichen Lehre nicht völlig konform. Die von Victorinus vorgenommenen Relativierungen seiner Aussagen über das Leiden des Schöpfer-Logos an/in der Schöpfung versuchen wohl, dem abzuhelfen. Diese Aussagen überhaupt zu streichen, war er anscheinend wegen ihres systemischen Charakters nicht bereit. Die interessante Passage adv. Ar. IV 31,31–5389, wo am Schluß von der Entstehung der ὕλη unter Verweis auf anderweitige Darstellung gesprochen wird, ohne irgendeine einschränkende Vokabel, legt den Gedanken nahe, daß er in den „vielen Büchern“ und „woanders“ ohne solche Relativierungen argumentiert hat. Hat man (Simplician?) ihn erst auf ihre Notwendigkeit aufmerksam machen müssen? [562] Das Lehrstück vom Logos ist der einzige zusammenhängende gedankliche Komplex, den wir, abgesehen vom Exposé, für die Theologie dieser besonderen römischen Nicäner ausmachen können. Die römischen Barbelognostiker haben also, wenn mein Vorschlag richtig ist, in dem langen Zeitraum ihrer Existenz eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht. Zur Zeit des Marius Victorinus befanden sie sich wahrlich „in der Kirche“, aber in einem ganz anderen Sinn als die Gnostiker, die Epiphanius aus der Ortskirche hinaus-

88 Erinnert sei an die christlich-gnostische Logostheologie, die den Redaktor des gnostischen Sonderguts bei Hippolyt kennzeichnet. Er überzieht mit ihrer Hilfe sein verschiedenartiges Material mit einer vereinheitlichenden Deutung. L.  Abramowski, Ein gnostischer Logostheologe. Umfang und Redaktor des gnostischen Sonderguts in Hippolyts „Widerlegung aller Häresien“, in: dies., Drei christologische Untersuchungen (wie Anm. 53), 18–62. – Die Einwände, die J.  Mansfeld gegen meine Arbeit vorbringt, auch die anderer referierend, sind nicht stichhaltig (Heresiography in Context. Hippolytus’ Elenchos as a Source for Greek Philosophy, Leiden 1992, 320  f.). 89 Oben bei den Anmerkungen 35–39.

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werfen ließ: Sie waren in der Kirche aufgegangen. Nur aus den Schriften des Marius Victorinus läßt sich ihre Existenz erschließen; und umgekehrt sind wahrscheinlich sie es, die den Rhetor zu einem nicänischen Christen gemacht haben. Nachtrag In adv. Ar. IV 29, einem Abschnitt, den Hadot mit „Rapport consubstantial entre pensée intérieure et pensée de la pensée“ (= Gott und der Sohn) überschreibt, gibt es einen merkwürdigen Text, in dem das Wortpaar πλήρωμα – χώρημα erscheint; außerdem wird vom „Suchen“ des Pleromas geredet. χώρημα ist in diesem Zusammenhang natürlich ein Gegenbegriff zum deuteropaulinischen πλήρωμα. Ehe ich mich mit dieser Passage weiter befasse, lohnt es sich wie immer, Hadots Querverweisen nachzugehen: Cand. I 11,17; adv. Ar. I 13,17; 24,44–48; 37,24–26. Cand. I 11,17. Aus Zeile 14–19: omnium quae sunt … praeprincipium aut praecausa et praestatio et effector, capacitas, plenitudo, per quem effecta sunt omnia et sine quo nihil, salvator noster, universorum emendatio. – Der Heiland, der Schöpfer, ist der die „Fülle“ (des Geschaffenen) „enthaltende“. Capacitas für χώρημα nur hier, von Hadot in Analogie zu den Parallelstellen mit „réceptacle“ übersetzt. Das Begriffspaar wird nicht abgeleitet, es gehört offenbar zum vertrauten gedanklichen Arsenal des Victorinus (der Brief des „Candidus“ ist von Victorinus selber geschrieben). Adv. Ar. I, 13,17. Zeile 14–18: Filius, ut esset, accepit et in id quod est agere, ab actione procedens in perfectionem veniens, motu efficitur plenitudo, factus omnia quae sunt („étant devenu tous les existants“). Sed quoniam in ipso et in ipsum et per ipsum gignuntur omnia, semper plenitudo et semper receptaculum est; qua ratione et inpassibilis et passibilis. – Die Übersetzung von χώρημα mit receptaculum wird Victorinus von jetzt ab beibehalten. Interessant ist, daß das Wortpaar mit „leidensunfähig und leidensfähig“ parallelisiert wird, ja sogar die Begründung für das letztere Paar liefert. Auch hier meint die „Fülle“ das durch den Sohn Geschaffene, so wie er auch dessen Rezeptakel ist. Einige Zeilen vorher (Zeile 6  f.) heißt der Sohn totus ex toto et lumen ex lumine, „Ausdrücke aus Bekenntnissen, die den Homöusianern lieb waren“, nämlich dem der Kirchweihsynode und Sirmium 351 (Hadot SC 69, 753). Hadot erwähnt die Nachbarschaft dieser Formulierungen zu „Fülle/Gefäß“ auch in adv. Ar. IV 29. [563] Adv. Ar. I 24,44–48. Die Zeilen 19–29 zitieren Kol 1,15–20 (plenitudo in Vers 19 des deuteropaulinischen Textes). Dem Zitat geht unmittelbar voran eine der Aussagen, die die Leidensfähigkeit des Logos sowohl statuieren wie relativieren, Zeile 17  f.: et patitur et passibilis est vel potius passibilis dicitur. Nach dem Kolosserzitat gibt Victorinus eine Auswertung für seine (gegen die Homöusianer gerichtete) Argumentation. Es erweist sich, daß Victorinus gegen unsere Gewohnheit die „Fülle“ von Kol 1,19 nicht nach Kol 2,9 als „Fülle der Gottheit“ versteht, sondern als Fülle dessen, was in Vers 16 beschrieben wird, also des Geschaffenen. Das ist die Auslegung, die in cand. I 11 und adv. Ar. I 13 vorausgesetzt wird, wie wir gesehen haben. Grammatisch ist

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diese Auslegung möglich, die Frage ist, ob sie dem theologischen Duktus des Textes entspricht. Es ist doch wohl eher die „Fülle (der Gottheit)“, die den Sohn zur Versöhnungs- und Befriedungsaufgabe von Kol 1,20 befähigt; der oben zitierte Abschnitt aus Cand. I denkt mit Salvator noster, universorum emendatio an diesen Vers, aber doch im Sinn des Victorinus, wie er sich aus dem bisher Gesagten ergibt. Adv. Ar. I 24,44  f. bestätigt das sogleich: λόγος enim et causa est ad id quod est esse his quae sunt et est receptaculum eorum quae in ipso sunt. Aber gleichzeitig ist das „Gefäß“ auch „plenitudo“, so im nächsten Satz, Zeile 46–48: Quod autem omnia in ipso, ipsum receptaculum completur („est rempli“) omnibus quae sunt et ipsum est et plenitudo, et idcirco omnia per ipsum (usw.). Im Interesse der Homoousie von Vater und Sohn wird der Vater im nächsten Kapitel in die plenitudo einbezogen, I 25,2–4:  …  si non ὁμοούσιον quomodo et pater plenitudo, et filius? Simul enim omnia plenitudo („Car la plénitude, c’est toutes choses ensemble“). Von dieser „Fülle“ unter Voraussetzung eines ὁμοούσιον zu sprechen, wäre absurd (Zeile 4  f.). – Schließlich wird auch Kol 2,9 zitiert, I 25,27  f., mit folgender Erläuterung (28  f.): hoc est in operatione substantialiter, „c’est ainsi que Victorinus comprend corporaliter“ (SC 69, 779). – All dies bedeutet, daß der Logos-Sohn sowohl plenitudo wie receptaculum in einem doppelten Sinn ist: Fülle des von ihm Geschaffenen und Fülle der Gottheit, Gefäß des Geschaffenen und Gefäß der Gottheit. Adv. Ar. I 37,24–26. Diese Zeilen gehören in einen größeren Zusammenhang, in dem wir uns „définitivement dans la théologie des prépositions ou des syllabes, comme dirait Saint Basile“, befinden (SC 69, 813). Die Diskussion von ex quo omnia und in quo omnia gibt Victorinus die Gelegenheit, das Wortpaar „Behältnis-Fülle“ heranzuziehen, obwohl das für die erwünschte Folgerung nicht zwingend ist. Zeile 22–28: Alles ist vom Vater her, auch der Sohn. Das ist das proprium des Vaters. Der Sohn hat zum proprium dies: in quo omnia, quod λόγος et locus est (albernes oder witziges Wortspiel, je nach Geschmack). Factorum enim et operum per semet ipsum ipse est receptaculum. Ibi autem existentibus omnibus quae sunt, efficitur plenitudo. Jesus ist nämlich der „Vater“ aller Werke, die durch ihn sind. Unum ergo pater et filius. (Zu Jesus als Vater s.  u.). Schließlich adv. Ar. IV 29,9–18 (mit Zeile 25 und IV 30,31). In dieser Partie erscheint das Wortpaar in seiner griechischen Gestalt: Sic ergo filius [564] … intellexit deum et omnia illa quae ingenita deus sunt, et intelligendo, πλήρωμα quaerendo et πλήρωμα intelligendo („et ‚en pensant‘ signifie: en cherchant le plérôme et en pensant le plérôme“ – aber ist πλήρωμα hier grammatisches Objekt? S. unten). Unde enim extitit quod pater. Etenim, cum πλήρωμα pater sit, necessario χώρημα suum habet infinitum, licet et sibi finitum, ubi πλήρωμα suum tenet et capit, eodemque modo filius, recipiendo et quaerendo – hoc est enim recipere, χώρημα existere intellegendo autem totum quod pater est, πλήρωμα extitit genitus et ipse totus ex toto. Weder aus dem langen Text Kol 1,15–20 noch aus Kol 2,9 läßt sich die Verwendung von χώρημα sprachlich ableiten; das Nomen kommt dort nicht vor, und keine Verbform legt die Nominalbildung nahe. Und vom „Suchen“ des Pleromas hört man

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schon gar nichts. Auch wird es vom Gedankengang des Victorinus gar nicht gefordert. Bei Merkwürdigkeiten im Zusammenhang mit Pleroma empfiehlt es sich, bei Irenäus nachzuschlagen. Das ptolemäische Pleroma, beschrieben in haer. I 1,1, ist Beleg dafür, welche Faszination die Vokabel ausübte. Die erste Größe darin nach dem Paar Bythos – Sige und von diesem hervorgebracht ist der Nous, der dem Vater „ähnlich und gleich“ ist καὶ μόνον χωροῦντα τὸ μέγεθος τοῦ πατρός (I 1,1, SC 264, 30/31). Hier haben wir immerhin das Verb χωρεῖν. Der Nous hat bei den Ptolemäern den Namen Monogenes – bei Marius Victorinus fallen Nous und Logos zusammen (nicht jedoch im ptolemäischen Pleroma). Der ptolemäische Logos, hervorgegangen aus dem Monogenes, heißt wie dieser „Vater“, und zwar omnium eorum qui post se futuri essent, er ist ἀρχή und μόρφωσις (formatio) παντὸς τοῦ πληρώματος. Vgl. dazu oben das Ende des langen Bekenntnisses bei Victorinus, adv. Ar. I 47: Logos … Jesus Christus  …  patrem omnis creaturae et salvatorem; ferner bei Victorinus, adv. Ar. I 37,26–28 (s. schon oben): Etenim et Iesus, pater est omnium operum, eorum quae per semet ipsum. Adv. Haer. I 2,1: Der Propator kann nur von dem „aus ihm gewordenen“ Eingeborenen = Nous erkannt werden. Dieser will die übrigen Äonen an der Größe des Vaters teilhaben lassen, aber das „Schweigen“ hält ihn nach dem Willen des Vaters davon ab, quoniam vellet omnes hos in intellectum et desiderium exquisitionis patris suae adducere (εἰς ἔννοιαν καὶ πόθον ζητήσεως … ἀναγαγεῖν). Das „begehren“ die übrigen Äonen denn auch, ἡσυχῆ πως, „auf irgendeine Weise gelassen“ (SC 264, 36/37) – πως, weil Begehren und Gelassenheit gewöhnlich nicht zusammengehören. Die Sophia wird dann die Gelassenheit nicht aufbringen, das „Suchen“, exquisitio des Vaters wird zum „Leiden“ (d.  h. zur Leidenschaft), πάθος statt πόθος: τὸ δὲ πάθος εἶναι ζήτησιν τοῦ πατρός. Das (vergebliche) Suchen hat zum Ziel, τὸ μέγεθος αὐτοῦ καταλαβεῖν (SC 264, 38/39). καταλαμβάνειν ist ein Synonym von χωρεῖν. Die unglückliche exquisitio patris wird noch einmal in I 3,1 erwähnt (SC 264, 48/49).  – Nach diesen Beobachtungen am Referat des Irenäus ist es klar, daß alle Äonen, d.  h. das Pleroma, zum Verständnis und zum Suchen kommen sollen. Daher muß bei Victorinus, [565] adv. Ar. IV 29,11  f. im Kolon πλήρωμα quaerendo et πλήρωμα intellegendo, das Pleroma als grammatisches Subjekt genommen werden (in Korrektur der oben zitierten Übersetzung Hadots). In adv. Haer. I 3,4 (SC 264, 56/57) zählt Irenäus Bibelstellen auf, mit denen die Ptolemäer belegen wollen, daß der „Heiland“ ἐκ πάντων ὄντα τὸ πᾶν εἶναι. Die erste Stelle, Lk 2,23/ Ex 13,2 ist nur mit Hilfe einer Allegorie verwendbar, Irenäus gibt deren pleromatische Elemente an. Das folgende Florileg aus paulinischen bzw. deuteropaulinischen Formulierungen sieht so aus (ebenso im Griechischen): Kol 3,11 et ipse est omnia; Rm 11,36 omnia in ipsum, et ex ipsum omnia; Kol 2,9 in ipso habitat omnis plenitudo divinitatis – man bemerkt, daß gut gnostisch das Adverb σωματικῶς, corporaliter, fortgelassen ist; Eph 1,10 recapitulata esse omnia in Christo per deum.

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Auch hier befinden wir uns gewissermaßen in einer „Theologie der Präpositionen und Silben“ (s. oben). Der „Heiland“, salvator, σωτήρ, den die Ptolemäer „auch Christus und Logos patronymice“ nennen, et omnia, quoniam ab omnibus esset (I 2,6; SC 264, 48/49), ist innerhalb ihres Systems der „zweite Christus“ (I 3,1; 50/51). „Alles“, aus dem er hervorgebracht wurde, ist das nach dem Drama der Sophia und dem Ausscheiden der Materie wieder beruhigte und unifizierte Pleroma (alle Äonen sind jetzt Nous, Logos, Anthropos etc., analog bei den weiblichen Äonen; I 2,6; 46/47). Victorinus hat all diese gnostischen Anklänge gewiß nicht aus der Quelle des Irenäus bezogen, schon daß dort die Form χώρημα fehlt, spricht dagegen. Hadot fragt sich zu Victorinus, adv. Ar. IV 29,9–18 (SC 69, 1044), ob πλήρωμα – χώρημα „ne sont pas des termes employés dans une profession de foi, car ils sont traités ici de la même manière que deus de deo ou lumen de lumine“. Ich halte die Nachbarschaft eher für eine Wiederaufnahme und Zusammenraffung dessen, was in adv. Ar. I 13,6  f. und Zeile 14–18 gesagt wird (s. oben). Hadot erwähnt ferner an der zitierten Stelle seines Kommentars aus der Fortsetzung bei Victorinus die Zeile IV 29,25 mit besagtem Wortpaar. Der Abschnitt arbeitet auf die Homoousie von lumen und lumen (Zeile 27) hin und sogar von imago und imago (sic! Zeile 26). Wegen Gen 1,26, ad imaginem nostram, wird imago nicht bloß für den Sohn, sondern auch für den Vater in Anspruch genommen. In diesem Sinn ist uterque χώρημα et πλήρωμα zu verstehen. In IV 30,31  f. finden wir dann die Reihe χώρημα, πλήρωμα, imago, lumen verum, veritas, spiritus, motus, actio, operatio, vita: All dies ist auf verborgene Weise in Gott, gehört auf offenbare Weise dem Sohn (Zeile 29–31). – Weiter läßt sich das Prinzip der Homoousie von Vater und Sohn nicht treiben, wenn sogar der Vater als „Gefäß“ bezeichnet wird, weil der Sohn als solches fungiert. Sowohl die Nähe wie auch die große Differenz zum ptolemäischen Pleroma muß Victorinus seinen griechisch schreibenden Gewährsmännern [566] verdanken. Die Namen der ursprünglichen gnostischen Autoren (s. auch die Beispiele aus Herakleon in der Liste gnostischen Materials bei Tardieu S. 10b-11b) können in dem Material, das ihm geboten wurde, nicht enthalten gewesen sein. Umso größer die Ironie, daß Victorinus einerseits Valentinus verurteilt, andererseits Topoi der Schüler Valentins ahnungslos übernimmt. Adv. Ar. IV liefert auch noch einen Beitrag zum Lehrstück vom Logos, der im Erschaffenen leidet, 8,2–8: … perspiciamus in his in quibus est una eademque substantia, cur alter mittentis, alter missi potestatem gerant, imperantis alter, alter ministri, alter motu agendi a passionibus libero, alter per infinitos actus in creandis saeculis infinitis, et his quae sunt in saeculis, subierit usque ad mortem, innumeras passiones.  – Die Leiden des Sohnes in seinen kosmogonischen Funktionen sind unzählbar, zahllos: Unendlichen Akten von Erschaffung unendlicher Äonen hat er sich unterzogen bis zum Tod. In dieser Aufzählung des Leidens in einer durchgehenden Linie gibt es keinen Ausdruck der Relativierung, sie hätte sonst auch das Todesleiden relativieren müssen. Ohne Zweifel sind die Passagen mit der Relati-

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vierung der Schöpfungsleiden gegenüber dieser ursprünglichen Fassung sekundäre theologische Korrektur durch Victorinus, für die er die Leidensbereiche in der Darstellung voneinander trennen mußte90.

90 Die Verfasserin dankt den Mitarbeitern des Lehrstuhls Prof. Markschies in Heidelberg für Schreibarbeiten. Nach Fertigstellung des Manuskriptes erschien 2002 von Matthias Baltes (gestorben 21. 1. 2003): Marius Victorinus. Zur Philosophie in seinen Theologischen Schriften, BZA 174, Leipzig/Stuttgart 2002.

5.8 Concilium Ephesenum – 431 A sacra of the emperors Theodosius II and Valentinian III of 19 November 430 summoned a synod to Ephesus for Pentecost (7 June) 431 aimed at the „investigation“ and „examination“ of „ecclesiastical and related public matters.“ The synod was supposed to reach a definition (τύπος) based on a common vote; until then no innovation was to be undertaken „by a few on their own (ἰδίᾳ)“1. The initiative for a general synod came from Nestorius who wished to appeal to the judgement of the bishops against his condemnation by Rome and Alexandria. The latter two were the addressees of the prohibition in the imperial decree. Nestorius and Cyril both had informed their Roman colleague of their quarrel and supplied documentary evidence. It was Cyril who succeeded in convincing bishop Celestine and his synod of the heresy of the bishop of Constantinople. Rome then entrusted the Alexandrian with the „unprecedented“2 task to carry out the Roman judgement. This implied the formulation of a confession in line with the faith of the churches of Rome and Alexandria to be signed by Nestorius. Cyril composed the „very Alexandrian“ 12 anathemata (capitula)3 which are found at the end of the letter from the Egyptian synod to Nestorius. These sentences caused great offence among the „Antiochene“ theologians of the diocesis Oriens and „alienated them from Cyril for good“4. The letter (the third one from Cyril to Nestorius) was delivered to the addressee on 30 November 430; Nestorius did not sign it. In Ephesus, in early summer 431, the arrival of the Eastern bishops was delayed, and that of the Roman legates even more so; but when John of Antioch, while underway, managed to inform Cyril of the day of his arrival, calculated in days of travel, Cyril decided not to wait and instead inaugurated the (incomplete) council on 22 June 431, against the collective protest of 68 bishops and the imperial official responsible for the correct procedure of the convention. Not only did the participants heap abuse on [74] and throw out the bishops delegated by Nestorius, but even the comes received no better treatment – he was told that he was not to partake of their decisions5. Compared with the instructions from the emperor, Cyril’s inauguration of the council was illegal, a singular occurrence among the oecumenical synods6. The synod thus inaugurated was but a partial council, as was in consequence the synod convocated by John of 1 Collectio Vaticana (= V) 25, ACO I 1,1,114–16. 2 A. de Halleux, „Nestorius: histoire et doctrine“, Irénikon 66 (1993) 40. 3 A. de Halleux, „Nestorius: histoire et doctrine“, Irénikon 66 (1993) 40. 4 A. de Halleux, „La première session du concile d’Ephèse (22 juin 431)“, Ephemerides Theologicae Lovanienses 69 (1993) 59. 5 V 151,3: report of the comes Candidianus at the synod of the Eastern bishops on 26 June 431, ACO I 1,5,119–20. Continuation of the report: V 151,6,8. After having read out the imperial instruction and his report about the occurrences of 22 June, the comes leaves the sessions, V 151,10, and the bishops continue their consultations without him. Had the inauguration of the concil been regular with all invited participants present, the procedure would have been the same. 6 A. de Halleux, „Nestorius: histoire et doctrine“, Irénikon 66 (1993) 41. https://doi.org/10.1515/9783110647419-025

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Antioch on 26 June 431. The course of the first session of the Cyrillic council on 22 June7 likewise cast aside all imperial instructions and was held as a trial against Nestorius, according to the agreement between Cyril and Celestine, on the „heresy“ of Nestorius and the letter of the Egyptian synod containing the 12 anathemata. But even during this trial, the heresy needed to be formally proven; this was achieved thanks to a „procedure, on which they had obviously agreed beforehand“8, by using the Nicene creed as the recognised norm of orthodox doctrine9. The second letter of Cyril to Nestorius was read out and, by vote, declared in conformity with the confession of the 318 fathers10. The answer of Nestorius, which was likewise read out, was voted as opposite to the creed11. Then the reading of Celestine’s letter to Nestorius was demanded by acclamation and granted12. In this section also a reading of the letter of the Egyptian synod is mentioned13. But this interrupts the context, which concerns the letter of Celestine14 and must hence be an interpolation, i.  e. the letter would not have been read out. The interpolation must be a work of the redaction of the final version of the protocol, which the participants acknowledged as orthodox through their signatures, including the letter with the anathemata. [75] The formal role of the letter and especially of the anathemata during the first session is hard to determine15. The only other mention in the Gesta is the next passage which describes the delivery of the letter to Nestorius in Constantinople on 30 November 43016. Nor do the reports of the Cyrillians on the trial against Nestorius to various addressees ever speak of the anathemata by name, not even in the letters to Celestine (in spite of the fact that Nestorius had been required to abjure them)17. This restraint was no doubt still a late effect of the annoyance of the emperor at the „innovations caused by a few“.

7 On this session, A. de Halleux, „La première session du concile d’Ephèse (22 juin 431)“, Ephemerides Theologicae Lovanienses 69 (1993) 48–87. 8 A. de Halleux, „La première session du concile d’Ephèse (22 juin 431)“, Ephemerides Theologicae Lovanienses 69 (1993) 73. 9 V 43, ACO I 1,2,12–13. 10 V 44–45, ACO I 1,2,13–31. 11 V 46–47, ACO I 1,2,31–35. 12 V 48–49, ACO I 1,2,35–37. 13 V 49, ACO I 1,2,36,16–25. 14 ACO I 1,2,36,8–15. 26–28. A. de Halleux, „Les douze chapitres cyrilliens au concile d’Ephèse (430– 433)“, Revue théologique de Louvain 23 (1992) 447. 15 On the relationship between the final version of the protocol and the actual debates, see A. de Halleux, „La première session du concile d’Ephèse (22 juin 431)“, Ephemerides Theologicae 69 (1993) 50–51. 16 V 50; A. de Halleux, „Les douze chapitres cyrilliens au concile d’Ephèse (430–433)“, Revue théologique de Louvain 23 (1992) 447. 17 V 82,4–6, ACO I 1,3,6–7; A. de Halleux, „Les douze chapitres cyrilliens au concile d’Ephèse (430– 433)“, Revue théologique de Louvain 23 (1992) 446–447.

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Nestorius, who had refused to appear as accused at the synod chaired by Cyril, acting as both his persecutor and judge, was deposed on the grounds of the „blasphemies“ of his statements, writings, letters and sermons held at Ephesus, and the accusations were based on the canons and the letter of the bishop Celestine18. The accusers even enlisted the help of Christ himself as a judge19: „Our Lord Jesus Christ who has suffered injury from him (sc. Nestorius) has decreed through the present very sacred synod …“ The synod of John of Antioch on 26 June reacted with an incensed decree (ψῆφος) declaring Cyril and Memnon deposed and the other participants at the session of 22 June excommunicated as long as they refused to abjure and condemn the heretic capitula of Cyril. Again the „creed of Nicaea“ is employed as point of reference, to which nothing should be added. The justifications given by the Eastern bishops for their decree do not explicitly include the deposition of Nestorius; but listed, among others, the fact that the tumults at Ephesus prevented all discussion of the 12 anathemata20. One may imagine the indignation of the Cyrillians, but even then the protocol of the sessions of 16 and 17 July makes a shocking reading. The Roman legates who had arrived in the meantime, participated [76] in the sessions, which condemned the Easterners as heretics and decreed depositions and excommunications21. Still in July 431 the Cyrillian council settled a few regional questions22; one may note in particular the motion brought in to the session on 22 July by the presbyter Charisius from Philadelphia23. Its subject was the expositio, ἔκθεσις, which was presented to the Quartodecimans of Philadelphia upon their conversion to the Catholic church24. Charisius demanded the condemnation of the text as heretical. The authorship of the expositio was kept deliberately anonymous in the session’s protocol25. The condemnation by the council of the Cyrillians duly followed, its real object was the author of the expositio: Theodore of Mopsuestia. The version of the causa Charisii as it has come down to us is prefaced by „the confirmation of the symbol of the holy fathers of Nicaea“26. Schwartz has demonstrated that this part of the session is a product of

18 V 61 end and 62 beginning, ACO I 1,2,54,16–28. 19 V 62 beginning. 20 In the protocol of the synod of the Eastern bishops (see note 5) V 151,15, ACO I 1,5,122–123. 21 V 90, ACO I 1,3,24,21–26,5. Both sessions were conducted, as that on 22 June, in the form of a trial. 22 Documents preserved in Collectio Atheniensis (= A), ACO I 1,7,73–83, see Schwartz, ACO I 1,4 (sic) Praefatio. 23 E.  Schwartz, ACO I 1,4,xvii–xxi; L.  Abramowski „Die Sitzung des Konzils von Ephesus am 22. Juli 431 „Über die Befestigung des Symbols der heiligen Väter in Nicäa und über den vom Presbyter Charisius übergebenen Libellus“, ZKG 115 (2004) 382–390 [hier in diesem Band S. 405–413]. 24 A 76,4–11, ACO I 1,7,97–100. 25 L.  Abramowski „Die Sitzung des Konzils von Ephesus am 22. Juli 431. Über die Befestigung des Symbols der heiligen Väter in Nicäa und über den vom Presbyter Charisius übergebenen Libellus“, ZKG 115 (2004) 384–385 [hier in diesem Band S. 406–408]. 26 A 73–75, ACO I 1,7,84–95.

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later redaction, probably by Cyril himself, and constructed with material from the first session of 22 June27. Starting point for this fictitious session is the first part of the definitio on the anonymous ἔκθεσις, which declares that no other confession than that of Nicaea must be upheld28. As is well known, the Ephesian synod did not provide a definition of doctrine; thus it looks like the „confirmation“ was born out of Cyril’s wish to fill this gap. Neither of the two synods decreed canons. But here the collectors of such prescriptions helped themselves by extracting single regulations29 [77] from the letter communicating the deposition of the Eastern bishops, addressed to „bishops, presbyters and people of every province or city“30, and counting them as canons I-VI, and the ὅρος from the causa Charisii as canon VII, also because of the reference (added by the editor)31 to Nestorius. The next step of the emperor was to confirm the depositions of Nestorius, Cyril and Memnon (but not that of the Easterners by the Cyrillians)32. These three were put under custody in Ephesus33. By order of the emperor delegations of both sides set out for Chalcedon to discuss in his presence, without any results. In the meantime, Nestorius asked for and was granted permission to return to his home convent near Antioch. Cyril, who had spent considerable amounts of gold and money on bribes34 during the negotiations, managed to escape from Ephesus and reached Alexandria on 31 October 431. Shortly before, on 25 October, Maximilian had been consecrated successor of Nestorius in the presence of the Cyrillian legates. A sacra of the emperor35, issued after 31 October stated the inability of the two parties to come to terms, decreed that the Eastern bishops return to their hometowns and churches and declared the dissolution of the synod of Ephesus in view of the fact that36 Cyril had made for Alexandria and Memnon remained at Ephesus; the emperor saw no reason to condemn the Easterners. 27 E.  Schwartz, ACO I 1,4,xviii–xix. Material from the first session also at the end of the entire complex, A 78, ACO I 1,7,106–111 28 On the pragmatic character of this assertion, see L.  Abramowski „Die Sitzung des Konzils von Ephesus am 22.  Juli 431. Über die Befestigung des Symbols der heiligen Väter in Nicäa und über den vom Presbyter Charisius übergebenen Libellus“, ZKG 115 (2004) 389–390 [hier in diesem Band S. 412  f.]. 29 V 91,2–7, ACO I 1,3,27–28. 30 V 91, ACO I 1,3,26–28. 31 E.  Schwartz, ACO I 1,4,xviiii (sic). 32 V 93: but only number and title! The content was obviously judged unbearable by the copyist. Text in ACO I 1,3,31–32 from another collection. 33 A 45, ACO I 1,7,67–68 report of comes John on the execution of his task; the comes does not conceal his own opinion on the turbulences. 34 Collectio Casinensis (= C) 130, ACO I 4,85,25–30. 35 A 97, ACO I 1,7,142. 36 „In view of the fact that“ is my own translation of line 27 ἐπὶ τῷ. Latin C 122, ACO I 4,74,1 „ita videlicet“. Ephèse et Chalcedoine. Actes des conciles, par A.  J.  Festugière, Paris 1982, 622 follows the

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The following year the emperor sent a high official to arrange peace negotiations between the sees of Antioch and Alexandria. John of Antioch [78] was asked to acknowledge the deposition of Nestorius37. The positions of the contestants were irreconcilable: the Eastern bishops „rejected“ the „dogmata recently introduced per letter or capitula“38 with reference to Nicaea and its interpretation in Athanasius’ letter to Epictetus, while Cyril demanded the consent of the Easterners to the deposition of Nestorius and the condemnation of „his calumnies and godless dogmata“39. John, who knew well that this demand was inacceptable to many of his bishops, presented Cyril through an episcopal messenger with his christological formulation40 in the name of his synod. The Alexandrian did not object to it as such, but insisted on his conditions regarding Nestorius. Supplemented by a corresponding addition41, he accepted the letter of the Antiochene. Cyril’s long letter of reply42, which adopted the christological confession of the Antiochene synod43 and supplied it with his own interpretations, is the document of the peace treaty of 23 April 433. The confession takes the place of the τύπος which the emperor had called for in his convocation of the council and which was to rest on a common vote. The nucleus of the symbol of union (ὁμολογοῦμεν – ληφθέντα ναόν)44 is contained already in the letter, which the Eastern bishops sent from Ephesus to the emperor in August 431 (where it is followed by the urgent request to remove the capitula of Cyril from the church)45. In the letter of peace of John we find this nucleus expanded by the Nicene phrase „for our sake and for the sake of our salvation“. A further sentence was added, on the „evangelical and apostolic statements on our Lord“ which cancels the fourth anathema of the letter of the Egyptian synod. This confession was preceded by an introduction on the θεοτόκος παρθένος and stated that the following did not add anything to the Nicene doctrine, but confirmed it. Nestorius would have found no difficulty in signing this symbol of union (urged by John, he had himself employed the θεοτόκος in a sermon in December 430).

standard translation „à la condition que“, but his and the Latin translations throw an embarrassing light on the emperor, as if he was giving orders for Cyril to return to Alexandria, a return which at the time was already a fait accompli. One may object to my translation that the embarrassment of the fait accompli remains and that the four infinitives of the aorist must all be translated analogously (as C and Festugière do), but there are in fact two different points of syntactic dependance for those verbs. 37 V 120,2, ACO I 1,4,3–4. 38 A 105 (John of Antioch to Acacius of Beroia), ACO I 1,7,146. 39 A 107,6 (Cyril to the same Acacius), ACO I 1,7,149. 40 V 123,2–3, ACO I 1,4,8–9. 41 V 123,4, ACO I 1,4,9. 42 V 127, ACO I 1,4,15–20. 43 V 127,4–5, ACO I 1,4,17. 44 V 123,3, ACO I 1,4,8,27–9,5. 45 A 48,6, ACO I 1,7,70. On the capitula: A 48,7, ACO I 1,7,30.

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[79] Those Eastern bishops who still considered the deposition of Nestorius an injustice were to suffer harsh persecutions by the political authorities. From 436 on, Nestorius was banned several times to more and more remote places of exile; he died in the Egyptian desert in c. 450, not before having learnt of the Tomus Leonis, which he greeted wholeheartedly.*

* [Die im Original sich hier anschließende Bibliographie ist in die allgemeine Bibliographie, in diesem Band S. 499–508, eingearbeitet worden – d. Red.]

5.9 „Audi, ut dico“ Literarische Beobachtungen und chronologische Erwägungen zu Marius Victorinus und den „platonisierenden“ Nag Hammadi-Traktaten Marius Victorinus Afer, römischer Rhetor, dessen Entschluss zur Taufe dem zögernden Augustin als ermunterndes Beispiel vorgehalten wurde, beteiligte sich an der zeitgenössischen Debatte über das trinitarische Problem. Von 357 bis 361 verfasste er antiarianische Traktate, die für das nicänische homoousios eintreten. Diese Schriften verknüpfen die biblisch-theologische Argumentation mit einer post-plotinischen Philosophie von triadischer Struktur und erheblicher Komplexität, deren nächster Verwandter der Rest eines in Turin aufbewahrten Parmenides-Kommentars ist. Verblüffend sind in den Ausführungen des Victorinus bestimmte (barbelo-)gnostische Elemente, die er aber nicht als gnostisch bzw. häretisch wahrnimmt. Vor einigen Jahren gelang die Entdeckung einer textlichen Parallele bei Victorinus und dem Nag Hammadi-Traktat „Zostrianus“,1 was die Diskussion über gegenseitige Beziehungen auf eine neue Basis stellte. Das Folgende setzt einen früheren Beitrag zum Thema fort.2

I Marius Victorinus Der von Marius Victorinus und vom NH–„Zostrianus“ gemeinsam benutzte philosophische Text (von den Entdeckern als „Exposé“ bezeichnet) über das höchste Eine3 wird von beiden Zeugen (die nicht voneinander abhängig sind) als „Offenbarungsrede“ eingeführt. In seinem Kommentar zu den betref[146]fenden Zeilen erläutert Tardieu die in der 2. Pers. sing. gehaltene Aufforderung als „Schlüsselelement“ des Eingangs.4 Für die Aufforderung „Höre“ als Einleitung einer göttlichen Offenbarung 1 Michel Tardieu, Recherches sur la formation de l’Apocalypse de Zostrien et les sources de Marius Victorinus. Pierre Hadot, Porphyre et Victorinus. Questions et hypothèses, Bures-sur-Yvette 1996. 2 Luise Abramowski, Nicänismus und Gnosis im Rom des Bischofs Liberius: Der Fall des Marius Victorinus, in: ZAC 8, 2005, 513–566 [hier in diesem Band S. 414–466]. 3 Marius Victorinus, Adversus Arium I 49,9–50,21. Die Kapitelzählung in den theologischen Werken des Marius Victorinus ist alt; die Zählung der Zeilen ist die der kritischen Edition durch Paul Henry und Pierre Hadot in SC 68 (1960) und CSEL 83 (1971), die Zeilenlängen der beiden Ausgaben sind identisch. – „Zostrianus“ ist Nag [146] Hammadi Codex VIII 1, die Seitenzahlen sind die des Codex, NH VIII 1; 64,49–66,13 ist zu vergleichen mit Mar. Vict., Adv. Ar. I 49,7–40; zu I 50,1–18 gibt es nur über die Seiten NH VIII 1; 66. 67. 74. 75 hin verstreute Testimonien, dagegen Adv. Ar. I 50,18–21 wörtlicher NH VIII 1; 75,12–24 und 84,18–21. 4 Tardieu/Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm. 1), 61; bei Abramowski, Nicänismus und Gnosis (wie Anm. 2), 532 [hier in diesem Band S. 432] nur knapp erwähnt. https://doi.org/10.1515/9783110647419-026

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I Marius Victorinus 

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gibt er zunächst Beispiele aus Jamblichus und aus dem Corpus Hermeticum und fährt dann fort: „Cet artifice est essentiel et a pour but d’assimiler l’exposé métaphysique à un logos sacré, reçu au terme d’une montée ou descente“. Bei Victorinus trete die Formel noch an weiteren Stellen auf (die Mehrzahl aus Adversus Arium I wie sich zeigt): „En I 53,30–31, cette formule introduit un exposé sur les noms trinitaires et l’Esprit comme mère5 du Logos. En I 60,1 elle introduit un exposé sur l’âme double et le Logos androgyne, à la fois intellect et sagesse. En I 62,25 enfin, elle introduit une exégèse de Genèse 2,7 à la lumière de la théorie des deux âmes et des deux intellects“. Dazu kommt noch IV 4,1, wo der Leser als Hörer angeredet wird: audi lector, „pour introduire un développement sur le vivre qui est le Père et la vie qui est le Fils“. Es lohnt sich, die so eingeleiteten Abschnitte genauer anzusehen. Adv. Ar. I 53,30–31. Unmittelbar geht voran in Zeile 26–30:6 Man müsse also an Gottes Sohn glauben, der in uns das Leben geschehen lässt, weil er selber das wahre, ewige Leben ist. „Wenn wir nämlich den Glauben an den Christus aus Nazareth (Nazareus), inkarniert aus Maria, haben werden, werden wir den Glauben an den Sohn Gottes haben, der (Geist) war und inkarnierter Geist wurde. Quomodo istud? Audi, ut dico“. 54,1, wo man die verheißene Mitteilung erwartet, fährt jedoch fort, zuvor müsse man erst sehen, ob eine bestimmte Reihe von Attributen dem Sohn oder dem Vater zuzuschreiben sei. Hadot in seinem Kommentar zu 53,26–317 macht darauf aufmerksam, dass die Antwort auf die Frage „Quomodo istud?“ erst 56,36 erscheint. – Diese Antwort umfasst 56,36–57,6, betrifft wie die Ausgangsfrage die Inkarnation und gilt im Grunde dem exegetisch und dogmatisch immer wieder auftauchenden Problem, wie sich Logos und Geist in der Inkarnation zueinander verhalten, wie also Joh 1,14 und Lk 1,35 miteinander auszugleichen sind. [147] Marius Victorinus setzt ein Gleichheitszeichen: universalis λόγος et potentia vitae caro factus est, ut dicit Angelus: spiritus sanctus adveniet in te et virtus altissimi inumbrabit tibi […] Omnia igitur Christus dominus noster, caro, sanctus spiritus, altissimi virtus, λόγος – nicht nur eins davon. Wie der für die Ausgangsfrage am Ende von c. 53 ist die Antwort ganz kurz, befindet sich aber in einer der endlosen schwierigen Spekulationen, wie sie Victorinus liebt; Tardieu hat die Ankündigung 53,30  f. auf die Spekulation als ganze bezogen, was nicht zutreffend ist. 5 Die Bezeichnung „Mutter“ erst I 58,12! 6 I 53,9–23 enthält, veranlasst durch die „forma“ von Zeile 8  f., Propter hoc enim dictum est, quoniam filius forma est patris (vgl. Phil. 2,6), eine kleine Darlegung über Verborgenheit und Offenbarung, occultum/velatum und manifestum/apparentia, die an die barbelognostischen Größen Kalyptos und Protophanes erinnert. Vgl. Luise Abramowski, Marius Victorinus, Porphyrius und die römischen Gnostiker, in: ZNW 74, 1983, 108–128. Der Aufsatz ist wieder abgedruckt als Nr. XIII in meinem Sammelband „Formula und Context“, Aldershot 1992. Die Entdeckung der literarischen Beziehungen zwischen Marius Victorinus und einem NH-Text hat mich zu einer neuen Bestimmung des Verhältnisses von gnostischen und philosophischen Elementen beim römischen Rhetor geführt, vgl. Abramowski, Nicänismus und Gnosis (wie Anm. 2). 7 SC 69, 863.

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 5.9 „Audi, ut dico“

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Ebenfalls viel deutlicher, als es nach Tardieu aussieht, ist der nächste casus, Adv. Ar. I 60,1. Der von Tardieu angegebene Inhalt (s.  o.) gilt für den allgemeinen Kontext, bestimmt aber nicht den genauen Umfang der „Offenbarung“. Das vorangehende c. 59 argumentiert u.  a. gegen jene, die usia als unbiblische Vokabel bezeichnen; also bringt der Verfasser Bibelstellen, in denen substantia vorkommt.8 60,1  f. greift aber mit νοῦς, sapientia und λόγος auf 59,13–17 zurück und will die Bedeutung dieser Wörter mitteilen: Quid vero significant, audi ut dico. Es folgt eine Beschreibung des circularis motus des summus νοῦς und der sapientia perfecta, „hoc est λόγος universalis“, die sich zur Beschreibung des Logos als sphaera (Kugel) steigert. In seiner Einordnung des Abschnitts in den größeren Kontext spricht Hadot von einem „developpement sur la sphère du Logos (60,1–31) qui s’explique parceque Victorinus semble utiliser une source […]“.9 Das Ende des feierlich Mitgeteilten wird angegeben (und damit wohl das Ende des Quellenstücks, eines Zitats!): 60,27 hic est deus. Zusammen mit der Aufforderung von 60,1 ergibt sich eine inclusio; Victorinus gibt diesem Stück einen christlichen Gebetsschluss, 60,27–31: hic est deus, λόγος totus, νοῦς totus, tota sapientia, omnipotens substantiva substantia, quem veremur, quem colimus, solo spiritu videntes, ipsius nutu et voluntate in ipsum erecti, gratia crucis miserante nos domino nostro Jesu Christo. Ἀμήν. Victorinus unterstreicht damit den Charakter der „Offenbarung“. Das „Hic est deus“ ist die Rechtfertigung der Übernahme dieses Stücks „mathematischer“ Metaphysik in die Gottes- und Trinitätslehre. In der Quelle des Victorinus diente der Gedankenkomplex von Punkt, Kreis, Kugel als Bewegung zur Veranschaulichung des Einschlusses von esse, vivere, intellegere (60,15  f.), so 60,12–27. Victorinus ist es, der dies wiederum auf die Beziehung von Vater und Sohn anwendet (60,7), aber es ist schwer zu sagen, wieviel vom Text um diese Zeile herum aus seiner eigenen Feder stammt. Für die nächste von Tardieu angegebene Stelle Adv. Ar. I 62,25 muss man früher einsetzen als Tardieu, nämlich bei 62,6. Dort beginnt eine kleine Doxographie, die die Struktur des Menschen betrifft. 62,6–11: quidem putant … quidem rursus … adhuc quidem … Diese letzteren meinen, der Mensch [148] bestehe de corpore quadripotenti quattuor elementorum et anima duplici et duplici τῷ νῷ (62,9–11). Marius Victorinus schließt sich dieser Ansicht an: Mea intelligentia haec, 62,11. Dann folgen ein paar Zeilen über den Leib mit Stichworten aus Gen  2,7 (62,11–14): Corpus enim sic […] habemus principia corporis. Mit 62,14 beginnt die Darstellung des doppelten νοῦς und der doppelten anima, „deklariert“ durch das evangelium cata Matthaeum et cata Lucam. Zitiert wird zunächst Mt 24,39–41. Wie die Folge zeigt, wird nur der matthäi8 Aus der Bemerkung des Victorinus I 59,25  f. zu Lk 15,12  f. (Zeile 24  f.: der Sohn verlangt vom Vater seinen Teil der „substantia“; der Sohn verschwendet die „substantia“ „dort“) geht hervor, dass Victorinus das als Aussage über die Seele versteht: als der Sohn „von dort hinabstieg, hielt er seine potentiae nicht fest“ – „das bezieht sich“ auf die Seele (Ista animae sunt) Es ist eine übertragene Auslegung vorausgesetzt – gehört sie auch zu den valentinianischen Spuren, die bei Victorinus anzutreffen sind? 9 SC 69, 877 unten.

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sche Text auf νοῦς und anima gedeutet. Victorinus fährt dann nämlich fort: Lucas autem adiecit de corpore duo, wofür Lk 17,34  f. (die „zwei in einem Bett“) angeführt wird. In der Erläuterung (62,21–25) heißt es: die „zwei auf dem Acker“ (bei Mt) sind zwei λόγοι oder νόες, der eine himmlisch, der andere hylisch, die „zwei Mahlenden in der Mühle“ sind zwei Seelen, die eine himmlisch, die andere hylisch. „Angenommen“ werden „also“ der himmlische νοῦς oder λόγος und die himmlische Seele, die Hylischen, λόγος und Seele, werden „zurückgelassen“. Hadot10 hat Analogien im Matthäus-Kommentar des Origenes und im Lukas-Kommentar des Ambrosius gefunden, beide mit der Verteilung auf zwei νόες und zwei Seelen; Origenes „vereinigt“ freilich „nicht alle diese Elemente im selben Individuum“, anders als Ambrosius.11 Keiner dieser beiden Kommentatoren verwendet das Adjektiv hylicus. Tardieu12 führt denn auch zwei Zeilen (62,26  f.) aus der Fortsetzung der bisher diskutierten Passage eben wegen dieses Adjektivs unter den „Gnostischen Themen“ bei Victorinus an. Aber das Prädikat „gnostisch“ müsste dann auch wegen „hylisch“ für den vorangehenden, eben referierten Text gelten.13 Die Fortsetzung, die bis zum Ende des Kapitels reicht, beginnt mit: Quomodo istud, audi. Hadot14 gibt als Inhalt von 62,25–39 an: „Exégèse du récit de la Genèse à la lumiere de la théorie des deux intelligences et des deux âmes“. Im engeren Kontext stellt sich die „offenbarende“ Erläuterung aber als Begründung für das Vorhandensein von zwei νόες und zwei Seelen dar, die die vorangehende neutestamentliche Exegese kennzeichnet. Das Ende der „Offenbarungsrede“ wird wie im Fall der Kugelbewegung des Logos deutlich angegeben und zwar mit demselben Mittel einer soteriologischen Wendung: der gerade beschriebene Mensch „muss gereinigt werden […] ut accipiat lumen aeternum et aeternam vitam; hoc autem perficit fides in Christo“, 62,37–39. Die Konstitution des Menschen im „offenbarenden“ Teil des Kapitels 62 ist komplizierter als in den Zeilen 11–25: das liegt nicht nur an der Berücksichtigung des „sensus“ (wofür griechisch αἴσθησις vorauszusetzen wäre), sondern auch an der „Lokalisierung“ der Elemente der menschlichen Konstitution „ineinander“. Mit dem „audi“ von 62,25 ist also eine literarische Naht gegeben, mit der die Verwendung einer anderen Quelle einsetzt. [149] Vergleicht man die Einführungsformeln Adv. Ar. I 49,7; 53,30; 60,1 und 62,25 so findet man, dass ihnen, abgesehen von 60,1, die Frage vorausgeht „Quomodo istu(c)d?“; vor 60,1 heißt es: „Quid vero ista significant […]“. D.  h. die jeweils folgenden „Offenbarungen“ werden als Erläuterungen verstanden.

10 Kommentar zu 62,14–25, SC 69, 887  f. 11 Ebd., 888. 12 Tardieu/Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm. l), 11a, Punkt 7. 13 Hadot bringt im Kommentar zu 62,27 (SC 69, 888) zu anima hylica eine gnostische Stelle aus den Excerpta ex Theodoto des Clemens von Alexandrien: ψυχήν γεώδη καὶ ὑλικήν. 14 Kommentar zu 62,25–39, SC 69, 888.

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 5.9 „Audi, ut dico“

149, 150

Außerhalb von Adv. Ar. I findet sich eine vergleichbare Aufforderung noch zweimal, Adv. Ar. IV 4,1 und Ad Candidum 7,1. Adv. Ar. IV 4,1. Tardieu15 hat schon darauf hingewiesen, dass hier der Leser hören soll: Audi, lector, audi quod miraberis, lector. Und dies ist es, was der hörende Leser bewundern soll (4,1–3): „Das so Schwierige, so Verwickelte, so Verschlossene werden wir hier in einer Abhandlung (tractatu) über Gott und das Göttliche durch eine einfache Erörterung (simplici disputatione) ausbreiten“. Nicht das „Verschlossene“ (clausa), Geheimnisvolle, ist hier Gegenstand von „Offenbarung“, sondern die „einfache“ Erörterung mit ihrem Element des Rationalen! Diese Bemerkung des Victorinus scheint mir nicht ohne Ironie zu sein,16 mindestens ist er sich der Eigentümlichkeit seines Stils bewusst. Man sehe nur im Abschnitt vorher (3,23–38) seine Darlegungen über vivere und vita, von denen er selber sagt (3,34  f.): Scio hoc obscurum videri posse, non tam rerum quam eorundem repetitionem sermonum. Das Thema der „einfachen Erörterung“ ist dann freilich die christliche Gotteslehre des Victorinus über Gott als substantia und Geist; sie füllt das ganze c. 4. Hadot führt zwar den Abschnitt bis 5,4, aber diese Zeilen beginnen: Ac de deo probatum puto […], nämlich durch den vorangehenden Text. Die thematische und damit auch literarische Geschlossenheit von 4,3–4,32 ergibt sich aus Anfang und Schluss: Deum certe fatemur omnes, deum omnipotentem […] Tria enim ista spiritus sunt: deus, Jesus, Spiritus sanctus. Hadot17 fasst den Argumentationsgang in fünf Punkten zusammen: „1. Wir glauben an Gott (4,1–5). 2. Also stellen wir fest, dass er ist (4,5  f.). 3. Aber wie sollen wir sein Sein definieren (4,6)? 4. Wir definieren es als eine substantia, die der Geist ist (4,7–16). 5. Dieser Geist lebt und ist Leben (4,17–32).18 Hadots 6. Punkt, „Conclusion (5,1–4)“, betrachte ich wie gesagt als Bestätigung Victorins, dass das vom Leser zu Bewundernde abgeschlossen ist. Hadot bezeichnet diese „Ideenfolge hier bei Victorinus als völlig stereotyp“. Die Konstanz des Schemas zeige sich in Adv. Ar. I 30,18–31,17; I 55,3–12; III 6,23–35. Aber im Text der angegebenen Passagen erscheint das Schema nicht in derselben Stringenz wie hier, seine Elemente sind in ausführlicheren Darlegungen verstreut. An einer späteren Stelle in seiner Untersuchung zieht Tardieu19 Ad Cand. 7,2–7 wegen seines Inhalts heran und setzt hinzu: „Ce passage introduit comme pour l’exposé commun au Zostrien et par la formule audi quemadmodum dico est peut-être aussi une citation provenant du même exposé“. Anders als in Adv. Ar. fehlt die Auskunft heischende Frage [150] „Wie das?“. Ad Candidum geht den Abhandlungen Adv. Ar. I–IV voraus – die Offenbarungsformel kann aber schon hier und an allen anderen

15 Tardieu/Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm. l), 61a. 16 Vgl. auch Hadot, SC 69, Kommentar, 985 zu 4,1–3: „Cette apostrophe rendra courage, même au lecteur moderne“! 17 Ebd., 985 zu 4,1–5,4. 18 Damit ist der Anschluss an c. 3 gewonnen. 19 Tardieu/Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm. l), 85b; Abramowski, Nicänismus und Gnosis (wie Anm. 2), 535 [hier in diesem Band S. 435].

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Stellen sehr wohl durch die so eingeleitete Zitation des Exposés angeregt sein. Ad Cand. 7,2–7 ist für Victorinus interessant durch die „chaîne ascendente“ der wahrhaft Seienden in den üblichen Begriffen mit den Steigerungsformeln supercaelestia […] et adhuc superius […] et super ista omnia.20 Das Ende der „Offenbarung“ ist wie in anderen Fällen durch den gedanklichen Neueinsatz (Zeile 7 In ista noster νοῦς […]) gegeben, in Hadots Übersetzung durch einen neuen Absatz bezeichnet. Die identische Einleitungsformel bedeutet aber notwendig die Herleitung des Abschnitts aus der Quelle des Exposés. Überblickt man die mit „Höre“ hervorgehobenen Textstücke (mit oder ohne vorangehende Frage) einschließlich des Exposés in Adv. Ar. I 49. 50, dann könnte man geneigt sein, in diesem Imperativ die Einführung von bedeutsamen Zitaten zu sehen; aber die Tatsache, dass Victorinus in dieser Weise in zwei Fällen auf Aussagen seiner christlichen Theologie (in deren Diensten doch sein ganzes Unternehmen steht) besonders hinweist, hindert einen an dieser Erklärung. Die Aufforderung zum „Hören“ ist unter seiner Feder ein allgemeiner Hinweis auf die Autorität des Mitgeteilten geworden; im Fall der „Zitate“ wird damit wohl auch die Berechtigung des Zitierens unterstrichen. Durch die koptische Parallele hat sich herausgestellt, dass in Adv. Ar. I 49 „Audi“ zur Quelle gehört (auch wenn im Koptischen nur der erste Buchstabe des Imperativs erhalten ist). Die Wiederholung des „quomodo istud“ in den oben besprochenen Texten könnte ebenfalls ihre Ursache darin haben, dass die Frage zur Quelle von I 49. 50 gehört, im Koptischen könnte man sie im nachgestellten Kolon wiederfinden, man vergleiche miteinander Quomodo istud? audi ut dico // „Zostrien, écoute à propos que tu cherches“21. Bei dieser Gelegenheit bemerkt man das Mittel, mit dem das Zitat in den gnostischen Kontext eingebaut wird: durch die Anrede des Offenbarungsempfängers. Die Offenbarung wird im „Zostrianus“, als solche angekündigt, 64,8–11: „Salamex [and] those [who] have revealed [to me] saying, Zostrianus […]‘“.22 Die Passage im „Zostrianus“, die Victorinus c. 49,7–40 entspricht, geht am Ende über ihren Vergleichstext, „[…] prae omnibus quae vere sunt“ (so in Tardieus Lesart, die der Ausgabe von Sichard folgt),23 hinaus mit „qui procèdent de l’Esprit véritablement existant“.24 D.  h. „Zostrianus“ beginnt seine Paraphrase des zweiten Teils des Exposés (Paraphrase und

20 Vgl. das Schema bei Tardieu/Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm. l), 85b. 21 Siehe die Synopse Tardieu/Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm. l), 34b. 22 Übersetzung John H.  Sieber, Nag Hammadi Library in English, Leiden 31988, 419. Inzwischen liegt die deutsche Übersetzung des NH–Fundes vor: Nag Hammadi Deutsch I.  II, von Hans Martin Schenke/ Hans-G.  Bethge/Ursula U.  Kaiser (GCS NF 8.12), Berlin-New York 2001. 2003. Mit Hilfe der Seitenzahlen der Codices lassen sich Zitate dann auffinden. Leider sind die Zeilenzahlen nicht übernommen. Zu beklagen ist die Übersetzung der triadischen Namen Kalyptos, Protophanes, Autogenes ins Deutsche. 23 Tardieu/Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm. l), 37a unten. 24 Tardleu/Hadot, Recherches sm la formation (wie Anm. l), 38b oben.

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 5.9 „Audi, ut dico“

150, 151

nicht mehr geschlossene Wiedergabe) schon hier. Übrigens hat er bereits im ersten Teil „omnia quae vere sunt“ aus dem „Geist“ abgeleitet,25 also [151] auch hier eine Übertragung aus dem zweiten Teil des Exposés in den ersten vorgenommen. Die Funktion des Exposés in seinem jeweiligen Kontext ist im „Zostrianus“ wegen der großen Textverluste sehr viel weniger gut zu bestimmen als bei Victorinus. Dieser sagt am Anfang von Adv. Ar. I 49, er habe zur Genüge von Gott und Logos, d.  h. von Vater und Sohn, sowie vom Logos, d.  h. vom Sohn und dem hl. Geist und ihrer Einheit gesprochen. Dann formuliert Victorinus das Problem von Eins und Zwei und ihrer Identität abstrakt. Hierauf folgt die Frage „Wie das?“. Das Exposé selbst nennt den Vater (50,1);26 und die zentrale Rolle des Geistes für die Einheit des Einen ist im zweiten Teil deutlich genug. Für Victorinus (wie für den „Zostrianus“) ist das ganze Exposé ein einziger durchgehender Text, den er, wie wir jetzt wissen, einer Quelle entnommen hat. Das Ende des Exposés ist durch den Neuansatz in 50,22 bestimmbar; dort ist vom „Hervorspringen“ des Einen die Rede, es wird in diesem status als „unum-unum“ bezeichnet. Tatsächlich aber besteht das Exposé nicht bloß inhaltlich, sondern auch literarisch aus zwei Teilen. Was jetzt die Anfangsformel von c. 50 ist, Hic est deus, hic pater, ist eigentlich die Schlussformel des ersten Teils. Man vergleiche die Offenbarungsrede Adv. Ar. I 60,1–27 über den Logos als Kugel (oben besprochen), sie beginnt „Audi ut dico“ und endet „hic est deus“. Eine analoge Abschlussformel, in diesem Fall „Haec deus“, haben wir in Adv. Ar. IV 24,39, sicher nicht zufällig am Ende eines Zitats, das ausnahmsweise als solches bezeichnet wird: „unde dictus est […]“ (Zeile 34  f.), dafür fehlt das sonst übliche „Höre“. Das Zitat ist bis heute nicht identifiziert.27 Ich führe den hübschen Text (mit Zählung der Zeilen) hier an. 34 unde dictus 35 est et:28 sedere quasi in centro τῶν πάντων ὄντων id est omnium 36 quae sunt, unde universali oculo, id est lumine substantiae 37 suae, qua vel esse est vel vivere vel intellegere, lineas τῶν 38 ὄντων non versabili („immuable“) aspectu videt, quia et quies est et a 39 centro simul in omnia unus est visus. Haec deus. Für das Ganze und die Einzelheiten verweise ich auf Hadots Kommentar;29 hier nur Hinweise auf die Organisation des Textes. „Unde“ in Zeile 34 bezieht sich auf den vorangehenden Abschnitt 24,21–34, in dem eine lange Reihe von Prädikaten des unum

25 Tardieu/Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm. l), 34b unten. 26 Danach kommt „pater“ in der lateinischen Fassung des zweiten Teils nicht mehr vor; aber in den Testimonien aus „Zostrianus“ zu I 50 erscheint der „Vater“ gefolgt von der „Mutter“! Siehe Tardieu/ Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm. l), 40b, Testimonium b. 27 SC 68, Apparat: auctor incertus; in Tardieu/Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm. l), 123b wird es unter den nicht identifizierten Zitaten aufgeführt. 28 Den Doppelpunkt habe ich zur Verdeutlichung hinzugesetzt. 29 SC 69, 1035  f.

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aufgezählt wird30 und ihr Verhältnis zu omnia bestimmt wird, „ut ne duo, auditor31, accipias“; der Abschnitt mit einer Wortspielerei zu „quies“ („quies“ auch im anschließenden Zitat). Von diesem Einen kann „auch“ (Zeile 35 „et“) das Folgende gesagt werden. Die [152] Einzelheiten des Zitats „finden sich in verschiedenen Richtungen des griechischen Denkens“32. Das „Sitzen“ erinnert an die unzähligen Abbildungen des thronenden Zeus; Hadot trägt eine Stelle aus Synesius bei („aus einem anderen Kontext“): „Gott sitzt unerschütterlich“, – „idée de la stabilité“. Das Zitat ist durchsetzt von Erläuterungen des Victorinus; die erste ist die Übersetzung der griechischen Wörter, Zeile 35  f. Ganz sicher eine Einfügung des Victorinus ist das Kolon Zeile 37, qua vel esse est vel vivere vel intellegere. Das „qua“ bezieht sich auf „substantia“ im vorausgehenden Kolon: „id est lumine substantiae suae“ (36  f.). Wenn auch das eine Erklärung des Victorinus wäre, dann würde sich das indirekte Zitat reduzieren auf: … sedere quasi in centro τῶν πάντων ὄντων unde universali oculo lineas non versabili aspectu videt, quia et quies est et a centro simul in omnia unus est visus („un seul regard se dirige en temps vers toutes choses“). – Soweit zu „hic/haec deus“ als Abschlussformel. Dass wie beim Übergang von Adv. Ar. I 49 zu 50 die abschließende Identifikationsformel zum Anfang einer anschließenden Darlegung werden kann, dafür haben wir als leider unvollständiges Beispiel das Amelius-Zitat bei Euseb:33 καὶ οὗτος ἄρα ἦν ὁ λόγος καθ’ ὅν […] Dörrie hat aus diesem Beginn des Zitats zu Recht erschlossen, dass eine Untersuchung über das Wesen des Logos vorangegangen sein müsse.34 Meine Vermutung ist, dass deren Abschluss οὗτος (oder ταῦτα) ὁ λόγος gelautet haben könnte. Die von Amelius vorgenommene Bestätigung des Gedankens durch Verweis auf Heraklit und Benutzung einer fremden Quelle (Johannes-Prolog) wird elegant durch das ἄρα vorbereitet. Das Exposé bei Marius Victorinus dagegen dreht einfach die Richtung der identifizierenden Schlussformel um: sie weist nicht mehr zurück, sondern voraus. Ein Rückbezug liegt vor in der folgenden Apposition von Gottesprädikaten, die an den Schluss von 49 erinnern; ein überleitendes „nun“ oder begründendes „nämlich“ fehlt jedoch. Der zweite Teil des Exposés knüpft auch stilistisch an den ersten an: er macht Gebrauch von Wortbildungen mit „prae-“, von derivativen Abstrakta mit der Endung „-itas“; thematische Bezüge: (selbstverständlich) Einheit des Göttlichen in sich selbst; vor allem aber im Thema der Bewegung (motio, gewiss = κίνησις). Dem stehen die

30 Zu dieser Liste vgl. Abramowski, Nicänismus und Gnosis (wie Anm. 2), 539  f. [hier in diesem Band S. 439  f.]. 31 An einer anderen Stelle soll der „lector“ „hören“; hier wird der Leser als „auditor“ angeredet. 32 SC 69, 1036 oben. 33 Euseb, Praeparatio evangelica XI 19,1. 34 Abramowski, Nicänismus und Gnosis (wie Anm. 2), 515 [hier in diesem Band S. 414  f.] zu Heinrich Dörrie, Une exégèse néoplatonicienne du prologue de l’évangile de saint Jean, in: Jacques Fontaine/ Charles Kannengiesser (Hgg.), Epektasis (FS Jean Daniélou), Paris 1972, 75–87, hier 78.

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 5.9 „Audi, ut dico“

152, 153

Unterschiede zwischen beiden Teilen gegenüber: die Rolle des Geistes (spiritus) im zweiten Teil – sie ist einerseits fundamental (unalitas spiritūs, 50,5), andererseits wird sie diskutiert (von Victorinus?); die Dreikräftigkeit (50,5. 10); die barbelognostische Trias existentia, vita, beatitudo (50,11. 13  f. 15); intellegentialitas (50,19) neben beatitudo erinnert daran, dass beatitudo für ursprüngliches intellectus eingetreten ist; schließlich die potentia, die idea et λόγος sui ipsius ist, – der Ausdruck, an dem Hadot die literarische Beziehung „Zostrianus“– Victorinus [153] entdeckte; was bedeutet es, dass die Paraphrase des zweiten Teils des Exposés im „Zostrianus“ gerade diese Formulierung mehrfach verwendet?35 Der zweite Teil des Exposes versteht sich als Fortsetzung und Ergänzung des ersten Teils, deswegen die neue Ausrichtung der ursprünglichen Abschlussformel des ersten Teils. Die literarische Naht zwischen den beiden Teilen suggeriert einen anderen Autor für den zweiten Teil als den des ersten Teils, einen Autor, der nicht nur an der Rolle des Geistes in der höchsten Gottheit interessiert ist, sondern ihn auch noch mit dem Prädikat „dreikräftig“ auszeichnet. Unterscheidet man zwei Verfasser für die beiden Teile des Exposés, dann kann die Beurteilung des ersten Teils unabhängig von der des zweiten erfolgen. Ohne Zweifel ist der erste Teil nicht gnostisch. Aber auch im Urteil über den zweiten Teil ist man nun freier, man braucht nicht mehr die inhaltliche Verträglichkeit mit dem ersten Teil exegetisch herbeizuführen, obwohl diese vom Autor des zweiten Teils selbstverständlich vorausgesetzt wird. Mit dieser meiner Ansicht über den Autor des zweiten Teils des Exposés ist also noch ein Schritt über meine Korrektur der Übersetzung Hadots in Zeile 50,5 hinaus getan: der Autor ist ein (Barbelo)Gnostiker.36 Wenn der zweite Teil des Exposés, den ersten Teil bewusst ergänzend, die Charakteristika der platonisierenden Barbelo-Gnosis37 aufweist und das ganze Exposé von Victorinus als literarische Einheit behandelt wird, dann ist auch die Quelle des Exposés bei Victorinus (und im „Zostrianus“!) barbelognostisch. Der barbelognostische

35 Abramowski, Nicänismus und Gnosis (wie Anm. 2), 543 [hier in diesem Band S. 442  f.]. 36 Damit wären auch meine Erwägungen in Nicänismus, 536 [hier in diesem Band S. 436], darüber überflüssig, ob dieser zweite Teil (nach der von mir vorgenommenen Korrektur an Hadots Übersetzung von spiritus) mittelplatonisch möglich sei oder nicht. 37 Diese Beurteilung klärt auch endlich die Herkunft von „spiritus“ in diesem Text, die ich in meinem älteren Aufsatz „Marius Victorinus, Porphyrius […]“ (s. oben Anm. 6) wie das „dreikräftig“ auf Beeinflussung des Porphyrius durch die Gnostiker zurückführte; ich folgte damit den maßgeblichen Vorgaben Hadots, der die Passage zum porphyrianischen Material bei Victorinus rechnete. Das führte mich und im Anschluss daran Ruth Majercik auf eine Datierung von „Zostrianus“ und „Allogenes“ in die Zeit nach 268, weil der philosophische Einfluss auf die NH–Schriften nicht auf Plotin zurückzuführen sei. Tardieu, der darüber in Tardieu/Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm. 1), 13b– 15a referiert, spottet ebd., 112 über unsere Ableitungen für den so problematischen spiritus in Adv. Ar. I 50. Aber meine alte These von der gnostischen Herkunft von „tripotens“ und „spiritus“ im Text des Victorinus erweist sich als richtig. Nur ist nach der Entdeckung des Exposés durch seine doppelte Bezeugung der komplizierte Umweg, den ich früher annahm, nicht mehr nötig: Victorinus hat das Exposé, das in sich nur zur Hälfte gnostisch ist, aus einer gnostischen Quelle.

153, 154 II Barbelognostiker 

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„Zostrianus“ benutzt also eine barbelognostische Quelle, und zwar eine Quelle, die bereits zum platonisierenden Typ dieser Gnosis gehört. Sah sich der Verfasser des „Zostrianus“ in seiner jetzigen Gestalt deswegen berechtigt zu den oben bereits beobachteten Eintragungen aus dem zweiten in den ersten Teil des Exposés? Die Formel, die die literarische Naht zwischen den beiden Teilen bezeichnet, fällt bei ihm fort.38 Tardieu stellt sich mit Recht die Frage, warum von hier ab das Latein und das Koptische [154] auseinandergehen.39 Könnte es nicht sein, dass der Inhalt des zweiten Teils des Exposés dem Verfasser des „Zostrianus“ aus anderen Texten bereits vertraut war und er es sich deswegen erlaubte, mit ihm in größter Freiheit umzugehen? Das Ergebnis dieses Umgangs ist Folgendes:40 „Outre leur lacunes, les dix-huit pages du Zostrien à examiner (66,12–84,22) sont passablement embrouillées du point de vue de leur contenu. Elles utilisent une abondante terminologie philosophique, celle-là même employée par Marius Victorinus, mais sont entremêlées de traits et de réflexions proprement gnostiques qui aboutiront aux doxologies de Barbélo dans les pages 86–87 et suivantes“. D.  h. aber, füge ich hinzu, dass das philosophische Material in den Dienst des gnostischen gestellt wird (und nicht etwa umgekehrt). Tardieu gehört zu jenen Gnosis- bzw. NH-Spezialisten, die der Meinung sind, dass der Plotinschule der ganze NH-„Zostrianus“ (natürlich in seiner griechischen Gestalt) vorgelegen habe.41 Würde Tardieu aus seiner Datierung des „Zostrianus“ dieselben philosophiegeschichtlichen Folgerungen ziehen, wie sie z.  B. John D.  Turner seit langem vertritt?

II Barbelognostiker Die Einleitungsformel „Audi ut dico“, mit der Marius Victorinus das Exposé in Adv. Ar. I 49. 50 einleitet und die er auch sonst noch (in Nachahmung jenes Zitats?) verwendet,

38 Siehe die Synopse bei Tardieu/Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm. 1), 38. 39 Tardieu/Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm. l), 88b. 40 Tardieu/Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm. l), 88bf. 41 Tardieu/Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm. l), 89a.; 90b; explizit 112. Ich zitiere diese letzte Passage: „De mon point de vue, la totalité“ (meine Hervorhebung) „du Zostrien dont nous connaissons la contenue par la version copte des Nag Hammadi codices était déjà écrite en 263“ (meine Hervorhebung), „lors de l’arrivée des Gnostiques dans l’école de Plotin“. (Das richtet sich gegen mich und Majercik). „La réflexion du Plotin, trouvant ridicule d’introduire dans les réalités premières la division de l’acte et de la puissance (II 9 [33], 1,23–26), vise le Zostrien 78,10–16 (publié dans PVP II,540) et 79,9–14, passages qui appartiennent à la section du traité où est paraphrasée la theologie positive de l’exposé cité par Marius Victorinus)“. – In der Tat ist dieser Komplex jenen Bestandteilen des „Zostrianus“ hinzuzufügen, die Antoinette Clark Wire zusammengestellt hat (siehe weiter unten), weil sie sich sowohl bei Plotin wie auf der gnostischen Seite finden und deswegen der Gestalt des Textes zugerechnet werden können, wie sie Plotin schon vorlag.

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 5.9 „Audi, ut dico“

154, 155

hat er mit der Parallele im „Zostrianus“ gemeinsam. Dieselbe Formel scheint bei den Barbelognostikern ebenso beliebt gewesen zu sein. 1) Im Johannes-Apokryphon dient sie zur Einschaltung eines Abschnitts,42 der zur platonisierenden Bearbeitung dieses barbelognostischen Texts gehört. Der Offenbarer, der auf die Bitte des Johannes Belehrungen verschiedenen Inhalts ankündigt, fordert den Johannes auf: „Höre […] was ich dir sage“ [155] (BG43 8502,2; 22,11  f.).44 Und dem „quomodo istuc“ bei Marius Victorinus, wo es dem „audi, ut dico“ vorangeht, entspricht im Apokryphon „und mir, der ich zu verstehen wünschte …“ (22,16  f.). Bei Victorinus haben wir beobachtet, dass die mit der „Höre“-Aufforderung eingeleiteten Texte sich deutlich abgrenzen lassen. Auch im Joh. Apokr. ist das der Fall, und zwar erkennt man das Ende am Einsatz einer neuen Erläuterung, die mit der rhetorischen Frage beginnt: „Was soll ich dir ihn betreffend sagen?“. In dieser kurzen Form, die für die ursprüngliche zu halten ist, steht die Selbstunterbrechung in der Fassung des Apokryphons NH II 1; 4,10, wogegen BG die Selbstunterbrechung erweitert hat, 26,1–6.45 Der Umfang des deutlich abgegrenzten und literarisch sorgfältig eingebauten Stücks macht im optisch leicht zu überblickenden Druck der NH Libr Engl3 ziemlich genau eine Seite (106) aus: „And I asked to know it […] (107) How am I to speak with you about him?“ Andererseits ist bekannt, dass enge inhaltliche Beziehungen zwischen einem Teil des Apokryphons und dem Referat des Irenäus in Adv. Haer. I 29 bestehen. Damit haben wir also für diesen Teil des Apokryphons einen vorplotinischen terminus ad quem, nämlich die Abfassungszeit von Adversus haereses, d.  h. das Jahr 185 ungefähr. Tardieu hat seine Übersetzung des Apokryphons mit einer Einteilung in Paragraphen versehen, mit der man leicht die Mengenverhältnisse des Textes darstellen kann. Nach seiner Gliederung beginnen die Parallelen zu Irenäus im Apokryphon mit § 13 (BG, 27,8; NH II 1; 4,29);46 Tardieus Index locorum zu „Irenaeus“ gibt zu Adv. haer. I 29,1–5 folgende Paragraphen des Koptischen an: 13–16. 19–24. 26. 28  f. 40,47 dies von 79 Paragraphen des Gesamttextes. Die philosophierende Einschaltung am Anfang hat das auffordernde „Höre“ schon in § 5, ihr Corpus füllt § 6–9 (§ 10 ist die Selbstunter-

42 Von John D.  Turner in seinem (noch unveröffentlichten) Vortrag von 2005, „The Platonizing Sethian treatises, Marius Victorinus’ philosophical sources, and pre-plotinian Parmenides commentaries“, 1 Anm. 1, als „Introductory theogony“ bezeichnet [der Vortrag ist unter dem Titel ‚Victorinus, Parmenides Commentaries and the Platonizing Sethian Treatises‘, in: Platonisms: Ancient, Modern, and Postmodern, hrsg. von K.  Corrigan und J.  Turner, Leiden 2007, 53–96, erschienen – d. Red.]. 43 BG = (Codex) Berolinensis gnosticus. 44 Michel Tardieu, Codex de Berlin (Sources gnostiques et manichéennes 1), Paris 1984, 86a. – Ich folge dem Berliner Codex, weil durch ihn das Joh. Apokr. unvergleichlich viel besser erhalten ist als in einer der NH-Fassungen. Die Differenzen zwischen den Fassungen werden natürlich berücksichtigt. 45 Tardieu, Codex (wie Anm. 44), 90 beide Fassungen nebeneinander. 46 Tardieu, Codex (wie Anm. 44), 92  f. 47 Tardieu, Codex (wie Anm. 44), 440; aber im Stellenapparat zur Übersetzung von § 40 wird kein Irenäustext angegeben.

155, 156 II Barbelognostiker 

 483

brechung des Offenbarungsredners). Diesen metaphysischen Anfang hat Irenäus offenbar nicht vorgefunden. Die Barbelo (auch bei Irenäus) tritt erst in § 13 auf (BG, 27,8–28,4; NH II 1; 4,29–5,11); aber die Paragraphen 11 und 12 stellen einen Übergang dar, der vermutlich den ursprünglichen in sich aufgenommen hat, vgl. den „Äon“ § 11 und Irenäus I 29,1. Die Überschriften, die Tardieu den Paragraphen des vorgeschalteten Textes verleiht, klingen dem Leser von Tardieu/Hadot ganz vertraut: § 6 Le Père est Ésprit,48 § 7 Éminence et Antériorité, § 8 Synthèse des Opposés, § 9 Attributs positifs. [156] Das Joh. Apokryphon hat also rein quantitativ gesehen eine beträchtliche Entwicklung durchgemacht: einerseits eine gewaltige Vermehrung des mythologischen gnostischen Materials ab § 30, andererseits die Zufügung der metaphysischen Offenbarungsrede. Niemand wird diese beiden Vorgänge der gleichen Hand zuschreiben wollen; vermutlich sind sie auch nicht zur gleichen Zeit erfolgt – aber wann? Ich halte den Zuwachs an gnostischem Stoff für älter als die Einfügung der metaphysischen Rede. Für beides hat man etwa 185 als terminus a quo. Uns interessiert hier natürlich eine mögliche Datierung dieses philosophischen Stücks. 2) Im Marsanes, NH X,1, kann ich keine literarische Einschaltung erkennen; freilich ist der Text miserabel erhalten. Als ganzer ist er natürlich eine Offenbarungsrede; er wird als sethianisch betrachtet, ohne dass deutliche Indizien dafür vorhanden wären. Mit den eindeutig barbelognostischen, platonisierenden NH-Traktaten hat er gemeinsam, dass er platonisch beeinflusst ist. Ich führe ihn hier nur an als Beispiel dafür, welche Freiheit in der Datierungsfrage die Nicht-Erwähnung in der Vita Plotini verschafft. Man lese dazu Birger A.  Pearson in seiner Einleitung zum „Marsanes“ in NH Libr Engl3:49 „Marsanes is one of the Sethian tractates in the Nag Hammadi corpus that have been profoundly influenced by Platonist philosophy. The others are The Three Steles of Seth (VII,5), Zostrianos (VIII,1), and Allogenes (XI,3). In fact, both in terms of its metaphysics and its ritual references, Marsanes represents a kind of Platonism which coheres well with that of the Syrian Neoplatonist philosopher, Jamblichus of Chalcis (ca. 250–325 C.  E.). For Marsanes, as for Jamblichus, matter is not evil; indeed it is capable for salvation (see esp. 5,14–26). Here we see a definite attenuation of the radical dualism characteristic of earlier gnostic texts. For Marsanes, as for Jamblichus, the descent of the soul into matter is not regarded as a fall but as a demiurgic function, a doctrine based on Plato’s discussion of the soul and its descent in the 48 Anders als im 2. Teil des Exposés wird hier die Identifikation tatsächlich ausgesprochen. – Es ist interessant, die Übersetzungen von Tardieu in Codex (wie Anm. 44), von Frederik Wisse in NH Libr Engl3 (wie Anm.  22) und von Michael Waldstein in: Schenke, NH Deutsch I (wie Anm.  22) nebeneinander zu legen; Waldstein zieht den Identifikationssatz zum Vorangehenden und beginnt danach einen neuen Abschmtt, im [156] Unterschied zu seinen Vorgängern. Der Anfangssatz, „Die Monade ist eine Monarchie“, bei Tardieu § 6, bekommt nur durch die gegenseitige Ergänzung der unvollständigen Texte zustande. Wie bei der barbelognostischen Trias beklage ich, dass „Monade“ und „Monarchie“ in der deutschen Übersetzung nicht wie im Koptischen als termini erhalten geblieben sind, sondern als „Einheit“ und „Einzigursprung“ erscheinen. 49 NH Libr Engl3 (wie Anm. 22), 460–462, hier 461.

484 

 5.9 „Audi, ut dico“

156, 157

Timaeus (41a–42b). In Marsanes, the descent of a figure called ‚the Self-begotten One‘ represents symbolically the descending soul in its demiurgic function (5,27–6,16). Similar ideas are expressed in Jamblichus’ famous treatise, On the Mysteries of Egypt (De mysteriis VIII,3)“. 3) Allogenes NH XI,3, wird von Antoinette Clark Wire in der Einleitung zur in NH Libr Engl3 so geschildert:50 Als Ganzes ist der Traktat „eine einzige Offenbarungsrede“; zwei Teile sind zu unterscheiden, I 45,1–57,23; II 57,24–69,19. Im ersten Teil gibt es wiederum fünf Offenbarungen der weiblichen Gottheit Youel an den Allogenes. – So weit Clark Wire. Der erhaltene Text beginnt sogleich mit dem „Dreikräftigen“, dann erscheinen Kalyptos, Protophanes, Autogenes. 47,7 wird eine Offenbarungsrede in der uns bekannten Form eingeleitet. „[But] concerning the invisible, [157] spiritual TriplePowered one, hear!“. Es folgt ein Text in der uns ebenfalls bekannten philosophischen Gestalt, ohne alle barbelognostischen Figuren, auch ohne den „Drei-Kräftigen“. Diese Verkündigung endet mit einer Liste von derivativen Abstrakta: „Vitalität, Mentalität, das was ist“ und ihrer gegenseitigen Inklusivität. „And the three are one, although individually they are three“ (49,26–37). Dass diese Offenbarungsrede hiermit endet, geht aus dem nächsten Satz hervor: „Now after I heard these things …“ Im zweiten Teil, verfasst nachdem der Offenbarungsempfänger, also Allogenes, hundert Jahre meditiert hat (!), ist mir der häufig wiederkehrende Ausdruck „primary revelation“ aufgefallen. Im Greek Patristic Lexicon ist das die Übersetzung von πρωτοφάνεια51 (im Liddell/Scott gibt es das Lemma nicht). Während „Protophanes“ im Allogenes transliteriert wird, ist das bei der zu erschließenden protophaneia nicht der Fall.52 Und was genau soll die Vokabel bedeuten? Uroffenbarung, Erstoffenbarung? Der erste und der zweite Teil des Allogenes sind auf zwei verschiedene Verfasser zu verteilen: die hundertjährige Pause zum Nachdenken ist eine sehr geschickte Begründung für das Anfügen einer weiteren Darlegung und passt aufs beste in die allgemeine Inszenierung überirdischer und deswegen geheimnisvoller Offenbarungen. In beiden Teilen des Traktats dienen die philosophischen Elemente zur Interpretation des barbelognostischen Jenseits; die barbelognostischen Elemente werden beibehalten, so dass die philosophischen Bestandteile ihrerseits mythologisiert werden. Die vergeistigende Interpretation kann auch in der folgenden Weise vorgenommen werden. Beim Beginn des zweiten Teils des Allogenes werden barbelognostische Größen von Allogenes „geschaut“, 58,12 „I saw […]“. Ich zitiere hier diesen kleinen Abschnitt,

50 Ebd., 490. 51 Als Beleg wird eine Stelle aus der „Himmlischen Hierarchie“ (10,1) des Ps. Dion. Areopagita angegeben. 52 Mit Allogenes 62,27–63,25 (im zweiten Teil der Schrift) wird inhaltlich verglichen Joh. Apokr. BG, 24,9–25,7, vgl. Clark Wire, NH Stud 28, 177. Eine Synopse im Vortrag von Turner (s.  o. Anm. 42). – Nag Hammadi Studies 28 (1990), ed. Charles W.  Hedrick, enthält (innerhalb der „Coptic Gnostic Library“) die zweisprachige Edition der Nag Hammadi Codices XI, XII, XIII.

157, 158 II Barbelognostiker 

 485

weil er sich in den Adjektiven und Prädikaten, die den bekannten Figuren zugeordnet werden, als philosophisch durchwirkt zeigt, man sehe meine Hervorhebungen. Übersetzung Turner53 NH Libr Engl3 von 58,12–27: „I saw the good divine Autogenes; and the Saviour is the youthful, perfect Triple-Male Child; and his goodness, the noetic perfect Protophanes-Harmedon; and the blessedness of the Kalyptos and the primary origin of the blessedness, the Aeon of Barbelo full of divinity; and the primary origin of the one without origin, the spiritual, invisible Triple-Powered One, the universal One that is higher than perfect“. Die nächste Schau („I saw […]“ 58,35  f.) findet statt im Zustand einer Entrückung aus dem Leib („ was taken […] out of the garment that was upon me, and taken up to a holy place […]“ 58,28–31). Auch jetzt erfährt Allogenes eine Anrede, die ihn über seine Beziehung zum göttlichen Bereich [158] aufklärt und über sein Verhalten darin. Der Aufenthalt dort ist zugleich Selbsterkenntnis (59,13–15 „[…] by which you know your proper self and, seeking yourself, […]“). Nach der Anrede schildert Allogenes sein Verhalten im Jenseits (60,13–22), das sich ganz nach dem richtet, was er eben gehört hat, also eine Verdoppelung darstellt. Der göttliche Bereich ist charakterisiert durch die Seligkeit, Lebendigkeit, Existenz (ὕπαρξις) und durch das unbekannte Eine. Dazu kommt noch das Begriffspaar στάσις – κίνησις. Die „Bewegung“ ist der „Lebendigkeit“ zugeordnet: „[…] withdraw to the Vitality that you will see moving“ (59,14–15); beim Rückzug in die „Lebendigkeit“ „sah“ Allogenes „an eternal, intellectual, undivided motion that pertains to all the formless powers […]“ (60,25–27). Aber das größere Interesse des Verfassers hängt am „Stehen“ (und an der „Ruhe“): „[…] but if you wish to stand, withdraw to the ὕπαρξις and you will find it standing and at rest after the likeness of the One, who is truly at rest […]“ (59,18–23), vgl. „[…] you may be able to stand […]“ (60,4), „[…] and I stood […]“ (60,22), „[…] when I wanted to stand firmly […]“ (60,28  f.), „[…] ὕπαρξις which I found standing and at rest like an image […] of the Indivisible One […]“ (60,32–36). Nach diesen Entrückungserfahrungen oder -erkenntnissen („And when I was confirmed in these matters […]“ 61,22  f.) wird Allogenes wieder der Aufforderung, er solle seine Inaktivität nicht durch Suchen unverständlicher Dinge behindern, „sondern höre über ihn“ (d.  h. über den „Dreikräftigen“ von 61,21), soweit das durch eine „primary revelation“ möglich ist (61,28–31). Das Ende dieser Offenbarungsrede wird deutlich angegeben: „And concerning all of these (things) you have heard certainly. And do not seek anything more, but go […] It is not fitting to spend more time seeking“ (67,20–24. 33–39). „Hören“ und „Nicht-Suchen“ sind die Themen der inclusio der Rede. Leider sind auf den Seiten 65–69 jeweils die ersten 14–16 Zeilen vollständig zerstört,54 so dass der Inhalt des Schlusses der Rede über den Einen auf Seite 67 fast 53 Der „Allogenes“ gehört zu den Traktaten in NH (wie Anm. 22) und NH Stud. 28, bei denen Einleitung und Übersetzung auf verschiedene Autoren verteilt sind. 54 Es ist empfehlenswert, sich das buchstäblich ad oculos vorzuführen, indem man die Kürze dieser Seiten in NH Stud. 28,232–241 mit den vorangehenden vergleicht.

486 

 5.9 „Audi, ut dico“

158, 159

ganz fehlt. Das gleiche gilt für die Beauftragung des Allogenes durch den Redner (68) und die Anrede des Allogenes an seinen Sohn Messos, mit der die ganze Schrift auf Seite 69 endet. Innerhalb der eigentlichen Offenbarungsrede 61,32–67,20 gibt es einen Passus (62,28–63,25), der eine Parallele im philosophischen Stück des Joh. Apokr. hat.55 Die parallelen Texte sind nicht absolut deckungsgleich (schon die des Joh. Apokr. sind ja unter sich nicht ganz identisch). Der Vergleich zeigt, dass der für den zweiten Teil des „Allogenes“ so charakteristische Ausdruck „primary revelation“, der sich in unserer Offenbarungsrede plötzlich in anderer Verwendung als sonst im zweiten Teil findet (63,14), mitsamt etwas Kontext im Joh. Apokr. fehlt.56 Mir ist auffällig, wie abrupt diese große Offenbarungsrede in 61,32–62,6, inhaltlich gekennzeichnet durch verblüffende Paradoxa beginnt: „Now he is something insofar as he exists in that he either exists and will become or acts or [159] knows, although he lives without Mind or Life or Existence or Non-Existence, incomprehensibly. 62 And he is something along with his proper being. He is not left over in some way, as if he yields something that is assayed or purified [or that] receives or gives“. M.  E. ist dieser Anfang, zusammengenommen mit der Aufforderung „höre“ vorher und dem Abschluss „du hast gehört“ ein Hinweis darauf, dass die Form der Offenbarungsrede dazu dient, ein Zitat unterzubringen. Die Quelle ist ihrerseits schon von der barbelognostischen platonisierenden Art, wo sich die bekannte Triade mit dem Gedanken des Dreikräftigen Einen und des Unsichtbaren Geistes verbindet. Wer die Prädikation des höchsten Wesens als „primary revelation“ in diesen Text eingefügt hat, ist schwer zu bestimmen. Auch im ersten Teil des „Allogenes“ war die eingeschaltete Offenbarung eine Rede über das höchste Wesen – ist das ein Gattungsmerkmal? Als literarisches barbelognostisches Produkt ist auch der „Allogenes“ ein Zeugnis für die ständige Überarbeitung und Weiterentwicklung gnostischer Texte. 4) Im „Zostrianus“ gibt es außer dem Exposé (mit seiner Parallele bei Marius Victorinus) eine weitere Offenbarungsrede, an einer viel früheren Stelle im Text: Seite 14. Ihr Anfang mit „Höre“ ist gut auszumachen (VIII,1; 14,2), aber wegen des miserablen Erhaltungszustandes nicht ihr Ende. Aus dem Inhalt von Seite 15 lässt sich erschließen, dass diese spezielle Mitteilung nicht länger war als Seite 14, vielleicht schon vorher auf dieser Seite endete. Voran geht auf Seite 13 ein Wortwechsel zwischen Zostrianus und dem „Kind des Kindes, Ephesech“. Zostrianus will über die Kraft des Taufwassers57 und die „Namen, auf die wir getauft werden“, unterrichtet werden. Hier die Antwort: Sieber58: 55 Siehe bereits oben Anm. 52. 56 In 63,14 wird nämlich überraschend das höchste Wesen selber als „primary revelation“ bezeichnet, wogegen sonst die „primary revelation“ von ihm berichtet. 57 13,16: „Wasser“ bei Schenke, NH Deutsch II (wie Anm. 22), 642, Sieber, NH Libr Engl3 (wie Anm. 22) hat „mixture“. 58 NH Libr Engl3 (wie Anm. 22), 407.

159, 160 II Barbelognostiker 

 487

14 He said, „Zostrianus, listen about these, […] for the first […] origins are three, because they have appeared in a single origin [of] the Barbelo aeon, not like some origins and powers, nor like (one) from an origin and power. It is to every origin that they have appeared; they have strengthened every power; and they appeared from that which is far better than themselves. These (three) are Existence, Blessedness and Life59. […] […] companions […] in a […] and concerning the […] having named […] more than … […] and […] a perfect […] from […] a […]“. (Es folgen sechs unlesbare Zeilen). Schenke60: 14 und sagte, „Zostrianus, höre über [alle] diese! Denn es gibt drei prae[existente] Ursprünge, die in Erscheinung getreten sind aus ein und demselben Ursprung, nämlich dem Äon der Barbelo, nicht wie Ursprünge und Kräfte, auch nicht wie aus einem Ursprung und einer Kraft, während sie jeden in Erscheinung treten ließen und jede Kraft mit Kraft versehen haben und in Erscheinung getreten sind [aus] dem, der [viel] besser als sie ist, welche sind: das Sein, [die] Seligkeit und das Leben61. Diese [aber, während sie] miteinander [offenbar sind, sind in Erscheinung getreten] aus ein [und [160] demselben] Ursprung […] und deswegen […], indem sie benannt wurden […] ein vollkommener […] einem [Ursprung …].“62 Auf Seite 15 des „Zostrianus“ wird eine Zuordnung der eben offenbarten Trias zu den (Tauf)Wassern der barbelognostischen Trias Autogenes, Protophanes, Kalyptos (diese Reihenfolge ist durch den Aufstieg des Zostrianus bedingt) vorgenommen, 15,4–12: It is the water of life that belongs to Vitality in which you have been baptized in the Autogenes. It is in the [water] of Blessedness which belongs to Knowledge that you will be baptized in the Protophanes. It is in the water of Existence [which] belongs to Divinity, the Kalyptos. Die philosophische Trias in ihrer religiösen Gestalt wird in ihrer Reihenfolge geändert, um die feststehende Hierarchie von Kalyptos, Protophanes, Autogenes eingepasst zu werden: Kalyptos – Existence (interpretiert als Protophanes – Blessedness/ Knowledge (in Erinnerung daran, dass „Seligkeit“ für den ursprünglichen „Intellekt“ eingetreten ist), Autogenes-Material wird also in das existierende gnostische Raster eingefügt, was bedeutet, dass die gnostische Trias in der Entwicklung gegenüber der Einführung der philosophischen Trias die frühere ist. Dass es sich um eine Einführung, Einfügung eines von außen aufgenommenen Materials in das Eigene handelt, erweist sich am Mittel der Einführung, nämlich dem der Offenbarung. Was ich eben über die ständige Überarbeitung gnostischer Texte aus Anlass des „Allogenes“ sagte, wäre hier zu wiederholen. Hier gab es keine kanonischen Bücher,

59 Man beachte, dass die Reihenfolge Existence, Life, Blessedness hier in den Gliedern 2 und 3 umgestellt ist. 60 Schenke, NH Deutsch II (wie Anm. 22), 642. 61 Siehe Anm. 59. 62 Ich habe hier zwei Übersetzungen des gleichen Textes mitgeteilt, weil sie Differenzen enthalten, deren inhaltliche Plausibilität mal auf der einen, mal auf der anderen Seite einleuchtet; das Richtige muss anhand des Koptischen entschieden werden.

488 

 5.9 „Audi, ut dico“

160, 161

deren Textbestand zu hüten war, vielmehr wurden neue Elemente in die älteren, vorhandenen Schriften auf literarisch noch greifbare Weisen eingearbeitet. Da, wo Einfügungen sich als „Offenbarungen“ geben, werden sie dadurch nicht nur autorisiert, sondern erheben auch noch den Anspruch der mündlichen Unmittelbarkeit  – die Ironie liegt darin, dass es sich offenbar um Zitate handelt also um literarische Abhängigkeit. Diese Beobachtung macht es ganz unwahrscheinlich, dass die Schriften, deren Titel sowohl in der Vita Plotini des Porphyrius wie unter den NH-Traktaten auftauchen, literarisch miteinander völlig identisch sind; vielmehr ist anzunehmen, dass sie mehr als einer Überarbeitung unterworfen wurden.

[161] III Chronologische Probleme Clark Wire hat in ihrer Einleitung zum „Allogenes“ in NH Stud. 2863 gewissenhaft alle Gründe erörtert, die dagegen sprechen können, dass „Allogenes“ dem Plotinkreis in derselben Gestalt vorgelegen hat, wie wir sie aus den NH-Texten kennen (natürlich abgesehen von den Textverlusten der letzteren). Schließlich entscheidet sie sich doch für die Identifikation beider, mit allen philosophiegeschichtlichen Folgerungen.64 Einer der Gründe, die gegen die Identifikation sprechen können, ist die von Clark Wire angeführte Nachricht bei Epiphanius im Panarion, dass es mehrere „Allogeneis“ gebe.65 Es handelt sich um die Berichte Nr. 39 und Nr. 40 des Panarions, über Sethianer und Archontiker. Epiphanius schrieb das Panarion in den Jahren von 374 bis 377; seine Nachrichten über noch vorhandene oder schon verschwundene gnostische Gruppen und ihre Lokalisierung betreffen also die Zeit, in der die Schriften von NH versteckt wurden und Marius Victorinus seine theologischen Bücher schrieb. Dies rechtfertigt eine (erneute) Durchmusterung der einschlägigen Kapitel des Häresiologen. Pan. Nr. 39,1,1: Die Sekte der Sethianer wird nicht überall gefunden, die meisten scheinen „mit der Wurzel ausgerissen“ zu sein. 1,2: Epiphanius meint sich zu erinnern, dass er sie „im Land der Ägypter“ angetroffen hat, ist sich aber über diesen (geographischen) Punkt nicht mehr sicher.66 Manches hat er φύσει αὐτοψίᾳ über sie erfahren,

63 NH Studies 28, 173–191. 64 Ich zitiere hier nur den Schluss der Einleitung (191), mache aber auf die Möglichkeitsform des Verbums („would allow“) aufmerksam: „An Alexandrian origin of Allogenes would allow for whatever influence this text had on Platonists including Plotinus, the reverse influence in the demythologizing of gnostic thought in a Platonic direction, as well as the subsequent Bohairicised (upper Egyptian) Sahidic translation that we read“. 65 Clark Wire, NH Stud 28, 173  f. 66 Sollte sich diese Unsicherheit daraus erklären, dass Epiphanius sich auf seinen Aufenthalt als Jüngling in Ägypten vor ca. 335 bezieht, über den er in Panarion Nr. 26 berichtet?

161, 162 

III Chronologische Probleme 

 489

anderes aus ihren Schriften. Die Sethianer führen sich auf Seth zurück, den sie mit Christus, mit Jesus identifizieren (sie sind also erkennbar christliche Gnostiker).  – Aus dem Referat des Epiphanius über die Lehre der Sethianer, das 3,5 zusammenhängend verläuft, danach aber von Widerlegungen durchsetzt ist, ist für uns nur „die obere Kraft“ (ἡ ἄνω δύναμις) wichtig, sie heißt „Mutter“ und „(die) Weibliche“. 5,1: Sie schreiben Bücher unter dem Namen großer Männer, so sieben unter dem Namen Seths, andere nennen sie Ἀλλογενεῖς. Pan. Nr.  40,1,1: Von den Archontikern wird „nicht an vielen Orten“ berichtet, mit Ausnahme der Provinz Palästina. Aber jetzt ist ihr Gift wohl nach Großarmenien gebracht worden; 1,2: in Kleinarmenien ist dies Unkraut schon von einem Mann namens Eutaktus ausgesät worden. Epiphanius kann die Aktivität des Eutaktus datieren: In der Zeit des Konstantius, gegen deren Ende (d.  h. gegen das Jahr 361), begab sich Eutaktus von Armenien nach Palästina, erlernte dort die κακοδιδασκαλία und lehrte sie nach seiner Rückkehr in seiner Heimat. – Mit dieser Zeitangabe geraten wir in [162] die letzte palästinensische Zeit des Epiphanius, der 367 aus Palästina als Bischof nach Salamis (Zypern) ging. – 1,3–1,7 ist innerhalb von Nr. 40 eine Digression über den palästinensischen Lehrer des Eutaktus, ausgestattet mit konkreten Ortsangaben, nur zur Datierung wüsste man gerne etwas. 1,3: Der Lehrer ist ein γέρων, ein „Alter“, namens Petrus, der im Gebiet von Eleutheropolis67 und Jerusalem lebte, drei Meilen jenseits von Hebron, in einem Dorf namens Kephar Baricha. Aus 1,4 erhält man die folgenden Angaben, wenn man die polemische Stilisierung durch Epiphanius fortlässt: Petrus trug ein Schafsfell, war Anachoret, lebte in einer Höhle, führte viele zur ἀπόταξις, zum „Rückzug“ (aus der Welt), und hieß „Vater“ wegen seines Alters und seiner Kleidung, er hatte sein Vermögen unter die Armen verteilt und gab täglich Almosen.68 – Petrus entspricht also völlig dem Anachoretenideal, wie es etwa die Vita Antonii des Athanasius zeichnet, und wird als ein solcher Anachoret geehrt. – Die Paragraphen 1,5–7 schildern die religiöse Einstellung des Petrus und die kirchliche Reaktion darauf; 1,5: In seiner Jugend gehörte er „vielen Sekten“ an. Unter dem Bischof Aetius (Bischof von Eleutheropolis? Daten?) wurde er als der Sekte der „Gnostiker“69 zugehörig angeklagt, verlor sein Presbyteramt und wurde von Aetius des Ortes verwiesen; Petrus ging nach Arabien, nach Kokaba („wo die Ebioniten und Nazoräer ihre Wurzeln haben“). 1,6: Später (wann?) kehrte der Exulant zurück „wie einer, der beim Nahen des Alters vernünftig geworden ist“. Aber wegen „Worten“, die er in die Ohren einiger (τινες) „geflüstert“ hatte, wurde er von Epiphanius angeklagt, mit dem Anathem belegt und widerlegt. Sein Anachoretenleben in der Höhle führte er danach weiter, „verachtet“ und von „den meisten“ (also nicht von allen!) allein gelassen. – Das Eingreifen des Epiphanius gehört natürlich in seine

67 Epiphanius selber stammte aus Eleutheropolis, daher seine guten Lokalkenntnisse. 68 Das setzt voraus, dass er sich die nötigen Mittel durch zu verkaufende Handarbeit erwarb. 69 Man erinnert sich daran, dass bei Irenäus die „Gnostiker“ Vertreter der Barbelognosis sind.

490 

 5.9 „Audi, ut dico“

162, 163

palästinensische Zeit, d.  h. vor 367. Aber geschah das vor oder nach dem Besuch des Eutaktus bei Petrus? Ich habe dies alles so ausführlich referiert, weil die Vorstellung, dass die NH-Texte vielleicht von christlichen Mönchen versteckt worden sein könnten, Erstaunen bis Anstoß erregt. Hier im Bericht des Epiphanius haben wir einen palästinensischen Anachoreten von untadeliger asketischer Lebensweise, als Presbyter auch kirchlicher Amtsträger, der insgeheim ein christlicher Gnostiker ist; zweimaliges kirchliches Eingreifen in wohl größerem zeitlichen Abstand hat ihn von seiner Einstellung nicht abgebracht. – Ist Nr. 40,2,4 nur eine Verallgemeinerung dieses einen Falls? Dort wird von den Archontikern generell gesagt, dass sie fasten und als μονάζοντες die ἀποταξία üben, womit sie auf die „Einfacheren“ einwirken. (Ich habe diesen Satz der Polemik des Epiphanius entkleidet). Epiphanius kehrt mit Pan. Nr.40,1,8 und 9 nach seiner Digression wieder zu Eutaktus zurück. Ein vielsagender Hinweis, die Reise des Eutaktus betreffend, wird in 1,8 nachgetragen: der Armenier kam aus Ägypten, als er den Petrus aufsuchte. – Hat man ihn in Ägypten vielleicht auf Petrus [163] hingewiesen? – Auch der Herkunftsort des Eutaktus in Kleinarmenien wird nachgetragen, er stammt aus der Gegend von Satale. 1,9: In seiner Heimat hat Eutaktus großen Erfolg, und zwar, was von größtem soziologischen Interesse ist, in der Oberschicht: bei „Reichen“, einer „senatorischen (Dame)“ und anderen „Angesehenen“, was von diesen auf „viele“ ausstrahlte. Eutaktus starb dann bald. – Jene „Angesehenen“ gehören derselben Klasse an wie die berühmten kappadokischen Theologen und ihre Familien, ihre genauen Zeitgenossen. Das Wirken des Eutaktus unter den vornehmen Kleinarmeniern setzt wohl voraus, dass diese bereits Christen waren, aber der Reisende sie mit gnostischer (Geheim)Lehre (und wahrscheinlich auch Literatur) versorgte. Mit Pan. Nr.  40,2,1 beginnt ein langer Bericht über Literatur und Lehre der Archontiker. Zunächst werden zwei ihrer Bücher genannt: die „Kleine“ und die „Große συμφωνία“, von Frank Williams sicher richtig mit „Harmony“ übersetzt.70 Dem folgt (noch in 2,1) eine Bemerkung allgemeiner Art, die höchst zutreffend den gnostischen Literaturbetrieb als ganzen beschreibt. „They pile up certain other books, moreover, to any they may light on, to give the appearance of confirming their own error through many“. Zu solchen übernommenen Büchern gehören die Ἀλλογενεῖς genannten, – der Plural wird im nächsten Satz bestätigt: „es gibt Bücher, die so genannt werden“. Die Lehre entnimmt Epiphanius der „Symphonia“ (2,3); für unsere Probleme hier sind nur die höchsten göttlichen Wesen interessant. An der Spitze der Ogdoade steht die Μήτηρ φωτεινή (2,3). Später (2,8) hören wir von der „höheren Mutter und dem Vater aller“. Dieser Vater ist der ἀκατάληπτος θεός (5,2). In 7,1 ist es die ἄνω δύναμις, die mit ihren Gehilfen den Seth entrückte; 7,3

70 Frank Williams (transl.), The Panarion of Epiphanius of Salamis. Book I (Sects1–46). (NH Stud 35), Leiden 1987, 263.

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III Chronologische Probleme 

 491

heißt sie ἀκατονόμαστος δύναμις71, neben ihr „der gute Gott oben“, „der von ihnen ὁ ἄνω θεός genannte“ (7,9). Es sind übrigens die sieben Söhne des Seth, die „Allogeneis“ heißen (7,5) – hier verweist der Häresiologe auf die früheren Erwähnungen von Büchern dieses Namens bei den „Gnostikern“ und den „Sethianern“, d.  h. auf Pan. Nr. 26,8 und 39,5. Die Referate des Epiphanius belegen die Existenz von Barbelognostikern auch noch in der zweiten Hälfte des 4. Jhdts., sie haben sich durch zweihundert Jahre hindurch lebendig erhalten, wenn wir den Bericht des Irenäus an den Anfang stellen. Die geographischen Angaben des Bischofs von Salamis führen uns nach Ägypten, Palästina und (jüngst, siehe den Eutaktus und seine Mission) nach Kleinarmenien. (Von Rom hören wir nichts). Kleinarmenien grenzt an Kilikien, wo der Neuarianer Aetius zu Beginn seiner Karriere eine deprimierende Niederlage im Disput mit einem „Borborianer“ erlitt, das war ca. 352. [164] Trotz seiner ausgebreiteten Kenntnis gnostischer Schriften ist dem Epiphanius in ihnen offensichtlich nicht die barbelognostische Gruppe höchster Wesen begegnet, die wir als den „Dreikräftigen (Geist)“, als Kalyptos, Protophanes, Autogenes72 kennen (das reichliche Vorkommen von δύναμις in NH ist nicht spezifisch genug), um von solchen philosophierenden Traktaten, wie sie Nag Hammadi bietet, ganz zu schwiegen.73 Dass dem Häresiologen die römische Szene nicht vor Augen steht, ist nicht verwunderlich. Aber auch die griechische Gestalt der NH-Traktate, für die man als Entstehungsort Alexandrien vermuten kann, scheint ihn nicht erreicht zu haben. Zu esoterisch, zu jung? Gegen letzteres könnte man einwenden, er wisse doch von dem Unternehmen des Eutaktus – das aber spielte sich gewissermaßen vor seiner Haustür ab; es ereignete sich wohl wenig in Palästinas Mönchskreisen, worüber der neugierige Epiphanius in Unkenntnis blieb. Die Barbelognostiker des Irenäus (Adv. haer. I 29) und die des Epiphanius haben als oberste Größen im jenseitigen Bereich die „Mutter“ gemeinsam (Iren. I 29,3; Epiphanius s. oben), den „Vater“ (29,1 und 3, hier die Trias Mutter, Vater, Sohn; Epiphanius s. oben), der Vater „inominabilis“ (29,1; bei Epiphanius die δύναμις s. oben). Aber in den Referaten des Epiphanius fehlt der „virginalis spiritus“ des Irenäus (29,1 und 3), der für NH und Marius Victorinus so wichtig ist. Auch hat der Bericht des Irenäus schon den „(großen)Äon“ (ebenfalls 29,1 und 3), den wir in NH wiederfinden. Was wir aus Plotin und Porphyrius über die Gnostiker in der Schule Plotins erfahren (von denen wir ja erst seit den NH-Funden wissen, dass es sich um Bar-

71 Zu solchen negativen Prädikaten wie „unfassbar“ und „unnennbar“ s. jüngst Chiara O.  Tommasi Moreschini, Viae negationis della dossologia divina nel medioplatonismo e nello gnosticismo tsethiano (con echi in Mario Vittorino), in: Francesca Calabi (ed.), Arrhetos theos. L’ineffabilità del primo principio nel medioplatonismo, Pisa 2002, 110–150. 72 Autogenes schon bei Irenäus für den Logos, I 29,2. 73 Ohne Zweifel hätte er deren Verfassern Anmaßung vorgeworfen. – Was Epiphanius tatsächlich tadelt, sind Anleihen bei der griechischen Mythologie, Pan. Nr. 26,2,4; 16,6 und 8.

492 

 5.9 „Audi, ut dico“

164, 165

belognostiker handelt), ist nicht nur eine Vermehrung unserer Kenntnisse über diese gnostische Richtung, sondern lässt auch eine Entwicklung ihres Schrifttums und ihrer Lehre seit den Mitteilungen des Irenäus erkennen. Zu dieser Entwicklung müssen die charakteristischen Namen von Offenbarungsempfängern in den Titeln der NH-Traktate gehören, wie sie uns dann in anderen Quellen (nicht immer in dieser Funktion) wieder begegnen. Den Lehrbestand der Barbelognostiker in Plotins Schule können wir anhand der literarischen Beziehungen zwischen Plotins Kritik und barbelognostischen, koptisch überlieferten Schriften bestimmen. Hier die Liste, wie sie Clark Wire in ihrer Einleitung zum „Allogenes“ in NH Stud 28 vorlegt:74 „There are a number of features present in the Allogenes text group that are attacked by Plotinus. He is suspicious of the cultic elements, particularily what he calls ‚incantations‘ (Allogenes XI,3: 53,37–54,37; Three Steles of Seth, passim) and ‚magical hissings‘ (Allogenes XI,3: 53,36–37; Zost. VIII,1: 127,1–5; Marsanes X: 31,22–32,4). He ridicules their invention of new jargon including παροίκησις (transmigration), ἀντίτυποι (antitypes) and μετάνοια (repentence) (Enn. II.9.6; the only known gnostic occurences of this triad are in Zost. VIII, 1: 8,10–18; 12,9–22; and in the Untitled text of the Bruce Codex, 51,7–10; Schmidt-[165]MacDermot, Bruce Codex, 263,20–2275).“ Dazu kommen die Zeilen über die Unterscheidung von dynamis und energeia bei Plotin bzw. im „Zostrianus“, wie sie Tardieu nebeneinander gestellt hat.76 – Es ist übrigens interessant (von Clark Wire nicht erwähnt), dass die Gnostiker dem Meister die genannten termini als Leiden der Seele bedeutend erläuterten,77 74 NH Stud 28, 187. 75 Zum „Zostrianus“ und zum Bruce Codex siehe meinen Aufsatz „Nag Hammadi 8,1 ‚Zostrianus‘, das Anonynum Brucanum, Plotin Enn. 2,9 (33)“, in: FS Heinrich Dörrie (JAC Erg. Bd. 10), Münster 1983, 1–10, wieder abgedruckt in meinem Sammelband „Formula und Context“, Aldershot 1992 als Nr. XII; zur richtigen Überetzung von παροίκησις mit „exile“ siehe dort 3. 76 Tardieu/Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm. 1), 112; oben zitiert Anm. 37. – Übrigens finde ich, dass Armstrongs Übersetzung von Plotin Enn. II 9 (33), 1,23 Οὐ γὰρ δὴ […] φήσουσι mit „For they will not assert that […]“ die Nuance der plotinischen Ironie nicht genau trifft, weil Armstrong von den beiden Partikeln γὰρ δὴ nur die erste übersetzt. Entscheidend ist jedoch δή in Verbindung mit οὐ; das ergibt „Sie werden doch nicht sagen (wollen), dass…“, englisch vielleicht „They certainly will not (want to) assert that […]“, denn das wäre γελοῖον (Zeile 24). 77 Plotin Enn. II 9 (33), 6,3–7: „Wenn sie nämlich dies (ταῦτα) Leiden der Seele nennen, wenn sie sich in Reue befindet, und ‚Antitypen‘, wenn sie gewissermaßen Bilder der Seienden schaut, aber nicht die Seienden selbst, dann benutzen sie eine neue Sprache zur Befestigung ihrer eigenen Richtung“. (Zur παροίκησις referiert Plotin keine solche Erklärung). – Bezieht sich auf diese Stelle „Zostrianus 12,5–13,6? Bei Sieber, NH Libr Engl3 (wie Anm. 22), 407, lautet das: „Those who receive a model of their souls are still in the world. They came into being after the departure of the aeons, one by one, and they are removed one by one from the copy of Exile to the Exile that really exists, from the copy of Repentance to the Repentance that really exists [and from the] copy of Autogenes to [the Autogenes] that really exists“. – „That really exists“ müsste ὁ/τὸ ὄντως ὄν/ὤν sein. Ich gebe hier noch die Übersetzung von Schenke, NH Deutsch II (wie Anm. 22), 642, wegen der Differenzen zu Sieber, NH Libr Engl3 (wie Anm. 22) in der ersten Hälfte der Passage. „Und die demütigen Seelen üben sich durch die Gegenbilder, sie, die eine Prägung ihrer Seelen empfangen, solange sie noch in der Welt sind. Nach

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III Chronologische Probleme 

 493

also eine exoterische Erklärung ihrer topoi gaben, wie wir das von ihnen auch sonst gelegentlich hören.78 Die Anwesenheit der aufgezählten barbelognostischen Lehren bei Plotin und in NH-Texten erlaubt jedoch nicht den automatischen Rückschluss, dass deswegen alles Übrige, was wir erst aus NH und Marius Victorinus kennen, in jene frühere Zeit und in die Schriften mit identischen Namen in deren damaliger Gestalt zurückzuprojizieren sei. Doch ist aus Plotins Kritik und aus den koptischen Parallelen zu erheben, was sich seit dem mittleren 3. Jhdt. als fester Lehrbestand bei jener barbelognostischen Richtung gehalten hat, die für die plotinische Zeit in Rom bezeugt ist. Der ständige Hinweis auf den [166] „Zostrianus“ verliert seine Überzeungskraft angesichts der instabilen Gestalt gnostischer Schriften, unter denen „Zostrianus“ keine Ausnahme ist. Was die Philosophie betrifft, von der die „platonisierenden“ Traktate des NH-Fundes Gebrauch machen, so kann sie weder direkt aus Plotin abgeleitet werden noch gar als Quelle für Plotin gedient haben. Zu diesem Punkt bleibt nach wie vor in Geltung, was Majercik 1992 geschrieben hat.79 Die Triade Existenz, Leben, Intellekt (mitsamt Varianten) als zusammenfassende Charakteristik dieser Metaphysik nehmend sowie die Tatsache, dass die Triade vor Plotin nicht bezeugt ist, als ein chronologisches Datum berücksichtigend, gibt sie die folgenden Gründe dafür an, dass Plotin keine von beiden Rollen gespielt haben kann: „First of all, the various triads found in gnostic texts often appear in an explicit and fixed form that is not a feature in Plotinus’ writings, where the triad remains implicit. Second, in the gnostic texts, the first term of the triad is regularly understood as ὕπαρξις, a term that has no special significance – triadically or otherwise – for Plotinus. Third, some of the variant terms used in the gnostic texts for the three members of the triad (e.  g. Substantiality, Vitality, Mentality) reflect a method of paronyms that is uncharacteristic of Plotinus. This is also the case with the principles of implication and predominance which describe the relation between the three members of the triad. These principles play a minor role, if any at all, in Plotin’s metaphysics. Thus an ‚exchange‘ of ideas between Plotinus and the gnostics, based on the triadic concerns expressed in these Nag Hammadi texts, appears to be more problematic than useful. A shift focus is needed. Since there is no compelling reason why any of these gnostic texts, in the form we now have them, must predate or even be contemporaneous with Plotinus, a more fruitful line of inquiry is

dem Weg des Herauskommens entstehen sie in Entsprechung zu jedem einzelnen: von dem Gegenbild des Aufenthalts“ (etc.) – von hier ab ist die deutsche Übersetzung der englischen analog. – Ist das Insistieren auf dem „wirklich Existierenden“ eine Reaktion auf Plotin? Oder hat Plotin von den beiden Stadien der Seele nur das erste referiert? Die zuerst genannte Möglichkeit, also eine Reaktion auf Plotin, wäre natürlich die interessantere. 78 Irenäus Adv. Haer. II 15,3. Siehe dazu Abramowski, Nag Hammadi 8,1 „Zostrianus“ (wie Anm. 76), 8. 79 Ruth Majercik, The Existence-Life-Intellect triad in gnosticism and Neoplatonism, in: Classical Quarterly 42, 1992, 475–488, hier 476.

494 

 5.9 „Audi, ut dico“

166, 167

to pursue parallels with a successor of Plotinus“. Zeitlich passt dafür am besten Porphyrius. Majercik zeigt sich 1992 von der Verfasserschaft des Porphyrius für den (nur noch in Resten vorhandenen) anonymen Turiner Parmenides-Kommentar aufgrund der Argumente Hadots überzeugt; Hadot selber hält (1996) weiter an dieser Verfasserschaft fest. Und jene Fachleute, die den Kommentar dem Porphyrius absprechen, stellen ihn doch in seinen Umkreis, was vielleicht erlaubt, dies Werk um das Jahr 300 anzusetzen. Bekanntlich ist der Anonymus Taurinensis der Text, in dem ein paganer Philosoph, der also weder christlich, noch gnostisch noch christlich-gnostisch ist, jene Metaphysik vorträgt, die von deswegen als „platonisierend“ bezeichneten Barbelognostikern benutzt wird und schließlich bei Marius Victorinus in der erstaunlichen Verarbeitung, wie ich sie an anderer Stelle beschrieben habe, in dessen antiarianischen Schriften erscheint. Die Anwesenheit von Barbelognostikern in der Schule Plotins bezeugt nicht nur das philosophische Interesse der Vertreter dieser Gruppe überhaupt und allgemein, sondern speziell ihr Interesse an der neuesten, an der aktuellen Debatte über Metaphysik (modisch würde man heute sagen, am philosophischen Diskurs); sie verstanden sich ohne Zweifel als gleichberechtigte Teilnehmer an [167] dieser Debatte.80 Die Aufnahme jener Philosophie, die der Anonymus Taurinensis vertritt, durch die Barbelognostiker einige Jahrzehnte später ist wiederum als Beteiligung an der zu dieser Zeit aktuellen Diskussion über die Metaphysik zu deuten. Wie schon Plotin seinerzeit beklagte, dass diese Gruppe seiner Hörer ihre eigenen Lehren nicht aufgeben wollte, so sehen wir diese jüngeren Barbelognostiker nach Ausweis ihrer Schriften bei der Addition des für sie relevanten philosophischen Stoffs zu dem weiterhin tradierten mythologischen und literarischen Material. Diese Hinzufügung kann literarisch auf verschiedene Weise geschehen, wie die oben vorgenommenen Analysen ergaben. Ihre Absicht ist die philosophische Deutung der gnostischen Mythologumena, die damit aber nicht zum Verschwinden gebracht, sondern plausibel und akzeptabel gemacht werden sollen. Die Deutung der barbelognostischen Trias Kalyptos, Protophanes, Autogenes durch die Trias Existenz, Leben, Intellekt/Seligkeit (die übrigens ganz uneinheitlich erfolgt, falls sie überhaupt explizit vorgenommen wird), setzt das Vorhandensein jener gnostischen Trias bereits voraus, die uns aber aus den älteren Quellen noch nicht bekannt ist. Hier wird uns eine innere Weiterentwicklung (hin zu einer klareren Struktur und Nomenklatur im Bereich der ersten Prinzipien) sichtbar. Zwar hat nach den literarischen Zeugnissen, die uns vorliegen, die Entwicklung der philosophierenden Barbelognostiker in Rom und Ägypten bei Verarbeitung des 80 Für diese Gelegenheit nahmen sie die äußerliche Dechristianisierung von ihnen vorgelegten Schriften vor, siehe meine Aufsätze von 1983.  – Eine Unterscheidung von nichtchristlichen und christlichen Vertretern der Gruppe wird durch den philosophischen Vorbau zum Joh. Apokryphon ad absurdum geführt.

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III Chronologische Probleme 

 495

gleichen Materials zu verschiedenen Endstadien geführt.81 Doch die Tatsache, dass das gleiche Material in bestimmten NH-Traktaten und bei Marius Victorinus verwendet worden ist, kann in ihrer Bedeutung für die Datierungsfrage gar nicht überschätzt werden. Mit den theologischen Schriften des römischen Rhetors haben wir einen festen terminus ad quem: seine Schriften sind in der Zeit von 357 bis 363 verfasst worden.82 Das Alter der materialen Bücher, die den NH-Fund ausmachen, ist gar nicht soweit davon entfernt. Das Füllmaterial des Einbandes von NH VII (alle möglichen Reste von Briefen und Dokumenten auf Papyrus) liefert Daten für die Jahre 341, 346 und 348.83 „This indicates that the cover of Codex VII was manufactured no earlier than the latest date, but perhaps as much as a generation after these dates“. Robinson führt als mögliche Ursache für das Verbergen der Codices den Osterfestbrief des Athanasius von 367 an,84 in dem die Häretiker und ihre apokryphen Bücher verurteilt werden; er erinnert außerdem an die Maßnahmen, die der Abt Shenute vom Weißen Kloster [168] Anfang des 5. Jhdts. gegen eine Gruppe im nahe gelegenen Tempel von Pneuit ergriff.85 Das Vokabular dieser Leute erscheint gnostisch, auch sind sie nicht gewillt, sich der theologischen Autorität des alexandrinischen Erzbischofs Kyrill zu unterwerfen. Shenute droht ihnen mit einer militärischen Strafaktion. Wir haben also einen terminus a quo für die Einbände der Codices: 348, und als wohl spätesten möglichen Termin für ihr Verstecken den Anfang des 5. Jhdts. Dieser terminus a quo bringt uns in die Zeit des Victorinus. Und wenn in Cod. VI 40,7  f. von den Anhomöern als einer bösen Häresie gewarnt wird, können die Codices in den späten 50er Jahren noch nicht vergraben worden sein.86 Das bedingt einen erstaunlich späten, leider nicht genau zu fixierenden terminus ad quem für die eingebundenen koptischen Handschriften, sofern sie eigens für diese Bände kopiert worden sind. Nehmen wir den Anfang des 4. Jhdts. (mutmaßlicher 81 Über die nicänisch gewordenen und dem Victorinus nicht mehr als gnostisch erkennbaren römischen Vertreter der Richtung vgl. Abramowski, Nicänismus und Gnosis (wie Anm. 2), 559 unten – 562 [hier in diesem Band S. 458–461]. 82 Siehe Hadots Einleitung zu SC 68.  – Über die Schwierigkeit, den Beginn der „heimlichen“ Beschäftigung des Victorinus mit dem Christentum zu bestimmen s. dort 14 (nach 351?). 83 Robinson, Einleitung zu NH Libr Engl3 (wie Anm. 22), 16. 84 Robinson, Einleitung zu NH Libr Engl 3 (wie Anm. 22), 19. 85 Robinson, Einleitung zu NH Libr Engl3 (wie Anm. 22), 20. 86 Robinson, Einleitung zu NH Libr Engl3 (wie Anm. 22), 16. Die Feststellung gilt unabhängig davon, ob der betreffende Satz ein Zusatz ist oder nicht. Stephen Gero, With Walter Bauer on the Tigris: Encratite orthodoxy and libertine heresy in Syro-Mesopotamian christianity, in: Charles W.  Hedrick/Robert Hodgson, Jr. (Hgg.), Nag Hammadi, Gnosticism and early Christianity, Peabody (Mass.) 1986, 287–307, hier 296 Anm. 49, referiert verschiedene andere Übersetzungen der entsprechenden koptischen Vokabeln („ungleiche Dinge“ etc.); aber diese Wiedergaben berücksichtigen nicht die beiden nächsten Zeilen: „evil heresies that have no basis“. – Zu Anhomöern (= Eunomianern) als Gegner der Barbelognostiker siehe Tardieu/Hadot, Recherches sur la formation (wie Anm.1), 23. 125 und Abramowski, Nicänismus und Gnosis (wie Anm. 2), 555–558 [hier in diesem Band S. 454–457]. – Die Verfasserin dankt Dr. Mechthild Kellermann für bibliothekarische Hilfe und Dr. Felix Thome für die PC-Abschrift.

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 5.9 „Audi, ut dico“

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Ansatz des Anonymus Taurinensis) als terminus a quo für den Vorgang, der von der philosophischen Bearbeitung vorhandener barbelognostischer griechischer Traktate zu ihrer in Nag Hammadi aufgefundenen koptischen Übersetzung führt, so stehen für die verschiedenen technischen Etappen, die für das Endergebnis nötig waren, mehrere Jahrzehnte zur Verfügung. Es besteht daher keine chronologische Notwendigkeit, die griechischen Originale, die der koptischen Übersetzung zugrunde liegen, auf eine Zeit vor 300 zurückzudatieren mit den bekannten Folgen für die Datierung des anonymen Parmenides-Kommentars. Der „Zostrianus“, den Plotin kannte, ist erst durch Überarbeitung zu dem „Zostrianus“ geworden, der uns heute in sehr zerstörter Form zugänglich ist. Er und der „Allogenes“ können deswegen nicht zu einer Quelle plotinischen Denkens befördert werden.

Verzeichnis der Ersterscheinungsorte 1.1 86. Zur geplanten Ausgabe von Brit. Mus. add. 12156, in: J.  Dummer (Hg. in Verbindung mit J.  Irmscher, F.  Paschke, K.  Treu): Texte und Textkritik. Eine Aufsatzsammlung, Texte und Untersuchungen 133, Berlin 1987, 23–28. 1.2 75. Die Anakephalaiosis zum Panarion des Epiphanius in der Handschrift Brit. Mus. add. 12156, Le Muséon 96 (1983) 217–230. 1.3 107. Über die Fragmente des Theodor von Mopsuestia in Brit. Libr. add. 12.156 und das doppelt überlieferte christologische Fragment, Oriens Christianus 79 (1995) 1–8 (um Fußnoten erweiterte Fassung von nr. 100: On the fragments of Theodore of Mopsuestia in Brit. Libr. add. 12.156 and the christological fragment in double tradition, The Harp 6, Nr. 3 (1993) 199–206). 1.4 109. Die Reste der syrischen Übersetzung von Theodor von Mopsuestia, De incarnatione, in Add. 14.669, ARAM 5 (A Festschrift for Dr. Sebastian P.  Brock) (1993) [erschienen 1996] 23–32. 1.5 Theodor von Mopsuestia, Fragmente aus der Handschrift add. 12156 des Britischen Museums, übersetzt und erklärt [Universitätsbibliothek Tübingen, Nachlass Luise Abramowski]. 2.1 57. Die Christologie Babais des Großen, in: Symposium Syriacum 1972, célébré dans les jours 26–31 octobre 1972 à l’Institut pontifical de Rome, Orientalia Christiana Analecta 197, Rom 1974, 219–245. 2.2 58. Babai der Große: Christologische Probleme und ihre Lösungen, in: Orientalia Christiana Periodica 41 (1975) 289–343 [Fortsetzung von Nr. 57]. 3.1 110. Die liturgische Homilie des Ps. Narses mit dem Messbekenntnis und einem Theodor-Zitat, BJRL 78 (1996) 87–100. 3.2 116. Zu den Schriften des Michael Malpana / Badoqa, Orientalia Lovaniensia Analecta 89, Rom 1999, 1–10. 3.3 117. Narsai, Ephräm und Kyrill über Jesu Verlassenheitsruf Matth. 27,46, in: H.  J. Feulner (hg.), Crossroad of Cultures. Studies in liturgy and patristics in honor of G.  Winkler, Orientalia Christiana Analecta 260, Rom 2000, 43–67. 3.4 118. „Der Stupor, der das Gebet unterbricht“. Euagrius, Cent. Suppl. 30, in Übersetzung, Original (?) und Interpretation, in: M.  Tamcke, A.  Heinz (hg.), Zu Geschichte, Theologie, Liturgie und Gegenwartslage der syrischen Kirchen. Ausgewählte Vorträge des deutschen Syrologen-Symposiums vom 2.–4. Oktober 1998 in Hermannsburg, Studien zur Orientalischen Kirchengeschichte 9, Münster 2000, 15–32. 3.5 137. Martyrius-Sahdona and Dissent in the Church of the East, in: Controverses des Chrétiens dans l’Iran sassanide. Textes réunis par Christelle Jullien, Cahiers de Studia Iranica 36, Paris 2008, 13–27. 3.6 138. Die nachephesinische Christologie der edessenischen Theodorianer, in: L.  Greisiger, C.  Rammelt, J.  Tubach (eds.), Edessa in hellenistisch-römischer Zeit: Religion, Kultur und Politik zwischen Ost und West. Beiträge des internationalen Edessa-Symposiums in Halle an der Saale, 14.–17. Juli 2005, Beiruter Texte und Studien 116, Würzburg 2009, 1–9. 3.7 141. Der Bischof von Seleukia-Ktesiphon als Katholikos und Patriarch, in: D.  Bumazhnov, H.  R. Seeliger (hgg.), Syrien im 1.–7. Jahrhundert nach Christus: Akten der 1. Tübinger Tagung zum Christlichen Orient, 15. – 16. Juni 2007, Studien und Texte zu Antike und Christentum 62, Tübingen 2011, 1–55. 4.1 14. Ein unbekanntes Zitat aus Contra Eunomium des Theodor von Mopsuestia, Le Muséon (1958) 97–104. 4.2 39. Ps. Nestorius und Philoxenus von Mabbug, Zeitschrift für Kirchengeschichte 77 (1966) 122–125. 4.3 96. Dadisho Qatraya and his Commentary on the Book of the Abbas Isaiaj, The Harp 4 (1991) 67–83. https://doi.org/10.1515/9783110647419-027

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 Verzeichnis der Ersterscheinungsorte

5.1 95. Die dritte Arianerrede des Athanasius. Eusebianer und Arianer und das westliche Serdicense, Zeitschrift für Kirchengeschichte 102 (1991) 387–413. 5.2 99. Was hat das Nicaeno-Constantinopolitanum (C) mit dem Konzil von Konstantinopel 381 zu tun?, Theologie und Philosophie 67 (1992) 481–513. 5.3 103. The History of Research into Nestorius, in: A.  Stirnemann/G.  Wilfinger (Hgg.): Syriac Dialogue. First Non-Official Consultation on Dialogue within the Syriac Tradition, Wien 1994, 54–65. [laut Auskunft von Luise Abramowski fehlerhafte Drucklegung, Korrekturen wurden im Nachlass gefunden und werden berücksichtigt.) 5.4 105. Der Christusglaube der Konzilien, in: W.  Brandmüller (Hg.), Wer ist Jesus Christus? Mythen, Glaube und Geschichte, Aachen 1995, 237–273. 5.5 111. Der Geist als „Band“ zwischen Vater und Sohn – ein Theologoumenon der Eusebianer, Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft 87 (1996) 126–132. 5.6 128. Die Sitzung des Konzils von Ephesus am 22. Juli 431. „Über die Befestigung des Symbols der heiligen Väter in Nicäa und über den vom Presbyter Charisius übergebenen Libellus“, Zeitschrift für Kirchengeschichte 115 (2004) 382–390. 5.7 129. Nicänismus und Gnosis im Rom des Bischofs Liberius. Der Fall des Marius Victorinus, Zeitschrift für antikes Christentum 8 (2005) 513–566. 5.8 131. Concilium Ephesenum 431, in: The Oecumenical Councils. From Nicaea I to Nicaea II (325–787). Editio critica, edidit G.  Alberigo, Corpus Christianorum.  Conciliorum Oecumenicorum Generaliumque Decreta 1, Turnhout 2006, nur die Einleitung = 73–80. 5.9 133. „Audi, ut dico“. Literarische Beobachtungen und chronologische Erwägungen zu Marius Victorinus und den „platonisierenden“ Nag-Hammadi-Traktaten, Zeitschrift für Kirchengeschichte 117 (2006) 145–168.

Bibliographie Auf den Einzelnachweis der in den großen Quellenkorpora edierten Texte (ACO, CCSL, CCSG, CSCO, CSEL, GCS, PG, PL, PO, PS, SC) ist hier verzichtet worden; dafür (und auch für die entsprechenden Nachweise der zitierten klassischen griechischen und lateinischen Autoren) ist das Stellenregister zu konsultieren [d. Red.]. Abbeloos, J.  B. / Lamy, Th.  J., Gregorii Barhebraei chronicon ecclesiasticum, Louvain 1872–77. Abramowski, L. / Goodman, A.  E.: A Nestorian Collection of Christological Texts, Cambridge 1972. Abramowski, L., / Goodman, A., Luke xxiii. 46 παρατίθεμαι in a Rare Syriac Rendering, New Testament Studies 13 (1967) 290–291. Abramowski, L., Aus dem Streit um das ‚Unus ex trinitate passus est‘: Der Protest des Ḥabib gegen die Epistula dogmatica des Philoxenus an die Mönche, in: A.  Grillmeier / Th. Hainthaler (eds.), Jesus der Christus im Glauben der Kirche 2/3, Freiburg 2002, 570–647. Abramowski, L., Das Bekenntnis des Gregor Thaumaturgus bei Gregor von Nyssa und das Problem seiner Echtheit, Zeitschrift für Kirchengeschichte 87 (1976) 145–166. Abramowski, L., Die Synode von Antiochien 324/5 und ihr Symbol, Zeitschrift für Kirchengeschichte 86 (1975) 356–366. Abramowski, L., Dionys von Rom († 258) und Dionys von Alexandrien († 264/5) in den arianischen Streitigkeiten des 4. Jahrhunderts. Zeitschrift für Kirchengeschichte 93 (1982) 240–272. Abramowski, L., Ein gnostischer Logostheologe. Umfang und Redaktor des gnostischen Sonderguts in Hippolyts „Widerlegung aller Häresien“, dies., Drei christologische Untersuchungen (BZNW 45), Berlin 1981, 18–62. Abramowski, L., Marius Victorinus, Porphyrius und die römischen Gnostiker, Zeitschrift für neutestamentliche Wissenschaft 74 (1983) 108–128. Abramowski, L., Nag Hammadi 8,1 ‚Zostrianus‘, das Anonynum Brucanum, Plotin Enn. 2,9 (33), in: H.-D.  Blume/F.  Mann (eds.), Platonismus und Christentum. FS Heinrich Dörrie (Jahrbuch für Antike und Christentum, Erg. Bd. 10), Münster 1983, 1–10. Abramowski, L., Narsai, Homilie XI, The Harp. A Review of Syriac and Oriental Studies 20 (2006) (= FS Jakob Thekeparampil) 333–348. Abramowski, L., On the fragments of Theodore of Mopsuestia in Brit. Libr. add. 12156 and the christological fragment in double tradition, The Harp. A Review of Syriac and Oriental Studies 6 (1993) 199–206. Abramowski, L., Reste von Theodorets Apologie für Diodor und Theodor bei Facundus, Studia Patristica I [erschienen 1957] (= Texte und Untersuchungen 63), 61–69. Abramowski, L., Rez. Wanda Wolska: La topographie chrétienne de Cosmas Indicopleustès. Théologie et science au VIe siècle. (= Bibliothèque Byzantine. Études 3). Paris (Presses Universitaires de France) 1962. XVI, 329 S., XV Tafeln kart. NF 40,-, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 76 (1965) 163–164. Abramowski, L., Untersuchungen zum Liber Heraclidis des Nestorius (CSCO 242, Subsidia 22), Louvain 1963. Abramowski, L., Zum Brief des Andreas von Samosata an Rabbula von Edessa, Oriens christianus 41 (1957) 51–64. Abramowski, L., Zur Theologie Theodors von Mopsuestia, Zeitschrift für Kirchengeschichte 72 (1961) 263–293. Abramowski, L., Zur Trinitätslehre des Thomas von Aquin, Zeitschrift für Theologie und Kirche 92 (1995) 466–480. https://doi.org/10.1515/9783110647419-028

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Quellenverzeichnis Acta Concilii Seleucensis a. 410 232–233 – can. 1 233 – can. 6 232–233, 247 – can. 12 232, 247 – can. 15 269 – can. 18 233 – can. 21 233, 261 Acta Concili Epheseni a. 431 – ACO I,1,1, p. 114–116 – ACO I,1,2, p. 12–13 – ACO I,1,2, p. 13–31 – ACO I,1,2, p. 31–35 – ACO I,1,2, p. 35–37 – ACO I,1,2, p. 54 – ACO I,1,3, p. 6–7 – ACO I,1,3, p. 24–26 – ACO I,1,3, p. 26–28 – ACO I,1,3, p. 31–32 – ACO I,1,4, p. 3–4 – ACO I,1,4, p. 8–9 – ACO I,1,4, p. 15–20 – ACO I,1,5, p. 119–120 – ACO I,1,5, p. 122–123 – ACO I,1,7, p. 30 – ACO I,1,7, p. 67–68 – ACO I,1,7, p. 70 – ACO I,1,7, p. 73–83 – ACO I,1,7, p. 84–95 – ACO I,1,7, p. 97–100 – ACO I,1,7, p. 98–99 – ACO I,1,7, p. 99 – ACO I,1,7, p. 142 – ACO I,1,7, p. 146 – ACO I,1,7, p. 149 – ACO I,4, p. 74 – ACO I,4, p. 85

6, 15, 352 466 467 467 467 467 468 467 468 469 469 470 470 470 466 468 470 469 470 468 468 468 70, 85 71, 85 469 470 470 469 469

Acta Concilii Chalcedonensis a. 451 – ACO II,1 p. 78,26 237 – ACO II,1 p. 289–290 351 – can. 28 243 s. auch Sachregister, Glaubensbekenntnis, Chalcedonense

Acta Concilii praeside Mar Aba a. 544 – ep. I s. Synodicon Orientale p. 69–80/ 320–332 – ep. II s. Synodicon Orientale p. 540–543/ 550–553 – ep. III s. Synodicon Orientale p. 80–85/ 332–338 – ep. IV s. Synodicon Orientale p. 85–89/ 338–345 – ep. V s. Synodicon Orientale p. 89–95/345–351 – ep. VI s. Synodicon Orientale p. 543–545/ 553–555 Canones s. Synodicon Orientale p. 545–550/ 555–561 – can. XIII 255 – can. XIX 255 – can. 37 arabice 255 – can. XXXIX 255 Acta Concilii Constantinopolitanis a. 553 8 – ACO IV,1 p. 52,1–3 132 – ACO IV,1 p. 53,18–27 193 – ACO IV 1 p. 55,6–10 40 – ACO IV,1 p. 60,1–4 75, 85 – ACO IV,1 p. 60,8–12 72, 85 – ACO IV,1 p. 62,3–5 69 – ACO IV,1, p. 70–72 407–408 – ACO IV,1 p. 70 app. crit. 70–71 – ACO IV,1 p. 71,18–25 70 – ACO IV,1 p. 71,31–35 71 – ACO IV,1 p. 72,10–12 72 – ACO IV,1 p. 81,2–8 74, 95 – ACO IV 1, p. 105  f. 407 – ACO IV,1 p. 180,1–5 66, 85, 281 – ACO IV,1 p. 249,19–22 112 – ACO IV,2 p. 72,1–5 75 Alexander von Alexandrien – Urk. 4b – Urk. 14

325 326

Ambrosius von Mailand De fide I,3,24 In Lucam VIII,49–51

132 475

Apophthegmata Patrum 293

https://doi.org/10.1515/9783110647419-029

510 

 Quellenverzeichnis

Aristoteles De generatione animalium Arius Thalia Urk. 6 Asterius – frg. I–IIa Bardy – frg. XI Bardy – frg. 14 Bardy

105

308, 329 383, 455

330 313 313

Athanasius von Alexandrien De decretis 26 319 De incarnatione 309 Epistula ad Epictetum 470 Epistula festalis XLIX a. 367 495 Orationes contra Arianos 1–2 307–309, 325, 328–330 – 1,32 329 – 1,46–47 133 – 2,37 328–329 – 2,43 311 – 2,51 309 – 2,53 309 – 2,62–64 309 – 2,62 339 3 307–330 – 3,1–25 308, 313–315 – 3,1–6 314 – 3,1–16 308 – 3,1 320 – 3,2 308, 312 – 3,3–6 323 – 3,3 321–323 – 3,4 320–322 – 3,5 324 – 3,6 322–323 – 3,7–16 314 – 3,9 309 – 3,10 313–314 – 3,16 320, 324 – 3,17–25 400 – 3,17 400–401 – 3,18–22 403 – 3,19 401 – 3,20 320 – 3,21 401 – 3,22–25 314 – 3,22 321–322

– 3,23 – 3,24 – 3,26–58 – 3,26 – 3,27 – 3,30–33 – 3,32  ff. – 3,36 – 3,56–57 – 3,58 – 3,59–67 – 3,59 – 3,60 – 3,61 – 3,65 – 3,66 – 3,67 – 3,68 De sententia Dionysii – 15,1 De synodis – 18 – 25 – 26 Tomus ad Antiochenos – 3 – 7 Vita Antonii

321, 401–402 402 308, 325, 329 325–330 326 310 309 322 186 311 308, 310–313 307, 312 308, 312,323 312 320–321 320–321 307, 309 320 323 330 310 310–311 309, 319, 345, 412 7 7 489

Ps.Athanasius s. Markell Augustin Confessiones VII,9,13 453 VIII,2 452 Contra Academicos 452 De beata vita 452 De civitate dei 10,23 403 10,29 415 De haeresibus 10 De ordine I,10,29 453 II,5,16 451–453 II,5,51 449 Babai der Grosse Commentarius in Evagrium 206 – prol.

89, 195, 200, 203, 98

Quellenverzeichnis  – in V,55 203 – in suppl. 29–30 201, 205 Regeln für die Novizen 295 De unione 89–150, 366, 374 – I,1 102, 139 – I,2 139, 150 – I,3 126, 150 – I,5 128, 150, 294 – II,6 150 – II,7 102, 149 – II,8 103, 126, 132–133, 136, 149 – III,9 98, 100, 116–117, 123, 149 – III,10 99, 102, 105–108, 111–112, 114–117, 122, 131, 144, 149 – III,11 102, 122, 125, 133 – IV,12 97, 100, 102, 131, 134–135 – IV,15 131, 135–139 – IV,16 122–123 – IV,17 100, 117–118, 120–124, 126–127, 149–150 – V,18 102, 123 – V,19 105, 111, 113–117 – VI,20 100, 122–123, 128, 141, 148–149 – VI,21 97, 102, 126–128, 135, 139–149 – VII 97–98, 103–104, 128, 149 Tractatus Vaticanus 89, 102–103, 105, 109, 119–121, 123–130, 149 Vita des Märtyrers Georg 34, 89 Bar Bahlul Lexikon 170 Bar Sarošway Lexikon 172 Basilius von Caesarea De spiritu sancto – 29,72 Epistulae – 263,5

339

Benediktsregel

295

Chronik von Arbela

268

Clemens von Alexandrien Excerpta ex Theodoto

475

Collectio Atheniensis – 73–79 – 73

405 405

319

– 74,1–3 – 74,4 – 75 – 76 – 77 – 78 – 79 – 80 – 82–83 – 107,5

 511

405–406 406 406 406–412 408, 412–413 408, 413 405, 413 405 405 405

Collectio Avellana – ep. 40 238 – ep. 64 239 – ep. 69 238 – ep. 79 238 – ep. 80 238 – ep. 83s. Vigilius von Rom, Constitutum – ep. 95 238, 243 Collectio Casinensis – ACO I,4, p. 74 – ACO I,4, p. 85

469 469

Collectio Seguierana – ACO I,1,3, p. 31–32

469

Collectio Sichardiana – ACO I,5, p. 314  f.

407

Collectio Vaticana s. Acta concilii Epheseni a. 431 Concilium s. Acta Concilium Constantinpolitanum a. 381 – can. 3

243

Corpus Hermeticum

473

Dadisho Qatraya Kommentar zum Buch des Isaiah von Gaza – I–VI 293 – I,17 299 – I,20 299 – I,36 299–300 – I,37 300 – VI,4 296 – VII–XIII 293 – VII,3 299 – VII,7 300

512 

 Quellenverzeichnis

– VII,11 – VII,14 – VIII,3 – X,2 – XI,2 – XI,7 – XI,17 – XII – XIII,2 – XIII,4  f. – XIII,5 – XIII,6 – XIV – XIV,5 – XV – XV,12–15 – XV,16 – XV,18

300 300–301 297 298 298, 301 298 301, 304 295 294 296, 298 297 294, 297 301 301 301 301 303 302

Damasus von Rom Tomus Damasi 333, 346, 348, 390 Anathematismen – 2. Serie 348–349 „Briefe“ des Damasus – Nr. 1 (Confidimus) 341–343 – Nr. 2–4 342 – Nr. 2 (Ea gratia) 343 vgl. Nr. 5 der Sammlung (östliche Subskription) 341–344 Diatessaron – Lütticher Diatessaron Diodor von Tarsus – frg. 18 – De providentia Dionysius Bar-Salibi Commentarius in Lucam – p. 248,17–29

178 182

191, 194 203

105

Ephraem Commentarius in Diatessaron 178–179 – I,10 180 – I,25 180 – X,15 180 – XX,30 181, 187 – XXI,1 178–181, 183, 187 – XXI,2–3 183 – XXII,3 180

Epiphanius von Salamis Anakephalaiosis – prooem. – 2,2 – 3,1 – 3,2 – 3,6 – 3,7 – 3,9 – 7,1 – 12,9 – 13,2 – 15,2 – 16 – 21,3 – 34,1–2 – 35 – 42,2 – 45,2 – 49–50 – 56 – 57,1 – 60 – 61 – 65 – 66,1 – 70 – 74 – 75 – 76 Panarion omnium haeresium – prooemium 1,3 – prooemium 1,3–4 – prooemium 1,1–3,5 – prooemium 3,1 – 14,2,2 – 20 Christentum 1,1 – 20 Christentum 1,1–4,9 – 21,1,3–22 – 26,2 – 26,10 – 26,16 – 26,17 – 39,1 – 40,1 – 48,14,4 – 49,tit. – 60,1,1–2 – 62,1,2–2,1 – 69,63,1–68,6

3, 6, 10–21 12 20 16, 20 17, 20 20 17, 20 16 11 11 11 16 16 17 17 16 18 16 13 18 18 18 18 18 18 18 16 13 20 11–14 11 12 12 11 16 11–12 12 12 491 454 491 456–457 488–489 488–490 14 13 17–18 13 182

Quellenverzeichnis  – 70,2,4 – 75,3,6–9 – 77,23,3 – 77,36,5

13 13 13 13

Eusebius von Caesarea Historia ecclesiastica 32 Praeparatio evangelica XI,13–20 416 XI,19,1 414, 479 XI,20,1 416 XI,20,3 416 Eusebius von Doryläum Obtestatio (ACO I,1,1) Eusebius von Nikomedien Urk. 8

355–356

383

Evagrius Ponticus Kephalaia Gnostica, 6 Centurien 197, 206 – I,67 113 – I,88 203 – II,3 203 – II,51 113 – III,88 206 – Vulgatafassung (S1) 89 Supplement 198 – c. 2–4 197 – c. 4 205 – c. 25 205 – c. 29 197, 200–202 – c. 30 195–207 De oratione – c. 3 198 – c. 47 198 – c. 52 198–199 – c. 65 201 – c. 70 198 Evagrius Scholasticus Historia ecclesiastica – I,7

119

Facundus von Hermiane Ad Iustinianum IX,4,44

281

Florilegium Edessenum

3, 7–8

 513

Gnostica Allogenes 432, 436, 450, 483–486, 488, 492, 496 – p. 45–57 484 – p. 47 484 – p. 49 484 – p. 53–54 492 – p. 57–69 484 – p. 58 484–485 – p. 59 485 – p. 60 485 – p. 61–67 486 – p. 61–62 486 – p. 61 485 – p. 62–63 484, 486 – p. 65–69 485 – p. 67 485 Anonymus Brucianus 450, 492 – p. 51 492 Apocryphon Iohannis 432, 442, 450, 482–483, 486, 494 BG 2 – p. 22 482 – p. 24–25 484 – p. 26 482 – p. 27–28 483 – p. 27 482 NH II,1 – p.4–5 483 – p. 4 482 Drei Stelen des Seth 436, 441, 450, 483 Eugnostos 454–455 – § 3 454 – § 8 454 Marsanes 450, 483 – p. 5–6 484 – p. 5 483 – p. 31–32 492 Pistis Sophia 450 Protennoia trimorphos 433–434, 450 Sophia Iesu Christi 455 Verständnis unserer großen Kraft – p. 40,7 495 Zostrianus 414, 418–420, 432–436, 441–442, 444, 448, 450, 456, 459, 472, 475–483, 486, 492, 496 – p.8 492 – p. 12–13 492 – p. 12 492 – p. 13 485

514 

 Quellenverzeichnis

– p. 14 – p. 15 – p. 64–69 – p.64–67 – p. 64–66 – 64–65 – p. 64 – p. 65–66 – p. 65 – p. 66–84 – p. 66–75 – p. 66 – p. 67 – p. 68 – p. 74 – p. 75 – p. 78 – p. 79 – p. 84 – p. 127

486–487 486–487 421 420 421, 431, 472 432 421 433–434 421 435 431 419, 421, 439, 472 421, 439, 472 421 421, 472 421, 472 420, 444, 481 445, 481 421, 472 492

Gregor von Nazianz or. 27–31 351 Gregor von Nyssa Ad Ablabium quod non sint tres dei Gregor Thaumaturgus Ad Theopompum Ps.-Hieronymus – Commentarius in Iob – Indiculus de haeresibus

380

3, 10

113 450

Historia Lausiaca 293 Historia monachorum in Aegypto 293 Iamblichus De mysteriis (Responsum) Irenäus von Lyon Adversus haereses I,1 I,2 I,3 I,4 I,5 I,11,3

484

463 429, 463–464 463–464 429 459 432, 459

I,29 482–483, 491 II,15,3 493 Isaak von Ninive De perfectione religiosa – p. 170,2  ff. – p. 173–175 – p. 260,4  f. – p. 304 – p. 508 Traktate – 19

209–210 204 204 204 203 202–203 202

Isaiah von Gaza Buch/Asketikon 293–304 Isoʿ yahb III. Epistulae – II,7 – II,30

214, 218 209

Johannes Cassianus De incarnatione domini contra Nestorium – VI,3.5.6 Johannes Chrysostomus Orationes catecheticae – I,19–23 – I,24 – VIII

355 357

353–354 353 353

Johannes von Dalyatha – Ep. 12,3

206

Justinian I. Epistula ad Menam – 1. Anathematismus – 5. Anathematismus

108 112

Kosmas Indikopleustes Topographia Christiana II,2

90 231, 252

Kyrill von Alexandrien Anathematismata XII 6, 15, 92, 221, 466–468, 470 – 3. Anathematismus 222 – 9. Anathematismus 131 Apologia XII capitulorum contra Orientales (ACO I,1,7, nr. 24) 3, 11

Quellenverzeichnis  – 50 131 – 59–60 131 – 87 131 – 90 131 – 96 131 Apologia XII anathematismorum contra Theodoretum (ACO I,1,6, nr. 167–169) 3, 11 – 28 131 – 36 131 – 39 131 – 50 131 – 73–74 131 Commentarius in Matthaeum 185 – frg. ex Severo 187–188, 192 – frg. ex catena Nr. 312 188–189 Epistula ad Iohannem s. Acta concilii Const. a. 553 ACO IV,1, p. 105  f. Epistula II ad Nestorium 467 Epistula III ad Nestorium 466 De recta fide ad Augustas 185 – 17 (olim 18) 190 Quod unus sit Christus 185, 188, 191 – 733C 141 – 756D-759A 192–193 Thesaurus de sancta et consubstantiali trinitate 185, 189 – 24 (397D-400A) 185–186 Ps.-Kyrill De incarnatione – 30 Leo von Rom Sermo de passione Tomus Leonis ad Flavianum 143–144, 149, 292

217

187, 471 7, 28, 92, 104,

Leontius von Byzanz Excerpta ex Theodoro et aliis haereticis – frg. 2 52–53, 85 – frg. 3 54, 85 – frg. 4 55, 85 – frg. 6 60–61, 79–80, 85, 94, 364 – frg. 7 60–61, 81–82, 85, 94, 364 – frg. 14 69, 85 – frg. 15 101 – frg. 16 101 – frg. 21 84–85

Leontius von Jerusalem Contra Monophysitas – I Contra Nestorianos – II,14 – II,16 – II,34

 515

94–95 95 119 119 119

Marius Victorinus Candidi Epistula I 11,17 461 Ad Candidum 7,1 476 7,2–7 435, 476–477 18,5 424 Adversus Arium I,13 461, 464 I,16 425, 443, 449 I,17 425–426 I,22 425–426, 428–429, 431 I,24 425–426, 461–462 I,25 462 I,28 425 I,30 476 I,32 425–426 I,37 461–463 I,40 425–427 I,44 425, 427, 429–431 I,45 425, 429–430 I,47 422–424, 431, 463 I,49–50 420–421, 472, 477, 479, 481 I,49 431–437, 475, 477–478 I,50 431, 435–442, 445–447, 449, 478–480 I,51 428, 429 I,52 443, 449 I,53 473, 475 I,54 473 I,55 476 I,56–57 473 I,56 449, 451, 473 I,58 473 I,59 474 I,60 473–475, 478 I,61 442 I,62 473–475 I,64 477 III,6 476 III,7 448, 450 IV,3 476 IV,4 476

516 

 Quellenverzeichnis

IV,5 476 IV,8 464 IV,11 425 IV,21 436–437, 442, 449 IV,24 439, 478–479 IV,29 461–464 IV,30 464 IV,31 425, 427–429, 460 IV,32 428 Markell von Ankyra Expositio fidei De incarnatione et contra Arianos Martyrius Sahdona De perfectione – II,2 de fide – II,2 § 4 – II,2 § 20–21 – II,2 § 23 – II,2 § 25 – II,2 § 28 – II,2 § 30–32 – II,3 § 12 Methodius von Olympus De resurrectione

143 357

208–218 217 217 217 217 217 217 217

8

Michael Malpana Buch der Definitionen und Unterteilungen 166–174 Der Mensch als Mikrokosmos 172–174 Quästionen 172 Schrift der Träume 168, 174 Narsai – hom. 4 224 – hom. 11 221 – hom. 26 175–178, 184–185 – hom. 36 224 – hom. 38/21 (= hom. C) 153, 155 – hom. 39/22 (= hom. B) 153, 155 – hom. 45 224 – hom. 59/32 (= hom. D) 153 – hom. 79 224 – Homilie über 3 nestorianische Lehrer 373 – Homelien zum Geburtsfest, Epiphanias und Ostern 373

Ps.-Narsai hom. 35/17 (Expositio mysteriorum = hom. A) 153–164 Nestorius Liber Heraclidis 33, 35, 89–93, 149, 213–215, 219, 364–366, 368, 372–374 – II,1 p. 425 Bedjan 121 – II,1 p. 439–442 Bedjan 121 – II,2 p. 466 Bedjan 149 – II,2 p. 471 Bedjan 120 – II,2 p. 472–473 Bedjan 149 – II,2 p. 495 Bedjan 120 – II,2 p. 519 Bedjan 149 Sermo V 104 Sermo IX 146 Sermo X 104, 133 Sermo XVIII 104 Ad Alexandrum Hieropolitanum 146 Ps.-Nestorius Liber Heraclidis, Dialogus 33, 90, 93, 149, 179, 208, 213–215, 219, 288–292, 363–366, 368, 372–374 – I,1, p. 10–14 Bedjan 288–289 – I,1, p. 14–63 Bedjan 289 – I,1, p. 19–21 Bedjan 291 – I,1, p. 24–27 Bedjan 290 – I,1, p. 25 Bedjan 289 – I,1, p. 63–76 Bedjan 289 – I,1, p. 81 Bedjan 364 – I,1, p. 125 Bedjan 117–119 Kephalaia in Cambridge Or. 1319 – 1 281–285 – 2 285 – 3 283–286 – 8 286 – 9 285 – 10 286 – 12 286 – 14 285 – 17–18 281 – 28 281 Nilus von Ankyra De oratione s. Evagrius Numenius frg. 11

442

Quellenverzeichnis  Olympiodor Commentarius in Alcibiadem p. 16 Oracula Chaldaica – frg. 4 – frg. 31 – frg. 37

112

440, 446, 448–449 403 403 427

Origenes Contra Celsum 8,12 In Matthaeum Comm. Ser. 57–58 De oratione 31,3

314 475 113

Papa Katholikos Seleucensis ep. I–VIII ep. I–IV ep. V–VIII ep. V ep. VI ep. VII ep. VIII

272 272 272 273, 275 273 272 271–276

Philastrius von Brescia Diversarum haereseon liber 75

14

Philostorgius Historia ecclesiastica III,15

456

Philoxenus von Mabbug Commentarius in Iohannem prol. 144, 289 Tractatus tres de trinitate et incarnatione („Buch der Sentenzen“) 97, 108, 290 III,3 98 Buch gegen Habib 290 Brief an die Mönche von Senun 291–292 Photius Bibliotheca – cod. 4 – cod. 177

282 282

Platon Parmenides 432–433 Phaidros 433 Sophistes 432 Timaios 41a-42b 484

Plotin Enneaden – II,8,10 – II,9,1 – II,9,3 – II,9,6

 517

427 444, 481, 492 429 492

Porphyrius Commentarius in Oracula Chaldaica 446, 451 Vita Plotini 16 414, 419, 488 vgl. auch Turiner Kommentar Proklos (neuplatoniker) Elementa Theologica – prop. 47–48 – prop. 86 – prop. 102

112 128 128 127

Proklos von Alexandrien Tomus ad Armenios

8

Pseudoklementinen Prolog des Rufin 453 Recognitiones III2–11 453 Rabbula von Edessa Epistula ad Cyrillum Salomo von Bosra Buch der Biene 57

8

173–174

Severus von Antiochien Contra impium grammaticum II,37 146 III,1,6 187 III 15 55 Philalethes 146 p. 156,7–11 55 Synodicon orientale 373–374 – p. 17/253 – p. 17  f./253  f. – p. 18/254 – p. 18/255  f. – p. 19  f./256  f. – p. 20/259 – p. 25/264  f. – p. 27/266

34, 89, 144, 220, 234, 229 232 231 232, 234 231 231 235, 247 247

518 

 Quellenverzeichnis

– p. 35/274 – p. 38/277 – p. 42/283 – p. 43–53/285–299 – p. 43/285 – p.43–44/286–287 – p. 44–46/287–289 – p. 45/288 – p. 46–50/289–294 – p. 46/289  f. – p. 47–48/291–292 – p. 48/291 – p. 48–49/292–293 – p. 49–50/293–294 – p. 50–51/294–295 – p. 51–52/295–297 – p. 52–53/297–298 – p. 59/306 – p. 61/308  f. – p. 63/311 – p. 64/313 – p. 65/314  f. – p. 68  f./318  f. – p. 69/319 – p. 69–80/320–332 – p. 69–73/320–324 – p. 70/321 – p. 73–80/324–332 – p. 74–77/326–328 – p. 80–85/332–338 – p. 85–89/338–345 – p. 89–95/345–351 – p. 91–92/347–348 – p. 95/352 – p. 108/366 – p. 133–136 – p. 159–160/419–420 – p. 227/490 – p. 525/531 – p. 525–531/531–539 – p. 531/539 – p. 540–542/550–553 – p. 543–545/553–555 – p. 545–550/555–561 – p. 623–625 Tertullian Adversus Praxean – 8,1–3

231 235 231 260–269 235, 262 257, 262 263 235 263 230, 261 263 258 230, 257, 264 258, 264 265 266 231,267–268 231 235 240, 247 240–242, 247 231, 242 232, 246 245 247 248–249 248 247–248 249–250 250 250–252 252–254 253 269 231 160 256 227 235 236–237, 248 235 254 254–255 255 240

367, 444 443

Theodor bar Koni Liber scholiorum – II,7–8 – IX,3 – IX,4 – X – Urmiah-Rezension

111 34–35, 79–83, 85 82, 211 35 83

Theodor von Mopsuestia Contra Apolinarium 283 Contra Eunomium 221, 281–287 Contra magos (Mastubya) 303 Historia religiosa 303 Homiliae catecheticae 24–25, 155, 158–159, 164, 299–300, 337, 355–357, 359, 367 – 1–9 361 – 1–8 348 – 2 338 – 2,5 338 – 3 338 – 3,5 25, 76–77, 85 – 3,6 338 – 5–8 286 – 6,3 350 – 7,11 358 – 7,15 286 – 9,1 336–337, 340, 343, 346–347 – 9,14 336, 338, 345, 347 – 9,15 346 – 9,16 346 – 10,2–3 348 – 10,3–7 359–360 – 10,13–14 349 – 10,14–15 359 – 10,19 359 – 10,21 359 – 13,8 100 In Acta apostolorum 202 In epistolas ad Corinthios 164, 302 In epistolam ad Hebraeos (ex catena; Staab) – ad Hebr 2,9–10 69 In Genesim 202 In Iob 202 In Iohannem 24–25, 300 – p.34,18  f. 28 In Matthaeum 164, 202, 299 In Lucam 302 In XII prophetas 202 In Psalmos 301 – in Ps 44,8 132

Quellenverzeichnis  De incarnatione fragmenta Syriaca (Bl add. 12156) 1–85, 165, 211–212, 215, 221 – frg. 1 40 – frg. 2 8 41–48 – frg. 9 28, 49–50 – frg. 10 51 – frg. 11 52 – frg. 12 53 – fg. 13 54 – frg. 14 55 – frg. 15 56 – frg. 16/16‘ 30, 32, 34–35, 38, 57–61, 65, 79–83, 364 – frg. 17–18 62–63 – frg. 19/19‘ 33, 38, 64–65 – frg. 20/20‘ 38, 64, 66–67 – frg. 21–22 68 – frg. 23–24 69 – frg. 25a/b 70–71 – frg. 26–29 72–73 – frg. 30 74 – frg. 31 75 – frg. 32 76–77 – frg. 33 78 De incarnatione fragmenta Graeca et Latina (Jansen) – frg. I 40, 85 – frg. VII 52–53, 85 – frg. VIII 54, 85 – frg. IX 55, 85 – frg. XII 60–61, 79–80, 85, 94, 364 – frg. XIII 60–61, 81–82, 85, 94, 364 – frg. XIX–XXI 85 – frg. XXII 66, 85, 281 – frg. XXIV 69, 85 – frg. XXV 101, 283 – frg. XXVI 101, 283 – frg. XXXIII 84–85 – frg. XLI 132, 146 De perfectione observantiae 299 Perlenbuch 303 De spiritu sancto 302 Theodorus Anagostes Epitome § 501

158

 519

Theodoret von Cyrus Epistulae – ep. 151 217 Eranistes 92 Historia ecclesiastica – I,4 326 – II,8,38 315–316 – II,8,39–40 316 – II,8,39 318 – II,8,44 317 – II,8,45 314 – II,8,48 317 – II,8,50–52 399–400 – V,9,11–12 331–332, 335–336, 338, 388–389 – V,9,15 345 – V,11 343 Timotheus Aelurus De conversione dyophysitarum 3 Epistulae 3 Narratio Timothei 3 Solutio definitionis Chalcedonensis 3 Solutio tomi Leonis 3 Turiner Kommentar zum Parmenides 440–441, 446–448, 472, 494–496 IV,7  f. 447 V,21  f. 447 IX,4 446 XIII,19  f. 447 Vigilius von Rom Constitutum (Coll. Avell. 83) – 1 – 9 – 26 – 39 – 40 – 48 Constitutum II (ACO IV,2, 138–168) Zacharias Rhetor Kirchengeschichte – V,10

284 283 40 75 72 283 344

238–239

Bibelstellen Gen 1 224 Gen 1,1 381 Gen 1,26 107, 464 Gen 1,28 114 Gen 2 224 Gen 2,7 107, 473–474 Gen 8,21 188 Ex 7 289 Ex 10.14.9.3 290 Ex 13,2 463 Ex 25  ff. 234 Ex 28,29  f. 234 Ex 33,20 123 Lev 12,2–4.6–8 106 Dtn 32,39 314–315 Ps 21 Ps 44,8

193 132, 134

Prov. 8 382–383 Prov 8,22–31 382 Prov 8,22 310 Prov 8,30 420 Eccl 3,27–30 Sap 7,26

299 320, 443

Hos 1,9 188 Joel 2,25 330 Jes 40,15.18 190 Bar 3,36–38 357 Mt 1,1 73 Mt 1,13–16 73 Mt 1,20 131–132 Mt 1,21 100 Mt 3,11 72 Mt 3,15 136 Mt 3,17 72 Mt 5,8 299–300 Mt 10,28 36 Mt 12,28 45 Mt 13,32 328 Mt 16,13 327 Mt 19,6 57 https://doi.org/10.1515/9783110647419-030

Mt 24,39–41 474 Mt 26,26 165 Mt 26,39 327 Mt 26,41 328 Mt 26,67 123 Mt 27,30 35 Mt 27,46 175–177, 181–193, 328 Mt 27,50 181 Mt 28,18–20 338, 349 Mt 28,18 327 Mk 6,38 327 Mk 15,33f 428 Mk 16,19 143 Lk 1,31 26, 76, 101 Lk 1,32 26, 76 Lk 1,35 108, 131, 134, 180, 473 Lk 2,11 132, 134 Lk 2,23 463 Lk 2,52 327 Lk 4,1 139 Lk 4,22 99 Lk 9,51 143 Lk 10,22 327 Lk 15,12  f. 474 Lk 17,34  f. 475 Lk22,20 424 Lk23,43 175 Lk23,46 175, 177–178, 181 Joh 1 414–415, 479 Joh 1,1–8 453 Joh 1,1 222, 379, 417, 420 Joh 1,3 417 Joh 1,4 417 Joh 1,14 6, 15, 28, 32, 97, 101, 148, 223, 290, 359, 379, 452, 473 Joh 1,18 443 Joh 1,32  f. 224 Joh 2,19 418 Joh 2,21 393, 418 Joh 4,13 402 Joh 5,22 327 Joh 5,35  f. 327 Joh 6,37 322 Joh 10 399

Bibelstellen 

 521

Joh 10,30 314–315, 322 Joh 11,34 327 Joh 12,27  f. 327 Joh 12,28 327 Joh 13,21 327 Joh 14 399 Joh 14,10 314, 322–324 Joh 14,15 300, 359 Joh 14,16 359 Joh 14,17 359–360 Joh 14,21.23 300 Joh 14,28 314 Joh 15,26 360 Joh 16,5 402 Joh 16,14 45 Joh 17 399 Joh 17,5 328 Joh 17,6 64 Joh 17,10 314 Joh 17,11 315, 400, 403 Joh 17,20–23 314–315, 400 Joh 17,21 314–315, 399, 401, 403 Joh 17,22 403 Joh 17,23 322 Joh 18,3–6 19

1. Kor 15 113–114, 116, 333 1. Kor 15,21 48 1. Kor 15,24–29 380 1. Kor 15,42–44 114 1. Kor 15,47 28 1. Kor 15,51–52 114 1. Kor 15,53 114 2. Kor 2,15 430 2. Kor 3,13 300 2. Kor 3,18 300 2. Kor 4,16 59 Gal 4,4 78, 97 Eph 1,10 463 Phil 2 136, 143, 212, 354, 427, 429 Phil 2,6 324, 379, 440, 473 Phil 2,7 125, 143 Phil 2,8–11 96 Phil 2,8  f. 137 Phil 2,9 143 Kol 1,15–20 461–462 Kol 1,15 161, 163, 338–339, 355, 361, 416 Kol 1,20 462 Kol 2,9 461–463 Kol 3,11 463 Kol 3,14 401–402

Apg 1,2.11.22 143 Apg 2,36 132, 134 Apg 4,8 139 Apg 4,11 285 Apg 5,12–13 285 Apg 7,12 285 Apg 10,38 71, 76–77, 132, 134 Apg 12,10 285 Apg 13,9 139 Apg 19,1 285

1. Tim 2,5  f. 1. Tim 3,16 Titus 2,13

Röm 1,3 73 Röm 1,4 73 Röm 1,20 329 Röm 5,12 41 Röm 5,15 41 Röm 5,18  f. 136 Röm 9,5 217 Röm 11,36 463 1.Kor 1,24 329 1. Kor 2,6 51 1. Kor 6,17 135, 141 1. Kor 11,1 32 1. Kor 12 111

217 44, 76–77, 103, 136, 143 217, 286

Hebr 1,3 161, 163, 320,323, 342, 362, 443 Hebr. 1,6 74 Hebr 2,9–10 69, 77 Hebr 2,10 136 Hebr 2,16 104 Hebr 4,15 108, 137 Hebr 5,8  f. 136–137 Hebr 9,14 76 Hebr 10,7 355 Hebr 13,8 103–104 1. Petr 2,22 1. Joh 2,22 1. Joh 4,2 1. Joh 4,3 1. Joh 4,14 1. Joh 5,1 1. Joh 5,5 2. Joh 7

188, 192 379 379 379 379 379 379 379

Namen (Personen und Orte) Aaron 234, 289 Abdishoʿ von Elam 154, 260, 299, 302 Abdishoʿ von Saliba 275 Abraham 136, 190 Abraham von Beit-Lapat 247, 249–250 Abraham von Kaškar 90, 374 Abramowski, Rudolf 26, 28, 31, 43, 53, 62, 75–77, 191 Abu’l-Farradj 181 Abzud s. Badoqa Bazud Acacius von Amid 260, 264 Acacius von Beröa 405 Acacius von Konstantinopel 239, 292 Acacius von Seleukia 213, 220, 235–237, 240, 242–243, 256, 261 Achamoth 459 Adam 107, 122, 136, 145, 164, 190, 192–193, 225–226 Adam, Alfred 90 Aerianer 13 Aetius 455–457, 491 Aetius (von Eleutheropolis?) 489 Afghanistan 250 Afrika 386 Agapet (Ḥabib) von Beit-Lapat 230, 260–261, 263–266, 268, 270, 276 Ägypten 293, 295, 297, 351, 371, 382, 386, 405, 434, 456–457, 466–467, 470–471, 488, 490–491, 494 Aḥudemmeh 173 Ahrens, Karl 239 Aland, Kurt 379 Alkinoos 432 Aleppo 232 Alexander von Alexandrien 320, 325–326, 372, 382, 386, 455 Alexander von Aphrodisias 450 Alexander von Hierapolis 146 Alexandrien 4, 92, 220, 226, 231, 239, 243, 256, 345, 369, 371–372, 381–382, 386, 405–406, 466, 469–470, 488, 491 Aloger 16 Ambrosius von Mailand 132–133, 144, 386, 431 Amelius 414–420, 431, 479 Amida 232 https://doi.org/10.1515/9783110647419-031

Amman, É. 282 Ammonius 300 Anastasius, Kaiser 292 Anastasius, Presbyter 409–410 Anastos, Milton V. 363, 365–366 Andreas von Samosata 5, 121 Angeliker 17–18 Anhomöer 444, 495 Antiochien 4, 155–159, 221, 229, 232–233, 237–239, 243, 252, 256, 258, 266, 277, 292, 335–336, 338, 341–345, 348–353, 355–357, 376–377, 390, 412, 469–470 Antonius, Presbyter 409 Aphraat 143 Apollinaris von Laodicea 8, 28, 46, 221, 283– 284, 286, 307, 309, 332–333, 367, 371, 379, 389–390, 392, 396–397 Apollinaristen 13 Apostelkloster 293 Apuleius 432 Arabien 489 Archontiker 488 Arianer (incl. antiarianisch) 104, 132–133, 176, 182, 185–187, 189, 193, 288, 307–308, 310–311, 313, 319–321, 324–330, 332, 334, 340, 343, 367, 380–381, 385, 387–389, 399–401, 404, 430, 443–444, 448, 454– 456, 459, 472, 493 Arius 162, 307–308, 325–326, 329, 346, 354, 381–383, 386, 455, 457 Armenien 259, 489–490 Armstrong, Arthur Hilary 445, 492 Asien, Diözese 243 Assemani, Giuseppe Simone 104, 266, 270, 282 Asterius 307–308, 313, 329 Athanasius 7, 132–133, 144–145, 186, 293, 307–330, 339, 341, 345, 372, 381–382, 385–387, 391, 399–404, 412, 430, 457, 470, 489, 495 Audianer 13 Augustin 391, 403–404, 415, 431, 451–453 Augustus 356 Auxentius von Mailand 341, 343 Azerbeidjan 244, 251

Namen  Baarda, Tjitze 175, 178–180 Babai, Katholikos 237, 239–243, 256 Babai 87–150, 154, 159, 196, 199–202, 204– 206, 218, 293–295, 364, 366 Badoqa Bazud/Abzud 170, 173 Bahram IV. 229, 264 Baltes, Matthias 465 Bar Bahlul 170, 245 Barbaʿšemin 274 Barbel, Josef 369 Barbeliten 454 Barbelo 435 Bardy, Gustave 313 Bar ʿEdta 90, 374 Barhadbeshabba 304 Bar Hebraeus 271–272, 274 Barṣabbaʿe s. Simeon Bar Sarošway Barsauma von Nisibis 220, 235–240, 242, 248, 256 Basilius von Cäsarea 7, 129, 159, 282, 293, 301, 319, 333, 339, 341–342, 390, 462 Bauer, Johannes 113 Bauer, Walter 379 Baumstark, Anton 166–168, 269–271 Bebis, Georgios 366 Beulay, Robert 195–196, 206–207 Bedjan, Paul 34, 117, 120–121, 149, 196, 202– 204, 214–216, 218, 288–291, 363–364 Beit Aramayē 248 Beit ʿEdrai 240 Beit Ḥuzaye 241, 262 Beit Lapat 235, 237, 240–241, 254, 262 Bethanien 327 Bethge, Hans-G. 477 Berytos 326 Bithynien 375 Blum, G.G. 5 Borborianer 455–456, 491 Börtzler, Friedrich 419 Bou Mansour, Tanios 226 Braun, Oskar 34, 260, 266, 271–275 Brenke, Ursula 422, 427 Brennecke, Hanns Christof 318, 339 Brière, Maurice 191, 363 Brisson, Luc 414–420 Brock, Sebastian Paul 154–155, 160, 175, 209–210, 374 Brockelmann, Carl 32 Brooks, Ernest W. 239

 523

Bruns, Peter 77, 229 Budge, E.A. Wallis 173 Caelestinus von Rom 466–468 Cäsarea Philippi 327 Calendion s. Kalandion Cambridge 29, 281 Campenhausen, Hans von 379, 385 Candidus 461 Canossa 249 Capelle, Bernard 156–158 Caspar, Erich 458 Caspari, Carl Paul 155, 159–160, 358 Celsus s. Kelsos Chabot, Jean-Baptiste 34, 89, 96, 144, 160– 163, 220, 228–232, 234–236, 239–242, 244–250, 252–258, 261–267, 269–270, 373 Chadwick, Henry 113 Chalcedon 375 Chalcidius 140 Chaldaea inferior 248 Charisius, Presbyter 159, 221, 405–413, 468–469 Chesnut, Roberta C. 226 Ciasca, Agostino 181 Clark Wire, Antoinette 481, 474, 488, 492 Clemens von Alexandrien 386, 432, 475 Cluny 295 Coakley, J.F. 153 Connolly, Richard Hugh 153–156, 159, 163–164 Courcelle, Pierre 452–453 Crouzel, Henri 4 Cyrus von Edessa 91, 154, 165, 182, 213 Dadisho Qatraya 202–203, 293–304 Dadisho, Katholikos 256–269 Daley, Brian E. 52–55, 60–61, 69, 79–82, 84–85 Damasus von Rom 341 Dardanien 238 de Bruin, Cebus Cornelis 182 de Durand, Georges-Matthieu 185, 187, 191–192 de Halleux, André 7, 79, 97–98, 104–105, 118, 144, 150, 208–211, 214, 216–218, 243, 288–292, 333, 335, 343, 358–359, 363, 369–373, 378, 394, 466–467 de Lagarde, Paul 23, 37–78 Denzinger, Heinrich Joseph Dominikus 337– 338, 352, 358, 360–361, 378, 383, 391, 393

524 

 Namen

des Places, Édouard 403, 427, 445 de Vries, Wilhelm 89, 210, 228 Devreesse, Robert 27, 30–31, 33–35, 55, 70, 77, 85, 100, 132, 282, 336, 408 Didymus 302 Diepen, Herman 27 Diettrich, Gustav 159 Dindorf, Wilhelm 20 Diodor von Tarsus 3–4, 7–8, 24, 28, 145, 182, 191–192, 194, 203, 225, 281, 342, 350, 407 Dionys von Alexandrien 319, 323, 380–381 Dionys von Rom 319 Dionysius bar Salibi 104–105 Dioskur von Alexandrien 149 Dodds, Eric Robertson 112–113 Dossetti, Giuseppe Luigi 158–160, 337, 352, 358–360 Dörrie, Heinrich 140–141, 414–418, 420, 479 Draguet, René 35–36, 79–83, 111, 203, 293– 295, 299–301, 304, 373 Driver, Godfrey Rolles 363 Duval, Rubens 209, 214, 218 ʿEbed-Jesu 173, 240, 254, 261, 266, 276–277, 282 Ebied, R.Y. 3–4, 6 Ebioniten 489 Eden 177, 185 Edessa 25, 105, 145, 167, 208, 210, 213, 216– 217, 220–221, 232, 373 Eleutheropolis 489 Elias 181 Elias von Nisibis 254 Elie Djauhari 270 Elisa 245, 251 Ephesus 5–6, 15, 70–71, 92, 159, 221, 351, 368– 371, 405–407, 410, 412, 466, 468–470 Ephraem 143, 150, 175, 178–185, 187, 226, 243, 271 Ps.-Ephraem 227 Epiphanius 4–6, 8, 10–21, 182, 407, 454–458, 460, 488–491 Euagrius Ponticus 112, 195–207, 293, 299–300 Euagrius von Antiochien 338 Eudoxius 444 Eunomianer 332, 334, 388–389, 409, 455, 457, 495 Eunomius 281–382, 453–454 Europe (Umland von Konstantinopel) 405

Euseb von Cäsarea 381–382, 385, 387, 403– 404, 414–416, 479 Euseb von Doryäum 159, 355–356 Euseb von Emesa 145 Euseb von Nikomedien 307, 326, 383 Eusebianer 307, 310, 312–315, 319, 321, 324–326, 330, 333, 339, 386, 390–391, 399–404, 420 Eusebius von Rom 272 Eustathius von Antiochien 145, 356 Eutaktus 489–491 Eutyches 107, 149, 176 Facundus von Hermiane 22–24, 27, 99, 281, 408 Faller, Otto 132 Feghali, Joseph 259 Festugière, André-Jean 113, 351, 470 Fiey, Jean-Maurice 208–210, 214, 228–232, 234–235, 237, 239, 242–243, 246, 250, 255–257, 259–261, 271–272, 274 Flavian von Konstantinopel 120, 232, 338, 345, 353 Frankenberg, Wilhelm 89, 195, 197, 200 Frankfurt 22 Frishman, Judith 154–155, 373 Funk, Wolf-Peter 421–422 Furlani, Giuseppe 166–172, 174 Geerard, Maurice 22, 363 Gelasius I. 238, 243 Georg I., Katholikos 227 Gerö, Stephen 228, 235, 240, 257–259, 270, 495 Gestoßen, J. 19 Gnostiker s. Sachregister s.  v. Gnosis Goodman, Alan E. 89, 92, 119, 143, 166, 179, 281, 287, 374 Gorothener 12 Gregor von Elvira 317 Gregor von Nazianz 351, 366 Gregor von Nyssa 113 Gregor Thaumatourgos 4 Gribomont, Jean 363, 366–367 Grillmeier, Alois 22–23, 92–93, 129, 166, 211, 220, 235, 254, 331, 363, 365–368, 372, 378 Guenther, Otto 237 Guillaumont, Antoine 89–91, 100, 103, 111–113, 131, 198, 206, 212, 214

Namen  Habbi, Joseph 244, 259 Ḥabib 213, 217, 220, 223, 225–226 Ḥabib-Agapet s. Agapet Hadot, Pierre 414, 420–422, 424–432, 435– 451, 453, 459, 461, 464, 472–481, 483, 492, 494–495 Hage, Wolfgang 260 Hahn, August und Ludwig 144, 337, 352, 356–357 Halle 213 Hainthaler, Theresia 219–220, 228 Haneberg, Daniel 159–160 Hansen, Günter Christian 157 Harnack, Adolf von 376, 397 Hausherr, Irénée 195–199, 204, 206 Hebron 489 Heinrich IV., Kaiser 249 Helena, Königin 272 Ḥenana von Nisibis 34, 89, 91, 95, 97, 100–101, 112, 119, 130–131, 167, 211, 214, 218–219, 374 Ḥenanišo der Mönch 95, 218 Henry, Paul 422, 472 Heraclides 363 Heraklit 416–417, 479 Herodianer 12 Hespel, Robert 35–36, 55, 79–83, 111, 373 Hieronymus 113, 391 Hilarius von Poitiers 444 Hippolyt 449, 460 Hodgson, Leonhard 363 Holl, Karl 10–11, 13–21 Hormizd, Diakon 168, 171 Hosea von Nisibis 260, 265 Hübner, Reinhart 113, 129 Hünermann, Peter 360–361, 378, 383, 387– 388, 391, 393 Ibas von Edessa 221 Innozenz von Maronea 72, 75 Iran 250 Irenäus von Lyon 429, 432, 434, 443, 459, 463–464, 482–483, 489, 491–493 Isaak von Ninive 195–196, 199, 202–207 Isaak von Seleukia-Ktesiphon 228, 230–232, 255, 258, 261, 264 Isaiah von Gaza 293–304 Isaiah von Taḥal 218 Israel/iten 133, 205, 234 Išoʿ yahb I. 153, 160, 256

 525

Išoʿ yahb II. 208 Išoʿ yahb III. 159, 208–209, 214, 218 Jakob von Nisibis 271–272, 275 Jakob von Sarug 220, 225–227 Jakobus, Presbyter 409–411 Jakobus, Chorbischof 411 Jamblich 428, 473, 483 Jammo, Sarhad Y. Hermiz 154, 156 Jansma, Taeke 226 Jansen, Till 40, 52–55, 60–61, 66, 69, 79–84 Jedin, Hubert 239 Jerusalem 243, 256, 489 Jobius 284 Johannes der Täufer 453 Johannes (Evangelist) 416, 482 Johannes, comes 469 Johannes von Antiochien 368, 379–371, 407– 408, 411, 466–468, 470 Johannes Cassian 159, 352, 355–358 Johannes Chyrsostomus 232, 293, 301, 352– 355, 357 Johannes von Dalyatha 195–196, 206–207 Johannes von Damaskus 17, 19 Johannes, Metropolit von Alqosh 168 Johannes der Seher (für Joseph Hazzaya?) 293 Joseph von Seleukia 244, 269–272 Joseph Ḥazzāyā 82, 196, 211 Jouassard, Georges 182, 186–187, 193 Juda Kyriakos von Jerusalem 272 Juden 12, 190, 288 Julian, Kaiser 415 Justin 380 Justinian I., Kaiser 34, 91, 212, 378 Kaiser, Ursula U. 477 Kalandius/Kalandion, Patriarch 157–158, 238, 292 Kannengiesser, Charles 307–310, 313, 315, 324–326, 328–330 Karka de Lêdan 262 Katharer 411 Kellermann, Mechtild 219, 228, 421, 495 Kelly, John Norman Davidson 155–158, 314 Kelsos 415 Kephar Baricha 489 Khalifé-Hachem, Éllie 196, 202–204 Kilikien 456, 491 Kinzig, Wolfram 313, 330 Kleinarmenien 490–491

526 

 Namen

Kmosko, Michael 246, 271 Köbert, Raymond 22–23, 26, 37, 43, 60–61, 78, 211 Kokaba 489 Kōkē 232, 241–242, 246–247, 255, 263, 273, 275, 277 Kolorbasioi 16 Konstantin 375, 387, 457 Konstantinopel 92, 156–158, 214, 216, 219, 221, 237–239, 243, 256, 288, 291–292, 334–335, 338, 345–346, 350–351, 357, 363, 365, 367, 371, 374–378, 393, 405, 409–410, 466–467 Konstantius, Kaiser 489 Kosmas Indikopleustes 90, 231, 252, 256 Kosrau, Großkönig 89 Kottayam (Kerala) 22, 29 Kreschensteiner, Kosef 143 Kroll, Wilhelm 427 Krüger, Gustav 239 Krüger, Paul 226 Ktesiphon 246 Kyrill von Alexandrien 4, 6, 74, 92, 130, 135, 141, 149, 175, 185–194, 221–222, 226, 365–366, 368–374, 378, 393, 397, 405, 407–408, 411, 413, 466–470 Kyrillianer 107, 194, 220–221, 224–225, 241, 368, 270, 372–373, 378, 397, 413, 467–468 Kyros s. Cyrus Labourt, Jérôme 112, 229–230, 233, 241, 243, 248, 257, 259–261, 264, 268–271, 274 Lagarde s. de Lagarde Lampe, Geoffrey W.H. 17, 200, 322 Layton, Bentley 420 Lazarus 115 Lebon, Joseph 7–8, 55, 187–188, 337, 350, 358–359, 363 Leloir, Louis 178–181 Leo von Rom 149 Leontius von Byzanz 23, 28, 33, 37, 95 Leontius von Jerusalem 94–95, 119 Liberipatrianer 14 Liberius von Rom 457–458 Libyen 381 Liébaert, Jacques 185–186 Linguiti, Alessandro 447 London 29, 96 Löhr, Winrich 228

Loofs, Friedrich 99, 104, 133–134, 281, 314, 316, 318, 350, 363 Luisier, Philippe 421 Lydien 405, 407, 409–410 Macedonien 343 Macina, Robert 304 MacDermot, Violet 492 Macomber, William F. 91, 165, 182, 213 Mahoza 246 Mai, Angelo 275 Mailand 243 Majercik, Ruth 403, 431, 444, 451, 480, 493–494 Makarinus 296 Maʿna 260 Mani 302, 455, 459 Manichäer 288 Mansfeld, Jaap 460 Mansi, Gian Domenico 35,82, 375 Mar Aba, Katholikos (Πατρίκιος) 91, 214, 231– 232, 241, 243–244, 246–257, 261–262, 265, 269, 271, 273, 277, 373 Mar Aphrem 272 Marcian (Mönch) 7 Mar Emmeh 208 Mare 274 Margoliouth s. Payne-Smith Mari 246 Maria 19, 99, 101, 104–105, 144, 146, 223, 225, 350, 356, 361–362, 368, 371, 377, 388, 391–396, 473 Marius Mercator 11, 134 Marius Victorinus 414–415, 419–464, 472–495 Markell von Ankyra 144–145, 310, 318–319, 321, 333–334, 339, 381, 390–391, 399, 403, 454, 457 Markian 375 Markion 18, 455 Markschies, Christoph 307, 331, 465 Markus Eremita 293, 299–300 Maron, Diakon 221 Mar Paulus 249 Martin, François 373 Martyrius-Sahdona 118–119, 208–219 Maruta von Maipherkat 232–234 Marwei von Beit Lapat 241 Maximilian von Konstantinopel 469 Mazedonianer 335 McCarthy, Carmel 178

Namen  McLeod, Frederick G. 154–155, 175–177, 373 Meletianer 145,158, 333, 335–336, 338, 341, 343–345, 350, 390–391, 412 Meletius von Antiochien 338–339, 342, 345, 367 Memnon von Ephesus 405, 468–469 Merw 241 Mesopotamien 259 Messalianer 299, 405 Messos 486 Methodius von Olympus 8, 112 Metzler, Karin 228 Michael Malpana/Badoqa 95, 166–174 Milès von Susa 260, 268, 272, 274 Mina, Priester 227 Mingana, Alphonse 25–26, 35, 76, 153–156, 164, 175, 337 Moberg, Axel 6 Moeller, Charles 95 Monarchianer 443 Mondésert, Claude 453 Montanisten 14 Mooken, George Davis 366 Mopsuestia 338, 352, 357 Mose 106 Moss, Cyril 166 Moutsoulas, Elias 311 Müller, Guido 188, 319, 321, 323, 402 Muyldermans, Joseph 195, 197–198, 200, 205 Nag Hammadi 414, 496, s. Quellenverzeichnis Gnostica und Sachregister Gnosis Narcissus 318 Narsai/Narses 153–156, 159, 175–178, 181–182, 184–185, 193–194, 213, 217, 220, 222–226, 246, 251, 360, 373–374 Ps.-Narsai 153–164, 182 Nau, François 4, 93, 117, 120–121, 149, 215, 288–289, 363–364, 371 Nazoräer 489 Nemesius 140 Neoterius 412 Nestorius 3–4, 6, 15, 28, 33, 90–94, 99, 103, 117–118, 120–121, 129, 133–134, 146, 149, 215–216, 218–219, 221–222, 281, 288, 303, 350–351, 356, 363–374, 378, 393, 396, 408–410, 413, 466–471 Ps.-Nestorius (im Liber Heraclidis) 33, 93–94, 101, 118, 121, 208, 214–219, 288–292, 363–367

 527

Nikomedien 326 Nilus von Ankyra 195–197 Nisibis 167, 210–211, 213–214, 216–218, 220, 248, 253–254, 299, 373–374 Nizäa s. Sachregister Glaubensbekenntnis Nizänum Novatian 380–382, 410 Novatianer 411–412 Numenius 416, 421, 431–432, 440, 442, 445 Ochrida 8 Oñatiba, Ignacio 202 Opitz, Hans-Georg 319, 323, 325–326, 382, 455 Orbe, Antonio 433 Oriens, Diözese 233, 351, 408, 466 Origenes 108, 112–113, 302, 314, 321, 380, 475 Ortiz de Urbina, Ignacio 27, 129, 166, 394 Ossius 318, 387 Overbeck, Julian Joseph 5 Oxford 129, 331, 359, 399 Palästina 112, 457, 489, 491 Pamphilus von Jerusalem 95 Pamphylien 405 Papa von Seleukia 229–230, 256–258, 260– 261, 263–264, 267–276 Papdopoulos-Kerameus, Athanasius 353 Parente, Pietro 27 Parmentier, Léon 316–318, 331, 388, 399 Paulus 101, 139, 283, 299–300, 302–303, 380, 430 Paul von Beit-Lapat 249, 253 Paul von Nisibis 91, 214 Paul von Samosata 18, 99, 110, 131, 326, 356, 366 Paul von Seleukia 244, 246, 250–251 Paulinianer 288 Paulinus von Antiochien 338, 343, 345 Payne-Smith-Margoliouth, Jessie 203, 245, 248, 254 Payne Smith, Robert 32, 72, 103, 245, 254 Pearson, Birger A. 421, 483 Peeters, Paul 226 Pepuzianer 13 Peraten 449 Pericoli-Ridolfini, F. 5 Peroz-Šabor 248 Persis 248, 251, 373–374

528 

 Namen

Petrus 101, 139, 258, 283 Petrus Fullo 5, 157, 238–239 Petrus Mongus 239 Petrus, γέρων in Palästina 489–490 Petrus, Obernotar Alexandriens 405–406, 408 Philadelphia 405, 407, 409–411, 468 Philastrius von Brescia 14 Philippopolis 311 Philo 416, 433 Philoxenus von Mabbug 5, 7, 9, 93–94, 97–98, 101, 104–108, 144–145, 148–150, 176, 213, 220–221, 241, 288–292 Photin 454 Photius 282, 294 Photius, Presbyter 409–410 Plato 416, 433, 483 Plisch, Uwe-Karsten 421–422 Plotin 129, 414–416, 422, 427–429, 431, 433– 434, 444–445, 448, 460, 472, 480–482, 488, 491–494, 496 Pneuit 495 Pneumatomachen 16, 332, 334, 388–389 Poimen 296 Pontius Pilatus 361–362, 377 Pontus 243 Porphyrius (Neuplatoniker) 113, 403, 414–415, 419, 422, 431–432, 441, 444–451, 454, 480, 488, 491, 494 Porphyrius von Antiochien 232 Priscillianer 13 Priskian 140 Proklos (Neuplatoniker) 112, 403 Ptolemäus (Gnostiker) 459, 463–464 Pulcheria 375 Pusey, Philip Edward 11 Quartadezimaner 407, 410–412, 468 Quintillianer 13 Rabban Shapur 296 Rabbula von Edessa 5 Rabkennare 293 Rahmani, Ign. Ephraem 154 Ravenna 243 Rehm, Bernhard 453–454 Reinink, Gerrit J. 167, 169 Reuß, Joseph 78, 188 Richard, Marcel 8, 22–23, 25, 27–31, 33, 49, 53, 55, 60, 64–66, 70–71, 74–75, 92, 211, 284, 341–342

Ritter, Adolf, Martin 335–336, 344, 351–352, 377 Rucker, Ignaz 7 Rücker, Adolf 337, 357 Robinson, James M. 495 Rom 18, 22, 119, 129, 149, 154, 161, 233, 237–238, 243, 256, 272–273, 335–337, 340–352, 356, 377, 390, 414, 431, 434, 452, 456–460, 466, 468, 472–473, 491, 493–495 Rufin 453 Sabellianer 12, 289, 381 Sabellius 332, 334, 354, 391, 454 Sabinus, Diakon 341, 343 Sachau, Eduard 22, 29–32, 35, 40–84, 154 Sadduzäer 16 Saffrey, Henry Dominique 447 Sahdona s. Martyrius Sahdona Šahdost 274 Salamis 489, 491 Salomo von Bosra Samariter 12 Šapur II. 229, 274 Satale 490 Scheidweiler, Felix 318, 388, 399 Schenke, Hans-Martin 421–422, 477, 483, 486–487, 492 Scher, Addai 35–36, 79–83, 111, 168, 211, 373 Schilling, Alexander 228, 266 Schmidt, Carl 492 Schönfelder, Joseph Maria 159–160 Schönmetzer, Adolf 337–338, 358, 360–361 Schwaigert, Wolfgang 268 Schwartz, Eduard 3–5, 7, 237–239, 318, 330, 339–344, 356, 363, 369, 375, 405–408, 412–413, 468–469 Scipioni, Luigi I. 89–91, 117–118, 120, 127, 129, 365–367 Seert 173, 211 Segestan 250, 254 Seibt, Klaus 318, 333 Seleukia (bei Ktesiphon) 246, 256 Seleukia-Ktesiphon 228–233, 235, 240–242, 244, 246–248, 251, 255–256, 259, 261, 263, 266, 270, 273, 277 Seneca 449 Seth 489, 491 Sethianer 450, 488–489, 491 Severianer 16

Namen  Severus von Antiochien 9, 107, 146, 187–189, 292, 363 Shenute 495 Sieben, Hermann Josef 185 Sieber, John H. 420, 445, 477, 486, 492 Silvanus von Qardu 83 Šila von Hormizd-Ardasir 242 Šila, Archidiakon (= von Seleukia?) 242 Šila von Seleukia 243, 248, 250 Simeon (Barṣabbaʿe) von Beit-Lapat 268–269, 271, 274 Simplician 415, 452–453, 458, 460 Simplicius von Rom 238 Sirmium 243 Smith, Andrew 419, 431, 447 Sokrates 445 Sokrates Scholasticus 326 Sozomenus 228, 231 Staats, Reinhart 335, 350 Stead, Christopher 310, 325, 330 Stilicho 229 Stülcken, Alfred 311–312 Sullivan, Francis A. 23–24, 27, 33 Susiana 248 Swete, Henry Barclay 22, 40, 52–55, 66, 69–71, 74–75, 77, 79–82, 84–85, 94, 132, 146, 282 Talya von Edessa 6, 15 Tardieu, Michel 414, 419–422, 429, 431–445, 447–449, 453–456, 459, 464, 472–478, 480–483, 492, 495 Taskodrugiten 14 Tella 232 Tertullian 141, 367, 380, 386, 443 Tetz, Martin 145, 307, 309–310, 314–319, 330, 345, 356–357, 399–400 Theiler, Willy 447 Thekla 302–304 Theodorus Anagostes/Lektor 157–158 Theodor bar Koni 34–35, 37, 61, 82–83, 85, 111–112, 173, 211, 373 Theodor von Mopsuestia 1–85, 94, 99–100, 103, 133–134, 140, 143, 145–146, 153–155, 158–161, 163–164, 182, 188, 191, 193, 202– 203, 210–211, 215, 220–221, 227, 281–286, 293–304, 336–338, 340, 342–343–354, 357–360, 364, 367, 374, 407–410, 413, 468 Theodoret von Kyrus 4, 7, 24, 92, 217, 293, 303, 316–318, 331, 343, 449 Theodosius I. 229, 351, 375

 529

Theodosius II. 375, 406, 466 Theophanius 411 Theophilus von Alexandrien 232 Thessalonich 343 Thomas 273 Thome, Felix 219, 495 Thomson, R.W. 7 Thrakien, Diözese 243 Timotheus, Katholikos 217, 254 Timotheus Aelurus 3–7, 11, 176 Timotheus von Konstantinopel 158 Tommasi (Moreschini), Chiara Ombretta 449– 452, 459, 491 Tonneau, Raymond 25, 35, 76–77, 85, 100, 336, 338, 340, 346–347, 358–359 Tübingen 22, 37, 293, 331 Turkmenistan 241 Turner, Cuthbertus Hamilton 343–345, 348 Turner, Canon 129 Turner, John D. 481–482, 484485 Ulrich, Jörg 427, 457–458 Ursacius von Singidunum 315–317 Valens von Mursa 315–317 Valentin 17, 422, 443–444, 449, 455, 464, 474 Valentinian II. 466 van Esbroeck, Michel 119 Vaschalde, Arthur Adolphe 89, 96–97, 99–100, 102–103, 111, 114, 120, 125, 127–128, 136– 138, 140–141, 144, 147–149, 294 Väter s. Wüstenväter Veh Ardašir 246 Victorinus von Pettau 143 Vigilius von Rom 23, 33 Vosté, Jacques-Marie 25 Waldstein, Michael 483 Waszink, Jan Hendrik 106 Weis, Heinz-Gerhard 203 Wenger, Antoine 352–3554 Wensinck, Arent Jan 196, 202–204 Westphal, Gustav 259–260, 268 Wickham, Lionel R. 3–4, 6 Williams, Frank 182, 490 Winkler, Dietmar W. 209 Wisse, Frederik 483 Wolska, Wanda 90 Wright, William 3, 14, 28–30, 168 Wüstenväter 293, 299, 301

530 

 Namen

Yahbalaha 258, 260–261, 264 Zacharias Rhetor 238–239 Zamasp 240

Zeno, Kaiser 239, 292 Zoroaster 414 Zypern 405, 489

Sachregister Acacianisches Schisma 237 Altnicänismus 158, 333, 338–339, 347, 412 Aristotelismus 106, 129, 435 assumptio 143–145 ἀσύγχυτος ἕνωσις 35, 192, 334, 391, 393, 396–397 ἀσυγχύτως 149, 376 Auferstehungsleib 105, 108, 111–117, 128 Beseelung Christi 104–108 Disput 166 – Disputation von 562/563 91, 103, 110, 131, 212–213 Drei-Kapitel-Streit 4, 95, 357, 408 Einwohnung/habitatio 141–142, 145 Epitome 5, 97, 157 Exzerpt 164, 178, 191 Fasten 13 Filioque 294, 336, 377 Fleisch (σάρξ) 11, 111 Gewand (als Beschreibung der Menschheit Jesu) 145–148 Glaubensbekenntnisse – Antiochenum (A) 153, 155, 157, 159–163, 337, 357–358 – 3. Antiochenische Formel 159 – 4. Antiochenische Formel 310 – Apostolicum 377 – Chalcedonense von 451 3–4, 7, 11, 22, 28, 92, 104, 332, 365, 368, 374–376, 378, 394–398, 413 – Einigungsformel (Laetentur-Brief) nach Ephesus/Ephesinum (433) 221, 368, 370, 390–393, 470 – Ekthesis/Formula makrostichos 310–312, 339, 404 – des Charisius in Ephesus 431, 159, 221, 405–413 – Formel von Konstantinopel/Reichsdogma 360 159 – Nestorianum s. Antiochenum – des Euseb von Cäsarea in Nicäa 325 385, 387 – Nicaenum (N) 108, 144, 153, 155–156, 158, https://doi.org/10.1515/9783110647419-032

160–162, 215, 321, 336–337, 343–344, 348, 350–351, 357, 368, 371, 373, 376–379, 383–389, 392, 405–406, 408, 412–413, 457, 459, 467–470 – Nicaenum, erweitert in Rom: 336, 344, 347–349 – Nicaeno-Constantinopolitanum (C) 144, 156–157, 159–163, 294, 331–362, 335–337, 346–351, 357, 376–378, 386, 388, 390 – Formel von Nike 159 – Romano-Nicaenum (bearbeitet in Antiochia 379) 161, 348–352, 357, 377 – Romanum 348, 350, 377, 452 – Serdicense, westliches 307, 313–319, 322, 345, 399, 412 – Serdicense, östliches 310–311 – 3. Sirmische Formel 159 – der Synode des Išoʿ yahb I. 585 153, 160, 163 – Tomus von 382 331–333, 339, 345–346, 352, 388–391 Glosse 14, 17, 118–119, 129, 286–287, 318 Gnosis 414, 428, 433, 435, 442–445, 448, 451, 454–459, 463–464, 472, 475, 480–481, 487, 489–496 – barbelognostisch 450, 456, 458–460, 472– 473, 481–487, 489, 491–494 Goldmünzenvergleich 124 Handschriften – Athen, Χριστιανική Αρχαιολογική Εταιρία 9 (Collectio Atheniensis) 405, 468 – Berlin, Staatsbibliothek Petermann I9 168– 172 – Berlin, Staatsbibliothek Ms. lat. 79 (Phillips 1776) 238 – Berlin, Ägyptisches Museum, Papyrus 8502 482–483 – Cambridge, University Library Ms. orient. 1319 89, 95, 119, 143, 166, 179, 281–287, 363, 374 – Cambridge, University Library add. 2812 168– 169, 171–172 – Dublin, Chester Beatty Ms.709 178–180 – Jena, Universitäts- und Landesbibliothek Ms. Bos. f.1 19–20

532 

 Sachregister

– London, British Library 8606 7 – London, British Library add. 12156 1–85, 130–131 – London, British Library add. 12157 55 – London, British Library add. 14538 167, 169–172 – London. British Library add. 14669 22–36, 57–61, 64–67, 79–85, 211–212, 364 – London, British Library add. 17198 5–6 – London, British Library Or. oct. 1132 168 – London, Indian Office 9 168–172 – Mardin 62 168 – Montecassino lat. 2 (Collectio Casinensis) 8, 469 – München, BSB Cod, orient. 147 159–160 – Paris, BN Fonds grec 913 195, 197 – Paris BN Coislin 32 (Collectio Seguierana) 8, 469 – Paris, BN Ms. syriaque 332 228 – Rabban Hormizd-Kloster (bei Mossul) 168 – Roma, Museo Borgia ms. K VI,4 228 – Semences (bei Alqosh), Konvent Notre-Dame, Ms. 52 168 – Semences (bei Alqosh), Konvent Notre-Dame, Ms. 142 168 – Vatikan BAV gr. 503 11 – Vatikan, BAV gr. 830 (Collectio Vaticana) 466–470 – Vatikan, BAV Barb. Gr. 515 197 – Vatikan, BAV Borg. Syr. 82 5 – Vatikan, BAV lat. 1319 (Collectio Casinensis) 469 – Vatikan, BAV Syr. 179 281 – Vatikan, BAV Urb. graec. 17/18 13 – Verona, Biblioteca capitolare LX (58) 340–344 Haplographie 13, 318 Häresie 11–21 Homöertum 339, 345 Homöusianische Theologie 444, 458, 461 Homoousie 99, 182, 284, 333–334, 385–386, 390, 392, 396, 426, 453, 459, 472 Hymnen 294–296 Hypostase 22, 33–35, 57–61, 79–83, 122, 124, 129, 140, 221–223, 226, 282–283 – Zwei-Hypostasen-Lehre 89, 91–95, 109–110, 117, 124, 128, 221, 227 – Drei-Hypostasen-Lehre 316, 319–320, 326, 333, 338, 342, 390–391 – ὑπόστασις σύνθετος 91, 94–95, 212, 219, 281, 286

– hypostasis subsistens 126–128 – hypostatische Einung (ἕνωσις καθ’ ὑπόστασιν) 95, 109 Identifikationstheologie 379 Itazismus 16 Kapitelüberschriften 96 Kolophon 4, 6, 14–15, 166, 168–171, 341–342 Kompilation 235 Konzil – von Antiochien 324/325 320 – von Nizäa 325 334, 375 – von Tyrus 335 457 – von Antiochia 341 339, 461 – von Serdika 343 313, 330, 403 – von Sirmium 351 461 – von Mailand 355 458 – von Rimini 359 341 – Von Alexandria 362 391 – von Antiochia 379 335, 340–342, 344, 350, 377, 391 – von Konstantinopel 381 331, 334–336, 338, 345–347, 355, 367, 375–377, 390– 391 – von Konstantinopel 382 331, 335, 350, 391 – von Seleukia 410 144, 228–233, 242, 259, 261, 277 – des Yahbalaha von 420 231–233, 261 – des Dadišo von 424 229–231, 234–235, 241–242, 247, 256–269, 271 – von Ephesus 431 92, 159, 351–352, 367–371, 375, 378, 393, 405, 409, 466–471 – Einigung von 433 221, 368, 370, 378 – von Ephesus 449 120, 221 – von Chalkedon 451 220, 234, 237, 243, 292, 335, 350–352, 375 – des Barsauma von Beit Lapat 484 235–237, 240–241, 248 – des Acacius von 486 231, 235 – des Babai von 497 231, 239–242, 247 – des Mar Aba von 544 231–232, 244–255 – von Konstantinopel 553 164, 212, 413 – des Joseph von 554 231, 244, 269 – des Išoʿyahb I. von 585 256 – von 612 32, 89, 91–92, 109, 212 – im Vatikan 1962–1965 (Vat. II) 368, 370, 387–388 Koptisch 435, 442, 455–456, 488, 495–496 liturgisches Personal 155

Sachregister 

 533

Messe, chaldäische 154 Miaphysitismus (Monophysitismus) 3–4, 9–10, 92, 120, 125, 145, 150 Mittelplatonismus 432–434, 444, 449, 491

– πρόσωπον τῆς ἑνώσεως 119, 121–123, 140–141 Peshitta 32, 69, 135 Quaternionen 6

Natur (φύσις) 11, 33, 57–61, 79–83, 107–108 – μία φύσις 289 Nestorianismus 90–95, 100, 103–104, 131, 160, 210 Neuchalkedonismus 34, 91, 94–95, 119, 125, 129, 208, 212, 214–215, 281, 374 Neunizänismus 158, 182, 333, 335, 338–339, 347, 352, 367, 404, 458 Neupalamitismus 366 Neuplatonismus 112–113, 128, 403, 414, 416, 434, 440–441, 446–447, 452, 460, 483 Nisibenische Theologie/Schule von Nisibis 90, 103, 167, 211–214, 220, 299, 373–374 Nizänertum 99

Salbung Jesu 130–135 Sonne im Spiegel-Vergleich 109, 122–123, 142 Statue des Königs-Vergleich 146 Stoa 113, 129, 140–141, 367, 435, 444 σύγχυσις 222, 281 συνάφεια 140–142, 193, 286 σύνθεσις φυσική 289 Synode s. Konzil Syrische Übersetzung 5, 7, 11, 13–19, 24–26, 32, 64–67, 69, 91, 130–131, 199–200, 213, 359

Origenismus 91, 112, 145, 297, 383 ὄχημα 112–113 Palimpsest 5–6 Patripassianismus 381, 426, 430, 444 Person (πρόσωπον) 22, 27, 32–35, 57–61, 79–83, 93–94, 109, 119, 121, 123–125, 129, 222, 282–283 – liturgisches πρόσωπον 103 – Offenbarungs-πρόσωπον 103 – unitive 103, 122–124, 127, 141, 143 – persona naturalis et hypostatica 117–119 – πρόσωπον ὑποστατικόν 218

Taufe Jesu 134–135, 138–139 Tempel (als Bild für die menschliche Natur Jesu) 146–147 Theotokos-Prädikat (θεοτόκος) 95, 370–371, 393, 396, 470 Theopaschitismus 4 Trishagion 157 unio naturalis et hypostatica (vgl. Hypostase) 107, 117, 119, 222 unitive s. Person Wissenschaftsgeschichte 90 Wunder Jesu 114–117, 139, 147–149, 290 Zahlensymbolik 285 Zitationsformel 97–102, 338