Virgo Eva - Virgo Maria. Neue Untersuchungen über die Lehre von der Jungfrauschaft und der Ehe Mariens in der ältesten Kirche

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Virgo Eva - Virgo Maria. Neue Untersuchungen über die Lehre von der Jungfrauschaft und der Ehe Mariens in der ältesten Kirche

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Einleitung
I. Die Jungfrauschaft Mariens bei Tertullian
III. Die dogmengeschichtliche Entwicklung
Anhänge
Nachträge

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A R B E I T E N ZUR K I R C H E N G E S C H I C H T E

HERAUSGEGEBEN VON EMANUEL HIRSCH UND HANS LIETZMANN

25

Virgo Eva — Virgo Maria Neue Untersuchungen über die Lehre von der Jungfrauschaft und der Ehe Mariens in der ältesten Kirche Von

Hugo Koch

BERLIN UND LEIPZIG 1937

VERLAG WALTER DE GRUYTER & GO.

Archiv-Nr. 32 02 37 Druck von Walter de Gruyter & Co., Berlin W35 Printed in Germany

Vorwort Die Frage, die im Folgenden nochmals untersucht wird, ist wesentlich eine Frage wissenschaftlicher Methode. Bekanntlich wird im Syllabus und im Antimodernisteneid Pius' X . der Satz verworfen, daß die Schriften der Kirchenväter nur nach den Grundsätzen der Wissenschaft, unter Außerachtlassung jeder kirchlichen Autorität, und mit derselben Urteilsfreiheit zu erklären seien, mit der man irgendwelche profanen Denkmäler zu erforschen pflegt. Im Verlauf unserer Untersuchungen aber wird sich zeigen, daß sogar kirchliche Schriftsteller nach verschiedenen Maßstäben gedeutet werden, und beispielsweise die Sprache eines Irenäus nach anderen Grundsätzen gewertet wird, als die eines Tertullian, auch wo dessen Montanismus schlechterdings keine Rolle spielte oder sogar eine andere Anschauung nahelegte. Der Gegenstand dieser Untersuchungen scheint fernab zu liegen von den Fragen, die uns heute im neuen Deutschland in Wissenschaft und Leben beschäftigen. Und doch ist dies nicht der Fall. Die römische Kirche stellt ihren Gläubigen als Vorbild christlichen Familienlebens die »heilige Familie von Nazareth« vor Augen, also ein Ehepaar, das nach kirchlichem Dogma mit Rücksicht auf die jungfräuliche Geburt Jesu und aus Gründen höherer Sittlichkeit auf Verwirklichung der Ehe und damit auf Kindersegen freiwillig verzichtet hat. Das Ergebnis unserer Untersuchungen aber ist, daß die geschichtliche Familie von Nazareth eine kinderreiche Handwerkerfamilie war, und daß die Erinnerung an diese Tatsache in der ältesten Kirche trotz frühzeitig einsetzender asketischer Bestrebungen noch fortlebte, bis gewalttätige Kirchenväter diese Vorstellung zur Ketzerei stempelten und durch kirchliche Maßnahmen verdrängten. München im Oktober 1937 Hugo

Koch. 1*

Inhaltsübersicht. Einleitung.

Meine Schrift Adhuc virgo 1929 und ihre Auf-

nahme

7—8

I. Die Jungfrauschaft Mariens bei Tertullian . .

8—17

ι . Tertullian nimmt eine wirkliche Ehe Josefs und Mariens nach der Geburt Jesu an. a) De pudicitia 6, 16 S. 10. b) De carne Christi 17 S. i o f . c) De monogamia 8 S. I i f. d) De virginibus velandis 4·—6 S. 12—14. e) Adversus Marcionem IV, 19 S. 14 f. 2. Die Bedeutung dieser Anschauung Tertullians S. i 6 f .

II. Die Jungfrauschaft Mariens bei Irenäus

. . .

17—60

ι . Irenäus bekundet dieselbe Anschauung, und er ist die Quelle Tertullians. a) Adversus haereses I I I , 21, 10 S. 17—20. b) adv. haer. I I I , 22, 4 und V, 19, 1 S. 20—24. c) Epideixis 32. S. 25. 2. Eine grundsätzliche Erwägung S. 26. 3. adhuc und virgo Maria bei Tertullian 5. 26—29. 4. adhuc, virgo Maria und andere Wendungen bei Irenäus S. 29—33. 5. adhuc bei andern Schriftstellern S. 33 f. 6. Die Tragweite dieser Feststellungen, Folgewidrigkeit der gegnerischen Behauptungen S. 34—36. 7. Die angebliche virginitas in partu bei Irenäus S. 37—46. a) adv. haer. IV, 33, 1 1 . Maria und die Kirche bei Irenäus und Tertullian S. 37—43. b) Epideixis 54 S. 43—46. 8. ττρωτότοκοί bei Irenäus und die Anschauung Jouassards S. 46—60. a) adv. haer. I I I , 16, 3 u. 4 S. 47·—52. b) adv. haer. I I I , 18, 7 S. 50—53. c) adv. haer. I I I , 22, 4 S. 53f. d) adv. haer. IV, 21, 3 S. 54f. e) adv. haer. V, 19, 1 S. 55. f) Epideixis 38 S. 56L Das Ergebnis und die Streitart Jouassards S. 56—60.

III. Die dogmengeschichtliche Entwicklung

. . . .

χ. Tertullian und Irenäus als fester Punkt S. 60—62. 2. Ignatius von Antiochien S . 6 2 Í . 3. Justin S. 63f. 4. Melito von Sardes S. 64 f. 5. D a s Symbolum S. 65. 6. Die sog. Epistola apostolorum S. 65 f. 7. Die Πράξεις Παύλου S. 66f. 8. Klemens von Alexandrien und

60—91

6 Orígenes S. 67—72. 9. Cyprian von Karthago S. 7 2 I 10. Die ps.-cyprianische Schrift De singularitate clericorum S. 73f. i l . Ps.-Klemens De virginitate S. 74—77. 12. Aphraat S. 77f. 13. Hilarius von Poitiers und Athanasius S. 79—81. 14. Firmicus Maternus S. 81. 15. Viktorin von Pettau, Helvidius, Jovinian, Apollinaris S. 82—84. 16. Die Deutung von Mt. 1, 25 in ältester Zeit und ihre Tragweite S. 84 f. 17. Hieronymus, Epiphanius, Ambrosius und Siricius S. 85—87. 18. Die Jungfrauengeburt und die Ehe Josefs und Mariens S. 87—91. Die Stufen der Entwicklung S. 91.

Anhänge

92—114

A n h a n g 1 (zu S. 37·—-43). Die Kirche als jungfräuliche Mutter, und Maria ihr Vorbild S. 92—94. A n h a n g 2 (zu S. 69). Eine umstrittene Stelle bei Ambrosius (Epos, in Luc. I I , 5Öf.) S. 95—97. A n h a n g 3 (zu S. 85). Literarische Zusammenhänge bei den Kirchenvätern des 4. Jahrhunderts S. 9 7 ! A n h a n g 4 (zu S. 87). Gottessohnschaft Jesu und Zeugung (oder Schöpfung) durch den hl. Geist S. 98—102. A n h a n g 5 (zu S. 5 7 ! ) . Πρωτότοκο; in der jüdischen Grabschrift von Teil el Yekudieh und Luk. 2,7 S. 102—106. A n h a n g 6 (zu S. 83). Zur Schrift von R. B o t ζ über die Jungfrauschaft Mariens 1935. S. 106—114. 1. Zu Mt. ι , 25 S. 107—110. 2. Zu Luk. ι, 34 S. 1 1 0 . 3. Die Kreuzesszene S. i i o f . 4. Zu Mk. 3, 2of. 31 fï. S. i n — 1 1 3 . 5. Die Brüder Jesu in der Geschichte S. i i 3 f .

Nachträge

115

Einleitung E s ist immer schon aufgefallen, und man konnte es sich bei der auf protestantischer wie auf katholischer Seite vorherrschenden Anschauung über die Entwicklung der Lehre von der Jungfräulichkeit Märiens nicht recht erklären, daß an der Wende des zweiten Jahrhunderts ein Mann wie T e r t u l l i a n noch einen vollen ehelichen Verkehr Josefs und Mariens nach der Geburt Jesu als etwas Gegebenes angenommen hat. Nun habe ich in meiner Abhandlung »Adhuc virgo : Mariens Jungfrauschaft und Ehe in der altkirchlichen Überlieferung bis zum Ende des 4. Jahrhunderts« (Beiträge zur historischen Theologie 2. Tübingen 1 9 2 9 ) 1 nachzuweisen gesucht, daß der Afrikaner mit dieser Vorstellung in jener Zeit nicht allein stehe, daß vielmehr kein Geringerer als I r e n ä u s , der »Vater der katholischen Dogmatik«, dieselbe Ansicht durchblicken lasse, und Tertullian sie gerade von ihm übernommen habe. Von diesem Gesichtspunkt aus zeichnete ich dann ein anderes Bild von der ältesten »mariologischen« Überlieferung, als man es sonst zu finden gewohnt ist, und ich führte diese Überlieferung auf einschlägige Schriftstellen der Evangelien (Mt. I, 25. Mk. 3, 3 1 ff. 6, 3ff. u. Par.) und ihre sinngemäße Deutung zurück. Auf protestantischer Seite haben meine Darlegungen, soviel ich sehe, keinen Widerspruch gefunden. Daß dies auch auf katholischer Seite der Fall sein werde, konnte ich nicht erwarten. Erfreulicherweise haben aber auch die katholischen Theologen, zum Teil mit sichtlicher Anstrengung, diese für sie so heikle und an zarte Empfindungen rührende Frage fast durchweg in ruhiger und sachlicher Weise geführt. Dabei ist ihnen Hr. Abt C a p e l l e von Mont César bei Löwen — übrigens neben J . G a r ç o n der einzige meiner Gegner, der die für die bisherige Anschauung erwachsenen Schwierigkeiten voll emp-

8 funden hat — mit gutem Beispiel vorangegangen1. Mir selbst lag gewiß nicht daran, den guten Irenaus um jeden Preis mit einer, später von der Kirche zur Irrlehre gestempelten Anschauung zu belasten. So habe ich denn auch die mir gemachten Einwände und vorgetragenen Gegengründe eingehend geprüft. Warum ich sie aber nicht als stichhaltig anerkennen kann, soll im Folgenden dargelegt werden. Dabei werden, wie ich glaube, auch neue Gesichtspunkte und Erkenntnisse gewonnen werden und meine Ergebnisse sichern.

I. Die Jungfrauschaft Mariens bei Tertullian. ι. Den Ausgangspunkt der Untersuchung muß stets T e r t u l lian bilden, da über seine Auffassung überhaupt kein Zweifel bestehen kann. In der Tat haben auch meine Gegner, mit Ausnahme von D. C. L a m b o t (Rev. Benéd. 40, 1930, S. 1 8 1 ) und dem Koptisten L. Th. L e f o r t (Rev. d'hist. eccl. 29, 1930, 1)

B . C a p e l l e , »Adhuc virgo« chez Saint Irenée, in den Recherches de Théologie ancienne et médiévale 2 (1930) S. 388—395. Ferner: F . Κ . L u k m a n , Sv. Irenei o Marijen devistou (S. Irenaei de virginitate Mariae sententia), »Bogoslowni Vestnik« 10 (1930) S. 105—120 (mir bekannt aus der Besprechung Dom Capelles in den Rech, de Théol. anc. e t m é d . 3 (1931) Nr. 1, Bulletin Nr. 521). O. B a r d e n h e w e r , Zur Mariologie des hl. Irenäus, Ztschr. f. kath. Theol. 55 (1931) S. 600—604. J o . G a r ç o n , L a Mariologie de Saint Irenée. Thèse de Doctorat présentée à la Faculté de Théologie de Lyon, Lyon 1932, bes. Chap. I I I . S. 61—81 (die Schrift ist nicht im Buchhandel erschienen, sondern vom Verfasser zu beziehen). G. J o u a s s a r d , »Le premier-né de la Vierge« chez St. Irenée et St. Hippolyte, Revue des Sciences Religieuses 12 (1932) S. 509—532 und 13 (1933) S. 25—37. Die Tübinger katholisch-theologische Doktordissertation von P. R . B o t z , Die Jungfrauschaft Märiens im Neuen Testament und in der nachapostolischen Zeit (1935) behandelt von nachbiblischen Schriftstellern nur noch Ignatius von Antiochien und befaßt sich mit meiner Untersuchung nur S. 3 A. 3 u. 6 wegen Mt. ι , 18—25. Andere Entgegnungen erfolgten im Rahmen eingehenderer Anzeigen meiner Schrift, wie von A. E b e r l e in der Theol. Revue 29 (1930) Sp. 153—155, von L. Th. L e f o r t in der Revue d'hist. eccl. 26 (1930) S. 679—682, von F r . M i t z k a S. J . in der Ztschr. f. kath. Theol. 55 (1931 ) S. 136—139. Eine unrühmliche Ausnahme von der oben gerühmten Sachlichkeit macht, neben Jouassard, wieder einmal der Pariser Jesuit A. d'Alès in den Rech, de Science Relig. 19 (1929) S. 534, vgl. meine Gegenbemerkungen in der Theol. Litztg. 55 (1930) Sp. 4 6 6 !

9 S. 679f.), keine Zweifel hierüber mehr geäußert, wie das sonst nicht selten geschehen ist, wenn sie auch der Tragweite seiner Anschauung nicht gerecht geworden sind. Lambot findet die von mir aus Tertullian wie die aus Irenaus angeführten Stellen ,peu décisifs'. Lefort aber möchte die Aussagen des Afrikaners durch eine allgemeine Erwägung verharmlosen. E s sei zwar, sagt er, nicht seine Absicht, den Tertullian »weißzuwaschen«. »Aber ein Philologe, der ein wenig ernsthaft mit Tertullian gelebt hat, wird schwerlich zugeben, daß der verwirrende Afrikaner, dessen Stil manchmal bis zur Dunkelheit abgebrochen und gedrängt ist, seine Ausdrücke in christologischen Äußerungen derart abgewogen und überdacht habe, um zu vermeiden, daß man später ihnen etwas Anstößiges entnehmen könnte bezüglich einer Mariologie, womit er sich vielleicht niemals beschäftigte.« »Eine gesunde philologische Methode«, sagt er weiter mit Bezug auf Tertullian und Irenäus, »fordert, daß man von einem Text genau das abliest, was sein Verfasser hat hineinlegen wollen, und sie läßt nicht zu, daß man seinen Worten und seinen Ausdrücken eine Bedeutung beilege, die sie in einem anderen Zusammenhang, einer anderen Umwelt, einem andern Zeitabschnitt haben könnten. « Nun wird diese Grundsätze an sich niemand bestreiten, der von philologischer Methode eine Ahnung hat. Aber bei ihrer Anwendung auf den einzelnen Fall werden sich doch immer wieder Meinungsverschiedenheiten einstellen, und auf keinen Fall dürfen sie für einen Schriftsteller zum Freibrief werden, der ihm gestattet, sich in seinen Äußerungen nach Belieben gehen zu lassen, ohne daß man ihn jemals beim Worte nehmen dürfte. Was Tertullian besonders betrifft, so hat bekanntlich schon Vincenz von Lerinum erkannt, daß bei ihm häufig in einem einzigen Wort eine ganze sententia steckt, und man hat darum ein Recht und eine Pflicht, gerade bei ihm sorgfältig auf die Wahl seiner Worte zu achten, um ihren oft so gedankenschweren Sinn voll zu erfassen. Daß er sich aber mit mariologischen Gedanken niemals befaßt habe, wird man in Hinblick auf de carne Christi 7 einerseits, de carne Chr. 20, adv. Marc. II, 4 und sein Verhältnis zu Irenäus anderer-

10 seits nicht behaupten können 1 . Um nun jeden Einwand auszuschalten, sollen die einschlägigen Stellen nochmals in ihrem Zusammenhang geprüft und aus dem Sprachgebrauch Tertullians beleuchtet werden. a) In einer Darlegung über den Unterschied zwischen dem unerlösten und dem erlösten Menschen schreibt Tertullian De pud. 6, 16 (S. 29, 1. Preuschen 2 ): At ubi sermo dei descendit in carnem ne nuptiis quidem resi gnat am et sermo caro factus est ne nuptiis quidem resignanda etc. Hier bildet der Leib Jesu, der durch die Ehe nicht (niemals) »entsiegelt» werden sollte, deutlich eine Steigerung gegenüber dem Leibe seiner Mutter, der beim Herabsteigen des Logos (noch) nicht durch die Ehe »entsiegelt« war, und so schließt der Satz in sich den Gedanken, daß der Leib Mariens nachher durch die Ehe entsiegelt wurde 2 . b) Damit stimmt eine bisher allgemein übersehene Stelle in de carne Chr. 17 (II, 453 f. Oehler) überein, wo Tertullian ausführt, daß Christus nove, d. h. von einer Jungfrau, habe geboren werden müssen, um so eine neue, geistige Geburt einzuleiten, daß aber dieses neue Geschehnis, wie immer, in einem alten vorgebildet worden sei: Virgo erat adhuc terra, nondum opere compressa, nondum sementi sub act a; ex ea hominem factum accipimus a Deo in animam vivam (Gen. 2, 7). Igitur si primus Adam ita traditur, merito sequens vel novissimus Adam, ut apostolus dixit (I Cor. 15, 45f.), proinde de terra, id est carne nondum gener at io ni resignata, in spiritum vivificantem a Deo est prolatus. Siehe Adhuc virgo S. 13. Es ist schade, daß der ausgezeichnete Koptist Lefort seine überlegene Kenntnis Tertullians, soviel ich sehe, ganz für sich behalten und nicht auch seine minderbemittelten Zeitgenossen daran hat άφθόυως teilnehmen lassen. 2 ) Zu resignare in diesem Sinne vgl. de virg. vel. 5 (I, 889 Oehler) : cum virginitatem resignasset, c. 11 (I, 900); de carne Chr. 17 (II, 454 Oehler) : nondum generationi resignata, c. 23 (II, 462) ; de res. earn. 39 (S. 81, 20 Kroymann), adv. Marc. IV, 10 (S. 445> Kroymann). Das Gegenteil ist obsignare, ad uxor. I, 6 (I, 677 Oehler) : carnem suam obsignant, de cultu fem. II, 9 (I, 727 Oehl.) : se spadonatui obsignant (cod. Agob. ; al. : adsignant).

11 Hier entspricht der virgo adhuc terra, nondum etc. genau die caro nondum generationi resignata: wie Adam aus einer jungfräulichen, noch nicht bebauten und besäten Erde gebildet wurde, so wurde Jesus aus einem n o c h n i c h t der Zeugung erschlossenen Fleische hervorgebracht. Diese »Erschließung« ist also nachher ebenfalls eingetreten 1 . Stünde der Sinn des Nachsatzes dem des Vordersatzes nicht völlig gleich, so hätte Tertullian nur, wie de pud. 6 bei der caro Christi, zu schreiben gebraucht non generationi resignanda, und er hätte damit zugleich eine der Steigerung vivant—vivificantem entsprechende Steigerung gewonnen. Ein Vergleich unserer Stelle mit de pud. 6 ist überhaupt lehrreich : hier, de pud. 6, kann der Schriftsteller bei Maria schreiben ne nuptiis quidem resignatam, weil sich ein nondum wegen der nachfolgenden Steigerung ne nuptiis quidem resignandam erübrigt. De carne Chr. 17 aber stellt das beidemalige nondum die Gleichförmigkeit des Satzes und des Gedankens her, und auf eine Steigerung des Gedankens wird trotz der Steigerung vivam—-vivificantem verzichtet 2 . c) De monog. 8 (I, 772 Oehler) sagt der Schriftsteller: gleich bei Beginn des Evangeliums begegnen uns zwei antistites christlicher Heiligkeit, die monogamia und die continentia; die Einehe ist pudica, vertreten durch den Priester Zacharias, die Enthaltsamkeit ist integra, vertreten durch den Vorläufer Johannes. Dann kommt er auf die Mutter Jesu zu sprechen: Et Christum quidem virgo enixa est, semel nuptura 3 post partum , ut uterque titulus sanctitatis in Christi censu dispungeretur, per matrem et virginem et univiram. 1 ) An dem nondum generationi resignata sind einige Schreiber tatsächlich erschrocken und haben dafür non gesetzt, wie auch einige schon im Eingang das adhuc weggelassen haben (siehe die Angaben bei Oehler). 2)

Siehe zu dieser Stelle noch unten II, i a . Statt post partum (codd. Vindob. u. Leid., edit, princ. des Beatus Rhenanus, Ausgaben des Pamelius und Rigaltius) haben nur Gangneius und Gelenius ob partum, was wie eine Verbesserung aussieht, aber keinen rechten Sinn gibt und in den ganzen Zusammenhang nicht paßt. Man könnte an das in partu suo nupsit von de carne Chr. 23 (II, 462 3)

12 Wenn Maria nach der Geburt Jesu »einmal heiratet« und dadurch univira wird, nachdem sie v o r h e r mater et virgo gewesen ist, so kann das nur eine wirkliche Ehe bedeuten, was zudem schon im Begriff nubere bei Tertullian liegt 1 . Bezeichnenderweise steht ja auch »beim Beginn des Evangeliums« nur ein Vertreter der ständigen continentia und integritas, Johannes der Täufer. Bei Maria aber kommt der »doppelte Titel« zur Geltung: zuerst die continentia (oder integritas), dann die monogamia (oder pudicitia). d) Noch deutlicher wird dies durch De virg. vel. c. 4—6. Da ihm entgegengehalten wird, daß der Apostel I Cor. I i , 5ff. nur die Verschleierung der mulieres verlange, nicht auch die der virgines, erklärt er in c. 4 (I, 889 Oehler), die natürliche Bezeichnung eines weiblichen Wesens sei femina, das generale dieser natürlichen Bezeichnung mulier, das speciale dieses generale aber virgo vel nupta vel vidua; mit mulieres seien also alle diese drei Arten gemeint. In c. 5 weist er dann am Beispiel der E v a die Ansicht zurück, daß mulier nur genannt werde quae virum passa sit. Diese femina wird nämlich (Gen. 2, 22. 3, 6) sofort nach ihrer Erschaffung mulier genannt, adhuc felix, adhuc digna paradiso, adhuc virgo. Auch die »geistreiche« Erklärung läßt er nicht gelten, daß E v a eben de futuro so genannt worden sei, quasi quae hoc futura esset, cum virginitatem resignasset. Sie wird überhaupt in der Schrift nur mulier genannt, antequam nupta, et numquam virgo, cum virgo. In c. 5 (I, 891 f.) kommt er dann auf die Jungfrau Maria zu sprechen: auch sie nennt der Apostel (Gal. 4, 4) wegen ihres Geschlechtes mulier, wie die Genesis die Eva. Ebenso der Engel Gabriel (Luk. 1, 28). Ein Erklärer, fährt er fort, kam sich zwar geistreich vor mit der Bemerkung, das sei deswegen geschehen, weil Maria verlobt war, und eine Verlobte gleichsam eine Verheiratete sei (desponsata enim quodammodo nupta). E s ist aber doch, entgegnet er diesem »geistreichen« Erklärer, zwischen quodammodo und der Wirklichkeit ein bedeutender Unterschied, zumal in diesem Fall {tarnen inter quodammodo et verum ratio interest, duntaxat hoc in loco). Anderwärts mag es ja zutreffen. Oehl.) denken (siehe S. 14 A. 1), aber damit wird sie keine univira. Siehe S. 14 A. 1.

13 Hier aber haben sie Maria »Weib» genannt, nicht als ob sie schon v e r h e i r a t e t gewesen wäre (non quasi tarn nuptam), sondern weil sie nichtsdestoweniger femina war, auch ohne sponsa zu sein. Würde sie übrigens hier in dem Sinne einer desponsata gleichgestellt, daß sie mulier genannt worden wäre non qua femina, sed qua maritata, dann wäre Christus nicht mehr aus einer Jungfrau geboren, weil aus einer desponsata, die mit diesem Namen aufgehört hätte, virgo zu sein. Ist er aber aus einer Jungfrau geboren, die zwar desponsata, aber doch integra war, so ist daraus zu ersehen, daß mulier auch eine Jungfrau, auch eine integra genannt werden kann. Sicher ist also hier kein Anschein von einem p r o p h e t i s c h e n A u s s p r u c h , daß der Apostel das z u k ü n f t i g e W e i b , d. h. die V e r h e i r a t e t e , gemeint hätte (ut futuram mulier em, id est nuptam, apostolus nominarit), wenn er sagt »der aus dem Weibe geworden ist«. Konnte er doch gar nicht das n a c h m a l i g e W e i b (posteriorem mulierem), d.h. die, die den Mann erduldet h a t t e (virum passam), meinen, da ja Christus n i c h t von dieser geboren werden sollte, sondern die, die gegenwärtig war, die Jungfrau war, wurde auch Weib genannt. So gewunden Tertullians »Beweis« hier verläuft, so viel geht aus seinen Ausführungen doch mit aller Sicherheit hervor, daß er eine nupta oder maritata in Gegensatz stellt zu einer virgo oder integra, darunter also eine in ehelichem Geschlechtsverkehr Lebende versteht, und daß er die Mutter Jesu ebenso als eine solche spätere nupta, als eine virum passa betrachtet, wie die Eva, als ihre Jungfrauschaft »entsiegelt« war. Er lehnt es ab, das Wort des Apostels (Gal. 4, 4) und das Wort des Engels (Luk. ι , 28) »prophetisch« zu fassen, d. h. auf die Zukunft, auf etwas erst nachher Eingetretenes, zu beziehen. Dieses Wort gilt ihm von der gegenwärtigen Maria, die (noch) Jungfrau ist, aber wegen ihres Geschlechtes mulier genannt werden kann, nicht von der nachmaligen, mit Josef in ehelichem Verkehr lebenden Maria, von der Jesus ja nicht geboren werden sollte. Wenn das nicht der Sinn dieser Ausführungen ist, dann weiß ich nicht, was sie für einen Sinn haben sollten. So fällt von De virg, vel. 6 auch Licht auf die vorhin angeführte Stelle

14 de monog. 8, und es bestätigt semel univira

nuptura

post

partum

sich unsere Auffassung des

und der Bezeichnung Mariens als

im Unterschied vom vorherigen Stande einer

e) Adv. Marc. IV,

virgo1.

19 (S. 482, 2 ff. Kroymann) weist Ter-

tullian die marcionitische Deutung von Mt. 12, 46ff. zurück, die in den Worten Jesu »Wer ist meine Mutter, und wer sind *) Das nubere hat in solchen Zusammenhängen bei Tertullian stets eine ausgesprochen geschlechtliche Bedeutung. So heißt es auch im Apol. 21, 9 (S. 85, 5 Martin): ceterum dei filius nullam de inpudicitia habet matrem; etiam quam videtur habere, non nupserat, und dem entspricht 2i, 14: delapsus in virginein quondam. Ebenso in de carne Chr. 23 (II, 462 Oehl.): utìque magis non virgo dicenda est quam virgo, saltu quodam mater antequam nupta. Zwar spielt hier Tertullian im Anschluß an das Wort der Gegner peperit et non peperit; virgo et non virgo und an das unechte Ezechielwort von der vacca quae peperit et non peperit auch mit dem Worte nubere, indem er von Maria sagt: et si virgo concepit, in partu suo nupsit: nam nupsit ipsa patefacti corporis lege, in quo nihil interfuit de vi masculi admissi an emissi; idem illud sexus resignavit. Aber auch da blickt die eigentliche geschlechtliche Bedeutung unverkennbar heraus. Das nubere schließt den Verlust der Jungfräulichkeit in sich, sei es, wie gewöhnlich, durch ehelichen Umgang mit dem Manne, sei es, wie bei Maria, durch die Geburt des Sohnes (vgl. nachher noch: adapertae vulvae nuptialem passionem). Ein ähnliches Begriffsspiel treibt Tertullian zu seinem Beweiszwecke in De virg. vel. I i (I, 899f.). Er steht mit diesem Gebrauch von nubere nicht allein. Bei O r í g e n e s in Luc. Horn. 7 (S. 49, 23 Rauer) heißt es gegen die, die einen ehelichen Verkehr Mariens mit Josef nach der Geburt Jesu annehmen: άλλ' ούδέ εχουσιν αυτήν άποδεϊξαι, ότι cruvoualç: έχρήσατο μετά τήν άττότεξιν του σωτήρος, und das übersetzt H i e r o n y m u s mit: porro quod asserunt earn nupsisse post partum, unde approbent non habent. Das war vorher (S. 49, 10) so ausgedrückt: έττεί, φησιν, συνήφθη μετά την άττότεξιν τήν toö σωτηρος τ ω Μώσήφ, bei Hieronymus: quod juncta fuerit Joseph. Bei demselben Hieronymus, adv. Hei vid. 18 (ML 23, 202 A), lautet ein Satz des Gegners: Mariam nupsisse post partum . . . virginem suo viro nupsisse post partum, und der Kirchenvater geht in c. 19 (203 A) selbst wieder auf diesen Sprachgebrauch ein. Ebenso sagt der Gegner bei Z e n o von Verona (Tr. I, 5, 3. ML Ii, 303 A) : etiam Maria virgo et nupsit et peperit. — Zu virum passa in den oben angeführten Stellen de virg. vel. 5 u. 6 vgl. in derselben Schrift c. i l (I, 899.): nuptias pati . . . nuptiarum i>assionem, de carne Chr. 23 (II, 462 Oehl.): nuptialem passionem; de or. 22 (S. 193, u f f . Reiff.-Wiss.) : Evam nondum virum expertam . . . innupta adhuc . . . nuptas iam et virginitate defunctas (hier wieder das nubere im besonderen Sinne), de monog. 17 (I, 782 Oehl.) : experta alium virum.

15 meine Brüder?« eine Leugnung seiner Geburt aus Maria erblickte. Man habe Jesus, sagt er weiter, die Anwesenheit seiner Mutter und seiner Brüder auch nicht melden können, um ihn wegen seiner Abstammung auf die Probe zu stellen. Denn in diesem Falle hätte man nicht Personen nennen dürfen, die er gerade so gut nicht haben konnte, auch wenn er aus Maria geboren war: Die mihi, omnibus natis mater advivit? gener antur et fratres?

omnibus natis

ai-

Nicht bei allen Geborenen bleibt die Mutter am Leben — wie dies bei Jesus und Maria der Fall war, und nicht zu allen Geborenen werden »Brüder hinzugezeugt« — wie das wieder bei Jesus und seinen Brüdern der Fall war. Tertullian macht diese seine Ausführungen nicht in luftleerem Raum, nicht in abgezogenen Betrachtungen, sondern im Hinblick auf den vorliegenden besonderen Fall, und er will die Wirklichkeit der Geburt Jesu durch das Dasein seiner Mutter und das Vorhandensein leiblicher Brüder im Gegensatz zum marcionitischen Doketismus ins Licht stellen1. Dom C. L a m b o t (Rev. Bénéd. 42, 1930, S. 181) meint, ich hätte sollen meine Anführung aus adv. Marc. I V , 19 fortsetzen, da die weiteren Worte non licet patres magis et sorores habere, vel et neminem ? meine Erklärung unwahrscheinlich oder wenigstens gezwungen machten. Das kann ich nicht finden, vielmehr bestätigt diese Fortsetzung nur die Richtigkeit meiner Erklärung. Nachdem Tertullian zuerst entgegnet hat, daß das im vorliegenden Falle (Mt. 12, 46ÊÎ.) G e g e b e n e (das Nochleben der Mutter und das Dasein von »hinzugezeugten« Brüdern) nicht immer zutreffen müsse, führt er andere M ö g l i c h k e i t e n an: es könnten ja auch nur Väter und Schwestern da sein, oder auch niemand (mehr). Von den wirklichen Schwestern Jesu (Mt. 13, 55) kann er absehen, da sie beim genannten Vorgang nicht in Erscheinung treten. Schreibt doch Epiphanius (Haer. 78, 17 M G 42, 725 D ; S. 467, 29f. Holl) trotz der bekannten biblischen Angaben (Mk. 6, 30 Mt. 13, 55) sogar, daß, wenn Maria außer Jesus noch andere Söhne geboren hätte, diese genannt sein müßten. Wie ich schon in A v . S. 4 beigefügt habe, drückt Tertullian den Gedanken von adv. Marc. IV, 19 in de carne Chr. 7 (II, 439 Oehler) so aus: Omnes naseimur, et tarnen non omnes aut fratres habemus aut matrem; adhuc potest et patrem magis habere quam matrem, et avuneulos magis quam fratres. Hier ist aus dem deutlich nach einem entfernteren Verwandtschaftsgrad greifenden avuneulos unschwer zu merken, wie ferne es ihm liegt, unter den fratres etwa nur »Vettern« zu sehen.

16 2. Wir stehen so vor der handgreiflichen Tatsache, daß ein kirchlicher Schriftsteller von der Bedeutung Tertullians nicht nur mit der Geburt Jesu das Ende der Jungfrauschaft seiner Mutter verbindet, sondern auch einen ehelichen Verkehr Josefs und Mariens nach der Geburt Jesu annimmt und die Brüder Jesu als Frucht des Verkehrs betrachtet, wie denn auch Hieronymus (adv. Helvid. 17 ML 23, 201 B) diese Tatsache nicht, wie bei Viktorin von Pettau, bestreitet, sondern nur mit der Bemerkung abtun möchte, Tertullian sei kein »Kirchenmann« gewesen1. Daß aber diese Anschauung mit seinem Montanismus nichts zu tun hat, liegt wiederum auf der Hand, und Capelle hat dies (S. 393) ausdrücklich anerkannt. Auch zur Bekämpfung des Doketismus war es nicht notwendig, die virginitas post partum fallen zu lassen, dazu genügte der Verzicht auf die virginitas in partu, wie er dem Orígenes genügte 2 . Tatsächlich ist ja auch von allen Stellen, die in dieser Frage in Betracht kommen, nur eine einzige (adv. Marc. IV, 19) gegen den marcionitischen Doketismus gerichtet, und auch sie wendet sich in erster Linie gegen eine eigentümliche Erklärung von Mt. 12,46ff. Jedenfalls hätte der um Widerlegungsgründe nie verlegene Theologe zu diesem Zwecke nicht eine anderslautende Überlieferung preisgegeben. Es bleibt also die Frage: wie kommt Tertullian zu seiner Anschauung? Capelle schließt aus ihr, daß die virginitas post partum damals in Afrika nicht so zur kirchlichen Lehrverkündigung gehört habe, daß die entgegengesetzte Ansicht ausgeschlossen gewesen wäre. Aber sollte dies nur in Afrika so 1

) Trotz dieser klaren und eindeutigen Sachlage schreibt K. P r ü m m S. J . (Der christliche Glaube und die altheidnische Welt I, Leipzig 1935, S. 281), daß Tertullian »eine Unklarheit über die Jungfrauschaft der Mutter des Herrn in der Geburt« zeige, und kein Wort über das Eheleben post partum. z ) M i t z k a S. J . betont (S. 138) den Zusammenhang der virginitas in partu und der virginitas post partum und will am Beispiel Tertullians zeigen, wie leicht mit jener auch diese preisgegeben werde. Daß diese Folge aber nicht notwendig ist, kann man eben an Orígenes sehen (siehe darüber unten in III, 8), und im übrigen wird das Verhältnis eher umgekehrt liegen: wer aus irgendeinem Grunde eine volle Ehe Josefs und Mariens nach der Geburt Jesu annimmt, braucht sich um die virginitas in partu nicht zu bemühen.

17 gewesen sein? War denn die afrikanische Kirche von den anderen Kirchen luftdicht abgeschlossen? Ist nicht gerade Tertullian in allen die Glaubensregel und ihre theologische Deutung betrachtenden Fragen ein ausgezeichneter, mitten im Strome der Überlieferung stehender Zeuge? Hat er nicht die Schriften eines Justin, Melito von Sardes, Theophilus von Antiochien, Irenäus von Lyon gelesen? 1 . Und wäre er nach seiner ganzen religiösen Richtung nicht der Erste gewesen, der eine beständige Jungfräulichkeit der Mutter des Herrn übernommen hätte, wenn sie ihm irgendwo bestimmt und zuverlässig begegnet wäre? Übrigens kann nach dem Zeugnis des O r í g e n e s , wie wir unten (in III, 8) noch sehen werden, auch in Alexandrien und Palästina die immerwährende Jungfräulichkeit Mariens noch nicht zur ausschließlichen oder auch nur überwiegenden Lehrverkündigung gehört haben. II. Die Jungfrauschaft Mariens bei Irenäus.

ι. Wie liegen nun die Dinge bei Irenäus? a) Im Zusammenhang mit seiner bekannten Rekapitulationslehre2 schreibt er adv. haer. III, 21, io (S. 540 Stieren): »Wie durch den Ungehorsam eines Menschen die Sünde den Eingang fand und durch die Sünde der Tod zur Herrschaft kam (vgl. Rom. 5, 12), so ist durch den Gehorsam e i n e s Menschen die Gerechtigkeit in die Welt gekommen, und sie bringt als Frucht für die Menschen, die einst tot waren, das Leben.« Dann heißt es weiter, und hier setze ich neben den Text des Irenäus den schon oben (S. 10f.) behandelten entsprechenden Text Tertullians de carne Chr. 17 (II, 454 Oehler) : Irenäus : Et quem admodum protoplastus Ule Adam de rudi terra et de adhuc virgine — »non-

Tertullian : Virgo η on dum nondum

erat ad hue terra, opere compressa, sementi subacta\

*) Siehe darüber unten III, 3 und 4. 2) Siehe über diese A. d ' A l è s in den Rech, de Science relig. 1916, S. 1 8 5 — 2 1 1 ; H. K o c h in den Theol. Stud. u. Krit. 1925, S. 183—214; Fr. L o o f s , Theophilus von Antiochien 1930, S. 357^. K o c h , Virgo Eva — Virgo Maria. 2

18 dum enim pluerat Deus, et homo non erat operatus terram« (Gen. 2,5) — habuit substantiam et plasmatus est manu Dei... ita, recapitulans in se Adam, ipse Verbum exsistens ex Maria, quae adhuc erat virgo, rede accipiebat generationem Adae recapitulationis.

ex ea hominem factum accipimus a Deo in animant vivam (Gen. 2, 7). Igitur si primus Adam ita traditur, merito sequens vel novissimus Adam, ut apostolus dixit (I Cor. 15, 45f.), proinde de terra id est carne nondum generationi resignata, in spiritum vivificantem a Deo est prolatus. Aus dem ersten adhuc und der Strenge, womit Irenäus seine Rekapitulationsgedanken durchzuführen pflegt, Schloß ich (Av. S. 8f.), daß auch das zweite adhuc, bei Maria, eine zeitlich begrenzte Jungfräulichkeit anzeige. Für die genaue Entsprechung der Rekapitulationsglieder führte ich als Beispiel die Vorstellung an, daß Adam an einem Freitag gesündigt haben und gestorben sein müsse, weil der Tod Jesu und die Erlösung an einem Freitag stattfand (adv. haer. V, 23, 2 S. 780), wobei offenkundig der »Antitypus« den »Typus« bestimmt. Man kann aber auch auf den Fortgang der obigen Stelle hinweisen, der lautet: »Wenn also der erste Adam einen Menschen zum Vater gehabt hätte und aus männlichem Samen gezeugt worden wäre, dann könnte man mit Recht sagen, daß auch der zweite Adam von Josef gezeugt worden sei. « Es ist zwar für Irenäus ein unwirklicher Fall, aber immerhin zwingt ihn seine Rekapitulationsregel zum Zugeständnis, daß das Eine auch das Andere zur Folge hätte. Hier würde der Typus den Antitypus bestimmen. Aber man sieht: beide entsprechen sich bis zur äußersten Folgerung. Das adhuc virgo bei Maria besagt also ganz dasselbe, wie bei der Erde, und beschränkt die Jungfräulichkeit Mariens auf die Zeit vor der Empfängnis und Geburt Jesu. So hat denn auch Tertullian die Stelle des Irenäus verstanden, wenn er das adhuc virgo bei Maria mit caro nondum generationi resignata als Entsprechung zu terra nondum opere compressa, nondum sementi súbacta wiedergibt1. Siehe dazu noch unten II, 8 b.

19 Während E b e r l e ohne jeglichen Beweis einfach behauptet, daß die Gegenüberstellung für das spätere

Zusammenleben

Mariens mit Josef nichts beweise, sondern nur gesagt sei, daß Maria

den

Heiland

Bardenhewer

jungfräulich

empfangen

habe,

macht

das Fehlen einer dem nondum enim etc. ent-

sprechenden Begründung bei Maria geltend, die den Unterschied oder Gegensatz zwischen der J u n g f r a u und der E h e frau andeuten würde. Allein eine Begründung mit einem nondum etc. war bei Maria nicht ebenso notwendig, wie beim Bilde der »jungfräulichen Erde«, das, wie Bardenhewer selbst mit Recht bemerkt,

hier

(d. h. näherhin

schon I I I , 1 8 , 7

S. 5 2 3 , siehe unten II, 8 b ) , wohl zum erstenmal in christlichen Kreisen auftritt 1 , und sein Fehlen ist hier um so erklärlicher, als Irenäus schon in I I I , 2 1 , 4 (S. 5 3 6 ) geschrieben hatte: qui ex virgine natus est... cum Maria'

quoniam 'friusquam

convenisset

Iosefih

— manente igitur ea in virginitate — 'inventa est

in utero Habens de Spiritu

sancto'

(Mt. 1 , 1 8 ) 2 .

1

) Vorher kommt es bei J o s e p h u s , Antiq. I, 1, 2 §34 (I, 10, 1 2 Niese). Über die verschiedenen Begründungen (noch unbebaut, noch nicht mit Blut befleckt) siehe H. V o l l m e r in ZNW 8 (1909) S. 324; 9 (1910) S. 168; I i (1912), S. 95. Auch in der Adam-Haggada kehrt es in verschiedenen Fassungen wieder (vgl. W. S t a e r k in ZNW 33, 1934, S. 103 A. 16.) 2 ) Das manente igitur etc. in I I I , 21, 4 ist, wie C a p e l l e (S. 392 A. 9) und E b e r l e (Sp. 154) richtig bemerken, eine Erklärung zu Mt. i , 18 (vgl. Mt. ι , 25). Man darf aber, wenn man sich nicht einer petitio principii schuldig machen will, nicht die spätere und heutige kirchliche Deutung dieser Stellen als selbstverständlich betrachten und sie schon der ältesten Zeit unterschieben, da es sich ja gerade darum handelt, wie diese Stellen ursprünglich verstanden worden seien und welchen Sinn sie von Haus aus haben. Tertullian hat sie sicher so verstanden, daß nach der Geburt Jesu das eheliche Leben begann, und auch bei Irenäus muß die ganze Gedankenfolge mit dem nachherigen adhuc in Betracht gezogen werden. Capelle wendet gegen meine Deutung von manente igitur (»als sie n o c h in der Jungfrauschaft verharrte, als sie n o c h Jungfrau war«) ein, daß der Übersetzer des Irenäus bei jeder Gelegenheit einen solchen Ablativ des Partizips anwende »sans nuance spéciale« und er führt als Beispiel IV, 7, 4 (S. 579) an. Vielleicht darf ich eine Stelle in I I I , 23, 2 (S. 567) — dem nachfolgenden Kapitel —• entgegenhalten, wo gerade ein adhuc und ein manere kommen. Irenäus weist hier die Anschauung, daß Adam selbst nicht erlöst worden sei, ab mit der Begründung, daß dann die Niederlage des Feindes keine vollständige wäre : 2*

20 Capelle nennt (S. 389) den Text von III, 21,10 »très dur« — »diese Rede ist hart, wer kann sie hören ? « — , glaubt aber, wie Bardenhewer, der es übrigens mit Bestimmtheit behauptet, daß das adhuc von der Erde zu Maria seinen Weg gefunden haben könne, ohne bei ihr im gleichen Sinne zu gelten. Doch gibt er zu, daß eine solche Behauptung nur nach diesem Texte verwegen wäre und den Eindruck einer Ausflucht machen könnte, wenn nicht andere Stellen bei Irenaus ernsthafte Be *4)> I H . 18, 7 (S. 5 2 3 ) : qui primus est (του πρώτως έκ παρθένου γεγενημένου), I I I ,

1 9 , 2 (S. 526) : praeclara... et ea, quae est ex virgine generatitene ... ex Maria habuit secundum hominem generationem, III, 21, 4 (S. 537) : generationem eius quae est ex virgine, 21, 5 (S. 538): generationem eius, qui erat futurus ex virgine... in virginis, hoc est in Mariae partu, IV, 6, 7 (S. 577) : de Maria natus, 9,2 (S. 585) : hunc qui ex Maria virgine, IV, 33, 2 (S. 666) : earn quae ex homine est generationem, IV, 40, 3 (S.708) : de muliere factus homo (έκ γυναικός γενόμενος άνθρωπος mit Bezug auf Gen. 3 , 1 5 und wohl auch auf Gal. 4, 4), V, 21, 1 (S. 773) : ex muliere virgine habebat nasci... nisi ex muliere homo esset. Nach III, 22, ι (S. 541) sagen die Gnostiker αύτόν μηδέν είληφέναι έκ της παρθένου, dafür V, I, 2 (S. 7 1 5 ) : °ύδέν έκ της Μαρίας είληφέναι.

Irenäus bezeichnet also die Mutter Jesu je nach dem Zusammenhang oder der ihm vorschwebenden Schriftstelle bald nur mit dem Namen, bald als virgo, bald als mulier virgo, bald nur als mulier, bald nur als homo. Beim lateinischen virgo ist an sich nicht sicher, ob es »eine Jungfrau« oder »die Jungfrau« ausdrücken soll. Wir haben aber an sechs Stellen auch den griechischen Wortlaut: an zweien von ihnen steht nur παρθένος, von den vier andern mit dem bestimmten Artikel nehmen drei auf Jes. 7, 14 Bezug, die vierte gibt die Doketenansicht wieder, die wohl auch diese Jesaiastelle wenigstens mit im Auge hat. Dazu kommt noch eine siebente Stelle, wo uns auch der griechische Wortlaut erhalten ist. Nach I, 15, 3 (S. 186) lehrten nämlich die Valentianer, daß die aus der Tetras hervorgegangenen Kräfte den auf Erden erschienenen Jesus gezeugt hätten, der aber durch den Mutterleib Mariens nur

hindurchgegangen

sei:

τόν

δέ της 'Εκκλησίας τόπον

ή

παρθένος έπέδειξεν. Da im selben Zusammenhang auch vom Engel Gabriel und vom hl. Geist die Rede ist, so meint der Gnostiker mit »der Jungfrau« offenbar eben die Jungfrau, von der Luk. 1, 26ff. erzählt wird. In der Epideixis c. 32 u. 33

33 aber ist nach zuverlässiger Übersetzung Maria jedesmal »die Jungfrau« genannt, Eva aber zuerst »eine Jungfrau«, dann (wie an der entsprechenden Stelle adv. haer. V, 19,1 S. 769) ebenso »die Jungfrau«, wie Maria. Für eine άεπταρθενία Mariens springt also, wie auch Garçon (S. 69f.) zuletzt zugibt, aus dem bestimmten Artikel nichts heraus. 5. Zum Uberfluß sei Gebrauch und Weglassen von adhuc noch aus anderen Schriftstellern beleuchtet. Von der Wendung ITI παρθένον bei Orígenes in Luc. Horn. 7 (S. 52, 4 Rauer) wird unten (in III, 8) die Rede sein. In den ps.-klementinischen Rekognitionen II, 14 (S. 46 Gersdorff) schwindelt der Magier Simon: ante enim quam mater mea Rachel conveniret cum eo (sc. Antonio, ihrem Manne), adhuc virgo concepii me. Damit ist deutlich auf Mt. 1, 18 angespielt, ein nachheriger ehelicher Verkehr aber selbstverständlich vorausgesetzt, da die Ps.Klementinen aus Kreisen stammen, in denen Enthaltsamkeit nicht geschätzt war 1 . Athenaeus schreibt in seinen Deipnosoph. *3> 54 588 E (III, 1309 Dindorf. 1827) : Άπελλήΐ ό χωγράφοί ετι τταρθένον oî/σαν τήν Λαΐδα θεασάμενος άπό της Πειρήυης ύδροφοροΟσαν καΐ θαυμάσα$ τό κάλλος ήγαγέ ιτοτε αύτήν εΐξ φίλων συμττόσιον. Sueton berichtet Aug. 62 vom nachmaligen Kaiser Augustus: sponsam habuerat adulescens P. Servili Isaurici filiam, dann habe er eine Stieftochter des Antonius vixdum nubilem geheiratet, sie aber wegen Entzweiung mit seiner Schwiegermutter intactam adhuc et virginem entlassen. Hier ist natürlich an sich über das fernere Schicksal der Entlassenen nichts ausgesagt — sie wird wohl wieder verheiratet worden sein —, aber hier ist auch nicht vom Beginn einer Ehe die Rede, sondern von der Trennung. Ebenso verhält es sich in Claud. 26, wo Sueton erzählt, dieser habe admodum adulescens zwei Verlobte gehabt, von denen er die erste virginem adhuc entlassen habe. Vgl. noch Domit. 22 : fratris filiam adhuc virginem oblatam in matrimonium sibi cum... recusasset, non multo -post alii conlocatam corrupit ultro. Zu beachten ist, daß an den beiden zuerst genannten Stellen jedesmal zuerst ein adhuc weggelassen, nachher ein solches beigefügt ist. Ein der1 ) Siehe C. S c h m i d t , S. 274ff.

Studien, zu

K o c h . Virgo Eva — Virgo Maria.

den

Ps.-Klementinen. 3

1929,

34 artiger Wechsel findet sich bei Sueton auch sonst, Aug. 20: adulescens adhuc, c. 25; servos adhuc, Calig. 19: avurn meum narrantem puer audiebam, c. 24: Drusillam vitiasse virginem praetextatus adhuc creditur, c. 36: recentibus adhuc lasciviae notis, c. 50: puer ( = als Knabe) comitiali morbo vexatus; Claud. 2 : infans relictus a patre, Nero 6 : trimulus patrem amisit, c. 7: tener adhuc necdum matura pueritia, c. 52: liberales disciplinas omnis fere puer attigit, c. 57: adulescente me; Galba 4: puero adhuc; Domit. 12: interfuisse me adulescentulum memini. Dieselbe Erscheinung begegnet uns bei Plinius dem Jüngeren, ep. I, 16, 6: uxorem quam virginem accepit, 18, 3: eram acturus adulescentulus adhuc, IV, 1, 4: me paene adhuc puerum, 1 5 , 1 0 : adulescentulus adhuc, 1 7 , 6 : adulescentulus eram, VII, 20,4: equidem adulescentulus etc., 21, 3: adhuc lippus, 24, 3: et puer et iuvenis evasit, 2 7 , 2 : tenuis adhuc et obscurus, V I I I , 4 , 6 : recentia et rudia et adhuc similia nascentibus, 18, 8: uxori quam iuvenis sanusque duxisset, 23, 7 : uxor quam ante annum virginem acceperat, I X , 1, 4: defunctum quoque tamquam viventem, 13, 4: recens adhuc luctus, ad Traian. ep. 37 (46) : qui inperfectus adhuc relictus est, ep. 67 (15) : quod incertum adhuc erat, ep. 81 (85): tamquam adhuc Parum instructus, Paneg. 14: puer admodum, c. 15: teneris adhuc annis. In dem Briefe, den ein gewisser Valerius an einen gewissen Rufinus richtet, um ihn vor Eingehung einer Ehe zu warnen (abgedruckt bei ML 30, 254ÍL), wird in c. 15 (p. 257 D) eine ehefeindliche Äußerung angeführt, die Valentinus imperator octogenarius adhuc virgo getan habe. Und in c. 29 (p. 261 A) heißt es: audivit Iason quod per mare adhuc intactum nec ullis devirginatum ratibus aut remis... sibi viandum esset ad vellus aureum. 6. Es tut mir leid, den geduldigen Leser mit diesem philogischen Kleinkram belästigt zu haben ; aber die Frage, um die es sich handelt, dürfte den Aufwand rechtfertigen. Wenn wir nun Rückschau halten, müssen wir im Verfahren der Gegner einige Merkwürdigkeiten feststellen. Wir haben gesehen, daß T e r t u l l i a n zwar bei der Erde, aus der Adam geschaffen wurde, und bei Adam selbst, als E v a aus einer seiner Rippen gebildet wurde, und dann bei Eva, als sie durch Ungehorsam sündigte, adhuc virgo sagt, n i e a b e r b e i M a r i a ,

35 dem Gegenbild zur jungfräulichen Erde und zur ungehorsamen Eva. Und doch nimmt er, wie aus zahlreichen und unzweideutigen Äußerungen hervorgeht, nur eine zeitlich beschränkte Jungfrauschaft Mariens an. Umgekehrt sagt Irenäus mindestens einmal, tatsächlich aber zweimal, von Maria ebenso ausdrücklich adhuc virgo, wie von der Erde oder von Eva. Aber das darf man nach Ansicht meiner Gegner bei ihm nicht ernst nehmen, das läuft ihm nur so in die Feder, er müßte es, wie Faust beim Klopfen Mephistos, mindestens dreimal sagen, wenn man es ihm glauben sollte. Irenäus bezeichnet mit adhuc, wo er es von der Vergangenheit gebraucht, stets einen Zustand, der sich nachher geändert hat. Aber mit adhuc bei Maria muß es anders sein! Irenäus wechselt, wie Tertullian und andere Schriftsteller, bei ähnlichen Wendungen gern ab. Aber bei adhuc virgo darf er es nicht tun, er müßte dabei bleiben! Sonst werden allgemeine Angaben durch bestimmte näher erklärt, bei Irenäus müssen bestimmte Angaben durch allgemeine entwertet werden ! Tertullian spricht ebenso und ebenso oft, wie Irenäus, von der virgo oder der virgo Maria, ohne damit den Gedanken der immerwährenden Jungfrauschaft zu verbinden. Aber bei Irenäus ist das etwas ganz anderes: er kann mit »der Jungfrau« oder »der Jungfrau Maria« nur eine Jungfrau meinen, die das immer geblieben ist 1 ! Die Abhängigkeit Tertullians von Irenäus in den Aussagen über Maria und die Erlösung ist mit Händen zu greifen. Aber die Anschauung von der zeitlich beschränkten Jungfrauschaft darf er nicht von Irenäus genommen haben! Niemand weiß anzugeben, wie er sonst zu dieser Anschauung gekommen sein könnte. In der Ablehnung des Doketismus kann der Grund nicht liegen, weil hier die Nichtannahme einer virginitas in partu, wie bei Orígenes (siehe unten III, 8), vollauf hinreichte. Vom Montanismus kann sie auch nicht herrühren, wie Capelle zugibt, da dieser in der Glaubensregel und ihrer Deutung von der Kirche nicht abgewichen ist und in asketischer Hinsicht sie überboten hat. Tertullian selbst hat ja als Montanist in seinem Buche gegen Praxeas eine für seine Zeit mustergültige Hier macht wieder Garçon in seinen vorsichtigen, die Gründe behutsam abwägenden Untersuchungen (S. 68) eine rühmliche Ausnahme. 3*

36 Darstellung der Glaubenslehre gegeben. Über geschlechtliche Dinge aber urteilt er sehr strenge, ja er spricht von ihnen da, wo er nicht gegen Marcion schreibt, in den verächtlichsten Wendungen, die denen Marcions kaum nachstehen. Nennt er doch als Montanist in de virg. vel. io (I, 898) sogar den ehelichen Umgang eine »gemeinsame Schmach« (contumeliam communem), ein Ausdruck, den sein Nachahmer Novatian (in der ps.-cyprianischen Schrift de bono pudicitiae c. 14 Härtel III, 25, 5) mit besserem Geschmack nur auf den Ehebruch angewandt hat. Wie käme nun gerade Tertullian dazu, einen ehelichen Verkehr Josefs und Mariens nach der Geburt Jesu anzunehmen, wenn er bei Irenäus oder sonst irgendwo die Anschauung gefunden hätte, daß Maria stets Jungfrau geblieben sei? E s ist auch nicht bloß so, daß er diese Anschauung nirgends gefunden haben kann: er muß vielmehr die entgegengesetzte Anschauung bei einem angesehenen und einwandfreien Zeugen der Überlieferung vorgefunden haben. Und das kann nur Irenäus mit seinem zweimaligen adhuc virgo und dem praedestinatus vir (oben S. 20ff.) gewesen sein. Das Siegel auf diesen Schluß drückt de carne Chr. 17, wo Tertullian das irenäische ex Maria quae adhuc erat virgo mit de carne nondum generationsresignatawiedergibt (s.obenS. I7ÎÏ.) 1 . 1 ) E s ist eine verzweifelte Ausflucht, sogar die Abhängigkeit Tertullians von Irenäus bei der Gegenüberstellung der jungfräulichen Erde oder E v a s und Mariens und hinsichtlich der Stellung der Mutter Jesu im Heilsplane Gottes überhaupt zu bestreiten oder zu bezweifeln, wie dies M i t z k a S. J . (S. 138) und J o u a s s a r d (1933, S. 331. A. 4) gegenüber meinen Ausführungen in Adhuc virgo S. 1 1 und 1 3 tun zu sollen glauben. Wo keine Kampfstellung vorwaltet, wird auch katholischerseits diese Abhängigkeit unumwunden anerkannt, wie das Beispiel von J . L e b o n (Rech, de Théol. anc. et médiév. 2, 1930, S. 145) zeigt. Wörtliche Entlehnungen darf man bei einem Schriftsteller wie Tertullian, der auch fremde Gedanken in seine eigene Sprache umzugießen pflegt, an sich kaum erwarten, und die lateinische Übersetzung des Irenäus hatte er bekanntlich noch nicht vor sich. Man ist deshalb überrascht, trotzdem so viele wörtliche Anklänge zu finden, wenn man de carne Chr. 17 (II, 453 f.) und c. 20 (II, 459) mit adv. haer. I I I , 21, 10 (S. 540), I I I , 22, 4 (S. 545), IV, 33, 4 (S. 668), IV, 33, H (S. 673), V, 1, 3 (S. 715), V, 19, 1 (S. 769) vergleicht. Der Schriftbeweis für die wirkliche Geburt Jesu aus Maria gegen die Doketen in de carne Chr. i g f . (II, 4 5 6 ! ) triflt mit dem in adv. haer. I I I , 16, 2f. (S. 505!.) teilweise zusammen, und es ist besonders

37 η. Wer keine virginitas post partum annimmt, wird auch auf die v i r g i n i t a s in p a r t u kein Gewicht legen. In der Tat kennt Irenäus auch diese nicht, und wenn das Gregenteil noch so oft behauptet wird. a) In adv. haer. IV, 3 3 , 1 1 (S. 673) sagt er: »Die den Emanuel aus der Jungfrau verkündeten, offenbarten die Vereinigung des Wortes Gottes mit seinem Gebilde, da das Wort Gottes Fleisch sein wird und der Sohn Gottes Sohn des Menschen, purus pure puram aperiens vulvam, earn quae régénérât homines in Deum, quam ipse puram fecit1.« Dieser Zusatz ist eine weitere Ausführung von III, 1 9 , 1 (S. 524), wo Irenäus kurz sagt, daß die, die behaupten, Jesus sei ein bloßer, von Josef gezeugter Mensch — es sind die »Ebioniter« oder »Ebionäer« (vgl. IV, 33, 4 S. 667f. und V, 1, 3 S. 715) — den Emanuel aus der Jungfrau nicht kennen und deshalb auch des ewigen Lebens verlustig gehen, άτιμά^οντες τήν σάρκωσιυ τη$ καθαρά; γεννήσεως τοΟ λώγου τοϋ Θεοΰ (contetnnunt incarnationem purae generationis Verbi Dei). Bald nachher (19, 2 S. 526) wird diese »reine Geburt« aus der Jungfrau eine praeclara, quae est ex virgine, generatio genannt, wie auch seine Geburt aus dem Vater praeclara gewesen sei2. Sie ist bezeichnend, daß Tertullian (c. 19. II, 456 und c. 24 S. 463) ebenso, wie Irenäus (III, 16, 2 S. 506; 19, 2 S. 525; 21, 5 S . 5 3 8 ; V, 1, 3 S. 716), vielleicht auch schon Justin (Dial. 63, 2 S. 169 Goodspeed) an der Stelle Joh. 1 , 1 3 nicht qui . . . nati sunt, sondern qui . . . natus est liest und sie auf Christus bezieht. (Ebenso, wie wir unten S. 65 f. sehen werden, in der sog. Epistola apostolorum.) Den Einfluß von adv. haer. IV, 33, xi (S. 673) auf de carne Chr. 17 (II, 453) u. c. 20 (II, 459), von V, 20, 2 (S. 772) auf adv. Marc. II, 4 (S. 338, 16 Kroym.) werden wir sofort näher kennen lernen. 1 ) Im Armenischen lautet die Stelle ebenso, siehe die deutsche Übersetzung W. L i i d t k e s bei H. Jordan in den T U 36, 3 (Leipzig 1913) S. 154. 2 ) Vgl. M a x i m u s von Turin (Sermo 4. M L 5 7 , 5 4 0 ε ) : Ideo enìm secunda nativitas (Christi) per immaculatam Mariani, quia prior per divinitatem constiterat illibata: cuius prior nativitas gloriosa exstitit, eius secunda contumeliosa non fieret. Hoc est, ut quemadmodum virgo ilium divinitas ediderat, ita et virgo Maria generarti. Die Geburt aus der Jungfrau als »zweite Geburt« Christi findet sich auch bei Cyprian im Titel zu Testim. II, 8 (13, 4 Härtel) : Quod cum a principio filius Dei fuisset, gene-

38 auch eine nova

gener atto

(IV, 3 3 , 4 S. 668 u. V , ι , 3 S. 7 1 5 ) ,

weil Jesus ττρώτως έκ -παρθένου γεγενη μένος ist [qui primus natus

de

virgine

est, I I I , 18, 7 S. 5 2 3 ) . Alle diese Aussagen haben keinen

»mariologischen«, sondern einen »christologischen« und »soteriologischen« Zweck, und die »Jungfrau« ist nur Mittel zum Zweck:

Jesus muß von einer reinen Jungfrau, ohne Zutun

eines Mannes, empfangen und aus reinem Mutterschoß

ge-

boren sein. Seine Geburt blieb auch frei von jeder A r t von Befleckung, wie sie der Volksglaube stets mit Zeugung und Geburt verbunden hat und bei den Naturvölkern noch heute verbindet 1 . Aber der Mutterschoß wird durch die Geburt geöffnet und bleibt geöffnet. In A v . S. 1 3 Α . ι habe ich das furus (Rech,

de Science relig. V ,

1914,

pure

etc. mit Galtier nicht,

wie

Massuet, auf die Kirche, sondern auf Maria bezogen 2 .

S. 1 3 6 — 1 4 5 )

Ich

glaube aber jetzt, daß die Anschauung Massuets mit der Galtiers verbunden werden muß : die vulva ist allerdings der Mutterschoß Mariens, aber a l s

Bild

des

Mutterschoßes

der

K i r c h e . Wie so häufig bei Irenäus fließt die wörtliche, natürrari denuo haberet secundum carnem. Novatian gebraucht vom Hervorgehen des Sohnes aus dem Vater gerne die Ausdrücke nasci und nativitas (de t r i n . 31 S. 116, 7. 117,2. 118,4. XI 9» 5· I 2 ° . 9 u · I 7 · 121,4 e ( i· Fausset), was Tertullian, soviel ich sehe, nie t u t . Die lateinische Fassung des nicäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses übersetzt bekanntlich das τόν έκ τ ο υ ττατρός γεννηθέντα ττρό π ά ν τ ω ν τ ω ν αιώνων mit Et ex pâtre natum ante omnia saecula, dagegen das folgende γεννηθέντα ού ττοιηΟέντα mit genìtum, non factum. *) Siehe Jos. S c h n i t z e r , Die Erbsünde im Lichte der Religionsgeschichte (Estratto da Studi e Materiali di Storia delle Religioni VII, 1931), Bologna 1931, S. 47ÎÏ. I m Unterschied von Irenäus schreibt O r í g e n e s in Luc. Horn. 14 (S. 96, 5ff. Rauer), daß Maria, quae homo erat, der Reinigung nach der Geburt Jesu b e d u r f t habe. Und da er Luk. 2, 22 vom καθαρισμοί α ΰ τ ώ ν liest, sucht er (S.97,5ff.) nachzuweisen, daß auch Jesus dadurch, daß er um unseres Heiles willen einen menschlichen Leib annahm, mit seinem eigenen Willen »beschmutzt «worden sei (sordidatum), was er auch durch Zach. 3, 3 bestätigt findet. 2 ) Auch Garçon (S. 85f.) und Jouassard (1932), S. 518) treten dieser Auffassung bei, und sie scheint zurzeit f a s t allgemein angenommen zu sein. Garçon gibt aber (S. 64ff.) zu, daß aus dieser Stelle nichts Sicheres f ü r eine virginitas in p a r t u zu gewinnen sei, und Capelle (im Bulletin I I , 1933, Nr. 110) stimmt ihm hierin zu.

39 liehe Bedeutung mit der geistigen, übernatürlichen zusammen. So führt er schon IV, 33, 4 (S. 668) aus: »Wie wird der Mensch in Gott übergehen können, wenn nicht Gott in einen Menschen (übergegangen ist) ? Quemadmodum autem relinquet mortis generationem, si non in novum gener ationem mire et inopinate a Deo, in signum autem salutis datum, quae est ex virgine per fidem, regener ationem. Vel quam adoptionem acci-pient a Deo, permanentes in hac genesi quae est secundum hominem in hoc mundo ?« Der erste Satz ist schwer zu zergliedern1. Man ist versucht, statt in novam generationem zu schreiben per n. g. und am Schluß regenerationis statt regenerationem, als erklärenden Zusatz zu salutis. Der schwerfällige Satz läßt sich zur Not aber auch erklären, wenn man mit Massuet jede Wortänderung ablehnt, zu in novam generationem aus dem Vorhergehenden ein transeat oder transient ergänzt und quae est etc. als nachhinkende erklärende Beifügung zu novam generationem faßt. Sei dem wie immer: gedacht ist jedenfalls zunächst an die Geburt Jesu aus der Jungfrau Maria und dann erst an die »Wiedergeburt aus der Jungfrau durch den Glauben«, nämlich in der kirchlichen Taufe. Dies zeigen sowohl die Wendungen nova generatio und mire et inopinate, die sich, wie wir im weiteren Gang unserer Untersuchungen sehen werden2, stets auf die jungfräuliche Geburt Jesu beziehen, als auch die Angabe in signum salutis datam, weil nur die wunderbare Geburt Jesu ein »Zeichen des Heiles«, nämlich das Jes. 7, 14 geweissagte »Zeichen« ist. Dazu kommt ein dritter Grund: mit dem E . K l e b b a (Bibl. d. Kirchenväter 2 Bd. 4, 1912, S. 107) übersetzt : »Wie aber wird er die Geburt des Todes verlassen, wenn er nicht wiedergeboren wird zu der neuen Geburt, die da von Gott wunderbar und unbegreiflich zum Zeichen des Heils aus der Jungfrau durch den Glauben geschenkt wurde ? « Dabei ist jedoch das regenerationem am Schluß unter den Tisch gefallen oder als Zeitwort zur Ergänzung von in novam generationem verwendet, was aber nicht angeht, da man nicht zu einer neuen Geburt, sondern nur in einer neuen Geburt wiedergeboren wird. 2 ) Siehe adv. haer. V, 1, 3 u. Tert. de carne Chr. 17, wovon sofort die Rede sein wird, ferner unten S. 43 f. und 51 f.

40 Übergang von der Einzahl zur Mehrzahl im folgenden Satz greift Irenäus auf den Eingang von nr. 4 zurück, wo er gesagt hat: Iudicabit autem et Ebionitas: quomodo possunt salvari, nisi Deus est qui salutem ittorum super terram operatus est1 ?. Und der Sinn dieses Satzes erhellt aus der Wiederholung seines Gedankens in V, i , 3 (S. 715), wo es heißt: Vani autem Ebionaei, unitionem Dei et hominis per fidem non recipientes in suam animam, sed in veteri generationis perseverantes fermento. In echt irenäischer Weise fließen die Geburt aus der Jungfrau und der Glaube daran ineinander: wer, wie die Ebioniten, diese Geburt nicht gläubig annimmt, hat auch nicht Anteil an ihrer Bedeutung und ihrer gnadenreichen Frucht, der regenerate, der bleibt in der irdischen, menschlichen genesis, im »Sauerteig der alten Geburt«, und geht deshalb des Heiles verlustig. Aber soviel ist doch daraus zu ersehen, daß der Kirchenvater bei der nova generatio zunächst an die jungfräuliche Geburt Jesu denkt und erst mit dem Glauben daran, also mit einer später einsetzenden und sich fortsetzenden Entscheidung, die Bewirkung der regeneratio und des Heils für den Einzelnen verbindet. So geht die bei der Geburt Jesu aus der Jungfrau geschehene »neue (Art von) Geburt« über in die »Wiedergeburt aus der Jungfrau« durch den gläubigen Empfang der Taufe. Im Fortgang des Gedankens in V, 1, 3 betont Irenäus wieder die Herabkunft des hl. Geistes über Maria und schreibt dann weiter : Quapropter et quod generatum est, sanctum est, et filius altissimi Dei patris omnium, qui operatus est incarnationem eius et novam ostendit generationem: uti quemadmodum per priorem generationem mortem hereditavimus, sie per generationem hanc hereditaremus vitam. Das ostendit entspricht dem signum salutis von IV, 33, 4 und sagt wieder, daß die »neue Geburt« Jesu aus der Jungfau die Neugeburt der Menschheit ankündigt und einleitet. Es ist wohl zu beachten, daß Irenäus überall, wo er von der neuen Geburt oder Wiedergeburt der Menschheit (aus der Jungfrau) 1 ) Im Griechischen bei Theodoret: ττώς δύναται σωθηναι, εΐ μή ό Θεό$ ή ν τ ή ν σωτηρίαν αύτών έττΐ γης έργασάμενος ; E s wird wohl dem α ύ τ ώ ν und dem Lateiner entsprechend δύνανται zu schreiben sein.

41 spricht, nicht die Vergangenheitsform wählt, sondern die der Gegenwart oder der Z u k u n f t : quae régénérât (nicht regeneravit) homines in Deum

(IV, 3 3 , I i

S. 6 7 3 ) , ττώς άνθρωπος χωρήσει είς

θεόν . . . quemadmodumrelinquetmortis

generationem...

tionem accipient a Deo (IV, 3 3 , 4 S. 668), ut... vitam

(V, ι , 3

S. 7 1 5 ) .

quamadop-

her editar

emus

Die Geburt J e s u aus der J u n g f r a u

ist ein einmaliges Ereignis der Vergangenheit, die Wiedergeburt der Menschheit aber ein in der Gegenwart und Zukunft bis zum E n d e der T a g e sich fortsetzendes Geschehen. Der Mutterschoß kann also für die Menschheit nicht mehr Maria, sondern nur die in Maria vorgebildete Kirche sein 1 . In diesem Sinne hat offenbar a u c h T e r t u l l í a n dieirenäischen Stellen aufgefaßt. A d v . Marc. II, 4 (S. 3 3 8 , 1 6 K r o y m . ) schreibt er nämlich: {Adam) clesiam... sexum

translatus

in paradisum,

Gen. 2 , 1 8 Mariae

iam tune de mundo in ec-

(Erschaffung

et deinceps

ecclesiae

der

Eva)

sciebat

illi

profuturum.

D a s Paradies, in das A d a m versetzt wurde, ist eine Vorweg1

) Von den in diesen Anschauungskreis gehörenden Stellen adv. haer. I I I , 17, 7 (S. 523), IV, 21, 3 (S. 636) und Epideixis c. 39 wird unten (II, 8b. d. u. f.) gehandelt werden. — W i r haben oben (S. 37 A.2) gesehen, daß Maximus von Turin die Geburt Christi aus der Jungfrau eine secunda nativitas nennt und Cyprian von ihr als von einem generati denuo spricht, aber nicht im mystischen Sinne, sondern im Hinblick auf die vorzeitliche Zeugung von oder die Geburt aus dem Vater. Außerdem wird im altchristlichen Schrifttum die Taufe Jesu im Jordan da und dort in rückschauender und vorbildsuchender Betrachtung ein nasci, renasci, regenerari genannt, v g l . T e r t . d e bapt. 1, 3 (S. 15, 1 1 Borleffs), Cypr. de bono pat. 6 (401, 15 Härtel), Hilarius von Poitiers Tract, in II. Ps. 29 (ML 9, 278f.), Hieronym. adv. Jovin. I, 16 (ML 23, 2 3 5 C), Petr. Chrysolog., Sermo 157 (ML 52, 616 B), Ps.-Aug. Sermo 135, ι (ML 39, 2011), Maximus von Turin Horn. 30 (ML 57, 291 D), Sermo 7 (545 Β), Clem. Alex. Paedag. I, 6 (S. 105, 6 Stählin) u. a., Orig. in Luc. Hom. 28 (S. 175, 3 Rauer); siehe auch W. Heitmüller, Im Namen Jesu, Göttingen 1903, S. 279 A. 1. H. Schlier, Religionsgeschichtliche Untersuchungen zu den Ignatiusbriefen, Gießen 1929, S. 44 A. 2. D. de Bruyne in The Journ. of Theol. Stud. 29, 1928, S. 367. So verfänglich diese Redeweise vom dogmatischen Standpunkt aus erscheint — Augustin lehnt sie in ep. 187, 31 (ed. Goldbacher C S E L 57, 109, 10) ausdrücklich ab —, so zeigt sie immerhin, daß man im alten Christentum bei »Geburt« oder »Wiedergeburt« des Gläubigen nach dem Beispiel Christi an seine Taufe, nicht an Maria dachte.

42 nähme der Kirche, und Eva als seine Gehilfin eine Vorwegnahme Mariens und darnach der Kirche. Der erste Satz ist deutlich eine vom urzeitlichen Standort aus erfolgte Umkehrung des Gedankens, den Irenaus V, 20, 2 (S. 772) vom heilszeitlichen Standort aus, und zwar bezeichnenderweise im Zusammenhang mit seiner Rekapitulationslehre, ausgesprochen hat: Piantata est enim ecclesia, paradisus in hoc mundo. De carne Chr. 17 (II, 453) aber heißt es: Nove nasci debebat novae nativitatis dedicator, Jes. 7, 14. Haec est nativitas nova, dum homo nascitur in Deo. In quo homine Deus natus est carne antiqui seminis suscepta sine semine antiquo, ut Mam novo semine, id est spiritaliter, reformaret exclusis antiquitatis sordibus expiatam Dann de carne Chr. 20 (II, 459) : uti virgo esset regeneratio nostra spiritaliter ab omnibus inquinamentis sanctificata per Christum, virginem et ipsum, etiam carnaliter, ut ex virginis carne. Durch seine »neue« (neuartige) Geburt hat Christus eine geistige Neugeburt eingeleitet: er hat das Fleisch des alten Samens ohne diesen alten Samen angenommen, um es durch neuen Samen in geistiger Weise umzuschaffen, indem er es vom alten Schmutze reinigte. Und wie Christus dem F l e i s c h e nach Jungfrau war, weil aus dem Fleische einer Jungfrau geboren, so geschieht unsere g e i s t i g e W i e d e r g e b u r t aus einer durch Christus von allen Flecken gereinigten Jungfrau, d. h. der Kirche. Daß die Kirche mit ihrer Taufe gemeint ist, ergibt sich aus der deutlichen Anspielung auf Eph. 5, 26f., wo es nach der Vulgata heißt: Christus dilexit ecclesiam et se ipsum tradidit pro ea, ut illam sanctificaret, mundam lavacro aquae in verbo vitae, ut exhiberet ipse sibi gloriosam ecclesiam, non haVgl. adv. Marc. V, 1 7 (S. 637, 1 2 Kroymann): novum autem, ut nove natum ex virgine Dei spiritu. De pud. 6, 1 6 (S. 29, 7) : exinde caro quaecunque in Christo reliquas soreles prístinas solvit; alia iarn res est, nova emergit iam non ex seminis limo, non ex concupiscentiae fimo, sed ex aqua pura et spiritu mundo.

43 bentern maculant aut rugam aut aliquid sit sancta et immaculata.

huiusmodi,

sed ut

A n diese Stelle denkt wie Tertullian auch schon Irenäus mit seinem quam (sc. vulvam) ipse puram fecit. So hat Tertullian den Irenäus verstanden, und er hat ihn auch hierin richtig verstanden. Angesichts solcher Übereinstimmungen aber wagt man noch, die Abhängigkeit des Afrikaners von ihm zu bestreiten (siehe oben S. 36 A . 1 ) . 1 b) F ü r die vermeintliche virginitas in partu bei Irenäus wird auch Epideixis c. 54 angeführt. Hier heißt es (S. 40 Weber) nach vorheriger Anführung von Jes. 7, 1 4 : Über seine Geburt sagt derselbe Prophet an einer andern Stelle (Jes. 66, 7) sodann : »Ehe denn sie, die kreißte, gebar, und ehe denn die Geburtswehen eintraten, ward sie von einem Knäblein entbunden. Diese Worte bezeichnen seine Geburt aus der Jungfrau a l s u n v e r h o f f t e s u n d u n v e r m u t e t e s Ereignis.« Damit sagt aber doch Irenäus selbst, was ihm die angezogenen Jesaiastelle voraussagt, und es besteht kein Grund, noch mehr hineinzulegen. Das »unverhoffte und unvermutete Ereignis« ist uns schon wiederholt in adv. haer. begegnet als nova gener atto, die mire et inopinate geschah und in der x

) Wie sehr dem Irenäus die Kirche, und nur sie, als Mutter der Gläubigen und Vermittlerin aller Gnaden gilt, zeigt noch die bekannte Stelle III, 24, 1 (S. 553), wo er ausführt, daß sie die Aufgabe habe, alle ihre Glieder mit dem hl. Geist zu beleben, ähnlich wie Adam von Gott den Odem des Lebens erhielt; daß nur in der Kirche der Geist Gottes und alle Gnade zu finden sei und man »von den Brüsten der Mutter zum Leben ernährt« werden müsse. Die Ketzer, heißt es I I I , 25, 6f. (S. 556), beklagt die Mutter, da deren Versammlung abortio facta est informis et sine specie, und es ist ihr heißer Wunsch, legitime eos generavi, conversos ad ecclesiam Dei et formari Christum in eis. Als παρθένος μήτηρ aber erscheint die Kirche in dem Schreiben der Gemeinden von Vienne und Lyon an die kleinasiatischen Christen (bei Euseb. hist. eccl. V, 1, 45), als jungfräuliche Mutter, die sich innig darüber freut, daß die Glaubensverleugner, die als Tote eine Fehlgeburt waren, durch die Märtyrer wieder in ihren Schoß aufgenommen wurden, um noch einmal zum Leben geboren zu werden — ein gut irenäischer Gedanke, wie die vorhin angeführte Stelle ausweist. Weiteres siehe im Anhang 1 S. 92 ft.

44 geistigen Wiedergeburt immer aufs Neue geschieht (IV, 33, 4 S. 668 u. a., siehe oben S.39fí.) 1 . Und was er in der Epideixisstelle bei Jes. 66, 7 ausgesprochen findet, das sieht er III, 21, 6 (S. 538) bei Jes. 7, 14 verkündigt: In eo autem, quod dixerit: ,Ipso dominus dabit signum' id quod erat inopinatum generationis eius significavit... quoniam inopinata salus hominibus inciperet fieri, Deo adiuvante, in0 p in at us et partus virginis fiebat, Deo dante signum hoc, sed non homine operante in Mud. Es handelt sich immer nur um die das unvermutete Heil ankündigende und einleitende Empfängnis und Geburt von einer Jungfrau ohne Zutun eines Mannes. Nach III, 1 9 , 3 (S. 526 f.) gab Gott dieses Zeichen, quia nec speravit {homo) virginem praegnantem fieri posse, quae erat virgo, et parere filium, et hunc partum Deum esse nobiscum. Man darf darum auch nicht mit Bardenhewer, Eberle und Ulitzka das Wort »Geburt« in Beschlag nehmen, als ob damit der Geburtsvorgang im besonderen gemeint wäre. Wie unsere Zusammenstellung oben (S. 31 f.) zeigt, stehen im lateinischen Irenäus generatto, nasci, partus abwechselnd ohne Unterschied für dieselbe Sache, als Ubersetzung des griechischen γέννηση und γενυδσθαι, das streng genommen nicht die Geburt, sondern die Zeugung oder Empfängnis bezeichnet und erst im späteren Griechisch auch die Geburt einschüeßt2. An der einzigen Stelle mit natus est, wo der griechische Wortlaut erhalten ist (HI. x

) Bei den alten Schriftstellern sind novus, inopinatus und repentinus gleichbedeutende und häufig miteinander verbundene Begriffe für neuartige, noch nie dagewesene, unerwartet eingetretene Dinge. In der Internat, kirchl. Ztschr. 1924, S. 160 Α. 1 habe ich zahlreiche Belege dafür aus Seneca, Apuleius, Cyprian, Arnobius und Augustin gesammelt. Vgl. aber auch Sueton Jul. 86: repentinutn inopinatumque, Tert. adv. Marc. IV, 24 (S. 501, 14 Kroym.): Omne quod novum et incognitum est, subitum est, Lact. div. inst. III, 29, 1 (I, 267, χ8 BrandtLaubmann) : subitus atque inopinatus eventus. Irenäus wendet diese Begriffe auf die Empfängnis und Niederkunft einer Jungfrau an, die mit keinem Manne verkehrt hat. 2 ) Siehe F . B ü c h s e i , γεννδν im Theol. Wörterbuch zum N T herausg. von G. Kittel, I S. 663, und K. L. S c h m i d t in den Theol. Blättern 14 (1935) Sp. 289f.

45 7 S. 523), entspricht es tatsächlich einem griechischen γεγενημένου (nicht etwa τεχθέντος) 1 . Ebenso stand III, 11,3 (S. 464) : alii rursum Iesum ex Ioseph et Maria natum dicunt, im Griechischen ohne Zweifel γεννηθήναι oder γεγεννήσθαι, und darum wohl auch nachher bei Iesum qui natus est ex Maria. Aber selbst wenn einmal τοκετός oder τεχθήναι stünde, dürfte die Geburt nicht von der Empfängnis getrennt werden: Hauptsache ist stets die Empfängnis durch den hl. Geist, die Geburt nur die selbstverständliche und natürliche Folge. An eine Wahrung der körperlichen Jungfräulichkeit bei der Entbindung ist dabei nicht gedacht 2 . Mit mehr Recht könnte man auf die oben erwähnte Stelle III, 19, 3 (S. 526 f.) die Hand legen zum Beweise dafür, daß bei der Geburt Jesu die Jungfräulichkeit Mariens aufgehört *) τ ο υ π ρ ώ τ ω ς έκ παρθένου γεγενημένου. Vielleicht ist hier γεγεννημένου zu schreiben, nicht γεγενημένου, wie bei Stieren S. 523 und bei Harvey (III, 19, 6. II S. 102; dagegen S. 495 im selben Satz als Bruchstück X X X aus cod. Paris. 2440 fol. 30 γεγεννημένου), sowie bei Theodoret Dial. I (MG 83, 85 B, nach der Ausgabe Schulzes), wo das Stück überliefert ist, steht. Die beiden Wörter sind in den Handschriften häufig vertauscht (siehe J . B . L i g h t f o o t , The Apostolic Fathers, Part. II, Bd. II 2 , 1889, S. 90—94. M. R a c k l , Die Christologie des hl. Ignatius von Antiochien, Freiburg 1914, S. 172—184 und 260—270; P. S t i e g e l e , Der Agennesiebegriff in der griech. Theologie des 4. Jahrhunderts, Freiburg 1913, S. 2ff.; bezüglich Justins siehe E . J. Goodspeed, Index apologeticus, Leipzig 1912, S. 54Í., und beispielsweise Dial. 48, 2 S. 146 ed. Goodspeed und ι ο ί , ι S. 216). Der Sinn wird aber nicht wesentlich verändert, ob so oder so geschrieben wird. Bei Irenäus heißt es I, 10, 1 (S. 119): τ ή ν έκ παρθένου γέννησιν (earn quae est ex virgine generationem), III, 19, 1 (S. 524) : της καθαρδς γεννήσεως (puraegenerationis) ; III, 21, 10 (S. 541) : εΐ ό πρώτος 'Αδάμ . . . έξ [άνδρός] σπέρματος έγεννήθη εΙκός ή ν καί τον δεύτερον 'Αδάμ λέγειν έξ Ι ω σ ή φ γεγεννήσθαι (so Stieren S. 54 1 u n d Harvey III, 31, ι . II S. 120; bei Theodoret Dial. I M G 83, 84 Β : γεγενήσθαι; im lat. Iren.: ex semine viri natus est. . . ex Joseph esse generatum) ; III, 21, 5 (S. 537) : έκ της άπό Δαβίδ παρθένου γενόμενος (ex vigine, quae fuit de genere David, generatus, vgl. γένεσις Mt. ι , ι . 18. Luk. 1, 24); IV, 40, 3 (S. 708): έκ γυναικός γενόμενος άνθρωπος (de midiere factus homo)·, I, 16, i (S. 194) ist von der γένεσις τ ω ν ΑΙώνων (generatio Aeonum) und III, i l , 8 (S. 468!) von der ένδοξος γενεά (gloriosa generatio) Christi vom Vater die Rede. 2)

Dieser Ansicht ist auch Garçon S. 62ft.

46 habe. Es erscheint nämlich einigermaßen auffallend, daß Irenäus sagt: virginem praegnantem fieri fosse, quae erat virgo, et parere filium etc. Er drückt also die Jungfräulichkeit bei der Empfängnis doppelt aus, und er sagt quae erat virgo, nicht etwa quae manebat (oder mansit) virgo (vgl. Justin. Apol. I, 33, 4: κυοφορήσαι τταρθένον ούσα υ ττεττοίηκε), während er III, 21, 4 (S· 536) schreibt: friusquam convenisset Ioseph cum Maria, manente igitur ea in virginitate, inventa est etc. Maria war also bei der Empfängnis, um mit Tertullian (de carne Chr. 23) zu sprechen, Jungfrau quantum a viro, »blieb« es aber nicht quantum a partu. Doch soll darauf kein Gewicht gelegt werden. Dagegen sei zum Schluß dieser Ausführungen noch auf eine weitere Folgewidrigkeit (s. oben S. 34 ff.) im Beweisgang meiner Gegner hingewiesen. Bei Tertullian sucht man nämlich das Fehlen der virginitas post partum aus seiner Abwehrstellung gegen den gnostischen und marcionitischen Doketismus zu erklären, obwohl dazu der Verzicht auf die virginitas in partu vollauf genügte, wie er dem Orígenes genügt hat. Bei Irenäus aber will man mit aller Gewalt eine virginitas in partu finden, obwohl dieser die doketische Verflüchtigung ebenso nachdrücklich bekämpft (vgl. adv. haer. III, 16, 1 S. 5030., III, 22, iff S. 541 ff., V, ι , 2 S. 714f.), wie nach ihm Tertullian (de carne Chr. 19 u. 20. II, 456 u. 458f. u. a.), und er ihr durch die Annahme einer virginitas in partu doch auch die Tür geöffnet hätte. 8. In Av. (S. i l u. 26) habe ich die Bedeutung von πρωτότοκος bei Irenäus und bei Hippolyt kurz gestreift, mit dem Ergebnis, daß dieses Wort bei ihnen stets einen Sohn bezeichne, dem andere nachfolgen. Auch dagegen haben Eberle, Capelle, Ulitzka und Garçon (S. 75ff.) Stellung genommen. G. Jouassard aber hat in der oben (S.8 A. 1) erwähnten längeren Abhandlung den Sinn dieses Begriffes bei Irenäus und seinem Schüler Hippolyt klarzustellen gesucht. Er sagt zwar eingangs selbst, daß dieser Begriff nicht den Hauptgrund für meine Aufstellung von der zeitlich begrenzten Jungfrauschaft Mariens bei Irenäus ausmache — meine Bemerkungen hierüber nehmen ja auch bei Irenäus nur fünfzehn, bei Hippolyt nur neun Zeilen ein —, glaubt aber, daß ich ihn doch auch für sich allein als

47 entscheidend betrachte. (In Wirklichkeit dient ei nur zur Ergänzung und Bestätigung meines Beweises aus dem adhuc.) Im Verlauf seiner Darlegungen steigert sich Jouassard dann so in seine Betrachtungsweise und, um es sofort zu sagen, sein Mißverständnis — wenn man es noch ein bloßes Mißverständnis heißen kann — meines Gedankens hinein, daß er ihn schließlich (1933, S. 35 A. 1) »à faiie hurler« findet. Sehen wir uns nun seinen klagereichen und im »Heulen« über meine Verblendung endenden Beweisgang an! a) Er beginnt mit adv. haer. III, 16, 3 u. 4 (S. 506 f. Stieren). Nach Anführung von Rom. 1 , 1 — 4 , 9, 5 und Gal. 4, 4f. schreibt hier der Kirchenvater: (n. 3) Manifeste significans unum quidem Deum, qui fer prophetas promissionem de Filio fecerit; unum autem Iesum Christum Dominum nostrum, qui de semine David secundum earn generationem quae est ex Maria: hunc destinatum Filium Dei Iesum Christum in virtute secundum Spiritum sanctitatis ex resurrectione mortuorum, ut sit primogenitus mortuorum, quemadmodum et primogenitus in omni conditione, Filius Dei hominis filius factus, ut per eum adoptionem percipiamus, portante homine et capiente et complectente Filium Dei... Marc, i , 1; Jes. 9, 6; Jerem. 33, 15; Luk. 1 , 6 9 ; Ps. 77, 5 — 7 ; Luk. ι , 3 2 . . . (n. 4) Et Simeon autem ille, qui responsum acceperat a Spiritu sancto, non visurum eum mortem, nisi prius videret Christum Iesum, hunc manibus accipiens vir g i ni s primogenitum, benedixit Deum et dixit: Luk. 2, 29—32, infantem, quem in manibus portabat, Iesum, n a tu m ex Maria, ipsum confitens esse Christum Filium Dei... Hier beziehe sich, behauptet Jouassard, das hunc virginis primogenitum von n. 4 zurück auf hunc destinatum etc. von n. 3; der primogenitus virginis sei also der primogenitus mortuorum und primogenitus in omni conditione, und es gehöre darum eine einzigartige Kühnheit dazu, den primogenitus virginis vom Boden möglicher Familienverhältnisse am Herde von Nazareth aus zu erklären, während Irenäus sich doch ganz in übernatürlicher Höhenlage bewege. Das klingt sehr selbst-

48 sicher. Um aber den Zusammenhang richtig zu erfassen, müssen wir etwas weiter ausgreifen. Von III, g an führt der Kirchenvater gegen die Gnostiker den Beweis dafür, daß der Gott des ATs auch der des NTs sei, und der von Maria geborene Jesus der Sohn Gottes, dessen Erscheinen im Fleische das AT angekündigt habe. Dabei wurde der Vorgang mit Simeon im Tempel schon III, 10, 5 (S. 460) ausführlich erzählt mitsamt der Einleitung bei Luk. 2, 22 ff. und der Gesetzesvorschrift, daß omne masculum adaperiens vulvam dem Herrn geweiht sein solle. III, 16 (S. 5030.) bekämpft dann Irenäus, wie übrigens schon III, 1 1 (S. 4620.), die im einzelnen auseinandergehende, im ganzen aber auf Doketismus hinauslaufende Unterscheidung der Gnostiker zwischen dem von oben gekommenen Christus und seinem receptaculum Jesus, der nach einigen nur »durch Maria hindurchgegangen« sei (S. 504; vgl. III, 1 1 , 3 S. 464: quem per Mariani dicunt pertransisse quasi aquam per tubum). Diesen Vorstellungen gegenüber betont er immer wieder aufs nachdrücklichste die wirkliche Geburt Jesu aus Maria und seine Einheit mit Christus, dem Sohne Gottes. So nimmt er 16, 3 (S. 505) auf die Abstammungsreihe Jesu bei Mt. 1 Bezug mit den Worten: sed et Matthaeus unum et eundem Iesum Christum cognoscens, earn quae est secundum hominem generationem eius ex virgin e exponens etc. Und nach Anführung von Mt. 1, 18—23 heißt es weiter: manifeste significans, et earn promissionem, quae fuerat ad patres, impletam, ex virgine natum Filium Dei, et hunc i Ρ sum esse Salvatorem Christum, quemprophetaepraedicaverunt. Hierauf folgen die oben im Wortlaut angegebenen Sätze in III, 16, 3 u. 4. Dann fährt er nach Ausdeutung von Jes. 8, 3 fort : er war es, den Simeon auf den Armen trug, indem er den Höchsten pries; den die Hirten sahen, als sie Gott verherrlichten; den Johannes quum adhuc in ventre matris suae esset et ille in vulva Mariae aufhüpfend begrüßte; den die Magier sahen und anbeteten, indem sie Geschenke brachten. Nach Anführung von Jes. 8, 4 heißt es dann weiter: darum entrückte er auch die Knaben im Hause Davids, die ein glück-

49 liches Los damals geboren werden ließ, um sie in sein Reich vorauszuschicken; als er s e l b s t ein K i n d w a r , bereitete er Kinder der Menschen zu Märtyrern propter Christum, qui in Betlehem natus est Iudae in civitate David. Darum, geht es in n. 5 weiter, sagte Jesus nach seiner Auferstehung zu den Jüngern in Emmaus: Luk. 24, 25 f., und zu den andern in Jerusalem Luk. 24, 44—47: Hic autem est, qui ex Maria natus est; Mark. 8,31. Non ergo alterum filium hominis novit evangelium, nisi hunc qui ex Maria, qui et passus est. Angesichts dieses Zusammenhangs behauptet Jouassard, nach dem Vorgang Garçons (S.ygí.), daß das hunc in III, 16, 4 nicht auf das unmittelbar vorhergehende Christum Iesum gehe, sondern auf primogenitus mortuorum und primogenitus in omni conditione in n. 3, und daß virginis primogenitum auf derselben übernatürlichen Ebene liege, wie diese beiden Bezeichnungen. Dabei bemerkt er gar nicht, daß Irenäus bei dieser Auffassung den von ihm doch bekämpften Doketen Vorschub geleistet und ihre Behauptung, daß Christus »nichts aus der Jungfrau angenommen habe« (III, 22, 1 S. 541, V, 1, 2 S. 715), daß er durch sie »hindurchgegangen sei wie Wasser durch eine Röhre« (III, I i , 3 S. 464), wirksam unterstützt hätte. Denn was bleibt noch von einer »Geburt aus der Jungfrau«, wenn der Begriff primogenitus virginis sich ganz ins Übernatürliche verflüchtigt ? Gerade die ständige Betonung, daß der aus der Jungfrau, aus Maria Geborene mit dem Sohn Sohn Gottes eins sei, ist aber ein Fingerzeig dafür, daß der »Erstgeborene der Jungfrau« hier irdisch, natürlich zu nehmen ist. Gewiß ist das primogenitus mortuorum (Col. 1, 18) und der primogenitus in omni conditione (Col. 1, 15: -πρωτότοκος -πάσης κτίσεως) von n. 3 auch der primogenitus virginis von n. 4, aber eben damit steigt der »Erstgeborene aller Schöpfung« auf die Erde herab, ist er in vulva Mariae, dann natus ex Maria, »zu Betlehem in der Davidsstadt«, dann weilt er, um mit Jouassard zu sprechen, »am Herde zu Nazareth«, dann leidet und stirbt er und wird durch seine Auferstehung »der Erstgeborene der Toten« 1 . So sagt auch Justin in Dial. 84, 2 (S. 196 Goodsp.), daß das »Zeichen« bei Jes. 7, 14 bedeute: διά παρθενικής μήτρας TÒV -ττρωK o c h , V i r g o Eva — Virgo Maria.

A

50 Wie kommt überhaupt Irenaus zum Begriff primogénitos virginis ? Da dieser inmitten von Hinweisen auf Begebenheiten aus der Geburtsgeschichte Jesu bei Matthäus und Lukas erstmals auftaucht, wird jedermann annehmen, daß er ebenfalls aus dem Kreise dieser evangelischen Berichte, also aus Luk. 2, 7 (2, 23, Mt. ι, i8ff.) genommen sei. Nein, sagt Hr. Jouassard (1933, S. 35) : bei Irenäus, und ebenso bei Hippolyt, spielt Luk. 2, 7 keine Rolle. Die Stelle mag mitgewirkt haben, aber entscheidend war sie nicht, vielmehr hat die paulinische Lehre vom πρωτότοκος, dem neuen Adam und dem mystischen Leibe Christi (Col. 1 , 1 5 f t . , I Cor. 15, 45, Rom. 5, i8f. 8, 29) den Anstoß zu diesem Begriff gegeben, der ganz in die irenäische Rekapitulationslehre hineingehört. Das heißt aber doch Zettel und Einschlag vertauschen. Der Begriff kann nur aus Luk. 2, 7 stammen, und erst wo er ins Geistige gehoben wird, können paulinische Gedanken einwirken. Das ist aber III, 16, 4 noch nicht der Fall. Hier herrscht auch noch nicht der Rekapitulationsgedanke. Dieser tritt vielmehr erst, und zwar zum ersten Male im ganzen Werke, in n. 6 dieses Kapitels (S. 509) auf, wo dann Irenäus wieder, wie schon in n. 3, die Stelle Col. 1 , 1 8 anzieht, aber diesmal mit den Schlußworten in semet ipsum primatum assumens et apponens semet ipsum caput ecclesiae. Daß endlich der Begriff primogénitos virginis in rein geistigem, übernatürlichem Sinne bei Christus geradezu sinnlos ist, werden wir bei Behandlung der folgenden Stelle sehen. b) Einen weiteren Beleg dafür, daß der »Erstgeborene der Jungfrau« ganz vom »plan sur naturel« aus zu nehmen sei, TÓTOKOV τ ω ν π ά ν τ ω ν π ο ι η μ ά τ ω ν σαρκοποιηθέντα άληθώς παιδ(ον γενέσθαι, u. 85, 2 (S. 197): τούτου του υΐοϋ του θεού καΐ π ρ ω τ ο τ ό κ ο υ π ά σ η ς κ τ ί σ ε ω ς , καΐ δια παρθένου γεννηθέντος καΐ π α θητοϋ γινομένου άνθρωπου. 84, ι aber führte er aus: wenn Jesus όμοίως τοις άλλοις άπασι πρωτοτόκοις aus ehelichem Verkehr hervorgegangen wäre, so hätte das »Zeichen« beim Propheten keinen Sinn. Der »Erstgeborene der ganzen Schöpfung«, der als Erstgeborener der Jungfrau auf die Welt kommt, unterscheidet sich also von »allen andern Erstgeborenen« nur durch seine übernatürliche Zeugung. Dafür, daß dieser Erstgeborene der einzige geblieben sei, spricht eine solche Sprache jedenfalls nicht, wenn auch kein weitergehender Schluß daraus gezogen werden kann.

51 findet nämlich Jouassard (1932, S. 5i4ff.) in III, 18, 7 (S.523), wo der Kirchenvater schreibt: ώσττερ γαρ δια τη s παρακοής του ένός ανθρώπου, του π ρ ώ τ ω ς

έκ τη5 y % άνεργάστου πεπλασμένου (uftius hominis, qui primus de terra rudi plasmatus est), άμαρτωλοί κατεστάθησαν ol πολλοί καΐ άπέβαλον τήν 3ωήν< οΰτως εδει καΐ δι' ύπακοής ένός άνθρώπου, του π ρ ώ τ ω ς έκ παρθένου γεγενημέυου (unius hominis, qui primus de virgine natus est), δικαιωθήναι πολλούς καΐ άπολαβεϊν τήν σωτηρίαν.

In Αν. habe ich (S. 1 1 Α. 3) nur kurz bemerkt, daß der Sinn hier ein anderer sei als III, 16, 4. Jouassard hält das für eine aus Voreingenommenheit kommende »méprise totale«, da ich aus der Stelle einen »erratischen Block« mache, während sie doch den Schlüssel zu allen andern bilde und besage, daß mit und in Jesus, unserem Haupte, bei seiner Geburt aus der Jungfrau die gesamte Menschheit neugeboren werde. Der ganze Gedanke liege also offensichtlich auf übernatürlichem Gebiet. Ebenso faßt die Stelle vor ihm Garçon (S.77ff.) auf. Jouassard aber möchte (S. 525) das primogenitus virginis von III, i6, 4 als schiefe Übersetzung von πρώτως έκ παρθένου -/εγΐνημένος be-

trachten. Das ist jedoch eine willkürliche Vermutung, da die Übersetzung in III, 18, 7 ja lautet qui primus de virgine natus est, und wir keinen Grund haben anzunehmen, daß der Lateiner III, 16, 4 anders übersetzt hätte, wenn er dort ebenfalls ein πρώτος vorgefunden hätte. Wir können ihn auch noch einigermaßen nachprüfen, zwar nicht bei Christus, aber bei Adam. Diesen nennt er nämlich protoplastus (II, 3 4 , 4 S. 4 1 6 ; III, 2 1 , 1 0 S. 540; V , 1 9 , 1 S. 769), oder primoplastus (II, 9 , 1 S. 302), oder primiformis (III, 23, 2 S. 547). Nur einmal noch (I, 28, ι S. 259) schreibt er (wie in III, 18, 7) qui primus plasmatus est, und da ist zufällig wieder der griechische Wortlaut erhalten mit — πρωτόπλαστος. E r gibt also mit qui primus plasmatus est das erstemal ( 1 , 2 8 , 1 ) ein πρωτόπλαστος, das zweitemal (III, 18, 7) ein πρώτως πεπλασμένος wieder. Dementsprechend wird ei" eher ein πρωτότοκος mit qui primus natus est übersetzen als ein πρώτως γεγενημένος mit primogenitus, und ein solcher grieWegen der Lesart siehe oben S. 45 A. 1.

4*

52 chischer Wortlaut ist III, 16, 4 um so unwahrscheinlicher, als hier der Gegensatz zum ersten Menschen, wie er sich nachher III, 18,7 im Zusammenhang mit der Rekapitulationslehre findet, noch fehlt. Mit mehr Recht bemerkt Garçon, daß die Übersetzung in III, 18, 7 eigentlich primum lauten müßte, aber der Sinn des Ganzen ist nicht wesentlich beeinträchtigt. Eine ganz wörtliche Übersetzung des auch im Griechischen nicht gerade häufigen ττρώτωΐ (siehe das Wörterbuch von W. Bauer) wäre natürlich Prime, wenn es dieses Umstandswort im Lateinischen gäbe. Tertullian wählt darum de carne Chr. 17 in Erinnerung an andere irenäische Stellen (s. oben S. 42) die Wendung nove nasci debébat novae nativitatis dedicator. Jedenfalls ist das ιτρώτωΐ nur III, 18, 7 am Platze, wo der aus unbebauter Erde erschaffene Adam und der aus einer Jungfrau geborene Christus einander ausdrücklich gegenübergestellt sind, während es V, 19, ι (S. 769) ohne diese Bezugnahme protoplasti und primogeniti heißt (s. unten S. 55). Folgerichtig steht III, 18, 7 auch Ικ παρθένου ohne bestimmtes Geschlechtswort entsprechend dem έκ γήξ ávepyá