Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [66]

Table of contents :
Karl Ulrich, Das ehemalige Karmelitenkloster zu Nürnberg ... 1
Ludwig Schnurrer, Georg Weber von Dinkelsbühl (1495—1567) —
Leben und Tätigkeit eines Nürnberger Werkmeisters............... 111
Paul Hansel, Die Auseinandersetzung des Schwäbischen Bundes mit
Nürnberg vor dem Hintergrund der „Packschen Händel“ 1528/29 172
Franz Willax, Das Verteidigungswesen der Reichsstadt Nürnberg im
17. und 18. Jahrhundert ......................................................................192
Kurt Pilz, Die Familie von Schwarz auf Artelshofen und Hirschbach —
Ein Beitrag zur Firmengeschichte Nürnbergs im 19. und 20. Jahrhundert
................................................................................................ 248
Fritz Zink, Nürnbergansichten auf Wandkalendern um 1830 . . . 270
Leonhard Haas, Neues über Karl Moor (1852—1932) 281
Konrad Fries und Julius Lincke, Der Kunst-Luftschutz in der Stadt
Nürnberg während des Zweiten Weltkrieges................................... 292
Wilhelm Schwemmer, Die Bergung und Rückführung beweglicher
Nürnberger Kunst- und Kulturgüter während des Zweiten Weltkrieges
................................................................................................ 304
Miszelle
Josef Dettenthaler, Ein unbekanntes Werk vom Schöpfer des Tondörffer-
Epitaphs in der Nürnberger Lorenzkirche ...................310
Buchbesprechungen (im einzelnen siehe Rückseite) ...........................313
Neue Arbeiten zur Nürnberger Geschichte ......................................375
Jahresbericht über das 100. Vereinsjahr 1977 .................................. 380
Jahresbericht über das 101. Vereinsjahr 1978 .................................. 394
V
BUCHBESPRECHUNGEN
Wolfgang von Stromer, Die Gründung der Baumwollindustrie in Mitteleuropa. Wirtschaftspolitik
im Spätmittelalter, Stuttgart 1978. (Wolfgang Zorn) ....................... 313
Elmar Lutz, Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften in der Zeit der
Fugger, Tübingen 1976. (Wolfgang Leiser) ............................................................... 315
Margarete Wagner, Nürnberger Handwerker. Bilder und Aufzeichnungen aus den
Zwölfbrüderhäusern 1388—1807, Wiesbaden 1978. (Gerhard Hirschmann) ... 317
Klaus-Reiner Pütz, Heischurteile der Reichsstadt Nürnberg für ihr Territorium im
Spiegel der Ratsverlässe, Nürnberg 1977. (Hans-Peter Ziegler)............................... 318
Gerhard Seibold, Die Viatis und Peiler, Köln-Wien 1977, (Gerhard Pfeiffer) .... 319
Gottfried Seebaß und Gerhard Müller, Andreas Osiander d. A., Gesamtausgabe, Band
2, Gütersloh 1977. (Gerhard Pfeiffer) .......................................................................... 321
Jürgen Lorz, Das reformatorische Wirken Dr. Wenzeslaus Lincks in Altenburg und
Nürnberg (1523—1547), Nürnberg 1978. (Dieter Wölfel) ....................................... 322
Herbert Bauer/Gerhard Hirschmann/Georg Stolz, 500 Jahre Hallenchor St. Lorenz
zu Nürnberg 1477—1977, Nürnberg 1977. (Helmut Häußler) ............................... 324
Helmut Baier, 600 Jahre Ostchor St. Sebald-Nürnberg 1379—1979, Neustadt an der
Aisch 1979. (Helmut Häußler)...................................................................................... 325
Svetozar Sprusansky, Der heilige Sebald, seine Kirche und seine Stadt, Nürnberg 1979.
(Helmut Häußler) .......................................................................................................... 325
Alfred Stange, Kritisches Verzeichnis der deutschen Tafelbilder vor Dürer, III. Franken,
München 1978. (Kurt Löcher) ...................................................................................... 327
Kurt Pilz, 600 Jahre Astronomie in Nürnberg, Nürnberg 1977. (Günther Hamann) . 329
Hans Sachs — Studien zur frühbürgerlichen Literatur im 16. Jahrhundert, hrsg. von
Thomas Cramer und Erika Kartschoke, Bern/Frankfurt am Main 1978. (Johannes
Rettelbach) ...................................................................................................................... 331
Fastnachtspiele des 15. und 16. Jahrhunderts, unter Mitarbeit v. Walter Wuttke
ausgewählt u. hrsg. v. Dieter Wuttke, Stuttgart 1978. (Horst Brunner) .... 333
Dieter Wuttke, Aby M. Warburgs Methode als Anregung und Aufgabe, Göttingen 1978.
(Horst Brunner) .............................................................................................................. 334
Thomas Habel, Brecht und das Fastnachtspiel. Studien zur nicht-aristotelischen Dramatik,
Göttingen 1978. (Horst Brunner) ...................................................................... 334
Winfried Mogge, Nürnberg und der Landsberger Bund (1556—1598), Nürnberg 1976.
(Franz Machilek).............................................................................................................. 334
Anton Schindling, Humanistische Hochschule und freie Reichsstadt: Gymnasium und
Akademie in Straßburg 1538—1621, Wiesbaden 1977. (Franz Machilek)............... 336
Karl Gröschel, Des Camerarius Entwurf einer Nürnberger Medizinalordnung —
Kurtzes und ordentliches Bedencken 1571, München 1977. (Karlheinz Bartels) . . 337
Monika Bachtier, Die Nürnberger Goldschmiedefamilie Lencker, Nürnberg 1978.
(Klaus Pechstein).............................................................................................................. 339
Peter Reindl, Loy Hering, Basel 1977. (Wilhelm Schwemmer) ................................... 339
Paul Wolfgang Merkel und die Merkelsche Familienstiftung, Nürnberg 1979. (Gerhard
Pfeiffer)............................................................................................................................. 341
Karl Heinz Schreyl, Der graphische Neujahrsgruß aus Nürnberg, Nürnberg 1979.
(Renate Freitag-Stadtler) .............................................................................................. 342
Manfred Bachmann, Das Waldkirchner Spielzeugmusterbuch, München 1977. (Walter
Lehnert) .......................................................................................................................... 342
Rainer Gömmel, Wachstum und Konjunktur der Nürnberger Wirtschaft (1815—1914),
Stuttgart 1978. (Rudolf Endres) .................................................................................. 343
Handwerk, Brücke zur Zukunft. 75 Jahre Handwerkskammern in Deutschland, von G.
Courts, H. Baumann u. a., Bonn 1975. (Hermann Kellenbenz) ......................... 345
Hundert Jahre Albrecht-Dürerhaus-Stiftung Nürnberg 1871—1971, Nürnberg 1976.
(Gerhard Mammel) ........................................................................... •.............................. 346
VI
Dieter Rossmeissl, Arbeiterschaft und Sozialdemokratie in Nürnberg 1890—1914,
Nürnberg 1977. (Hermann Hanschel).......................................................................... 347
Ernst Ursel, Die bayerischen Herrscher von Ludwig I. bis Ludwig III. im Urteil der
Presse nach ihrem Tode, Berlin 1974. (Bernd Zinner)............................................... 349
Bayern in der NS-Zeit — Soziale Lage und politisches Verhalten der Bevölkerung im
Spiegel vertraulicher Berichte, hrsg. von Martin Broszat, Elke Fröhlich, Falk
Wiesemann, München-Wien 1977. (Arnd Müller) .............................................. 350
Edward N. Peterson, The American Occupation of Germany — Retreat to Victory,
Detroit 1977. (Arnd Müller).......................................................................................... 352
Günther P. Fehring und Anton Rees (t)> Die Stadt Nürnberg, 2. Aufl. bearb. von
Wilhelm Schwemmer, München 1977. (Walter Lehnert) ................................... 354
Helmut Häußler, Brunnen, Denkmale und Freiplastiken in Nürnberg, Nürnberg 1977.
(Klaus Pechstein).............................................................................................................. 356
Gerhard Kindler, Mögeldorf einst und jetzt, Selbstverlag 1978. (Albert Bartelmeß) . 357
Helmut Mahr, Wehrtechnische Bauten im Landkreis Fürth, I. Wallensteins Lager 1632,
Fürth 1978. (Barbara Stadler — Franz Willax)........................................................... 358
Konrad Lengenfelder, Altdorf bei Nürnberg in alten Ansichten, Zaltbommel 1977.
(Hermann Hanschel) ...................................................................................................... 358
Gustav Voit, Engelthal. Geschichte eines Dominikanerinnenklosters Nürnberg 1977.
(Gerhard Hirschmann) .................................................................................................. 359
Matrikel des Corps Onoldia 1798—1898, zusammengestellt und bearbeitet von Ernst
Meyer-Camberg, 1978. (Gerhard Hirschmann) ................................................... 360
Jahrbuch für fränkische Landesforschung, Bd. 38, Neustadt/Aisch 1978. (Gerhard Hirschmann)
.............................................................................................................................. 361
Fränkische Lebensbilder. 8. Band, hrsg. von Gerhard Pfeiffer und Alfred Wendehorst,
Neustadt/Aisch 1978. (Gerhard Hirschmann) ................................................... 361
Fränkische Bibliographie, hrsg. von Gerhard Pfeiffer, Würzburg 1978. (Rudolf Frankenberger)
............................................................................................................................. 363
Karlheinz Goldmann, Von Fasenacht bis Allerseelen. Fränkisches Brauchtum, Bd. 2,
Nürnberg 1977. (Walter Lehnert) .............................................................................. 364
Josef und Eberhard Dünninger, Angelus in Franken, Würzburg 1978. (Helmut Häußler)
.................................................................................................................................... 364
Bernhard Schemmel, Figuren und Reliefs an Haus und Hof in Franken, Würzburg 1978.
(Helmut Häußler) .................................................................................. 365
Ulrich Otto Ringsdorf, Der Eisenbahnbau südlich Nürnbergs 1841—1849, Nürnberg
1978. (Hermann Hanschel) .......................................................................................... 365
Schwabach. Beiträge zur Stadtgeschichte und Heimatpflege 1977, Schwabach 1977. (Albert
Bartelmeß) ...................................................................................................................... 368
Dietrich Lutz, Die Inschriften der Stadt Rothenburg ob der Tauber, München 1976.
(Peter Zahn)...................................................................................................................... 370
Uffenheimer Geschichtsquellen, Bd. 1 und 2, Uffenheim 1974 und 1975. (Albert Bartelmeß)
................................................................................................................................ ' 371
Hans Kressei, Im Hause des Herrn immerdar, Erlangen 1978 (Gerhard Hirschmann) . 371
Hermann Luppe, Mein Leben, Nürnberg 1977. (Ernst Schubert) ................................... 372
Hermann Hanschel, Oberbürgermeister Hermann Luppe. Nürnberger Kommunalpolitik
in der Weimarer Republik, Nürnberg 1977. (Ernst Schubert)............................... 372

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Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

66. Band 1979

Nürnberg 1979 Selbstverlag des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

Schriftleitung: Dr. Gerhard Hirschmann, Dr. Franz Machilek Für Form und Inhalt der Aufsätze und Rezensionen sind die Verfasser verantwortlich

Für Druckzuschüsse dankt der Verein der Stadt Nürnberg, der Stadtsparkasse Nürnberg, dem Bezirkstag von Mittelfranken und dem Erzbischöflichen Ordinariat Bamberg

Gesamtherstellung: Buchdruckerei Ph.C.W. Schmidt, Neustadt/Aisch Offset-Lithos: Firma Döss, Nürnberg Alle Rechte, auch des Abdrucks im Auszug, Vorbehalten. Copvright bv Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg (Geschäftsstelle: Egidienplatz 23, 85 Nürnberg 1) ISSN 0083—5579

INHALT Karl Ulrich, Das ehemalige Karmelitenkloster zu Nürnberg ... 1 Ludwig Schnurrer, Georg Weber von Dinkelsbühl (1495—1567) — Leben und Tätigkeit eines Nürnberger Werkmeisters............... 111 Paul Hansel, Die Auseinandersetzung des Schwäbischen Bundes mit Nürnberg vor dem Hintergrund der „Packschen Händel“ 1528/29 172 Franz Willax, Das Verteidigungswesen der Reichsstadt Nürnberg im 17. und 18. Jahrhundert ......................................................................192 Kurt Pilz, Die Familie von Schwarz auf Artelshofen und Hirschbach — Ein Beitrag zur Firmengeschichte Nürnbergs im 19. und 20. Jahr­ hundert ................................................................................................ 248 Fritz Zink, Nürnbergansichten auf Wandkalendern um 1830 . . . 270 Leonhard Haas, Neues über Karl Moor(1852—1932) 281 Konrad Fries und Julius Lincke, Der Kunst-Luftschutz in der Stadt Nürnberg während des Zweiten Weltkrieges................................... 292 Wilhelm Schwemmer, Die Bergung und Rückführung beweglicher Nürnberger Kunst- und Kulturgüter während des Zweiten Welt­ krieges ................................................................................................ 304 Miszelle Josef Dettenthaler, Ein unbekanntes Werk vom Schöpfer des Tondörffer-Epitaphs in der Nürnberger Lorenzkirche ................... 310 Buchbesprechungen (im einzelnen siehe Rückseite)

...........................313

Neue Arbeiten zur Nürnberger Geschichte

......................................375

Jahresbericht über das 100. Vereinsjahr 1977

..................................

380

Jahresbericht über das 101. Vereinsjahr 1978

..................................

394

V

BUCHBESPRECHUNGEN Wolfgang von Stromer, Die Gründung der Baumwollindustrie in Mitteleuropa. Wirt­ schaftspolitik im Spätmittelalter, Stuttgart 1978. (Wolfgang Zorn) ....................... Elmar Lutz, Die rechtliche Struktur süddeutscher Handelsgesellschaften in der Zeit der Fugger, Tübingen 1976. (Wolfgang Leiser) ............................................................... Margarete Wagner, Nürnberger Handwerker. Bilder und Aufzeichnungen aus den Zwölfbrüderhäusern 1388—1807, Wiesbaden 1978. (Gerhard Hirschmann) ... Klaus-Reiner Pütz, Heischurteile der Reichsstadt Nürnberg für ihr Territorium im Spiegel der Ratsverlässe, Nürnberg 1977. (Hans-Peter Ziegler)............................... Gerhard Seibold, Die Viatis und Peiler, Köln-Wien 1977, (Gerhard Pfeiffer) .... Gottfried Seebaß und Gerhard Müller, Andreas Osiander d. A., Gesamtausgabe, Band 2, Gütersloh 1977. (Gerhard Pfeiffer) .......................................................................... Jürgen Lorz, Das reformatorische Wirken Dr. Wenzeslaus Lincks in Altenburg und Nürnberg (1523—1547), Nürnberg 1978. (Dieter Wölfel) ....................................... Herbert Bauer/Gerhard Hirschmann/Georg Stolz, 500 Jahre Hallenchor St. Lorenz zu Nürnberg 1477—1977, Nürnberg 1977. (Helmut Häußler) ............................... Helmut Baier, 600 Jahre Ostchor St. Sebald-Nürnberg 1379—1979, Neustadt an der Aisch 1979. (Helmut Häußler)...................................................................................... Svetozar Sprusansky, Der heilige Sebald, seine Kirche und seine Stadt, Nürnberg 1979. (Helmut Häußler) .......................................................................................................... Alfred Stange, Kritisches Verzeichnis der deutschen Tafelbilder vor Dürer, III. Franken, München 1978. (Kurt Löcher) ...................................................................................... Kurt Pilz, 600 Jahre Astronomie in Nürnberg, Nürnberg 1977. (Günther Hamann) . Hans Sachs — Studien zur frühbürgerlichen Literatur im 16. Jahrhundert, hrsg. von Thomas Cramer und Erika Kartschoke, Bern/Frankfurt am Main 1978. (Johannes Rettelbach) ...................................................................................................................... Fastnachtspiele des 15. und 16. Jahrhunderts, unter Mitarbeit v. Walter Wuttke ausgewählt u. hrsg. v. Dieter Wuttke, Stuttgart 1978. (Horst Brunner) .... Dieter Wuttke, Aby M. Warburgs Methode als Anregung und Aufgabe, Göttingen 1978. (Horst Brunner) .............................................................................................................. Thomas Habel, Brecht und das Fastnachtspiel. Studien zur nicht-aristotelischen Drama­ tik, Göttingen 1978. (Horst Brunner) ...................................................................... Winfried Mogge, Nürnberg und der Landsberger Bund (1556—1598), Nürnberg 1976. (Franz Machilek).............................................................................................................. Anton Schindling, Humanistische Hochschule und freie Reichsstadt: Gymnasium und Akademie in Straßburg 1538—1621, Wiesbaden 1977. (Franz Machilek)............... Karl Gröschel, Des Camerarius Entwurf einer Nürnberger Medizinalordnung — Kurtzes und ordentliches Bedencken 1571, München 1977. (Karlheinz Bartels) . . Monika Bachtier, Die Nürnberger Goldschmiedefamilie Lencker, Nürnberg 1978. (Klaus Pechstein).............................................................................................................. Peter Reindl, Loy Hering, Basel 1977. (Wilhelm Schwemmer) ................................... Paul Wolfgang Merkel und die Merkelsche Familienstiftung, Nürnberg 1979. (Gerhard Pfeiffer).............................................................................................................................. Karl Heinz Schreyl, Der graphische Neujahrsgruß aus Nürnberg, Nürnberg 1979. (Renate Freitag-Stadtler) .............................................................................................. Manfred Bachmann, Das Waldkirchner Spielzeugmusterbuch, München 1977. (Walter Lehnert) .......................................................................................................................... Rainer Gömmel, Wachstum und Konjunktur der Nürnberger Wirtschaft (1815—1914), Stuttgart 1978. (Rudolf Endres) .................................................................................. Handwerk, Brücke zur Zukunft. 75 Jahre Handwerkskammern in Deutschland, von G. Courts, H. Baumann u. a., Bonn1975. (Hermann Kellenbenz) ......................... Hundert Jahre Albrecht-Dürerhaus-Stiftung Nürnberg 1871—1971, Nürnberg 1976. (Gerhard Mammel) ........................................................................... •..............................

VI

313 315 317 318 319 321 322 324 325 325 327 329 331 333 334 334 334 336 337 339 339 341 342 342 343 345 346

Dieter Rossmeissl, Arbeiterschaft und Sozialdemokratie in Nürnberg 1890—1914, Nürnberg 1977. (Hermann Hanschel).......................................................................... 347 Ernst Ursel, Die bayerischen Herrscher von Ludwig I. bis Ludwig III. im Urteil der Presse nach ihrem Tode, Berlin 1974. (Bernd Zinner)............................................... 349 Bayern in der NS-Zeit — Soziale Lage und politisches Verhalten der Bevölkerung im Spiegel vertraulicher Berichte, hrsg. von Martin Broszat, Elke Fröhlich, Falk Wiesemann, München-Wien 1977. (Arnd Müller) .............................................. 350 Edward N. Peterson, The American Occupation of Germany — Retreat to Victory, Detroit 1977. (Arnd Müller).......................................................................................... 352 Günther P. Fehring und Anton Rees (t)> Die Stadt Nürnberg, 2. Aufl. bearb. von Wilhelm Schwemmer, München 1977. (Walter Lehnert) ................................... 354 Helmut Häußler, Brunnen, Denkmale und Freiplastiken in Nürnberg, Nürnberg 1977. (Klaus Pechstein).............................................................................................................. 356 Gerhard Kindler, Mögeldorf einst und jetzt, Selbstverlag 1978. (Albert Bartelmeß) . 357 Helmut Mahr, Wehrtechnische Bauten im Landkreis Fürth, I. Wallensteins Lager 1632, Fürth 1978. (Barbara Stadler — Franz Willax)........................................................... 358 Konrad Lengenfelder, Altdorf bei Nürnberg in alten Ansichten, Zaltbommel 1977. (Hermann Hanschel) ...................................................................................................... 358 Gustav Voit, Engelthal. Geschichte eines Dominikanerinnenklosters Nürnberg 1977. (Gerhard Hirschmann) .................................................................................................. 359 Matrikel des Corps Onoldia 1798—1898, zusammengestellt und bearbeitet von Ernst Meyer-Camberg, 1978. (Gerhard Hirschmann) ................................................... 360 Jahrbuch für fränkische Landesforschung, Bd. 38, Neustadt/Aisch 1978. (Gerhard Hirsch­ mann) .............................................................................................................................. 361 Fränkische Lebensbilder. 8. Band, hrsg. von Gerhard Pfeiffer und Alfred Wendehorst, Neustadt/Aisch 1978. (Gerhard Hirschmann) ................................................... 361 Fränkische Bibliographie, hrsg. von Gerhard Pfeiffer, Würzburg 1978. (Rudolf Franken­ berger) ............................................................................................................................. 363 Karlheinz Goldmann, Von Fasenacht bis Allerseelen. Fränkisches Brauchtum, Bd. 2, Nürnberg 1977. (Walter Lehnert) .............................................................................. 364 Josef und Eberhard Dünninger, Angelus in Franken, Würzburg 1978. (Helmut Häuß­ ler) ..................................................................................................................................... 364 Bernhard Schemmel, Figuren und Reliefs an Haus und Hof in Franken, Würzburg 1978. (Helmut Häußler) .................................................................................. 365 Ulrich Otto Ringsdorf, Der Eisenbahnbau südlich Nürnbergs 1841—1849, Nürnberg 1978. (Hermann Hanschel) .......................................................................................... 365 Schwabach. Beiträge zur Stadtgeschichte und Heimatpflege 1977, Schwabach 1977. (Albert Bartelmeß) ...................................................................................................................... 368 Dietrich Lutz, Die Inschriften der Stadt Rothenburg ob der Tauber, München 1976. (Peter Zahn)...................................................................................................................... 370 Uffenheimer Geschichtsquellen, Bd. 1 und 2, Uffenheim 1974 und 1975. (Albert Bartel­ meß) ................................................................................................................................. ' 371 Hans Kressei, Im Hause des Herrn immerdar, Erlangen 1978 (Gerhard Hirschmann) . 371 Hermann Luppe, Mein Leben, Nürnberg 1977.(ErnstSchubert) ................................... 372 Hermann Hanschel, Oberbürgermeister Hermann Luppe. Nürnberger Kommunalpoli­ tik in der Weimarer Republik, Nürnberg 1977.(ErnstSchubert)............................... 372

VII

VERZEICHNIS DER MITARBEITER Bartelmeß, Albert, Archivoberamtsrat, Stadtarchiv, Egidienplatz 23, 8500 Nürn­ berg 1 Bartels, Karl Heinz, Dr., Apotheker, Marien-Apotheke, Hauptstr. 10, 8770 Lohra.M. Brunner, Horst, Dr., Priv.-Doz., Esperstraße 29, 8521 Uttenreuth Dettenthaler, Josef, Würzburger Straße 6, 8506 Langenzenn Endres, Rudolf, Dr., Univ.-Prof., An den Hornwiesen 10, 8520 Erlangen-Buckenhof Frankenbcrger, Rudolf, Dr., Ltd. Bibliotheksdirektor, Memminger Straße 6/14, 8900 Augsburg Freitag-Stadler, Renate, Dr., Auf der Hut 9, 8550 Forchheim-Reuth Fries, Konrad, Dr., Rechtsanwalt, Bismarckstraße 118, 8500 Nürnberg 20 Haas, Leonhard, Dr., Prof., Bundesarchivar i.R., Sandrainstraße 87, CH — 3007Bern Häußler, Helmut, Dr., Stadtarchiv, Egidienplatz 23, 8500 Nürnberg 1 Hamann, Günther, Dr., Univ.-Prof., Historisches Institut der Universität Wien, Luegerring 1, 1010 Wien Hanschel, Hermann, Dr., Studienrat, Am Sandberg 21, 8521 Bubenreuth Hansel, Paul, cand. phil., Schuhstraße 18c, 8520 Erlangen Hi rschmann, Gerhard, Dr., Ltd. Archivdirektor, Stadtarchiv, Egidienplatz 23, 8500 Nürnberg 1 Kellenbenz, Hermann, Dr., Univ.-Prof., Findelgasse 7, 8500 Nürnberg 1 Lehnert, Walter, Dr., Archivoberrat, Stadtarchiv, Egidienplatz 23, 8500 Nürnberg 1 Leiser, Wolfgang, Dr., Univ.-Prov., Saarmühlenweg 16, 8524 Neunkirchen a. Br. Lincke, Julius, Baudirektor i.R., Gervinusstraße 26, 8500 Nürnberg 20 Löcher, Kurt, Dr., Museumsdirektor, Germanisches Nationalmuseum, Kartäuser­ gasse 1, 8500 Nürnberg 1 Machilek, Franz, Dr., Oberarchivrat, Staatsarchiv, Archivstraße 17, 8500 Nürnberg 10 Mammel, Gerhard, Dr., stellvertr. Direktor, Bildungszentrum, Gibitzenhofstraße 135, 8500 Nürnberg 70 Müller, Arnd, Dr., Studiendirektor, Hintermayrstraße 19, 8500 Nürnberg 10 Pechstein, Klaus, Dr., Oberkonservator, Germanisches Nationalmuseum, Kartäuser­ gasse 1, 8500 Nürnberg 1 Pfeiffer, Gerhard, D. Dr., Univ.-Prof., Schnepfenreuther Weg 15, 8500 Nürnberg 90 Pilz, Kurt, Dr., Konservator i.R., Gabrielistraße 9, 8500 Nürnberg 30 Rettelbach, Johannes, Wiss. Mitarbeiter, Tulpenweg 27, 8501 Schwaig Schnurrer, Ludwig, Dr. Studiendirektor, Gerhart-Hauptmann-Straße 12, 8803 Rothenburg o. d. Tauber Schubert, Ernst, Dr. phil., Privatdozent, Universität Erlangen-Nürnberg, Institut für Geschichte, Kochstraße 4, 8520 Erlangen Schwemmer, Wilhelm, Dr., Direktor der städt. Kunstsammlungen i.R., Lindenast­ straße 63, 8500 Nürnberg 10 Ulrich, Karl, Dr., Pfarrer i.R., Wilderstraße 26, 8500 Nürnberg 10 Willax, Franz, Oberbaurat, Rollnerstraße 46, 8500 Nürnberg 10 Wölfel, Dieter, Dr. theol., Studienrat, Wolfringstraße 1/10, 8510 Fürth Zahn, Peter, Dr., Bibliotheksoberrat, Brentanostraße 19, 8000 München 13 Ziegler, Hans-Peter, Dr., Büttnerstraße 64, 8700 Würzburg Zink, Fritz, Dr., Landeskonservator i. R.,Hoppertstraße 5, 8500 Nürnberg 10 Zinner, Bernd, Dr., Donndorferstraße 95, 8580 Bayreuth Zorn, Wolfgang, Dr., Univ.-Prof., Seminar für Sozialgeschichte, Ludwigstraße 33/1V, 8000 München 22

VIII

DAS EHEMALIGE KARMELITENKLOSTER ZU NÜRNBERG Von Karl Ulrich Inhaltsübersicht Seiten Vorwort...................................................................................... 2— 3 Quellen und Literatur............................................................... 4— 7 Sigel und Abkürzungen in den Anmerkungen....................... 8 1. Kap. Der Karmelitenorden .............................................. 9— 12 2. Kap. Die Gründung des Nürnberger Klosters und seine Stellung im Ordensverband .................................. 13— 15 3. Kap. Kirche und Kloster...................................................16— 27 4. Kap. Die wirtschaftlichen Grundlagen ............................27— 30 5. Kap. Terminierbezirke und Terminierbuch .... 30— 38 6. Kap. Gottesdienst...............................................................38— 46 7. Kap. Religiös-sittliches Leben und Reform .... 46— 52 8. Kap. Studium und Tätigkeit.............................................52— 59 9. Kap. Die Klosterbibliothek .............................................59— 63 10. Kap. Das Kloster im Stadtverband................................. 64— 74 11. Kap. Die Bruderschaft ...................................................74— 77 12. Kap. Andreas Stoß und das Nürnberger Religions­ gespräch .................................................................... 78— 88 13. Kap. Auflösung des Konvents ........................................88— 93 14. Kap. Bemühungen um die Restitution des Konvents . . 93—100 Anhang I: Die Prioren und Subprioren, Prediger und Klosterpfleger . 101—102 II: Bruderschaft und Remedia (nach dem Terminierbuch) . 102—106 III: Die Klostergüter ...............................................................106—107 IV: Planskizze von Kirche und Kloster . .............................108—109 V: Brief des Eberhard Billick, Provinzials der Niederdeut­ schen Provinz des Karmelitenordens, an den Provinzial der Oberdeutschen Provinz, Georg Rab, 1548 Juli 3 . . 110

1

Karl Ulrich

Vorwort Die vier großen mittelalterlichen Bettelorden waren alle mit Konventen in Nürnberg vertreten: die Dominikaner und Franziskaner, die AugustinerEremiten und die Frauenbrüder, auch Karmeliten genannt. Im Gegensatz zu den drei erstgenannten Ordenshäusern hat der Karmel zu Nürnberg keine Gesamtdarstellung gefunden. Das mag zum Teil in der abwertenden Bemer­ kung des Nürnberger Stadtchronisten Johannes Müllner begründet sein; dieser schreibt in seinen Annalen: „hat also das Ansehen, daß man zu diesem Kloster unter anderen Klöstern zu Nürnberg die wenigste Zuneigung oder Andacht gehabt habe“1. Dazu kommt, daß sich im Staatsarchiv Nürnberg und im Stadtarchiv Nürnberg nur geringe Reste des ehemaligen Archivs des Karmelitenklosters erhalten haben und in den Findbüchern auch sonst unter dem Stichwort Frauenbrüder nur wenige Quellen angeführt sind, die sich allerdings — zumal im Stadtarchiv — als recht ergiebig erweisen. Ergänzt werden diese Archivalien durch Bestände der Sächsischen Landesbibliothek Dresden; durch das Terminierbuch (übrigens das einzige von den Nürnberger Klöstern) und durch den Bibliothekskatalog, der jedoch erst nach der Reformation angelegt wurde. Eine wertvolle Hilfe war mir die Arbeit des Karmelitenpaters Adalbert Deckert, Die Oberdeutsche Provinz der Karmeliten nach den Akten ihrer Kapitel von 1421 bis 15292. Hier findet sich auch der Personalschematismus; dazu geben die Akten einen Einblick in das — sonst schwer zu erfassende — innere Leben der Provinz und der einzelnen Häuser. Bei der Aufzählung der Nürnberger Bettelordensklöster werden die Karme­ liten durchwegs an letzter Stelle genannt; man kann daraus schließen, daß sie den vorgenannten Konventen an Bedeutung nachstanden. Das mag richtig sein und dürfte hauptsächlich zwei Gründe haben: Einmal konnten es die Frauen­ brüder schon rein zahlenmäßig mit den anderen Orden nicht aufnehmen; ein Mehr an Ordensbrüdern bedeutet aber auch ein Mehr an Begabungen und ein Mehr an Einsatzmöglichkeiten. Dazu kommt, daß der Karmel in Nürnberg — anders als die anderen drei Bettelorden — in Nürnberg und Umgebung keinen weiblichen Zweig hatte; somit fehlten auch die Anregungen, die mitunter von den Frauenklöstern auf ihre Seelsorger, die dem gleichen Orden angehörten, ausgingen, und die sie u. a. veranlaßten, ihre Predigten niederzuschreiben bzw. in Druck zu geben. Bei all diesen Einschränkungen darf das Frauenbrüderkloster in Nürnberg nicht unterschätzt werden: Es hatte einen guten Rang innerhalb der Ordens­ provinz, wurden hier doch von 1421 bis 1529 31 Provinzkapitel abgehalten und zudem haben von hier aus sechs Provinziale die Provinz verwaltet. Auch in der 1 Müllner, S. 203. 2 Rom 1961.

2

MVGN 66 (1979)

Karmelitenkloster

Stadt haben die Karmeliten ihre Aufgaben wahrgenommen und sich vor allem als Seelsorger des Handwerksviertels, das um ihr Kloster lag, bewährt. Allen, die mir bei dieser Arbeit mit Rat und Tat beigestanden haben, sei mein aufrichtiger Dank ausgesprochen: Herrn Dr. Hirschmann, Ltd. Direktor des Stadtarchivs, Herrn Dr. Machilek, Archivoberrat am Staatsarchiv Nürn­ berg; beiden danke ich zudem, daß sie die Arbeit in die „Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg“ aufgenommen haben. Mein Dank gilt ferner H. P. Adalbert Deckert, dem früheren Provinzial und Historiker der Bayerischen Karmelitenprovinz, Herrn Dr. Wilhelm Schwemmer, Direk­ tor der städt. Kunstsammlungen i. R., dem des Landeskirchlichen Archivs Herrn Dr. Baier, Frau Bibliothekarin Becker an der Stadtbibliothek und Herrn Dr. Bayel, Direktor der Graphischen Sammlung, sowie all ihren Mitarbeiterin­ nen und Mitarbeitern. Nicht zuletzt sei auch Herrn Kohn Dank ausgespro­ chen; er hat mich auf Pläne und Zeichnungen aufmerksam gemacht und mir geholfen, sie zu deuten. Gedankt sei schließlich Herrn Walther Pohl für die Zeichnung der Planskizze.

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Quellen und Literatur a. Ungedruckte Quellen fortan abgekürzt: StBA Augsburg Staats- und Stadtbibiliothek StBB Bamberg Staatliche Bibliothek LBD Dresden Sächsiche Landesbibliothek A 290 Terminierbuch (zitiert: Terminierbuch) (Fotokopie im Stadtarchiv Nürnberg: QNG 298 1 und 2) C 389 Katalog der Nürnberger Klosterbibliotheken (Fotokopie in der Stadtbibliothek Nürnberg: Alte Kataloge, Nr. 47) München Bayerisches Hauptstaatsarchiv BHStAM Rep. D 3, Fase. N R 210 (Abschrift im Stadtarchiv Nürnberg: Y 209) München Bayerische Staatsbibiliothek BStBM Clm 3590 und Clm 8180 Nürnberg Staatsarchiv St AN Reichsstadt Nürnberg, Päpstliche und Fürstliche Privilegien (Rep. 1 b), Nr. 521 Reichsstadt Nürnberg, Klöster in Nürnberg (Rep. 5), Abt. Frauenbrüder Reichsstadt Nürnberg, A-Laden-Urkunden (Rep. 15) Reichsstadt Nürnberg, Briefbücher (Rep. 61a) Reichsstadt Nürnberg, Ratsverlässe (Rep. 60) Reichsstadt Nürnberg, Amts- und Standbücher (Rep. 52 b), Nr. 303 Meisterbuch und Neubürgerverzeichnis 1370 bzw. 1382—1429 Nr. 313 Schenkbuch 1393—1422 Nr. 340 a Bruderschaftsbuch Reichsstadt Nürnberg, Handschriften (Rep. 52 a) Nr. 29—32, Johannes Müllner, Annales Norimbergenses, Tom. I—IV Reichsstadt Nürnberg, B-Laden-Akten (Rep. 16), SIL 203 Nr. 3 Reichsstadt Nürnberg, Stadt- und Landalmosenamt, Urkunden (Rep. 74) Fürstentum Ansbach, Kloster Heilsbronn, Urkunden (Rep. 161) Nürnberg Stadtarchiv Stadt AN Frauenbrüder Nr. 1: Anniversarium des Karmelitenklosters (zitiert: Anniversarium) Nr. 2: Kopialbuch des Karmelitenklosters (zitiert: Kopialbuch) Y-Akten, Nr. 209 Libri Conservatorii, Bd. 53 Nürnberg Stadtbibliothek StadtBN Vor allem Handschriften des Fonds Cent IV

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Nürnberg Rom

Karmelitenkloster

Germanisches Nationalmuseum Merkel-Handschriften, Nr. 729 und 730 Vidimierte Urkunden des Frauenbrüderklosters Landeskirchliches Archiv Vereinigtes Kirchenvermögen, Nr. 197 Vatikanische Bibliothek CVL 5709

GNMN

LKAN

b. Gedruckte Quellen Chroniken der deutschen Städte, Nürnberg Bd. 1—5, Leipzig 1862—1874 (anast. Neudruck 1961) (zitiert: Chroniken). Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Band III, Teil 3: Bistum Bamberg, bearb. von Paul Ruf, München 1939 (Nachdruck 1961) (zitiert: MABK). Müllner, Johannes: Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg von 1623. Teil I: Von den Anfängen bis 1350. Mit einer Einleitung, herausgegeben von Gerhard Hirschmann, Nürnberg 1972 (zitiert: Müllner). Nürnberger Urkundenbuch, bearbeitet vom Stadtarchiv Nürnberg, Nürnberg 1959. Quellen zur Nürnberger Reformationsgeschichte, Von der Duldung liturgischer Änderungen bis zur Ausübung des Kirchenregiments durch den Rat (Juni 1524— Juni 1525), bearb. von Gerhard Pfeiffer, Nürnberg 1968. Reformation Kaiser Siegmunds, hrsg. von Heinrich Koller, Stuttgart 1964 (MG Staatsschriften, Bd. 6). Schnelbögl, Fritz und Hofmann, Hanns Hubert, Gelegenhait der landschaft mitsampt den furten und helltten darinnen, Hersbruck 1952. Schornbaum, Karl: Das älteste Ehebuch der Pfarrei St. Sebald in Nürnberg 1524—1543, Nürnberg 1949 (zitiert: Seb. und lfd. Nr.). Weeck von, Friedrich, Erasmus Schürstabs Geschlechtsbuch. Ein Beitrag zur Geschich­ te der Stadt Nürnberg im 14. und 15. Jahrhundert. 31. Jahresbericht des Histori­ schen Vereins von Mittelfranken (1863), S. 39—84.

c. Allgemeine Literatur und Norica Bub, Gustav: Die Politik des Nürnberger Rats während des Interims, Nerchau i. S. 1924. Gesamtkatalog der Wiegendrucke, 7Bde. u. Bd. 8, Lfg. 1, Leipzig 1925—1940. Guttenberg, Erich Freiherr von: Das Bistum Bamberg, Berlin 1937 (Germania Sacra, 2. Abt., Bd. I). Hain, Ludwig, Repertorium Bibliographicum, 5 Bde. und Nachtragsbd., Stuttgart — Tübingen 1926. Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg, Bd. I: Die deutschen mittelalter­ lichen Handschriften, bearb. von Karin Schneider, Wiesbaden 1965, Bd. II/l: Die lateinischen mittelalterlichen Handschriften/Theologische Handschriften, bearb. von Karin Schneider, Wiesbaden 1967.

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Kist, Johannes: Die Matrikel der Geistlichkeit des Bistums Bamberg 1400—1556, Würzburg 1965 (zitiert: K und lfd. Nr.). Kist, Johannes: Klosterreform im spätmittelalterlichen Nürnberg. Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 32 (1963), S. 31—45. Kraus, Josef: Die Stadt Nürnberg in ihren Beziehungen zur Römischen Kurie während des Mittelalters. MVGN 41 (1950), S. 1—154. Kunzeimann, Adalbero: Geschichte der deutschen Augustiner-Eremiten. 3. Teil, Würzburg 1972. Kyriß, Ernst: Nürnberger Klostereinbände der Jahre 1433 bis 1525, phil. Diss. Erlangen 1940. Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 1—10, Freiburg i. Br. 1930—1938 bzw. 1957— 1967 (zitiert: LThK). Lübke, Anton: Nikolaus von Cues, Kirchenfürst zwischen Mittelalter und Neuzeit, München 1968. Machilek, Franz: Klosterhumanismus in Nürnberg. MVGN 64 (1977), S. 10—45. v. Murr, Christoph Gottlieb: Beschreibung der vornehmsten Merkwürdigkeiten in des H. R. Reichs freyen Stadt Nürnberg und auf der hohen Schule zu Altdorf, Nürnberg 1801. Nürnberg — Geschichte einer europäischen Stadt, hrsg. von Gerhard Pfeiffer, Mün­ chen 1971. Reformation in Nürnberg. Umbruch und Bewahrung, Nürnberg 1979. Rosenthal-Metzger, Julie: Das Augustinerkloster zu Nürnberg. MGVN Bd. 30 (1931), S. 1—106. Roth, Johann Ferdinand, Verzeichnis aller Genannten des großem Raths, Nürnberg 1802. Schaffer, Reinhold, Andreas Stoß und seine gegenreformatorische Tätigkeit, Breslau 1926. Schmidt, Ulrich, Das ehemalige Franziskanerkloster zu Nürnberg, Nürnberg 1913. Seppelt, Franz Xaver: Geschichte der Päpste, Bd. 4, München 1957. Simon, Matthias: Nürnbergisches Pfarrerbuch. Die evangelisch-lutherische Geistlich­ keit der Reichsstadt Nürnberg und ihres Gebietes 1524—1806, Nürnberg 1965 (zitiert: S und lfd. Nr.). Staudenraus, Robert: Die Anfänge der Post in Nürnberg (1609) und die Geschichte Nürnberger Posthäuser (1615—1931). Archiv für Postgeschichte in Bayern 1931, S. 355—374. Winkler, Johann: Der Güterbesitz der Nürnberger Kirchenstiftungen unter der Verwaltung des Almosenamtes im 16. Jahrhundert. MVGN 47 (1956), S. 160—296. Würfel, Andreas: Beschreibung der übrigen Kirchen, Klöster und Kapellen in Nürn­ berg, Nürnberg 1757. Zeißner, Werner, Altkirchliche Kräfte in Bamberg unter Bischof Weigand von Redwitz (1522—1556), Bamberg 1975 (Histor. Verein für die Pflege der Geschichte des ehemaligen Fürstbistums Bamberg, Beiheft 6).

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Karmelitenkloster

d. Karmeliten-Literatur Deckert, Adalbert: Die Oberdeutsche Provinz der Karmeliten nach den Akten ihrer Kapitel von 1421 bis 1529, Rom 1961 (zitiert: die Personalangaben im Personalschematismus, S. 139—229, D und lfd. Nr.). Deckert, Adalbert, Das ehemalige Karmelitenkloster zu Bamberg in der Au. 91. Bericht des Historischen Vereins Bamberg 1951, S. 1*—7*, 1—370. Deckert, Adalbert: Karmel in Straubing. Jubiläumschronik 1368—1968, Rom 1968. Deckert, Adalbert: Das Erbe der Jahrhunderte. Streifzüge durch die Geschichte des Karmel, Bd. I—II, Hektogramm Bamberg 1973—1976. Kallenberg, Paschalis: Fontes Liturgiae Carmelitanae. Investigatio in Decreta, Codices et Proprium Sanctorum, Romae 1962. Lenferink, Pancratius: Bibliography of the Printed Carmelite Breviaries and Missais including a list of the printed Carmelite Diurna and Requiem-masses, Rom 1955 (Subsidia Bibliographica Carmelitana 3). Martini, Clemens: Der deutsche Carmel, 2 Bde., Bamberg 1922—1926. Mesters, Gondulf: Der Orden der Karmeliten, Köln 1962 Postina, Alois: Der Karmelit Eberhard Billick, Freiburg i. Br. 1901 Rosier, Irenaus: Biographisch und Bibliographisch Overzicht van de Vroomheid in de Nederlandse Carmel, Tielt 1950 (zitiert: Rosier und lfd. Nr.). Schaffer (siehe unter Allgemeiner Literatur!). Xiberta, F. Bartholomaeus Maria: De scriptoribus scholasticis saeculi XIV ex ordine Carmelitarum, Louvain 1931.

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Sigel und Abkürzungen in den Anmerkungen Stadtarchiv Nürnberg, Frauenbrüder, Nr. 1: Anniversarium des Karmelitenklosters Nürnberg Bayerisches Hauptstaatsarchiv München BHStAM Bl. Blatt Bayerische Staatsbibliothek München BStBM Deckert, Die Oberdeutsche Provinz (Personalschematismus S. 137— D und lfd. Nr. 229) Germanisches Nationalmuseum Nürnberg GNMN Gesamtkatalog der Wiegendrucke GKW Kist, Die Matrikel der Geistlichkeit des Bistums Bamberg K und lfd. Nr. Stadtarchiv Nürnberg, Frauenbrüder, Nr. 2: Kopialbuch des Karme­ Kopialbuch litenklosters Nürnberg Sächsiche Landesbibliothek Dresden LBD Landeskirchliches Archiv Nürnberg LKAN Lexikon für Theologie und Kirche LThK Mittelalterliche Bibliothekskataloge MABK Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg MVGN Quellen (RV usw.) Quellen zur Nürnberger Reformationsgeschichte (Auflösung der in den Quellen benützten Abkürzungen: RV, Prot. BA, WU, Rschl., Br., Publ., siehe Anm. 292!) Reichsstadt Nürnberg Rst. Nbg. Simon, Nürnbergisches Pfarrerbuch S und lfd. Nr. Seb. und lfd. Nr. Schornbaum, Das älteste Ehebuch der Pfarrei St. Sebald in Nürnberg Staatsarchiv Nürnberg StAN Stadtarchiv Nürnberg StadtAN Stadtbibliothek Nürnberg StadtBN Staats- und Stadtbibliothek Augsburg StBA Staatliche Bibliothek Bamberg StBB Terminierbuch Sächsische Landesbibliothek Dresden, A 290: Terminierbuch der Nürnberger Karmeliten Anniversarium

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1. Kapitel: Der Karmelitenorden Anfänge auf dem Berg Karmel Die Heimat des Karmelitenordens ist das Heilige Land, seine Anfänge gehen in die Zeit der Kreuzzüge zurück. Im Jahre 1099 war Jerusalem von den Kreuzfahrern erobert und das Königreich Jerusalem gegründet worden. In der Folgezeit kamen Kreuzfahrer und Pilger in das Heilige Land, manche von ihnen ließen sich auf dem langgestreckten Rücken des Berges Karmel im Nordwesten Palästinas als Einsiedler nieder und schlossen sich zu einer Gemeinschaft zusammen3. Ihr geistlicher Führer, der hl. Brocardus, bat den Patriarchen von Jerusalem, Albertus von Avogrado, um eine Regel. Dieser kam ihrem Verlangen nach und gab ihnen 1209 eine formula vitae, also eine Art Regel in sechzehn Kapiteln4. Einzelvorschriften bringt die Regel kaum, auch hält sie sich frei von Uberstiegenheiten, im Mittelpunkt steht die Nachfolge Christi, oder wie es Albertus von Avogrado nennt, das „in obsequio Jesu Christi vivere“5, und das vor allem in Gebet und Betrachtung. So heißt es im 7. Kapitel: „Jeder bleibe in seiner Zelle, Tag und Nacht das Gesetz des Herrn betrachtend und im Gebete wachend, wenn er nicht auf eine andere Weise rechtmäßig beschäftigt ist“6. Am Schluß der Regel steht die Mahnung zur Mäßigung und Klugheit: „Wenn einer über die Regel hinaus noch mehr tun will, dann wird es der Herr, wenn er wiederkommt, vergelten. Ein jeder soll dabei mit Klugheit Vorgehen, denn sie lenkt die Tugend in die rechte Bahn.“ Kern der Regel ist das „in obsequio Jesu Christi vivere“, doch wurde die Spiritualität der Karmeliten auch von den örtlichen Gegebenheiten bestimmt. Die Karmeliten hatten, wie Jacobus von Vitry, Bischof von Akkon (1216— 1228), berichtet, ihre Einsiedeleien „iuxta fontem, qui fons Eliae dicitur“, also an der sogenannten Eliasquelle. Sie fühlten sich als Hüter und Betreuer altehrwürdiger Eliasheiligtümer, einer Quelle und einer Höhle7. Da war es naheliegend, den Mann, dem diese Stätten geweiht waren, sich zum Vorbild zu nehmen, und so spricht der schon erwähnte Bischof von Akkon von der „imitatio sancti viri et solitarii Eliae prophetae“, also von der Nacheiferung des hl. Mannes und Einsiedlerpropheten Elias. Dieser Gottesmann, dessen Wirken in den Büchern der Könige ausführlich beschrieben wird, war ein Mann tiefster Beschaulichkeit und stärkster Aktivität. Im Buch Jesus Sirach (48,1) heißt es: „Da trat Elias, der Prophet, wie Feuer auf und sein Wort brannte wie eine Fackel.“ Der Prophet selbst sagt von sich: „Ich bin voller Eifer für die Sache des Herrn, des Gottes der Heerscharen.“ Unerschrocken hat er dem König ' 4 5 6 7

Deckert, Das Erbe Bd. I, S. 7ff. Ebd. S. 10. Ebd. S. 28. Mesters, S. 4f. Deckert, Das Erbe Bd. I, S. 34.

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Achab seine Schuld vorgehalten, mit Entschiedenheit und Härte ist er gegen die Baalspriester vorgegangen, doch dieser Feuergeist hat auch in der Einsam­ keit gelebt; am tiefsten hat er Gott auf dem Berge Horeb erfahren (1 Kön. 19, 9—18). Diesen großen alttestamentlichen Propheten verehrten die Eremiten als pater et dux, als Vater und Führer; später, als sie ins Abendland übergesie­ delt waren, nahmen sie ihn als Ordensgründer in Anspruch, wohl auch deshalb, um anderen Orden, die vielverehrte Heilige als Stifter hatten, nicht nachstehen zu müssen. Die Karmeliten nennen sich Frauenbrüder, auch dieser Name ist örtlich bedingt8. Bei der Mönchssiedlung lag eine Kirche, die U. L. Frau geweiht war. In der Nähe der Karmeliten hatten aber auch griechische Mönche ein Kloster, dessen Kirche die hl. Margarethe zur Patronin hatte. Wollte man die Mönchs­ siedlungen unterscheiden, so sprach man von den Brüdern der hl. Margarethe, das waren die griechischen Mönche, und von den Brüdern oder Eremiten U. L. Frau, den Karmeliten. Schließlich lautete der volle Titel des Ordens: Ordo fratrum beatae Mariae virginis de monte Carmelo. In Deutschland bürgerte sich der Name Frauenbrüder ein. Im Abendland neue Aufgaben Das Heilige Land konnte auf die Dauer von den Kreuzfahrern nicht gehalten werden. Mit dem Jahre 1291, da Akkon und Haifa gefallen waren, war auch das Einsiedlerleben auf dem Berge Karmel erloschen. Schon vorher hatten einzelne Gruppen Palästina verlassen und ihre Konvente auf Cypern und Sizilien sowie in der Provence wieder aufgemacht. Im Jahre 1242 kamen die ersten Karmeli­ ten nach England und hier sollten für den Orden die Weichen gestellt werden9. Auf dem Generalkapitel, das unter dem Generalprior Goffredus 1247 zu Aylesford stattfand, entschloß man sich zur Regeländerung. Man wollte sich der neuen Umgebung und den neuen Verhältnissen anpassen, das Eremiten­ ideal einschränken, das Gelübde der Armut von den Franziskanern überneh­ men und in der Seelsorge arbeiten10. Papst Innozenz IV. approbierte die Beschlüsse des Generalkapitels; auch erlaubte er, daß die Karmeliten ihre Niederlassungen in Städten errichten durften. Nach dieser Umstellung auf die abendländischen Verhältnisse konnte sich der Orden rasch ausbreiten. Im Jahre 1281 zählte er zehn Provinzen; die deutsche Provinz war die siebte, nach dem Jahr der Stiftung gerechnet. Das erste Karmelitenkloster in Deutschland wurde 1249 zu Köln gegründet, es folgten u. a. Würzburg (1252), Bamberg (1273) und Nürnberg (1287) n. Da immer wieder neue Konvente gegründet wurden, mußte die deutsche Ordens­ provinz im Jahre 1348 endgültig in eine Oberdeutsche und in eine Niederdeut8 Ebd. S. 32. v Ebd. S. 16. 10 Ebd. S. 17f. 11 Mesters, S. 14.

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sehe Provinz geteilt werden. Die Oberdeutsche Provinz umfaßte am Ende des Mittelalters insgesamt 27 Konvente in Süd- und Ostdeutschland einschließlich Schlesien und Böhmen, Österreich und Ungarn. Der Gesamtorden zählte 995 Klöster in 51 Provinzen12. Verfall und Wiedererstarken Die Reformation brachte dem Orden in Deutschland einen schweren Aderlaß. Nicht wenige Mönche verließen ihre Konvente, die einen freiwillig, weil sie der Neuerung zugetan waren und die Ordensgelübde ablehnten, die anderen gezwungenermaßen, weil ihre Landesherren auf seiten der Neuerung standen und die Klöster schließen ließen. In der Oberdeutschen Provinz ist die Mehrzahl der Klöster eingegangen13. Doch hat der Karmelitenorden auch mutige Glaubensverteidiger gestellt. In Dänemark war es Paulus Heliae, der fast als einziger in diesem Land für die Rechte der Kirche eingetreten ist; nach 1534 fehlt jede Nachricht über ihn14. Am Niederrhein stellte sich Eberhard Billick, seit 1556 Weihbischof von Köln, tatkräftig und erfolgreich den Protestantisierungsbestrebungen des Kölner Erzbischofs Hermann von Wied entgegen15. Auch Andreas Stoß, der Sohn des berühmten Veit Stoß, verdient, hier genannt zu werden; aus Nürnberg ausgewiesen, hat er sich schließlich in Bamberg niedergelassen, Bischof Wei­ gand von Redwitz in seiner katholischen Haltung bestärkt und als Provinzial seine ganze Kraft eingesetzt, daß wenigstens einige Konvente überleben konnten16. Es kam die Zeit der Gegenreformation und der Erneuerung des kirchlichen Lebens. Neue Orden wurden gegründet, alte reformiert. Der Karmel pflegte vor allem die Beschaulichkeit und wurde so zu einer Stätte der Mystik. Große Heilige, wie die hl. Theresia von Avila17 und der hl. Johannes vom Kreuz18, sind aus seiner Mitte hervorgegangen; sie haben sich für die Reform des Ordens eingesetzt, die sich auch in der Gesamtkirche auswirkte. Der Karme­ litenorden, der mehr die Beschaulichkeit pflegte, stellt die rechte und notwen­ dige Ergänzung zur Gesellschaft Jesu dar, dem Orden der stärksten Aktivität. Seit langem gab es im Orden eine strengere und eine mildere Richtung. Das hatte langdauernde Konflikte zur Folge, bis schließlich Nikolaus Doria, ein energischer Verfechter der Reform, im Jahre 1593 die völlige Trennung der beiden Ordenszweige durchsetzen konnte19. Seitdem spricht man von Be­ schuhten und Unbeschuhten Karmelitern 12 n 14 15 16 17 18 "

LThK Bd. 5 (1933), Sp. 841. Decken, Das Erbe Bd. I, S. 97ff. Ebd. S. 114. Ebd. S. 109. Ebd. S. 101 f.; Erbe II, S. 78ff. Marcelle Auclair, Das Leben der hl. Teresa von Avila, Zürich o.J. Crisogono de Jesus, Doctor mysticus, München 1961. LThK Bd. 5 (1960), Sp. 1368.

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Eine schwere Heimsuchung für den Orden in Deutschland brachte die Säkularisation im Jahre 1803. Alle Klöster wurden aufgehoben. Doch konnte ein Menschenalter später in Bayern unter König Ludwig I. das monastische Leben — wenn auch nur in einigen Klöstern — wieder aufgenommen werden. Der Karmelitenorden heute20

Der Orden der Beschuhten Karmeliten hat in Bayern folgende Konvente: Bamberg, Straubing, Fürth, Bad Reichenhall und Erlangen; hier, im Ortsteil Büchenbach, hat auch der weibliche Zweig eine Niederlassung. Die Klöster der Unbeschuhten Karmeliten finden sich in Würzburg, Neumarkt/Opf., Regens­ burg, Schwandorf, München und Reisach. Unbeschuhte Karmelitinnen gibt es in Würzburg-Himmelspforten, Rödelmaier bei Neustadt/Saale, Vilsbiburg, Weiden bei Augsburg, Aufkirchen am Starnberger See und in München21. Der Karmel hat bis in unsere Zeit gottsuchende Menschen angezogen und der Kirche große Heilige geschenkt. Denken wir an die hl. Theresia vom Kinde Jesu, gestorben 1897 im Kloster zu Lisieux22, und an Edith Stein, Assistentin von Professor Husserl und Privatdozentin zu Münster23. Sie hat ihre wissen­ schaftliche Laufbahn aufgegeben, ist vom jüdischen Glauben zur Katholischen Kirche konvertiert und in den Karmel von Köln eingetreten. In einem Konzentrationslager im Osten wurde sie im Jahre 1942 ermordet; ihr Selig­ sprechungsprozeß ist eingeleitet. Der Berg Karmel24

Zum Schluß des Kapitels noch ein Blick auf den Berg Karmel! Bis zum Jahre 1291, da die Schlacht zu Akkon, die den Kreuzzügen ein Ende setzte, stattfand, hatten die meisten Eremiten den Karmel verlassen; die geblieben waren, wurden grausam niedergemetzelt. Nun war für Jahrhunderte hindurch das Gebet der Mönche verstummt. 1767 ließen sich wieder Mönche auf dem Karmel nieder, doch auch sie sollten ein blutiges Ende nehmen. Als Napoleon im Jahre 1799 seine Truppen von Akkon zurückzog (er hatte die Festung vergeblich belagert), mirden die Mönche samt den verwundeten Soldaten, die sie betreuten, niedergemacht. Erst als im Jahre 1823 der Vizekönig von Ägypten, Ibrahim Pascha, Herr von Palästina geworden war, konnten die Karmeliten endgültig zurückkehren und Kirche und Kloster wieder aufbauen. Von der Klosterterrasse hat man einen schönen Blick auf das Meer und die Stadt Haifa; doch den Karmeliten bedeutet diese Stätte weit mehr: Ursprung und geistige Heimat ihres Ordens. 20 21 22 23 24

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Ebd. Freundl. Mitteilung von H. Dr. Adalbert Deckert. Hans Urs von Balthasar, Theresia von Lisieux, Geschichte einer Sendung. Köln 1950. H. C. Graef, Leben unter dem Kreuz, Frankfurt 1958. Hans Kühner und David Harris, Israel, Olten und Freiburg i. Br. 1975, S. 286f.

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Karmelitenkloster

2. Kapitel: Die Gründung des Nürnberger Klosters und seine Stellung im Ordensverband Gründung Wir wissen nicht, wann sich die ersten Frauenbrüder in Nürnberg niedergelas­ sen haben und wann es zur Gründung des Konvents gekommen ist. Johannes Müllner schreibt: „Das Carmelitenkloster zu Nürnberg soll erbaut worden sein um das Jahr 1255. Wer zur Erbauung dessen anfangs Hülf getan, findet man eigentlich nit, außer, daß hernacher die Peßler dies Klosters Wohltäter gewest. Dasselbe hat eine Kirch und zwo Kapellen gehabt, eine im Kloster zu S. Anthoni genannt, die ander im Kreuzgang, genannt S. Ottilien“25. Dagegen gibt der Ordenschronist Jakob Milendunck, der im 16. Jahrhundert lebte, 1287 als Gründungsjahr an26. Ihm schließt sich Adalbert Deckert an: „Es mag sein, daß der Orden schon 1255 von dem Geschlecht der Peßler eine Hofstatt geschenkt bekam. Von einem Klosterkonvent am Getreidemarkt bezw. Roß­ markt kann man aber kaum vor 1287 sprechen“27. Urkundlich wird das Kloster erstmals 1295 erwähnt28. Durch Schenkung und Kauf wurde der Besitz im Laufe der Jahre vermehrt; so konnte im Jahre 1365 der Prior Eberhard von Rottweil „ein halb Eigen“, das in unmittelbarer Nähe des Konvents „am Laubendorfer“ gelegen war, von Fritz Lemmiein erwerben, der es seinerseits von seiner Mutter Irmell geerbt hatte29. Lesen wir weiter bei dem Chronisten Müllner! „Des Klosters Jahrtagbuch gibt zu erkennen, daß dieses Kloster von vornehmen Leuten keinen besonde­ ren Zugang gehabt, sondern daß sich mehrerteils schlichte, gemeine Burger und Handwerksleut, die vielleicht in der Nachbarschaft, teils auch in Gostenhof und zu Schweinau gewohnt, sich zu ihnen gehalten. Doch sein Wilhelm Rummel und Ursula.. .Teichslerin in diesem Kloster begraben. Auch haben die Peßler ein Begräbnis darin gehabt“30. Zugegeben, daß die vornehmen Gönner aus dem Patriziat, wie sie die Barfüßer hatten, den Frauenbrüdern gefehlt haben, und daß auch der Grab­ legen im Vergleich zu anderen Klöstern nur wenige waren, so hatten die Karmeliten doch bei den einfachen Bürgern und Handwerkern gute Freunde. Dazu hatten das Kloster und die Kirche eine günstige Lage, nicht zu hart an 25 Müllner, S. 203. 26 Milendunck stützt sich auf die ältesten Konventslisten, die die Klöster in chronologischer Reihenfolge bringen. Stadt. Archiv Frankfurt/M. Nr. 47a, u. 47b. 27 Deckert, Die Oberdeutsche Provinz, S. 22, Anm. 61. 28 Nürnberger Urkundenbuch, Nr. 885: Am 13. Januar 1295 bestimmt der Nürnberger Bürger Hermann von Stein: „... item fratribus S. Marie ordino XX libros hallensium, in quibus mihi est obligatus Siffridus Streckfaden.“ Hermann von Stein hatte also den Karmeliten 20 Pfund Heller vermacht, die ihm Streckfaden schuldete. Am folgenden Tag vermachte Gertrud, die Witwe des Hermann von Stauf, den Karmeliten 5 Pfund Heller. Ebd. Nr. 886. 29 StadtAN, Frauenbrüder, Nr. 2 Kopialbuch, Bl. 22. ,0 Müllner, S. 204.

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der Pfarrkiche St. Lorenz wie die Barfüßer (ähnlich waren auch die Augustiner und Dominikaner in unmittelbarer Nähe von St. Sebald) und noch innerhalb der vorletzten Stadtmauer in einem von Handwerkern dichtbesiedelten Gebiet; dann aber war es am Rande der Stadt gelegen, so daß auch die Einwohner in den Vororten Gostenhof und Schweinau erfaßt werden konnten. Für einen Orden, der Seelsorge ausübte, hätte die Lage kaum besser sein können. Stellung im Ordensverband Mehrere Konvente werden zu einer Provinz zusammengefaßt; an ihrer Spitze steht der Prior Provincialis, kurz Provinzial genannt. Dem Gesamtorden steht der Prior Generalis oder Ordensgeneral vor. Die deutsche Provinz (Provincia Alemannia) dürfte kurz nach 1256 entstan­ den sein. Neue Klostergründungen machten eine Teilung dieser Provinz notwendig. Nach vorübergehenden Teilungen für die Jahre 1294 bis 1312 und dann wieder von 1318 bis 1327 kam es im Jahre 1348 zur endgültigen Trennung in eine Niederdeutsche und in eine Oberdeutsche Ordensprovinz mit 19 bzw. mit 16 Konventen. Doch wurden in der Folgezeit weiterhin Konvente gegründet, so daß die Oberdeutsche Provinz im Jahre 1410 wieder 30 Häuser zählte31. Da wurde — nicht zum Besten der Oberdeutschen Provinz — auf dem Generalkapitel zu Bologna am 26. April 1411 die Böhmische Provinz abge­ trennt. Zwölf Niederlassungen in Böhmen, Polen, Ungarn, Sachsen und Thüringen gingen verloren, die Zahl der Konvente sank auf achtzehn. Doch die Böhmische Provinz — wohl bedingt durch die Hussitenkriege — ver­ schwindet wieder, einige Konvente kommen an die alte Provinz zurück, andere werden der neuerrichteten Provincia Saxonia zugeteilt. Am Ende des Mittel­ alters gehören wieder 27 Niederlassungen zu der Oberdeutschen Provinz 32. Die Ordenskapitel Die wichtigsten Ordensangelegenheiten wurden auf den Kapiteln behandelt, die gleichsam Ordensparlamente waren. Es gab Generalkapitel für den ganzen Orden und Provinzkapitel für die jeweiligen Provinzen. Diese sollten alle zwei Jahre abgehalten werden33, doch waren auch Zwischenkapitel vorgesehen. Uber die Kapitel der Oberdeutschen Provinz in den Jahren 1421 bis 1529 sind wir durch die Arbeit von Adalbert Deckert gut unterrichtet. In dieser Zeit fanden 84 Kapitel statt, davon 31 in Nürnberg; auffallend ist, daß in den ersten vier Jahrzehnten Nürnberg immer wieder als Tagungsort gewählt wurde, von 1421 bis 1459 sind von 39 Kapiteln 29 in Nürnberg gefeiert worden. Später finden in Nürnberg nur noch zwei Kapitel statt, im Jahre 1479 unter dem ” Deckert, Die Oberdeutsche Provinz, S. 17. ” Ebd. S. 17. " Ebd. S. 70.

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Vorsitz des Ordensgenerals Christoph Martignoni und im Jahre 1517. Auch Zwischenkapitel, bei denen es vor allem um die Ordinatio studiorum ging, wurden des öfteren in Nürnberg abgehalten, mit Vorliebe in der zweiten Woche nach Ostern, in der auch die Heiltumsweisung stattfand34. Die Ordenskapitel hatten in der Regel folgende Aufgaben: Freigewordene Stellen wurden besetzt, der moralische und ökonomische Stand der Provinz überprüft, auch der Provinzial mußte über seine Amtsführung Rechenschaft ablegen, anfallende Fragen und Anträge wurden entschieden. Schließlich wurde die Ordinatio studiorum — soweit dies nicht auf Zwischenkapiteln geschah — vor genommen35. Provinziale in Nürnberg Dem Provinzial war freigestellt, von welchem Konvent aus er die Provinz leiten wollte; wiederholt geschah dies von Nürnberg aus36. Hier amtierten:

Konrad von Neuburg Konrad Zöllner (Telonearius) Heinrich Grefenberger (D 477) Simon Reiser (D 761) Johannes Mellerstadt (D 677) Wilhelm Amman (D 15)

1348—1364 1371—1389 1393—1421 1430—1436 1436—1452 1452—1458.

Auch sind einige Provinziale aus dem Nürnberger Konvent hervorgegangen, so Friedrich Wagner 1389—1392 Johannes Carpentarii (Zimmermann) (D174) 1473—1490 Andreas Stoß (D 960) 1529—1540. In den Konventlisten wird das Haus zu Nürnberg den conventus pociores zugerechnet37, auch Meisterlin spricht von dem „großen Convent der Frauen­ brüder“ 38. Das bedeutet, daß der Nürnberger Konvent innerhalb der Provinz einen besonderen Rang einnahm: Hier war ein Studium particulare für die Kleriker, hier waren viele Provinzialkapitel abgehalten worden, hier war wiederholt der Sitz des Provinzials gewesen. Sicherlich sind auch nicht die schlechtesten Brüder nach Nürnberg berufen worden: Einmal mußte man der Tatsache Rechnung tragen, daß Nürnberg eine der führenden Städte des Reiches war, zum anderen waren außer den vier Bettelorden auch noch die Benediktiner, Kartäuser und Deutschherren in Nürnberg vertreten, man hatte sich also gegen eine starke Konkurrenz zu behaupten. 34 Ebd. S. 71. S. 58, Anm. 45, werden die Kapitel, die vor 1421 in Nürnberg stattfanden, aufgezählt, nämlich in den Jahren 1392, 1396, 1398, 1401, 1405, 1410, 1416 und 1420. 33 Ebd. S. 72. 36 Ebd. S. 55—58 (Reihe der Provinziale) u. S. 72—74. 37 Ebd. S. 18, Anm. 32. 38 Chroniken, Bd. 3, S. 74.

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3. Kapitel: Kirche und Kloster Geschichte Das Frauenbrüderkloster wird im Jahre 1295 zum ersten Mal urkundlich erwähnt; um diese Zeit dürfte mit dem Bau von Kirche und Kloster begonnen worden sein. Müllner berichtet, daß es mit dem Bau nur langsam voranging39. Im Jahre 1335 habe Gerhauß Valznerin 60 Pfund Heller und 200 Pfund Eisen zum Klosterbau gegeben. Waml die Kirche eingeweiht wurde, wissen wir nicht, da weder Weiheurkunden noch Weihenotizen vorliegen; so wird auch das Jahr der Vollendung sehr verschieden angegeben: 1340 bzw. 139040. Die Kirche wurde also in jenen Jahrzehnten erstellt, da in Nürnberg rege Bautätig­ keit herrschte; daß die Mittel für die einzelnen Objekte spärlich flössen und mitunter versiegten, braucht nicht wunderzunehmen. In der Folgezeit hat man für die Inneneinrichtung der Kirche Sorge getragen und Renovierungen und bauliche Veränderungen an Kirche und Kloster vorgenommen; davon erfahren wir allerdings in der Regel nur dann, wenn es zwischen Konvent und den Nachbarn zu „Baustreitigkeiten“ gekommen ist41. Im Jahre 1444 wurde der Dachreiter neu aufgesetzt42, unter dem Prior Erhard Schürstab (1504—1508, D 877) der Kreuzgang restauriert43 und im Jahre 1507 der Steinerne Stock erbaut. 1509 dürfte der Ausbau der Kirche abgeschlossen und diese nochmals konsekriert worden sein44. Als der Steinerne Stock im Bau war, beschwerten sich die Brüder Siegmund und Stefan Peßler beim Rat; es störte sie vor allem, daß im Bau Fenster angebracht waren, so daß ihnen durch Hinunterwerfen und Ausgießen mancher Arger gemacht werde, auch sei der Bau so hoch aufgeführt, daß ihnen Licht und Luft weggenommen werde; zu all dem sei ein „heimlich Gemach“ vorgesehen, wodurch „unleidlich stannck und unlust“ erwachse. Der Rat hörte die Bausachverständigen und entschied zugunsten der Karmeliten, die sich auf die Rechtsreformation der Stadt vom Jahre 1479 beriefen, nach der sie Fug und Recht hätten, so zu bauen. Dieser Bau sollte, wie sich der Prior Erhard Schürstab (D 877) äußerte, noch höher aufgeführt werden, doch versprach er, die Fenster zu vergittern und das „heimlich Gemach“ so 39 Müllner, S. 203. 40 Nürnberg — Geschichte einer europäischen Stadt, S. 68; Theodor Hampe — Eberhard Lutze, Nürnberg, Nürnberg 1934, S. 132. 41 So hatte Burkart Peßler auf der Mauer, die ihm und dem Kloster gehörte, einen Giebel aufführen lassen. Prior Simon Reiser (D 761) erhob dagegen Einspruch, allerdings ohne Erfolg. Urteil von 25. Juni 1427 in StAN, Rst. Nbg., Klöster in Nbg., Urkunden, Abt. Frauenbrüder Nr. 2, und StadtAN, Frauenbrüder, Kopialbuch, Bl. 23. 42 So Endres Tücher in seinem Memorialbuch 1386—1444, in: Chroniken, Bd. 4, S. 161. 43 StAN, Rst. Nbg., Handschriften, Nr. 305, Bl. 102a; hier heißt es, daß der kürzlich ernannte Prior Erhard Schürstab (D 877) von Sebald Schreyer angeregt wurde, den Kreuzgang zu erneuern. 44 Im Anniversarium (StadtAN, Frauenbrüder, Nr. 1) ist auf Bl. 28 vor der Aufzählung der Altäre und ihrer Patrone die Jahreszahl 1509 angegeben.

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Abb. 1:

Ansicht der Frauenbrüderkirche (ohne Chor), von Norden gesehen, Kupferstich von Christoph Melchior Roth, 1766. Stadtgeschichtliche Museen Nürnberg.

Abb. 2:

Inneres der Prauenbrüderkirche, gegen Westen, Radierung von Joh. Alexander Böner, 1702. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, SP 9088.

Abb. 3:

Blick in die zum Teil schon abgebrochene Frauenbrüderkirche, Radierung von Georg Christoph Wilder, 1816. Stadtgeschichtliche Museen Nürnberg.

Abb. 4: Ausschnitt aus dem Veit-Stoß-Altar im Dom zu Bamberg, ein Hirte in der Tracht eines Karmeliten, wohl der Sohn des Künstlers, Prior Andreas Stoß. Foto: Ursula Pfistermeister.

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verwahren zu lassen, daß „kein unlust und Widerwillen“ geschehe45. Dieses Haus, so hoch wie die Kirche, hat ein Erdgeschoß und drei Stockwerke, in jedem Stockwerk drei Fenster an der Straßenfront46. Im Jahre 1525 löste sich der Konvent auf und übergab Kirche und Klostergebäude dem Großen Almosen47. 1558 erwarb Gilg Ayrer das Anwesen für 5700 Gulden48; vom Kaufe ausgenommen waren das Schiff der Kirche samt Keller (jedoch nicht der Chor) sowie die Altartafeln, Bilder, Epitaphien, Wappen und Messingschilde. Der Besitzerwechsel machte einige bauliche Änderungen notwendig: So wurden die Zugänge vom Steinernen Stock zur Empore und zum Boden der Kirche zugemauert, der Eingang zum Kirchenkeller von der Hof- zur Straßen­ seite verlegt und eine Trennmauer zwischen Kirche und Chor hochgezogen. Der neue Besitzer ließ den Chor in einen schönen Saal umbauen49, schließlich wurde der Chor ganz abgerissen (nur die Grundmauern blieben stehen) und ein Haus in der östlichen Verlängerung der Kirchenfront gebaut. Dieses Haus samt Kreuzgang und den ehemaligen Konventsgebäuden wurde 1696 von der Thurn- und Taxis’schen Post gepachtet50. Kirchenschiff und Keller blieben im Besitz der Stadt und wurden als Abstellräume verpachtet. Uber den Zustand der Kirche werden wir kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg durch den Bericht der Baumeister Hans Jakob Pömer und Georg Schürstab unterrichtet. Es ging darum, wo die Ehrenpforte, die zum Empfang des Kaisers aufgestellt werden sollte, in der Zwischenzeit untergebracht werden könnte; deshalb sollten die Kirchen der Augustiner und der Frauenbrüder in Augenschein genommen werden51. Die genannten Baumeister entwarfen ein trostloses Bild über den Zustand der Kirche: Sie gleiche mehr einer Mördergrube als einem Tempel und sei dermaßen verwüstet, zerbrochen und ruiniert, daß nicht genugsam davon zu sagen, die Halle liege voller Stockfische, Ochsen- und Kuhhäute, Fässer, Ballen und Eisenplatten, daß man schwerlich hindurch gehen und es vor Gestank nicht aushalten könne. Auch sei der Dachstuhl verfault und es regne herein; wolle man nichts dagegen unternehmen, würden Mauer, Gewölbe und Dachstuhl verfallen; zudem sei der Weg bei der Kirche ganz mit Karren verstellt. Die Baumeister schlugen vor, die Karmelitenkirche restaurieren zu lassen, um dort die Ehrenpforte unterzubringen; die Augustinerkirche könne mit geringen Kosten zum Gottesdienste akkomodiert werden. Die Frauen­ brüderkirche, von jetzt an Salvatorkirche genannt, wurde restauriert, so daß Militärgottesdienste und Kinderkatechesen abgehalten werden konnten. Wei45 Kopialbuch, Bl. 19—21. 46 So ein Prospekt vom Jahre 1794 in der Stadt. Graphischen Sammlung, Kapsel 16. 47 Siehe 13. Kapitel, Auflösung des Konvents, und StAN, Rst. Nbg., Päpstl. u. Fürstl. Privil., Nr. 521. 48 StAN, Rst. Nbg., Klöster in Nbg., Urkunden, Frauenbrüder, Nr. 9. 49 Müllner, S. 206. s0 Staudenraus, S. 52—74. 51 StadtAN, Bauamt, XL, 1. Ratsverlaß vom 30. Dez. 1613, Bericht der Baumeister vom 5. Jan. 1614.

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tere Restaurierungen fanden in den Jahren 1636 und 1667 statt52. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als infolge der Aufklärung der Kirchenbesuch stark zurückging, wurden die Gottesdienste eingestellt. 1809 ging die Kirche in Privatbesitz über, 1816 erwarb sie der bayerische Staat, der sie im folgenden Jahr samt den übrigen noch erhaltenen Klostergebäuden abbrechen und ein neues Postgebäude errichten ließ53. Die Bauten54

Das Kloster erstreckte sich vom ehemaligen Korn- und Roßmarkt (heute Josephsplatz) im Norden bis zum Fischbach (heute Karolinenstraße) im Süden und umfaßte nach der heutigen Straßenbezeichnung die Anwesen Jo­ sephsplatz 3 (Bundespost) und Karolinenstraße 38. An der Nordseite, also am Kornmarkt, lag die Kirche; sie war eine dreischiffige eingewölbte gotische Basilika ohne Querschiff mit Pfeilerbündeln und hatte eine Gesamtlänge von 43 m (davon der Chor mit 19,5 m), eine Breite von 21,5 m und eine Höhe von 15,5 m; der eingezogene Chor hatte einen rechteckigen Abschluß. Vom Chor haben sich keine Ansichten erhalten, wohl aber von der Nordseite des Hauptschiffes. Haupt- und Seitenschiff zeigen je vier Fenster mit gotischem Maßwerk, unter dem zweiten Fenster von Westen her ist das Hauptportal, mit zwei Türen, die Mittelachse trägt eine Konsole mit einer Statue, wohl einer Madonna. Ein kleinerer Eingang befindet sich ganz im Westen, eine niedrige, tiefgelegene Tür im Osten bildet den Zugang zum Keller55. Auf dem West­ ende des Kirchendaches ist ein Dachreiter mit einem Glöckchen. Da wo das Kirchenschiff auf den Chor stieß, stand an der Südseite ein runder Turm56, in dem eine Wendeltreppe war; hier konnte man auch den zweigeschossigen Kreuzgang betreten, der fast quadratisch angelegt einen Garten mit Brunnen umschloß. Die weiteren Konventsgebäude werden im Kaufvertrag von 1558 aufgeführt, ohne daß allerdings eine genaue Lokalisierung immer möglich wäre. Der Text des Kaufvertrages, so weit er sich auf die Klosterbauten bezieht57, sei auszugsweise hier wiedergegeben: „Das Frauenbrüder Closter hie zu Nürmberg in sandt Lorentzen Pfarr beim Korn- und Alten Roßmarkt vornen gegen mitternacht gegen Bartholomeßn Knoerens methschenckens behausung, Zur Rosen genant, hinten gegen mittag am Vischbach, gegen aufgang der sonnen an dem geßle, welches man das 52 v. Murr, S. 146. 53 Staudenraus, S. 52—74. 34 Siehe Innenplan der Kirche in: Stadt AN, Bauamt XL, 1, und den Plan der Postgebäude vom Jahre 1808 in: StAN, Regierung von Mittelfranken, Plansammlung, Abgabe 1942, Mappe XI, 74 und 75. Der Zugang zum Keller wurde nach dem Verkauf des Klosters von der Südseite auf die Nordseite verlegt. StAN, Rst. Nbg., Klöster in Nbg., Urkunden, Frauenbrüder, Nr. 9. ss StAN, Rst. Nbg., Klöster in Nürnberg, Urkunden, Frauenbrüder, Nr. 9. 56 Dieser Turm wurde wohl erst nach Aufhebung des Klosters erbaut, um den Dachboden weiterhin als Speicher benützen zu können. Freundl. Mitteilung von H. Karl Kohn. 57 Siehe den Plan des Kloster im Anhang.

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Frauenbrüdergeßlein nennt, gegen Georgen Polstermairs behausung über, und gegen nidergang der sonnen an des erbarn Wolfgang Peßlers behausung ligendt, wie solchs closter hinten und fornen von einer gassen zu der andern, durch und durch auch mitten unten oben und allenthalben mit seinen mauren, trüpfen, liechtern58, gründen und poden, und allen anderen darzugehorigen rechten und gerechtigkaiten, allenthalben umbfangen und begriffen were: Nemblich zum ersten der groß Stainen Stock mit dem forder und hinter haus zunegs an obgemelts Wolfgang Peßlers behausung ligendt, fornen an die gassen beym Kornmarkt und hinten an den Vischbach geendt, sampt den kelern darunter, und aller anderer seiner zue- und eingehörung. Item den rebenter59 im hof wie der sambt demselben hof und prunnen darinnen, auch den kelern darunder und andern seinen gemachen zugehörigen gerechtigkaiten von der großen kirchen an biß hinten an den Vischbach geendt, allenthalben umbfangen und begriffen were, darinnen diser zeit Her Bartholomes Kemmerer wonet, ferner oben das gantz schlafhaus an dem Vischbach sambt dem summer rebenter, darunter auch die liberey, fornen an der gassen Uf der Füll genandt, gegen der Fürleger auch Hannsen Pollats und Jorgen Polstermairs behausung übergelegen, deßgleichen auch den kreutzgang und garten darinnen, sambt dem capellein, sandt Otilien Capellein genandt. Mer den kor an der grossen kirchen, auch das peichthaus sambt dem sagerath60 und obern gepeu darauf. Item die wonung in obgemelten hof, welche diser zeit maister Kalbfues wundtartzt besitzt, und letzlich das heuslein hinten am Vischbach oben an vorgemeltem schlafhaus am eck ligendt, darinnen dieser zeit Ziriacus Gaugenrieder wonet. Wie solchs Frauenbrüder Closter mit allen oberzelten wonungen, gemachen, stücken, ein- und zugehörungen, ober und unter der erden gar überall nichzit davon ausgenommen, noch hindan gesetzt, dann allein die gros kirchen, wie die unten am kor umbfangen und begriffen ist, sambt dem keller darunter.“ Die Altäre, ihre Titel und Patrone Uber die Einrichtung der Kirche sind wir insofern gut unterrichtet, als im Anniversarium61 alle Altäre mit ihren Haupt- und Nebenpatronen aufgeführt sind; leider wird nicht gesagt, welche Bilder und Statuen sie schmückten und (von wenigen Ausnahmen abgesehen) wer sie gestiftet und wer sie geweiht hat. Das Titularfest des Chores war die Aufnahme Mariens in den Himmel (15. August), das der Kirche Mariä Heimsuchung (2. Juli) das der St. Ottilien­ kapelle Mariä Verkündigung (25. März). Das Kirchweihfest der Klosterkirche wurde am Sonntag nach Christi Himmelfahrt begangen, das der St. Ottilien58 59 60 61

„Trüpfen und liechten“ sind Traufen und Fenster. „Rebenter“ ist das Refektorium oder der Speisesaal, „liberey“ ist die Bibliothek. „Sagerath“ ist die Sakristei. StadtAN, Frauenbrüder, Nr. 1: Anniversarium (im folgenden zitiert als: Anniversarium), und Y 209.

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kapelle am Sonntag Jubilate, also am 3. Sonntag nach Ostern. Im folgenden seien die Altäre, ihre Titel und ihre Patrone in übersichtlicher Form zusam­ mengestellt; ihr genauer Standort läßt sich freilich nicht belegen. Klosterkirche Hochaltar: Hl Dreifaltigkeit, Aufnahme Mariens in den Himmel, St. Andreas, St. Ursula. Marienaltar: Mariä Heimsuchung, St. Anna. St. Sebastian und alle hll. Märtyrer, St. Stephan, St. Felix, St. Valentin, St. Adauctus. Heilige Drei Könige, St. Augustinus, St. Ambrosius, St. Gregor, St. Hierony­ mus. Corpus Christi, St. Sebastian, St. Adrian, St. Georg, St. Pantaleon. St. Albertus von Trapani, Elischa, St. Wenzel, St. Margarethe, St. Lazarus, St. Gertrud, St. Ulrich. St. Anna, geweiht auf die Unbefleckte Empfängnis Mariens, St. Joachim, St. Joseph, Hl. Schwestern62, St. Johannes Baptista, St. Servatius, St. Se­ verus. St. Barbara, St. Christoph, St. Markus, St. Lukas, St. Birgitte, St. Regina, St. Margarethe, St. Christine. St. Nikolaus, St. Martin, St. Blasius, St. Oswald, alle hll. Bekenner. Apostelaltar. Ottilienkapelle Hochaltar: Mariä Verkündigung, St. Ottilie,. St. Sigismundi, St. Maternus, Kreuzauffindung, Kreuzerhöhung. Altar an der Mauer („quod adhaeret muro“): St. Johannes Baptista, St. Kilian, St. Kosmas und Damian, Vierzehn hll. Not­ helfer. Antoniuskapelle St. Antonius Eremita, St. Jodocus, St. Leonhard, St. Helena, St. Apollonia.

62 Über die hll. Schwestern gibt das Lexikon der christlichen Ikonographie, 8 Bde., RomFreiburg-Basel-Wien 1968—1976, keine Auskunft. Sollten Maria, die Frau des Kleopas, und Salome, die Mutter des Jakobus und des Johannes, gemeint sein? Vgl. Mt. 27, 56, Mk. 15,40 und Joh. 19,25. 63 fällt aus.

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Am Ende der Reichsstadtzeit befanden sich nach Murr65 folgende Kunst­ werke in der Salvatorkirche: Auf dem Altar war ein Kruzifix von Veit Stoß mit den Assistenzfiguren Maria und Johannes66. Die Altarbilder zeigten Heilige, die vor der Dürerzeit gemalt worden waren. Noch älter waren die „Ladenge­ mälde“ an dem uralten Bild des Heilandes, von den Peßlern gestiftet und 1626 restauriert; ihren Platz hatten sie unter der großen Emporenkirche. Zur Seite hinter dem (vorderen) Altar war eine sitzende Marienstatue mit dem Jesuskind aus der Zeit um 1495, aus Holz gefertigt. Die Grablegen

Kirche und Kreuzgang waren im Mittelalter als Grablegen begehrt. Im Kreuzgang fanden die Ordensleute, Priester und Laienbrüder ihre letzte Ruhestätte, in der Kirche selbst, vor allem im Chor, waren die Karmeliten beigesetzt, die sich um die Provinz oder um den Konvent besonders verdient gemacht hatten. Auch Laien, die das Kloster mit frommen Stiftungen bedacht hatten, baten, wie Hanns von Augsburg, „im geweihten und heiligen Erdreich“ beigesetzt zu werden67. Im Chor bzw. beim Hochaltar hatten die Provinziale ihre letzte Ruhestätte: Konrad von Neuburg, gestorben nach 136468; Konrad Zöllner, genannt Telonearius, gestorben nach 138969; Heinrich Grefenberger, gestorben 1421 oder 1422 (D 77)70; Wilhelm Amman, gestorben nach 1458 (D 15)71. In der Kirche, ohne daß nähere Angaben gemacht worden wären, ist beigesetzt: Heinrich Engel72; beim Fronleichnamsaltar war die Grablege des Burckardt Peßler73. In der St. Ottilienkapelle befanden sich die Grablegen von Bartholomäus Knör, alias Metschenk, und seinen Frauen Birgitte und Barbara74, Ursula Berthold Teichslerin, gestorben am 15. Sept. 149375, und Wilhelm Rummel76. 65 v. Murr, S. 146. 66 Möglich, daß sich Kreuz und Assistenzfiguren in der Burgkapelle und in der St. Jakobskirche erhalten haben. Siehe Kaiserburg Nürnberg. Amtlicher Führer, München 1974, S. 50 u. Bild 10, und Kurt Pilz, Die St. Jakobskirche in Nürnberg, Nürnberg 1964, S. 47f. Freundl. Mitteilung von H. Dr. Kurt Pilz. 67 Anniversarium, 30. Sept. 68 Decken, Die Oberdeutsche Provinz, S. 55 f. 69 Ebd. S. 56f. 70 Ebd. S. 58f. 71 Ebd. S. 61 f. 72 Testament vom 23. Nov. 1459 in: StAN, Rst. Nbg., Klöster in Nbg., Urkunden, Abt. Frauenbrüder, Nr. 3, und StadtAN, Frauenbrüder, Nr. 2, Kopialbuch, Bl. 1—6, und GNMN, Merkelsche Handschriften, Nr. 730, 3. 73 Anniversarium, 1. Juli. 74 Anniversarium, 1. Okt. 75 Ebd. 15. Sept. 76 Ebd. Bl. 13.

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Bei den Frauenbrüdern fand auch Sebastian Armauer seine letzte Ruhe­ stätte; am 20. Okt. 1500 hatte er sich in geistiger Umnachtung in einen Brunnen gestürzt und den Tod gefunden. Vom Bischof von Bamberg erhielt man die Erlaubnis ihn in das „geweicht“ zu legen77. Auch Hans von Augs­ burg78 und Katharina Feserin79 wurden hier beigesetzt. Soweit die Namen derer, die bei den Frauenbrüdern bestattet worden waren. Es mögen mehr gewesen sein, als aus den Akten ersichtlich ist, doch sicherlich weit weniger als bei den Franziskanern; diese haben einen Totenkalender geführt, in dem an die 350 Personen namentlich genannt werden, die dort beigesetzt worden waren80. Wenn es bei den Frauenbrüdern bedeutend weniger Bestattungen als bei den Franziskanern gegeben hat, so deshalb, weil die Karmeliten ihre Freunde weniger bei den Patriziern und reichen Kauf­ leuten, als vielmehr bei den kleinen Leuten, den Krämern, Handwerkern und Dienstboten hatten; diesen aber fehlten die Mittel für eine Grablege in Kirche oder Kloster. Die Grablegen waren mit Epitaphien geschmückt, sicherlich waren auch Kunstwerke dabei, die der Kirche und dem Kreuzgang zur Zierde gereichten, doch sind keine Denkmale erhalten geblieben, nur bei den Innen­ ansichten der Kirche sind sie angedeutet. Der Glasgemäldezyklus im Kreuzgang

Zwei Kostbarkeiten aus Kirche und Kreuzgang gehören zu den erlesenen Kunstwerken der Zeit zwischen Spätgotik und Renaissance in Nürnberg: die Glasgemälde im Kreuzgang nach den Entwürfen von Hans Baidung Grien81 und der Marienaltar von Veit Stoß. Im Jahre 1504 war Erhard Schürstab Prior der Mönchsgemeinde geworden; mit ihm hatte erstmals ein Patrizier die Leitung des Konvents übernommen. Seine Verbindung mit dem Patriziat und den führenden Männern der Stadt und wohl auch seine eigene Neigung waren gute Voraussetzungen, Kirche und Kloster weiterhin mit wertvollen Kunstwerken auszustatten. Die Kirche hatte damals sicher schon Glasgemälde, nun war der Kreuzgang an der Reihe. Die Initiative ging von dem Humanisten Sebald Schreyer, Kirchenmeister von St. Sebald, aus. Er riet dem neuernannten Prior, den Kreuzgang „mit der materi oder legend von s. Annen, Unser Liebn Frawen und des leidens Christi“82 zieren zu lassen. Er selbst ging mit gutem Beispiel voran und stiftete 77 78 79 80 81

Chroniken, Bd. 4, S. 623. StAN, Rst. Nbg., Frauenbrüder, Urk., Nr. 4: Testament vom 11. Jan. 1474. Anniversarium, 28. Okt. Schmidt, S. 17. Zu den Fenstern: StAN, Rst. Nbg., Amts- u. Standbücher, Nr. 303, Bl. 102. Karl Oettinger — Karl Adolf Knappe, Hans Baidung Grien und Albrecht Dürer in Nürnberg, Nürnberg 1963, vor allem S. 56—65 u. Anm. 272—343; hier findet sich auch reiches Bildmaterial. ?2 Unter dem Leiden Christi dürfte wohl sein ganzes Leben zu verstehen sein. Oettinger-Knappe, Anm. 278.

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1504 ein Fenster83 mit den Darstellungen der Geburt und Opferung Mariens zum Preise von 18 Gulden. Die Entwürfe lieferte Hans Baidung Grien. Die Scheiben, die Veit und Ludwig Hirsvogel anfertigten, konnten noch vor Weihnachten 1504 eingesetzt werden; die Wappen der Schreyer und Kammer­ meister (Ehefrau des Schreyer) weisen auf die Stifter hin. Der Prior Erhard Schürstab und Jeronimus Schürstab (vielleicht sein Bruder) hatten das erste Fenster im Kreuzgang mit Glasgemälden schmücken lassen84. Der Prior starb 1508; im gleichen Jahr ließ Sebald Schreyer das zweite Fenster im Kreuzgang mit Szenen aus der St. Annen-Legende ausstatten85. 1514 hat er ein Fenster aus venezianischen Scheiben für die Kirche gestiftet, es war das westliche Fenster an der Nordseite; für das Fenster, in dem die Schreyer- und Kammermeisterwappen zu sehen waren, und das drei Zeilen breit und vier Zeilen hoch war, zahlte er acht Gulden86. Auch für das Kapitelshaus hatte er ein Fenster in Auftrag gegeben, es hatte seinen Platz zwischen dem Schürstab- und dem Grolandfenster und war drei Zeilen hoch und zwei Zeilen breit; kurz vor Weihnachten 1516 konnte es eingesetzt werden87. So war nach knapp zehn Jahren der Zyklus abgeschlossen. Der Kreuzgang der Frauenbrüder zu Nürnberg war nicht der einzige in dieser Stadt, der Glasgemälde aufgewiesen hat: Unter Abt Wolfgang Summer (1504—1520) wurde z. B. im Egidienkloster ein Zyklus von sieben Glasfen­ stern nach Entwürfen von Hans von Kulmbach angebracht; die Scheiben zeigten Darstellungen der Äbte des Klosters seit dessen Reform im Jahre 141888. Scheiben aus dem Zyklus im Kreuzgang des Karmelitenklosters befinden sich heute in den Kirchen St. Bartholomäus in Wöhrd, Großgründlach und Henfenfeld bei Hersbruck89. 83 Es ist das dritte Fenster „in der seiten gegen dem aufgang der sunnen oder gegen den sagerer [Sakristei] über, als man von dem chor zu der rechten hand in gemelten creuzgank herausgeet“: Oettinger-Knappe, Anm. 278. 84 Nach Oettinger-Knappe (Anm. 278) war wahrscheinlich der Abschied Joachims von Anna dargestellt. 85 „Das negst fenster an dem obgemelten Schreyerfenster, so das ander an der zal und zunächst an sein des obgemelten herrn Erhardus priors und herrn Jeronymus Schurstab seligen fenster, so das erst an der zal ist ...“ Das Fenster kostete 16 Gulden und zeigt die „materi, als Joachim unter der gülden pforten s. Annen begegent“ und als „der engel dem gemelten Joachim verkündet, wieder heim zu Annen, seiner hausfrauen zu geen“. Flier sind Schreyerschild und -heim und die Schilde der Fuchs und Eyb (der beiden Frauen des Schreyer senior) angebracht: Albert Gümbel, Kirchliche Stiftungen Sebald Schreyers 1477—1517. MVGN 18 (1908), S. 99—133, hier S. 123. 86 „... in der abseiten gein mitternacht und zu hinderst oder underst gen dem undergang der sonnen“ (Gümbel, wie vorige Anm., S. 123). Da dieses Fenster am wenigsten eingesehen werden konnte, darf man annehmen, daß die anderen Fenster schon Glasgemälde hatten. 87 StAN, Rst. Nbg., Amts- und Standbücher, Nr. 303, Bl. 102. 88 Machilek, Klosterhumanismus, S. 36. 89 Gilg Ayrer war der Wöhrder Kirche, in der er sich bestatten ließ, besonders verbunden. Wohl deshalb hat er der Kirche, als sie nach dem zweiten Markgrafenkrieg aufgebaut worden war,

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Bartholomäuskirche zu Wöhrd: Die Scheiben befinden sich im Fenster rechts der Chormitte; von oben nach unten sind zu sehen: Geistsendung Deesis: Maria u. Johannes vor Christus Der Auferstandene u. Maria Magdalena Der Auferstandene und Thomas Christus in der Vorhölle Christus am Kreuz Christus vor Kaiphas Kreuztragung Wappen der Schlüsselfelder Wappen der Schlüsselfelder (Letztere wohl nicht mehr zum Zyklus gehörig). Fenster links von der Chormitte: Fußwaschung Taufe Jesu Anbetung der Könige Mann im grünen Gewand (Paulus?) Wappen der Ebner, Tetzel (Die Wappenscheiben und „der Mann i: Zyklus gehören).

Jesus am Ölberg Jesus am Jakobsbrunnen Kindermord zu Bethlehem Geburt Christi Behaim und Tücher grünen Gewand“ dürften nicht zum

Kirche in Großgründlach: Die Scheiben befinden sich links von der Chormitte: Versuchung Jesu Joachim und Anna Der Zwölfjährige im Tempel Jesus und die Ehebrecherin Darstellung Jesu im Tempel Jesus und die Emmausjünger Vermählung Mariens mit Josef. Maria am Webstuhl Kirche zu Henfenfeld: Chorfenster: Kreuzigung Christus vor Pilatus Einzug Jesu in Jerusalem

Geißelung Judaskuß

Fenster aus dem Karmelitenkloster gestiftet. Andere Fenster dieses Klosters sind in den evangelischen Pfarrkirchen zu Großgründlach und Henfenfeld, die ebenfalls nach dem genann­ ten Krieg wieder instandgesetzt worden waren, zu finden. Pfleger in beiden Orten waren die Pfinzing; sollten sie mit den Ayrer verwandt gewesen sein? Wilhelm Schwemmer, Kunst in Stadt und Land Hersbruck. Hersbruck 1967, S. 34ff., und ders., Bartholomäuskirche Nürn­ berg-Wöhrd, Nürnberg o. J. — Die Fenster in Großgründlach in: Oettinger-Knappe, nach S. 48, und Abbildungen Nr. 25—41 und 61—63.

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Fenster im südl. Kirchenschiff: Jesus wird in den Kedron gestoßen Jesus vertreibt die Händler aus dem Tempel. Die Scheibe Das letzte Abendmahl im Victoria-Albert-Museum in London dürfte nach Oettinger-Knappe nicht zum Zyklus gehört haben. Der Marienaltar von Veit Stoß Auch Andreas Stoß, der vorletzte Prior des Konvents, hat zur Ausstattung der Kirche beigetragen und bei seinem Vater einen Schnitzaltar in Auftrag ge­ geben90. Man wird ihm das nicht als Familienpolitik ankreiden; von den Bildhauern, die damals in Nürnberg wirkten, war Veit Stoß der begabteste und vielseitigste und auch dem Karmelitenorden in besonderer Weise verbunden. Erstaunlich ist die Kürze der Zeit, in der sich Andreas Stoß für den Altarbau entschieden hat. Anfangs 1520 zum Prior des Nürnberger Konvents gewählt, haben er und sein Konvent bereits am 13. Juli mit Veit Stoß den Vertrag abgeschlossen. Das Werk sollte ganz aus Holz bestehen, Schrein, Auszug und Fuß des Altars mit Schnitzwerk geschmückt werden. In drei Jahren sollte der Altar fertig sein; als Entgelt waren 400 Gulden vereinbart, zahlbar in jährlichen Raten zu je 50 Gulden. Der Künstler hat den Vertrag eingehalten, nach drei Jahren konnte der Altar im Chor der Kirche aufgestellt werden91. Es wurde bestimmt, daß kein Prior diesen Altar jemals bemalen lassen dürfe (den Grund hierfür wüßten die Künstler in diesem Fach wohl anzugeben), auch sollte der Altar nur an den höchsten Festen und Marientagen geöffnet werden und wegen der Rauchentwicklung sollten keine großen Leuchten darauf stehen, zwei kleine Wachskerzen würden genügen; zweimal im Jahr sollte der Altar gereinigt werden. Man sieht, der Altar galt als kostbarstes Kunstwerk und man traf Vorsorge, ihn gut zu erhalten92. Der Altar, aus Tannenholz gefertigt, hat beachtliche Ausmaße; er ist — ohne Predella und Aufsatz — 3,55 m hoch, der Mittelschrein 2,92, mit Flügeln 90 Zu den folgenden Ausführungen siehe Eberhard Lutze, Veit Stoß, München-Berlin o.J., S. 57—64 und Abbildungen Nr. 74—91, sowie Anniversarium, Bl. 32. — Zur Person des Andreas Stoß siehe Kap. 12, Prior Andreas Stoß und das Religionsgespräch, sowie bes. unten Anm. 294. 91 Die Jahreszahl 1523 mit dem Meisterzeichen des Künstlers findet sich am unteren Ende des Altars. 92 Außer dem „Englischen Gruß“ von Veit Stoß, an dem ein Vorhang angebracht war, hat es wohl in Nürnberg kein Kunstwerk gegeben, das wie der Marienaltar die meiste Zeit des Jahres über geschlossen war; dies ist um so bemerkenswerter, als der Altar auf der Rückseite weder Gemälde *noch Reliefs aufwies. Auch der Marienaltar von Veit Stoß in Krakau dürfte meistenteils geschlossen gewesen sein. Geschlossen zeigt er die sieben Schmerzen Mariens, geöffnet die sieben Freuden, den Tod Mariens und ihre Aufnahme in den Himmel. Heute noch wird der Altar um zwölf Uhr (wohl der Touristen wegen) von einer Ordensschwester feierlich geöffnet, was alle Anwesenden tief beeindruckt. Vielleicht hat Veit Stoß diese Zeremonie in Tschenstochau kennengelernt, wo alltäglich zu bestimmten Stunden das Gnadenbild enthüllt wird, wobei Mönche mit Fanfaren blasen und die Gläubigen die Mutter Jesu auf den Knien verehren.

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5,84 m breit, die Tiefe beträgt 0,72 m. Dargestellt ist das Weihnachtsgeheim­ nis: Maria, die Hirten und die Engel verehren das göttliche Kind. Die Flügel zeigen die Geburt Mariens, die Darstellung Jesu im Tempel, die Anbetung der Könige und die Flucht nach Ägypten. Im Gesprenge waren nach der Skizze des Meisters die Krönung Mariens und die Apostelgruppe vorgesehen. Im Mittel­ schrein sehen wir rechts von der Säule einen Mann in der Ordenstracht der Karmeliten; sein Haupt ist mit einer Kapuze bedeckt, die Wangen sind eingefallen, die Augen niedergeschlagen; es dürfte sich hier um das Bildnis des Karmelitenpriors Andreas Stoß handeln. Mit diesem Altar nahm Veit Stoß Abschied von Kunst und Leben. Es ist der letzte Altar, der in Nürnberg unmittelbar vor der Reformation geschaffen wurde; er steht an einer Zeitenwende, an der Wende von der Gotik zur Renaissance und an der Wende vom katholischen Glauben zur Reformation. Er ist ein Kunstwerk ersten Ranges sowohl in seiner Monumentalität als auch im Reichtum an Details. Was der Kunstschriftsteller Vasari vom hl. Rochus des Veit Stoß in Florenz sagt, gilt noch mehr von diesem Altar: miracolo di legno, ein Wunder in Holz. Schade, daß der Altar nur kurze Zeit seine Aufgabe erfüllen konnte. Im Jahre 1523 war er aufgestellt worden, zwei Jahre später wurde das Kloster der Stadt übergeben und die Kirche geschlossen. Mit dem Altar gab es noch mancherlei Ärger. Einmal waren nicht alle Mönche mit dem Auftrag, den ihr Prior seinem Vater erteilt hatte, einverstanden; dann blieb der Konvent mit der Zahlung der vereinbarten Raten im Rückstand und als er aufgelöst war, fühlte sich niemand mehr zuständig. Rechtlich gesehen hätte das Große Almosen, dem die Klostereinkünfte zugefallen waren, die Verpflichtung übernehmen müssen; doch man erklärte den Vertrag für hinfällig. So mußte Veit Stoß, der als hoher Achtziger und fast erblindet am 22. September 1533 gestorben ist, erleben, daß man nicht nur seinen Sohn aus der Stadt verwies, sondern daß man auch seinen Altar nicht mehr haben wollte. Erst im Jahre 1543 kam es zu einer befriedigenden Lösung: Der Bamberger Bischof Weigand von Redwitz, der mit dem verstorbenen Prior Andreas freundschaftlich verbunden war, kaufte den Altar den Erben ab93 und ließ ihn in der oberen Pfarrkirche zu Bamberg aufstellen. Seit 1937 steht der Altar als Leihgabe der Oberen Pfarre im Dom zu Bamberg, die Apostelgruppe hat im Diözesan­ museum ihren Platz gefunden. Karmeliten sind Bettelmönche, man erwartet von ihnen eine anspruchslose Lebenshaltung und auch in ihren Kirchen keinen übertriebenen Aufwand, sondern Einfachheit und Schlichtheit. Der Veit-Stoß-Altar zeigt schlichte Größe, so paßt er — wie auch die Glasfenster — sehr wohl in die Kirche eines Bettelordens. Er steht im Dienste der Verkündung; sicherlich hat er die 93 Im Jahre 1543 wurde der Altar den Erben des Veit Stoß zurückgegeben. Freundl. Mitteilung von H. Karl Kohn. StadtAN, Libri conservatorii, Bd. 53, Bl. 125.

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Menschen der damaligen Zeit, die noch nichts von Reizüberflutung wußten, stark angesprochen. Dazu hatten sich die Frauenbrüder eine weise Beschrän­ kung auferlegt: nur an den höchsten Festen, also etwa an zwanzig Tagen im Jahr, sollte der Schrein geöffnet werden, so sollte er die festliche Stimmung wecken und erhöhen. Heutzutage sind Veit-Stoß-Altar und -Fenster das einzige, was vom ehe­ maligen Karmelitenkloster zu Nürnberg übrigblieb, Werke, an denen kein Kunstsachverständiger achtlos Vorbeigehen kann, die aber auch den schlichten Gläubigen ansprechen und ihn zum liebenden Verweilen, zum Betrachten und Beten einladen. 4. Kapitel: Die wirtschaftlichen Grundlagen Das Armutsideal

Wenn ein Karmelitenmönch sich endgültig für den Ordensstand entschied, legte er die Profeß ab und gelobte Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam unter einem geistlichen Obern. Das Gelübde der Armut bedeutete aber nicht, daß er überhaupt nichts besitzen durfte; in begrenztem Umfang war ihm Eigentum zugestanden, über das er allerdings nur mit Einverständnis seines Obern verfügen konnte. Der Karmelitenorden gehörte den Bettelorden an, also den Orden, die das Armutsideal besonders pflegten, freilich nicht so radikal wie die Franziskaner, bei denen es wiederholt einen Armutsstreit gegeben hat. Man hatte keine weit ausgedehnten Ländereien wie die Benediktiner und Zisterzienser, was schon deshalb kaum möglich war, weil die Konvente der Bettelorden hauptsächlich in den Städten lagen; allein man konnte Grund und Boden besitzen, Legate annehmen, Geld anlegen, allerdings mit der Einschränkung, daß die Einkünfte für den Unterhalt der Mönche oder zur Bestreitung des Kults und des Studiums verwendet wurden. Als Bettelmönche hatten die Frauenbrüder auch das Recht zu terminieren, also Almosen einzusammeln; davon wird an anderer Stelle die Rede sein. Die Quellen

Von den Schenkungen, testamentarischen Zuwendungen und von den Le­ gaten, die mit Verpflichtungen verbunden waren, ist eine Reihe von Urkunden bzw. deren Kopien auf uns gekommen. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurden die Abschriften der Urkunden in einem Kopialbuch94 zusammenge­ stellt. Die erste Urkunde ist datiert vom Jahre 1381 (Bl. 67), der letzte Eintrag war im Jahre 1523 (Bl. 115). Gelegentlich weist der Schreiber darauf hin, daß 94 StadtAN, Frauenbrüder, Nr. 2: Kopialbuch (im folgenden zitiert: Kopialbuch).

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die Urkunde vorliegt (originale pro manibus)> vielfach handelt es sich um Abschriften vidimierter, also beglaubigter Urkunden und zwar in der Regel beglaubigt von dem Abt von St. Egidien. Einen Einblick in die Einkünfte des Klosters gibt ferner das Terminier­ buch95; der dritte und letzte Teil ist überschrieben Remedia. Er enthält die frommen Zuwendungen, die dem Konvent gemacht worden waren. Es wird (freilich nicht immer) angegeben, wer sie gestiftet hat, auf welchem Grund­ stück sie ruhen (auch Lage, Größe und Flurnamen werden bisweilen genannt) und wer die Erträgnisse übergibt. Schließlich liegen noch die Zins- und Gültbücher des Almosenamtes aus der nachreformatorischen Zeit vor. Im Jahre 1525 haben die Frauenbrüder ihr Kloster mitsamt seinen Einkünften dem Rat der Stadt übergeben. Diese wurden dem Großen Almosen übereignet, das bald in ein Stadt- und ein Landalmosenamt getrennt wurde. Die vier Pfleger (sie hießen Almosenherren) waren aus dem Kreis der Ratsherren genommen, ihnen stand ein Verwalter zur Seite. In den Zins- und Gültbü­ chern 96 wurden die Einnahmen genau registriert und zwar getrennt nach ihrem Herkommen aus den Kirchenstiftungen oder Klostergütern; hier kann auf die gründliche Arbeit von Johann Winkler Bezug genommen werden. Zum Teil lassen sich die Angaben der Zins- und Gültbücher durch das Kopialbuch belegen, doch sind Tausch und Verkauf von Gülten auch in der nachreforma­ torischen Zeit noch gelegentlich vorgekommen97. Auffallend ist, daß von den vielen Remedia, die dem Nürnberger Konvent laut Terminierbuch in der Oberpfalz zustanden, beim Almosenamt nur die von Ransbach (Gemeinde Hohenburg) angeführt werden; wahrscheinlich hielten sich die Nachkommen der Stifter nicht mehr zur Abgabe verpflichtet. Stiftungen in Geld und Naturalten Der mittelalterliche Mensch war religiös eingestellt, er dachte an sein Seelen­ heil und war bereit, dafür auch finanzielle Opfer zu bringen. So wurden zumal die Bettelorden mit Stiftungen bedacht, doch erwartete man auch, daß man dafür an den Gebeten, Gottesdiensten und guten Werken der Mönche Anteil habe; die Zuwendungen waren deshalb durchwegs mit der Auflage verbunden, daß für den Stifter, dessen Ehefrau und beider Vorfahren ein Jahrtag gehalten werde, vielfach mit Vigil und Beimessen; gelegentlich sicherte man sich durch ein Legat das Begräbnis in geweihter Erde, also in der Kirche oder doch im Kreuzgang des Klosters. Die frommen Stiftungen, Remedia genannt, bestan­ den großenteils in Naturalien, d. h. der Ertrag eines Grundstücks wurde in einem genau festgesetzten Maß dem Konvent übereignet. Auch von einer 95 LBD, A 290 (im folgenden zitiert: Terminierbuch). 96 Dazu Winkler. 97 So hat im Jahre 1535 die Stadt dem Almosenpfleger Hans Kyfhaber 13 J/3 Gulden Jahreszins aus dem ehemaligen Frauenkloster zum Preise von 400 Gulden verkauft. St AN, Rst. Nbg., Klöster in Nürnberg, Urkunden, Abt. Frauenbrüder, Nr. 8 (Urkunde vom 17. November 1535)

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indirekten Zuwendung hören wir; so hat Burchard Peßler der Ältere in seinem Testament das Dorf Veitsbronn, das er vom Markgrafen gekauft hatte, dem Hl. Geist-Spital vermacht; damit war eine Reihe von Auflagen verbunden, u. a. mußte das Spital dem Frauenbrüderkloster jährlich 50 Gulden für gestiftete Gottesdienste auszahlen98. Eine Zusammenstellung der Reichnisse, wie sie aus den Zins- und Gültbüchern des Almosenamtes sowie aus dem Terminierbuch ersichtlich sind, wird im Anhang gegeben. Doch neben den Naturalien, die man, wenn sie den eigenen Bedarf überschritten, zu Geld machte, waren die Legate in Bargeld den Mönchen eine willkommene Hilfe. So vermachte im Jahre 1437 (20. April) Else Hafnerin die Hälfte ihres Nachlasses (wie groß dieser war, wird nicht angegeben) dem Kloster99; 1475 ließ ihm Hans von Augsburg 143 Gulden als Seelgerät zukommen100; besonders reich waren die Zuwendungen des Deutschordensspitalmeisters Friedrich Holzschuher vom 17. April 140710!; so wird dem Frauenbrüderkloster eine Ewiggült von 62 Gulden zugewiesen; 40 Gulden sollen den Karmeliten zukommen, die sich dafür verpflichten, täglich in St. Jakob oder in St. Elisabeth die hl. Messe zu feiern, 22 Gulden sollen sie an die Siechen für das, was sie gerade nötig hätten, weitergeben. Die Ewigrente wurde vom Höchstädter Amt des Bamberger Bischofs Albert von Wertheim um 1168 Gulden gekauft, wobei allerdings auch die Karmeliten 260 Gulden für 12 Gulden Ewigzins beisteuerten (der Provin­ zial Heinrich Grefenberger sechs, Bruder Dietrich von Meychsen vier und Bruder Kilian zwei Gulden); dafür hatten sie und die Franziskaner zwei Güter zu Weltendorf (jetzt Waltendorf, bei Lichtenau gelegen) erhalten102. Renten Wenn die Erträgnisse ordnungsgemäß eingingen und die Frauenbrüder gut wirtschafteten, konnten sie Geld anlegen. Das geschah zumeist so, daß sie einen Ewigzins kauften. So hat im Jahre 1480 (13. Nov.) der Prior Heinrich Schmidlein (D 864) für 500 Gulden von den Deutschherren einen Ewigzins von 25 Gulden gekauft103. 1502 hat Prior Conrad Kumberger (D 265) bei der Stadt Nürnberg 1200 Gulden angelegt, dafür erhielt er jährlich 40 Gulden; auch Friedrich Neuschel (D 725) konnte 1513 bei der Stadt um 540 Gulden einen Ewigzins von 18 Gulden erwerben104. Die letztgenannten Rücklagen sind um so höher anzuschlagen, da um das Jahr 1507 Klostergebäude neu errichtet105 und finanziert werden mußten. 98 99 100 101 102 103 104 105

Ebd. Nr. 3 und Kopialbuch, Bl. 1—6. StAN, Rst. Nbg., Klöster in Nürnberg, Urkunden, Abt. Frauenbrüder, Nr. lb. Ebd. Nr. 4. Kopialbuch, Bl. 161/62. Ebd. Bl. 160f. Ebd. Bl. 124 f. StAN, Rst. Nbg., Klöster in Nürnberg, Urkunden, Abt. Frauenbrüder, Nr. 5 u. 6. Siehe 3. Kapitel, Kirche und Kloster.

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Hausbesitz Dem Frauenbrüderkloster zu Nürnberg gehörten wenigstens eine Zeitlang drei Häuser: eines zu Neumarkt, das andere zu Ansbach und das dritte zu Hersbruck. Das Haus zu Neumarkt hatten die Karmeliten von einem gewissen Niclas in Stadeln gekauft, der es mit einem Anwesen, das dem Neumarkter Kaplan Stefan Pogner gehörte, getauscht hatte106. Der Bürgermeister und der Rat der Stadt Neumarkt bestätigten am 27. Juli 1439 dem Nürnberger Prior Friedrich von Schwabach (gemeint ist Friedrich Mörlin, D 702), daß das Haus, solange keine fremde Herdstelle darin wäre, von allem Scharwerk, Steuer und Reis befreit sei.Dieses Haus war für das Nürnberger Kloster geradezu unent­ behrlich; lag doch Neumarkt inmitten des Terminierbezirkes und so wurden von vielen Orten die Erträgnisse nach Neumarkt gebracht, um von dort nach Nürnberg geschafft zu werden107. In diesem Haus war ein Prokurator108, wahrscheinlich wohnten auch einige Brüder darin, ohne daß man jedoch von einem Konvent sprechen konnte. Kurz nach Einführung der Reformation gab der Rat den Karmeliten die Erlaubnis, ihr Neumarkter Haus zu verkaufen109. Auch in Ansbach hatte der Konvent wenigstens zwei Jahrzehnte lang ein Haus, das auf der Füll gelegen war. Von diesem Hause haben wir Kenntnis, weil es 1473 wegen eines Brunnens und 1474 wegen eines neugebauten Hühnerstalls mit den Nachbarn zu Streitigkeiten gekommen war110. Ein Haus hatte der Konvent auch in Hersbruck111, über dieses Haus habe ich allerdings in den Konventsakten keinen Beleg gefunden. Nach Deckert haben die Karmeliten die Häuser, die ihnen zugefallen waren, wenn sie nicht zum Terminieren benötigt wurden, bald wieder gegen eine Rente eingetauscht, doch sei diese Praxis öfters durchbrochen worden112.

5. Kapitel: Terminierbezirke und Terminierbuch Das Terminieren der Bettelmönche Bettelmönche terminieren, d. h. sie sammeln in einem bestimmten Bezirk (terminus) Almosen ein. Nach kanonischem Recht bedurften die Konvente, wenn sie außerhalb ihrer Diözese sammelten, der Genehmigung des zustän­ digen Bischofs113. Sammelten sie innerhalb ihres Bistums, war eine gegenseitige 106 Kopialbuch, Bl. 142. 107 Einige Jahre später verkauften die Frauenbrüder einen Hof zu Affalterbach an das Bruderhaus zu Neumarkt: Karl Ried, Neumarkt in der Oberpfalz, Neumarkt 1960, S. 605. 108 Terminierbuch, Bl. 14. 109 Quellen, RV 538 (24. April 1525). 110 Kopialbuch, Bl. 142—144. 1,1 Winkler, S. 229. ,12 Deckert, Das ehemalige Karmelitenkloster zu Bamberg, S. 79. 113 LThK, Bd. 9 (1964), Sp. 1367f.

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Absprache ratsam, um nicht durch allzu häufiges Sammeln den Leuten lästig zu fallen. Das Terminieren war eine umstrittene Sache. Manche Pfarrer dürften die Terminanten nur ungern in ihren Gemeinden gesehen haben, da sie mit einer Minderung ihrer eigenen Einnahmen rechnen mußten. Andererseits werden die meisten von ihnen die seelsorgerliche Aushilfe, die die Ordenspriester leiste­ ten, dankbar angenommen haben. Für den Orden selbst brachte das Terminieren mancherlei Probleme: Das Terminieren war ein Recht der Bettelorden, auf das man nicht verzichten konnte und durfte; auch war man auf die Erträgnisse angewiesen, zumal im 15. Jahrhundert immer mehr Kleriker die Universitäten aufsuchten, deren Stu­ dium man damit finanzieren konnte. Andererseits bedeutete das Terminieren eine Durchlöcherung der mönchischen Tagesordnung und der Ordens­ disziplin. Der Terminant war gleichsam aus dem Gehorsam entlassen, er war wochenlang sein eigener Herr, er bestimmte selbst seine Tagesordnung, er konnte sich zumeist an einen reich gedeckten Tisch setzen, er kam mit vielen Leuten in Berührung, manche werden die Abendstunden im Wirtshaus verbracht und an den ländlichen Festen, an denen es meist recht ausgelassen zuging, teilgenommen haben. So hatte der Bettelmönch viel Freiheit, oftmals mehr, als ihm zuträglich war, und man kann sich denken, daß gerade jene, die die Ordensregel als Last empfanden, sich zum Terminieren drängten, während Mönche, die die Regel ernst nahmen, nicht gerade gerne auf Bettelreisen gingen. So sah sich die Ordensleitung immer wieder genötigt, Mißbräuche, die sich beim Terminieren einschleichen konnten, zu bekämpfen. Vor allem durfte der Terminant für seine Tätigkeit keine Taxe beanspruchen, er hatte für den Konvent zu sammeln114 und diesem nach seiner Rückkehr gewissenhaft Rechenschaft zu geben115. In der Ordenstracht sah man einen Schutz vor Gefahren und Ausschreitungen; deshalb war der Mönch verpflichtet, den Habit zu tragen116, selbst in der Herberge durfte er die Kapuze nicht ablegen117. Das Provinzialkapitel zu Straubing (1482) bestimmte schließlich, daß nur die Mönche sammeln durften, die die ausdrückliche und schriftliche Zustimmung des Kapitels hätten118. Auch die Reformatio Sigismundi — eine von verschiedenen Kreisen ange­ regte und erst 1439 nach dem Tode Kaiser Sigismunds abgeschlossene Reform­ schrift mit Reformvorschlägen auf politischem, wirtschaftlichem und kirch­ lichem Gebiet — befaßte sich mit dem Terminieren: Der Terminant solle kein Priester sein, sich ehrbar betragen, keine Ablässe verkünden und keine Heiltümer mit sich führen, um diese vorzuzeigen119. 114 115 116 117 1,8 119

Decken, Die Oberdeutsche Provinz, S. 103. Provinzkapitel zu Heilbronn 1451; ebd. S. 11 u. Provinzkapitel zu Nürnberg 1436; ebd. S. 115 u. Provinzkapitel zu Straubing 1464: ebd. S. 115 u. Ebd. S. 110 u. 293. Reformation Kaiser Siegmunds, S. 206ff. u. 350,

255. 244. 269. Anm. 11.

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Bisweilen brauchte man beim Sammeln eigene Pferde, um die Erträgnisse ins Kloster oder an die nächste Sammelstelle zu bringen; doch sollte das Pferd nicht mehr als fünf Gulden kosten120. Auf dem Kapitel, das 1522 zu Straubing abgehalten wurde (die Reformation hatte schon begonnen und etliche Mönche hatten eigenmächtig das Kloster verlassen), wird Klage geführt, daß manche Terminanten durch ihren unehrenhaften Lebenswandel beim gläubigen Volk schweres Ärgernis erregt hätten121. So hatte das Terminieren seine Schwierigkeiten und Gefahren, aber auch die Vorteile dürfen nicht übersehen werden. Hier geht es nicht nur um materielle Hilfe, auf die vor allem die armen Konvente angewiesen waren, sondern auch um geistige Werte. Zunächst wurde der Aktionsradius der Karmeliten be­ trächtlich erweitert; sie konnten im weiten Umkreis bei der Landbevölkerung, die von der ordentlichen Seelsorge bisweilen vernachlässigt war, wirken. Von den priesterlichen Terminanten erwartete man als Gegenleistung die Feier der hl. Messe mit Predigt. So gaben die Frauenbrüder ihre Spiritualität, vor allem die Marienverehrung, weiter und warben für ihre Bruderschaft. Mag auch die Führung und der Zusammenhalt der Bruderschaft wenig straff gewesen sein, eine gewisse geistige Ausrichtung war jedenfalls gegeben und der jährlich wiederkehrende Terminant konnte an die übernommenen Pflichten erinnern. Schließlich ist das Terminieren dem Ordensnachwuchs zugute gekommen, waren doch die Terminanten 1436 auf dem Kapitel zu Nürnberg zur procuracio puerorum verpflichtet worden122. Wenn sie einen geweckten Jungen angetrof­ fen haben, dürften sie den Eltern geraten haben, diesen nach Nürnberg ins Kloster zu geben, wo er die Schule besuchen konnte und vielleicht später in den Orden eintrat. Terminierbezirke Außer dem Terminierbezirk in der Gegend von Neumarkt/Opf., von dem im folgenden die Rede sein wird, hatte der Nürnberger Konvent das Recht, in Amberg und im Gebiet von Auerbach/Opf. Almosen zu sammeln. In Amberg teilte er das Recht mit dem Karmelitenkloster zu Straubing, es kam zu Irrungen und der Provinzial Johannes Weilheimer (D 1006) traf auf dem Provinzkapitel am 31. August 1460 folgende Entscheidung: Die Sammlung nimmt ein Bruder aus dem Straubinger Konvent vor, doch die Hälfte der Sammlung gehört dem Nürnberger Kloster, nämlich 12 Ungarische Gulden oder 26 Böhmische Groschen, der Groschen zu sieben Pfennigen gerechnet; diese sollten aber, wenn es der Prior wünschte, in Rheinische Gulden umge­ wechselt werden123. Die Mönche von Straubing hielten sich nicht an die 120 121 122 123

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Provinzkapitel zu Straubing 1464: Deckert, Die Oberdeutsche Provinz, S. 115 u. 269. Ebd. S. 110 u. 293. Ebd. S. 112 u. 246. St AN, Rst. Nbg., Stadt- und Landalmosenamt, Urkunden, Nr. 123.

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Abmachung und so mußten sich der Provinzial und die Definitoren im Anschluß an das Kapitel, das am 6. Mai 1492 in Bamberg abgehalten worden war, am 12. Mai in Nürnberg nochmals mit dieser Angelegenheit befassen: Der Straubinger Konvent hat an Nürnberg ohne Schaden und Verminderung („sine damno et minoracione“) 72 Pfund Denare und 24 (Denare?) abzugeben, bzw. 12 Gulden Rheinischer Währung124. Auch in der Gegend um Auerbach durften die Nürnberger Karmeliten terminieren. Als aber in Neustadt am Kulm im Jahre 1413 ein Kloster gegründet worden war, mußten die Konvente von Nürnberg und Bamberg einen Teil ihres Terminierbezirkes zugunsten des neuerstandenen Klosters abtreten125. Einige Jahrzehnte später, im Jahre 1494, hat der Nürnberger Konvent unter seinem Prior Conrad Kumberger (D 265) auf das Gebiet von Auerbach ganz verzichtet. Genannt werden die Orte Auerbach, Michelfeld, Thurndorf, Pegnitz, Schnabelwaid, Lindenhardt, Troschenreuth (Alt- und Neu-)Zirkendorf, Dornbach, Pappenberg und Hopfenohe126. Der Verzicht mag auch von der Reform her nahegelegt worden sein; von den Brüdern heißt es, daß sie „vie inopie et paupertatis pie compaciende“ seien, „ut ampliora spiritualium et temporalium rerum suscipere possint incremata“. Das Terminierbuch über den Terminierbezirk zu Neumarkt Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hatte der Nürnberger Konvent wohl nur einen Terminierbezirk, der im Süden Nürnbergs begann und die ganze Umgebung von Neumarkt/Opf. umfaßte. Uber ihn sind wir gut unterrichtet; ein Nürnberger Konventuale namens Vitus Eyßler hat im Jahre 1520 ein Terminierbuch angelegt: Registrum ad usum fratribus terminariis versus No­ vumforum sacri ordinis astrifere virginis Marie de monte Carmeli conventus Norimbergensis exaratum per quendam eiusdem ordinis professum fratrem Vitum Eyßler. Zu deutsch: Register zum Gebrauch der Terminierbrüder in der Richtung Neumarkt, die dem hl. Orden der sterntragenden Jungfrau Maria vom Berge Karmel angehören, zusammengestellt von einem Professen eben dieses Ordens namens Vitus Eyßler (D 353) 127. Dem Außenstehenden mag das Buch nur nichtssagende Namen bringen; wem aber die Gegend vertraut ist, für den wird das Buch zur spannenden Lektüre voll aufregender Überraschungen, ein Wanderführer für Bettel­ mönche zu Beginn der Neuzeit! 124 St AN, Rst. Nbg., A-Laden-Urkunden, Nr. 696, und Kopialbuch, Bl. 138. 125 Martini, Bd. 2, S. 349. 126 Kopialbuch, Bl. 139. Bis auf Hopfenohe, Dornbach und Pappenberg, die in den dreißiger Jahren dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr zum Opfer gefallen sind, sind die Orte in der Umgebung von Auerbach zu finden. 127 Vgl. hierzu: Schnelbögl-Hofmann, Gelegenhait, und Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern, H. 16: Neumarkt, bearb. von Bernhard Heinloth, München 1967, sowie Teil Franken, Reihe I, H. 6: Eichstätt, Beilngries-Eichstätt-Greding, bearb. von Gerhard Hirsch­ mann, München 1959.

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Zunächst einmal die Gegend, die den Frauenbrüdern als Terminierbezirk zugewiesen war! Die Ortschaften beginnen vor den Toren der Reichsstadt mit Wendelstein, Fischbach, Feucht und Röthenbach bei St. Wolfgang, dann geht es über Leinburg und Altdorf nach Neumarkt/Opf. und weiter nach Sulzbürg, Berching, Holnstein, Velburg und noch darüber hinaus; alle Ortschaften gehören zur Diözese Eichstätt. Nahezu 400 Orte (Einöden und Mühlen eingeschlossen) werden genannt; die meisten sind heute noch, wenn auch unter anderer Schreibweise, auf der Karte zu finden, manche sind im Laufe der Zeit zerstört worden wie Affalterbach, das drei Stunden östlich von Nürnberg gelegen war (Bl. 10). Auch erfahren wir, ob es sich um eine Stadt (civitas), ein Pfarrdorf (parochia) oder um ein Kirchdorf (ecclesia) handelt, auch die Kirche (so heißt es, und nicht Kapelle) auf dem Moritzberg wird erwähnt (Bl. 3). Auffallend viele Burgen (castra) werden genannt; viele waren damals schon zerstört, heutzutage sind sie, von Grünsberg abgesehen, nur noch als Ruinen vorhanden. Im Sammelbezirk lagen auch drei Klöster, das Franziskanerkloster auf dem Möninger Berg (Bl. 31), das Kloster der Zisterzienserinnen zu Seligenporten (Bl. 31) und das Doppelkloster der hl. Birgitta zu Gnadenberg (Bl. 9). Dazu kommen Ortsbezeichnungen, die auf Abhängigkeit von Klöstern schließen lassen, wie der Klosterhof bei Pilsach (Bl. 11), die Propstei Donprün (= Thannbrunn) bei Holnstein (Bl. 25) und die Propstei Zum Grab bei Sulzbürg (Bl. 28) 128. Nicht vergessen werden die Mühlen; für den Terminanten werden sie besonders ergiebig gewesen sein, so daß sich der Weg lohnte. Zwischen Neumarkt und Pilsach werden, ohne daß sie namentlich genannt werden, dreizehn Mühlen aufgeführt; die Gegend ist heute noch reich an Mühlen und bis zur Gebietsreform des Jahres 1972 gab es eine eigene Gemeinde Mühlen. Die Namen der Mühlen nennt Vitus Eyßler nicht, da zuweilen der Besitzer wechselt und er weist auf Cicero hin, nach dem „non dominus a domo, sed domus a domino nominanda sit“, also nicht der Herr soll nach dem Haus, sondern das Haus soll nach dem Herrn benannt werden. Dem Terminanten wird die pauschale Anweisung gegeben, daß er sich von einer Mühle zur anderen durchfragen soll, „iter interroga de una ad alteram“ (Bl. 11)! Mittelpunkt des Terminierbezirkes war Neumarkt. Dort hatten die Frauen­ brüder, wie schon erwähnt, ein eigenes Haus, das von einem Prokurator verwaltet wurde („habemus ibidem domum propriam et procuratorem domus“ (Bl. 14). Allerdings hatten dort auch die Predigerbrüder eines; es kamen Verwechslungen vor und dem Terminanten wurde eingeschärft, das Haus, wo die Gaben abgeliefert werden sollten, genau zu bezeichnen (Bl. 13). 128 Der Klosterhof zu Pilsach gehörte zur Propstei Litzlohe und damit zum Benediktinerkloster St. Emmeran zu Regensburg. Die Propstei Thannbrunn war eine Filiale des Benediktinerklo­ sters Auhausen bei Nördlingen; die Propstei „Zum Grab“ unterstand dem Benediktinerkloster Plankstetten. Freundl. Mitteilung von H. Dr. Gerhard Hirschmann.

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Für den Bettelbruder war es vor allem wichtig zu wissen, wo er übernachten konnte und so ist im Terminierbuch jeweils die Herberge angegeben, entweder beim Pfarrer (plebanus) oder beim Sammler (collector) oder bei einem Wohl­ täter des Ordens. Auffallend ist, daß der Herbergsvater als hospes, also als Gast bezeichnet wird; wenn dieser nämlich nach Nürnberg kam — es mag sein, daß er gelegentlich auch zu den Festen eingeladen wurde —, dann war er Gast bei den Frauenbrüdern und wurde von ihnen mit Speise und Trank bewirtet129. In Hagenhausen ist der Pfarrer und Dekan der Herbergsvater (Bl. 7); von ihm wird gesagt, daß er „singularis fautor et confrater nostri ordinis“ sei, also ein einzigartiger Gönner und Mitbruder des Karmelitenordens. In Berg wird der Terminant von „Meister Hansen, dem balneator (Bader), qui nobis multa bona contulit“ aufgenommen (Bl. 10), in Berching tut das Hans Rieter, von dem ebenfalls gesagt wird, daß er den Brüdern viel Gutes getan hat (Bl. 26). Zum Sammeln brauchte man Helfer, Collectores. So werden in jedem Bezirk die Sammler erwähnt, entweder, daß es allgemein heißt collector editus, also der bekannte Sammler, oder daß sich wie in Altdorf der Mesner zur Verfügung stellt (Bl. 5), oder daß die Sammler namentlich angegeben werden, zuweilen werden sie von einem zweiten Sammler unterstützt; in Hennersdorf und Breitental sammelt der Schwab und in Rutterszhofen der Wyldmaier (Bl. 22). Auffallend ist, daß es öfters alte Leute waren, die sammelten, so in Schwarzen­ bruck „die alt Kuntzmulnerin“ (Bl. 2) oder in Winden „die alt Mayrin“ (Bl. 4); übrigens galt damals jeder, der über fünfzig war, schon als alt. Gelegentlich hilft auch der Gastgeber bei der Sammlung, wie Pflugschneyd in Leinburg (Bl. 3). Sicherlich hat man die Sammler bewirtet; zuweilen wird ausdrücklich gesagt, daß sie ein Mittagessen (prandium) erhalten sollen, in Wendelstein erhält der Collector nach den discretiones terminorum, also nach den Termi­ nierbestimmungen, sieben Pfennige (Bl. 2). Zumeist dürfte sich das Einsam­ meln ohne viel Aufhebens vollzogen haben; nur in der Gegend um Berching scheint es laut hergegangen zu sein; hier waren drei Sammler eingesetzt, jeder hatte seine Route und sollte ausschreien: „Gebts Almusen gen Nürnberg“ (Bl. 26)! Schließlich wird angegeben, wohin die Erträgnisse zu bringen sind, ob sie in das Haus in Neumarkt oder zum Konvent zu Nürnberg gefahren werden sollen. Vom Priester-Terminanten erwartete man, daß er Gottesdienst hielt. Entweder war er durch die Legata, die in einer Pfarrei dem Orden gemacht worden waren, dazu verpflichtet, oder Pfarrer und Gemeinde erwarteten als Gegenleistung für die Sammelerträge seelsorgerliche Aushilfe, in den Filialgemeinden waren es die Bauern selbst, die um den Gottesdienst baten. Durchwegs wird die Messe mit Ansprache (missa cum sermone) verlangt, ein Zeichen, daß damals die Predigt ihren festen Platz im Gottesdienst hatte. Für Wendelstein wird dem Ordensmann gesagt, daß er sich auf eine Messe mit 129 Deckert, Das ehemalige Karmelitenkloster zu Bamberg, S. 86.

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Ansprache „ad mediam horam“ (Bl. 1 u. 2), also auf eine halbe Stunde, emsteilen solle, ähnlich lesen wir auch von Berngau, daß der Gottesdienst „ad summum per mediam horam“ sei, also höchstens eine halbe Stunde dauern dürfe (Bl. 14); man sieht, man legt Wert auf den Gottesdienst, aber er darf nicht zu lang sein. Zuweilen ist von einer missa cum vino die Rede, also von einer Messe mit Wein. Damals gab es nämlich auch die missa sine vino, auch missa sicca genannt, die trockene Messe also. Bei dieser missa sicca fielen Gabenbereitung, Wandlung und Kommunion weg, so daß nur der Wortgottesdienst blieb. Auch für die Predigt wird gelegentlich Anweisung gegeben; so heißt es für Altdorf (Bl. 5): „post Patrem ascendit ambonem“, also nach dem Pater — wohl wenn das Vaterunser (Pater noster) gebetet war — besteigt er die Kanzel. Eine ähnliche Anweisung galt für Berching (Bl. 26): „post Patrem ascendit ambo­ nem ... dicat thema et evangelium... et pronunciat negotium suum“, also nach dem Pater besteige er die Kanzel, nenne Thema und Evangelium und weise auf seine Aufgaben — das Wort „Geschäft“ scheint mir zu profan — hin130! Im Terminierbuch sind die Erfahrungen früherer Terminanten verwertet. So wird in Peunting (Bl. 5) und auch anderswo vor bissigen Hunden gewarnt: „hic praevideas te a canibus!“ Auch dürften damals, da die Gegend noch sehr waldreich war und die Wegweiser — abgesehen von den Wegkreuzen und Marterln — fehlten, die Wege gar nicht leicht zu finden gewesen sein. So wird in Gsteinach der Terminant eigens gemahnt: „interroga diligenter, ne erres“ (Bl. 2), also erkundige dich gewissenhaft, daß du dich nicht verirrst! Ähnlich heißt es auch bei Netzstall: „Vide, ne erres“ (Bl. 4), „Sieh zu, daß du dich nicht verläufst“, eine Mahnung, die auch heute noch in dieser waldreichen Gegend nicht überflüssig ist. Schließlich wird dem Terminanten noch geraten, an Kirchweihfesten, Patro­ ziniums- und Markttagen nicht einzusammeln; für einige Orte werden diese Tage angegeben (Bl. 21). So feiert Altdorf am Sonntag nach St. Michael (29. Sept.) Kirchweih und der Markt findet am Martins- und Thomastag (11. Nov. und 21. Dez.) statt. In Rorenstadt ist das Patrozinium am 13. Oktober, dem Fest des hl. Koloman, und Berching hat seine Märkte am Martins- und Nikolaustag (11. Nov. und 6. Dez.). Diese Termine dürften sich bis in unsere Zeit kaum geändert haben. Im zweiten Teil des Terminierbuches werden die Bruderschaften, die an vielen Orten errichtet waren, angegeben (Bl. 43—76). Die Mitglieder werden namentlich aufgeführt, den Namen ist oftmals ein Betrag beigefügt, wohl die Spende, die die Genannten gegeben bzw. zu geben versprochen haben.

130 Handbuch der Kirchengeschichte, hrsg. von Hubert Jedin, Bd. III, Teil 2, Freiburg i.Br. 1968, S. 687; hier ist von den Gebeten, die vor und nach der Predigt gesprochen werden, die Rede.

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Den Schluß des Buches (Bl. 84—136) bilden die Remedia, die frommen Stiftungen; doch auch die Bruderschaften werden noch angeführt. Diese Remedia sind über das ganze Sammelgebiet verteilt, es werden die Acker genannt, aus denen die Reichnisse stammen, außer den Flurnamen wird gelegentlich angegeben, wo die Felder liegen und wie groß sie sind. Von der Bruderschaft und den frommen Stiftungen ist an anderer Stelle die Rede131. Hier sei noch in Kürze auf den Wert des Buches hingewiesen: In Nürnberg gab es vier Bettelklöster, doch nur von den Frauenbrüdern ist ein Terminierbuch erhalten, auch von anderen Orten dürften nur wenige Bücher dieser Art auf uns gekommen sein, wenn sie überhaupt angelegt worden waren. So hat dieses Buch Seltenheitswert. Wertvoll ist es auch für alle, die Heimat­ forschung und Familiengeschichte betreiben. Wir erfahren, daß einige alte Ortsnamen durch Heiligennamen abgelöst wurden, so Walkerswind durch St. Coloman und Holenstayn durch St. Wolfgang (Bl. 21). Landschaftsbe­ zeichnungen werden angegeben, so „Norcka“ für die Gegend von Deining und Günching (Bl. 18), „Poxloe“ für das Gebiet um Parsberg (Bl. 22) und die „Segelau“ für das Land um Burggriesbach (Bl. 28). Viele Flurnamen werden genannt und mancher Acker ist nach Lage und Größe („byfang“ und „gwenten“ und „beet“) genau bezeichnet132. Dazu die vielen Personen, die in den einzelnen Orten aufgezeichnet sind, und zwar in einer Zeit, da noch keine Pfarrmatrikel geführt wurden. So ist das Buch in vieler Hinsicht fündig. Zusammenfassung Die wirtschaftlichen Grundlagen des Karmelitenklosters scheinen nicht schlecht gewesen zu sein und fromme Stiftungen wurden bis in die Zeit der Reformation gemacht, wenn sie auch im 16. Jahrhundert merklich nachgelas­ sen haben. Doch dürfen wir nicht übersehen, daß die Orte, aus denen die Reichnisse stammten, über ein weites Gebiet zerstreut waren, von Forchheim bis Berching und von Windsbach bis Parsberg, und daß es kleine und kleinste Erträgnisse waren, die eingesammelt werden mußten. Oftmals wird nur ein Vierding gegeben, d. i. % Metzen, der Metzen zu 37 Liter, was etwa 25,9 kg ausmacht. An manchen Orten — im Terminierbuch bisweilen angegeben — galt das Velburger Maß, d. h. der Metzen hatte nur 25 Liter, ein Vierding hatte also nur 6,25 Liter oder 4,375 kg. Die Acker waren damals weit weniger ergiebig, von einem Hektar kann man heute im Durchschnitt vierzig Doppel­ zentner Getreide ernten, damals waren es vielleicht acht Doppelzentner; auch waren die Körner weniger mehlhaltig133. 131 Siehe 11. und 4. Kapitel! 132 Zu „byfang“, „gwenten“ und „beet“ siehe Alois Schlögl, Bayerische Agrargeschichte, München 1954, S. 9ff., und Brockhaus, Enzyklopädie, Bd. 1 (Wiesbaden 1966), S. 197ff. 133 Freundl. Mitteilung von H. Dipl. Ing. agr. Franz Rast, Nürnberg.

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Nach den heutigen Begriffen wären die Reichnisse wegen des hohen Per­ sonalaufwandes nicht wirtschaftlich gewesen, doch damals standen genügend Brüder — durchwegs Priester — zur Verfügung; auch waren die Remedia, die in der Oberen Pfalz gesammelt wurden, im Terminierbezirk gelegen, den man ohnedies aufsuchen mußte. Zudem hat der Terminant nicht nur Almosen gesammelt, sondern auch Gottesdienst und Predigt gehalten, so daß auch von der Seelsorge her gesehen der Einsatz vertretbar war.

6. Kapitel: Gottesdienst „Dem Gottesdienst soll nichts vorgezogen werden!“ Diese Weisung gab schon der Vater des abendländischen Mönchtums, der hl. Benedikt, in seiner Ordensregel (Kap. 43). Auch den nachfolgenden Ordensgründern war die würdige Feier der hl. Eucharistie und des Chorgebetes ein besonderes Anlie­ gen. Die Frauenbrüder hatten bei der Feier der hl. Messe einen eigenen Ritus, den Ritus vom hl. Grabe. Dieser Ritus ist im Wesentlichen der Gallikanische Ritus134, der vor allem in Frankreich üblich war und den die Kreuzfahrer ins Heilige Land gebracht hatten, dessen ehrwürdigstes Heiligtum und religiöser Mittelpunkt die hl. Grabeskirche zu Jerusalem ist. So ist es verständlich, daß bei vielen Eucharistiefeiern in eigenen Gebeten der Auferstehung des Herrn gedacht wurde und daß man fast an jedem Sonntag die Messe von der Resurrectio Domini nostri Jesu Christi feiern konnte. Auch sind die Heiligen, die in Palästina gelebt haben und die im Abendland ganz vergessen sind, in den liturgischen Kalender aufgenommen. Ferner unterschied sich die Karmelitenmesse in einigen Zeremonien von der späteren Tridentinischen Messe; so war das Stufengebet kürzer gefaßt, die Zubereitung des Kelches erfolgte schon vor Beginn des Gottesdienstes (beim Hochamt nach dem Evangelium), bei der Gabenbereitung wurden Brot und Wein gleichzeitig dargebracht und vor dem letzten Evangelium wurde das Salve Regina gebetet135. Auch der Wortlaut des Credo dürfte wenigstens in früheren Zeiten anders gefaßt gewesen sein. Soweit der Text vorliegt, sei er hier wiedergegeben136, die Abweichungen sind gesperrt gedruckt:

134 Ludwig Eisenhofer, Handbuch der katholischen Liturgik, 2 Bde., Freiburg i.Br. 1932/33. 135 Mesters, S. 12 u. 13. 136 StadtBN, Inc. 100. 2°. Die Inkunabel enthält einen Kommentar des hl. Thomas von Aquin zu den Büchern des Aristoteles. Beim vorderen und hinteren Buchdeckel sind Pergamentblätter eingebunden, die Teile des Credo mit Noten enthalten. Das Buch wurde nach Kyriß (S. 60) bei den Frauenbrüdern gebunden; so ist anzunehmen, daß auch die Pergamentblätter mit dem Credo bei ihnen verwendet wurden. Handgeschriebene Missalien der Karmeliten, die zum Vergleich hätten herangezogen werden könnten, standen mir nicht zur Verfügung; auch die Durchsicht der gallikanischen Sakramentarien (J.P.Migne, Patrologia Latina, Bd. 72, S. 225— 318) brachte kein Ergebnis.

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„Creatorem celi et terre omnium invisibilium et visibilium et in unum dominum nostrum Jesum Christum fili(um dei unigenitum)... et ex Patre natum ante omnia secula, Deum de Deo, lumen de lumine, Deum verum de Deo vero. Genitum non factum, consubstancialem Patri, per quem fiunt omnia terra pontus . . Die Liturgiereform nach dem II. Vatikanischen Konzil hat den Sonderfor­ men des Karmelitenordens ein Ende gesetzt. Das Brevier

Wie schon in einer Anmerkung gesagt wurde, ist kein Missale, das im Karmelitenkloster zu Nürnberg verwendet wurde, auf uns gekommen. Wohl aber haben wir ein Brevier, also ein liturgisches Buch, in dem die Chorgebete, Psalmen, Hymnen und Lesungen verzeichnet sind137. Das Buch wurde in den Jahren 1495/96 zu Venedig gedruckt und enthält den Heiligenkalender des Gesamtordnes. Ergänzt wurde dieser durch die Heiligen, die in Nürnberg gefeiert wurden; davon wird später noch zu reden sein. Hingewiesen wird auf die Ternarien; dreimal im Jahr sollten die hl. Messen und die Totenvigil für die Verstorbenen, die dem Kloster nahestanden, begangen werden. Beim ersten Ternär zwischen der Oktav vom Fest der Erscheinung des Herrn bis zu Mariä Lichtmeß wurde der Gottesdienst für die heimgegangenen Ordensbrüder aufgeopfert; beim zweiten Ternär zwischen dem Weißen Sonntag und Christi Himmelfahrt gedachte man der verstorbe­ nen Eltern der Ordensangehörigen und derer, die bei den Karmeliten ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten, und das dritte Ternär zwischen dem St. Michael-Fest und Allerheiligen war dem Gedenken der Patrone und der Wohltäter sowie derer, die einen Fraternitätsbrief hatten, geweiht. Bemerkens­ wert sind die Monatssprüche, die beigefügt sind, so für Januar: „Prima dies mensis et septima truncat ut ensis.“ Diese Monatssprüche, die mit einem Stundenbuch überhaupt nichts zu tun haben, beziehen sich wohl auf den Aderlaß, sie haben ihren Ursprung in den Humanistenkreisen und bezeigen, wie das Gedankengut des Humanismus auf vielerlei Wegen in die Konvente getragen wurde. Interessant sind auch manche Notizen, die die Frauenbrüder in das Buch eingetragen haben, so erfahren wir von einer Kollektur in Dinkelsbühl (23. Februar 1497) und daß am 4. März 1497 mit den Fasten­ predigten begonnen worden sei; auch Sterbetage sind vermerkt, so der des Hieronymus Schür stab für den 9. August (1507), und am 13. Oktober lesen wir: „obiit frater meus Antonius anno 1505“. Dieser Eintrag könnte der Schlüssel für die Person des Schreibers sein.

137 StadtBN, Theol. 938. 2°. Herausgeber ist Bruder Johannes Maria de Poluciis im Konvent zu Novoclaria, Provinz Bologna.

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Das Anniversarium Erhalten ist uns das Anniversarium, also das Buch, in dem die Jahrtagsgottes­ dienste eingetragen sind138. Dieses Buch wurde unter dem Prior Andreas Stoß im Jahre 1520 angelegt und bis zur Auflösung des Klosters ergänzt. Es enthält den liturgischen Kalender; bei den einzelnen Tagen sind die Gedächtnisgottes­ dienste eingetragen, die das Jahr über zu feiern waren. Im Anhang werden die Weihetage der einzelnen Kirchen Nürnbergs und auch in der Umgebung aufgeführt, es folgen seelsorgerliche Verpflichtungen der Karmeliten in ande­ ren Kirchen, einige kirchengeschichtliche Nachrichten, und schließlich ist von dem Veit-Stoß-Altar, der sich heute im Dom zu Bamberg befindet, die Rede. Dieses Buch bedarf allerdings der Ergänzung durch Stiftungsurkunden für Gottesdienste, die allwöchentlich oder gar täglich gefeiert werden sollten; doch auch mit diesen Ergänzungen bleibt das, was wir über die Gottesdienste, die in der Karmelitenkirche gefeiert wurden, wissen, unvollständig. Wie schon der Name sagt, handelt es sich um Jahrtagsmessen. So scheiden Messen, die nach dem Willen der Stifter täglich oder wöchentlich gehalten werden sollten, von vorneherein aus. Nicht enthalten sind die Konventmessen, die Prozessionen, die Weihen und Segnungen, die im Laufe des Jahres stattfanden. Auch vom Chorgebet und von den Predigten ist nicht die Rede. Der liturgische Kalender Wenden wir unsere Aufmerksamkeit zunächst dem liturgischen Kalender zu! Auffallend ist, daß nur wenige Eigenfeste des Karmelitenordens aufgeführt sind. Am 16. Juli wird das Ordensfest, die Commemoratio beatae Mariae virginisy meist Skapulierfest genannt, gefeiert. Das Fest des Propheten Elischa ist am 14. Juni, doch suchen wir vergebens das des Propheten Elija, das anderswo am 20. Juli begangen wurde. Auch andere Heilige, die in der Geschichte des Ordens eine Rolle gespielt haben, werden stillschweigend übergangen, wie Brocardus (2. September), Albertus Avogrado (8. April) und Simon Stock (16. Mai). Am 7. August gedachte man des hl. Albertus von Trapani, Albertus Magnus genannt, und am 5. Mai des Ordensmärtyrers Angelus. Manche Feste finden darin ihre Erklärung, daß Palästina die Heimat der Karmeliten ist. So wird all der Personen gedacht, die im Evangelium rühmend erwähnt sind; außer den in der ganzen Kirche verehrten Heiligen sind dies Lazarus (17. Dezember), Nikodemus (1. Juni), Kleopas (25. September) und Longinus, der die Seite des Herrn mit der Lanze durchbohrt hat (15. März). Ferner werden die Heiligen gefeiert, die im Heiligen Land gelebt haben, aber in der Kirche in Vergessenheit geraten waren; es sind dies die MärtyrerBischöfe von Jerusalem Alexander (18. März), Quiriacus (4. Mai) und Markus (22. Oktober) sowie der Märtyrer Mattias (30. Januar). ,8 Stadt AN, Frauenbrüder, Nr. 1.

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Neben diesen Heiligen, die alle im Brevier, aber nur teilweise im Anniversa­ rium aufgeführt sind, wird der Patrone der zuständigen Diözese Bamberg gedacht. So werden Heinrich und Kunigunde gefeiert (13. Juli und 3. März), von letzterer auch das Fest der Reliquienübertragung (9. September); auch der hl. Bischof Otto (30. September) und der Nürnberger Stadtheilige Sebald (19. August) sind nicht vergessen. Dazu kommen die Heiligen der Nachbardiöze­ sen: Kilian (8. Juli) und Burkard (14. Oktober), Erhard (8. Januar) und Wolfgang (31. Oktober) sowie Ulrich (4. Juli); auffallend ist, daß St. Willibald (7. Juli) und Walburga (25. Februar) nicht erscheinen. Auch finden sich Feste, die im Tridentinischen Missale gestrichen wurden, wie das Fest der Aussen­ dung der Apostel {Divisio Apostolorum, 15. Juli), das der zehntausend Märtyrer (22. Juni) und des hl. Brictius, des Nachfolgers des hl. Martin auf dem Bischofsstuhl von Tours (13. November). Besonderer Verehrung erfreute sich damals der hl. Sigismund. Er war König von Burgund und vom arianischen zum katholischen Glauben übergetreten. Nach einem wechselvollen Leben wurde er von den Franken besiegt und gefangen genommen und schließlich 524 mit seinen Angehörigen in einem Brunnen in der Nähe von Orleans ertränkt. Seine Gebeine wurden später in das von ihm sehr geliebte Kloster Saint Maurice im Wallis übergeführt. Karl IV. war ein besonderer Verehrer dieses Heiligen, er ließ seinen zweiten Sohn, den nachmaligen Kaiser, auf seinen Namen taufen und für die Reliquien in Saint Maurice einen kostbaren Silberschrein anfertigen; Teile der Reliquien wurden in den Veitsdom zu Prag und in den Dom zu Freising gebracht. So wurde der hl. Sigismund einer der volkstümlichsten Heiligen des 14. und 15. Jahrhunderts. Auch bei den Frauenbrüdern zu Nürnberg war er hoch verehrt, der Hauptaltar der Ottilienkapelle war ihm mitgeweiht; ich möchte an­ nehmen, daß hier auch Reliquien dieses Heiligen aufbewahrt wurden. Sein Hauptfest am 2. Mai (sonst am 1. Mai gefeiert) und das Fest der Reliquien­ übertragung (17. Oktober) wurden festlich begangen. Die Gottesdienste an den genannten Tagen hatte Siegmund Ortei, der seinem Namenspatron besonders zugetan war, gestiftet. Meßstiftungen Eigentliche gestiftete Messen, die täglich gefeiert werden sollten, waren vorgesehen in der Klosterkirche je eine auf dem Frauenaltar und auf dem Barbaraaltar sowie zwei in der St. Ottilienkapelle und eine in der Antonius­ kapelle. Die Messe auf dem Frauenaltar haben Anna Gottfriedin und Marquart Lederer am Kornmarkt gestiftet139, die Messe auf dem Barbaraaltar Marquart von der Wey den und seine Frau Adelheid. Für den Gottesdienst in der St. Ottilienkapelle hat Katharina Fetzerin, Witwe des Heintz Fetzer, Bürgerin 139 Stadt AN, Y-Akten, Nr. 209.

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zu Nürnberg, dem Kloster 500 rheinische Gulden gemeiner Landwährung vermacht140 und Burkart Peßler hat in seinem Testament eine tägliche Messe auf dem Fronleichnamsaltar in der St. Ottilienkapelle bestimmt141. Die Messe in der Antoniuskapelle stiftete Wilhelm Rummel; der Beginn dieser Messe war genau festgelegt: Wenn nach der letzten gesungenen Messe in der Klosterkir­ che die Wandlung vorüber war142. Auch für Gerhauß Valznerin wurde täglich eine hl. Messe bei offener Türe gelesen143. Ewige Wochenmessen haben gestiftet: Hanns von Augsburg, er hat dafür dem Konvent am 11. Januar 1475 143 Gulden vermacht144; der Metschenk Bartholomäus Knör, jeden Freitag sollte die Votivmesse vom Leiden Christi gelesen werden145; Hermann Hexamer, jeden Freitag sollte die Votivmesse zu Ehren des Leidens Christi und jeden Samstag ein Amt zu Ehren der allerseligsten Jungfrau Maria mit Orgelbeglei­ tung gefeiert werden146; Birgitte Hermann Eßlingerin, die hl. Messe sollte am Montag oder am Freitag zelebriert werden147. Die Jahrtagsmessen werden im Anniversarium kalendermäßig aufgeführt. Es dürften — ohne die Beimessen — an die zweihundert Gottesdienste gewesen sein, die gefeiert werden sollten. Sie im einzelnen aufzuführen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Der Hebdomadar Im Anniversarium wird häufig der Hebdomadar erwähnt, eine Bezeichnung, die heute noch in den Konventen üblich ist. Er hatte eine Woche lang — daher auch der Name — die Konventmesse zu halten und das Chorgebet zu leiten. Der Hebdomadar oder auch der Sakristan waren zuständig und verantwortlich dafür, daß die Jahrtagsgottesdienste acht Tage vorher vom Ambo verkündet wurden. Bei einigen Stiftungen sollten sie auch in den beiden Pfarrkirchen sowie in den Kirchen der drei anderen Bettelorden bekanntgegeben werden, manchmal ist dazu auch ein Anschlag an den Kirchentüren vorgesehen148. Eine bestimmte Anzahl von Kerzen mußte angezündet und gegebenenfalls das Bahrtuch aufgelegt werden. Wenn Weltpriester für den Gottesdienst vor­ gesehen waren, waren diese einzuladen.

140 Der Stiftungsbrief wurde am 20. Juli 1431 ausgestellt: StadtAN, Y 209. 141 Das Testament vom 23. November 1459 in: StAN, Rst. Nbg., Klöster in Nürnberg, Urkunden, Abt. Frauenbrüder, Nr. 3, und StadtAN, Kopialbuch, Bl. 1—6. 142 StadtAN, Y 209. 143 Würfel, S. 19. 144 StAN, Rst. Nbg., Klöster in Nürnberg, Urkunden, Abt. Frauenbrüder, Nr. 4. 145 Anniversarium, 1. Oktober. 146 StadtAN, Y 209. 147 Stiftungsbrief vom 6. Juni 1512: StadtAN, Y 209. 148 Anniversarium, 20. Juni.

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Der Zelebrant Der Zelebrant war meistens, aber nicht immer ein Karmelit. Nach dem Willen der Stifter waren als Zelebranten auch der Propst von Unserer Lieben Frau (15. September) und Vikare von St. Lorenz und St. Sebald vorgesehen. Von den Geistlichen bei St. Lorenz werden genannt149: der Frühmesser, die Altaristen des Nikolausaltars (1. Januar und 1. Mai), des Johannesaltars (1. September und 1. Dezember) und des Katharinenaltars (6. Januar, 25. Mai, 7. Juni und 3. September). Von St. Sebald kam an zwei Tagen (28. Juli und 28. August) der zweite Vikar, der das Benefizium an dem von Nützel gestifteten Kunigunden-Altar innehatte. Im Anniversarium ist ferner angegeben, ob dem Zelebranten ein Präsent gegeben und ob er zum prandium (Mittagessen) eingeladen werden soll. Die Stifter begnügten sich nicht mit Vigil und Amt, auch Beimessen waren vorgesehen, wenigstens vier, aber auch sechs und acht, ja einigemale waren es dreißig, die allerdings auf die ganze Woche verteilt wurden. War der Verstorbene im Kloster beigesetzt, so wurde sein Grab aufgesucht, der Psalm Miserere gebetet, ein Gebet gesprochen und Weihwasser gegeben. Bei der Grablege des Wilhelm Rummel geschah dies allerdings täglich, wenn nach der Komplet die Marianische Antiphon gesungen worden war150. Besondere Verfügungen Das Anniversarium enthält einige Verfügungen, die es verdienen, eigens angeführt zu werden. Der Jahrtag der Katharina Keserin am 28. Oktober wurde in der Kapelle des Rochusfriedhofes, der erst kurz zuvor (1520) errichtet worden war, begangen. Nach dem Gottesdienst wurde das Grab mit Weihwasser besprengt. Für die Jahrtage von Gertrud Stromer (21. Juli) und Nikolaus Koler (1. November) hatten sich die Klarissen verpflichtet, den Frauenbrüdern, die diesen Gottesdiensten beiwohnten, je vier Pfennige zu geben. Zum Gedächt­ nisgottesdienst des Bartholomäus Knör, der mit Vigil und Amt begangen wurde, sollten die Insassen des Mendel’schen Brüderhauses eingeladen werden; man erwartete von ihnen das übliche Opfer während der hl. Messe, ihr Kirchgang sollte dann mit einem Gulden honoriert werden. Auch die Armen wurden bei den Meßstiftungen nicht vergessen; besonders reich hat sie Burkart Peßler in seinem schon erwähnten Testament bedacht151: So verfügte er, daß an seinem Jahrtag (25. September) Brot an sie ausgeteilt werde. Auch seinen Neffen Martin Peßler, dem er einen Hof zu Büchenbach bei Schwabach und ein „aigen gütlein“ zu Laufamholz vermacht hatte, verpflichtete er, alljährlich an seinem Sterbetag dem Prior der Frauenbrüder 149 Alle Belege im Anniversarium; dazu ist das Datum und in der Fastenzeit das Blatt angegeben. 130 Anniversarium, 20. Juni. 131 Wie Anm. 141 sowie Stadt AN, Y 209.

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Geld für die Armen zu geben. Schließlich machte er noch eine Kleiderstiftung: Die Frauenbrüder erhalten 14 Gulden Ewiggeld; alljährlich sollen sie Kleider aus je sechs Ellen grauen und weißen Lodens nähen und am Tag nach dem Fest des hl. Michael (30. September) an die Hausarmen austeilen. Verlangt wird, daß diese die Kleider selber tragen und nicht an andere verkaufen. Besondere Festlichkeiten waren für Fronleichnam und die Feste des hl. Sigis­ mund vorgesehen. Nach dem Testamente des Burkart Peßler des Alteren152 sollte an Fronleichnam und während der Oktav zu allen Horen des Stundenge­ betes das Allerheiligste ausgesetzt und ein Amt gesungen werden. Für das Fest des hl. Sigismund und für den Tag seiner Reliquienübertragung (2. Mai und 25. September) hatte Sigismund Ortei ein Amt mit Orgelbegleitung in der Ottilienkapelle gestiftet. Katharina Fetzerin hat die Frauenbrüder mit einer Pitanz bedacht; am Montag in der Karwoche sollte ihnen nach Ordensgewohn­ heit Fisch und Wein gereicht werden. Auch hat sie verfügt, daß ihrem Vetter Albrecht, der ebenfalls Frauenbruder war, jährlich 10 Gulden rheinischer Währung ausbezahlt würden153. Eine Pitanz war auch am 1. Januar, dem Gedenktag von Wolfhart und Agatha Gößwein, vorgesehen; der Prior sollte dem Zelebranten, nämlich dem Vikar des St. Nikolaus-Altars von St. Loren­ zen, der die Gößwein’sche Pfründe innehatte, und allen Brüdern ein Seidlein Wein und ein Stück Fisch oder Braten verabreichen lassen154. Teilnahme an Gedächtnisgottesdiensten

In Nürnberg wurden täglich viele hll. Messen gefeiert; man fragt sich, wie sie besucht waren. Die Stifter der Jahrtage haben sich wohl die gleiche Frage gestellt und Vorsorge getroffen, daß wenigstens einige Gläubige den Gottes­ diensten beiwohnten. So waren bei manchen Gottesdiensten Karmeliten als Zelebranten, aber auch als Teilnehmer vorgesehen; für den Zelebranten war ein Stipendium bestimmt, für die Teilnehmer ein Obulus in der Höhe von zwei, drei oder vier Pfennigen155. Solche Gottesdienste, bei denen die Karme­ liten beteiligt waren, wurden an genau bezeichneten Tagen in St. Sebald, in der Spitalkirche zum Hl. Geist und in der Predigerkirche abgehalten. Zudem war es üblich, daß sich die Geistlichen der einzelnen Orden zumal beim Predigen gegenseitig aushalfen; hier sei auf das Kapitel „Das Karmelitenkloster im Stadtverband“ hingewiesen. 152 Wie Anm. 151. 153 Stiftungsbrief vom 20. Juli 1431: Stadt AN, Y 209. — Pitanzen sind fromme Stiftungen an Klöster für Gedächtnisgottesdienste; ein Teil der Zuwendungen war für die teilnehmenden Geistlichen bestimmt, zuerst in Form eines Mahles, später in Geldzuwendungen. LThK, Bd. 8 (1963), Sp. 526. Vgl. auch Werner Ogris, Die Konventualenpfründe im mittelalterlichen Kloster, Österreichisches Archiv für Kirchenrecht 13 (1962), S. 104—142, hier S. 123f. 154 Stiftung vom 27. Juli 1464: Kopialbuch, Bl. 122. 155 Die Familie Grundherr hatte für jeden Karmeliten, der dem Jahrtag in der Spitalkirche beiwohnte, ein halbes Maß Wein und ein Maß Weizen vorgesehen: Anniversarium, Bl. 30.

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Außerordentliche Feste

Einige besondere Feierlichkeiten seien noch eigens hervorgehoben: Da ist der Jubiläumsablaß zu erwähnen. Wenn das Jubiläumsjahr in Rom zu Ende gegangen war, konnte der Ablaß auch in der Heimat gewonnen werden. Verlangt war der Empfang der hll. Sakramente und — ähnlich wie in Rom — der Besuch von sieben Kirchen. Zu den Kirchen, die in Nürnberg besucht werden sollten, gehörte, wie wir aus der Chronik des Heinrich Deichsler wissen, für das Jahr 1489 auch die Frauenbrüderkirche156. Auch die Primizen, die ersten hl. Messen, die neugeweihte Priester feierten, sollen nicht unerwähnt bleiben. Aus dem Karmel zu Nürnberg ging eine beachtliche Zahl von Priestern hervor und so dürften Primizfeiern in der Karmelitenkirche nicht gerade selten gewesen sein; für das Jahr 1510 sind sogar zwei Primizen bezeugt, eine am 9. Januar und die zweite am 13. Juni. Das Festmahl durfte selbstverständlich nicht fehlen und dem verdanken wir auch die Kenntnis von den Feiern. Man hatte acht Personen mehr eingeladen, als dies nach den Verordnungen des Rates zulässig war, also mußte man um Genehmigung eingeben157. Die letzte Primiz in Nürnberg fand im Jahre 1522 statt. Kirchweihfeste

Zum Schluß dieses Kapitels sei noch der Kirchweihkalender aus dem Anniver­ sarium hier aufgeführt158: Kirche

Sonntag

St. Sebald St. Lorenz St. Egidien U. L. Frau Augustiner

nach Bartholomäus (24. August) vor Maria Magdalena (22. Juli) nach Michael (29. September) nach Jakobus (25. Juli) Quasi modo geniti = 1. Sonntag nach Ostern nach Kilian (8. Juli) nach Kreuzerhöhung (14. September) Vocem iocunditatis = 5. Sonntag nach Ostern nach Mariä Himmelfahrt (15. August) Jubilate = 3. Sonntag nach Ostern vor Mariä Himmelfahrt 2. Sonntag nach Dreifaltigkeit

Dominikaner, Chor Dominikaner, Kirche Franziskaner Karmeliten Ottilienkapelle Kartäuser St. Jakob (Deutschherren)

ISf’ Chroniken, Bd. 5, S. 554. 1S7 Karl Schornbaum, Beiträge zur Geschichte des Reformationszeitalters zu Nürnberg. Die Primizianten in Nürnberg. MVGN 44 (1953), S. 286—294. ,,S8 Anniversarium, Bl. 29.

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Kirche St. Elisabeth, Altes Spital Hl. Geist, Neues Spital St. Katharina (Dominikanerinnen) St. Klara (Klarissen) St. Martha (Pilgerhospital) St. Nikolaus (Heilsbronner Hof) St. Leonhard (Siechkobel)

Sonntag 3. Sonntag nach Dreifaltigkeit vor Johannes d. Täufer (24. Juni) Misericordias Domini = 2. Sonntag nach Ostern nach Mariä Geburt (8. September) Laetare = 4. Fastensonntag nach Mariä Heimsuchung (2. Juli) nach Fronleichnam

Außerdem werden die anderen Siechkobelkirchen, St. Peter, St. Johannis, St. Jodokus (Jobst) und die Kirche beim Pestspital (St. Sebastian) angeführt, ohne daß die Kirchweihe angegeben wäre; auch die Allerheiligenkapelle beim Zwölfbrüderhaus wird ohne Kirchweihdatum genannt. Außer dem Jahrtag der Kirchweihe wurde in jeder Kirche auch das Patrozi­ nium, also das Fest des Kirchenpatrons, begangen. An kirchlichen Festen war demnach im mittelalterlichen Nürnberg kein Mangel.

7. Kapitel: Religiös-sittliches Leben und Reform Uber das religiös-sittliche Leben, oder — wie wir heute sagen — über die Spiritualität, die im Nürnberger Konvent herrschte, sind wir nur unzureichend unterrichtet. Die Ordensregel zeigt wohl die Leitlinien auf, nach denen das Leben der Brüder ausgerichtet sein sollte, doch wie es wirklich verlaufen ist, erfahren wir nicht. Bessere Information geben uns die Akten der Provinz­ kapitel159; diese befassen sich mit dem Ordensleben, wie es tatsächlich war, sie bringen die Ordensregel in Erinnerung, sie weisen auf die Mißstände hin, sie verhängen Strafen über Übeltäter und nehmen diese, wenn sie Buße getan, wieder in die Ordensgemeinschaft auf. Allerdings wird in den Akten weit mehr das Negative als das Positive erwähnt; das ist verständlich. Wenn alles in Ordnung geht, hat der Chronist keinen Grund darüber zu berichten und das Kapitel braucht sich damit nicht zu befassen; anders dagegen, wenn sich Mißstände zeigen; dann muß die Ordensleitung dazu Stellung nehmen. Liturgie und Predigt

Der Gesamtorden und die einzelnen Konvente ließen sich die Feier der Liturgie, also der hl. Eucharistie und des Chorgebetes, angelegen sein. Man war sich klar, welche Bedeutung der Gottesdienst für die Seelsorge hatte, daß er „magnam plebis generat devotionem et edificationem“I60, daß er Ursache ist für die Andacht und Erbauung des Volkes. So werden im Jahre 1522 die 159 Deckert, Die Oberdeutsche Provinz, S. 118—123. 160 Prov. Kapitel zu Rottenburg 1484: ebd. S. 123 u. 203.

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Prioren angewiesen, „quatenus operam diligentiorem et oculum vigilantiorem ad cultum dei habeant“161, daß sie sorgfältigere Mühe und ein wachsameres Auge dem Gottesdienst zuwenden möchten. Das Chorgebet sollte nach den Statuten gesungen werden, das Sprechen Ausnahme bleiben. Auch werden die Hausobern auf dem Kapitel zu Heil­ bronn im Jahre 1451 erinnert, daß sie selbst und ihre Schutzbefohlenen „sint diligentes in choro distincte et integraliter matutinas et ceteras horas cantando“162, sie sollten gewissenhaft und vollständig im Chor die Matutin (Mette) und die übrigen Horen singen. Von seiten der Ordensleitung war man darauf bedacht, daß die Priester­ brüder täglich die hl. Messe feierten und zwar „alta et intelligibili voce“, mit lauter und verständlicher Stimme163. Zur Zeit der beginnenden Reformation, da bei Geistlichen und Laien große Unsicherheit herrschte, befaßte sich das Provinzialkapitel zu Straubing im Jahre 1522 auch mit der Predigt164. Die Prediger sollen keine häretischen Ansichten vortragen, nicht über Gebühr gegen das Terminieren losziehen, bescheiden und ehrfürchtig auftreten, der Predigt ein Leitwort aus der Heiligen Schrift vorausschicken und schließlich eine von der Kirche gutgeheißene Auslegung geben. Wer anders handelt und auf die Mahnung des Priors nicht hört, verliert seine Stimme im Konvent, gilt schließlich als Rebell und ist mit dem Kerker zu bestrafen. Allein diese Bestimmung ließ sich in den Jahren, da sie erlassen wurde, wohl nicht mehr durchführen; einmal hatte die religiöse Neuerung auch in den Konventen Eingang gefunden und wahrscheinlich hätten sich die Gemaßregelten um Schutz an die weltliche Obrigkeit gewandt und wohl mit Erfolg. Buße und Fasten165 Nach der ursprünglichen Karmelitenregel galten alle Tage als Abstinenztage, d. h. der Fleischgenuß war verboten. Durch päpstliche Privilegien wurde die Strenge gemildert, so daß an allen Tagen außer Montag, Mittwoch und Freitag Fleisch gegessen werden durfte. Das große Fasten dauerte, wenn auch mit unterschiedlicher Strenge, vom Feste der Kreuzerhöhung (14. Sept.) bis zum Karsamstag einschließlich. Vor dem Aschermittwoch galten nur Montag, Mittwoch und Freitag als Fast- und Abstinenztage, also kein Fleischgenuß und nur einmalige Sättigung; in der Quadragesima wurde dieses Gebot auf alle Wochentage ausgedehnt. Das Bußsakrament haben die Brüder — auch die Studenten — allwöchent­ lich empfangen; Beichttag war der Freitag166. 161 162 163 164 165 166

Prov. Kap. zu Ebd. S. 253. Prov. Kap. zu Ebd. S. 118 u. Prov. Kap. zu Prov. Kap. zu

Straubing 1522: ebd. S. 123 u. 330. Nürnberg 1479: ebd. S. 120 u. 284. 330. Bamberg 1456: ebd. S. 114 u. 260. Straubing 1464: ebd. S. 121 u. 269.

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A rbeit Die benediktinische Regel „Bet und arbeit!“ galt auch bei den Karmeliten. So verlangte es das 15. Kapitel der Ordensregel und das Provinzialkapitel, das im Jahre 1522 zu Straubing gefeiert wurde, mahnte die Oberen, ihre Schützlinge vor dem unheilvollen Müßiggang zu bewahren und sie zum Lesen, Schreiben und anderer nützlicher Tätigkeit anzuhalten167. An Arbeiten fehlte es in den Konventen sicherlich nicht. Im Frauenbrüderkloster zu Nürnberg bestand eine Buchbinderei, deren wertvolle Einbände wir heute noch bewundern können168. Das Armutsgelübde Die Frauenbrüder hatten beim Eintritt in den Orden Armut gelobt; das schloß nicht aus, daß der Einzelne bewegliche Habe besitzen und über sie verfügen konnte. Beim Tod eines Konventualen sollte das Heimatkloster die Hälfte seiner Hinterlassenschaft erhalten169. Die Reform hat sich vor allem um eine regeltreue Einhaltung des Armutsgelübdes bemüht. Schwierigkeiten gab es vor allem bei den Terminariern; vielfach waren sie nicht bereit, gratis für den Konvent zu sammeln, sondern taten dies nur pro taxa, also gegen eine entsprechende Entschädigung. So ging es vielfach nicht ohne Kompromisse170. Verstöße gegen die Ordensregel An Vergehen, die im Nürnberger Konvent vorgekommen sind und bei den Kapiteln zur Sprache kamen, wird hier in der langen Zeit von 1421 bis 1529 nur ein einziger Verstoß gegen die Ordensregel gemeldet; es handelt sich um Fridericus Scheffer (D 835). Im Jahre 1449 war er Subprior und Prediger in Nürnberg; beim Kapitel, das im Jahre 1456 zu Bamberg abgehalten wurde, erhält er wieder Sitz und Stimme im Konvent. Bei dieser Gelegenheit erfahren wir auch die Übertretung: mit zwei Mitbrüdern, Ulrich Thenfelder (D 298) und Kilian (D 207), hatte er zur nächtlichen Stunde den Konvent verlassen. Nachdem die Strafe verbüßt war, wurden die Genannten rehabilitiert171. Doch es sollen auch die Frauenbrüder, die dem Nürnberger Konvent angehörten (also in Nürnberg in den Orden eingetreten waren), oder später in Nürnberg tätig waren, und sich etwas zuschulden kommen ließen, angeführt werden. Zumeist handelt es sich um Ungehorsam den Obern gegenüber, die Schuldigen sind zumeist Studenten. Die Ordensleitung bestraft sie, indem sie die Ungehorsamen als „inhabiles ad Studium“ erklärte, sie also eine zeitlang vom Studium ausschloß. Aus diesen Männern sind durchwegs gute Ordens167 168 ,69 170 171

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Prov. Kap. zu Straubing 1522: ebd. S. 114 u. 330. Siehe 9. Kapitel, Die Klosterbibliothek. Prov. Kap. zu Heilbronn 1451: Deckert, Die Oberdeutsche Provinz, S. 114f. u. 256. Ebd. S. 110. Prov. Kap. zu Bamberg 1456: ebd. S. 260.

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leute geworden, denen man wichtige Ämter, sogar das Provinzialat, anver­ trauen konnte. So wird dem Johannes Carpentarii I aus Nürnberg (D 174) im Jahre 1460 verziehen, daß er als Student in Wien sich dem Ordensgeneral widersetzt hatte; im Jahre 1473 wurde er zum Provinzial gewählt und leitete die Oberdeutsche Provinz bis zum Jahre 1490. Ähnliche Notizen finden wir bei Paulus Ayden (D 8), der im Jahre 1497 als Informator in Nürnberg begegnet, bei Nicolaus Frank (D 425), der hier 1484 seine Studien begonnen hatte, und bei Leonhard Stecker (D 940), der im Jahre 1500 in Nürnberg als Informator und Cursor tätig war. Auch Johannes Piscator (D 109), der von 1471 bis 1488 das Amt des Informators, Lektors und Predigers in Nürnberg ausgeübt hatte, stand einmal auf der Liste der Bestraften, wie auch Johannes Pellificis (D 70), der von 1492 bis 1502 in Nürnberg als Lektor gewirkt hat. Viel gravierender waren die Verstöße, die sich Franz von Nürnberg (D 422) zuschulden kommen ließ: er hatte den Konvent zu Ravensburg verlassen und zwei Kelche mitgenommen; so wird er im Jahre 1460 auf dem Kapitel zu Dinkelsbühl als Apostat bezeichnet. Auch Paulus Sinterspieß (D 917) gehört zu den Unverbesserlichen. Er war zu einer Kerkerstrafe verurteilt worden, diese wurde ihm 1479 vom Ordens­ general erlassen, dafür wurde er im Nürnberger Konvent interniert; er sollte sich der Schreibtätigkeit widmen und nur unter Aufsicht in die Öffentlichkeit gehen. Die Strafe hatte allerdings keine Besserung zur Folge; 1492 finden wir Sinterspieß unter den Apostaten. Schwierigkeiten gab es auch mit Nicolaus Syms aus Nürnberg (D915). Ohne Erlaubnis des Provinzials verließ er 1495 den Karmel und trat in die Kartause ein; doch auch dort fühlte er sich nicht glücklich und bat reumütig um Wiederaufnahme bei den Karmeliten. Diese wurde ihm gewährt, er erhielt wieder Sitz und Stimme; 1497 finden wir ihn als Subprior in Straubing. Hier sei auch zweier Frauenbrüder gedacht, die jahrzehntelang treu und gewissenhaft die Ordensregel gehalten und im Karmel segensreich gewirkt haben. Es sind dies Heinrich Schmidlein II (D 864); 1452 wird er erstmals als Prediger in Nürnberg genannt und noch 1484 hat er dieses Amt ausgeübt. 1471 erscheint er als Senior. Auch Johannes Klein (D 217) kann im Jahre 1514 auf eine lange, verdienstvolle Tätigkeit im Orden zurückblicken; auf Anordnung des Visitators und Generalvikars wird er zum Jubilar promoviert und darf, obwohl noch keine fünfzig Jahre im Orden, die Goldene Profeß feiern. Niedergang und Reform An der Wiege der einzelnen Orden stehen Idealismus, Bereitschaft zur radikalen Nachfolge Jesu Christi, Verzicht auf irdische Güter. So kam es unter der Führung des hl. Franz von Assisi und des hl. Dominikus zu einer Armutsbewegung, die sich rasch über alle Länder Europas ausbreitete; vor allem waren es Studenten, die sich den neugegründeten Bettelorden anschlos49

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sen. Die radikale Erfüllung der Forderungen Christi brachte den Bettelorden viele Freunde und manche wohlhabende Adelige und Bürger, die selbst nicht in den Orden eintreten wollten oder konnten, zeigten den Klöstern ihre Zu­ neigung dadurch, daß sie ihnen Ewiggelder, Zehnten und Zinsen, aber auch Häuser und Liegenschaften übereigneten. Der Idealismus konnte freilich nicht lange auf seiner ursprünglichen Höhe gehalten werden. Wie die Orden zahlenmäßig Zunahmen, verloren sie an Qualität; der Wohlstand wirkte sich nachteilig auf die Ordensdisziplin aus. Der Zisterziensermönch Cäsarius von Heisterbach hat schon zu Anfang des 13. Jahrhunderts auf dieses historische Gesetz hingewiesen: „Der religiöse Glaube war die Ursache des Reichtums, der Reichtum aber hat den Glauben untergraben.“ Weiter sagt er: „Zucht erzeugt Überfluß, Überfluß aber, wenn man nicht sehr auf der Hut ist, lockert die Zucht und die Lockerung der Zucht vernichtet den Überfluß“172. Bei den Karmeliten waren es, wenn wir den Ausführungen Deckerts173 folgen, vor allem das Armutsideal und der Gehorsam, die mehr und mehr ausgehöhlt wurden. Das persönliche Armutsideal scheint schon sehr bald gelockert worden zu sein; der Konventuale durfte einen bescheidenen Besitz haben. Dazu kam, daß manche für ihre Tätigkeit entlohnt wurden; so hatten, wie Adrian Staring schreibt, die Professoren und Graduierten ein jährliches Gehalt, sie durften auf ihren Zimmern essen, einen Diener halten und waren teilweise vom Chorgebet befreit174. Bald konnten auch die Prediger und Beichtväter über eigene Einkünfte verfügen und die Terminanten einen Teil der Reichnisse für sich beanspruchen. Auch die anderen Brüder, denen solche Vergünstigungen nicht zustanden, wollte man entschädigen; man führte für sie das vestiarium, das Kleidungsgeld, ein. Verständlich, daß von manchen Mönchen Ämter und akademische Grade als willkommene Einnahmequelle angestrebt wurden. Daß diese Praktiken dem Ordensideal nicht förderlich waren, liegt auf der Hand. Der Gehorsam ist vielen sicherlich nicht leicht gefallen und manche haben sich leichtfertig über ihn hinweggesetzt, vor allem die Studenten; die akademi­ sche Freiheit, die an den Universitäten herrschte — freilich bei weitem nicht so wie heutzutage — war für sie allzu verführerisch. Dazu hielt gegen Ende des 15. Jahrhunderts der Humanismus seinen Einzug in die Hörsäle, dessen Freiheitsdrang dem klösterlichen Gehorsam nur abträglich sein konnte. So haben sich im Laufe der Zeit Mißstände eingeschlichen, doch die verantwortlichen Kreise waren für die Fehlentwicklungen nicht blind und suchten ihnen zu steuern. Hier verdient vor allem Nikolaus Cusanus erwähnt zu werden (f 1464), einer der bedeutendsten Kardinäle seines Jahrhunderts, der als päpstlicher Legat in Deutschland unermüdlich für die Reform tätig 172 Zitiert nach Josef Bernhart, Sinn der Geschichte, Freiburg i.Br. 1931, S. 43. 173 Deckert, Das Erbe I, S. 46. 174 Deckert, Die Oberdeutsche Provinz, S. 28.

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war175. Auch Bischöfe waren für sie aufgeschlossen; für das Bistum Bamberg seien Anton von Rotenhan (1432—1459) und Georg I. von Schaumberg (1459—1475) genannt176. Schließlich haben auch weltliche Regenten und Stadtrepubliken die Reform angeregt177. Bei den Karmeliten trat vor allem der sei. Johannes Soreth für die Reform ein. Er war Franzose, trat in jungen Jahren in den Karmel von Caen ein, studierte und promovierte in Paris, wurde 1440 Provinzial für die Provincia Francia, zehn Jahre später Generalvikar und 1451 Ordensgeneral. Bald nach seinem Tode im Jahre 1472 wurde er im Orden als Seliger verehrt, die Verehrung wurde von der Ritenkongregation im Jahre 1866 offiziell an­ erkannt 178. Während in den westlichen Ordensprovinzen die Reform gut vorankam, setzte sie sich in der Oberdeutschen Provinz nur zaghaft durch. Soreth war viel unterwegs, um die Konvente zu visitieren, 1452 präsidierte er dem Provinzkapitel zu Nürnberg; hier ist von Klosterreformen nicht die Rede. Um 1460 dürfte in den Klöstern zu Würzburg und Bamberg die Reform eingeführt worden sein, in letzterem auf Betreiben des Bischofs Georg I. von Schaumberg. In Nürnberg wurde das Karmelitenkloster nach Johannes Müllner179 im Jahre 1466 reformiert. Mehr erfahren wir aus einem Briefbuch der Stadt Nürn­ berg180. Kaiser Friedrich III. hatte an den Rat wegen der Reform des Frauen­ brüderklosters schreiben lassen; einige Tage später, am 19. Juli 1466, beant­ wortete der Rat das Schreiben: Das Kloster sei noch nicht reformiert, wie überhaupt nach seiner Erfahrung kein Karmelitenkloster in deutschen Landen reformiert sei. Doch habe er sich bemüht, eine Reformatio dieses Ordens in Lateinisch und Deutsch zu erhalten, die er hiemit dem Kaiser übersende181. Der Briefwechsel zwischen der Kaiserlichen Kanzlei und dem Nürnberger Rat wirft einige Fragen auf: Es ist nicht wahrscheinlich, daß der Kaiser von sich aus nach der Klosterreform gefragt habe; wer hat ihn also dazu veranlaßt? War es der Ordensgeneral Johann Soreth oder der Rat der Reichsstadt? Letztere Vermutung hat viel für sich; entspricht sie doch der Kirchenpolitik des Nürnberger Rates, der zudem in den anderen Bettelklöstern die Reform schon durchgesetzt hatte182. So waren die Frauenbrüder unter den vier Bettelorden in Nürnberg die letzten, die sich der Reform verschrieben. Die Predigerbrüder führten 1396 die Reform ein183, der Konvent der Augustiner-Eremiten konnte 175 176 177 178 179 180 181

Anton Lübke, Nikolaus von Cues, München 1968. v. Guttenberg, S. 260 u. 265. Deckert, Die Oberdeutsche Provinz, S. 104f. Ebd. und Deckert, Das Erbe I, S. 59. Müllner, S. 203. StAN, Rst. Nbg., Briefbücher, Nr. 32, Bl. 4. Es kann sich hier um eine „Charta reformationis“ handeln, also um ein Statut, wie eine Reformation durchzuführen sei, doch könnte auch ein Bericht über eine schon durchgeführte Reformation gemeint sein. Freundl. Mitteilung von H. Dr. Adalbert Deckert. 182 Kraus, S. 67ff. 18' Kist, Klosterreform, S. 32 ff.

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seit 1437 als reformiert gelten184, zehn Jahre später (1447) folgten die Bar­ füßer185. Was das Armutsideal anlangt, hätte hier die Reform nicht radikaler durchgeführt werden können; Bischof Anton von Rotenhan verfügt als Vertreter des Apostolischen Stuhles, daß der Rat von Nürnberg alle Zinsen, Renten, Güter und Liegenschaften dem Neuen Spital übereigne186. Reform bedeutet nun keineswegs, daß man auf die ursprüngliche Strenge zurückgriff, man wollte vielmehr die Regel, die durch Papst Eugen IV. mancherlei Erleichterungen erfahren hatte, gewissenhaft beobachten und beobachten lassen, „observare et observari facere regulam secundum ipsius domini Eugenii pape quarti mitigacionem“ 187. Worin sich die reformierten Konvente von den nichtreformierten unterschieden, ist nicht in allem ersicht­ lich. Jedenfalls verzichteten die Reformierten auf persönliches Eigentum, dazu erhielten die reformierten Konvente ein wichtiges Recht zugestanden, nämlich den Prior selbst zu wählen, der dann vom Provinzkapitel nur noch bestätigt werden mußte. Mag sein, daß gerade diese Vergünstigung manchen Konvent bestimmte, sich der Reform anzuschließen. Wie tief die Reform ging und wie nachhaltig sie war, steht auf einem anderen Blatt; die Urteile widersprechen sich. So schreibt Johannes Kist über die Reform des Karmels zu Nürnberg: „Der Geist der Reform blieb nun bis ins 16. Jahrhundert hinein lebendig, wenn es auch um die wirtschaftliche Lage des Konvents unter dem Prior Zeidelmair nicht gerade zum besten bestellt war“ 188. Anders dagegen urteilt Deckert: „Man kann zusammenfassend ruhig sagen, in der Provinz Alemania Superior ist die Reform eines Johannes Soreth nicht besonders tief gegangen und auf halbem Wege stecken geblieben“189. 8. Kapitel: Studium und Tätigkeit der Frauenbrüder

Am Vorabend der Reformation geißelten die „Dunkelmänner“, die den Humanistenkreisen angehörten, die Unwissenheit der Kleriker190. Zugegeben, sie haben übertrieben und verallgemeinert, doch im Grunde hatten sie recht: Viele Kleriker waren schlecht gebildet. Nur darf man die Unwissenheit nicht den Geistlichen selbst anlasten, denn Bildung war am Ende des Mittelalters 184 I8^ 18f’ 187 188 189 190

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Rosenthal-Metzger, S. 77ff. Schmidt, S. 23; Reformation in Nürnberg, Kat. Nr. 62, S. 57f. (Franz Machilek). Kist, Klosterreform, S. 42. Deckert, Die Oberdeutsche Provinz, S. 102 und 302f. Kist, Klosterreform, S. 38. Deckert, Die Oberdeutsche Provinz, S. 107. Dazu Friedrich Wilhelm Oediger, Über die Bildung der Geistlichen im späten Mittelalter, Leiden-Köln 1953. — Die Dunkelmännerbriefe (Epistolae obscurorum virorum) von 1515/17 sind größtenteils von Crotus Rubeanus, Ulrich von Hutten und Hermann von dem Busche abgefaßt; sie verfolgten den Zweck, die Dummheit, Heuchelei und Unsittlichkeit der kirch­ lichen und klösterlichen Kreise an den Pranger zu stellen: Handbuch der Kirchengeschichte III/2 (wie Anm. 130), S. 736f.

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teuer; schon die Bücher hatten einen hohen Preis und waren für die Söhne aus dem Handwerker- und Bauernstand sowie aus dem Kleinbürgertum uner­ schwinglich. Teuer war auch das Universitätsstudium. Priesterseminarien und eigene Hochschulen für Priesterkandidaten, die keine Ordensleute waren, gab es nicht, auch waren Stiftungen selten, die begabten Söhnen armer Familien das Studium ermöglicht hätten. Da hatten es die jungen Männer, die den Ordensstand wählten, leichter. Die Orden waren so gut gestellt, daß sie ihren Kandidaten das Studium ermög­ lichen konnten, entweder durch das Studium in eigenen Häusern, das Studium particulare, oder auch auf den Universitäten; auch leisteten die Klosterbiblio­ theken den Studenten gute Dienste. Eine gute Ausbildung war bei den Ordensleuten um so notwendiger, da sich diese nicht wie viele Weltpriester damit begnügen durften, nur Messeleser zu werden, sondern als Prediger und Beichtväter in der Seelsorge wirken sollten. Ordensnachwuchs Sorge um den Ordensnachwuchs kannte man im Mittelalter nur bedingt. Stand doch das Ordensleben im hohen Ansehen und der Eintritt in ein Kloster bedeutete für viele einen sozialen Aufstieg; auch konnte man bei allen Entbehrungen, die die Regel auferlegte, ein gesichertes Leben führen. In Nürnberg gab es jedoch innerhalb der Stadtmauer außer den Benediktinern, Kartäusern und Deutschherren vier Bettelorden; man hatte also eine starke Konkurrenz und mußte sich nach guten Novizen umtun. So sei erinnert, daß die Prioren und auch die Terminarier „circa procuracionem puerorum“ verpflichtet waren191; sie sollten sich also nach Knaben, die später für das Ordensleben geeignet waren, umsehen. Auch wurde bestimmt, daß jährlich zwei Jungen in die Klosterschule aufgenommen werden sollten; die Konvente, die das nicht taten, mußten zur Strafe die Einkleidungskosten für zwei Kandidaten aufbringen. Nicht gesagt wird, in welchem Alter die Knaben ins Kloster kamen. Zunächst besuchten sie die Klosterschule, diese dürfte nur wenige Schüler gezählt haben, die in der lateinischen Sprache und in den artes liberales unterwiesen wurden. Dieser Unterricht wurde durch den Magister in grammatica et logica erteilt. Wenn die Knaben das entsprechende Alter und die geistige Reife erreicht hatten, wurden sie als Novizen in das Kloster aufgenom­ men, für die religiös-sittliche Bildung war der Magister moris192 verantwortlich.

191 Siehe 3. Kap., Terminierbezirke und Terminierbuch. 192 Deckert, Die Oberdeutsche Provinz, S. 80.

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Studium particulare — Studium universale In Nürnberg gab es, wie in vielen Konventen, ein Studium particulare, also ein Hausstudium, in dem Philosophie und Theologie gelehrt wurden193. Die Dozenten hatten die Universität besucht und die entsprechenden Grade erworben. Dieses Hausstudium hatte mit mancherlei Schwierigkeiten zu kämpfen: einmal war es nicht leicht, qualifizierte Ordensleute dafür bereitzu­ stellen, auch war in den einzelnen Konventen die Zahl der Studenten gering, so war eine Zersplitterung der Kräfte unausbleiblich und durch den Erfolg — die Studenten dürften sich nur bescheidene philosophische und theologische Kenntnisse erworben haben — keineswegs gerechtfertigt. Im Orden hat man diese Mängel wohl gesehen und hat in Wien ein Studium generale eingerich­ tet194. Dieses Studium generale der Ordensprovinz ist mit der Universität nicht gleichzusetzen, wenngleich zwischen beiden Bildungsanstalten enge Beziehungen bestanden. Im späten Mittelalter wird der Universitätsbesuch häufiger. Ordensnach­ wuchs aus dem Nürnberger Konvent finden wir in Erfurt (14 Kandidaten), in Freiburg i. Br. (1), in Heidelberg (6), in Ingolstadt (3), in Leipzig (3), in Tübingen (6), in Wien (11) und in Wittenberg (2). Doch auch in Prag (2), Toulouse (6), Paris, Avignon und Krakau (1) treffen wir Nürnberger Karmeliten an195. Auf den Studiengang sei hier kurz hingewiesen: Für das Studium der Philosophie (Grammatik und Logik) waren drei Jahre vorgesehen, doch ist aus den Akten ersichtlich, daß manche Kleriker sechs Jahre als Studenten dieser Disziplin geführt wurden. Im dritten Jahr konnte der Student als Dozent für Grammatik und Logik eingesetzt werden. Nur selten erfahren wir, daß das Philosophiestudium mit dem Baccalaureat oder dem Magisterium abgeschlossen wurde; diese akademischen Grade waren für Vorlesungen an Ordenshochschulen nicht verlangt196. Bevor nun der Student das Studium der Theologie begann, mußte er erst als Informator d. h. als Lateinlehrer an Klosterschulen oder an der Ordenshoch­ schule zu Wien tätig gewesen sein. Als Theologiestudent war er dann ver­ pflichtet, die Heilige Schrift kursorisch zu lesen. Frühestens nach drei Jahren konnte der Kandidat zum Lektor promoviert werden; für diesen akademischen Grad waren drei Collationes (Referate) und drei Prüfungen vor dem Magister studentium oder dem Baccalaureus vorgesehen. Die Bedingungen wurden später noch verschärft: eine einjährige Predigertätigkeit mußte nachgewiesen werden. Die Generalkapitel (1478 und 1503) schärften ein, daß der Provinzial und das Provinzkapitel keinen zum Lektor ernannten, der nicht in Philosophie 193 Ebd. S. 80, 272, 274, 305. 194 Ebd. S. 82ff. 195 Ebd. S. 91—97 sowie — was die Studenten in Prag anbelangt — freundl. Mitteilung von H. Dr. Franz Machilek. I9(’ Deckert, Die Oberdeutsche Provinz, S. 75—79.

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und Theologie gründlich unterrichtet war und sich nicht als Prediger aus­ gezeichnet hatte197. Das Baccalaureat und das Doctorat in der Theologie strebten nur wenige an. Baccalaureus formatus wurde einer erst dann, wenn er ein Jahr lang Vorlesungen über die Heilige Schrift gehalten, im folgenden Jahr ausgesetzt und schließlich zwei Jahre lang die Sentenzen doziert hatte. Wer das. Lizentiat erlangen wollte, mußte dann nochmals vier Jahre lang actus scholasticos halten. Damit war das Studium praktisch abgeschlossen; auf die Promotion zum Doctor und Professor haben die meisten verzichtet oder vom Orden aus verzichten müssen, wohl auch wegen der zusätzlichen Kosten, die damit verbunden waren. Bei den Studien in den ordenseigenen Häusern wurden sicherlich auch die Werke der Doctores ordinis, so die des Johannes Baco und des Michael von Bologna, benützt; jedenfalls hat das Provinzkapitel, das im Jahre 1514 zu Augsburg abgehalten wurden, auf Anregung des Ordensgenerals die größeren Konvente verpflichtet, diese Bücher anzuschaffen198. Die jungen Karmeliten haben von dem Studienangebot einen guten, ja bisweilen einen überschwänglichen Gebrauch gemacht199. So gibt es unter ihnen Schlachtenbummler; hier seien nur die genannt, die aus dem Nürnberger Konvent hervorgingen oder eine zeitlang in Nürnberg tätig waren: So begeg­ nen wir Sebaldus Knopf (D 223) zuerst als Studenten in Wien, dann in Padua; später treffen wir ihn in Avignon und Paris, schließlich wird er im Jahre 1488 zum Magister der Theologie promoviert. Ähnlich hat auch Leonhard Remolt (D 765) Philosophie in Wien und Leipzig gehört, dann in Köln und Heidelberg Theologie studiert, bis er im Jahre 1485 zu Padua Doctor der Theologie wurde, letzteres unter der Voraussetzung, daß er identisch ist mit „Leonhard von Deutschland“. Auch Erhard Schürstab (D 877) finden wir als Philosophiestudenten in Erfurt und in Ingolstadt; in Toulouse studiert er vor allem Theologie, im Jahre 1505 wird er „creatus magister in theologia auctoritate apostolica“. Schließlich sei noch Heinrich Seytzenweiler oder Seytz (D 914) genannt; Philosophie hat er in Freiburg und Heidelberg studiert, wo er zum Baccalaureus promoviert wurde; dann finden wir ihn in Tübingen, im Jahre 1503 wird er Magister artium; später studiert er Theologie zu Wien und 1513 verleiht ihm die Heidelberger Universität den theologischen Doktor. Von der ersten Immatri­ kulation bis zur Promotion sind neunzehn Jahre vergangen. Also ein ausgiebi­ ges und ausgedehntes Studium! Was die Studienordnung der Karmeliten auszeichnet, ist, daß Studium und Praxis, Lernen und Lehren in guter Verbindung stehen. Der Student der Philosophie darf im dritten Jahr schon dozieren und der Theologiestudent soll 197 Ebd. S. 76, 277, 321. I9X Ebd. S. 87, 324. 149 Ebd. S. 91—97.

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die Heilige Schrift kursorisch erklären; wer das Lizentiat anstrebt, muß sich als Prediger bewährt haben. Man hat dem Studium viele Jahre geopfert, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß damals manches den Universitäten Vorbehalten war, was heute auf dem Gymnasium gelehrt wird. Tätigkeit der Frauenbrüder: Prediger und Beichtväter

Der Karmelitenorden, ursprünglich ein rein beschaulicher Orden, war durch die Zeitereignisse und die Erlässe der Päpste zu einem Seelsorgeorden umge­ staltet worden; demnach haben sich die Priesterbrüder vor allem dem Predigt­ amt und der Verwaltung des Bußsakramentes gewidmet. Sie haben dies sicherlich gerne und mit viel Hingabe getan; das können wir aus einem Ratschlag der Konsulenten schließen; als es unmittelbar nach dem Nürnberger Religionsgespräch darum ging, die widerstrebenden Bettelmönche — die Augustiner-Eremiten, die auf Seiten der Neuerung standen, ausgenommen — zu maßregeln, schlugen Scheurl und Marstaller vor, ihnen das Predigen und Beichthören zu verbieten, da „den dreyen ordten am meisten am predigen und beichthören gelegen“2Q0. Einzelne Ämter

Die Namen der Prediger werden seit der Mitte des 15. Jahrhunderts ge­ nannt201, wir wissen also — wenn auch nicht lückenlos — welche Frauen­ brüder in Nürnberg mit der Verkündigung des Wortes Gottes betraut waren, aber keine einzige Predigt ist auf uns gekommen, nur die Predigt- und Beispielssammlungen, die sie benützt haben könnten, sind im Bibliothekskata­ log verzeichnet. Auf weitere Ämter und Aufgaben sei hier hingewiesen: Ein Priester hatte die Mitglieder der Bruderschaft zu betreuen, einer war als Novizenmeister für die asketische Ausbildung der Ordenskandidaten verantwortlich, einige werden Lehrer in der Lateinschule, andere Lektoren der Philosophie und Theologie gewesen sein, ein Pater war Bibliothekar, ein anderer war für die Verwaltung der Klostergüter zuständig. Im Herbst mußten einige Brüder, und zwar durchwegs Priester, als Terminanten eingesetzt werden. Die Laienbrüder — manche waren Analphabeten — haben die handwerklichen Berufe, die für eine Kommunität notwendig sind, ausgeübt. Dem Konvent stand der Prior vor, er wurde vom Provinzkapitel ernannt, bzw. bestätigt, sein Vertreter war der Subprior.

200 Quellen, Rschl. 37 (16. März 1525). 201 Vgl. Deckert, Das ehemalige Karmelitenkloster zu Bamberg, S. 307 und 309.

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Im Dienste des Buches In den mittelalterlichen Klöstern hat man dem Buch besondere Aufmerksam­ keit geschenkt: Man hat Bücher abgeschrieben, sie illustriert und eingebunden. So sind die Handschriften entstanden, die nicht nur wegen ihres Inhalts, sondern auch wegen ihrer kunstvollen Gestaltung überaus wertvoll sind. Die Nürnberger Frauenbrüder haben auch hier einen bescheidenen Beitrag ge­ leistet. Von 1466 bis 1504 betrieben sie eine Buchbinderei, die bis 1491 besonders produktiv war. 84 verschiedene Stempel wurden verwendet, 14 Handschriften und 69 Drucke, also insgesamt 83 hier gebundene Bücher sind erhalten 202. Hier sei auch der Frauenbrüder gedacht, welche Bücher oder Traktate geschrieben haben, oder deren Referate aufgezeichnet worden sind203. Im Dienste der Erbauungsliteratur war Ulrich Lutz aus Mering (D 646) tätig. Er gehörte dem Augsburger Konvent an, in dem er auch die meiste Zeit seines Lebens verbrachte, doch war er nach seiner Priesterweihe im Jahre 1466 einige Jahre in Nürnberg. Im Jahre 1487 stellte er ein besonders handliches Gebets­ und Notizbüchlein zusammen, das vor allem Passions- und Mariengebete enthält 204. Henricus Flad (D 413, er wird nur auf dem Provinzialkapitel 1421 erwähnt), dessen Heimatkonvent Nürnberg war, befaßte sich mit moraltheologischen und kanonischen Fragen. Er schrieb: De differentia peccati mortalis et venialis sowie den Traktat De proprio sacerdote205. Dieser Begriff geht auf das IV. Laterankonzil zurück und war in den Auseinandersetzungen wegen des Beichthörens zwischen Welt- und Ordensklerus hart umstritten 206. Verhält­ nismäßig viel ist uns von Johannes Carpentarii I (D 174) erhalten. Er war in den Nürnberger Konvent eingetreten, einige Jahre war er Sozius des Provinzials, später finden wir ihn als Rector studii in Wien, also als Rektor der Ordenshochschule, von 1473 bis 1490 war er Provinzial. Wohl in seiner Wiener Zeit schrieb er die Quaestio de peccatoris iustificatione207, eine Kompilation aus den Werken eines gewissen Arnold und eines Suchenschatz. Die Sermones, die aufgezeichnet worden sind, dürfte er als Sozius oder als Provinzial gehalten haben. Genau datieren läßt sich nur die Collatio in Capitulo Strauhingensi208;

202 Kyriß, S. 60—63. — Die Einbände befinden sich heute in der Bayerischen Staatsbibliothek München, in der Staatsbibliothek Bamberg, in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, in der Universitätsbibliothek Erlangen sowie in der Stadtbibliothek Nürnberg. 204 Dazu Xiberta. 204 Franz Xaver Haimerl, Mittelalterliche Frömmigkeit im Spiegel der Gebetbuchliteratur in Süddeutschland, München 1952. Das genannte Büchlein in der BStBM, Clm 646. 205 Österreichische Nationalbibliothek Wien, CVP 4904, Bl. 233—251 (Flad wird hier als „de Nürenberga“ bezeichnet), sowie ebd. Bl. 185—191. 206 Siehe 10. Kap., Das Karmelitenkloster im Stadtverband! 207 BStBM, Clm 3590, B. 156—160. 208 Ebd. Bl. 161—166.

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das Kapitel fand am 25. Mai 1449 statt. Dazu kommen der Sermo ad clerum de S. Jeronimo209 und der Sermo de S. Jeronimono. Schließlich ist noch Leonhard Remolt (D 765) zu erwähnen, der viele Jahre als Lektor in verschiedenen Konventen, auch in Nürnberg, tätig war. Er schrieb: Principia Sententiarum I—IV2U. Einige Frauenbrüder haben sich als Schreiber von Büchern verdient ge­ macht. So schrieb Erasmus Doliatoris (D 319), der 1473 als Magister scholarum zu Nürnberg genannt wird, die Regeln der hll. Basilius, Augustinus und Benediktus ab212. Johannes Taffler, auch Pellificis genannt (D 70), von 1492 bis 1502 Lektor in Nürnberg, schrieb das Buch von Harrer, Collecta quarti libri Summarum (des Petrus Lombardus) ab213. Eine Augsburgerin namens Rodauer schenkte ihm das Speculum aureum de decem praeceptorem von Henricus Herpf214. In einem Epigramm am Schlüsse des Buches gedenkt er der Wohltäterin und schreibt: „O felix mulier laude digna Rodawerin ex Augusta orta Ex tuis largis manibus Presentem accepi librum Orationem tuam Deo commendo Me exoratorem promitto.“ Als einer der letzten Schreiber ist Johannes Fürnschilt (D 439) zu erwähnen, vielleicht ein Bruder des Benediktiners Sebastian Fürnschilt, der ebenfalls geschrieben hat. Johannes Fürnschilt schrieb ein Predigtbuch ab, Sermones de epistolis et evangeliis dominicalibus per annum, verfaßt von dem Dominikaner Esculanus215. Im gleichen Sammelband befindet sich ein Traktat von Jakob von Jüterbog, der vom Zisterzienserorden in den strengen Kartäuserorden übergetreten war, betitelt Oculus considerationis religiosorum, tractans de vitiis, quibus satanas religiosas personas impugnat. Auch hier ist Johannes Fürnschilt, „amator laboris“, als Schreiber angegeben (Bl. 289), seine Arbeit hat er 1519 beendet. Unter dem Priorat des Andreas Stoß wurde von Vitus Eißler (D 353) das Terminierbuch216 angelegt und von einem unbekannten Schreiber das Anni-

209 210 211 212 213 2,4 215

Ebd. Clm 3590, Bl. 105—109. Ebd. Bl. 110—114. Ebd. Bl. 164—198. StadtBN, Cent. IV 22, 2°; Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg II, S. 254f. StadtBN, Cent. IV 47, 2°; Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg II, S. 269f. StadtBN, Inc. 231, 2° (der Name Johann Taffler, pellificis, findet sich auf Bl. 325); Hain 8524. StadtBN, Cent. IV 25. Das Buch wurde, wie aus der Notiz auf Bl. 244 ersichtlich, am 13. September 1521 abgeschlossen. 216 Siehe 5. Kapitel, Terminierbezirke und Terminierbuch.

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versarium217; ein unbekannter Mönch hat auch das Brevier mit einer Reihe von Eintragungen, die für den hiesigen Konvent von Bedeutung waren, ver­ sehen218. Bedeutende Männer des Nürnberger Konvents Zum Schluß sei auf bedeutende Männer, die aus dem Nürnberger Konvent hervorgegangen sind, hingewiesen. Die Provinziale wurden schon genannt219. Hier sei Franz Közler erwähnt; er wird „Bavariae custus, Lector Moguntinus, filius huius conventus“ genannt. Diese kurze Notiz findet sich in einer Nürnberger Chronik mit Angabe seines Sterbetages (23. Juni 13 5 6 220). Franz Közler war also ein Sohn des Nürnberger Konvents, Lektor im Karmelitenklo­ ster zu Mainz und Custos der bayerischen Klöster. Zu dieser Zeit gab es nur eine deutsche Provinz, als Custos war er für die bayerischen Klöster zustän­ dig. Möglich, daß Johannes Közler, der 1525 bei der Auflösung des Konventes genannt wird, der gleichen Nürnberger Familie entstammte. Auch Conrad von Rynberck sei hier genannt, der am 22. Juli 1349 von Paris, wo er seine Studien abgeschlossen hatte, als Lektor nach Nürnberg kam221.

9. Kapitel: Die Klosterbibliothek Klosterbibliotheken lassen einen Rückschluß auf die religiöse Haltung und geistige Aufgeschlossenheit eines Konventes zu. Dabei darf allerdings der grundlegende Unterschied zwischen den Klöstern der alten Orden und denen der Bettelorden nicht übersehen werden. In jenen galt die stabilitas loci, der Mönch blieb zeitlebens in dem Konvent, in den er als junger Novize eingetre­ ten war; so wurde er von der Gemeinschaft geprägt und er selbst hat diese mitgeformt. Anders bei den Bettelorden, die Heimat des Ordensmannes war nicht der Konvent, sondern die Provinz 222; der einzelne wurde dort eingesetzt, wo er notwendig war und so finden wir innerhalb der Ordensprovinz eine starke Fluktuation. Das dürfte sich auch auf die Bücherei ausgewirkt haben; Bücher, die vorher hochgeschätzt waren, lagen später unbenutzt in den Regalen. Zudem finden wir in den Bibliotheken Bücher unterschiedlicher religiöser Haltung und geistiger Strömungen nebeneinander und so ist der Schluß berechtigt, daß Vertreter der einzelnen Richtungen im Konvent zu finden waren. 2.7 2.8 219 220 221 222

Siehe 6. Kapitel, Gottesdienst. StadtBN, Inc. 100. 2°. Siehe 2. Kapitel, Die Gründung des Nürnberger Klosters. St AN, Rst. Nbg., Handschriften, Nr. 187, Bl. 60. StadtBN, Cent. V 79 (Bl. 86); Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg II, S. 307. Bei den Karmeliten galt allerdings der Konvent, in den der Novize eingetreten war, als Heimatkonvent: Deckert, Die Oberdeutsche Provinz, S. 114f.

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Bibliotheksräume und Katalog In dem wiederholt erwähnten Kaufbrief vom Jahre 1558223 ist vom Schlafhaus am Fischbach die Rede „samt dem Summer-Rebenter, darunter auch die Liberey“. Es gab also einen Saal oder Räume für die Bibliothek, wenn sie sich auch nicht genau lokalisieren lassen. Die Bücher — es sind meist Folianten — tragen die Etikette auf der Vorderseite des Buchdeckels, was darauf schließen läßt, daß die Bücher in die Regale nicht gestellt, sondern gelegt wurden. Ein Bücherverzeichnis aus der Klosterzeit haben wir nicht; doch hat der Rat, als die Klöster übergeben worden waren, deren Bücher in den Räumen des Dominikanerklosters unterbringen und 1554/55 registrieren lassen. Diese Kataloge waren allerdings in den Büchern versteckt und sind erst 1626 wieder aufgefunden worden 224; der Bibliothekar — es dürfte der Schaffer bei St. Se­ bald M. Christoph Reich gewesen sein — gab nun den Standort der Bücher mit den Buchstaben A bis Z an, innerhalb dieser Reihen wurden die Bücher numeriert und, wenn sie auf Pergament geschrieben waren, mit M (membraneum) bezeichnet; waren sie auf Papier mit der Hand geschrieben und mit Zeichnungen versehen („literarum figuras seu formas ob oculos ponere“), so setzte er ein S vor den Buchtitel. Bücher ohne diese Bezeichnungen waren Drucke. Der Katalog der Bücher der Frauenbrüder enthält 366 Buchtitel, davon 62 Handschriften auf Pergament und 55 Handschriften auf Papier. Die Karmeliten durften Bücher besitzen; so ist es durchaus möglich, daß in dem Katalog Bücher enthalten sind, die nicht dem Kloster, sondern einem Konventualen gehört haben; auch ist es nicht auszuschließen, daß Mönche nach Auflösung des Konventes Bücher mitgenommen haben. Ein Teil der Bücher war in der hauseigenen Buchbinderei gebunden worden 225. Nach einem allgemeinen Überblick über die Bücherbestände seien vor allem die Werke der Ordensautoren und des Klosterhumanismus gewürdigt. Allgemeiner Überblick Hier seien zunächst die liturgischen Bücher, meistenteils auf Pergament geschrieben, genannt — ein Meßbuch suchen wir allerdings vergebens —, dazu einige Erklärungen wie das zweibändige Rationale divinorum officiorum des Wilhelm Durandus (f 1296). Die Heilige Schrift war in Gesamtausgaben und in einzelnen Büchern, allerdings nur in lateinischer Sprache, zu finden, auch die Biblia pauperum ist angeführt. Dazu kommen die Glossen — zum Teil dem Text beigefügt, zum Teil in eigenen Büchern — und die Bibelkommentare, angefangen von den Kirchenvätern — bei den Humanisten stand der hl. Hie­ ronymus hoch in Kurs — bis zu den mittelalterlichen Erklärern, unter denen 223 StAN, Rst. Nbg., Klöster in Nürnberg, Urkunden, Abt. Frauenbrüder, Nr. 9. 224 Es sind die Bibliothekskataloge der Benediktiner, Kartäuser, Augustiner-Eremiten, Domini­ kaner und Frauenbrüder: LBD C 389 (Fotokopie in StBN, Alte Kataloge Nr. 47). 223 Vgl. Anm. 202.

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wohl Nikolaus von Lyra (fl349) am meisten benützt wurde. Auch der Mammotrectus des Franziskaners Johannes Marchesinus (um 1300) lag im Regal; ihn hat Martin Luther als „Münchenmist und Teufelsdreck“ bezeich­ net 226. Reichlich vertreten ist die Philosophie und Theologie, angefangen von den Schriften des Aristoteles über die Sentenzen des Petrus Lombardus (t um 1160), die immer wieder kommentiert wurden, bis zu den Fürsten der Scholastik, dem Dominikaner Thomas von Aquin und dem Franziskaner Bonaventura (beide fl274). Auch Thomas von Aquin hat eine Reihe von Kommentatoren gefunden, hier seien nur sein Schüler und Ordensbruder Petrus von Bergamo (f 1482) genannt, der den bedeutendsten Index zu allen Werken des Aquinaten verfaßt hat 227. Auch an Werken des profanen Rechtes (Pandekten, Reformation der Stadt Nürnberg) und vor allem des kanonischen Rechtes war kein Mangel. Da gab es die Dekretalen, den Liber sextus, die Clementinen, die Extravagantes; bekannt­ lich hat Martin Luther mehrere kirchenrechtliche Werke zusammen mit der Summa Angelica, einer alphabetischen Anweisung für Beichtväter von dem Franziskaner Angelus Carletti (f 1495), am 10. Dezember 1520 vor dem Elstertor zu Wittenberg verbrannt 228. Auch das Breviarium perutile iuris canonici (also ein kirchenrechtliches Lexikon) des Paulus Florentinus sei hier erwähnt. Auf Werke der Pastoraltheologie und auf die Predigtliteratur konnten die Frauenbrüder schon deshalb, weil sie Prediger und Beichtväter waren, nicht verzichten. Nur einige Bücher seien hier genannt: Die Summa Astesani von Antonius von Asti (f um 1330), ein kasuistisch-seelsorgerliches Ffandbuch, die Summa de auditione confessionis et de sacramentis des Bamberger Dom­ scholastikers Johannes von Auerbach, der um die Mitte des 15. Jahrhunderts lehrte 229, ferner ein Beichtspiegel und Der richterliche Klagspiegel. Man hatte die Predigten der Nürnberger Dominikaner Johannes Nider (f 1438) und Johannes Herolt (f 1468), genannt Discipulus, sowie die Sermones der Wiener Professoren Nikolaus von Dinkelsbühl (f 1433), Paul Wann (J 1489) und Thomas Ebendorfer von Haselbach (J1464); nach Savonarola (J 1498) hätte man vergebens Umschau gehalten, aber die Gerichtspredigten des Vinzenz Ferrer (f 1419) und die Postilla des Reformpredigers Konrad von Waldhausen (t 1369) lagen in den Regalen, dazu die Predigtbücher für Sonn- und Feiertage und für die Heiligenfeste, Parati genannt 230.

226 227 228 229

LThK Bd. 4 (1932), Sp. 539. LThK Bd. 7 (1936), Sp. 152. Karl August Meissinger, Der katholische Luther, München 1952, S. 238. Hartmut Boockmann, Aus den Handakten des Kanonisten Johannes Urbach (Auerbach). Deutsches Archiv 28 (1972), S. 497—532, hier S. 514ff. 230 Johann Baptist Schneyer, Geschichte der katholischen Predigt, Freiburg i.Br. 1968, S. 205ff.

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Carmelitana231 Wie schon erwähnt, hat im Jahre 1514 das Provinzkapitel zu Augsburg die größeren Konvente verpflichtet, die Werke der Doctores ordinis, nämlich des Michael von Bologna, auch Aiguani genannt (J1400), und die des Johannes Bacho (Baco oder Baconthorp, *f* 1346) anzuschaffen 232. Michael von Bologna läßt sich in dem Bücherverzeichnis nicht nachweisen; was jedoch an Ordens­ literatur verzeichnet ist, sei im folgenden angegeben. So finden wir in einem Sammelband232 die Regula fratrum ordinis de monte Carmelo, und von Johann Batho (Baco) das Compendium loistoriarum et iuriumpro defensione institutionis et confirmationis ordinis b. Mariae virginis de monte Carmelo. Der Niederlän­ der Johannes Oudewater (Paleonydorus, f 1507) schrieb De origine Carmelitarum cum aliis rubricis, Philippus Riboti den Liber de Carmelitis und Johannes Grossi (t 1435) oder Arnold Bostius (f 1499) das Speculum Carmelitarum. Der Verfasser der Schrift De laudibus Carmelitarum ist Johannes Trithemius 234. Johannes Beetz, Professor an der Universität Löwen (J" 1476), schrieb die Expositio decalogi und auch von Baptista de Mantua (f 1516) haben sich einige Schriften erhalten, so De patientia und Opus cum commento. Bemerkt sei noch, daß die Prima Parthenice desselben Autors in Nürnberg bei Friedrich Peypus gedruckt wurde, vielleicht auf Anregung eines Karmeliten. Möglich, daß das im Katalog angeführte Cordiale quatuor novissimorum identisch ist mit der Schrift des Bostius, De quatuor novissimis. Humanismus Der Bibliothekskatalog läßt den Schluß zu, daß es im Nürnberger Konvent Brüder gab, die für die neue Geistesrichtung des Humanismus aufgeschlossen waren 235. So finden wir in den Regalen die alten Klassiker sowie die Schriften der italienischen Humanisten. Zunächst seien die Klassiker aufgeführt: Appianus, De bellis civilibus Romae; Cato, Moralitates und Liber ethicus, wohl herausgegeben von Philippus Progami; Cicero, Epistolae cum commentis; Cornelius Tacitus, De Germania; Dionysius Halicarnassus, De antiquitate Romanorum; Juvenalis cum Commento; Pontius, Rhetorica; Quintilian; Seneca, Declamationes und Opera; Valerius Maximus, De dictis et factis; Vegetius, De arte militari. In diesem Zusammenhang dürfen auch die Bücher des Plato und des Boethius, die damals eine starke Aufwertung erfuhren, gesehen werden. Doch nun zu den italienischen Humanisten! An ihrer Spitze steht Francescp Petrarca (J1374) mit De contemptu mundi; weiter sind zu finden Giovanni 231 232 233 234

Siehe Literaturverzeichnis unter Karmelitenliteratur! Deckert, Die Oberdeutsche Provinz, S. 324. StadtBN, Cent. V 79, Bl. 116f. u. 118—121. Klaus Arnold, Johannes Trithemius (1462—1516), Würzburg 1971, S. 88f., 244f. Hier auch nähere Angaben zu Bostius, Oudewater und anderen Karmeliten. 233 So auch Machilek, Klosterhumanismus, S. 44.

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Boccaccio (t 1375) mit dem Compendium de claris mulieribus und dem Kommentar zu Caesar; von Philelphus (f 1481) finden sich die Epistolae und das Elucidarium scripturarum. Ferner gab es die Elegantiae des Laurentius Valla (1457), die Epistolae des Aeneas Silvius, des nachmaligen Papstes Pius II. (t 1464), und die anstößigen Facetiae des Johannes Pogius (Poggio Braccioloni 11459). Es fehlten auch nicht die notwendigen Wörterbücher, wie Vocabularius breviloquus, Soliloquus, Poeticus und, wie es weiter heißt, alii plures. Nun möchte man natürlich gerne wissen, welche Frauenbrüder die humani­ stische Geistesrichtung pflegten und vielleicht auch die entsprechenden Bücher für die Bibliothek angeschafft haben; weiter interessiert, ob sie mit führenden Humanisten in Verbindung standen. Diese Fragen müssen in der Hauptsache offenbleiben, nur das eine kann mit hoher Wahrscheinlichkeit gesagt werden, daß Conrad Celtis und Willibald Pirckheimer zum Frauenbrüderkloster keine Beziehungen hatten 236. Bibliophile Kostbarkeiten Zum Schluß dieses Kapitels seien einige bibliophile Kostbarkeiten benannt, Schriften, die ihres Inhalts, ihrer Themenstellung oder ihrer Ausstattung wegen bemerkenswert und wertvoll sind. Da ist die Pergamenthandschrift Libellus de electione et potestate imperatoris; ein Verfasser ist nicht angegeben, auch fragt man sich, wie dieses Buch in eine Klosterbibliothek gekommen ist. Eine zweite Pergamenthandschrift ist von Aegidius von Rom (f 1316) verfaßt, De regimine principum, ein Fürstenspiegel für den Kronprinzen und nachmaligen König Philipp den Schönen von Frankreich. Auffallend ist auch der nächste Buchtitel: Epistola Luciferi ad malos principes, ohne Verfasserangabe. Zum Schluß seien die Contemplationes (oder Meditationes) des Johannes de Turrecremata (Torquemada) genannt 237. Das Buch wurde 1467 in Rom von Ulrich Han gedruckt, es ist das erste Buch, das in Rom gedruckt und mit kolorierten Holzschnitten ausgestattet wurde. Diese haben die Fresken im ehemaligen Kreuzgang der Dominikanerkirche S. Maria sopra Minerva in Rom zur Vorlage; der Dominikanergeneral und Kardinal Johann von Torquemada hat zu jedem Bild eine Meditation geschrie­ ben. Dieses Buch hatte der Arzt Dr. Hermann Schedel den Karmeliten vermacht; als das Kloster aufgehoben wurde, kam es in den Besitz der Reichsstadt, es ist das einzige unbeschädigt erhaltene Exemplar, das auf uns gekommen ist.

236 Vgl. Emil Reicke, Willibald Pirckheimers Briefwechsel, 2 Bde., München 1940 u. 1956, und Hans Rupprich, Der Briefwechsel des Konrad Celtis, München 1934. 237 Der Eintrag im Testament lautet: „Item den Carmeliten zu Nuremberg schick ich ... Johannem de Turrecremata und hexameron Ambrosii bey einander.“ Das Buch in StadtBN Inc. 4. 2°, Faksimile-Ausgabe der Meditationes von Heinz Zirnbauer, Wiesbaden 1968; Ausstellungskataloge der Stadtbibliothek Nürnberg Nr. 73, Nürnberg 1970, Kat. Nr. 22.

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10. Kapitel: Das Karmelitenkloster im Stadtverband Das mittelalterliche Nürnberg hatte eine vielschichtige Bevölkerung 238. Da waren die Patrizierfamilien (etwa 42), dann gab es die Ehrbaren (300 bis 400 Familien), zur nächsten sozialen Schicht zählten die Kaufleute., Juristen, Apotheker und Arzte. Den stärksten Anteil an der Gesamtbevölkerung machten die Handwerker aus: im Jahre 1561 über die Hälfte aller Haushaltun­ gen; freilich auch diese Gruppe läßt sich nach der sozialen Stellung und dem Einkommen wieder untergliedern. Es folgte die breite Unterschicht, das sind alle abhängigen Lohnempfänger; zur untersten Stufe dieser sozialen Gruppe zählten auch die Siechen, Obdachlosen und die Berufsbettler. Schließlich gab es noch die unehrlichen Leute, die verfemte Berufe ausübten, wie Dirnen, Henker, Totengräber, Abdecker und die Aborträumer, Pappenheimer ge­ nannt. Eine Sonderstellung nahmen die Geistlichen und Ordensleute ein. Ihre Zahl war — bei der Wertschätzung des Priester- und Ordensstandes durchaus verständlich — für unsere Begriffe verhältnismäßig hoch. Genaue Zahlen liegen für das Jahr 1450, zur Zeit des Ersten Markgrafenkrieges, vor. Der Rat ließ damals eine Lebensmittel- und Volkszählung durchführen; die Stadt hatte 20219 ortsansässige Einwohner, davon waren 446 Geistliche239. Die Bezeich­ nung Geistliche ist nicht eindeutig. Wenn wir darunter die Welt- und Ordens­ priester, aber auch alle übrigen Ordenspersonen verstehen, wie Laienbrüder, Chorfrauen und Laienschwestern, dann würde dieser Kreis knapp zwei Pro­ zent der Gesamtbevölkerung ausmachen, ein verhältnismäßig geringer Pro­ zentsatz im Vergleich zu anderen Städten. Diese Geistlichen verteilten sich auf die beiden Pfarrkirchen St. Sebald und St. Lorenz und auf die Spitalkirche Heilig Geist, die gewisse pfarrliche Rechte genoß, sowie auf die Kirche Unserer Lieben Frau. Dazu kamen sieben Männer­ und zwei Frauenklöster, die Dominikanerinnen bei St. Katharina und die Klarissen bei St. Klara. Die Leitung der Stadt lag in den Händen des Rates; dieser setzte sich aus 42 Ratsherren zusammen, von denen — nach dem Aufstand im Jahre 1348 — 34 dem Patriziat und acht den Handwerkern angehörten. Nun war die Gruppe der Geistlichen — Geistliche im obengenannten Sinn verstanden — nicht eine Gruppe unter vielen anderen; sie nahm, begünstigt durch manche Privilegien, 18 Siehe Nürnberg — Geschichte einer europ. Stadt, 32. Kap., S. 194—199, Sozialstruktur Nürnbergs (Rudolf Endres); zum Vergleich: Rolf Kießling, Bürgerliche Gesellschaft und Kirche in Augsburg im Spätmittelalter, Augsburg 1971. 39 Nürnberg — Geschichte einer europäischen Stadt, S. 194. Zum Vergleich sei auf die Fronleichnamsprozession im Jahre 1487 hingewiesen, an der 300 Priester und Ordensleute teilnahmen (Müllner, S. 1378 f.); es nahmen nicht teil die Kartäuser und die Nonnen der beiden Frauenkonvente. Diese dazugerechnet dürfte man auf die oben genannte Zahl kommen. Nach Joseph Lortz (Die Reformation in Deutschland, Bd. 1, Freiburg i. Br. 1941, S. 85f.) betrug der Anteil der Geistlichen und Ordensleute in manchen Städten bis zu 10%.

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eine Sonderstellung ein. Sie erfreute sich des Privilegium canonis, fori et immunitatis240. Vor allem das Sonderrecht der Immunität war bedenklich: man genoß alle Vorteile, die den Bürgern und Einwohnern der Stadt zustanden, ohne die Pflichten auf sich zu nehmen. So waren beim Mauerbau zur Zeit der Hussitenkriege die Geistlichen nicht eingesetzt241. Nach diesen Vorbemer­ kungen sei auf das Verhältnis des Karmelitenklosters zu den einzelnen Gruppen in der Stadt eingegangen. Das Kloster und der Rat Bei der engen Verflochtenheit, die im Mittelalter zwischen Kirche und Staat, Glauben und Leben, Religiosität und Alltagsarbeit herrschte, war es selbstver­ ständlich, daß sich der Rat auch für das religiöse und kirchliche Leben mitverantwortlich fühlte und versuchte, auf das kirchliche Leben und die Stellenbesetzung immer mehr Einfluß zu gewinnen. Schließlich hatte er es erreicht, daß er seit 1474 in allen päpstlichen Monaten (Januar, März u.s.w.) und seit 1514 auch in allen bischöflichen Monaten (Februar, April u.s.w.) die Pröpste von St. Sebald und St. Lorenz vorschlagen durfte 242. Doch schon vorher hatte man durch die Pfleger ein Aufsichtsrecht über die Kirchen und Klöster wahrgenommen. Zunächst ging es hier um den Kirchen- bzw. Klosterbesitz, der den Kirchen im Laufe der Jahre von den Bürgern vermacht worden war, also Ewiggelder, Pachtzinsen, Gülten, Häuser, Grund und Boden. Ein Kir­ chenpfleger, der dem Patriziat und dem Rat angehörte, mußte darüber Aufsicht führen und bei geschäftlichen Fragen gehört werden; ihm hatte der Ordensobere jährlich Rechenschaft abzulegen. Bei den Frauenklöstern, die ja durch die strenge Klausur in der Öffentlichkeit nicht auftreten konnten, mußte er Rechtsgeschäfte tätigen, aber auch bei den Männerorden wird bei Kauf und Verkauf oftmals auch der Pfleger benannt 243. Doch nicht nur Rechtsgeschäfte interessierten den Rat, auch auf das innere klösterliche Leben suchte er Einfluß zu gewinnen. Vor allem setzte er sich für die Klosterreform ein 244, so bei den Augustiner-Eremiten, den Franziskanern, den Dominikanerinnen und Klarissen; auch die Reform des Karmels dürfte der Initiative des Rates zuzuschreiben sein. Im Juli 1466 erging, wie schon erwähnt, eine Anfrage der kaiserlichen Kanzlei an den Rat der Reichsstadt, die Reform des Nürnberger Karmels betreffend. Die Anfrage war wohl vom 240 Nach dem privilegium canonis werden Realinjurien gegen Kleriker als Personalsakrileg gewertet (LThK Bd. 8, 1963, Sp. 775); das privilegium foris sichert den Klerikern eigenen Gerichtsstand zu (LThK Bd. 4, 1969, Sp. 224 f.) und das privilegium immunitatis bedeutet Befreiung von Diensten, Lasten und Abgaben (LThK Bd. 5, 1960, Sp. 634). 241 Nürnberg, Geschichte einer europäischen Stadt, S. 194. 242 Kraus, S. 75 u. 81 f. 243 Ebd. S. 64; bei den Frauenbrüdern ist jedoch bei Kauf und Verkauf von Gütern im Kopialbuch niemals ein Pfleger angegeben. 244 Siehe 7. Kapitel, Religiös-sittliches Leben und Reform.

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Nürnberger Rat, der am kaiserlichen Hof zu Wien einen ständigen Gesandten hatte, veranlaßt. Auch auf die Besetzung des Priorats nahm er Einfluß: Als Johannes Zeidelmaier verstorben war, wurde der Rat beim Provinzial Georg Muffel in Bamberg vorstellig und schlug Andreas Stoß als Nachfolger vor245. Als dieser dann nach dem Religionsgespräch Stadtverweis erhalten hatte und der Bruch mit der Kirche schon vollzogen war, wandte sich der Rat wiederum an den Provinzial, der vorübergehend in Nürnberg weilte, daß er die Wahl eines Priors oder Verwalters veranlasse. Es ist zumindest wahrscheinlich, daß auch schon in früheren Jahren der Rat bei Bestellung eines Priors seinen Einfluß geltend gemacht hat. Der Rat sah sich zu diesem Vorgehen verpflichtet und der Konvent dürfte dies nicht als Bevormundung und ungerechtfertigte Einmischung in seine Rechte angesehen haben. Zwischen Rat und Kloster bestand ein durchaus freundschaftliches Verhältnis; dies zeigt sich auch darin, daß der Rat Wein ausschenkte, so oft das Provinzkapitel in Nürnberg tagte. Aber auch der Konvent stand dem Rat und der Stadt gerne zu Diensten 246, vor allem in der Zeit, da weite Gebiete Deutschlands unter das Interdikt gefallen waren. Papst Johannes XXII. hatte über König Ludwig den Bayern die Exkommu­ nikation (23. März 1324) und über die Gebiete, die auf Seiten des Königs standen (also praktisch über das ganze Reich) das Interdikt ausgesprochen (17. Juli 1324)247. Unter dieses Interdikt fiel auch Nürnberg; das hatte zur Folge, daß Meßfeier und Sakramentenspendung untersagt waren. Wenn auch zu gewissen Zeiten, wie an den Hochfesten und in Todesgefahr Ausnahmen zugelassen waren, so bedeutete doch das Interdikt für die gläubige Bevölke­ rung eine ungewöhnlich schwere Strafe. Man suchte es durch besondere Privilegien wenigstens teilweise außer Kraft zu setzen. Ordensleute konnten da gute Dienste leisten; von den Franziskanern war allerdings nichts zu erwarten. Diese waren wegen des Armutsstreites mit Papst Johannes verfein­ det, einer ihrer hervorragendsten Vertreter, Wilhelm von Occam, war von Avignon, wo der Papst residierte, nach München zu Ludwig dem Bayern geflohen und kämpfte mit der Feder gegen den Papst. Dieser Wilhelm von Occam begleitete den König auch auf den Reichstag zu Nürnberg. Im Kampf gegen den Papst wurde er unterstützt von Marsilius von Padua, dem Verfasser des Defensor pacis. Dieses Buch hätte die Grundlagen des mittelalterlichen Staates sowie der Kirche erschüttern können, sollte doch alle Gewalt in Kirche und Staat nicht vom Papst oder König, sondern vom Volke ausgehen. Der 245 Siehe 12. Kapitel, Prior Andreas Stoß und das Nürnberger Religionsgespräch. 246 StAN, Rst. Nbg., Amts- u. Standbücher, Nr. 313: Einträge finden sich u.a. für die Jahre 1420 (Bl. 200), 1421 (Bl. 207); Nr. 315: 1423 (Bl. 2), 1424 (Bl. 23), 1430 (Bl. 77), 1431 (Bl. 87), 1432 (Bl. 94). Freundl. Mitteilung von H. Dr. Adalbert Deckert. 247 Heinrich Günter, Das deutsche Mittelalter, 2. Hälfte: Das Volk (Spätmittelalter), Freiburg i.Br. 1943, S. 70.

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Papst mußte sich wehren und beauftragte die Karmeliten Guy Terreni und Sygbert von Bek 248, den Provinzial der Niederdeutschen Provinz, mit der Widerlegung der genannten Kampfschrift. Die Frauenbrüder galten als papst­ treu, und in Nürnberg wurde ihnen kraft eines Privilegs 249 die tägliche Feier der hl. Messe bei geschlossenen Türen gestattet. In einer Urkunde, ausgestellt am 21. Oktober. 1326, verpflichteten sich Johannes, Provinzial der Oberdeut­ schen Provinz, und Franko, der Prior des hiesigen Karmels, daß täglich bei Tagesanbruch („singulis diebus post ortum diei, postquam dies bene discerni potest“) in der Frauenbrüderkirche bei geschlossenen Türen („januis clausis“) eine hl. Messe gefeiert werde; nur aus wichtigen Gründen dürfe sie unterblei­ ben. Eine Reihe achtbarer Bürger („discreti viri“) haben unterzeichnet. Die Urkunde läßt freilich manche Fragen offen: Haben die Ratsherren oder die Frauenbrüder um das Privileg, trotz des Interdikts Gottesdienst zu halten, nachgesucht? Doch wie dem auch sei, durch die Feier der hl. Messe haben die Karmeliten dem Rat und der Bürgerschaft einen guten Dienst erwiesen. Zu Diensten waren die Frauenbrüder dem Rat auch zu Beginn des 15. Jahr­ hunderts. Im Jahre 1402 war von Bischof Johann von Egloffstein die Würzbur­ ger Universität gegründet worden, der allerdings nur eine kurze Lebensdauer (bis 1411) beschieden sein sollte. Einer ihrer Lehrer war Dr. iur. Winand (Wiegand) von Steeg; auf ihn machte der Karmelitenprovinzial Heinrich Grefenberger (D 477) den Rat der Stadt Nürnberg aufmerksam und dieser wandte sich in einem Schreiben vom 26. Februar 1412 an den Bischof von Würzburg, so daß Winand vom Steeg als Rechtskonsulent ganz in den Dienst der Stadt trat, der er schon seit 1397 als Berater gedient hatte250. Diese Beispiele zeigen, daß man sich auf beiden Seiten um ein gutes Einvernehmen bemühte. Die Frauenbrüder und die einzelnen Schichten der Bevölkerung

Andreas Würfel schreibt: „Von fürnehmen Bürgern hatte dieses Kloster wenige Gönner gefunden; nur die benachbarten hielten sich dahin251.“ Diese Bemerkung bedarf einer Ergänzung und Berichtigung. Sicherlich waren im Vergleich zu den anderen Bettelorden das Patriziat und die gehobene Bürger248 Rom, Vatikanische Bibliothek, CVL 5709, Bl. 110v— 119r (freundl. Mitteilung von H. Dr. Adalbert Deckert). 249 BHStAM, Rep. D 3, Fase. N.R. 210; Abschrift in StadtAN, Y 209; Nürnberg — Geschichte einer europäischen Stadt, S. 42. 250 StAN, Rst. Nbg., Amts- u. Standbücher, Nr. 313, Bl. 73, und Briefbücher, Nr. 3, Bl. 210. Siehe auch Franz Machilek, Zur Geschichte der älteren Universität Würzburg. Würzburger Diözesangeschichtsblätter 34 (1972), S. 157—168, hier S. 163, und Friedrich Ellinger, Die Juristen der Reichsstadt Nürnberg in Genealogica-Heraldica-Juridica der Reichsstadt Nürnberg, Altdorf und Hersbruck, Nürnberg 1954, S. 159, 162 u. 166. 251 Andreas Würfel, Beschreibung der übrigen Kirchen, Klöster und Capellen, Nürnberg 1761, S. 19.

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Schaft bei den Stiftungen spärlich vertreten; immerhin aber sind im Anniversa­ rium zehn Patrizierfamilien aufgeführt 25 2, nämlich die Pfinzing, Stromer, Haller, Holzschuher, Grundherr, Muffel, Koler, Tücher, Rumei und Pemer; dazu kommen Familien der gehobenen Bürgerschicht, so die Schmidtmayer, Tracht, Deichsler, Valzner, Oertel, Trost, Frey u. a. Freilich sind es jeweils nur einige Familienmitglieder, die genannt werden. Der große Teil derer, die eine besondere Andacht zu den Karmeliten hatten, ist bei den Handwerkern zu suchen. Lag doch das Kloster mitten im Handwerkerviertel253, und so sprach man diese Kreise besonders an und schloß sie in einer Bruderschaft, die vor allem, aber nicht ausschließlich für die Messerer gegründet war, zusammen 254. Das Verhältnis zum Welt- und Ordensklerus Bei der Vielzahl der Geistlichen, die in Nürnberg lebten, waren Spannungen unausbleiblich; gleichwohl dürfte, aufs Ganze gesehen, zwischen den verschie­ denen Gruppen ein freundschaftliches Verhältnis bestanden haben. Das zeigt sich schon in der gegenseitigen seelsorgerlichen Aushilfe. Die gestifteten Gottesdienste in der Karmelitenkirche wurden, wie schon erwähnt, nicht immer von Frauenbrüdern gehalten, auch der Propst von Unserer Lieben Frau und Vikare von St. Lorenz und St. Sebald hielten an bestimmten Tagen die Meßfeier. Bisweilen — die Tage sind genau angegeben — wurden sie zum Mittagsmahl eingeladen 255. Besonders verpflichtet waren die Karmeliten den Deutschherren, die in unmittelbarer Nähe ihre Kommende mit Ordenskirche und Ordensspital hatten. Täglich feierte ein Karmelit bei den Deutschherren die hl. Eucharistie, entweder in St. Jakob — am Montag und Dienstag auf dem St. Jakobsaltar, am Mittwoch und Donnerstag in der neuen Kapelle auf dem Altar des hl. Evangelisten Johannes — oder in der Spitalkapelle. Der Gottes­ dienst begann dort nach der zweiten Frühmesse in St. Jakob. Ferner waren in der Spitalkapelle an allen Frauentagen, an den beiden Kreuzfesten, am Tag des hl. Erhard, des hl. Georg und der Zehntausend Ritter Gottesdienste vor­ gesehen. An den Goldfasten 256 sollten die Frauenbrüder nachts die Vigil mit neun Lektionen singen, am Tag selbst das Seelenamt halten und schließlich vor dem Frauenaltar die Totenvesper beten. Diese Gottesdienste waren in einem Vertrag festgelegt, der von Vertretern des Deutschen Ordens und des Karme-

232 Anniversarium; Nürnberg — Geschichte einer europäischen Stadt, S. 196. 253 Otto Puchner, Das Register des gemeinen Pfennigs (1497) der Reichsstadt Nürnberg als bevölkerungsgeschichtliche Quelle. Jahrbuch für Fränkische Landesforschung 34/35 (1975), S. 909—948. 254 Siehe 11. Kapitel, Die Bruderschaft zu unserer lieben Frau. 255 Anniversarium; die Aushilfe ist an den jeweiligen Tagen angegeben. 256 Goldfasten sind die Sonntage nach den Quatemberwochen, nämlich der zweite Fastensonntag, der Sonntag nach Pfingsten, der Sonntag nach dem Fest der Kreuzerhöhung (14. September) und der dritte oder vierte Adventssonntag.

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litenordens am 4. April 1400 unterzeichnet worden war257. Zu den Stiftungen, die für diese Gottesdienste gemacht wurden und die zumeist aus Ewiggeldern bestanden, gehörten auch ein Missale secundum ordinem Carmelitarum, Meß­ gewänder und Ornat. Kerzen und Wein sollten von den Deutschherren gestellt werden; das Opfer, das einging, gehörte den Deutschherren und Siechen. Die Gottesdienste sollten gefeiert werden „Gott zu Lob... und allen gläubigen Seelen zu Hilf und Trost“. Besonders sollte der Verstorbenen der Familie Holzschuher gedacht werden, zumal des Spitalmeisters Friedrich und seiner Eltern Berchtold und Gertrud Gerhauserin. Gute Zusammenarbeit im Predigtamt gab es zwischen den Karmeliten, den Predigerbrüdern und den Augustiner-Eremiten 258: So hatten die Frauenbrüder an sechs Tagen — am Fest der Unschuldigen Kinder, des hl. Thomas von Aquin, des hl. Petrus Martyr, des hl. Dominikus und der Kirchweihe (Sonntag nach dem Kilianstag) — die Predigt bei den Dominikanern zu halten. Bei den Augustinern stellten sie die Festprediger am Kirchweihsonntag (1. Sonntag nach Ostern), am Fest des Kirchen- und Ordenspatrons, nämlich des hl. Vitus und des hl. Augustinus, am Fest des hl. Bartholomäus und des hl. Leonhard, dem eine Kapelle geweiht war. Umgekehrt konnte man in der Frauenbrüderkirche die Dorriinikaner und Augustiner predigen hören, ja an manchen Tagen waren beide vertreten: so am Kirchweihfest (am Sonntag nach Mariä Himmelfahrt), am Fest der Erschei­ nung des Herrn, des hl. Sigismund und der hl.Ottilie. Am Tag des Mönchsvaters Antonius und der hl. Apollonia predigten die Dominikaner, die Augustiner am Fest der hl. Anna und der hl.Barbara. Auch in der Marthakirche, die mit einem Pilgerhospiz verbunden war, hielten die Karmeliten an einigen Tagen den Gottesdienst: am Fest der Kirchenpatronin und am Fest ihrer Reliquienübertragung, am Kirchweihsonn­ tag (Laetare oder 4. Fastensonntag), am Fest der Zehntausend Märtyrer, der hl. Ursula, des hl. Lazarus und des hl. Matthias. Auffallend ist, daß bei der gegenseitigen Aushilfe die Franziskaner nicht erwähnt werden; allein diese hatten auf Grund von Stiftungen und Verträgen fast in allen Kirchen und Kapellen Gottesdienste zu halten 259, so daß sie in der Frauenbrüderkirche nicht mehr eingesetzt werden konnten. Der Predigtaushilfe dürfte die Tischgemeinschaft gefolgt sein, so daß in sacris et in profanis die Fraternitas gepflegt wurde.

257 Kopialbuch, Bl. 158—160. Von seiten des Deutschen Ordens Unterzeichneten der Landkomtur Wolfram von Egloffstein, der Hauskomtur Graf Ludwig von Wertheim und der Spitalmeister Friedrich Holzschuher; von seiten der Frauenbrüder Henricus Grefenberger (D 477), der Prior Berthold von Dornheim und die Brüder Dittrich und Kilian. 258 Anniversarium. 259 Schmidt, S. 30.

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Gebetsverbrüderungen Hier sei auch auf die Gebetsverbrüderungen hingewiesen, die im frühen Mittelalter entstanden und Jahrhunderte hindurch geübt wurden. Die Confederacio260 bestand mit den vier Bettelorden, den Benediktinern, Kartäusern und Deutschherren sowie mit den Klarissen261 und Dominikanerinnen. Die Frauenbrüder waren „ex fraterna confederatione“ verpflichtet, wenn in den genannten Klöstern ein Todesfall eintrat, zwei Konventualen zum Gottes­ dienst zu entsenden. War ein Karmelit gestorben, so sollte dies den genannten Konventen mitgeteilt werden; Mitteilung erging aber auch an die Benediktiner zu Münchaurach, an die Augustiner-Chorherren zu Neunkirchen am Brand und zu Langenzenn, an die Augustinerinnen zu Pillenreuth und schließlich auch an das Birgittenkloster (es hatte einen männlichen und einen weiblichen Konvent) zu Gnadenberg. Auch die Zisterzienser von Heilsbronn waren von dem Provinzial Georg Muffel (D 707) am 13. Februar 1517 in die Gebetsverbrüderung aufgenommen worden262. Confederacio quattuor ordinum Zu ernstlichen Spannungen kam es wiederholt zwischen dem Pfarrklerus und den Bettelmönchen. Diese waren auf die Seelsorge, vor allem auf die Verwaltung des Bußsakramtentes und auf die Predigt eingestellt, sie waren beim Volk beliebt und wurden von ihm finanziell unterstützt und mit Legaten bedacht; zudem waren sie exemt, d. h. weitgehend der bischöflichen Jurisdik­ tion entzogen, und wurden von den Päpsten mit Privilegien reichlich ausge­ zeichnet. Der Karmelitenorden hat alle Privilegien, die ihm im Laufe der Zeit erteilt worden waren, unter Papst Sixtus IV. (1471—1484) im Mare magnum zusammer^gefaßt 263. Bevorzugung des Ordensklerus zog unausbleiblich eine Benachteiligung des Pfarrklerus nach sich; besonders beim Beichthören und Predigen bedeuteten für ihn die Bettelmönche eine starke Konkurrenz. Die Zuneigung, die das Volk zu den Bettelmönchen zeigte, ging auf Kosten der Pfarrgeistlichen. Diese mögen sich bisweilen recht überflüssig vorgekommen sein und die Ordensleute um die Zuwendungen beneidet haben. Verständlich, daß manche Pfarrherrn, wie die Plebani von St. Sebald Albrecht Fleischmann (1397—1440) und Dr. Heinrich Leubing (1440—1452), die Bettelmönche in Schranken zu weisen suchten, und daß diese wiederum sich zusammenschlossen, um gemeinsam ihre Rechte besser wahrnehmen zu können. 260 Anniversarium, Bl. 30. 261 StAN, Rst. Nbg., Klöster in Nürnberg, Urkunden, Abt. Klarakloster, Nr. 186: Bruderschafts­ brief ausgestellt am 24. April 1474 vom Provinzial Johannes Carpentarii (D 174). 262 StAN, Fürstentum Ansbach, Kloster Heilsbronn, Nr. 199. 263 Abgedruckt im Karmelitenbrevier StadtBN, Theol. 938, 2°.

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So kam es im Jahre 1366 zur Confederacio quattuor ordinum, die im Jahre 1414 erneuert wurde. Die erste Confederacio ist m. W. nur in einer fehlerhaften, auszugsweisen deutschen Übersetzung, die nach der Reformation niedergeschrieben wurde, erhalten 264; auch ist kein genaues Datum angegeben. Genannt werden der Prior der Predigerbrüder Ulrich, der Guardian der Franziskaner (ohne Na­ men), der Prior der Augustiner-Eremiten Heinrich und der Prior der Frauen­ brüder Eberhard, dazu der Pfarrer von St. Sebald Albrecht. Dieser hat allerdings dieses Amt erst von 1397 bis 1440 bekleidet; Pfarrer von St. Sebald war 1366 Ulrich Krauter. Die zweite Confederacio quattuor ordinum2bS wurde am 8. Juni 1414 im Franziskanerkloster von den vier Hausoberen unterzeichnet, nämlich dem Dominikaner Eberhard Mardach, dem Barfüßer Udalricus Krell, dem Augusti­ nereremiten Konrad Weiß und dem Karmeliten Otto Dornheim (D 327). Pfarrer von St. Sebald war der schon erwähnte Albrecht Fleischmann. Der Vertrag ist in einer Urkunde, die im Kopialbuch 143 Zeilen umfaßt, niederlegt. Sie beginnt im Namen der hl. ungeteilten Dreifaltigkeit, dann wird auf die aus einem Stück gewobene Tunika Christi hingewiesen, die durch die Verschie­ denheit des Gewebes nicht getrennt werde, wie auch die Orden die Vielfalt der Kirche unterstreichen, ohne ihre Einheit zu gefährden. So würden auch die Orden, wenn sie auch ungleich in ihren Gelübden, im Mönchsgewand und in der Observanz seien, keine Dissonanz in die Kirche bringen. Nun wolle der böse Feind — hier wird er nach Psalm 80 aper und fera singularis genannt — in den Weinberg des Herrn eindringen, indem er die Pfarrherren, die Rektoren der Kirchen und andere provozierte, daß sie den vom Apostolischen Stuhl durch viele Privilegien und Gnadenerweise ausgestatteten Ordensstand beun­ ruhigen. Letzten Endes geht es den Ordensleuten um die Verteidigung ihrer Libertates gegen die pfarrlichen Rechte und Zwänge, also um das Recht, Beichte zu hören, zu predigen und die Ordensleute, die in der Seelsorge arbeiten, zu visitieren. Es soll den Laien unbenommen sein, sich in Klöstern bestatten und auch die Exequien und Jahrtage abhalten zu lassen, wie auch keiner gehindert werden dürfe, den Mönchen Almosen zu geben, oder die Gottesdienste in ihrer Kirche zu besuchen. Auch dürfe man niemanden vom Eintritt in einen Orden abspenstig machen, oder Laien verbieten, Ordensleute zu Tisch zu laden oder Pitanzen 266 zu geben, wie diese bei der Einkleidung, bei der Profeß und bei der Primiz üblich wären. Schließlich solle der Ordensstand und die Tätigkeit der Mönche niemals beim Bischof oder anderen verleumdet werden. Sollte gegen diese hier angeführten Rechte verstoßen werden, „dann werden wir alle zugleich aufstehen, entschlossen, uns und unsere bedrückten Häuser zu schützen“ („omnes simul consurgemus prompti ad tuendum nos ... 264 LKAN, Vereinigte Kirchenvermögen, Nr. 197, Bl. 74ff. -hS Kopialbuch, Bl. 25ff. -«• Siehe Anm. 153!

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et loca molestata“). Gegebenenfalls muß man vor Gericht sein Recht suchen, die Kosten sollen gleich zu Beginn des Verfahrens auf alle vier Häuser verteilt werden. Hier ist nur eine Ausnahme vorgesehen: Sollte ein Haus wegen eines Viertels der Exequienkosten („super quarta funeralium“) gefordert werden und dieses Haus dagegen Verwahrung einlegen, dann müßte es — sollte es nicht Recht bekommen — den ganzen Betrag allein erlegen 267. Die Confederacio will ferner das Verhältnis der Mendikantenklöster unter­ einander regeln, denn auch hier mußte man mit Kompetenzfragen und mit — wenn man so sagen darf — unlauterer Konkurrenz rechnen, es sei hier nur an das Terminieren und Almosensammeln erinnert. Sollte ein Ordensmann einmal auf der Kanzel ein unvorsichtiges, überflüssiges oder ungezogenes Wort gegen einen anderen Orden aussprechen, so daß ein Gerede oder ein Ärgernis entstehe, so wolle man die Entgleisung entschuldigen und alles daran setzen, daß kein Schaden entstehe. Auch wolle man die Feste, Patrozinien und religiöse Gebräuche anderer Orden nicht übernehmen..Würde ein Mönch solches tun, müßte er von seinem Obern zurechtgewiesen und bestraft werden. Schließlich sieht der Vertrag vor, daß ein Konvent, wenn er aus der Confederacio ausscheidet, fünfzig rheinische Gulden zu zahlen habe. Auch bestimmte man, daß der Vertrag vierteljährlich am Quatemberfreitag vorge­ lesen werde. Die Hausobern oder — wenn sie verhindert wären — zwei andere Brüder sollten dann abwechselnd in einem der Ordenshäuser („vicissim et alternatim“) Zusammenkommen und Zusehen, was bisher geschehen sei bzw. in Zukunft zu geschehen habe. „Krieg wegen des peichtens“ Spannungen zwischen dem Welt- und Ordensklerus hat es immer wieder gegeben, so im Jahre 1372 zwischen Nikolaus, dem Kaplan des Pfarrers von St. Sebald268, und den vier Bettelorden. Der Grund der Zwistigkeit ist nicht angegeben, doch dürfte es sich um das Recht des Beichthörens gehandelt haben. Die Ratsherren schlugen dem Sebalder Pfarrer vor, seinen streibaren Kaplan zu entlassen („a servicio licenciando removeret“), doch dieser lehnte ab („minime acquiescens nostris rogacionibus“). Im Jahre 1451 kam es dann, wie Heinrich Deichsler in seiner Chronik berichtet, zu „einem großen Krieg zwischen den Pfarrern und den Bettelorden von wegen des peichtens“ 269. Die Mönche beriefen sich auf eine Bulle des Papstes Clemens V. (1305—1314)270, nach der es jedermann freistand, Predigt 267 Ich verstehe den Text so, daß bei den „funeralia“ (Bestattung, Totenvigil und Requiem), die in einer Klosterkirche vorgenommen wurden, ein Viertel der Stolgebühren an das zuständige Pfarramt abzuführen war. 268 StAN, Rst. Nbg., Amts- und Standbücher, Nr. 36, Bl. 23. 269 Chroniken, Bd. 4, S. 184f. 270 Karmelitenbrevier, StadtBN, Theol. 938. 2°.

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zu hören, der Messe beizuwohnen und zu beichten, wo immer er wollte. Der Plebanus von St. Sebald, Dr. Heinrich Leubing (1440—1452), dagegen nahm für sein Vorgehen das 21. Kapitel der Beschlüsse des IV. Laterankonzils (1215) in Anspruch271, das er alljährlich zur Fastenzeit von der Kanzel verkündigen ließ und das den Empfang des Bußsakramentes beim „sacerdos proprius“ verlangte. Wollte jemand bei einem fremden Priester („alieno sacerdoti“) beichten, mußte er sich vom zuständigen Geistlichen die Erlaubnis einholen. Diese unterschiedlichen Auffassungen wurden auf der Kanzel vorgetragen. Der Rat befürchtete, daß daraus allerlei Ungemach entstehen könne und wandte sich an den Bamberger Bischof Anton von Rotenhan 272. Der Streit wurde schließlich auf der Diözesansynode zu Bamberg am 3. Mai 1451 entschieden 273. Dieser Synode präsidierte der päpstliche Legat Kardinal Nikolaus von Cues 274. Bei der Beratung ging es um den Begriff „sacerdos proprius“. Man beschloß, daß der Kanon „Omnis utriusque sexus“, wie dies bisher üblich gewesen war, an allen Sonntagen der Fastenzeit verkündet werde. In Nürnberg soll der einfache Text dieses Kanons von einer bischöflichen Deputation bekanntgege­ ben werden. Allen Geistlichen und Laien wird verboten, jemanden vom Gottesdienstbesuch an Sonn- und Feiertagen in seiner Pfarrkirche oder vom Gebrauch der pfarrlichen Rechte abzuhalten. Auch darf niemand einen anderen dazu verleiten, die Konzilsbestimmung außer acht zu lassen, nach welcher er von seinem Priester die (österliche) Kommunion zu empfangen oder mit dessen Erlaubnis er einem anderen Priester wenigstens einmal im Jahr zu beichten habe. Wer solches tut, ist suspendiert vom Eintritt in die Kirche und vom Empfang der hl. Kommunion; die Absolution ist — abgesehen von Todesgefahr — dem Apostolischen Stuhl Vorbehalten 275. Durch dieses Urteil waren die pfarrlichen Rechte gewahrt und die Ordens­ priester in die Schranken gewiesen; doch auch sie sollten vor unberechtigten Angriffen geschützt werden. So wurde unter der oben festgesetzten Strafe Geistlichen wie Laien verboten, die Absolutionsgewalt der Mönche, die vom Bischof zugelassen waren, in Zweifel zu ziehen. Freilich waren die Bestimmungen für das Volk nicht leicht verständlich, und so verfügte die Synode, daß sie am ersten Fastensonntag in den Hauptorten der Diözese bekanntgegeben würden, dazu die Namen der zum Beichthören approbierten Mönche, ferner die dem Papst und Bischof reservierten Fälle und die Priester, die auch von diesen reservierten Sünden lossprechen können. 271 Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, herausgege­ ben von Denzinger-Schönmetzer, Freiburg i.Br. 1965, Nr. 812: „De praecepto annuae confessionis et communionis paschalis.“ 272 StAN, Rst. Nbg., Ratsbücher, Nr. lb, Bl. 221—223. 273 Johannes Looshorn, Die Geschichte des Bistums Bamberg. Bamberg-München, Bd. 4, 1886— 1907, S. 281; v. Guttenberg, S. 260. 274 Lübke, S. 121. 275 Urteil des Nikolaus von Cues in: BStBM, Clm 8180, Bl. 101a—102b.

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Schließlich wird unter Strafe der suspensio latae sententiae17 den Pfarrern und Bettelmönchen verboten, sich gegenseitig in Predigten zu verunglimpfen. Wer Ursache zur Klage hat, möge sich an den zuständigen Richter wenden. Mit diesem Urteilsspruch fühlten sich die Nürnberger Mendikanten benach­ teiligt und legten deshalb Beschwerde beim Apostolischen Stuhl ein277. Die Frage, ob sie etwas erreicht haben, muß offen bleiben. Jedenfalls haben die Kompetenzstreitigkeiten zwischen Welt- und Ordensklerus viel Zeit und Kraft gekostet und der Seelsorge sowie der Kirche nur geschadet. Für eine wahre Reform hat man sich zu wenig eingesetzt und dadurch der Reformation die Wege gebahnt.

11. Kapitel: Die Bruderschaft zu Unserer Lieben Frau Wie die anderen Bettelklöster Nürnbergs hatten auch die Frauenbrüder ihre Bruderschaft 278. Die Definition des Codex iuris canonici (can. 707 § 2) trifft auch auf die mittelalterlichen Bruderschaften zu: Sie sind kirchliche Vereini­ gungen, die die Frömmigkeit und die christlichen Liebestätigkeiten pflegen und zur Erhöhung des öffentlichen Gottesdienstes beitragen wollen. Errichtung und Bestätigung Bei den Karmeliten bestand wohl schon einige Zeit die Bruderschaft zu Unserer Lieben Frau, als der Provinzial Johannes Zimmermann, auch Carpentarii genannt (D 174), am 3. Juni 1474 eine Urkunde ausstellte des Inhalts, daß in diese Bruderschaft die Messerergesellen aufgenommen werden könnten 279. Am 9. Mai 1481 hat er diese im Auftrag des Ordensgenerals Christoph Martignon bestätigt 280. Weitere Bestätigungen erfolgten auf Bitten des Priors Konrad Kumberger (D 265) am 28. April 1501 im Einvernehmen mit dem Ordensgene­ ral Poncius Raynaudi durch den Provinzial Johannes Stark oder Fortis (D 421)281 und am 29. Januar 1515 durch den Provinzial Georg Muffel (D 707), der sich auf den Ordensgeneral und Vikar aller Konvente deutscher Nation, 276 Unter „suspensio“ (Codex iuris canonici, can. 2278—2285) versteht man, daß einem Geistli­ chen das Recht, sein Amt auszuüben, vom kirchlichen Vorgesetzten genommen wird. Das kann „ferendae sententiae“ oder auch „latae sententiae“ geschehen; im ersten Fall muß die Suspension eigens ausgesprochen werden, im zweiten Fall ist sie durch die Übertretung auf Grund eines schon gefällten Urteils von selbst gegeben. 277 Näheres bei Lübke, S. 134 u. 141. 278 So war Hans Schreyer, der Vater des bekannten Sebald Schreyer, Bruderschaftsmitglied bei den Augustiner-Eremiten, den Franziskanern, den Klarissen und den Dominikanern. Caesar, S. 138, Anm. 14. Nach Ausweis des Ratsprotokolls (Quellen, RV 182, vom 17. Okt. 1524, und RV 360, vom 27. Febr. 1525) gab es ferner eine Bruderschaft der Bäcker und bei St. Elisabeth eine der Färber. 279 StAN, Rst. Nbg., A-Laden-Urkunden, Nr. 78. 280 Ebd. Nr. 101. 281 Ebd. Nr. 122.

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Baptista von Mantua, berufen konnte282. Letztere Urkunde ist besonders bemerkenswert; hier wird auf Ablässe hingewiesen, die die Päpste dem Karmelitenorden erteilt haben. Als erster wird Papst Hadrian II. (867—872) genannt. Als Hadrian regierte gab es aber weder den Karmelitenorden noch war die Ablaßgewährung üblich, es handelt sich also um einen groben Ana­ chronismus. Unter den Päpsten findet sich ein Sergius V., der in keiner Papstliste zu finden ist, also niemals existiert hat. Des Rätsels Lösung: Unter Papst Innocenz VIII. (1484—1492) hatten Kurienbeamte eine Fälscherzentrale eingerichtet, die zwei Jahre lang einen einträglichen Handel mit gefälschten päpstlichen Bullen betrieb, bis 1489 der Schwindel aufgedeckt wurde 283. Die gefälschten Bullen kursierten weiter, wurden mit sträflicher Kritiklosigkeit übernommen und fanden in der erwähnten Urkunde ihren Niederschlag. Mitglieder

Uber die Bruderschaft gibt uns ein kleines Heftchen von 46 Blättern Auskunft; auf den mittleren Seiten sind die Satzungen, auf den vorderen und hinteren die Namen der Mitglieder eingetragen284. Die Bruderschaft war für die Messerergesellen gegründet worden, wahr­ scheinlich deshalb, weil diese Handwerker hauptsächlich im Karmelitenviertel ansässig waren 285. Doch sollten nicht nur Gesellen, sondern auch Meister dieses Handwerks sowie deren Frauen und Kinder aufgenommen werden und schließlich alle, die willens waren, durch „Rat, Steuer und Thun“ den Gottes­ dienst zu mehren und zu bessern. So finden wir in der Bruderschaft die meisten Handwerks berufe vertreten: die Messerer — aber durchaus nicht in der Über­ zahl —, die Rad-, Klingen- und Goldschmiede, die Flaschner, Siebmacher, Nadler und Fingerhuter, die Perlen-, Gewicht- und Windenmacher, die Schuhmacher und Färber, die Buchbinder, Fleischhacker und Bierschenken, die Pfragner und Kaufleute. Auch waren nicht alle Mitglieder in Nürnberg wohnhaft, auch Auswärtige — so aus Ulm, Erfurt, Wien und Metz — traten der Bruderschaft bei, wenn sie vorübergehend in Nürnberg weilten. Einige Mitglieder, die bekannten Nürnberger Familien angehörten, seien hier ge­ nannt: Jobst sen. und jun. Haller und deren Köchin Anna Furschelmin, Sebold Tücher in der Judengasse, Barbara Fritz Holtzschucherin, Ursula und Birgitte Bambergerin, Elspeth Herdegin bei St. Lorenz und Elspeth Krellin, Deckwe­ berin. Doch die Bruderschaft blieb nicht auf Nürnberg beschränkt; die Termi­ nanten haben in ihren Bezirken für die Bruderschaft geworben und so finden 282 Ebd. Nr. 142. 283 Seppelt, Bd. 4, S. 370. 284 Das Bruderschaftsbuch samt Satzungen und Mitgliederverzeichnis in StAN, Rst. Nbg., Amts­ und Standbücher, Nr. 340a; Die Reformation in Nürnberg, Kat. Nr. 53, S. 48 f. (Karl Ulrich). 283 Über die Messerer: Rainer Stahlschmidt, Das Messinggewerbe im spätmittelalterlichen Nürn­ berg. MVGN 57 (1970), S. 124—129; ders., Der Streit der Nürnberger Messerer 1557. MVGN 59 (1972), S. 172—197.

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sich im Terminierbuch286 bei einer Reihe von Ortschaften Personen eingetra­ gen, die der Bruderschaft beigetreten waren. Auch Adelige und fürstliche Personen sind hier aufgeführt, so in Freystadt der edle und feste Herr Lenhart Scharpfenberg, Präfekt dieser Stadt, und seine Ehefrau Margarethe (Bl. 73), in Neumarkt die Ritter Leopold, Götz und Albrecht von Wolfstein und die Herzoge Hans und Ott, beide selig (Bl. 62)287. Der Rat hatte allerdings an der Ausweitung der Bruderschaft keinen Gefallen und mahnte die Frauenbrüder, sich auf die Messerer zu beschrän­ ken288. Aus den Statuten Bei Aufnahme in die Bruderschaft waren fünf Groschen zu zahlen, an den beiden Bruderschaftstagen (am zweiten Sonntag der Fastenzeit und am Barbaratag, 4. Dezember) erwartete man bei den Männern ein Opfer von vier, bei den Frauen ein Opfer von zwei Pfennigen. War jemand mit dem Beitrag im Rückstand, wurde er gemahnt und, wenn die Mahnung ohne Erfolg blieb, gestrichen. Die Mitglieder hatten Anteil an allen verdienstlichen Werken der Frauen­ brüder, an ihren Gebeten, Betrachtungen, Fasten, Kasteiungen und Wachen, an den Früchten der Predigten und der Auslegung des Gottesworts, „gemainigklich an aller guethait, gueter werke und gehorsamlicher arbeit“. War ein Bruder oder eine Schwester gestorben, so sollte dies dem Provinzkapitel gemeldet werden, daß des Heimgegangenen bei den Meßfeiern und Gebeten in ähnlicher Weise gedacht werde, wie dies bei den Ordensangehörigen üblich war. Auch wurde den Mitgliedern, die an den Ternarien 289 die 15 Lob- oder Gradualpsalme beteten, ein „dritteyl Vergebung der sunden“ zugesichert 290. Für die Bruderschaft wurden zwei feierliche Gottesdienste gehalten, am Fest der hl. Barbara, also am 4. Dezember291, an diesem Tag mit Beimessen, und am Sonntag der Goldfasten, also am zweiten Sonntag der Fastenzeit. Der Kon­ vent erhielt am 4. Dezember drei Pfund, der Organist und die Leviten bekamen je einen Groschen, der Zelebrant wohl das übliche Stipendium; für 286 Siehe 5. Kapitel, Terminierbezirke und Terminierbuch! 287 Terminierbuch, Bl. 62. Vielleicht ist Pfalzgraf Otto (1448—1461) gemeint: Max Spindler (Hrsg.), Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 2, München 1966, S. 603. 288 StAN, Rst. Nbg., Ratsbücher, Nr. 10, Bl. 263—264 (13. Oktober 1515). Freundl. Mitteilung von H. Dr. Karl Schlemmer; dessen Dissertation in Maschinenschrift: Gottesdienst und Frömmigkeit in der Reichsstadt Nürnberg am Vorabend der Reformation, Würzburg 1977, erscheint demnächst in der Reihe der Liturgiewissenschaftlichen Quellen und Forschungen der Abtei Maria Laach. 289 Die Ternarien werden begangen an den Tagen nach dem Fest der Erscheinung des Herrn (6. Jan.), dem Fest Christi Himmelfahrt sowie um Allerheiligen (l.Nov.). 290 Urkunden von den Jahren 1501 und 1515: StAN, Rst. Nbg., A-Laden-Urkunden, Nr. 122 und 142. 291 Wahrscheinlich wurde diese Heilige als Patronin der Messerer verehrt.

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das Amt zur Goldfasten waren zehn Groschen vorgesehen. Ein Messerergeselle war verpflichtet, bei den Gottesdiensten die Kerzen anzuzünden; versäumte er das, sollte er ein Vierdung Wachs geben. Bruderschaft bedeutete gegenseitige Hilfe, vor allem Hilfe für die Verstor­ benen. So bestimmte die Satzung: War ein Bruder (oder eine Schwester) in Not geraten, so sollte man „bescheidentlich hilfe tun mit Worten und werken“. Starb ein Bruder, wurden die Mitglieder zum Begräbnis und zum Gedächtnis­ gottesdienst eingeladen; zwei Gesellen waren dafür verantwortlich, diese mußten den Todesfall (wohl über den Prior) auch dem Provinzkapitel melden. Wer dann Begräbnis oder den Gottesdienst versäumte oder erst nach der Wandlung kam, sollte ein Vierdung Wachs geben; gab er Geld, sollte dafür Wachs gekauft werden. Die Verwaltung der Bruderschaft lag bei den Messerern; je zwei Meister und Gesellen sollten ein Vierteljahr lang die Geschäfte führen. Das Geld, die Geschrift, die versiegelten Briefe und das Register waren in einem Behaltnus, auch Gesperr genannt, aufbewahrt, zu dem die Frauenbrüder den Schlüssel hatten. Nach Ablauf der Amtszeit sollten die bestellten Meister und Gesellen Rechenschaft ablegen und den Brüdern und Schwestern, die Interesse hatten, das Register vorlesen. War Uberschuß in der Kasse, durfte am nächsten Sonntag die Hälfte für einen Umtrunk ausgegeben werden. Bedeutung Das Bruderschaftswesen ist aus der spätmittelalterlichen Frömmigkeit nicht wegzudenken. Viele Gläubige werden den Bruderschaften beigetreten sein, um sich die Fürbitte beim Gebet und Gottesdienst auch nach dem Tode zu sichern. Für die Mönche aber bot diese Gemeinschaft die Möglichkeit, diejenigen, die eine „besondere Andacht“ zu ihrem Orden und zu ihrer Kirche hatten — und in der mittelalterlichen Stadt gab es in der Regel mehrere Orden und viele Kirchen — enger an sich zu binden und sie in ihre besondere Spiritualität, also in die Marienverehrung, einzuführen. Ob das und wie weit das mit Erfolg geschehen ist, ist eine andere Frage. Auch darf nicht übersehen werden, daß manche Gläubige mehreren Bruderschaften angehörten und somit nicht einem Orden ausschließlich verbunden waren. Die finanziellen Opfer der Mitglieder dienten dazu, den Gottesdienst festlich zu gestalten und die Kirche mit Kunstwerken auszustatten. Den Bruderschaftsmitgliedern — es waren, von einzelnen Ausnahmen abgesehen, meist durchaus einfache Leute aus dem Volk — wurde eine bescheidene Verantwortung im kirchlichen Bereich übertragen und ihnen die Sorge für eine würdige Feier des Gottesdienstes und die Sorge für die in Not geratenen Brüder anvertraut. Es war die mittelalterliche Form des Laienapostolats. Mit der Auflösung des Frauenbrüderkonvents war auch das Ende der Bruderschaft gekommen; die vorhandenen Gelder wurden dem Großen Almosen überlassen. 77

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12. Kapitel: Prior Andreas Stoß und das Nürnberger Religionsgespräch 1525 Der Karmelitenprior Johannes Zeilmayr war gegen Ende des Jahres 1519 gestorben292. Der Rat der Stadt, der sich für das kirchliche Leben verantwort­ lich fühlte, ließ den Provinzial Georg Muffel bitten, daß für den Verstorbenen ein „tapferer und verständiger Mann“ gewählt werde, der „in geistlichen und weltlichen Dingen dem Kloster wohl vorstehen möge“; bei diesem Vorschlag wurde Andreas Stoß (D 960) genannt293. Dieser Vorschlag dürfte dem Wunsch des Provinzials entsprochen haben und so wurde Andreas Stoß nach Nürnberg berufen. Er hat sich als „tapferer und verständiger Mann, der dem Kloster in geistlichen und weltlichen Dingen gut Vorstand“, erwiesen; freilich in einem ganz anderen Sinn, als es sich der Rat gedacht hatte. Der neue Prior

Andreas Stoß hat um das Jahr 1480 zu Krakau das Licht der Welt erblickt, wohl als erstes Kind des Bildhauers Veit Stoß aus Nürnberg, der einer Einladung der deutschen Kaufmannschaft folgend mit seiner Ehefrau Barbara, geb. Hertz, 1477 dorthin übergesiedelt war. In Krakau, der Residenz der polnischen Könige, ist Andreas aufgewachsen, sein Vater hat für die Marienkirche den mächtigen Marienaltar geschaffen. Im Jahr 1496 kehrte die Familie, die nun acht Kinder zählte, nach Nürnberg zurück und Andreas trat bald darauf in das Karmelitenkloster zu Nürnberg ein294. Im Jahre 1502 wurde er vom Provinzialkapitel zu Ravensburg zum Studium der freien Künste an der Universität Krakau freigegeben. Die Kosten

292 Zu diesem Kapitel vor allem: Quellen zur Nürnberger Reformationsgeschichte bearb. von Gerhard Pfeiffer, zitiert: Quellen, mit den Abkürzungen, die auch Pfeiffer verwendet: RV = Ratsverlässe und Eintragungen der Ratsbücher, S. 1—103; Prot. BA = Auszüge aus den Bamberger Domkapitelsprotokollen, S. 103f.; ¥U = Georg Klostermairs Niederschrift über das Nürnberger Religionsgespräch: „Warhafftige unterricht“, S. 105—150; Rschl. = Rat­ schläge, S. 153—258; Br. = Briefe und Akten, S. 259—447; Publ. = Publizistik: Handlung eines ersamen und weysen rats, S. 448—462; sowie Schaffer und Nürnberg — Geschichte einer europäischen Stadt, 25. Kap.: Entscheidung zur Reformation, S. 146—153 (von Gerhard Pfeiffer). 293 StAN, Rst. Nbg., B-Laden-Akten, S I L 203 Nr. 3, Bl. 53 u. 57. 294 Die Familie Stoß hatte gute Verbindung zum Karmelitenorden. So ist auf dem Marienaltar zu Krakau, den Veit Stoß geschnitzt hat, ein Apostel in der Tracht eines Karmeliten dargestellt, wohl eine Erinnerung an Peter Stoß, der 1455 als Provinzial der Sächsischen Provinz starb. Veit Stoß hat seine Hausmadonna (jetzt im Germanischen Nationalmuseum) mit sechszacki­ gen Sternen geziert, den Zeichen dieses Ordens, der Maria als „astrifera“ verehrte. Als er im Oktober des Jahres 1503 wegen Urkundenfälschung mit der Einkerkerung rechnen mußte, hat er im Karmelitenkloster zu Nürnberg Zuflucht gesucht und zwar zu einer Zeit, da sein Sohn Andreas noch nicht in Nürnberg weilte; so liegt der Schluß nahe, daß Veit Stoß der Karmelitenbruderschaft angehörte. Lutze (wie Anm. 90), S. 34 und 63, und Tafeln Nr. 11 u. 46. Maria als „astrifera“ in: Anniversarium, Bl. 1. — Siehe auch Adolf Jaeger und Otto Puchner, Veit Stoß und sein Geschlecht, Neustadt a.d.Aisch 1958.

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bestritt der Vater Veit Stoß295. Drei Jahre später zog er nach Wien, um mit dem Studium der Theologie zu beginnen. 1508 wurde er vom Provinzkapitel zu Bamberg zum Informator an dem Studium generale zu Wien ernannt. In diesen Jahren dürfte Andreas zum Priester geweiht worden sein. 1510 finden wir ihn auf dem Provinzkapitel zu Nördlingen, wo er das Protokoll führte; hier wurde er zum Lektor der Heiligen Schrift bestellt. 1513 wurde er zum Prior des Konvents in Budapest berufen; sein Vorgänger Johann Zeilmayr war als Prior nach Nürnberg versetzt worden. Sieben Jahre später sollte er selbst Prior in Nürnberg werden; Andreas Stoß wird gerne angenommen haben: In Nürnberg war sein Heimatkonvent, hier lebte noch sein Vater, der, nach einem entehrenden Urteil — wegen Urkundenfälschung waren ihm die Backen gebrannt worden — wieder rehabilitiert, vom Kaiser und von Patriziern wieder ehrenvolle Aufträge erhalten hatte. A uflösungserscheinungen So gern Andreas Stoß nach Nürnberg gezogen sein dürfte, für einen Ordens­ mann, der treu zur Kirche stand, konnte die Zeit nicht ungünstiger sein. In Buda hat er von den religiösen Bewegungen, die Deutschland erschütterten, nur von ferne gehört; in Nürnberg stand er im Zentrum der religiösen Auseinandersetzungen. Die Augustiner-Eremiten standen von Anfang an auf seiten ihres Ordensbruders Martin Luther, und da sich bei ihnen die führenden Männer der Stadt trafen, konnte die neue Glaubensrichtung rasch festen Fuß fassen. Die Thesen Luthers wurden hier ins Deutsche übersetzt, seine Schrif­ ten hier gedruckt und verbreitet und die kirchlichen Stellen mit seinen Schülern besetzt: Georg Peßler und Hektor Pömer waren die Pröpste von St. Sebald und St. Lorenz, Dominikus Schleupner und Andreas Osiander wirkten an den genannten Kirchen als Prediger und Thomas Venatorius hatte die Predigtstelle im Neuen Spital erhalten; es waren gelehrte und wortgewalti­ ge Männer, denen die Altgläubigen nichts Ebenbürtiges zur Seite stellen konnten. Aufgaben und Schwierigkeiten im Konvent Der neue Karmelitenprior suchte zunächst im eigenen Haus Ordnung zu schaffen: manches scheint da im Argen gelegen zu haben296. Er ließ ein neues Terminierbuch297 und ein Anniversarium 298 anlegen und am 13. Juli 1520 gaben er und sein Konvent — nur ein Konventuale war dagegen — bei seinem Vater einen Altar in Auftrag, der in drei Jahren fertig sein sollte299. 295 29fl 297 298 299

StAN, Rst. Nbg., B-Laden-Akten, S I L 203 Nr. 3, Bl. 51, 53 u. 57; Schaffer, S. 8 ff. StAN, Rst. Nbg., B-Laden-Akten, S I L 203 Nr. 3, Bl. 50. Siehe 5. Kap., Terminierbezirke und Terminierbuch! Siehe 6. Kap., Gottesdienst! Siehe 3. Kap., Kirche und Kloster; Schaffer, S. 22; ferner: StAN, Rst. Nbg., B-Laden-Akten, SIL 203 Nr. 3, Bl. 18.

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Wichtig war, daß die Predigstelle mit dem rechten Mann besetzt wurde; in den ersten Jahren hat Stoß selbst den Predigtdienst versehen. Von seinen Predigten haben wir keine Aufzeichnungen, gleichwohl dürfen wir annehmen, daß er sein Amt gut geführt hat; bei seiner festen katholischen Überzeugung hat er sicher im Sinne der Kirche gelehrt, ohne sich dabei Ausfälle gegen Andersdenkende zuschulden kommen zu lassen. So blieb er in seinem Predigt­ amt von seiten des Rates unbehelligt, während die Franziskaner Dr. Johannes Wintzler und Jeremias Mülich aus der Stadt gewiesen wurden300. Der neue Geist machte auch vor den Klostermauern nicht Halt; im Juli 1523 verließen vier Konventualen, unter ihnen Johann Walter, der zwanzig Jahre Beichtvater bei den Augustinern und im eigenen Konvent gewesen war, das Kloster. Stoß schloß sie vom Konvent und vom Orden aus. Der Rat nahm eine vermittelnde Haltung ein: die ausgesprungenen Mönche mahnte er, wenn sie nicht aus der Stadt verwiesen werden wollten, ein friedliches, züchtiges und ehrbares Leben zu führen, der Prior aber erhielt die Weisung, die Mönche nicht zu verhaften und vor allem darauf bedacht zu sein, daß sein Prediger, Ludwig Hirsvogel (D 542), das lautere Evangelium verkünde und sich fremder Glossen enthalte301. Viel zu schaffen machte dem Prior Niclas Eudrisch (D 367). Dieser war ein Sohn des Nürnberger Konvents und hatte sich 1517 in Wittenberg für das Magisterium in artibus vorbereitet; 1523 oder 1524 war er aus dem Kloster ausgetreten, bzw. er hatte sich vom Provinzial beurlauben lassen; vielleicht gehörte Eudrisch zu den schon genannten vier Mönchen, die im Jahre 1523 den Konvent verlassen haben. Er wollte nun sein und seines Bruders Vermögen, das er dem Kloster überlassen hatte, zurückhaben; Andreas Stoß dürfte für dieses Verlangen nur taube Ohren gehabt haben und so schaltete Eudrisch den Rat ein. Die Konsulenten waren der Ansicht, der Rat könne den Mönchen, falls der Prior nicht willfährig sein sollte, das Betteln verbieten 302. Doch der Rat sah von dieser Drohung ab und mahnte den Prior, sich mit Eudrisch um sein eingebrachtes Gut „in ziemlicher Weise“ zu vertragen 303. Eine Einigung kam nicht zustande und so wandte sich Eudrisch über den Rat an den Provinzial 304. Dessen Antwort konnte der Rat dem Bittsteller am 13. August 1524 eröffnen 305; über ihren Inhalt sind wir nicht unterrichtet. Nochmals wird Andreas Stoß am 3. September 1524 nahegelegt, den Fall zu bereinigen, doch nun macht der Rat Zugeständnisse: wenn es dem Konvent beschwerlich sei, möge wenigstens das vom Bruder eingebrachte Geld in eine andere Hand gelegt werden306. Doch geschehen ist nichts und so wurde ein halbes Jahr 300 301 302 303 304 305 306

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Schaffer, S. 25 u. 27; Schmidt, S. 53 u. 55. StAN, Rst. Nbg., Ratsbücher, Bd. 12, Bl. 251; Schaffer, S. 30. Quellen, RSchl. 4 (6. Juli 1524). Ebd. RV 77 (9. Juli 1524). Ebd. RV 113 u. 124 (28. Juli bzw. 3. August 1524). Ebd. RV 139 (13. August 1524). Ebd. RSchl. 10 (2. September 1524) und RV 152 (3. September 1524).

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später der Provinzial nochmals ersucht, dem Niclas Eudrisch „zu dem seinen“ zu verhelfen 307. Zu der religiösen Verunsicherung, die tief in den Konvent reichte, kamen finanzielle Schwierigkeiten. Die Terminiererträgnisse dürften sich stark ge­ mindert haben, neue Stiftungen wurden nicht mehr getätigt, ja Jeronimus Peßler, der in Not geraten war, wollte die Stiftungen, die seine Eltern dem Frauenkloster gemacht hatten, zurückfordern 308. Doch hier lehnte der Rat — bei allem Verständnis für die Notlage des Antragstellers — ab, „weil wir die Stiftungen, jartäg und selgeret in unser stat für uns selb nit abgeschafft haben“ 309. Mit diesem Bescheid war Peßler keineswegs einverstanden. Er beschuldigte Prior und Konvent „vil sundlicher, unchristlicher, gottloßer handlung“; der Rat jedoch nahm die Angegriffenen in Schutz, von ihrem „sundlichs und ergerlichs handeln sei pißher ainich [= nichts] offenwar“, so daß die Mönche im Genuß der Stiftung bleiben sollten310. Diser Beschluß mag die Karmeliten beruhigt haben, sie wußten den Rat auf ihrer Seite, wenn weitere unbillige Forderungen an sie herangetragen würden. Gleichwohl mußte der Prior sein Hab und Gut Zusammenhalten. So kommt dem Rat zu Ohren, daß dieser sein „clainot... daselbst soll eingeslagen haben“ und er begehrt Näheres darüber zu erfahren311. Man wundert sich, daß der Rat überall seine Augen und seine Zuträger hatte. Ärger gab es auch mit den Messerern. Diese waren, wie bereits geschil­ dert312, in die Bruderschaft der Karmeliten aufgenommen worden; die Einnah­ men der Bruderschaft dürften sich im Laufe der Jahre zu namhaften Beträgen angehäuft haben. Die Messerer wollten wohl Genaueres darüber wissen, vielleicht auch, daß sie einen Teil der Erträgnisse zurückforderten. Der Prior hat darauf die Messerer hart angefahren und sie „unerbarer handlung“ beschul­ digt. Jetzt schaltet sich der Rat ein: der Prior solle den Messerern nicht unehrbare Handlungen vorwerfen und das Wachs, das „im versperr“ sei, herausgegeben oder zehn Gulden dafür zahlen, „ornat, kleinod, leuchter und anders“ sollen beim Kloster bleiben. Die Messerer aber sollten sich darüber vergewissern313. Diese aber gaben nicht nach: „ornat, clainot und anders“ sollte dem Rat übergeben werden, sie selbst beanspruchten einen Zentner Wachs und ihr Leichtuch. „Solich erpieten hat ein rat zu gefallen angenom­ men“, die Messerer erhielten Bahrtuch und Wachs; Ornat und Kleinodien aber blieben im Kloster314. 307 308 309 3.0 3.1 312 313 314

Ebd. RV 457 (31. März 1525). Ebd. RV 165 (26. September 1524). Ebd. Br. 50 (26. September 1524). Ebd. Br. 117 (8. Februar 1525). Ebd. RV 251 (30. Dezember 1524). Siehe 11. Kap., Die Bruderschaft. Quellen, RV 273 u. 274 (9. Januar 1524). Ebd. RV 277 (10. Januar 1525).

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Das geplante Religionsgespräch auf dem Reichstag zu Speyer Das alles waren nur kleine Geplänkel, die Entscheidung sollte für Nürnberg im Frühjahr 1525 fallen. Die Reichsstadt war in diesen Jahren zum Brennpunkt der Reichs- und Kirchenpolitik geworden. Hier hatten — wenn auch nur für kurze Zeit — das Reichskammergericht und das Reichsregiment ihren Sitz, hier wurden in den Jahren 1522/23 und 1524 Reichstage abgehalten315. Auf dem ersteren Reichstag ließ Papst Hadrian VI. durch seinen Legaten Chierigati freimütig die Schuld der Hierarchie bekennen. Die erwartete Wirkung dieses Schuldbekenntnisses blieb freilich aus, der Reichstag wiederholte nur die gravamina nationis Germanicae und verlangte ein freies christliches Konzil auf deutschem Boden. Bis dahin sollte nicht anders „denn das hl. Evangelium nach Auslegung der Schriften, von der Kirche approbiert und angenommen“, gepredigt werden. Auch der Reichstag vom Jahre 1524 kam in der Religions­ frage nicht weiter; doch wollte man sich im Winter in Speyer über die strittigen Fragen entscheiden, wofür die Stände des Reiches durch ihre Gelehrten die Vorbereitungen treffen sollten316. Im fränkischen Raum ergriff Markgraf Kasimir von Brandenburg-Ansbach die Initiative und ließ 23 Artikel zusammenstellen317, die die Grundlage für eine Diskussion bilden sollten. Diese Artikel wurden dem Rat der Stadt Nürnberg übersandt, der am 29. August 1524 „die verzaichneten artikel [wohl die des Markgrafen Kasimir] den predigern und orden der dreyer partheijen“ zur Begutachtung weitergab318. Die Ratschläge gingen, nachdem der Rat wiederholt moniert hatte319, kurz vor dem 10. Dezember im Rathaus ein 320. Die Arbeit der drei Bettelklöster trägt die Unterschrift: „Die Presidenten und convent der dreyer closter parfus, prediger und carmelitten ordens zu Nürn­ berg“ 32k Ein Verfasser ist nicht genannt, doch dürfte kein anderer als Andreas Stoß hiefür in Betracht kommen 322. Die Gutachten der drei Parteien übersand315 Nürnberg — Geschichte einer europäischen Stadt, S. 148 ff. 3,6 Ebd. S. 150. 317 Ebd. S. 152. Siehe auch Karl Schornbaum, Die Stellung des Markgrafen Kasimir von Brandenburg zur reformatorischen Bewegung. Nürnberg 1900, S. 60; Reformation in Nürn­ berg. Umbruch und Bewahrung, Nürnberg 1979, Kat. Nr. 110, S. 90 (Franz Machilek). 3,8 Quellen, RV 150 (29. August 1524). 319 Ebd. RV 168 u. 181 (1. u. 17. Oktober 1524). 320 Ebd. RV 222 (10. Dezember 1524). 321 Die drei Parteien sind: Die Prediger von St. Sebald, St. Lorenz und vom Hl. Geist-Spital (Dominkus Schleupner, Andreas Osiander und Thomas Venatorius), die im Dienste der Stadt standen. Zur zweiten Gruppe gehören die der Reform zuneigenden Theologen der AugustinerEremiten, der Benediktiner und Karthäuser (Wolfgang Volprecht, Sebastian Fürnschild und Blasius Stöckl). Der dritten Partei sind die Vertreter der Bettelorden zuzurechnen: die Dominikaner Konrad Pflüger und Jobst Pregler, die Franziskaner Michael Frieß und Lienhard Ebner und die Karmeliten Andreas Stoß und Ludwig Hirsvogel. Dazu kommen die Prediger bei den Dominikanerinnen und Klarissen Georg Erber und Nikolaus Lichtenstein. Siehe hierzu Quellen, RV 150, 168 u. 181. 322 So Schaffer (S. 36, Anm. 5), der den Ratschlag der Bettelmönche (Text S. 131) mit der von

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te der Rat dem Markgrafen Kasimir und dem Grafen Wilhelm von Henne­ berg 323; bei dem geplanten Reichstag zu Speyer sollten sie als Gesprächsunter­ lage dienen. Das Nürnberger Religionsgespräch 1525

Der Reichstag kam nicht zustande, die Ratschläge sind in den Kanzleien verstaubt, die Mühe der Nürnberger Geistlichen schien umsonst gewesen zu sein; allein ganz umsonst war sie nicht. In der Annahme, daß der Reichstag zu Speyer so bald nicht zustande käme, und wohl auch beeinflußt durch die Vorgänge im Kartäuserkloster324, trug sich der Rat mit dem Gedanken, durch ein Religionsgespräch die verschiedenen religiösen Strömungen, die es in der Stadt gab, zur Einheit zu bringen und damit auch zu einer einhelligen Predigt zu kommen. So ließ er am 7. Januar 1525 die Prediger der unterschiedlichen Richtungen befragen, was einem Christenmenschen zur Erlangung der Seligkeit zu wissen not sei 325. Die Antworten gingen am 14. und 16. Januar 1525 ein 326. Die Bettelmönche faßten in sieben Thesen alles zusammen, was ein Christ wissen müsse, um zur Seligkeit zu gelangen. Am Schluß ihrer Ausführungen wiesen sie auf die Gespaltenheit und den Unfrieden hin, die jetzt in der Stadt herrschten, hin: „Wo aber frid und lieb zerstert wirt, da mag Christus nit wonen und sein; den er ist, wie Paulus sagt, 1. Corin. 14 ein Got des frids, lieb und ainigkait, nit deß unfrids und zertrennung“ 327. Die Thesen der neugläubigen Prediger sind nach gründlicher Überprüfung von Osiander in zwölf Artikeln, die dem Religionsgespräch als Grundlage dienten, zusammengestellt worden 328. Am 20. Februar wurden sie den Obern der drei Bettelorden samt einer Einladung zum Religionsgespräch, das am 3. März stattfinden sollte, zugestellt 329. Diese überreichten daraufhin am 27. Februar dem Rat eine „suplication“ 33°; die Teilnahme am Religions­ gespräch lehnten sie ab: Seit etlichen Jahren würden in Nürnberg die Ordens­ leute geschmäht, gelästert und verächtlich gemacht; da sei nicht einzusehen,

323 324 323 326 327

328 329 330

Andreas Stoß verfaßten „Antwort und Repulsion“ auf die Leipziger Artikel von 1539 vergleicht und auf Grund des gleichen Inhalts und wörtlicher Anklänge zu diesem Schluß kommt. Quellen, RV 226 (13. Dezember 1524). Die Reformation in Nürnberg, Kat. Nr. 112, S. 91 f. (Franz Machilek). Quellen, RV 270. Ebd. WU Bl. 12 u. 13. Text in: Quellen, WU Bl. 2—12. Verfasser ist der Franziskaner Georg Klostermair (WU Bl. 45), wohl jener Bruder Jörg, dem der Rat wegen seines „ungeschickten Redens“ am 22. April 1524 die Ausweisung angedroht hatte: Quellen, RV 535. Die Artikel bei Wilhelm Ferdinand Schmidt u. Karl Schornbaum, Die Fränkischen Bekennt­ nisse, München 1930, S. 435ff., und Quellen, WU Bl. 13. Quellen, RV 351. Ebd. RV 359; WU Bl. 17—45; Br. 136 (27. Februar 1525).

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daß ihre Anwesenheit beim Gespräch dem Frieden dienlich sei. Auch sei die Disputation „ain ganz zenkisch und hederisch ding“ und zudem durch das Kaiserliche Edikt von Burgos vom 15. Juli 1524 verboten; doch seien sie bereit, sich dem Urteil der Universitäten Heidelberg, Ingolstadt oder Tübingen zu unterwerfen. Diese Supplikation dürfte unter dem maßgebenden Einfluß von Andreas Stoß verfaßt worden sein331; der Rat hielt sie für ungeschickt und übergab sie seinen Rechtsgelehrten zur Begutachtung 332. Er wußte sehr wohl, daß auch in den Bettelklöstern verschiedene Meinungen herrschten und sandte am 28. Fe­ bruar eine Deputation zu ihnen: die Konventualen sollten zusammengerufen und einzeln befragt werden, ob die Supplikation in ihrer aller Namen über­ geben worden sei 333. Doch die Hausobern wußten ihre Rechte zu schützen, sie ließen die Delegierten nicht mit den Konventsmitgliedern sprechen und versicherten, daß alles, was verhandelt werde, im Namen der ganzen Kloster­ familie geschehe. Was die Teilnahme am Religionsgespräch betreffe, so müsse man sich mit den anderen Konventen in Verbindung setzen; wenn das geschehen, werde man dem Rat Antwort geben. Unter Protest zogen die Gesandten ab. Um das Religionsgespräch kamen die Altgläubigen nicht herum; sie kamen aber nur, um dem Rat wohlzugefallen und unter der Bedingung, daß keine Disputation abgehalten werde. Stoß konnte bei seinen Parteigängern noch durchsetzen, daß man sich in keine Unterhandlung einlasse und sich auf die überreichte Schrift berufe 334. Im März des Jahres 1525 fand im großen Rathaussaal das Religionsgespräch statt 335; den Vorsitz führte der Ratskonsulent Dr. Christoph Scheurl. Als Schiedsrichter fungierten Friedrich Pistorius, Abt von St. Egidien, Georg Peßler und Hektor Pömer, die Pröpste von St. Sebald und St. Lorenz, und Johann Poliander, der frühere Domprediger zu Würzburg. Die erste Sitzung am Freitag, dem 3. März, wurde von Dr. Christoph Scheurl eröffnet; anschlie­ ßend verlas der Ratsschreiber Lazarus Spengler die zwölf Artikel und man begann das Gespräch mit der ersten These: „was die sünd sey und ir straf“. Von seiten der Neuerer äußerte sich Dominikus Schleupner. Die Altgläubigen, um ihre Meinung gefragt, verlangten durch ihren Sprecher Lienhard Ebner, daß die sieben Artikel ihrer Schrift „was einem layen not zu wyssen sey zur seligkait“ vorgelesen würden 336. Dies geschah; darauf hielt Andreas Stoß „ein verdroßne red“, er berief sich auf „concilia, christlich kirchen, haylige väter, alt herkommen, kaiserlich mandat“ und wies auf die „groß gferlichkait der stat“ 331 332 333 334 335

Schaffer, S. 42, Anm. 2. Quellen, Br. 136 (27. Februar 1525). Ebd. RV 362 u. Anm.; StAN, Rst. Nbg., Ratsbücher, Nr. 12, Bl. 291. Schaffer, S. 43. Ebd. S. 44ff. u. Acta Colloquii religionis causae Norimbergae habiti, ed. Andreas Georg Will, Altdorf 1766. 336 Acta (wie vorige Anm.) und Quellen, Publ. — Die Sitzordnung in: Quellen, RV 363, Anm.

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hin; mit anderen Worten, der Karmelitenprior hat sich dagegen verwahrt, daß die Heilige Schrift unter Hintansetzung der Überlieferung und des kirchlichen Lehramtes als einzige Glaubensquelle gelte. Für die folgenden Sitzungen, die am 5., 7. und 12. März stattfanden, wurden Andreas Osiander und Michael Frieß als Sprecher der beiden Parteien vorge­ schlagen. Bei der dritten These „was gerechtigkait sey, die vor Gott gyltu ging es um das Materialprinzip der Reformation. Hier scheint Osiander seine Gegner besonders hart angefaßt zu haben. Jedenfalls beklagte sich der Guar­ dian: „Es ist furbrucht, es sol ein freundlich, brüderlich, christlich gesprech sein, kainer den andern schmehen oder schelten, on alle schmachwort antwor­ ten ... Das wirt nit gehalten.“ Andreas Stoß schloß sich seinem Vorredner an: „es würt da nichts außgericht, dann nur schelten, schmehen, zangk und hader.“ Am 14. März fand die Schlußsitzung ohne die Altgläubigen statt; in einem Schreiben an den Rat 337 hatten sie ihr Fernbleiben begründet: Man könne sich keinen Gewinn versprechen, da kein unparteiischer Richter vorhanden sei, auch handle es sich um eine durch kaiserliches Mandat verbotene Disputation, ganz gleich welchen Namen man ihr gebe. Schließlich wiederholten die Mönche ihre Entschlossenheit, sich nur dem Urteil der genannten Universitä­ ten oder dem Spruch des Bischofs zu unterwerfen. Diese Antwort war ganz im Sinne des Andreas Stoß und wohl auch von ihm inspiriert. Die Fronten waren klar abgesteckt, an eine friedliche Lösung nicht mehr zu denken. Das Gespräch auf dem Rathaus wurde, obgleich der Partner fehlte, zu Ende geführt. Dr. Scheurl, der das Religionsgespräch eingeleitet hatte, sprach auch das Schlußwort: „... wollen sich meyne herren des radts darauß baß erkundigen und erforschen, auch darauß erlernen, weß sy weyter schuldig und pflichtig zu thun sein.“ Der Rat sollte also in der Religionsfrage entscheiden, und er hat entschieden: „Nach gehapten ratslag 338 ist auß Ursachen, die im ratslag gemelt sein, bey aim gesammelten rat mit aim stattlichen merer ertailt: bey den dreyen orden: predigern, parfussern und carmeliten, das irs predigen und peichthorens ein Stillstand zu verschaffen und anzestellen, biß sy ir gethan furgeben mit grund der schrift außfuren“ 339. Andreas Stoß wurde befohlen innerhalb dreier Tage die Stadt zu verlassen und seinen Pfennig anderswo zu verzehren; eine Verlängerung der Frist wurde abgelehnt 340. Warum gerade der Karmelitenprior und nur er Stadtverweis erhielt, dürfte seine Erklärung darin haben, daß er die Seele des Widerstandes gegen die Reformation war und daß er dem Rat die Zuständigkeit, in Religionsfragen zu entscheiden, abgesprochen hatte. Das besagt wohl auch der Ratsverlaß vom 17. März 1525: „... Darneben dem Stossen, prior zu den Carmeliten, ze sagen, 337 Quellen, RV 388 (14. März 1525) und Anm. 'J8 Ebd. Rschl. 37 (16. März 1525) u. Anm. Ebd. RV 395 (17. März 1525). uo Ebd. RV 408 (21. März 1525).

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daß aus beweglichen Ursachen er eins rats fug hie nicht sey, darum er sich förderlich mit wesen von hynnen fugen soll in 3 tagen den nechsten.. .“341. Mit dem Religionsgespräch hatte die Reformation den Durchbruch erzielt: die einhellige Predigt nach dem Worte Gottes war sichergestellt, die papi­ stische Messe abgeschafft und die Klöster, soweit sie noch treu zur Kirche standen, zur Wirkungslosigkeit und zum Aussterben verurteilt. Die Verbin­ dung mit dem Bamberger Bischof war jedoch noch nicht abgebrochen. Schon während des Religionsgesprächs beschwerte sich Weigand von Redwitz beim Rat der Stadt Nürnberg, allerdings nicht wegen des Religionsgesprächs, für das doch er, der Bischof, zuständig gewesen wäre, sondern über das Vorgehen der beiden Pröpste, die einige kirchliche Gebräuche und Zeremonien abgetan hätten, und wegen der Schutzlosigkeit der Geistlichen, insbesondere der Ordensleute 342; doch der Rat verteidigte in seinen Schreiben vom 21. März und 7. April geschickt sein Vorgehen 343. Andreas Stoß dürfte unmittelbar nach dem Religionsgespräch an den Provinzial Georg Muffel in Bamberg geschrieben haben, der sich an Bischof Weigand von Redwitz wandte. Der Bischof ließ sich von seinem Domkapitel beraten; dieses schlug vor, der Bischof möge einen Boten an den Rat senden oder ihm schreiben lassen, wohl daß er sein Vorgehen gegen die Klöster einstelle. Sollte er nichts erreichen, möge er sich an den Schwäbischen Bund, an das Reichsregiment und an den Obersten Statthalter Erzherzog Ferdinand wenden und dem Papst die Vorgänge in Nürnberg anzeigen; auch möge er sich mit dem Bischof von Würzburg ins Benehmen setzen 344. Ende März wurde ein Tag zu Würzburg festgelegt; das Kapitel mahnte, „das die handtlung mit den von Nurmberg der gaistlichen beschwerung halben paß extendirt werde“ 345. Doch das Schicksal des Andreas Stoß war besiegelt; mag sein, daß er mit dem Stadtverweis gerechnet hat — waren doch schon früher zwei Franziskaner, Dr. Johannes Wintzler und Jeremias Mülich, mit der gleichen Strafe belegt worden346 —, jedenfalls hat ihn diese Strafe hart getroffen. In Gegenwart dreier Mitbrüder, Sigismund Herde­ gen, Konrad Mülich und Ludwig Hirsvogel (D 542), packte er seine Sachen; auch Bücher und Kleider, die er sich mit Genehmigung seiner Obern verdient und erspart hatte, nahm er mit 347. Vom Konvent verlangte er, daß er ihm nach seiner Vertreibung den nötigen Unterhalt gewähre „nach gelegenheit seines Standes“ 348. Der Konvent sagte zunächst zu, später freilich wollte er von 341 342 345 344 345 346 347

Ebd. RV 395 (17. März 1525). Ebd. Br. 139 u. 140 (beide vom 7. März 1525). Ebd. Br. 152 u. 173. Ebd. Prot. BA 7 (22. März 1525). Ebd. Prot. BA 8 (29. März 1525). Schmidt, S. 53 u. 55. StAN, Rst. Nbg., B-Laden-Akten, S IL 203 Nr. 3, Bl. 48 u. 28. Mülich und Hirsvogel haben am 19. Mai der Auflösung des Konvents zugestimmt. Nicht genannt wird bei der Übergabe des Klosters Sigismund Herdegen; sollte er in der Zwischenzeit das Kloster verlassen haben oder gestorben sein oder der Auflösung des Konvents nicht zugestimmt haben? 348 StAN, Rst. Nbg., B-Laden-Akten, S I L 203 Nr. 3, Bl. 35.

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dieser Zusicherung nichts mehr wissen349. Wie sehr Stoß unter der ungerech­ ten Ausweisung gelitten hat, ersehen wir aus den Briefen, die er an den Konvent und an den Rat richtete. „Dominus me proverbium in gentibus posuit, commocionem capitis in populis [nach Hiob 17, 6 und Psalm 44,15]. Vere eis non feci falsitatem quoniam ipse cognoscit abscondita cordis.“ („Der Herr hat mich zum Gespött für alle Welt gemacht, daß die Leute ihr Haupt schütteln. Fürwahr ich habe gegen sie keine Falschheit begangen, denn der Herr weiß, was im Herzen verborgen.“) So schrieb er an den Konvent und an den Rat: „Um des rechten christlichen Glaubens wegen werde ich von einer Stadt in die andere getrieben und verfolgt“ 350. Tiefe Kränkung mußte Stoß auch von seinen früheren Mitbrüdern erfahren, die ihn verleumdeten, daß sein Studium dem Konvent nur zum Schaden gewesen sei351. Die weiteren Schicksale des Andreas Stoß352

Mit dem Weggang des Andreas Stoß hatte die katholische Partei Nürnbergs ihren profiliertesten Vertreter verloren. In aller Kürze sei hier auf den weiteren Lebensweg dieses Ordensmannes hingewiesen. Nach kurzem Aufenthalt in Voitsberg in der Steiermark kam er 1525 nach Bamberg, wo er Prior wurde. 1529 wurde er Provinzial der oberdeutschen Provinz; auf Visitationsreisen und auch am Schreibpult war er unermüdlich tätig, um von den Konventen zu retten, was noch zu retten war. Der Bischof von Bamberg, Weigand von Redwitz (1522—1556), schätzte ihn als einen „hochgebildeten und durch Klugheit ausgezeichneten Mann“ und sandte ihn als seinen Vertreter auf das Konzil, das im Jahre 1537 zu Mantua beginnen sollte. Allein das Konzil fand nicht statt, und Stoß, der schon unterwegs war, mußte unverrichteter Dinge wieder heimkehren. Wenn sich der Bamberger Bischof, der anfangs für die Neuerung aufge­ schlossen war, im Lauf der Jahre zu einer bewußten und entschiedenen katholischen Haltung durchgerungen hat, so dürfte auch hier der Einfluß des Karmelitenmönches zu sehen sein. Am 20. September 1540 ist Andreas Stoß gestorben und wurde in der Karmelitenkirche zu Bamberg beigesetzt. 1695 wurde die Kirche abgerissen und damit ist sein Grab unwiederbringlich verlorengegangen 353. Auch sein unermüdliches, wenn auch vielfach erfolgloses Arbeiten ist — selbst in seinem Orden — fast der Vergessenheit anheimgefal­ len. Doch in dem Bamberger Altar hat der Vater Stoß seinem Sohn selbst ein Denkmal gesetzt: ein Hirte ist in Ordenstracht der Karmeliten dargestellt; wohl niemand anders als Andreas Stoß. 349 350 351 352 353

Ebd. Bl. 53. Ebd. Bl. 51. Ebd. Bl. 18. Vgl. hiezu Zeißner; Schaffer, S. 54ff. Deckert, Das ehemalige Karmelitenkloster zu Bamberg, S. 71, Anm. 141.

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Andreas Stoß steht zwischen den Zeiten, zwischen dem „nicht mehr“ und dem „noch nicht“. Hätte er ein paar Jahrzehnte früher, in der Zeit des ungebrochenen katholischen Glaubens, gelebt, so hätte er aller Wahrschein­ lichkeit nach segensreich für seinen Konvent und seine Provinz gewirkt. Wäre sein Leben ein paar Jahrzehnte später, also in die nachtridentinische Zeit gefallen, so hätte er sich mit Erfolg um die Reform seines Ordens bemüht. So aber war ihm kein Erfolg beschieden; aber gerade darin liegt seine Größe, daß er — menschlich gesehen — auf verlorenem Posten ausgehalten und aus den Gegebenheiten das Beste herausgeholt hat.

13. Kapitel: Auflösung des Konvents Mit dem Weggang des Andreas Stoß hatten die katholische Partei in Nürnberg ihren Vorkämpfer und der Frauenbrüderkonvent sein Haupt und seinen Führer verloren. Nach dem Religionsgespräch war den Ordensleuten, die treu zur Kirche standen, jede Wirkmöglichkeit genommen: die papistische Messe war verbo­ ten, das Predigen und Beichthören untersagt, auch war es ihnen unmöglich, im Nürnberger Gebiet als Seelsorger eingesetzt zu werden: Von der Möglichkeit aber, sich einen anderen Herrn, der treu zur Kirche stand, zu suchen, haben nur wenige Gebrauch gemacht 354. Dazu kam in Nürnberg eine starke Animosität gegen das Ordensleben. Mag man auf anderen Gebieten mit der Reformation behutsam vorgegangen sein und sie konservativ durchgeführt haben 535, bei den Orden suchte man eine radikale Lösung. So wurden, wie Caritas Pirckheimer berichtet, junge Nonnen von ihren Müttern mit Gewalt aus dem Kloster geholt 536, immer wieder kam es zu Belästigungen der Nonnen und Mönche durch den Pöbel, auch die Frauenbrüder ließ man „mit anklopfen und trinkenvordern“ nicht in Ruhe, der Rat wollte deshalb die Nachbarn verhören, um diese Ausschreitungen abzu­ stellen537. Es machte damals in Nürnberg sicherlich keine Freunde, Mönch oder Nonne zu sein. Dazu kam die materielle Notlage; in etwa konnten sich die Karmeliten behelfen, daß sie mit Genehmigung des Rates ihr Haus in Neumarkt verkauften 358. Auch gab der Rat sein Einverständnis, Kleinodien zu veräußern und das Ewiggeld auf der Losungsstube abzurufen359. 354 Quellen, RV 615.(10. Mai 1525) u. Anm. 355 Nürnberg — Geschichte einer europäischen Stadt, S. 150. Die neue Agende wird als eine „konservativ gehaltene Reform“ bezeichnet. Dasselbe kann man auch von der Reformation selbst behaupten. 356 Gerda Krabbel, Caritas Pirckheimer, Münster i.W. 1947, S. 154. 337 Quellen, RV 586 (2. Mai 1525). 358 Ebd. RV 538 (24. April 1525). 359 Ebd. RV 586 (2. Mai 1525).

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Auflösung Doch damit sind wir den Ereignissen vorausgeeilt; vordringlich war, dem verwaisten Konvent einen Obern zu geben. Auch jetzt schaltet sich der Rat, der doch gegen das Ordensideal eingestellt war, ein und kennt noch die Rechte des Provinzials an. So besagt ein Ratsverlaß vom 1. April 1525: „Dem Provinzial der Carmeliten sind von rats wegen verordnet, sich mit im zu bereden, wie er die wal ains priors woll furnemen oder etliche Verwalter zu verordnen“ 360. Der Provinzial Georg Muffel dürfte sich an diesem Tag in Nürnberg aufgehalten361 und die Wahl geleitet bzw. veranlaßt haben. Eine große Auswahl von geeigneten Kandidaten hat man sicherlich nicht gehabt; gewählt wurde Georg Schürstab (D 878)362. Der neue Prior gehörte der Patrizierfamilie der Schürstab an, ein Leo Schürstab war Mitglied des engeren Rates 363. Der Prior dürfte verhältnismäßig jung gewesen sein; er war Sohn des Nürnberger Konvents, 1519 wird er in den Kapitelsakten als Student in Heidelberg geführt; wahrscheinlich war er in Bamberg zum Priester geweiht worden. Von 1505 bis 1508 hatte ein Verwand­ ter von ihm, vielleicht sein Onkel, Erhard (D 877) das Priorat innegehabt. Wenn die Wahl auf ein Mitglied des Patriziats gefallen ist, so wohl deshalb, weil man hoffte, in den harten Auseinandersetzungen bei den ratsfähigen Geschlechtern einen Rückhalt zu finden; freilich war dieser Rückhalt teuer erkauft, man verlor seine Selbständigkeit und begab sich in den Einflußbereich des Rates; und so kam es sieben Wochen nach der Amtsübernahme zur Auflösung des Konvents. Im Frauenbrüderkloster trat in wenigen Wochen eine völlige Umstellung in der religiösen Haltung ein. Mag sein, daß es zwischen Andreas Stoß und dem Konvent manche Spannungen gegeben hat, und das nicht nur wegen des VeitStoß-Altars, mag sein, daß schon beim Religionsgespräch nicht mehr der ganze Konvent hinter seinem Sprecher stand, mag sein, daß beim neuen Prior die verwandtschaftlichen Beziehungen mithereinspielten, jedenfalls setzte sich bei der Mehrzahl des Konvents die Meinung durch, das Ordensleben aufzugeben und das Kloster dem Rat anzubieten; die Augustiner waren den Karmeliten auf diesem Weg am 22. März vorausgegangen364. Die offizielle Übergabe fand am 19. Mai 1525 auf dem Rathaus statt365. Den Vorsitz führte der Schultheiß Ritter Hans von Obernitz, anwesend waren die Schöffen und die Pfleger des Großen Almosens, auch Gemeiner Kasten genannt, 360 Ebd. RV 465 (1. April 1525). 361 Ebd. RV 456 (31. März 1525). 362 Kist irrt, wenn er behauptet, daß ein Eberhard Schürstab (K 5675) den Konvent übergeben habe. Er nennt wohl auch einen Georg Schürstab, der in Basel und Ingolstadt studiert hat, doch auch diese Angaben lassen sich schwerlich mit dem, was Deckert (D 878) sagt, verein­ baren. 363 v. Weech, S. 399ff.; Quellen, RV 363, Anm. 364 Rosenthal-Metzger, S. 133; Reformation in Nürnberg, Kat. Nr. 84, S. 74f. (Franz Machilek). 365 StAN, Rst. Nbg., Päpstl. u. Fürstl. Privilegien, Nr. 521; Quellen, Br. 212.

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nämlich Niclas Groland, Leo Schürstab, Lienhard Tücher und Georg Ketzel; dazu waren die Karmeliten erschienen, 23 an der Zahl, Priester und Laienbrü­ der und somit der „mehrer Teil“ des Konvents, an der Spitze der neue Prior Georg Schürstab. Die Frauenbrüder übergaben das Kloster mit seinen Behausungen, Wohnun­ gen und mit allen Zinsen, Renten, Gülten, Kleinodien, wie dies alles in einem Verzeichnis eingetragen war, das auf Wunsch vorgelesen wurde. Zum Zeichen der „unwiderruflichen Cession“ und der „Einführung in die Posseß“ wurden die Schlüssel, die Zinsbücher, die Zinsbriefe und das Register überreicht, und die Zinspflichtigen in der Stadt und auf dem Land ihrer Pflicht entledigt. Zugleich verzichteten die Ordensleute auf alle Privilegien, auf ihre geistlichen und weltlichen Rechte und auf die Gewohnheiten und Gebräuche des Ordens­ lebens; auch wurden Einsprüche, die wohl von der Ordensleitung zu erwarten waren, zurückgewiesen. Doch mit dieser rechtlichen Übergabe war es nicht abgetan; mit dem juristischen Akt war ein Abschwören des Ordensstandes sowie ein Bekenntnis zum lauteren Evangelium verbunden. Der Text, den die Frauenbüder unter­ schreiben mußten, mutet wie ein Profeßversprechen mit negativem Vorzei­ chen an. So heißt es: „Nachdem wir durch Gottes Wort genugsam geleitet sind, wes gefährlichen Standes das Klosterleben ist, großschädlich nicht allein denen, die es erwählt, sondern auch der ganzen Christenheit, da viele Seelen dadurch verführt und auch zeitliche Güter dem vorenthalten worden seien, der es besser bedürft und der es in Vertröstung auf das Seelenheil gegeben hätte, in Ermessung dieses grausamen Irrtums, der im Klosterleben sei, haben wir uns im Kapitel besprochen und einmütiglich beschlossen, daß wir die unerträgliche Last keineswegs gedulden wollen.“ Weiter wird gesagt, daß der meiste Teil ihres Besitzes von den Bürgern und Einwohnern der Stadt ihnen zugeflossen sei, und daß es nun auf göttlichen Befehl zurückerstattet werde, daß es zum rechten Gottesdienst und zum gemeinen Nutzen gebraucht werde. Sie selbst wollten nicht mehr abgesondert sein, sondern zur christlichen Gemeinde gehören. Ein jeder von ihnen Unter­ zeichnete den Vertrag, vier des Schreibens unkundige Laienbrüder mit einem Kreuzchen. Der Auflösung des Konventes stimmten zu: Priester366:

Georg Schürstab, Prior (D 878) Conrad Riedner, Subprior (D 802) Hans Schürling Heinrich Sieppel, Kellner 366

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Siegmund Wagner Ludwig Hirsvogel, Prediger (D 542) Jacob Schweitzer Hans Deichsler, Custos (D 286)

Die des Schreibens unkundigen Brüder haben mit einem + unterzeichnet und werden hier dementsprechend gekennzeichnet. Die Liste (ohne Nennung des Hans Rott) auch bei Würfel, S. 21.

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Niclas Muelich, Zinsmeister Hans Meßlein Hermann Semler Veit Eyßler (D 353)

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Hanns Kögler (Kötzler) Veit Ziegler Siegmund Fröschel (Frosch) (D 437)

Laienbrüder: Nicolaus Silbereisen + Mattes Kattauer + Jörg Pergner + Moritz Han Hans Rott Hanns Ort Blasius Lerchetter Simon Tragaus + Insgesamt waren es 15 Priester und 8 Laienbrüder, die der Auflösung des Konvents zustimmten. Die Konventualen, die ihren Gelübden treu blieben, dürften ein anderes Kloster aufgesucht haben. Wer sie waren und wohin sie gingen, wissen wir nicht. Ein Teil der ausgetretenen Mönche erhielt von den Verwaltern des Großen Almosens Geld ausbezahlt oder es wurde ihnen ein Leibgeding zugesichert. In den Urkunden versichert der Empfänger, daß er auf „anWeisung seines gewissens“ vom Konvent in den gemeinen christlichen Stand übergetreten sei, und daß er nach der Abfindung an die Stadt keine Forderungen mehr stellen werde 367. Quittungen liegen auch vor von Karmeliten, die, wie Eudrisch (D 367) oder Irr (D 607) den Konvent schon früher verlassen hatten, oder die, in ein anderes Kloster versetzt, dort ausgetreten waren; diese aber müssen bescheinigen, daß die Stadt sie entschädige “wiewohl auß kheiner gerechtigkait, sünder auß gutem freyem willen“. Nun zu den einzelnen Abfindungen! Der ehemalige Prior Georg Schürstab erhielt 400 rheinische Gulden368. 200 Gulden wurden zugesprochen: Andreas Irr (Irrer), Veit Ziegler, Sigis­ mund Herdegen, Ludwig Hirsvogel, Vitus Eißler und Georg Peringer. Den Genannten wurde freigestellt, für die ganze oder auch die halbe Summe ein jährliches Leibgeding zu beziehen; dreizehn Gulden Leibgeding ent­ sprachen 100 Gulden in bar ausbezahlt. Hans Rott erhielt 100 Gulden unter der Bedingung, daß er, sollte es ihm besser gehen, das Geld ganz oder teilweise zurückzahle. 50 Gulden wurden Martin Staudner aus Sulzbach ausbezahlt. Dem Laienbruder Pankraz Singer wurden 10 Gulden gegeben, damit er ein Handwerk erlerne und sich mit Ehren ernähren könne. 367 StadtAN, Frauenbrüder, Nr. 3. Die Quittungen sind vom 22.Juni 1525 bis 16. Februar 1527 datiert. 368 Anders Müllner, S. 205: Nach ihm hätte Schürstab bei 250 Gulden ins Kloster gebracht, die wurden ihm wieder gefolgt und 80 Gulden dazu verehrt, auch 70 Gulden jährliches Leibgeding dazu verschrieben.

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Das eingebrachte Gut bzw. den väterlichen Erbteil erhielten zurück: Blasius Lergetter; zu den 70 Gulden, die er ins Kloster gebracht, wurden ihm noch 30 Gulden gegeben. Johann Franckendorfer: 25 Gulden. Johann Mesele (Messe­ lein): 125 Gulden. Jakob Gast: 30 Gulden. Johann Fürnschilt: 20 Gulden. Johannes Eschenbach, des Hansen Eschenbach, Färbers und Bürgers Sohn, wurde mit zwei Gulden entschädigt für das, was sein Vater für ihn vor dem Ordenseintritt und für das Primizmahl ausgegeben hatte. Auch Niklas Eudrisch kam endlich zu seinem Recht; ihm wurden die restlichen 50 Gulden vom Erbteil seines Bruders, der seit zehn Jahren außer Landes war, ausbezahlt, nachdem er schon vom Prior Schürstab 25 Gulden erhalten hatte. Allerdings mußte er sich verpflichten, das Geld seinem Bruder, falls dieser heimkommen sollte, zurückzugeben. Die arbeitsunfähigen Mönche und wohl auch diejenigen, die eine Arbeit suchten, wurden im Kloster unterhalten; so sollen nach Müllner im Jahre 1526 noch 18 Personen dort gewesen sein369. Um die Kosten zu senken, wurden später die Mönche aus den verschiedenen Orden auf zwei Häuser aufgeteilt, auf das Egidienkloster und auf das Kartäuserkloster; dort haben die Frauen­ brüder ihren Lebensabend verbracht. Die Schicksale der letzten Karmeliten370

Georg Schürstab (D 878, K 5676, S 1274) wurde am 18. Januar 1529 mit Margarethe Scheinbergerin (Schambergerin) getraut (Seb. 1307); 1542 als Diakon beim Neuen Spital genannt, starb am 3. März 1562. Ludwig Hirsvogel(D 542, K 2756) heiratete am 7. Mai 1526 in St. Johannis Anna Meyerin, die Tochter eines Goldschmieds (Seb. 3191), und wurde Pfleger zu Betzenstein. Jacob Schweitzer (S 1296) war 1525 Kaplan in Engelthal und bestand die Visitation 1528 „ziemlich“; 1529 in Entenberg und wohl seit 1542 im Ruhestand. Starb im März 1556 in der Kartause zu Nürnberg. Hans Deichsler(D 286) wurde am 19. Juli 1531 in St. Sebald mit Katharina Grolantin getraut (Seb. 1536). Hermann Semmler (Sembler) (S 1308) aus Herzogenaurach wird 1540 als Pfarrer in Rezelsdorf und 1542 als Pfarrer in Möhrendorf erwähnt. Veit Eyßler (D 353, K 1351, S 300) wurde am 14. März 1526 in St. Sebald mit Anna Keßlerin aus Nürnberg getraut (Seb.); aus der Ehe gingen viele Kinder hervor. 1526 war er Prediger zu Velden und bestand 1528 bei der Visitation „ziemlich“. Im gleichen Jahre kam er (nach Kist) als Diakon nach St. Egidien, 1532 war er in Heroldsberg als Frühmesser und ab 1537 als Pfarrer tätig, wo er ein Tauf-, Trauungs- und Beerdigungsbuch anlegte. 1541 war er in Henfenfeld, 1542 in Poppenreuth. 369 Müllner, S. 205. 370 Die Verweise in Klammer beziehen sich auf Deckert (D), Kist (K), Simon, Nürnbergisches Pfarrbuch (S) und Schornbaum, Das älteste Ehebuch der Pfarrei St. Sebald (Seb.).

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Johannes Kögler (Kötzler) (K 3416) wurde am 3. Juni 1533 zu St. Sebald mit Margarete Egererin getraut (Seb. 2961). Veit Ziegler (S 1596) war 1541 Pfarrer in Regelsbach, starb im Nov. 1554. Siegmund Fröschel (Frosch, Fröschlein) (D 437, K 1848, S 361) hatte in Heidelberg (1520) und Wittenberg (1523) studiert. Nach der Klosterüber­ gabe ging er wieder am 30. Juni 1525 nach Wittenberg. Am 2. Dezember 1528 wurde er in St. Sebald mit Barbara getraut (Seb. 4126). 1539 in Mögeldorf und seit 8. Januar 1545 in Poppenreuth Pfarrer, starb er nach Kist vor dem 8. Oktober 1548, nach Simon zwischen Sept. und Dez. 1550 im Kartäuserkloster zu Nürnberg. Nikolaus Eudrisch (D 367, K 1466, S 298) aus Nürnberg hatte in Heidel­ berg (1508), Leipzig (1510) und Wittenberg (1519) studiert und war zum Magister artium promoviert worden. Als einer der ersten Mönche verließ er den Konvent. Am 4. August 1524 wird er als Frühmesser in Rückersdorf, 1533/34 als Pfarrer in Gründlach erwähnt; die Visitation 1528 bestand er „sehr gut“. Nebenberuflich war er als Kompaßmacher tätig. Eudrisch starb nach Kist 1558, nach Simon 1541. So hatte das Frauenbrüderkloster in Nürnberg nach einer fast 350jährigen Geschichte rühmlos geendet. Die Motive, die zur Auflösung führten, sind vielschichtig, sicherlich sind sie nicht allein, vielleicht nicht einmal vorzugs­ weise in der Glaubensfrage zu suchen. In seinem Entschluß mag der Konvent von der öffentlichen Meinung bestimmt worden sein, auch ging es ihm um die Sicherung seiner Existenz; diese war im Nürnberger Kloster überhaupt nicht mehr und im Orden nur sehr bedingt gegeben; die größte Sicherheit hatte man, wenn man alles dem Rat übergab und dafür die Gewähr hatte, seinen Fähigkeiten entsprechend verwendet und gegebenenfalls unterhalten zu wer­ den. Vom ursprünglichen Ordensideal war freilich nichts mehr übriggeblieben. Wo aber das Ordensideal geschwunden ist, ist auch das Klosterleben nicht mehr sinnvoll.

14. Kapitel: Bemühungen um die Restitution des Klosters Für den Rat hatte das Karmelitenkloster mit der Übergabe an die Stadt aufgehört zu existieren, nicht aber für den Orden. Da Nürnberg für die Konventsgebäude keine Verwendung hatte, konnte sie Gilg Ayrer am 14. Ja­ nuar 1555 kaufen; ausgenommen vom Kauf war lediglich das Kirchenschiff, nicht aber der Chor der Kirche. Auch Altartafeln, Messingschilder und Epitaphien sollten Eigentum der Stadt bleiben371. Die Ordensleitung bemühte sich, die noch nicht übergebenen Konvente zu sichern und verlorengegangene wieder zurückzugewinnen; ein hartes Unter371 Siehe 3. Kapitel, Kirche und Kloster.

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fangen, dem nur ein bescheidener Erfolg beschieden war. Auf dem Provinz­ kapitel, das am 21. April 1526 zu Bamberg abgehalten wurde, war vom Nürn­ berger Konvent nicht die Rede, wohl aber auf dem folgenden Kapitel zu Würzburg (11. April 1529), das Andreas Stoß als Provinzial leitete. Hier heißt es: „Prior Nurnbergensis: Reverendus magister provincialis sua providencia et diligencia pro recuperacione eiusdem loci conetur“ 372. Gegen die Jahrhundert­ mitte hatten sich allerdings die Aussichten gebessert; Kaiser Karl V. hatte am 24. April 1547 den Schmalkaldischen Krieg siegreich beendet und noch für das gleiche Jahr einen Reichstag nach Augsburg einberufen, der zu einer Einigung zwischen der katholischen und evangelischen Konfession führen sollte. Diese Einigung, die den evangelischen Ständen den Laienkelch und die Priesterehe zugestand, im übrigen aber rekatholisierend war, kam auf dem Augsburger Reichstag am 15. Mai 1548 zustande und wurde Interim genannt; so war sie als Zwischenlösung gekennzeichnet, die gelten sollte, bis das Konzil von Trient seine Entscheidung treffen würde 373. Die Provinziale Billick und Rab Nun setzten sich auch die einzelnen Ordensleitungen wieder stärker ein, verlorene Konvente zurückzugewinnen. Bei den Karmeliten war die treibende Kraft Eberhard Billick374. Er war um 1500 zu Köln geboren, seit 1536 Prior des Kölner Karmels und seit 1542 Prior provincialis der Niederdeutschen Provinz. Der Ordensgeneral Nicolaus Audet schätzte ihn und ernannte ihn am 7. Juni 1546 auch zum Generalvikar der Oberdeutschen Provinz, da er Beweise habe von seinem echten Eifer zum Orden und von seinem starken Verlangen, den Ordensstand zu erhalten und zu mehren 375. Im Frühjahr 1547 starb der Provinzial der Oberdeutschen Provinz Eucharius Ott (Otto) (D 751) und nun rief Billick die Konventualen zur Wahl eines neuen Provinzoberen zusammen; gewählt wurde Georg Rab, Prior des Klosters zu Abensberg in Niederbayern. Billick nennt ihn „einen ehrwürdigen, unbescholtenen, ernsten, rechtschaffe­ nen und zuverlässigen Mann“, dem jedoch die nötige Erfahrung abgehe. Doch übersah Billick auch die Schwächen des neuen Provinzials, vor allem seine Unselbständigkeit, nicht: „derselbe sei sehr kleinmütig und wage nur auf Betreiben eines andern etwas zu unternehmen“ 376. Billick war bei der Ausarbei­ tung des Interims zu Rate gezogen worden und hielt sich während des Reichstages in Augsburg auf. Hier traf er auch mit Georg Rab zusammen; man einigte sich, vom Kaiser ein Mandat oder ein Privileg zu erwirken, daß das Nürnberger Kloster dem Orden zurückgegeben werde. Am 3. Juli 1548 372 373 37< 373 376

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Deckert, Die Oberdeutsche Provinz, S. 332—334. Gustav Bub, Die Politik des Nürnberger Rats während des Interims, Nerchau i.S. 1924. Postina, vor allem S. 104, 106, 179ff. Ebd. S. 105. Ebd. S. 104 u. 179 ff.

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berichtete Billick seinem Ordensbruder über seine Bemühungen377. Ein kaiser­ liches Mandat oder Privileg sei überflüssig geworden, da alle Reichsstände zum kaiserlichen Gehorsam zurückgekehrt seien und versprochen hätten, sich an das zu halten, was der Kaiser im Reichstagsabschied in Sachen sowohl der Religion als auch der Güterrestitution beschlossen habe. Sollten jedoch Städte oder Fürsten den Abschied nicht befolgen und den Katholiken die Ausübung ihrer Religion nicht zubilligen oder das Weggenommene nicht zurückgeben, so habe der Kaiser versprochen, nicht nur Mandate zu erlassen, sondern jede notwendige Hilfe zu geben. Mit den eventuellen Gegnern hoffte man also mit kaiserlicher Unterstützung fertig zu werden. Bei Schwierigkeiten möge Rab nicht gleich nachgeben, sondern immer wieder versuchen, zu erreichen, was rechtens ist („sed iterum atque iterum insta, donec obtines, quod iustum erit“). Käme er nicht weiter, möge er protestieren, die Namen der Gegner und Bedrücker sowie den Tatbestand angeben und zwar so, daß man dafür Beweise habe. Billick versprach, Rabs Anliegen zu dem seinen zu machen und sich dafür bei seiner kaiserlichen Majestät einzusetzen. Der Brief schließt mit der Aufmunterung, nicht nachzugeben, sondern tapfer zu handeln: „Esto vir fortis, nec cede malis, sed contra audentior ito! Sit Dominus tecum!“ Doch Rab ließ sich Zeit; erst ein halbes Jahr später, am 20. Januar 1549 schrieb er an den Rat der Stadt Nürnberg und verlangte unter Berufung auf den Auftrag des Kaisers die Rückgabe des Klosters 378. Nun mußte der Rat Stellung nehmen; er ließ die Schreiben, die in ähnlichen Anliegen an den Bamberger Bischof und an die Kartäuser ergangen waren, einsehen379 und lehnte — wie nicht anders zu erwarten war — am 23. Februar 1549 die Restitution des Klosters ab380. Doch Rab gab noch nicht auf, er dachte wohl an die Mahnung seines Ordensbruders Eberhard Billick „iterum atque iterum insta!“ Auch fand er in dem Provinzial der Kartäuser Theodosius von Stratheim, der zugleich Prior zu Grünau im Spessert war, einen Bundesgenossen381. Beide suchten im Juli 1549 persönlich Vertreter des Rates auf; Rab übergab ein Schreiben, datiert vom 9. Juli, dem er den schon erwähnten Brief, den Billick ihm vor Jahresfrist gesandt, beilegte. Er berief sich auf den Abschied des letzten Reichstages und zwar auf den Titel „de monasteriis“. Im Artikel „At ubi per hanc tempestatem vel excisa sunt monasteria“ ist von den aufgehobenen Klöstern die Rede. Dann fuhr er fort: „So ist mein demütig ansinnen und bit, sie wollen mir mein in euer 377 St AN, Rst. Nbg., B-Laden- Akten S I L 203 Nr. 3, Bl. 17; siehe Anhang IV! 378 Ebd. Bl. 112. Dem Brief ist ein Zettel beigefügt, der Bote habe sich beklagt, daß er kein Zehrgeld erhalten habe (ein Zeichen, wie arm die Karmeliten geworden sind); daraufhin habe ihm der Rat einen Gulden geschenkt. 379 Ebd. Bl. 106 u. Bl. 77 (nach dem Ratsmanuale). 380 StAN, Rst. Nbg., Briefbücher, Nr. 140, Bl. 260/61, und Ratsverlässe vom 22. u. 23. Februar 1549: Bub, S. 68. 381 Heinrich Heerwagen, Die Kartause in Nürnberg 1380—1525, MVGN 15 (1902), S. 88—132, S. 123.

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stat liegend clösterlein samt allen seinen zugehörungen, kirchen, kleinoden, Ornaten, zinsen, gülten und wie es namen haben mag, wiederum überantworten und untergeben, will ich dasselbe mit zwei geistlichen Ordenspersonen ver­ sehen und besehen“ 382. Zur weiteren Begründung seiner Forderung führt Rab an, daß seinerzeit der Konvent das Kloster ohne Wissen der Oberen übergeben hätte, und daß somit die Übergabe nicht rechtens gewesen sei. Die Privilegien der ganzen Provinz, die noch im Nürnberger Kloster aufbewahrt würden, „die beger ich mir herauszugeben; item die gebürliche jährliche contribution zur erhaltung des Ordens jurisdiktion und provinzialamtes, welches nun vile jar angestanden, bitt ich mir zu übergeben, mit denen ich desselben und der anderen klöster einkommen berechnen will, damit es mir auch bezalt werde.“ Die Ratsherren gaben dem Provinzial mündlich einen abschlägigen Bescheid: Man wolle die Antwort, die man im Februar gegeben, nicht ändern, auch hoffe man sich so zu verhalten, wie man es vor der kaiserlichen Majestät verantwor­ ten könne. Was aber die Privilegien anlange, so habe Andreas Stoß „bei seinem Weggehen allerlei dinge mit sich genommen, also daß vermutlich solche briefe werden auch weggekommen sein; darum möge er bei seinen erben suchen“. So wurde der Provinzial abgefertigt, der Rat aber ließ die Urkunden des Karmelitenordens sammeln und an einem Ort niederlegen. Auch an das geringe Einkommen des Klosters wollte man Rab erinnern, davon hätten weder einer noch gar zwei unterhalten werden können 383. Eine Besichtigung der Klöster durch den Kartäuser und den Karmeliten lehnten die Ratsherren ab, da sie dazu nicht berechtigt wären, und ließen die beiden Mönche — wohl zum Schutz vor der Volksmenge — in ihre Herberge geleiten 384. Georg Rab gab nun auf; er hätte das Seinige getan und werde seinem Generalvikar schreiben, daß er selber weiter handeln möge. Das Amt des Provinzials bekleidete Rab bis zum Jahre 1558. Wie Decken schreibt, „gab er sich redliche Mühe die verlorengegangenen Konvente wieder­ zugewinnen, aber er wurde mutlos und apostasierte schließlich. Er starb zu Straßburg eines elenden Todes“ 385. Das war für den Karmelitenorden eine bittere Enttäuschung. Dagegen konnte er stolz auf den Provinzial der Niederdeutschen Provinz sein386. Billick war nicht nur eine Säule des Ordens in Deutschland, er trat auch im Kurfür­ stentum Köln mannhaft für den katholischen Glauben ein, zumal in den Jahren 1545/46, als sich Erzbischof Hermann von Wied der Reformation zuwandte. Die Nachfolger Wieds, Adolf und dessen Bruder Anton von 382 St AN, Rst. Nbg., B-Laden-Akten, S I L 203 Nr. 3, Bl. 110. 385 Ebd. Bl. 107 u. 108 sowie Ratsbücher, Nr. 24, Bl. 306f. (freundl. Hinweis von H. Karl Kohn); die vom 9. u. 10. Juli 1549 datierten Beschlüsse lassen die Tendenz des Rates gut erkennen. 384 St AN, Rst. Nbg., Handschriften, Nr. 32, Bl. 1993. 383 Decken, Die Oberdeutsche Provinz, S. 68. 386 Postina, S. 70.

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Schaumburg, haben Billick geschätzt; Anton hat Billick am 22. Dezember 1556 zum Weihbischof und Generalvikar ernannt. Allein Eberhard Billick war damals schon vom Tode gezeichnet; er starb vor der Bischofskonsekration am 12. Januar 1557 zu Köln und wurde in der Kirche seines Ordens beigesetzt387. Die Provinziale Gamman und Neffius Die Nachfolger Rabs waren die Provinziale Leonhard Gamman (1558—1569) und Johannes Neff oder Neffius (1569—1573). Ersterer leitete von Straubing, letzterer vom Kloster Zu den Nesseln bei Heilbronn die Provinz 388. In der zweiten Hälfte des Jahres 1560 unternahmen die Kartäuser wie auch die Karmeliten Anstrengungen, wieder zu ihren Nürnberger Klöstern zu kommen. Erstere erwirkten durch Mathias de Monte, den Visitator des Ordens, ein kaiserliches Mandat vom 27. September 1560, das die Rückgabe der Kartause forderte 389. Die Karmeliten aber wurden durch ihren neuen Provinzial Leonhard Gamman 390 beim Rat vorstellig391: Er habe erfahren, daß das Kloster „ganz verändert und zum verkauf gewendet sein soll“; nun habe der Rat wohl seiner Zeit (am 23. Februar 1549) an den Provinzial Georg Rab geschrieben, „daß er mit gemelten closter nichts zu tun hätte“ 392, allein Änderung und Verkauf der Klostergebäude können nicht ohne Wissen des Rates geschehen sein. So verlange er, „daß die fürgenommene Veränderung oder verkaufung wieder revociert, aufgehebt und alles zur gebührlichen erstattung dem orden in den vorigen zustand gestellt und gebracht werde“. Sollte der Verkauf ohne Wissen des Rates erfolgt sein, so möge man ihn verständigen, wer veräußert habe, damit er dem Orden „was ihm von billigkeit wegen angehörig, erhalten mug“. Auf Grund der Gutachten der Konsulen­ ten 393 antwortete der Rat dem Kaiser und dem Provinzial394; selbstverständ­ lich lehnte er ab. Im kaiserlichen Schreiben berief man sich auf den Passauer Vertrag (1552) und die Reichstagsabschiede von Augsburg (1555 und 1559) und Regensburg (1557). Den Karmelitenprovinzial aber erinnerte man an die Antwort, die man am 23. Februar 1549 seinem Vorgänger Rab gegeben habe. Bei dieser Antwort wollen wir es „nachmalen beruhen und pleyben lassen“. Dem Vertreter der Stadt in Speyer, Kötzler, sandte man Kopien zu mit der Weisung, sich mit anderen Ständen der Augsburger Konfession, zumal mit den Räten von Württemberg in Verbindung zu setzen. Aber Gamman, der immer 187 388 389 390 391 392 393 394

Ebd. S. 141 f. Deckert, Karmel in Straubing, S. 47 u. 52. StAN, Rst. Nbg., B-Laden-Akten, S I L 203 Nr. 3, Bl. 99 (Kopie). Gamman war von 1558 bis 1569 Provinzial: Deckert, Karmel in Straubing, S. 307. Wie Anm. 389, Bl. 104/05 (Brief vom 28. November 1560). Siehe Anmerkung 380! Wie Anm. 389, Bl. 93—96; Ratschlagbuch vom 14. Dezember 1560. Wie Anm. 389, Bl. 89f. u. 99; StAN, Rst. Nbg., Ratsverlässe, Nr. 1190, Bl. II/5’. (14. Dez. 1560); ebd. Briefbücher, Nr. 168, Bl. 75 u. 78.

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noch auf Antwort 395 wartete, ließ nicht locker. Am 4. Januar 1561 sandte er von Straubing einen Boten mit einem Brief396 nach Nürnberg, der Rat möge dem Überbringer unverzüglich anzeigen, „mit weß vergunst unnd vorwissen“ der Verkauf des Klosters geschehen sei, damit er „seiner pflicht und gebühr nach handeln und dem orden sein zugehör erhalten möge“. Auf dieses Schreiben scheint der Rat keine Antwort mehr gegeben zu haben. Eine Zeitlang blieb es ruhig; doch als Johannes Neff zum Provinzial gewählt worden war397, betrieb auch er mit aller Energie die Restitution des Nürnber­ ger Klosters. Am 7. November 1570 schrieb er an den Rat 398; er berief sich auf den Eid, den er dem Orden geschworen und der ihn verpflichtete, alles gebührend „zu andten und zu begeren“. So verlangte er die Restituierung des Klosters, damit „weitere pein und irrtum, so daraus erwachsen möchten“, vermieden würden. Sollte seinem billigen Begehren nicht stattgegeben werden, so möge in einem gütlichen Vertrag eine Abfindung ausgehandelt werden. Die Antwort vom 21. November399, daß das Einkommen des genannten Konvents auf die armen und dürftigen Leute dahier verwendet worden sei, hat den Provinzial in keiner Weise befriedigt. Am 31. Januar 1571 wandte er sich wiederum mit scharfen Worten an den Rat400. Nach Ausweis des kirchlichen wie des zivilen Rechtes habe kein Mönch das Recht, über den Klosterbesitz zu verfügen, zumal wenn es ohne Bewilligung der rechtmäßigen Obrigkeit geschehe, auch könne es nicht an die Armen vererbt worden sein. So möge denn das Karmelitenkloster pleno iuro in seinen vorigen Stand gebracht bzw. mögen ihm, dem Provinzial, gebührliche Mittel vorgeschlagen werden, damit — und jetzt kommt die Drohung — es dem Rat „nit zu nachtailigen außgang gelangen möcht“. Denn im Verweigerungsfalle wäre der Provinzial und der Orden veranlaßt, „nach anderen befugten rechten mittein zu gedenken, obgleich er lieber bei friede, treu und einigkeit bleiben wolle“. Auf diesen Brief erhielt Neffius wohl keine Antwort mehr. Letzter Versuch von Weihbischof Forner Nochmals forderte man die Rückgabe der säkularisierten Klöster im 17. Jahrhundert; doch diesmal ging die Initiative nicht von den Orden, sondern von dem rührigen Bamberger Weihbischof Friedrich Forner aus. Dieser ließ 1629 unter dem Pseudonym Christian Erd(t)mann zwei Schriften erscheinen: Norimberga in Flore Avitae Romano-Catholicae Religionis und Relatio Histori395 Das Schreiben des Rates vom 16. Dezember 1560 scheint nicht abgesandt oder jedenfalls nicht bei Gamman eingetroffen zu sein. 396 Wie Anm. 389, Bl. 86. 397 Neffius war von 1569 bis 1573 Provinzial: Deckert, Der Karmel in Straubing, S. 307. 398 Wie Anm. 389, Bl. 77. 399 Ebd. Bl. 72—73; StAN, Rst. Nbg., Briefbücher, Nr. 183, Bl. 277; ebd., Ratsverlässe, Nr. 1323, Bl. II/2’. (21. November 1570). 400 Wie Anm. 389, Bl. 69.

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co-Paraenetica, De Sacrosanctis Sacri Romani Imperii Reliquiis*01. Die Schrif­ ten waren politisch bedingt. Nach den militärischen Erfolgen hatte der Kaiser im März 1629 zu Regensburg das Restitutionsedikt erlassen402, das die Rückgabe aller nach dem Augsburger Religionsfrieden eingezogenen Kirchen­ güter befahl. Nürnberg war durch das Edikt nicht betroffen, da die Klostergü­ ter bereits 1525 eingezogen worden waren; doch die politische Lage war für die Katholiken günstig und so suchten sie für die Kirche, was immer möglich, herauszuholen. Allein die Euphorie war von kurzer Dauer. Am 6. Juli 1630 landete König Gustav Adolf von Schweden, der sich als Schutzherr der Protestanten Deutschlands fühlte, auf der Insel Rügen, das Kriegsglück wandte sich von den Katholiken ab, und schließlich mußte man froh sein, daß der Deutsche Orden, der ja reichsunmittelbar war, im Besitz der Kommende bleiben und in der Elisabethkapelle, die zum Ordensspital gehörte, katholische Gottesdienste feiern konnte. Die diesbezüglichen Verträge zwischen dem Deutschordensmeister und dem Rat der Reichsstadt wurden am 28. Mai 1649 und am 27. Juni 1665 unterzeichnet403. Zusammenfassung und Ausblick Die Provinziale der Oberdeutschen Provinz Rab, Gamman und Neffius haben nichts unversucht gelassen, die verlorengegangenen Klöster, nicht zuletzt auch das in Nürnberg, wiederzugewinnen. Mit der Übernahme des Provinzialamtes hatten sie sich verpflichtet, den Orden in seinem Bestände zu erhalten und zweckentfremdete Häuser zurückzufordern. So ganz aussichtslos dürfte dies Bestreben, zumal um die Mitte des 16. Jahrhunderts, nicht gewesen sein. Rab konnte immerhin einige Erfolge aufweisen404. Bei Nürnberg allerdings fanden die Ordensoberen kein Entgegenkommen. Mochte auch der Rat bei Einführung der Reformation gemäßigt vorgegangen sein, in der Klosterfrage kannte er keinen Kompromiß und lehnte vorbehaltlos ab. Hätte er sich entgegenkom­ mend gezeigt, wäre der Orden vor ein anderes, wirklich unlösbares Problem gestellt gewesen: Woher die Mönche nehmen, um die aufgelassenen Klöster zu besetzen. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts war der Priestermangel katastro­ phal. Die älteren Jahrgänge waren gestorben oder nicht mehr einsatzfähig und der Nachwuchs fehlte405; man kann es auch verstehen, daß nur wenige junge Männer den Priester- und Ordensstand, der durch die Reformation so sehr in 401 Die Schriften in der StadtBN. Siehe auch Karl Braun, Nürnberg und die Versuche zur Wiederherstellung der alten Kirche im Zeitalter der Gegenreformation (1555—1648), Nürnberg 1925. 402 Moritz Ritter, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des dreißigjähri­ gen Krieges. Bd. 3, Stuttgart 1908, S. 425. 403 Karl Ulrich, Die Nürnberger Deutschordenskommende in ihrer Bedeutung für den Katholizis­ mus seit der Glaubensspaltung, Nürnberg 1935, S. 59ff. 404 Postina, S. 105. Rab selbst nennt Ravensburg, Eßlingen, Heilbronn, Dinkelsbühl und Weißen­ burg. 405 Postina, S. 105.

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Mißkredit geraten war, anstrebten. So konnte der Orden die geschichtliche Entwicklung nicht aufhalten und mußte manche Klöster verlorengeben. Von den Konventen der Oberdeutschen Provinz überstanden, soweit sie zum heutigen Freistaat Bayern gehören, nur sechs die Reformation: Abensberg, Bamberg, Dinkelsbühl, Neustadt a. d. Saale, Straubing und Würzburg. In diesen wenigen Häusern, die verblieben, konnte der Ordensnachwuchs ge­ sichert und das Ordensideal gepflegt werden und von hier aus wurde die Reform in das katholische Volk hineingetragen. Das Karmelitenkloster 2u Fürth i B.

Im Jahre 1951 rief der damalige Erzbischof von Bamberg Dr. Josef Otto Kolb die Karmeliten nach Fürth, daß sie die Seelsorge im Westen der Stadt übernähmen. Sie sind dem Rufe gefolgt und betreuen die Pfarrgemeinde Christ-König und die Filialgemeinden in Burgfarrnbach und Veitsbronn406. Die Patres kamen vom Karmel in Bamberg; ein geschichtlicher Zusammenhang mit dem ehemaligen Kloster in Nürnberg ist nicht gegeben. Gleichwohl fühlen sich die Mönche des Fürther Konvents verpflichtet, die Erinnerung an den Nürnberger Karmel, der rund 250 Jahre in der Seelsorge segensreich gewirkt hat, und an seinen großen Prior Andreas Stoß wach zu halten. Die einzelnen Orden — und nur dadurch ist ihre Vielfalt gerechtfertigt — haben verschiede­ ne Frömmigkeitsformen entwickelt. Das Charakteristische des Karmel ist die Beschaulichkeit und die Marien Verehrung: verständlich, daß die Karmeliter bestrebt sind, diese Werte in die Seelsorge einzubringen.

406 Schematismus des Erzbistums Bamberg 1976/77, Bamberg 1977, S. 211—213.

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ANHANG I. Die Prioren und Subprioren, Prediger und Pfleger des Nürnberger Karmelitenklosters

a. Die Prioren und Subprioren407 1316 1322 1326 1327—1329 1332 1357 1366 1386 1387 1392 1396 1401 1414 1418 1422—1430 1432—1433 1434 1439—1452

1452—1486

Swikerus, Definitor408 Eberhard, Definitor Franko409 Tilmannus de Tulpeto410 Conrad Schaffer Albrecht Heinrich Eberhard von Rottweil411 Ulrich Conrad Zöllner (Telonearius), 1371—1389 Provinzial (D S. 56) Heinrich Gräfenberger, 1393—1421 Provinzial412 (D 477 u. S. 58) Hermann Schüler413 Berthold von Dornheim Otto Dornheim (D 327)414 Heinrich Gräfenberger, f 1421 (D 477) Simon Reiser, Provinzial 1430—1436 (D 761 u. S. 60) Friedrich Mörlein (D 702) 1432 Conrad Büttstedt (D 161) Johannes Kraus (D 247) 1434 Conrad Institoris (D 579) Friedrich Ammon, 1452—1458 Provinzial (D 15 u. S. 61) 1443 Georg von Striegau (D 460) 1449 Friedrich Scheffer (D 835) Heinrich Schmidlein (D 864) 1452 Paulus von Meiningen (D 58) 1464 Sebald Römer (D 779)

407 Die Priorenliste findet sich bei Müllner, S. 204 f., und bei Würfel, S. 20; für die Jahre von 1421 bis 1529 leistet der Personalschematismus von Deckert (zitiert D und lfd. Nr. bzw. Seitenzahl) gute Dienste. Für die Prioren vor 1421, die bei Deckert nicht erfaßt sind, sind nach Möglichkeit die Belegstellen angegeben. Die Namen der Subprioren sind etwas eingerückt. Die Priorenliste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 408 Stadtarchiv Frankfurt, Karmelitenbücher, Nr. 47a, 48. 409 BHStAM, Rep. D 3, Fase. NR 210. 4,0 Stadtarchiv Frankfurt, Karmelitenbücher, Nr. 47a, 57 u. 59. 411 StadtAN, Frauenbrüder, Nr. 2; Kopialbuch, Bl. 22; der Prior ist Eberhard von Rottweil und nicht, wie Müllner und Würfel schreiben, Eberhard von Roth. 412 Kopialbuch, Bl. lOOf. 4.3 Ebd. Bl. 59. 4.4 Ebd. Bl. 25—27.

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1488—1490 Johannes Piscatoris (D 109) 1488 Conrad Kumberger (D 265) 1490—1502 Conrad Kumberger (D 265) 1497 Friedrich Neuschel (D 725) 1500—1502 Conrad Rudner (D 802) Eberhard Schürstab (D 877) 1505 1505 Friedrich Neuschel (D 725) 1508—1513 Friedrich Neuschel (D 725) 1508—1510 Andreas Mayer (D 671) 1513 Bartholomäus Dengler (D 289) 1514 Bartholomäus Dengler (D 289) 1518—1519 Johannes Zeidelmaier (D 1039) 1519—1525 Conrad Rudner (D 802) 1520—1525 Dr. Andreas Stoß, 1529—1540 Provinzial (D 960 u. S. 66) Georg Schürstab (D 878) 1525 b. Die Prediger 1441 Johannes Dollinger (D 322) Georg von Striegau (D 460) 1443 Friedrich Scheffer (D 835) 1449 1449—1451 Friedrich Schecker (D 831) 1467—1471 Eucharius Piger (D 100) 1520—1525 Ludwig Hirsvogel (D 542) c. Die Pfleger415 1489 1491 1505 1508 1510 1516

Endres Geuder Anton Tücher Anton Tetzel UlmanStromer Jakob Groland Martin Geuder

II. Bruderschaft und Remedia (nach dem Terminierbuch) Nach dem Terminierbuch hatte die Bruderschaft an vielen Orten, die heute zu den Landkreisen Nürnberger Land und Neumarkt i. d. Opf. gehören, Mit­ glieder, im letztgenannten Landkreis auch Remedia, also Vermächtnisse. Im folgenden wird eine kurze Übersicht nach den Landkreisen geordnet gegeben; die Namen der Gemeinden sind gesperrt gedruckt, dann folgen die Ortsteile. Gibt es in der Hauptgemeinde keine Bruderschaft und keine Remedia, so ist sie 415 Müllner, S. 205; Würfel (wie Anm. 251), S. 21.

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eingeklammert und es folgen die Ortsteile, wo diese vertreten sind. Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf die Blätter des Terminierbuches. Getreidemaße: 1 Metreta oder Metzen hat 37 Liter (nach dem Velburger Maß 25 Liter). 1 Liter Roggen (um den es sich durchwegs handelt) wog etwa 700 g. 1 Vierding ist % Metzen und hat 9,251 (nach Velburger Maß 6,25 1). So hat also 1 Metzen knapp 30 kg (nach Velburger Maß 17,5 kg), 1 Vierding knapp 6,5 kg bzw. 4,4 kg416. a. Bruderschaft im Landkreis Nürnberger Land Altdorf (48/9) Grünsberg (51/2) Ludersheim (54) Prethalmühle (50) Rasch (57) Burgthann (51) Dörlbach (50) Peunting (50) Schwarzenbach (50) Westhaid (51) Diepersdorf (44) (Feucht) Moosbach (53) Leinburg (43) Entenberg (54) Ernhofen (54) (Ober- u. Unter-)Haidelbach (46/7) Weißenbrunn (55) Winn (54) Pühlheim (56) Röthenbach a. d. Peg. Haimendorf (45) Röthenbach b. Altdorf (55) (Ober- u. Unter-)Wellitzleithen (56) (Schwarzenbruck) Altenthann (52) Winkelhaid (53) Penzenhofen mit Ort steil Riethausen (53). 416 Freundl. Mitteilung von Herrn Dipl.-Ing. agr. Franz Rast, Nürnberg.

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b. Bruderschaft und Remedia im Landkreis Neumarkt i. d. Opf.417 Berching Ernersdorf Grubach Igensdorf418 Oening Rappersdorf Rudertshofen Griesbach am Sand = Solln­ griesbach Styphain = Stierbaum Thann Wallnsdorf Weidenwang Winterzhofen

Bruderschaft Remedia (70—72) 1,5 M, 3 G, 3 Pf (119) IV IV (57) 3V (116) IV 4M (125) 5,5 M

1V 4M, 3,5 V 1,5 M 1,5 M

(120/21) (129) (113) (117/18) (132) (118)

(Breitenbrunn) Gumphausen = Gimpertshausen

IM

(115)

Deining

IV

(87)

2M

(133/34)

1,5 M 2V 2V

(130) (131) (129)

Berg

(120) 1,25 M (116) (132)

2,25 M, 1 G, 12 Pf

(122/23) (119) (113) (128) (116) (119) (127/28)

(57)

Erasbach

(133)

Freystadt Forchheim (Groß-)Berghausen Lauterbach Möning

(73—75) (129/30)

Großaff alter bach

(84)

2V

(86)

Günching Krondorf

(91)

2V 2M

(91) (92)

Hörmannsdorf Breitenthal Holzheim

(102)

IV IM IV

(102) (103) (103)

(Lauterhofen) Pettenhofen

(129) (76)

(51)

417 Abkürzungen: G = Groschen, M = Metreta (oder Metzen), Pf = Pfennig, V = Vierding = % Metzen. 418 Nach Mitteilung des Kath. Pfarramtes Berching identisch mit Jettingsdorf.

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Bruderschaft

Remedia

Loderbach

(62)

IV

(62)

Neumarkt Ittelhofen Lemperkhofen = Lampertshofen Pölling

(62—64) (114)

3V

(114)

IV

(92)

Oberbuchfeld

(89)

3M

(90/91)

Schnufenhofen

(113)

5V

(114)

(Parsberg) Klapfenberg Rudenshofen

(109) (109)

IM 2,25 M

(110) (103)

2V IV

(111) (115)

2V

(131)

(Seubersdorf) Eichenhofen Krappenhofen Wissing Sindlbach Haimburg Langenthal

(66)

(111)

(59/60) (61) (59/60)

(Sulzbürg) Kerkhofen T raunfeld

(58)

(Unterbuchfeld) Siegenhofen

(88)

4,25 M

(88/89)

(67)

9,25 M 3 G 50 Pf 1,25 M 2,5 M 3V 2V 1,5 M 1,25 M, 1 Käse od. 4 Pf 3V 2M 2V

(97—100) (125) (101) (93) (107) (147/48)

7 V 5 Pf IV

(104/05) (101)

Veldorf = Velburg Altenveldorf Dantersdorf Deusmauer Finsterweiling Freyenrieth = Freudenricht Hollerstetten Lengenfeld Mantlach Pielenhofen Rammersberg Ronsolden St. Coloman = Walkerswinn

(93)

(93) (102) (94) (102)

(107) (93) (108) (102)

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Bruderschaft St. Wolfgang Vogelbrunn W altersberg (Wappersdorf) Weigersdorf = Weihersdorf

Remedia IV 2M IV

(101) (109) (86)

IV

(135)

III. Die Klostergüter a. Allgemeiner Besitzstand (nach Johann Winkler419) Das Kloster besaß 9x/2 Höfe, 13 Güter, 1 Handroßgut, 1 Gütlein, 1 Mühle, 1 Badstube, 1 Haus sowie Gärten in einer Reihe von Ortschaften. Der Grund­ besitz betrug 157 Morgen und 117 Beete Feld, 63% Tagwerk Wiesen, 76 Morgen Holz, 1 Morgen Weingarten. Die eingebrachten Gülten ergaben 42 Simra Korn, 5 Simra Hafer, % Simra Weizen, 151 Stück Käse, 420 Eier, 53 Herbsthühner, 51l/2 Fastnachtshühner, 3 Eimer Wein, 2 Gänse, 5 Pfund für ein Schwein, 591/2 Gulden. Zehnten standen dem Kloster u. a. in Hedersdorf und Reuth am Seebach zu. An Kapitalrenten bezog das Kloster 10 Goldgulden vom Karmelitenkloster zu Augsburg und 50 Goldgulden von der Stadt Rothenburg ob der Tauber. b. Die Besitzungen in den einzelnen Orten In Mittelfranken In Nürnberg: Gült vom Spitalmeister im Deutschen Hof und Gärten; Nürnberg-Almoshof: 1 Gütlein u. Zehnten; Nürnberg-Kraftshof: Flurgrundstücke und Zehnten; Nürnberg-Neunhof: 1 Hof, Flurgrundstücke, 26 % Morgen Feld, 9 Tagwerk Wiesen und Zehnten. Im Landkreis Nürnberger Land: Altdorf: 1 Badstube und Zehnten; (Burgthann) Schwarzenbach: % Hof, 1 l/2 Morgen und 117 Beete Feld, 6% Tagwerk Wiesen und Zehnten. Im Landkreis Lauf: Hersbruck: 1 Flurgrundstück, 1 Haus und Zehnten; (Lauf) Heuchling: 1 Handroßgut, Flurgrundstücke, 14 % Morgen Feld, 14 % Tagwerk Wiesen und Zehnten; 4IV Siehe Literaturverzeichnis!

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(Offenhausen) Breitenbrunn: 1 Hof, 6 l/2 Morgen Feld, 1 Tagwerk Wiese, 1 y2 Morgen Holz, und Zehnten; Rückersdorf: Flurgrundstücke und Zehnten; (Schnaittach) Hedersdorf: Zehnten; Velden: Flurgrundstücke und Zehnten. Im Landkreis Ansbach: (Heilsbronn) Müncherlbach: 1 Gut, 1 Hof, 21 Morgen Feld, 1 % Tagwerk Wiesen, 2 Morgen Holz und Zehnten; (Windsbach) Brunn: 1 Hof und Zehnten. Im Landkreis Erlangen-Höchstadt:

Röttenbach: 1 Gut und Zehnten; (Weisendorf) Reuth am Seebach: Zehnten. Im Landkreis Fürth: (Cadolzburg) Vogtsreichenbach: 1 Mühle, 6 Morgen Feld und Zehnten. Im Landkreis Roth: (Abenberg) Obersteinbach: 1 Hof und Zehnten; (Georgensgmünd) Hauslach: Flurgrundstücke und Zehnten; Großschwarzenlohe: 1 Gut, 14 Morgen Feld, 4% Tagwerk Wiesen und Zehnten; (Meckenhausen) Karm: 1 Hof und Zehnten; (Roth) Meckenlohe: 2 Höfe, 20 Morgen Feld, 9 Tagwerk Wiesen, 52 Morgen Holz und Zehnten; Rothaurach: Zinsen und Zehnten. In Oberfranken Forchheim: 1 Morgen Weingarten und Zehnten; Forchheim-Reuth: Flurgrundstücke und Zehnten; Gräfenberg: Flurgrundstücke und Zehnten; (Igensdorf) Letten: 1 Hof, 10 Güter, 47% Morgen Feld, 17% Tagwerk Wiesen, 21 % Morgen Holz und Zehnten; Langensendelbach: Geldgült; Neunkirchen am Brand: Weingült und Zehnten. In der Oberpfalz (Hohenburg) Ransbach: Flurgrundstücke.

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IV. Planskizze von Kirche und Kloster Dieser Planskizze liegen die Klosterbeschreibung im Kaufvertrag von 1558 (StAN, Klöster in Nürnberg, Urkunden, Frauenbrüderkloster Nr. 9) sowie die Ansichten von der Nordseite der Kirche von Delsenbach und Böhner (StadtBN, Graphische Sammlung) zugrunde. Dazu kommen die Innenansichten der zum Teil abgebrochenen Kirche von Georg Christoph Wilder und einem anonymen Zeichner, ein Grundriß des Kirchenschiffs vom Jahre 1614 (StadtAN, Bauamt XL 1) sowie Pläne von einigen Gebäuden des früheren Klosters aus dem Jahre 1808 (StAN, Regierung von Mittelfranken, Plansammlung, Abgabe 1942, Mappe XI, Nr. 74 u. 75). Die Prospekte und Pläne gehören verschiedenen Jahrhunderten an und zeigen jeweils nur einen Ausschnitt der Klosteranlage; eine Harmonisierung ist nur durch Korrekturen zu erreichen. 1. Der Grundriß des Kirchenschiffs vom Jahre 1614 zeigt vier Säulenpaare; nach den Prospekten dürften es nur drei gewesen sein, die das Schiff in vier Joche trennten. 2. Auf dem Bild von Wilder sehen wir einen runden Turm zwischen Schiff und Chor; dieser dürfte erst in der nachreformatorischen Zeit errichtet worden sein. Für die mittelalterliche Kirche wäre der Turm wohl einmalig und auch überflüssig gewesen, da man den Kirchenboden vom Steinernen Stock aus betreten konnte; nach Auflösung der Klosters, als die einzelnen Gebäude in verschiedene Hände übergegangen waren, war der Boden über der Kirche, der wohl als Getreidespeicher benützt wurde, nicht mehr so leicht zugänglich, so daß ein eigener Zugang, nämlich der Turm, errichtet werden mußte. Auf der für diesen Beitrag von Herrn Walther Pohl neugezeichneten Planskizze im Maßstab von etwa 1:500 sind die auf den alten Plänen nicht eingetragenen Gebäudeteile mit gestrichelten Linien angedeutet; die genaue Lage und Größe dieser Gebäudeteile sind unbestimmt. Die Ziffern in der Planskizze bedeuten: 1 Kirchenschiff, 2 Chor der Kirche, 3 Kreuzgang, 4 Steinerner Stock, 5 Kapitelsaal, 6 Beichthaus und Sakristei; sie dürften sich in der Nähe des Chores befunden haben und mit diesem zusammengebaut gewesen sein. 7 St. Ottilienkapelle am Kreuzgang; ihre genaue Lage und Größe sind nicht bekannt. Sie dürfte kurz vor dem Jahre 1468 erbaut worden sein, denn Nikolaus III. Muffel nennt sie in seinem Gedenkbuch die „neue kappein“. Er hat den Frauenbrüdern versprochen, „ein sinbelglas von der spera des himels“ [Himmelskugel] zu machen. Das soll man den Pleidenwurff mallen und verczeichnen lassen dem furmer, so an dem tefelein verzeichent ist...“ Gerhard Hirschmann, Die Familie Muffel im Mittelalter, MVGN 41 (1950), S. 331. 8 Haus am Fischbach; auch hier ist die genaue Lage und Größe in den Akten nicht angegeben. [9] (Nicht eingezeichnet): Südlich der Kirche zum Fischbach hin befanden sich das Sommer- und Winterrefektorium, die Bibliothek und das Schlafhaus. Die Frage muß offen bleiben, ob es sich um vier getrennte Bauten handelt oder ob in einem Gebäude mehrere Einrichtungen unter­ gebracht waren. 10 Haus der Peßler.

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Karmelitenkloster

Am Fischbach

Korn- oder Roßmarkt

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V. Brief des Eberhard Billick, Provinzials der Niederdeutschen Provinz des Karmelitenordens, an den Provinzial der Oberdeutschen Provinz Georg Rab

Augsburg, 1548 Juli 3 Lagerort: StAN, Rst Nbg., B—Laden—Akten, SIL 203 Nr. 3, Bl. 17. S[alve] P[ater] R[everen]de et mihi ex animo dilecte Confrater! Institi apud Caesaream Majestatem, utriusque nostrum nomine, pro mandato et privilegio, quemadmodum Augustae inter nos convenerat. Responsum autem mihi est, Status omnes totius imperii iam rediisse ad Caesaris Majestatis obedientiam et veile servare atque implere quaecumque in recessu Caesar decrevit, tarn in religione quam in restitutione bonorum. Idcirco causam non esse, cur nobis detur vel mandatum contra eos, vel privilegium, quum recessus debeat haberi mandati loco. At vero, si quae civitates vel principes recessui non obtemperaverint, et forsan noluerint, nobis religionis nostrae veterem usum relinquere, vel non restituere ablata, ubi id fuerit suae Majestati significatum, pollicetur non modo mandata, sed opem omnem nobis necessariam. Proinde, mi Pater et Confrater, perge et per omnem provinciam tuam pete restitutionem! Fratres quoque errantes ad ovile coge ac boni pastoris imple officium! Si quis Casus contrarius tibi accidat, noli ad primum ictum resilire et ab opere, quod facis, cessare, sed iterum atque iterum insta, donec obtineas, quod iustum erit. At si non proficis, velim te protestari de tua diligentia et ad me mittere adversariorum et te molestantium nomina et facta, ita conscripta, ut probari possint, tum ego tibi apud Caesaream Majestatem non deero et suscipiam negotia in me. Interim bene vale, mi Frater, et cooperator. Esto vir fortis, nec cede malis, sed contra audentior ito! Sit Dominus tecum! Amen. Augustae, 3. Julii anno 48 Tuus ex animo confrater Eberhardus Billick, Germaniae Inferioris Provincialis ac Vicarius Generalis.

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GEORG WEBER VON DINKELSBÜHL (1495—1567) Leben und Tätigkeit eines Nürnberger Werkmeisters

von Ludwig Schnurrer Übersicht: I. Georg Webers Leben 1. Herkunft und Frühgeschichte S. 113 — 2. Nürnberg S. 119 — 3. Webers Familie S. 127 — 4. Grund- und Hausbesitz S. 127 — 5. Persönlichkeit und Charakter S. 129 — II. Georg Webers Tätigkeit 1. Als städtischer Angestellter a) Auf der Peunt S. 131 —b) Landbaumeister S. 132 — c) Wasserbeschauer (Wassergraf) und Mühlengraf S. 132 — 2. Tätigkeit in auswärtigem Dienst S. 134 — 3. Tätigkeit als Zimmermann, Baumeister und Architekt a) Befestigungsbau S. 136 — b) Brückenbau S. 139 — c) Hausbau S. 140 — d) Dach- und Glockenstühle; sonstige Zimmerarbeiten S. 141 — e) Wegebau S. 142 — 4. Wasserbauspezia­ list a) Mühlenbau S. 142 — b) Wassergräben, Wasserregulierung S. 146 — c) Brunnenbau S. 147 — 5. Erfinder technischer Geräte S. 148 — Schluß S. 151 — Anhang: Werkverzeichnis Georg Webers S. 152. Seitdem die Erlanger Studenten Wilhelm Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck aus Berlin 1793 Nürnberg besucht und darüber wenig später mit hymnischer Begeisterung in ihren „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“ erzählt hatten, galt bis weit in das 19. Jahrhundert hinein die Reichsstadt Nürnberg und besonders die Dürerzeit als die Blüte altdeutschen Städtewesens1. Die Wellen der romantischen Verehrung liefen bis in die Zeit In den Anmerkungen und im Werkverzeichnis (S. 152—171) finden folgende Abkürzungen und Siglen Verwendung: GW Lib. Litt. LK MVGN Rep. StAN WV

Georg Weber Libri Litt. (Stadtgerichtsbücher im Stadtarchiv Nürnberg) Landkreis Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg Repertorium Staatsarchiv Nürnberg Werkverzeichnis

Eine Reihe reichsstädtisch nürnbergischer Bestände im Staatsarchiv Nürnberg wird mit der Repertoriennummer abgekürzt: Rep. 21 Reichsstadt Nürnberg, Bauamt Rep. 27 a Reichsstadt Nürnberg, Landpflegamt, Geschäftsmanuale Rep. 27b Reichsstadt Nürnberg, Landpflegamt, Briefbücher Rep. 50 Reichsstadt Nürnberg, Deputation zum Pegnitzfluß/Wasseramt Rep. 52 b Reichsstadt Nürnberg, Amts- und Standbücher Vgl. E. SCHMIDT, Die Entdeckung Nürnbergs in Charakterstudien, Weimar 1886. — Ludwig GROTE, Die romantische Entdeckung Nürnbergs, München 1967 (= Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums zur deutschen Kunst- und Kulturgeschichte Band 28).

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vor der bürgerlichen Revolution von 1848, und von Nürnberg aus auch in die bayerische Landeshauptstadt München, wo sich eine ständig wachsende Künstlerkolonie in ihren Festen die Darstellung dieses kulturellen Erbes zur Aufgabe setzten. Als sich der spatere Großmeister der Schweizer Erzählkunst, Gottfried Keller, 1840 bis 1842 in München mit einer Malerkarriere versuchte, die gründlich mißlang, erlebte er, wahrscheinlich auf einem Künstlerfasching im Residenztheater, ein solches großartig ausgerichtetes Schaugepränge, das die Münchener Künstler inszeniert hatten zu dem Thema „Nürnberg zur Dürer­ zeit“. Ausführlich und mit bunt-plastischer Eindringlichkeit hat dies Keller später in seinem großen Bildungsroman „Der grüne Heinrich“ (im 13. Kapitel des 3. Teils) geschildert. Unter vielerlei Einzelszenen ist auch folgende: „Einer, der mir nicht weniger gefiel, war im Zuge der Maurer und Zimmer­ leute Georg Weber, groß und stark heranschreitend, zu dessen grauem Kleid es einer Unzahl Ellen Tuches bedurfte. Der war freilich ein Wäldervertilger; denn mit seinen Werkleuten, die er alle so groß und stark aussuchte, wie er selber war, mit dieser Riesenschaft arbeitete er mächtig in Bäumen und Balken, sinnreich und künstlich, und fand nicht seinesgleichen. Er war jedoch ein trotziger Volksmann und machte im Bauernkrieg den Bauern Geschütze aus grünen Waldbäumen. Er sollte deshalb zu Dinkelsbühl geköpft werden; allein der Rat von Nürnberg löste ihn wegen seiner Kunst und Nützlichkeit aus und ernannte ihn zum Stadtzimmermeister. Er baute nicht nur schönes und festes Sparren- und Balkenwerk, sondern auch Mühl- und Hebemaschinen und gewaltige lasttragende Wagen, und fand für jedes Hindernis, jede Gewichts­ masse einen Anschlag unter seiner starken Hirnschale. Bei alledem konnte er weder lesen noch schreiben.“ Dies alles konnte Keller natürlich nicht auf dem Münchener Faschingsfest erfahren. Wir wissen nicht einmal, ob und inwieweit gerade diese Episode als autobiographisch angesehen werden kann. Zweifellos hat Keller dafür später literarische Studien gemacht. Als Quelle hat er vermutlich ein 1822 von Josef Heller ediertes Verzeichnis der Nürnberger Werkleute und Künstler2 oder die 1820, ebenfalls durch Heller, erfolgte erste Edition der „Nachrichten“ des gleichen Nürnberger Schreibmeisters Johann Neudörfer3 verwendet. — Den­ noch bleibt der Eindruck, daß so etwas wie dieses Münchener Künstlerfest mit Motiven der Nürnberger Kulturgeschichte um 1840 überhaupt möglich war; es bleibt auch die Tatsache, daß der Nürnberger Werkmeister Georg Weber aus Dinkelsbühl durch Gottfried Keller Eingang in die große, ja in die Weltlitera­ tur gefunden hat. 2 Kurzes Verzeichnis der Werkleute und Künstler, so in wenigen Jahren in dieser Stadt Nürnberg gewohnt und Bürger gewesen sind, durch Johann Neudörffer, Rechenmeister, zusammengetragen 1547. Mit Anmerkungen von Josef Heller. Beyträge zur Kunst- und Litteraturgeschichte 1 (1822) 1—8. 3 Nachrichten von den vornehmsten Künstlern und Werkleuten, so innerhalb 100 Jahren in Nürnberg gelebt haben, nebst der Fortsetzung von Andreas Gulden 1660. Nürnberg 1828.

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Wer war dieser Georg Weber? — Die Nürnberger Geschichtsforschung kennt ihn seit langem. Er wird in vielen Chroniken des 16. und 17. Jahrhun­ derts genannt4. Grundlage solideren Wissens sind die schon genannten Schriften eines Nürnberger Zeitgenossen, des Schreib- und Rechenmeisters Johann Neudörfer5, von dessen knappen biographischen Angaben praktisch die gesamte Literatur bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zehrte6. Wesentlich neues Material bot 1875 Georg Wolfgang Carl Lochner, der einer Neuausgabe der Neudörfer’schen Nachrichten umfangreiche archivalische Ergänzungen beifügte7; noch mehr Theodor Hampe 1904 mit seiner Sammlung der Nürn­ berger Ratsverlässe zur Kunst- und Kulturgeschichte8. Seitdem ist nichts mehr geschehen9; auch die Lokalforschung seiner Heimatstadt Dinkelsbühl hat sich nur in äußerst dürftiger Form seiner angenommen, nicht einmal die Forschungsergebnisse von Lochner und Hampe verarbeitet10. Es ist demnach mehr als angebracht, das Leben und die Tätigkeit dieses bedeutenden Nürnberger Werkmanns auf dem Fundament einer breiten archivalischen Überlieferung darzustellen.

I. Georg Webers Leben 1. Herkunft und Frühgeschichte

Georg Weber stammt mit ziemlicher Sicherheit aus dem Weiler Weichenholz, ca. 8 km südöstlich von Dinkelsbühl. Dieser Ort wurde mit der gesamten Herrschaft Wilburgstetten 1431 von der Stadt Dinkelsbühl erworben11. Für die Urfehde, die Georg Weber in Nürnberg schwören mußte (s. u.), schlug er 4 Eine kleine Auswahl: Chronik des Diakons Wolfgang Lüder bis zum Jahre 1549, 2 Bände: StAN, Nürnberger Handschriften 46 fol. 364. — Anonyme Nürnberger Chronik bis 1552: St AN, Nürnberger Handschriften Nr. 87 fol. 129’. — Anonyme Nürnberger Chronik bis 1554: StAN, Nürnberger Handschriften Nr. 92 fol. 150’. — Anonyme Nürnberger Chronik bis 1573: StAN, Nürnberger Handschriften Nr. 108 fol. 113. s s. Anmerkungen 2, 3 und 7. 6 Johann Gabriel DOPPELMAYR, Historische Nachrichten von den Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern ... in zweyen Teilen . . ., Nürnberg 1730. — Josef BAADER, Beiträge zur Kunstgeschichte Nürnbergs; in: Jahrbücher für Kunstwissenschaft 1 (1868) S. 261 f. 7 Quellenschriften zur Kunstgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit, Band 10, Wien 1875. 8 Theodor HAMPE, Nürnberger Ratsverlässe über Kunst und Künstler im Zeitalter der Spätgotik und Renaissance (1449) 1474—1618 (1633), Band I, Wien-Leipzig 1904. 9 Auch K. SITZMANN, Künstler und Kunsthandwerker in Ostfranken, Kulmbach 1957 (= „Die Plassenburg“ 12) S. 562 bringt keine neuen Quellen und Gesichtspunkte. 10 (Josef GRE1NER), Jörg von Dinkelsbühl; in „Alt-Dinkelsbühl“ (Beilage zum „WörnitzBoten“ Dinkelsbühl) 22 (1935) 46 f. (vorher schon im „Fränkischen Kurier“ Nr. 192 vom 14. 7. 1934, unter „J. Gr.“ 11 1431 April 4: L. SCHNURRER, Die Urkunden der Stadt Dinkelsbühl 1282—1450 (= Bayerische Archivinventare Heft 15, München 1960) S. 158 ff. Nr. 667.

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nämlich selbst u. a. auch einen gewissen Hans Weber von Weichenholz vor12; da für derlei Bürgschaften in der Regel Verwandte oder eng Bekannte heran­ gezogen wurden, ist anzunehmen, daß dieser Hans Weber seiner Sippe ange­ hörte13. Damit entfällt also die später aufgekommene Vermutung, er sei ein „Wallone“ gewesen, was vermutlich auf sein Außeres (dunkle Gesichtsfarbe und Haare) und sein aufbrausendes Temperament (s. u. Abschnitt I 5) zurückzuführen ist14. Zu nicht bekannter Zeit, aber doch wohl nur wenige Jahre vor 152515 wurde er in Dinkelsbühl als oberster Werkmann angestellt. Ein Bestallungsvertrag ist nicht erhalten, doch werden die Anstellungsbedingungen kaum recht viel anders gewesen sein als in einem erhaltenen Vertrag für den Stadtwerkmann Kunz Hofmann von 145616. Danach wird dieser für drei Jahre angestellt und bekommt jährlich 11 fl und vier Karren voll Späne, dazu täglich 24 Pfennige Sommer- und 16 Pfennige Winterlohn. Er zahlt Steuer und ist reispflichtig, wird aber vom Graben, Wachen und Torhüten befreit. Er soll jegliche ihm aufgetragene Arbeit, „es sey zu buchsen, zu bulfer oder zu zymbern“ ausfüh­ ren (er ist demnach auch Büchsenmeister), den Baumeistern (des Rats) gehorsam sein, „Nutzen und Frommen“ der Stadt fördern, ihren Schaden verhindern, der „stat werk“, also die gesamte Bautätigkeit der Stadt, getreulich ausrichten und besorgen, die Arbeitszeit einhalten und das städtische Eigen­ tum ehrlich verwalten. Direkte Zeugnisse seines Aufenthalts in der Stadt Dinkelsbühl oder gar seiner Tätigkeit vor dem Bauernkrieg besitzen wir nicht. Wir dürfen aber annehmen, daß er als geschickter Baumeister nicht nur an allen öffentlichen Baumaßnahmen in Dinkelsbühl selbst beteiligt war, sondern auch in benach­ barte Städte ausgeliehen wurde17, vielleicht damals schon mit Aufträgen auf seinem Spezialgebiet, dem Wasser- und Mühlenbau18, wofür man echte 12 St AN, Nürnberger Briefbücher 90 fol. 155’. 13 Er war 1533 bereits tot und hinterließ 6 unmündige Kinder (Stadtarchiv Dinkelsbühl Ü 1514, von 1533 Juli 10). — Ein Michel Weber von Weichenholz ist 1568 X 31 (Stadtarchiv Dinkelsbühl U 1549) und 1585—1589 in einem Gültbuch des Dinkelsbühler Reichalmosens (Stadtarchiv Dinkelsbühl, B 164 pag. 102) nachweisbar. — Mitteilung des Dinkelsbühler Stadtarchivars Hermann Meyer, für die ich herzlich danke. 14 Alt-Dinkelsbühl (vgl. Anm. 10) 22 (1935) 47. 15 Georg Weber starb am 5. 7. 1567, seine Tätigkeit endete gegen 1565. Man wird annehmen dürfen, daß er etwa 70 Jahre alt wurde; er wird demnach gegen 1495 geboren sein und kaum vor 1520 sein Amt als Stadtwerkmann in Dinkelsbühl angetreten haben. 16 Stadtarchiv Dinkelsbühl, Stadtrechnung 1456 fol. 172’. 17 Dies geschah bei Stadtwerkmeistern ziemlich häufig, wie auch Georg Webers spätere Karriere beweist (s. o. Abschnitt II 2). — 1488 war ein (Stadt-?) Zimmermann aus Dinkelsbühl bei den Stadtbauten in Windsheim tätig, vermutlich als Gutachter, und erhielt % fl „Ehrung“ (W. SCHULTHEISS, Der Nürnberger Architekt Hans Behaim a. Ä., seine Herkunft und erste Bautätigkeit bis 1491; MVGN 47 (1956) 435). 18 1514 VIII 1 erbittet Rothenburg von Dinkelsbühl einen „geschickten und verstendigen zu den wasserflussen“, was aber ohne Angabe der Gründe abgelehnt wird (Stadtarchiv Rothenburg A 173 fol. 46). Man könnte schon hier an Georg Weber denken.

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Fachleute brauchte, die man oft von weit her holte19. — Es ist durchaus möglich, daß Georg Weber auch schon in Dinkelsbühl als Mühlenbauer beschäftigt war, etwa bei der Ausgestaltung der bekannten, malerischen Stadtmühle20, der Roßmühle am Föhrenberg21 oder der Mühlenkette an der Stadtmarkungsgrenze22. Auch Brückenbau und sonstige mit dem Wörnitzfluß und seinen Nebenbächen zusammenhängende Bauprobleme fielen sicher in sein Ressort. — Daß er nicht nur zufriedenstellend, sondern sehr erfolgreich in Dinkelsbühl gearbeitet hat, könnte aus der Tatsache geschlossen werden, daß er 1525 nicht auf Zeit, sondern auf Lebenszeit als Stadtwerkmann angestellt war; dies geht aus den Verhandlungen zwischen Dinkelsbühl und Nürnberg im Juli und August 1525 (s. u. S. 117) hervor. Diese Erfahrungen sollten für seine spätere Karriere von großer Bedeutung sein. Sie hätten sich aber vielleicht, auf den kleineren Rahmen Dinkelsbühls beschränkt, nie so recht in überörtliche Bedeutung hinein entfalten können, wenn ihn nicht zunächst, im Mai 1525, die Ereignisse des Bauernkriegs um Dinkelsbühl aus der Bahn geworfen hätten. Dieser rückte, zunächst in Gestalt des „Ellwanger Haufens“, am 28. April vor die Stadt23. Der Rat verhandelte mit den Bauern und schloß am 6. Mai mit ihnen einen Vertrag, wonach 50 Mann des Bauernheeres das Karmeliterkloster und das Deutschordenshaus in Besitz nehmen, d. h. plündern durften und die Stadt ihnen drei Geschütze und andere Waffen zu liefern hatte, ansonsten aber von den Bauern unbehelligt bleiben sollte. Von Anfang an aber war die Sympathie eines Großteils der Bevölkerung, besonders unter den Handwerkern, auf der Seite der Bauern; in hellen Scharen schlossen sich Bürgersöhne dem Bauernhaufen an. Bei diesen Dinkelsbühler Bauernfreunden befand sich nun auch der Stadt­ werkmann Georg Weber. Unmittelbare, zeitgenössische Berichte darüber 19 I486 X 12 erbittet die Stadt Feuchtwangen von Nördlingen den Werkmeister Jörg Zimmer­ mann (!) zum Bau einer Walkmühle für das Färberhandwerk (Stadtarchiv Nördlingen Missiven 1486 fol. 306). 20 Max NEESER, Die Stadtmühle in Dinkelsbühl; in „Alt-Dinkelsbühl“ (s. Anm. 10) 5 (1917) S. 1 ff. — Felix MADER, Die Kunstdenkmäler von Bayern, Mittelfranken Band IV, Stadt Dinkelsbühl, München 1931, S. 165. — August GEBESSLER, Bayerische Kunstdenkmale XV, Stadt und Landkreis Dinkelsbühl, München 1962, S. 73 f. 21 GEBESSLER (Anm. 20) S. 66. — August GABLER, Die Roßmühlen; in: Schwäbische Blätter für Heimatpflege und Volksbildung 19 (1968) 23 ff. 22 Ludwig SCHNURRER, Das Territorium der Reichsstadt Dinkelsbühl; in: Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken 80 (1962/63) S. 55 ff.; GEBESSLER (Anm. 20) S. 44. 23 Zur Geschichte des Bauernkriegs in Dinkelsbühl vgl. Fränkische Bibliographie (= Veröffent­ lichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte III) I (Würzburg 1965) 222 f. Nr. 10 232, 10 260, 10 263/4, 10 266; dazu vor allem: Ludwig MÜLLER, Beiträge zur Geschichte des Bauernkriegs im Ries und seinen Umlanden; in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 16 (1889) 23—160; für Dinkelsbühl vor allem S. 93—107; Richard MILLER, Ergänzungen zur Geschichte des Bauernkriegs im Ries; in: Kollektaneenblatt Neuburg 73 (1909) 5—80, und 74 (1910) 3—31. — Brauchbare Zusammenfassung der Ereignisse bei: Christian BÜRCKSTÜMMER, Geschichte der Reformation und Gegenrefor­ mation in der ehemaligen freien Reichsstadt Dinkelsbühl (1514—1648) I (= Schriftenreihe des Vereins für Reformationsgeschichte 115/116), Leipzig 1914, S. 24—33.

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fehlen. Genauer, wenn auch noch kurz genug, beschrieben wird seine Rolle im Bauernkrieg im Rahmen des Prozesses vor dem Gericht des Schwäbischen Bundes in Augsburg, den 1527 — 1529 der Deutsche Orden gegen die Stadt Dinkelsbühl anstrengte, um Schadenersatz für die den Bauern vertraglich garantierten Plünderungen zu erhalten24. In den Verteidigungsartikeln Din­ kelsbühls vom 12. Mai 1528 heißt es: „Dartzu ir oberster werckmaister, so solcher und aller andern Sachen heimlichkeit gewist, an inen trewloß und mayneidigk worden, und zu den bauern gefallen, one zweiffel durch große besichtigung und anschlag darüber gemacht, sich hören lassen, welcher stund er wolle, wiß er zwei oder dreyhundert man in die Stadt zu bringen, damit sich also hinfür gethan, auf das er von dem hauffen zu einem obersten buchsen­ meister erwelt und geordent worden ist.“ Die Stadt warf ihm also vor allem den Bruch seines Diensteides vor und die Tatsache, daß er als Geheimnisträger Einzelheiten über die Stadtbefestigung, die ihm ja als Stadtwerkmeister unterstand, an die Bauern verraten hatte, und zwar vor dem Vertrag der Stadt mit den Bauern vom 6. Mai, in dem allerdings auch das Verbleiben von Bürgern beim hellen Haufen sanktioniert worden war. Daß Georg Weber als städtischer Geschützmeister bei den Bauern hochwillkommen war und sie ihn sogleich zum obersten Büchsenmeister des Ellwanger Haufens ernannten, leuchtet ein. Die später aufgekommene Legen­ de, er habe den Bauern hölzerne Kanonen gebaut25, bezieht sich vielleicht nur auf die ersten Tage seiner Tätigkeit für die Bauern, denn später, mit dem Vertrag vom 6. Mai, erhielt ja der Ellwanger Haufen Geschütze von der Stadt; andere mögen bei der Plünderung der umliegenden Schlösser erbeutet worden sein. — Zimmerleute, Steinmetzen und städtische Werkleute scheinen über­ haupt eine wesentliche Rolle bei den bürgerlich-bäuerlichen Revolutionsver­ suchen dieser Wochen gespielt zu haben. So schloß sich auch in Rothenburg ein gewisser Sebastian Rab, Steinmetz von Gebsattel, „der etwan gemeiner statt Rottenburg werkmaister gewest ist“, den Bauern an26; beim Würzburger Bauernheer des Florian Geyer befand sich, ebenfalls als Hauptmann, ein Steinmetz von Mergentheim27. Diese Berufsgruppe gehörte eben zur Hand­ werkerelite und war für führende Positionen bei den aufständischen Bauern prädestiniert. Der Rückschlag kam aber sehr schnell. Schon am 7. Mai wurde der Rieser Bauernhaufen bei Ostheim von Truppen des Markgrafen Casimir von Bran24 Eine Abschrift der Prozeßakten liegt merkwürdigerweise im fürstlichen Archiv zu Oettingen (87 Schrankfächer Fach 15 Nr. 610/7); die Herrschaft Oettingen hatte mit diesem Prozeß nichts zu tun. 25 s. unten Abschnitt 5. 26 F. L. BAUMANN, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (Chronik des Thomas Zweifel) (= Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart CXXXIX), Tübingen 1878, S. 352. 27 L. BÖHM, Kitzingen und der Bauernkrieg; in: Archiv des Historischen Vereins für Unter­ franken 36 (1839) 70 Anm. 3.

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denburg geschlagen, der Ellwanger Haufen löste sich auf, bevor er entschei­ dend besiegt werden konnte; die Maßregelungen der Aufständischen durch die geschädigten Herrschaften und Städte begannen, unterstützt durch militäri­ sche und gerichtliche Maßnahmen des Schwäbischen Bundes, dem auch Dinkelsbühl angehörte. Georg Weber wartete das Strafgericht in Dinkelsbühl nicht ab; er floh, und zwar nach Nürnberg. Diese eng mit Dinkelsbühl verbündete Reichsstadt gewährte nach der Niederwerfung der bäuerlichen Empörung nicht nur den Lutheranern allgemeinen Schutz gegenüber den Repressalien des Schwäbi­ schen Bundes, sondern bot vielen verfolgten Anhängern der Bauernsache Unterschlupf28, wie sie sich überhaupt sehr maßvoll auch im eigenen Territo­ rium gegenüber den Bauern gezeigt hatte29. Eine Dinkelsbühler Gesandtschaft aber, angeführt von Karl Berlin, die von der mächtigen, reichen und befreunde­ ten Nachbarreichsstadt ein Darlehen von 1000 fl zur Behebung der schlimm­ sten durch den Bauernkrieg entstandenen Schäden erwirkte, forderte gleichzei­ tig auch die Gefangensetzung und Auslieferung ihres abtrünnigen Stadtwerk­ manns. Georg Weber wurde daraufhin wirklich festgenommen und in die Nürnberger Fronfeste gelegt, seine Aussage („Urgicht“) am 24. Juli 1525 an Dinkelsbühl gesandt30 (sie ist leider nicht erhalten). Aber man hatte offenbar schon bald in Nürnberg gemerkt, welch tüchtigen Spezialhandwerker man in der Stadt beherbergte, und wollte ihn unter allen Umständen halten. Eine Untersuchungskommission31 befragte ihn vom 8. bis zum 10. August 1525 mehrmals und ausführlich und legte das Ergebnis in einem umfangreichen Verhörsprotokoll nieder32. Dinkelsbühl hatte die Auslieferung und anschließend den Vollzug des peinlichen Gerichts gegen ihn gefordert, das vermutlich zu einem Todesurteil geführt hätte. Hauptanklagepunkt dürfte der Treuebruch gegenüber der Stadt gewesen sein. Die Nürnberger Kommission gab jedoch zu Protokoll, daß er keineswegs „ein furnembster, auctor, fannenfurer und uffwidler“ des Bauern­ heeres gewesen sei; daß er, wenn er gewollt hätte, die Stadt wesentlich stärker hätte schädigen können, „habs aber unterlassen“; daß er, obgleich er sich bereits mit Dinkelsbühl „vertragen“ habe (damit ist wohl der Vertrag Dinkels­ bühls mit den Bauern vom 6. Mai gemeint), aus Furcht vor Strafmaßnahmen 28 Rudolf H. ENDRES, Der Bauernkrieg in Franken; in: Württembergisch Franken, Jahrbuch 58 (1974) S. 162. — Allerdings nahm Nürnberg natürlich nicht alle Flüchtlinge auf: am 10. 8. 1525 wies es den Christian Heintzner von Rothenburg aus, der sich am Bauernkrieg als Aufrührer betätigt hatte (StAN, Nürnberger Ratsverlässe Nr. 720 fol. 1; „Die Linde“, Beilage zum „Fränkischen Anzeiger“ Rothenburg 34 (1952) 26). 29 Gerhard PFEIFFER, in: Nürnberg — Geschichte einer europäischen Stadt, München 1971, S. 156. 30 StAN, Nürnberger Briefbücher Band 90 fol. 120. 31 Sie bestand aus Dr. Protzer, Dr. Christoph Scheurl, Friedrich Beheim, Hans Rieter, später noch Lazarus Holzschuher. 32 StAN, Nürnberger Ratschlagbücher Nr. 5 fol. 59—61.

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des Schwäbischen Bundes, geflohen sei; daß er nach dem Vertrag mit Dinkels­ bühl nichts mehr gegen die Stadt unternommen habe. Im übrigen sei der ganze Bauernaufstand „on mittel uß verhengknuß deß almechtigen gottes alls ein gemeine seuch, jamer und plag allenthalben in das reich komenu. Aus einer weiteren Befragung geht hervor, daß Georg Weber nach dem Vertrag zwischen den Bauern und der Stadt vom 6. Mai noch etliche Tage beim Bauernhaufen geblieben sei, dann aber, auf ein Schreiben seiner Frau hin, in die Stadt gekommen sei, mit ihr verhandelt und sich mit ihr vertragen habe. Da die bei diesen Verhören anwesenden Dinkelsbühler diesen Tatbeständen nicht widersprochen hätten, wurde festgestellt, „daß dißer Weber am leib oder am leben und gantz mit nichten peinlich zu straffen sei.“ Dieser Beschluß wurde von Nürnberg am 11. August 1525 an Dinkelsbühl mitgeteilt33 und Zustimmung erbeten, Weber aus dem Gefängnis entlassen zu dürfen. Dinkelsbühl gab sich damit noch nicht zufrieden, forderte vielmehr, wenn man ihm schon mit peinlichem Gericht nicht beikommen könne, solle man ihm wenigstens eine „leibstraf ufflegen“ (also ihm wohl, als Eidbrecher, die Schwurfinger oder die Hand abhauen). Nürnberg gab aber am 18. August34 zu bedenken, daß in einem solchen Falle Weber aus Rache die ihm bekannten „Geheimnisse“ der Stadt preisgeben könnte; man solle ihm vielmehr eine Urfehde abverlangen, in der er versichert, keine Rache zu üben, die Geheimnis­ se der Stadt Dinkelsbühl zu verschweigen, die Verpflegungskosten im Nürn­ berger Gefängnis zu bezahlen, die Stadt Dinkelsbühl auf Lebenszeit zu meiden und ihr nicht näher als 5 Meilen zu kommen; Georg Weber habe eine solche Urfehde bereits zugesagt und eine Reihe von Bürgern genannt35. Dinkelsbühl gab daraufhin nach, es konnte sich wohl gegenüber den dringenden Wünschen der mächtigen, überdies verbündeten Nachbarreichs­ stadt nicht auf vermeintliches Recht berufen; denn Nürnberg schien unter allen Umständen entschlossen, Weber nicht nur zu retten, sondern in eigenen Diensten nutzbar zu machen. — Zunächst ließ man ihn am 30. August 1525 Urfehde schwören36; die (übrigens nicht namentlich genannten) Bürgen muß­ ten sich dabei verpflichten, bei Webers Verstoß gegen die darin genannten Bedingungen ihn innerhalb eines Monats nach Nürnberg oder Dinkelsbühl auszuliefern, oder aber eine Bürgschaftssumme von 200 fl zu bezahlen. Als Dinkelsbühler Abgesandter war der Stadtschreiber Dominicus Letscher zuge­ gen, der die Urkunde auch mit dem Dinkelsbühler Stadtgerichtssiegel beglau­ bigte. 33 St AN, Nürnberger Briefbücher Band 90 fol. 145. 34 Ebenda fol. 155’ f. 35 Als Bürgen werden genannt: der Dinkelsbühler Spitalpfarrer Gilg Großfranck, der Schlosser Hans Müllner, der Tuchmacher Jorg Schönner, alle aus Dinkelsbühl; Jorg Keßler von Wilburgstetten, Hans Weber zu Weichenholz (s. o. Anm. 13), Meister Konrad der Zimmer­ mann zu Nürnberg. 36 Stadtarchiv Nürnberg, Lib. Litt. 38 fol. 53.

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Nürnberg hatte sich in einem Maße für den Dinkelsbühler Stadtwerkmann eingesetzt, daß der Schluß unabweisbar ist, es habe ihn und seine Fähigkeiten unter allen Umständen für sich sichern wollen. 2. Nürnberg Was mit Georg Weber nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis geschah, wissen wir nicht. Zweifellos hat man ihm Arbeit gegeben, vielleicht sogar die Gelegenheit, seine besonderen Begabungen und Fähigkeiten zu beweisen, und vielleicht hat er sich schon bald ausgezeichnet. Dafür haben sich aber bis jetzt keine Belege finden lassen. Die Erwähnung des Hauses eines Jorg Weber in der Sebalder Pfarre beim Wöhrder Türlein 152 6 37 kann, aber muß sich nicht auf ihn beziehen; selten waren jedenfalls Vor- und Familiennamen nicht38. Seine eigentliche Nürnberger Biographie beginnt aber erst 1528. Am 5. Mai dieses Jahres beschloß der Nürnberger Rat, wegen einer städtischen Anstel­ lung mit ihm zu verhandeln, um ihn „hie zu behallten“39. Das läßt vermuten, daß sich Weber damals mit dem Gedanken getragen hat, anderswo unterzu­ kommen. — Am 11. Mai wurde beschlossen, ihn für vier Jahre gegen einen jährlichen Sold von 16 fl anzustellen40, vermutlich als Zimmermann, obwohl dies nicht ausdrücklich gesagt wird. Am 8. Juli wurde ihm allerdings mitgeteilt, er müsse noch ein Vierteljahr warten und „zur wer. .. sitzen“, könne dann „hereinziehen“ und Bürger werden. Man wird also annehmen dürfen, daß er nicht in der Stadt selbst, sondern in einer der Vorstädte wohnte, vermutlich in Wöhrd. Nürnberger Bürger ist er allerdings wesentlich später, erst 1537, geworden (s. u, S. 121). Uber seine Beschäftigung in diesem ersten Tätigkeitsjahr wissen wir so gut wie nichts, außer daß er 1529 einen „zug“, eine Aufzugsvorrichtung, zu machen beauftragt wurde41 und 1529/30 den ersten Ruf nach auswärts, nämlich nach Regensburg erhielt (WV 56)42, was darauf schließen läßt, daß er bis dahin bereits Bedeutendes geleistet haben muß. Beinahe scheint es, als ob er im Herbst 1530 ganz in Regensburg geblieben wäre; der Rat in Nürnberg wandte „gute Worte“ an, um ihn zum Bleiben zu bewegen, gab ihm beträchtli37 Ebenda 40 fol. 33. 38 Wurde er 1525 meist mit „Jörg Weber“ und der Berufsbezeichnung „Zimmermann“ genannt, so wechseln von 1528 an seine Bezeichnungen häufig: Meister Jörg (Jorg, Georg) Weber wird am meisten gebraucht, bis 1532 auch noch oft die Herkunftsbezeichnung „von Dinkelsbühl“, was aber immer seltener wird, dennoch bis 1565 zu verfolgen ist. Daneben kommen manchmal auch „Jörg Zimmermann“ oder einfach „Meister Jörg“ vor. Es ist also im Einzelfall nicht einfach, stets die Identität so bezeichneter Personen zu erweisen. 39 HAMPE (Anm. 8) Nr. 1610. 40 Ebenda Nr. 1612. 41 Ebenda Nr. 1663. 42 Mit dem Sigle „WV“ und einer Nummer wird auf das Werkverzeichnis Georg Webers im Anhang verwiesen. 43 entfällt.

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che 10 fl als „Bibal“ und versprach ihm im neuen Jahr ein “Ämtlein“44. Am 23. Januar 1531 bekam er dieses auch, das eines „Wasserbeschauers“, anstatt eines gewissen Prenner45, eine offenbar subalterne Stellung, da noch im März des gleichen Jahres als eigentlicher „Werkmann der Wassergepew und Malwergks“ ein Heintz Sturm genannt wird46. Gleichzeitig und vielleicht zum Ausgleich bekam er aber die Erlaubnis, in der Vorstadt Wöhrd an der Pegnitz eine Pulvermühle zu bauen (WV 50). Da er schon vorher an einer anderen Pulvermühle der Stadt mehr gearbeitet hatte, als „im verdingt gewesen“, erhielt er am 31. 1. 1531 20 fl. Verehrung47. Seine amtliche Stellung scheint in dieser Zeit immer noch schwankend und ungewiß gewesen zu sein. Während er 1531 neben anderen schon als städtischer Werkmann bezeichnet wird48, ist er in einer Rechnung des Bauamtes zum Rechnungsjahr 1531/32, die alle An­ gestellten aufführt, nicht genannt49. 1532 baute er intensiv an seiner Pulvermühle (WV 50; s. auch unten S. 143); am 17. 5. 1532 wurde darüber ein umfangreicher Vertrag mit der Stadt formuliert50. Daneben wurde er noch in diesem Jahr und weiter bis 1534 wiederholt und längerfristig vom Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen zum Befestigungsbau und zur Errichtung einer Poliermühle nach Coburg geholt (WV 12). Vielleicht erhielt er wiederum Angebote, dort zu bleiben, wie schon 1530 in Regensburg, oder es waren geschickte Schachzüge, Nürnberg endlich zu einer befriedigenden Anstellung zu zwingen. Die Stadt verhandelte auch prompt mit ihm wegen seiner Verwendung im städtischen Zeughaus (auf dem Fiallplatz)51, und kurz darauf wurde ihm ein „Gewartgeld“ (ein Fixum für jederzeitige Verfügbarkeit) von jährlich 15 fl gewährt, „das er sich zum Zeughaus und sunst dester williger gebrauchen lasse“; bezüglich des Zeug­ hauses mußte er sich zur Geheimhaltung verpflichten, denn hier lagerte ein Großteil des städtischen Waffenarsenals. In dem oben (Anm. 50) genannten Vertrag über die Pulvermühle wurde am Schluß ein für seine Stellung zur Stadt Nürnberg äußerst wichtiger Artikel formuliert: er solle sein Leben lang sein Bürgerrecht nicht aufkündigen, der Stadt wie bisher seinen Dienst widmen und keinerlei „muster meiner kunst, die ich yetzo wais oder mit göttlicher hilff hinfuro uberkhome“, ohne Erlaubnis des Rats an auswärtige Herrschaften oder Leute geben.

44 NEUDÖRFER-LOCHNER (Anm. 7) S. 80 f. 45 HAMPE (Anm. 8) Nr. 1823. 46 Früher Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Archiv der Reichsstadt Windsheim; jetzt Stadtarchiv Bad Windsheim, Missiven. 47 HAMPE (Anm. 8) Nr. 1823. 48 Ebenda Nr. 1857. 49 Stadtarchiv Nürnberg, Bauamt, Rechnungen Nr. 16 a. s0 StAN, Rep. 52 b (Amts- und Standbücher) Nr. 325 fol. 34’; Nr 326 fol. 54. 51 HAMPE (Anm. 8) Nr. 1969. — Über das Nürnberger Zeughaus vgl. v. DOTZAUER, Das Zeughaus der Reichsstadt Nürnberg; in MVGN 16 (1904) 151—178.

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Gleichzeitig mit der Gewährung des „Gewartgelds“ wurden ihm allerdings die 12 fl vom Landbaumeisteramt gestrichen, die ihm vorher, sicher für gelegentliche Arbeiten innerhalb der verschiedenen Pflegeämter, gewährt worden waren. Also anscheinend immer noch keine feste Anstellung! Georg Weber war jedoch in dieser Zeit vielfach mit allen möglichen Bauarbeiten in Hersbruck (WV 25 a—d, 26), Vilseck (WV 66), auch wieder auswärts, nämlich in Hanau (WV 23) und in Ochsenfurt (WV 55) beschäftigt. Auch wurde er am 11.4. 1534 erstmals in einem offiziellen Schreiben der Stadt als „statmeister“ bezeichnet52. Mit einem lockeren Vertrag als Zimmermann war er also doch an die Stadt gebunden53; dafür erhielt er jährlich 28 fl, wozu ihm am 15. 8. 1534 noch jährlich 15 fl (widerruflich) aus der Losungsstube für seine gelegentliche Beschäftigung im Zeughaus gewährt wurden54. Schließlich entwickelte sich daraus ein richtiggehender Zimmermanns-„Betrieb“; 1535 ist von seinen vier Gesellen die Rede55. Erst 1537, zehn Jahre nach seiner ersten nachweisbaren Beschäftigung im Dienste der Stadt, erhielt er das (ersehnte?) höhere Amt: Am 10. April wurde er nach Abgang des Meisters Mathis Petzolt (von Sachsen) probeweise auf ein Jahr als Verweser des Anschicker- und Werkmanns-Amtes in der Peunt, dem städtischen Bauhofe, angenommen 56. Als „werckman der wassergepew“ war er offenbar schon vorher angestellt; denn am 16. 4. 1537 wurde neben ihm ein gewisser Peter Krumpeck gegen jährliche 12 fl bestallt57. Jetzt erst war die Voraussetzung für seine Einbürgerung erfüllt; am 6. Juni 1537 erwarb er das Bürgerrecht, der Rat erließ ihm die Zahlung der Aufnahmegebühr58. Schon am 31. Juli 1537 wurde seine probeweise Anstellung in eine endgültige als oberster Werkmeister auf der Peunt umgewandelt; den Anschickerposten gab er dabei offenbar auf59. Seine bisher aus fixem Sold und „Gewartgeld“ bestehende Besoldung wurde neu geregelt: er bekam die gewöhnliche Peuntbesoldung, dazu 12 fl aus dem Losungsamt für die Wasserbesichtigung sowie 15 fl für seine Tätigkeit im Zeughaus. Dafür wurde ihm das bisherige „Gewartgeld“ gestri­ chen. — In dieser Zeit erscheint er auch erstmals in der Bauamtsrechnung; allerdings bleibt er (am 2. 10. 1537) der Stadt noch 8 fl schuldig (was weniger mit seiner Besoldung als mit Arbeitsaufträgen zu tun haben wird)60. — Ob allerdings der Jorg Weber, der am 23. 12. 1537 in der St. Lorenzkirche eine

52 St AN, Nürnberger Briefbücher Band 108 fol. 122. 33 1540, bei seiner Ernennung zum Landbaumeister, erwähnt er, daß er nach 1532 zum Unterbau­ meister auf der Peunt ernannt worden sei: Stadtarchiv Nürnberg Rep. A 2/1 Nr. 412. 54 St AN, Verlässe zum Losungsamt Band I fol. 31’ (neue Zählung). 35 St AN, Rep. 27 b (Briefbücher des Landpflegeamts) Band 18 fol. 71. 36 HAMPE (Anm. 8) Nr. 2238. 37 St AN, Verlässe zum Losungsamt Band I fol. 45 (neue Zählung). 38 HAMPE (Anm. 8) Nr. 2249; StAN, Rep. 52 b Nr. 308 (Bürgerbuch 1534—1631) fol. 12. 59 HAMPE (Anm. 8) Nr. 2267; StAN, Verlässe zum Losungsamt Band I fol. 45. 60 Stadtarchiv Nürnberg, Bauamtsrechnung, Schmalfolioblatt bei fol. 77.

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Gertrud Norbergerin heiratete61, mit ihm identisch ist, bleibt fraglich (s. u. S. 127). Kaum ein Jahr später war er seiner Tätigkeit als Werkmeister auf der Peunt überdrüssig und wollte darauf verzichten; am 30. 5. 1538 verhandelte der Rat mit ihm darüber, offenbar mit dem Erfolg, daß er seine Arbeit zunächst wieder aufnahm. Seine Forderung allerdings, ihm die 1537 gestrichenen 16 fl „Gewartgeld“ wieder zu bezahlen, wurde vom Rat abgelehnt; dafür versprach man ihm eine jährliche „Verehrung“62. — Die Unzuträglichkeiten auf der Peunt wurden damit aber nicht beigelegt. Es gab noch keine verpflichtende Peuntordnung; es kam daher zu häufigem Streit und Beschwerden. Dem Georg Weber war eine Untersuchungskommission am 2. 4.1539 vor, erkaufe selbstherrlich Holz ein, verschwende städtisches Eigentum und sei grob und unhöflich zu seinen Untergebenen63. Seine Bestallung wurde aber dadurch nicht angetastet, auch nicht seine Nebentätigkeit für das Landpflegamt, von dem er am 16. 12. 1539 für seine Tätigkeit von Lichtmeß 1537 an eine Verehrung von 32 fl erhielt64. Der Rat hielt ihn bei Beschwerden zunächst energisch die Stange; solche seines Kollegen Hieronymus Köler wies er zurück, weil sie vermutlich aus Widerwil­ len und Neid erwachsen seien. Die Bezahlung der von Weber selbst, also wohl eigenmächtig angestellten Gesellen wurde nicht beanstandet, „dann sye dasselbig allweg wider hereinpringen können ... dann solcher gesellen 4 mer arbeiten dann sonst 10“65. Im Frühjahr 1540 sah der Rat endlich doch ein, daß das Amt des obersten Werkmeisters auf der Peunt nichts für Georg Weber war; er eckte offenbar überall an. Noch am 7. 3. 1540 war der Rat nicht bereit, Webers wiederholtem Drängen nach Entlassung nachzugeben; er ermahnte ihn lediglich, höflicher mit seinen Mitarbeitern und Vorgesetzten (dem Baumeister des Rats vor allem) umzugehen; auch mit dem Anschicker scheint es, u. a. wegen der Benützung des Bads, Schwierigkeiten gegeben zu haben66. Einen Monat später aber gab der Rat nach. Am 5. 4. 1540 erließ er Weber das Peuntwerkmeisteramt67, nachdem er eine schriftliche Erklärung abgegeben hatte, kein „muster“, also Modelle und Pläne von Bauwerken, nach auswärts zu geben68. Am folgenden Tag wurde ein neuer Vertrag mit ihm geschlossen; die bereits bestehende Tätigkeit bezüglich der Mühlen und der Wasserschau wurde übernommen. Daneben wurde vereinbart, er solle sich zu städtischem Dienst 61 Helene BURGER, Das älteste Ehebuch der Pfarrei St. Lorenz in Nürnberg 1524—1542 (= Freie Schriftenfolge der Gesellschaft für Familienforschung in Franken Band 2), Nürnberg 1951, S. 112 Nr. 3347. 62 HAMPE (Anm. 8) Nr. 2322—2323. 63 StAN, Rep. 21 (Bauamt der Stadt Nürnberg) Nr. 503. 64 StAN, Rep. 27 a (Landpflegeamtsmanuale) Band 11 fol. 211. 65 StAN, Rep. 21 (Bauamt) Nr. 527 (undatiert, wohl kurz vor oder um 1540). 66 StAN, Rep. 21 (Bauamt) Nr. 503. 67 Nachfolger wurde Hans Dhym (Thiem) genannt Franck: HAMPE (Anm. 8) Nr. 2494. 68 HAMPE (Anm. 8) Nr. 2488—2489.

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verpflichten in der Stadt und auf dem Lande „mit gepeuen, ratschlegen und andern“. Dafür sollte er einen Jahressold von 50 fl bekommen, zusätzlich, wie bisher, 12 fl für die Wasserbeschau69. In dem im Original erhaltenen Vertrag vom 30. 4. 154070 wird seine Tätigkeit noch exakter umschrieben. Darin verpflichtete er sich, „in irer stat gemeinen gepewen in der stat, dem Zeughaus und auf dem land in ihren flecken, obrigkeit und gebieten auf ihr und der verordneten landpfleger erfordern und ersuchen als ein landbaumeister retlich, hilflich und fürderlich“ zu sein; er versprach Gehorsam auch für den Fall, daß die Stadt ihn auf Feldzügen benötigt; schließlich sagte er zu, ohne Ratsgeneh­ migung keine fremden „gepewe“ außerhalb der Stadt anzunehmen. Als Landbaumeister erhielt er offensichtlich neben seinem Fixum („wart­ gelt“) noch Bezahlung für die einzelnen Objekte, bei denen er tätig war; nicht anders kann der Ratsauftrag verstanden werden, alle Fälle, in denen Weber bis Pfingsten 1542 für die Landschaft gearbeitet habe, zusammenzustellen, mit ihm zu besprechen und nach Einigung mit ihm auszuzahlen, „das er zu danck angenomen“, worauf ein neues Dienstjahr begann71. Obwohl er als Landbaumeister offenbar selbständiger war als vorher, kam es 1549 doch zu einem bösen Streit mit einem Kollegen, dem Steinmetzpolier Georg Unger. Den Anlaß kennen wir nicht. Georg Weber hatte ihm 1544 sein Haus in der Grasersgasse am Karthäuserkloster verkauft (s. u. S. 128), und möglicherweise haben sich daraus Konfliktstoffe ergeben. Jedenfalls fügte Weber dem Unger am 6. 8.1549 eine Verwundung am linken Arm zu72; bei einer Untersuchung der Sache vor dem Rat am 6. 9. 1549 wurde festgestellt, daß dies „etwas unpillicher weyse und vast hintterwertling“ geschehen sei. Weber mußte dem Unger 40 Pfund Heller, dazu Arztlohn, „atzung“ und Versäumnis, dem Rat 60 Pfund Heller bezahlen. Der Vorwurf der „lemung“, der ein größeres Strafmaß zur Folge gehabt hätte, wurde fallengelassen; beide wurden auf die Aussöhnungsartikel verpflichtet, die schon früher der Bürger­ meister Gabriel Nützel mit ihnen ausgehandelt hatte73. Es war demnach schon vorher zu Streit zwischen den beiden gekommen. — Georg Weber weigerte sich, die Arztkosten zu bezahlen und mußte vom Rat dazu gezwungen werden74; auch sein Gesuch, ihm das Strafgeld zu erlassen, wurde zurückgewie­ sen75. Schon früher hatte der Rat Grund, mit ihm unzufrieden zu sein. 1546 hatte Weber von dem brandenburgischen Amtmann zu Cadolzburg, Ludwig von Seinsheim, den Auftrag übernommen, ein Wehr zu bauen (WV 11), das 69 HAMPE (Anm. 8) Nr. 2490; StAN, Rep. 27 a Band 12 fol. 80, zu 1540 IV 24. 70 Stadtarchiv Nürnberg Rep. A 2/1 Nr. 412; Kopie: StAN, Rep. 52 b Nr. 325 fol. 46; Nr. 326 fol.

222. 71 72 73 74 73

StAN, Rep. 27 a Band 14 fol. 124, 131. HAMPE (Anm. 8) Nr. 3188. StAN, Rep. 52 b, 197 (Haderbuch) fol. 53; HAMPE (Anm. 8) Nr. 3197 a. HAMPE (Anm. 8) Nr. 3205. Ebenda Nr. 3227.

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offenbar nicht zur Zufriedenheit des Auftraggebers ausfiel, worauf sich dieser beim Rat beschwerte. Die Antwort Nürnberg vom 17.1. 154776 ist recht unterwürfig, betont das Verschulden Webers und fügt hinzu: „. .. wie wir dann allerlay mangels bißher in unser und unserer bürgerschaft gepewen bey ime befunden, deß wir zum offtermal seiner armut und Unvermögens halben mit gedult gegen ime handlen müssen.“ Ein anderer Zusammenstoß mit dem Rat ergab sich im Januar 1551. Georg Weber begann damals in Lauf den Bau der Schloßbrücke (WV 42) und konsumierte mit anderen Bauleuten offenbar viel Wein oder Bier, ohne jedoch der Stadt Lauf dafür das Ungeld, d. h. die Getränkesteuer, zu bezahlen. Die Stadt setzte ihm am 22. 1. 1551 eine Frist von 14 Tagen, um dies nachzuholen, drohte widrigenfalls Pfändung an und riet den Laufern sogar, „wenn sich meister Jorg Weber meer unbescheiden heltet, mugen sie mit ime uff den thurm oder in gefencknus rumplen“77. Aber ausgerechnet am gleichen Tag wurde Webers Besoldung um 12 fl erhöht, so daß er jetzt 74 fl jährlich bekam78 — nicht gerade ein Beweis für tiefgreifende Mißstimmung zwischen der Stadt und ihrem Landbaumeister! Immerhin hielt der Konflikt noch bis Juni an; Weber bat um „Versicherung“ und „geleit“ von Lauf nach Nürnberg, wohl um dort die Sache endgültig zu bereinigen; aber die Meinung des Rates war, „wie man die kundschaft vernomen, (solle) nichts ernstliches gegen ine furgenomen werden“79. 1551 brach der (zweite) Markgrafenkrieg über Nürnberg herein80. Im Mai und Juni mußte es eine schwere Belagerung durch Markgraf Albrecht Alkibiades von Brandenburg über sich ergehen lassen81. Bei der Verstärkung der Stadtbefestigung aus diesem Anlaß war Georg Weber maßgeblich beteiligt, teils durch Ratschläge, teils durch rasch eingeleitete und durchgeführte Maßnahmen. Die Brustwehr am Neuen Tor versprach er mit einem Holzge­ rüst „one zimmer und gepew“ so herzurichten, daß darauf Geschütze postiert werden konnten (WV 49 d). Auch bei der ungewöhnlichen Außenverstärkung des Laufertorturms (indem man ihn mit Wollsäcken mit einem Gesamtgewicht von 300 Zentnern behängte!) und dem Anbringen von Gegengewichten im Innern lieferte er seinen Anteil (WV 49 e)82. Dann zog er aber auch mit 76 77 78 79 80

St AN, Nürnberger Briefbücher Band 137 fol. 32. StAN, Rep. 27 a Band 23 fol. 12. StAN, Verlässe zum Losungsamt Band I fol. 45. StAN, Rep. 27 a Band 23 fol. 97’ und 102’. Ernst MUMMENHOFF, Altnürnberg in Krieg und Kriegsnot; 1. Der zweite markgräfliche Krieg, Nürnberg 1916. — Eugen FRANZ, Nürnberg, Kaiser und Reich, München (1930) S. 181—196. 81 Beginn am 9. 5., Aufhebung am 6.6. 1552. — Vgl. die etwa gleichzeitige Beschreibung „Belegerung der Statt Nürnberg von Markgraff Albrechten von Brandenpurck Anno 1552“; StAN, Nürnberger Handschriften Nr. 77. 82 Nach der Beschreibung in der „Belegerung...“ (Anm. 8) geschah dies am 26. 5. 1552, nach einer Chronik von 1552—1554 am 25. 5. 1552 (StAN, Nürnberger Handschriften Nr. 79 fol. 18’). Georg Weber wird in diesen beiden Quellen nicht genannt. — Der Äußere Läufer Torturm war den stärksten Angriffen Markgraf Albrechts ausgesetzt.

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anderen Bauhandwerkern, die man vor allem bei Belagerungen benötigte, mit den Nürnberger Truppen gegen Markgraf Albrecht ins Feld. Leider konnten von dieser Tätigkeit bis jetzt nur wenige Einzelheiten gefunden werden. Wir wissen lediglich, daß er am 22. 3. 1554 einen Bericht anfertigte „der prügken halben, so bei Schweinfurt übern Mayn sol gemacht werden“ (WV 58 a), womit nur eine Belagerungsbrücke gemeint sein kann83; ferner, daß er sich „im vergangen krieg von Schweynfurt, auch vorm Hof und andern Orten ganz willig und geflissen prauchen lassen und sich damit in allerlei gefar begeben“, wofür er, etwas spät im Januar 1555 und auf seine eigene Bitte, vom Rat 32 fl verehrt bekam85. — Uber die Rolle, die Weberbei der (ersten) Belagerung von Hof spielte, erfahren wir Näheres aus einer offenbar offiziösen Nürnberger Kriegschronik86: „Es ist auch auf obermeltem tag (15. 9. 1553) in der nacht denen vor Hof durch Maister Georgen Webern von Dinckelspuhel, eins erbern rats zu Nurmberg werkmaiser, das wasser dermassen abgraben und genumen worden, das sie auf den Muln nichts mer maln können.“ Weber wurde demnach, wenn auch in kriegsbedingt pervertier­ ter Weise, auf seinem Spezialgebiet, dem Wasser- und Mühlenbau, eingesetzt. — Eine ähnliche Tätigkeit Webers müssen wir auch bei den anderen Belage­ rungen dieses Krieges annehmen, so bei der Stadt Kulmbach und Plassenburg87; am 21. 7. 1553, 11 Tage nach Beginn der Belagerung, hat man „den prunnen, der vom Buchholtz ins Schloß gegangen, genumen und abgraben“; weitere Brunnenleitungen in das Schloß wurden am 19. 1. und am 11. 12. 1553 abgegraben88, und obwohl der Name Georg Webers diesmal nicht genannt

83 Schweinfurt war am 22. 4. 1553 von Markgraf Albrecht eingenommen worden und wurde seit Dezember 1553 von den Bischöfen von Bamberg und Würzburg sowie von der Stadt Nürnberg belagert. Erst am 13.6. 1554 wurde es erobert und fast vollständig zerstört — das große „Stadtverderben“; vgl. Erich SAEFERT, Die Reichsstadt Schweinfurt von 1554—1615. Der Wiederaufbau der Stadt nach dem Stadtverderben im Markgräflichen Krieg (Dissertation Würzburg 1951) S. 6, 9 ff. — Die beiden Mainbrücken wurden erst 1555—1557 wieder errichtet (SAFFERT l.c. S. 45 ff.) — Eine gegenüber SAFFERT um einige Tage verschobene Belagerungschronologie in der Nürnberger Kriegschronik (s. Anm. 86) fol. 58, 61, 67,174, 179’, 180 ff. 84 entfällt. 85 HAMPE (Anm.8) Nr. 3529. 86 „Summarischer außtzug und bericht, was sich in verloffenem Marggrevischen krieg... vom 1552. jar an biß ins 1560. jar begeben und zugetragen“; St AN, Nürnberger Handschriften Nr. 85; gedruckt (ed. Joseph Baader) im 33. und 34. Jahresbericht des Historischen Vereins Bamberg (1870/71), hier zitiert nach dem Original, fol 106’. — Hof war, nach der Einnahme der Plassenburg, von den vereinigten fränkischen Ständen vom 9. 8. 1553 an belagert worden und ergab sich am 27. 9. 1553 (ebenda fol. 100’—107, 119’). Am 12. 10. 1553 von Markgraf Albrecht zurückerobert, fiel es zum zweiten Mal am 29. 11. 1553 (ebenda fol. 122’, 132’). 87 Beginn der Belagerung 10.7.1553 (ebenda fol. 96 ff.; dort irrig zum 18.7.1553!); am 26. 11. 1553 Räumung und Einnahme der Stadt (ebenda fol. 131 ff.); am 21. 6. 1554 ergibt sich die Plassenburg und wird geschleift. — Holzschnitt von der Belagerung der Plassenburg: St AN, Nürnberger Handschriften Nr. 101 fol. 157. 88 Ebenda fol. 98’, 132’, 133’.

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wird89, ist seine Tätigkeit dabei zu vermuten. — Ähnliches gilt für die Belagerung von Bayreuth90; am 4. 10. 1553, kurz vor der Aufforderung zur Übergabe, „hat man denen in der stat das wehr am Mulwerck abgerissen und inen das wasser genummen“91. Auch bei der Belagerung von Hohenlandsberg92 mag er zugegen gewesen sein, obwohl ausdrücklich nur die Tätigkeit des Zeugmeisters Caspar Pronner überliefert ist. — Jedenfalls steht fest, daß er in diesem verheerenden Krieg eine bedeutende Rolle als Belagerungstechniker gespielt hat; anders wären die ihm anschließend zugestandenen außerordentli­ chen Vergünstigungen nicht zu verstehen. Schon im August 1554 gestattete man ihm, wiederum auf persönliches Ansuchen, eine zweimonatige Kur im Wildbad zu Elbogen in Böhmen, genehmigt „zu erlangung seines gesundts“, doch wohl für Körperschäden, die er sich im Kriege zugezogen hatte93; man vergaß nicht, ihm dabei einzuschär­ fen, er möge unter dem Vorwand der Kur in Kuttenberg keine Bauarbeiten in den Bergwerken annehmen94. — Leibesbeschwerden scheinen auch nach der Kur geblieben zu sein. Im Juli 1555 wird eine Dienstreise Webers nach Betzenstein abgesagt, weil er „leibs halben“ weder reiten noch gehen könne (WV 8). Vielleicht hängt auch der kostenlose Bezug von vier Eichen im Frauenauracher Wald (wir wissen nicht, wofür) mit seinen Sonderleistungen während des Markgrafenkriegs zusammen95. Man konnte ihn in diesen schweren Jahren nach den Krieg keineswegs schon entbehren96. Wir finden ihn bei Wiederaufbau der zerstörten Städte und Burgen beschäftigt, in Forchheim (WV 16), Fiersbruck (WV 25 g), Lichtenau (WV 46 d—f) und Reicheneck (WV 57). Einmal, im Oktober 1553, schickte man ihn zum Einreißen von Befestigungsanlagen nach Forchheim (WV 16) zusammen mit seinem „Erzfeind“ Georg Unger (s.o. S.123), der sich darüber beim Rat beschwerte. Von 1560 an (er wird damals etwa 65 Jahre alt gewesen sein) wird er seine Stelle als Landbaumeister aufgegeben haben; wir finden ihn aber noch bis zum September 1565 (WV 54 a) als P^gnitzbeschauer und als Mühlensachverständi­ ger aktiv — Tätigkeiten, in denen er offenbar immer noch unentbehrlich war. — Am 5. Juli 1567 starb er. Sein Testament, das amtlich verlesen und in eines der Stadtbücher eingetragen wurde, ist leider nicht erhalten97. 89 Josef BAADER (Anm. 6) S. 262 behauptet: „Der Rat bediente sich seiner i. J. 1554 auch bei der Belagerung der Plassenburg“; leider ohne Quellenangabe. 90 Beginn am 1. 10. 1553; „Summarischer austzug.. .“ (Anm. 86) fol. 120’. 91 Ebenda fol. 121’. 92 Beginn anfangs Februar 1554, Einnahme am 8. 4. 1554; ebenda fol. 148’ —: 154. — Gleichzeiti­ ger Holzschnitt: StAN, Nürnberger Handschriften Nr. 101 fol. 156. 93 HAMPE (Anm. 8) Nr. 3498. 94 Bei R. KLIER, Nürnberg und Kuttenberg (MVGN 48, 1958, S. 51—78) ist diese Episode nicht erwähnt. 95 StAN, Rep. 27 a Band 27 fol. 28’; Rep. 27 b Band 28 fol. 36. 96 Vgl. Ernst MUMMENHOFF, Die Verwüstung des Nürnberger Gebiets im 2. Markgrafen­ krieg, Nürnbergs wirtschaftlicher Ruin; in „Das Bayernland“ 30 (1918) S. 25—32. 97 StAN, Nürnberger Totenbücher Nr. 3 (Ratstotenbuch I) fol. 209.

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3. Webers Familie

Von Webers Familienverhältnissen erfahren wir nur sehr wenig. Er war in Dinkelsbühl bereits verheiratet; als er bei den aufständischen Bauern weilte, veranlaßte der Dinkelsbühler Rat seine Frau, ihn zur Rückkehr aufzufor­ dern98. Ihren Namen kennen wir nicht; wir wissen auch nicht, ob sie schon in Dinkelsbühl Kinder hatte. Auch in den ersten 12 Nürnberger Jahren hören wir nichts von seiner Familie. Möglicherweise war seine erste Frau gestorben, und kurz nachdem er (am 6. 6. 1537) das Nürnberger Bürgerrecht erhielt (s. o. S. 121), heiratete (am 23.12.1537) in St. Lorenz ein Jörg Weber (ohne Berufsbe­ zeichnung) eine Gertrud Norbergerin"; ob er mit unserem Georg Weber identisch ist, muß offenbleiben. Immerhin bleibt das zeitliche Zusammentref­ fen von Bürgeraufnahme und Heirat, die in den Städten des Mittelalters und später häufig miteinander gekoppelt waren, auffällig. Seit 1542 und 1543 ist allerdings seine (dritte?) Frau Margarethe überliefert100, aber auch sie scheint gegen Ende des Jahres 1544 bereits gestorben zu sein, denn Georg Weber tätigte am 10. 11. 1544 einen Verkauf ohne Nennung seiner Frau, aber im Beisein der Vormünder seiner unmündigen Kinder101, und urkundete am 16. 11. 1544 mit Einwilligung seines Sohnes Jörg Weber d. J. und der genann­ ten Vormünder102. — Vielleicht ist auch der Zimmermann Pangratz Weber, der uns 1557 und 1559 begegnet, Georg Webers Sohn103. 4. Grund- und Hausbesitz

Auch darüber sind die Nachrichten dürftig. Fraglich bleibt, ob das Haus beim „Werder thurlein“, das zu 1526 überliefert ist104, sich auf ihn bezieht, nachdem sich sowohl Vor- als auch Familiennamen in dieser Zeit häufig finden. Als unser Georg Weber 1531/32 die Pulvermühle samt Wohnhaus in Wöhrd an der Pegnitz baute (WV 50), wird er vermutlich zunächst dort gewohnt haben, unbeschadet der Weiterverleihung (doch wohl nur der Mühle) an einen Beständner. 1540 wird ein Haus „an der prucken“ bei der „Krötenmul“ (rechts am südlichen Kopf der Karlsbrücke an der Pegnitz) als „Gorgen Weber erb“ bezeichnet105; auch hier wissen wir nicht genau, ob dieser mit unserem Georg

98 So im Verhörsprotokoll vor dem Nürnberger Rat vom 8.—10. August 1525: StAN, Ratschlag­ bücher Nr. 5 fol. 60’. 99 S. oben Anm. 61. 100 1542 XI 16: Stadtarchiv Nürnberg, Lib. Litt. 56 fol. 16 und 17; 1543 I 3: ebenda fol. 40’; 1543 I 11: ebenda fol. 43; 1543 V 15: ebenda fol. 116. 101 Ebenda 57 fol. 163’. 102 NEUDÖRFER-LOCHNER (Anm. 7) S. 82. 103 StAN, Rep. 21 (Bauamtsakten) Nr. 328 (Rechnung der Wege und Stege 1557) fol. 3; ebenda Nr. 82 und 96 (Rechnung über den Brückenbau von Neuses); vgl. WV 47. Hier wird Georg Weber als Berater, Pangratz Weber unter den beschäftigten Zimmerleuten genannt. 104 Stadtarchiv Nürnberg, Lib. Litt. 40 fol. 33. 103 Ebenda 52 fol. 149.

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Weber identisch ist. Absolut sicher dagegen ist, daß er wenig später auf einem Grundstück an der Grasersgasse (31 x 28 Werkschuh groß, an allen Seiten frei, gegenüber dem Haus des Steinmetzen Wolf Schechinger), das dem Karthäu­ serkloster gehört hatte und nach dessen Säkularisierung106 vom Gemeinen Almosen verwaltet wurde, ein Haus baute. Am 16. 11. 1542 verkaufte es Weber dem Gemeinen Almosen für 100 fl und erhielt es gleichzeitig gegen den geringen jährlichen Eigenzins von 1 fl von diesem wiederum zurück107. Er verkaufte kurz darauf, am 11. 1. 1543, die Erbgerechtigkeit eines Hauses in allernächster Nachbarschaft, ebenfalls in der Grasersgasse zwischen Lienhart Tuchers Garten und einem Stadel des Fleischhackers Jörg Mantel, für 70 fl an den Gewandschneider Hans Köler; Obereigentümer dieses Hauses war Martin Pfinzing108. Wenige Tage vorher hatte er die Erbgerechtigkeit seiner Pulver­ mühle in Wöhrd an den Pulvermacher Albrecht Harscher veräußert109. Am 15. Mai 1543 löste Weber 5 fl Gatterzins, die auf seinem neuen Hause ruhten, gegenüber dem Gemeinen Almosen ab, und zwar mit 220 fl, die er für den Verkauf von neuerdings 11 fl Gatterzins (innerhalb von zwei Jahren ablösbar) an Niclaus Grüner erhielt110. Aber bereits am 10. 11. 1544 verkaufte er die Erbgerechtigkeit seines Hauses in der Grasersgasse an seinen Kollegen, den Steinmetzen Jörg Unger, für 210 fl111. Dieses unruhige, fast hektische Ge­ schäftsgebaren scheint ein Ausfluß seiner cholerischen Persönlichkeit gewesen zu sein. — Wo Weber von da an wohnte, ist ungewiß. Wir erfahren lediglich, daß er eine Hofstatt zu Gostenhof besaß112; 1557 verkaufte ihm der „Camnaschmidt“ Veit Lang 1 fl Gatterzins aus seiner wiederaufgebauten, offenbar im Markgrafenkrieg zerstörten Hofstatt zu Gostenhof113, was einen solchen Besitz Webers in Gostenhof zusätzlich belegt114. — Man könnte, als ihm der Rat am 22. 2. 1555 vier Eichen aus dem Frauenauracher Wald kostenlos überließ115, an einen neuerlichen Hausbau denken, aber das bleibt ungewiß. — Bei seinem Tode wohnte er jedenfalls „unter den Hütern“116, das ist die 106 1528 begann man, Häuser auf die Gärten des Karthäuserklosters zu bauen. Johann Christian SIEBENKEES, Materialien zur Nürberger Geschichte 3 (1794) 205; Heinrich HEER­ WAGEN, Die Karthause in Nürnberg 1380—1525; MVGN 15 (1902) 122 f. 107 Stadtarchiv Nürnberg, Lib. Litt. 56 fol. 16 und 17; NEUDÖRFER-LOCHNER (Anm. 7) 81 f. 108 Ebenda fol. 43; NEUDÖRFER-LOCHNER (Anm. 7) 82. 109 Ebenda fol. 40’; NEUDÖRFER-LOCHNER (Anm. 7) 161. 1,0 Ebenda fol. 116. 111 Ebenda 57 fol. 169’; NEUDÖRFER-LOCHNER (Anm. 7) 82. 112 1555 I 30: ebenda 71 fol. 8. 113 Am 3. 6. 1552 wurden etliche Häuser „zum Gostenhof“ abgebrannt; Beschreibung der Belage­ rung Nürnbergs (Anm. 81) fol. 7. — Vgl. auch L. EISEN, Vor den Toren Alt-Nürnbergs. Geschichte der Vorstadt Gostenhof und des Siechkobels St. Leonhard (= Fränkische Heimat­ schriften 1), Nürnberg 1923, S. 8 f. 114 Stadtarchiv Nürnberg, Lib. Litt. 73 fol. 84. 115 St AN, Rep. 27 a Band 27 fol. 28; Rep. 27 b Band 28 fol. 36. 116 S. oben Anm. 97.

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heutige Kaiserstraße entlang der Pegnitz; und da dort auch eine Mühle stand117, ist es durchaus nicht auszuschließen, daß er sich bis zuletzt mit einer seiner Hauptbeschäftigungen, dem Mühlenbau, abgegeben hat. 5. Persönlichkeit und Charakter

Es ist nicht leicht, aus amtlichen Akten das Persönlichkeitsbild eines Men­ schen zusammenzufügen. Da Georg Weber alles andere als ein bequemer Angestellter und Untergebener war, lassen sich aber doch einige wiederholt aktenkundig gewordene Wesenszüge erkennen. Daß Weber Illiterat war, hat schon sein Zeitgenosse und Kurzbiograph, der Nürnberger Schreibmeister Johann Neudörfer, festgestellt: „Wiewol dieser Weber weder schreiben noch lesen kann, so ist er dennoch . . . also fürtrefflich, daß ihm an Zahl und Maß gar nichts mangelt und abgeht“118; seine Stärke ist demnach Mathematik und Mechanik gewesen, zweifellos mehr auf experimen­ teller und erfahrungsmäßiger Basis. Er blieb eben zeitlebens ein äußerst tüchtiger Arbeiter und Praktiker, „ist auch für sich selbst großen starken Leibes“ (Neudörfer-Lochner), so wie er auch seine Mitarbeiter, soweit er sie selbst aussuchen konnte, nach dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit und körperlichen Stärke wählte119. Auch der Nürnberger Rat bestätigte (um 1540), offenbar nach einer Beschwerde wegen der unbefugten Anstellungspraxis Webers, dessen Gesellen, „dann solcher gesellen 4 mer arbeiten dann sonst IO“120. Schon 1534 mußten Weber und seine Zimmergesellen andere Zimmer­ leute, die bei der Errichtung einer Getreideschütte im Schloß Hersbruck arbeiteten und zu langsam und schlampig waren, ablösen; sie sollten sich von niemandem daran hindern lassen (WV 25 c). Das sind doch deutliche Beweise für die Wertschätzung seiner Kompetenz und Schaffenskraft. Ansonsten aber war Weber von kantigem, eckigem, wenig verbindlichem Wesen, verquickt mit einem cholerisch aufbrausenden Temperament, das ihn oft genug in Schwierigkeiten brachte. Schon sein Verhalten gegen seinen ersten Dienstherrn, die Stadt Dinkelsbühl, im Bauernkrieg ist ganz wohl nur vor dieser Charakterfolie zu verstehen. In Nürnberg werden diese Züge mehrmals aktenkundig. 1539 mußte ihn der Rat ermahnen, „sich hinfüro ein wenigs höflicher zu halten und das gesind uf der peunt nit also anzuschnarren“121. Ähnlich ein Jahr später; der Ratsbaumeister Sebald Pfinzing riet, Weber anzuhalten, „sich bescheidenlich ze hallten und gegen dem baumeister und sonst nitt so rauch zu sein, sonnder jederzeit freuntlichen guten bescheidt ze 117 Schwabenmühle, ehemals Grolandsmühle „unter den Huttern“: Emil REICKE, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg, S. 617. — Es war (um 1626) eine Schleif-, Säg- und Poliermühle; Lageskizze im Stadtarchiv Nürnberg, Bauamt Akten L 43 Prod. 2. 118 NEUDÖRFER-LOCHNER (Anm. 7) S. 79. 119 Die Edition von NEUDÖRFERs Schrift durch HELLER (Anm. 3) bemerkt dazu: „hat sich auch stets starker Leut beflissen zu haben“; NEUDÖRFER-LOCHNER (Anm. 7) S. 79. 120 St AN, Rep. 21 (Bauamt Nürnberg) Nr. 527. 121 Ebenda Nr. 503, zu 1539 IV 2.

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geben und auch anzenemen“122. Einen Höhepunkt erlebte dieser rauhe Wesenszug 1549 in einem heftigen Streit, in dem Weber seinen Kollegen, den Stadtsteinmetzen Jörg Unger, verwundete (s. o.). Es wurde ihm vorgeworfen, dies sei „etwas unpillicher weyse und vast hintterwertling“ geschehen123. Eine andere Eigenart, die man ihn wiederholt ankreidete, war sein übermäßi­ ges Essen und Trinken. Dies war offenbar so stadtbekannt, daß er den derben Spitznamen „der Säutrog“ erhielt124. Als er 1537 probeweise als Anschicker auf der Peunt angestellt wurde, forderte der Rat ihn auf, „sich seine trinckens und vollen weiß (= wohl: weise) zu enthalten“125; und als er 1551, beim Bau der Läufer Schloßbrücke, mit einer Anzahl von Arbeitskollegen der Stadt Lauf eine beträchtliche Summe an Getränkesteuer (Ungeld) schuldig blieb, drohte man ihm sogar, ihn in den Strafturm oder ins Gefängnis zu werfen126. Unabhängigkeitsbedürfnis und ausgeprägtes Selbstbewußtsein machten ihn zu einem äußerst unbequemen Untergebenen. 1537, bei seiner Anstellung als Anschicker auf der Peunt, mußte man ihn ermahnen, „maister Hannsen Behem (den obersten Werkmeister) auch allen guten willen zu erweisen und gegen den werckleuten gute bescheidenheit zu hallten“127. 1539 warf man ihm vor, er kaufe selbständig und eigenwillig Holz ein; in Zukunft soll darüber der Baumeister entscheiden, und Weber wurde ermahnt, daß er „meinen herrn (dem Rat) sovil muglich das irig erspar und nit unnutzlich on werde“128. Er war eben eine Kraftnatur mit all ihren Vorzügen und Schwächen. Aber trotz aller Einwände und Vorbehalte hielt der Rat immer an ihm fest, denn er wollte Fähigkeiten und Begabungen nutzen, die offenbar kein anderer besaß, auf die er nicht verzichten wollte. Besonders in Krisenzeiten stellte Weber seinen Mann, wie im Markgrafenkrieg, als er sich offenbar rücksichtslos einsetzte und sich dabei ein körperliches Leiden zuzog (s. o.). Seine Leistungsfähigkeit und Tüchtigkeit standen außer Zweifel; nur ein einziges Mal kritisierte man sein Können, ausgerechnet beim Bau eines Wehres im Amt Cadolzburg (WV 11); aber hier scheinen amtliche und diplomatische Rücksichten gegenüber dem Markgarafen von Brandenburg und seinem Amtmann die Feder geführt zu haben. Die Stadt wußte jedenfalls immer, was sie an Georg Weber hatte, und stellte sich trotz aller persönlicher Mängel immer wieder vor ihn. 122 Ebenda, zu 1540 III 7. 123 HAMPE (Anm. 8) Nr. 3197 a. 124 Überliefert in einer Nürnberger Chronik des späten 17. Jahrhunderts: UB Erlangen Ms B 155 (früher Ms 1567) pag. 364; vgl. dazu Friedrich BOCK, Nürnberger Spitznamen von 1200— 1800; MVGN 49 (1959) 26. Bock nimmt allerdings, sicher zu unrecht, an, daß er diesen Namen schon in Dinkelsbühl erhalten habe, „wo er sich durch ,Kollaboration' mit den aufständischen Bauern 1525 unbeliebt gemacht hatte.“ Sicher hat dieser Übername nichts mit den Gescheh­ nissen des Bauernkrieges zu tun. 125 HAMPE (Anm. 8) Nr. 2238. 126 St AN, Rep. 27 a Band 23 fol. 12. 127 HAMPE (Anm. 8) Nr. 2238. 128 St AN, Rep. 21 (Bauamt Nürnberg) Nr. 503.

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Das erhaltene Kupferstichporträt129 ist leider nicht zeitgenössisch (nach der Unterschrift vermutlich 17./18. Jahrhundert), außerdem so schlecht, daß man verzichten muß, daraus Körper- oder sogar Wesensmerkmale abzulesen. Wir sehen das Brustbild eines Mannes mit mächtigem Körper und kleinem Kopf, in vornehmem Mantel, mit gefältelter Halskrause. Er trägt einen Spitzbart, die Nase gewölbt und sehr kräftig, die Augenbrauen buschig. — Mehr gibt das Bild nicht her. II. Georg Webers Tätigkeit 1. Als städtischer Angestellter

a) Auf der Peunt Der städtische Bauhof, die sog. „Peunt“, war von 1537 bis 1540 das wichtigste Betätigungsfeld Georg Webers. Es lag zwischen dem inneren und dem äußeren Frauentor hinter der Martha-Kirche (die heutige Peuntgasse zeugt noch davon)130; Kupferstiche des 18. Jahrhunderts geben eine plastische Vor­ stellung131. — Die Peunt war das Zentrum der gesamten Bautätigkeit der Reichsstadt132 mit einer verwirrenden Vielfalt an Einrichtungen und Personal, geleitet vom Baumeister des Rats und dem obersten Werkmeister, in Gang gebracht und gehalten vom sog. „Anschicker“; als solcher wurde Weber 1537 angestellt. Die Nürnberger Peuntordnung von 1539133 beschreibt seine Tätig­ keit folgendermaßen: er hat jeden Sonntagnachmittag mit allen Werkleuten vor dem Baumeister zu erscheinen, dem jeder einzelne seine Tätigkeit mitteilen muß. „Item so ein jeder sein thuen, was uff die khonfftigen wochen zue machen nott gebert, hat ein paumeister mit dem anschicker und anderen werkleuten beratschlagt, und was nutzlichs eins jeden thuens pey inen fuer gut angesehen, hat ein anschicker uffgeschriben und die gantzen wochen dem selben, so vill zu machen möglich gebesch (= gewesen!) darob gehalten, damit solichem voltziehung beschehen.“ Neben dieser Verteilung und Überwachung der einzelnen Arbeitsaufträge war er auch verantwortlich für die Verteilung von Werkzeugen und Fahrzeugen. Dazu bedurfte es guter Übersicht, straffen Organisationstalents, starker Autorität verbunden mit geschickter Menschen129 Vorlage: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Kupferstichkabinett. — Vgl. G. W. PANZER, Verzeichnis von nürnbergischen Portraiten aus allen Staenden, Nürnberg 1790, S. 258. 130 MVGN 51 (1962) 107 Anm. 4. 131 Kupferstich von J. U. Kraus, nach J. A. Graff 1701: E. LUTZE, Einst im alten Nürnberg, Stuttgart 1939, S. 83. — Abbildung des Peunthofes auch in „Norimbergensium genealogiarum, insignium, effigierum collectio“ des Registrators Christof Jakob Imhoff (1654—1726): StAN, Nürnberger Handschriften Nr. 247. 132 Carl L. SACHS, Das Nürnberger Bauamt am Ausgang des Mittelalters; Neujahrsblätter der Gesellschaft für fränkische Geschichte X, München 1915. 133 StAN, Rep. 21 (Bauamt Nürnberg) Nr. 345.

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führung, sicherlich auch einer sauberen schriftlichen Geschäftsführung. Über­ sicht und fachliches Können besaß Georg Weber gewiß; die anderen Eigen­ schaften waren, wie wir gesehen haben, bei ihm weniger deutlich ausgeprägt; es ist daher nicht weiter verwunderlich, daß er diese Tätigkeit nur kurze Zeit ausübte. b) Landbaumeister Als solcher wurde er mit Vertrag vom 30. 4.1540 (s. o. S. 123) angestellt, obwohl er schon vorher nicht nur in der Stadt, sondern auch für das städtische Territorium tätig war. Er unterstand dem Landpflegeamt, hatte engsten verwaltungsmäßigen Kontakt mit den Landpflegern vom Rat und dem Land­ schreiber und mußte (laut Vertrag) „auf dem land in ihren flecken, obrigkeit und gebieten auf ihr und der verordneten landpfleger erfordern und ersuchen als ein landbaumeister retlich, hilflich und förderlich“ sein. Diese etwas vage Tätigkeitsumschreibung bot Raum für die vielfältigste Tätigkeit in allen Sparten des Hoch- und Tiefbaus, wie noch zu zeigen ist. c) Wasserbeschauer (Wassergraf und Mühlengraf) Nürnberg und sein Landgebiet waren in vielfacher Hinsicht geprägt vom Flußlauf der Pegnitz und seinen Nebenflüssen und -bächen. Ihre Pflege und die der damit zusammenhängenden Einrichtungen war für eine gedeihliche Nut­ zung unerläßlich. Dies scheint das den besonderen Fähigkeiten Georg Webers angemessenste Betätigungsfeld gewesen zu sein. Hier brachte er offenbar schon von seiner Heimatstadt Dinkelsbühl die meisten Erfahrungen mit. — Vom Beginn seiner Tätigkeit in Nürnberg an134 bis zu seinem Lebensende ist Georg Weber auf diesem Gebiet beschäftigt gewesen. Eine, allerdings ein Menschenalter später geschriebene „Wasserschauerord­ nung“ von 1593135 umschreibt seinen Aufgabenbereich folgendermaßen: 1. Alle, die im Wasser zu bauen haben, sollen kein Wehr oder „pettwerck“ abbrechen oder verändern ohne vorherige Besichtigung durch die Wasser­ schauer. 2. Alle Wehre sollen gleich „gewöhrt, gespizt und gespunt“ sein. 3. Bau von neuem „pettwerck“. 4. Beilegung von Streitigkeiten um Wehre und Spundbäume. 5. Wasserbauten dürfen nur nach Besichtigung durch die Wasserschauer abgebrochen werden. 134 Seit 1531: HAMPE (Anm. 8) Nr. 1823. 135 St AN, Rep. 50 (Wasseramtsakten) S II L 18 Nr. 4. — Die Stadt Lauf, die eigene Wasser­ beschauer hatte, erhielt 1540 eine Wasserschauordnung: StAN, Bezirksamt Lauf, 8. Abgabe (1933) Nr. 1 pag. 1—6 (Wasserbeschaubuch).

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6. Besichtigung von Wasserbauten vor deren Inbetriebnahme durch minde­ stens 3 Wasserschauer. 7. Regelmäßige Besichtigung von Wasserbauten und Meldung von Mängeln. 8. Befristung des Betriebs von Wasserrädern. 9. Überwachung des Zustands der Wehre. 10. Kontrolle der Beeinträchtigung von Brücken, Wehren und Mühlen durch die Fischer. 11. Ein Gang entlang der Pegnitz soll freigehalten werden. Es schließt sich eine Gebührenordnung für die einzelnen Tätigkeiten der Wasserschauer an: für einen „Spiz“ oder „Schaidpfahl“ l/2 fl-5 für einen neuen Pfahl hinter ein Wehr 30 Pfennige; für einen Spundbaum */2 fl.; für einen Eichpfahl vor dem „pettwerck“ x/2 fl; für ein „kropfmeß“ am Wehr und an der Wasserwand 2 Pfund Heller; für jede Besichtigung 2 Pfund Heller136. Als Mühlenspezialist (s.u.S. 142) wurde er natürlich von der Stadt zunächst zur amtlichen Besichtigung der Mühlen in der Stadt und auf dem Lande eingesetzt. 1535 wurde er erstmals offiziell „geschworener Wassergraf“ ge­ nannt, „der sollicher gepew guten verstand hat“; er wurde damals bei einem Mühlenstreit („wegen etlichen Überbaus“) zu Velden als Gutachter eingesetzt (WV 68). 1536 mußte er die „Drechselräder“ der Mühle am Sand zu Nürnberg „messen und abstechen“; damals wurde von ihm auch ein Eichpfahl gesetzt (WV 51 a). 1537 maß er die drei Räder (Sägrad, Schleifrad und „Hirschmühl“ = wohl für das Mahlen von Hirse) an der „Thürnmül“ in Nürnberg (WV 51 c). 1538 besichtigte er die Prethalmühle bei Altdorf (WV 2) und das „Stotzenbechlein“ bei der Mühle auf dem Sand (WV 51 d). 1544 brauchte man ihn zum Anbringen von Eichpfählen (WV 51 e) und zur Besichtigung von Eichpfählen von der Vorstadt Wöhrd herein bis zur Weidenmühle (WV 51 f.), 1546 als Gutachter in einem Mühlenstreit (WV 51 g). Nach zehnjähriger Unter­ brechung (die wohl der mangelhaften Quellenüberlieferung zuzuschreiben ist) war er von 1555 bis 1564/65, also kurz vor seinem Tode, wieder als Mühlen­ beschauer und -gutachter in Nürnberg und im Landgebiet tätig (WV 51 h—m; 30 a—c; 43 a—d). Eine weitere wichtige Aufgabe des Wasserbeschauers war die regelmäßige Kontrolle der Pegnitz und aller Probleme, die mit diesem in vieler Hinsicht lebenswichtigen Fluß zusammenhingen. In erster Linie war dies die Über­ schwemmungsgefahr, besonders im Spätwinter bei der Schneeschmelze. Erst­ mals wollte man Georg Weber, der sich damals zum Bau einer Roßmühle in Ochsenfurt aufhielt, im Januar 1537 aus einem solchen Anlaß nach Nürnberg zurückbeordern (WV 55 b). Im März 1541 (WV 20 b) holte man ihn nach Gräfenberg, wo sich das Schneewasser bei der Sägmühle „stemmte“. Von 1548 an erfahren wir dann bis 1565 von seiner regelmäßigen Tätigkeit als Pegnitzex136 Eine „Pflicht derjenigen, so zu den eychpfelen ... verordnet sind“ von 1544 im Stadtarchiv Nürnberg, Bauamt, Amtsbücher 15 (Wasserbuch I) fol. 103 ff.

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perte (WV 54). Es ging dabei meist um die Verschüttung des Flusses durch Sand und Geröll sowie um deren Beseitigung; um die Uferverwachsung durch Weiden, Erlen und andere Sträucher; um die Beeinträchtigung der Mühlen durch den Bau von neuen Wehren; um die Räumung des Flußbettes von Pflanzenwuchs von Flößen aus; um die Gefährdung von Brücken, Wehren und Mühlen bei schwerem Eisgang; u. a. Insgesamt war dies wohl eine der verant­ wortungsvollsten und für das Allgemeinwohl der Stadt wichtigsten Tätigkeits­ bereiche, die Georg Weber zu versehen hatte. 2. Tätigkeit in auswärtigem Dienst Nichts kann die enormen Fähigkeiten Georg Webers besser illustrieren als die Tatsache, daß er, besonders in der ersten Hälfte seiner Nürnberger Tätigkeit, häufig die Stadt verließ, natürlich mit Genehmigung des Rates, um auswärts größere oder kleinere Baumaßnahmen durchzuführen. Zwar war Nürnberg bekannt für die Großzügigkeit, mit der es alle Arten von Handwerkern auslieh, besonders natürlich an befreundete oder gar verbündete Reichsstädte; aber in der Regel wurden solche Nürnberger Spezialisten von auswärts angefordert, und dazu mußte man eben erst einmal bekannt oder sogar berühmt geworden sein137. Seine erste diesbezügliche Tätigkeit läßt sich 1529/30 in Regensburg nachweisen (WV 56), in einer Zeit, in der er zwar von der Stadt Nürnberg bereits beschäftigt wurde, aber offenbar doch nur gelegentlich und ohne eine feste Anstellung (s. o. S. 119), so daß er für auswärtige Aufträge wohl ohne größere Schwierigkeiten hätte freigestellt werden können. — Dennoch versuchte Nürnberg, diesen Auftrag zu verhindern (vielleicht befürchtete es, Weber ganz zu verlieren), genehmigte letzten Endes nur einen zweitägigen Aufenthalt in Regensburg und verbot die spätere Wiederholung dieses Besuchs bzw. der Tätigkeit Webers „zu solchen gepeuen mit visirungen oder rathen... zu helffen“; Genaueres wissen wir darüber nicht. Ziemlich sicher scheint es aber, daß Weber zu den Erweiterungen der Befestigungsanlagen Regensburgs in dieser Zeit gewonnen werden sollte138. Eindeutig zum Bau von Befestigungsanlagen wurde er, offenbar für längere Zeitabschnitte, in den Jahren 1533 bis 1534 in Coburg auf Anforderung des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen eingesetzt (WV 12)139. Da er 137 Auch der etwa gleichzeitig mit Georg Weber tätige Stadtwerkmeister und Steinmetz Paulus Beheim, mit dem er oft zusammenarbeitete, erhielt sehr viele auswärtige Aufträge; vgl. Christa SCHAPER, Studien zur Geschichte der Baumeisterfamilie Beheim; MVGN 48 (1959) S. 169. 138 Die Regensburger Ratsprotokolle, Stadtrechnungen und Bauamtsarchivalien fehlen für diese Zeit. — Für entsprechende Auskunft habe ich Herrn Hable vom Stadtarchiv Regensburg zu danken. 139 1 531 war eine wesentliche Verstärkung der Veste Coburg auf dem kursächsischen Landtag in Torgau beschlossen worden. 1533 wurden steinerne Basteien und Gewölbe an Stelle einer aufgeschütteten Bastei errichtet. Vgl. LEHFELDT-VOSS, Bau- und Kunstdenkmäler Thürin­ gens Band IV (1907) S. 490. — Die Bauakten über diese Maßnahmen liegen vermutlich im

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gleichzeitig auch den Bau einer Poliermühle in Coburg zu begutachten hatte, schärfte der Nürnberger Rat ihm wiederholt ein, er solle sich nicht zur Mitarbeit an Hammerwerken, „den hantwercken hie zu wider“, gebrauchen lassen. Kurz darauf, im Mai 1534, holte der Graf von Hanau Georg Weber als Zimmermann, zusammen mit dem Steinmetzen Paulus Behaim, zur Begutach­ tung der neuen Stadtbefestigungsteile in Hanau (WV 23)H0. Es wurden eben um diese Zeit allenthalben die Befestigungsanlagen in Burgen und Städten modernisiert, und Nürnberg und seine Baumeister wurden dabei weitum als Vorbilder angesehen. Im gleichen Jahr baute Georg Weber in der bischöflich bambergischen Stadt Vilseck (LK Amberg) einen Glockenstuhl (WV 66)141,1536 in Ochsenfurt eine Roßmühle (WV 55)141a — Tätigkeitsbereiche, in denen Weber weit über Nürnberg hinaus als Spezialist bekanntgeworden sein muß. Auch sein späteres, seltener werdendes Auftreten im „Ausland“ hatte mit diesen Kerngebieten seiner Fähigkeiten zu tun: 1543 die Absicht des Baus einer Sägmühle zu Bamberg, die aber wahrscheinlich von Nürnberg vereitelt wurde, weil sie auch als Hammerwerk zu gebrauchen sein sollte, was der Stadt nachteilig und ihm übrigens verboten sei142; 1545 die technisch offenbar sehr schwierige Verstär­ kung eines blitzbeschädigten Turmes samt Glockenstuhl an der Ellwanger Stiftskirche (WV 14; s. auch unten Abschnitt II 3/d); 1546/47 schließlich die Errichtung eines „wasser gerynns“ in oder bei Cadolzburg für den dortigen brandenburgischen Amtmann (WV 11); diese Arbeit fiel offenbar mangelhaft aus, was zu Beschwerden führte. Die letzten 20 Jahre seines Lebens hat Georg Weber, soweit die Quellen dies erkennen lassen, keine Aufträge außerhalb seines amtlichen reichsstädtischen Tätigkeitsbereichs mehr angenommen. Er mag die Strapazen solcher Zusatz­ arbeiten gescheut haben; vielleicht hat es ihm die Stadt einfach verboten, wie sie ja schon vorher zu bremsen versucht hat. Möglicherweise war gerade die letzte Arbeit in Cadolzburg, die Nürnberg in einige Verlegenheit setzte, an Ernestinischen Gesamtarchiv im Staatsarchiv Weimar (DDR). — Für freundliche Auskunft habe ich Herrn Dr. Frh. v. Andrian-Werburg, Bamberg, zu danken. — 1543—49 baute ein anderer Nürnberger Werkmeister, Paulus Beheim, den Südbau des Coburger Schlosses; vgl. SITZMANN (Anm. 9) S. 36, und SCHAPER (Anm. 137). 140 Vgl. SCHAPER (Anm. 137) S. 165. Ihre diesbezügliche Anfrage beim Stadtarchiv Hanau blieb ergebnislos (Anm. 24); lediglich Hinweis auf: ZIMMERMANN, Hanau Stadt und Land, S. 535 und 537. 141 Vermutlich an der Pfarrkirche St. Ägidius, deren Chor und Turmaufbau nach einer Bauin­ schrift 1407 begonnen wurde; vgl. Die Kunstdenkmäler von Bayern, Oberpfalz Band XV, Bezirksamt Amberg, S. 128 ff. — Vilseck war wenig später, 1552—1559, an Nürnberg verpfändet: J. C. SIEBENKEES (Anm. 106) 2, 493 und 4, 474. 14la S. unten Anm. 185. 142 Nach freundlicher Auskunft von Dr. Frh. v. Andrian-Werburg existieren am Staatsarchiv Bamberg keine Unterlagen zu solchen Vorhaben; Gleiches teilt auch das Stadtarchiv Bamberg mit. Für beide Auskünfte habe ich zu danken.

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einem solchen Verbot schuld. Trotzdem wird man bei der Einschätzung dieser auswärtigen Aufträge nicht übersehen dürfen, daß sie zweifellos das Ansehen Webers auch in Nürnberg gehoben und seine Position, die etappenweise nicht ungefährdet war, gefestigt haben. Wurden diese auswärtigen Bauaufträge Webers vom Nürnberger Rat immer mit Zurückhaltung betrachtet, wenn nicht gänzlich verhindert, jedenfalls stark eingeschränkt durch die wiederholt eingeschärften Verbote, Stadtgeheimnisse und für die Stadt wichtige Verfahrensweisen preiszugeben, so hatte man doch keine Bedenken, Weber in einigen Fällen in andere Städte zu schicken, um dort neue technische Bauten zu besichtigen und Anregungen für das eigene Schaffen mitzubekommen, manchmal richtiggehend als „Industriespion“ tätig zu sein. So sandte man ihn 1536 nach Frankfurt zum Studium eines „künstlich new erfunden werck zum malwerck dienstlich“, eine Roß- oder Wassermühle (WV 17; vgl. auch unten S. 144); und als Weber 1558 das Schöpfwerk eines Brunnens am Paniersberg zu erneuern hatte, wurde er nach Donauwörth geschickt, um dort einen Brunnen zu besichtigen, dessen Schöpfwerk angeblich besonders leicht laufe (WV 52 b). 3. Tätigkeit als Zimmermann, Baumeister und Architekt

Zwar war Georg Weber in erster Linie Zimmermann (mit diesem Namenszu­ satz wird er auch meistens bezeichnet), also Holzfachmann, doch beschränkte sich seine Tätigkeit nicht darauf, einfach deswegen, weil viele Baumaßnahmen eben Kombinationen aus Holz- und Steinwerk darstellten, für die man nicht immer zwei Spezialisten zur Verfügung hatte oder einsetzen wollte. Die Trennungslinie zwischen Zimmermann und Steinmetz war jedenfalls nicht scharf gezogen, wie eine genauere Untersuchung seiner Tätigkeit erweisen wird. Dies alles schloß freilich Kompetenzstreitigkeiten nicht aus, besonders wenn man Webers heftiges Temperament in Anschlag bringt. Schon Neudör­ fer143 bescheinigte ihm 1547, also noch zu seinen Lebzeiten: „Im Heben und Aufrichten der Gebäu und sonderlich bei den Mauern, die sich zum Fall schickten, ist er fürsichtig und gewaltig“. Die Kombination aus Zimmermann und Steinfachmann wird auch hier deutlich hervorgehoben. a) Befestigungsbau Georg Weber kam zu einem Zeitpunkt nach Nürnberg, als allenthalben in Städten und Burgen moderne, meist von Italien her beeinflußte Fortifikationsanlagen die mittelalterlichen Befestigungen abzulösen begannen. Für tüchtige und einfallsreiche Baumeister war es nicht schwer, Aufträge zu finden. Daß Weber aber nicht danach suchte, sondern von auswärts als begehrter Fach143 NEUDÖRFER-LOCHNER (Anm. 7) S. 79.

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mann für Verteidigungsbauwerke in Nürnberg angefordert wurde, muß als ein deutliches Zeichen seiner überdurchschnittlichen Fähigkeiten auf diesem Gebiete gewertet werden. Zwischen 1529 und 1534 war er so in Regensburg (¥V 56), in Coburg (WV 12) und in Hanau (¥V 23) beschäftigt (vgl. auch oben S. 134). Nähere Einzelheiten über seine dortigen Tätigkeiten sindbis jetzt nicht bekannt, aber es scheint, als ob seine Auswärtsaufenthalte nicht nur mit Plänen oder Gutachten, sondern mit aktiver und längerwährender Tätigkeit am Bau genutzt wurden. In Nürnberg selbst, wo eine Fülle von hervorragenden Fachleuten versam­ melt war, hat man sich Webers als Baumeister offenbar kaum bedient. Lediglich einmal, 1538, bei den Planungen für den Bau von Basteien, wurde er, zusammen mit Paulus Beheim, Simon Rößner u. a., herangezogen (WV 49 b, c)144. — Wesentlich stärker war er am Nürnberger Befestigungsbau (schon 1532) durch seine Erfindungen beteiligt: die Ramme („Hoyer“), Lastenaufzüge und einen neuartigen Lastwagen zum Steintransport; davon wird noch die Rede sein (S. 148). Anders war es im Rahmen seiner Tätigkeit als Landbaumeister. Hier war er unentwegt (und sicher intensiver, als es die Quellen erkennen lassen) beschäf­ tigt, die Befestigungsanlagen in den Burgen und Städten des ausgedehnten Nürnberger Territoriums in Schuß zu halten, meist nur besichtigend, begut­ achtend, planend, anweisend und überwachend; in bestimmten Fällen, für die seine besonderen Fähigkeiten vor allem geeignet erschienen, auch durch aktiven Einsatz. In Lauf baute er 1551/52 vor allem die neue Schloßbrücke (WV 42); von ihr wird noch ausführlicher zu handeln sein (S. 139). Ansonsten war er durch Besichtigungen (WV 25 a) und Bauanweisungen an die Werkleute (WV 40 a— c) sowohl in der Burg als auch bei der Stadtbefestigung tätig, vor allem 1540/41 beim Bau einer Bastei145 und 1561 bei einer ausführlichen Besichtigung146. In Hersbruck war er häufig bei Baubesichtigungen der Stadt- und Schloßbe­ festigung tätig (WV 25), namentlich auch 1554 nach den Zerstörungen im Markgrafenkrieg (W 25 g). 1534 fertigte er Plan oder Modell („muster“) einer Befestigungsanlage („hauß“), die man auf dem St. Michelsberg und teilweise in den Berg hinein bauen wollte; ein Plan des Hans Beheim wurde jedoch 144 Über dieses Projekt der Erneuerung der Nürnberger Stadtbefestigung ausführlich: Rudolf KUGLER, Beiträge zur Theorie und Praxis des neuen Wehrbaues mit Beispielen aus Franken zu Beginn der Epoche (Dissertation TH München 1954) S. 65. — Hanns Hubert HOF­ MANN, Die Nürnberger Stadtmauer, Nürnberg 1967, S. 73 ff. 14^ Wilhelm KRAFT, Wilhelm SCHWEMMER, Kaiser Karls IV. Burg und Wappensaal zu Lauf (= Schriftenreihe der Altnürnberger Landschaft Band VII), Nürnberg 1960, S. 20f. — Eduard RÜHL, Kulturkunde des Pegnitztales und seiner Nachbargebiete (= Schriftenreihe der Altnürnberger Landschaft BandV), Nürnberg 1961, S. 217. — Die Kunstdenkmäler von Bayern, Mittelfranken Band XI, Landkreis Lauf an der Pegnitz, München 1960, S. 214, 242; dort versehentlich „M. Hans (!) Zimmermann (von Dinkelsbühl)“. 146 Kunstdenkmäler Lauf (Anm. 145) S. 243.

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vorgezogen (WV 25 a). Darüber hinaus war er vorwiegend mit Zimmermanns­ arbeiten auf dem Schloß beschäftigt, vollendete eine Getreideschütte (WV 25 c), begutachtete die Anfertigung einer Basteitüre (WV 25 d) und einer Torsperre (WV 25 f)147. In Altdorf kümmerte er sich gutachtlich um die Instandhaltung der beiden Tortürme, vor allem auch um die darin untergebrachten Wohnungen, aktiv auch um die Dachstühle (WV 1 b, 3 a, 4 a)148. Im Schloß149 war er wieder mit seinen Spezialarbeiten tätig: Aborte, Dohlen, Kanalisation (WV 5 a). In Forchheim hatte er 1553 zusammen mit dem Palier Jörg Unger die im Markgrafenkrieg zerstörten Befestigungsteile einzureißen (WV 16) 15°. Ähnlich mußte er für die ebenfalls zerstörte Burg Reicheneck eine Neubedachung des Schloßturms und weitere Ausbesserungsarbeiten vorschlagen (WV 57)151. Auch auf Burg Hohenstein fielen im gleichen Jahr ähnliche Arbeiten an (WV 37)152. Von den Nürnberger Festungen war Weber, soweit die Quellen erkennen lassen, lediglich in Lichtenau (LK Ansbach), einer reichsstädtischen Enklave mitten im Brandenburg-Ansbachischen Gebiet, intensiver eingesetzt (WV 46)153. Schon 1540—42, als man sich mit der Absicht trug, die mittelalterliche Befestigung nach Plänen des berühmten italienischen Festungsbauingenieurs Antonio Fazuni (Fasoni, Faggioni) modern umzubauen, war Weber dabei besichtigend und beratend tätig, offenbar vor allem auch hier wieder die Zimmerarbeiten betreffend (WV 46 a—c). Als man dann 1558 begann, nach der vollständigen Zerstörung der Festung im Markgrafenkrieg 1552 sie neu zu errichten, war auch Weber wieder im Einsatz; er war vor allem mit der Befestigung des Untergrundes durch Pfähle und die Be- und Entwässerung des Grabensystems befaßt (WV 46 d—h), Tätigkeiten, auf die er spezialisiert war.

147 Die Kunstdenkmäler von Bayern, Mittelfranken Band X, Landkreis Hersbruck, München 1959, S. 147 ff. (Stadtbefestigung) und 152 ff. (Pflegschloß). — RÜHL (Anm. 145) S. 209 ff. (Stadtbefestigung) und 377 ff. (Schloß). — Wilhelm SCHWEMMER, Kunst in Stadt und Land Hersbruck 1967, 40 ff. 148 August GEBESSLER, Bayerische Kunstdenkmale Band XI, Landkreis Nürnberg, München 1961, S. 13. — RÜHL (Anm. 145) S. 185 ff. 149 GEBESSLER (Anm. 148) S. 16 über den Nachfolgebau von 1585. 150 Vgl. dazu auch Konrad KUPFER, Forchheim. Geschichte einer fränkischen Stadt, Nürnberg 1960, S. 59 f. — BREUER, Forchheim (Anm. 162) S. 28. 151 Vgl. Kunstdenkmäler Hersbruck (Anm. 147) S. 248; RÜHL (Anm. 145) S. 38 ff.; SCHWEM­ MER, Kunst (Anm. 147) S. 57 f. 132 Vgl. Burg Hohenstein, ein Baudenkmal und seine Geschichte. Sonderheft zu „Mitteilungen der Alt-Nürnberger Landschaft“, Nürnberg 1956, S. 19; SCHWEMMER, Kunst (Anm. 147) S. 46 ff. 133 Fritz SCHNELBÖGL, Nürnbergs Bollwerk Lichtenau; „Altnürnberger Landschaft“ 4 (1955), Sonderheft, S. 4. — Günter F. FEHRING, Bayerische Kunstdenkmale Band II, Stadt und Landkreis Ansbach, München 1958, S. 123 ff. — KUGLER (Anm. 144) S. 74 ff.

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b) Brückenbau Auch dafür war meist eine Kombination von Steinmetz- und Zimmermanns­ arbeit nötig; bei kleineren Objekten überwog wohl letztere, für die Georg Weber besonders geeignet war. Dazu kam noch sein mechanisches Geschick, das offenbar vor allem für die Erstellung oder Reparatur von Zugbrücken genutzt wurde. Schon 1533 soll er die Zugbrücken an den Stadttoren so verbessert haben, „daß ein Knabe die schwerste Brücke mit leichter Hand aufziehen konnte“154. 1542 half Weber auch, die schwer bedienbare Schloß­ brücke in Lichtenau wieder instandzusetzen (WV 46 c). Doch am Bau der Nürnberger Brücken, die zu seinen Lebzeiten errichtet wurden (1529 die Brücke über den Graben bei der Deutscherrenbleiche, 1553 die Schlagbrücke beim Tiergärtnertor, 1554 die Schlagbrücke beim Spittlertor, 1564 ff. die große Steinbrücke beim Hallertürlein) scheint er nicht beteiligt gewesen zu sein155. 1554 äußerte er sich gutachtlich über eine Mainbrücke bei Schweinfurt, die offenbar im Zuge der Belagerung dieser Stadt durch die vereinigten fränki­ schen Stände im Markgrafenkrieg geschlagen werden sollte (WV 58); es bleibt fraglich, ob eine solche überhaupt gebaut worden ist (s. auch oben S. 125). — 1559 war er, zusammen mit dem Landbaumeister Barthel Grolock, am Bau der Brücke über die Regnitz zu Neuses beschäftigt (WV 47)156. Der größte Brückenbauauftrag, der zudem von der Planung bis zur Fertig­ stellung ausschließlich in den Händen Georg Webers lag, war die Schloßbrükke in Lauf, d. h. die Verbindungsbrücke von der Stadt zum Schloß (WV 42)157. Die Arbeit daran dauerte über ein Jahr. Am 22. Januar 1551 wurde ihm vom Landpflegeamt der Bau für 130 fl angedingt. Die Brücke sollte aus 6 Jochen bestehen. Schwierig war vor allem die Verankerung der Brücke im Burgfelsen. 12 Pfähle mußten 7 Schuh (über 2 Meter!) tief in das Gestein eingeschlagen werden. — Die Brücke wurde nach winterbedingter Pause, nach Schneeschmel­ ze und Eisgang, im Frühjahr 1552 vollendet; der letzte Arbeitsnachweis stammt vom 28. März. — Ende 1556 scheinen sich Schäden gezeigt zu haben, die vielleicht auf den Markgrafenkrieg zurückgehen; Weber erhielt den Auf­ trag die Schirmpfähle im Felsen (neuerdings?) verkeilen zu lassen (WV 42 a)158.

,S4 NEUDÖRFER-LOCHNER (Anm. 7) S. 80; DOPPELMAYR (Anm. 6) S. 291. — Ein primärer Beleg dafür konnte bis jetzt nicht gefunden werden. 155 StAN, Nürnberger Handschriften Nr. 195 fol. 37’. — Vgl. dazu auch SIEBENKEES (Anm. 106) 2 (1792) 614—627: Geschichte der Brücken in Nürnberg. 156 BREUER, Forchheim (Anm. 162) S. 224. 157 Kunstdenkmäler Lauf (Anm. 145) S. 204 ff. - Bei KRAFT-SCHWEMMER (Anm. 145) S. 21 nicht erwähnt. 1£’8 Isometrische Darstellung der Brückenkonstruktion in einer wohl zur Bauzeit entstandenen Federzeichnung: StAN Landpflegamt (Pflegamt Lauf) S I L 410 Nr. 88 b; abgebildet in: Kunstdenkmäler Lauf (Anm. 145) S. 205 Abb. 169.

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c) Hausbau Als Zimmermann beherrschte Georg Weber auch den Hausbau, und zwar von der Anfertigung von Plänen und Modellen bis zur Fertigstellung. In Nürnberg selbst sehen wir ihn in diesem Tätigkeitsbereich kaum; einmal, ziemlich zu Beginn seiner Beschäftigung in Nürnberg, hatte er mit anderen den Plan für das Haus eines Atlasmachers zu begutachten (WV 49 a). — Eine Ausnahme bildete freilich sein eigenes Haus, das er sich in der Grasersgasse, auf dem Gartengelände des aufgehobenen Karthäuserklosters, eigenhändig baute, 1542 an den Obereigentümer, das Gemeine Almosen, für 100 fl verkaufte und von ihm für 1 fl Jahreszins wieder verliehen erhielt (s.o.S. 128). Als Landbaumeister war Weber auch für die öffentlichen Gebäude verant­ wortlich, bei denen die Stadt Nürnberg zum Bauunterhalt verpflichtet war. Wir treffen ihn demzufolge ziemlich häufig, besonders in den Städten und Märkten des Landgebietes, wie er sich um den Erhalt dieser Gebäude küm­ merte. Da waren die Pfarrhäuser: Priesterhäuser in Altdorf mußten 1537 ausgebes­ sert werden (WV 1), während das kleine Pfarrhaus im benachbarten Rasch159 1541 abgebrochen wurde und Weber einen Neubau vorschlug (WV 5 a). Beim Pfarrhofbau in Hiltpoltstein war er 1538 (WV 32) beteiligt160, für das baufällige Pfarrhaus in Happurg stellte er ein Gutachten aus (WV 24)161. Auch die Rathäuser fielen in seine Kompetenz. 1538/39 war er zumindest beratend beim Rathausneubau von Gräfenberg (WV 18) beteiligt162. — Das gleiche gilt für die Wohngebäude auf den Burgen des Landgebietes. 1541 begutachtete Weber schadhaftes Fachwerk in der „Herrenkammer“ der Burg Hohenstein (WV 35)163. Sein umfangreichstes Werk , eines der wenigen, die heute noch erhalten sind, ist das Amtshaus in Velden, das er 1540/41, offenbar allein, komplett von der Planung bis zur Vollendung, in einem Zug errichtete (WV 63)164. Zunächst scheint er nur für die Zimmermannsarbeiten verantwortlich gewesen zu sein, doch im April 1541 bekam er die Gesamtverantwortung des Pfleghausbaus übertragen (WV 63 g). 159 GEBESSLER, Landkreis Nürnberg (Anm. 148) S. 60 über den Nachfolgebau, ehemals Herrensitz. 160 BREUER, Forchheim (Anm. 162) S. 134 erwähnt diesen Pfarrhof nicht. 161 Kunstdenkmäler Hersbruck (Anm. 147) S. 95 ff. erwähnt das Pfarrhaus nicht, ebenso wenig wie SCHWEMMER, Kunst (Anm. 147) S. 31. 162 Tilman BREUER, Bayerische Kunstdenkmale Band XII, Stadt und Landkreis Forchheim, München 1961, S. 115 über den Nachfolgebau; das alte Rathaus wurde im 19. Jahrhundert abgebrochen. 163 Kunstdenkmäler Hersbruck (Anm. 147) S. 184 ff.; SCHWEMMER, Kunst (Anm. 147) S. 46 ff. 164 Werner SEYFERT, Velden an der Pegnitz, ein Beitrag zur Kunstgeschichte Frankens (Dissertation Erlangen 1926), Nürnberg 1927, S. 17—31. — Kunstdenkmäler Hersbruck (Anm. 147) S. 286 ff. — RÜHL (Anm. 145) S. 133. — SCHWEMMER, Kunst (Anm. 147) S. 65 f. — Wilhelm SCHWEMMER, Velden a. d. Pegnitz. Aus der Geschichte einer alten Stadt (= Schriftenreihe der Altnürnberger Landschaft XXIV), Nürnberg 1976, S. 103—106.

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d) Dach- und Glockenstühle; sonstige Zimmerarbeiten Sie sind heute noch das wichtigste Arbeitsgebiet des Zimmermanns. Wie versiert Georg Weber darin war, beweisen die vielen Nachrichten über seine Beteiligung an solchen Werken. Beim Kirchendachstuhl im Kloster Engelthal 1548 (WV 15)165 wurde er zuerst zur Besichtigung geschickt, zeichnete daraufhin einen Plan, erstellte ein Verzeichnis, wie das Holz „auszuzimmern“ sei, und unterwies den bestellten Zimmermann. — Auch beim schadhaften Dachstuhl der Kirche zu Velden166 wies er 1556 die Zimmerleute an, was sie zu einer vorläufigen Schaden­ behebung zu tun hätten (WV 64). Noch geschickter war Weber bei Turmdach- und Glockenstühlen. Dafür holte man ihn zweimal sogar ins „Ausland“: 1534 ins bischöflich-bambergische Vilseck (LK Amberg; WV 66)167; 1545 nach Ellwangen (WV 14), das ihn als „uns berimpt und angezaigt... umb die kürchen gebaw sonder verständig zu sein“ von Nürnberg anforderte; Weber errichtete vermutlich die Dach- und Glockenstühle der beiden Türme der Stiftskirche sowie ein Balkengerüst zur Verstärkung eines Turmobergeschosses, das heute noch vorhanden ist168. — In Hersbruck begutachtete er (vermutlich) 1548 Kirchturm und Glockenstuhl der Pfarrkirche (WV 27)169. 1550 beriet er Nürnberg und die Stadt Lauf bei der Renovierung des Turmdachstuhls der St. Johanniskirche in Lauf, wobei er sich den Zorn der Läufer Bürger zuzog, weil er den alten Dachstuhl als Ganzes abzunehmen und wiederzuverwenden vorschlug, was natürlich länger dauerte und mehr kostete (WV 41)170. Für die Neubedachung des Burgturms von Reicheneck 1559 nach den Schäden durch den Markgrafenkrieg lieferte Weber ein ausführliches Gutachten, das noch vorhanden ist (WV 57)171. In einem anderen Fall, nämlich bei der Renovierung des Nürnberger Torturms in Altdorf 1539 (WV 3, 4)172, lieferte Weber ein „musterlein“ des geplanten Dachstuhls, also ein Modell in verkleinertem Maßstab, sicher nicht nur zur Begutachtung, sondern auch als Arbeitsmuster für den ausführenden Zimmer­ mann. Ähnlich verfertigte er 1538 für eine Malzdörre im Brauhaus zu Hiltpolt165 Vgl. RÜHL (Anm. 145) S. 360 ff.; Kunstdenkmäler Hersbruck (Anm. 147) S. 61 ff.; SCHWEMMER, Kunst (Anm. 147) S. 21 ff. 166 SCHWEMMER, Kunst (Anm. 147) S. 63 ff.; SCHWEMMER, Velden (Anm. 164) S. 70 f. — Unser Velden. Eine Stadt feiert Geburtstag (1976) S. 54 ff. 167 Vgl. dazu auch Anm. 141. 168 Bruno BUSHART, Beiträge zur Baugeschichte der Stiftskirche Ellwangen; in „Ellwangen 764—1964. Beiträge und Untersuchungen zur Zwölfhundertjahrfeier“, Ellwangen 1964, Band II S. 734. 169 Kunstdenkmäler Hersbruck (Anm. 147) S. 125: 1620 erhielt der Turm ein neues Dach: SCHWEMMER, Kunst (Anm. 147) S. 36 ff. 170 Fritz SCHNELBÖGL, Lauf-Schnaittach (1941) S. 173. 171 Kunstdenkmäler Hersbruck (Anm. 147) S. 248; RÜHL (Anm. 145) S. 38 ff.; SCHWEMMER, Kunst (Anm. 147) S. 57. 172 Vgl. Anmerkung 148.

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stein (LK Forchheim) ein „zimmerlein“, also wiederum ein Modell (WV 31). Darüber hinaus waren Weber und seine Zimmergesellen, welche die vorher daran arbeitenden schlampigen und langsamen Zimmerleute ablösten, am Bau einer Getreideschütte im Schloß zu Hersbruck maßgebend beteiligt (1534: WV 25 b, c). Auch bei einfacheren Zimmerarbeiten war er gutachterlich tätig, so 1538 beim Bau eines Viehstalls in Gräfenberg (WV 19), 1541 bei der Erneuerung eines Fachwerks, 1559 bei der Renovierung eines baufälligen Stadels auf Burg Hohenstein (WV 35, 37). — Viel ungewöhnlicher war der Entwurf für den Bau von Tuchrahmen in Nürnberg 1541 beim Weißen Turm durch Georg Weber; ausgeführt hat sie allerdings auch hier ein anderer Zimmermann (WV 53)173. e) Wegebau Auch dieser scheint zu den Kompetenzen des Landbaumeisters gehört zu haben. Allerdings haben wir dafür nur einen einzigen Beleg von 1558; danach erhielt er „von wegen pesserung weg und Steg“ zu Lauf und Hersbruck eine Verehrung von 2 fl und die Zehrung (WV 28). 4. Wasserbauspezialist

Obwohl Georg Weber zweifellos ein überdurchschnittlich geschickter und begehrter Zimmermann war, wie wir gesehen haben, so lag seine besondere Stärke doch im Bereich der Wasserbauten, also der Mühlen, der Brunnen und der Wasserregulierungen aller Art. Hier fand er in Nürnberg und seinem Landgebiet, die von Flußläufen, besonders von der Pegnitz, landschaftlich wie wirtschaftsgeographisch entscheidend bestimmt werden, reiches Betätigungs­ feld174. a) Mühlenbau175 Als amtlicher Mühlenbeschauer haben wir Weber bereits kennengelernt (s. o. 5. 132). Er konnte diese Funktion umso kompetenter ausüben, als er selbst, wahrscheinlich schon von seiner Dinkelsbühler Zeit her (s. o. S. 114), als Mühlenbauer tätig war. Anders wäre kaum zu erklären, daß das erste größere Werk, das er nach seiner Übersiedlung nach Nürnberg in Angriff nahm und 173 Vgl. SIEBENKEES, Materialien (Anm. 106) 3, 295: „Auf dem Platz, wo ehehin gegen dem Gostenhof zu die alte Stadtmauer und der Graben an den Weißen Turm gestoßen, wurden 1540 zur Trockung des Tuchs eigene Rahmen für die Tuchmacher ... aufgerichtet und ihnen gegen Jahr-Zins eingeräumt.“ 174 Vgl. dazu etwa die schöne kartographische Darstellung des Pegnitzlaufs durch die Stadt bis zur Mündung mit allen Mühlen von Paul Pfinzing 1592 (StAN, Nürnberger Karten u. Pläne Nr. 125/126); Abbildung in: Gerhard PFEIFFER — Wilhelm SCHWEMMER, Geschichte Nürnbergs in Bilddokumenten, München 1970, Nr. 286. 173 Zur Geschichte der Nürnberger Mühlen: G. E. WALDAU, Neue Beiträge zur Geschichte der Stadt Nürnberg 2 (Nürnberg 1791) S. 73—86.

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vollendete, der Neubau einer Mühle war, die Pulvermühle in der Vorstadt Wöhrd (WV 50)176. Es scheint, als ob Weber schon zu Beginn des Jahres 1531 für die Stadt an einer anderen Pulvermühle gearbeitet hat (WV 50 a)177. Vielleicht stellte sich dies als unbefriedigend heraus, so daß er den Entschluß faßte, selbst eine neue Pulvermühle zu bauen. Wegen der dadurch bewirkten Erhöhung der Verteidi­ gungsbereitschaft war die Stadt einverstanden, dieses Projekt zu unterstützen. Sie wies ihm im April 1532 einen Bauplatz an der Pegnitz oberhalb Wöhrds an178, lieh ihm 400 fl unter günstigen Bedingungen, genehmigte Webers Modell (Mühle mit zwei Rädern und Wohnhaus), holte die Genehmigung der Bürger von Wöhrd und anderer Nachbarn ein und handelte bestimmte Vorsichtsklau­ seln aus. Im Laufe des Jahres wurde der Bauplatz (ursprünglich oberhalb von Wöhrd auf Hainz Schallers Hof und den Schießschirm zu vor dem Mögeldorfer Tor) verlegt „herabwerts gegen der schießhütten“ (WV 50 f), der Bau sofort begonnen und offenbar so zügig durchgeführt, daß er bereits im Dezember dieses Jahres „vor äugen“, also wohl fertig war. Weber hatte gegenüber der Stadt eine Erbgerechtigkeit darauf, betrieb die Mühle aber nicht selbst, sondern nahm als Beständner den Pulvermacher Wilhelm Harscher, 1540 dessen Sohn Albrecht an. Am 3. 1. 1543 verkaufte Weber diese Erbge­ rechtigkeit an Albrecht Harscher für insgesamt 995 fl (WV 50 h)179. — Eine besondere Leistung beim Bau dieser Pulvermühle scheint gewesen zu sein, daß dadurch keine Schädigung der bereits bestehenden Wöhrder Mühlen entstand; dies wußte bereits Neudörfer 1547 zu würdigen: „Er hat hinter Wöhrd zwo Pulvermühlen gemacht und das Wasser also abgewogen, daß es den anderen Mühlen in Wöhrd keinen Abgang bringt“180. 176 Wilhelm SCHWEMMER, Aus der Vergangenheit der Vorstadt Wöhrd, Nürnberg 1931, S. 80. — WALDAU (Annm. 175) S. 85. — Abbildung: „Abriß der Pulvermüelen bey Scheidung des großen und kleinen Flueß der Pegnitz ober Werdt“ vom 22. 4. 1611: Stadtarchiv Nürnberg, Rep. 100 i (Vorstädte, Wöhrd) Nr. 924. — Ansichten der Vorstadt Wehrd 1708 Nr. 13 (Pulver Mühl) (vgl. dazu C. G. MÜLLER, Verzeichnis von Nürnbergischen Topographisch-Histori­ schen Kupferstichen und Holzschnitten, Nürnberg 1791, S. 16 und 32). — Winterschmidt, „Abrisz von der den 22.ten May 1764 Nachmittags um halb 4 Uhr in die Luft gesprengten nürnbergischen Pulvermühl“, in: SCHWEMMER, Wöhrd (s. o.) S. 66/67. 177 Nach WALDAU (Anm. 175) S. 84 gab es neben der Wöhrder Pulvermühle noch 3 weitere um Nürnberg: beim Veilhof (erbaut 1507), bei der Hadermühle (abgebrannt 1578) und bei der Tulnau (explodierte 1675 und 1689). Vgl. dazu auch Fritz STREMEL, Die Nürnberger Pulvermühle und ihr Schicksal, in: Nordbayerische Zeitung 1927 Nr. 97. 178 Anstelle des heutigen Anwesens Bartholomäusstraße 2; SCHWEMMER, Wöhrd (Anm. 176), Karte am Schluß. 179 Über die weiteren Schicksale der Wöhrder Pulvermühle unterrichtet eine „Information wegen der beeden Pulvermühlen außerhalb Wörth“ (18. Jh.: StAN, Nürnberger Handschriften Nr. 201 [Norimbergica Miscellanea Varia] fol. 13): Zerstörung 1552 im Markgrafenkrieg, Wieder­ aufbau durch Albrecht Harscher, usw. — Noch 1557 zitierte man bei einem Streit zwischen den beiden Mühlen zu Wöhrd und der Hadermühle bei St. Katharina Georg Weber und seine Kenntnis der Sachlage, „dann er (die) pulffermul ungeverlich vor 30 jahren gebaut und innegehabt“; Stadtarchiv Nürnberg, Rep. 100 i (Vorstädte. Wöhrd) Nr. 877. 180 NEUDÖRFER-LOCHNER (Anm. 7) S. 79.

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Georg Weber blieb auch nach der Fertigstellung seiner Pulvermühle im Mühlenbau sehr aktiv. Schon im gleichen Jahr 1532 beriet er den Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen beim Bau einer Poliermühle in Coburg (WV 12 b), wo er auch als Festungsbaumeister tätig war (s. o.S. 134). 1534 brauchte ihn die Stadt Nürnberg zum Wiederaufbau einer abgebrannten Mühle (WV 50 a). 1536 beriet er die Stadt Ochsenfurt über die dortige Mainmühle (WV 55 c). Überhaupt scheint Weber damals, neben seiner Tätigkeit als Wasserbeschauer, mit der Stadt einen Vertrag als Mühlenspezialist gehabt zu haben, denn in seinem neuen Vertrag vom 6. 4. 1540181 wird „die vorig (verschreibung), die er von wegen der müln gegeben“ bestätigt. 1539 und 1541 kümmerte er sich um die Sägmühle zu Gräfenberg. Sein Vorhaben, 1543 in Bamberg eine Sägmühle zu bauen, wurde vom Nürnberger Rat vereitelt, weil diese Mühle als Hammer­ mühle verwendet werden sollte, und hier war Nürnberg äußerst eifersüchtig auf die Wahrung seiner technischen Überlegenheit gegenüber anderen bedacht (WV 6). Etwa 1545 erstellte Weber ein ausführliches Gutachten, als man beabsichtigte, bei Reichelsdorf an der Rednitz eine Schleifmühle zu bauen182. Von Anfang an scheint ihn auch die besondere Mechanik der Roßmühlen183 interessiert zu haben; vielleicht brachte er auch auf diesem Gebiet wertvolle Erfahrungen aus Dinkelsbühl mit. Um 1536 plante man offensichtlich in Nürnberg den Bau eines solchen, vom Wasser unabhängigen Mühlenwerks. Weber wurde im Sommer nach Frankfurt geschickt zur Besichtigung eines „künstlich new erfunden werck zum malwerck dienstlich“ (WV 17)184. Noch im gleichen Winter (1536/37) erlaubte man ihm, in Ochsenfurt eine Roßmühle aufzurichten (WV 55)185. Erst 20 Jahre später erhielt er nochmals die Gelegen181 HAMPE (Anm. 8) Nr. 2490. 182 St AN, Akten des 7-farbigen Alphabets Nr. 229 I, gegen Ende; undatiert, dem Aktenzusam­ menhang nach etwa zu 1545. 183 Vgl. August GABLER, Die Roßmühlen; in: Schwäbische Blätter für Heimatpflege und Volksbildung 19 (1968) S. 23—30. 184 Die Bauakten, besonders die Baumeisterbücher des Frankfurter Stadtarchivs sind im letzten Krieg verbrannt. Lediglich das Bürgermeisterbuch des Jahres 1537 gibt Auskunft über den Neubau einer Mühle in Frankfurt in diesem Jahr. Am 1. 12. 1537 wird das „muster des newen mülwercks“ besichtigt, der Mühlenbaumeister soll berichten und seine Voranschläge unter­ breiten. Am 11. 12. 1537 berichten die Räte, die sich mit dem „frembden werckmaister der muhlen und paw wercks halben“ unterredet haben (Stadtarchiv Frankfurt, Bürgermeisterbuch 1537 fol. 78’ und 80). Der Mühlenbauer war offenbar der Frankfurter Benedikt Löscher (Walther Karl ZÜLCH, Frankfurter Künstler 1223—1700, Frankfurt 1935, S. 327), obwohl die eben zitierten Quellen von einem „fremden“ Werkmeister sprechen. Auch die Diskrepanz zwischen dem Frankfurtbesuch Webers im August 1536 und der Tatsache, daß ein Jahr später erst das Modell der Mühle vorlag, ist vorläufig nicht zu erklären. — Für freundliche Auskunft ist dem Stadtarchiv Frankfurt zu danken. — Nach JEGEL, Ernährungsfürsorge des Altnürnberger Rats (MVGN 37, 1940) S. 108 und S. 185 Anm. 181, handelt es sich dabei um eine Roßmühle (ohne nähere Begründung). — Weiteres zur Nürnberger Roßmühle, die aber erst 1620 durch Hans Carl errichtet wurde: SIEBENKEES, Materialien (Anm. 106) S. 242—245; A. NEUHAUS, Die Nürnberger Roßmühle; Fränkischer Kurier vom 24. 6. 1939. 183 Es lag im oberen Viertel und wird bereits im September 1537 in einer Urkunde erwähnt (GLÜCK-MITTERWIESER, Das Stadtarchiv zu Ochsenfurt, in: Archivalische Zeitschrift,

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heit, sein Können an einer Roßmühle auszuprobieren. Eine Roßmühle zu Gräfenberg war aus einem nicht bekannten Grunde abgetragen, die mechani­ schen Teile in einem Stadel zu Schönfeld gelagert worden. Diese wurden von Georg Weber 1556 in einem neuen Mühlengebäude in Betzenstein eingebaut (WV 9), wofür er von der Stadt Nürnberg vertraglich 50 fl, dazu 38 fl Verehrung, zwei Jahre später nochmals 6 fl erhielt. Ganz mängelfrei scheint die Mühle nicht gelaufen zu sein, denn schon 1560 bot sich ein Neumarkter Mühlenbauer an, sie zu verbessern. Eng verwandt mit dem normalen Mühlenbau war die Errichtung und der Betrieb der Hammerwerke an der Pegnitz, ein eminent wichtiger Bestandteil des Nürnberger Wirtschaftslebens. Das läßt sich indirekt auch daraus entneh­ men, daß die Stadt dem Georg Weber wiederholt einschärfte, bei auswärtiger Tätigkeit keine die Hammerwerke betreffende Details, die also der Geheim­ haltung unterlagen, preiszugeben; so schon 1532 in Coburg (WV 12). 1543 wurde ihm untersagt, eine Sägemühle in Bamberg aufzurichten, weil sie auch als Hammermühle gebraucht werden sollte, und dies sei Nürnberg nachteilig, außerdem sei „im solche gepeu außwendig anzerichten verpoten“ (WV 6). Etwa um die gleiche Zeit, vermutlich vor 1545, unternahm Weber den Versuch, selbst ein Hammerwerk zu erbauen. Er kaufte (wo genau, wissen wir bis jetzt nicht) von einem gewissen Stokhamer eine Pulvermühle, um daraus einen Eisenhammer zu machen, Das Kloster Engelthal befürchtete jedoch Schaden an seiner Mühle und protestierte dagegen beim Nürnberger Rat, der Weber so weit brachte, daß er auf das Projekt verzichtete187. — Andererseits wurde er bereits etwa 1535 beauftragt, einem Caspar Pair von Schwabach, der unterhalb des Königshammers eine Schleifmühle bauen wollte, dieses Vor­ haben zu untersagen, weil es einem Abkommen zwischen dem Markgrafen und der Stadt Nürnberg zuwiderlaufe, wonach an Schwarzach, Rednitz und Pegnitz keine neuen Hammerwerke gebaut werden sollten188. Für die bestehenden Hammerwerke hatte Weber natürlich sein Können zur Verfügung zu stellen. Das traf vor allem auf die Hammerwerke in Lauf zu189.

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Neue Folge XII (1905), Regest Nr. 98. Nach J. B. KESTLER, Beschreibung von Ochsenfurt (Würzburg 1845), S. 40, ist das Erbauungsjahr der Roßmühle unbekannt. Angeblich soll sie schon 1514 bestanden haben; danach wäre der Bauauftrag für Weber ein Umbau o. dgl. gewesen; vgl. Hans HOHE, Kulturgeschichtliches aus den Ochsenfurter Bürgermeisterrech­ nungen des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Mainfränkisches Jahrbuch 7 (1955) S. 179. — Freundlicher Hinweis von Dr. S. Wenisch vom Staatsarchiv Würzburg, dem ich dafür Dank schulde. Da Betzenstein nicht an einem fließenden Gewässer liegt, war hier zunächst eine Roßmühle der einzige Ausweg. 1801 wurde aus gleichem Grund eine Windmühle errichtet; vgl. Kunstdenk­ mäler Pegnitz (Anm. 200) S. 89; RÜHL (Anm. 245) S. 381. „. .. er sollt diß handeis müßig stehen, er wurde hierin meinen hern keinen gefallen tun...“; StAN, Akten des 7-farbigen Alphabets Nr. 229 I (gegen Ende des Faszikels): „Maister Georg Webers von Dinckelspuhel bericht“; undatiert, nach dem Aktenzusammenhang zu ca. 1545. Im gleichen Bericht. Fritz SCHNELBÖGL, Mühlen und Hämmer in Lauf an der Pegnitz; „Alt-Nürnberger Landschaft“ 13 (1964), Sonderheft, S. 41—49.

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1545 beriet er die Läufer Hammerherrn beim Graben eines neuen Wasserlaufs (WV 39 a); 1556 erhielt er von ihnen eine Verehrung für eine nicht näher beschriebene Tätigkeit (WV 43 a). Als 1558 das Hammerwerk zwischen Hartenstein (LK Hersbruck) und Güntersthal190 im Amt Velden (durch Hochwasser?) schwer beschädigt wurde, schickte man Weber zur Begutach­ tung hinaus; sein Vorschlag für die Verhütung solcher Schäden wurde ange­ nommen (WV 65)191. Wie sehr man in Nürnberg Webers Fähigkeiten als Mühlenbauer schätzte, beweist Neudörfers Notiz vom Jahre 1547 in seiner Kurzbiographie Webers: . so ist er dennoch in proportion der Räder, in allerhand Mühlwerk also fürtrefflich, daß ihm an Zahl und Maß gar nichts mangelt und abgeht“ (obwohl er weder lesen noch schreiben konnte)192. b) Wassergräben, Wasserregulierung Hatte Georg Weber als amtlicher Wasserbeschauer (s. o. S. 132) sowieso laufend mit der Kontrolle der Pegnitz und aller anderen „Wassergebäuen“ in und um Nürnberg zu tun, so nahm man seine besonderen Fähigkeiten auf diesem Begiet auch in Anspruch, wenn es darum ging, neue Wasserrinnen, -gräben, -abflüsse u. dgl. zu planen und auszuführen. Das früheste, gleichzeitig das größte und auffälligste dieser Werke war die Regulierung des Wasserabflusses vom Sandberg oberhalb Lauf (WV 38). Von diesem wurde bei stärkeren Regenfällen so viel Sand in die Pegnitz geschwemmt, daß die Hammerwerke und Mühlen beeinträchtigt wurden. Weber erstellte schon 1531 ein Gutachten darüber, aber erst 1535/36 kam es zur Durchführung seinr Absichten, die er in einer Anleitung in allen Details beschrieb (WV 38 b): ein neues Gußbett sollte gebraben und in die Pegnitz geleitet werden; beim Einfluß sollte durch eine „purste“ das Einschwemmen von Sand verhindert werden. Für den Graben durch die Wiese oberhalb des Schlosses beauftragte man ihn ein Jahr später selbst (WV 38 c). Im August 1536 begannen die umfangreichen Erdarbeiten, für die Nürnberg alle nötigen technischen Hilfsmittel („zeug“, „hoyer“ und „radpern“) bereitstellte; aber Ende des Monats hatte es den Anschein, als sei das Werk mißlungen. Das durch die Wiese geleitete Wasser teilte sich nicht zu beiden Seiten des Schlosses, sondern floß auf die Stadt zu. Weitere Nachrich­ ten zu diesem Projekt fehlen leider; sicher wird Weber eine Lösung des Problems gefunden haben193. Kleine Wasserflußarbeiten fielen an in Altdorf 1539 und 1541 (Wasserrinne zur Weth, Rinne über den Stadtgraben, Dohlen und Abfluß aus den Aborten 190 Ausgangspunkt der heutigen Eckart-Werke bei Velden; vgl. „Unser Velden“ (Anm. 166) S. 76 ff. 191 SCHWEMMER, Velden (Anm. 164) S. 45; Unser Velden (Anm. 166) S. 22. 192 NEUDÖRFER-LOCHNER (Anm. 7) S. 79. 193 1539/40 wird der verlandete Pegnitzarm, der die Burg umschließt, durch die Anlage eines Durchstichs wieder ausgeräumt. Kunstdenkmäler Lauf (Anm. 145) S. 214; KRAFT SCHWEMMER (Anm. 145) S. 20.

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des Schlosses: WV 3 b, d; 5 a) und 1557 beim Wiederaufbau des Schlosses in Lichtenau (Rinne aus dem innersten Graben durch die Bastei: WV 46 d). Wasserregulierung war auch die wichtigste Absicht beim Bau von Wehren, die, wie schon beim Mühlenbau, zu Webers Kompetenzen rechneten. 1557 rief man ihn zur Entscheidung eines Streits wegen der unsachgemäßen Erweite­ rung der Wehrspitze der Hadermühle bei St. Katharina194; er behauptete, er hätte diese Arbeit für 140 fl bestens ausgeführt (WV 51 i). 1559 besichtigte er ein Wehr bei Hohenstein (WV 37). Aber der einzige bekannte größere Auftrag dieser Art, den er 1546, noch dazu von auswärts, nämlich vom brandenburgischen Amtmann von Cadolzburg, zum Bau eines „wasser gerynns“ und eines Wehrs erhielt, konnte er offenbar nicht erfolgreich ins Werk stellen, aus welchen Gründen auch immer; jedenfalls war der Amtmann nicht damit zufrieden und beschwerte sich beim Nürnberger Rat. Dieser reagierte recht ungewöhnlich, indem er eigens eine Ratsabordnung nach Cadolzburg schickte und etliche Nürnberger Werkleute bestellte, die nach Augenschein, allerdings in Webers Anwesenheit, den Streitfall entscheiden sollte. Die Sache wurde schließlich beigelegt, Weber bot Änderungen an, der Rat entschuldigte Webers Versagen auf recht unloyale Weise damit, daß dieser auch in Nürnberg mangelhafte Arbeit geliefert habe, was im krassen Widerspruch zu den sonst überlieferten Äußerungen des Rats zu den Arbeiten Webers steht. Die Hintergründe dieses gar nicht in das sonstige Bild des Verhältnisses zwischen Rat und Georg Weber passenden Vorfalls sind leider dunkel; man kann nur annehmen, daß Nürnberg um diese Zeit aus irgendeinem Grunde Rücksicht auf die Herrschaft Brandenburg zu nehmen hatte. c) Brunnenbau195 Bei der in allen Tätigkeitsbereichen Webers zutagegetretenen Spezialisierung auf Wasserbauten verwundert es nicht, daß er auch zur Arbeit an den Nürnberger Brunnen eingesetzt wurde, und hier wieder vor allem bei der Renovierung des eindrucksvollsten und repräsentativsten Brunnens der Stadt, des „Schönen Brunnens“196. Dies geschah 1540/41 (der malerische Teil lag in den Händen des Dürer-Schülers Georg Pencz), und Georg Weber erhielt den 194 Hier stand seit 1391 Ulman Stromers älteste deutsche Papiermühle; vgl. Erich MULZER, Vor den Mauern Nürnbergs. Kunst und Geschichte der Vorstädte, Nürnberg 1961, S. 152. I9197**

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Abb. 2: Grundriß der Stadt Nürnberg, Federzeichnung Oberstlt. Gottlieb Trost, 1718. Germanisches Nationalmuseum, Sp. 6503.

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Verteidigungswesen im 17. und 18. Jh.

Feuquiere tief nach Franken vorstieß, aber auch Sommer 1693 und im Spanischen Erbfolgekrieg Juni 1703 beim Entsatz der Veste Rothenburg durch kurbayerische Truppen, Januar 1704 während des französischen Vorstoßes, der erst vor Roth zum Stehen gebracht wurde, und Februar 1705, als ein preußisches Korps den Kreis durchzog und auf Anforderung durch den Markgrafen von Bayreuth die Plassenburg und andere Orte mit Garnisonen belegte 102. Besondere Sorge machte dem Rat die Gefahr eines Überfalls auf die Tore und in diesem Zusammenhang die zahlreichen Marktgänger und Lohnarbeiter, unter die sich leicht verkleidete Bewaffnete mischen konnten, wenn sie morgens schon lange vor Sonnenaufgang vor den Toren auf Einlaß warteten. Das heftige Gedränge unmittelbar nach Toröffnen konnte leicht zu einem Handstreich genutzt werden. Auf den vielen meist mit Lebensmitteln belade­ nen Wagen, die möglichst schnell die Tore zu passieren suchten, konnten sich Angreifer leicht verbergen und, wenn sie am Tor doch durch Wachen entdeckt wurden, durch Unterschieben eines Wagens das Schließen des Fallgatters verhindern! Zwar hatten Nürnbergs Tore keine derart raffinierten technischen Hilfs­ mittel wie der berühmte „Nachteinlaß“ Augsburgs 103, doch gab es auch hier, wie eine Reihe von Ratserlässen und Instruktionen für die Wachen zeigt, ein ausgeklügeltes System der Tor- und Vorfeldüberwachung. Diese Überwachung begann schon an den Durchlässen der die Stadt umschließenden Befestigungslinie. Vor Offnen des Schlagbaumes sollte ein Gefreiter in Begleitung eines Musketiers einen Patrouillengang längs des Grabens machen. Wurde nichts Verdächtiges festgestellt, konnte das Gatter geöffnet werden. Es sollten aber nie mehr als sechs Fuhren auf einmal abgefertigt werden. Der nächste Schub durfte erst dann passieren, wenn der vorhergehende sich zwei Musketenschußweiten entfernt hatte. Nachts um Viertel nach eins sollte ein Gefreiter oder Musketier zum Tor zurückgeschickt werden, der dort zur Lage zu rapportieren hatte. Ebenfalls während der Nacht und zwar möglichst zu unterschiedlichen Zeitpunkten sollte ein Gefreiter in Begleitung eines Musketiers bis zum nächsten Posten patrouillieren und zwar immer auf einem anderen Weg. Ebenso hatte der in St. Johannis stationierte Wachtmeister nachts vor zwei Uhr einen aus einem Gefreiten und zwei Mann bestehenden Spähtrupp entlang der Linie der Außenwerke nach Wöhrd zu senden, wo diese dem dort stationierten Leutnant zu berichten hatten. Auf dem Rückweg hatten sie sich bei allen Torposten und Zöllnern zu melden und anschließend dem Stadtmajor Rapport abzustatten. 102 StadtA, Rep. A 26 II, Nr. 120, Prod. 1 v. 15. 6. 1671, Prod. 4 v. 21. 8. 1673, Prod. 6—8, alle v. 25. 1. 1675, Prod. 34 und 35, beide vom 14. 11. 1688, Prod. 83 v. 1.6.1693; Nr. 123, Verl. d.H.Ä. v. 18. 2. 1705, KA-Bericht v. 19. 2. 1705. 103 Wilhelm Ruckdeschel, Der „Einlaß“ zu Augsburg — das wohlgesicherte Nachttor der Reichsstadt, in: Technik Geschichte, Bd. 44 (1977), S. 189—200.

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Franz Willax

Der in Gostenhof stationierte Wachtmeister sollte mindestens zweimal in der Woche, einmal vor, einmal nach Mitternacht, mit zwei Fourierschützen bis zum Wöhrder Wassertor patrouillieren und die Wachen inspizieren. Von jedem Posten hatte ihn ein weiterer Mann zu begleiten, der für den Rückweg wiederum eine andere Route zu nehmen hatte. Der Leutnant zu Wöhrd hatte ebenfalls zweimal wöchentlich mit einer gleich starken Begleitmannschaft bis zur Kaserne bei St. Johannis Ronde zu gehen; dabei sollte er genau so verfahren wie die Gostenhofer Wache. Alle Meldungen liefen beim Stadtmajor zusammen. Die in den Vorstädten wohnenden Gärtner, Wäscher und Steinbühler erhielten Weisung nachts Posten aufzustellen. In die Bärenschanze wurden, wenn kein Nürnberger Kontingent der Kreistruppen zur Verfügung stand, Einspännige gelegt, die ebenfalls nachts die Ronde ritten. Durch diese AußenPatrouillien wurden nicht nur die Zufahrten zu den Toren unter Beobachtung gehalten, sondern gleichzeitig auch die Wachsamkeit der Posten ständig überprüft. An den Toren waren die Kontrollen noch schärfer. Hier wurde in den Vorwerken, um ein zu nahes Heranfahren der Fuhren an das Torgatter zu verhindern, ein zweites Gatter errichtet. Der Unterpfleger von Gostenhof und sein Wachtmeister hatten Befehl, mit ihrer Wache um ein Uhr morgens vor dem Spittlertor alle Wartenden zu visitieren, die Wagen zu untersuchen (und nach dem Toröffnen noch eine Stunde zu wachen). Ähnlich hatte der Wöhrder Leutnant vor dem Laufertor zu verfahren. Die Wachtmeister und Feldwebel, die zum Toröffnen kommandiert waren, hatten vorher zu prüfen, ob die Gewehre der Wachen ordnungsgemäß geladen waren. Dann hatte der wachhabende Unteroffizier die Türmer, deren Wach­ häuslein zum Teil direkt über dem Eingang saß, die Zöllner und die inzwischen auf der anderen Grabenseite angelangten Außen-Patrouillen nach Verdächti­ gem befragen. Wenn diese bestätigten, daß nichts Verdächtiges wahrzuneh­ men sei, wurde die Zugbrücke niedergelassen. Bevor nun Tor und Gatter geöffnet wurden, wurde durch das Schlupftürchen eine Patrouille hinausgelas­ sen, um — wie schon am Läufer- und am Spittlertor durch den Wöhrder Leutnant und dem Gostenhofer Unterpfleger geschehen — die Wartenden und Wagen zu visitieren. Verdächtige wurden durch das Schlupftürchen hereingebracht und bis zur Legitimierung festgehalten. Während am äußeren Schlagbaum eine Wache verblieb, stellte der Wachtmeister (oder Feldwebel) — wenn alle Verdachtsmomente ausgeräumt waren — die Wache mit schußbereit gesenktem Gewehr auf beiden Seiten des Durchgangs auf und gab dann Befehl, das Tor zu öffnen und das Gatter hochzuziehen. Um jederzeit die Zugbrücken wieder hochziehen und die Gatter herablassen zu können, waren bei ihnen ständig Torsperrer postiert. Um jeden Tumult zu verhindern, wurden zuerst nur die Einlaßsuchenden abgefertigt. Erst dann konnten die passieren, welche die Stadt verlassen 226

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Verteidigungswesen im 17. und 18. Jh.

wollten. Der innere Schlagbaum wurde stets nur so hoch angehoben, daß gerade eine Person vorbei konnte. Die Wache am äußeren Schlagbaum hatte Befehl maximal höchstens sechs Wagen durchzulassen und dann eine Pause einzulegen, bis die Torwache diese durchsucht hatte. Die Wache blieb so lange unter Gewehr, bis der größte Ansturm vorbei war. Die Torsperrer konnten meistens schon nach einer Viertelstunde ihren Posten verlassen, die Außen-Patrouillen nach einer Stunde. Die Offiziere hatten strengen Befehl, alle Posten ständig zu visitieren104. Bei Wachablösung wurden die Schlagbäume niedergelassen. Tore und Durchlässe wurden eine halbe Stunde nach Garaus geschlossen. Nachts durften die Tore ohne speziellen oberherrlichen Befehl nicht geöffnet werden. Da, wenn nachts ein Tor geöffnet werden mußte, selbst in Friedenszeiten ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem angewandt wurde, wurde dieses im Kriege, wie bei der Gefährdung Januar 1704, noch verschärft. Die jeweilige Torwache sandte die Meldung, daß die Öffnung eines Tores gefordert werde, an die Hauptwache. Von dieser aus wurden, wenn der wachhabende Offizier die Notwendigkeit das Tor zu öffnen anerkannte, Boten an die drei Obristen Hauptleute, den Obristen Kriegshauptmann und den amtierenden Jungen Bürgermeister abgesandt. Letzterer mußte sich zu den drei Obristen Haupt­ leuten begeben, um von ihnen das zum Öffnen der Tore berechtigende Torzeichen abzuholen und etwaige, das Toröffnen betreffende Befehle ent­ gegen zu nehmen. Dann wurden die Haupt- und die zuständige Torwache verständigt, die notwendigen Vorkehrungen und Sicherheitsmaßnahmen zum Öffnen des Tores zu treffen. Es durfte aber erst geöffnet werden, wenn der Junge Bürgermeister, am Tore angekommen, nach Prüfung dieser Maßnahmen es zur Öffnung freigegeben hatte105. Während 1675 unter tags an jedem der sechs Tore ein Wachtmeister, drei weitere Unteroffiziere, sechs Musketiere und zehn Bürger standen, betrug die normale Nachtwache an Geworbenen nur einen Unteroffizier und sechs Gemeine. Sollte nachts jedoch ein Tor geöffnet werden (fast ausschließlich nur das Frauentor, seltener das Spittlertor) so wurde die Nachtwache durch eine Bereitschaft von 36 Musketieren unter der Führung von Offizieren und Unteroffizieren verstärkt. Für das Verhältnis Nürnbergs zu den Brandenburgischen Häusern bezeich­ nend ist, daß das Wachaufgebot am stärksten war, als 1675 der Große Kurfürst mit seiner Armee um Schweinfurt Winterquartiere bezog. Einschließlich der Nachtbereitschaft standen 256 Musketiere, 81 Bürger, 43 Wäscher, 41 Gärt­ ner, 29Wöhrder und 17 Gostenhöfer täglich auf Wache, insgesamt ohne 104 StadtA, Rep. A 26 II, Nr. 123, verschiedene „Order“ an Offiziere und Uffze, o.D. (1702). 105 StAN, Geh.Verl.d.H.Ä., Bd. 3, S. 335, 11. 1.1704. Herbert J. Erlanger, Über vier bisher unbekannte Nürnberger Torzeichen und die Nürnberger Torzeichen im allgemeinen, Jb.f.Numismatik u. Geldgeschichte, Bd. XXI (1971), S. 225—232 u. Tafel 16.

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Offiziere 467 Mann106. Die Vorstädter besetzten zusammen mit der regulären Miliz die Durchlässe der Außenwerke, jeweils sechs bis zwölf Mann unter zwei Unteroffizieren. Bei den „Drei Linden“ stand eine Bereitschaft von 36 Mann unter Offizieren und Unteroffizieren. Im Herbst 1688, während der Bedrohung durch das französische Korps Feuquiere, standen an den vier Haupttoren — Vestnertor und Wöhrdertürlein blieben geschlossen — neben den zivilen Torwachen und den Zöllnern acht bis elf Unteroffiziere und Musketiere. Ihnen standen je neun Mann der Bürger­ kompanien zur Seite. Das Hallertürlein hatte eine Wache bestehend aus einem Gefreiten und sechs Gemeinen. Die Hauptwache am Fünferhaus zählte zwei Unteroffiziere, vier Musketiere und vier Bürger. An den Drei Linden und an der Fürther Straße standen unter je einem Korporal, an den übrigen fünf Durchlässen unter je einem Gefreiten (einmal vier bzw. sechs, sonst) acht Musketiere. Täglich zogen 94 Geworbene und 49 Bürger unter 24 Unteroffi­ zieren zur Wache auf107. Anläßlich der akuten Gefährdung der Stadt im Mai 1703 durch die bayri­ schen Korps Maffei und Monasterol, die Order hatten, die von fränkischen Kreistruppen blockierte Veste Rothenberg zu entsetzen, ordnete der Rat an, daß täglich sechs Bürgerkompanien und drei Kompanien junger Mannschaft neben den Geworbenen als Wache aufzogen108. Als Gerüchte von einem französischen Vorstoß sprachen, ließ der Rat im Dezember 1703 die Heimli­ chen Wächter bei den vier Haupttoren und am Pegnitz-Ein- und -Ausfluß mit Handgranaten ausrüsten. Die Wächter an den Toren erhielten zudem für den Nahkampf besonders geeignete Waffen: Piken und Morgensterne. Mit diesen sollten sie bei einem Überfall auch die stets am Tore auf Arbeit wartenden Sackträger ausrüsten. Die Einwohner der tornahen Häuser wurden mit Flinten versehen109. Um bei einem Überfall und der Einnahme eines Tores der feindlichen Kavallerie das Vordringen zu erschweren, gab der Rat Befehl, die Kettenstöcke instand zu setzen110. Wie schon 1689 wurde Januar 1704, als die französische Heeresgruppe Mars in von Donauwörth aus überfallartig nach Norden vorstieß, unter jedem der vier Haupttore eine 40- bis 60pfündige, Hagelschrot verschießende Haubitze aufgestellt, die den Tordurchgang unter direkten Beschuß nehmen konnte. Außerdem wurden die sechs Batterien „auf den Mauern“ in ständiger Alarmbereitschaft gehalten. Drei „Conducteure“ visitierten täglich mehrmals die den Geschützen beigegebenen Konstabler und waren jedesmal anwesend, 106 107 108 109 110

StadtA, Rep. A 26 II, Nr. 120, Prod. 6—8, v. 25. 1. 1675. StadtA, Rep. A 26 II, Nr. 120, Prod. 39, o.D. (10. 1688). StadtA, Rep. A 26 II Nr. 123, RV v. 20. 5.1703. StadtA, Rep. A 26 II, Nr. 123 v. 20.12. 1703. StAN, Ämterrechnungen, Nr. 1034, Bl. 52 u. 118. Ernst Mummenhof, Die Kettenstöcke und andere Sicherheitsmaßnahmen im alten Nürnberg, in: „Den Teilnehmern am 5. Deutschen Historikertag ...“, Ver. f. Geschichte d. Stadt Nbg, Nbg 1898, S. 1—52.

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wenn die Tore geöffnet bzw. geschlossen wurden. Die Geschütze auf den Türmen blieben auch nachts mit Konstablern besetzt und ab 12. Januar 1704 wurden die in den Außenwerken mit Mannschaft versehen. Zwei Tore und die beiden „Thürlein“ blieben ganztägig geschlossen111.

4. Der Stand der Nürnberger Wehreinrichtungen und Wehranlagen an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert Die Zahl der verfügbaren Verteidiger

1703/04 verfügte die Reichsstadt Nürnberg über ca. 6500 zum Wehrdienst verpflichtete Bürger, von denen, wie der Rat feststellte, ca. 5000 Mann einsatzfähig waren, über 400 Mann reguläre Soldaten und etwa 150 Besoldete für den Wach- und Streifendienst112. 1688 hielt das Kriegsamt angesichts des Einfalles französischer Truppen 6000 bis 8000 Mann notwendig, um auch die Außenwerke verteidigen zu können113. Nach einer detaillierten Aufstellung der Kriegsverordneten, „die Defensionsanstalten zu Nürnberg betreffend Anno 1704“, seien zur Besetzung des Mauerrings und der dem Graben unmittelbar vorgelagerten Schanzen 4000 Mann und zur Verteidigung des Retranchements nochmals die gleiche Zahl notwendig. Reserven zur Unterstützung bedrohter Punkte enthielt diese Zusammenstellung nicht. Daß diese 8000 das unbedingt notwendige Minimum darstellten, geht aus dem Hinweis der Kriegsräte hervor, im Schwedischen Krieg hätten 28 000 Mann die Circumvallationslinie besetzt gehalten. König Gustav Adolf hatte nach seinem Abzug im September 1632 zur Unterstützung der 8000 Bürger und Geworbenen 4000 seiner Schweden zurückgelassen114. Diese Angaben zeigen, daß ein gewisses Defizit an Mannschaft bestand, sollten die Außenlinien verteidigt werden. Auf Bitten des Rates hatte der Fränkische Kreis die Stände aufgefordert den Landausschuß aufzubieten. Als Nürnberg Januar 1704 durch einen Vorstoß des französischen Korps Marsin von Donauwörth aus unmittelbar bedroht war, trafen die ersten Landaus­ schuß-Einheiten ab Mitte Februar ein. Sie wurden innerhalb der Linie, die Stäbe in Gostenhof und Wöhrd einquartiert. Die Stärke dieser Einheiten, von denen die Bayreuther und Würzburger einen guten Ruf genossen, betrug 2000 Mann115. Das Würzburger Landausschuß-Regiment umfaßte unter Oberst Andreas Schell, Obristleutnant Keller und Obristwachtmeister Riedel 1028 111 StAN, Ämterrechnungen, Nr. 914, Bl. 14 u.f. 112 Siehe hierzu die Zahlenangaben in „Das Verteidigungspotential der Reichsstadt“, vor allem LosungsAA, S I L 197, Nr. 38. StadtA, Rep. A 26 II, Nr. 123, Fase. 1703, RV v. 8. 6. 1703. 113 StadtA, Rep. A 26 II, Nr. 120, Prod. 29 v. 10.10.1688. 114 StadtA, Rep. A 26 II, Nr. 123, „Defensionsanstalten zu Nbg betreffend Anno 1704“. 1,5 StAN, Kriegs- u. ZeugAA, S II L 36, Nr. 4, S. 1.

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Mann, deren Ausbildung und Bewaffnung einen anerkannt hohen Stand hatte116. Nürnberg legte einen Teil seiner Regulären, darunter Konstabler, in die Linie und verstärkte den fremden Landausschuß mit eigenem. Insgesamt bot die Stadt 1000—1400 Mann Landausschuß auf, dessen größerer Teil jedoch die Pflegamtsstädte schützte und die „Pässe“ besetzt hielt. So standen in dieser kritischen Phase, in der sich der feindliche Vorstoß jederzeit wiederholen konnte, ca. 8000 Mann hinter den Mauern der Stadt und in der Linie. Der Rat lehnte selbst unter dem Eindruck der unmittelbaren Bedrohung die Aufnahme einer Besatzung aus den Reihen der fränkischen Kreistruppen und einen höheren Kreisoffizier als Kommandanten ab. Als ultima ratio gestand man zu, das 1000 Mann starke, vom Kreis von den beiden obersächsischen Ständen Schwarzburg und Reuß angemietete Regiment Thost in die Mauern aufzunehmen, doch auch dies nur unter der Bedingung, daß Offiziere und Gemeine den Eid auf die Reichsstadt ablegen müßten. Während der Rat bemüht war, die Stadt innerhalb der Mauern auch von den Soldaten der Verbündeten frei zu halten, stimmte er jedoch sofort zu, als der Kreiskonvent beschloß, bei einem unmittelbaren feindlichen Angriff auf die Stadt die Infanterieregimenter des Kreises in die Linie zu legen und die beiden Kavallerieregimenter, gestützt auf (das bastionär befestigte) Forchheim, so im Norden der Stadt zu stationieren, daß die Verbindung regnitzabwärts und somit die Lebensmittelzufuhr so lange als möglich gewährleistet bliebe117. Die Befestigungsanlagen Nürnbergs und ihre Beurteilung durch die Zeitgenossen Wie eine Untersuchung der Bedrohung und Belagerung von Reichsstädten (und Städten vergleichbaren Status) — Münster 1660/61, Erfurt 1664, Bremen 1654 und 1666, Braunschweig 1671, Straßburg 1681, Hamburg 1886, Ulm 1702, Augsburg 1703 und Danzig 1734 — ergibt, war es an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert möglich, mit mittelalterlichen, jedoch durch vorge­ legte Schanzen und Wälle verstärkten Verteidigungsanlagen 12 000 bis 20 000 Mann starke Belagerungskorps abzuweisen, wenn die diplomatische (Bremen 1654 und 1666) oder sogar militärische Unterstützung (Hamburg 1686) der Nachbarterritorien (und des Kaisers) gegeben war. Gelang es dem Angreifer, die Stadt vor der eigentlichen kriegerischen Auseinandersetzung diplomatisch­ politisch zu isolieren (Münster 1661, Erfurt 1664, Braunschweig 1671), bot er weit überlegene Machtmittel auf (Straßburg 1681: Einschließung durch eine 30 000—35 000 Mann starke französische Armee), drohte bzw. wandte er das Mittel des Bombardements an (Augsburg 1703: Bombardement durch 24 000 Kurbayern und Franzosen; Danzig 1734 durch 40 000 Russen und SachsenPolen), so sah sich jede Stadt nach kürzerem oder längerem Widerstand zur 1.6 StAN Ansb. KTA, Nr. 187, Prod. 155, 26. 2. und 11.3.1704. 1.7 StAN Ansb. KTA, Nr. 183—189, Geh.Verl.d.H.Ä., Bd. 3, S. 326, 9.1.1704, S. 360, 26. 1. 1704.

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Kapitulation genötigt, obwohl der Zustand der Befestigungsanlagen noch weiteren Widerstand (unter sich steigernden Opfern, vor allem unter der Zivilbevölkerung) ermöglicht hätte. Bei Nürnberg wäre dies nicht anders gewesen, wenn es auch in den beiden Erbfolgekriegen, vor allem während der akuten Gefährdung 1703/04, die volle Unterstützung des Fränkischen Kreises hatte. Der kaiserliche Feldmarschall-Leutnant Gabriel Conte Vecchio, der 1703/04 in Nürnberg weilte, ein Veteran aus Türken- und Franzosenkriegen, Offizier und Festungsbaumeister, riet anläßlich des französischen Vorstoßes Januar 1704 die gesamte Kreisinfanterie auf die Stadt zurückzunehmen, „so daß sie die Linie auf dem Rücken habe“. Die Kavallerie habe im freien Feld zu bleiben. Gelänge es ihr die Straße nach Amberg freizuhalten (wo jener Verbündete stand, der der Stadt am nächsten war: das preußische Korps des Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau), so habe Nürnberg auch einen Angriff von 15 000 Mann nicht zu fürchten118. Bei der Beurteilung dieser Zahl ist zu beachten, daß Januar-Februar 1704 die Kreisregimenter noch nicht rekrutiert und deshalb noch nicht über 6000 Mann stark waren. Vecchio war somit der Meinung, man könne die Reichsstadt mit ca. 14 000 Soldaten und Bürgern nicht nur verteidigen, sondern auch die Zufuhrstraßen nördlich der Pegnitz freihalten. Der niederländische Gesandte bei den „Vorderen Reichskreisen“, der sehr angesehene, einflußreiche Baron Rechteren d’Almelo setzte sich 1703/04 wiederholt beim Rate der Reichsstadt und beim Kreiskonvent mit großem Nachdruck für den weiteren Ausbau der „Circumvallationslinie“ ein, was der als nüchterner Rechner bekannte nicht getan hätte, wäre er vom Sinn dieser Arbeit und dem unmittelbaren militärischen Nutzen dieser Anlage nicht überzeugt gewesen. Der fränkische Kreisobrist und Feldmarschall Markgraf Christian Ernst von Bayreuth, welcher der „Fortifikationskunst“ seit seiner Jugend huldigte, sah in Nürnberg in den kritischen Tagen des Januars 1704 das Rückgrat aller seiner Operationen. Nicht zuletzt seinem Eintreten ist es zu verdanken, daß der Kreiskonvent die anderen Kreisstände aufforderte, Schanzer aufzubieten. Da der Markgraf durchaus ein Vertreter der gegen Nürnberg gerichteten „brandenburgischen“ Territorialansprüche war, hätte er sich mit Sicherheit nicht mit so viel Nachdruck für den Ausbau der Nürnberger Linie eingesetzt, wenn er nicht von dessen Notwendigkeit überzeugt gewesen wäre. Gerade, daß er sich aus dem Zwange einer echten Interessenkollission heraus für den weiteren Ausbau der Nürnberger Befestigungsanlagen entschied, zeigt, daß er die Reichsstadt auch gegenüber dem Angriff eines größeren Korps für verteidigbar hielt119. 1.8 StAN, Nbg. KTA, Nr. 139, Prod. 40 v. 17.12. 1703. Ansb. KTA, Nr. 187, Pro. 81 v. 10. 1. 1704. 1.9 StAN, Ansb. KTA, Nr. 183—189, RV, Nr. 3079, S. 151—152, v. 6. 6.1703 Geh.Verl.d.H.Ä., Bd. 3, S. 363, 26. 1. 1704.

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Die Versorgungseinrichtungen

Auch die Versorgungseinrichtungen hätten Nürnberg gestattet einer mehrwö­ chigen Belagerung standzuhalten. 1703/04 lagerten in den städtischen Magazi­ nen 7856 Simra Brotgetreide. Diese Menge reichte aus, um die ca. 29 000 Menschen starke Bevölkerung und die etwa 9000 Mann zählenden regulären und irregulären Einheiten des fränkischen Kreiskorps sechs Wochen lang mit Brot zu versorgen. Die Stadt hatte zudem ihre Bürger aufgefordert, sich rechtzeitig mit ausreichender Menge an Lebensmitteln einzudecken. Sie hatte die Hausschlachtung für alle Bürger freigegeben und bevorratete in ihren Magazinen 16 000 Metzen des zum Konservieren notwendigen Salzes120. 1693 hielten Gutachten der Kriegsverordneten einen Pulvervorrat von 800— 1000 Zentner für notwendig121. Die Stadt vermochte einen Teil ihres Bedarfes durch die Erzeugung ihrer Pulvermühlen zu decken. Gleichzeitig war sie stets bemüht, Eigenverbrauch und die Abgaben an die Kreistruppen auf dem Handelsweg und über Hilfegesuche an die anderen Kreisstände auszugleichen. 1703/04 beschäftigte die Stadt sogar zwei französische Salpetersieder. Pulver­ mühlen gab es bei Veilhof, bei der Hadermühle, in der Tullnau und bei Wöhrd. Der Stand der Finanzen

Die Schuldenlast des Nürnberger Ärars war katastrophal und 1703/04 auf über 6 660 000 fl angestiegen, eine ungeheure Summe! Bezogen auf einen vierköpfi­ gen Bürgerhaushalt betrug die städtische Verschuldung 900—950 fl. Das entsprach etwa dem Zehnfachen eines Jahresverdienstes eines nicht-selbständi­ gen Handwerkers! Der Kapitaldienst betrug bei dem zeitüblichen Zinsfuß von 4 %, wieder bezogen auf den vierköpfigen Durchschnittshaushalt, fast die Hälfte des Brutto-Jahresverdienstes eines Durchschnittsverdieners der Zeit122. 120 StAN, Stadtrechnungen, Nr. 80. Die in Nr. 80 genannte Menge des öffentl. Getreidevorrats 1703/04 wurden mit den in den Nr. 38 (1621), 48—51 (1630—34), 76 (1699/1700), 77 (1700/1701), 78 (1701/02), 79 (1702/03), 81 (1704/05) und 82 (1705/06) verglichen. Dabei wurde festgestellt, daß die Stadt auf dem Höhepunkt des 30jährigen Krieges das ca. Vierfache an Getreide und das ca. Dreifache an Salz eingelagert hatte. Trotz der Gefahr einer Belagerung, die sich 1702—1703 abzeichnete, wurde die Getreidelagermenge kaum erhöht (siehe Nr. 82). Mit der 1703/04 eingelagerten Menge von 7856 Simra Brotgetreide konnte man 38 000 Menschen sechs Wochen lang täglich mit zwei Pfund Brot versorgen, da für diese Brotmenge im Jahr 1,5 Simra Getreide benötigt wurden (StAN, Ämterrechnung, Nr. 47, S. 52). Die Verpflichtung, Getreide und Salz einzulagern, bestand schon mindestens seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts (StAN, AStB 109—111, 118, 121—122). — Die Einwohnerzahl Nbgs (Februar 1703: 28 511 Personen) wurde StadtA, Ratskanzlei 306, entnommen. 121 StadtA, Rep. A 26 II, Nr. 120, Prod. 83 v. 1.6. 1693. 122 StAN, Stadtrechnungen, Nr. 38, 48—91. — Paul Sander, Die reichsstädtische Haushaltung Nürnbergs, 1. u. 2. Halbbd., Leipzig 1902, (zit. Sander), 2. Hb., S. 804—805, 824—825, 836— 839. — Eugen Franz, Nürnberg, Kaiser und Reich, 1930 (zit. Franz), S. 360—361.

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Verteidigungswesen im 17. und 18. Jh.

Die Ursache für diese hohe Verschuldung waren die Kriege des 16. und 17. Jahrhunderts. Hatte die Schuldenlast 1551, d.h. vor Beginn des Zweiten Markgrafenkrieges, 828 000 fl betragen, so stieg sie während dieses Krieges auf das über Fünffache (4 321 000 fl i. J. 1562)! In den folgenden Jahren gelang es der Stadt die Schulden etwas zu verringern, doch stiegen diese allein in einem Jahr, 1621/22, durch die enormen Kriegslasten (30jähriger Krieg) und die Münzwirren der Kipper- und Wipperzeit um über eine Million fl auf 5 742 000 fl an. 1628 bis 1634 erhöhte sich der Schuldenturm um jährlich ca. 250 000 fl auf 7 488 000 fl. Die erstaunliche Tatsache, daß die öffentliche Schuld dann noch während des Krieges auf (1648) ca. sechs Millionen fl zurückging, ist nur dadurch zu erklären, daß die Stadt keinen Zins bezahlte und „die creditoren ihre capitala mit großen Verlust herabnehmen mußten“. Durch eiserne Sparsamkeit wurden bis 1660 jedes Jahr im Durchschnitt 100 000 fl an Schulden abgetragen, so daß die Verschuldung nur noch 4,8 Millionen fl betrug. Für die Kriegsstube wurden jährlich nur etwa 20 000 fl ausgegeben. Dann brachten die Reichskriege, die das Osmanische Reich und das Frankreich König Ludwigs XIV. dem Reich aufzwangen, eine drastische Erhöhung der Militärausgaben. Der Fränkische Kreis, als dessen Glied Nürnberg ca. 20, ja zeitweise sogar 22 % der Kreisausgaben über die Matrikularbeiträge tragen mußte123, sah sich gezwungen, sein bewaffnetes Kontingent von 2151 (1672) auf 10 700 Mann (1692) zu erhöhen124. Unabhängig davon vergrößerte der Rat die Stadtmiliz um 100 %. Die Ausgaben der Stadt für die Kreisvölker und die Garnison erhöhten sich im Niederländischen Krieg, als eine französische Armee unter Turenne 1673 über Würzburg hinaus vorstieß, auf über 70 000 fl pro anno und 1683, als der Kreis dem von den Türken belagerten Wien zu Hilfe kam, auf über 100 000 fl. Eine wahre Kostenexplosion brachte aber dann der Pfälzer Erbfolgekrieg (1688—97), als ab 1693 die Regimenter des Fränki­ schen und Schwäbischen Kreises durch den kaiserlichen Generalleutnant Markgraf Ludwig Wilhelm v. Baden zu einer für die Zeit hochmodernen Armee umgestaltet wurden und sich beide Kreise eine schwere Artillerie mit gemeinsamen Stab und ein die regelmäßige Versorgung gewährleistendes Fuhrwesen schufen. Die jährlichen Ausgaben schnellten auf jährlich 450 000 bis 500 000 fl empor (1693—1696). 1696 legte Paul Albrecht Rieter, Reichsschult­ heiß und erster Obristhauptmann, als vorderster Losunger für die Finanzen der Stadt verantwortlich125, angesichts der ausweglosen finanziellen Situation seine Ämter nieder. Es betrugen: 123 Sicken, S. 107—119, siehe auch: Bernhard Sicken, Der Fränkische Reichskreis — Seine Ämter und Einrichtungen im 18. Jh., Würzburg 1970, S. 266—274. 124 Helmes, S. 7 und 27. 125 Mummenhof, Der Austritt des vordersten Losungers der Stadt Nürnberg Paul Albrecht Rieter von Kornburg aus dem Rat im Jahre 1696, Fränkischer Kurier, Jg. 1912, Nr. 54, 56, 58, 60, 62 v. 7., 14., 21., 28. 7. u. 4. 8. 1912, Stadtbibliothek Nor 1018—4°. (zit. Mummenhof, Austritt). Diff. A, 844.

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Kriegsausgaben: davon Abgaben zur Kreiskasse: Schuldendienst: öffentliche Schuld

fast 450 000 fl/Jahr ca. 265 000 fl/Jahr fast 242 000 fl/Jahr 6 298 000 fl

Daß die Verschuldung nicht höher angestiegen war, verdankte die Stadt der Tatsache, daß durch einen ganzen Katalog von neuen Steuern und Steuererhö­ hungen die Einnahmen von durchschnittlich 430 000 fl (1660—70) auf fast 700 000 fl (1692—97) angehoben worden waren. Der hohe Steuerdruck führte innerhalb der Bürgerschaft zu Unruhen, als im Zusammenhang mit dem Rücktritt Rieters das Gerücht laut wurde, der Rat werde eine dreifache Losung fordern. In diesen Jahren wurde die Grundlage zu den Spannungen zwischen dem Rat und den ratsfähigen Geschlechtern einerseits und der Kaufmannschaft andererseits geschaffen, der als Verfassungskampf das 18. Jahrhundert bis zum Ende des reichsstädtischen Nürnberg erfüllte126. 1697 stiegen die Ausgaben für das Kriegs- und Kreiswesen, da die Kreisrestanten abbezahlt werden mußten, auf 530 000 fl! Nach Friedensschluß gingen zwar die Ausgaben für drei Jahre zurück, doch nahm die Verschuldung durch den Kapitaldienst der aufgenommenen Gelder weiter zu und betrug 1701, zu Beginn des Spanischen Erbfolgekrieges, über 6,6 Millionen fl. Infolge der allgemeinen Aufrüstung stiegen die Militärausgaben der Stadt 1702 schon wieder auf 280 000 fl. Da der Kreis seine zwei Kavallerieregimenter verstärkte, vier Infanterieregimenter zusätzlich in Dienst nahm und ein Regiment anmie­ tete, stiegen die Kreisausgaben Nürnbergs und die Restanten betrugen am 15. Dezember 1703 109 553 fl127. Das waren 25 % der Restanten aller Stände zur Kreiskasse. Der Rat suchte als Ausweg aus der finanziellen Notlage auf den Kreditmarkt auszuweichen und gedachte bei Hamburg und anderen Städten, in den Niederlanden, ja sogar beim König von Schweden Gelder aufzuneh­ men128. Ende 1703, als Rat und Genannte über umfassende Steuererhebungen berieten, war die Stadt zahlungsunfähig. Trotz der Drohung militärischer Exekution durch Kreistruppen vermochte die Stadt nur 2995 fl an die Kreiskasse abzuführen. Die Stadtkasse war nicht in der Lage, relativ geringe Beträge, z.B. 7500 fl, die bei ihr hinterlegt worden waren, auszuzahlen129. Gleichzeitig trat der kaiserliche Hof an die Stadt wegen einer Anleihe über 250 000 fl heran130. Der französische Vorstoß von Donauwörth bis Pleinfeld126 Nürnberg (Pfeiffer), Hanns Hubert Hofmann, 52. Agonie der Reichsstadt, S. 310—315. 127 StAN, Ansb. KTA, Nr. 185, Prod. 209 v. 25. 8. 1703; Nr. 187, Prod. 47 v. 14. 1. 1704; Nr. 189, Prod. 50 v. 10. 6. 1704; Nr. 190, Prod. 169 v. 31.12. 04/13. 3. 05. I2S StAN, Rep. 26, Fase. 2/42, 9.10. 1702; Geh.Verl.d.H.Ä., Bd. 3, S. 190, 21.6.1703; LosungsAA, SIL 126, Nr. 40, 31.12.1703. 12‘’ StAN, Geh.Verl.d.H.Ä., Bd. 3, S. 211, 16.8.1703; Verl.d.H.Ä., Nr. 60, S. 41, 28.12.03; Nbger Briefbücher, Nr. 332, Bl. 27, 1. 2.1704. 1,0 StAN, Geh.Verl.d.H.Ä., Bd. 3, S. 348, 21.1. 1704. — Zur äußerst schwierigen Finanzlage des Kaisers siehe: Brigitte Holl, Hofkammerpräsident Gundaker Thomas Graf Starhemberg und die österreichische Finanzpolitik der Barockzeit (1703—1715), Archiv f. österr. Gesch., hgg. v. Österr. Akademie d. Wissenschaften, Bd. 132, Wien 1976.

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Verteidigungswesen im 17. und 18. Jh.

Roth im Januar 1704 brachte neue Belastungen. Bis Ende 1704 stiegen die Kreisrestanten auf 162 000 fl, die Kriegsausgaben 1705 auf fast 400 000 fl. In den folgenden Jahren bewegten sich die Kosten für das Militär zwischen 300 000 und 350 000 fl, schnellten 1714 nochmals auf Grund der hohen Reichs­ und Kreislasten auf über 420 000 fl empor, um dann in den folgenden Friedensjahren auf ca. 100 000 fl zurückzugehen. Die Verschuldung der Stadt betrug 1714 über 7,3 Millionen fl. Und doch kann man dem Rat für die Zeit der Erbfolgekriege nicht den Vorwurf einer schlechten Haushaltsführung machen! 1712 betrug der Schul­ dendienst 269 000 fl bei jährlichen Gesamt-Einnahmen von 776 000 fl. Im gleichen Jahr hatte der Fränkische Kreis bei einem Haushaltsansatz von 780 000 fl einen Schuldendienst von 360 000—400 000 fl aufzuweisen131. 1717 begann der reichsstädtische Rat erneut mit der Schuldentilgung, so daß die Belastung bis 1732 um 353 000 fl abnahm. Die nachfolgenden Kriege ließen die Schuldenlast bis 1794 auf über 9 Millionen fl anwachsen. Bei Gesamtein­ nahmen von 500 000—600 000 fl betrug die Zinslast 320 000—350 000 fl im Jahr. Das war das Ende der reichsstädtischen Herrlichkeit. Für Nürnbergs Niedergang war zweifellos die finanzielle Aussaugung durch Kaiser, Reich und Reichskreis ein ganz wesentlicher Grund. Die Matrikel Nürnbergs der Reichs- und Kreisabgaben betrugen im Betrachtungszeitraum das Sechsfache Bremens, einer Stadt, deren Bevölkerungszahl zwar etwas geringer, deren wirtschaftliche Möglichkeiten jedoch auf Grund einer günsti­ gen geografischen Lage eher besser waren, wie die der fränkischen Reichsstadt. In der Praxis zahlte Nürnberg während des Pfälzischen Erbfolgekrieges jedoch fast das Siebenfache, im Spanischen Erbfolgekrieg sogar das über Zehnfache der Subsidien Bremens an Kaiser und Reich. Obwohl Hamburg etwa die dreifache Zahl an Bürgern hatte, führte es an das Reich nur die Hälfte, oft sogar nur ein Drittel dessen ab, was Nürnberg aufzuwenden hatte131a. 5. Die Entwicklung vom Ende des 17. Jahrhunderts bis 1866 Verteidigbarkeit der Stadt und Verteidigungsbereitschaft der Bürger im Wandel

Was die Befestigungsanlagen, die Versorgungseinrichtungen, ja selbst die Zahl der Verteidiger anbelangt, war Nürnberg auch im ersten Viertel des 18. Jahr­ hunderts noch durchaus in der Lage einen direkten, mit zahlenmäßig überlege­ nen Mitteln vorgetragenen Angriff abzuwehren. Ein solch direkter Sturman­ griff gegen die Wälle und Mauern einer Stadt wie Nürnberg, ohne jede 131 Sicken, S. 123—125, 128. 131a Karl Heinz Schwebel, Bremens Beziehungen zu Kaiser und Reich, vornehmlich im 18. Jahr­ hundert, Veröffentl. aus dem Staatsarchiv d. freien Hansestadt Bremen, Heft 14 (1937). — Rainer Ramcke, Die Beziehungen zwischen Hamburg und Österreich im 18. Jahrhundert, Beiträge zur Geschichte Hamburgs, hgg. v. V. f. Hambg. Gesch. Bd. 3 (1969).

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anderweitige militärische Vorbereitung und Unterstützung war aber kaum zu erwarten, sieht man von Uberrumplungsversuchen kleiner, dem Gros voraus­ gesandter Einheiten auf die Stadttore ab. Mochte bei den nur mit einer aus dem Mittelalter stammenden Mauer befestigten kleinen Städten eine Leiter­ übersteigung möglich sein, so versuchten die bis zum Extrem methodisch denkenden militärischen Befehlshaber des 17. und 18. Jahrhunderts Verteidi­ gungsanlagen wie die Nürnbergs nie ohne Artillerievorbereitung zu bezwin­ gen. Dies geschah entweder durch den „förmlichen Angriff“, die Belagerung, — d. h. durch die Anlage von Batterien und Sturmgräben, durch etappenwei­ sen aus gut gedeckten Erdstellungen vorgetragenen Angriff, jeweils mit tagelanger Artillerievorbereitung, zuerst auf dem gedeckten Weg, dann gegen Vorwerke und Graben, durch Brescheschießen und schließlich durch den Sturm auf die angriffsreif geschossenen Hauptverteidigungslinie — oder durch ein mehrtägiges alles vernichtende Bombardement! Während Festungen nur durch die methodische Belagerung erobert werden konnten, war bei volkreichen Städten, mochten die Verteidigungsanlagen noch so stark sein, das Bombardement meist in weit kürzerer Zeit erfolgreich. So etwa im Dezember 1703, als Kurfürst Max Emanuel von Bayern die Reichs­ stadt Augsburg durch eine mehrtägige Beschießung, bei der ein ganzer Stadtteil in Schutt und Asche fiel, zur Kapitulation zwang. Während die Befestigungsanlagen durch das Bombardement häufig keinen ausschlaggeben­ den Schaden erfuhren, so etwa bei den Beschießungen Bonns 1689 und Ratzeburgs 1693, wurden Kirchen und Häuser vernichtet und Frauen und Kinder getötet. Dieser Art gezielten Terrors hielten die Menschen einer belagerten Stadt auf die Dauer nur in den wenigsten Fällen stand. Bezeichnend allerdings ist, daß der Wunsch, selbst schon bei einer Drohung mit einem Bombardement zu kapitulieren, in den meisten Fällen nicht von der großen Masse der Bevölkerung, sondern von einer relativ kleinen Zahl Wohlhabender ausging. Bei dem kurbaierischen Überfall auf Ulm im Sommer 1702 kapitu­ lierte der Rat auf die Drohung hin, die Stadt in Flammen zu stecken, obwohl die Bürger, die sich zum Kampf zusammengeschart hatten, zu weiteren Widerstand bereit waren132. Auch in Nürnberg argwöhnten die Bürgerschaft und die evangelische Geistlichkeit, der Rat werde im Falle eines Bombardements Reichsfreiheit und die oft beschworene Freiheit des Evangeliums der Sorge des Patriziats um seinen Besitz hintanstellen und kapitulieren. Nicht zu verteidigen war eine Stadt, mochten ihre materiellen Potenzen noch so groß sein, wenn ein Teil der Bevölkerung mit dem Angreifer sympathi­ sierte oder die überkommenen Herrschafts- und Sozialstrukturen ablehnte. 132 Annemarie Faulmüller, Die Reichsstadt Augsburg im Spanischen Erbfolgekrieg, Diss., Augs­ burg 1933, vor allem S. 31—38. — Carl Reichard, Geschichte der Kriege und der Bürgerbewaff­ nung Ulms, Ulm 1832, vor allem S. 141.

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Zwischen 1648 und 1740 sind Sympathien gegenüber Agressoren — in diesem Zeitraum das Frankreich Ludwigs XIV. und Kurbaiern — in der Nürnberger Bürgerschaft nicht feststellbar. Dagegen entwickelten sich angesichts der ungeheueren finanziellen Belastung und des Steuerdrucks während des Pfälzi­ schen Erbfolgekrieges latente Spannungen zwischen dem Stand der ratsfähigen Geschlechter und gewissen, wohlhabenden Schichten des Bürgertums. 1693 ließen die Herren Alteren von den Kriegsverordneten ein Projekt ausarbeiten, wie man inneren Unruhen begegnen könne. In diesem Gutachten wurde vorgeschlagen, zwei bis drei leicht zu verteidigende Punkte in der Stadt mit Munition und Proviant für mehrere Wochen zu versehen, sich mindestens eines Tores zu versichern, um notfalls 500—600 Mann Landausschuß in die Stadt werfen zu können, und die Söldner in Kasernen zu stationieren, damit sie beim Sammeln nicht vom Pöbel abgeschnitten würden. Von diesen Maßnahmen wurde nur die Kasernierung ab 1695 durchgeführt. Für das um diese Zeit noch weitgehend ungestörte, vor allem unvergiftete Verhältnis zwischen Rat und Bürgerschaft und den gesunden Menschenverstand der Kriegsverordneten spricht, daß diese rieten, man solle vor allem den Bürger in seinem täglichen Leben möglichst wenig „disgutieren“ und für einen Ausgleich der Gegensätze innerhalb der Bürgerschaft Sorge tragen. Es kennzeichnet das Vertrauen, das der Rat in den Bürger setzte, daß die Kriegsverordneten an die Spitze ihres Gutachtens den Vorschlag stellten, der Bürgerschaft den Gehor­ samseid erneuern zu lassen133. Da nicht nur im Frankfurt Goethes, sondern auch in Nürnberg ein großer Teil der Bürger Friedrich den Großen als Helden und evangelischen Vorkämp­ fer verehrte, konnte die Reichsstadt im Siebenjährigen Krieg den preußischen Streifkorps — 1757 Mayer, 1762 Kleist — keinen entscheidenden Widerstand entgegensetzen134. 133 StadtA, Rep. A 26 II, Nr. 120, Prod. 83 u. 86 v. 1. 6. 1693. — Auslösend für die Ordre der Herren Älteren an die KV könnten die Nachrichten von Bürgertumulten in anderen Reichs­ städten gewesen sein. So gab es nach den von Jastram und Schnitgers geleiteten Unruhen, die nicht unwesentlich zum Überfall Dänemarks auf Hamburg im Jahre 1686 beitrugen, seit 1691/92 erneut heftige Streitigkeiten zwischen dem Hamburger Rat, der Geistlichkeit und der Bürgerschaft, deren vorläufiger Höhepunkt die Tumulte vom Mai—Juni 1693 waren. Die Kunde von diesen Streitigkeiten ging durch alle evangelischen Kreise Deutschlands. (Hermann Rückleben, Die Niederwerfung der hamburgischen Ratsgewalt. Kirchliche Bewegungen und bürgerliche Unruhen im ausgehenden 17. Jh., Beiträge zur Geschichte Hamburgs, hgg. v. Ver. f. Hamburg. Gesch., Bd. 2, Hamburg 1970, vor allem S. 19, S. 149 uf.) — Allgemeine Hinweise, daß durch zu großen Steuerdruck die „armen Untertanen“ auf dem Lande oder durch kriegsbedingte Arbeitslosigkeit die Handwerker in der Stadt zu „desperaten Mitteln“ greifen könnten, finden sich in den Archivalien häufiger und manchmal geradezu als stehende Redewendung (z.B. St AN, Rep. 26, Fase. 11/42, 9. 10. 1702), geben jedoch nur allgemeine Befürchtungen wieder. 134 St AN, LosungsA A, S I L 153, Nr. 15, „Projekte im Falle der Annäherung der Reichsarmee oder eines feindlichen Korps, 1762“. Prod. 4 und 7, beide dat. 26. 8. 1762. — Jofseph] Baader, Die Preußen in Nürnberg und den benachbarten Gebieten in den Jahren 1757, 1758 und 1762, Bamberg 1868, S. 1—97.

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Dem Ansturm der französischen Revolutionsheere war dann Nürnberg in keiner Weise mehr gewachsen. Die Änderung in den europäischen Machtver­ hältnissen und der innere Zwiespalt verurteilten alle Wehranlagen und Vertei­ digungseinrichtungen zur Sinn- und Wirkungslosigkeit. Nürnberg als königlich bayerische Festung

Nürnberg behielt auch nach der Eingliederung in das Königreich Bayern noch Festungscharakter bei. Mochten gewisse Anregungen, durch einen weiteren Ausbau der Befestigungsanlagen aus Nürnberg eine „Centralbundesfestung“ zu machen, bei den zuständigen bayerischen Regierungsstellen auf kein Interesse stoßen135, so wird doch noch 1848 in einem Reskript des Staatsmini­ steriums des Innern Nürnberg als „großer Waffenplatz von hoher strategischer Bedeutung“ genannt. 1855, zu einem Zeitpunkt, wo bastionäre Festungen, freilich geringen Ranges wie etwa der Rothenberg, ihren Festungscharakter längst verloren hatte, galt Nürnberg dem bayerischen Kriegsministerium noch als Waffenplatz. Erst nach langen Verhandlungen entkleidete König Ludwig II. am 12. Juli 1866 die Stadt dieser Eigenschaft136. Die Einführung der Geschütze mit gezogenem Rohr und der Brisanzgranaten ab etwa 1860 hat Befestigungen wie der Nürnbergs den letzten Rest an Verteidigungsfähigkeit genommen.

6. Die Administration des reichsstädtischen Wehrwesens Die politische und militärische Führungsspitze

Die höchste Gewalt in allen zivilen und militärischen Angelegenheiten übte in Nürnberg der „innere“ oder „kleine“ Rat aus, der aus 34 Patriziern — je 13 Alten und Jungen Bürgermeistern und acht Alten Genannten — und acht Handwerkern bestand. Seine Exekutivspitze waren die sieben dienstältesten Alten Bürgermeister, die als Herren Älteren oder Septemvirn bezeichnet wurden. Die unmittelbare Befehlsgewalt über die reichsstädtischen Verteidigungsein­ richtungen und das Kommando über die in drei Bataillone gegliederten Bürgerkompanien stand den drei vordersten Septemvirn, den Obristhauptleu­ ten, zu, an ihrer Spitze der erste Losunger, der zugleich Reichsschultheiß und damit unmittelbarer Vertreter der kaiserlichen Gewalt in der Stadt war. 133 Nürnberg — Ein politisch-militärisches Fragment (Nürnberg als Centralbundesfestung), o. V., Schwabach 1834, Seite 1—32. — Dieser Schritt erscheint merkwürdig anachronistisch. Es darf aber nicht vergessen werden, daß die ehemalige Reichsstadt Ulm, entsprechend befestigt, 1842 Bundesfestung ersten Ranges wurde. 136 Wilhelm Schwemmer, Die Stadtmauer von Nürnberg, Verluste und Erhaltung im 19. und 20. Jahrhundert, in: MVGN 56, 1969, S. 424—444.

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Diese delegierten einen Teil ihrer Gewalt an das Kriegsamt, das von vier bis fünf Kriegsverordneten (Kriegsherren, Kriegsräten, Kriegshauptleuten) gelei­ tet wurde. An der Spitze des Kriegsamtes stand der Obristkriegshauptmann, der in den reichsstädtischen Amterbüchern die altüberkommene Bezeichnung „Hauptmann in der Kriegsstuben und Verwalter des Marstalls“ führte137. Die zu Kriegsverordneten Erkorenen besaßen, wenn sie ihr Amt antraten, selten größere militärische Erfahrung, sondern hatten meist eine Tätigkeit in der reichsstädtischen Verwaltung hinter sich und standen am Beginn einer Ratslaufbahn. Meist waren sie bei ihrer Ernennung zum Kriegsverordneten Junge Bürgermeister. Voraussetzung für eine Karriere war, neben Befähigung und einer tadellosen Lebensführung, vor allem Gesundheit, kam es doch bei dem im 17. und 18. Jahrhundert üblichen Prinzip der Wiederwahl und dem Anciennitätsprinzip im wahrsten Sinne des Wortes darauf an, alle Konkurren­ ten zu überleben. Schied ein Kriegsverordneter aus, so rückte der nächste nach. Parallel vollzog sich der Aufstieg in der Ratshierarchie. Nach Jahren und Jahrzehnten mochte es gelingen, die Spitze des Kriegsamtes zu erreichen. Inzwischen hatte sich der Aufstieg zu einem der sechs rangjüngsten Alten Bürgermeister, meist aber schon zum siebten vollzogen. Manchmal glückte der Aufstieg zum dritten Obristhauptmann. Meist wurde jedoch das Amt des Obristkriegshauptmannes als 7. bis 4. Septemvirn übernommen und als solcher (d. h. ohne zum Obristhauptmann aufzusteigen) auch wieder, meist mit dem Tode, abgegeben. Beschied ein langes Leben die Krönung der Ratslaufbahn, die Würde eines Losungers, so war es üblich, das Amt des Obristkriegshaupt­ mannes abzugeben. Das durchschnittliche Alter, indem das Amt eines Obrist­ kriegshauptmannes erreicht wurde, lag im 16. Jahrhundert bei 50—55 Jahren und stieg im 18. Jahrhundert auf 60, 65 Jahre. Der jüngste übernahm das Amt mit 39 Jahren, der älteste war 84, als er an die Spitze des Kriegsamtes trat138. Die Delegation der Befehlsgewalt vom Rate auf die Kriegsverordneten bezog sich in allen wichtigen Belangen auf die in den Verlässen des Inneren 137 In einer handschriftlichen Beschreibung des „löbl. Bürger-Regimentes“ aus dem Jahre 1736, Stadtbibliothek Nor H 41, Roll der Officier des löbl. Bürger-Regimentes samt den Alarm­ plätzen, lateinischen Symbolis und Teutschen Versen anno 1736, unbek. Verf., werden die drei Kommandanten und ihre Stellvertreter als Obristkriegshauptleute bezeichnet. Doch steht diese dem allgemeinen Sprachgebrauch folgende Bezeichnung im Gegensatz zur offiziellen Sprachregelung in den Verlässen des inneren Rates und der Herren Alteren, die stets die Bezeichnung Obristkriegshauptmann für den Capo des Kriegsamtes verwendet. Wie aus den reichsstädtischen Ämterbüchern ersichtlich, St AN, Ämterbüchlein, Nr. 255 (1736), waren 1736 die Kommandanten der drei Bataillone der 1. Obristhauptmann (1. Losunger und Reichsschultheiß) der 2. Obristhauptmann (und 2. Losunger) der Obristkriegshauptmann (der zu diesem Zeitpunkt zwar Septemvirn war, jedoch erst acht Jahre später 3. Obristhauptmann wurde). Die drei Stellvertreter waren alle Kriegsverordnete, zwei waren Alte, einer Junger Bürgermeis­ meister. 138 StadtA, Ratskanzlei 125, vor allem S. 472—474, und Ratskanzlei 126.

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Rates oder der Herren Älteren ganz konkret angesprochenen, fest umrissenen Sachfragen rein militärisch-verwaltungsmäßigen Inhalts und war — mit Aus­ nahme von rein infrastrukturellen Maßnahmen — nicht genereller Natur. Die Herren Älteren und der Rat behielten sich vor, auch ohne Vorwissen des Obristkriegshauptmanns und der Kriegsverordneten, unmittelbare Weisungen an die Bediensteten des Kriegsamtes und die Offiziere der reichsstädtischen Streitmacht zu geben139. Dem Kriegsamt stand zwar die Disziplinargewalt über alle Militärpersonen zu, doch entschied der Rat vor allem bei Vergehen von Offizieren, ob der Fall vor die Schranken des Kriegsgerichts gehörte, und behielt sich zu dessen Urteilen das Bestätigungs- und Begnadigungsrecht vor140. Zwar waren die Obristhauptleute auf Grund ihres meist sehr hohen Lebens­ alters nicht mehr in der Lage, das Kommando über die Bürgerkompanien selbst auszuüben, doch wurde, etwa bei den „Vorträgen“, die bei Kriegsgefahr vor den versammelten Bürgerkompanien gehalten wurden, zumindest die Fiktion gewahrt141. Gegenüber den drei Obristhauptleuten und dem Rat übten die Kriegsver­ ordneten nur beratende Funktion aus, wobei ihre Vorschläge allerdings häufig Beachtung fanden. Die Abhängigkeit vom Rat wird vor allem dadurch deutlich, daß sich dieser die Protokolle der Sitzungen der Kriegsverordneten vorlegen ließ. In der Praxis war jedoch die stärkste Fessel des Kriegsamtes, daß es — im Gegensatz etwa zum Landpflegamt — kaum eigene Einnahmen hatte und deshalb stets auf die finanziellen Zuweisungen des Losungsamtes angewie­ sen war, das nur nach entsprechendem Ratsbeschluß und Weisung der Losunger dem Kriegsamt Mittel zur Verfügung stellte142. War das Kriegsamt genötigt in allen Fragen von Bedeutung die Entscheidung des Rates anzurufen, so war sein Zuständigkeitsbereich zudem durch die Kompetenzen anderer Ämter eingeengt! In Fragen der Bewaffnung durch das Zeugamt, der Aufbrin­ gung des Landausschusses durch das Landpflegamt und im Fortifikationswesen durch das Bauamt. Keinen unmittelbaren Einfluß auf das Wehrwesen der Stadt hatte der Größere Rat, dessen Mitglieder als Genannte bezeichnet wurden. Da der Innere Rat aber stets unpopuläre Entscheidungen zu vermeiden suchte, benutzte er den Größeren Rat, die Stimmung der Bürger vor wichtigen Entscheidungen festzustellen. Deshalb wurden bei unmittelbarer Bedrohung der Stadt (und den damit zusammenhängenden zusätzlichen Steuererhebun139 StadtA, Rep. A 26 II, Nr. 123, KA-Schr. v. 8. 4. 1702, RV v. 18. 10. 1702. 140 StAN, Verl.d.H.Ä., Nr. 59, S. 192—204, März—April 1702; Geh.Verl.d.H.Ä., Bd. 2, Bl. 151r; StadtA, Rep. A 26 II, Nr. 123, KA-Schr. V. 8.4.1702. 141 StadtA, Rep. A 26 II,, Nr. 123, Verl.d.H.Ä. v. 2., 4. und 5. 6. 1703. Die „Vorträge“ bestanden aus einer Ansprache, der die Obristhauptleute wegen des actu militari zu Pferd beiwohnten, und der Abnahme des Ja-Wortes. 142 StadtA, Rep. A 26 II, Nr. 123, RV v. 21. 2. 1705. Mit KA-Schr. v. 8. 4. 1702 fordert das KA, es sollten ihm die finanziellen Mittel für ein Monat im Voraus zur Verfügung gestellt werden.

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gen) die Genannten zusammengerufen143. Ihre zur Verbesserung der Verteidi­ gungsanstalten vorgebrachten Vorschläge wurden, nach Einholung des Gut­ achtens der Kriegsverordneten, vom Inneren Rat geprüft und nicht selten für gut befunden144. Kriegsamt



Zeugamt

An der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert wurde das Kriegsamt als Ratsaus­ schuß geschaffen. An seiner Spitze stand 1695—1705 Karl Benedikt Nützel von Sündersbühl, Kriegsrat des Fränkischen Kreises und seit 1704 dessen (Titular-)Generalwachtmeister. Er war — ein Relikt aus vergangenen Jahrhunderten — Söld­ nermeister der Reichsstadt, wofür er aus der Stadtkasse 49 fl 10 sh erhielt145. Wie jeder Kriegsverordnete hatte er als Grundsalär 53 fl 6 sh 8 hl. Wegen der „Oberhauptmannschaft“ erhielt er 60 fl zusätzlich; der zweite Kriegsherr und „Cassier in der Kriegsstuben“ Jobst Wilhelm Ebner erhielt einen Aufschlag von 33 fl 6 sh 8 hl146. Dazu kamen ein jährliches Tuchgeld von 50 fl, eine Neujahrs Verehrung von 5 fl 24 kr und kleinere Einnahmen aus Nebenämtern, war doch der Obristkriegshauptmann gleichzeitig Verwalter des Marstalles und „Herr zum Schießgraben und der Trinkstuben“. Als zweiter Zeugherr gehörte Nützel zu dem dreiköpfigen Gremium, dem das Zeughaus der Stadt unterstand. Für diese Tätigkeit erhielt er 19 fl pro anno147. Das Einkommen eines Kriegsverordneten, aber auch eines Obristkriegshauptmannes war somit nicht sonderlich beträchtlich und reichte für eine standesgemäße Lebensfüh­ rung nicht aus. Einen gewissen Ausgleich brachten die Aufwands­ entschädigungen. So wurde die Visitierung der Pässe und Linien in den Pflegämtern, die Nützel Herbst 1702 mit Obristwachtmeister Trost durch­ führte, vom Rate mit 25 fl honoriert. 1704 erhielt er aus der Kreiskasse für seine Tätigkeit als Kreiskriegsrat, die ihn zu weiten Reisen zwang, die außerordentlich hohe Reisekostenvergütung von 12 fl pro Tag148. Trotzdem waren die Einnahmen aus seiner Tätigkeit relativ gering, wenn man bedenkt, daß das Grundgehalt eines Losungsamtmanns 533, eines Ratskonsulenten 143 Kurt Schall, Die Genannten in Nürnberg, Nbger Werkstücke zur Stadt- u. Landesgeschichte, hgg. v. Stadtarchiv Nbg, Bd. 6, 1971, vor allem S. 139—142. Zu 1703/04: LosungsAA, S IL126, Nr. 40, Publikation v. 17. 7. 1703, 31.12.1703, 14.1.1704, Verl.d.H.Ä. v. 14. 12. 1703 mit „Vortrag zu Kriegssteuer 1676“ als Anlage. Bei einer Abstimmung über die Höhe der Losung für 1704 stimmten am 31. 12.1703 von 149 Genannten 47 für den Vorschlag des Rates (doppelte Losung), vier für eine höhere und acht für eine niedrigere Steuer. Die übrigen 90 überließen die Entscheidung dem Rate. 144 StAN, Geh.Verl.d.H.Ä., Bd. 3, S. 319, 3. 1. 1704, S. 323, 8. 1. 1704. 143 StAN, Ämterbüchlein, Nr. 221—224, Stadtrechnungen, Nr. 80, S. 147, StadtA, Ratskanzlei 125 und 126. Diff.A., 844, Prod 1—12 (1695—1696). 146 StAN, Stadtrechnungen, Nr. 80, S. 154. 147 StAN, Ämterrechnungen, Nr. 47, Bl. 33, 34; Nr. 913, Bl. 9; laut Stadtrechnungen, Bd. 80, Bl. 133 erhielt ein Zeugherr 16 '/2 fl pro Anno. 145 StAN, Ämterrechnungen, Nr. 47, Bl. 108, Ansb. KTA, Nr. 188, Prod. 71 v. 16. 6. 1704.

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600—800 und des ersten Losungers sogar ca. 1241 fl betrug. Auf Grund seiner Begabung aber auch seiner Familienverbindungen schon 38jährig Alter Bürger­ meister und ein Jahr später, 1695, Obristkriegshauptmann, gelang es Karl Benedikt Nützel auf Grund seiner (relativ) geringen Lebensjahre nicht in die Führungsspitze des Rates aufzusteigen, so daß weder sein Ehrgeiz noch seine finanziellen Bedürfnisse befriedigt wurden. Durch sein herausforderndes Verhalten gab er den Anstoß für den Austritt des vordersten Losungers Paul Albrecht Rieter aus dem Rat 1696149, dessen weitreichende Folgen150, — Aufgabe des Bürgerrechts, Gefahr der Entfremdung der Rieterschen Güter zu Gunsten der Reichsritterschaft — freilich nicht voraussehbar waren. Seine scharfblickende Analyse, die er als Kriegsverordneten-Relation unter dem 6. September 1700151 dem Rat übergab, zeigt (zeitübliche) Gebrechen des Nürnberger Wehrwesens gnadenlos auf, dürfte sich jedoch durch seine augen­ scheinlich übertreibende Darstellung selbst um die erhoffte Wirkung gebracht haben. Seine über Seiten reichende Erinnerung an den Rat über die Tugenden , die der Regierende sich zu eigen machen müsse, mußte Gegnerschaft erwekken. Sein Versuch 1702 direkte Weisungen der Herren Alteren und des Rates (unter Umgehung des Kriegsamtes) an militärische Chargen zu verhindern und so aus dem Kriegsamt ein modernes Ressortministerium zu schaffen, scheiter­ te an dem Einspruch der Herren Alteren152. Als Paulus Tücher von Simmels­ dorf, der fünfte Kriegsherr, 1703 mit Hilfe des Rates zum Oberst eines der drei neuaufgestellten („neuen“) Kreisregimenter ernannt wurde, fühlte er sich benachteiligt. Auseinandersetzungen mit dem fränkischen Kreiskonvent folg­ ten, als er sich im Sommer 1704 über die Kreisbeschlüsse, die neuen Regimen­ ter nur innerhalb der Kreisgrenzen zu verwenden, hinwegsetzte und auf Befehl der kaiserlichen Generalität die Regimenter den Armeen Marlboroughs und Prinz Eugens zuführte, so daß der Kreis völlig ungedeckt war. Nützel gab 1705 seine Kreisämter auf, schied aus dem Rat aus und zog sich zum Pfleger bestellt nach Engelthal zurück153. An Bediensteten verfügte das Kriegsamt über einen Kriegsschreiber, zwei Kriegsaufbieter, sechs Stadttrommler und -Pfeifer, über einen Hausknecht und einen Holzhacker154. Der Kriegsschreiber Johann Hofmann wurde wäh­ rend des Spanischen Erbfolgekrieges öfters zu Verhandlungen an die kaiserli­ che Generalität abgesandt155. Für die Miliz war ein eigener Geistlicher Paul

149 Mummenhoff, Austritt. ,so Gerhard Pfeiffer, Nürnberger Patriziat und fränkische Reichsritterschaft, in: Norica, Beiträge zur Nbger Geschichte, hgg. v. d. Stadtbibliothek Nbg, 1961, S. 35—55, s. vor allem S. 44—47. m StadtA, Rep. A 26 II, Nr. 120, Prod. 96 v. 6.9.1700. 152 StadtA, Rep. A 26 II, Nr. 123, KA-Schr. v. 8. 4. 1702, RV v. 18. 10. 1702. 153 StAN, Ansb. KTA, Nr. 188, Prod. 146 v. 8. 7., 147 v. 10. 7., 148 v. 11. 7., 160 v. 10. 7. 1704. — Stadtbibliothek, Nbger Chronik Amb. 523—4°, S. 755. 154 StAN, Ämterrechnungen, Nr. 47, Bl. 33. 155 StAN, Ämterrechnungen, Nr. 46—48, z.B. Nr. 47, Bl. 120, 122 u.f.

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Martin Alberti bestellt, der im Sebastiansspital logierte156 und 146 fl pro anno erhielt. Seit 1697 war die Salvatorkirche des ehemaligen Karmelitenklosters zwischen Korn- und Roßmarkt gelegen (heute: Josefsplatz-Adlerstr.) Garni­ sonskirche157. Wie aus den Akten ersichtlich wurde ein eigener Medicus Johann Carl Seyppel (mit 100 fl pro anno) besoldet158; ebenso ein Profoß und Profoßenknecht159. Das Zeugamt, auf Grund von Tätigkeitsbereich und der in Personalunion besetzten Stellen dem Kreisamt eng verbunden, wurde bis 1706 durch einen Septemvirn, dem dritten Obristhauptmann Carl Gottlieb Fürer, geleitet. Fürer hatte außerdem zwei weitere einflußreiche Ämter inne. Er war erster Landpfleger und als Bauherr Leiter der reichsstädtischen Bauverwaltung, der auch die Baumaßnahmen an den Befestigungsanlagen oblagen160. Zeugmeister und mit 400 fl im Jahr besoldet war Johann Daniel Carl161, dessen Familie dieses Amt schon in der dritten Generation verwaltete. Der jeweilige Sohn trat der Zeugamts Verwaltung als Adjunct bei und übernahm dann nach dem Tode des Vaters dessen Amt. Johann Daniel mußte jedoch sein Amt „wegen eines auf dem Schießhaus vorgegangenen Injurienhandels“ aufgeben162. Sein Nach­ folger war Gottlieb Trost163 (geb. 1672, gest. 1728). Dessen Vater Johann Trost (geb. 1639, gest. 1700) wurde nach Reisen in Italien und holländischen Kriegsdiensten 1672 Baumeister des Nürnberger Reichen Almosen. Er plante und leitete den Wiederaufbau der Nürnberger Franziskanerkirche und deren barocke Umgestaltung 1681—98. Ab 1697 war er bis zu seinem Tode mit Planung bzw. Neubau der abgebrannten Egidienkirche und des Gymnasiums befaßt. — Gottlieb trat, wie sein 1700 verstorbener Bruder Heinrich, in

136 Matthias Simon, Nürnbergisches Pfarrerbuch, Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns, XLI. Bd., Nbg 1965, S. 8: Paul Martin Albert (geb. 10. 5. 1666, verst. Hersbruck 3. 7. 1729), 1698 in Nbg Pestilentiarius und Zuchthausprediger, 1699 Garnisonsprediger, 1705 Pfarrer zu Hersbruck. — Aus der Kriegsamtskasse erhielt er jährlich als salarius gratis eine Brotportion pro Tag (StAN, Ämterrechnungen, Nr. 47, Bl. 12) und 146 fl (Bl. 98—99). 157 StAN, RV, Nr. 3006, S. 61, v. 1. 12. 1697 (mit Hinweis auf 1695); zur Örtlichkeit: Christian Conrad Nopitsch, Wegweiser für Fremde in Nürnberg oder topografische Beschreibung der Reichsstadt Nürnberg, Nbg 1801, S. 41. Abb. der Salvator- oder Rosenkirche: Stadtbiblio­ thek, Nor K 79, Nr. 22 (von 1777, ohne Künstlerangabe), Nor K 17, S. 26 [Samuel Mikovinyi], [um 1730], mit handschriftlicher Bemerkung von G. P. Amberger: „Die Salvatorkirche wurde im Dezember 1816 von dem kgl. Postamt erkauft und zur Postwagenexpedition eingerichtet“. 11,8 StAN, Stadtrechnungen, Nr. 80, S. 152. 139 StAN, Ämterrechnungen, Nr. 46, Bl. 178; Nr. 47, Bl. 108. 160 StadtA, Ratskanzlei 125 und 126, StAN, Ämterbüchlein, Nr. 221—224. 161 StAN, Ämterrechnungen, Nr. 913, Bl. 9 u. 10, und 914. 162 StadtA, Ratskanzlei 125, S. 471; Ratskanzlei 126 (Teil 2), Stichwort Carl. Ernst Königer, Das kleine Nürnberger Zeughaus, Bilderhefte des GNM, Nr. 3, 1967. 163 StadtA, Ratskanzlei 125, S. 367; Ratskanzlei 126 (Teil 2), Stichwort Trost. Georg Ernst Waldau, Lebensgeschichte Gottlieb Trosts, in : Vermischte Beyträge zur Geschichte der Stadt Nbg, 3. Bd., Nbg 1788, S. 429—437. — v. Dotzauer, Das Zeughaus der Reichsstadt Nbg, Festschrift d. Ver. v. Gesch. d. Stadt Nbg. zur Feier seines 25jährigen Bestehens, Nbg 1903, S. 151—178.

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fränkische Kreisdienste und zwar als Stückjunker164, dann nach Beendigung des Pfälzischen Erbfolgekrieges in sächsisch-polnische Kriegsdienste. Von seiner Heimatstadt nach dem Tode des Vaters zurückgerufen, übernahm er Frühjahr 1701 dessen Stellung als „Baumeister in Allmosen“ und führte dessen Baumaßnahmen weiter. 1702/03 in den Kriegsamtsakten als Obristwacht­ meister, ab 1704 als Obristleutnant bezeichnet, bezog er aus der Kasse des Kriegsamtes jährlich 300 fl, aus der des Zeugamtes jedoch zeitweise monatlich die stattliche Summe von 150 fl. 1703 heiratete er in die angesehene Familie Viatis ein. Zu diesem Anlaß ließ ihm der Rat ein Geschenk von 45 fl überreichen; ein Zeichen, welches Ansehen er schon zu diesem Zeitpunkt genoß165. In den folgenden Kriegsjahren war er unablässig für den Fränkischen Kreis tätig: Frühjahr 1703 bei der Belagerung der Festung Rothenberg166, bei der Anlage von Erdbefestigungen auf dem Hersbruck überragenden Michaels­ berg167, bei einer Begutachtung der Eichstätter Willibaldsburg168, Frühjahr 1704 bei der Anlegung einer Befestigungslinie an der Altmühl südlich Weißenburgs169, bei der Belagerung von Landau im Herbst des gleichen Jahres etc. — Bei der Übernahme des Zeugmeisteramtes 1707 gab Trost sein Amt als Baumeister auf. 1725 wurde er zum Oberst ernannt170. An Bediensteten verfügte das Zeugamt 1702—1704 über einen Schreiber, den „Umsager“, zwei „vordere“ Zeugdiener, vier Zeugknechte, zwei Nacht­ wächter, zehn Feuerwerker, fünf Handlanger171 und eine bedeutende Anzahl Konstabler. Außerdem waren für das Zeugamt zwei Beschießer — Entgelt für ein Gewehr 3 kr — und für Stückgußarbeiten Johann Balthasar Hörold, dessen Familie seit langem eine berühmte Gießerei nahe dem Frauentor betrieb, tätig172. 164 Helmes, S. 19. 165 StAN, Ämterrechnungen, Nr. 46, Bl. 44; Nr. 47, Bl. 32, 34,139; Nr. 48, Bl. 32; Nr. 914, Bl. 14, Bl. 13, 13, 17; Nr. 913, Bl. 15, 17, 18, 19. Zur Eheschließung mit Regina Maria Viatis siehe Stadtbibliothek, Gen T 29, 1 (Gustav Philipp Mörl, 18. 6. 1728), S. 42/43. Die Einheirat in die „ehrbare“, zwar nicht ratsfähige, jedoch gerichtsfähige Familie (Gerhard Hirschmann, Das Nürnberger Patriziat im Königreich Bayern 1806—1918, Nbger Forschungen, 16. Bd., Nbg 1971, S. 14) dokumentiert Trosts sozialen Aufstieg. 1706 wurde er zum Genannten des Größeren Rates ernannt. 166 Franz Willax, Die Belagerung der Festung Rothenberg 1703, der Fränkische Kreis und die kaiserliche Generalität, Altnbger Landschaft - Mitteilungen, 25.Jg. (1976), H. 1/2, S. 13—24, siehe S. 13 (dort fälschlich Joh. Trost). 167 StAN, GemeinA, S I L 572, Nr. 10, Prod. 181 v. 2.4. 1703. 168 StAN, Ansb. KTA, Nr. 185, Prod. 153 v. 27. 7.1703. 169 Stadtarchiv Weißenburg, Ratsprotokolle B 26/19, S. 1966, v. 4.4. 1704. Franz Willax, Die Weißenburger Linie — 1704, Villa nostra, Beiträge zur Weißenburger Stadtgeschichte, Nr. 8 (1977), Nr. 9 (1978). 170 Stadtbibliothek Nbg, Gen T 29,1, S. 33—50, StAN, Ämterrechnungen, Nr. 935 u. 936, jeweils Bl. 6 u. 7. 171 StAN, Ämterrechnungen, Nr. 914, Bl 1 u.f. 172 StAN, Ämterrechnungen, Nr. 913 u. 914. — Stadtbibliothek Amb. 236—2° (Veit Hierony­ mus Holzschuher, Nbg 1704, Handschrift, Bl. 55).

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7. Die Kasernen und das Schießhaus Die Nürnberger Soldaten waren seit dem Pfälzer Erbfolgekrieg, d.h. in einer Zeit, in der selbst noch größere Staaten ihre Truppen bei den Bürgern in Zwangsquartiere legten, in Kasernen untergebracht173. Die zwei Kreis-Dragonerkompanien waren in der Festung Lichtenau und in der Nürnberger Bärenschanze stationiert. Nach zeitgenössischen Abbildungen standen Ende des 18. Jahrhunderts in der Bärenschanze ein Offiziershaus, zu dem später noch ein zweites kam, zwei Kompaniegebäude, Stallungen, Wagen­ remisen und, abgesondert in einer Kehle einer Bastion, eine Schmiede und ein Notstall174. Die beiden Kürassierkompanien waren in der 1698/99 erbauten Kaserne in Hersbruck untergebracht (bis 1764)175. Die Infanterie war seit 1695 zu Nürnberg im Bereich des Sebastiansspitals stationiert176. 1795 bestand die Anlage, wie aus Darstellungen der Zeit ersichtlich, aus drei Gebäuden für sieben Kompanien und die Invalidenkom­ panie, dem Kommandanten- und Offiziersquartier, dem Adjutantenlogis und Magazinen. Ein Infanteriedetachement war in einem Gebäude (im südwest­ lichen Teil) des Schwedenhofes der Reichsveste untergebracht177, das inzwi­ schen verschwunden ist. Es ist auf den beiden Aquarellen des Johann Georg Erasmus aus dem Jahre 1677 noch nicht, wohl aber auf dem Kupferstich von J. H. Delsenbach „Das Nürnb. Observatorium Astronom.. ..“ von 1716 und dem „Grundris von der sog. Reichsvesten in Nürnberg“ von J. G. Hofmann, 1720 178 dargestellt.

173 StAN, Ämterrechnungen, Nr. 510—526: „Casernen-Hauptrechnungen“ mit Angaben zur Kasernierung. 174 Abbildungen: „Grundriß der Baeren-Schanz“, „J. F. H. p. sculps. Noris 95“, Stadtbibliothek Nbg, Plansammlung, ohne Sig. (Mappe Norica-Sonderkarten-Kriegskarten im frank. Raum, 16.—18. Jh.). „Bernschanz zu Nürnberg“, „fait par Jerome de Petz, 25. 11. 1771“, Stadtbiblio­ thek Nbg, Plansammlung, alte Sig.: Nor K 6081 „Grundriss der Bernschanz vor dem SpittlerThor bey Nürnberg“, G. G. Silberrad, ohne Dat., Stadtbibliothek Nbg, Plansammlung, alte Sig.: Nor K 6087/29 — Amb. 29 N 46. 175 Ernst Wiedemann, Die Hersbrucker Kavalleriekaserne, Heimat-Beilage zur Hersbrucker Zeitung, 25. Jg. (1955), Nr. 12; 26. Jg. (1956), Nr. 1. Wilhelm Schwemmer, Die Kunstdenk­ mäler von Bayern, Bd. X, Landkreis Hersbruck, München 1959, S. 160—161. 176 Abbildung: „Geometrischer Grundriss des Cassernen und Schiess Plazes bey St. Johannis“ „J. F. H. P., Norimb. 1795“, Stadtbibliothek Nbg, Plansammlung, alte Sig.: Nor K 7084. G. P. Fehring-A. Ress, Die Stadt Nürnberg, Bayerische Kunstdenkmale, Kurzinventar, Bd. X, 2. Auflage, bearbeitet v. Wilhelm Schwemmer, München 1977, S. 469. 177 J. K. Bundschuh, „Geographisches, statistisch-topographisches Lexikon von Franken ...“, Bd. 4, Ulm 1801, S. 123, 142. 178 Herkunftshinweise zu den Darst. von J. A. Delsenbach: Gerhard Pfeiffer-Wilhelm Schwem­ mer, Geschichte Nürnbergs in Bilddokumenten, München 1971, (zit. Pfeiffer-Schwemmer), Abb. 245. J. G. Hofmann: StAN, Nbger Karten und Pläne, Nr. 103. J. G. Erasmus: Stadtmu­ seum Fembohaus (siehe: Pfeiffer-Schwemmer, Abb. 7 und Wilhelm Kriegbaum-Wilhelm Schwemmer, Nürnberg - Historische Entwicklung einer deutschen Stadt in Bildern, Nbg 1960, S. 88).

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Nördlich der „Casernen“ bei St. Sebastian lagen auf dem Pegnitzhoch­ gestade Schießhaus und Schießplatz, das Übungsgelände der bürgerlichen Schützen179. A rchivsigel

1. Stadtarchiv Nürnberg Plansammlung Rep. A 26II

Rep. A 4, Karten- und Plansammlung Rep. A 26 II = Abgabe aus dem Staatsarchiv Nürnberg von 1888 (Rep. 96, alt 87) Rst. Bauamt, Amtsbücher Rep. B 1, Reichsstädtisches Bauamt, Amtsbücher, Ratsverlässe zum Bauamt Ratskanzlei Rep. B 11, Ratskanzlei Nürnberger Chroniken Rep. F 1, Nürnberger Chroniken, 16.—19. Jh. 2. Staatsarchiv Nürnberg Diff. A B-Akten C-Akten BauAA Nbg.KTA Rep. 26-2 Gemeinakten LosungsAA Kriegs- u. ZeugAA Nbger Hs. AStB Amterrechnungen S t adtrechnungen Nbger Karten u. Pläne RV Verl.d.H.Ä. Geh.Verl.d.H.Ä. BB Ämterbüchlein Ansb.KriegsA Ansb.KTA

Rep. Rep. Rep. Rep. Rep. Rep. tion Rep. Rep. Rep. Rep. Rep. Rep. Rep. Rep. Rep. Rep. Rep. Rep. Rep. Rep. Rep.

4, Differentialakten 16 a, B-Laden, Akten 17 a, C-Laden, Akten 21, Bauamtsakten 22, Nürnberger Kreistagsakten 26, 2. Akten der Ämteruntersuchungsdeputa­ 40 a, Gemeinakten des Landpflegeamtes 44 e, Losungsamtsakten 47, Kriegs- und Zeugamtsakten 52 a, Nürnberger Handschriftensammlung 52 b, Amts- und Standbücher 53, Ämterrechnungen — V. Kriegswesen 54, Stadtrechnungen ab 1377 58, Nürnberger Karten, Pläne und Stiche 60 a, Verlässe des inneren Rates 60 d, Verlässe der Herrn Älteren 60 e, Geheime Verlässe der Herrn Älteren 61 a, Briefbücher des Inneren Rates 62, Ämterbüchlein 107 III, Ansbacher Kriegsakten 137, Ansbacher Kreistagsakten

179 J. E. Schmitt, Historische Schilderung des Schießhauses und der Schützengesellschaft zu St. Johannis vom Jahre 1429 bis zum heutigen Tage, Nbg 1838. Emil Reicke, Geschichtliches über das Schützenwesen insbesondere im reichsstädtischen Nürnberg, in: Führer durch Nbg, anläßlich des XII. deutschen Bundesschießens, Nbg. 1897, S. 19—53. Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Haupt Schützengesellschaft Nürnberg 1429—1929, S. 1—143, Historische Einleitung v. Emil Reicke, Geschichte des Feuerschützenwesens zu Nürnberg v. Gustav Bub, Nbg 1929.

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Abkürzungen

Abb. Abbildung Bd. Band Bl. Blatt Darst. Darstellung GNM Germanisches Nationalmuseum KA Kriegsamt KV Kriegsverordnete(r) Mgf Markgraf Nbg Nürnberg RV Ratsverlaß S. Seite s. siehe Sehr. Schreiben StadtA Stadtarchiv Nürnberg StAN Staatsarchiv Nürnberg V. Verein Die Datierung in den Archivalien, d.h. vor 1700 nach dem Julianischen Kalender, wurde beibehalten.

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DIE FAMILIE VON SCHWARZ AUF ARTELSHOFEN UND HIRSCHBACH Ein Beitrag zur Firmengeschichte Nürnbergs im 19. und 20. Jahrhundert von Kurt Pilz Im Jahre 1791 kam der aus Lindau stammende Kaufmann Benedict Schwarz nach Nürnberg. Seine Eltern waren der Lindauer Kaufmann Jakob Andreas Schwarz (2. 10. 1735 Lindau — 22. 5. 1786 Meiningen) und Anna Magdalene(a) Rittmeyer (Riedtmeyer, Riedmayer), die zwischen 1759 und 1766 in Memmin­ gen geheiratet hatten1. Zehn Jahre war der Vater Handlungsdirektor in Venedig. Dort wurden auch seine beiden später in Nürnberg tätigen Söhne Georg Friedrich (1767 Venedig — 5.5. 1831 Nürnberg) und Benedict (6. 7. 1771 Venedig — 24. 6. 1832 Nürnberg) geboren2. 1772 zog die Familie Schwarz wieder nach Lindau. Benedict Schwarz, das sechste von insgesamt acht Kindern, ließ sich nach dem Tod des Vaters 1786 im Lindauer Handelshaus von Rudolph Courtabat (Cobat) ausbilden. Im Jahre 1788 ging er nach Livorno, wo er V/2 Jahre in dem Geschäftshaus Walser, Kriemler & Cie. tätig war. Damals bereiste er Italien, Süddeutschland und Holland. 1791 trat Benedict Schwarz in das Nürnberger 1 Über die Stammreihe Schwarz konnte aus den Kirchenbüchern der evangelischen St. Stephans­ kirche in Lindau folgendes festgestellt werden: Andreas Schwarz heiratete am 2. 10. 1648 in Lindau Katharina Spengel (geb. 8. 3. 1626). Aus dieser Ehe sind drei Kinder bekannt, eines davon war Martin Schwarz (12. 9. 1656 Lindau— 28.3.1734 ebenda), der das Schuhmacherhandwerk erlernte. Er heiratete am 1.2.1686 in Lindau Magdalena Enz (3. 3. 1655 Lindau—21. 1. 1728 ebenda). Aus dieser Ehe sind ebenfalls drei Kinder bekannt. Ein Sohn war Georg Andreas Schwarz (6. 10. 1692 Lindau—11. 10. 1777 ebenda). Dieser erlernte wie schon der Vater das Schuhmacherhandwerk und heiratete am 3. 2. 1721 in Lindau Cleopha Frauer (15. 10. 1692—1. 3. 1757). Auch aus dieser Ehe gingen mindestens drei Kinder hervor; eines von ihnen war der Vater von Benedict Schwarz, Jakob Andreas Schwarz. Schwieriger ist die Mutter von Benedict Schwarz zu ermitteln. Folgende Personen kommen wegen der unterschiedlichen Schreibweise des Familiennamens in Betracht: Anna Magdalene Rittmeyer (9. 1. 1733 Memmingen—28. 11. 1811 Lindau), Eltern unbekannt. Anna Magdalena Riedtmeyer (geb. 11. 1. 1730), Tochter des Gastwirts zum Schwarzen Bären Georg Riedtmeyer und von Ottilie Homml. Magdalena Riedmayer (geb. 20. 1. 1741), Tochter des Metzgers Johann Friedrich Riedmayer und von Katharina Blauer. (Die Einträge aus den Kirchenbüchern von St. Stephan in Lindau verdanke ich Pfarrer Wilhelm Zahn, Lindau, evang.-luth. Pfarramt St. Verena [Reutin]. Die Einträge in Memmingen teilte mir Frau Elisabeth Betz, Memmingen, mit.) 2 Pohl, Horst: Archiv Henfenfeld, Band 1 S. 69 ff. in: Bayerische Archivinventare, München 1965. Danach haben sich ein Exemplar des italienischen Taufzeugnisses von Benedict Schwarz (Venedig 1771) sowie eine Ausfertigung von 1798 im Archiv Henfenfeld, heute Schloß Großgründlach, erhalten.

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Handlungshaus Heinrich Paul Wolfgang Günther, später in das Handlungs­ haus Förster & Günther ein. Nach L/jähriger Geschäftsreise in Italien ging er als Buchhalter in das Manufakturwarengeschäft von Johann Christoph Waegner. Am 25. 4. 1797 richtete Benedict Schwarz an den Rat von Nürnberg das Gesuch, Bürger der Stadt Nürnberg zu werden. Seine beiden hierfür nötigen Bürgen waren sein Prinzipal Johann Christoph Waegner und Johann Joseph Conrad Falke. Der Antragsteller beabsichtigte, „eine eigene Ökonomie“ — einen eigenen Hausstand — als Buchhalter zu gründen. Laut Ratsverlaß vom 9. 5. 1797 wurde ihm das Bürgerrecht zuerkannt. Er dürfe aber, solange er Buchhalter sei, kein eigenes Geschäft gründen; denn den Kaufleuten, in deren Dienst er stehe, würde er mit einer Geschäftsgründung nur schaden und sie in Nachteil bringen. Dies beinhalte, daß er ohne oberherrliche Erlaubnis keine eigene Handlung etablieren dürfe3. Doch schon ein Jahr später machte sich der Buchhalter selbständig. In einem Protokoll vom 26. 6. 1798 heißt es, daß Benedict Schwarz das Haus des Majors Georg Christoph Petz von Lichtenhof (1755—1802) in der Judengasse käuflich erworben habe. Da ihm sein Prinzipal bei dem-Vorhaben, „ein eigenes Etablissement“ zu betreiben, nicht hinderlich sei, könne Schwarz wie beab­ sichtigt „eine Commißions- und Speditions-Handlung“ gründen. Die Depu­ tierten am Nürnberger Banco-Amt genehmigten ihm dies am 17. 7. 17984. Mit dem Kaufmann Andreas Johann Georg Löwel gründete Benedict Schwarz ein „Material-, Waaren-, Commissions- und Speditionsgeschäft“, in dem auf Großhandelsebene Rohmaterialien aus dem Mineral- und Pflanzen­ reich wie Farben, Gewürze und Heilmittel vertrieben wurden5. Am 22. 7. 1798 heiratete Benedict Schwarz Maria Regina Bierlein (7. 9. 1763 Nürnberg — 20. 1.1834 ebenda) geborene Weghorn, die in erster Ehe mit dem Gastwirt Johann Georg Bierlein verheiratet gewesen war. Ein Jahr vorher war die Ehe geschieden worden. Die beiden Söhne aus der ersten Ehe seiner um acht Jahre älteren Frau nahm Benedict Schwarz als Stiefsöhne an. Während der ältere zuerst Kürschner und dann Magazinier im Geschäft seines Stiefvaters 3 StadtAN: Rep. C 7 A I Niederlassungsakten, Polizeidirektion S 10 (1797 IV 25). In einem weiteren Verpflichtungsschein des Neubürgers Benedict Schwarz vom 18. 5. 1797 hat dieser seine Wünsche und Zusagen wiederholt, s. hierzu StadtAN: Rep. B 2 Bürger- und Unbürgeramt, Neubürgerbuch IV 1790—1808 S. 246—247. Rep. E 8 Akten des Handelsvorstands Nürnberg HV 3433 Verpflichtungsscheine der Neubür­ ger und Buchhalter, Abschriften 1797. 4 StadtAN: HV 4160 a Benedict Schwarz, Buchhalter, Errichtung einer Material Waren Commis­ sions- und Speditions Handlung betreffend, 18. 5. und 26. 6. 1798. HV 2982 Bürgerrechts-Schutz- und Niederlassungssachen 1711—1800 Nr. 32 a. s Die Angaben über den damaligen Teilhaber verdanke ich Paul von Schwarz (1877—1958), Artelshofen. Bei einer Unterschrift am 15. 8. 1798 hat Benedict von Schwarz sein Petschaftssie­ gel angebracht, s. hierzu HV 4671 Recognition der Handschriften, welche Vollmacht haben in Banco Publico zu Disponiren Anno 1768 usque 1809 fol. 77 r.

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war, lebte der jüngere später in Ungarn. Inwieweit sich die beiden Knaben als eine unliebsame Nebenerscheinung der neuen Bindung herausstellten, ist heute nicht mehr feststellbar. In der weiteren Entwicklung der Familie Schwarz traten sie jedenfalls nicht mehr in Erscheinung6. Für Maria Regina Bierlein hatte sich das Leben äußerst wechselhaft gestal­ tet: Als Tochter eines Lebensmittelhändlers sowie Stadt- und Lohnkutschers aus Gostenhof war sie 1786 die Ehe mit einem Gastwirt eingegangen. Der Trunkenbold verließ seine Frau aber 1790 und setzte sich nach Ofen in Ungarn ab, woraufhin sie 1797 die Scheidung erwirkte. Ein Jahr später wurde sie — wohl schon nicht mehr ganz standesgemäß — von dem jungen, tatkräftigen Großhändler, vor dem eine große Zukunft lag, geheiratet. Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor, darunter die beiden Söhne Georg Christoph Benedict (19. 3. 1801 Nürnberg — 3. 1.1876 Henfenfeld) und Johann Chri­ stoph David (7. 9. 1802 Nürnberg — 13. 9. 1885 ebenda), die für die weitere Geschichte der Familie Schwarz von entscheidender Bedeutung sein werden. 1803 hatte Benedict Schwarz bereits soviel Geld erarbeitet, daß er am 10. Dezember dieses Jahres das Haus L 43 am Lorenzer Platz aus der Konkurs­ masse des Johann Gottlieb Falke kaufte. Er verlegte die Materialienhandlung dorthin und gab bei dieser Gelegenheit (oder kurz danach) die Kommissions­ und Speditionshandlung auf. Im Zuge seiner Spezialisierung schied sein Kompagnon Andreas Johann Georg Löwel aus. Vom Jahre 1807 an betrieb Benedict Schwarz die Materialienhandlung allein. In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts muß er zu ansehnlichem Wohl­ stand gekommen sein; denn 1804 wurde Benedict Schwarz zum Genannten des Größeren Rats der Stadt Nürnberg gewählt. Bald darauf, am 7.12. 1804, erwarb er eine doppelte gewölbte Familiengruft auf dem Johannisfriedhof7. 6 Aus der Ehe zwischen Maria Regina Weghorn und Johann Georg Bierlein waren vier Kinder hervorgegangen: Georg Caspar (getauft 11.9. 1787) Kürschner, Magazinier bei Benedict Schwarz, Johann Georg (5. 8. 1788—10. 12. 1788), ein drittes Kind in Fürth geboren und dort auch gestorben, Andreas Jacob (geb. 13. 8. 1790 Nürnberg) lebte später in Pest (Ungarn). LKAN: Kirchliche Matrikelbücher der Stadt Nürnberg, St. Sebald 30, Ehebuch 1794—1810 S. 123. Bei den weiteren Kirchenbucheintragungen sind die entsprechenden Matrikelbücher für Taufen, Heiraten und Begräbnisse aus den einzelnen evangelischen Pfarreien, die sich sämtlich im Landeskirchlichen Archiv befinden, nicht mehr einzeln angeführt. 7 LKAN: Vereinigtes Kirchenvermögen, Nürnberg Nr. 34 St. Johannis Grabbriefe von 1796 bis 1806. Das Grab hat die Nummer D 24 b, liegt westlich vom Steinschreiberhaus an der Johannisstraße und war bis 1974 belegt. Auf dem liegenden Grabstein ist ein Bronzeepitaph mit der Beschrif­ tung: Bened. Schwarzische Begrebnis Anno 1805. N. Berringer f. Nach den Nürnberger Meisterlisten ist der gelernte Waagmacher Georg Nicolaus Beringer 1803 Rotschmiedemeister geworden; im Gewerbekataster von 1810 lautet die Schreibweise „Niko­ laus Behringer“, s. hierzu StadtAN: Rep. B 12 Rugamt Nr. 2 S. 410. Rep. C 22: Gewerbeamt Nr. 1 Gewerbs-Cataster der Stadt Nürnberg 1810 S. 193. Nach der Nobilitierung des Namensträgers wurde unter das Bronzeepitaph eine weitere Bronzeplatte mit dem Familienwappen angebracht: Wappen mit Stechhelm, der mit einer Krone gekrönt ist, der Helmdecke und dem Helmkleinod.

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Die Wahl zum Genannten ist deshalb bedeutungsvoll, weil sie den sozialen Aufstieg des Neubürgers, der erst seit sieben Jahren (!) Nürnberger Bürger war, eindrucksvoll dokumentiert. Genannter des Größeren Rats zu sein bedeutete jedoch nicht, auch politischen Einfluß auf die Belange der Stadt ausüben zu können, denn die reale Machtausübung lag nach wie vor in den Händen der ratsfähigen Geschlechter. Dieses Amt verhalf vielmehr seinen Trägern zu höherem Ansehen. Ihr Ende fand die Patriziatsoligarchie zunächst mit der Eingliederung der Reichsstadt Nürnberg 1806 in das neugeschaffene Königreich Bayern. Aber erst durch die bayerische Gemeindeordnung von 1818 wurde das Nürnberger Patriziat vollständig entmachtet. Fortan lag die politische Führung in den Händen der gewählten Gemeindevertreter, die sich nun aus der Finanzoligarchie rekrutierten. Aber im Gegensatz zu den alten Herrschaftsträgern bildeten die Kaufleute, Finanziers und Unternehmer eine offene Gruppe8. Drei Jahre nach seiner Wahl in den Größeren Rat erwarb Benedict Schwarz ein Zeidelgut und einen Bauernhof in Laufamholz für 11000 fl zuzüglich 400 fl Leikauf. Die zum Gut gehörenden Äcker und Wiesen waren im Kauf ebenso enthalten wie die Zeidelwaide und die Zeidelfreiheit9. Offenbar wollte Schwarz den Landsitz mit landwirtschaftlicher Ökonomie koppeln, um auf diese Weise seine wirtschaftliche Basis zu erweitern. Aber 1817 verkaufte er das Gut für 15000 fl an Joseph Bär Bechhöfer (Pechhoefer) aus Schwabach, wohl um den Erwerb von Henfenfeld mitzufinanzieren, worauf später eingegangen werden wird. Immerhin hatte Schwarz mit dieser Transaktion 4000 fl ver­ dient ,0. Im Jahre 1809 wurde Benedict Schwarz zum kgl. Handelsgerichtsassessor am neuen Handelsappellationsgericht in Nürnberg gewählt, 1812 wurde er Adjunkt am Marktgewölbe der Stadt. Am 6. 2. 1817 erfolgte seine Aufnahme in den Nürnberger Pegnesischen Blumenorden. Dem durch die bayerische Gemeindeordnung von 1818 wählbaren Kollegium der Gemeindebevollmäch­ tigten der Stadt Nürnberg gehörte er von 1819 bis 1827 an. Im Jahre 1822 wurde er zum vierten Marktvorsteher des Handelskollegiums gewählt. Ein Jahr später trat er von seinem Posten als Marktadjunkt zurück, wurde aber noch 1823 als Assessor an das kgl. Merkantil-, Friedens- und Schiedsgericht berufen. Gleichzeitig war er Vorsteher des Handelsvorstands, was die Nieder8 Zur Situation im Rat der Stadt Nürnberg vor 1806 s. Hirschmann, Gerhard: Die Bedeutung des Konnubiums beim Aufstieg Nürnberger Bürgerfamilien zu einer wirtschaftlichen Führungs­ schicht im 18. und 19. Jahrhundert, in: 12. Internationaler Kongreß für genealogische und heraldische Wissenschaften München 1974, Kongreßbericht G. 339 ff. 9 StAN: Rep. Rentamt Nürnberg, Steuergemeinde Lauf am Holz Nr. 1 Besitzfassion; Nr. 2 Häuser- und Rustikalkataster; Nr. 3 Umschreibkataster. 10 StadtAN: Genealogische Papiere von Schwarz Nr. 1: Acta die Revision der Rechnungen Malmsbach, Schwaig, Walnsdorf (im Rentamt Beilngries) betr. 1834/4 Nr. 2 Acta Verkauf des Zeidelguts und Bauernhofs Nr. 33—34 zu Laufamholz 1817/19. Diese Familienpapiere wurden 1958 von dem Architekten Dr. Friedrich August Nagel, Nürn­ berg, erworben, der die Stücke wie üblich aus dem Antiquariatshandel gekauft hatte.

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legung seines Amtes am Handelsappellationsgericht erforderlich machte. Aufgrund seiner Verdienste durfte er den Titel eines kgl. Handelsgerichtsas­ sessors jedoch weiterführen. Diese Ehrenämter, die Benedict Schwarz innerhalb der Nürnberger Kauf­ mannschaft eingenommen hatte, zeigen sowohl die Strebsamkeit und den Eifer als auch die erlangte Bedeutung des ursprünglich ortsfremden Buchhalters. 1825 trat er als Marktvorsteher sowie als Assessor am kgl. Merkantil-, Frie­ dens- und Schiedsgericht zurück, worauf noch die turnusgemäße Entlassung als Handelsvorstand folgte11. Benedict Schwarz hatte es bis 1816 also nicht nur zu beachtlichem Wohl­ stand gebracht, sondern konnte dank seiner Funktion als Assessor und Adjunkt auch erhebliches Ansehen in wirtschaftlicher wie in gesellschaftlicher Hinsicht verbuchen. So war es naheliegend, daß er die Erhebung in den Adelsstand anstrebte. Um Inhaber eines Familienfideikommisses zu werden, mußte er aber den Besitz von Familiengütern nachweisen. Aus diesem Grunde kaufte Schwarz zunächst den Herrensitz Weigelshof (an der heutigen Oedenberger Straße gelegen), der bis 1899 zur Gemeinde Schoppershof gehörte, am 25. 5. 1815 von dem Kaufmann Johann Wilhelm Kiesling (Kießling) für 12800 fl12. 1816 erwarb er das Landgut Artelshofen (heute Gemeinde Vorra im Landkreis Nürnberger Land) mit Schloß und das dazugehörige Hammerwerk Hirschbach (Landkreis Amberg-Sulzbach). Von 1727—1793 war dieser Besitz Bestandteil des Hieronymus Wilhelm von Ebnerschen Familienfideikommisses gewesen, dann hatten ihn die beiden Nürnberger Patrizierfamilien Haller von Hallerstein und Kreß von Kressenstein geerbt. Die Kaufsumme betrug 22999 fl 60 kr. Am 16. 10. 1816 reichte Benedict Schwarz das Nobilitierungsgesuch ein. Darin verwies er auf den Besitz zweier Häuser in Nürnberg sowie auf zwei Landhäuser in Laufamholz und Weigelshof. Außerdem habe er Artelshofen und Hirschbach um 24000 fl (richtig 23000 fl) erworben. Er bitte nun um die Nobilitierung, um die Jurisdiktion und das Patronat über Kirche und Schule dort ausüben zu können. Seine Vermögensverhältnisse, welche die Polizei­ direktion in Nürnberg festgestellt hatte, waren wie folgt: Immobilienwert 77 000 fl Betriebskapital 50 000 fl Gesamtvermögen ca. 125 000 fl 11 StadtAN: HV 15 Wahl und Ernennung zu Marktadjunkten 1801—1818. HV 20 Rücktritt des Marktvorstehers Johann Jacob Reichel und Wahl von Benedict von Schwarz an seine Stelle 1822. HV 24 Rücktritt des Marktvorstehers 1825. 12 StAN: Rentamt Nürnberg, Kataster-Selekt Steuergemeinde Rennweg Nr. 4, Kataster (Origi­ nal) 1833—1844 Weigelshof Nr. 8—10, Fol. 127. Zum Herrensitz Weigelshof gehörte der Schloßgarten mit Kapelle.

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Daraufhin wurde er von König Maximilian I. Joseph mit dem Prädikat „Benedict von Schwarz auf Artelshofen und Hirschbach“ mittels Diplom vom 30.11.1816 in den Adelsstand erhoben. Das Adelsdiplom wurde am 15. 12. 1816 vom bayerischen Reichsheroldamt in München ausgestellt13. Merkwürdigerweise weist der Akt einen gravierenden Fehler auf: Das Familienwappen ist dort in einer ganz anderen Art gegeben als in der Pergamentabschrift, die von Schwarz erhielt. In München ist das Wappen senkrecht geteilt. In 1 blau befindet sich ein liegender Halbmond, in 2 und 4 in einem Feld zwei Fische in grau auf Goldgrund. In 3 rot ist ein achtstrahliger Stern. Der Spangenhelm ist mit einer Krone gekrönt, von der zwei schwarze Flüge mit einem dazwischenliegenden achtstrahligen Stern und die Helmdecke ausgehen. Das endgültige Familienwappen, wie es die Abschrift enthält und auch bei Siebmacher aufgeführt ist, hat folgende Form: Durch einen mit drei fünfstrahligen goldenen Sternen belegten waagrechten blauen Balken in der Mitte ist es in drei horizontale Sektoren geteilt. Oben auf Goldgrund befindet sich ein schwarzer Adler, unten auf Silbergrund zwei rote Türme mit je drei welschen Zinnen. Der Spangenhelm ist mit einer goldenen Krone gekrönt. Die Helmdecken sind heraldisch rechts gold und silber, links blau und silber. Beim Helmkleinod ist der eine Flug schwarz, der andere mit einem goldenen fünfstrahligen Stern belegt14.

n BHStAM: Reichsheroldamt, Lit. S. Adeliche Acte Nr. 5340. Schwarz ist dort als Handlungs-Gerichts-Assessor und Adjunct des Handlungs-Vorstandes, als Handels-Appellations-Gerichts Assessor und als Großhändler bezeichnet. 14 Eine Pergament-Abschrift der Adelsurkunde ist im Besitz von Frau Leontine Johanna Auguste von Schwarz, Fiersbruck. Das Adels-Libell im blauen Samteinband mit dem großen roten Majestätssiegel des Königs (in Wachs und in einer Metallkapsel) liegt in einem BiedermeierHolzkasten mit innerem blauen Samtbezug und außen Wurzelmaser. Der Text im Lorbeer­ blatt-Rahmen ist unterschrieben von P. J. von Baumüller, General Secretär des kgl. Ministe­ riums der auswärtigen Angelegenheiten. Das von Schwarz’sche Wappen mit einem Flug ist rechts unten signiert: Portner pinx.et scrips.; infolgedessen ist der Text auch von diesem Münchner Graphiker geschrieben. Hier wird ebenfalls die Namensbezeichnung angegeben: von Schwarz auf Artelshofen und Hirschbach. Datiert ist die Adelsurkunde am 30. XI. 1816. (Paul Ritter von Baumüller (1770/71—1832) war Generalsekretär 1808/17.) Eine weitere Adelsurkunde aus dem Henfenfelder Archiv, ehemals bei Kurt von Schwarz (Nürnberg) ist im Zweiten Weltkrieg verbrannt. Eine andere Abschrift des Adels-Diploms vom 13. VIII. 1823 fehlte bei den später vom Stadtarchiv Nürnberg erworbenen genealogischen Papieren von Schwarz. Vorhanden ist hier nur ein Begleittext vom kgl. Merkantil-, Friedens­ und Schiedsgericht Nürnberg. Königlich-Baierisches Regierungsblatt, München 1818, Spalte 112: Adelstands-Erhebung 30. 11. 1816, Spalte 566: Auszug aus der Adels-Matrikel des Königreiches Baiern 15. 12. 1816. Tyr off, Konrad: Wappenbuch des gesammten Adels des Königreichs Baiern. Aus der Adels­ matrikel gezogen Band 8, Nürnberg 1825 Taf. 66, hier ist nur der eine Flug mit dem Stern angegeben. Siebmacher, Johann: Grosses und allgemeines Wappenbuch neu herausgegeben von Otto Titan von Hefner Band 2, 1. Abteilung: Der Adel des Königreichs Bayern, Nürnberg 1856 S. 144 Taf. 139; von Schwarz ist hier unter den Edelleuten aufgeführt.

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Der Besitz Artelshofen und Hirschbach war ausdrücklich nicht als Ritter­ gut, sondern als „acquiriertes Allodial-Gut“ bezeichnet worden. Zum späteren von Schwarzschen Familienfideikommiß gehörte noch das Gut Henfenfeld, das Benedict von Schwarz am 11.11.1817 für 45000 fl plus 1500 fl für Renten und Nutzungen von den Freiherrn Haller von Hallerstein, die es 1766 von den Pfinzing von Henfenfeld geerbt hatten, erwarb. Der Vertrag wurde vor dem Landgericht Hersbruck abgeschlossen. Die in die Verfassung des Königreichs Bayern eingegangene Revision der 1808 beschlossenen Auflösung der adeligen Familienfideikommisse ermöglichte es nach 1818 dem Adel, wieder Familien­ fideikommisse auf der Basis von Grundvermögen zu errichten15. Am 15. 8. 1823 wurde das „von Schwarz’sche Familienfideikommiß Artels­ hofen und Henfenfeld“ gegründet. Es bestand aus diesen beiden Gütern, aus Hirschbach und einigen Dominikalien. Nach dem Münchner NobilitierungsAkt ist es zum Vorteil der ehelichen Nachkommen des Fideikommiß-Stifters „mit dem Vorzüge des Mannesstammes vor den weiblichen Nachkommen und nach dem Rechte der Erstgeburt“ errichtet worden. Um den weiteren Ankauf von Dominikairenten zu ermöglichen, rief Benedict von Schwarz am 3. 1.1827 eine Familienstiftung mit einem Kapital von 4000 fl ins Leben. Die Stiftung besteht übrigens noch heute, wenn auch das Kapital nicht mehr bedeutend ist. Ihr heutiger Status leitet sich von der „Stiftung aus dem vormals von Schwarz’schen Familienfideikommiss“ vom 1. 10. 1919 ab16. Um den Zusammenhang zu wahren, sei hier noch kurz die weitere Geschich­ te von Artelshofen und Henfenfeld erwähnt: Das bayerische Gesetz über die Aufhebung der Familienfideikommisse vom 28. 3. 1919 und dessen Ausfüh­ rungsbestimmungen vom 26. 11. 1919 führte zu deren Auflösung mit Wirkung vom 1. 10. 1919. Benedict Gottlieb {Benno) von Schwarz (1875—1929) erhielt Henfenfeld, sein Bruder Paul August Benedict von Schwarz (1877—1958) Artelshofen. Letzterer verkaufte Artelshofen 1932 an die Nürnberger Familie der Freiherrn Holzschuher von Harrlach. Henfenfeld wurde von Erika von Schwarz (geb. 1923) im Oktober 1952 an die Deutsche Bundesbahn verkauft. Hier besteht eine Bundesbahnschule für die Angehörigen aller nichttechni­ schen Fachrichtungen der verschiedenen Bundesbahndirektionen. Wie eingangs erwähnt, hatte Benedict von Schwarz einen um vier Jahre älteren Bruder namens Georg Friedrich (1767 Venedig—5. 5. 1831 Nürnberg), der um 1794 — ca. drei Jahre nach Benedict — ebenfalls von Lindau nach Nürnberg gekommen war. Zuerst hatte er im Handelsgeschäft Wagner in 15 In Bayern waren durch das „Edikt über den Adel im Königreich Baiern“ vom 28. 7. 1808 die adeligen Familienfideikommisse aufgelöst. Danach sollten sie in Majorate umgebildet werden. Da der Adel dies ablehnte, erfolgte am 22. 11. 1811 eine Revision dieser Bestimmungen. 16 Nach 1919 bestand der Ausschuß der Stiftung zunächst aus dem ehemaligen Fideikommißbesitzer und den beiden nächsten volljährigen Agnaten der vormaligen Fideikommißnachfolger, die in Bayern wohnhaft sein mußten. 1969 wurde der Nürnberger Rechtsanwalt Dr. Friedrich von Fierford als Vorstand eingesetzt, im Ausschuß sitzt seit 1973 der in Nürnberg wohnhafte Benedict {Benno) von Schwarz (geb. 1931).

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Triest gelernt, anschließend war er drei Jahre bei Rudolph Courtabat (Cobat) tätig gewesen, dem Handelshaus, in dem sich sein Bruder ausbilden ließ. Die folgenden sechs Jahre verbrachte er im väterlichen Geschäft. 1789 heiratete der Spezierer (Spezereihändler) in Lindau die dort ansässige Susanne Barbara Rehsteiner. Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor, von denen jedoch zwei noch vor der Jahrhundertwende starben17. Da Georg Friedrich Schwarz viele Schulden hatte, verließ er um 1794 seine Vaterstadt und ging zu seinem Bruder nach Nürnberg, der ihn im Geschäft von Heinrich Paul Wolfgang Günther unterbringen konnte, wo Benedict ab 1791 arbeitete. 1798 stellte Georg Friedrich Schwarz ein Bürgerrechtsgesuch an den Rat der Stadt Nürnberg. Mit den gleichen Auflagen, die schon sein Bruder ein knappes Jahr vorher akzeptie­ ren mußte, wurde ihm am 24.2.1798 das Bürgerrecht erteilt: Eine eigene Ökonomie solle eingerichtet und die weitere Tätigkeit als Buchhalter ausgeübt werden; eine eigene Handlung komme jedoch nicht in Frage18. Seine Kinder hatte Georg Friedrich Schwarz in Lindau zurückgelassen. Nach seiner Etablierung als Bürger der Stadt Nürnberg ging er 1798 nun daran, sie für sich zu fordern. Zunächst widersetzte sich sein Schwiegervater diesem Ansinnen, gab nach längeren Verhandlungen Ende 1799 aber nach, worauf das einzige verbliebene Kind Jakob Andreas im Januar 1800 nach Nürnberg gebracht wurde. Am 21. 10. 1800 wurde die Ehe geschieden: Georg Friedrich Schwarz habe vor beinahe sieben Jahren und mit Hinterlassung vieler Schul­ den die Stadt Lindau verlassen. Die Schulden müsse nun der Vater der Frau begleichen, und die Frau verspüre keine Neigung, ihrem Mann nach Nürnberg zu folgen, sondern wolle in Lindau bleiben19. Wenige Monate später, am 7. 7. 1801, heiratete Georg Friedrich Schwarz in Nürnberg Eva Johanna Mandleithner (getauft 12. 7. 1765 Nürnberg, gest. 6. 9. 1853 ebenda). Aus dieser Ehe gingen zwei Mädchen hervor, Anna Friede­ rica (16.6.1802 Nürnberg—6.5.1874 ebenda) und Maria Regina (geb. 14. 3. 1804 Nürnberg). Letztere hatte die Vornamen der Frau ihres leiblichen Onkels erhalten. Anläßlich der Eintragung in das Geburtsregister von 1802 war Georg Friedrich Schwarz als „Kaufmann und Capitän der Bürger-Infante­ rie“ angegeben worden. Welche unternehmerischen Aktivitäten er um 1800 im einzelnen entwickelt hat, ist leider nicht feststellbar. Im Jahre 1807 unterhielt er jedenfalls eine Tabakfabrik, in der auch ausländische Tabakblätter Verarbeitung fanden20. Daneben soll er bis 1815 einen Eisenhammer in Schniegling betrieben haben, 17 Die Kinder, die in Lindau getauft wurden, waren: Leonhard (17. 5. 1790—1.6. 1795), Jakob Andreas (geb. 22. 5. 1791), Margarethe (5. 10. 1793—5. 6. 1799). 18 StadtAN: Rep. C 7 A I Polizeidirektion S 19 (15. 2. 1798). Rep. E 8 Akten des Handelsvorstands HV 3433 (Abschrift). Rep. B 2 Neubürgerbuch IV. 1790—1808, S. 272 f. 19 Stadtarchiv Lindau: Protokollbuch des reichsstädtischen Ehegerichts S. 305 ff. Den Auszug verdanke ich wiederum Herrn Pfarrer Wilhelm Zahn, Lindau. 20 StadtAN: Ältere Magistrats-Registratur Nr. 734 (II. 8. 4 Nr. 182) und Nr. 1324 (II. 9. 1 Nr. 19).

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den er 1815/1816 in einen Spiegelfolienhammer umwandeln wollte, da der Ertrag des Eisenhammers wegen der starken Konkurrenz zu unbedeutend sei. Mit dem Spiegelfolienhammer könne er auch die Bleiplatten für seine Tabaks­ büchsen hersteilen21. 1821 wollte er auf seinem Werksgelände eine Farbholz-, Stampf- und Mahlmühle zur Verarbeitung von Farbstoffen errichten22. Diese beiden Vorhaben — Hammer und Mühle — konnte Georg Friedrich Schwarz wohl wegen der harten Konkurrenz nicht realisieren. Für den Aufbau ihrer Existenz hatten die beiden Brüder durchaus gleiche Startchancen: Beide waren sie Buchhalter; reiche Frauen hatten sie wohl beide nicht geheiratet, und beide gründeten — wenn auch mit einigem zeitlichen Abstand — entwicklungsfähige Unternehmen unterschiedlicher Art. Aber nur Benedict gelang der große Durchbruch zu Wohlstand, Ansehen und politi­ scher Geltung. Wir wissen nicht, ob der Grund hierfür in erster Linie im persönlichen Einsatz, in Charakter und Intelligenz, in Geschicklichkeit oder gar nur im Glück lag. Georg Friedrich Schwarz war nach der Nobilitierung seines Bruders bürger­ lich geblieben und hatte vielleicht keinen männlichen Nachkommen mehr. Seit 1821 war Benedict von Schwarz an der Tabakfabrik, die sich im Jahre 1822 im Haus S 389 (der späteren Albrecht-Dürer-Straße 19) befand, mit 35000 fl als stiller Teilhaber beteiligt. Damals waren in der Fabrik 54 Arbeiter beschäftigt. In dem Betrieb wurden sowohl Rauch- als auch Schnupftabake hergestellt. Da Georg Friedrich Schwarz kränklich war, nahm er seinen Neffen Georg Christoph Benedict als Kompagnon mit in das Geschäft auf, dem dieser von 1823 bis 1827 angehörte. Wohl zum Zweck der Teilhaberschaft erhielt der Sohn von seinem Vater 10000 fl in bar. Die Tabakfabrikation lief offenbar recht gut, denn für das Jahr 1824 sind 62, oft aber auch 70 bis 75 Arbeiter bezeugt23. Im Jahre 1827 wurde das Schnupftabakgeschäft von der Rauch­ tabakfabrikation abgetrennt und von Georg Christoph Benedict bis 1829 allein fortgeführt. Die Herstellung von Rauchtabaken betrieben Onkel und Neffe bis 1829 gemeinsam weiter. Da in den Archivalien die Firmenbezeichnungen „Georg /Friedrich Schwarz“, „Gebrüder Schwarz“, „Schwarz u. Comp.“ und „G. C. B. Schwarz“ Vorkommen, ihre Zuordnung zu den unterschiedlichen Besitzverhältnissen jedoch nicht erwähnt ist, ist es notwendig, sie chronologisch und verhältnis­ mäßig zu ordnen. Gemäß dem oben skizzierten zeitlichen Abriß ergibt sich folgendes Bild: 21 HV 3340 Errichtung eines neuen Spiegelfolienhammers in Schniegling für den bisherigen Eisenhammer 1815. 22 HV 2799 Empfehlung des Handelsvorstandes zum Plan des Georg Friedrich Schwarz, auf seinem Werk zu Schniegling eine Farbholzmühle zu errichten, 1821. 23 s. Anm. 20. s. a. Schröder, Peter: Die Entwicklung des Nürnberger Großgewerbes 1806—1870. Studien zur Frühindustrialisierung, in: Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte Band 8, Nürnberg 1971 S. 189 u. S. 195 f.

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Firma „Georg Friedrich Schwarz“ von Georg Friedrich Schwarz von (mindestens) 1807 bis 1821 allein betrieben. Firma „Gebrüder Schwarz“ von Georg Friedrich Schwarz und seinem Bruder Benedict von Schwarz als stillem Teilhaber von 1821 bis 1823 betrie­ ben. Johann Christoph David von Schwarz führte das Geschäft 1829 weiter. Firma „Schwarz u. Comp.“ (Rauchtabake) von Georg Friedrich Schwarz und seinem Neffen Georg Christoph Benedict von Schwarz als Kompagnon von 1823 bis 1829 gemeinsam betrieben. Firma „G. C. B. Schwarz“ (Schnupftabake) von Georg Christoph Benedict von Schwarz von 1827 bis 1829 allein betrieben24. Nach dem Ausscheiden des Neffen 1829 nahm Georg Friedrich Schwarz seinen Schwiegersohn Ludwig Friedrich Blumröder (29. 7. 1803 Sulzbach— nach 1874), der am 24. 7.1827 die ältere Tochter Anna Friederica in Nürnberg geheiratet hatte, in die Firma „Schwarz u. Comp.“ auf25. Blumröder war von 1817 bis 1821 in der Materialwarenhandlung des Benedict von Schwarz ausgebildet worden und im Anschluß daran bei Georg Friedrich Schwarz von 1821 bis 1824 tätig. Danach ging er für zwei Jahre nach Bremen, wo er bei der Firma Küster und Ffettkling arbeitete. 1826 kehrte er nach Nürnberg zurück und trat wieder bei Georg Friedrich Schwarz ein. Nach dessen Tod (1831) führte Blumröder die Firma allein weiter. Im Jahre 1856 ging sie in Konkurs. Die Tabakfabrikation übernahmen Carl Paul Albert Lorsch und Ludwig Anton Adam Zöpfel. Im Nürnberger Adreßbuch von 1878 ist die Firma „Schwarz u. Comp.“ zum letzten Mal genannt. Dank des Wohlstands und Ansehens, aber auch wegen der 1816 erfolgten Nobilitierung ihres Vaters konnten sich die drei verbliebenen Kinder des Benedict von Schwarz — zwei waren im frühen Kindesalter gestorben — gut verheiraten. Was dem Vater, der den Wohlstand erst erarbeiten mußte, noch nicht vergönnt war, konnten die Tochter und zwei Söhne erreichen: Rosina Alix (Alexandrina) (10. 9. 1799 Nürnberg—15. 8. 1861 ebenda) hei­ ratete am 23.5.1819 in Nürnberg den Manufakturwarenhändler Johann Christoph David Wiß (2. 8. 1780 Klein-Schmalkalden—26. 5. 1867 Nürnberg). Wiß war wie sein Schwiegervater ein vielbeschäftigter Mann, der neben dem Großhandel auch eine Nadelfabrik sowie eine Porzellanhandlung unterhielt. Auch er brachte es zum kgl. Flandelsgerichtsassessor26. 24 Von den Firmen hat sich einiger Schriftwechsel erhalten: StadtAN: Rep. E 9 Nürnberger Wirtschafts- und Firmenarchive, NW 171/68—69; NW 442/19; NW 479/16. 25 FfV 3057 Ludwig Friedrich Blumröder: Eintritt als Teilhaber in die Johann Georg Schwarzsche Tabakfabrik seines Schwiegervaters. 2h Der Nürnberger Forträt- und Genremaler Johann Dietrich Carl Kreul (1804 Ansbach—1867 Nürnberg) malte die fünf Kinder der Rosina Wiß. Das Bild, Öl auf Leinwand, Fi: 53 cm B: 69,5 cm, befindet sich in der Sammlung von Frau Luise von Grundherr, München. Es ist unten rechts bezeichnet „K. Kreul“, aber nicht datiert. Von Mitgliedern der Familie von Schwarz befinden sich einige Bilder noch heute im Schloß Fienfenfeld, die in meinem Beitrag „Veste und Dorf Henfenfeld“ besprochen werden.

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Georg Christoph Benedict (19. 3. 1801 Nürnberg—3.1.1876 Henfenfeld), der in der Materialwarenhandlung seines Vaters ausgebildet worden war, heiratete am 3. 7. 1825 in Nürnberg Louisa Caroline Ernestina Eleonora Friederika Freiin Tücher von Simmelsdorf (18. 2. 1804 Nürnberg—15. 4. 1846 ebenda). Dem ältesten Sohn des Neubürgers war somit die Einheirat in eine der traditionsreichsten Nürnberger Patrizierfamilien gelungen. Sein jüngerer Bruder Johann Christoph David (7.9.1802 Nürnberg— 13.9.1885 ebenda) heiratete schließlich am 10.7.1825 Susanna (Susette) Christiana Luise (Louise) Soergel (17.9. 1805 Nürnberg—17. 10.1863 eben­ da), die Tochter von Dr. Nicolaus Soergel (1770—1823), der in den Jahren von 1818 bis 1823 zweiter Bürgermeister der Stadt Nürnberg war. Johann Christoph David von Schwarz hatte wie sein Bruder im väterlichen Geschäft gelernt. Anschließend ging er als Kaufmann nach Genf und Borde­ aux. Nach Nürnberg zurückgekehrt, arbeitete er drei Jahre wieder bei seinem Vater. 1825 sollte er die Materialwarenhandlung übernehmen, was ihn zum Einreichen eines Niederlassungsgesuchs veranlaßte. Danach werde er vom Vater 10000 fl und von seiner Braut Susanna Soergel als Mitgift 5000 fl in bar erhalten27. Am 18. 2. 1825 erwirkte er die Genehmigung zur Niederlassung und die Erlaubnis, als Großhändler tätig zu sein. Nach 27 Jahren eigener Geschäftsleitung übergab daraufhin Benedict von Schwarz am 1.6. 1825 die Materialwarenhandlung seinem Sohn Johann Christoph David. Bereits 1820 hatte Benedict von Schwarz zu seinem 1803 erworbenen Anwesen L 43 am Lorenzer Platz noch das angrenzende Haus L 44 von Anton Lorenz Köhler hinzugekauft. 'Noch im selben Jahr ließ er dieses Haus vollständig abbrechen und ein neues, repräsentatives Wohn- und Geschäftsge­ bäude mit Hauskapelle in Verbindung mit dem Anwesen L 43 errichten. Die Ausgestaltung der Neubaufassade im Sinne der Neugotik wurde dem Archi­ tekten Carl Alexander Heideloff (1789 Stuttgart—1865 Haßfurt) übertragen, der im Jahre 1821 von Coburg nach Nürnberg gekommen war. Von dem Anwesen L 43—44 haben sich einige Abbildungen erhalten28. Sie zeigen, mit 27 HV 3341 Johann Christoph David von Schwar(t)z: Übernahme der Materialhandlung seines Vaters Benedict von Schwar(t)z. 28 Boeck, Urs: Karl Alexander Heideloff, Nürnberg 1958, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg Band 48, S. 319 (dort unrichtige Angabe: Lorenzer Platz 15). Das von Schwarzsche Haus findet sich auf Abbildungen des Nürnberger Graphikers Georg Christoph Wilder (1794—1855): Am Lorenzerplatz 1837, Feder in Schwarz H: 36,5 cm, B: 45,3 cm, Nürnberger Privatbesitz, s. a. Steffan, Franz: Bilder und Berichte aus hundert Jahren Bankgeschichte 100 Jahre Vereinsbank in Nürnberg, Nürnberg 1971 Abb. S. 41, Aquarell 1840, im gleichen Besitz. Eine Handzeichnung von Christoph Veit Schellhorn (1800 Nürnberg— 1850), Blei auf Pauspapier 1825, H: 11 cm, B: 10,2 cm, bildete die Vorlage für einen Stahlstich von Heideloff, H.: 13,5 cm, B: 8,5 cm, die sich beide in der Graphischen Sammlung der Stadtgeschichtlichen Museen befinden. Danach hatte das Haus neun Fensterachsen (bei Wilder zehn). Die dreiteilige Fassade trat mit einem dreigeschossigen Mittelrisalit heraus, die beiden Flanken wiesen jeweils zwei Geschosse auf. Im zweiten Geschoß des Mittelrisalits befand sich über dem Einfahrtstor und den beiden

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welchem Aufwand Benedict von Schwarz den Neubau gestalten ließ und geben ein indirektes Zeugnis vom Reichtum dieses Kaufmanns ab. Auf dem Grund­ stück dieses Anwesens (heute Lorenzer Platz 17—19) steht jetzt der Neubau der Bayerischen Vereinsbank von 1950/51. Mit dem Ableben des Stammvaters der Familie von Schwarz (1832) erbte dessen ältester Sohn Georg Christoph Benedict aufgrund der Adelsakte vom 30. 11. 1816 und des väterlichen Testaments vom 3. 1. 1827 die Besitzungen in Artelshofen und Henfenfeld. Als Familienältester übernahm er das Fideikommiß sowie das Patronat über die Güter. Seine beiden Geschwister wurden aus diesem Grund mit je 6000 fl von ihm abgefunden. Johann Christoph David wurden vom Vater die beiden Häuser L 43—44 am Lorenzer Platz und der Herrensitz Weigelshof testamentarisch vermacht. Wie bereits erwähnt, gab Georg Christoph Benedict von Schwarz 1829 die Tabakfabrikation auf. Erst im Jahre 1848 zog er nach Henfenfeld, um seine Güter zu verwalten. Leider ist bis auf eine Ausnahme nicht bekannt, was er in den dazwischenliegenden zwanzig Jahren in Nürnberg unternommen hat. Wahrscheinlich war die Familie von Schwarz um 1830 bereits so reich, daß er einer Beschäftigung nicht nachgehen mußte. Für diese These spricht vor allem, daß er das „Stransky“-Palais in den Gärten bei Wöhrd 187 (heute AußereCramer-Klett-Str. 12), das nach der Nobilitierung Theodor Cramer-Kletts (1876) in dessen Besitz überging, bewohnte. Eigentümer war um 1840 die Familie von Tücher, mit der Georg Christoph Benedict durch seine Frau verwandtschaftliche Beziehungen unterhielt. Zu dem Palais gehörte ein großer Park, der bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts als englischer Garten angelegt worden war. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude zerstört, der Park ist heute öffentliche Anlage29. Unmittelbar nach Antritt des väterlichen Erbes erwarb Georg Christoph Benedict von Schwarz gemäß der „von Schwarz’schen Familienstiftung“, die mittels des Stiftungskapitals von 4000 fl den Ankauf von Dominikairenten vorgeschrieben hatte, um diesen Betrag die Dominikairenten sowie die PatriHaustüren ein Vorgesetzter Balkon auf vier Pfeilern. Reicher neugotischer Zierat war an den Fenstern des Mittelteils angebracht. Zwischen seinem zweiten und seinem dritten Geschoß waren noch vier Wappentartschen eingefügt. Die Fassade blieb bis zum 20. Jahrhundert stehen. 29 Es sei hier kurz die Geschichte dieses bedeutenden Anwesens erwähnt: 1831 erwarb der kgl. bayer. Regierungsrat und Medizinalrat Ritter Otto von Stransky auf Stranka das langgestreckte Wohnhaus, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtet worden war, für 21000 fl aus dem Nachlaß von Dr. Johann Friedrich Karl und Theresia Euler. Um 1840 ging es an den kgl. bayer. Hauptmann ä la suite Freiherrn K. Fr. von Tücher, der wahrscheinlich mit dem Freiherrn Carl Friedrich Wilhelm Tücher von Simmelsdorf (1805—1875) identisch ist. Als Besitzer des Hauses Gärten bei Wöhrd 187 ist im Jahre 1850 die freiherrlich von Tuchersche Gesamtfamilie genannt; 1857 bewohnte der Hauptmann ä la suite Freiherr Johann Sigmund Carl von Tücher (1794—1871) das Stransky-Palais. Nach dem Erwerb des Anwesens durch den 1876 nobilitierten Unternehmer Reichsrat Theodor Freiherrn von Cramer-Klett (1817—1884) um das Jahr 1880, wurde dem Stransky-Palais das Cramer-Klett-Palais hinzugefügt. Von der Zerstörung im zweiten Weltkrieg blieb nur der kleine klassizistische Pavillon im englischen Garten verschont.

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monialgerichtsbarkeit über den Herrensitz Malmsbach (heute Schwaig, Land­ kreis Nürnberger Land). Den Besitz erwarben die jüdischen Handelsleute Pfeifer Joseph Morgenstern in Büchenbach und Konsorten von der Nürnber­ ger Familie Grundherr von Altenthann und Weyherhaus30. Zu dem Schloß und den Wirtschaftsgebäuden gehörten die Dominikairenten von zwölf Gütern und einigen walzenden Grundstücken in Malmsbach und Schwaig. Nach § 16 des Edikts über die Verhältnisse der jüdischen Glaubensgenossen im Königreich Bayern vom 10.6.1813 durften Juden das Obereigentum über Gründe weder erlangen noch nutzen. Daher war eine Teilung des Besitzes notwendig geworden, an dem Georg Christoph Benedict von Schwarz nutznießerisch partizipierte. Mit der Erbteilung war die Familie von Schwarz in zwei evangelische Linien geteilt worden. Während Georg Christoph Benedict von Schwarz und seine Nachfahren ihre Funktion als Gutsbesitzer bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs wahrnahmen, blieben Johann Christoph David von Schwarz und seine Nachkommen als Kaufleute und Fabrikanten in Nürnberg. Die Ge­ schichte der Familie von Schwarz in Artelshofen und Henfenfeld werde ich in meiner Arbeit „Veste und Dorf Henfenfeld“ eingehend besprechen. Für das Thema dieses Aufsatzes ist sie ohne weitere Bedeutung. Aus diesem Grunde verweise ich auf den beiliegenden Anhang, der eine ausführliche Stammtafel der Gesamtfamilie enthält. Es soll an dieser Stelle aber nicht unerwähnt bleiben, daß die Linie Artelshofen-Henfenfeld in der folgenden Generation durch drei Heiraten ihre Position in den traditionellen Nürnberger Adelsfami­ lien bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts festigen konnte. Georg Christoph Benedict und Louise von Schwarz hatten acht Kinder, von denen zwei frühzeitig verstarben und ein Sohn unverheiratet blieb. Von den verbliebenen fünf Kindern heirateten eine Tochter und ein Sohn — der einzige der beiden verbliebenen Söhne mit Nachkommen — Bürgerliche, während zwei Töchter und ein Sohn Adelige heirateten. Diese drei Ehen waren im einzelnen: Carolina Louisa Susanna Maria (8. 6. 1826 Nürnberg—27. 1. 1896 ebenda), das älteste Kind von Georg Christoph Benedict und Louise von Schwarz, heiratete am 24. 8. 1847 in Henfenfeld den Großhändler Friedrich Carl Alex­ ander von Grundherr zu Altenthann und Weyherhaus (15. 3. 1818 Nürnberg— 28. 4. 1908 ebenda). Im Dienste der Kaufmannschaft begann Alexander von Grundherr 1869 als Marktvorsteher und wurde im Jahre 1878 Vorstand der Handels- und Gewerbekammer von Mittelfranken. Bis 1879 war er Handelsap30 Die Konsorten von Morgenstern in Büchenbach waren Jacob Moses Frauenfeld in Büchenbach, Simon Gerson Simonsfeld und Juda Simonsfeld in Ottensoos. Königlich Bayerisches Intelligenzblatt für den Rezat-Kreis Nr. 64, Ansbach 1832 Spalte 1212— 1213. StAN: Rep. 212/14 I Bezirksamt Nürnberg Nr. 607. Die Bildung des von Grundherr’schen Patrimonial-Gerichts zu Malmsbach. StadtAN Genealogische Papiere von Schwarz Nr. 3 von 1834.

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pellationsgerichtsassessor, im Jahre 1880 erfolgte seine Ernennung zum kgl. bayer. Kommerzienrat. Seine Firma „Grundherr & Hertel, Droguerie- und Farbwaren en gros“ — hier zeigt sich die enge Verbindung mit dem Unterneh­ men von Benedict von Schwarz — wurde 1912 mit der Firma „Clericus, Ziehl & Co.“ vereinigt. Rosa Luise Alix (Alexandra) (18. 2. 1838 Nürnberg—3. 5. 1899 München), das fünfte Kind von Georg Christoph Benedict und Louise von Schwarz, heiratete am 20. 3.1862 in Nürnberg den k. k. österreichischen Offizier Ernst Carl Sigmund Freiherr von Holzschuher (26. 3.1823 Nürnberg—6. 3.1907 München), der den Militärdienst als Hauptmann quittierte. Carl Gottlieb Benedict (7. 12.1842 Nürnberg—31. 1. 1908 München), das siebte Kind von Georg Christoph Benedict und Louise von Schwarz, heiratete am 21. 10.1867 in Nürnberg Magdalena Caroline Maria Helena Freiin Tücher von Simmelsdorf (24. 8. 1848 Nürnberg—30. 4. 1921 München). Die Ehe blieb kinderlos. Zum Zeitpunkt der Hochzeit war Carl Gottlieb Benedict von Schwarz Leutnant im 1. Chevaulegerregiment in Nürnberg. Im Jahre 1874 wurde er zum Rittmeister befördert. Als Oberstleutnant war er 1888 Kom­ mandeur des 6. Chevaulegerregiments in München. 1891 erfolgte seine Verab­ schiedung als Oberst. Johann Christoph David von Schwarz, der Begründer der Nürnberger Linie, konzentrierte sich von Anfang an auf die Ausdehnung seines Unternehmens. Als sein Bruder im Jahre 1829 die Tabakfabrikation aufgegeben hatte, über­ nahm er diese und führte sie unter der Firmenbezeichnung „Gebrüder Schwarz“ weiter31. In den Jahren um 1830 beteiligte er sich an der Grund­ stücks- und Hausspekulation, denn in diese Zeit fällt eine Reihe von Ankäufen und Wiederverkäufen32. Mit diesen Transaktionen wird er wohl einiges Geld verdient haben. Um die Jahrhundertmitte verkaufte Johann Christoph David von Schwarz den ererbten Herrensitz Weigelshof, der um 1840 einen Wert von 15000 fl 31 Daß Johann Christoph David von Schwarz die Tabakfabrikation seines Bruders übernommen hat, geht indirekt aus einem Gesuch vom 12.4.1849 hervor, das seinem zweiten Niederlas­ sungsgesuch beigefügt ist. Danach sei er seit mehr als dreißig Jahren Bürger und Tabakfabri­ kant. Daß die Tabakfirma, die er demnach seit 1829 besaß, „Gebrüder Schwarz“ geheißen haben muß, ergibt sich zum einen aus seiner verwandtschaftlichen Beziehung zum Vorbesitzer, zum anderen aus dern Umstand, daß die andere Tabakfabrik von Ludwig Friedrich Blumröder unter der Firmenbezeichnung „Schwarz u. Comp.“ weitergeführt wurde. 32 Nach den Adreßbüchern von 1829 gehörten der Familie von Schwarz neben den Anwesen L 43—44 am Lorenzer Platz noch die an die Firma angrenzenden Häuser L 23 und 25 (heute Oberer Bergauerplatz 8 und 12), sowie die Anwesen L 920 (heute Hintere Sterngasse 6) und L 1577 (heute Unschlittplatz 3). Im Jahre 1835 ist das Haus L 23 noch im Besitz von Johann Christoph David von Schwarz, das Anwesen L 25 ist abgebrochen. Das Haus L 920 gehört ihm noch, aber nicht mehr L 1577. Zwei Jahre später ist das Haus L 23 verkauft, das Gebäude L 25 ist noch nicht wieder aufgeführt. Das Haus L 920 gehört nun dem Schwiegersohn von Benedict von Schwarz, Johann Christoph David Wiß. Im Adreßbuch von 1842 ist das Gebäude L 25 wieder errichtet und im Besitz von Johann Christoph David von Schwarz.

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hatte, an den Nürnberger Bankier Georg Martin Kalb. Der folgende Besitzer war Constantin Beck, der den Weigelshof 1879 an die Nürnberger Hopfen­ großhandlung Barth verkaufte, die nun seit 100 Jahren der Eigentümer ist. Dank dieser Geschäfte war es dem Kaufmann und Tabakfabrikanten Johann Christoph David von Schwarz möglich geworden, wirtschaftlich zu expandie­ ren. Seit der Jahrhundertmitte stellte er in seiner Fabrik neben Tabakerzeug­ nissen auch gefärbte Knöpfe aus Speckstein her. Im Jahre 1854 konzentrierte er sich auf die Herstellung von Gasbrennern aus Speckstein. Das Rohmaterial hierfür bezog er von den Specksteingruben in Göpfersgrün (Landkreis Wunsiedel), die er 1857 vom bayerischen Staat für 12000 fl erworben hatte. Der Chemiker Justus von Liebig (1803—1873) der von 1824 bis 1852 Professor in Gießen und danach in München war, hat Johann Christoph David von Schwarz dabei beraten. In den von Liebig herausgegebenen Annalen pries dieser die technischen Vorzüge der aus Speckstein hergestellten Gasbrenner33. Offenbar lief die neue Produktion gleich so erfolgversprechend an, daß Johann Christoph David von Schwarz noch 1854 die Firma „J. von Schwarz. Fabrik für Gasbrenner aus Speckstein“ gründen konnte. Am 12.4.1859 richtete er ein Gesuch an die Regierung von Mittelfranken, woraufhin ihm am 22. 6. 1859 die „... Concession zur Errichtung einer Fabrik zur Anfertigung aller Gegenstände für Gasbeleuchtungsanstalten in Nürnberg unter der Firma: „J. v. Schwarz“ erteilt worden ist.. .“34. Auf bewunderungswürdige Weise hatte von Schwarz die Umstellung von der Tabakfabrikation auf die Herstellung von Specksteingasbrennern vollzo­ gen. Der Kaufmann besaß offensichtlich nicht nur unternehmerisches Ge­ schick, sondern auch technisches Wissen, denn ohne Kenntnisse der Techno­ logie wäre ein solches Unterfangen sicherlich gescheitert. Die neue Produktion war so erfolgreich, daß Johann Christoph David von Schwarz um 1860 die Tabakfabrikation aufgab und sich fortan ganz der Herstellung seiner Speck­ steingasbrenner widmete35. 33 Liebig, Justus von: Gasbrenner aus Speckstein, in: Annalen der Chemie und Pharmacie Band C II. Bd. (Neue Reihe XXVI. Band), Leipzig/Heidelberg 1857, S. 180, Taf. 1 Fig. 2. 34 StadtAN: Rep. C 7 A 1 1808—1909 Nr. 4367. Zitat: Concessions-Urkunde für den Fabrikbesit­ zer J. von Schwarz in Nürnberg (im Besitz von Herrn Kurt von Schwarz, Bad Kissingen). 35 Speckstein ist als eine massige Abart des Talkums (des Talk) anzusehen. Er ist ein wasserhalti­ ges Magnesiumsilikat von weißer bis rötlicher Färbung und kommt in körnigem Kalkstein, Dolomit und Serpentin vor. Bei Göpfersgrün, Thiersheim und bei Schwarzenbach a. d. Saale findet sich Speckstein in kleinen Lagern zwischen Kaolin und Granit. Dieser Speckstein wird als Zuschlagstoff für Isoliermassen der elektrokeramischen Industrie sowie für feste Formkörper (Schnittbrenner von Acetylenbrennern) verwendet. Der geglühte Speckstein dient deshalb als ein keramischer Werkstoff und als Material der technischen Brenner. Gerade wegen seiner Feuer- und Säurebeständigkeit — der Schmelzpunkt liegt bei 1600° C—1700° C — wird der Speckstein zu Gasbrennern verarbeitet. Als elektrischer Isolierstoff von hoher mechanischer Festigkeit findet er Verwendung bei der Herstellung elektrotechnischer Bauelemente. Das Talkum ist ebenfalls ein Magnesiumsilikat in der gleichen Zusammensetzung wie der Speckstein. Talkum wird als ein Phyllosilikat monoklin-prismatischer Struktur verstanden.

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Natürlich blieb seine für die damalige Zeit bedeutende Neuerung nicht unangefochten. So mußte er sich mit dem Bleistiftfabrikbesitzer Johann Georg Staedtler herumschlagen, wobei Staedtler allerdings geschickterweise Friedrich Rau (Rhau) vorschob, der zur Verwertung von Speckstein ein Privileg besaß, das vom 22. 9. 1859 an drei Jahre Gültigkeit hatte. Staedtler stellte nun die Behauptung auf, daß von ihm die „Erfindung von Gasbrennern“ stamme und er nur im Interesse seiner Bleistiftfabrik Rau (Rhau) das Feld überlassen habe. Johann Christoph David von Schwarz sollte offenbar seine Berechtigung, als Erfinder des Gasbrenners aus Speckstein gelten zu dürfen, streitig gemacht werden. Aber dies konnte ihn am Weiterproduzieren nicht hindern36. Im Jahre 1862 erwarb er die nach Familienmitgliedern benannten Abbaugru­ ben Ludwigszeche, Johanneszeche und Benediktzeche bei Göpfersgrün. Zwei Jahre später wurde im Anbau im Hof der Fabrik eine Dampfmaschine mit acht Pferdestärken installiert, welche die Nürnberger Maschinenfabrik Klett & Co. (die spätere M. A. N.) lieferte. Noch in den sechziger Jahren erfolgte eine bedeutende Erweiterung der Firma, indem neben der Specksteingasbrennerproduktion die Herstellung von Terrakotten und Majoliken eingeführt wurde. Nach einem Schriftstück aus der Familie Schwarz, das sich in Henfenfeld befindet, sollen noch vor 1870 Bauornamente, Baluster, Friese, Gartenfiguren und Vasen aus Terrakotta hergestellt worden sein. Bis jetzt konnten derartige Beispiele noch nicht festgestellt und gesichert werden. Seit den siebziger Jahren bis ca. 1910 stellte die Firma „J. von Schwarz“ auch sog. „artistische Fayencen“ her. Bei diesen Gegenständen handelt es sich um Vasen, Blumenkästen, Zierteller und Wand­ platten, die hauptsächlich in den Farbtönen blau, grün, rot und gelbbraun in Unterglasurmalerei ausgeführt sind. Die Objekte sind auf der Rückseite oder am Boden bezeichnet mit NORICA, einer schwarz aufgemalten Silhouette der Nürnberger Burg sowie J. v. S. und Nürnberg. Das nachweisbare Material lernte ich 1978 durch Herrn cand. phil. Claus Pese, Nürnberg, kennen, der an einer Dissertation mit dem Thema „Das Nürnberger Kunsthandwerk des Jugendstils“ arbeitet. Ihm verdanke ich auch wichtige Hinweise über die Firma „J. von Schwarz“ sowie über einzelne Mitglieder der Nürnberger Linie der Familie von Schwarz. 1862 traten die ältesten Söhne von Johann Christoph David von Schwarz, Benedict (1. 7. 1827 Nürnberg—2. 6. 1895 ebenda) und Georg Benedict LudGerade in der Technik wird begrifflich nicht zwischen Talkum, Speckstein und Steatit unterschieden. vgl. Neumüller, Otto-Albrecht: Römpps Chemie-Lexikon 7. Auflage, Stuttgart 5. Bd. 1975 S. 3272—3273 und 6. Bd. 1977 S. 3459. Unter Melalith (Schwarz’sches Steatit) ist ebenfalls das Isoliermaterial für die elektrokerami­ schen Artikel zu verstehen. Das Specksteinmehl und die Abfälle (Drehspäne und Bohrmehl) wurden in der Mischung mit Ton zu einem Brennprozeß gebracht. 36 Jegel, August: Die wirtschaftliche Entwicklung von Nürnberg-Fürth, Stein und des Nürnber­ ger Raumes seit 1806, Nürnberg 1952, S. 261 f.

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wig (23. 8. 1828 Nürnberg—29. 12. 1912 München), in die Firma ein. Eine naturwissenschaftliche Ausbildung hatten die beiden Söhne nicht genossen. Sie waren wie schon der Vater Kaufleute, die sich die nötigen technischen Kenntnisse nebenher erwarben. Benedict heiratete am 15. 5. 1860 in Nürnberg die Tochter des Kaufmanns, Papierfabrikanten und Marktadjunkten Johann Friedrich Merkel (1803—1862), Rosa Wilhelmine (27. 5. 1832 Nürnberg— 19. 4. 1904 ebenda), Ludwig am 19. 9.1869 ebenfalls in Nürnberg Josephine Anna Amalia Freiin Holzschuher von Harrlach (10.7. 1850 Landau— 29. 12. 1912 München). Diese beiden Verbindungen festigten die verwandt­ schaftlichen Beziehungen der Familie von Schwarz zu den höheren Kreisen der Nürnberger Gesellschaft. Von den fünf Kindern des Begründers der Nürnber­ ger Linie von Schwarz starb ein Knabe frühzeitig, eine Tochter und ein Sohn blieben ledig, so daß nur zwei Söhne sich verehelichten. Der unverheiratete Bruder Johann Carl Sigmund Benedict (19. 12.1831 Nürnberg—13. 7. 1866 ebenda) war als einziger nicht nur Kaufmann, sondern auch Bergbauingenieur. Wegen seines frühen Todes war er aber nur für kurze Zeit an der Firma beteiligt. Bis zum Jahre 1890 arbeitete das Unternehmen „J. von Schwarz“ im Anwesen Lorenzer Platz 17—19. Ein Jahr vorher hatte die Bayerische Vereins­ bank die beiden Häuser erworben. Am 26. 3. 1889 kaufte die Firma für 20000 M von dem Metzgermeister Peter Conrad Lindner und seiner Frau Elisabetha Wilhelmine in Schoppershof ein Grundstück von 3,152 ha Grundfläche einschließlich eines kleinen Wohngebäudes37. Dieses Gelände erstreckte sich von der Walzwerkstraße bis zur Pegnitz und grenzte an das Grundstück der späteren Firma „Rudolf Chillingworth Press-, Stanz- und Ziehwerke A. G.“ an. Noch 1890 erfolgte die Verlegung der Firma „J. von Schwarz“ vom Lorenzer Platz nach Schoppershof. Bereits in dieser Zeit entstanden Pläne zum Umbau des bestehenden Gebäudes. Am 19. 8. 1890 soll der Betrieb dort aufgenommen worden sein. Mit einem Gleisanschluß zum Ostbahnhof war die Firma mit dem Bahnnetz verbunden38. Die Verlegung der Firma hat ihr Begründer nicht mehr erlebt. Seine Söhne führten den Betrieb weiter, wobei Ludwig von Schwarz im Jahre 1889 seinen Schwiegersohn Philipp August Georg Frhr. von Frays (1857—1912) aus München als Teilhaber in die Firma mit aufnahm. Freiherr von Frays hatte am 22. 5. 1889 in Nürnberg das einzige Kind von Ludwig von Schwarz, Helene Josephine Luise (Louise) (27. 8. 1870 Nürnberg—9. 1. 1939 ebenda), geheira37 StAN: Rep. 235/21 1 Amtsgericht Nürnberg, Grundbücher 74 Gemarkung Schoppershof Band 18, Blatt Nr. 519. Grundsteuer, Kataster-Umschreibheft, Schoppershof. Amtsgericht Nürn­ berg Grundbuchamt, Schoppershof. 38 Einer Angabe von August Jegel a. a. O. zufolge soll ein um 1890 angelegtes Firmenbuch im Stadtarchiv Nürnberg vorhanden sein. Trotz mannigfaltiger Bemühungen ist es mir nicht gelungen, dieses für die Geschichte der Firma „J. von Schwarz“ bedeutsame Dokument ausfindig zu machen. Auch in den anderen Bibliotheken und Archiven Nürnbergs konnte es nicht identifiziert werden.

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tet. Bei „J. von Schwarz“ übte er die Funktion eines Fabrikdirektors aus. Als die Ehe am 11. 11.1907 geschieden wurde, trat er aus der Firma aus und zog nach Dresden. Die Frau nahm wieder ihren Mädchennamen an. In den letzten Jahren vor der Jahrhundertwende wurde der Betrieb ständig vergrößert. Die Veränderungen lassen sich in fünf Bauabschnitte gliedern: 1889/1890 1892 1893 1895 1899

Aufbau eines weiteren Stockwerks auf das beim Kauf des Geländes übernommene Wohngebäude ein erster Neubau auf dem Werksgelände erfolgt eine Brennerei wird errichtet weitere Neubauten entstehen eine von der Firma als Umbau deklarierte bauliche Verände­ rung wird von der Regierung von Mittelfranken als Neubau festgestellt

In diese Zeit der Expansion fällt die teilweise Umstellung der Produktion auf Isolatoren aus „Melalith“, das als „Schwarz’sches Steatit“ (Steatit = Speckstein) angegeben wurde. Die zunehmende Elektrifizierung brachte naturgemäß einen Nachfrageverlust von Gasbrennern bei gleichzeitiger Steige­ rung der Nachfrage von Isoliermaterial mit sich. Dank der vielseitigen Ver­ wendbarkeit des Specksteins konnte sich die Firma den veränderten Verhält­ nissen flexibel anpassen. In Holenbrunn bei Marktredwitz unterhielt „J. von Schwarz“ eine wohl kleine Fabrik, die zur Vorverarbeitung des in den firmeneigenen Gruben gewonnenen Specksteins diente. Mit zahlreichen Paten­ ten leistete die Firma auch einen beachtlichen Beitrag zum technischen Fortschritt39. Im Jahre 1902 betrug die Grundfläche der Fabrikanlage 0,829 ha, das umliegende Gelände der Tränkwiese — hier hatte sich früher eine Pferdetränke befunden — 2,274 ha. Die dritte Generation der Firma J. von Schwarz rekrutierte sich aus den drei Söhnen von Benedict von Schwarz, des Enkels des gleichnamigen Stammvaters der Familie: Friedrich Johannes Benedict (Benno) (22. 2. 1861 Nürnberg—14. 12. 1920 ebenda) war wie seine Vorväter Kaufmann. Der Firma gehörte er von 1889 bis zu seinem Tod im Jahre 1920 an. 19 Deutsche Reichspatente. 1899: Nr. 100882 für Edward James Dolan, Philadelphia, Verfahren und Vorrichtung zur Verhinderung von Rußabscheidungen an Brennermündungen. Patentiert ab 1.9. 1897. Die Firma „J. von Schwarz“ hatte darauf wohl eine Lizenz. 1910: Nr. 225257 J. von Schwarz Nürnberg-Ostbahnhof; Einkopfazethylenschnittbrenner. Patentiert ab 23. 2. 1909. Aus feuerfestem, Material z. B. Speckstein und einer Metallfassung bestehend. Nr. 225258 Zusatz zum vorigen Patent. Patentiert ab 16.6. 1909—1924. 1913: Nr. 262230 J. von Schwarz Nürnberg-Ostbahnhof; Azethylendoppelbrenner, insbeson­ dere für Bergwerkslampen. Patentiert ab 8. 2. 1913. 1914: Nr. 274531 J. von Schwarz; Azethylenbrenner für Grubenlampen ... (die eine) Wiederentzündung des Brenners bewirkt. Patentiert ab 25. 2. 1913.

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Georg Christoph Benedict (15. 4.1862 Nürnberg—11. 6. 1906 ebenda) war Chemiker und bei der Firma von 1900 bis 1905 tätig. Ihm folgte 1906 der Ingenieur Karl Ludwig Sigmund (9.7. 1866— 21. 3.1941), der bis zur Auflösung des Unternehmens im Jahre 1921 wie seine beiden Brüder Fabrikbesitzer und Teilhaber der Firma J. von Schwarz war. Alle drei Söhne hatten Bürgerliche geheiratet, wobei gesellschaftliche oder gar wirtschaftliche Absichten in dieser Generation der Fabrikanten keine Rolle mehr spielten. In den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg war noch der Ingenieur Paul August Benedict (5. 8. 1877 Artelshofen—25. 7. 1958 ebenda) von der Linie Artelshofen-Henfenfeld bei „J. von Schwarz“ tätig gewesen. 1905 erhielt die Firma eine Straße, die durch das Werksgelände führte. Sie wurde nach der Pferdetränke an der Pegnitz „Tränkstraße“ genannt. Zwei Jahre später wurde ein größerer Brennofen installiert. In den Jahren 1911 und 1912 erfuhr die Fabrik eine letzte Erweiterung, indem ein Magazingebäude neu errichtet (1911) und ein neues Verwaltungsgebäude (1912) erbaut wurde. Die Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft J. von Schwarz waren bis 1920 die beiden Besitzer Benno und Sigmund von Schwarz. Am 26. 11.1920 wurde die offene Handelsgesellschaft in eine Aktiengesellschaft mit 4500000 M Grundkapital (beginnende Inflation) umgewandelt. Als Einlage diente der gesamte Besitz der Firma in Unterveilhof (Nürnberg-Ostbahnhof) an der Tränkstraße 20—22 und in Holenbrunn einschließlich der vier bei Göpfersgrün gelegenen Specksteingruben40. Im Jahre 1921 wurde die Firma an den norddeutschen keramischen Konzern „Steatit-Magnesia Aktiengesellschaft Nürnberg-Berlin“ angeschlossen. Der Konzern setzte sich aus den früheren Unternehmen — J. von Schwarz AG, Nürnberg — Steatit AG, Berlin und Lauf a. d. Pegnitz — Jean Stadelmann, Lauf a. d. Pegnitz und Nürnberg — Vereinigte Magnesia-Co. und Ernst Hildebrandt AG, Berlin-Pankow zusammen. Zur letztgenannten Firma kamen kurze Zeit später noch die Vesta-Werke, Berlin, zur ehemaligen Firma J. von Schwarz die Werkstätten von Lauboeck und Hilpert in Holenbrunn hinzu. Als weiterhin selbständig bestehende Unternehmen waren die Firmen — Acetylena GmbH, Lauf a. d. Pegnitz — Pressolith-Werke mbH, Nürnberg — Magnesia-Werke „Weissensee“ GmbH, Berlin-Weissensee 40 Die vier Gruben waren: die Johanneszeche in den Gemeinden Thiersheim, Höchstadt und Bernstein mit einem Grubenfeld von 125,99 ha, die Benediktzeche in den Gemeinden Thiersheim und Bernstein mit 71,9633 ha, die Ludwigszeche in den Gemeinden Bernstein, Grafenreuth und Holenbrunn mit 94,7082 ha und die J. von Schwarzzeche bei Göpfersgrün mit 172,66 ha. Der Grubenbesitz ist beim Amtsgericht Thiersheim für die Steuergemeinden Bernstein, Thiersheim etc. erfaßt.

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angegliedert. Damit war die Firma J. von Schwarz erloschen. Das Werk wurde geschlossen und die Produktion nach Lauf a. d. Pegnitz verlegt. Die chemisch­ pharmazeutische Fabrik Sandoz AG in Nürnberg erwarb 1940 das Werks­ gelände. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Fabrikgebäude an der Tränkstraße zerstört und nach Kriegsende wohl im Zuge der Hochwasserfreilegung an der Pegnitz in Nürnberg-Ost abgebrochen. Bei dieser Gelegenheit wurde die Tränkstraße aufgehoben. Vor dem ehemaligen Parkplatz des jetzt stillgelegten „Eisenwerk Nürnberg AG vormals J. Tafel & Co.“ in der Walzwerkstraße ist noch der Beginn der Straße zu erkennen. Auf der dahinterliegenden Wiese stehen heute vier große Bäume. An dieser Stelle befand sich die Firma J. von Schwarz. Zum Schluß sei noch ein chronologischer Abriß der Specksteinindustrie in Lauf a. d. Pegnitz gegeben. Im Jahre 1904 wurde dort von dem Porzellanfabrikanten Oskar Sembach die Firma „Speckstein & Steatit GmbH“ (jetzt „Sembach & Co. KG“) an der heutigen Oskar-Sembach-Str. 15 gegründet (1.). Als sein Teilhaber Peter Molzberger 1907 aus dieser Firma austrat, gründete dieser die „Steatitfabrik Döbrich & Molzberger“ (2.). Dieses Unternehmen erlosch im Jahre 1910 durch den Austritt Bernhard Döbrichs. Döbrich hatte seinen Geschäftsanteil an den Läufer Maurermeister Christian Schätz verkauft. Schätz gründete daraufhin noch 1910 die Firma „Schätz & Co.“ an der Luitpoldstraße 15 (3.). Einjahr später rief Döbrich mit Wolfgang Heckei ein Steatitwerk, heute „Döbrich & Heckei Steatitwerke“ (4.) am Schlachthofplatz 13, ins Leben. 1912 verkaufte Schätz seinen Anteil an der Firma „Schätz & Co.“ (3.) dem Kaufmann N. Bernstiel, dessen neuer Geschäftspartner der Eisenindustrielle N. Ravene wurde. In diesem Jahr entstanden die „Deutsche SpecksteinPorzellanwerke Ravene & Bernstiel“ (5.). Obwohl hohe Investitionen getätigt wurden und Peter Molzberger von der ehemaligen „Steatitfabrik Döbrich & Molzberger“ (2.) als Betriebsleiter gewonnen werden konnte, ging die Firma ein. Während des Ersten Weltkriegs übernahm nun die Nürnberger Firma „Jean Stadelmann & Co.“ die „Deutsche Speckstein-Porzellanwerke Ravene und Bernstiel“ (5.). Dadurch kam Stadelmann erstmals nach Lauf. Eine weitere Firma „Steatitwerk Stettner & Co“ (6.) wurde 1923 von Georg Stettner, dem Leiter der mechanischen Werkstatt der Firma „Speckstein & Steatit GmbH“ bis 1923 (s. o. die erste Läufer Firma), und von Albert Büttner, dem Direktor der Bayerischen Elektrozubehör, in der Hersbrucker Straße 22 gegründet. Jean Stadelmann war ein Konkurrent von „J. von Schwarz“ in Nürnberg. Die Firma ging auf Johann Leonhard Stadelmann zurück, der — ganz im Gegensatz zu Johann Christoph David von Schwarz — nicht aus einer wohlhabenden und angesehenen Kaufmannsfamilie, sondern aus einer Hafner41 StadtAN: Genealogische Papiere, Familienarchiv von Schwarz, Hinweise aus dem 19. Jahrhun­ dert.

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familie stammte. 1876 ist die Firma „Jean Stadelmann & Co.“ Engelhardsgasse 27, unter „Johann Leonhard Stadelmann Gasbrennerverfertiger und Hafner­ meister“ in den Nürnberger Adreßbüchern erstmals genannt. Ab 1880 ist als Adresse der Firma die Untere Turnstraße 12 angegeben. In diesem Jahr muß Stadelmann gestorben sein, denn 1881 ist Johanna Barbara Stadelmann als „Gasbrennerverfertigerswitwe“ angeführt. 1898 tauchen als Besitzer erstmals Mitglieder der Familie Thurnauer auf. Der Gründer der ersten specksteinver­ arbeitenden Fabrik in Lauf („Speckstein & Steatit GmbH“ s. 1.), Oskar Sembach, war bis 1904 bei „Jean Stadelmann u. Co.“ in Nürnberg tätig gewesen. Die zahlreichen Unternehmen der Specksteinindustrie in Lauf gingen daher letztlich auf Initiativen zurück, die ihren Ausgangspunkt in Nürnberg hatten. Aber auch „Jean Stadelmann & Co.“ ging wie „J. von Schwarz“ und andere Firmen der Specksteinindustrie im Jahre 1921 in den Konzern „Steatit-Magnesia Aktiengesellschaft“ auf. Da die Werke in Berlin während des Zweiten Weltkriegs weitgehend zerstört wurden, verlegte das kurz „Stemag“ genannte Unternehmen seinen Sitz nach Lauf, das seit dem Bestehen des Konzerns der Ort der Hauptniederlassung war. 1969 wurde AEG-Telefunken in Frankfurt a. M. neuer Hauptaktionär der Stemag. Zwei Jahre später erfolgte eine Neuordnung der beiden Firmen AEG und Rosenthal AG (mit Rosenthal Isolatoren GmbH und Rosenthal Technische Werke), wobei die Stemag in „Rosenthal-Stemag Technische Keramik AG“ mit dem Sitz in Selb umgewan­ delt wurde. Das Aktienkapital wurde zu 75 Prozent für Rosenthal und zu 25 Prozent für AEG aufgeteilt. Im Jahre 1974 entfiel die Firmenbezeichnung Stemag. Heute heißt das Unternehmen nur mehr „Rosenthal Technik AG“ Lauf a. d. Pegnitz, Luitpoldstr. 15. Wenn auch die Zeit der Gasbrenner aus Speckstein längst vorbei ist, so hat doch der Speckstein seine Bedeutung als Ausgangsmaterial für zahlreiche technische Verbesserungen behalten. Heute spielt dieser Rohstoff bei der Herstellung von Isoliermaterial für die Elektroindustrie, die Maschi­ nenbauindustrie und die chemische Industrie nach wie vor eine wichtige Rolle. Die neueste Entwicklung sind keramische Bauelemente, die zur Umwandlung mechanischer Energie in elektrische Energie dienen. Auf dem Sektor der Biokeramik, wie der Herstellung künstlicher Knochen, ist die Bedeutung dieses Minerals noch gar nicht überschaubar. Wir sehen uns heute mit einer Entwicklung konfrontiert, die der Nürnberger Kaufmann Johann Christoph David von Schwarz vor mehr als 120 Jahren eingeleitet hat. Sigel der Archive: BHStAM: Bayerisches Hauptstaatsarchiv München LKAN: Landeskirchliches Archiv Nürnberg ST AN: Staatsarchiv Nürnberg Stadt AN: Stadtarchiv Nürnberg

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Stammtafel

Benedict von Schwarz 1771—1832 ooMaria Bierlein, geb. Weghorn

Georg Friedrich Schwarz 1767—1831 IcoSusanne Rehsteiner IIooEva Mandleitner I____________

I---------------

Jakob Andreas geb. 1791

Sigmund Carl Benedict 1834—1860

Benno 1875--1929 oo Emilie Weiß ■ 1 Erika geb. 1929

Klaus voin Schwarz geb. 1947 oo Margarete Ilg

----------------- 1 Johann Christoph David 1802—1885 ooSusanna Soergel

1 Carl Gottlieb Benedict 1842—1908 oo Helena von Tücher

(Nürnberger Linie) 1 Ludwig Benedict 1827—1895 1828—1912 oo Rosa Merkel oo Anna von Holzschuher

Paul 1877—1958

r Benno 1861—1920 oo Lilly Beckh 1 1

Benno 1890—1972 Ioo Liese Bronnenberg IIooBabette Scharrer

-------- 1-------Georg 1862—1906 oo Helene Wiß

1 Sigmund 1866—1941 oo Elfriede Schmidt | Kurt geb. 1913 Icojeanne Röck IIoo Erika Schümm

1

i 1

Benno von Schwarz geb. 1931 oo Anita Felsinger

Jobst geb. 1945 oo Beate Stilke 1 1

Falk von Schwarz geb. 1969 O' nO

Familie von Schwarz

(Henfenfelder Linie) --------------1-------------Johannes 1835—1902 oo Amalie Nietschke i---------- 1---------- .

Georg Christoph Benedict 1801—1876 coLouisa von Tücher

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I--------Leonhard 1790—1795

NÜRNBERG-ANSICHTEN AUF WANDKALENDERN UM 1830 Von Fritz Zink Der Inhaber der Druckerei Leonhard Amersdorffer in Nürnberg, Herr Di­ plom-Volkswirt Rolf Hirt, wurde durch die Veröffentlichung über die Wand­ kalender als Merkantilgraphik aufmerksam, daß auch aus dem Altbesitz seiner Firma derartige Stücke vorhanden sind. Dabei handelt es sich um Wandkalen­ der mit Nürnberger Titelfriesen aus den Jahren 1829/31/32 und 1850 h Sie sind in besonderer Weise Ausdruck aktueller Information. Traditionelle Motive historischer Bau- und Kunstdenkmäler werden um 1830 von den Bildern der Stätten bürgerlicher Geselligkeit überlagert, die wiederum im folgenden Jahrzehnt zugunsten der „Dokumente industriellen Aufbruchs“ in den 1840er Jahren zurücktreten. Die hier veröffentlichten Wandkalender von 1829/32 fallen in die Zeit vor der Gründung des deutschen Zollvereins am 1. Januar 1834, als die Einwohner­ zahl Nürnbergs im Jahr 1827 3957312 und 1830/31 398703 betrug. Zollgrenzen waren damals noch ein Haupthindernis für den Handel4. In aktueller Weise informiert über Nürnberg gleichzeitig neben den Kalenderbildern das örtliche Schrifttum der Fremdenführer. Der Arzt J. K. Osterhausen und der rührige Kaufmann und Verleger Carl Mainberger verfaßten den „Sammler für Kunst und Alterthum“ (1824, 1825, 1826), der Pfarrer von Hl. Geist, Johann Christoph Jakob Wilder, schrieb seinen Führer „Nürnberg. Eine gedrängte Zusammenstellung seiner Merkwürdigkeiten für Fremde und Einheimische“, in 1. Auflage 1827, in 2. Auflage 1832 erschienen. Etwas später folgen die weiteren Führer von Carl Mainberger (1837, 1856), Heinrich Pfister (1830, 1833) und G. Rauh (1847). Diese Führer und die genau datierten Kalender­ bilder eben dieser Jahre um 1830 geben höchst bezeichnenden Aufschluß über die damaligen Veränderungen im Detailbild der Stadt und im gesellschaftli­ chen Leben. Die entsprechenden Lokalitäten markiert der Stadtplan „Neuer 1 Herr Hirt stellte freundlicherweise die Original-Blätter für Reproduktion zur Verfügung, wofür ihm herzlich gedankt sei. — Auf meine Veröffentlichung „Topographische NürnbergAnsichten von 1822 bis 1865“ in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 64, 1977, S. 289—305 und Abb. 1—35 mit Katalog S. 300—305 — als Separatdruck auch im Verlag Korn & Berg, Nürnberg, — sei verwiesen. — Besprechung der Arbeit in den „Nürnberger Nachrichten“ (Südwest und Nordost) vom 30. 3. und 6. 4.1978 (Toni Völkel). — Zu den Kalender-Exemplaren Amersdorffer von 1829 hatte auch Herr Meinhard Meisenbach, Bamberg mir am 15. 3. 1978 seine Stücke vorgelegt. 2 J. Ch. J. Wilder, Nürnberg 1827.(1. Auflage) S. 75. 3 Wie vor 1832 (2. Auflage) S. 82 — Nach Rainer Gömmel, 1977 S. 186 Zivilbevölkerung im Jahre 1830 39292, im Jahre 1833 41309. 4 Wie vor (Wilder) S. 83 — Vgl. auch die neue Veröffentlichung von Rainer Gömmel: Wachstum und Konjunktur der Nürnberger Wirtschaft vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg. Wirtschaftswiss. Diss. Erlangen—Nürnberg, 1977 S. 14 (Konjunkturzyklen), und S. 23 Schaubild 2 und S. 59, 64, 83.

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Nürnberg — Ansichten auf Wandkalendern

Grundriß der Stadt Nürnberg“, gestochen von M. Hußendörfer nach C. M. Fembo jun. 1829 im Verlag Christoph Fembo, Nürnberg (Kupferstichkabinett des GNM SP 2488, Kapsel 1058). Er bringt über den alten Anton Falger’schen Plan von 1811 (GNM SP. 2485, Kapsel 1058) hinaus inzwischen erfolgte Veränderungen auch im südlichen Vorgelände der Stadt bei den Festungs­ wällen (Hornwerk vor der Färberstraße). Der Wandkalender für 1829 (Kat.-Nr. Ia) beinhaltet für die erste Jahreshälf­ te das altbekannte Burgmotiv der Künstler mit dem hohen „Vestner Thurm“5, dann folgt aus der Stadt das „Kleine Waaghaus“ (Winklerstraße 22) des Hans Behaim d. A.6 mit den Spitzbogenfenstern im Erdgeschoß und Adam Krafts Relief von 1497, und schließlich die interessanteste dritte Darstellung, der „Spittlerthor Zwinger“. Dieser gehört nach J. K. Osterhausen und Carl Mainberger von 1829, höchstaktuell, als „erst im letzten Jahr eingerichtet, seit neuem zu den zu Gartenanlagen und gesellschaftlichen Vergnügungsorten benützten Zwingern“7. Das zahlreiche Publikum, darunter auch Militärs, sitzt teils an drei langen Tischen, auf denen Flaschenkrüge und Becher stehen, andere verweilen bei den gezimmerten Lauben oder betrachten den Ausblick von der Bastei. Für die zweite Jahreshälfte 1829 (Kat. Nr. Ib) wird, wie wahrscheinlich auch für 1830 (wofür kein Kalenderexemplar nachgewiesen ist) und die folgenden Jahre dem Westen der Stadt vornehmliches Darstellungs­ interesse zugewandt. Zum „[HJAllerthürlein mit dem neuen Badhause“, über den Sommermonaten Juli bis September im Kalenderfries angeordnet, be­ merkt Osterhausen 1829 besonders zu letzterem Gebäude mit 10 Badestuben: „Um den Bewohnern der entferntem Stadtgegenden und denen der Gärten den Badegenuß zu erleichtern hat der Besitzer des Wildbades auch ein Badgebäude mit zweckmäßigen Einrichtungen im Stadtgraben vor dem Allerthürchen neben dem Pegnitzflusse aufführen lassen8. Ein Herr des Staffagefiguren-Paares links auf der Rundbastion des Vordergrunds im Bilde zeigt auf diese Badeanstalt hin. Das folgende Bild für Oktober bis Dezember 1829 verwendet die unfern davon gelegene „Promenade vor dem Thiergaertner s Als Einzelblatt (ausgeschnitten) auch vorhanden in Museen der Stadt Nürnberg. Slg. Hopf Nr. 568 — F. Zink: MVGN 64, 1977 Abb. 10, Kat.-Nr. 10. C. Mainberger, 1837 S. 70 und S. 100, und J. Ch. J. Wilder 1832 S. 32 („Jetzt Lokale der Liedertafel und der jährlichen öffentlichen Prüfungen der Volksschulen“). — vgl. Erich Steingräber: Adam Kraft: Die Nürnberger Stadtwaage, Stuttgart 1966 Abb. 9. 7 Osterhausen 1829 S. 173 — Für den 8. 5. 1829 ist im „Intelligenz-Blatt“ S. 674 Harmoniemusik angekündigt. 8 Osterhausen 1829; S. 145 — J. Ch. J. Wilder führt es 1832 S. 101 bei den Badeanstalten auf. — G. Rauh 1847 S. 131 vermerkt „(Wannenbäder); die zu allen Tagesstunden und bei jedem Wärmegrade genommen werden können; das Billet kostet einzeln 24 Kreuzer“. — Über das Badewesen im 16. und 17. Jahrh. vgl. A. Jegel: Wie die alten Nürnberger Reinlichkeitsbedürf­ nisse befriedigten. In: Medizinische Mitteilungen Jg. 5, Heft 6, 1933 S. 67—171. —Die Mappe „Stadtmauer, Hallertor“ in der Bildstelle (Denkmalsarchiv) des Hochbauamtes Nürnberg (Bauhof) zeigt diese Anlage nicht mehr (Photo Nr. 15, Hallertürlein mit Fußgängerübergang durch den Graben).

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Thore“. Die Pappelbaum-Reihen westlich des Grabens und an der Einmün­ dung der damals Neutorstraße genannten Johannisstraße beim Gartenhaus Johannisstraße 1 waren der besondere Stolz der Stadt seit der zweiten Hälfte der 1820er Jahre. Interessant ist die Darstellung einer Beleuchtungsanlage, die den Bildmittelgrund überspannt. Nach Osterhausen 18299 war es „den letzten Jahren Vorbehalten ausgedehntere Anlagen zu schaffen, durch welche die Umgegend der Stadt sehr verschönt wurde und in welchen die Lustwandeln­ den Abwechslung, Erholung und Genuß finden. Solche auf städtische Kosten und durch freiwillige Beiträge hergestellten Anlagen und Alleen von Pappeln und niedrigem Gebüsche wurden zuerst auf Betrieb des erst in diesem Jahre verstorbenen Kaufmanns Bestelmeyer vom Spittlerthor bis zum Allerthürchen, von da, unter Aufsicht einer vom Magistrat ernannten VerschönerungsCommission, und namentlich unter der tätigen Leitung des magistratischen Commissarius Dr. Campe von diesem Punkte [Hallertor] bis zum Thiergaertnerthor, von diesen bis zum Vestnerthor und dem sogenannten Kuhberg . . . sind sehr erfreulich gediehen Für das Jahr 1831 sind — lt. handschriftlicher Notiz der auf blauem Karton montierten Vorzeichnungen folgende Darstellungen vorgesehen gewesen (Kat.-Nr. II): „Weg nach dem Gasthaus zu den drei Linden vor dem Laufferthor“. — „Die Moritzkapelle, jetzt Lokal der „Königl. altdeutschen Gemälde­ sammlung“ — „Albrecht Dürers Grab auf dem Johanniskirchhofe“, ferner in einer zweiten Reihe10: „Die St. Sebald-Kirche“ (von Osten) — „Die St. Lorenzkirche“ (von Westen). Das erstgenannte Bildchen von der Sulzbacher Straße nach dem Gasthaus zu den „drei Linden“ vermittelt neue Vorstellun­ gen von dem sonach schon 1831 existierenden Gasthaus an der Sulzbacher Straße (jetzt Hotel gleichen Namens, Außere Sulzbacher Straße 1). Die Außenansicht der nördlich der Sebalduskirche gelegenen Moritzkapelle von Süden hat unter dem aktuellsten Gesichtspunkt Darstellung gefunden — sie soll die neue Gemäldegalerie aufnehmen. J. K. Osterhausen hatte kurz vorher 1829 darüber geschrieben n. Johann Christoph Wilder bezeichnete die Moritz­ kapelle, nachdem er in der ersten Auflage seines Führers von 1827 die Bestimmung dieses Gebäudes als Holzmagazin notiert hatte, nun fürs Jahr 1832 die „alte Moritzkapelle erbaut 1313, eingerichtet seit 1829 durch Heideloff zu dem Königlichen Bildersaal .. ,“12. Das „Dürergrab auf dem Johannis­ kirchhofe“ war schon durch Osterhausen 1826 von Wagner im „Sammler für Kunst und Alterthum“ nach S. 32 ebenso reproduziert worden, mit der 9 Osterhausen 1829 S. 167 und 168. 10 In der Montierung dieser zwei Zeichnungen der unteren Reihe ist ein breitformatiger leerer Zwischenraum gelassen. 11 Osterhausen 1829 S. 212/213 — an dieser Stelle wird auf die, diesem Taschenbuch als Titelkupfer beigegebene Abbildung von Fr. Geisler nach Wilder „Königliche Gallerie altdeut­ scher Gemälde“ verwiesen. 12 Kapelle im 2. Weltkrieg vollkommen zerstört — Wilder, Nürnberg 1832 S. 34 — vgl. auch Wilhelm Schwemmer, 1949 S. 145—146.

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Erklärung: „daß sowohl der landschaftliche Hintergrund, die Kirche und das Pfarrhaus zu St. Johannis, als auch der Grabstein selbst genauer wie in der Wirklichkeit erfaßt“ werden, um für einmalige Besucher des Orts später als „zuverlässiges Erinnerungsbild“ zu dienen13. Für das Jahr 1832 wurden bezeichnender Weise neue Gärten und Park­ anlagen der Kaufleute, aber auch die etwas früher erfolgte Errichtung des Bestelmeier’schen Kaufhauses als aktuell in den Wandkalendern herausgestellt. Es sind über den Monaten Januar bis Juni die Parkanlagen des Kaufmanns Albert Cramer am Schmaußenbuck („Mexico“, Kaufmann Cramer’sche Anla­ ge) und der „Garten des Kaufmanns Merk gegen Steinbühl“ (Kat.-Nr. lila) abgebildet. Für jede dieser Darstellungen existiert auch eine Vorzeichnung (Kat.-Nr. III). Uber den Monaten der zweiten Jahreshälfte erscheinen die Gartenanlagen des Kaufmanns Klett in Wöhrd und schließlich auch das Kaufmann Bestelmeier’sche Haus und das Museum unfern der Museumsbrükke (Kat.-Nr. Illb). 1832 war der Schmaußenbuck sonntags und donnerstags, und besonders an den drei Pfingstfeiertagen sehr besucht. Im Verlag Georg Paul Büchner, Nürnberg, erschienen zudem in ebendiesem Jahr, das auch den Besuch König Ludwigs I. von Bayern und seiner Gemahlin Therese erlebte, eine kolorierte Prospektfolge mit den einzelnen Partien dieser Anlage. 1833/36 kam von Philipp Heinrich Dunker ein graphisches Blatt (Sammelbild) der Park-Details14 mit einem später folgenden Führer von 183815 heraus. Die „sehr glücklich angelegte, gut unterhaltene Anlage, eine Stunde von Nürnberg entfernt gegen Osten auf einer waldigen Anhöhe ... sieht man immer vor sich liegen, sobald man eine der beiden Thore [Läufer-, Frauentor] passiert hat... Die Hauptparthien meist von Heideloff angegeben sind Schönsicht, der Baumsaal, die Waldhalle, die Friedrichsrunde, Mexico, der Thierpark, der Felsenkeller, die Einsiedelei, das Felsental, die Burgruine, das Schweizerhaus (vgl. Kat.-Nr. IV), die Ludwigshöhe, die Teufelsbrücke, das Felsenthor, die Schießstätte“ (C. Mainberger, 1837)16. Die Anlage erfuhr aber schon bald nach der 2. Hälfte der 1830er Jahre mangels Pflege ihren Niedergang (G. Rauh, 184717 und Carl Mainberger, 185618). Die Handelstätigkeit der Gartenbesitzer bildete die finanzielle Grundlage für die Entwicklung solcher Stätten. Der Kaufmann Johann Christian Merk war am Handel mit Hopfen, mit Kolonial- und Farbwaren sowie mit engli­ schen Garnen engagiert19. Fabrikherr Klett besaß die Eisengießerei und 13 In: Der Sammler für Kunst und Alterthum, 3. Heft, Nürnberg 1826 S. 32—33. 14 Nürnberg, Stadtbibliothek Nor. K. 65.8° — Fritz Zink: Topographische Sammelbilder aus Franken und Thüringen 1830—1850. In: Jahrbuch für Fränkische Landesforschung 34/35,1975 S. 348/49 und Abb. 3. 15 „Der Schmaußenbuck“, Verlag Riegel und Wießner. 16 Eine Woche in Nürnberg, S. 84 und 85. 17 Nürnberg und seine Umgebungen S. 95. 18 Eine Woche in Nürnberg S. 99. 19 G. Rauh, Nürnberg 1847 S. 7 und Verzeichnis S. 5.

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Maschinenwerkstätte20, Kaufmann Bestelmeier vertrieb im Verkaufsmagazin seines modernen Hauses (L. 6a und b) Luxusartikel, Tapeten, Möbel bis hin zu Spielwaren21, und seine Nachfolge lieferte 1833 auch die Neuausstattung des Industrie- und Kulturvereinshauses an der Sandstraße22. Während die bisher genannten Nürnberg-Ansichten für die Erscheinungs­ jahre der Kalender 1829, 1831 und 1832 gesichert sind, steht die etwa gleichzeitige Datierung der nur in Vorzeichnungen vorhandenen folgenden Blätter für 1830 (und vielleicht für 1831) in der Auswahl noch offen: „Mainbergersches Haus und Buchhandlung am Hauptmarkt“ (Kat.-Nr. Va) beim Rathaus (S. 873; ehern. Hauptmarkt 28) „machte sich durch eine altdeutsche Schartenkrönung vor dem Dach, dann durch einen im gotischen Style neuer­ bauten Chor (Erker) bemerkbar“ (C. Mainberger 1837)23. Die 1822 im Bauhof eingerichtete „Polytechnische Schule“ (Gebäude heute Bauhof 9; Kat.-Nr. Va) mit den Fächern Zeichnen, Mathematik, Bossieren, Modellieren, Formen und Metallgießen für eine große Zahl von Handwerkslehrlingen und Gesellen nimmt in der zeitgenössischen Literatur allgemein den breitesten Raum ein (J. K. Osterhausen, 1829)24. Das des Spiegelfabrikanten Zacharias „Platner’sche Haus am Aegidienplatz“ (früher Imhoff’scher — dann Hutten’scher Besitz, S. 873, Egidienplatz 27, Kat.-Nr. Va) hat „der jetzige Besitzer im Jahr 1828 im altdeutschen Styl durch Heideloff neu verzieren und mit einem sehr schönen Balcon und Säulen von Gußeisen versehen lassen“ (C. Mainberger, 1837)25. Es ist anzunehmen, daß die Darstellung der „Locale des Industrieund Kulturvereins vor dem Frauenthor“ und die „Rosenau“ für die zweite Jahreshälfte 1830 vorgesehen war (Kat.-Nr. Vb). Die dem Gegenwartsbetrachter kaum faßbare Landschaftserschließung südlich vor der Stadtmauer erfolgt ebenfalls erst um 1830. Man fuhr „zum Spittlerthore hinaus durch die Sandgasse [Sandstraße], welche ehedem diesen Namen zu Recht verdiente, nun aber eine der freundlichsten Umgebungen der Stadt bildet... durch die Gebäude und Anlagen des Industrie und Culturvereins, dieser sehr nützliche Zwecke fördernden Gesellschaft ...“ (C. Mainber­ ger, 1837)26. Das in dieser Ansicht bisher unbekannte Haus des Industrie- und Kulturver­ eins (Kat.-Nr. Vb) repräsentiert wohl den für die Geschichte des Vereins wichtigen ersten (am 20. 7. 1828) eingeweihten einstöckigen Bau mit Balkon 20 Wie vor S. 143. 21 J. K. Osterhausen (Carl Mainberger), Neues Taschenbuch von Nürnberg 1819 S. 83. — Carl Mainberger: Eine Woche in Nürnberg, 1837 S. 100 und 101. 22 Philipp Buckel: Der Industrie- und Kulturverein Nürnberg und seine Zweiganstalten von 1819 bis 1909. Nürnberg 1909, S. 90. 23 Eine Woche in Nürnberg S. 37. 24 Neues Taschenbuch 1829 S. 197—199, vgl. ferner später auch C. Mainberger, eine Woche in Nürnberg 1837 S. 104/105 (hier „die Aufgabe, die Schule mit dem Leben, die Theorie mit der Praxis zu verbinden, vielleicht besser als sonst anderswo gelöst“). 23 Eine Woche in Nürnberg, 1837, S. 77/78. 26 Wie vor S. 107.

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von Gartenhauscharakter, dessen Front zur Sandstraße bis hinter der heutigen 1971 neuerbauten Ortskrankenkasse Frauentorgraben 51/53 ausgerichtet ist. Er beherbergte auch Bibliothek, Archiv und Naturaliensammlung, bevor er 1833 zur Schaffung eines Gesellschaftssaales nach Westen erweitert wurde27. Der hochverdiente Gründer des Vereins, der Veterinär Johann Jakob Weiden­ keller (geb. 1789 in Kempten/Allgäu, gest. 1851 in Nürnberg; 1819—51 1. Direktor des Vereins) hatte 1826/27 aus dem vorübergehenden Besitz des Mögeldorfer Pfarrers Dr. Merz28 soeben das große Gartengelände der erst später (1848 und 1858) in nächster Nachbarschaft niedergelegten Festungswäl­ le vor der Färberstraße gekauft29. Die Darstellung vermittelt auch Einblick in das gesellschaftliche Leben der am Tisch zur Unterhaltung versammelten V ereinsmitglieder. Daß auch traditionellere Motive der alten Kunst in den Kalender-Titelfrie­ sen um 1830/32 Eingang finden, resultiert aus der Aktualität der eben erst im April 1829 auf Anordnung des Nürnberger Magistrats durch den Erzgießer Daniel Burgschmiet wiederhergestellten berühmten Adam Kraft’schen Statio­ nen (1505/08)30. Drei dieser Stationen existieren als Vorzeichnungen zwecks eventueller Verwertung: die erste (Christus begegnet seiner Mutter)31, die zweite (Simon von Kyrene, Kat.-Nr. Via)32 und die „sechste“ bzw. siebente Station (Beweinung, Kat.-Nr. VIb)33. Nach Johann Christoph Jakob Wilder 183 2 34 sind „die Bilder von den 7, vom Thiergärtnertor durch die Seilersgasse [Burgschmietstraße] zum Johanniskirchhof führenden Stationen, als Hautreliefs von Adam Kraft 1490 gehauen, um ihres Kunstwerthes willen trotz mancher Beschädigungen, die ihnen Zeit und Muthwille zugefügt haben, vorzüglicher Aufmerksamkeit würdig“. Die Darstellungen gehören in der 27 Grundlegend die Jubiläumsschrift von Philipp Buckel (Anm. 22), 1909 (Stadtbibliothek Nürnberg Amb 1765. 8°) S. 89 und 90 — ferner: Gerhard Hirschmann: 150 Jahre Industrie und Kulturverein 1819—1969. Historische Ausstellung des Stadtarchivs Nürnberg 12.9.1969 (Ausstellungsfaltblatt), Wandschaubild 6 a. 28 Ph. Buckel, wie vor S. 26, 28, 45, 80, 90. 29 Über das Areal des Industrie- und Kulturvereins in Ansicht und Grundriß informiert in den Museen der Stadt Nürnberg der Kupferstich der Sammlung Hopf 2198, Stadtbibliothek 9525/25 III Be Nr. 350, 1832, zitiert bei Gerhard Hirschmann (Anm. 27), Wandbild 6 a, ferner (2. Drittel 19. Jahrh.) nach Zeichnung von Gebhard reproduziert bei Ph. Buckel zu S. 5 nach S. 88 — Die Straße am Frauentorgraben repräsentiert heute das meistbefahrene Straßenstück im Nürnberger Verkehr, sodaß die hier zitierten Blätter höchst aufschlußreiche Einblicke über die grundlegenden Wandlungen der Landschaft in der Nürnberger Südstadt abgeben. 30 Vgl. Johann Paul Priem: Geschichte der Stadt Nürnberg. Nürnberg 1875 S. 431. 31 Standort: Burgschmietstraße 6 — Original seit 1892 als Eigentum der Stadt Nürnberg im Germanischen Nationalmuseum (Raum 8, Kartäuserkirche), Sammlungssignatur PI 1818 aufgestellt — Wilhelm Schwemmer: Adam Kraft. Nürnberg 1958 Abb. 57 (sic!). 32 Standort Burgschmietstraße 12 — seit 1893 wie vor unter Sammlungssignatur Pl 1819 aufgestellt — Wilhelm Schwemmer wie vor Abb. 56 (sic!). 33 Standort: Über der östlichen Kirchhofsmauer des Johannisfriedhofs — seit 1909 wie vor unter Pl 2149 aufgestellt — die an Ort und Stelle befindliche Kopie wurde 1945 zerstört — Wilhelm Schwemmer wie vor Abb. 62. 34 Nürnberg S. 56.

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Disposition mit dem sog. „Pilatushaus“ (S. 439; Obere Schmiedgasse 66; Kat.Nr. Via) zusammen, dessen Besitzer 1819 der Kaufmann [Spiegelfabrikbesit­ zer, Johann Wolfgang] Stadler war35. Dieses von J. Ch. J. Wilder 1832 als „Haus mit der geharnischten Ritterstatue“ bezeichnet36, wird im Sommer 1836 von dem Besitzer des Hauses, Galerie-Inspektor Reindel mit der neuhergestellten Ritterstatue (C. Mainberger, 183 7)37 geziert. Gärten und Vergnügungsorte waren beim Bürgertum um 1830 beliebt. Die „Ruine“ und das „Schweizerhaus“ (Kat.-Nr. IV) werden zusätzlich (Kat.-Nr. lila) zur Abbildung für den Schmaußenbuck vorgesehen. Der „Schloßzwin­ ger“ am Fuße des alten Reichsschlosses (Burggärtlein, Kat.-Nr. VII) steht wegen seiner umfassenden Aussicht, als „vielbesuchter Versammlungsort zu gesellschaftlicher Abendunterhaltung für heitere Sommerabende“ in der Reihe der hierfür ausgewählten Zwingerlokale über den Stadtmauern an erster Stelle (Johann Christoph Jakob Wilder, 1827 und 1832)38. Osterhausen39 hatte 1829 den am längsten diesen Zwecken dienenden Ort empfohlen, der durch seine anziehende Aussicht und das Auftreten von Musikchören an bestimmten Tagen, sich auszeichnete. Auf den späteren Spittlertorzwinger des für 1829 festgelegten Wandkalenders (Kat.-Nr. Ia) sei analog verwiesen. Für Spazier­ gänger stehen die seit 1823 angelegten Promenaden vor den Toren zur Verfügung, darunter um 1837 auch vor dem Wöhrder Tor mit Fortsetzung des Wegs bis zum Schloßzwinger40, wobei „mehrere Gartenbesitzer durch Ein­ sicht in ihre Gärten ... das Vergnügen sehr erhöhten“41. Der „geschmackvolle und umfangreiche“ Besitz vom „Haus des Herrn [Baron] von Stransky in Wöhrd (Kat.-Nr. X) ist hier außer dem des Kaufmanns Klett (Kat.-Nr. III b) zu nennen42. Dagegen wurde der „Dutzendteich“ mit seinen Wirtschafts- und 35 Osterhausen 1819 S. 88 — Fritz Traugott Schulz: Nürnbergs Bürgerhäuser und ihre Ausstat­ tung, Bd. I, 2. Hälfte, Wien 1909 S. 544—550 — Wilhelm Schwemmer: Die Bürgerhäuser der Nürnberger Altstadt aus reichsstädtischer Zeit. Erhaltener Bestand der Sebalder Seite. Nürn­ berg 1961 S. 114—116 — Vgl. auch Mappe „Obere Schmiedgasse 66“ in der Bildstelle (Denkmalsarchiv) des Hochbauamtes Nürnberg (Bauhof): Photoaufnahmen von der Zerstö­ rung im September 1942 sowie von der St.-Georgs-Figur vom 18. September 1975. 36 Nürnberg S. 36. 37 Eine Woche in Nürnberg, 1837, S. 95. 38 J. Ch. J. Wilder: Nürnberg, Eine Zusammenstellung seiner Merkwürdigkeiten für Fremde und Einheimische. Nürnberg 1. Auflage 1827 S. 84—86, 2. Auflage 1832 S. 91—92, 93. 39 Osterhausen, Neues Taschenbuch 1829, S. 173 — G. Rauh, 1847 lobt die „geschmackvolle Einrichtung, die guten Speisen und Getränke mit guter Bedienung“ — Das Intelligenzblatt vom 14.8.1829 S. 1193/94 empfiehlt für Samstag eine musikalische Abendunterhaltung des 2. Jägerbataillons. 40 C. Mainberger, Eine Woche in Nürnberg, 1837 S. 110. 41 Wie Anm. 38. 42 C. Mainberger wie Anm. 40, S. 110 — Auch das „Harmonie“Gartenlokal (Kat.-Nr. X) lag in Wöhrd. Schlenk’scher Garten 146 bei Wöhrd (ehern. Keßlerstraße 1) Besitzer 1804—42 der Zimmermeister Johann Wolfgang Schlenk, später Johann Martin Schores (vgl. Stadtarchiv, Nachlaß Nagel Nr. 1; frdl. Recherchen Herr Albert Bartelmeß, Stadtarchiv Nürnberg). — 1818—1834, dann 1847—1849 Sommerlokal der 1805 gegründeten bürgerlichen Vereinigung „Harmonie“, die hier am 4. 7. 1830 auch ihr 25jähriges Stiftungsfest feierte (Carl Otto, 1905 S. 21/22, 24, 26).

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Gartenanlagen und dem Teich mit seinen jahreszeitlichen Vergnügungen (Lustfahrten auf dem Teich, Schrittschuhfahren bzw. Schlittschuhfahren) sowie der „gefällig eingerichtete“ Hummelstein (Kat.-Nr. IX)43 zu den anziehendsten Ausflugsorten (1819, 1827, 1832) Nürnbergs gezählt. Die hier publizierten, meist unbekannten frühen Wandkalenderbilder und ihre Vorzeichnungen fehlten für Nürnberg aus der Zeit um 1830 in der Merkantilgraphik. Es sind lokale Zeitdokumente, die aus dem Eindruck aktueller Vorgänge resultieren. Die Promenade am Tiergärtner Tor 1829 (Kat.-Nr. Ib), die Einrichtung der Moritzkapelle zum Bildersaal 1831 (Kat.Nr. II), die Restaurierung der Adam Kraft’schen Kreuzwegstationen in St. Johannis durch Daniel Burgschmiet um 1830 (Kat.-Nr. Via und b), die Eröffnung der Schmaußenbuck-Anlagen 1832 (Kat.-Nr. III, lila, IV), die Errichtung des Hauses des Industrie- und Kulturvereins an der Sandstraße um 1830 (Kat.-Nr. Vb), das 25jährige Jubiläum der Vereinigung „Harmonie“ in diesem Jahr im Schlenk’schen Garten (Kat.-Nr. X), die Einrichtung der Lokale „Schloßzwinger“ (Kat.-Nr. VII) und „Spittlertorzwinger“ 1829 (Kat.-Nr. Ia)44 und das „Bad am Hallertor“ 1829 (Kat.-Nr. Ib) bestimmten die sehr frühe Interessenahme an den Illustrationen für die Wandkalender. Heute, 150 Jahre später, ist von diesen Lokalitäten keine mehr vorhanden. Die Motive des Maschinenzeitalters der 1840er Jahre und die Bauten der in dieser Zeit lebenden Bürger des Biedermeier (St. Leonhard, 1850; Kat.-Nr. Xlb)45 sind in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 1977 bereits von mir veröffentlicht.

43 Wie Anm. 38; Osterhausen 1819 S. 143; G. Rauh: Nürnberg und seine nächsten Umgebungen. Nürnberg 1847 S. 94 (Hummelstein) „früher ein Hauptort für die schöne Welt und des guten Kaffees wegen ein sehr besuchter Ort.. .“.Heute das auch für größere Veranstaltungen sehr besuchte Lokal mit Garten „Hummelsteiner Park“, Kleestraße 28. 44 Für Frankfurter Wandkalender 1829 ist auf Eppstein und Forsthaus zu verweisen (F. Zink, 1977 S. 299). 45 1847 „ein sehr besuchter Vergnügungsort... mit guten Speisen und Getränken und ausgezeich­ neter Bedienung“ (G. Rauh, 1847 S. 95) — Schon am 19. 5. 1828 hier im Allgemeinen Intelligenzblatt Harmoniemusik für Montag und Mittwoch avisiert, ebenso 13. 5. 1831 für Sonntag und Montag 15. und 16. 5. 1831 — Die Lokalität mit schöner Fernsicht auf Nürnberg, läßt im Hintergrund schon die rauchenden Kamine der Ultramarinwerke Zeltner erkennen.

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Schrifttum Philipp Buckel: Der Industrie- und Kulturverein Nürnberg und seine Zweiganstalten von 1819 bis 1909. Nürnberg 1909. Festgabe: — zur einhundertjährigen Stiftungsfeier der Kolleg-Gesellschaft in Nürnberg am 15. und 16. Mai 1881. Nürnberg. Rainer Gömmel: Wachstum und Konjunktur der Nürnberger Wirtschaft vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg. Wirtschaftswissenschaftliche Diss. Erlangen-Nürnberg 1977 (Manuskript). Allgemeines Intelligenz-Blatt der Stadt Nürnberg. Jg. 1828—1831. M. M. Lehner-Burgstall: Nürnbergs nächste Umgebung mit besonderer Berücksichtigung der Herrensitze. München 1913. Carl Mainberger: Eine Woche in Nürnberg. Kurzgefaßte Beschreibung der Stadt Nürnberg und ihrer Umgebungen. Nürnberg 1837 und Nürnberg 1856. Wolfgang Meyer: Das Vereinswesen der Stadt Nürnberg im 19. Jahrhundert. In: Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte hrsgeg. v. Gerhard Hirschmann, Hanns Hubert Hofmann und Gerhard Pfeiffer. Nürnberg 1970. J. K. Osterhausen (Carl Mainberger): Neues Taschenbuch von Nürnberg. Nürnberg 1819, 1822 und 1829. Carl Otto: Fest-Schrift zur Jahrhundert-Feier der Gesellschaft Harmonie Nürnberg, 1. Juli 1905. 1805—1905. Erinnerungen an vergangene Zeiten der Gesellschaft. Nürnberg 1905. Heinrich Pfister: Handbuch der vorzüglichsten Denkmäler in der Stadt Nürnberg. Nürnberg 1830, 1833. Johann Paul Priem: Geschichte der Stadt Nürnberg. Nürnberg 1875. G. Rauh: Nürnberg und seine nächsten Umgebungen. Ein freundlicher Führer für Reisende (namentlich für Kaufleute und Einheimische). Nürnberg 1847. Der Sammler für Kunst und Alterthum. 1. Heft Nürnberg 1824; 2. Heft Nürnberg 1825; 3. Heft Nürnberg 1826. Emil Reicke: 125 Jahre Gesellschaft Museum Nürnberg. Nürnberg 1935. Wilhelm Schwemmer: Aus der Geschichte der Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg Bd. 40, 1949 S. 97—206. Johann Christoph Jakob Wilder: Nürnberg. Eine gedrängte Zusammenstellung seiner Merk­ würdigkeiten für Fremde und Einheimische. Nürnberg 1827 (1. Auflage), Nürnberg 1832 (2. Auflage). Fritz Zink: Topographische Nürnberg-Ansichten auf Wandkalendern von 1822 bis 1865. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg. Bd 64, 1977 S. 289—305 (auch als Separat druck bei Korn & Berg, Nürnberg).

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Nürnberg — Ansichten auf Wandkalendern

Katalog Ia (10)

Für 1829

b

II

Für 1831 (V orzeichnungen)

III

Für 1832 (V orzeichnungen)

lila

Für 1832

b

IV

Für um 1832

die sonst. Kleine Waage (Mitte), links: „Der Vestner-Thurm und die Hasenburg“, rechts: „Der Spitt­ lertho r-Zwinger“ 4,9 x 8 + 8,2 + 8,2 cm unten: gefertigt von der L. Amersdorffer’sehen Steindruckerei in Nürnberg. Besitzer: Nürnberg. L. Amersdorffer sowie in weiterem Exemplar auch Bamberg, Meisenbach (1. Jahreshälfte) zu „Vestner-Thurm“ auch Nürnberg, Museen der Stadt, Slg. Hopf 568 (vgl. F. Zink, 1977 Nr. 10). Das Allerthürlein (Hallertürlein) mit dem neuen Badhause — Die Promenade vor dem Thiergärtner Thore 4,9 x 12,6 + 12,6 cm unten: Im Verlag der Endter’schen Buchhandlung in Nürnberg. Nürnberg, Amersdorffer sowie Bamberg, Meisenbach (2. Jahres­ hälfte) Weg nach dem Gasthaus zu den Drei Linden vor dem Lauffer Thor (Sulzbacher Straße) — Die Moritzkapelle jetzt Lokal der königl. altdeutschen Gemälde­ sammlung — Albrecht Dürers Grab auf dem Johanniskirchhofe — Die St. Sebald-Kirche — Die St. Lorenzkirche — 6,3 x 9,4 cm (Blattgröße), 5,2 x 8,5 cm (Bildfeld) — 6 x 9,2 cm bzw. 5,1 x 8,4 cm — 6,2 x 9,3 bzw. 5,2 x8 cm — 6,1 x 6,3 bzw. 5,3 x 5,5 cm — 6,2 x 6,3 bzw. 5,3 x 5,3 cm. Sämtlich Vorzeichnungen, Feder, grau laviert, über Bleistift, auf grau-blauem Karton montiert mit Notiz „Zum Wandkalender auf 1831“ in schwarzer Tinte. Nürnberg, Amersdorffer, ebenso alle folgenden Blätter. Anlage Gramer auf dem Schmaußenbuck (Mitte) — Mexico (links) — Anlage Merk (rechts) 7,1 x 29 cm (Blattgröße), 4,9 x 13,2 + 5,8 + 5,8 cm. Vorzeichnungen; Bleistift, grau laviert für folgendes Blatt der 1. Hälfte des Jahres 1832. Anlage des Herrn Kaufmann Gramer (Mitte) — Mexico auf dem Schmaußenbuck (links) — Anlage des Herrn Kaufmann Merk auf dem Weg(e) nach Steinbühl (rechts) 4,9 x 13,1 cm + 5,7 + 5,7 cm Lithographie. Unten (Lith) Gefertigt in der Leonh. Amersdorfferschen Druckerei in Nürnberg (1. Jahreshälfte). Gartengebäude des Herrn Kaufmann Klett in Wöhrd — Haus des Hm. Kfm. Bestelmeier und Museum (bei der Museumsbrücke) 4.8 x 12,4 cm + 12,3 cm unten (Lith.); Im Verlag der Endter’schen Buchhandlung in Nrnb (2. Jahreshälfte). „Die Ruine auf dem Schmaußenbuck“ — „Das Schweizerhaus auf dem Schmaußenbuck “ 4.9 x 6,2; 4,9 x 6,2 cm Vorzeichnungen; Bleistift zwischen beiden Motiven war lt. Notiz das (noch nicht fertiggestellte, erst 1833 erbaute) Theater (am Lorenzerplatz) vorgesehen.

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Fritz Zink Va

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Für um 1830—1832} „Mainbergerisches Haus und Buchhandlung am Hauptmarkt“ — „Polytechnische Schule“ (im Bauhof) — „Platnersches Haus am Aegidienplatz“ 4,8 x 8,1 cm; 4,9 x 8,2 cm; 4,8 x 8,2 cm. Sämtliche Vorzeichnungen, Feder in grau laviert, Rücken an Rücken mit: „Locale des Industrie- und Kulturvereins vor dem Frauenthor“ (durchstrichen und verbessert in:) Industrie u. Cultur Verein —. „Garten des Herrn Kaufmann Weise vor dem Spittlertor“ (durch­ strichen und verbessert in:) Rosenau. 4,9 x 12,6 cm; 4,9 x 12,5 cm sämtlich Vorzeichnungen, Feder grau laviert. Für um 1830—1832?„/ste Station an der Seilergasse“. — „Das Pilatushaus am Thiergärt­ ner Thor“. — „//te Station in der Seilergasse“. 4.7 x 6,7; 4,7 x 10,9; 4,7 x 6,7 cm sämtlich Vorzeichnungen, Bleistift, grau laviert. „6te Station“ (=7. Station, Beweinung auf der östlichen Kirchhof­ mauer des Johannisfriedhofs) 4.8 x 6,7 cm Vorzeichnung, Bleistift. Für um 1835 Schloßzwinger 7.9 x 14,7 cm (Blattgröße) 4.9 x 12,5 cm (Bildfeld) Vorzeichnung, Pinsel über Bleistift, grau laviert. Für um 1835 Gartenlokal (Rosenau) 7.8 x 15,2 cm (Blattgröße) 5 x 12,5 cm (Bildfeld) Vorzeichnung, Bleistift laviert. Für um 1830—1832? „ Dutzendteich “ — „ Hummelstein “ 5 x 12,5; 5 x 12,5 cm Vorzeichnungen, Feder, grau laviert. Für um 1830—1832}„Haus und Garten des Herrn von Stransky vor Wöhrd“ 4.9 x 12,4 cm Vorzeichnung, Feder, grau laviert. „Garten der Harmonie“ 4,8 x 13,3 cm Vorzeichnung, Feder, grau laviert. Für 1850 „Die Steinerne Brücke in Nürnberg“ (Maxbrücke). — „Die Insel Schütt in Nürnberg“ 4,3 x 9,3 cm, 4,3 x 9,3 cm Lithographie je mit Tonplatte. Verlag J. A. Endter’sche Handlung in Nürnberg (1. Jahreshälfte) Rücken an Rücken mit: „Der Thumenberg bei Nürnberg“ — „St. Leonhard bei Nürnberg“ 4,3 x 9,2, 4,3 x 9,3 cm Lithographie je mit Tonplatte rechts unten: „Gebhard gez. u. Lith.“ Bleistiftnotiz Amerdf. (2. Jahreshälfte).

Abb. 2:

Hallertürlein mit neuem Badhaus — Promenade vor dem Tiergärtnertor, 1829 (Kat. Nr. Ib).

Abb. 3:

Sulzbacher Straße — Moritzkapelle — Dürergrab — Sebalduskirche — Lorenzkirche, 1831 (Kat. Nr. II).

Abb. 4:

Mainberger’sches Haus — Polytechnische Schule — Platner’sches Haus am Egidienplatz, um 1830/32? (Kat. Nr. Va).

Abb. 5:

Industrie- und Kulturverein vor dem Frauentor — Rosenau, um 1830/32 (Kat. Nr. Vb).

Abb. 6:

Abb. 7:

Garten und Haus von Baron Stransky in Wöhrd — Garten der Harmonie, um 1830/32? (Kat. Nr. X).

Schmausenbuek-Ansichten (Cramer’sche Anlage, Mexico) — Merk’sche Anlage, um 1832 (Kat. Nr. III).

Abb. 8:

Schmausenbuck-Ansichten (Cramer’sche Anlage, Mexico) — Merk’sche Anlage in Steinbühl, 1832 (Kat. Nr. lila)

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Klett’sche Anlage (Palais) — Bestelmeier’sches Haus, 1832 (Kat. Nr. 111b).

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