Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [58]

Table of contents :
Helmut Müller, Die Reichspolitik Nürnbergs im Zeitalter der luxemburgischen
Herrscher 1346—1437 .................................................... 1
Theodor Gustav Werner, Die große Fusion der Zechen um den
Rappolt in Schneeberg unter Führung der Nürnberger von 1514
(III. Teil)...............................................................................................102
Ekkehard Westermann, Das „Jornal“ der Nürnberger Handelsgesellschaft
Hans Walther, Wolfgang Perger und Nikolaus Finckh
von 1512/13..........................................................................................116
Friedrich Merzbacher, Dr. Anton Kreß, Propst von St. Lorenz
(1478-1513).................................................................................. 121
Albert B ü h 1 e r , Albrecht Dürer und die deutschen Reichskleinodien 139
Siegfried Rösch, Gedanken eines Naturforschers zu Dürers „Melancholie“
...............................................................................................161
Elisabeth Pfeiffer, Zahlen und Zahlenverhältnisse im magischen
Quadrat Dürers....................................................................................... 168
Lore Sporhan-Krempel, Dürerbücher in der Herzog-August-
Bibliothek zu Wolfenbüttel................................................................ 208
Hans Joachim B e r b i g , Kaisertum und Reichsstadt..............................211
Matthias M e n d e , Apotheose Albrecht Dürers..................................... 287
Hermann Beckh, Johannes Zeltner (1805—1882), ein Nürnberger
Unternehmer....................................................................................... 304
Nachruf
Dr. Heinrich Kohlhaußen (1894—1970)............................................. 337
Buchbesprechungen (im einzelnen siehe Rückseite) .339
Neue Aufsätze zur Nürnberger Geschichte..................................................399
Jahresbericht über das 92. Vereinsjahr 1970 ............................................. 400
VII
BUCHBESPRECHUNGEN
Ferdinand G e 1 d n e r , Konradin, das Opfer eines großen Traumes. Größe, Schuld
und Tragik der Hohenstaufen, Bamberg 1970. (Werner Goez).............................. 3 39
Christian Tcnner, Die Ritterordensspitäler im süddeutschen Raum (Ballei Franken),
München 1969. (Gerhard Pfeiffer)......................................................................................... 340
Wolfgang von Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz 1350—1450, Wiesbaden 1970.
(Werner Schultheiß)................................................................................................................341
Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, hrsg. vom Stadtarchiv Nürnberg, Nürnberg
1967. (Otto Nübel)........................................................................................................ 347
Adelheid S i m s c h , Die Handelsbeziehungen zwischen Nürnberg und Posen im
europäischen Wirtschaftsverkehr des 15. und 16. Jahrhunderts, Wiesbaden 1970.
(Joachim Ahlbom)................................................................................................................354
Wilhelm Rausch, Handel an der Donau: I. Die Geschichte der Linzer Märkte im
Mittelalter, Linz 1969. (Heinrich Kunnert).......................................................................... 355
Ute Monika Schwöb, Kulturelle Beziehungen zwischen Nürnberg und den Deutschen
im Südosten im 14. bis 16. Jahrhundert, München 1969. (Fritz Schnelbögl) . . 3 58
Scripta Mercaturae, München l/2 1969. (Horst Pohl)...................................................................360
Heinrich Kohlhaußen, Nürnberger Goldschmiedekunst des Mittelalters und der
Dürerzeit 1240 bis 1540, Berlin 1968. (Hans Junge).................................................... 361
Georg Johannes Kugler, Die Reichskrone, Wien-München 1968. (Albert Bühler) . 364
Heinrich Theodor Musper, Dürers Kaiserbildnisse, Köln 1969. (Matthias Mende) 365
Kurt Pilz, Das Sebaldusgrabmal im Ostchor der St.-Sebaldus-Kirche in Nürnberg. Ein
Messingguß aus der Gießhütte der Vischer, Nürnberg 1970. (Günther Bräutigam) 368
Hans K r e ß e 1, Albrecht Dürer. Der Mensch — Der Christ — Der Künstler. Nürnberg
1971. (Gottfried Seebaß)........................................................................................................ 369
Elisabeth Grünenwald, Leonhard Kern, ein Bildhauer des Barock, Schwäbisch
Hall 1969. (Heinz Stafski).................................................................................................370
Georg Philipp Harsdörffer und Johann K 1 a j, Pegnesisches Schäfergedicht in
den Berinorgischen Gefilden, Nürnberg 1969. (Helmut Häußler)..............................371
Universität und Gelehrtenstand 1400—1800, hrsg. von Hellmuth Rössler (f) und
Günther F r a n z , Limburg/Lahn 1970. (Karlheinz Goldmann)..............................371
Hartmut H. Kunstmann, Zauberwahn und Hexenprozeß in der Reichsstadt Nürnberg,
Nürnberg 1970. (Friedrich Merzbacher)...................................................................372
Adolf Schuster, Rechtsbeziehungen zwischen Weiden und Nürnberg, Weiden 1969.
(Werner Schultheiß)................................................................................................................374
Richard van Dülmen, Orthodoxie und Kirchenreform — Der Nürnberger Prediger
Johannes Säubert (1592—1646), München 1970. (Dieter Wölfel) . . . 3 75
Eugen Skasa-Weiß, Demoiselle Clairon, Ansbachs kleine Landesmutter, Nürnberg
1969. (Helmut Häußler).................................................................................................378
Johann Benjamin Erhard, Über das Recht des Volks zu einer Revolution und andere
Schriften, München 1970. (Hans Joachim Berbig)................................................................... 378
Ulrike M. Dorda, Johann Aloys Joseph Reichsfreiherr von Hügel (1754—1825),
Nürnberg 1969. (Erwin Riedenauer)..................................................................................379
VIII
Fritz Loschge, Conrad Männert. Leben und Wirken eines Nürnberger Gelehrten in
Franken und Altbayern (1756 bis 1834), Erlangen-Nürnberg 1968. (Hans Joachim
Berbig).............................................................................................................................. 380
Gudrun C a 1 o v , Museen und Sammler des 19. Jahrhunderts in Deutschland, Berlin
1969. (Matthias Mende)................................................................................................. 382
Erich Maschke, Es entsteht ein Konzern. Paul Reusch und die GHH, Tübingen 1969.
(Otto Nübel)..............................................................................................................................384
Günter Opitz, Der Christlich-soziale Volksdienst, Düsseldorf 1969. (Gerhard
Hirschmann)..............................................................................................................................385
Edward N. Peterson, The Limits of Hitlers Power, Princetcn, New Jersey 1969.
(Walter Lehnert).......................................................................................................................386
Fritz Nadler, Eine Stadt im Schatten Streichers, Nürnberg 1970. (Helmut Häußler) 388
Günter G a d, Büros im Stadtzentrum von Nürnberg. Ein Beitrag zur City-Forschung,
Erlangen 1968. (Erich Mulzer).................................................................................................388
Joachim Richter, Nürnberg und Umgebung, Nürnberg 1966. (Helmut Häußler) . . 390
Historisches Ortsnamenbuch von Bayern, Mittelfranken, Landkreis Scheinfeld, bearb.
von Wolf Dieter O r t m a n n , München 1967. (Fritz Schnelbögl) . . 391
Fränkische Lebensbilder, hrsg. im Auftrag der Gesellschaft für fränkische Geschichte von
Gerhard Pfeiffer, Würzburg 1969. (Werner Schultheiß).............................................. 393
Karlheinz Goldmann, Weihnachten in Franken, Nürnberg 1970. (Walter Lehnert) 396
Adolf Schwammberger, Geschichten und Beobachtungen, Neustadt/Aisch 1970.
(Walter Lehnert)....................................................................................................................... 397

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Mitteilungen des

Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

58. Band 1971

Nürnberg 1971 Selbstverlag des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

Schriftleitung: Dr. Gerhard Hirschmann, Dr. Fritz Schnelbögl

Für Form und Inhalt der Aufsätze und Rezensionen sind die Verfasser verantwortlich. Der Verein dankt für Druckzuschüsse der Stadt Nürnberg, der Stadtsparkasse Nürnberg und dem Bezirkstag von Mittelfranken. Gesamtherstellung: Buchdruckerei Ph. C. W. Schmidt, Neustadt/Aisch Klischees: Firma Döss, Nürnberg Alle Rechte, auch des Abdrucks im Auszug, Vorbehalten. Copyright by Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg (Geschäftsstelle: 85 Nürnberg, Egidienplatz 23—27)

Dieser Band sei gewidmet zwei um die Nürnberger Geschichtsforschung hochverdienten Männern: Herrn Archivdirektor i. R. Dr. jur. Werner Schultheiß, 1962—1969 1. Vorsitzender des Vereins, seit 1970 Ehrenmitglied, zum 65. Geburtstag am 28. April 1971, und Herrn Direktor der städt. Kunstsammlungen i. R. Dr. Wilhelm Schwemmer, 1962—1967 2. Vorsitzender des Vereins, zum 70. Geburtstag am 20. November 1971

INHALT Helmut Müller, Die Reichspolitik Nürnbergs im Zeitalter der luxem­ burgischen Herrscher 1346—1437 .................................................... 1 Theodor Gustav Werner, Die große Fusion der Zechen um den Rappolt in Schneeberg unter Führung der Nürnberger von 1514 (III. Teil)...............................................................................................102 Ekkehard Westermann, Das „Jornal“ der Nürnberger Handels­ gesellschaft Hans Walther, Wolfgang Perger und Nikolaus Finckh von 1512/13..........................................................................................116 Friedrich Merzbacher, Dr. Anton Kreß, Propst von St. Lorenz (1478-1513)..................................................................................

121

Albert B ü h 1 e r , Albrecht Dürer und die deutschen Reichskleinodien

139

Siegfried Rösch, Gedanken eines Naturforschers zu Dürers „Me­ lancholie“ ...............................................................................................161 Elisabeth Pfeiffer, Zahlen und Zahlenverhältnisse im magischen Quadrat Dürers....................................................................................... 168 Lore Sporhan-Krempel, Dürerbücher in der Herzog-AugustBibliothek zu Wolfenbüttel................................................................ 208 Hans Joachim B e r b i g , Kaisertum und Reichsstadt..............................211 Matthias M e n d e , Apotheose Albrecht Dürers..................................... 287 Hermann Beckh, Johannes Zeltner (1805—1882), ein Nürnberger Unternehmer....................................................................................... 304 Nachruf Dr. Heinrich Kohlhaußen (1894—1970)............................................. Buchbesprechungen (im einzelnen siehe Rückseite)

337

.339

Neue Aufsätze zur Nürnberger Geschichte..................................................399 Jahresbericht über das 92. Vereinsjahr 1970 .............................................

400

VII

BUCHBESPRECHUNGEN Ferdinand G e 1 d n e r , Konradin, das Opfer eines großen Traumes. Größe, Schuld und Tragik der Hohenstaufen, Bamberg 1970. (Werner Goez).............................. 3 39 Christian Tcnner, Die Ritterordensspitäler im süddeutschen Raum (Ballei Franken), München 1969. (Gerhard Pfeiffer)......................................................................................... 340 Wolfgang von Stromer, Oberdeutsche Hochfinanz 1350—1450, Wiesbaden 1970. (Werner Schultheiß)................................................................................................................341 Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs, hrsg. vom Stadtarchiv Nürnberg, Nürn­ berg 1967. (Otto Nübel)........................................................................................................ 347 Adelheid S i m s c h , Die Handelsbeziehungen zwischen Nürnberg und Posen im europäischen Wirtschaftsverkehr des 15. und 16. Jahrhunderts, Wiesbaden 1970. (Joachim Ahlbom)................................................................................................................ 354 Wilhelm Rausch, Handel an der Donau: I. Die Geschichte der Linzer Märkte im Mittelalter, Linz 1969. (Heinrich Kunnert).......................................................................... 355 Ute Monika Schwöb, Kulturelle Beziehungen zwischen Nürnberg und den Deutschen im Südosten im 14. bis 16. Jahrhundert, München 1969. (Fritz Schnelbögl) . .

3 58

Scripta Mercaturae, München l/2 1969. (Horst Pohl)................................................................... 360 Heinrich Kohlhaußen, Nürnberger Goldschmiedekunst des Mittelalters und der Dürerzeit 1240 bis 1540, Berlin 1968. (Hans Junge).................................................... 361 Georg Johannes Kugler, Die Reichskrone, Wien-München 1968. (Albert Bühler)

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Heinrich Theodor Musper, Dürers Kaiserbildnisse, Köln 1969. (Matthias Mende)

365

Kurt Pilz, Das Sebaldusgrabmal im Ostchor der St.-Sebaldus-Kirche in Nürnberg. Ein Messingguß aus der Gießhütte der Vischer, Nürnberg 1970. (Günther Bräutigam)

368

Hans K r e ß e 1, Albrecht Dürer. Der Mensch — Der Christ — Der Künstler. Nürnberg 1971. (Gottfried Seebaß)........................................................................................................ 369 Elisabeth Grünenwald, Leonhard Kern, ein Bildhauer des Barock, Schwäbisch Hall 1969. (Heinz Stafski).................................................................................................370 Georg Philipp Harsdörffer und Johann K 1 a j, Pegnesisches Schäfergedicht in den Berinorgischen Gefilden, Nürnberg 1969. (Helmut Häußler).............................. 371 Universität und Gelehrtenstand 1400—1800, hrsg. von Hellmuth Rössler (f) und Günther F r a n z , Limburg/Lahn 1970. (Karlheinz Goldmann).............................. 371 Hartmut H. Kunstmann, Zauberwahn und Hexenprozeß in der Reichsstadt Nürn­ berg, Nürnberg 1970. (Friedrich Merzbacher)................................................................... 372 Adolf Schuster, Rechtsbeziehungen zwischen Weiden und Nürnberg, Weiden 1969. (Werner Schultheiß)................................................................................................................374 Richard van Dülmen, Orthodoxie und Kirchenreform — Der Nürnberger Prediger Johannes Säubert (1592—1646), München 1970. (Dieter Wölfel) . . .

3 75

Eugen Skasa-Weiß, Demoiselle Clairon, Ansbachs kleine Landesmutter, Nürn­ berg 1969. (Helmut Häußler)................................................................................................. 378 Johann Benjamin Erhard, Über das Recht des Volks zu einer Revolution und andere Schriften, München 1970. (Hans Joachim Berbig)................................................................... 378 Ulrike M. Dorda, Johann Aloys Joseph Reichsfreiherr von Hügel (1754—1825), Nürnberg 1969. (Erwin Riedenauer).................................................................................. 379

VIII

Fritz Loschge, Conrad Männert. Leben und Wirken eines Nürnberger Gelehrten in Franken und Altbayern (1756 bis 1834), Erlangen-Nürnberg 1968. (Hans Joachim Berbig)............................................................................................................................... 380 Gudrun C a 1 o v , Museen und Sammler des 19. Jahrhunderts in Deutschland, Berlin 1969. (Matthias Mende)................................................................................................. 382 Erich Maschke, Es entsteht ein Konzern. Paul Reusch und die GHH, Tübingen 1969. (Otto Nübel)...............................................................................................................................384 Günter Opitz, Der Christlich-soziale Volksdienst, Düsseldorf 1969. (Gerhard Hirschmann)...............................................................................................................................385 Edward N. Peterson, The Limits of Hitlers Power, Princetcn, New Jersey 1969. (Walter Lehnert).......................................................................................................................386 Fritz Nadler, Eine Stadt im Schatten Streichers, Nürnberg 1970. (Helmut Häußler)

388

Günter G a d, Büros im Stadtzentrum von Nürnberg. Ein Beitrag zur City-Forschung, Erlangen 1968. (Erich Mulzer).................................................................................................388 Joachim Richter, Nürnberg und Umgebung, Nürnberg 1966. (Helmut Häußler) .

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390

Historisches Ortsnamenbuch von Bayern, Mittelfranken, Landkreis Scheinfeld, bearb. von Wolf Dieter O r t m a n n , München 1967. (Fritz Schnelbögl) . .

391

Fränkische Lebensbilder, hrsg. im Auftrag der Gesellschaft für fränkische Geschichte von Gerhard Pfeiffer, Würzburg 1969. (WernerSchultheiß).............................................. 393 Karlheinz Goldmann, Weihnachten inFranken,

Nürnberg1970. (Walter Lehnert)

396

Adolf Schwammberger, Geschichten und Beobachtungen, Neustadt/Aisch 1970. (Walter Lehnert)....................................................................................................................... 397

IX

VERZEICHNIS DER MITARBEITER A h 1 b o r n , Joachim, Dr., Gymn.-Prof., 85 Nürnberg, Am Doktorsfeld 19 a B e ckh , Hermann, Dr., Arzt, 85 Nürnberg, Elsa-Brandström-Straße 1 B e rb i g , Hans Joachim, Dr., Oberstudienrat, 859 Marktredwitz, Beethovenstraße 8 Bräutigam, Günther, Dr., Konservator, 85 Nürnberg, Harmoniestraße 2 B ü h I e r , Albert, 75 Karlsruhe, Beifortstraße 2 G o e z , Werner, Dr., Univ.-Prof., 852 Erlangen, Universität G o 1 d m a n n , Karlheinz, Dr., Oberbibl.-Dir., 85 Nürnberg, Egidienplatz 13 H ä u ß 1 e r , Helmut, Dr., 85 Nürnberg, Stadtarchiv, Egidienplatz 23 Hirschmann, Gerhard, Dr., Archivdirektor, 8 5 Nürnberg, Gerngrosstraße 26 Junge, Hans, 8572 Auerbach (Opf.), Enge Gasse 9 Kunnert, Heinrich, Dr., wirkl. Hofrat i. R., A-8700 Leoben, Kärntner Straße 237/18 Lehnert, Walter, Dr., Oberarchivrat, 85 Nürnberg, Stadtarchiv, Egidienplatz 23 Mende, Matthias, Kunsthistoriker, 85 Nürnberg, Burgstraße 15 (Fembohaus) Merzbacher, Friedrich, Dr. Dr., Univ.-Prof., 87 Würzburg, Neubergstraße 9 Müller, Helmut, Dr., 4 Düsseldorf-Zoo, Hallbergstraße 1 Mulzer, Erich, Dr., Oberstudienrat, 85 Nürnberg, Viatisstraße 242 Nübel , Otto, Dr., Dipl.-Volkswirt, 85 Nürnberg, Westtorgraben 1 Pfeiffer, Elisabeth, 85 Nürnberg, Schnepfenreuther Weg 15 Pfeiffer, Gerhard, D. Dr., Univ.-Prof., 85 Nürnberg, Schnepfenreuther Weg 15 Pohl, Horst, Dr., 85 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Kartäusergasse 1 Rieden auer, Erwin, Dr., Kommission für bayerische Landesgeschichte, 8 München 22, Marstallplatz 8 Rösch, Siegfried, Dr., Univ.-Prof., 633 Wetzlar, Thiloweg 2 Schnelbögl, Fritz, Dr., Archivdirektor i. R., 8 5 Nürnberg, Blumröderstraße 9 Schultheiß, Werner, Dr., Archivdirektor i. R., 85 Nürnberg, Moosstraße 14 S e e b a ß , Gottfried, Dr., Pfarrer, 852 Erlangen, Jean-Paul-Straße 7 Sporhan-Krempel, Lore, Dr., 7 Stuttgart-Vaihingen, Stoßäckerstraße 14 Stafski, Heinz, Dr., Landeskonservator, 85 Nürnberg, Harrlacher Straße 1 Werner, Theodor Gustav, 8 München 55, Kurparkstraße 37 W estermann, Ekkehard, Dr., Studienrat, 6312 Laubach, Felix-Klipstein-Weg 24 W ö 1 f e 1, Dieter, Dr., Studienrat, 851 Fürth, Wolfringstraße 1

X

DIE REICHSPOLITIK NÜRNBERGS IM ZEITALTER DER LUXEMBURGISCHEN HERRSCHER 1346-1437 Von Helmut Müller Hermann Heimpel zum 70. Geburtstag gewidmet INHALTSVERZEICHNIS Vorwort...................................................................................................... Frühgeschichte Nürnbergs 1. Die Kaiserstadt................................................................................ 2. Die aufstrebende Handelsmacht .............................................. 3. Die politische und rechtliche Emanzipation der Stadt bis zum Ende der Regierungszeit Ludwigs des Bayern......................................... Nürnberg und Karl IV. 1. Die Anerkennung Karls und der Handwerkeraufstand................ / 2. Die Stadt des Kaisers...................................................................... 3. Der Prozeß mit dem Burggrafen...................................................... 4. Nürnberg als Vermittler zwischen Karl und den schwäbischen Städten .............................................................................................

2 2 5 6 10 14 18 23

Nürnberg und Wenzel 1. Vom Regierungsantritt Wenzels bis zum Ausbruch des Städte­ krieges 13 87 ...................................................................................... 2. Nürnberg im Städtekrieg 1387—1389 ......................................... 3. Vom Egerer Landfrieden bis zur Absetzung Wenzels...................

27 36 49

Nürnberg und Ruprecht von der Pfalz 1. Ruprechts Anerkennung und ersteRegierungsjahre ..................... 2. Der Marbacher Bund und die Rothenburger Fehde...................... 3. Nürnberg, der König und die Kirchenfrage ................................

59 62

Nürnberg und Siegmund 1. Die Verhandlungen der Stadt mit dem König bis zu seinem Ein­ zug in Nürnberg im September 1414............................................. 2. Reichspolitik im Schatten des Gegensatzes zwischen dem König und den Kurfürsten 1415—1425 3. Nürnberg, Vorposten des Reiches in den Wirren des Hussitenkrieges wie in den Reichsreformplänen Siegmunds...................... Schlußbetrachtung......................................................................................

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66 70 80 94 1

MVGN 5 8 (1971)

Die Reichspolitik Nürnbergs

Vorwort

Eugen Franz setzt in seinem Buch „Nürnberg, Kaiser und Reich“ mit der Darstellung der reichsstädtischen Außenpolitik erst gegen Ende des 15. Jahr­ hunderts voll ein, die kurze und summarische Betrachtung der vorhergehenden Jahrhunderte beginnt erst mit der Regierungszeit Friedrichs III. allmählich breiter und ausführlicher zu werden1. Vor diesem Zeitpunkt aber liegen vier Jahrhunderte nürnbergischer Geschichte, von denen besonders die letzten hundert Jahre vom Ausgang der Regierung Ludwigs des Bayern bis zum Tode Siegmunds die Reichsstadt Nürnberg bereits in einer politisch und wirtschaftlich imponierenden Machtstellung zeigen. Durch die Gunst des Wittelsbachers Ludwig war Nürnberg während seiner Regierungszeit zu einer der mächtigsten und einflußreichsten Städte des Reiches emporgestiegen. In der Epoche der luxemburgischen Herrscher von Karl IV. bis Siegmund einschließlich des zehn­ jährigen Intermezzos der Regierung Ruprechts von der Pfalz wußten die ver­ antwortlichen Ratsherren der Stadt diese Position nicht nur zu halten, sondern sie noch auszubauen. Den Weg der Reichsstadt Nürnberg in diesen knapp hundert Jahren bewegter Reichsgeschichte darzustellen, war Aufgabe und Ziel dieser Arbeit, die erstmalig 1949 als Dissertation von der Philosophischen Fakultät der Universität Göttingen angenommen wurde. Sie wird hier in einer überarbeiteten und gestrafften Fassung veröffentlicht, wobei der Verfasser sich bemüht hat, die inzwischen erschienenen neueren Arbeiten über diesen Zeitraum, soweit sie für die nürnbergische Geschichte von Bedeutung sind, durchzusehen und zu berücksichtigen. Die Überarbeitung der Dissertation und jetzige Veröffentlichung in den Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg erscheint deshalb gerechtfertigt, weil, abgesehen von Einzeluntersuchungen, eine grundlegende Gesamtdarstellung dieser hun­ dert Jahre nürnbergischer Geschichte bis heute nicht geschrieben worden ist. Frühgeschichte Nürnbergs

1. Die Kaiserstadt Die Geschichte Nürnbergs begann mit der Gründung des Bistums Bamberg. Reich hatte Kaiser Heinrich II. 1007 das neue Bistum ausgestattet. Ganz im Stile der ottonischen Reichskirchenpolitik hatte er dem jungen Bistum groß­ zügig fast alles Königsgut im ostfränkisch-nordbayerischen Raum zugewiesen. Aber schon unter seinen Nachfolgern, den ersten Saliern Konrad II. und Heinrich III., begann sich die Erkenntnis durchzusetzen, daß die neue religiöse Bewegung die Bistümer erfassen würde und das Reichskirchengut dem Einfluß der Herrscher entzogen werden könnte. Einem Herrscher wie Heinrich III., der planmäßig daran ging, das Krongut wieder zusammenzufassen und es zur Grundlage der königlichen Machtpolitik 1 E. Franz, Nürnberg, Kaiser und Reich.

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MVGN 58 (1971)

Die Reichspolitik Nürnbergs

auszubauen, mußte es gerade in diesem der böhmischen Grenze nahe gelegenen Raum notwendig erscheinen, die Reste des Krongutes zu sammeln und dem Bamberger Bistum verliehene Rechte wieder zurückzunehmen. Als Bischof Eberhard 1040 starb, wird Heinrich die Gelegenheit ergriffen und von seinem ihm treu ergebenen Kaplan Suidger, den er zum Nachfolger Eberhards be­ stimmte, die Zustimmung zu einigen Abtretungen eingeholt haben. In diesem Zusammenhang erfolgte die Errichtung der Burg und damit der Ausbau des neuen Krongutstützpunktes Nürnberg, dem Heinrich III. Marktrecht und Zoll verlieh2. Der Ausbau der Burg und der sich an die Veste anlehnenden Marktsiedlung ging wohl in dem Jahrzehnt bis 1050 vor sich, in dem Heinrich III. noch dreimal in dieses Gebiet kam, offensichtlich, um den Fortgang der Arbeiten selbst zu überwachen. 1050 fand der erste Hoftag Heinrichs III. „in Nuoremberc suo fundo“ statt3. Nach dem Staatsstreich von Kaiserswerth im Juli 1062 mußte der junge König Heinrich IV. unter dem Einfluß der geistlichen Regenten die von seinem Vater dem Bamberger Bistum abgenommenen Rechte zurückerstatten. Doch konnte die Übergabe des neuen Stützpunktes Nürnberg an Bamberg verhindert werden. Nürnberg entwickelte sich weiter, die Wallfahrten zu dem wunder­ tätigen Grab des Heiligen Sebaldus trugen zum Aufblühen des jungen Ortes bei4. Unter den Staufern begann der Aufstieg der Stadt. Konrad III. und Fried­ rich I. suchten das durch den Investiturstreit zersplitterte Reichsgut wieder zu sammeln. Sie erkannten, welche Aufgabe Heinrich III. Nürnberg zugedacht hatte. Nürnberg wurde Mittelpunkt des Reichsbesitzes in Franken und im bayerischen Nordgau5. Es bestand kein Unterschied zwischen staufischem Erb­ gut und Gütern des Reiches. Die Verwaltung oblag den obersten Reichsbe­ amten auf der Nürnberger Burg. Neben dieser ließ Friedrich I. eine neue Burganlage entstehen und baute sie zur „Pfalz" aus6. 2 K. Bosl, Drei Jahrhunderte Entwicklung zur Reichsstadt (1050—1347) in: Nürnberg — Geschichte einer europäischen Stadt, S. 11 ff. H. H. Hoffmann, Nürnberg, Gründung und Frühgeschichte in: Jahrb. für fränk. Landesforschung Bd. 10. H. Heimpel, Nürnberg und das Reich des Mittelalters in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Bd. 16. W. Schultheiß, Kleine Geschichte Nürnbergs. H. Dannenbauer, Die Entstehung des Territoriums der Reichs­ stadt Nürnberg. E. Freiherr von Guttenberg, Nürnberg im Wechselspiel der politischen Mächte des Mittelalters in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg (fortan MVGN) 42. 1. von Strampf, Die Entstehung und mittelalterliche Entwicklung von Nürnberg in geographischer Betrachtung, Diss., ferner die älteren Darstellungen: G. W. K. Lochner, Nürnberger Jahrbücher. E. Mummenhoff, Altnürnberg u. Der Reichsstadt Nürnberg geschichtlicher Entwicklungsgang. E. Reicke, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg. C. Hegel, Städtechroniken Bd. I (fortan St. Chr.), Einleitung. 3 K. Bosl, Nürnberg als Stützpunkt staufischer Staatspolitik in: MVGN 39. Annalen von Altaich 1050, MG SS 20, 805. NUB Nr. 9 Anm. 1. 4 H. Dannenbauer S. 2. St. Chr. I, S. XIV nach Lambert von Hersfeld 1072. H. H. Hoffmann S. 26 f. 5 H. Dannenbauer S. 3. H. H. Hoffmann S. 34. 6 G. Dehio, Geschichte der deutschen Kunst I, S. 267. W. Schultheiß S. 31. G. Pfeiffer, Studien zur Geschichte der Pfalz Nürnberg in: Jahrb. f. fränk. Landesforschung 19, S. 303—366.

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MVGN 58 (1971)

Die Reichspolitik Nürnbergs

So wurde Nürnberg Stadt und Festung des Reiches, Stützpunkt der stau­ fischen Kaiser im Kampf um ihre Anerkennung im Reich. Nürnberg hatte in der Stauferzeit von allen Reichsstädten die weitaus meisten Kaiser- und Herrscherbesuche aufzuweisen. Vor dieser Zeit noch eine Stadt ohne Tradition und ohne Bedeutung, verglichen mit den alten Kaiserstädten der sächsischen und salischen Zeit, war Nürnberg in dem staufischen Jahrhundert zu einer der bevorzugtesten Kaiserstädte des Reiches geworden. In den mit dem Sturz des staufischen Hauses verbundenen Untergang des Reichsbesitzes und des stau­ fischen Familiengutes drohte auch Nürnberg hineingezogen zu werden. Konradin verpfändete die Stadt seinem Oheim, dem Herzog Ludwig von Bayern7. Aber Nürnbergs Freiheit blieb unangetastet, vielleicht weil keiner der beiden bayerischen Herzoge, die 1269 ihre Lande untereinander aufteilten, dem anderen den alleinigen Besitz der Stadt gönnte8. In der nun mit Rudolf von Habsburg, dem es gelang, Nürnberg auszulösen, einsetzenden Periode wuchs die Stadt zu einer Bedeutung empor, wie sie kaum eine andere deutsche Stadt im Mittelalter erreicht hat. Es war die Zeit des Wahlkönigtums. Grafengeschlechter, mit der Führung des Reiches beauftragt, suchten, im Westen begütert, ihre Stellung durch Gewinnung einer Hausmacht im neuen Osten als Grundlage ihrer Herrschaft auszubauen. Diese Hausmacht bot sich für die Habsburger in Österreich, für die Luxemburger in Böhmen, für den Nassauer in Thüringen und Meißen. Über den Raum des alten Reiches hinweg griffen diese Grafengeschlechter des Westens nach dem Kolonialland des Ostens. Nürnberg wurde für sie Absprungbasis ihrer Unternehmungen nach dem Osten wie auch nach Süden, nach Italien. Hatten sie im Osten Fuß gefaßt, so wurde die Stadt für sie die Brücke zum alten Reich, die Verbindung zu ihren Stammländern im Westen9. Nürnberg war die Stadt des Reiches geworden. Hier spielte sich ein großer und bedeutender Teil der Reichsgeschichte ab. In den vornehmen Bürgerhäusern der Stadt kehrten die Herrscher des Reiches ein und hielten dort Hof10. 11 Der Nürnberger Bürger erlebte so Reichsgeschichte aus nächster Nähe, deshalb wohl auch gehörte er zu den wenigen Menschen dieser Zeit, denen der Reichs­ gedanke noch stark und lebendig geblieben war n. Die Sorge um das Wohl ihrer Stadt bestimmte die Nürnberger Ratsherren bei ihren Beratungen und Ent­ schlüssen ebenso wie die Sorge um das Wohl des ,heiligen Reiches’. Es war kein Unterschied: Nürnberg war Reichsboden, in Nürnberg war das Reich.

7 St. Chr. I, S. XVII, Anm. 1. E. Mummenhoff S. 8. v 8 G. Pfeiffer, Der Aufstieg der Reichsstadt Nürnberg im 13. Jahrhundert in: MVGN 44.

9 B. Schmeidler, Franken und das deutsche Reich im Mittelalter in: Erlanger Abhandlungen zur mittelalterlichen und neueren Geschichte Bd. XVI, S. 82 ff. H. Heimpel S. 235. 10 H. Heimpel S. 239 f. 11 H. Schmidt, Die deutschen Städtechroniken als Spiegel des deutschen Selbstverständnisses im Mittelalter in: Schriftenreihe der Hist. Komm, bei der bayer. Akad. der Wiss. Schrift 3.

4

MVGN 58 (1971)

Die Reichspolitik Nürnbergs

2. Die aufstrebende Handelsmackt

Im Zusammenhang mit der durch die häufigen Kaiserbesuche rasch wachsen­ den Bedeutung der jungen Ansiedlung entwickelte sich bald ein kräftiges Wirtschaftsleben. Die Bedürfnisse des Hofes, der zahlreichen fürstlichen Gäste mit ihrem Gefolge, der Besatzung der Burg mußten in erster Linie befriedigt werden. So entstanden viele handwerkliche Betriebe. Zahlreiche Zweige des Schmiedehandwerks sind schon früh in Nürnberg bezeugt12. Fleiß und gewerb­ lich künstlerische Fertigkeiten machten die Erzeugnisse des Nürnberger Hand­ werks, besonders die der Schmiede, zu Qualitätswaren ersten Ranges. Rasch wuchs die Nachfrage nach Nürnberger Metallwaren, nach Messern, Waffen und Rüstungen. Begünstigt wurde das Aufblühen dieser Metallindustrie durch die nahen Eisenvorkommen in der Oberpfalz und in der fränkischen Alb sowie durch die Kupfervorkommen im benachbarten böhmischen Kuttenberg13. Der schon früh einsetzende, erstaunlich schnelle und kräftige wirtschaftliche Auf­ schwung der Stadt wurde besonders durch die außerordentlich günstige Ver­ kehrslage Nürnbergs im Schnittpunkt der großen Handelsstraßen des Mittel­ alters von West nach Ost und von Süd nach Nord gefördert, ebenso aber auch durch die Weitsicht und den Wagemut nürnbergischer Unternehmer und Kaufherren, die frühzeitig die ihnen gegebene Chance erkannten und auf der Leistung der Handwerkerschaft aufbauend wertvolle Handelsprivilegien von den Herrschern, von nahen und ferneren Territorialherren einzuholen wußten, ja die selbst über die reichlich unsicheren Straßen zogen, um in fernen Landen wirtschaftliche Verbindungen herzustellen und Absatzmärkte für die Waren des Nürnberger Handwerks zu erschließen14. Hektor Ammann hat in seiner soeben erschienenen Arbeit über die wirt­ schaftliche Bedeutung Nürnbergs im Spätmittelalter überzeugend nachgewiesen, daß bereits um 1250 durch die wohlüberlegte und großzügige Wirtschafts­ politik der Staufer für Nürnberg ein „eindrucksvolles Gebäude von Zollfrei­ heiten“ geschaffen worden war15, das sich von dem im großen Freiheitsbrief Ludwigs des Bayern von 1332 auf geführten Katalog der nürnbergischen Handelsprivilegien nicht wesentlich unterschieden haben wird. Dem weiteren Aufschwung des Nürnberger Handels kam in der Folge die Entwicklung des deutschen Gesamtraumes von West nach Ost zugute16. 12 E. Mummenhoff S. 52. P. Sander, Die reichsstädtische Haushaltung Nürnbergs, S. 4/5. 13 Jetzt vor allem: H. Ammann, Nürnbergs wirtschaftliche Stellung im Spätmittelalter in: Nürnberger Forschungen 13. 14 H. Ammann S. 9 ff. G. Hirschmann, Nürnbergs Handelsprivilegien, Zollfreiheiten und Zollvertrage bis 1399 in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs I. 15 H. Ammann S. 38. Ludwig der Bayer bestätigte in einem Privileg von 1332 die Zollfrei­ heiten der Nürnberger in 70 Orten. L. v. Wölckem, Hist. Nor. Dipl., S. 281. 18 H. Heimpel S. 233: „Wie von einer Feder wird im 14. Jh. die deutsche Stadtwirtschaft von Frankfurt am Main nach Osten ausgezogen. Nürnberg wird die ,Spinne im Netz’ (I. v. Strampf) des mittelalterlichen europäischen Wirtschaftssystems .. ." I. v. Strampf S. 205 ff. H. Ammann S. 12 u. 20 ff. G. Hirschmann S. 1—48. J. Müller, Der Umfang und die Haupt­ routen des Nürnberger Handelsgebietes im Mittelalter in: VSWG VI, S. 36. Derselbe, Die Handelspolitik Nürnbergs im Spätmittelalter in: Jahrb. f. Nat. u. Statistik III. Folge, Bd. 38. C. Nordmann, Oberdeutschland und die deutsche Hanse in: Pfingstblätter des hansischen

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Nürnbergs Handel wurde Welthandel. Er erreichte bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts Flandern und die von der Hanse beherrschte Nord- und Ostsee­ küste. Er stieß nach Lothringen und Südfrankreich vor, in die Schweiz, nach Böhmen, Polen, Österreich und Ungarn, nach Italien und Spanien18. Am Ende des 14. Jahrhunderts war Nürnberg zur größten Handelsmetropole des Reiches emporgewachsen. Seine patrizische FührungsSchicht bestand fast ausnahmslos aus Männern, die sich aus Grundbesitz und Handel bedeutende Wirtschaftsunternehmen aufgebaut hatten und über weltweite Kontakte ver­ fügten. Sie wurden durch ihre finanzielle Stärke ebenso wie durch ihre wert­ vollen Erfahrungen und Verbindungen einflußreiche Geld- und Ratgeber der Könige und Kaiser. 3. Die politische und rechtliche Emanzipation der Stadt

bis zum Ende der Regierungszeit Ludwigs des Bayern Der Nürnberger Burggraf war vor 1192 als Vertreter des Kaisers der Be­ fehlshaber der Burg und der jungen städtischen Ansiedlung. Seine Aufgabe war vorwiegend militärischer Natur17. 1192 verlieh Kaiser Heinrich VI. die Burggrafschaft Friedrich von Zollern, dem Schwiegersohn des letzten Amts­ trägers aus dem Hause der Raabser. Bei dieser Gelegenheit nahm er der Burg­ grafschaft die Verwaltung des Reichsgutes und der Stadt. Er unterstellte die Stadt dem Schultheißen, das Reichsgut um Nürnberg einem weiteren Reichs­ beamten, der später — ab 1220 — in den Urkunden als ,Butigler’ bezeichnet wurde. Die Urkunde Friedrichs II. von 1219 gab der Bürgerschaft wertvolle neue Rechte, verlieh der Stadt jedoch noch nicht, wie früher angenommen, den Status der freien Reichsstadt18. Erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts, als das staufische Königtum im Kampf mit der Kurie in schwere Bedrängnis geriet, gelangte die Stadt mehr und mehr in den Besitz selbständiger Hoheitsrechte, da sich die Staufer die Treue der Bürger durch Zugeständnisse erhalten muß­ ten19. 1245 trat erstmalig in einer Urkunde die Nürnberger Bürgerschaft als Universitas civium hervor. Sinnbild dieser sich ausbildenden Selbstverwaltung war das Stadtsiegel. In der Zeit des Interregnums wurden die königlichen Ämter des Butiglers und des Schultheißen herrenlos. Der Butigler geriet in den Geschichtsvereins XXVI. Ders., Nürnberger Großhändler im spätmittelalterlichen Lübeck in: Nürnberger Beiträge zu den Wirtschafts- u. Sozialwissenschaften Heft 37/3 8. F. Rörig, Die europäische Stadt in: Propyläen-Weltgeschichte Bd.IV/l932. A. Tille, Die Gewinnung Norddeutschlands für den Nürnberger Handel in: Deutsche Geschichtsblätter Bd. XIV, Heft 4. P. Ostwald, Nürnberger Kaufleute im Lande des Deutschen Ordens in: Deutsche Ge­ schichtsblätter Bd. XIV, Heft 4. E. Birkner, Die Behandlung der Nürnberger im Ostsee­ gebiet in: Zeitschrift des westpreußischen Geschichtsvereins 69—70. L. Zimmermann, Die Bedeutung Nürnbergs für die deutsche Wirtschaft im Zeitalter des Frühkapitalismus in: Jahrb. f. fränk. Landesforschung Heft 4. 17 H. Dannenbauer S. 77. E. Pitz, Die Entstehung der Ratsherrschaft in Nürnberg im 13. u. 14. Jh. in: Schriftenreihe z. bayer. Landesgeschichte b. d. Bayer. Akad. d. Wiss. Bd. 55. 18 jetzt besonders: G. Pfeiffer, S. 14—25. E. Pitz S. 1. W. Schultheiß S. 33. 19 H. Dannenbauer S. 84. E. Pitz S. 4. G. Pfeiffer S. 16 ff.

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Machtbereich des Burggrafen, das Schultheißenamt wuchs mit der sich aus­ bildenden städtischen Führungsgruppe zusammen. Bereits 1256, als Nürnberg Mitglied des rheinischen Städtebundes war — der erste uns bekannte Beleg über eine selbständige nürnbergische Außenpolitik —, urkunden gemeinsam ,scultetus, consules et Universitas civium Nurembergensium’20. Als Rudolf von Habsburg nach seiner Krönung 1273 den Burggrafen Fried­ rich III. mit dem Burggrafenamt Nürnberg belehnte, bestätigte er ihm als Dank für seine Wahlhilfe bedeutende Redite in der Stadt21. Damit war der Burggraf zu einem gefährlichen Widersacher der aufstrebenden Stadt geworden. Dennoch blieb Nürnbergs Charakter als Reichsgut gewahrt. Sowohl Rudolf wie auch seine Nachfolger bestätigten die Nürnberger Privilegien. Die Errichtung der Reichslandvogtei Nürnberg durch Albrecht I. im Jahre 1298 hat einen nach­ haltigen Einfluß auf die Verfassung Nürnbergs ausgeübt22. Am 11. Juni 1313 erteilte Kaiser Heinrich VII. der Stadt einen neuen Freiheitsbrief, der dadurch bemerkenswert ist, daß in ihm die Entwicklung des Nürnberger Rates zur selb­ ständigen und allein verantwortlichen Behörde der Stadt erkennbar ist. Der Schultheiß erscheint jetzt bereits in einer vom Rat abhängigen Stellung. Er soll einmal im Jahr ,coram consulibus civitatis’ einen Eid ablegen, ,de faciendo iudicium aequanimiter tarn pauperibus quam divitibus, secundum rationabilem scabinorum sententiam’23. Damit war die Entwicklung zum Abschluß gelangt, das Aufsichtsrecht der Nürnberger Ratsherren über den Schultheiß ausdrücklich bestätigt. In der Bestimmung, daß in der Zeit der Thronvakanz ,Burg und Turm’ bis zur Wahl des neuen Königs von der Stadt und nicht vom Burggrafen verwaltet werden sollten, kam deutlich zum Ausdruck, daß dem Herrscher die Stadt ein besserer Garant für die Erhaltung des Reichsgutes war als der ehr­ geizige Territorialherr; denn Nürnberg selbst war ja Reichsboden, Nürnberg war das Reich24. In dem Kampf der Gegenkönige Ludwig von Bayern und Friedrich von Österreich entschied sich die Stadt frühzeitig für den Wittelsbacher und erhielt von diesem zum Dank neben der Bestätigung seiner Privilegien am 5. Januar 1315 das ,ius de non evocando’25. Dieses Privileg wurde 1332 auch auf die Hintersassen der Bürger auf ihren außerhalb der Stadt gelegenen Gütern aus­ gedehnt26. Damit wurde der Grundstein gelegt für die spätere Entwicklung der Stadt Nürnberg zum Territorium. 20 E. Pitz S. 7. 21 H. Dannenbauer S. 69. G. Pfeiffer, Comicia burcgravie in Nurenberg in: Jahrb. f. fränk. Landesforschung 11/12, S. 45 f¥. 22 Böhmer-Redlich, Reg. Imp. VI nr. 2118. L. v. Wölckern S. 797, S. 188, S. 203. W. Schult­ heiß, Die Acht-, Verbots- und Fehdebücher Nürnbergs von 1285—1400 in: Quellen u. Forschungen z. Gesch. d. Stadt Nürnberg 2. Bd., S. 30 ff. 23 Mon. Zoll. II, S. 314. L. v. Wölckern S. 228. E. Pitz S. 12 ff. W. Schultheiß, ebenda, S. 30 ff. Über die Entwicklung der Verfassung und Verwaltung Nürnbergs in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts s. jetzt die neueste Darstellung von W. Schultheiß in: Nürnberg — Ge­ schichte einer europäischen Stadt, hrsg. v. G. Pfeiffer. 24 H. Schmidt S. 41 ff. 25 Böhmer, Reg. Imp. 1314—1347 nr. 56. 26 Böhmer, Reg. Imp. 1314—1347 nr. 1430. L. v. Wölckern S. 278. 2

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Ludwig der Bayer hat in besonderem Maße zum Aufstieg Nürnbergs zu einer der bedeutendsten Städte des Reiches beigetragen. Sein ganz persönliches Verhältnis zur Stadt und ihren führenden Ratsgeschlechtern kam nicht nur darin zum Ausdruck, daß er in seinen 3 3 Regierungsjahren 74 mal in Nürnberg weilte, daß er in Nürnberger Patrizierhäusern wohnte und nicht auf der Burg, sondern auch in der großzügigen Erteilung von Privilegien, mit denen er die Rechtsstellung des Nürnberger Rates ausbaute und insbesondere gegenüber Ansprüchen des Burggrafen absicherte27. 1320 erteilte Ludwig der Stadt das Recht, jeden „schädlichen Mann", der in ihr Gefängnis kommt, zu richten28. Die Stadt hat mit diesem Privileg die höhere Gerichtsbarkeit neben dem Schultheißengericht erhalten29. 1323 war das Schultheißenamt an den Burggrafen verpfändet. In dieser Zeit verfügte Ludwig, daß der Gerichtsbann auf einen Nürnberger Bürger übergehen solle, wenn der (burggräfliche) Schultheiß „schädliche Leute" nicht richten wolle. Diese Be­ stimmung sollte so lange in Kraft bleiben, bis das Schultheißenamt wieder in der Gewalt des Kaisers war30. Die Verpfändung des Schultheißenamtes an den Burggrafen trug also wesentlich dazu bei, die städtische Gerichtsbarkeit von der des Schultheißen zu lösen, die Stadt vom Einfluß eines dem Burggrafen unterstehenden Schultheißen freizumachen31. Ludwig war in diesem Jahr 1323 in Konflikt mit der Kurie geraten. Papst Johann XXII. hatte im Oktober 1323 den Prozeß gegen Ludwig eröffnet und ihm das Recht, die Regierung zu führen, abgesprochen. In Nürnberg „in domo Alberti Ebener" verfaßte Ludwig seine erste Protestschrift gegen die Anklagen des Papstes32. Nürnberg blieb treu an der Seite Ludwigs, auch als der Papst ihn bannte und über seine Anhänger das Interdikt aussprach. Es unterstützte den König und seine Politik mit bedeutenden Geldbeträgen. Nach seiner Kaiserkrönung 1328 bestätigte Ludwig der Stadt als Dank für ihre Hilfe alle ihre Freiheiten mit dem Kaisersiegel33. Die Rechte am Reichswald wurden von Ludwig erheblich ausgebaut. 1331 unterstellte er alle Amtleute, Förster und Zeidler des Reichswaldes dem Rat der Stadt und gebot den Forstmeistern, in der Stadt Wohnung zu nehmen, also Bürger Nürnbergs zu werden34. Auch diese Maßnahmen dienten der Absiche­ rung des Nürnberger Gebietes gegenüber dem Burggrafen, dem der Sebalder Reichswald unterstand. Die führende Persönlichkeit im Rat der Stadt war in dieser Zeit der reiche Patrizier und Finanzkaufmann Konrad Groß, die erste 27 H. Heimpel S. 239 f. W. Wießner, Die Beziehungen Kaiser Ludwigs des Bayern zu Süd-, West- und Norddeutschland in: Erlanger Abhandlungen z. mittl. u. neueren Gesch. Bd. XII, S. 23. Jetzt neueste Gesamtdarstellung der vielfältigen Verbindungen Nürnbergs zu Kaiser Ludwig durch W. Schultheiß in: Nürnberg — Geschichte einer europäischen Stadt, S. 40 ff. 28 L. v. Wölckern S. 251. 29 W. Wießner S. 23. 30 L. v. Wölckern S. 254. 31 Dannenbauer S. 101. 32 Böhmer, Reg. Imp. nr. 664. A. Gemperlein, Konrad Groß, der Stifter d. Nürnberger Heilig­ geist-Spitals u. seine Beziehungen zu Kaiser Ludwig in: MVGN 39, S. 91. 33 Böhmer, Reg. Imp. nrr. 1002, 1003. L. v. Wölckern S. 271. 34 L. v. Wölckern S. 277. W. Wießner S. 26.

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plastischer hervortretende Gestalt in der Reihe der Nürnberger Ratsherren, deren Namen in der Folge immer wieder als Gesandte ihrer Stadt, als Diplomaten im kaiserlichen Dienst, als Handelsherren auf tauchen. „Heimlicher Ratgeber" Kaiser Ludwigs des Bayern, so hat Konrad von Megenberg Konrad Groß genannt. Er finanzierte die Reichspolitik Ludwigs in den dreißiger und vierziger Jahren. Seit 13 39 hatte er das Amt des Reichsschultheißen, das er aus dem Besitz des Burggrafen gelöst hatte, inne35. Dem von Ludwig am 1. Juli 1340 erlassenen fränkischen Landfrieden war auch Nürnberg, zusammen mit den Nachbar Städten Würzburg, Eichstätt, Bamberg und Rothenburg beigetreten36. Im Jahre 1344 erhielt Nürnberg von Ludwig die Erlaubnis, sich zur Sicherung des Landfriedens mit anderen Mit­ gliedern dieses Landfriedensbundes zusammenzuschließen. Kurz danach ging die Stadt ein Bündnis mit Würzburg ein, dem sich die Städte Weißenburg, Windsheim und Rothenburg anschlossen37. Gegen diesen Städtebund, den die Stadt Würzburg für ihren Streit mit dem Bischof einzusetzen versuchte, schloß dieser ein Bündnis mit dem Burggrafen von Nürnberg und anderen fränkischen Herren38. Der Ausbruch von Feindseligkeiten konnte indessen durch Vermitt­ lungsverhandlungen, an denen Konrad Groß führend beteiligt war, verhindert werden. In der Folge vermied es Nürnberg, mit der ständig mit ihrem Bischof im Streit liegenden Stadt Würzburg ähnliche Verbindungen einzugehen39. Als Ludwig der Bayer starb, stand die Reichsstadt Nürnberg auf dem Wege zur völligen politischen und rechtlichen Freiheit kurz vor dem Erreichen ihres Zieles. In den nächsten Jahrzehnten gelang es ihr, die wichtigen Reichsrechte Gericht, Zoll und Münze in Besitz zu nehmen. In der Goldenen Bulle Karls IV. wurde die Sonderstellung Nürnbergs durch die Bestimmung, daß jedes neue Reichsoberhaupt verpflichtet wurde, seinen ersten Reichstag in Nürnberg ab­ zuhalten, gesetzlich verankert40.

35 Böhmer, Reg. Imp. nrr. 2167, 2224, 2087. Über Konrad Groß jetzt besonders die Arbeiten von W. Schultheiß, Konrad Groß in: Fränkische Lebensbilder. NF. d. Lebensläufe aus Franken 2. Bd. hrsg. v. G. Pfeiffer. S. 59—82, ferner ders., Geld- und Finanzgeschäfte Nürnberger Bürger vom 13. — 17. Jh. in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs I. A. Gemperlein, s. o. Anm. 32. K. Groß war dem in seinen Unternehmungen gegen Frank­ reich und den Papst in Finanznot geratenen Kaiser mit einer erheblichen Summe (ca. 10 000 Pfd. Heller) beigesprungen und hatte dabei die Auslösung der für Nürnberg lebenswichtigen und einträglichen Ämter (Schultheißenamt und Zoll) aus der Hand des Burggrafen erreicht. W. Schultheiß, Konrad Groß in: Fränk. Lebensbilder 2. Bd. S. 66. W. Schultheiß weist in dieser Studie über den Nürnberger Patrizier darauf hin, daß die auffallend zahlreichen und reichen Stiftungen des Konrad Groß in dieser Zeit des Interdikts das Ziel verfolgten, die Verbindungen zur Kurie nicht ganz abreißen zu lassen. K. Groß hat selbst Beziehungen zur Kurie aufrechterhalten und vermutlich Vermittlungsversuche zwischen Kaiser und Kurie angestellt. W. Schultheiß, ebenda S. 77 f. 36 Böhmer, Reg. Imp. nr. 2087. 37 St. Chr. III S. 317 ff. Böhmer, Reg. Imp. 1314—1347 Anh. 383. 38 Mon. Zoll. III S. 117. 39 L. v. Wölckern S. 247. W. Schultheiß, K. Groß, S. 68. 40 H. Heimpel S. 242.

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Nürnberg und Karl IV.

I. Die Anerkennung Karls und der Handwerkeraufstand Die Kirche erwies sich im Kampf mit Ludwig auf die Dauer als die stärkere Macht. Es gelang ihr, die einheitliche Front, die Kaiser und Kurfürsten noch 1338 gebildet hatten, bald zu sprengen und eine kurfürstliche Opposition gegen Ludwig aufzubauen. Am 11. Juli 1346 wählten die abtrünnigen Kur­ fürsten von Mainz, Köln, Trier, Böhmen und Sachsen-Wittenberg den Luxem­ burger Karl von Böhmen zum römischen König1. Karl wurde im November 1346 in Bonn zum König gekrönt, nicht in der Krönungsstadt Frankfurt und auch nicht in Köln, weil die Bürgerschaften der Städte dem Bürgerfreund Lud­ wig die Treue hielten2. Auch Nürnberg stand treu zum alten Kaiser, ganz Franken bekannte sich zu Ludwig. Karl mußte, als Pilger verkleidet, sich durch Schwaben und Franken schleichen, als er nach dem Tode seines Vaters auf dem Schlachtfeld von Crecy nach Böhmen zurückeilte, um von dort aus den Kampf mit Ludwig auf­ zunehmen 3. Als Karl die Nachricht von dem plötzlichen Tode Ludwigs erhielt, rückte er in Eilmärschen in Franken ein. Er mußte versuchen, dieses wittelsbachische Kernland durch einen schnellen Handstreich in seine Gewalt zu bekommen. Gelang es, so hatte er den wittelsbachischen Wall von Bayern über Franken nach der Mark Brandenburg durchbrochen, sich einen Weg ins Reich und eine Verbindung zu den verbündeten westdeutschen Kurfürsten erkämpft. Wer Franken besaß, beherrschte das Reich. Am 11. Oktober 1347 war Ludwig gestorben, bereits am 31. Oktober stand Karl vor den Toren Nürnbergs, am 2. November hielt er seinen Einzug in die Stadt4. Der Nürnberger Rat huldigte dem neuen Herrscher und erhielt von ihm die Bestätigung aller früheren Privi­ legien. Ausdrücklich bescheinigte Karl den Nürnbergern, daß sie die gleichen Rechte und Freiheiten genießen sollten wie die Bürger von Prag in Böhmen, Mähren und Polen5. Der Entschluß der Ratsherren, den Söhnen des alten Kaisers die Treue aufzukündigen, entsprang ausschließlich realpolitischen Er­ wägungen: 1. Kaiser Ludwig war tot. Die wittelsbachische Partei hatte bisher nicht zu erkennen gegeben, welchen der Söhne des Kaisers sie als natürlichen Nach­ folger auf den Schild heben würde. 2. Karl dagegen besaß bereits einen Rechtstitel, er war von der Mehrheit der Kurfürsten ordnungsgemäß gewählt und gekrönt worden. 3. Karl besaß die Zustimmung des Papstes. Beim Volke wurde er deshalb als „Pfaffenkönig“ verspottet. Für die Stadtväter aber bedeutete die päpstliche 1 H. Heimpel, Deutschland im späteren Mittelalter in: Handbuch der Deutschen Geschichte Bd. I, Abschn. V, S. 55. 2 Ebenda. B. Schmeidler, Franken und das deutsche Reich im Mittelalter, S. 82 ff. 3 H. Heimpel, Handbuch S. 57. 4 G. W. K. Lochner, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg zur Zeit Karls IV., S. 1 ff. 5 Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII nrr. 397—405, 410, 422—425.

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Legitimation die Wiederherstellung des religiösen Friedens, die Aufhebung des seit vielen Jahren auf der Stadt lastenden Interdiktes. Das kirchliche Leben würde sich nun wieder normalisieren. Dem Ketzerunwesen, das in der Zeit des Interdikts um sich gegriffen hatte, konnte nun von kirchlichen und städtischen Behörden gemeinsam energisch Einhalt geboten werden6. 4. Auch der Burggraf war zusammen mit dem größten Teil des fränkischen Adels zu Karl übergegangen. Ein Abseitsstehen der Stadt hätte unweigerlich zur Folge gehabt, daß der neue König dem Burggrafen Herrschaftsbefugnisse über die Stadt einräumte, die die Freiheitsrechte der Stadt empfindlich be­ schnitten hätten7. Mit dieser politischen Schwenkung ihres Rates war jedoch ein großer Teil der Bürgerschaft nicht einverstanden. Antiklerikale Stimmungen einerseits und der im einfachen Volk weit verbreitete Glaube an die Heiligkeit des Königs­ blutes in Kaiser Ludwig, der als Bürgerfreund beliebt gewesen war und in der Stadt unter dem Volk gelebt hatte, andererseits trafen zusammen und wurden aufgegriffen von den aufbegehrenden Handwerkern, vor allem den Metall­ arbeitern, die Sitz und Stimme im Rat als Mitbegründer des Handelsreichtums forderten8. Es kam zu einem Aufstand, in dessen Verlauf der größte Teil der Patriziergeschlechter aus der Stadt flüchtete. Die Aufständischen bildeten einen neuen Stadtrat. Die neue Stadtregierung, der auch einige Patrizier angehörten9, rief die Söhne des alten Kaisers nach Nürnberg. Kurfürst Ludwig von Branden­ burg, ältester Sohn des toten Kaisers und neues Haupt der wittelsbachischen Partei, war zweifellos an dem Ausbruch des Aufstandes nicht unbeteiligt10. Den in Böhmen weilenden König mußte der Abfall der Stadt empfindlich treffen; denn gerade damals begann die wittelsbachische Partei sich zu for­ mieren und einen Gegenkönig aufzustellen. Wer Nürnberg besaß, konnte seine Streitkräfte im Herzen des Reiches aufmarschieren lassen11. Karl überblickte offenbar anfangs nicht, daß der größte Teil des alten Rates die Stadt verlassen hatte und somit für die Vorgänge in Nürnberg nicht ver­ antwortlich gemacht werden konnte. Er nahm am 17. Juni 1348 den Ge6 G. W. K. Lochner S. 1 ff. Die Stadt hatte allerdings bereits 13 32 86 Nürnberger Bürger als Ketzer aus der Stadt ausgewiesen. W. Schultheiß, K. Groß S. 77 u. ders., Die Acht-, Verbots- u. Fehdebücher v. 128 5—1400 in: Quellen u. Forschungen z. Gesch. d. Stadt Nbg. 2. Bd., S. 64. 7 So hatte Karl bereits am 31. 10. 1347 vor Nürnberg den Bürgern von Windsheim mitgeteilt, daß er Stadt und Judenschaft den Burggrafen von Nürnberg versetzt habe, und ihnen geboten, diesen zu huldigen. 8 H. Heimpel, Nürnberg u. d. Reich, S. 241. H. Lentze, Der Kaiser und die Zunftverfassung in den Reichsstädten bis zum Tode Karls IV., S. 114 ff. G. W. K. Lochner S. 1—92. ö Neueste Darstellung des Handwerkeraufstandes durch W. Schultheiß in: Nürnberg — eine europäische Stadt, S. 73 ff. 10 St. Chr. III, S. 328. Ludwig, Markgraf von Brandenburg, berichtete in einem Brief an den Erzbischof Heinrich von Mainz vom 6. Juni 1348, daß die Gemeinde zu Nürnberg die bisherigen Machthaber in der Stadt vertrieben und die Stadt sowie beide Burgen besetzt habe. Sie habe ihm Gehorsam geschworen, bis er zusammen mit dem Erzbischof und anderen Kurfürsten einen neuen König gewählt haben würde, M. G. Const. VIII S. 602 u. 612. H. Lentze S. 217. 11 J. Loserth, Geschichte des späteren Mittelalters, S. 296 f.

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schlechtem der Waldstromer, Forstmeister und Fischbecke ihre Reichslehen mit der Begründung, sie seien von ihm abgefallen und hätten sich Ludwig ange~ schlossen. Diese Aufsichtsrechte über den Reichswald gab Karl zusammen mit der Pflege des königlichen Jagdschlößchens Brunn, die bisher in der Hand des Rates der Stadt gelegen hatte, den Burggrafen Johann und Albrecht von Nürn­ berg12. Die Haltung der Burggrafen in der Aufstandszeit war zwiespältig. Sie erkannten die neue Stadtregierung in Nürnberg an, als sie am 18. Juni 1348 zusammen mit anderen fränkischen Fürsten und Herren einen Waffenstillstand mit der wittelsbachischen Partei eingingen, in den auf der Seite der Bayern auch Nürnberg einbegriffen war13. Später nahmen sie Geldbeträge von dem Revolutionsrat an und ließen sich weitere Zahlungen versprechen, für die sie beim König als Fürsprecher für die Stadt aufzutreten versprachen, als die Lage der Aufständischen infolge der Ausgleichsverhandlungen zwischen Karl und der wittelsbachischen Partei sehr bedenklich geworden war14. Andererseits wußten sie die Stimmung des Königs gegen das abtrünnige Nürnberg auszunutzen und Karl zu bewegen, Schritte gegen die Stadt zu unternehmen, deren Nutznießer sie allein waren15. Die aus der Stadt vertriebenen Patrizier hatten jedoch nicht die Absicht, die Stadt kampflos aufzugeben. Am 26. Juni 1349 kam es in Bonn zu einer ersten Begegnung der Emigranten mit dem König16. Jetzt erst, so scheint es, wurde Karl richtig und vollständig über die Vorgänge in Nürnberg unterrichtet. Er gestattete den mit ihm verhandelnden Patriziern, aus ihrer Mitte einen Fünfer­ ausschuß zu bilden und in ihren Bund alle diejenigen aufzunehmen, die im Konflikt mit der derzeitigen Stadtregierung aus Nürnberg fortgegangen waren. Am gleichen Tage erließ Karl einen Befehl an alle Fürsten, Herren und Städte im Reich und in Böhmen, die Aufständischen in Nürnberg nicht nur nicht zu unterstützen, sondern sie zu bekämpfen. Dieser Erlaß kam einer Achterklärung gleich17. Die Haltung des Nürnberger Revolutionsrates war durch den zwischen Karl und den Wittelsbachern am 26. Mai 1349 geschlossenen Sühnevertrag unhaltbar geworden. Der Rat versuchte jetzt, ebenfalls zu Karl umzuschwen­ ken und durch ein Geldgeschenk an den König die Begnadigung und An­ erkennung zu erhalten18. Am gleichen Tage, an dem Karl mit den Emigranten zusammentraf und den Reichsbefehl gegen die aufständische Stadtregierung erließ, also am 26. Juni 1349, gab er den Geschlechtern der Waldstromer, Forstmeister und Fischbecke ihre Reichslehen zurück19, mit der Begründung, daß diese Geschlechter nun 12 13 14

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Mon. Zoll. III, S. 190. Mon. Zoll. III, S. 191. Eine vom aufständischen Rat eingegangene Verpflichtung löste der alte/neue Rat erst nach längeren Verhandlungen 1350 ein, St. Chr. III, S. 335. Mon. Zoll. III, S. 193, St. Chr. III, S. 324. Mon. Zoll. III, S. 194, 205, 206. St. Chr. III, S. 328. Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII nr. 1038. St. Chr. III, S. 329. St. Chr. III, S. 331. St. Chr. III, S. 325.

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zu Karl zurückgekehrt seien20. Da der Besitz des Reichswaldes für die Stadt Nürnberg von lebensnotwendiger Bedeutung war, lag den verhandelnden Patriziern sehr daran, daß die Verfügung vom 17. Juni 1348 zurückgenommen wurde. Daß sie sich für die Rehabilitierung dieser 3 landadligen Geschlechter sehr eingesetzt haben, bleibt eine Vermutung, liegt aber sehr nahe. Am 13. Juli 1349 begnadigte Karl zwar die Aufständischen auf Bitten des Markgrafen Ludwig21; aber er befahl die Wiederherstellung der alten Zustände in der Stadt22. Im September 1349 traf der König in Nürnberg ein. In seiner Begleitung befanden sich die vertriebenen Patrizier. Die Häupter der Aufständischen entzogen sich der Festnahme durch die Flucht23. Der alte Rat übernahm wieder die Regierung der Stadt. Die kurze Episode der Nürnberger Handwerkerherrschaft war beendet24. Der König überließ die endgültige Bereinigung der Angelegenheit und die Wiederherstellung geordneter Verhält­ nisse in der Stadt den zurückgekehrten Ratsherren25. Der Rat machte von seinem Recht ausgiebigen Gebrauch, bis in den Juli 1350 dauerten die Prozesse gegen die Aufrührer, von denen 150 aus der Stadt ausgewiesen wurden. Todes­ urteile wurden indessen nicht ausgesprochen26. So scheiterte der Versuch der Handwerker, auch in Nürnberg Sitz und Stimme im Stadtregiment zu erhalten und die Alleinherrschaft des Patriziats zu brechen, gerade daran, daß sie sich, um ihre Ziele durchzusetzen, auf das Gebiet der großen Politik begaben. Indem sie ihre Sache mit der Wittelsbacher Opposition verbanden und sich damit gegen den rechtmäßigen König stellten, mußten sie in dem Augenblick scheitern, als diese Fürstenpartei den Wider­ stand aufgab und sich mit dem König arrangierte. In der Folge hat der umsichtige und diplomatisches Geschick beweisende patrizische Rat der Stadt jedoch Konzessionen an die Handwerker gemacht und acht Vertreter angesehener Handwerksbetriebe in den inneren Rat aufgenom­ men27. Auch die Tatsache, daß die Namen einiger der im aufständischen Rat vertretenen Patrizier und Ehrbaren bald nach Bereinigung der Lage wieder in den Ratslisten erscheinen, läßt darauf schließen, daß die zurückgekehrten Ratsherren bestrebt waren, die Grundlagen für einen dauerhaften Frieden in der Stadt zwischen den Parteien zu schaffen und die Gegensätze rasch zu überbrücken.

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Ebenda. St. Chr. III, S. 330. „ .. . auch süllen alle die, die hin auzzen sint, von unseren wegen in allen den eren, rechten, gewalt und wirden sitzen und beliben an allen Sachen, als sie vor gesessen sint, und sol auch kein czunft noch kein verbuntnüzze noch keinerley Sache da sein noch beliben, dann als diu stat von alter her komen ist untz an den tag und die zeit, als si uns enpfröndet ist." St. Chr. III, S. 3 30. St. Chr. III, S. 336. Flucht nachweisbar durch Ratsliste der Aufrührer und Stadtverbote. G. W. K. Lochner S. 3 3. St. Chr. III, S. 332. St. Chr. III, S. 326. H. Lentze S. 222. Ders., Nürnbergs Gewerbeverfassung im Mittelalter in: Jahrb. f. fränk. Landesforschung 24 S. 227. H. Lentze, Nbg.s Gewerbeverfassung, S. 228.

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2. Die Stadt des Kaisers Dem König war es zu verdanken, daß die Patrizier wieder in das Nürnberger Rathaus einziehen konnten. Es war selbstverständlich, daß sich die Ratsherren dafür erkenntlich zeigten28. Zur Wiederherstellung der zerrütteten Finanzverhältnisse der Stadt gab Karl den Bürgern die Genehmigung, gegen ihre Juden vorzugehen, ihr Ghetto abzubrechen und auf dem Gelände große Marktplätze anzulegen. In das Ver­ mögen der bei diesen Ausschreitungen ums Leben gekommenen oder ver­ triebenen Juden teilten sich der König, die Reichsfürsten und die Stadt29. Der Rat der Stadt war nun, nach der Wiedereinsetzung, sehr darum bemüht, dem König seine Treue zu beweisen und ihn bei seinen Versuchen, im Lande Ordnung zu schaffen und einen Landfrieden zu errichten, mit allen Kräften zu unterstützen. Karl seinerseits setzte die von Ludwig eingeschlagene Linie der Förderung und Bevorzugung Nürnbergs fort und machte die Stadt zum Sitz des bayrisch-fränkischen Reichslandfriedensgerichtes30. Darüber hinaus ging er konsequent daran, seine Landesherrschaft von Egerland aus bis an die Tore Nürnbergs auszubauen mit dem Ziel, sich einen unmittelbaren und ungehinderten Zugang nach Nürnberg zu verschaffen, zu der nach seiner Meinung „vornemsten und baz gelegensten stat des richs“. Karl hatte die Bedeutung Nürnbergs für seine Position im Reich klar erkannt und war be­ strebt, eine Wiederholung der Vorgänge von 1348 oder den Verlust der Stadt durch andere Vorkommnisse von vornherein auszuschalten31. Als sich im Frühjahr 13 50 das Verhältnis zwischen dem König und dem Burggrafen trübte, offenbar wegen der Rückgabe einiger Privilegien an die Stadt Nürnberg, erteilte Karl den Nürnbergern das Recht, sich mit den schwä­ bischen Städten zu verbinden32. Im Jahre 1354, als Karl im Begriff stand, den deutschen Reichsboden zu verlassen und nach Italien zu gehen, gab er der Stadt die Erlaubnis, sich mit Fürsten, Grafen, Herren und Städten zusammen­ zuschließen33. Aus diesem Dokument ist die Sorge der Nürnberger Ratsherren zu erkennen, in der Zeit der königlichen Abwesenheit vom Reich Sicherheiten für die Stadt und ihre Handelswege zu erhalten. Bei der Kaiserkrönung in Rom 1355 waren auch Nürnberger Ratsherren anwesend. Sie versäumten nicht, sich in der Stunde der Krönung die Privilegien der Stadt „sub aurea bulla“ beMatthias von Neuenburg p. 281 u. 43 5. St. Chr. III, S. 325. G. W. K. Lochner S. 33 f. Jetzt vor allem: W. Schultheiß, Kaiser Karl IV. und die Reichsstadt Nürnberg in: MVGN 52. Ders., Kleine Geschichte Nürnbergs, S. 39. Die Vermutung liegt nahe, daß der Rat mit diesen Maßnahmen gegen die Juden zugleich den Zweck verfolgte, der möglicherweise durch die Niederschlagung des Volksaufstandes aufgestauten Verbitterung der Massen ein Ventil zum Ausbruch in eine andere Richtung zu geben. 30 Nürnberg trat den königlichen Landfriedensbünden vom 4. Okt. 1350 und vom 23. Aug. 1353 bei, Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII, nrr. 1178, 1580. H. Heimpel S. 242. 31 Neueste Darstellung der Territorialpolitik Karls IV. in „Neuböhmen“ in: Handbuch d. bayerischen Geschichte Bd. 2, S. 208 f. Ferner W. Schultheiß, Kaiser Karl IV. u. d. Reichs­ stadt Nürnberg, S. 47 ff. E. Maschke, Karl IV., Wesen u. Werk, S. 3 87. 32 Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII nr. 1282. 33 Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII nr. 1927. 28

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stätigen zu lassen34. Nach seiner Rückkehr ins Reich hielt der Kaiser in Nürn­ berg jenen großen Reichstag ab, in dessen Verlauf die ersten 23 Artikel der Goldenen Bulle entstanden, die am 10. Januar 1356 „in solemni curia“ ver­ öffentlicht wurden35. Mit der Bestimmung, daß jedes neue Reichsoberhaupt fortan nach seiner Wahl in Frankfurt und seiner Krönung in Aachen den ersten Reichstag in Nürnberg abzuhalten verpflichtet wurde, war die Sonderstellung Nürnbergs nun auch gesetzlich verankert worden36. Karl war bemüht, seinem Königtum durch eine kluge und planvolle Haus­ machtpolitik im Reich eine feste und gesicherte Grundlage zu verschaffen. Es gelang ihm, diese Bestrebungen mit seiner Reichspolitik in eine glückliche Verbindung zu bringen. In Nürnberg überschnitten sich „die beiden Kreise der Reichs- und Hausmachtpolitik“ des Kaisers37. So wurde Nürnberg des Kaisers zweite Residenz neben Prag38. Die Stadt hat die Politik des Kaisers mit nam­ haften Geldgeschenken unterstützt, vor allem auch die beiden Italienfahrten Karls 1354/5 5 und 1368/69 mitfinanziert39. Im Einvernehmen mit dem Kaiser hat Nürnberg wesentlich dazu beigetragen, daß die dem Burggrafen seit 1347 verpfändeten Nachbarstädte Windsheim und Weißenburg aus der Pfandschaft gelöst werden konnten40. Am 8. Januar 1360 stellte Karl den beiden fränkischen Reichsstädten, die sich um 28 000 Gulden aus der Pfandschaft des Burggrafen gelost hatten, die Urkunde aus, daß sie „vom Reich, von der Pflege und Landvogtei Nürnberg und Rothenburg“ nie­ mals veräußert werden und zwanzig Jahre steuerfrei sein sollen41. Diese Bestimmung bedeutete praktisch, daß die beiden kleinen Städte fortan unter dem Schutz der großen und mächtigen Schwesterstädte Nürnberg und Rothenburg stehen sollten. Am gleichen Tage aber gab der Kaiser dem Rat und den Bürgern von Nürnberg das Privileg, seinen Reichsnachfolgern nicht eher zur Huldigung verpflichtet zu sein, bevor diese nicht die Reichsfreiheit und Unantastbarkeit der Städte Weißenburg und Windsheim garantiert hatten42. Diese Urkunden beleuchten die Machtverhältnisse der Zeit ebenso eindeutig wie die Politik des Nürnberger Rates. Verpfändet zu werden war in der da­ maligen unsicheren Zeit bei der ständigen Geldknappheit der Herrscher die größte Sorge der Reichsstädte, insbesondere der kleineren, die ihre politische Haltung bestimmte. Die Lösung der beiden benachbarten fränkischen Städte 34 Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII nrr. 2025—203 . L. v. Wölckern S. 356, 361, 363, 364. 35 K. Zeumer, Die Goldene Bulle Karls IV., Bd. I, S. 93, Bd. II, S. 45. 33 H. Heimpel S. 241 f. H. Liermann, Die Goldene Bulle von 1356 und Franken in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 21, S. 6 ff. 37 E. Maschke, Karl IV., Wesen und Werk, S. 387 in: Mitteilungen d. Akad. z. wiss. Er­ forschung u. Pflege d. Deutschtums 3. 38 H. Heimpel S. 241 f. H. Liermann S. 11 ff. 39 Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII nr. 6730 (1. Erg.heff) u. nrr. 3065, 3091, 4059, 4060, 4077, 4386, 4616. Insgesamt hat Nürnberg dem Kaiser rund 100 000 Goldgulden gezahlt. Eine Aufstellung befindet sich bei W. Schultheiß, Kaiser Karl IV. u. die Reichsstadt Nürnberg in: MVGN 52, S. 45. 40 Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII nr. 3091. 41 Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII nr. 3028. L. v. Wölckern S. 384. 42 Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII nr. 3030. Gleichlautendes Privileg an Rothenburg, Mon. Zoll. III, S. 365. 8

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aus der Pfandschaft des Burggrafen war für Nürnberg von besonderer Be­ deutung, da die Stadt in dieser Zeit selbst in einem äußerst gespannten Ver­ hältnis zum Burggrafen stand, mit dem sie wenige Jahre später vor einem vom Kaiser einberufenen Fürstenschiedsgericht einen Prozeß ausfocht, über den im nächsten Kapitel zu berichten sein wird. Durch diese Entscheidung des Kaisers war die Stellung Nürnbergs gegenüber dem Burggrafen, wie überhaupt die reichsstädtische Sache in Franken gegen­ über den anderen Ständen, außerordentlich gestärkt worden43. Die Nürnberger waren entschlossen, die Gunst der Stunde zu nutzen. Wenige Wochen später, am 5. Februar 1360, schlossen sich die Städte Nürnberg, Weißenburg und Windsheim zusammen und vereinbarten, künftigen Kaisern nur gemeinsam huldigen zu wollen44. Dieser einem Bündnis gleichkommenden Absprache muß sich auch Rothen­ burg angeschlossen haben, fortan wurden in kaiserlichen Urkunden die vier Städte stets gemeinsam genannt, so in dem Erlaß vom 14. Februar 1367, in dem der Kaiser ihnen den Befehl erteilte, dem von ihm eingesetzten Reichs­ vikar an seiner Stelle Gehorsam zu leisten, ein Beweis für uns, daß der Bund der fränkischen Städte auch von der kaiserlichen Kanzlei anerkannt worden war45. Ziel der Nürnberger Politik war die Sicherung und Stärkung der Reichsstädte in Franken gegenüber den anderen Ständen. Aber in dieser Verbindung der Städte lag auch eine Gefahr: daß sie sich gegenüber den Fürsten und Herren zu sehr abkapselten und versteiften, daß ihr Bund von diesen allzu leicht als feindselige Maßnahme angesehen werden konnte, durch den sie ihrerseits sich zu Handlungen verleiten ließen, die die Gegensätze zwischen den ständischen Gruppen vertiefen mußten46. Hier nun zeigte Nürnberg, daß es keinesfalls einen engstirnigen städtischen Partikularismus verfocht, sondern lediglich die Stärkung der Reichsstädte als Stand des Reiches innerhalb der Reichs- und Landfriedenspolitik des Kaisers erstrebte. Es suchte Anschluß und Rückhalt bei dem, der die Krone des Reiches trug und das Reich verkörperte, dem Kaiser. Dem Bestreben der Nürnberger Ratsherren, den Bund der fränkischen Städte unter den Schutz des Kaisers zu stellen, kam in diesem Augenblick der alternde Herrscher selbst entgegen mit seinem Wunsch, die Nachfolge im Reich seinem Sohn Wenzel noch zu seinen Lebzeiten zu sichern. Bei den Fürsten hätte Karl vorerst keine Unterstützung 43 H. Heimpel S. 242: ,Nürnberg zwingt das Reich zur Wahrung der Reichsrechte, Nürnberg ist das Reich.’ 44 Böhmer-Huber, Reichssachen nrr. 3 31, 3 32. Reichstagsakten (RTA) I S. 58 Anm. Die enge Anlehnung Nürnbergs an die kaiserliche Politik geht auch daraus hervor, daß Nürnberg im Jahre 1362/63 dem Kaiser für seine kriegerischen Auseinandersetzungen mit Herzog Rudolf IV. von Österreich und dem ungarischen König Ludwig Waffen lieferte. W. G. Neukam, Eine Nürnberger-Sulzbacher Plattenlieferung für Karl IV. in den Jahren 1362/63 in: MVGN 47, S. 124 ff. 45 Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII nr. 4495. Den fränkischen Landfrieden vom 2. Febr. 1371 Unterzeichneten die vier Städte gemeinsam, Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII, nr. 493 3. 46 Über die gerade in dieser Zeit zu verzeichnende Bevorzugung des Burggrafen durch den Kaiser und dessen Ehepläne s. nächstes Kapitel.

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gefunden, im Gegenteil, er hätte befürchten müssen, durch allzu frühes Auf­ decken seiner Pläne bei ihnen Opposition hervorzurufen, die vielleicht sogar zur Aufstellung eines Gegenkönigs geführt hätte. Karl mußte sich zuerst im Reich eine feste Grundlage schaffen, von der aus er seine Pläne zur Gewinnung der Fürsten weiter verfolgen konnte. Er wird sich der Situation von 1347 erinnert haben, als er sich verkleidet durch das wittelsbachische Franken schleichen mußte, um in seine Stammlande zu gelangen. Franken war das Herz des Reiches, wer Franken besaß, beherrschte das Reich. Nürnberg aber war das Haupt der fränkischen Städtegruppe, inmitten der fürstlichen Territorien der stärkste Stützpunkt des Reiches. Am 13. September 1367 schloß Karl IV. ein Bündnis mit der Stadt Nürnberg auf Lebenszeit und verpflichtete sich, der Stadt mit der erforderlichen Macht gegen alle beizustehen, die Nürnberger Besitzungen und Rechte anzugreifen versuchten. Dieser Vertrag wurde auch auf den jungen Wenzel ausgedehnt für den Fall des Todes Karls IV. mit dem ausdrücklichen Vermerk ,bis zur neuen rechtmäßigen KönigswahF47. Die Verpflichtung, die Nürnberg dabei einging, stand nicht im Widerspruch zu der bisherigen Politik der Stadt. Nürnberg hatte seit 1348 konsequent die Politik Karls unterstützt. Der Vertrag verpflichtete die Stadt zwar, sich im Falle eines Todes des Kaisers für eine Thronkandidatur Wenzels einzusetzen. Sollten indessen die Kurfürsten einen anderen als den Kaisersohn auf den Thron des Reiches setzen, so erlosch damit auch die Bundesverpflichtung Nürnbergs. Andererseits aber gewann die Stadt mit diesem Pakt den Kaiser als Verbündeten. Die Verpflichtung, die er ein­ ging, der Stadt gegen alle, die Nürnberger Rechte und Besitz angreifen würden, mit aller Macht beizustehen, war für Nürnberg von unschätzbarem Wert, vor allem in der Auseinandersetzung mit dem Burggrafen. Die Nürnberger Ratsherren gingen sofort daran, diese durch das Bündnis mit dem Kaiser gewonnene Stellung auszubauen. Sie führten dem Kaiser die anderen fränkischen Reichsstädte zu, mit denen Karl für sich und Wenzel gleichlautende Verträge wie mit Nürnberg abschloß48. Darüber hinaus erteilte der Kaiser den Nürnbergern das Recht, weitere Mitglieder für diesen Bund anzuwerben und in diesen aufzunehmen49. Die Stellung der fränkischen Reichsstädte war damit nahezu unangreifbar geworden. Nürnberg hatte sie zu gemeinsamem politischen Handeln zusam­ mengefaßt, der Kaiser war ihr Verbündeter. Dieser Kaiser aber war kein Herrscher, der um seine Behauptung im Reich gegen Fürsten und Kurie ringen mußte, sondern der in seiner Reichspolitik nüchtern, aber souverän das Steuer des Reiches fest in der Hand hielt, der noch im gleichen Jahr nach Rom zog, um dem Papst die Rückkehr in die heilige Stadt zu ermöglichen. Mehrmals wies der Kaiser seine Beamten in Franken und Bayern an, den mit ihm ver­ bündeten Nürnbergern gegen alle Angreifer beizustehen, so am 15. Mai

47 RTA I, S. 2 u. nrr. 27—30. 48 RTA I, nrr. 31, 32. 49 RTA I, nr. 27, Anm. 3. H. Heimpel S. 244.

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1375 50 und am 20. Juni 1375 mit dem Zusatz, daß alle kaiserlichen Schlösser und Festen den Bürgern von Nürnberg geöffnet werden sollten51. Kein Städtebund des späten Mittelalters hat einen solchen kaiserlichen Schutz genossen wie der Bund der vier fränkischen Reichsstädte unter Karl IV./

3. Der Prozeß mit dem Burggrafen

In der Aufstandszeit hatten sich, wie wir gesehen hatten, die Burggrafen in den Besitz wichtiger Rechte und Ämter in und um Nürnberg zu bringen ver­ standen 52. Nach der Wiederherstellung der alten Ordnung mußte der Rat daran gehen, alle der Stadt abgenommenen und dem Burggrafen übertragenen Rechte wieder in seine Hand zu bekommen. Damit begann ein Rivalitätsstreit zwi­ schen Burggraf und Stadt um den ersten Rang in der Gunst des Kaisers, der sich durch die ganze Regierungszeit Karls IV. hindurchzog, seinen Höhepunkt in den Prozessen vor dem Kaiser hatte und merkwürdigerweise in dem Augen­ blick abzuklingen begann, als überall im Reich die Gegensätze zwischen Fürsten und Städten sich verschärften und zum Kriege trieben. Am 19. November 1349 erklärte Karl der bei ihm in Prag weilenden nürnbergischen Gesandtschaft, daß die Waldfeste Brunn ebenso wie die Kaiserburg in Nürnberg in der Obhut des Rates der Stadt bleiben sollten, und widerrief damit die in der Aufstandszeit dem Burggrafen ausgestellte Verschreibung der Feste53. Schon früher hatte er den Waldstromern, Forstmeistern und Fisch­ becken ihre Reichslehen zurückgegeben. Damit war der alte Zustand im Reichswald um Nürnberg wiederhergestellt54. Offensichtlich führten diese Verfügungen des Königs zu einer Erkaltung des Verhältnisses zwischen ihm und dem Burggrafen. Die Verstimmung zwischen beiden ging so weit, daß Karl sich am 26. Februar 1350 mit dem Pfalzgrafen Ruprecht und anderen Fürsten gegen den Burggrafen Johann von Nürnberg verbündete55. Der Burggraf schloß seinerseits ein Bündnis mit Herzog Stephan von Bayern am 15. April 13 5056. Auch das Verhältnis zwischen der Stadt und dem Burggrafen hatte sich erheblich verschlechtert. Da die Nürnberger fürchteten, wegen der Verpflich­ tungen, die der aufständische Rat gegenüber dem Burggrafen eingegangen war, von diesem belangt zu werden, baten sie den König um Hilfe. Dieser sprach sie am 23. April 1350 von jeder Verbindlichkeit, die der Burggraf aus der Schuldverschreibung der Aufrührer herleiten könnte, frei57. Karl verfügte ferner, daß jeder, dem durch königlichen Erlaß in der Aufstandszeit Gut und 50 51 52 53 54 55 56 57

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Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII, nr. 5480. Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII, nr. 5488. H. Heimpel S. 244 f. S. o. S. 12. Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII, nr. 1195. St. Chr. III, S. 32 5. Mon. Zoll. III, S. 212. Mon. Zoll. III, S. 217. St. Chr. III, S. 3 34.

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Geld der luden verschrieben worden sei, dieses von den jetzt aus der Stadt verbannten Häuptern des Aufruhrs fordern sollte, nicht aber von dem wieder­ eingesetzten Rat der Stadt58. Gleichzeitig bescheinigte Karl der Stadt, daß nur die Bürger das Ungeld in der Stadt erheben durften, und widerrief anderslautende frühere Erlasse59. Schließlich verkündete der König am gleichen Tage feierlich, daß der Wald auf beiden Seiten der Pegnitz ewiglich und ungehindert bei der Stadt bleiben sollte60. Die der Stadt erteilte Erlaubnis, sich dem schwäbischen Städtebund an­ zuschließen, über die oben bereits berichtet wurde, bildete den Schlußpunkt dieser Verfügungen, die eindeutig gegen den Burggrafen gerichtet waren61. Doch bald darauf kam es zur Aussöhnung zwischen Karl und dem Burg­ grafen. Auch die Stadt schloß am 18. September 1350 mit dem Burggrafen einen Sühnevertrag62. Am 14. Oktober 1350 quittierten die Burggrafen den Empfang von 1000 Pfd. Hellern aus „Geisbarts Zeiten“63. Von weiteren For­ derungen des Burggrafen war nicht mehr die Rede. In einem Vorvertrag vom 16. September 13 50 versprachen sich die beiden Vertragspartner, alle Streitig­ keiten, die zwischen ihnen entstanden waren, seit Karl König geworden war, beizulegen64. Aber bereits 135 3 gab es neuen Anlaß zum Streit. Die Stadt beklagte sich beim König über den Burggrafen und erwirkte einen scharfen Erlaß des Herrschers zum Schutz des Reichswaldes, der vornehmlich gegen die Burggrafen gerichtet war65. Der König machte dem Rat der Stadt zur Pflicht, für die Aufrechterhaltung der Ordnung in den Reichswäldern im Namen des Königs scharf durchzugreifen. Bei der Kaiserkrönung Karls in Rom am 5. April 1355 war sowohl der Burggraf zugegen wie auch eine nürnbergische Abordnung. In der Stunde der Krönung stellte der Kaiser einigen wenigen Fürsten seiner Umgebung Urkunden über ihre Rechte und Freiheiten aus. Dem Burggrafen jedoch ebenso wie der Stadt Unterzeichnete er je vierzehn Privi­ legien66. Aus dieser Vielzahl der Gunstbezeugungen und der Beachtung der genau übereinstimmenden Anzahl der Urkunden für beide Parteien ist, nach unserer Meinung, ebenfalls deutlich der Wettstreit zwischen Burggraf und Stadt um die Gunst des Kaisers und Sicherung ihres Besitzstandes abzulesen. Am 8. März 13 57 verlieh der Kaiser den Burggrafen Johann und Albrecht das Geleitsrecht in Farrnbach67. Auf den Protest Nürnbergs hin hob der Kaiser am 27. März desselben Jahres diese Verfügung wieder auf mit der Begründung, daß sie den Reichsstädten schädlich sei68. 58 Es handelte sich, wie am Außenrand der Urkunde vermerkt ist, um eine Forderung des Burggrafen von 13 OOC Pfd. hl., Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII, nr. 1279. 59 Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII, nr. 1280. 60 Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII, nr. 1281. L. v. Wölckern S. 240. 61 Lochner S. 46. S. o. S. 14. 62 Mon. Zoll. III, S. 223. 83 ,Geisbart’ war einer der Führer des Aufstandes, St. Chr. III, S. 3 3 5. G. W. K. Lochner S. 1—92. 64 L. v. Wölckern S. 3 57. 85 Mon. Zoll. VIII, S. 160 ff. 86 Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII, nrr. 2025—2055. 87 Mon. Zoll. III, S. 312. 88 Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII, nr. 2631, L. v. Wölckern S. 371.

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Bald nach der Geburt Wenzels begannen die Ehepläne Karls für seinen ersten Sohn. Am 3. Juni 1361 verabredete der Kaiser mit dem Burggrafen Friedrich, der bis dahin noch ohne männliche Erben war, daß Wenzel mit Elisabeth, der Tochter des Burggrafen, vermählt werden sollte69. Karls Ge­ danke dabei war, durch diese Verbindung eines Tages in den Besitz der burg­ gräflichen Besitzungen zu gelangen, damit also von seinem Stammland Böhmen aus seinen Hausbesitz wie einen Keil mitten in das Kernland des Reiches, Franken, vorzutreiben. In der Folge erwies sich nun der Burggraf in dem Konkurrenzkampf mit der Stadt um die Gunst des Kaisers als der offen­ bar erfolgreichere Rivale. Im April 1362 ernannte Karl ihn für die Dauer seines Aufenthaltes in Böhmen zum Reichshauptmann in Franken70. Der Burggraf nutzte die für ihn günstige Situation und trat zum General­ angriff gegen seinen nachbarlichen Konkurrenten an. Er erhob Anklage beim Kaiser, daß die Stadt ihm zustehende Rechte geschmälert und verletzt habe. Der Kaiser ernannte ein Fürstenschiedsgericht, vor dem am 18. März 1362 der Streit zwischen Burggraf und Stadt in Gegenwart des Kaisers ausgetragen wurde71. Die Ladung des Kaisers zu diesem Schiedsgericht legte der Rat der Gemeindevertretung vor. Es ist bemerkenswert, daß in dieser für die Existenz der Stadt so wichtigen Angelegenheit der Rat nicht ohne Zustimmung der Gemeindevertretung handelte. Mit der Vertretung ihrer Interessen in diesem Prozeß beauftragte der Rat eine zehnköpfige Abordnung, die aus neun An­ gehörigen führender patrizischer Geschlechter bestand und erstmalig einem Vertreter der Handwerker72. In dem Prozeß ging es vornehmlich um Rechte des Burggrafen am Schult­ heißengericht, um Rechte in der Stadt an jeder Schmiede sowie an jeder Hof­ stätte im Stadtteil St. Lorenz, um Rechte im Forst St. Lorenz, um den Anspruch des Burggrafen auf die Reichsburg in kaiserlosen Zeiten und um die Burg­ grafenburg selbst, die die Stadt „verpawet und verschlüst“ hätte, „also daz nyemant wider der burger willen davon oder dartzu gekommen möchte“ 73. Am 19. März 1362 fällte das Gericht den Urteilsspruch74. Die Rechte des Burggrafen am Schultheißengericht wurden anerkannt, ebenso die Rechte in der Stadt an jeder Schmiede und jeder Hofstätte im Stadtteil St. Lorenz. In dem Streitpunkt über die Rechte am Reichswald wurde eine klare Entschei­ dung umgangen. Der Burggraf sollte ebenso wie die Waldstromer, Forstmeister und die Stadt Nürnberg „bei iren rechten, die sie von alter uncz her gehabt han, bleiben“. Hinsichtlich der Ansprüche des Burggrafen auf die Reichsburg 69 70 71 72

73 74

Mon. Zoll. III, S. 414 ff. W. Schultheiß, MVGN 52, S. 49 ff. H. Heimpel S. 243. Mon. Zoll. III, S. 458. Ein Prozeßbericht aus der Feder eines Nürnberger Teilnehmers befindet sich in Mon. Zoll. III, S. 452 ff., nr. 507. E. Reicke S. 299 ff. Die Stadt war vertreten durch „Ulrich den Stromeyr ze der guidein Rosen, Albrecht den Ebner am Saltzmarckt, Ulrich Stromeyr, Herrn Cunraden sun, Berchtold Haller, Berchtold Tücher, Herman Vörchtel, Peter Stromeyer, Heinrich Gewder und Fritzen Kepffen.“ Mon. Zoll. III, nr. 507. Ebenda. Das Protokoll über die Urteilsverkündung und die Einsprüche der Stadt in: Mon. Zoll. III, nr. 507, das Urteil selbst in: Mon. Zoll. III, nr. 508.

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unterblieb ein Urteil überhaupt. Auf den Einspruch der Bürger hin wurde ih­ nen geantwortet: „der keyser wolt nicht hengen, daz man daz den burgem verschrib, sie selten sich lassen genügen an den guten briefen, die sie darüber hetten74.“ Obwohl die Stadt in den Hauptstreitpunkten die besseren Privi­ legien besaß und obwohl sie ihren Standpunkt dadurch besonders zu unter­ mauern suchte, daß sie immer wieder das Reichsinteresse voranstellte, fand sie dennoch nicht die volle Unterstützung in dem Kaiser, der ein Urteil in den klar für die Stadt zu entscheidenden Punkten verweigerte, weil es ein­ deutig gegen den Burggrafen hätte ausfallen müssen. So war das ganze Urteil von der Rücksichtnahme auf den Burggrafen diktiert. Im Grunde genommen war keine Klärung erfolgt, vor allem nicht in der so wichtigen Frage der Rechte an den Reichswäldern. Nürnberg sah sich genötigt, die Kurfürsten zu bitten, im Falle einer für die Stadt ungünstigen Entwicklung hinsichtlich des Waldes und der Reichsburg sich für die Belange Nürnbergs beim Kaiser ein­ zusetzen 75. Der Burggraf stand auch in der nächsten Zeit in der Gunst des Kaisers oben­ an. Im März 1363 wurde er in den Reichsfürstenstand erhoben76. Weitere Privilegien erhielt er im Jahre 1364, unter anderem verlieh Karl ihm die Land­ vogtei im Elsaß77. Der vermutlich reich gewordene Burggraf brachte sich 1365 in den Pfand­ besitz des Reichsschultheißenamtes und des Reichszolls in Nürnberg. Der Erwerb dieser Ämter bedeutete in dieser Situation offensichtlich einen neuen Angriffsversuch auf die Stadt78. Im Dezember 1365 aber löste Karl das Verlöbnis zwischen Wenzel und der Burggrafentochter, andere politische Konstellationen waren dem Kaiser in­ zwischen wichtiger geworden79. Unter den dem Burggrafen gewissermaßen als Entschädigung verliehenen Rechten befand sich auch die Verschreibung der Kaiserburg80. Der Fall, den die Nürnberger Ratsherren bereits 1362 während des Prozesses befürchtet hatten, war damit also Wirklichkeit geworden. Im Juli 1366 widerrief Karl alle Briefe, die den Nürnbergern Schaden brin­ gen könnten81. Im Oktober desselben Jahres dagegen gelobte er dem Burg­ grafen, alle Briefe zu halten, die er ihm und seinen Vorfahren gegeben habe82. Im November 1366 wiederum hob Karl, um Reichsgeschäfte und Handel zu Nürnberg als „in der vornemsten und baz gelegensten stat des richs hie ze lande“ zu fördern, alle Zölle und Geleite, die er im Gebiet um Nürnberg er­ laubt hat, vor allem dem Burggrafen Friedrich wie auch anderen fränkischen Herren, auf83. 75 Mon. Zoll. III, 76 Böhmer-Huber, 77 Böhmer-Huber, 78 Böhmer-Huber, 79 Böhmer-Huber, 80 Böhmer-Huber, 81 Böhmer-Huber, 82 Böhmer-Huber, 83 Böhmer-Huber,

nr. 507. Reg. Imp. Reg. Imp. Reg. Imp. Reg. Imp. Reg. Imp. Reg. Imp. Reg. Imp. Reg. Imp.

VIII, VIII, VIII, VIII, VIII, VIII, VIII, VIII,

nr. nr. nr. nr. nr. nr. nr. nr.

3934. 4041. 4156. 4252. 4254. 4337. L. v. Wölckern S. 431. 43 57. 4437.

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Diese sich widersprechenden Anordnungen zeigen uns mit aller Deutlichkeit, daß der Kampf um die umstrittenen Rechte zwischen Stadt und Burggraf und um die Gunst des Kaisers nach der Auflösung des Verlöbnisses neu entbrannt war. In dieser Situation erfolgte das Bündnisangebot des Kaisers an die Stadt84. Für die Nürnberger Ratsherren trat nun der Streit mit dem Burggrafen in ein neues und letztes Stadium. Im November desselben Jahres begann die Stadt, zwischen ihrem Gebiet und der Burggrafenburg eine Mauer zu ziehen, vornehmlich, um den fortwährenden Provokationen durch burggräfliche Dienst­ mannen einen Riegel vorzuschieben85. Der Burggraf empfand diese Maßnahme der Stadt als einen Angriff, dem nur mit Gewaltmaßnahmen begegnet werden konnte86. Durch Einschreiten des Kaisers jedoch kam es im Frühjahr 1368 zu einer neuen Verhandlung vor einem Fürstenschiedsgericht87. Ulman Stromer hat uns diese denkwürdige Verhandlung überliefert: Nach der Anklagerede des Burggrafen ließ der Kaiser „ain frag di kurfursten tun, ob er gewalt het auf dez reichs poden zu pawen. do ward von den Kürfürsten ertailt, er möcht wol auf dez reichs poden pawen. also sprach der keyser: so wer der paw mit seim gehaizz gesechen, also solt di mawr beleih stin“88. Die Lage hatte sich seit 1362 grundlegend geändert. Der Kaiser brauchte keine Rücksicht mehr auf verwandtschaftliche Beziehungen zum Burggrafen zu nehmen. Er trat auf als Verbündeter der Stadt und als Verfechter der Rechte des Reiches. Im Oktober 1376 fällte Karl jedoch einen neuen, Burggraf wie Stadt be­ friedigenden Schiedsspruch, der den einseitigen Urteilsspruch von 1368 wieder aufhob89. Auch der Burggraf stand als Verbündeter Karls im kaiserlichen Lager. Des Kaisers Wunsch war in Erfüllung gegangen. Wenzel war zum Rö­ mischen König gekrönt worden. Der Rat der Stadt war klug genug, einzusehen, daß sich die Situation seit 1368 erneut gewandelt hatte. Er erklärte sich be­ reit, dem Burggrafen als Entschädigung für den Mauerbau einen Betrag von 5000 Gulden zu zahlen, für ein Recht also, das ihm ein kaiserlicher Urteils­ spruch 1368 ausdrücklich zuerkannt hatte. Fortan waren Burggraf wie Stadt stets bemüht, bei allen nachbarlichen Verwicklungen den Weg friedlicher Verständigung einzuschlagen. Gerade in den mit dem Tode Karls einsetzenden Jahren der Spannungen zwischen den Ständen suchten Burggraf und Stadt alles zu vermeiden, was erneut zu einem Konflikt zwischen ihnen führen konnte, und setzten alle Kräfte für die Er­ haltung des Friedens ein.

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RTA I, S. 56. S. o. S. 17. St. Chr. I, S. 26 f. G. W. K. Lochner S. 141. „darumb wolt der purkgraf Fridrich mit der stat krigen“, berichtet Ulman Stromer, St. Chr. I, S. 26. Ebenda. Ebenda. H. Heimpel S. 243 f. Mon. Zoll. IV, nrr. 341, 342. St. Chr. I, S. 27.

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4. Nürnberg als Vermittler zwischen Karl und den schwäbischen Städten

Ähnliche Bündnisverträge wie mit Nürnberg und den fränkischen Städten schloß der Kaiser 1370 auch mit einer Anzahl schwäbischer Städte90. Als aber 1372 eine Fehde zwischen dem Grafen Eberhard von Württemberg und schwä­ bischen Städten auszubrechen drohte, trat Karl nicht als Verbündeter der Städte auf den Plan, sondern verhielt sich abwartend. Er wollte und konnte nicht für die Städte einseitig Partei nehmen, weil er den Württemberger für die Wahl Wenzels brauchte. Nürnberger Ratsherren, die beim Kaiser gewesen waren und seine Einstellung in dieser Streitsache kennengelernt hatten, warn­ ten deshalb den Ulmer Rat in einem besorgten Brief vor übereilten Schritten91. Sie rieten der Nachbarstadt, dem Vorort der schwäbischen Städte, im Interesse des Friedens nachzugeben. Die nürnbergische Warnung wurde jedoch nicht beachtet. Es kam zum Kriege. Nach der Niederlage bei Altheim ließ Karl die Städte vollends fallen und verpfändete einige von ihnen an Fürsten, die er für die Wahl Wenzels gewinnen wollte92. Als der Kaiser im Jahre 1373 unter dem Vorwand einer Strafe für verweigerte Heerfolge Bußgelder von den fränkischen und schwäbischen Städten erpreßte, erklärte er Nürnberg zur Zen­ tralstelle, bei der die Städte ihre Beträge einzuzahlen hatten. Von dort wur­ den die eingegangenen Summen an die wittelsbachischen Fürsten zum Erwerb der Mark Brandenburg überwiesen92a. Am 6. Juli 1376 wurde Wenzel in Aachen zum römischen König gekrönt. Des Kaisers Wunsch war in Erfüllung gegangen, aber er hatte den Fürsten große Versprechungen machen müssen. Hohe Geldforderungen an die Städte und Verpfändungen zahlreicher Städte an die Fürsten waren die Folge93. Um sich gegen diese Erpressungen und Verpfändungen zur Wehr zu setzen, schlos­ sen sich am 4. Juli 1376 vierzehn schwäbische Städte zu einem Bund zusam­ men, dem zahlreiche weitere Städte in den nächsten Jahren beitraten94. Die Bundesstädte verabredeten, ihre dem jungen König zu leistende Huldigung davon abhängig zu machen, daß ihnen dieser und der Kaiser die Garantie gaben, sie weder zu verpfänden noch finanziell auszubeuten, daß ihre alten Rechte unangetastet blieben und ihr Bund anerkannt wurde. 90 RTA I, nrr. 34, 3 5, 36. 91 Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII, nr. 563. 92 W. Vischer, Geschichte des schwäbischen Städtebundes in: Forschungen zur deutschen Ge­ schichte (FDG), 2, S. 20 f. 92a W. Schultheiß, Geld- und Finanzgeschäfte Nürnberger Bürger vom 13.—17. Jh. in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs I, S. 85. Die Bankgeschäfte für Kaiser und Reich er­ ledigten der Nürnberger Rat zusammen mit einzelnen Bürgern. Schultheiß nennt Ulman Stromer, Berthold Pfinzing, Niclas Muffel u. Paul Mendel namentlich. Ders., Kaiser Karl IV., S. 45 f. Nürnberger Urkundenbuch 1300—1400, Ms. im Stadtarchiv Nürnberg. Reg. Imp. VIII, nrr. 5201, 5203/4, 5214, 5310. Nürnberg hatte mit 20 000 Gulden nächst Ulm mit 40 000 und Augsburg mit 36 000 den drittgrößten Beitrag zu leisten, St. Chr. 1, S. 32 u. Anm. 1, IV, S. 32 u. Anm. 4. 93 Th. Lindner, Geschichte des deutschen Reiches unter Wenzel I, S. 45. 94 D. Hinneschiedt, Die Politik König Wenzels gegenüber Fürsten und Städten im SW des Reiches I, S. 3.

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Der Kaiser kam mit Wenzel von Aachen nach Nürnberg. Am 22. Juli wurde er in Nürnberg erwartet95. Bereits am 18. Juli waren in Nürnberg zahlreiche Gesandte süddeutscher Städte versammelt, wie aus einem Brief eines Nordlinger Abgesandten an seine Heimatstadt hervorgehtö6. Unter diesen befanden sich als Vertreter der Bundesstädte ein Ulmer und ein Konstanzer Ratsherr97. In diesen Vorbesprechungen der Städte dürften die Nürnberger versucht haben, die Bundesstädte von ihrer starren Haltung gegenüber Kaiser und König abzubringen und sie zu bewegen, mit ihnen und anderen Städten ge­ meinsam dem jungen König zu huldigen. Die Bundesstädte ihrerseits werden sich bemüht haben, die anderen Städte von der Notwendigkeit und Richtigkeit ihrer Haltung zu überzeugen. Eine Einigung ist offenbar nicht erzielt worden. Am 28. Juli huldigte Nürnberg dem jungen König98. Vielleicht ist aus dem späten Datum der Huldigung — es waren immerhin, wenn der Kaiser und Wenzel tatsächlich bereits am 22. Juli in Nürnberg eingetroffen sind, sechs Tage vergangen — zu schließen, daß man sich in diesen Tagen um eine ge­ meinsame Huldigung aller anwesenden Städte bemüht hat. Aber das ist eine nicht zu beweisende Vermutung. Noch am Tage der Huldigung Nürnbergs, also am 28. Juli, richtete Nürnberg ein sehr besorgtes Schreiben an die Städte des Bundes und forderte erneut auf, die starre und taktisch unkluge Haltung aufzugeben und sich zur Huldigung zu entschließen. Die Nürnberger Rats­ herren sahen die Folgen dieser hartnäckigen Verweigerung der dem gekrönten König geschuldeten Huldigung voraus99. Was die Nürnberger befürchtet hat­ ten, trat ein. Der Kaiser befahl den Reichskrieg gegen die ungehorsamen Städte. Als Verbündeter des Kaisers und als Reichsstadt war Nürnberg zur Heerfolge verpflichtet. Am 2. Oktober 1376 zog der Kaiser mit Wenzel und einem stattlichen Heer der Fürsten und Herren vor Ulm100. Sämtliche fränkischen Fürsten waren beteiligt, auch Städte werden in dem Feldzugsbericht, den uns Ulman Stromer überliefert hat, genannt. Nürnberg stellte mit 60 Glefen ein bedeutendes Truppenkontingent100. Wollte die Stadt mit einem derartigen Aufgebot deutlich machen, daß sie die widerspenstige Haltung der Bundesstädte ablehnte? Hätte nicht doch für sie die Möglichkeit bestanden, sich von der Pflicht zur Heeresfolge durch eine beträchtliche Geld­ zahlung zu befreien? Aus dem Verhalten der Stadt in dem weiteren Verlauf der Verwicklungen läßt sich die Behauptung rechtfertigen, daß es Nürnberg darauf ankam, gerade in diesem Feldzug in engstem Kontakt mit dem Kaiser zu bleiben. Der Feldzug durfte nicht durch das Fernbleiben der städtischen Truppenkontingente gegen die trotzigen Städte eine Angelegenheit allein der Fürsten und Herren werden. Der Krieg sollte eine allgemeine Reichsexpedition bleiben. Nürnberg wollte jede Radikalisierung vermeiden, die nur zu einem weiteren Aufreißen der Gegensätze zwischen Städten und Fürsten geführt 95 RTA I, S. 155 Zeile 54. 96 Ebenda. 97 St. Chr. I, S. 131. 98 St. Chr. I, S. 130. W.Vischer, FDG 3, S. 7. 99 St. Chr. I, S. 131. 100 Bericht Ulman Stromers St. Chr. I, S. 35.

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hätte. Es wollte in der Lage bleiben, so weit wie möglich seinen vermittelnden Einfluß geltend zu machen. Die Strafexpedition gegen Ulm brach der Kaiser bereits nach acht Tagen ab, nachdem die Herzoge Stephan und Friedrich von Bayern einen Waffenstill­ stand vermittelt hatten. Wir können leider nicht erkennen, wie weit in diesen Verhandlungen nürnbergische Ratsherren beteiligt waren. Sicher haben auch sie wesentlich dazu beigetragen, daß der Waffenstillstand zustandekam101. Jedoch war die Waffenruhe nur von kurzer Dauer. Nach Ansicht der Bun­ desstädte hatte der Graf von Württemberg sie gebrochen102. Der Kaiser be­ auftragte die bayerischen Herzoge mit der Führung eines täglichen Krieges gegen die aufsässigen Städte103. Aus den Nürnberger Stadtrechnungen der ersten Monate des Jahres 1577 ist eine sehr lebhafte diplomatische Tätigkeit der Nürnberger Ratsherren zu erkennen. Nürnberg stand in diesen unruhigen Zeiten in engstem Kontakt mit dem Kaiser. Karl berichtete der Stadt am 1. Februar 1577 von Versuchen der rebellischen Städte, die treu gebliebenen Städte zum Abfall zu bewegen. Er beauftragte in diesem Schreiben Nürnberg, allen reichstreuen Städten seine Botschaft zu senden, daß er und Wenzel sie niemals verpfänden noch sonstwie beschweren würden104. Im Namen des Kaisers lud Nürnberg diese Städte zu einem Tag nach Dinkelsbühl ein105. Ein Bote Nürnbergs reiste am 12. Februar nach Prag, um dem Kaiser über diese Aktion Bericht zu erstatten105. Am 14. Februar begaben sich die Nürnberger Abgesandten nach Dinkelsbühl, die Ratsherren Berthold Haller und Hans Ebner. Im Rechnungsbuch findet sich der Vermerk: „Im Aufträge des Kaisers" 105. Karl war von seiner städtefeindlichen Haltung abgewichen. Noch im August 1576 hatte er eine Reichsstadt, obwohl sie gehuldigt hatte, an den Grafen von Württemberg verpfändet106. Jetzt, in Dinkelsbühl, gab er den gehorsamen Städten die ausdrückliche Zusicherung, sie niemals zu verpfänden noch sonst­ wie zu beschweren. Was hatte Karl veranlaßt, seine Haltung gegenüber den Städten zu ändern? Noch war der Sieg der Städte bei Reutlingen nicht erfochten, die Kräfte der Gegner waren ausgeglichen. Der Kaiser war im Begriff, in sein neues Besitztum, die Mark Brandenburg, abzureisen, um dort Ordnung zu schaffen. Ihm mußte daran liegen, hier die Voraussetzungen für eine baldige friedliche Regelung zu schaffen. Aus der Tatsache, daß er die Nürnberger beauftragte, seine Bot­ schaft an die treugebliebenen Städte zu verkünden, läßt sich jedoch die An­ nahme rechtfertigen, daß die mit ihm verbündete Stadt ihn auf die Folgen der bisher den Städten gegenüber eingeschlagenen Politik aufmerksam gemacht und ihn bewogen haben wird, eine versöhnlichere Haltung gegenüber den Städten einzunehmen.

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Die Vermittlungsversuche Augsburgs sind bekannt, St. Chr. IV, S. 183 ff. W. Visdier FDG 2, S. 226. St. Chr. I, S. 3 5 f. Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII, nr. 5738. RTA I, S. 193 Anm. 1. Th. Lindner, Wenzel I, S. 46.

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Der erste Schritt war diese Botschaft an die treu gebliebenen Städte, der zweite der Auftrag an Wenzel, ins Reich zu gehen und mit den Städten Frieden zu machen. Karl selbst begab sich in die Mark107. Auch Wenzel stand während der Durchführung dieses väterlichen Friedens­ auftrages in engster Fühlung mit der Stadt Nürnberg. Am 22. Februar 1377 hatte er die Befehle seines kaiserlichen Vaters entgegengenommen107. Bereits am 25. Februar ging ein Bote Nürnbergs zu König Wenzel mit der Nachricht, daß ihn die treuen Städte in Nürnberg erwarteten108. Wenzel erschien in Nürnberg und begab sich von dort nach Rothenburg. Eine ansehnliche nümbergische Gesandtschaft begleitete ihn dorthin, die Ratsherren Leupold Schür­ stab, Hans Ebner und Berthold Pfinzing107. Am 25. März ging ein Bote Nürnbergs zu den treuen Städten mit Briefen des Königs, vermutlich Ein­ ladungen nach Nürnberg, wo Mitte April Herren und Städte zu Friedensver­ handlungen versammelt waren. Auch mit Ulm, dem Haupt der Verschwörergruppe, stand Nürnberg in dieser Zeit in Verbindung. Im Mai weilten schwäbische Städteboten in Nürnberg, „do sie hie waren mit herzog Friedrich" 107. Es ist anzunehmen, daß es sich bei diesen Abgesandten um Vertreter der oberschwäbischen Städte handelte, die zusammen mit Herzog Friedrich, dem Landvogt in Oberschwaben, nach Nürn­ berg gekommen waren, um an den Friedensverhandlungen teilzunehmen108. Um dieselbe Zeit reiste eine nürnbergische Gesandtschaft, bestehend aus den Ratsherren Berthold Behaim und Berthold Pfinzing, nach Rothenburg, wohin sich der König inzwischen wieder begeben hatte106. Hier errichtete er am 27. Mai einen Landfrieden für Franken und angrenzende bayerische Gebiete, dem auch die fränkische Städtegruppe Nürnberg, Rothenburg, Windsheim, Weißen­ burg und Schweinfurt beitrat, die damit ihre Treue zur Politik des Herrscher­ hauses unter Beweis stellte109. Hier auch gelang Wenzel die Aussöhnung mit den schwäbischen Städten, die ihm am 31. Mai huldigten110. Indessen ging der Krieg zwischen den schwäbischen Städten und dem Grafen von Württemberg weiter. Im September 1377 weilten Gesandte der Städte Konstanz, Überlingen und anderer in Nürnberg. Jetzt, so möchte man an­ nehmen, wurden Versuche unternommen, auch Nürnberg zum Eintritt in den Städtebund zu bewegen111. Die Lage für den Bund hatte sich gewandelt. Die Huldigung war erfolgt, die Städte befanden sich nicht mehr in einem unmittel­ baren Gegensatz zum Reichsoberhaupt. Die Kämpfe gegen die Württemberger verliefen durchaus glücklich. Der Sieg von Reutlingen hatte das Selbstbewußt­ sein der Städte außerordentlich gestärkt. Schon waren Nördlingen und andere bisher treue Städte Niederschwabens dem Bund beigetreten. 107 Ebenda S. 48. 108 RTA I, nr. 115. F. Vigener, König Wenzels Rothenburger Landfriede vom 28. 5. 1377 in: NA 31, S. 379. Wenn Vigener hier in Anspielung auf den Besuch der schwäbischen Städteboten in Nürnberg behauptet: „Nürnberg liebäugelt mit den (aufständischen) schwäbischen Schwestern“, so zeigt diese Bemerkung, daß er die nürnbergische Vermitt­ lungstätigkeit falsch eingeschätzt hat. Siehe auch H. Heimpel S. 245 f. 109 RTA I, S. 200 f. 110 RTA I, nr. 115. 111 Ebenda.

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Nürnberg aber blieb fest in seiner bisherigen Haltung. Das Rechnungsbuch verzeichnet Ende November 1377 Ausgaben für einen berittenen Boten zu den schwäbischen Städten „von der heimlichen sach wegen", ferner für einen weiteren Boten nach Rothenburg und Windsheim mit Briefen der schwäbischen Städte111. Es ist daraus zu schließen, daß in dieser Zeit Verhandlungen des Städtebundes mit den fränkischen Städten stattgefunden haben. Tatsächlich trat Rothenburg, das mit dem Bischof von Würzburg im Streit lag, am 17. Mai 1378 dem Städtebund bei112. Damit war der Bund der frän­ kischen Städte gesprengt und Nürnbergs einheitliche fränkische Städtepolitik gescheitert. Auch Schweinfurt sonderte sich wieder ab. Als der Kaiser anläßlich seines letzten Aufenthaltes in Nürnberg am 1. September 1378 den fränkischen Landfrieden erneuerte113, Unterzeichneten nur noch Nürnberg, Windsheim und Weißenburg. Die besondere Stellung, die diesen drei Städten in dem Land­ frieden zuerkannt wurde, sollte zweifellos verhindern helfen, daß auch sie sich dem Städtebund anschlossen. Der Kaiser war nach Nürnberg gekommen, um endlich Frieden zu stiften zwischen den Städten und den Württembergern. Friede in Nürnberg! Die Ratsherren Ulrich Stromer, Eberhard Vorchtel und Berthold Pfinzing ritten dem Kaiser entgegen und führten ihn in die Stadt. Eberhard Vorchtel und Berthold Pfinzing reisten im kaiserlichen Auftrag zu den schwäbischen Städten und luden sie zu dem Friedenstag nach Nürnberg114. Karl blieb seiner seit dem Frühjahr 1377 eingenommenen städtefreundlichen Haltung treu. „Der krieg ward aller schon verricht nach der stete willen", so berichtet uns der Nürn­ berger Chronist Ulman Stromer115. Nürnberg sah seine langjährigen Bemühungen jetzt von Erfolg gekrönt. Es war der letzte Besuch des alten Kaisers in seinem Nürnberg116. Nürnberg und Wenzel 1. Vom Regierungsantritt Wenzels bis zum Ausbruck des Städtekrieges 1387

Der junge König Wenzel bemühte sich in seinen ersten Regierungsjahren mit großem Eifer, die Friedenspolitik seines Vaters fortzusetzen und die Zu­ stände im Reich zu ordnen*1. *Aber die Spannungen zwischen den Ständen 112 113 114 115 116

Th. Lindner, Wenzel I, S. 52. W. Vischer, FDG 2, reg. nr. 116. RTA I, S. 204 ff. RTA I, nr. 124. St. Chr. I, S. 38. H. Heimpel S. 245 f. Die Rolle Nürnbergs in den Friedensbemühungen des Kaisers wird von Heimpel treffend beurteilt: „Nürnberg war der Mitträger, ja gelegentlich der Anreger einer königlichen, über den ständischen Gruppen stehenden Friedenspolitik."

1 Helmut Weigel, Männer um König Wenzel. Das Problem der Reichspolitik 1379—1384 in: Deutsches Archiv für Geschichte des Mittelalters, 5. Jg. (DA 5), S. 112 ff. Auf dem Frank­ furter Tag 1379 — RTA I nr. 141 — erkannte Wenzel den Städtebund nicht an, löste ihn aber auch nicht, wie die Fürsten es forderten, mit Gewalt auf. Er setzte jedoch Her-

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verschärften sich zusehends. Ritterbünde entstanden in Hessen und in der Wetterau, die wiederum den Zusammenschluß der elsässischen und rheinischen Städte am 30. März 1381 zur Folge hatten*2. Bereits am 17. Juni desselben Jahres vereinigte sich der rheinische mit dem schwäbischen Städtebund3. Der von den rheinischen Kurfürsten mit dem Kurverein vom 23. Juni 1381 ge­ schlossene Bund war wieder die Reaktion der Fürsten auf diese Zusammen­ schlüsse der Ritter und Städte4. Die rheinischen Städte, insbesondere die Straßburger, suchten jedoch eine zum Bruch treibende Verschärfung der Gegensätze möglichst zu vermeiden. Sie fanden Unterstützung bei den Nürnberger Ratsherren, als sich auf der Reise nach Prag die rheinischen Städteboten in Nürnberg mit einer ebenfalls zum König reisenden schwäbischen Abordnung trafen5. Die Besprechungen in Nürnberg, in denen man vermutlich eine gemeinsame Basis für die Verhand­ lungen mit dem König festzulegen bemüht war, leitete der Nürnberger Rats­ herr Andreas Stromer, der im Anschluß an diese Konferenz sogleich den bereits in Prag am Hofe weilenden Jobst Tetzel über das Ergebnis der Nürnberger Absprachen informierte5. Der auf dem Reichstag zu Frankfurt im September 1381 von dem Beauftragten des Königs, dem Bischof von Lübeck, Konrad von Geisenheim, vorgelegte Landfriedensentwurf, der die Gegensätze zwischen den Ständen beseitigen sollte, atmete den Geist der Nürnberger und Straßburger Friedensfreunde6. In Franken waren die Städte deshalb auch geneigt, den Landfriedensent­ wurf anzunehmen, ebenso wie die fränkischen Fürsten und Herren, die schwä­ bischen Städte indessen lehnten ihn ab, die rheinischen verhandelten länger, aber schließlich ohne Ergebnis. Bezeichnenderweise ließ sich die rheinische Bundesführung im Endstadium der Verhandlungen nicht mehr durch Straß­ burger Ratsfreunde vertreten7. Seit Herbst 1381 tobte in Schwaben und Franken eine Fehde zwischen dem schwäbischen Städtebund und der Gesellschaft der St. Georgsritter8. Zusammen mit dem Bischof von Lübeck, der im November aus Böhmen ins Reich kam, um Frieden zu stiften, bemühten sich die führenden Diplomaten Nürnbergs Peter Stromer, Berthold Pfinzing und Jobst Tetzel in Gesprächen mit dem Burggrafen in Ansbach, mit dem Grafen von Oettingen, der in dieser Fehde ein Verbündeter der Städte war, und mit den Städtebundsvertretern in Rothen­ burg, Dinkelsbühl und Nördlingen um die Beilegung der Feindseligkeiten9. Die bis in das Frühjahr 1382 hinein zu beobachtende lebhafte diplomatische

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zog Leopold von Österreich als Landvogt mit Aufsichtsrecht über die Städte in Schwaben ein. Weigel S. 13 3. Ebenda S. 163. Lindner, Wenzel I, S. 139 ff. Hinneschiedt I, S. 16 f. Weigel, DA 5, S. 165. Weigel, DA 5, S. 166. Weigel, DA 5, S. 167, RTA I Nrr. 183—185, 186 Art. l. Vischer FDG 2, S. 40 f. RTA I, Nr. 186 Art. 2, Weigel DA 5, S. 167 f.

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Tätigkeit der Nürnberger Ratsherren10 führte schließlich dank der Mithilfe der benachbarten fränkischen Fürsten zum Erfolg. Am 9. April 1382 wurde unter dem Vorsitz des Herzogs Leopold von Österreich zwischen den streiten­ den Parteien das Ehinger Abkommen geschlossen*11. Zur Sicherung des Friedens wurde ein Landfriedensbund zwischen Herzog Leopold, Eberhard von Würt­ temberg, den Rittergesellschaften und dem schwäbischen Städtebund aufge­ richtet 12. Der Nürnberger Ratsherr Berthold Behaim reiste im Aufträge seiner Stadt nach Prag, um dem König die Nachricht vom Abschluß dieses Friedens­ vertrages zu überbringen13. Der König beauftragte die Stadt Nürnberg, in seinem Namen die schwäbischen Städte zu einem Reichstag nach Frankfurt im Juni/Juli 1382 einzuladen. Jobst Tetzel und Berthold Pfinzing führten diese königliche Order aus und vertraten ihre Stadt auch auf dem Reichstag13. Hier bemühte sich der König, die Städte der Wetterau und des Elsasses zum Beitritt in den von ihm im März 1382 errichteten Landfrieden von Wesel zu bewegen in der Absicht, damit die Auflösung des rheinischen Städtebundes einzulei­ ten14. Als sich die Verhandlungen in die Länge zogen, beauftragte der König den Erzbischof Adolf von Mainz, die Gespräche mit den Wetterau-Städten fortzusetzen15 und reiste nach Nürnberg ab, wo er, zusammen mit dem Bischof von Lübeck, mit einer Delegation der schwäbischen Städte unter Füh­ rung des Rothenburger Bürgermeisters Heinrich Topler zusammentraf16. Diese plötzliche Abreise des Königs nach Nürnberg erfolgte, so kann man folgern, auf einen Wink seiner Nürnberger Ratgeber, die vermutlich eine Begegnung des Königs mit den Abgesandten der schwäbischen Städte in diesem Zeitpunkt für besonders notwendig hielten und das Zusammentreffen vermittelten. Trotz aller Friedensbemühungen versteifte sich der Widerstand der Städte sowohl im Rheinland wie auch in Schwaben und führte am 15. Oktober 1382 zur Verlängerung des Bündnisvertrages zwischen den beiden Städtebünden. In diesen Vertrag wurde ein Passus aufgenommen, der in Kraft treten sollte, wenn sich auch die fränkischen Städte Nürnberg, Windsheim und Weißenburg dem schwäbischen Städtebund angeschlossen haben würden17. Tatsächlich traten am 16. Januar 138 3 Weißenburg und Windsheim dem schwäbischen Städtebund bei18. Bedeutete dieser Schritt eine Lossagung der beiden bisher treuen Schwesterstädte oder erfolgte ihr Eintritt in den schwäbischen Städtebund so­ gar mit Wissen und ausdrücklicher Billigung Nürnbergs, das sich nun, ohne selbst Mitglied des Bundes zu werden, in der Lage sah, wirkungsvoller die

10 RTA I, Nr. 186 Art. 3, RTA I, Nrr. 202,1, 202,2, 202,3, Weigel, DA 5, S. 166 ff., RTA I, Nr. 202,4. 11 Lindner, Wenzel I, S. 154, Vischer, FDG 2, S. 43 ff. u. reg. Nr. 173. 12 Vischer, ebenda Nr. 174. 13 RTA I, Nr. 202,4 u. 8. 14 Weigel, DA 5, S. 170. 15 Ebenda. 16 Weigel, DA 5, S. 171. 17 Vischer FDG 2, reg. Nr. 185. 18 Ebenda, reg. Nr. 191.

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Bundespolitik beeinflussen zu können, da es mit den Windsheimer und Weißen­ burger Ratsfreunden verläßliche Beobachter in der Bundesversammlung besaß19? Auch mit Nürnberg hatten in dieser Zeit — etwa Ende des Jahres 1382 — Abgeordnete des schwäbischen Städtebundes über den Anschluß Nürnbergs an den Bund zu verhandeln versucht. Wieder stand der Rothenburger Bürger­ meister Heinrich Topler an der Spitze dieser Delegation. Aber sie war gar nicht erst zum Zuge gekommen, weil sie vom Rat der Stadt Nürnberg verlangt hatte, ihre Botschaft vor dem vom Kleinen Rat einberufenen „Großen Rat“ vorzutragen. Die patrizischen Ratsherren lehnten dieses Ansinnen als Eingriff in die inneren Verhältnisse der Stadt ab, so daß die Gesandtschaft unver­ richteter Dinge wieder abziehen mußte20. In einem Brief vom 21. Januar 138 3 beschwerte sich der Bund bei der Stadt Nürnberg, es wäre über diese Gesandtschaft in Nürnberg das Gerücht ausge­ streut worden, sie habe die Absicht gehabt, einen Aufstand der Bürger gegen ihren patrizischen Rat anzuzetteln20. Der Antwortbrief der Nürnberger Rats­ herren vom 30. Januar 138 3 kann als treffliches Beispiel reichsstädtischer Diplomatie dieser Zeit angesehen werden: Man distanzierte sich von der An­ schuldigung, ein solches Gerücht aufgebracht zu haben, erklärte noch einmal, daß man dem Wunsche der Bundesgesandten nicht habe entsprechen können, weil es eben ein völlig ungewöhnliches Ansinnen gewesen wäre, und schloß mit der Bemerkung, man wisse übrigens bis heute noch nicht, was die Ge­ sandten eigentlich vorzubringen beabsiditigt hätten20. Diese Darstellung erscheint uns sehr fadenscheinig und unglaubwürdig. Es steht wohl außer Zweifel, daß der Nürnberger Rat gewußt hat, welchen Auftrag die Bundesgesandten vorzubringen wünschten. Da sie aber gar nicht dazu gekommen waren, ihr Anliegen vorzutragen, konnte sich der Nürnberger Rat auf diesen Standpunkt stellen. Das Gespräch blieb, wie man heute sagen würde, bereits in technischen Verfahrensfragen stecken. Das An­ sinnen der Gesandten, ihren Auftrag erst dann vorzutragen, wenn der Rat den großen Gemeinderat einberufen haben würde, bedeutete einen schweren Ein­ griff in die Rechtsverhältnisse der großen Stadt, den sich die Ratsherren nicht bieten lassen konnten. Auf der anderen Seite wird deutlich, daß man in den Bundesstädten, die durchweg demokratischere Verfassungen besaßen, den Ge­ schlechtern im Rat der Stadt Nürnberg die Schuld gab, daß die große und reiche Stadt noch immer abseits stand21. Im März 138 3 weilte der König wieder in Nürnberg und errichtete dort am 11. März einen Landfriedensbund mit Fürsten und Herren, dem die Städte fernblieben22, obwohl der König und sein Protonotar Konrad von Geisenheim 19 Weigel DA 5, S. 173. 20 St. Chr. I, S. 135 ff. Über Heinrich Toplers Rolle in den Verhandlungen dieser Jahre, ins­ besondere über seinen Einfluß auf den Städtebund ebenso wie auf den Nürnberger Rat auf Grund seiner verwandtschaftlichen Beziehungen sowohl zu Nördlingen wie zu Nürn­ berg, siehe jetzt besonders die interessante Studie von Ludwig Schnurrer, Heinrich Topler in: Fränk. Lebensbilder, hrsg. i. Auftrag d. Gesellsch. f. fränk. Geschichte von Gerh. Pfeif­ fer, S. 104 ft. 21 Heimpel, S. 247. 22 RTA I, Nr. 205.

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den Bund auch für die Städte offen zu halten sich bemühten. Von den Fürsten indessen wurde er als Gegenbund gegen die Städtebünde angesehen. Er erhielt deshalb bald den Namen ,Nürnberger Herrenbund’ und trug so nicht un­ wesentlich zur Verschärfung der Gegensätze bei23. Im Frühjahr 1384 trieben Meldungen über Kriegsrüstungen der Fürsten die Städte zu eigenen Kriegsvorbereitungen24. Wenzel wurde durch hausmacht­ politische Verwicklungen in seinen Erblanden Ungarn und Polen vom Reich ferngehalten25. In dieser Zeit wurden erstmalig Gerüchte über Pläne der Für­ sten, Wenzel abzusetzen, bekannt, die auch in Nürnberg große Unruhe her­ vorriefen 2Ö. Trotz dieser Alarmnachrichten und Kriegsvorbereitungen auf beiden Seiten wurden auch die Verhandlungen zwischen den Parteien nicht abgebrochen. Sie führten jedoch zu keinem Ergebnis, da der König, der allein in dieser Situation einen die Rechtslage klärenden Spruch fällen konnte, dem Reiche fernblieb27. Endlich einigte man sich in Heidelberg auf einen Landfriedensentwurf, den eine gemeinsame Abordnung der Stände, bestehend aus Räten des Kurfürsten Ruprecht von der Pfalz, des Erzbischofs von Mainz und Vertretern der Städte Mainz, Straßburg, Ulm und Augsburg, dem König vorlegen sollte. Im Mai traf diese Gesandtschaft auf der Reise nach Prag in Nürnberg ein, wo sich die Ratsherren Berthold Behaim, Paul Mendel und Niclas Muffel ihr anschlossen28. Jetzt entschloß sich der König, zum Abschluß des Landfriedens selbst ins Reich zu kommen29. Die Nürnberger hatten noch einen Sonderauftrag auszuführen. Sie meldeten dem König, daß die Stadt jetzt entschlossen war, dem schwäbischen Städte­ bund beizutreten30. Am 21. Juni 1384 wurde Nürnberg in Nördlingen in den schwäbischen Städtebund aufgenommen31. Nürnberg hatte bisher immer seine vermittelnde Stellung zwischen den Par­ teien zu wahren gesucht. Es sah, wie durch das starre Verhalten vieler Städte der Gegensatz zu den Fürsten und Herren immer größer geworden war. Es 23 Weigel DA 5, S. 174. Hinneschiedt I, S. 23 ff. 24 Hinneschiedt I, S. 26 hält die Nachrichten aus Mergentheim von den Rüstungen der Fürsten für „städtische Übertreibungen“. 25 Weigel, König Wenzels persönliche Politik. Reich und Hausmacht 1384—13 89 in: Deut­ sches Archiv für Geschichte des Mittelalters Jg. 7 (DA 7), S. 13 5 f. 26 RTA I, Nr. 236. Brief des Kaplans Heinrich Velder an einen Ungenannten: „. . . unde sind frundeuz Nurberg hie und weren vaste erschrocken und sagent: das wirt stoze geben und uns stedhin vaste schedelich sint und . . . wullent nach Beheim schikken zum kunig und wullent zu allen iren heimlichen schicken und dez irfarn . ..“ Weigel, DA 7, S. 139 Anm. 1 hält die Nachrichten über Absetzungspläne für Gerüchte, „gelegentlich auch po­ litische Zweckgerüchte“. 27 Weigel, DA 7, S. 140. — L. Quidde, Der Schwäbisch-rheinische Städtebund im Jahre 13 84 S. 11 ff. 38 RTA I Nr. 242 art. 1 u. 2. Quidde S. 48 ff. Weigel DA 7 S. 141. 29 RTA I, Nr. 241. Weigel, DA 7, S. 141 f. Hinneschiedt I S. 31 f. 30 St. Chr.I, S. 38. RTA I, Nr. 242. 31 St. Chr. I, S. 38, 134, 137/38. Von nürnbergischer Seite Unterzeichneten die Ratsherren Ulman Stromer, Berthold Pfinzing, Jobst Tetzei und Conrad Haller.

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erkannte die Gefahr, daß der König allzu leicht durch dieses hartnäckige Be­ harren der Städte auf ihren Forderungen ganz auf die Seite der Fürsten ge­ zogen werden konnte. Durch die Gerüchte von den Absetzungsplänen der Fürsten war eine weitere Gefahr deutlich geworden: daß nämlich ein von der Fürstenpartei gewählter neuer König sich ganz gegen die Städte stellen könnte. Es kam jetzt alles darauf an, die geschlossene Kraft: der Städte hinter den König zu stellen, ihm damit einen starken Rückhalt im Reich zu geben, der es ihm möglich machte, seine Befriedungspolitik gegenüber den Ständen durch­ zuführen32. Es war jetzt nicht mehr möglich, eine wirkungsvolle Politik außer­ halb der Städtebünde zu führen, nachdem sich auch die Fürsten und Herren zusammengeschlossen hatten. Außerdem erschien es aussichtsreicher, im Bunde selbst für eine versöhnlichere Politik gegenüber den anderen Ständen einzu­ treten, die Friedenspartei im Bunde zu stärken. Nürnberg stand zu seinen fürstlichen Nachbarn in guten Beziehungen, die es zu erhalten und für eine Verständigungspolitik zwischen Fürsten- und Städtebund einzusetzen galt. So bedeutete der Eintritt Nürnbergs in den schwäbischen Städtebund keinen Kurswechsel der bisherigen städtischen Reichspolitik, sondern im Gegenteil ein konsequentes, den Zeitumständen klug angepaßtes, aber zielbewußtes Ein­ halten eines einmal für richtig erkannten Weges33. Tatsächlich kam in Heidelberg am 26. Juli 1384 in Gegenwart des Königs eine Einigung zustande34. Nürnberg war in Heidelberg durch Berthold Pfinzing und Jobst Tetzel vertreten34. Die Heidelberger „Stallung“, eine Art Waffen­ stillstand zwischen den Städtebünden und dem Fürstenbund, war im wesent­ lichen ein Werk des Königs35. Die Städte bewiesen durch ihr Nachgeben in der Pfahlbürgerfrage ihre Friedensbereitschaft36. Wir gehen sicher nicht fehl, wenn wir in dem plötzlich so aktiven Auftreten Wenzels und der Kompro­ mißbereitschaft der Städte die zielstrebige Friedenspolitik der Nürnberger zu erkennen meinen37. Der König begab sich von Heidelberg nach Luxemburg, um das nach dem Tode des Herzogs Wenzel von Luxemburg-Brabant ledig gewordene Herzog­ tum in Besitz zu nehmen und gegen Ansprüche westlicher Nachbarn zu be­ haupten. Für seine hausmachtpolitischen Unternehmungen im Westen wie im Osten benötigte er kräftige finanzielle Unterstützung, die er nur von den Städten erhoffen konnte. Er wandte sich deshalb nach seiner Rückkehr gegen 32

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Über die unterschiedlichen Einstellungen der Städte zur Friedenspolitik s. auch Weigel, DA 7, S. 136 ff. Nürnbergs Eintritt in den schw. Städtebund wurde auch von Weigel als Stärkung der Friedenspartei im Bunde bewertet, ebenda S. 142. Dieselbe Haltung hatten die Nürnberger Ratsherren an den Tag gelegt, als sie 1367/68 den fränkischen Städte­ bund dem Kaiser Karl IV. zugeführt hatten (s. o. S. 17). Von hier aus führt ein direkter Weg zu der Einstellung Nürnbergs gegenüber den Reichsreformplänen Siegmunds (s. u. S. 71 ff.). Lindner, Wenzel I, S. 224 f. Weigel DA 7, S. 142. Vischer FDG 2, S. 52 ff., reg. Nrr. 217—219. Quidde S. 103—166, Hinneschiedt I, S. 29. E. Asche, Die Landfrieden in Deutschland unter Wenzel S. 83 ff. RTA I, Nr. 242. Quidde S. 160 f., Hinneschiedt I, S. 29. Anderer Meinung ist Weigel DA 7, S. 143 ff. Vischer FDG 2, reg. Nr. 218. S. auch Weigel DA 7, S. 142.

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Ende des Jahres an die Städtebünde mit einem Bündnisangebot. Um ihnen dieses Angebot schmackhafter zu machen, schlug er gleichzeitig eine Finanz­ aktion auf Kosten der reichsstädtischen Juden und eine Münzreform vor38. Diese königlichen Vorschläge hatten zahlreiche Städtebesprechungen und eine rege Reisetätigkeit der führenden Nürnberger Diplomaten bis in den Som­ mer 138 5 zur Folge39. Auf dem Städtetag zu Ulm vom 12. Juni 138 5 40 ließ Wenzel ein Judenschuldentilgungsgesetz verkünden, das den Städten gestattete, gegen ihre Juden vorzugehen. Der König ließ sich von den Städten des schwä­ bischen Bundes dafür eine Summe von 40 000 Gulden verschreiben, eine ver­ hältnismäßig geringe Summe gemessen an den Beträgen, die die Städte in der Durchführung des Gesetzes von ihren Juden erpreßten. Die Stadt Nürnberg übernahm mit den Forderungen ihrer Juden laut den Bestimmungen des Ge­ setzes auch eine an den Burggrafen über 8000 Gulden, wofür dieser ihr das in seinem Besitz befindliche Schultheißenamt und den Zoll verpfändete41. Ganz im Sinne der Städte war das am 16. Juli 138 5 erlassene königliche Gesetz über die Münzreform in Schwaben und Franken, das das Schlagen neuer Münzen nur in Augsburg, Ulm, Nürnberg und Hall gestattete42. Der Nürn­ berger Rat spielte in diesen Verhandlungen eine führende Rolle. Er stellte eine Berechnung über Stoff und Kosten der neuen Heller und Pfennige an und schickte diese den anderen Städten zu43. Er erließ in Nürnberg Ratsverord­ nungen zur Durchführung der Münzreform, setzte Münzbeschauer ein und regelte das „Abtun des bösen Geldes“44. Das königliche Münzgesetz richtete sich gegen einige Fürsten und Herren, die nach Aussage einer Nürnberger Notiz „die bösen haller slahen: primo herzog lewpolt von osterreich . . .“ und andere45. Das bis dahin gute Verhältnis des schwäbischen Städtebundes zu Herzog Leopold, der sogar zeitweise Mitglied des Bundes gewesen war, hatte sich merklich abgekühlt, insbesondere seit dem Beitritt Basels in den Städtebund und seit dem Bestreben des Herzogs, in Schwaben stärker Fuß zu fassen46. Als klare Frontstellung gegen den Herzog und als Kriegsbündnis war deshalb das Konstanzer Bündnis vom 21. Februar 1385 zwischen dem schwäbischen Städte­ bund und dem Schweizer Bund aufzufassen47. Auch der König ergriff Maß­ nahmen gegen den Herzog und ermunterte die Städte, gegen ihn als Anhänger des falschen Papstes unter dem Banner des Reiches vorzugehen48.

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RTA I, Nr. 255. Weigel DA 7, S. 148 ff. RTA I, Nr. 256. RTA I, Nr. 281, Nr. 255, Nr. 258. Weigel DA 7, S. 152, 155. RTA I, Nrr. 268, 272. Lindner, Wenzel I, S. 273 ff. St. Chr. I, S. 123 Anm. 3. Die für die Stadt so wichtigen Ämter befanden sich seit 1365 im Pfandbesitz des Burggrafen (s. o. S. 21). RTA I, Nrr. 260—262, Weigel DA 7, S. 156. RTA I, Nr. 264. RTA I, Nrr. 265, 266. RTA I, Nr. 261 Anm. 3. Vischer FDG 2, S. 54 f. Ebenda reg. Nr. 234. RTA I, Nr. 230. Vischer FDG 2, reg. Nr. 253.

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Im Juni 1386 brach der Krieg zwischen Herzog Leopold und dem Schweizer Städtebund tatsächlich aus und führte zur Schlacht bei Sempach am 9. Juli 1386, in der die Städter einen vollständigen Sieg über die Ritter errangen49. Durch diesen Erfolg wuchs das Selbstbewußtsein der Städte erheblich an und die Kriegspartei in der Bundesführung gewann an Boden. Dennoch wurden von den verständigungsbereiten Gruppen auf beiden Seiten die Bemühungen, den Frieden in Franken und Schwaben zu erhalten, und Streitfälle Schieds­ gerichten zu übergeben, beharrlich fortgesetzt, allen voran von den Nürnbergern, als deren Sprecher uns immer wieder Berthold Pfinzing und Jobst Tetzel begegnen50. Anfang August 1386 kam in Mergentheim ein Schieds­ spruch zustande. Beide Parteien, Fürsten wie Städte beschlossen, die Heidel­ berger Stallung einzuhalten und ihre Streitigkeiten Schiedsgerichten zu über­ geben51. Nürnberg ging mit gutem Beispiel voran und übergab seine Streit­ sache mit dem Burggrafen wegen strittiger neuer Zölle52 dem Herzog Friedrich von Bayern als Schiedsrichter53. Auch der Burggraf zeigte sich verständigungs­ bereit. Beide, Burggraf und Stadt, gaben in Mergentheim Fürsten und Städten ein Beispiel dafür, daß mit gutem Willen eine Verständigung auch jetzt noch möglich war. Mit dieser unbeirrten Versöhnungspolitik verschaffte sich die Stadt jedoch im Lager der Städte, in der nach der Schlacht von Sempach die Scharfmacher den Ton angaben, viele Feinde. Ein vom Nürnberger Rat ausgearbeitetes Schriftstück, in dem die Grundthesen nürnbergischer Friedenspolitik nieder­ gelegt waren und das der Gesandte Nürnbergs, Berthold Pfinzing, im Bundes­ parlament vortrug, wurde in Regensburg, das damals ebenfalls zur Kriegspartei gehörte54, mit der bezeichnenden Randbemerkung „Perchtholt Pfintzings Weis­ heit und rate von Nurnberch des lochmacher in di pernhaüt“ versehen und zu den Akten gelegt55. Obwohl man im Bund, wie diese Regensburger Notiz deutlich macht, den Nürnbergern vorwarf, mit ihrer ständig um Ausgleich bemühten Haltung die geschlossene Front der kriegsbereiten Städte zu durchbrechen, bediente man sich andererseits gern der guten Beziehungen Nürnbergs zum König, wenn es galt, bei Wenzel Vorteile für die städtische Sache zu erzielen. Im Februar 1387 reiste eine Gesandtschaft des schwäbischen Städtebundes, bestehend aus je einem Vertreter Ulms und Regensburgs und den beiden Nürnberger Ratsherren Jobst Tetzel und Niclas Muffel, dem aus Böhmen kommenden König entgegen nach Amberg56. Sie hatte den Einspruch der Städte gegen den westfälischen 49 Vischer FDG 2, S. 62. 50 St. Chr. I, S. 163. RTA I, Nrr. 289, 291. Weigel DA 7, S. 161 f., S. 166. St. Chr. I, S. 259. Vischer FDG 2, reg. Nr. 264. 51 RTA I, Nr. 289, Asche S. 88, Weigel DA 7, S. 166, Lindner I, S. 298. Nürnbergs Rolle in diesen Ausgleichsverhandlungen s. RTA I, Nr. 291, Weigel DA 7, S. 170. " RTA I, S. 526, 13 f. S. 474, 38 b—42 b, 44 a—46 a. Weigel DA 7, S. 161. M St. Chr. I, S. 259, Vischer FDG 2, reg. Nr. 264. 54 Weigel DA 7, S. 161. Lindner I, S. 376 ff. 55 Lindner, FDG 19, S. 34. 56 RTA I, Nr. 295.

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Landfrieden, der als städtefeindlich angesehen wurde, vorzutragen57. Wenzel wird schon in Amberg diesen städtischen Gesandten die Zusage gemacht haben, den gefürchteten Landfrieden aufzuheben, die er durch seinen Spruch von Würzburg am 10. März dann erfüllte58. Darüber hinaus wiederholte er in Amberg sein Bündnisangebot an die Städtebünde59. Daß sich der König nun wieder, nachdem sich in Ungarn die Lage für das Haus Luxemburg geklärt hatte, dem Reich zuwandte und mit Nachdruck die städtischen Anliegen aufgriff, ist ganz zweifellos auf die diplomatische Tätig­ keit Nürnberger Ratsherren zurückzuführen. Jobst Tetzel erhielt nach den Amberger Besprechungen den Auftrag, zusammen mit den beiden anderen Städtebundsvertretern nach Lllm zum Hauptquartier des Bundes zu reisen, wo bereits die Ratsherren Paul Mendel und Fritz Pfinzing aus Nürnberg eingetroffen waren60, während Niclas Muffel in Begleitung des Königs zum Burg­ grafen nach Ansbach und von dort nach Würzburg reiste81. In Würzburg ver­ handelte der König mit den Vertretern des rheinischen Städtebundes über die Einigung62. Von dort begab er sich nach Nürnberg, wo er am 20./21. März den Bündnisvertrag mit dem schwäbischen Städtebund Unterzeichnete63. In der Verhandlungsdelegation des Städtebundes vertraten ihre Vaterstadt die Nürn­ berger Ratsherren Berthold Pfinzing, Jobst Tetzel, Berthold Behaim, Niclas Muffel und Michel Grundherr. Welche Bedeutung Nürnberg diesem Ereignis beimaß, geht aus dieser Zusammensetzung der Ratsabordnung hervor: Nürn­ berg hatte seine erste Diplomatengarnitur aufgeboten64. Der so lange schon gehegte Wunsch Nürnbergs war in Erfüllung gegangen, die so zielstrebig verfolgte Verbindung der vereinigten Städte mit dem König. Der Rat der Stadt spendete einen namhaften Betrag für fromme Zwecke, „do sich unser herre der kunig mit gemainen steten veraint“ 65. Nürnberg hoffte, durch dieses Bündnis der Städte mit dem König die Radi­ kalen im Bunde zu einer gemäßigteren Politik gegenüber den Fürsten und Herren anhalten zu können. Der König, dem die Städte, wie es im Vertrag hieß, gegen jeden beizustehen sich verpflichteten, der ihn vom Thron zu stoßen beabsichtigte66, war soeben im Begriff, ganz im Sinne der nürnbergischen Friedenspolitik alle Gegensätze auf friedlichem Wege zu bereinigen und die Heidelberger Stallung zu verlängern. Nürnbergs Einfluß im Bunde war seit dem Abschluß des Bündnisvertrages mit dem König sehr gestiegen. Die Stadt nutzte die veränderte Situation und übergab der Bundesführung eine Beschwerdeschrift, in der sie scharfe Kritik an dem Verhalten zahlreicher Bundesmitglieder übte, denen sie Ungehorsam 57 Lindner, Wenzel I, S. 345 ff. RTA I, S. 550. 58 RTA I, Nr. 298. Lindner, Wenzel I, S. 365 ff. 59 RTA I, Nr. 295. Weigel DA 7, S. 171. 60 61 62 63 64 95 66

Weigel ebenda. RTA I, S. 550, 1. Lindner I, S. 43 5. RTA I, Nr. 299, 2, Weigel DA 7, S. 171. RTA I, Nrr. 301—303. Weigel DA 7, S. 172 ff. RTA I, S. 542 ff. RTA I, Nr. 305, Weigel DA 7, S. 173 f. RTA I, Nr. 303, Vischer FDG 2, reg. Nr. 272. 35

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gegenüber der Bundesleitung, Disziplinlosigkeit und starres, unversöhnliches und provozierendes Verhalten gegenüber den anderen Ständen vorwarf. Es war ein Appell an die Vernunft und die höhere politische Einsicht, bei der Ver­ fechtung kleiner partikularer Interessen nicht das Ganze aus dem Auge zu verlieren, das Wohl und Wehe des Reiches67. In der Tat, der Städtebund, der den Nürnberger Ratsherren vorschwebte, wäre in der Lage gewesen, die Aufgabe zu erfüllen, die ihm in dieser Stunde gestellt wurde: gemeinsam mit dem König und den anderen Ständen das Reich neu zu gestalten. Im Augenblick sah es so aus, als würde sich das Rad der Geschichte nach dem Wunsche der Nürnberger weiterdrehen. Am 5. November 1387 gelang in Mergentheim die Verlängerung der Heidelberger Stallung68. Von städtischer Seite Unterzeichneten die sogenannte Mergentheimer Stallung Nürnberg, Augs­ burg und Ulm69. Wenn auch manche Wünsche Nürnbergs, die es in einem Gutachten zur Verlängerung der Heidelberger Stallung zum Ausdruck gebracht hatte70, unberücksichtigt blieben, so war doch das Wichtigste erreicht: die Einsetzung von Schiedsgerichten war jetzt in die Stallung aufgenommen. Damit war die Möglichkeit, alle Gegensätze auf friedlichem Wege auszugleichen, gegeben71. Aber schon wenige Wochen später, am 27. November, wurde der mit den Städten verbündete Erzbischof von Salzburg bei einem Zusammentreffen mit den Bayernherzögen von diesen überfallen und gefangen genommen. Gleich­ zeitig wurde städtisches Kaufmannsgut, vornehmlich Nürnberger Kaufmanns­ wagen, von bayerischen Rittern aufgebracht72. Jetzt schien es nicht mehr möglich, an die Vernunft zu appellieren und Verhandlungen zu fordern. Auf einem rasch einberufenen außerordentlichen Städtetag zu Ulm am 15. Dezember, auf dem Nürnberg durch Paulus Mendel und Berthold Behaim vertreten war73, beschloß die Bundesversammlung den Krieg und das sofortige Ausrücken des Bundesheeres. 2. Nürnberg im Städtekrieg 1387—1389 Die gewaltsame Art des Vorgehens der bayerischen Herzoge hatte bei allen Städten helle Empörung hervorgerufen. Dennoch dachten die Nürnberger, 67 Bei Lindner FDG 19, S. 42 f. und Wenzel I/II wird dieser Appell Nürnbergs weniger positiv als „Klageschrift" bezeichnet und dementsprechend die Haltung der Stadt beurteilt. RTA I, Nr. 316, St. Chr. I, S. 163, Vischer FDG 3, S. 18 f. 68 RTA I, Nr. 324, Asche, S. 88 ff. 69 Weigel sieht hinter Mergentheim „Nürnberg und die Friedensfreunde“, hinter dem Bünd­ nis mit den Schweizern und Salzburg die Kriegspartei, DA 7, S. 13 8. 70 RTA I, Nr. 323. 71 Die Hauptforderung der Nürnberger in diesem Gutachten war die Ergreifung von Maß­ nahmen zur Verhinderung des Kriegsausbruches durch mutwilliges und herausforderndes Verhalten einzelner Fürsten, Herren oder Städte (art. 9, RTA I, Nr. 323). 73 Vischer FDG 2, S. 94 f. u. reg. Nr. 277. 73 St. Chr. I, S. 141, Anm. 1.

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obwohl gerade sie schweren Schaden erlitten hatten, nicht an Krieg, sondern versuchten, auf dem Verhandlungswege ihre festgehaltenen Kaufmannsgüter wieder frei zu bekommen74. Unterstützt wurden sie dabei vor allem von dem Pfalzgrafen Ruprecht III. und dem Burggrafen von Nürnberg, die zwischen den Städten und den Bayemherzögen zu vermitteln suchten, um den drohenden Ausbruch des Krieges zu verhindern75. Ihre mehrfach der Bundesführung vor­ getragenen Vermittlungsvorschläge wurden indessen von den Städten abgelehnt, obwohl sich die Nürnberger mit Entschiedenheit für die Aufnahme von Ausgleichsverhandlungen einsetzten76. Auch der König schaltete sich ein. Von einer Städtegesandtschaft:, der auch der Nürnberger Niclas Muffel angehörte, war er Anfang Januar 138 8 über die Ereignisse unterrichtet und vermutlich aufgefordert worden, seiner Bündnis­ pflicht nachzukommen und den Bayemherzögen abzusagen77. Am 24. Januar traf in Nürnberg ein Schreiben des Königs ein, in dem er mitteilte, daß nach ihm zugegangenen neuesten Informationen der Erzbischof wieder auf freien Fuß gesetzt worden sei. Um nähere Auskünfte über die Lage und die Be­ dingungen der Freilassung zu erfahren, schickte Wenzel den in Prag ansässigen Nürnberger Bürger Heinrich Eisvogel ins Reich mit dem Auftrag, die Bundes­ führung in Ulm daran zu hindern, die Feindseligkeiten zu eröffnen, da Herzog Friedrich sich bereiterklärt habe, seine Streitfälle von einem königlichen Ge­ richt entscheiden zu lassen78. Die Stadt antwortete bereits am folgenden Tage. Sie teilte dem König mit, daß sie seinen Brief sofort nach Ulm weitergesandt habe. Sie habe aber die Befürchtung, daß der Krieg nicht mehr verhindert werden könne, da einer Nachricht aus Ulm zufolge bayerische Truppen die Feindseligkeiten gegen städtische Kontingente eröffnet hätten. Der Einmarsch des Städteheeres in bayerisches Gebiet sei außerdem für den 23. Januar vorgesehen gewesen. In Zukunft, so wurde der König gebeten, solle der König sich unmittelbar an die Bundesführung wenden „... wann wir der stet niht mehtig sein zu weisen...“ 7#. Nach der Ansicht Weizsäckers80 hat Nürnberg mit diesen Worten beim König die Anerkennung des Städtebundes zu erreichen versucht. Diese Be­ hauptung ist jedoch nicht zu begründen, sie kann allerdings auch nicht stich­ haltig widerlegt werden. Wenn man indessen die Politik Nürnbergs in diesen Jahren und die Haltung gegenüber der Bundesführung aufmerksam verfolgt, drängt sich eine ganz andere Interpretation dieser Worte auf: hier spricht deutlich Resignation aus den Zeilen. Nürnberg hatte mit seinen fortwährenden Mahnungen zum Ausgleich und zu Verhandlungen Schiffbruch erlitten. Die Ereignisse gaben jenen recht, die schon immer für eine kriegerische Ausein74 RTA I, S. 580 f. St. Chr. I, S. 164. RTA II, Nr. 12. Vischer FDG 3, S. 21. 75 RTA II, Nr. 12. St. Chr. I, S. 164. 76 Nürnberg prangert dieses Verhalten der Bundesführung in seiner Beschwerdeschrift von 13 88 an: . . dez wolten die stet niht tun, wie vast wir darumb baten ..." St. Chr. I, S. 164. RTA II, Nr. 12. 77 St. Chr. I, S. 269. 78 St. Chr. I, S. 141. 79 St. Chr. I, S. 142. 80 RTA II, S. 4.

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andersetzung mit den Fürsten eingetreten waren. Die Kriegspartei führte jetzt das Wort in der Bundesführung. Nürnbergs Stimme galt nichts mehr: „ . . . Wie ez die stet fürbaz handeln werden, daz enwissen wir niht“ 81, so hieß es weiter in dem Brief Nürnbergs an den König. Deshalb erfolgte die Aufforderung an den König, sich unmittelbar an die Bundesführung in Ulm zu wenden. Der Krieg hatte begonnen. Das Bundesheer unternahm von Augsburg aus einen Zug nach Bayern zur Entsetzung Regensburgs82. Ende Januar 1388 führte auch Nürnberg ein Unternehmen gegen die bayerische Feste Hilpoltstein durch83. Bei diesen Kämpfen fiel der Nürnberger Ratsherr und Kriegshaupt­ mann Sebald Vorchtel84. Dennoch wurden die Vermittlungsbemühungen auch jetzt noch fortgesetzt. Pfalzgraf Ruprecht I. und die rheinischen Städte, die eine Ausweitung des Konfliktes zu vermeiden suchten, erreichten das Zustandekommen von Aus­ gleichsverhandlungen in Nürnberg im März 1388, zu dem auch königliche Räte erschienen85. In Nürnberg tagten die Städte, in Neumarkt versammelten sich die Fürsten. Der schwäbische Städtebund ließ sich durch eine Viererkommission vertreten, die sich aus Gesandten der Städte Ulm, Nördlingen und Rottweil zusammensetzte. Nürnbergs Diplomaten gehörten dem Verhandlungsausschuß nicht an86. Der am 15. März vom Pfalzgrafen gefällte Spruch fiel für die Städte günstig aus87. Daß die Nürnberger doch ihre Hand mit im Spiel hatten, geht daraus hervor, daß die in Nürnberg beschlossene Gesandtschaft, die dem König den Dank der Städte für seine Haltung zum Ausdruck bringen sollte, von dem Nürnberger Niclas Muffel und einem Regensburger Ratsherrn gebildet wurde88. Den Nürnbergern lag besonders daran, auch und gerade in dieser Situation engste Verbindung zum König zu halten. Weitere Verhandlungen wurden von dem Pfalzgrafen auf den 12. April in Heidelberg und Speyer anberaumt. Wieder ließ sich der schwäbische Städte­ bund durch die bereits in Nürnberg aufgetretene Viererkommission vertreten, die jetzt aber strengste Anweisungen erhielt, auf keinen Fall nachzugeben und die schroffste Haltung an den Tag zu legen89. Nürnberg sah sich veranlaßt, zur Wahrung seiner Interessen und sicher auch zur Unterstützung der in Heidelberg anwesenden königlichen Räte90, einen eigenen Gesandten nach Heidelberg zu entsenden, den Ratsherrn Jobst Tetzel. Auch Regensburg, Augs­ burg und Gmünd schickten Sonderbevollmächtigte91. Die offizielle Gesandt81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91

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St. Chr. I, S. 142. Vischer FDG 2, S. 96 f. St. Chr. I, S. 40 f. St. Chr. I, S. 41. St. Chr. I, S. 142 Anm. 1. RTA II, Nr. 11. Der 4. Städtevertreter ist nicht bekannt. RTA II, Nr. 3, Weigel DA 7, S. 184. RTA II, Nr. 4. RTA II, Nr. 11. So Weigels Ansicht, der zuzustimmen ist. DA 7, S. 18 5. RTA II, Nr. 11. Lindner,Wenzel II, S. 16 ff.Hinneschiedt, König Wenzel, Kurfürst Rup­ recht I. und der Städtekampf inSWDeutschland13 87—13 89 in:Zeitschrift fürGeschichte des Oberrheins NF 13, S. 208 ff. (künftig zitiert: Flinneschiedt II). Weigel DA 7, S. 185.

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schaft des Bundes besaß nicht mehr das Vertrauen derjenigen Städte, die zu den größten und bedeutendsten des Bundes zählten, deren Lebensnerv, der welt­ weite Handel, in weit größerem Ausmaß durch den Krieg gefährdet war als der der kleinen schwäbischen Städte. Über die Verhandlungen in Speyer/Heidelberg ist von den Gesandten dieser Städte ein anschaulicher Bericht überliefert worden92. Die von den Bundesgesandten vorgetragene Haltung war von Anfang an so unversöhnlich und radikal, daß der Pfalzgraf und die Räte des Königs immer wieder die Verhandlungskunst Jobst Tetzeis in Anspruch nehmen mußten, um einen sofortigen Abbruch der Gespräche zu verhindern. Da die Bundesgesand­ ten sich jedoch dem Vorschlag des Pfalzgrafen, aus beiden Gruppen eine gemischte Verhandlungsdelegation zu bilden, mit dem Hinweis versagten92: „sie weren von aller stet wegen da . . .“, kam kein Ergebnis zustande. Die Bundesgesandten brachen vielmehr die Verhandlungen dadurch ab, daß sie abreisten, als der Pfalzgraf entgegen ihrem Protest mit den vier Sonder­ gesandten über ihre Forderungen nach Rückgabe der festgehaltenen Güter verhandelte93. Daß Nürnberg dieses Verhalten der Bundesgesandten ver­ urteilte, liegt auf der Hand94. Die Stadt unternahm einen letzten verzweifelten Versuch, den drohenden Wiederausbruch der Feindseligkeiten zu verhindern. Niclas Muffel begab sich zum König mit der Bitte, zu dem auf den 23. Mai anberaumten Tag des schwäbischen Städtebundes einen Bevollmächtigten zu schicken, der das Schlimmste verhüten sollte95. Des Königs Gesandter war jedoch noch unterwegs, als die Bundesversamm­ lung in Ravensburg zusammentrat und die Fortführung des Krieges beschloß98. Auf dieser Versammlung prallten die Gegensätze zwischen der Friedens­ partei mit Nürnberg an der Spitze und der Kriegspartei heftig aufeinander. Nürnberg erhob scharfen Protest gegen die bisherige Politik des Bundes97. Der Bundesführung warf Nürnberg vor, den durchaus vermeidbaren Krieg gewollt und herbeigeführt zu haben. Sie habe ferner bewußt darauf hingearbeitet, die Stimme Nürnbergs in den Ausgleichsverhandlungen auszuschalten98, und, nachdem der Krieg ausgebrochen war und der fränkische Raum von bayerischen Heerhaufen bedroht wurde, auf die Hilferufe Nürnbergs nicht reagiert99. Die Schwere des Zerwürfnisses zwischen Nürnberg und den schwäbischen Städten ist schließlich auch daran zu erkennen, daß der Nürnberger Diplomat Jobst Tetzel wegen seines Verhaltens bei den Verhandlungen in Heidelberg ver92 Ebenda. 93 Das Ergebnis dieser Verhandlungen war, daß den geschädigten Städten eine Summe von 8000 Gulden von den Bayernherzögen gezahlt werden sollte, für deren Einlösung sich der Pfalzgraf, der Bischof von Bamberg und der Burggraf von Nürnberg verbürgten. 94 Hinneschiedt II, S. 209. 95 RTA II, S. 47, 34 a—37 a. Weigel DA 7, S. 186. 98 Weigel DA 7, S. 186. 97 RTA II, Nr. 12. St. Chr. I, S. 164. 98 „. . . wurden wir doselbst und hernach von allen tegen und teidingen geschoben, und die vier fürten teiding umb unser hab, haben wir doch wol fünf stund alz vil verlorn alz all stet verlorn haben.“ St. Chr. I, S. 164. RTA II, Nr. 12. 99 Ebenda. 4

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dächtigt wurde, hochverräterische Beziehungen angeknüpft und die städtische Sache verraten zu haben 10°. Der Gegensatz zu der die Bundespolitik bestimmenden schwäbischen Städtegruppe um Ulm war unüberbrückbar geworden. Mit dieser schweren Belastung ging die große und durch ihren Handel so besonders verwundbare Stadt in den Krieg, den sie nicht gewollt hatte. In den uns überlieferten Briefen an die Bundesführung und an ihren Gesandten am Bundeshauptquartier, Berthold Behaim, kam immer wieder die Unzufriedenheit mit der Politik der Bundes­ führung, aber auch mit der nach Ansicht der Nürnberger wenig tatkräftigen und umsichtigen Kriegsführung des Bundes zum Ausdruck, die in Nürnberg den Verdacht verstärkte, daß man in den schwäbischen Städten nur um die eigene Sicherheit besorgt war und die dringlichst erbetene Hilfeleistung in dem bedrohten fränkischen Raum unterließ101. Andererseits war es wiederum bezeichnend, daß nach der Niederlage des Städteheeres bei Döffingen am 23. August 138 8 im Bund das Gerücht ver­ breitet wurde, die nürnbergischen Hilfstruppen seien zuerst geflohen und hätten somit die Niederlage verschuldet102. Nach dem Scheitern der Heidelberger VermittlungsVerhandlungen im Früh­ jahr 1388 bemühten sich die rheinischen Städte in Besprechungen mit dem Pfalzgrafen und dem Erzbischof von Mainz, den Krieg nicht auf die Rhein­ lande ausgreifen zu lassen103. Auch der König schaltete sich jetzt noch einmal ein. Er setzte einen Vermittlungstag auf den 24. Juni an, der zuerst in Bam­ berg stattfinden sollte, dann nach Eger verlegt wurde und schließlich offenbar durch die sich überstürzenden Ereignisse ganz ausfiel104. In dem stets gut unterrichteten Nürnberg mag man den Eindruck gewonnen haben, daß der König, verstimmt über die unversöhnliche Haltung der Bundes­ städte in Heidelberg, im Begriff war, sich aus dem Bündnis mit den Städten zu lösen und den Fürsten zu nähern. Vielleicht sind schon damals erste Ge­ rüchte über die Heiratspläne Wenzels mit der bayerischen Prinzessin Sophie bekannt geworden. Es war deshalb von größter Wichtigkeit, dem König einen Lagebericht aus der Sicht der Städte zu geben und ihre Haltung in den Früh­ jahrskonferenzen zu rechtfertigen105. Diesen Auftrag erhielten im Juni 1388 der Rothenburger Bürgermeister Heinrich Topler und der Nürnberger Ratsherr Albrecht Ebner, und zwar mit der strikten Weisung, den König unter allen Umständen aufzusuchen, ganz gleich, wo sie ihn fänden. Sie hatten „di stett zu verantwurten und auch ir notdurft zu erzelen“105. Nürnberg schickte ihnen noch im Juni einen Boten 100 RTA II, Nr. 13. Jobst Tetzel weilte im April 13 88 in Amberg bei Pfalzgraf Ruprecht III. „. . . von der brantschatzung und Übergriff wegen, die man den unsern in dem krieg und auch dornach getan het . . .“ RTA II, S. 31, Anm. 8. Auch dieser Sonderauftrag mag den Nürnberger Diplomaten in den Verdacht gebracht haben, Beziehungen angeknüpft zu haben, die nicht mit der Bundesführung abgesprochen waren. 101 St. Chr. I, S. 144/45, 147—151, 154—156. Vischer FDG 3, S. 24 ff. 102 Vischer FDG 2, S. 100 f. St. Chr. IV, S. 87. 103 RTA II, Nr. 16. Weigel DA 7, S. 186. 104 RTA II, Nr. 17, Nr. 69. Lindner, Wenzel II, S. 43 f. Weigel DA 7, S. 187. 105 RTA II, S. 154, 12—22. Weigel DA 7, S. 188.

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nach — sie waren inzwischen nach Prag weitergereist — mit der Weisung, länger in Prag zu bleiben, da man erfahren hatte, daß Herzog Friedrich von Bayern und der Erzbischof von Salzburg auf dem Wege zum König waren106. In Nürnberg befürchtete man offensichtlich, daß es zu einem Separatabkommen zwischen dem Bayern und dem Erzbischof auf Kosten der Städte kommen könnte. Die beiden Gesandten sind dann auch auftragsgemäß mindestens bis Ende August in Prag in der Nähe des Königs geblieben107. Wieder bediente sich der Bund in der Not der guten Beziehungen Nürnbergs zum König, wie auch die Nürnberger selbst sich ungeachtet der Querelen und gegenseitigen Verdächtigungen bereitwillig für die gemeinsame Sache der Städte zur Verfügung stellten. Die Aufrechterhaltung des guten Kontaktes zum König war für die Städte geradezu lebensnotwendig, seitdem im Juli des Jahres auch der Pfalzgraf und der rheinische Städtebund in den Krieg eingetreten waren108. In der dadurch veränderten Kriegssituation erhielt der Sonderauftrag der beiden prominenten Städtegesandten eine besondere Bedeutung. Seit Anfang August 138 8 wurde Windsheim von den fränkischen Fürsten belagert109. Da die Bundesführung in Ulm trotz wiederholter Appelle Nürn­ bergs, Bundestruppen zum Einsatz der bedrohten kleinen Stadt zu schicken, keine Anstalten machte, Windsheim zu Hilfe zu kommen, und nach der Nie­ derlage des Bundesheeres bei Döffingen auch kaum noch mit einem Feldzug nach Franken gerechnet werden konnte, entschloß sich Anfang September der Rat der Stadt Nürnberg zu aktiverer Kriegsführung und sagte am 6. September dem Burggrafen ab110, um Windsheim zu entlasten. Am 7. September rückten die Nürnberger Fähnlein ins Feld*111.* Der Burggraf mußte die Belagerung Windsheims aufgeben und zur Ver­ teidigung seiner Besitzungen herbeieilen. Die militärischen Unternehmungen Nürnbergs verliefen im großen und ganzen erfolgreich. Die Stadt gab einer Reihe von verbündeten Städten, darunter Regensburg, Ulm, Augsburg und Rothenburg sowie Salzburg — vermutlich zur Information für den Erzbischof — Berichte vom Kriegsschauplatz mit einer Aufzählung der erfolgreich durch­ geführten Unternehmungen112. Der Erzbischof von Salzburg, den der König gemahnt hatte, neutral zu bleiben, damit eine weitere Kriegs aus Weitung verhindert wurde113, trat schließlich doch in den Krieg auf der Seite der Städte ein, aber erst, nachdem ihn die Nürnberger und Regensburger in dringenden Mahnschreiben an seine Bündnispflicht gegenüber den Städten erinnert hatten114. 108 107 108 109 110 111 112 113 114 4

RTA II, S. 47, Anm. 1. Weigel DA 7, S. 189. Schnurrer, H. Topler, S. 116 ff. Weigel DA 7, S. 188. St. Chr. I, S. 144/45, Vischer FDG 3, S. 24. St. Chr. I, S. 154. In den Städtechroniken Band I hat Hegel den denkwürdigen Brief­ wechsel veröffentlicht, der zwischen dem Burggrafen und der Stadt geführt wurde, bevor es zwischen ihnen zu Kriegshandlungen kam. St. Chr. I, S. 151 ff. St. Chr. I, S. 45. Vischer FDG 3, S. 30. St. Chr. I, S. 43 u. 156 f. \yeigel DA 7, S. 190. Lindner, Wenzel II, S. 45. Schreiben Nürnbergs vom 1. 10. 1388. Lindner, Wenzel II, S. 36.

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Der Bundesführung in Ulm ließ Nürnberg durch seinen Gesandten Berthold Behaim mitteilen, „ ... daz sie gedenken und den krieg anders in die hant nemen, dann sie noch bizher getan haben . . denn die Nürnberger Ratsherren waren der Meinung: „wann sol der krieg lenger wern, so wer not, daz sich die stet anders angreiffen, sol uns daz anders mit eren zurynnen“ 115. Man könnte annehmen, daß sich die Verhältnisse im Städtebund umgekehrt haben, daß jetzt Nürnberg die zum Kampf treibende Stadt geworden war und die Bundesführung in Ulm die gemäßigtere Haltung einnahm. Dieses scheinbar völlig veränderte Auftreten Nürnbergs war es wohl auch, das Lindner116 zu der Behauptung veranlaßte, Nürnberg habe „eine durchaus widerspruchsvolle Politik" getrieben. Das aber war keineswegs der Fall. Der Nürnberger Rat hat in keiner Phase des Krieges die Möglichkeit, in Verhandlungen den Kriegs­ zustand zu beenden, außer Acht gelassen117. Seit Oktober 1388 standen Nürn­ berger Ratsherren bereits wieder im Gespräch mit dem Erzbischof von Mainz und dem Bischof von Bamberg, die jetzt als Bevollmächtigte des Königs um die Festsetzung eines neuen Schlichtungstages bemüht waren118. Aber das Ziel, das den Nürnberger Ratsherren vorschwebte, war, durch eine starke und er­ folgreiche Kriegsführung der gemeinsamen Sache der Städte eine günstige Verhandlungsbasis für den kommenden Schlichtungstag zu verschaffen. So stand die aktive Kriegsführung Nürnbergs seit September durchaus nicht im Widerspruch zu der bisher eingenommenen Haltung119. Als nun aber offensichtlich wurde, daß die Bundesführung nicht bereit und auch nicht in der Lage war, wirkungsvoll auf dem fränkischen Kriegsschauplatz einzugreifen120, entschlossen sich die Nürnberger, das Schicksal ihrer Stadt und des gesamten fränkischen Raumes wieder in eigene Regie zu übernehmen. Dabei fanden sie Unterstützung bei den anderen Städten des fränkischen Viertels, zu denen außer den fünf fränkischen Städten auch Regensburg, Augs­ burg, Dinkelsbühl, Nördlingen und Bopfingen gehörten. Wir erfahren aus einem Brief der Stadt Nürnberg an ihren Gesandten in Ulm vom 4. Dezember 1388 121, daß in Nürnberg Sonderabsprachen dieser Städte stattgefunden hat­ ten. Es war beschlossen worden, zwei Abgesandte zum Hauptquartier nach Ulm zu schicken, die noch einmal die Mobilisierung aller Kräfte des Bundes 115 St. Chr. I, S. 159. 116 Lindner, Wenzel II, S. 33. 117 Siehe u. a. Anm. 88, 94, 95, 97. RTA II, S. 154. Weigel DA 7, S. 188. RTA II, Nr. 32, Nr. 34. 118 Weigel DA 7, S. 192. 119 Lindners Urteil über die Haltung Nürnbergs im Kriege „ . .. die eigene Sicherheit, die eigenen Interessen treten fortwährend in den Vordergrund, es fehlt das rechte Gefühl der Gemeinsamkeit mit den anderen Städten . . .“ Wenzel II, S. 33, ist, wie aus den obi­ gen Ausführungen deutlich gemacht wird, klar zu widerlegen. 120 St. Chr. I, S. 45. Ulman Stromer berichtet, daß am 11. November 13 88 die Bundesfüh­ rung zwar Truppen nach Franken geschickt hat, die aber zu einer wirkungsvollen Hilfe­ leistung nicht ausreichten. Nürnberg hatte „mer volks dar pracht dann alle stet dar procht heten . . .“, so daß alle städtischen Kontingente ihre Banner einziehen und sich unter das nürnbergische stellen mußten: „unter dem panir zugen sie alle, doch ward an der selb fart niht vil gutz geschikt.“ ** RTA II, Nr. 39.

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für eine energische Kriegsführung und die sofortige Entsendung eines starken Truppenkontingents nach Franken fordern sollten. Sollte die Bundesführung auf diese Forderungen wieder nicht eingehen, so „ . . . wollen wir gedenken, wie wir weg vinden daz wir unser stat niht verderben“ 12\ Andeutungen dieser Art, die erkennen ließen, daß der Nürnberger Rat sich mit dem Gedanken trug, den schwäbischen Städtebund wieder zu verlassen, fehlten in keinem der Briefe, die die Stadt seit Anfang August 1388 an die Bundesführung oder an ihren Gesandten in Ulm gerichtet hatte122. Sie waren sicher nicht ganz ernst gemeint und sollten lediglich die Unzufriedenheit mit der Politik der Bundes­ führung besonders unterstreichen. Hier aber war jetzt ein schwerwiegender Schritt getan. Nürnberg stand nicht mehr allein der Bundesführung gegenüber, eine geschlossene Städtegruppe hatte sich als Interessengemeinschaft zusammengeschlossen. Nürnbergs Füh­ rungsrolle war unbestritten, sowohl in der Durchführung der militärischen Maßnahmen wie auch in den Gesprächen und Verhandlungen über die Ein­ berufung eines Schlichtungstages123. Noch bedeutete dieser Schritt nicht die Loslösung vom schwäbischen Städtebund. Aber er machte deutlich, daß die Nürnberger nicht mehr gewillt waren, sich der Bundesführung in Ulm unter­ zuordnen. Sie waren entschlossen, wieder eigene, nürnbergische Politik zu machen, d. h. sich mit aller Entschiedenheit für das Zustandekommen eines Schlichtungstages einzusetzen, durch den die Kampfhandlungen beendet wer­ den konnten. Daß diese Friedensbemühungen der Nürnberger Ratsherren nicht egoisti­ schem Denken entsprangen, wie ältere Geschichtsforscher der Stadt vorge­ worfen haben124, sondern daß stets die gemeinsame Sache der Städte im Auge behalten wurde, geht eindeutig aus der Haltung der nürnbergischen Unter­ händler in den letzten Wochen des Jahres 1388 und in den ersten Monaten des Jahres 1389 hervor. Im November 1388 war Nürnberg die Aufgabe zuge­ fallen, den beiden Städtebünden Vorschläge über die Einrichtung eines neuen Schlichtungstages zu unterbreiten, die die Stadt zusammen mit dem Bischof von Bamberg ausgearbeitet hatte125. Von beiden Städtebünden erbat Nürnberg die Vollmacht, mit dem Erzbischof von Mainz und dem Bischof von Bamberg gemeinsam einen Schlichtungstag festzusetzen. Der Brief an die rheinischen Städte vom 30. November 1388 war ein Appell an die gemeinsame Sache der Städte126. Die Mitteilung eigener militärischer Erfolge sollte die durch die Niederlage bei Worms entmutigten rheinischen Städte aufrichten und der Gefahr, sie könnten sich in separate Friedensverhandlungen mit dem Pfalz-

122 St. Chr. I, S. 145, 146, 148, 155 f., 160. 123 RTA II, Nrr. 32, 38, 39. 124 Lindner, Wenzel II, S. 69/70. 125 RTA II, Nr. 38. Schreiben an die rhein. Städte vom 30. 11. 1388. 126 RTA II, Nr. 38. Es heißt in diesem Schreiben: „ ... daruf daz ir und wir zu tagen wol erweisen und küntlich machen wollen, daz solch krieg und verdurpnüsse der land, die bizher geschehen sind und noch geschehen mögen, der fürsten und herren schuld sein und unser niht ...“

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grafen einlassen, Vorbeugen127. Ganz offensichtlich lastete die Sorge, daß die Front der Städte und ihrer fürstlichen Verbündeten vorzeitig auseinanderfallen könnte, bevor es zu allgemeinen Friedensverhandlungen kam, schwer auf den Nürnberger Diplomaten. In einem weiteren Brief an die rheinischen Städte, in dem wieder militärische Erfolge mitgeteilt wurden, stellte man eine kürzlich erlittene Schlappe als unerheblich hin128. Der Bundesführung in Ulm ließen die Nürnberger durch ihren Gesandten den Rat übermitteln, dafür zu sorgen, daß ständig Vertreter des Bundes beim Erzbischof von Salzburg weilten, damit er nicht „abgestrickt werde" 129. Und dem König, der sich jetzt selbst wieder in die Vorbesprechungen um die Ansetzung eines Schlichtungstages einge­ schaltet hatte130, machte die Stadt in einem Schreiben vom 4. Dezember 1388 Vorwürfe, daß er den Erzbischof und andere mit den Städten verbündete Herren aufgefordert habe, die Waffen niederzulegen, anstatt sie zu ermahnen, ihre Bundespflicht zu erfüllen131. Mit Abgeordneten des Königs und des Bischofs von Bamberg vereinbarten die Nürnberger Unterhändler, daß ein Schlichtungstag auf den 10. Januar 1389 nach Mergentheim angesetzt wurde132, während die Städte nach Rothenburg einberufen wurden133. Eine Einigung kam dort jedoch nicht zustande. Man vertagte sich auf den 15. Februar134. Nürnberg war auf diesem ersten Schlich­ tungstag des neuen Jahres durch seine erste Diplomatengarnitur vertreten: Niclas Muffel, Berthold Behaim, Berthold Pfinzing und Jobst Tetzel, ein Beweis für uns, welche Bedeutung dieser Konferenz im Nürnberger Rat bei­ gemessen wurde. Über die städtischen Absprachen während der Verhandlungen in Rothen­ burg/Mergentheim berichtete Nürnberg in einem Brief vom 2. Februar 1389 an den Erzbischof von Salzburg135. Man habe dort beschlossen, die ganze Entscheidung in die Hände des Königs zu legen135. Der Nürnberger Brief wurde von Hinneschiedt136 wie auch Weigel137 dahingehend interpretiert, daß sich Nürnberg — im Gegensatz zu anderen Bundesstädten — mit dem vom König gewünschten Verfahren einverstanden erklärt habe. Diese Entscheidung ist jedoch, wie sich nachweisen läßt, nicht von Nürnberg allein getroffen wor­ den, sondern von der Gesamtheit oder doch wenigstens der Mehrheit der in Rothenburg/Mergentheim anwesenden Städte138. Nürnberg hatte in Rothen127 St. Chr. I, S. 44. Die rheinischen Städte wurden am 6. November 13 88 bei Worms von Pfalzgraf Ruprecht I. geschlagen. 128 RTA II, Nr. 42. 129 St. Chr. I, S. 159. 130 Weigel DA 7, S. 192 f. Hinneschiedt II, S. 232. 131 Lindner, Wenzel II, S. 58 Anm. 1. 132 Weigel DA 7, S. 194. RTA II, Nrr. 40-42. 133 Weigel DA 7, S. 195. 134 RTA II, Nrr. 51, 52 u. S. 72—81. Lindner, Wenzel II, S. 58, S. 459—461. Hinneschiedt II, S. 232—236. 135 RTA II, Nr. 56. 136 Hinneschiedt II, S. 236. 137 Weigel DA 7, S. 196. 138 Die Regensburger Gesandten unterschrieben mit den Nürnbergem den Brief an den Erz­ bischof von Salzburg. Und in den späteren Verhandlungen in Eger erklärten die rheini-

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bürg eindeutig die Führung der Städte des schwäbischen Bundes übernommen. Hauptziele der Nürnberger Politik waren: 1. Es mußte unter allen Umständen verhindert werden, daß die rheinischen Städte sich von den schwäbischen Bundesgenossen lösten und einen Sonder­ frieden vereinbarten. 2. Die Verbündeten des schwäbischen Städtebundes, der Erzbischof von Salzburg und der Bischof von Eichstätt mußten angehalten werden, „an (= ohne) die stet kein rihtigung“ aufzunehmen. 3. Für die kommenden Friedensverhandlungen mußte eine sowohl mili­ tärisch wie politisch starke und geschlossene Front der Städte verhindern, daß der König mit den Fürsten über ihre Köpfe hinweg Vereinbarungen traf, die für die Städte ungünstig ausfielen139. Auch der zweite Vermittlungstag in Rothenburg/Mergentheim vom 15. Februar 1389 verlief ohne definitive Ergebnisse. Man vertagte sich auf den 28. März nach Bamberg140. Auf dem Rückweg vom Mergentheimer Treffen ver­ abredeten Pfalzgraf Ruprecht III. und Landgraf Johann von Leuchtenberg mit den Nürnberger, Regensburger und Augsburger Gesandten, daß man den Bamberger Tag notfalls auch ohne den König abhalten wollte141. Die städti­ schen Gesandten haben offenbar in diesen Besprechungen den Eindruck ge­ wonnen, daß der Zusammenhalt zwischen der Fürstenpartei und dem König nicht mehr der beste war. Gemeinsam beschlossen sie, ihre Chance wahrzu­ nehmen und eine Gesandtschaft an den König zu schicken, die ihm die drin­ gende Bitte der Städte142 ans Herz legen sollte, persönlich nach Bamberg zu kommen143. Die Gesandten sollten den König ferner bitten, den Erzbischof von Salzburg und den Bischof von Eichstätt nach Bamberg einzuladen und sie an ihre Bündnispflicht gegenüber den Städten zu erinnern144. Lag in dieser Bitte, die beiden Fürsten an ihre Verpflichtungen gegenüber den städtischen Bündnispartnern zu erinnern, nicht auch eine leise, aber deut­ liche Mahnung an den König selbst? Ganz zweifellos war die Gesandtschaft an den König ein Versuch der Städte, den Herrscher an das alte, gute Verhält­ nis zwischen ihm und den Städten von 1387 zu erinnern, indem man ihm die treue und loyale Haltung der Städte vor Augen führte, die nun — ein wesent­ licher Wandel gegenüber 1387 — unter der Führung der drei großen Handels­ städte standen145.

139 140 141 142 143 144 145

sehen Städte ihren schwäbischen Kollegen, sie sollten dem König die Entscheidung über­ lassen, wie man es in Mergentheim beschlossen hätte. RTA II, Nr. 91. RTA II, Nr. 56. Schreiben Nürnbergs an die rhein. Städte RTA II, Nr. 58. „ .. . ob unser herre der kunig zu demselben tag niht körnen moht von ehaftiger not wegen odir denselben tag Ienger verziehen oder schieben wolt dez wir doch niht getrawen . . .“, ebenda. RTA II, Nr. 57. Die Gesandten sollten an den König die „ernstlichen bitt .. .“ richten, nach Bamberg zu kommen. Ebenda. Ebenda. „ . . . wez sie sich gen den steten verpunden und schriben haben, daz sie daz tun und halten und daz sie daran wider in und daz reich niht tun.“ Weigel DA 7, S. 196.

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Eben diese Städte vollzogen nun einen weiteren bedeutungsvollen Schritt, mit dem sie ihre Entschlossenheit, zur Beendigung der Kriegshandlungen selbsttätig beizutragen, unter Beweis stellten: am 1. März 1389 schloß Regens­ burg mit dem Pfalzgrafen Ruprecht III. und dem Bayernherzog Friedrich einen Waffenstillstand146, am 24. März verglich sich Nürnberg mit dem Burggrafen147. Nürnberg hatte sich bisher, wie wir gesehen hatten, mit großem Eifer bemüht, die kriegsmüden und verhandlungsbereiten rheinischen Städte davon abzuhalten, in gesonderte Friedensgespräche mit dem Pfalzgrafen einzutreten. Es hatte mehrfach große Besorgnis gezeigt, die fürstlichen Alliierten der Städte könnten vorzeitig aus dem Bündnis aussteigen. Stand dieser Schritt der Nürn­ berger nun nicht im Widerspruch zu der bisher eingenommenen Haltung? Hatte sich Nürnberg mit dieser nachbarlichen Absprache jetzt nicht vom Städtebund losgesagt148? Die beiden separaten Waffenstillstands Verträge der großen Handelsstädte waren, so kann man vermuten, ein Ergebnis der Besprechungen mit dem König. Die Gesandten werden in Prag vom König, der inzwischen zu einem königlichen Friedenstag nach Eger eingeladen hatte149, über sein Programm unterrichtet worden sein. Punkt 1 dieses Programmes aber war die Beilegung der Streitfälle zwischen Fürsten und Städten durch „minne“, d. h. Verständi­ gung der Gegner untereinander, oder durch Schiedsspruch150. Nürnberg und Regensburg handelten sofort und gaben mit diesem Schritt im Sinne des könig­ lichen Programms ein leuchtendes Beispiel dafür ab, daß Verständigung mög­ lich war151. Der zwischen der Stadt und dem Burggrafen geschlossene Vertrag beweist, daß sich Nürnberg damit noch nicht vom Städtebund gelöst, geschweige denn die städtische Sache verraten hatte152. Von beiden Vertragspartnern aber wurde den unverantwortlichen Kriegshetzern auf beiden Seiten eine unmiß­ verständliche Absage erteilt153. Stadt und Burggraf verpflichteten sich, ge146 Ebenda. Lindner, Wenzel II, S. 59. Hinneschiedt II, S. 237. 147 RTA II, Nr. 60. Weigel DA 7, S. 196. Hinneschiedt II, S. 237. Lindner, Wenzel II, S. 59. 148 So Schindelwick, Die Politik der Reichsstädte des früheren schwäbischen Städtebundes 1389—1401, S. 2 f. 149 RTA II, Nr. 70. Der Tag wurde mit Rücksicht auf die Hochzeit Wenzels mit der baye­ rischen Prinzessin Sophie auf den 21. April verschoben, Weigel DA 7, S. 196. Lindner, Wenzel II, S. 61 f. u. 456 f. 150 Weigel DA 7, S. 197. RTA II, S. 150, 33—3 5. 151 In dem Vertrag, den die Stadt Nürnberg mit dem Burggrafen abschloß, wurde ausdrücklich im § 1 vermerkt, daß das Abkommen so lange Geltung haben sollte, bis der König „ein gemeine richtigung macht“. RTA II, Nr. 60. Man rechnete damit, daß der König bis zum 1. Mai einen Frieden aufgerichtet haben würde. Andernfalls sollte am 1. Mai zwischen ihnen „eine gancze sune und berihtigung angeen“. Dieser Wortlaut mit seiner konkreten Terminangabe beweist, daß vorherige Absprachen mit dem König (anläßlich des Auf­ enthaltes der Gesandten in Prag vermutlich) stattgefunden haben. 152 Im § 5 wurde festgelegt, daß die Vertragschließenden bei Mahnungen ihrer Verbündeten, militärische Hilfe zu leisten, nicht mehr die Waffen gegeneinander erheben wollten. 153 § 9: Den Fürsten, Herren oder Städten, die sich mit einer königlichen „rihtigung“ auf Grund der Mergentheimer Abmachungen nicht zufrieden geben wollten und weiter Krieg führten, sollte von beiden keine militärische Hilfe mehr geleistet werden.

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meinsam für die Aufrichtung des Friedens tätig zu sein und alle verständi­ gungsbereiten Fürsten, Herren und Städte miteinander zu versöhnen154. Eine Loslösung der beiden großen Handelsstädte aus ihren Bundesverpflich­ tungen stand, sofern der Bund bereit war, auf der Grundlage der Mergentheimer Abmachungen in Friedensverhandlungen einzutreten, vorerst nicht zur Debatte. Sollte die Bundesführung jedoch weiter auf ihrer starren und jede Verständigung ablehnenden Haltung beharren, so waren beide Städte ent­ schlossen, die Konsequenzen zu ziehen und ihren eigenen Weg zu gehen. Auch die rheinischen Städte standen inzwischen in Ausgleichsverhandlungen mit dem Pfalzgrafen155. Auf dem Bamberger Tag vom 28. März 1389 wurden die Gespräche um einen Ausgleich zwischen den rheinischen Städten und dem Pfalzgrafen fort­ gesetzt. Der Pfalzgraf forderte als Entschädigung von den Städten 60 000 Gulden. Diese erklärten ihre Bereitschaft, die Summe zu entrichten, forderten jedoch von ihren schwäbischen Waffenbrüdern, daß diese die Hälfte der Summe übernehmen sollten, weil sie ihretwegen in den Krieg eingetreten waren158. Die Nürnberger Gesandten auf dem Bamberger Tag — es waren dieselben vier Spitzendiplomaten, die die Stadt bereits auf den beiden vorangegangenen Tagungen des Jahres vertreten hatten157 — sprachen offen zu ihren rheinischen Ratskollegen über ihre Einstellung zur Bundesführung in Ulm, erklärten sich zur Zahlung eines entsprechenden Anteils bereit, lehnten jedoch mit Ent­ schiedenheit jede weitere Haftung für die anderen Bundesstädte ablo8. Der Einladung des Königs, zum 21. April nach Eger zu kommen, folgten die rheinisdien Gesandten erst auf eindringliche Bitten der Nürnberger, die sich von ihnen einen günstigen Einfluß auf die schwäbischen Städte erhofften15#. Noch immer sah man in städtischen Kreisen die schwäbischen Genossen als besonders schwierige Verhandlungspartner an und befürchtete, daß durch ihre Haltung der König zu Maßnahmen veranlaßt werden konnte, die allgemein der Sache der Städte abträglich waren. Der König übertrug in Eger die Beilegung der zahlreichen Streitfälle direk­ ten Abmachungen der jeweiligen Prozeßgegner160. Das Beispiel Nürnbergs und

154 § 7 des Vertrages enthält diese gemeinsame Verpflichtung. Hinnesdiiedt nannte diesen Vertrag ein „klassisches Zeugnis für die politische Einsicht und die versöhnliche Gesinnung sowohl des Burggrafen als auch der Nürnberger Ratsherren". S. 23 8. 155 Hinnesdiiedt II, S. 237—239. Lindner, Wenzel II, S. 60 f. 156 Hinnesdiiedt II, S. 240. Lindner, Wenzel II, S. 60 f. 157 Niclas Muffel, Berthold Behaim, Berthold Pfinzing und Jobst Tetzel, s. auch S. 44. 158 RTA II, Nr. 90. Die rheinischen Gesandten berichteten über ihre Gespräche mit den Nürnbergern an ihre Städte: „ ... darzu were uns auch gesaget, daz sie zweiunge under ein­ ander hetten und die gresten und mechtigsten stete sich von in scheiden wolten ..." RTA II, Nr. 91. 159 RTA II, Nr. 91. „ ... weren wir uf dem dage niht, waz unrades dan in dieSachen vielen, das were unser scholt, wan wir die Swebschen stete baßmochten gewisen dan imand anders.“ 160 RTA II, S. 128—132, 133—137. Lindner, Wenzel II, S. 61 ff. Hinnesdiiedt II, S. 240 ff. Vahlen, Der deutsche Reichstag unter Wenzel, S. 119 ff. Weigel DA 7, S. 197 f. Asche S. 94 ff. Deicke, S. 22.

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Regensburgs hatte bewiesen, daß man auf diesem direkten Wege am schnell­ sten zu einer Verständigung kommen konnte. So konnte sich Wenzel dem Hauptpunkt seines Friedensprogramms zu­ wenden, der Aufrichtung eines Landfriedens in den vom Krieg heimgesuchten Gebieten. Am 1. Mai befahl er Fürsten und Städten, ihre Bünde aufzulösen161. Diese offenbar unerwartete Verfügung des Königs versetzte die Städte in eine nicht geringe Bestürzung. Die rheinischen Gesandten erklärten, die neue Lage erst einmal ihren Städten mitteilen zu müssen. Sie wollten Zeit gewinnen. Ihnen lag daran, solange sie ihre Streitigkeiten mit dem Pfalzgrafen noch nicht endgültig bereinigt hatten, noch als Bund bestehen zu bleiben und als solcher mit dem Fürsten den Ausgleichsvertrag abzuschließen162. Von den schwäbischen Städten erklärte nach einem Bericht der Straßburger Gesandten163 „ . . . ein teil der mehtigsten, von den der krieg allermeist ufer­ standen ist, ... sie wellent unserm herm dem kunige gern antwurten.“ Diese Städte waren Nürnberg und Regensburg164, zu ihnen trat als dritte aus dem fränkischen Viertel Weißenburg. Die übrigen schwäbischen Städte verhielten sich ablehnend und erklärten, keine Vollmachten zu besitzen. Als am 5. Mai der König den Landfrieden verkündete165, traten ihm zuerst lediglich Regensburg, Nürnberg und Weißenburg bei, die anderen fränkischen Städte folgten166. Nürnberg erklärte noch in Eger, daß es bereit sei, seine Streitfälle mit den bayerischen Herzogen, mit dem Bischof von Augsburg und dem Grafen von Oettingen durch ein Schiedsgericht beilegen zu lassen167. Den aus Eger heimreisenden Städtegesandten, die ihren Weg über Nürnberg nahmen, gab der Rat der Stadt Geschenke an ihre Städte mit, „ . . . als vil sich ieder stat do gebürt zu schenken, do man in Urlaub gab“ 168. 161 RTA II, Nr. 76. Weigel DA 7, S. 197. Hinneschiedt II, S. 245. 162 RTA II, Nr. 91. Die rheinischen Städte teilten den schwäbischen Ratsgenossen mit, daß sie nicht mehr auf die Hilfe der rheinischen Städte rechnen könnten, wenn sie den Krieg fortzusetzen beabsichtigten. 163 Bericht der Straßburger Gesandten vom 3. Mai 13 89, RTA II, Nr. 91. Die Bemerkung „ .. . ein teil der mehtigsten von den der krieg allermeist uferstanden ist . ..“ kann sich nur auf Regensburg beziehen, das zu Beginn des Krieges noch zur Kriegspartei gehörte und durch den Bündnisabschluß mit dem Erzbischof von Salzburg zum Krieg gedrängt hatte, vielleicht aber auch auf die nürnbergischen Kriegsanstrengungen ab August 1388 und Forderungen nach energischerer Kriegführung. 184 Ebenda. 165 RTA II, Nr. 72. 166 RTA II, Nr. 89: Die Regensburger Gesandten meldeten ihrer Stadt, „daz der Iantfride für sich gangen ist und daz wir und dy von Nurenberg und dy von Wezeburg den geswom haben, und het wir dez niht tan, so wem wir und manleich an alz ent von hinn geschaiden“. Ähnlich berichtete Nürnberg an Erfurt, RTA II, Nr. 92. RTA II, Nr. 77. Weigel DA 7, S. 198. 167 RTA II, S. 136 Anm. 6. Der Schiedsspruch des Landgrafen von Leuchtenberg zwischen Nürnberg und den bayerischen Herzogen erfolgte am 11.8.1389, Reg. Boica X, 239. Vischer, FDG 2, reg. Nr. 3 54. Mit dem Pfalzgrafen, mit dem die Stadt nicht in Feindseligkeiten gestanden hatte, wurde am 12. Okt. 1389 die Wiederherstellung des Friedenszustandes beurkundet. Reg. Boica X, 252, RTA II, S. 136 Anm. 1. 168 RTA II, Nr. 100.

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Der Städtebund war aufgelöst. Nürnberg war nie grundsätzlich gegen eine Vereinigung der Städte gewesen, das hatte es 1360 und 1367/68 bewiesen. Aber es hatte auch erkannt, daß in jeder ständischen Vereinigung die Gefahr einer Abkapselung gegenüber den anderen Ständen und damit einer Radikali­ sierung der ständischen Forderungen vorhanden war169. Der Städtebund, der den Nürnbergern vorschwebte und dessen vornehmste Aufgabe gewesen wäre, entschlossenes und zielbewußtes Eintreten für die städtischen Belange zu ver­ einen mit einer großzügigen und kraftvollen Reichspolitik in enger Fühlung mit dem König und den anderen Ständen, war nicht zu realisieren gewesen. Die in den Bünden vereinigten Städte waren zu unterschiedlich in ihrer Struktur, ihren Interessen, ihren regionalen und wirtschaftlichen Verflechtungen mit ihren fürstlichen und adligen Nachbarn. 3. Vom Egerer Landfrieden bis zur Absetzung Wenzels

Nürnbergs führende Rolle in den Friedensgesprächen von Eger, das Ver­ handlungsgeschick seiner einflußreichen und allgemein anerkannten Spitzen­ diplomaten, die Bereitschaft zur Beilegung aller Streitfälle — auch unter materiellen Opfern170 — hatten der Stadt in den Augen aller Beteiligten ihren Rang als Metropole des Reiches zurückgewonnen. In den dem Egerer Reichstag folgenden Monaten bis in den Herbst 1390, in denen die Unsicherheit im Lande noch groß und das Bemühen aller Stände und Parteien, wirklich ge­ sicherte Verhältnisse zu schaffen, allgemein war, erschien Nürnberg immer wieder als der geeignetste und zentralste Platz, an dem sich Fürsten, Herren und Städte versammelten, um über die Aufrechterhaltung des Friedens und die Durchführung der Landfriedensbestimmungen zu beraten und auf das Ein­ treffen des Königs zu hoffen, der durch sein Fernbleiben keineswegs zur Stabi­ lisierung des Friedens beitrug. Wenn schon der König nicht erschien, so war doch Nürnberg Reichsboden. In Nürnberg war das Reich171. Nürnberg übernahm es, die Anliegen der Städte des früheren schwäbischen Städtebundes dem König vorzutragen. Berthold Pfinzing reiste im Mai 1390 zum König „von der Reinischen stete, der Juden und anderer geprechen we­ gen“ 172. Es handelte sich um die Streitsache mit den rheinischen Städten über die Beteiligung der schwäbischen Städte an den Entschädigungsforderungen des Pfalzgrafen173, die Absicht des Königs, das Judenregal ganz an sich zu ziehen174 169 Hinneschiedt hat das königliche Verbot der Einungen richtig „im wohlverstandenen Inter­ esse des Reiches“ beurteilt. „In Zukunft war es unmöglich, einen kleinen Streit durch Aufgebot der beiderseitigen Bundesglieder zu einem Reichskrieg zu erweitern.“ S. 245. 170 In den Ausgleichsverhandlungen mit dem Burggrafen erklärte sich die Stadt bereit, den Klagepunkt des Burggrafen, die Stadt hätte zu früh angegriffen, zur Entscheidung einem Schiedsgericht zu übertragen. Dieses entschied gegen die Stadt und verurteilte sie zu einer Zahlung von 8000 Gulden an den Burggrafen, deren Empfang dieser am 11. Aug. 1389 quittierte. RTA II, S. 121, Anm. 1. 171 RTA II, Nrr. 130, 133, 210, 211,1. 172 RTA II, Nr. 210,4. 173 S. oben S. 47. 174 RTA II, Nr. 148.

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und Klagen der Städte über die Verschlechterung des Münzwesens und die Verbreitung des Plackerunwesens. Vermutlich war es dem Einfluß Pfinzings und seinen Besprechungen am Hofe zuzuschreiben, daß der König von seinen weitgehenden Plänen in der Judenfrage abließ und sich mit den Bestimmungen des am 16. September 1390 in Nürnberg verkündeten Judenschuldentilgungsgesetzes begnügte175. Diesem Gesetz, das durch königliche Bevollmächtigte auf einem Nürnberger Tag verkündet wurde, stimmte lediglich die fränkische Städtegruppe sofort zu176. Die schwäbischen Städte suchten ihre Zustimmung zu diesem Gesetz, dessen Nutznießer in erster Linie die Fürsten und Herren, vor allem aber der König, waren, davon abhängig zu machen, daß ihnen Amnestie für alles im Städtekrieg Geschehene, Rückgabe der Gefangenen und der im Kriege be­ schlagnahmten städtischen Schlösser zugebilligt wurde177. Gleichfalls in Nürnberg wurde am 14. September ein königliches Münz­ gesetz erlassen, das der fortwährenden Verschlechterung der Münzen im Reich ein Ende bereiten sollte. Das Gesetz kam in enger Zusammenarbeit zwischen königlichen Finanzfachleuten und Nürnberger Ratsherren zustande178. Auch in den folgenden Jahren, in denen der König dem Reich fernblieb, sehen wir die Nürnberger Ratsherren, an der Spitze immer wieder Jobst Tetzel und Berthold Pfinzing, gemeinsam mit Vertretern der anderen Stände, insbesondere mit den fränkischen Fürsten und dem Pfalzgrafen Ruprecht III., unablässig um die Erhaltung des Landfriedens und die Durchführung seiner Bestimmungen bemüht179. Die Nachricht von der Gefangennahme Wenzels durch Jobst von Mähren und die aufständischen böhmischen Landherren erreichte im Mai 1394 die wieder einmal in Nürnberg versammelten Fürsten, Herren und Städte und veranlaßte die Reichsstände, Maßnahmen zur Befreiung ihres Königs zu treffen 18°. Auf einem von den Fürsten einberufenen Tag in Frankfurt im Juli 1394 wurde Pfalzgraf Ruprecht II. für die Dauer der Gefangenschaft des Königs zum Reichsverweser ernannt181. Es ist auffallend, daß die Städte auf diesem Tag, von dem aus die Fürsten in einem „heftigen brief“ von Markgraf Jost die sofortige Freilassung ihres Königs forderten, nur durch untergeordnete Boten, Befehlsempfänger, vertreten waren182, so daß die Zustimmung der Städte zu diesem Schritt und den im Weigerungsfälle geplanten militärischen Maß­ nahmen erst noch eingeholt werden mußte183. 175 RTA II, Nrr. 174, 182—184, 186, 189, 192. 176 RTA II, Nrr. 182/83 u. S. 280. Schindelwick S. 22 f. 177 RTA II, Nrr. 169—173. Nürnberg erhielt diese Zugeständnisse vom König als Dank für seinen sofortigen Beitritt. Darüber hinaus erteilte Wenzel der Stadt das Privileg, neben den alten Juden neue in der Stadt aufzunehmen gegen Ablieferung der Hälfte des ent­ fallenen Nutzens und eines jährlichen Guldens von jedem erwachsenen Juden, RTA II, Nr. 184. 178 RTA II, Nr. 152. 179 Schindelwick S. 35. RTA II, Nrr. 140, 143, 210,7—211, 235. 18° rta II, Nr. 220, Schindelwick S. 48. 181 RTA II, Nr. 222. 182 RTA II, Nr. 232. RTA II, Nr. 235,5. 183 RTA II, Nrr. 236—238.

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Deutete diese Zurückhaltung der Städte darauf hin, daß sie nicht ohne weite­ res gewillt waren, sich in kriegerische Unternehmungen außerhalb des Reiches einzulassen? Man könnte es annehmen; denn als nun Wenzel selbst nach seiner Freilassung durch Unterhändler die Städte auffordern ließ, ihn in seinem Kampf gegen die böhmischen Aufrührer zu unterstützen, da legten die Städte dieselbe Zurückhaltung an den Tag. Nürnberg war nicht einmal auf dem von königlichen Unterhändlern nach Augsburg einberufenen Tag vertreten184. Auf zahlreichen Landfriedenstagen der Jahre 1395 und 1396 waren, während der König weiterhin dem Reich fernblieb, Fürsten, Herren und Städte darum bemüht, gegen das Plackerunwesen anzugehen und durch Münzreformen Ordnung in die zerrütteten Finanzverhältnisse zu bringen185. Die Nürnberger beschafften sich schließlich — durch ein Privileg vom 16. 12. 1396 — vom König die ausdrückliche Genehmigung, sich jederzeit mit Fürsten, Herren, Rittern und Knechten zu verbinden, um den Friedensstörern wirkungsvoller das Handwerk legen zu können. Bezeichnenderweise aber mußten die Nürn­ berger Ratsherren das Versprechen abgeben, daß sich diese Verbindungen niemals gegen den König selbst und die Krone richteten186. Wird schon aus dieser Klausel deutlich, daß in den Verhandlungen der Nürnberger Abgesandten mit dem König die Gerüchte über Absetzungspläne der Kurfürsten zur Sprache gekommen waren, so ist aus dem kurz darauf verkündeten Entschluß des Königs, zu Ostern 1397 endlich wieder ins Reich zu kommen und einen Reichstag nach Nürnberg auszuschreiben, unschwer zu entnehmen, daß die Nürnberger Verhandlungspartner Wenzel die ganze Ge­ fährlichkeit der Situation und die Notwendigkeit seines baldigen Erscheinens im Reich vor Augen geführt haben mußten187. Der König verschob sein Kommen indessen noch einmal und erschien erst im September des Jahres, nachdem die Kurfürsten inzwischen an ihn die Auf­ forderung gerichtet hatten, einen Reichshauptmann zu ernennen188. In Nürnberg erließ Wenzel am 20. September mit den anwesenden Fürsten und Herren sowie den fränkischen Städten einen Landfrieden189. Wie not­ wendig dieser Landfriede war, der nun die Mitglieder berechtigte, mit dem königlichen Siegel im Lande Ordnung zu schaffen und den Raubrittern das Handwerk zu legen, ist daran zu ersehen, daß sofort zur Tat geschritten wurde 19°. Nürnberg beteiligte sich an den Feldzügen gegen die Raubritter mit 184 RTA II, Nrr. 239, 233,3. Schindelwick S. 50. Auch später, 1397, als Wenzel erneut durch Bevollmächtigte mit den Städten über Hilfe­ leistungen für seine böhmischen Feldzüge verhandelte, verhielten sich die Städte zurück­ haltend. Brief Ulman Stromers an den Rothenburger Bürgermeister Heinrich Topler. St. Chr. I, S. 190 f., RTA II, S. 418 Anm. 6. 185 RTA II Nr. 235,10, S. 415, Nr. 280. St. Chr. I, S. 358 u. S. 238. 186 RTA II, S. 475. 187 RTA II, Nrr. 249, 250. 188 Auf dem von den Kurfürsten einberufenen Reichstag zu Frankfurt im Mai 1397. RTA II, Nrr. 251—276, Nürnberg war dort durch Berthold Pfinzing und Jobst Tetzel vertreten, RTA II, Nr. 280,5. 189 RTA II, Nrr. 302, 303. St. Chr. I, S. 426 ff. Lindner, Wenzel II, S. 379. Asche, S. 118 ff. 190 Schon am 19. Nov. 1397 verfügte Wenzel, daß die zerstörten Raubschlösser Spieß, Löwen­ stein und Leupoltstein nicht wieder aufgebaut werden dürften. Er erteilte den Fürsten und

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großem Elan191. Um die Durchführung der Landfriedensexpeditionen noch wir­ kungsvoller zu gestalten, verabredeten die Mitglieder des fränkischen Land­ friedens, die Bestimmungen der Teilnahme an diesen Unternehmungen noch zu verschärfen192. Die Nürnberger hätten allen Grund gehabt, mit dieser Wendung der Dinge zufrieden zu sein. Der König war endlich ins Reich gekommen und hatte be­ gonnen, mit Tatkraft und Zielstrebigkeit im Lande Ordnung zu schaffen. Aber es zeigte sich bald, daß er nicht gewillt war, eine die Städte des Reiches be­ günstigende Politik zu treiben. Sein Zerwürfnis mit Rothenburg193, ebenso wie seine einseitig parteiisdie Entscheidung in dem Prozeß der rheinischen gegen die schwäbischen Städte um die Zahlung der 30 000 Gulden zugunsten der rheinischen Städte, denen er im Januar 1398 die Vollmacht erteilte, sich am Gut der schwäbischen Städte schadlos zu halten194, machten deutlich, daß der König nicht die unabhängige, allen Parteien übergeordnete Instanz dar­ stellte 195. Auch die Haltung des Königs im Würzburger Streit zwischen dem Bischof von Würzburg einerseits, der Stadt Würzburg und den unterfränkischen Land­ städten andererseits, trug nicht dazu bei, die Städte von der Festigkeit und Neutralität der königlichen Politik zu überzeugen. Nachdem er zuerst, am 13. Oktober 1397, zugunsten der Landstädte entschieden hatte196, wandte er sich im Januar 1398 bereits wieder mehr dem Bischof zu, um schließlich ein Jahr später eine endgültige Verfügung ganz im Sinne des Bischofs zu erlassen197. Wie sehr Nürnberg durch diesen Streit berührt wurde, zeigt der ausführliche Bericht, den Ulman Stromer über diese Ereignisse überliefert hat. Der Rat der Stadt versuchte zu vermitteln198. Bei diesen Verhandlungen war Jobst Tetzel auf nürnbergischer Seite führend beteiligt, dessen plötzlicher Tod mitten in aussichtsreichen Verhandlungen den Abbruch der Gespräche und die Fort­ setzung der Feindseligkeiten zur Folge hatte199. Städten des Landfriedens und besonders der Stadt Nürnberg die Vollmacht, jeden Wiederaufbauversuch zu verhindern. RTA II, Nr. 304. St. Chr. I, S. 429. 191 RTA II, Nr. 309. Roth I, S. 76—97. 192 RTA II, Nr. 305. 193 RTA II, S. 477. Höfler, Ruprecht von der Pfalz, S. 139—141. Bensen, Hist. Untersuchungen über die ehemalige Reichsstadt Rothenburg, S. 208. 194 RTA III, Nr. 20. Schindelwick, S. 57. 195 Als einer der Wenzel gegenüber schon frühzeitig kritisch eingestellten Ratsherren begegnet uns der Patrizier Hermann Ebner, der sich kurz nach dem Egerer Reichstag in einem Brief an Straßburg sehr abfällig über Wenzels Haltung gegenüber den Städten äußert. RTA I, Nr. 309. 196 RTA II, Nr. 308. Lindner, Wenzel II, S. 380 ff. 197 RTA III, Nrr. 21, 22. Lindner, Wenzel II, S. 3 86 f. 198 St. Chr. I, S. 56 ff., S. 362. Nürnberger Bürger gaben Darlehen an die unterfränkischen Städte und Würzburg, um sie im Kampf gegen den Bischof zu unterstützen. Bezeichnen­ derweise jedoch zählten zu diesen Geldgebern keine Ratsmitglieder. Die Stadt war klug genug, sich aus dem Konflikt herauszuhalten, um ihre Fernhandelsstraßen durch das bischöfliche Gebiet nicht zu gefährden. Schultheiß, Geld- u. Finanzgeschäfte Nürnberger Bürger vom 13.—17. Jahrhundert, in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs I, S. 77 f. 199 St. Chr. I, S. 58. Schultheiß, S. 85.

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Es kam nun alles darauf an, ob der König, der im Sommer 1398 nach Böhmen zurückkehrte, gewillt war, die Reichsgeschäfte weiterhin fest in der Hand zu behalten, oder ob sein kurzes Auftreten im Reich nur durch die oppositionelle Haltung der Kurfürsten veranlaßt worden war, ein Versuch, sich für längere Zeit von der lästigen Sorge um das Reich durch die Aufrichtung eines Reichslandfriedens zu befreien 200. Als in Böhmen erneut Kriegswirren ausbradien und sich Siegmund und Jost gegen Wenzel verbündeten, da erhoben sich auch im Reich wieder kritische Stimmen gegen den König. Die Fürsten Verschwörung von Boppard vom April 1399 führte schließlich, da Wenzel keine Anstalten machte, der Opposition energisch als legitimer Herrscher des Reiches entgegenzutreten, sondern sich damit begnügte, durch königliche Räte auf den zahlreichen Fürsten- und Städtetagen schwache Warnungen auszusprechen201, zu dem revolutionären Akt der Absetzung des regierenden römischen Königs durch die rheinischen Kurfürsten am 20. August 1400202. Die Haltung der Städte gegenüber den fürstlichen Rebellen war anfangs außerordentlich reserviert203. Aber Wenzel verscherzte sich die Treue der Städte dadurch, daß er untätig und dem Reich fern blieb, obwohl er mehrfach sein Kommen ankündigte204. Die Städte wären bereit gewesen, sich auf die Seite Wenzels zu stellen, wenn er mit Heeresmacht im Reich erschienen wäre, weil sie den Akt von Lahnstein als einen Verstoß gegen das Reichsrecht ab­ lehnten. Durch seine Inaktivität trug Wenzel jedoch entscheidend selbst dazu bei, daß nachträglich in den Augen der Zeitgenossen der revolutionäre Akt von Lahnstein als eine im Interesse des Reiches getroffene Notmaßnahme angesehen und somit sanktioniert wurde. Nürnberg und Ruprecht von der Pfalz

1. Rupredits Anerkennung und erste Regierungsjahre Die Absetzung Wenzels am 20. August 1400 durch die rheinischen Kur­ fürsten und die von ihnen am folgenden Tage vollzogene Wahl ihres Mit­ verschworenen, des Kurfürsten Ruprecht III., zum römischen König1 stellte 200 Schindelwick, S. 55 f. 201 Heimpel, Deutschland im späteren Mittelalter in: Handbuch der Deutschen Geschichte Band 1, S. 84 f. RTA III, Nrr. 41, 50, 51, 56—60, 69, 72, 73, 79—82 u. S. 119 ff. Lindner, Wenzel II, S. 414. 202 RTA III, Nrr. 204—211. Lindner, Wenzel II, S. 434 ff. Weizsäcker, Der Vorgang der Thronrevolution von 1400 in offiziöser Darstellung, in: DZG Bd. 7. 203 RTA III, Nr. 53, 97, 98, 101, 118, 120, 116, 117, 140, 178. 204 Ulman Stromer berichtete noch am 13. Sept. 1400, also nach der Absetzung Wenzels, in einem chiffrierten Brief an Frankfurt: „ ... daz doch kain verbüntnus noch kein eynikeit do niht gesehen danne, daz ein bruder des andern sin eingenumen hat.“ Und weiter: „ ... man gibt für wie er mit gar grossem volk herauskumen wöll. aber wist für war, daz sich noch nymant in B darzu stelt und auch noch nymant geschriben noch solt getan hat.“ RTA IV, Nr. 122. 1 RTA III, Nrr. 204—211. Lindner, Wenzel II, S. 434 ff. Weizsäcker, S. 142 ff.

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die Städte vor die Entscheidung, dem rechtmäßigen König die Treue zu halten oder sich hinter die Rebellen zu stellen und Ruprecht als rechtmäßigen König anzuerkennen. Nürnberg, das in Lahnstein nicht vertreten war, ließ sich von Frankfurt über die Vorgänge informieren2. In Nürnberg berieten die fränki­ schen Städte gemeinsam die Lage3. Da Wenzel jedoch untätig blieb, erfolgten die ersten Übertritte von Städten zu Ruprecht. Den Anfang machten die rheinischen Städte4, die der Wetterau folgten5 und am 26. Oktober hielt Ruprecht seinen Einzug in Frankfurt. Bevollmächtigte Ruprechts verhandelten zur gleichen Zeit bereits mit Nürn­ berg, unter ihnen Burggraf Friedrich VI.6. In Nürnberg verfügte man, wie wir gesehen hatten7, durch die engen Han­ delsbeziehungen der Kaufherren nach Böhmen über die besten und neuesten Informationen hinsichtlich der Pläne und Absichten des Königs und seines Stabes. Man wußte genau, daß der König keine Anstalten machte, ins Reich aufzubrechen, um für sein Königtum einzutreten. Andererseits bestanden zu Ruprecht durch jahrelange gemeinsame Bemühungen um die Erhaltung bzw. Wiederherstellung des Friedens die besten Beziehungen. Man kannte den Pfälzer als einen sich ehrlich und energisch um den Ausgleich zwischen den Ständen bemühenden Fürsten von zahlreichen Landfriedenstagen her. Für Ruprecht als Besitzer der Oberpfalz und somit Nachbar der Reichsstadt im fränkischen Raum8 war es wiederum von ausschlaggebender Bedeutung, daß Nürnberg sich frühzeitig zu ihm bekannte. Der Nürnberger Rat erklärte sich bereit, Ruprecht anzuerkennen und ihm zu huldigen, wenn ihn Frankfurt und Aachen einließen, wenn er gekrönt würde und ihm auch die fränkischen Fürsten huldigten. Er verlangte ferner vor seinem Einlaß in Nürnberg die Bestätigung aller alten Privilegien der Kaiser und Könige. Da Ruprecht grundsätzlich die Anerkennung der von Wenzel verliehenen Rechte ablehnte, forderte der Rat von den Bevollmäch­ tigten Ruprechts, daß dieser folgende Privilegien neu verlieh: 1. daß alle der Stadt schädlichen Briefe ungültig sein sollten, 2. daß Nürnberg nicht versetzt oder verpfändet werden durfte, 3. daß die Jahressteuer niemandem verschrieben, sondern von der Stadt direkt an die königliche Kammer gezahlt werden sollte, 4. daß die Stadt von jeder Haftung für Städtekriegsschäden freigesprochen wurde und 5. daß gebrochene Raubnester nicht wieder aufgebaut werden durften. Ruprecht sollte alle diese Briefe einschließlich der Bestätigung aller früheren Privilegien schon als Kurfürst beurkunden, sie in der Stunde der Krönung be2 3 4 5 6 7 8

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RTA III, Nr. 246, Anm. 1. RTA III, Nr. 229. RTA IV, Nr. 122. RTA IV, Nrr. 152/153. RTA IV, Nr. 158. RTA IV, Nr. 243. RTA IV, Nr. 122. Moraw, Deutsches Königtum und bürgerliche Geldwirtschaft um 1400 in: VjSchr. f. Sozialu. Wirtschaftsgeschichte 55. Bd., S. 293.

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siegeln und versprechen, sie bei der Kaiserkrönung auch mit kaiserlichem Siegel zu versehen9. Diese Forderungen Nürnbergs waren nicht außergewöhnlich. Die gewünsch­ ten Urkunden betrafen nur Rechte, die bereits früher der Stadt verliehen worden waren. Die verlangten Sicherungen erschienen den Stadtvätern not­ wendig, um die Rechtslage nach den Kriegsjahren im Hinblick auf die daraus resultierenden, noch immer nicht ganz geklärten Streitfälle auch von dem neuen Herrscher eindeutig absichern zu lassen. Der Übertritt Nürnbergs zu Ruprecht war damit vollzogen. Er erfolgte zu einem relativ frühen Zeitpunkt; noch standen die schwäbischen und fränkischen Städte abseits10. Am 2. Februar 1401 zog Ruprecht, der am 6. Januar in Köln gekrönt worden war*11, in Nürnberg ein. Festliche Tage schlossen sich an. Bis Ende März blieb Ruprecht in Nürnberg, umgeben von vielen Fürsten, denen zu Ehren die Stadt Turniere veranstaltete12. Vermutlich noch vor der Huldigung ließ sich Nürnberg von Ruprecht be­ scheinigen, daß er die Stadt im Laufe des nächsten Jahres nicht auffordern würde, ihm gegen Rothenburg, Windsheim, Weißenburg und Schweinfurt Hilfe zu leisten13, falls diese Städte die Huldigung verweigern sollten. Nürn­ berg hoffte offenbar, in diesem Zeitraum die Nachbarstädte zum Übertritt bewogen zu haben. Am 27. Januar 1401 hatte die Stadt dem bisherigen König Wenzel schriftlich abgesagt14. In diesem Schreiben wurde Wenzels Absetzung durch die Kur­ fürsten ausdrücklich als Rechtsakt bezeichnet und Wenzel beschuldigt, durch seine Untätigkeit seinen Anspruch auf die Treue seiner reichsstädtischen Untertanen verscherzt zu haben15. Im Hinblick auf die nürnbergischen Han­ delsbeziehungen nach Böhmen und auf Wenzels Einfluß auf diese Verbindun­ gen als böhmischer Landesherr bot der Rat der Stadt dem abgesetzten König seine Dienste „in andern Sachen“ an, allerdings mit der deutlichen Einschrän­ kung, daß nur solche Dienste in Frage kämen, die „wir mit eren getun möchten“ 16. Das Reich befand sich jetzt auf der Seite des neuen Königs. Eine hochverräterische Verbindung stand für die Nürnberger Ratsherren außerhalb jeder Diskussion. 9

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RTA IV, Nr. 243. Über die Beziehungen Ulman Stromers zu Ruprecht schon vor dessen Krönung zum König und seine Rolle in den Übertrittsverhandlungen jetzt ausführlich: Moraw, S. 297 ff. RTA IV, Nr. 18 5. Schindelwick, S. 75. St. Chr. I, S. 53 f. Ebenda. Dem König und der Königin, der königlichen Familie und dem Gefolge überreichte der Rat der Stadt kostbare Geschenke. Auch Burggraf Friedrich wurde mit einem Ehren­ geschenk von 300 Gulden bedacht, weil er „uns unser freiheit gen unserm herm kunig außtrug". RTA IV, Nr. 248, S. 196 f., Nr. 171. Moraw, S. 302. RTA IV, Nr. 246. RTA I, Nr. 246 „ . . . als euch des heilgen Röm. reiches kurfürsten der merer teil von demselben reich mit recht entsetzt haben von solicher Sache und artikel wegen als sie euch beschuldigen Ebenda.

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Aber noch war eine andere schwierige Aufgabe zu bewältigen, die Stimmung des Volkes. Wie in Böhmen, so besaß auch in Nürnberg Wenzel noch Sympathien bei der Masse des Volkes. Dieses von der Notwendigkeit des Kurs­ wechsels zu überzeugen, war — noch vor dem Einzug Ruprechts — die wichtigste Aufgabe des Rates, in Anbetracht der Vorgänge von 1347/48. Der Rat ließ seine Entscheidung für Ruprecht dem Volk öffentlich bekanntmachen. Diese „notel, die man allem volk hie laz, do man kunig Ruprecht ein wolt lassen“, ist ein interessantes Zeugnis für die reichsstädtische Politik und ihre Propa­ gierung17. Der revolutionäre Akt von Lahnstein wurde als eine im Reichsinteresse notwendig gewordene Maßnahme gerechtfertigt18. Der Übertritt zu Ruprecht nach der Erwählung durch die Kurfürsten erfolgte somit aus Treue Verpflichtung gegenüber dem „heiligen reich“. Als weitere reale Gründe für den Übertritt zu Ruprecht führte der Rat die Tatenlosigkeit Wenzels an, durch die er sich im Reich das Vertrauen der ihm bisher anhängenden Fürsten und Städte verscherzt hatte. Da alle benachbarten Fürsten und Herren bereits zu Ruprecht über­ gegangen wären, sei es ohnehin unrealistisch, Wenzel allein die Treue zu halten19. Der Rat forderte deshalb von der Bevölkerung, sich einmütig hinter die Entscheidung der Stadtregierung zu stellen20. Wenn Wenzel mit einem starken Heer ins Reich gekommen wäre, um für sein Recht und sein Königtum zu kämpfen, wäre die Sachlage eine völlig andere gewesen. So aber geschah der Übertritt zu Ruprecht im Interesse des Reiches21. Ruprecht hatte ein schweres Erbe angetreten. Er sollte wiedergutmachen, was sein Vorgänger verschuldet hatte. Seine Hauptaufgaben waren: im Innern die Wiederherstellung eines geordneten und gefestigten Friedenszustandes, nach außen die Zurückgewinnung unter Wenzel verlorener Reichsrechte im Westen und in Italien. Gekrönt aber sollte seine Herrschertätigkeit werden durch die Beseitigung des kirchlichen Schismas und die Wiedervereinigung der Kirche. Um diese großen Aufgaben erfüllen zu können, hätten die Stände des Reiches den König mit allen Kräften unter Zurückstellung der eigenen parti­ kularen Interessen unterstützen müssen. Das war aber nicht der Fall. Nicht 17 RTA IV, Nr. 247. St. Chr. I, S. 200 ff. Das diplomatisch kluge Vorgehen der Nürnberger Ratsherren in der Frage des Übertritts der Stadt zu Ruprecht ist auch daraus zu ersehen, daß die Zustimmung zu diesem Kurswechsel von den im Großen Rat versammelten Ge­ nannten eingeholt wurde. G. Pfeiffer in: Nürnberg, eine europäische Stadt, S. 82. 18 Ebenda. „ . . . daz er dem heiligen reiche und der cristenheit nicht vor ist gewesen und darzu getan hat alz er billichen getan solt haben, und besunder von der grossen zweiung und irrsal wegen die gewesen ist in der heiligen Cristnheit und noch ist von der zweir pebst wegen daz er darinne so laz ist gewesen und darzu nihts getan hat 19 Ebenda. „ .. . daz wir uns wider sie setzen und verdürben und uns in süliche groß krieg und verdurpnüsse setzten von unsers herrn kunigs Wentzlawen wegen und möchten doch dheinen trost auf in gehaben daz er ez zu gutem ende breht.“ 20 Ebenda. Der Rat war aber auch entschlossen, energisch durchzugreifen, „ . . . wenn iemant frefenlich in die sach oder wider die sach rede, welicher daz unter euch höret, der sol daz bei dem aide ze stunde einem burgermeister oder seinem virteilmeister ze wissen tun." 21 St. Chr. I, S. 200 ff. Vosseimann, Die reichsstädtische Politik König Ruprechts von der Pfalz, S. 37. Höfler, S. 190.

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einmal die eigenen Standesgenossen, die Rebellen von Lahnstein, die Ruprecht gegen Wenzel auf den Thron gehoben hatten, standen ihm zur Seite22. Nur sehr wenige gab es unter den Fürsten und Herren wie auch unter den Städten, die treu und zuverlässig zu Ruprecht hielten und seine Politik nach Kräften unterstützten. Zu diesen Ausnahmen gehörte die Reichsstadt Nürn­ berg23. Der Feldzug Ruprechts gegen Böhmen wurde finanziell und militärisch durch die Stadt unterstützt24. Die Sicherung der für die niirnbergische Wirt­ schaft lebensnotwendigen oberpfälzischen Rohstoffe machte den ganzen Einsatz der Stadt — nach dem Übertritt zu Ruprecht — an der böhmischen Grenze gegenüber dem luxemburgischen Machtbereich notwendig25. Auch in den diplomatischen Beziehungen des neuen Königs zu benachbarten westlichen Herrschern standen Nürnberger im Dienste des Reiches. Der König von Aragonien hatte Ruprecht zu seiner Wahl beglückwünscht. Die Antwort des Pfälzers, in der dieser von seiner Wahl und Krönung berichtete und gleich­ zeitig den spanischen Herrscher bat, ihm bei seinen Bemühungen um die Wiederherstellung der Kircheneinheit zu unterstützen, nahmen die Nürnberger Kaufherren Berthold Kraft und Johannes Stark mit nach Spanien28. Der Italienzug Ruprechts, dem schließlich durch mangelhafte diplomatische Vorbereitung und ungenügende militärische Unterstützung durch die Reichs­ stände der Erfolg versagt blieb27, wurde von der Stadt sowie einer Anzahl nürnbergischer Handelsherren finanziell beträchtlich unterstützt28. Nürnberg war in den ersten Regierungsjahren Ruprechts eindeutig die Residenz des um seine Anerkennung ringenden Herrschers, der 1401 ein Vier­ tel und 1402 ein Drittel des Jahres in Nürnberg zubrachte und dort mehrere Reichstage abhielt29. Nach dem glück- und erfolglosen italienischen Unternehmen wandte sich der in große finanzielle Schwierigkeiten geratene König im Herbst 1402 an die Städte mit einer Geldforderung in Höhe von 40 000 Gulden. Er stieß jedoch bei den meisten Städten auf heftigen Widerstand. Nürnberg dagegen stellte Rupredit bereitwillig einen ansehnlichen Betrag, nämlich 4000 Gulden, zur Verfügung. Mit dieser Summe stand Nürnberg weitaus an der Spitze der Städte, die sich schließlich doch zu Zahlungen bequemten30. 22 Über die Haltung der Städte s. Höfler, S. 23 5.

28 Sehring, Die finanziellen Leistungen der Reichsstädte unter Ruprecht von der Pfalz S. 24 ff., S. 75 Anm. 1. Moraw, S. 302 ff. 24 Sehring, S. 24 ff. RTA V, Nr. 168 Anm. 1. 25 Moraw, S. 302. Bei Moraw auch ausführliche Darstellung der Verbindungen zwischen führenden Nbg.er Handelshäusern und dem oberpfälzischen Bergbau mit entspr. Literatur­ angaben, S. 305 ff., (bes.: Rolle Herdegen Valzners). 26 RTA IV, Nr. 265. Moraw, S. 304 f. 27 Heimpel, Deutschland im späteren Mittelalter, S. 86 ff. 28 RTA V, Nr. 168, Ziffer 37, 41, 50, 58 u. Anm. 1 und 6, Nr. 213. Moraw, S. 308 f. weist besonders auf den Zusammenhang zwischen dem Italienhandel der Familie Rummel mit der Italienpolitik Ruprechts hin. Wilhelm Rummel weilte mit dem König in Italien und half ihm mehrfach durch finanzielle Zuwendungen aus peinlichen Situationen. 29 Moraw, S. 312: Ruprecht bedurfte der Legitimierung dringender als seine Vorgänger und Nachfolger. Deshalb wurde die Reichstradition Nürnbergs bewußt aufgegriffen. 30 RTA V, Nr. 323. Sehring, S. 68 f.

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Die besondere Auszeichnung einzelner Nürnberger Patrizier durch den König deutet darauf hin, daß diese vermögenden Rats- und Handelsherren Ruprecht erhebliche finanzielle Zuwendungen gemacht haben. Ein enges per­ sönliches Verhältnis bestand zu Ulman Stromer, bei dem der König regelmäßig zu wohnen pflegte, wenn er in Nürnberg weilte31. Berthold Pfinzing wurde von Ruprecht als einziger Bürger in das königliche Schiedsgericht berufen, das unter dem Vorsitz des Burggrafen Friedrich VI. während des Nürnberger Reichstages im Herbst 1403 die Aufgabe erhielt, in dem mainzisch-welfisch-hessischen Streit einen Schiedsspruch zu fällen32. Berthold Pfinzing wurde ebenso wie Herdegen Valzner 1403 die Jahressteuer mehrerer schwäbischer Städte über­ tragen, ein Beweis dafür, daß sie entsprechende Summen dem König voraus zur Verfügung gestellt hatten33. Auch als Ruprecht erneut, auf dem Reichstag zu Mainz im Dezember 1404, mit einer Geldforderung an die Städte, diesmal über 150 000 Gulden, heran­ trat, zahlte der Rat der Stadt, allerdings erst nach Absprache mit den anderen fränkischen Städten, einen Betrag von 3000 Gulden34. Die Rechtfertigung dieser relativ geringen Beitragszahlung übernahm der Hofmeister des Königs, Graf Günther von Schwarzburg, der sich bereiterklärte, Ruprecht den Stand­ punkt des Nürnberger Rates vorzutragen. Nürnberg hatte dagegen Einspruch erhoben, erneut mit hohen Beträgen veranschlagt zu werden, während andere Städte die Zahlungen überhaupt verweigerten35. Das ganze Jahr 1405 hindurch waren die Landfriedensstände in Nürnberg anwesend. Im Februar, März/April und Juli/August fanden größere Versamm­ lungen statt. Auf dem letzten Tag, im August, war auch der König wieder in Nürnberg36. Ganz anders als Wenzel hatte Ruprecht das Steuer des Reiches in die Hand genommen. Er erschien auf allen Reichstagen persönlich. Er lehnte es ab, Reichstage zu verschieben, da es ihm „nit doge gein sinen kurfursten zwene tage nah einander ufzuslahen“37. Wenn schließlich seinen Bemühungen der Erfolg versagt blieb, so lag es nicht an ihm, sondern daran, daß er bei den Reichsständen auf Widerstand stieß, die ihm „seinen Eifer ebenso übelnahmen wie dem abgesetzten Wenzel einst seine ,Faulheit' “38.

31 Moraw, S. 297 ff. u. 308 f. RTA V, S. 356 f. 32 RTA V, Nr. 338. 33 Sehring, S. 24 ff. Moraw, S. 308 ff., weist darauf hin, daß fast alle Geldgeber des Königs unter den Nürnberger Bürgern Mitglieder neuaufsteigender Familien waren, die ungeachtet des darin liegenden Risikos den Prestigegewinn durch Geschäftsverbindung mit dem König erstrebten zum sozialen Aufstieg. W. Schultheiß, Geld- u. Finanzgeschäfte Nürnberger Bürger in: Beitr. z. Wi.Gesch. Nbg.s I. 34 RTA V, Nr. 453,3. 35 RTA V, Nrr. 451, 452, 453,1 u. 3. Dem Grafen von Schwarzburg schenkte die Stadt 1000 Gulden „ ... do man sein auch bedorft von etlicher sach wegen, als der rate wol weiß.“ 36 Friedländer, Zur Geschichte des Marbacher Bundes, Diss., S. 32. 37 RTA V, Nr. 454. 38 Heimpel, Deutschland im späteren Mittelalter, S. 88.

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Die Reichspolitik Nürnbergs

2. Der Marbacker Bund und die Rothenburger Fehde

Als der König in seiner finanziellen Notlage erneut hohe Geldforderungen an die Städte richtete, leistete die Reichsstadt Nürnberg im Bewußtsein ihrer Pflicht gegenüber dem Reich, wie wir gesehen hatten, ihren Beitrag, „domit er des reichs nütz schicken wölte“39. Die schwäbischen Städte dagegen ver­ weigerten die Zahlung. Der König antwortete, indem er ihnen das Geleit zur Frankfurter Fastenmesse versagte40. Die schwäbischen Städte suchten daraufhin aus Furcht vor Zwangsmaß­ nahmen des Königs — das Gerücht ging um, der König wolle durch Ver­ pfändungen einiger Städte seine Schulden bezahlen — Rückhalt bei anderen Unzufriedenen im Reich. Sie fanden sie in dem Erzbischof von Mainz, dem Markgrafen von Baden und dem Grafen von Württemberg41. Sie alle waren zu Ruprecht in Opposition geraten und schlossen am 14. September 1405 den sogenannten Marbacher Bund zum „Schutz ihrer Rechte und Freiheiten"42. Dieser Bund war eine Koalition gegen den König, wenn auch die Loyalität gegenüber dem Reichsoberhaupt in der Bundesurkunde unterstrichen wurde48. Ruprecht, dem die Fürsten den Abschluß des Bündnisses mitteilten, ant­ wortete mit der Ladung zum Reichstag nach Mainz im Oktober 1405, die jedoch von den Fürsten nicht befolgt wurde44. Ein neuer Reichstag wurde auf den 6. Januar 1406 nach Mainz einberufen. Audi Nürnberg erhielt eine Ein­ ladung und sagte zu45. In Mainz prallten die Gegensätze hart aufeinander. Ruprecht forderte die Auflösung des Bündnisses, das „wider in und das riche" geschlossen worden sei. Ohne Ergebnis ging man auseinander46. Ein neuer Krieg schien kaum noch zu vermeiden. In den dem Reichstag folgenden Monaten suchten beide Parteien für ihre Sache zu werben und ihre Fronten zu verstärken. Der König schickte Boten zu den bisher treu gebliebenen Reichsständen und verwies auf die Kriegsrüstungen des Mainzer Erzbischofs47. Der Erzbischof dagegen suchte vor allem die Städte zu gewinnen, indem er den Schutz der Kaufmannschaft und der Handelswege als vornehmste Aufgabe des Marbacher Bundes hin­ stellte 48. Nürnberg stand in diesen Monaten in engem Kontakt zu den fränkischen Nadibarstädten. Gemeinsame Besprechungen mit schwäbischen, nicht dem Bunde angehörenden Städten fanden statt49. Am 23. April trafen sich in Nörd-

39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49

RTA V, Nr. 453. Vosseimann, S. 69. Friedländer, S. 33. Friedländer, S. 6—36. Heimpel, Handbuch S. 88. RTA V, Nrr. 481—491. Heimpel, S. 88. Konietzka, Nürnberg in der Politik König Ruprechts S. 50 ff. RTA VI, Nr. 3. RTA VI, Nrr. 5, 8. RTA VI, Nrr. 11, 12, 14. RTA VI, Nrr. 19, 20. RTA VI, Nr. 24. RTA VI, S. 10, 11.

59

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Die Reichspolitik Nürnbergs

lingen Vertreter dieser Städte mit Abgeordneten der Bundesstädte50. Man kann annehmen, daß die Städtegruppe um Nürnberg versucht hat, die Bundesstädte vor einem unüberlegten Handeln und einer zu starken Bindung an die Kriegspolitik des Erzbischofs von Mainz zu bewahren, so daß der Krieg vermieden werden konnte und schließlich die Vermittlungsbemühungen des Erzbischofs von Köln, wenn auch erst nach langwierigen Verhandlungen, zur Aussöhnung zwischen dem König und Erzbischof Johann von Mainz führten51. Rothenburg stand seit Jahren im Kriege mit dem Burggrafen Friedrich VI. von Nürnberg. Es suchte um die Jahreswende 1406/07 Anschluß an den Marbacher Bund52. Aus einem Brief des Rothenburger Bürgermeisters Heinrich Topler an den Markgrafen von Baden geht hervor, daß — neben anderen Städten — auch Nürnberg in dieser Zeit mit dem Marbacher Bund in Ver­ handlungen gestanden hat53. Nürnberg befand sich in einem Rechtsstreit mit der Reichsstadt Frankfurt, die den Nürnberger Kaufleuten den Geleitschutz zur Frankfurter Messe ver­ weigerte, um so die Nürnberger zu zwingen, sich an der Bezahlung der 60 000 Gulden aus dem Städtekrieg zu beteiligen, obwohl Nürnberg durch eine Ent­ scheidung des königlichen Gerichtes vom Jahre 1400 ausdrücklich davon be­ freit worden war54. Der König sah sich veranlaßt, offenbar von beiden Städten um Vermittlung angerufen, eine Entscheidung zu treffen55. Man befürchtete in Nürnberg, daß Ruprecht seinen 1400 gefällten Spruch zuungunsten Nürnbergs verändern würde. So suchte offensichtlich der Nürnberger Rat auf den König einen Druck auszuüben, wenn er wegen eines Beitritts zum Marbacher Bund ver­ handeln ließ. Er ging dabei mit größter Sorgfalt vor und ließ die Nürnberger Ratsherren Albrecht Ebner und Peter Haller mit Heinrich Topler mehr als Privatmänner in Verbindung treten als in amtlichem Auftrag56. Als im Mai 1407, unter erneutem persönlichen Eingreifen des Königs in Nürnberg ein Ausgleich zwischen beiden Städten gefunden wurde57, war von einem Beitritt Nürnbergs zum Marbacher Bund nicht mehr die Rede. Nürnberg hatte sein Ziel erreicht. In der Rothenburger Streitsache kam es jedoch trotz der Vermittlungsbe­ mühungen Nürnberger Bürger58 zu dem Urteilsspruch des königlichen Hof50 51 s2 53

54 55 56 57 58

RTA VI, S. ll. RTA VI, Nrr. 80—93. RTA VI, Nr. 107. Ebenda. In dem Brief Toplers an den Markgrafen von Baden heißt es „ . . . ouch als uwer gnade mit mir rette von der von Nurenberg und von Wissenburg wegen etc., das wil ich in diesen ahte togen an su bringen und uwer gnade ein antwurt lassen wissen, so ich erst mag ..." Über die Rolle Heinrich Toplers in der Zeit der Zugehörigkeit Rothenburgs zum Mar­ bacher Bund s. jetzt L. Schnurrer, Heinrich Topler in: Frank. Lebensbilder 2. Bd., S. 124 ff. Konietzka, S. 56. RTA VI, S. 259/260. Mon. Zoll. S. 382. RTA VI, Nr. 107, Anm. 1. RTA VI, S. 172. Konietzka S. 56. RTA VI, Nr. 137, Anm. 2. Rothenburg war inzwischen dem Marburger Bund beigetreten. RTA VI, Nr. 116. Vosseimann S. 80.

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gerichtes vom 16. Juli 1407, durch den die Forderungen des Burggrafen an­ erkannt wurden59. Am 21. Juli 1407 verhängte Ruprecht über Rothenburg die Reichsacht60. Zwei Tage vorher hatte er den fränkischen Landfrieden von 1404 erneuert61. Nürnberg war nicht gewillt, der Aufforderung des königlichen Hofgerichtes, gemäß den Bestimmungen des Landfriedens dem Burggrafen in seinem Feldzug gegen Rothenburg Hilfe zu leisten, nachzukommen. In der Stadt traf man Vorsichtsmaßnahmen für die Bürger wegen des nahen Krieges und stand in ständigem Kontakt mit den Nachbarstädten Windsheim und Weißenburg62. Mit großer Sorge verfolgte man den aussichtslosen Kampf der Nachbarstadt gegen die Übermacht der Fürsten63, berichtete in Briefen an andere Städte voller Wärme und Sympathie von der tapferen Haltung der Rothenburger84 und ließ keine Gelegenheit ungenutzt, bei der sich irgendwo eine Möglichkeit bot, durch Vermittlung eine Beendigung der Kriegshandlungen herbeizuführen 65 . Die Stadt zog sich durch ihre loyale Haltung gegenüber Rothenburg den Unwillen des Königs zu, der sie wiederholt in „gar hefftig brief“ mahnte, dem Burggrafen gegen Rothenburg zu Hilfe zu kommen60. Am 2. September 1407 kam durch Vermittlung des Marbacher Bundes ein Waffenstillstand zustande67. Schon vorher war, auf einem Städtetag in Ulm, erkennbar geworden, daß der König sich den Städten zu nähern versuchte. Er ließ durch seine Gesandten für seine Politik werben und forderte die Städte auf, ihren Bund nicht wieder zu erneuern68. Audi Nürnberg erhielt, wie andere Städte, einen Brief des Königs, in dem dieser um Verständnis für seine Maßnahmen bat, „ . . . umb des willen, das ir doch sehent das wir das land gern bij frieden und gnaden behalten wol­ len“ 69. Befreit von der Sorge, beim König in Ungnade gefallen zu sein, und offenbar auch bereits von dem bevorstehenden Waffenstillstand im Rothen­ burger Streit unterrichtet, antwortete Nürnberg dem König am 3. September mit einem Treuebekenntnis70. Rothenburg hatte in seiner Bedrängnis Verbindung zu Wenzel aufgenom­ men. Briefe Wenzels und seiner Räte fielen in die Hände des Königs71. Dieser schickte Abschriften dieser Briefe an Fürsten und Städte, um den Hochverrat Rothenburgs gegen König und Reich anzuprangem und um Rat und Hilfe zu 59 60 61 62 •» "4 65 |

1 z 3 f 5 6 7 8 S 10 11 11 15 16 13

3

2 13

10 11 8 9 6 1 11 4 15 1k 1 5

b. Es ist festzustellen, daß bei diesen 4 Zahlengruppen, die an der Bildung der Dürerschen Zahlenanordnung beteiligt sind, je 2 Zahlen eine Summe ergeben, die die Summanden der Zahl 34 in dem Vl- und 1/5Gefüge sind. Es bilden nämlich bei den Gruppen 4 und 1 die Zahlen in den Senkrech­ ten die Summen (5 + 9 bzw. 1 + 13 =) 14 und (8 + 12 bzw. 4 + 16 =) 20. Ihr Verhältnis 14:20 — 1:V2 ist das von g:d des Diagonaldreiecks im Sgeteilten Kreis. Bei den Gruppen 4 und 2 sind die Summen der Zahlen in den Waagerechten (5 + 8 bzw. 6 + 7 =) 13 und (9 + 12 bzw. 10 + 11 =) 21. Ihr Verhältnis 13:21 — 1+2 (l/5 +1) ist das des Goldenen Schnitts, das bei den Streckenteilungen der Figuratio­ nen des 5-, 10- oder nach dem Goldenen Sechseck geteilten Kreises entsteht. Bei den Gruppen 2 und 3 ergeben die Zahlen in den Senkrechten die Summanden (6 + 10 bzw. 2 + 14 = ) 16 und (7 + 11 bzw. 3 + 15 = ) 18. Das Verhältnis 16:18 — l'M^Vs entsteht auch bei der Figuration des 5-, 10- usw. geteilten Kreises. in seiner Unterweisung der Messung, mittels der er Linien und Ebenen findet, für die er in Fig. 42 Buch I ein Spezialgerät konstruiert.

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Das magische Quadrat Dürers

2. Bildet man bei der Dürerschen Zahlenanordnung im Quadrat dadurch 4 Zahlengruppen, daß man die senkrechte und waagerechte Mittelachse darin zieht, dann ist ihre Summenzahl auch 34. (S. Tab. II. All u. Bll Dürer) In jedem der 4 Teilquadrate erhält man als Summe von je 2 Zahlen26® a. in den Senkrechten die Summanden der 34 im V/>-Gefüge, die 13 und 21, die auch bei den Gruppen 4 und 2 in den Waagerechten zu finden und die Ersatzzahlen für das Goldene Schnittverhältnis sind, b. in den Waagerechten die Summanden der 34 im l/3~Gefüge, die 15 und 19. Sie bilden das Verhältnis 2 ]/3 15:19

1:

1/3 + 1

c. Je 2 Zahlen in den Waagerechten und Diagonalen von 2 Teilquadraten ergeben als Summe ferner die schon im Altertum nachgewiesenen Ersatz­ zahlen für das Verhältnis 1:1/3, das man auch für das Verhältnis l:*2/s * *V7 5** gebrauchen kann27. (Tab. II. AIIl u. Bill Dürer) 15:26 — l:]/3 —

1:2/s

V?

2**Es werden hier nur 2 Zahlen in den Teilquadraten zur Summe addiert. S. aber unten Abschn. V. 2c. Es ist im oberen mittleren Teilquadrat 3+2 + 10 = 15 usw.

27 1. In seiner Unterweisung d. Messung (Buch II Fig. 10 und Text dazu) gibt Dürer nämlich für das regelmäßige 7-Eck eine Näherungskonstruktion. Hiernach ist die Seite des vom 6geteilten Kreis umschriebenen gleichseitigen Dreiecks 2mal die Seite des 7-Ecks in diesem Kreis. Aus dieser Näherungskonstruktion ergibt sich, daß der Radius des Kreises und die V2 7-Eckseite sich verhalten wie l:V4]/3 = 1:0,4330 ... ^ sin Da 1+7 = 1:2,6458 ... oder ^ 1:6XV4K3 = l:8/2j/3 ist, können die Näherungszahlen für 1:1/3 des 6geteilten Kreises entsprechend auch für das irrationale Maß 1+7 gebraucht werden, insbesondere die etwas höheren Ersatzwerte.

2. Bei der Konstruktion des 5- (bzw. 10~)Ecks in einem gegebenen Kreis kommt Dürer noch einmal auf die Näherungskonstruktion der Seite des 7-Ecks auch in diesem Kreis zurück. Für diese benutzt er den Halbierungspunkt des Radius, den er für die Konstruk­ tion der 5- und 10-Eckseite mittels des Go. Schnittes benötigt. (Buch II Fig. 15 u. Text dazu) Die darin errichtete Senkrechte bis zu ihrem Schnittpunkt mit dem Kreis ist die 7-Eckseite, die aber auch die V2-Seite des in den Kreis einbeschriebenen gleichseitigen Dreiecks ist, wovon Dürer nichts erwähnt, das er aber in Fig. 10 als Ausgang für die 7-Eckseite benützt. Nicht umsonst bringt Dürer die 7-Eckseite hier noch einmal im Zusammenhang mit der 5- und 10-Eckkonstruktion. Denn die beiden Go. Reihen, Näherungswerte für die Strecken in diesen beiden Vielecken, ergeben auch Näherungswerte für das irrationale Maß i:j/7. Denn es ist m: (M+m)= 1 :[1/2(]/5 +1) +1] = 1:2,618 ... und 1+7 = 1:2,6458 ... Ein recht brauchbarer Wert ist insbesondere 11:(18 + 11)= 11:29 == 1:2,6363 ... S. Abschn. V. 2c. De Haas nimmt an, daß dem Kupferstich der Melancholie ein 6 X 7 = 42geteilter Kreis als Grundlage der Konstruktion gedient hat. Viele wichtige Punkte und Strecken des Kupferstichs lassen sich aber auch durch Schnitt­ punkte von Strecken im 5- bzw. 10- u. nach dem Gold. Sechseck geteilten Kreis erfassen. Bei dem Versuch, den Konstruktionsschlüssel zu ermitteln, stößt man auf immer neue

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Das magische Quadrat Dürers

Noch ein weiteres Zahlenpaar für dieses Verhältnis ist der Zahlen­ anordnung zu entnehmen. In dem linken mittleren Teilquadrat (Tab. II. AIII u. BIII) bilden die Summen der Diagonalen das Verhältnis 11:19 — 1:V'3 Die besondere Eigenschaft der Dürerschen Zahlenanordnung im Hinblick auf die Spitzenpfeilschen V -Gefüge liegt also darin, in den Waagerechten, Senkrechten und Diagonalen der Teilquadrate Summen zu enthalten, die die Summanden der 34 des 1/3- und des l^-Gefüges und Ersatzzahlen für die Verhältnisse der V -Gefüge sind. IV. Vergleich des Dürer-Quadrats mit anderen überlieferten Quadraten der Ordnung 4 (S. Tab. II. A u. B)28 Die besonderen Eigenschaften der Zahlenanordnung im Hinblick auf die Spitzenpfeilschen Näherungsreihen zeigen in etwas anderer Form auch die zum Vergleich herangezogenen drei überlieferten Quadrate. 1. a. Die Teilquadrate des Quadrats, das bei den Arabern das „Plato“-Quadrat genannt und bei ihnen vor allen anderen Quadraten der Ordnung 4 bevor­ zugt gebraucht wurde und das von dem Byzantiner Moschopulos überliefert wird, haben wie die Dürer-Teilquadrate als Summen der Waagerechten, Senkrechten und Diagonalen auch die Zahlen 15 und 19 des j/3-Gefüges, die 13 und 21 des Vs-Gefüges und die für das Altertum überlieferten Er­ satzzahlen 15 und 26 für das Verhältnis 1:V3. Diese Übereinstimmung beruht darauf, daß — obwohl die Zahlenanord­ nung des Quadrates von der Dürerschen ab weicht — die 4 Teilquadrate jeweils auch die 4 Dürerschen Zahlen der Teilquadrate enthalten, wobei die Anordnung im rechten unteren Teilquadrat sogar der Dürerschen Anordnung gleich ist. (S. Tab. II. All u. Bll) Schwierigkeiten und Probleme. Man kann als Schlüssel auch die Figuration des 9geteilten Kreises benützen. 28 Näheres über diese Quadrate s. Abschn. VII. 2. Der Byzantiner Moschopulos überliefert 2 Quadrate der Ordnung 4. Das eine ist das von den Arabern so genannte „Plato“Quadrat; das andere, das vermutete Vorbild für das Dürer-Quadrat, hat die gleiche Zah­ lenanordnung wie eines der beiden Quadrate, die der Chinese Yang Hui mitteilt. In der Tabelle II werden die beiden Quadrate „Plato“- und Yang-Hui-Quadrat bezeichnet, um Verwechslungen zu vermeiden. Zum besseren Vergleich wurden die Zahlenanordnungen so gedreht, daß die 1 wie bei Dürer rechts unten liegt. Bei Ahrens Z. f. b. K. S. 296, Camman, Islamic ... S. 191 Fig. 2b u. S. 202 Fig. 7 und Hermelink S. 207 liegen jeweils die 1 rechts oben. Bei Günther Fig. 12 und 13 und S. 216 (= Cantor II S. 400) liegen sowohl bei dem Moschopulos- (— Yang Hui-), wie bei dem „Plato“-, wie bei dem Dürer-Quadrat die 1 links oben. Das auch von Yang Hui überlieferte Quadrat des Moschopulos hat bei Camman, Old Chinese ... S. 41 Fig. 18 die 1 links unten liegen. Es ist daher im Vergleich zu der Güntherschen Lage des Moschopulos-Quadrats um 90° gegen den Uhrzeigerlauf ge­ dreht. Die verschiedene Lage der 1 bei den alten Schriften erklären sich aus den ver­ schiedenen Schreibweisen der natürlichen Zahlenfolge 1 bis 16 bei den Chinesen etc., die als Ausgang für die Bildung dieser Quadrate diente.

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16 9 5 h-

A 11

3 2 113 ; 6 7 \\ 12 ! 10 11 j 8 - - - - r— j 15 74 j 1

19 15 15 19

j

25 9 9 25 9 25 25 9

(Jang Hui (MüSChopufos I)

'16 \ 2 3 j 13 s; 11 10 \ 8 3 : 7 6 \1Z 4 i/4 15] 1

18 16 16 18

19 15 15 19

i

3 i 6 7 112 4 ![15 74! 1

21

73

13 21 ZI 13 i___

19 15 19 15

13 11 13 21 21

13

21 13 i

15 19 19 15

21\13 13 21 i 73 ! i i

21 21 13

ß H

19—22 X,1$

20—*15

5

* 25

V

10 11

i

ZI—10

3 25

25 B

21 1L_ _

?

21

7t-—^ 18*—27

z,

13 21 ~21 13

T/^

Dürer 16 i 3 Z 113 5 \10 11 | 8

21 13

IS—20 J^1S

22^19

3

„Plato* (Moschopulos K) 15 10 \ 5 4 ; 15 3 | 6 19 3 ; 16 15 13 ! 2 7 \ 12 8 j 11 74 j 1 19

16 18 18 16

XX XX XX XX XX XX XX XX

ZT

M

11 15 19 19 15

19^-26

21 13 21 13

■*—•15

20—19

21 13 13 21

15*—21

z„

J5-X

z

19•—26

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2h-—*15

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19^-

13 21 ~21 13

M

11

//. 11:19* 1:Ü3 2Z:l2*1:1/s(fi+l) 22 :19* V-Zz/J 15:20 *5:4 2f3 11:30*1:(ß+i) 15 : 19 *1:^ 22 :1S* l:\0r) 20:19*1:^0— V3+1 3 •• iS *1:%1s 1^:20 1(15*1) re. 13:23*1 Wfcy yang Hui 16 '-27 t» 1: 9/^.jfS 23 -16 *1:% ff //. 12:20*3:5 16 ■I8*1:7zfs 13 -21« 1: %(isti) 11:23 18:23 *1:(/fc0n) rc.22:1‘t-*1:-Xh (Moschopulos I) 7:27*1:{2faf) 18 -27 * 2:3

Andrews

0P/ato* (MoschopulosI)

=

Andrews

Dürer

= =

Andrews 'Plato"

=

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yang Hui - „Plato’ -

19:26*1:%(fof) f$:2f ssj: ß/t— //. 5:29 «1:(2ß+3) 8 :26 n * 1 V3ii 10729- * l:(}fifl) K,U(-rm re. yang Hui 1S2^I1 :%(& 34 9 28 14 + 28 = 42 = 2X21 14 "(11-f 13):(ll+9)~ Su: 39 = 3X13 und 4X21 (s. Anm. 52) 24 : 20 (^2-Gefüge) 13 : 21 : 34. (gold. Reihe)

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Das magische Quadrat Dürers

und mit der er seine Unterweisungen der Konstruktionen dieser Linien in der Ebene abschließt. (Buch I. Fig. 14. S. Abb. IV. Fig. 14) Bis zum Beginn des Gegenlaufs dieser „lawbossen"-Schneckenlinie ist die Spirale die Kurve, die dadurch entsteht, daß im Kreise mit 12geteiltem Kreisbogen der in 12 gleiche Teile geteilte Radius einmal im Kreis herumläuft, wobei die Punkte des Radius (1—12) fortlaufend mit den von 1—12 numerierten Punkten des Kreisbogens abgestimmt, eingezeichnet und ver­ bunden werden. (S. Abb. III. Fig. 12). Diese Schneckenlinie (= gewöhnliche archimedische Spirale)38 wird in Figur 12 durch den halben zur Spirale gehörigen Kreisbogen verlängert, so daß diese Schneckenlinie der Figur 12 sich aus einem Teil der sogen, „ionischen Schnecke“, die Dürer in Figur 6 behandelt, und der gewöhnlichen archimedischen Spirale mit einem Umlauf zusammensetzt. Um diese Schneckenlinie konstruiert Dürer von Punkt 9 und 7 ausgehend 9 Blätter, wozu er bemerkt, daß diese Linie „auch zu einem Bischoffstab zu brauchen“ ist37. Indem Dürer die archimedische Spirale der Figur 12 (also die Schneckenlinie ohne den Halbkreis) um 180° im Mittelpunkt dreht und dann das vom Mittelpunkt aus gerechnete Ende der Spirale im Gegenlauf weiterführt, erhält er die Linienführung der Figur 1438. Da für diese Figur nur die archimedische Spirale der Figur 12 über­ nommen wird, werden auch nur 6 von den 9 Blättern des „BischofStabes" übernommen. Hinzukonstruiert wird aber ein neues 7. Blatt. Bei der Konstruktion der „Schneckenlinie" des „laubbossens", die für die „verkehrte" 9 des magischen Quadrates verwendet wurde, werden also alle die Zahlen tätig, die sich im magischen Quadrat Dürers in der dritten waagerechten Reihe finden: Vom Kreis mit dem 12geteilten Kreisbogen und dem 12geteilten Radius ausgehend, erhält man die Spirale des Bischofstabes. Von den Kreisbogen­ punkten 9 und 7 ausgehend, konstruiert man die 9 Blätter des Stabes. Zu den 6 Blättern, die mit der Übernahme der archimedischen Spirale des Bischofstabes für den Laubbossen erhalten bleiben, wird ein 7. Blatt hinzu­ konstruiert. Von den Konstruktionen des Laubbossens her gesehen ist es daher verständlich, wenn Dürer die Spirale der Figur 14 für die Linien­ führung der „verkehrten 9" übernommen hat. Die verwendeten Zahlen sind 12-9-6-7 oder 9-6-7-12. Das sind die Zahlen der dritten waagerechten Reihe des Quadrats. Die für den Laubbossen der Fig. 14 verwendete, um 180° gedrehte archi­ medische Spirale der Figur 12 ist bei der Verwendung für die Linienführung der 9 des magischen Quadrats noch ein wenig mehr gedreht, so daß die 36 Das ist die gleichmäßig fortschreitende Bewegung eines Punktes auf einer Geraden, während diese sich gleichmäßig im Kreise um einen ihrer Endpunkte dreht. 37 Die Schneckenlinie der Fig. 6 sei auch zu einem „horneiffen an ein capitel nützlich" (Text zu Fig. 6). Nach Mitt. v. Dr. Funk wird auch der Bischofsstab „Horneiffen" genannt. 38 Der Gegenlauf, von dessen Konstruktion Dürer nichts sagt, setzt sich aus 4 Teilen der Schneckenlinien der Figuren 12, 11, 10=9 und 7 zusammen. Er wiederholt gleichsam rücklaufend noch einmal in Teilstücken seine Konstruktionen der verschiedenen archi­ medischen Spiralen. Das ist in seiner Unterweisung nichts Einmaliges. 13

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Das magische Quadrat Dürers

Verbindung des Mittelpunktes und des Endes der im Gegenlauf weiter­ geführten Spirale senkrecht im Feld des Quadrats steht. b. Die Linienführung der „nicht verkehrten“ 9 auf anderen Stichen (s. Abb. II lb) ist nicht so klar und gleichmäßig hell wie die der „verkehrten“ 9. Sie Abb. III

Abb. IV

£>tfe litti tn'nt fynem

Abb. v. Dürerschen Schneckenlinien. Fig. 12 ist die Abbildung d. unteren Teils einer Seite, Fig. 13 u. 14 der darauffolgenden Seite im Buch I der Unterweisung der Messung ... Größenverhältnis 1:1.

186

JÖifeföttWmee fm.

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Das magische Quadrat Dürers

scheint auf die Schneckenlinie des Bischofstabes der Figur 12 (Abb. III u. IV Fig. 13) zurückzugehen, also auf die archimedische Spirale, die um den halben Kreisbogen des dazugehörigen Kreises verlängert ist und zu der noch die aus Punkt 6 gezogene Linie (deren Konstruktion Dürer nicht angibt) gehört und die Dürer für die „nicht verkehrte“ 9 um 180° um die senk­ rechte Achse und außerdem noch ein wenig um den Mittelpunkt im Gegen­ lauf des Uhrzeigers gedreht hat. Man könnte bei dieser Ausführung der 9 auch an eine die 9 noch be­ sonders kennzeichnende Absicht Dürers denken. Denn — obwohl die 9 an dem Aufbau der Spitzenpfeilschen Näherungszahlen des V3-Gefüges und an der Bildung der beiden Summanden der 34 des V3-Gefüges im Dürer­ quadrat beteiligt ist, so ist ihre Stellung darin eine sehr zwielichtige, wie sich aus dem Folgenden ergibt. Bei Spitzenpfeil bildet sie und bei Dürer kann sie mit der 5 und 6 die folgenden Verhältnisse bilden: Spitzenpfeil II. R. 3 6 9 18 III. R. 5 9 15 27 IV. R. 14 24 42

Dürer 5

10

9

6

6:9 5:9 9:15

1:V3

Aber wegen des schlechten Ersatzwertes für das irrationale Maß 1:V3 werden diese Zahlen von den Handwerkern verschmäht. Nicht besser sind die Werte, in denen die 9 als Summand und als Faktor auftritt. II. u. III. Reihe Spitzenpfeil (6 + 9 ==) 15:(9 + 18 od. 3X9 =) 27 ~ 1:V3 Aber wenn die 9 mit derum 1 verminderten 6, der 5, oder mit dem um 1 vermehrten ihres Selbst (9 + 1 = ) 10 die Summe bildet, werden die Ersatz­ zahlen brauchbar: III. u. IV. Reihe Spitzenpfeils (5 + 9 ==) 14:(9 + 15 =) 24 ~ 1:1/3 (5 + 9 =) 14:(9 + 10 =) 19 — 1 +2 (V3 + 1) (5 + 9 =) 14:(lO + 6 =) 16 — l:2/3 V3 bei Dürer 1(5 + 9 =) 14:(5 + 6 =) 11 — 1: ^3t121/3

(5 + 10 =) 15:(lO + 9 =) 19 ~ 1:^-^---j/3 + 1 Als Minuend verhilft sie ferner noch der magischen Zahl 34 zweimal in dem Verhältnis 1:1/3 zu erscheinen. Denn es ist 34:59 ] « 1-1/3 34:(34X2—9) J l'V3 Es ist also festzustellen: Die schlechte Eigenschaft der 9, mit der 5 und 6 nur einen unbrauchbaren Ersatzwert für die 1:1/3 zu bilden, wird in das Gegenteil verkehrt, wenn sie mit der 5 oder der 6 eine Summe bildet. Mit ihnen zusammen gelingt es ihr, in das l/3-Gefüge so einzudringen, daß sie 188

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Das magische Quadrat Dürers

darin eine wichtige Stellung als Summand, Faktor und Minuend einnimmt. Hat ferner die „verkehrte 9“ ihre Linienführung dem Dürerschen LaubBossen (Buch I Fig. 14) entnommen, an dessen Konstruktion die Zahl 9 mit ihren Nachbarinnen in der Waagerechten des Quadrats, denen sie sich zu­ wendet, beteiligt ist, so kommt bei der nicht verkehrten 9 ihre zwielichtige Stellung im l/3-Gefüge nicht nur durch die mangelnde Klarheit zum Aus­ druck, sondern auch dadurch, daß ihre Linienführung ja auch aus 2 ver­ schiedenen Spiralen besteht (V2 ionische Schnecke und V2 archimedische Spirale, Buch I Fig. 12 u. 13). 2. Die 5 des Quadrats. Im Zusammenhang mit den Verhältnissen der Summen und den Teilqua­ draten erhebt sich auch die Frage nach Dürers „korrigierter 5“ in dem Quadrat39. In dem linken oberen Teilquadrat sieht man auf den Originalen deutlich, daß die in diesem Quadrat stehende 5 eine 6 verdeckt. Meder spricht von einer „Korrektur der Ziffer 5 (früher 6)" und fügt hinzu: „Ein Druck vor der korrigierten 5 [ist] noch nicht bekannt/' Die 5 ist aber nicht nur »kor­ rigiert", sondern auch noch verdreht. a. Die „korrigierte 5". Wenn man sich die Verhältnisse, die sich aus den 4 Zahlen des linken oberen Teilquadrats ergeben, vor Augen führt, dann glaubt man annehmen zu können, daß die Überlagerung dieser beiden Zahlen von Dürer auch beabsichtigt ist, wie sich aus dem Folgenden ergibt: In dem linken oberen Teilquadrat bilden die Summen von je 16 3 2 Zahlen die Verhältnisse: 5 10 Verhältnisse der Summen der Zahlen in den

V3-Gefüge

Waagerechten

15:19

Senkrechten Diagonalen

13:21 8:26

Waagerechten und Diagonalen

19:26 15:26 19: 8 15: 8 oder 8:15

« j.21/3 ' 1/3 + 1

~ 1:V2 (l/3 + l) ~ 1:1/3 ~ 1:2/s V? ~ i-v,V3 1/3 + 1

Vs-Gefüge

» l:1/* a/5 + 1) « 1: (V5 + 1)

~ 1:5/s K5

39 Meder Nr. 75 u. Anm. 3 dazu.

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Verhältnisse der Summen der Zahlen in den Diagonalen und Senkrechten

Das magische Quadrat Dürers

Vs-Gefüge

V3-Gefüge 26:13

~ 1:V4 (l/?+l)

26:21 8:13 8:21

~ 1 :V2 (+5 +1) ~ 1:f1/2 (l/5 + l) + l] ~ 1:1/7

Die Zusammenstellung zeigt: Die Summe der Zahlen des Teilquadrates bilden Ersatzzahlen für die Ver­ hältnisse sowohl des 5- als des 6geteilten Kreises. Gegenüber den Ersatz­ zahlen für die Verhältnisse des 5geteilten Kreises, die nur mit einer Aus­ nahme (dem nicht gerade guten Ersatzwert für das Maß 1:5/gVJ) den Goldenen Schnitt betreffen, ist der Zahlenersatz 15:26 für l:]/3 im 6geteilten Kreis besonders wichtig. Denn die Summe beider Zahlen ergibt die Kernzahl (V3X123 =) 41 des V3-Gefüges40. An der Bildung dieser beiden Zahlen ist die 5 besonders beteiligt. Denn (5 + 10) :(10 +16) } = (5 + 2X 5):(2X 5 + 3 X 5 +1) 1 ~ 1:V3 = 15 : 26

J

In dem Teilquadrat, das diesen wichtigen Zahlenersatz für das Verhältnis V2 g:h des gleichseitigen Dreiecks im ögeteilten Kreis liefert, erscheint die 6 nicht mehr, darin erscheint nur die 5. M. a. W.: Nachdem also die 6 in der Geometrie tätig gewesen ist, kann sie sich hier nicht mehr an dem für die Handwerker notwendigen arithmetischen Ersatz für die durch sie im Kreis entstandenen Verhältnisse beteiligen. Dafür ist hier die 5 da. Sie verdeckt damit nach der „Überführung des sinnlichen Vorgangs in einen unsinnlichen“ die 6. Das hat Dürer dadurch veranschaulicht, daß er in dem Teilquadrat den Betrachter des Quadrates unter der 5 noch eine 6 sehen läßt. Läßt man in dem Teilquadrat die 6 tätig werden, dann ergibt sich statt des wichtigen Ersatzwertes für den ögeteilten Kreis der wichtigste des 5geteilten Kreises, der hinter dem ersteren hinsichtlich der Genauigkeit des Ersatzwertes, wenn auch nur sehr wenig, aber dennoch zurücksteht. Also auch diesbezüglich ist es gerechtfertigt, wenn hier die 6 unter der 5 zu sehen ist. Es errechnet sich nämlich 16

3

16 3

15:26 — 1:V3

6 10

1:1,733 . . — 1,7320 . . 1:1,625.. — 1:1,618.. Diff. + 0,001 + 0,007

—> 5

10

40 Über die Kernzahlen der

190

]/

-Gefüge s. Abschn. VII.

16:26 — l'MziVs + l)

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Wie wichtig Dürer das arithmetische Ersatzverhältnis 15:26 für das irratio­ nale Maß l:Vs im ögeteilten Kreis ist, worin die 5 [3X5:(5X5 + 1)], nicht aber die 6, die die geometrische Grundlage hierfür schuf, erscheint, worin die 5 also die 6 überlagert, kommt auch in Folgendem sinnfällig zum Ausdruck: Die Gerade, die durch die 5. Sprosse der Leiter und durch den linken Schnittpunkt der Linienführungen der 5 und der 6 geht, hat von der sicht­ baren Einzapfung der Sprosse im Holm bis zur Begrenzung der Kupferplatte des Stichs die Länge 114 mm Ausmaß, d. s. 114,103 mm = 41 Einheiten je Vioo Nürnberger pes minor von 278,3 mm. Diese Strecke wird durch den Schnittpunkt der Linienführungen der 5 und der 6 aufgeteilt in die Teilstrecken . ß I 72,5 mm, d. s. 72,358 mm = 26 I Einheiten je 2,78 3 mm Ausmaß j 41,5 mm, d. s. 41,745 mm =15 f je Vioo pes minor

b. Die verdrehte 5. In dem linken mittleren Teilquadrat begegnen sich die 5 und 6. Hier sind beide mit den Zahlen 9 und 10 zu einer Ge­ S 10 meinschaft verbunden. In diesem Teilquadrat tritt zutage, warum mit der 5 eine 180°-Drehung um ihren Mittelpunkt 9 6 vorgenommen worden ist. Durch diese Drehung wendet sich in dem Teilquadrat die 5 der schräg unter ihr stehenden 6 zu, um sich mit ihr zu der 11 des V3-Gefüges zu vereinigen. Die unter der 5 stehende 9 bildet mit ihrem Doppelten, der 10 = 2X5, als Summe die Zahl 19 des K3-Gefüges. So ist in diesem Teilquadrat die 6 auch an der Bildung des arithmetischen Ersatzes für das irrationale Maß 1:V3 des durch sie geteilten Kreises beteiligt. (S. Tab. II A III u. B III.) Während sich also in dem linken oberen Teilquadrat die 5 mit der 10 zur Summe vereinigt, um mit der Summe der diagonalen Zahlen das Grund­ verhältnis des 6geteilten Kreises zu bilden, verbindet sie sich in dem linken mittleren Teilquadrat mit der 6 zur Summe, um mit der Summe der diago­ nalen Zahlen in diesem Teilquadrat dasselbe Grundverhältnis auszudrücken. Dazu ist noch das Produkt der beiden Zahlen der Summe der 4 Zahlen des Teilquadrates gleich. r. . (5 + 10) : (10 + 16) j Verhältnisse I,L °°en : 15 26 l & 1 : fs in den TeilQuadraten / //. Mitte; (s+6) : do+9) f 1

1

Produkt

11

:

19

J

S x 6 *30 *5 + 6+9 +10

So ist es verständlich, daß in Dürers magischem Quadrat die 5 in ihrer Zugehörigkeit zum oberen Teilquadrat die 6 überlagert und sich außerdem durch eine 180°-Drehung um ihren Mittelpunkt der 6 im linken mittleren Teilquadrat zuwendet. 191

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An einer 1 scheitert es wieder, daß die (5 + 6 =) 11 mit der Summe des Teilquadrats 30 (= 5X6) das wichtige Zahlenpaar 11:29 - 1 l:P/*(^ + l) + U bilden kann. J 1:1/7

VII. Die „Kemzahlen“ der V -Gefüge im Dürer-Quadrat Eine besonders wichtige Frage muß noch an das Quadrat Dürers gestellt werden. Ihre Beantwortung macht noch weiteres im Quadrat sichtbar. 1. Die Zahl 123 und ihre Paarzahlen. Wo ist die Zahl 123, die das „bindende Mittlere“ zwischen allen drei V Gefügen ist, nämlich die Zahl, die Spitzenpfeil als das Kernstück der Gefüge bezeichnet41, weil keine Zahl der Reihen mit V3, Vs multipliziert oder dividiert so gute Näherungswerte gibt wie die Zahl 123? In den V -Gefügen erscheint sie mit den Zahlen: Tabelle III A

V 3-Gefüge l/2-Gefüge 1 : 1/3 : 3 1 : V2 : 2 71 : 123 : 213 87 : 123 : 174 41 : 71 29 : 41 : 58 , 71X1/3 = 87X]/2 = 71X1,732 . . = 122,972 . . 87X1,4142 . . = 123,035 . . = 123 — 0,027 . . . = 123+0,035 ... Vs-Gefüge 1 : V2 (l/5 + l) : [I + V2G/5 + I)] 1 : 1/5 : 5 76 : 123 : 199 55 : 123 : 275 55X1/5 = 55X2,2361 . . . = 122,9855 . . = 123 — 0,014

76XV2(l/5+ 1) = 76X1,618 . . = 122,968 . . = 123 —0,031 . . .

41 Fr. Baum. 1942 Nr. 5, S. 51. Sie ist die Zahl mit dem „geometrischen Dreifachsinn“.

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Tabelle III B Mißt man die Kernzahl 123 und ihre Paarzahlen mit der magischen Zahl 34, dann ist die Kernzahl 123 =

14X34 1—13 = Summe der Zahlen 1 bis 16 vermindert 136 f um 1 3 42.

\

Ihre Paarzahl ist im 1/3-Gefii ge l/2-Gefüge 87 = 3X34 —15 71 = 3X34 -31 = 2X34 + 19 = 2X34+ 3

Vs-Gefüge

55 = 2X34 -13 = 1X34 + 21

76 = 3X34—2X13 = 2X34 + 8

Wie aus der Tabelle III B ersichtlich ist, bietet das magische Quadrat die Möglichkeit, ohne Rechenoperation aus dem Zahlenverband der Zahlen 1 bis 16 für die Kernzahl und ihre Paarzahlen eine Anzahl verschiedener Zahlengruppen herauszulesen, von denen in der Tabelle IV eine Anzahl Beispiele zusammengestellt sind. a. So braucht man für die Zahlengruppen der 123 nur die Zahl oder Summe 13 aus dem Zahlenverband des Quadrats herauszunehmen. (Tab. IV A)48 b. Für die Zahlengruppen ihrer Paarzahl 55 im ]/5-Gefüge ist es nur er­ forderlich, dieselbe 13 von 2 Reihen wegzunehmen oder die Summe 21 zu einer Reihe hinzuzutun, was sich auch aus dem Aufbau der 55 ergibt. (Tab. IV B 1) Für die Gewinnung der 76 des l/5-Gefüges benötigt man die Summe 26 (— 2X13). Hierbei zeigt sich der Vorteil der Dürerschen Zahlenanordnung vor der des „Plato"-Quadrats. Denn die 26 liegt einmal als geschlossener Block von 4 Zahlen ( = 2X13) im Quadrat und zum anderen überschnei­ den sich weitere Gruppen von 2X13, so daß auch dabei eine zusammen­ hängende Zahlengruppe 26 entsteht. (Tab. IV B 2) c. Es fällt auf, daß man für die Gewinnung der Zahlengruppen der Paar­ zahl 87 des l/2-Gefüges aus 2 bzw. 3 Reihen des Quadrats die 15 und 19, die Summanden der 34 im l/3-Gefüge benötigt. (Tab. IV C). Die Lage der 13, 21 und 15, 19 ergibt sich aus der Tabelle II A44. 42 Die Summe der Zahlen 1 bis 16 = lßIz (16 + 1) = 136; s. Anm. 1. 43 Für die Zahlengruppen der 123 ist das Quadrat nicht so bedeutsam wie für die Paarzahlen in den Gefügen. 44 Es werden hier nur die Summen von zwei benachbarten oder drei Zahlen aus einer ge­ schlossenen Vierergruppe berücksichtigt. In den magischen Quadraten von „Plato“, Yang Hui und Dürer ergeben die übereinander liegenden Zahlen der Summen 13 und 21 neben­ einander gestellt die natürliche Folge der Zahlen 1 bis 8 und 9 bis 16. Bei dem Andrews-

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Tabelle IV. Zusammenhängende Zahlengruppen

der Kernzahlen 123 u. ihrer Paarzahlen in den drei Y -Gefügen (begrenzte Auswahl) Die Zahlen der Gruppen a sind bei den Reihen abzuziehen bzw. hinzuzuzählen. Die eingerahmten Flächen der Gruppe b enthalten die Summanden der Zahlengruppen, die dem 16-Quadrat zu entnehmen sind. A. Die Kemzahl 123 = Summe der Zahlen des Quadrats — 13 = 4X34 — 13. (s. Anm. 35)

a.

b.

13

B. 1. Die Zahl 55 d. |/5-Gefüges = Summe d. Zahlen v.