Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [54]

Table of contents :
Eike Eberhard U n g e r, Nürnbergs Handel mit Hamburg im 16. und
beginnenden 17. Jahrhundert............................................. 1
Heinrich W. Mangold, Albrecht Dürer und die niederländische
Malerei................................................................................86
Heinz Zirnbauer, Nachträge zur Geschichte und Datierung des
Mendelbuches I........................................................................ 91
Werner Schultheiß, Das Hausbuch des Mendelschen Zwölfbrüderhauses
zu Nürnberg von 1388/1425 bis 1549. Nürnberger Beiträge
zur Geschichte der deutschen Technik ..... 94
Hans Recknagel, Zwei barocke Weihnachtsspiele aus Nürnberg 109
Gerhard Hirschmann, Johann Gottfried Biedermann und das
Nürnberger Patriziat.........................................................141
Theodor Wohnhaas, Nürnberger Klavierbauer in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts................................................................ 145
Werner Schultheiß, Die Industrialisierung Nürnbergs im 19./20.
Jahrhundert. Gedanken zu einer Ausstellung und zur Forschung 158
V
BUCHBESPRECHUNGEN:
Werner Schultheiß : Kleine Geschichte Nürnbergs. Nürnberg 1966. (Wilhelm
Schwemmer) ....................................................................................................................... 165
Walter Satzinger: Entwicklung, Stand und Möglichkeiten der Stadtkartographie,
dargestellt vorwiegend an Beispielen aus Nürnberg. (Deutsche Geodätische Kommission
bei der Bayer. Akad. d. Wiss. Reihe C: Dissertationen, H. 71) München
1964. (Walter M. Brod)........................................................................................................166
Werner Meyer und Wilhelm Schwemmer: Landkreis Lauf an der Pegnitz. (Die
Kunstdenkmäler von Bayern, hrsg. v. Landesamt f. Denkmalspflege. Regierungsbezirk
Mittelfranken, Band XI). München 1966. (Werner Schultheiß) . . . 167
Gustav V o i t : Grundherrschaften im Amte Hersbruck (Schriftenreihe der Altniirnberger
Landschaft, Band XII). Nürnberg 1966. (Gerhard Hirschmann) . . . 170
Rudolf Geiger und Gustav V o i t : Hersbrucker Urbare (Schriftenreihe der Altnürnberger
Landschaft Bd. XV) Nürnberg 1965. (Walter Lehnert) . . . . 172
Jost Weber: Siedlungen im Albvorland von Nürnberg. (Erlanger Geographische
Arbeiten, hrsg. vom Vorstand der Fränkischen Geographischen Gesellschaft,
Heft 20). Erlangen 1965. (Werner Sprung)..................................................................172
Hellmut Kunstmann : Die Burgen der östlichen Fränkischen Schweiz (Veröffentlichungen
der Geselllschaft für fränkische Geschichte Reihe IX, Darstellungen aus
der fränkischen Geschichte, Band 20). Würzburg 1965. (Walter Lehnert) . . 173
Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg. Band 1. Die deutschen mittelalterlichen
Handschriften. Bearbeitet von Karin Schneider und Heinz Zirnb
a u e r. Wiesbaden 1965. (Fritz Redenbacher).................................................... 174
Hubert H e i n e n : Die rhythmisch-metrische Gestaltung des Knittelverses bei Hans
Folz (Marburger Beiträge zur Germanistik. Hrsg, von Josef Kunz und Ludwig
Erich Schmitt, Bd. 12). Marburg 1966. (Dieter Wuttke)..................................... 176
Dürer: Schriftlicher Nachlaß. Hrsg, von Hans Rupprich, II. Band Die Anfänge
der theoretischen Studien — Das Lehrbuch der Malerei: Von der Maß der
Menschen, der Pferde, der Gebäude; Von der Perspektive; Von Farben — Ein
Unterricht alle Maß zu ändern. Berlin 1966. (Kurt Pilz)..................................... 178
Gelehrte der Universität Altdorf. Hrsg, von Horst Claus Recktenwald. Nürnberg
1966. (Klaus Leder)............................................................................................................... 180
Bambergs christliche Sendung. Zeugnisse aus acht Jahrhunderten. Ausstellungskatalog,
bearb. von Rudolf M. Kloos, Bamberg 1966. (Gerhard Hirschmann) . . . 181
Carl Graf von Klinckowstroem : Knaurs Geschichte der Technik. München
und Zürich 1959 (1965). (Werner Schultheiß) .... .......................................................... 182
Fritz Elkar: Hundert Jahre Produktenbörse Nürnberg 1866—1966. Festschrift zum
29. 9. 1966. Neustadt/Aisch o. J. (Leo Schuster).................................................... 183
Fritz Opel und Dieter Schneider: 75 Jahre Industriegewerkschaft 1891 bis
1966. Hrsg, von der Industriegewerkschaft Metall. Frankfurt am Main 1966.
(Helmut Häußler)............................................................................................................... 184
Eckhard Schmidt-Dubro : 12 5 Jahre Andreae-Noris-Zahn AG. Hrsg, von der
Andreae-Noris-Zahn AG. (Darmstadt 1966). (Werner Schultheiß) . . . . 185
125 Jahre Kreissparkasse Nürnberg. Nürnberg 1965. (Leo Schuster)......................................... 186
In memoriam Fritz Hintermayr, 7. 5. 1896 bis 24. 8. 1964. Nürnberg 1966. (Leo
Schuster) .............................................................................................................................. 186
Gerald Strauß : Nuremberg in the 16^ Century (New Dimensions in History-
Historical Cities). New York — London — Sydney 1966. (Amd Müller) . . 187
Hans Ulrich Roller: Der Nürnberger Schembartlauf. Studien zum Fest und Maskenwesen
des späten Mittelalters (Untersuchungen des Ludwig Uhland-Instituts der
Universität Tübingen Bd. 11). Tübingen 1965. (Karlheinz Goldmann) . . . 189

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Mitteilungen des

Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

54. Band

Nürnberg 1966 Selbstverlag des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

Im Aufträge des Vorstands des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg herausgegeben von Städt. Archivdirektor Dr. Werner Schultheiß und Städt. Oberarchivrat Dr. Gerhard Hirschmann Für Form und Inhalt der Aufsätze und Rezensionen sind die Verfasser verantwortlich. Der Verein dankt für Druckzuschüsse der Stadt Nürnberg, der Stadtsparkasse Nürnberg und dem Bezirkstag von Mittelfranken. Druck und Einband: Ph. C. W. Schmidt, Neustadt/Aisch. Klischees: Döss, Nürnberg. Alle Rechte auch des Abdrucks im Auszug Vorbehalten? Copyright by Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg (Geschäftsstelle: 85 Nürnberg, Egidienplatz 23—27)

IV

INHALT Eike Eberhard U n g e r, Nürnbergs Handel mit Hamburg im 16. und beginnenden 17. Jahrhundert............................................. 1 Heinrich W. Mangold, Albrecht Dürer und die niederländische Malerei................................................................................86 Heinz Zirnbauer, Nachträge zur Geschichte und Datierung des Mendelbuches I........................................................................ 91 Werner Schultheiß, Das Hausbuch des Mendelschen Zwölfbrüder­ hauses zu Nürnberg von 1388/1425 bis 1549. Nürnberger Bei­ träge zur Geschichte der deutschen Technik ..... Hans Recknagel, Zwei barocke Weihnachtsspiele

aus Nürnberg

94 109

Gerhard Hirschmann, Johann Gottfried Biedermann und das Nürnberger Patriziat......................................................... 141 Theodor Wohnhaas, Nürnberger Klavierbauer in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts................................................................ 145 Werner Schultheiß, Die Industrialisierung Nürnbergs im 19./20. Jahrhundert. Gedanken zu einer Ausstellungund zur Forschung

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BUCHBESPRECHUNGEN: Werner Schultheiß : Kleine Geschichte Nürnbergs. Nürnberg 1966. (Wilhelm Schwemmer) ....................................................................................................................... 165 Walter Satzinger: Entwicklung, Stand und Möglichkeiten der Stadtkartographie, dargestellt vorwiegend an Beispielen aus Nürnberg. (Deutsche Geodätische Kom­ mission bei der Bayer. Akad. d. Wiss. Reihe C: Dissertationen, H. 71) München 1964. (Walter M. Brod)........................................................................................................166 Werner Meyer und Wilhelm Schwemmer: Landkreis Lauf an der Pegnitz. (Die Kunstdenkmäler von Bayern, hrsg. v. Landesamt f. Denkmalspflege. Regierungs­ bezirk Mittelfranken, Band XI). München 1966. (Werner Schultheiß) . . . 167 Gustav V o i t : Grundherrschaften im Amte Hersbruck (Schriftenreihe der Altniirnberger Landschaft, Band XII). Nürnberg 1966. (Gerhard Hirschmann) . . . 170 Rudolf Geiger und Gustav V o i t : Hersbrucker Urbare (Schriftenreihe der Altnürnberger Landschaft Bd. XV) Nürnberg 1965. (Walter Lehnert) . . . . 172 Jost Weber: Siedlungen im Albvorland von Nürnberg. (Erlanger Geographische Arbeiten, hrsg. vom Vorstand der Fränkischen Geographischen Gesellschaft, Heft 20). Erlangen 1965. (Werner Sprung)..................................................................172 Hellmut Kunstmann : Die Burgen der östlichen Fränkischen Schweiz (Veröffent­ lichungen der Geselllschaft für fränkische Geschichte Reihe IX, Darstellungen aus der fränkischen Geschichte, Band 20). Würzburg 1965. (Walter Lehnert) . . 173 Die Handschriften der Stadtbibliothek Nürnberg. Band 1. Die deutschen mittelalter­ lichen Handschriften. Bearbeitet von Karin Schneider und Heinz Zirnb a u e r. Wiesbaden 1965. (Fritz Redenbacher).................................................... 174 Hubert H e i n e n : Die rhythmisch-metrische Gestaltung des Knittelverses bei Hans Folz (Marburger Beiträge zur Germanistik. Hrsg, von Josef Kunz und Ludwig Erich Schmitt, Bd. 12). Marburg 1966. (Dieter Wuttke)..................................... 176 Dürer: Schriftlicher Nachlaß. Hrsg, von Hans Rupprich, II. Band Die Anfänge der theoretischen Studien — Das Lehrbuch der Malerei: Von der Maß der Menschen, der Pferde, der Gebäude; Von der Perspektive; Von Farben — Ein Unterricht alle Maß zu ändern. Berlin 1966. (Kurt Pilz)..................................... 178 Gelehrte der Universität Altdorf. Hrsg, von Horst Claus Recktenwald. Nürnberg 1966. (Klaus Leder)............................................................................................................... 180 Bambergs christliche Sendung. Zeugnisse aus acht Jahrhunderten. Ausstellungskatalog, bearb. von Rudolf M. Kloos, Bamberg 1966. (Gerhard Hirschmann) . . . 181 Carl Graf von Klinckowstroem : Knaurs Geschichte der Technik. München und Zürich 1959 (1965). (WernerSchultheiß) .... .......................................................... 182 Fritz Elkar: Hundert Jahre Produktenbörse Nürnberg 1866—1966. Festschrift zum 29. 9. 1966. Neustadt/Aisch o. J. (Leo Schuster).................................................... 183 Fritz Opel und Dieter Schneider: 75 Jahre Industriegewerkschaft 1891 bis 1966. Hrsg, von der Industriegewerkschaft Metall. Frankfurt am Main 1966. (Helmut Häußler)............................................................................................................... 184 Eckhard Schmidt-Dubro : 12 5 Jahre Andreae-Noris-Zahn AG. Hrsg, von der Andreae-Noris-Zahn AG. (Darmstadt 1966). (Werner Schultheiß) . . . . 185 125 Jahre Kreissparkasse Nürnberg.Nürnberg1965. (Leo Schuster)......................................... 186 In memoriam Fritz Hintermayr, 7. 5. 1896 bis 24. 8. 1964. Nürnberg 1966. (Leo Schuster) .............................................................................................................................. 186 Gerald Strauß : Nuremberg in the 16^ Century (New Dimensions in HistoryHistorical Cities). New York — London — Sydney 1966. (Amd Müller) . . 187 Hans Ulrich Roller: Der Nürnberger Schembartlauf. Studien zum Fest und Masken­ wesen des späten Mittelalters (Untersuchungen des Ludwig Uhland-Instituts der Universität Tübingen Bd. 11). Tübingen 1965. (Karlheinz Goldmann) . . . 189

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VERZEICHNIS DER MITARBEITER Brod, Walter M., Dr., Arzt, 87 Würzburg, Gerbrunner Weg 11 Goldmann, Karlheinz, Dr., Direktor der Stadtbibliothek Nürnberg, 85 Nürnberg, Egidienplatz 23—27 H ä u ß 1 e r, Helmut, Dr., 85 Nürnberg, Siemensstr. 28 Hirschmann, Gerhard, Dr., Oberarchivrat, 8 5 Nürnberg, Gemgrosstr. 26 Leder, Klaus, Dr., Pfarrer, 8802 Elpersdorf über Ansbach 2 L e h n e r t, Walter, Dr., Archivrat, 8 501 Wölkersdorf, Breitenfeldstr. 41 Mangold, Heinrich W., Gymnasialprofessor, 8834 Pappenheim, Am Hals 10 Pilz, Kurt, Dr., Konservator, 85 Nürnberg, Gabrielistr. 9 Müller, Arnd, Dr., Studienrat, 85 Nürnberg, Hintermayrstr. 19 Recknagel, Hans, Dramaturgieassisstent, 8501 Altdorf b. Nürnberg, Flurergasse 4 Redenbacher, Fritz, Dr., Universitätsprofessor, Bibliotheksdirektor i. R., 852 Erlangen, Universitätsbibliothek Schultheiß, Werner, Dr. jur., Archivdirektor, 8 5 Nürnberg, Moosstr. 14 Sqhuster, Leo, Dr. Dipl.-Kfm., 851 Fürth i. Bay., Würzburger Str. 98 Schwemme r, Wilhelm, Dr., Direktor der städt. Kunstsammlungen i. R., 85 Nürnberg, Lindenaststr. 63 Sprung, Werner, Oberstudienrat, 85 Nünberg, Kamminerstr. 14 U n g e r, Eike Eberhard, Dr. rer. pol., Bibliotheksassessor, 84 Regensburg, Universitäts­ bibliothek Wohnhaas, Theodor, Dr., Konservator, 852 Erlangen, Hartmannstr. 89 W u 11 k e, Dieter. Dr., Studienrat im Hochschuldienst, 34 Göttingen, Baumschulenweg 12 Zirnbauer, Heinz, Dr., Oberbibliotheksrat i. R., 819 Wolfratshausen, Karwendelstr. 1

VII

NÜRNBERGS HANDEL MIT HAMBURG IM 16. UND BEGINNENDEN 17. JAHRHUNDERT Von Eike Eberhard Unger

VORWORT Es ist ein schwieriges Unterfangen, eine Handelsgeschichte einer bestimmten, weit zurück­ liegenden Zeit zu schreiben. Denn die Vielfalt, die räumliche und zeitliche Ausdehnung, die Handelsgüter und die Handelswaren, die Handelsstädte und ihre Vereinigungen und viele Dinge mehr machen es fast unmöglich, eine Einheit, ein kontinuierlich ablaufendes aber doch lebensvolles Bild zu zeichnen. Man sollte nun annehmen, daß es um so leichter wird, je enger die Zeit und das Gebiet gewählt werden, wie zum Beispiel das vorliegende Thema der Handelsbeziehungen zwischen zwei bestimmten Städten, nämlich Hamburg und Nürnberg. Daß dem nicht so ist, wird jeder bestätigen können, der auf diesem Gebiet sich versucht hat. Einmal ist es das Moment, daß man kein Ereignis, keine Tatsache und keine Handlung oder Verhaltensweise aus seiner Zeit herausnehmen kann und auf sich gestellt betrachten darf; denn das eine bedingt meist das andere, ist mit ihm verknüpft oder sogar von ihm ab­ hängig und bildet eine vielfach verflochtene Kette. So wäre zum Beispiel der Tuchhandel Ham­ burgs niemals so bedeutend geworden, wenn nicht politische Auseinandersetzungen die „Merchant Adventurers“ gezwungen hätten, die Niederlande zu verlassen und sich einen neuen Wirkungskreis zu suchen. Es gibt viele Beispiele, ob sie nun auf politischen Ereignissen, auf Zollbestimmungen oder auf Tradition beruhen, immer werden sie uns zeigen, daß es kein Nebeneinander geben kann, sondern daß es das Miteinander und Abhängigsein ist, das die Schwierigkeiten in sich birgt. Zum anderen kommt aber hinzu, daß man unbedingt auf die Quellen angewiesen ist, die das Material bilden sollen. Sind diese Quellen zahlreich, so liegt der Vorteil auf der Hand; kann man sich aber nur auf spärliche Angaben berufen, so wird eine Bearbeitung nach diesen wenigen Daten immer die Zeichen der Unvollständigkeit und der Lückenhaftigkeit tragen. Ich bin ehrlich genug, einzugestehen, daß dies bei der vorliegenden Arbeit der Fall ist und auch sein muß, da es die kurze Zeit nicht erlaubt, der letzten verborgenen Quelle nach­ zuspüren und da für diese Zeit einfach viele Quellen schweigen. Daraus ist nun aber nicht zu schließen, daß in dieser Zeit eben keine Beziehungen zwischen Hamburg und Nürnberg bestanden haben oder nur soweit, als es aus den Archiv­ beständen zu ersehen ist; vielmehr können wir mit Recht annehmen, daß ein Großteil des Materials vernichtet worden oder verlorengegangen ist. Von Hamburg weiß ich, daß wertvolle Archivalien dem großen Brand von 1842 zum Opfer gefallen sind und daß in jüngster Zeit (1962) die Sturmflutkatastrophe so manches verdorben oder unleserlich gemacht hat. Bedauer­ lich ist es dann, wenn zu diesen Archivalien Kaufmannsbücher gehören, die sowieso nur spärlich sind, weil wohl kaum ein Kaufmann seine Bücher länger als dreißig Jahre aufbe­ wahrte und es mehr dem Zufall zuzuschreiben ist, wenn uns heute noch einige erhalten sind, wie die des Mathias Hoep aus Hamburg. Im Süden Deutschlands ist das häufiger der Fall, nicht zuletzt deswegen, weil der Süd­ deutsche Schrift- und schreibfreudiger war und früher einen höheren Stand der Ausbildung besaß als der Norddeutsche. Ein Zeichen dafür ist, daß Hamburg zum Beispiel erst mit dem Einwandern der Niederländer nach 1567 — diese besaßen sogar gegenüber Oberdeutschland einen noch höheren Ausbildungsstand — sich mit Oberdeutschland in Hinblick auf die Kauf­ mannstechniken messen konnte. Diese nur kurzen Hinweise sollen andeuten, welche Schwierigkeiten sich infolge des nicht allzureichlichen Materials auftun. Eine Vielzahl Namen, aber ohne entsprechende Begeben­ heiten, sind kein günstiger Ausgangspunkt. 1

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INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort................................................................................................................................

Seite 1

Einleitung — Nürnbergs und Hamburgs Entwicklung bis zum Beginn des 16. Jahr­ hunderts im Überblick...................................................................................................

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Teil I — Anfänge der Handelsbeziehungen Oberdeutschlands — insbesondere Nürn­ bergs — mit Nord- und Westdeutschland............................................................... 1. Die Ausweitung nach Westen (Frankfurt und Köln).............................. 6 2. Das Eindringen in den Hansekernraum (Lübeck und Danzig)................ 8 3. Das Vordringen nach Hamburg und der Elbmündung............................... 9

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Teil II — Die Perioden des aktiven Hamburghandels und seine Kaufleute ... 11 1. Die Zeit erster Anfänge von 1480—1530 (Rotmund — Hufnagel — Koberger) . ll 2. Stärkerer Ausbau der Handelsbeziehungen von 1530—1567 ............................ 13 a) Vermundt — Huf stein — Scheltz — Prag — Plode — Eustachius .... 14 b) Das Eingreifen der Italiener in den Hamburghandel................................... 16 3. Die Blüte des aktiven Nord-Südhandels von 1567 bis zum Beginn des Dreißig­ jährigen Krieges................................................................................................... 19 a) Die Verlegung des Stapels der „Merchant Adventurers“ und ihr „Court“ in Hamburg........................................................................................................... 20 b) Fühlungnahme Nürnbergs mit englischen Tuchhändlem und die englische Niederlassung in Nürnberg.............................................................................. 24 c) Die Niederländer im Hamburg-Nürnberghandel (de Wouter — de Greve — de Herthoge — de Lhommel — von Dortmund — Berenberg) . . . . 30 d) Die Nürnberger Handelshäuser jener Zeit (Baidinger — Gabler — Gößwein — Gugel — Kneutzel und Pultz — Mülegg — Peck — Pilgram — Schmidt — Schub­ hardt und Schnuck-Viatis und Peller-Wertemann — Die Welserfiliale und der Faktor Philipp Hensler) — Kleinere Hamburghändler und Faktoren . . . 36 Teil III — Der Warenverkehr............................................................................................ 54 1. Die Ausfuhrartikel................................................................................................... 54 2. Die Einfuhrartikel................................................................................................... 59 Teil IV —Das Verkehrswesen.....................................................................................................65 Teil V — Organisationen und Hilfseinrichtungen.........................................................75 Schluß — Hamburg und Nürnberg, Begegnung Oberdeutschlands mit der Hanse

.

.

Quellen- und Literaturverzeichnis..................................................................................... 8 3

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MVGN 54 (1966) Nürnbergs Handel mit Hamburg

EINLEITUNG NÜRNBERGS UND HAMBURGS ENTWICKLUNG BIS ZUM BEGINN DES 16. JAHRHUNDERTS IM ÜBERBLICK Obwohl viel und ausführlich über beide Städte — Hamburg und Nürnberg — geschrieben worden ist, soll trotzdem ein kurzer Überblick über die Ent­ wicklung dieser beiden Städte bis zu dem Zeitpunkt gegeben werden, an dem die eigentliche Beschreibung der Handelsbeziehungen einsetzt. Vielleicht wird dadurch anschaulicher, welch schneller und rascher Aufstieg sich bei diesen Städten, vornehmlich bei Nürnberg, anbahnte. Die Entstehung Nürnbergs geht auf den Salierkaiser Konrad II. (1024— 1039) zurück. Unter seiner Regierung entstanden um 1040 nördlich der Pegnitz auf steilem Sandsteinfelsen die Burg und in ihrer Nähe ein Königshof. In deren Bereich bildete sich bald eine Ansiedlung von Handwerkern und Kauf­ leuten. Anläßlich eines im Jahre 1050 hier abgehaltenen Hoftages wird der Name Nürnberg erstmals urkundlich erwähnt. Der eigentliche Aufstieg Nürnbergs begann im 12. Jahrhundert, als die Staufer eine Pfalz erbauten und häufig den Ort aufsuchten, um hier Hoftage abzuhalten. Die Stadt wurde so zum Mittelpunkt der staufischen Reichsgut­ verwaltung in Franken. Einen wichtigen Schritt auf dem Wege zur städtischen Selbstverwaltung bedeutete das große Privileg Kaiser Friedrichs II. von 1219. Im 13. Jahrhundert gelang dann Nürnberg der Aufstieg von der königlichen Stadt zur Reichsstadt1). Diesem politischen Aufschwung folgte nur langsam der wirtschaftliche, denn Nürnberg war durch seine Lage am östlichen Rand Süddeutschlands sehr benachteiligt. Erst durch den wirtschaftlichen Aufstieg der Oberpfalz und vor allem Böhmens unter den Luxemburgern und Österreichs unter den Habsbur­ gern wurde es allmählich Mittelpunkt süddeutschen Handels. Es zog so den Handel der östlichen Reichsgebiete nach Westdeutschland an sich und bald auch den von Italien und Bayern, wie von Regensburg, München und Augsburg nach den mitteldeutschen Territorien. Abkürzungen in den Anmerkungen StA. Nbg. StA. Hbg. StdtA. Nbg.

= Staatsarchiv Nürnberg = Staatsarchiv Hamburg (oder auch Hbg. StA.) = Stadtarchiv Nürnberg

*) Kusch, Eugen: „Nürnberg", Nürnberg 1950. — Reiche, Emil: „Geschichte der Reichsstadt Nürnberg", Nürnberg 1896. — Dannenbauer, H.: „Die Entstehung der Terr. der Reichs­ stadt Nürnberg", Stuttgart 1928. — Franz, E.: „Nürnberg, Kaiser und Reich", Nürnberg 1930.

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MVGN 54 (1966) Nürnbergs Handel mit Hamburg

Diese Stellung, besonders als wirtschaftliches Tor Böhmens, trug Nürnberg die Gunst Kaiser Karls IV. ein, der ihm weitere Rechte verlieh, wie das Recht der Abhaltung des ersten Reichstages nach einer Königswahl, und der die patrizischen Geschlechter, die aus Großkaufleuten und dem Adel gewachsen waren, nach ihrer Vertreibung durch die Zünfte 1348 wieder einsetzte und ihnen als Zugehörige zum kleinen Rat die Herrschaft über den großen Rat (Vertreter besonders der Handwerker) gab. 13 50 konnten die Geschlechter alle kaiser­ lichen Rechte für die Stadtregierung an sich ziehen. In ihren Reihen waren da­ mals schon die bekannten Familien zu finden, die Nürnberg für lange Zeit ihr Gepräge gaben, unter anderen die Waldstromer, die Haller, Ebner, Holzschuher, Behaim, Pfinzing, Tücher, Volckamer, Imhof, Pirckheimer, Praun, Scheurl, Welser und viele andere. Mit ihren Gewinnen und Geldern wurden die benachbarten Orte samt ihrer Rechte erkauft und so die Grundlage für das stän­ dig wachsende Stadtgebiet geschaffen. Durch sie erwarb Nürnberg den Reichswald, die Reichsvogtei und die Hochgerichtsbarkeit, Markt und Burg Lichtenau (1405), Heidingsfeld und Mainbernheim (als Pfand 1431—1475), die Herr­ schaft Hiltpoltstein mit Wildenfels und Strahlenfels (1503), dann erhielt es von Kaiser Maximilian I. die Ämter Lauf, Hersbruck, Altdorf, Reicheneck, Velden, Betzenstein mit Stierberg (1505), und schließlich kaufte es noch das Schloß Hauseck (1507) und das Amt und Schloß Gräfenberg (1520). Hierdurch wurde Nürnberg zu einer der gebietsmäßig größten Städte. Von diesen Jahren an aber verlor Nürnberg allmählich seine Bedeutung, nicht so sehr im wirtschaftlichen als vielmehr im politischen Bereich. Der Grund dafür mag zum einen die Erstarrung des Patriziats gewesen sein, das bemüht war, seine Stellung innen- und außenpolitisch zu bewahren, darüber aber selbst erstarrte. Zum anderen aber besaß das Volk nicht die geistigen und politischen Energien, um ihrerseits das Patriziat zu einer Umwandlung der Formen und Verfassung zu zwingen, wie es zum Beispiel in Frankfurt und Hamburg geschehen ist. So kam es zu einem Rückgang der geistigen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung, und wir werden in der Folgezeit nur noch wenig die Namen der großen Geschlechter als Träger des Unternehmungsgeistes und des Fernhandels, besonders gerade nach Nord- und Westdeutschland, antreffen. In Hamburg2) verlief die Entwicklung etwas anders. Zwar reicht die Sied­ lung in ihrem Urkern schon in die Zeit Karls des Großen zurück, der nach seinen Sachsenkriegen hier eine Burg anlegte, die den Alsterübergang gegen Osten sichern sollte; aber Bedeutung gewann diese Siedlung erst in sehr viel späterer Zeit. Unter Ludwig dem Frommen wurden die zerstörten Befestigungen wieder hergestellt und ein Dom als Mittelpunkt des neugeschaffenen Erzbis­ tums errichtet. Auch hier entstand ein Burgflecken mit einem Wikort (Rastort und Markt) für durchziehende Kaufleute. Dänen und Wikinger setzten dieser Ansiedlung bald ein Ende. Das Erzbistum mußte nach Bremen verlegt werden. Nur langsam entwickelte sich eine neue Marktsiedlung, die dann aber Sachsen­ bedrohung und Slawenstürme überdauern konnte. Sie weitete sich sogar aus 2) Reinke, H.: „Hamburgs Geschichte“, Hamburg 1933.

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MVGN 54

(1966)

Nürnbergs Handel mit Hamburg

durch Kaufmannssiedlungen im direkten Anschluß an das Wasser, südlich von dem bisherigen Hamburg. Trotz der Verbindung zum Wasser (rund hundert Kilometer landeinwärts) war Hamburg nicht sonderlich begünstigt, denn ein natürlicher Elbübergang bestand nicht. Wegen seiner Lage im Grenzraum war es lange Zeit hindurch gefährdet. Erst die Eindeutschung Nord-Albingiens und die Festigung Holsteins durch die Schaumburger bannten die Gefahr. Die Grenze hatte sich durch das Vordringen in den slawischen Raum weit von Hamburg fortgeschoben. Im Schutze des Städteringes am Süd- und Westrand der Ostsee konnte Graf Adolf III. 1188 eine Neustadt auf den Trümmern der alten gräflichen Burg errichten. Diese, von dem Lokator Wirard von Boizenburg angelegt und mit lübischem Recht ausgestattet, wurde ausdrücklich als „portus“ bezeichnet; schon ein Jahr später erhielt sie einen kaiserlichen Freibrief mit weiteren Pri­ vilegien. Der Druck der Bevormundung des erzbischöflichen und des herzog­ lichen Vogtes, wie auch die zeitweilig dänische Herrschatf (1205—1225), ließen beide Städte — Altstadt und Neustadt — zusammenfinden. Dieses Gemein­ wesen hatte um 1215 ungefähr 1500 Einwohner. Eigentliche Bedeutung erhielt Hamburg erst später, in der letzten Hälfte des 13. Jahrhunderts. In dieser Zeit vollzog sich ein bedeutendes Wachstum. Planvolle Besiedlung ließ die Zahl der Einwohner auf mehr als 5000 ansteigen. Die jetzt besseren Verkehrswege be­ günstigten Hamburgs Entwicklung dabei stark und ließen es zu dem großen Ausfuhrhafen für das Hinterland werden. Dann griff Hamburg mit seinen Handelsverbindungen über die Nordsee nach dem Weltmarkt Brügge, nach England und den nordischen Staaten. Zunächst noch im Schatten Lübecks, wußte es sich durch politische und wirtschaftliche Entwicklung bald als ebenbürtig neben Lübeck zu stellen und so in die Zeit der großen hansischen Geschichte einzutreten. Eng mit Lübeck und der Hanse verbunden brach Hamburg aber doch häufig aus und ging eigene Wege, wenn es galt, dadurch Vorteile zu erreichen. So blieb es zum Beispiel dem Vorgehen der Hanse gegen Dänemark in den Jahren 1368—70 fern, da es hoffte, zu der Zeit seine Handelsbeziehungen elbaufwärts nach Böhmen und dem Mittelmeer ausdehnen zu können. Wir werden später im Verlauf des 16. Jahrhunderts noch mehr Beispiele kennenlernen, die zeigen werden, wie oft Hamburg der Hanse in den Rücken gefallen ist. In der Hoffnung nun, nach Böhmen und dem Mittelmeer greifen zu können, betrogen, wandte es sich wie­ der dem Norden zu und versuchte, sein Territorium zu vergrößern und die Ver­ kehrswege an sich zu bringen und sie bis nach Flandern zu sichern. Diese Machterweiterung erlaubte eine erfolgreiche Bekämpfung der See­ räubereien der Vitalienbrüder (um 1400) und eine Ausdehnung der politischen Stärke. Beweise hierfür sind mannigfache Privilegien, die Hamburg erhielt, wie die Befreiung vom Reichshofgericht (1421), Recht der Goldmünzenprägung (1435) usw. Bald darauf hatte Hamburg seinen ersten mittelalterlichen Höhepunkt über­ schritten und begann in der Zeit der allgemeinen Verschlechterung der wirt­ schaftlichen Lage abzusinken. Infolge der Geldknappheit mußte vieles unerfüllt bleiben, und man griff sogar zu unkorrekten Mitteln, um seine wirtschaftliche Stellung zu wahren; denn mit Hilfe einer Urkundenfälschung nahm man das 5

MVGN 54 (1966) Nürnbergs Handel mit Hamburg

Stapelrecht des gesamten Hinterlandes für sich in Anspruch und konnte so vor allem den Kornhandel für das Elbegebiet an sich bringen. Das bedeutendste Ereignis dieser Zeit wurde für Hamburg der Übergang Holsteins an den Dänenkönig Christian I. (1460), denn nun begann für Ham­ burg eine Zeit der Schaukelpolitik, um den Verpflichtungen dem Reich gegen­ über zu entgehen. Jeder Vorteil wurde wahrgenommen, auch auf die Gefahr hin, das Verhältnis zu Lübeck und der Hanse zu verschlechtern. Der zweite große Aufstieg Hamburgs fällt nun in die Zeit, die im Rahmen dieses Themas behandelt werden soll, nämlich in das Jahrhundert der Refor­ mation, der Vertreibung der Calvinisten aus den Niederlanden und deren Ein­ wanderung nach Hamburg, der Begründung von Wechselrecht, des Bank- und Postwesens.

TEIL I ANFÄNGE DER HANDELSBEZIEHUNGEN OBERDEUTSCHLANDS — INSBESONDERE NÜRNBERGS - MIT NORD- UND WESTDEUTSCHLAND Von welcher Seite jeweils die Initiative zur Begründung von Handelsbe­ ziehungen ausgegangen ist, ist in den meisten Fällen schwer zu sagen. Viel­ fach beruhten diese auf Zufälligkeiten, oft waren es unternehmungslustige und wagefreudige Kaufleute, die ins Ungewisse vordrangen, manchmal aber ging man auch planmäßig vor, Absatzgebiete zu erschließen oder die Gebiete der Herkunft begehrter Waren aufzusuchen. 1. Die Ausweitung nach Westen (Frankfurt und Köln) Die Reichsstadt Nürnberg gehörte zu den bedeutendsten Handelsstädten Deutschlands. Die rege Tätigkeit ihrer spekulierenden Kaufleute, die Industrie ihrer Handwerke und der Erfindergeist ihrer Künstler zeichneten sie unter ihren Schwestern aus. Ihre Manufakturen und Fabrikwaren wurden fast in allen Ge­ genden der bekannten Erdteile geführt, so daß das Sprichwort entstand: Nürn­ berger Tand geht durch alle Land. Um Nürnbergs Lob in wenige Worte zu bringen, pflegte man zu sagen: „Es gibt nur ein Nürnberg/' *) Entstand dieses Wort auch erst im Ausgang des Spätmittelalters, so hat Nürnberg doch schon früh begonnen, einer solchen Stellung entgegenzuarbeiten. Da Nürnberg mit natürlichen Gütern, Bodenschätzen oder Erzeugnissen der Landwirtschaft und Schiffahrt nicht gesegnet war, mußte es sich ganz dem Han­ del und dem Handwerk verschreiben. Bedeutete diese Unfruchtbarkeit und un­ günstige Lage eigentlich einen Nahteil, so zeigte sie sich für Nürnberg als ein Vorteil, denn der Handel wurde das einträglichste Geschäft und füllte die Kas*) J. F. Roth: „Geschichte des Nürnberger Handels“, Leipzig 1800, I. Abteilung, S. 3.

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sen der Händler und der Kaufleute. Bald kamen günstige Privilegien hinzu. Ausdrücklich wegen des sandigen Bodens, der keinen Weinbau zuließ, und wegen des Fehlens jeglicher Schiffahrt hatte Kaiser Friedrich II. der Stadt 1219 Freiheiten eingeräumt, die den Handel fördern sollten: Immo si quem habere videntur defectum, eum locus ille nec habeat vineta neque navigia, immo in durissimo sit fundo, de mera benignitate supplemus ...2). Im ganzen südlichen Teil des Reiches trieb Nürnberg schon im zwölften Jahrhundert regen auswärtigen Handel. Eine Urkunde von 1163, die Kaiser Friedrich I. den Bambergern verlieh, ist hierfür ein deutlicher Beweis. Hierin heißt es, daß die Bamberger mit der gleichen Sicherheit und Freiheit wie die Nürnberger im ganzen Reiche reisen und handeln durften, und wo den Nürnbergern kein Zoll oder keine Abgabe auferlegt war, sollte es ihnen auch nicht geschehen: „ .. . eadem securitate ac libertate, qua Norinbergenses per Uni­ versum Imperium nostrum potiantur, sua peragant commercia, quod a nostris Norinbergensibus non exigitur .. .“ 3) Im Laufe des nächsten Jahrhunderts wurde die Zahl der Städte, mit denen Nürnberg in Verbindung stand und in denen es zollfrei war, immer größer. Nur symbolisch mußten am Tag St. Johannis des Täufers den Zöllnern der betref­ fenden Stadt ein Pfund Pfeffer und ein Paar weiße Handschuhe überreicht werden, um die Zollfreiheit für das ganze Jahr zu sichern 4). Ebenso erhielt Nürnberg durch Kaiser Heinrich VII. im Jahre 1313 das freie Geleit auf den Straßen des Reiches. Solche und ähnliche Privilegien wur­ den den Nürnbergern in der Folgezeit immer wieder verliehen oder neu be­ stätigt, so zum Beispiel 1313 durch Heinrich VII.5),* dann * durch Karl IV. 13 55 oder durch Sigismund 1413. Den kaiserlichen Freibriefen folgten die landesherrlichen. 1351 versprachen Bischof Albrecht von Würzburg, die Burggrafen Johann und Albrecht von Nürnberg, Graf Rudolf von Wertheim und Graf Ludwig von Hohenlohe den Nürnbergern das Geleit in der Art, daß ihnen jeglicher Schaden, der ihnen in ihren Landen entstünde, ersetzt werden sollte; auch hatten sie sich wegen der Vergehen ihrer Fuhrleute und Knechte nicht zu verantworten. Sieben Jahre später (1358) erhielten die Kaufleute von den Grafen Eberhard und Ulrich eine ähnliche Zusage für sicheres Geleit durch das Württembergische, ebenso die Vergütung eines Schadens, der sie in ihrem Lande treffe. Das 15. Jahrhundert brachte den Nürnbergern freie Handtierung in Hessen (1466 durch Landgraf Ludwig von Hessen), freien Handel in allen Landen Adolfs von Kleve (1436), in Sachsen (Ernst und Albrecht zu Sachsen 1467) und schließlich noch im Stift Würzburg (1468) 8). 2) Zitiert nach Roth: a. a. O., II. Abteilung, S. 322. 3) Zitiert nach Roth: a. a. O., I. Abteilung, S. 9. 4) Im Freiheitsbrief Kaiser Friedrichs II. von 1219 wird diese symbolhafte Handlung in Bezug auf die Zollfreiheit in SpeyeT genannt. 5) In der Bestätigung heißt es in Punkt neun: „Endlich und zum neunten sollen die Bürger zu Nürnberg und ihre Güter allen Zolls befreit sein, an allen Orten und Plätzen, welche hingegen zu Nürnberg von Alters her auch frei gewesen sind. 8) Roth: a. a. O., I. Abteilung, S. 91 .

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Diese Freiheiten sind ein deutliches Zeichen des Unternehmergeistes der Nürnberger und des Ansehens, das sie überall genossen. Nehmen wir nur einige aus den über sechzig Städten, in denen Nürnberger Handelsleute zollfrei waren, heraus, so sehen wir schon die große Ausdehnung des Handels. Die meisten Zollfreiheiten dieser Städte stammten noch aus dem 14. Jahrhundert, wie die in St. Gallen, München, Heilbronn, Schwäbisch-Gmünd, Augsburg, Eger, Re­ gensburg, Basel, Lübeck, Frankfurt und Köln. Die letzten beiden genannten Städte, vor allem aber Frankfurt, wurden im 15. und auch im 16. Jahrhundert die Anziehungspunkte des oberdeutschen Handels. Bislang hatten die Kaufleute ihre Waren aus dem Levantehandel — bevorzugt waren Gewürze und andere Spezereien — über Venedig bezogen. Mit der Entdeckung des Seeweges nach Indien durch die Portugiesen nahm dieser Handel allmählich ab. Zu Anfang beteiligten sich Nürnberger und Augsburger Kaufleute direkt an den Indienfahrten, wie die Fugger, Welser, Höchstätter, Gossembrot, Imhof und Vöhlin, die zur siebenten portugiesischen Expedition zugelassen waren und von den sechs Schiffen drei ausrüsten durften 7). Später, als die Portugiesen den direkten Handelsverkehr nach Indien gänz­ lich an sich gezogen hatten, verlegten die Kaufleute ihre Tätigkeit nach dem aufblühenden Antwerpen, wo die Fugger, Welser, Tücher, Höchstätter, Manlich und Haug bald eine führende Stellung im Handel mit Spezereien, vor allem Alaun, Pfeffer, Safran sowie auch Kupfer, einnahmen. Eine Zwischenhandels­ station von Nürnberg nach Antwerpen bildete Frankfurt, das am Kreuzpunkt der Verkehrsstraßen aus der Schweiz, aus Holland, Frankreich, Oberdeutschland und Ostdeutschland lag. Schon vor der Zerstörung Antwerpens konzentrierte sich hier der mit Deutschland betriebene Handel der Seestädte der Westküste, begünstigt durch die Einwanderung der seit Mitte des 15. Jahrhunderts aus Augs­ burg, Ulm, Mainz, Köln, Nürnberg usw. vertriebenen Juden und der Holländer und Belgier, die ihres Glaubens wegen verfolgt wurden. Durch solche Einwanderungen war Frankfurt die Messestadt des Reichtums, des Luxus und der Eleganz geworden. Aus diesen Gründen waren die Nürnberger ständige Gäste der Messen und legten großes Gewicht auf die Beziehungen zu Frankfurt, von dem König Franz von Frankreich behauptete, es sei der berühmteste Handels­ platz fast des ganzen Erdballes und von dem Luther sagte, „es sei das Silber­ und Goldloch, dadurch aus Deutschland fließt, was nur quillt und wächst, bei uns umgeschlagen wird. Alle Welt mache man reich, um selbst Bettler zu bleiben“. 2. Das Eindringen in den Hansekernraum (Lübeck und Danzig) Etwa gleichzeitig mit der Ausdehnung nach Westen drangen die Nürnber­ ger Kaufleute auch nach Osten vor und trafen seit den zwanziger Jahren des 14. Jahrhunderts über Prag — Krakau in Lemberg mit den Hansen zusammen, insbesondere mit den Thornern8). Um die gleiche Zeit müssen sie auch in den 7) Kulischer, Josef: „Allg. Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit“, Darm­ stadt 1958, Bd. II, S. 224. 8) Nordmann, Claus: „Nürnberger Großhändler im spätmittelalterlichen Lübeck“, Nürnberg 1939, S. 1.

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Kernraum der Hanse, nach Lübedk, gekommen sein. Es wird in dem Privileg Ludwigs des Bayern von 1332 unter den Städten genannt, in denen Nürnberger zollfrei sein sollten9). Es ist anzunehmen, daß die Nürnberger schon um 1300 nach Lübeck zogen, ohne aber große Bedeutung zu erlangen. Nur vereinzelte Nachrichten zeugen von ihnen. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts hatten sie einen festen Platz in Lübeck eingenommen und sich eine beachtliche Stellung als Großhändler erworben. Besonders waren es die Pirckheimer und Paumgartner. Sogar die Hanse be­ schäftigte sich mit ihnen auf dem Hansetag zu Thorn 1399 und verbot den Nürnbergern, die See zu befahren oder Waren zu handeln 10). In der Blütezeit des Nürnberger Nordhandels, in der der Lübecker Süd­ handel fast gänzlich zurückgedrängt werden konnte, waren es die Häuser der Munter, Mulich und Hagenauer, die mit ansehnlichem Vermögen nach Lübeck kamen und den Handel an sich rissen. Lübeck stellte damals den wichtigsten Umschlagplatz für den Handel der Oberdeutschen nach dem Ostseeraum dar und erlebte dementsprechend Jahrzehnte hindurch beträchtlichen Zuzug dieser und anderer Familien. Trotz vieler Anfeindungen und zeitweiligen Ausweichens nach Danzig konnten sie sich bis in den Anfang des 16. Jahrhunderts halten. Ihren Aufstieg verdankten sie in erster Linie der fortgeschrittenen Form ihrer Organisation und der Tatkraft. Mehrere wirtschaftlich gleichrangige Kaufleute erreichten durch Zusammenlegung ihres Kapitals und ihrer Arbeits­ kraft eine überlegene wirtschaftliche Stärke. Die Kraft der Hanse selbst war nicht mehr stark genug, um sie ernsthaft zu verdrängen. 1511 zum Beispiel wurde ein Beschluß gefaßt, der sich gegen die großen Gesellschaften und Gesellschaftsgründungen der Oberdeutschen im Hanseraum richteten n) Dieser hatte aber wenig Erfolg und wurde nicht streng durchgeführt, weil manche auf die Oberdeutschen angewiesen waren. Nur wenig scharfe Maßnahmen sind uns bekannt, wie die Wegnahme fuggerschen und thursoischen Kupfers in Danzig, welches allerdings nach längeren Ver­ handlungen auf Fürsprache Kaiser Maximilians I. wieder herausgegeben wer­ den mußte 12). In der Folgezeit reagierten die Oberdeutschen auf weitere Anfeindungen mit dem Ausweichen nach Leipzig, Antwerpen oder dem aufstrebenden Danzig. Letzteres blieb bis ins 17. Jahrhundert ein nicht zu unterschätzender Umschlag­ platz für ungarisches Kupfer oberdeutscher Verleger. 3. Das Vordringen nach Hamburg und der Elbmündung Mit dem Aufblühen der Frankfurter Messen und dem Ausweichen der Oberdeutschen aus Lübeck erhielt auch Hamburg einen Anteil an dem NordSüdverkehr. Allerdings ist hier nur ein zaghaftes sich Nähern zu verspüren, da 9) Murr: „Urkunden der vornehmsten Orte, mit welchen die Reichsstadt Nürnberg Zoll freiheiten errichtete“, Nürnberg 1806, S. 17/22. 10) Hanserecesse: Bd. IV Nr. 539/7, 8 Nr. 540. n) Ebenda: Bd. VI Nr. 182, Nr. 196. 12) Ebenda: Bd. VI Nr. 220.

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noch die Oberdeutschen wichtigere Plätze bevorzugten, wie Lübeck als Tor zur Ostsee, Antwerpen als Verbindung nach Portugal und Indien oder Erfurt und Leipzig als Binnenhandelszentren. Zwar kam es schon im 15. Jahrhundert vor, daß oberdeutsche Familien nach Hamburg einwanderten, wie die Anckelmanns aus Schwäbisch-Hall, doch sollte dies erst im folgenden Jahrhundert üblicher werden. Die ersten Berührungen zwischen Hamburgern und Nürnbergern kamen nachweislich auf dem Gebiet des Fischhandels zustande. Der Fisch wurde als Fastenspeise von der Seeküste nach Oberdeutschland gebracht. Vor allem die Bremer, Deventer und die Holländer überhaupt, bald auch die Hamburger, be­ nutzten die Nürnberger, um ihre Heringe, Stockfische und den Lebertran in Oberdeutschland abzusetzen. Hierbei gerieten sie in starken Konkurrenzkampf mit den Lübeckern und dem von Lübeck beherrschten Kontor zu Bergen, das sich heftig gegen solchen Wettbewerb zu wehren suchte. Jedoch wird die Fischausfuhr von Hamburg nach Nürnberg nicht so be­ achtlich gewesen sein, wie J. F. Roth es annimmt, wenn er schreibt: „Im fünf­ zehnten Jahrhundert, wo nicht schon früher, stand Nürnberg schon mit Hol­ land und Hamburg in starkem Handelsverkehr besonders mit Heringen und Stockfischen sowie auch Labberdan. Die Holländer und Hamburger bedienten sich schon damals der Nürnberger Kaufleute, um jene Artikel im inneren Deutschlands zu verkaufen." 13) Das Gewicht wird Roth hier auf den Handel mit Holland gelegt haben, wenn er von starkem Handelsverkehr spricht. Eine einzige Urkunde ist mir bekannt, die auf den Fischhandel zwischen Nürnberg und Hamburg hinweist. Es ist dies ein Schreiben der Stadt Nürnberg im Jahre 1478 an Hamburg, gleichzeitig aber auch an Lübeck und Stettin 14). In diesem setzt sich der Rat für seine Kaufmannschaft in ihrer Klage ein, daß die Fischsendungen in grö­ ßerer Zahl nicht recht gesalzen noch gut verpackt seien und außerdem mit Fischen minderer Sorte und Qualität zusammenlägen. Zu Nutz und Freund­ schaft solle dies wieder wie früher in guter Ordnung gehandhabt werden. Dies ist zwar ein Beweis dafür, daß schon zur Mitte des 15. Jahrhunderts Fischhandel zwischen Hamburg und Nürnberg getrieben wurde, besagt aber nichts über die Menge und Häufigkeit, zumal Lüneburg und Stettin mit ein­ geschlossen sind, auf die das .. . wie früher . . . mit mehr Berechtigung zu­ treffen könnte, da hier die Nürnberger von Lübeck aus schon im 14. Jahrhun­ dert Handelsbeziehungen unterhielten. Wie nun die Einfuhr aus Hamburg Nürnberg und Oberdeutschland zu ergreifen begann, erfaßte auch die Ausfuhr Nürnbergs und Oberdeutschlands Hamburg. Die Fugger zum Beispiel benutz­ ten den Elbweg, über Lübeck oder Lüneburg kommend, um ihr ungarisches Kupfer nach Westen zu leiten; ebenso tat es die Leuthenburger Gesellschaft, die thüringisches Kupfer ausbeutete und an der Jakob Welser beteiligt war. Beide Gesellschaften hatten noch zu Anfang des 16. Jahrhunderts Faktoren in Hamburg. Doch diese Verbindung zu Hamburg war nicht von langer Dauer. Bedeutsam aber ist, daß Hamburg in dieser Zeit näher in das Blickfeld Ober1S) Roth: a. a. O., III. Abteilung, S. 100. I4) StA. Nbg. Nürnberger Briefbücher: Tom 35, S. 223.

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deutschlands und der Nürnberger geriet, die nun dem langsam aufblühenden Hamburg, das nie die Schatten Lübecks so ganz abstreifen konnte, mehr Be­ achtung schenkten. Neue aufstrebende Untemehmerkräfte in Nürnberg werden es sein, die sich auf Hamburg konzentrierten.

TEIL II DIE PERIODEN DES AKTIVEN HAMBURGHANDELS UND SEINE KAUFLEUTE 1. Die Zeit erster Anfänge von 1480—1530 (Rotmund — Hufnagel — Koberger) Es ist schon gesagt worden, daß zur Mitte des 15. Jahrhunderts Nürnber­ ger mit Hamburg in Beziehungen standen, und es läßt sich vermuten, daß sie vornehmlich Fische kauften und dafür Erzeugnisse Italiens und des Orients nach dem Norden verkauften. Leider aber haben wir nur die Tatsache, daß man mit Hamburg handelte, nicht aber Nachrichten von Kaufleuten, in denen Genaueres angegeben wird. So fehlen uns für diese Zeit völlig die Namen der Kaufleute, die Hamburghandel trieben. Auch sind außer Fisch keine weiteren Warenarten bezeichnet. Erst 1486 taucht ein Name auf. Es ist dies der des Ulrich Rotmund aus Nürnberg. Er war 1476 Genannter des Rates. Ob er mit dem 1517 ange­ führten Lazarus Rotmund und den 1520 und 1523 genannten Brüdern Joachim und Franz in verwandtschaftlichem Verhältnis stand, ist nicht zu sagen 2a). Wir wissen aber einiges aus seinem Leben, was vor allem sein Wirken in Lübeck betrifft. Rotmund war seit 1463 für diese Stadt in geldlichen Angelegenheiten tätig. In diesem Jahr überwies er an den Syndikus Simon Batz 4—5000 Gul­ den1). ebenso erhielt auch ein Gerhard Redborch durch Rotmund Geld und Nachrichten 2). 1470 wurde das Lösegeld für Johann Osthusen, der auf seiner Reise nach Wien gefangen genommen worden war, bei ihm durch Wechsel in ungarische Gulden gekauft3). 1479 wurde Rotmund von dem Lübecker Hein­ rich Licherde, einem Untereinnehmer der Königin Dorothea von Dänemark, beauftragt, das Leibgeding aus der Nürnberger Losungstube zu empfangen. Aus diesen Tatsachen ist zu entnehmen, daß Rotmund ein Mann von reidhen Beziehungen und ausgedehntem Handel sein mußte. In Lübeck hatte er enge Geschäftsfreunde in dem Ratsmann Cord Möller, von dem er selbst berichtet: „So hab ich, Ulrich Rotmund, ob den zwentzig jaren mit herrn Conraten Mullner seligen, der ein namhafter burger und des rats zu Lübegk gewest ist, *) 2) 2a) 3)

Lübecker Urkundenbudi X 303. L.U.B. X 504, 698. Müllners Annalen, Bd. III, S. 1484b, StA. Nürnberg. L. U. B. XI 614, 617.

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hanndlung und gesellschaft gehabt", und in dem Ebeling Bilring, an den 1490 die drei Gulden für die Beförderung zweier Eilbriefe von Lüneburg nach Rom gezahlt wurden 4). Aber auch im Süden finden wir Freunde von ihm, in Augs­ burg und Venedig5).* Diese genannten Geschäfte Rotmunds gerade in Lübeck werden ihn 1481 nach Hamburg geführt haben, wo er 1486 ein Geschäft mit dem Hamburger Johann Winden geschlossen haben muß, vielleicht auch schon etwas früher. Zu dieser Zeit stand Lienhart Hufnagel in Nürnberg sicher in einem Gesellschafts­ verhältnis zu ihm, denn auch er wird von dem Hamburger Winden in Anspruch genommen®). Ob diese Schuld aus einem Waren- oder reinen Geldgeschäft -die Rotmund ja besorgte — entstanden ist, bleibt unklar. Auf jeden Fall war die Summe recht beträchtlich, so daß sich ein Streit über das Bestehen der Schuld entspann7). Da ein Jahr später, nämlich 1487, die Schuld immer noch nicht bezahlt worden war, unternahm Winden gerichtliche Schritte gegen diese beiden angesehenen Nürnberger Bürger, die — Rotmund hielt sich zu dieser Zeit in Nürnberg auf — darüber hinaus eine Supplicationsschrift an den Nürn­ berger Rat gerichtet hatten. Auf welch rechtliche Grundlage sie ihre Zahlungs­ verweigerung stützten, ist nicht bekannt. Bei seinem ersten Aufenthalt in Hamburg 1481 trieb Rotmund Geschäfte mit dem Rat der Stadt. Er erhielt von diesem 6 Pf. 8 sh für ein „equus gradarius" 8). Höchstwahrscheinlich hat Rot­ mund bei diesem Handel nur Vermittlertätigkeit ausgeübt, da die Summe für ein Pferd viel zu gering war. Ein Pferd kostete damals 80—100 Pfund 8a). Ungefähr zur gleichen Zeit lebte Anton Koberger in Nürnberg. Er war der Sohn des Heinrich Koberger des Jüngeren und hatte einen Bruder namens Hans, mit dem er gemeinsam seinen geschäftlichen Aufstieg begann. Anton mag in der Mitte des 15. Jahrhunderts geboren sein, denn erwähnt wird erzürn ersten­ mal 1464 in den Bürgerbüchern9). 1470 heiratete er die Ursula Ingram und nach deren Tode 1492 die Magret Holzschuher, eine Tochter des Gabriel Holzschuher und der Brigitte Volkamer. Von Hans hört man zu diesem Zeitpunkt nichts mehr. Nach 1484 fehlt jede Nachricht von ihm, so daß Anton sicherlich allein die Bürde des Geschäftes zu tragen hatte. O. Hase10) sagt von ihm: „Seine Haupteigenschaften im geschäftlichen Gebaren waren kühnes Wagen und zähes Durchführen, mochte auch ein Jahrzehnt schwerer Kämpfe dazu ge­ hören, ein einmal begonnenes Unternehmen durchzusetzen." Er starb am 3. Oktober 1513 und hinterließ ein stattliches Lebenswerk, welches ihm den Ruf einbrachte, nicht nur der größte Buchdrucker, sondern auch der größte Buchhändler seiner Zeit zu sein. Nach J. Neudörffers Zeugnis hatte er täglich vierundzwanzig Pressen gehn und über hundert Personen als Setzer, Korrek­ toren, Illuministen, Buchbinder u. a. m. in seinen Diensten. 4) StdtA. Lüneburg Or. m. S. 5) Ebenda. 8) StA. Nbg. Nürnberger Briefbüdier: Tom. 39, S. 215. 7) Ebenda: Tom. 40, S. 96. 8) Kämmereirechnungen der Stadt Hamburg, Bd. III, S. 416, Z. 28. 8a) Ebenda, Bd. V, S. 18, Z. 5; hier werden 81 Pfund als Preis für ein Pferd angegeben. 9) Hase, Oscar: „Die Koberger“, Leipzig 1885, S. 1. 10) Hase, Oscar: a. a. O., S. 27.

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Dieser Druckerei war eine ausgedehnte Absatzorganisation angeschlossen. Fast in allen Ländern hatte er seine Faktoren und in namhaften Orten offene Kräme und Gewölbe, „da ein jedes vielleicht zu gedenken, mit mancherlei großer Menge Bücher staffiert muss gewesen sein“ u). So finden wir nicht nur in Frankfurt, Amsterdam, Venedig usw. solche offenen Gewölbe oder Läden, sondern auch in Danzig, Lübeck, Lüneburg und Hamburg 12). Dies war ein zu der Zeit vorbildliches, planmäßiges enges Absatznetz, das wohl in seiner Zeit ohne große Konkurrenz dagestanden haben muß. Hinzu kam noch, daß die Kobergischen Bücher sehr beliebt waren, da er sich guter Korrektoren bediente, wie zum Beispiel des Friedrich Pistorius, Abt zu St. Egidien, und darüber hinaus es nicht an Ausstattung fehlen ließ. Der Handel der Koberger bestand noch 1532 als guter Sortimentshandel, ging dann aber bis 1544 wegen fehlen­ der Tatkraft und häufiger Erbauszahlungen ein. Schon 1526 hatten die Ko­ berger unter einem Vetter, dem Hans Koberger, aufgehört, eigene Verlags­ werke herauszubringen. 2. Der stärkere Ausbau der Handelsbeziehungen von 1530—1567

Die nun folgenden Jahrzehnte waren recht ungünstig, um die einmal ge­ knüpften Beziehungen sich ausweiten zu lassen. Unruhen und Streitigkeiten waren an der Tagesordnung. Die Wege und Straßen erschienen viel zu gefähr­ lich, als daß man ihnen Wagen mit kostbarer Ladung anvertrauen wollte. Poli­ tische und religiöse Zwiste brachten die Fürstentümer in Kampf miteinander, und plündernde und mordernde Bauernhaufen machten die Gegend unsicher. Solche Dinge sind das größte Hemnis für einen gewinnbringenden Handel. In den 20er und 3 Oer Jahren sahen wir deswegen keinen Kaufmann nach Hamburg ziehen. Sie wurden von offizieller Seite angehalten, ihre Handlung einzuschränken. So verkündete zum Beispiel der Rat von Nürnberg seinen Kauf­ leuten 1528 auf dem Rathaus, daß der Herzog zu Sachsen und Hessen die Stifte Mainz, Würzburg und Bamberg bekriegen wolle und riet ihnen, deshalb ihren Handel zu beschränken 1). 1552 wird wegen der gefährlichen Zeitläufte das Frankfurter Meßgeleit abgeschrieben 2). Wie gefährlich es war, weitläufigen Handel zu treiben, zeigt ein Ereignis von 1541. In diesem Jahr wurden im September mehrere Wagen mit Waren und Güter, die zum Teil Nürnberger Bürgern gehörten, von 8 Reisigen ange­ griffen und geplündert3). Zwar schrieb der Rat zu Nürnberg für seine Bürger an den Herzog Franz zu Braunschweig und Lüneburg, den Schaden zu ersetzen und solche Vergewaltigungen nicht mehr Vorkommen zu lassen, aber Klagen und Ersatzanmeldungen brauchten oft Jahre bis zu ihrer Erfüllung, und nicht jeder Kaufmann war so vermögend, um solchen Schaden tragen zu können. u) Neudörffer, J.: „Nachrichten von Künstlern und Werkleuten daselbst aus dem Jahre 1547", hrsg. von G. W. Lochner, Wien 1S75. 12) Roth: a. a. O., III. Abteilung, S. 32. Es werden folgende 16 Städte genannt: Frankfurt, Amsterdam, Venedig, Hamburg, Danzig, Lübeck, Lüneburg, Prag, Breslau, Augsburg, Ulm, Leipzig, Braunschweig, Erfurt, Basel, Wien. *) Müllners Annalen, Bd. III, S. 1484b, StA. Nbg. 2) Ebenda, Bd. IV, S. 2023. 3) StA. Nbg.: Nürnberger Briefbücher, Tom. 126, S. 102.

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Außerdem schien sowieso kein allzu großes Intersse daran zu bestehen, gerade im entfernten Hamburg seinen Handel zu betreiben oder gar einen ständigen Faktor dort zu halten. Dazu war das Geschäft nicht einträglich ge­ nug, jedenfalls nicht für so große Firmen wie die Fugger, deren damaliger Leiter Anton Fugger 1546 erklärte, daß er nicht mehr willens sei, „ainiche Handlung“ in Hamburg zu haben 4). a) Vermundt — Hufstein — Scheltz — Prag — Plode — Eustachius Aber trotz dieser Gefahren gab es Kaufleute, die solche Risiken auf sich nahmen. Ein bezeichnender Fall für den Unternehmungsgeist der Nürnberger dieser Zeit war Hans Vermundt, Sohn der Anna und des Peter Vermundt5), eines Atlasmachers aus Nürnberg, der 1542 ein hinter dem Predigerkloster liegendes Haus von dem Frankfurter Friedrich Stauff gekauft hatte 6). Hans Vermundt war mit Appolonia, der Witwe des Kaufmannes Jobst Haller, ver­ heiratet und trieb einen ausgedehnten Handel. Seine Geschäftsreisen führten ihn in viele Länder, nach England, Schottland, Irland, Dänemark, Schweden und Norwegen und „sonderlich aber gen Hamburg“ 7), wo er meist Gelegen­ heitsgeschäfte betrieb. Bei einer dieser Reisen hatten er und sein Diener Matthes Konrad von Kada ein Schiff für einen teuren Preis in Kerkrade in Schottland erworben. Dieses Schiff, das früher den Namen „Buce von Kerkrade“ trug, wurde von ihnen nach verbrieftem Kauf die „Buce von Hamburg“ ge­ nannt. Er übergab es dem angeheuerten Schiffsmann Claas Fries aus Hamburg und trug ihm auf, damit aus Norwegen Holz zu holen, um es nach Barbig in England zu verschiffen. Fries jedoch schien sich nicht daran gehalten zu haben, denn er segelte mit der „Buce von Hamburg“ in den Hamburger Hafen und verkaufte sie dort ohne Wissen Vermundts. Den Kaufpreis unterschlug er. Zu dieser Zeit hielt sich Vermundt in Nürnberg auf, weil ihn hier Ge­ schäfte und Familienangelegenheiten in Anspruch nahmen. „Solch halb seine Kaufmannsgewerben an allen orten nit auß warten oder verrichten auch seine Schulden und mehrbestimmtes Schiff aigener person nit erfordern oder zu seinen handen nemen und pringen könnt“ 8)9 gab er beim Vorbringen seiner Klage dem Gericht zu Protokoll und übertrug deshalb seinem Vetter Johann de Ryke und seinem Diener Mathes Konrad sämtliche Handlungsvollmacht, insbesondere Käufe abzuschließen und Schulden einzutreiben. Da Konrad ge­ rade im Auftrag seines Herrn auf einer Reise war, hinterließ Vermundt seine Bevollmächtigung beim Gericht. In Sachen Fries beschritt er den Gerichtsweg und richtete 1553 eine Klageschrift an den Hamburger Rat, worin er diesen bat, nach Recht und Billigkeit zu entscheiden ®). Nach dieser Zeit schien sich 4) G. F. Buek: „Die Hamburgisdien Oberalten, ihre bürgerliche Wirksamkeit und ihre Fa­ milien“, Hamburg 1857, S. 17 f. 6) StdtA. Nbg.: Lib. Lit. Bd. 55, S. 42, 148 auch Fromund oder Vromund genannt. — Eben­ so StA. Nbg.: Nürnberger Briefbücher, Tom. 149, S. 275. Hier kommt die Schreibweise „Vormund“ vor. 6) StdtA. Nbg.: Lib. Lit. Bd. 55, S. 42. 7) StdtA. Nbg.: Lib. Lit. Bd. 59, S. 139—140. 8) StdtA. Nbg.: Lib. Lit. Bd. 59, S. 139. 9) StA. Nbg.: Nürnberger Briefbücher, Tom. 149, S. 275.

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Vermundt von solchen Gelegenheitsgeschäften im Norden zurückgezogen zu haben, jedenfalls kennen wir keine Nachricht mehr von ihm, obwohl er noch mindestens bis 1581 gelebt haben muß, was eine Gerichtseintragung über seine Frau Appolonia in Erbschaftsangelegenheiten ihres ersten Mannes, Jobst Haller, beweist10). Vermundt ist nicht der einzige Kaufmann dieser Zeit gewesen, dessen In­ teressen in Hamburg lagen. Schon fast zwei Jahrzehnte vor ihm, nämlich 15 34, hatte ein Kaufmann namens Jörg Schultheiss Handel mit Hamburg getrieben. Sein Geschäftsgegner war der in Hamburg seßhafte Hans Hufstein, der sich augenscheinlich in Zahlungsschwierigkeiten befand, so daß das Gericht einge­ schaltet werden mußte, um den Forderungen Schultheissens Nachdruck zu ver­ leihen n). Solche Fälle, in denen das Gericht bemüht werden mußte, traten in diesen Jahrzehnten häufiger auf. Höchstwahrscheinlich ist es darauf zurückzuführen, daß es meist nur kleine Firmen und Kaufleute waren, die diesen Handel unter­ hielten und sich auch, um überhaupt ins Geschäft zu kommen, mit nicht so sicheren Kunden einließen. Nicht immer hatten Faktoren und Kommissionäre die Anweisung erhalten, nur an gute und wohlgestellte Kunden zu verkaufen. So beklagte sich zum Beispiel Kaspar Ankelmann aus Hamburg über seinen Nürnberger Faktor Schubhardt, dem er vor Jahren Waren zugesandt habe, daß er sie trotz Mahnung an den unsicheren Kunden Georg Gundelfinger ver­ kauft habe 12). Nicht viel anders als dem obengenannten Schultheiss erging es dem Nürn­ berger Hans Prag 13). Er hatte um 1530 von seinem Vetter Heinrich Prag, Sohn des Hans Prag des Älteren, einen Schuldtitel gegen den Hamburger Eckard Baigert14) geerbt. Sein Vetter Heinrich lebte viele Jahre in Lübeck und schloß dabei mit Baigert Geschäfte, aus denen im Jahre 1483 eben diese Forderung übriggeblieben war15). Nach seinem Tode um 1530 ging sie auf Hans Prag über, der sie gleich darauf geltend machte 18). Da aber Baigert in der Zwischen­ zeit gestorben war und der jetzige Inhaber aller seiner Güter, der Hamburger Gerhard von Hottel, sich weigerte, die Schuld anzuerkennen, blieb Prag nichts anderes übrig, als ihn durch das Gericht zu zwingen. Aber Kämpfe und politi­ sche Auseinandersetzungen, in die auch Hamburg hineingezogen wurde, ließen das Gerichtswesen zeitweilig darniederliegen17); es sollten noch vier Jahre nach der ersten Aufforderung, der am 8. Dez. 1535 und am 5. April 1536 wei­ tere gefolgt sind, vergehen, bis Prag endlich sein Geld bekam. 1539 überwies 10) n) 12) 13) 14) 15) 16) 17)

StdtA. Nbg.: Lib. Lit. Bd. 96, S. 213, 214. StA. Nbg.: Nürnberger Briefbücher, Tom. 109, S. 93, Brief vom 1. Oktober 1534. StA. Nbg.: Nürnberger Prozeßakte Nr. 33. Es findet sich auch die Schreibweise Brag, Braw. StdtA. Nbg.: Lib. Lit. Bd. 48, S, 152; in diesem Fall auch Ballingers genannt. StdtA. Nbg.: Lib. Lit. Bd. 48, S. 152. StA. Nbg.: Nürnberger Briefbücher, Tom 100, S. 213. StA. Nbg.: Nürnberger Briefbücher, Tom. 111, S. 126. Die Streitigkeiten hängen wohl mit den Erhebungen zusammen, die durch J. Wullenweber angezettelt worden sind, der mit Hilfe aufständischer Bauern und Bürger in Dänemark die Vorherrschaft Lübecks im Nor­ den wieder aufrichten wollte und der die in Stralsund, Malmö, Reval und Stockholm ins Leben gerufenen demokratischen Stadtherrschaften zu Herren der Ostsee machen wollte.

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die Stadtkämmerei 120 Pfund, „ad tollendam ipsius actionem, quam nomine relictorum bonorum quondam Gerardi Ballges ad erarium deventorum contra civitatem instituerat“ 18). Hamburg scheint jetzt mehr und mehr Anziehungskraft auf Nürnberg aus­ geübt zu haben, denn gerade in den Jahren 153 5—45 mehrten sich die Fälle, in denen Nürnberger ihr Glück dort versuchten. 1535 können wir in den Käm­ mereirechnungen lesen, daß der Rat von Hamburg einen von innen und außen vergoldeten Silberbecher bei Christof Plode aus Nürnberg kaufte. Dieser Pokal, für den Plode 100 Pfund 16 sh erhielt, sollte dem Herzog Franz von Lüneburg zum Geschenk gemacht werden 19). 1545 war der Nürnberger Pferdehändler Eustachius nach Hamburg gekom­ men und brachte dort seine Pferde auf den Markt, eines zum Beispiel, ein ka­ stanienbraunes, erstand der Rat der Stadt Hamburg 20). Hierfür zahlte ihm der Rat 81 Pfund und 15 sh. Die Stadt Hamburg bediente sich sowieso häufiger Nürnberger Kaufleute, um ihren eigenen und den Verwaltungsbedarf zu decken. Früher hatte sie meist ihr Papier und Pergament in Antwerpen, Lübeck, Lüneburg oder Magdeburg eingekauft, seit 1551 bezog sie es auch aus Nürnberg21). In diesem Jahr kaufte sie von einem unbekannten Nürnberger für 10 Pfund 4 sh sechs Dekaden Per­ gament. Neben den Nürnbergern Vermundt, Plode, Eustachius und Prag tauchte noch eine weitere größere Firma auf, die nach Hamburg Beziehungen pflegte. Es ist dies die Firma Scheltz, die sogar einen ständigen Faktor in Hamburg hatte. Neben Warengeschäften trieb sie auch Geldgeschäfte und löste Wechsel oder Schuldscheine ein. 1546 hatte ihr Nürnberger Faktor Gotthart König einen Schuldschein des Georg Schelthen über eine Summe von 1700 Rheinischen Goldgulden und 1254 Taler und 26 sh lübsch angenommen und ausbezahlt. Dieses Geld war für Schelthen von Georg Corperen hinterlegt worden als eine Art einmalige Unterhaltszahlung des Herzogs Adolf von Schleswig und Hol­ stein und Erben zu Norwegen. Schelthen befand sich gerade während einer Reise in Nürnberg, vielleicht ist er sogar Nürnberger gewesen. An den Rat zu Hamburg schrieb er: „Euer Erbar Weyshett ist sunder Zweifel guett wissent, das mir cost verschafft von hochgedachtem meinen gnedigen Herrn, Herrn Adolfen Erbnen zu Norweden, Herzog zu Schleswig und Holstein." 22) Er ließ die Bitte folgen, die genannte Geldsumme, die in Hamburg hinterlegt worden ist, dem scheltzischen Faktor Sigmund Rubanger zu übergeben. Eventuelle Un­ kosten sollte Rubanger ebenso übernehmen und die Abrechnung über den Nürnberger Faktor laufen lassen. b) Das Eingreifen der Italiener in den Hamburghandel Es ist zu Anfang einmal erwähnt worden, daß Nürnberg es verstand, den Handel von Venedig nach den mitteldeutschen Territorien und nach Nord18) 19) 20) 21) 22)

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Kämmereirechnungen der Stadt Hamburg, StA. Hbg. Bd. V, S. 745, Zeile 37. Ebenda, Bd. V, S. 579, Z. 2. Ebenda, Bd. V, S. 18, Z. 5. Ebenda, Bd. VII, S. 123, Z. 29 und Bd. VI, S. 447, Z. 26. StA. Hbg., CI. VII, Lit. Da Nr. 8, Vol. 3.

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deutschland an sich zu ziehen23) und so sich eine Stellung als Umschlagplatz für Transitgüter aus Italien und dem Levantehandel auszubauen. Die Italiener, die sich in Nürnberg aufhielten, waren dabei weitgehend von einem Weiter­ vertrieb der Waren und Güter nach Norden ausgeschlossen. In der Mitte des 16. Jahrhunderts kam hierbei eine Änderung, und Nürnbergs Hamburghandel blieb nun keine Domäne nur der Einheimischen mehr. Wie in vielen anderen Städten auch, traten Italiener in direkte Beziehungen zu Hamburg, weniger im Waren- als vielmehr im Geldgeschäft. Da sie vielfach das Bürgerrecht in Nürnberg besaßen, stand ihnen der Anspruch auf rechtliche Hilfe zu, wie es in dem Falle eines Italieners aus Florenz geschehen ist, der mit Hamburg Bezie­ hungen unterhielt24). Besonders im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts wurde es üblich, daß die Italiener mit ihren Landsleuten in Hamburg korrespondierten und gegenseitig Wechsel auf sich zogen. Antonio Diodati war es zum Beispiel, der mit dem Hamburger Italiener Giovanni Baptista Bartelotti korrespondierte. Dies wäre ein paar Jahrzehnte früher noch unmöglich gewesen, da vertraglich die Grenzen des Handels zwischen Italien und anderen Nationen festgelegt worden waren. Nur mit bestimmten Waren zu handeln war den Italienern erlaubt, dagegen durften die Deutschen und besonders darunter die Nürnberger an gewissen Orten, vornehmlich in der Levante, gar nicht negoziieren. Wir wissen ja, daß der deutsche Kaufmann in seiner Tätigkeit auf den „Fondaco dei Tedeschi“ beschränkt war und wie peinlich gerade die Venetianer darauf bedacht waren, sich ihr Vorrecht auf dem Meer nicht nehmen zu lassen. Hab und Güter, oft­ mals auch das Leben, verloren solche Kaufleute, die dagegen verstießen. „ . . . und aus billigen hochgedachten Ursachen de Jenigen“, klagten Endres und Willibald Imhof, Jakob Welser und Hans Gebrüder, Christofif Welser Ge­ sellschaft und viele andere, „so aus fremden ausländischen Nationen allhier zu hantieren sich unterstanden, desgleichen auch ihre Faktoren und Befehlshabern anzeigen lassen, daß sie bei Führung derjenigen Waren, damit sie und die Ihrigen von alters herkumen weren, bleiben und dagegen die hieigen Bürger und andere Teutsche in ihren wohlhergebrachten hendeln auch unverhindert lassen und denselben nitt einstehen oder eintrag thun sollten, welchen bedenke und Ordnung dem jenigen ganz gleich und ebenmessig, so vor Jarn zwischen dem Heyl. Reich Teutscher Nation und den Italienern und anderen Nationes nur bis gen Trient und anderen Grenzortt Teutscher Nation, dagegen die Teutschen auch allein an bestimmte determinierte Ortt und sonderlich in der Le­ vante und Ronente gar nicht negozieren oder handeln sollten; und ob solcher gemachten Vergleichung und Vertragen halten sonderlich die Venediger, soviel ire Wolfart belangt, ganz fleissig und ernstlich, dann sie lassen über meer nie­ mand handeln, sundern wann und sooft ettliche Teutsche was dargegen für­ nehmen wollten ..." ist man ihnen dermaßen begegnet, daß sie oft Leib und Gut verloren25). **) Vergleiche Einleitung S. 3 24) StA. Nbg.: Nürnberger Briefbücher, Tom. 126. Der Name des Italieners aus Florenz wird nicht genannt. 25) StA. Nbg.: S. VII, L 123, Nr. 242 (E-Laden). Etliche Beschwerung der Ambtsleut im Zoll­ haus der Italiener halben.

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Diese Klage und die darauf folgende Verordnung des Rates nützten aber wenig. Vielleicht griff man auch nicht streng durch, um die Italiener nicht zu vertreiben. Genaueres wissen wir nicht darüber; es läßt sich nur vermuten, denn die Italienerkolonie in Nürnberg wuchs eher an als kleiner zu werden. Schon bald waren es fast zwanzig vermögende Kaufleute, die den Safran- und Spezereihandel an sich zu bringen suchten26). Einige erwarben in Nürnberg größeren Landbesitz und bauten sich feste und ansehnliche Häuser. Sie ver­ mochten ihren Handel weit nach Norden auszudehnen, bis nach Hamburg und darüber hinaus. Die Vertematis oder Wertemanns schickten sogar einen ihrer Familie als Faktoren dorthin und unterhielten gute Beziehungen zu manchen oberdeutschen Firmen. Das Verhältnis mit den Orths aus Heilbronn scheint fast freundschaftlich gewesen zu sein27). Wenn wir diese vier Jahrzehnte rückschauend1 betrachten, dann müssen wir zugestehen, daß es doch nur eine kleine Zahl von Kaufleuten war, die von Nürnberg nach Hamburg Handel trieben. Und wollten wir einen Vergleich mit den Beziehungen Nürnbergs zu Lübeck schon ein Jahrhundert früher anstellen, so wird daraus ersichtlich, welche untergeordnete Stellung der Hamburghandel bis 1567 einnahm. Noch waren es nur kleine Händler, die wir kennenlernten. Die Kaufleute Vermundt, Plode, Eustachius, Schultheiss, Scheltz und einige Italiener bildeten kaum ein halbes Dutzend, und ihr Warenaustausch blieb ganz gering. In Fisch, Papier, Goldschmiedwaren, Pferden und vielleicht einigen Gewürzen und italienischen Waren erschöpfte er sich. Vielfach waren es auch nur Gelegenheitsgeschäfte, die geschlossen wurden, und ein regelmäßiger Aus­ tausch von Waren und Wechseln über Jahre hinaus wird wohl kaum bestanden haben 28). Vielmehr mutet es fast wie Unstetigkeit, verbunden mit Abenteurer­ lust und Einsatzfreudigkeit an, wenn ein so unbekannter Mann wie Hans Ver­ mundt die nordischen Länder bereiste, ein Schiff ausrüstete und so etwas wie Trampschiffahrt betrieb. Allerdings ist dies auch ein Zeichen, daß es doch nicht so ganz unvermögende Kaufleute gewesen sein müssen. Allein ein Gespann auf die Fahrt mit oft ungewissem Ausgang zu schicken oder nur einen Platz 28) Die Namen der Italiener, die sich vielleicht schon vor 1575 in Nürnberg niederließen, sind: 1. Lucas Torizani am Markt; 2. Wilhelm und Loys Wertemann neben der Gül­ denen Gans; 3. Paulino Neri am Herrenmarkt; 4. Bartleme Odescalco uff der Full; 5. Gotthart und Jacom Murari beim güldenen Kreuz; 6. Manfro Balbani in der Hunds­ gasse; 7. Ludovico Peres beim güldenen Kreuz; 8. Samson Gail zu der Zisselgasse; 9. Franco di Franchi uff der Parfusser Brudcen; 10. Johann Maria Wertemann beim Och­ senfelder; 11. Carl und Pothasio di Busto neben dem Ochsenfelder; 12. Hieronimus und Nicolo Bernardi; 13. Castell Paulino Oliverti in der alten Ledergasse; 14. Johann und Lorentzo Corolanza bei der Güldenen Gans; 15. Endres Zolnii und Mitverwandte beim Pitterholt; 16. Hieronimus Alban beim Ochsenfelder. 27) v. Rauch: „Hamburger Briefwechsel eines Heilbronner Handelshauses“ in: Z. d. V. f. Hbger Geschichte, S. 140 ff., Brief Nr. 26. Virgil Wertemann hatte sich erboten, dem Bruder des Hans Heinrich Orth, dem Jeremias, zu helfen, ihn bei einer Firma unterzubringen; viel­ leicht bei Alexander Rocca oder Cornelius de Herthoge. Am liebsten sähe es aber Hans Heinrich Orth, wenn sein Bruder bei ihm selbst (Wertemann) angestellt würde, . . .„ denn alldahr wer er am besten weil die Wertemanns vill mit wexel und scontro, deßgleichen im verkaufen der seyde wahren thun“. 28) Die Erwähnungen Nürnberger in Hamburg sind viel zu vereinzelt, um einen regelmäßigen Handelsverkehr annehmen zu können. Meist liegen viele Jahre zwischen den einzelnen Geschäften.

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in einem solchen zu mieten, war schon mit vielen Kosten verbunden. Dennoch bleibt im Rahmen der Linie Nürnberg — Hamburg eines beachtenswert. Die Fälle der Verbindungen zu Hamburg häuften sich und es läßt sich im Gegen­ satz zu den Anfängen am Ausgang des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts ein deutlicher Anstieg verzeichnen. Die Einwanderung Oberdeutscher und auch Nürnberger hat den Grundstein für diese Beziehungen gelegt, und da­ durch, daß sie die Verbindung zu ihren Heimatorten stets aufrecht erhielten, wurden sie die ersten Förderer des Nürnberger Hamburghandels. Zu erwähnen ist noch, daß neben Kaufleuten auch Handwerksgesellen die Straße nach Hamburg zogen und sich dort niederließen. Einige erreichten einen gewissen Wohlstand, wie der später hinzugezogene Buchdrucker Johann Wolff 29). Manchmal erschienen darunter aber auch Nürnberger, die völlig ver­ armt waren und die Hilfe anderer beanspruchen mußten, sei es zur Existenz­ sicherung oder sei es zur Rückreise. Von einem unbekannten Nürnberger wissen wir, daß für ihn ein Armengesuch an die Holzschuherstiftung in Nürn­ berg gerichtet wurde30).

3. Die Blüte des aktiven Nord-Südhandels von 1567 bis zum Beginn

des Dreißigjährigen Krieges Der Einschnitt, der hier mit dem Jahre 1567 gemacht wird, ist nicht will­ kürlicher Art. Bisher sahen wir nur einen mäßigen, für die Handelsgeschichte Nürnbergs fast unbedeutenden Verkehr nach Hamburg. Diese geringe Bedeu­ tung erfuhr aber im genannten Jahr durch zweierlei Ereignisse eine Wandlung. Einmal wird die Stellung Hamburgs für den deutschen Handel wichtiger, als Antwerpen durch den Kampf der niederländischen Aufständischen und Englands gegen Spanien in Mitleidenschaft gezogen wurde, so daß die „Merchant Adventurers“ ihren Stapel verlegen mußten und als neue Residenz Hamburg aus­ ersahen. Zum anderen wurden durch den niederländischen Aufstand viele reiche Niederländer vertrieben, die in großer Zahl nach Hamburg flüchteten und mit ihren Vermögen und ihren Kenntnissen den dortigen Handel weitgehend be­ einflußten und belebten. Wie wenig gerade das erste Ereignis nicht unterschätzt werden darf, zeigt, daß unmittelbar nach der Verlegung des Stapels nach Ham­ burg sich dort auch oberdeutsche Firmen ansiedelten. Die Baidinger aus Ulm und Nürnberg, die Weiß und Jenisch aus Augsburg, die Welser und andere mehr lassen klar erkennen, wo jetzt das Hauptinteresse lag und an welche Ware es geknüpft war. Man kann behaupten, ohne dabei sehr zu übertreiben, daß Nürnberg ohne die Verlegung des Stapels wohl kaum mehr Interesse an Hamburg gezeigt hätte als bisher. Jedoch waren die englischen Tuche und Waren im Reich begehrt, so daß man gezwungenermaßen sich dem Nieder­ lassungsort des Stapels zuwenden mußte, wollte man nicht ins Hintertreffen geraten. 29) StA. Nbg.: Nürnberger Briefbücher, Tom. 221, S. 26. 30) StA. Nbg.: Nürnberger Briefbücher, Tom. 151, S. 190. 2

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a) Die Verlegung des Stapels der „Merchant Adventurers“ und ihr „ Court“ in Hamburg Nur ungern entschlossen sich die wagenden Kaufleute, die Verlegung des Stapels nach Hamburg vorzubereiten. Antwerpen schien ihnen immer noch weit günstiger. Sie hatten schon einmal für kaum ein Jahr ihren Stapel nach Emden verlegt (Mai 1564—Januar 1565), sich dann aber doch wieder nach Antwerpen begeben. Trotzdem wurden Verhandlungen mit Hamburg geführt, um eine Ausweichmöglichkeit zu haben. 1567 erhielten sie von Hamburg die gewünschten Privilegien, die sie, so meinten die Adventurers, als sich die Lage in Antwerpen etwas besserte, wohl kaum in Anspruch zu nehmen brauchten. Aber schon Anfang 1568 war es soweit gekommen, daß die „Merchant Adventurers“ ernstlich Sorge um ihre Sicherheit tragen mußten, da der Streit Herzog Albas mit der englischen Königin schärfere Formen annahm. Endgültig beschlossen sie die Verlegung, als viele Engländer in Antwerpen inhaftiert und ihre Waren eingezogen wurden. Der Verkehr zwischen Hamburg und England entwickelte sich erst langsam. Im Februar 1568 befrachteten Stalhofkaufleute zwei Schiffe nach Hamburg und im April sind es drei weitere Boyer, die im Hafen einliefen. Trotz dieser Verbindung war aber Hamburg noch nicht als dauernde Nieder­ lassung der Adventurers gesichert, obwohl man den Engländern weitgehende Vergünstigungen einräumte. Der Rat versprach ihnen, sie unter denselben Be­ dingungen wie die Bürger Handel treiben zu lassen, bis man weitere Verein­ barungen getroffen habe 31). Dies bedeutete zweifellos schon den Bruch mit einem der wichtigsten Grundsätze der hansischen Handelspolitik, die ausschloß, daß Fremde in einer Hansestadt unter den gleichen Bedingungen Handel trei­ ben durften wie die Bürger. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte auch Hamburg im allgemeinen streng an diesen Grundsätzen festgehalten. Nun aber brauchten die Engländer als einzige Gäste nicht mehr als die einheimischen Bürger zu zahlen, d. h. sie mußten zunächst 3 sh Zoll pro Tuch entrichten. Daß die Engländer mit dieser Regelung nicht einverstanden waren, ist verständlich, denn in Antwerpen hatten sie nur 1 V2 sh bezahlt, und Emden bot ihnen sogar Zollfreiheit an. Deswegen dachte man im April zunächst daran, die zum Auslaufen bereitliegende Flotte nach Emden zu schicken. Dann ent­ schloß man sich aber doch, nach Hamburg zu segeln31*). Die Flotte bestand aus 28 Handelsschiffen und 7 Kriegsschiffen, die den Schutz der ersteren über­ nahmen. Sie brachten fast 30 000 Stück Tuch im Werte von ca. 150 000 Pfund nach Hamburg. Nachdem diese Flotte im Mai in Hamburg gelandet war und bald gelöscht hatte, folgte eine zweite von 25—28 Seglern, die eine Fracht von 30—40 000 Stück Tuch im Werte von ungefähr 200 000 Pfund mit sich führte 32). Der Bann schien jetzt gebrochen; es begann ein fast regelmäßiger 31) Privilegium der Engländer in Hamburg 19. Juli 1567 (Lübecker Stadtarchiv Anglicana IVa). Dieses Privilegium ist in lateinischer Sprache abgefaßt und enthält in einer Reihe von Artikeln sämtliche Bestimmungen über die Niederlassung, den Zoll, den Handel etc. der Merchant Adventurers in Hamburg. 31a) Der Stapel befand sich abwechselnd oder gleichzeitig: 1564 in Emden, 1567—80 in Ham­ burg, 1580—87 in Emden, 1587—99 in Stade, 1611 wieder in Hamburg. 32) Diese Angaben stammen aus dem Handelsbuch des Mathias Hoep, welches den Zeitraum

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Verkehr zwischen Hamburg und England, da schon im September 1569 eine Flotte den Kanal überquerte, im Frühjahr eine weitere. Dennoch erreichte der Transitverkehr keineswegs die Höhe, die er in den Niederlanden, d. h. in Antwerpen, besessen hatte. Deutlicher wird es dadurch, daß fast gleichzeitig mit der Verlegung des Sta­ pels nach Hamburg in Nürnberg eine besondere Faktorei entstand, die zeit­ weilig von Hamburg unabhängig war. Auf sie sei zu späterem Zeitpunkt ein­ gegangen. Inzwischen wurde die Hauptniederlassung in Hamburg weiter ausge­ baut. Der Rat hatte den Engländern die Häuser des Heinrich von Zevern und der Erben des Hans Roden in der Gröningerstraße kostenlos zur Verfügung gestellt. In diesen konnten sie ihre Versammlungen, die „Courts", abhalten, ihren Deputy oder „Courtmaster" und andere Vertreter selbst wählen. Die Vertreter durften ihr Amt frei ausüben und sogar sich der „subsidui iuris" Hamburgs bedienen M). Eine der wichtigsten Vergünstigungen jedoch bedeutete, als Gast mit Gast handeln zu dürfen. Im Großverkehr wurde ihnen dabei keine Beschränkung auferlegt; nur im Handel mit Getreide, Waffen, Kriegsmunition etc. galten Einschränkungen, die auch für die Bürger selbst bestanden. Trotz dieser günstigen Vereinbarungen haben die Engländer immer wieder Klagen geäußert und sich unzufrieden gezeigt, was sie, wie Ehrenberg schreibt, ja immer zu tun pflegten. Im Laufe der folgenden Jahre kam es dann doch häufiger zu Zwischenfällen, weil die Hanse sich die unerfüllbare Aufgabe ge­ stellt hatte, dem wirtschaftlichen und politischen Übergewicht der Engländer über die Hansestädte ein Ende zu machen, die alte Stellung der Hanse in Eng­ land wieder zu erneuern. Unerfüllbar war die Aufgabe deswegen, weil einmal die Hanse nicht mehr die Kraft besaß, die sie früher einmal stark machte, zum anderen ging auch die Handelspolitik der Engländer nicht nur von den ein­ zelnen Kaufleuten oder Städten aus, sondern sie wurde tatkräftig von einem erwachenden Nationalgefühl, einer wachsenden Volkswirtschaft und von der Krone selbst, die sich hinter ihre Kaufleute stellte, gefördert. Hamburg war aus solchen Gründen und aus Egoismus im Gegensatz zu anderen Hansestädten von der Aussichtslosigkeit ihrer Bemühungen überzeugt und wollte den „Merchant Adventurers" eine dauernde Niederlassung in seinen Mauern gewähren. Das mußte Reibungen zwischen Hamburg und der Hanse ergeben, deren Sekretär Georg Lisemann 34) aus Danzig die engischen Kaufleute in Hamburg haßte und sie mit Hummeln und wilden Bienen verglich, „die nicht Honig in den Bienenstock eintragen und darinbleiben, sondern den Stock auszehren und hernach mit vollem Bauch davonziehen", oder auch „mit fremden Vieh auf der Wiese, das das Gras nicht mehrt, sondern abfrißt und mit vollem Bauch abzieht, einem anderen und nicht des Grundes Eigentümer Nutz" 85). Ähnliche von 153 3—1593 umfaßt. Da dieses Handlungsbuch in Folge der Flutkatastrophe 1962 sehr beschädigt worden ist, so daß es nicht wieder benutzt werden kann, mußte ich diese Angaben entnehmen aus: Ehrenberg, R.: „Hamburg und England im Zeitalter der Königin Elisabeth“, der jene auf den Seiten 313 ff. statistisch auswertet. Privilegien der Engländer in Hamburg. Siehe Anm. 31. Artikel 2, 3, 45. 34) Sekretär des hansischen Kontors in London von 1572—91. ^ Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte. Hbg. 1911 Bd.XVI erstes Heft S. 230.

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Äußerungen werden wir später aus dem Munde Nürnberger Kaufleute hören, die sich gegen die Faktorei der Engländer in Nürnberg auflehnten. Durch den Streit der Hanse mit den Engländern kam es soweit, daß die „Merchant Adventurers“ 1587 nach Stade übersiedelten, zumal da am 13. November dieses Jahres der Rat zu Hamburg eine neue Zollbestimmung erlassen mußte, die besagte, daß von einem englischen Laken 4 sh. Zoll zu nehmen seien. Kerseyen und Bayen sollten wie Laken behandelt werden, wobei je 3 der genann­ ten Tucharten auf ein Laken gerechnet wurden 3e). Die oberdeutschen Firmen, die mit den Engländern handelten, blieben aber in Hamburg und entsandten nur Vertreter nach Stade. Auch die Nürnberger kauften jetzt manchmal direkt in Stade ein, ließen aber Waren und Rechnung meist über Hamburg laufen. Anscheinend hatte sich der Rat in Hamburg doch durch die Argumente der Kaufleute bewegen lassen, die darum baten, den Zoll für solche Kaufleute, die mit englischen Waren handelten und keine Engländer waren, nicht zu erhöhen. Gillis de Greve und Martin Enzisberger zum Beispiel legten als Vertreter ihrer Nürnberger Prinzipalen dem Rat dar37): Es ist be­ kannt, daß vorgestern zwölf englische Schiffe mit Laken, die den Adventurern gehören, mit zwei Konvoischiffen in Stade angekommen seien. Da in derselben Flotte vier Schiffe mit Stückgütern, die verschiedenen Kaufleuten in Italien, Hochdeutschland und anderen Nationen gehören, aus England ausgelaufen seien und sich die Schiffer in England bei 200 Pfund Strafe haben verpflichten müssen, nur in Stade zu löschen, so sei ihnen von ihren Prinzipalen schriftlich befohlen worden, nach Stade zu gehen, die Waren dort gegen Entrichtung des Zolles anzunehmen und sie unverzüglich zu Lande nach Nürnberg, Augsburg und Venedig abgehen zu lassen. Dies würde der Hamburgischen Zollgerechtig­ keit abträglich sein, denn wenn sie die Stückgüter von Stade nach Nürnberg, Augsburg oder Italien brächten, so würden hinfort die Waren, die vorher nach Hamburg kamen, unmittelbar nach Stade geführt werden. Als Faktor der Nürnberger, Augsburger usw. seien sie dann genötigt, nach Stade zu gehen. Deswegen sollte der Rat anordnen, daß von den Stückgütern, wenn sie sie namens ihrer Prinzipalen nach Hamburg bringen ließen, kein höherer Zoll ge­ nommen werde, als jetzt zu Stade verordnet sei38). Trotz der Unkosten würden sie sich bemühen, die Stückgüter nach Hamburg zu bringen und sie von dort nach Oberdeutschland und Italien zu verschicken. Der Rat zu Hamburg muß sich so oder oder doch so ähnlich entschlossen haben, denn der Handel nach Oberdeutschland ging in den meisten Fällen weiter über Hamburg. Eine Untersagung des englischen Stapels in Deutschland überhaupt39), die für kurze Zeit angestrebt wurde, ist nie so recht befolgt worden. 1598 sollten die Engländer endgültig aus Hamburg ausziehen und auch Deutschland ver­ lassen, aber es kam vor, daß schon vor dieser Zeit sich Engländer einen deut3«) 37) S8) *•)

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Hbg.StA. CI.VII Lit. Eb Nr. 4 Vol lb (Zoll für engl. Laken). Hbg.StA. G. VlI Ea pars 2 Nr. 4 Vol 2 a 1 fol. 6—8 (22. Okt. 1587). In Stade wurde ein Zoll von einem Schilling pro Tuch genommen. Rudolf II. hatte den „Merchant Adventurers“ 1597 allen Handelsverkehr mit dem Reich untersagt, da diese von dem Monopol des Verkaufes englischer Tuche zu Gunsten der hansischen Kaufleute keine Ausnahme machten, sondern den Preis für Tuch und Wolle erst recht verteuerten.

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sehen Namen zulegten, wie Johann Borlez, der sich Hans Friedrich nannte, um nicht als Engländer erkannt zu werden 393). Auf diese und ähnliche Weise wurde das Verbot immer wieder durchbrochen und die Verhandlungen zwischen dem Reich und den englischen Kaufleuten schleppten sich Jahre hindurch ergebnislos fort, wenn auch „in summa es werden die Englischen jetzunder gehalten als die Juden; sie habens aber wolverdientt, dann sie gruoßen muotwillen allenhalben getrieben. . . “ 40). 1611 konnten die Adventures wieder in Hamburg einziehen, mit neuen Vergünstigungen und Privilegien bedacht. Die Tätigkeit der wagenden Kaufleute in Hamburg und ihr Anteil am Handel nach Nürnberg oder mit Nürnberger Waren, die sie nach England brachten, läßt sich zahlenmäßig schlecht erfassen, da Zollbücher, Frachtbriefe etc. nur in kleiner Zahl erhalten sind. Daß der Handel aber beträchtlich war, steht fest, denn sehr häufig werden die Nürnberger oder ihre Faktoren und Kommissionäre in Verbindung mit den Engländern und England genannt. Hamburg war der bedeutendste Umschlagplatz für den Nürnberger Handel nach England und nach Norden, so daß die „Merchant Adventurers“ neben den niederländischen und oberdeutschen Firmen, die in Hamburg ansässig waren, den wichtigsten Platz für die Beziehungen Nürnbergs nach Hamburg und dar­ über hinaus nach England einnahmen. Die Warenarten zeigten eine große Vielfalt. Die Engländer lieferten vor allem Tuche, englische Laken, Kerseyen, englische oder schottische Wolle und später auch Gewürze. Sie erhielten dafür oberdeutsche Leinwaren, Barchent und Fustein, venedische, genuesische und veronische Seide, Flachs, Mullballen, Röthe, Alaun, Rollmessing, Kupfer, Nürnberger Kramgut, Klingen, Messer, Glas- und Spielwaren, Zipollensaat, Drogen und Pferde41). Von einigen Waren sind ein paar Angaben erhalten. Zum Beispiel wurden 1568/69 798 Kerseyen und 287V2 Laken nach Nürnberg geführt42). 1597— 1603 wurden an die Engländer, die in Stade weilten, 83V2 Faß, Fäßchen und Tonnen und 40 Pfund Rollmessing versandt43). Ebenso erhielten die Engländer von Hamburg aus nach Stade 362 Fäßchen, Kisten und Tonnen44) Nürnberger Kramgut und 8 Tonnen und Kisten Spielwaren. Die nächsten Angaben stammen erst wieder aus den Jahren 1611—1612, also zu der Zeit, in der die „Merchant Adventurers" wieder nach Hamburg ®a) v. Rauch: a.a.O. Brief Nr. 23. 40) v. Rauch: a.a.O. Brief Nr. 25.

41) Die Warenarten sind entnommen aus: 1. Hbg.StA. CI.VII Lit. Eb Nr. 4 Vol. la (Zollbuch 1568-72). 2. Hbg.StA. CI.VII Lit. Eb Nr. 4 Vol. lb (Zollbestimmungen 1588). 3. Hbg.StA. CI.VII Lit. Eb Nr. 4 Vol. 1* (Zollbudi 1597-1603). 4. Hbg.StA. CI.VII Lit. Ea Pars 2 Nr. 3 Vol. la 1 (Zollbest. 1617). 5. Hbg.StA. CI. VII Lit. Eb Nr. 4 Vol. 1* (Zolltarife 1611). 42) Hbg.StA. CI. VII Lit. Eb Nr. 4 Vol. la (Zoll der Laken, so aus der Stadt geführt sind). Ich habe nur die Namen (und die dazugehörenden Zahlen) genommen, von denen ich wußte, daß diese Kaufleute hauptsächlich ihre Waren nach Nürnberg geschickt haben. 43) Hbg. StA. CI. VII Lit. Eb Nr. 4 Vol. ld (Zollbücher von 1597- 1603). 44) siehe Anm. 43. Neben Fäßchen, Kisten und Tonnen werden genannt: Cässken, Packel, Stück, Ballen, Päckchen, Pack, Korb, Legel, Uxhofft und Bündel.

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kamen. Die Mengen sind deswegen zu Anfang auch noch verhältnismäßig klein. 28 Faß, 1 Tönnchen und 2 Kisten Nürnberger Kramgut werden genannt, dann 6 große und ein kleines Faß sowie 416 Pfund Rollmessing im Werte von 2132 Pfund45); weiter noch 2 Faß Messer und einige Glas waren ^). Einen schlüssigen Beweis des großen Einflusses der Engländer auf den Nürnberger Handel können diese Zahlen natürlich nicht geben. Aber die Zollbuchauszüge nennen uns neben Hamburgern, Niederländern und Italienern Namen von oberdeutschen Firmen, die viel mit Engländern zu tun hatten; zum Beispiel Martin Enzisberger, später Enzisberger Erben, Michael Kneutzel, Hans Hurione, Sigmundt Baidinger und Carl Werdemann. Die Liste der Engländer, die 1611 Nürnberger Waren nach England ausführen, ist dagegen geringer. Im ganzen sind es nur sieben Namen, die für diese Zeit genannt werden 47). Das ist auch nicht verwunderlich, denn die merkantilen Strömungen in England waren weniger auf Einfuhr als vielmehr auf Ausfuhr bedacht. Die aufblühende Volks­ wirtschaft zog ja alle Arten Industrien und Handwerke an sich und schützte sie durch Einfuhrverbote oder hohe Zolltarife, so daß manche Waren gar nicht oder nur in bestimmten Mengen importiert werden konnten. Bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts war das erste Einfuhrverbot erlassen worden, nämlich für Tuche. Im 14. Jahrhundert (1355) kam das Verbot der Einfuhr von Eisen aus dem Ausland hinzu, in der Mitte des 15. Jahrhunderts das für Seidenwaren und endlich 1464 ein Verbot, das sich auf fast alle ge­ werblichen Erzeugnisse erstreckte 47a). Wenn diese Bestimmungen auch nur für gewisse Zeiten aufrecht erhalten wurden, so ist doch daraus eine ausgeprägte Schutzzollpolitik erkennbar, die trotz mancher Einkäufe in Deutschland einen recht einseitigen Englandhandel zur Folge hatte. b) Fühlungnahme Nürnbergs mit englischen Tuchhändlern und die englische Niederlassung in Nürnberg Die Nürnberger Kaufleute haben nicht geringe Mengen Tuch in Hamburg gekauft. So wie die Baidinger, Kneutzel, Hurione und andere, die sich längere Zeit selbst in Hamburg aufhielten, um vornehmlich mit Tuchen zu handeln, wissen wir auch von Kaufleuten, die von Nürnberg aus mit der Adventurer Kompagnie in Verbindung standen. Leonhard Strolitz zum Beispiel, der in Nürnberg eine Art Faktorenstellung der Augsburger Firma Weiß innehatte, kaufte schon 1569 in Hamburg englische Tuche, wogegen er etliche hundert Zentner andere Waren dorthin sandte 48). Daneben wurde aber vor allem in den ersten Jahren nach dem Fall Ant­ werpens viel direkt von der schon erwähnten Nürnberger Faktorei der Eng­ länder bezogen. Bis zum Ausbruch der niederländischen Wirren deckten die Oberdeutschen ihren großen Bedarf an englischen Tuchen, die für sie einen ^ 4 große Faß sind dabei, aber ohne Wertangaben. 46) Entnommen aus: Hbg. StA. CI. VII Lit. Eb Nr. 4 Vol. le (Zollbuch 1611). 47) Die Namen sind: (Quelle wie Anm. 46) 1. Georg Witham, 2. Thomas Beiz, 3. Robert Eckert, 4. Samuel Matz, 5. Samuel Altensche, 6. Thomas Estkoth, 7. William Windover. 47a) Kulischer, J.: a.a.O. Bd. II S. 102 ff. *&) Nbg. StA. SIL 193 Nr. 124 (Gleidstraßen und Wegleitung der Kaufleute, welche mit Tuchen nach der Stadt Hamburg handeln.

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sehr wichtigen Handelsartikel bildeten, in Antwerpen, wo sie diese auch färben und bereiten ließen. Außerdem hatten seit geraumer Zeit die Frankfurter Messen als Tuchmarkt zweiter Hand Bedeutung erlangt. Zu diesen Messen waren auch wohl schon früher einzelne Engländer gekommen. 1564 auf der Herbstmesse, als der Verkehr zwischen den Niederlanden und England gesperrt war, kaufte die Augsburger Fima Link, Haug und Mitverwandte in Frankfurt von dem Engländer Chapmann 60 Stück Tuch, die aber in Hamburg bereitet und von dort aus auf Rechnung Chapmanns nach Frankfurt geschafft worden sind, ein Zeichen dafür, welche Wege der gesperrte Handel schon einschlug49). Auf der Ostermesse 1569 traf dort der Nürnberger Hans Imhof einige Engländer und hörte, daß „die englischen nicht böse Naigung haben, mit den Englischen Tuchen Ihr Handtierung hierher zu machen“ 50). Der Rat von Nürn­ berg, hiervon unterrichtet, ergriff die Anregung und ließ sich in Hamburg erkundigen, was es mit dem Handel der Engländer dort für eine Bewandtnis habe. Der Nürnberger Jakob Muffel wurde beauftragt, dem in Lübeck weilen­ den Veit Sengen zu schreiben, sich auf Ratskosten nach Hamburg zu begeben und dort nachzuforschen, „wie es umb die Schiffer der Englischen Tuch daselbst beschaffen“ 51). Außerdem sollte den Engländern angezeigt werden, daß man gewillt sei, keinen Zoll auf die englischen Tuche zu erheben. Zu weiterem Anreiz fügte man hinzu, daß in Nürnberg selbst Tuche einen starken Absatz fänden und daß hier auch ein großes Tuchmacherhandwerk mit vielen Rahmen zum Bereiten und Färben der Tuche bestünde. Man behauptete sogar, nachdem sich zwei niederländische Färber und Bereiter in Nürnberg niedergelassen hatten, die das Pegnitzwasser geeignet fanden, daß man die Tuche noch viel besser als zu Antwerpen verarbeiten könne. Noch im gleichen Jahr ließ Nürnberg durch einen seiner Bürger, den Nie­ derländer Jan de Buis, mit den Engländern in Hamburg ein Abkommen schließen, durch welches ihnen völlige Steuer- und Zollfreiheit versprochen wurde. Darauf reisten einige Engländer, die mit der ersten Tuchflotte gekom­ men waren, von Hamburg nach Nürnberg. Höchstwahrscheinlich waren es die Engländer Heinrich Breitscheir und Jan Born und Mitverwandte. Auch den Nürnberger Kaufleuten in der Waage wurden Vergünstigungen gewährt, um so den Tuchhandel zu fördern und nach Nürnberg zu ziehen. Im Ratsverlaß vom 29. März 1569 war für sie Zollfreiheit festgelegt worden. „Dieweil es einen Laut hat“, so beschlossen die Herren Älteren, „und auch kuntschaft einkumen, daß die englischen Tuch eingefallenen Kriegs halben nicht mehr nach Antorf, sondern nach Hamburg zum Bereiten geschickt werden, welche Tuch dann nun mehr zu gemeiner Stadt in großer Menge dann zuvor geschehen, kumen mechten, ist bei den Herren Eiteren verlassen: in der Wag desgleichen den Kaufleuten, so mit englischen Tuch handeln, anzusagen, daß meine Herren alle die englischen Tuch, so hierher gebracht, künftig wollten zollfrei lassen und so solches zu inkommendem Heilthumb angehen“ 52). Die 49) Ehrenberg, R.: a.a.O. 50) StA. Nbg. Verlässe der Herrn Älteren. Nr. 6 S. 106 51) wie Anm. 50 52) wie Anm. 50. Verlaß vom 19. März 1569.

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Begeisterung hat sich aber bald gelegt, denn schon nach wenigen Jahren gab es wegen der englischen Kaufleute und Tuche Streit. Da die in Nürnberg woh­ nenden Engländer sich dem Stapelzwang der Adventurers, zu denen sie ur­ sprünglich gehörten, entzogen hatten und ihre Geschäfte direkt mit England betrieben, konnten sie die Tuche dort billig einkaufen und sie so günstig wie früher aus Antwerpen nach Nürnberg bringen. Hier verkauften sie diese zu geringerem Preise als es die Nürnberger konnten und boten für gefärbte Tücher mehr als diese, so daß sie den Nürnberger Kaufleuten das ganze Ge­ schäft wegzunehmen drohten. Der Neid der Nürnberger mag ein Übriges getan haben, sich in bitteren Klagen zu ergehen und den Rat zu Nürnberg mit über­ triebenem Pathos zu drängen, zur Rettung und zum Segen des Vaterlandes und seines Handels Abhilfe zu schaffen. Wirksamer noch war ihr Schreiben an die „Courta“ in Hamburg. Diese war nämlich eifersüchtig darauf bedacht, die Ein­ haltung des Stapelzwanges durchzusetzen. Sie konnte daher schon bald er­ reichen, daß die in Nürnberg wohnenden Engländer ihre Tuche nur über Hamburg durch Vermittlung der Kompagnie beziehen durften. Damit hatten die Nürnberger Kaufleute in ihrer Klage — es waren dies solche Kaufleute, die fast alle selbst mit Hamburg in Verbindung standen wie Hans Stolitz, Konrad Baidinger, Heinrich Gwandschneider Gebrüder, Cornelius Götz und andere mehr53) — den gewünschten Erfolg. Bald aber schien es ihnen aber noch nicht genug, daß nun alle Parteien in Hamburg bei der Kompagnie kaufen mußten. Sie wollten selbst ihre Tuche in England frei einkaufen können und überhaupt die gleichen Freiheiten genießen, wie sie den Engländern auch hier bewilligt wurden. Auf irgendeine Weise brachten sie es fertig, den Rat zu bewegen, solche Forderungen für sie zu betreiben. Dieser beschloß darauf am 13. August 1579 54), ihre Forderungen der Königin von England zu unterbreiten. Würden diese nicht über Jahr und Tag bewilligt, dann müßten die Engländer bis dahin und weiter von jedem Tuch, das sie einführten und aus dem Zollhaus zu ihrem Gewahrsam nähmen, zwei Gulden per cento Zoll bezahlen. Dieser Entschluß fand heftige Entgegnung der Engländer, die ein solches Verhalten als Vertragsbruch ansahen. Sie verwiesen ganz zu Recht auf die Abmachungen, die 1569 auf Rat des Endres Imhof des Älteren, des Gabriel Nützel, der inzwischen gestorben war, des Balthasar Perrer und des Johann de Buis geschlossen worden waren. In ihren Augen mußte es als Undankbarkeit der Nürnberger erscheinen, da sie (die Engländer) durch ihren Handel mit rohen weißen Tüchern vielen Nürnberger Bürgern Arbeit gaben als Tuch­ scherer, Tuchbereiter, Färber, Walker sowie Cartensetzer und auch den Bauern auf dem Lande noch einen Verdienst ermöglichten, denn diese mußten die Carten ziehen. Daneben verschafften sie den Gewandschneidern Beschäftigung, die obendrein noch jegliches Sortiment an Tuchen durch ihren Handel hatten. Außerdem kauften sie für ihr eingenommenes Geld in Nürnberg selbst Waren für ca. 60 000 Gulden im Jahr. Allein den Messermachem gaben sie Aufträge für 5000 Gulden im Jahr. Da sie, so meinten die Engländer, für die in Nüm53) StA. Nbg. SIL 35 Nr. 18 Rep. 15a (Beschwerungsschreiben wegen der Engländer). Die genannten Kaufleute sind die Unterzeichner der Beschwerde. 54) wie Anm. 53 Bl. 9 und 10

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berg eingekauften und hinweggeführten Waren den gleichen Zoll wie alle Kaufleute zu zahlen hätten, ebenso wegen der Supplication der Nürnberger bei der „Courta“ in Hamburg dort den gleichen Preis entrichten müßten, hätten sie überhaupt keinen Vorteil mehr55). Die Verhandlungen zwischen den Eng­ ländern und den Nürnbergern zogen sich einige Zeit hin. Schließlich erklärten sich die Engländer bereit, für ein Kersey 2 Kreuzer, für ein Packtuch 6 Kreu­ zer und für ein feines Tuch 8 Kreuzer zu geben 56). Der Rat setzte dagegen kategorisch fest, sie hätten wie alle für ein Kersey 4 Kreuzer, für ein Packtuch 12 Kreuzer und für ein feines Tuch 16 Kreuzer zu zahlen57). Der Streit nahm zuletzt so heftige Formen an, daß die Engländer drohten, sie würden dorthin gehen, wo man ihnen besser gesinnt sei und ihnen Zollfreiheit böte. Ihre Drohung haben sie aber nicht wahr gemacht, sondern sie traten nur in einen Verkaufsstreik, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, so daß die Tuchfärber nichts zu tun bekamen und, wie es heißt, einen Besuchsritt nach Bamberg unternehmen konnten, wo sie sich die Stadt und den Dom ansehen wollten58). So ganz richtig war die Begründung der Engländer aber doch nicht; denn als noch in diesem Jahr 1579 der Handel der meisten Städte mit England wegen des Konfliktes der Hanse mit diesem brachlag und sich ein Teil der Adventurer-Kompagnie in Emden niederließ, da war es noch einmal möglich, dem Stapelzwang der „Courta" zu entgehen. Weil der Tuchpreis auf Grund der Nachfrage stark stieg, verschafften sich außerdem viele eine Lizenz 58a) zur Ausfuhr von Tuchen, wie zum Beispiel der Staatssekretär Walsingham, der ungefähr 30 000 unbereitete Tuche ausführte. Sie wurden hauptsächlich von den in Nürnberg weilenden Engländern gekauft, denn die Lizenz bestimmte, daß nach Hamburg keine solche Laken gebracht werden durften. Der Handel dieser sog. „Interlopers“ 59) mußte natürlich den Unwillen der Adventurers hervorrufen, aber einstweilen konnten sie dagegen nichts unter­ nehmen, da sie sowieso nicht dem wachsenden Exportbedarf nachkommen oder auch nur den früheren Antwerpener Bedarf befriedigen konnten. Aus diesem Grunde ist es erklärlich, warum die Nürnberger Niederlassung solange ihre Unabhängigkeit zu behaupten vermochte. Im Verlauf des weiteren Streites zwischen der Hanse und England um die alten Privilegien des Stalhofes in London ergab sich für Nürnberg noch eine andere Beschwernis in der Ausübung seiner Handelsgeschäfte. Auf dem Hanse55) wie Anm. 53 Bl. 10 14. Okt. 1579 (Antwort der Engländer auf den Beschluß des Rates, von ihnen Zoll zu erheben.) 56) wie Anm. 53 Bl. 38—41. In einem Brief an den Rat schlugen die Engländer diesen Zoll vor. Sie wiesen darauf hin, daß dieses den Bürgern zu statten käme, da sie dann nicht Tücher mit einkalkuliertem Zoll zu kaufen brauchten. 57) wie Anm. 53. Bl. 73 vom 11. Febr. 1580 58) wie Anm. 53. Bl. 78, 79 und 82. Es waren nur noch zwei Engländer zur Zeit in Nürnberg, deren Namen mit Thomas Lose und Heinrich Barfuß angegeben werden. 58a)Eine solche Lizenz wurde von der englischen Königin für besondere Verdienste verliehen. Sie enthielt die Auflage, die Tuche nicht an den Ort des Stapels der Adventurers zu führen. 59) Interlopers werden die Engländer genannt, die sich dem Stapelzwang entzogen hatten. Hans P. Stamler, Faktor der Orth in Stade, erwähnt in seinem Brief an Philipp Orth, daß 4 Schiffe solcher „Interloffers“ in Stade gelandet seien, (v. Rauch: a.a.O. Brief Nr. 24.)

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tag zu Lüneburg im November des Jahres 1580 wurde beschlossen, den Re­ pressalien Englands, das für die Hanse in England einen Fremdenzoll eingeführt hatte, wirksam zu begegnen. Man führte deswegen eine verschärfte Gegen­ kaution ein, die darin bestand, daß alle Kaufleute, die Waren nach oder durch die Hansestädte bringen wollten, schwören mußten, diese nicht mit ihrem Willen und Wissen den Engländern zuzuführen und daß letztere auch keinen Anteil daran hätten 60). Bei Nichtbeachtung dieser Bestimmung mußten die Kaufleute die Gegenkaution bezahlen, d. h. eine erhöhte Gebühr leisten, die man auch von den Engländern forderte. Obwohl Hamburg die Durchführung dieses Beschlusses ablehnte, war es für Nürnberg insofern von Bedeutung, als Lüneburg jenen einhalten wollte. Weil nun die große Handelsstraße von Ober­ deutschland nach Hamburg über die Hansestadt Lüneburg ging, protestierte zunächst Nürnberg auf Betreiben seiner Kaufleute am 17. Jan. 1581 unter Berufung auf seine alten Privilegien gegen die Auflage und den geforderten Eid 81). Daneben machten die Kaufleute es so, daß sie zwar über die Lüne­ burger Heide führen, aber Lüneburg einfach umgingen und so gen Hamburg und Harburg fuhren. Das war natürlich wiederum für Lüneburg abträglich, da auch die Lüneburger mit den Nürnbergern nun keine Handelsbeziehungen pflegen konnten, wenn diese nicht mehr durch Lüneburg fuhren oder sich dort aufhielten, eine Tatsache, die dem Lüneburger Handel sehr geschadet haben muß, wie es aus den Eingaben verschiedener Lüneburger hervorgeht. Auch ein Gesuch des Hamburgers Gillis de Greve wurde beigefügt, denn häufig war es vorgekommen, daß sich die Nürnberger mit Hamburgern in Lüneburg getroffen und dort ihre Geschäfte abgewickelt hatten. Die Fürsprache Nürnbergs blieb fruchtlos; der Zoll wurde weiter erhoben. Erst ein Machtwort Kaiser Rudolf II. am 18. März 1581 hob diese für Nürn­ berg ungünstige Bestimmung auf. Wenig später verschlechterte sich die Lage schon wieder. Kaiser Rudolf II. hatte nämlich den „Merchant Adventurers“ 1597 allen Handelsverkehr mit dem Reich verboten, weil sie von dem Mono­ pol des Verkaufs englischer Tücher zu Gunsten der hansischen Kaufleute keine Ausnahme machen wollten, sondern den Preis für Tücher und Wolle künstlich verteuerten. Wenn auch trotz des Verbotes Tuche auf anderen Wegen ein­ geführt werden konnten, so war dies dennoch ein Hemmnis für den Handel; es kam vor, daß an irgendeinem Zollpunkt die Waren aufgehalten wurden und lange lagern mußten, ehe die Frage nach der Herkunft, nach dem Bestimmungs­ ort und dem Eigentümer geklärt war. Manchmal wurden die Waren gar nicht erst aus Hamburg hinausgelassen. So beklagte sich 1599 der Italiener Martin della Failla über die Hamburger und andere Zollstationen, daß ihm fortwäh­ rend Schwierigkeiten gemacht würden. Er hatte ansehnliche Mengen Laken, Kerseyen, sowie Bayen durch den Oberdeutschen Martin Enzisberger, der vor allem in Hamburg Speditionsgeschäfte trieb, von dort nach Nürnberg, Augsburg und Venedig versandt62). Bei einer dieser Sendungen, die Enzisberger Erben 60) Hanserecesse. 81) StA. Nbg. Nürnberger Briefbücher Schreiben vom 17. Jan. 1581 an den Rat zu Lüneburg. 82) Hbg. StA. CI. VII Lit. Kb Nr. 12 fol. I (Brief Martin della Faillas an Hamburg, 25. März 1599)

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übernommen hatten, wurden seine Waren schon in Hamburg festgehalten und man wollte sie trotz Zollzahlung und einer eidesstattlichen Erklärung, daß die Waren keinem Engländer gehörten, nicht passieren lassen. Solche Vorfälle mußten für Hamburg recht unangenehm sein, zumal da es sich in einer Zwick­ mühle befand; denn Bremen, Stade, Köln und andere Reichsstädte, die gerne die Engländer bei sich gesehen hätten, verhielten sich zurückhaltender. Da­ durch entstand die Gefahr, daß der Tuchhandelsverkehr nach Oberdeutschland nicht mehr über Hamburg gehen würde — Hamburg hatte sich in den letzten zwei Jahrzehnten eine solche Stellung mühsam aufbauen müssen — sondern daß man nunmehr über andere Städte den Handel nach Nürnberg, Augsburg oder Italien bewerkstelligte. An diese Dinge muß Nürnberg auch gedacht haben, als sich 1603 wegen des bevorstehenden Friedensschlusses des Kaisers mit den Niederlanden, der vielleicht die Übertragung der Privilegien des Tuchhandels von den Hanse­ städten auf die oberdeutschen Städte zur Folge haben könnte, die Gelegenheit bot, eventuell die ganze Niederlassung der Engländer in seine Mauern zu ziehen 83). Für alle Fälle holte sich der Rat von etlichen Kaufleuten Bericht, der das Für und Wider einer solchen Umwälzung im oberdeutschen Tuchhandel zum Gegenstand hatte. Die Nürnberger Kaufleute schienen diesen Gedanken gar nicht für angenehm gehalten zu haben, denn ihre Äußerungen über die Engländer waren recht ärgerlich und grob. Man würde zwar, so meinten sie, einen Faktoren, Fuhrlohn, Zoll und Wegzehrung sparen, aber die Engländer würden die Tuche sehr verteuern, wenn sie jene selbst ins Land hineinbrächten und gar noch so weit nach Oberdeutschland. Obendrein mißtraute man den Engländern, da zu befürchten stand, daß sie den Handel nach Österreich sowie den Seiden- und Barchenthandel an sich ziehen könnten; das bedeute aber für viele Bürger, daß sie ihre Faktoreien, ihr Geschäft und somit ihren Lebens­ unterhalt verlören. Ferner ergäbe sich große Gefahr aus den Handelsbräuchen der Engländer. Denn diese hatten die Angewohnheit, sich keiner Faktoren zu bedienen, für deren Schuld sie einstehen müßten. Statt dessen hielten sie sich Diener, für dessen Verschulden bei Geschäftsabschlüssen sie nicht haften wollten. Allerdings urteilten nicht alle Kaufleute so wie die Schellischen, Preunischen, Lindtnischen, Eberweinischen, Gewandschneiderischen, Jeronimus Morstaller, Christof Lang und Martin Schmidt64). Es waren dies auch jene, welche ihre Tücher bisher aus Hamburg, Stade oder einer anderen Niederlassung der Engländer holten. Die Kaufleute, die ihre Tücher in Nürnberg selbst kauften, zum Teil sogar von den erstgenannten, waren demgemäß ganz anderer Mei­ nung. Für sie lag der Vorteil auf der Hand, der sich ihnen böte, wenn der „Court" nach Nürnberg übersiedelte. Nicht nur die Handwerker, Wirte und 63) StA. Nbg. SIL 208 Nr. 3 (Ratsverlaß de Anno 1603 den englischen Tuchhandel be­ treffend samt einer von den hiesigen Handelsleuten darüber eingeholten Bericht). Aus der Urkunde geht nicht hervor, um was für einen Friedensschluß es sich handelt. Es könnte der Friedensschluß Spaniens mit den Niederlanden sein, der aber nicht erfolgt ist; 1609 wurde nur ein Waffenstillstand geschlossen. Eine Verbindung mit den genannten Privi­ legien kann ich mir nicht erklären. 64) Nbg. StA. SIL 208 Nr. 3 (Ratsverlaß de Anno 1603).

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Fuhrleute verdienten mehr, sondern man könne die Tuche vor dem Kauf prüfen und sei nicht darauf angewiesen, auch mit schlechten vorlieb zu nehmen, die unbesehen von den Seestädten kämen. Mit solchen und ähnlichen Argu­ menten antworteten Paulus Rottengatter, Endres Kanler, Heinrich Muelich und Georg Trainer 65). Zu einer Einigung sind beide Gruppen nicht gekommen, außerdem bestand diese Frage für Nürnberg bald nicht mehr, denn die Eng­ länder saßen schon wieder ungefährdet in Stade und gingen dann 1611 end­ gültig nach Hamburg. Dennoch ist es von Interesse, aus diesem Ratsverlaß zu entnehmen, welche große Bedeutung man auch von offizieller Seite dem Tuchhandel mit den Engländern beimaß. Der Einfluß der Engländer und des englischen Handels darf deswegen nicht zu gering eingeschätzt werden. Allein die Tatsache, daß nach der Verlegung des Stapels von Antwerpen nach Hamburg sich dort bald darauf oberdeutsche Firmen aus Nürnberg, Ulm und Augsburg niederließen, deutet an, wo das Hauptinteresse in Hamburg für Oberdeutschland lag und was man dort suchte. Erst im Gefolge des Tuchhandels kam der Gedanke auf, Hamburg als Stapelplatz größerer Unternehmen zu wählen, wie das des Augsburger Roth, der dort mit Hilfe der Welser ein großangelegtes Pfefferunternehmen begrün­ dete. Zwar war der Elbweg insbesondere für die Kupferausfuhr von gewisser Bedeutung für die Verbindung Oberdeutschlands zu Hamburg, aber solche natürliche Gunst könnte niemals eine Erklärung dafür sein, warum Hamburg nach 1567 so viele Kaufleute aus Augsburg, Nürnberg, Ulm und ganz Ober­ deutschland überhaupt anzog. Also muß diese Erscheinung mit den Engländern Zusammenhängen. Die allgemeine Abneigung gegen jene und ihre Handels­ techniken änderten an dieser Tatsache nichts; vielmehr brauchte man ihre Tücher, da sie eine begehrte Ware im ganzen Reich darstellten. Nur wollte man die Engländer nicht in seiner unmittelbaren Nachbarschaft wissen, weil man von den Zeiten der Nürnberger Faktorei der Engländer her sehr gut wußte, daß ihre großen Geldeinnahmen aus den Tuchverkäufen nicht nur der Deckung des Einkaufs dienten, den sie an oberdeutschen, d. h. vor allem Nürnberger Gewerbeprodukten tätigten. Tatsächlich schienen die Engländer dieses behauptet zu haben, da sie trotz ihrer Verkäufe — wie sie erklärten — oft tausende bare Reichstaler nach Nürnberg kommen lassen müßten 66). Ob das alles ganz richtig ist, mag dahin gestellt bleiben. Wichtig ist nur, daß erst durch den englischen Stapel der Verkehr Nürnbergs mit Hamburg so plötzlich stieg und daß er dann für ein Jahrhundert nicht mehr wesentlich unterbrochen wurde. c) Die Niederländer im Hamburg—Nürnberghandel Es wurde gesagt, daß auch die Niederländer für den Handel Nürnbergs nach Hamburg bedeutsam werden sollten, daß sie dazu beigetragen haben, das Interesse Nürnbergs an Hamburg zu stärken. Deswegen sei in den wesentlichen Zügen auf sie eingegangen. 65) Wie Anm. 64. ®8) Wie Anm. 5 3. Bl. 10

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In der Mitte des 16. Jahrhunderts verschärfte sich durch die Ausbreitung des Calvinismus der religiöse Gegensatz in den Niederlanden. Manche Nieder­ länder verließen daher ihre Heimat und wandten sich nach Köln, Frankfurt, Stade und anderen deutschen Städten. Über Frankfurt sind höchstwahrschein­ lich auch einige nach Nürnberg gelangt, wie die Helemanns, die de Buis und die Hermanns. Den ersten Höhepunkt der Auswanderung brachte der nieder­ ländische Aufstand. Nach seiner Niederschlagung mußten vornehme und reiche Familien als Flüchtlinge das Land verlassen. Über Friesland sind viele von ihnen nach Hamburg, das sie sich zur neuen Heimat wählten, gekommen. Ein Teil der Familien vermochte schnell Fuß zu fassen und sich mit Hamburger Kaufmannsfamilien zu verbinden. Es waren dies vor allem die Lutheraner unter den Niederländern, während die Calvinisten zwar geduldet wurden, jedoch nicht diese enge Verbindung durch Verschwägerung fanden. Beide Gruppen aber zählen zu den bedeutenden Faktoren in der Hamburger Han­ delsgeschichte. Ihr Reichtum und ihre Kenntnisse mehrten den Handel und förderten die Handelstechnik. Ausschlaggebend sollten die weiten Beziehungen werden, die die Flüchtlinge mitbrachten. Da sie von den größten Umschlag­ plätzen der Niederlande kamen, reichten ihre Verbindungen von Portugal bis England und weit in den deutschen Raum hinein. Mit Oberdeutschland standen sie auch schon seit zwei Jahrhunderten in Geschäftsverkehr und fanden bald wieder Anschluß an den mittel- und ostdeutschen Textilhandel und den mit­ teldeutschen Kupferexport. Landsleute oder Familienmitglieder von ihnen saßen in Lüneburg, Lübeck, Bremen, Emden, Frankfurt und Nürnberg und knüpften ein enges Netz niederländischen Handels in Deutschland. Die Ver­ bindungen nach Antwerpen, Amsterdam und Middelburg ließen die meisten deswegen nicht abreißen. Es lassen sich über zwanzig der angesehensten niederländischen Familien im Nürnberg-Hamburghandel nachweisen, die entweder in Nürnberg saßen, dort einkauften oder Faktoren- und Kommissionärsdienste in Hamburg leiste­ ten. Über viele von ihnen ging ein ausgedehnter Geld- und Wechselverkehr. Die ersten Verbindungen nahmen die Familien Wolters oder Wouters, der de Greve und der Rodenburgs auf66a). Die de Wouters: Gleich nach der Verlegung des Stapels der „Merchant Adventurers“ kamen die Wouters nach Hamburg. Zunächst war es Steffan Wouters, der von den Engländern Tuche kaufte und diese ins Binnenland bis nach Nürnberg versandte67). Sein Hauptgeschäft machte er um 1570, also zu der Zeit, als sich auch die oberdeutschen Firmen nach Hamburg wandten. Mehr noch als Steffan unterhielt Wouter Beziehungen zu Nürnberg. Er wird im ersten Niederländerkontrakt von 1605 mit einer Abgabe von 8 5 Mark ge­ nannt 68). In diesem Jahr setzte sein Handel mit Nürnberg ein. Zusammen mit »6a) Wenn hier die in Hamburg ansässigen Familien kurz angeführt werden, so hat das folgenden Grund: Da bei vielen dieser Familien die Geschäftspartner unbekannt oder nur in geringer Zahl bekannt sind, würde bei einer Behandlung dieser nur von Nürnberg aus manches für die Beziehungen zwischen beiden Städten fortfallen. 87) StA. Hbg. CI. VII Lit. Eb Nr. 4 Vol l« (Zollbuch 1568-1573). 68) Kellenbenz, H.: „Unternehmerkräfte im Hamburger Portugal- und Spanienhandel“. Hbg. 1954 S. 236

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Rudolf Ambsing (Amsinck) und Johann von Straaten 6Ö) verkaufte er Waren an den Nürnberger Georg Schenk 70), der nebenbei Faktor der Augsburger Christoff Vischer und Jakob Bachmayer war. Über den Niederländer Peter Schmidt von Linden stand Wouter mit Hans Gabler in Nürberg in Verbin­ dung 71). An ihn lieferte er vielfach Gewürze, insbesondere Ingwer, betrieb aber auch Geldgeschäfte mit ihm, indem er lindnerische und gablerische Wechsel auf sich ziehen ließ. 1619 verfügte Wouter über ein Konto bei der Hamburger Bank72). Sein Umsatz von 22.783.12.— Mark war allerdings sehr gering. Als Kontoinhaber tauchte 1619 wieder ein Steffen Wolter auf, dessen Umsatz das dreifache des wouterschen Umsatzes betrug, nämlich 61.947.9.—. Mark73). Dieser Steffen warf sich mehr auf den Tuchhandel. Er versandte Laken und Leinen nach Nürnberg, daneben Südfrüchte, vor allem Feigen. Noch im Mai 1636 vertraute er den Fuhrleuten Härmen Bringmann und Jakob Koch Leinen und Laken im Werte von 3200 Mark an74). Die de Greve: Die de Greve stammten aus Antwerpen. Gillis oder Egidius de Greve befand sich bald nach seiner Verbannung aus Antwerpen in Ham­ burg, wo er wie die Wouters zunächst mit den Engländern in engem Kontakt stand. 1568—73 führte er geringe Mengen Tuche ins Binnenland aus75). Höchst­ wahrscheinlich erhielten jene Nürnberger die Tuche, deren Faktor er später wurde. De Greve handelte außer mit Tuch mit vielerlei Waren. Durch seine Verbindungen zu Portugal und Spanien, den Engländern und den Oberdeut­ schen wuchs sein Warenkatalog. In den neunziger Jahren führte er so ziemlich alle begehrten Güter wie Pfeffer, Tücher, Kork, Raps, Flachs, Wolle, Barchent, Fustein, Stahl, Kupfer, Blei und Nürnberger Kram. Neben der Faktorei für ungarisches Kupfer hatte er schon vor 1587 die Faktorei für Nürnberger Kauf­ leute inne, in deren Auftrag er zeitweilig nach Stade und Lüneburg ging. Von Hamburg und Stade aus besorgte er vor allem mit Martin Enzisberger zusammen Speditions- und Kommissionsgeschäfte seiner Nürnberger Prinzi­ palen nach England und Portugal. In Stade unterstützte ihn ein Jaques de Greve. 1619 finden wir unter den ersten Konteninhabern gleich vier de Greves, zwei Söhne des 1604 verstorbenen Gillis, Hans und Daniel, mit einem Umsatz von 254.967.4.3. Mark, einen Jakob de Greve mit 120.402.1.4. Mark und einen Gillis de Greve mit 600. Mark. Da die Nachkommen das Geschäft Gillis 69) Ambsing und Straaten waren ebenfalls Niederländer. 70) StA. Nbg. Nürnberger Briefbücher Tom 225 S. 5 und S. 109 71) StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 418s. Kontobuchauszüge des P. Schmidt von Linden Bl. 3 vom 14. Dez. 1610 72) StA. Hbg. CI. VII Lit. Eb Nr. 4 Vol la Nr. lb (Bankauszüge) 73) Wie Anm. 72. 74) StA. Hbg. CI. VII Lit. Ea Pars 1. Nr. 3g Vol. 10 (Zollbücher 1636. 1605 fallierte ein Jörg Schenk in Hamburg und ging als Buchhalter nach Erfurt. (Ehrenberg, R.: „Zur Hamburger Handelsgeschichte" in: Z. d. V. f. Hbg. Geschichte, Neunzehnter Jahrgang 1898/99). Wenn Georg und Jörg identisch sind, dann mußte er sich einige Zeit in Ham­ burg aufgehalten haben, wo er seine eigenen Geschäfte betrieben hatte und gleichzeitig Faktor oberdeutscher Kaufleute gewesen ist. 75) Wie Anm. 72, Bankauszüge von 1619—1623

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de Greve des Älteren fortgeführt haben, bleibt anzunehmen, daß sie die Ver­ bindung zu Nürnberg nicht abreißen ließen, auch wenn keine Nachrichten darüber es beweisen. Ein zweiter Zustrom niederländischer Familien, die für Nürnberg wichtig wurden, kam nach der Eroberung Antwerpens durch Alexander Farnese im Jahre 1585 nach Hamburg. Unter ihnen waren die Ambsings, die de Herthoge, die de Lhommels, die von Dortmund, die Berenbergs und viele andere 78). Die genannten Familien gehörten zu den erfolgreichsten Nümberghändlern; des­ wegen soll auch auf sie etwas näher eingegangen werden. Die Ambsings: Die Ambsings werden erst in der zweiten Generation für Nürnberg interessant. Es sind dies die Brüder Rudolf und Arnold Ambsing. Der 1577 geborene Rudolf führte bis 1606 sein Geschäft allein. 1605 ver­ sandte er noch in seinem Namen Waren nach Nürnberg79) Später gründete er dann die Firma Rudolf und Arnold Ambsing, die 1619 und 1620 die erste Stelle der Konteninhaber einnahm und mit 641.846.7.1. Mark, 882.275.1.3. Mark und einem kleinen Nebenkonto von 28.648.13.1. Mark die höchsten Umsätze verzeichnete 80). Der Anteil dieser Firma am Nümberghandel kann zahlenmäßig nicht belegt werden; es läßt sich aber eine gewisse Verbindung vermuten, wenn man die verwandtschaftlichen Beziehungen betrachtet. Rudolf war seit 1601 mit Isabel de Herthoge verheiratet, Arnold seit 1609 mit Francina Berenberg und die Schwester Sara Ambsing heiratete 1616 Hans de Herthoge. 1621 und 1623 schlossen Rudolf Ambsings Töchter Elisabeth und Anna die Ehe mit Hans Berenberg und dem Oberdeutschen Paulus Putz 81). Alle diese Familien standen in regem Verkehr mit Nürnberg, ein Anteil der Firma Rudolf und Arnold Ambsing ist deswegen nicht von der Hand zu wei­ sen. Für das Jahr 1636 liegt ein Nachweis vor, daß die Firma nach Nürnberg handelte; sie ließ 39 Laken in drei Ballen und 3V2 Stüde Bayen, die alle in Hamburg bereitet und gefärbt worden sind, nach Nürnberg abgehen, ebenso etwas Bürgergut82). Die de Herthoge: Die de Herthoge stammten aus Thiemen in Großbrabant. Ein Mitglied dieser Familie, Hans de Herthoge, war einige Zeit bei seinem Oheim Jaques de Voß beschäftigt, der mit Augsburger Barchent handelte. 78) Es standen in Verbindung mit Nürnberg von 1590— 1620 folgende Niederländer: Corne­ lius und Hans de Herthoge, Hans de Lhommel, Rudolf Ambsing, Arnold Ambsing, Hans und Paul Berenberg, Emanuel Agenna, Lion Le Petit, Wilhelm Le Petit, Peter Schmidt von Linden, Domimcus von Uffeln, Hans von Uffeln, Anna und Gisbrecht von Dahlen, Goddert Brüggen, Caspar de Reuter, Heinrich Balthasar, Melchior und Caspar von Dort­ munds Jacob de Somere, Johann und Peter von der Straaten, Reiner von Wesenbek, Arnold Haesdonck, Peter Junker, Dietrich und Melchior Buschaert, Wilhelm von der Aa, Daniel und Samuel Baudewein, Jan Verporten. 79) StA. Nbg. Nürnberger Briefbücher Tom 225 S. 5, 109 80) Wie Anm. 72 Bankauszüge von 1619—1623. 81) Zu den genealogischen Angaben siehe Kellenbenz, H.: a.a.O. S. 184 und W. Sillem: Zur Geschichte der Niederländer in Hamburg, in: Zeitschr. d. V. f. Hbg. Geschichte Bd. VII Hbg., 18 83 S. 503 ff. 82) StA. Hbg. CI. VII Lit. Ea Pars. 1 Nr. 3g Vol. 10 (Zollbuch von 1636). Dieser Zollbuch­ eintrag verstärkt nur noch die Annahme, daß die Firma Rudolf und Arnold Ambsing auch in der vorangegangenen Zeit am Nürnberghandel Teil hatte.

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Später lernte er bei Joan Tibaut den Eisenhandel und kam so mit Kenntnissen in verschiedenen Branchen um 1599 nach Hamburg, nachdem er vorher in mehreren Städten Belgiens und Nordfrankreichs tätig war wie in Brüssel, Arras, Rouen usw.83). In Hamburg heiratete er 1599 die Tochter des Peter Mayhus, genannt Johanna. Sein Konto wies 1619 den Umsatz von 60.638.5.6. Mark auf. Einen guten Teil davon mag er durch seine Tätigkeit als Faktor des Georg Gößwein aus Nürnberg erworben haben. Für ihn kaufte und verkaufte er Pfeffer, Zimt, Leinwand und Golddraht. Dem Gottfried Görtzen überließ er zum Beispiel 1619 im Aufträge Gößweins 2 Sack groben Pfeffers zu 310 Pfund und 10 sh 84). Wesentlich größer und finanzkräftiger zeigte sich der Handel Hans de Herthoge des Jüngeren. Seine Kontenumsätze bewegten sich 1619 um 180.000 Mark und 1620 um 270.000 Mark85). Er verschickte in größeren Mengen Tuche, Pelzwaren, Zimt, Indigo, Zucker, Samen und Bleiweiß nach Nürn­ berg 86). Allerdings sind seine Kontrahenten in Nürnberg nicht bekannt. Der älteste de Herthoge in Hamburg war Cornelis, der in den achtziger Jahren dort auftauchte. Durch zwei günstige Heiraten, einmal mit Sabine von Achelen und später mit Maria de Meyer, verschaffte er sich schnell Verbindung zu angesehenen niederländischen Kaufleuten in Hamburg. Zusammen mit Mar­ tin Enzisberger hatte er die Vertretung des Pfefferunternehmens der Rovalesca-Welser-Fugger87). Daneben unterhielt er Beziehungen zu den Engländern, an die er Alaun und Barchent verkaufte und dafür Tücher entgegennahm 88). Als er 1612 starb, führten seine Erben die Firma fort und handelten haupt­ sächlich mit Pfeffer. Die Wechsel, die umliefen, waren ausgestellt auf Cornelis de Herthoge sei. Erben. 1636 läßt sich das letzte Geschäft einer Firma Cornelis de Herthoge nachweisen 89). Sie versandte 4 Sack Pfeffer und 1 Sack Pfeffer­ staub, die den Wert von 1.500 Mark hatten, nach Nürnberg90). Die de Lhommel: Aus Antwerpen kommend ließ sich 158 8 ein Hans de Lhommel in Hamburg nieder. Von Beruf war er Zuckerbäcker und hat sich wahrscheinlich mit dem Vertrieb von Zucker und der Zuckerraffinierung be­ faßt. Um 1600 bezog der Nürnberger Martin Schmidt Waren von ihm und blieb ihm 2.362 Gulden 11 sh. und 6 d schuldig91). Hans de Lhommel, auch Danielsen genannt, trieb seinen Handel sicher bis 1619, denn er wird in den Bankbüchern mit einem Umsatz von 62.305.4.2. Mark aufgeführt. Die von Dortmunds: In den siebziger Jahren haben sich die Dortmunds von Antwerpen nach Hamburg gewandt. Zuerst erschien Heinrich von Dort83) zu Hans de Herthoge: W. Sillem, a.a.O., S. 503 ff. und Kellenbenz: a.a.O. ß. 208 84) StA. Nbg. Nürnberger Prozeßakten Rep. 91 Nr. 478 BI. 8 85) 1619 = 189.047. 15. 4. 1620 = 270.884. 2. 9.

8«) StA. Hbg. CI. VII Lit. Ea Pars 1 Nr. 3g Vol 10, Zollbuch. 87) Ehrenberg, R.: a.a.O. S. 265, 267. v. Rauch: a.a.O. S. 142, v. Welser: „Die Welser" Bd. I Nbg. 1917 S. 241. “) StA. Hbg. CI. VII Lit. E^ Nr. 4 Vol la (Zollbuch 1597-1603) 89) Höchstwahrscheinlich handelt es sich hier um Cornelius, den Sohn Hans des Älteren de Herthoge. Im Kontrakt von 1639 wird er zusammen mit Baptista de Herthoge mit einer veranschlagten Abgabe von 100 Mark genannt. 90) StA. Hbg. CI. VII Üt Ea Pars 1. Nr. 3g. Vol 10 (Zollbuch). 91) StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 1588 Bl. 3

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mund, Sohn des Melchior von Dortmund. Er begann nach 1570 den Handel mit englischen Tuchen, die er von den Adventurem kaufte. Seit 1572 führte er diese nach Nürnberg aus w). Fast vierzig Jahre lang verlor er sein Interesse an Nürnberg nicht, wo er unter anderen mit Virgilius Aichhom korrespon­ dierte 93). 1619 zeigte sein Umsatz 58.006.14.1. Mark. Der Bruder Heinrichs, Jasper von Dortmund und ebenfalls ein Familienmitglied, Balthasar von Dort­ mund, sind als Nümberghändler nicht nachzuweisen, haben aber Wechselbriefe über Nürnberg laufen lassen und standen im Wechselverkehr mit dem Nürn­ berger Hans Gabler über die in Amsterdam weilenden Hans und Paul Pilgram 94). Die Berenbergs: Die ersten Mitglieder dieses Namens in Hamburg waren die Brüder Hans und Paul Berenberg. Sie kamen aus Lier in Brabant und flüchteten in den achtziger Jahren nach Stade; von dort gingen sie nach Ham­ burg 95). Durch Verschwägerung mit den Schnellings weitete sich ihr Handels­ kreis von Hamburg nach Danzig, Portugal und Italien. Zunächst werden Hans und Paul zusammen gearbeitet haben. 1616 starb Hans und dafür trat sein Sohn Hans der Jüngere in das Geschäft ein. Sie trennten sich bald, denn 1619 sind Paul und sein Neffe Hans als selbständige Konteninhaber zu finden w). Die Brüder Hans und Paul handelten vielfach über Nürnberg. Von Ham­ burg sandten sie bearbeitete Tuche nach Nürnberg, die von dort an Karl Schnelling und Franz Vrients in Venedig weiterbefördert wurden 96a). Hans der Jüngere fand in dem Nürnberger Georg Gundelfinger einen Geschäftspartner; ihm schickte er 1624 Zimt im Werte von 256 Gulden und 7 sh 97). An einen unbekannten Nürnberger ließ er noch 1636 Tuche abgehen*08).* * * 05 * * Das Zollbuch von 1636 nennt noch einen Andreas Berenberg, der Ingwer nach Nürnberg exportierte "). Neben diesen Niederländern gab es eine ganze Reihe anderer, die in den Hamburg-Nümberghandel eingriffen. Lion le Petit zum Beispiel verschiffte Eisenwaren nach Sevilla 10°); die Güter bekam er von seinem „ministrum“ in Nürnberg. Mehrere Jahre später (1616) hatte er noch Außenstände bei Nürn­ berger Debitoren101). Ein anderer, Kaspar de Reuter, korrespondierte mit Heinrich Hager in Nürnberg 192). Von Michael Bouschaert, der für den in 92) StA. Hbg. CI. VII Lit. Eb Nr. 4 Vol. 1« (Zollbuch 1568-73) *3) StA. Nbg. Nürnberger Briefbücher Tom 234 S. 266. Virgilius Aichhorn aus Münnerstadt starb in Nürnberg am 12. Nov. 1619. (Roth, J F., a.a.O. III. Abt. S. 37) Intercession wegen Heinrich von Dortmund am 7. Okt. 1616. 94) StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 418s 05) W. Sillem: a.a.O. S. 503 ff. fi6) Paul Berenberg mit einem Umsatz von 163.382. 4. 1. und 1620 mit 207.837. 5. 9. Mark, Hans Berenberg 1619 mit 165.615. 10.—. Mark. 96a)StA. Hbg. Zertifikate von 1605 Bl. 100 97) StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 540 VII. 98) StA. Hbg. CI. VII E* Pars 1 Nr. 3g Vol 10 ") Andreas Berenberg kann ebenfalls ein Sohn des Hans des Älteren sein, sein Vorname weist auf dessen Schwiegervater Andreas Schnelling hin. 10°) StA. Hbg. Zertifikate von 1605 Bl. 121 101) StA. Nbg. Nürnberger Briefbücher Tom 233 S. 395. 102) StA. Nbg. Nürnberger Briefbücher Tom 222 S. 251. 1603 war de Reuter gestorben. Sein 3*

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Nürnberg wohnenden Niederländer Peter Helemann Nürnberger Kram nach Nantes103) und Rouen104) versandte, heißt es „hy was en Norenberger, woonde inde Baars op de Kalchhoff“ 105). Sicher bezieht sich dieser Ausspruch auf seine Tätigkeit für die Nürnberger Kaufleute. Ferner tauchten noch Namen auf wie Emanuel Agenna, Jan Verporten, Johann von Straaten und Jakob de Somere; letzterer unterhielt Verbindungen zu dem Itaiener Torizani in Nürnberg 106). Nach den beiden letzten Abschnitten könnte man annehmen, daß der Handel Nürnbergs nach Hamburg und umgekehrt damals zu einem bedeuten­ den Teil in den Händen Fremder lag. Das ist auch so. Jedenfalls wird aus den vorliegenden Quellen ersichtlich, daß das italienische, englische und nieder­ ländische Element im Vordringen war und sich um 1600 mit den eingesessenen Nürnberger Hamburghändlern mindestens die Waage hielt. Zwar werden wir eine Anzahl Nürnberger Handelshäuser kennenlernen, die noch ausgedehnten Nordhandel treiben, aber ihr Wirkungskreis wurde in der Folge mehr und mehr auf Mittel- und Süddeutschland eingeengt. Diese Erscheinung, die sich in Nürnberg abzuzeichnen begann, traf mehr noch für alte Handelshäuser anderer Städte zu, zum Beispiel Lübecks. Das starke Gewicht der Engländer, Nieder­ länder und Italiener in dem Hamburghandel Nürnbergs erkennt man, wenn man sieht, wie verhältnismäßig wenig eingesessene Häuser daran beteiligt waren. d) Die Nürnberger Handelshäuser jener Zeit Durch verschiedene Umstände wurde Hamburg, wie wir sahen, in den Mittelpunkt Nürnberger Handelsinteressen gerückt, ja es wurde in diesen Jahrzehnten weit wichtiger als andere norddeutsche Städte. Das beste Beispiel dafür gibt uns Lübeck. Dort vertrat ein einziger Faktor siebenzehn Nürnberger Händler. Zwar ist siebenzehn keine geringe Zahl, aber wenn wir die Klage dieses Faktors Jakob Scherrer aus dem Jahre 1584 hören, er verdiene dabei so wenig, daß er kaum noch Weib und Kind ernähren könne 107), dann wird ver­ ständlich, daß dem Warenumsatz keine große Bedeutung beigemessen werden darf. Hamburg erhielt dagegen jetzt den weitaus größten Anteil am NordSüdverkehr. Aber es sind nicht mehr die gleichen Firmen wie früher, die diesen bewerkstelligen. Wir werden kaum einen Angehörigen jener großen Lübeckund Ostseehändler unter ihnen treffen. Die Baldinger:

Sigmundt Baldinger co Elisabeth Roth Konrad Baldinger co Maria Magdalena Treiner V

v

1.. ......

'

Georg Baldinger Nachfolger war sein Schwager Gisbrecht von Dahlen. Als dieser 1603 bei dem Nürnberger H. Hager Schulden eintreiben wollte, verschwand dieser mit Hab und Gut. 103) StA. Hbg. Zertifikate von 1605 Bl. 33 104) StA. Hbg. Zertifikate von 1605 Bl. 118 105)

W. Sillem, a.a.O., S. 503 ff.

106) StA. Nbg. Nürnberger Briefbücher Tom 227, S. 189 107) B. Koehler: „Das Revalgeschäft des Lübecker Kaufmannes Laurens Isermann", Kiel 1936 S. 18.

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Die Baidinger waren ein altulmisches Geschlecht und von ihrer Heimatstadt Ulm im Ratsstand nach Nürnberg gekommen. Sigmundt B. ließ sich um 1534 in Nürnberg nieder. Er trat 1534 als Vertreter des Hans Herbart von Augsburg in einer Schuldforderungsklage gegen Melchior Rieter sei. auf 108). Schon 1543 und 1545 wurde Sigmundt Genannter des größeren Rats109). Durch seine Ehe mit Elisabeth Roth 110) gewann er Zugang zu den bekanntesten Handelshäusern. Noch in den fünfziger Jahren gab Sigmundt sein Bürgerrecht in Nürnberg wieder auf und zog, den Adventurem folgend, nach Hamburg. Hauptsächlich kaufte er dort Tuche von den Engländern. Diese schickte er in kurzen Abstän­ den und in großer Zahl an seinen Bruder Konrad, der seit dieser Zeit in Nürnberg lebte und das Färben, Bereiten und den Verkauf übernommen hatte, obwohl er ursprünglich Lederhändler war m). Die Baldinger haben in den ersten Jahren der Verlegung des Stapels wohl die größten Mengen an Tuchen aus Hamburg nach Nürnberg gesandt. Allein vom 1. Juli 1569 bis zum 23. November gleichen Jahres waren es 748 Kerseyen und 180 Laken, für die sie 112 Pfund 15 sh. und 8 d. Zoll zahlen mußten112). Aber auch 1580 verkaufte Konrad in Nürnberg „ein zimblich Summa des obgemelten Gewandtes alhier" 113). Höchstwahrscheinlich lebte sein Bruder Sigmundt noch in Hamburg, wo er sich mehrere Jahre aufgehalten hatte. Diese direkte Beziehung ließ Konrad 1579 gewiß gegen ein Verbleiben der englischen Niederlassung in Nürnberg stimmen. Das Hauptgeschäft machten die Baldinger mit Tuchen, vermutlich zeigten sie auch Interesse für das Pfefferuntemehmen der RothWelser 114), denn unter den Nürnberger Korrespondenten, die von der Welserfiliale Beträge erhielten, befand sich Konrad Baldinger. Über den Verbleib der Familie ist weiter nichts bekannt; Sigmundt wird nach Ulm zurückgegangen sein; Konrad lebte mit seinem Sohn Georg bis zu seinem Tode am 2. Dez. 1609 in Nürnberg. Georg erbte das Geschäft, läßt sich aber im Hamburghandel nur einmal nachweisen, als 1611 ein Wechsel, von dem Hamburger Johann Rodenburg auf Nürnberg trassiert, an ihn ausge­ zahlt wurde. Hans Gabler: Niclas Gabler

I Hans Gabler

I Hans Gabler oo Schwester W. Rösels 108) StdtA. Nbg.: Üb. Lit. Bd. 45 S. 165 109) StdtA. Nbg.: Lib. Lit. Bd. 60 S. 46

110) m) 112) m) 114)

Als Genannter des größeren Rates wird Baldinger in einer Verkaufsangelegenheit des Hauses der Katharina Habermann (Metzgerwwe.) an den Heinrich Leickauf (Metzger) erwähnt, dann: Müllners Annalen der R. Nümb. Bd. IV. S. 2003. StdtA. Nbg. Genealogien Baldinger 3,7. Roth, J.F., a.a.O., S. 308. StA. Hbg. CI. VII Lit. Ea Nr. 4 Vol 1* (Zollbücher) StA. Nbg. SIL Nr. 18 Rep. 15a Bl. 36. Ehrenberg, R.: a.a.O. S. 263 f.

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Schon Ende des 15. Jahrhunderts wird ein Kaufmann namens Niclas Gabler erwähnt, der die Herbstmesse in Frankfurt besucht hat115). 1518 lief ein Hans Gabler in der Schönbartgesellschaft mit116). Diese beiden Gablers mögen die Vorfahren unseres Hans Gablers sein, der mit einer Schwester des Wolfgang Rösel verheiratet war. Diese Verbindung brachte ihn dem Kreis der Hamburg­ händler näher, denn Rösel kaufte viel von dem Nürnberger Christoff Schnuck, der mehrere Hamburger vertrat. Außerdem gehörte er, wie später auch Gabler, zu den Geschäftsfreunden des Bartholome Viatis und des Georg Gößwein, die beide nach Hamburg handelten. Direkt korrespondierte Rösel nur mit dem Hamburger Gottfried Görtzen m). Durch solche Beziehungen gestärkt hatte sich Gabler nicht mit engem Lokalhandel begnügt, sondern sein Geschäft zu beachtlicher Größe ausgedehnt. In Amsterdam korrespondierte er mit den Pilgrams, in Hamburg waren es bald angesehene Firmen, die er zu seinen Geschäftspartnern zählen konnte. Unter diesen befanden sich die oberdeut­ schen Jenisch, der Niederländer Emanuel Agenna, die Ambsings, Dominicus von Uffeln der Jüngere, die Berenbergs, die Wouters, Peter Schmidt von Linden, die Hamburger Melchior Werner, Arnold Gier und Bartold Brockens. Von ihnen bezog er vorwiegend Tuche, Pfeffer, Ingwer, Candis, Pores, Zimt, Safran und Weinstein. Diese Waren erhielt er meist durch die Vermittlung des Niederländers Peter Schmidt von Linden, der ein gegenseitiges Faktorenver­ hältnis mit Gabler eingegangen war 118). Manchmal vertrat ihn auch der Nürn­ berger Hans Flock 119). Mit solch großer Erweiterung hatte sich Gabler schon bald übernommen. Seine Geschäfte liefen nicht mehr so gut, so daß er 1607 gezwungen war, von seinem Schwager Rösel tausend Gulden zu borgen 12°). Mit ihnen konnte er sich wieder einige Jahre über Wasser halten und seinen Handel fortführen. Doch 1613 hatte sich seine Finanzkraft erschöpft und er machte Bankrott. Im Frühjahr 1613 hielt man schon seine Güter in Hamburg fest, um eventuelle Forderungen zu begleichen. Wahrscheinlich haben die Gerichtsverwalter Albrecht von Essen und Hans Schouwenhausen jene noch einmal passieren lassen, da erst durch die Konkursabwicklung im Juli richtig deutlich zum Vorschein kam, in welche Verpflichtungen er sich eingelassen hatte. Zunächst stellte sein Faktor von Linden, über dessen Konto auch der größte Geldverkehr gegangen war, seine Forderungen. 8.481.6.8. Gulden schuldete Gabler ihm. Hans Bündig aus Hamburg verlangte für Zimt- und Safransendungen 1.959.6.—. Gulden, Martin Druman 606.6.—. Gulden, Daniel Fredeking 4.149.8.—. Gulden. Franz Lango, mit dem sich Gabler in Leipzig auf der Frühjahrsmesse getroffen haben

115) StA. Nbg. SIL 15. Nr. 1 I (Gleitbuch von 1470—72) 116) StdtA. Nbg. Gabler Genealogien Schönbartgesellschaft: Fastnachtslauf mit bärtiger Maske. Eigentlich ein Fest der Metzger, seit 148 5 nahmen auch iunge Patriziersöhne daran teil. 117) StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91. Nr. 478 RI. 15 Görtzen hatte 2I8V2 Gulden bei Rösel liegen. 118) StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 418 c-s 119) StA. Nbg. Nürnberger Briefbücher Tom 230 S. 54 12°) StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 418 f I

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mag, ließ auch noch durch seinen Hamburger Anwalt 600.6—. Gulden ein­ klagen. Damit hatte Gablers Konkurs einen Streitwert von über 15.000 Gulden erreicht. Ein solcher Schuldbetrag reiht ihn zwar nicht in die Zahl der größten Händler ein, läßt ihn aber über einen mittleren nichts wagenden Kaufmann hinauswachsen. Georg Gößwein:

In Müllners Annalen der Reichsstadt Nürnberg findet man 1538 den Genannten Niclas und 1558 den Genannten Georg; „sein Handelsleut gewest, ihre Nachkommen leben zum Teil noch in diesem Stande." Georg gehörte zu den Tuchhändlern, „so im Jar ein zimblich Suma und das meiste lassen hier bereidten und ferben und in Östereich verschicken an Kerseyen, Packtücher und Feintuch" 121). 1576 war ihm wahrscheinlich ein Sohn gleichen Namens geboren; und dieser Georg der Jüngere hat den Handel seines Vaters über­ nommen und ausgebaut. Mit vierzig Jahren heiratete er die zwanzigjährige Anna Viatis, Tochter des Bartolome Viatis II. und kaufte sich von dem Gold­ schmiedsohn Jakob Hoffmann den Schopprshof. Seine Tätigkeit als Tuchund Leinwandhändler brachte ihn in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts mit Hamburg in Verbindung, wo das Handelshaus Hans de Herthoge für ihn Leinwand vertrieb, Gößwein dagegen für jenes Pfeffer, Ingwer, Zimt und andere Südwaren. Bei diesen beiden Häusern handelte es sich wahrscheinlich um gegenseitige Kommissionsgeschäfte. Aus dem Brief Hans de Herthoges vom 13. November 1619 geht zum mindesten für ihn hervor, daß er kommissio­ narisch tätig war, wenn er schrieb: „ . . mit restirende zwei Kisten bockreal hab über angewandten noch nichts können verrichten, will ferner mein bestes tun . . . werens was besser geschlossen und so gute Leinwat alss der Herrn Viatischen ihre, sollten lengst einen anderen Herrn haben" 122). Unter den Schuldnern wird der in Hamburg wohnende Niederländer Gott­ fried Görtzen genannt. Dieser hatte zuletzt Pfeffer nach Nürnberg geliefert und von dort wohl Leinwand erhalten. An Zahlungsstatt bekam Gößwein einen Sack Pfeffer im Wert von 218.13.—. Gulden, auf den aber die Nürn­ berger Johan Kreton und Nikolaus Malepart ebenfalls Anspruch erhoben. Nach 1620 fallierte Gößwein. Sein Hauptgläubiger war sein Schwiegervater Bartholome Viatis, der das Anwesen Schoppenhof von diesem zur Tilgung der Schulden übernahm. Christoff Joachim Gugel:

Hans Christoff Gugel oo Susanne Weyermann Christoff Joachim Gugel oo Maria Hermanns Maria Elena Gugel (1634) oo Christoff Beheim Christoff Joachim Gugel, 1587 geboren, heiratete 1614 die Tochter eines Hamburghändlers, des Niederländers Hans Hermanns, welcher zum Beispiel 121) StA. Nbg. SIL 35 Nr. 18 Rep. 15a Bl. 34 122) StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 478 BI. 8

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mit Wilhelm Le Petit (Niederländer) in Hamburg korrespondierte und 1611 das Kistchen mit etlichen Limoni und Zitroni sowie eingemachten englischen Austern für den welserschen Faktor in Hamburg dem Reichspfennigmeister übergeben mußte, wenn er zum Kurfürstentag nach Nürnberg käme 123). Die Tochter Gugels, Maria Elena, ehelichte 1634 den Witwer Christoff Beheim und es zeigt sich wieder einmal mehr, wie das Anbahnen verwandt­ schaftlicher Beziehungen von den Handelsinteressen gelenkt wurde. Über die Tätigkeit Gugels im Hamburghandel gibt ein Brief seines dortigen Vertreters Matheus Müller vom 4. März 1615 Auskunft124). Müller verkaufte für Gugel Fustein, Bockerale, Messer und andere Waren. Hierfür sandte er in Mengen gleichen Gegenwertes Pfeffer, Zimt und Ingwer nach Nürnberg, so daß auch bei dem Verhältnis Gugel—Müller Kommissionsgeschäfte angenom­ men werden können. Daß Müller Wert auf gute Qualität legte, zeigt eine seiner Bestellungen, in der er tausend Messer zu zehn gepackt verlangte. Fünfhundert sollten zwei­ schneidig sein und a conto, fünfhundert einschneidig und auf Zeit gehen. Zu diesen Messern wollte er gute Scheiden haben. Die auf Zeit gehenden Messer remittierte er mit der dazu gehörenden Provision auf Gugel. Neben Müller kaufte der Nürnberger Lorenz von Höchst, der gegen 1615 in Hamburg weilte, Leinwand von ihm. Höchst selbst war Händler und Messer­ fabrikant. 1605 übertrug ihm der Notar Paulus Krambier ein Privileg, das von der kaiserlichen Majestät mit eigener Hand gesiegelt und unterschrieben wor­ den ist, worin dem Georg Friedrich Kemmer bewilligt wurde, Messer und Klingen mit bestimmten Firmenzeichen herzustellen. Zur Wahrnehmung an und aus dem Privileg wurde der Hamburger Otto Brock bestimmt. Solche Messer vertrieb Höchst zum Teil selbst in Hamburg, zum Beispiel an Samuel Starkmann. Wie zu Höchst unterhielt Gugel zu Daniel de Villamonte Beziehungen. Sie beruhten vermutlich auf der niederländischen Verwandtschaft Gugels; denn sein Schwiegervater Hans Hermanns korrespondierte mit Wilhelm Le Petit, ein Michel Le Petit arbeitete aber mit diesem Villamonte zusammen 125). Michael Kneutzel und Paulus Pultz:

Wann Michael Kneutzel seine Verbindung zu Hamburg aufnahm, ist un­ bekannt. Es wird aber der Tuchhandel gewesen sein, der ihn dorthin zog, denn er hatte in den neunziger Jahren Kontakt mit der englischen Niederlassung in Stade. Von dieser kaufte er Tuche und lieferte dafür Nürnberger Kram an jene. 1597 hielt er sich selbst in Hamburg auf, wo er persönlich die Warensendungen nach Stade leitete127). Zu Anfang des Jahres 1598 kehrte er nach Nürnberg zurück, starb jedoch Ende März. Seine Erben und sein Gesellschafter Paulus Pultz führten den Handel unter der Firma „Kneutzel Erben und Paulus Pultz" 123) 124) 125) 127)

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Reichspfennigmeister war seit 1603 Mathäus Welser als Nachfolger Geizkoflers. Stdt. A. Nbg. Genealog. Papiere Gugel Bündel I 1 StA. Hbg. Bankauszüge von 1619—23 StA. Hbg. CI. VII Lit. &> Nr. 4 Vol ld (Zollbuch 1597-1603) und StA. Nbg. Nürnberger Briefbücher Tom 232 S. 337

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fort. Sie hatten in Hamburg Matheus Pultz, zweifellos einen nahen Verwand­ ten, sitzen. Zu den Korrespondenten Kneutzel-Pultz gehörten die Hamburger Hans Conrad Schmitt, Hans Alvermann, Heinrich Hering und später der niederdeutsche Nicolaus von Peine. Dieser führte für die Erben 1605 Nürn­ berger Gewerbeerzeugnisse nach La Rochelle an Luis de Boyleux aus zur Weiterbeförderung nach Bilbao128). Wir sehen, die Firma war nicht nur am Hamburg- und Dänemarkgeschäft beteiligt, sondern auch am iberischen Handel interessiert. Den iberischen Handel hatte Kneutzel anfangs wahrscheinlich über Lyon betrieben, als er noch mit dem Augsburger Sebastian Haug dorthin handelte. Später wird dann nur noch Hamburg Umschlagplatz gewesen sein. Hans und Heinrich Mülegg:

Ihr Geschlecht war von schwäbischem Adel. Einige der Müleggs kamen nach Nürnberg und brachten ein beträchtliches Vermögen mit, das sie im Handel anlegten. Die ersten in Nürnberg waren Hans und Heinrich Mülegg 12&). Heinrich wurde sogar 1603 Marktvorsteher, hat dieses Amt aber nur ein Jahr ausgeübt. 1604 starb er und Hans ließ die Firma unter dem alten Namen weiterlaufen: Hans und Heinrich Mülegg. Hans Mülegg, geboren 1550, war mit Barbara Cronberg verheiratet. 1577 stand er mit seinem Bruder Heinrich in der Genanntenliste. Die beiden Brüder betrieben vornehmlich Tuchhandel. Sie führten aber andere Waren auch, da es sich eingebürgert hatte, mit einem ganzen Waren­ katalog ausgerüstet zu sein. Erstaunlich ist nur, wie wenig unter diesen Waren der Fisch erscheint, der nun allerdings nicht zu den hochwertigen Handelsgütern wie Gewürze und Tuche gehört. Hans und Heinrich Mülegg zählten zu den wenigen Handelshäusern, die sich noch nachweislich mit dem Import von Fisch befaßten. Ihr Lieferant war der Hamburger Hermann Rentzel. Waren die Müleggs auch vermögend, so mußte Rentzel trotzdem einmal den Preis für sechs Tonnen Hering und drei Ballen Rundfisch einklagen 130), was allerdings in der Zeit der großen Bankrotte (nach 1610), in der sogar gute Kunden erst einen Monat nach Verfall zu zahlen pflegten 131), kein un­ bedingtes Zeichen für wirtschaftliche Schwäche war. Neben dem Warenhandel betrieben die Müleggs ebenso Geldgeschäfte. Die Stadt Hamburg bediente sich ihrer zum Beispiel, um durch sie Zahlungen leisten zu lassen. 1615 erlegte Hans Mülegg in Nürnberg achttausend Reichstaler als Reichshilfe der Stadt Hamburg 132). Gleichzeitig mit der Firma Hans und Heinrich Mülegg bestand ein weiteres Unternehmen, Daniel Mülegg sei. Erben. Dieses beteiligte sich mit am Ham128)

12&) 13°) 131) 132)

StA. Hbg. CI. VIII Nr. XXXI Nr. 4 Bl. 27 und 100. Zertifikate von 1605. Roth, J.F.: a.a.O. I. Abt. S. 308 ff. StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 1405. StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 33. StA. Nbg. Nürnberger Briefbücher Tom 233 S. 326. Hans Mülegg korrespondierte auch mit Italienern über den Italiener della Porta in Nürnberg. Bei dessen Konkurs gehörte er mit zu den Kreditoren (Prozeßakten Rep. 91 Nr. 1340).

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burghandel, jedoch erst dann, als sich ihm der Hamburghändler Martin Schmidt angeschlossen hatte 133). Die Peck:

In Nürnberg existierten Ende des 16. Jahrhunderts zwei Kaufleute des Namens Peck. Der eine, Georg Peck, wurde mit Christof Lang 1575 zugleich wegen der Handelspraktiken der Italiener in Nürnberg verhört134). Da die Italiener sich stark in den Handel nach Hamburg hineingedrängt haben, könnte man vermuten, daß Georg Peck durch sein Verhältnis zu diesen ebenfalls mit Hamburg, d. h. den dortigen Italienern in Verbindung stand; beweisen läßt sich diese Annahme nicht. Die Vermutung wird aber gestärkt, weil wir wissen, daß ein anderer, Alexander Peck, dorthin Kontakt unterhielt. Und wenn wir bisher gesehen haben, daß fast alle Kaufleute, die mit Hamburghändlern verwandt oder verschwägert waren, in diesen Handel eingriffen, so kann das auch für Georg Peck gelten. Nachweisen läßt sich aber nur Alexander Peck als Hamburghändler. Er war Korrespondent des in Hamburg wohnenden Nieder­ länders Reiner von Wesenbeck und vertrat ihn 1613 im Konkurs gegen den Nürnberger Martin Schmidt135). Ein naher Verwandter Alexanders saß in Hamburg. Es war dies der Tuchhändler Markus Peck, der Hamburger Firmen belieferte, zum Beispiel Hermann Scheie mit Leipziger Zwillich 136). Mit Peter Rover zusammen sandte er 1605 drei Faß Zwillich an Erich Wallich in San Lucar137). Die Auftraggeber Rövers und Pecks sind nicht bekannt, wohnten aber in Nürnberg. Bei diesen Tuchverkäufen handelte es sich also um Faktorei­ geschäfte, ebenso sicher bei den 1611 nach Nürnberg geführten zwei Packen zu je zehn Tuchen 138). Diese werden vermutlich an die Adresse Alexander Pecks oder Friedrich Sperbers gegangen sein, da zu dieser Zeit mehrere Wechsel umliefen: Von Alexander Peck und Friedrich Sperber an Markus Peck130). Bis 1619 ist die Tätigkeit Markus Pecks zu verfolgen. Sein Konto bei der Ham­ burger Bank wies damals den geringen Betrag von 28.390. 13. 6. Mark auf. Da hier der Name Sperber gefallen ist, soll gleich auf zwei weitere Ham­ burghändler gleichen Namens hingewiesen werden, auf Ulrich und seinen Vetter Michael. Beide hatten längere Zeit hindurch die Hamburger Eisen­ händler Stefan Kraus, Hans Rorchstade, Hans von Wrede und einige nicht bekannte in Nürnberg als Faktoren vertreten. Ihr Handel wird sich dabei mehr auf den Einkauf von Eisenwaren und deren Versand nach Hamburg beschränkt haben. Eine Tatsache ist aber interessant; zum ersten Mal tauchen 133) 134) 135) 136) 137) 138)

StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 146 StA. Nbg. SIII L. 123 Nr. 242 (E-Laden) StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 1588 Bl. 3 StA. Hbg. Zertifikate von 1605 Bl. 110 Zertifikate von 1605 Bl. 115 Schriftwechsel und Verhandlungen mit dem Grafen Ernst von Holstein wegen des Schaumburger Zolles. L. A. Schleswig Abt. 3 Nr. 455 und Abt 11 Nr. 298 fol. 40 L. A. Schleswig Abt. 3 Nr. 462 fol 22—26 StA. Hbg. CI. VII E* Pars 2 Nr. 5 Vol 3c fol. 34 139) StA. Nbg. Nürnberger Briefbücher Tom 212 S. 126 (1595) Hamburger

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hier Hamburger auf, die aus geschäftlichen Gründen nach Nürnberg kommen wollten und sogar schon einmal dort gewesen waren. Deswegen fragten sie auch beim Rat zu Nürnberg an, ob sie dann diesmal wieder bei ihrem Faktor wohnen könnten. Das Ersuchen wurde jedoch abgelehnt, da nach der neuen Herbergs- und Wirtsordnung ihr Faktor gezwungen wäre, weiterhin jeden Fremden oder Bürger aufzunehmen und zu beköstigen. Die Pilgrams:

Die Familie Pilgram kam wahrscheinlich erst in der Mitte des 16. Jahr­ hunderts nach Nürnberg. Vermutlich waren sie niederländischer Abkunft und stammten aus der Stadt Herzogenbusch in Nordbrabant14(>). Der erste dieses Namens war Heinrich Pilgram, der 1569 in der Liste der Genannten angeführt wurde 141). Sein Weg brachte ihn schon frühzeitig nach Norden, sicherlich be­ gann er gleichzeitig mit der Verlegung des Stapels der „Merchant Adventurers“ seinen Handel mit Hamburg. 1570 war er einer von den Kaufleuten, die ein Geleitgesuch an die Landesherren, durch deren Gebiet die Straße nach Hamburg verlief, richteten 142). Neben bekannten Hamburghändlem wie Hans Hurione, Lienhart Strolitz oder Jan de Buis hatte Heinrich Pilgram dieses Gesuch unter­ schrieben. Da er seine Firma Heinrich Pilgram und Mitverwandte nannte, müssen sich zur gleichen Zeit noch weitere Pilgrams in Nürnberg aufgehalten haben. Vielleicht ist einer von ihnen der 1593 im Genanntenverzeichnis stehende Hans. Der Handel der Pilgrams war in der Hauptsache Tuchhandel, den sie in größerem Umfange getrieben haben. Nach einer Zolliste von 1579 gehörten sie zu den „fürnembsten“ Kaufleuten, die hier Tücher färben, bereiten und verschicken ließen 143). Außer mit Hamburg werden sie auch mit den Nieder­ landen, ihrem Herkunftsort, Beziehungen unterhalten haben. In Amsterdam saß ja um 1600 eine andere Firma Pilgram, deren Vertreter Paul und Stefan gewiß mit den Nürnbergern verwandt waren. Ihre Korrespondenz mit dem Nürnberger Hans Gabler und dem Hamburger Schmidt von Linden ist bekannt, ebenso ihr ausgedehntes Geldgeschäft144). Paul Pilgram wandte sich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts von Amsterdam nach Hamburg und trieb von dort das Nürnberggeschäft weiter. Er belieferte Nürnberger Kaufleute mit Ingwer, Pfeffer, Paradieskom (afr. Pfeffer), Muskat, Nüssen, Zimt, Nelken und anderen Krämereiwaren 145). Vielleicht erhielt diese Waren Hans Heinrich Pilgram, ein Nachkomme der Nürnberger Pilgrams 148). 14°) Roth, J. F., a.a.O., I. Abt. S. 308. Er nennt einen Heinrich Pilgram, der zu Herzogenbusch geboren ist und bis zu seinem Tode in Nürnberg lebte. 141) StA. Nbg. Müllners Annalen d. R. Nbg. Bd. IV S. 2437. 142) StA. Nbg. SIL. 193 Nr. 24 Bl. 20 (Gleidstraßen). 14Ä) StA. Nbg. SIL. 35 Nr. 18 Rep. 15a Bl. 34. 144) Die Amsterdamer Pilgrams standen im Wechselverkehr z. B. mit Gabler (Nbg.) E. Agenna (Niederl. Hbg.) D. von Uffeln (Niederl. Hbg.) P. Schmidt von Linden (Niederl. Hbg.) Lambrecht von Zwohausen (Niederl. Hbg.) usw. 145) Nur einige der Waren sind mit Wertangaben versehen. Knapp x/z der Waren hatten den Wert von 10.700 Gulden. 14e) Hans Heinrich Pilgram war 1617 Genannter des größeren Rats (Müllners Annalen: Bd. IV S. 2437).

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Martin Schmidt:

In der Zeit, von der der Augsburger Kaufmann Daniel Rem klagte, die Handlung sei schlecht an allen Orten, der Allmächtige wolle es ändern 147), mußte sein Nürnberger Kommissionär Martin Schmidt die Handlung aufgeben. Schmidt, der im Stadtteil St. Sebald nahe dem Hallertor wohnte und seine große Familie durch Kommissionsgeschäfte und Eigenhandel unterhielt, ging ein Jahr vor dem Sturz des Weiserhauses in Konkurs. Ein paar Jahre vorher erschien er noch recht finanzkräftig und verfügte über ein ausgedehntes Handelsnetz. Von Mailand über Augsburg, Ulm, Köln, Antwerpen reichten seine Beziehungen, kamen und gingen seine Waren und Güter. Seit 1603 bezog er von den Engländern in Stade Tuche und wird sich seitdem mehr und mehr auf Hamburg konzentriert haben, denn bei seinem Konkurs schuldete er über ein Sechstel der gesamten Konkurssumme Gläubigern in Hamburg 148). Diese Gläubiger waren fast alle Niederländer; Hans de Lhommel, Reiner von Wesenbeck, Hans von Verbergen, Emanuel Agenna waren darunter; der einzige eingesessene Hamburger scheint Heinrich Berentz gewesen zu sein. Doch womit hat Martin Schmidt gehandelt? Zunächst einmal waren es englische Tuche. Als Faktor oder Kommissionär für Daniel Rem aus Augsburg versandte er Nürnberger Waren und trieb Geldgeschäfte. Mehr genaue An­ gaben lassen sich nicht machen. Man kann nur vermuten, daß er Zucker aus Hamburg bezog, da der Zuckerhändler de Lhommel zu seinen Gläubigem gehörte. Ebenso wird Schmidt Zinn und Kupfer nach Hamburg verfrachtet haben. Er war nämlich neben den Holzschuhem, den Östereichem und dem Kaufmann le Brun Geldgeber des Georg Stempel. Dieser, selbst seit den neunziger Jahren Hamburghändler 149), betrieb „uff der Platten und Hengst" ein Bergwerk zur Ausbeutung von Zinn und Kupfer150). Nach seinem Kon­ kurs hat Schmidt sich eine neue Existenz aufzubauen versucht. Bei Daniel Mülegg sei. Erben fand er noch einmal ein Betätigungsfeld und konnte sogar wieder den Fernhandel aufnehmen. Nicht lange aber war ihm Erfolg beschieden. In den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges ging die Handlung immer schlechter und er war bald wieder verschuldet, diesmal bei den Hamburgern Laurenz und Adam Boots151). Zwischen 1627 und 1628 ist Schmidt gestorben. Martin Schubhardt und Christoff Schnuck:

Ein typischer Fall für reine Faktoreigeschäfte bildeten die Nürnberger Martin Schubhardt und Christoff Schnuck. Schubhardt war Faktor des 147) Brief des Daniel Rem vom 20. Jan. 1613 (StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 1588). 14®) Die Konkurssumme betrug 30.610. 13. 13., die Schulden bei Hamburgern 5.611. 9. 2. 149) Georg Stempel korrespondierte von 1591—94 mit dem Hamburger Dietrich Tegetmeier. 1595 reiste der Diener Stempels, genannt Hans Helmy, nach Hamburg, ohne sich um seine Verpflichtungen in Nürnberg zu kümmern. Stempel hatte für Helmy für 500 Gulden Bürgschaft geleistet und bat nun den Rat zu Hamburg, Helmy zurückzuschicken. (StA. Nbg. Nürnberger Briefbücher Tom 210 S. 295, Tom 211 S. 77, Tom 212 S. 226.) 15°) StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 740 151) StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 146 Bl. 12

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Kaspar Anckelmann, eines aus Oberdeutschland nach Hamburg eingewanderten Bürgers und Handelsmannes. Er vertrat nur dessen Interessen und trieb nebenbei keinen Eigenhandel (jedenfalls ist darüber nichts bekannt). Seine Tätigkeit beschränkt sich darauf, das zu tun, was ihm Anckelmann vor­ schrieb, zum Beispiel was er kaufen oder verkaufen durfte, an wen er verkaufen sollte usw. Rechnungen und Geldbeträge mußte er ausdrücklich im Namen Anckelmanns einziehen. In allem war er abhängig von diesem und wie es Aufgabe eines guten Faktors war, hatte er in bestimmten Zeitabschnitten seinem Prinzipal schriftlich Bericht zu erstatten und ihn über die wirtschaftliche und politische Lage aufzuklären. Anckelmann dagegen schickte ihm von Zeit zu Zeit seine Order zu, wie er es einmal aus Leip­ zig getan hatte. In dieser Order forderte er Schubhardt auf, die im Lager liegende Röthe an den Mann zu bringen, sie aber nur an gute und zahlungs­ kräftige Kunden abzugeben. Für seinen Verkauf an Röthe, Ingwer, Lein­ wand und ähnliche Waren erhielt Schubhardt zehn Prozent Umsatzprovision. Wie unbedingt er den Anweisungen seines Prinzipals folgen mußte, zeigte, daß er für jede Übertretung der Befehle haftbar gemacht wurde. So hatte er einmal an den Georg Gundelfinger Ingwer zu 408 fl. 13 sh. — Kr. Gulden verkauft, in der Meinung, es mit einem verläßlichen Kaufmann zu tun zu haben. Gundelfinger aber konnte nicht bezahlen. Diese Tatsache war Anlaß zu einem Ersatzprozeß gegen Schubhardt und zur nachfolgenden Entlassung aus dem Faktorenverhältnis. Seine Stellung als neuer Faktor des Hamburgers Kaspar Anckelmann trat der Nürnberger Wiedemann an. Ähnlich erging es dem Christoff Schnuck, Faktor der Hamburger Tuch­ händler Laurenz und Adam Boots.151b). Für diese belieferte er über dreißig Kunden in und um Nürnberg mit Tuchen aller Farben, braun, schwarz, blau. Auch mit Löschfellen, Feintuch, Boyen und Silberdraht versorgte er sie. Der Grund seiner Entlassung ist nicht ganz klar, aber noch während seines Dienstverhältnisses wurde ihm ein anderer, Balthasar Graff, zur Seite gestellt. Dieser sollte die Außenstände der Boots einziehen und sicherlich den Schnuck überwachen. Bartholome Viatis — Martin Peiler:

Bernardo Viatis 1538 Bartolome 1624 Viatis 1.

oo ? oo I: Anna Schäffer, Wwe. II: Florentina Jäger —

2. Maria Viatis oo Martin Peiler

15. 151a)StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 33 151b)StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 146

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Balthasar Peiler oo Margarete Hecker (beide aus Radolfzell) Martin Peiler oo Maria Viatis Bartholome Viatis gehörte zu den reichsten Kaufleuten seiner Zeit. Bei seinem Aufstieg wird man unwillkürlich an amerikanische „selfmade" Männer erinnert, die es vom armen Schuhputzjungen zum Millionär gebracht haben. Bartholome Viatis wurde am 18. April 1538 zu Brescia in Vale Trompia a Pesari als Sohn eines Ballenbinders geboren152). 1550 kam er als Junge in sehr schlechten Umständen nach Nürnberg und trat mit vierzehn Jahren den Dienst bei den Kaufleuten Hans Volland und Hand Anderson an. Nach mehrmaligem Stellungswechsel nahmen ihn die Kaufleute Melchior Lang aus Breslau und Jörg Schäffer aus Nürnberg auf. Da er ein tüchtiger Mann war, verstand er es schnell, deren Vertrauen zu erringen. Nach dem Tode seines Herrn Jörg Schäffer heiratete er dessen Witwe und begann damit seinen Aufstieg zu einem der reichsten Kaufleute Nürnbergs. Er brachte es zu solchem Ansehen, daß in seinem kostbaren Haus an der Barfüßerbrücke ein venetianischer Gesandter mit vierzehn Edelleuten Quartier nahm. Der Handel mit Semisch-Leder, Leinwand, Tuchen, Straußenfedern und gewissen, damals noch unbekannten Färbereien, hatte ihn reich gemacht. Schon um 1580 begann er den Handel mit englischen Tuchen, allerdings waren die Mengen noch sehr gering 153). Ob er zu der Zeit mit Hamburg in Verbindung stand, ist nicht gewiß. Dies scheint erst der Fall gewesen zu sein, als er um 1590 mit nicht genannten Hamburgern über deren Faktor Friedrich Konradt Handel trieb 154). Leider haben wir nur sehr wenig Zeugnisse seiner Beziehun­ gen zu Hamburg und müssen uns daher zum Teil auf Vermutungen stützen. Eine ist die: der Hamburghändler Georg Gößwein war der Schwiegersohn seines ältesten Sohnes, so daß daher Verbindungen zu Hamburg entstanden sein können. Dann ist aber noch eine andere Tatsache bekannt. Viatis-Peller hatten um 1620 ein „großes Lager und Handlung" in Sevilla155). Aus den Zertifikaten von 1605 haben wir ersehen, daß viele Oberdeutsche aus Nürn­ berg und Augsburg den Weg über Hamburg suchten, um ihre Waren zur iberischen Halbinsel zu senden, ja daß es fast der übliche Weg dahin wurde. Vielleicht haben Viatis-Peller den gleichen Weg benutzt. Weiter kennen wir einen Brief des Hans de Herthoge an Georg Gößwein aus dem Jahre 1619. „. . . mit restirende zwei Kisten bockreal hab über an­ gewandten noch nichts können verrichten, will ferner mein bestes tun . . . werens was besser geschlossen und so guete Leinwat alss der Viatischen ihre, sollten lengst einen anderen Herrn haben" 156). Man kann daraus entnehmen, daß die viatische Leinwand in Hamburg sehr bekannt war und den Ruf guter Qualität genoß. Höchstwahrscheinlich wurde viel von dieser Ware aus Nürn­ berg bezogen, was auf einen regen Handelsverkehr der Viatis-Peller nach Hamburg schließen läßt. Das Handelshaus Viatis-Peller war ja vornehmlich 152) 153) 154) 155) 158)

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Stdt. A. Nbg. NF Viatis Nr. 2 Stammregister StA. Nbg. SIL 35 Nr. 18 Rep. 15a Bl. 36 StA. Nbg. Nürnberger Briefbücher Tom 207 S. 237 Kellenbenz, H.: a.a.O. S. 326 StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 478 Bl. 8

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auf den Tuch- und Leinwandhandel spezialisiert. Vielleicht gehörte es auch zu den Kaufleuten, die im 16. Jahrhundert in oberlausitzer Städten Kollektiv­ verträge mit der gesamten Leineweberzunft abgeschlossen hatten, den Webern die Anschaffung von Rohstoffen finanzierten und ihre Erzeugnisse abnahmen, wobei die Weber an keinen anderen außer ihnen liefern durften 157). Die Handelsverbindungen der Viatis-Peller waren mannigfach. Sie reichten nach Spanien, Flandern, Schlesien, Italien, dem deutschen Osten und Norden, und Bartholome Viatis konnte bei seinem Tode 1624 seinem Schwiegersohn Martin Peiler ein angesehenes Unternehmen hinterlassen. Er selbst hatte ein arbeitsreiches und erfolgreiches Leben als Kaufmann, Beisitzer des Almosen und als Marktvorsteher geführt158). Sein Lebenswerk setzte Martin Peiler fort. Die Wertematins: Wilhelm und Alusio Wertemann Mathias Wertemann oo ? Giovanni Baptista W.

Francisco W. Carolus Wertemann oo Barbara Hatzet 2. Virgilo Wertemann.

1.

Der Name der Wertemanns, in seiner romanischen Schreibweise Vertemati oder Vertema, weist auf italienische Abkunft hin. Ihre Heimat war Plurs im Bergell, ein wichtiger Stapelplatz für italienische Seide und Seidenwaren. Seit 1575 gab es in Nürnberg drei Firmen der Wertemanns; Wilhelm und Alusio Wertemann, Johann Maria Wertemann und als dritte Carolus Werte­ mann159, 16°). Sie wohnten beim Ochsenfelder, kauften später aber ein Haus neben der „Güldenen Gans". Carl Wertemann baute das Schloß Sündersbühl und erhielt es vom Dompropst zu Bamberg zum Lehen 181). Ursprünglich aus einem Seidenzentrum kommend handelten die Werte­ manns mit Seide und Seidenwaren, nahmen aber dann noch Safran, welsche Weine, Fastenspeis, also auch Fische und allerhand Spezereien wie Ingwer in ihr Warensortiment auf. Bekannt als Hamburghändler ist unter ihnen nur Carl Wertemann; er hatte zusammen mit seinem Bruder Virgilio einen Teil des Vermögens der Firma Alusio und Wilhelm W. geerbt162). In den neuziger Jahren tauchte er in Hamburg auf und betätigte sich als Faktor und Eigenhändler. Im Aufträge der Republik Genua kaufte er Getreide und verschiffte dieses teils von Lübeck, teils von Hamburg aus dorthin. Da­ neben arbeitete er als Spediteur zum Beispiel für eine andere italienische Firma in Nürnberg, Oratio della Porta e fratelli183). Er scheint aber nur kurze Zeit 157) Aubin: Aus der Frühzeit des deutschen Kapitalismus (Z. f. Handelsr.) 1922 Bd. 84 S. 438 ff. 158) StA. Nbg. Müllners Annalen d. R. Nürnb. Bd.III S. 1757 159) StA. Nbg. S VII L 123 Nr. 242 (E-Laden) siehe auch Anm. 26. I6°) Einer seiner Korrespondenten in Hamburg war Hans Scherenberger (Nürnberger Brief­ bücher Tom 218 S. 51). 161) StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 1989 II. 182) StA. Nbg. Prozeßakten Rep. 91 Nr. 1989 II. 163) Thimme, H.: Der Handel Kölns am Ende des 16. Jahrhunderts und die internationale

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selbst in Hamburg gewesen und bald nach Nürnberg zurüdegekehrt zu sein. Die Vertretung seiner Interessen übernahm daraufhin Ende des 16. Jahr­ hunderts Virgilio W. . Bei ihm wollte Hans Heinrich Orth 1598 seinen Bruder als Handelsgehilfen unterbringen 164) oder doch wenigstens durch seine Für­ sprache erreichen, daß er bei Cornelius de Herthoge oder Alexander della Rocha eintreten könne. Virgil, bei dem schon sein Vetter Franco und der Italiener Stefan Neri arbeiteten, versprach, nach Nürnberg an seinen Bruder Carlo zu schreiben, um ihn nach einer Möglichkeit zu fragen. Den Orths scheint viel an einer Stellung bei Wertemann selbst gelegen zu haben, da diese „vill mit wexel und sconto, desgleichen mit verkauffen der seyde wahren thun“ 165). Seit 1599 nahm Virgil Wertemann Verbindung mit den Engländern in Stade auf und belieferte sie mit verschiedenen Waren bis 1603 168). Für viele Geschäfte der Wertemanns ist Hamburg nur Zwischenstation, so für den Getreidehandel und die Getreidefrachten nach Genua und die Eisensendungen nach Neapel 167). 1605 betätigten sie sich von Hamburg aus auch als Spanien­ händler. Sie verfrachteten ein Faß mit Waren nach San Lucar an John Baptista della Porta 168), sicher ein Angehöriger des Hauses der Nürnberger della Porta. Ob die Wertemanns noch lange in Hamburg geblieben sind, ist nicht so leicht zu sagen, zumal da sich das Geschäftsinteresse mehr nach dem Süden und Südosten zu verlagern begann und vor allem zum Geldgeschäft wurde. Die Geldanleihen an den Reichspfennigmeister Geizkofler (1595), die Finan­ zierung des Kriegswesens in Ungarn sowie die Ausstattung von Truppen und die Darlehen an den Reichspfennigmeister Mathäus Welser (1607) zeigen ein Geldgeschäft in großem Stile 169). 1607/08 weilte Carl Wertemann persönlich in Prag, um die Geschäfte zu überwachen. Wenig später gerieten die Werte­ manns in Zahlungsschwierigkeiten, einer ihrer Gläubiger war zum Beispiel Michel Diener mit 12.432 fl. 4. sh. 2 Kr. 17°). Die Welserfiliale und der Faktor Philipp Hensler:

Schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts stand das große Augsburger Han­ delshaus der Welser mit Hamburg in Verbindung. Wie die Fugger sandten auch die Welser einen Teil ihrer Ausbeute der Kupfergruben in Ungarn und Tirol nach Hamburg und von dort ins Ausland, vor allem nach England m). Aber regelmäßigen Verkehr zu Hamburg pflegten sie noch nicht. Höchstwahr­ scheinlich haben sie erst nach den niederländischen Wirren und der Verlegung des Stapels der Adventurers angefangen, dort ständige Vertreter zu halten.

184) 165) 188) 187) 168) 189) 17°) 171)

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Zusammensetzung der Kölner Kaufmannschaft. In: Z. S. 446 v. Rauch: a.a.O. Brief Nr. 26. siehe Anm. 164. StA Hbg. CI. VII Lit. Eb Nr. 4 Vol. 1