Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [53]

Table of contents :
Werner SCHULTHEISS: Dr. Friedrich Bode (1886—1964). Ein Nachruf .... 1
Wilhelm KRAFT: Beziehungen zwischen der Stadt und den Marschällen zu Pappenheim
und der Stadt und den Burggrafen von Nürnberg im Spätmittelalter .... 5
Wilhelm KRAFT: Woher stammt der Nürnberger Arzt Meyngoz?..............................10
Hanns Hubert HOFMANN: Zwischen Macht und Recht. Der Eschenauer Straßendistrikt
1805/06 im Streit zwischen Preußen, Kurbaiern und der Reichsstadt Nürnberg . . 13
Georg SCHIFF AUER: Ein Sohn des Kolumbus in Nürnberg. Ein Beitrag zu den Beziehungen
zwischen Nürnberg und dem spanischen Humanismus..............................60
Theodor Gustav WERNER: Nürnbergs Erzeugung und Ausfuhr wissenschaftlicher
Geräte im Zeitalter der Entdeckungen . . . . :..................................... 69
Gerhard PFEIFFER: Die Privilegien der französischen Könige für die oberdeutschen
Kaufleute in Lyon............................................................................................................... 150
Richard KLIER: Der schlesische und polnische Transithandel durch Böhmen nach Nürnberg
in den Jahren 1540 bis 1576 .................................................................................. 195
Heinrich KUNNERT: Nürnberger Montanunternehmer in der Steiermark .... 229
Hans Joachim BERBIG: Die Erneuerung der Nürnberger Zollfreiheit in Straßburg
während des 17. und 18. Jahrhunderts.......................................................................... 255
Friedrich BÜSER: Die Geschäfte der Familie Finde in Nürnberg. Vorgeschichte der
Drogerie Bäumler am Nürnberger Hauptmarkt Nr. 3.............................................259
Albert BARTELMESS: Die Nürnberger Kattundruckerei 1782—1788 und ihre Nachfolger.
Ein Beitrag zur Nürnberger Wirtschaftsgeschichte im 18. Jahrhundert . 345
Friedrich BOCK (f): Altnürnberger Dichtung von Hans Sachs bis Grübel . . 364
Hans RECKNAGEL: „ ... Johann Klaj, der H. Schrifft beflissener und gekrönter Poet" 386
Arthur KREINER (f): Die literarische Situation in Nürnberg 1918—1933 . . 397
Erich MULZER: Ein verkanntes Nürnberger Steinchörlein............................................ 414
Werner SCHULTHEISS: Aus der Geschichte des Nürnberger Spielzeugs .... 424
Buchbesprechungen:
W. Rausch : Die Städte Mitteleuropas im 12. und 13. Jahrhundert. Beirtäge zur
Geschichte der Städte Mitteleuropas I, hrsg. vom Archiv der Stadt Linz. Linz 1963.
(Hanns Hubert Hof mann).......................................................................................................430
Anna Maria D r a b e k : Reisen und Reisezeremoniell der Römisch-Deutschen Herrscher
im Spätmittelalter. (Wiener Dissertationen aus dem Gebiete der Geschichte
Nr. 3.) Wien 1964. (Hanns Hubert Hofmann)........................................................... 430
Ernst Schwarz : Die Ortsnamen der Sudetenländer als Geschichtsquelle. 2. Auflage.
Handbuch der sudetendeutschen Kulturgeschichte, hrsg. vom Vorstand des Collegium
Carolinum, Forschungsstelle für die böhmischen Länder, Bd. 1) München 1961.
(Josef Pfänner)......................................................................................................................431
Viktor Dollmayr und Eberhard Kranzmayer : Bayerisch-Österreichisches
Wörterbuch. I. Österreich. Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich, hrsg.
im Auftrag der Österr. Akademie der Wissenschaften von der Komm, zur Schaffung
des Österreichisch-Bayerischen Wörterbuches und zur Erforschung unserer
Mundarten. 1. Lf.: Vorwort, Einleitung, A—Achtung. Wien 1963. — 2. Lfg.:
Achtung—Alant. Wien 1964. (Josef Pfänner)....................................................................432
Hans Joachim B e r b i g : Das Nationalgefühl in Nürnberg nach dem Dreißigjährigen
Krieg. Diss. München 1960. (Rudolf Endres)......................................................433
Horst Heldmann : Moritz August von Thümmel. Sein Leben — Sein Werk —
Seine Zeit. 1. Teil: 1738—1783 (= Schriften des Instituts für Fränkische Landesforschung
an der Universität Erlangen-Nbg., hrsg. von Gerhard Pfeiffer, Bd. 12).
(Hans Radspieler)................................................................................................................ 434
Hans-Walter Leiste: Nürnberg. Stuttgart 1964 (Werner Schultheiß) . . . 435
Bernhard Krüger : Als es in Nürnberg noch gemütlich war. (Helmut Häußler) . . 435
Bernhard Krüger : Nürnberger Stilblüten. Nürnberg 1964. (Helmut Häußler) . . 436
Georg Mörsberger : Man sagt ja nix, man red't ja bloß. 40 Glossen, ausgewählt
aus 17 Jahrgängen der „Nürnberger Nachrichten“. Nürnberg 1964, (Helmut Häußler) 436
Otto Barthel : Die Schulen in Nürnberg 1905—1960 mit Einführung in die Gesamtgeschichte.
Im Aufträge des Stadtrats/Schulreferat. Nürnberg 1964. (Wolfgang Fischlein) 437
Gert R ü c k e 1 : Die Fränkische Tagespost. Geschichte einer Parteizeitung. Veröffentlichungen
der Stadtbibliothek Nürnberg 8, Nürnberg 1964. (Manfred Rühl) . . 439
Gebhard Büche : Stadtbibliothek Nürnberg, Nürnberger Zeitschriften-Zentralkatalog.
2. Auflage, Teil 1: Naturwissenschaften, Technik und Handwerk. Nürnberg 1964.
(Manfred Rühl)......................................................................................................................440
Hans Liermann : Handbuch des Stiftungsrechts, I. Band: Geschichte des Stiftungsrechts.
Tübingen 1963. (Hans-Rudolf Hagemann)...........................................................440
Walter Wagenseil : Der römischrechtliche Gehalt des Nürnberger Schuldrechts
zur Zeit der Entstehung der Reformationen von 1479 bis 1564. Jur. Diss. Erlangen
1964. (Hans Schlosse)......................................................................................... . 442
C. Dieter Schmidt : Die Grünfischereigerechtigkeit in Nürnberg. Jur. Diss. Erlangen
1965. (Werner Schultheiß)................................................................................................443
Werk und Wirken, 50 Jahre TE-KA-DE, Nürnberg. Festschritt der „Süddeutschen
Telefon-Apparate-, Kabel- und Drahtwerke AG TE-KA-DE Nürnberg“, 1962.
(Leo Schuster) 444
W. Lutz: Landesarbeitsamt Nordbayern in Verbindung mit dem Arbeitsamt Nürnberg.
(Hrsg.): Der Wirtschaftsraum Nürnberg-Fürth-Erlangen im Spiegelbild der
Zahl. Nürnberg 1964/65. (Leo Schuster)......................................................................... 446
Geo Müller : Vor hundert Jahren (Firmenfestschrift 1964). (Leo Schuster) . . 447
1913—1963, Konrad Bickel, Nürnberg. Geschichte einer Handelsvertreterfamilie,
München. (Leo Schuster)....................................................................................................... 448
Karl Oettinger und Karl-Adolf Knappe : Hans Baidung Grien und Albrecht
Dürer in Nürnberg, Nürnberg 1963. (Peter Strieder)................................................... 449
Matthias Simon : Nürnbergisches Pfarrerbuch. Die evangelische-lutherische Geistlichkeit
der Reichsstadt Nürnberg und ihres Gebietes 1524—1806. Nürnberg 1965
(Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns XLI. Band). (Werner Schultheiß) 452
Erich Stahleder : Die Handschriften der Augustinereremiten und Weltgeistlichen
in der ehemaligen Reichsstadt Windsheim. Würzburg 1963 (Quellen und Forschungen
zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg. Hrsg, von Theodor
Kramer Bd. 15). (Werner Sdtultheiß).................................................................................452
Klaus Leder : Universität Altdorf. Zur Theologie der Aufklärung in Franken. Die
Theologische Fakultät in Altdorf 1750—1809. Nürnberg 1965 (Schriftenreihe der Alt-
Nürnberger Landschaft. Hrsg, von Fritz Schnelbögl Band XIV). (Paul Schattenmann) 453
Johannes Kist: Die Matrikel der Geistlichkeit des Bistums Bamberg 1400—1456.
(= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, IV. Reihe: Matrikeln
Fränkischer Schulen und Stände Bd. 7) Würzburg 1965. (Gerhard Hirschmann) 454
Georg L ö h 1 e i n und Horst Pohl: Archive der Freiherren Haller von Hallerstein
in Schloß Gründlach: Bd. I Archiv Hl. Kreuz, Nürnberg und Archiv Henfenfeld.
München 1965 (Bayer. Archivinventare hrsg. im Auftrag der Generaldirektion
der Staatlichen Archive Bayerns Heft 26). (Werner Schultheiß)..............................455
Günther Schuhmann : Ansbacher Bibliotheken vom Mittelalter bis 1806. Ein Beitrag
zur Kultur- und Geistesgeschichte des Fürstentums Ansbach (Schriften des Instituts
für fränkische Landesforschung an der Universität Erlangen Band 8). (Ludwig Veit) 456
Christian Geyer : Heiteres und Ernstes aus meinem Leben. Bearbeitete Neuausgabe
zum 100. Geburtstag des Verfassers am 1. Oktober 1962. (Irene Stahl) . . . 457
Will von P o s w i k , Emst G. Deuerlein, Herbert Paulus, Walter S c h r o e -
der : Erlangen. Bildband mit Texten. Bonn 1963. (Friedrich Bock f) 458
Fürst Karl zu Schwarzenberg: Geschichte des reichsständischen Hauses Schwarzenberg
(= Bibliothek familiengeschichtlicher Arbeiten XXX und Veröffentlichungen
der Gesellschaft für fränkische Geschichte, Reihe IX, Band 16). (Gerhard Hirschmann) 459
Wirtschaftsraum Mittelf ranken gestern — heute — morgen. Eine Dokumentation der
Industrie- und Handelskammer Nürnberg. Nürnberg 1965. (Werner Schultheiß)
Wilhelm Schwemmer : Nürnberg, ein Führer durch die Altstadt. 4. (überarbeitete)
Ausgabe. Verkehrs verein Nürnberg 1964. (Günther Bräutigam)..............................
Hermann M ä g e r 1 e i n : Das sechste Jahrzehnt der Geschichte des Sportclubs Nürnberg
04 e. V. (Maxvorstadt). Ende Mai 1964. (Helmut Häußler)..............................
Schicksal jüdischer Mitbürger in Nürnberg 1850-1945. Ausstellungskatalog mit Dokumentation,
bearbeitet von Stadtarchiv und Volksbücherei Nürnberg (= Quellen zur Geschichte
u. Kultur der Stadt Nürnberg, Bd. 5) Nürnberg 1965. (Ilse Blumenthal-Weiß)
Peter K e r t z und Ingeborg Strößenreuther : Bibliographie zur Theatergeschichte
Nürnbergs. (Veröffentlichungen der Stadtbibliothek 6) Nürnberg 1964.
Franz Krautwurst : Das Schrifttum zur Musikgeschichte der Stadt Nürnberg.
(Veröffentlichungen der Stadtbibliothek 7) Nürnberg 1964. (Rudolf Frankenberger)
Dieter W u 11 k e : Die Histori Herculis des Nürnberger Humanisten und Freundes
der Gebrüder Vischer, Pangratz Bernhaubt gen. Schwenter. Materialien zur Erforschung
des Deutschen Humanismus um 1500. Böhlau Köln-Graz 1964. (Fritz Scknelbögl)
Ulrich Pusch : Ahnenliste Ingeborg und Edith Pusch. (In: Deutsches Familienarchiv,
Band 27 / 1964, S. 265—302). (Walter Lehnert)............................................................
Karl Kunze : Ernst Ludwig Carl. Ein fränkischer Charge d’affaires und Kameralist
an Höfen des europäischen Absolutismus. Phil. Diss. Erlangen 1965. (Gerhard
Hirsckmann)......................................................................................................................
Nürnberger Nachrichten, wie sie wurden und was sie sind. Nürnberg 1965. (Werner
Schultheiß) .......................................................................................................................
Werner Schultheiß und Gerhard Hirschmann : Stadtarchiv Nürnberg
1865—1965. Festschrift zur Jahrhundertfeier. Quellen und Forschungen zur Geschichte
der Stadt Nürnberg, hrsg. im Auftrag des Stadtrats durch das Stadtarchiv.
4. Band. Nürnberg 1964. (Hermann Wietzen)...........................................................
Georg Bergler : Geschichte der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Nürnberg 1919—1961. Nürnberg 1963. (Ingomar Bog)..............................
Alexander von Reitzenstein und Herbert Brunner : Reclams Kunstführer
Deutschland. Baudenkmäler. Band I: Bayern. 5., neubearbeitete und erweiterte
Auflage. Stuttgart 1964. (Günther Bräutigam)...........................................................
Ursula Schlegel und Claus Zoege von Manteuffel: Festschrift für
Peter Metz, Berlin 1965. (Günther Bräutigam)...........................................................
Karl B o s 1 : Handbuch der historischen Stätten Deutschlands. Band VII: Bayern.
2. Auflage, Stuttgart 1965. (Werner Sprung)...........................................................
Leo Beyer : Der Nürnberger Stadtteil Mögeldorf. Eine Häusergeschichte, Nürnberg
1964 (= Freie Schriften folge der Arbeitsgemeinschaft für Belange und Geschieht
e Mögeldorfs, Band 2). (Walter Lehnert)...........................................................
Rudolf Pfeiffer : Der Constantistenorden in Altdorf. (In: Jahresgabe der Gesellschaft
für burschenschaftliche Geschichtsforschung 1962, S. 3—17). (Walter Lehnert)
Karl Hannakam : Die Gemeindearchive des Landkreises Schwabach. München 1963
(= Bayerische Archivinventare, Heft 21). (Walter Lehnert).....................................
Schöpferische Leistung. Festschriften zur 5.—10. Verleihung der Diesel-Medaille, Nürnberg
1959—1965. (Walter Lehnert)........................................................... .......
Jürgen Uwe O h 1 a u : Der Haushalt der Reichsstadt Rothenburg o. T. in seiner Abhängigkeit
von Bevölkerungsstruktur, Verwaltung und Territorienbildung (1350—
1450). Phil. Diss. Erlangen 1965. (Gerhard Hirsckmann).....................................
Vorstadt-St. Johannis-Verein, Nürnberg. Festausgabe des Mitteilungsblattes des Vorstadtvereins
St. Johannis, Schniegling, Wetzendorf, Kriegsopfersiedlung anläßlich
seines 90jährigen Bestehens. [1964] — Gerhard Hirschmann : Aus der Geschichte
der Nordvorstadt und ihrer Vorstadtvereine. Nürnberg 1965. — 85 Jahre.
1880—1965. Vorstadtverein Gostenhof und Kleinweidenmühle e. V. 1965. (Walter
Lehnert).............................................................................................................................
Ernst König er: Nürnberger Madonnen. Madonnenbilder aus drei Jahrhunderten.
Nürnberg 1965. (Wilhelm Schwemmer)..........................................................................
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Mitteilungen des

Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

53. Band

N ürnberg 1965 Selbstverlag des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnber

Mit diesem Bande sei Herrn Universitätsprofessor Dr. Gerhard Pfeiffer, Erlangen, 1. Vorsitzenden des Vereins 1952—1961, und dem Schriftführer des Vereins 1953—1961, Herrn Staatsarchivdirektor Dr. Fritz Schnelbögl, anläßlich ihres 60. Geburtstages für ihre langjährige ehrenamtliche Arbeit herzlickst gedankt

Im Auftrag des Vorstands des Vereins herausgegeben von Städt. Archivdirektor Dr. Werner Schultheiß Der Stadt Nürnberg und der Haller’schen Forschungsstiftung und der Stadtsparkasse Nürnberg sei für Druckzuschüsse gedankt Drude: Ph. C. W. Schmidt, Neustadt/Aisch Klischees: Klischee-Döss GmbH, Nürnberg Alle Rechte Vorbehalten! Copyright by Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg 1965 Selbstverlag: Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg, Nürnberg, Egidienplatz 23—27

INHALT Werner SCHULTHEISS: Dr. Friedrich Bode (1886—1964). Ein Nachruf .... 1 Wilhelm KRAFT: Beziehungen zwischen der Stadt und den Marschällen zu Pappenheim und der Stadt und den Burggrafen von Nürnberg im Spätmittelalter .... 5 Wilhelm KRAFT: Woher stammt der Nürnberger Arzt Meyngoz?..............................10 Hanns Hubert HOFMANN: Zwischen Macht und Recht. Der Eschenauer Straßendistrikt 1805/06 im Streit zwischen Preußen, Kurbaiern und der Reichsstadt Nürnberg . . 13 Georg SCHIFFAUER: Ein Sohn des Kolumbus in Nürnberg. Ein Beitrag zu den Be­ ziehungen zwischen Nürnberg und dem spanischen Humanismus..............................60 Theodor Gustav WERNER: Nürnbergs Erzeugung und Ausfuhr wissenschaftlicher Geräte im Zeitalter der Entdeckungen . . . . :..................................... 69 Gerhard PFEIFFER: Die Privilegien der französischen Könige für die oberdeutschen Kaufleute in Lyon............................................................................................................... 150 Richard KLIER: Der schlesische und polnische Transithandel durch Böhmen nach Nürn­ berg in den Jahren 1540 bis 1576 .................................................................................. 195 Heinrich KUNNERT: Nürnberger Montanunternehmer in der Steiermark .... 229 Hans Joachim BERBIG: Die Erneuerung der Nürnberger Zollfreiheit in Straßburg während des 17. und 18. Jahrhunderts.......................................................................... 255 Friedrich BÜSER: Die Geschäfte der Familie Finde in Nürnberg. Vorgeschichte der Drogerie Bäumler am Nürnberger Hauptmarkt Nr. 3.............................................259 Albert BARTELMESS: Die Nürnberger Kattundruckerei 1782—1788 und ihre Nach­ folger. Ein Beitrag zur Nürnberger Wirtschaftsgeschichte im 18. Jahrhundert . 345 Friedrich BOCK (f): Altnürnberger Dichtung von Hans Sachs bis Grübel . . 364 Hans RECKNAGEL: „ ... Johann Klaj, der H. Schrifft beflissener und gekrönter Poet" 386 Arthur KREINER (f): Die literarische Situation in Nürnberg 1918—1933 . . 397 Erich MULZER: Ein verkanntes Nürnberger Steinchörlein............................................ 414 Werner SCHULTHEISS: Aus der Geschichte des Nürnberger Spielzeugs .... 424 Buchbesprechungen: W. Rausch : Die Städte Mitteleuropas im 12. und 13. Jahrhundert. Beirtäge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas I, hrsg. vom Archiv der Stadt Linz. Linz 1963. (Hanns Hubert Hofmann).......................................................................................................430 Anna Maria D r a b e k : Reisen und Reisezeremoniell der Römisch-Deutschen Herr­ scher im Spätmittelalter. (Wiener Dissertationen aus dem Gebiete der Geschichte Nr. 3.) Wien 1964. (Hanns Hubert Hofmann)........................................................... 430 Ernst Schwarz : Die Ortsnamen der Sudetenländer als Geschichtsquelle. 2. Auflage. Handbuch der sudetendeutschen Kulturgeschichte, hrsg. vom Vorstand des Colle­ gium Carolinum, Forschungsstelle für die böhmischen Länder, Bd. 1) München 1961. (Josef Pfänner)...................................................................................................................... 431 Viktor Dollmayr und Eberhard Kranzmayer : Bayerisch-Österreichisches Wörterbuch. I. Österreich. Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich, hrsg. im Auftrag der Österr. Akademie der Wissenschaften von der Komm, zur Schaf­ fung des Österreichisch-Bayerischen Wörterbuches und zur Erforschung unserer Mundarten. 1. Lf.: Vorwort, Einleitung, A—Achtung. Wien 1963. — 2. Lfg.: Achtung—Alant. Wien 1964. (JosefPfänner).................................................................... 432 Hans Joachim B e r b i g : Das Nationalgefühl in Nürnberg nach dem Dreißig­ jährigen Krieg. Diss. München 1960.(Rudolf Endres)......................................................433 Horst Heldmann : Moritz August von Thümmel. Sein Leben — Sein Werk — Seine Zeit. 1. Teil: 1738—1783 (= Schriften des Instituts für Fränkische Landes­ forschung an der Universität Erlangen-Nbg., hrsg. von Gerhard Pfeiffer, Bd. 12). (Hans Radspieler)................................................................................................................ 434

Hans-Walter Leiste: Nürnberg. Stuttgart 1964 (Werner Schultheiß) . . . 435 Bernhard Krüger : Als es in Nürnberg noch gemütlich war. (Helmut Häußler) . . 435 Bernhard Krüger : Nürnberger Stilblüten. Nürnberg 1964. (Helmut Häußler) . . 436 Georg Mörsberger : Man sagt ja nix, man red't ja bloß. 40 Glossen, ausgewählt aus 17 Jahrgängen der „Nürnberger Nachrichten“. Nürnberg 1964, (Helmut Häußler) 436 Otto Barthel : Die Schulen in Nürnberg 1905—1960 mit Einführung in die Gesamtge­ schichte. Im Aufträge des Stadtrats/Schulreferat. Nürnberg 1964. (Wolfgang Fischlein) 437 Gert R ü c k e 1 : Die Fränkische Tagespost. Geschichte einer Parteizeitung. Veröffent­ lichungen der Stadtbibliothek Nürnberg 8, Nürnberg 1964. (Manfred Rühl) . . 439 Gebhard Büche : Stadtbibliothek Nürnberg, Nürnberger Zeitschriften-Zentralkatalog. 2. Auflage, Teil 1: Naturwissenschaften, Technik und Handwerk. Nürnberg 1964. (Manfred Rühl)...................................................................................................................... 440 Hans Liermann : Handbuch des Stiftungsrechts, I. Band: Geschichte des Stiftungs­ rechts. Tübingen 1963. (Hans-Rudolf Hagemann)...........................................................440 Walter Wagenseil : Der römischrechtliche Gehalt des Nürnberger Schuldrechts zur Zeit der Entstehung der Reformationen von 1479 bis 1564. Jur. Diss. Erlan­ gen 1964. (Hans Schlosse)......................................................................................... . 442 C. Dieter Schmidt : Die Grünfischereigerechtigkeit in Nürnberg. Jur. Diss. Erlan­ gen 1965. (Werner Schultheiß)................................................................................................443 Werk und Wirken, 50 Jahre TE-KA-DE, Nürnberg. Festschritt der „Süddeutschen Telefon-Apparate-, Kabel- und Drahtwerke AG TE-KA-DE Nürnberg“, 1962. (Leo Schuster) 444 W. Lutz: Landesarbeitsamt Nordbayern in Verbindung mit dem Arbeitsamt Nürn­ berg. (Hrsg.): Der Wirtschaftsraum Nürnberg-Fürth-Erlangen im Spiegelbild der Zahl. Nürnberg 1964/65. (Leo Schuster)......................................................................... 446 Geo Müller : Vor hundert Jahren (Firmenfestschrift 1964). (Leo Schuster) . . 447 1913—1963, Konrad Bickel, Nürnberg. Geschichte einer Handelsvertreterfamilie, München. (Leo Schuster)....................................................................................................... 448 Karl Oettinger und Karl-Adolf Knappe : Hans Baidung Grien und Albrecht Dürer in Nürnberg, Nürnberg 1963. (Peter Strieder)................................................... 449 Matthias Simon : Nürnbergisches Pfarrerbuch. Die evangelische-lutherische Geist­ lichkeit der Reichsstadt Nürnberg und ihres Gebietes 1524—1806. Nürnberg 1965 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns XLI. Band). (Werner Schultheiß) 452 Erich Stahleder : Die Handschriften der Augustinereremiten und Weltgeistlichen in der ehemaligen Reichsstadt Windsheim. Würzburg 1963 (Quellen und For­ schungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg. Hrsg, von Theodor Kramer Bd. 15). (Werner Sdtultheiß).................................................................................452 Klaus Leder : Universität Altdorf. Zur Theologie der Aufklärung in Franken. Die Theologische Fakultät in Altdorf 1750—1809. Nürnberg 1965 (Schriftenreihe der AltNürnberger Landschaft. Hrsg, von Fritz Schnelbögl Band XIV). (Paul Schattenmann) 453 Johannes Kist: Die Matrikel der Geistlichkeit des Bistums Bamberg 1400—1456. (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, IV. Reihe: Matri­ keln Fränkischer Schulen und Stände Bd. 7) Würzburg 1965. (Gerhard Hirschmann) 454 Georg L ö h 1 e i n und Horst Pohl: Archive der Freiherren Haller von Hallerstein in Schloß Gründlach: Bd. I Archiv Hl. Kreuz, Nürnberg und Archiv Henfenfeld. München 1965 (Bayer. Archivinventare hrsg. im Auftrag der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns Heft 26). (Werner Schultheiß)..............................455 Günther Schuhmann : Ansbacher Bibliotheken vom Mittelalter bis 1806. Ein Bei­ trag zur Kultur- und Geistesgeschichte des Fürstentums Ansbach (Schriften des Instituts für fränkische Landesforschung an der Universität Erlangen Band 8). (Ludwig Veit) 456 Christian Geyer : Heiteres und Ernstes aus meinem Leben. Bearbeitete Neuausgabe zum 100. Geburtstag des Verfassers am 1. Oktober 1962. (Irene Stahl) . . . 457 Will von P o s w i k , Emst G. Deuerlein, Herbert Paulus, Walter S c h r o e der : Erlangen. Bildband mit Texten. Bonn 1963. (Friedrich Bock f) 458 Fürst Karl zu Schwarzenberg: Geschichte des reichsständischen Hauses Schwar­ zenberg (= Bibliothek familiengeschichtlicher Arbeiten XXX und Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, Reihe IX, Band 16). (Gerhard Hirschmann) 459

Wirtschaftsraum Mittelf ranken gestern — heute — morgen. Eine Dokumentation der Industrie- und Handelskammer Nürnberg. Nürnberg 1965. (Werner Schultheiß) Wilhelm Schwemmer : Nürnberg, ein Führer durch die Altstadt. 4. (überarbeitete) Ausgabe. Verkehrs verein Nürnberg 1964. (Günther Bräutigam).............................. Hermann M ä g e r 1 e i n : Das sechste Jahrzehnt der Geschichte des Sportclubs Nürn­ berg 04 e. V. (Maxvorstadt). Ende Mai 1964. (Helmut Häußler).............................. Schicksal jüdischer Mitbürger in Nürnberg 1850-1945. Ausstellungskatalog mit Dokumen­ tation, bearbeitet von Stadtarchiv und Volksbücherei Nürnberg (= Quellen zur Ge­ schichte u. Kultur der Stadt Nürnberg, Bd. 5) Nürnberg 1965. (Ilse Blumenthal-Weiß) Peter K e r t z und Ingeborg Strößenreuther : Bibliographie zur Theater­ geschichte Nürnbergs. (Veröffentlichungen der Stadtbibliothek 6) Nürnberg 1964. Franz Krautwurst : Das Schrifttum zur Musikgeschichte der Stadt Nürnberg. (Veröffentlichungen der Stadtbibliothek 7) Nürnberg 1964. (Rudolf Frankenberger) Dieter W u 11 k e : Die Histori Herculis des Nürnberger Humanisten und Freundes der Gebrüder Vischer, Pangratz Bernhaubt gen. Schwenter. Materialien zur Erforschung des Deutschen Humanismus um 1500. Böhlau Köln-Graz 1964. (Fritz Scknelbögl) Ulrich Pusch : Ahnenliste Ingeborg und Edith Pusch. (In: Deutsches Familienarchiv, Band 27 / 1964, S. 265—302). (Walter Lehnert)............................................................ Karl Kunze : Ernst Ludwig Carl. Ein fränkischer Charge d’affaires und Kameralist an Höfen des europäischen Absolutismus. Phil. Diss. Erlangen 1965. (Gerhard Hirsckmann)....................................................................................................................... Nürnberger Nachrichten, wie sie wurden und was sie sind. Nürnberg 1965. (Werner Schultheiß) ....................................................................................................................... Werner Schultheiß und Gerhard Hirschmann : Stadtarchiv Nürnberg 1865—1965. Festschrift zur Jahrhundertfeier. Quellen und Forschungen zur Ge­ schichte der Stadt Nürnberg, hrsg. im Auftrag des Stadtrats durch das Stadtarchiv. 4. Band. Nürnberg 1964. (Hermann Wietzen)........................................................... Georg Bergler : Geschichte der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissen­ schaften Nürnberg 1919—1961. Nürnberg 1963. (Ingomar Bog).............................. Alexander von Reitzenstein und Herbert Brunner : Reclams Kunstführer Deutschland. Baudenkmäler. Band I: Bayern. 5., neubearbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart 1964. (Günther Bräutigam)........................................................... Ursula Schlegel und Claus Zoege von Manteuffel: Festschrift für Peter Metz, Berlin 1965. (Günther Bräutigam)........................................................... Karl B o s 1 : Handbuch der historischen Stätten Deutschlands. Band VII: Bayern. 2. Auflage, Stuttgart 1965. (Werner Sprung)........................................................... Leo Beyer : Der Nürnberger Stadtteil Mögeldorf. Eine Häusergeschichte, Nürn­ berg 1964 (= Freie Schriften folge der Arbeitsgemeinschaft für Belange und Ge­ schieht e Mögeldorfs, Band 2). (Walter Lehnert)........................................................... Rudolf Pfeiffer : Der Constantistenorden in Altdorf. (In: Jahresgabe der Gesell­ schaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung 1962, S. 3—17). (Walter Lehnert) Karl Hannakam : Die Gemeindearchive des Landkreises Schwabach. München 1963 (= Bayerische Archivinventare, Heft 21). (Walter Lehnert)..................................... Schöpferische Leistung. Festschriften zur 5.—10. Verleihung der Diesel-Medaille, Nürn­ berg 1959—1965. (Walter Lehnert)........................................................... ....... Jürgen Uwe O h 1 a u : Der Haushalt der Reichsstadt Rothenburg o. T. in seiner Ab­ hängigkeit von Bevölkerungsstruktur, Verwaltung und Territorienbildung (1350— 1450). Phil. Diss. Erlangen 1965. (Gerhard Hirsckmann)..................................... Vorstadt-St. Johannis-Verein, Nürnberg. Festausgabe des Mitteilungsblattes des Vor­ stadtvereins St. Johannis, Schniegling, Wetzendorf, Kriegsopfersiedlung anläßlich seines 90jährigen Bestehens. [1964] — Gerhard Hirschmann : Aus der Ge­ schichte der Nordvorstadt und ihrer Vorstadtvereine. Nürnberg 1965. — 85 Jahre. 1880—1965. Vorstadtverein Gostenhof und Kleinweidenmühle e. V. 1965. (Walter Lehnert).............................................................................................................................. Ernst König er: Nürnberger Madonnen. Madonnenbilder aus drei Jahrhunderten. Nürnberg 1965. (Wilhelm Schwemmer)..........................................................................

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VERZEICHNIS DER MITARBEITER Albert Bartelmeß, Archivoberinspektor, Stadtarchiv Nürnberg Dr. Hans Joachim B e r b i g, Studienrat, Marktredwitz Ilse Blumenthal-Weiß, London Dr. Friedrich Bock, (f), Bibliotheksdirektor Dr. Ingomar Bog, Universitätsprofessor, Marburg Dr. Günther Bräutigam, Konservator, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg Friedrich Büser, Diplom-Volkswirt, Schnaittach Dt. Rudolf Endres, Studienreferendar, Landshut Wolfgang F i s c h 1 e i n , Hochschulassistent, Nürnberg Dr. Rudolf Frankenberger, Oberegierungsbibliotheksrat, Erlangen-Nürnberg Dr. Helmut H ä u ß 1 e r , Stadtarchiv Nürnberg Dr. Hans-Rudolf Hagemann, Universitätsprofessor, Basel Dr. Gerhard Hirschmann, Oberarchivrat, Stadtarchiv Nürnberg Dr. Hanns Hubert H o f m a n n , Universitätsdozent, Würzburg-Nümberg Dr. Richard Klier, Oberstudienrat i. R., Nürnberg Dr. Wilhelm Kraft, Oberstudienrat i. R., Pappenh&m Dr. Arthur Kreiner (f) Dt. Heinrich Kunnert, Hofrat, Eisenstadt/Burgenland Dr. Walter L e h n e r t, Archivassessor, Stadtarchiv Nürnberg Erich M u 1 z e r , Studienrat, Nürnberg Dr. Josef Pfänner, Nürnberg Dr. Gerhard Pfeiffer, Universitätsprofessor, Erlangen-Nürnberg Dr. Hans Radspieler, Burlafingen Hans Recknagel, Dramaturgie-Assistent, Nürnberg Manfred R ü h 1, Diplom-Volkswirt, Nürnberg Lic. Dr. Paul Schattenmann, Kirchenrat, Nürnberg Dr. Georg Schiffauer, Universitätsprofessor, Nürnberg Dr. jur. Hans Schlosse, München Dr. Fritz Schneibögl, Archivdirektor, Staatsarchiv Nürnberg Dr. Werner Schultheiß, Archivdirektor, Stadtarchiv Nürnberg Leo Schuster, Diplom-Kaufmann, Nürnberg Dr. Wilhelm Schwemmer, Direktor der Städtischen Kunstsammlungen Nürnberg Werner Sprung, Oberstudienrat, Nürnberg Irene Stahl, Schulrätin i. R., Nürnberg Dr. Peter Strieder, Direktor, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg Dr. Ludwig Veit, Oberkonservator, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg Dr. Hermann V i e t z e n , Archivdirektor, Stadtarchiv Stuttgart Theodor Gustav Werner, München

Dr. phil. Friedrich Bock Direktor der Stadtbibliothek Nürnberg i. R. Ehrenmitglied des Vereins

DR. FRIEDRICH BOCK (1886-1964) Direktor der Stadtbibliothek Nürnberg i. R. Ehrenmitglied des Vereins Ein Nachruf von Werner Schultheiß, 1. Vorsitzenden des Vereins Am 2. Oktober 1964 starb in Erlangen unser Ehrenmitglied Dr. Friedrich Bock, Direktor der Stadtbibliothek Nürnberg i. R., nachdem er sich einer Operation unterziehen hatte müssen, bei der eine unheilbare Krankheit fest­ gestellt worden war. Seinem Wunsch entsprechend wurde er in aller Stille und ohne offizielle Reden auf dem Erlanger Friedhof beigesetzt. Der Verein war durch ein Vorstandsmitglied anläßlich seiner Beerdigung vertreten und legte an seinem Grab einen Kranz nieder. Der Verein verliert in ihm ein langjähriges Mitglied, das sich vielseitige Verdienste als Vorstandsmitglied und durch seine aktive Mitarbeit im Verein, um die Stadtbibliothek und als Schriftsteller um die Nürnberger Geschichte und Kultur erworben hat. Friedrich Bock wurde am 26. Mai 1886 als Sohn eines Amtsrichters in Ellingen/Mfr. geboren, verlebte seine erste Schulzeit in Hersbruck und Gunzen­ hausen sowie die Gymnasialzeit am Alten Gymnasium zu Nürnberg, studierte klassische und deutsche Philologie und Geschichte in Berlin und München und promovierte über Plutarch. Nachdem er 1911 die Staatsprüfung für den höhe­ ren Bibliotheksdienst in München mit Erfolg abgelegt hatte, war er an den Universitätsbibliotheken Erlangen und München tätig. Durch verschiedene wissenschaftliche Fachveröfftenlichungen erwarb er sich schon damals die An­ erkennung seiner Kollegen. Inzwischen war der 1. Weltkrieg über die Bühne gegangen, hatte dem kulturellen Leben auch Nürnbergs gewisse Hemmungen auf erlegt, bis die Revo­ lution von 1918 und die Verfassung von 1919 die Möglichkeit zu mancher Reform auch, in der Stadtverwaltung Nürnberg gaben. So entschloß sich der Stadtrat 1921, die Personalunion von Stadtarchiv und Stadtbibliothek nach der bis dahin hinausgezögerten Pensionierung von Dr. h. c. Ernst Mummen­ hoff, der bisher dominierenden Persönlichkeit des Kulturlebens der Stadt, auf­ zuheben. Gleichzeitig war beabsichtigt, die Stadtbibliothek aus dem bisherigen Dornröschenschlaf einer wissenschaftlichen Bibliothek zu einer allgemein bil­ denden Anstalt und Gebrauchsbücherei umzuwandeln. Als nun Dr. Bock für diese Aufgabe berufen wurde, stellte der Stadtrat die entsprechenden Mittel zur Verfügung, um genügend Personal anzustellen sowie einen Lesesaal und die Magazine auszubauen. Gleichzeitg wurden der Stadtbibliothek die Amtsbücherei, die eine Spezialbibliothek für die städtische Verwaltung ist, unterl

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stellt sowie die von der Volksbildungsgesellschaft übernommene Volksbücherei sowie eine Musikbücherei. Außerdem organisierte er die Süddeutsche Blinden­ bücherei neu. Bock mußte erleben, daß das durch ihn abgelehnte nazistische Regime durch den von diesem angezettelten Krieg ihm in den letzten sinnlosen Kriegsmona­ ten nicht nur die von ihm geschaffene Stadtbibliothek mit Katalogen und Lesesaalblibliothek vernichtete, sondern auch seinen einzigen Sohn nahm. Was noch mit viel Arbeit und Mühe an Beständen geflüchtet worden war, wurde nach Kriegsende zum Teil zudem an den Bergungsorten geplündert. So war Bode als Sechziger gezwungen, die Stadtbibliothek in der Notunterkunft der Kulturfeldkaseme an der Bärenschanzstraße, wo auch Stadtarchiv und Hochschul­ bibliothek zugleich ein neues Domizil fanden, von Grund auf wieder aufzu­ bauen. Trotz zu wenig Personal und Mitteln gelang es wieder, die Bürgerschaft und vor allem die Studentenschaft mit den mehr als je notwendig gebrauchten Büchern aller Sparten zu versorgen. Der Verstorbene nahm nochmals die Norica- und Amberger-Handschriften auf, ohne aber das Vorgefundene Archiv­ gut bei dieser Gelegenheit an das Stadtarchiv abzugeben. Als Bock das Pensionsalter erreicht hatte, konnte er mit Genugtuung auf den Abschluß des ersten Aufbaus der Stadtbibliothek zurückblicken und sich ge­ trost zur Ruhe setzen. Den weiteren Ausbau und die Projektierung des Neu­ baus am Egidienberg, die der inzwischen eingetretene Aufschwung der Nürn­ berger Wirtschaft und der davon abhängigen Stadtfinanzen ermöglichte, be­ sorgte dann ab 1951 sein Nachfolger Dr. Karlheinz Goldmann, der für diese Aufgabe die notwendige Energie mit Erfolg entwickelte. Dr. Bock hielt 1958 den Festvortrag anläßlich der Eröffnung des Amtsgebäudes Egidienplatz 23—27. Dieses „wissenschaftliche Zentrum in der Altstadt" vereinigte zunächst ideal erscheinend Stadt- und Hochschulbibliothek mit dem Stadtarchiv in einem sehr zweckmäßig angelegten Bau, bei dem die Übernahme des schiefeckigen Grund­ risses und des alten Erdgeschosses des Peilerhauses besondere Schwierigkeiten des Aufbaus machte. Was konnte Bock mehr begrüßen, als daß alle Wünsche, die er sich nur hatte träumen lassen können, zunächst einmal in organisatorischer Hinsicht erfüllt wurden und die Stadtbibliothek erneut in der Lage war, ihre ehemalige vielseitige Funktion wieder einzunehmen, die Direktor Dr. Bock mit vieler Mühe ausgebaut hatte. Um eine Übersicht über die in Nürnberg vorhandenen Büchereien zu geben, veröffentlichte er 1923 einen Bibliothekenführer. In der Folgezeit wertete er Erkenntnisse aus, die die noch nicht ausgeschöpfte Geschichte der Stadtbiblio­ thek bot. So wies er auf verdiente Vorgänger oder vorbildliche Katalogisierung des 17. Jahrhunderts hin oder auf die Leistungen Nürnbergs in Buchdruck;, Ein­ band oder Buchmalerei. Wie es einem Manne mit 3 5 Jahren zu gehen pflegt, dem in der vertrauten Heimat die ihm entsprechende große Aufgabe gestellt wird, so konnte er 1921 nun aus dem Vollen schöpfen. Seine Verbundenheit mit Nürnberg ließ ihn 1928 den ehrenden Ruf zur Leitung der Bücherei des Deutschen Museums in München ablehnen. 1946 wurde er sogar für den Posten des Generaldirektors der staatlichen Bibliotheken Bayerns in Betracht gezogen. 2

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Mit bewunderungswürdigem Fleiß begann er über Nürnberg zu veröffent­ lichen und viele Lücken in der historischen Literatur der Stadt auszufüllen. Zunächst schrieb er einen Nürnberg-Führer 1923 (3. Auflage 1929) und 1924 eine Geschichte des Predigerklosters, in dem die Stadtbibliothek un­ tergebracht war. Auf Wunsch der Stadt und eines Verlages verfaßte er sogar 1938 eine kleine Chronik der Stadt, die zum ersten Male eine großartige Übersicht über die kulturelle Entwicklung Nürnbergs gab. Weil Bode aber nicht am Schluß die geforderte Eloge auf das Dritte Reich brachte, fiel er in Un­ gnade. Da nun der damalige Kulturreferent Hans Dürr (f 1940) den „zeit­ gemäßen" Schluß hinzufügte, wurde diese Fassung Bock nach 1945 unberechtigt vorgeworfen. Dabei hatte gerade Bock wegen seiner demokratisch-liberalen Haltung 1933 bereits Schwierigkeiten und mußte deshalb seine Tätigkeit in der Öffentlichkeit sowie seinen Sitz im Ausschuß des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg aufgeben. Erst 1940 konnte er zusammen mit Direktor Dr. Pfeiffer und Staatsarchivrat Biebinger bis zum Kriegsende die Schrift­ leitung der „Mitteilungen" des Vereins übernehmen. Im Verein hielt er 18 Vorträge und 8 Führungen. Als geborener Franke und geschulter Sprachwissen­ schaftler vermochte er sich der Nürnberger Dichtkunst und besonders der Nürnberger Mundart zuzuwenden. Ihm verdanken wir eine erste wertvolle Auswahl „Nürnberger Mundartdichtung" (1924) und die fehlende Mono­ graphie über „Konrad Grübel" (1936). Dazu kamen einige kleinere Biogra­ phien über Nürnberger, vor allem aber über den letzten Altdorfer Universitätsprofessor Georg Andreas Will (1950). Bock war es noch gegeben, selbst in Nürnberger Mundart vorzutragen und zu dichten. Wer ihn gehört hat, möchte fast behaupten, daß er der Letzte gewesen ist, der den ursprünglichen, nicht modernisierten Nürnberger Dialekt gesprochen hat. Bock war in Landstädtchen vor dem großen ersten Einbruch der Zivilisation aufgewachsen und deshalb noch mit den alten Volksbräuchen Frankens und Nürnbergs vertraut. Da sich bisher niemand damit wissenschaftlich befaßt hatte, fühlte er sich berufen, zunächst zahlreiche Beobachtungen zu ver­ öffentlichen und zuletzt 1959 ein zusammenfassendes Werk „Zur Volkskunde der Reichsstadt Nürnberg" (1959) zu publizieren. Seiner emsigen Sammel­ tätigkeit verdanken wir zwei wertvolle Aufsätze über „Nürnberger Spitznamen von 1200—1800" (1954 und 1959) und über „Volkstümliche Bezeichnungen von Nürnberger Örtlichkeiten" (1963/4), die den hiesigen Volkshumor erken­ nen lassen. Richtungweisend war seine Publikation der wichtigsten Handwerkerbilder aus dem 1. Mendelschen Zwölfbrüderbuch von 1400 in Auswahl beim InselVerlag (1935), nachdem er schon 1927 anläßlich der Handwerksausstellung München in der Festzeitung über diese Wertstücke der Stadtbibliothek be­ richtet hatte. Hatte Direktor Bock schon 1928 und 1940/1 eine Bibliographie zur Ge schichte Nürnbergs für die Jahre 1919—1939 geliefert, so machte er sich in der Pension die Mühe, ein Register zu den Bänden 11—43 der „Mitteilungen des Vereins" zu fertigen.

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Audi nach seiner Pensionierung blieb Dr. Bode nicht untätig. Er schrieb noch manchen interessanten Artikel, las unverdrossen die Korrekturen für die Mitteilungen“ des Vereins und für die „Nürnberger Rechts quellen“. Noch zuletzt revidierte er das Register zu den Jahresberichten des Vereins, bis ihm die ausbrechende Krankheit die bewunderungswürdige Arbeitskraft lähmte. Als Direktor Bock nach seiner Pensionierung sich ins Privatleben zurück­ zog, verlieh ihm der Verein die Ehrenmitgliedschaft wegen seiner Verdienste um Verein und Nürnberger Geschichtsforschung. Der Vorstand hat beschlossen, die wertvollsten seiner Aufsätze über Nürnberg in einem Band der „Nürnber­ ger Forschungen“ einer leichteren Benützbarkeit zu erschließen. Da er allen Äußerlichkeiten abhold war, lehnte er von vornherein einen Antrag auf Ver­ leihung des Bundesverdienstkreuzes ab. Wer seine menschenfreundliche Hal­ tung und seine schlichte Art, nur durch seine vorbildliche Leistung auf andere Menschen zu wirken, kannte, wird ihn als typischen Nürnberger des alten Schlages in Erinnerung behalten und ihm immer ein ehrendes Gedächtnis be­ wahren. Auf das Verzeichnis der Publikationen von Bibliotheksdirektor a. D. Dr. Friedrich Bock von Elisabeth Hetz in „Norica“: Bibliotheksdirektor a. D. Dr. Friedrich Bock zu seinem 75. Geburtstag die Stadt Nürnberg 1961 (= Veröffentlichungen der Stadtbibliothek Nürn­ berg 4) mit 126 Veröffentlichungen, sei hingewiesen. Vgl. auch Karlheinz Goldmann: Geschichte der Stadtbibliothek Nürnberg. Nürnberg 1957, S. 97 ff.

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BEZIEHUNGEN ZWISCHEN DER STADT UND DEN MARSCHÄLLEN ZU PAPPENHEIM UND DER STADT UND DEN BURGGRAFEN VON NÜRNBERG IM SPÄTMITTELALTER Von Wilhelm Kraft-Pappenheim Pappenheim war, wie aus Urkunde von 802 hervorgeht, bereits um die Mitte des 8. Jahrhunderts im Besitz eines fränkischen Edlen, dessen Tochter nach fränkischen Rechten dessen Güter weit umher geerbt und wohl an ihren Mann, einem Gaugrafen aus dem Thurgau, und ihren Sohn, Berchthold, vererbt hat. Durch fromme Schenkung eben dieser Tochter, Reginsind genannt, und ihres Sohnes, kommt Kloster St. Gallen in Besitz von Pappenheim. Doch werden einige Zeit später noch andere, wenn auch weniger reich begüterte geistliche und weltliche Herrn in Pappenheim und Umgegend genannt. Die Hauptmasse der Grundherrschaft fällt wieder an den einstigen Herrn, den König zurück. 1044 erscheint König Heinrich III. im Besitz der Landgüter zu Dietfurt, Pappenheim und Wettelsheim, die durch ihn an seine Gattin Agnes als Heiratsgabe überlassen werden. Damals, um 1050, soll die alte Kapelle, wie sie später heißt, vom Papst Leo IX. geweiht worden sein, es dürfte sich um die Verwendung der bereits bestandenen Königshofkapelle als Markt­ kirche gehandelt haben; die Pfarrkirche hingegen stand im Dorf Pappenheim über der Altmühl, heute noch St. Galluskirche genannt. Es ergibt sich eine gewisse Parallele mit Nürnberg, das auch nicht lange vor 1050 von Poppen­ reuth aus mit einer Kapelle St. Peter durch den heiligen Sebald ausgestattet worden sein dürfte. Sie ist später als Markt-, bezw. Stadtkirche dem Nürn­ berger besonders lieb und wert geworden. In dieser Zeit wird in Pappenheim die Burg erbaut; in ähnlicher Weise hat damals auch Nürnberg sein um 1065 im Indiculus curiarum ad mensam regis1) erstmals erwähntes „castrum“ erhalten. Während in Nürnberg die im Dienste der Kaiser bekannten Herrn von Raabs, wahrscheinlich abstammend von Gosheim, nördlich Donauwörth, amtieren, sitzen in Pappenheim die Marschälle des Königs (marscalcus regis) und betreuen als Reichsministerialen den alten königlichen Besitz. Als Anführer eines Kreuzzugs von 2000 Rittern taucht 1101 Konrad Marschall auf, hochgerühmt wegen seiner Qualitäten als Feldher und als Kämpfer gegen die Ungläubigen. Um diese Zeit berichten die Chroniken der Zeit von Heinrich Caput oder cum capite, also Heinrich Haupt, welche Verdienste er sich durch sein energisches Eintreten für die Rechte des Reichs und in den Fehden der Kaiserlichen gegen Lothar von Supplinburg und andere Herren in Thüringen 1117 erworben hat. Er wird eine Zeitlang als Burggraf v. Meissen genannt2). Es ist in derselben Linie, wenn in der Stauferzeit, wo insbesondere Hein­ rich Testa als Legat von Italien unter Barbarossa und als Marschall Hein­ richs VI. und dessen Heerführer auftaucht, diese Familie auch in die Pläne der *) MG. Const. I., Nr. 440, S. 647—649. — NA 41 (1919) S. 557 ff. — Wolfg. Metz, Staufi­ sche Güterverzeichnisse, Berlin 1964, S. 6—51. *) Wilh. Kraft, Urbar der Reichsmarschälle 1214. München 1929.

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Staufer irgendwie eingespannt wird. Aus dem Urbar der Reichsmarschälle von 1214 ist zu ersehen, daß damals der Königshof Neuburg an der Donau im Besitz der Marschälle gewesen ist. Das Weistum über den Hof ist von be­ sonderem Interesse und — da auch für Nürnberg als Vergleichsmaterial brauch­ bar — soll es hier gebracht werden. „Daz ist die freyheit dez hofs." „Welcher der ist, der in den hof flewhet, er sey schuldig oder unschuldig, all nachvolger, die im gern schedlich weren, die sein ze stund in Ungnaden dez künigs und mag sy nyemant entledigen, dann ain künig oder ain burggraf mit siner aigen person.“ Neben dem Königshofgebiet, soweit es als Gebiet des Burggrafenamtes galt, verwalteten damals die Marschälle, wohl schon unter Friedrich Rotbart auch den Königshof Weißenburg. Das Amt desselben umfaßte den Raum etwa von Mühlstetten bei Pleinfeld bis Dettenheim — und von Gundelsheim an der Altmühl hinüber nach Osten einschließlich der späteren Reichspflege, und Kesselberg samt dem großen Reichsforst. Durch eine spezielle Schenkung er­ hielten die Pappenheimer auch noch 1197 als Mannlehen oder rechtes Lehen das Amt Neuburg an der Donau, so daß sie jetzt das Burggrafenamt und das Moosamt zusammen besaßen und darüber hinaus das Amt des Königshofes Mühlbach bei Dietfurt in der Oberpfalz nebst den reichen Vogteien im Tangrindel und um Donauwörth. Um dieselbe Zeit wird in Nürnberg das Geschlecht der Raabser abgelöst durch die Zollern, die durch Erbschaft in jenen großen Wirkungskreis treten, der für sie Ausgangspunkt einer immer sichtbarer werdenden Herrenstellung im Rahmen Frankens und des Reiches wird. Die Pappenheim aber geraten in die für sie unüberwindliche und zuletzt katastrophale Angriffsfront der Wit­ telsbacher Herzoge gegen die nördlich der Donau liegenden Reichsgüter: Greding — Mühlbach — Neuburg — Weißenburg — Nürnberg und werden mit den verbündeten Meraniern ihrer meisten Güter beraubt. Mit dem Wegfall ihrer einflußreichen Stellung am Hofe des Kaisers und dem Übergewicht der Fürsten und Herren müssen sie sich mit einer, wenn auch nicht unbedeutenden Stellung als Inhaber der Herrschaft Pappenheim und einer wechselnden Zahl von anderen Herrschaften und Gütern begnügen. Durch die stolz festgehaltene Stellung als des Reiches Marschälle, eine Funktion ohne wesentliche Einnahmen, aber nach und nach mit fast uner­ schwinglichen Aufwendungen verbunden, haben sie sich die Aufnahme in den Kreis der Reichsstände verbaut und konnten nur durch die Lehensaufgabe ihrer Herrschaft an den Kurfürsten von Sachsen im 14. Jahrhundert den mas­ siven Angriffen der Burggrafen gegen ihre durch schöne Privilegien geschützte und immer wieder bestätigte Reichsunmittelbarkeit standhalten. Aus den ältesten Zeiten, manche bis ins 12. Jahrhundert zurückreichend, sind mancherlei Lehengüter bis 1806 bei der Familie erhalten geblieben, so südlich der Donau zu Burkheim, Rain, Illdorf, dann zu Mertingen, Faimingen usw., aber auch die Lehen um Nürnberg zuLeutzdorf, Affalterbach, Seukendorf, Schoppershof usw. gehen mindest noch in die Zeit des 13. Jahrhunderts zu­ rück. Nach einer Teilungsurkunde der Lehen der Pappenheime und der 6

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Biberbacher vom Jahr 1283, nämlich zwischen den Marschällen Hainrich und Hiltprand von Pappenheim, die 1279 schon ihre Güter und Burgen geteilt hatten ohne die Mannlehen, teilen sie nun auch ihre Mannlehen in der Weise, daß sie die Lehen nördlich der Donau („als die Thonau entspringt und fluss hat“) und die Lehen, die südlich dieser Flußgrenze liegen, als zwei Teile be­ stimmen. Durchs Los erhalten nun die Inhaber der Burg Biberbach ausgerech­ net die Lehen nördlich der Donau, während die Inhaber der Burg Pappenheim die Mannlehen südlich des Flusses nehmen müssen. Für den Historiker ist gerade diese Tatsache bedeutsam, weil dadurch Lehen, die von den Marschällen von Biberbach z. B. im Raume von Nürnberg geliehen werden, (Gegend des Schoppershofs)8) erkennen lassen, daß sie auf die Zeit vor 1283 zurückgehen. Ähnlich ist es bei Lehen um Schambach, Emetzheim, Weimersheim, Donauwörth, Gremheim, Gundelsheim bei Möhren, Zirgisheim, Weyhengau bei Lauingen usw. Aus den in Baumberg vorliegenden Lehenbriefen, Quittungen und Le­ hensreserven, von 1401 an erhalten, und aus Bemerkungen in Pappenheimer Dokumenten ergibt sich, daß die Lehen Schoppershof, Langenbruch, Tauchers­ reuth usw. vom Domkapitel Bamberg an die Pappenheime in alter Zeit ver­ liehen wurden. Es könnte für die Frühgeschichte Nürnbergs nur wertvoll sein, wenn auf den Spuren der Bamberger Lehen, die an Reichs- und bischöfliche Ministerialen wie an die Herrenfamilien der Gegend gegeben wurden, einmal zusammenschauend über den Altbesitz Bambergs gearbeitet würde. Die Bedeutung der Familie Pappenheim-Biberbach um 1200 wurde erst neuerdings wieder betont durch Wolfgang Metz in seiner Arbeit über die Stau­ fischen Güterverzeichnisse, wo er sagt: „So wie das Amt des Reichsbutiglers in Nürnberg (Provisor, ab ca. 1215 Butigler) oder das des Küchenmeisters in Rothenburg war also das der Reichsmarschälle von Pappenheim eine „Reichs­ landvogtei“ ! Und ebenso wie gleichzeitig in Nürnberg regelmäßig der Reichsbutigler neben dem Burggrafen erscheint, heißt auch der für die Verwaltung des Königsgutes Neuburg eingesetzte Reichsministeriale im Urbar „Marschall“ und nicht „Landvogt“. Dabei unterscheidet auch das Pappenheimer Urbar durchaus die Kompetenzen von Landvogtei und Burggrafschaft.“ Wenn hier besonders auf Neuburg hingewiesen wird, so deshalb, weil, wie schon früher betont, gerade die Parallelität zwischen Nürnberg und Neuburg in die Augen springt und bei der Untersuchung Nürnberger hochmittelalterlicher Geschidite nicht ohne Nutzen herangezogen werden könnte. Das Marschallamt am Königshof brachte es mit sich1, daß Nürnberg als oft gewählter Platz für Hof- und Reichstage mancherlei Berührungen mit Pappenheim hatte; die Nichtbezahlung der Judensteuer nach der Vertreibung der Juden aus Nürnberg gab Anlaß zu vielen Prozessen und zur Aufstapelung königlicher Steuerquittungen im Pappenheimer Archiv. Daß die ritterlichen Eigenleute der Marschälle nach dem Ende der Stauferzeit aus ihren Klein­ burgen und Höfen in der Umgegend von Weißenburg mit Vorliebe nach Nürnberg hineinzogen und dort als angesehene ehrbare Familien Vorkommen, das beweisen die Nürnberger Bürgeraufnahme- und Achtbücher. Es sei nur 8) Vgl. Urkunde v. 8. Juli 1308. Regest in NUB Stadtarchiv Nbg. Abschrift in GNM Hs. 28 888 u. 15 583 (Cod. dipl Holzschuher - Ebner).

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auf die als Amtleute, Lehensleute und Eigenleute der Marschälle nachweis­ baren Familien der Salacher, Weißenburger, Kesselberger, Bechtaler, Hausener, Pleinfelder und Lidwacher, Scheckse, Ellinger, Stopfenheimer, Spalter, Altheimer, dann der Farster, Minner, Stosser, Snizzer, vielleicht auch der Schürstab, Tücher und Ebner hingewiesen. Der Lehensbesitz blieb diesen Familien erhalten und es mag manches Lehensgut, das sich in Händen der Nürnberger Patrizier noch in später Zeit befand, damit in Zusammenhang zu bringen sein. Unmittelbare Beziehungen Nürnbergs zu Pappenheim, etwa als Oberhof in Rechtsfragen, sind nicht anzunehmen; dagegen spricht die oben genannte Stellung der Marschälle, die ihr Stadtgericht zu Pappenheim 4) als Gericht für den ganzen Bereich ihrer Machtbefugnisse verwendeten, so daß noch im 15. und 16. Jahrhundert der Stadtvogt zu Pappenheim als marschallischer Beamter auch über Leute aus der Herrschaft Emetzheim, Treuchtlingen, ferner über die Hintersassen im weiten Kreis um die Altmühl oberhalb Treuchtlingen rich­ tete. Seit dem 15. und 16. Jahrhundert war aber der Druck der Markgrafen so stark, daß z. B. nur eine Lehensnahme der Hochgerichtsbarkeit dieser Herr­ schaft Emetzheim aus der Hand der rücksichtslos ihre Macht gebrauchenden Markgrafen etwas Ruhe bewirkte. Neben der genannten Kontinuität der Lehensfolge auf den Gütern um Weißenburg, die bei den Spaltern besonders klar hervortritt, waren es die Bestrebungen nach sicherer Anlage ihrer Handelsgewinne, die die Nürnberger Handelsherren veranlaßte, durch Ankauf, Pfandnahme u. ä. sich eine zwar geringe, aber doch stetige und gesicherte Einnahmequelle zu verschaffen, die ihnen (neben der Anlage in goldenen und silbernen Kunstwerken) auch in schlimmen Geschäftszeiten einen Rückhalt gaben. Abgesehen von einigen nachweisbar aus Nürnberg stammenden Gold­ schmiedarbeiten um 1400 und einigen Siegelanfertigungen ist nichts über Kunstbeziehungen zu Nürnberg bekannt5). Daß Waffen, Glocken, Draht, dann Zuckerbäckereien aus Nürnberg bezogen wurden, ist nachzuweisen. Nach Nürnberg lieferte man aus der Herrschaft Pappenheim Getreide, Schafwolle und Schaffleisch, Erzeugnisse der vielen Hafner und Töpfer in Form von Geschirr, Öfen aus Ton, wohl auch aus Ton gefertigte Kunstwerke, so: Apostelfiguren, Marienbilder usw. In Dietfurt arbeitete um 1440 ein Hafner namens Vogel, der z. B. ein Marienbildnis für Kloster Heidenheim herstellte. Eine besondere Bedeutung für Nürnberg hatte die Freistätte (Asyl) Pap­ penheim. Im 14. Jahrhundert muß es der Stadt Nürnberg sehr darum zu tun gewesen sein, der Asylbenützung durch ihre Bürger usw. einen Riegel vorzu­ schieben; jedenfalls vereinbarte die Stadt mit den Marschällen eine Abgabe in Form von gut in Leder gefaßten Feldflaschen gegen Berücksichtigung ihres Anliegens (1377). Sehr alt sind auch die Beziehungen der Pappenheimer Juden zu den Nürnbergem, wie aus den Bürgeraufnahmebüchern und aus den Kaiser Wenzel vorgetragenen Streitigkeiten im 14. Jahrhundert hervorgeht. 4) Man beachte die Angabe des ,Urbars' v. 1214: „435. beridites von der stat Bappenheim geit von dem geridit 5 & den.“ 5) Der Pappenheimer Altar in Eichstätt stammt nidit von einem Nürnberger Künstler.

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Und nicht ganz übersehen soll sein, daß unter den Nürnberger Polizei­ ordnungen auch ein Abschnitt sich ausdrücklich mit den „Pappenheimern“ befaßt. Regesten zu den Nürnberg berührenden Dokumenten im gräfl. Archiv Pappenheim Das Archiv der gräflichen Familie in Pappenheim ist kein öffentliches, sondern ein Privat­ archiv. Die Benützung ist abhängig von der Erlaubnis der Archiveigentümer. Ein beamteter oder angestellter Archivar ist nicht vorhanden. Der von dem Archivbesitzer bestimmte ehren­ amtliche Betreuer des Archivs übernimmt nach Sachlage und Möglichkeit anfallende Arbeiten. Benützer können nur in der warmen Jahreszeit und nach vorheriger Genehmigung der Be­ nützung und Festlegung eines bestimmten Termins in dem für eine Benützung vorgesehenen Raum arbeiten unter Beachtung der in der Kanzlei aufliegenden Bestimmungen. U = Urkundenarchiv; A = Aktenarchiv; die beigefügte Zahl = Nummer des Dokuments.

a. U

Urkunden: 1279 s. d. Die Marschälle Heinrich und Hiltprand, Gebrüder, von Pappenheim, Reichsmarschälle, teilen ihren Besitz in eine Pappenhei­ mische Hälfte nördlich der Donau, und eine Biberbachische Hälfte südlich der Donau, jedoch ausgenommen die in Zwietracht stehenden Güter (on di guot, die in krieg stend) und ohne die Mannlehen und ohne das Marschallamt . . . „und soll yetweder haben leut und gut als di Thunawe und Werintze die gült und liute schaidet, one das kind von Trochtelfingen und one herrn Ulriches kind von Magerbain und one Conrat des Styrers sun und des Mün­ sterlins hinter und Hermann des Snitzzer, die sollen hören zu Biberbach“. ®) 7

U 22

1311 Febr. 22. Der Landrichter zu Nürnberg, Albert von Festenberg, teilt dem Johann König zu Beheim ze Polen und phleger des römischen riches dishalb des gebürges ze teuschen (!) lande und grave ze Lützelnbürg, mit, daß nach Aussage des Marschalls Hainrich von Bappenheim Ulrich, der alte Amman von Weißenburg in der Acht des Landgerichts sei und daß dies auch „war an dem ahtpuche gelesen und funden geschriben an dem nehsten donrstage nach sent Mathis tage. Daz sag ich uf minen ait und der Hainrich, der vorgenant marschalk, daz wol betzaüget het“. Der Marschall erhält vom Landgericht Urkunde über die Tatsache und verwendet sie, um eine Klage des Ulrich von Weißenburg bei Hofe unmöglich zu machen, so lange er nicht mit Urteil aus der Acht gekommen ist.67) 6) Die Urkunde ist bedeutsam, weil hier die Kinder eines ritterlichen Eigenmanns, des Münster aus Donaumünster, erwähnt sind, die sich nach Gewohnheit der Zeit „Münsterlin" nannten oder genannt wurden. Sie waren 1279 den Marschällen von Biberbach bei Augsburg zuge­ teilt worden. Nachdem der Nürnberger Chronist Meisterlin (Musterlin, Münsterlin, Munsterlin, Meysterlin) von Augsburg sagt, „die Stadt, die mich erzogen hat“, so kann man mit Wahrscheinlichkeit sagen, daß er ein Augsburger Kind war. Zu fast gleicher Zeit war ein Glied der Reichsmarschälle aus der Biberbacher Linie der Pappenheime als Domherr in Augsburg: Herr Matthäus von Papenheim, bekannt als „Chronist“ seiner Zeit. Leider sind seine als Manuskript in Regensburg vorhandenen und auch sonst zerstreut unter­ gebrachten Arbeiten nicht weiter bekannt: Gründungsgeschichten von Klöstern, Stadtge­ schichten von Nürnberg, München, Bamberg, Salzburg usw., Abschriften von Chroniken, Franken betreffend, u. a. 7) Nachdem es sich hier um die älteste bekannte Urkunde über das Vorhandensein eines Achtbuchs am Landgericht Nürnberg handelt, wurde die Urkunde hier erwähnt.

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WOHER STAMMT DER NÜRNBERGER ARZT MEYNGOZ (14. Jhdt.) ? Von Wilhelm Kraft Es ist anzunehmen, daß zu der Zeit, als der Stauferkaiser Friedrich II. in dem von ihm erlassenen Gesetz: „De medicis. Constituüiones Siculae, Buch III" die Rechte und die Pflichten der Mediziner und auch die Aufgaben der Apo­ theker festlegen ließ, in Nürnberg schon Ärzte und auch Apotheker Dienste leisteten. An einem Orte, der in der Stauferzeit immer wieder zu Hof- und Reichstagen bestimmt war, in dem Tausende und Abertausende vornehmer Herren und Adeligen zusammenströmten, konnte man ohne Arzt und Apo­ theker nicht auskommen. Nachweisen lassen sich freilich Mediziner erst im späten 13. Jahrhundert, wo ein Otto medicus 1286 auftaucht1) und wir einen magister Albertus physicus in einer Urkunde von 1286 genannt finden; ein Hartmann medicus erscheint schon 1255 2).* Seit dem 14. Jahrhundert aber treten beide Berufe, Arzt und Apotheker, in Nürnberg deutlich in Erscheinung. Der Rat der Stadt findet es für nötig, eine besondere Verordnung zu erlassen, und zwar für die Ärzte zwischen 1330 und 1340, wo es heißt: „Man hat auch gesetzet, daz alle ertzet, swie si genant sint, di ertzney hie pflegen wellen, suln alle sweren, als daz si alle siechen bewaren suln, so si peste mügen und können ane geverde" (usw.) und weiterhin auch für die Apotheker. Denn unter genannter Ordnung steht von anderer Hand die Anweisung für diese: „Ez sol igleich appotegker swem. Daz er armen und reichen on geverde mache mit vleizze und mit gantzen triven gentzlichen allez daz, das man in enphelh mit Worten oder geschriben gab." 8) In diese Zeit, die so fürsorglich der Gesundheit der Stadt sich annahm, paßt es recht gut, daß aus dem zweiten Teil des 14. Jh. sich der Rest eines Arzneibuches erhalten hat. Das Pergamentblatt liegt im Stadtarchiv zu Lauf, entstammt aber mit größter Wahrscheinlichkeit der Stadt Nürnberg, weil in dem Arithmetikbüchlein, dessen Einband unser Arzneibruchstück gebildet hatte, der Name Scheurl vorkommt4).* Als Ärzte finden sich in dem „Püchel von meim geslechet und von abentewr" (ca. 1385—1407), aufgeführt: „Maister Meyngos artz, maister Mathes artz, maister Friedreich artz, maister Peter, der kayserin artz, maister Hans, dez *) W. Schultheiß, Nbg. Rechstquellen. Achtbuch 1285—1337. Nr. 161. *) NUB, Nr. 739, magister Albertus physicus. — Nr. 358. Hartmannus medicus (1255). 8) Germ. Nat. Mus. Perg. — Hdschr. Nr. 6028 (14. Jh.). — Künftig Werner Schultheiß, Sat­ zungsbücher der Reichsstadt Nürnberg a. d. 14. Jh. Nbg. 1966, Sätze IV 80 u. 81. 4) Mein Freund, Herr Schuldirektor a. D. Rebmann in Lauf, hat das Stüde entdeckt und ich durfte es erstmals in der „Fundgrube“ 1935, April, veröffentlichen.

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kaysers artz ... , maister Pawlus artz dez Riters frewnt, starb wigilia Lawrentii (maister Pauls ein gut arezt starb anno 1400)" 5).* * Mit diesen Notizen des Ulman Stromer stimmen teilweise zusammen die Namen, die jene Stadtrechnungen (ab 1377) bieten, welche die von der Stadt besoldeten Ärzte aufführen: 1377 magister Petrus, medicus noster, später ein magister Karulus medicus, ferner Johannes, der stat artzt. Er bezog für 4 Quartale 40 fl. Er war wohl „des Kaisers Arzt", von dem Ulman Stromer berichtet. Ein Wundarzt taucht 1381 auf. Es könnte jener sein, der oben als „der Kayserin Arzt" bezeichnet ist. Seine Vierteljahrsbezüge waren 9 Gulden. Man beachte den Unterschied zwischen einem Physikus und einem Wundarzt8)! Am Anfang des 15. Jahrhunderts lassen ich 8 geschworene Stadtärzte nach" weisen. Es treten schon „Fachärzte" auf: ein Spezialarzt für Augenkrankheiten, einer für Erkrankungen am Stein, einer für Knochenbrüche; dann ein Chirurg, der die Wundpflege besorgte. Er war mit 12 Gulden bedeutend schlechter be­ soldet als die Physici, die 100 Gulden erhielten 8). Während es ab dem 15. Jh. möglich ist, die Herkunft mancher Mediziner zu ermitteln, fehlt es im 14. Jahrhundert noch an dieser Möglichkeit. Eine Ausnahme macht der bei Ulman Stromer aufgeführte „maister Meyngos artz". Ich konnte feststellen, daß in einer das Stadtarchiv in Eger be­ treffenden Veröffentlichung, gar manche unser Nürnberg betreffende An­ gaben vorhanden sind. So werden willkommene Familienfeststellungen und wirtschaftliche Hinweise über die Graner, Engelmar, Haller, Gross, v. Tanne, Behaim, Gruntherr, Ebner, Kudorfer, Stromayer usw. geboten. Hier aber, in Zusammenhang mit den Ärzten, interessiert folgende Notiz: 1352 Juli 9. „der ersam und wolgelert mann meister Meyngozz von ander-Wolczdorf, ze den ziten der stat ze Nürenberg arezt." Meingoz ist zugleich Hofarzt Kaiser Karls IV., der 1360 den Rat von Nürn­ berg beauftragt, für dessen Forderungen über 500 Goldgulden das Vermögen der Nürnberger Bürger Ulrich und Heinrich der Potensteiner zu beschlag­ nahmen 8a). Daß dieser Stadtarzt wohlhabend war, geht daraus hervor, daß er laut dem Eintrag im Egerer Stadtbuch vom 9. Juli 1352 8b) eine jährliche Leib­ rente von 40 Pfund, also 9600 Silberhaller jährlich bezieht. Meingoz ist auch so angesehen, daß er 1365 den Verkauf eines Landgutes an einen Nürnberger Bürger vermittelt8c). Zwischen 1365 und 1377 muß er gestorben ein, da er nicht mehr in der Stadtrechnung von 1377 erwähnt wird. Damit hat also das bei Wendelstein gelegene und einst zur Vogtei Wen­ delstein gehörige Dorf Worzeldorf den bescheidenen Ruhm, einen bekannten Nürnberger Arzt hervorgebracht zu haben. 5) Chroniken d. Frank. Städte. Nürnberg. 1. Bd., Leipzig 1862, S. 96. •) Festschr. d. St. Nbg., 65. Vers, deutscher Naturforscher. Nürnberg 1892, S. 73 — Kleine Chronik Nürnbergs (Gg. Andr. Will gewidmet ca. 1790), S. 11, S. 28. 8a) Böhmer-Huber, Reg. Imp. VII Nr. 3498 u. Hist. Nor. Dipl. II S. 398. Anm. d. Heraus­ gebers. 8l>) Franz Martin Mayer, Die Verordnungsbücher der Stadt Eger. Archiv f. Österreich. Ge­ schichte 60/1, 1880 S. 61. Anm. d. Herausgebers. #c) Nürnberger Urkundenbuch (Mskr. Stadtarchiv Nürnberg): 1365. Anm. d. Herausgebers.

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In den Urkunden taucht Worzeldorf m. W. zuerst im Reichssalbüchlein auf (um 1300), wo es heißt: „Ez gehört auch ze Nuremberg Wentelstein ... Daz hat der burgrafe Chunrat. Er hat auch inne Wotzelndorf und Herbrehtsdorf, deu gelten vierzig summer habem und aht swein . .. " 7) Später erscheinen die Namen: 1345 Woitzendorf, 1347 Wotzelndorf, 1351 Wozelndorf, im 15. Jh. Watzlendorff, Woczelndorff, Wauczeldorff, Wuczdorff (?), im 16. Jh. Wozeldorf, Wotzeldorff8). Eine Schwierigkeit freilich gibt die Angabe „ander Wolczdorf", dem lo­ gischerweise ein „das eine" oder das „richtige" oder das „große" oder sonst eine unterscheidende Bemerkung gegenüberstehen müßte. Es ist mir nicht gelungen, ein Kleinworzeldorf oder Altworzeldorf oder Oberworzeldorf oder sonst ein von dem „ander Wolczdorf" verschiedenes Worzeldorf zu finden. Vielleicht vermag eine Durchsicht der für das Kloster Pillenreuth einschlägigen Urkunden oder Salbücher hier Klarheit zu schaffen. Bekanntlich hat ja, wie aus der Urkunde von 1351 hervorgeht, Conrad Gross dem Kloster Pillenreut die zwei Orte Wozelndorf und Herbersdorf gegeben 9). Wenn auch die Nachricht über die Herkunft des Nürnberger Arztes Meyngozz nur eine bescheidene Kleinigkeit ist, die hier geboten wird, so wollte ich doch den Zufallsfund nicht wieder verlorengehen lassen. Vielleicht tut man gut, die Herkunft unseres Meyngozz von Worzeldorf in Beziehung zu setzen zu einem der in der Gegend ansässigen freien Bauerngeschlechter, wie man sie in der Urkunde Ludwigs des Bayern von 1339, ge­ legentlich einer Kundschaft über das Gericht zu Leinburg, in reicher Fülle kennen lernt. Daß Worzeldorf als Ausgangspunkt eines Arztes im Hochmittelalter nicht allein steht, beweist eine Urkunde des Reichsmarschalls H. v. Pappenheim, dessen Arzt er wird als Zeuge in einer Urkunde des Marschalls von 1251 10) genannt — als „Dietrich medicus de Rokkingen" erscheint. Röckingen ist ein Bauerndorf am Hahnenkamm. 7) NUB, S. 636, Nr. 1073, 16. — Südd. Apothekerzeitung 1940, Nr. 48. — Vgl. Stadt­ rechnung v. 1377 (Or. Staatsarchiv Nbg. Rep. 54) Bl. 167—164. — H. Niese, Zur Gesch. des geistigen Lebens am Hofe K. Friedrichs II. (Hist. Zeitschr. 1912). — Paul Sander, Reichsstädtische Haushaltung Nürnbergs. 1902, S. 225. 8) NUB, Nr. 1073. Nürnberger Reichssalbüchlein (um 1300), S. 636. — Wölckern, Hist. Nor. Dipl., Nürnberg 1738, S. 27. — Würfel Andr., Hist. Nachr., S. 312 (1347), S. 448 (1347), S. 450 (1351). — Nöttelein B., - Schnelbögl - Hofmann, Gelegenheit der Land­ schaft (1952), Nr. 1105. — Sammelbl. d. h. V. Eichstätt, 38. Jg., 1924. — Nicht einschlägig ist Wolkoltsdorf (1318) bei Schwabach. Germ. Nat. Mus. Hdschr. 28 888, S. 5; auch nicht Kleinwolfersdorf. ®) „Anno 1351. Herr Conrad Gross verkauft Herrn Arnold von Seckendorf zu Zenn das Dorf Wendelstein, Neuenreut, Dürrenhembach, Rebersriet samt allen Rechten und Nutzen, so zu den gemeldten Dörfern gehören, wie er solche vom Reich pfandweise innen gehabt, um 472 lb. Haller und 60 Schilling der kurzen, so in das Amt Wendelstein gehören, von welchen er die zwei Dörfer Herbersdorf und Wozelndorf, die er in das Kloster Pillenreuth gegeben, sowohl als auch das Erb an dem halben Amtshof und die besonderen Güter, so er daselb von Häusern, Hofstätten und Gärten, die er gekauft hat, für sich und seine Erben zuvorbehalten und ausgenommen hat.“ Würfel Andreas, Hist. ... Nachrichten ... zur Stadt- und Adelsgeschichte. Nbg. 1766. VI. Stück. S. 450. ltt) Urk. d. Ötting. Archive. Augsburg 1959. (1251) Nr. 22.

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ZWISCHEN MACHT UND RECHT Der Esckemuer Straßendistrikt im Streit zwischen Preußen, Kurpfalzbayern und der Reichsstadt Nürnberg (1805/06) Von Hanns Hubert Hofmann Der „kgl. preußische Straßendistrikt von Eschenau nach Pegnitz hat bislang in der fränkischen Landesgeschichte wie in der Historie der napoleonischen Zeit noch kaum Beachtung gefunden. In meinem Heft II, 2 des Historischen Atlas von Bayern, Teil Franken *), wies ich 1955 auf die von Preußen und Bayern sich wechselseitig zugestandene Militärstraße, die Neu­ tralisierung ihres „Durchschnitts" (Kreuzungspunkts) und die Bedeutung dieser „Schrittsteine" für die preußische Staatsbildung in Franken hin. Den Distrikt selbst behandelte flüchtig I. Bog im gleichen Jahr in seinem Heft „Forchheim" (I, 5) dieses Unternehmens. Das Unrecht, das dabei der Reichsstadt Nürnberg zugefügt wurde, und die daraufhin von ihr eingeleiteten diplomatischen Maßnahmen hat G. Schrötter in seiner sorglichen Studie „Die letzten Tage der Reichsstadt Nürnberg und ihr Übergang an Bayern" 2) summarisch dargestellt. Die aus diesem An­ laß erschienenen Flugschriften finden sich in den einschlägigen Sammlungen, das Aktenmaterial des reichsstädtischen Territorialamts in den Nürnberger Differenzialakten 501 des Staatsarchivs Nürnberg. Das Ausmaß der bayeri­ schen Sequestrationen von 1792 in diesem Raum und deren Einzelheiten kennt man jedoch bislang nur unzureichend3). Auch die Geschichte der „Churpfalz-baierischen Communicationsstraßeu von Forchheim nach Schnaittach blieb völlig unbekannt. F. Tarrasch 4) er­ wähnte nach den Akten des Geheimen preußischen Staatsarchivs in Berlin und des Staatskanzlers v. Hardenberg Denkwürdigkeiten 5) immer nur die „Eschenauer Straße**, meinte damit jedoch die durch diesen Markt führende OstW es t-Verbindung. Die einst in Berlin lagernden Akten des kgl. preußischen Provinzialmini­ steriums für Franken sind heute in Merseburg nur noch schwer zugänglich und enthielten zudem sehr wenige Detailvorgänge. Das im Geheimen Staats­ archiv München verwahrte Aktengut der Hoheitssektion des Ministeriums des Grafen Montgelas ist für diese Frage ebenso unzureichend wie die im Staats1

*) Künftig: Atlas Franken. 2) MVGN 17 (1906), 33 ff. 8) Vgl. Atlas Franken II/2 Regest 10 und Atlas Franken I, 4 (H. H. Hofmann, NürnbergFürth, 1954), 195 ff. 4) Der Übergang des Fürstentums Ansbach an Bayern, Hist. Bibliothek 32 (1912), 38 ff. 5) Denkwürdigkeiten des Staatskanzlers Fürsten v. Hardenberg, hrsg. von L. v. Ranke, 2 Bde (1877).

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archiv Nürnberg verbliebenen Bestände der „kgl. Vollziehungskommission des preußisch-pfalzbaierischen Staatsvergleichs“ [oder: „Hauptvertrags“] seit 1802. Aufschlußreich ist hieraus allein das von der Kammer der Finanzen Mittel­ franken 1937 abgegebene Aktenfaszikel Nr. 118 *), das vornehmlich Exzerpte und Abschriften aus den Verhandlungsvorgängen des Herbstes 1802 und Frühsommers 1803 enthält und zu den Generalia der zuletzt von dem Ge­ heimen Kriegs- und Domänenrat Culemann in Erlangen geleiteten Vollzugs­ kommission gehörte. Aus den im Staatsarchiv Bamberg verwahrten Bestän­ den dieser Abwicklungsbehörde erhielt ich durch die freundwillige Hilfe des Herrn Oberarchivrats W. Wunschel vier Faszikel, von denen einer gleich­ falls zu diesen Generalia gehört*7), drei8) aber die Handakten des mit diesem Geschäft als Spezialkommissär betrauten Kriegs- und Domänenrats Lang 9) waren. Sie erlauben nunmehr ein etwas deutlicheres Bild dieser kleinen und kleinlichen Vorgänge vor dem Hintergrund der revolutionären Umgestaltung Europens. Diese vor und mit dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches deut­ scher Nation sich vollziehende große Flurbereinigung der bunt gefügten und doch in der Ausgewogenheit der Kräfte lebensvollen und lebenswilligen Terri­ torienwelt Frankens 10), in der die nackte Machtpolitik ehrwürdige Gerecht­ same einfach beiseiteschob und liebgewordene Bindungen zerriß, um neue staatliche und gesellschaftliche Formen aus ihnen erstehen zu lassen, ist ge­ rade in unseren Tagen noch immer von bestürzender Aktualität. In der histo­ rischen Rückschau gebraucht man dafür dann so summarische Formeln wie „Besitzergreifung“ oder „Übergabe“, „langwierige Verhandlungen“ oder „un~ gehörte Protestationen“, den Miterlebenden und -erleidenden aber hat dies alles mühevolle Kleinarbeit, helle Schaffensfreude oder herbe Enttäuschung und nicht selten bittere Gewissensnot bedeutet. •) Künftig zitiert: A. 7) KDK Vollzugskommission für den Hauptlandesvergleich, vorl. Ordnungsnr. 12 442: Die vermeintlichen Protestationen des Magistrats zu Nürnberg über die von seiten ChurPfalzbaierns an diesseits abgetretene Eschenauer Straßendistrikts-Orte betr., 1804 — Künftig: B. 8) Ebda, vorl. Ordnungsnr. 286: Die Besitzergreifung des Straßendistrikts zwischen Eschenau und Pegnitz 1804/05. — Künftig: C. Ebda, vorl. Ordnungsnr. 2293: Die dem Justizamt Erlangen übertragene Justiz-Administration über einige Orte des Straßendistrikts zw. Eschenau und Pegnitz ..., 1804/05. — Künftig: D. Ebda, vorl. Ordnungsnr. 5072: Die Bestimmung des Straßendurchschnitts bei Eschenau und der von Schnaittach nach Vorchheim zu leitenden Churpfalz-baierischen Straße, 1804/06. — Künftig: E. •) Über diesen vgl. statt aller älteren Literatur nunmehr meine Studie in: 81. Jb. des HVMfr 1965.

l0) Für die Gesamtsituation sei auf meine „Studien über Staat und Gesellschaft in Franken und Bayern im 18. und 19. Jahrhundert: Adelige Herrschaft und souveräner Staat (Stu­ dien zur bayer. Verfassungs- und Sozialgeschichte II, 1962) verwiesen, für Einzelvorgänge auf das obengenannte Atlasheft II, 2 „Franken seit dem Ende des Alten Reiches“, für die preußische Ära in Franken auf die Aufsätze im 79. Jb. HVMfr 1960/61 und Hist. Raumforschung 4 (Forschungs- und Sitzungsberichte der Akademie für Raumforschung und Landesplanung XXI, 1963).

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Dies in den wechselnden Phasen des Ablaufs von nur zwei Jahren an dem Beispiel dieser beiden Straßen11) im Detail zu zeigen, mag deshalb in dem Jahre besonders berechtigt sein, in dem die Konferenz von Potsdam sich zum 20. Male jährt. Die würdevolle Verwahrung der ohnmächtigen Reichsstadt Nürnberg gegen die „durch Übermacht unternommene Okkupationskandlungen . . . bis zu jenem Zeitpunkte . . ., wo der Erfolg selbst die gesetzliche feste Erwartung rechtfertigen wird, daß Eigenthum und Rechte . .. eine Zeit­ lang zwar dem überwältigenden Drucke der höheren Gewalt weichen, dennoch aber dadurch, ohne gänzliche Vernichtung der Reichsverfassung und der hei­ ligsten Reichsgrundgesetze niemal akquirirt, niemal vernichtet werden kön­ nen“ 12), gilt auch im Völkerrecht selbst für die Besiegten noch immer. Vielleicht ist darum auch zu hoffen, daß für unser Volk einmal der Schluß jener zur gleichen Zeit erschienenen Nürnberger patriotischen Flugschriftia) sich bewahrheitet: „Aber Freund! zu unserem Entsezungs-Fest lade ich Sie ein, und dann werde ich Ihnen Gelegenheit verschaffen, die Nürnberger ken­ nen zu lernen, die Muth genug hatten, so lange Leiden zu ertragen, und Sie werden mir eingestehen, daß sie verdienen freye Reichsbürger zu seyn und zu bleiben. — Leben Sie wohl und bleiben mir gewogen!“ In diesem Sinne widme ich die nachfolgende kleine Studie Fritz Schnelbögl zum 60. Geburtstag am 26. Januar 1965.

Am 6. September 1803 14) berichtete das kgl. preußische Kammeramt Erlan­ gen zu Frauenaurach der Vorgesetzten Kriegs- und Domänenkammer in Bay­ reuth, Kurpfalzbayem bereite den Bau einer Militärstraße vom Bambergischen in die Oberpfalz vor. Kurfürstliche Kommissionen bereisten bereits die Dör­ fer, um die Trasse festzulegen, die vermutlich von Forchheim über Poxdorf — Effeltrich — Neunkirchen am Brand — Kleinsendelbach — Steinbach — Frohnhof — Forth — Mausgesees — Herpersdorf nach Neunkirchen am Sand und von da über Reichenschwand nach Hersbruck führen werde. Der I. Bayreuther Kammersenat gab im Einvernehmen mit dem II. schon am 14. diese Meldung an die Ansbacher Schwesterbehörde weiter mit dem Bedenken, eine solche wo­ möglich dann als Handelsstraße genutzte Verbindung werde nicht nur die Zolleinnahmen des [kgl. preußischen] Erlanger Kreises empfindlich schmälern, sondern generell als Route von Regensburg oder Prag nach Bamberg [mit sei­ nem Mainhafen] der „Frankenstraße“ zum Nachteil gereichen. Die so ange­ sprochene alte „Haupt- und Commerzialstraße“ von Nürnberg nach Würzu) An Karten können hierfür neben den einschlägigen Kartenwerken herangezogen werden: die Blätter 1 : 50 000 der Karten 1 des Atlas Franken 4 (1954) und 5 (1955); die Karten 1:250 000: Franken am Ende des Alten Reiches (Atlas Franken Il/la, 1954) und „Franken am 1. Januar 1806“ (Atlas Franken II/2 Karte 1, 1956) sowie die Inselkarte 1 :160 000 in dem Anm. 9 genannten Heft Hist. Raumforschung 4. — Für Forth vgl. den von F. Schnelbögl in: M. H. Altnürnberger Landschaft 3 (1958) 58 veröffentlichten Orts­ plan. 12) Publikandum vom 13. 2. 1804: siehe Abb. 5. 18) Schreiben ... an seinen Freund in F[ürth]: siehe Abb. 6. t4) Nürnberg StA, KdF 1900 Nr. 3375.

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bürg und Frankfurt am Main führte nämlich zunächst durch das kgl. preu­ ßische Staatsgebiet mit seinen Zoll- und Geleitsrechten nach Kitzingen oder dem ansbachischen Konkurrenzhafen Marktsteft. Am 26. April beruhigte die Ansbacher Kammer 15) die nicht so gut unter­ richteten Bayreuther Kollegen, für die Verhandlungen über den Hauptlandes­ vergleich mit dem Kurstaat solle „das Nötige vorgemerkt werden“, zumal hier auch eine Spezialhandelsvertrag vorgesehen sei. Die Stadt Nürnberg werde aber auch dadurch kaum benachteiligt, da sie „als Speditions- und Handels­ platz zu viel und anerkannte Vorzüge“ besäße, als daß ihre älteren Handels­ verbindungen auf einmal wesentlich gestört werden könnten. Zwei Monate später wurde dieser „Haupt-Landes-[Purifications-]Vergleich“ 1%) zwischen der Krone Preußen und Kurpfalzbayern veröffentlicht, der an diesem Tag unterzeichnet, offiziell jedoch auf den 22. November des Vor­ jahres rückdatiert war17). Vom gleichen Tage war auch das bayerische Besitz­ nahmepatent für die durch den künftigen Reicbsdeputationshauptschluß in Franken zugewiesenen Entschädigungslande datiert gewesen, das den Kurstaat hier neben Preußen zur Führungsmacht im Fränkischen Kreis hatte werden lassen. Beide Partner hatten sich deshalb zu arrangieren gesucht und Bayern dabei das größere Opfer bringen müssen. Denn mit der Übernahme der seit 1769 vereinigten Markgraftümer Ans­ bach und Bayreuth war Preußen 1791 nicht nur eine entscheidende Position mitten im eigentlichen Reich der vorderen Kreise und ihrer Assoziationen 18) zugefallen, sondern nicht minder auch eine den Pässen des Thüringer Walds vorgelagerte Ausfallstellung gegen das böhmische Massiv und gegen die Donauhauptschlagader des österreichischen Rivalen. Fünf Jahre darauf hatte es nach, dem Ausscheiden aus der Koalition der alten Mächte gegen das Frank­ reich der Revolution im Baseler Sonderfrieden schlagartig mit militärischem Ein­ satz und unter Mißachtung allen hergebrachten Reichsterritorialstaatsrechts territorii non clausi fränkischer Observanz in Franken jene „Revindikationen“ angeblich verkümmerter Gerechtsame durchgeführt, die Friedrich Engels ein­ mal mit Recht als ein Schulbeispiel für „die Rolle der Gewalt in der Ge­ schichte" bezeichnet und den Reunions des Sonnenkönigs gleichgesetzt hat19). Die mühsam konstruierte juristische Begründung wurde dabei weniger aus der unhaltbaren Gleichsetzung von Landeshoheit und Blutbann als schlichtweg aus den höchst unbestimmbaren Begriffen „fürstlicher Hoheit“ und „Obrigkeit“ des 14. bis 16. Jahrhunderts abgeleitet, wobei man nur allzu gerne geneigt war, in jedem Falle die günstigste Interpretation anzuwenden. Während Hardenberg alle früheren Staatsverträge bestritt und den ohnmäch15) 16) 17) 18)

Referent war der Kriegs- und Domänenrat v. Bernuth (I. Senat). Künftig: HLV. Atlas Franken II/2, Regest 10. Vgl. hierzu H. H. Hoftaann, Reichskreis und Kreisaissoziation, in: ZbLG 25, 2 (1962), 377 ff.

1#) K. Marx/Fr. Engels, Werke Band 20, Sonderausgabe [Ost]Berlin (1964), 88.

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• -Vm*/

Abb. 1 Die bei den Mündiner Verhandlungen im November 1802 zugrunde gelegte Skizze der Territorialverhältnisse (StA Nürnberg, KdF 1937 Nr. 118)

Abb. 2 Situationsskizze, vorgelegt von der bayerischen Vollzugskommission in der Konferenz vom 13. August 1804. Als Federzeichnung dem kgl. Spezialkommissär übergeben. Die Trasse westlich des mit einem Ring umrissenen Durchschnittspunkts der beiden Straßen bis zur Brandermühle ist nur mit Bleistift eingetragen. (StA Bamberg, KDK Vollzugskommission, vorl. Nr. 5072 f. 6)

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Abb. 3 Situationsplan, aufgemessen durch den kgl. preuß. Ing. Hauptmann J. L. Vetter. 6. Juli 1804. Die vom Straß endurchschnitt bei der Eckenbachbrücke auf gemessene Trasse bis zur Brücke über die Schwabach westlich der Brandermühle ist mit Alleebäumen gekennzeichnet, die Anfang Oktober 1805 dann provisorisch zugestandene Wegverbindung von Forth bis zur Schwabachbrücke durch Kreuze markiert. (StA Bamberg, KDK Vollzugskommission, vorl. Nr. 5072)

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Abb. 6 Titelblätter der beiden offiziösen Nürnberger Streitschriften zur Frage des Straßendistrikts. (StA Bamberg, KDK Woltzugskowmission, vorl. Nr. 12 442 S. 19 und 41)

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wesentlich veränderte Auflage, ein offensichtlicher Beweis, welch großen Ab­ satz diese offiziöse Schrift gefunden hatte8S). Ihr Schluß freilich von einer kaum mehr verhüllten Resignation: „Die Sacke Nürnberg spricht laut für sich selbst; und die Stimme des Rechts und der Wahrheit ist immer gewies, Gehör zu finden. Könnte diese Stimme ungehört verhallen, — wozu nützte dann iede andere Betrachtung.“ Auch die Anfang März — vermutlich wieder aus der glei­ chen fleißigen Feder — veröffentlichte weitere FlugschriftM) im Umfang eines Quartbogens war sichtlich davon getragen. In der damals so beliebten Brief­ form ließ sie einen „Nürnbergischen Patrioten ' seine politische Meinung einem „Freund in F. . . .“ [Fürth] mitteilen und gab sie damit einer breiten Öffent­ lichkeit kund. Den harten Tatsachen konnte sie freilich nur wohlformulierte Durchhalteparolen im Vertrauen auf das Recht und das dieses schirmende Reich gegenüberstellen. Der preußische Kreisdirektorialgesandte Haenlein ließ all diese in Berlin schlicht als „Pamphlete“ bezeichneten „Piecen“ weisungsgemäß sogleich zu Lasten der die Vollzugskommission finanzierenden Kasse der ProvinzialDouaine kaufen und nach Ansbach senden, wo sie im Rotulus actorum den Räten dieser Abwicklungsbehörde vorgelegt wurden 85). Das reichsstädtische Publikandum wurde in den einzelnen Orten von den preußischen Behörden mit etlicher Verspätung abgenommen66). Die Schultheißen der betreffenden Dörfer wies man deshalb an, künftig bei Vermeidung von Geld- und Haft­ strafen dergleichen Mandate sofort abzureißen. Die auf ihrem Weg aufgegriffenen und der Rendantrur Brand vorgeführten nümbergischen Boten be­ lehrte der Kommissär Schmidt nachdrücklich und gegen unterschriftliche An­ erkennung, daß sie als Aufwiegler auf das Strengste bestraft würden, sollten sie sich nochmals „zu dergleichen Geschäften gebrauchen lassen“ 67). Während Berlin in Regensburg in der zweiten Märzhälfte eine höchst all­ gemeine „Erklärung nebst beigefügter Denkschrift“ vorlegen ließ, „die Er­ ledigung der mannigfaltigen Schwierigkeiten und Irrungen, die sich bei Aus­ führung des letzten Deputations- und Reichsschlusses [vom 25. Februar 1803] ergeben, betr“ 68) und so die Reichsversammlung einfach hinhielt, war es doch inzwischen mit Bayern zu einer ernsthaften Verstimmung gekommen. Den pikanten Hintergrund bildete zunächst das Anfang Januar in Nürnberg sich verbreitende und auch in die Bamberger Zeitung gelangte Gerücht, Preußen habe einseitige Vergleichsverhandlungen mit der Reichsstadt aufgenommen. Haenlein mußte dies bei seinem Kollegen Freiherm v. Oberkamp sofort de6S) B fol. 35. 64) B fol. 40/41, vgl. Abb. 6 und! das in der Einleitung daraus gebrachte Zitat. DeT Stil spricht auch hier für die gleiche Autorschaft. 65) Sämtlich in B: Berichte Haenleins vom 28. 2. 1804 (fol. 10), 21. 3. 804 (fol. 34) und 6. 4. 804 (fol. 39). — Kgl. Reskript wegen Ankauf vom 7. 3. 1804 (fol. 2, 32 u. a.). 86) B fol. 25 (Meldung JA Schnabelwaid vom 22. 2.), 28 (Meldung Rendantur Brand vom 21. 2.).

®7) Anweisung Vollzugskommission (Lang) vom 27. 3. (fol. 31), Vollzugsmeldung Rendantur Brand vom 27. 4. (fol. 37 ff.). 6d) Sdirötter, 40. 3

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mentieren M), ein Stachel aber blieb. Denn Berlin suchte sich nun moralisch zu salvieren, als der Rat so energische Vorstellungen wegen der Besitzergreifung des Straßendistrikts vor Kaiser und Reich erhoben hatte und — was weitaus ernster zu nehmen war — in Nürnberg seit Ende Dezember schon der diplo­ matisch höchst versierte kaiserliche außerordentliche Minister Freiherr v. Hü­ gel als Gesandter beim fränkischen Kreis erwartet wurde 70). Ihm war zuzu­ trauen, daß er das Finassieren der Kreisdirektoren kaum widerspruchslos hin­ nehmen würde. In Nürnberg sprach man unterdessen sogar offen davon, die Reichsstadt werde sich dem Kaiser und seinem Hause unterwerfen, also öster­ reichisch werden, und dabei „Urkunden mit cediren, die gegründete Ansprüche auf schon pfalzbaierisdie und brandenburgische Besitzungen zu ihrer Wieder­ erhaltung an handen geben sollten“ 71). Wenn man angesichts der französi­ schen zuwartenden Haltung auch kein solch direktes österreichisches Ein­ greifen befürchten mußte, so konnten weitere Dokumentationen doch in ihrer Wirkung auf die öffentliche Meinung gefährlich werden. Schon auf die erste nümbergische Note an die beiden Höfe vom Dezember hatte Hardenberg deshalb München am 14. Januar um eine Stellungnahme gebeten72). Am 9. Februar hielt Montgelas ihm daraufhin unverblümt vor, es werde „insbesondere aus der Sitzung vom 13ten November 1802 noch ge­ fällig erinnerlich seyn, daß von Seite des Königl. Herrn Bevollmächtigten unter andern auch die diesseitige Abtretung jener Territorial-Punkte sehr dringend verlangt worden war“. Nach der damals vorgelegten, von dem „kgl. preußi­ schen Ingenieurs-Lieutenant“ Stierlein angefertigten Karte seien diese als „Theils unstreitig oberpfälzische und bambergische, Theils von diesseits schon länger sequestrierte Nümbergische Orte geachtet und angenommen“ worden. Preußen habe zudem in der gleichen Sitzung die bayerische Verzichtleistung auf alle Ansprüche hinsichtlich der nümbergischen Pflegämter Hiltpoltstein, Gräfenberg und Betzenstein und deren förmliche Überweisung an das könig­ liche Haus gefordert. Auf dieser Grundlage seien die einschlägigen Passagen beider Verträge entstanden. Mit unverkennbarer Süffisanz folgerte Montgelas: „Aws dem Zusammen­ hänge so wohl der Verhandlungen als den deutlichen Bestimmungen des oben angeführten Vertrages selbst werden des Köngl. Preuß. Herrn geheimen Staats- und Cabinets-Ministers Freyherrn von Hardenberg Exzellenz sich ge­ fällig überzeugen, daß nach der gegenwärtigen Lage der Dinge die Nürnbergische Reclamationen noch mehr das Königl. als das Churfürstl. Interesse be­ treffen.“ Bayern habe „zu den beziehen jenseitigen Absichten“ die Orte so abgetreten, „wie [es] solche schon besessen hatte, Theils mit wirklichen un­ bestrittenen Rechten, Theils mit allen Ansprüchen, die [ihm] darauf zustehen“. Protestationen gegen die Letzteren waren deshalb vorherzusehen. 6B) Ebda, 33 ff. 70) Ebda, 37. 71) Bericht der Kreisdirektorialgesandten Haenlein und Oberkamp an ihre Höfe: Schroffer, 38, nach den Kreisakten im StA Nürnberg (S. XI No. 196). 72) B fol. 2, auch für das Folgende.

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Gerade deshalb sei aber doch der Artikel XXVIII paraphiert worden. Nach Auffassung der kurfürstlichen Regierung bestehe der beste Weg, die Wider­ sprüche des Nürnberger Magistrats zu beseitigen „und die fremden Einflüsse auf einige Mitglieder desselben zu vereiteln“, nun eben darin — und das war eine deutliche Invektive gegen die preußischen Alleinverhandlungen mit Nürn­ berg —, die in Paris schon angeknüpften Verhandlungen über eine Erweiterung des Reichsdeputationshauptschlusses mit dem Ziel der Aufteilung des reichs­ städtischen Territoriums78) zu betreiben. „Ob man inzwischen Königl. Seits mit Beziehung auf die cedirten diesseitigen Rechte und Ansprüche, die keinem Zweifel unterworfen und dem Magistrat der Stadt Nürnberg hinreichend be­ kannt sind, sich in dem Besitze der abgetretenen streitigen Orte behaupten wolle, muß Unterzeichneter dem einsichtsvollen jenseitigen Ermessen lediglich überlassen“ Man wolle deshalb jedoch — so schloß Montgelas höflich — eine Antwort an den Rat bis auf eine preußische Antwort zurückstellen. Die Reichsstadt freilich konnte so lange auf irgend eine Antwort warten. Bayern fühlte vielmehr erneut in Paris vor, ob es nicht Nürnberg oder Augs­ burg als Äquivalent für das entgangene Eichstätt bekommen könnte, und glaubte sich trotz der deutlichen Zurückhaltung Napoleons so sicher, daß es im Juni sogar in die Würzburger Zeitung ein förmliches Verbot einrücken ließ, „keine Nürnbergischen Realitäten in den jenseitigen Bezirken verkaufen zu lassen“. Die Reichsstadt erwiderte mit heftigen Gegenpublikationen, die einen Notenwechsel mit München auslösten, bis die Sache wie gewöhnlich im Sande verlief74). Hardenberg aber hatte auf das Schreiben Montgelas' höchst allergisch reagiert. Schon am 24. Februar75) wies er „auf königlichen Specialbefehl den Kriegs- und Domänenrat Lang an, sowohl nach den Akten der Vollzugskom­ mission über den Gang der damaligen Verhandlungen und das dabei zugrunde gelegte Kartenmaterial als durch gründliche Recherchen über die Rechtslage im Straßendistrikt baldmöglichst Gutachten zu erstatten. Zur ersteren Frage legte er freilich die Tendenz gleich fest, indem er erklärte, er wie Nagler seien sich gewiß, daß sie am 20. November 1802 nicht Stierleins Karte, sondern einen von dem Bauininspektor Vogel gezeichneten Riß vorgelegt hatten, „auf dem gar kein fremdes Gebiet besonders marquirt“ gewesen sei. Ihr Partner habe dann vielmehr an Hand einer anderen Karte die Versicherung gegeben, die fraglichen, von Nürnberg angesprochenen Orte seien entweder unstreitig pfäl­ zisch oder vermöge kurfürstlichen Territorialanspruchs sequestriert [was durch den bayerischen Gewaltakt von 1792 ja auch durchaus den faktischen, nicht aber den von Nürnberg beanstandeten rechtmäßigen Verhältnissen entsprach]. Herr von Gropper habe vor allem angesichts eines nun von dem Geheimen Oberfinanzrat von Schuckmann entworfenen Handrisses auf den Einwand, Betzensteiner Hüll und Weidensees seien doch nümbergisch, diese Erklärung ausdrücklich wiederholt. “

78) Die Formulierung des § 27 RDH bot hierzu ja noch immer den Ansatz, sie schloß nur eine Mediatisierung der Stadt selbst aus. 74) Schroffer, 46. 75) B fol. 1. 3

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Diese „sub remissione44 der Ordre beigefügte, jedoch nicht mehr im Akt (B) befindliche Skizze Schuckmanns ist jedoch nicht identisch mit der dem Generalakt der Vollzugskommission (A) angelegten 76). Dieser mit Feder gezeichnete und zum Teil mit Farbstift nach den eingetragenen Farbangaben kolorierte flüchtige Riß bezeichnet nämlich eindeutig Weidensees und Hüll mit „blau“, also als bayerisch. Er dürfte deshalb die Abzeichnung jener Karte sein, die der bayerische Ingenieurleutnant Eisenmann gefertigt77) und die Gropper am 20. November vorgelegt hatte. Auf sie wies nämlich Lang in seinem Se­ paratgutachten für Hardenberg vom 8. März 1804 78 ausdrücklich hin, während das von ihm nochmals überprüfte Blatt Stierleins „nickt einmal alle Orte ent­ halten4 hätte. Im Übrigen seien die preußischen Bevollmächtigten — diesem Bericht zufolge — erst in München selbst auf die durch die bayerischen Se­ questrationen geschaffene Situation hingewiesen und durch mehrere zugunsten Bayerns sprechende Karten und Pläne einseitig belehrt worden. Auch bei der Anfertigung des die Verhandlungen zum HLV vorbereiten­ den Grenzkonzertationsprotokolls am 17. September 1802 habe Landes­ direktionsrat v. Gropper ihm schon wörtlich erklärt, „Churpfalzbayern habe das [nürnbergische] Amt Weiden sequestrirt, sei also in die Rechte der Reichs­ stadt Nürnberg eingetreten4. Ebenso habe er [Lang] ihm damals vorgehalten, daß Weidensees doch „im Gebiete des Nürnbergisdten Pfleg-Amts Betzenstein liege und also in gegenwärtige Grenzberiditigung nidit einbezogen werden könne44, worauf dieser sofort die Eisenmann’sche Karte präsentierte, „auf der Weidensees bestimmt als Ober-Pfälzisch bezeichnet war (was sich denn auch in der Folge als riditig bestätigt hat)44. Gropper habe ferner laut Protokoll vom 11. November 1802 ausdrücklich erklärt, „daß man sich Pfälzischer Seits für dit Richtigkeit [dieser] Charte verbürge44. Bei der Besitzergreifung von Hüll sei dagegen ein Irrtum unterlaufen, da sich Gropper hier nach eigenem Eingeständnis von einer Fehlangabe des Land­ gerichts Auerbach habe täuschen lassen. Hier hatte Bayern nämlich die Landes­ hoheit im Jahre 1792 noch nicht sequestriert. „Inzwischen war kein Zweifel, daß man pfälzischer Seits Hüll so gut wie andere Nürnberger Orte hätte sequestriren können, und noch befugt sey, solches zu thun, und diese Kurfürstl. Seits erfolgte Ceßion von Betzensteiner Hüll sey für eine Sequestratio ipso facto zu halten.44 Darauf hatte der Spezialkommissär Lang übrigens in seinem Spezialbericht über die Besitzergreifung vom 4. Februar 1804 79) hingewiesen. 76) C. Siehe Abb. l. 77) Auf welcher Grundlage diese Karte beruht, ist nidit festzustellen. Güssefelds älteres, 1803 dann neu aufgelegtes Blatt des Fränkischen Kreises kommt ebenso wenig in Frage wie die einschlägigen Nürnberger Karten vor 1802. Mit der von dem Spezialkommissär Lang im Januar 1804 dann verwendeten (vgl. B fol. 8) Bamberger Hochstiftskarte von ). B. Roppelt, die 1801 in Nürnberg erschienen war (Historisch-Topographische Beschreibung des kaiserlichen Hochstifts und Fürstentums Bamberg), besteht wohl eine gewisse Über­ einstimmung der Technik — wie dann auch mit den verschiedenen Karten des Kreismajors Hammer seit 1804 —, jedoch keine gemeinsame Auffassung der Hoheitsgrenzen. (Vgl. Nürnberg StA, Nürnberger Karten und Pläne 270, 271, 278.) 78) B fol. 4. 79) Vgl. oben Anm. 41.

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Er konnte nunmehr „auch nickt rathen“, den Ort „wieder fahren zu lassen“, da man sämtliche Orte entlang der Straße zu deren Konkurrenz (Unterhalt) dringend benötige. Nachdem solch schöne Offenheit den mit Gewalt erreichten Zweck vor das unbestreitbare Recht gestellt hatte, gab Lang nochmals die Liste der 1792 von Bayern sequestrierten 39 Orte, in denen nach seiner Meinung teilweise auch nur Gefälle von einzelnen in Nürnberger Besitz befindlichen Flurgrund­ stücken oder Lehen in Beschlag genommen waren, und erstattete unter dem gleichen Datum ein ausführliches historisches Gutachten zur Rechtslage80. Zunächst wertete er darin die bayerischen Ansprüche gegen die Reichsstadt seit 1504 gründlich aus, ging dann nochmals — selbstverständlich zustimmend — auf das kurfürstliche Vorgehen im Jahre 1792 ein und setzte sich schließlich mit der Nürnberger Deduktion gegen den HLV81) auseinander. Indem er die wiederholt schon vor der Sequestration erhobenen nümbergischen Beschwerden gegen bayerische Pressionen82) als Beweis lange schon geltend gemachter pfäl­ zischer Hoheitsansprüche wertete, konnte er die Hinnahme des Gewaltakts von 1792 nur noch als deren Bestätigung ansehen. Ohne weiter nun auf diese einseitig geschaffene Rechtslage einzugehen — gegen die doch damals der Rat sehr energische Vorstellungen vor Kaiser und Reich erhob83), freilich aber angesichts des ausgebrochenen Krieges keine Hilfe erfahren hatte —, griff er nun in Übereinstimmung mit seiner schon im Ab­ schluß der Besitzergreifung besagten Tendenz 84) den Nürnberger Rat heftig an, der sich gegen die „auf eine noch nie erhörte Art“ erfolgte bayerische Abtretung an Preußen verwahrt hatte. „Eine eigene und unerhörte Art ist es vielmehr, wenn ein Teil dem andern verwehren will, seine Ansprüche, die Rechte, die er in einer Reihe Jahre vollkommen ausgeübt, einem Dritten in demselben Maße zu überlassen. Es handelt sich hier nur um Fortsetzung der von Chur-Pfalz schon handgehabten Hoheitsrechte“. Ob diese nun mit den Ansprüchen einfach gleichgestellten Rechte der Kurfürst auch rechtens be­ sessen, ging Preußen also nichts an. Unter diesen Voraussetzungen machte es sich Lang dann allerdings leicht, den Nürnberger Vorwurf zurückzuweisen, das Eigentum der Stadt sei empfind­ lich benachteiligt worden. Als solches sah er nämlich allein den einen in Schossaritz sequestrierten Gräfenberger Amtsuntertanen an und folgerte in glänzender Rabulistik daraus: „Alle diese feyerliche Verwahrungen am Kreis­ tag, diese angeschlagene Protestationen über eine noch nie erhörte Besitz80) 81) 82) ®®)

B fol. 6 ff. Vgl. oben Anm. 61. So etwa: Kreis-Deductions- und Urkunden-Sammlung, Band 124, S. 156. Vgl. oben S. 26 u. 33. Die damaligen Vorlagen an den Reichstag: Nürnberg StA, Nürnberger Druckschriften 73 3 I und II.

M) C fol. 3: „Es dringt sidt hier unwillkürlich der Gedanke auf, daß es ein eigenes System

geworden ist, über jeden Schritt, den man Königl. Seits thut, die Lärm Canone zu lösen, während man anderen die auffallendsten Eingriffe nachsieht. Ao 1792 nimmt Pfalz der Reichsstadt Nürnberg alle Unterthanen in 39 Ortschaften weg. Kein Kreis- und Reichs­ tag, kein Reichsgericht war nur zu einem hilfreichen Laut zu bringen.“

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nähme, diese Recurse an den Reichstag, diese Reclamationen selbst bey den Cabinetten der vermittelnden Höfe betreffen also einen Gültbauern zu Schöseriz, die wichtige Frage, ob die Ruhe Teutschlands, der Nürnberger Staat noch bestehen könne, wenn 2 Scheffel Haber statt an Pfalz an Preußen geleistet werden \ Nur „ganz andere mißgünstige Absichten“ könnten deshalb im Hintergrund wirken. Nachdem er dann im folgenden die heikle Frage der Nürnberger Fraischgerichtsbarkeit glänzend umgangen hatte, indem er den reichsterritorialstaats­ rechtlich gesicherten Anspruch der Stadt auf Landeshoheit in fremdem Hals­ gerichtsbezirk nun gegen diese ausspielte und auch für Preußen beanspruchte — das doch seinerseits in seiner als Fläche des geschlossenen Staatsgebiets an­ gesehenen Hochgerichtsbarkeit keine solche superioritas territorialis zuließ M) —, wies er im Straßendistrikt von Ort zu Ort die Rechtsverhältnisse nach. Nach seiner Auffassung waren dort sonst nur „milde Stiftungen‘ wie das Landalmosenamt oder Spitalamt begütert, die als solche doch „nicht qualifiziert sind, Landeshoheit auszuüben", oder aber adelige „Gutsherrschaftenu, denen bestenfalls eine subordinierte Patrimonialgerichtsbarkeit zukam. Mit der glei­ chen Taktik, mit der er dann ja auch die reichsritterliche Herrschaft Thum zum Schweigen bringen ließ 86), suchte er so, sämtliche Landeshoheitsrechte auf die Ebene privilegierter Grundherrschaft zu drücken, deren Gefälle Preußen den Eigentümern beließ. Von Landeshoheit konnte nach der Rechtsmäßigkeit der bayerischen Sequestrationen keine Rede sein, auch materiell aber wurde der Ausfall durch den Verlust der Steuerhoheit schlichtweg negiert. Die geradezu zynische Freude, mit der hier ein „zorniger junger Mann" des aufgeklärten Despotismus das ihn antiquiert dünkende Reichsterritorial­ staatsrecht pervertierte 87), zeigt sich noch einmal in der geschliffenen Dialektik der Schlußbetrachtung dieses Gutachtens, die nun den Angegriffenen zum Angreifer stempelt, nachdem die Gewalt vor das Recht gesetzt worden ist: „So wenig die gerechte Preußische Regierung ihre Ansprüche auf das Recht des Stärkern oder eine bloße Convenienz gründet, so wenig wird sie dabei auch zugeben können, daß der Schwächere sich gerade durch seine Minder­ macht berechtigt hält, ihr mit leerer Convenienz und Willkür in den Weg zu tretten, über befugte Handlungen und Anordnungen geflissentlich laute und höchst ungegründete Klagen erhebe, sich nirgends einer gleichseitigen An­ wendung fester Grundsätze unterwerfe, sondern immer nur einseitig nach kleinen Rücksichten des vorübergehenden Augenblicks handle. Die Ruhe des ganzen südlichen Teutschlands würde gefährdet seyn, wenn die durch ihre bisherige Administration zu Grund gerichtete Reichsstadt Nürnberg nun auch diese Grundsätze der Anarchie in die wohlgeordneten Lande ihrer Nachbarn verpflanzen dürfte" 86) Vgl. oben Anm. 53. 86) Vgl. oben Anm. 56. 87) Auf dde Anm. 9 und 10 genannte Literatur zur geistigen wie politischen Zeitsituation sei nochmals verwiesen. Faksimiledruck in meinem oben Anm. 9 genannten Aufsatz im 81. Jb. HVMfr 1965.

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Mit grimmigem Vergnügen mag der Staatsminister Freiherr v. Hardenberg in Berlin diese Darlegungen seines Protege gelesen haben. Noch am 7. März89) hatte er die Vollzugskommission angewiesen, aus der ihm gerade vorgelegten Nürnberger Deduktion gegen den HLV90) selbst Gründe zu suchen, „aus denen sich eine vollständige Beendigung oder Beylegung der Sacke selbst her­ leiten und hoffen läßt“, und nur Lang erneut befehlen lassen, sich auch hierzu zu äußern und mit seinem bayerischen Kollegen v. Gropper deshalb Fühlung zu nehmen. Sogleich nach Erhalt der beiden Gutachten aber91) sah er das Letztere als erledigt an. „Übrigens ist es vor der Hand nun lediglich abzu­ warten, was diese Angelegenheit bei der ReidnstagsV ersammlung, nadtdem sie von der KreisVersammlung schon zurückgewiesen worden ist, für eine Wendung nehmen wird“ Vorerst sei also nur eine Antwort vorzubereiten. Bayern möge „alle erforderlidie Notizen und Hülfsmittel dazu suppeditiren. Ihr habt derselben bemerklick zu macken, daß es immer zunächst die Sacke des Baiersdten Hofs selbst sey, die jenseitigen TerritorialGerecktsame auf die fraglichen Orte zu deduciren, daß man aber solche diesseits gern und auf alle sachdienliche Art unterstützen werde, auch geneigt sey zu einer vollständigen Wiederlegung der Nürnbergischen Beschwerden mitzuwirken “ Im gleichen Sinne wies er am nämlichen Tag unter ausdrücklicher Hervorhebung der „sehr guten Data“ des Lang’schen Berichts den Kreisdirektorialgesandten Haenlein an92). Erst am 5. Juli äußerte sich endlich auch die „KurfürstL zum Vollzug des Preußisch-Pfalzbayrischen HauptVertrags angeordnete Commissionu des Herrn v. Bayard aus Würzburg zu der Ansbacher Anfrage, vergaß aber, „aus einem bloßen ExpeditionsVersehen“ einen Teil der notwendigen Beilagen, die dann glücklich Anfang September auf wiederholtes preußisches Begehren ausgehän­ digt wurden93). Die einzelnen Unterlagen bestanden jedoch nur aus histo­ rischen Notizen über die Zuständigkeit des Landgerichts Auerbach vom 14. bis 16. Jahrhundert als „Actus possessorii“ und aus urbarialen Aufzeich^ nungen über die — von Nürnberg ja nie bestrittene — bambergische und ober­ pfälzische Landeshoheit über deren grund- und vogteibare Untertanen in den betreffenden Nürnberger Fraischämtem. Für Preußen war dies von höchst zweifelhaftem Wert, wie Lang auch ungescheut ad acta monierte. Zu einer wirklichen Widerlegung der nürnbergischen Ansprüche mußte man sich jedoch gar nicht mehr bequemen. Mit der, der Annahme des Kaiser­ titels durch Napoleon und seinem Griff nach Rom entgegengestemmten Pro89) 90) 91) 92) 9S)

B fol. 21. Vgl. oben Anm. 61. 15. 3. 1804: B fo-1. 24. B fol. 36. B fol. 42 ff., preußische Nachforderung am 26. 7.: fol. 45, bayerische Nachsendung am 6. 9.: fol. 46 und am 10. 9.: fol. 47 (mit einem erst am 3. 8. gefertigten Schriftstückl). — Vgl. dazu Sdirötter, 40: Bayern habe zur Wahrung des Scheines die Landesdirektion Bamberg veranlaßt, „über angebliche Eingriffe unseres Fürstentums Bamberg in Nürn­ bergs Gerechtsame“ Untersuchung anzustellen (Verweis auf GStA München, K. schw. 561, 81). „Von etinem Resultat dieser Untersuchung findet sich in den Akten keine Spur.“ Es scheint sich hier um eine parallel laufende Aktion gehandelt zu haben.

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klamation eines auf dem gesamten Komplex der Erb- und Kronlande des Hauses Habsburg radizierten „Österreichischen Kaisertums" am 11. August 1804 94) war das Heilige Römische Reich deutscher Nation in seinen Grund­ festen erschüttert. Die allseits bedrohte Reichsstadt Nürnberg mußte froh sein, wenn ihr das im Jahre 1800 auf fünf Jahre bewilligte kaiserliche Moratorium nach langen Bitten verlängert wurde, um wenigstens den völligen Staats­ bankrott abzuwenden9Ö). Erneute einseitige Vergleichsverhandlungen mit Hardenberg selbst in Ber­ lin, in denen Nürnberg am 27. August 1804 die Rückgabe der Reichswälder in den drei Grenzwassem gegen sein restliches Landgebiet geboten hatte, waren wieder gescheitert, eine weitere Note am 25. Januar 1805 blieb ohne Antwort. Auf Vermittlung des französischen Gesandten hatte der Nürnberger Ratskonsulent Roth schließlich am 1. Mai von dem bayerischen Gesandten Chevalier du Bray erfahren müssen, „daß zwischen seinem und dem preu­ ßischen Hof eine Verabredung existire, nach welcher keiner von beiden für sich allein mit Nürnberg unterhandeln würde“. Alle weiteren Vorstöße in Paris, Wien und Regensburg, in Berlin wie in München brachten seither so immer wieder nur ein stetes Schwanken zwischen jähen Hoffnungen und bit­ teren Enttäuschungen. Weder Preußen noch Bayern, die bei Einzelangeboten sich letztlich doch immer an die Interessenscheidung des § XXVIII HLV hiel­ ten, gönnten einander die wehrlose Stadt — bis die Ereignisse des Dezember 1805 die Waagschale immer deutlicher zugunsten des süddeutschen Favoriten Napoleons senken sollte M). Die merkliche Verstimmung zwischen den beiden Höfen, die aus der ge­ genseitigen Überbürdung der moralischen Schuld an dem Unrecht der Besitz­ übergabe und -Übernahme im Eschenauer Straßendistrikt erwachsen und auch in der schleppenden Behandlung der von Ansbach hierzu gestellten Fragen deutlich geworden war, hatte dort auch örtlich mancherlei Nahrung gefunden. Der allzu eifrige Spezialkommissär Lang hatte nämlich mit unverhohlener Billigung der Vollzugskommission und nur scheinbarer Distanzierung des Ministers seine Forderungen immer höher geschraubt. Bereits bei der Besitz­ ergreifung 07) hatte er von seinen bayerischen Kontrahenten auch die Über­ gabe des reichsfreien Rittergutes Leupoldstein gefordert. Dort hingen zwar noch die bayerischen Besitzergreifungspatente vom Oktober, angesichts der unterdes gewandelten Lage — vor gerade einer Woche war das kaiserliche Konservatorium ergangen98) — wagte Landesdirektionsrat Schilcher keinen solchen Schritt und beharrte kühl auf dem Wortlaut des HLV, der ihn dazu nicht verpflichtete. Lang berichtete deshalb nach Ansbach und Berlin, das Dorf sperre die Straße, man müsse also nochmals mit Bayern verhandeln, das den 94) Vgl. neuerdings den in seiner großösterreichischen Interpretation ungemein eigenwilligen Beitrag von W. Lorenz „Das heimliche römische Reich**, in: H. Fillitz, Die österreichische Kaiserkrone und die Insignien des Kaisertums Österreich (1964). •5) Schrötter, 50. w) Schrötter, 54—79. — Vgl. dazu auch Franz, 421 ff. ®7) Vgl. Anm. 41, hier fol. 5 und 7 ff. “J Vgl. oben S. 31.

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Ort als zwischen Almos und Weidensees „eingeschlossen“ nach eben diesem Vertrag schließlich nicht mehr beanspruchen dürfe, oder aber mit den Freiherrn von Egloffstein als Besitzern selbst, „die dem Vernehmen nadt diesen Ort gar los werden möchten“. War es schon ein offenkundiges Versehen der preußischen Delegation ge­ wesen, im November 1802 diesen reichsritterlichen Besitz nicht gefordert zu haben — wodurch er der Monarchie ebenso zugefallen wäre wie Thum und die anderen aus bayerischem Anspruch einfach in ihre Hand übergebenen Rittergüter") —, so mußte der Spezialkommissär nun bei der Bereisung gar feststellen, daß auch die Eichenmühle und die Fallmeisterei Weidenbühl eigentlich zum Straßendistrikt gehören sollten. Die Letztere,, die unmittelbar am Chausseegraben lag und mit der Treppe noch auf die Straße reichte, war sogar — was Lang entging — in der Verhandlung vom 13. November 1802 10°) preußischerseits gefordert, jedoch dann nicht fixiert worden. Lang erklärte dazu, sie sei gar nicht auf der „Roppert’sehen Charte“ 101) enthalten, die Eichenmühle dagegen dort „namentlich angeführtjedoch „ganz falsch, weit von Igensdorf weg und so, als wenn sie gar nicht zur Straße nöthig seyn könnte“. Ihr Besitz sei notwendig, sonst müsse man die Trasse umleiten, was wegen der Wasserzuführung zur Mühle sehr schwierig wäre. „Eine fremd­ herrische Mühle an der Chaussee [aber] wäre ein Schild für alle [Zoll-] Defraudationen.“ Der bayerische Kommissär folgte zwar nicht Längs kühner Argumentation, da die Eichenmühle zur Gemeinde Igensdorf gehöre, falle sie doch von selbst in die Zession, erklärte sich jedoch zu einer Regelung bei der nächsten Lokal­ kommission und dann durch die Vorgesetzten beiderseitigen Vollzugskommis­ sionen gerne bereit. Inzwischen waren im Mai 1804 102) diese beiden Herren auch zu Kom­ missaren für die Bestimmung des im Artikel IX HLV (vgl. oben S. 26) kon­ zertierten Straßendurchschnitts ernannt worden, des zu neutralisierenden Kreuzungspunktes der von Bayern unterdes bautechnisch schon in Angriff genommenen Militärstraße von Schnaittach nach Forchheim10S) mit der Chaus­ see Eschenau-Pegnitz. Für technische Fragen wurden Lang der kgl. Ingenieur­ hauptmann J. L. Vetter, für Zollfragen der Oberzollkommissär Weid zu Fürth zugeteilt, der Neustädter Kreisdirektor v. Rüdiger sollte gleichfalls zugezogen werden. Da Bayern drängte, beschloß die in regelmäßigen Abständen zusam­ mentretende Konferenz beider Vollzugskommissionen am 8. Juni104) dieses ") Vgl. oben Anm. 55 und die dort genannte Literatur, insbes. Atlas Franken I, 1 und 3. 100) ygi oben Anm. 30. 101) Soll heißen: J. B. Roppelt, vgl. Anm. 77. 102) Bayer. Vollzugskommission (Graf Thürheim) 2. 5. 1804. — Preuß. Vollzugskommission (Schuckmann) 17. 5. 1804: E fol. 1 ff. 103) ygi 0ben $ 25 j)as preußische Kammeramt Erlangen hatte sich bei seiner Meldung vom 6. September 1803 nur insoweit geirrt, als Bayern selbstverständlich die Trasse nicht von Herpersdorf über Neunkirchen am Sand in das noch nümbergische Amt Hersbruck führen ließ, sondern vielmehr zunächst durch oberpfälzisches Territorium über Untersdorf und Bellhofen nach Schnaittach im Schutz der Kanonen der Festung Rothenberg. 104) E fol. 3.

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Geschäft solle noch vor der allgemeinen Grenzregulierung vorgenommen werden, jedoch — auf preußischen Wunsch — in diesem Abschnitt dann als solche gelten. Erst am 13. August kam in der neunten Konferenz das Thema wieder zur Sprache105). Herr v. Gropper trug vor, die in Artikel IX HLV vorgesehene Stelle zwischen Büg und Forth sei untunlich, da die Trasse dort zu viel Grund­ erwerbskosten und etliche Brückenbauten notwendig mache und überdies durch „unangesprodtenes“ Nürnberger Territorium führe. Er schlug deshalb eine kürzere Strecke vor, die von Eckenhaid an der Brandermühle vorbei über die Schwabach gehe. Preußen sollte dann diese Mühle abtreten, wofür Bayern gern die Eichenmühle und Weidenbühl und dazu noch das zur Fortsetzung der preußischen Chaussee erforderliche Terrain in der Ebacher Flurmarkung ze­ dieren würde. Präsident Schuckmann schob zunächst jedoch alles auf den noch ausstehenden Lokalbericht Längs und erklärte wegen der Brandermühle, der HLV sehe eigentlich nur die Abtretung von Terrain, nicht aber eines „Territorialpuncts“ vor. Preußen habe wohl nach Artikel VIII solche Orte erhalten, weil es sie zum künftigen Unterhalt der Straße brauche, Bayern könne dies für das kurze Stück aber ohne weiteres von beiden Seiten seiner Territorien her bewerkstelligen. Die höflichen Floskeln verhüllten kaum, daß man in Ansbach wohl von seinem Partner Leistungen erwartete, selbst aber sowenig wie möglich zu geben gewillt war und die ganze Sache nun — nachdem man das Seine erhalten — gerne recht lange hinausgezögert hätte. Bei der Lokalkonferenz „in der Ge­ gend um Eschenau“, zu der am 22. August106) sich bayerischerseits Gropper selbst mit einem technischen Stab 107) eingefunden hatte, trat der Kurstaat denn apch sogleich die angebotenen Orte und Flecken förmlich ab 108). Schon am nächsten Tag nahm man deren Besitzauswechslung in der gewohnten Weise vor 109). Die weiteren bayerischen Vorschläge aber nahm Lang lediglich zur Weiterleitung an die Vollzugskommission zur Kenntnis. Zunächst fertigten der Leutnant v. Fürer und der Geometer Schömenauer gemeinsam einen Riß 110), der für die Bestimmung des Durchschnittspunkts und 100) E fol. 4—9 mit Skizze (s. Abb. 2). 100) Abschlußbericht Längs aus Waldsassen 9. 9. 1804: C fol. 101 ff. (mit den Kommissions­ akten der Besitzergreifung vom 23. 8.), E fol. 11 ff. — Protokoll der Verhandlungen vom 22. 8.: E fol. 20 ff. mit Riß fol. 35. — In Faszikel E ist ab fol. 47 nicht mehr paginiert. 107) Preußen: KDR Lang, Ing. Hptm. Vetter, Oberzollkommissär Weid, Weg-Piqueur Weiß. — Bayern: Landesdirektionsrat Gropper, Forst-Taxator Schömenauer als techn. Dirigent, Ltn. Becker vom Regiment Löwenstein-Wertheim als Conducteur, Forst-Conducteur Güth, Kanzleioffiziant Zaeuner als Aktuar. 108) Die bayerische Vollzugskommission bestätigte nachträglich am 15. 10. nochmals die „im HLV nickt vorgesehene Post-Cession“, behielt deshalb aber die Revenuen für dieses Jahr noch ein: C fol. 108. 10fl) Die beiden Einzeln wies Lang noch am gleichen Tag der Rendantur Brand und deren Vorgesetzten Ämtern als Teile des „Straßendistrikts0 zu: C fol. 107 ff. uo) Dem Inhalt des Berichts zufolge ist dies nicht der dem Protokoll nach geheftete Situations­ plan fol. 34 (= Abb. 3), sondern eine großformatige Aufmessung, aus der Hptm. Vet­ ter dann lt. dessen Vorlage vom 5. 7. 1805 den Abb. 4 gezeigten Plan reduziert hat.

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der Trasse als weitere Verhandlungsgrundlage dienen sollte. Die Kreuzung wollte man demnach ein wenig südlich der Brücke der preußischen Chaussee über den Eckenbach anlegen, wo „weil es an leerem Platz nickt gebricht“ man ein doppelt so großes Quadrat (80 Ruten) als im HLV vorgesehen, markieren konnte. Die Straße sollte von hier aus den auf dem Plan mit Bäumen bezeichneten Verlauf nehmen, der die Schwierigkeiten des welligen, teilweise zer­ klüfteten, stellenweise versumpften und durch die verschiedenen kleinen Wasserläufe und den Schwabachfluß auch stets hochwassergefährdeten Gelän­ des vermied. Westlich der Brandermühle erreichte man dann eine schon auf neubayerischem Territorium gelegene Brücke über den Grenzfluß. Bayern wünschte jedoch nicht nur den Korridor der bloßen Chausee mit ihren Gräben, sondern den ganzen, etwa dreieckigen Landstreifen zwischen der Schwabach, dem Eckenbach und dem zur Brandermühle führenden Fahrweg zu erwerben, und wies deshalb sehr betont auf das doch Sr. kgl. Majestät bisher erzeigte Entgegenkommen hin. Wie der vielgeschäftige Lang, der zu Grenzregulierungen schon wieder in Waldsassen weilte, erst nach knapp drei Wochen unter Vorlage des Protokolls nach Ansbach meldete, hatte er zwar zunächst den von ihm auf dem Plan mit [kleinen] Kreuzchen bezeichneten kürzeren Weg ins Auge gefaßt. Er fügte sich jedoch dem einhelligen Urteil der beiderseitigen Baufachleute und bezeichnete nach weitschweifigen Ausführungen schließlich diesen Plan als den technisch wie territorial besten, zumal hier der „Sand- und Haideboden relativ wertlos war“ m) und Bayern selbstverständlich die volle Entschädigung der nichtdomanialen Grundstücke angeboten hatte. Auf jeden Fall gab er diesem Projekt ganz erheblich den Vorzug gegenüber dem im HLV bestimmten einer Kreu­ zung zwischen Büg und Forth, da diese Verbindung weit länger durch preußi­ sches Territorium geführt, beide Orte berührt und schließlich auch noch nümbergisches Territorium tangiert hätte. Er sprach sich auch dafür aus, dem Kurstaat nicht nur „eine Art StraßenRecht“ wie zum Beispiel der Hannoverschen Straße durch die unter der Landeshoheit von Hessen-Kassel stehende Herrschaft Plesse112) zu gestatten, sondern nach der „Maxime wechselseitiger Convenienz“ für einen „wirklichen idealiscken Zusammenhang“ die volle Landes­ hoheit abzutreten, weil sonst nur — abermals höchst umständlich geschilderte — anhaltende Friktionen entständen. In diesem Sinne hielt er es auch für tunlich, die Brandermühle mit abzutreten, die sonst völlig isoliert würde und deren Mühlgüter zudem zum größten Teil jenseits der Schwabach auf Nürn­ berger Landgebiet lagen. Dafür gedachte er jedoch, ungeniert die preußischen Forderungen höher zu schrauben. „Es ist — wie er der Vollzugskommission berichtete — nicht zu U1) In dem gesamten, von Bayern geforderten Dreieck ist eine Fläche von 84 Morgen 46V< Ruten aufgemessen, von denen knapp 11 Morgen die Brandermühl-Güter mit 1V4 Mor­ gen Wiesen, nickt ganz 15 Morgen Holz im Besitz der Gemeinde Eschenau und von Privaten und die restlichen gut 60 Morgen unkultiviertes Land sind. 112) Heute Landkreis Göttingen: vgl. Handbuch der Hist. Stätten Deutschlands, Band Niedersachsen, hrg. v. K. Brüning (Kröners TA 272, 0. J.), dazu Gescbichtl. Atlas von Hessen, Blatt 21 b (1964).

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misskenvien, daß Pfalzbaierscker Seits ein großer Werth auf diese TerritorialAbtrettung gelegt wird, und es ist vielleicht moeglich, daß es sich noch eine oder andere Bedingung gefallen läßt, die man etwa an die Ratifikation meines Protokolls zu knüpfen sucht “ Er habe dabei nichts dergleichen ange­ meldet, „es kommt also darauf an, ob nicht noch durch Conferenz oder immediate Ministerial-Verhandlungen noch gleichsam eine kleine Zuwage auszuwürken wäre*'. Als solche notierte sich in Ansbach der Referent Kriegs- und Domänenrat Schunter sogleich an den Rand, man könne vielleicht [bei den äußerst schwierigen und deshalb festgelaufenen Verhandlungen über den Territorialausgleich zwischen Main und Steigerwald]113) eine Befreiung des Marktstefter Handels vom Kitzinger Stapelzwang fordern. Lang aber hatte vor allem den Erwerb zumindest von Unterrüsselbach im Auge, das sich gleich den beiden anderen [Ober- und Mittel-] Rüsselbach ausgezeichneter Stein­ brüche erfreute, die für Straßenbau und -unterhalt großen Wert besaßen. Daß er es dabei noch als Vorzug rühmte, die drei Orte seien nicht einmal „eigent­ lich Pfälzisch sondern Nürnberger sequestrierte Besitzungen“, kann angesichts der Behandlung der Reichsstadt ebenso wenig mehr Wunder nehmen wie der Hinweis, daß schließlich der gesamte Raum lt. Artikel XXVIII preußisch wer­ den müßte. Bezeichnend für Längs wuchernde Fantasie ist nur, daß er zunächst nur den Erwerb von Unterrüsselbach fordert, und erklärt, für die bayerische Straße würden die Steinbrüche der beiden anderen Dörfer genügen, in der Schlußfolgerung aber dann doch lieber alle drei in Anspruch nimmt. In ihrer Relation114) an des Königs Majestät betonte die Vollzugskom­ mission am 20. September denn auch, sie habe sich bisher gegen die Abtretung der Brandermühle verwahrt, befürworte jedoch die Abgabe des geforderten Terrains und die projektierte Trasse, und ließ die Frage des Abtretungsmodus noch offen. Sie meldete die erfolgte Besitzergreifung von Weidenbühl und Eichenmühle und nahm „keinen Anstand, dem Sentiment des diesseitigen Commissarii [KDR Lang] beizutretten“, weitere Arrondierungen für den Stra­ ßendistrikt von Bayern zu fordern. Hierfür kämen vor allem Unter- und Oberrüsselbach, Weißenohe mit dem aufgehobenen Kloster, das von Bayern lt. Besitzergreifungspatent beanspruchte ritterschaftliche Leupoldstein und even­ tuell die leidige Frage des Marktstefter Handels in Betracht. Schuckmann und sein Referent Schunter waren also noch erheblich über Längs Vorschläge hin­ ausgegangen. Da Berlin sich reichlich Zeit ließ, nahm Herr v. Schuckmann in der 15. Konferenz der Vollzugskommission am 16. September lediglich eine — zweifellos durch eine Indiskretion ausgelöste — bayerische Demarche wegen der dort nun nach dem Ansbacher Vorschlag befürchteten Zession einer bloßen „Staatsrechtsdienstbarkeit“ über den fraglichen Korridor ebenso dankend zur Kenntnis115) wie in der 22. Sitzung am 9. November die förmliche kurfürst­ liche Ratifikation des Protokolls vom 22. August. Ansbach sah sich nun aber doch bemüßigt, am 6. Dezember erneut dem König Bericht zu erstatten. 11S) Siehe hierzu künftig meinen Teil II des Atlas Flanken „Scheinfeld-Uffenheim“. 114) E fol. 36. Xitor 115) Sämtliche im Folgenden nicht anders gekennzeichneten Vorgänge in E ohne Paginierung. Vgl. deshalb die Daten,

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Erst am 19. Mai 1805 aber 116) gab Hardenberg, der doch in der Frage der Nürnberger Remonstrationen so rasch reagiert hatte, hierauf endlich Bescheid. Auf die Besitzergreifungsmeldung vom 15. März vorigen Jahres (l)117) befahl er, wegen Leupoldstein in der nächsten gemeinschaftlichen Konferenz den An­ trag zu motivieren, daß dieses „als zum Straßen-Distrikt gehörig eventualiter als Preußisch anerkannt, und daß die jenseitigen Ansprüche auf dasselbe bei der Grenz-Regulirung förmlich überwiesen werden \ Warum man diesen Ort nicht gleich im HLV ausdrücklich benannt habe, sei ausschließlich daran ge­ legen, daß beide Partner ihn für nümbergisch gehalten hätten. — Die anderen damals im Bericht aufgeworfenen Fragen hatten sich inzwischen bereits längst erledigt. Wegen der bayerischen Verbindungsstraße stimmte der Minister in einem zweiten Reskript an Hand der Kartenlage118) dem Bericht der Vollzugskom­ mission vom 20. September 1804 in allen Punkten zu. Die Abtretung des Korridors müsse mit aller Landeshoheit erfolgen, ebenso — wenn unumgäng­ lich — die der Brandermühle, doch sei Bayern dabei aufzuerlegen, den Grund­ besitzern vollständigen Schadenersatz zu leisten. Unter ausdrücklichem Hinweis auf den vom Kurstaat wiederholt betonten Wert der Verbindungsstraße und der deshalb „diesseits gezeigten Willfährigkeit“ ermunterte er die Kommission, „diese Gesinnungen pflichtmäßig zu benützen, um noch andere nützlich er­ scheinende Objekte zur Erweiterung und Purifikation des diesseitigen StraßenDistricts zu erlangen“. Er benannte hierfür die drei Orte Rüsselbach sowie Weißenohe — obwohl er bei Letzterem die Abtretung nicht für wahrscheinlich hielt, wies wegen Leupoldstein auf das vorgenannte Reskript hin, untersagte aber, dieses Projekt mit der Frage des Marktstefter Handels zu verknüpfen [worüber noch immer die nicht minder zähen und zu Ungunsten Bayerns ver­ laufenden Verhandlungen im Gange waren] nö). Um aber wenigstens in einem Punkte über den Antrag seiner Behörde hinauszugehen, griff der Minister schließlich noch eine Äußerung Längs gegenüber dem Geheimen Oberfinanz­ rat v. Altenstein auf und regte an, auch den Erwerb des ganzen Dorfes Ebach ins Auge zu fassen. Eiligst120) eröffnete nach Längs Entwurf Ansbach der Würzburger Nachbar­ kommission „mit Vergnügen“ die königliche Genehmigung zur Abtretung des Terrains und der Brandermühle. Diese könne nun unverzüglich erfolgen — „wenn sogleich auch in demselben Vollzug dasjenige vollends ergänzt werde, was zur Herstellung der diesseitigen Verbindungsstraße von Eschenau nach Pegnitz noch erforderlich istf um damit diesem ganzen Geschäft seine beider­ seitige definitive Beendigung zu geben“. Hinter dieser freundlichen Umschrei­ bung verbarg sich jedoch nichts weniger als die Aufführung der einst im Pro118) Vgl. auch C fol. lll. 117) Vgl. Anm. 50. 118) Den mit dem Bericht vorgelegten Riß (also wohl den von Fürer und Schömenauer ge­ fertigten, vgl. Anm. 110) wollte er deshalb in verkleinertem Maßstab, jedoch mit ge­ naueren Grenzangaben noch einmal vorgelegt bekommen. ii») Vgl. oben Anm. 113. l2°) 6. 1. 1805, „Cito“ (in E).

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tokoll der Ministerialkonferenz vom 13. November preußischerseits gefor­ derten 23 Ortein), von denen kurfürstlicherseits — wie man vorgab — doch nur bei Eckenhaid wegen der noch ungeklärten Reichslehenverhältnisse und bei Weißenohe „wegen der damals schon sehr vorgerückten Operation der Säkularisation und Veräußerung** Vorbehalte erhoben worden seien, „alles Übrige, was von benannten Puncten Ober-Pfälzisch und Bambergisdt sey* aber sofort übergeben werden sollte. Wegen der Nürnberger Orte habe der „Article Additioneil oder § XXVIII** HLV zudem stipuliert, daß Bayern die „Nürnbergischen environs** überweisen werde. „Die Bereitwilligkeit, mit der man Königlicher Seits die jenseits so wichtige und wesentliche Verbindungsstraße nunmehr allsogleich herzustellen be­ flissen ist, ohneraditet an der für diesseits dagegen bedungenen Straße von Eschenau nach Pegnitz noch so manches mangelhaft und unvollzogen ist, rechtfertigt um so mehr die diesseitigen Anträge:** nämlich die sofortige Ab­ tretung von Weißenohe, wobei man dann auf die schon veräußerten ehe­ maligen Kloster-, nun Staatsdominikalien verzichten wolle, und ebenso die des Dorfes Ebach, ferner gemäß des Article additionnel die Übergabe der nürnbergischen Orte Unter-, Mittel- und Oberrüsselbach, „welche wegen des dort befindlichen SteinMaterials zum Bau der Straße unumgänglich erforderlidi sind und die bisher ohnedem nur in churfürstlicher Sequestration gestanden**. Sogleich nach Eingang der bayerischen Zustimmung könne dann die preu­ ßische Ausantwortung des Terrains und der Mühle erfolgen. Es lag auf der Hand, daß eine solche Unverfrorenheit den bislang immer nur hingehaltenen Partner auf das Höchste erbittern mußte. Bayern hatte seit dem Abschluß des HLV mit einer auch in Berlin durchaus anerkannten Bereit­ willigkeit nicht nur seine Vertragsverpflichtungen erfüllt, sondern allenthalben auch Vorleistungen erbracht. Für die einzige Landverbindung seiner Stamm­ lande mit den neu erworbenen fränkischen Füstentümern hatte es dazu noch das Odium der Rechtsbeugung gegenüber der Reichsstadt Nürnberg auf sich ge­ nommen, hatte immerhin nun 16 Orte abgetreten und sah sich wegen der geringfügigen preußischen Geländeabgabe vor immer neue Forderungen ge­ stellt. Lang hatte zudem den Beschluß der Ministerialkonferenz vom 13. No­ vember einfach negiert und allein den preußischen Antrag wieder aufgegriffen, so daß trotz der verbindlichen Schlußfloskel womöglich noch weitere Pressionen erwartet werden konnten. Von all dem hatte Herr v. Bayard aber noch gar keine Ahnung, als er mit Schreiben vom 30. Mai Ansbach wieder einmal dringend zur endgültigen Über­ gabe mahnte. Abermals wies er auf die bisherigen bayerischen Opfer für die schon längst im Bau befindliche „Territorial- und Communications-Straße** hin, die „um so empfindlicher [gefallen seien], als die Territorialverbindung zwi­ schen der Oberpfalz und Bamberg bereits bestand** und nur durch den HLV gegen das preußische Gegenangebot aufgegeben worden sei. Hof und Mini­ sterium in München hätten nun genügend moniert, man erwarte kurfürstlicher121) Vgl. oben Anm. 30. Lang schreibt hier fälschlich „23. 11",

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seits jetzt unverzüglich die Abtretung, zumal es dach — wie er einlenkend meinte — „zuverläßig den jenseitigen Absichten ganz entgegensteht, daß die wenigen Vortheile, welche der Vertrag dem Kurhaus gewährt, so langehin ohne Wirkung bleiben, während man Königl. Seits im vollen Besitz alles dessen gesetzt ist, was dabey in Absicht auf das relative Interesse der Fürstenthümer Ansbach und Bayreuth nur immer desiderirt werden konnte“. Auf die neue preußische Notifikation vom 6. Juni gab es anscheinend gar keine Antwort. Da Schuckmann inzwischen auftragsgemäß auch noch Antrag auf Überweisung von Leupoldstein gestellt122) und nach einem weiteren Re­ skript Hardenbergs vom 18. Juni im Zuge der Grenzregulierung weiterhin die Übergabe der restlichen Häuser des oberhalb Weidensees bei Brunn gelegenen Grenzortes Weidach verlangt hatte, ließ München schließlich am 10. Septem­ ber resigniert die ganze Streitfrage wieder aus dem Geschäftsbereich der Lokal­ kommissionen auf die höhere Ebene der Präsidialkonferenz der beiderseitigen Vollzugskommissionen zurückverweisen. Sogleich forderte daraufhin am 19. September Schuckmann das gesamte Aktenmaterial an, das Spiel von Neuem zu beginnen. Doch nun hatte ein Größerer die Würfel geworfen. Schon am 26. erhielt der Präsident per Estafette „citissime“ aus Berlin den Befehl123), den Straßen­ distrikt „zur Vermeidung aller Mißverständnisse aus Urkunde und Irthum auf das sorgfältigste durch Königl. Landeshoheit-Zeichen zu markieren und Mili­ tärkommandos dorthin zu verlegen, „um alle Durchzüge durch dasselbe zurück­ zuweisen“. „Übrigens soll der Gebrauch der an ChurBayern durch den HauptVertrag bewilligten Communicationsstraße, so wie solche von der Vorgesetzten höchsten Behörde diesseits genehmigt worden ist, nicht allein ChurBaiern ver­ stauet, sondern auch andere fremde Truppen nicht gehindert werden, sich derselben zu bedienen, indem das Gebiet auf dem kleinen DurchkreuzungsPunct auf dieser Straße weder Seiner Majestät noch ChurpfalzBaiern aus­ schließlich zuständig ist“. Aus dem Lager von Boulogne, aus dem der Sprung über den Kanal nicht gelungen, marschierten nämlich jetzt auf allen südwestwärts führenden Stra­ ßen die Armeen des Kriegsherrn Europens zum neuen Waffengang mit dem alten Kaiserhaus. Am 25. August katte Kurfürst Max Joseph in Bogenhausen den Bündnisvertrag unterzeichnet, durch den er dem Korsen 20 000 Mann gegen Zusicherung einer merklichen Gebietsvergrößerung zur Verfügung stellte. Schon wagte Montgelas, in Berlin ein großräumiges Revirement Vor­ schlägen zu lassen, das auch die Abgabe der Fürstentümer Ansbach und Bay­ reuth vorsah 124). Hardenberg wäre zu diesem Zeitpunkt nicht einmal abge­ neigt gewesen, für den Erwerb Hannovers „entfernte Gebiete in Franken und Westphalen, die die Macht des Staates nur schwächen und komprimittierten", “

122) Vollzugsmeldung Kommission an König: 19. 9. 1805. Inzwischen war in Berlin auch am 19. 8. der neue Riß des Hptm. Vetter eingegangen (vgl. oben Anm. 110 und 118). 128) Kgl. Reskript (Hardenberg) vom 22. 9. 1805. — Die Estafette hatte zur Übermittlung nur 4 statt der sonst üblichen 9—12 Tage gebraucht. ,24) Tarrasdi, 34 ff.

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aufzugeben125), doch erreichte ihn dieses Memorandum gar nicht mehr. Denn der preußische Hof hielt unter Haugwitz Einfluß an der einst in Basel kon­ zertierten Neutralität unbedingt fest. Die Berliner Konvention vom 5. August 1796 hatte diese wohl dahin­ gehend erläutert, daß in den preußischen Fürstentümern in Franken kriegführenden Verbänden der Durchmarsch erlaubt sei, wenn sie keinen Aufenthalt nähmen und allen Bedarf bar bezahlten. Nach dem Frieden von Luneville aber hatte Hardenberg die Ansbacher Kammer auf das Strengste angewiesen, derlei Truppendurchzüge fortan nur noch mit ausdrücklicher Genehmigung des Kö­ nigs zu gestatten 128). Nicht umsonst hatte der Minister bei den Verhandlungen über den HLV so sehr auf eine Arrondierung gedrängt, die die beiden preu* ßischen Provinzen in breiter Landfront verklammern sollte. Er war sich genau bewußt, daß deren anhaltende Zerrissenheit „nur eine Quelle von unange­ nehmen Kollisionen und Verwicklungen abgeben und im Falle eines Krieges, selbst wenn Baiern nur neutral sei, [diese] beim ersten Kanonenschuß den kriegführenden Mächten zum Opfer fallen würden“ 127). An dem — gerade aus diesem Grund doch von Frankreich protegierten — Erhalt zumindest des nördlichen Nürnberger Landgebiets war dies gescheitert und der Unwille des Ministers über die Irrealität des Artikels XXVIII HLV hatte wohl nicht zuletzt deshalb in allen Fragen der beiderseitigen Straßendistrikte den Übereifer Längs nicht gezügelt und die Antworten an die Ansbacher Vollzugskommission so hinausgezögert. Nach Aufnahme der Kampfhandlungen hatte Kurfürst Max Joseph jetzt auf der Flucht aus seiner bedrohten und dann von den Österreichern genom­ menen Residenz nach Würzburg am 13. September die Ansbacher Behörden gebeten, seinen durch den Vormarsch der kaiserlichen Armee gefährdeten Truppen den Durchmarsch durch das preußische Gebiet zu bewilligen. Noch lag keine Antwort hierauf aus Berlin vor, als ein bayerischer Stabsoffizier erneut diese Bitte dringend wiederholte. Schuckmann erhob förmlich Protest gegen jede Neutralitätsverletzung, erklärte aber, der Gewalt sich nicht wider­ setzen zu können128). Der bayerischen Armeedivision des Generals Wrede gelang es daraufhin gerade noch, in weitem Bogen südwärts an dem Ansbacher Territorium entlang durch öttingisches, Hohenloher und württembergisches Gebiet mit 6300 Mann zum Maindreieck durchzubrechen 129), wo er am 24. September glücklich eintraf. Die Masse der bayerischen Armee, das Korps des General Deroy, war jedoch mit 16 500 Mann von den weiter südlich durch­ stoßenden Österreichern von den bayerischen Mainprovinzen abgeschnitten worden und sah sich nun ostwärts Nürnberg gegen die preußischen Grenzen gedrängt. 125) 126) 127) 128)

Rauhe, Denkwürdigkeiten . . . Hardenberg II, 206. Tarrasck, 37, Anm. 1 (nach Akten des vormals preuß. GStA). Ebda, Anm. 2 (ebenso: Entwurf zu einem Memoire, April 1801). 19 9 1805: Tarrasck, 38 (nach den Berichten des den kurfür9tl. Hof begleitenden preuß. Gesandten v. Schladen im vormals preuß. GStA). 129) Auf die Karten „Franken 1792“ und „1806“ sei zur Verdeutlichung der Situation noch­ mals verwiesen (vgl. oben Anm. 11).

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In diesem Moment130) erhielt Scbuckmann nun per Estafette den Befehl, das preußische Neutralitätsprinzip ließe keine Durchmarschgenehmigungen zu, die Ansbacher Behörden hätten dieses strikt zu wahren und die Grenzen so­ gleich und unmißverständlich einzuschildern. Für Durchmärsche stände einzig und allein die »Eschenauer Straße“ zu. Auf sie hatte der Minister schon vor geraumer Zeit auch den französischen Militärbevollmächtigten General Duroc aufmerksam gemacht, der dies am 8. September seinem Kaiser gemeldet hatte. Schuckmann erhielt darum nun auch Weisung, in Verbindung mit dem Kam­ meramt Erlangen im Raum Eschenau die Grenzen ohne Rücksicht auf genaue Geländevermessungen bezeichnen zu lassen. Für die von Bayern ausbedungene Straße — und nur für sie — sei es wünschenswert, sie „nötigenfalls schleu­ nigst in guten fahrbaren Stand zu setzen, damit aller Grund und alle Ent­ schuldigungen, bei deren Gebrauch bei Truppenmärschen und Artillerie-Trans­ porten das ausschließliche Königliche neutrale Gebiet oder wenigstens eine Ortschaft deseiben zu berühren, gänzlich wegfalle; auch möchte es gut sein, wenn zu dem Ende selbst diese Straße: ChurpfalzBaiersche Communicationsstraße bezeichnet würde“. Auf allerhöchsten Befehl wies der Präsident sofort den Obristwachtmeister v. Herwarth, Kommandeur des in Erlangen gamisonierten Grenadierbatail­ lons 131), an, Kommandos nach dem Straßendistrikt in Marsch zu setzen, wozu nicht größere Einheiten, sondern Offiziersstreifen auf den Hauptstraßen und Avertissementpostierungen an den Nebenstraßen und -wegen erforderlich seien. Vorzüglich müsse der Bereich der bayerischen Verbindungsstraße be­ setzt werden. Diese kommandierten Offiziere seien genau zu instruieren, ört­ licher Zivilkommissär sei der Kriegs- und Domänenrat Lang. Die Spezial­ instruktion ließ freilich ein Weichen vor der Gewalt durchaus offen: „Bey der bestimmt erklärten Neutralität Sr. Majestät des Königs, den freundschaftlichen Verhältnissen, worin Allerhöchst Dieselbe mit den benachbarten hohen Höfen stehen, und bey der bündigsten Erklärung des Kaiserl. Königl. Österreich. ArmeeCommandos zur strengsten Respectirung des Kgl. neutralen Gebietes von des Kaisers Majestät instruirt zu sein, ist nicht zu besorgen, daß irgend­ etwas dagegen unternommen werden wird“ Etwaige Grenzverletzungen seien deshalb lediglich »mit unerschütterlichem Ernste zurückzuweisen“. Meldereiter würden deshalb sogleich beim Husarenregiment v. Bila angefordert werden. — Von Waffengebrauch war keine Rede. Jetzt aber überstürzten sich die Ereignisse. Schon am 23. hatte Schuckmann vorsorglich Lang angewiesen, den Bayern das Terrain für ihren Straßenkorridor 13°) Tarrasdi gibt (38) an: am 1. 10. Er stützt sich (Anm. 4) auf eine bei Alombert-Colin La Champagne de 1805 en Allemagne, II, 703, zitiertes Schreiben Bernadottes an Berthier vom 3. 10. und auf die Denkwürdigkeiten Hardenbergs (II, 224). Der am 26. 9. Schuckmann überbrachte Befehl vom 22. 9. wegen der Kommunikationsstraße macht es aber doch wahrscheinlich, daß diese sämtlichen Weisungen zur gleichen Zeit in Ansbach einliefen und lediglich deren Weiterleitung nach Würzburg erst am 1. 10. dort anlangte. 131) Der (damalige) Capitän v. Herwarth und der Sec.Lt. v. Khuon (vgl. unten) standen lt. Adressehandbuck der kgl. preuß. Fürstentümer in Franken, 1801 beim Inf.Regt. v. Un­ ruh (nunmehr Graf Tauentzien). Das Grenadierbataillon wurde aus den Gren.Kompanien der beiden Infanterieregimenter zusammengestoßen. 4

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provisorisch zu übergeben. Am 27. erhielt dieser, der seit vier Tagen „zu sehr nothwendigen Archivarbeiten14 auf der Plassenburg weilte, die Order. Offensichtlich begriff der Rat, der lange nicht mehr in Ansbach gewesen war, den Emst der Lage nicht. Erst am 27. fuhr er nämlich nach Bayreuth und meldete von dort dem Präsidenten, er werde am 30. in aller Frühe eine Grenz­ regulierung bei Hainbronn132) besichtigen, „vormittags bei guter Zeit14 in Pegnitz eintreffen und, sofern er Pferde bekäme, sogleich nach Eschenau ab­ fahren, um mit dem die Ausschilderung leitenden Kammerrat Ammon „solche interimistischen Massregeln zu berathen14. Er bräuchte dazu jedoch dringend seine Kommissionsakten, „weil es sonst sehr sauer werden dürfte, die Richtung der projectirten Straße, da wo sie über Äcker und Wiesen gehen soll, blos aus dem Gedächtnis ganz rein wieder herauszufinden1. Die Akten würde er in Eschenau am Dienstag (1. Oktober) „in aller Frühe, also noch zur rediten Zeit11 erhalten. Vor allem aber erbat er, der „seit drei Monaten von den laufenden Ge­ schäften entfernt11, Instruktion, was für Forderungen er mit der Übergabe verknüpfen solle. Er schlug vor, da die „neue Territoriallinie bis Brand aus dem Vertrag nickt zu fordern sei, sondern eigentlich eine PostCeßion ist11, billigermaßen die am 19. Mai von Hardenberg geforderten sechs Dörfer gleich­ falls als Nachabtretung einzuhandeln, auf jeden Fall aber sogleich Ebach und „Eines von den Rüsselbachen14. Desgleichen hätte er die Entschädigungen für die Eschenauer Grundbesitzer gerne möglichst hoch geschraubt. Schuckmann, dem der Brief erst am 30. vorlag, vermerkte jedoch nur unwillig: „Für den Augenblick könnten diese Orte noch die Collisionen um Erhaltung der Neu­ tralität vermehren11, und stimmte nur einer billigen Entschädigung zu. Dagegen warf der ortskundige Spezialkommissär nun endlich eine Frage auf, die deutlich zeigte, was man bisher ganz bewußt unterlassen: „Ob die Baiern auf dieser Straße, so wie sie izt ist, wirklich passieren können“. Nur für Infanterie ohne Fuhrpark, Geschütz und Munition ginge das nämlich „zur höchsten Noth11. Sonst aber bestünde keine Brücke über den Eckenbach, der anschließende Geländestreifen sei versumpft, der Hügel sandig, die Ebene ohne Hochstraße mit Abzugsgräben ebenso unwegsam und auch die Zufuhr von Schnaittach her „böß11. Er schlug deshalb vor, interimistisch einen „Durch­ paß durch Eschenau oder durch Forth oder durch Büg [zu] instradiren, von wo aus der nächste Weg auf die alte Erlanger Straße nadt Brand ins Bambergische hinüber ist11. Bayern müßte sich dabei allerdings verpflichten, binnen Jahr und Tag die eigentliche Verbindungsstraße zu haussieren, unterdes aber in den genannten Orten nicht Quartier machen, „sondern immer nur ohne Stillstand durchpassiren. So entsteht dadurch so wenig eine Inconvenienz, als ob sie auf der projectirten Straße marschierten, und in sofern dieses nur der Interims­ weg für die Baiern vertragsmäßig gebührende Durchgangsstraße ist, insofern möchten dadurch auch die anderweiten Principien über nicht stattfindenden Durchmarsch fremder Truppen nicht alterirt werden11. Im geplanten Korridor sei zudem noch immer gar nichts vermarkt, so daß auch keine Entschädigung fixiert werden könnte. 182) LK Pegnitz.

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Es half dem Präsidenten wenig, daß sein Rat nun alle Schuld an den Ver­ zögerungen mit gewohntem Geschick und mit einem recht gereizten Seitenhieb auf seinen alten Kontrahenten bei den mit zahlreichen Archivalien bestückten Deduktionen den Bayern zuschob, „einmal weil sie sich durch, den altklugen Herrn Wiebeking haben weiß machen lassen, die OberPfalz und Bamberg hiengen schon zusammen und man brauche keinen Paß durchs Preußische oder Nürnbergischeü worüber der Graf Thürheim selbst zu einem Augenschein und Confrontation mit Wiebeking genöthigt worden, und dann, weil sie die mit der definitifen Bestimmung der Straße verbundenen Conditionen nicht erfüllt, meines Wissens sich nicht einmal darauf erklärt haben \ Schuckmann konnte nur glossieren: „Für diese ebenfalls problematische Möglichkeit feiner Aus­ weichstraße] ist eben so gut und schleunig als möglich zu sorgen, wenn auch interim der Tractus mit Reservation verlegt werden muß“. Ortschaften seien jedoch besser zu vermeiden, „allein dies wird leider bei dem Mangel der Baierischen Voranstalten nicht möglich sein. Die Noth hat, wie eben angezeigt wird, ein baierisches Regiment schon durch Eschenau getrieben. Man muß also dies als einen Bruch der Neutralität ansehen, oder die Straße so legen und bezeichnen, provisorisch die benach­ barten PfalzBair. Ämter davon benachrichtigen, die Straße so auf dem Riß bezeichnen wie sie jetzt möglich ist und das Königl. Milit. Commfando] instruiren, daß es blos den Durchmarsch und keinesfalls Quartier etc. in Eschenau verstatte und in der Folge alle Armee Commandos von dem Verhältnis voll­ ständig informiren. Dies fordert aber höhere Genehmiung; und es ist irgend möglich, die Straße dahin so zu legen, daß sie keinen Ort berührt, dies aller­ dings wäre vorzuziehen. Ist dies unmöglich, so würde man den Commandirten Herrn Officier instruiren müssen, daß er die Truppe blos unter Protestationen und Vorbehalt höherer Ordre und anderen zu treffenden Anstalten conivendo durchlaße“. In einem ohne Briefkopf hingeworfenen Handschreiben erklärte er Lang zu dessen — mit seinen „im Drange der Angelegenheiten“ angebrachten Mar­ ginalien retournirten — Brief noch eindringlich 183): „Es war im höchsten Grade wichtig, den Vertrag in Ansehung der Straße als ganz vollzogen zu betrachten, um daran nicht mit der Möglichkeit, das ganze Vertrags-System aufrecht zu halten, zu scheitern. Darum ist uns an dem schleunigen Arrangement eben so viel gelegen als den Baiern. Daher konnte die Cession der Straße, wie auch von CabinetsMinisterio genehmigt ist, nicht mehr als zu bedingend angesehen werden, wenngleich die übrigen Annexa der künftigen Abrede Vorbehalten bleiben “ Für die Ausmittlung ließ er dem versierten Kommissär völlig freie Hand. „Denn da mit höchster Genehmigung der Gebrauch der Communicationsstraße den Bayern und anderen Truppen eingeräumt ist, so müßte es frei­ lich das Ansehen einer Satyre gewinnen, wenn man sie damit auf einen Tractus weisen wollte, wo noch keine Durchzugsmöglichkeit ist.“ Vor Längs Ankunft aber wollte der vorsichtige Präsident auf „diese anliegende Anzeige“ nichts als „Anzeige an die höchste Behörde“ veranlassen. 133)

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30 9 1804. — Die letzten Lagen in E, sind weder chronologisch noch sachlich richtig geheftet.

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Worauf er hier und in seinen Randglossen Bezug nahm, war die Meldung, daß am Vortag die Ereignisse bereits über die verzweifelten Bemühungen hin­ weggegangen waren, das Decorum der preußischen Neutralität hier noch- voll zu wahren. An diesem 29. September, an dem Lang seine weitläufigen Über­ legungen zu Papier gebracht, war nämlich gegen 9 Uhr morgens das kurfürst­ lich bayerische Leibregiment ungeachtet des Protestes des Unterrichters durch Eschenau marschiert. Die Truppe hatte weder Vorspann noch Quartier ver­ langt, wohl aber Bier, Branntwein und Brot gegen Bezahlung gefordert und erhalten134). Gegen 15 Uhr war diese Nachricht an den Erlanger Kreisdirektor v. Austin gelangt, der noch mit der Mobilmachung des Grenadierbataillons beschäftigt war. Jetzt erst wollte Major v. Herwarth einen Offizier nach Eschenau schicken mit dem Auftrag, weitere — mit Recht vorzusehende Durch­ märsche auf der Straße Eschenau-Neunkirchen oder auf dem zwischen Forth und Büg zu dieser durchlaufenden Fahrweg zu verhindern und möglichst auf die vereinbarte Trasse umzuleiten. Herr v. Austin gab diese Meldung sogleich per Estafette nach Ansbach weiter, zusammen mit der von einem zur Aus­ musterung von Train- und Packpferden in Eschenau weilenden kgl. Roßarzt übermittelten Nachricht, daß sowohl in Schnaittach wie in Lauf und Hersbruck bereits k. k. österreichische Truppen zur Einquartierung angesagt seien. So glich es wirklich einem Satyrspiel nach der Tragödie, daß am 1. Okto­ ber „actum auf der Chaussee von Eschenau nächst dem Eckenbach“ 135) die beiden preußischen Räte unter Zuziehung des Rendanten Schmidt, des guts­ herrlichen Amtmanns aus Forth und des Gerichtsschreibers von Eschenau samt etlichen Zeugen — jedoch in Abwesenheit der bayerischen Kontrahenten, die jetzt .andere Sorgen hatten — unter Bezugnahme auf das durch „Allerhöchste Ratification vom 19. Mai 1805“ bestätigte Kommissionsprotokoll vom 22. August vorigen Jahres 136) die 84 Morgen des an Bayern übergehenden Territorialdistricts förmlich abmarkten und durch 21 Pfähle mit dem preußischen Adler und einem Schild „Verbindungsgebiet der Obernpfalz mit Bamberg" ebenso bezeichneten wie die 56 Quadratruten des gleichfalls besonders einge­ schilderten „Gemeinschaftlichen Gebiets des preussischen und pfälzischen Strassen-Durchschnitts". „Da jedoch — so hielt das Protokoll fest — bei diesem Standpunct in die Augen fieel, daß Bayern diese Straße keineswegs noch chaussirt, ja bei dem Übergang über den Eckenbach und hierauf an der linken Seite der Eschenauer Chaussee nicht einmal so hergerichtet habe, daß der Weg für Wagen zu passiren und auf die eigentliche alte Brander Straße zu gelangen möglich sey; so wude beschlossen, durch das Königl. 154) Meldung Marktgerkht Eschenau 29. 9. 1805 nachmittags, Meldung Kreisdirektorium Erlangen 29. 9. 1805, beide eingegangen Ansbach 30. 9. (Hamdakzept Schuckmann), iss) Protokoll vom 2. 10. 1805, anwesend: KDR Lang, KR und 1. KAM Ammon zu Frauen­ aurach, Rendant und Zollkommissarius Schmidt von Brand, Amtm. Zerenner von Forth, Wegpiqueur Weiß und Zollvigilant Luzen von Eschenau, Kantor und Gerichtsschreiber Wagner von Eschenau und drei Zeugen (vermutlich die Siebener) aus Eschenau. — Dazu Bericht Lang, Erlangen 2. Okt. 1805. l8#) Der Interimsweg ist auf dem Plan des Hptm. Vetter (Abb. 4) nachträglich mit großen senkrechten Kreuzen markiert.

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Kammeramt Frauenaurach das Ckurfürstl. Landrichteramt Schnaittach zur schleunigsten Herstellung der Straße auffordern zu lassen, unterdessen aber die nicht abwendbaren Märsche der fremden Truppencorps also zu leiten, daß sie mit der möglichst kleinsten Ausbeugung sogleich wieder auf den Theil des Verbindungsgebiets gelangen, der ohne Einrede allerdings zu passiren ist, welches von den Königl. commandirten Herrn Offiziers und Civilbeamten mit höchster Verwahrung der Königlichen Neutralität und nur aus Anerkennung der platten Unmöglichkeit eines andern im Augenblick nicht hergestellten Wegs dafür zu conniviren wäre: daß die marschierenden Corps von der Eckenhaider nach Büg führenden Straße über die Eschenauer Chaussee herüber an der Fallmeisterei, solche rechts be­ lassen, vorbei . . . [quer durch das Gelände] . . .. in die alte Straße kommen, von wo sie, indem sie über den Eckenbach setzen, der hier eine blose Furth macht, . . . wieder in dem regulirten Kurbayer. Verbindungsgebiet sind, auf welchem der Weg über die Schwabach ohne weiteres fortgesetzt werden kann. — Es versteht sich, daß bei Truppenmärschen vom Bambergischen in die OberPfalz die umgekehrte Richtung zu beobachten ist/4 Noch am gleichen Abend übersandte Lang aus Erlangen Präsident Schuckmann seinen Kommissionsbericht mit dem unbeirrbaren Vermerken, er „zweifle nicht, daß dem ohnerachtet für dieses Kurbaiern mittels einer PostCession ein­ geräumtes VerbindungsGebiet, da der Vertrag selbst nur von einem gemein­ schaftlichen DurchschnittsGebiet spricht, seiner Seite diesseits noch auf die . . . Bedingungen bestanden werden kann, nämlich auf die Abtrettung von Ebach, Ober-, Mittel- und Unterrüsselbach, Weißenohe, Leupoldstein und Weidach/4 Er habe „daher dem Protokoll eine allgemeine salvirende Clausel der BairischerSeits noch zu erfüllenden Bedingungen beigefügt Zugleich meldete er, der Major v. Herwarth habe nun 187) endlich den Seconde Lieutenant v. Khuon mit 20 Mann nach Eschenau kommandiert, den er eingewiesen habe. Wegen des Durchmarsches vom 29. stellte er sich auf den Standpunkt, dies sei kein Neutralitätsbruch, weil die Bayern ,,a) Die CommunicationsStraße wirk­ lich geprüft, aber b) blos aus Irrthum durch Eschenau geführt worden, und c) die eigentliche CommunicationsStraße über den Eckenbach doch nicht hätten passiren können, d) der Interimsweg aber am 30. September noch nicht aus­ gemittelt war, den sich izt alle Corps recht wohl gefallen lassen können und müssen44. Am 5. Oktober gab die Ansbacher Vollzugskommission diesen Bericht mit Längs wörtlich zitierter Rechtsauffassung „citissime44 nach Berlin und wies die Direktorialgesandtschaft beim fränkischen Kreis an, dies dort förmlich zu noti­ fizieren. Auch die zuständigen preußischen Behörden wurden nochmals in­ struiert. Die vom Kammeramt Frauenaurach auf der unteren Verwaltungs­ ebene noch am 2. zum Straßenbau angehaltenen bayerischen Anrainerbehör­ den, die Landgerichte Schnaittach und Neunkirchen, hatten dagegen am 3. und 4. lediglich den Empfang bestätigt und erklärt, das Straßenherstellungsgeschäft ,44

i87) Es blieb unerfindlich, warum der ausdrückliche Befehl vom 26. 9. nicht sofort befolgt worden ist.

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falle nicht in ihren Geschäftsbereich. Die am gleichen 5. Oktober konzipierte Benachrichtigung der bayerischen Vollzugskommission in Würzburg hatte Schuckmann wohlweislich „zunächst nickt ausfertigen ‘ lassen. Ihn bewegte auch das am 11. Oktober endlich eintreffende Hofreskript vom 4. zunächst nicht mehr, in dem Hardenberg auf den Bericht vom 30. Sep­ tember mit recht gewundenen Floskeln nochmals die Aufrechterhaltung der Neutralität — gegen Bayern wie Österreich — strikt befahl. Es war ja nur noch ein leeres diplomatisches Spiel, wenn der Minister namens des Königs „es sehr ungern ersehen, daß Baiern versäumt hat, die nöthigen Veranstalten zu tref­ fen, um den zu dessen Communications-Straße bestimmten District schon jetzt als Straße benützen zu können * und deshalb durchmarschiert sei. Noch immer sollte der Schein gewahrt werden. Die bayerischen Stellen wären „mit allem möglichen Nachdruck“ anzuhalten, die Straße schnellstens in Stand zu setzen. „Es kann gar nicht davon die Rede seyn, jetzt in jener Gegend große Brücken zu bauen und Chausseen anzulegen, allein es kann der District durch leichte Brücken und Fasckinen-Legung, wo die Straße grundlos sein sollte, so weit fahrbar gemacht werden, daß sich die Truppen desselben zum Marsch bedienen können, und Ihr müßt den Baierschen Behörden bemerklich machen, wie Wir gar wohl hätten erwarten können, daß solche früher darauf Bedacht genommen hätten, die ihnen allein zum Rückzug der jenseitigen Truppen übrigbleibende Straße in gehörigen Stand zu setzen.“ Bereits am 1. Oktober war nämlich das gesamte bayerische Korps Deroy auf senem Rückzug vor den k.k. Truppen „auf der Eschenauer Straße“ in Bamberg eingetroffen138). Dem kurfürstlichen Leibregiment waren also gut 15 OQO Mann gefolgt, von denen die preußischen Behörden bei ihrem Nach­ vollzug der Übergabe an einen nicht vorhandenen Partner und in all ihren Berichten einfach keine Notiz genommen hatten. Auch als Schuckmann am 5. dann seine Berichte und Weisungen wegen des Straßendistrikts ausfertigen ließ, konnte es ihm nur noch um die Festsellung gehen, daß Preußen seiner­ seits dort die Neutralität gewahrt hatte. Denn er selbst hatte mit dem kommandierenden General Graf Tauentzien und dessen Stab am 3. Oktober an der Grenze zwischen Ochsenfurt und Uffenheim vergeblich versucht, den Durchmarsch des französischen Korps Bernadotte zu verhindern. Im Morgennebel hatten Sappeurs der Division Kel­ lermann die preußischen Schlagbäume zerhauen, schon am 6. Oktober sollten die Franzosen jenseits des Ansbacher Territoriums stehen 139). Napoleon hatte trotz der energischen preußischen Vorstellungen und den vom bayerischen Kurfürsten wiederholt vorgetragenen Warnungen den Erfolg seines mit höchster operativer Kunst geplanten Aufmarsches nicht in Frage stellen wollen. Ganz im Sinne der Berliner Erläuterungskonvention zum Base­ ler Frieden 14°) ließ er das Fürstentum Ansbach in forcierten Eilmärschen durchstoßen, wobei die Truppen nur auf offenem Feld biwakierten, die Stadt 188) Tarrasdi, 41, Anm. 1, nach. Alombert-Colin II, 16 (vgl. Anm. 130). i»#) Für das Folgende vgl. die zuverlässigen Ausführungen bei Tarrasdi, 41—47. 140) Vgl. oben Anm. 126.

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Ansbach umgingen und alle Fouragen und Dienstleistungen auf Kredit eines Frankfurter Bankhauses sogleich bezahlten. Bemadotte, der das von Würzburg über Uffenheim — Ansbach — Gunzenhausen — Weißenburg nach Eichstätt marschierende Korps befehligte, befleißigte sich der größten Höflichkeit und hielt ebenso auf strenge Manneszucht wie Wrede, der ihm seine Bayern von Bamberg über Fürth und Schwabach zuführte, und die flankierenden Korps Marmont und Davout, die die westlichen Grenzämter durchzogen. Keinesfalls wollte der Kaiser Preußen brüskieren, den Sturm der Erregung, den dieser Durchmarsch auslöste, hatte er nicht erwartet. Wenige Tage später war nach der Devise „Getrennt marschieren, vereint schlagen“ die Umfassung der öster­ reichischen Armee bei Ulm gelungen. Am 17. Oktober mußte General Made mit 25 OOO Mann die Waffen strecken. Einem versprengten Korps des Erzherzogs Ferdinand versagten die preu­ ßischen Behörden nun den Rückzug durch ihr Gebiet ebenso wenig wie den scharf nachdrängenden Verfolgern. Da der französische General Klein „an Hand seiner veralteten Karten glaubte“, bei Eschenau hätten die Österreicher endlich nümbergisches Territorium erreicht, lieferte er ihnen dort in Gegen­ wart des zur Deckung des Erlanger Kreises und des Straßendistrikts aufmar­ schierten, jedoch Gewehr bei Fuß verbleibenden preußischen Regiments Tauentzien ein heftiges Gefecht. Er vermochte jedoch nicht mehr, den Abzug des Erzherzogs im Schirm der preußischen Neutralität über Bayreuth nach Eger zu hindern 141). Weniger glücklich schien das diplomatische Nachhutgefecht, das die Preu­ ßen ihrem mit geradezu unmoralischem Finassieren so lange hingehaltenen Partner wegen des Straßendistrikts zu liefern versuchten. Als Hardenberg am 15. Oktober Schuckmanns Bericht vom 5. bestätigte und nochmals bekräftigte, „den bayerischen Behörden ist das Erforderliche zu eröffnen und auf die Her­ stellung der Haupt-Verbindungs-Straße, damit jener Interims-VerbindungsWeg cassire, wie schon längst hätte geschehen sollen", zu dringen, war die preußische Avantgarde des Generalleutnant Blücher bereits in das obergebirgische Bayreuther Fürstentum eingerückt. Die über den als ehrverletzend emp­ fundenen Bruch ihrer Neutralität verbitterte Monarchie schickte sich an, Na­ poleon den Krieg zu erklären. So war auch die drei Tage später ergangene zweite Weisung des Ministers mehr bürokratische Routine, als er zu dem bay­ erischen Antrag142) erklärte, die Sache eigne sich ihrem Charakter nach wohl 141) Tarrasdi, 48, nach dem Bericht des preuß. Gesandten Schladen vom gleichen Tag im vormaligen pr. GStA. Vgl. ). P. A. Weltridi, Erinnerungen für die Einwohner des Für­ stenthums Bayreuth aus den preußischen Regierungsjähren 1792—1806 (1808), 83. — Es ist sehr wahrscheinlich, daß General Klein, der später von Napoleon heftig getadelt wurde, daß er die Österreicher nicht schon am Eingang des preußischen Neutralitäts­ gebietes an der Altmühlbrücke bei Gunzenhausen rücksichtslos angegriffen hätte, nicht bewußt am Beginn des doch nur schütteren Straßendistrikts einen letzten Versuch unter­ nahm, diese zu stellen. Eschenau mußte auch auf allen älteren Karten als preußisch (bayreuthisch) eingetragen sein, und die Franzosen hatten im allgemeinen ein ausge­ zeichnetes Kartenmaterial zur Verfügung. Der Straßendistrikt war inzwischen in ver­ schiedenen Karten berücksichtigt f 142) Vom 10. 9. 1805.

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nicht zu einem Verhandlungsgegenstand der Präsidialkonferenz der Vollzugs­ kommission, Schuckmann möge aber eine solche Separatverhandlung abwarten. „Bis dahin ist der gemeinschaftliche Straßendurchschnitt, so me er diesseits genehmigt worden ist, zu behaupten und, wie dieses geschehen, besonders an­ zuzeigen.“ Am 20. Oktober — noch immer standen die Kriegswolken gefährlich dro­ hend am Himmel — eröffnete Schuckmann der bayerischen Vollzugskommis­ sion in Würzburg: „Die gegen Ende des vorigen Monats täglich vorgefallenen Requisitionen und Truppendurdhmärscke aus dem Fürstenthum OberPfalz in das von Bamberg haben es höchst dringend gemacht, die vertragsmäßige Ver­ bindungsstraße bei Eschenau möglichst genau provisorisch bezeichnen zu las­ sen“ Erstmals war hier also auf den anhaltenden Durchmarsch des Korps Deroy zur Begründung verwiesen. Schuckmann informierte den Partner nun über den einseitigen Akt vom 1. Oktober und richtete nach dem Wortlaut der Ministerialreskripte an ihn das Ersuchen, die vertragsmäßige Straße doch bald­ möglichst „chausseemäßig herrichten“, die „InterimsStraße“ jedoch sogleich provisorisch befestigen zu lassen. Daß der vorsichtige Präsident auch den k. k. Militärkommandos dieses Schreiben abschriftlich zustellen ließ, zeigt, wie ernst er noch immer die Lage beurteilte. Den Bayern aber war die Beantwortung der „cito“ übersandten Note längst nicht mehr so eilig. Sie nahmen von der durch die Nachbar­ behörden mitgeteilten Überweisung des Verbindungsgebiets einfach keine Kenntnis. Erst als der preußische Kreisdirektorialgesandte Haenlein, der schon am 5. die preußische Zession dem löblichen fränkischen Kreis notifizert hatte, nun auch diesen Vorgang dort förmlich anzeigte, übergaben die bayerischen Kreisdirektorialgesandten am 25. Oktober — in diplomatischen Formen und vor einem neutralen politischen Gremium also — die Antwortnote: „Der diesseitigen churfürstl. Gesandtschaft war es eine angenehme Pflicht, den An­ trägen der Kgl. Preußischen Seite sobald, als es die damaligen Zeitumstände erlaubten, volle Aufmerksamkeit durch die verlangte Bericht-Erstattung zu gewähren. Aber eben dieser Drang der damaligen Zeitumstände ließ es dem Kurhofe und seiner Gesandtschaft erst jetzt möglich werden, die abbegehrte Antwort wörtl. dahin zu erlassen: daß den Königl. Preußischen Wünschen schon durch frühere Churfürstl. Ordres zuvorgekommen und die einschlägigen Behörden angewiesen worden seyen, bei Transporten und Marschregulierungen aus der oberen Pfalz nach Bamberg oder in umgekehrter Richtung mit gänz­ lichem Umgehen des Königl. Preuß. Gebiets sich lediglich der verabredeten Verbindungs-Straße zu bedienen.“ Vom Vollzug des HLV durch Übernahme des Distrikts oder vor allem durch den Ausbau der Straße war so schlichtweg nicht mehr die Rede. Als die kgl. preußische Vollzugskommission in Ansbach am 24. Januar 1806 dies endgültig zu den Akten legen ließ143), war auch Ansbach formal schon nicht mehr preußisch. Am 15. Dezember hatte in Wien Graf Haugwitz 14Ä) Faszikel E schließt mit Abrechnungen über Materialkosten und Diäten, die bei dem Vor­ gang vom 1.10. entstanden waren und erst im Januar 1806 geregelt wurden.

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mit dem Sieger von Austerlitz jene Geheimkonvention geschlossen, deren Artikel III das Fürstentum Frankreich ausantwortete144). Vier Tage später hatte der Korse dem bayerischen Kurfürsten die Königskrone in Aussicht gestellt145). Der preußisch-bayerische Endkampf um das Dominat in Fran­ ken 14e), der seit den Tagen des Neutralitätsbruches einen letzten Höhepunkt erreicht, war zu Ende, auch wenn bis zum bestätigenden Pariser Vertrag vom 15. Februar 1806 nochmals ein letztes verbissenes Ringen anheben sollte. Da Bayern, das seit jenem Tagesbefehl vom 19. Dezember 1805 die Reichsritterschaft sich rücksichtslos unterworfen hatte, nun durch die Anwart­ schaft auf das Fürstentum Ansbach eine breite Landbrücke zu der ihm ver­ bliebenen Bamberger Provinz besaß, nahm es gar keine Verhandlungen über die Verbindungsstraße mehr auf. Um das Landgebiet der Reichsstadt Nürn­ berg ging dafür das Spiel um so verbissener weiter. Im Juli 1805 hatte Haenlein dem Rat endlich einen Vorschlag für das längst schon überfällige Aus­ gleichsgeschäft gemacht. „Alle Districte, die an den Straßen zwischen Ansbadi und Bayreuth liegen, ferner die drei oberen Pflegämter, Velden und den östliehen und nördlichen Teil von Hersbruck“ U1) verlangte die Monarchie für sich. Der Krieg und die strikt erklärte Neutralität der Reichsstädte hatten die Verhandlungen erneut zum Stillstand gebracht. Nürnberg ward freilich von dem bayerischen General Wrede bei seinem Marsch von Bamberg nach Weißenburg aus dem Lager bei Fürth eine erhebliche Kontribution abge­ preßt148), bevor die kriegführenden Parteien dann die Neutralität anerkann­ ten. Preußen zog darauf hin am 19. Oktober seine Postierungen vor den Stadt­ toren ab. Der Preßburger Frieden 140), der die noch im Reichsdeputationshaupt­ schluß erhaltene Reichsstadt Augsburg ohne weiteres Bayern überwies, ließ in Nürnberg erneut starke Befürchtungen vor einem preußischen Zugriff aufkommen, während Bayern die sequestrierten Besitzungen rücksichtslos aus­ preßte. Die französische Militärbesetzung der Provinz Ansbach rückte schließ­ lich im Februar 1806 in alle bislang von Preußen okkupierten Positionen ein und umfaßte Nürnberg von Osten und Süden, bis am Ende im März General Frere mit vier Bataillonen in die alte Reichsstadt selbst einrückte. Da ihr Schicksal in den hin- und hergehenden Verhandlungen noch immer ungewiß schien, sicherte sich Preußen nun ein Faustpfand. Die Festnahme und Wegführung eines nun auch aus preußischen Diensten entlaufenen Nürnberger Deserteurs in Gräfenberg gab General Graf Tauentzien den Vorwand, „für die dem Kgl. Militair zugefügte Beleidigung Genugthuung zu nehmen und für die Zukunft dergleichen Vorfällen vorzubeugenu. Am 14. April besetzten zwei Kompanien Infanterie samt etlichen Husaren unter dem Kommando des Majors Streit die Ämter Betzenstein, Gräfenberg und Hiltpoltstein 15°). Die 144) Atlas Franken II/2, Regest 16. 145) Ebda, Regest 14. 146) Vgl. dazu sehr eingehend Tarrasdt, 67 ff. 147) Sdtrötter, 71. 148) Ebda, 74, vgl. Tarrasdt, 46. 149) Atlas Franken II/2, Regest 15. 16°) Sdtrötter, 92 ff., vgl. Franz, 425. — Der Major Streit stand 1801 beim Regt. v. Laurens (vgl. Anm. 131).

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Truppe forderte den gleichen Unterhalt wie die französische Garnison in Nürn­ berg, hielt sonst jedoch auf strengste Manneszucht. Bürgermeister und Rat er­ hoben wieder einmal durch ein gedrucktes Publikandum feierlichen Protest und beschworen die Entscheidungen „des höchsten Reichs-Tribunals“, und München erhob Einspruch gegen die Okkupation des von Bayern doch schon 1803 beanspruchten Leupoldstein, das es seit dem Dezember 1805 jedoch selbst nicht zu besetzen gewagt hatte. Ungerührt gab der preußische General jedoch der Nürnberger Abordnung zu verstehen: „Jeder einsichtsvolle Militair wird mir zugestehen, daß ich, um die Communication des Bayreuther Ober- und Unterlandes und die Sicherheit des Königl. Militairs zu erhalten, die mehr benannten Pflegeämter hatte mili­ tärisch besetzen müssen.“ Der Straßendistrikt genügte hier einfach nicht mehr. Selbst der inzwischen mit vielen seiner Kollegen der Ansbacher Behörden in bayerische Dienste getretene Kriegs- und Domänenrat Lang hielt es in einem von dem bayerischen Generalkommissär Graf Thürheim geforderten Gutachten noch immer für richtig, an dem Teilungsmodus des Artikels XXVIII HLV fest­ zuhalten und nunmehr lediglich noch das Amt Velden für Bayern zu bean­ spruchen 151). Thürheim dagegen wollte zum Fürstentum Ansbach auch das Bayreuther Unterland gewinnen, schlug trotzdem aber die Abgabe der drei erstgenannten Pflegämter an das Bayreuther Fürstentum seinem Minister jetzt vor. Selbst als die Rheinbundakte 152) schließlich die Souveränität „sur la ville et le territoire de Nuremberg“ Bayern zusprachen und der Proces verbal ebenso wie die förmliche Ausantwortung durch die Besatzungsmacht bei der Aufzäh­ lung der Ämter auch Betzenstein, Gräfenberg und Hiltpoltstein ausdrücklich benannten 15S), blieben die preußischen Kommandos dort stehen. Der Auf­ marsch von sechs französischen Armeekorps südlich des Mains, gedeckt durch massierte Kavallerieschleier von Kronach bis Würzburg, ließ die Wegnahme solch vorgeschobener Sicherungen nicht mehr ratsam erscheinen. Erst mit den letzten Verbänden des Grafen Tauentzien, der auf der Plassenburg eine starke Garnison unter dem General v. Uttenhofen zurückließ, rückten die Husaren­ piketts von dort ab, dem Thüringer Wald zu. Auch die noch vor dem unseligen Tag von Jena und Auerstädt installierte französische Militärregierung in Bayreuth ließ jedoch den Straßendistrikt, so wie er 1805 formiert war, bestehen154). Noch immer war die nun von dem lö1) Sdirötter, 105. 152) Atlas Franken II/2, Regest 18. 153) Das Übergabeprotokoll (Sdirötter, 162 ff.) definiert unter Ziff. 5: „Betzenstein und

Stierberg mit allem, was dahin zu redmen ist, namentlich audt die Territorial- und Centobrigkeit über das v. Egloffstein sehe Rittergut Leupoldstein“, unter Ziff. 6: „Grä­ fenberg und Hilpoltstein mit allem, was dahin zu redinen ist, und zwar also, daß unter diesen Übergaben nicht allein die Souveränität, sondern auch das Eigenthum mit dem vollen Rechte begriffen ist, solches gegen alle unbefugte Schmälerungen, Eingriffe oder Vergewaltigungen handzuhaben und frei zu erhalten 154) Vgl. die Karte „Franken am 1. Januar 1809": Atlas Franken II/2, Karte 2. — Vgl. dagegen die Angaben bei Bog, Atlas Franken I, 5 „mit dem nürnbergischen Pflegamt ... 1806 an Bayern“.

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Geheimrat Culemann geleitete Vollzugskommission in ihrem neuen Sitz Er­ langen formell seine Oberbehörde. Zusammen mit dem Fürstentum Bayreuth fiel so die Dörferkette an der Straße durch den Pariser Vertrag vom 28. Fe­ bruar 1810 155) schließlich an Bayern. Die Neuordnung der Unterbehörden vom 6. Januar 1812 wies „den [bislang] zum Kammeramt Frauenaurach ge­ hörig gewesenen Steuerdistrikt Igensdorf mit seinen vier Sektionen“ 158) dem Landgericht Neunkirchen in Gräfenberg zu 157). Doch erst mit dem Übergang dieses Landgerichts an den Obermainkreis am 20. Februar 1817 endete auch deren Zuteilung zum Rentamt Erlangen am 1. Oktober 1819 158). Bis an die Schwelle unseres Jahrhunderts 159) aber hielt in all diesen Dör­ fern, Weilern und Einzeln das — von Haus zu Haus wechselnde — oberpfäl­ zische Statutar-, Nürnberger, Bamberger und Gemeine Recht stets subsidiär ergänzende Allgemeine Preußische Landrecht im Rechtsleben 16°) die Erinne­ rung an jene paar Jahre wach, in denen sie im großen Umbruch Europas von der Politik der Großmächte erfaßt und zwischen Macht und Recht gestellt wurden. Patente wurden angeschlagen und abgerissen, Kommissionen markierten ihre Fluren, prägten ihnen neue Grenzen auf. Menschen und ihre Lebenswelt wurden anderen Herren einfach unterstellt. Österreichische und französische, preußische und bayerische Soldaten zogen nach allen Himmelsrichtungen über die Straßen. An fernen Konferenztischen in Regensburg und Paris, Berlin und München, Ansbach und Würzburg ward über Schicksale „nach den Akten“ entschieden, ward das Heilige Römische Reich verspielt und mit ihm die Ord­ nungsmacht des Abendlandes. Der Miterlebende solch „großer Zeiten“ ist meist nur der Miterleidende, „niedergeschlagen und traurig", wie der Pfarrer Witschel zu Igensdorf schrieb 161), als man ihn gezwungen, den König von Preußen im Kirchengebet zu nennen und der Reichsstadt nicht mehr zu gedenken, — hoffend und arbei­ tend, aber zugleich doch immer wieder für eine bessere Zukunft.

155) Atlas Franken II/2, Regest 33. 150) Almos — Großenohe mit Schossaritz — Igensdorf mit Eichenmühle, Lindenhof, Linden­ mühle, Micheldorf, Weidenbühl, Weidenmühle und Weinsdorf — Kappel mit Kemmathen. (Freundl. Auskunft von Herrn Archivar Bisdtoff, Erlangen, aus Manuskript Atlas Franken „Erlangen“.) 157) Reg. Bl. 1812 Sp. 180. 158) Das zum Pegnitzkreis gehörige Landgericht Neunkirchen in Gräfenberg (mit Rentamt in Neunkirchen) war am 7. 8. 1808 aus den Ämtern Gräfenberg, Hiltpoltstein und Neun­ kirchen formiert worden, verlegte seinen Sitz jedoch erst 1813 nach G. (Reg. Bl. 1808, 1689 ff., vgl. Atlas Franken I, 5). Weidensees und Hüll waren beim KA Pegnitz ver­ blieben, während das Amt Betzenstein 1808 zum LG Pottenstein geschlagen worden war. 159) Einführung des BGB zum 1. 1. 1900. m) O. A. v. Völdernäorff, Civilgesetzstatistik des Königreichs Bayern, 2 1880, S. 23 5 (die Anmerkungen treffen nicht ganz zu). 161) Bericht an das Landalmosenamt vom 27. 1. 1804: Nürnberg StA, Nürnberger Differenzial­ akten 301.

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EIN SOHN DES KOLUMBUS IN NÜRNBERG Ein Beitrag zu den Beziehungen zwischen Nürnberg und dem spanischen Humanismus Von Georg Schiffauer Fernando Colon*) wurde in Cordoba als der uneheliche Sohn von Christoph Kolumbus und Beatriz Enrfquez de Harana geboren. Kolumbus hatte be­ kanntlich noch einen Sohn, Diego, aus der Ehe mit der Portugiesin Felipa Moniz de Perestrello. Während seiner ersten Amerikafahrt überließ Kolumbus den jungen Fernando der Obhut seiner Mutter in Cordoba, wo er zur Schule ging. Erst auf seiner vierten und letzten Seereise nahm ihn der Vater in die Neue Welt mit. Am 9. Mai 1502 schifften sie sich in Cadiz ein; 1504 waren sie wieder in Spanien zurück. Fernando war damals 14 Jahre alt. Es war eine lange und abenteuerliche Fahrt in eine unbekannte Welt, voller Gefahren für den Jungen. Von dieser Zeit an fällt die unermüdliche und fruchtbare Tätig­ keit des jungen Mannes auf, der zugleich Seefahrer, Mathematiker, Humanist und Diplomat war. 1498 kam er dank dem Einfluß seines Vaters und seines Onkels Bartolome als Page an den Hof der Königin Isabella. Hier begannen seine ersten Beziehungen zum spanischen Hof. Nach der Thronbesteigung Karls V. blieb er weiterhin am Hofe, stets in persönlicher Nähe des Königs und späteren Kaisers. 1520 gehörte er zur Begleitung des Kaisers bei dessen Krönung in Aachen. Das war der Anfang der Karriere Fernando Colons, der sich bald unter die bedeutendsten Männer seines Landes zählen konnte. 1524 sehen wir ihn als Richter in der Streitfrage der Rechte Spaniens und Potugals über die Molukken. Die schiedsrichterliche Kommission trat in Badajoz (spanisch-portugiesische Grenze) zusammen. Fernando faßte vier Denkschriften ab, und wenn Karl V. damals seine Ansprüche aufgab, so war *) Die deutsche historische Bibliographie bringt über Fernando Colon so viel wie nichts. Die einzige Erwähnung habe ich bei dem Kölner Hispanisten (Amerikanisten) R. Konetzke gefunden, der ihn in seinem Buch „Das spanische Weltreich (Grundlagen und Entstehung)“, Verlag Callway, München 1943, als den Verfasser der „Historia del Almirante Don Cristöbal Colon“ zitiert. — Die deutschen enzyklopädischen Nachschlagwerke wie Der Große Brockhaus, Der Große Herder, Meyers Lexikon tun ihn mit dürftigen Notizen ab. Nicht so die romanischen Enzyklopädien, wie La Grande Encyclopedie (Frankreich), EspasaCalpe (Spanien), Diccionario Enciclopedico Salvat (Spanien), Grande Dizionario Enciclopedico (Italien), Enciclopedia Italiana, Grande Enciclopedia Portuguesa e Brasileira (Portugal-Brasilien) und The Enciclopaedia Americana, die alle mehr oder weniger aus­ führlich auf Fernando Colön eingehen und ihn in seiner historischen Bedeutung zu charak­ terisieren versuchen. Die Nachforschungen in den Nürnberger Archiven über den Auf­ enthalt Colöns in dies .r Stadt haben nichts ergeben. Um so überraschender war es für den Verfasser dieses Artikels, bei seinen Studien in der Biblioteca Colombina von Sevilla durch einen glücklichen Zufall auf den Namen Fernando Colön im Zusammenhang mit Nürnberg gestoßen zu sein. Diesem erfreulichen Umstand ist dieser Artikel zu verdanken.

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das dem Rate Fernandos zu verdanken. Der Vertrag wurde 1529 in Zaragoza unterzeichnet. Dieses Vertrauen, das ihm der Kaiser bezeugte, verdankt Fernando Colon seinem aufgeschlossenen Geist und vor allem seinem großen geographischen Wissen. Er hatte die wirtschaftliche Bedeutung der Entdeckungen seines Vaters begriffen und bemühte sich bis zu seinem Tode um die methodische Erschlie­ ßung der entdeckten Gebiete. Nach langen Bemühungen hatte Diego Colon vom Hohen Indienrat die Nachfolge seines Vaters im Amte des Admirals erreicht. Im Jahre 1509 schiffte er sich, mit seiner neuen Würde ausgestattet, in Begleitung seiner Frau, seines Onkels Bartolome und seines Bruders Fernando in San Lücar ein. Fernando war von König Ferdinand dem Katholischen beauftragt worden, auf der Insel Santo Domingo Klöster und Kirchen zu gründen. Wir wissen, daß er gewissen­ haft diesen Auftrag ausführte; denn als Belohnung für seine Dienste erlaubte ihm 1514 der König, entgegen dem Gesetz, die indianischen Sklaven zu be­ halten, die er nach Spanien mitgebracht hatte. Später übergab ihm Karl V. 1526 die Führung einer Kommission von Geographen und Piloten, die die Seekarten berichtigen und einen Globus und eine Weltkarte hersteilen sollten, um die jüngst entdeckten Gebiete einzu­ tragen; schließlich sollte er noch ein Gesetzbuch für amerikanisches Seerecht zusammenstellen. Wiederholt wurde er mit dem Vorsitz bei den Prüfungen der Piloten, die die berühmten Kosmographen Diego Ribero und Alonso de Chaves in seinem Hause Vornahmen, beauftragt. Diese Aufgabe nahm Fer­ nando Colon sehr ernst, und noch um 1537, d. h. zwei Jahre vor seinem Tod, trug er sich mit dem Gedanken, in Sevilla ein Colegio Imperial, eine Schule für Mathematik und Nautik, zu gründen. Aber wenn auch die Übersee der Gegenstand seiner ständigen Studien und Bestrebungen war, so hatte doch ein großer Teil seiner vielen Reisen den Zweck, sein Lieblingsideal als Gelehrten und Humanisten zu befriedigen. — Man ist erstaunt über die langen Reisen, die alle jene Gelehrten und Künstler der Renaissance unternahmen, mit den rudimentären Verkehrsmitteln der damaligen Zeit, nur vom Drang nach Wissen und Studium beseelt. Italien, Frankreich, die Niederlande, Deutschland erhielten den Besuch Fernando Co­ lons. Auf diesen Reisen lernte er alle Persönlichkeiten, die in der gelehrten Welt Namen und Rang hatten, kennen. In Löwen gab ihm Erasmus am 7. Oktober 1520 seinen Traktat „Antibarbarorum liber“ zum Geschenk; in der­ selben Stadt, wo er sich einige Monate aufhielt, kam er in Kontakt mit dem flämischen Humanisten Nicolaus Cleynaerts, der dort eine Professur für Grie­ chisch und Hebräisch ausübte. In Brügge begegnete er dem Gelehrten Johannes Vasaeus, den er mit nach Sevilla nahm und der ihm bei der Einrichtung seiner Bibliothek behilflich war. 1526 hatte sich Fernando Colon endgültig in Sevilla niedergelassen, in einem palastähnlichen Haus am Ufer des Guadalquivir, gegenüber dem Karthäuser-Kloster, das die Asche seines Vaters barg. Von diesem Haus, das man „La Femandina“ nannte, ist heute nichts mehr zu sehen. Es war von prächti61

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gen Gärten umgeben und von Bäumen bepflanzt, die aus den Tropen herbeigebracht worden waren; und die Bücher flössen aus allen Teilen Europas hier zusammen. In der Tat besuchte Fernando Colon auf seinen Reisen die Märkte und Bücherläden und kaufte ein Buch nach dem anderen für seine Bibliothek. Auf die letzte Seite jedes Buches trug er Ort, Zeit des Kaufes und den Preis in Landeswährung ein, wobei er jedesmal den Gegenwert in Golddukaten hin­ zufügte. So wissen wir genau, was die Bücher damals wert waren. Bisweilen macht er eine pittoreske Bemerkung dazu, so z. B. in Lyon, in dem römi­ schen Lugdunum, wo er einen Tag verbrachte. Er hatte das Buch „La chronique de Genes" gekauft und auf den Deckel geschrieben: „Este libro costö 1 sueldo en leon a 21 de noviembre de 153 5, haciendo grandissimo frfo y niebla y el ducado vale 570 dineros que son 47 sueldos y medio a 12 dineros el sueldo." Mit Kaiser Karl V. bereiste Fernando Italien, Flandern und Deutschland. Diese Reisen vervollständigten seine feine Bildung, die er am Hofe genossen hatte, und erweiterten seine Kenntnise in der Kosmographie, Nautik und den Naturwissenschaften. Ausgestattet mit einem klaren Geist und großer Liebe zu den Büchern und dem Studium baute er eine prächtige Bibliothek auf, die dann später die berühmte Colombina wurde mit mehr als 15 000 Bänden. Er erlangte von Karl V. die Genehmigung zur Errichtung einer „Academia de Matemäticas" in Sevilla. Er starb 1539, ohne sein Werk vollendet zu haben. Die häufigen Reisen und die Überanstrengung hatten seine Gesundheit er­ schüttert. Er hinterließ u. a. eine: „Historia del Almirante Don Cristöbal Co­ lon", ein wertvolles Werk, wenn es uns auch über den Lebensabschnitt seines Vaters vor seinen Entdeckungen völlig im Dunkeln läßt. Don Fernando wurde auf seinen Wunsch in der Kathedrale von Sevilla beigesetzt, der er auch seine äußerst reiche Bibliothek vermachte. Fernando Colon ist eine der hervorragendsten Gestalten der spanischen Renaissance und eng verbunden mit der geschichtlichen Größe Sevillas. Den Enzyklopädisten des 18. Jahrhunderts um zwei Jahrhunderte vorauseilend, trug er sich mit dem großen Gedanken einer Klassifizierung des menschlichen Wissens.

Die BIBL10TECA COLOMBINA Der bibliographische Wert der Libreria Colombina oder Femandina stellt, wenn auch beträchtlich vermindert (4000 Bände), immer noch eine der reich­ sten Fundgruben an seltenen Büchern in der Welt dar, an einmaligen Exem­ plaren und Erstausgaben. Don Fernando Colon hatte von 1512 bis zu seinem Tode am 12. Juli 1539 ununterbrochen Bücher gesammelt. Mit dem Katalog *), der diesen außergewöhnlichen Bücherschatz aufgenommen hat, wurde der universalen Kultur ein großer Dienst erwiesen. Anläßlich des 400. Jahrestages der Entdeckung Amerikas kamen die beiden ersten Bände heraus. — Die 2) Catälogo de la Biblioteca Colombina. 7 Bände. Sevilla, Madrid, 1888—1948.

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Bibliothek bietet ein weites Feld für die historische Forschung: Wissenschaft­ ler und Schriftsteller wie Martin Femändez de Navarrete, Washington Irving, William Prescott, Harrisse, Alexander von Humboldt u. a. haben sich der Bi­ bliothek bedient. Es sind unschätzbare bibliographische Werte, unerläßlich für die historische Forschung der ersten Zeit der Entdeckungen; zahlreiche Rand­ bemerkungen aus der Feder Christoph Kolumbus*, primäres Material für die Aufhellung seiner Lebensumstände, die lange im Dunkeln und im Zweifel lagen. So konnten Irrtümer beseitigt werden, die von manchen seiner Biogra­ phen begangen worden sind. Fernando Colon wurde in eine Zeit hineingeboren, wo der italienische Humanismus sich über ganz Europa ausbreitete. Er ist nicht nur der „Principe" der Bibliophilen, er ist überhaupt eine der anziehendsten Gestalten der Renais­ sance, der die Gelehrsamkeit eines Erasmus der schönen Form eines Lorenzo Valla vorzieht. Die kulturellen Beziehungen zwischen Spanien und Italien waren schon durch die Politik Alfons* V. von Aragon und Königs von Neapel gepflegt worden; sie finden in dem italienischen Humanisten Pedro Märtir de Angleria einen mächtigen Förderer und der junge spanische Adel einen groß­ artigen Führer durch das klassische Altertum. In Salamanca lernte Fernando Colon den Hellenisten Arias Barbosa kennen und den Grammatiker Antonio de Nebrija, einen der Erzieher jenes Spaniens, das sich den erfrischenden Win­ den der Renaissance öffnete, die in den Gelehrten Nebrija und Luis Vives ihren Höhepunkt erreichte; es ist eine ganze Plejade von glühenden Humani­ sten, unter denen Fernando Colon einen bedeutenden Platz einnimmt. Kosmograph, Mathematiker, Dichter und gelehrter Humanist, Bibliograph und Bibliophile, ein echter Renaissance-Mensch: das ist der Sohn des Ent­ deckers Amerikas. Er ordnet seine unermüdliche, fruchtbare Tätigkeit nicht nur aus Freude an der humanistischen Gelehrsamkeit, er verwendet und verbraucht sein gan­ zes Vermögen und Leben, um alle Bücher über alle Wissensgebiete, die er zu seiner Zeit auftreiben konnte, zu sammeln und sie an die Nachwelt weiter­ zugeben. In ständigem geistigem Austausch mit den Gelehrten seiner Zeit in Spa­ nien und im Ausland, wie Desiderius Erasmus, Nikolaus Cleynaerts und Jo­ hannes Vasaeus, errichtet Fernando Colon in Sevilla ein bibliographisches Denkmal erster Ordnung, das sehr bald berühmt werden sollte. Die Humanisten der Renaissance waren große Leser und Sammler, und ihnen war es ein besonderes Anliegen, für die Nachwelt einen großen Namen zurückzulassen, und zwar nicht nur durch den Reichtum ihrer Kenntnisse, sondern auch durch ihre Hochherzigkeit. Von Petrarca wissen wir, daß er seine Freunde aufforderte, sich seiner Bibliothek in Valchiuso zu bedienen. Er hatte als erster den Gedanken, eine öffentliche Bibliothek in Venedig zu gründen, wozu der venetianische Staat nach seinem Tode die Bücher übernehmen sollte. Diese Beispiele der Bibliophilie und Philantropie in der Zeit der Renaissance ließen sich beliebig vermehren. 63

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Selbst Kaiser Karl V. hatte sich um das Schicksal der „Femandina“ ge­ kümmert, gerade wegen ihres wissenschaftlichen Wertes. Sie sollte nach dem Willen ihres Schöpfers für jedermann zugänglich sein. Am 20. November 1536 gewährte der Kaiser Fernando Colon eine Lebensrente von jährlich 500 Gold­ pesos, um damit die Unterhaltung der Bibliothek bestreiten zu können. Dieser Gelehrte mit seinem liberalen Geist, dieser Sammler mit dem edlen Charakter, der auch im privaten Leben ein tadelloser Mensch war —- darüber gibt es Zeugnisse —, starb am 12. Juli 1539. Seine Bibliothek zählte zu dieser Zeit 15 370 Bände. Es war die reichste Bibliothek, die damals ein einzelner überhaupt besaß. Bei seinem Tode hatte Fernando die Bücher seinem Neffen Don Luis, dem Sohne Diegos und Marias von Toledo, vermacht unter der Bedingung, all­ jährlich hunderttausend Maravedis für die Unterhaltung der Bibliothek auf­ zubringen; andernfalls sollten die Bücher der Kathedrale von Sevilla mit der gleichen Auflage übereignet werden, und wenn sich die Kathedrale weigern sollte, dann sollten die Bücher in den Besitz des Dominikaner-Klosters Sankt Paul übergehen. Es soll nun nicht auf das bewegte Schicksal der „Colombina“ nach dem Tode ihres Gründers eingegangen werden. Darüber hat Harrisse 8) geschrieben. Die Bücher gelangten in die Hände der Dominikaner von Sankt Paul; später gingen sie dann in den Besitz des Kapitels der Kathedrale von Sevilla über. Es blieb Harrisse Vorbehalten, 1887 auf die Folgen der skandalösen Ver­ untreuungen und Diebstähle hinzuweisen, denen die Bibliothek ausgesetzt war. Glücklicherweise wurde der Alarmruf Harrisens gehört und von den Verantwortlichen beachtet, so daß dem Übel gesteuert werden konnte. Als Zei­ chen dieser verspäteten Sorge um die Bibliothek sei auf die Tatsache hinge­ wiesen, daß eine der Klauseln des Testaments Fernandos — eine Art „exlibris“ in die Bücher zu kleben, worin der Leser aufgefordert wird, für das Seelenheil Don Fernandos zu beten — erst jetzt ausgeführt worden ist. Die Bedeutung der Biblioteca Colombina beruht zum größten Teil auf der außergewöhnlichen Vielfalt des Inhaltes der Bücher. Die meisten sind in latei­ nischer Sprache abgefaßt, der Sprache der Humanisten, dann aber auch auf Italienisch, Spanisch, Katalanisch, Französisch, Englisch, Portugiesisch und zu­ letzt einige wenige in deutscher und flämischer Sprache. Was auffällt, wenn man sich die Bücher auf ihren Inhalt ansieht, ist, daß ein erstaunlich großer Teil in der Volkssprache geschrieben ist; denn Fernando verschmähte es nicht, populäre Veröffentlichungen zu erwerben und auch billige Opuscula zu kau­ fen, die er in seiner Sammlerfreude nicht unbeachtet ließ. Auf diese Weise sind einmalige Exemplare zu bewundern, die sonst in keiner Bibliothek mehr, oder kaum mehr zu finden sind. So sehen wir in der Colombina Werke aller Art; Das wissenschaftliche Buch neben dem seichten pikaresken Opuskulum. Zahlreich sind die drama­ tischen Werke, Mysterienspiele und Mirakel. Daneben finden sich Schriften der Erbauung, der Andacht; Werke der zeitgenössischen Dichter, Stücke der 3) Henry Harrisse, Fernand Colomb, Sa vie, ses oeuvres. Paris, 1872.

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Eigenhändiger Eintrag des Fernando Colon in ein 1521 zu Nürnberg gekauftes Buch (vgl. S. 67)

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galanten Literatur, Abenteurer-Romane in ganz seltenen Ausgaben, historische Werke, anekdotische Chronik, anti-lutherische Schriften, astrologische Vor­ hersagen usw. Wie stark ihn die exakten Wissenschaften anzogen, erkennt man an einer großen Anzahl von Werken seiner Bibliothek: Mathematik, Geographie, Kosmographie, Nautik, deren Elemente ihm sicher sein Vater und sein Onkel Bartolome beigebracht hatten. Es verbinden sich bei ihm überhaupt sehr eng Geistes- und Naturwissenschaften. Die eigentlichen naturwissenschaftlichen Werke finden sich in der Bibliothek in großer Zahl. Berühmte Abhandlungen (berühmt in der damaligen Zeit), wie die „Arithmetique“ von Jean de l’Ortie und vor allem die von Etienne de la Roche, der älteste Traktat über Algebra in französischer Sprache, den man kennt, medizinische Werke, Traktate über Heilmittel gegen die Pest, Kräuterkunde, Sammlung von Rezepten aller Art usw. Einen beträchtlichen Raum der Bibliothek nehmen die Bücher der Erbauung ein. — Zusammengefaßt läßt sich sagen: Das Beste was vor und zu seiner Zeit gedacht und erfunden worden war, lebte in den Büchern seiner Bibliothek. Über die Verwaltung der Bibliothek selbst sei hier nichts gesagt. Es sei nur bemerkt, daß die Aufstellung eines Katalogs seine Hauptsorge war, was aus den Manuskripten hervorgeht, die er zurückgelassen hat. Es war ihm nicht vergönnt, diese Arbeit zu Ende zu führen. Erwähnt seien nur die „Registra“ und „ABCdaria“. Die ersteren waren Inventare und die eigentlichen Kataloge im heutigen Sinn. Die zweiten waren alphabetische Verzeichnisse. Dank diesen sorgfältigen Aufzeichnungen wissen wir heute genau, wann Fernando Colon die Bücher erworben hat; daß er zum Beispiel die in Deutsch­ land gekauften Bücher zwischen den Jahren 1520 und 1522 erworben hatte; daß er fast alle Bücher in französischer Sprache, die gegenwärtig in der Colombina noch vorhanden sind, in den Jahren 1530—1556 gekauft hatte 4). Was man vermißt, ist eine vollständigere Beschreibung der Bücher, mehr Einzelheiten literarischer und bibliographischer Art, vor allem bei den Exem­ plaren, die als einmalig anzusehen sind. Heute wird trotz des geringen Etats, der der Biblioteca Colombina zur Verfügung steht, fleißig und sorgfältig an den bibliothekarischen Aufgaben gearbeitet, um die Bibliothek den Wissenschaftlern zur Verfügung zu stellen. Notwendig ist vor allem die Erstellung eines neuen Katalogs oder wenig­ stens die Überarbeitung des vorhandenen. Sich durch diese 7 Bände hindurch­ zuarbeiten, ist ein „labor improbus“, da häufig die nicht-spanischen Wörter, vor allem die Eigennamen, bis zur Unkenntlichkeit entstellt sind. Die Bibliothek wird vom Kapitel selbst verwaltet und steht unter der Leitung eines Priesters, der den Titel Bibliothekar führt. Der Name dieser Bibliothek, die heute mit dem femandinischen Grundstock rund 90 000 Bände zählt, war ursprünglich nur einem Teil der Bücher Vorbehalten, nämlich den Büchern, die von Fernando Colön der Kathedrale übereignet wurden. Nun aber ist der ursprüngliche Fonds, d. h. der von Fernando Colön stammende, 4) Jean Babeion, La Bibliotheque fran^aise de Fernand Colomb, o. O. und o. J. 5

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so bedeutend und berühmt, daß sein Name auf die gesamte Bibliothek über­ tragen worden ist. Der Gründer dieser Bibliothek ist, wie gesagt, Fernando Colon. Die latinisierte Form Kolumbus ist für uns Deutsche doch zu sehr an den Namen seines Vaters, des Entdeckers, geknüpft.

Reiseweg Fernando Colins (1520—1522) Mit Hilfe der handgeschriebenen Notizen, die sich in jedem seiner Bücher befinden (Ort und Zeit des Kaufs), und dank den häufigen Bemerkungen, daß er dieses oder jenes Buch an dem und dem Tag, Monat und Jahr da oder dort las oder als Geschenk erhielt, läßt sich sein Reiseweg, wenn auch lücken­ haft, nachzeichnen. Für unsere Zwecke kommen nur die Jahre 1520 bis 1522 in Betracht, das sind die Jahre, wo sich Don Fernando in Flandern und Deutschland aufhielt und bei dieser Gelegenheit auch Nürnberg besuchte. Diese Zeit fällt mit dem Aufenthalt des Kaisers Karl V. in Flandern und Deutschland zusammen, so daß der Gedanke nahe liegt, daß Colon sich dem Gefolge des Kaisers angeschlossen hatte, ohne sich jedoch in seiner Bewe­ gungsfreiheit, die ihm ein humanistisches Anliegen war, einschränken zu lassen. 1520

Ende Januar:

20. Mai: 1. Juni: Juni bis September: 7. Oktober: 23. Oktober: November:

Wir finden Fernando Colon noch in Spanien (Valencia), wie aus einer seiner Bemerkungen hervorgeht. Dann hören wir nichts mehr von ihm bis zum 26. Juni, wo er in Brüssel auftaucht. Karl V. schifft sich in La Coruna nach England ein. Karl landet in Vlissingen und zieht noch am selben Tag über Brügge und Gent nach Brüssel. Colon in Brüssel Colon in Löwen (Begegnung mit Erasmus) Karl in Aachen (Kaiserkönung) Karl in Köln

1521

Jan. u. Februar: Colön in Worms Reichstag zu Worms 27. Jan. — 25. Mai: Dezember 1521 bis Anfang Januar 1522: Colön in Nürnberg 1522

Mitte Januar: Februar: 66

Colön in Frankfurt und Mainz Colön in Köln (wo er eine Sammlung von Briefen des Thomas Morus kaufte) und in Aachen

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März und April: Mai: 20. Mai: Juni: 7. Juli: November:

Colon wieder in Brüssel (wo er die „Utopia" von Morus las) Colon in Brügge Karl in Brügge Colon in London Rückkehr Karls nach Spanien Colon in Spanien (Valladolid)

1523 Mai:

Colon in Spanien (Valladolid)

Fernando Colön in Nürnberg Von den in Nürnberg von Fernando C61on gekauften Büchern befinden sich heute noch rund 300 in der Biblioteca Colombina. Davon kaufte er 258 im Dezember 1521; im Januar 1522: 38. Das geht aus den Bemerkungen hervor, die er gewissenhaft und regelmäßig mit Angabe des Ortes, des Prei­ ses, Datums und des Gegenwertes des Golddukaten mit seiner Handschrift auf der letzten Seite des Buches einträgt. So hat er zum Beispiel am 6. De­ zember 21 Bücher gekauft, am 10. Dezember 2, am 11. Dezember 12 usw. Bei einer Anzahl fehlt allerdings die Angabe des Tages, da heißt es einfach „por diciembre", „por enero". Das sind aber vermutlich nicht alle, die er in Nürnberg gekauft hat; denn wenn man bedenkt, daß die Bibliothek einmal ungefähr 15 000 Bände zählte und heute nur noch 4000 vorhanden sind, dann geht man kaum fehl, wenn man vielleicht die doppelte Anzahl der in Nürn­ berg gekauften Bücher annimmt. Handschriftliche Bemerkungen Fernando Colons in einigen seiner in Nürnberg gekauften Büchern: 1521

(20. Dez.): Bernhard Wurmser, Oratio habita coram Carolo Augusto disignato ... „hoc opusculum perlegi nerumberge 20a decembris 1521" „Este libro costo en nerumberga 3 fenins por deziembre de 1521, y el ducado de oro vale 344 fenins" (s. Abb.)

1522

(2. Januar): Bernardinus de Senis, Sanctus: Sermones sancti Bemhardini ... Impressum Nurembergae cura et impensis providi viri Friderici Creußner, anno 1493 „Este libro es el primero que compre el ano de 1522 y costo 20 craices asi enquademado en nuremberga a dos de enero del dicho ano y el ducado de oro vale 86 craices"

5*

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1522

(zu Jahresbeginn): Paulus Germanus de Middelburgo: Antiprothonotarii categoria et criminatio. Protonotari mastix. „Nerumbergae in principio anni 1522" ö) „Este libro costo tres fenins en nerumberga por diziembre de 1521 y el ducado de oro vale 344 fenins"

Was auffällt ist, daß Fernando Colon sich nicht über Nürnberg äußert, über die große kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung der damaligen Reichs­ stadt. Soll sich das literarische Zeugnis über seinen Aufenthalt in dieser Stadt wirklich nur auf diese merkantilen Notizen beschränkt haben? Es ist doch kaum anzunehmen, daß diese „civitas imperialis", wie Nürnberg genannt wird, mit ihren Sehenswürdigkeiten, ihren Kirchen, ihrer Veste, mit ihren Humanisten und Künstlern, dem für Schönheit und Kunst so empfänglichen Hispano-Italiener Colon keine literarische Bewunderung entrungen hätte, ähnlich wie andere Spanier angesichts der Schönheiten dieser Stadt nicht stumm blieben, wie zum Beispiel Ortega y Gasset, der von ihr tief beein­ druckt war und dem es vor allem die Brünnlein, die Spitzdächer mit den Dach­ luken und die Erker angetan hatten; der vor St. Lorenz bewundernd stehen^ bleibt und von dem Anblick der Burg („el burgo imperial, alto, aguileno, magnifico") überwältigt wird, so daß er schließlich fragend ausruft: „Habrä alguna ciudad que alboroce en lo mas recondito al viajero como Nuremberga?" (Gibt es überhaupt noch eine Stadt, die den Reisenden in seinem Innersten so entzückt wie Nürnberg?)8) Ein anderer Romane — diesmal ein Italiener —, und zwar kein geringerer als der Kardinal Aeneas Sylvius de Piccolomini57),* der spätere Papst Pius II., schreibt in seiner „Germania" (1457) über Nürnberg: „Wenn man aus Unterfranken kommt und von ferne die Stadt sieht, welche Großartigkeit, welche Schönheit bietet sich da schon dem Blick von außen! Und im Innern dann, welche Sauberkeit der Straßen, welche Eleganz der Häu­ ser! Was gibt es Herrlicheres als die Kirche des hl. Sebaldus, was Prächtigeres als die Kirche des hl. Laurentius, was Stolzeres und Festeres als die Königs­ burg, was Bewundernswerteres als den Graben und die Stadtmauern! Wie viele Bürgerhäuser kann man dort finden, die für Fürsten geeignet wären! Die schot­ tischen Könige würden wünschen, so elegant zu wohnen wie mäßig reiche Bürger Nürnbergs."

5) Zu Jahresbeginn gelesen, nachdem er das Buch im Dezember gekauft hatte. fl) Jose Ortega y Gasset, Obras completas, Bd. I (1902—1916) 4. Auflage, Revista de Occidente, Madrid, 1957. *) Aeneas Sylvius de Piccolomini, Deutschland. Der Brieftraktat an Martin Mayer und Jakob Wimpfelings „Antworten und Einwendungen gegen Aeneas Sylvius". (Übersetzt und er­ läutert von Adolph Schmidt.) Böhlau Verlag, Köln-Graz, 1962.

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NÜRNBERGS ERZEUGUNG UND AUSFUHR WISSENSCHAFTLICHER GERÄTE IM ZEITALTER DER ENTDECKUNGEN Das Martin-Behaim-Problem in wirtsdiaftsgesdiiditlidicr Betrachtung Von Theodor Gustav Werner ÜBERSICHT Vorwort Einleitung a) Die Steuermannskunst und ihre Hilfsmittel im Zeitalter der Entdeckungen b) Die portugiesische Steuermannskunst in den letzten Jahrzehnten des Mittel­ alters und ihre nautischen Hilfsmittel c) Der Stand der Erzeugung astronomischer und nautischer Geräte vor der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in außerdeutschen Ländern d) In- und ausländische Urteile über die Bedeutung der deutschen, vornehmlich nürnbergischen Metallwarenerzeugung im Zeitalter der Entdeckungen e) Die wichtigsten Arten der in Nürnberg hergestellten astronomischen und nautischen Geräte f) Nürnbergische Astronomen und Kosmographen des Spätmittelalters und der beginnenden Neuzeit als Wegbereiter der gewerblichen Erzeugung wissen­ schaftlicher Geräte Hauptteil: 1. Das nürnbergische Rotschmiedehandwerk, das Grundgewerbe für die Erzeugung astronomischer und nautischer Geräte 2. Erzeugung und Ausfuhr nürnbergischer Astrolaben 3. Erzeugung und Ausfuhr nürnbergischer Jakobstäbe und Quadranten 4. Erzeugung und Ausfuhr nürnbergischer Instrumente zur Darstellung der Plane­ tenbewegung 5. Erzeugung und Ausfuhr nürnbergischer Zirkel und anderer räumlicher Meß­ instrumente 6. Herstellung und Ausfuhr nürnbergischer Kompaßsonnenuhren 7. Erzeugung und Fernabsatz nürnbergischer Erd- und Himmelskugeln 8. Händler und Abnehmerkreise nürnbergischer astronomischer und anderer wissen­ schaftlicher Geräte a) Der Vertrieb auf den Frankfurter, Leipziger und ausländischen Messen b) Fürsten, geistliche Würdenträger und Städte als Abnehmer nürnbergischer astronomischer Geräte c) Deutsche Astronomen in aller Welt als Benutzer nürnbergischer astronomi­ scher Geräte 1. in Deutschland 2. in verschiedenen Ländern Europas 3. in Portugal (Das Behaim-Problem) 9. Rückblick auf Nürnbergs Ausfuhr astronomischer Geräte nach den iberischen Ländern Scklußbetraditung: Die Bedeutung der Fremden in Portugal und ihres Imports astronomischer und nautischer Geräte für die Entwicklung der portugiesischen Hochseeschiffahrt und für die Geschichte der großen iberischen Entdeckungen 69

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VORWORT Eine der wichtigsten Voraussetzungen zu den großen Entdeckungen des 15. und 16. Jahrhunderts war die Entwicklung astronomisch-nautischer Geräte, d. h. von Hilfsmitteln, die den Übergang von der geographischen Steuermanns­ kunst mit Kompaß und Karte zur astronomischen Navigation und damit den Übergang von der Küstenschiffahrt zu einer regelrechten Hochseeschiffahrt möglich machten. Daß dieser Vorgang sich vollzog, war das Werk vieler Völ­ ker, auch des deutschen. — Vornehmlich in Nürnberg, wo eine hochentwickelte gewerbliche Kultur einer hier weit vorgeschrittenen mathematischen und astro­ nomischen Wissenschaft die erforderlichen Geräte in höchstmöglicher Voll­ kommenheit lieferte, wurden wichtige Voraussetzungen zur Entwicklung der Hochseeschiffahrt geschaffen. Dieser Einfluß kulminierte in Portugal in der Wirksamkeit des Nürnberger Kaufmanns, Kartographen und Seefahrers Martin Behaim, der sich als Schüler Regiomontans bezeichnete und zweifellos manches von dessen Geistesgut Portugal vermittelte sowie deutsche astronomische Ge­ räte — wohl auch ein verbessertes Astrolab — dort eingeführt hat. In der neueren deutschen und portugiesischen Literatur ist das mit Hinweis auf iberische Leistungen aufs heftigste bestritten worden. Dazu hat Hermann Kellenbenz 1958 in seiner Abhandlung über „Portu­ giesische Forschungen und Quellen zur Behaimfrage“ Stellung genommen und dargelegt, daß die jüngere portugiesische Literatur*) tatsächlich beachtliche Kenntnisse und Leistungen der Portugiesen auf dem Gebiet der Nautik und der nautischen Astronomie bereits für die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts erwiesen habe. Doch erhebt Kellenbenz, dem hier mehrere Hinweise zu ver­ danken sind, Bedenken gegen die Bemühungen der Portugiesen, Behaims Einr fluß völlig auszuschließen, und fordert deshalb, neue Gesichtspunkte zur Dis­ kussion zu bringen. Da wird hier versucht. Die These, das Astrolab sei durch eine Kommission Joäo’s II., der Behaim an­ gehörte, in die portugiesische Nautik eingeführt worden, wurde zuerst mittelbar von Joäo de Barros 1552 aufgestellt. Ihm schlossen sich 1682 Manuel Pimentei in seiner „Arte de navigar“ und Manuel Teiles de Silva 1689 in seinem Buch „De rebus gestis Joanni II“ an. In Deutschland kam Theophil von Murr 1778 in seiner „Diploma­ tischen Geschichte des portugiesischen berühmten Ritters Martin Behaim aus Original­ urkunden“ zu dem Schluß, dieser deutsche Ritter habe das Astrolab der portugiesi­ schen Seefahrt vermittelt. In seinen „Kritischen Untersuchungen“ folgte Alexander von Humboldt dieser These. Sie fand in Deutschland, England und Portugal zunächst l) Hermann Kellenbenz, Portugiesische Forschungen und Quellen zur Behaimfrage (MVGN 48), 1958, S. 79—93. — Literatur zum Behaim-Problem — soweit sie im folgenden nicht verzeichnet ist — findet sich bei Kellenbenz, ferner bei Siegmund Günther, Martin Behaim, Bamberg 1890, bei Gerhard Jacob, Zum gegenwärtigen Stand der Martin-Behaim-Forschung (Forschungen und Fortschritte, 31. Jg.), Berlin 1957, S. 218—221, und in den dort verzeichneten Aufsätzen von Werner Schultheiß über Nürnberg und Amerika, Behaim und Schöner. Über die neueste Literatur vgl. unten Anm. 9—11. — Anläßlich des 450. Todes­ tages Behaims veranstaltete das Germanische National-Museum auf Anregung des da­ maligen Stadtarchivdirektors Dr. Gerhard Pfeiffer i. J. 1957 eine höchst aufsdilußreiche Ausstellung: „Martin Behaim und die Nürnberger Kosmographen“. Der gegenwärtige Stadtarchivdirektor Dr. Werner Schultheiß schrieb die Einleitung zum Katalog (im Fol­ genden als Schultheiß, Behaimkatalog, zitiert).

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allgemeine Zustimmung, so auch von Friedrich Wilhelm Ghillany 1853 und Karl Rit­ ter 1861. Dagegen meinten A. Breusing 1869, Sophus Rüge 1881 und Siegmund Günther 1890, es sei der Jakobstab gewesen, der von dem Nürnberger Patrizier dort bekanntgemacht worden sei, während Eugen Gelcidt sich 1892 der Auffassung Murrs anschloß. Einwendungen gegen Behaims Bedeutung als Kosmograph erhob zuerst Oskar Peschel in seiner Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen von 1858 und in seiner Geschichte der Erdkunde von 1865 und 1877. — Schärfste Ablehnung erfuhr die Behaim-These dann durch den aus Deutschland stammenden Geographen E. G. Ravenstein und zwar in dessen glänzend ausgestattetem, aber durch einseitige Betrach­ tung beeinträchtigtem Werk „Martin Behaim. His Life and his Globe", London 1908, und durch den Portugiesen Joaquim Bensaüde in verschiedenen Abhandlungen, zuerst in „L’Astronomie nautique au Portugal a l’fipoque des Grandes Decouvertes", Bern 1912. — Ravenstein wies besonders auf den Almanach perpetuum des Abraham Zacuto hin, der den portugiesischen Seeleuten bereits vor Behaim alles geboten habe, was sie für die Ortsbestimmung auf hoher See brauchten, und Bensaüde hob die Bedeutung eines amtlichen portugiesischen Leitfadens der Nautik, des „Regimento do Estrolabio" hervor, der angeblich schon 1484 entstanden sein sollte. — Hermann Wagner veröffentlichte im Anschluß an Bensaüdes Forschungen 1918 eine Abhand­ lung über „Die Entwicklung der wissenschaftlichen Nautik im Beginn des Zeitalters der Entdeckungen nach neueren Anschauungen" *2)* und sagte abschließend, daß die bisherige Anschauung eines maßgebenden Einflusses der Deutschen auf die wissen­ schaftliche Nautik in Portugal nicht mehr aufrechterhalten werden könne, wenn auch die völlige Negation ins andere Extrem fallen würde. — In seiner Kritik der Ver­ öffentlichungen Bensaüdes brachte Konrad Kretschmer zum Ausdruck, daß die frühere Annahme, die portugiesische Nautik habe durch die Einfuhr besserer Instrumente und durch die Regiomontanschen Ephemeriden einen Aufschwung erfahren, irrig sei. Durch Ravensteins Hinweis auf Zacutos Tafeln sei der Umschwung der Anschauungen über den Einfluß Regiomontans und Behaims eingeleitet worden8). So konnte denn Antonio Barbosa auf dem „I Congresso da Historia da Expansäo Porruguesa no Mundo“ im Jahre 1937 ausrufen, daß wohl niemand mehr wagen dürfe, für Behaim und Regiomontan den Ruhm in Anspruch zu nehmen, zum Fort­ schritt der nautischen Wissenschaft der Portugiesen beigetragen zu haben 4). — Im großen ganzen bestätigte dies dann im Jahre 1944 auch Hans Schomburg in seinem ausführlichen Aufsatz über „Die Iberische Steuermannskunst im Entdeckungszeit­ alter" 5).* Er * unterstrich nochmals, daß die Seeleute der iberischen Halbinsel auf ihren Entdeckungsfahrten die Anfänge einer geregelten Hochseenautik geschaffen und diese selbständig weiterentwickelt hätten. Die Einwirkung Regiomontans und Behaims auf die portugiesische Nautik sei doch zum mindesten sehr eingeschränkt. Mit Rüge (1881) und Luciano Pereira da Silva (1921) Ä) kamen E. A. Strassen und Alfredo Gdndara in ihrem Werk „Oito Seculos de Historia Luso-Alemä" (Berlin *) Hermann Wagners Abhandlung erschien in den „Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, Zeitschrift für Seefahrt und Meereskunde", 46. Jg., 1918, S. 105. *) Konrad Kretschmer, Literatur zur Erdkunde, S. 186 ff. 4) Kellenbenz, Behaimfrage, S. 83. — Ähnlich wie Barbosa äußert sich Cortesao in seinem Werk über die Geschichte der portugiesischen Kartographie: „O trabalho de Bensaüde deströi töda a lenda da ciencia alemä ter servido de base e inspira^äo ä navegafäo astronomica dos portugueses (S. 129). 5) Hans Sdtomburgs Aufsatz: im Geographischen Anzeiger 1944, Heft 13—16. •) L. Pereira da Silva, A Arte de navegar dos Portugueses. (In: Historia da colonisafäo Portuguesa do Brasil) Rio de Janeiro 1921.

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1944) ebenfalls zu dem Schluß, daß der Erfolg der mathematischen Kommission in einer Erweiterung der an sich schon bekanntgewesenen Methode „nach der Sonnen­ höhe zu navigieren" bestanden habe. Es sei dadurch möglich geworden, sie auch auf der südlichen Erdhälfte anzuwenden7). Auch in jüngster Zeit hat sich die Stellungnahme der Behaimforscher nur wenig geändert. Während Werner Schultheiß in seiner Abhandlung „Die Entdeckung Ame­ rikas und Nürnberg" 8) eine Auseinandersetzung mit Ravenstein und Bensaüde und anderen Autoren vermeidet, beschränken Otto Berninger9), Heinrich Winter 10)* und G. R. Crone u) das Behaimsche Verdienst im wesentlichen auf die Herstellung des Globusses und lehnen abermals einen deutschen Einfluß auf die Entwicklung der portugiesischen nautischen Wissenschaft und auf die Entdeckungen ab. Im übrigen tragen aber alle drei Autoren beachtenswerte neue Forschungsergebnisse und Ge­ sichtspunkte vor. In Portugal ist diese Ablehnung so weit gegangen, daß heute — wie Hermann Kellenbenz mitteilt — der Artikel „Astronautica" im Dicionario de Historia de Portugal (I, S. 242) zwar die Kosmographen Vizinho, Rodrigo und Zacuto nennt (wie sie hier im Abschnitt 3 und 8 c 3 näher erwähnt sind), Martin Behaims aber nicht mehr gedenkt.

Da also ein deutscher geistiger und realer Einfluß auf die Entwicklung der portugiesischen Nautik, die die Grundlage der großen Entdeckungen bildete, von der deutschen und ausländischen Fachwissenschaft bestritten oder bis zur Bedeutungslosigkeit eingeschränkt wurde, mußte die entgegengesetzte An­ schauung aufgegeben werden. Zwar kehrte sie in popularisierenden und selbst wissenschaftlichen in- und ausländischen Werken immer noch wieder. Doch geschah dies meist ohne Kenntnis oder Widerlegung der anderen Auffassungen. Bei dieser Verneinung sind indessen höchst wichtige Gesichtspunkte unbe­ rücksichtigt geblieben, so daß eine Revision der gegenwärtigen Anschauung dringend erforderlich ist. Emst Zinner hat eine solche in mehreren Abhand­ lungen durch die Beweisführung bereits grundlegend eingeleitet, daß Kolumbus bei seiner ersten Entdeckungsfahrt die Ephemeriden Regiomontans an Bord hatte und erst mit deren Hilfe seine astronomischen Berechnungen erfolgreich vornehmen konnte12).* *Außerdem finden sich besonders in Zinners Werken verstreut viele Hinweise auf die Verbreitung deutscher, darunter vornehmlich nürnbergischer astronomischer Geräte 1S). Darauf stützen sich u. a. wesentlich 7) Kellenbenz, Behaimfrage, S. 85. — E. Prestage, Die portugiesischen Entdecker, Leipzig 1936, S. 231. B) JffL 15, 1955, S. 171—200. „Die Entdeckung Amerikas und Nürnberg". *) Otto Berninger, Martin Behaim, zur 500. Wiederkehr seines Geburtstages am 6. Oktober 1459 (Mitt. d. Frank. Geogr. Ges., Erlangen, Bd. 6) 1959, S. 141—152. l0) Heinrich Winter, New Light on the Behaim Problem. In: Congresso Interantional de Historia de Descobrimento, Lisboa 1961. — Martin Behaim, Geschichte und Legende. In: „Die Erde", 1959, S. 3 59. n) G. R. Crone, Martin Behaim, Navigator and Cosmographer; Figment of Imagination or Historical Personage? ln: Congresso International de Historia de Descobrimento, Lisboa 1961. — Die Hinweise auf die jüngste Behaim-Literatur sind Herrn Dr. Schnelbögl zu verdanken. ,2) Ernst Zinner, Nürnbergs wissenschaftliche Bedeutung am Ende des Mittelalters (MVGN 50), 1960, S. 113—119. — Seit 1478 waren Regiomontans Ephem. in Portugal bekannt. IS) Ernst Zinner, Deutsche und niederländische astronomische Instrumente des 11. bis 18. Jhs., München 1956; S. 626 f. findet sich, ein Verzeichnis seiner sonstigen Veröffent-

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die folgenden Ausführungen, die zeigen wollen, daß einer dürftigen iberisdien, eine an Erfindungen und Neuerungen reiche deutsche Erzeugung astronomischer und nautischer Instrumente gegenüberstand, daß diese im Entdeckungszeitalter in alle Welt, nicht zuletzt nach Spanien und Portugal ausgeführt wurden und dadurch die Entwicklung der Hochseeschiffahrt wesentlich gefördert haben u). Das Beweismaterial liefern zu einem großen Teil die Sammlungen der in- und aus­ ländischen kunstgewerblichen und wissenschaftlichen Museen, die u. a. auch astrono­ mische Geräte aus Nürnberg besitzen. Oft ist nur die süddeutsche, nicht aber die nümbergisdie Herkunft im besonderen feststellbar. Zwar handelt es sich bei diesen Museumsstücken vielfach um Geräte, die auf Kunstauktionen oder aus Privatbesitz erworben wurden. Es ist daher nicht immer gesagt, daß es sich um ursprüngliches Im­ portgut handelt. Jedoch in vielen Fällen wurden die Geräte schon vor Jahrhunderten in die verschiedenen Städte oder Länder eingeführt. Das ist zum Teil auch beweis­ bar 15). Hauptsächlich waren es Fürsten, die sie für ihre Kunstkammem erwarben16). Mitunter sind sie dort verblieben, oft aber in größere staatliche Sammlungen über­ führt worden.

Für freundliche Literaturangaben und manche Hinweise, die zu wertvollen Ergänzungen und zu Verbindungen mit anderen Forschern führten, ist den Herren Archivdirektoren Dr. Werner Schultheiß und Dr. Fritz Schnelbögl so­ wie Herrn Konservator Dr. Kurt Pilz sehr zu danken.

lichungen. — Wenn nickt anders vermerkt, beziehen sidt die folgenden Zitierungen stets auf obiges Werk. u) Sonstige Probleme der Behaimforschung, so die Entstehung der Tabellenwerke, werden in dieser Darstellung nicht näher behandelt. Es sind noch andere Einwendungen gegen Raven­ stein und Bensaüde zu erheben, auf die Verfasser später eingehen zu können hofft. 15) So sind die Geräte des Mathematisch-Physikalischen Salons in Dresden zum größten Teil durch die Kurfürsten von Sachsen unmittelbar von den Erzeugern oder deren Zwischen­ händlern gekauft worden oder als zeitgenössische Geschenke an sie gelangt, wie z. B. jene Kompaß-Sonnenuhr, die im Kunstkammer-Inventar bereits 1587 als mit einem „See Compasz sdieibleinu versehen verzeichnet ist und als Geschenk des Grafen Philipp zu Hohenlohe an den Kurfürsten Christian I. gelangte (A. Schück, Der Kompaß, Hamburg 1911, 2 Bd., I, S. 11). Auf welch verschlungenen Wegen astronomische Geräte schon im 17. Jh. nach Amerika gelangen konnten, zeigt der folgende Fall: Der Heidelberger Mathe­ matik-Professor Johann Jakob Zimmermann, ein Rosenkreuzer, erwarb das kunstvolle, 1578 hergestellte „Horologium Achaz“ des berühmten Augsburger Kompaßmachers Chri­ stoph Schißler. Zimmermann wollte 1693 mit anderen Rosenkreuzem nach Amerika auswandem, starb aber vorher. Das Gerät nahm dann sein Nachfolger mit nach Amerika. Es kam schließlich an die American Philosophical Society in Philadelphia (Ernst Zinner, a. a. O., S. 513, 596). M) Vgl. darüber besonders Abschnitt 8 b. — Emst Zinners, Alfred Rohdes und Robert T. Günthers Ermittlungen und Veröffentlichungen über in der Welt erhalten gebliebene wis­ senschaftliche Geräte enthoben den Verfasser, der nur die Bestände in Nürnberg, Augs­ burg, München, Wien, Paris und London kennenlernte, der eigenen Nachforschung nah solchen eigens nümbergishen Ursprungs.

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EINLEITUNG a) Die Steuermannskunst und ihre Hilfsmittel im Zeitalter der Entdeckungen im allgemeinen Das Gebiet, auf dem Martin Behaim sein Wissen und Können in Portugal zur praktischen Anwendung brächte, war die geographische und astronomische Steuermannskunst. Dieser nautischen Wissenschaft bedurfte der Seemann, um den jeweiligen Standort eines Schiffes auf der See sowie die Fahrtrichtung zu bestimmen. — Konnte man sich im Zeitalter der Küstenschiffahrt mit der geo­ graphischen Steuermannskunst behelfen, d. h. mit Seekarte, Kompaß, Land­ peilung und Beobachtung des Laufs der Gestirne, so mußte man sich auf hoher See zu diesem Zweck einer rein astronomischen Methode bedienen. Es war erforderlich, eine Breiten- und eine Längenbestimmung vorzunehmen, also die Entfernung vom Äquator einerseits und die von einem gegebenen Meridian andererseits genau festzustellen. Das konnte auf hoher See nur durch die Beobachtung der Gestirne mit astronomischen Hilfsmitteln geschehen. Den Breitengrad berechnete man zunächst nach der Höhe des Polarsterns. Doch mit der Annäherung an den Äquator neigte sich dieser zum Horizont und ver­ schwand noch vor der Überquerung der Linie gänzlich 1). Man ging deshalb dazu über, den Breitengrad nach der Höhe der Mittagssonne zu ermitteln, d. h. es mußte im Augenblick der Kulmination, also des höchsten Standes der Sonne, die kürzeste Entfernung des Sonnenmittelpunktes vom Horizont mit Gradmaß ermittelt werden. Hilfsmittel hierzu waren Instrumente wie Sanduhr, Sonnenuhr, später auch Räderuhr, Quadrant, Astrolab, Jakobstab und andere Geräte mehr sowie Deklinationstafeln und nautisch-astronomische Jahrbücher, die sog. Ephemeriden, für die Vorausberechnung von Sonnen- und Mond­ finsternissen 2). b) Die portugiesische Steuermannskunst in den letzten Jahrzehnten des Mittelalters und ihre nautischen Hilfsmittel Im Hinblick auf die großartigen Erfolge, die trotz des Mangels an brauch­ baren Instrumenten von den iberischen Seefahrern erzielt wurden8), müßte nun angenommen werden, daß die iberische Steuermannskunst allgemein hoch entwickelt gewesen sei. Wie aber sah es — von manchen erstaunlichen und *) E. Prestage, a. a. O., S. 231. *) Günther, a. a. O., S. 20. — Einen großartigen Eindruck von der Anwendung von Astro­ lab und Jakobstab auf hoher See vermittelt ein Holzschnitt in Thevets „Cosmographie universelle“ (Paris 1575, reproduziert in: Albert Bettex, Welten der Entdecker, München 1960, S. 12. Dargestellt ist eine dreimastige Karavelle, auf der zwei sternkundige See­ fahrer mit dem Astrolab und zwei mit dem Jakobstab die Gestirne anvisieren. — Ab­ bildungen von dem Gebrauch anderer astronomischer Geräte auf der See und an Land sind im Abschnitt über die Herstellung von Armillarsphären in Nürnberg erwähnt. Sie beziehen sich auf deren Anwendung durch Vespucci und Magellan. *) Kellenbenz, Bebaimfrage, S. 90.

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bewundernswerten Ausnahmen abgesehen — in der Zeit um 1500 damit wirk­ lich aus? Auf diese Frage geben Aussprüche portugiesischer und spanischer Kosmographen und königlidier Räte im Entdeckungszeitalter deutlich Aus­ kunft. Man kann ihnen entnehmen, daß bis zum Jahre 1420 die noch wenig seetüchtigen Schiffe der portugiesischen Sklavenjäger und Händler ohne nau­ tische Instrumente und ohne Breitenbestimmungen nur an den Küsten entlang fuhren, bis nach zahlreichen Aufklärungs- und Schulfahrten um 1454 das Kap Bojador umsegelt und das offene Meer aufgesucht wurde 4). Doch führte dies wegen der ungenügenden nautischen Kenntnisse der Piloten keineswegs schon zu einer allgemeinen Abkehr von der Küstenschiffahrt. Denn gleichzeitig klagte der Chronist Azurara, die nach Flandern segelnden Seeleute verstünden nichts von Kompaß und Seekarte 5), und Christoph Kolumbus schrieb, die Por­ tugiesen hätten die meisten ihrer Inseln dadurch entdeckt, daß sie den Vögeln nachgesegelt seien. — Vespucci rief aus, es gäbe keinen Seefahrer, der auf 3000 km genau anzugeben vermöchte, wo er sich befände6). Pedro Nunes, der hervorragendste portugiesische Kosmograph seiner Zeit und Verfasser bedeutender astronomischer und nautischer Werke, geißelte noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts oft mit harten Worten, daß den Kapitänen die elementar­ sten nautischen Kenntnisse fehlten7). Ebenso hatte Joäo de Castro (1500—1548), der das astronomische und nautische Wissen seiner Zeit theoretisch und praktisch beherrschte und ein vorbildlicher See­ mann war, eine solch schlechte Meinung von den portugiesischen Piloten, daß er be­ hauptete, sie würden das Südkap Afrikas nie [wieder-] finden, wenn ihnen nicht Vögel, Fische und andere Anzeichen die Landnähe ankündigten. Es passiere, daß angeblich erfahrene Piloten glaubten, noch weit vom Ziel entfernt zu sein, wähend sie in Wirklichkeit schon darüber hinaus waren. Von ihren Geschwindigkeitsschätzungen hielt er nicht viel8). Dasselbe berichtete im Jahre 1552 Joäo de Barros in Lissabon in seinem Werk „ASIA“. Zu Beginn der Entdeckertäigkeit des Infanten Heinrich sei alle Schiffahrt [nach Kurs, Distanz und evtl. Vogelflug] längs der Küste erfolgt. Die Küste sei möglichst nie aus der Sicht gelassen worden9). Bartholomäus Diaz und Vasco de Gamas berühmte Entdeckungsexpeditionen waren zum großen Teil reine Küstenfahrten. Meist wagte man es nicht, die Windstillen mit ihren „pestilentialischen Lüften" an den afrikanischen Küsten zu meiden und ins offene Meer hinauszusegeln, und hatte das mit endlos langer Fahrt und tödlichen Seuchen zu bezahlen 10). Als Vasco da Gama seine weltgeschichtlich so berühmte Expedition vorbereitete, durfte er sich Kapitäne und Piloten ganz nach seinem Belieben aussuchen, denn — so be4) Georg Friderici, Der Charakter der Entdeckung und Eroberung Amerikas durch die Euro­ päer, 2 Bd., Stuttgart 1925, II, S. 23 f. 5) Walther Vogel, Geschichte der deutschen Seeschiffahrt, 2 Bd., Berlin 1915, S. 521. •) Friderici, a. a. O., II, S. 23. — E. Zinner, Nürnbergs wissenschaftl. Bedeutung am Ende MA. (MVGN 50) i960, S. 116. *) Schomburg, a. a. O., S. 204. 8) Ebd., S. 265. •) Joäo de Barros, Asia. Lisboa 1552, dec. I, lib IV, cap. II. — Friderici, a. a. O., S. 45. 10) E. Gelcich, Die Instrumente und die wissenschaftlichen Hilfsmittel der Nautik zur Zeit der großen Entdeckungen. In: Hamburgische Festschrift zut Entdeckung Amerikas, Ham­ burg 1892, S. 8.

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richtet darüber Gaspar Correa in seinen „Lendas da India“ n), damals habe man weder nach Breiten noch nach der Karte, sondern allein nach dem Kompaß und in Küstennähe mit dem Lot gesegelt, im übrigen sich auf Schätzung und das von Gott gegebene Verständnis verlassen. Auch die meisten Piloten Pedro Alvares Cabrals segelten im Jahre 1500 auf ihrer Fahrt nach Ostindien, auf der Brasilien entdeckt wurde, lediglich nach Karte und Kompaß. Nur der [deutsche] Magister Joannes, Leib­ arzt König Manuels, benutzte das Astrolab und schrieb darüber seinem König, man werde am Kap der guten Hoffnung sehen, wer richtiger gerechnet habe, jene mit der [See-]Karte oder er mit [See-]Karte und dem Astrolab. Es wurde vom Meister Joannes gesagt, daß er der einzige gewesen sei, der ein wenig von der nautischen Astronomie verstanden habe 12). Noch 1532 konnte es geschehen, daß das Schiff, mit dem Martin Afonso de Souza, der erste Donatario (= Lehnsherr) in Brasilien, nach Portugal zu­ rückkehrte, ständig Kurs nach Osten nahm, um den Äquator zu erreichen, was schließlich erst gelang, als man sich nach Norden wandte. — Pedro Nunes klärte Martin Afonso über seinen Irrtum auf und nahm den Vorfall zum Anlaß, die Schrift „Tratado sobre certas duvidas da navega^äo“ herauszugeben18). In Spanien war es mit den nautischen Kenntnissen der Piloten nicht besser als in Portugal bestellt. Das zeigen die Instruktionen, die dort dem ersten „piloto mayor“, Americo Vespucci, im Jahre 1508 erteilt wurden: Erfahrungen und Versuche hätten ge­ zeigt, daß die Piloten zur Führung der Schiffe über den Ozean nicht genügend sachver­ ständig und instruiert seien. Es fehle ihnen das Fundament für die Bestimmung der Sonnenhöhe mit Quadrant und Astrolab und sie verstünden nicht, Rechnung davon zu nehmen. Wegen ihrer zahlreichen Irrtümer seien viele Leute in große Gefahr gekommen und große Schäden an Königs- und Kaufmannsgut entstanden. Darum sollten zu­ künftig alle Seeleute, die als Piloten gehen wollten, praktisch und theoretisch unter­ wiesen und nicht ohne Examen durch Americo Vespucci zugelassen werden 14). So wurie z. B. vier Jahre später — 1512 — dem Piloten Juan Rodriguez Sardo, obgleich er bereits eine praktische Erfahrung in der Überseeschiffahrt besaß, auferlegt, binnen sechs Monaten zu lernen, Quadrant und Astrolab zu handhaben 15). Ebenso schlecht beurteilte Don Fernando Colon, der Sohn des Entdeckers, die nautischen Kenntnisse der Spanier. Er tadelte mit scharfen Worten ihre Fehler und ihre absonderlichen See­ karten. Zu Kolumbus' Zeit — schreibt E. G. Jacob — hätten Spanier und Portugiesen Himmelsbeobachtungen nicht zur Auffindung der Seewege, sondern nur zur Breiten­ bestimmung neu entdeckter Küsten und Inseln benutzt1€).

Tatsächlich waren die Schiffsführer im frühen Entdeckungszeitalter meist rauhe Leute — Wölfe des Meeres — ohne jede wissenschaftliche Bildung, ohne rechte Ausbildung und oft ohne lange Erfahrung in der Hochseeschiffahrt. Sie hatten daher auch keinerlei rechtes Verständnis für die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente, kannten nicht deren Konstruktion und Funktion und vermochten deshalb auch nicht, ein Versagen zu erkennen und zu beheben 17). n) G. Corria, Lendas da India, 1. Buch, Kap. VI, S. 14. Zit. von Schomburg, a. a. O., S. 205. 12) Carlos Malheiro Dias, Hist6ria da coloniza^äo portuguesa do Brasil, 3 Bd., Oporto, 1921—1926, II, S. 104. ls) Gelcich, a. a. O., S. 12. — Pedro Calmon, Historia do Brasil, Säo Paulo 1939, S. 149. 14) C. H. Häring, Comercio y Navegacion entre Espäna y las Indias, Mexico 1939, S. 372. 16) Ebd., S. 372. le) Gelcich, a. a. O., S. 39. — E. G. Jacob, Christoph Columbus, Bremen 1956, S. 380. 17) Schomburg, a. a. O., S. 205.

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Wenn es trotzdem nicht wenigen gelang, sich in allen Gewässern zurecht­ zufinden, unbekannte und gefährliche Landspitzen zu umsegeln, Buchten und selbst das offene Meer zu durchkreuzen und ihre Position zu fixieren *), so daß ein Venetianer die Portugiesen schon um die Mitte des 15. Jahrhunderts als die besten Seefahrer bezeichnete19), so waren diese bewundernswerten großartigen Leistungen aber weniger mit Hilfe wissenschaftlicher Steuermanns­ kunst, sondern mehr auf Grund von Erfahrungen und zum Teil durch Wage­ mut und Glück erzielt worden. c) Der Stand der Erzeugung astronomischer und nautischer Geräte vor der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in außerdeutschen Ländern Soll die heute allgemein vorherrschende Auffassung richtig sein, daß die iberischen Länder ganz aus eigner Kraft heraus die Voraussetzungen für die Hochseeschiffahrt geschaffen und Deutschland mit Flandern keinerlei Einfluß darauf ausgeübt haben, so wäre auch für jene Zeit eine entsprechende Produk­ tion astronomisch-nautischer Geräte in Spanien und Portugal vorauszusetzen. Das traf aber nicht zu. In Portugal war die gewerbliche Erzeugung im späten Mittelalter allgemein außerordentlich schwach entwickelt. Azevedo berichtet darüber in seiner portugiesischen Wirtschaftsgeschichte20), daß es damals keine Gewerbe außer dem notwendigen Hausfleiß gegeben habe21). Das änderte sich auch in der Folgezeit nicht wesentlich, wie dies dort die Ein­ fuhr ausländischer Metallwaren aller Art, insbesondere auch astronomischer Geräte beweist. Darauf wird an anderer Stelle noch ausfürlicher zurückzu­ kommen sein. Wohl stellten sich manche portugiesischen Astronomen und Piloten ihre hölzernen Instrumente selbst her. Aber von irgendwelcher lau­ fenden Erzeugung solcher Geräte für den einheimischen Markt oder gar für die Ausfuhr existiert nicht der geringste Nachweis. Nicht anders lagen die Dinge in Spanien. Zwar wurden auch hier nautische Instrumente für den eigenen Bedarf oder den direkten Verkauf an Seefahrer aus Holz hergestellt. Aber sie waren nachweislich minderwertig. Aus diesem Grunde hatte der Indienrat angeordnet, daß nautische Instrumente, die die Kosmographen selbst hergestellt hätten, nicht verkauft werden dürften, ohne in der Casa de Contratacion geprüft und geeicht worden zu sein22). Hielten sie in wissenschaftlicher und technischer Hinsicht der Prüfung nicht stand, so mußten sie vernichtet oder mit der Marke RR (d. h. Reprobacion) versehen werden. Nur die für gut befundenen erhielten einen entsprechenden Amtsstempel28). 18) 19) 20) 21)

Häring, a. a. O., S. 373. A. Rein, Die europäische Ausbreitung über die Erde, Potsdam 1931, S. 71. J. Lucio de Azevedo, Epocas de Portugal Econömico, 2a edi$ao, Lisboa, S. 30. „Indüstrias näo havia oustras que as de caracter domestico, indispensäveis, e de mais perto relacionades com a terra". — Ähnlich äußert sich der 1850 verstorbene A. Coelho da Rocha: „Todo o cuidado se deu ä lavoura, nenhum äs artes e oficios. Todos os artefactos eram toscos.“ (— Alle Kraft war der Landwirtschaft, keine dem Handwerk gewidmet. Alle handwerklichen Erzeugnisse waren roh.) 22) Recopilaciön de Leyes de los Reynos de las Indias, Madrid 1791, III, S. 278. **) Gelcich, a. a. O., S. 40. — Bitter beklagte man sich in Spanien auch über die dort ange­ fertigten Landkarten. Sie seien primitiv und ungenau, weil es den mit der Prüfung

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Audi sonst wurde in Spanien abfällig über die Anfertigung astronomischer Instrumente geurteilt. Sie geschähe ohne Sorgfalt durch ungeschickte Werk­ leute**4). Und obwohl das Land im Verlaufe des 16. Jhs. Kupfer aus Süd­ amerika, vornehmlich von Kuba und aus den Anden, bezog, vermochte es — wie Jeronimo Boccardo schreibt — feinere kupferne Instrumente nicht zu erzeugen “). Daher verspottete der spanische Arzt und Humanist Miguel Servet aus Aragon der in Lyon wirkte, die zurückgebliebene landwirtschaftliche und ge­ werbliche Entwicklung Spaniens. Und der Humanist Damiäo de Gois — obwohl Gegner Servets — mußte zugeben, daß Spanien deshalb viele gewerbliche Erzeugnisse ver­ schiedenster Art aus Frankreich einführe 28). Frankreich aber erhielt sie zum großen Teil aus Deutschland 27). (1511—153 3),

Es wurde versucht, diesen Zustand durch die Heranziehung ausländischer Handwerker zu verbessern. Ein dauernder Erfolg konnte dadurch nicht erzielt werden *8). Die Einfuhr guter nautischer Geräte war also eine zwingende Not­ wendigkeit. Woher aber bekamen nun Portugiesen und Spanier metallene astronomisch-nautische Geräte in erforderlicher Präzision? Man möchte zu­ nächst an Italien denken, dessen Tradition auf diesem Gebiet die älteste in Europa war und sicher auch manches aus eigner Produktion nach der iberischen Halbinsel geliefert hat. Doch berichtet die Oxforder „History of Technology" *9) darüber, daß Italien im 15. und 16. Jh. wohl einige Tätigkeit auf dem Gebiet der feineren [marktmäßigen] Metallwarenerzeugung entfaltet habe — wie 1488 in Mailand von Schlaguhren die Rede sei. Aber es habe dort kaum [sog.] Schulen von Handwerkern gegeben, die mit denen in Deutschland verglichen wefden könnten. So verwundert es denn auch nicht, wenn schon zu Beginn des 16. Jhs. Joäo de Lisboa in seinem „Livro da Marinharia" 30) schrieb, es sei vorerst zu beachten, daß alle [Kompaß-]Nadeln, sowohl die genuesischen als auch die französischen, mißwiesen (primeiramente has de saber que as agulhas todas asy genovezes como framcesas nordestea). — Das blieb so bis

M) *5) M) **) **) *•) *°)

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Beauftragten an Fleiß, Intelligenz und theoretischen Kenntnissen fehle. In den [Seemanns-] schulen würden Bücher veralteter Autoren verwendet (Häring, a. a. O., S. 390; — Schomburg, a. a. O., S. 213). Um die Fehler der Kartenzeichner zu verhüten, wollte Amerigo Vespucci eine königliche Mustersammlung (un Padräo Real) von nautischen Landkarten anlegen (Häring, a. a. O., S. 381). — Joäo de Castro (1500—1548) äußerte sich über die Hersteller von Globen, sie verstünden nicht die Loxodromen aufzutragen; ohne diese Kurven seien die Globen mit ihrem Gold und ihren Bildern wertlos (Prestage, a. a. O., S. 234). Häring, a. a. O., S. 390. J. Boccardo, Historia del Comercio, de la Industria y de la Economia Politica, Buenos Aires, 1942, S. 246. Marcel Bataillon, O cosmopolismo de Damiäo de G6is, Lisboa 1938. Hermann Kellenbenz, Untemehmerkräfte im Hamburger Portugal- und Spanienhandel, Hamburg 1954, S. 64 passim. — Jocob van Klaveren, Europäische Wirtschaftsgeschichte Spaniens im 16. und 17. Jahrhundert, Stuttgart 1960, S. 63, 231 passim. Vgl. Anm. 210. Ramon Carande, Carlos V y sus banqueiros, Madrid 1943, S. 112. — Richard Konetzke, Das spanische Weltreich, München 1943. Charles Singer, A History of Technology, Oxford 1956, Bd. 3, S. 585, 656. J. de Lisboa, Bl. 9.

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weit in das 16. Jh. hinein. Darum wurden überall die Kompasse aus Nürn­ berg verlangt, weil dort die Mißweisung der Magnetnadel schon seit deT zweiten Hälfte des 15. Jhs. Berücksichtigung fand. — Auch sonst wurde be­ richtet, daß selbst noch zur Zeit des Kopernikus die astronomischen Hilfs­ mittel in Rom und Bologna nicht mit denen in Nürnberg verglichen werden könntenS1). Auf die nach Menge und Güte ungenügende Produktion in Italien ist es denn auch zurückzuführen — wie nachfolgenden Ausführungen vorweg­ zunehmen ist —, daß italienische Kaufleute unter anderen Geräten und In­ strumenten auch nürnbergische Kompasse, Himmelskugeln und Zirkel aus Deutschland bezogen32). Vermutlich waren daher auch die oben erwähnten, 1488 in Mailand vorkommenden Schlaguhren nürnbergischen Ursprungs. Wenn also gelegentlich astronomische und nautische Geräte von Italienern nach den iberischen Ländern exportiert wurden, so liegt die Annahme nahe, daß es sich hierbei nicht selten um solche deutscher Herkunft gehandelt hat das kommt auch bei Boccardo in den Worten zum Ausdruck: Spanien erhielt alle benötigten Instrumente aus Deutschland8S). In England sah es bis weit über die Mitte des 16. Jhs. hinaus nicht anders aus. Derek J. Price sagt in seiner Arbeit über frühe Instrumentenmacherkunst in England M), es habe weder in England, noch in Frankreidi Schulen von Instrumentenmachern, sondern nur einzelne Meister gegeben, und deren Hand­ werk habe seinen Ursprung in Nürnberg. Übereinstimmend damit heißt es in D. W. Waters* Werk „The Art of Navigation in England in Elizabethan and Early Stuarts Times“ (NewHaven 1958, S. 145): „In 1553 there were few Navigational instruments in England. There were probably no native and few foreign instrument-makers in the country competent to make them.“ Ebenso legt Jakob Strieder in seinem Werk „Aus Antwerpener Notariats­ archiven“ (Wiesbaden 1962, S. XXXVIII) dar, daß das englische Metallwarengewerbe noch gegen Ende des 16. Jahrhunderts nicht genug fortgeschritten gewesen sei, um den Bedarf des Landes an Messing- und Kupferwaren selbst zu erzeugen.

d) In- und ausländische Urteile über die Bedeutung der deutschen, vornehmlich nürnbergischen Metallwarenerzeugung im Zeitalter der Entdeckungen Im Gegensatz zu den meisten Ländern Europas stand in Deutschland — besonders in Nürnberg — gegen Ende des Mittelalters die Erzeugung von wissenschaftlichen Geräten bereits auf einer hohen Stufe85). Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erreichte sie in Italien, den Niederlanden, England und Frankreich einen gleich hohen Stand36). Das ist in in- und ausländischer 81) Ernst Zinner, Leben und Wirken des Johannes Müller von Königsberg, gen. Regiomontanus, München 1938, S. 179, 191. M) Werner Sotubart, Der moderne Kapitalismus (München 1919, S. 238 (nach Alois Schulte, I, 719). — ]. A. Goris, Etüde sur les colonies marchandes meriidionales ä Anvers de 1488 ä 1567, Louvain 1925, S. 293. 88) Boccardo, a. a. O., S. 246. 84) Die Arbeit von Price ist erschienen in: Schweizerische technische Zeitschrift, 53. Jg., 1956, S. 330. M) Singer, a. a. O., II, S. 75, 394, 655; III, S. 337 f., 342', 358, 380f. 88) Ebd., II, S. 65; III, S. 585, 621.

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wissenschaftlicher Literatur der Vergangenheit und Gegenwart ganz allgemein anerkannt. So hebt Willy Andreas in seinem Werk „Deutschland vor der Reformation" 37) hervor, daß Deutchland — in erster Linie Nürnberg — in der Herstellung von Metallen und Metallwaren die unbedingte Führung in Europa innehatte. Ähnlich heißt es in der Oxforder „History of Technologie, Middle Ages" 38): „ ... Within a few Century Germanic peoples became the mining and metallurgical experts of their age." Und von der beginnenden Neuzeit wird im gleichen Werk gesagt: „By the middle of the sixteenth Century Germany led Europe in the practice of mining and metallurgy, and the Nuremberg area was preeminent in the manufacture of all types of metall goods." 89) Einige Jahre später schreiben T. K. Derry und Trevor J. Williams in ihrer „Short History of Technology"40): „The modern Tradition of instrumentmaking dates from approximately the middle of the fifteenth Century, wken Nuremberg became the first great centre of instrument-making for Western Europe.“41) In Spanien anerkennt auch Carlos Pereyra in seinem Buch „L’Oeuvre de l’Espagne en Amerique" (übersetzt aus dem Spanischen, Paris, o. J.), diesen Stand der Dinge mit den Worten: „ ... Allemagne, qui est le pays d’Europe ou Ton a le plus etudie la metallurgie ..." Und ebenso heißt es bei E. Cornaert (Les Fran^ais et le commerce internationale ä Anvers. Fin du XVC, XVIC siede, Paris 1961, II, S. 117 f.) über die Antwerpener Ausfuhr nach Frankreich: „ ... de accessiones de metier divers, de Toutillage, ainsi que des armes, venant surtout d’AlIemagne, ... de la quincaillerie ... et autres marchandises de Nuremberg." * Von zeitgenössischen Urteilen seien nur einige, besonders eindrucksvolle und allgemein bekannte Urteile hervorgehoben. Der Franke Regiomontan, der bedeutendste Astronom des ausgehenden 15. Jahr­ hunderts, berichtete einem Geistesfreund, daß er Nürnberg als Wohnitz wähle, weil er hier eine Umwelt fände, die wie nirgends sonstwo seinen Arbeiten und Interessen ent­ gegenkomme, insbesondere ein Handwerk der Feinmechanik anträfe, das ihm die benö­ tigten mathematischen und astronomischen Geräte und Apparate aus ihren Vorräten lie­ fern oder nach seinen Angaben anfertigen könne42). Mit anderen Worten hatte das gleiche schon Jahrzehnte zuvor — 1447 — ein Rotschmied selbst, der nürnbergische Dich­ ter Hans Rosenplüt, in einem Gedicht über die „zahlreichen Rotgießer in Nürnberg" und ihre Kunst zum Ausdrude gebracht. Er ruft aus, daß „dergleichen in aller Welt nit lebe" und daß die Rotgießer schlechthin alles auf der Erde „aus Messing gießen könn­ ten". Die Stadt sei mit ihren klugen und kunstreichen Meistern allen anderen Städten 37) W. Andreas, Deutschland vor der Reformation, Stuttgart 1948, S. 409 f. 38) Singer, a. a. O., II, S. 65. 39) Ebd., III, S. 585. — Die Oxforder History of Technology gibt auch Aufschlüsse über die mittelalterliche Metalltechnik in Nürnberg und über nürnbergische Erfindungen auf diesem Gebiet: Bd. II, S. 75, 394, 655; Bd. III, S. 337 f., 342, 358, 380 f. 40) Oxford 1960, S. 153. 41) Sperrung nicht von Derry und Williams. 42) Der Brief Regiomontans ist gedruckt bei J. F. Roth, Gesch. d. Nürnbg. Handels, Leipzig 1800/02, IV, S. 158 f.

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Nil melius Arte

^Nichts hefsers iß, dann k^mft aujf Erdn, nichts nut^kchny han^fjunden wcrdn,

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Kjmflifl' ein twer GJcfi

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Thumhjciitd Kjjnjllir allr Ehren weh

Darstellung von in Nürnberg hergestellten und hier verwendeten wissenschaftlichen Geräten (Kupferstich von Merian aus Daniel Meissners „Thesaurus philopoliticus“, Frankfurt/M 1623/31, Nürnberg 1637) Abgebildet sind unverkennbar Johann Neudörfer (1497—1563), Mathematiker, Schreibmeister und Verfasser der „Nachrichten von Nürnberger Künstlern und Werkleuten“, und Wenzel Jamnitzer (1508—158 5), Goldschmied und Verfertiger von wissenschaftlichen Geräten (u. a. von Globen, Zirkeln und Sonnenuhren. — Vgl. hierzu auch den Stich von J. A. Delsenbach, Sternwarte des G. C. Eimmart in Nürnberg von 1716.

Eine Seefahrerschule des 16. Jahrhunderts (Geräte und Objekte, wie sie hier abgebildet sind (Erd- und Himmelsgloben, Land- und Seeastrolabe, Kompasse, Sanduhren, Land- und Seekarten, Tabellenwerke für astronomische Berechnungen u. a. m. exportierte Nürnberg nachweislich im 15. und 16. Jahrhundert in die iberischen Länder.) Der Stich stammt aus dem Werk von Thomazi, „Les Flottes d’Or“.

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überlegen43). Und der elsässische Humanist Jakob Wimpheling hat das gleiche in fol­ genden Worten zusammengefaßt: Nürnberg unterhalte mit fast allen Ländern Europas Handelsverbindungen und setze dort massenhaft seine kostbaren Arbeiten in Gold und Silber, Kupfer und Broncet Stein und Holz ab44). — Ebenso rühmte kurz nach Mitte des 16. Jahrhunderts der italienische Historiker Girolamo Faleti den Erfinder­ geist, den Gewerbefleiß und das Metallgewerbe der Reichsstadt45). — Die Bedeutung nürnbergischer astronomischer Instrumente kommt schließlich indirekt auch zum Aus­ druck in einem von Johann Schöner 1544 in Nürnberg herausgegebenen Sammel­ band Regiomontanscher Schriften mit dem Titel „Scripta clarisimi mathematici M. Joannis Regiomontani de Torqueto Astrolabio armillari etc.“. Er ist im Katalog zur „Mostra Colombiana Intemazionale“, Genova 1950, mit folgenden Worten ausge­ zeichnet: „£ uno dei principali scritti su strumenti nautici usati al tempo di Colombo. £ dovuto a uno dei principali astronomi tedeschi del secolo XV.“

Und es kennzeichnet Nürnbergs Stellung im europäischen Kulturleben, wenn — nach Ermittlungen Georg Schiffauers (Universität Erlangen-Nürn­ berg) — sogar der Sohn des Entdeckers Amerikas, Fernando Colonf hierher kam, um — wie in anderen Städten Europas — auch Bilder und Graphiken, vor allem aber Bücher einzukaufen. Davon sind noch etwa 300 in der Biblioteca Capitular Colombina in Sevilla vorhanden48). Die Annahme, daß Colon bei dieser Gelegenheit auch wissenschaftliche Instrumente erworben hat, liegt nahe, zumal er — wie berichtet — an der nautischen Wissenschaft interessiert war. — Dieser Weltruf Nürnbergs für hervorragende gewerbliche Leistung blieb der Stadt in den folgenden Jahrhunderten erhalten: „Was gut sein sollte, wurde aus Nürnberg verschrieben“, so hieß es auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts 47) e) Die wichtigsten Arten der in Nürnberg hergestellten astronomischen und nautischen Geräte Mehr oder weniger scharf sind bei einer Betrachtung der Erzeugung astro­ nomischer und nautischer Geräte in Nürnberg zwei Gruppen zu unterscheiden. Die eine umfaßt solche, die überwiegend in Serien (um nicht zu sagen in Mas­ sen) laufend für den Markt fabriziert wurden. Die zweite Gruppe wird durch die auf Bestellung meist besonders kunstvoll angefertigten einzelnen Stücke 4S) Johann Janssen, Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgang des Mittelalters, Freiburg/Br. 1883, Bd. 1, S. 162 f. 44) Jakob Wimpheling, De arte impressoria; zit. bei Janssen, a. a. O., I, S. 357, 366. — Den hohen Stand der nümbergischen Schmiedekunst künden auch Hans Sachs (Beschrei­ bung aller Stände) und Eobanus Hessus (in der „Noriberga illustrata"). 45) Hermann Kellenbenz, Ein französischer Reisebericht über Nürnberg und Franken vom ausgehenden 16. Jh. (MVGN. 49) 1959, S. 227 f. — Wenn ein Aachener Chronist im 17. Jh. den Kupfer- [und Messing]handel seiner Vaterstadt preist, weil diese dadurch bis ans Ende der Welt berühmt sei (R. A. Peltzer, Gesch. der Messingindustrie ... in Aachen [Zeitschrift des Aachener Geschichtsv. XXX] 1908, S. 375), so kann ein gleiches auch von Nürnberg gesagt werden. 48) Nach: freundlicher brieflicher Mitteilung von Herrn Univ.-Prof. Dr. G. Sdiiffauer, Nürn­ berg, vom 2. 6. 1964, der über diese erstaunliche Ermittlung 1965 in Nürnberg einen Vortrag hielt. Vgl. nun diesen Band S. 60 ff. 47) Emil Reiche, Gesch. d. Reichsstadt Nürnberg, Nürnberg 1896, S. 999. 6

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gebildet. Zur ersten Gruppe gehören Greifzirkel, Kompasse, mit Kompaß ver­ sehene Reisesonnenuhren und begrenzt auch Himmels- und Erdgloben sowie Quadranten und Räderuhren; zur zweiten zählen kompliziertere Geräte wie Proportionalzirkel, Astrolabe, größere Quadranten, Armillarsphären mit Pla­ netenbewegung, Türkengeräte und astronomische Kunstuhren. In die Herstel­ lung teilten sich die Handwerke der Rotschmiede, Zirkelschmiede, Kompaß­ macher, Uhrmacher, Goldschmiede, Elfenbeinkunstdrechsler48), Schlosser, Schreiner u. a. m. Wie es in Nürnberg bei der Erzeugung von Metallwaren allgemein üblich war, wird das Verlagssystem angewendet worden sein, und auch die Besteller schwierig herzustellender einzelner Stücke werden in der Regel Geldvorschüsse geleistet haben. Es läge nahe, hier eine Beschreibung der Aufgaben und der Funktion der einzelnen Geräte — insbesondere der nautischen — einzufügen. Doch abgesehen davon, daß Handbücher verschiedener Art mehr oder weniger ausführlich dar­ über unterrichten, würde das über den Rahmen der vorliegenden Untersuchung hinausgehen. Denn es handelt sich bei dieser nicht um die technische und mathematisch-astronomische, sondern um die wirtschaftsgeschichtliche Seite des Problems. — Die Beschreibung der Arten der in Nürnberg erzeugten Geräte muß sich ebenfalls auf solche beschränken, für die eine Ausfuhr nachzuweisen ist. Tatsächlich gibt es kaum ein astronomisches Gerät, das in Nürn­ berg nicht hergestellt und ausgeführt worden wäre. *f) Nümbergische Astronomen und Kosmographen des Spätmittelalters und der beginnenden Neuzeit als Wegbereiter der gewerblichen Erzeugung wissenschaftlicher Geräte Ohne die Entwicklung einer kosmographischen, d. h. einer mathematisch­ astronomischen und geographischen Wissenschaft in Nürnberg, die damals mit der Astrologie Hand in Hand ging, hätte die Erzeugung wissenschaftlicher Geräte unmöglich derart systematisiert und ausgebaut werden können, wie es geschehen ist. Umgekehrt übte die mit diesem Wachstum verbundene Vervoll­ kommnung der gewerblichen Leistungen eine mächtige Anziehungskraft auf deutsche Stemforscher aus. Sie trug dazu bei, daß mancher von ihnen sich hier niederließ. Denn er traf hier nicht nur eine ihm geistesverwandte Umwelt an, sondern hatte auch die Möglichkeit, sich ohne besondere Schwierigkeiten die für seine Arbeiten und Forschungen erforderlichen Geräte zu beschaffen. So fand eine gegenseitige Befruchtung zwischen Wissenschaft und gewerblicher Technik statt48), und es wurden auf beiden Gebieten bedeutsame Fortschritte erzielt, die nicht ohne Auswirkungen auf die Entwicklung der Astronomie und anschließend auf die Geschichte der Entdeckungen geblieben sind. Wenn im folgenden eine Reihe von Astronomen aufgezählt wird, die Ein­ fluß auf die Entwicklung der astronomischen Hilfsmittel genommen haben, so kann es sich nur um kurze Hinweise handeln, die sich durch das Studium der **) E. v. Philippovich, Elfenbeinkunstwerke Nürnberger Provenienz (MVGN 1959, S. 339).

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angegebenen Literatur vertiefen lassen. Das gleiche gilt auch für die im wei­ teren Verlauf der Darstellung angeführten Hersteller astronomischer Geräte. Wahrscheinlich gab es in Nürnberg als einer kaiserlichen Burgstadt schon recht früh sternkundige Leute, und bereits der erste, von dem seit 1387 Nachrichten über­ liefert sind — Konrad Apotkecarius —, ist ein Mann von einiger Bedeutung. Nach seinem Studium in Erfurt war er von 1387—1406 als Stadtapotheker in Nürnberg tätig, berechnete ein Sternverzeichnis für das Jahr 1400 und stellte Tafeln auf zur Berechnung der mittleren Neu- und Vollmonde49). — An einem Türkengerät, das 1444 in Nürnberg urkundlich erwähnt wird und das sich — wie weiter unten dargelegt ist — bis heute andernorts erhalten hat, befindet sich eine hängende Halbscheibe, die ursprünglich nicht dazu gehörte, sondern älter ist und wohl aus der Zeit des Konrad Apotheker stammt50). Diese Halbscheibe ist das älteste bekannte Stück von einem [doch wohl] nürnbergischen astronomischen Instrument. In den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts lassen sich dann gleich mehrere Astronomen in Nürnberg nachweisen, nämlich Magister Reinhold Gensfelder, Johann Schindel, Nikolaus von Heybech und Niclas Astronimo, über die weiter unten einiges zu sagen ist. Das sind aber gewiß nur einige der hier gleichzeitig tätig gewesenen Sternforscher. Von anderen haben sich sicher nur zufällig keine Nachrichten erhalten.

Die Anwesenheit einer für jene Zeit immerhin beachtlichen Zahl solcher Männer zog die Nachfrage nach mathematisch-astronomischen Geräten nach sich. Nun ist bekannt, daß sich die Mathematiker und Astronomen jener Zeit ihre Geräte selbst herzustellen pflegten. Dennoch brauchten sie hierzu die Hilfe von Handwerkern, die ihnen wenigstens die Grundbestandteile aus Holz oder Metall nach ihren Angaben anfertigten, so daß nur noch die Fein­ arbeit geleistet werden mußte. Auf diese Weise wurden allmählich bestimmte Gruppen von Handwerkern, besonders die Rot- [oder Messing-]schmiede, zur Anfertigung solcher Grundelemente astronomischer Geräte herangezogen. Diese schulten sich dabei dergestalt, daß sie bestimmte Geräte auch ohne un­ mittelbare Hilfe von Gelehrten herstellen und sogar für den Markt arbeiten konnten. Denn der Bedarf beschränkte sich schließlich nicht allein auf den nürnbergischen Kreis. — Solche Einwirkungen auf die Entstehung gewerblicher Tätigkeit für den wissenschaftlich-astronomischen Bedarf lassen sich denn auch schon bei den obengenannten, nachfolgend behandelten Astronomen erkennen. Der Nürnberger Reinhold Gensfelder, der 1408 in Prag die Magisterwürde er­ langte und 1444 Pfarrer in Tegernsee wurde, machte sich durch Abschreiben bedeut­ samer astronomischer Schriften verdient. Er erläuterte die Nürnberger Zeitrechnung an Hand von Beispielen, beschrieb Geräte, die sdion vor ihm zur Erläuterung der Planetenbewegung konstruiert waren, berechnete Kurvennetze für die Süduhr mit waagerechtem Schattenstab und stellte Sonnenuhrregeln auf51). 4#) Zinner, S. 58. — Konrad Apothecarius wohnte am Rathausplatz 11. Im Losungsregister jener Zeit heißt es: „Platenhawse: domus meister Cunrat, apothekers“. (K. Bohner, Nürnbergs Apotheker im Mittelalter (MVGN 38) 1941, S. 34 f.). w) Zinner, S. 180. 61) Ebd., S. 54, 56, 58, 178, 188. 6*

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MVGN 53 (1965) Nürnbergs Erzeugung und Ausfuhr Der um 1470 in Königgrätz geborene Arzt Johann Schindel studierte in Prag, lehrte in Wien und Prag, war von 1423—1438 Nürnberger Stadtarzt und lehrte dann wieder bis zu seinem Tode an der Prager Universität, der er seine Bibliothek von 200 Bänden vermachte. Über das Astrolab, den Quadranten, die Größe von Sonne, Erde und Mond arbeitete er schon vor seiner Tätigkeit in Nürnberg. Hier berechnete er Sternverzeichnisse für 1428 und 1437 und paßte seine wichtige Arbeit über die Säulchensonnenuhr der Polhöhe Nürnbergs an. Er führte hier als erster die moder­ nen gleichlangen Stunden ein 62). Der bedeutendste unter den frühen Astronomen Nürnbergs war der aus Erfurt stammende Nikolaus von Heybech6S). Er dürfte vor 1365 geboren sein, denn schon 1384 — offenbar in Erfurt — begann er damit, Tafeln der Planetenbewegungen zu berechnen. Es liegen keine Nachrichten darüber vor, wann er nach Nürnberg ge­ kommen ist. Doch könnte dies um 1392 geschehen sein, da offensichtlich jene astro­ nomischen Tafeln in Cues, die sich auf Nürnberg beziehen und 1392 und 1425 auf­ gestellt wurden, von ihm stammen. — 1431 unternahm er „die Berechnung einer waagrechten Sonnenuhr mit senkrechtem Schattenstab für gleidilange und ungleich lange Stunden und fertigte den Entwurf der modernen Sonnenuhr an, und zwar für Nürnberg mit 40° 33' Äquatorhöhe und für die Schiefe zu 23° 33' “ M). Niklas von Heybech starb sicher zwischen 1431 und 1444. Denn er scheint zuletzt im Jahre 1431 urkundlich erwähnt zu sein, und zwar als „m[agister]o Nicolao orlogista“ M), also als Sonnenuhrmacher. Auch die letzte seiner Arbeiten schrieb er 1431. Im Jahre 1444 aber kaufte der Philosoph, Mathematiker und nachmalige Kardinal Nikolaus von Cues den wissenschaftlichen Nachlaß Heybechs 66), darunter Manuskripte und astro­ nomische Geräte, die ältesten, die sich von einem nürnbergischen Atronomen erhalten haben und zweifellos mit Hilfe nümbergischer Handwerker hergeteilt wurden. Es handelt es sich dabei um ein Türkengerät, das wohl 1434 angefertigt wurde, eine hölzerne Himmelskugel von 272 mm äußerem Durchmesser und 20 mm Wandstärke und um ein messingenes Astrolab von 184 mm Durchmesser. Der Kardinal vermachte später sowohl die Manuskripte wie die Geräte dem von ihm getifteten Hospital sei­ ner Heimatstadt [Bernkastel-jCues. Sie werden dort noch heute in der Bibliothek auf­ bewahrt 57). Jener Nikolaus von Heybech, der 1421 in Erfurt immatrikuliert wurde M), war wohl ein Sohn oder Neffe des gleichnamigen Nürnbergers. Vielleicht darf man ihn gleichsetzen mit einem Niclas Astronimo, dem der Rat zu Nürnberg am 10. Januar 1446 erlaubte, bis zum nächsten Walpurgistage in Nürnberg zu wohnen69). Unter der Voraussetzung, daß der ältere Nikolaus von Heybech identisch mit dem ebenfalls 1431 genannten Nicolao Orlogista ist, wäre in ihm ein Typ zu er­ blicken, wie er in der Folgezeit häufig in Erscheinung tritt, charakterisiert durch die Verbindung wissenschaftlicher Tätigkeit mit der gewerblichen Erzeugung wissen­ schaftlicher Instrumente. “) Ebd., S. 56, 58, 122, 139, 501, 513. 5S) Vielleicht aus Heubach in Unterfranken stammend. 64) Zinner, S. 55—58. M) J. Hartmann, Die astronomischen Instrumente des Kardinals Nikolaus Cusanus, Berlin 1919, S. 13. M) Zinner, S. 382. 57) Ebd., S. 286 f., 382. M) Ebd., S. 382. 5#) Hartmann, a. a. O., S. 13.

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Etwa drei Jahrzehnte später läßt sich an ähnlich gelagerten Vorkommnissen die Zusammenarbeit zwischen Astronomen und Handwerkern in Nürnberg exakt nachweisen. Als nämlich Regiomontan seinen Plan80), hier astronomische Geräte gewerblich herzustellen, in die Tat umsetzte, stützte er sich einerseits auf die Erfahrungen berufener Metallhandwerker 81)> gab aber diesen anderer­ seits mächtige Impulse für die Entwicklung ihrer gewerblichen Tätigkeit. Hier genügt es, darauf hinzuweisen, daß er in einer Reihe von Schriften die Her­ stellung astronomischer Geräte behandelte 62) und durch seine in praktischer Arbeit in eigener Werkstatt mit Hilfe von nümbergischen Hilfskräften [Rot­ schmieden, Zirkelschmieden und Kompaßmachern] hergestellten Geräte Vor­ bilder für die weitere Entwicklung schuf. Manches davon wird in alle Welt hinausgegangen sein. Wohl er war es, der den Kompaßmachem jene in Wien gewonnenen wissenschaftlichen Unterlagen geboten hat, die erlaubten, die Mißweisung der Magnetnadel zu berücksichtigen. Bei seinem frühen Tode im Jahre 1576 in Rom gingen zwar jene seiner Instrumente und Schriften verloren, die er mit dorthin genommen hatte. Aber sein Nürnberger Nachlaß blieb zum Teil erhalten und gelangte später an die Stadtbibliothek. Dort haben sich wich­ tige seiner Schriften und Teile seiner Bibliothek bis heute erhalten8S). Einige seiner Geräte kamen später an das Germanische Museum. Zusammen mit den nümbergischen Instrumenten in Bemkastel-Cues sind sie einzigartige Zeugnisse gewerblichen Schaffens Nürnbergs am Ausgang des Mittelalters. — In der Oxforder History of Technology heißt es über Regiomontans Nachwirkung: „His pupils and disciples were quickly able to advance the study of astronomy and cosmography at the universities. They published almanaces and extended the lists of latitudes and longitudes.“ Sein Mitarbeiter Bernhard Walther gab u. a. 1487 die Herstellung einer Armille in Auftrag und schrieb allem An­ schein nach über den Entwurf von Sonnenuhren mit Kegelschnitten. Er soll der Erste gewesen sein, der genaue Zeitmessungen an Sternen mit Hilfe der Räder­ uhr anstellte M). — Walthers (oder Regiomontans) Schüler Martin Behaim hat durch seine später im Rathaus aufgestellte Erdkugel nachmaligen Verfertigern solcher Globen Anregungen gegeben. Er erscheint auch in gesellschaftlichem Verkehr mit einem Zirkelschmied w), was ganz offensichtlich auf seine Verbin­ dung mit Handwerkern wegen Anfertigung astronomischer Geräte hinweist. Daß er solche mit nach Portugal nahm, steht außer jedem Zweifel. Besonders stark waren dann wieder diese Wechselwirkungen zwischen For­ schem und Handwerkern in der Zeit der jüngeren Schule der Nürnberger Kosmographen, die zu Beginn der Neuzeit durch das Wirken von Männern wie Willibald Pirckheimer, Johann Werner, Konrad Heinfogel und Albrecht Dürer gekennzeichnet ist. 60) Ä1) ®2) ®s)

Vgl. Abschnitt d der Einleitung. K. Dettling, Der Metallhandel Nürnbergs im 16. Jh. (MVGN 27), 1928, S. 127 passim. Zinner, S. 479—483. H. Petz, Urkdl. Nadir, über den lit. Nachlaß Regiomontans und B. Walthers 1478—1522 (MVGN 7) 1888, S. 237. ®4) Zinner, S. 581. — Feldhaus, Die Technik der Antike, S. 378. ®5) Günther, a. a. O., S. 56.

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Über die erstgenannten drei und andere Nürnberger Astronomen schrieb Johann Schöner in einer Schrift, die von Staatsarchivdirektor Dr. Fritz Schneibögl in der Stadtbibliothek Nürnberg aufgefunden wurde und den Titel trägt: „Luculentissima quaedam terrae totius descriptio cum multis Cosmographiae iniciis novaque ante fuit verior Europae nostrae formatio ... ", daß Nürnberg, das berühmteste Gemeinwesen Deutschlands, mit bedeutenden Männern der der Wissenschaft wie mit strahlenden Edelsteinen geschmückt sei. Er nennt neben Pirckheimer, dessen Schwester Caritas und dem Professor Georg Behaim auch dessen Bruder Lorenz Behaim, der sich nicht nur durch sein umfassendes Wissen, sondern auch in der Astronomie hervorgetan habe, ferner den Pfarrer und Mathematiker Johann Werner, der mit Regiomontan verglichen werden könne und dessen Spuren zu folgen scheine, den Mathematiker Christoph Heinfogel, der selbst durch den Kaiser höchst geehrt worden sei, und endlich Erhard Etzlaub als ausgezeichneten Astronomen und hervorragenden Hersteller astronomischer Instrumente. — Die wertvollen Nürnberger Erzeugnisse würden nicht nur von Kaufleuten aus Deutschland, sondern auch von solchen aus der Lombardei und [dem übrigen] Italien geholt. Im folgenden sei das Wirken der genannten Männer mit wenigen Worten angedeutet. Willibald Pirckheimer hat zwar keinen unmittelbaren Einfluß auf die Entwicklung der astronomischen Wissenschaft und ihrer Hilfsmittel ausgeübt. Aber von den Natur­ wissenschaften stark angezogen, hatte er Umgang mit Mathematikern und Astrono­ men — nicht zuletzt wegen seiner Neigung zur Astrologie. In seinem Hause — dieser „Herberge der Gelehrten“, dem Mittelpunkt des Nürnberger Humanistenkreises — trafen sich auch Männer wie Walther, Werner, Schöner, Etzlaub, Hartmann und Dürer88), die hier im Gedankenautsausch gewiß manche Anregung empfingen. Johann Werner, der in Ingolstadt studierte, weilte von 1503—1522 als Geistlicher in Nürnberg. Er schrieb u. a. über das Meteoroskop, stellte selbst ein solches her, beschäftigte sich mit Entwürfen von Astrolaben und Sonnenuhren und führte Regiomontans Dreiecks-Lehre fort. Sein Werk „Libellus de quattuor aliis planis“ widmete er Pirckheimer87). Konrad Heinfogel, Propst an der Frauenkirche, ein Schüler Bernhard Walthers, arbeitete über die Mißweisung der Magnetnadel und über verschiedene astronomische Probleme 88). Heinrich Grammateus aus Erfurt, Mathematiklehrer in Krakau, Wien, Erfurt und Nürnberg, veröffentlichte hier u. a. im Jahre 1522 eine Abhandlung über eine Sonnen- und Stemuhr89). Selbst ein Albredtt Dürer, der sich ernsthaft mit Aufgaben beschäftigte, die mit der Herstellung von astronomischen Instrumenten und mathematisch-astronomischen Problemen verbunden waren, lieferte den nümbergischen Handwerkern Vorbilder und Anweisungen für ihre Arbeiten. Er verfaßte eine Schrift über den Gebrauch des Zir­ kels und veröffentlichte sie 1525 unter dem Titel: „Underweysung der messung mit dem Zirkel vnd richtscheyt in Linien ebnen vnd gantzen corperen.“ Darin gab er auch 6fl) Emil Reiche, a. a. O., S. 709 f. — Schultheiß, Behaimkatalog, S. 19. 67) Zinner, S. 584. — Schultheiß, Behaimkatalog, S. 7, 18. — Hans Kreßel, Hans Werner (MVGN 52) 1963/64, S. 287—304. ®8) Zinner, S. 7. ••) Zinner, S. 325.

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eine Anleitung mit Abbildungen zum Entwurf von Sonnenuhren70). In seinem be­ rühmten Kupferstich „Melencolia“ hat er als Symbole einige wundervoll und reich verzierte Geräte der Zirkelschmiede und anderer Kunsthandwerker abgebildet: Zirkel, Sanduhr, Wage und Glocke71). Auf Veranlassung von Johann Stab zeichnete er 1515 seine beiden berühmten Himmelskarten, wozu Konrad Heinfogel die Entwürfe gelie­ fert hatte. Diese Karten wurden gedruckt und in die Feme versandt. Sie dienten u. a. höchstwahrscheinlich auch Johann Schöner als Vorbilder bei der Herstellung seiner Himmelskugeln. 1522 ließ der Innsbrucker Nikolaus Leopold eine Himmelskugel auf der Grundlage von Dürers Himmelskarten anfertigen 72). — Dürers schöner Holz­ schnitt mit der Darstellung einer Armillarsphäre ziert die Ptolemaeus-Ausgabe Willi­ bald Pirckheimers 73). Seit 1576 ragt dann hier der aus Joachimsthal stammende Astronom und Mathe­ matiker Johann Praetorius hervor. Er lehrte an der Akademie Altdorf und hat nicht nur u. a. Astrolabe und Globen nach seinen Angaben in Nürnberg hersteilen lassen, sondern auch den als „Mensula Praetoriana“ benannten Meßtisch und andere Meß­ geräte erfunden sowie Arbeiten über Sternkunde und Mathematik verfaßt und ver­ öffentlicht. — Eine ähnliche Wirksamkeit entfalteten anschließend Peter Saxonius aus Husum und Daniel Schwenter74). — Über den Einfluß, den der in Nürnberg ge­ borene spätere Pfarrer in Stöckelberg, Franz Ritter, Schüler Praetorius', durch seine Veröffentlichungen auf die Herstellung und Vervollkommnung von Sonnenuhren, Astrolaben und Quadranten nehmen mußte, berichtet der Abschnitt 2. — Auch im 17. Jahrhundert wurden in Nürnberg die wissenschaftlichen Arbeiten über astrono­ mische Geräte fortgesetzt. An die Seite von diesen Gelehrten — Geistlichen und Lehrern —, die mehr durch wissenschaftliche Forschungen und Schriften die gewerbliche Erzeugung astronomischer Geräte förderten oder solche im wesentlichen nur für den eigenen Bedarf herstellten, traten Männer aus den Reihen der berufsmäßigen Erzeuger selbst. Auch von ihnen hatte mancher ein wissenschaftliches Studium hinter sich und nahm erst im Laufe der Zeit die freie Kunst der Herstellung wissenschaftlicher Geräte als Gewerbe auf, um gleichzeitig durch Beobachtungen und Forschungen bahnbrechende Leistungen zu vollbringen und vorbildlich zu wirken. Zu solchen Männern gehörten Johann und Andreas Schöner, Erhard Etzlaub, Georg Hartmann, Leonhard Reinmann, Christian Heiden, Augustin Hirschvogel u. a. m. Und wie so mancher Astronom durch das hochentwickelte Handwerk nach Nürnberg gezogen wurde, so wanderte auch mancher der Erzeuger wissen­ schaftlicher Geräte hierher, »weil die mathematique allda in gutem Flor stand*. So hatte es Georg Hartmann aus Eggolsheim bei Forchheim nach seinen eige­ nen Worten gehalten. Er war wohl der berühmteste unter den nürnbergschen Kompaßmachem, Gelehrter und Handwerker in einer Person. — Der so außer­ ordentlich fruchtbare Nürnberger Kompaßmacher Hans Trosdtel arbeitete 70) 71) 72) 7S) 74)

Reicke, a. a. O., S. 703. — Zinner, S. 299. Waetzold, Tafel 172. Zinner, S. 172, 299. Schultheiß, Behaimkatalog, S. 19. S. Günther, Die mathematischen Naturwissenschaften an der Universität Altdorf (MVGN 3) 1881, S. 23 ff. — Zinner, S. 471 f., 83, 97, 108, 360, 551, 624.

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eng mit einem bekannten Mathematiker der Reichsstadt zusammen, nämlich mit Daniel Schwenter, der sogar eine Erklärung zu einer Troschelschen Büch­ sensonnenuhr schrieb 75). Von diesen Männern und anderen ihrer Art wird weiter unten näher zu sprechen sein. Diese einzigartige Konstellation, die Zusammenarbeit von Gelehrten und Handwerkern, von Wissenschaft und Technik, gefördert durch wirtschaftsgeographich günstige Einflüsse, waren Ursache und Grundlage des Phänomens, das Nürnberg am Ausgang des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit in der Erzeugung unübertroffener wissenschaftlicher Geräte der Welt bot76). HAUPTTEIL 1. Das Nürnberger Rotsdimiedehandwerk, das Grundgewerbe für die Erzeugung astronomischer Geräte

Grundlage der Herstellung astronomischer und astronomisch-nautischer Geräte aus Messing bildete die Arbeit des Rotschmiedegewerbes**), das neben dem in viele Zweige aufgeteilten eisenverarbeitenden Gewerbe eines der älte­ sten und wichtigsten Nürnbergs war *). In den oben zitierten Worten Rosenplüts ist das bereits zum Ausdruck gekommen. Wie darin deutlich wurde und wie es weiter nachgewiesen werden wird, gab es kaum eine andere Stadt in Europa, in der die Voraussetzungen für die Entstehung eines messingverarbei­ tenden Gewerbes günstiger als in Nürnberg gewesen wären, und mit Aus­ nahme vom Niederrhein findet sich kein anderes Gebiet, das im Entdeckungs­ zeitalter in gleich hervorragender Weise Astronomen, Kosmographen, Karto­ graphen und Seefahrer mit wissenschaftlichem Rüstzeug, auch mit astrono­ misch-nautischen Geräten beliefert hätte. Wie kam es gerade in Nürnberg zu dieser Entwicklung? Die Gründe dafür hän­ gen aufs engste mit der Entstehungsgeschichte der nürnbergischen Wirtschaft und deren Eigenart zusammen. Deshalb sind hier wenigstens einige ihrer Grundzüge in aller Kürze aufzuzeigen. In erster Linie verdankt Nürnberg seine mittelalterliche Blüte seiner wirtschafts­ geographisch hervorragend begünstigten Lage. Die Stadt lag im Schnittpunkt wich­ tiger europäischer Verkehrswege. In einer Entfernung von weniger als hundert bis zu einigen Hunderten von Kilometern befanden sich die bedeutendsten Erzlagerstätten und Bergwerke Deutschlands, ja man kann sagen Mitteleuropas, nämlich jene im Harz, 75) Alfred Rohde, Die Gesdiichte der wissenschaftlichen Instrumente vom Beginn der Renais­ sance bis zum Ausgang des 18. Jhsi., Leipzig 1923, S. 22. 76) Vgl. Anmerkung 117. *) Die Rotschmiede wurden auch Rotgießer und Gelbgießer genannt. Da sie zu den gesperrten Handwerken gehörten, das Fremden nicht zugänglich war, konnte es sich nur durch Ein­ heimische ergänzen (Kurt Pilz, Das Handwerk in Nürnberg und in Mittelfranken, Nürn­ berg 1954, S. 45). Sie stellten Bronze und Messing her und verarbeiteten diese durch Gießen und Schmieden zu Haifabrikaten und Metallwaren. — Vgl. auch Anm. 204 im Abschnitt 8. 2) W. Wörthmüller, Die Nürnberger Trompeten- und Posaunenmacher des 17. und 18. Jhs. (MVGN 45) 1954, S. 208.

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im Mansfeldischen, im Erzgebirge, in den Alpen, im Schwarzwald und in der Oberpfalz. Aus diesen Bergwerken zog die gewerbereiche Reichsstadt ihre Kraft. Große Mengen der dort gewonnenen Metalle gelangten hierher, um zum Teil weiterver­ sandt, zum Teil aber hier verarbeitet zu werden. Die hierzu erforderliche Wasserkraft lieferte die Pegnitz mit ihren verschiedenen Armen. Die Metalle dienten hier zunächst besonders zur Herstellung von Waffen und Rüstzeug, dann auch zur Erzeugung von Metallgeräten für den Haushalt und schließ­ lich zum Guß von Glocken und Geschützen. Außer Eisen wurden hierzu besonders Kupfer, Zinn und Galmei benötigt. Aus diesen Produktionsverhältnissen erwuchsen dann alle anderen Zweige der Metallverarbeitung, auch die Entwicklung von besonderen Metallegierungen, die Er­ zeugung von Bronze und Messing und schließlich die Herstellung wissenschaftlicher Geräte.

Die Erzeugung von Messing, des für die Anfertigung astronomischer In­ strumente benötigten Metalls, wurde in Nürnberg bereits im Mittelalter so vervollkommnet, daß man den Messingguß lange Zeit geradezu für eine nürnbergische Erfindung hielt. Man nimmt aber heute einen niederrheinischen Ur­ sprung an. Allerdings scheint er in Nürnberg durch neue Legierungen verbes­ sert worden zu sein, um hier dann als ein großes Geheimnis gehütet zu wer­ den8). Die Rohstoffe zur Fabrikation von Messing — nämlich Kupfer und Galmei — aus denen die Messingbrenner das Messing brannten34), lieferten 3) Noch im Jahre 1512 schrieb der nürnbergische Rat an Kaiser Maximilian I.: „... ob sich ainer [der MessingschlägerJ von hynnen fuget oder wie er von hynnen körn, sollt er nymand auswendig[em] ir handwerk weder mit prennen oder gießen lernen noch underweysen ..." (BStAN, Briefb. 68, Bl. 58). Im Gebiet zwischen Maas und Rhein dürfte die gesamte westeuropäische Messingerzeu­ gung ihren Ursprung haben, da sie sich dort bis in die Zeit der Römerherrschaft zu­ rückverfolgen läßt. Im Mittelalter war Dinant, seit Mitte des 15. Jhs. Aachen, der Mittelpunkt der Messingerzeugung und -Verarbeitung (Peltzer, a. a. O., S. 238). — Dinant wurde 1466 zerstört. Die Bewohner flohen nach anderen belgischen Städten. Doch die hohe Blüte der Messingerzeugung an der Maas war dahin (Peltzer, S. 264). — Im 16. und in den folgenden Jahrhunderten wurde sie außer in Aachen und Nürnberg wesentlich nuT noch in Graslitz (im böhmischen Erzgebirge) (dluTch Nürnberger) und im Mailändischen betrieben (Peltzer, S. 370). Wurde auch Nürnberg in der reinen Messingerzeugung und in der Herstellung von Halb­ fabrikaten und vielleicht noch von bestimmten Messingwaren von Dinant im 15. und von Aachen im 16. Jh. übertroffen — woher es bei Rohstoffmangel sogar gelegentlich Stück­ messing kaufte und vereinzelt Einwanderer aufnahm (Peltzer, S. 385) —, so war doch die fränkische Reichsstadt in der Herstellung von wissenschaftlichen Geräten, ferner von feinen Drahtsorten, Ringen, Rollen, Nadeln, Fingerhüten, Zimbeln, Schellen, Glocken und Musikinstrumenten unübertroffen (Peltzer, S. 370). Mit ihren Messingbecken be­ herrschten Aachen und Nürnberg gemeinsam den Weltmarkt (Peltzer S. 370). — In Nürn­ berg gelang es schließlich, die Becken durch Stanzen herzusteilen (Peltzer, S. 361) — Von Aadien wird gesagt, daß es in der Blütezeit der Messingindustrie an wirklich künstle­ rischen Talenten arm gewesen sei (Peltzer, a. a. O., S. 357). 4) Durch den Zusatz von Zink zum Kupfer in einer Menge von etwa 30°/o entsteht ein Metall, das billiger und geschmeidiger als Bronze ist. Da man Zink noch nicht vom Zinkerz ( = hauptsächlich Galmei) abzusondem verstand, wurde gemahlenes und mit Holzkohlen vermischtes Zinkerz mit zerkleinertem Kupfererz gemischt und in Tiegeln etwa 12 Stunden lang geschmolzen und dann in Formen gegossen (Peltzer, 241). Abbildung des Inneren

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Metallgroßhändler in Nürnberg, Augsburg und Leipzig*5),* *die * das Kupfer hauptsächlich in ihren Kupfersaigerhütten in Thüringen, im Erzgebirge, in Tirol und in Ungarn aus silberhaltigem Schwarzkupfer gewannen und das Galmei aus den Galmeibergwerken Altenbergs bei Aachen erhielten. Deren Pacht und Betrieb lag im 16. Jahrhundert lange Zeit in den Händen der Han­ delsgesellschaft der Schetz in Antwerpen, die es im Austausch gegen Mansfelder Kupfer nach Nürnberg lieferte 6). In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts errichteten Nürnberger Mes­ singhändler mit Hilfe von Nürnberger Messingbrennern eigene Messinghütten in Thüringen und Messinghämmer in der Umgebung der Stadt7). Die Herstellung von Metallwaren aus Messing — also auch von astrono­ mischen Geräten — erfolgte durch die Rotschmiede in den sog. Rotschmiedemühlen, auch Drechselmühlen genannt, die mit Schmelzöfen, Drehbänken, Drechsel-, Schleif- und Polierscheiben versehen waren und der Feinbearbeitung des Messings dienten. Diese Arbeit, das „Rotschmieddrechseln", bestand im Abdrehen gegossener Messingstücke sowie im Ziehen, Löten und Treiben von einer nürnbergischen Messingbrennerhütte des 17. Jhs. bei Christoph Weigel: „Abbildung der Hauptstände". Nachgedruckt bei Peltzer, nach S. 844. Am 7. April 1481 verordnete der Rat in Nürnberg, daß kein Messingschläger mehr als einen runden oder zwei viereckige Öfen haben und gebrauchen dürfe. In den runden dürften nicht mehr als acht „hefen“ und in den viereckigen nicht mehr als vier eingesetzt und gebrannt werden. Das hergestellte Messing brauche wie seit alter Zeit nicht gezeichnet zu werden (Hampe, a. a. O., I, Nr. 239). — Einer der zahlreichen Messingbrenner (= Messingschläger) in Nürnberg war Hans Totzer am Panersberg. Seine Abnehmer waren messingverarbeitende Handwerker. Das Inventar seiner Messinghütte bestand nach einem überlieferten Verzeichnis u. a. aus 5V2 Ztr. eisernen Hüttenwerkzeugen, 6 Am­ bossen, 10 Hämmern, 2 Richthämmem, 3 Hülsen, Äuglein und Schild, 1 Schlegel und einem Polsterschlegel. An Messing besaß er rund 8 Zentner, die einen Wert von etwa 60 Gulden hatten. Sein Besitztum einschließlich Haus und Forderungen hatte einen Wert von 625 Gulden. Dagegen standen 724 Gulden Schulden. Unter den Gläubigern befanden sich die Gesellschaft Jakob Welser und Söhne [für geliefertes Kupfer], die Erben Peter Vischers für geliefertes Abfallmessing und Endres Roßner für Zinn und Galmei (StadtAN., L. L. Bl. 36, 41, 134b, 210; aus den Jahren 1524 und 1528. — Inv. Nr. 1, 1529/31, Bl. 119 f.). 6) Von vielen Beispielen der Versorgung des Beckschlägerhandwerks mit Kupfer hier nur eins: Der Nürnberger Rat beschloß 153 8, mit Caspar Nützel Unterhandlungen zu pflegen über die Lieferung von 300 Ztr. Kupfer gegen gepürliche bezalung“. Außerdem wolle ihm der Rat 1000 Gulden ein Jahr lang leihen. Ferner solle auch mit den Fuggern unter­ handelt und sonst darüber nachgedacht werden, wie sonst mehr Kupfer hierher gebracht werden könne, damit das Handwerk keinen Mangel leide (BStAN, RatsverL, 1537. 12. 2./7 153 8. 26. II. Aus der Samml. der Ges. f. fränk. Gesch.). fl) A. Dietz, Frankfurter Handelsgeschichte, 5 Bd., Frankfurt a. M. 1910/25, II, S. 198. — Peltzer, a. a. O., S. 320, 333 f. — Peltzers Auffassung, daß es sich nur um geringere Mengen Galmei gehandelt habe, die nach Frankfurt und Nürnberg geliefert worden seien, wird durch die Lieferung vom 30. April 1492 von 100 Tonnen Galmei von Frankfurt nach Nürnberg an den Nürnberger Hans Amelreich widerlegt (Dietz, II, 199). 7) Dietz, II, S. 198, — K. Dettling, a. a. O., S. 213 passim. Hans Ameireichs Gesellschafter in Thos bei Fürth waren die Nürnberger Hans Staud und die Gebrüder Lorenz und Hans Beheim, die nicht dem Patriziergeschlecht des Martin Behaim angehörten. Das Werk be­ stand aus einer Messinghütte, einem Me9singschlaghammer mit einem Drahtrad und anderen Einrichtungen. 1583 wurde ein Kupferhammer daraus gemacht (Peltzer, 347). — Gillis und Hans Behaim waren 1562 in Aachen Kupferschläger (Peltzer, a. a. O., 347).

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Messingblechen und -röhren8). Das Herzstück der Mühlen war die hölzerne Drehbank, die durch das Wasserrad getrieben wurde. Wie noch heute, wurde hierbei entweder der zu bearbeitende Gegenstand in die Drehbank eingespannt und mit dem Werkzeug bearbeitet, oder das Werkzeug befand sich an der drehbaren Achse, und der Gegenstand wurde herangeführt, um geschliffen, gehobelt, gefräst oder sonstwie behandelt zu werden. Oder Zapfen an der Welle des Mühlenrades hoben wechselweise den mittelschweren Hammer, der zum Treiben von Rundungen diente 9). — Wie der Messingguß, also das Her­ stellungsverfahren des gelben Metalls, in Nürnberg als Geheimnis gehütet wurde, so auch seine Verarbeitung zu Metallwaren. Die Rotschmiedemühlen mit ihren Drehbänken durfte kein Fremder betreten, ohne strengste Strafen zur Folge zu haben10). — Schon 1363 gab es hier 33 Messingschmiedewerk­ stätten. Entsprechend früh ist auch die Herstellung von messingenen astrono­ mischen Geräten in Nürnberg anzusetzen. 2.

Erzeugung und Ausfuhr niimbergischer Astrolabe In Hinblick auf das Behaim-Problem kommt hier dem Astrolab eine be­ sondere Bedeutung zu, während es als Ausfuhrerzeugnis auch nicht annähernd an den Zirkel oder die Kompaßsonnenuhr heranreicht. — Die hohe Bedeutung dieses Instrumentes liegt darin, daß bei seiner Anwendung weniger Beobach­ tungsfehler als mit anderen Geräten Vorkommen. Die in der Welt erhalten gebliebenen Astrolabe hat Robert T. Günther in seinem umfangreichen Werk „The Astrolabes of the World" “) nach Mög8) Wörthmüller, a. a. O., S. 211. — Die benötigten Messingplatten wurden gehämmert und — wenn es sich um Teile zusammengesetzter Instrumente handelte, wie z. B. beim Türkengerät — „miteinander vernietet und verlötet oder durch Lochzapfen mit Vorsteck­ keilen verbunden". Ruhten die Geräte auf einer Grundplatte, so wurden beide durch Angeln miteinander verbunden (Zinner, S. 180). 9) Vgl. u. a. die Abbildungen bei Eberhard Lutze „Einst im alten Nürnberg" (Stuttgart 1944) S. 23, ferner bei O. D. Potthoff „Kulturgeschichte des deutschen Handwerks", (Hamburg 1938), S. 153, und bei anderen mehr. — Den besten Einblick in die Messing­ bearbeitung gewähren die Kupferstiche bei Christoph Weigel, a. a. O., nachgedruckt bei Peltzer, a. a. O., nach S. 344. 10) Eugen Kusch, Nürnberg, S. 185 f. — Im Jahre 1535 gab es in Nürnberg besondere Rot­ schmieddrechsel. Ihre Vorrichtungen zum Abdrehen von Metallgegenständen war offenbar eine nürnbergische Erfindung. 1590 wurde die Geheimhaltung der Drechselräder vom Rat neu verordnet „damit solche und dergleichen vorteil oder kunst mit den redem nicht so gar gemain und noch mehr als zum tail geschehen aus der stat und an andere aus­ wendige orte gebracht werden (Hampe, a. a. O., II, Nr. 1080; I, 2133, 2482, 3765/6, 3848/9, 3904, II 313. 366 ff. 1071). Zit. bei Peltzer, S. 359). — Obwohl es im 15. Jh. offensichtlich nicht selten war, daß manche Rotschmiedie selbst wissenschaftliche Instru­ mente herstellten, so war es im allgemeinen doch so, daß sie den Zirkelschmieden und anderen Herstellern astronomischer Geräte nur Halbfabrikate lieferten, die dann von diesen feinbearbeitet und zusammengefügt wurden. — Auch in anderen Städten stellten die Rotschmiede astronomische Geräte her (vgl. Anm. Nr. 204). J1) 2 Bände Oxford 1932.

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lichkeit erfaßt und ausführlich beschrieben. Wie seine Ausführungen zeigen, sind unter den in Frage kommenden Ländern Portugal und Spanien am gering­ sten, Italien aber am stärksten vertreten. Deutschland wurde offensichtlich erst durch Venedig mit dem Astrolab bekannt, dann aber mit führend 12). Daraus ist zu schließen, daß die iberischen Länder ihre metallenen Astrolabe im Ent­ deckungszeitalter trotz ihres reichen Erbes aus maurischer Zeit nur selten selbst herstellten, sondern mehr aus Italien und Deutschland erhielten. Auf Deutsch­ land bezogen — insbesondere auf Nürnberg — findet die Richtigkeit dieses Schlusses durch andere Unterlagen auch ihre Bestätigung. Schon die ältesten in Nürnberg nachweisbaren Astronomen beschäftigten sich eingehend mit dem Astrolab. Das beweisen die Schriften des Nürnberger Stadtarztes Johann Schindel, wenn er sie auch schon zwischen 1401 und 1423 in Prag verfaßte 1S). Späteren Ausführungen vorweggenommen sei bei dieser Gelegenheit ein Hinweis auf das Buch des nachmaligen Oppenheimer Stadtschreibers Jakob Koebel „Astrolabiideclaratio“, das im Jahre 1517 in Nürnberg seine Erstauflage erlebte. Zwischen 1532 und 1619 erschienen in Mainz, Paris und Köln 11 Neuauflagen dieses Werkes. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts haben dann Franz Ritters Arbeiten über den gleichen Gegenstand wie auch über andere astronomische Instrumente den nachhaltigsten Ein­ fluß auf die Herstellung des Astrolabs ausgeübt. In Nürnberg geboren, studierte Rit­ ter in Altdorf, wurde Schüler von Praetorius und veröffentlichte 1613 in Nürnberg bei B. Caymox seine Werke über die Herstellung und den Gebrauch des Astrolabs (mit 21 instruktiven, teils wundervollen Kupferstichen und 15 Falttafeln). Er weist u. a. darauf hin, wie vielseitig das Gerät verwendet werden könne, so bei Reisen „zu Meer und Wasser in die Ost- und West-Indien“, wo die Seefahrer ohne die Hilfe des Astrolabs „sich schwerlich fortzukommen getrauen dürften“. — Ein mit Ritters Kupfer­ stichen bezogenes hölzernes Astrolab besitzt das städtiche Museum in Lüneburg14).

Das erste in Nürnberg beskanntgewordene und offensichtlich hier vor 1400 aus Messing hergestellte Astrolab ist jenes Gerät, das — wie erwähnt — im Jahre 1444 Nicolaus von Cues zusammen mit anderen Geräten erwarb und später seiner Heimatstadt vermachte. Ganz offensichtlich stammten sie von Nikolaus von Heybech. Das Astrolab stellt eine ziemlich rohe Arbeit und wohl nur einen Versuch des 14. Jahrhunderts dar15). Das älteste in Nürnberg selbst erhalten gebliebene Astrolab stammt aus dem Jahre 1457. Es gehörte zum Nachlaß Regiomontans, ist aber sicher in Wien nach Angaben Peuerbachs hergestellt worden 16). An Wien knüpft wohl auch auf diesem Gebiet die nümbergische Tradition an. — 1462 stellte Regiomontan in Rom ein messingenes Astrolab für den Kardinal Bessarion her, das sich im Privatbesitz befindet. Von anderen seiner Hand hat sich nur das von 1468 erhalten. Es gehört heute zu den Schätzen des Germanischen NationalMuseums. Die übrigen von Regiomontan nachgelassenen Astrolabe sind frem12) Günther, a. a. O., II, S. 403, 567. — Vgl. auch I. Luciano Pereira, Astroläbios existentes em Portugal, Lisboa 1917. ls) Zinner, S. 501. 14) Günther, a. a. O., II, S. 569, 586. — Rohde, a. a. O., S. 80—93, 96, 97, Abb. 107—114. 15) Zinner, S. 383. 16) Ebd., S. 143. — Nach Jacob (a. a. O., S. 46) hat Regiomontan das Astrolab verbessert.

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der Herkunft. Doch hat er solche bestimmt auch in Nürnberg angefertigt. Denn in seiner Werkstätte stellte er astronomische Geräte für eigenen und fremden Bedarf her, so daß auch Astrolabe zur Anfertigung gelangt sein müssen. Davon hat er wohl eins mit nach Rom genommen. Ohne seine Geräte hätte er seine Aufgabe dort nicht erfüllen können. Leider ging sein römischer Nachlaß bei seinem frühen Tode verloren. Aber noch Jahrzehnte später fällt Licht auf die Verbreitung seiner Geräte. So wurde dem Kurfürsten Friedrich von Sachsen im Jahre 1512 ein Astrolab angeboten, das der Meister für König Matthias von Ungarn angefertigt hatte. 1527 berichtet Georg Hart­ mann in Nürnberg, mehrere von Regiomontan hergestellte Astrolabe gesehen zu haben. Noch 1537 kam ihm einer von dessen Sonnenringen vor Augen 17). Die nächste Nachricht über spezifisch nürnbergische Astrolabe ist wieder jenem oft zitierten Brief Thomas Münzers zu entnehmen, in welchem dieser dem König Johann II. von Portugal den Vorschlag macht, Martin Behaim und seine Gefährten mit ihren Instrumenten zur Entdeckung des westlichen See­ wegs nach Indien zu entsenden. Dabei ist auch das Astrolab erwähnt18). Es darf wiederholt werden, daß Behaim demnach solche Geräte besaß und es ganz selbstverständlich ist, daß er sie in seiner Vaterstadt hersteilen ließ. In München und in London sind zwei offenbar nürnbergische Astrolabe aus den Jahren 1490 und 1491 erhalten geblieben19). Sie tragen die Initiale hb und eine Marke, die von Günther als nürnbergisch bezeichnet wird20). Vielleicht war der Hersteller der nürnbergische Rotschmied Hans Behaim 21). Es handelt sich bei diesen beiden Astrolaben um schlichte handwerkliche Arbeit. Das nächste nürnbergische Astrolab, von dem eine schriftliche Nachricht existiert, stellte der Barfüßermönch Friedrich Krafft im Jahre 1500 her22). Aber es ist nicht erhalten geblieben. Schon diese Nachrichten über die Herstellung spätmittelalterlicher Astrolabe in Nürnberg lassen auf jeden Fall erkennen, daß sich Behaim als Kosmograph und Astrologe mit dem erforderlichen Gebrauch dieses Instruments in seiner Vaterstadt bestens vertraut machen konnte — ähnlich wie sein Bruder Wolf es u. a. mit dem Jakobstab tat — und genügend Gelegenheit hatte, sich hier ein oder mehrere Astrolabe zu beschaffen und nach Portugal mitzunehmen. — Dagegen ist — wie dargelegt — in jener Zeit nichts von einer portugiesischen Herstellung messingener Geräte bekannt. 17) Ebd., S. 3 58. 18) Rick. Mennig, Terrae incognitae, 4 Bd., 1936/39, III, S. 256 f.: "... unter Mitnahme ihrer Zylinder, Quadranten, Astrolabe und anderer Instrumente.“ 19) Günther, a. a. O., II, S. 423. 20) Ebd., Nr. 148, 249. ll) Erwähnt von Christa Sdiaper, Studien zur Gesch. der Baumeisterfamilie Beheim (MVGN 48), S. 127, 140. — Nach Mitteilung der Autorin beschäftigte sich ein Verwandter des Rotschmieds Hans Beheim, der Kleriker und Jurist Lorenz Beheim (1457—1521), rege mit der Astrologie. 22) A. Gümbel, Peter Henlein, der Erfinder der Taschenuhren, Halle 1924. Zit. bei Zinn er, S. 418.

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Dieser Gegensatz wird noch deutlicher bei Betrachtung der nürnbergischen Erzeugung von Astrolaben in den nächsten Jahrzehnten. Es treten da folgende Hersteller dieses Geräts [u. a.] hervor : um um um um um um um um

1516: 1519: 1525/48: 1538: 1552: 1562: 1568: 1578:

Johann Werner Johann Vogel Georg Hartmann24) Johann Wagner Christian Heiden Andreas Schöner JohannPraetorius WenzelJamnitzer

Das sind natürlich nur wenige gegenüber einer Vielzahl unbekannt ge­ bliebener Hersteller. Von der Ausfuhr zeugt es, wenn manche Hersteller ihre Astrolabe in allgemeiner Form zum Angebot brachten, wie es z. B. schon Regiomontan getan hatte und es auch der Augsburger Christoph Schißler in Augsburg und später Levinus Hulsius in Nürnberg taten. Auch kommt die Verbreitung nürnbergischer Astrolabe darin zum Ausdruck, daß sich solche von Georg Hartmann in Museen von Hannover, Wien, Leiden, Florenz, Edinburgh, London, Oxford, Paris und Chicago erhalten haben M). Für die Ausfuhr nümbergischer Astrolabe nach den iberischen Ländern sind mehrere — teils schon erwähnte — Anhaltspunkte gegeben. 1. Wenn Regiomontans Ephemeriden in die Hände Kolumbus' gelangten 28), so spricht dies dafür, daß auch seine Geräte — besonders Astrolabe — ihren Weg in die iberischen Länder genommen haben. 2. Ohne jeden Zweifel hat Behaim bei seiner astronomisch-nautischen Tätig­ keit in Portugal nümbergische Erzeugnisse, also auch das Astrolab benutzt. Darauf weisen seine Verbindung mit einem Zirkelschmied in Nürnberg und besonders Münzers Brief hin27). Darüber hinaus könnte er auch Ge­ räte für den Verkauf eingeführt haben. Wie nachgewiesen und mehrfach 2S) Günther, S. 434—460. — Zinner, S. 150, 584. — Alfred Rohde, Die Geschichte der wis­ senschaftlichen Instrumente, Leipzig 1923, S. 94 f. — Es wurden die verschiedensten Arten des Astrolabs herausgebracht, auch „das Catholicum de Royas auf Holz gezogen". — Ein tellergroßes Gerät aus vergoldetem Messing kostete Ende des 16. Jhs. 20 Taler, ein kleineres 10. ein hölzernes 3 oder 4 Taler. *4) Georg Hartmanns Astrolabe tragen zum Teil den Doppeladler auf der Rückseite. w) Zinner, S. 362—368. — Günther, S. 436—440. — Bensaüde, S. 38 f. — P. H. Cittert, Astrolabes, Leiden 1954, S. 9. — Mit dem Astrolab verwandt waren die Safea und das Meteoroscop. Von beiden Geräten läßt sich nachweisen, daß sie auch in Nürnberg her­ gestellt wurden. Regiomontan beschäftigte sich rege damit. Doch liegen keine Nachrichten über ihre Ausfuhr vor. Das beweist indessen nichts. — Ghillany hält es für nicht ausge­ schlossen, daß Behaim das Meteoroscop in Portugal eingeführt hat. Doch haben sich dafür keine Anhaltspunkte gefunden (vgl. u. a. Zinner, S. 148, 584 passim). *•) E. Zinner, Nürnbergs wissenschaftliche Bedeutung am Ende des Mittelalters, a. a. O., S. 113—119. **) Hennig, a. a. O., III, S. 256 f.

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dargelegt, wurden damals in den iberischen Ländern für den Markt keine astronomischen Geräte aus Metall erzeugt28). 3. Valentin Fernandes in Lissabon, berühmter deutscher Drucker, Notar, königlicher Schildträger, Afrikaforscher, Chronist und Sammler geographi­ scher Entdeckungsberichte, bestellt im Jahre 1510 brieflich bei dem nümbergischen Faktor des Augsburger Handelshauses der Höchstetter, Stephan Gabler, ein gutes Astrolab29), was er nicht getan haben würde, wenn dieser erfahrene Mann die Möglichkeit gehabt hätte, sich ein gleich gutes in Portugal zu beschaffen. 4. Der [deutsche] „Meister Johannes", der die Flotte Cabrals, die Brasilien entdeckte, im königlichen Aufträge als Kosmograph begleitete — ähnlich wie Behaim es zuvor auf Expeditionen nach Afrika getan hatte —, bediente sich des Astrolabs, und es muß an genommen werden, daß dieses deutscher Herkunft war. (Darüber wird näher im Abschnitt 8c 3 berichtet). 5. Magellan führte bei seiner Weltumseglung 6 Astrolabe aus Metall mit sich. Da seine Flotte von den Fuggern ausgerüstet wurde, ist sicher, daß sie auch die metallenen nautischen Geräte geliefert haben und diese durch ihre nürnbergische Faktorei besorgen ließen. (Näher erklärt dies Abschnitt 9.) 6. Wenn ferner die Fugger in den 60er Jahren des 16. Jahrhunderts ein von Christoph Schißler in Augsburg hergestelltes kupfernes Astrolab nach Spa­ nien schickten 30), so darf man annehmen, daß auch solche nürnbergischer Herkunft von süddeutschen Handelshäusern, die im regen Handelsverkehr mit den iberischen Ländern standen, dorthin geliefert wurden. Leider ließ sich bis heute die Frage nicht restlos klären, wo und wie das See-Astrolab entwickelt wurde. Zinner berichtet, daß Abraham Zacuto, der Verfasser des hebräisch gechriebenen „Almanach perpetuum", das See-Astrolab erfunden habe. Es sei eine schwere Metallscheibe mit Zeiger und einer Rand­ einteilung zu je 5 ° gewesen, und zwar ohne die drehbare Scheibe und ohne die rückseitigen Höhenkurven und Figuren. — Es handelt sich also um eine Vereinfachung des auf dem Lande gebrauchten Astrolabs. Diese Vereinfachung konnte vorgenommen werden, weil die Aufgabe des Geräts auf See sich dar­ auf beschränkte, die jeweilige Position des Schiffes zu ermitteln. Es blieb des­ halb später nur noch ein flacher Ring mit einer Skala und im ausgesparten Teil eine Kreuzung übrig. In dessen Mittelpunkt war der Zeiger (die Alhidade) be­ festigt. Das Gerät bot somit dem Wind keine große Angriffsfläche mehrS1)Hat Behaim an dieser Verbesserung teilgehabt? Die erste bisher bekanntgewordene Erwähnung und Abbildung eines nautischen Astrolabs findet sich auf der im Vatikan aufbewahrten Landkarte des Diogo Ribeiro w) *•) *°) 81)

Vgl. die Einleitung, Abschnitt c. Schultheiß, Behaimkatalog, D. 26. Zinner, S. 150. E. Zinner, Nürnbergs wissenschaftliche Bedeutung, a. a. O., S. 116. — Günther, a. a. O., II, S. 524—534. — D. W. Waters, The Art of Navigation in England in Elisabeth and Early Stuart Times, New Haven 1958, S. 54 passim. — Gelcich, a. a. O., S. 45 , 52.

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von 1529 32). Andere Abbildungen des Geräts lassen sich seit 1545 nachweisen3S). Das älteste erhalten gebliebene nautische Astrolab aus Messing wurde im Jahre 1555 angefertigt34). Die Herkunft dieses mit Jahreszahl versehenen Instruments ist un­ sicher. Wahrscheinlich haben es Engländer aus einem portugiesischen Schiff erbeu­ tet 35). Doch ist damit nicht gesagt, daß es auch in Portugal hergestellt wurde. — Der Zeit um 1600 gehören zwei andere See-Astrolabe an, die in gesunkenen Schiffen gefunden wurden, aber auch keinen Anhaltspunkt für den Ort ihrer Herstellung bieten 3fl).

Ob sich durch Untersuchungen der Metall-Legierungen und durch einen Vergleich mit der Legierung anderer — etwa nümbergischer — Messinggeräte die Frage nach der Herkunft der bekanntgewordenen See-Astrolabe lösen ließe 87), erscheint fraglich. Wahrscheinlich können nur neue Urkundenfunde dazu verhelfen. Bis dahin aber ist dem Weg der größeren Wahrscheinlichkeit zu folgen: Nachdem die iberischen Länder damals kunstreichere Metallgeräte nicht herstellten, sondern so gut wie ausschließlich einführten, und nachdem Nürnberg bei solcher Einfuhr an der Spitze stand, darf gefolgert werden, daß die Reichsstadt auch See-Astrolabe dorthin geliefert hat. 3.

Erzeugung und Ausfuhr nümbergischer Jakobstäbe und Quadranten

Es liegen bislang keine Nachrichten darüber vor, ob auch der Jakobstab, der aus Holz bestand, in Nürnberg serienmäßig für die Ausfuhr hergestellt wurde. Jedoch hat Regiomontan dieses altbekannte Gerät wesentlich verbessert und Bernhard Walther es zwischen 1475 und 1488 benutzt. Auch Johann Werner und Johann Schöner haben dies sicher getan, da der Stab von beiden in Sammelwerken über Nürnberger Beobachtungen beschrieben wurde88). Es ist zwar möglich, daß Martin Behaim sich in Portugal gelegentlich auch des Jakobstabes bediente, zumal sein Bruder Wolf in Nürnberg sich einmal ein solches Gerät auslieh39). Doch wäre das ggf. ohne nachhaltige Wirkung geschehen, da Münzer den Stab in seinem berühmten Brief nicht unter Behaims 32) Bertrand Gille, Les origines de la Civilisation technique. Le Moyen Age en Occident, S. 455. — Es handelt sich um die berühmte Weltkarte des Diogo Ribeiro: Ausschnitt im Anhang bei J. L6pez de Velasco, Geografia ... de las Indias ... de 1574, Madrid 1894. 83) P- de Medina, Arte de Navegar, Vallodolid 1545. — Martin Cortes, Breve compendio .. de la arte de navegar, Madrid 1551. Zit. bei Waters, a. a. O., S. XI; Tafel XVIII, XIX. M) Heute im Albert Institut Dundee. ») Waters, a. a. O., S. XV, Tafel XIX. 36) Günther, a. a. O., S. 528, Tafel CXLIV. — E. G. R. Taylor, The Haven-Finding Art, London 1956, Tafel XVIII. 37) Eine Analyse der von Peter Vischer für das Sebaldusgrab verwandten Legierung, die von dem Messingbrenner Konrad Rösner geliefert wurde, befindet sich bei A. W. Döbner, Peter Vischer Studien (MVGN 9) S. 168 (Hinweis von Herrn Dr. Schnelbögl). “) Zinner, S. 207—210. 89) Schultheiß, Behaimkatalog, S. 7.

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Nürnberger Säulchensonnenuhr (sog. Zylinder) von 145 5 aus Elfenbein (Bayerisches Nationalmuseum, München) Einen solchen Zylinder wollte auch Martin Behaim auf seiner beabsichtigten Westfahrt nach Indien verwenden.

Sonnen- oder Seering von 1714 (Deutsches Museum, München) Ringe solcher Art — auch wesentlich breiter — wurden in Nürnberg seit dem 15 Jahr­ hundert hergestellt.

Nautisches oder Seeastrolab von 1555 (im Albert Institut, Dundee in Schottland; nach D. W. Waters, „The Art of Navigation in England“, New Haven 1958)

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Geräten nennt und er auch nicht vor Mitte des 16. Jahrhunderts in der portu­ giesischen Schiffahrt Eingang fand, die früheren Expeditionen also nicht damit ausgestattet waren. Auch Kolumbus benutzte ihn nicht, sondern nur Lot und Quadrant40). Erst 1546 wurde der von Regiomontan verbesserte Jakob­ stab durch den Portugiesen Pedro Nunes in Portugal eingeführt41). Für das Behaim-Problem kann also der Jakobstab — im Gegensatz zu anderen Auf­ fassungen — keine große Bedeutung gehabt haben. Ebenso liegen nur wenige Nachrichten über die Herstellung des Quadran­ ten in Nürnberg vor. Dieses Gerät wurde sowohl aus Holz wie aus Messing und gelegentlich auch aus Eisen [von Kunstschlossern] angefertigt. Johann Schindel in Nürnberg bediente sich im 2. Viertel des 15. Jahrhunderts für seine Beobachtungen eines eisernen Quadranten, und zwar in Verbindung mit einem Dreistab42). Um 1430 befanden sich unter den Handelsgütern, die in Saragossa eingeführt wurden und zum großen Teil nümbergischen Ursprungs waren, einmal 4 Dutzend Quadranten aus Messing42a). Wie aus Münzers Brief hervorgeht, benutzte Martin Behaim bei seinen Seefahrten u. a. einen [messin­ genen] Quadranten. Und nümbergischer Herkunft ist vielleicht auch ein glei­ ches Gerät aus vergoldetem Messing, das das Deutsche Museum in München besitzt. Es stammt aus dem 16. Jahrhundert. — Gegen Ende des 16. Jahr­ hunderts bot Levinus Hulsius Quadranten in seiner Preisliste astronomischer und mathematischer Instrumente an. Das bestätigt, daß solche auch ausge­ führt wurden. Außerdem ließ er zusammen mit Cornelius de Jode Schriften über Theorie und Praxis des Geräts erscheinen43). Im 17. und 18. Jahrhundert wurden in Nürnberg mehrere riesige Quadranten für Sternwarten in Nürn­ berg und Altdorf gebaut44). Das wird sicher auch schon im 16. Jahrhundert der Fall gewesen sein. 40) Häring, a. a. O., S. 378. — Jacob, a. a. O., S. 3 81. 41) Zinner, S. 209. — S. Günther hat seine frühere Ansicht über die Einführung des Jakob­ stabs in die portugiesische Nautik durch Behaim in seinem Werk „Das Zeitalter der Entdeckungen“, 1900, S. 37, wieder zurückgenommen. 42) Ebd., S. 203. 42a) Schulte, a. a. O., I, S. 308 („quadrants de lauto“; = laton). 43) Ebd., S. 204, 392. 44) In Altdorf richtete sich H. Treu auf einem kleinen Stadtturm 1657 eine Art Sternwarte ein und stellte als Hauptgerät einen Azimutalquadranten auf (Zinner, S. 205, 221). — Als dann 1677 Georg Christoph Eimmart in Nürnberg eine große Sternwarte auf der Burgbastei einrichtete, versah er sie ebenfalls mit einem Doppelquadranten (Zinner, S. 205, 301). — Johann Philipp von Wurtzelbau erbaute hier 1692 ein achteckiges Beobachtungstürmchen mit aufklappbarem Dach für einen großen eisernen Quadranten (Zinner, S. 206, 594). — Diese Quadranten waren unzweifelhaft alle in Nürnberg ge­ baut. In einem Fall läßt sich das auch nachweisen, als nämlich der Zirkelschmied Johann Ludtring 1677 für Eimmarts Sternwarte ein Planetarium, einen sechsfüßigen Trienten, Quadranten und Hohlsonnenuhren herstellte. — Der berühmte Jenaer Astronom und Professor der Mathematik Erhard Weigel ließ während eines Nürnberger Aufenthaltes von Ludtring eine Armillarsphäre aus Eisen hersteilen (Roth, a. a. O., IV, S. 89. — Zinner, S. 431, 581 f.). Es wird nicht das einzige Gerät gewesen sein, das sich Weigel für seine großartige astronomische Schau auf dem Dach des Jenaer Schlosses aus Nürn­ berg holte —. Im übrigen ist es in ähnlichen Fällen des 18. Jhs. ebenso gewesen (Zinner, S. 154—163), und man darf daraus sichere Rückschlüsse auch auf die Herstellung und 7

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Mit dem Quadranten nicht zu verwechseln ist der Sonnenuhr quadrant, ein Gerät das aus dem Astrolab hervorgegangen ist (= Quarta pars astrolabii). In der Hand gehalten, diente es zur Ermittlung der Tageszeit. In Nürnberg hat sicher Regiomontan die Herstellung von Sonnenquadranten gefördert, da sein Lehrer Peuerbach in Wien sich rege damit beschäftigt und auch solche Geräte gebaut hatte. — Georg Hartmann hat seit 1527 Zeichnungen davon angefertigt — auch eine für gleichlange Stunden mit Bezug auf Nürnberg. Er stellte aber auch selbst dieses Instrument aus Messing her. Andere folgten ihm darin, so Christian Heiden im Jahre 1553 und später Mi­ chael Bumel und Kilian Bauer45). Man darf annehmen, daß sie im wesentlichen für die Ausfuhr arbeiteten. — Auch manche Uhrmacher benutzten zur genauen Zeitein­ stellung des Räderwerks ihrer Uhren den Sonnenquadranten, wie dies der bekannte Holzschnitt „Aus dem deutschen Bürgerleben des 15. Jahrhunderts“ anschaulich dar­ stellt 46). Sie kauften das Gerät bei den [nürnbergischen] Messingkramern auf Messen und Märkten. 4.

Erzeugung und Ausfuhr nSmbergischer Instrumente zur Darstellung der Planetenbewegungen

a) Die Armillarsphäre oder Ringkugel Schon im 14. Jahrhundert beschäftigte man sich in Nürnberg mit der Konstruktion von Geräten, die die Bewegung der Planeten darstellen sollten, und verfaßte Schriften darüber. Es handelte sich dabei hauptsächlich um die Armillarsphäre oder Ringkugel. Sie gehörte zu den wissenschaftlichen Instru­ menten, die nicht in Serien oder Mengen, sondern nur in einzelnen Stücken, meist auf Bestellung angefertigt wurden. Mit ihren Ringen um die Erdkugel sollte sie die Erscheinungen am Himmelsgewölbe versinnbildlichen sowie der Messung von Himmelskoordinaten und dem Unterricht dienen. Auch als Zier­ stück fand sie Verwendung. In der Variante der „Armille" wurde sie zur Be­ obachtung der Himmelsvorgänge benutzt47). Wie Regiomontan Beschreibungen der Armillarsphäre gegeben hat, so hat er solche auch gebaut und in Benutzung gehabt. Er selbst wird 1496 in Venedig in einem Holzschnitt gemeinsam mit Ptolemäus — unter einer riesigen Armillarsphäre sitzend — symbolisch als der größte Stemforscher seiner Zeit dargestellt48). Sein Schüler Bernhard Walther ließ sich 1484 eine Armille aus Messing hersteilen und benützte sie bis 1504 4Ö). — Wie stark die Himmelserscheinungen die Gemüter in Nürnberg bewegten, läßt sich daraus ersehen, daß selbst ein Albrecht Dürer eine Armillarsphäre in Holz schnitt. Es ist darin die erste bekanntgewordene perspekti-

45) 46) 47) **) 4#)

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Ausfuhr solcher Geräte im 16. Jh. ziehen und annehmen, daß schon in dieser Zeit die Beobachtungsstätten in anderen Städten und an Fürstenhöfen mit Quadranten aus Nürn­ berg versorgt und auch die Seefahrer mit kleinen nürnbergischen Messingquadranten beliefert wurden. Zinner, S. 154—163. Germanisches National-Museum, Nürnberg, Bilderhandschrift aus dem 15. Jh. Zinner, S. 56, 202 passim. Abgebildet bei Zinner, Regiomontanus. Zinner, S. 202, 581.

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vische Zeichnung der Erdkugel enthalten50). — Ein Martin Furtenbach, dessen Wohn­ ort unbekannt geblieben ist, der aber Nürnberger gewesen sein könnte, da ein Kauf­ mannsgeschlecht seines Namens damals in Nürnberg vorkommt, stellte 1535 für Raimund Fugger eine Armillarsphäre aus vergoldetem Messing her. Sie wurde von Atlas getragen, der in seiner Hand einen Zirkel hielt. Später kam sie in die Kaiser­ liche Bibliothek in Wien und ging verloren51). Aus der zweiten Hälfte des 16. Jahr­ hunderts sind besonders die Ringkugeln des Astronomen Caspar Vopel in Köln, des Instrumentenbauers Christoph Schißler in Augsburg und des wohl aus Nürnberg stammenden Erasmus Habermel in Prag bekanntgeworden52). Adam Herolt in Rom — vielleicht der nürnbergischen Glocken- und Geschützgießerfamilie dieses Namens entstammend — baute um die Mitte des 17. Jahrhunderts Armillarsphären53). Johann Wagner in Nürnberg schuf hier 1540 eine messingene Armillarsphäre, zu der er ein bronzenes Gestell anfertigte. Es scheint, daß er die Lehre des Kopernikus damit zur Darstellung bringen wollte. Das Gerät befindet sich jetzt im Germanischen Mu­ seum 54). Dort sind auch noch zwei andere Ringkugeln, und zwar aus der Zeit um 1500 und aus dem 16. Jahrhundert55). — Levinus Hulsius in Nürnberg führt in seiner Preisliste für mathematische Instrumente von 1590 unter der Bezeichnung „Sphaera circularis“ auch Ringkugeln auf. Sie kosteten bei ihm 80 Taler 58). Er wird sie hauptsächlich auf den Frankfurter Messen abgesetzt haben, wohin er ja später sein Unternehmen verlegte.

Abnehmer dieser kostbaren Ringkugeln waren ganz besonders Könige und Fürsten. Das geht u. a. aus einem Brief Christoph Schißlers an den Augs­ burger Rat hervor. Es heißt darin, daß er durch seine Vermessungstätigkeit für die Stadt viele seiner alten Abnehmer verloren habe, aber Alters wegen nicht mehr zu großen Potentaten reisen könne. Daher biete er dem Rat seine große Armillarsphäre für 400 Gulden an. 45 Gulden hätte allein die Maler­ arbeit gekostet. Es wurden ihm im Jahre 1606 300 Gulden bewilligt57). Das war immerhin der Wert eines kleinen Handwerkerhauses. Die Ringkugeln gelangten auch zur Ausfuhr nach fremden Ländern. Das Verzeichnis der im Jahre 1553 von Antwerpen nach den iberischen Ländern exportierten Waren nennt u. a. „Sphera mundi“ (= Armillarsphären)58). Dabei dürfte es sich im wesentlichen um solche nürnbergischer Herkunft ge­ handelt haben. Denn auch andere Nürnberger Erzeugnisse nahmen gleich­ zeitig denselben Weg59). M) Schultheiß, Behaimkatalog, S. 26. — Waetzold, a. a. O., S. 297, 308. — Audi Georg Pencz hat die Armillarsphäre um 1530 in seinem bekannten Holzschnitt „DIE KÜNSTE* dargestellt. Unter den Kunsthandwerkern und Gelehrten, deren Tätigkeit in häuslichen Straßenszenen Nürnbergs gezeigt wird, sieht man im Mittelpunkt des Bildes einen Astro­ nomen, der mit seinem Zirkel an einer großen Ringkugel hantiert (vgl. das Titelblatt bei E. Lutze, Einst im alten Nürnberg (Stuttgart 1944). 61) ZinneT, S. 317. 52) Rohde, S. 79, 18. — Zinner, S. 40 f. M) MGVN, Sonderhefte 1951, S. 53, 1953, S. 121. Zinner, S. 42 f. 54) Zinner, S. 580. M) Ebd., S. 40; Abb. auf Tafel 4. M) Ebd., S. 392. 57) Rohde, S. 78 f. M) Goris, a. a. O., S. 305. 69) Ebd., S. 300.

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König Manuel von Portugal ist auf einem Kupferstich von 1730, der auf älterem Vorbild beruht, mit einer Armillarsphäre als symbolisches Beiwerk dargestellt60), und eine in Lissabon 1521 erschienene Veröffentlichung über den sagenhaften Priester Johannes in Afrika weist als Titelbild ebenfalls die Ringkugel auf61). J- Stradanus stellte 1522 in einer Zeichunng Amerigo Vespucei bei einer nächtlichen Beobachtung des südlichen Kreuzes dar. Dabei hält der Erforscher der Küsten Amerikas eine Ar­ mille in erhobener Hand, während eine Armillarsphäre auf dem Klapptisch steht62). Ferner findet sich die Ringkugel auf einer symbolischen Darstellung Magellans bei der Weltumsegelung (von Theodor de Bry). Die kaierliche Flagge mit dem Reichsadler weht über ihm. Dabei ist von Bedeutung, daß Magellans Ausrüstung — wie gesagt — zur Hauptsache von den Fuggern geliefert wurde63).

Die Entdecker pflegten also auf ihren Fahrten Ringkugeln mit sich zu führen und zu benutzen. Die iberischen Länder erhielten sie offenbar zum größten Teil aus Nürnberg. Denn bei keiner anderen Stadt sind die Voraus­ setzungen für einen solchen Schluß in gleicher Weise gegeben. b) Wissenschaftliche Kunstuhren

Einen besonders hohen Ruhm erlangten die großen und vielseitigen wissen­ schaftlichen Kunstuhren. Sie kamen in Aufnahme, als die Entwicklung der Räderuhr es möglich machte, mit ihrer Hilfe die Planetenbewegung mechanisch darzustellen und wahre Planetarien zu konstruieren. Es entstanden Instru­ mente, deren Herstellung sich über viele Jahre erstrecken konnte. Manche von ihnen wurden als Wunderwerke bestaunt und fordern noch heute zu höchster Bewunderung heraus. — Meist stellten sie eine Gemeinschaftsarbeit von Gelehrten, Künstlern und Handwerkern verschiedener Art dar. Neben Zirkelschmieden und Kompaßmachem arbeiteten daran auch Goldschmiede, Feinmechaniker, Rotschmiede, Schlosser, Schreiner und Uhrmacher mit64). Nur dadurch wurde die Konstruktion von manchen größeren, vielfältig zu­ sammengefügten Instrumenten möglich. In Gemeinschaftsarbeit stellten z. B. der Astronom Johann Werner, der Schlosser Jakob Pülmann, der Uhrmacher Peter Henlein und wohl noch andere Handwerker vor 1522 eine Planetenuhr her, die durch ein Gewicht von 80 Pfund in Betrieb gehalten wurde. Es handelte sich vielleicht um das von Regiomontan unvollendet hinterlassene Astrarium. — Pülmann wurde später von König Ferdinand zur Prüfung von Uhren nach Wien gerufen. — Georg Hartmann arbeitete gelegentlich mit einem Goldchmied zusammen 65). — Ein anderes Beispiel einer solchen Zusammenarbeit bietet der Uhr­ macher Andreas Landeck, der 1589 in Wertheim das Licht der Welt erblickte und 1636 Stadtuhrmacher in Nürnberg wurde. Er baute auch Kirchturmsonnenuhren, und 60) Prestage, a. a. O., S. 34. 61) Elaine Sanceau, Em demanda do Preste Joäo, Porto 1939, S. 160. 62) J. von Pflugk-Harttung, Entdeckungs- und Kolonialgeschichte. In Ullsteins Weltgeschichte, Bd. Neuzeit, S. 28). M) J. H. Parry, Zeitalter der Entdeckungen, Zürich 1963, S. 102, 250. M) Kurt Pilz, Nürnberg und die Niederlande (MVGN 43), S. 118. M) Zinner, S. 361, 473, 483, 584.

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MVGN 53 (1965) Nürnbergs Erzeugung und Ausfuhr zwar zusammen mit Friedrich Lochner und Johannes Scherner. Landecks Sohn Johann Karl und Enkel Zacharias wurden gleichfalls Stadtuhrmacher und stellten außer Pen­ del- und anderen Uhren auch Zirkel, Astrolabe und astronomische Kunstuhren her66). Das kunsthistorische Museum in Wien besitzt eine bemalte eiserne Standuhr auf Löwenpranken mit Zifferblatt für Stunden, Tage, Monate, Mondwechsel, Sonnenzeiger usw. Sie wurde 1545 in Nürnberg gebaut und leitete die Herstellung von Standuhren mit astronomischen Angaben ein 67). Auch sonst sind Nürnberger Tisch- und andere Uhren in manchen Museen und Kunstsammlungen anzutreffen68).

Deutsche Kaiser und Fürsten schenkten nicht selten solche Nürnberger und Augsburger Prunkuhren ausländischen Machthabern, so auch dem Großfürsten von Rußland, dem Sultan in Konstantinopel und dem Kaiser von China ®B). 5. Erzeugung und Ausfuhr nümbergisdier Zirkel und anderer räumlicher Meßinstrumente

a) Die Entwicklung des ZirkelsdmtiedeUandwerks Ein weithin bekanntes Erzeugnis des messingverarbeitenden Gewerbes Nürnbergs war der Zirkel70). Wie schon angedeutet, lag auch die Anfertigung von Zirkeln anfänglich in den Händen von Rotschmieden. Aber schon im Jahre 1442 kommt in Nürnberg die Bezeichnung „Zirkelschmied" vor, und allmäh­ lich spaltete sich vom Rotschmiedehandwerk ein besonderes Zirkelschmiede­ handwerk ab. Es beschränkte allerdings seine Tätigkeit nicht auf die Her­ stellung von Zirkeln, sondern dehnte sie auf die Anfertigung von wissenschaft­ lichen Geräten verschiedener Art aus, und zwar besonders von astronomischen Instrumenten71). Der Zirkel war für Astronomen, Kartographen, Mathematiker und See­ fahrer, besonders auch für die großen Entdecker, ein unentbehrliches geo­ metrisches Instrument. Solche Männer ließen sich denn auch gern nicht nur mit Geräten wie Astrolab, Quadrant, Armillarsphäre oder mit mehreren dieser M) EbdL, S. 422 f. *0 E. Zinner, Die ältesten Räderuhren und modernen Sonnenuhren (Bericht der Natur­ forschenden Ges. in Bamberg), S. 23. Ebd., S. 42 passim. ®9) Ebd., S. 26. 70) Ein Flugblatt auf einen Vorläufer des Nürnberger Trichters, das 1620 in Augsburg gedruckt wurde, stellt unter den gewerblichen Gegenständen, deren Herstellungsweise symbolisch durch den Trichter eingegossen werden soll, auch einen Zirkel und einen Globus dar (Lutze, a. a. O., S. 71). 71) Auf die Herstellung von Werkzeugen für andere Handwerke durch die Zirkelschmiede deutet es hin, wenn der Rat i. J. 1556 den Nadelmachern und Zirkelschmieden bei An­ drohung einer Strafe von 50 Gulden verbot, das jüngst erfundene „Spitz- und Schleifzeug" zu der Heftlmacherarbeit hinaus zu machen“ (Dettling, a. a. O., S. 128).

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Geräte, sondern auch mit dem Zirkel in der Hand abbilden72). — Der einfache Greifzirkel entwickelte sich im Verlauf der Zeit über den Proportional- und Reduktionszirkel zum Universalzirkel. Er wurde ein Instrument zur mechani­ schen Lösung arithmetischer Aufgaben73). — Somit bot sich den Zirkelschmie­ den ein weites Feld der Betätigung. Bei manchen von ihnen vereinigten sich Erfindergeist und Gelehrsamkeit mit feinstem künstlerischen und technischen Können. Aber auch im allgemeinen verlangte die Ausübung dieses Handwerks eine große Begabung und ein besonderes Geschick, und seine kunstvollen, meist reich verzierten Instrumente trugen dazu bei, den Ruf Nürnbergs als Stätte höchster gewerblicher Kunst zu begründen. Die Zirkelschmiede in Nürnberg müssen schon im 15. Jahrhundert eine stattliche Gruppe gebildet haben. Denn sie strebten nach einer eigenen Handwerksordnung und stellten 1507 beim Rat einen entsprechenden Antrag, der aber abgelehnt wurde. Versuche der Zirkelschmiedgesellen Zunftbräuche einzuführen, wurden streng be­ straft 74). Festliche Gebräuche, Tänze und Fastnachtsumzüge dagegen75) erhielten sich bis zum Jahre 1688 7Ö). Noch im Jahre 1800 gab es in Nürnberg 85 Meisterwerkstät­ ten 77)r in denen mit Gesellen und Lehrlingen sicher weit über 200 Personen tätig waren. 72) So auf Abbildungen bei Parry, a. a. O., u. a. S. 145. — Dort, S. 176, befindet sich auch eine Beschreibung der Anwendung des Handzirkels in der Nautik. 7S) Rohde, S. 43. — Eine wesentliche Förderung erfuhr das Handwerk der Zirkelschmiede durch eine Reihe von nürnbergischen wissenschaftlichen Schriften über Herstellung und Funktion des Zirkels. — Eine von ihnen schrieb im Jahre 1505 der Techniker und Ritter Martin Löffelholz. Sie enthielt die Beschreibung verschiedener neuer Werkzeuge und weist u. a. Abbildungen eines Rundschneidezirkels und eines Schraubstocks auf. Im ganzen kommt in der Schrift der hohe Stand der nürnbergischen Technik zum Ausdruck (F. M. Feldhaus und E. Redcke „Eine Nürnberger Bilderhandschrift“, MVGN, 31, S. 222/39). — Von der Dürerschen Schrift über „Zirkel und Richtscheyt“ war schon in der Einleitung (Abschnitt f) die Rede. — Levinus Hulsius, der in Nürnberg so rege mit astronomischen Geräten handelte, verfaßte 1603, also kurz nach seiner Übersiedlung nach Frankfurt, einen Bericht über den Doppelzirkel der 1605 in lateinischer, 1607 in deutscher Sprache erschien (Zinner, S. 274). 74) Auf den Turm kamen: Sebald Karner, Fritz Piger und Paulus Wildensinn; auf 8 Tage ins Lochgefängnis kam Jakob Roßner (Mummenhoff, Handwerk, S. 79). 75) Emil Reiche, a. a. O., S. 260, 952. 78) Konrad Bohner, Nürnbergs Apotheker im Mittelalter (MVGN 38), S. 39. — Ein Kupfer­ stich aus dem genannten Jahre stellt den festlichen Umzug der Zirkelschmiede dar (Potthoff, a. a. O., S. 185). Es nahmen allem Anschein nach zwischen 100 und 200 Personen daran teil. 77) Emil Reiche, S. 999. — Doch hatten die Zirkelschmiede nicht das alleinige Recht, Zirkel und andere wissenschaftliche Geräte herzustellen. Auch andere Bürger waren hierzu berechtigt, und mancher der berühmten zahlreichen nürnbergischen Feinmechaniker und Erfinder hat dieses Recht ausgenützt, so z. B. der Kunstschlosser Hans Ehemann, der neben seinen bekannten verbesserten Schlössern usw. auch Zirkel herstellte (F. M. Feldhaus und E. Reiche, a. a. O., S. 226, 228. — Priem und Reiche, a. a. O., S. 658) — Zu den Erzeug­ nissen der Nürnberger Stadtuhrmacher Johann Karl Landeck und Zacharias Landeck — Sohn und Enkel des Stadtuhrmachers Andreas Landeck (17. Jh.) — gehörten sowohl Sonnenund Räderuhren, astronomische Kunstuhren und Astrolabe als auch Zirkel (Zinner S. 422 f.).

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Auf dem Johannisfriedhof in Nürnberg sind bis heute kunstvoll verzierte, prächtige Messing-Grabplatten von Zirkelschmieden erhalten geblieben. Auf allen befinden sich in Hochrelief die Zeichen des Handwerks: Universal­ instrument (= großer Zirkel und Gewinde), Schraubenzwinge und Zangen78). b) Die Ausfuhr nümbergiscker Zirkel Der Nürnberger Zirkel war ein ausgesprochenes Exporterzeugnis. Er wurde in Serien für die Ausfuhr hergestellt. Es handelte sich meist um echte Ge­ brauchsgegenstände, die dem Verschleiß unterlagen und sich daher nur selten bis in die Gegenwart erhalten haben. Selbst von Zirkelschmieden von Ruf sind denn auch nur in seltenen Ausnahmefällen Zirkel überliefert worden, nämlich wenn sie verziert waren; andere kunstvolle wissenschaftliche Geräte befinden sich dagegen noch heute zahlreich in vielen Sammlungen. Nichtsdestoweniger steht der Zirkel unter den Ausfuhrgütern wissenschaft­ licher Art an erster Stelle. Offensichtlich wurden sie in Mengen auf die Messen gebracht79), um von hier aus u. a. in die Hände von Handwerkern, Astro­ nomen, Kosmographen, Mathematikern, Kartographen und Seeleuten zu ge­ langen. Als Massenware wurden nürnbergische Zirkel unter anderen Erzeug­ nissen schon im 14. und 15. Jahrhundert nach Italien ausgeführt, um ganz sicher zum Teil nach den iberischen Ländern weiterexportiert zu werden 80). — Sie gelangten aber noch auf anderen Wegen nach Spanien und Portugal, näm­ lich einerseits über Frankreich und andererseits über Antwerpen. Denn falls auch unter den „Compas", die z. B. 1553 in 4 Koffern über die Scheldestadt nach der iberischen Halbinsel gesandt wurden B1) keine Zirkel, sondern Kom­ passe zu verstehen sein sollten (das Französische kennt für beide Begriffe nur eine Bezeichnung), so besteht doch kein Zweifel, daß es sich bei den „marchan78) Es handelt sich dabei um die Grabstätten folgender Meister: Hans Polster f 1589, Georg Konn f 1610, Clas Schuster f 1610, Peter Neidhart f 1639. — (Walter Bemt, Altes Werkzeug, München 1939, Abb. 62 und 15 5. — Martin Gerlach, Die Bronzeepitaphien der Friedhöfe zu Nürnberg, Wien 1896, Tafel 17. — P. J. Ree, Nürnberg, Leipzig 1908, S. 208). Außer diesen Zirkelschmieden seien noch die Namen einiger anderer sonst noch bekanntgewordener Meister des 16. und 17. Jhs. erwähnt: die Zirkelschmiedefamilie Hautsch, die von 1533—1703 wirkte (MVGN 46, S. 533), Hans Zolner, der 1582 seinen Lehrjungen Hans Leuber im Zorn erschlug (ebd. Bd. 44, S. 114), Johann Carl, 1587—1665 (ein Zirkel mit Halbkreis von ihm im German. Mus.) (Zinner, S. 279), Konrad Zwickels­ berger, 1604 (MVGN Bd. 49, S. 33), Hans Cunrad Vogel, 1612 (ebd. Bd. 44, S. 210), Hans Schmid, 1642 (ebd. Bd. 45, S. 237), Johann Dein, 1650—1711 (Mummenhoff, Handwerk, S. 38), Georg Hainlein, 1673 (MVGN 45, S. 128, 230), N. Mühlfriedl 1684 (ebd. Bd. 45, S. 97), Konrad Wirsching 1699 (ebd. Bd. 45, S. 321). 79) Dietz, a. a. O., S. 75. — Wenn im Jahre 1574 auf der Frankfurter Messe unter den zur Schau gestellten nürnbergischen Waren mathematische Instrumente besonders hervor­ gehoben werden und wenn die nürnbergischen Messingkramer im 16. und 17. Jh. dorthin sowie auf die Leipziger Märkte ihre Messingwaren brachten, so haben dabei Zirkel zweifellos mit an erster Stelle gestanden. 80) Sombart I, S. 238, nach Schulte, I, S. 179, 658. — J. Kuliscker, Allgem. Wirtschafts­ geschichte des Mittelalters und der Neuzeit, München 1928, I, S. 258. — (Nürnberg genoß 1332 in 70 Orten des Reiches Zollfreiheit.) 81) Goris, a. a. O., S. 305.

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dises de Nuremberg“ 82), die im gleichen Jahr in Mengen in die gleiche Rich­ tung gesandt wurden, in erster Linie um nümbergische Metallwaren und darunter auch um Zirkel gehandelt hat. „Compassos de ferro" befanden sich auch unter den Handelswaren der Ravensburger Handelsgesellschaft, und diese kaufte ihre Metallwaren hauptsächlich in Nürnberg ein. Kostbarere, verzierte Zirkel wurden oft signiert und von Fürsten, Gelehrten und reichen Bürgern vieler Länder aus Liebhaberei erworben. Welche Verbreitung solche aus einer einzigen Werkstatt stammenden Zirkel finden konnten, läßt der offenbar aus Nürnberg stammende Erasmus Habermel in Prag erkennen. Von anderen seiner berühmten Arbeiten an dieser Stelle zu schweigen, finden sich seine messin­ genen — teils vergoldeten und teils sogar mit Kompaß versehenen Zirkel in der Gra­ zer Kunstkammer, im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, im National­ museum in München, im Landesmuseum in Stuttgart, im Britischen Museum in Lon­ don, im Technischen Museum in Prag, im Historischen Staatsmuseum in Stockholm und im Kunsthistorischen Museum in Wien. Mit Ausnahme von mehreren gleicharti­ gen Doppelzirkeln handelt es sich bei ihnen nicht um Serienerzeugnisse, sondern stets um einzelne Meisterwerke. Unzweifelhaft knüpfte Habermel an süddeutsche Tradition an, da seine Frau aus Augsburg stammte8a), er also dort gearbeitet haben muß. Wahrscheinlich war er verwandt mit dem Nürnberger Meister Nicolaus Haber­ mehl aus Razdorf im Stift Fulda84) und mit dem Straubinger Goldschmied und Zirkelmacher Josua Habermel aus Buchholz im Erzgebirge, wo 1537 auch der Schmelzer Gabriel Habermel lebte 85). Eine starke Einwanderung Süddeutscher, besonders Nürn­ berger, in das Erzgebirge ist nachweisbar. Walter Berndt bringt in seinem Buch über „Altes Werkzeug“ 86) auch die Ab­ bildungen einer Reihe schöner, verschiedenartiger Zirkel des 16. unid 17. Jahrhun­ derts, wie sie sich — vielfach nicht signiert — in verschiedenen Museen und Privat­ sammlungen außerhalb Nürnbergs erhalten haben. Davon mag auch das eine oder andere Stück aus der fränkischen Reichsstadt stammen. Die meisten der abgebildeten Zirkel zeichnen sich durch besondere Formschönheit und reiche Verzierung aus. Einer der berühmtesten Hersteller von meisterhaft verzierten Zirkeln war der Nürnberger Goldschmied Wenzel Jamnitzer. In seinem Geräteschreibtisch hatte er eine Art Mustersammlung von Zirkeln. Sie bestand aus mehreren gewöhnlichen Zirkeln mit Stahlspitzen, einigen Teilzirkeln, einem vierschenkligen Zirkel mit Stellschrauben, einem vierschenkligen Zirkel mit Hülse und Kreuz zur Abmessung von Flächen und Körpern87). — Gelehrte und Fürsten waren seine Abnehmer, und zwar nicht nur von Goldschmiedearbeiten und kunstreichen astronomischen Instrumenten, sondern auch von Zirkeln. So kaufte im Jahre 1565 der sächsische Hof von Jamnitzer Meßstäbe und Zirkel und später nochmals eine Anzahl geometrischer Instrumente 88). 1565 er­ warb Kaiser Maximilian II. von ihm einen Zirkel und drei Meßstäbe89). — Der nürn82) Ebd., S. 300. M) Rohde, S. 57—62. — Noch einige Monate vor seiner Prager Zeit kopierte Habermehl einen Wegmesser, der von dem Augsburger Thomas Rückert angefertigt worden war (Rohde, S. 60). — Eine seiner Horizontalsonnenuhren aus Silber und vergoldetem Messing war für Italien, Böhmen und Nürnberg eingerichtet (Billmeier, Nr. 199). 84) Allgem. Lexikon der bild. Künste, Leipzig 1912, 15. Bd., S. 399. 85) Zinner, S. 346. 86) München 1939. 87) Zinner, S. 395. 88) Rohde, S. 66. 89) Zinner, S. 394 f.

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bergische Zirkelschmied Johann Lüdtring lieferte in der zweiten Hälfte des 17. Jahr­ hunderts seine Erzeugnisse an Goldschmiede und Ärzte 90). — Sonst sind in der gleichen Zeit noch die Rot- und Zirkelschmiede Weinmann in Nürnberg besonders bekannt­ geworden. Von Mag. Christoph Weinmann haben sich ein Proportionalzirkel in Ham­ burg (Museum für Kunst und Gewerbe) und andere Meßgeräte in Paris, Salzburg und Königsberg erhalten. Vielleicht hat der Nürnberger Kaufmann Johann Christoph Weinmann u. a. Handel mit Weinmannschen Meßgeräten getrieben 91). Außer den Rot- und Zirkelschmieden betätigte sich auch mancher Uhrmacher auf deren Gebiet, so z. B. der Uhrmacher Johann Karl Landeck, der 1636 in Nürnberg geboren wurde, einer nümbergischen Dynastie von Uhrmachern entstammte, auf Wanderschaft nach Holland, Dänemark, Holstein und Preußen kam und seit 1662 in Nürnberg tätig war. Neben Räderuhren, Sonnenuhren, Astrolaben und anderen Ge­ räten stellte er Zirkel her und brachte solche auch zur Ausfuhr 92). Zu seinen Ab­ nehmern gehörten der bekannte Nürnberger Kupferstecher Georg Christoph Eimmart sowie die Mathematiker Johann Christoph Sturm in Altdorf und Erhard Weigel in Jena 93).

Schließlich ist hier noch jenes mit Namen nicht bekanntgewordenen Zirkel­ schmieds zu gedenken, der im Jahre 1483 zusammen mit Martin Behaim bei einer jüdischen Hochzeit am Tanz teilnahm und dafür — wie auch Behaim — vom Rat bestraft wurde M). Es darf aus dieser gemeinsamen Beteiligung ge­ schlossen werden, daß beide auch sonst miteinander in Verbindung standen und daß dieser Zirkelschmied einer von jenen war, die für Behaim astrono­ mische Geräte herstellten, Geräte, die dieser mit nach Portugal nahm. c) Die Ausfuhr verschiedener Meßgeräte Nur wenig ist über die Ausfuhr von sonstigen Meßgeräten bekanntge­ worden, von Linealen, Meßstäben, Winkelmaßen, Meßscheiben, Setzwaagen u. a. m., die im allgemeinen als schlichte Gebrauchsgegenstände sicher eine Herstellung in Mengen erfuhren, von denen sich aber nichts erhalten hat. Sie fielen unter den Begriff Nürnberger Kram, der sich in den Zollisten vieler Länder findet. Doch sieht man sie oft auf alten Kupferstichen mit Darstel­ lungen von Werkstätten, Gelehrtenstuben, Seefahrerschulen, Navigations- und Vermessungsszenen u. a. m., und zwar meist zusammen mit wichtigen astrono­ mischen und nautischen Geräten, mit Astrolaben, Quadranten, Jakobstäben, Globen, Armillarsphären, Zirkeln und Kompassen 95). Nicht selten wurden aber auch diese einfachen Meßgeräte kunstreich ver­ ziert oder mit besonderen technischen Einrichtungen versehen, so daß sie sich zu technisch und kunstgewerblich hochstehenden Instrumenten entwickelten M), die u. a. von Fürsten und Städten gern gekauft wurden und noch heute viele Ebd., S. 431. Ebd., S. 195, 583, — Rohde, S. 47. Zinner, S. 423. Ebd., S. 423. Ravenstein, S. 110. 95) Vgl. Parry, a. a. O., S. 145 passim.

") 91) 92) 93) 94)

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Museen zieren. Z. B. bestellte 1543 Markgraf Albredit bei Georg Haitmann einen von diesem erfundenen Kalibermaßstab 97). Es wurde oben bereits gesagt, daß Kaiser Maximilian II. und Kurfürst August von Sachsen u. a. geometrische Geräte — auch Meßstäbe nürnbergischer Herkunft — erwarben. Sie werden in ihre Kunstsammlungen übergegangen sein. Einen bemerkens­ werten Meßstab mit eingebauter kleiner Horizontalsonnenuhr und Kompaß von der Hand des Augsburgers Christoph Schißler besitzt das Stadtmuseum in Salzburg "). Wundervoll dekorierte Meßscheiben lieferte Wenzel Jamnitzer an den Kurfürsten August von Sachsen"). Das Quadratum geometricum, das zu astronomischen und geodätischen Messungen diente, wurde schon von Regiomontan benutzt 10°) und Hulsius hatte es 1590 in seiner Preisliste. Es kostete in Holz 2 Taler und in vergoldetem Messing 9 Taler. Auch in besonders prunkvoller Ausführung wurde es geliefert101).

Zu kleinen technischen und kunstgewerblichen Wunderwerken entwickelten sich die mechanischen Weg- und Schrittmesser. Abnehmer davon waren eben­ falls die Landesherren und Städte, die sie zu Vermessungen benötigten. Be­ schrieben und abgebildet wurden sie 1569 in Augsburg in Christoph Schißlers „Geometria" und 1595 in Nürnberg in Paul Pfinzings Schrift „Methodus geometrica“ 102). 6.

Herstellung und Ausfuhr nürnbergischer Kompaßsonnenuhren a) Entwicklung des nürnbergiscken Kompafimadterhandwerks

Ähnlich hohe technische, wissenschaftliche und künstlerische Fähigkeit wie an das Zirkelschmiedehandwerk wurden auch an das der Kompaßmacher ge­ stellt. In Nürnberg erlangte es Bedeutung, als hier im 15. Jahrhundert begon­ nen wurde, Reisesonnenuhren und insbesondere Kompaßsonnenuhren herzu­ stellen. Die letzteren sind eine Kombination von Kompaß und Sonnenuhr, meist in der Form von Klappsonnenuhren. Es liegt in der Natur der Sache, daß die Herstellung solcher kombinierten Geräte Fertigkeiten in der Herstellung der Grundelemente voraussetzt. Es müssen also zuvor sowohl Kompasse wie auch Sonnenuhren in Nürnberg sepa­ rat hergestellt worden sein. Gelegentlich wird gesagt — leider ohne Nachweis —, daß die Nürnberger Kompaßmacher auch Kompasse ohne die Verbindung ") Vgl. Rohde, S. 41/76. — Lineale wurden mit Kompaß versehen, Winkellineale erhielten reichen ornamentalen Schmuck. Das Material bestand nicht selten aus Ebenholz mit ein­ gelegtem Silber (Rohde, S. 41). ®7) Zinner, S. 361. w) Martin Bobinger, Christoph Schißler der Ältere und der Jüngere, Augsburg 1954, Abb. 2 und 3. *®) Rohde, S. 66, 68. 10°) Zinner, S. 188. 101) Rohde, S. 63 f. — Bobinger, a. a. O., S. 48, Abb. 10 und 11. 102) Rohde, S. 49—62.

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mit Sonnenuhren hergestellt hätten 10S). Doch liegen keine Nachrichten dar­ über vor, wie und seit wann das geschah. Die Rolle, die Nürnberg etwa in der Geschichte des Seekompasses gespielt hat, ist daher noch völlig ungeklärt. Immerhin läßt der ungewöhnlich hohe Stand Nürnbergs in der Erzeugung von Kompaßsonnenuhren, die hier schon 1431 erwähnt werden104), und die Ver­ breitung solcher über ganz Europa auch auf die Herstellung von Seekompassen schließen. Denn es wäre nicht einzusehen, warum sich die Nürnberger diese Möglichkeit hätten entgehen lassen sollen. Dem Einwand, daß sich weder nürnbergische Seekompasse noch urkundliche Nachrichten über deren Ausfuhr erhalten haben, während Kompaßsonnenuhren und archivalische Unterlagen über sie in großer Zahl auf uns gekommen sind, ist entgegenzuhalten, daß der Seekompaß ein dem Verschleiß unterliegendes schlichtes Gebrauchsgerät und kein Liebhaber- und Sammelobjekt war, wie es die kunstvoll verzierte und wissenschaftlich anspruchsvollere Kompaßsonnenuhr ist. Parallelen hierzu bil­ den das schlichte See-Astrolab und der schlichte Zirkel, die ebenfalls in Men­ gen hergestellt wurden, sich aber nur in wenigen Exemplaren erhalten haben. Im Mittelmeergebiet zuerst heimisch, fand die Magnetnadel — auch Bussole ge­ nannt — um die Mitte des 13. Jahrhunderts in Europa stärkere Verbreitung. Sie war aber hier schon Ende des 12. Jahrhunderts bekannt und in Bergwerken bereits vor 1200 in Gebrauch, wie es für Oberitalien nachgewiesen ist105). Vielleicht hat man in Nürnberg Kompasse zuerst für diesen Zweck hergestellt. Denn um das Jahr 1505 wurden Grubenkompasse im Erzgebirge benutzt, die für die geographische Breite Mei­ ßens eingerichtet waren 10fl). Es ist bekannt, daß die Nürnberger Metallhändler und auch andere Bürger der Stadt am erzgebirgischen Bergbau finanziell stark beteiligt waren und auch bergmännisch erfahrene Mitbürger dorthin gesandt haben l07). Nachdem gegen die ungünstigen Auswirkungen der Schiffsschwankungen auf die Magnetnadel die kardanische Aufhängung erfunden sowie die schwingende Magnet­ nadel mit der drehbaren Windrose eine Einheit geworden war, wurde zu Beginn des 14. Jahrhunderts der eigentliche Schiffskompaß mit seinem mit dem Schiffskörper ver­ bundenen Gehäuse entwickelt108) und nun von berufsmäßigen Instrumentenmachern angefertigt109). Die Metallteile des Schiffskompasses — Achse und Ring — mußten aus 1(tö) W. WörtUmüller, Die Nürnberger Trompeten- und Posaunenmacher des 17. und 18. Jhs. (MGV 45) S. 208. — Nachforschungen in Museen Sevillas und Anfragen beim Museo Naval in Madrid und beim Musee de la Marine in Paris über nautische Geräte nümbergischer Herkunft blieben erfolglos. 1M) Zinner, S. 613. — Kunstvolle Seekompasse haben in Nürnberg Wenzel Jamnitzer und Hans Troschel [vereinzelt] hergestellt. (Zinner, S. 551, 395.) 106) Schück, a. a. O., I, S. 55. loe) Ebd., I. S. 55. — Die Fugger in Nürnberg lieferten 1550 drei Bergkompasse nach Krakau. Fuggerarchiv Augsburg, 2, 1, 23a, Nürnberger Rechnung 1550, Bl. 10. 107) Th. G. Werner, Das fremde Kapital im Annaberger Bergbau und Metallhandel (Neues Ardi. f. Sä. Gesch. 58) 1938, S. 19-31. loe) Walter Vogel, Die Einführung des Kompasses in die nordwesteuropäische Nautik (Hans. Gesch.-bl.) 1911, S. 27. — Derselbe, Schiffahrt, a. a. O., S. 519. l09) Parry. a. a. O., S. 118. — 1394 war der Kompaßmacher Gise Koerling in Stralsund tätig. Doch kommt der Kompaß im hansischen Raum erst in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. häufiger vor. In England ist er seit 1410 nachweisbar (Vogel, Schiffahrt, S. 520 f.). Der älteste erhalten gebliebene Kompaß Europas befindet sich in Innsbruck. Er stammt aus dem Jahre 1451 (P. Lächler und H. Wirz, Die Schiffe der Völker, Olten 1962, S. 299).

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Messing bestehen lla). Dieser Umstand und später die reichen Erfahrungen mit der Kompaßsonnenuhr machten jedenfalls Nürnberg für die Herstellung von Schiffskom­ passen besonders geeignet, und es ist wahrscheinlich, daß es solche schon früh gelie­ fert hat. Wenn Flandern als ein Mittelpunkt der Herstellung von Schiffskompassen be­ zeichnet wird 1U), Nürnberg aber im engsten Handels- und Kulturaustausch mit flan­ drischen Seestädten stand 112), so mußte unter den gegebenen Umständen die Reichs­ stadt an der Pegnitz ebenfalls ein solcher Mittelpunkt werden. Und die Kompasse, die von Antwerpen aus nach den iberischen Ländern geliefert wurden 113), sowie jene als flämisch bezeichneten Kompasse, deren sich Kolumbus auf seiner ersten Reise be­ diente 114), könnten ebensogut nürnbergischer Herkunft gewesen sein, wie ja der Ent­ decker Amerikas — wie gesagt — auf seiner ersten Reise Regiomontans Ephemeriden an Bord hatte und nach eigener Aussage durch den Nürnberger Martin Behaim in seinem Entschluß zu der großen Fahrt bestärkt wurde U5).

Leider läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden, ob es sich bei den nümbergischen Kompassen, die im 14. und 15. Jahrhundert — zusammen mit Mes­ singwaren — nach Italien — und im 16. Jahrhundert auch nach Frankreich — ausgeführt wurden 118), um Schiffskompasse gehandelt hat. Doch ist das im Hin­ blick auf die frühe Zeit — nachdem Kompaßsonnenuhren erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts häufiger auf traten — durchaus möglich. — Auf jeden Fall stellt diese Ausfuhr nach Italien eine bemerkenswerte Parallele zu der Ausfuhr nach den iberischen Ländern über Flandern dar. Einen starken Aufschwung mußte das Kompaßmacherhandwerk mit der Ausdehnung des Schiffsverkehrs im Zeitalter der Entdeckungen erfahren, denn jedes Schiff führte eine Anzahl von Kompassen mit sich m). Daß Nürnberg in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch zu einem Hauptplatz für die Erzeugung von Reisesonnenuhren wurde, hat es — wie oben dargelegt — dem Zusammenwirken einer hier vorgeschrittenen kosmographischen Wissenschaft mit einer hochentwickelten Handwerkstechnik zu 110) m) 112) 113) 114) 115)

Parry, a. a. O., S. 158 f. Vogel, Schiffahrt, S. 24. — Waters, a. a. O., S. 22. K. Pilz, Nürnberg und die Niederlande (MVGN 43), S. 153. Goris, a. a. O., S. 295. Vogel, Schiffahrt, 24. Antonio de Herrera, Historia General de los Hechos de los Castellanos en los Isias y Tierra Firme del Mar Oceano, Madrid 1728, dec. I, libr. I, cap. 2: „ . . . i esta opinion le confirmo Martin de Boemia, Portugues, su Amigo, Natural de la Isla del Fayal, Gran Cosmografo“. („ ... und diese Auffassung bestätigte ihm Martin Behaim, Portu­ giese, sein Freund, gebürtig von der Insel Fayal, ein großer Kosmograph.“) 118) StadtAN, Kons. 43, Bl. 29*>, 61b. — Sombart, Kapitalismus, I, S. 228 (nach Schulte, I, S. 658). Vgl. hierzu den Text zur Anmerkung 210. 117) Parry, a. a. O., S. 159. — Magellan führte 35 Schiffskompasse mit sich (vgl. unten Ab­ schnitt 9). lind da die Fugger die Expedition Magellans ausrüsteten, dürften sie zum Teil nürnbergischen Ursprungs gewesen sein. — Bei Waters, a. a. O., S. 61, heißt es: „Probably under the impetus of the nautical need for time keeping the art of dialling developed to a high degree in the early sixteenth Century, particularly in Germany and Flanders where the finest metal craftsmen and mathematicians lived in close communication with the navigators, cosmographers and geographers of the rest of the Empire."

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verdanken. Denn die Kosmographen und Geographen schufen und lieferten die für die Herstellung von Sonnenuhren aller Art erforderlichen wissenschaft­ lichen Grundlagen. Es ist zwischen zwei Arten von Reisesonnenuhren zu unterscheiden, eine ohne und eine mit eingebautem Kompaß. Von der ersteren Art gab es wieder zwei ganz verschiedene Typen, nämlich 1.) die sog. Säulchen-Sonnenuhr — auch einfach Zylinder genannt —, von der es bereits 1423 heißt, daß sie von Reisenden und den meisten anderen Leuten benutzt würde118), und 2.) die Ringsonnenuhr, die mehr als Seering bekannt ist. — Auch von den Kompaß­ sonnenuhren gab es eine Reihe von Variationen. Erwähnt werden sie bereits im Jahre 1431 119). Hersteller aller Arten waren hauptsächlich die Kompaß­ macher. Doch wurden sie auch von anderen Handwerkern und selbst von Ge­ lehrten angefertigt. In Nürnberg wandte man den Zylinder- oder Säulchensonnenuhren beson­ dere Aufmerksamkeit zu. Als der Astronom Johann Schindel 1423 von Prag nach Nürnberg verzog und hier Stadtarzt wurde, hatte er bereits eine Arbeit über diese Art von Sonnenuhren verfaßt, paßte aber hier das Zifferblatt der neuen Ortslage an120). Wie in anderer — gleich noch zu erwähnender — Beziehung, so hat offenbar Wien auch auf die Entwicklung der Nürnberger Zylindersonnenuhr einen Einfluß ausgeübt. Denn es läßt sich eine Verwandtschaft zwischen den ältesten Typen beider Städte nachweisen. Ein elfenbeinerner Zylinder von 1455 mit der Marke „n“ (= Nürnberg), der sich heute im Bayerischen Nationalmuseum in München befindet, ist einem sol­ chen des in Wien tätig gewesenen Johann von Gmunden von 1433 sehr ähnlich 121). — Vielleicht wurde auch jenes Manuskript in Nürnberg verfaßt, das sich in der Bayerischen Staatsbibliothek München befindet und den Titel trägt: „Tractatus de Compositione chilindre“. Zu Beginn heißt es: „Ad chilindri compositionem quod dicitur horologium viatorium sumendum est lignum maxime solidum minime porosum etc.“ Es wird die Konstruktion des Zylinders beschrieben und eine Gebrausanweisung gegeben 122). — Noch in Bamberg gab Johann Schöner 1515 seine in eigener Drucke­ rei hergestellte Schrift heraus: „Horari cylindri canones“, und drei Jahre später folgte ihm in Nürnberg Georg Hartmann mit einer Schrift über den gleichen Gegen­ stand. Er fertigte auch selbst Zylinder-Sonnenuhren an. Von dem Nürnberger Chri­ stian Heiden wie auch von anderen Kompaßmachern sind solche Geräte aus der Mitte des 16. Jahrhunderts und aus späterer Zeit bekanntgeworden 12S). Eine von dem Augsburger Christoph Schißler im Jahre 1581 hergestellte Zylin­ der-Sonnenuhr besitzt das Stift Kremsmünster. Sie ist hier wegen ihrer Konstruktion bemerkenswert. Der hohle kupferne Zylinder — das Säulchen — ist mit einer eingra118) Zinner, S. 122. (Zinner, S. 613). 119) Ebd., S. 613. 12°) Ebd., S. 122. 121) Ebd., S. 123. 122) Gelcidi, a. a. O., S. 49. 123) Zinner, S. 123, f.

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vierten Skala und einem aufklappbaren Schattenzeiger versehen. Das Ganze ruht auf einem Fuß 124).

Von höchster Bedeutung ist nun die Erwähnung der Zylinder-Sonnenuhr als ein Instrument Behaims. Das geschieht in dem hier oft erwähnten Brief Hieronimus Münzers an König Johann II. von Portugal über Behaims Projekt, auf dem westlichen Seewege nach Indien zu gelangen. Es ist — wie gesagt — in dem Brief u. a. die Rede von verschiedenen astronomischen Instrumenten, mit deren Hilfe das Meer durchfahren werden sollte. Dabei wird auch der Zylinder (chilidro) aufgeführt (mit dem Jakobstab ist er nicht identisch, wie angenommen wurde). Behaim pflegte demnach ein solches Gerät als nautisches Hilfsmittel für die Hochseeschiffahrt zu benützen, ein Gerät, das er gleich allen anderen astronomisch-nautischen Instrumenten nirgends besser als in seiner Vaterstadt bekommen konnte, keineswegs aber in Portugal. Eine niedrige Zylinderform hatten auch die sog. Sonnen- oder Seeringe, für die aber der Name Zylinder nicht nachweisbar ist. Über sie wurde schon 1445 eine Abhandlung geschrieben. Ihr Prinzip besteht darin, daß durch eine kleine Öffnung im Ring ein Sonnenstrahl auf eine Skala im Innern des Ringes fällt und den Stand der Sonne anzeigt. Der berühmte Nürnberger Sonnenuhrmacher Georg Hartmann sah vor 1536 noch einen von Regiomontan angefertigten Sonnenring. Es wird als möglich angesehen, daß die im Adler-Planetarium in Chikago befindliche Ringsonnenuhr eine Arbeit Regiomontans ist125). Wie Alfred Rohde mitteilt, sollen solche Sonnenringe ohne künstlerische Verzierungen hauptsächlich in Nürnberg und Augsburg als Mas­ senware hergestellt worden sein 126). Eine ganz andere Art von Reisesonnenuhren waren die mit Kompaß ver­ sehenen Klappsonnenuhren, deren älteste fast alle nümbergischen Ursprungs waren 127). Kann man den Sonnenring als eine Abart des Astrolabs bezeichnen, so war die Klappsonnenuhr auf dem Prinzip der klassischen Sonnenuhr mit dem schattenzeigenden Stab aufgebaut. Sie war so eingerichtet, daß zwei durch Scharniere miteinander verbundene aufklappbare Platten aus [Buchsbaum-] Holz, Elfenbein oder Messing rechtwinklig zueinander gestellt und durch einen schattenwerfenden Faden in dieser Stellung gehalten werden konnten. Auf den Innenseiten der Platten befanden sich Sonnenuhrskalen, ferner je ein schattenwerfender Stab, Gnomon genannt, sowie ein eingelassener Kompaß. Zusammengeklappt konnte die Uhr in der Reisetasche untergebracht wer­ den lse). 124) 125) 126) 127) 12R)

Bobinger, a. a. O., S. 85, 92, Tafel 42. Zinner, S. 117, Tafel 44. Rohde, a. a. O., S. 37. Zinner, S. 98, Tafeln 24—29. Zinner, S. 226. — Eine eingehendere Beschreibung einer mit Kompaß kombinierten Sonnenuhr mit Angaben über Maße, Material, Mißweisung usw. findet sich in dem Aufsatz Herbert Krügers: Ein Jubiläum Nürnberger Kartographie. 450 Jahre seit Erhard Etzlaubs kartographischem Schaffen (MVGN 39), S. 136. Abbildungen enthalten die Werke von Rohde, Ravenstein, Zinner, Bobinger u. a. m.

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MVGN 53 (1965) Nürnbergs Erzeugung und Ausfuhr Es gab noch eine Reihe anderer Arten von Reisesonnenuhren, die aber meist auf dem gleichen Prinzip beruhten. Erwähnt sei von ihnen nur die BiidtsensonHenuhr, da sie in Nürnberg von mehreren Meistern hergestellt wurde 129). Bei ihr waren die zu­ sammengelegten Teile der Uhr in einer runden oder viereckigen Büchse unterge­ bracht. Endlich sind noch die Tisch-Kompaßsonnenuhren hervorzuheben. Doch wird im folgenden beim Ausdruck Kompaßsonnenuhr besonders an Klappsonnenuhr ge­ dacht. Mit Hilfe einer Kompaßsonnenuhr konnte man — wenn das Jahresdatum bekannt war — die richtige Ortszeit ermitteln und auch die Sonnenhöhe messen 13°).

Schon in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gelangte u. a. auch die Kenntnis von einer in Wien entwickelten, auf Peuerbach oder Regiomontan zurückgeführten Verbesserung der Kompaßsonnenuhr hierher1S1). Es handelte sich dabei um die Berücksichtigung der Mißweisung der Kompaßnadel (d. h. der Abweichung von der Südrichtung). Die Nürnberger Kompaßmacher brachten diese Verbesserung zur Anwendung, so daß die hier angefertigten Kompaß­ sonnenuhren allen anderswo angefertigten überlegen waren 182). Wenn daher von flämischen Kompassen die Rede ist, die die Mißweisung berücksichtig­ ten 18S), so dürfte es sich auch in diesem Fall — ähnlich wie bei den Schiffskom­ passen — um Geräte gehandelt haben, die von Nümbergem nach Flandern geliefert worden waren. Denn es wurden auch andere gewerbliche Erzeugnisse im Fernhandel nicht nach ihrer wirklichen Herkunft, sondern nach dem Ausfuhrplatz benannt184)» und selbst manche Deutsche, die in Flandern lebten, wurden in Spanien als Flamen bezeichnet185). Die Verbesserung gelangte wie folgt zur Anwendung. Der Kompaß wurde dergestalt in den Boden eingelassen, daß durch Drehung der Kompaßbüchse die Mißweisung korrigiert werden konnte188). Dann war es wieder in Nürnberg, wo Georg Hartmann 1544 die magne­ tische Inklination entdeckte 1S7) und darüber veröffentlichte. Wegen ihres Kompasses wurden die Reisesonnenuhren auch kurz Compass oder Compast und ihre Hersteller Compastmacher oder Kompaßmadier ge­ nannt. Im Jahre 1484 sind zum ersten Male zwei, dann bis 1490 noch sechs „Compastmacher" im Nürnberger Bürgerbuch von 1462—1496 138) nachweis­ bar. Aber es hat hier sicher schon Jahrzehnte vorher solche gegeben 189). 129) uo) W1) iM) uw) 134)

135) 136) 137) 138) 13p)

Zinner, S. 101 f. Gelcich, a. a. O., S. 49. Waters, a. a. O., S. 25. — Zinner, Regiomontan, S. 17. Vgl. die Einleitung, Abschnitt c. Waters, a. a. O., S. 22-25. Von vielen Beispielen sei hier wenigstens eins erwähnt: Als Bamberger Eisen wurden alle thüringischen und oberfränkischen Eisenwaren bezeichnet, die über Bamberg mainabwärts befördert wurden (Dietz, a. a. O., II, S. 170). Vgl. hierzu den „Catälogo de los fondos americanos del Archiv© de Protocolos de Sevilla, Bd. 1—5, Barcelona 1930—1937. Zinner, S. 464 passim. Ebd., S. 226. Schück, a. a. O., S. 46 (nach BStAN). Vgl. den Text zur Anm. 141.

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Die ältesten bekannten Kompaßsonnenuhren sind von 1451 und 1453, und es scheint, daß es sich um Nürnberger Arbeit handelt140). Urkundlich kommt der Name „compassus"für eine Kompaßsonnenuhr schon im Jahre 1431 vor, und etwa zur selben Zeit erwähnt König Duarte von Portugal, der Bruder Heinrichs des Seefahrers, die kleinen Magnetnadeluhren (= relogios de agulha), die von auswärts kamen141). Da die Kompaßsonnenuhren von 1451 und 1453 und die Zylindersonnenuhr von 1455 bereits einen hohen Stand der Entwicklung aufweisen, wird angenommen, daß ihre Anfänge bereits in das 14. Jahrhundert zurückreichen 142). Siegmund Günther meint, es habe sich bei den nümbergischen Kompaßmachem nur um Zirkelschmiede gehandelt, weil der zweispitzige Zirkel, dessen man sich zum Ziehen der Kreise bediente, „compassus“ geheißen habe und auch im Italienischen der Zirkel die Bezeichnung „compasso“ trage. Die wenigen Bussolen, die die Schiff­ fahrt gebraucht habe, seien nicht ausreichend gewesen, um Handwerkervereinigungen von Kompaßmachern zur Lebensfähigkeit zu verhelfen 143). — Zahlreiche Urkunden zeugen jedoch von den Kompaßmachern als Herstellern von Kompassen. Es genügt, an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß sie nach Urkunden u. a. „beinerne Kom­ passe“, also Sonnenuhren und Kompasse im Elfenbeingehäuse und keine Zirkel an­ fertigten 144). Das schließt natürlich nicht aus, daß manche Kompaßmacher Zirkel und manche Zirkelschmiede Kompasse herstellten, da es sich um freie Künste handelte.

Im Jahre 1510 richteten die Nürnberger Kompaßmacher — 20 an der Zahl — an den Rat das Gesuch, ihnen — gleich anderen Handwerkern — eine Ord­ nung zu geben, damit nicht jeder beliebig gute oder schlechte Arbeit ausfüh­ ren könne. Der Antrag wurde abgelehnt und bestimmt, daß das „Kompast­ machen" eine freie Kunst bleiben solle 145). — Ein Vierteljahrhundert später — 1535 — wurde aber doch eine „Kompastmacherordnung" aufgerichtet und u. a. verfügt, daß das Meisterstück aus einem Stempel für 3 versdiieden große Reisesonnenuhren mit je 12 Sonnenuhren, Kompassen und Zubehör für 48 oder 49V20 Polhöhe zu bestehen habe 148). — Aber auch dann blieb die Her140) 141) 142) 143) 144) 145) 146)

Schück, a. a. O., S. 46. Zinner, S. 92. Schück, a. a. O., S. 46. — Taylor, a. a. O., S. 173. Günther, a. a. O., S. 58. Zinner, S. 94 f. Rohde, S. 22. Zinner, S. 92. — Nachstehend die Namen einer Anzahl berühmter oder sonst bekannt gewordener nürnbergischer Kompaßmacher (nach MVGN, Zinner und Rohde): Erhard Etzlaub (Bürger 1484) Jorg Tücher (Meister 1490) Leonhard Reynmänn (gen. 1515) Georg Hartmann (1489—1564) Nikolaus Eudrisch (vor 1528) Linhard Gresel (gen. 1531) Hans Tücher I. (Meister 1537) Georg Reimann (Meister 1555) Hans Gruber (gen. seit 1565) Johann Gebhart (gen. seit 1546—1586

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Hans Tücher II. (Meister 1557) Hieronymus Reinmann (Meister 1556) Hans Reinmann (Meister 1567) Benedikt Reynmänn (Meister 1564) Hans Troschel (gen. 1582—1612) Georg Karner (gen. im 16. Jh.) Theodor Tücher (gen. 1600) Marx und Martin Feit (gen. 1602) Nikolaus Miller (gen. seit 1605) Andreas Albrecht (gen. um 1625)

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Stellung von Kompassen eine freie Kunst, die jeder Bürger der Stadt ausüben konnte. So war es auch in Augsburg, wo die Verhältnisse ähnlich wie in Nürnberg lagen. b) Die Ausfuhr nürnbergischer Kompaßsonnenuhren Neben Zirkeln sind von allen Arten wissenschaftlicher Geräte, die in Nürn­ berg erzeugt wurden, Kompaßsonnenuhren am zahlreichsten zur Ausfuhr ge­ langt. Viele Nachweise liegen dafür vor. Doch genügt es hier, eine Reihe charakteristischer Beispiele vorzutragen. Mit an erster Stelle unter den „Dynastien" der Nürnberger Kompaßmacher stand die Familie Tücher147). Schon um 1490 ist ein Kompaßmacher Jorg Tücher bezeugt. Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts gab es allein 3 Haus Tücher, die das gleiche Handwerk ausübten. Im 17. Jahrhundert folgten Christoph Josef und Thomas Tücher. — Die Tucherschen Klappsonnenuhren haben den Weg über ganz Europa genommen. Viele von ihnen zieren noch heute Museen und Sammlungen von Städten in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Ungarn, Italien, Frankreich, Belgien, England und Schweden 148). Ein besonders hohes Ansehen errang der Astronom und Kompaßmacher Erhard Etzlaub, indem er nicht nur in seinem eigentlichen Beruf, sondern auch als genialer Kartograph hervorragendes leistete und die ersten deutschen Hei­ matkarten schuf 149). Seine Tätigkeit umfaßt etwa die Zeit von 1490 bis 1532. Es heißt von ihm, daß er als Kompaßmacher weithin berühmt geworden sei. Das läßt auf eine entsprechende Verbreitung seiner Erzeugnisse schließen. Jedenfalls waren die Etzlaubschen Klappsonnenuhren — auch aus Holz — um 1512 selbst in Rom geschätzt150). Auf Bestellung des Wolfgang Behaim in Lissabon, Martins Bruder, fertigte Etzlaub 1507 einen „compast“ an, und er Michael Lesel (gen. seit 1612) Konrad Karner (gen. 1622—1632) Josef Tücher (gest. 1644) Thomas Tücher (gest. 1645) Jacob Karner (gen. seit 1636) Hans Müller (um 1650) Johann Harder (gen. 1657) Albrecht Karner (gen. von 1655—1687) Hans Feit (Meister 1564)

Ebeihart Feit (gest. 1600) Chistoph Heiden (gen. 1569—1571) Hans Tücher (Meister 1570) Paul Reinmann (gest. 1609) Kaspar Karner (Meister 1564) Melcher Karner (gen. seit 1665) Wolf Feit (gest. 1682) Georg Riege (gen. 1699)

U1) Ein Zusammenhang der Kompaßmacherfamilie Tücher mit dem Patriziergeschlecht dieses Namens ist nicht nachweisbar. 148) In Museen und Sammlungen folgender Städte finden sich Tuchersche Kompaßsonnen­ uhren: Aachen, Aschaffenburg, Bautzen, Berlin, Bremen, Danzig, Darmstadt, Dresden, Freiberg, Gotha, Hamburg, Hannover, Kassel, Lindau, München, Nürnberg, Stuttgart, Traunstein, Würzburg, Basel, Budapest, Cambridge, Chicago, Edinburgh, Florenz, Linz, London, Lüttich, Lyon, Oxford, Paris, Rom, Stockholm, Turin, Wien, Zürich (Zinner, S. 555—567; Rohde, S. 21). 149) Herbert Krüger, Ein Jubiläum Nürnberger Kartographie (MVGN 39), 1944, S. 127. 15°) Fritz Scknelbögl, (MVGN 50, 1960, S. 512) nach Herbert Krüger, „Des Nürnberger Meisters Erhard Etzlaub älteste Straßenkarten von Deutschland (JffL 18, 1958). 8

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beanspruchte dafür die Zeit von 3—4 Wochen 151). Daß Kompaß Sonnenuhren schon spätestens seit etwa 1430 nach Portugal gelangten, wurde im vorhergehenden Abschnitt berichtet. Zwei Etzlaubsche Klappsonnenuhren haben sich erhalten, eine im Germanischen Museum in Nürnberg und eine im Privat­ besitz 152). — Als Etzlaub anläßlich des „Heiligen Jahres" — 1500 — seine be­ rühmte Straßenkarte herausgab, die die Aufschrift trägt: „Das ist der Rom-weg ... deutzsche lantt", versah er sie mit der Abbildung des Zifferblatts einer Horizontal-Sonnenuhr, um sie für die Benutzung seiner — teils hölzernen, aber kunstvollen — Sonnenuhren geeignet zu machen. In der „Bibliotheque Natio­ nale" in Paris, im Britischen Museum in London, in der Staatsbibliothek in Berlin und in der Landesbibliothek Weimar sind noch Exemplare dieser Karte vorhanden 158). — Außerdem gab er für seine Geräte einen „Canon ad compastum Norenbergensem" heraus. Wohl der berühmteste und fruchtbarste Kompaßmacher Nürnbergs war der schon erwähnte Georg Hartmann aus Eggolsheim bei Forchheim (1489—1564). Er studierte in Köln, wurde 1518 Vikar an der Sebalduskirche in Nürnberg und zeichnete sich hier durch eigene Beobachtungen, Forschungen und wissen­ schaftliche Veröffentlichungen aus. Darunter befand sich eine grundlegende Untersuchung über die Eigenschaften der Magnetnadel, auch der Inklination, die — wie gesagt — er entdeckte. Eine andere seiner Arbeiten betraf die Her­ stellung von Zylinder-Sonnenuhren. Im Jahre 1527 verfaßte er Grundlagen für ein Lehrbuch über astronomische Geräte 154). Die Auswirkungen seiner Tätigkeit auf die Geräteherstellung in Nürnberg und darüber hinaus sind un­ absehbar. — In hervorragendem Maße arbeitete Hartmann für die Ausfuhr. Auch schuf er zum Aufkleben auf Sonnenuhren Holzschnitte mit Skalen, die verschiedenen Ländern angepaßt waren, so z. B. 1529, als die Türken Wien belagerten. Er brachte da Holzschnitte mit türkischen Zeichen für Klappson­ nenuhren heraus, fertigte 1532 solche für Rom und später noch für andere Länder an155). Schon 1518 hatte er über Sonnenuhren für 44° Polhöhe ge­ schrieben, so daß zwei erhalten gebliebene, aber nicht signierte Sonnenuhren mit Polhöhen für verschiedene französische und westschweizerische Orte unter seinem Einfluß entstanden sein werden 156). — Von seinen Lieferungen an Für­ sten und seiner Erzeugung sonstiger astronomischer Instrumente wird an an­ derer Stelle zu sprechen sein157). 151) Nach Mitteilung von Frau Christa Schaper. — Die Nachricht geht aus einem Brief vom 30. 1. 1507 des Michael Behaim an seinen Bruder Wolfgang in Lissabon hervor. Etzlaub wolle „den compast vngeferlich in 3—4 Wochen machen, wie Du ihm geschrieben hast". Der Brief befindet sich im Behaim-Archiv des Stadtarchivs Nürnberg, Nr. 585. Krüger, Kartographie, S. 135 f. — Fritz Scknelbögl, Zur Geschichte der ältesten Nürn­ berger Kartographie (MVGN 49), 1959, S. 170. — Zinner, S. 309 f. ^ Krüger, Kartographie, S. 137 f., 151. — Schück, a. a. O., S. 55 f. 154) Zinner, S. 3 58, 360. 155) Ebd., S. 361. 158) Ebd., 95. — Kompaßsonnenuhren von Hartmann besitzen heute u. a. Museen und Samm­ lungen in Nürnberg, München, Dresden, Köln, Lüttich und London (Zinner, S. 362—368). l57) Vgl. auch E. Zinner, Entstehung und Ausbreitung der Coppemicanischen Lehre, Erlangen 1943, S. 174, 243, 263, 418. — Allgem. Dtsch. Biogr., Bd. 50, S. 27. — Singer, a. a. O., III, S. 659.

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Nach Italien lieferte auch der Nürnberger Kompaßmacher Linhard Gressel, der spätestens seit 1531 tätig war. Ganz besonders aufschlußreich für seine Ausfuhr ist ein Brief des Jeronimus Imhof in Aquileja von 1547 an Paulus Behaim in Nürnberg, in welchem er diesen bittet, ihm eine elfenbeinerne Son­ nenuhr mit deutscher und italienischer Skala beim Nürnberger Meister Linhartt Gresell zu besorgen. Er habe eine solche Uhr in Aquileja bei Hans Wel­ ser s Diener gesehen 158). — Eine elfenbeinerne Kompaßsonnenuhr mit der In­ schrift: „Linhart Gresel, Nürnberg, anno 1531“ ist im Science Museum in London zu sehen159). Eine hervorragende Stellung unter den Kompaßmachern Nürnbergs nahm die Familie Reinmann ein, aus der die bedeutendsten Georg und Paul Rein­ mann waren. Außer diesen sind noch Hieronymus, Benedikt und Hans Rein­ mann bekanntgeworden; alle wirkten in der zweiten Hälfte des 16. Jahr­ hunderts 16°). — Vielleicht stammen sie von Leonhard Reynmann ab, der zwi­ schen 1515 und 1530 mehrere Kalender sowie Vorhersagen und das älteste gedruckte deutsche Buch über das Wetter veröffentlichte 161), also sich auch mit Astronomie und Astrologie beschäftigte. — Georg Reinmann arbeitete zwischen 155 5 und 1585 u. a. für Norditalien oder Südfrankreich, denn die Einrichtung seiner Instrumente bezog sich auf den 6. Breitengürtel. — Auch Paul Reinmann, der bis 1609 in Nürnberg tätig war, hat seine Kompaßsonnen­ uhren oft mit italienischer sowie deutscher und italienischer Windrose ver­ sehen, was offensichtlich auf besonders rege Ausfuhr nach Italien hindeutet. Außerdem sind seine Geräte über ganz Europa verbreitet worden. Sie gelang­ ten in viele Museen in einem Gebiet, das von Stockholm bis Paris und von Wien bis London reicht162). Auf die Ausfuhr deutscher Klappsonnenuhren nach den iberischen Ländern weist es hin, wenn in Nürnberg solche mit Polhöhen „Danzig 54 ... Barsolona 39“ und „Danzig 54 ... Portugal 42“ sowie in Augsburg solche mit den Pol­ höhen „Lisabam 37“ und „Lisobona 39 ... Ischbruck 47“ von verschiedenen Meistern des 16. Jahrhunderts hergestellt wurden. Zu diesen Meistern gehörten hier Hieronymus Reinmann und Michael Leset. Reinmann ist mit Geräten in Museen von München, Oxford, Greenwich und Einbeck und Lesel mit solchen in Oxford, Breslau und München vertreten. Eine elfenbeinerne Klappsonnen­ uhr von Albrecht Lösel aus dem Jahre 1610 gelangte in das Musee de la Vie Wallone in Lüttich 163). 158) Zinner, S. 94 f. — Nach Hampe, Vorlagen zu Sonnenuhren von Georg Grentel von Lauingen (Mitt. d. Germ. Mus.), 1901, S. 3/9. 159) Zinner, S. 326. 18°) Ebd., S. 484—490. — Rohde, S. 21. 161) Schultheiß, Behaimkatalog, S. 18. 162) Zinner, S. 94. — Es finden sich Kompaßsonnenuhren von Georg Reinmann in Museen von Nürnberg, Dresden, Wien und Cambridge. — Museen und Sammlungen in folgenden Städten besitzen Arbeiten von Paul Reinmann: Nürnberg, München, Stuttgart, Traun­ stein, Gotha, Dresden, Aachen, Hamburg, Straßburg, Wien, Linz, Salzburg, Prag, Chur, Brüssel, Genf, Lüttich, Paris, Lyon, London, Oxford, Cambridge, Bury, Stockholm und Chicago (Zinner, S. 48 5—490). 183) Zinner, 411, 427, 440, 485, 515, 592. — Ein Veit Lösel war 1545 StadtgerichtsProkurator in Nürnberg. 8

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Ebenfalls über mehrere Generationen erstredete sich die Tätigkeit der Kompaßmacherfamilie Feit. Hans Feit wurde 1564 Meister. Von seinen elfen­ beinernen Geräten befinden sich heute eines in Aachen und ein anderes in London. — Die beiden Kompaßmacher Marx und Martin Feit beschlossen 1602 ihre Tätigkeit, und 1682 segnete der „Kumpastenmacher“ Wolf Feit das Zeit­ liche 164). Von ihren Arbeiten hat sich wenig erhalten. Aus der Werkstatt des Nürnbergers Johann Gebhart finden sich Klapp­ sonnenuhren der Zeit von 1546—1586 — teils aus Elfenbein angefertigt — in Museen von München, Aachen, Lüttich, Paris, Oxford, Cambridge und Edinburgh 1W). Ganz besonders ragte in Nürnberg in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhun­ derts der Kompaßmacher Hans Troschel hervor. Es heißt von ihm, daß es nie­ mand ihm zu seiner Zeit hätte gleich tun können. Er versah seine Sonnen­ uhren mit „Seecompast“ und anderen sonst unbekannten Einrichtungen — teils für fremde Länder bestimmt. Seine Geräte waren daher in der Tat unübertreffbar und gelangten zahlreich ins Ausland. Dort befinden sich seine Arbeiten noch heute in zahlreichen Sammlungen1WJ). Ende des 16. Jahrhunderts und im 17. Jahrhundert tritt die Kompaß­ macherfamilie Karner in Nürnberg mit mehreren Mitgliedern auf. Sie stammte wohl von jenem Kompaßmacher Georg Karner unbekannten Wohnorts ab, von dem sich zwei Klappsonnenuhren des 16. Jahrhunderts in München und Landshut erhalten haben. — Ende des 16. Jahrhunderts bis 1632 lebte in Nürnberg Conrad Karner, der heute in Museen von Aachen, Kassel, Liegnitz, Traunstein, Weil-der-Stadt, München, Basel, Lüttich, London, Greenwich, Oxford, Cambridge, Prag und Turin mit seinen Arbeiten vertreten ist. — Ihm folgten in Nürnberg Albredit Karner (f 1687) und Melcher Karner (f 1707), während für einen Jacob Karner wieder eine Ortsangabe fehlt. Doch weist ein „n“ auf einem seiner Sonnenkompasse von 1644 ebenfalls auf Nürnberg hin. — Manche Arbeiten der Karner sind mit Einrichtungen versehen, die auf fremde Länder abgestimmt sind. Sie waren also für die Ausfuhr vorgesehen 1#7). Die Familie blühte offenbar auch im 18. Jahrhundert mit dem gleichen Hand­ werk in Nürnberg weiter168). Hans Gruber ist hier noch deshalb besonders zu erwähnen, weil er als Plattschlossermeister außer Uhren und Geschützaufsätzen auch Kompaßsonnen­ uhren verfertigte. In Brüssel und in London ist je eine seiner Arbeiten zu finden169). 184) Rohde, S. 22, — Zinner 314. 165) Ebd., S. 319. 188) Abeiten Troschels sind erhalten geblieben in Museen und Sammlungen von Nürnberg, München, Regensburg, Ottobeuren, Gotha, Kassel, Berlin, Aachen, Lüttich, Kassel, Linz, Turin, Florenz, Paris, La Chaux-de-Fonds, Stockholm, Oxford, Cambridge und London (Rohde, 22. — Zinner, 97, 551—554. — Henri Michel, La Mesure du Temps, Beilage 2). 167) Man findet Geräte der Karner in den Museen von Nürnberg, München, Würzburg. Bamberg, Memmingen, Aachen, Linz, Graz, Prag, Budapest, Genf, Zürich, St. Gallen. London, Oxford, Cambridge und Stockholm (Zinner, S. 400—404). 188) Rohde, S. 22. — Zinner, S. 403. 188) Ebd., S. 327.

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Die „Exposition d’instruments scientifiques et de documents anciens et modernes" in den Musees Royaux d'Art et d’Histoire Bruxelles von 1945 zeigte eine Reihe von Sonnenuhren der nürnbergischen Meister Paul Reinmann, Georg Hartmann, Hans Tücher, Josef Tücher, Hans Troschel und Jo­ hann Gruber. Wie stark aber Nürnberg seine beherrschende Stellung auf dem Gebiet der Erzeugung wissenschaftlicher Geräte in der zweiten Hälfte des 16. und im 17. Jahrhunderts verlor, zeigt die reiche Sammlung von „Cadrans Solaires" im Musee de la Vie Wallone in Lüttich. Unter 567 ausgestellten Objekten be­ finden sich nur 26 nümbergische und 36 augsburgische. Manche nicht signierte sind allerdings als süddeutsche Arbeit erkennbar 17°). Das ist auch der Fall bei 2 Kompaßsonnenuhren, die sich in Rom im Museo Copemicano befinden 171). Nicht signiert, deutet ihr Stil auf nümbergische Herkunft hin. Andere tragen zwar weder den Namen noch das Zeichen des Meisters, aber den Ort der Her­ stellung, wie z. B. eine Klappsonnenuhr im Landesmuseum in Innsbruck mit der Inschrift „NORENBERG FACIEBAT, ANNO 1562" m) und eine Säulchensonnenuhr mit dem Zeichen „n" im Nationalmuseum in München 178). c) Die Stern- oder Nachtuhr

Zur Bestimmung der Uhrzeit während der Nacht diente die Sternuhr (auch Nachtuhr genannt). Es handelte sich um eine kreisrunde Scheibe mit einem drehbaren Zeiger. Zur Bestimmung der Stunde wurde der Polarstem anvisiert. Aus seiner Stellung zu anderen Sternen ergab sich die Uhrzeit174). — In Frank­ reich erfunden, wurde die Sternuhr schon von Raimondo Lullo 1295 in seiner „Arte de navegar" beschrieben. In Wien fand sie zur Zeit Feuerbachs Verwen­ dung 175) und kam auf diesem Wege wohl auch nach Nürnberg. Der Ingolstädter Peter Apian beschrieb und illustrierte ihr Prinzip 1533 in seinem „Cosmographicus liber" 176), und auch der nachmalige Oppenheimer Stadt­ schreiber Jakob Köbel, der im Jahre 1517 in Nürnberg sein Werk „Astrolabii declaratio" erscheinen ließ 177), arbeitete über sie. Seine Schrift darüber wurde von dem Marburger Professor Johann Dryander vervollständigt, 1535 ver­ öffentlicht und dann in die „Astronomia Teutsch" übernommen 178). Die Stemuhr wurde aus Holz und Pergament oder aus Metall hergestellt und bald auch mit den Kompaßsonnenuhren kombiniert. Das taten schon um 1455 Feuerbach und um 1491 Hans Dom, der sich an Regiomontan anzulehnen pflegte 179). 17°) m) 172) 173) 174) 175) 176) 177) 178) 17B)

Henri Michel, Catalogue de Cadrans Solaires du Musee de la Vie Wallonne. Umberto Forti, Storia della Tecnica, Firenze 1957. Zinner, S. 600. Ebd., S. 123. Rohde, 38 f. Zinner, 164. Rohde, 38. Vgl. Abschnitt 2. Zinner, S. 165. Ebd., S. 165 f.

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Nachweise darüber, wann sie zuerst in Nürnberg gebaut wurde, liegen nicht vor. Doch werden dies hier die Kompaßmacher unter Anleitung Regiomontans schon recht früh getan haben. — Eine viereckige Sternuhr von 1533 aus vergoldetem Messing, die die Züricher Sternwarte besitzt, zeigt viel Ähnlich­ keit mit einer solchen von 1555 des Georg Hartmann in Nürnberg, der sie schon 1527 zeichnete und ihre Handhabung erklärte. Hier kombinierte auch Christian Heiden seine Büchsensonenenuhren mit Sternuhren, wie das auch bei Christoph Schißler und Gerhard Emmoser in Augsburg, bei Caspar Vopel in Köln und bei Ulrich Schniep in München der Fall war 18°). Offensichtlich wurde die Stemuhr während des ganzen 16. Jahrhunderts und darüber hinaus in Nürnberg hergestellt und ausgeführt. Hulsius bot sie hier 1590 in seiner Preisliste wie folgt an: „Nocturlabium und Rectificatorium stellae polaris, die uhr des nachts und elevationem Poli zu observieren 15,— Taler." 18t) Ähnlich wird es sich mit der Monduhr verhalten haben. Sie diente der Sterndeutung und der Zeitrechnung und wurde nachweislich auch in Nürnberg hergestellt, mitunter in Kombination mit dem Sonnenquadranten und der Sternuhr182). — Eine Monduhr mit kompaßöstlicher Mißweisung von 1555 des nürnbergischen Kompaßmachers Hans Fruinsfeld besitzt das Liegnitzer Stadt­ museum 18S). 7. Erzeugung und Femabsatz nümbergischer Erd- und Himmelskugeln

Erd- und Himmelsgloben kannte schon das Altertum. Ptolemaeus gab Regeln zu ihrer Herstellung heraus 184). Im Mittelalter wurden sie nach Ent­ würfen von Kosmographen durch Rotschmiede aus Kupfer oder Messing und durch Drechsler aus Holz angefertigt und von Goldschmieden oder anderen Handwerkern graviert oder bemalt185). — Manche Entdeckungsexpeditionen wurden im 16. Jahrhundert mit Globen, die gelegentlich leer blieben, aus­ gerüstet, damit die neuen Entdeckungsergebnisse darauf verzeichnet werden konnten 18fl). — Aus Holz bzw. Kupfer bestehen auch die ältesten in Deutsch­ land erhalten gebliebenen beiden Himmelskugeln. Nikolaus von Cues kaufte die größere im Jahre 1444 in Nürnberg, die kleinere früher oder später viel180) 181) 182) 183) 184) 185)

Ebd., S. 165 f. Ebd., S. 392. Ebd., S. 97, 166 f. passim. Ebd., S. 316. Günther, a. a. O., S. 73. Vgl. den Text zur Anmerkung 5. — Noch zu Beginn des 17. Jhs. gab der Landgraf Philipp von Hessen-Butzbach einem Gießener Uhrmacher einen messingenen Globus mit Zubehör in Auftrag. Der Uhrmacher ließ das Gehäuse sicher von einem Rotschmied herstellen und stattete es mit Triebwerk u. a. m. aus. — Ebenso wird dies der hessische Uhrmacher Jost Bürgi getan haben, als er 1581 für Wilhelm IV. von Hessen Himmels­ kugeln mit Triebwerk und Uhrwerk konstruierte (Zinner, S. 173, 467).

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leicht in Italien. Die größere ist aus Holz, die kleinere aus Kupfer herge­ stellt 187). In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurden die Erd- und Himmels­ kugeln auch aus Pappe und Gips hergestellt, mit Pergament bezogen und be­ malt, so auch der Behaimsdie Globus 188). Er ist der älteste noch erhalten gebliebene der Erde mit dem vorkolumbischen Weltbild. Behaim lieferte den Entwurf, Meister Kalperger fertigte die Kugel an und der bekannte Meister der Kleinmalkunst Georg Glockendon malte das Kartenbild. — Nach freund­ licher Mitteilung von Herrn Archivdirektor Dr. Fritz Schnelbögl nahm Behaim im Jahre 1493 Exemplare der von ihm entworfenen, gedruckten Weltkarte mit nach Portugal. Weltkarte und Globus waren nicht die einzigen Werke Martin Behaims. Der Seefahrer bezeichnete sich „als in der kosmographischen Kunst viel erfarn“. Kalperger wünschte von ihm darin unterrichtet zu werden. Und wenn Magellan sich auf eine [erweiterte] Weltkarte Behaims bezieht, die Amerika mit einer [angenommenen] Durchfahrt dargestellt habe, so deutet das erneut auf seine kartographische Tätigkeit hin. Mit seinem Erdapfel gab Behaim der Globenerzeugung in seiner Vaterstadt zweifellos einen starken Auftrieb 189). Nürnbergischen Ursprungs ist sicher auch jene kleine in Krakau befindliche Erdkugel aus dem 15. Jahrhundert, die zu einer Armillarsphäre gehört. Sie wurde vielleicht von nürnbergischen Kaufleuten, die auch den großartigen Altar von Veit Stoß dort stifteten, dorthin gebracht190). — Es wurde schon erwähnt, daß auch sonst manche der ältesten Krakauer astronomischen Geräte und Schriften mit Nürnberg in Zusammenhang zu bringen sind. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde der Mathematiklehrer und Kosmograph Johann Schöner durch seine meisterhaft ausgeführten Erdund Himmelskugeln weit berühmt. Er war zuerst in Bamberg und von 1526— 1547 in Nürnberg tätig. — Seine Globen waren aus Holz gefertigt und mit Papier bezogen. Die Holzschnitte dazu — 12 Kugelsegmente — stellte er selbst her. Manche der begehrten Globen, die er zum Verkauf stellte, gingen in die Ferne, so auch einer nach Augsburg an Veit Bild und ein anderer nach London, ise) parry> a. a# O., S. 222, 206. 187) Hartmann, a. a. O., S* 13; vgl. Einleitung, Abschnitt 7, Anm. 10—14. — Zinner, S. 382, 287. 188) Günther, S. 37. — I. Stevenson, Terrestrial and Celestial Globes, 2. vols, Newhaven, Con., 1921, S. 51. — Der Behaimsdie Globus befindet sich heute im Germ. Mus. — Daß der Globus den Plan Behaims, Indien auf dem westlichen Seewege zu erreichen, demonstrieren sollte, darf als sicher angesehen werden. Audi Toscanelli hätte — wie er schreibt — seinen Ausführungen über die Durchführbarkeit der Westfahrt gern einen Globus beigegeben (Berninger, a. a. O., S. 148). Anderen Argumenten kann hinzuge­ fügt werden, daß einer der Ratsherren, die Behaim mit der Herstellung beauftragten — Gabriel Nützel — einem Geschlecht angehörte, für das sich in der ersten Hälfte des 16. Jhs. Handelsbeziehungen mit Portugal nachweisen lassen (J. T. Medina, El Veneciano Sebastiano Capoto al servicio de Espana, Santiago de Chile 1908, S. 554—567). m) O. Muris, Der Erdapfel des Martin Behaim (Ibero-Amerik. Archiv, XVII), 1943, S. 49/74. — Stevenson, a. a. O., S. 48. — Es könnte durchaus sein, daß Behaim nach dem Tode seines Gönners, König Joäo’s II., als Kartograph tätig gewesen ist. 16°) Zinner, Coppernicus, S. 152, 506.

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wo er von Holbein auf dem berühmten Gemälde „Die französischen Gesandten" 1533 dargestellt wurde 191). Heute befinden sich Schönersche Erd- und Himmels­ kugeln in Nürnberg (Germ. National-Museum), Weimar (Landesbibliothek), Wien (Privatsammlung), London (Science Museum), Paris (Nationalbibliothek) und anderen Orten mehr. — Schöner übte durch seine Schriften über die Herstellung von Erd- und Himmelsgloben und über die Säulchensonnenuhi sowie durch seine eigenen Globen einen starken Einfluß auf die Vervoll­ kommnung dieser Zweige der Gerätebaukunst aus und stellte sich auf diesem Gebiet an die Seite der hervorragendsten Gelehrten seiner Zeit. Sein Sohn Andreas gab seines Vaters Schriften heraus und veröffentlichte 1562 selbst ein umfangreiches bedeutsames Werk über Sonnenuhren 192). Durch die Anfertigung und Veröffentlichung von mathematisch konstruier­ ten Welt- und Sternkarten wurde die Herstellung von Erd- und Himmels­ kugeln in Mengen möglich m). So schuf auch der berühmteste aller Nürnberger Instrumentenmacher des 16. Jahrhunderts, Georg Hartmann, 1538 und 1547 je 12 Segmente zu Himmelskugeln, die er als Stiche —- wohl teils auf Messen — zum Verkauf bringen ließ 194). Auf diesem Weg mag auch dieses oder jenes Stüde nach den iberischen Ländern gelangt sein. Der berühmte Augsburger Instrumentenmacher Christoph Schißler lieferte eine kostbare Himmelskugel nach Spanien195). Im Jahre 1560 entstand die Himmelskugel aus versilbertem Messing des nümbergischen Mathematiklehrers Christian Heiden. Der Globus ruht in einer Messingkapsel, auf deren Oberfläche eine Landkarte eingraviert ist. Er be­ findet sich heute im Dresdner Mathematisch-Physikalischen Salon und stellt bestimmt nicht die einzige Arbeit Heidens dieser Art dar. Kaiser Maximilian II. erteilte ihm ansehnliche Aufträge, und 1570 bewunderte der Franzose Petrus Ramus seine Geräte in Nürnberg196). Nur wenige Jahre später ließ der Altdorfer Professor Johann Praetorius aus Joachimsthal von Wenzel Jamnitzer jene großartigen Erd- und Himmels­ kugeln aus vergoldetem Messing hersteilen, die der Nürnberger Arzt Dr. Melchior Ayrer in Auftrag gegeben hatte. Mitarbeiter war noch ein anderer 191) Franz Grenadier, Der sog. St. Galler Globus im Schweizerischen Landesmuseum (Zeit­ schrift f. Schweizer Archäologie und Kunstgesch., 21, 1961, S. 75, Anm. 30). Nach frdl. Mitt. von Herrn Archivdir. Dr. Schnelbögl, Nürnberg. — Vgl. auch Abschnitt 8 c 2. 192) Stevenson, a. a. O., S. 82. — Zinner, S. 528. — Schultheiß, Behaimkatalog, S. 16. — Sophus Rüge, Die deutschen Kosmographen (Hamburg. Festschrift zur Erinnerung an die Entdeckung Amerikas, Hamburg 1892, S. 109). — Zinner, S. 527 f. uw) waters, a. a. O., S. 73. m) Zinner, S. 172. 195) Es handelte sich um eine zerlegbare kupferne Himmelskugel von 5 Fuß Durchmesser, die Schißler zur Lieferung nach Spanien in Auftrag hatte. Besonders hervorzuheben ist eine für Tycho von Brahe nach dessen Angaben von Christoph Schißler d. Ä. 1569 in Augsburg angefertigte kupferne Himmelskugel, die durch ein Triebwerk mechanisch in Drehung gebracht werden konnte. Eine zweite, 1576 für Brahe fertiggestellte Himmels­ kugel war in 40 Teile zerlegbar und kostete über 1000 Gulden. Nach der Fertigstellung wurde sie nach Dänemark gesandt (Zinner, S. 172. — Zinner, Coppemicus, S. 294). 196) Zinner, S. 172, 370 f. — Stevenson, a. a. O., S. 156 f.

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Goldschmied und Graveur namens Homick, der seine Signatur anbrachte 197). Die beiden Globen zählen heute zu den kostbarsten Schätzen des Germanischen National-Museums 198). — Verschollen ist eine andere Himmelskugel aus Holz mit Papierbezug, die 1616 von Praetorius gezeichnet und von Christoph Himricus ausgemalt wurde 199). Da Jamnitzer mehreren deutschen Kaisern und dem bayerischen und sächsischen Hof seine Arbeiten lieferte und da sich astronomische Geräte von ihm im Observatorium in Paris und im Mathematik­ salon in Dresden befinden 20°), da ferner das Museo dei Storia ein Astrolab des Praetorius besitzt, so darf angenommen werden, daß auch Erd- und Himmels­ kugeln, wie sie in Gemeinschaftsarbeit von Praetorius und Jamnitzer ent­ standen, in die Ferne gegangen sind. Wenigstens erhielt der sächsische Hof Globen, die denen des Germanischen Museums völlig gleich sind. Auch sie sind heute im Mathematisch-Physikalichen Salon in Dreden2M)- — Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurden Globen bereits für den Markt angefertigt. Hulsius bot 1590 seine farbigen „sauber aufgezogenen" Erd- und Himmels^ glocken für 20 Taler an292). Sind auch Globen im Entdeckungszeitalter in manchen Städten Europas hergestellt worden — nicht selten nach Nürnberger Vorbild —, so blieb die Reichsstadt als Wegbereiterin doch unübertroffen. lö7) Ursula Koenigs-Erffa, Das Tagebuch des Sebald Welser (MVGN 46) 1955, S. 290. 189) L. Grote, Deutsche Kunst und Kultur im Germanischen National-Museum, Nürnberg 1960, S. 152, 244 f. 199) Zinner, S. 471. *°°) Rohde, S. 66; Zinner, S. 395. W1) Koenigs-Erffa, a. a. O., S. 290. 292) Wenn auch aus dem Zeitraum, der hier behandelt wird, herausfallend, so ist doch noch hinzuweisen auf Georg Christoph Eimmart, der 1695 einen messingenen Himmelsglobus für 300 Gulden verkaufte, ferner auf den weltberühmten Nürnberger Buchhändler und Kupferstecher JoU. Baptist Homann aus Oberkammlach in Schwaben (1664—1724) und auf Johann Gabriet Doppelmayr (1671—1730). Beide erscheinen als getreue Hüter alter nürnbergischer Tradition. Homann gab nicht nur seinen großartigen bekannten Atlas heraus, sondern ließ auch Kupferstiche über Armillarsphären und Himmels- und Erd­ kugeln sowie solche selbst aus Holz oder Messing herstellen und teils bunt bemalen. Wie sein Atlas, so gingen sicher auch seine Kugeln in alle Welt. Man findet heute solche noch in der Landesbibliothek Weimar und im Kunsthistorischen Museum in Wien (Zinner, S. 170, 388). Der berühmte Mathematikprofessor Johann Gabriel Doppelmayr — bekannt durch sein Werk über „Nürnbergische Mathematicis und Künstler“ (Nürnberg 1730) — gab den schönen „Atlas novus coelestis“ heraus und ließ — teils zusammen mit Joh. Georg Puschner — Erd- und Himmelskugeln mit bunten Papiersegmenten herstellen, von denen sich eine in der Wolfenbütteler Bibliothek und eine andere in der Würzburger Universitätsbibliothek befinden (Stevenson, Globen, S. 160, 162). Im 18. Jh. — vielleicht auch schon früher — hatte die Verfertigung von Globen in Nürnberg einen solchen Umfang erlangt, daß sie hier hauptberuflich ausgeübt werden konnte. Schöne Erd- und Himmelskugeln — teils kleinen Umfangs — wurden nun in Serien mit Gestellen ange­ fertigt. — Neben „dem geschickten Mechanicus“ David Beringer, dem selbst Johann Wolfgang von Goethe die Anfertigung eines Globusses in Auftrag gab (F. Schnelbögl, Goethe und Nürnberg. In: Bayern, Staat und Kirche, Land und Reich, 1961, S. 104 f), tat sich besonders der „Globusmacher und Mathematikus“ Johann Philipp Andreae hervor, der auch Landkarten drucken und kolorieren ließ und sich als Vermittler von [geheimen] Nachrichten betätigte. — Schon sein Vater, Johann Ludwig Andreae, hatte hier seit 1715 zusammen mit dem Rektor Samuel Faber die Herstellung von Erd- und Himmelskugeln aus Messing und Holz betrieben, wie sie noch heute in vielen Museen

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8.

Händler und Abnehmerkreise nümbergischer astronomischer und anderer wissenschaftlicher Geräte

a) Der Vertrieb durch Buchhändler, Messingkramer und Nachrichtenvermittler auf den Frankfurter, Leipziger und ausländischen Messen Ähnlich wie Aachen und Stolberg mit ihrem Messing, messingenen Halb­ fabrikaten und bestimmten Messingwaren den westeuropäischen Markt im 16. Jahrhundert führend belieferten, so u. a. die Niederlande, Frankreich, Spanien und Portugal 208), so dominierte Nürnberg in diesen Gebieten mit seinen messingenen Spezialerzeugnissen, unter denen Zirkel und Kompaß­ sonnenuhren neben anderen wissenschaftlichen Geräten besonders hervor­ ragten. Trotz einer Art Monopolstellung hatten für gewisse Erzeugnisse die Messingwarenhändler der Reichsstadt doch mit einer starken Konkurrenz zu kämpfen. Denn nicht nur in den Zentren der Messingerzeugung, im Mailän­ dischen und im Gebiet des Niederrheins, sondern in vielen Ländern und Städten wurden wissenschaftliche Geräte hergestellt, wenn auch keineswegs so syste­ matisch wie in Nürnberg und seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch in Augsburg. Messing wurde überall hingeliefert 204) und fähige Rot­ schmiede gab es in den meisten Städten. Bei ihnen ließen sich viele Gelehrte und Fürsten ihre Geräte herstellen. Doch in der Produktion für den Markt blieb Nürnberg mit seinen Sondererzeugnissen bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts hinein unübertroffen. Nümbergisches Messingwerk war ebenso auf den Frankfurter und Leipziger Messen wie in Antwerpen, han­ sischen Städten, in Prag, Stockholm, London, Lissabon und in den portugie­ sischen und spanischen Kolonien, d. h. also in der ganzen Welt, anzutreffen, und daß sich darunter wissenschaftliche Geräte befanden, wird nachfolgend gezeigt werden 205). und Schlössern Deutschlands zu sehen sind (A. Müller, Zensurpolitik der Reichsstadt Nürnberg (MVGN 49), S. 132 f. — Zinner, S. 175 f., 231). — Viele der Globen, die im Verlaufe der Jahrhunderte von Städten und Fürsten den Herrschern fremder Länder zum Geschenk gemacht wurden — wie 1668 eine holländische Gesandtschaft unter Pieter van Hoorn dem Kaiser von China unter anderen Geschenken auch einen Erdglobus über­ reichte (Bettex, a. a. O., S. 79) —, sind zweifellos nürnbergischen Ursprungs gewesen. m) Peltzer, a. a. O., S. 372. ®°4) Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S. 69. — Für den Guß eines messingenen Quadranten zahlte der Landgraf Philipp von Hessen-Butzbach dem Frankfurter Rotgießermeister Johann Hoffmann im Jahre 1620 für jedes Pfund Messing 12 Batzen. ^ Dietz, a. a. O., I, S. 74 f. — Fischer, Leipzig, S. 200 passim. Ratsarchiv Leipzig, Rats-, Richter- und Schöffenbücher — Kellenbenz, Unternehmerkräfte, S. 69 passim. — L. Beutin, Seehandel, S. 61. — Archiv des Ministeriums des Innern, Prag, Cop. 90», fol. 291. — Strieder, Antwerpen, S. XXXIX passim. — Kammerarchiv Stockholm, Tüll och Ac^is 1543. — Müller, Welthandelsbräuche, S. 34. 101. — J. Falke, Gesch. d. deutsch. Handels, II, S. 371 ff. - Goris, a.a. O. - L. Meder, Handelsbuch, S. XXVIII, XXIII. A. Baiäo, Afonso de Albuquerque. 122

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Soweit die Erzeuger wissenschaftlicher Geräte deren Verkauf nicht selbst besorgten, sei es unmittelbar an die Besteller, sei es auf Messen und Märkten, lag der Absatz in den Händen von Kaufleuten, und zwar insbesondere von Metallwarenhändlern und Buchhändlern. Auch scheinen Nachrichtenvermittler — Verleger der handschriftlich angefertigten sog. Neuen Zeitungen — sich mit dem Vertrieb mathematischer und astronomischer Instrumente befaßt zu haben. Für alle genannten Kategorien können hier einige typische Vertreter nach­ gewiesen werden. Bereits Regiomontan — obwohl Gelehrter — hat den Verkauf seiner wissen­ schaftlichen Geräte und Veröffentlichungen, die er in eigenen Werkstätten mit Hilfe einer Reihe von Zirkelschmieden und Kompaßmachern herstellen ließ 206), offensichtlich kaufmännisch organisiert. Allerdings dürfte ihm dabei sein Mitarbeiter und Gesellschafter Bernhard Walther, der Nürnberger Faktor der Welser-Vöhlinschen Handelsgesellschaft in Augsburg und Memmingen 207), zur Seite gestanden haben. — In einer gedruckten Verlagsanzeige gab Regio­ montan seine schon gedruckten und in Vorbereitung befindlichen Werke, Übersetzungen usw. bekannt und führte auch die von ihm hergestellten und in Entstehung befindlichen astronomischen Betrachtungs- und Gebrauchs­ geräte auf 208). Beachtung wird die Verlagsanzeige in erster Linie auf großen deutschen und ausländischen Messen gefunden haben. Ebenso werden auf diesen Regiomontans Bücher und Geräte abgesetzt worden sein. Es zeugt von der Verbreitung seiner kostbaren Verkaufsobjekte, daß sich seine Ephemeriden sogar im Besitz des Kolumbus befanden 209). Ebenso werden seine astronomischen Geräte nach den iberischen Ländern gelangt sein, wobei er sich auf die Hilfe der dorthin handelnden oberdeutschen Kaufleute stützen konnte. Ähnlich wie Regiomontan, haben sich auch andere Verleger im Handel mit wissenschaftlichen Geräten betätigt. Besonders bemerkenswert ist in dieser Beziehung die Tätigkeit der nürnbergischen Gesellschaft des Hans Schlüsselberger, der u. a. auch Conrad Schlüsselberger, Augustin Vördtenberger und Ambrosi Bosch angehörten. Sie betrieb Handel mit allen möglichen Nürnberger Gewerbeerzeugnissen — auch mit Messingwaren und Kompassen — und setzte diese Waren besonders in Frankreich ab, in erster Linie auf den Messen von Paris, Lyon und Troys 21°). Wie Damiäo de Gois bezeugt, exportierten fran­ zösische Händler solche Waren weiter nach Spanien 211). Der bedeutendste Absatzplatz für Erzeuger und Händler von Messingwaren war aber Frankfurt mit seinen Messen. Als der berühmte Pariser Gelehrte und Verleger Henri Estienne — Henricus Stephanus — im Jahre 1574 seine Abhandlung verfaßte „Francofordiense Emporium vive Francofordienses Nundinde“, schrieb er darin über 208) 207) 208) ®°9) 21°) 2U)

Reicke, a. a. O., S. 700. Ludwig Frhr. v. Welser, Die Zinner, Regiomontanus, Abb. Vgl. Abschnitt Nr. 2, Anm. StadtAN., Kons. 43, Bl. 29*> Baillon, a. a. O., S. 39 f.

Welser, 2. Bd., Nürnberg 1917, I, S. 115. 45. Nr. 26. und 61^.

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seinen Besuch der alten Krönungsstadt u. a., daß Nürnbergs Läden auf den Frank­ furter Marktplatz übertragen worden seien. Man könne hier künstlerisch verarbeitete Gold- und Silbergefäße, vorzügliche, mit Skulpturen geschmückte Arbeiten aus Eisen, mathematische Instrumente und die neuesten Erfindungen sehen 212). Eine Bestätgung dieser Nachrichten bot ein Landsmann Estiennes, Dr. jur. Jacques Esprinchard aus La Rochelle, der 1597 Nürnberg besuchte, mit folgenden Worten: „Die Stadt ist in der ganzen Welt bekannt wegen des bedeutenden Handels, der hier getrieben wird,

und wegen der feinen Arbeiten, die hier in den verschiedensten mechanischen Hand­ werken angefertigt werden213)

Zu den Händlern, die rege die Frankfurter Messen besuchten, gehörte vor allem der hier wiederholt erwähnte bekannte Nürnberger Buchhändler, Karto­ graph und Kupferstecher Levinus Hulsius, Verleger von Werken über Seereisen usw., auch von Schmidls Reiseabenteuer in Südamerika, und Verfasser der „Theoria et Praxis quadrantis geometrici“, Nürnberg 1594, sowie anderer Schriften über astronomische Instrumente. Er eröffnete 1590 in Nürnberg sei­ nen Verlag und gab früher oder später auch eine höchst bemerkenswerte aufschlußreiche Preisliste über wissenschaftliche Geräte folgenden Inhalts heraus214): „Instrumenta mathematica bey mir zu finden 20 Taler Astrolabium vergildt so groß als ain Teller klein Astrolabium mit 6 Tabulis auch verguldt 10.- „ Nocturlabium und Rectificatorium stellae polaris die uhr des nachts und elevationem Poli zu observieren 15.- „ Quadratum und Quadrans geometricum von messing verguldt 9.- „ Ein Compassonnenuhr darauf ein Wegweiser und 5 oder 6 verschieden Uhr zu 1. 2. 4. 6. und 10 Taler Globus coelestis et terrestris Comelii et Hulsii sauber aufgezogen und illuminiert mit ihren zugehören 20.— Astrolabium auch das Catholicum de Royas auf Holz gezogen 3 oder 4.Quadrans et quadratum geometricum von Holz 2.Sphaera circularis mit allen den fümemen Sternen 1. 2. 3. Magnitud. Item das man die 7 planeten in Zadiaco hefften khann 80.Zirkel sind nicht aufgeführt, woraus man vielleicht schließen darf, daß Nürnberger Zirkelschmiede selbst und Messingkramer den Vertrieb solcher 212) Dietz, a. a. O., I, S. 74 f. 21s) Hermann Kellenbenz, Ein französischer Reisebericht über Nürnberg und Franken vom ausgeh. 16. Jh. (MVGN 49) 1959, S. 232. 214) Zinner, S. 392. — Preise für astronomische Instrumente in England, die nach den Aus­ führungen in der Einleitung, Abschnitt c, zum größten Teil niederländischen und deutschen Ursprungs waren, finden sich bei Waters, a. a. O., Appendix No. 10: „Bill for Charts and Nautical Instruments for Frobishers voyage, 1576". — Die Urkunde gibt gleichzeitig einen Einblick in die nautische Ausstattung von Expeditionen in der zweiten Hälfte des 16. Jhs.

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und ähnlicher Erzeugnisse besorgten. — Von manchen mathematischen und astronomischen Geräten wird berichtet, daß sie eigens von Hulsius hergestellt worden seien. Aber es ist kaum anzunehmen, daß er neben seiner kaufmännisdi-verlegerisdien, wissenschaftlichen und kartographischen Tätigkeit auch noch eine Messingschmiedewerkstätte unterhalten hätte. Vielmehr wird er in manchen Fällen Teilstücke in Auftrag gegeben haben, um sie nach Erhalt selbst zu bearbeiten und fertigzustellen. — Wie dem auch sei: diese Preisliste zeigt, daß Hulsius zusammen mit seinen lateinisch gedruckten Büchern auch astronomische Geräte vertrieb, sie auf Messen brachte — so nach Frankfurt, wohin er später ganz verzog — und dadurch ihre Verbreitung in alle Welt bewirkte. Es versteht sich, daß er nicht der einzige war, der sich dieser Aufgabe widmete, sondern daß mancher vor und viele nach ihm in gleicher Weise ttäig waren215). Auch andere Messen wurden mit Nürnberger astronomischen Geräten be­ schickt. So besuchten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Nürnberger Messingkramer Ewald Knaus und Hans Wernheim die Leipziger Messen. Sie lassen sich dort mit ihrem Messingkram nachweisen. Der Nürnberger Messing­ kramer Kunz Teuerlein erwarb 1525 das Leipziger Bürgerrecht210). — Aus­ weislich der Inventur des Niederländers Cornelius Caymox schickte dieser in Nürnberg ansässig gewordene Karten-, Kunst- und Kurzwarenhändler in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch Atlanten, Karten und Kompasse (d. h. Sonnenuhren) auf die Leipziger Messe und stellte sie in Auerbachs Hof zum Verkauf211), Natürlich besuchte der geschäftstüchtige Niederländer ganz sicher auch andere Meß- und Handelsstädte, insbesondere Antwerpen mit sei­ nen Absatzmöglichkeiten für den Schiffsbedarf. Die Belieferung Antwerpens mit nümbergischen Messingwaren verschiedener Art ist jedenfalls schon für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts belegt218). Die Handelsbeziehungen zwi­ schen Nürnberg und Antwerpen waren hoch entwickelt. Hier, wie in den gro­ ßen Hafenstädten Europas überhaupt, gab es besondere Gewölbe (= Läden) 215) In der zweiten Hälfte des 17. Jhs. ragt der aus Saalfeld stammende Nürnberger Kauf­ mann Peter Kaspar Gläser hervor, der gleich Hulsius mit seinen Instrumenten und anderen Messingwaren auf die Fankfurter Messe zog und 1673 ebenfalls ganz dorthin übersiedelte. — Da es in Frankfurt weder Messingbrenner noch Hersteller feinerer Messingwaren gab, mußten alle Erzeugnisse dieser Art eingeführt werden, und zwar hauptsächlich aus Nürnberg und dem niederrheinischen Messinggebiet. Im Warenlager Gläsers befanden sich Messingerzeugnisse aller Art, audt Kompasse, Zirkel und sonstige Instrumente. Hier kauften sie Interessenten aus allen Teilen Deutschlands und anderer Länder ein. — Gläser war der hevorragendste Frankfurter Messingwarenhändler. Er hinterließ bei seinem Tode ein Vermögen von 100 000 Gulden. Zu seinen Konkurrenten auf diesem Gebiet gehörte der Nürnberger Andreas Mühl, der sich 1686 in Frankfurt niederließ. Seine Handelsbeziehungen dehnten sich von Genf bis Amsterdam, von Dresden bis Hamburg aus (Dietz, a. a. O., II, S. 199 ff.). 216) Nach Rats-, Richter- und Schöffenbücher des Ratsarchivs Leipzig und Gerhard Fischer, Aus zwei Jahrhunderten Leipziger Handelsgeschichte, Leipzig 1920, S. 201. 217) Pilz, Antwerpen, S. 58. — Parry, a. a. O., S. 154. *18) Ebd., S. 21.

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für Schiffszubehör2l9), in denen die Nürnberger Metallwaren zweifellos reich vertreten waren. Falls nicht auch Exporteur astronomischer Geräte, so ganz unzweifelhaft Benützer nümbergischer Erzeugnisse für die Beobachtung von Himmelserschei­ nungen war der in Antwerpen tätige, aber aus Nürnberg stammende Kauf­ mann Christoph Kurz, der sich eifrig mit Astrologie beschäftigte und sogar Preisbewegungen für Gewürze aus den Sternen lesen wollte 22°). Nach dem Niedergang Antwerpens im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts verlagerte sich auch der Messing- und Messingwarenhandel nach Amsterdam, Rotterdam, Hamburg und anderen Hafenstädten 221). Von den Nachrichtenvermittlem ist als Händler wissenschaftlicher Geräte besonders der Augsburger Philipp Hainhofer bekanntgeworden, der an Kunst­ verständnis und weitgespannten Beziehungen alle seine Berufsgenossen über­ traf und als Kunstmakler weit über Deutschland hinaus bekanntgeworden ist, Berater von Fürsten und Gelehrten, nahm er auf seinen weiten Reisen Auf­ träge auch auf astronomische Instrumente entgegen, um sie an augsburgische und sicher auch nürnbergische Werkstätten weiterzugeben. Persönlich über­ brachte er 1617 dem Herzog Philipp II. von Pommern einen sogenannten Kunstschrank aus Ebenholz, der unter anderen Kunstgegenständen auch In­ strumente aus Messing enthielt 222). — Im 18. Jahrhundert betätigte sich — wie oben schon berichtet — der Globusmacher Johann Philipp Andreae als Ver­ mittler von Nachrichten 228). b) Fürsten, geistliche Würdenträger und Städte als Abnehmer nümbergischer astronomischer Geräte Von jeher haben viele Fürsten Europas der Astronomie größte Aufmerk­ samkeit gewidmet und Sammlungen astronomischer und anderer mathemati­ scher Geräte angelegt. Teils geschah dies aus wissenschaftlichen Interessen, teils auch aus Freude an den kunstvoll ausgestatteten und reich verzierten In­ strumenten. Sie legten sogenannte Kunst- und Wunderkammem an und setzten ihren Stolz darein, sie mit kostbaren Geräten zu füllen. Auch veranlaßten sie nicht selten die Anlage von astronomischen Beobachtungsstationen. Selbst größere Städte übernahmen solche Aufgaben. Viele der habsburgischen Kaiser haben in solcher Weise die Astronomie gefördert und Sammlungen wissenschaftlicher Geräte eingerichtet oder er­ weitert. Kaiser Friedrich III. (Reg. von 1440—1493) galt als „der Herrscher, der in der einen Hand Gemmen und in der anderen astronomische Geräte hielt" 224). *19) *20) *21) 222)

Ebd., S. 33 f. passim. Rieh. Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger, 2. Bd., Jena 1896, II, S. 15—17. Peltzer, S. 374. — Kellenbenz, Unternehmerkräfte. S &9, 78. Bobinger, a. a. O., S. 9 und 21. 223) Ygj Abschnitt 7. 224) Zinner, S. 608.

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Verschiedene nümbergische astronomische und geometrische Instrumente kauften die Kaiser Maximilian II. und Rudolf II. von Wenzel Jamnitzer 225). Maximilian II. erwarb außerdem von Christian Heiden im Jahre 1574 ein großes Planetenwerk im Wert von 2000 Talern, nachdem er kurz zuvor von ihm ein kleineres Planetarium erhalten hatte 228). Und 1566/68 verschenkte dieser Kaiser [kunstvolle] Uhren, die ihm von den Augsburger Uhrmachern Runkel und Emmoser geliefert worden wa­ ren 227). 25 Jahre früher hatte König Ferdinand I. dasselbe mit einer silbernen Pla­ netenuhr getan 228), wie die deutschen Herrscher überhaupt fremden Machthabern solche Prachtwerke zu verehren pflegten. Im Abschnitt über wissenschaftliche Kunst­ uhren wurde bereits darüber berichtet. Auch von Karl V., einem besonderen Lieb­ haber mechanischer Kunstwerke und mathematischer Geräte, sowie von anderen spa­ nischen und portugiesischen Herrschern ist anzunehmen, daß sie astronomische In­ strumente erworben haben, wie das ja für sonstige deutsche Metallwaren nachweisbar ist 229). Herzog Albreckt von Preußen war ein besonders großer Freund und Sammler wissenschaftlicher Geräte. U. a. kaufte er zu verschiedenen Zeiten von Georg Hart­ mann einen Kalibermaßstab, eine Zylinder-Sonnenuhr, elfenbeinerne, kreuzförmige Sonnenuhren mit Kompaß und andere elfenbeinerne Sonnenuhren 23°). Kurfürst August von Sachsen (1555—1586) legte durch seine vielen Erwerbungen den Grund zu dem berühmten Mathematisch-Physikalischen Salon in Dresden. U. a. kaufte auch er verschiedene Objekte von Wenzel Jamnitzer, darunter geometrische Instrumente 231), ferner reizvolle Lineale mit Arabesken Peter Flötners 232) sowie von verschiedenen Herstellern Geräte für kartographische Aufnahmen 233). Sogar eine Drehbank für seinen persönlichen Gebrauch befand sich in seinem Besitz 234). Dem Pfalzgrafen Ottheinridt lieferte Georg Hartmann 1517 eine Sonnenuhr aus Buchsbaum 235) und dem Herzog Emanuel Philibert von Savoyen 1558 eine silberne Büchsensonnenuhr28Ä). 225) Ebd., S. 394 f. 22«) Ebd., S. 39. 227) Ebd., S. 606. — Kaiser Maximilian II. besuchte in Nürnberg persönlich die Werkstatt des Hieronymus Reinmann und besichtigte dort eine [kunstvolle und große?! Sonnenuhr. Dafür ließ er dem Meister 12 rheinische Gulden als Gnadengeschenk zukommen (Zinner, S. 485). 228) Ebd., S. 606. 229) Ebd., S. 608. — So manche kunstgewerbliche Arbeit Nürnberger und Augsburger Hand­ werker gelangte nach Spanien. Hervorgehoben sei nur das prunkvolle Schreibkabinett, das der Augsburger Lienhart Stromair 1555 für Karl V. anfertigte, ferner die reich­ verzierte Renaissance-Tür im Escorial des Augsburger Bartholomäus Weishaupt, der prächtige Pferdeharnisch Kunz Lochners in Nürnberg für Don Carlos sowie die groß­ artigen Rüstungen der Augsburger Kolman und Desiderius Helmschmied, Werke, die heute Prunkstücke der Museen Madrids sind (H. Kehrer, Deutschland in Spanien, Mün­ chen 1953, S. 147 ff., 150, 153, 155). 23°) Zinner, S. 106, 123, 361, 364. 231) Ebd., S. 394 f. - Rohde, S. 66. 2S2) Rohde, S. 42. 233) Ebd., S. 49 f., 62 f. 234) Zinner, S. 604. **) Ebd., S. 106 f. 236) Ebd., S. 366.

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Sicher handelte es sich bei den Silber- und Metallwaren, die 1559 der König von Polen in Nürnberg zu kaufen sich bemühte 237), zum Teil auch um wissenschaftliche Instrumente. Denn im Jahre zuvor hatte er vom Herzog Albrecht von Preußen ein Planetarium als Geschenk erhalten. Es war aus vergoldetem Silber hergestellt und soll 1400 Gulden gekostet haben838). — König Sigismund 111. von Polen (t 1624 in Kra­ kau) erhielt von dem Nürnberger Hans Troschel eine kunstvolle Büchsensonnenuhr mit Monduhr und Seekompaß 239). Der Landgraf Philipp von Hessen-Butzbach (* 1581) ließ astronomische Geräte bei Rotschmieden, Uhrmachern und Schreinern in verschiedenen hessischen und ober­ deutschen Städten hersteilen, u. a. Sextanten, Quadranten, einen Globus, eine Armillarsphäre, ein Triangulum u. a. m. 24°). Wie so viele reiche Adlige, hatte auch Graf Gottfried Werner von Zimmern (f 1554) eine Vorliebe für große elfenbeinerne Kompasse, die er unter Aufwand hoher Kosten in Nürnberg besorgen ließ 241). Nicht nur astronomische Kunstuhren, sondern auch tragbare Räderuhren pflegten deutsche und fremde Machthaber in Nürnberg einzukaufen. So erwarb Graf Galeazzo di San Severino hier eine solche mit zwei Zifferblättern und einer Glocke. Sie wurde ihm nach Frankreich geschickt. Ebenso dürften jene 3 tragbaren Uhren, die der Herzog Ludovico von Mailand in Gewänder einnähen ließ und die teils den Stundenschlag angaben, nümbergischen Ursprungs sein 242). — Kardinal Luigi d’Aragona ließ hier 1517 durch seinen Sekretär, den Spanier Antonio de Beatis, für eine große Summe Objekte aus Messing und Eisen sowie Uhren einkaufen24s). — Ganz sicher stand der Nürnberger Rat nicht vereinzelt da, wenn er damals Räderuhren 244) mit Schlagwerk erwarb, um sie kirchlichen und weltlichen Würdenträgern zu schenken. Martin Luther verehrte er eine Komp aß Sonnenuhr 245). Melanchthon ließ sich eine solche bei dem Nürnberger Mathematiker Christian Heiden hersteilen 126).

Aus alledem geht hervor, in welch hervorragendem Maße Fürsten und hoher Adel die Entwicklung der Astronomie und ihrer Hilfsmittel gefördert haben 247). Die reichen Bestände an Gegenständen solcher Art in zahlreichen 237) Landesarchiv Prag, 1559, 21. 111, Konzept, Archiv der böhmischen Statthalter, Polen 1575—1744. 238) Zinner, S. 97, 106. 239) Zinner, S. 551. 24°) Ebd., S. 467. 241) Ebd., S. 606. 242) E- Zinner, Die ältesten Räderuhren und modernen Sonnenuhren (XXVIII. Bericht der Naturforsch. Ges. in Bamberg), Bamberg 1939, S. 22. 243) H. Kellenbenz, Nürnberger Handel um 1540 (MGVN 50) Nürnberg 1960, S. 299. 244) Zinner, Räderuhren, S. 22. 245) Zinner, ebd., S. 22, 39. 248) Zinner, S. 369 f. 247) Das blieb auch in der Folgezeit so, wie selbst Ludwig XIV. hier mechanische Arbeiten nach Zeichnungen des berühmten Marschalls Sebastien Vauban ausführen ließ (Falke, a. a. O., II, S. 373). — Kaiser Ferdinand III. bestellte 1655 in Augsburg eine Orgel mit chinesischer Uhr und sich drehender Himmelskugel, um sie dem Kaiser von China zu schenken (Zinner, S. 278). — Von besonderer Schönheit ist eine Tischuhr von Paulus Schiller von 1620, auf deren Sockel eine Frau ruht, die einen automatisch rotierenden Globus in der Hand trägt und auf dem Knie stützt (Germ. Nat. Mus.).

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Museen Europas legen Zeugnis davon ab. Allerdings wäre ohne das Interesse an der Astrologie und ohne die verbreitete Leidenschaft des Sammelns kunst­ reicher Gegenstände diese Förderung weniger stark ausgefallen. c) Deutsche Astronomen in aller Welt als Benutzer nürnbergischer Geräte oder in sonstigen Beziehungen zu Nürnberg 1. In Deutschland Die Entwicklung der Astronomie sowie die Erzeugung astronomischer Geräte sind in Nürnberg in hohem Maße durch Wien beeinflußt worden. Dorthin verlegte Heinrich von Langenstein aus Hessen (138 8) nach einer Lehrtätigkeit in Paris sein Arbeitsfeld. Seine mathematische Tradition übernahm hier später Georg von Peuerbach, und seine Planetenlehre wirkte auch noch auf Regiomontan ein. Außer diesen beiden wandten sich dorthin Johann von Gmunden, Verfasser des „Immerwährenden Kalenders mit Planetenbuch für die Jahre 1439—1514“ 248) und Johann Angelus aus Aichen, dessen Schrift „Astrola­ bium planum in Tabuli ascendus“ 1488 in Augsburg erschien 249). Für Nürn­ berg war die Tätigkeit dieser Männer in Wien dadurch von Bedeutung, daß dort damals die Sonnenuhren mit den polwärts zeigenden Schattenstab und Kompaß vervollkommnet wurden 25°), um dann an der Pegnitz serienmäßig hergestellt zu werden. Wie schon an anderer Stelle vorgetragen, wurde die Mißweisung des Kom­ passes durch Abweichung von der Südrichtung auf deutschen Sonnenuhren schon seit 1451 berücksichtigt, was sonst erst im 16. Jahrhundert der Fall war. Die Verbesserung wird auf Peuerbach oder Regiomontan zurückgeführt251). Peuerbach verfaßte u. a. die Schrift: „Compositio compassi cum regula ad omnia climata“ 252). Seine Schrift „Gnomon geometricus“ gelangte 1516 und 1544 in Nürnberg zum Druck 253). Er wirkte eine zeitlang als Hofastronom König Ladislaus von Böhmen und reiste mit diesem 1453 durch Ungarn. Peuerbachs Schüler Regiomontan war u. a. in Preßburg und Padua tätig, lernte im Ausland die Güte nürnbergischer Intsrumente kennen und zog des­ halb in die fränkische Reichsstadt. Nach seinem Tode in Rom wurde ein ande­ rer Schüler Peuerbachs, Johannes Dorn, 1478 von König Mathias nach Nürn­ berg geschickt, damit er Regiomontans Geräte erwerbe. Er konnte jedoch nichts erreichen. Dom war sonst noch im Aufträge des Königs in Wien und Ofen tätig. Er stellte selbst astronomische Geräte nach Regiomontans Vorbildern her 254). 248) 249) 25°) 251) 255) 253) 254) 9

Schultheiß, Behaimkatalog, Wagner, a a. O., S. 171. Zinner, Regiomontanus, S. Ebd., S. 23. — Schomburg, Ravenstein, a. a. O., S. 18. Zinner, S. 189. Zinner, Regiomontanus, S.

S. 21 (D 8). 17. a. a. O., S. 265.

33, 120—122.

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Dann kam Johannes Stabius als Professor der Mathematik nach Wien. Zuvor an der Universität Ingolstadt tätig gewesen, hielt er sich zwischen 1494 und 1515 oft in Nürnberg auf, entwarf hier die Sonnenuhr an der St. Lorenz­ kirche sowie Welt- und Himmelskarten, schrieb außer historischen auch mathe­ matische und astronomische Werke und erfand die herzförmige Projektion der Erdoberfläche, die erste flächentreue Abbildung 255). Es besteht kein Zweifel, daß er sich in Nürnberg auch die für seine Forschung und Lehrtätigkeit erfor­ derlichen astronomischen Geräte beschaffte, wie dies ebenfalls sein großer Wiener Kollege Konrad Celtis tat. Celtis besuchte zwischen 1487 und 1494 häufig Nürnberg und ließ hier einen Erd- und einen Himmelsglobus anfertigen. Sein Werk „Prosecution ad divum Fridericum III" enthält die Gestirnskonstellation für den Tag seiner eigenen Dichterkrönung 256). Die kaiserliche Bibliothek in Wien bereicherte er nicht nur durch alte lateinische und griechische Werke, sondern auch durch Himmelskugeln, Landkarten und ähnliches mehr 257). Wie wiederholt erwähnt, nahm schon im Jahre 1444 der geistesgewaltige Philosoph und nachmalige Kardinal Nikolaus von Cues 258) einen kurzen Auf­ enthalt in Nürnberg und erwarb hier außer astronomischen Werken auch astronomische Beobachtungsgeräte, so einen Himmelsglobus aus Holz, ein Astrolab und ein Torquetum. Sie werden noch heute im Hospital von Cues aufbewahrt 259). Wie Nikolaus von Cues, so wird auch Kopernikus, als er 1503 in Nürn­ berg weilte, die Gelegenheit wahrgenommen haben, sich bei den berühmten nürnbergischen Meistern astronomische Geräte zu beschaffen 26°). Gleichzeitig dürfte der Begründer des heliozentrischen Weltsystems hier mit Bernhard Walter und anderen bekannten Astronomen und Mathematikern in Berührung gekom­ men sein. Seine wissenschaftlichen Forschungsergebnisse wurden zuerst in Nürnberg gedruckt261). Vor seinem nürnbergischen Aufenthalt hatte er Augs­ burg besucht und dort einen hölzernen Sextanten bauen lassen — vielleicht auch jenen aus Stahl, den er auf seinen Reisen mit sich führte 262). Der 1512 geborene große Kosmograph und Kartograph Gerhard Mercator, der von deutschen Eltern abstammte, seine Jugend in Brabant verbrachte und zuletzt in seiner eigentlichen Heimat, in Duisburg, tätig war, ist durch sein Projektionssystem für Karten berühmt geworden 283). Mit der Herstellung von Globen, von denen einer 40 Floreni Carolini kostete 264), machte er seinen Kol­ a55) Schultheiß, Behaimkatalog, S. 20. 258) Ebd., S. 20. **7) Janssen, a. a. O., I, S. 131, 133. 258) Cusanus, ein Schifferssohn aus Kues bei Trier, gab der Mathematik, Astronomie und selbst der Nautik viele Anregungen (Andreas, a a. O., S. 48. — Gelcich, a. a. O., S. 30 f.). *59) Zinner, Regiomontanus, S. 87. — Derselbe, Nürnbergs wissenschaftl. Bedeut., S. 113. — Derselbe, Instrumente, S. 287. — 1451 weilte Cusanus nochmals in Nürnberg. 28°) Franz Strauß, Nikolaus Kopernikus, der Deutsche (Geogr. Anzeiger 1944, Heft 5/8), S. 83. 261) Schultheiß, Behaimkatalog, S. 20. 282) Zinner, S. 294. 28s) Rüge, a. a. O., S. 116. 284) Zinner, S. 444. 130

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legen in Nürnberg Konkurrenz. Erhard Etzlaub verwandte hier für die Her­ stellung der Kartenbilder auf seinen Kompaßsonnenuhren Mercators Projek­ tion 265). 2. In verschiedenen Ländern Europas Ein starker Einfluß auf die Ausfuhr nürnbergischer astronomischer Instru­ mente mußte sich vor allem daraus ergeben, daß im Zeitalter der Entdeckun­ gen eine Reihe deutscher Astronomen in fremden Ländern tätig war. Manche Chronisten des 16. Jahrhunderts berichten, wie fremde Astronomen von Lan­ desfürsten herangezogen wurden. In einigen Ländern war ihre Hauptaufgabe die Unterweisung von Seeleuten. In allgemeiner Form hat sich 1623 Thomas Campanella in seinem Werk „De Monarchia hispanica discursus“ 266) darüber geäußert. Niederländische und deutsche Mathematiker seien [von jeher] in alle Teile der Welt ausge­ schickt worden, um die Bewegung der Sterne und andere astronomische und geographische Erscheinungen zu beobachten. Damit stimmt es überein, wenn schon im 16. Jahrhundert gesagt wurde, die Deutschen seien die Vertreter der Wissenschaft M7J. Tatsächlich läßt sich eine solche Entwicklung — mit Albertus Magnus in Paris beginnend 268) — über das Entdeckungszeitalter hinaus nachweisen. Im folgenden soll nur von wenigen der in fremden Ländern tätigen deutschen Astronomen die Rede sein, und zwar von solchen, bei denen mittel­ bare oder unmittelbare Beziehungen zu Nürnberg sich nachweisen oder ver­ muten lassen. So waren schon im 15. Jahrhundert in Ungarn und in Italien feinmecha­ nische Apparate aus Nürnberg zu finden, die der Beobachtung von Gestirnen dienten und von Regiomontan bewundert wurden. Durch sie wurde er im we­ sentlichen bestimmt, seinen Wohnsitz in Nürnberg zu nehmen 269). Wie an der Prager Universität die ältesten astronomischen Handschriften teils deutschen Ursprungs sind und teils durch deutsche Studenten dorthin gebracht wurden — so u. a. die Zeitrechnungen des Johann von Erfurt durch Martin von Nürnberg und Johann von Plauen 27°) —, so dürften auch nürnbergische wissenschaftliche Geräte dorthin gekommen sein und der Forschung und dem Unterricht gedient haben. Dasselbe darf man von den astronomischen Geräten der Universität Kra­ kau sagen. Dort lehrte 1467 der Astronom Johann von Glogau, ein großer Verehrer und Interpret Regiomontans 2n). Nach Krakau gelangten atsrono265) 268) 267) 2fl8)

Krüger, a. a. O., S. 149. Amstelodami 1640, deutsche Ausgabe 1623. Rüge, a. a. O., S. 97. Albertus Magnus, der „doctor universalis", Verfasser der Schrift „Speculum astronomiae", lehrte von 1245—1248 an der Universität Paris. In seinen Vorlesungen in Padua wies Regiomontan auf ihn als seinen Landsmann voller Stolz hin (Zinner, Regiomontanus, S. 85). 280) Zinner, Coppernicus, S. 109. l7°) Ebd., S. 143. 271) Zinner, Regiomontanus, S. 108, 242, 207. 9

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mische Geräte, die unter Regiomontans Einfluß entstanden waren, sowie an­ dere, die aus Nürnberg stammten 272). Wie schon an anderer Stelle erwähnt, mag manches durch deutsche Kaufleute geliefert worden sein 273). Hofastronomen des Fürsten von Urbino (Italien) waren um 1481 Jakob von Speyer und Paulus von Middelburg, von denen der erstere mit Regiomontan korrespondierte, der andere ihm geistig sehr nahe stand 274). In der Schweiz sind zur Zeit Regiomontans besonders die beiden reichsdeutscben Astronomen und Kosmographen Sebastian Münster und Eberhard Sdileusinger bekanntgeworden. Münster, der ehemalige Heidelberger Professor aus Ingelheim (1489—1552), lebte in Basel. Seine berühmte Kosmographia, die in Nürnberg viel gelesen wurde, enthielt eine Nachschöpfung der Deutsch­ landkarte des Nürnberger Etzlaub 275). — Schleusinger war gebürtiger Franke, als Schüler Peuerbachs lebte er in Zürich. Seine Kometenschrift gelangte in den Besitz Regiomontans und wurde später irrtümlich unter dessen Namen ver­ öffentlicht 276). Einer der Lieferanten des Tycho von Brahef der auf der dänischen Insel Hven im Sund tätig war, scheint der Nürnberger Rotschmied Georg Labenwolf gewesen zu sein. — Eine Reihe von Geräten aus Brahes Besitz gelangte 1909 in den Besitz des Deutschen Museums, darunter ein Himmelsglobus, zwei Armillarsphären, eine messingene Sonnenuhr und mehrere elfenbeinerne Klappsonnenuhren. Es handelt sich dabei zweifellos zum Teil um nürnbergische und augsburgische Arbeiten 277). In England war der erste Astronom von Bedeutung der 1466 geborene Humanist Nicolaus Kratzer aus München. Zuerst als Hauslehrer bei Thomas Morus tätig, wurde er Hofastronom und königlicher Uhrmacher Heinrichs VIII. und regte wohl den später aufblühenden englischen Instrumentenbau besonders nachhaltig an 278). Seine astronomischen Geräte, wie sie Holbein auf Kratzers Porträt (in Paris im Louvre) und auf dem Bilde der Gesandten (in London in der National Gallery) dargestellt hat, sind zum Teil aus seiner Hand hervor­ gegangen, teils aber auch von ihm eingeführt worden. Es ist nicht bekannt woher. Doch da er mit Dürer Verbindung unterhielt und von diesem in Antwer272) 273) 274) 275)

Ebd., S. 116, Abb. 76-92. Zinner, Coppernicus, S. 152, 506. Zinner, Regiomontanus, S. 182. Schnelbögl, a. a. O., S. 170 f. — Andreas, a. a. O., S. 585, 588. — Ravenstein, a. a. O., S. 17. — Rüge, a. a. O., S. 114. MVGN, Bd. 3, S. 71, 279; Bd. 39, S. 148 f. 190; Bd. 46, S. 308, Bd. 48, S. 189 passim, Bd. 49, S. 170. 276) Zinner, Regiomontanus, S. 156/8. 277) Zinner, Coppernicus, S. 196. — Brahe hatte sich im Gebrauch seiner Geräte — Jakobstab, Dreistab, Quadrant und Armillarsphäre — zunächst an Nürnberg, dann an Augsburg angeschlossen. Später entwickelte er eigene Geräte (Zinner, Coppernicus, S. 298). — Astronomische Apparate, die Augsburg und Nürnberg der Sternwarte Uraniborg des Tycho von Brahe lieferten, erscheinen im Kupferstich „Astronomiae Instauratae mechanica“ von 1598, der den großen Astronomen in seiner Sternwarte zeigt (dargestellt bei Zinner, Coppernicus, Abb. 46, und im Deutschen Museum in München. F. Fuchs, Der Aufbau der Astronomie im Deutschen Museum, München 1955, S. 17 ff.). ils) Derek. J. Price, Über frühe Instrumentenmacherkunst in England (Schweizerische Techn. Ztschrft. 53. Jg.) 1956, S. 330.

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pcn auch porträtiert wurde 279), stand keine andere Bezugsquelle näher als Nürn­ berg. Und nach Untersuchungen von Hubert Frhr. v. Welser weist auch der von Holbein dargestellte Globus nach Nürnberg. Die Globussektorenkarte ist iden­ tisch mit einer solchen des Kosmographen Johannes Schöner und mit zwei erhalten gebliebenen seiner Globen 280). — Die englische Forschung sieht denn Nürnberg auch als Ausgangspunkt der später blühenden englischen Instru­ mentenbaukunst an und weist besonders auf Regiomontan als den „Vater der modernen Astronomie" hinael). 3. In Portugal (Das Behaim-Problem) Das Bild einer portugiesischen Einfuhr deutscher — besonders nürnbergischer — wissenschaftlicher Geräte, wie es hier in den verschiedenen Abschnitten zum Ausdruck kommt, findet seine Ergänzung durch Nachrichten über die Tätigkeit deutscher und flämischer Astronomen und Kartographen in Portugal, die unzweifelhaft gleich Behaim ihre Quadranten, Sonnenuhren, Astrolabe, Meßwerkzeuge und sonstigen astronomischen Instrumente aus Deutschland mitbrachten oder von dort herkommen ließen. Deutschen und anderen fremden Astronomen und Kartographen bot sich in Portugal im Entdeckungszeitalter ein reiches Feld der Betätigung. Denn dieser kleine Staat mit seinen großartigen überseeischen Bestrebungen, doch einer über­ wiegend Landwirtschaft und Fischerei betreibenden Bevölkerung bedurfte nicht nur der Einfuhr kunstreicher Metallwaren, sondern auch der Mitarbeit fremder, wissenschaftlich geschulter Kräfte. Seine Piloten — diese kühnen Löwen des Meeres — mußten durch italienische, niederländische und deutsche Kosmo­ graphen, Astronomen und Kartographen für die Hochseeschiffahrt beraten oder geschult oder begleitet werden. Eine solche Aufgabe erfüllte auch Martin Behaim. Sicher war er weder der Erste überhaupt, noch der erste Deutsche, der hier in die Bresche sprang, wie ja einige seiner Landsleute als Ritter und Kaufleute schon vor ihm am portugiesischen Hof weilten 282) und andere als Astronomen und Kartographen nach ihm dort tätig waren, eine Tatsache, 279) 28°) 281) 282)

Albredtt Dürer, Tagebücher und Briefe, München 1927, S. 32. Hubert Frhr. v. Welser, Der Globus des Lukas Rem (MVGN 48), S. 98. Price, a. a. O., S. 330. Vgl. hierzu die Einleitung, Abschnitt c. Daß Deutsche schon vor Behaims Zeit am portugiesischen Hof eine Rolle spielten, be­ weist die Erhebung des Nürnberger Wolfgang Holzschuher in den portugiesischen Adel, nachdem dieser 1471 am Feldzug Portugals in Nordafrika teilgenommen hatte (Wilhelm Stricker, Die Deutschen in Spanien und Portugal, Leipzig 1850, S. 191). Auch der Brügger Kaufmann Martin Lerne, der sich an der Eroberung von Arzila und Tanger mit einem eigenen Schiff beteiligte (A. Paes. Cintra, A Origem dos Lemes, Säo Paulo 1944, S. 7—19) sowie der Begleiter des Hieronymus Münzer, Anton Herwart aus Augsburg, wurden geadelt. — Ähnlich war es schon seit Jahrzehnten. Den Dichter Oswald von Wolkenstein aus Tirol, der gegen die Mauren kämpfen wollte, ehrte die Königin von Aragonien. Der Württemberger Georg von Ehingen und der Salzburger Jörg von Ramsyden kämpf­ ten 1442 bei der Belagerung von Ceuta mit. Der deutsche Ritter Baltasar aus kaiser-

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die bisher wenig beachtet worden ist. — Davon wird weiter unten zu sprechen sein. Hier soll zunächst geprüft werden, ob Martin Behaim und sein Bruder Wolf auf die Einführung und die Einfuhr nürnbergischer astronomischer Geräte in Portugal Einfluß ausgeübt haben. Das Patriziergeschlecht der Behaim ist seit dem Ende des 13. Jahrhunderts im Fernhandel Nürnbergs nachweisbar 283). Martin Behaim d. Ältere, der Vater des See­ fahrers, handelte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts u. a. nach Spanien und Portugal 284). Diese Tradition übernahmen zwei seiner Söhne, Martin und Wolf. — Beide beschäftigten sich schon früh aktiv mit Sternkunde und Astrologie, wozu sie sicher durch den Nachbarn ihrer Eltern, Bernhard Walther 285), den Mitarbeiter Regiomontans — Martin vielleicht auch durch diesen selbst — angeregt worden waren. So mußte ihnen mittelbar oder unmittelbar einiges vom Geisteserbe des großen Astro­ nomen aus Königsberg in Franken zufallen, und Martin Behaim hielt sich daher für berechtigt, dies auch zum Ausdruck zu bringen, indem er sich — wenn wohl auch nur im weiteren Sinn — als Schüler Regiomontans bezeichnete. Offenbar für eigene Rechnung scheint Martin um 1480 von Antwerpen aus nach Lissabon gehandelt zu haben 286), um schließlich in dieser Zeit ganz dorthin überzu­ siedeln. Es versteht sich, daß er dabei neben seinen Handelsgütern, wozu niederländi­ sches Tuch gehörte, zum mindesten seine eigenen astronomischen Beobachtungsgeräte mitnahm. Wolf Behaim befand sich 1491 und 1496 im Dienst des Handelshauses der Tü­ cher in Lyon, später in Genf, und tat sich 1503 in Nürnberg in Turnieren hervor. Außerdem sammelte er Schriften über den Einfluß der Planeten 287) und führte schon 1479 Stembeobachtungen mit dem Jakobstab durch 288). Diese Betätigungen veranlaßten Dr. Christoph Scheurl zu schreiben, Wolf Behaim habe sich „auf Astrologiam, Ritterspiel und Händel sowie Kaufschlag mit seinen Oheimen den Hirschfogeln, be-

ws) »**) *85)

Me) *®7) a88)

lichem Gefolge nahm 1434 an der Umseglung des Kaps Bojador teil, und einem däni­ schen Edelmann erlaubte Heinrich der Seefahrer, in seinem Dienst nach Afrika mitzu­ fahren (E. Zechlin, Maritime Weltgeschichte, Hamburg 1947, S. 389 f.). — Über den seit 1451 nachweisbaren Brauch (Prestage, a. a. O., S. 231), den Piloten sternkundige Leute zur Seite zu geben, schrieb 1483 der Ulmer Mönch Felix Faber, der auf einem Pilgerschiff nach Palästina und Ägypten fuhr, daß sich darauf auch Astrologen zur Be­ obachtung des Himmels, der Sterne und des Windes befunden und den Piloten Anweisung gegeben hätten (Taylor, a. a. O., S. 143 f.). Das erinnert an Behaim! — Nach allem erscheint sein Auftreten am portugiesischen Hof keineswegs so rätselhaft, wie es hin und wieder dargelegt wird. E. Mummenhoff, Altnürnberg, Bamberg 1890, S. 47. — Roth, a. a. O., I, S. 119. G. W. K. Lochner, Topographische Tafeln zur Gesch. der Reichsstadt Nürnberg, Dresden 1874, Tafel IX, Nr. 17 und 19. — Walthers Haus lag neben dem Behaimschen am Herrenmarkt. Es zeugt von freundschaftlichen und geschäftlichen Beziehungen zwischen Walther als einem Faktor der Augsburger Welser und den Behaim, wenn Martin bei seinem Aufenthalt in Antwerpen Anweisung gab, Briefe für ihn an den Diener der Welser und Vöhlin in Antwerpen zu senden. (Ravenstein, a. a. O., S. 114). Als 1519 sein gleichnamiger Sohn eine Schuldverpflichtung einging, trat der Welsersche Faktor Hieronymus Sailer als Zeuge auf. (Johannes Falke, die Geschichte des deutschen Handels, 2. Bd., Leipzig 1859/60, II, S. 380.) Günther, a. a. O., S. 7. Zinner, Regiomontan, S. 176. — Wolf Behaims Sammelband befindet sich im Germ. Mus., Nr. 2°, 4896. Schultheiß, Behaimkatalog, S. 7.

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geben“ 289). Sein Onkel Linhard Hirschfogel sandte ihn ums 1505 als seinen Faktor nach Lissabon. Dort starb er 1507 und hinterließ unter anderen Waren auch kleine Schlaguhren 29°). Noch kurz vor seinem Tode hatte er sich bei dem berühmten Nürn­ berger Astronomen und Kompaßsonnenuhrenmacher Erhard Etzlaub einen „Compast“ bestellt 291)> ein neuer Beweis dafür, daß dieses Gerät damals in Portugal nicht hergestellt wurde. Es wird sich um ein solches mit besonderen Einrichtungen gehandelt haben, da einfachere Klapp Sonnenuhren zweifellos in den Kaufgewölben für nautische Ausrüstungen erworben werden konnten.

Bei diesen beiden Brüdern waren also Neigungen für Handel, Sternkunde, astronomische Instrumente und repräsentatives Auftreten eng miteinander verbunden, eine Erscheinung, die damals in patrizischen Kreisen wohl hin und wieder vorkam, die aber in Verbindung mit altüberlieferten Handelsbeziehun­ gen zu Portugal insbesondere Martin Behaim wie kaum sonst jemanden präde­ stinierte, bestimmte im Verlaufe des 15. Jahrhunderts von nürnbergischen Astronomen und Instrumentenmachern gewonnene Erfahrungen und erzielte Verbesserungen an wissenschaftlichen Geräten dem portugiesischen Hof zur Kenntnis zu bringen und in die portugiesische Nautik einzuführen. Daß es so war, ergibt sich sowohl aus der einleitend geschilderten unzureichenden Er­ zeugung brauchbarer Instrumente in den iberischen Ländern und der dieser gegenüberstehenden vorgeschrittenen und umfangreichen Produktion in Nürn­ berg als auch aus den Mitteilungen des portugiesischen Schatzmeisters im Indienhaus und nachmaligen Historikers Joäo de Barros, aus denen auf eine Beteiligung Behaims an der Einführung messingener astronomischer Geräte in Portugal zu schließen ist. Barros berichtet, von Meister Rodrigo, Meister Josef [Vizinho] und Martin Behaim, sie seien von König Joäo II. berufen worden, um die Navigationsme­ thode zu verbessern, und es heißt dann in eindeutiger Klarheit, sie hätten die Art, nach der Meridianhöhe der Sonne zu fahren, erfunden: „mestre Rodrigo e a mestre Josep judeu, ... e a um Martim de Boemia ..., os quais acharam esta maneira de navegar per altura do sol, de que fizeram suas tavoadas pera declina^äo dele, como se ora usa entre os navegantes, ja mais apuradamente do que comefou, em que serviam estes grandes astroläbios de pau“. *•*) (= „Meister Rodrigo, Meister Josef, ein Jude, ... und Martin Behaim fanden die Art, nach der Höhe der Sonne zu navigieren, wonach sie ihre Tafeln von deren Deklination anfertigten, wie sie noch heute [1552] im Gebrauch sind, und zwar genauer als zu Anfang, als man sich [noch] der großen Astrolabe aus Holz bediente“.) — Dieser Bericht ist es, der zu den ein­ leitend erwähnten langen Auseinandersetzungen über die Richtigkeit der Angaben Barros geführt hat. Hier ist nur die Frage zu behandeln, ob es ein Zufall ist, daß die Einführung des Astrolabs in die portugiesische Nautik mit dem Auftreten Behaims zusammenfällt oder ob ein Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen besteht. *89) *®°) 291) 292)

Roth, a. a. O., S. 120. Ravenstein, S. 6, 10, 51. — Solche Schlaguhren stellte Peter Hele in Nürnberg her. Vgl. Anm. 151 im Abschnitt 6*\ Barros, a. a. O., Dec. I, Lib IV, cap. 4. p. 282. — Barros schreibt also nicht, erst diese drei hätten das Astrolab in die Nautik eingeführt. Doch ergibt sich das zwangsläufig aus der Sachlage und der weiteren Entwicklung, wie sie nachfolgend dargestellt ist.

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Dazu ist zunächst grundsätzlich zu sagen: Das Astrolab war schon lange Zeit vor Behaim in Portugal bekannt, aber es wurde damals von portugiesi­ schen Seefahrern noch nicht benutzt, wie sich unwiderleglich beweisen läßt 293). Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Kommission wurden offensichtlich auf der Expedition des Diego Cäo 1485/86 nach der Westküste Afrikas zum ersten Male — und zwar sicher durch Behaim, wie noch näher zu erforschen sein wird — praktiziert. Daß dieser dabei gegebenenfalls mit dem Astrolab arM3) Im Gegensatz zu Barros wird heute von portugiesischen und deutschen Forschern die These aufgestellt, das Astrolab sei schon vor Martin Behaim von den portugiesischen Seefahrern benutzt worden, und zwar zuerst von Diogo de Azambuja. Er habe damit auf seiner Expedition von 1481—1484 nach S. Jorge da Mina an der Westküste Afrikas als Erster eine Breitenbestimmung mit dem Astrolab durchgeführt (Ravenstein, S. 16, Bensaüde S. 35, 106). Diese Behauptung ist unhaltbar. Nach Wagner (S. 222) stützt sie sich auf das erst 1689 herausgegebene Werk „De rebus gestis Joanni II von Manuel Teiles da Silva (S. 152). Darin wird aber die Anpassung des Astrolabs an den Gebrauch auf See auf die Tätigkeit der Junta zurückgeführt, von der Teiles da Silva irrtümlich meint, sie habe die Änderung schon 1481 bewirkt; aber sie begann erst 1484 ihre Arbeit. Daraus folgte der zweite Irrtum, nämlich daß schon Azambuja das Astrolab benutzt haben müsse. Doch dessen Breitenbestimmung von 1482 im Castelo de S. Jorge erfolgte zweifellos mit Hilfe des Quadranten, wie denn auch an keiner Stelle vom Astrolab die Rede ist. — Bei den folgenden Guinea-Expeditionen vor 1484, an deren einer Kolumbus teilnahm, wurde ebenfalls mit dem Quadranten gemessen. — Dem Umstand, daß dem Chronisten Azurara das Astrolab bekannt war, wie Pereira da Silva hervorhebt, ist keinerlei Bedeutung beizumessen. Er benutzte es als Astrologe und nicht zu nautischen Zwecken (Pereira da Silva, Arte de navegar, S. 38). — Steht es also auf der einen Seite fest, daß kein Zeugnis für eine Verwendung des Astrolabs zur See vor 1484 vorliegt, so spricht andererseits alles für seinen frühesten Gebrauch auf der Expedition des Diogo Cäo nach Südwestafrika unter Beteiligung Martin Behaims, die im unmittelbaren An­ schluß an die Arbeit der mathemat. Kommission erfolgte. Nichts liegt also näher, ihn — wie gesagt — mit der Einführung des Astrolabs für nautische Zwecke in Verbindung zu bringen. Denn nicht nur war unter seiner Mitwirkung das neue Verfahren der Breiten­ bestimmung durch Sonnenhöhe in der Kommission entwickelt oder wenigstens erweitert worden, sondern es ist auch sonst keine Persönlichkeit jener Zeit in Portugal bekannt, die vertrauter als Behaim, der Schüler Regiomontans oder Walthers, mit dem Gebrauch des Astrolabs hätte sein können und dazu in solch enger Verbindung wie er mit einem Zentrum der Herstellung astronomischer Geräte gestanden hätte. Wäre es anders ge­ wesen, so müßten Nachweise über den Gebrauch des Astrolabs schon für die Zeit vor Behaim vorliegen. Das ist nicht der Fall. Erst seit der Expedition des Bartholomäus Diaz (1487/88) — also im Anschluß an Behaim — ist das Astrolab in der portugiesischen Seeschiffahrt wirklich nachweisbar. Vasco da Gama benutzte es dann 1498 auf seiner großen Entdeckungsfahrt. Doch wurde es selbst da noch als eine neue Erfindung angesehen (d. h. seine Anwendung auf See), so u. a. nach Barros und nach Camoes in seinem Nationalepos „Os Lusiadas“. — Noch auf der Expedition des Pedro Alvares Cabral nach Ostindien, die im Jahre 1500 zur Entdeckung Brasiliens führte, benutzte nur der [deutsche] Meister Johannes das Astrolab, nicht aber die portugiesischen Piloten (vgl. darüber die Ausführungen in diesem Abschnitt weiter unten). Ebensowenig fand es damals in Spanien Verwendung — auch nicht bei Kolumbus. Und wie in Portugal, so wurde auch im hansischen Raum das Astrolab im 15. Jh. und darüber hinaus noch nicht benutzt und keine Breiten- und Längenbestimmungen mit astronomischen Hilfsmitteln durchgeführt. Als es dann im 16. Jh. auf englischen Ent­ deckungsreisen nach Nordrußland in Gebrauch genommen wurde, behandelte man es als etwas ganz Neues (Vogel, Schiffahrt, S. 527). Ebenso heißt es bei Bertrand Gille, Les origines de la civilisation technique (S. 455) [Fastrolabe nautique] n’apparaissent que dans les premteres annees du XVI siede.

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beitete, erweist mittelbar der berühmte Münzersche Brief von 1493. Wie schon erwähnt, ließ Behaim darin durch den Verfasser des Briefes, seinen Landsmann Hieronimus Münzer, dem König Joäo II. von Portugal vorschlagen, ihn mit einer Expedition zur Auffindung des westlichen Seewegs nach Ost­ indien zu entsenden. Er und seine Gefährten würden dabei mit kühnem Unternehmergeist unter Verwendung ihrer Sonnenuhren (= Zylinder), Quadranten, Astrolaben und anderen Instrumenten von den Azoren aus die Breite des Meeres durchsegeln 294). — Wollte also Behaim dieses Unternehmen u. a. mit Hilfe des Astrolabs durchführen, so hat er es auch zweifellos sieben Jahre zu­ vor an Afrikas Küste angewendet. Denn nur die Erfahrungen, die er mit die­ sem Gerät gemacht hatte, konnten ihm die Zuversicht zur Erfüllung einer solch gewaltigen Aufgabe geben. — Daß seine Geräte aus seiner Vaterstadt stamm­ ten, darf nach allem, was über die Verbreitung nümbergischer Instrumente über Europa hier mitgeteilt wurde, als ganz selbstverständlich angesehen wer­ den. Münzers Brief — eindeutig von Behaim inspiriert — wurde zwar erst nach der Rückkehr Kolumbus’ geschrieben, enthielt aber seltsamerweise keinerlei Hinweis auf dieses Ereignis. Wußte man damals in Nürnberg noch nichts davon? Das ist ange­ nommen worden 295), trifft aber nicht zu. Da Kolumbus damals bereits seit 4V2 Mo­ naten von seiner ersten Entdeckungsfahrt zurück war, ein Schiff von Portugal bis Antwerpen aber nicht länger als 30 bis 40 Tage brauchte und ein Brief von Madrid nach Venedig nur 14 Tage unterwegs war 296), da ferner Nürnberg ein europäisches Zentrum für den Nachrichtenverkehr war, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß man hier über die Rückkehr Kolumbus’ genau unterrichtet war. Was aber veranlaßte die Nürnberger, den Plan einer Westfahrt nach Indien trotzdem vorzuschlagen? Die Antwort kann nur lauten: Man nahm bereits an, daß Kolumbus nicht nach Ost­ indien gekommen war, sondern lediglich davor liegende Inseln erreicht hatte, wie auch eine königliche Verordnung vom 20. Mai 1493 nur von Inseln und Festland spricht, die in der Gegend von Indien entdeckt wurden und [noch] zu entdecken wären. Und der Vertraute König Ferdinands, Pedro Martin de Angleria, schrieb, Kolumbus habe viele Inseln gefunden, von denen dieser vermute, es seien an Indien angren­ zende 297). Ähnliche und noch stärkere Zweifel wurden auch sonst geäußert2W). Auf diese dem portugiesischen König längst bekanntgewordene Tatsachen nochmals hin­ zuweisen, sah Münzer offenbar keine zwingende Veranlassung, und Behaim war über­ zeugt, im Wettbewerb mit Kolumbus mindestens ebenso erfolgreich sein zu können. — Doch war der Münzer-Behaimsche Plan selbst keineswegs erst nach der Rückkehr des Kolumbus entstanden, sondern Münzer hatte ihn Kaiser Maximilan schon 1491 294) Hennig, a. a. O., S. 257. — An Behaims Teilnahme an der Expedition Cäo’s zweifelt im Gegensatz zu Ravenstein auch Winter nicht (a. a. O., S. 9). — Aus Fehlern bei geo­ graphischen Berechnungen, wie sie Behaim unterliefen, können keine weittragenden Schlüsse gezogen werden, da solche auch bei anderen Kosmographen häufig vorkamen (Berninger, a. a. O., S. 148). 295) Aus dem Brief Münzers darf man nicht folgern, — wie Crone, a. a. O., S. 12, und andere es tun — man sei in Nürnberg über Kolumbus’ Rückkehr nicht unterrichtet gewesen. ") Karl Fouquet, Hans Staden, Zwei Reisen nach Brasilien, Säo Paulo 1941, S. 20. — Victor Klarwill, Fugger-Zeitungen, Wien 1923, S. 138. — Ravenstein, a. a. O., S. 114. 297) Richard Konetzke, Das spanische Weltreich, München 1943, S. 165. 298) Hennig, a. a. O., II, 277 f.

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vorgetragen 2"). Hierbei taucht die Frage auf, ob die Nürnberger den Gedanken der Westfahrt unabhängig von Kolumbus entwickelt hatten oder erst durch diesen hierzu inspiriert wurden. Offenichtlich war Letzteres nicht der Fall. Denn Dr. Hartmann Schedel, Herausgeber der 1491 erschienenen Weltchronik, schrieb in das Werk des Aeneas Sylvius über Asien die Randbemerkung: „An terra circumnavigare potest?“ **°) Und Kolumbus selbst hatte sich bekanntlich wegen der Durchführbarkeit seines Planes auf Behaim berufen m).

Aber König Joäo II. sah in einer westlichen Route nach Indien eher eine Gefahr als einen Nutzen für das portugiesische Gewürzmonopol und ging da­ her auf die Vorschläge nicht ein. Noch fast zwei Jahrzehnte später erfuhr auch Magellans Plan in Portugal die gleiche Ablehnung. Für die vorliegende Be­ trachtung ist der Vorgang deshalb von größter Bedeutung und hier ausführ­ licher behandelt, weil Münzer sich auf Behaims astronomische Geräte als einen offensichtlich entscheidenden Faktor beruft. Es handelte sich dabei um solche, wie sie nach Aussage Regiomontans, des bedeutendsten Astronomen der Zeit, und nach allen hier vorgetragenen Unterlagen nirgends vollkommener als in Nürnberg hergestellt werden konnten und wie sie demnach u. a. auch Behaim in Portugal eingeführt haben muß. Darauf deutet insbesondere sein persön­ licher Umgang mit Zirkelschmieden in Nürnberg hin, da diese Hersteller astronomischer Instrumente waren. Daß Behaims Geräte nicht aus Portugal stammen konnten, wurde deutlich genug nachgewiesen. — Auffällig ist in Münzers Brief die fehlende Erwähnung von Logbuch, Seekarte und Kompaß. Es sind dies die bei der Küstenschiffahrt üblichen Hilfsmittel. Diese setzte Münzer als selbtverständlich voraus und hebt nur jene Geräte hervor, die zusätzlich für die Hochseeschiffahrt erforderlich waren, nämlich astronomische. Solche waren damals noch nicht lange im Gebrauch und nur wenige verstanden sie richtig zu handhaben. Auch das bestätigt Joäo de Barros. Er schreibt, daß zur Zeit der Entdeckungsfahrt des Vasco da Gama (1498) die Seeleute sich erst kurze Zeit des Astrolabs bedient und neben großen hölzernen Geräten dieser Art auch solche aus Messing mit sich geführt hätten. Aber es seien die hölzernen noch bevorzugt worden. Man sei an Land gegangen, um mit ihnen die Messung der Sonnenhöhe vorzunehmen. Das war zur Zeit de Barros’ — gegen Mitte des 16. Jahrhunderts — nicht mehr der Fall. Er spricht von dem Gebrauch hölzerner Astrolabe als von etwas Vergangenem 802). Diese Entwicklung, der Übergang von hölzernen zu metallenen Geräten, hat eine Parallele in Vorgängen im Kreise Peuerbachs in Wien und in Nürnberg. — Im Jahre 1460 hatte Peuerbach die Schrift „Gnomon geometricus“ verfaßt und dem Bischof 2") A. Schulte, Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft, 3. Bd., Stuttgart 1923, II, 17 ff. 800) Wenter Schultheiß, „Franken in Übersee“ und „Die Entdeckung Amerikas und Nürnberg“ (JffL 11/12 und 15) 1953/55, S. 323—330 und 171—199. 301) Antonio de Herrera, Historia General, Madrid 1928. ®°*) Barros, a. a. O., Dec. I, Livro IV. — Im Artikel „Astrolabio“ des „Dicionario de Historia de Portugal“ heißt es (nach Mitteilung von Hermann Kellenbenz), man habe in der portugiesischen Seefahrt des [endenden] 15. und des 16. Jhs. das „astrolabio plano" benutzt, das nach Entfernung des für nautische Zwecke Entbehrlichen „astrolabio nautico"

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MVGN 53 (1965) Nürnbergs Erzeugung und Ausfuhr Johann Vitez von Großwardein gewidmet. Er übersandte diesem ein hölzernes «Geo­ metrisches Quadrat" und schrieb dabei, daß er ihm auf Wunsch ein besseres Gerät aus Metall senden wolle. Denn als er das unvollkommene Gerät zu Höhenmessungen benutzt habe, sei ihm eingefallen, wie es leichter und geeigneter gemacht werden könne. Nur durch die Übung werde man klüger. — Daraus darf geschlossen werden, daß Peuerbach wesentlich zum Übergang des Gebrauchs von hölzernen zu metallenen wissenschaftlichen Geräten — auch des Astrolabs — beigetragen und daß sein Schüler Regiomontan dann in Nürnberg in dieser Richtung weitergearbeitet hat. Das hölzerne Geometrische Quadrat wurde von Regiomontan schon 1455 zu Höhenmessungen be­ nutzt, und es hat sich in dieser billigen Ausführung neben der in Messing über das 16. Jahrhundert hinaus behauptet. — Die obenerwähnte Schrift Peuerbachs über das Geometrische Quadrat erschien 1516 und 1544 in Nürnberg im Druck 30®).

So weist alles darauf hin, daß Behaim sowohl an der Einführung metallener astronomisch-nautischer Geräte in Portugal M4) wie auch an der Ausarbeitung einer Anleitung für den Seemann Anteil gehabt hat 805). genannt worden sei. Vasco da Gama habe 1497 den astronomischen Operationen an Bord nicht vertraut und daher seinem Piloten befohlen, die Breitenbestimmung der Bucht von S. Helena an Land vorzunehmen. Dabei sei ein [großes] Astrolab von drei „palm. de diametr." benutzt worden (nach Barros, dec. I, liv. IV, cap. 2). 303) Zinner, S. 188 f., 392. 804) Rober T. Günther hat in seinem mehrfach zitierten umfangreichen Werk über „The Astrolabes of the World" (Oxford 1932) zu dem Anspruch der Portugiesen, das Astrolab für die Seefahrt allein entwickelt zu haben, (S. 524) wie folgt Stellung genommen: „John II, King of Portugal, beeing particularly active in securing the best instrumental aid for navigators sent men of purpose into Arabia and other countries of the East to learne further knowledge thereof. And he also commissioned Martin Behaim to teach pilots to navigate by the altitudes of the sun and stars; presumably with the astrolabe, since it was Martin Boemus by whome the Astrolabe was applied (c. 1484) to the Art of Navigation and benefit of the mariner, before used only in Astronomie". — Nachdem Günther dann die Vermutung ausspricht, das auf Mallorca um 1300 benutzte Astrolab sei nicht das See-, sondern das Land-Astrolab gewesen, schränkt er seine Auffassung über Behaim in Anlehnung an L. Pereira da Silvas Abhandlung „O Astrolabio nautico dos Portugueses" (1917) wieder wie folgt ein: „It is certainly more in keeping with Portuguese sentiments to hold that the astrolabes used by their first navigators were directly descendend from the instruments, ore those others described in the Libro del astrolabia Mano, published in the thirteenth Century at the command of Alfonso the Wise, than that they should have been of German origin“. — Sollen sich der erste und der zweite Teil der obigen Darlegungen Günthers nicht widersprechen, so müßte Behaim — nach Günthers Meinung — nicht ein deutsches, sondern ein bereits von Portu­ giesen entwickeltes und an den Gebrauch auf See angepaßtes Astrolab benutzt haben. Das stünde im Einklang mit ZinnersMitteilung über die Umgestaltung des Astrolabs zum ersten Seeastrolab durch Zacuto (vgl. Anm. 31). Dieses bedurfte jedoch der Ver­ besserung, wie sie später auch erfolgte. Es liegt kein Beweis dafür vor, daß Behaim daran Anteil gehabt hat. Doch mußte er durch den Gebrauch bester, auf der Höhe der Zeit stehender metallener Geräte vorbildlich auf deren Einführung in die portugiesische Steuermannskunst einwirken. — In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, daß auch Frederic Marquet in seinem Werk „Histoire g£n£rale de la navigation du XV« au XX« si£cle (Paris 1931, S. 16) sich nicht der Auffassung Ravensteins und Bensaüdes angeschlossen hat, als er schrieb: L'astrolabe etait une simplification de Tastrolabe des Grecs, que les Arabes avaient enrichi de traces nouveaux, et qui etait devenu ainsi comme une Sorte d’eph£m6ride et une machine k calcul“ ... Son emploi sur mer fut vraisemblabemend vulgaris^ sur P initiative de Jean de Portugal qui reunit vers 1484 une junte, dont faisait partie

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Wie wenig aber die portugiesischen Piloten selbst noch um 1500 sich des Astrolabs bedienten, läßt besonders der an König Manoel I. gerichtete Bericht des [deutschen] Meisters Johannes, von dem schon kurz die Rede war, deutlich erkennen. Er begleitete im Aufträge des Königs als Kosmograph die Flotte Pedro Alvarez Cabrals nach Ostindien, wie es ähnlich Behaim unter Cao auf der Fahrt nach Westafrika getan hatte. Als dabei die Küste jenes Landes entdeckt wurde, das später den Namen Brasilien erhielt, schrieb Meister Johannes dem König u. a. „ ... am Kap der guten Hoffnung werden wir wissen, wer richtiger gerechnet hat: jene mit der [See-]Karte oder ich mit [See-]Karte und Astrolab ... Auf dem Meere ist es besser, sich nach der Höhe der Sonne, als nach den Sternen zu richten, besser mit dem Astrolab als mit dem Quadranten oder irgend einem anderen Instru­ ment." — Eine Bestätigung der Verwendung von Astrolab und Quadrant findet sich in Vespuccis Brief an das spanische Königspaar308). Wenn der Mei­ ster Johannes in solcher Weise auf das Astrolab schwor, so ist es sicher, daß er sich ein solches höchster Qualität beschafft hatte, wie dies auch seine Landsleute Martin und Wolf Behaim und Valentin Femandes taten, als sie sich ihre Geräte in Nürnberg besorgen ließen. Martin Behaim .. ., laquelle etait chargee de construire un astrolabe, de calculer des tables de declinaisons du soleil et d’enseigner aux marins la maniere de naviguer par la hauteur du soleil. Cet astrolabe se fixait au grand mät“. — Mehr unfreiwillig lieferte selbst Bensaüde ein Zeugnis für die Überlegenheit nürnbergischer gegenüber anderen Astrolaben und damit — da man in Portugal stets das Beste brauchte und haben wollte — einen indirekten Beweis für Lieferungen aus Nürnberg. Als er nämlich ein arabisches Astrolab aus Bronze des 10. Jhs. rühmt, sagt er „ , .. qui par le fini du travail pourrait avoir ete fait ä Nuremberg ä la fin du XVe siede" (L’astronomi, S. 3 8). Wenn Pereira da Silva argumentiert: Weil das Land-Astrolab seit dem 13. Jh. auf der iberischen Halbinsel bestens bekannt gewesen und auch hergestellt worden sei, das See-Astrolab sich aber aus dem Landastrolab entwickelt habe und es folglich nicht notwendig gewesen sei, das Gerät in Portugal einzuführen (a. a. O., S. 42), so ist dazu zu sagen, daß es verbessert werden mußte und ein erhöhter Bedarf eintrat, der nicht durch Erzeugung im eigenen Lande gedeckt werden konnte, zumal sich ein Übergang von hölzernen zu metallenen Geräten vollzog. — Otto Berninger (a. a. O., S. 145) bringt zum Ausdruck, daß gut gearbeitete Instrumente zweifellos begehrt gewesen seien, doch fehlten für eine handelsmäßige Einfuhr durch Behaim jegliche Nachrichten und Spuren. — Obwohl es wahrscheinlich ist, daß Martin und Wolf Behaim tatsächlich zeitweilig mit astronomischen Geräten gehandelt haben, liegt hier das Schwergewicht nicht auf dem Nachweis einer handelsmäßigen Einfuhr durch sie, sondern auf der Beweis­ führung, daß Martin den Gebrauch nürnbergischer Metallgeräte in die portugiesische Seefahrt eingeführt hat. Und für diese Tat sprechen alle Umstände. — Ravenstein (a. a. O., S. 17) ahnte das, bagatellisierte es aber mit folgenden Worten: „There are, of course, a few other instruments which a merchant coming from Nuremberg might have introduced to the notice of Portuguese astronomers, such as metal quadrants and sundials." 8ft5) Es ist kein Beweis erbracht, daß das anonyme amtliche Werk „Regimento do estrolabio e do quadrante" handschriftlich oder im Druck schon zur Zeit der mathematischen Kommission Joäo’s II. herausgebracht worden wäre (vgl. Parry, a. a. O., S. 187, 652). **) Jaime Cortesäo, A Expedifäo de Pedro Alvarez Cabral e o Descobrimento do Brasil, Lisboa 1922, S. 257/259, 298, 316; Pereira da Silva, a. a. O., S. 41, erwähnt nicht die wichtige Einzelheit, daß allein Meister Johannes auf der Expedition Cabrals das Astrolab benutzte.

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Über die deutsche Herkunft des Meister Johannes schreibt Pedro Calmon in seiner Historia do Brasil: In Deutschland geboren, sei er einer der her­ vorragendsten Astronomen Europas gewesen37). Er identifiziert ihn mit jenem Meister Johann Alemäo, der 1509 in Lissabon zusammen mit seinem Schüler Meister Diogo portugiesischen Seeleuten die höchst schwierige und wenig bekannte Kunst der Längenbestimmung lehrte. Auch Ernst Zinner zweifelt nicht an der Personengleichheit beider. Er berichtet, daß Joäo Alemäo von 1505 bis 1516 [wiederholt] in Indien tätig gewesen sei und in Goa 1513 für 4V2 Monate 27 000 Reis Besoldung erhalten habe 308). Seine Breitenbestim­ mung an der brasilianischen Küste sei erstaunlich gut gewesen. Damals wurde in Nürnberg eine solche Methode entwickelt, und zwar — wie es heißt — eine wirk­ lich brauchbare, nämlich die durch Monddistanzen. Ihr Begründer war der nürnbergische Astronom Johann Werner. Er fand sie bei der Überarbeitung der Geographie des Ptolemäus. Man mußte zu ihrer Anwendung allerdings u. a. die wahre Bewegung des Mondes genau kennen 309). — Auch der Italiener Pigafetta, der gelehrte Begleiter Magellans, kannte diese Methode. — Selbstver­ ständlich war im Lehrplan des Meister Johann Alemäo die Breitenbestimmung unter Anwendung astronomisch-nautischer Instrumente, also auch des Astrolabs — enthalten. Da er ebenso im Dienst des Königs stand wie der Meister Johannes der Expedition Cabrals und sich ebenso durch besondere astrono­ mische Kenntnisse auszeichnete, darf Calmons These als wohlbegründet ange­ sehen werden. Auf jeden Fall bekleidete in jener Zeit wieder ein Deutscher am portugiesischen Hof eine Stellung, wie sie zuvor Behaim innegehabt hatte 31°). Andere folgten. So der als Deutscher bezeichnete Joäo Rodriguez, dessen deutscher Name wohl Hans Roderich lautete. Er wurde von König Joäo II. wiederholt nach dem Senegal geschickt. Leider ist nicht bekanntgeworden, in welcher Eigenschaft dies geschah. War er vielleicht identisch mit dem Meister Rodrigo, der mit Behaim und Vizinho der astronomischen Kommission ange­ hörte? — Vieles spricht dafür. Wenn er ähnlich wie Meister Johann und Martin 307) Säo Paulo 1939, I, S. 51: „Enganam-se os que atribuiam ao fisico-mor a nacionalidade castelhana. Mestre Joäo nascera na Alemanha. E longe de ser um aströnomo de categoria secundaria, era dos mais autorizadas da Europa". (Es irren sich diejenigen, die dem Meister Johann die spanische Nationalität beilegen. Er stammte aus Deutschland und war weit davon entfernt, ein mittelmäßiger Astronom zu sein; vielmehr gehörte er zu den berufensten Europas.) ^ E. Zinner, Nürnbergs wissenschaftliche Bedeutung, a. a. O., S. 118 (nach Frazäo de Vasconcellos, Pilotos das navegacoes portuguesas dos seculos XVI e XVII. In der Ztschft. „Ethnos", II, Lisboa 1942). 309) Gelcich, a. a. O., S. 60 f. — Die Urkunde, die über die Lehrtätigkeit des „mestre Joäo alemäo" unterrichtet, wurde von dem portugiesischen Historiker Frazäo de Vasconcellos, entdeckt. Schon er hielt es für möglich, daß dieser deutsche Meister Johann identisch mit dem gleichnamigen Begleiter Cabrals sei (Dtsch. Nachrichten von Säo Paulo vom 4. 6. 1949; Ramos, S. 101). Es handelt sich bei der Urkunde um einen Brief des Piloten Pero Annes an König Manuel, in welchem jener mitteilt, daß Mestre Joäo Alemäo ihn (Annes) ohne Anordnung des Königs nicht in der Kunst der Längenbestimmung unter­ richten könne. — Calmon hat weitere Gründe für die Personengleichheit des einen mit dem anderen vorgetragen. 81°) Günther, a. a. O., S. 12 ff. passim.

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Behaim als Kosmograph gefahren sein sollte, so dürfte auch er nautischastronomische Instrumente aus Nürnberg mit sich geführt haben. Er weilte 1493—95 in Arguim und sammelte dort [u. a.] Nachrichten über den Handels­ verkehr in Timbuctu. Sie sind in der gleich näher zu erwähnenden Sammlung des Valentin Ferdinand erhalten geblieben 311). Mutmaßlich sind die berühmten Piloten und Kartographen Pero und }orge Reinei in Lissabon, Vater und Sohn, die um 1500 und zu Beginn des 16. Jahr­ hunderts in Lissabon und in Sevilla wirkten und die ältesten der erhalten gebliebenen portugiesischen Weltkarten sowie astronomisch-nautische Geräte, Himmelskugeln und Globen schufen 312), deutscher Abstammung. Nicht nur ist ihr Name deutsch313), sondern es kommt im 16. Jahrhundert auch eine Familie dieses Namens auf den Azoren vor314), die bekanntlich zum großen Teil von Flamen und Deutschen besiedelt wurden315). Der junge Ritter Pero Reinei lebte z. Zt. Behaims am portugiesischen Hof und hat sicher auch Martin Behaim kennengelernt. Er wurde 1483 mit anderen Männern nach Timbuctu entsandt und kehrte als einziger lebend zurück316). Andere Mitglieder der Familie waren gleichfalls Ritter, Seefahrer und königliche Handelsfaktoren in den por­ tugiesischen Kolonien in Afrika und Indien. In Süddeutschland sind Namen wie Reinei317) häufig. In Nürnberg lassen sich solche Namensformen vom 15. Jahrhundert an nachweisen. Die Endung „nel“ ist — wie Herrn. Kellenbenz mitteilt — typisch fränkisch. Der Zufall will es, daß der nümbergische Kupferstecher Albrecht Reindel im Jahre 1847 eine Kopie des Behaimschen Globus für die Bibliotheque Nationale zu Paris anfertigte 318). Endlich geht man sicher nicht fehl, auch in dem Meister Gaspar Nicolas, der vor 1518 Tafeln aus dem Almanach des Zacuto für Valentin Ferdinands „Repertorio dos Tempos“ mit großer Genauigkeit extrahierte 319), einen Deutschen zu sehen. Es heißt von diesem Meister, daß er in solcher Kunst wohl erfahren sei. Die Annahme, daß Ferdinand für diese Arbeit einen Landsmann wählte, liegt nahe. — Nicolas ist ein typisch deutscher Familienname 32°), für den die portugiesische Form Nicolau lau­ tet 821). 311) K. PanUorst, Deutschland und Amerika, München 1928, S. 40. — Ravenstein, a. a. O., S. 68. 812) I. Bagrow, Die Geschichte der Kartographie, Berlin 1951, S. 90. — Cortesäo, a. a. O., S. 249, 256: „Pedro Reinei, mestre de cartas e agulhas de marear“, u. a. auch für die Expedition des Magellan. — Vgl. auch Parry, a. a. O., S. 205 f. — Pero fertigte 1502 die erste erhalten gebliebene Seekarte mit einem Hinweis auf die Mißweisung an, und Jorge versah um die Mitte des 16. Jhs. die Tätigkeit eines Examinators in der Navi­ gationskunst. s13) Abgeleitet von Raginald, Reinold, Reinelt (Albert Heintze und P. Cascorbi, Die Deutschen Familiennamen, geschichtlich, geographisch, sprachlich, Halle 1908, S. 227, 229). 814) Cortesäo, a. a. O., S. 251. 815) Ravenstein, a. a. O., S. 47, 75. 818) Hennig, a. a. O., S. 3 3 5 f. — Auch Hennig weist auf die Möglichkeit deutscher Abstam­ mung der Reinei hin. 817) Cortesäo, a. a. O., S. 249 f., 259. 818) Ravenstein, a. a. O., S. 60. 819) Bensaüde, a. a. O., S. 24, 28, 173. 82°) Heintze-Cascorbi, a. a. O., S. 215. 821) Prestage, a. a. O., S. 372.

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Somit ist deutlich geworden, daß spätestens seit der Zeit Behaims mehrere deut­ sche Kosmographen und Kartographen in Portugal tätig waren, von denen nach Lage der Dinge angenommen werden muß — teils auch bewiesen werden konnte —, daß sie Benutzer nürnbergischer astronomischer Geräte waren und daß sie zur Entwick­ lung der portugiesischen Nautik beigetragen haben. Die Wirksamkeit des Deutschen Martin Behaim in portugiesischen Diensten war demnach damals keine vereinzelte Erscheinung. 9.

Rückblick auf Nürnbergs Ausfuhr astronomischer Geräte nach den iberischen Ländern

Schon aus der Tatsache, daß die nümbergischen Zirkelschmiede, Kompaßmacher und andere Hersteller astronomischer Geräte ihre Erzeugnisse nach vielen deutschen und fremden Länden — an Gelehrte und Fürsten in ganz Europa — geliefert haben, konnte der Schluß gezogen werden, daß auch jene Länder, die am stärksten wegen der beginnenden Hochseeschiffahrt auf solche Einfuhr angewiesen waren — Spanien und Portugal — keine Ausnahme davon gemacht haben. Glücklicherweise brauchte es aber mit dieser Schlußfolgerung nicht sein Bewenden zu haben. Für deren Richtigkeit wurde bereits eine Reihe von Beweisen erbracht. Da sie jedoch in der Fülle des Stoffes nicht ge­ nügend hervortreten, sollen sie hier zusammengefaßt noch einmal vorgetragen und ergänzt werden. Erst dadurch wird ihre Bedeutung in das volle Licht gerückt. Die deutsche und ebenso die nümbergische Warenausfuhr nach den iberi­ schen Ländern wurde in den ersten drei Vierteln des 16. Jahrhunderts über­ wiegend über Antwerpen geleitet. Aus Exportlisten und Notariatsakten der Scheldestadt sowie aus kaufmännischen Usancenbüchern und anderen Quellen dieser Zeit geht hervor, daß von hier aus unter anderen — insbesondere nürnbergischen — Metallwaren auch Kupfer- und Messinggeräte, Schlagührlein und sonstige Uhren, Meßgeräte, Zirkel, astronomische Instrumente wie Himmels­ kugeln (sphera mundi), Kompasse und andere Geräte mehr weiter nach den westlichen und südlichen Ländern Europas — auch nach Portugal — geleitet wurden. Zum Teil erscheinen sie zusammengefaßt unter dem Sammelbegriff „Marchandises de Nuremberg“ oder „aprestos nauticos“ 322). Es gab aber für die deutschen Waren noch einen anderen Seeweg nach der iberischen Halbinsel, nämlich den von Italien, besonders Genua aus nach Bar­ celona und darüber hinaus. Ihn hat u. a. auch die Große Ravensburger Han­ delsgesellschaft benutzt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß sich unter jenen — meist nümbergischen — Metallwaren, die diese Gesellschaft in den Jahrzehnten um 1500 in Spanien eins22) Goris, a. a. O., S. 293, 301. — K. O. Müller, Welthandelsbräuche (1480—1540), Stutt­ gart 1934, S. 101 f., I 128, III 163. — Ravenstein, a. a. O., S. 51. — J. Strieder, Aus Antwerpener Notariatsarchiven, Neudrude, Wiesbaden 1962, S. XXXVI passim. — Lorenz Meder, Handelbudi, Nürnberg 1558, S. XXIII, XXVIII. - Kulisdier, a. a. O., II, S. 285. — Klaveren, a. a. O., S. 65.

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führte, so z. B. Kupferplatten, Messing, Gewichte, Draht, Nägel, Nadeln, Sporen, Steig­ bügel, Messer, Schlüssel, Zirkel aus Eisen usw. gelegentlich — vielleicht sogar häufig — auch nautisch-astronomische Geräte befanden. Denn wie Boccardo und andere Wirt­ schaftshistoriker über die ungenügende spanische Erzeugung feinerer Metallwaren aussagen, empfing Spanien alle Instrumente, die aus Kupfer [und Messing] hergestellt wa­ ren, aus Deutschland 323). Selbst feinere Eisenwaren und Waffen machten davon keine Ausnahme. Noch heute befindet sich im Indienarchiv in Sevilla eine kunstvolle schmiedeeiserne Truhe nürnbergischer Herkunft 324). Und das Nürnberger Handels­ haus der Nützel sandte 1555 ein vom Mechaniker Leonhard Danner angefertigtes Brechzeug nach Spanien 325). Weiter oben (im Abschnitt 3) wurde schon berichtet, daß um 1430 unter anderen Waren nürnbergischer Herkunft messingene Quadranten dutzendweise über Saragossa in Spanien eingeführt wurden.

Selbst über Frankreich — besonders über Lyon und La Rochelle — erhielt Spanien deutsche Waren, so unter anderen Metallerzeugnissen auch Kom^ passe 326). Schon um 1400 erreichten deutsche Kompaßsonnenuhren Portugal. Im Jahre 1430 werden dort die Magnetnadeluhren von König Duarte — dem Bruder Heinrichs des Seefahrers — als eingeführtes Erzeugnis erwähnt 827). Im näch­ sten Jahrhundert berichtet einer der hervorragendsten portugiesischen Nautiker, die Sanduhren, die zur Beobachtung der Stunde der Eklipsen dienten, sowie die Sonnenuhren würden alle in Flandern und Deutschland hergestellt 328). Diese Aussage wird bestätigt durch den Nachweis, daß in Nürnberg und Augs­ burg auch Kompaßsonnenuhren für portugiesische und spanische Polhöhen eingerichtet wurden und daß Wolf Behaim in Lissabon sich 1507 einen „Compast“ bei Etzlaub in Nürnberg bestellte 329). Kolumbus bediente sich auf seiner ersten Entdeckungsreise [sog.] flämischer Kompasse 33°). Doch handelte es sich hierbei zweifellos um solche aus Nürnberg. Es gab nämlich nirgend sonstwo ein solch starkes Kompaßmacherhandwerk wie es in Nürnberg nachgewiesen ist; und die nürnbergischen Kompasse berücksichtigten die Mißweisung, was bei anderen erst später der Fall war. Als flämisch wurden sie be­ zeichnet, weil sie über Flandern nach den iberischen Ländern gelangten, wie auch Deutsche und Nürnberger, die in Flandern lebten, nicht selten als Flamen bezeichnet wurden. Aber selbst wenn man annehmen wollte, daß sie wirklich in Flandern her­ gestellt worden seien, so dürfte doch nicht übersehen werden, daß dies dann nach nürnbergischen Vorbildern und nicht selten durch eingewanderte [süd-]deutsche Hand323) Alois Sclmlte, Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft 1380—1530, 3 Bd., Stuttgart 1923. — Boccardo, a. a. O., S. 246. 324) Enrique Otte, Jacob und Hans Cromberger und Lazarus Nürnberger, die Begründer des deutschen Amerikahandels (MVGN 52) 1963/64, S. 129. 825) Pilz, a. a. O., S. 33 (vgl. auch MVGN 47), S. 47, 417. 32e) StadtAN, Kons. 43, BL 29^, 61^ — Baillon, a. a. O., S. 39 f. — Kellenbenz, Unter­ nehmerkräfte, S. 177, 310 passim.. — Vgl. Anm. 210 und 211. 327) Taylor, a. a. O., S. 173. 328) Bensaüde, a. a. O., S. 33. — Sanduhren wurden in Mengen auch in Venedig hergestellt. 32») Ygi Abschnitt 6b, Anmerkung 151. 83°) Vogel, Kompaß, S. 24.

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werker geschehen wäre. Ferner ist zu berücksichtigen, daß damals die Niederlande zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörten.

Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurden „Compas“ (das können Zirkel oder Kompasse gewesen sein) in Koffern von Antwerpen aus nach der iberi­ schen Halbinsel verfrachtet331). Die Ausfuhr von nürnbergischen „UniversalSonnenuhren" nach Lissabon und Cadiz läßt sich bis in das 19. Jahrhundert hinein verfolgen 832), und noch im 20. Jahrhundert fabrizierte man in Portugal Klappsonnenuhren aus Holz nach altem deutschen Vorbild 33S). Wer in den iberischen Ländern ein zuverlässiges Astrolab haben wollte, ließ es aus Nürnberg kommen. Das beweist der mehrfach zitierte Brief des Geographen Valentin Fernandes von 1510 an den nürnbergischen Faktor der Höchstetter Stephan Gabler mit dem Auftrag, ihm ein gutes Astrolab zu be­ sorgen *84). Es handelte sich hierbei zweifellos nicht um einen vereinzelten Fall, und ein besserer Beweis für die Bevorzugung nümbergischer Geräte kann kaum geführt werden. Er bestätigt, was bereits einleitend über die Mangel­ haftigkeit der iberischen Erzeugung gesagt wurde. — Auch Augsburg hat u. a. Astrolabe nach der iberischen Halbinsel geliefert, wie in den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts Christoph Schißler ein solches für Markus Fugger an­ fertigte, um von diesem weiter nach Spanien verschickt zu werden. Das gleiche war bei einem kupfernen in 8 Teile zerlegbaren Globus der Fall, den Schißler für den Augsburger Handelsherrn baute und der weiter nach Spanien ging SM). Unter diesen Umständen ist es auch möglich, daß jener Himmelsglobus, den König Joäo II. von Portugal im Jahre 1484 seinem späteren Nachfolger Manuel schenkte, aus Nürnberg stammte. Das war wohl auch der Fall bei der Armillarsphäre, die auf einem Bildnis König Manuels als symbolisches Beiwerk dargestellt ist 338). Überhaupt ist in Hinblick auf die geschilderten Erwerbungen durch so viele Fürsten in Europa anzunehmen, daß auch die spanischen und portugiesischen Herrscher häufig deutsche astronomische Geräte erworben haben, und zwar in erster Linie die Habsburger, angefangen von Karl V., der ja in Deutschland so oft Gelegenheit dazu hatte. Von König Duarte von Portugal wurde es oben nachgewiesen. Aus allem können nun auch Rückschlüsse auf die Herkunft der nautischen Geräte der portugiesischen wie auch spanischen Expeditionen gezogen werden. Nur einige von ihnen seien hier in dieser Beziehung hervorgehoben. Von der Expedition Pedro Alvarez Cabrals, die im Jahre 1500 zur Entdeckung Brasiliens führte, heißt es, daß sie an Lebensmitteln, Artillerie, Munition und Apparaten [darunter auch nachweislich Astrolabe] mit dem Besten ausgerüstet wurde, was 831) Gons, a. a. O., S. 305. 332) W. Kunze, Matthias Burger (MVGN 31), 1933, S. 259. — Gleichzeitig wurden diese Universal-Sonnenuhren auch nach Petersburg geliefert. 333) Zinner, S. 98. 334) Schultheiß, Behaimkatalog D 26. — Daß Gabler Faktor der Höchstetter war oder wurde, geht aus StadtAN. Kons. 17, Bl. 47, hervor. ***) Zinner, S. 503. 33#) Heinrich Schäfer, Geschichte von Portugal, Bd. 2, Hamburg 1839, S. 642. — Prestage, a. a. O., S. 34. 10

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in jener Zeit möglich gewesen sei M7). Was unter diesem „Besten" zu ver­ stehen ist, haben die vorstehenden Ausführungen zur Genüge gezeigt. Vor allem konnte es nicht iberischen Ursprungs sein, wie aus den einleitend ange­ führten Urteilen portugiesischer und anderer Astronomen und Seefahrer her­ vorgeht. Hinzu kommt noch, daß der hervorragendste der Piloten, der Meister Johannes, offensichtlich ein Deutscher war. — Und wer möchte nach Lage der Dinge noch zweifeln an der oberdeutschen Herkunft des größten Teils der astronomisch-nautischen Ausrüstung der Expedition des Francisco de Almeida von 1505 nach Ostindien. — Die Flotte bestand aus 21 Schiffen, von denen drei ganz und gar von italienischen, augsburgischen und nürnbergischen Kaufleuten gestellt und befrachtet wurdensw). Nur durch die Einfuhr aus Deutschland und Italien konnte der bei der Ausrüstung solcher Flotten stoßweise auftretende Be­ darf an astronomisch-nautischen Geräten gedeckt werden. Dasselbe darf von den Expeditionen der Augsburger und Nürnberger Welser sowie der Neidhart und Fugger in Augsburg nach Südamerika gesagt werden. Die iberischen Länder vermochten höchstens die aus Holz recht und schlecht hergestellten Geräte zu liefern. Besonders deutlich läßt sich die deutsche Herkunft eines Teils der astronomisch-nautischen Ausrüstung bei der Expedition Magellans erkennen. Der Weltumsegler führte folgende Mengen astronomisch-nautischer Geräte mit sich 839): 6 Quadranten aus Holz (angefertigt von dem portugiesischen Kosmographen Rui Faleiro) — 1 Astrolab aus Holz (ebenso von Faleiro hergestellt) — 6 Astrolabe aus Metall (ohne Herkunftsangabe) — 15 Quadranten aus Holz mit Bronzebeschlägen (ohne Herkunftsangabe) — 6 Zirkel (ohne Herkunftsangabe) — 35 Schiffskompasse (ohne Herkunftsangabe) — 18 Sanduhren (ohne Herkunftsangabe).

Dabei ist zu beachten, daß die Holzinstrumente durch den berühmten por­ tugiesischen Kosmographen Rui Faleiro angefertigt wurden, während bei den Metallgeräten die Herkunft nicht angegeben ist. Daraus darf mit absoluter Sicherheit geschlossen werden, daß es sich auch sonst bei den von iberischen Astronomen und Piloten hergestellten Instrumenten durchweg um solche aus Holz gehandelt hat, während die Metallgeräte eingeführt wurden. Wenn man es nicht sonst schon wüßte, woher diese kamen, so gäben die Akten über die Ausrüstung der Expedition Magellans darüber Auskunft. Sie zeigen, daß sie von den Fuggern durch Vermittlung des spanischen Kaufmanns Christobal de Haro gestellt wurde. Die Fugger aber pflegten sich ihre Metallwaren teils durch ihre Niederlassung in Nürnberg, teils durch ihr Messingwerk in Fuggerau zu besorgen 84°). 887) Jaitne Cortesäo, A Expedifäo de Pedro Alvares Cabral e o Descobrimento do Brazil, Lisboa 1922, S. 178, 260. 888) F. Hümmeridi, Die erste deutsche Handelsfahrt nach Indien 1505/06, München 1922, S. 20 passim. — MVGN 1, S. 100 ff. 839) ]. T. Medina, Collecion de documentos ineditos para la historia de Chile. ^ In früherer Zeit dürfte der Fugger’sche Faktor Christoph Hering einen großen Anteil an dem Export von deutschen Metallwaren, besonders Messinginstrumenten, nach Spanien 146

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Neben den Fuggern, der Welser-Vöhlingesellschaft und den Höchstettem in Augsburg sowie der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft mögen u. a. die Nürnberger Handelshäuser der Imhoff, Münzer, Hirschfogel, Nützel und Behaim, die damals im Handel mit den iberischen Ländern besonders bekannt­ geworden sind, an der Einfuhr wissenschaftlicher Geräte — mindestens hin und wieder — teilgehabt haben M1). Aus allem ergibt sich, daß Portugal seine messingenen astronomischen Ge­ räte aus Deutschland und vornehmlich aus Nürnberg erhielt. Und es kann kei­ nem Zweifel unterliegen, daß Peuerbach, Regiomontan und Behaim hierbei Wegbereiter waren. Dabei ist es eine Frage untergeordneter Art, ob Behaim astronomische Instrumente nur für seinen eigenen Bedarf oder auch für den Markt eingeführt hat. Wesentlich ist nur die sich zwingend aufdrängende Schlußfolgerung, daß er in Portugal auf die eine oder andere Weise zum Über­ gang von der geographischen zur astronomischen Steuermannskunst mit Hilfe metallener Geräte aus Nürnberg beigetragen haben muß, daß somit der Bericht des als zuverlässig geltenden portugiesischen Historikers Joäo de Barros’ über Behaims Teilnahme an der Verbesserung der Navigations­ methode nicht in Widerspruch steht mit der Entwicklungsgeschichte der portu­ giesischen nautischen Wissenschaft und den wirtschaftshistorischen Tatsachen. Denn — um es abchließend zu wiederholen — als Martin Behaim nach Portugal kam, navigierte man hauptsächlich noch mit Karte und Kompaß, allenfalls mit großen Quadranten und Astrolaben aus Holz. Erst während seiner Tätigkeit in portugiesischen Diensten vollzog sich langsam der Umschwung zu regelrechter astronomischer Steuermannskunst mit metallenen Geräten. — Doch muß beach­ tet werden: Es war hier nicht das Ziel, den unmittelbaren Beweis einer Mit­ wirkung Martin Behaims an diesem Umschwung zu führen, sondern es sollte durch die Betrachtung der wirtschaftshistorischen Verhältnisse augenscheinlich gemacht werden, daß Barros’ Darlegungen über solche Mitwirkung glaub­ würdig sind. Diese Glaubwürdigkeit wird auch dadurch gesichert, daß König Joäo II. Martin Behaims Verdienste durch den Ritterschlag würdigte, Thomas Münzer seinen Landsmann dem König zur Durchführung einer Westfahrt nach Indien mit astronomischen Instrumenten in Vorschlag brachte, Kaiser Maxi­ milian I. ihn als den am weitesten gereisten Bürger seines Reichs bezeichnete, der spanische Historiker Herrera ihn einen Freund des Kolumbus nannte, Magellan ihn als bekannten Kosmographen rühmte und Martin Behaim d. J. und Portugal gehabt haben. Er hatte sich um 1500 in der Fuggerschen Faktorei in Nürnberg bewährt und leitete von 1501—1505 die Messingwerke in Fuggerau (G. Frhr. v.Pölnitz, Jakob Fugger, 2 Bd., Tübingen 1949/51, II, S. 75). Das nürnbergische Messing­ gewerbe wurde vielfach von den Fuggern — wie auch von den Höchstettern — mit Kupfer und Messing beliefert, und als Gegenleistung werden sie nicht selten jene Messinggeräte erhalten haben, mit denen sie u. a. die romanischen Länder versorgten. M1) Konrad Haebler, Das Zollbuch der Deutschen in Barcelona (1425—1440). In: Württembg. Vierteljh., N. F. X, 1901 ff., I, S. 114, 357. — Derselbe, Welser, S. 3—10, 14. — Schulte, Ravensburger Handelsgesellschaft. — v. Imhof, „Wie der König von Portugal etlich schiff gen kalakut schickt" (MVGN 1), 1879, S. 100 ff. — Herrn. Kellenbenz, Nürnberger Handel um 1540 (MVGN 50), 1960, S. 305. — Ravenstein, a. a. O., S. 6.

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sich in Nürnberg auf die von seinem Vater in Portugal erworbenen Verdienste berief. — Daß diese Verdienste [in erster Linie] auf astronomisch-nautischem Gebiet gelegen haben müssen, ist schließlich von Hieronymus Münzer und Joäo de Barros mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht. 10.

SCHLUSSBETRACHTUNG Die Bedeutung der fremden Kosmographen in Portugal und ihres Imports astronomischer und nautischer Geräte für die Entwicklung der portugiesischen und spanischen Hochseeschiffahrt und für die Geschichte der großen iberischen Entdeckungen Kein Volk der Erde hat für die Entwicklung der Seefahrt und in der Ge­ schichte der Entdeckungen Größeres geleistet als die Portugiesen. Ihre Pionier­ tätigkeit führte im Verlauf von Jahrzehnten zur Entschleierung der Westküste Afrikas und seiner Inselwelt, zur Entdeckung des Seewegs nach Ostindien, zur Entdeckung Brasiliens und zur ersten Weltumsegelung Magellans auf spa­ nischen Schiffen. Aber auch die Entdeckung Amerikas ist letzten Endes eine Folge portugiesischer Vorarbeit auf nautischem Gebiet. Zu den großen Verdiensten der portugiesischen Herrscher gehört es, daß sie zur Förderung ihrer überseeischen Pläne auch Angehörige fremder — ge­ werblich und wissenschaftlich vorgeschrittener — Nationen herangezogen ha­ ben. Neben katalanischen Nautikern, spanisch-jüdischen Gelehrten und italie­ nischen Seefahrern gehörten dazu auch Deutsche. Es entstand daraus allmäh­ lich eine portugiesisch-italienische sowie eine portugiesisch-deutsche Zusam­ menarbeit, die für die Wirtschaft Portugals und die großen Entdeckungen von hoher Bedeutung geworden ist. Die wissenschaftliche Nautik erfuhr dadurch eine solche Verbesserung, daß der Übergang von der Küstenschiffahrt zu einer geregelten Hochseeschiffahrt möglich wurde. Genuesen waren es, die schon im 14. Jahrhundert Werften in Portugal errichteten und der portugiesischen Schiffahrt einen starken Auftrieb ga­ ben842). Im nächsten Jahrhundert führten Italiener hier die in ihrer Heimat vorgeschrittene Kunst der Anfertigung von Seekarten ein34S). Neben Portugie­ sen selbst setzten Katalanen und Deutsche diese Kunst fortM4). Kosmographen aus Deutschland und Spanien brachten Tabellenwerke für astronomische Be­ rechnungen mit, arbeiteten Methoden der Breiten- und Längenbestimmung aus und begleiteten portugiesische Expeditionen. Diese wurden nicht selten von 842) Friderici, a. a. O., II, S. 44. — Prestage, a. a. O., S. 10. — Schon 1120 richtete ein genue­ sischer Schiffsbaumeister in Spanien eine Schiffswerft ein. — Mit Schiffen, die von Genue­ sen erworben waren, besiegte Sancho IV. 1284 die Mauren (R. Konetzke, Das spanische Weltreich, München 1943, S. 18, 20). Vgl. weiter: E. Zechlin, a. a. O., S. 372. **) Friderici, II, S. 46. M4) Ebd., II, S. 46. — Auch Behaim befand sich unter ihnen (Prestage, a. a. O., S. 152).

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italienischen, deutschen und niederländischen Kaufleuten ausgerüstet und mit astronomisch-nautischen Instrumenten versehen 845). So gesellte sich zu den großartigen nautischen Leistungen der Portugiesen wirtschaftliche, wissen­ schaftliche und tätige Mitarbeit von Italienern, Spaniern und Deutschen. Nach allem muß die These, die Deutschen hätten nicht den geringsten Ein­ fluß auf die Entwicklung der portugiesischen Hochseeschiffahrt und somit auch keinerlei Einfluß auf die großen Entdeckungen gehabt, nachdrücklich zurück­ gewiesen und dagegengesetzt werden, daß auch sie durch mannigfaltige Leistungen dazu beigetragen haben, Voraussetzungen zur Entstehung des Entdeckungszeitalters zu schaffen. 345) Ygi hierzu die Ausführungen in den Abschnitten 8 c 3 und 9. — Hieronymus Münzer sah 1495 in Lissaboner Warenlagern nürnbergische Metallwaren. Er traf dort Dutzende

deutscher Artilleristen an (F. Kunstmann, Hieronymus Münzers Bericht über die Ent­ deckung der Guinea; in Abhandlung der königlich bayerischen Ak. d. W., philos.philolog.-hist. Kl. VI/l, 1850).

Berichtigung und Ergänzung Auf Seite 138 muß es in der Zeile 9 heißen; „ ... für das erhoffte portugiesische Gewürz­ monopol ... " — Es wird noch zu untersuchen sein, ob der Behaim-Münzersche Plan einer Westfahrt nach Ostasien von Maximilian I. etwa deshalb propagiert wurde, um die portugie­ sische Krone in ihrer Absicht zu unterstützen, eine Gesandtschaft mit Handelsvorschlägen an den chinesischen Hof zu entsenden. Die Fugger und die Gossembrot, an welche Maximilian den portugiesischen Unterhändler verwies, waren nicht geneigt, Mittel hierfür zur Verfügung zu stellen (Götz Frhr. v. Pölnitz, Jakob Fugger, I, S. 48, II, S. 18. — Derselbe, Anton Fug­ ger, I, S. 18. — Kellenbenz, Behaimfrage, MVGN 48, S. 88).

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DIE PRIVILEGIEN DER FRANZÖSISCHEN KÖNIGE FÜR DIE OBERDEUTSCHEN KAUFLEUTE IN LYON Von Gerhard Pfeiffer

Verzeichnis der Abkürzungen A. d. Rhone = Archives departementales du Rhone, Lyon. Wenn keine Signaturen genannt sind, handelt es sich um noch nicht verzeichnete Bestände. A. m. = Archives municipales. Hector Ammann, Oberdeutsche Kaufleute und die Anfänge der Reformation in Genf, ZwLG 13 (1954) Gustav A u b i n — Arno Kunze, Leinenerzeugung und Leinenabsatz im östlichen Mittel­ deutschland zur Zeit der Zunftkäufe (Stuttgart 1940) Ingomar Bog, Oberdeutsche Kaufleute zu Lyon, JfL 22 (1962) Alfred B o n z o n, La Banque ä Lyon au XVIe, XVIIe et XVIII* siecles (Lyon 1902) Marc Br esard, Les foires de Lyon au XVe et XVI* siecles (Paris 1914) Helene Burger, Das älteste E h e b u c h der Pfarrei St. Lorenz in Nürnberg (Nürnberg 1951)

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Habent sua fata libelli — könnte man auch zur Geschichte der Überlieferung der Privilegien der deutschen Kaufleute in Frankreich sagen. Die Originale sind verschollen. Ihre Verwaltung lag in privaten Händen, bei Kaufleuten, und sie dürften nie in ein öffentliches, städtisches Archiv gelangt sein. Sie befanden sich im 16. und 17. Jahrhundert bis in die Zeit des Dreißig­ jährigen Krieges hinein in der Lyoner Niederlassung der Nürnberger Tücher. Als Dr. Georg Roggenbach 1547 zur Erneuerung der Privilegien an den fran­ zösischen Hof geschickt wurde, schrieb man ihm in der Instruktion vor, das Hauptstück, das „Original, so zu Lyon bey den Tüchern liegt", mitzuneh­ men *)> und noch vor Beendigung dieser Gesandtschaft wurde von Paulus *) StA Nbg. S I L 48 Nr. 58.

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Tücher am 12. September 1547 nach Hause berichtet2),3 daß „uns Jacob Jäger die alten privilegia wieder zustellen solt, — welches geschehen ist". Es war also die Regel, daß man für die Erneuerung der Privilegien beim Kgl. Hofe die bisherigen Originalurkunden vorwies, was für das Jahr 1559 wiederum ausdrücklich bezeugt ist8). In der Heimat hatte man keine authentischen Texte und wußte, wie aus einer Korrespondenz zwischen Augsburg und Nürnberg 1594 hervorgeht4),5 6eben weil die Privilegien in Frankreich lagen, nicht recht, was sie „eigentlich in sich halten". Die Erhaltung der Privilegien wurde in demselben Augenblick gefährdet, in dem die Kontinuität der deutschen Handelsvertretungen in Lyon unterbro­ chen wurde. Das trat mit dem Eingreifen Frankreichs in den Dreißigjährigen Krieg ein. 1640 erfahren wir, daß zwar früher Thomas und Carl Tücher für die „bey der Cron Frankreich in Handelssachen erlangten Privilegien und Immunitäten die Documenta und Scripturen geführt", die Tücher aber die Schriftstücke an Jacob Gammersfelder, Johann Erasmus Dilherr und Hans Förenberger selig Erben übergeben hättenö). Kurz darauf wurde über die Firma Paul Förenberger und Hans Bosch der Konkurs eröffnet8). Der Geschäftsführer der Firma in Lyon Perachon trat als douanier in französische Dienste. Er hat — nach der einen Äußerung — die Kopien, nach einer anderen die Originale mitgenommen7). Die Klage der Kaufleute richtete sich daher bald gegen den „gottlosen Perachon", vor allem als seit Herbst 1644 von den französischen Zollpächtern bestritten wurde, daß die deutschen Kaufleute überhaupt Privilegien besäßen8). So sah die Frankfurter Kaufmannschaft 1645 als einzigen Ausweg die Möglichkeit, daß der Rat namens der Reichsstädte die Privilegien reklamieren solle9). Weder Straßburg noch Ulm besaßen Abschriften, nur die Nürnberger Marktvorgeher hatten offenbar copialiter die Texte in Händen 10).* Bald aber tauchte die Vermutung auf, die „Herwartischen" hätten die Urkunden in Händen n). Es ist nicht ausgeschlossen, daß über einen erfolg­ reichen Deutschen aus dieser Familie, den damals zum französischen Staatsrat und Intendant des finances aufsteigenden Bartholomäus Herwart, Sohn des Augsburg-Lyoner Kaufmanns Daniel Herwart12), die deutschen Kaufleute wieder in den Besitz der Dokumente gekommen sind. Aus ihnen wurden jeden­ falls Exzerpte hergestellt, die als „extraits des lettres des roys de France" ge2) TA I. 13. 3) StA Nbg. S I L 48 Nr. 59 (Ber. Dr. Roggenbach 23. XII. 1559). 4) StA Nbg. Diff. akt 760 (Augsbg. an Nürnberg: 13. IX. 1594) dazu Erklärung der Nürn­ berger Kaufleute. 5) Stadtarch. Nbg. HV 1201 Ba 32 (23. III. 1643). 6) Vgl. Brief d. Matth. Spon an Franz und Hans Georg Scheler in Ulm v. 10. VII. 1644: Stadtarch. Ulm X — 20 — 3. 7) Briefe Bosch aus Lyon (Abschr.) v. 13. u. 28. III. 1644: StA Nbg. Diff. akt 761. 8) Diff. akt 761 (X. 1644 u. 4. VII. 1648). 9) Ebda.: 13. I. 1645: Eingabe d. Frankfurter Kaufmannschaft. 10) Ebda.: Ulm an Nbg. 14. I. 1645 und zu 1648. n) Stadtarch. Augsburg Comm. I (Eingabe Augsburger Kauflt. 1645). 12) Claude Badalo-Dulong, Banquier du roi (Paris 1951).

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druckt und 1656 verbreitet wurden und in handschriftlichen deutschen Über­ setzungen in süddeutschen Stadtarchiven vorliegen13). In Nürnberg jedoch vermutete man immer noch, die Urkunden könnten sich unter der Förenbergischen Konkursmasse befinden14). Witwe und Sohn des Jacob Gammersfelder hatten zwar dem Nürnberger Bancoamt die Akten der deutschen Bruderschaft in Lyon und die vier Schlüssel zur Förenbergischen Truhe übergeben, in der sich die französischen Privilegien befunden hatten “). Aber in dieser fanden sich nur noch Verhandlungen aus den Jahren 1600 bis 1602, keine Originalprivilegien. In den 1660er Jahren hat jedenfalls Hans Christoph Bosch die Kaufmanns­ privilegien wieder verwaltet16); bei ihm wurden sie von Anton Schnuck und Hieronymus Fischer eingesehen17). Der in den Jahren 1671—1677 in Lyon kaufmännisch tätige Peter Dörfler sagte später aus, sie bei Hieronymus Fischer gesehen zu haben, und er wußte, daß Wolf Christoph Winkler beglau­ bigte Abschriften besaß 18). Bei den weiteren Verhandlungen um die Erneuerung der Privilegien fragten die französischen Behörden wieder nach den Origi­ nalen. Als nach dem Frieden von Rijswijk die Deutschen mit einem Neudruck der „Extraits des lettres patentes", der die Zusatzerklärung Ludwigs XIV. zu den handelspolitischen Abmachungen jenes Friedens mitenthielt, operierten, verlangten die prevots des marchands et echevins de Lyon die vollen Texte 19). Sie befanden sich Anfang des 18. Jahrhunderts weiter bei Hieronymus Fischer, der sie dem mit der Führung der Verhandlungen am Pariser Hofe betrauten Hans Jakob Furtenbach zur Verfügung stellen sollte 20). 1717 wußte man in Leutkirch und Lindau, „daß alle Originalien von Franicsco I. bis auf Ludovicum XIII. bey dem Herrn Fischer als der teutschen Kaufleute Syndico in Lyon unversehrter (/) verwahrt stehen" 21). Die schwäbischen Reichsstädte waren also an ihrer Erhaltung besonders interessiert. Es tauchte daher der Gedanke auf, „daß die Original-Privilegia von Herrn Fischer zu Lion abge­ fordert, in sichere Hände gebracht und womöglich heraus zu dem reichsstädti­ schen Archiv eingeschickt werden möchten" 22). Dieser Plan wurde auf einem schwäbischen Kreistag im August 1718 zum Beschluß erhoben 23). Er wurde nicht ausgeführt; denn man benötigte die Originale für die Verhandlungen, die Johann Leonhard Schüler mit dem Ziel der Bestätigung und Erneuerung der Freiheiten am französischen Hofe führte. Bei ihm befanden sich auch „tous ls) StA Nbg. Diff. akt 761 piece 3; die Etraits des lettres du roy finden sich auch in den Stadtarch. Augsbg. (Comm. I.), Lyon u. Ulm (X — 20 — 3). 14) StA Nbg. Diff. akt 762. 15) StA Nbg. Diff. akt 761: 7. VIII. 1661. M) 21. III. 1666: StA Nbg. Diff. akt 760 II. 17) 2. VIII. 1665, Brief d. Hier. Fischer über die Privilegien: „Nun haben wir solche allhier neben anderen Confirmationes": Diff. akt 760. Diff. akt 762: Brief v. 21. III. 1666. 18) StA Nbg. Diff. akt 763. 19) A. m. Lyon CC 315. 20) Stadtarch. Augsbg. Comm. II (24. VIII. 1710). 21) Stadtarch. Lindau 100/1; entsprechende Mitt. Ulms an Nbg.: 15. III. 1717: StA Nbg. Diff. akt 764. **) Ebda.: 6. XII. 1717. Ebda.: 24. VIII. 1718.

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nos titres" als er am 1. Februar 1736 starb24). Ohne Rücksicht auf die deut­ schen Privilegien wurde sein Nachlaß dem kgl. droit d’aubaine unterworfen, so daß „die reichsstädtischen Original-Handelsprivilegia und Documenta, welche Herr Schüler als ehemaliger reichsstädtischer Bevollmächtigter in sei­ nen Händen und Verwahrung gehabt, unter seinen effetti mit obsigniert wor­ den seien und Herr Hillmer von Nürnberg — als Schulerischer neveu — solche bei Endigung der Inventur bis auf weitere Ordre zu Händen nehmen" sollte “). Mit der Nachricht» daß Hillmer die Privilegien zurückerhalten und sie dem aus Leutkirch stammenden Herrn Vincelius ausgehändigt habe, wobei aller­ dings einige Stücke fehlten, die der conseiller d’etat Fagon haben müsse 2Ö), erlöschen die Spuren für den Verbleib der Pivilegien, die die deutschen Kauf­ leute vom französischen König zwischen 1516 und 1617 erhalten hatten. Der folgende Regestenkatalog27) der Kaufmannsprivilegien beruht daher ausschließlich auf Abschriften. Diese sind zum Teil amtlich genommen wor­ den, wie z. B. von denjenigen Privilegien, die 1561 die Deutschen der Senechaussee de Lyon vorlegten und als livre des Privileges (1. pr.) im Stadtarchiv Lyon verwahrt sind; zum Teil sind sie notariell beglaubigt wie diejenigen, die unter S I L 48 Nr. 60 im Staatsarchiv Nürnberg beruhen. Andere sind mir in unbeglaubigter Abschrift Vorgelegen; von einer weiteren Gruppe sind mir trotz Nachforschungen in den Archiven in Augsburg, Lindau, Lyon, Nürnberg, Straßburg, Ulm nur Inhaltsangaben in den „Extraits des lettres" bzw. in ihrer deutschen Fassung bekanntgeworden. Versucht man sich klar zu machen, welche Auswirkungen bzw. Voraus­ setzungen diese Privilegien für den Handel der Deutschen in Lyon schufen, so wird man zunächst den Personenkreis derer zu erfassen suchen, denen diese Privilegien zugute kamen. Wie ich an anderer Stelle “) ausgeführt habe, ka­ men seit dem Privileg vom Dezember 1547 diejenigen deutschen, in einer Reichsstadt ansässigen Firmen in den Genuß der Privilegien, die in einer Rolle bei der Senechaussee du Lyonnais eingetragen waren. Diese älteste Rolle ist nicht überliefert. Es liegt aber eine Matrikel vor, die für die Zeit von 1579 bis 1620 gültig war und die durch eine ebenfalls überlieferte Rolle 1621 er­ setzt wurde. Diese neue Rolle behielt bis weit in den Dreißigjährigen Krieg hinein, wohl bis zum Eintritt Frankreichs in den Krieg (1635), Gültigkeit. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurden deutsche Kaufleute in eine 1654 angelegte Liste der Schweizer mit eingetragen, so daß wir auch für die 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts die „privilegierten" deutschen Kaufleute kennen. Von diesen, in der beifolgenden Liste durch Kursivdruck herausgehobenen „privilegierten" Kaufleuten müssen jene Persönlichkeiten unterschieden wer­ den, die faktisch an Ort und Stelle auf den Messen von Lyon, besonders als 24) ^ 26) 27)

25)

Ebda.: Brief Vincelius v. 5. III. 1736. StA Nbg. Diff. akt 765 u. Stadtarch. Lindau 100/1 (13. IV. 1736). StA Nbg. Diff. akt 765 (16. IV. 1736) In einem großen Teil der deutschen Lit. wird nicht berücksichtigt, daß der frz. Hof bis 1562 nach dem Osterstil datierte. Daher differieren vielfach die Datierungen für das 1. Vierteljahr um ein Jahr. In den Actes du 89e Congres des societes savantes (Lyon, 1964).

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Firmenvertreter die Geschäfte abwickelten. In den verschiedenen Quellen­ gruppen werden sie erwähnt; oft sind ihre Namen von den französischen Schreibern bis zur Unkenntlichkeit entstellt. In der Hoffnung, weiteren For­ schungen über die Geschichte des deutsch-französischen Handels damit zu die­ nen, füge ich eine alphabetische Folge von Namen deutscher Lyonkaufleute bei, die ich bei meinen Studien über die Bemühungen der oberdeutschen Kauf­ leute um die Privilegierung ihres Handels in Lyon 29) gefunden habe. Ich habe vielen Helfern zu danken, von denen ich als für meine Arbeit besonders wesentlich folgende nennen möchte: Dr. Biendinger, Augsburg, Mlle Cotton, Lyon, M. Fuchs, Strasbourg, Dr. Huber, Ulm, Dr. Lacour, Lyon, Dr. Löhlein, Nürnberg, Herr Rieber, Ulm, Mlle. Roubert, Lyon, Dr. Schneibögl, Nürnberg, Dr. Schultheiß, Nürnberg.

1

Lyon 1516 (1515) März 14

König Franz I. gewährt auf Bitten der Kaufleute aus Augsburg, Nürnberg, Ulm, Konstanz, Straßburg, Nördlingen, Memmingen und anderen deutschen Reichsstädten, die gewöhnlich das Königreich, besonders auf den Messen von Lyon, zu Wasser und Land besuchen, aus fernen Ländern kommen und Waren wie argent de cendrees, cuivre, metaulx, bätons, armeures einführen, zur Fort­ setzung des Handels auch in Zeiten von Kriegen, etwa zwischen dem König und irgendwelchen nations d’Allemaigne, volle Sicherheit und Geleit für sie, ihre Faktoren, Diener und Unterkäufer (entremetteurs), Freiheit von Repres­ salien und freien Handel. Diese Vorrechte können gegebenenfalls nur mit Frist eines Jahres aufgekündigt werden. Es dürfen auch in Kriegszeiten weder Leute noch Geld, Silber, Schuldscheine oder Waren festgehalten werden, es sei denn, daß die Kaufleute sich durch Teilnahme an Maßnahmen schuldig ge­ macht haben, wegen deren Repressalien ergriffen werden. Sie können auch während 15 Tagen nach Schluß der Messe von Lyon ihre Ware frei ausführen. Registr. beim Tresorier de France 25. X. 1517 bei den Generaux des finances 28. X. 1517 bei dem Senechal de Lyon 14/17. XI. 1517 bei den Elus de Lyon 2. XII. 1517 bei dem General des ports, ponts et passages XI. 1518 Abschr.: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60 Druck: Roth Gesch. I, 288 ff. Reg.: StA Nürnbg. Diff. akt 761 p. 3; Ant. Pericaud, Notes et documents pour servir ä Thistoire de Lyon (Lyon 1846) 38 f.

*•) Vgl. d. Sammelwerk zur Nürnberger Wirtschaftsgeschichte: Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Nürnberg Bd. 11. In der Liste sind gelegentlich Nichtkaufleute und als „allemands" auftretende Schweizer mitberücksichtigt. 155

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St. Germain cn Laye 1528 (1527) März 4

König Franz I. OTdnet an, daß die nach der Kriegserklärung gefangen gesetzten deutschen Kaufleute und Schüler freizulassen sind. Durchführungsanordnung des Prevot de Paris 14 III. 1528 (1527) Reg.: StA Nürnbg. Diff. akt 761 p. 3 StA Nürnb. Diff. akt 764 p. 419 a

3 Lyon 1542 August 11 König Franz I. gewährt den Kaufleuten der Reichsstädte Freiheit von neuen Zöllen für ausgeführte Waren, wie sie die Schweizer Eidgenossen genießen. Abschr.: A. m. Lyon 1. pr. 41

4

Avenay 1543 August 24 *)

König Franz I., Dauphin de Viennois, comte de Valentinois, erklärt, daß die im Königreich verkehrenden Kaufleute der Reichsstädte für Ausfuhrgüter keine neuen impostz et subsides zu zahlen haben als die, welche auch die sieurs des ligues de Suisse zahlen müssen. Registr. in der cour des aides 26. IX. 1561 im Parlament de Dauphine (Grenoble) 3. XII. 1543 im Parlament Paris 8. II. 1549 (1548) im Parlament Dijon 7. V. 1549 im Parlament Grenoble 3. VII. 1549 im Parlament Rouen 18. VII. 1550 im Parlament Aix 7. IV. 1553 (1552) in der cour des aides Paris 18. IX. 1560. Die cour des aides (Paris) bestätigt auf Ersuchen der Kaufleute von Augsburg, Ulm, Nürnberg, Konstanz, Straßburg, Memmingen u. a. die Freiheit von Abgaben für Wachs und Safran außer vom droit d’entree: 30. XI. 1550; diese Freiheit wird erteilt 8. II. 1559 (1558) vgl. Nr. 16 und in der cour des aides bestätigt 28. II. 1559 (1558) Abschr.: A. m. 1. pr. 19, 42 f. StA Nürnb. S I L 48 Nr. 60 *) Bei dem enregistrement wird mehrfach der 23. August genannt.

5

Fontainebleau 1547 Dezember

König Heinrich II. gewährt den Kaufleuten von Augsburg, Ulm Nürnberg, Konstanz, Straßburg, Nördlingen, Memmingen u. a. deutschen Reichsstädten das Recht, frei im Königreich zu Land und auf Flüssen, auch in Kriegszeiten, 156

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Handel zu treiben, auch durch Faktoren und Vermittler treiben zu lassen, und will von ihnen nur die alten Abgaben erheben wie von den Eidgenossen. Er gewährt das Recht, während der Messen und 15 Tage nach ihrer Beendigung die Waren unter Messefreiheit auszuführen, selbst wenn irgend eine der Reichsstädte den Feinden des Königs Hilfe gewährt oder Kaufleute in einer der römischen Kirche nicht gehorchenden Stadt oder Landschaft wohnen. Er schränkt das Repressalienrecht gegen Kaufleute einer Reichsstadt auf den Fall ein, daß in dieser einem französischen Untertan das Recht verweigert wurde, und befiehlt, daß die wirklichen Kaufleute, die die Privilegien genießen wollen, sich innerhalb der nächsten 4 Monate vor dem lieutenannt general in der Senechaussee de Lyon einschreiben lassen, wo sie sich verpflichten müssen, im Kriegsfälle keine dem Feinde nützenden Waren (contrebande) auszuführen. Registr. im Parlament durch den Procureur general, Paris 8. II. 1549 (1548)

im im im im in

Parlament Dijon 7. V. 1549 Parlament d. Dauphine 3. VII. 1549 Parlament Rouen 18. VII. 1550 Parlament Aix 7. IV. 1553 (1552) der cour des aides 18. IX. 1560

Wiederholung mit Bestätigung in Lyon: 16. I. 1551 (1550); die deutschen Kaufleute sind von dem Edikt betr. das droit de foraine auf Safran, Wachs und Barchent nicht betroffen. Abschr.: A. m. Lyon I. pr. 1 ff., 43 ff. A. d. Rhone Ser. B, livre du roi fol. 78 ff.; StA Nürnberg S I L 48 Nr. 60 Drude: Roth, Gesch. I, 292 ff.

Vauluisant 1548 April 23

6

König Heinrich II. erklärt auf Bitten des Bartholomäus Welser und seiner Mitverwandten Johann Paul und Johann Heinrich Herwart und anderer deut­ scher Kaufleute aus den Reichsstädten, die Faktoren in Venedig, Italien, Flan­ dern, Spanien und andern Ländern haben und dort evtl. Kriegsabgaben leisten müssen, daß er deswegen ihre Faktoren, Kommissionäre und Wechselgläubiger (escompteurs), ihre Güter, Lebensmittel und Waren unbehelligt lassen werde. Registr. im im im im

Parlament Paris 8. II. 1549 (1548) Parlament Dijon 7. V. 1549 Parlament Rouen 8. VII. 1552 Parlament Grenoble 3. VII. 1549

Abschr.: A. m. Lyon 1. pr. 4'ff.. StA Nürnberg S I L 48 Nr. 60

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Doullevant 1548 Mai 23

Köng Heinrich II. erklärt auf Bitten der Kaufleute der deutschen Reichsstadt Straßburg, daß er ihre Faktoren, Kommissionäre und Wechselgläubiger (escompteurs), ihre Güter, Lebensmittel und Waren, wofern sie sie nicht ausführen wollen, unbehelligt lassen werde, wenn sie daheim durch ihre Obrigkeit ge­ zwungen werden, irgendwelche dem König schädliche Abgaben zu leisten. Registr. im im im im im

Parlament Parlament Parlament Parlament Parlament

Paris 8. II. 1549 (1548) Rouen 8. VII. 1550 Dijon 7. V. 1549 Grenoble 3. VII. 1549 Aix 7. IV. 1553 (1552)

Absdir.: A. m. Lyon 1. pr. 7' ff. StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60 Reg. (mit falschem Datum 1584!): StA Nürnbg. Diff. akt 764 p. 419 a Stadtarch. Augsburg Comm. m. Frkr. II. 292 Ein Sonderprivileg f. d. Straßburger auf Grund der Darlehen von Israel Minkel de Strabourg, les Mayer de Fribourg, George Obrecht et leurs adherans, d. d. Fontainebleau 7. VI. 1555, registriert im Pari. (Paris) 12. VI. 1555: A. d. Rhone ser. B livre du roi Bl. 194'—199.

8

St. Germain en Laye 1549 (1548) Januar 1

König Heinrich II. befiehlt den Parlamenten von Paris, Toulouse, Bordeaux, Rouen, Dijon, Grenoble und der Provence trotz der Verjährung die Registrie­ rung seiner Urkunde vom Dezember 1547. Registr. Dijon 7. V. 1549 Grenoble 3. VII. 1549 cour des lettres 7. IV. 15 53 (1552) Dijon 7. V. 1549 Abschr.: A. m. Lyon 1. pr. 47' ff. StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60

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Paris 1549 Juli 4

König Heinrich II. erklärt, daß die deutschen Kaufleute Bartholomäus Welser und Mitverwandte aus Augsburg seinem Vater und ihm durch große Darlehen alle denkbaren Dienste geleistet haben und sie weiterhin leisten wollen und dafür täglich aus Deutschland viel Gold, Silber und andere Waren in sein Königreich gebracht haben und zu seinem und seiner Untertanen Nutzen ver­ kaufen, so daß der Welserhandel viel nützlicher ist als der von tausend ihrer Landsleute. Da sie ihre Kinder zur Erlernung der französischen Sprache nach Frankreich gebracht haben, schließt er sie, um den Welserhandel und den Kredit für das Königreich fortsetzen zu lassen, in die deutschen Kaufmannsprivilegien so ausdrücklich ein, als ob ihre Namen in sie eingefügt wären. 158

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Registr. im Parlament zu Paris 19. III. 1550 (1549) Abschr.: A. m. Lyon 1. pr. 9' ff. StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60

10

St. Germain en Laye 1550 Juli 2

König Heinrich II. befiehlt den Parlamenten in Toulouse, Rouen und Bordeaux, das den Kaufleuten der Reichsstädte Augsburg, Ulm, Nürnberg, Konstanz, Straßburg, Nördlingen und Memmingen gewährte Privileg vom Dezember 1547 trotz der Verjährung zu registrieren. Registr. im Parlament Rouen 18. VII. 1550 im Parlament Aix 7. IV. 15 53 (1552) Abschr.: A. m. Lyon 1. pr. 52 ff. StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60

11

Paris 1551 Juni 30

Die generaux conseillers des finances entscheiden auf Grund königlicher Ver­ fügung d. d. Chateaubriand 14. VI. 1551 über Eingaben der deutschen reichsstädtischen Kaufleute aus Augsburg, Ulm, Nürnberg, Konstanz, Straßburg und Nördlingen seit April 1550 über die Abgabenfreiheit für Barchent, Wachs und Safran; die Eingabe war dem Senechal de Lyon vorgelegt worden, der sie den Ausstellern weitersandte. Die Entscheidung lautet: 1. Von dem droit de l’imposition foraine auf Ausfuhrwaren außerhalb der Messezeiten sind die Kaufleute durch Privileg vom 11. VIII. 1542 und 24. VIII. 1543 sowie vom XII. 1547 nicht befreit. 2. Vom droit d'entree de l’epicerie et droguerie sind die Kaufleute durch Privileg vom XII. 1547 für Waren aus Deutschland, nicht für Safran aus Spanien befreit. 3. Von der gabelle auf den nach Lyon einge­ führten Wein sind die Kaufleute für ihre Haushalte befreit. Beilagen: 1. Verfügung König Heinrichs v. 14. VI. 1551; 2. Bittschrift der deutschen Kaufleute s. d. (übersandt m. Verfgg. v. 9. XII. 1550); 3. Zeugen­ aussagen von 11 namentlich genannten conseillers-echevins de Lyon und des Geschäftsführers der Erben des t Thomas Gadaigne, Laurens Cappon, über die Zollerhebung auf Güter der reichsstädtischen Kaufleute; 4. Urk. Kg. Franz' I. v. 11. VIII. 1542, vorgelegt vom deutschen Kaufmann Jakob Jäger, v. 24. VIII. 1543, v. XII. 1547, Kg. Heinrichs II. v. 1. I. 1549 (1548) und 2. VII. 1550; 5. Gutachten des Senechal de Lyon, daß die deutschen Kaufleute von den droits de foraine für Safran, Wachs und Barchent frei sein sollten, aber auch von den droits d’entree auf Wein für ihren eigenen Bedarf (8. I. 1551). Abschr.: A. m. Lyon 1. pr. 31 ff.

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Fontainebleau 1551 November 27

König Heinrich II. befiehlt den Parlamenten von Toulouse, Bordeaux, Pro­ vence und Chambery, ohne Rücksicht auf die Verjährung sein Privileg für die deutschen Kaufleute vom Dezember 1547 zu registrieren. 159

MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

Entsprechender arret des Parlaments der Provence: Aix 7. IV. 1553 (1552) Abschr.: A. m. Lyon 1. pr. 52 ff. StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60

Fontainebleau 1551 November 30

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König Heinrich II. Dauphin de Viennois, comte de Valentinois et Diois, de Provence, Forcalquier und der benachbarten Lande, gewährt den Kaufleuten der deutschen Reichsstädte Augsburg, Ulm, Nürnberg, Konstanz, Straßburg, Nödlingen u. a. Freiheit vom droit d’entree auf Wachs und Saffran. Registr. [im Parlament der Provence 1. IV. 1553 (1552)] in der cour des aides 28. II. 1559 (1558) Abschr. A. m. Lyon 1. pr. 20' f. Auszug: StA Nürnbg. Diff. akt. 761 piece 3

14

Villiers-Costeret 1557 (1556 avant päques) April 6

König Heinrich II. erklärt unter Bezugnahme auf das Privileg vom Dezember 1547, daß die Kaufleute der deutschen Reichsstädte die Abgabenfreiheit der Schweizer Eidgenossen genossen hätten, bis der König im März 1556 (1555) dem Rat der Stadt Lyon den droit de foraine, die reve und den haut passage unter Vorbehalt des Wiederkaufs überlassen hätte. Da der Rat der Statd Lyon die deutschen Kaufleute zu erhöhten Abgaben zwingen wollte, erklärt der König, daß der Rat der Stadt Lyon nicht berechtigt ist, höhere Abgaben als früher von ihnen zu fordern und daß das zu viel Bezahlte zurückerstattet wird. Die Senechaux von Lyon, Beaucaire, Narbonne, Toulouse, Guyenne und andere Beamte werden von dieser Entscheidung verständigt. Abschr.: A. m. Lyon I. pr. 12'ff. StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60 A. d. Rh. Livres du roi: insinuations fol. 420 ff.

15

Compiegne 1557 Juli 7

König Heinrich II. gewährt — auch für die gegenwärtige Kriegszeit — den deutschen Kaufleuten George Obreth und Israel Minkel, die die Lyoner Messen besuchen, eine salvaguardia an festgesetzten Orten für Ein- und Aus­ fuhrwaren wie für Gelder, die durch ihre Diener, Mitgesellschafter, Faktoren und Makler (entrepreneurs) auf dem Land- oder Wasserwege nach bzw. aus Spanien, England, den flandrischen Niederlanden (Pays bas de Flandres) und anderen Gebieten des Königs von Spanien gehandelt werden, vorausgesetzt, daß in Frankreich erzielte Kauferlöse nicht außer Landes gebracht werden und daß Einfuhrwaren am Grenzort konsigniert werden bezw. daß die Schiffe mit Einfuhrwaren unbewaffnet sind und ihre Fracht an den Einfuhrhafenorten geprüft wird. A. d. Rh. Livres du roi, Insinuations fol. 375 f.

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MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

Paris 1559 (1558) Februar 8

16

König Heinrich II. befiehlt auf Ersuchen der Kaufleute der deutschen Reichs­ städte Augsburg, Ulm, Nürnberg, Konstanz, Straßburg, Nördlingen u. a. der cour des aides die gerichtliche Eintragung seines Patents vom 30. November 1551 trotz seiner Verjährung. Registr. in der cour des aides 28. II. 1559 (1558) bei d. Generalite de la Champagne 17. III. 15 59 (1558) Abschr. A. m. Lyon 1. pr. 31

Blois 1560 (1559) Januar 24

17

Der Dauphin Franz ordnet für den Dauphine die Anerkennung und Registrie­ rung des Edikts seines Vaters Heinrich vom 30. November 1551 für die Kauf­ leute von Augsburg, Ulm, Nürnberg, Konstanz, Straßburg, Memmingen und anderen deutschen Reichsstädten trotz der Verjährung an. Registr. in der cour des aides Paris 18. IX. 1560 Abschr. A. m. Lyon 1. pr. Bl. 30

Amboise 1560 (1559) März

18

König Franz II., gewillt, die Privilegien der deutschen Kaufleute aus den Reichsstädten Augsburg, Nürnberg, Ulm, Straßburg, Konstanz, Nördlingen, Memmingen u. a. aufrecht zu erhalten, bestätigt den Inhalt der Privilegien besonders vom Dezember 1547, 23. April und 23. Mai 1548, 4. Juli 1549 und 6. April 1557. Registr. im Pari, von Paris 6. VII. 1560 in der cour des aides 18. IX. 1560 Abschr.: A. m. Lyon I. pr. 15 ff. StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60 Druck: Roth, Nbg. Handelsgesch. I, 297 ff.

Amboise 1560 (1559) März 24

19

König Franz II. gibt den Kaufleuten der deutschen Reichsstädte Augsburg, Nürnberg, Ulm, Straßburg, Konstanz, Nördlingen, Memmingen u. a., um in den Genuß der Privilegien zu kommen, die Möglichkeit, sich vor dem Seneschall von Lyon oder seinem Vertreter einschreiben zu lassen, damit ihre Güter auch nicht als Feindesgut konfisziert werden können, auch wenn sie in feindlichen Schiffen oder unter Feindesgut gefunden werden. Registr. im Parlament Paris 6. VII. 1560 in der cour des aides 18. IX. 1560 Abschr.: A. m. Lyon 1. pr. 17 ff. 11

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MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

Fontainebleau 1560 Juli 24

20

König Franz II. befiehlt auf Grund einer Eingabe der reichsstädtischen Kauf­ leute vom 24. VI. 1560 der cour des aides zu Paris die Registrierung seiner lettres patentes für die Kaufleute der Städte Augsburg, Ulm, Nürnberg, Kon­ stanz, Straßburg, Nördlingen, Memmingen u. a. vom 24. Januar und 24. März 1560.

Ensprechender arret der cour des aides 18. IX. 1560 Abschr.: A. m. Lyon 1. pr. Bl. 54 ff.

21

1561 August 6

König Karl IX. befiehlt den Parlamenten, cours des aides und chambres des comptes, die deutschen Kaufleute ihre Rechte aus den Privilegien Franz' I. und Heinrichs II. genießen zu lassen. Reg.: Extrait des lettres patentes Falsches Datum? Identisch mit Nr.22?

22

St. Germain en Laye 1561 August 14

König Karl IX. bestätigt den Kaufleuten von Augsburg, Nürnberg, Ulm, Straß­ burg, Konstanz, Nördlingen, Memmingen u. a. deutschen Reichsstädten die Privilegien vom Dezember 1547, 23. April und 23. Mai 1548, 4. Juli 1549, 6. April 1557 (1556), März und 24. März 1560 (1559). Registr. im Parlament Paris 26. VIII. 1561 in der cour des aides 26. IX. 1561 Abschr.: A. m. Lyon 1. pr. 22 ff.

St. Germain en Laye 1561 August 16

23

König Karl IX. bestätigt unter Bezugnahme auf das sowohl im [Pariser] Par­ lament wie in der chambre des comptes de Dauphine verifizierte Patent vom 23. VIII. 1543 die Freiheiten, die sein Vorfahre König Franz den die Messen von Lyon besuchenden Kaufleuten der deutschen Reichsstädte Augsburg, Ulm, Nürnberg, Konstanz, Straßburg, Nördlingen u. a. gewährt hat, d. h. die glei­ chen Zollfreiheiten, wie sie die Eidgenossen haben, und die Freiheit vom droit d'entree für Wachs und Safran. Registr. in der cour des aides Paris 26. IX. 1561 Abschr.: A. m. Lyon 1. pr. 24 ff. Druck: Roth, Gesch. I, 299 ff.

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MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

1562 (1561) Februar 7

24

Der Lieutenant general de la Senechaussee de Lyon fällt eine Entscheidung auf Grund von Privilegien f. d. deutschen Kaufleute der Reichsstädte Augs­ burg, Ulm, Nürnberg, Konstanz, Straßburg, Nördlingen, Memmingen u. a. Erwähnt werden Privilegien d. d. Fontainebleau Dezember 1547 (Reg. 5), f. d. Welser d. d. Vauluisant 23. April 1548 (Reg. 6), ein Priv. für Straßburg d. d. Doullevant 23. Mai 1548 (Reg. 7), weitere requetes in Paris 19. III. 1550 (1549) u. 6. IV. 1557 (1556) sowie die Privilegien d. d. Amboise März 1560 (1559) (Reg. 18), 24. März 1560 (1559) (= Reg. 18 u. 19) v. 24. August 1543 (Reg. 4), 30. November 1558 u. 14. August 1561 (Reg. 22). Abschr.: A. d. Rhone Sentences de la Senechaussee 1561/2

Paris 1562 April 17

25

König Karl IX. Dauphin de Viennois und Comte de Valentinois erklärt, daß die Kaufleute aus Augsburg, Nürnberg, Ulm, Straßburg, Konstanz, Nördlingen und anderen deutschen Reichsstädten, wie in den Privilegien vom 14 und 16. August 1561 bestimmt, keine neuen Abgaben zu leisten haben und nicht unter die Bestimmungen des Mandats vom 24. November 1561 fallen, also auch keine Abgaben von Wachs, Safran, Quecksilber und Zinnober zahlen müssen. Privilegiert sind die aus den genannten Städten stammenden (originales) Kaufleute, nicht die, die eine Bürgerurkunde der genannten Städte bekommen, gleich wo sie ihren Wohnsitz nehmen. Registr. in der cour des aides 8. V. 1562 Anerkannt von der douane in Lyon 20. II. 1565 Der Tresorier de France in Lyon, Francois de Rougier, ordnet auf Grund dieser Urkunde die Aufhebung der Beschlagnahme von deutschen Waren an, Paris 3. I. 1564 (1563). Abschr.: A. m. Lyon HH 292 StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60

26

Paris 1563 Dezember 13

König Karl IX. erklärt auf Ersuchen des Johann Paul und Johann Heinrich Herwart, deutscher Kaufleute aus der Reichsstadt Augsburg, daß Quecksilber und das daraus gewonnene (qui se fait audit argent vif) Zinnober, dont lesdits exposants seuls ont les mines, nicht unter die Bestimmungen des droit d'entree auf Gewürze und Drogen fällt. Abschr.: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60 Reg.: ebda. Diff. akt 761 p. 3, 764 p. 419 a Stadtarch. Augsbg. Commercia m. Frankr. II, 294 li

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MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

Cremieu 1564 Juli 14

27

König Karl IX. befiehlt dem Tresorier de France in Lyon unter Bezugnahme auf die kgl. lettre patente vom 17. IV. 1562, gemäß Entscheidung der cour des aides die Kaufleute aus Augsburg, Nürnberg, Ulm,, Straßburg, Konstanz, NordEngen und andern deutschen Reichsstädten nicht mit den auf Grund der lettre patente vom 24. XI. 1561 zu erhebenden Abgaben auf epicerie und droguerie zu belasten. Francois de Rougier, tresorier de France, ordnet die Durchführung des Befehls an, Toulouse 20. II. 1565. Abschr.: StA. Nürnbg. S I L 48 Nr. 60 Reg.: StA Nürnbg. Diff. akt 761 p. 3, 764 p. 419 a Stadarch. Augsbg. Commercia m. Frankr. II, 294

Toulouse 1565 März 2

28

König Karl IX. befreit unter Bezugnahme auf die alten Verträge die Kaufleute aus den Reichsstädten Augsburg, Nürnberg, Ulm, Straßburg, Konstanz, Nordlingen u. a. von jeder neuen Abgabe auf Wachs und Safran nach dem Recht der Eidgenossen. Er befiehlt zu viel Bezahltes zurückzugeben, desgleichen die von dem Zollpächter Louis da Diaceto genommenen Waren: Safran und Garkupfer (? rozettes). Registr. in der cour des aides 19. XI. 1565 Abschr.: A. m. Lyon HH 292 StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60 Reg.: ebda. Diff. akt 761 p. 3

29

1565 (1564) März 30 *)

Sentence des Senechal de Lyon, daß die vom Advokaten Lambert Pinet ver­ tretenen deutschen Kaufleute ihre Privilegien genießen dürfen, keine neuen Abgaben auf Safran, Wachs, Garkupfer und anderen Waren zu zahlen brau­ chen und das zu viel Gezahlte ebenso wie ihre Unkosten auf Grund ihrer Klage gegen Lodovico da Diaceto zurückerhalten sollen. Abschr.: StA Nürnberg S I L 48 Nr. 60 Reg.: StA Nürnbg. Diff. akt 761 piece 3 *) In Lyon wurde noch nach dem Osterstil datiert; in der Sentence wird auf Nr. 27 Bezug genommen.

30

Nantes 1565 Oktober 11

König Karl IX. befiehlt der cour des aides die Eintragung seiner lettre patente vom 2. III. 1565. 164

MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

Am 19. XI. 1565 kommt die cour des aides diesem Befehl nach. Abschr.: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60

31

Paris 1567 November 27

Befehl König Karls, die reichsstädtischen Kaufleute ihre Waren frei von Einund Ausfuhrzoll handeln zu lassen und sie, ihre Faktoren und Unterkäufer in ihren Häusern nicht zu belästigen. Beglaubigt am 29. November 1567 vom kgl. Sekretär Camus. Abschr.: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60; A. d. Rhone Ser: B. livres du roi II, 81 Reg.: ebda. Diff. akt. 761 p. 3, 764 p. 419 a

32

Paris 1568 Januar 4

König Karl IX. befiehlt, die Kaufleute der deutschen Reichsstädte, ihre Fak­ toren und Diener, auch wenn sie der sog. reformierten Religion angehören, nicht zu hindern, ihnen keine neuen Subsidien abzufordern und sie mit ihren Pferden und den für ihre Sicherheit nötigen Waffen und mit ihren Waren verkehren zu lassen. Abschr.: StA Nbg. S I L 48 Nr. 60 Reg.: ebda. Diff. akt 764 p. 419 a

33

1569 August

König Karl IX. befreit die in Lyon wohnenden oder die Messe besuchenden Kaufleute der Reichsstädte von dem droit d’aubaine. Registr. im Parlament (Paris?) 8. II. 1572 Reg.: StA Nürnbg. Diff. akt. 761 p. 3, 764 p. 419 a

34

1572 August 25

König Karl IX. erteilt en forme de placard den deutschen Kaufleuten und ihren kaufmännischen Angestellten (negociateurs) eine Salvagardia in ihren Häusern. Reg.: StA Nürnbg. Diff. akt 761 p. 3

35

Paris 1572 September 12

König Karl IX., gewillt, die Freundschaft mit dem hl. Römischen Reich und den Reichsstädten aufrecht zu erhalten, befiehlt allen Beamten, die reichs­ städtischen Kaufleute, ihre Faktoren, Diener und Unterkäufer mit ihren Pisto165

MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

len und Gewehren frei passieren zu lassen und sie in ihren Häusern, auch wegen ihrer Religion, nicht zu beunruhigen, und stellt sie und ihren Besitz unter seinen Schutz. Registr. in der Senechaussee de Lyon 27. IX. 1572 Abschr.: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60 Reg.: StA Nürnbg. Diff. akt 764 p. 419 a

1575 Mai 11

36

Arret de la cour des aides, durch den die Exemtion der deutschen Kaufleute auch von der durch den Zollpächter Louis Sertain erhobenen neuen Abgabe auf gold- und silbergewirkte Tücher (draps d’or et d’argent), Seidenfäden und andere nach Paris eingeführte Waren bestätigt wird. Reg.: StA Nürnberg Diff. akt 761 p. 3

Paris 1578 Juli 16

37

Im Conseil prive des Königs wird auf Grund einer Eingabe des Paul Ferenberger und Johann Bosch, Kaufleuten aus der Reichsstadt Nürnberg, die die Lyoner Messen besuchen, datiert vom 4. XII. 1577, eine wegen nicht bezahlter neuer Steuern verhängte Beschlagnahme aufgehoben. Die Beschwerde war am 7. Mai 1578 zur Stellungnahme dem Pariser Parlament eingereicht worden, das die vorgelegten Privilegien als gültig für die Kaufleute der Reichsstädte anerkannte, soweit diese vor dem Seneschall von Lyon, seinem Stellvertreter oder dem Conservateur des foires eingeschrieben sind. Danach dürfen Kauf­ leute, die sich einschreiben lassen, erlaubte Waren nach Zahlung lediglich der alten Zölle ausführen. Exped. 17. VIII. 1578

Kollationiert von den Notaren im Chätelet de Paris 15. I. 1588 Drude: Roth, Gesch. d. Nbgr. Handels I, 302 ff. Reg.: StA Nürnbg. Diff. akt 764 p. 419 a, 761 p. 3

38

Fontainebleau 1578 September

König Heinrich II. (von Frankreich und Polen) billigt und bestätigt auf Bitten der Kaufleute von Augsburg, Nürnberg, Ulm, Konstanz, Straßburg, Nördlingen, Memmingen und andern deutschen Reichsstäden nach Beratung im Conseil prive und nach Anhörung des Parlaments in Paris auf Grund der alten Verträge seiner Vorfahren mit den Städten die bisher den Kaufleuten erteilten Privilegien insgesamt und im besonderen, mit der Erlaubnis, in den Städten des Königreichs Faktoren, Diener und von Einquartierungen und neuen Ab­ gaben freie Warenlagerhäuser zu haben; er ordnet die Publikation dieser Deklaration an. 166

MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

Registr. im Parlament Paris 10. X. 1578 in der cour des aides Paris 6. V. 1579 von den Notaren im Chätelet zu Paris 15. I. 1588 Abschr.: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60 Drude: Roth, Gesch. d. Nbgr. Handels I, 304 ff.

1579 März

39

Der general de l’imposition foraine de la Champagne erläßt eine sentence über die Aufhebung der Beschlagnahme von 10 tonneaux deutscher Waren und 5 bottes d’aeiers und Rückgabe der Kautionen der Kaufleute. Reg.: StA Nürnbg. Diff. akt 761 p. 3

1580 Juli 20

40

Der general de l’imposition foraine de la Champagne erläßt eine sentence über die grundsätzliche Freiheit der deutschen Kaufleute von neuen Abgaben. Reg.: StA Nürnbg. Diff. akt 761 p. 3

41

1588 Oktober 26

Auf Grund eines arret de la cour des aides (de la Hayes) wird die Beschlag­ nahme deutscher Waren, vor allem boccassins blancs, noirs et gris, die durch den Zollpächter von Paris, Louvet, erfolgt war, aufgehoben. Reg.: StA Nürnbg. Diff. akt 761 p. 3

Fontainebleau 1595 Mai

42

König Heinrich IV. bestätigt den Kaufleuten der deutschen Reichsstädte Augs­ burg, Nürnberg, Ulm, Konstanz, Straßburg, Nördlingen u. a. auf Bitten des M. d’Hiberer ihre Privilegien: sie brauchen nur die alten Abgaben wie die Schweizer Eidgenossen zu leisten und dürfen Faktoren, Diener und exempte Lagerhäuser haben. Der Genuß des Privilegs ist an die Eintragung der Firmen im Register der Senechaussee gebunden. Registr. im Parlament zu Paris 30. V. 1595 in der cour des aides 10. VI. 1595 in der generalite de Paris 12. V. 1597 in der Senechaussee de Lyon auf Veranlassung des Prokura­ tors der Kaufleute Christoph Chappuys namens des Thomas Stöcker, Paul und Hertwig (? Herticque) Stöcker, Theodor Schüler, Hans Bosch’ (Bauche!) Erben, Paul Forenberger, Christ. Reusner, Andreas Kanler u. Gen., Johann Pinel, Fak­ tors des Wolf Lanzinger. Abschr.: A. m. Lyon HH 292 StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60

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MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

1595 Juni 21

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Arret de la cour des aides ä Paris, durch den die Beschlagnahme von deut­ schen Einfuhrwaren nach Paris wegen Erhebung eines neuen droit d’entree in Paris aufgehoben wird. In dieser Sache ergeht: 30. IV. 1597 arret de la cour des aides 7. VI. 1597 Anordnung des prevot des marchands de Paris über die Registrierung der Privilegien der deutschen Kaufleute 13. VI. 1600 Arret de la cour des aides ä Paris über die endgültige Aufhebung der Beschlagnahmeverfügungen für deutsche Waren. Reg.: StA Nümbg. Diff. akt 761 p. 3

1600 September 9

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König Heinrich IV. gewährt den Kaufleuten der Reichsstädte, der Graubündener und der 13 Schweizer Kantone Freiheit von neuen Abgaben für spani­ schen Safran, der im bureau zu Narbonne und Toulouse vorgeführt und nach Lyon gebracht werden muß. Dieser Saffran ist auch frei von den 5 Pfg. für die gages des officiers, muß aber durch certificats de descente ausgewiesen sein. Abschr.: A. m. Lyon HH 294

Paris 1602 Januar 4

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König Heinrich IV. bestätigt und erneuert auf Grund eines cahier des plaintes die den Kaufleuten der freien Städte Nürnberg, Augsburg, Ulm, Straßburg, Konstanz, Nördlingen und Memmingen gewährten Privilegien hinsichtlich des freien Handels und der Befreiung von neuen Abgaben entsprechend denen der Eidgenossen, zumal sie durant les plus fächeuses saisons et troubles de ce royaume den Handel fortgesetzt haben. Registr. im Parlament Paris II. 1602 in der cour des aides 13. V. 1603 bei den generaux der Champagne 18. XII. 1606 bei der Senechaussee de Lyon 23. XI. 1606 Abschr.: A. m. Lyon HH 292; Stadtarch. Ulm X —20 —2 Reg.: StA Nürnbg. Diff. akt 761 piece 3 und Diff. akt 764 piece 429

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1606 Juni 29

König Heinrich IV. befiehlt, sein Privileg für die deutschen Kaufleute zu registrieren. Reg.: StA Nürnberg. Diff. akt 764 p. 419 a

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MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

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Paris 1617 Januar

König Ludwig XIII. bestätigt den Seigneurs der freien Städte Augsburg, Nürn­ berg, Ulm, Straßburg, Konstanz, Nördlingen, Memmingen und anderer Reichs­ städte die von seinen Vorfahren gewährten Freiheiten und Immunitäten, die zuletzt sein Vater am 4. Januar 1602 erneuert hat. Registr. im Parlament Paris 18. II. 1617 in der cour des aides 26. IV. 1617 u. 15. VII. 1617 in der Senechaussee de Lyon 10. V. 1617 bei dem greffe du bureau des finances de Lyon 17. XI. 1623 bei dem Parlament de Dijon 10. X. 1627 bei der cour des comptes, aides et finances de Bourgogne. Dijon 11. X. 1627 Abschr.: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60 und Diff. akt 761 Stadtarch. Ulm X 20 — 2 Reg.: StA Nürnbg. Diff. akt 764 p. 419 a

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Versailles 1698 Juni 23

König Ludwig XIV. setzt mehrere Artikel des Rijswicker Friedens, darunter Artikel 52 über die Wiederherstellung der Handelsbeziehungen nach dem Vorkriegsstand in Kraft. Erweiterter Neudruck des Extrait des letres patentes

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Marly 1770 Juli 6

König Ludwig XVI. gewährt den Bürgern von Nürnberg die Befreiung von dem droit d'aubaine, um den wechselseitigen Handel zu befördern, jedoch unter Vorbehalt einer 10°/oigen Erbschaftssteuer. Er ordnet die Durchführung bei den zuständigen Behörden an. Reg.: StA Nürnberg. Diff. akt 766

Albreckt, Johannes, Isny, später Rohrschacht: Bog 37, Zorn 75, Lüthy 84; StA Nürnbg. Diff. akt 763 Anschuber, Hans, f vor 1657 Nov. Stadtarch. Nürnbg. HV 1201 Ba/37; StA Nürnbg. Diff. akt 761 Ansemar, Allem. Pemetti. = Hansemann?: Haemmerle Reg., Straßbg.: Wittmer 48 Apel, Cornelius, (1595). Stadtarch. Augsbg. Comm. I Arnelin m. a. Rondot 438; = Hermelin? Asteter, Hieronymus, mercator allemannus, factor et negociator hon. virorum Hieronymi et Davidis Zangmeister, mercatorum civium civitatis Auguste, A. d. Rhone 3 E 3848 (Cussonel) 408 (1539); 3851 (Cussonel) 268' (1557), 270, 302, 305', 306'f, 310 169

MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

Aubrecht s, Obrecht Ayguel, Fant. . . .? 1529 Vial; = Ergel von Nümbg.? (1478) Schulte I, 459; Martin Erkel: Roth, Gen. 42; oder Ayger, Rudolf? Vgl. Endres 116 Ay[r]mann, Georg, Nürnberg, Ver Hees: Komp, von Beth; neu eingetragen 1621: StA Nümbg. S I L 48 Nr. 60; vgl. Roth, Gen. 108. Später selb­ ständig: Hairmann Georg (Ver Hees irrt.: Saixmanf) Baldi[n]ger, Jekan u. Gebr., Ulm, Ver Hees; Neueintr. 1621: StA Nümbg. S 1 L 48 Nr. 60; Hans (1579—163 5), Ulrich (f 1607) und Hans Sigmund (f 1635); gemalter Stammbaum: Museum der Stadt Ulm; Friedr. Frhr. von Gaisberg-Schöckingen, Das Königshaus und der Adel von Württem­ berg (Stuttgart 1914) 313 ff Bauer, Christoph Johann, geb. Ulm: Stadtarch. Augsbg. Comm. II, StA Nümbg. Diff. akt 765; Roth, Gen. 163 Bauer, Matthias (Matthieu), Nürnbg. Ver Hees: vgl. Roth, Gen. 90, 97; Roth, Gesch. I, 308 f; lib. litt.; Köpf 80; StA Nümbg. Diff akt 752 Baumgartner s. Bongart Bayer, Konrad, Nürnbg. Ver Hees; Genannter 1548—91 Stadtarch. Nürnbg. HV 341; Roth, Gesch. I, 309; lib. litt.; zus. m. Hans Schäuffelein: StA Nürnbg. Diff. akt 752; zus. m. Joh. Schürstab: A. d. Rhone 3 E 4499 (Dorlin) 102, 194 f Bayer, Bayard, David m. a. Zeuge 1542: A. d. Rhone 3 E 38 50 (Cussonel) 649' Beck, Hans Christoph, Augsburg m. Cornelius de Walperg: Bog 3 5; cd 1650 m. Felicitas Peerin: Haemmerle 2851: zur Farn.: Aubin-Kunze 208 Bedermann, Antoine, Augsburg: A. d. Rhone 3 E 4502 (Dorlin) 27. IX. 1597; Hagl 14 Beer, Leu[t]kirch, Rondot 440 Behaim, Friedrich: 1506: Hampe Behaim, Wolf, Nümbg. Köpf 80 Be[i]nheim, Jean, Straßbg., Ver Hees, neu eingetr. 1621: StA Nümbg. S I L 48 Nr. 60; vgl. Wittmer 7647; A. m. Strasbourg AA 1865, Spiegelzunft Bd. 5 Beinheim, Johann Abraham, Straßburg, Ver Hees: neu eingetr. 1621; StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60; A. m. Strasbourg AA 1864, 1865, II 84 a Bennel, Vennel, Michel 1512, Vial; = Pinnel? Hans Bimmel (f 1531) oo 1503 Clara Öhmin: Hochzeitsbuch, Stadtarch. Augsbg. Berruyer, 1503 Vial; vielleicht = Pierre Berger, pätissier all.: Kleinclausz I, 408

Berschler, Bonaventura, StA Nürnbg. Diff. akt 763 Beth, Paul u. Johann zus. m. d. Erben v. Conrad in Gesellschaft m. Gg. Ayrmann: Ver Hees Bloemart, Plammert, Jakob, Nümbg., (1648) StA Nümbg. Diff. akt 761; Roth, Gen. 131 de Blumenstein, Francois, * ä Strasbourg 1678: „exploite les mines de la region“: Pemetti II, 296 ff Böhner, Nicolaus d. Ä., 1601 Stadtarch. Nümbg. HV 1201 Ba 1 170

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Bongart 1523 = Baumgartner? Vial; zur Fam. vgl. Stetten 195 ff; Strieder, Genesis 48 ff; Hans Baumgartners d. J. Aufzeichnungen über Lyon: Karl Otto Müller, Welthandelsbräuche 66 ff, 142 f, 268 ff; A. m. Strasbourg, Kontraktstube 136, f° 55 Bonreze, Antoine 1523, Vial; Bonrider: Augsburg? Strauß u. Bonrider in Ulm 1656: Stadtarch. Ulm X—20—3; wohl aus Kaufbeuren: vgl. Ed. Zimmer­ mann, Kaufbeurer Wappen und Zeichen (Kempten 1951) 38 f. Bordet, Gaspard, all. A. d. Rhone 3 E 4203 (Delagrange) Bl. 122 Bose, Francois 1670/77: Rondot 450 Bosch, Ambrosius und Förenberger (Flamberger), Jean 1571/2, Vial; StA Nürnbg. S I L 177 Nr. 28; Roth, Gen. 73 Bosch, Jekan, Nürnberg, Komp. d. Joh. Förenberger: Ver Hees; neu eingetr. 1621 m. Henry Jekan Förenberger et Theodore Semler: StA Nürnbg. SIL 48 Nr. 60; Hans Bosch u. Paul Förenbergers Erben: Köpf 105, 107; Jean Bauche 1595: A. m. Lyon HH 292; A. d. Rhone 3 E 4502 (Dorlin) 1596; Hans Bosch u. Heinr. Hans Förenberger 1622: StA Nürnbg. Diff. akt 760; vgl. Fischer 263; Roth, Gesch. I, 314 f, II, 219; Roth, Gen. 89 Bosch, Joh. Christoph 1643: Beteiligt am Grand Parti: StA Nürnbg. Diff. akt 760; ebda. Diff. akt 761 Braun, Georg Hannibal, 1710 StA Nürnbg. Diff. akt 763; ein Braun aus Nürn­ berg: vgl. Elie Brackenhofer, Voyage en France 136; Silberdrahtzieher­ verleger: Roth, Gen. 140; Braun in Straßburg: A. m. Strasbourg, Kon­ traktstube 169, f° 375 Brechter s. Prechter Burkart, Henry, Nürnbg. Komp. d. Kanler: Ver Hees; Roth, Gen. 92 Burkard, Kaspar (Gaspard) u. Sohn: Ver Hees; neu eingetr. 1621: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60. Roth, Gesch. I, 213; Roth, Gen. 104, lib. litt.; Bracken­ hofer S. 36. Wohl nicht die von Hagl S. 170 ff behandelte Fam. Caib s. Kayb Calberne, Jean d’Aix: A. d. Rhone: Eintragg; s. Kalkbrenner Carnet, Jean 1571, Vial; = Hans Kämmer? Vgl. Roth, Gen. 90 Cattin, Tobie, m. a., Rondot 437 Celaiber s. Schleicher Charles de Nuremberg, tisseur d’or, Vial Chmelly, Francois 1504, Vial; (Hans und Kunig.) Schmelz? lib. litt, oder Schmeling? Chorell, Gaspard, 1571, Vial; = Scherl? Chrifflemant, 1499, Vial; = Schiffmann: Schulte I, 378 Christoph all. 1498, Vial Clau 1476, 1480, 1483, Vial; = Claus Frauenfeld? Schulte I, 161 Cleberger s. Kleberger de la Clef s. Schlüsselberger Clerc, Andre 1504, 1529, Vial; = Pfaff? später: Christoph Pfaff in Straßburg: StA Nürnbg. Diff. akt 754; Vincent Clerc 1606: Rondot 427; Wild 118 Anm. 2; Ver Hees HJ 78 171

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La Clouche, Martin 1545, Vial; = Glock? Comerg, Coummercl, Jehan, Faktor der Minkel und Obrecht: A. m. Lyon AA 75; A. d. Rhone 3 E 4498 (Dorlin) 26. IV. 1564; s. d. folg. Comorelli, Straßburg, 1656: StA Nümbg. Diff. akt 761 Conler s. Kanler Conradt, Bernardin Jean, in Gesellschaft m. Joh. Georg Sdientz, Konstanz 1621 inskr. StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60 Couvreur, David de Francfort: Eintragg.: A. d. Rhone; ein C. Suisse (aus Vevey? Lüthy 9): Pemetti; Rondot 444; Lüthy 110; s. Wwe. Anna geb. Hertner: Testament f. zwei Töchter Fran^oise oo Jacques Vareilles u. Anne oo Leonhard Zollikofer u. Sohn Jean Martin Couvreur: A. d. Rhone. David selbst: A. m. Lyon AA 75 Couvreur, Jean Martin, 1683/4: StA Nümbg. Diff. akt 761; Rondot 134 Couvreur, Martin: Perm, de sortir Sept. 1687: A. d. Rhone; StA Nürnbg. Diff. akt 763 — Zur Farn, auch Dietz, Frankfurter Handelsgesch. V pass. (Reg.) Craff s. Krafft Cristel, Cltristofle, Augsburg, Ver Hees; f 1593, oo 1572 Regina Jenisch: Haemmerle 950; 1601 Christoph Cristels seel. Erben: Stadtarch. Nürnbg. HV 1201 Ba 1; Hagl 79 ff Crof s. Krafft Cropt, Jean Andre, Vreden in Niederdeutschland, Rondot 452 in Curia s. Imhoff Cyprine, Conrad 1527, Vial Czuster s. Schürstab Damel (= Daniel?), Marsis 1504, Vial; Gascon 654 Deber, Urban, Ulm(?), 1590; A. m. Strasbourg AA 1859 Dieffenburger, all. faiseur de lucs, natif de Fressiat(?) ville imperiale en Allemagne, lettre de naturalite: A. d. Rhone, Livre du roi, inscriptions Bl. 432'f Dilher, Erasmus, 1650: StA Nümbg. Diff. akt 761 Dilher, Johann Erasmus, Nürnberg: Stadtarch. Nümbg. HV 1201 Ba/37; Köpf 83 Dilher, Lienhard, 1602, Stadtarch. Nümbg. HV 1201 Ba 1 Dörfler, Peter, Nürnberg, 1671—1677 in Lyon „in Handelsdiensten": StA Nümbg. Diff. akt 763 (1697) Drieben, Georg seel., Erben, Augsburg, 1651: Stadtarch. Augsbg. Comm. I; StA Nürnbg. Diff. akt 761 Dürkheim, Nicolaus, Straßburg: A. m. Strasbourg AA 185; StA Nümbg. Diff. akt 752; A. d. Colmar C 253 fo. 4 Ebel, Jean, m. a.: A. d. Rhone 3 E 3849 (Cussonel), 164; aus Hagenau bzw. Straßburg: Rev. d’Alsace 95 (1956) 146; A. m. Strasbourg, Kontrakt­ stube 56, fo. 300; Spiegelzunft Bd. 5 Eberlin, Michel, hoste allem.: A. d. Rhone 3 E 3849 (Cussonel) 164, 197', 258, 310'; lib. litt.: Eberlein? 172

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Ebner, Christoph: Zeuge beim Testament d. Hans Kleberger: TA I 4 b; betei­ ligt am Grand Parti: StA Nümbg. Diff. akt 760 Eckebrecht, Georg Christoph, Nürnberg, Bog 58; Roth, Gen. 145 Ehekirch, Estguirc (irrt. Estguire!), Veit, Ulm: Ver Hees; 1590: A. m. Stras­ bourg AA 1859; (f 1599) Ehaim, Ehern, Hans, Schwiegersohn d. Georg Mülich, Augsburg, Stadtarch. Augsbg. Not. arch. Spreng III, 49, ebda. Comm. ad 21 S. 66 ff Engelheimer, Straßburg, 1546: A. m. Strasbourg AA 547 Ergel s. Ayguel Ersim, Perneti; Vigne 93; = Ilsung? über diese vgl. Stetten 107 ff, Strieder Genesis 43 ff Ester, Estillet, Ambroise et Jean, Vial (1522/3); Jehan Estier, mercator allemannus A. d. Rhone 3 E 4500 (Dorlin) 147; Jehan Extzier ebda. 12. XII 1570; Ver Hees HJ 78 Estguirc s. Ehekirch' Eymar, 1504, Vial Faust s. Poignet Fecher s. Fischer Felix s. Vöhlin Felzy Helie, Konstanz, Komp. d. Osenroth, Ver Hees; vgl. Felz, Bischofszell/ Thurgau: Rondot 449 Eermond, Anton und Jacob, Nürnbg. Bog 56; inscr. 27. VIII. 1660: A. d. Rhone; Roth, Gesch. II, 48 Fermond, Estienne, fils de Paul, natif de Nuremberg, inscr. 1. III. 1641: A. d. Rhone (Protokoll!) Fermond, Pierre Paul, de Nuremberg, inscr. 1. III. 1641, ebda. Vgl. StA Nürnbg. Diff. akt 761 Ferterer s. Fütterer Fescher, Jacques, 1545: 3 E 3850 (Cussonel) 222'; vgl. Fischer Fescher, Jehan, dit Berthaud, 1547: A. d. Rhone 3 E 3850 (Cussonel) Bl. 604 Fescher, Philipp, 1491, Vial; = Philipp Fechter, Schulte pass. (Reg.) Fetel, Philipp, 1504, 1507, Vial; = Fescher? Fetor, Phil., 1498, Vial; = Fescher? Feuerstein, Raimund, Isny, Bog 41 Fingerlin, Daniel: A. m. Lyon CC 315 (4. XI. 1704); seit 1682 Kfm. in Ulm Fingerlin, Hans 1656: Stadtarch. Ulm X—20—3 (Handelsmann in der Kramer­ zunft, des Rates, Oberrichter u. Geh.Rat; f 1673) Fingerlin, Johann Daniel, Ulm, f 1704, Bog 47; Stadtarch. Nürnbg. HV 1201 Ba/37; StA Nümbg. Diff. akt 763 u. 764; Stadtarch. Lindau 100/1 Fingerlin, Veit: Stadtarch. Ulm X—20—3 (1656); oo Katharina Albrecht aus Lindau, Lüthy 85, 130. Zur Farn.: J. Rieber u. Th. Schön, Die Familie Fingerlin von Ulm: Frankfurter Bläter f. Fam.gesch. 3, 1910; Zorn 110; Ströhle 93 f; Haemmerle 3645; Scheidlin u. Fingerlin: Zorn 102 (Neffen des Veit Daniel F. in Augsburg) Fichefeu s. Schürstab 173

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Fichel (= Fischer?) Gaspard, 1522, 1529, 1544, Vial; Kaspar Fischer: Roth, Gen. 54, lib. litt.; Kaspar und Christoph Fischer beteiligt am Grand Parti: StA Nümbg. Diff. akt 760; Ver Heies HJ 78 Fischer: Rondot 443; Bresard 28 5 Fischer, von Frankfurt: StA Nümbg. Diff. akt 763 Fischer, Anton Hieronymus u. s. Sohn Hieronymus Joseph, aus Augsburg (kath. gew. u. naturalisiert: A. d. Rhone) 1691 ff: StA Nümbg. Diff. akt 763; 1711: echevin de Lyon: Arch. Hotel-Dieu Lyon E 1167/2 Fischer, Christoph u. Scheufelein, Johann: Nürnberg: A. d. Rhone 3 E 4502 (Dorlin) 1596; beteiligt am Grand Parti: StA Nümbg. Diff. akt 760 Fischer, Fescher, Hermann, Straßburg, Ver Hees; neu inscr. 1621: StA Nümbg. S I L 48 Nr. 60 Fischer, Hieronymus, Nümbg.: inscr. A. d. Rhone; versch.: 1556: A. d. Rhone 3 E 3851 (Cussonel) 249'; 3 E 4495 (Dorlin) ohne Blattzahl; Stadtarch Augsbg. Comm. I u. II. Stadtarch. Nümbg. HV 1201 Ba/37; StA Nürnbg. Diff. akt 760, 761 Fi(s)cher, Jean, 1529, 1531: Vial; lib. litt.; vgl. Fescher Fidher, Jean, 1645: Rondot 125, 127 Fischer, Leonhard, Straßburg, 1574: A. m. Strasbourg AA 1865 Fischer, Stephan, beteiligt am Grand Parti: StA Nümbg. Diff. akt 670 Fic(k)ler, Jean Conrad: Rondot 129 (1657/8) Fickler, Jean Georges 1678/88: Rondot 441 Ficler (Fitler), Meraud, 1650/2 ebda.; vgl. Lüthy 31 Flamberger s. Förenberger Flent, Jean, 1571, Vial; = Flenz in Nürnbg.? lib. litt.; Andreas u. Wolfgg. Flenz: Roth, Gen. 102, 89 Forcher, Lyonart, 1504, Vial; = Ferscher? Förster Vörchtel? Förenberger-Schäuffelein: Köpf 80 Förenberger, Furimberger, Augustin et Ambroise Poche (Bosch) m. a.: A. d. Rhone 3 E 3851 (Cussonel) 28l'; beteiligt am Grand Parti: StA Nümbg. Diff. akt 760 Förenberger, Hans u. Ambrosius Bosch, 1569: StA Nümbg. S I L 177 Nr. 28 Hans Förenbergers Erben: Köpf 83; Foremberger et pupilles veranlassen zus. mit Imhoff u. Tücher die Streichung des Thomas Franc (Ver Hees irrt.: Horambego!) Forenberger, Hans Heinrich (bzw. Heinr. Hans), Komp. v. Joh. Bosch, inscr. 1621: StA Nümbg. S I L 48 Nr. 60; Köpf 107; zus. m. Bosch: StA Nümbg. Diff. akt 760 Förenberger, Paul u. Hans Bosch: Ver Hees; Roth, Gen. 115; A. m. Strasbourg AA 1859; A. d. Rhone 3 E 4502 (Dorlin) 27. IX. 1596; 1597: A. m. Lyon HH 292, StA Nümbg. Diff. akt 752 de Forendal (Voerendaal), Henry d’Aix, eingetr. A. d. Rhone; naturalisiert ebda. Vgl. H. v. Asten, Die rel. Spaltung i. d. Rst. Aachen, Ztschr. d. Aach. Gesch. Ver. 68 (1956) 115 ff Form, Etienne, inscr. A. d. Rhone 174

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Franc, Thomas, Nürnberg, Ver Hees; Rondot 438; Thomas Franc oo Anne Grueber, m. a., Rondot 438; ein Ulmer Joachim Franc = Ströhle 168 verlesen, wohl für Funk Frauenfeld s. Clau Freihamer, Christoph, 1556: A. d. Rhone 3 E (Cussonel) 267; Zeuge beim Testament Hans Klebergers: T A I 4 b; Ehrenberg I, 262; Doucet, Grand Parti 485 Freser, Jean 1539, 1549, Vial; Jehan Frescher: 3 E 3850 (Cussonel) 190'(1545) Frey, Caspard, fils de Luc Frey de Lindau: eingetr. A. d. Rhone; 1655: StA Nümbg. Diff. akt 761; ein Basler Frey: Rondot 447; Pemetti Frybert, imprimeur allemand, 182: A. d. Rhone Chapitre St. Paul BG 117 Fütterer (Ferterer), Hieronymus und Sebastian beteiligt am Grand Parti: StA Nümbg. Diff. akt 760 Fütterer, Sebastian: A. d. Rhone 3 E 4502 (Dorlin) 1596; StA Nümbg. Diff. akt 753 (1560) Fueterer, Sebastian und Joh. beteiligt am Petit Parti: StA Nürnbg. Diff. akt 760; vgl. Frau Jacob Fürterin: StA Nümbg. Diff. akt 760 Funck, Joachim, Ulm, Ver Hees; A. d. Rhone 3 E 4502 (Dorlin) 1596; Vetter des Konrad Greck: Stadtarch. Augsbg. Comm. I, f 1575; bei Dorlin wohl: Hans Joachim F., vgl. Weyermann 118 Furtenbach, Johann Jakob, Leutkirch (f 27. XI. 1720), später in Arbon: Lüthy 85; StA Nürnbg. Diff. akt 763, 764; Stadtarch. Augsbg. Comm. II; Stadtarch. Lindau lOO/l; Zorn 75 f; Stetten 298 ff; vgl. J. Kämmerer, G. Nebinger, Die schwäb. Patriziergeschlechter Eberz und Furtenbach (Neustadt 1955) Fust s. Poignet Gambs, Jehan, Straßburg, Ver Hees; A. d. Rhone 3 E 4497 (Dorlin) 315' (1556); A. m. Strasbourg Kontraktsube 136, fo. 250 Gammersfelder, Christoffle, Jacques et Sigm., inscr. 1621: StA Nümbg. SIL 48 Nr. 60. Vgl. Roth, Gen. 109, 111 Gammersfelder, Jakob: Köpf 83; Stadtarch. Nümbg. HV 1201 Ba/37; StA Nürnbg. Diff. akt 761; Roth, Gen. 110 Geiger, Peter, Nürnberg, Bog 61; Roth, Gen. 137; Roth, Gesch. I, 325 Geißel, Joh. Daniel, Nürnberg, Bog 54, Roth, Gen. 139 Georges 1499, 1513 (von Gundelfingen), Vial; vgl. Roth, Gesch. I, 326 Gertner, Ulrich, m. a. (Zeugnis d. Stadt Genf, daß er pestfrei ist:) A. m. Lyon AA 71 Glaser, Andre, Augsburg, Ver Hees Glock s. La Clouche Godemar, Charles u. Nicolas 1642: Rondot 443 Götz, Rupprecht, Nürnberg, „ehemals in Lyon in Handelsdiensten“ 1697: StA Nürnbg. Diff. akt 763 Goll, Michael, Straßburg: Ver Hees; Fuchs, Prechter 187; A. m. Strasbourg XXIer 1595 fo. 9; Ser. V, 53/2b 175

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Gondelfugel s. Gundelfinger Gosiem, Jehan, Vormund des Sebastian Leyprecht: A. d. Rhone 3 E 4500 (Dorlin) 12. XII. 1570; = Gossenbrot? über diese Strieder, Genesis 92 ff Grabistaden, Marx, Straßburg, Teilhaber am Grand Parti: A. m. Strasbourg II, 84 a; Kontraktstube 221 fo. 152 Greck (Greg) Konrad, Augsburg, Komp, von Walther, Ver Hees; Konrad Gregg von Ulm f 1602, oo 1567 Anna Maria Walther: Haemmerle 866; Stadtarch. Nümbg. HV 1201 Ba 1; Stadtarch. Augsbg., Comm. I. — ein Isaak Greck (f 1590): Stadtarch. Ulm X—20— 3 Greyner, David, Augsburg: Ver Hees; über seine Einschreibung: Stadtarch. Nümbg. HV 1201 Ba 1 (1600); oo 1570 Barbara Müller — Ulm: Haemmerle 897 a Greyner, Johann Ulrich u. Benedikt Lampe, Augsburg eingetr. 1621: StA Nümbg. S I L 48 Nr. 60 Greiser, Leonhard, 1715: StA Nümbg. Diff. akt 763 Gimel, Alexius, Augsburg: Kellenbenz 18 Gruber, Cesar et Daniel de Zurick, inscr. 6. XI. 1654: A. d. Rhone; 1658, f 1662: Rondot 439 Gruber, Hans, Augsburg: A. m. Strasbourg AA 1859; Job. Grober: A. d. Rhone 3 E 4500 (Dorlin) 4; Jehan Grueber, m. a., Bevollmächtigter des Jehan Antoine Laughinger, Augsburg: A. d. Rhone 3 E 4502 (Dorlin) 1596, 27. IX. 1597, 10. VIII. 1598 Gundelfinger (Gondelfugel), Daniel, m. a. hab. de Lyon, 1504, f vor 26. I. 1531, oo Claude Peret. Vial, A. d. Rhone 3 E 4203 (Delagrange) 206; 4206, 303; vgl. Georges! MVGN 10 S. 5, 8, 133; später Bürger von Bern? Beyschlag-Müller, Nördl. Geschl. hist. II, 1, 153, Ströhle 95; Ver Hees HJ 78 Haim, Jacob, Augsburg, Bog 33 Hairmann s. Ayrmann

Halbmeyer, 1736: StA Nümbg. Diff. akt 765 Haider, Christoph u. Kaspar Gebr., 1719: StA Nümbg. Diff. akt 764, 765; Stadtarch. Augsbg. Comm. II, Lindau loo/l Haider, Joseph, Bankier in Paris, 1783: StA Nümbg. Diff. akt 765; Zorn 81 Hannickel, Georg, StA Nürnbg. Diff. akt 763 Hard, Conrad 1499, Vial Harsdorfer, Wolf u. Christoph, beteiligt am Grand Parti: StA Nürnbg. Diff. akt 760 Hartlieb Johann, 1560: StA Nürnbg. Diff. akt 753; Hans Hartlieb, Augsbg. f 1586, oo 1544 Magdalena Rem: Stadtarch. Augsbg. Hochzeitsbuch Haug, Anton und Gesellschaft, Augsburg, Ver Hees; Anton f 1618, oo 1568 Magd. Honold; vgl. J. Hartung, Aus dem Geh. Buch eines deutschen Handelshauses des 16. Jhs. ZSWG 6 (1898); J. Meilinger, Der Waren­ handel der Augsburger Handelsgesellschaft Anton Hauck, Hans Langnauer, Ulrich Linck und Mittverw., Diss. Leipzig 1911; Hagl 83 ff 176

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Haug, David, Curatoren, Augsburg, Ver Hees; David f 5. II. 1570, co 1551 Judith Rem: Haemmerle 597; Ehrenberg I, 227 ff, Doucet, Grand Parti 496

Haug, Sebastian, Komp, von M. Kneuzel: Ver Hees (gestr.J) Hausus, Jean(?), Gascon 654 Heberlein s. Herbelin Hecter s. Herter Heel, Jean, Augsburg, Ver Hees; Neueinschr. 1621: StA Nümbg. S I L 48 Nr. 60; f 1604, stammend aus Wangen oo 1587 Susanna Ehinger; 1604: Stadtarch. Nümbg. HV 1201 Ba 1; Stetten 244 f Heintzmann, Michael 1590: A. m. Strasbourg AA 18 59; serviteur der Erben Georg Wolf: ebda. AA 1865; Stadtarch. Augsbg. Comm. I Henning (Wild 103 f: Heining), Hennin, Jehan Henry, Augsburg Ver Hees; Neueinschr. 1621: StA Nümbg. S I L 48 Nr. 60; 1622: A. m. Strasbourg II 84 a 1604: Stadtarch. Nürnbg. HV 1201 Ba 1; Sohn wird Jakobiner in Lyon: ebda. 1201 Ba/37 (z. J. 1637); Romanus Hennig: Stadtarch. Augsbg. Comm. I (1637) Herbelin, Michel, Sebastien, Paul, 1547—1571, Vial; Paul Heberlin march. de Zürich: A. d. Rhone 3 E 4498 (Dorlin) 6. V. 1564 Herbelin, Sebastien, natural. 5. IX. 1595 A. d. Rhone; NB ein Valentin Heberlin tailleur all.: A. d. Rhone 3 E 3849 (Cussonel) 336 Herger (Hörger) Georg, Augsburg: Eingetr. 1621: StA Nümbg. S I L 48 Nr. 60. oo 1600 Felicitas Greyner: Haemmerle 16821 vgl. d. folg. Herler, Georg, Augsburg, Ver Hees: wohl Herger gemeint! Hermann, Konrad, Vormund d. Sebastian Leyprecht: A. d. Rhone 3 E 4500 (Dorlin) 12. XII. 1570. Vgl. Hörmann Hermelin, Valerius, m. a., natif de Rotteville en Suisse (Rottweil seit 1478 im Bund der Eidgenossen); A. m. Lyon BB 81, 274 Hernter, Thibaut (Sebald) m. a., 1545: A. d. Rhone 3 E (Cussonel) 333; vgl. Hertner Herseder: Pernetti Herter: Judith La Hire, native du bourg de Pistarz [Bistritz?] en Lolac, pays d’Allemagne, veuve de Jean Hecter, natural. Sept. 1630: A. d. Rhone Hertner, später Zürich: Rondot u. Pernetti; vgl. Hernter Hertner, Johann Ulrich, nicht in Ulm, s. Sohn Johann Martin * 1602 in Genf: Lüthy 26 Hertner, Vinzenz, Sohn des Joh. Martin, in Erbengemeinschaft m. s. Schwester Anna Couvreur (s. deren Testament: A. d. Rhone) 1680: A. m. Lyon AA 75 Herwart, Christoph, Stadtarch. Augsbg. Handelsakten 24 Herwart, Daniel, inscr. 1621: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60; Testament f. 2 Söhne u. 4 Töchter, Söhne Barth, u. Joh. Heinr.: 9. II. 1637: A. d. Rhone; 1633: Spende f. Hotel-Dieu de Lyon: Arch. Hotel-Dieu Lyon E 35, ebda. Nr. 1167 12

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Herwart, Johann Paul, Ver Hees; f 1586, oo 1544 Magdalene Welser: Haemmerle 496; über Joh. u. Joh. Paul H.: A. d. Rhone 3 E 4500 (Dorlin) 7. XII. 1570. Joh. Paul u. Joh. Heinrich: m. a.: A. d. Rhone 3 E 4497 (Dorlin) 24. IV. 1556 Herwart, Johann und Ulrich: Stadtarch. Augsbg. Not. arch. Spreng III, 3; Köpf 81; zur Familie: Rondot 437 u. 440; Pemetti, Zorn 13, Hagl 58 ff; Eh­ renberg I, 218 ff, 289; Strieder, Genesis 115 ff; Stetten 109 ff; über Daniels Sohn Bartholomäus (Wild 151) jetzt: Claude Badalo-Dulong, Banquier du roi: Barthelemy Hervart 1606—1676 (Paris 1951) Hesseler, Andreas, Frankfurt, inscr. 16. V. 1661: A. d. Rhone; Bog 51; natural. Aug. 1664: A. d. Rhone; Pemetti Hesseler, Barth., Testament v. 1. 8. 1686 A. d. Rhone, ist Sohn d. Georg u. d. Anna Feras, s. Gemahlin Marie Dugas, 2 Töchter u. 1 Sohn: Barthe­ lemy. 1651 V 17: Eintragg. von Name u. Handelszeichen: ebda. BB 216 Hesseler, Heysseler, Georges Nicolas, de Francfort: A. d. Rhone; StA Nürnbg. Diff. akt 761 Hesseler, Nicolas, natural. 7. II. 1636: A. d. Rhone; StA Nümbg. Diff. akt 761 (1651)

Hessigan, Johann: Stadtarch. Nümbg. HV 1201 Ba/37 (1638) Heysseler s. Hesseler Heyter: Pemetti d’Hiberer, Meuremont, Vertreter der Reichsstädte bei Kg. Heinrich IV.: A. m. Lyon HH 292 (6) Hieber, Gaspard, Bürger zu Regensburg, s. Wwe. Helene Prendlin errichtet 7. VI. 1667 Testament zugunsten der 6 Kinder des Barth. Herwart: A. d. Rhone Hiege, Jacques, 1533, march. des villes imper: Vial; = Haug? oder = Hier? Hillmer, M. 1736: StA Nümbg. Diff. akt 765 Himmert, Jacques Bemard, all: A. d, Rhone 3 E 38 50 (Cussonel) 282 Hochacher s. Omacre Höchstetter, Joachim, Augsburg, Ver Hees; f 1597, 3 Ehen vgl. Haemmerle 252, 882, 938; Stadtarch. Augsbg. Not. arch. Spreng III, 3; über die Nördlinger H. vgl. Beyschlag-Müller, Nördl. Geschl. hist. II, 1, 225 f; Strieder, Genesis 166 ff Hörger s. Herger Hörmann, Hieronymus, Augsburg (Herrmann Jerome): StA Nümbg. Diff. akt 760, A. d. Rhone 3 E 4502 (Dorlin) 1596 u. 10. VIII. 1598; vgl. Hermann Hofmann, Joh. Wolfgang, Frankfurt: StA Nümbg. Diff. akt 763, 764, Stadt­ arch. Lindau lOO/l Hofmann, Sebald, Nürnberg, Deputierter der Imhoff, 1595: StA Nürnbg. Diff. akt 766; Stadtarch. Augsbg. Comm. I Holzschuher, Veit, beteiligt am Grand Parti: StA Nürnbg. Diff. akt 760 Honbert, Jacques, m. a., Rondot 438 Honthom, Jehan, Köln, Ver Hees 178

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Hoppe, Jost, Isny 1487, Heyd 379 Hör, m. a. 1479: A. d. Rhone Chapitre St. Paul, Anniversaires et fondations B. G. 116 Horambego s. Förenberger Homgacker, Martin, Augsburg Ver Hees, neu eingeschr. 1621: StA Nürnbg. S IL 48 Nr. 60; H. M. und Söhne 1601: Stadtarch. Nürnbg. HV 1201 Ba 1 Hosenestel (Hosenesser) Isaak und Abraham, Gebr., Augsburg inscr. 21. I. 1662: A. d. Rhone; Bog 34; Abr. oo 1660 Magdalena Beer: Haemmerle 2975; Is. oo 1664 Anna Barb. Garb: Haemmerle 3046; vgl. A. Mayr, Die großen Augsburger Vermögen i. d. Zeit v. 1618—1717 (Augsburg 1931) 49 ff; Zorn 17 ff; StA Nürnbg. Diff. akt 763; Stadtarch. Augsbg. Comm. I (1657) Huber, Melchior, 1569: StA Nürnbg. S. I L 177 Nr. 28; 1656: StA Nürnbg. Diff. akt 761 Hueber, Andreas: perm. de sortir: Aug. 1687 A. d. Rhone; Haemmerle 2463; Zorn 18, 22 Hueber, Marx, Augsburg, Ver Hees; neu eingeschr. 1621: StA Nürnbg. SIL 48 Nr. 60; Stadtarch. Augsbg. Comm. I Hueter, Johann, beteiligt am Grand Parti: StA Nürnbg. Diff. akt 760 Hier, Jacques, Vial Hyer, Iher u. ä. Jehan, Faktor der Freyhammer: A. d. Rhone 3 E 4496 (Dorlin) 22. X. 1555 — s. a. Nyer Ilsung s. Ersim; (vgl. A. m. Strasbourg, ser. VII. 84/13 u. 15) Imhoff, Andreas u. Willibald, Nürnberg, Ver Hees; neu eingeschr. 1621: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60; Andreas Incuria et fratres: A. d. Rhone 3 E 4499 (Dorlin) 188'f; Andre et Billibald Incuria 3 E 4500 (Dorlin) 11, 36; Andre ebd. 30. XII. 1570; Doucet, Grand Parti 485; Endres und Jakob: StA Nürnbg. Diff. akt 752 (1581) u. 760 (1594); Köpf 80; über die Familie: Ehrenberg I, 237bff; Helga Jahnel, Die Imhoff, eine Nürn­ berger Patrizier- und Großkaufmannsfamilie, Diss. Würzbg. 1950; Wer­ ner Schultheiß, Der Großkaufmann und Diplomat Andreas I. Imhoff, Mitt. der Stadtbibi. Nürnbg. 6 (1957) Imhoff, Andreas Gabriel, 1529: Vial; 1551: StA Nürnbg. Losungsamtl. Re­ verse 48; 1569: ebda. S I L 177 Nr. 28; Gascon 654 Imhoff, Hieronymus, Augsburg: Ver Hees; 1560: StA Nürnbg. Diff. akt 753; Hagl 21 ff; Strieder, Genesis 51 ff; Strieder, Notariatsarchive 109, 115, Stetten 172 ff Imhoff, Johann Hieronymus, Nürnberg, Bog 60; Pemetti; 1644: StA Nürnbg. Diff. akt 761 Imhoff (in Curia) Michael, Sohn des Hans Imhoff d. Ä., Augsbg. m. a. 1542: A. d. Rhone 3 E 3849 (Cussonel) 229'; 3 E 4496 (Dorlin) 1. X. 1555; StA Nürnbg. Losungsamtl. Reverse 48; Deputierter 1569: StA Nürnbg. S I L 177 Nr. 28; Gascon 654 Imhoff, Remond, Erben, Augsburg; Ver Hees, 1601: Raymund, Stadtarch. Nürnbg. HV 1201 Ba 1 12*

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Imhoff, Sebastian, beteiligt am Grand Parti: StA Nümbg. Diff. akt 760 Incuria, Guillaume (= Willibald?) et Andre, eingeschr. 1621: StA Nümbg. S I L 48 Nr. 60 Ingold, Philipp, Straßburg, 1546; A. m. Strasbourg AA 1855; 1569: ebda. AA 1855 Iselin, Izellin, Yzellin, Jehan Luc, * 1526 Basel, f 1557 Genf; Vgl. Manfr. Stromeyer, Merian-Ahnen II (Konstanz 1965) 455. In Ulm eine Hand­ werkerfamilie I.; vgl. Veit, Memminger Bürgerverzeichnis 119; aus Basel? vgl. Doucet, Grand Parti 485, 505 u. Wild 52 Jacob, Blasius, Nürnberg, Ver Hees; Mb. litt. 106 a fo. 157 Jäger, Jakob (Yegre Jacques) TA; 1551: A. m. Lyon 1. pr. 40': Zeuge beim Testament des Hans Kleberger TA I 4 b; Ehrenberg I, 262 Jäger = ? Jegues, Jehan: A. d. Rhone 5 E 58 50 (Cussonel) 642' Jaquemont, Joqueman, Leonhard, 1516, 1517, Vial; = Schachmann?, Hoch­ mann? Der Schweizer: Jacquemin: Wild 105 Jean l’Allemand, 1525, Vial; wohl Kleberger/ Jeback, Eberhard, Köln, in Gesellschaft m. Honthom, Ver Hees Jegues s. Jäger Jo(e)z, Jean 1517 (ein castelier 1525/8) Vial; — Hans Götz? vgl. Mb. litt. Kalkbrenner, Rondot 440; Jean Calbeme aus Aachen: A. d. Rhone Inscript. * 1602; vgl. H. F. Macco, Aachener Wappen u. Genealogien I (Aachen 1907) 215 (Ausk. Stadtarch. Aachen) Kaltenhof er, Stephan, Diener der Herwart: TA I 4 a Kanler (Conler), Andre, Nürnberg, Ver Hees, neu inscr. 1621: StA Nümbg. S I L 48 Nr. 60; 159: A. m. Strasbourg AA 1859; StA Nürnbg. Diff. akt 752; Köpf 80 Kanler (Konler) Jehan Thomas (Nürnberg) in Gesellsch. m. Henry Burcart: inscr. 1621 StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60; Pernetti Kappel, Hermann aus Elberfeld, perm. de sortir Juni 1687 A. d. Rhone Katzbeck, Michel, Augsburg, Ver Hees, Hagl 97 ff Kayb (Caib, Khaib) Wolfgang, Nümbg., Ulm, Geschäftsführer der Förenberger, 1655—1648: Köpf 82 f, Stadtarch, Ulm X—20—5; Stadtarch-. Nürnbg. HV 1201 Ba/57; StA Nürnbg. Diff. akt 761; Arch. Hotel-Dieu, Lyon E 1167 (f Ulm 1681, wo er seit 1656 ansässig war) Keller, Jehan, Nürnberg, Ver Hees; Roth, Gesch. I, 555; Roth, Gen. 76; Hans u. Christoph Keller zu Memmingen: Mb. litt. 90 Bl. 197; Herimer Keller (Corller) mercator allemannus Lugduni manens 1570: A. d. Rhone 5 E 4489 (Dorlin) 90'; Keller, Theod., St. Gallen: Rondot 442, 445 Kick, Johann Christoph, Lindau 1710: StA Nümbg. Diff. akt 765, Stadtarch. Lindau 100/1 Kirsch, 1649: StA Nürnbg. Diff. akt 761 Kle (Khlee) 1650: StA Nürnbg. Diff. akt 761. Wild 118 Anm. 2; Suisse: Pernetti 180

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Kleberger (Cleberger), Jean, seit 1516, f 1546, Vial. Über ihn: E. Vial in Revue d’histoire de Lyon 1912; Ehrenberg in MVGN 10 (1893); Ehren­ berg I, 258 ff; Zeller 5 ff, A. m. Lyon: CC 361 (vgl. Inventaire sommaire des archives communales anterieures ä 1790 II, Paris 1875, S. 275) CC 26 (ebda. S. 50 ff). Endres 116; s. Wwe. (nobilis mulier): A. d. Rhone 3 E 4496 (Dorlin) 21. IX. 1555; Kleberger, David: A. d. Rhone 3 E 4498 (Dorlin) 14. IV. u. 1. V. 1564; vgl. auch Doucet, Finances mun. 28; ders. Grand Parti 477; über Klebergers Testament: Wild 39 f Klein, Wolf: TA I 4 a Kneuzel, Michael Nürnberg, in Ges. m. Sebastian Haug, Ver Hees; neu inscr. 1621: fils de feu Micke/ Kneuzel: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60; Roth, Gen. 90; lib. litt. 1569: StA Nürnbg. S I L 177 Nr. 28. M. Kneuzel und Paulus Pulz: Köpf 80 Koch, Jakob, Nürnberg: 1653: StA Nürnbg. Diff. akt 761; vgl. Aubin-Kunze 155 ff Crafft, Christoph, m. a., A. d. Rhone 3 E 3851 (Cussonel) 249'; 3 E 4495 (Dorlin) ohne Blattzahl; 3 E 4497 (Dorlin) 1. V. 1556 (: depute du Grand Partif), 3 E 4500 (Dorlin) 4 (lebte zu Allerh. 1570 nicht mehr) 7. XII. 1570. Doucet, Finances mun. 75, Doucet, Grand Parti 485, 505; Stadtarch. Augsbg. Not. arch. Spreng II, 17; Sohn des Wilhelm Krafft in Ulm Krafft: Crof, Trof? Georges, 1503: Vial; später ein Georg Kraffter: G. v. Pölnitz, Anton Fugger I, 683. In den Augsburger Hochzeitsbüchern kein Georg Krafft; offenbar Sohn des Hans Krafft in Ulm Krafft, Craff, Georges Tobie, Frankurt, 1678/81: Bog 53, Rondot 451; perm. de sortir Sept. 1687: A. d. Rhone. Vgl. Roth, Gesch. I, 340 Kraft, Hans Ulrich: Ehrenberg I, 225; Strieder, das reiche Augsburg 105; Ströhle 91; * 1550, 1567/73 Faktor des Jeremias Imhof, Syrienreise, f 1621; vgl. Weyermann 242—251 Küchenmeister, Andre u. Gebr., Nürnberg, Ver Hees. Roth, Gen. 95; lib. litt. StA Nürnbg. Diff. akt 752; Fischer 31, Köpf 80 Lamparter, Hans: Heyd 380, Schulte pass. (Reg.) Lampe, Benedict, Augsburg, Ver Hees (irrt, f) auch erneuert 1621: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60 La[n]gnau[er]f Jehan, Augsburg, Kompagnon der Haug, Ver Hees; oo Sabina Lingg: Haemmerle 548; Langnauer, Ludwig: Stadtarch. Augsbg. Not. arch. Spreng II, 17 Lantzinger, Wolf, Nürnberg, Ver Hees, 1621 neu inscr. StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60. Roth, Gen. 95 f, 100; Roth, Gesch. I, 343; Köpf 80; s. Faktor s. Pinel Lauber, Ulm, Augsburg? 1698: StA Nürnbg. Diff. akt 763 (= Joh. Gottfr.? f 1712) Laugingher, Jehan Antoine, Augsburg: A. d. Rhone 3 E 4502 (Dorlin) 1596, 10. VIII. 1598. Deputierter des Grand Parti: StA Nürnbg. Diff. akt 760; vgl. Nübling 388 ff, Hagl 66 f; Strieder, Genesis 128 ff; Stetten 183 ff 181

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Lazare, l’allemand 1545, Vial (= Laz. Spengler d. J.? Lazarus Heugel?) Lebzelter, Frederic, Augsburg, Ver Hees; von Leipzig, f 1639, oo 1602 Sibilla Ammann: Haemmerle 1741; Stammbaum d. Familie: Fischer 421 f Leser, Augsburg, Bog 32; Esaye Lezer, marchand natif et originaire de la ville Vandalye en Allemagne: inscr. 29. XI. 1654 A. d. Rhone; Stadtarch. Augsbg. Comm. I Leyderer, Nicolas, Vial Leyprecht, Sebastian, junior civitatis Nurembergae: A. d. Rhone 3 E 4500 (Doriin) 12. XII. 1570. Lib. litt. (Pfragner)? de Lindau, Jean: 1491: Gründungsurk. d. dtsch. Bruderschaft (Vial) Lint, Konrad, m. a., Memmingen, Bevollmächtigter der Schorer: A. d. Rhone 3 E 4498 (Doriin) 1. VI. 1564 [= Lins], * Memmingen 1528, f Augs­ burg 1567; vgl. Haemmerle 840; vgl. K. E. v. Marchtaler, Die Vorfahren der Geschwister Tscherning (Bin 1939) II, 486 f Lochner, Michael, 1710 StA Nürnbg. Diff. akt 763; Roth, Gen. 149 Löffelholz, Thomas, Nürnberg, beteiligt am Grand Parti: StA Nürnbg. Diff. akt 760

Loup s. Wolf Lyonard, m. a. 1504, Vial (= Tücher?) Mainzer s. Meynser Manlich, Antoine, 1650: StA Nürnbg. Diff. akt 761 Manlich, Daniel, 1650 Rondot 440 u. 445 Manlich (Malix, Maly) Jean u. Comp. 1504, 1529, Vial; vgl. Strieder, Nota­ riatsarchive 15 f; Strieder, Genesis 189 ff; Ammann 180, 182, 186 f; es gibt jedoch auch Jean Maly de Besancon: Fuchs, Prechter 159, 165; vgl. A. m. Strasbourg, ser VII, 84/13 (1573) Manlich, Mathes Bernhard, übernimmt zus. mit Paul Steudlin das Geschäft des Konrad Greck (1603) Stadtarch, Nürnbg. HV 1201 Ba 1; zur Farn, vgl. Ehrenberg I, 224 ff; Jakob Strieder, das reiche Augsburg 101 ff; Strieder, Organisationsformen 337 ff; Stadtarch. Augsbg. Handelsakten 13 Manlick, Melchior, les curateurs, Augsburg, Ver Hees; Melchior f 1597, oo 1562 Barbara Heinzerlin: Haemmerle Nr. 775 Manlys, Jean Antoine d’Auguste: Eintrag in Lyon: A. d. Rhone; Stadtarch. Augsbg. Handelsakten 13 Marchand, Henry u. Johann, Frankfurt, Bog 52 Marque (Marx?), Martin, 1529, Vial Marstaller, Balthasar, m. a. demeurant ä Strasbourg 1553: A. d. Rhone 3 E 38 51 (Cussonel) 166; A. m. Strasbourg, XXIer 1572 (15. 8.) Mathieu, all. 1529. Vial Mayer, Conrad, 1527, Vial; Mayeur: 1545: A. d. Rhone 3 E 3850 (Cussonel) 180 ff; Gewandschneider in Nürnberg: lib. litt. Mayer, Friedrich, Nürnberg, Frankreich-Händler 1648: StA Nürnbg. Diff. akt 761 (Vgl. Stetten 250 f ?) Mayer, Hans, Nürnberg, 1583: StA Nürnbg. Diff. akt 752 182

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Mayer, Jeremias, Augsburg, Ver Hees, Rondot 441; f 1635, oo 1591 Susanna Hermann Mayer, Martin de Houcheprou (!) en Allemagne, natural. 1666: A. d. Rhone Medistas, Antoine u. Jean, 1499, Vial; vgl. Michelstal? oder = MetrisatSt. Gallen? Meynser (Mainzer?) Angel, natif de Spire, Eheschließg. 1539: A. d. Rhone 3 E 3848 (Cussonel) 318' Meynser, Erasme Angel, m. a. natif de la ville de Spire, 1553: A. d. Rhone 3 E 3851 (Cussonel) 161 Meynser, Nicolas, m. a., A. d. Rhone 3 E 38 51 (Cussonel) 142, 226 f, 243 Meisinger s. Meusinger Melbinger, Leonhard, Augsburg, f 1658: Rondot 446 Menessel, Paul et Henri, 1571, Vial; = Menzel? Meusinger, Paul, Nürnberg, Ver Hees, Roth, Gen. S. 90 Meuting, Meyting, Anton: Stadtarch. Augsbg. Not. arch. Spreng II, 42 Meuting, Bernhard, beteiligt am Grand Parti: Stadtarch. Augsbg. Not. arch. Spreng III, 49 Meuting, Christoph m. a., A. d. Rhone 3 E 4496 (Dorlin) 6. VIII. 1555 Meuting, Philipp u. s. Bruder Bernhard, bourgeois de Berne 3 E 4496 (Dorlin) 1. X. 1555; 3 E 4497 (Dorlin) 191, 28l'; 3 E 4498 (Dorlin) 8. VI. 1564. s. Faktor Marcelin Pyot: A. d. Rhone, Sentences de la senechausse de Lyon 1567 IX. 7., ebda. Philibert Meting m. a.: mai 1567/juill. 1568 Priv. Kg. Heinr. II. v. 3. III. 1558: livre du roi, inscriptions Bl. 408. Über Bern-Augsbg. vgl. Wild 32, Doucet Grand Parti 485, Strieder, Genesis 102 ff, Stetten 186 ff Michelstal (Michelstat?) 1517, Vial; vgl. Medistas Mieg, Jacques, m. a.: A. d. Rhone 3 E 4496 (Dorlin) 15. X. 15 55; Nicolas et Jacques Mieg 1578: A. m. Strasbourg AA 1865; vgl. Philippe Mieg,

Note sur les negociants Strasbourgeois Muege au XVe siele, Revue d'Alsace 98 (1959) 138 ff Miller, Marc, march. d’Auguste 15 56: A. d. Rhone 3 E 3851 (Cussonel) 258', 300; Miller, Suisse: Pemetti! Minckel, Israel, Straßburg: Privileg f. d. Straßburger Kaufleute: A. d. Rhone, senechaussee ser. B, livre du roi I Bl. 194 ff (7. VI. 1555) u. II Bl. 112 f (mai 1556) (zus. m. Nicolas M.); 3 E 3851 (Cussonel) 16l', 208, 209, 216'f, 282, 292'; 3 E 4497 (Dorlin) 158’, 179; 3 E 4498 (Dorlin) 26. VI. 1564; 1569: A. m. Strasbourg AA 1859; Ehrenberg I, 263, Doucet, Grand Parti 48 5, 505, 507, Zeller; (f 1569) Moul, Jehan Leonard et autres enfans et heretiers de feu Leonardt Moul, Nürnberg, 1621 inscr.: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60 (Maul?) Mülegg, Heinrich, 1653: StA Nürnbg. Diff. akt 761; lib. litt. Müller, Hans, Nürnberg: Heyd 380 Muret, Esqueman, 1529, Vial Narcizus, serviteur des Welser, 1523, Vial; = Narcissus Weiß? vgl. Strieder, Genesis 154, Müller, Welthandelsbräuche 44 183

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Neidhard, Neythart, Neyther, Christofle, bourgeois d’Auguste, A. d. Rhone 3 E 4495 (Dorlin) 31, 43', 45'f (NB. in Beziehungen zu den Pecori) 3 E 4496 (Dorlin) 1. X. 1555; 3 E 4497 (Dorlin) 119'ff, 128, 237'; Jean et Christoph 1571/1581: Vial, Pemetti Neidhard, Sebastian, Augsburg u. s. Sohn Christoph: 1553: A. d. Rhone 3 E 3851 (Cussonel) 256' ff. — Zur Familie: Ehrenberg I, 221 ff; Hagl 47 ff; Strieder, Genesis 51; Clemens Bauer, Unternehmungen und Untemehmungsformen im Spätmittelalter und in der beginnenden Neuzeit (Jena 1936) 108; Stetten 232 ff; Doucet, Grand Parti 479, 48 5, 500; Strieder, Notariatsarchive 79; Kellenbenz 18; Rechtsstreit Sebastian Neithard c/a Hieronymus Seiler: Stadtarch. Augsbg. Handelsakten 13 ferner 10 u. 12; Vigne 179 Nicolas 1541, Vial Nobis 1515; — Jean et comp, nach 1571: Vial Nützel, Kaspar u. Leonhard TA I 6 a, I 17 Nyer, Jean, Antoine, 1517, 1524, 1529, Vial (irrt, für Hyer?) Oboly [= Eberlin?], Jacques, m. a. ä Lyon 1510 A. d. Rhone 3 E 4206 (Delagrange) 173 Obrecht (Aubrecht) Georg, Vial: A. d. Rhone ser. B livre du roi II, fol. 112 f; 3 E 3851 (Cussonel) 131 (s. Faktor: Jehan Darut), ebda. 13l'f, 147, 161', 166, 216'f, 233'f, 248'f, 282, 292', 297'f, 304'; 3 E 4495 (Dorlin) 13', m. a. citoyen de Lyon (Hausmiete): 3 E 4496 (Dorlin) 22. VIII. 1555; 3 E 4497 (Dorlin) 158', 179, 283; 3 E 4498 (Dorlin) 26. VI. 1564; A. d. Rhone 3 E 3849 (Cussonel) 91, 120, 509', 510 Sonderprivilegien f. G. Obrecht und J. Minckel: A. d. Rhone livre du roi: inscriptions Bl. 383'ff (28. 10. 1557) 384'f (7. XII. 1556, Alaungrubenpacht); Frei­ heit von der gabelle beantragt von Israel Minckel m. a. de Strasbourg für Nicolas Mayer und George Obret (2. IX. 1555) ebda. 302, desgl. 10. IV. 1559 ebda. 436'f; StA Nürnbg. Bb. 155 Bl. 238 f; Stadtarch. Augsbg. Not. arch. Spreng II, 42; Ehrenberg I, 262 f, Pemetti, Doucet, Grand Parti 485, 498, 505, 507; Vigne 181, Gascon 655; Zeller Obrecht, Michel, 1529, Vial Oertel (Urtel), Florimond (Florenz), Vial, Ver Hees HJ 79; lib. litt., Roth, Gen. 69 Oertel. Gaspard, Vial; vgl. Fischer 19; über das Haus des Florenz u. Sebald Oertel in Lyon vgl. lib. litt. 60 fol. 150 Österreicher, Jean (f 1590) Erben, Augsburg, Ver Hees; Neueinschr. 1621: Heretiers Jehan Östereicher, Augsburg: StA Nümbg. S I L 48 Nr. 60; 1601: Stadtarch. Nümbg. HV 1201 Ba 1; vgl. R. Popp, Die Augsburger Handelsgesellschaft der Österreicher (1928); Aubin-Kunze 173 ff; Hagl 104 ff; Stetten 288 f. Omacre, Georges, 1504—1529, Vial; = Hochacher? Osenroth, Anthoine in Gesellschaft m. Helie Felz, Konstanz, Ver Hees de la Pala s. Schäuffelein 184

MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

Paller, Wolf (Vater u. Sohn f 1582 bzw. 1622), Augsbg. Wolf d. J. co 1571 Rosina Welser, Haemmerle 915; Hagl 110 ff, Stetten 286 f Pante, Jehan citoyen d’Auguste, A. d. Rhone 3 E 4500 (Dorlin) 6 = Hans Panzer, Nürnberger? Pauli Johann Maximilian, Frankfurt, Bog 51 Perkhaimer, Vinzenz TA II, 17 Personne, Hector, m. a., zus. m. Gg. Obrecht, A. d. Rhone 3 E 4497 (Dorlin) 283

Peutingera, Catherine, veuve de Jean Raymfigue (Ehinger?): A. d. Rhone 3 E 4496 (Dorlin) 18. IX. 1555; vgl. Stetten 188 ff Pfaff s. Clerc Pflaim. (= Pflaum?), Matthäus, Augsburg, 1553: A. d. Rhone 3 E 3851 (Cussonel) 256'ff; Stadtarch. Augsbg. Handelsakten 10; Ströhle 97 (Michael Pflaum) Philippe, facteur all. 1490—1515, Vial; wohl = Philipp Fechter, Faktor der Großen Ravensburger Gesellschaft, vgl. Schulte I, 160 f, 382 Pinel, Jean, de Nuremberg inhurne ä Lyon aux Jacobins, Vial; Jean Pinel Faktor des Wolf Lanzinger 1600: A. m. Lyon HH 294; 1594: StA Nümbg. Diff. akt 760; (wohl nicht aus der Augsburger Farn. Bimel: Eh­ renberg I, 244; Stetten 290 f; Strieder, Genesis 146 ff) Plammer s. Bloemart von Plauen, von Ploben, Christoph, Nürnberg, beteiligt am Grand Parti: StA Nürnbg. Diff. akt 760; Roth, Gen. 66 Ployard, Jean Jacques de Francfort, eingeschr. A. d. Rhone; Rondot 445 u. 447; perm. de sortir f. Jean Ployard Aug. 1687 Poignet, Pougnet, Henri, 1526, Vial = Faust? Fust? de Port, Matth e s, Ulm 1569: StA Nürnbg. S I L 177 Nr. 28; Name entstellt? Prechter: Konrad Johann der Brechter: A. m. Strasbourg AA 547 (1546), AA 1855 (1569)

Prechter, Michel, Erben 1569, Deputierte in Lyon: StA Nümbg. SIL 177 Nr. 28 Prechter (Pesle), Guillaune, march. de Strasbourg 1570: A. d. Rhone 3 E 4500 (Dorlin) 80' ff; vgl. H. J. Fuchs, Une famille de negociants banquiers du XVIC siede: Les Prechter de Strasbourg, Revue d’Alsace 95 (1956) 146 ff; ihr Faktor s. Schwarzenburger Procellier s. Sturm Prünsterer, Estienne, Nürnberg, Ver Hees; Roth Gen. 103, lib. litt. Pülz, Paulus s. Kneuzel Räder, Martin Matthias, Lindau, StA Nümbg. Diff. akt 756; Zorn 73 f Kaiser, Reißer, Georg, Augsburg, Ver Hees; neu eingetr. 1621: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60, zur Familie: Haemmerle, pass. Ein Christoffle Reseur Rechnungsführer von Andre Valot et Comp.: A. d. Rhone 4502 (Dorlin) 1596 185

MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

Rauchschnabel, Levinus, Ulm, 1540, Vertreter der Scheler: Stadtarch. Ulm X—20— 3 (f 1555); Köpf 90 f; A. Rieber u. K. Schwaiger, Erasmus R., ein Ulmer Ratsherr der Reformationszeit, Mitt. Ulm-Oberschwaben 31 (1941) 177

Rehlinger, Conrad de Hirigoven (= [Klein]kitzighoven?) d’Ausbourg. natural. 1637: A. d. Rhone; zur Farn.: Strieder, Genesis 87 ff; Ehrenberg 1, 244, Stetten 87 ff; vgl. auch Geneal. Hb. des in Bayern immatr. Adels 7 (1961) S. 316 f? Reichel, Pankraz, TA II 3 b Reißer s. Raiser Reiter, Reuter, Jakob, Faktor der Tücher (ca. 1550) TA I 4 a, I, 5, III, 22 Rem, Matthias, Faktor der Höchstetter in Lyon: G. v. Pölnitz, Anton Fugger I, 131; Stetten 158 ff Rem, Paul, Augsburg, Ver Hees; f 1624, oo 1600 Anna Maria Seufflin, Haemmerle Nr. 1677. Zur Farn, noch: Ehrenberg I, 226 f, Strieder, Ge­ nesis 59 ff; Doucet, Finances mun. 68 (irrt. Rein?) Rentz, Guillaume, Augsburg, Ver Hees, neu eingetr. 1621: StA Nürnbg. SIL 48 Nr. 60; f 1622, co 1583 Magdalena Bechler: Haemmerle 1211; Wil­ helm Rentzen, 1601: Sadtarch. Nürnbg. HV 1201 Ba 1 Reseur s. Raiser Reusner s. Rößner Richaupt (?Deutscher): A- d. Rhone 3 E 3850 (Cussonel) 68' Riederer, Joh. Augustin: StA Nürnbg. Diff. akt 763, 765; Stadtarch. Lindau 100/1

Riesch, Rösch, Rüesch, Bonventura, Lindau: A. m. Lyon CC 315 (4. XI. 1704) StA Nürnbg. Diff. akt 763, 764; Stadtarch. Lindau 100/1; Stadtarch. Augsbg- Comm. II; Zorn 81 Riguer, Jean, 1536 ... 1597, Vial; Jehan Riegher, m. a., A. d. Rhone 3 E 4498 (Dorlin) 25. V. 1564; lib. litt. (Rüger); vgl. MVGN 10, 34 Ringmacher, Johann Christoph, Isny, Bog 43 (aber auch Genannter in Nürn­ berg?) A. m. Lyon CC 315 (4- XI. 1704). Über J. G. u. Sebald R. vgl. StA Nürnbg. Diff. akt 763, 764; Stadtarch. Augsbg. Comm. II, Stadtardi. Lindau 100/1 Ritter, Francois, Ulm, Ver Hees, neu eingeschr. 1621: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60 (f 1634); vgl. Familienbuch des Tobias Neubronner, Schloß Lich­ tenegg b. Oberndorf a. N-; Weyermann 177 Robert, Jehan, all., Zeuge: A. d. Rhone 3 E 4500 (Dorlin) 80' ff Rodoff (Bresard 285, Vigne 177) = Ortholf? vgl. Ammann 162 Rösch s. Riesch Rößner, Reusner, Christoph, Vertreter der Fa. Andreas Kanler: A. m. Lyon HH 292; Stadtarch. Augsbg. Comm. I Rosenhart gt. Glockengießer, Konrad, als Vertreter der Kühner und Kandier in Lyon: StA Nürnbg- Nürnbg. Hs. 272 Bl. 57 f Rosenwirth, Mich., Nürnberg, (Frankreichhändler) 1648: StA Nürnbg. Diff. akt 761 186

MVGN 5 3 (1965) Privilegien der französischen Könige

Roth, Ambrosius, in Seyssel auf dem Weg nach Lyon: Heyd 380; vgl. zur Fam.: Ehrenberg I, 244, Ströhle 117 ff, Stetten 235 Roth, Pangratz, Nürnberg, Ver Hees; Rot, Gen. 107; 1604: Stadtarch. Nümbg. HV 1201 Ba 1 Roth, Paul und Wolf, Handlungsdiener der Imhoff: MVGN 7, 71 Rottengatter, Lienhard, Faktor der Tücher TA I 4 a, III, 24; Ströhle 92; in Verbindung mit Erasmus Rauchschnabel; s. dort! Rous (Roß? Roth? Ruß?) Eduard (Herbert, Eberhard?) 1512, Vial; ein Marx Rusch in Lyon: Schulte I, 208 Rüesch s. Riesch Rupprecht, Johannes Leonhard, Memmingen, Bog 44 Saixmann (bei Ver Hees irrt, für:) Hairmann; s. Aiermann Saing s. Seng Salmatis 1519, Vial: wohl f. d- ital. Fam. Salviati? Sammaister, Sangmeister s, Zangmeister Saubremnont, Antoine, 1529, Vial; = Sauermann? Saulnestre, Saumaistre s. Zangmeister Saxer, Hans, Faktor der Welser? TA I 4 a Sckäuffelein (de la Pala), Jehan, in Gesellsch. m. Conr. Bayer, Nürnberg. Ver Hees; 1571 (Jehan della Palle, Palli) Vial. Johann della Pala alias Schäuffelein 1585: StA Nürnbg. Diff. akt 760; H. Sch. zus. mit Konr. Bayer: StA Nümbg- Diff. akt 760; Jehan de la Palla, Nürnbg.: A. d. Rhone 3 E 4499 (Dorlin) 102, 194 f; Hans Scheuffelein Erben und Mit­ verwandte 1594: StA Nürnbg. Diff. akt 760; H. Sch. mit Christoph Fi­ scher beteiligt am Grand Parti: StA Nürnbg. Diff. akt 760; Hans Schäuf­ felein und Förenberger, Nürnbg.: Köpf 80; ein Hans Schäuffelein aus Nördlingen 1483: Peyer Leinwandgewerbe Nr. 594; Ammann 190 ff, lib. litt. v. Schallheimer (f 1782) Stadtarch. Lindau 100/1 Scheidlin, Lindau, 1698 StA Nürnbg. Diff. akt 763; Scheidlin, David später in Waadt: Lüthy 84, 130; vgl- auch Dietz, Frankfurter Handelsgesch. V, 631 Scheler, Endres, 1540: Stadtarch. Ulm X—20— 3; über die Familie: Schulte pass. (Reg.) f 1563; vgl. Weyermann 463 Scheler, Francois, Ulm, (Großneffe des vorigen), Ver Hees; neu eingeschr. 1621: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60; noch 1656: Stadtarch. Ulm X—20—3; vgl. Köpf 90, 112, Ströhle 94 f, 123; f 1657, vgl. Weyermann 467; über die Augsburger Scheler: Stetten 304 Schen(g) s. Seng Schentz, Jean George, Komp, des Bemhardin Jean Conradt, 1621 eingeschr. StA Nürnbg. S I L 48 Nr- 60 Scherer (Tonsor), Jean, Daniel, 1491, 1493 ff u. später: Vial, Rondot 449 (Herkunft St. Gallen!) Scherg s. Surgues Scherl s. Chorei Schermaier, Ulm: A. d. Rhone 3 E 4502 (Dorlin) 1596; vgl. Weyermann 473 187

MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

Schiffmann s. Chrifflement Schleicher, Jerome, consul d’Ulme, (f 1555) Daniel (Neffe des Hieronymus) et Antoine (f 1579) Schl.: A. d. Rhone 3 E 4496 (Dorlin) 18. IX. 1555; Ströhle 95, 169; vgl Weyermann 478 ff Schleicher (?Celaiber), Thomas Daniel, m. a. und als Zeuge Christofle Celaiber 1555: A. d. Rhone 3 E 3851 (Cussonel) 22l'; über Christoph Schlei­ cher, Ulm, vgl. Die Welser I, 203 f, 208 Schlüsselberger, de la Clef, Conrade, 1510, 1529, Vial. Konrad Schlüssel­ berger lib. litt. (Kupferkaufmann), Endres 116 Schlüsselberger, de la Clef, Jean, m. a., habitant de Lyon 1504: A. d. Rhone 3 E 4203 (Delagrange) 206; Roth, Gen. 58; Amman 190, Ver Hees HJ 78; La Cie, Hennard (= Konrad?), Anjo (= Hans?) Jean 1492—1533: Vial Schlüsselberger, Franz, TA I 4 a Schlumpf (Sclumpf) Gaspard m. a. (wohl St. Gallen): Zeuge 1547: A. d. Rhone 3 E 3850 (Cussonel) 649'; 3 E 4496 (Dorlin) 30. VIII. 1555. NB. Kon­ kurse eines späteren Kaspar Schlumpfs Erben: Lüthy 31 Schlumpf, Leonard, m. a.: A. d. Rhone 3 E 3849 (Cussonel) 346', 375, 377 f, 382'ff, 385', 394 f, 437, 443', 446', 480, 49l' ff, 495', 547, 552 Schlumpf, Thomas Leonhard bzw. Albert, m. a. 1544—1546: A. d* Rhone 3 E 3850 (Cussonel) 2' f, 8, 63, 137, 145', 206', 210', 246 f, 249, 251, 260' 297, 341', 345, 348, 357, 358', 402', 408', 409', 410', 448', 450, 450', 452, 452', 453, 458', 459, 473, 475', 487, 487', 488', 49l', 502, 505, 508, 510', 560', 561 Schmeling, Schmelz s. Chmelly Schmidtmair Erben, Nürnberg, beteiligt am Grand Parti: StA Nümbg. Diff. akt 760 Schnabel, Christoph, Nürnberg: 1653, StA Nümbg. Diff. akt 761; Roth, Gen. 115 Schnatter, 1782, Stadtarch. Lindau 100/1 Schnuck, Arnold, Nürnberg, eingeschr. 11. VII. 1656, Bog 58; natural. 1674. A. m. Lyon 289; über Heinrich Schnuck: StA Nürnbg. Diff. akt 760, 761, 764 Schobinguer, St. Gallen: Rondot 438, Pemetti. Fa. in Kempten: Zorn 76; vgl. Lüthy 31, Strieder, Notariatsarchive pass. (Reg.); Wild, pass. (Reg) Schöner, Schonner, Michael, Nürnberg Ver Hees; Roth, Gen. 95, lib. litt., 1583: StA Nürnbg. Diff. akt 752 Schorer, Josse et freres, Augsbg. und Ulm, A. d. Rhone 3 E 4498 (Dorlin) 1. VI. 1564; vgl. Haemmerle 375; Stammtafel der Schorer! Johann Sei­ fert, Stammtafeln Gelehrter Leute (Regensburg 1717/27); Weyermann 493 Schorer, Leonhard Erasmus, Komp, von Marx Christoph Welser, 1621 ein­ geschr. StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60; Die Welser I, 589; Großneffe des Jos. Schorer Schorer, Louis, Erben, Augsburg, Ver Hees; Ludwig f 1595, co 1577 Regina Rehlinger, Haemmerle 1039; Zorn 14, 19 188

MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

Schürger s. Surgues Schürstab, Jerome, Czuster dit Fischefeu, m. a., A. d. Rhone 3 E 3849 (Cussonel) 305', 306, 309', 318; 3 E 3850 (Cussonel) 299'; TA I 4 a; Fa.: Hieronymus Schürstab und Stephan Kaltenhofer TA I 4 a (1546) Schürstab Johann s. Bayer Schürstab, Fichefeu (Fychefeu), Thibaut (Sebald), 1529, 1536, 1547, Vial; Thibaut Schurstab dit Fichefeu: A. d. Rhone 3 E 3850 (Cussonel) 641; Sebald Schürstab StA Nürnbg. Rechnungsbeleg 716 (1500/1) Schüler, Johann Leonhard (f 1. II. 1736) und Johann Adam: 1710, StA Nürnbg. Diff. akt 763, 764, 765; Stadtarch. Augsbg. Comm. II; Stadtarch. Lindau 100/1 Schwab, Heinrich und Bartholomäus, Nürnberg> Ver Hees; vgl. StA Nürnbg. Diff. akt 752, Roth, Gen. 83, 85; Roth, Gesch. I, 365, II, 98 f; Köpf 80 (Barth, u. Lorenz Schwab) Schwarzenburger, Georg Friedrich, Beauftragter der Prechter, Straßburg, in Lyon, Fuchs 164 f, 183 Schwerzer, Sebald, Nürnberg, Ver Hees; nach lib. litt: kursächsischer General­ faktor; oo 1535 Margarethe Volkshard: Burger Nr. 2856; 1581: StA Nürnbg. Diff. akt 752 Sebald s. Thibaut Seiler, Leutkirch, 1715: StA Nürnberg, Diff. akt 763 Seiler, Hieronymus: A. d. Rhone 3 E 3851 (Cussonel) 256 ff (1553); oo Felicitas Welser: Haemmerle 364; Kellenbenz 18, 21; Ehrenberg I, 220 f; Strieder, Notariatsarchive, pass. (Reg.) Sailer, Jean George de Chafouzen (Schaffhausen): eingeschr. 3. XII. 1640 A. d. Rhone Seiller, Michael zus. mit Christoph Crafft, m. a. 1556: A. d. Rhone 3 E 3851 (Cussonel) 249'; 3 E 4495 (Dorlin) ohne Blattzahl; vgl. auch Neidhard und Stadtarch. Augsbg. Handelsakten 25, Comm. I; A. d. Rhone 3 E 4499 (Dorlin) 147; f vor 1596: ebda 3 E 4502 (Cussonel) zu 159: A. m. Strasbourg AA 1859 Seuller, Theodore: Vial Seuiller, Thomas, Faktor der Förenberger und Bosch,, 1596: A. d. Rhone 3 E 4502 (Dorlin) ohne Blattzahl Selaparis, Rondot 441 = Schlapritzi: Wild pass. Semler, Dietrich, Faktor und Komp. d. Fa. Bosch-Förenberger; Stadtarch. Nürnbg. HV 1201 Ba 1 und Ba/37; StA Nürnbg. Diff. akt 760; lib. litt., Roth, Gen. 98, Köpf 107 Seng, Saing, Sehen, Scheng, Oswald, urspr. Nürnbg., Augsburg, Ver Hees; Zeuge: A. d. Rhone 3 E 4498 (Dorlin) 1. VI. 1564; 3 E 4500 (Dorlin) 6; Bevollmächtigter des Wilhelm Prechter: 3 E 4500 (Dorlin) 80' ff, 1. XII. 1570; StA Nürnbg. SIL 177 Nr. 28 (1569); Stadtarch. Augsbg. Not. arch. Spreng II, 17, II, 42; Bresard 28 5 Sesele, Francois, Ulm: Einschreibg.: A. d. Rhone [Sesslin, Seßle?] Sichel, Gaspard, bourgeois de Nuremberg, u. s. Sohn Jean: 1505 A. d. Rhone 3 E 4203 (Delagrange) 215 [= Sichard?] 189

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Simond, 1535, Vial Sist, 1492 (= Sixtus?), Vial Specht, Lothar, 1719 StA Nümbg., Diff. akt 764; Stadtarch. Augsbg. Comm. II, Stadtarch. Lindau 100/1 Spon, Matthieu, Ulm, Ver Hees; f 1647: Rondot 436; Spon, Matthieu 1561— 1595: Vial; vgl. Stadtarch. Ulm 1—20—3; Wild pass. (Reg.) bes. S. 109 f; ein Charles Spon, ne ä Lyon (* 1609). Arzt, f 1684 u. s. Sohn Jacques f Vevey 1685; vgl. Pemetti II, 112 ff; Weyermann 543 Sprinzing, Jehan, Ulm(?), eingeschr. 1621: StA Nümbg. S I L 48 Nr. 60 Stadel, Christoph, Straßburg, 1680: A. m. Lyon AA 75; J. Hatt, Bourgeoisie alsacienne, 225—231 Stenglin, Christoffle et fils, Augsburg, 1621 eingeschr.: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60 Stenglin, Daniel, Augsburg, Ver Hees; neu eingetr. 1621: StA Nürnbg. SIL 48 Nr. 60, f 1626, oo 1580 Anna Maria Bachmair: Haemmerle 1120; Stetten 302 ff; Stadtarch. Nümbg. HV 1201 Ba 1 (auch Matthias Steng­ lin); StA Nümbg. Diff. akt 761 Stenglin, Marc: A. d. Rhone 3 E 4502 (Dorlin) 1596, 10. VIII. 1598 Stenglin, Matthäus (Matthieu), Augsburg. Ver Hees; Heretiers Matthieu Steng lein neu eingeschr. 1621: StA Nümbg. S I L 48 Nr. 60; Matthäus f 1604 oo 1557 Maria Gienger, 1572 Felicitas Grienberger: Haemmerle 698 a, 933 Steudlin, Paul d. Ä., Augsburg: A. d. Rhone 3 E 4502 (Dorlin) 1596, 10. VIII. 1598; Deputierter zum Grand Parti: StA Nümbg. Diff. akt 760; übernahm nach dem Tode des Konrad Greck dessen Lyoner Handlung zus. mit Mathes Bernhard Manlich: Stadtarch. Nümbg. HV 1201 Ba, Sehr. v. 3. IX. 1603 Stoker, Jean, Augsburg, Ver Hees; vgl. Doucet, Finances mun. 75 Stoker, Hartwig, Paul und Thomas: A. m. Lyon HH 292 (1595); ein Benedikt Stöcker in Schaffhausen, Wild pass. Stolzenbauer, Johann Peter, Memmingen: Bog 47 Sturm, Procellier, Georg u. Gesellschaft, Nürnberg, Ver Hees; neu eingeschr. als George Proceller et comp. 1621: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60; Zinnhändler: MVGN 21 S. 282, 27 S. 220; lib. litt., Roth, Gen. 90 Süeß, Leonhard u. s. Söhne Hans Jakob und Johann, Leutkirch, 1665: A. m. Lyon AA 71 (Schuldenregelung) Sulzer, Leonhard, Erben, Augsburg, Ver Hees; f 1574, oo 1533 Regina Im­ hoff: Haemmerle 362; Strieder, Genesis 138 ff Surgues, Jacques, 1541, Vial = Scherg? Schürger? identisch mit ZiergueT? Syber, Jean 1602/4: Rondot 436 -

Tetzel, Jörg, Nürnberg, beteiligt am Grand Parti: StA Nürnbg. Diff. akt 760 Thibaut wohl = Sebald: Örtel? Schürstab? Vial von Thiel, Wolf, Nürnberg, beteiligt am Grand Parti: StA Nürnbg. Diff. akt 760; Roth, Gen. 74 190

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Thurneysen, Tourneysen, Johann Jakob, Regensburg, 1745: A. m. Lyon AA 74 Tocquer, Touquer s. Tücher de Torney (Doomik?), Jean Daniel, 1495 ff: Vial Trabinguer, Michel: A. d. Rhone 3 E 4496 (Dorlin) 1. X. 1555 Tradel, George, Bevollmächtigter des Antoine Bedermann: A. d. Rhone 3 E 4502 (Dorlin) 27. IX. 1597 Traub, Heimbrand, 1497: A. m. Strasbourg AA 297 Trechsel, Jean, Buchdrucker, 1491, Vial; Melchior: Gascon 654 Treyel, Christophle, natif d’Ambras ä Tyrol, natural.: A. d. Rhone Tucker, Tocquel, Tocquer, Toquer, Touquer, Anton: 1. H. 16. Jhd. TA I la; Ver Hees HJ 79; Vial; Gascon 654 Tuck>er, Antoine et Tornas, eingeschr. 1621: StA Nümbg. S I L 48 Nr. 60; Anton, Hans und Martin: Köpf 80 Tücher, David 1546/7: TA I la Tücher, Gabriel 1543/61: TA I 4a/b Tücher, Hans 1480: Ammann 171 f, 176, 179, 182 ff; Schulte II, 17, III, 209 Tücher, Herdegen, 1550/61: TA I 5 Tücher, Hieronymus, 1517, 1521: TA I 6a/b Tücher, Karl: Köpf 83; 1644: StA Nümbg. Diff. akt 761 Tücher, Leonhard (Lyonard) (Stammtafel bei Schwemmer MVGN 51 (1962) bei S. 32 u. S. 30 ff; 1529: Vial; beteiligt am Grand Parti: StA Nürnbg. S I L 177 Nr. 28. — Vgl. auch Lyonard! Tücher, Lorenz: TA I, 11 Tücher, Martin: Ver Hees HJ 79; Vial Tucker, Paulus und Gebrüder, Nürnberg, Ver Hees; Schwemmer in MVGN 51 (1962) 32 f; TA I, 13; Köpf 80; Paul Tücher et freres, darunter Gabriel: A. d. Rhone 3 E 4500 (Dorlin) 34'; 1581: StA Nümbg. Diff. akt 752, 760; Ehrenberg I, 23 5 ff, 249 ff; Doucet, Grand Parti 479, 48 5 Tücher, Thomas, Paul u. Herdegen: A. d. Rhone 3 E 4500 (Dorlin) 1596; Paul u. Herdegen 1594: StA Nümbg. Diff. akt 760 Unterhölzer, Undelholze, Sebastian, Nürnberg: A. d. Rhone 3 E 4502 (Dorlin) 1596; beteiligt am Grand Parti: StA Nümbg. Diff. akt 760; lib. litt. Urtel s. Örtel Valentin, 1529, Vial Vandelmont, Lyonard, 1506, Vial; Waldmann? Bei Schulte I, 205 kein Leon" hard unter den Waldmann! Vayer, Jehan, m. a. d’Auguste: A. d. Rhone 3 E 38 51 (Cussonel) 258'; ein Sebastian Weier TA I, la; Memminger Familie: Schulte pass. (Reg.) Velser, Velze s. Welser Vennel s. Bennel Viatis, Bartholomee, Faktor des Johann Volland in Nürnberg: A. d. Rhone Sentences de la senechaussee de Lyon 15 58/9: 10. V. 1559; vgl. Gustav Aubin, Barth. Viatis: VSWG 33 (1940); Gerh. Pfeiffer, in: Nürnberger Gestalten (1950) 113 ff 191

MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

Vichmann s. Weikmann Vincelius, Paul, Leutkirch: StA Nürnbg. Diff. akt 765 Visdier, Hans (1510) Endres 116 Vöhlin, Hans, Memmingen: Ver Hees; f 1624, oo 1589 Anna Rem: Haemmerle 1339; vgl. Nübling 375 ff; die Welser-Vöhlin-Gesellschaft: Strie­ der, Genesis pass. Vöhlin, Konrad und Paul, Augsburg, Ver Hees; Konrad f 1595, oo Sabine Welser 1550: Haemmerle 570; Paul f 1579, oo 1574 Regina Linck: Haemmerle 645; Zur Farn.: Stetten 229; ein früherer Conrad Vöhlin in Lyon: Ver Hees HJ 77 (Felix = Vöhlin?!) Vörchtel s. Forcher Vogle. Jean, Vial = Vögelin? vgl. über diese Stetten 82 Volckamer, Jörg (1510) Endres 116 Volland, Jehan, march. de Nuremberg: A*. d. Rhone 3 E 4496 (Dorlin) 22. VIII. 155 5 (mehrere Eintr.); ordonnance gegen ihn pour des armes saisis dans des bailots expedies ä Nuremberg: A. d. Rhone Ser.B, sentences de la senechaussee de Lyon 1558/9 Volturcq, Paul, 1529, Vial; Waldreich? Waldkirch? Wolfart? Ver Hees HJ 79 liest Paul et Orl Turq, die er für Mitglieder der Familie Tücher hält Vonwiller s. Wateville Vrsel s. Welser Vicquemert, Josse, Ulm, wohl = Weickmann Ver Hees HJ 80 Vytemant, Michel et Georges 1529, Vial; Widmann-Nümbg.? (lib. litt.); Wiedemann-Leipzig? Ver Hees HJ 80 hält sie für Weikmann-Ulm Wagner, Francois, Augsburg, Ver Hees; Francois et Jacques Wagner freres neu eingeschr. 1621: StA Nürnbg. S I L 48 Nr. 60; 1602: Stadtarch. Nürnbg. HV 1201 Ba 1; f 1617, oo 1592 Sabina Böcklerin: Haemmerle 1435

Wagner, Hans, vgl. m. Beitrag in Quellen u. Forschungen z. Gesch. d. Stadt Nürnberg! vgl. Roth, Gen. 40 Waldkirch s. Volturq Waldmann s. Vandelmont Waldreich s. Volturcq de Walperg, Cornelius, in Gesellsch. m. Hans Christoph Beck, Augsbg., Bog 3 5 Walther, Bernard Jehan, Augsburg, in Gesellsch. m. Konr. Greck, Ver Hees; = Bernhard Walther f 1595, oo 1567 Franzisgina (?) Kraffter: Haem­ merle 8 51; über die Walther in Leipzig: Fischer 122 ff Walther, Jerosme, Daniel u. Gesellsch., Augsbg.: Ver Hees; Hieronymus f 1633, oo 1585 Anna Maria Jenich: Haemmerle 1261; Daniel f 1623, oo 1593 Regina Heintzel: Haemmerle 1466 Warmberger, Daniel, Nürnberg? StA Nürnbg. Diff. akt 764; ein Paul Warm­ berger: Wild 123; Joh. Martin W. in Nürnberg: Roth, Gesch. II, 112 de Watteville, Jean, 1589, Vial; von Watt? Vonwiller? (über diese Wild pass. Reg.) 192

MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

Weier s. Vayer Weickmann, Georg, Ulm: Georges (f 1562) et Josse (f 1580) Vichmann m. a. d’Ulme: A. d. Rhone 3 E 4496 (Dorlin) 22. u. 23. X. 1555; 1546: A. m. Strasbourg AA 547; Hilfe Heinr. II. für d. freres Vicquemans m. a. frequentant les foires de Lyon zur Verfolgung ihres Faktors in Lyon Martin Christenei, der Unterschlagungen begangen hatte (Villiers-Costeret, 1. X. 15 55): A. d. Rhone, livre du roi, inscriptions BL 405' f; Ehrenberg I, 262; Doucet, Grand Parti 477; Ströhle 93, 166, 168; Weyermann 588; Fingerlin u. Weikmann vgl. Stadtarch, Ulm X—20—3; vgl. Vicquemert Weiß, Leonhard u. Gehr., Augsburg, in Gesellsch. m. Wolf Paller: Ver Hees; W. Leonh. f 1653, oo 1614 Maria Salome Thenn: Haemmerle 2112 Weiß s. a. Narcizus Welser, Andreas, 1560: StA Nümbg. Diff. akt 751; Die Welser I, 187 ff Welser, Antoine, 1515 ff, Vial; Die Welser, vor allem I, 64 ff (Haupt der Welser-'Vöhlin-Gesellschaft) Velze, Barthelemy et comp. 1529: Vial; Ver Hees HJ 80; A. d. Rhone 3 E 4497 (Dorlin) 24. IV. 1556; Die Welser I, 193 ff; Stetten 95 ff; Nübling 377 ff; Strieder, Genesis 132 ff; Ehrenberg I, 193; Gascon 654 Welser, Bernhard, Gascon 654 Welser Christoph, Augsburg, Ver Hees; Vial; 1569 StA Nümbg. S I L 177 Nr. 28; Christoph u. Gesellsch.: A. d. Rhone 3 E 4499 (Dorlin) 147, 188'f; 3 E 4500 (Dorlin) 10; Doucet, Finances mun. 75, 107; Doucet, Grand Parti 477 f, 485; Bresard 285; Die Welser I, 324; A. m. Stras­ bourg AA 882 Welser, Jehan u. Jacques, Nürnberg, Ver Hees; 1569: StA Nümbg. SIL 177 Nr. 18; 1583: ebda. Diff. akt 760; Köpf 80; Vrsel, Jehan, 1529: Vial; ein Hans Welser beim Baden in der Saone 1528 ertrunken: TA I la; Jacques: Ver Hees HJ 80, Vial; Die Welser I, 443 ff, 446 ff; Strieder, Notariatsarchive pass. (Reg.); Gascon 654 Weißer, Marc Christophle (f 1640) et Schorer, Leonhardt Eraßme d’Ulme, eingeschr. 1621: StA Nümbg. S I L 48 Nr. 60; Die Welser I, 588 ff Welser, Michael, Gascon 654 Welser, Philipp: Stadtarch. Augsbg. Not. arch. Spreng III, 3 Velser, Pierre, 1549: A. d. Rhone 3 E 3851 (Cussonel) 65 Welser, Sebastian, Nürnberg: A. d. Rhone 3 E 4502 (Dorlin) 1596; beteiligt am Grand Parti: StA Nürnbg. Diff. akt 760; vgl. Doucet, Finances mun. 75; Die Welser I, 416 ff Widmann, Wiedemann s. Vytemant Widenhuber, Balthasar oo Veronica Fitler: Rondot 444 Winkler, Wolfg. Christoph: StA Nümbg. Diff. akt 763 Wißer, Jörg, Konstanz: perm. de sortir Juin 1687: A. d. Rhone Wolf: noble Bernard de Loup, natif du pays de Saxe: ä ung lieu pres de Leipzich 1556: A. d. Rhone 3 E 4497 (Dorlin) 49 Wolf, Frederic de Strasbourg, Fuchs 159; beklagte sich 1569 über die Zwangs­ anleihe des franz. Königs und die neue Auflage auf Safran und Seide durch den Gouverneur von Lyon 13

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MVGN 53 (1965) Privilegien der französischen Könige

Wolf, Georg, Erben, Strasbourg: Ver Hees; 1571: Vial; ihr Diener s. Heintzmann; Fuchs 184; 1580: A. m. Strasbourg AA 1865; vgl. Bresard 285; einen späteren Wolf bei Eiie Brackenhofer: Voyage en France 136; Wolf, Suisse: Pemetti Wolf (Loup), Konrad: A. m. Strasbourg AA 1853; ebda AA 1855 Wolff, Mathieu de Nuremberg? eingeschr. A. d. Rhone; 1644: StA Nümbg. Diff. akt 760, 761; oo Marguerite Franc: Rondot 443 Wolf, Paul age de 62 ans, originaire de la ville de Reissembourg (Opf.) (= Weißenburg??) A. d. Rhone Wolfart s. Volturcq Wucherer, Johann Kaspar [wohl Nördlingen] (1728): Stadtarch, Augsbg. Comm. II; D. E. Beyschlag u. J. Müller, Beytr. z. Nördl. Geschl. historie (Nördlingen 1803) 591 ff Yegre s. Jäger Yzellm s. Izellin Zangmeister, David, bourgeois de la ville d’Auguste; 1553: A. d. Rhone 3 E 3851 (Cussonel) 256'ff; Stadtarch:. Augsbg. Not. arch, Spreng II, 42 Zangmeister, Saumaistre, Evrard (Eberhard) 1529, Vial; vgl. Ascan Wester­ mann in: Memminger Geschichtsblätter 13 (1927); Ammann bes. S. 188 ff Zangmeister, Francois, m. a. demeurant ä Geneve; A. d. Rhone 3 E 3851 (Cussonel) 285'; vgl. Doucet Grand Parti 48 5, 505 Zangmeister, Saulnestre, Jean Leonard, 1522: Vial, Ver Hees HJ 79 Zangmeister, Jehan et Ebrat Sammaister et comp. m. a. du lieu d’Augsbourg (betr. Kauf von peaux de renard, futaines, loutres) 1555: A. d. Rhone 3 E 3850 (Cussonel) 247'; 1546: ebda: 449, 459'ff. Ihr Vertreter Jean Zangmeister. Vgl. Ascan Westermann, Die Zahlungseinstellung der Handlungsgesellschaft der Gebr. Zangmeister zu Memmingen 1560: VSWG 6 (1908) 460 ff; Ehrenberg I, 245 Zangmeister, Hieronymus als Bevollmächtigter: A. d. Rhone 3 E 3851 (Cus­ sonel) 256 ff Zierguer, Jacques, 1529, Vial; vgl. Surgues Zoller, Georg, 1657: Stadtarch. Augsbg. Comm. I Zoller, Georg Hieronymus 1717: StA Nümbg. Diff. akt 764

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DER SCHLESISCHE UND POLNISCHE TRANSITHANDEL DURCH BÖHMEN NACH NÜRNBERG IN DEN JAHREN 1540 BIS 1576**) Von Richard Klier Dieser Aufsatz beschäftigt sich mit der Studie zweier Forscher, die den Transithandel der Breslauer Kaufleute durch Pfraumberg (tschech. Primda, poln. Przymda) in Westböhmen in der Richtung Nürnberg zum Gegenstand hat. Diese Arbeit stellt eine wertvolle Ergänzung dessen dar, was Carl L. Sachs in seiner wichtigen Abhandlung „Metzgergewerbe und Fleischversorgung der Reichsstadt Nürnberg“ *) über dieses Thema schon gebracht hat, was aber von den beiden Forschem übersehen wurde. Die Arbeit von Maur und Pertran stützt sich auf Archivalien des Tschecho­ slowakischen Zentralstaatsarchivs in Prag, die erwachsen sind aus dem Ge­ schäftsverkehr der böhmischen Kammer. Davon verdient besonders hervor­ gehoben zu werden die Zusammenstellung „Khurczer Summari Ausczug auß den Pfraumbergischen Zoll-Registern, waß die Handelsleut von Breslau vom 40 Jar bis zu Endt des 76 Jars, thuet mitlar weil 36 Jar, an Zollgellt in des Jar unnterschidlichen geraicht haben, alles auf Schockh Groschen Pehaimisch gerait“ 2). Die beiden Forscher haben dankenswerter Weise die Angaben des „Auszugs“ in einer Tabelle (S. 352—363) zusammengefaßt, in der die Per­ sonennamen in der originalen Form wiedergegeben sind. Der „Auszug“ wurde von einem Finanzrat der Böhmischen Kammer, Leo­ pold Puckler, zusammengestellt. Er wollte damit beweisen, daß die Breslauer Kaufleute vom Jahre 1540 bis 1576 in Pfraumberg stets Zoll entrichtet hätten. Die „Ganze Sammlung der erbam Kaufleut“ zu Breslau hatte sich nämlich am 17. Juni 1577 durch Vermittlung des Rats dieser Stadt mit der Beschwerde an Kaiser Rudolf II. als König von Böhmen gewandts), daß ihre Mitglieder in Pfraumberg gezwungen würden, von Ochsen, Häuten, Wachs und anderen Waren Zoll zu entrichten, für die sie schon in Breslau, wie der Rat dieser Stadt bestätigen könne, den gebührenden Zoll gezahlt hätten. Ihre Fuhrleute wür­ den zu Pfraumberg so lange aufgehalten, bis sie den unrechtmäßigen Zoll be­ glichen oder sich die Faktoren der Breslauer Kaufleute in Nürnberg zur Zah­ lung dieser Gebühren verpflichtet hätten. Bisher konnten sie nach Vorweisung *) Zugleich Besprechung von: Edward Maur und J6zef Pe träft, Tranzyt towar6w kupcow wroclawskich przez Czechy do Norymbergi w latach 1540—1576 (Der Warentransit der Breslauer Kaufleute durch Böhmen nach Nürnberg in den Jahren 1540—1576), in: Sl^ski Kwartalnik Historiczny „Sobotka“ (Schlesische historische Vierteljahresschrift „Sobötka“), Jahrg. 1964, S. 336—364. [Sobotka = Zobten]. *) Sachs S. 165 ff. Genauer Titel im Verzeichnis der Abkürzungen. Genauso hätte beachtet werden müssen: Arthur Kern, Der „neue Grenzzoll“ in Schlesien, seine Begründung und Entwicklung 1556—1624. Philos. Diss. Berlin 1892. *) Maur — Petr. S. 338. Signatur des „Auszugs“: CDKM IV P. 5) Ebd., S. 337. 13*

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der in der Grenzzollstation Breslau ausgestellten „Polleten" (Bolletten) Pfraumberg zollfrei passieren. Die Breslauer Handelsleute ersuchten daher den Kaiser, anzuordnen, daß der Zolleinnehmer der böhmischen Grenzzollstation den unrechtmäßig abgeforderten Zoll wieder zurückerstatte. Von den böhmi­ schen und den Nürnberger Kaufleuten werde dagegen der Zoll in Pfraumberg rechtmäßig gegeben, da diese in Schlesien, wie üblich, keinen Grenzzoll zahl­ ten. Daraus ist zu entnehmen, daß innerhalb der Länder der böhmischen Krone nur einmal der Grenzzoll (Ausfuhrzoll) entrichtet wurde: die Breslauer führten ihn in Schlesien ab, die böhmischen und die Nürnberger Handelsleute beim Verlassen des Königreichs Böhmen, in unserem Falle in Pfraumberg. Die Beschwerdeschrift der Breslauer Kaufleute wurde vom kaiserlichen Hofe in Wien zur Weiterbehandlung an die böhmischen Statthalter in Prag überwiesen, die am 23. Juni 1577 der böhmischen Kammer den Befehl erteil­ ten, sich weiter damit zu beschäftigen. In einer Stellungnahme dazu vom 24. August 1577 erwähnt der Finanzrat L. Puchler den schon genannten „Aus­ zug" 4). Um diese Verhältnisse zu verstehen, wird im Anschluß an die Darstellung von Sachs (S. 165—173) und an die Ausführungen der beiden Verfasser des im Anfang zitierten Aufsatzes (S. 336—340 und 345—350) folgender Über­ blick über die Zollverhältnisse in Pfraumberg im sechzehnten Jahrhundert ge­ geben. Im Jahre 1538 befahl König Ferdinand I., im Königreich Böhmen ein Grenzzollsystem aufzubauen. Eine der neuen Grenzzollstationen war Pfraum­ berg in Westböhmen, das von allen neuen Zollstätten die höchsten Erträge brachte 4a), führte doch hier die wichtige Femstraße durch, die Breslau über Prag mit Nürnberg verband. Bis zum Jahre 1546 waren die hier erhobenen Zollgebühren erträglich, jedoch nach Ausbruch des Schmalkaldischen Krieges (1546) und sicher im Zusammenhang damit wurde der Ochsenzoll von vorher sieben böhmischen Groschen auf 37 b. Gr. erhöht, was zur Folge hatte, daß beim Ochsentrieb aus dem Osten diese Straße gemieden und umgangen wurde. Die Hoffnung der Nürnberger und wahrscheinlich auch der anderen Ochsen­ händler, daß nach dem Krieg dieser spezielle Zoll wieder ermäßigt werde, ging erst im Jahre 1558 in Erfüllung. Von da ab bis zum Jahre 1600 betrug er stets für einen Ochsen zehn böhmsiche oder Weißgroschen, nur für das Winter­ halbjahr 1575/1576 wurde der Ochsenzoll vorübergehend erhöht. Der erwähnte, als angemessen angesehene Zoll auf Ochsen und andere Handelsgüter wurde aber seit dem Jahre 1577 für die schlesischen Kaufleute dadurch verdoppelt, daß entgegen der alten Gepflogenheit nicht nur an den schlesischen Grenzzollstätten, wozu auch Breslau gerechnet wurde, Zoll er­ hoben wurde, sondern auch in Pfraumberg in Westböhmen. Gegen diesen „doppelten Zoll" kämpften die Breslauer Kaufleute einige Jahre mit Unter­ stützung ihres Rates und der schlesischen Stände; sie hatten schließlich Erfolg; denn Kaiser Rudolf II. bestimmte in seinem Zollpatent für Schlesien vom 4) Ebd., S. 33 8. 4a) Rudolf Schreiber, Verlagerungen im Ausfuhrhandel Böhmens im Spiegel der Grenzzölle 1587—1691, Zeitschrift für Geschichte der Sudetenländer, 6. Jg. (1943), S. 42 ff.

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MVGN 53 (1965) Transithandel

28. Mai 158 5 5), daß alle in- und ausländischen Gewerbs- und Handelsleute ihre Waren, die hier geladen worden waren und für die der vorgeschriebene Grenzzoll entrichtet worden war, durch die „Krön Beheimb allenthalben biß über die Gräntz weiter unbeschwert und ohne Entgeldt“ passieren könnten. Von nun an mußten die Nürnberger Kaufleute in Schlesien (Breslau, Brieg usw.) den böhmischen Grenzzoll entrichten und konnten daraufhin nach Vor­ zeigung der schlesischen Zollquittungen (Bolletten) zollfrei eine böhmische Grenzzollstation passieren, das war gewöhnlich die von Pfraumberg. Christoph Rütschel, dem Zolleinnehmer dieses Ortes, und dem Grenzzollkommissar in Prag, Niklas Schwarzenberger, der jedes Jahr die böhmischen Grenzzollstätten, insbesondere die Zollamtsrechnungen überprüfte, wird es bald aufgefallen sein, daß die Zolleinkünfte dieser bisher ertragreichsten Mautstelle des Königreichs rapid zurückgingen. Aus diesem Grunde befahl der Letztgenannte, sicher mit stillschweigender Duldung des Herrschers und im Einvernehmen mit den Räten der böhmischen Kammer, dem Pfraumberger Zöllner im Herbst des Jahres 1586, die schlesischen Bolletten nicht mehr anzuerkennen. Das teilte dieser im Oktober des Jahres in einem Schreiben den Nürnberger Ochsenhändlern, den Hauptbetroffenen, mit, ließ noch auf dem berühmten Brieger Markt ge­ kaufte Ochsen durchtreiben, forderte aber für das ganze Jahr 1586 die Nach­ zahlung des nicht entrichteten Zolls, sollte das nicht geschehen, drohte er, andere Nürnberger Güter zu arrestieren 6). Diese leidige Angelegenheit berührte nicht nur die Nürnberger Handels­ leute, sondern auch ihre Breslauer Geschäftsfreunde. Aus diesem Grunde wandte sich der „Allgemeine Kauf- und Handelsmann“ zu Breslau unmittelbar vor dem 9. Dezember 1586 mit einem Gesuch an den Rat seiner Stadt mit der Bitte, er möge seine Gesandten, die sich gerade zu der Zeit am kaiserlichen Hof in Prag befanden, anweisen, mit den dort zu erwartenden Nürnberger Gesandten beim Kaiser zu bewirken, daß dieser lästige „doppelte Zoll“ in Pfraumberg wieder abgeschafft werde 7). Das war der Wunsch der Kaufleute, aber das größte Hindernis für seine Verwirklichung war die chronische Finanz­ not des kaiserlichen Hofes. Die über diesen Zollstreit vorhandenen Akten der Reichsstadt sagen aus, daß im Herbst des Jahres 1591 noch keine für die Nürn­ berger Handelsleute günstige Entscheidung zu erwarten war 8). Den scheinbaren Sieg, den die Breslauer Kaufleute, unterstützt von ihrem Rat und den übrigen Ständen des Herzogtums Schlesien, durch die kaiserliche Resolution vom 28. Mai 158 5 errungen zu haben glaubten, mußten sie verloren geben, als im Jahre 1587 an der Grenzzollstätte Budweis in Böhmen von ihnen neuerdings ein „doppelter Zoll“verlangt wurde; der Streit nahm kein Ende9). 5) Ein Originaldruck dieses Patents befindet sich im BStAN: B — Laden, SIL 175 N 40, BL 37. Das von Maur — Petr. S. 3 50 angegebene Datum ist zu korrigieren; nicht März, sondern richtig; Mai. 6) BStAN: B - Laden: S IL 175 N 40. 7) Ebd., BL 42-44. 8) Ebd., BL 45. 9) Kern, Der „neue Grenzzoll“ (Anm. 1), S. 14, Anm. 4 und S. 45.

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Die Transitgüter 1. Die Ochsen Von allen durch Pfraumberg geführten Handelsgütern erbrachten die Ochsen den höchsten Zollertrag. Daher sollen aus der dem Aufsatz von Maur und Peträn auf Seite 352 f. beigefügten wertvollen Tabelle über die durch Pfraumberg geführten und hier verzollten Waren die Angaben über die Ver­ zollung der Ochsen im ganzen Umfang wiedergegeben werden (vgl. S. 199). Das Hauptgewicht ihrer Darstellung haben die beiden Verfasser Maur und Peträn auf die Darstellung der Zollverhältnisse in Schlesien und Böhmen ge­ legt, die hier nur kurz berührt wurden, die Analyse der im Anhang des Aufsatzes gebotenen Tabelle hätte meines Erachtens noch eingehender sein können, was den Ochsentrieb und die damit beschäftigten Handelsuntemehmer betrifft. Aus diesem Grunde möchte ich mich mit diesen Fragen, hauptsächlich gestützt auf Nürnberger Archivalien, etwas eingehender beschäftigen. Wie ist der Wert des Seite 338 zitierten „Auszugs“, zusammengefaßt in der oben erwähnten Tabelle, zu beurteilen? Ein Vergleich mit den Angaben der Pfraumberger Zollamtsrechnungen aus der Zeit zwischen 1540 und 1576 ist nicht möglich, da diese heute nicht mehr vorhanden sind. In dieser Hinsicht müssen wir uns statt mit einer Taube mit einem Sperling begnügen, aber besser ist das immer noch, als wenn überhaupt nichts mehr über den Pfraumberger Transit bekannt wäre. Auffallend ist, daß im „Auszug“ die Herkunft der einzelnen Kaufleute nicht verläßlich angegeben ist, so war Hans Kerlin im Jahre 1541 noch Bürger von Nürnberg, erst im folgenden erwarb er das Bür­ gerrecht von Breslau 10). Peter Miessei war bis zu seinem Tode im Herbst 1572 stets Bürger der Reichsstadt Nürnberg u). Georg und Erasmus (Asmus) Schil­ ling sind höchstwahrscheinlich Krakauer Bürger gewesen 12). Hans Guetteter kann ebenso als Breslauer oder als Krakauer Bürger bezeichnet werden, in den Nürnberger Gerichtsbüchern kann man beides belegen, tatsächlich dürfte er sich die längste Zeit als Inwohner Nürnbergs in dieser Stadt aufgehalten ha­ ben 1S). Unser „Auszug“ ist demnach keine ganz solide Quelle, was die Her­ kunft der Zollzahler betrifft. Es fällt auf, daß im Zeitraum von 1540 bis 1576, und zwar vom Jahre 1540 bis zum Oktober 1547 in Pfraumberg nur Ochsen verzollt wurden, wäh­ rend das darnach nur noch im Jahre 1560 von zwei Schlesiern geschah. Die Verzollungen von Ochsen in den Jahren 1565 und 1566 kommen hier nicht in Frage, weil diese Tiere dem Nürnberger Bürger Peter Miessei und Benedikt Munch 14) gehörten. Die Herabsetzung der Zollgebühr für einen Ochsen von 37 böhmischen Groschen auf zehn b. Groschen durch das böhmische Zoll10) Siehe S. 210. u) Siehe S. 210. lf) Theodor Wotschke, Der Posener Bürgermeister Nikolaus Schilling, Hist. Monatsblättei für die Provinz Posen, 16. Jg. (1915), S. 151, Anm. 2. w) Siehe hier S. 206. 14) Über Benedikt Munch konnte ich nichts Näheres feststellen.

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MVGN 53 (1965) Transithandel

Tabelle 1:

Datum

1540 29 29

Name des Kaufmanns ii

Georg Schilling

IV

Georg Schilling Insgesamt

1541 26

i

Georg Schilling

TI

V

Daniel Schilling

16 23 2 20 29

VI

Daniel Schilling

VI

Daniel Schilling

VII

Hannß Kherlin

VII

Hannß Kherlin

VII

Hannß Guctteter Insgesamt

1542 1543 13 VII 19 VIII IX 18

Zoll Schock

Gr.

270 109

31 12

30 56

379

44

26

77 72 180 115 121 170 123

9



8

48

21 13 14 20 13



858

100

24







50 14 10 22

180 230 150

21 27 17



560

65

40

150 125 419

17 14 49

30 40 16

694

81

26

Schilling

100

11

50

Hannß Guetteter Friderich Guetteter Friderich Schilling Insgesamt

1544 20 26 2

Anzahl der Ochsen

VI

Asmus Schilling

VI

Asmus Schilling

X

Caspar Khelner Insgesamt

10 30

1545 25

VII

1546 19

VI

Hannß Guetteter

130

80

10

1547 23

X

Hannß Guetteter

300

185



VII

Daniel Schilling

IX

Georg Lindtner

501 135

83 22

30 30

636

106



810

135

_

180 39

30 6



219

36

30

1560

3 13

Insgesamt

1565 22

IX

Peter Miessei und Benedict Munch

1566

1 18

XI

Peter Miessei

XI

Peter Miessei Insgesamt

30

199

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patent des Jahres 1558 15) veranlaßte die schlesischen Viehhändler nicht, ihre wertvollen Tiere über Böhmen nach Deutschland zu treiben; denn sie fürch­ teten in Pfraumberg zur Zahlung eines „doppelten Zolls“ herangezogen zu werden, was tatsächlich auch geschah, wie aus einer beim Kaiser Ferdinand I. vorgebrachten Beschwerde der Stadt Breslau vom 1. Dezember 15 58 zu er­ sehen ist15a). Aus der Zusammenstellung über die in Pfraumberg verzollten Ochsen geht noch hervor, wann der Ochsentrieb erfolgte. Darnach war die Hauptzeit des Ochsentransports der Juni (5 Herden) und der Juli (6 H.), dann der September (3), Oktober (2) und November (2), der August wird nur einmal erwähnt18). Die Angaben der Nürnberger Ochsenamtsrechnungen der Jahre 1561 und 1570 über den Zutrieb von Ochsen stimmen damit nicht überein. Im Jahre 1561 wurden, soweit sich das feststellen läßt17), in Nürnberg zugetrieben: Juni 259 Ochsen, Juli 255, August 736, September 344, Oktober 1369, November 567; im Jahre 1570 18) im Mai 74, im Juni 248, im August 3211, im September 3809, im Oktober 1059 und im November 311 Ochsen. Der große Unter­ schied im Zutrieb der Jahre 1561 und 1570 erklärt sich wahrscheinlich daraus, daß das erste Jahr von einer verheerenden Dürre heimgesucht worden war, worauf ich noch eingehen werde. Den Unterschied in der Zeit des Viehtriebs zwischen den Pfraumberger Angaben und den Nürnberger Ochsenamtsrechnungen erkläre ich mir so, daß das durch die westböhmische Grenzzollstation getriebene Großvieh in der Nähe dieses Ortes auf Waldweiden gebracht wurde, wo es eine, zwei, drei Wochen und noch mehr verblieb, um sich von dem weiten Anmarschweg aus Schlesien, Osteuropa und aus Ungarn zu erholen. Auch in der Umgebung von Nürnberg, und zwar zwischen der Reichsstadt und Hersbruck und bei Wemding im Nördlinger Ries, standen Weiden für diese Ochsen zur Verfügung 19). So läßt es sich vielleicht erklären, daß auf den Nüm15) Maur und Petr. S. 341. Siehe auch Josef Jirecek, Celnictvi ceske za sestnäcteho veku (Das böhm. Zollwesen im 16. Jhdt.), Casopis Ceskeho musea, 40. Jg. (I), 1876, S. 14 gibt folgende Zollsätze für einen Ochsen an: 1534 = 1 böhm. Grosdien, 1546 = 37 b. Gr., 1558 = 9 b. Gr., 1575 = 10 b. Groschen. Nach Belohlävek, Boj. Piz., S. 169 und Dej. Plzne, S. 148, betrug der Zoll für 1 Ochsen 8 Groschen böhm. Nach unserer Tabelle wurden im Jahre 1560 für 1 Ochsen 10 b. Gr. Zoll verlangt. Bisher war die Ansicht (siehe Maur und Petr., S. 341) allgemein; daß der im Schmalkaldischen Krieg 1547 eingeführte Zollsatz von 37 b. Gr. für 1 Ochsen erst durch das Zollpatent des Jahres 1558 aufgehoben wurde. Nach den Angaben von Kern (Anm. 1), S. 16 ist anzunehmen, daß das nicht erhaltene böhmische Zollpatent des Jahres 1558 wahrscheinlich identisch ist mit dem von König Ferdinand von Böhmen am 1. Mai 1556 Unterzeichneten Zoll­ mandat, dessen Geltung aber längere Zeit umstritten war und z. B. in Breslau erst am 20. September 1557 öffentlich verkündet wurde, demnach für die Bürger dieser Stadt erst damit Rechtskraft erlangte. Jedenfalls bedarf diese Sache noch der Überprüfung. Dabei ist zu beachten, daß nach Kern S. 39 die schlesische Kammer bis zum 1. Mai 1572 der böhmischen unterstellt war. Die Entwicklung des Zollwesens in Schlesien verläuft demnach mit der in Böhmen parallel. 15a) Kern (Anm. 1), S. 23. 18) Siehe Tabelle 1. ,7) BStAN: Rep. 54a II: Nürnberger Stadtrechnungsbelege, Nr. 237. 18) Ebd., Nr. 307. 19) Beschwerdeschrift der Nürnberger Ochsenhändler über das Weiderecht und über verengte Wege bei Pfraumberg. Abschrift (teilweise Stenogramm f) im Nachlaß Prof. Rudolf

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berger Ochsenmärkten das große Angebot des Jahres erst vom August ab in Erscheinung trat. Überraschenderweise geht aus dem Pfraumberger „Auszug“ noch hervor, daß auch Ende Januar und im Februar Ochsen in dieser oft genannten Zoll­ station verzollt wurden, war doch sonst der Ochsentrieb von ausreichender Weide und vom Wasser abhängig. Als z. B. am 18. Juli 1561 die Ansbacher Regierung den Oberhauptmann und die Räte des hohenzollerischen Herzog­ tums Jägerndorf beauftragte, 200 gute Ochsen, „wann das antreuben der ochssen ytzo Laurenti [10. VIII.] des marckts uf der Hayde zum Brieg angeen wurdet“, für den fränkischen Fürstenhof zu kaufen2®), gaben die Jägemdorfer Beamten am 11. August d. J. zur Antwort, „das Gott der Allmechtige dieses Jhar über diese Lande aine sehr grausame unerfarne Hitze und Dürrde verhenget und geschigt hat, allso das nicht alleine uf den Feldern, in Brochn [= Brache] und Stoppeln alle Wayde verbrannt, sondern auch uf den Wysen das Graß meistesthailes vergangen und so gar verschwunden, das dieses Jhar nicht der dritte Teil Hewes wie zu gemainen Jaren gemacht werden kan. So ist auch alles Getraid an Geströde [ohne Stroh] ganz wenig worden. Und ist so große Dürrde, das auch vil Flisse und Beche ganz und gar ausgedorret; an Was­ ser uf Mhülen und Teichten großer Manngl und Noth vorhanden. Zu deme werden wir berichtet, das alberait ettlich Haufen Ochssen uf dieser Straße in Deutschlannd getrieben worden, welche alle Wayde, so nach vorhanden gewest, verzeret“. Wegen dieser Schwierigkeiten empfehlen die Jägemdorfer Ober­ beamten, die Ochsen auf dem Buttstädter Markt und anderswo zu kaufen21). Was für Schwierigkeiten den Schaffern und Knechten der Nürnberger Vieh­ händler im westlichen Böhmen bereitet wurden, ist aus einer Beschwerde der „Bürger hie zu Nürnberg, die Ochsen- und Viehhändler, so ihr Handel in und durch das Land Beheim führen“, zu entnehmen, die am 23. März 1570 in der böhmischen Kammer einlangte 22). Darin wird hervorgehoben, daß bis vor kurzem die Wege, die dem Viehtrieb dienten, durch ihre zweckentspre­ chende Weite kein Hindernis boten, nunmehr aber würden von einigen Adels­ personen und den Landsassen und Bauern des Klosters Katlecziaw (Chotieschau?), besonders in der Gegend zwischen Pilsen, Kladrau und Pfraumberg die Felder dermassen erweitert, daß man sie bis an die Landstraße umpflüge und besäme, so daß gegenwärtig gerade ein Fuhrwagen durchkommen könne. Es sei nunmehr unmöglich, das Vieh ohne Schaden für die bestellten Felder durchzubringen, was dazu führe, daß die Eigentümer dieser Grundstücke von ihnen Schadenersatz forderten, dann aber dieses Schatz- und Zechgeld in den Wirtshäusern mit „Schlemmen und Demmen [Prassen]“ durchbrächten, wo­ durch erwiesen sei, daß es diesen Leuten gar nicht darum gehe, ob die beSchreiber, Nr. 1, Blatt 92/93 im Sudetendeutschen Archiv in München. Fundort: Zentral­ staatsarchiv Prag, Alte Manipulation Z l/l/II, fol. 116—119. Das Begleitschreiben des Nürnberger Rats zur obigen Beschwerdeschrift ging aus am 10. März 1570 (BB 182, f. 210: An Kaiser Maximilian II.). Weideplätze: vgl. Anm. 28 und Sachs S. 90. 20) BStNA: Brandenburgische Literalien 924. 21) Buttstädt 17 km NNO Weimar. 22) Siehe Anm. 19/

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samten Felder zertreten werden oder nicht. Audi im Böhmerwald um Pfraumberg hätten die Pfleger der dortigen Ämter im Wald Posten aufgestellt, die jeden Ochsen sofort pfänden wollen, wenn er etwas von der Straße ab weiche, wo man früher doch ohne weiteres mehrere Wochen dort das Vieh weiden konnte. Die beiden Beschwerden hatten keinen unmittelbaren Erfolg; denn sie mußten im Jahre 1575 von neuem vorgebracht werden 2S). Die Ochsenhändler aus Polen und Schlesien Wenden wir uns nun den Untemehmerpersönlichkeiten zu, die in dem „Auszug“ aus den Pfraumberger Zollamtsrechnungen genannt werden, die aber bei Maur und Peträn keine Würdigung erfahren haben. Schon bei einer flüchtigen Durchsicht dieser Zusammenstellung fallen die Namen Schilling und Guetteter auf. Aus diesem Grunde wollen wir uns mit der Bedeutung dieser Handelsgeschlechter für den Viehhandel beschäftigen. Die Schilling waren ein bedeutendes Patriziergeschlecht der Stadt Krakau, dessen Angehörige sich erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts hier niedergelassen hatten. Sie stammten aus Weißenburg im Elsaß. Ihr weitver­ zweigter Warenhandel führte dazu, daß sich Mitglieder dieser Familie in Posen, Breslau und Nürnberg niederließen. In der fränkischen Handelsmetropole lebte von ungefähr 1488 bis zum Jahre 1512 als „Inwohner“ Jobst Schilling, der von hier aus fast regelmäßig die Frankfurter Messen besuchte. Er arbeitete auch mit der Ravensburger Handelsgesellschaft zusammen, die ihn im Jahre 1504 zu ihren „guten Schuldnern“ rechnete24). Über den Warenhandel Jobst Schillings ist wenig bekannt, möglich ist, daß er auch mit Ochsen gehandelt hat, da Metzger seine Schuldner waren “J. Vielleicht ist es doch so, daß der Handel mit polnischen Ochsen, von Nürnberg aus gesehen, erst so richtig in Schwung kam, als durch die Eroberung des größten Teiles von Ungarn durch die Tür­ ken im Jahre 1526 und durch die Überflutung dieses Landes durch die Heer­ scharen des Osmanischen Reiches beim Vormarsch auf Wien im Jahre 1529, auf 300 000 Mann wird die Zahl der Streiter mitsamt dem Troß geschätzt, in Deutschland großer Mangel an ungarischen Ochsen eintrat26). *8) RV 1385, Nachtrag f. 3 (8. VII. 1575) und BB 190, f. 183 (9. VII. 1575: An Maximilian, Kaiser). *4) Raimund Friedrich Kaindl, Geschichte der Deutschen in den Karpatenländern, 1. Bd.: Gesch. der Deutschen ian Galizien bis 1772, Gotha 1907, S. 105. Kutrzeba — Ptahiik, S. 73. A. Schulte, Gesch. d. Gr. Ravensburger Handelsges., Bd. 3, Stuttg. 1923, S. 388. **) Belege bringe ich in meiner Studie über die Nürnberger Zollisten 1498—1505, die im nächsten Jahre erscheint. t#) In einem „Ratschlag vom Ochsenfleisch und anderem Fleisch*** vom 4. April 1526, also vor der für Ungarn so schicksalhaften Schlacht bei Mohäcz (29. Aug. 1526), warnte der als Sachverständiger von der zuständigen Ratskommission einvernommene, nicht mehr aktive Metzger (Kunz) Herdegen, als er von Ratsherren vernahm, daß jemand 2000—4000 polnische Ochsen nach Nürnberg bringen wolle, man möge sich das überlegen, da es besser sei, bei den ungarischen Ochsen zu bleiben. Über W. Weidolt vgl. Adolf Jäger, Veit Stoß und sein Geschlecht, hgg. von Otto Puchner, Neustadt/Aisch 1958, S. 73. Die Ansicht dieses hochverdienten Forschers (ebda. S. 81), daß unter den Nürnberger und Frankfurter Handelsuntearnehmern nur wenige an Wilhelm Weidolt heranreichen, kann ich nicht teilen;

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Der Rat der Stadt Nürnberg, der sich verantwortlich fühlte für die ausrei­ chende Versorgung der Reichsstadt mit Rindfleisch, nahm im Hinblick auf diese mißlichen Verhältnisse auf dem ungarischen Viehmarkt gerne das Ange­ bot des Dieners der Schilling von Krakau, Wilhelm Weidolt, der schon einige Jahre in Nürnberg wohnte an, eintausend Ochsen in Polen zu besorgen **7). Auch im folgenden Jahre (1530) erklärte sich der Rat von neuem bereit, 800 polnische Ochsen zu kaufen. Weidolt kaufte wiederum eintausend Ochsen, die aber, wie sich später herausstellte, schwer abzusetzen waren. Bevor sie in mehreren Partien über Meißen nach Nürnberg getrieben wurden, beließ man sie vier Wochen auf Weiden bei Krzepice (Crepich), NW Tschenstochau, das durch seine Viehmärkte und die guten Weiden in seiner Umgebung bekannt war. Daß Erasmus Schilling von Krakau einstweilen für die letzterwähnten Unkosten aufkam, bestätigt die Auffassung, daß dieses große polnische Han­ delshaus an diesem Geschäft beteiligt war“). Unser „Auszug“ ist wiederum eine wichtige Quelle dafür, daß die Schil­ ling sehr aktiv im Ochsenhandel von Krakau bzw. Breslau über Prag nach Nürnberg beteiligt waren; nur kann ich mich nicht mit der Ansicht befreunden, daß Georg Schilling aus Breslau gestammt haben soll. Maur und Peträn haben die Personnamen, die im Original des „Auszugs“ die Herkunftsbezeichnung „von Breslau“ aufweisen, mit einem Sternchen versehen, nun befindet sich beim Namen Daniel Schillings, der am 9. Mai 1563 in Breslau als Ratsherr starb, kein Sternchen, dagegen bei Georg Schilling zweimal, obgleich dieser mit dem gleichnamigen Ratsherrn von Krakau (f 1568) identisch sein dürfte29). Über Friedrich (II) Schilling kann ich keine näheren Angaben machen. Es ist anznehmen, daß der Breslauer Zweig dieser Familie mit seinen Verwandten in Krakau geschäftlich eng zusammengearbeitet hat. Wie schon bemerkt wurde, war Wilhelm Weidolt sicher seit dem Jahre 1520 Faktor der Krakauer Schilling, wahrscheinlich aber schon früher; denn schon zur Zeit der Frankfurter Fastenmesse 1519 reiste er im Nürnberger Messegeleit dorthin. Dieser Übung blieb er treu bis zu seinem Todesjahr 1539, denn dieser war zwar ein sehr tüchtiger Faktor der Schilling von Krakau und vielleicht noch anderer Firmen Ostmitteleuropas, aber nicht mehr. Daß W. Weidolt (ebda. S. 74) Diener Jobst Schillings, des Bruders Friedrich Schillings gewesen sei, ist nicht möglich, da Jobst, unmittelbar nach seinem Wegzug aus Nürnberg 1512/13 und nach der Erwerbung des Bürgerrechts in Krakau im Jahre 1513 starb (Kutrzeba — Ptahiik S. 73); W. Weidolt ist vielmehr der Nachfolger Jobst Schillings als Vertreter der Krakauer Firma Schilling in Nürnberg gewesen. 27) Die Belege über den Ochsenkauf Weidolts bei Sachs S. 77. *8) BStAN: Rep. 54a II (Nümb. Stadtrechnungsbelege), Nr. 50: Unkostenrechnung W. Weidolts über den Kauf von 2000 Ochsen vom 21. Okt. 1530. Zwischen Nürnberg und Hersbruck wurden folgende Weiden (hier Wiesen genannt) benützt; Behringersdorf 1 Wiese, Hersbruck 4 W., Lauf 2 W., Mögeldorf 3 W., Rückersdorf 6 oder 7 W. In Er­ langen („Erdlang") 3 W., in den benachbarten Dörfern Möhrendorf 3 W. und in Obern­ dorf 2 W. 2#) Rudolf Stein, Der Rat und die Ratsgeschlechter des alten Breslau, Würzburg 1963, S. 230. J. Siebmachers großes und allg. Wappenbuch, 6. Bd., 8 Abt., 3. Teil (Der Ausgestorbene Adel der preuß. Prov. Schlesien) von Conrad Blazek, Nürnberg 1894, S. 49. Für Georg Schilling vgl. Bartosz Paprocki, Herby rycerstwa polskiego (Wappen des poln. Ritterstands) 1584, neu hgg. von Kaz. J. Turowski, Krakau 1858, S. 896.

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wo er noch zur Herbstmesse nach Frankfurt gezogen war30). Als sein Diener wird im Frankfurter Gerichtsbuch des Jahres 1537 Jorg Aichinger erwähnt31). Dieser dürfte gleich nach dem Tod Weidolts mit der Vertretung der Handels­ firma Schilling in Nürnberg betraut worden sein; denn zur Herbstmesse 1540 findet er sich in der Nürnberger Geleitsgeldliste für den Zug nach Frankfurt am Main32). In Nürnberger Archivalien wird Aichinger erst am 31. Januar 1542 als Faktor seiner Herrn, der Schilling zu Krakau, bezeichnet33.) Der Nürnberger Rat verwendet sich für ihn beim Rat von Coburg, weil ihm ein Bürger dieser Stadt, Claus vom Wald, für Ochsen 81 Gulden schuldete. Neben Aichinger ist von 1540 bis 1544 Hans Mornstainw), der vielleicht der be­ rühmten Krakauer Patrizierfamilie gleichen Namens entstammt, als Diener der Krakauer Shilling tätig. Jorg Aichinger war nicht nur für die Shilling, sondern auh für Peter Ende von Posen 85), der der Shwager des Erasmus Shilling von Krakau war, und für den mähtigen Severin Boner, der seine Kindheit als Sohn Jakob Boners in Nürnberg verbraht hatte, tätig **). Abge­ sehen von Boner geht es immer um den Verkauf von Ohsen und Häuten. Aihingers Besuhe der Frankfurter Messen dienten wohl hauptsählih dazu, die Wünshe seiner Prinzipale zu befriedigen. Ähnlih wie die Boner-Gesellshaft aus dem Westen Tüher und Seidenstoffe, Wein, Gewürze und Goldshmiedearbeiten, dann Nürnberger Pfennwerte bezog 37), taten das auh die Shilling und Guetteter, wie zu vermuten ist. Aihinger mußte z. B. im Jahre 1544 auf Wunsh Severin Boners für Sigismund August, den jüngeren König von Polen, 23 Arkebusen, die nah einer Vorlage verziert werden mußten, anfertigen lassen38). 80) BStAN: Rep. 54a I, Nr. 1364, 1412, 1439, 1549, Rep. 54a II Nr. 54. 31) Stadtarchiv Frankfurt/M., Gerichtsbuch 1537, f. 146 (Nachlaß Adolf Jäger, Nr. 158, Stadtbibi. Nürnberg). Siehe auch Adolf Jäger, Veit Stoß, S. 82. 3a) BStAN: Rep. 54a II, Nr. 54. Die Freßgeldliste für die Frankf. Fastenmesse 1540 ist nicht vorhanden. S3) BB 127, f. 8. M) BB 122, f. 123 (16. VI. 1540), StadtAN: L. cons. 55, f. 95 (19. I. 1945). Über die Mornstein vgl.. Kaindl (Anm. 24), S. 104 f. 35) StadtAN: 1. cons. 55, f. 95 (19. I. 1544). Peter von Ennd hat drei Bürgern von Teuschnitz, Haßfurt und Coburg Ochsen geliefert. Über den Posener Patrizier vgl. Theodor Wotschke, Peter von Ende und seine Handelsgesellschaft, Hist. Monatsblätter für die Provinz Posen, 20. Jg. (1920), S. 84—87. *®) Jan Ptasnik, Bonerowie (Die Boner), Rocznik krakowski (Krakauer Jahrb.), Bd. VII (1905), S 129 f. Ein schöner Hinweis auf die Abstammung Severin (Seufried) Boners von Nürnberg findet sich in einer Fürschrift des Nürnberger Rats in einer Schuldsache, die den Nürnberger Bürger Kaspar Letscher berührte, die an ihn gerichtet war. Der Rat appellierte hier mit folgenden Worten an seine Anhänglichkeit an seine Geburtsstadt: „Unnd wir dann für unzweyfenlich halten, das Euch Nürnberg als Euer vatterland noch geliebt und unvergessen ist, Ir auch euern landsleuten vor andern zur pillichait und fürderung genaigt seyt, wie wir dann bißhere mit anderst dannt allen freuntlichen willen bey Euch gespürt . . .". (BB 106, f. 149 ff.: 23. IV. 1533). Seufried Boner war der Sohn Jakob Andreas Boners, der vom Jahre 1486 (BStAN: Amts- und Standb. 299, S. 23) bis zum Jahre 1512 (Amts- und Standb. 306, f. 166') Bürger der Reichsstadt war. 87) Ptasnik, Bonerowie S. 15. 38) Ebd., S. 129 f.

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Vom Ende des Jahres 1545 bis November 1547 wird Jorg Held, der durch Anna, die Tochter des Posener Ratsherren Stenzei Held, mit deren Gemahl Erasmus Schilling verwandt war, Faktor der Firma Schilling in Krakau39). Vom 24. Oktober 1550 bis zum 3. Mai 1559 tritt uns Karl Holzschuher, ein Nürnberger Patrizierssohn, als Diener der Schilling von Krakau entgegen 40). Ein treuer Kunde, aber säumiger Zahler der beiden letztgenannten Faktoren war der Nürnberger Weißgerber Paulus Maier, der Hirsch- und Elenhäute bezog41). Im „Auszug“ wird an mehreren Stellen Daniel Schilling von Breslau ge­ nannt. Er hat genauso wie seine Verwandten mit Großvieh gehandelt. Als sein Befehlshaber in Nürnberg wird Hans Kaller bezeichnet42). Von den Ochsen, die durch Pfraumberg getrieben wurden, entfielen 1348 Stück (47 %), auf Georg, Friedrich, Erasmus und Daniel Schilling und auf die Gutteter 963 Ochsen (33 ®/o) von insgesamt noch nachweisbaren 3021 Ochsen im Zeitraum von 1540 bis 1547. Demnach wurden im Auftrag dieser beiden in Krakau und Breslau seßhaften Firmen achtzig Prozent der im „Auszug“ in dem angegebenen Zeitraum erwähnten Ochsen getrieben. Wie bei den Schilling ist es bei den Guttetern schwierig, scharf zu scheiden zwischen den Angehörigen der Krakauer und der Breslauer Linie. Es muß aber mit Nachdruck betont werden, daß für beide Familien Krakau der Hauptsitz war. Die Gutteter, Gutthäter, in unserer Quelle die Guetteter, stammten aus Kulmbach in Franken. Im Jahre 1494 war von dort Pankraz Gutteter als junger Mann in Krakau eingebürgert worden43). Sein Bruder Veit war in der alten Heimat geblieben. Auf ihn geht der Kulmbacher Zweig dieser Familie zurück, der zu den Ratsgeschlechtem dieser kleinen Residenzstadt der fränkischen Hohenzollern zählte. Vom Reichtum der Kulmbacher Gutteter zeugt ein präch­ tiger Silberschatz, der im Jahre 1912 im Kulmbacher Vorort Pörbitsch bei Grundaushebungen gefunden wurde. Der Schatz, heute der Stolz des Kulm­ bacher Stadtmuseums, wurde bald nach dem Jahre 1631 vergraben. Bis zum Ende des sechzehnten Jahrhunderts bestanden enge Beziehungen zwischen dem Krakauer und dem Kulmbacher Zweig der Gutteter44) . 39) StadtAN: 1. cons. 60, f. 40 (15. XII. 1545 und ebenda f. 165 (22. XII. 1546) und BStAN: A — Laden: SIL 89 N 41 (Beschwerde der Nürnb. Ochsenhändler Okt.—Nov. 1547). Vgl. auch Genealogia der Hagelshaimer-Held, Hs. 7177, Germ. Nat. Museum Nürnberg. 40) StadtAN: 1. cons. 68, f. 102 und 1. lit. 73, f. 94' (Quittung vom 3. V. 1559). 41) StadtAN: 1. lit. 73, f. 93' (8. III. 1557). 42) Anm. 29! Hans Kaller als Befehlshaber Dan. Schillings (StadtAN: L. cons. 85, f. 3: 24. X. 1559). 43) Kazimir Kaczmarczyk, Libri juris civilis Cracoviensis 1392;—1506, Krakau 1913, Nr. 8734. Sein einziger Bürge war dabei kennzeichnenderweise Friedrich Schilling, zu dem er engere Bindungen haben mußte. 44) Karl Sitzmann, Über die Kulmbacher Familie Gutthäter, Nachrichten des Vereins der Freunde der Plassenburg, 8. Jg. (1936), S. 2—4. Sitzmann weiß nichts über den be­ rühmten Krakauer Zweig unserer Familie.Bei ihm finden wir aber Hinweise aufKulm­ bacher Gutthäter, die in Polen und Ungarn wirkten, man darf ergänzen: im Dienste des Krakauer Handelshauses. Über die bedeutendsten Gestalten der Krakauer Gutteter unterrichtet in verläßlicher Weise der Polski slownik biograficzny (Poln. biografisches

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Die Ochsen, die von den Knechten der Gutteter und Schilling durch Pfraumberg getrieben wurden, dürften aus den bekannten Viehzuchtgebieten Osteuropas, aus Rotrußland, Wolhynien und aus dem Fürstentum Moldau ge­ stammt haben 45), denn es ist bekannt, daß Georg, der Sohn des Pankraz Gutteter von Krakau, bis zum Tod seines Vaters (1532) in Lemberg, diesem wich­ tigen Viehhandelsplatz für die nordwestlich des Schwarzen Meeres gelegenen Landschaften, ständig weilte. In dieser Stadt besaß Georg Gutteter zwei Häu­ ser und außerhalb der Mauern ebenfalls zwei Besitztümer. Die Bedeutung der Gutteter in der Mitte des 16. Jahrhunderts in diesem Bereich wird durch die Worte der Biographin der bedeutenden Gutteter, Stanislawa Pankow (S. 188 f.), charakterisiert: „Es kann ohne Übertreibung gesagt werden, daß sich in ihren Händen die Vermittlung des Handels zwischen Rußland und Deutschland kon­ zentrierte", wobei wohl unter „Rußland" an „Rotrußland" zu denken ist46). Die Familiengesellschaft der Gutteter von Krakau 47) wird in Nürnberg zu­ erst von Hans, dem Sohn des Pankraz Gutteter (f 1532), vertreten. Hans G. wird am 15. März 1539, als er einen Schuldner, der von ihm Ochsen bezogen hatte, vor dem Stadtgericht Nürnberg verklagte, ausdrücklich als „Inwohner" der Stadt bezeichnet. Von hier aus hat er in den Jahren 1539 und 1541 die Fastenmesse zu Frankfurt am Main besucht. Aber schon am 12. Dezember 15 36 ist er in der Pegnitzstadt nachweisbar. An diesem Tage erschien er als Minder­ jähriger mit seinem Anwalt vor dem Nürnberger Stadtgericht und bekannte, daß er seinen Erbanteil an dem Hause seines verstorbenen Vaters in der Flo­ riansgasse zu Krakau seinem Bruder Stenzei (Stanislaus) für 400 polnische Gulden verkauft habe. Als er volljährig geworden war, quittierte er am 14. Wörterbuch), Bd. 9 (Breslau—Krakau—Warschau 1960), S. 188—192. Auf Grund reicher Literatur- und Quellenangaben hat hier Stanislawa Pankow ansprechende Lebensbilder der Angehörigen dieses fränkischen Geschlechts in Polen gezeichnet. 45) Friedrich Lütge hat sich in grundlegender Art in seinem Akademievortrag „Struktur­ wandlungen im ostdeutschen und osteuropäschen Fernhandel des 14. bis 16. Jahrhunderts" (Bayer. Akademie der Wiss., Philos.-hist. Klasse, Sitzungsberichte Jg. 1964, Heft l) mit den Problemen des osteuropäischen Ochsenhandels (S. 28 ff.) in der angegebenen Zeit auseinandergesetzt und hat auf die genannten Viehzuchtgebiete hingewiesen. 46) Polski sL biogr. 9, S. 189. Die Söhne Georg Gutteters Erasmus und Peter sind in die Matrikel der Universtät Wittenberg als „Leopolienses" am 19. Sept. 1553 eingetragen worden. (C. E. Foerstemann, Album academiae Vitebergensis, Bd. 1 (Leipzig 1841), S. 284a. Peter Gutteter wurde am 9. Mai 1558 als „Ruthenus vel Reischenlimpergk" (= Reussisch Lemberg) an der Universität Ingolstadt immatrikuliert (Götz Frhr. v. Pölnitz, Die Matrikel der Ludwig-Maximilians-Univ. Ingolstadt—Landshut—München, Bd. I, Mü. 1937, Sp. 769). iT) Stanislawa Pankow erwähnt im Polski sL biogr. 9, S. 188, daß Georg und Stanislaus Gutteter im Jahre 1539 mit Friedrich und Jobst Schilling eine Handelsgesellschaft bildeten, deren Tätigkeit sich nicht nur auf Polen, sondern auch auf Litauen und Rußland, aber gleichfalls auf Ungarn, Böhmen, Mähren und Schlesien und auf Deutschland bis Nürnberg erstredete. Als im Jahre 1546 Jobst Schilling starb, löste sich die Gesellschaft auf. Es ist nun auffällig, daß in den Nürnberger archivalischen Quellen im Zeitraum von 1540 bis 1545 Jorg Aichinger und Hans Mornstein (siehe S. 204) stets als Diener der Schilling von Krakau bezeichnet werden und Benedikt Pladick (siehe S. 207) seit dem 7. August 1544 (StadtAN: 1. cons. 5 5, f. 186) als Diener Stenzei Gutteters erscheint. Die erwähnte Handelsgesellschaft läßt sich demnach in Nürnberg nicht nachweisen. Auch der „Auszug" (unsere Tabelle 1) spricht nicht dafür.

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November 1543, „diser zeit im läger“, d. h. in der Filiale der Krakauer Gutteter-Gesellschaft zu Nürnberg, was er nach der Endabrechnung über das von seinen Eltern (Pankraz und Margarete) hinterlassene Vermögen von seinen Vormündern Jobst II Schilling, Jorg und Stenzei Gutteter empfangen hatte. Eine prächtige Medaille mit der Umschrift: „HANS GUTTETER SEINES ALTERS XXVI JAR“, die Georg Habich nach den Stilmerkmalen in das Jahr 1542 verweist, was stimmen könnte, dürfte in Nürnberg entstanden sein 48). Dauernd ließ sich Hans Gutteter erst nach der Eheschließung mit Barbara, der Tochter des bekannten Verlegers Hans Koberger, die am 26. November 1549 zustande kam, am 11. Dezember dieses Jahres als Bürger in der Reichs­ stadt nieder49). Auf die Betätigung Hans Gutteters im Viehhandel weist es hin, daß er sich nach dem Tod seiner ersten Gemahlin mit der Witwe Barbara des reichen Viehhändlers Jobst Furter am 15. I. 1555 vermählte, die die Toch­ ter des vermögenden Wolf Seldner, der einst im Ungarnhandel eine Rolle ge­ spielt hatte, gewesen ist50). Hans Gutteter wurde am 17. April 1555 in das Genanntenkollegium des Äußeren Rates der Stadt Nürnberg berufen 51) und starb hier am 29. März 1569 52). Als Faktor oder Diener der Gutteter-Gesellschaft in Krakau entfaltete Benedikt Pladick, der aus Budweis in Böhmen stammte, zwischen den Jahren 1544 bis zu seinem Todesjahr 1566 eine rege Tätigkeit53). Er war durch Harns Springinklee, der sich vom Jahre 1553 bis 1558 als Bürger der Altstadt Prag nachweisen läßt, „zu den herm Guttetem promovirt und zu diensten unter­ bracht“ worden54). Deshalb war Springinklee schon vor Pladick für diese Krakauer Firma tätig. Ob Springinklee, der in Prager Quellen als Hanus Springei erscheint55), in der böhmischen Hauptstadt oder in Nürnberg für die Gutteter zwölf Jahre lang tätig war, wie in unserer Quelle erwähnt wird 58), kann ich nicht sagen. Er könnte mit „Hans Sprannckl“, der als Faktor der Gutteter auf einer Beschwerdeschrift der Nürnberger Ochsenhändler, die um das Jahr 1547 entstand, unterzeichnet ist, identisch sein57). Benedikt Pladick war jedenfalls der Hauptvertreter der Krakauer Firma Gutteter in Nürnberg zwischen den Jahren 1544 und 1566 M), wenn auch am 2. und 16. März 1552 48) StadtAN: 1. cons. 44, f. 163 (15. III. 1539) — 1. lit. 48, f. 130 (13. XII. 1536) — 1. lit. 57, f. 70 (14. XI. 1543) — Georg Habich, Die deutschen Schaumünzen des 16. Jahr­ hunderts, Bd. I, 2, S. 176, Tafel 144, 1. 49) LKAN: Ehebuch Seb. (1544—1557), f. 88. BStAN: Amts- und Satndbuch 299, S. 31. 60) LKAN: Ehebuch Lor. (1542-1557), S. 265. 61) BStAN: Nürnberger Ratsbuch 28, fol. 247'. 52) Chr. Fr. Gugel, Norischer Christen Freydhöfe Gedächtnis, Nürnberg 1682, S. 123. 53) LKAN: Verkündbuch von 1555—1577 (L 46), S. 83 " von Pehamisch Wudweiß“ (24. X. 1557). M) StadtAN: 1. lit. 72, f. 207 (27. V. 1558): Kundschaft Benedikt Pladicks für Hans Spring­ inklee und dessen Ehefrau Salomena (f). 55) Vgl. Josef Teige, Zäklady stareho mistopisu Praiskeho (Grundlagen der alten Topographie Prags) (1437—1620), Teil I, Prag 1910, Nr. 689, Nr. 13 (1553) und Nr. 14 (27. X. 1558). M) Siehe Anmerkung 54. *7) BStAN: A - Laden, SIL 89 N 41. M) BStAN: Amts- und Standbuch 300 II (Neubürger i. J. 1559). BB16 2, f. 24; RV 998, f. 34; RV 999, f. 8, 24'; RV 1000, f. 16; RV 1070, f. 7, 32'; RV 1071, f. 1, 3; RV 1073,

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ein Peter von Midiei als der „Jorgen und Stenzei Gutteter von Krakau diener" in den Ratverlässen erwähnt wird59). In Prag wird am 10. und 13. Juni 15 53 Heinrich Held von Bamberg als Angestellter der Krakauer Firma genannt. Dieser erwarb im Jahre 15 58 das Bürgerrecht in Krakau 60). Wie unser „Auszug" erkennen läßt, handelten die Gutteter in Nürnberg mit Ochsen und Häuten 60a). Als z. B. am 1. März 1546 Martin Franz, der Vorste­ her des Nürnberger Ochsenamts, das für die Nürnberger Metzger Ochsen auf­ kaufte, gestorben war, stellte es sich heraus, daß er einigen Ochsenhändlern ins­ gesamt 10 232 Gulden schuldete. Davon entfielen auf die Firma Niklas Gößwein, Lorenz Lang und Mitverwandte 4680 Gulden (46 °/o) und auf die Firma Sten­ zei Gutteter, vertreten durch ihren Diener Benedikt (Pladick), 3001 Gulden (29 °/o). Diese Summe entsprach dem damaligen Wert von 250—300 Ochsen 61). Die Gutteter belieferten auch den Hof des Landgrafen Philipp von Hessen über ihre Niederlassung in Nürnberg mit Ochsen; denn am 23. Dezember 1557 er­ klärte sich der Rat der Reichsstadt bereit, dem Fürsten zur Bezahlung „etlicher Ochsen", es waren nach dem damaligen Preis eines Ochsen über 200 Stück, 3392 Gulden zu leihen und diese Summe an Pladick auszuzahlen, der darüber quittieren sollte 82). Schuldner Pladicks waren hauptsächlich Lederer und Weiß­ gerber83). Diese bezogen die wertvollen Hirschhäute. Es wäre sicher falsch an­ zunehmen, daß die Firma Gutteter in Krakau nur mit Großvieh und Häuten gehandelt hätte, gewiß, für ihre Ausfuhr nach dem Westen waren das die wichtigsten Handelsgüter, jedoch ist bekannt, daß sie aus Deutschland Tücher und Wein bezogen. Mit diesem Interesse an westlichen Waren hängt es wohl zusammen, daß ihr Nürnberger Faktor Pladick von der Fastenmesse des Jahres 1544 bis zur gleichen Messe des Jahres 1563 fast regelmäßig (mindestens 19mal) die Frankfurter Messen im Nürnberger Geleit besuchte 84). Nach dem Tod Benedikt Pladicks unmittelbar vor dem 27. November 1566 65) wird kein Faktor der Gutteter-Gesellschaft mehr erwähnt. Als Grund ist anzu­ sehen, daß sich Erasmus, der Sohn des Krakauer Ratsherrn Georg Gutteter und dessen erster Frau Regina Stawinska, am 12. Dezember 1565 als Bürger f. 43; RV 1074, f. 16'; RV 1090, f. 50; RV 1091, f. 14, 22. StadtAN: 1. lit. 78, f. 31, 1. cons. 55, f. 186; 1. cons. 67, f. 31'; 1. cons. 93, f. 90. Benedikt Platynn wurde am 27. Nov. 1566 zur Erde bestattet (LKAN: Totenbuch 1547— 1578 (Lor.), S. 306). 69) RV 1073, f. 43' u. RV 1074, f. 16. 60) RV 1091, f. 14 u. 22. Kutrzeba — Ptasnik, S. 86, Anm. 1. StadtAN: Genealogische Papiere: Hagelsheimer — Held: Heinrich Held, * 1525 in Bamberg, f 23. August 1587 in Krakau. 60a) Stenzei Gutteter führte im Jahre 1549 durch Pfraumberg 4000 Ochsenhäute. 81) Sachs S. 228. Sachs hat die noch außenstehenden Schulden von Martin Frantz nicht beach­

82) 8S) M) 85)

tet, daher sind die von ihm angegebenen Summen zu niedrig (das Schuldenverzeichnis: Rep. 54a II, Nr. 176). Todesdatum von M. Frantz, Nürnberger Stadtrechnungen Nr. 183, f. 246 unten (BStAN). BB 162, f. 24. BB 167, f. 209 u. 250, BB 168, f. 140, StadtAN: 1. cons. 55, f. 186; 1. cons. 60, f. 124 u. 142', 1. lit. 60, f. 168 u. 182'. BStAN: Rep. 54 a II, Nr. 115, 179, 258 (Freßgeldlisten). LKAN: Totenbuch Lor. 1547—1578 (L. 76), S. 306.

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in Nürnberg niederließ 88). Schon im nächsten Jahr wurde er Genannter des Äußeren Rats der Stadt87). In seinen Diensten stand sein Verwandter Stenzei Schilling seit ungefähr 1573, der bis zu seinem Tode am 3. Dezember 1617 als „Inwohner“ in Nürnberg lebte, jedoch weiter Bürger von Krakau blieb. Als Erasmus Gutteter unmittelbar vor dem 19. Oktober 1593 starb88), führte Schilling das Gutteter sehe Geschäft für die Witwe und die minderjährigen Kinder weiter. Das Nürnberger Bürgerrecht nahm er trotz des Drängens des Rates nicht an 88a), so daß noch die Grabschrift die Tatsache erwähnen konnte, daß er vierzig Jahre lang Inwohner der Reichsstadt gewesen sei89). Daß die Nürnberger Gutteter-Firma bis zum Ende des 16. Jahrhunderts eng mit ihren Krakauer Verwandten zusammengearbeitet haben, ist anzunehmen, mit Krakau hatten sie jedenfalls enge Beziehungen. Von den Guttetem, die Ochsen durch Pfraumberg treiben ließen, ist noch Friedrich Gutteter zu erwähnen, der hier am 19. August 1543 230 Ochsen verzollte. Dieser erwarb im Jahre 1527 das Bürgerrecht der Stadt Leipzig, dürfte aber schon im Jahre 1538, als er sich mit der Breslauer Patriziertochter Katharina von Monau vermählte, in dieser Stadt Bürger geworden sein. Seit dem Jahre 1550 bis zu seinem Tode am 4. Juni 1554 war er Mitglied des Breslauer Rates 70). Während in Nürnberger Archivalien sein Name nicht fest­ stellbar ist, ist das in den Stadtbüchern von Chemnitz der Fall. Hier wird er als Gläubiger einiger Metzger in den Jahren 1540 und 1544 mit dem Breslauer Bürger Simon Aßhelm erwähnt. Am 13. Dezember 1560 schuldeten Nickel Wagner von Chemnitz und dessen zwei Söhne Asmus und Christoph „dem erbarn Georg Guttheter zu Croca 3252 Gulden“. Kennzeichnenderweise wur­ den die Leipziger Messen als Rückzahlungstermine festgesetzt, woraus zu er­ sehen ist, daß die Gutteter regelmäßige Besucher dieser Jahrmärkte waren. In Leipzig besaßen sie, für das Jahr 1570 nachweisbar, in dem namhaften Lederhändler Niklas Göritz einen Faktor71). Weist diese Tatsache auf den Handel mit Häuten und Rauhleder hin, so ist doch auch damit zu rechnen, daß diese polnische Firma in Leipzig auch Großvieh absetzte, jedoch fehlt es noch an diesbezüglichen Arbeiten. 66) 'Abstammung: StadtAN: 1. lit. 97, f. 78'. BStAN: Amts- und Standbuch, 300 II. 87) Roth, Gen.Verz., S. 88. 88) LKAN: Totenbuch Lor. (1592-1613) (L 78), S. 19. 88a) BStAN: D — Akt Nr. 4164 („Stentzel Schillings erclerung und pitt etc., ubergeben den 9. Octobris ao. 1600“). Vgl. auch Georg Kolbmann, Fremde Handelsleute in Nürnberg, Blätter für Fränkische Familienkunde, 3. Jg. (1928), S. 82. 89) J. M. Trechsel, Verneuertes Gedächtnis des Nürnbergischen Johannis-Kirch-Hofs, Frank­ furt/M. u. Leipzig 1736, S. 953 f. Am 15. IV. 1573 erteilt Stanislaus Schilling seinem Vater Christoph Sch. die Vollmacht, seinen Anteil an dem von seiner Mutter ererbten Hause in der St. Johannesgasse in Krakau zu verkaufen (1. lit. 89, f. 83'). 70) Gerhard Fischer, Aus zwei Jahrhunderten Leipziger Handelsgeschichte (1470—1650), S. 17 u. 26. Rudolf Stein, Der Rat und die Ratsgeschlechter des alten Breslau, Würzburg 1963, S. 220. Beiden Verfassern war nicht bekannt, daß Veit Gutthäter in Kulmbach verblieb. 71) Karl Steinmüller, Die Chemnitzer Familie Neefe und ihre Beziehungen zur Zwickauer Tuchmacherei, in: Das Wirtschaftsleben in Chemnitz zur Zeit des Dr. Georgius Agricola. Heft 4 der Beiträge zur Heimatgeschichte von Karl-Marx-Stadt, Karl-Marx-Stadt 1955, S. 98, Anm. 22. 14

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Nürnberger Odisenhändler Wie schon erwähnt wurde, werden in unserem „Auszug" drei Ochsen­ händler genannt, von denen sicher zwei Nürnberger Bürger waren. Da ist zu­ erst Hans Kerlin zu nennen, der im Juli 1541 insgesamt 291 Ochsen durch Pfraumberg treiben ließ. Dieser verzichtete erst am 24. März 1542 mit seinem Bruder Michael auf das Nürnberger Bürgerrecht72). Von der Zeit ab erscheint er in Nürnberger Geschichtsquellen als Bürger von Breslau. Als der „Auszug" im Jahre 1577 zusammengestellt wurde, war er demnach tatsächlich ein Bres­ lauer. Sein Bruder Michael ließ sich auch in Schlesien nieder, er wohnte zu Beginn des Jahres 1550 zuerst in Breslau, am Ende des Jahres in Schweid­ nitz 73). Bei der Aufgabe des Nürnberger Bürgerrechts zahlte Hans für ein Vermögen von 3847 Gulden und Michael für 3367 Gulden Nachsteuer. Hans Kerlin war von Beruf kein Metzger. Sein Vater Heinrich Kerlin (f 1541) war Tuchhändler (Gewandschneider), der mit dem Breslauer Bürger Erasmus Pflock „einen gemeinen gesellschaffthandel mit gewandt und harras" gehabt hat74). In den Jahren 1538 und 1539 wird der Nürnberger Bürger und Ge­ nannte Franz Werner (f 1541) als Ochsenhändler erwähnt, der Ochsen über Böhmen nach Nürnberg treiben ließ 75). Seine Brüder waren Kaspar und Mi­ chael Werner, die mit den Gebrüdern Osterland von Leipzig einen schwung­ haften Handel mit Zwickauer Tuchen nach Schlesien und Polen trieben und wie die Kerlin später auch zum Ochsenhandel übergingen76). Peter Miesisel (Müsel), der auch im „Auszug" als Breslauer erscheint, ist bis zu seinem Tode im Herbst 1572 77) stets Bürger von Nürnberg gewesen. Er war von Beruf Metzger. Am 7. September 1547 hatte er das Bürgerrecht der Stadt Nürnberg erworben 78). Nach dem Tod seiner ersten Gattin heiratete er am 12. August 1561 Margaretha79), die Tochter des angesehenen Ochsen72) BStAN: Amts- u. Standb. 306, f. 89. 7S) StadtAN: 1. cons. 65, f. 204; 1. cons 67, f. 104 u. 167'. 73a) BStAN, Nürnberger Stadtrechnungen Nr. 183, f. 190. 74) StadtAN: 1. lit. 57, f. 84' (14. XII. 1543). 75) Über Franz Werner: Joh. Gottfr. Biedermann, Geschlechtsregister des Hochadeligen Patriciats zu Nürnberg, Bayreuth 1748. Tafel 399. Über den Viehhandel Werners: A — Laden: SIL 89 N 51. Dazu RV 895, f. 26'; RV 897, f. 32; RV 898, f. 11; RV 900, f. 15', 16, 19; RV 912, f. 27, 31. 7fl) StadtAN: 1. cons. 36, f. 198 (6. II. 1534): Bruder Franz Werner. BStAN: BB 122, f. 79 (28. V. 1540): Bruder Michael Werner in Breslau. Über die große Handelsgesellschaft Osterland — Werner (in Leipzig und Zwickau) schrieb nach Angaben des bekannten Wirtschaftshistorikers Theodor Gustav Werner Leon Koczy, Handel Poznania do polowy wieku XVI (Der Handel Posens bis zur Mitte des 16. Jhdts.), Posen 1930, S. 208—212. Ob Franz Werner an der genannten Gesellschaft beteiligt war, kann ich nicht präzis beweisen. Als nach dem Tod seines Bruders Kaspar die Firma zusammenbrach, geriet er auch in Schulden. Hinweise auf diese Handelsgesellschaft finden sich BB 115, f. 169; BB 116, f. 3, 76'; BB 117, f. 6 und 164. 77) Germ. N.Mus. Nürnberg: Totengeläutbuch 1517—1572, f. 246: „außwendig verschieden" (Trinitatis (1. VI.) bis Crucis (14. IX.) 1572). 78) BStAN: Amts- u. Standbuch 299, f. 31. ™) LKAN: Ehebuch Lor. (1557—1608), S. 623.

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händlers Hans Halbert, mit dem er vom Jahre 1567 bis 1572 gemeinsam den Viehhandel betrieb 80). Ob Kaspar Khelner, der am 2. Oktober 1544 in Pfraumberg 419 Ochsen verzollte, ein Nürnberger war, kann ich nicht präzis beweisen. Erst am 11. Dezember 1549 erwarb ein Mann dieses Namens das Meisterrecht der Kuderwammacher, er war also ein Metzger zweiter Klasse, als Auswärtiger erhielt er am gleichen Tage das Nürnberger Bürgerrecht81). Ohne Zweifel hatten die leistungsfähigen Viehhändler der fränkischen Reichsstadt den Hauptanteil am Transithandel mit Ochsen durch Böhmen in ostwestlicher Richtung. Aus diesem Grunde soll auf die in dieser Handels­ sparte tätigen Unternehmer im Zeitraum von ungefähr 1540 bis 1576, soweit sie die Pfraumberger Straße benützt haben, eingegangen werden. Als Quelle werden Beschwerdeschriften der Nürnberger Ochsenhändler herangezogen, die sich auf die Erhöhung des böhmischen Grenzzolls oder andere Mißstände im Transithandel Böhmens beziehen. So wurde am 15. Oktober 1538 beim Rat eine Beschwerde von Hans Lucas, Sebastian Hofmann und Franz Werner, Bür­ gern von Nürnberg, und von Martin Sonntag, Bürger zu Lauf 81a), beim Rat der Stadt Nürnberg wegen der Erhöhung des Pfraumberger Zolls auf Ochsen, und zwar je Stück sieben böhmische Groschen, eingebracht. Die vier Vieh­ händler waren die Vertreter ihrer anderen Berufsgenossen, sie dürften aber wohl die angesehensten gewesen sein. Die Nürnberger Ochsenhändler hatten bei der Pfraumberger Zollstation gegen die Abführung des erhöhten Ochsen Zolls protestiert, deshalb hatte der dortige königliche Mautner Hans Schmid einstweilen die Zahlung gestundet, aber am 28. März 1539 Hans Lucas und Mertta Suntag, wahrscheinlich als Vertreter der anderen Nürnberger Vieh­ händler, gemahnt, für 1600 Ochsen den Zoll von 373 Schock 10 böhm. Gro­ schen zu bezahlen oder nachzuzahlen. Würde sich diese Nachzahlung nur auf die beiden Händler bezogen haben, so wären sie als recht bedeutend anzu­ sehen 82). Über Franz Werner wurde schon weiter oben berichtet. Der bedeutendste unter den vier genannten Handelsunternehmen! war wohl Sebastian Hofmann (f 1561)8S). Im Jahre 1530 erbte er das Geschäft seines Prager Oheims Nikolaus Kynik (König I) M). Am 20. Mai 1539 erhielt er von König Ferdinand einen Schutzbrief für seine „Handtierung des Viechtreibens, auch andern Kaufmannswaren und -gutem“, die er schon etliche viel Jahr her getrieben habe 85). Es wurde bestimmt, daß er in den Königreichen und Erblanden des Königs nicht vergewaltigt, aufgehalten und arrestiert wer­ den dürfe. Sein Prager Mitverwandter (Gesellschafter) war um diese Zeit 80) Zeugenaussage von Hans Halberth am 22. XII. 1575. BStAN: SIL 175, N 39. 81) BStAN: Amts- u. Standbuch 308, f. 49' und Amts- u. Standbuch 309, f. 69 (Meisterrecht). 81a) L. lit. 78, f. 186'. 82) BStAN: A - Laden: SIL 89 N 51. ®*) Germ. N.Mus. Nbg.: Totengeläutbudi 1517—1572, f. 172. 84) Josef Janacek, Dejiny obchodu predbllohorske Praze (Geschichte des Prager Handels vor der Schladit am Weißen Berge), Prag 1955, S. 81. Vgl. auch meine Besprechung in MVGN 47 (1956), S. 500. 85) BStAN: A — Laden: SIL 89 N 45 (Abschrift des Schutzbriefes). 14 *

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Sigmund Freyßgut86). Wie der Schutzbrief zeigt, war Hofmann vornehmlich im Viehhandel tätig, jedoch kaufte er in den Jahren 1557 bis 1560 insgesamt 1363 Zentner Kupfer in Kuttenberg auf und war am Bergbau in St. Joachims­ thal beteiligt87). Sein Reichtum kommt darin zum Ausdrude, daß er in seinem Testament für verschiedene Stiftungen in Nürnberg 10 700 Gulden und seiner Muhme 6000 Gulden vermachen konnte 88). Wie Sebastian Hofmann galten bisher in der Prager Handelsgeschichte die Nürnberger Viehhändler Anthoni Groß (f 1562), der im Jahre 1561 an das Ochsenamt der Reichsstadt 740 Ochsen verkaufte, und Hans Albrecht (f 1570), der im Jahre 1570 derselben Behörde 93 5 Ochsen mit Dreingabe von 5 Ochsen verkaufte und 506 Ochsen unverkauft wegtreiben mußte, nur als Händler mit Gewürzen und anderen Kramwaren89). So besaß Anthoni Groß in Prag einen ständigen Faktor in Heinrich Fleschell (1562) und Hans Albrecht ebenso in dem Kleinseitner Bürger Georg Landtvogt. Die Bezeichnung „Ochsenhändler" für diese Kaufleute ist nur zum Teil richtig90). Das ist auch aus folgenden Be­ legen zu ersehen: Am 7. November 1542 verwendete sich der Rat von Nürn­ berg beim Rat der Altstadt Prag für die Viehhandelsgesellschaft Niklas Goßwein, Lorenz Lang und Hans Rotenburger wegen einer unbezahlten Schuld des verstorbenen Prager Bürgers Wolf Grüner für verkauften Safran, und am 20. März 1550 ersuchte der Nürnberger Rat die Regierung in Ansbach, für die gleiche Handelsgesellschaft die Schuld des Windsbacher Metzgers Hans Fridel für Ochsen eintreiben zu helfen 91). Unter den Nürnberger Kaufleuten des zweiten Drittels des 16. Jahrhun­ derts nahm Jobst Furter (t 1552) eine besondere Stellung ein92). Er dürfte von Herzogenaurach gestammt haben, wo seine nächsten Verwandten 93) leb­ ten. Lange Zeit wohnte er in Krakau, ohne dort Bürger zu sein. Zwischen den Jahren 1532 und 1537 läßt er sich hier nachweisen. Mit dem Krakauer Bürger Johannes Schwab (lat. Suevus) hatte er eine Handelsgesellschaft, an der auch Felix Stanno aus Krosno, einem wichtigen Handelsplatz nördlich des Duklapasses, an der nach Ungarn führenden Straße, beteiligt war94). Seine zweite Gattin Barbara war die Tochter Wolf Seldners, der im Ungamhandel eine w) StadtAN: 1. cons. 48, f. 138 (25. IX. 1540). Zu dieser Zeit bestand die Gesellschaft nicht mehr. 87) Mein Aufsatz „Nürnberg und Kuttenberg“, MVGN 48, S. 73 f. 88) Sebastian Hofmanns Testament habe ich nicht gefunden. Ich weise auf Roth, Gen.Verz., S. 86, hin. 89) Vgl. Anm. 84. Janacek S. 81 f.und Klier S. 500 f. BStAN: Rep. 54a I, Nr. 237 (für 1561) und Rep. 54a II, Nr. 307 (für 1570). ®°) BStAN: Rep. 4 (Differential-Akten), Nr. 757: Gründlicher Bericht der Handelsdiener aus Prag vom 7. III. 1563. Es sind vier Diener von Georg Seckler und je einer von Hans Albrecht und Anthoni Groß sei. erwähnt. In Wien waren schon im 14. Jahrhundert die Ochsenhändler Tuchexporteure. Otto Brunner, Neue Arbeiten zur älteren Handelsge­ schichte Wiens, Jahrbuch des Ver. f. Gesch. d. Stadt Wien, Bd. 8 (1949/50), S. 15. 91) BStAN: BB 129, f. 19, BB 142, f. 180. •*) Germ. N.Mus.: Totengeläutbuch 1517—1572, f. 121 M) Seine Verwandten: Testamentenbuch (Amb. 173 (2°), S. 166e, Stadtbibi. Nürnberg). w) StadtAN: 1. lit. 66, f. 178 (5. VII. 1552).

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Rolle spielte95). Nach dessen Tod im Jahr 1538 hat er wahrscheinlich diesen Handel weitergeführt. In Wien hatte er einen Faktor, den der Nürnberger Rat als Vermittler von Nachrichten benützte, die ihm der Kriegssekretarius Veit Geilei aus der Grenzfestung Neuhäusel (Neuschloß, slow. Novy Zämok) im Winter 1551/1552 zukommen ließ. Mit Krakau hielt er weiter Verbindungen auf­ recht 96). Er handelte demnach mit ungarischen und polnischen Ochsen, das be­ weist auch die Nennung seines Namens bei den Beschwerden über die böhmi­ schen Grenzzölle und als ein Transport ungarischer Ochsen, an dem er betei­ ligt war, in Viechtach vom Mautner zur Zahlung überhöhten Zolls gezwungen wurde 97). Sein Gesellschafter war vermutlich Hans Staiber aus Nürnberg, mit dem er im Jahre 1547 gemeinsam erwähnt wird98). Auf einer Supplikation der Nürnberger Viehhändler, die am 10. März 1570 an Kaiser Maximilian II. abging, finden wir wieder eine Reihe von bedeuten­ den Ochsenhändlern unterzeichnet. Es ging um die Einengung der Straßen zwischen Pilsen und Pfraumberg und um das Weiderecht im nördlichen Böh­ merwald. Folgende Firmen sind vertreten: Hans Halberth und Peter Muessei — Jörg Aff — Thomas Rochen seligen Erben — Hans und Bartholome Albrecht — Mathes Neithart und Mitverwandte — Jakob Heupel und Mitverwandte (es sind dies die zum Schluß dieser Reihe Unterzeichneten Georg Stoffl und Hans Engel) — Jorg Goß wein — Hans Bayr "). Um die Leistungsfähigkeit dieser Firmen aufzuzeigen, wurde folgende Tabelle aus den Ochsenamtsrechnungen des Jahres 1570 zusammengestellt 10°): Die Namen, die mit einem Sternchen versehen sind, finden sich in der oben genannten Unterschriftenreihe der Beschwerde des gleichen Jahres. 95) Helene Burger, Ehebuch von St. Lorenz in Nürnberg (1524—1542), S. 100, Zeile 2991. Über Wolf Seldner vgl. Helmut Frhr. Haller v. Hallerstein — Andreas Kubinyi, Deutsche Kaufleute in Ofen zur Zeit der Jagellonen, MVGN 51 (1962), S. 475. M) Ungarnbriefe: BB 146, f. 14 (2. X. 1551) und f. 189 (13. II. 1552). Verbindung mit Krakau: BB 127, f. 38' (25. II. 1542). Beschwerden: BStAN: A — Laden: S I L 89 N 41 (Okt./Nov. 1547). ®7) BB 140, f. 143 (5. XII. 1548). In einem Schreiben an Jakob Fronperger, Landrichter zu Fiechta (= Viechtach), im BStAN BB 140, f. 143 vom 5. Dez. 1548, teilt der Nürnberger Rat mit; daß sich Jobst Furter, Sebastian Hofmann, Niklas Gößwein und Paulus Lengenfelder darüber beschwert hätten; daß „ire diener, als sie ein anzal ochsen aus dem Ungerland herwärts und zu Viechtag ... durchtreiben wollen, von dem fürstlichen mautner daselbst um bezalung eins neuen zols, als von jedem ochsen 4 kreuzer,“ angehalten worden wären. Daraus ist zu ersehen, daß von dem nördlichen Oberösterreich (Pregartenl) über den Klafferwald (südl. des Plöckensteins) und Klafferstraß durch die Talfurche des Schwarzen Regen das Vieh über Viechtach, Cham und Schwandorf nach Nürnberg ge­ trieben wurde. Dieser Beleg belehrt uns über eine bisher nicht bekannte Ochsenstraße, die gute Weiden und Tränken bot. Auf den Austrieb des Viehs aus Oberösterreich durch den Klafferwald weist hin Alfred Hofmann, Wirtschaftsgeschichte des Landes Ober­ österreich, Bd. I, Salzburg 1952, S. 153. ®8) BStAN: A — Laden: SIL 89 N 41: Beschwerde Okt./Nov. 1547. M) Nachlaß Rudolf Schreiber Nr. 1, fol. 92 u. 93, Sudetendeutsches Archiv München. Ab­ schrift (teilweise Stenogramm) der Beschwerde der Nürnberger Ochsenhändler, präs. am 23. III. 1570, aus dem Zentralstaatsarchiv Prag, Alte Manipulation, Z l/l/II, fol. 116—119. 10°) BStAN: Rep. 54a II, Nr. 307.

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Tabelle 2: Jahres­ Name

umsatz in

an Nümb.

an

Metzger

Fremde

23 677 18 118 17 057 13 691 12 474 10 845 4 711 4 588 2 278 1 963 1 530 1 530 1 131

454 194 182 425 448 401 168 248 14 138 90 90

899 905 802 323 334 534 117

1 077 869

74 47

rh. Gulden

Jörg Aff * Hans Engel * Jorg Pechtier Peter Müsel * Hans Halbwirt (Halbert) * Hans Albrecht * Sigmund Staßeck von Pilsen Merten Hanns von Theschlaff Hans Gerstner von Amberg Paulus Rector von Olmütz Christoph Peßler * Mathes Schulko von Auspitz ein Beham Endres Caputha von Seups 1W)a) in Polen Linhart Gleyssel von Passau Jorg Goßwein * Insgesamt

Verkaufte Ochsen





133 — — —

87

Drein­

Unver

gabe

kauft

16 12 12 6 9 5 2 2

356 109 154 156



3 2



506 122 —

60 — —





2



_

_

_



1











160

115 539

2973

4134

72

1623

Für diese Tabelle ist die von Sachs S. 121 wiedergegebene Übersicht über den Viehauftrieb in Nürnberg im Jahre 1570 mitheranzuziehen. Neben den von Sachs benützten „Ochsenzetteln", den Verzeichnissen der jeweils bei den Viehmärkten in Nürnberg zum Verkauf oder Nichtverkauf gelangten Ochsen, wurden hier noch die Quartalrechnungen zu Ergänzungen herangezogen. Die über das Jahr 1570 vorhandenen Verzeichnisse der genannten Art sind die besten, die aus dem 16. Jahrhundert erhalten sind. Sie erfassen nicht die in kleinerer Zahl in „Schanzen" und in „Häuflein" unter Umgehung des Och­ senamtes, jedoch unter Heranziehung der Ochsenunterkäufel als Amtspersonen verkauften Ochsen, jedoch nehme ich an, daß diese kleineren Mengen von Ochsen nicht an die durch das Ochsenamt gekauften großen „Haufen", das war die in der Reichsstadt übliche Bezeichnung der „Herden", heranreichten. Genauere Zahlenangaben lassen sich leider nicht machen. Über die wichtigsten Nürnberger Viehhändler, die im Jahre 1569 und vor­ her (Beschwerde vom 10. III. 1570) Ochsen durch Pf raumberg treiben ließen, sollen hier einige Bemerkungen gemacht werden. Jörg Aff, der aus der Reichsstadt Wimpfen am Neckar stammte, erwarb am 14. Februar 1565, als „Oxenhändler" bezeichnet, das Nürnberger Bürger100a) Seups = Saybusch, poln. Ziwiec (?), 68 km SW Krakau.

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recht. Gleich darauf, am 19. II. 1565, heiratete er Margarethe, die Tochter des reichen Michael Meutner, nach deren Tod schloß er mit Magdalena Marekhartt die Ehe (15. V. 1568). Er starb aber schon im Jahre 1573, sein Tod wurde am 1. Oktober dieses Jahres verlautet101)* Wichtig ist in diesem Zu­ sammenhang, daß kaum ein halbes Jahr später, am 26. April 1574, der aus Crailsheim stammende Ochsenhändler Endres Schurger die Witwe von Aff heiratete 102) und das Geschäft von Jorg Aff weiterführte; aus unserer Tabelle ist zu ersehen, daß er auf einer sehr soliden Grundlage weiterbauen konnte. Daher wundert es uns nicht, daß er am Ende des 16. Jahrhunderts zusammen mit Hans Krauß den Nürnberger Viehhandel monopolartig beherrschen konnte 103). Einer der bedeutendsten Ochsenhändler der fränkischen Handelsmetropole war der Junggeselle Hans Engel. Mit Jakob Heupel, Jorg Stoffel und dem Bürger der Prager Altstadt, Lorenz Hell oder Hehl, hatte er im Jahre 1570 eine Handelsgesellschaft104). Schon bald darnach dürfte er allein mit dem Prager Kaufmann zusammengearbeitet haben; denn als Hell am 17. August 1582 gestorben war, stellte es sich bei der Endabrechnung der Gesellschaft, die am 4. Juli 1584 unter Beisein der Prag-Altstädter Bürger Benedikt Finck und Kaspar Zeidler in Nürnberg stattfand, heraus, daß die einzige Erbin Lorenz Hells, seine Tochter Ludmilla, Anspruch auf 21 369 Gulden „an lauter Pargelt“ und auf 4130 Gulden an alten Restschulden hatte. Diese „bösen" Schulden wurden Hans Engel für 1130 Gulden abgetreten, so daß sich die Forderung Ludmilla Hells an Engel auf 22 500 Gulden bezifferte. Da aber Lorenz Hell in 101) LKAN: Verkündbuch St. Lorenz 1555—1577 (L 46), S. 306: 21. I. 1565: „der erbar Jorg Aff, des erbaren Wilhelbm Affenn von Wimpffen Sohn.“ Trauung im Ehebuch St. Lorenz 1557—1608. Jörg Aff verläutet am 1. Okt. 1573 (BStAN: Ratstotenbuch Nr. 6, f. 14). Bürgerrecht f. J. Aff: BStAN: Amts- u. Standb. 300 II. Im Jahre 1561 verkaufte ein Hans Aff an das Ochsenamt in Nürnberg 590 Ochsen für 9390 Gulden. Dieser be­ deutende Viehhändler dürfte mit dem Bürgermeister der Reichsstadt Wimpfen a. N. identisch sein, der im Jahre 1590, 70 Jahre alt, in dieser Stadt das Haus Schwibbogen­ straße Nr. 153 errichtet hat. Er dürfte ein naher Verwandter (Bruder?) von Georg Aff in Nürnberg gewesen sein. Vgl. Fritz V. Arens, Die Inschriften der Stadt Wimpfen a. N., Stuttgart 1958, Nr. 197, in: Die Deutschen Inschriften, 4. Bd., Münchner Reihe, 2. Bd. 102) Ehebuch St. Lorenz 1557—1608, S. 22. 103) Sachs S. 106. Die von R. Endres (Titel Anm. 112) vertretene Ansicht (S. 186, Anm. 61) daß der Grenzort Pfraumberg E. Schurger als Bürgen verlangte, ist ein Irrtum; denn dieses arme Städtlein erwähnte in seinem Darlehensgesuch um 12 000 Taler zur Ab­ lösung von seiner Pfandherrschaft als bereitwillige Bürgen die drei Königsstädte Pilsen, Taus und Tachau, die der Nürnberger Rat aber ablehnte. Dieser empfahl dem Rat von Pfraumberg, in dieser Hinsicht an Endres Schurger heranzutreten. Als sich Pfraumberg am 11. I. 1592 mit nur 3000 Talern begnügte, übernahmen dafür Lienhard Dillherr, Endres Schurger und Jakob Meyenschein für je 1000 Taler die Bürgschaft. Am 15 Fe­ bruar 1592 erklärte sich der Rat zu Nürnberg ohne eine weitere Sicherheit bereit, noch 3000 Taler an dieses Städtlein zu leihen. Auch Sachs S. 107 ist in dieser Hinsicht teil­ weise zu berichtigen. Vgl. hezu BStAN: Rep. 62 (Verlässe der Herren Älteren) Nr. 12, fol. 58' (30. X. 1591), f. 67' (17. XII. 1591), f. 70 (11. I. 1592) und f. 79 (15. II. 1592). i°4) RV i3i2, f. 24' (9. II. 1570). Für ihren Prager Mitgesellschafter hatten sie 10 fl 6 lb 3 d zu viel Zoll in Nürnberg abgeführt. Hell war als Prager Bürger in Nürnberg nur zur Zahlung des halben Zolls verpflichtet.

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seinem Testament vom 26. Juni 1572 Engel 500 Gulden vermacht hatte, be­ trug die Schuld Engels Ludmilla Hell gegenüber 22 000 Gulden. Die Summe sollte weiter bei ihm stehen bleiben und mit fünf Prozent verzinst werden lö5). An den hohen Umsätzen, die unsere Tabelle verzeichnet und an diesem sel­ tenen Beispiel ist zu ersehen, wie kapitalintensiv der Viehhandel war. Über das Vermögen Hans Engels ist nichts bekannt. Daß er aber auch sehr vermögend gewesen sein muß, ist wohl daraus zu ersehen, daß er mit dem reichen Ochsenhändler Bartholomäus Albrecht, als dieser von Kaiser Rudolf II. das Privileg erwirkt hatte, schadhafte Münzen in gute Dukaten umzuprägen, zusammengearbeitet hat. Nur mit großen Geld­ mitteln konnte ein solches Geschäft bewältigt werden. Albrecht und Engel wurden wegen des Verdachts, schlechte Münzen gegen die Reichsmünzord­ nungen geprägt zu haben, beim Stadtgericht Nürnberg verklagt, Albrecht er­ hielt eine Strafe von 500 Gulden, Engel wurde aber freigesprochen m). Hans Halbwirt (Halbert) und Peter Müsel werden in unserer Tabelle ge­ trennt aufgeführt, obwohl sie seit dem Jahre 1567 eine Handelsgesellschaft bildeten. Gemeinsam übertreffen sie im Umsatz Jorg Aff, der als Einzelperson in dieser Hinsicht an der Spitze steht. Die Nachfolger der beiden, Sigmund Halbert und Wolf Müsel, die wie die Väter zusammengearbeitet haben und bis Straßburg und Württemberg Ochsen geliefert haben, gerieten am Ende des 16. Jahrhunderts in Zahlungsschwierigkeiten, von denen sie sich nicht erholen konnten, daher verschwinden ihre Namen seit der Zeit aus den Ochsenamts­ rechnungen 107). In unserer Tabelle erscheint noch Hans Albrecht (f 1571), der mit seinem schon genannten Sohn Bartholomäus zusammengearbeitet hat. Diese Firma hatte in Prag einen ständigen Faktor, wie auch schon bemerkt wurde, daher ist es begreiflich, daß sie den Weg über Pfraumberg benützt haben108). Einer der bedeutendsten Ochsenhändler Nürnbergs um das Jahr 1570 war Jorg Goßwein (f 1582). In 2. Ehe heiratete er Magdalena, die Witwe des reichen, aber blinden Hans Rotenburger, der mit seinem Vater Niklas im Viehhandel zusammengearbeitet hatte109). Er besaß den Landsitz Schoppershof bei Nürnberg. Wenn er am 8. September 1570 von 160 auf den üblichen Freitagmarkt getrie­ benen Ochsen nicht einen verkaufen konnte, so kann man daraus nicht auf seine geringe Bedeutung als Ochsenhändler schließen, verzollte er doch im Jahre 1569 bei der Mautstätte Pregarten in Oberösterreich insgesamt 1059 105) StadtAN: 1. lit. 104, f.. 117—118' (7. III. 1589). Nach diesem Eintrag ist die Frage, die Janäöek in seinem Buch (Anm. 93), S. 175 und 310 stellt, ob die im Testament Lorenz Hells erwähnten 29 472 Gulden das Gesellschaftsvermögen oder sein Anteil daran ist, geklärt. Es handelt sich nur um diesen. Die verschiedenen Summen erklären sich damit, daß das Testament Hells schon zehn Jahre vor seinem Tode verfaßt wurde. 106) C. F. Gebert, Bartholomäus Albrecht, der Nürnberger Münzer und Erzkäufer, Nürnberg 1894, S. 11. 107) Siehe Anm. 77—80. Über Sigmund Halberth und Wolf Müsel vgl. Sachs S. 109, 222 u. 223. loe) S. S. 212. lw) LKAN: Totenbuch Sebald (1570—1587), nicht pag. Roth, Gen.Verz. S. 83 (1558—1582), hier als Ochsenherr bezeichnet.

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Ochsen 110). Er dürfte sie in Wien oder auf dem berühmten Viehmarkt von Auspitz in Mähren gekauft haben und durch das Regental nach Nürnberg ge­ trieben haben. Über den in unserer Tabelle so bemerkenswert hervortretenden Ochsen­ händler Jorg Pechtier vermag ich keine näheren Angaben machen. Der auf der Beschwerdeschrift vom 10. März 1570 Unterzeichnete Mathes Neithart, der vor dem Jahre 1562 Diener des Viehhändlers Anthoni Groß gewesen war, war um die gleiche Zeit in Zahlungsschwierigkeiten geraten und aus Nürnberg geflohen, weshalb er auf der Tabelle nicht erscheint m). Christoph Peßler war Nürnberger Bürger, jedoch ist über ihn weiter nichts bekannt. Die Bedeutung Nürnbergs für den süddeutschen Viehhandel In diesem Zusammenhang möchte ich noch eingehen auf die Frage, welche Bedeutung der Nürnberger Viehhandel für den süddeutschen Raum hatte. Ich gehe dabei aus von der Behauptung von Rudolf Endres 112), daß bis zu 70 000 Mastochsen alljährlich aus Böhmen und Ungarn von Nürnberger Händlern in das Oberland vermittelt wurden. Nach meiner Auffassung erweckt sie eine falsche Vorstellung vom Umfang des Nürnberger Großviehhandels. Überprüft man die von ihm als Beleg für seine Ansicht herangezogene Quelle, ein Nürn­ berger „Bedencken uf der von Augspurg Schreiben Erhöhung und Staigerung im Flaischkauf“ vom 13. August 1571, so stellt sich heraus, daß hier nicht von Böhmen, sondern nur von Ungarn als Viehexportland die Rede ist, wo das beste Vieh gezüchtet werde, daß aber das Land unter der Herrschaft der Tür­ ken verödet wäre, was sich ungünstig auf die Ochsenausfuhr ausgewirkt habe, es würden aber „dannocht biß in 70 000 Ochsen deß Jars heraufergetriben in das Oberland", worunter wohl Süddeutschland zu verstehen ist. Diese Zahlen­ angabe geht wahrscheinlich, wenn auch verderbt, zurück auf den Hinweis von Sigmund von Herberstein in seinem berühmten Werk „Rerum Moscoviticarum commentarii“, S. 156, das in 2. erweiterter Auflage 1556 in Basel erschien, von dem in Wien im Jahre 1557 eine deutsche Übersetzung des Verfassers unter dem Titel „Moscouia, der Hauptstat in Reissen" herauskam, wo es am Ende des Buches (dieses ist nicht paginiert!) heißt, daß aus Ungarn „auf Wienn, die ainige Straß, bey und ob achtzigtausent Ochßen aines Jars getriben wer­ den" 113). Auch die von Endres an der gleichen Stelle von Sachs übernommene lla) Mautrechnungen von Pregarten 1569, Stadtarchiv Freistadt in Oberösterreich, deponiert im Oberösterreich. Landesarchiv Linz/D. (Schachtel 331). m) Mathes Neithart stammt von der Bergstadt Schönfeld in Böhmen, wo seine Brüder Jakob und Veit lebten (BB 163, f. 252). Vgl. audi 1. cons. 115, f. 77 (30. V. 1573) und 1. lit. 88, f. 130 (23. VII. 1573). U2) Rudolf Endres, Die Nürnberg-Nördlinger Wirtschaftsbeziehungen im Mittelalter bis zur Schlacht bei Nördlingen. Schriften des Instituts für fränk. Landesforschung an der Univ. Erlangen-Nürnberg, Bd. 11, Neustadt/Aisch 1963, S. 184. ns) Wenn wjr die Zahl Von 80 000 Ochsen, die wir dem ausgezeichneten Kenner Ungarns, Sigmund von Herberstein, verdanken, der nach seiner Selbstbiographie (Fontes rerum Austriacarum, 1. Abt. (Scriptores), hgg. von Th. Gg. v. Karajan) vom Jahre 1518 bis zum Jahre 1551 als Diplomat der Habsburger über ein dutzendmal auf kleineren oder größeren Dienstreisen dieses Land besucht hat, mit den Angaben der Mautrechnungen

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Behauptung, daß Böhmen und Ungarn anfangs nur Durchzugsgebiet waren, kann ich nicht teilen. Für Böhmen gilt das immer, es war niemals ein bedeu­ tendes Viehexportland114); dagegen das steppenreiche Ungarn schon seit dem Altertum, genauer faßbar seit dem 13. Jahrhundert115). Audi die Behauptung der Zollstationen an den längs oder unweit der Donau hinführenden, von Wien aus­ gehenden Straßen vergleichen, kommen wir zu der überraschenden Feststellung, daß sich diese große Menge von Ochsen nicht in diesen Zollverzeichnissen widerspiegelt. So ist aus den Mautrechnungen von Markersdorf an der Pielach, 10 km westl. von St. Pölten, zu ersehen; daß hier zwischen 1578 und 1593 jährlich 15 000 bis 20 000 Ochsen durch­ getrieben wurden (vgl. Otto Brunner, Die geschichtliche Stellung der Städte Krems und Stein, in: Krems und Stein, Festschrift z. 950j. Stadtjubiläum, Krems a. d. Donau 1948, S. 59). Die Rechnungen der Viehmaut von Ebelsberg bei Linz/D. erbringen folgende Zahlen: im Jahr 1590: 12 000 Ochsen, 1953: 14 030 O., 1954: 11 433 O., davon 20 O. für Nürnberg, und 1597: 11 867 Ochsen (nach Gilbert Thrathnigg, Die Welse­ rische Viehmaut in Ebelsberg, Hist. Jahrbuch d. St. Linz 1961, S. 316). In den nördlich der Donau, 19 km ONO Linz, gelegenen Pregarten in Oberösterreich, wo auch große Men­ gen ungarischer Ochsen durchgetrieben wurden, verzollte man im Jahre 1569: 5403 Ochsen, davon 1309 Ochsen, die für Nürnberg bestimmt waren, und im Jahre 1592 wurden von Großhändlern 3381 Ochsen (darunter 2589 Ochsen für Augsburg, aber keine für Nürnberg) durchgetrieben (Stadtarchiv Freistadt O.Ö., deponiert im Oberösterreichi­ schen Landesarchiv Linz, Schachtel 331. Dazu L. Hirsch, Die Riedmarkstraße, Heimatgaue, J. 17 (1936), S. 141. Auch Alfred Hoffmann, Wirtschaftsgeschichte des Landes Ober­ österreich, Bd. I, Salzburg 1952, S. 153). Bringen die Zahlen der Mautrechnungen zum Ausdrude, daß seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in der die Ungarnreisen S. v. Herbersteins liegen, die ungarische Ochsenausfuhr gegen das Ende dieses Jahrhunderts auf ein Viertlei oder Fünftel des früheren Umfangs gesunken ist? Stieg dafür die Ausfuhr von polnischen Ochsen nach Deutschland? Andreas Cellarius, ein Geograph des 16. Jahrhunderts, gab in seiner Regni polonica ... novissima descriptio, Amsterdam 1569, an, daß aus Polen jährlich allein 60 000 Ochsen ausgeführt würden. Der polnische Wirtschaftshistoriker Roman Rybarski, Handel i plityka handlowa Polski w XVI stuleciu (Handel u. Handelspolitik in Polen im 16. Jh.), S. 63 f. hält diese Zahl für übertrieben und tritt für ca. 40 000 Stück ein (siehe auch Fr. Lütge, a. a. O. S. 39). Jedenfalls ist mit einem Rüdegang der ungarischen Ochsenausfuhr in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu rechnen, was auch die Nürnberger Quellen wahrscheinlich machen. Der Nutznießer dieser Entwicklung war Polen. 114) Josef Janäcek (s. Anm. 93), der in seinem Werk das erste Mal die internationale Be­ deutung des Prager Viehmarktes S. 167—176 hervorgehoben hat, hat auf S. 167 f. darauf hingewiesen, daß z. B. die Städte Rakonitz und Budweis in Böhmen ihren Bedarf an Rindfleisch am Ende des 16. Jahrhunderts in Böhmen selbst eingedeckt haben, dagegen die Prager Städte nicht, sie waren auf polnisches und ungarisches (slowakisches) Vieh angewiesen. 115) Großer hist. Weltatlas, hgg. v. Bayer. Schulbuchverlag, 1. Teil, München 1954, S. 37 (Wirtschaftskarte des röm. Kaiserreiches). Friedrich Lütge, Akademievortrag (hier Anm. 45), S. 28. Ein wichtiger Beleg über den Bezug ungarischer Ochsen durch süddeutsche Händler aus der Mitte des 14. Jahrhunderts ist eine von Sachs S. 246 abgedruckte Ur­ kunde (Kundschaft) aus dem Jahre 1360, der bisher nicht beachtet wurde. Sie bezieht sich auf ein Rechtsgeschäft vom 11. Juni 13 58 (Montag vor sant Veitstag), über das vor dem Stadtgericht Nürnberg am Samstag vor Georgentag (7. III. ?) 1360 Kundschaft von Zeugen gegeben wurde. Darnach hatte im Jahre 1358 Berthold Holzschuher, ein Nürn­ berger Patrizier, der im Ungarnhandel tätig war, zwei Ochsenhändlern, Meusel von Straubing und Fritz Ogan, „unverschaidenlich“ 800 Gulden, und zwar Meusel 500 G. und Ogan 300 G., geliehen. Diese setzen als Sicherheit die Ochsen ein, die sie in Ofen gekauft haben oder kaufen werden. Als Zahlungstermin wurde der achte Tag vor St. Jakob (18. VII. 13 5 8), als Erfüllungsort Mainz festgesetzt. Falls die Ochsenhändler keine Bürgen stellen könnten, sollten sie die in Ungarn gekauften Ochsen nach Forchheim (Oberfran-

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von Endres S. 183, daß die Nürnberger Handelsleute das Vieh „in geschlosse­ nen Herden von mehreren Tausend Stück" aus dem Osten zu den Viehmärkten ins Inland brachten, wird den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. So große Herden wären eine zu große Belastung der Straßen und der daran liegen­ den Weiden und Tränkstellen gewesen. So setzte z. B. der Rat der Stadt Pilsen in der Mitte des 16. Jahrhunderts als Höchstzahl für eine Ochsenherde 600 Stück fest118). In unserer Tabelle über den Ochsentransit von Pf raumberg zählt die größte Herde (1565, 22. IX.) 810 Stück, die kleinste 39 Stück (1566, 18. XI.). Auch zur Behauptung von Endres, S. 183, Nürnberg sei für den gesamten süddeutschen Raum der zentrale Verteilermarkt für das Schlachtvieh aus den Ländern Ost- und Südosteuropas gewesen, möchte ich dahingehend einschränken, daß das nur für die Gebiete zwischen Donau und Main gilt. Altbayern und Oberschwaben hatten z. B. gegen das Ende des sechzehnten Jahrhunderts einen sehr leistungsfähigen Schlachtviehhandel, der sich auch in Nürnberg geltend machen konnte. Das soll nach Angaben der Abrechnungen der Vieh­ maut von Ebelsberg bei Linz/D., das an der Reichsstraße, die nach Wien führt, liegt, und nach den Mautrechnungen von Pregarten, das an der von Wien heraufführenden Ochsenstraße nördlich der Donau sich befindet, nachgewiesen werden. Die Abrechnungen über die Viehmaut von Ebelsberg bestätigen, daß Augs­ burg und Ulm sehr leistungsfähige Viehhändler besaßen, die den Bedarf ihrer Städte an Schlachtvieh vollauf decken konnten. So führten die Augsburger ken?) treiben, wo B. Holzschuher weiter über ihre Verwendung entscheiden sollte. Meusel stellte aber in Hans Wurst von Nürnberg einen Bürgen und Ogan in Götz Modler von Pilsen. Hans Wurst war ein Fleischhacker der Reichsstadt (nach RStAN: Amts- und Standbuch 302, f. 30, angelegt im Jahre 1363, freundl. Mitteilung von Wolfg. Frhr. v. Stromer) und Götz Modler war Ratsbürger von Pilsen (Josef Strnad, Listar krälovskeho mesta Plzne (Urkundenbuch der kgl. Stadt Pilsen), Teil I, Pilsen 1891, Nr. 113, S. 121 (13. III. 1373), Nr. 115, S. 123 (5. V. 1373) und Nr. 511 (22. XII. 1386, schon tot). Fritz Ogan dürfte aus Mainz oder Worms gestammt haben; denn im Jahre 1390 vertrat ein Jos Oküne (wohl nicht Ckünef) Worms auf einer Tagung des Rhein. Bundes in Bam­ berg (J. Weizsäcker, Dt. Reichstagsakten unter Kg. Wenzel, 2. Abt. (1388—1397), Neu­ druck Göttingen 1956 (Dt. Reichstagsakten, 2. Bd.) S. 199, Anm. 5). In unserem Zu­ sammenhang interessiert die Frage, wieviel Ochsen die beiden genannten Ochsenhändler in Ungarn eingekauft haben könnten. Nach der „Ochsenrechnung 1495“ (BStAN: Rep. 54a I, Nr. 560) kostete ein Ochse beim Erstkauf in Wien 7,3 Gulden. Für 206 Ochsen betrugen die Unkosten des Treibens von Wien bis Nürnberg zu dieser Zeit rund 200 Gulden. Auf einen Ochsen kamen daher von Wien bis Nürnberg ca. ein Gulden Un­ kosten. Nach Sachs S. 252 kam ein Pfund Ochsenfleisch im Jahre 1495 auf vier Pfennige, im 14. Jhdt. auf 1,5 Pfennige, demnach kostete ein Ochse im Erstkauf zu Wien damals ca. 2V2 Gulden. In Ofen müßte ein Ochse demnach ca. 2 Gulden gekostet haben. Das ergäbe eine Anzahl von ungefähr 400 Ochsen, welche die genannten Ochsenhändler um 13 58 in Ofen erwerben konnten. Wenn man auch über diese Berechnung anderer Mei­ nung sein sollte, so geht doch daraus hervor, daß in Mitte des 14. Jahrhunderts schon Hunderte von Ochsen über Nürnberg bis an den Rhein getrieben wurden. Die Erwäh­ nung eines Pilsner Ratsherren in der oben erwähnten Kundschaft läßt vermuten; daß in der Mitte des 14. Jahrhunderts Pilsner Bürger schon aktiv am Handel mit ungarischen Ochsen beteiligt waren. 116) Dej. Piz. (Gesch. v. Pilsen) I, Pilsen 1965, S. 149.

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Viehhändler im Jahre 1590 von insgesamt 12 000 Ochsen 6600 (55 °/o alles Großviehs) durch, im Jahre 1594 von 11 433 Ochsen 6100 O. (53,5 °/o) und im Jahre 1597 von 11 867 Ochsen 6700 O. (56 %). Bei der Mautstation Pregarten verzollten vom 1. April bis zum 31. Dezember 1592 die Augsburger Ochsenhändler von insgesamt 3922 durchgeführten Ochsen 2589 (66 °/o), da­ von entfielen auf die Träger des Familiennamens Burgkhardt 2469 Ochsen und von diesen wieder 2195 Ochsen auf Martin und Hans Burgkhardt117). Martin Burckert von Augsburg verkaufte dem Nürnberger Ochsenamt in den Jahren 1596 und 1597 Ochsen, und zwar im ersten Jahre für 3325 Gulden (bei einem durchschnittlichen Ochsenpreis von 20 fl. ca. 166 Ochsen) und im fol­ genden Jahre für 3790 Gulden (ca. 190 Ochsen)118). Aus dem Umstand, daß das Ochsenamt dem Nürnberger Bürger Kaspar Burkhardt die genannten Sum­ men auszahlen sollte, ist zu entnehmen, daß die Augsburger Firma in der Peg­ nitzstadt einen Familienangehörigen als ständigen Vertreter sitzen hatte119). Wenn auch Sachs S. 111 (Anm. 45) darauf hinweisen kann, daß im Jahre 1619 Christoph Schlauersbach vom Nürnberger Rat fälschlich beschuldigt wurde, eine Herde von 204 polnischen Ochsen den Metzgern der Reichsstadt ent­ zogen zu haben, daß er diese bei Hersbruck Augsburger Metzgern und Vieh­ händlern verkauft habe, so kann daraus noch nicht geschlossen werden, daß diese Stadt von Nürnberger Viehhändlern regelmäßig beliefert wurde. Die Erforschung der Fleichversorgung Augsburgs wird erst klären, wie diese Ver­ hältnisse eigentlich beschaffen waren. Auch Ulm besaß bedeutende Ochsenhändler. Z. B. verzollten vom Mai bis September 1525 Angehörige der Familie Rott von Ulm, Gabriel und Hans werden genannt, in Enns 2597 Ochsen, die in vierzehn Herden, die größte davon zählte 268 Stück (23. IX.), durchgetrieben wurden119a). Vierzehn Ochsenhändler dieser Stadt entrichteten in Ebelsberg im Jahre 1590 für 1670 Ochsen Zoll, im Jahre 1594 von 918 und im Jahre 1597 von 651 Ochsen120). Drei Straubinger Viehhändler zahlten Zoll für 1481 Ochsen (1590), 1715 Ochsen (1594) und 1463 Ochsen im Jahre 1597 121). Aus diesen drei Beispielen ist zu entnehmen, daß in Oberdeutschland südlich der Donau kein Mangel an leistungsfähigen Firmen, die im Ochsenhandel tätig waren, 117) Vgl. Thrathnigg (hier Anm. 113), S. 316 f. und für die Mautrechnungen von Prägarten (Stadtarchiv Freistadt in Oberösterreich, deponiert im Oberösterreichischen Landesarchiv zu Linz, Schachtel 331). Dem Herrn Bürgermeister und den H. Stadträten von Freistadt sowie der Direktion des Landesarchivs Linz danke ich für freundliches Entgegenkommen. 118) BStAN: Rep. 54a II, Nr. 433. 119) Kaspar Burckhart, Bürger von Nürnberg, stammt von Bamberg (LKAN: Verkündbuch St. Sebald von 1561—1573 (Nr. 62), S. 150 (2. I. 1569). Um die gleiche Zeit dürfte er Bürger von Nürnberg geworden sein, leider lassen sich darüber keine Angaben machen. Von 1575 bis zu seinem Tode im Jahre 1621 war er Genannter des Größeren Rates der Stadt Nürnberg (Roth, Gen.Verz. S. 92). 119a) F. Engel—Janosi (Titel Anm. 146), S. 44, Anm. 45 und S. 55, Anm. 98. 120) q Thrathnigg, Die Welserische Viehmaut in Ebelsberg, Hist. Jahrb. d. St. Linz 1961, S. 311—320, hier S. 318. 121) Ebda. S. 318.

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vorhanden war, wobei noch zu beachten ist, daß neben vielen kleineren Städten Landshut, München und Ingolstadt122) auf dem genannten Gebiete tüchtige Handelsuntemehmer besaßen. Die Pilsner Viehhändler Unter den Viehhändlern, die über den Pfraumberger Paß einen großen Teil ihrer Herden treiben ließen, gehörten auch Pilsner Handelsunternehmer. Es gab in der Mitte des 16. Jahrhunderts nur fünf maßgebliche Ochsenhändler in dieser westböhmischen Stadt12S). In Nürnberg, zu dem Pilsen von allen mitteleuropäischen Städten die stärksten wirtschaftlichen Beziehungen unter­ hielt 124), lassen sich in den archivalischen Quellen dieser Stadt vier Pilsner Ochsenhändler dieser Zeit nachweisen. Es sind: Vinzenz Rajsky von Dubnitz, Sigmund Staßeck (tschech. Stasek) von Dubnitz, Veit Kellermann oder Uhr­ macher (tsch. Hodinär)125) und Wilhelm Sambson (tsch. Samec). Vinzenz Rajsky, Ratsherr in Pilsen, wurde in Nürnberg auch „Vinzenz von Pilsen“ genannt128). Er war der reichste von ihnen. Er wurde auf der Pfraumberger Straße bei dem Dorfe Oberlind bei Vohenstrauß (Fedrast) am 15. April 1559 erschossen und ausgeraubt. Er könnte von der Nürnberger Heiltumsmesse gekommen sein, wo er vielleicht von seinen Schuldnern fällige Beträge einkassiert haben könnte 127). Aus den Nürnberger Geschichtsquellen wissen wir, daß er mit Ochsen und Schweinen gehandelt hat128). Sein Ver­ mögen wurde auf 100 000 Schock meißnisch (Taler) geschätzt. Daß er tatsäch­ lich sehr reich war, geht auch daraus hervor, daß Kaiser Ferdinand mit seiner Gemahlin bei einem Aufenthalt in Pilsen in seinem Hause Quartier nahm 129) und die Witwe des Ermordeten, Magdalena von Brodiegewitz, im Todesjahr ihres Mannes mit der stattlichen Summe von 10 000 Gulden rhein. beim Nürn­ berger Losungsamt 500 fl. rh. Ewiggeld, jedes Jahr zahlbar zu Georgi (23. IV.), erwerben konnte. Dieser Ewiggeldvertrag wurde am 23. April 1566 noch um zwei Jahre verlängert. Die Rente wurde in den Jahren 1561 und 1562 von dem Pilsner Ratsherren Sigmund Staßeck abgeholt 13°). Dieser war höchstwahr­ scheinlich mit Vinzenz Rajsky verwandt; denn mit diesem hatte er am 22. Fe­ bruar 1548 zu Augsburg von König Ferdinand ein gemeinsames Wappen ver122) m) 124) 125) 12Ä)

127) 12b)

12#) m)

Ebda. S. 317. Dej. Piz. (Gesch. v. Pilsen) I, S. 148 f. Ebda. S. 73. B£lohlävek, Boj Piz. S. 170, Anm. 21. StadtAN: 1. cons. 50, f. 130 (2. XI. 1541) und Mitteilung des Nürnberger Rates an seine Gesandten beim Reichstag in Augsburg, die Vettern Sebald und Joachim Haller v. Haller­ stein, über die Ermordung des „Vincentz von Pilsen“ (BB 165, f. 113' (24. IV. 1559)). Über V. Rajsky vgl. Dej. Piz. (Gesch. v. Pilsen) S. 149 und Boj Piz. S. 170, Anm. 21. StadtAN: 1. cons. 75, f. 189 (10. VI. 1555): Wolf Pair als Faktor Vinzenz Rajsk^s wegen einer Schuld für Ochsen von fast 68 Gulden. L. cons. 100, f. 66 (11. VIII. 1567). Wolf Pair quittiert eine alte Schuld von 14 fl. für Schweine. Siehe Anmerkung 127. BStAN: Losungsamt Bände Nr. 71, f. 28. BB 176, f. 51 (26. August 1566: Verlängerung des Ewiggeldvertrags um zwei Jahre auf Wunsch von Kaspar Kropacz, des Ehewirts der der Magdalena von Brodiegewitz, früher Witwe des V. Rajsk£).

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liehen bekommen, er führte auch wie dieser das Prädikat „von Dubnitz" m). Der Nürnberger Faktor beider war der Nürnberger Bürger Wolf Bayr (Pair)132). Während wir über die Anzahl der Ochsen, die Rajsky in Nürnberg absetzte, nichts wissen, sind wir über die Geschäfte, die Staßeck und Veit Kellermann mit dem Ochsenamt abschließen konnten, ja sogar über das, was sie nicht ab­ setzen konnten, nach den Rechnungen dieses Amtes so halbwegs zufrieden­ stellend informiert. In der folgenden Tabelle wurden die darüber vorhandenen Angaben in den Ochsenamtsrechnungen 133) zusammengestellt: Tabelle 3:

Die Quartale vom 28. Mai bis 17. September und von da ab bis 17. Dezember 1561: Veit Kellermann

Sigmund Staßeck

84 Ochsen 32 f. *) VI. 34 f. l. VIII. 100 31 f. 19. IX. 100

27.

17.X. 14. XI.

120

lEIS:

494

27 f. 27 f.

90

Ochsen

fl. fl. fl. fl. fl.

rh. rh. rh. rh. rh.

1344 1700 1550 1215 1620

fl. rh. 7429

l. VIII. 84 Ochsen 34 f. *)

21. XI.

3.X.

119 70

Insg.

273

27 f. 25 f.

Ochsen

fl. rh. 1428 fl. rh. 1621 fl. rh. 875 fl. rh. 3924

Quartal 19. September bis 16. Dezember 1562: Sigmund Staßeck

Veit Kellermann 18. 13.

XI. XI.

Insg.

114 Ochsen 208

30 f. 34 f.

322 Ochsen

X. 117 Ochsen 32 f. 32 f. XI. 94

fl. rh. 1872 fl. rh. 1504

211 Ochsen

fl. rh. 3376

fl. rh. 1710 fl. rh. 3536

9. 13.

fl. rh. 5246

Insg.

Vom 12. Mai bis 20. September und von da bis 20. Dezember 1570: Sigmunc Staßeck (Kellermann wird nicht genannt): 18. VIII.

122 Ochsen

l.IX. io. XI.

117 168

(unverkauft) 31 f. 341/* I.

fl. rh. 1813V2 fl. rh. 2898

*) Preis für 1 Paar Ochsen

Einzelbeleg über S. Staßeck: vom 21. IX. 1571 88 Ochsen, das Paar um fl. rh. 39—, zu zahlen halb auf 21. Nov. 1571 und halb auf 21. Jänner 1572, tut fl. rh. 1716.— lsl) August von Dörr, Der Adel der böhmischen Kronländer, Prag 1900, S. 24. 132) RV 1042, f. 23' (30. X. 1549): „der Pilßnisch factor Wolf Pair“. 133) BStAN: Rep. 54a I, Nr. 237 und Rep. 54a II, Nr. 307.

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Aus den obigen Zahlenangaben etwa schließen zu wollen, daß Kellermann im Jahre 1561 nur 494 Ochsen und Staßeck nur 273 in derselben Zeit in Nürn­ berg umgesetzt habe, wäre falsch. Man muß bestimmt mit höheren Zahlen rechnen, aber sie dürfen auch nicht zu hoch angesetzt werden. Die großen Och­ senherden sind wahrscheinlich meistens durch das Ochsenamt verkauft wor­ den, nahm dieses doch die Regelung der Schuldentilgung ganz auf sich und ersparte dadurch dem Verkäufer manches Risiko. Am 4. Januar 1552 befahl z. B. der Nürnberger Rat dem Amtmann über den Ochsenkauf, Bartholomäus Held, dem Viehhändler Uhrmacher (= Veit Kellermann) von Pilsen für Ochsen 700 Gulden auszuzahlen, da die Frist verfallen sei. Da gewöhnlich die Ochsenschulden zu zwei Fristen zurückgezahlt wurden, hatte Kellermann Ochsen im Wert von rund 1400 Gulden verkauft, so daß bei einem Ochsenpreis von ca. 17 Gulden über 80 Ochsen verkauft worden waren. Nach dem Ratsprotokoll war Kellermann mit der Prolongierung der Frist nicht einverstanden, wes­ halb ihm angedroht wurde, wenn er sich nicht wie die anderen Ochsenhändler damit zufrieden gebe, werde das Ochsenamt nichts mehr von ihm kaufen, dann könne er selbst sehen, wie er seine Ochsen anbrächte. Aus diesem Beleg ist zu ersehen, daß der Rat den freien Handel mit Ochsen, daß heißt mit Um­ gehung des Ochsenamts, zuließ 134). Am 31. August 1571, an einem Freitag, an dem wie üblich Ochsenmarkt in Nürnberg gehalten wurde, kam es hier zu einem Tumult, als Sigmund Staßeck, der hier „Dasca“ genannt wird 135), mit den reichsstädtischen Metzgern um den Preis von zwei Häuflein (kleinen Herden) Ochsen feilschte. Staßeck verlangte für das Paar Ochsen 36 Gulden, die Metzger boten aber nur 30 Gul­ den. Als der Pilsner Viehhändler mit dem Preis schon bis auf 32 Gulden zu­ rückgegangen war und die Nürnberger Fleischhacker noch hofften, den Preis auf 31V2 Gulden herabzudrücken, mischte sich Philipp Moll von Neustadt am Kocher ein und erklärte sich bereit, das Paar Ochsen um 32 Gulden zu neh­ men. Mit dem Diener des Dasca, dem Nürnberger Bürger Jeronymus Krieger, schloß er daraufhin ab. Die um ihren Erfolg gebrachten Nürnberger Metzger antworteten darauf mit Maultaschen (Ohrfeigen) und Schlägen, auch Steine flogen; so daß ein richtiger Tumult auf dem Ochsenmarkt entstand. Die dabei stehenden Nürnberger Ochsenhändler Jorg Aff, Bartl Albrecht und Achatius Gerstner nahmen Partei für den Württemberger Viehaufkäufer, weil sie die Preisdrückerei der Nürnberger Metzger mißbilligten, nur Jörg Gößwein zeigte sich als Nürnberger Patriot, indem er das geschäftliche Gebahren der Nürn­ berger Fleischhacker billigte. Als der reiche Metzger Erasmus Schlauersbach, der als Handwerker Mitglied des Inneren Rats war, darüber in diesem Gre­ mium im Sinne seiner Standesgenossen berichtete und für die Abschaffung oder Einschränkung des sogenannten „Fürkaufs" eintrat, wurde das Verhalten der 13J) RV 1071, f. 30 (4. I. 1552). 135) Daß es sich bei „Dasca“ um Sigmund Staßeck handelt, schließe ich daraus, daß in 1. lit. 87, f. 44' (30. III. 1571) Jheronymus Krieger (Krüger) als Faktor von Sigmund Taschka (= Staschka von Staschek, tschech. Stasek) erscheint. Die Nachricht über den Tumult auf dem Ochsenmarkt verdanken wir der Zeugenaussage Schlauerspachs am 1. IX. 1571 (BStAN: B - Laden: S IL 177 N 38).

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drei Großviehhändler gerügt, da sie für die Fremden und nicht für die Bürger der Reichsstadt eingetreten waren. Als sich die Wogen der Erregung geglättet hatten, ließ der Rat alles beim alten 136), kam daher den Auswärtigen ent­ gegen. Die Nürnberger Metzger konnten sich beim Rat mit ihrer Forderung nidit durchsetzen, daß sie vor den Fremden zuerst ihren Bedarf an Vieh auf dem Freitagmarkt eindecken könnten. Beachtlich ist jedenfalls, daß im Jahre 1571 sechzehn auswärtige Vieheinkäufer auf dem Nürnberger Viehmarkt ver­ treten waren, die bis zum Rheinstrom ihr hier gekauftes Vieh absetzten. Von den Pilsner Ochserihändlem ist noch Wilhelm Sambson (tschech. Samec) zu nennen. Er wird in den Ochsenamtsrechnungen von 1561, 1562 und 1570 nicht genannt, jedoch ist seine Tätigkeit in der Reichsstadt gut zu belegen. Im Jahre 15 56 war sein Faktor Seufried Krauß und im Jahre 1561 wird sein Die­ ner Merta Vischer erwähnt137). Im Jahre 1557 lieferte Sambson dem Nürnber­ ger Metzgerhandwerk 100 Ochsen, den Kaufvertrag wollte aber der Nürnber­ ger Metzger Wolf Kroer als Vertreter seiner Berufsgenossen nicht einhalten, weshalb ihm der Rat mit dem Schuldturm drohte 138). Nach allem, was wir in den Nürnberger Archiven über den Pilsner Viehhandel in der Mitte des sech­ zehnten Jahrhunderts feststellen können, waren die Pilsner Viehhändler auf dem Nürnberger Ochsenmarkt stark vertreten. In diesem Zusammenhang verdient die Frage, welchen Umfang der Pilsner Handel mit Rindvieh in der Mitte des 16. Jahrhunderts hatte, erörtert zu werden. Hat doch der Pilsner Stadtarchivar Miloslav Belohlävek die Behaup­ tung aufgestellt, daß die Pilsner Viehhändler in dem angegebenen Zeitraum „sicher mehr als 20 000 Stück Rindvieh, abgesehen von dem übrigen Vieh“ nach Deutschland getrieben hätten139). Diese Zahl scheint mir viel zu hoch zu sein, besonders, wenn man damit die Pilsen betreffenden Zahlen der Nürn­ berger Ochsenamtsrechnungen der Jahre 1561, 1562 und 1570 vergleicht. Vielleicht nähern wir uns den tatsächlichen Verhältnissen, wenn wir eine Notiz beachten, die ich im Nachlaß von Rudolf Scheiber gefunden habe 14°). Im „Gegenbuch des Paul Siebenburger“, der als Gegenschreiber der böhmischen Kammer im Jahre 1558 die Einnahmen der Kammer aus dem Ungeld der böhmischen Städte sorgfältig verzeichnete, fand er den auf f. 26 erwähnten Viehzoll der Stadt Pilsen: Am 9. März 15 58 vereinnahmte er für 3890 Ochsen 454 Schock 11 böhm. Groschen, ich nehme an, daß es sich um die Einnahmen des Jahres 1557 handelte141), und am 7. Dezember 1558 registrierte er für 136) RV 1333, f. 40 (1. IX. 1571); RV 1334, f. 4 (8. IX. 1571), f. 30' (1. X. 1571); RV 1335, f. 11' (12. X. 1571) und RV 1336, f. 13 (10. XI. 1571). 187) L. lit. 76, f. 88' (18. VIII. 1561). Dieser Streit um eine angeblich nicht beglichene Schuld für Ochsen im Wert von 68V2 Gulden geht schon auf den 4. VI. 1556 zurück, als Seu­ fried Krauß Faktor von Sambson war. Jetzt machte der Diener Sambsons, Merta Vischer, die unberechtigte Schuldforderung geltend. 138) RV 1140, f. 24' (6. VII. 1557), auch Sachs S. 226, Anm. 93. 139) Dej. Plzn£ (Gesch. v. Pilsen) S. 149 und Boj. Piz. S. 169. Bei Maur und Petr. S. 341 irrtümlich nur 2000 Stüde angegeben. Druckfehler! 14°) Nachlaß Rudolf Schreiber Nr. 1, f. 66', Sudetendeutsches Archiv München. Abschrift (teil­ weise Stenogramm!) aus dem Zentralstaatsarchiv Prag, Manuskript 2446. 14i) Bei der Revision des Ungeldamtes im Thein zu Prag am 5. Jan. 1575, erklärten die Ungeldbeamten Jakob Granauer und Adam Riehler den Revisoren Leopold Puchler und

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Ochsenzoll vom 1. Januar bis 4. Dezember 15 58 insgesamt 446 Sch. 15 b. Gr., das ergibt bei einem Zoll von sieben böhm. Groschen für einen Ochsen genau 3825 Ochsen. Dazu sei noch angeführt, daß die Pilsner Bürger vom Tag der Privilegierung (22. Sept. 1434) bis zum 24. April 1557 von jeglichem Zoll in den böhmischen Kronländern wie im gesamten Deutschen Reich befreit waren. Auf das Drängen der böhmischen Kammer hin erklärten sie sich im Jahre 15 57 freiwillig (!) bereit, wenigstens von den Ochsen, nicht von ande­ ren Handelsgütern, Zoll zu zahlen, der, wie die Praxis zeigte, in Pilsen selbst, nicht an der Grenze, etwa in Pfraumberg, abgeführt wurde. Wie schon gesagt, betrug er für einen Ochsen sieben böhmische Groschen 142). Nach dem Gegenbuch Siebenburgers hätte demnach die Ochsenausfuhr Pilsens um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts nicht ganz viertausend Stüde im Jahr betragen. Diese Zahl würde besser zu den in den Nürnberger Geschichtsquellen genannten Zahlen passen als die Annahme eines Exports von 20 000 Ochsen im Jahr. Wenn im Jahre 1577 in einem Gutachten der böhmischen Kammer angegeben wird, daß in Pfraumberg jährlich 5000 bis 6000 Taler an Ochsenzoll eingenommen würden 143), so ergibt das, den Taler zu 30 böhmischen Groschen gerechnet, einem Ochsentransit von 15 000 bis 18 000 Ochsen im Jahre. Rechnet man dazu noch die Pilsener Ochsentrans­ porte, für die von den Pilsner Bürgern schon in ihrer Stadt der Zoll abgeführt wurde, so ergibt das rund 19 000 bis 22 000 Ochsen im Jahr. Wenn auch nicht angenommen werden soll, daß die Pilsner Viehhändler nur über die Pfraumberger Straße ihr Schlachtvieh nach dem Westen getrieben haben, wenn auch dieser Weg für sie der wichtigste war, so gibt die Richtigkeit der Ausfuhrzahl von 20 000 Ochsen zu Bedenken Anlaß. Meine Ausführungen sollen dem Zweck dienen, zur Überprüfung dieser Sache anzuregen. 2. Färberröte und Wadis als Transitgüter Die Färberröte, die aus der in Schlesien angebauten Krapp-Pflanze (Rubia tinctorum) hergestellt wurde, war eines der wichtigsten Ausfuhrgüter dieses Landes im 16. Jahrhundert144). Von hier ging sie oderabwärts nach Stettin oder über Posen (wo im Jahre 1553/1554 3626 Zentner 15 Steine davon verzollt wurden) nach Danzig 145). In dem an der Venediger Straße gelegenen Juden­ burg in Steiernmark wurden im Jahre 1579 insgesamt 685V2 Zentner Färber­ röte, die wahrscheinlich für die Lagunenstadt bestimmt waren, durch Wiener

142) 143) 144) 145)

15

Paul Sturm auf deren Forderung nach der „Hauptreitung" (Hauptrechnung) über das Jahr 1574, daß diese noch nicht fertig sei, weil ihnen nach ihrer Instruktion nach Ausgang jeden Jahres zwei Monate Frist dazu zugelassen seien. Nachlaß Rud. Schreiber, Blatt 305. Abschrift aus dem Zentralstaatsarchiv Prag, Alte Manipulation Z l/l/II, f. 1—16. Nachl. im Sudetendt. Archiv, München. D£j. Plzn£ (Gesch. v. Pilsen) S. 148 und Boj Piz. S. 162 und 168 f. Maur und Petr., S. 341. F. Lauterbach, Der Kampf des Waid mit dem Indigo, Diss. Leipzig 1905, S. 19 ff. Dar­ nach Maur u. Petr., S. 342 f. Roman Rybarski, Handel i polityka polski w XVI stuleciu (Der Handel und die polnische Politik im 16. Jhdt.), Bd. I, Posen 1928, S. 105, auch Bd. II, S. 75, Nr. 15 (TafelI).

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Tabelle 4: Übersicht über den Transit von Färberröte und Wachs nach dem „Auszug auß den Pfraumbergischen Zoll-Registern“:

Jahr 1550 51 52 53 54 55 56 57 58

Röte in Wadis Zent­ in Zent­ nern nern 85 140 —

88 176 177 160 80 ■—

34 28 — 140 72 57 22 —



Jahr 1559 60 61 62 63 64 65 66 67

Röte in Wadis Zent­ in Zent­ nern nern 405 90 280 160 400 635 358 450 500

54 44 54 80 216 172 212 68 161

Jahr 1568 69 70 71 72 73 74 75 1576

Röte in Wadis Zent­ in Zent­ nern nern 565 354 100 96 100 336 372 344 280

294 56 30 12 46 50 58 76 40

Kaufleute vermautet146). Im Jahre 1597 wurden in Freistadt in Oberösterreich 2484V2 Ztr. Fätberröte durchgeführt147). Auf diese Weise haben wir Vergleichs­ material für den Transit an Färberröte durch Pfraumberg. Hier wurde im Jahre 1564 die größte Menge an Färberröte, nämlich 63 5 Zentner, verzollt. Bei der Annahme, daß im „Auszug“ alle oder die meisten Personen erwähnt sind, die von Schlesien nach Süddeutschland Röte führten, würde der Vergleich mit an­ deren, von Schlesien ausgehenden Verkehrslinien ungünstig ausfallen, beson­ ders wenn wir an die Röteausfuhr in der Richtung Posen—Danzig oder Breslau —Freistadt in Oberösterreich denken. Die durch Freistadt geführte Röte war zum Teil für die Linzer Messen bestimmt, von wo sie Kaufleute auf die Bozener Messen brachten, wo sie von norditalienischen Kaufleuten erworben wurde. Das ersehen wir z. B. aus dem „Jomall und Register der Botzner und anderer märckt“ aus den Jahren 1574 bis 1579, das der Augsburger Kaufmann David Bruneil geführt hat148). Er kaufte z. B. auf dem Linzer Ostermarkt des Jahres 146) Stadtarchiv Judenburg, deponiert im Stermärkischen Landesarchiv Graz, Schachtel 7. Von den Wiener Kaufleuten verzollten Andre Eyssler 74 Zentner, Valthan Pliembl 80 Z. und Christoph Wittiber 53lV2 Zentner Färberröte. Ferd. Tremel, der sich in seinem Aufsatz „Der Handel der Stadt Judenburg im 16. Jhdt.“ (Zeitschr. des hist. Vereines für Steier­ mark, 3 8. Jg. (1947), S. 142) eingehend mit der gleichen Quelle beschäftigt hat, erwähnt, daß Rausch, ein Mittel zum Schwärzen, und Röte in der „beträchtlichen Menge von 15 bis 40 Zentnern im Jahre in Judenburg vermautet" wurden. Friedrich Engel-Janosi erwähnt in den Tabellen über die im Jahre 1579 in Judenburg verzollten Waren in seinem Aufsatz „Zur Geschichte der Wiener Kaufmannschaft von der Mitte des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts", Mitteilungen des Vereins für Gesch. der Stadt Wien, 6. Jg. (1926), S. 60 ff. die Röte überhaupt nicht. 147) Stadtarchiv Freistadt (O.öst.), Schachtel 338. 148) Stadtarchiv Augsburg. Herrn Dir. Dr. Deininger danke ich für die Ausleihe des Handels­ buches an das BStAN.

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1575 7619 Pfund Röte und verkaufte zu Bozen auf dem Pfingstmarkt desselben Jahres 8759 Pfund (er hatte wahrscheinlich von früher noch Vorräte!) an Kaufleute von Verona und Vicenza. Wachs aus Litauen und Rotrußland bezogen die schlesischen Kaufleute über Warschau, Lublin und Lemberg 149). Wie bei der Färberröte muß beim Wadis hinsichtlich der Menge, die durch Pfraumberg geführt wurde, im Vergleich zu dem auf dem Transitweg von Breslau über Königgrätz nach Freistadt (O.Öst.) durchgeführten Wachs, festgestellt werden, daß auf dem letzten Wege im Jahre 1597 insgesamt 848 Zentner befördert wurden lß0), wovon auf den April dieses Jahres 415 Zentner (49 °/o), es war die Zeit der Linzer Ostermesse, und 247V2 Zentner (29%) auf den August (Zeit des Linzer Bartholomäusmarkts) ent­ fielen. Staunenswert hoch ist die Menge des Wachses, die von Wiener Kauf­ leuten durch Judenburg in der Richtung Venedig in den Jahren 1579, 1585 und 1592 geführt wurde: 1579 4306 Zentner, 1585 4218 Zentner und 1592 4842 Zentner151). Im Jahre 1542 hatte man hier nur 146 Zentner Wachs verzollt. Wie unsere letzte Tabelle zeigt, bleibt die größte Menge des Wachses, das von dem Jahre 1550 bis 1576 durch Pfraumberg geführt wurde, es waren 294 Zent­ ner, weit hinter den Mengen zurück, die durch Judenburg oder Freistadt transportiert wurden. Unter den vereinzelten im „Auszug" auftretenden Handelsgütern wären noch die Bettfedem zu erwähnen, die aus Polen oder Schlesien stammen müssen 152).

Zusammenfassung

Wie schon einleitend bemerkt wurde, war hier ursprünglich nur eine Be­ sprechung des Aufsatzes von Maur und Peträn geplant, es hat sich aber dar­ aus, wie zu sehen ist, eine umfangreichere Auseinandersetzung mit dieser Studie herausgestaltet. Während die beiden Verfasser über die Zollverhältnisse in den böhmischen Ländern nicht viel Neues gebracht haben, ist dagegen der von ihnen in Form einer Tabelle dargebotene „Auszug aus den Pfraumberger Zollregistem“ (1540—1576) als handelsgeschichtliche Quelle dankbar zu be­ grüßen. Auf einige mit dem Viehtrieb zusammenhängende Fragen — Größe der Herden, Bedeutung der Weiden und Tränkplätze, Schwierigkeiten (Ver­ engerung der Wege, Verbot der Waldweide) und die Hauptzeiten des Vieh­ triebs — wurde hingewiesen. Ausführlich wurde unter Heranziehung Nürnber­ ger Archivalien auf die Handelsuntemehmer eingegangen, die im Ochsen­ handel eine wichtige Rolle spielten. Die Handels- oder Fuhrleute aus Schlesien, die Färberröte, Wachs und andere Waren durch Pfraumberg führten, konnten nicht gewürdigt werden, da ihre Tätigkeit in den Nürnberger Geschichtsquellen keinen Niederschlag fand. Dieser Aufsatz beschäftigt sich auch mit den kapital149) Leon Koczy (siehe Anm. 76), S. 328 ff. 15°) Siehe Anmerkung 147. 151) Ferd. Tremel (Anm. 146), S. 130. 152) Leon Koczy, Handel Posens, S. 362 f. 15

*

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kräftigen Nürnberger Handelsleuten, welche die Pfraumberger Straße für den Ocfosentrieb aus Schlesien, Polen und Ungarn benützt haben. Nürnbergs Be­ deutung als Verteilermarkt für den Großviehhandel wurde auf die Land­ schaften Süddeutschlands zwischen Donau, Rhein und Main eingeschränkt, da Altbayern und Oberschwaben sehr leistungsfähige Viehhandelsfirmen besaßen. Auf Grund Nürnberger und einer Prager Quelle wurde zu der These Belohläveks, daß die Pilsner Ochsenhändler in der Mitte des 16. Jahrhunderts in einem Jahre 20 000 Ochsen ausgeführt hätten, Stellung genommen. Über die schlesische Ausfuhr an Färberröte wurde hier zum ersten Mal in einem ganz Mitteleuropa umfassenden Rahmen berichtet. Die Menge der über Pfraumberg nach Nürnberg gebrachten Röte kann sich nicht mit der an Größe vergleichen, die von Breslau nach Danzig oder durch Böhmen nach Freistadt/O.Öst., Linz, Bozen und Norditalien gebracht wurde. Bei diesem Urteil wird vorausgesetzt, daß die mit Röte handelnden Kaufleute aus Schlesien stammten, was ich für sehr wahrscheinlich ansehe, da sie in Nürnberg nicht feststellbar sind. Bei Wachs wage ich diese Behauptung nicht, weil ja auch' Nichtschlesier mit dieser Ware gehandelt haben. Abkürzungen: BStAN LKAN StadtAN BB RV L. cons. L. lit. MVGN Roth, Gen. Verz. Sachs

Dej. Piz. Boj Piz.

Kutrzeba—Ptasnik

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Bayer. Staatsarchiv Nürnberg Landeskirchliches Archiv Nürnberg Stadtarchiv Nürnberg Briefbuch des Nürnberger Rats in BStAN Ratsverlaß des Nürnberger Rats im BStAN Libri conservatorii 1 im StadtAN Libri litterarum J Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg Joh. Ferd. Roth, Verzeichniß aller Genannten des größeren Rats, Nürnberg 1802 Carl L. Sachs, Metzgergewerbe und Fleischversorgung der Reichsstadt Nürnberg bis zum Ende des 30jährigen Krieges, MVGN, 24. Jg. (1922), S. S. 1—260. D£jiny Plzn£ (Geschichte von Pilsen) I, Pilsen 1965 Miloslav Belohlävek, Boj Plzenskych o celny vyhody a instrukce ke snemu 1549. (Der Kampf der Pilsner um ihre Zollprivilegien und die Instruktion zum Landtag 1549), Casopis spolecnosti pratel starozitnosti (Zeitschrift der Gesellschaft der Altertumsfreunde), 59. Jg. (1951), S. 161—178. Stanislaw Kutrzeba i Jan Ptasnik, Dzieje handlu i kupiectwa krakowskiego (Geschichte des Handels und der Kaufmannschaft von Kra­ kau), Rocznik krakowski (Krakauer Jahrbuch), Bd. 14, Krakau 1910.

NÜRNBERGER MONTANUNTERNEHMER IN DER STEIERMARK1) Von Heinrich Kunnert Im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts trat in der Steiermark ein auf verschiedene Ursachen zurückführender Verfall des Bürgertums ein, eine Erscheinung, die auch für die Städte Österreichs in dieser Zeit überhaupt zutrifft und zeitlich mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der oberdeutschen Städte zusammenfällt. Hand in Hand mit dem Ausscheiden der Bürger aus wesentlichen auswärtigen Handelspositionen — 1484 wurde die Judenburger Kammer im Fondaco dei Tedeschi in Venedig von den Fuggern übernommen — gewannen oberdeutsche Kaufleute immer stärkeren Einfluß auf den öster­ reichischen Fernhandel, was ihnen durch ihre Kreditgeschäfte mit den habs­ burgischen Landesherren wesentlich erleichtert wurde. Hatte sich schon Fried­ rich III. oberdeutschen Kapitals bedient und von den Fuggern Darlehen auf Kärntner Edelmetallbergbaue erhalten, so führten dann die umfangreichen Geldgeschäfte der Fugger zur Sanierung der ständigen Geldnöte Sigmunds von Tirol zum dauernden Engagement der Augsburger Frühkapitalisten im Tiroler Bergbau 2). Nürnberger im Gagatbergbau Die Tätigkeit oberdeutscher Handelsleute als Bergbautreibende in der Steiermark läßt sich seit Beginn des 15. Jahrhunderts nachweisen. Im Jahre 1414 wird eine Gesellschaft von Bürgern aus Eßlingen, Schwäbisch-Gmünd, Zell und Kirchheim, zu denen später solche aus Tettingen und Göppingen kamen, erwähnt, die in Gams bei Hieflau auf Admonter Stiftsgrund Bergbau auf Gagat (im Volksmund auch Agstein, Augstein oder Pechkohle genannt) betrieben. Bei Gagat handelt es sich um eine bitumenreiche, harte, schleif- und polierfähige Kohle von mildem Schimmer, aus der bis ins 19. Jahrhundert 1) Ergänzter und erweiterter Vortrag, gehalten im Rahmen der Vortragsreihe des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg am 8. Oktober 1963. 2) F. Tremel, Der Frühkapitalismus in Innerösterreich, Graz 1959, S. 72 ff. — Ders., Die oberdeutschen Kaufleute in der Steiermark im 15. u. 16. Jhdt. (Zeitschr. d. Hist. Vereines f. Steiermark, XL), 1949, S. 13. — Ders., Der österreichische Kaufmann im 16. Jahrh. (Fest­ schrift f. Karl Eder), 1959, S. 119 f. — Ders., Der Handel d. Stadt Judenburg im 16. Jhdt. (ebendort, XXXVIII), 1947, S. 98. — J. Kallbrunner, Der oberdeutsche Kaufmann in Österreich v. Ausgang des Mittelalters bis zum Dreißigjährigen Krieg (Nachrichtenblatt d. Vereines f. Geschichte d. Stadt Wien, 1/4) 1939, S. 67 ff. — O. Brunner, Eine handels­ politische Denkschrift der Stadt Wien an König Ferdinand I. (Mitt. d. Institutes f. Ge­ schichtsforschung, XI. Erg.-Bd.), Innsbruck 1929, S. 479 ff. — Vgl. neuerdings auch E. Egg, Schwaz ist aller Bergwerke Mutter („Der Anschnitt“, XXX 16/3) 1964, S. 13, 26 ff. u. 46 ff.

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Schmuckwaren und Kleinplastiken, vornehmlich in SchwäbischrGmünd, hergestellt wurden. Unter den Gewerken wird 1476—1491 auch ein Hans Stanr zinger (Stenzing) aus Nürnberg genannt, der später auch im unweit gelegenen Rottenmann (Paltental) Bergbau betrieb und mit Elsbeth, der Tochter des Egyd Wulpenhofer aus Radstadt (Salzburg) vermählt war. Die Wulpenhofer werden im Ennstaler Bergbau bereits vor dem Bauernkrieg (1525) erwähnt und gehörten zu den wenigen Kleingewerken, die noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts im Bergbau an der Mandling (steir.-salzb. Grenze) aufscheinen. Die Stanzinger waren im 18. Jahrhundert Vordemberger Radgewerken. Ein anderer Nürnberger, Konrad Erlinger, war in Gams seit 1546 Gewaltträger seines Schwagers Leonhard Keller, Licentiat der Rechte und Kämmerer des Kurfürsten von Brandenburg, der als Schwiegersohn und Erbe des 1541 verstorbenen Niclas Kreidenweiß aus Eßlingen sämtliche Berganteile in sei­ ner Hand vereinigte. Konrad Erlinger besichtigte damals mit dem bergbau­ freudigen Abt Valentin den Bergbau, bei welchem Anlaß er dem Abt als Zei­ chen der Wertschätzung einen Kompaß und eine Sonnenuhr überreichte. 1547 wurde Erlinger mit den Gamser BeTganteilen belehnt. Zu Ende des sechsten Jahrzehntes des Jahrhunderts erlosch dieser Bergbau infolge allmählicher Er­ schöpfung der Gruben, Absatzschwierigkeiten sowie Streitigkeiten und Nach­ lässigkeit der Gewerkens). Angesichts der Bedeutung Nürnbergs als Mittelpunkt des Metallgewerbes und des Handels mit Metallerzeugnissen ist es naheliegend, daß sich Nürn­ berger Bürger nicht nur am Bergbau und an der Errichtung von Hüttenwerken (Saigerhütten) in Mitteldeutschland (Mansfeld) und Böhmen (Joachimsthal, Kuttenberg), sondern auch in Tirol und Steiermark beteiligten 4). * * Auch * der Nürnberger Rat schaltete sich allein schon im Interesse des städtischen Metall­ gewerbes und der Qualität der für die Verteidigung der Stadt notwendigen Waffen zugunsten der Sicherstellung des erforderlichen Kupferbedarfes ein 5)Der Weg dahin führte über den Femhandel. Hiefür stehen uns im Handels­ buch des Judenburger Kaufmannes Clemens Körbier (1526—1548), in den s) J. Wichner, Kloster Admont und seine Beziehungen zum Bergbau und Hüttenbetrieb (Berg- und Hüttenmännisches Jb. XXXIX), Wien 1891, S. 124—127. — A. v. Pantz, Die Gewerken im Banne des Erzberges, Wien 1918, S. 330 ff. — W. Freh, Alte Gagatbergbaue in den nördlichen Kalkalpen (Joanneum, Mineralog. Mitteilungsblatt, 1) 1956, S. 1—5. — B. Kirchgäßner, Wirtschaft und Bevölkerung der Reichsstadt Eßlingen im Spät­ mittelalter (Eßlinger Studien, 9), Eßlingen, 1964, S. 130 f., berichtet zwar, daß im Jahre 1444 die Eßlinger Bürger Claus Kreidenweiß und Ulrich Lübler (Leubler) mit Bergteilen am Augstein-Bergbau bei der Nonnenmühle nw. Welzheim belehnt worden seien (eben­ so im Zillertal), übersieht jedoch die Tätigkeit der beiden und anderer Eßlinger am gleich­ artigen Bergbau bei Gams. Hiezu neuerdings die ausführliche Darstellung: A. Krause, Ein alter Gagatbergbau in Gams bei Hieflau („Der Anschnitt", 17/3) 1965, S. 24—27. 4) Vgl. hiezu: K. Dettling, Der Metallhandel Nürnbergs im 16. Jhdt. (MVGN 27) 1928, S. 186 ff. — L. Veit, Handel und Wandel mit aller Welt (Bibi. d. Germ. Nationalmuseums in Nürnberg, 14) 1960, S. 21 f. — H. Kellenbenz, Nürnberger Handel um 1540 (MVGN 50) 1962, S. 301. — W. v. Stromer, Die Handelsgesellschaft Gruber-Podmer-Stromer im 15. Jhdt. (Nürnberger Forschungen VII) 1963, S. 5. 5) Dettling a. a. O., S. 194. — G. v. Pölnitz, Anton Fugger, II/l, Tübingen, 1963, S. 382®. — Es ist auch bemerkenswert, daß das älteste bekannte Schwazer Schmelzverfahren der Nürnberger Rat dem Tiroler Landesfürsten mitgeteilt hatte. Egg. a. a. O., S. 16.

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Judenburger Mautbüchern (1542—1592) sowie in den Murauer Stadtbüchern (ab 1494) und Niederlagsrechnungen (ab 1542) aufschlußreiche Quellen zur Verfügung 8). Der einer angesehenen Kärntner Kaufmannsfamilie entstammende Cle­ mens Körbier kam durch seine im Jahre 1527 erfolgte Verehelichung mit Barbara Gabelkofer, einer Tochter des Leobner Eisenhändlers und Vordem­ berger Radgewerken Wolfgang Gabelkofer, in Geschäftsbeziehungen mit den Salzburger Handelsleuten und Gewerken Fröschlmoser. Ein Bruder der Gattin Körbiers, Oswald, der zuerst in Salzburg wohnte und sich dann als Arzt in Memmingen niederließ, war nämlich seit 1533 mit Barbara, der Tochter des Ruprecht Fröschlmoser (Bruder Virgil II. F.) verheiratet7). Die aus dem öster­ reichisch - bayerischen Grenzraum stammende Familie verfügte über weit­ reichende Geschäftsbeziehungen8). Die Fröschlmoser besorgten für Anton Fugger wiederholt geschäftliche Transaktionen (Virgil II. Fröschlmoser wird als „Verweser der Fugger in Salzburg" bezeichnet) und waren damals im Berg­ bau in Gastein, Rauris, Villach, Bleiberg, Ramingstein und Kitzbühel be­ teiligt 9). Bis 1547 betätigten sie sich auch in Schladming als Silberkäufer10). Über die Fröschlmoser, die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts aus der Murauer Niederlage ebenso Eisen bezogen wie aus Judenburg, kam Körbier in engere geschäftliche Verbindung zu den oberdeutschen Kaufleuten, insbe­ sondere seit 1534 zu Andreas Prantmayr aus Augsburg. Mit ihm verhandelte Körbier Eisendraht gegen Tuch, gemeinsam mit seinem Bruder Augustin lie­ ferte er dem Nürnberger Caspar Nuczl Speik, Armbrustbogen, Draht und andere Eisenwaren. Ebenso stand er mit Christoph Freidl, der damals die Wolfsberger Filiale der Nürnberger Handelsfirma Freidl leitete, in Handels­ beziehungen. Am Bergbau der „Fröschlmoserischen Gesellschaft" am Röhrerbühel bei Kitzbühel war die ehedem in Augsburg ansäßig gewesene Nüm8) F. Tremel, Das Handelsbudi des Judenburger Kaufmannes Clemens Körbier, 1526—1548 (Beitr. z. Erforschung steir. Geschichtsquellen XLVII/NF. XV) Graz 1960. — Ders., Der Handel d. Stadt Judenburg, a. a. O., S. 98. — F. Bischoff, Über Murauer Stadtbücher (Beitr. z. Kunde steierm. Geschichtsquellen XII) Graz 1875. 7) Tremel, Handelsbudi Körbier a. a. O., S. VIII f. — Pantz a. a. O., S. 72. — Frösdilmoser-Stambaum v. G. A. Tammann, Basel (Manuskr.). Vgl. auch N. v. Schrenck, Zwei Kanzler aus Braunau (Bll. d. Bayer. Landesvereines f. Familienkunde 26/2) 1963, S. 3075, 315. 8) Die Fröschlmoser besorgten selbst bis Nürnberg Transporte. Am 17. Nov. 1498 führte vor dem Nürnberger Stadtgericht Hans v. Sprinzenbach gegen den Kaufmann Hans Dengler Klage, daß ihm dieser den Fuhrlohn von 4 fl für einen von Fröschlmoser aufgegebenen Quecksilbertransport nicht erstatte, weil dieser beschädigt angekommen sei. Stadtarchiv Nürnberg (fortan: StadtAN), Libri conservatorii, Tom. L (1498—1500), fol. 112’. 9) Jahresbericht des vaterländischen Musuems Carolino-Augusteum in Salzburg für das Jahr 1851, Salzburg o. J., S. 38, Nr. 20. — H. Wießner, Geschichte des Kärntner Bergbaues II, Klagenfurt, 1951 (= Archiv f. vaterl. Gesdi. u. Topogr., 36/37), S. 45 u. 50/51. — H. v. Zimburg, Die Geschichte des Gasteiner Tales, Wien, 1948, S. 68. — Pölnitz, Anton Fugger, I, Tübingen, 1958, S. 54819, 598**, 6 22148 u. 684144. 10) H. Kunnert, Die Silberversorgung österreichischer Münzstätten durch den Schladminger Bergbau im XVI. und Anfang des XVII. Jahrhunderts (Numism. Zeitschr. 61) Wien 1928, S. 62.

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berger Kaufmannsfamilie Sitzinger seit 1542 nachweisbar beteiligt11). So kam Körbier durch Vermittlung seiner Verwandten mit den Sitzinger in Verbin­ dung. Er bezeichnet im Geschäfts]*oumal zum Salzburger Rupertimarkt des Jahres 1542 Lukas Sitzinger (II.), den Jüngeren12), als „Fröschlmoser wegslman, ain guetter schlukher", während er beim Rupertimarkt des folgenden Jahres ein Geschäft mit Eisen und Stahl mit den Brüdern Virgil (III.) und Christoph (I.) Fröschlmoser im Beisein der Brüder Lukas (II.) und Hans Sit­ zinger und der Brüder Max und Berthold Thenn aus Salzburg (Berthold Thenn war damals ebenfalls Teilhaber der „Fröschlmoserischen Gesellschaft") ab­ schloß 18).

Sitzinger Lukas Sitzinger d. Ä., der Vater der im Körblerischen Handelsbuch ge­ nannten Brüder Lukas und Hans Sitzinger, betrieb bereits um die Jahrhundert­ mitte auf Admonter Stiftsgrund einen Bergbau im Walchental, einem bei Öblam in das Ennstal einmündenden Seitental. Es ist bekannt, daß 1545 Arbeiter aus Großarl (Salzburg) hierhergekommen sind, um den Schmelz­ prozeß kennenzulernen 14). Hans Stöckl, ein erfahrener Tiroler Hüttenbeamter, der auch im Dienste der Fröschlmoser gestanden ist, beschreibt in seinem „Schmelzbuch" ein im Dezember 1551 für Sitzinger „bei seinem Perkhwerch in der Walha" vorgenommenes Probeschmelzen auf Schwarzkupfer mit einem groben, schwefeligen Vitriolkies, „der ein wenig goldig ist, und solliches Prob­ schmelzen von wegen des goldts zuerfaren beschechen" 15). Es kann wohl geschlossen werden, daß Sitzinger den Bergbau anfänglich ohne seinem spä­ teren Teilhaber Andreas Prantmayr aus Augsburg betrieben hat, im gleichen Schmelzbuch wurden zum Jahre 1560 bei Beschreibung des „Proceß des Schmeltzens beim Hüttwerch in der Walcha" beide Gewerken namentlich an­ geführt 16). Jedenfalls steht fest, daß Lukas Sitzinger d. Ä. und Andreas Prantmayr 15 52 im Walchental auf Admonter Stiftsgrund den Bergbau gemeinsam be­ trieben und „auf grünem Wasen" ein neues Hüttenwerk mit sechs Öfen und allem Zubehör samt Vitriolsieden errichteten 17). Die Beteiligung der beiden oberdeutschen Kaufleute am Bergbau im Ennstal ist ein weiteres Beispiel dau) Landesarchiv Innsbruck (fortan: LA Innsbruck), Emb. u. Bef. 1542, fol. 308 u. 308’. 12) Numerierung der Geschlechterfolge der Familie Sitzinger nach StadtAN, Genealog. Pa­ piere Sitzinger. 13) Tremel, Oberdeutscher Handel a. a. O., S. 24. — Ders., Handelsbuch Körbler a. a. O., S. 80—82. 14) Tremel, Ein steirischer Kupfer- und Edelmetallbergbau (Vierteljahrschrift f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch. 32) 1939, S. 231. 15) Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck, Schmelzbuch des Hans Stöckl, fol. 181 u. 181’. Vgl. Egg, Das Schmelzbuch des Hans Stöckl („Der Anschnitt“ 14, Sonderheft 2) 1962, S, 24. 16) Landesmuseum Ferdinandeum, Schmelzbuch Stöckl, fol. 277 ff. 17) Für die folgenden Ausführungen verweise ich im besonderen auf meinen Aufsatz „Der Nürnberger Ratsherr Paul (II.) Behaim als steierischer Gewerke“ („Der Anschnitt“ 14/4) 1962, S. 20—27. In diesem Zusammenhang darf ich für freundliche Unterstützung meiner

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für, wie im Handel erworbene Vermögen im Bergbau investiert wurden, eine Erscheinung, die sich seit dem 15. Jahrhundert für den alpinen Bergbau im allgemeinen nachweisen läßt. Jakob Strieder hat darauf verwiesen, daß in kei­ nem anderen Wirtschaftszweig das Eindringen des Frühkapitalismus so rasch und tiefgreifend vor sich gegangen ist18). Die einheimischen Gewerken, die ursprünglich den Bergbau betrieben, konnten nur mehr in beschränktem Aus­ maß die für den Tiefbau und die damit verbundenen technischen Betriebsein­ richtungen erforderlichen Kapitalien aufbringen. So erging es auch den im Jahre 1469 im Walchental vom Admonter Bergrichter mit Grubenmaßen eines bereits bestandenen Bergwerkes belehnten einheimischen Gewerken, die be­ reits damals hier eine Schmelzhütte betrieben hatten19). Lukas Sitzinger d. Ä. wurde am 12. April. 1482 in Augsburg geboren — sein Vater, Ulrich „der uralte", war daselbst Goldschlager und Ratsbürger — und wanderte, nachdem er sich 1510 mit Esther Fugger von Reh verehelicht hatte, nach Nürnberg aus. Nach der Familientradition hatte er seine kauf­ männische Ausbildung in Italien genossen. 1514 wurde er Genannter des Großen Rates sowie Pfleger im Stadtalmosen, 1540 erwarb er in Schniegling einen Bürgersitz 20). Um die Jahrhundertmitte waren er und die Nürnberger Handelsinnung der „Pockschlager“ (Messingbeckenschlager) die Hauptabneh­ mer der Großarier Kupferproduktion des Salzburger Erzbischofs Herzog Ernst von Bayern, wobei der Nürnberger Kaufmann Emst Sorg als Vermittler fun­ gierte 21). Sorg scheint in den Stadtgerichtsbüchem von Nürnberg wiederholt auf und besaß ein Haus am Zotenberg. 1549—1571 war er Genannter des Großen Rates22). Im Jänner 1553 finden wir Lukas Sitzinger als Geschäfts­ partner des Nürnberger Großkaufmannes Wolf Kern23). Sein Mitgewerke Andreas Prantmayr entstammte der Augsburger Kürschnerzunft. Im Zuge des weiteren Ausbaues des Bergbaues im Walchental erstand dort 1554 mit Hilfe des Landesfürsten eine weitere große Schmelzhütte zwecks Umstellung des Schmelzwerkes auf den „Verbleiungsprozeß", da sich heraus-

1R) 19) 20)

21)

22) **)

Archivarbeiten und weitere wertvolle Hinweise den Herren Archivdirektor Dr. Werner Schultheiß (Stadtarchiv Nürnberg), Archivdirektor Dr. Fritz Schnelbögl (Staatsarchiv Nürn­ berg), Prof. Dr. Gerhard Pfeiffer (Erlangen) und Konservator Dr. Ludwig Veit (Germa­ nisches Nationalmuseum in Nürnberg) herzlich danken. J. Strieder, Studien zur Geschichte kapitalistischer Organisationsformen, 2. Auf!., Mün­ chen und Leipzig, 1925, S. 18 ff. Tremel, Ein steirischer Kupfer- und Edelmetallbergbau, a. a. O., S. 228 ff. StadtAN, Geneal. Papiere Sitzinger. — Th. Hampe, Kulturgeschichtliche Beiträge aus den Behaimschen Briefbeständen im Archiv des Germanischen Nationalmuseums (MVGN 31) 1933, S. 138 ff. F. F. Strauß, Herzog Ernst von Bayern (1500—1560), ein süddeutscher fürstlicher Unter­ nehmer des 16. Jhdts. (Mitt. d. Gesellschaft f. Salzburger Landeskunde 101) 1961, S. 275 f. u. 279. Hinsichtlich der Messingbeckenschlager vgl. Kellenbenz a. a. O., S. 313, u. Pilz, Das Handwerk in Nürnberg und Mittelfranken, Nürnberg, 1954, S. 45. Ich verdanke diesen Hinweis Herrn Oberarchivrat Dr. Gerhard Hirschmann, Stadtarchiv Nürnberg. StadtAN, Fragmente eines Kaufmannsbuches von Wolf Kern aus den Jahren 1550—1560. Lage A, fol. 10. Die Geschäftsbeziehungen Kerns reichten bis Leipzig, Posen, Warschau, Breslau, Prag, Tauß (Böhmen), Salzburg und Schwaz. Freundl. Hinweis der Frau Dr. Lore Sporhan-Krempel, Stuttgart.

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gestellt hatte, daß das Schmelzen auf Schwarzkupfer (Rohkupfer), das 8—10 Lot Silber enthielt, unrentabel ist. Bei den Erzen handelte es sich größtenteils um Kupferkiese, die silberhältig waren, sowie um silberhältige Bleierze, die im „Walchener Lager“ im Stollenbau gewonnen wurden. Ein Treibherd und ein Einlaßofen wurden errichtet, der bisherige Saumweg von Öblam ins Walchental wurde zu einem Fahrweg ausgebaut. 1558 erhielten Sitzinger und Prantmayr von Abt Valentin von Admont einen Schirmbrief für weitere Hoffnungs­ bauten sowie in Öblam Grund und Boden zur Erbauung eines Werksgebäudes, das dann 1565 tatsächlich errichtet wurde und auch als Verweser- und Han­ delshaus diente. Die damals erfolgte Betriebserweiterung wird auch dadurch gekennzeichnet, daß im Jahre 1558 in Öblam ein eigener Berggerichtsver­ walter unter der Jurisdiktion des Schladminger Bergrichters eingesetzt wurde. Am 15. Juni des gleichen Jahres lieferte Lukas Sitzinger „ain stuckh Silber aus der Walchen“ im Gewicht von 53 Mark zum Preise von 661 fl 4 ß u. 14 4 an Hans Goldeisen in Salzburg, der dort Geschäftskommissär und Verwalter des fürsterzbischöflichen Silberhandels war. Im darauffolgenden Jahr zahlte die Firma Sitzinger Goldeisen ein Darlehen von 1500 fl in Kitzbühler Brand­ silber zurück (offenbar aus ihrer Beteiligung am Kössentaler Handel), zu Ende des gleichen Jahres erhielt Sitzinger von Erzbischof Michael von Kuenburg ein neuerliches Darlehen von 1000 fl gegen Abstattung durch Silber­ lieferung 23a). Der Schladminger Bergbau spielte bis ins 17. Jahrhundert in der österrei­ chischen Silber- und Kupferproduktion eine bemerkenswerte Rolle, vornehm­ lich auch hinsichtlich der Versorgung der Münzstätten mit Silber. Auf die Bedeutung des Bergbaues im Schladminger Berggerichtsbezirk, der sich von der Landesgrenze bei Mandling bis ins mittlere Ennstal bei Irdning er­ streckte 24), weist allein schon die Tatsache hin, daß in Schladming im Jahre 1408 die Gewohnheitsrechte, die hier beim Bergbau in Übung standen, vom Bergrichter Leonhard, dem Egkelzain, im sog. „Schladminger Bergbrief“ schrift­ lich niedergelegt wurden. Das Schladminger Bergrecht wurde in der Folge Vor­ bild für die übrigen alpenländischen Bergordnungen und beeinflußte auch das Bergrecht in Niederbayern, Görz und Venezien, einzelne Bestimmungen er­ hielten sich in den österreichischen Bergordnungen bis ins 19. Jahrhundert25). Jüngste Forschungen haben ergeben, daß zahlreiche Bestimmungen des „Schlad­ minger Bergbriefes“ auch in Bergordnungen linksrheinischer Territorien Auf­ nahme gefunden haben, so in der Bergordnung des Pfalzgrafen Philipp bei 23a) Landesardiiv Salzburg, Goldeisen-Archiv, Journalbudi 1558. Hans Goldeisen besaß zwi­ schen 1563—1569 in Salzburg das Haus Siegmund Haffnergasse Nr. 6 (Gasthaus „Zum Elefanten“)» wo diese Bestände anläßlich eines Umbaues entdeckt wurden. Auf diesen Bestand machte mich Herr Prof. Dr. Felix F. Strauß, New York-Brooklyn, aufmerksam. Vgl. über Goldeisen: Herbert Klein, Die Gasteiner Edelmetallgewinnung um die Mitte des 16. Jhdts. (Bad Gasteiner Badeblatt XV/2) 1955, S. 7 f. 24) Landesarchiv Graz (fortan: LA Graz), Hofkammer, 1582, Oktober, nr. 20 „Verzaichnus der Toller und wälter im obem Enstal und soweit sich daz Perckgericht Schlädming erströcken solle, nemblich von der Mandling und Vorsta (der Saltzburgischen Granitzen) untzt gegen der Donspacherischen Confin ...“. 25) Kunnert, Der Schladminger Bergbrief („Der Anschnitt“, 13/2) 1961, S. 3—9.

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Rhein (1483) und in der Beiordnung für die Hintere Grafschaft Sponheim (1490) 26). Neben den oberdeutschen Unternehmern gab es im 16. Jahrhundert hier auch noch einige einheimische Gewerken, darunter das Stift Admont, Dorothea von Stainach und Georg Vintzgold, der 1545 in Verhandlungen mit dem Salzburger Erzbischof Herzog Ernst von Bayern wegen Verkaufes von Grubenanteilen sowie einer Bergarbeiterbehausung in Schladming gestanden ist und 1548 Verlagsgelder aus Eßlingen und Reutlingen hatte zu Hilfe neh­ men müssen. Herzog Emst, der zu dieser Zeit Gruben im Schladminger Ober­ tal (Giglachsee) besessen hatte, ließ in den Jahren 1544 und 1545 durch sei­ nen Ramingsteiner Fronschmelzer Max Hueber Verhandlungen wegen An­ kaufes auch anderer Gruben führen 27). Außerdem bauten in Schladming u. a. die ebenfalls aus Süddeutschland stammende „Pernsteinerische Gesellschaft" und die „Kirchbergerischen Herren" aus Tirol, an welcher Gesellschaft auch die Katzbeck beteiligt waren, und mit denen sich 1571 die Weitmoser aus Gastein vereinigten28). Lukas Sitzinger d. Ä. verstarb am 12. April 1560, worauf seine bereits genannten Söhne Lukas (II.), geboren am 25. September 1514, seit 1554 ver­ ehelicht mit Ursula Rummel, Tochter des Nürnberger Patriziers Balthasar Rummel von Lonnerstadt, und Hans, geboren am 24. Mai 1519, verehelicht mit Catharina Herberin, die Bergwerksanteile übernahmen. Andreas Prantmayr dürfte 1568 verstorben sein, in diesem Jahre wurde er in Rechnungen der Murauer Eisenniederlage zum letzten Male erwähnt. Seither werden als Mitgewerken die „Prantmayrschen Erben" genannt29). Zu dieser Zeit treten uns als Mitgewerken in den zusammengeschlagenen Gruben St. Elisabeth und St. Johannes im Walchener Lager auch Hans und Christoph Weitmoser d. Ä. entgegen. Seit etwa 1560 betätigten sich die Sitzinger und Prantmayr auch im Schlad­ minger Bergbaugebiet. In der vorerwähnten Beschreibung des Öblarner Schmelzprozesses aus dem Jahre 1560 werden beim „Verpleyen" ausdrücklich „Schleminger Pleistuef" und „Schleminger Pleyclain" erwähnt, so daß ange­ nommen werden muß, daß die Gewerken bereits damals Anteile in Schladming besaßen. Die auf Silber schwer schmelzbaren Schladminger Erze machten es 28) Diese Forschungsergebnisse verdanken wir den Herren Bergrat W. Rosenberger, Bad Kreuznach, und Staatsarchivrat Dr. J. Kloft, Koblenz. Philipps Vater, der Pfalzgraf Fried­ rich, hatte 1463/64 die Bergordnung für die Quecksilberbergwerke bei Daimbach in der Pfalz, die älteste derzeit bekannte linksreinische Bergordnung, erlassen. Vgl. W. Rosen­ berger, Bergordnung für die Quecksilberbergwerke bei Daimbach. Zur 9. Sitzung ihres Geschichtsausschusses am 3./4. Sept. 1965 in Bad Kreuznach, herausgegeb. v. d. Gesellsch. Dt. Metallhütten und Bergleute e. V. (als Ms. gedruckt), S. 1 u. 3. *7) Bayer. Hauptstaatsarchiv München (fortan: BHSTAM), Literalien Erzbistums Salzburg Nr. 158 (Ich verdanke die Einsichtnahme in die betreff. Excerpte Herrn Prof. Dr. Strauß). — Vgl. Kunnert, Beiträge zur Geschichte des Bergbaues im Berggerichtsbezirk Schladming in den Jahren 1304—1616. Diss. Ms., Phil. Fakultät d. Univ. Wien, 1927, S. 93. 28) Kunnert a. a. O., S. 92 u. 95 ff., neuerdings auch Egg, Schwaz ist aller Bergwerke Mut­ ter a. a. O., S. 55. *•) Tremel, Oberdeutsche Kaufleute a a. O., S. 20.

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erforderlich, sie beim Schmelzen mit den schwefelhaltigen Walchener Kiesen zu vermengen. So schmolz man aus den zwar kupferärmeren, aber Schwefelhältigeren „Walchener Kiesen" die „rohe Leche" (eine Verbindung von Me­ tallen mit Schwefel) und führte sie nach Schladming oder man schmolz umge­ kehrt die weichen Schladminger Silber- und Bleierze in den Hütten in der Walchen. Dadurch gelang es, den Silber- und Kupfergehalt aus den Erzen reiner und produktiver zu gewinnen. Das in der Walchen hergestellte „Brand­ silber" mußte in das Berggerichtshaus nach Schladming zur Entrichtung des „Wechsels" gebracht werden30). Nach einer bergbehördlichen Visitation im Jahre 1568 war zum „Feinbrennen" nur mehr der landesfürstliche „Silber­ brenner" in Schladming berechtigtsl). Mit der Begründung, daß das Schmelzen der in den Gruben im Schlad­ minger Obertal gewonnenen Erze für die Gewerken nicht mehr rentabel sei, erhielten diese auf ihr Anlangen im Jahre 1570 die landesfürstliche Erlaubnis, 200 Zentner Erz in das Hüttenwerk der „Kessenthaler Gesellschaft" in Kitz­ bühel, an der bekanntlich die Sitzinger mitbeteiligt waren, zu führen und dort versuchsweise zu schmelzen. Diese Erlaubnis wurde dann 1573 unter ge­ wissen Voraussetzungen unbefristet erteilt. Ulrich (III.) Sitzinger, der am 25. März 1512 in Augsburg geborene älteste Sohn Lukas Sitzingers d. Ä., scheint als Teilhaber der „Frösdilmoser-Gesellschaft", aus der die „Kessentha­ ler Gesellschaft" hervorging, bereits im April 1542 auf32). Außer den Brüdern Virgil (III.) und Christoph (I.) Fröschlmoser waren daran auch der Fürsterz­ bischöflich Salzburger Rat Christoph Pemer, Gewerke in Gastein, Hüttau und Thumersbach, sowie der Salzburger Bürger Berthold Thenn, Bruder des aus Schwabach gebürtigen Salzburger Münzmeisters, beteiligt33). Laut Gesell­ schaftsvertrag vom 17. November 1542 34) setzte sich die Gesellschaft folgen­ dermaßen zusammen: Brüder Fröschlmoser (3/l2), Max Thenn (1/12), Ber­ thold Thenn, Herzog Ludwig von Bayern, Christoph Perner und Sitzinger (je so) Als „Wechsel“ bezeichnete man ursprünglich das Recht des Landesfürsten bzw. des Regalinhabers, das erzeugte Silber unter dem Marktpreis anzukaufen. Erfolgte dieser Ankauf durch den Landesfürsten nicht (wie dies in Schladming seit Anfang des 16. Jhdts. der Fall war), so hatten die Gewerken den „Wechsel“ als Abgabe in Geld nach der Menge des erzeugten Silbers an den landesfürstlichen Wechsler zu entrichten. 81) Kunnert, Aus der Geschichte des Schladminger Bergbaues III (Bll. f. Heimatkunde VII/5), Graz 1929, S. 2. 82) LA Innsbruck, a. a. O., fol. 307 f. — Es wäre daher die Angabe von Kellenbenz a. a. O., S. 302, wir wüßten erst aus der 2. Hälfte des 16. Jhdts. von einem Interesse der Nürn­ berger für den Tiroler Bergbau, zu berichtigen. **) F. Pirkmayer, Die Familie Thenn in Salzburg (Mitteil. d. Gesellsch. Salzburger Landes­ kunde 23) 1883, S. 1 ff. — E. Holzmair, Salzburgs Münzwesen 1500—1572 im Lichte einer Chronik der Münzmeisterfamilie Thenn (ebendort 75) 1935, S. 110 f. — E. v. Frisch, Das Stammbuch der Thennen von Salzburg, Hamburg, 193 5 (= Hist. Bilderkunde, hrsg. v. W. Goetz, H. 4), S. 26. — H. Klein, Die Gasteiner Edelmetallgewinnung um die Mitte des 16. Jhdts. (Bad Gasteiner Badeblatt XV/2) 1955, S. 8. — F. F. Strauß, Pfalzgraf Ottheinrichs Interesse am Silber- und Kupferbergbau am Röhrerbühel: zwei Schreiben aus dem Jahre 1542. Ms. 84) J. G. Lori, Sammlung bes baierischen Bergrechts, mit einer Einleitung in die bairische Bergrechtsgeschichte, München, 1764, No. CXXXI, pag. 271 ff.

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2/12 Anteile)35). Das Zentrum dieses sich zu großer Bedeutung entwickelnden Bergbauunternehmens waren die 1540 entdeckten ergiebigen Lagerstätten am Röhrerbühel bei Kitzbühel, wo Silber- und Kupfererze gewonnen wurden, deren Verhüttung in Kitzbühel und Kössen erfolgte38). Außer den Bergwer­ ken am Röhrerbühel betrieb die Gesellschaft damals auch Bergwerke am Jauffen, in Rattenberg, Schwaz, Sterzing, Gossensaß, Bleiberg und anderen Orten. Auch in Leogang wurden Röhrerbühler Silbererze verhüttet37). Nachdem nach dem Tode Herzogs Ludwig im Jahre 1545 Herzog Wilhelm von Ober- und Niederbayem dessen Anteile übernommen hatte und am 24. August 1548 die Fröschlmoser ihre Anteile den übrigen Teilhabern verkauft hatten38), wurde am 31. März 1549 in Kitzbühel zwischen den Gesellschaftern ein neuer Gesellschaftsvertrag vereinbart, auf Grund dessen die Gesellschaftsanteile fol­ gendermaßen festgelegt wurden: Herzog Wilhelm, Christoph Pemer, Berthold 85) Herzog Ludwig hatte bereits 1463 in Brixlegg in Tirol eine Kupferhütte errichtet. Damals wurde auch ein „Hans Ulrich von Nürnberg“ als Schmelzmeister installiert. J. M. Metzler, 500 Jahre Kupferhütte Brixlegg, Brixlegg, 1963, S. 18. Für den Hinweis von F. M. Reß, Zur Geschichte des bayerischen Bergbaues, Hütten- und Salinenwesens bis 1650. Bayerns Metall- und Eisenverarbeitende Gewerbe, oberdeutsches Kapital im mitteleuropäischen Bergbau, Festvortrag zum bayer. Bergbautag in Bad Reichen­ hall am 10. X. 1957, S. 7/8 (Manuskr. Ms. Staatsarch. Nürnberg), daß die bayerischen Herzoge sowie die Sitzinger auch im Silberbergbau in Villach beteiligt gewesen seien, konnte ich keinen Beleg finden. Ungenau ist auch die Angabe R.’, daß später die „Böheim" in Nürnberg die Tiroler Gruben übernahmen. Wie ich später ausführen werde, erbten bzw. kauften die Behaim nur die Anteile der Sitzinger bzw. Herzogs Maximilian am Kössentaler Handel. 8e) J. v. Senger, Das verlassene Bergwerk am Röhrerbühel (Beiträge zur Geschichte, Statistik, Naturkunde und Kunst von Tirol und Vorarlberg 1) 1825. — F. PoSepny, Die Erzlager­ stätten von Kitzbühel in Tirol und der angrenzenden Theile Salzburgs (Archiv f. pract. Geologie I) 1880, S. 316 ff. — M. v. Isser, Beiträge zur Geschichte des Röhrerbühler Bergbaues (Österr. Zeitschrift f. Berg- u. Hüttenwesen 31) 1880, S. 91 ff. — M. v. Wolfstrigl-Wolfskron, Die Tiroler Erzbergbaue 1301—1665, Innsbruck, 1903, S. 186 ff. — G. Hradil, Der Geisterschacht am Röhrerbühel in Tirol (Bll. f. Geschichte d. Technik, 1. H.) 1932, S. 81. — Dettling a. a. O., S. 186 ff. — H. v. Zimburg, Gasteinerische Chro­ nica 1540 (Mitt. d. Gesellschaft f. Salzburger Landeskunde 81) 1941, S. 32 f. 87) Egg, Das Schmelzbuch des Hans Stöckl, a. a. O., S. 3 ff., 20 und 22. — 1553 erwarb die Kössentaler Gesellschaft in Sterzing den rückwärtigen Teil des Edelsitzes „Haidenschaft“ als Bergwerkshaus. G. Mutschlechner, Das Berggericht Sterzing, Innsbruck, 1965 (= SehlemSchriften Nr. 232), S. 103. 88) In dieser Zeit begann der finanzielle Ruin der Firma. Am 11. September 1548 verkauften Virgil (III.) und Christoph (I.) Fröschlmoser ihren ererbten Vs Anteil an der Zottschen Gesellschaft an ihre Vettern Zott und an die Kinder nach Hans Zott (Wießner a. a. O., S. 51). Der Salzburger Erzbischof Herzog Ernst wollte sich 1548 beim Schladminger Berg­ richter nach Ausscheiden der Fröschlmoser um den „Silberkauf“ in Schladming bewerben (Ernst an Fronschmelzer Hueber in Ramingstein, 1548 X 20, BHSTAM a. a. O.). Nach dem Tode Virgil (III.) im Dezember 1548 wird auch sein Bruder Christoph ein Opfer des Ruins der Firma (Tammann a. a. O.). Um 1556 hatten die Fröschlmoser gegenüber der Kössentaler Gesellschaft noch immer Schulden (LA Salzburg, Hofratskateniehl XXIX/8 Khessenthalerische Gewalltsbrieve auf Johann Raminger, 1556 XII 12). 1551 befand sich auch Andreas Fröschlmoser in Geldschwierigkeiten, was 1555 schließlich dazu führte, daß sein Anteil am Zottschen Berg- und Schmelzwerkshandel in Gastein an die Gläubiger Joseph und Egid Zott fiel (Jahres-Bericht d. vaterl. Museums Carolino-August. a. a. O., S. 39).

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Thenn, Lukas Sitzinger d. Ä. (je 2/9)3Ö) und Max Thenn (l/9). Außerdem wurde als Firmenbezeichnung „Gesellschaft und Verwandte des Kessenthalerischen Schmelzhandels" festgelegt40). 1566 verkaufte Berthold Thenn seine Anteile an die Brüder Lukas (II.) und Hans Sitzinger, die bei der Aufrichtung des Gesellschaftsvertrages von 1549 gemeinsam mit ihrem Vater in Kitzbühel anwesend waren 403). Unter Lukas (II.) Sitzinger, der in Nürnberg als Großhändler und Markt­ herr bedeutendes Ansehen genoß, und seinem Bruder Hans entwickelte sich die Produktion im Öblam-Schladminger Revier noch ganz zufriedenstellend. In den Jahren 1561—1563 erreichten die Schladminger Bergwerksgefälle (Fron und Wechsel) 14 700 fl. 1567 lieferten die Sitzinger und Prantmayr an den Salzburger Hofpfennigmeister 1064 Mark und 13 Lot goldiges Silber40b). Für das erste Quartal des Jahres 1568 kann das Schladminger Wechselamt noch Einnahmen von 2217 fl 3 ß 25 $ nachweisen, doch bereits im Jahre 1570 mußte Oberstbergmeister Singer der Kammer berichten, daß man beim Berg­ gericht Schladming über die Amtsausgaben hinaus über kein Geld mehr ver­ füge 41). In dieser Zeit verstarben die beiden Brüder, beide Genannte des Gro­ ßen Rates der Reichsstadt, kurz hintereinander: Lukas am 8. September 1572, Hans, kinderlos, im Februar 1573 42). Den Bergwerksbesitz erbten die Kinder Lukas (II.), und zwar seine beiden Söhne Lukas (IV.), geboren am 18. September 1556, und Wilhelm, geboren am 17. Dezember 1563, sowie deren Schwester Ursula, geboren am 14. Mai 1562.

Ursula Sitzinger verehelichte sich am 4. März 1583 im 21. Lebensjahr mit dem um fünf Jahre älteren Paul (II.) Behaim aus dem angesehenen Nürnber­ ger Geschlecht, das allein schon durch die Persönlichkeit des Kosmographen Martin (II.) Behaim weltweit bekanntgeworden ist. Durch diese Heirat soll­ ten Angehörige dieser Patrizierfamilie Teilhaber an ostalpinen Bergbaubetrie­ ben werden. Ursula brachte 800 fl als Ausstattung in die Ehe mit, außerdem sah der am 7. Februar 1583 geschlossene Heiratsvertrag vor, daß Ursula im Hause ihrer Mutter noch ein Jahr lang Kost genießen könne oder diese mit 100 fl abzu­ gelten sei. Von ihrem Vater erbte sie 1U der Bergwerksanteile in Öblam und Schladming und 1h Anteil an der Kössentaler Gesellschaft. Paul (II.) Behaim sollte seinerseits einen „Gegenschatz" von 1000 fl in die Ehe einbringen 43). 39) Ulrich (III.) Sitzinger war inzwischen am 26. Juni 1548 gestorben. 40) Lori a. a. O. 40a) Frisch a. a. O., S. 26. 40b) LA Salzburg, Hofratskateniehl XXIX/6 1/2 („Geizkoflers Silber Raittung de ano 1567 Emphang an gold und goldigen Silber von Andre Prandtner und die Sitzinger"). 41) LA Graz, Hofkammerrep., 1570 Sept. nr. 32. 42) J. F. Roth, Verzeichnis aller Genannten des größeren Raths, Nürnberg 1802, S. 82 u. 85. — R. Ehrenberg, Die alte Nürnberger Börse (MVGN 9) 1898, S. 80 f. und 83. 4S) StadtAN Behaim-Teilarchiv Nr. 667. — Vgl. W. Schultheiß, Behaim von Schwarzbach (Neue Deutsche Biographie II) Berlin, 1955, S. 3, und Hampe a. a. O.

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Behaim Paul (II.) Behaim wurde am 8. Oktober 1557 als Sohn des Nürnberger Kaufmannes, Kriegsherrn und Diplomaten Paul (I.) Behaim und seiner Ehe­ gattin Magdalena, Tochter des Bürgers und Kaufmannes Georg Römer, gebo­ ren 44). Sein Vater, ein vielgereister Kaufmann, der nach einer Lehrzeit in Krakau und einer weiteren vielseitigen Ausbildung in auswärtigen Kontoren der Nürnberger Handelsgesellschaft „Endreß Imhoff und Gebrüder“ (seine Mutter war eine geborene Imhoff) 1548 in diese Firma als Teilhaber einge­ treten war45), ließ seinem Sohn Paul (II.) eine sorgfältige Erziehung ange­ deihen. Am 31. März 1562 kam „Pauluslein“, wie der Vater in seinen Haushalts­ büchern notiert, zum ersten Male zum Schulmeister bei St. Sebald, Johannes Bey, in die Zistelgasse, wo er Latein lernen sollte48). 1567/68 lernte Paul „Clafficordia schlagen“ 47), die ersten musikalischen Unterweisungen hatte er beim Organisten Paul Lautensack erhalten48). Im Jahre 1571 scheint Schul­ meister Paulus Richter (St. Sebald) als Präzeptor auf, Ende April des glei­ chen Jahres reiste er zum Studium der Rechtswissenschaften nach Leipzig. Entsprechend der Gepflogenheit der Zeit, die jungen Kaufmannssöhne bei Verwandten ausbilden zu lassen, kam Paul im März 1575 ins Venediger Kon­ tor der Firma Imhoff — inzwischen war 1568 sein Vater gestorben — und setzte dann 1578 in Padua das Rechtsstudium fort49). Von 1579 bis zu seiner Verehelichung leistete der junge Jurist „Herrendienste“, und zwar als Sekre­ tär im Wiener Reichshofrat50) und als Protokollant bei Reichshofrat Dr. An­ dreas Gayl in Prag und nach einem Zerwürfnis mit diesem in Diensten des 44) Schultheiß a. a. O. 4Ä) J. Kamann, Aus dem Briefwechsel eines jungen Nürnberger Kaufmannes im 16. Jhdt. (Mitt. aus dem Germ. Nationalmuseum, Jg. 1893), S. 12. — Hampe a. a. O., S. 134. — H. Jahnel, Die Imhoff, eine Nürnberger Patrizier- und Großkaufmannsfamilie, Phil. Diss. an der Univ. Würzburg, Würzburg 1950, S. 159. — W. Schultheiß, Der Nürnberger Groß­ kaufmann und Diplomat Endres I. Imhoff und seine Zeit (Mitt. aus d. Stadtbibi. Nürn­ berg 6) 1957, S. 3 ff. — K. Pilz, Nürnberg und die Niederlande (MVGN 43), 1952, S. 32. 46) J. Kamann, Aus Nürnberger Haushaltungs- und Rechnungsbüchern d. 15. u. 16. Jhdts. (MVGN 7) 1888, S. 123 ff. — Johannes Bey war von 1562—1594 Kaplan bei St. Egidien, 1585 gehörte er dem dortigen Kollegium an. — U. Koenigs-Erffa, Das Tagebuch des Sebald Welser aus dem Jahre 1577 (MVGN 46) 1955, S. 288, 175 u. K. Schornbaum, Nürnberg im Geistesleben des 16. Jhdts. (MVGN 40) 1949, S. 63. — Die ehern. Zistel­ gasse entspricht zum größten Teil der heutigen Albrecht-Dürer-Straße. 47) Es handelte sich um ein dem Klavier ähnliches Saiteninstrument, bei dem die Saiten durch Rabenkiele in Schwingung gebracht wurden. 48) U. Martin, Die Nürnberger Musikgesellschaften (MVGN 49) 1959, S. 196 f. Paul (II.) war später Mitbegründer der Nürnberger Musikgesellschaft. 49) Kamann a. a. O. — Vgl. R. Ortner, Der Handlungsgehilfe, im besonderen der Faktor des süddeutschen Kaufmannes im 15. u. 16. Jhdt. Diss. d. staatswiss. Fakultät d. Univers. München, München, 1932, S. 10 ff. 50) Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg, Behaim-Archiv (fortan: GNM), Schrank 102, Fach 12 / 125, 126 und 127b — vgl. Hampe a. a. O., S. 183 u. A. Ernstberger, Aben­ teurer des Dreißigjährigen Krieges, Erlangen, 1963 (= Erlanger Forsch., Reihe A, Bd. 15), S. 3 5 u. 147.

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Markgrafen Alfons II. von Finale (Ligurien)5l). 1583 wurde er Genannter, spä­ ter Mitglied des Nürnberger Geheimen Rates und erreichte als Reichsschult­ heiß und Vorderster Losunger die vornehmsten und höchsten Ämter der Reichsstadt52). Seit seiner Verehelichung mit der vermögenden Ursula Sitzinger widmete sich Paul (II.) Behaim zusehends der Verwaltung der Berganteile seiner Gattin. Diese hatte — wie bereits erwähnt — von ihrem Vater 1/4 der Berganteile im Öblarn-Schladminger Bergbaugebiet und xh Anteil am „Kessenthaler Han­ del" in Kitzbühel geerbt. Hingegen besaßen ihre Brüder Lukas (IV.) und Wilhelm Sitzinger SU der Ennstaler Berganteile und Anteile am „Kessen­ thaler Handel". Paul verwaltete von Nürnberg aus nicht nur den Bergbau­ besitz seiner Gattin, sondern gegen Verrechnung auch die Anteile seiner Schwäger in Öblarn und Schladming 53), während Lukas Sitzinger die Interes­ sen seiner Firma in Kitzbühel bereits seit dem Tode seines Vaters vertreten hat54). Wie sehr sich Paul (II.) Behaim bereits kurz nach seiner Verehelichung der Verwaltung der Bergwerke gewidmet hat, bezeugen die reichen Bestände des Behaimschen Briefarchives im Germanischen Nationalmuseum. Auf die Natürlichkeit und den Frohsinn, die aus diesen Briefen sprechen, hat der Kul­ turhistoriker Georg Steinhausen schon vor mehr als 75 Jahren aufmerksam gemacht55). Darnach finden wir Paul Ende April 1583, also nur wenige Wochen nach seiner Hochzeit, auf der Reise nach Kitzbühel. Am 29. April gibt er aus München ein erstes Lebenszeichen an seine Gattin nach Nürnberg, die damals noch bei ihrer Mutter am Viehmarkt wohnte. An diese schrieb er aus Kitz­ bühel, wo er am 6. Mai eingetroffen war, daß er dort auch andere Gesell­ schafter der Kössentaler Gesellschaft getroffen und mit den Faktoren aus Sterzing und Hall Verhandlungen geführt habe. Mit Gottes Segen sei es auch möglich gewesen, genügend Erz zu fördern. In Kitzbühel erreichte Paul ein Antwortschreiben Ursulas, in dem sie zum Ausdruck brachte, befürchtet zu haben, der Wein werde ihm „gar woll schmecken und wirst nicht bald heim­ kommen zu mir". Um so beglückter sei sie nun, daß Paul ihrer gedacht habe. Aus diesem Schreiben ist auch ersichtlich, daß sich in Kitzbühel damals auch Lukas (IV.) Sitzinger, der Hauptteilhaber des Sitzingerschen Bergwerksbesitzes, aufgehalten hat. Mit ihm reiste Paul nach Öblarn ins steirische Ennstal, um auch dort die Interessen seiner Gattin wahrzunehmen. Dies geht aus dem 51) GNM a. a. O., Schrank 102, Fach 12 / 127 u. 127a. — Enciclopedia Italiana, XV, Roma, 1950, Sp. 385. “) Schultheiß a. a. O. 63) Die Behauptung Hampes a. a. O. 138, daß die Behaim bereits vor der Verehelichung Paul (II.) mit Ursula Bergwerksbetriebe in Schladming und Öblarn besessen hätten, ist unrichtig, ebenso ist unrichtig (a. a. O., S. 139), daß Ursulas jüngster Bruder (er war der älteste!) 1591 das Bürgerrecht in Nürnberg aufgegeben habe (das war erst 1606 der Fall). 54) GNM „Berg- und Schmelzwerk Öblarn an der Enns", Hauptbuch u. Bilanzen 1587—1593 (Schrank 102, Fach 12/128). 55) G. Steinhausen, Die deutschen Frauen im siebzehnten Jahrhundert (Zeitschrift f. deutsche Kulturgeschichte, NF I) 1891, S. 13 ff.

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Der Nürnberger Patrizier und Ratsherr Hieronymus der Ältere Holzschuher (f 1598), Bergwerksherr in der Steiermark

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Schreiben hervor, das Paul am 25. Mai aus Öblam an Ursula richtete und darin seine „herzliche Jungfrau" allerliebst grüßte. Er drückte dabei die Hoff­ nung aus, daß er in 14 Tagen wieder in Nürnberg sein könne und sie ihm bald ein Kind schenken werde56). Diese Hoffnung sollte sich alsbald erfüllen, denn aus den Kirchenbüchern von St. Sebaldus geht hervor, daß ein Kind Paulus, Sohn des Paulus und der Ursula Behaim, am 10. Dezember 1583 da­ selbst getauft wurde, jedoch bereits am 26. Jänner 1584 wieder verstorben ist57). In der winterlichen Weihnachtszeit des gleichen Jahres war Paul ge­ meinsam mit seinem Schwager über Sulzbach, Eichstätt und Augsburg wieder zu den Bergbaurevieren unterwegs, wie aus dem weiteren Briefwechsel her­ vorgeht “). Paul (II.) Behaim verlor nach knapp achtjähriger Ehe am 21. April 1591 seine Gattin Ursula durch einen plötzlichen Tod. Als Vormünder für den An­ teil ihres am 17. 7. 1587 geborenen, einzig überlebenden Sohnes Lukas Fried­ rich59) wurden neben dessen Vater Paul und Oheim Lukas Sitzinger auch Ratsherr Paulus Pfinzing, ein angesehener Nürnberger Kaufherr, Kupferge­ werke in Schlaggenwald und im Mansfeldischen sowie berühmter Karto­ graph 60), bestellt, die an Hand eines geführten Journals und Hauptbuches jährlich Rechnung legen sollten 61). Diese Vormünder einigten sich jedoch über die Art der Rechnungslegung erst nach fast zwei Jahren, so daß die Vorlage des Verlassenschaftsinventars an das Gericht erst am 15. März 1593 er­ folgte62). Aus dem am 16. März beurkundeten Verlassenschaftsinventar geht hervor, daß das Vermögen Ursulas aus dem mütterlichen Erbgut von 15 000 fl, einem V4 Anteil am Öblarn-Schladminger Bergbaubesitz ihres Vaters („Öblarnhandel") und einem 1!i Anteil am „Kessenthaler Handel" (18 883 fl 50 kr) bestand. Hinsichtlich des „Öblarnhandels" hieß es, daß dieser Ursula mehr schulde, als er mit Vorrat abzahlen könne. Der Kössentaler Handel wies da­ mals folgende Vermögenswerte auf: Bergteile in Kitzbühel, Rattenberg und Sterzing, 4 Häuser samt Hausrat, Hütten und Gründe in Kitzbühel, eine große Schmelzhütte in Kössen mit Mühle, Backhaus, Traidrösten, Herrenhaus, Säge, ein Haus in Niederhofen, ein Haus, Erzröste und Probiergaden in Brixlegg, ein Haus, Erzrösten und Traidboden in Sterzing, Erzrösten zu Hall, Bleiberg, 58) GNM, Behaim-Archiv, Briefwechsel 1572—1621, Schrank 102, Fach 8/109 — Hampe a. a. O., S. 200. 57) Freundliche Auskunft des Landeskirchlichen Archives in Nürnberg. Vgl. J. G. Biedermann, Geschlechterregister des Hochadeligen Patriciats zu Nürnberg, Bayreuth, 1748, Tab. X. 58) GNM a. a. O. 59) Vgl. Ernstberger a. a. O., S. 10. 60) F. Schnelbögl, Paul Pfinzing als Kaufmann (MVGN 45) 1954, S. 372 ff., E. Gagel —F. Schnelbögl, Pfinzing, der Kartograph der Reichsstadt Nürnberg (1554—1599), Hersbruck, 1957 (= Schriftenreihe d. Altnürnberger Landschaft IV), S. 2—4. — W. Silberschmidt, Der Bergsachverständige Hans Thein, Syndicus von Nürnberg und Berghauptmann von Zweibrüdcen (MVGN 27) 1928, S. 331. — Dettling a. a. O., S. 174. 61) Diese und die nachfolgende Darstellung beruht vornehmlich auf StadtAN, Behaim-Teilarchiv (künftig: B mit Nr.): Erbschaftsiechnung Lukas Friedrich Behaim 1591—1620 (B 692), Streit und Vergleich wegen Erbteiles d. Ursula Behaim 1594—1597 (B 696) und Streit Paulus Pfinzing und Paulus Behaim als Vormünder des L. F. Behaim, 1594—1597 (B 697). ®®) StadtAN B 671, Erbschaftsrechnung f. L. F. Behaim, Losungszettel 1593. 16

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Rotholz, Wörgl und Kufstein, V2 Anteil am Unschlitthandel in Kitzbühel, Erzvorräte und Kupferhüttenerzeugung (64 571 fl, 12 kr, 2 4), Traid, Schmelz- und Unschlitthandel in Rattenberg und Sterzing samt Getreidevor­ räten in den Kasten in Hall und Kufstein (30 318 fl 29 kr), Außenstände (Pfennwertschulden in der Höhe von 19 089 fl 14 4). Das Gesamtvermögen der „Kessenthaler“ betrug demnach 132 180 fl 51 kr 2 4 63). Zum Unterschied von der Situation in den Sechzigerjahren des Jahrhun­ derts, in welcher Zeit im Schladminger Berggerichtsbezirk die Produktion an Silber jährlich rund 3000 Mark und an Kupfer rund 600—700 Zentner er­ reichte64), waren nunmehr die Erträgnisse in Öblam und Schladming rück­ läufig geworden. Fronbefreiungsgesuche, auch der Sitzinger Erben, waren auf der Tagesordnung. Von den im Besitz der Familie stehenden Gruben warfen 1587 im Schladminger Obertal nur mehr 4 Gruben nennenswerte Erträge ab, im Mandlingtal nur mehr 2. In den nächsten Jahren besserte sich die Situa­ tion geringfügig, doch auch die „Erzabteilung“in der Zeit vom 1. Jänner bis 30. September 1592 betrug im Obertal nur mehr 2396 Zentner und I0V2 Pfund Kies, an der Mandling 1244 Kübel Kies. Die alten Lager im Walchental brachten dagegen noch eine höhere Produktion, das widerspiegeln auch die Schmelzkosten, die dort ein Vielfaches von denen in Schladming ausmachten. Bereits 1574 hatte der Bericht der iö. Kammer davon gesprochen, daß „das Perckwerch zu Schlaming und Rottenmann gar in Abfall war“ 65), im Jahr 1588 war das Wechselamt in Schladming ohne Geld, schon dachte man daran, die Gnadengelder (Zubußen für Bergbeamte) in Kies auszubezahlen66). Trotz­ dem kauften „Sitzingers Erben“ von „Prantmayrs Erben“ deren V2 Öblarner Anteil hinzu67). Zwischen 1587 und 1593 sind Hunderte von Arbeitern am Berg, in den Hütten, Pochwerken, im Herrenhammer, in den Kohlstätten und bei der Holzarbeit sowie beim Sackzug (1587 wurden 15 400 Kübel transpor­ tiert) beschäftigt gewesen. Als Sitzingerische Faktoren waren Adam Eisen­ schmied in Öblam M) und Georg Eisenschmied in Schladming tätig. Im Öblarner Verweserhaus und auch in Schladming war ein „Pfennwerthandel“ eingerich­ tet, der Brot, Weizen, Roggen, Hafer, Ochsenfleisch, Schmalz, Käse, Unschlitt (für das Grubengeleuchte), Schmer, Salz und Schuhe umfaßte, daneben han­ delte man dort auch mit Tuch und Wein. Die Waren wurden vornehmlich vom Linzer Markt bezogen, Fleisch und Brot wurden im Ort eingekauft, Schmalz in Kirchdorf an der Krems (Oberösterreich). Die Lieferung des erzeugten „göldischen Silbers“ erfolgte an die Münze in Graz. 1587 ergab sich daraus ein Reinerlös von 2506 fll0ß4 4, 1593 ein solcher von 4687 fl 6 ß 10 4. Der Silberpreis betrug für die Gewichtsmark 68) StadtAN B 804/1. 64) M. Wenger, Ein Beitrag zur Statistik und Geschichte des Bergbaubetriebes in reichischen Alpenländern im 16. Jhdt. (Montanistische Rundschau XXIII) 1931, w) LA Graz, Hofkammer, 1574 Nov. nr. 34. M) Ibidem, 1588 Juli nr. 75. ®7) GNM „Öblersches Perg- u. Schmelzwerks Hauptbuch Nr. 7“, 1587 (Schrank 12/128). M) Adam Eisenschmied war 1575 Faktor des Kössentaler Handels in Rattenberg. Wolfskron a. a. O., S. 227.

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den öster­ S. 231. 102, Fach Wolfstrigl-

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12 fl 15 4 bis 12 fl 24 %, der für Gold 132 fl. Der Verkauf des Kupfers ging über Werfen (Salzburg) vor sich. Hierbei wurde 1587 eine Einnahme von 2532 fl 7 ß 10 $, 1593 eine solche von 2615 fl erzielt. Der Preis lag per Zentner bei 13 fl, im Kleinhandel bei 15 fl60). Aus den von Paul (II.) Behaim in den Jahren 1591—1594 gelegten ErbSchaftsrechnungen geht hervor, daß der Öblam-Schladminger Bergbau weit­ gehend passiv geworden war. Aus den beigegebenen „Losungszetteln“ ist er­ sichtlich 70), daß jährlich erhebliche Summen in diesen Bergbau investiert wer­ den mußten, ohne daß eine entsprechende Nutzung hätte erzielt werden kön­ nen. Die Erbschaft erlitt daher eine spürbare Einbuße71). Aus den Anteilen am „Kessenthaler Handel“ ergab sich andererseits ein durchschnittlicher Jah­ resnettogewinn von 500—1000 fl, aus dem allerdings ein jährlicher Unterhalts­ beitrag von 200 fl für die Witwe Ursula Sitzinger, Pauls Schwiegermutter aus erster Ehe, die bis zu ihrem Tode zu Beginn des Jahres 1608 in ihrem Land­ haus in Schniegling lebte, bestritten werden mußte72). Am 3. Februar 1595 einigten sich Lukas und Wilhelm Sitzinger einerseits und Paul (II.) Behaim und Paul Pfinzing andererseits gütlich über eine Erb­ teilung an den Bergwerken im Ennstal. Darnach ließ Behaim den von ihm bzw. seinem Sohn Lukas Friedrich beim Bergbau in der Walchen (Öblarn) geerbten Anteil den Brüdern Sitzinger mit Beginn der Raitung Matthäi wechselweise zuschreiben, wogegen ihm Bergwerksteile im Schladminger Revier überge­ ben wurden. Die Sitzinger sollten die bei der Aufteilung in der Walchen ver­ bliebene Holzkohle verbrauchen können und dafür Behaim sein Walchiener Kieswerk aufschmelzen lassen73). Beim sog. „Neuen Schladminger Handel“ übernahm Behaim Ende des Jahres 1594 Vorräte an Erzen und 3600 fl Schul­ den. 1595 wurden insgesamt 44 Zentner Kupfer gewonnen, dagegen 678 fl eingebüßt. Auch in den nächsten Jahren erforderte der Schladminger Bergbau dauernd Zubußen, die Handelsrechnung von 1603 spricht von „vielen bösen Schulden“. Am 2. März 1601 kam in der Goldenen Stube des Nürnberger Rathauses zwischen Paul (II.) Behaim, Wolfgang Löffelholz (der seit 1588 mit Maria Sitzinger, der Schwester der ersten Ehefrau Pauls verheiratet war) und Lukas (IV.) Sitzinger ein gütlicher Vergleich zustande, der die Erbansprüche von Lukas Friedrich Behaim sichern sollte. Von Lukas und Wilhelm Sitzinger wurden an Behaim für den „Neuen Schladminger Handel“ an Vorräten, Schul­ den und Fahrnissen 11.203 fl 13 ß 6 S übergeben74). Aus einem aus den Jahren 1603—1606 erhaltenen „Rechenbuch“ über die Erträgnisse des Bergwerkes Schladming 74a) ist ersichtlich, daß Paul (II.) Behaim die im Schladming-Mandlinger Revier noch betriebenen Gruben „Am Retten60) Siehe Anm. 54. — Vgl. auch Kunnert, Die Silberversorgung österr. Münzstätten a. a. O., S. 65 ff. 70) Als „Losung“ bezeichnete man die direkte Steuer von Einkommen und Kapital. 71) StadtAN. Erbschaftsrechnung f. L. F. Behaim a. a. O. 72) Kunnert, Der Nürnberger Ratsherr Paul (II.) Behaim a. a. O., S. 24. 73) StadtAN. B 696. 74) ibidem B 805. 74a) GNM, Schrank 102, Fach 7. 16*

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bach", „Gsengögg" und „Giglach" von Radstadt im salzburgischen Ennstal aus verwaltete. Der Umfang des Betriebes war nur mehr sehr beschränkt. Als Kassarest des Jahres 1602 wurden nur 21 fl 3 ß 16 4 ausgewiesen. Es fanden im Jahr nur mehr 2 Raitungen statt. Die Zahl der Bergleute bewegte sich zwischen 10—13 Mann (darunter befand sich auch Philipp Schober, der dann im Jahre 1608 als Faktor in Diensten der „Herren Legrantinischen" in Schladming erwähnt wird 75). Die Weihnachtsraitung 1603 wies nur 5 Arbeiter aus. Das „Rechenbuch" weist auch auf geschäftliche Verbindungen Behaims zum Nürnberger Kaufmann Johann Legrand (Legrant) hin, Georg Paumann, der 1606—1611 dem Salzburger Stadtrat angehörte76), wickelte für die Rad­ städter Faktorei Geldgeschäfte ab. Der Niedergang des Bergbaues, auf dessen Ursachen hier nicht näher ein­ gegangen werden kann, machte es naheliegend, daß Behaim bestrebt war, seine Schladminger Berganteile abzustoßen. Ein im August 1594 erlassenes Appellationsgerichtsurteil ermöglichte ihm dies.. Im Jahre 1605 verkaufte er die Schladminger Berganteile an den bereits genannten Johann Legrand um 3000 fl. Die uneinbringlichen Schulden betrugen 3554 fl6ß3 $ 77). Legrand Johann Legrand gehörte einer niederländischen reformierten Familie an, die während der Glaubenskämpfe Mitte des 16. Jahrhunderts nach Frankfurt a. M. auswanderte. Er selbst stammte aus Tournai und kam über Wesel nach Frankfurt und von dort nach Nürnberg, wo er 1599 als Bürger genannt wird und sich als Großkaufmann betätigte. Seit 1586 war er am Kössentaler Handel beteiligt, worauf wohl seine Beziehungen zu Paul (II.) Behaim zurückzuführen sein werden 78). Johann Legrand war ein Bruder des reichen Seidenhändlers Augustin Legrand (de Grand), der das Haupt der Frankfurter Kalviner ge­ wesen ist, jedoch 1561 von dort vertrieben wurde und sich 1562 mit seinen Mitgesellschaftem in Nürnberg niederließ 79). Dem Entschluß Behaims, sich aus dem Ennstaler Bergbau zurückzuziehen, folgten alsbald auch die Brüder Lukas und Wilhelm Sitzinger. 1605 hatten sie nochmals um Fronbefreiung für ihre Bergwerke an der Mandling und in der Walchen angesucht80). Im Jahre 1605 verkaufte Lukas (IV.) Sitzinger ein Drittel seiner Anteile an den Bergwerken in Öblam und Schladming an die Erben Johann Legrands, der vermutlich in der ersten Jahreshälfte verstorben war81). Zur gleichen Zeit 75) LA Graz, Hofkammer, 1609 Juni nr. 74. 76) Ich verdanke diese Auskunft Herrn Landesarchivdirektor w. Hofrat Dr. Herbert Klein, Salzburg. 77) StadtAN, Erbschaftsrechnung Lukas Friedrich Behaim 1605 a. a. O. 78) GNM, Schrank 102, Fach 5/90. 79) K. Pilz, Nürnberg und die Niederlande (MVGN 43) 1952, S. 53 f. — H. Neidiger, Die Entstehung der evangel.-reform. Gemeinde in Nürnberg als rechtsgeschichtliches Problem, ibidem, S. 227 u. 243. LA Graz, Hofkammer, 1602 Juli nr. 66. 81) LA Graz, Hofkammer, 1605 Aug. nr. 76.

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bewarb er sich um das nach dem Tode Hans Hubmayrs vakant gewordene Amt des Oberstbergmeisters mit dem Sitz in Vellach (Kärnten). Auf Grund des Berichtes der Kammerräte, die darauf hinwiesen, daß Sitzinger, dessen „Voreltern in Tirol und Steiermark mit großen Unkosten Bergbau betrieben hatten", ein vortrefflicher und verständiger Bergmann sei, der der „wahren uhralten Römisch Catholischen Religion zugethan gewest sey“, wird er von Ferdinand II. mit Resolution vom 22. August 1605 zum Oberstbergmeister ernannt, welches Amt er bis 1615 innehatte82). Lukas gab 1606 sein Bürger­ recht in Nürnberg auf und entrichtete eine Nachsteuer im Betrage von 6444 fl. Sein Bruder und Mitgewerke Wilhelm gab 1609 sein Bürgerrecht ebenfalls auf und trat in den Dienst des Pfalzgrafen Philipp Ludwig zu Neuburg, wo er Pfälzisch-Neuburgischer und Markgräflich Brandenburgischer Rat und Berg­ hauptmann wurde 83). Der in oben angeführtem Bericht der Kammerräte an­ gekündigte Verkauf der restlichen Berganteile der beiden Brüder in öblam und Schladming dürfte 1609 erfolgt sein. Jedenfalls werden sie im Februar 1608 zuletzt als Schmelzer und Gewerken genannt. Simon Noell, der damals als ihr Faktor fungierte84), wird 1620 im Hauptinventar des Schladminger und Öblarner Berg- und Schmelzwerkshandels der Erben des Hofvizekanzlers und Geheimen Rates Graf Balthasar Laymann, der seit 1602 im Schladminger und Öblarner Bergbau beteiligt war, als Hüttenverwalter angeführt. Aus diesem Inventar kann geschlossen werden, daß Laymann die Berganteile der Brüder Sitzinger erworben hatte, soweit diese nicht schon vorher in die Hand der Legrandschen Erben gekommen waren85). Damit endete die Beteiligung der Nürnberger Familien Sitzinger und Behaim am Ennstaler Bergbau. Hingegen besaß die Familie Legrand ihre Berg­ werksanteile in Schladming und Öblam weiterhin, wie aus dem erwähnten Hauptinventar dieser Bergwerke hervorgeht. Die Erben Johann Legrands be­ saßen damals auch ein Drittel der Laymann'schen Hüttenwerke in Schladming und Öblarn sowie des Handelshauses in Öblam. Ebenso befanden sich zu dieser Zeit s/7 Anteile am Kössentaler Handel noch in ihrer Hand86). Nach 1627 dürften die Legrand diese Bergwerkteile aufgegeben haben, denn am 26. Juni 1627 sagte Cornelius Legrand sein Nürnberger Bürgerrecht auf und wurde der Nachsteuer halber an die Losungsstube verwiesen87). ®*) Wießner a. a. O., S. 76 f. Wießner gibt irrtümlich als Jahr der Ernennung 1608 an, ebenso geht er in der Annahme fehl, Lukas S. sei der Bruder des Klagenfurter Münzmeisters Kaspar Sitzinger gewesen. 83) Hampe a. a. O., S. 139. — Roth a. a. O., S. 98. — StadtAN, Genealog. Papiere Sitzinger. 84) LA Graz, Hofkammer, 1609 Jänner nr. 74. Nach K. Redlich, Die Walchen bei öblarn (Berg- und Hüttenmännisches Jahrbuch 51), 1903, S. 5 ff., erfolgte die Erwähnung der Sitzinger als Öblarner Gewerken letztmalig im Jahre 1602. Hier irrte Redlich ebenso, wie bei der Annahme, daß die Sitzinger und Prantmayr auch Legrantinische Erben genannt worden seien. Richtigzustellen ist auch die Angabe Redlichs, daß die Laymann den öblar­ ner Bergbau nur bis 1612 innegehabt hätten. 85) „Hauptinventar bei dem ganzen Schlädming und Öblerischen Perck- und Schmelzwerkhandel", 1620, LA Graz, Altes Landrecht, Schuber 110. M) GNM Schrank 102, Fach 5/90 (1619 VI 22 u. 1622 IV 28). Als Kurator der Erben fun­ gierte damals Jakob Morian, Bürger und Handelsmann in Nürnberg. 87) Staatsarchiv Nürnberg (fortan: STAN) Ratsverlässe Nr. 2071, fol. 24 (1627 VI 26).

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Paul (II.) Behaim widmete sich bis zu seinem Tode am 13. Dezember 1621 weiter der Verwaltung der Anteile der Familie am Kössentaler Berg- und Schmelzwerkshandel, zumal er die Erbschaftsverwaltung für seinen Sohn Lukas Friedrich noch bis 1620 führte88). Im Jahre 1606 hatte er zudem von Herzog Maximilian von Bayern mit dem ihn eine enge Freundschaft verband, dessen 2/7 Anteile an dieser Gesellschaft um 17 000 fl erworben89). Paul Behaim blieb über seinen Tod hinaus mit dem Bergbau verbunden, er widmete testa­ mentarisch 2 Zentner Kitzbühler Kupfer zur Errichtung eines Epitaphs über seinem Grab auf dem Johannisfriedhof in Nürnberg90).

Holzsdtuker Etwa zur gleichen Zeit wie Lukas (I.) Sitzinger aus Nürnberg und Andreas Prantmayr aus Augsburg taucht in der Person Berthold Holzsdiuhers ein An­ gehöriger einer weiteren Nürnberger Patrizierfamilie im steirischen Bergbau auf91). In einer im Jahre 15 59 an Ferdinand I. gerichteten Supplikation um Bewilligung eines Kupfererzkaufes im Johnsbachtal, einem Seitental des mitt­ leren Ennstales, wies er darauf hin, daß er damit bereits vorher in der Radmer („Raymair“) bei Eisenerz „einen Anfang ... gemacht habe“ 92). Es ist anzu­ nehmen, daß Holzschuher, der 1556 in den Besitz des Kupferhammers und von Saigerhütten in Enzendorf bei Rupprechtstegen aus der Hand seines Schwagers Mathes Ebner gekommen war93) und bereits vorher einen Kupferhammer zu Rollhofen unter Schloß Rothenberg bei Schnaittach erworben hatte 94), auch M) StadtAN Vormundschaftsrechnung über Lukas Friedrich Behaim mütterl. Erbteil, 1591— 1613 (B 695), Anerkenntnis d. Paul Behaim f. Sohn Lukas Friedrich über Erhalt der Erbschaft 1608 (B 740) u. Quittungen (B 2479) sowie Tagebuchaufzeichnungen aus dem Leben Paul II. Behaim — Annales casis diversis (B 542). 89) StadtAN, Schriftwechsel zwischen Herzog Max v. Bayern und Paulus II. wegen verkaufter 2h Anteile am Kössentaler Kupferbergwerk 1606—1608 (B 698). — Vgl. A. Emstberger, Ludwig Camerarius und Lukas Friedrich Behaim, München, 1961 (= Schriftenreihe z. Bayerischen Landesgeschichte 60), S. 17. ®°) StadtAN, Nachlaßinventar Paul (II.) Behaim, 1626 VI 9, Nürnberg (B 683). — Dazu: J. M. Trechsel (gen. Großkopf), Verneuertes Gedächtnis des Nürnberger Johannis Kirchhofs ... Frankfurt und Leipzig, 1736, S. 72 ff. 91) Ich behalte mir vor, auf die Beteiligungen der Holzschuher am steirischen Bergbau an anderer Stelle noch näher einzugehen. w) Hofkammerarchiv Wien (fortan HKA Wien), Iö. Sachakten, Fasz. 18. 285, fol. 333 (Berthold Holzschuher an Ferdinand I. 1559 V 15, Nürnberg). 98) K. v. Harsdorf, Der Kupferhammer zu Enzendorf bei Rupprechtstegen (MVGN 48) 1958, S. 47. — R. Klier, Nürnberg und Kuttenberg, ibidem, S. 73. Um 1563 verwaltete diesen Hammer sein Vetter Hans Holzschuher (GNM, Hs Nr. 2489" Extract Holtzschucherbuchs", Papierhandschrift aus dem 17. Jhdt., 4°, fol. 6'). 94) STAN Briefbücher Nr. 159, fol. 225, Nürnberger Rat an Pfalzgraf Albrecht, 1556 X 22. Im „Extract Holtzschucherbuchs", fol 6', heißt es dazu: „ ... fieng an zu Rollhofen und in der Steuermark zu Rama (/) etliche saigerhütten zu pauen, darauf er kupfer und silber machet wie auch zu Entzendorf ..." Biedermann a. a. O., Tab CLXXIV, spricht irrtümlich von „Stollhofen in der Steyermark". Um 1570 wurde dieser Hammer von den Nürnberger

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am Kupferbergbau in der Radmer bald nach Entdeckung des dortigen Kupfer­ vorkommens (1547) beteiligt war95). Im Jahre 1559 kauften die Eisenerzer Bürger und Radmeister Andre Steinwerfer und Hieronymus Geuder, Sohn des Nürnberger Ratsherrn Andreas Geuder und Neffe Holzschuhers, Fronerze aus Radmer um 45 kr pro Kübel, wogegen sich Holzschuher erbötig machte, 49 kr pro Kübel zu bezahlen. Dadurch wurden die beiden Radmeister gezwungen, den gleichen Preis zu bezahlen und zu versprechen, ihr Kupfer nur nach Triest und Venedig zu verhandeln, was wenig einträglich war, weil die italienischen Händler den Preis drückten98). Hieronymus Geuder versah 1557 beim ju­ gendlichen Erzherzog Karl in Graz Hofdienste, quittierte jedoch alsbald den Dienst und war anschließend auf seinem Bergbau in Innerberg (Eisenerz) tätig. Hieronymus Geuder bzw. sein Bruder Andreais prozessierten zwischen 1563— 1571 mit Berthold Holzschuher, Sigmund Tetzel und seinen Mitverwandten wegen Kupferverkauf97). Jedenfalls ist bekannt, daß Holzschuher und seinen Mitgewerken im Jahre 1564 für den Kupferbergbau in der Radmer, wo damals gute Produktionsergebnisse erzielt wurden und ein Verweser bestellt war (1566) 98), vom Stift Admont Wälder bei Johnsbach zur Abstockung auf 10 Jahre überlassen wurden "). Berthold Holzschuher hatte 1562 auch Berganteile im Berggerichtsbezirk Wolfsberg-St. Leonhard in Kärnten inne 10°), für 1564 wird ein Silberbergwerk der Nürnberger Holzschuher in der Haidming im Lungau (Salzburg) erwähnt101). Die Beteiligung Berthold Holzschuhers, geboren am 9. Jänner 1511 als Sohn des Lazarus und der Catharina Holzschuher, geb. Bühl, am steirischen Bergbau hängt wohl wesentlich mit seiner im Jahre 1538 erfolgten Verehe­ lichung mit Brigitta Welser, Tochter des Jacob und der Ehrentraut Welser, geb. Thumer, zusammen. Jacob Welser hat von seinem aus Pettau stammenden Schwiegervater Hans Thumer, der sich im Montanhandel ein Vermögen er­ worben hatte und zu den reichsten Bürgern Nürnbergs zählte, namhafte Ver­ mögenswerte geerbt. Dazu kam noch, daß Berthold 1553 aus dem Nürnberger Rat ausschied, weil er sich als „Jungbürgermeister" 1552 geweigert hatte, mit Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach einen wenig ehren­ vollen Vertrag zu schließen. Er wandte sich in der Folge dem Bergbau zu und kam Bürgern Niklas und Jakob Schleicher übernommen (STAN, Ganerbenschaft Rothenberg Nr. 117, Niklas und Jakob Schleicher an kurfürstl. Pfälz. Statthalter zu Amberg, 1576, Mai). Vgl. F. Schnelbögl, Mühlen und Hämmer in Lauf a. d. Pegnitz (Altnürnberger Landschaft 13), Sonderheft Sept. 1964, S. 16. ®5) K. Redlich, Der Kupferbergbau Radmer an der Hasel, Leoben, 1905 (= Bergbaue Steiermarks VI/8), S. 3. ®8) A. v. Pantz a. a. O., S. 94 u. 325, Die genealogischen Angaben hinsichtlich der Geuder verdanke ich Herrn Dipl.-Ing. Helmut Freiherr Haller v. Hallerstein, Großgründlach. 97) STAN. Briefbücher Nr. 172, 173, 175, 178, 179, 181, 182 und 185. Die Besorgung der Exzerpte verdanke ich Herrn Dipl.-Ing. Freih. v. Haller. 98) Redlich a. a. O., S. 31. 9n) Wichner a. a. O., S. 140. 10°) Wießner, a. a. O., I, S. 242. 101) M. v. Wolfskron, Zur Geschichte des Lungauer Bergbaues (Mitt. d. Gesellsch. f. Salz­ burger Landeskunde 24) 1884, S. 168. Mitte des 16. Jhdts. betrieb auch der Salzburger Erzbischof Herzog Ernst „an der Hayding“ Bergbau und ließ die Erze in seiner Hütte in Schladming schmelzen. Fronschmelzer Hueber an Ernst, 1544 XI 15 BHSTAM a. a. O.

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— wie bereits ausgeführt — in die österreichischen Alpenländer. Im Rahmen seiner vielseitigen Tätigkeiten und Fähigkeiten beschäftigte er sich auch mit einer Reihe mechanischer Erfindungen sowie mit dem damals für Deutschland neuen Projekt einer Aussteuerversicherung 102). Die finanzielle Lage Holzschuhers dürfte sich jedoch ungünstig entwickelt haben, denn die Mitgewerken (“Handels verwandten“) Hans Jakob Haller von Hallerstein sowie Albrecht und Georg Scheurl aus Nürnberg prozessierten, wie aus den Nürnberger Briefbüchem hervorgeht, wegen Verlagsschulden Bertholds und Erstattung von 1000 fl, die dem Handel entnommen wurden, mit Lazarus Holzschuher103), einem entfernten Verwandten Bertholds, der anscheinend dessen Anteile übernommen hatte104) und uns später im Mürztal wieder begegnen wird. Seither hören wir von einer Beteiligung der Holzschuher und ihrer Handelsverwandten am Kupferbergbau in der Radmer nichts mehr. Allerdings scheinen gegen Ende des Jahrhunderts die Nürnberger Han­ delsleute und Hausbesitzer Georg und Konrad Meindl (Meinll) als Interes­ senten am dortigen Fronkupferkauf auf. Nach Aufkündigung des Fronkupfer­ kaufes durch die heimischen Gewerken bewarben sich die Brüder Meindl im Jahre 1597 durch ihren Eisenerzer Sollizitator um die Bestandnahme des Fron­ kupfers auf 5 Jahre, wobei sie sich bereit erklärten, außer dem von den Ge­ werken bisher bezahlten Zentnerpreis von 13 fl für Rotkupfer und 6 fl für Schwarzkupfer auch den statuierten Aufschlag von 70 kr bei Rotkupfer und 3 5 kr bei Schwarzkupfer pro Zentner zu leisten. Hiefür wollten sie am Linzer Ostermarkt 2000 fl und bei Lieferung des Kupfers den gleichen Betrag bar als Vorschuß erlegen. Die Kammer riet, dieses Angebot nicht auszulassen und in die Bestandsüberlassung für 2—3 Jahre einzuwilligen, wobei als Produk­ tionsziffern für die Zeit vom 4. August bis Ende 1596 1418 Zentner 30 Pfund Rotkupfer und 405 Zentner 30 Pfund Schwarzkupfer angegeben wurden105). Ferdinand II. entschied jedoch, daß das Fronkupfer Matthes Jöchlinger in Steyr für 4000 fl auf 3 Jahre in Bestand zu geben sei106). Berthold Holzschuher war bestrebt, auch im benachbarten Johnsbachtal auf Stiftsgrund des Klosters Admont, das dort schon seit dem 14. Jahrhundert einen Eisenbergbau und später auch Kupferbergwerke 106a) betrieb, Schmelz102) GNM, „Extract Holtzschucherbuchs“ a. a. O. und Hs. Nr. 28895 „Erfindung tzuvor un­ erhörter Werde“, Denkschrift Berthold Holzschuhers aus 1558. Papierhandschrift, 2°. Dazu: J. Ch. Gatterer, Historia Genealogica dominorum Holzschuherorum, Nürnberg 1755, S. 254 ff.; L. Krieg, Die „Erfindung“ des Berthold Holzschuher. Eine Finanzreform des 16. Jhdts. (Vierteljahrschrift f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch., 13) 1916, S. 612—619, u. W. Fiedler, Die Geschichte des Versicherungswesens in Nürnberg. Diss. Ms. d. Jurist. Fakultät d. Univers. Erlangen, 1958, S. 10—14. 103) Lazarus Holzschuher war ein Vetter des Hans Jakob Haller. Mit letzterem waren auch Albrecht und Georg Scheurl verwandt. Georg und Albrecht Scheurl waren Vettern. Daraus erklären sich die Geschäftsbeziehungen. 104) 1572 wird als Kurator der Holzschuherischen Güter Josef Lochner erwähnt. STAN Briefbücher Nr. 185, fol. 250. 105) HKA Wien, Iö. Sachakten, Fasz. 18. 332, fol. 771, Kammerräte an Hofkammer, 1597 III 18, Graz. loe) Ibidem, fol. 755, Ferdinand II. an die Kammerräte, 1597 IV 25, Graz. 106a) Wichner a. a. O., S. 127 u. 131. — A. Krause, Der Bergbau des Stiftes Admont, Ms des Rundfunkvortrages, gehalten über den Sender Graz am 30. 3. 1965.

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hütten zu errichten und einen Kupfererzkauf beim Landesfürsten zu erwirken. In der in Zusammenhang mit Radmer bereits angeführten Supplikation an Ferdinand I., datiert mit 15. Mai 1559, wies er darauf hin, daß er erfahren habe, daß in der Steiermark gute Kupfererze und Bergwerke vorhanden seien „sonderlich in Janßpach bey Artmundt", die bisher „Irer Wildigkheit halben nicht zu guet gemacht werden kann und ungebaut liegen bleibt". Er beab­ sichtige daher, einen Erzkauf und die benötigten Hütten in Johnsbach und Umgebung aufzurichten, weshalb er um die „Befreiung" ersuche, daß niemand innerhalb von 3 Meilen um Johnsbach eine Schmelzhütte errichten dürfe und innerhalb von 10 Meilen ihm das alleinige Recht des Erzkaufes Vorbehalten bleibe. Desgleichen ersuchte er um das Recht, den benötigten Proviant zu­ zuführen und das erzeugte Metall ebenfalls „ungehindert meiner Notdurft nach verführen und verhantieren" zu können, jedoch unbeschadet der Leistung von Fron, Zehent, Zoll und anderen Gerechtigkeiten107). Dieses Ansuchen wurde von einem seiner Schwäger in einem gesonderten Bittgesuch 108) an den Kaiser unterstützt, in dem dieser ausführte, daß Berthold Holzschuher des Kupferschmelzens kundig und auch „der anderen Kunststück" (sic!) in steter Übung sei. Im Schreiben wird weiter hervorgehoben, daß auch Bertholds Bru­ der ein verständiger, guter Bergmann sei, der lange Jahre im sächsischen Berg­ bau tätig war und „auch der Kurfürsten zu Sachsen dienner gwest und noch ist". Es kann mit Bestimmtheit angenommen werden, daß damit Holzschuhers Bruder Leupold gemeint war, der 1542 sein Bürgerrecht in Nürnberg aufge­ geben hat und dann bei den Kurfürsten Moritz und August als Münzmeister in Annaberg wirkte, wo ihm die dortige Münze auf Lebenszeit verschrieben wurde 109). Auf Grund dieser Supplikation beauftragte die nö. Kammer den Oberst­ bergmeister Georg Singer mit den erforderlichen Erhebungen, die dieser ge­ meinsam mit dem Schladminger Bergrichter Georg Niedrist durchführte. Der von Singer darüber erstattete Bericht ergab, daß in Johnsbach vor Jahren Berg­ werke in Betrieb gewesen seien und nunmehr einige Bürger aus Waidhofen an der Ybbs ein „schmales und festes Erz" abbauten. Geldkräftige Gewerken könnten hier sicherlich Bergwerke ins Leben rufen, denn die Täler seien reich an Holzbeständen. Nach Eisenerz könnten diese nur mit großen Kosten ge­ bracht werden. Gegen das begehrte Monopol, hier innerhalb eines bestimmten Umkreises allein schmelzen und Kupfererze aufkaufen zu können, nahm Georg Singer mit dem Hinweis eindeutig Stellung, daß es gegen die Berg­ werksordnung verstoßen würde, wenn die anderen Gewerken gedrungen wer­ den würden, ihm Erz „seines Gefallens" zu verkaufen und dieses nicht mehr selbst verkaufen oder schmelzen könnten. So liege in Radmer eine Schmelz­ hütte weniger als eine Meile von Johnsbach entfernt, auch der Abt von Ad107) Siehe Anm. 92. 108) HKA Wien, Iö. Sachakten, Fasz. 18. 185, fol. 334 u. 334', weder datiert, noch unter­ schrieben. 109) Biedermann a. a. O. Leupold verstarb am 16. Oktober 1571 auf dem Messinghammer bei Schnaittach. Extract Holtzschucherbuchs a. a. O.

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mont besitze 2 Schmelzhütten unweit vom Gotteshaus, in denen das Stift in Schladming gekaufte Erze schmelzen lasse. Da diese Schmelzhütten weniger als 3 Meilen von Johnsbach entfernt lägen, müßten diese Hütten das Schmel­ zen einstellen. Da jedoch Schladming von Johnsbach nicht mehr als 7 Meilen entfernt sei, müßten die Gewerken in Öblam und Schladming das Schmelzen aufgeben, wenn sie die erforderlichen Erze nicht mehr frei einkaufen dürften. Es wären also dann die Hüttwerke nicht nur umsonst gebaut worden, sondern es würden auch die Bergwerke in Schladming, Rottenmann und in der Walchen zum Erliegen kommen. In diesem Zusammenhang unterstrich auch der Oberst­ bergmeister, daß Holzschuher Bergwerke selbst nicht betreiben, sondern nur Erze aufkaufen wolle. Wenn aber die Bergwerksunternehmer selbst nicht mehr schmel­ zen dürften, würden sie keinen Klafter weiterbauen. Nach Meinung Singers sollte Holzschuher selbst Bergwerke betreiben, solche könnte er um „geringes Geld er­ halten“; wenn er Erz „nach treulichem Wert zahle“, würden ihm die Ge­ werken dieses gerne verkaufen. Wenn Holzschuher nach Schladming komme, würde ihm „von den armen Gewerken und gesellen, so eigene Gruben, aber keine Schmelzhütten besitzen“, gerne Erz verkauft werden, falls sie dazu nicht gedrungen werden. Gegen die Anlieferung von Proviant werden im Bericht Singers keine Ein wände erhoben, was jedoch die Verführung der erzeugten Metalle betreffe, müßten Gold und Silber in die Münze nach Graz abgeliefert und dürften nicht außer Landes gebracht werden. Mit Kupfer könne frei ge­ handelt werden, wenn jedoch silberhältiges Kupfer zu Saigerhütten außerhalb des Landes gebracht werden sollte, müßte davon der „Wechsel“ entrichtet werden, falls im Zentner mehr als ein Lot enthalten wäre 110). Dieser Stellung­ nahme schlossen sich die Kammerräte am 28. August 1560 mit dem Hinzu­ fügen an, daß die Saigerung des gewonnenen Kupfers im Lande erfolgen müsse 1U). Es kann angenommen werden, daß sich der Landesfürst dieser Auf­ fassung angeschlossen haben wird. Ob Berthold Holzschuher unter diesen Umständen den Schmelzbetrieb im Johnsbachtal auf genommen hat, bleibt in Ermangelung weiteren Quellenmaterials ungewiß112). Nach der Familien­ chronik ist Berthold Holzschuher am 15. Jänner 1582 verstorben113). Ein letztes Mal treten uns Angehörige der Familie Holzschuher im stei­ rischen Bergbau in den letzten Jahrzehnten des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts entgegen. uo) HKA Wien, a. a. O., fol. 336—338, Oberstbergmeister Singer an die Kammerräte, 1559 VIII 31, Vellach. m) Ibidem, fol. 332 u. 332'. 112) Die Behauptung Redlichs, Der Erzzug Vordernberg-Johnsbachtal, Wien, 1923 (Bergbaue Steiermarks XI), S. 139, Holzschuher habe im Johnsbachtal Bergbau betrieben, die auch von H. Pirchegger, Geschichte der Steiermark, III, Graz, 1932, S. 67, u. Tremel, Die oberdeutschen Kaufleute a. a. O., S. 24 f. übernommen wurde, erscheint m. E. sohin nicht belegt. Auch Wichner a. a. O., S. 135 spricht nur von einer Korrespondenz Holzschuhers mit Abt Valentin von Admont wegen käuflicher Erwerbung einiger dieser Bergwerke. Lt. freundlicher Mitteilung des Herrn Stiftsarchivars Oberstudienrat P.DDR Adalbert Krause befindet sich im Stiftsarchiv Admont keinerlei diesbezügliche Korrespon­ denz, der Name Holzschuher scheint auch in den Regesten nicht auf. 11S) GNM Hs. Nr. 2490, Stammtafel des Geschlechtes von Holzschuher 1332—1740. Pphs. aus dem 18. Jhdt., 4°.

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Im Juli 1588 ersuchten die Brüder Hieronymus d. Ä. und Lazarus Holzschuher, Söhne des Heinrich und der Catharina Holzschuher, geh. Haller, Erzherzog Karl II. von Innerösterreich um Gewährung der Fronbefreiung für ihre im Jurisdiktionsbereich des Zisterzienserstiftes Neuberg a. d. Mürz ge­ legenen Kupferbergwerke im Zwetlgraben bei Veitsch, im Rettenbachgraben bei Neuberg, einem Nebengraben des Hirschbachgrabens, und im Tal des Rettenbachs bei Spital am Semmering 114) auf Dauer von 10 Jahren, widrigen­ falls sie den Bergbau aufgeben müßten. Sie führten hiezu an, daß sie für den Bergbau in der Veitsch bereits am 1. Oktober 1584 eine dreijährige Fron­ befreiung erhalten hätten, bisher jedoch trotz hoher Unkosten keinen Ertrag erzielen konnten 115). Dem Bericht des Bergrichters am Zuckenhuet Hans Gruber in Breitenau kann entnommen werden,. daß von den Bauen im Zwetl­ graben die Grube St. Veit wegen Wassereinbruchs nicht betrieben werden konnte, auch die Grube St. Johannes könne nicht mit Nutzen gebaut werden, während es sich bei der Grube St. Bartholomäus um einen Neuschurf (Hoff­ nungsbau) handle. Zum Betrieb des Kupferbergwerkes im Rettenbachgraben bei Neuberg wäre mit Rücksicht auf den brüchigen Kupferkies die Erbauung eines Pochers notwendig. Beim Bergwerk im Rettenbach oberhalb von Spital/S. handelte es sich um einen vor einigen Jahren aufgeschlossenen Neuschurf (Schwefelkiesgang mit einem Silbergehalt von 1 Mark pro Zentner), den die Holzschuher empfingen und unweit davon eine Schmelzhütte errichteten, wo­ raus sie jedoch bisher keinen Nutzen zogen. Damit die Holzschuher, die „ein ziemliche Summa gelts ins land gebracht“, bei guter Baukunst verbleiben möchten, empfahl der Bergrichter die Erteilung der Fronbefreiung 116). Karl II. willigte daraufhin in eine Fronbefreiung auf die Dauer von 3 Jahren ein 117). Hieronymus d. Ä. war 1563 Nürnberger Ungeltamtmann, ab 1569 Rats­ herr und 1584—1589 Stadtbaumeister118). 114) Ein Silberbergbau bei Spital am Semmering wurde bereits um 1500 betrieben. R. Geyer, Die Silberbergwerke in den nö. Ländern unter Maximilian I. Schlernschriften, H. 9, (Festschrift zu Ehren Emil v. Ottenthal), Innsbruck, 1925, S. 199 ff. Christoph Gabelkofer erhielt 1566 hiefür Fron- und Wechselbefreiung. HKA Wien, lö. Sachakten, Fasz. 18. 322, fol. 78, Resolution Erzh. Karls, 1566 IX 2. Seit 1516 erscheinen unter den Kunden des Funck-Gewölbes in Wr. Neustadt mehrere „Arztknappen" von Spital a. S. Sie bezogen von der Firma Funck laufend größere Mengen Blei, das sie für das Silberschmelzen benötigten. Wiederholt bezahlten sie ihre Schulden mit Feinsilber aus der eigenen Produktion. O. Pickl, Das älteste Geschäfts­ buch Österreichs (Forschungen z. geschichtlichen Landeskunde d. Steiermark, 23) 1966, S. 81. 115) HKA Wien, a. a. O., fol. 715, Hieronymus und Lazarus Holzschuher an Karl II., 1588. Juli, Nürnberg. — Der Zwetlgraben, heute Zwetlichgraben, mündet beim Poschenhof hinter Dorf Veitsch in den Kleinveitschbach. Der alte Kupferbergbau lag am Dürnkogel. Der Rettenbachgraben ist ein Nebengraben des später genannten Hirschbachgrabens. Der hier genannte Rettenbach verläuft vom Pfaffensattel gegen Spital am Semmering. Diese topographischen Hinweise erteilten freundlicherweise die Herren Volksschuldirektor Matthias Weiß, Veitsch, und Prof. Dr. Othmar Pickl, Graz. 116) HKA Wien, a. a. O., fol. 717, Gruber an die Kammerräte, 1588 Nov., Breitenau. Das Berggericht Zuckenhuet wird schon in der Maximilianischen Bergordnung von 1517 an­ geführt. 117) Ibidem, fol. 714, Karl II. an die Kammerräte, 1588 XI 9, Graz. 118) Biedermann a. a. O., Tab. CLXXXII f.

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1592 erbauten die beiden Brüder am Ausgang des Hirsdibadigrabens ins Mürztal auf einem kaufrechtsweise erworbenen Grund, der Wolf von Scharfen­ berg auf Hohenwang dienstbar war, ein Kupferschmelzwerk. Für die Inan­ spruchnahme des Wasserlaufes zur Betreibung des Werksgadens hatten sie Abt Thomas Schmoll von Neuberg als Grund- und Burgfriedensherrn V2 Zentner Kupfer zu Martini 1592 und fortan jährlich 24 Pf. zu erlegen. Dieser Zins wurde in den nachfolgenden Jahren bis 1606 nachweislich erlegt119). Den dies­ bezüglichen Revers Unterzeichneten Lazarus Holzschuher und Sigmund Ga­ briel Holzschuher als Sohn und Gewalthaber Hieronymus d. Ä. Damals wurden im Hirschbachgraben auch ein Verweserhaus für Lorenz Krottendorfer und Knappenhäuser errichtet. Der Verbrauch an Grubenholz in den Jahren 1592— 1594 (777 Stämme) weist auf den zügigen Ausbau des Bergbaues im Retten­ bachgraben bei Neuberg a. d. Mürz hin 119a). Der genannte Sigmund Gabriel Holzschuher trat seit 1590 neben seinem älteren Bruder Hieronymus d. J. bei der Verwaltung der väterlichen Bergwerksanteile in Erscheinung. Er sollte ur­ sprünglich höheren Studien obliegen, wurde aber von seinem Vater seit 1590 zur Verwaltung der Mürztaler Bergbaue herangezogen, wo er 5 Jahre lang ver­ blieb. Nach längeren Auslandsaufenthalten bekleidete er mehrere hohe Ämter in der Verwaltung seiner Vaterstadt, darunter auch das Amt eines Losungers, und verstarb am 15. November 1642 12°). Lazarus Holzschuher, der Bruder Hieronymus d. Ä., der bereits im Zusam­ menhang mit dem Kupferbergbau in Radmer erwähnt wurde, finden wir in der Verwaltung der Mürztaler Bergwerksbetriebe wiederholt genannt. Er stand mit den Neuberger Äbten Gregor Planck und Thomas Schmoll in ständiger geschäftlicher Beziehung, so brachte er den geistlichen Herren aus Nürnberg englische Tuche mit und verkaufte ihnen Kutschierrosse, wofür er Käse und Wein einhandelte 121). Er verstarb am 25. Dezember 1595 in Kindberg (Mürz­ tal) unvermählt122). Der 1571 geborene Hieronymus d. J. kam nach Absolvierung seiner Stu­ dien und einer Kavaliersreise nach Italien im Jahre 1592 ebenfalls ins Mürz­ tal, wo er bis 1598 als Mitverwalter der väterlichen Bergbaubetriebe wiederholt in Erscheinung trat123). Jedenfalls war er im Oktober 1597 persönlich im Hirschbachgraben bei Neuberg/M. anwesend. Als gebildeter Humanist richtete er damals an Matthias Schmoll im Neuberger Hof in Wien, vermutlich ein Ver­ wandter des Abtes, einen in lateinischer Sprache gehaltenen Brief, dem ent119) LA Graz, Archiv Neuberg, Schuber 212, H. 10, fol. 5, Revers-Abschrift Hieronymus und Lazarus Holzschuher, die Wehr bei der Schmelzhütte im Hirschbach betr., 1592 VIII 27, Neuberg. Der Hirschbachgraben mündet bei der heutigen Haltestelle Hirschbachbrücke der Lokalbahn Mürzzuschlag—Neuberg/M. in die Mürz. 119a) LA Graz, ibidem, fol. 7. 12°) GNM, „Extract Holtzschucherbuchs“, fol. 9—Gatterer, a. a. O., S. 471. 121) LA Graz, a. a. O., fol. 8 u. 9 „Verzeichnis, was mir Lazarus Holtzschuher von Nürn­ berg, Gewerk des Neuberger und Veitscher Kupferbergwerks, d. hochw. Herr Toman Schmoll ... zu tun schuldig ist“, 1594 XII 31, Neuberg. 122) GNM, Holzschuher-Stammtafel-Gatterer, S. 470, spricht von „Rienbergkh" in Steiermark. 123) GNM, Extr. Holtzschucherbuchs, fol. 8'.

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nammen werden kann, daß er damals in- und außerhalb der Steiermark für seinen Vater verschiedene Geschäftsreisen zu besorgen hatte und deshalb mit Rücksicht auf die im Land grassierende Pest ein handgeschriebenes Ärztebuch zurückerbat124). Hieronymus d. J. verließ im darauffolgenden Jahr, in dem auch sein Vater das Zeitliche segnete125), Neuberg und machte anschließend mehrere Feldzüge gegen die Türken mit. Nach seiner 1605 stattgefundenen Vermählung mit Helena Kramer von Pograth (bei Eger) lebte er auf dem Gut seiner Ehegattin daselbst. In den Jahren 1607 und 1608 war er gemeinsam mit seinem, in Nürnberg lebenden Bruder Sigmund Gabriel noch am Mürz­ taler Bergbau beteiligt, doch dürfte damals ihr Nürnberger Verwandter Georg Meindl (Meinll) bereits der Hauptbeteiligte gewesen sein. Er hatte zu dieser Zeit unterhalb eines älteren Baues im Hirschbachgraben einen neuen Erb- und Fundstollen St. Barbara mit einem mächtigen Kupfererzgang aufgeschlagen. Der Aktionsradius der Firma Meindl im Montanhandel war außerordentlich weit gespannt und reichte bis nach Kuttenberg und Komotau 128). Holzschuhers Wiener Korrespondent war die Firma Hans Probst sei. Erben am Lugeck bei der „Goldenen Wollzeile" 127). Seither hören wir von einer Be­ teiligung der Holzschuher am steirischen Bergbau nichts mehr. Georg Meindl wird zuletzt 1617 erwähnt. Während des Dreißigjährigen Krieges besorgte der Bergrichter von Eisenerz die Aufsicht über diese Bergwerke, 1632 über­ nahm Hans Albrecht Freiherr von Herberstein die Bergbaue 128). Hieronymus Holzschuher d. J. heiratete nach dem Tode seiner ersten Gat­ tin Helena (f 1615) im Jahre 1622 in Amberg Anna Rosina Castner von Schnaittenbach und war damit in verwandtschaftliche Beziehungen zu einer be­ kannten Gewerkenfamilie des Amberg-Sulzbacher Reviers gekommen. Hiero­ nymus mußte als Evangelischer Böhmen im Jahre 1629 verlassen und starb in Nürnberg am 30. September 1642 129). So rundet sich das Bild solchermaßen ab, daß in Auswirkung des Schmalkaldischen Krieges, der eine Zerreißung der Fernhandelsbeziehungen zur Folge hatte, sowie der militärischen, politischen und wirtschaftlichen Ereignisse am Vorabend des großen Krieges die Nürnberger Montanisten — gleichwie die übrigen oberdeutschen Handelshäuser — nach einer einige Menschenalter 124) LA Graz, Archiv Neuberg, Schuber 65, H. 346, fol. 7. Vgl. meinen demnächst in der Festgabe für Museumsdirektor i. R. Dr. A. A. Barb (Wissensch. Arbeiten aus dem Burgenland, herausg. v. Burgenl. Landesmuseum in Eisenstadt) erscheinenden Aufsatz über Hieronymus Holzschuher d. J. als Gewerke im Mürztal. 125) Gatterer a. a. O., S. 45 5 u. 470. 126) R. Klier, Bespr. v. Janaiek, Geschichte des Prager Handels in der Zeit vor der Schlacht auf dem Weißen Berg, Prag, 1955 (MVGN 47) 1956, S. 503. — Vgl. auch H. v. Haller, Deutsche Kaufleute in Ofen zur Zeit der Jagellonen (MVGN 51) 1962, S. 472. 127) LA Graz, a. a. O., fol. 9, 9' u. 10, Hieronymus Holzschuher d. J. an Abt Caspar III. Seemiller, 1607 I 15, Nümberg-Ibidem, Schuber 212, fol. 10, 10' u. 11, Hieronymus d. J. an Abt Caspar III. Seemiller, 1608 VIII 8, Pograth. 128) Ibidem, fol. 12. 129) GNM, a. a. O. — Gatterer a. a. O., S. 471 — Über die Castner vgl. F. M. Reß, Die Berg- und Hüttengewerken-Familie der Castner zu Amberg („Der Anschnitt", 4/3) 1952, S. 4—9 (leider ohne Quellenangaben!).

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währenden wirtschaftlichen Verflechtung ihre Beteiligung am steirischen Berg­ bau zu Beginn des 17. Jahrhunderts aufgeben mußten130). Am Röhrerbühel bei Kitzbühel (Kössentaler Handel) waren die Behaim und Legrand indessen noch bis ins dritte Jahrzehnt des Jahrhunderts enga­ giert 131).

18°) Vgl. Trcmel, Frühkapitalismus, S. 148. — Ders., Oberdeutsche Kaufleute, a. a. O., S. 27. Ders., Die Niederlage der Stadt Murau 1490—1740 (Viertel)ahrsdirift f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch. 36) 1943, S. 56. — Ders., Die österreichische Wirtschaft zwischen 1620— 1740 (Österreich in Geschichte u. Literatur 5) 1961, S. 168 f. — Über die wirtschaftliche Lage Nürnbergs neuerdings Ernstberger, Abenteurer, a. a. O., S. 92 f. m) Vgl. PoSepny a. a. O., S. 324—332, u. Isser a. a. O., S. 164. — In Sterzing lassen sich Kössentaler Bergwerksverweser noch bis 1630 nachweisen.

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DIE ERNEUERUNG DER NÜRNBERGER ZOLLFREIHEIT IN STRASSBURG WÄHREND DES 17 UND 18. JAHRHUNDERTS Von Hans Joachim Berbig Erstaunlich vielfältig waren die Wechselbeziehungen, die einst zwischen Nürnberg und Straßburg bestanden. Die konfessionelle Gemeinsamkeit hatte im Zeitalter der Glaubenskämpfe eine natürliche Annäherung der beiden Reichsstädte bewirkt. Durch die zeit­ weilig enge Zusammenarbeit des Oberrheinischen und des Fränkischen Kreises ergaben sich weitere diplomatische Beziehungen, die gelegentlich zur gegen­ seitigen Vertretung aut dem Reichstag zu Regensburg führten1). Die Zoll­ freiheit lockte Jahr für Jahr viele Nürnberger Handelsleute nach Straßburg 2), und überraschend groß war die Zahl derer, die in der elsässischen Reichsstadt um das Bürgerrecht nachsuchten. Der nahezu gleichzeitige Aufstieg der beiden reichsstädtischen Universitäten hatte einen regen Austausch von Studentenund Professorenschaft zur Folge, so daß trotz der unsicheren politischen Ver­ hältnisse in der Zeit von 1651 bis 168 5 noch 8 5 Nürnberger in Straßburg und 10 Straßburger in Altdorf studierten3). Nürnberg war auch derjenige Kreis- und Reichsstand gewesen, der sich bis zum Raub Straßburgs, der bei allen Reichspatrioten Empörung auslöste, am tatkräftigsten für eine wirksame Reichshilfe für Straßburg eingesetzt hatte4). Aber auch nach 1681, als Straß­ burg politisch vom Heiligen Römischen Reich deutscher Nation getrennt und dem französischen Staat einverleibt worden war, riß zumindest in geistiger und wirtschaftlicher Hinsicht die Verbindung mit der ehemaligen Reichsstadt nicht ab. Solange die binnendeutschen Studenten die alte Straßburger Uni­ versität bezogen, war der Fortbestand enger kultureller Beziehungen zum Reich gewährleistet5).6 Neben den Wechselbeziehungen zwischen der reichs­ städtischen Universität Altdorf und der Straßburger Hochschule waren in Straßburg wie in Nürnberg Bestrebungen im Gange, die altgewohnten Han­ delsbeziehungen fortzusetzen. Seit Ausbruch des Pfälzischen Krieges mußte sich der Rat zu Nürnberg mit dem Problem der Erneuerung der Straßburger Zollfreiheit auseinander1) Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg: Verlaß des Inneren Rates (Rep. 60 a) Nr. 2674 fol. 80' und Nr. 2675 fol. 36. — Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg: Nürnberger Briefbuch (Rep. 61 a) Nr. 302 fol. 21'. 2) J. F. Roth, Geschichte des Nümbergischen Handels, Leipzig 1800—1802, Bd. 4, S. 36. 3) K. Goldmann, Straßburg und Nürnberg, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Bd. 46, 1955, S. 525. 4) Vgl H. J. Berbig, Der Fall Straßburgs im Spiegel der Nürnberger und Ansbacher Quellen, in: Das Nationalgefühl in Nürnberg nach dem Dreißigjährigen Krieg, München 1960, S. 37—71. 6) P. Wentzcke, Die alte Universität Straßburg und das Reich (1621—1793), in: Historische Zeitschrift, Bd. 158, Heft 2, 1938, S. 249—264.

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setzen. Denn einmal untersagten die geschärften kaiserlichen Avokatorien (1689) strikt allen Handel und Wandel mit dem Reichsfeind* 6).* Zum andern aber gefährdete Frankreich die Straßburger Zollfreiheit dadurch, daß die Nürnberger Kaufleute ein Fünftel der königlichen Zollgebühren entrichten mußten 7). Aus diesen Gründen sahen Nürnberg und Frankfurt vorläufig da­ von ab, Straßburg durch die übliche Übersendung symbolischer Geschenke um die Erneuerung der Zollfreiheit zu ersuchen8). Dem Rat erschien es zu gewagt, während des Kriegszustandes mit Frankreich in dieser Angelegenheit öffent­ lich mit Straßburg zu korrespondieren 9). Doch wollte er die Nürnberger Kauf­ leute nicht daran hindern, auf eigene Verantwortung und auf dem Umweg über die Schweiz mit Straßburg Handel zu treiben10).* Am 15./25. Juni 1689 verbot das Zoll- und Bancoamt den ansässigen Kaufleuten den Handel mit Schmuggelwaren und französischen Luxusartikeln zwischen Nürnberg und Straßburg, wies jedoch auf den Zwischenhandel über die Schweiz als Ausweich­ möglichkeit hin n). Die Kaufleute mußten sich dem Willen des Rates fügen, da die Erneuerung der Zollfreiheit nicht von ihnen, sondern nur von der Stadt Nürnberg beantragt werden konnte12). In einem Notifikationsschreiben vom 3. Dezember 1697 luden Meister und Rat der Stadt Straßburg zum Besuch der Weihnachtsmesse im Januar des fol­ genden Jahres ein13). Der Nürnberger Rat wurde um die Veröffentlichung des beigelegten Patents gebeten, das den Nürnberger Kaufleuten auf den vom französischen König neugestifteten Vieh- und Roßmärkten Zollvergünstigun­ gen versprach 14). Im Gegensatz zum Rat 15)*wollten die Marktvorsteher dem Beispiel Frankfurts 18) folgen und die Nürnberger Vieh- und Roßhändler von dem Straßburger Patent öffentlich in Kenntnis setzen. Allerdings solle man, so meinten sie, den französischen König nicht um die Erneuerung der alten Zollfreiheiten bitten, da sonst die französischen Kaufleute unter dem Namen der Straßburger Bürger den deutschen Markt mit ihren Waren überschwemmen würden 17). Da Straßburg im Frieden von Rijswijk wider Erwarten Frankreich zugesprochen worden sei, ermahnt Dr. Scheurl in seinem Gutachten den Rat, sich die Zollangelegenheit gut zu überlegen. „Dann einmal ist gewiß, daß, wann Straßburg die Zollfreiheit, wie leichtlich zu vermuten, reziproke erhalten wird, aus solcher Quell und unter dem Prätext und Vorgeben der Straßburger 8) I. Bog, Der Reichsmerkantilismus (= Forschungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, Stuttgart 1959), S. 110. — Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg: Differentialakten (Rep. 4) Nr. 754 Prod. 1. 7) DiffA Nr. 754 Prod. 3. 8) DiffA Nr. 754 Prod. 10. 9) DiffA Nr. 754 Prod. 11. 10) DiffA Nr. 754 Prod. 12. n) DiffA Nr. 754 Prod. 18. 12) DiffA Nr. 754 Prod. 23. 13) DiffA Nr. 754 Prod. 25. 14) DiffA Nr. 754 Prod. 26. 15) DiffA Nr. 754 Prod. 28. 16) DiffA Nr. 754 Prod. 29. 17) DiffA Nr. 754 Prod. 31.

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Güter alle französischen Waren dahin und von dorthero in hiesige Stadt zoll­ frei gebracht werden dürften, welche als ein wilder Strom non aufgehalten werden kann." 18) Der Rat schien die Bedenken der Marktvorsteher und seines Ratskonsu­ lenten zu teilen, da er die Erneuerung der Zollfreiheit auf sich beruhen und nur das Straßburger Patent zur Unterrichtung der Viehhändler und Metzger am Marktgewölbe öffentlich anschlagen ließ lö). Straßburg machte man auf einen starken Besuch seiner Messen und Märkte keine Hoffnungen, da diese zu kurzfristig angesagt worden seien und der Winter viele Kaufleute von der Reise abhalten werde 20). Die Frankfurter Handelsleute machten auf der Straß­ burger Weihnachts- und Neujahrsmesse überdies schlechte Erfahrungen. Als sie mit übermäßigen Zollforderungen belästigt wurden, forderte der Rat von den Straßburger Bürgern, die in Frankfurt Waren verkauften und die alte Zollfreiheit beanspruchten, kurzerhand dieselben Gebühren wie von anderen, unbefreiten Kaufleuten, versprach ihnen aber die Rückerstattung, wenn man in Straßburg den Frankfurter Bürgern gegenüber das gleiche Entgegenkommen zeigen würde21). Auch Nürnberg verlangte von den Straßburger Kaufleuten bis auf weiteres Zollabgaben 22). Am 16. Juni 1698 teilte der königliche Profos Johann Christoph Keller­ mann dem Rat zu Nürnberg offiziell mit, „daß die Handelschaften und Kommerzien wie vor diesem also auch wieder inskünftige ganz frei und ohne einige Hinderung oder neue Auflag getrieben werden mögen" 23). Die Nürnberger Handelsleute wurden zum Besuch der Johannismesse eingeladen; sie sollten außerdem wieder in den Genuß aller Meßfreiheiten gelangen, wenn sie die üblichen Geschenke in Straßburg präsentierten. Da die obige Notifikation nicht vom Rat selbst, sondern von dem höchst verdächtigen Vorstand des Straßburger Corps des Marchands ausgegangen sei, der nicht einmal die Titulatur vollkommen beherrsche, schlägt Andreas Ingolstätter vor, die Antwort den Marktvorstehern zu übertragen24). In einem zweiten Gutachten setzte sich Ingolstätter nach dem Vorgang Frankfurts für die Erneuerung der Zollfreiheit ein, da man sonst die Rache des französischen Königs zu befürchten habe 25). Der Rat beauftragte daraufhin Johann Christoph Pfaff mit der formellen Erneuerung der Zollfreiheit und ließ durch einen Kanzleiboten die symbolischen Geschenke überbringen“). Es handelte sich dabei um ein Richtschwert, um zwei linke lederne Falkenhandschuhe, ein weißes Haselnußstäbchen und einige Münzen. Kurz darauf bestätigte Keller­ mann dem Rat offiziell die Erneuerung der Marktfreiheit in Straßburg **). 18) 19) 20) 21) 22) 23) 24) 25) 26) ”) 17

DiffA DiffA DiffA DiffA DiffA DiffA DiffA DiffA DiffA DiffA

Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.

754 754 754 754 754 754 754 754 754 754

Pro.d Prod. Prod. Prod. Prod. Prod. Prod. Prod. Prod. Prod.

32. 33. 3 5. 36. 3 8. 39. 40. 47. 48. 50.

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Im Juli legten die Marktvorsteher dem Rat in einem Bericht nahe, sich ins­ künftig immer direkt an den Magistrat zu Straßburg zu wenden; doch müsse man vorher dessen neuen Titel in Erfahrung bringen, da nun ein königlicher Prätor mit im Rat sitze. Der Prevot des Marchands habe sich zwar „unlustig" darüber gezeigt, daß man nicht sofort auf sein Schreiben geantwortet hatte, wie das Frankfurt und andere Städte getan hätten. Jedoch sei daran wenig gelegen M). Da in Straßburg nur französische Währung akzeptiert wurde, war der Geldumtausch für die Nürnberger Handelsleute mit hohen Verlusten verbun­ den. Die Gebrüder Müller zeigten dem Rat im Namen aller nach Straßburg handelnden Kaufleute an, daß sie von den königlichen Beamten an der Aus­ führung ihrer erlösten Gelder gehindert würden und sie demnach nicht mehr die Meßfreiheiten wie im Jahre 1683 genössen. Dr. Christoph Melchior Sachs bat in seiner Eigenschaft als Rechtsbeistand der Nürnberger Kaufleute den neu­ ernannten kaiserlichen Legaten, Reichshofrat Binder, in der Straßburger Zoll­ angelegenheit um Vermittlung. Sachs wußte dabei geschickt seine persönlichen Beziehungen in den Dienst der Sache zu stellen, indem er Binder an dessen Straßburger Studien unter seinem Vater, der dort als Professor gewirkt hatte, erinnerte ”). Obwohl der Besuch der Straßburger Messen und Märkte wirtschaftlich nicht sehr vorteilhaft war, blieb die „reziprozierliche Zollfreiheit" bis zum Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges bestehen 30). Im April 1714 wurde Johann Georg Müller vom Rat mit der Überbringung der symbolischen Ge­ schenke beauftragt, um die Wiederaufnahme des Handels mit der befreundeten Stadt nach Beendigung des Krieges zu erwirken. 1719 beschränkte man in Straßburg die „reziprozierliche Zollfreiheit" willkürlich auf die gewöhnlichen Meßzeiten 31), obwohl man den Straßburgern in Nürnberg Jahr für Jahr nach der Entgegennahme eines Goldguldens ausschließliche Zollfreiheit gewährte 32). Aus dem Ratsverlaß vom 3. Juli 1720, der die Akten über die Erneuerung der Straßburger Zollfreiheit beschließt, geht jedoch hervor, daß den Nürn­ berger Handelsleuten in Straßburg „weiter nichts Beschwerliches zugemutet worden" M).

28) *») 30) 81) 82) 83)

DiffA DiffA DiffA DiffA DiffA DiffA

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Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.

754 754 754 754 754 754

Prod. Prod. Prod. Prod. Prod. Prod.

51. 67. 72. 129. 132. 152'.

DIE GESCHÄFTE DER FAMILIE FINCK IN NÜRNBERG

(Vorgeschichte der Drogerie Bäumler am Nürnberger Hauptmarkt Nr. 5) Von Friedhelm Büser

INHALTSVERZEICHNIS 1. Kapitel: Stellung und Bedeutung des Spezerei- und Materialhandels in der Reichs­ stadt Nürnberg......................................................................................................... 2. Kapitel: Die Entstehung der Firma Finck/Bäumler (17. Jahrhundert) . 3. Kapitel: Das Inventarium nach Johann Jacob Fincks Tod............................................. Das Warenverzeichnis......................................................................................... Die Geschäftsverbindungen.................................................................................. Die Bilanzierung ................................................................................................... 4. Kapitel: Die Geschäfte Georg Tobias Fincks, des Bruders Johann Jacob Fincks (1683—91) ......................................................................................................... Auswärtige Lager, Messen und Märkte........................................................... Tabakhandel........................................................................................................ Fischhandel........................................................................................................ Zuckerhandel........................................................................................................ Pfefferhandel........................................................................................................ 5. Kapitel: Johann Leonhard Finck als Nachfolger des Johann Jacob und des Georg Tobias Finck (1697—1719).......................................................................... 6. Kapitel: Die Zeit zwischen 1719 und 1763 ................................................................... 7. Kapitel: Die Geschäfte mit dem Kloster St. Clara in Eger (ca. 1700—1796) . 8. Kapitel: Die Ansiedlung des Geschlechts BäumleT in Nürnberg (18. Jahrhundert) 9. Kapitel: Die Übernahme der Firma durch Christoph Adam Bäumler (1763) .

ANHANG Tabelle Tabelle Tabelle Anlage Anlage

1: 2: 3: 1: 2:

Anlage Anlage Anlage Anlage Anlage

3: 4: 5: 6: 7:

Auszug I aus dem Inventarium von 1677 .................................................... Auszug II aus dem Inventarium von 1677 .................................................... Der Handel mit dem Kloster St. Clara in Eger von 1718 bis 1734 . Ablichtung aus dem Inventarium von 1677 (Abb. 1)..................................... Exkurs im Zusammenhang mit dem öffentlichen Wirken Johann Leonhard Fincks........................................................... /**'

' . Abb. 2. Seite 15 des Journalbuchs des Christoph Adam Bäumler von 1763 (Stadtarchiv Nürnberg)

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Lagerplatz Im Obern Boden Auff dem andern Boden In der Material Kammer In der Kammer an der Schreibstuben In der Schlaff Kammer In dem Hindern Gwölb Im Gwölb an dem Kram In dennen am Kram Auff dem Bödenlein in dem Kram Im Keller am Kram Im Kram (Bargeld) Insgesamt

Zahl der Waren­ positionen 14 8 136 12 62 38 129 14 208. 68 467 1 1 157

Wert des Warenlagers A. 83 23 1 139 488 528 1 144 1 647 282 989 1 039 2 483 446 10 296

Kr. 14 42 34 2 6 —

49 3 50 43 38 38 23

pf. — —

2 1 2 3 1 1 3 1 2 — —

Die obrige Tabelle ergibt dies eindeutig. Das Sortiment umfaßte — unter Berücksichtigung mehrfacher Positionen einzelner Warenarten — 1000 bis 1100 Artikel. Die Firma führt heute rd. 5000 Artikel5), woraus ersichtlich wird, daß ein Sortiment gemäß dem Inventarium von 1677 leicht überschaubar war. Es dürfte auch nicht schwierig gewesen sein, beispielsweise 467 Artikel im Kram so zu lagern, daß Ordnung und Übersichtlichkeit herrschte. Die handelsmäßige Bedeutung der einzelnen Waren kann aufgrund des Inventariums nur sehr vage bestimmt werden, da man die Umsätze nicht kennt. Versuche, zu einem Urteil zu gelangen, können von den Mengen oder von den Preisen der einzelnen Artikel ausgehen. Eine Reihe von Waren ist in beachtlichen Mengen 8) aufgeführt: rd. 2100 Pfund, Div. Sorten Ingwer7) rd. 1000 Pfund, div. Sorten Pfeffer8) rd. 1000 Pfund, div. Sorten Zucker9) 660 Pfund, rd. Reis 700 Pfund, rd. Kreide 10) Blauholz “) rd. 1840 Pfund. 5) Nach freundlicher Auskunft durch die Mitinhaberin Frau Kettel. 6) Das alte nümbergische Pfund wurde im Jahre 1806 auf 0,9111 Pfund „kön. baierisdies Normal-Zivil-Gewicht“ umgerechnet. (Königlich-Baierisches Regierungsblatt, LX. Stüde, München 1811, Sp. 1343/44.) Im Zuge der Reichsgründung erfolgte dann eine weitere Umstellung des bayerischen Gewichts aiuf das heute geltende Gewicht, indem ein baye­ risches Pfund gleich 560 Gramm gesetzt wurde. (Hermann Hoffmann, Münzen, Maße, Gewichte, Preise und Löhne in Bayern, in: Mitteilungen für Archivpflege in Bayern. 1. Jg. 1955, H. 1/2, S. 16 ff.). Das ergibt 0,911 X 560 = 510 Gramm heutiges Gewicht für ein altes nümbergisches Pfund. 7) Schwarzer, weißer, gestoßener, eingemachter Ingwer. 8) „garbelierter“, gestoßener Pfeffer, Piper long. (Pfefferschote). 9) „Canari“ Zucker: in großen brodt, fein, stumpf; Candis: in brodt, braun; Melles Zucker: in brodt. 10) auch „Federweiß" genannt. n) „Blob Holtz". 18

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Möglicherweise waren die hohen Bestände durch große Umsatzmengen bedingt. In diesem Falle könnten gängige Massenartikel und seltenere Spe­ zialitäten ohne weiteres unterschieden werden. Es ist aber ebensogut möglich, daß es sich um längerfristige Bevorratungen handelte, bedingt durch günstige Transportmöglichkeiten, momentane Lieferfähigkeit der Lieferanten über­ haupt oder die Preisentwicklung (Spekulation). Als Rechnungseinheiten dienten im Inventarium Gulden (fl.), Kreuzer (x) und Pfennige (d) im Verhältnis 1 : 60 : 4. Die Preise wurden jedoch sehr uneinheitlich in Gulden, Kreuzern und Schillingen (1 ß = 3 x) notiert. Ver­ einzelt finden sich auch Batzen (= 4x) und Reichstaler (= 90 x). Auffällig ist, daß kein Pfennigpreis vorkommt. Daraus ergibt sich daß die Waren des unmittelbaren Verbrauchs (Zucker, Pfeffer, Reis, Tabak usw.), welche im Sortiment enthalten waren, Güter gehobenen Bedarfs darstellten. Es wäre auch eine geringe Kaufkraft des Geldes denkbar, bei der die kleinste Geld­ einheit keine praktische Bedeutung mehr hat. Jedoch hatten Güter des täg­ lichen Bedarfs zu jener Zeit (1677) durchaus auch Pfennigpreise, z. B. kostete eine Kohlstaude einen Pfennig, ein Maß Milch drei, ein Maß Milchrahm acht Pfennige 12). Beim Handel mit anderen Händlern und Weiterverarbeitern wären Pfennigpreise infolge der größeren disponierten Mengen nicht sinnvoll, so daß diese Erklärung ausreichen dürfte. Die Preisbasis bildeten Pfund, Lot (= V32 Pfund), Zentner (100 Pfund), Stück, Ries und Buch (V15 Ries)la). Oft lautete der Preis auf 100 Pfund oder 100 Stück. Die Preisstellung „Schillinge pro Pfund" und „Gulden pro 100 Pfund" überwog. Billige Artikel hatten Preise in Kreuzern pro Pfund oder 100 Pfund. Teuere Waren wurden mit Gulden pro Pfund notiert14). Aus der Preisstellung „Gulden pro 100 Pfund" kann auf Güter geschlossen werden, die in großen Mengen bzw. im Großhandel gehandelt wurden. Sie sind mit Sicherheit damals für die Firma handelsmäßig bedeutsam gewesen. Die Höhe der Preise — absolut und im Verhältnis zueinander — läßt keine nähere Beurteilung zu. Das ist in der Ungewißheit über das angewandte Be­ wertungsverfahren begründet. Eine gesetzliche Regelung gab es nicht15). Es sei daher der Versuch unternommen, zu einer Übersicht über die in verbreiteten Lehrbüchern enthaltenen Lehrmeinungen hinsichtlich des Bewertungsproblems zu gelangen. Wegen der Geschlossenheit der Darstellung wurden auch Lehr­ bücher des 18. Jahrhunderts mit herangezogen, obwohl sie für die Frage der Bewertung in einem Inventarium von 1677 nicht verwendet werden können. a) Henricus Grammateus18) gibt folgende Regel: „Ist sie (die Ware, Verf.) alle verkauft oder verstochen, so setze das Geld, das dafür geschrieben im Verkaufen oder im Stich, und so aber noch etwas geblieben derselbigen Ware, 12) 15) u) lß)

Johann Paul Prien, Geschichte der Stadt Nürnberg, Nürnberg 1875, S. 245/246. 1 Neuries = 10 Buch. Bei keinem der Preise im Inventarium ist die Preisbasis ausdrücklich genannt. Nachfolgend nach Balduin Penndorf, Geschichte der Buchhaltung in Deutschland, Leipzig 1913.

16) Künstliches Rechenbüdüein, 1518; Penndorf, a. a. O., S. 107 ff., insbes. S. 111.

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so schätze es auf seinen Wert im Kaufen, tue sein Geld zu dem anderen/' Demnach sollte zum Einkaufspreis bewertet werden. b) Valentin Mennher 17) hielt den Zeit- oder Tageswert für den richtigen: „Die vorhandenen Waren werden zu dem Preise eingesetzt, wie er dann diser zeit gern gillt.“ Allerdings ist nicht erkennbar, ob er den Einkaufs- oder Verkaufspreis am Stichtag meinte. c) Sebastian Gammersfelder 18) empfahl wie Grammateus den Einkaufs­ preis: „Bei Warenkonten soll man erst nachsehen, ob dieselbe Ware auch all verkauft sei / oder nicht / und wie viel noch unverkauft ist. Item wie viel sie kostet/' d) Jaques Savary 19) meinte, „man soll .. . den Wert“ der Waren „so an­ setzen, daß sich durch den späteren Verkauf bei der nächsten Inventur ein Gewinn ergibt“. „Bei neuen Waren ist ... der Einkaufspreis zugrunde zu legen. Kommt eine Ware aus der Mode oder ist der Preis gesunken, so muß der Wert niedriger eingesetzt werden.“ Der Bewertungspreis liegt also stets unter dem Verkaufspreis. e) H. Magelsen20) und M. R. B. Gerhardt21) gingen von bereits vorhan­ denen Inventaren aus und schrieben je nach der Erfahrung des Einzelfalles für das neue Inventar generell 4—5% vom bisherigen Wert ab. Gerhardt betonte als zusätzliche Orientierungsgröße für die Bewertung den kurzfristig realisier­ baren Verkaufspreis, soweit er niedriger liegt als beim generellen Verfahren. Die Übersicht ergibt, daß wohl in der Regel zu Einkaufspreisen bewertet wurde, es sei denn, daß in Einzelfällen die Verkaufspreise am Stichtage nie­ driger waren und demgemäß in Ansatz kamen. Es handelte sich also um Bewertungsgrundsätze, die auch heute noch gelten, wonach nicht realisierte Gewinne nicht ausgewiesen werden dürfen, mögliche Verluste hingegen aus­ gewiesen werden müssen. Hieraus folgt, daß im vorliegenden Inventarium überwiegend nach Einkaufspreisen bewertet worden ist. Eine merkwürdige Ausnahme in der Bewertung bildete der Pfeffer. Sein Preis war mit 4V2 Schilling pro Pfund notiert. Während nun sonst ohne Aus­ nahme 1 Schilling = 3 Kreuzer gerechnet wurde, besteht hier die Relation 1 Schilling = 3V4 Kreuzer. Der Umstand, daß statt mit 47/s Schilling pro Pfund in der üblichen Relation 1 : 3 mit dem Preis von 4V2 Schilling pro Pfund = 14*5/8 Kreuzer gerechnet wurde, zeigt, daß es sich bei dem Preis von 4V2 Schilling pro Pfund offenbar um eine Art Festpreis handelte, der üblich und allgemein bekannt war. Berücksichtigt man, daß es sich um einen Ein­ kaufspreis handelte, so läßt dies eine ganz bestimmte Marktsituation für Pfeffer erkennen. Die Konkurrenz der Importeure war offenbar groß. Eine der begünstigenden Konditionen für Großabnehmer konnte nun darin bestehen, 17) Buech halten, kurz begriffen durch zway Buecher, Antorff 1563; Penndorf, a. a. O., S. 133 ff., insbes. S. 136. 18) Buchhalten durch zwey Bücher nach Italianischer Art und weise, Danzig 1570; Penndorf, a. a. O., S. 140 ff., insbes. S. 146. Penndorf bezeichnte Gammersfelders Buch „als die beste deutsche Darstellung der Buchhaltung im 16. Jahrhundert“. (S. 140). 10) Le parfait Negociant, 1675; Penndorf, a. a. O., S. 240, vgl. aiuch S. 236. 20) Die ersten Gründe des Buchhaltens, Altona 1772; Penndorf, a. a. O., S. 241. tl) Der Buchhalter, 3 Bde., Berlin 1796/99; Penndorf, a. a. O., S. 241. 18 *

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MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finck

daß dem Kunden der Schilling statt mit 3 mit 3V4 Kreuzern gutgeschrieben bzw. ein versteckter Rabatt in Höhe von 8V3 °/o gewährt wurde. Somit hätte auch schon im 17. Jahrhundert eine der heute üblichen Formen der Preis­ politik bei Markenartikeln bestanden. Solche Verhältnisse lassen aber auch den Schluß zu, daß die damalige Firma Finck einen umfangreichen Handel mit Pfeffer trieb. Für die handelsmäßige Bedeutung der übrigen Artikel fehlen exakte Anhaltspunkte, wie die Untersuchungen ergeben haben. Geht man jedoch von der Preisstellung „Gulden pro 100 Pfund“ aus, so kann bei diesen Artikeln, wenn größere Bestände vorhanden waren, vermutet werden, daß sie gängig und somit handelsmäßig von Interesse waren. Unter diesem Aspekt lassen sich im Intventarium hauptsächlich drei Warengruppen erkennen: 1. Technische Rohstoffe, 2. Gewürze, 3. Nahrungsmittel22). Bei Gewürzen und Nahrungsmitteln wurden alle nennenswerten Vorräte in die Tabellen aufgenommen und insofern das in der Art der Preisnotierung (fl. % 8) liegende Auswahlprinzip teilweise durchbrochen. Damit soll nicht die handelsmäßige Bedeutung einzelner Artikel dieser Gruppen behauptet werden, da das aus den genannten Gründen23) nicht möglich ist. Die einzige Ausnahme bildet trotz Preisnotierung in Schilling pro Pfund der Pfeffer, wo das Vorhandensein eines lebhaften Handels aufgrund der obengenannten Um­ stände als erwiesen gelten kann. Sieht man jedoch den Gewürz- bzw. Nah­ rungsmittelhandel als Einheit, so dürfte die Aussage zulässig sein, daß diese beiden Gruppen neben den Artikeln, die als technische Rohstoffe zu bezeich­ nen sind, den Hauptteil des Handels der Firma um 1677 ausmachten. Um eine Übersicht über das gesamte Warenverzeichnis des Inventariums zu erhalten, muß eine Systematik entwickelt werden. Ein Drogist würde fast alle aufgeführten Waren als Drogen bezeichnen. Drogen sind Erzeugnisse, die „aus dem Pflanzen- und Tiereich“ stammen und „arzneilich oder technisch“ verwendet werden. Aus der Sicht des Herkommens und Erzeugens der Drogen werden folgende Gruppen unterschieden24): I.

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Wurzeln Hölzer Rinden Blätter Kräuter Blüten Früchte Samen

Drogen

9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.

Abscheidungsstoffe Harze Aetherische Öle Gifte Fette und Wachse Pflanzensäfte tierische Drogen

**) s. Anhang Tabelle 1. S. 331. ») Vgl. S. 273. 24) Vgl. Lehrgang für Drogisten-Facbscbulen, hrsg. v. Deutschen Drogisten-Verband e. V., 2. Aufl., Berlin 1931, S. XII ff.

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II. Farben 1. für Färberei 2. für Malerei und Druckerei Nach dieser Einteilung ist Safran eine Blüte, Zucker ein Abscheidungsstoff und Tabak ein Blatt. Das mag unter bestimmten pharmazeutischen Gesichts­ punkten aufschlußreich sein. Der wirtschaftliche Aspekt muß sich jedoch primär an der Nachfrage, d. h. dem Bedarf oder der Verwendung der Waren orien­ tieren. Indessen wird auch hier die grobe Unterscheidung in arzneiliche und technische Verwendung dem Sortiment nicht gerecht, wie die angeführten Beispiele Safran, Zucker und Tabak ohne Weiteres zeigen. Als zweckmäßig dürfte sich daher eher die folgende Systematik erweisen: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Arzneien und deren Rohstoffe Technische Rohstoffe und Farben Gewürze Nahrungsmittel Genußmittel Sonstiges

Die Gruppe „Sonstiges" “) umfaßt zunächst solche Waren, die wir heute als abergläubische Medizin oder als Kuriositäten bezeichnen, wie Otternköpfe, Krebsaugen, Elendsklauen und eine Mumienhand. Am Schluß des Waren­ verzeichnisses sind noch, offensichtlich abgesondert von den regulären Waren, verschiedene Stücke aufgeführt worden, die wohl auch schon damals als Kurio­ sitäten empfunden wurden, wie drei Straußeneier, zwei Krokodile, zwei Schlan­ gen und ein Meerigel26). Immerhin waren diese Gegenstände noch bewertet, wenn auch nicht in der regulären Art von Menge mal Preis, sondern pauschal mit glatten Guldenbeträgen. Verschiedenfarbige Folien, Schalen aus Metall oder Perlmutt, Muscheln, Pergament (Türckhisch Papier) und 110 Pfund Magnetsteine können ebensowenig zum regulären Sortiment gerechnet werden wie die in der Schlafkammer aufbewahrten Perlen und Edelsteine. Dagegen deutet ein Vorrat von insgesamt 653 verschiedenartigen Tabakspfeifen auf einen lebhaften Verkauf am Platze hin. Die Geschäftsverbindungen

Anschließend an das Warenverzeichnis folgen im Inventarium die Forde­ rungen und Verbindlichkeiten. Die Debitoren sind als „gutgeachtet" bezeich­ net, was wiederum auf das Bewertungsprinzip hinweist27). An GeschäftsM) Siehe Anhang Tabelle 2, Seite 333. **) Siehe Anlage 1. 27) Siehe S. 275.

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Geschäfte der Familie Finde

büchem sind das „Schuldbuch in Rotleder gebunden Nr. 3 und das „Kram­ buch Nr. 1“ zitiert. In beiden Büchern sind sowohl Debitoren als auch Kre­ ditoren enthalten. Man unterschied die Geschäftsverbindungen also nicht nach Kunden und Lieferanten, sondern nach Groß- und Einzelhandel. Die Nume­ rierung der beiden Bücher läßt nicht ohne weiteres den Schluß zu, daß der Großhandel der Firma wesentlich umfangreicher als ihr Einzelhandel gewesen sei, da sicherlich viele Einzelhandelsgeschäfte unter Barzahlung erfolgten und daher nicht verbucht wurden. Die Zahl der Debitoren beläuft sich auf 26 aus Großhandel und 50 aus Einzelhandel. Groß- und Einzelhandelsforderungen bestanden gleichermaßen in Nürnberg wie an auswärtigen Plätzen. Man kann also nicht sagen, daß innerhalb der Stadt nur Einzelhandel und außerhalb nur Großhandel getrieben wurde. Offenbar bestand vielmehr eine ganz bestimmte mengen- oder wertorientierte Vorstellung über den Umfang der Geschäfte, welche für die Kategorisierung als Einzel- oder Großhandelsgeschäfte aus­ schlaggebend war. Ebenso verhielt es sich bei den Kreditoren. Es waren 25 aus Groß- und 9 aus Einzelhandel. Von den somit insgesamt 51 aufgeführten Geschäftsverbindungen aus Großhandel entfielen 21 auf Nürnberg. Beim Ein­ zelhandel befanden sich unter dem insgesamt 59 ausgewiesenen Verbindungen 14 auswärtige 28). “

Geschäftsverbindungen Einzelhandel in Nürnberg auswärts An Orten sind u. a. Amsterdam, Ansbach, Augsburg, Bamberg, Dinkels­ bühl, Eger, Ellwangen, Frankfurt, Fürth, Graz, Salzburg, Schaffhausen, Schwäb. Hall, Venedig, Wien und Würzburg genannt. Ein Teil der aufgeführten Verbindlichkeiten setzte sich aus einem Grundbe­ trag und Zinsen zusammen. Hier handelte es sich offensichtlich nicht um Verbind­ lichkeiten aus den üblichen Warengeschäften, sondern um langfristige verzins­ liche Darlehen. Die ersten beiden der nachstehend aufgeführten Kreditoren sind jedoch inmitten der übrigen Handelskreditoren enthalten und wie diese mit einem Seitenverweis auf das Hauptbuch versehen. Bei den übrigen Posten fehlt jeglicher Verweis. Sie dürften daher aus dem Geheimbuch stammen. Dieser Unterschied in der Verbuchung ist insofern aufschlußreich, als Peter Caspar Glaßer aus Frank­ furt Johann Jacob Fincks Schwager und Georg Tobias Finck sein Bruder war. Allein das Verwandtschaftsverhältnis kann nicht ausschlaggebend gewesen sein, denn das Darlehn seines Schwiegervaters Michael Endter war im Geheim2|8) Teilweise stehen hinter den Personennamen keine Ortsnamen. In diesen Fällen wird an­ genommen, daß es sich um Nürnberger Verbindungen handelte.

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MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde Grundbetrag

Name

Peter Caspar Glaßer in Frankfurt Georg Tobias Finck Hannß Adam Hilling Georg Winter Michael Endter Johann Nicolay Bußenreutherische Kinder

Gesamt

Zinsen per ult. Juni

fl.

x

d

%> p. a.

1200





1650 1000 1500 1000 450 200

— — — — —■ —

7000



Insgesamt

fl.

x

d

fl.

x

d

4,2

25





1225





— — — — — —

4,6 1,7 4,2 1,3 1,7

38 8 31 6 3







1688 1008 1531 1006 453 200

20 15 40 45



— — — —



20 15 40 45



— — — — — —



3,2

113





7113





buch verbucht. So verbleibt als Erklärung, daß es sich um Erbanteile der Ge­ schwister Johann Jacob Fincks an der Firma handelte, welche er möglichst bald auszuzahlen gedachte. Der Umstand, daß Georg Tobias Finck unter den Gläubigem der Firma aufgeführt ist, zeigt zugleich, daß nicht er Nachfolger seines verstorbenen Bruders wurde und dessen Witwe auszuzahlen hatte, wie es zuvor zwischen Paulus und Johann Jacob Finde geregelt worden war29). Vielmehr dürfte das Inventarium von der Witwe des Verstorbenen selbst erstellt worden sein. Gegen den Beteiligungscharakter der Darlehen spricht ihre feste Verzinsung. Diese schwankte bei den einzelnen Gläubigern zwischen 1,3% und 4,6% und betrug im Durchschnitt 3,2% p. a. Bei den unverzins­ lichen 200 Gulden zugunsten der Bußenreutherischen Kinder handelte es sich wahrscheinlich um eine Forderung der Erbengemeinschaft eines verstorbenen Bußenreuth gegen die Firma, denn eine Stiftung oder desgleichen unter diesem Namen ist nicht bekannt. Die Bilanzierung

Eine Bilanz im formalen Sinne einer Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva ist zwar im Inventarium nicht errichtet. Grundsätzlich kann man bei dem angewendeten Verfahren aber dennoch von einer Bilanzierung sprechen. Der Wert der Vorräte und Federungen wurde addiert und um die Verbindlich­ keiten vermindert. So „verbleibt demnach an der Handlung noch" 30) ein Saldo, den man vielleicht am ehesten als betriebsnotwendiges Eigenkapital bezeich­ nen kann.

") Vgl. S. 268. 80) Inventarium, a. a. O., Bl. 27'.

279

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Geschäfte der Familie Finde

Bilanz per 30. Juni 1677 Passiva

Aktiva fl. Bargeld Forderungen Warenvorräte Summe

x

d

446 38 — 2 228 32 — 9 849 45 — 12 524 55 —

fi. Verbindlichkeiten kurzfristig langfristig „Kapital“ Summe

xd

2 086 53 — 7 000 — — 3 438 2 — 12 524 55 —

Die kurzfristigen Verbindlichkeiten waren durch die Forderungen gedeckt. Das Warenlager war daher zu reichlich zwei Dritteln mit langfristigen Fremd­ mitteln und im übrigen eigenfinanziert. Berücksichtigt man das Fehlen der Immobilien und der Gerechtigkeit bei den Aktiva, wodurch sich der „Kapital“ genannte Saldo auf der Passivseite entsprechend erhöhen würde, so kann von einer gesunden Finanzstruktur gesprochen werden.

280

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4. Kapitel

Die Geschäfte Georg Tobias Fincks, des Bruders Johann Jacob Fincks (1683 —1691)

Nach dem lnventarium von 1677 ist im Firmenarchiv Bäumler als zeitlich nächstes Geschäftsbuch ein „Handbuch von 1683 N° l“ x) erhalten. In ihm wurden die Geschäftsvorfälle in zeitlicher Folge verbucht, wobei zunächst der Monat als Zeiteinheit zu sehen ist. Innerhalb des Monats wurden zuerst die Einkäufe (Gewölbekonto an Kreditoren), dann die Verkäufe (Debitoren an Gewölbekonto), restliche Frachtzahlungen (Unkosten an Debitoren bzw. Beauftragte), Zahlungseingänge (Kasse an Debitoren), geleistete Zahlungen (Kreditoren an Kasse) einschließlich Haushaltungskosten (meistens abgekürzt HH) und schließlich die „Handlungskosten“ („Nutz und Schadt“ *2) an Un­ kosten, in einer Summe) gebucht3). Die Buchungen innerhalb dieser Gruppen erfolgten in chronologischer Reihenfolge nach Tagen. Außer dem Buchungs­ satz und dem Buchungsbetrag wurden die Einzelheiten des Geschäftsvorfalles notiert. Insofern besteht ein Unterschied zum Journal. Bei Einkäufen wurden die gekauften Warenarten, -mengen und -preise mitgebucht. Bei Verkäufen außerhalb der Stadt wurden darüber hinaus alle Einzelheiten der Versendung vermerkt (Name des Fuhrmanns, Zahl der Collis, Gewicht mal Tarif je nach Entfernung sowie die bei Absendung auf die Gesamtfracht geleistete Teil­ zahlung), obwohl die Frachtkosten nicht direkt in den Buchungs- bzw. Rech­ nungsbetrag eingingen (Bruttopreise). Generell wurden Brutto-, Tara- und Nettogewicht angegeben und letzteres schließlich noch von nürnbergischem in bayerisches Gewicht umgerechnet, soweit die Ware durch bayerisches Gebiet ging. Sogar die Signierung und Numerierung der empfangenen wie verkauften Kisten, Kübel, Säcke, Ballen und Rollen wurde im Handbuch vermerkt. Man erhält so eine ausgezeichnete Übersicht über die getätigten Geschäfte. Zugleich ist offensichtlich, daß dieses Handbuch mehr bedeuten sollte als die Grundlage für Buchungen im Hauptbuch. Mühelos konnte durch monatliche Saldierung von Forderungen und Verbindlichkeiten und anschlie­ ßenden Vergleich mit dem Kassenbestand der Finanzstatus ermittelt werden. Ebenso schnell war eine Übersicht über die Bestände der wichtigsten Handels­ güter zu gewinnen. In dem Handbuch waren demnach nicht nur die Einzel­ heiten der Geschäfte aus dem Memorial mit den chronologischen Buchungs­ sätzen aus dem Journal vereinigt, sondern es bot durch de sachliche Gruppie­ rung innerhalb der einzelnen Monate darüber hinaus wichtige Übersichten. *) NW 15—4 StadtA. Eingeklammerte Folienverweise im Text dieses Kapitels beziehen sich auf dieses Handbuch. 2) Gewinn- und Verlust-Konto. 3) Hier werden die Bezeichnungen „Debitoren“ und „Kreditoren“ im heutigen Sinne für „Kunden“ und „Lieferanten" gebraucht. Im vorliegenden Handbuch dagegen war jedes Konto „Debitor“, auf dem gerade Soll gebucht wurde und umgekehrt. So lautete der Buchungssatz bei Kundenzahlungen „Cassa Conto Soll an folgende Creditores“, bei ge­ leisteten Zahlungen „Folgende Debitores Sollen an Cassa Conto“. Heute würde man „Kasse an Debitoren“ und „Kreditoren an Kasse“ sagen.

281

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde

Von den 500 Blätem des 38x24 cm großen Lederbandes sind im ur­ sprünglichen Sinne des Handbuchs die ersten 265 Blätter beschrieben. Die Einträge reichen vom Januar 1683 bis zum Mai 1691. Auf Folio 118 wurde am 9. Juli 1685 ein Verkauf von 41V2 Pfund „Gartser Öl" 5) zum Preise von 22 Gulden pro 100 Pfund 6) an Christoph Melchior Riedner verbucht. Dieser bezahlte seine Schuld bar am 25. August 1685 (fl. 9, ß 2, d 8; fol. 12l'). Umgekehrt lieferte Riedner im Januar 1687 für rd. 450 Gulden Indigo (fol. 241), was mit drei Zahlungen im Januar, Mai und Oktober 1688 beglichen wurde (fol. 249, 254, 259). Es bestanden also Geschäftsbeziehungen zwischen Riedner und der Firma, von der das Handbuch stammt. Riedner hatte 1677 Dorothea Maria, die Witwe des Johann Jacob Finck geheiratet7) und ge­ meinsam mit ihr das Inventarium der Firma ihres verstorbenen Mannes er­ stellt8). Er muß die Firma Finck bis zu seinem Tode im Jahre 1697 weiter­ geführt haben, denn er wohnte zuletzt „am Krebsstock" 9). Ein weiterer Beweis hierfür ist darin zu sehen, daß der einzige Sohn des verstorbenen Johann Jacob Finck, Johann Leonhard, erst im Jahre 1677 geboren wurde und sein Erbe als Leiter der Firma aus Altersgründen schwerlich vor dem Tode seines Stiefvaters hätte an treten können. Georg Tobias Finck, der letzte noch lebende Bruder Johann Jacob Fincks, ist mit Sicherheit nicht dessen einstweiliger Nachfolger gewesen. Das ist zunächst daraus zu ersehen, daß er zur Zeit seines Todes im Jahre 1714 nicht „am Krebsstock", sondern „gegenüber dem Bitterholz" wohnte10). Nach seinem Tode wurde das „Handbuch von 1683" von seinem Neffen Johann Leonhard Finck, nunmehr Leiter n) der Firma seines Vaters, als Briefkopierbuch weiterbenutzt. Dieser schrieb am 21. Mai 1714 an einen Geschäftsfreund namens Benedict Winckler in Augsburg: „Muß hiermit be­ deuten, daß Herr G. T. Finckh ohnlängst gestorben und dessen negozio ich geerbt und prosequirt wird unter Nahm Joh. L. Finckh." (fol. 266') Georg Tobias Finck war also Inhaber einer eigenen Firma gewesen. Das Handbuch dürfte aus dieser Firma stammen, wobei auffällt, daß es nur bis 1691 geführt wurde und die Buchungen in den letzten Jahren immer spärlicher waren.

5) Camphora reffinata (so in einem Lagerbuch o. J., S. 9; NW 15—99 StadtA). 6) Im Inventarium von 1677 wurde das „Gartser Öl“ mit 15 Kr. pro Pfund = fl. 25 °/o Pfund bewertet. 7) Vgl. S. 269. 8) Vgl. S. 272. ö) Totenbuch St. Sebald Nr. S. 42, S. 390, LKA. 10) Ebenda Nr. S. 44, S. 151, LKA; heute eines der Anwesen Karlstraße 2—10. Er wurde im Grabe seines Schwagers Peter Caspar Glaßer auf dem Johannisfriedhof be­ graben (Grabstättenbuch St. Johannis, Nr. 2154, Bestand Vereinigtes Kirchenvermögen Nürnberg Nr. 5, LKA). Der Handelsmann Peter Caspar Glaßer stammte aus Saalfeld und heiratete im Jahre 1659 Anna Regina Finde (Traubuch St. Sebald Nr. S. 25, S. 342 a, LKA). Nach dem Tode seiner Frau im Jahre 1672 (Grabstättenbuch, a. a. O.) übersiedelte er nach Frankfurt (vgl. S. 278). n) Inhaberin blieb bis zu ihrem Tode im Jahre 1717 (Johann Leonhard Finde unterrichtete in einem Brief an die Äbtissin des Klosters St. Clara in Eger diese entsprechend. Handbudi fol. 326) seine Mutter.

282

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Jahr

fol.

1683 1684 1685 1686 1687 1688 1689 1690 1691

1 39 91 143 206 248 261 263' 264'

bis

fol.

Seiten

38' 90' 142' 205' 247' 260' 263 264 265

76 104 104 126 84 26 5 2 2

Das mag daran liegen, daß Georg Tobias Finck im letzten Drittel seines langen Lebens (er wurde 79 Jahre alt) seine geschäftliche Aktivität vom eigenen Warenhandel weg und hin zu Speditions- und Kommissionsgeschäften wandte. Was von den bisherigen Geschäften noch verblieben war, dürfte seinen Niederschlag im Handbuch gefunden haben. Hinweise auf diese Ent­ wicklung geben vereinzelte Speditions- und Kommissionsgeschäfte, die im Jahre 1686 erstmals12) im Handbuch auftauchen und schnell an Häufigkeit zunehmen. Nachfolgend seien zwei Beispiele gekürzt wiedergegeben: 1. Kommissionsgeschäft vom Oktober 1686 (fol. 188) Johann Leheberger in Kitzbühl erhielt Tabak im Werte von 195 Gulden. Finck berechnete ihm außer dem Tabakpreis: Fracht bis Salzburg fl. 63, Kr. 20; davon inNürnberg bezahlt fl. 13, Kr. 1 °/ von fl. 195 für Zahlung des Betrages an den Lieferanten fl. 1, Kr. Waag-, Zeichengeld und Ballenbinder......................................fl. 2, Kr. lVatyo Provision von fl. 195.....................................................JL______ 2, Kr. fl. 20, Kr. 2. Speditionsgeschäft vom Novembre 1686 (fol. 193'

/

20 58 39 56 53

194)

Christian Weyer in Wien erhielt von seinem Bruder Wilhelm in Amster­ dam eine Kiste (signiert CW Nr. j) Leinwand via Nürnberg. Finck schickte die Kiste weiter und berechnete dem Empfänger in Wien folgende Kosten: Frachtkosten — 31/* ctr. ä fl. 4 = fl. 13, davon in Nürnberg bezahlt................................ Rest der Fracht Amsterdam — Nürnberg . Waag- und Zeichengeld........................................ Provision für Empfangen und Versenden Briefporto von und nach Wien wie auch Amsterdam

fl. 3, Kr. — fl. 4, Kr. 30 fl. —, Kr. 8 fl. —, Kr. 26 fl. —, Kr. 50 fl. 8, Kr. 54

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MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde

Auch aus der Korrespondenz Johann Leonhard Fincks ist der Wandel vom Material- und Spezereihandel seines verstorbenen Onkels, wie er im Handbuch aufgezeichnet worden ist, hin zum Speditions- und Kommissionshandel ersicht­ lich. In einem weiteren Brief an Benedict Winckler in Augsburg vom 6. Juni 1714 weist er nochmals auf den „Antritt der von meinem H. Vettern Seel, überlassenen Spedition und Commissions Affaire“ hin, „worzu meine eifrige Dienste an Selbe nochmals bestens offerier und recommandier" (fol. 269'). Am 7. Juni 1714 schreibt Johann Leonhard Finde an Hanns Gümmer in Bozen, sein Onkel habe ihm „als dem nächsten Anverwandten seine noch übrigge­ bliebenen Commissiones verlassen. Wann ich dann aus der Correspondenz mit Herrn Oßwald Leupold in Langensalza ersehe, daß von u. an denselben viele Güter durch meines H. Vettern Seel. Hand gewandelt, als habe das gute Vertrauen, E. E. werden dero Gewogenheit ebenfalls zu mir wenden." (fol. 270) Dem letzten Brief ist zu entnehmen, daß die Geschäftstätigkeit des Georg Tobias Finck überhaupt zuletzt keinen nennenswerten Umfang mehr hatte. Jener Oßwald Leupold in Langensalza wurde demgemäß auch von der Übernahme „des Seel. H. G. T. Finckens wenig übergebliebenen Negotien" durch seinen Neffen unterrichtet (fol. 268). Der Wert der geerbten Firma dürfte so für Johann Leonhard Finck hauptsächlich in den Geschäftsverbin­ dungen bestanden haben, die er sich nutzbar machen konnte. Das „Handbuch von 1683" ist in seiner Ausführlichkeit und Exaktheit, mit der die von Georg Tobias Finck getätigten Handelsgeschäfte aufgezeichnet worden sind, ein seltenes Zeugnis vom Wirken Nürnberger Kaufleute in jener Zeit. Auch Christoph Melchior Riedner dürfte als damaliger Inhaber der heu­ tigen Firma Bäumler ähnlichen Handel getrieben haben. Hiervon geben jedoch keine erhaltenen Geschäftsbücher mehr Kunde. Es mag daher gerechtfertigt erscheinen, die wichtigsten Geschäfte des Georg Tobias Finck kurz darzu­ stellen, wie sie im Handbuch aufgezeichnet worden sind. Zugleich entsteht so ein indirektes Bild vom Handel der zu besprechenden Firma gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Die im Handbuch vorkommenden Waren zeigen eindeutig, daß Georg To­ bias Finck Spezereihändler war. Eine Übersicht über seine Handelspartner ergibt das Charakteristikum, daß er fast ausschließlich bei Nürnberger Händ­ lern einkaufte und in die Gebiete von Ingolstadt, Augsburg, München, Tirol, Salzburg, Villach und Laibach, ferner nach Regensburg, Linz und Wien ver­ kaufte. Georg Tobias Finck beschränkte sich also auf Lieferungen in südlich und südöstlich gelegene Gebiete. Bei den Namen seiner Lieferanten steht zwar nie die Ortsangabe „in Nürnberg". Dennoch waren es Nürnberger Kaufleute, da sie als solche teilweise bekannt sind13). Bei auswärtigen Lieferanten müßte überdies der Buchungssatz „Kreditoren an Unkosten" für Zahlung von Rest­ frachten bei Warenannahme im Handbuch erscheinen14), da Frachtkosten vom Lieferanten getragen wurden. Frachten kommen hier jedoch nur im Zusammen­ hang mit Verkäufen vor. 12) fol. 188.

ls) Z. B. Wernberger & Geiger, Lemp & Roth, Conrad Langkopf, Clara Ernst(in). 14) Vgl. S. 281.

284

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Die nachfolgende Übersicht über die Handelstätigkeit des Georg Tobias Finck soll auf die auswärtigen Lager, Messen und Märkte, seinen Tabak-, Fisch-, Zucker- und Pfefferhandel beschränkt werden. Auswärtige Lager, Messen und Märkte Finck beschickte in seinen Absatzgebieten eine Reihe von Messen und Märkten. Die Termine lagen um Neujahr, in der Fastenzeit, um Ostern und Pfingsten sowie im Herbst, so daß sie sich insgesamt über das ganze Jahr erstreckten. Die besuchten Messen und Märkte wurden in Ingolstadt, Augs­ burg, München, Hall, Salzburg und Linz abgehalten. Die jeweils dort ge­ Ingolstadt

Augsburg

München

Hall

Salzburg

Linz

Nicolai­ messe

Fasten­ markt Ulrichs­ markt

Neujahrs­ markt Jacobimarkt

Längst­ markt Herbst­ markt

Fasten­ markt Ruppertimarkt

Ostermarkt Bartho­ lomäus­ messe

botenen Möglichkeiten der Geschäftsanbahnung dürften für Finck überhaupt erst die Erschließung seiner Absatzgebiete im Einzugsbereich dieser Messen und Märkte ermöglicht haben. Man darf wohl annehmen, daß die Suche nach Kontakten mit neuer Kundschaft bzw. die Pflege der bestehenden Verbin­ dungen Hauptzweck des Markt- und Messewesens für ihn war. Der Klein­ verkauf wäre demnach allenfalls zweitrangig gewesen. Andererseits war Finck darauf bedacht, seine Kundschaft durch große Warenlager an Ort und Stelle von seiner Lieferfähigkeit zu überzeugen. Seine Handelspartner brauchten sich also nicht mit mehr oder weniger langfristigen Abschlüssen zu begnügen, sondern konnten gleich am Messestand 15) umfangreiche Käufe tätigen. Über die zu den Märkten gesandten Waren wurde für jeden Markt ein gesondertes Versandbuch geführt. Das ist aus entsprechenden Verweisen im Handbuch zu ersehen: „Folgende 2 Conti Sollen an Gewölb Conto, Münchner Neujahrslager Soll,

und wurde dahin gesandt laut dessen Versandbuch fol. 57, betragen ... fl. 4154, ß 10, d 4

Salzburger

und wurde dahin gesandt laut dessen Versandbuch fol. 67,

Fastenlager Soll,

betragen ... fl. 4536, ß 15, d1*).“ !5) Ein anschauliches Bild von der Errichtung eines solchen Messestandes vermittelt ein Eintrag im Handbuch, wonach anläßlich des Salzburger Fastenmarktes von 1683 folgendes ein­ gekauft worden war: ein Waagbalken von Georg Hueber in Neumarkt (fol. 4), „drei Paar kupferne Waag-Schalen, wiegen 70 Pfund ä 30 Kr ... fl. 35“, ein Hammer, Nägel und Leinwand (fol. 5). 18) Fol. 204, Dezember 1686.

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Für die Zielverkäufe wurde ein „Schuld Register" 17) angelegt. Diese An­ gaben im Handbuch geben zwar keinen Aufschluß über die versandten Waren­ arten und -mengen. Man kann sich jedoch ungefähr eine Vorstellung über die Größenordnung der Markt- und Messelager bilden, wenn man vergleichs­ weise den Wert der Vorräte vom Juni 1677 in der Firma Johann Jacob Fincks heranzieht (rd. 10 000 Gulden)18). Zum Linzer Ostermarkt im Jahre 1687 wurden Waren im Werte von fl. 6113, ß 13, d 4 geschickt (fol. 219')Der Einzugsbereich der genannten Messen und Märkte reichte teilweise sehr weit. Von Linz aus wurde Kundschaft in Haag an der Enns, Wels und Wien gewonnen. Von Salzburg reichten die Verbindungen nach dem nahen Neumarkt, Hallein und Straßwalchen, aber auch nach St. Veit, Villach und Laibach. Hall war Ausgangspunkt für Lieferungen nach Innsbruck, Lienz, Bo­ zen, Brixen, Straß, Schwaz, Bruneck und Brixlegg. Der Vorteil schneller Kon­ taktanbahnung mit einer Vielzahl von weither kommenden Kunden war aller­ dings mit einem erhöhten Risiko hinsichtlich der Zahlungseingänge verbunden. Im September 1687 mußten beispielsweise zweifelhafte Forderungen in Höhe von fl. 2631, ß 2 abgeschrieben werden, (fol. 244) Die Wohnorte der Dubiosen weisen eindeutig auf Messekundschaft hin: Ingolstadt, Augsburg, München, Salzburg, Neumarkt, Linz. Für die Abwicklung der Markt- und Messegeschäfte waren reisende Hand­ lungsbevollmächtigte zuständig19). Von ihren Aufgaben hat vor allem die Inkassotätigkeit im Handbuch Niederschlag gefunden. Doch gehörte zu ihrer „Marktverrichtung" sicherlich auch der Verkauf und vor allem Kundenpflege im weitesten Sinne. Nicht zuletzt mußten organisatorische Aufgaben bewältigt werden: Empfang und Lagerung der Waren, Einrichtung des Messestandes, Bezahlung aller fälligen Gebühren und Abgaben und schließlich der Weiter­ transport der unverkauften Waren. Solche Reisende waren für Finck Johann Heinrich Löhner20), Georg Platner und Hans Georg Zobel. Platner und Zobel kassierten anläßlich der Salzburger Fastenmesse im Jahre 1688 Kunden­ zahlungen in Höhe von insgesamt fl. 2241, Kr. 46 (fol. 251). Georg Platner reiste anschließend weiter nach Hall zum Längstmarkt (fol. 253). Hans Georg Zobel war zuvor auf dem Münchner Neujahrsmarkt gewesen (fol. 249'). Ebenfalls in solchen Diensten stand Heinrich Roth, der im Jahre 1657 ge­ borene Sohn des Johann Leonhard Roth21). Johann Leonhard Roth war Mit­ inhaber der Nürnberger Handelsfirma Lemp & Roth 22), die als Geschäftspart17) Vgl. fol. 253, wo das Schiuldregister der Linzer Ostermesse von 1688 zitiert ist. 18) Vgl. S. 273. 19) Eine spezielle Bezeichnung aus der damaligen Zeit für diese Bevollmächtigten konnte nicht gefunden werden. Die Definition Johann Ferdinand Roths (Gemeinnütziges Lexikon für Leser aller Klassen, besonders für Unstudierte etc., Bd. I, Halle 1807, S. 316) für „Fieranten" als „Kaufleute, welche auf einen Markt oder auf eine Messe reisen", läßt diese Bezeichnung nicht als zutreffend erscheinen, da Beauftragte keine selbständigen Kaufleute sind. *°) Vgl. fol. 249, 254', 258 und insbesondere fol. 255: „ ... nach seiner übergebenen Verwaltungs Rechnung ..." 21) Taufbuch St. Sebald Nr. S. 9, S. 113, LKA. 22) Gesellschafts vertrag zwischen Hans Albrecht Lemp und Hanns Leonhard Roth vom Jahre 1669, enthalten im Familienarchiv Merkel Nr. 136, StadtA.

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nenn Georg Tobias Fincks oft im Handbuch auftaucht28). Die Fincks waren auch persönlich eng mit den Roths verbunden. Johann Leonhard Roth war Pate des Johann Leonhard Finck24). Ein wenig von dem täglichen Ein und Aus zwischen den Häusern Georg Tobias Fincks und Johann Leonhard Roths bzw. seines Sohnes Heinrich vermitteln Einträge im Handbuch, wie: „Hannß Leonhard Roth apart Conto Soll ... an Gewölb Conto, und nahm derselbe ins Haus d. Monat Dezember I4V2 Pfund Käs........................................................ fl. 1, Kr. 9, 23 Pfund Rundfisch................................................ fl. 2, Kr. 31.“ (fol. 204)

Oder: „Unkosten Conto Soll ... an Heinrich Roth Conto a Parte, und ist ihm vom 20. November 1686 bis 19. Juli 1687 für seine dazumal getane Marktsverrichtung anstatt des Salary, zu seiner Notdurft und Haus­ haltung nach und nach bar bezahlt worden fl. 337, ß 16, d 10.“ (fol. 254)

Heinrich Roths Dienste wurden also teilweise in Form von Zuschüssen zur Haushaltskasse entgolten, die wahrscheinlich an die Familie gegeben wurden, während er auf Reisen war. Eine weitere Gutschrift zu seinen Gunsten lautete: „ . .. und ist ihm für seine auf den Märkten getane Verrichtung versprochenermaßen anstatt eines Salary gut zu schreiben ... fl. 410, ß 2, d 4" (fol. 254). Die Wendung „anstatt eines Salary" zeigt an, daß Heinrich Roths Entgelt nicht aus einem Fixum bestand, sondern erfolgsorientiert war. Die Bezugsgröße ist nicht zu erkennen, bestand aber wahrscheinlich aus einer Kombination von Umsatz- und Inkassoprovision. Geschäftliche Auslagen und Spesen wurden gesondert vergütet. Am 31. Dezember 1683 wurde wie folgt gebucht: „Kleine aparte Cassa Soll an Cassa Conto, weil Heinrich zu Ingol­ stadt gewesen ... fl. 14" (fol. 38'). Für Zehrgelder lautete der Buchungssatz: Messelager an Cassa Conto. Gelegentlich hieß es ausführlicher „per Zehrung dahin zu 4" (fol. 90') oder „empfing Heinrich Roth und Hans Georg zur Zehrung dahin" (fol. 242'). Einen Hinweis auf die buchungsmäßige Behand­ lung des Inkassos gibt ein Eintrag im Handbuch (fol. 258'), wonach Heinrich Roth im Zusammenhang mit der Salzburger Ruppertimesse für Abbrüche, Spe­ sen und Auslagen eine Gutschrift in Höhe von fl. 71, ß 17, d 4 erhielt. Dem­ nach wurde der Messebeauftragte mit der Summe der fälligen Forderungen aus dem jeweiligen „Schuld Register" belastet und in Höhe des abgelieferten Geldbetrages, der Abbrüche sowie abzuschreibender Forderungen erkannt. Somit ergibt sich folgendes Bild vom Konto bzw. der Abrechnung des reisenden Kommis: 23) Z. B. fol. 4, 4', 8, 16. *4) Taufbuch St. Sebald Nr. S. 10, S. 177, LKA.

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Soll Kundenforderungen Erstattung von Spesen und Auslagen Provisionen bzw. Lohn

Haben Barzahlungen und Wechsel Abbrüche Delkredere Spesen und Auslagen vereinbartes Entgelt

Wenn sich die auf den Messen und Märkten angebahnten Geschäfts­ verbindungen soweit konsolidiert hatten, daß ein dauerhafter Handel ent­ stand, konnte an die Einrichtung ständiger Lager an geeigneten Plätzen ge­ dacht werden. Solche Lager hatte Finck in München, Hall, Salzburg und Wien. Wie sich die Gründung einer dieser Niederlassungen vollzog, läßt sich aus Einträgen im Handbuch ersehen. Im März 1683 (fol. 3) übernahm Finck für 750 Gulden „die in Salzburg befindende Rößlische Ware und Mobilien" und erkannte dafür die Nürnberger Handelsfirma Wemberger & Geiger. Diese hatte also bisher in Salzburg ein Lager unterhalten und als Verwalter Franz Jacob Rößel engagiert. Das Gewölbe war offenbar Eigentum der Kirche, und Finck trat nunmehr in das zwischen ihr und Rößel bestehende Pachtverhältnis ein. Der entsprechende Buchungssatz im Handbuch lautet: „Franz Jacob Rößel Soll an Salzburger Lager, und zahlt weg seiner V2 Jahr Gwölb Zins an die H. Geistlich laut Schein fl. 13" (fol. 5). Die Lager wurden nicht von den Reisenden, sondern von ansässigen Kaufleuten verwaltet. Es waren dies in München Augustin Fraunhofer bzw. später dessen Witwe (fol. 48), in Hall Joseph Felber (fol. 48), in Salzburg Johann Leimbrucher (fol. 55) und in Wien Albrecht Zollikofer (fol. 184). Aus dem Handbuch läßt sich nicht eindeutig erkennen, ob diese Leute die Niederlassungen Fincks als seine Angestellten oder als Inhaber eigener Firmen nebenher mit betreuten. Man ist geneigt, letzteres anzunehmen, da der aus dem Handbuch ersichtliche Geschäftsumfang zwar beachtlich, aber doch nicht so groß war, daß ein völlig eigenständiger Filialbetrieb wirtschaftlich hätte arbeiten können. Es fehlen auch Lohn- oder Provisionsabrechnungen mit den Verwaltern der Niederlassungen. Wahrschein­ lich erhielten sie von Zeit zu Zeit ein Entgelt für ihre Leistungen, das jedoch nur im Geheimbuch verbucht wurde. Die Hauptaufgabe der Verwalter bestand darin, die aus Nürnberg kom­ menden Sammelsendungen in Empfang zu nehmen und die Fuhrleute vollends zu entlohnen “), um dann die einzelnen Partien an die Kunden weiterzuleiten. So wurde beispielsweise bei einer Tabaklieferung an Michael Sembrock in Braunegg28) im Handbuch (fol. 197') vermerkt: „Sandte per München an Fraunhoferin bei Vogel und ferner an Felber **) ..." Entsprechend erhielt „Augustin Fraunhofer" eine Gutschrift für die Restfracht in Höhe von 60 ,5) Vgl. die Buchungen im Handbuch fol. 155'. *8) Bruneck in Tirol. *7) Verwalter in Hall.

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Gulden (fol. 199')* die an den Fuhrmann Vogel in München bezahlt worden waren. Verkäufe ab Lager wurden von den Verwaltern jeweils gemeldet: „Veith Häußler in Innsbruck Soll an Haller Lager, und avisiert Joseph Felber in Hall, daß er an obigen verkauft 1 Haut Sohlleder *8 28 n.,28) ä fl. 33 ... fl. 9, 4 d 8" (fol. 11). Vereinzelt nahmen die Verwalter auch Kundenzahlungen in Empfang: „Johann Leimbrucher Soll an Nicolaus Vollmayr in Wels, und meldet obiger mit Brief vom 16./26. dies (Januar 1687, Verf.), daß er von ihm per mein Conto empfangen ... fl. 598, 5“ (fol. 210'). Wie bei den Reisenden, konnte auch für diese Lagerverwalter keine spezielle Bezeichnung aus der damaligen Zeit gefunden werden. Die Stellung von Faktoren hatten sie sicherlich nicht, da sie beispielsweise nicht für die Lager einkauften, sondern die Vorräte aus­ schließlich von der Stammfirma in Nürnberg bezogen. Aus den im Handbuch verbuchten Einzelgeschäften geht auch hervor, daß keine geschlossene Rech­ nungslegung nach Zeitabschnitten erfolgte. Einkauf und diese Art der Rech­ nungslegung dürften aber mit zu den typischen Merkmalen eines Faktors ge­ hört haben. Johann Ferdinand Roth 29) definiert den Faktor als „eine solche Person, die von einem Andern aufgestellt ist, seine Geschäfte in denjenigen Gegenden, wo sie sich aufhält, in seinem Namen zu besorgen. Sie bestehen im Ein- und Verkauf von Waaren und Wechseln, worüber der Faktor von Zeit zu Zeit Rechnung liefert.“ Außer den genannten Verwaltern ständiger Lager hatte Finck an den für seine Warentransporte wichtigsten Handelsstraßen Vertrauensleute, die ihm lediglich die Spedition besorgten. Es waren dies Matthäus Frenzei in Regens­ burg (fol. 164), Christoph Niggus in Augsburg (fol. 106) und Joseph Finger in Krems (fol. 164). Es hatte zweifellos viel Zeit und Mühe gekostet, ehe ein so kunstvolles Vertriebssystem aufgebaut war und auf diese Weise den Femhandel überhaupt erst ermöglichte. Der Wert eines solchen Systems ist jedoch nicht quantifizier­ bar, da er mit der Persönlichkeit des Unternehmers weitgehend identisch war. Der Fernhandel in der dargestellten Form stand und fiel mit der Gesamtheit gegenseitigen Vertrauens, das sich um die zentrale Persönlichkeit des Händlers bildete. Ein Nachfolger mußte sich diese Position erst von neuem erarbeiten, sollte das Ganze erhalten bleiben. Tabakhandel

Der Tabakanbau kam im Gebiet um Nürnberg zwischen 1630 und 1640 auf30). Von dieser Zeit an nahm der Tabakhandel bedeutenden Umfang an, da die Kaufleute nun nicht mehr auf den teueren Bezug auswärtiger Ware angewiesen waren und die ausgezeichnete Qualität der einheimischen Ernten bald weithin bekannt wurde. Zwischen 1646 und 1656 wurde ein Tabakzoll eingeführt und eigens ein „Tobak-Amtmann“ ernannt. Die erste Tabak­ ordnung wurde vom Rat der Stadt im Jahre 1659 erlassen. 28) n. = Abkürzung für „nümbergerisches Gewicht". 29) Gemeinnütziges Lexikon a. a. O., Bd. I, S. 294/295. 30) Johann Ferdinand Roth, Geschichte des Nümbergischen Handels a. a. O., III. Teil, S. 218 ff. 19

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Georg Tobias Rnck kaufte im Jahre 1684 insgesamt 45 160 Pfund Tabak ein. Die Summe der in der gleichen Zeit im Handbuch ersichtlichen Verkäufe beträgt 31 360 Pfund. Der hohe Saldo, welcher ungefähr der Verkaufsmenge eines halben Jahres entspricht, ist nicht auf Lagerbestände zurückzuführen. Die Umschlagsgeschwindigkeit war vielmehr ungewöhnlich groß, wie noch zu zeigen sein wird. Die rd. 14 000 Pfund Tabak müssen von den auswärtigen Lagern aus, bzw. auf Messen und Märkten verkauft worden sein. Was im einzelnen dorthin gesandt wurde, ist dem Handbuch nicht zu entnehmen. Der Grund für eine solche Verkaufstaktik dürfte u. a. in den Zollbestimmungen zu suchen sein. Tabak, der von Nürnberger Bürgern an Fremde verkauft wurde, war mit einem Ausfuhrzoll von einem Gulden je 100 Gulden Wert belastet. „Eigengut“ konnte dagegen zollfrei ausgeführt werden 31). Fand die Verlagerung zur Zeit zollfreier auswärtiger Messen und Märkte statt, so war eine doppelte Belastung umgangen. Die verzollte Tabakausfuhr aus der Stadt belief sich im Jahre 1684 auf rd. 3800 Zentner82). Die von Georg Tobias Finck verkauften 450 Zentner hätten somit einen Marktanteil von 12°/o bedeutet. In Wirklichkeit wird der Anteil niedriger gewesen sein, da sicherlich nicht nur Finck zollfreien Tabak ausführte. Berück­ sichtigt man indessen, daß das Tabakgewerbe einschließlich des Handels völlig frei war33), so kann ein Marktanteil in der Größenordnung von 5 bis 12% immer noch als beträchtlich bezeichnet werden. Dabei war der Tabak nur einer von vielen Handelsartikeln der Firma, wenn er auch zweifellos zu den wich­ tigsten gehörte. Handelseinheit bildete in den meisten Fällen die Kiste („Küsten“, „Küstl“), welche brutto 250 bis 300 nürnbergische Pfund wog. Das Tara­ gewicht betrug 25 bis 35 Pfund, so daß sich die durchschnittliche Tabakmenge je Handelseinheit auf 250 Pfund belief. Vereinzelt kam die kleinere Einheit „Kübel“ vor, die etwa halb so groß wie die Kiste war. Bei dem in Kisten oder Kübeln verschickten Tabak handelte es sich um „nassen Tobak“ dem zur Konservierung und Erhaltung der Feuchtigkeit eine „Sauce oder Brühe“ beigegeben war 84). Trockener Tabak wurde dagegen in Rollen gehandelt, die 8 bis 10 Pfund wogen. An Qualitäten oder Sorten gab es „ordinari“, „mettel“ und „extra“ Tabak, wobei der „ordinari“ gegenüber den beiden anderen weniger gefragt war. Gelegentlich verkaufte Finck auch verhältnismäßig geringe Mengen „Presil“ und „rothen“ Tabak. Den „Presil“ oder „Brasiliani­ schen Tabak“ kaufte er bei einem anderen Nürnberger Großhändler 85), der ihn seinerseits wahrscheinlich von auswärts bezogen hatte, während der 81) Heinrich Gebhardt, Das Tabakwesen in der Reichsstadt Nürnberg im 17. Jahrhundert, Diplomarbeit der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Nürnberg, 1958, S. 13. 32) Gebhardt a. a. O., S. 62. 88) Gebhardt a. a. O., S. 15. 84) Johann Ferdinand Roth, a. a. O., S. 224. 85) Z. B. von Georg Christoph Fierer (auch Führer geschrieben) 166 Pfund am 19. November 1684 (fol. 80').

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„rothe" von einem Tabakmacher namens Friedrich Haid *•) (auch Heidt, Haidt und Haydt geschrieben) stammte. An Lieferanten sind hauptsächlich Regina Clara Ernst(in), Heinrich Förtsch, Löffler & Förster, Hanns Pirkmann, Paul Hartmann aus Steinbühl, Valentin Memmert aus Bruck, Jacob Memmert aus Buch und Friedrich Haid zu nennen. Die bezogenen Kisten und Kübel wurden, für jeden Lieferanten gesondert, fortlaufend numeriert. Die Nummernfolgen gingen bei den einzelnen Lie­ feranten verschieden weit. Eine Systematik konnte nicht erkannt werden. So endete die im Mai 1683 (fol. 9) begonnene Folge der Lieferantin Emst im Juni mit der Nummer drei (fol. ll'), um im September mit eins neu zu beginnen (fol. 22). Bei Valentin Memmert dagegen reichte die Nummemfolge über mehr als ein Jahr und endete einmal bei 148 (fol. 227'). Ein Zusammenhang mit der Tabakernte bestand daher sicherlich nicht. Ob eine neue Folge jeweils nach Saldoausgleich, sei es durch entsprechende Zahlungen oder Gegen­ lieferungen, begann, kann wegen des Fehlens der Kreditorenkonten nicht beurteilt werden. Beim Verkauf wurde außer der Qualität die Herkunft jeder Kiste genau vermerkt. So erhielt der Kunde Simon Wagner in Tittmoning im Juni 1683 (fol. 13,13') drei Kisten „Extra" Tabak, und zwar von Ernst Nr. 1, Jacob Mem­ mert Nr. 5 und Valentin Memmert Nr. 4. Diese exakten Angaben ermög­ lichen eine besonders weitgehende Einsicht in den Ablauf des Tabakhandels. Die genannten drei Kisten waren nur wenige Tage vor Weiterlieferung ein­ gekauft worden. Ein Preisvergleich und die Berücksichtigung der genauen Notierungen über die Verfrachtung und ihrer Kosten läßt mühelos die Han­ delsspanne errechnen. Dies dürfte auch für Georg Tobias Finck der Grund gewesen sein, derart genau Buch zu führen. Die Preisschwankungen beim Ein­ kauf waren nämlich außerordentlich groß. Die Preisstellung war „Gulden pro 100 Pfund". Bei einem Kauf von Paul Hartmann im März 1684 bezahlte Georg Tobias Finck für Extra — Tabak fl. 5 %, Mettel — Tabak fl. 4 7/s und Ordinari — Tabak fl. 4% (fol. 51). Im September 1683 hatte der gleiche Lieferant für „Extra" fl. 8, für „Mettel" und „Ordinari" je fl. 7 erhalten (fol. 2l'). Der „Extra"-Tabak des Jacob Memmert kostete im Juli 1683 sogar fl. 93/4 (fol. 15), im Juli 1685 dagegen nur fl. 7 (fol. 116). Absolut gesehen, mochte es sich um unbedeutende Schwankungen handeln. Andererseits mußten Preisdifferenzen von beispiels­ weise 70% 87) die Kalkulation beeinflussen. Man konnte unter solchen Um­ ständen nicht nach festen Listenpreisen verkaufen, zumal außerdem je nach Entfernung des Kunden recht unterschiedliche Frachtbelastungen anfielen. Um aber jeweils die erforderliche Einzelkalkulation durchführen zu können, waren 36) Z.B. fol. 21. 87) Zwischen fl. 58A und fl. 9ZU für Extra-Tabak, prozentual gerechnet vom niedrigen Preis. 19

*

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genaue Aufzeichnungen erforderlich. Als Beispiel für ein vollständiges Tabak­ geschäft sei von einem Verkauf an Bernhard Krump in Haag ob der Enns aus­ gegangen. Krump gehörte zu den Großabnehmern der Firma. Er erhielt am 19. Dezember 1684 (fol. 89): 6 Kisten Mettel — Tabak, von Haid, 4 Kisten Extra — Tabak, je 2 von Haid und Hartmann, 6 Kisten Extra — Tabak, je 3 von Valentin und Jacob Memmert. Der Rechnungsbetrag belief sich für die 16 Kisten auf fl. 418, ß 14, d 4. An Frachtkosten für die 43V2 Zentner fielen fl. 110, Kr. 12 an, von denen fl. 50, Kr. 12 in Nürnberg, die restlichen fl. 60 bei Lieferung vom Empfänger bezahlt wurden. Für diese fl. 60 wurde Krump unterm 31. Dezember (fol. 90) per Unkosten erkannt, so daß Finck die gesamten Frachtkosten trug. Der an Krump gelieferte Tabak war am 12. Dezember von Haid und Hartmann (fol. 86') und am 18. Dezember von den beiden Memmerts (fol. 87) gekauft worden. EHe Kaufsumme betrug insgesamt fl. 267, ß 7, so daß sich folgende Handelsspanne errechnen läßt: Rechnungsbetrag........................................ - fl. 418, ß 14, d 4 ./. Frachtkosten..................................................... fl. 110, ß 4, d — Nettoerlös............................................................. fi. 308, ß 10, d 4 = 100°/o . / . Kaufsumme.....................................................fl. 267, ß 7, d — Handelsspanne..................................................... fl. 41, ß 3, d 4 = 13°/o

Die Berücksichtigung der hohen Frachtkosten (30% der Gesamtkosten) läßt das Preisverhältnis, beispielsweise bei dem von den Memmerts bezogenen „Extra"-Tabak, von 78/4 Gulden Einkaufspreis zu 128/4 GuldenVerkaufspreis erst in der wahren Relation erscheinen. Ferner muß beachtet werden, daß sich der Verkaufspreis auf bayerisches Gewicht bezog, während dem Einkaufspreis nürnbergisches Gewicht zugrunde lag 38). Ein reiner Preisvergleich würde also zu falschen Ergebnissen führen. Geht man dagegen von den Rechnungsbe­ trägen aus, so wird man zugleich einer Praxis gerecht, die mit den Grundsätzen ehrbarer Kaufleute schwerlich vereinbar gewesen sein dürfte. Sie bestand darin, beim Verkauf das Bruttogewicht höher und das Taragewicht niedriger als beim Einkauf anzusetzen. Der Unterschied im Nettogewicht betrug dadurch pro Kiste manchmal bis zu drei Pfund. Man könnte in solchem Gebaren auch ein Äquivalent zu den „Abbrüchen" 89) und uneinbringlichen „bösen Schulden" 40) sehen. w) 1 nürnbergisches Pfund = 0,91 bayerisches Pfund, vgl. Fußnote 6, S. 273. *9) Auf fol. 251/251' wurden insgesamt fl. 17, ß 8, d 4, auf fol. 253' fl. 31, ß —, d 4 verbucht. 40) In der Überschrift zu Beginn des Jahres 1687 (fol. 205') heißt es u. a. „Vor bösen Schul­ den aber um Jesu Christi willen möge behütet werden“.

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F isckhandel Fisch war neben dem Tabak der zweite ausgesprochene Massenartikel in Fincks Handlung. Am 1. Oktober 1683 hatte Conrad Langkopf 17 Rollen Flachfisch („ffisdi") geliefert (fol. 5l'): Spo. 11 122 8, Tara 340 8, Netto 10 782 8, „in Hamburg gewogen", reduziert um 6°/o in Nürnberger Gewicht 10 136 8 ä fl. 10.................................................................................fl. 1013, ß 12 Hier zeigt sich deutlich die bewußte Ausrichtung der Finckschen Geschäfts­ politik 41), denn es dürfte kaum anders erklärbar seine, daß Georg Tobias Finde Einkäufe solcher Größenordnung nicht in Hamburg, Bremen oder Amsterdam selbst tätigte. An Fischsorten führte er Heringe42), Flach-48) und Rundfische44). Heringe und Seelachs wurden in „Tonnen" gehandelt, was auf Herkunft aus Bremen hindeutet45). Hierfür spricht auch die Preisstellung „Reichstaler pro Tonne" beim Einkauf, wobei ein Reichstaler gleich 30 Schillinge4e) gerechnet wurde. Handelseinheiten waren Vi, V2 und V4 Tonnen. Die Vi Tonne wog brutto ungefähr 300 Pfund 47). Flachfische und die übrigen Rundfische (außer Seelachs) wurden nicht weiter unterschieden. Handelseinheit bildete hier die Rolle 48), welche brutto zwischen 600 und 750 Pfund wog. Das Taragewicht betrug 18 bis 20 Pfund. Die Preisstellung war „Gulden pro 100 Pfund". Finck kaufte im Jahre 1685 insgesamt 573/4 Tonnen und 27 760 Pfund Fisch in Rollen ein. Die aus dem Handbuch ersichtlichen Verkäufe betrugen im gleichen Jahr 15V2 Tonnen und 13 690 Pfund in Rollen. Die Erklärung für die Differenzen zwischen Ein- und Verkauf dürfte, wie beim Tabak, weniger in der Lagerhaltung als im Verkauf von auswärtigen Lagern, Messen und Märkten aus zu suchen sein. Aber auch die im Handbuch erscheinenden Kunden waren zahlreich, so daß nur einige aufgezählt werden können:4#) Matteus Büchner in Ingolstadt (96'), Veith Bernhardt in Augsburg (94'), Johann Schiffner in Memmingen (94), Nicolaus Rieger in München (121), Lorenz Brigegger in Hall (110), Johann Erlacher in Brixen (95), Franz Schenck in Bozen (135'), Matthäus Hinterhäuser in Tittmoning (134'), Michael Spörl 41) Vgl. S. 284. 42) Die Heringe wurden „brandt" Hering oder abgekürzt „br." Hering genannt, was wahr­ scheinlich „Brathering" bedeuten sollte. Bücklinge hießen „Püttling" oder „Pittling". 43) Seezunge, Rotzunge, Scholle, Steinbutt oder Heilbutt. 44) Kabeljau, Seelachs oder Schellfisch. 45) In Bremen rechnete man „Hering nach der Tonne von 800—900 Stüde". (J. C. Nelken­ brechers Taschenbuch der neuesten Münz-, Maß- und Gewichtsverfassung etc., Prag 1809, S. 81; Av. 630. 8 StadtA). 4e) Im Inventarium von 1677 war der Reichstaler gleich 90 Kreuzer bzw. 30 Schillinge ge­ rechnet worden. 47) Das ergibt sich aus den Frachtberechnungen, z. B. fol. 145'. 48) „1 Rolle Stock- oder Rundfisch 180 Stück“ (Nelkenbrecher, a. a. O., S. XXIII). 48) Die eingeklammerten Seitenzahlen hinteT den Namen weisen auf Fundstellen im Hand­ buch hin.

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in Straßwal (135), Gottharth Steinweiß in Villach (140') und Johann Tomschitsch50) in Laibach (106). Hauptsächliche Lieferanten von Fisch waren Andreas Benedict Richter (126) und Conrad Langkopf (91). Daneben kaufte Finck bei Heinrich Martin öder (98'), Johann Weber (127), Johann Nicolaus Lay (91) und Wilhelm Schäffer (96). Für die Ermittlung der Handelsspannen sind zunächst die Einkaufspreise einigermaßen zu fixieren. Sie bewegten sich im Jahre 1685 zwischen 17 und 18 Reichstalem pro Tonne „Brandthering", 22 Reichstaler pro Tonne Lachs, 9 Gulden pro 100 Pfund Flachfisch in Rollen und 8V2 bis 11 Gulden pro 100 Pfund Rundfisch in Rollen. 100 Bücklinge in Tonnen kosteten 2V4 bis 28A Gulden. Dieser einzige Stückpreis deutet auf Detailverkauf hin. Berück­ sichtigt man, daß die Tonne Hering ca. 300 Pfund wog, so ergibt sich nach Umrechnung ein Einkaufspreis von 8V2 bis 9 Gulden pro 100 Pfund. Auf diese Weise wird deutlich, daß mit Ausnahme des teureren Seelachses die verschie­ denen Fischsorten um 9 Gulden pro 100 Pfund kosteten. Die Verkaufspreise im Jahre 1685 waren infolge der unterschiedlichen Frachtbelastungen weiter gestreut. Die Tonne „Brandthering" brachte zwischen 30 und 36V2 Gulden oder ca. 10 bis 12 Gulden pro 100 Pfuiid. Bei Flach- und Rundfisch ist wegen des Gewichtspreises zu beachten, daß bayerisches Gewicht zugrunde lag. Hier bewegten sich die Preise zwischen I1V2 und 16 Gulden pro 100 Pfund. Zu Vergleichszwecken müssen sie auf I0V2 bis 14V2 Gulden pro 100 Pfund nümbergisches Gewicht reduziert werden51). Die Höhe der Frachtkosten läßt sich am deutlichsten aus einigen Beispielen ersehen: 1. Am 10. Oktober 168 5 erhielt Heinrich Hueber in Füssen (fol. 129) 150 8 Rundfisch b.52) ä fl. 15................................................ fl 22, Kr. 30 „per einzubinden" 53)........................................ fl. —, Kr. 24

fl. 22, Kr. 54 Frachtkosten: l8/4 ctr. ä 21 Batzen........................................ fl. „so allhier zahlt"

2, Kr. 27

2. Am 19. Dezember 1685 erhielt Johann Saillinger in Salzburg (fol. 140) V* Tonne „br. Hering" ä fl. 30................................................ fl. 15 Frachtkosten: fl. 1 pro ctr............................................................ fl. 1V2 3. Am 16. Januar 1686 ging eine Sammelsendung mit 4/4 Tonnen „brandt Hering" nach München, von dort l/4 Tonne weiter nach Hall (fol 145') Die Münchner Kunden zahlten fl. 7 je V4 Tonne........................................................................ fl. 21 der Haller Kunde zahlte........................................................ fl.8 fl. 29 Frachtkosten bis München: 3 ctr. ä 21 Batzen . . . . fl. 4, Kr. 12 50) Dieser Kunde wurde offenbar im Jahre 1689 illiquide, denn Finck verglich sich mit ihm, indem er ihm 1300 Gulden zinslos stundete und die Schuld in sechs jährlichen Raten von fl. 216, Kr. 40 tilgen ließ (fol. 262'). 81) Preis p pro bayerisches Gewicht = 0,91 x p pro nümbergisches Gewicht. M) Abkürzung für „bayerisches Gewicht“. 63) Aufgeld für die geringe Bestellmenge.

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Ein Vergleich der Frachttarife ergibt, daß nicht immer ein eindeutiger Zusammenhang mit der Entfernung bestand. Der Frachtsatz von einem Gul­ den bzw. 15 Batzen pro Zentner bis Salzburg war trotz der größten Ent­ fernung in den angeführten Beispielen am niedrigsten. Durchschnittlich dürfte die Frachtbelastung 10% vom Bruttoerlös betragen haben. Somit ergeben sich folgende Handelsspannen bei den gängigsten Fischarten: Fischart

„Brandthering“ Flachfisch Rundfisch

Einkaufs­ preis

Verkaufs­ preis brutto

Verkaufs­ preis netto

Handels­ spanne

fl. %> « n.

fl. o/o « n.

fl. o/o « n.

°/o

9 9 9

11 12V2 12V2

10 11‘/i

10 20 20

llVo

Berücksichtigt man, daß sich ein wesentlicher Teil des Fischhandels der Einsicht verschließt, da er über auswärtige Lager, Messen und Märkte lief, so sind die obigen Resultate nur bedingt aussagefähig. Das gilt vor allem für den Hering, wo nur reichlich ein Viertel der Verkäufe im Handbuch verbucht wurde.

Zuckerhandel Georg Tobias Finck kaufte im Jahre 1683 insgesamt 22 850 Pfund Zucker ein, während an Verkäufen im Handbuch 1750 Pfund verbucht wurden. Das bedeutet, daß fast der gesamte Zuckerverkauf von auswärtigen Lagern, Messen oder Märkten aus erfolgte. Wie beim Tabakhandel, wurde auch hier ein dem Erhebungszeitraum folgender größerer Zeitabschnitt (6 Monate) daraufhin überprüft, ob sich nicht eine Auflösung des hohen Saldos durch vermehrte Verkäufe ergeben würde. Das wäre an sich möglich, da vom Geschäftlichen her ein Stichtag wie der 31. Dezember rein zufällig bedingt ist. Die hohen Salden blieben jedoch erhalten und geben so eine teilweise Erklärung für das, was an Waren in den Versandbüchern für die auswärtigen Lager verzeichnet stand. An gängigen Zuckerarten führte Finck den weißen Candis, ferner die aus der beim Raffinieren abfallenden Melasse nacheinander hergestellten Sorten Melis, Lumpen und Farin. Der weiße Candis war von diesen Zuckerarten die teuerste und dürfte daher der Raffinade entsprechen. Er wurde lose in Kisten gehandelt, während die übrigen Sorten „in brodt“ (abgekürzt „br.") geformt waren. Gelegentlich kam allerdings auch weißer Candis „in brodt" vor, der dann zwar billiger als der lose weiße Candis, aber immer noch mit Abstand teuerer als alle übrigen Zuckersorten war. Der Melis hatte die Qualitäten M (auch „ordinari Mellis“ genannt), f, ff, fff, und ffff, was zunehmende Feinheit oder auch Reinheit bedeuten sollte. Als Sonderform des Melis war der groß295

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kristallige braune Candis („C Zucker") im Handel, den es auch in feiner Qualität („fC") gab. Innerhalb der billigen Sorten „Lompen" und „Farin" gab es keine Qualitätsunterschiede. Schließlich ist noch die besonders teuere Spezialität „Sternzucker" zu erwähnen, von der ein Pfund einen Gulden kostete54). Zwischen „brodt" und Gewicht bestand keine erkennbare feste Relation. Die „Brote" fielen wahrscheinlich unterschiedlich an und wogen ca. 2 bis 5 Pfund55). Auch die Fässer, in welche die „Brote" gepackt wurden, waren nicht einheitlich groß. Im Februar 1683 kaufte Finck von Conrad Lang­ kopf (fol. 2) zwei Fässer Zucker, enthaltend 371 brodt = 1386 Pfund und 100 brodt = 412 Pfund. Hauptlieferanten waren außer Conrad Langkopf die Nürnberger Kaufleute Georg Rössler (fol. 1), Wolff Benedict Richter (fol. 9) und Antony Schöner (fol. 17). Conrad Langkopf war, wie Hanns Roth und dessen Sohn Heinrich, mit den Fincks eng verbunden. Seine Tochter Clara Susanna, geb. 1680, wurde im Jahre 1700 mit Johann Leonhard Finck verheiratet56). Ihre Patin war die Frau des Dr. Martin Finck, Clara Susanna, geb. Endter57). Conrad Langkopf verkaufte an Georg Tobias Finck nicht nur Zucker, sondern auch FischÄ), Käse, Gewürze, Farben und eine Vielzahl anderer Material- und Spezerei­ waren. Sein Lieferantenkredit belief sich per 1. Juni 1685, nachdem Finck Inventur gehalten hatte, auf rd. 3800 Gulden59). Der Verkauf einer größeren, geschlossenen Partie Zucker kam selten vor. Meistens gehörte die Menge von 6, 12, 25 oder 50 Pfund mit zu einem bunt gemischten Sortiment, bestehend aus Pfeffer, Nelken, Schwefel, Alaun, Sassaparilla 60) und einem Dutzend anderer Dinge, die später oft unter dem Sammel­ begriff „allerley Droguerey" oder „allerley Spezerey" zusammengefaßt wur­ den. Abnehmer größerer Mengen waren die Firmen Baumfeind & Bergamin in Salzburg (fol. 19')» Michael Sembrock in Bruneck (fol. 19'), Johann Roys in Wels (fol. 31) und Marx Nepperschmied in Augsburg (fol. 13'). Eine Preisfixierung zur Ermittlung der durchschnittlichen Handelsspan­ nen 61) ist beim Zuckerhandel schwierig, da es verhältnismäßig viele Sorten und Qualitäten gab, die überdies von mehreren Lieferanten bezogen wurden. Die im Handbuch ersichtlichen Verkaufspreise sindvollends kaum alsreprä­ sentativ zu bezeichnen, da sie nur einen sehr kleinen Teil desHandels be­ trafen. Daher konnte auch für „weißen Candis in brodt" und „Farin" kein Verkaufspreis festgestellt werden. Für den Melis mit seinen verschiedenen Feinheitsgraden wurde in der nachfolgenden Übersicht eine nicht weiter dif54) Im Juni 1683 kaufte Finck bei Conrad Langkopf 13 Pfund „Stemzucker“ (fol. 12). 65) Die „Brote“ wurden wahrscheinlich durch Zusatz von Wasser und anschließende Ver­ dampfung gewonnen. So blieb die unterschiedliche Feinheit der Kristalle erhalten. M) Traubuch St. Sebald Nr. S. 27, S. 177, LKA. 57) Taufbuch St. Sebald Nr. S. 10, S. 229, LKA. w) Siehe S. 294. 69) Handbuch fol. 112. Der Betrag ist nicht aus gewiesen, sondern ergibt sich aus der Sal­ dierung von Lieferungen und Zahlungen. ®°) Wurzel zur HeilmittelheTstellung. 81) Grundlage der Untersuchung bilden die Preise im Jahre 1683.

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ferenzierte Preisgruppe gebildet, da es fraglich ist, ob beispielsweise ff — Melis als solcher verkauft, oder mit einem weiteren „f“ versehen wurde. Die Preise des braunen Candis entsprachen ungefähr denen des f — Melis. Für die Ermittlung der Frachtkostenbelastung seien zwei Beispiele ange­ führt: 1. Am 30. Juni 1683 erhielt Marx Nepperschmied in Augsburg u. a. (fol. 13') „3 Kisten br. Candis Spo. ® 158V4, ta. 163/4 Antony Schöner (fol. 15l')> Georg Christoph Führer (fol. 160) und die Firma Wemberger & Geiger (fol. 178). Die Einkaufspreise schwankten zwischen 31V2 und 34 Gulden pro 100 Pfund63). Empfänger größerer Mengen Pfeffer waren Johann Francisco di Francesci (fol 154) und Johann Tomschitsch (fol. 155) in Laibach, Joseph Bacinelli (fol. 163), Peter Duca (fol. 163) und Gio Cambio (fol. 182') in Wien, Bernhard Krump in Haag (fol. 168) und Nicolaus Vollmayr in Wels (fol. 182). Die regionale Ausrichtung des Pfefferhandels Georg Tobias Fincks war also noch spezieller als bei seinem sonstigen Handel. Die Verkaufspreise lagen für die Kundschaft in Haag, Wels und Laibach um 39 Gulden pro 100 bayerische Pfund. Die Wiener Kunden zahlten dagegen 42 Gulden. Das war durch die Frachtkosten bedingt, wobei zu beachten ist, daß die Lieferungen an die Laibacher Kunden nur bis Salzburg erfolgten. Die Frachtkosten betrugen bis Haag, Wels und Salzburg 1ZU Gulden pro Zentner, bis Wien 38/4 Gulden. Nach der Umrechnung der Verkaufspreise auf 35V2 bzw. 38V4 Gulden pro 100 Pfund nürnbergisches Gewicht ergeben sich folgende Handelsspannen:

./.

Verkaufspreis brutto Frachtkosten

./.

Verkaufspreis netto Einkaufspreis

Haag, Wels, Laibach

Wien

fl. % « n.

fl. %> « n.

35V2

381/«

lS/4

3»/4

33s/4

34V2

33

33 V4

Handelsspanne %> v. Verkaufspreis brutto

2

lV2 4

Die bescheidenen Handelsspannen sind zusammen mit dem stark be­ schränkten, weit entfernt liegenden Absatzgebiet als Zeichen eines stark aus­ geprägten Käufermarkts zu sehen, der schon anhand der Bewertung der Pfeffervorräte im Inventarium von 1677 nachgewiesen werden konnte.

68) Im Inventarium von 1677 war der Pfeffer mit 4 7/s Schillingen pro Pfund oder 24 8/» Gulden pro 100 Pfund bewertet worden (siehe S. 275).

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5. Kapitel Johann Leonhard Finde als Nachfolger des Johann Jacob und des Georg Tobias Finde (1697 —1719)

Von der Firma Finck/Bäumler sind aus der Zeit zwischen 1677, als das besprochene Inventarium erstellt wurde, und 1763, als Christoph Adam Bäumler Inhaber wurde, im wesentlichen nur Briefkopien, drei Inventare *), ein Kontokorrentbuch (NW 15—215 StadtA) und die Aufzeichnungen über die Geschäfte mit dem Kloster St. Clara in Eger erhalten. Von dem 20jährigen Wirken Christoph Melchior Riedners nach Johann Jacob Fincks Tod ist nichts mehr bekannt*2). Erst die Briefe Johann Leonhard Fincks aus den Jahren 1704 und 1705 geben wieder Hinweise auf die Art der betriebenen Geschäfte. Diese Briefkopien befinden sich nicht im Firmenarchiv Bäumler des Stadt­ archivs, sondern wurden zufällig im Handschriftenbestand der Stadtbibliothek Nürnberg entdeckt3). Weitere Briefkopien sind dann im ehemaligen „Hand­ buch von 1683“ des Georg Tobias Finck enthalten4). Sie stammen aus den Jahren ab 1714. Nach Johann Leonhard Fincks Tod im Jahre 1719 führte seine Witwe, Clara Susanna Finckin, das nunmehrige Kopierbuch weiter5). Es enthielt nach und nach nur noch Briefe nach Eger und entwickelte sich schließlich zu einem Sonderkonto für die Geschäfte mit dem dortigen Kloster St. Clara. Der „Materialist“ Johann Leonhard Finck war im Jahre 1703 im Alter von 26 Jahren Genannter geworden 6). Seine Berufsbezeichnung ist deshalb besonders wichtig, weil aus den Briefen eine derartige Vielfalt an Handels­ artikeln und sonstigen Geschäften zu ersehen ist, daß es fraglich erscheinen könnte, was er als sein eigentliches Metier betrachtete. Am 23. Mai 1705 schrieb er an Caspar Ramblmeier in Salzburg (fol. 5 8 7)): „[Ich habe] gleich mehrmals gedacht, [daß für] Ew. in Fisch, Spezerei- und Material­ waren, absonderlich auch in allerhand Tabaksorten von den besten Fabricanten. nunmehr wird bestens Versehen und Bedienen kan [sein können]. Hingegen mit D Inventar von 1715 (Handbuch fol. 431 ff., NW 15—4 StadtA), 1726 (NW 5—98 StadtA) und 1748 (NW 15—100 StadtA). 2) Christoph Melchior Riedner war ab 1683 Zwölfer des Gewürzschauamts. (Verzeichnis der verordneten Herren Zwölfer in dem Gewürz-Schau-Amt, 1441—1819, verfaßt von Carl Gottfried Haendler, Nürnberg 1823, fortgesetzt von Georg Paul Amberger 1826, Bl. 5. Rep. E 5, Spezereihändler, Nr. 7, StadtA.) 3) Amb. 270. 2°, StB, fol. 56 ff. Der Band war ursprünglich mit einer Chronik der Stadt Nürnberg bis zum Jahre 1600 beschrieben (fol. 1—55') und wurde dann als Briefkopierbuch benützt. 4) fol. 266 ff., vgl. S. 283. 6) Ab fol. 345. 6) Johann Ferdinand Roth, Geschichte des Nürnbergischen Handels, a. a. O., II. Teil, S. 222. Zeugnisse vom Wirken Johann Leonhard Fincks in öffentlicher Funktion finden sich im „Handbuch von 1683"; siehe Anlage 2, S. 336. 7) Die nachfolgenden Seitenzahlen ohne nähere Angabe beziehen sich auf das Kopierbuch von 1704/1705, Arnb. 270. 2° Stadtbibliothek Nürnberg.

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Früchten, Weinbeer, Öl guten Verschluß zu machen getraue. [Das] Faß Öl vor wenig Zeit ist ä 24 fl. pro ctr. verkauft [worden], nunmehr unter 26 fl. keines mehr zu haben [ist].“ In diesem Anerbieten lag sowohl die Möglichkeit von Tauschgeschäften als auch eines Kommissionshandels. Ein weiterer Brief an Ramblmeier läßt Fincks Absichten und Motive deutlicher erkennen: „Unterdessen aber wünschte [ich], mit Euch in neue Correspondenz zu gelangen, in­ dem [ich] versichert bin, derzeiten und mit so viel Volk im Land liegend mehrer Ab­ gang, sowohl in Tabak als [auch] Fischwaren, sein müsse, mit welchem Euch zu die­ nen, [auch] vor andere gute Gelegenheit, und mit einem rashonablen Freund darin an die Hand zu gehen [mich erbiete] . .. Zwar ist nicht in Abrede zu stellen, daß wegen des bayerischen Geldes große Confusionen sich zeigen. Ich meinesteils aber [habe] andere Gelegenheit in Händen, an Zahlung statt baren Geldes dafür [sowohl] Kup­ ferwasser, so dessen Hochfürstlicher Durchlaucht in Händen stehend, als auch andere [Ware] von costi8) kommend, anzunehmen.“ (fol. 65') Man sah augenblicklich wegen anwesender Truppen gute Verdienst­ möglichkeiten durch Verkauf von Tabak und Fisch, und Johann Leonhard Finck wollte die Gelegenheit benutzen, gleichzeitig mit Material- und Spezerei­ waren ins Geschäft zu kommen. Das Angebot einer Verrechnung mit Gegen­ lieferungen sollte der unsicheren Geldsituation Rechnung tragen. Es kann daher angenommen werden, daß Finck nicht an Kommissionshandel, sondern an Tauschgeschäfte dachte. Solche Tauschgeschäfte betrieb er auch mit seinem Schwager Berthold Grabendieck in Hamburg: „Ich werde durch meiner Hochwerten Frau Mutter Bedienten als Euer geliebter Schwager bestens erinnert, warum ich auf Euern geliebten vorigen Jahres wegen ver­ langten Draht- und Messingwaren, Einsatzgewicht und Schalen keine Antwort gege­ ben.“ 9) Man war sich hinsichtlich der Bezahlung uneins gewesen, woraufhin Gra­ bendieck als Gegenlieferung Sirup anbot. Aber auch dann kam noch keine Einigung zustande: „Der Syrup ist ä 14 fl. zu teuer, wann er von recht dick[er] Qualität [ist] und vor lls/4 fl. aufs höchste zu erlassen. Wollte Verkaufsarrivierung des Syrups allhier gegen begehrte Messingwaren von hier übersenden.“ 10) Johann Leonhard Finde bezog offenbar auch sonst Sirup aus Hamburg, so daß der angeführte Tausch nicht den Charakter einer Verlegenheitslösung trug. „Im Handbuch von 1683" notierte er am 26. Oktober 1714 (fol. 285'): „Hanns Zobel in Hamburg ordiniert, daß er mir ehestens eine Tonne Syrup senden soll." Dieser Hanns Zobel tauchte auch schon in den Briefen von 1704/ 1705 auf. Am 30. Dezember 1704 (fol. 6l') bestätigte ihm Finde den Empfang 8) Kaufmännischer Ausdrude für „dort“, „von daher“, „am Platze“ (Johann Ferdinand Roth, Gemeinnütziges Lexikon etc., a. a. O., Bd. 2, S. 171/172. 9) fol. 77, 14. März 1705. 10)

fol.

300

59, 15.

Mai

1705.

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eines „Vaß Austern Nr. 193" via Eisenach-, zur Weiterleitung an Johann Neuhauß in Regensburg. Wenige Tage später schrieb Finck an Neuhauß: „Wohl dato gestern ist mir pro Conto Ew. [von] Herrn Zobel aus Hamburg beschehen Tratta, uf midi geacceptierter Wechselbrief [über] Rtlr. 4023/4 mit Giro an Herrn Justus Jacob Waldmann zu zahlen gepräsentiert worden, welchen [ich] gleich mit Banco Valuta richtig bezahlt und eingelöst [habe], wofür [ich] Euch debitiert [habe]. Anbei [ist] zu bemerken, daß Ihr von selbst wissend, daß all und jeder Wechselbrief mit Banco Valuta bezahlt werden müssen, und ist niemand von ausgeschlossen. Da­ hingegen die Acceptanten, wenn sie mit dergleichen Valuta nicht versehen, nolens volens den Umsatz mit L’agio zu geben trachten müssen, absonderlich in jetzig Geld­ zeiten und sonderlich in verrufenen Geldsorten, deren an verkauften Waren statt nicht mehr so willig angenommen werden will, , um so viel weniger in Verwechslung gegen Bancogeld in ringem L’agio.“

Es folgte die Abrechnung: „Hierbei pro Conto Ew. aus Hamburg trassiert übersende, als Rtlr. 4023A in Banco vor Euer Conto........................................ fl. 604, Kr. 7, d 2 Rtlr. i 32/s in Banco vor mich gehörig Rtlr. 4165/i2 in allem.“ u)

Johann Leonhard Finck hatte für Johann Neuhaus nicht nur die Spedition seiner aus Hamburg kommenden Waren besorgt, sondern auch einen Wechsel bezahlt. Das „L’agio" hierfür betrug 3,4%, wobei zu beachten ist, daß es sich offenbar um einen Sichtwechsel handelte, da auch Finck ihn sogleich eingelöst hatte. Legt man eine Laufzeit von 14 Tagen zugrunde, so hätte das Aufgeld einen Jahreszins von 82% entsprochen. Auch die aus Holland kommenden Waren für Johann Neuhauß gingen durch Johann Leonhard Fincks Hände. So bestätigte er in einer Mitteilung an Herrn von Berchem in Amsterdam am 30. Dezember 1704 den Empfang von „3 Stück Güter Nr. 15, 16, 17 pro Conto H. Johann Neuhauß in Regensburg" (fol. 61). Im gleichen Sinne wurde am 24. April 1705 Herr von der Porten in Amsterdam unterrichtet (fol. 80). Johann Joachim Seiffert in Leipzig bediente sich ebenfalls der Dienste Johann Leonhard Fincks. Dieser avisierte am 21. Mai 1705 Herrn Georg Winter in Bozen „ein Collo" von „H. Joh. Joachim Seiffert in Leipzig", das jener „von Leipzig per anhero an mich spedieret" (fol. 58). Umgekehrt wurden am 28. Mai 1705 die Signori Morelli & Figlij in Venetia vom Eingang ihrer Sendung an Herrn Seiffert in Leipzig benachrichtigt (fol. 61). Wie Neuhauß in Regensburg, konnte sich auch Seiffert in Leipzig die Verbindungen Fincks bei seinen Zahlungen zunutze machen. Johann Schandernell Sei. Erben in Augsburg wurden von Finck am 19. Mai 1705 unterrichtet, daß ihnen auf Veranlassung ihres Schuldners Johann Joachim Seiffert in Leipzig 87 Gulden und 11 Kreuzer bei Herrn Benedict Winckler „in costi" zur Verfügung stünden u) fol. 63, 8. Januar 1705.

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(fol. 57'). Gleichzeitig wurde Winckler angewiesen, die Summe aus Fincks „avanzo" 12) zu bezahlen. Indessen hatten nicht nur Fincks Geschäftsfreunde Nutzen aus seinen Ver­ bindungen. Er selbst war umgekehrt auch stets bemüht, sich die Verbindungen seiner Freunde zunutze zu machen. Die fälligen Benachrichtigungen wurden zum Anlaß genommen, auf die eigene Handlung aufmerksam zu machen, seinerseits Geschäfte anzubieten, Preisofferten zu geben oder Informationen zu erbitten. So heißt es in einem Brief vom 7. Mai 1705 an „Herrn Aloysio Morelli & Figlioli in Venetia", einen Lieferanten Seifferts in Leipzig: „Del resto essendo, ch’il mio negozio consiste, tanto nelle commissioni, quanto nelle spedizioni delle robbe, ogni sorte di droghue, camby, specchi, et quelli d’hebrei, caffe, et altre vipiacera.“ (fol. 84)

Am 30. April 1705 (fol. 82', 83), schrieb Johann Leonhard Finck an Ferdinand Friedrich Feuerstein in Venedig, um mit ihm „eine nützliche Correspondenz allerseits zu stabulieren“. Feuerstein habe erfreulicherweise seiner­ seits „allbereits einen Anfang gemacht und per Salzburg an Herrn Johann Ferdinand Kolb ... 3 Fäßl Jujube13) geschickt. Nach der Ankunft werde trachten zu versilbern." Er bot seine Dienste an, „sei [es] in Ein- als [auch] Verkauf aller Waren, wie dann vor anderen practica. [Ich bin] in allhiesigen Waren, derselben zu erhalten und gute Freunde damit zu pro vi­ dieren, nicht wenig auch in feinen Spezereien, so per costi, dienend und [in der Lage, Ihnen] damit das Wechselagio per Tratta hierin zu ersparen . .. Was Coffee im Preis, bitte [ich] mir anzudeuten, als auch [was] in anderen Waren passiert. In Spiegeln habe [ich] auch gute Kundschaft, absonderlich in Judenmaß als auch in Sinaitini oder Schmelzwaren, ingleichen von anderen, größeren Spiegeln von V2 Elle und Kehrbesen, als auch Schmelzglas 80 8, Retaglie d’Sponza item 10 8 Schwammstein und extra feine Badeschwämme."

Johann Leonhard Finde hatte durch seine vermittelnde Tätigkeit als Kom­ missionär und Spediteur eine besonders gute Übersicht über die Möglichkeiten gewinnbringender Geschäfte und scheute sich auch nicht, sich bietende Chancen wahrzunehmen. Nur so erklärt sich die Vielfalt seines Sortiments. Er muß in dieser Hinsicht einen guten Ruf genossen haben und auch empfohlen worden sein, wie ein Brief vom 24. April 1705 an Zacharias Grünwald in Zittau zeigt (fol. 80'). Finck bedankte sich darin für das Angebot, „Leinwands Negotien" zu tätigen. Gleichzeitig bedauerte er jedoch, „daß dieses Negotium in proprio anzuführen, oder in Stücklein zu führen mit offenem Gewerb, nicht zugelassen sein wird, sowohl in Verkauf an allhiesigen Krämer, als auch in Speditionung deren in die Schweiz und [nach] den Orten, [in] denen [ich mit] Freunde[n] bedient bin." 12) Guthaben. 13) Auch „Zizole“ genannt, so in einem weiteren Brief an Feuerstein vom 25. Mai 1705 (fol. 56). Jujube = Zizyphus spina Christi (vorderasiatischer Christusdorn).

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Auf Grund der Briefe könnte leicht der Eindruck entstehen, als habe der Spezerei- und Materialhandel bei Johann Leonhard Finck denselben Rang eingenommen wie der Handel mit Tabak, Spiegeln, Draht- und Messingwaren, Kehrbesen oder Badeschwämmen. Es muß jedoch berücksichtigt werden, daß zweifellos eine Vielzahl großer wie kleiner Geschäfte getätigt wurde, die nicht Gegenstand eines Briefwechsels waren. So dürfte die Unterscheidung zwischen Spezerei- und Materialhandel als sein „Proprium" und Gelegenheitsgeschäften gerechtfertigt erscheinen. Das läßt sich auch aus folgender Bemerkung in einem Brief an Franz Brentan Morettos Witwe in Augsburg ersehen: „Meine Ware bestehet neben der Spezerei in Materialwaren, dessen in großer Anzahl, worüber gedruckte Catalog zu haben sein" (fol. 76'). Nur über ein ständiges Warenangebot konnten gedruckte Verzeichnisse verbreitet werden, in diesem Falle also Materialien. Im Zusammenhang mit Fincks Spezerei- und Material­ handel sei noch ein Brief angeführt, den Philipp Franciscus Erich aus Schwäb. Hall am 7. Januar 1705 (fol. 86) an „Herrn Johann Christoph Ahsum, Artis Pharmaceuticae Studioso bey Tit. Herrn Kellerer, wohlvornehmen Apothekern in Nürnberg" schrieb: „Ich habe vom verwichenen 13. Dec. ein Schreiben von H. Joh. Leonh. Fincken in costi erhalten 14), aus desen Inhalt ersehe, daß der Herr den von mir an ihn über­ schickten kleinen Defect selbigem zugestellt, so mir lieb ist, und werde ich, wenn ich sehe, daß er mich mit guten Waren und billigem Preis versehen sollte, mich seiner Correspondenz ferner bedienen.“

Er hatte jedoch von seiner bei Finck aufgegebenen Bestellung bisher noch nichts erhalten, obwohl „seither© etliche Fuhren von Nbg. angelangt" waren. Er bat daher seinen Bekannten, sich bei Finck zu erkundigen. „Ist es, daß die Ware noch nicht fortgeschicket, so könnte noch 1V2 gut ol. Juniperi und V4 Gewicht ol. Anisi, 3 & Sem. foen. Graec. dazu gepackt und mir NB mit allererster Fuhre gewiß gesendet werden, da dann die Bezahlung sogleich mit Dank erfolgen solle.“

Der Kommissions-, Speditions- und Wechselhandel ist insgesamt als dritte Gruppe der Geschäfte Johann Leonhard Fincks anzusehen. Schon bald nach seinem Tode im Jahre 1719 lassen sich solche Geschäfte nicht mehr nachweisen. Das liegt sicherlich daran, daß seine Witwe, welche die Firma weiter­ führte, überfordert gewesen wäre. Die Verbindungen mußten ständig gepflegt, erneuert und erweitert werden, wozu unter anderem Reisen nötig waren. Nur so konnte das Vertrauen der Geschäftspartner erworben werden und erhalten bleiben. Gerade bei solchen Geschäften war auch die Gefahr eintretender Rückschläge und Reibungen groß und erforderte besondere Umsicht. Dies­ bezügliche Briefe lassen zugleich damalige Handelsbräuche erkennen. Am 8. Januar 1705 beklagte sich Johann Leonhard Finck bei Johann Battista Müller in Augsburg (fol. 63'), daß er „wegen jüngster Bedienung einige Dank­ barkeit" vermissen ließ, dies trotz 14) Eine Kopie dieses Briefes ist nicht mehr vorhanden.

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MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde „meiner angewandten Mühe und Sorgfalt, gleichwie Eueres im Caffeehaus mündlich so teueren Versprechens ... Zumal noch überdies von Herrn Winckler aus costi zu vernehmen, [daß] Ew. keines Groschens meiner zu gedenken resolviert sein wolle, welches mir so schimpflich als schmerzlich fallen will und mir nicht einbilden kann oder mag, [daß] Ihr als ein ehrlicher und verständiger Handelsmann — und dessen Regard ihn gehalten — in dergleichen [Weise] mit mir zu procedieren gesinnet."

Gleichzeitig ging ein Brief an Benedict Winckler (fol. 64): „Ich schreibe mit diesem [Brief] ihm (Müller, Verf.) in aller Höflichkeit auch noch und will dessen Realität noch einmal erwarten, widrigenfalls für einen sehr groben und unverschämten Handelsmann erkennen werde, dies vor allemal."

Johann Battista Müller hatte nach Herstellung einer Geschäftsverbindung durch Finck diesen wahrscheinlich umgangen und war Provision schuldig ge­ blieben. Aus der Reaktion Johann Leonhard Fincks ist zu ersehen, daß ein solches Verhalten als eines Kaufmanns unwürdig erachtet wurde. Mochte die Ausschaltung des Vermittlers nach dem ersten Abschluß auch rechtlich unan­ greifbar sein, so galt es dennoch als ein Gebot des Anstands, ihm auch weiter­ hin Provision zu zahlen oder ihn zumindest mit der Spedition zu betrauen, Dabei wurde das gegenseitige Vertrauen so hoch veranschlagt, daß eine münd­ liche Absprache im Kaffeehaus als verbindlich gelten konnte. War schon das Gefühl für Redlichkeit stark ausgeprägt, so galt dies ebenso entschieden für das Recht. In dem Brief an Berthold Grabendieck vom 15. Mai 1705 15) heißt es: „Aus seinem Schreiben vom 25. passato habe abermahlen mit Verdruß ersehen müs­ sen seine unrechtmäßige Prätention der 28 Heringe, da ich doch dem Herrn im ge­ ringsten nichts restiere. Welches midi sehr verdrießt, indem ich dergleichen malitiösen Trattamenti von meinen Correspondenten nicht gewöhnt bin, weilen ich gewohnt bin, solche jederzeit redlich und aufrichtig zu tractieren. Desgleichen ich mich zu denenselben auch verstehe, nicht gewohnt und ein Feind unnötiger Replichen bin. Der Herr meldet ja selbsten mit eigner Hand in seinem den 2. August 1704 an mich abgelassenen, daß das alte abgetan und liquid seie, welches der Herr in seinem Copierbuch, wofern solches etwa in die Vergessenheit geraten wäre, ersehen kann. Nun aber kommt mir der Herr wiederum aufs neue mit dieser unbegründeten Prä­ tention aufgezogen, worin ich mich gar nicht finden kann. Ich bin gewohnt, meine Correspondenten honnet zu tractieren und um so eine Bagatell mich gar nicht zu lausen, wofern es mit Grund kann dargetan werden. Mir aber Unrecht tun zu lassen — es mag die Sach so gering sein als sie wolle — bin ich nicht gewohnt."

Recht und Redlichkeit galten im Handelsverkehr als unumstößliche Prinzi­ pien, auf die man sich meistens auch dann berufen konnte, wenn man keinen schriftlichen Beleg in Händen hielt. Die Briefe im Handbuch Georg Tobias Fincks ab 1714 vermitteln dasselbe Bild von den Geschäften Johann Leonhard Fincks wie zehn Jahre zuvor. Als Erbe Georg Tobias Fincks war er bestrebt, die schwebenden Geschäfte seines verstorbenen Onkels vollends abzuwickeln und zugleich bemüht, die Verbin15) Vgl. S. 300. 304

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düngen aufrechtzuerhalten. Allerdings mahnte er auch kleinste Forderungen an. Am 21. Juli 1714 schrieb er an Hanns Eiffler in Hamburg (fol. 278 18) ): „Es wird demselben zweifellos entfallen sein, was maßen dem Herrn bei Eingang dieses Jahres per Herrn Georg Tobias Finde 1 Schachtel Metall, so von Augsburg ge­ kommen, zugesandt worden. Davon noch im Rechnungsbuch Spesen 1 fl., 18 Kr. offen finde.“ In einem Brief an Joseph Anthony Aichperger in Bozen (fol. 271) heißt es: „Bin derzeit nebst der Frau Finckin (Georg Tobias Fincks Witwe, Verf.) über den Corrent Conto gegangen und [habe] folgendes mehreres gefunden: An Spesen von Nr. 5................................................................ fl. —, Kr. 10 von Nr. 7................................................................ fl. —, Kr. 5 Letzt gesandte Bücher, Betragmehr ....... ................................ fl. —, Kr. 38 Das Porto belauft von 2. Märzbis 6. April 1714 . . . fl. 2, Kr. 14 fl. 3, Kr. 7 fl. 2, Kr. 38 Käme der Frau Finckin also noch zu fl. —, Kr. 39 [Ich] wollte midi glücklich schätzen, im einen oder anderen dienen zu können, son­ derlich in Materialien, das mein eigen Proprium ist.“ Aichperger nahm Fincks Angebot an, indem er zwar keine Materialien bei ihm kaufte, jedoch in beträchtlichen Mengen Bücher und Landkarten von ihm bezog und ihn mit der Spedition seiner über Nürnberg gelangenden Sendungen betraute: „Hierbei folgt von Hof mann die versprochene Lista der Landkarten, auch Copia, was für Bücher [ich] aus Leipzig bekommen [habe].“ (fol. 267') In einem anderen Brief vom 12. Juli 1714 (fol. 276r) heißt es: „Dero geliebtes vom 24. passato ist mir wohl worden. Darin gerne ersehe, daß Ew. 7 Landkarten verlangen ... Es kostet eine illuminierte 15 Kreuzer .. . Sobald das Faß Zucker Nr. 4 von Herrn Joachim Schröder von Hamburg arriviert, speditiere es cito und gebe seinerzeit dann richtigs Aviso ... Zweifle nicht, es werden die Bücher indessen auch costi schon in des Herrn Händen glücklich arriviert sein." Johann Leonhard Finde informierte sich auf Buchmessen in Leipzig über Neuerscheinungen und gab dann entsprechende Listen und Kataloge weiter. Manchmal kaufte er auch gleich für Aichperger ein, wie aus einem Brief vom 18. Dezember 1715 (fol. 300, 300') zu ersehen ist. Finde avisierte eine Sen­ dung, bestehend aus einem Faß Zucker von Hamburg, acht Landkarten und den folgenden „aus der vergangenen Leipziger Michaeli Meß" erworbenen Büchern: fl.___ Kr. „1 deutsche acta Cruditorum 34, 35, 36 .............................. — 30 1 neu eröffnete Welt- und Staatsspiegel 1, 2, 3 — 30 1 Amarethens Frauenzimmer Lexicon...................................... 2 45 1 Olearij, Jesus Christus der ausersehenste Eckstein . 1 30 16) Die nachfolgenden Seitenzahlen beziehen sich auf das „Handbuch von 1683“, NW 15—4 StadtA. 20

305

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

Behambs Roßtäuscher Recht..................................................... — 24 Marpergers Frag von der Kaufmannschaft .... — 36 Ziegenbalgs Bericht die 1., 2., 3. und folgenden Teile . . — 30 der in Rediten gechwinde und resolvierende Consulent . — 30 Thomasius auserlesene Schriften............................................. — 40 Oettinger, vom Markstein.....................................................— 32 Staat von Siam in Ostindien............................................. — 12 Frisij, Ceremoniell der Gürttle [Gürtel oder Gürtler?] . — 8 Welt- und Staatsspiegel.............................................................— 15 Einleitung von Staat in Spanien............................................. — 12 Meß Catalogum..................................................................... —-____________ 5 9 19 pr. [Provision] — 45 10 4“

Außerhalb der Messezeiten lieferte Elias Withauer in Leipzig Bücher nach Bestellungen und ließ sich zugleich die Spedition seiner über Nürnberg kom­ menden Sendungen besorgen. Ihm schrieb Johann Leonhard Finck am 9. Juni 1714 (fol. 272): „Statt Herrn Georg Tobias Finck, der bereits vor 1 Monat das Zeitliche verlassen und mich als seinen Vettern zum Successor von seinen Commissionen stipulieret, gebe [ich] mir die Ehr, dero Liebwerthes vom 12. passato zu beantworten." Es folgte das Avis eines „Küstl Lauten Tücher", von Ernst Heinrich Winckler in Augsburg kommend. Ein anderer ehemaliger Geschäftsfreund Georg Tobias Fincks war Oßwald Leupold in Langensalza. Johann Leonhard Finde hatte einen Wechsel über 225 Gulden Courrant zum Einzug von ihm übernommen, der von „Ant.° Latuada ä Milano" ausgestellt und auf die Firma Rauner & Münch in Augsburg gezogen war (fol. 268). Finde versprach, daß er nach Bezahlung des Wechsels „alsdann die völligen fl. 225 an Herrn Posthalter Johann Michael Keil in Erfurt per Hamburger Boten senden werde. Die Ducaten sind derzeit im Wert fl. 4, Kr. 6 und Louis d’Or fl. 71/4" 17). Am 6. Juni 1714 ließ Finde die Herren Rauner & Münch wissen, er werde den Wechsel zu Protest nach Mailand gehen lassen, falls sie nicht bezahlen würden (fol. 269). Eine Woche später hatte Finde dann das Geld in Händen und bedankte sich bei Rauner & Münch für die Bezahlung (fol. 273'). Gleichzeitig bat er, daß „Ew. mir die Ehr geben wollen, es sei in Com­ missionen, Spedition oder Einziehung der Gelder dero Befehle mir aufzu­ tragen." Hinsichtlich der versprochenen Weiterleitung des Geldes an Oßwald Leupold ergab sich unversehens eine Verzögerung: „In Antwort dero Geliebten vom 12. dieses hat endlich mein Remonstrieren bei den Herren Rauner & Münch so viel gewirkt, daß sie die 225 fl. p. bonneur des Briefs bezahlt. Die habe nun in Händen, aber wie schon gemeldet in Münz, weilen anders nicht konnte Unterkommen. Dies macht aber nun wegen eines morgen hervorkom­ menden Münzverbots so viel Schwierigkeit, daß derzeit niemand seine Louis de blanc will gegen Münz umsetzen. Müssen also Ew. notwendig damit ein wenig nachsehen, bis der erste Rauch und Hitz vorbei ist.“ 18) 17) 18)

fol. 268', 1. Juni 1714. fol. 274', 15. Juni 1714.

306

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Geschäfte der Familie Finde

53 (1965)

Das war offenbar noch im selben Monat der Fall, denn Finde schickte fl. 138V3 in „1 versiegelt Päcklein Contanti, mit H. O. L. signiert" an Johann Michael Keil in Erfurt. Leupold erhielt folgende Abrechnung (fol. 276): „Sensaria von den nach Augsburg vemegotierten fl. 225 ä l°/oo samt Banco Gebühr..............................

fl. —, Meine Provision Vs°/o............................................. fl. —, bisher vorgeschossenes Briefporto vom 4. Mai bis 22. Juni............................................. fl. 3, des Georg Tob. Fincks Avanzo lt. Corr. Cto. fl. 74, l’Agio von fl. 140 Münz gegen Louis blanc a 1V2 %> fl. 2, den 15. d. an Joh. Carl Volland bezahlt fl. 4, nach Erfurt an Postverwalter Johann Michael Keil mit dem Hamburger Boten an Louis blanc gesandt fl. 138,

Kr. 29, d 2 Kr. 45, d — Kr. 47, d — Kr. 58, d — Kr. 6, d — Kr. 34, d — Kr. 20, d 2

fl. 225, Kr. —, d —'■

Ein beigefügter Kontoauszug erläuterte das verrechnete Guthaben Georg Tobias Fincks (fol. 274', 275): Soll

Oßwald Leupold

Soll Haben

fl. Kr. d 12. Apr. an Unkosten von Nr. 11 14. Dez. an dto. von 1 Ballen Garn 22. Dez. an 4 Calender

fl. Kr. d 1714

1713

15. Juni — 37

6

2

per Waidrechnung per Saldo

/ / /

8 —

— 16-

1714

27. Jan.

an Unkosten von Nr. 14 26. Feb. an dto. von 1 Ballen ohne Nr. 14. März an dto. von 1 Ballen Caffee 15. Juni an Briefporto v. 1713, 14. Jan. bis ult. März

6

30 1 2 74 58 —

2 —

6 13 —

36 38 —

/ 49

5 —

104 59

2

104 59

2

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Die Waidrecbnung19) wiederum sah folgendermaßen aus (fol. 274'): „Ich finde in dem geführten Waidbuch, daß für selbigen den 14. Juni 1710 noch im Lager gestanden 7 Faß, dazu sind den 24. Juli und 4. Oktober 1710 noch gekommen 3 Faß und 4 Faß consignierte Christoph Adam Gierisch den 16. April 1711 14 Faß in allem. Hiervon ist verkauft laut eingesandter Waidrechnung: den 31. Juli 1710................................................................................ ........ . 6 Faß, mehr laut der Rechnung den 19. Dec. 1711................................................ 3 Faß, ferner laut Rechnung den 14. Jan. 1713........................................................ 3 Faß, 12 Faß, Rest........................................................................................................................ 2 Faß."

Diese zwei Fässer waren wie folgt verkauft worden (fol. 274): „Nürnberg adi. 15. Juni 1714 Herr Oßwald Leupold in Langensalza Soll Haben, und finde, daß der Rest von sei­ nem Waid auf folgende Zeit 2 Monate verkauft worden: 1 Faß........................................................................................ fl. 15, Kr. —, d — 5. Februar 2 Monate Zeit 1 Faß........................................................................................ fl. 19, Kr. —, d — fl. 34, Kr. —, d — Unkosten: fl. Kr. d per Lagerzins m Waidhaus auf 2 Jahre . . 2, 42, 2 per die 2 Faß hinein und heraus zu tun . . —,16, — per Provision........................................................ 1, —, — fl. 3, Kr. 58, d 2 Restiert . . . . fl. 30, Kr. 1, d 2 netto ritratta.“

Durch die vorstehende Abrechnung treten indirekt die Kommissions- und Speditionsgeschäfte Georg Tobias Fincks noch einmal zutage. Johann Leon­ hard Finck hatte sich die günstige Gelegenheit eines zu „vernegotierenden" Wechsels nicht entgehen lassen, um klare Verhältnisse zu schaffen. Damals — am 8. Juni 1714 — empfahl er sich auch einem anderen Kaufmann in Langen­ salza namens Christoph Arnold als Faktor für den Fernhandel nach Italien: „Eines Factors und Speditors größte Tugend muß sein die Verschwiegenheit." Sollte der Angesprochene seine Angelegenheiten auch in verläßlichen Händen wissen, so war Finck andererseits nicht vorbehaltlos bereit, seine Dienste an­ zubieten. Dies mochten ihn Fehlschläge wie mit Johann Battista Müller im Jahre 1705 *°) gelehrt haben: 19) Der Waid war ein Farbmaterial zum Blaufärben, der hauptsächlich aus Thüringen kam, aber mehr und mehr vom Indigo verdrängt wurde. „Es mußte nicht allein aller Waid, der in die Stadt kam, in das sogenannte Waidhaus oder in den Waidstadel geliefert, sondern er mußte auch daselbst in Ansehung seiner Güte untersucht und auf Verlangen beim Verkauf mit gewissen Scheffeln oder Metzen gemessen werden.“ (Johann Ferdinand Roth, Geschichte des Nümbergischen Handels, a. a. O., III. Teil, S 241). *°) Siehe S. 304.

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MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde „Übrigens könnte dem Herrn zwar gern gönnen, wann er auf ander Art Bekannt­ schaft nach Italien bekäme, wann es nur ohne mein Präjudiz geschiehet.“ (fol. 272)

Die Darstellung des Fischhandels Georg Tobias Fincks 21) wird auf in­ teressante Weise durch die Abrechnung eines Kommissionsgeschäfts Johann Leonhard Fincks vom 9. März 1717 ergänzt (fol. 314): „Herr Johann Christoph Fischer in Hamburg Soll Haben, und verkaufte auf sein ordre die bei mir liegend habende 2 Pack ffisch, wiegen Sporco 'S H04 S 1093 S 2197 Tara S 147 S 2050 Netto ä fl. 11 pro ctr fl. 225, Kr. 30 fl. Kr. Ab hiervon die Unkosten: per Fracht von Hamburg 84, 49 In die Waag zu führen und Wiegerlohn 1, 15 —, 30 per Fischschauern.............................. per Sessaria Vs °/o................................ —, 45 Porto.................................................... 2, — hiesig Stadt Zoll 1 °/o 2, 15 Münz aggio 1 %> . . 2, 15 Meine Provision 2 %> 4, 30 fl. Verbleibt also noch netto .... fl. 127, Kr. 11"

Die Vertriebskosten ab Hamburg beliefen sich demnach auf rd. AZU Gul­ den pro Zentner netto beim Verkauf in Nürnberg und erhöhten sich bei­ spielsweise bis Salzburg um mindestens die Transportkosten von einem wei­ teren Gulden. Dem Hamburger Händler verblieb daher netto kaum mehr als die Hälfte des Verkaufserlöses. Die Vielseitigkeit der Geschäfte eines Nürnberger „Materialisten" zu Beginn des 18. Jahrhunderts sei noch an einem schon fast ausgefallenen Bei­ spiel aufgezeigt. Am 21. Mai 1714 (fol. 265', 266) gab Johann Leonhard Finck an Anthony Kentlin in Augsburg ein Versandavis über „eine verpetschierte Schachtel, mit A. K. bezeichnet, worin die bestellten Zinnern Knöpf — vermög inliegender Rechnung — [sich befinden]". Außerdem war der Sen­ dung „1 Paquet in Leinwand empalliert, so B. C. signiert" beigefügt, welches der Herr „cito" weiter nach München „A son Excellence, Monsieur le Baron de Closen, Combattan de Sä Maijtc le Roye de Bologne et Electeur de Saxe" schicken möge, „denn es besteht solches Paquet in einer Peruque und einigen Paar Schuhen, so etwa der Herr Baron möchte benötiget sein." Das im „Handbuch von 1683" (fol. 433—443') enthaltene Inventar vom Jahre 1715 macht den Eindruck eines nur flüchtig hingeschriebenen Konzepts. Die Warenvorräte wurden zwar in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt, je­ doch nur bis einschließlich zum Buchstaben „O" bewertet. Es ist allerdings 21) Siehe S. 293. 309

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde

auch möglich, daß Johann Leonhard Finde nur einen groben Überblick ge­ winnen wollte und die ebenso mühsame wie zeitraubende Arbeit abbrach, nachdem er die Teilsumme von 2158 Gulden und 49 Kreuzern ermittelt hatte. Es mochte ihm genügen zu wissen, daß sich der Gesamtwert seiner Vorräte auf ca. 4000 Gulden belief. Vergleicht man diesen Gesamtwert mit demjenigen des Inventariums von 1677 (rd. 10 000 Gulden), so ergibt sich, daß das Lager in jener Zeit verhältnismäßig klein war. Daher dürfte der Schluß zulässig sein, daß der Kommissions-, Speditions­ und Wechselhandel bei Johann Leonhard Finde im Vordergrund stand, wenn er sich auch von Beruf „Materialist“ nannte. Wäre das kleine Lager nur eine zwangsläufige Folge mangelnder Finanzierungsmöglichkeiten gewesen, so hätte ihn die Erbschaft seines ehemaligen Vormunds Dr. Johann Michael Endter22) im Jahre 1719 23) in die Lage versetzt, sich in stärkerem Maße mit Vorräten zu versehen. Statt dessen deponierte Johann Leonhard Finck 3220 Gulden und 52V2 Kreuzer im „Franziskanerkloster zu Augsburg-Lechfeld“ (fol. 339), was für gesunde finanzielle Verhältnisse in seiner Firma spricht. Am Schluß des Inventars von 1715 stehen ebenfalls — wie bei demjenigen von 1677 — einige Raritäten, die sich anscheinend von Generation zu Gene­ ration hielten und teilweise sogar noch ergänzt wurden: „1 Stück von einer Schildkröten 1 große ausgestopfte Schildkröten Ein Meer Igel und ander Fisch Ein groß Schwerdt von ein Fisch und anderes kleines Ein Heufisch oder Seehund ausgestopft 10 Gold Muscheln und andere 1 Straußeney 1 Lappländisch Schiff von Fischhäuten 2 Paßauische Regiments Gewehr, Bogenpfeil und Köcher/'

**) Vgl. S. 269. **) Siehe Anlage 3, S. 338.

310

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6. Kapitel Die Zeit zwischen 1719 und 1763 Sieht man von den Aufzeichnungen über die Geschäfte mit dem Kloster St. Clara in Eger ab, so sind aus der Zeit nach dem Tode Johann Leonhard Fincks bis zur Übernahme der Firma durch Christoph Adam Bäumler an Geschäftsbüchern nur die Inventare von 1726 und 1748 sowie ein Konto­ korrentbuch von 1742 bis 1757 erhalten1). Nach Johann Leonhard Fincks Tod im Jahre 1719 führte die Witwe Clara Susanna die Handlung weiter. Im Jahre 1731 nahm sie den 13jährigen Johann Haffner2)* als Lehrjungen in die Firma auf, der später „Director“ und nach ihrem Tode im Jahre 1748 ihr Nachfolger wurde. Am 9. Juni 1750 heiratete Johann Haffner Felicitas, Tochter des Gürtlers und Spangenmachers Wolfgang Lang 8). 1755 wurde er Zwölfer des Gewürzschauamts4) und starb 1761. Nunmehr war Felicitas Haffnerin Inhaberin der Firma bis zur Übernahme durch Christoph Adam Bäumler im Jahre 1763.

0> >0

Einziger Beleg für diese Folge der genannten Firmeninhaber bildet ein Notizzettel von Christoph Adam Bäumler mit folgendem Wortlaut: 1677 1714

Ao.

1717

Ao.

1688

Ao. Ao.

1719 1748

Ao.

1761

Ao.

1769

Ao.

1763

starb Joh. Jacob Finckh, mensis May starb Georg Tobias Finde, er war Vetter des Joh. Leonh. Fincks, mensis Oct. starb Christoph Melchior Riedners seel. Wittib als Joh. Leonh. Fincks seel. Mutter, dessen Stiefvatter obiger Riedner war, ward Christoff Melchior Riedner (das folgende Wort ist verblaßt) in seiner Handlung, mensis Juli starb Joh. Leonh. Finde 5),* starb Clara Susanna Findein, dessen [unterlassene Wittib, eine ge­ borene Langkopfin, den 4. Nov. starb Joh. Haffner, deren zeitheriger Nachfolger und vor­ her 17jähriger Bedienter in dieser Handlung, mensis April starb Felicitas Haffnerin, dessen hinterlassene Wittib und letzt vermählte Math. Bäumlerin, mensis April trat ich Christoph Adam Bäumler diese von mir erkaufte Haus und Handlung an, nachdeme ich vorhero unter göttlichem Bei­ stand I2V2 Jahr lang id est de die 7. Oct. 1750 bis erwähnten mensis April 1763 ersprießliche Dienste bei meinem Antecessore Herrn Joh. Haffner geleistet hatte.“

Die Stellung Johann Haffners in der Firma nach Beendigung seiner Lehr­ zeit bis zum Tode der Clara Susanna Finch ist aus einer anderen losen Bei*) Signaturen siehe Fußnote 1 zu Kapitel 5, S. 299. 2) Johann Haffner, Sohn des Pfragners Heinrich Haffner, wurde im Jahre 1718 geboren. Taufbuch St. Sebald Nr. S. 11, S. 725, LKA. 8) Traubuch St. Lorenz Nr. L. 43, S. 309, LKA. Felicitas Lang wurde 1726 geboren. Tauf­ buch St. Lorenz Nr. L. 28, S. 722, LKA. 4) Verzeichnis der verordneten Herren Zwölfer, a. a. O., Bl. 7. 5) In Wirklichkeit starb Johann Leonhard Finck im August 1719. Vgl. Fußnote 6 zu Kapi­ tel 7, S. 315.

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läge im Kontokorrentbuch von 1742 zu ersehen. Es handelt sich um ein Gesuch des Regensburger Stadtschultheiß und Gerichtspräsidenten Gottlieb Rueff um Annahme seines Sohnes Johann Jacob als Lehrling. Das Schreiben war an die „Materialisten — Wittib Finckin" gerichtet, die ihr „altes Material- und Specerey-Negotium“ mit einem „Director" betreibe. Mit letzterem war zweifel­ los Johann Haffner gemeint. Das „Netto Inventarium Anno 1726" wies Vorräte im Wert von fl. 7552, Kr. 21, d 2 auf, die auf 50 Seiten alphabetisch geordnet waren. Die Anzahl von 1161 Positionen war fast genau dieselbe wie beim Inventarium von 1677 6), so daß sich das Sortiment inzwischen nicht wesentlich geändert haben dürfte. Der um ein Viertel geringere Wert, gegenüber rd. 10 000 Gulden im Jahre 1677, bedeutet daher kleinere Vorratsmengen je Warenart, vollends wenn Preiserhöhungen unterstellt werden. Hierin zeigt sich möglicherweise ein Wandel in der Art der Geschäfte. Das Angebot der Firma an Materialien und Spezereien war zwar ebenso groß wie früher, jedoch trat der Kleinverkauf an die Stelle eines vormals weiträumigen Femhandels mit großen Partien. Es ist allerdings auch möglich, daß schon der Material- und Spezereihandel Johann Leonhard Fincks diese Züge trug, wenn man vom Kommissionshandel mit diesen Waren absieht, und nie von der Art wie bei seinem Vater Johann Jacob 7) oder bei seinem Onkel Georg Tobias Finck gewesen war. Das genannte Kontokorrentbuch bestätigt für die Jahre 1742 bis 1757 den sich aus dem Inventar von 1726 ergebenden Schluß hinsichtlich der Art der Geschäfte8). Die Einkäufe erfolgten nur bei Nürnberger Händlern, nämlich Paulus (3), Johann Tobias (4), Justus Christian (28) und Georg Jacob Kieß­ ling (31), Stellwag & Rinder (l), Paulus Wurster (2), Valentin Schober (5), Johann Caspar Schauer (6), Georg Christoph Höger (7), Johann Wolfgang Günther (10) und Conrad Lothes (8)9). Der Monatsumsatz mit den ein­ zelnen Lieferanten schwankte zwischen 20 und 100 Gulden. Um diese Zahlen zu veranschaulichen, sei erwähnt, daß in den Jahren 1747 bis 1756 (fol. 58', 59) von Conrad Lothes u. a. 63 5 S Sirup ä 12Vz fl./ ctr.

100 S Raffinade . 200 S dto. ä 37 fl./ctr. . 200 S Kaffee ä 47 fl. / ctr.

. . . .

fl. fl. fl. fl.

79, 42, 74, 94,

Kr. Kr. Kr. Kr.

22,

—, — —

und

bezogen wurden. Die Umsätze mit den einzelnen Kunden waren wesentlich kleiner. Einer der größten Abnehmer, Friedrich Schwerdt in Kraftshof (fol. 1 von rückwärts10), erhielt von Dezember 1742 bis Juni 1743 Waren im Werte von insgesamt fl. 104, Kr. 12. Vereinzelt wurden beiderseitige Lieferungen 6) Vgl. S. 273. 7) Vgl. die angeführten Geschäftsverbindungen aus dem Inventarium von 1677, S. 278. 8) Die nachfolgenden eingeklammerten Seitenzahlen beziehen sich auf das Kontokorrentbuch, NW 15-215, StadtA. 9) Vgl. Anlage 2, S. 336. 10) Das Buch wurde von vom als Kreditoren- und van rückwärts als Debitoren-Kontokorrent geführt.

312

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miteinander verrechnet, so daß im Extremfalle nicht zu entscheiden ist, ob der Geschäftspartner in erster Linie Kunde oder Lieferant war. So erhielt Conrad Meisters Wittib Zimt, Zucker und Aloes gegen Lieferung von Wein­ geist („Spiritus vini“) n) und Johann Caspar Schauer lieferte Balsam gegen Senegalgummi12). Stellwag & Rinder lieferten zwar hauptsächlich Materialien (Lignum sanktum Vitriol, Theriac, Jujube, Oculi cancri usw.) gegen Bezahlung, erhielten aber gelegentlich als Gegenlieferungen Spezereien (Öl, Weingeist, Safran, Mandeln, Zimt oder Zucker), was dann aufgerechnet wurde. Neben den Kunden, die laufend von der Firma bezogen, und für die eigene Konten eingerichtet wurden, gab es eine Vielzahl anderer, die in das Sammelkonto „Diverse" aufgenommen wurden. Zu ihnen gehörten Zahnärzte (50'), Bader (51), Oculisten (56') Doctores (67*), Chirurgen (82) und Apotheker (105') aus Erlangen, Eltersdorf, Langenzenn, Zirndorf, Eibach, Schwabach, Wendel­ stein, aber auch aus Weißenburg, Gunzenhausen, Sulzbach und Bayreuth. Mit diesen Orten ist zugleich der gesamte Bereich umschrieben, in den die Firma lieferte. Zu den Kunden mit eigenem Konto gehörten außer dem schon er­ wähnten Friedrich Schwerdt aus Kraftshof Georg Stephan (4) und Herr von Scheuerl (29) in Lauf, Johann Wiedmann in Schweinau (10), Johann Kettlein in Pegnitz (6) und Herr Rötter in Cadolzburg (33). Kunden aus Nürnberg selbst waren Hannß Joachim Haller (16), Johann Hermann Zinck (2) und Ihro Gnaden Frau von Stromer (28). Der Unterschied zu den Geschäftsverbindungen Johann Leonhard Fincks und seines Vaters, aber auch zu denen Georg Tobias Fincks, ist unverkennbar und war wahrscheinlich sowohl durch die politische Entwicklung als auch die persönlichen Möglichkeiten der Clara Susanna Finde und ihres Nachfolgers Johann Haffner bedingt. Diese sich abzeichnende Tendenz zum engeren Ab­ satzgebiet der Firma war allerdings noch nicht endgültig, wie sich bei Christoph Adam Bäumler später zeigen sollte. Hier waren wieder Verbindungen nach Amsterdam, Berlin, Hamburg und Stockholm vorhanden. Dem Inventarium vom 29. Juli 1748 sind keine weiteren Erkenntnisse abzugwinnen. In einem Schmalfolioheft wurden die Vorräte nach Lagerplätzen geordnet aufgeführt, jedoch nicht bewertet. Diese Unvollständigkeit läßt ver­ muten, daß das Heft nur ein Konzept darstellte, dessen Reinschrift nicht mehr erhalten ist. Auf einen Mengenvergleich mit anderen Inventaren wurde wegen des beschränkten Aussagewerts verzichtet, zumal das Kontokorrentbuch von 1742 bis 1757 bereits einen Überblick über den Geschäftsumfang in jener Zeit ermöglichte.

n) Fol. 13 von rückwärts. 12) Fol. 6 von rückwärts. 313

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7. Kapitel

Die Geschäfte mit dem Kloster St. Clara in Eger (ca. 1700 —1796) Die Aufzeichnungen über die Geschäfte mit dem Kloster St. Clara in Eger nehmen im „Handbuch von 1683" ab Folio 27$' (24. Juli 1714) einen breiten Raum ein. Eine gesonderte Darstellung erscheint schon deshalb gerechtfertigt, weil diese Geschäfte weder durch die verschiedenen Firmeninhaber noch die Äbtissinnen des Klosters in mehreren Generationen eine Unterbrechung er­ fuhren und sich daher für die Firmengeschichte jener Zeit als ein begrüßens­ wertes Kontinuitätsmoment erwiesen haben. Das gilt wegen der Lückenhaf­ tigkeit der Archivalien vor allem für die Zeit bis 1763. Aber auch Christoph Adam Bäumler widmete sich noch aufmerksam und beflissen dem Handel mit dem Kloster bis zu seiner Aufhebung im Jahre 1782 *)• Die Tradition dieses Handels hatte neben dem geschäftlichen Interesse zweifellos schon für Johann Leonhard Finde von vornherein Eigenwert, was sich bereits anhand es ersten erhaltenen Briefes nach Eger begründen läßt. Er stammt vom 3. Februar 1705 *) und war an die „Hochwürdige, In Gott Andächtige, auch Hochwohlgeborene Mutter Salomea Mihlventzlin*8),*des * * Hochlöblichen * Jungfrauen Closters St. Clara in Eger Äbtissin in Eger" gerichtet. Johann Leonhard Finde bedankte sich darin für eine Zahlung a Conto in Höhe von 214 Gulden. Es mußte also zuvor eine entsprechende Lie­ ferung erfolgt sein. Die Äbtissin hatte zusammen mit dem Geld ein „Präsent" geschickt, wofür sich Johann Leonhard Finck, zugleich im Namen seiner „Herzliebsten" und seines „hochgeehrten Herrn Schwähern und Großvattem Herrn Conrad Langkopf", wärmstens bedankte. Conrad Langkopf hatte seiner Tochter Clara Susanna offenbar seine Geschäfte mit dem Kloster als Mitgift abgetreten, als sie im Jahre 1700 die Ehe mit Johann Leonhard Finde einging4). Dies läßt sich noch eindeutiger aus Briefen der Witwe Clara Susanna Finde vom 23. August 1719 (Handbuch fol. 345)ö) und 17. November 1722 (fol. *) Die Aufhebung erfolgte auf Grund des von Joseph II. 1781/82 erlassenen Toleranzedikts am 7. Februar 1782. Heribert Sturm, Eger / Geschichte einer Reichsstadt, Augsburg 1951, Bd. 1, S. 400. *) Kopierbuch von 1704/05, fol. 72', Amb. 270. 2°, Stadtbibliothek Nbg. Es ist der einzige Brief nach Eger in diesem Kopierbuch. 8) Die Äbtissinnen des Klosters während der Zeit, in der die Firma dorthin lieferte, waren von 1703 bis 1707 Salomena Mühlvenzl, 1707 bis 1723 Bemhardina Vetterl von Wildenbrunn, 1723 bis 1731 Angela Friesl, 1731 bis 1741 Praxedis Brusch, 1741 bis 1768 Maria Katharina Nonner, 1768 bis 1782 Maria Lucia Zembsch. Heribert Sturm, a. a. O., S. 400. 4) Vgl. S. 296. 5) Die nachfolgenden Seitenzahlen beziehen sich auf das Handbuch von 1683, NW 15—4 StadtA.

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359) an die damalige Äbtissin „Maria Bemardina Vetterlin von Wiltenbninn* ersehen. Im ersten der beiden Briefe teilte Clara Susanna der Äbtissin mit, daß ihr Mann verstorben sei6), zugleich „untertänigst bittend, midi die hohe Gnade noch ferner genießen zu lassen. Indem schon von vielen Jahren her so glücklich gewesen, Euer Hochwürden und Gnaden zu bedienen, als bei meinem Seel. Vatter Langkopf7) und auch bei meinem nunmehr Seel. Mann Johann Leonhard Finck."

Die „llrsach und Gelegenheit" des zweiten Briefes gab, „nachdeme von einem guten Freund allhier vernommen, daß ein gewisser Materialist allhier („daß der Materialist Löffler“ gestrichen, Verf.) sich bei HwuG [Hochwürden und Gnaden] abermahlen solle gemeldet und getrachtet haben sich zu recommendieren. Als will nicht hoffen, daß ich werde Ursach noch Anlaß gegeben haben, einige Ungnade auf mich zu werfen, sondern wie von meinem H. Vattem als auch mir sich ferner bedienen zu lassen.“

In den zitierten Briefen treten bereits charakteristische Merkmale des Handels mit dem Kloster deutlich hervor. Einerseits bestanden jenseits des Geschäftlichen wärmste menschliche Beziehungen, die sich im Austausch per­ sönlicher Nachrichten über das Ergehen, gegenseitigen Geschenken und Ge­ fälligkeiten niederschlugen. Andererseits mußten sich die jeweiligen Firmen­ inhaber stets bemühen, durch Lieferung guter Ware zu billigen Preisen die Konkurrenz femzuhalten, was dann auch mit geschäftlicher Treue und regel­ mäßiger Bezahlung honoriert wurde. Über die Gegenstände des Handels gibt erstmals eine Rechnung vom 27. August 1718 (fol. 336) Auskunft. Sie lautete: „netto 428 'S Venedischen Theriack8) ff. k fl. 40 . 30 S Camphora ff. ä fl. 21/* .... 56 'S braun Candel Zucker ä fl. V* . 16 S weißen Diptam9) ä Kr. 30 . 30 S ganzen Ingber ä Kr. 12 . 30 S gestoßenen dto., ä Kr. 13

per Fässer zu repartieren, Waag- u. Zeichengeld

fl. 171, Kr. 12 fl. 75, Kr. — fl. 28, Kr. —

fl. fl. fl.

8, Kr. — 6, Kr. — 6, Kr. 30 fl. 1, Kr. 10 fl. 295, Kr. 52“

6) Johann Leonhard Finde wurde am 15. August 1719 bestattet. Totenbuch St. Sebald Nr. S. 44, S. 399, LKA. 7) Conrad Langkopf war 1706 verstorben. Totenbuch St. Sebald Nr. S. 43, S. 276, LKA. 8) Theriak oder Dreiacker: „Ursprünglich war es ein aus giftigem Schlangenfleisch bereitetes Gegengift. Jetzt gibt es viele Arten, Stieler nennt venedischen Theriak und Gifttheriak. Es ist ein aus gepulverten Pflanzenteilen mit Honig zu einer Latwerge verdicktes Arznei­ mittel. Nach Adelung ist der gemeine Theriak aus Enzianwurzel, der wahren Osterluzei­ wurzel, Lorbeeren, Wachholderbeeren, Myrrhen und Honig zusammengesetzt. Dieser wird von Theriakskrämern, gewöhnlich Ungarn, herumgetragen, die man als betrügerisches Gesindel betrachtet, weshalb, wie Spieler bemerkt, bei dem gemeinen Volk Driakel so viel als Betrügerei heißt, im französischen triacleur ein Quacksalber, Marktschreier und Schwätzer.“ Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, 11. Bd., I. Abt., I. Teil, Leipzig 1935, Sp. 367 sowie 2. Bd., Leipzig 1860, Sp. 1373. 9) Diptam, Aschwurz: Der Wurzelstock ist Volksarznei gegen Magen- und Frauenkrank­ heiten. 315

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Theriak, Kampfer, Ingwer, Zucker, Diptam und gelegentlich auch Krähen­ augen 10) wurden in großen Mengen an das Kloster verkauft. Theriak, Kamp­ fer, Diptam und Krähenaugen wären nach der für die Sortimentsanalyse des Inventariums von 1677 entwickelten Systematik11) als Arzneien bzw. Arznei­ drogen, Ingwer als Gewürz und Zucker als Nahrungsmittel zu bezeichnen. Hätten die Klarissinnen den Ingwer tatsächlich in erster Linie als Gewürz und den Zucker als Nahrungsmittel für eigenen Bedarf verwendet, so könnte man sich wohl mit Recht fragen, weshalb sie nicht auch Pfeffer, Safran, Zimt, Nelken sowie Fisch, Reis, Mandeln, Zitronen oder Zwetschgen von der Firma bezogen. Man kann daher vermuten, daß der Ingwer und Zucker als Zutaten zur Arzneimittelherstellung dienten. Da diese auf Grund der beträchtlichen Liefermengen einen entsprechend großen Umfang gehabt haben muß, können die hergestellten Arzneien nicht ausschließlich dem Eigenbedarf des Klosters gedient haben, in dem durchschnittlich 30 Nonnen lebten 12). Daraus ergibt sich, daß die Nonnen Ärzte, Apotheker und Krankenhäuser mit Arzneimitteln versahen oder selbst als Krankenpflegerinnen tätig waren. Die hierfür be­ nötigten Arzneidrogen bezogen sie, wenn nicht ausschließlich, so doch zum großen Teil von der Nürnberger Material- und Spezereiwarenhandlung Finck als Nachfolgerin der Firma Langkopf in diesem Geschäft. Die entsprechende Tabelle im Anhang 18) gibt eine Übersicht über den Handel mit dem Kloster in den Jahren 1718 bis 1734. Von einer vollstän­ digen Wiedergabe des Inhalts des Sonderkontos, das Clara Susanna Finck ab 1727 anlegte, wurde abgesehen, da sich bis auf einige noch zu erwähnende Einzelheiten keine nennenswerten Änderungen oder Besonderheiten mehr boten. Die Lieferungen der Firma bestanden demnach hauptsächlich aus venedischem Theriak, der in Fässer mit ca. vier Zentnern Fassungsvermögen ge­ füllt war. In einem Brief vom 24. Juli 1714 (fol. 278') schrieb „Euer Hoch­ würden und Gnaden untertänig — treugehorsamster Knecht" Johann Leonhard Finck an die Äbtissin: „Das Muster Theriack a venet. habe [ich] empfangen. Zu dero schuldigster Nachricht nur berichte, daß Euer Gnaden gar klug gehandelt, daß die Hälfte unter anderen guten gemischt [wurde]. Ich muß selber midi wundern, und kann von nichts kommen noch herrühren, außer daß er sich [ein] bißchen gesetzt [hat] und nicht gleich ver­ braucht worden [ist]. Die Wahr ist sonst nichts als gut! Nur die Fässer seint allzu­ groß gewest und hätten Öfter rumbgeächert14) sollen werden. Kann weiter meines Ortes nichts abmerken. Hinfüro will ich über 4centnerige Fässer nimmer senden und solch große Fässer unterlassen zu überschicken.. .. Anbei übersende [ich[ die hiesige Zeitung . .. Folgt hiermit zu dem Faß eine Schachtel gutes Gewürz zur Gegener­ kenntlichkeit vor überschicktes Present." 10) Krähenaugen = Sem. Strichni (Kräftigungsmittel). G. Arends, Volkstümliche Namen der Arzneimittel, Drogen, HeilkräuteT und Chemikalien, 11. Auf!., Berlin 1930, S. 154. n) Siehe S. 277. 12) Heribert Sturm, a. a. O., S. 154. 13) Siehe S. 334. 33 5. 14) ädiet, ächs: verdreht, verkehrt, aus der gehörigen Stellung und Symmetrie gebracht.

316

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde

Der nach Eger gesandte Theriak war demnach eine emulsionartige Flüs­ sigkeit, während der sonst handelsübliche in einer knetbaren Masse bestand. Diese feste Masse wurde jeweils eingekauft und dann verdünnt. Hierfür dürfte nicht lediglich Wasser verwendet worden sein, da der Handel mit einer solchen Lösung wegen der Transportkosten höchst unwirtschaftlich gewesen wäre. Wahrscheinlich gab es ein besonderes Herstellungsverfahren für die Verdün­ nung, das als Firmengeheimnis gehütet wurde. Nach Johann Leonhard Fincks Tod vergewisserte sich die Äbtissin vor Aufgabe weiterer Bestellungen zu­ nächst, ob auch die Witwe Clara Susanna das Herstellungsverfahren kannte. Am 18. September 1719 (fol. 345', 346) schrieb die Finckin: „Hoch Wohl Ehrwürdige Gnädige In Gott Geisteich Andächtige Gnädige Jgfr. Mut­ ter Abtessin, dero gnädiges Schreiben vom 31. Augusti habe wohl erhalten und nach Eröffnung dessen in demselben ersehen, daß Euer Hochwürden und Gnaden etwas von Venedischem Theriak verlangen, welchem Befehl auch gehorsamst nachgekom­ men und die 2 Fässer gefüllet, und habe in das eine dicken, in das andere aber einen in etwas dinneren getan. Können also Euer Hochwürden und Gnaden hinfüro nur befehlen, von welcher Qualität [ich] hin künftig senden solle. Sonsten bleibe ganz untertänigst verbunden wegen des geistlichen Mitleidens, welches Euer Hochwürden und Gnaden wegen absterben meines Seel. Mannes getragen und wünsche, daß Gott der Allmächtige die Jahre, welche [Er] meinem Seel. Mann abgekürzet, Euer Hoch­ würden und Gnaden möchten zugelegt werden."

Die Muster müssen zur Zufriedenheit der Äbtissin ausgefallen sein, da weiterhin Bestellungen erfolgten. Im Laufe der Jahre konnte wahrscheinlich das Lösungsverfahren erheblich verbessert werden, so daß sich die eigentliche Substanz nicht mehr so leicht absetzte, da ab 1756 oftmals Fässer mit acht oder neun Zentnern Inhalt geliefert wurden, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen. Datum

fol. 379 380 381 384 385 387 387

18. 9. 26. 24. 7. 16. 3.

Dez. Jan. April Jan. Jan. Sept. Jan.

1756 1758 1759 1761 1762 1764 1765

Wert

Fässer

Gewicht in Pfund

fi.

Kr.

2 2 2 2 1 2 2

1648 1668 1857 1714 910 1724 1746

659 667 742 685 364 689 698

12 12 48 36 — 36 24

Der Verkaufspreis des Theriak blieb mit 40 Gulden pro Zentner ohne Ausnahme stets gleich, während beispielsweise der Kampferpreis extremen Schwankungen unterlag, wie noch zu zeigen sein wird. Da kaum angenommen werden kann, daß der Einkaufspreis während all der Jahrzehnte ebenfalls stabil war, bleibt als einzige Erklärung, daß die Kosten zu gering waren, um den 317

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde

Verkaufspreis zu beeinflussen. Das war schon dem Brief der Clara Susanna Finck vom 18. September 1719 indirekt zu entnehmen, wonach im Preis zwi­ schen dickem und dünnem Theriak kein Unterschied bestand. In dem Konto­ korrentbuch von 1742 bis 1757 tauchen verschiedentlich Einkäufe von 3, 31/2, 3ZU, 4, 4V2 und 16 Pfund „Theriac Venet." zum Preise von 20 bis 26 Schil­ lingen pro Pfund auf15). Nach Umrechnung des Preises auf 100 bis 130 Gul­ den pro Zentner wird offensichtlich, daß in diesen Fällen nicht die Flüssigkeit, sondern die „Latwerge" gekauft worden war. Andererseits kann nicht aus­ schließlich aus solch geringen Mengen die verkaufte Flüssigkeit hergestellt worden sein, da in diesem Falle das VerdünnungsVerhältnis ungefähr 1 : 100 hätte betragen müssen und man dann schwerlich noch zwischen „dünnem" und „dickem" Theriak hätte unterscheiden können. Sicherlich wurden daher noch andere Zutaten verwendet. Eine Unachtsamkeit in der Untermischung konnte leicht dazu führen, ertappt zu werden, wie ein Brief vom 10. Juni 1719 (fol. 343', 344) zeigt: Ich habe „aber mit großer Betrübnis gehört, daß der veritable Venetianische Theriack mit Kramet Ladwerge untermischt sein sollte, welches ich aber nicht weiß zu ver­ stehen . .. Bedauer höchlich und habe noch ziemlich Quantität erst dieser Tag aus Venedig empfangen. "

Hätte Johann Leonhard Finck damals wirklich schlechte Ware aus Venedig bezogen, so hätte dies entsprechende Korrespondenz mit dem dortigen Liefe­ ranten zur Folge gehabt. Von Theriak ist jedoch nur im Briefwechsel mit Eger die Rede. Der zweite wirtschaftlich interessante Artikel im Handel mit dem Kloster war der Kampfer. Da er noch nicht synthetisch hergestellt werden konnte, mußte er importiert werden und war daher sehr teuer. Die Unregelmäßig­ keiten und Risiken, mit denen besonders das damalige überseeische Import­ geschäft behaftet war und selbst heute teilweise noch ist, schlugen sich darüber hinaus in starken Preisschwankungen nieder, die wegen knapper Margen voll weitergegeben werden mußten. Bis zum Jahre 1725 hielten sich diese Schwan­ kungen bei Preisen zwischen zwei und drei Gulden pro Pfund noch in erträg­ lichen Grenzen. Dann aber trat eine Teuerung ein, die ungefähr zehn Jahre lang anhielt. Am 26. Januar 1725 (fol. 363) schrieb Clara Susanna Finck an die damalige Äbtissin Angela Friesl: „Von Camphor habe 15 'S mitgesandt. Indem derzeit keine Hoffnung [besteht], daß solcher [im Preis] herunter kommen, sondern vielmehr teurer werden dürfte, dann der Verkauf in Holland geschehen. Und also bis wird eine Flotte ankommen, solcher nicht kann wohlfeiler werden, sondern wie gesagt, eher das Ansehen teurer zu wer­ den [besteht]. Also habe aus solcher Ursach die 15 8 mit beigepackt." 15) Fol. 4', 18, 25', 26, 52; NW 15—215 StadtA. 318

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde

Die angekündigte Preisentwicklung trat wirklich ein, wie die nach­ stehende Übersicht zeigt. Kampferpreis fol.

365' 366' 367 367' 368 368 368' 369 369 369 369' 370 371

Jahr

Monat

August September April März Januar September September September Januar August Januar Januar Februar

Gulden pro Pfund 3s/4

1727 1729 1731 1732 1733 1733 1734 1735 1736 1736 1737 1738 1740

4 2/a 13V2 6V4

95/« 8

7 3V2

3 28/4 3V10

2S/4

l9/io

In den folgenden Jahren blieb der Preis dann um zwei Gulden verhältnis­ mäßig stabil. Die Tatsache, daß jeder Preis hingenommen wurde, zeigt, daß einerseits ein starrer Bedarf vorlag und andererseits die Konkurrenz nicht in der Lage war, günstiger anzubieten. Die Zahlungen erfolgten durch die Äbtissinnen in angemessenen Fristen und ohne nennenswerte Abbrüche. Hierin fand das stets gute persönliche Verhältnis zwischen den Firmeninhabern und den Äbtissinnen beredten Aus­ druck, denn bei solch bedeutendem Handel für die Größenverhältnisse der Firma hätte der Lieferant in erheblich stärkerem Maße beansprucht werden können. Am 17. Juni 1717 (fol. 319') bedankte sich Johann Leonhard Finck für eine erhaltene Barzahlung. Er hatte aber „nach öftem Überzählen mehr nicht als 196 fl., 35 Kr. befunden (wie inliegende Notizia ein mehrers zeiget). Bleiben 308 fl. a noch in Resto“. Es folgte die Aufstellung: .An An An An An An An An An

rtlr. und fl.............................................. V* fl. und V4 fl........................................ 17 x-ern................................................ 7 X........................................................ 10 d........................................................ V2 baz ................................................ ggr. (Guldengroschen) .... schlecht g (Groschen) .... 12 x-er................................................

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

72. Kr . --A. A. 4, Kr. 15 A. 28, Kr. 37 fi. 3, Kr. 2 fi. 57, Kr. — A. 26, Kr. 23 2, Kr. 45 A. fi. 1, Kr. 51 A. —, Kr. 42 A. 196, Kr. 35" 319

MVGN

53

1965)

(

Geschäfte der Familie Finde

Die Äbtissin schenkte Johann Leonhard offensichtlich Glauben und zahlte prompt die restlichen 308 Gulden. Am 23. August 1717 (fol. 323) quittierte Finck den Betrag „in unterschiedlichen Münzsorten ... und ist das alte Conto zwischen uns damit völlig saldiert ... Ich hätte die zwei Fässer Venedischen Theriak bald nicht gesandt, wenn der Fuhrmann mich nicht so höchlich gebetten, daß er Ladung brauchte? Nun seint Sie bestens versehen und dürfens so lang oder so bald keinen mehr verschreiben. Neues passiert weiter nichts als lauter Victoria. Gott gebe nur ferner den hohen Kayserlichen Waffen Glück, Heil und Segen und bessere einmal die Zeiten, daß man der Obrigkeit nicht so viel Contribution geben müßte. Meine Famiglie läßt sich gehorsamst empfehlen, und besteht dieselbige in zwei Mägdig. Hiermit übersende eine Schachtel gutes Gewürz zum Praesent. Anstatt Pfeffer habe 1 & Cubeben darzu gepackt.“

Eine Ergänzung der Tabelle über den Handel mit dem Kloster St. Clara durch die erfolgten Zahlungen war nicht möglich, weil die Quittierung häufig ohne Nennung des Betrages erfolgte oder ganz unterblieb. Sicherlich wurde den Briefen jedesmal ein Kontoauszug beigefügt, dessen Inhalt jedoch nicht immer im Brieftext erwähnt wurde. Nachstehend können daher nur wenige Beispiele wiedergegeben werden Lieferungen fi.

Kr.

fol.

336 339'

Aug. Febr.

1718 1719

295 314

52 20

336'

345'

Sept. Jan.

1719 1720

473 505

40 12

fol.

349

Datum

Zahlungen

978

52

Datum

ß.

Kr.

344

Nov. Juni

1718 1719

295 314

52 20

349 351 351'

Jan. April Aug.

1720 1720 1720

300 371 307

21



978

21

_

352 353'

Aug. Jan.

1720 1721

359 375

40 2

353 355

Jan. Mai

1721 1721

359 375

40

356'

Aug. Febr.

1721 1722

465 560

40 2

356 357'

Aug. Jan.

1721 1722

100 274



358

1

? 357'

359

320

Febr. Saldo

Sept.

— 56 44

1722 649

1722

2

649

2

338



359

März Mai Aug.

1722 1722 1722

359'

Febr.

1723

358' 358'

200 300 149



— —

649 338



MVGN 53

(1965)

Geschäfte der Familie Finck

Die Beispiele zeigen, daß die Zahlungen fast immer innerhalb sechs Mo­ naten erfolgten. Abbrüche von zwei Kreuzern bei Beträgen von mehreren

hundert Gulden können kaum als solche bezeichnet werden. Soweit ersichtlich, erfolgten auch alle übrigen Zahlungen auf diese pünktliche Weise, so daß hier von mustergültigen Verhältnissen gesprochen werden kann. Die besondere Bedeutung, welche den Geschäften mit dem Kloster in Eger seitens der Firmeninhaber beigemessen wurde, geht auch aus einem Vermerk Christoph Adam Bäumlers auf dem Sonderkonto hervor: „Nachdeme die seit 1763 bis zum Absterben meiner ehemaligen Patronin Frau Feli' citas Haffnerin, letzt vermählten Frau Bäumlerin, Ao. 1769 auf derselben Rechnung gegen V4 Anteil geführten Geschäften mir allein und gänzlich zugekommen sind, so continuiere nun solche in diesem Buch a Conto mio fort, wozu der Allmächtige noch ferner Glück und Segen geben wolle. Christoph Adam Bäumler, Mater, am Krebs­ stock." (fol. 388)

Auf der nächsten Seite des Kontos (fol. 389') steht außerdem der Hinweis „vide Geh. Buch Conto Suo fol. 37“. Die Geschäfte mit Eger waren also bei Übergabe der Firma ausgesondert worden. Zur Ermittlung des Gewinns hier­ aus führte Christoph Adam Bäumler ein weiteres Sonderkonto im Geheim­ buch. Auf der Sollseite dürften lediglich die Einstandskosten der verkauften Waren und die Transportkosten nach Eger verbucht worden sein, da kaum angenommen werden kann, daß im Rahmen einer differenzierten Kosten­ trägerrechnung eine Verrechnung der Handlungsunkosten vorgenommen wurde. Daraus ergibt sich, daß der Anteil Christoph Adam Bäumlers von 25% in Wirklichkeit geringer war, während seine ehemalige Patronin die vereinbarten 75% ausbezahlt erhielt. Wäre das Geheimbuch aus der Zeit zwischen 1763 und 1769 erhalten, so könnte aus dem erwähnten Sonderkonto die Zusam­ mensetzung des nach Eger verkauften Theriaks ersehen werden. Nach der Aufhebung des Klosters im Jahre 1782 ging der Handel noch eine Reihe von Jahren weiter. Das Konto lautete fotan jedoch nicht mehr auf den Namen der Äbtissin — zuletzt Maria Lucia Zembsch — sondern auf „Herrn Mathias von Limbeck, Kaiserl. Königlicher Commercien Rath in Eger“. Diese Tatsache beweist, daß die Arzneimittelherstellung der Nonnen für die Bevölkerung in und um Eger von lebensnotwendiger Bedeutung war. Ein durch die Aufhebung des Klosters bedingter plötzlicher Ausfall der Arzneimittelversorgung hätte sicherlich die Betreuung der Kranken stark be­ einträchtigt, weshalb man zumindest die Klosterapotheke weiterhin bestehen ließ. Herr von Limbeck dürfte als Statthalter fungiert haben. Die letzte Lieferung der Firma erfolgte am 2. April 1795 (fol. 395'), die letzte Zahlung ging am 23. November 1796 (fol. 396) ein. Somit hatte die Handelsverbin­ dung mit dem Kloster nachweislich über 90 Jahre lang bestanden.

21

321

MVGN 53 (1965; Geschäfte der Familie Finde

8. Kapitel Die Ansiedlung des Geschlechts Bäumler in Nürnberg (18. Jahrhundert) Die Heimat des Geschlechts Bäumler in Nürnberg ist Kohlberg in der Oberpfalz. Conrad Bäumler — auch „Peumler* geschrieben — wurde dort im Jahre 1630 geboren1) und heiratete 1651 2) Anna Biemann3). Er war von Beruf Hufschmied und hatte sich wahrscheinlich im Laufe der Jahre durch Fleiß, Redlichkeit und Bereitschaft zu verantwortlichem Handeln im Dienste der Gemeinschaft das Vertrauen der Kohlberger erworben. Daher wurde er Herzoglich-Sulzbachischer Richter4). Seine Frau schenkte ihm zehn Söhne, von denen Johann Martin (geh. 1662)5)* und Wolff Adam (geb. 1668)®) nach Nürnberg und Johann Peter (geb. 1665) 7) nach Mainbemheim abwanderten. Die beiden ältesten Söhne, Adam (geb. 1652) 8) und Johann Adam (geh. 1654) 9), blieben in Kohlberg und bekleideten dort wie ihr Vater das Richter­ amt. Ausgeprägter Bürgersinn muß auch den Spezereihändler Johann Martin und den Hafner Wolff Adam ausgezeichnet haben, denn beide wurden Ge­ nannte, Johann Martin im Jahre 1700 10),* Wolff Adam 1720 n). Johann Mar­ tin wurde ferner im Jahre 1702 Zwölfer des Gewürzschauamts12)* und Wolff Adam Stadtmeister seiner Zunft. Von Johann Martin Bäumlers acht Kindern erlernten Johann Daniel (geb. 1698) 18) und Christoph Gottlieb (geb. 1707) 14) den Beruf ihres Vaters. Wolff Adam Bäumler war fünfmal verheiratet und hatte elf Kinder, von denen sich der jüngste Sohn Johann (geb. 1723) 15)* als Huf- und Waffenschmied in Fürth niederließ. Adam Bäumlers Sohn Nicolaus (geb. 1678) 18) gründete auch seine Existenz als Spezereihändler in Nürn­ berg 17). Obwohl er nicht Genannter wurde, muß er beachtliches Ansehen in der Stadt genossen haben, denn der Pate seines 1719 geborenen Sohnes Philipp Caspar war Philipp Caspar Pfannenstiel, „Chur Maintzisdier Hof und anderer Fürsten und Stände des Reichs Rat, vertreten durch Nicolaus Dietrich Debe*) *) 8) 4) 5) ®) 7) 8) ®) 10) u) w) ls) 14) 1Ä) le) 17)

Kirchenbücher der evang.-luth. Pfarrei Kohlberg, 1. Band 1616—1674, S. 79. Ebenda, S. 312. Geb. 1631. Ebenda, S. 89. Die frühen Einträge lauten „Hufschmied", während Conrad Bäumler später als „Herzogi. Sulzb. Richter zu Kohlberg“ bezeichnet wurde. Kirchenbücher Kohlberg, 1. Bd., S. 208. Ebenda, S. 222. Ebenda, S. 215. Ebenda, S. 162. Ebenda, S. 170. Johann Ferdinand Roth, Verzeichnis aller Genannten, a. a. O., S. 149. Ebenda, S. 157. Siehe Anlage 2, S. 336. Taufbuch St. Sebald Nr. S. 10, S. 1011, LKA. Taufbuch St. Sebald Nr. S. 11, S. 215, LKA. Taufbuch St. Sebald Nr. S. 11, S. 1021, LKA. Kirchenbücher Kohlberg, 2. Band 1674—1760, S. 11. Er heiratete 1709 Sibylla Pensel. Traubuch St. Sebald Nr. S. 27, S. 382, LKA.

322

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde

rieh, Handelsmann"18). Von Johann Adam Bäumlers Söhnen blieb Johann Wolfgang (geh. 1700) 19) in Kohlberg und wurde Bürgermeister, während Johann (geb. 1694)20) ebenfalls als Spezereihändler nach Nürnberg kam21). So ergibt sich insgesamt, daß das Geschlecht Christoph Adam Bäumlers schon zwei Generationen vor ihm durch Johann Martin und eine Generation vor ihm durch vier Vettern seines Vaters im Gewerbe der Spezereihändler zu Nürnberg vertreten war, ehe er als Lehrling in die alte Fincksche Handlung auf genommen wurde. Sein Goß vater Johann Peter Bäumler hatte sich ur­ sprünglich als Gerber und Schwarzfärber in Mainbemheim niedergelassen. Bei seinem Tode wurde als zuletzt ausgeübter Beruf im Kirchenbuch jedoch „Kramer" eingetragen22). Christoph Adam Bäumlers Vater Johann Christian wurde im Jahre 1694 geboren23). Er war von Beruf „Bader und Chirurgus" in Windsheim. Dort heiratete er zunächst im Jahre 1724 Christoph Adams Mutter Maria Regina Walther, Tochter eines Metzgers24). Sein Lebenslauf geht im übrigen deutlich aus dem ausführlichen Eintrag anläßlich seines Todes im Jahre 1765 in das Totenbuch des evang.-luth. Dekanats zu Windsheim hervor: „Johann Christian Bäumler, Bader und Wundarzt allhier! In dreyfacher Ehe, davon die erste I9V2, die zweyte 6, und die dritte I2V2 Jahr gedauert, erzeugte er 19 Kin­ der, und zwar in der lten Ehe eilfe, davon noch ein verehelichter Herr Sohn und 2 verheurathete Töchter am Leben sind, die ihn mit 7 Enkeln, die bis auf eins schon verstorben sind, erfreuet haben; in der zweyten Ehe wurden ihm geboren 2 Söhne und 2 Töchter, von denen 1 Sohn und 1 Tochter noch leben. Und in der dritten Ehe gab ihm Gott 4 Söhne, davon nur einer wieder aus der Welt gegangen. Sein Alter beläuft sich auf 70 Jahre, 6 Monate und 16 Tage.“ “)

Christoph Adam Bäumler (geh. 1733)2e) war also im Jahre 1765 der einzige noch lebende Sohn aus der ersten Ehe seines Vaters. Er hatte nach Übernahme der Firma von Felicitas Haffner am 15. Mai 1763 Margaretha Barbara Drechsel, Tochter des Nürnberger Gastwirts Johann Drechsel, ge^ heiratet27). Seine ehemalige Patronin hatte kurz zuvor, am 2. März, seinen Vetter Matthäus Bäumler geheiratet28). Matthäus (geb. 1728)”) war der Sohn des Kohlberger Bürgermeisters Johann Wolfgang Bäumler und ebenfalls Spezereihändler. Er wurde Marktadjunkt und Genannter und schließlich Markt18) 1#) 20) 21) 22) 23) 24) **) 2#) 27) “) 29)

21 *

Taufbuch St. Sebald Nr. S. 11, S. 802, LKA. Kirchenbücher Kohlberg, 2. Bd., S. 64. Ebenda, S. 50. Er heiratete 1729 Magdalena Kraft. Traubuch St. Sebald Nr. S. 28, S. 29, LKA. Matrikel der evang.-luth. Pfarrei Mainbemheim, 3. Bd., Jg. 1728. Kirchenbücher Mainbernheim, 2. Bd., Jg. 1694. Traubuch des evang.-luth. Dekanats Windisheim 1674—1729, S. 549. Totenregister zur Stadtkirche in Windsheim 1747—1777, S. 363/364. Taufbuch Windsheim 1723—1761, S. 138. Traubuch St. Sebald Nr. S. 29, S. 213, LKA. Ebenda, Nr. S. 29, S. 205, LKA. Kirchenbücher Kohlberg, 2. Bd., S. 144.

323

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde

Vorsteher und Assessor am Bancogericht30). Nach seinem Tode im Jahre 1789 übernahm sein Neffe Matthäus, Enkel des Huf- und Waffenschmieds Johann Bäumler in Fürth und Sohn des Handelsmanns Matthäus Michael Bäumler, seine Firma. Dieser Matthäus Bäumler „ließ sich von dem Reichs Vikariat zu München in den Adelsstand erheben" 31).

so) Johann Ferdinand Roth, Geschichte des Nümbergischen Handels, a. a. O., II. Teil, S. 217 sowie Totenbuch St. Sebald Nr. S. 51, S. 103, LKA. 31) Johann Ferdinand Roth, a. a. O., S. 217. Eine Jahreszahl ließ sich nicht ermitteln.

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MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde

9. Kapitel Die Übernahme der Firma durch Christoph Adam Bäumler (1763)

Christoph Adam Bäumler war nach Beendigung seiner 7jährigen Lehrzeit als Handlungsdiener bei seinem Lehrherrn Johann Haffner, und nach dessen Tod im Jahre 1761 bei der Witwe Felicitas geblieben *). Im Januar 1763 kam er um das Nürnberger Bürgerrecht ein und erhielt folgenden Bescheid: „Wann die Haffner[ische] Wittib zur Beybehaltung des ordnungsmäßigen Numeri den altherkömmlichen und gewöhnlichen Revers und Verzicht auf ihr bis anhero belassenes Jus wird von sich gestehet haben, auch der um das hiesige Bürgerrecht auf die Erkaufung des Hafner[ischen] Hauses und offenen Spezereihandlung supplicierende Christoph Adam Bäumler alles dasjenige aus der Handlung vordersamst schafft, was dem verstorbenen Hafner und ihm zu führen nicht erlaubt war und ist, so ist erwähntem Bäumler mit dem gebetenen Burger-Recht zu willfahren, d. 28. Jan. verrechnet 3000 fl. 5 Kr. a.

1763

Herr C. F. Behaim Die Bürgen: Johann Bäumler, Handelsmann Johann Paul Ehmann, Handelsmann" *2)

Johann Haffner hatte offenbar verbotenen Handel getrieben, was aber anscheinend seiner Stellung als Zwölfer des Gewürzschauamts, die er bis zu seinem Tode innehatte, nicht abträglich geworden war. Ob eine entsprechende Akte des Handelsvorstands ähnlich der über den Fall der Engelhardischen Eheleute3) existierte, ist zwar wahrscheinlich, konnte jedoch nicht ausfindig gemacht werden4).5 Die Einzelheiten der Geschäftsübernahme durch Christpoh Adam Bäumler lassen sich aus einem Journal ersehen, das er am 1. Januar 1763 anlegte6). Die Buchungen zeigen, daß er persönlich diesen Zeitpunkt als Gründungs­ datum einer eigenen Handlung ansah, die nach Erwerb des Bürgerrechts, des Hauses samt der offenen Spezereigerechtigkeit sowie des übernommenen Warenlagers von Felicitas Haffner mit der alten Firma identisch werden sollte. Die erste Buchung lautete (S. 1): „Cassa Conto Soll fl. 430, Kr. 30 an Capital Conto, deponierte ich zum Gott gebe glücklichen Anfang meiner propre Handlung an bisher erübrigter Barschaft........................................................fl. 400, Kr. 30 an Schatzgeld........................................................................................fl. 30, Kr. — fl. 430, Kr. 30" *) 2) 3) 4)

Vgl. S. 311. Neubürgerbuch II (1757—1767), S. 120/121, StadtA. Siehe Anlage 2, S. 336. Die Namenskartei über den Bestand „Handelsvorstand" des Stadtarchivs enthält den Namen Johann Haffner nicht. 5) NW 15 — 209, StadtA. Die nachfogend eingeklammeTten Seitenzahlen beziehen sich, auf dieses Journal.

325

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde

Es folgten noch die Buchungen „Waren an Kapital", „Forderungen an Kapital" und „Kapital an Verbindlichkeiten", so daß sich folgende Er­ öffnungsbilanz ergab: Eröffnungsbilanz per 1. Januar 1763 Aktiva Waren Forderungen Bargeld

A.

Kr.

132 66 430

26 18 30

629

14

Passiva Kapital Verbindlichkeiten

A.

Kr.

573 55

42 32

629

14

Die merkwürdige Tatsache, daß Christoph Adam Bäumler persönlich For­ derungen und Verbindlichkeiten hatte, während er noch Handlungsdiener bei Felicitas Haffner war, ist nur so zu erklären, daß er schon vor Übernahme der Firma diese weitgehend selbständig führte und nebenher kleine Geschäfte auf eigene Rechnung machte. Seine Handelspartner waren Johann Heinrich Schmidt in Kempten, Johann Martin Winckler in Augsburg, Johann Franz Brock in Hamburg und Johann Brock in Berlin. Die Umsätze waren klein und bewegten sich zwischen 10 und 20 Gulden je Geschäft. Christoph Adam Bäum­ ler handelte damals mit Korkstöpseln, Spiegelglas, Gemälden, gebeizten Holz­ rahmen und seidenen Strümpfen. Ein weiterer Beweis dafür, daß er am 1. Ja­ nuar 1763 inoffiziell eine eigene Firma gegründet hat, mit der er seine Lehr­ firma zu vereinigen gedachte, ist in den beiden folgenden Buchungen zu er­ blicken: „Cassa Conto Soll fl. 30 an Gewinn und Verlust Conto, empfing ich per mein Salar vom 1. November 1762 bis 2. Februar 1763 ........................................ fl. 30.“ (S. 3)

Am 30. April 1763 (S. 9) buchte er noch einmal in derselben Weise: „ . . . bekam nochmalen für mein Salar................................................................ fl. 30.“

Im Journal der Firma Haffner hätte der Buchungssatz „Handlungsunkosten an Kasse" lauten müssen. Denkt man sich dieses „Unkostenkonto" mit der Buchung „Gewinn- und Verlustkonto an Handlungsunkosten" abgeschlossen, so wird offensichlich, daß Christoph Adam Bäumler gerade umgekehrt buchte. Sein Lohn bedeutete für ihn einen Kassenzugang und gleichzeitigen Gewinn. Felicitas Haffner und Christoph Adam Bäumler waren sich schon zu Jahresbeginn 1763 über den Verkauf des Hauses und der Firma einig ge­ worden. Für Felicitas Haffners Verkaufsbereitschaft dürfte nicht zuletzt aus­ schlaggebend gewesen sein, daß ihr Christoph Adam Bäumlers Vetter Matthäus Bäumler die Ehe versprochen hatte. Christoph Adam Bäumler konnte daher schon am 1. Januar 1763 wie folgt buchen: 326

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finck „Capital Conto Soll fl. 5000 an Frau Felicitas Haffnerin, Erkaufe ich ihr am Krebs­ stock allhier liegendes freyeigenes Wohnhaus mit der darauf haftenden Specerey und Material Gerechtigkeit zu einem offenen Gewerb en detail, laut der darüber in duplo gefertigten Kaufreceß.“ (S. 2)

Als Zahlungsziel und damit als Datum für die offizielle Übernahme der Firma, war jedoch erst Walpurgis — der 1. Mai — 1763 vereinbart worden. Am 19. März leistete Christoph Adam Bäumler eine Vorauszahlung und buchte wie folgt (S. 7): „Frau Felicitas Bäumlerin ehemalst Haffnerin Soll fl. 1000 an Cassa Conto, bezahlte ich ihr anticipando an der Ziel Walpurgis bestimmten Zahlung per mein erkauftes Haus................................................ ....................................................... fl. 1000.“

Bereits hier wird die Frage nach der Finanzierung der Geschäftsübemahme akut. Bei Erlangung des Bürgerrechts hatte Christoph Adam Bäumler als sein verfügbares Barvermögen 3000 Gulden und 5 Kreuzer angegeben und wahr­ scheinlich auch nachweisen müssen. Hätte er das Geld damals wirklich be­ sessen, so hätte er in der entsprechenden Eröffnungsbuchung diesen Betrag, und nicht nur 430 Gulden und 30 Kreuzer verbucht. Darüber hinaus hätte er eine höhere Vorauszahlung leisten können. Daraus ergibt sich einmal, daß die Finanzierung ausschließlich aus den Quellen erfolgte, die aus dem Journal ersichtlich sind. Im übrigen muß angenommen werden, daß sich Christoph Adam Bäumler für den zur Erlangung des Bürgerrechts erforderlichen Nach­ weis eines ausreichenden Barvermögens 3000 Gulden von Verwandten oder von seinem zukünftigen Schwiegervater Johann Drechsel kurzfristig ausgeliehen hatte. Dabei dürfte die amtliche Taxe des zu erwerbenden Hauses und der Gerechtigkeit den Ausschlag gegeben haben. Die Vorauszahlung von 1000 Gulden am 19. März 1763 wurde durch erhaltene Zahlungen aus Windsheim ermöglicht: „Cassa Conto Soll fl. 203 8, Kr. 30 an Capital Conto, betragen die auf verschiedenemalen von meinem Vatter Joh. Christian Bäumler in Windsheim erhaltenen Gelder fl. 2038, Kr. 30.“

Diese Buchung erfolgte am 18. März (S. 6). Die Art der Verbuchung zeigt, daß es sich um Geld handelte, das Christoph Adam zu beanspruchen hatte und wahrscheinlich aus Erbrechten herrührte. So ist sicherlich auch sein Besitz von 2V2 Morgen Feldern zu erklären, die er an seine Schwester Maria Magda­ lena verkaufte (S. 6, 8): „Cassa Conto Soll fl. 560 an Capital Conto, überbrachte mir mein Vatter für die an meine Schwester Maria Magdalena verkauften Felder .... fl. 560.“

Die nach der Vorauszahlung der 1000 Gulden verbleibenden rd. 1600 Gulden hätten jedoch bei weitem nicht ausgereicht, um die Restschuld zu be­ gleichen. Die Lücke wurde reichlich durch Christoph Adam Bäumlers Schwie327

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finck

gervater Johann Drechsel geschlossen, der ihm — wahrscheinlich als Mitgift seiner Tochter Margaretha Barbara — 4000 Gulden schenkte. Dieses Geld gab Christoph Adam Bäumler gleich weiter6): „Cassa Conto Soll an Capital Conto, je refu de mon Beaupere p. dot p. contant............................................. fl.

4000."

und „Frau Felicitas Bäumlerin, ehemals Haff nenn, Soll fl. 4000 an Cassa Conto, bezahlte ich ihr zur Erlangung des völligen Kaufschillings meines Wohnhauses am Krebsstock bar in Rthlr. ä fl. 25/e............................................................fl. 4000."

Auch an öffentlichen Gebühren war im Zusammenhang mit Christoph Adam Bäumlers Niederlassung in Nürnberg eine stattliche Summe angefallen, die er am 8. April verbuchte (S. 7): „Gewinn und Verlust Conto Soll fl. 178, Kr. 10 an Cassa Conto, betragen die sämtlichen Unkosten zur Erlangung des Bürgerrechts, nebst denen Einkunftsgebühren zum offenen Specereyhandel zusammen . . fl. 178, Kr. 10."

Voraussetzung für den noch ausstehenden Erwerb des Warenlagers war eine Inventur, deren Vornahme jedoch viel Zeit in Anspruch nahm und daher bis in den geschäftlich ruhigen Sommer verschoben wurde. Es mag dahingestellt bleiben, wie Christoph Adam Bäumler das Problem der inzwischen einge­ tretenen Bestandsveränderungen löste. Die entsprechende Verbindlichkeit entstand für ihn am 29. Juli 1763 (S. 15): „Waren Conto Soll fl. 5046, Kr. 13 an Felicitas Bäumlerin, ehemals Haffnerin, beträgt das nächst dem Haus und der darauf haftenden Gerechtigkeit, käuflich über­ nommene Warenlager, laut darüber gefertigten Inventario, welches zwar schon verschienen Ziel Walpurgis in Besitz nähme, heute aber erst die Obligation ordent­ lich formiert worden................................................................... fl. 5046, Kr. 13."

Auf diese Schuld leistete er nach drei Monaten eine erste Abzahlung (S. 27): „Frau Felicitas Bäumlerin, ehemals Haffnerin, Soll an Cassa Conto, bezahlte ich ihr an dem Betrag meines übernommenen Warenlagers fl. 2046, Kr. 13."

Es ist bezeichnend für die angespannte finanzielle Situation in der sich Christoph Adam Bäumler zu diesem Zeitpunkt noch befand, daß er sich so­ gleich wieder Geld leihen mußte (S. 28): „Cassa Conto Soll an Herrn Johann Drechsel fl. 500, entnahm von ihm gegen aus­ gestellten Wechsel auf mich selbsten, nach Verlauf 2er Monat in guter Münz, wie solche nach der bis dahin zu geschehenden Reduction im Wert sein wird, zu remboursieren................................................................................................. fl. 500." 8) 14. Mai 1763, S. 11. 328

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde

Der Schuldner sollte hier also statt einer Verzinsung den Verlust aus einer Münzabwertung tragen. Felicitas Bäumler erhielt indessen 4°/o Zinsen auf ihre Forderung (S. 27): „ . . . betragen die Interessen von fl. 5046, Kr. 13 Capital für

Jahr fl. 50, Kr. 28.“

Für die Zahlung der restlichen 3000 Gulden war anscheinend Walpurgis 1764 bestimmt worden. Christoph Adam Bäumler empfing zwar noch drei Zahlungen in Höhe von insgesamt fl. 662, Kr. 7, d 2 von seinem Vater, die auf einer Forderung aus großväterlichem Erbe in Höhe von fl. 1017, Kr. 31 beruhten7), kam jedoch nicht umhin, am 27. April 1764 wiederum 1800 Gulden Kredit bei seinem Schwiegervater aufzunehmen (S. 51): „Cassa Conto Soll fl. 1800 an Johann Drexel m./B. pere, entnähme ich von ihme gegen meinen auf mich Selbsten ausgestellten Wechsel 12 Monat nach dato zahlbar in Münz nebst 4 p. Cto. jährl. Interessen.............................................fl. 1800.“ Die letzte Zahlung an Felicitas Bäumler wurde gleich anschließend ge­ bucht (S. 51): „Folgende 2 Debitores Sollen fl. 3030 an Cassa Conto, Frau Felicitas Haffnerin nunc Bäumlerin, bezahlte ich ihr den Rest für das übernommene Warenlager mit ... fl. 3000, Gewinn und Verlust Conto, bezahlte ich zugleich die verfallenen V4 Jahres Interessen . . . .fl. 30.." Nun verblieb noch die Einlösung des Wechsels. Am 1. Mai 1765 zahlte Christoph Adam Bäumler zunächst 300 Gulden „und prolongierte den . .. ausgestellten Wechselbrief über die bis auf fl. 1500 abgezahlte Summa auf weitere 6 Monat" (S. 89). Kurz darauf fiel ihm durch den Tod seines Vaters 8) eine weitere Erbschaft zu. Sie bestand aus Feldern, die er sogleich verkaufte: „Cassa Conto Soll fl. 1022 an Capital Conto, bezahlte mir H. Consulent Kraußenberg in Windsheim für die ihme käuflich übernommenen 3 Äcker in 2s/4 Morgen be­ stehend, so mir allda von meinem Seel. Vatter erblich zugefallen . . fl. 1022.“ 9) Auf diese Weise erhielt Johann Drechsel seine 1500 Gulden schon vor­ zeitig am 31. Juli 1765 zurück (S. 95). Damit hatte sich die Finanzierung der Geschäftsübemahme über reichlich zwei Jahre erstreckt. In der Gesamtschau entsteht leicht der Eindruck, als sei die Übernahme der Firma durch Christoph Adam Bäumler nur durch Erbschaften und die Mitgift seiner Frau möglich 7) Die Zahlungen erfolgten am 15. Okt. 1763 (S. 25) — fl. 62, Kr. 7, d 2, am 24. Nov. 1763 (S. 39) — fl. 100, Kr. —, d — und am 27. Dez. 1763 (S. 39) — fl. 500, Kr. —, d — fl. 662, Kr. 7, d 2. 8) Siehe S. 323. ö) S. 94, 5. Juli 1765. 329

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde

gewesen. Das mag insofern richtig sein, als er auf andere Weise die erforder­ lichen rund 11 000 Gulden kaum hätte aufbringen können. Betrachtet man jedoch den ersten Abschluß der Konten nach der Übernahme, welcher am 31. März 1766 (S. 129—131) erfolgte, so tritt die eigene Leistung Christoph Adam Bäumlers klar zutage. Die Vorräte waren inzwischen auf einen Wert von fl. 14 541, Kr. 18 angewachsen, während sich in der Kasse fl. 1648, Kr. 13 befanden. Das Gewinn- und Verlustkonto wurde wie folgt abgeschlossen: „Gewinn und Verlust Conto Soll fl. 12 709, Kr. 12 an Capital Conto, trage den an denen Handlungs Geschäften bis anhero befundenen netto Gewinn, wovor dem Höchsten Dank sage, an dem Capital Conto . . fl. 12 709, Kr. 12."

Christoph Adam Bäumler hatte somit innerhalb von drei Jahren einen Gewinn erwirtschaftet, welcher die Kosten seiner Existenzgründung weit über­ traf.

330

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde

ANHANG Tabelle l Menge Pfund

Auszug I aus dem Inventarium von 1677 Warenart

Wert

Preis fl. %> s

A.

Kr.

1. Technische Rohstoffe 32 15 Gallus (Gallae) 25 Gallus Türckh 29 40 36 (Gallae halepenses) Blob Holz 118 11 12 58 (Lignum campechinanum) fein Blöb (dto.) 22 57 14 164 Blob Holz (dto.) 10 153 18 1533 Vitriol alb. (ZnSO 4) 18 26 49 149 Salzburger Vitriol (CuSO 4) 7 3 42 53 13 42 Kreide 3 457 9V2 Alaun 20 48 219 Kolophonium 12 12 — 100 16 67 Gummi 2 419 Gummi albi 20 44 12 221 Umbra (zyprische Erde) 15 12 — 80 5V2 Umbra 6 59 180 Eisenfarbe 2 9 36 480 Kupferwasser 4 2 17 426 Bimsstein 14 8 15 59 Bimsstein, schlecht 12 13 4 109 7 4 11 461/* Schwefel gelbes Wachs (cera flava) 51 119 51 235 30 79 21 2641/* Weihrauch (Olibanum) 5V2 Bleierz 14 17 260 Goldglut (Sb2S5 ?) 12 11 38 97 7s/4 Silberglut (PbO ?) 34 15 442 roter Weinstein 9 10 42 119 8 Pottasche (K2CO3) 7 12 90 Spießglanz (Sb2S3) 7 45 51 655 6 6 7 Kobalt 102 8 12 24 Arsen alb. 155 8V2 21 4 Arsen, gelb 248 30 6 38 Englische Erde (rot) 127 Terpentin 20 17 54 89V2 12 3 36 dto. 30 24 13 12 dto. 80 9 7 12 dto. 80 20 20 36 Venedische Seife 103 129 140

*) 1 2 3 4 5 6

— Im Obern Boden — Auff dem andern Boden = In der Material Kammer = In der Kammer an der Schreibstuben = In der Schlaff Kammer = In dem Hindern Gwölb

Lager­ platz1)

d

fol.

6

6'

6

6

3

6

6

2

6 11 6 7 6 6 6 6, 7

6' 25 6 7 6' 6' 6' 6', 7' 7' 7 7' 7, 7' 7 6' 6' 7 7 7' 9', 10 9' 9' 9' 13' 25 8 8 9' 8, 8' 10 14' 14' 14' 21



— —

2 2 1 — 1 — — — —

1 2 3 — — —

3 1 1 2 — — — —

3 — —

— — — —

7

6 7 6, 7 6 6 6 6 6 7 8 8

8 8 8 11 7 7 8 7 8 10 10 10 11

7 = Im Gwölb an dem Kram 8 = In dennen am Kram 9 = Auff dem Bödenlein in dem Kram 10 = Im Keller am Kram 11 = Im Kram

331

MVGN 53 (1965; Geschäfte der Familie Finch

Kr.

d

Lagerplatz1)

fol.

fl. 3

15



11

25

5

18

2

11

25

83 67 49

12 29 42

3 —

11 11 11

25 24', 25 25

36 24 42 —

— — —

20

31 23 229 17

15

10

12

8 8

75 90

38 16 24 47 138 9 178 33 4

— 36 51 36 36 58 40 45 13

— — —

14/20

102

Kr. / S 18 9 fl. / s

Spo. Contat. Safran (Tara ca. 1V2 8)

10V4

Zimmet Safran gemahlen Safran

Warenart

Pfund 13

Venedisches Öl

23*1*

dto.

37S1/* 306*1* 213

Wert

Preis

Menge

A.

«/« s

25 (15 x/S) 23*1»

(14 x/S) 22 22 23'/s (14 x/S)

dto. Spanisches Öl dto.

2. Gewürze 1971/« 78 1767 85 68

95 41V* 71 28 231 5V4 733 9 30 Lot 147 Spo.2) II2V2 IOOV2 19 8 30 Lot 1 8 28 Lot 2 8 10 Lot

151 106 104 24 389 18 110 2)

Anneis Curcuma Ingwer, schwarz Ingwer, weiß Pfeffer, garbeliert Cubeben Piper Long. (Pfefferschoten) Curcuma, ganz Cardamom Zitwerer. kurzer Zimt Pfeffer Mettel Macis (Muskatblüte) ff. Macis eingemachter Ingwer (Tara 30 8)

16 30 13

7 34 12

38 4V2





— — 2

— —

3

3

6 6 6 6

6' 6, 6' 6' 6'

7 7 7 7

7 7' 7'

6

7

7

8 6', 8'

8

1

6, 7 10 10

54



10

33 15

45 4

2 2

7 7

188

6

1

10

11, 14'

10

18

45



10

11

12

27

45



11

17'

3. Nahrungsmittel fl. •/. s 14V2 braun Farin 21 Melles Zucker (18 Brot) 25 24 Mellis 24 24 26 V* 6 netto Melles Canari Zucker in großen brot 105 27 Canari stumpff 5 28 Canari Zucker 31 29

53 26 57 21 1 21 54

2 1 2 2 3 — —

7 11 11 11 4 11 11

7 18 24' 24' 4' 24' 24'

Pfeffer, gestoßen Ingwer, gestoßen

14' 15 14' 15 7 7

Sporco = brutto, vgl. Johann Ferdinand Roth, Gemeinnütziges Lexikon etc., 2. Bd., Halle 1807, S. 434

332

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde Menge

Warenart

Pfund 48 9 24 61 30 689 136 193

braun Candis fein Canari Zucker ff. Zucker ff. Zucker Candis brodt Zucker Reis Zwetschgen Mandeln

Wert

Preis fl. %> s

fi.

Kr.

d

30 33 36 36 43

14 2 8 21 12 44 5 42

24 58 38 57 54 47 26 27



6V2

4 22



1 2 — — 1 2

Lager­ platz1)

fol.

4 11 11 4 11 7, 8 7 8

4' 24' 24' 4' 24' 7', 14 8 14

Tabelle 2 Auszug II aus dem Inventarium von 1677 Menge 6lU

36 14 V* 1 14 10 15 4 1107 27 60 21 155 1 9 9 5 2 10 42 17 24 24 48 24 20 110 5 6 Vs 253 25 63 12 300 15

Pfund

Stück Paar Srucklein Lot Stück

M Ries Buch

w

n

»

» w



„ Pfund Lot Stüde w w

Pfund

Bezeichnung Otter Köpf Oculi cancri (Krebsaugen) Mumia Arabici Mumia Hand Elends Klauen, große dto. , kleine dto. , geschnittene dto. , gefeilte allerhand Muscheln Metall Müsdiel Silber Gold Perlmutterschalen Türkisch Papier (Pergament) dto. geschlagen Metall „ Silber fein Gold Steiniol grün „ weiß » gelb „ rot „ schwarz „ weiß » grün „ rot Lap. Magnet div. Perlen und Edelsteine ganze holländische Tabakpfeifen kleine zerbrochene dto. holländische Tabakpfeifen dto., kürzer hiesige Tabakpfeifen Lap. Smaragdi

fol. 2 3', 18' 3, 17' 5' 18 18 18 18 4' 19 19 19 13' 4' 4' 5' 5' 6 17' 17' 17' 17' 17' 17' 17' 17' 13' 5 2' 2' 11' 11' 23 6 333

334

Per Handel mit dem Kloster St. Clara in Eger von 1718 bis 1734

Tabelle 3 fol.

329 336

349 352 353' 356' 358 359 359' 360 361 361 361 362 363 364 364' 365

1718 26. Jan. 27. Aug. 1719 15. Feb. 4. Sep. 1720 27. Jan. 22. Aug. 1721 20. Jan. 22. Aug. 1722 14. Feb. 16. Sep. 1723 4. Feb. 15. Jun. 15. Dez. 1724 8. Jan. 3. Mrz. 7. Sep. 1725 26. Jan. 18. Aug. 1726 30. Jan. 17. Aug.

Theriak

Camphor ganzer gestoß. Ingber Ingber

Candis Zucker

weißer Diptam

Krähen­ augen

Kr.

fl.

Kr.

424 295

24 52

720

16

314 473

20 40

788

14 14

505 359

12 40

864

52

50 52

14 20

375 465

2 40

740

42

50 50

33 50

20 20

560 338

2 898

2

25 50

12 25

30 —

15

236 15 238

489

30

12

144 232 36

15 54 36

413

45

422 397

54 15

720

9

337 289

10 —

626

10

8

8

8

8

8

428

30

30

30

56

16

460 900

30 30

30 30

30 30

55 50

14

880 486

50 50

20 30

20 30

50 54

530 720

50 50

30 40

30 40

860 450

50 30

50 30

25

8

590

360 425

25 25 12 V*

854 795

15 25

548 468

30 30

Jahresumsatz

fl.

8

375

Rechnungsbetrag

25

50

50 25

25

50

15 10

25 25

MVGN 53 ( 1965 ) Geschäfte der Familie Finde

339' 345'

Datum

Beginn des Sonderkontos

1727 13. Jan. 26. Aug. 25. Sep.

1728

1148

1730 20. Feb. 25. Sep. 1731 19. Apr. 13. Aug. 1732 22. Feb. 26. Mrz. 4. Jul. 16. Aug. 1733 19. Jan. 11. Feb. 26. Jun. 4. Sep.

1280

1504

see

1734 1120 15. Jan. 540 18. Mrz. 13. Jul. 1. Sep. 25. Okt. 1) Zu diesem Zeitpunkt kostete ein Pfund Kampfer 13 V* Gulden.

1490

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde

16. Jan. 31. Aug. 1729 6. Feb. 25. Aug. 26. Sep.

MVGN 53

(1965)

Geschäfte der Familie Finck

Anlage 2

Exkurs im Zusammenhang mit dem öffentlichen Wirken Johann Leonhard Fincks Johann Leonhard Finck war ab 1712 Zwölfer des Gewürzschauamts1). Am 10. Dezember 1714 übernahm er das Amt des Kassiers „von H. Johann Michael Mayer als gewesenem Cassierer". Entsprechende Aufzeichnungen finden sich im „Handbuch von 1683° auf Folio 302 bis 304. Einnahmen und Ausgaben der Kasse schlossen nach einem Jahr — im Dezember 1715 — mit einem Überschuß von fl. 18, Kr. 43 (fol. 303). Daraus ergibt sich, daß die Stadt an der Gewürzschau nicht profi­ tierte, sondern die Gebühren an der Kostendeckung orientiert waren. Unter den Ein­ nahmen ist die Gebühr von 3 Gulden für ein „Attestat“ besonders zu vermerken, das am 19. Dezember 1714 für „Bäumler und Lottes“ ausgestellt worden war (fol. 302). Conrad Lothes, Marktvorgeher und später Assessor am Bancogericht2), hatte 1710 die Witwe Sabina Catharina des 1708 verstorbenen Spezereihändlers Johann Martin Bäumler 3) geheiratet4). Wahrscheinlich handelt es sich bei der Firma „Bäum­ ler und Lottes“ um diese Verbindung. Johann Martin Bäumler, der ab 1702 ebenfalls Zwölfer des Gewürzschauamts gewesen war5),6 war ein Bruder des Handelsmanns Johann Peter Bäumler in Mainbernheim, des Großvaters von Christoph Adam Bäum­ ler 8). An dieser Stelle erscheint demnach erstmals der Name Bäumler im Firmenarchiv. Ein weiterer Eintrag im Handbuch (fol. 327, 328) im Zusammenhang mit Johann Leonhard Fincks Amt als Zwölfer stammt vom 4. Januar 1718. Es handelte sich um eine „Specification derjenigen Waren, so von denen Engelhardischen Eheleuten den 29. Dezember 1717 in das Gewürz-Schau-Amt überliefert und auf oberherrlichen Befehl von mir ends unterschriebenen taxieret und besichtiget worden“. Die Aufstellung enthielt Reis, Johannisbrot, Zwetschgen, Rosinen, Zucker, Ingwer, Lorbeer, Pfeffer, Weinbeeren, Anis, Mandeln und „Eine Euserne Handt Mühl“. Der Gesamtwert be­ trug fl. 50, Kr. 30, d 2. Eine Akte des Handelsvorstands7), „die Beschwerde der Spezerey Händler gegen das Hausieren der Joh. Barb. Engelhard und das derselben abgenommene confiszierte Gewürz betreffend“, gibt Auskunft über die Hintergründe. Johanna Barbara, Ehefrau des „Wachs Possierers“ Bartholomäus Engelhard, hatte Gewürze und Spezereien verkauft, ohne zum offenen Gewerbe zugelassen zu sein. Eine Anzeige der „Vorgeher des Specerey- und Material-Handels“ vom 11. Septem­ ber 1717 beim Rat rügte vor allem, daß die Engelhardin ihr Gewürz selbst mahlte wo doch alles Gewürz in eine der beiden zugelassenen Gewürzmühlen gebracht wer­ den mußte. Darauf hin erging am 6. Oktober 1717 ein Ratsverlaß, der bestimmte, man solle „die Wellen oder Stempel von der Würz-Mühl abheben“, um sie dadurch unbrauchbar zu machen und über die gefundene Ware „referieren“, um über das, „was vor confiscabel zu erachten, räthig werden zu können“. Nunmehr waltete Jo­ hann Leonhard Finck seines Amtes und erstellte die obige „Specification“. Die Folge war ein weiterer Ratsverlaß vom 12. Februar 1718:

*) Verzeichnis der verordneten Herren Zwölfer a. a. O., BL 6. 2) Genealogische Papiere Lottes (StadtA) sowie Johann Ferdinand Roth, Verzeichnis aller Genannten a. a. O., S. 156. 8) Totenbuch St. Sebald Nr. S. 43, S. 338, LKA 4) Traubuch St. Sebald Nr. S. 27, S. 398, LKA. 5) Verzeichnis der verordneten Herren Zwölfer a. a. O., Bl. 5. 6) Vgl. Stammtafel „Bäumler", S. 340 Falttafel. 7) HV 4821 StadtA.

336

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde „Das bei der Johann Barb. Engelhardin gefundene Gewürz, womit sie verbotener Weis ge­ handelt und selbiges verhausiert, soll man der Ordnung nach confiscieren, ihr auch die Geldstraf der 25 fl. andictieren und sie mit einer Leibstraf bedrohen, wenn sie sich auf dergl. verbottenen Händeln betretten lassen würde, gedachte Geldstraf aber eben nicht eintreiben, sondern sie nur deswegen in Sorgen lassen.“

Johanna Barbara scheint eine sehr selbstbewußte Person gewesen zu sein. Trotz der erfolgten Confiscation ihrer Waren besuchte sie den Markt zu Neumarkt, was die Herren Zwölfer am 18. Juni 1718 zu einer weiteren Anzeige veranlaßte: „Als nun einige hiesige und Neumärker Bürgere und Krämer sie in aller Bescheidenheit sowohl bei ihrem Stande, und im Wirtshaus zum Engel als unterwegs ge fraget, ob sie dann die Erlaubnus anjezo wieder hätten, oder verpflichtet worden waren, Gewürz und Spezereien zu führen? so hätte sie ärgerlich darauf angefangen zu schänden und zu antworten, es wären lauter Schelmen und Diebsleute, die da sagten, daß es ihnen verbotten, oder sie des Gewürzes und der Specereyen nicht befugt wären. Der Brey sey noch nicht ausgekocht, wer wisse, wer die Zeche noch zahlen müsse, sie wollten sehen, ob es ihnen verbotten würde und könnte, dieser und jener sollte sie holen, wo sie sichs verbieten ließen, und was dergleichen höchst­ vermessene und exerable Reden und Flüch gewesen sein.“

Kurz darauf — am 1. Juli 1718 — lief noch eine weitere Beschwerde „der berech­ tigten und verpflichteten offenen Specerey- und Materialhändler samt denen ver­ günstigten Landhändlern alhier“ beim Rat ein, die Engelhardischen Eheleute hätten „zu Altdorf wiederum eine neue Intrigue gespielet und sich allda an die H. Professores gehänget, denenselben ihre Waren in die Häuser getragen, sie, wo nicht unter, doch um den Kosten darummen etlichmalen gegeben, damit nämlich nur dieselben vor sie intercedieren, ihre Billigkeit im Preis loben und ihnen den freien und öffentlichen Zutritt, wie auch die öffentliche Bauung des Marktes allda zuwege bringen, ja gar hoher Orten erbitten helfen mögten, gestalten dann auch bereits eine solche intercession vor sie eingeloffen sein solle.“

Der Rat bewies indessen Langmut und war sicherlich auch von der Unerschrokkenheit und Findigkeit der Engelhardin beeindruckt. Am 13. März 1719 wurde ihr „aus hoher obrigkeitlicher Vergünstigung“ das Recht eingeräumt, „ad dies vita“ auf einem freigewordenen Platz „am Krebs-Stock“ alte oder angestoßene Zitronen, Lemonen, Pomeranzen, Rosinen, Weinbeeren und Feigen zu verkaufen. Bedingung war allerdings, das Hausieren und insbesondere den Gewürzhandel zu unterlassen. Die Engelhardin erscheint in einem Kontokorrentbuch von 1742—1757 der Firma Finck8) im Jahre 1742 unter „diversen“ Debitoren mit einer Restschuld von 56 Kreuzern.

*) Fol. 3 von rückwärts, NW 15—215, StadtA. 22

337

MVGN

53 (1965)

Geschäfte der Familie Finde

Anlage 3 Das Testament Dr. Johann Michael Endters (1719) (Handbuch fol. 337', 338)

„Bono Cum Deo Ao. 1719 den 26. Jan. in Nbg. Verzeichnis, was ich Dr. Johann Michael Endter ein und dem andern zu legieren gedenke und von meinem lieben Bruder H. Martin Endter soll ausgetheilet werden. Herrn Vetter J. L. Fincken 1. Meinen silber-vergulden baugenden Bier-Krug 2. It: den Silber-vergulden Degen

3. It: meinen silber-vergulden Tischbecher 4. Ein Dutzend silberne Löffel, auch so viel mit Silber eingefaßte Messer und Gabeln. Dessen Frau Liebsten, der Frau C. S. Finckin 1. Das silber-verguldene Taufbecken samt Aufguß 2. Ein Dutzend silberne Messer und Gabeln

3. Mein güldenes Halskettlein die kleinen silbernen Leichter. Der ältesten Jfer. Finckin den großem Silber-verguldenen Weinkrug nebst einem diamantenen Vorsteck-Ring mit ... Steinen, ingleichen den silbernen Schmecken-Krug. Der jüngeren Jfer. Finckin den kleinen Silber-verguldenen Weinkrug nebst einem diamantenen Vorsteck-Ring mit ... Steinen. H. Butzen legier ich meine Sack-Uhr und seiner Liebsten den H. Christum am Creuz von Silber. H. Beiehtvatter Bechmann vermache ich einen fünffachen Ducaten und alle meine geistlichen Bücher. Meinem lieben Taufdothen J. M. Endter meinen diamantenen Ring mit ... Steinen It: meinen Patschaft-Ring und dessen Schwesterlein mein güldenes Halskettlein. Meinem Bortenmachers Dothen, dem J. M. Frenzen 12 fl., dergleichen auch dem Circelschmieds Dothen und dem J. M. Eckert dem jüngeren auch 12 fl. 338

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde Meiner Magd Ursel, über das von meiner seel. Liebsten ihr vermachte, eine saubere Laidkleidung samt zugehörig $. It: ein silber-verguldens Becherlein, worin ich einen Zettel geleget: oder das Geld dafür. Ingleichen V2 Dutzend zinnerne Schüsseln und V2 Dutzend Teller. It: V2 Dutzend Fatscheinl. [Taschentücher]." Im Anschluß an das Testament (fol. 338') hatte der Testamentsvollstrecker Martin Endter sechs zwischen dem 4. November und 3. Dezember 1718 datierte „Assignationen" ausgeschrieben. Sie lauteten auf: fl. fl. fl. fl.

503, 403, 404, 460,

Kr. 45 in Münzen und Gold, Kr. — in Münzen, Kr. 30 in Münzen, Kr. 7V2, davon fl. 310, Kr. 7V2 in Münzen und fl. 150 in Courrant, fl. 715, Kr. 45 in Courrant und fl. 2045, Kr. •— in Courrant fl. 4532, Kr. 7V2 Die „Assignationen“ waren an Johann Leonhard Finck zu zahlen, der die letzten drei (insgesamt fl. 3220, Kr. 52V2) im „Franziskanerkloster zu Augsburg-Lechfeld" deponierte. Dort wähnte er diesen „Notgroschen" wahrscheinlich am sichersten ver­ wahrt. Johann Leonhard Finde stand durch Weiterleitung von Postsendungen der Franziskanerinnen des Klosters St. Clara in Eger in Verbindung mit einer Reihe von Franziskanerklöstern (vgl. fol. 330, 332, 339', 340, 340' im „Handbuch von 1683“, NW 15 - 4 StadtA).

22 *

339

340

Anlage 5

Stammtafel Finck — Auszug —

Hannß Find* * ...

t 1633

Paulus Finch * 1601

t 1662

Handelsmann 1. oo 1627 Ursula Lanzinger * . . .

i Paulus Finch * 1633

f 1669

Spezereihändler 00 1666 Justina Margareta Hayd

Georg Tobias Finch * 1637

t 1714

Spezereihändler 00 1680

♦ .. .

f 1642

I

Johann Jacob Finch * 1635

2. 00 1647

Magdalena Hönn

f 1676

Spezereihändler 00 1671 Dorothea Maria Endter

Anna Regina Finch * 1629 f 1672 00 1659 Peter Gläßer

Handelsmann (ab 1672 in Frankfurt)

* 1646 f 1717 2. 00 1677 Christoph

Melchior Riedner * ...

f 1697

Handelsmann Johann Leonhardt Finch------------------------------ Vormundschaft * 1677

f 1719

Spezereihändler 00 1700

Clara Susanna Langkopff------------------------------ Patenschaft * 1680

f 1748

f 1653

Dr. Martin Finch * 1648

f 1711

Stadtadvokat oo 1677 Clara ■ Susanna Endter

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finck

Kupferhändler aus Reutlingen 001593 Anna Orttegel * in Hersbruck f 1643

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde

Anlage 7

Fundstellenregister zu den beiden Stammtafeln Abkürzungen: H. G. = Heilig-Geist-Kirche J. = St. Johannis-Kirche K. = Kohlberg L. = St. Lorenz M. = Mainbernheim S. = St. Sebald W. = Windsheim Die Nummern nach den Abkürzungen bezeichnen den jeweiligen Band bzw. Jahrgang der zitierten Kirchenbücher. Anschließend ist die Seiten- bzw. Blattzahl angeführt.

Taufe

Name

Hannß Finde Anna Finck Paulus Finck sen.

Stammbaum Fitick L. 40, L. 40, S.

5, S. 134

Ursula Finck Magdalena Finck Paulus Finde jun. Georg Tobias Finde Johann Jacob Finde Dorothea Maria Finde

S. 8. S. 80 S. 8, S. 227 S. 8, S. 144 S. 8, S. 669

Christoph Melchior Riedner Anna Regina Finck Dr. Martin Finck

S. 7, S. 161 S. 8, S. 764

Johann Leonhard Finck Clara Susanna Finde Conrad Bäumler Anna Bäumler Adam Bäumler Johann Adam Bäumler Johann Peter Bäumler Johann Martin Bäumler Sabina Catharina Bäumler Wolff Adam Bäumler

Nicolaus Bäumler Sibylla Bäumler Johann Bäumler Johann Wolfgang Bäumler

Ehe

S. 24, S. 25, S. 24, S. 25, S. 26, S. 26, S. 26, S. 26, S. 26, S. 26, S. 25, S. 26,

S. 373 S. 373 S. 31lb S. 101 S. 311b S. 101 S. 38 S. 478 S. 150 S. 150 S. 382 S. 382 S. 342a S. 347

S. 27, S. 177 S. 10, S. 57 S. 27, S. 177 S. 10, S. 229 Stautimbaum Bäumler K.I, S. 312 KI, S. 79 K. I, S. 312 K. I, S. 89 K. II, S. 363 K. I, S. 162 K. II, S. 368 K. I, S. 170 K. I, S. 215 S. 26, S. 795 K. I, S. 208 S. 26, S. 795 S. 9, S. 574 S. 27, S. 398 L. 12, S. 734 K. I, S. 222 S. 27, S. 713 L. 13, S. 964 S. 28, S. 301 S. 27, S. 382 K. II, S. ll S. 27, S. 382 KII, S. 50 S. 28, S. 29 K. II, S. 64 K. II, S. 397

Tod

S. 37, Bl. 39 S. 37, Bl. 251 S. 39, Bl. 141 S. 37, Bl. 241 S. 38, Bl. 195 S. 40, S. 45 S. 44, S. 151 S. 40, S. 448 S. 44, S. 312 S. 42, S. 390 S. 40, S. 201 Matrikel der Universität Altdorf a. a. O., S. 192 S. 44, S. 399 S. 47, S. 306

K. II, S. 452 II, S. 454 K. II, S. 484 K. II, S. 505 M. III, Jg. 1728 S. 43, S. 338 S. 46, S. 163 Kl.

S. 47, S. 148

S. 48, S. 325 S. 48, S. 325

341

MVGN 53 (1965) Geschäfte der Familie Finde Taufe

Ehe

Tod

Johann Christian Bäumler

Name

M. II, .lg. 1694

Anna Regina Bäumler

W. 1678—1722 S. 251 S. 10, S. 1011 S. 11, S. 215 S. 11, S. 1021 K. II, S. 144 L. 28, S. 722

W. 1674-1729 S.549 W. 1674-1729 S. 549 S. 27, S. 780 L. 13, S. 2029

W. 1747-1777 S. 363/364 W. 1718-1746 S. 310 S. 45, S. 352 S. 47, S. 392

Johann Daniel Bäumler Christoph Gottlieb Bäumler Johann Bäumler Matthäus Bäumler Felicitas Bäumler Johann Haffner Christoph Adam Bäumler Margaretha Barbara Bäumler Conrad Bäumler Matthäus Michael Bäumler Johann Christoph Bäumler Ulrich Christoph Bäumler Heinrich Alb recht Bäumler Matthäus von Bäumler

342

S. 11, S. 725 W. 1723-1761 S. 138 S. 12, S. 764 S. 12, S. 310

S. 13, S. 733 S. 14, S. 331 L. 30, S. 58 S. 14, S. 690

S. L. S. L. S.

29, 43, 29, 43, 29,

S. S. S. S. S.

205 309 205 309 213

S. 51, S. 103 S. 49, S. 17 S. 48, S. 302 S. 50, S. 247

S. 29, S. 213 L. 15, S. 496 S. 29, S. 892

S. 53, S. 16 L. 84, S. 427

H. G. !>, S.

J. 22, S. 225

7

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS L Quellen: Kohlberg Evang.-luth. Pfarrarchiv Kirchenbücher I. Band (1616—1674), II. Band (1674—1760) Mainbernheim Evang.-luth. Pfarrarchiv Kirchenbücher II. Band, III. Band Nürnberg Bayerisches Staatsarchiv (StA) Bestand Nürnberger Prozeßakten, Nr. 501 Stadtarchiv (StadtA) Bestand Firmenarchiv Bäumler (NW 15), Nr. 4, 97, 98, 99, 100, 209, 215 Bestand Handwerksarchive (Rep. E 5), Abteilung Spezereihändler, Nr. 4a 7, Bestand Nürnberger Handelsvorstand (HV), Nr. 760, 4821 Bestand Mandate (Rep. A 6), 1704, November 4 Bestand Stadtgericht Nürnberg, Libri litterarum, Bde. 164, 181 Neubürgerbuch II (1757—1767) Familienarchiv Merkel, Nr. 136 Genealogische Papiere Lottes Stadtbibliothek (StB) Bestand Amberger, Nr. 270. 2, 450. 2 L. C. Lahner, Vollständige Sammlung derer zu des Heil. Rom. Reichs freien Stadt Nürnberg vemeuerten Reformation de Ao. 1564 gehörigen Additional Decreten. Nürnberg 1773 Landeskirchliches Archiv (LKA) Kirchenbücher St. Sebald Nr. 5, 7, 8, 10, 11, 12, 13, 14, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 37, 38, 39, 40, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 53

St. Lorenz Nr. 12, 13, 15, 28, 30, 40, 43, 81, 84 St. lohannis Nr. 22 Heilig-Geist Nr. 5 Bestand Vereinigtes Kirchenvermögen Nürnberg, Nr. 5 Windsheim Evang.-luth. Dekanatsarchiv Taufbücher 1678—1722, 1723—1761 Traubuch 1674—1722 Totenbücher 1718—1746, 1747—1777 343

II. Literatur: Arends,G.: Volkstümliche Namen der Arzneimittel, Drogen, Heilkräuter und Chemika­ lien, 11. Auflage, Berlin 1930 Bohner, Theodor: Der offene Laden, 2. Auflage, Frankfurt, o. J. Deutsches Geschlechterbuch (Genealogisches Handbuch Bürgerlicher Familien). Band 34. Erster Reutlinger Band (Schwäbisches Geschlechterbuch Band 1), hrsg. v. Bernhard KoerneT, Görlitz 1921 Gebhardt, Heinrich: Das Tabakwesen in der Reichsstadt Nürnberg im 17. Jahrhundert, Diplomarbeit der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Nürnberg, 1958 Hoffmann, Hermann: Münzen, Maße, Gewichte, Preise und Löhne in Bayern, in: Mit­ teilungen für Arcbivpflege in Bayern, 1. Jg. 1955, H. 1/2 Königlich-Baierisches Regierungsblatt, LX. Stüde, München 1811 Lehrgang für Drogisten-Fachschulen, hsg. v. Deutschen Drogisten-Verb and e. V., 2. Auflage, Berlin 1931 Maier, Gottfried: Alt-Reutlinger Familien, Band 1 Nelkenbrecher, J. C.: Taschenbuch der neuesten Münz-, Maaß- und Gewichtsver­ fassung etc., Prag 1809 Nopitsch, Christian Conrad: Wegweiser für Fremde in Nürnberg, Nürnberg 1801 Penndorf, Balduin: Geschichte der Buchhaltung in Deutschland, Leipzig 1913 Priem, Johann Paul: Geschichte der Stadt Nürnberg, Nürnberg 1875 Roth, Johann Ferdinand: Gemeinnütziges Lexikon für Leser aller Klassen, besonders für Unstudierte, 2 Bde., Halle 1807 Derselbe : Geschichte des Nürnbergischen Handels, 4 Teile, Leipzig 1800—1802 Derselbe: Verzeichniß aller Genannten des großem Raths, Nürnberg 1802 Steinmeyer, Elias von: Die Matrikel der Universität Altdorf, 2. Teil: Register, Würz­ burg 1912 Sturm, Heribert: Eger / Geschichte eineT Reichsstadt, Band I, Augsburg 1951 T r e c h s e 1, Martin: Verneuertes Gedächtnis des Nürnbergischen Johannis-Kirch-Hofs, Frankfurt und Leipzig 173 5 Verzeichnis der alten Straßen Nürnbergs, Av 3212, 4, StadtA Zedier, Johann Heinrich: Großes Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste, welche bishero durch menschlichen Verstand und Witz erfunden worden. Halle und Leipzig. 19. Band 1739, 38. Band 1743

344

Anlage 6

Stammtafel Bäum'er — Auszug —

Conrad Bäumler Hufschmied, Richter in Kohlberg/Opf. * 1630

f 1696

00 1651 Anna Biemann * 1631

Johann Adam Bäumler

Adam Bäumler * 1652

* 1654

f 1726

Johann Peter Bäuwlei * 1665

f 1731

* ...

oo . . .

f ...

Johann Martin Bäumler

f 1728

Handelsmann in Mainbemheim

Richter in Kohlberg oo 1682 Walpurgis Förster

Hufschmied Richter in Kohlberg oo 1677 Magdalena Völkler

f 1701

* 1662

Wolff Adam Bäumler

f 1708

* 1668

Spezereihändler in Nürnberg

f 1743

Stadthafner in Nürnberg

00 1690

Sabina Catharina Mader

* ... t ...

* 1666

f 1735

2. oo 1710 Conrad Lotthes MarktvorsteheT

Niacolaus Bäumler * 1678

Johann Bäumler

f •••

* 1694

Spezereihändler in Nürnberg oo 1709 Sibylla Pensel * . . .

f .. .

Spezereihändler in Nürnberg oo 1729 Magdalena Kraft

Johann Christian Bäumler

Johann Wolfgang Bäumler * 1700

* 1694

f . . .

Bürgermeister in Kohlberg 00 1721

Johann Daniel Bäumler * 1698

Christoph Gottl. Bäumler

f 1728

* 1707

Spezereihändler in Nürnberg

Handelsmann in Nürnberg

00 1722

00 1732

1. 00 1724

Maria Margaretha Hummel

Clara Maria Bierdümpfel

Maria Regina Walther * 1696 f 1744

* ...

Conrad Bäumler

Matthäus Bäumler * 1728

f 1751

Bader und Chirurgus in Windsheim

♦ .. t ...

f 1762

f 1765

f 1789

Christoph Adam Bäumler

MarktvorsteheT in Nürnberg Felicitas

* 1733

f 1786

Materialist in Nürnberg

00 1763

* 1733

f 1767

Spezereihändler in Nürnberg oo 1758 Maria Magdalena * ...

Johann Bäumler * 1723

f ...

Huf- und Waffenschmied in Fürth

oo ...

f ...

Matthäus Michael Bäumler * ...

f ...

Handelsmann 00 1785

f ...

00 1763

Margaretha Barbara Drechsel * 1745

f 1809

verw. Haffner geb. Lang * 1726 f 1769 1. 00 1750 Johann Haffner * 1718 t 1761-------------------------------------------------------- ------------------------

Spezereihändler in Nürnberg

Johann Christoph Bäumler

Ulrich Christoph Bäum!er

* 1765

** 1777

cand. med.

Spezereihändler

Heinrich Albrecht Bäumler * 1759

f . . .

Spezereihändler

Mathäus von Bäumler * 1787

f 1819

Spezereihändler

DIE NÜRNBERGER KATTUNDRUCKEREI 1782-1788 UND IHRE NACHFOLGER Ein Beitrag zur Nürnberger Wirtschaftsgeschichte im IS. Jahrhundert Von Albert Bartelmeß I. Fehlende Voraussetzungen für die Gründung von Manufakturen in der Reichsstadt Nürnberg Im Archiv des Nürnberger Handelsvorstands, das als Leihgabe heute im Stadtarchiv Nürnberg liegt, finden sich einige Akten über eine Nürnberger „Cottonfabrique“ zu Ende des 18. Jahrhunderts. Da über die Nürnberger Wirtschaftsgeschichte dieser Zeit noch relativ wenig bekannt ist, haben dieses Aktenmaterial, sowie einige Zufallsfunde dazu angeregt, die Geschichte dieser Nürnberger Manufaktur näher zu untersuchen. In den meisten Territorien, insbesondere in solchen, die einer merkantilistischen Wirtschaftspolitik huldigten, entstanden im 18. Jahrhundert weiter­ verarbeitende vorindustrielle Großbetriebe, die zwar verschiedentlich bereits fabrikähnliche Züge aufwiesen und sich selbst als Fabriken bezeichneten, im allgemeinen aber als Manufakturen, d. h. als zentralisierte gewerbliche Groß­ betriebe angesprochen werden müssen *)• Vom reinen Handwerksbetrieb unter­ schied sich die Manufaktur nach der Definition O. Reuters in erster Linie „durch eine mehr oder weniger vorangetriebene Arbeitsteilung, d. h. Zer­ legung des Gesamtprozesses in möglichst viele Teilverrichtungen, die die Arbeitsproduktivität in ungeahntem Maße zu steigern im Stande war" *2). Der Gründung von Manufakturen in der Reichsstadt Nürnberg im 18. Jahrh. standen große Hindernisse entgegen. Seit dem 17. Jahrh. war das Ge­ werbeleben in der Stadt fast völlig erstarrt. Die vom Rat erlassenen strengen Handwerksvorschriften mögen zwar dem einzelnen seinen Unterhalt gesichert haben, verhinderten jedoch eine Umwandlung der bestehenden Betriebsweise. Es war einem Handwerker kaum möglich, selbst als Unternehmer den Vertrieb einzelner Erzeugnisse in die Hand zu nehmen oder sich als einzelner durch selbst erfundene maschinelle Einrichtungen auf Kosten anderer Vorteile zu verschaffen3). Der Verkauf der von den Handwerkern gefertigten Erzeugnisse erfolgte durch Kaufleute oder Verleger, die oft mehrere Handwerksmeister für sich arbeiten ließen. Die kaufmännischen Unternehmer waren an einer Änderung der bestehenden Verhältnisse kaum interessiert, denn bei den bis­ herigen Verhältnissen, die ihnen den Gewinn brachten, den Handwerkern aber *) Ortulf Reuter, Die Manufakturen im fränkischen Raum (= Forschungen zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 3), Stuttgart, 1961, S. 4. 2) Reuter, a. a. O. S. 105. 3) Paul Wiessner, Die Anfänge der Nürnberger Fabrikindustrie, Langendreer, 1929, S. 14.

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MVGN 53 (1965) Nürnberger Kattundruckerei

das Risiko aufbürdeten, standen sie sich wesentlich besser. Zudem verhinderte auch der Egoismus der Gewerbe die Entwicklung von Manufakturen aus kleinen Betrieben heraus4). Natürlich wirkten sich die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse und die vielfach ungünstige politische Lage nachteilig aus. Weiter führte das ängst­ liche Abschließen gegen die Einwanderung der industriell regsamen Ausländer dazu, daß sich z. B. die französischen Religionsfiüchtlinge in Erlangen und Schwabach niederließen und die Gewerbe dieser Städte tatkräftig voranbrach­ ten. Mangelndes Kapital war nicht nur in Nürnberg ein Hemmschuh für die Gründung von Manufakturen und oft war die zu geringe Kapitalausstattung auch der Grund für die vielfach kurze Lebensdauer und Unrentabilität der Betriebe. Die kapitalkräftigen Kreise hielten sich vorsichtig von diesen riskant erscheinenden Unternehmungen zurück 5). Weitere erschwerende Umstände mögen gewesen sein, die fehlende finan­ zielle Unterstützung durch die Stadt — ganz im Gegensatz zu den Markgraf­ schaften —, die aber bei der trostlosen Finanzlage der Reichsstadt unmöglich war, die Schwierigkeiten bei der Heranschaffung von Rohmaterialien und die noch mangelnde Aufnahmefähigkeit der meist armen Bevölkerung für billige Massenartikel6). Es ist daher nicht verwunderlich, daß in Nürnberg, obwohl die benachbarten Fürstentümer Ansbach und Bayreuth in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts ein international bekanntes Zentrum der Kattunherstellung und des Kattundrucks waren, und dort zwischen 1716 und 1801 insgesamt elf derartige Manufakturen gegründet wurden 7)> erst 1782 eine große Kattun­ druckerei entstand. II. Unternehmungsformen der Manufakturen im fränkischen Raum und Sonderstellung der Nürnberger Kattundruckerei Wie O. Reuter nachweist, waren die Gründer der zahlreichen vorindu­ striellen Großbetriebe der fränkischen Fürstentümer meist Einzelpersonen, bürgerliche Kaufleute und Handwerker, durch die fünf Sechstel der Manufak­ turen ins Leben gerufen wurden. Sie hatten, meist ohne die Hilfe von nennens­ werten Krediten, nur gestützt auf ein vielfach bescheidenes Eigenkapital ge­ wagt, eine Manufaktur zu gründen. Nur sechs Unternehmergesellschaften waren Zusammenschlüsse von Brüdern oder sonstigen nahen Verwandten und weitere sieben solche von mittleren Kaufleuten untereinander oder in Ver­ einigung mit Handwerkern. In keinem einzigen Fall erreichte eine AnsbachBayreuther Manufaktur bis ins 19. Jahrhundert hinein die Form einer Aktien­ gesellschaft 8). Es war daher bemerkenswert, daß gerade die 1782 gegründete Nürnberger „Cotton-Fabrique“, sich in ihreT Struktur von ähnlichen Gründungen im frän4) Wiessner, a. a. O. S. 15, 25. 5) Reuter a. a. O. S. 104. 6) Wiessner, a. a. O. S. 25. 7) Reuter, a. a. O., S. 39, 71. 8) Reuter, a. a. O. S. 100—103.

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kischen Raum unterschied. In dem Projekt zur Errichtung einer „CottonFabrique“ 1781 wird angeführt, daß das Gründungskapital durch eine Societät durch Ausgabe von Aktien aufgebracht werden soll und daß der Direktor und der Kassier aus der Gesellschaft der „Actionärs" genommen werden sollen 9). Wenige Monate später wird erwähnt, daß bereits mehrere Aktien zu je 1000 Gulden gezeichnet worden sind 10).* Auch das Privileg vom 7. Mai 1783 wird, obwohl die Mitglieder einzeln auf geführt sind, nicht diesen be­ sonders, sondern der Gesellschaft insgesamt verliehen n). Bei dieser Gründung handelte es sich also um eine Aktiengesellschaft. Ihr gehörten 10 Aktionäre an, die sich aus einem Marktvorgeher, fünf Markt­ adjunkten und vier Kaufleuten zusammensetzten. Ein Handwerker befand sich nicht darunter und war wahrscheinlich auch gar nicht erwünscht. Die Anlässe zur Gründung dieser Aktiengesellschaft in Nürnberg mögen gewesen sein: der von den Kauf- und Handelsleuten ungern gesehene Versuch der Erweiterung der kleinen Kattundruckerei des Georg Adam Ziegler in Wöhrd, das geringere finanzielle Risiko der Beteiligten, die fortschrittlichen und patriotischen Ideen des Marktvorgehers Johann Georg von Scheidlin und der Marktadjunkten, sowie die Hoffnung auf weitgehende Vorrechte und Privilegien seitens der Reichsstadt, die einem Einzelunternehmer wohl nicht in diesem Maße zugestanden worden wären. Bei dieser Aktiengesellschaft handelt es sich allerdings um einen Zusammenschluß von Personen, die unter­ einander in engen beruflichen oder geschäftlichen, teilweise vielleicht sogar verwandtschaftlichen Beziehungen standen (vgl. Abschnitt IV), was den moder­ nen Vorstellungen von einer Aktiengesellschaft nicht unbedingt entspricht. UL Vorgeschichte und Gründung der Kattundruckerei

Vor dem Bestehen eigener Kattundruckereien waren in Nürnberg die Färber berechtigt, nicht nur verschiedene Stoffe zu färben, sondern auch bunt zu bedrucken. So hat der Färber Johann Leonhard Pabst, nach seiner Aussage, während einer Lehrzeit beim Färbermeister Christoph Reuter beim Weißen Turm „viel Tausend Stücke" Kattun bedruckt12). Es haben aber auch in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts in Nürnberg bereits zwei kleinere Kattundruckereien bestanden. So hat 1734 der Bürger Leonhard Starck in dem von ihm erkauften Ingolstätterischen Garten vor dem Neuen Tor mit Genehmigung des Rates eine Kattundruckerei und -färberei eingerichtet. Den Färbern gegenüber mußte er sich allerdings verpflichten (17. 8. 1735), das zu seiner „Fabric" benötigte sogenannte „Galanter odeT Preßwerk mit drey übereinander stehenden Wellen, so durch ein Pferd ge­ trieben wird" nur für die von ihm selbst fabrizierten Stücke zu verwenden. 9) 10) n) ,2)

Stadt-Av. Stadt'Av. Stadt'Av. Stadt'Av.

Handelsvorstand (HV) Nr. 4682/7 (1781, Febr. 14). HV 4682/6 (1781, Juli 17). UR 1783, Mai 7. HV 4686/6 (1792).

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Starck erwirkte für seine Kattundruckerei ein vom 6. Juli 1735 datiertes kaiserliches Privileg18). Nach dem Bericht des Konsulenten Peyer aus Wien (17. April 1737) haben sich zwei Nürnberger Bürger namens Seeger — Vater und Sohn — um die Erteilung eines kaiserlichen Privilegs für die von ihnen mit großen Kosten aufgerichtete Kattun- und Flanelldruckerei bemüht, wogegen Leonhard Starck Einspruch erhob 14). Beide Druckereien scheinen aber nur kurz bestanden zu haben, denn vor der Gründung der Gesellschaft gab es in Nürnberg nur die folgenden drei kleineren Betriebe, die sich mit Bedrucken von Kattun und Leinwand beschäf­ tigten: Die vormals Buzenwinklische Cotton- und Leinendruckerei „zur blauen Hand" auf der Insel Schütt [S 1701, Insel Schütt Nr. 14, 16] im Besitz des Druckers Johann Keller, die Magdalena Hofmännische Druckerei in der Neuen Gasse 18 [S 1204], und die „Kattunfabrik" des Georg Adam Ziegler in Wöhrd. Ziegler, der 1777 nach Wöhrd kam, hatte dort, mit finanzieller Unter­ stützung des späteren Marktvorgehers Johann Georg von Scheidlin eine kleine Druckerei gegründet, die aber wegen der großen Konkurrenz in Schwabach (Kattunmanufaktur Stirner) Absatzsorgen hatte. Durch Vermittlung des Richteramtes Wöhrd bat Ziegler daher am 28. Dez. 1780 den Rat der Stadt, man möge künftig die Nürnberger Leinwandhändler veranlassen, ihren Bedarf doch teilweise aus seiner Fertigung und nicht mehr von auswärts zu decken. Falls die Leinwandhändler dazu nicht bereit wären, möge man ihm erlauben, einen eigenen Laden zum Verkauf seiner Ware in Nürnberg einrichten zu dürfen. Ziegler war der Meinung, daß, wenn er die nötige Unterstützung des Rates und möglicherweise auch weitere finanzielle Unterstützung durch Nürn­ berger Kaufleute erhalten würde, sein Betrieb wesentlich erweitert werden könnte. Er hatte für diese eventuelle Erweiterung den Platz der Pulvermühle in Wöhrd vorgesehen 15). Die Nürnberger Leinwandhändler erklärten sich nach dieser Eingabe Zieglers nur bereit, von ihm Waren in sehr beschränktem Umfang zu über­ nehmen und wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, daß durch die vielen Hausierer und die dreimal jährlich bis zu vier Wodien langen Messen ihre Lager ohnedies kaum geräumt werden könnten. Die Vorsteher des hiesigen Handelsstandes befürworteten zwar eine Erweiterung des Ziegler’schen Be­ triebes, allerdings mit dem Bemerken, daß keine anderweitigen Hindernisse in den Weg kommen mögen, die zum öftern die beste Absicht vereiteln würden16). In dieser Formulierung zeigte sich schon das Vorhandensein eines anderen, umfassenderen Projekts auf diesem Gebiet. Durch die erwähnte Eingabe Zieglers waren in erster Linie die Leinwand­ händler angesprochen, die, wenn sie dem Ansuchen Zieglers nicht in etwa 13, 14) Stadt-Av. Y 121. 15) Stadt-Av. HV 4682/1 16) Stadt-Av. HV 4682/5 (1781, Mai 4). 348

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entsprachen, befürchten mußten, daß diesem eine eigene Verkaufsniederlage in der Stadt bewilligt wurde. Es war daher auch der Vorgeher der Leinwand­ händler in Nürnberg, Georg Gottlieb Drechsler, der bereits am 14. Februar 1781 ein Projekt zur Errichtung einer „Cotton-Fabrique“ vorlegte, das im wesentlichen die Satzung der später gegründeten Kattundruckereigesellschaft bildete l7). Georg Gottlieb Drechsler stammte aus Neustadt an der Aisch. Er war der Sohn des dortigen Fländlers Johann Gottlob Drechsler. Am 9. August 1761 wurde ihm als Leinwandhändlersdiener das Nürnberger Bürgerrecht ver­ liehen18). In 1. Ehe verheiratete er sich am 22. Sept. 1761 mit Margaretha Clara, Witwe des Georg Tobias Burckhardt, und in 2. Ehe am 9. Jan. 1764 mit Maria Margaretha, Tochter des Rektors der Schule zu Hersbruck Johann An­ dreas Bühel. Am 13. Oktober 1791 wurde er begraben19). Ob Drechsler der alleinige Verfasser des Projektes war, oder ob hier be­ reits der Martkvorgeher von Scheidlin mitgewirkt hat, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Weil der Kattundrucker Ziegler von den Leinwandhändlem gefordert hatte, daß sie ihm entweder seine Waren abkauften oder ihm Waren zum Bedrucken gaben, wo doch durch die „unzähligen Stümpeleien“ hiesigen Orts der Kattun­ handel ohnedies stark herabgekommen war, hat Drechsler nach seinen eigenen Worten sich veranlaßt gesehen, ein Projekt zu entwerfen, mit dessen Hilfe nach und nach eine „ansehnliche Cotton-Fabrique“ zustande kommen könnte. Drechsler sah in dem Ansinnen Zieglers, das er im Vorwort zu seinem Projekt eindeutig auf die gleiche Stufe der übrigen Stümpeleien auf diesem Gewerbe­ zweig stellte, eine weitere Beeinträchtigung des Leinwand- und Kattunhandels. Sein Projekt sah im wesentlichen vor: 1. Das Gründungskapital in Höhe von ca. 10 000 Gulden soll durch Ausgabe von Aktien durch eine Societät aufgebracht werden, 2. Aus der Gesellschaft der Aktionäre sollen ein Direktor und ein Kassier bestellt werden, 3. Daraufhin soll man sich um die Annahme eines Fabrikanten oder Druckers für den Betrieb bemühen, 4. Dem Direktor sollen folgende Aufgaben obliegen: a) Er hat Sorge zu tragen, daß rohe oder weiße Ware aufs beste und wohl­ feilste herbeigeschafft wird, b) Er übergibt dem Drucker die Arbeiten und schreibt Dessins und Farben vor, c) Nach Fertigstellung liefert der Drucker die Arbeiten wieder an den Direktor ab und empfängt von diesem den vorher vereinbarten Drucker­ lohn, d) Der Direktor hat über die Einnahmen und Ausgaben genau Buch zu führen und den Gesellschaftern vierteljährlich Rechenschaft zu erstatten. 17) Stadt-Av. HV 4682/7. 18) Stadt-Av. Neubürgerbuch II, S. 89. l#) Aus den Kirchenbüchern des Evang. Landeskirchl. Archivs Nürnberg.

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5. Engagement mit dem Drucker:

a) b) c) d)

Erfordernis eines großen Sortiments von Formen und Modeln, Der Druckerlohn wird vorher festgelegt, Die verwendeten Farben müssen echt sein, Wenn „übel geratene" Stücke geliefert werden, ist der Drucker schuldig und gehalten, den daran erlittenen Verlust sich abziehen zu lassen, e) Dem Drucker ist verboten, etwas in eigener Regie zu drucken oder zu verkaufen. Er ist verpflichtet, allein für die Gesellschaft zu arbeiten 20). Dieses Projekt Drechslers ging also auf die Gründung einer reinen Kattun­ druckerei aus. Wenn dann auch später in bescheidenem Umfang Kattun selbst hergestellt wurde, so blieb die Nürnberger „Cotton-Fabrique" doch im wesent­ lichen eine Druckerei. Als erster zeichnete der Marktvorgeher Joh. Georg von Scheidlin zwei Aktien in Höhe von je 1000 Gulden21) und am 18. Juli 1781 wurde Drechs­ lers Projekt durch die Bancoamtsdeputation empfohlen. Am 20. Dez. 1781 baten die meisten der späteren Gesellschafter den Rat der Stadt um Protektion und Beförderung der geplanten Kattundruckerei22). Sie waren sich der Schwie­ rigkeiten für diese Neugründung wohl bewußt und verwiesen auf die vielen bereits bestehenden Kattunmanufakturen, vor allem auf die Schülin’sche Fabrik in Augsburg und auf die Stimersche Manufaktur in Schwabach. Daher baten sie um die Erteilung verschiedener Vorrechte, die dann im wesentlichen im Privileg vom 7. Mai 1783 auch gewährt wurden. Bis es zur endgültigen Erteilung dieses Privilegs kam, bedurfte es aber noch langwieriger, zäher Verhandlungen. Der besondere Fürsprecher des Projektes war die Deputation zum Bancoamt, die sich immer wieder nachdrücklich für die Gründung der Druckerei einsetzte. In einem Gutachten vom 22. Dezember 1781 schrieb sie z. B.: „Ein Staat kann wohl ohne auswärtige Handlung be­ stehen, aber nicht ohne Manufacturen in sich. Diese nur, wenn sie zumahl blühend sind, sind der Grund zur Bevölkerung und die Bevölkerung hat Nürn­ berg in allen Betracht nötig. Wo aber viel Volk ist, muß es Arbeit finden um sich erhalten und nähren zu können. Und hierzu gibt die Baumwollspinnerey und -Weberei, dann das Mahlen (Bemalen) des Cattuns, welches sogar durch Kinder geschehen kann, die beste Gelegenheit." 23) Vielfache Einwendungen kamen dagegen seitens des Zollamtes und vor allem vom Rugamt, das noch 1793 in einem Bericht schreibt: „Überhaubts sind die Fabriken bei hiesigem Lokale mehr schädlich als nützlich. Sie bringen zwar, wenn sie sich gehoben haben, Geld ins Land, allein dies trifft nur auf einen Punkt zusammen: der einzelne Fabrikant wird reich, lebt müßig und prasset, seine Arbeiter haben aber kaum das liebe Brod." 24) Nachdem man in einer entscheidenden Konferenz mit den in Frage kom­ menden reichsstädtischen Ämtern am 15. März 1782 zu einer Einigung ge20) 21) 22) 23,

Stadt-Av. HV 4682/7. Stadt-Av. HY 4682/6 (1781, Juli 17). Stadt-Av. HV 4682/8. 24) Stadt-Av. HV 4687/9.

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kommen war25), wurde das erwünschte Privileg im Konzept verfaßt. Nun kam es, wie zu erwarten war, zu heftigen Beschwerden der bereits bestehenden Kattundruckereien des Johann Konrad Keller und der Magdalena Hofmann, die man zwar „in ihrem esse und bei demjenigen, was sie aus eigenen Kräf­ ten praestiren können, ungehindert belassen“, ihnen aber niemals eine Erwei­ terung oder sonstige Neuerung erlauben wollte 2e). Verschiedene Einwände er­ hoben auch die Weber27). Dagegen kam erstaunlicherweise kein Einspruch seitens der Färber, die eigentlich, da sie sich ja nachweislich schon länger mit dem Bedrucken von Kattun beschäftigen, in erster Linie durch die Errichtung einer großen Druckerei geschädigt wurden. Inzwischen hatte die Gesellschaft offensichtlich mit dem Kattundrucker Georg Adam Ziegler in Wöhrd, der ja mit seiner Eingabe den Anstoß zur Gründung der Gesellschaft gab, einen Arbeitsvertrag abgeschlossen, denn im Februar 1782 begann Ziegler noch in Wöhrd ausschließlich für die Gesell­ schaft zu arbeiten 28). Es kann daher dieser Zeitpunkt als der Gründungstermin für die Nürnberger Kattundruckerei angesehen werden. IV. Das Privileg vom 7. Mai 1783

Nachdem der Betrieb der Druckerei schon über ein Jahr lang lief, wurde endlich das erbetene Privileg erteilt. Die lange Verhandlungszeit hatte sich aber gelohnt, denn den Forderungen der Gesellschaft war, trotz aller Ein­ sprüche, fast durchweg entsprochen worden. Mit Urkunde vom 7. Mai 1783 erteilten Bürgermeister und Rat der Reichsstadt Nürnberg der Gesellschaft bzw. den derzeitigen zehn Mitgliedern und allen künftigen Mitgesellschaftern und Nachfolgern der Gesellschaft zu einer in der Stadt Nürnberg zu errichten­ den „Cotton-Fabrique“ folgendes Privilegium exclusivum auf die Zeit von 25 Jahren: 1) Außer den hier bereits etablierten Gerechtigkeiten von Cotton- und Lei­ nendruck, nämlich der [Magdalena] Hofmännischen in der Neuen Gasse [Neue Gasse 18, S. 1204] und der Johann Conrad Kellerischen „zur blauen Hand“ auf der Schütt [S 1701, Insel Schütt Nr. 14, 16] soll keinem mehr in der Stadt, in den Vorstädten und im Landgebiet erlaubt sein oder erlaubt werden der­ gleichen „Fabriquen“ oder Druckereien zu unterhalten oder zu gründen. Die beiden schon bestehenden Druckereien sollen zwar in ihren Rechten unge­ schmälert bleiben, sie dürfen jedoch ihre Betriebe in keiner Weise erweitern oder vergrößern, 2) Alles notwendige Rohmaterial, mit Ausnahme von Leinengarn und Lei­ nengewebe, darf eingeführt werden, ohne daß es der Schau unterliegt, 3) Bei der Einfuhr von Baumwollgarn soll nicht mehr als zwei Kreuzer pro Zentner Zoll verlangt werden. Wenn Baumwollgarn von der Manufaktur an 25) *•) 27) 28)

Stadt-Av. Stadt-Av. Stadt-Av. Stadt-Av.

HV HV HV HV

4682/13. 4682/38. 4682/42. 4682/66.

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auswärtige Weber zum Weben gegeben wird, bzw. wenn diese Weber die ge­ fertigten Kattunstücke in die Stadt hereinbringen, haben sie einen von der Verwaltung der Manufaktur ausgestellten Schein vorzuweisen und dürfen den Zoll unter den Toren dann ungehindert und ohne Bezahlung passieren, 4) Bei der Zuteilung von Arbeit sollen jedoch das hiesige Armen- und Ar­ beitshaus und die einheimischen Weber in erster Linie bedacht werden, so wie die Gesellschaft „diese patriotische Maxime selbst zu einem wesentlichen Artickel ihres Societäts-Contracts in Ansehung ihrer künftigen Nachfolger zu machen sich entschlossen hat", 5) Die in den Pflegämtem gesponnene taugliche Baumwolle muß in erster Linie der neuen Nürnberger Druckerei zum Kauf angeboten werden, 6) Die zum Betrieb der Druckerei nötigen und verständigen Leute darf die Gesellschaft nehmen, woher sie will und wo sie diese am tauglichsten findet. Keinem der bei der Gesellschaft tätigen Arbeiter wird bei seinem Weggang erlaubt werden, auf Nürnbergischem Gebiet in dieser Branche weiter tätig zu sein. Im Fabrikhaus wohnende Drucker oder Arbeiter dürfen sich, gleich an­ deren Handwerksburschen oder Handlungsdienern, ohne Bürgerrecht oder Stadtschutz hier aufhalten. Fremde aber, die nicht in der Fabrik wohnen, sollen gegen eine sehr mäßige Gebühr in den Stadtschutz genommen werden, 7) Falls der von der Gesellschaft angenommene Kattundrucker Ziegler den mit ihm errichteten Accord nicht mehr halten will oder kann, so können jeder­ zeit ein anderer oder mehrere neben ihn oder an seine Stelle gesetzt werden, 8) Einschleppen fremden Kattuns in Kutschen, insbesondere durch die Juden, soll durch scharfe Visitationen an den Toren unterbunden werden, 9) Das Hausieren sowie das Feilhalten von fremden Kattunwaren in Ständen wird verboten. Die Gesellschaft wird ermächtigt, solche eingeschlichenen Kat­ tunfabrikate beschlagnahmen zu lassen, 10) Kattunverkaufsniederlagen in Privathäusem, in den Waagämtern und besonders im Zollhaus werden verboten, 11) Die zu den Messen kommenden Händler sollen zwar gütlich, aber mit Nachdruck, angehalten werden, wenigstens teilweise hier erzeugte Kattun­ waren zu übernehmen. Vor und nach der privilegierten zollfreien Ostermesse, sowie nach den unprivilegierten Jahrmärkten an Neujahr und Egidien (1. Sept.) wird jeder Kattunverkauf in Verkaufsbuden verboten, 12) Alle Vorschläge und Maßnahmen der Gesellschaft zur Aufrechterhaltung und Vergrößerung der Manufaktur sollen durch den Rat der Stadt nötigenfalls durch Additionaldekrete befördert werden29). Das Privileg enthält die Namen der zehn Aktionäre der Gesellschaft. Über sie sei hier noch einiges ausgeführt. Es handelt sich dabei um einen Marktvorgeher, um fünf Marktadjunkten und um vier Nürnberger Kauf- und Han­ delsleute. Wenn man berücksichtigt, daß dem Marktrvorgeher das gesamte Marktwesen nebst Marktgewölbe, das Botenwesen usw. unterstand und daß ») UR 1783, Mai 7.

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die zur Unterstützung der drei Marktvorgeher tätigen zwölf Marktadjunkten vielfach auch im Bancoamt beschäftigt waren, ist es verständlich, daß sich die­ ses Amt bzw. die zugehörige Ratsdeputation besonders für die Belange der Gesellschaft einsetzte. An erster Stelle wird im Privileg der Marktvorgeher Johann Georg von Scheidlin genannt, der ganz offensichtlich das Projekt des Georg Gott­ lieb Drechsler tatkräftig unterstützte und dem letzten Endes die Gründung der Gesellschaft in erster Linie zu verdanken war. Auch sein Vater, Johann Caspar Scheidlin, war bereits Marktvorgeher. Geboren wurde Johann Georg Scheidlin am 1. Dezember 1726 in Nürnberg. In 1. Ehe war er verheiratet mit Maria Margaretha Friderica Hagen, Tochter des Brandenburg-Culmbachischen Hofkammerrats und Leheninspektors Justus Jacobus von Hagen (7. Nov. 1757). In 2. Ehe heiratete er (2. Aug. 1773) Barbara Sabina Volckamer, Witwe des Pflegers des Landalmosenamts Christoph Gottlieb Volckamer. Am 10. Okt. 1765 wurde er zum Marktadjunkten bestellt und am 18. Juni 1774 wurde er Marktvorgeher. Er hatte dieses Amt bis zum 15. Jan. 1782 inne und ist am 8. Februar 1791 verstorben80). Die Reihe der Marktadj unkten führt Johann [Friedrich] Morhardt an. Er stammt aus Herrenberg in Württemberg und wurde dort am 17. April 1728 geboren. Am 6. Dez. 1771 wurde er Marktadjunkt und heiratete am 7. März 1775 Magdalena Barbara Kießling, Tochter des Johann Tobias Kießling. Am 15. September 1786 wurde er zum Marktvorgeher ernannt und starb am 21. Januar 1801. Der zweite der erwähnten Marktadj unkten, Hieronymus Friedrich Silber stammte aus Wiche in Thüringen. Er war der Sohn des dortigen ersten Pastors Christoph Silber. Am 10. November 1761 wurde ihm, als bisherigem Buchhalter und nunmehrigem Handelscompagnon bei dem eben­ falls unter den Aktionären befindlichen Handelsmann Schober, das Bürgerrecht erteilt31). Am 5. Dezember 1764 heiratete er Catharina Magdalena Höger, die Tochter des Georg Christoph Höger. Er wurde Marktadjunkt am 23. De­ zember 1771 und ist am 16. August 1786 gestorben. Als nächster (4.) wird der Marktadjunkt Johann Gabriel Graf genannt, geboren am 29. Juni 1730 in Nürnberg als Sohn des Spezereihändlers Johann Jacob Graf. Im Juni 1764 verheiratet er sich mit Anna Margaretha, Tochter des Abraham Michael Mair. Zum Marktadjunkten wurde er am 27. September 1774 ernannt und ist am 19. April 1784 verstorben. Der Marktadjunkt Carl Gottfried K i e ß 1 i n g (5) stammt aus Reichenbach im Vogtland (Vater: Gottlieb Kießling) und wurde dort am 13. September 1734 geboren. Am 14. März 1765 erhielt er als Handlungsdiener das Nürnberger Bürgerrecht32) und verheiratete sich am 18. Juni 1765 mit Susanna Barbara, Tochter des Wilhelm Heinrich Krochmann 30) Diese und die folgenden genealogischen Angaben stammen zum Teil aus den Kirchenbüchern des Evang. Landeskirchlichen Archivs, ich bin dabei Herrn Pfarrer Kuhr, der mir bei der Nachforsdiung sehr behilflich war, zu großem Dank verpflichtet, und zum Teil aus den Porträtbüchern des Handelsvorstands, die als Leihgabe der Industrie- und Han­ delskammer Nürnberg in der Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums liegen. 31) Stadt-Av. Neubürgerbuch II, S. 94. 32) Stadt-Av. Neubürgerbuch II, S. 174. 23

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und am 25. November 1788 zum zweiten Male mit Maria Catharina, Witwe des Marktvorgehers Joh. Fried. Hermann. Marktadjunkt wurde er am 4. Juli 1776, Marktvorgeher am 18. September 1789. August Martin Kießling (6), wurde am 18. Februar 1742 als Sohn des Handelsmanns Johann Paul Kießling geboren und heiratete am 16. Juni 1772 Maria Elisabetha, Tochter des Marktvorgehers Caspar Gottlieb Merkel. Zum Marktadjunkten wurde er am 21. April 1783 ernannt, also nur rund 14 Tage vor der Erteilung des Pri­ vilegs. An 7. Stelle der Aktionäre ist der Handelsmann Valentin Schober auf geführt. Er wurde am 25. April 1737 als Sohn des Handelsmanns Valentin Schober getauft und heiratete am 23. Juli 1760 Marg. Jacobina, Tochter des Marktadjunkten Nicolaus Christoph Serz. Johann Caspar Schlegel (8), Handelsmann, wurde 1721 geboren und am 5. April 1789 begraben. Johann Caspar Falke jun. (9), getauft am 19. März 1754 als Sohn des Joh. Gott­ lob Falke, heiratete 1780 Maria Catharina Felicitas, Tochter des Weinhänd­ lers Wilhelm Andreas Köhler. Als letzter der Gesellschafter ist im Privileg Jacob Albrecht F r i c k erwähnt. Er stammte aus Ulm und war der Sohn des dortigen Kastenamtmanns Joh. Ludwig Frick. Am 9. November 1772 heiratete er Kunigunda Franz geborene Eckhardt, die Witwe des Christ. Heinrich Franz. In 2. Ehe vermählte er sich am 5. September 1791 mit Catharina Elisab. Daßdorf, Witwe des Handelsmanns Christoph Gottlieb Daßdorf. Diese kurze Zusammenstellung zeigt die engen beruflichen und geschäft­ lichen Beziehungen der Aktionäre untereinander, die möglicherweise — wenn auch weitläufig — in verwandtschaftlichen Beziehungen zueinander standen. In welcher Höhe die Aktionäre Aktien gezeichnet haben, ist weder aus dem Privileg noch aus den Akten ersichtlich. Wir wissen nur, daß von Scheidlin zwei Aktien in Höhe von je 1000 Gulden erwarb 33). Wahrscheinlich haben die übrigen Gesellschafter dann Aktien zu je 1000 Gulden übernommen, da beim späteren Verkauf der Wert der Kattundruckerei bei 13 000 Gulden liegt34). Die in einem Bericht des Richteramtes Wöhrd vom 5. November 1781 genannte Summe von 18 000 Gulden, auf die sich der Aktienfonds jetzt be­ reits belaufen soll, erscheint überhöht35). V. Die Kattundrucker ei~Gesellsdhaft bis zu ihrer Auflösung (1788)

Die Gesellschaft hatte sich, wie erwähnt, mit dem Drucker Ziegler in Wöhrd eingelassen. Da dieser aber nur wenig eigenen Besitz hatte und z. B. gezwungen war, die allgemeine Bleiche zu benützen “J, erschienen der Gesell­ schaft seine Anlagen für den Ausbau zu einem größeren Betrieb ungeeignet. Der von Ziegler vorgeschlagene Platz zur Errichtung einer neuen Kattun­ fabrik an der Stelle der Pulvermühle vor dem Mögeldorfer Tor in Wöhrd stieß vor allem auf den Widerstand des Zinsmeisteramts, das die zerstörte PulverM) S4) ’85) 8«)

Stadt-Av. Stadt-Av. Stadt-Av. Stadt-Av.

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HV 4682/6. HV 4686/2. Rep. (alt) 100 i Nr. 918. HV 4682/8

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mühle wieder aufbauen und in Betrieb setzen wollte. Man hatte zwar für das Projekt der Errichtung einer neuen großen Kattundruckerei in Wöhrd bereits umfangreiche Überlegungen, ja sogar Kostenvoranschläge und Pläne gefertigt, konnte sich aber dann doch nicht zu deren Ausführung entschließen 37). Noch vor der Ausfertigung des Privilegs erwarb daher die Gesellschaft die zur Färberei berechtigte, vormals Münzrat Caspar Gottlieb Lauferische Be­ hausung in der Neuen Gasse (S 1214, Neue Gasse 24). Dieser Komplex mit zugehörigen Seiten- und Nebengebäuden und verschiedenen Wasserwerken, bildete in Zukunft den Mittelpunkt der Druckerei38). Dieses Haupthaus, auch der Fußhof genannt, war frei lauter eigen, hatte pro Stunde 36 Eimer gutes Wasser und daneben noch eine Leitung des Weiherwassers von dem Weiher auf der Tullnau. In ihm waren neben den Fabrikationsräumen noch drei Zins­ wohnungen für die Beschäftigten untergebracht39). Wenig später muß die Gesellschaft auch die nahe dabei gelegene Kattun­ druckerei der Magdalena Hofmann (S 1204, Neue Gasse 18) erworben ha­ ben 40). Auch dieses Haus war reichlich mit Wasser versorgt, wofür jährlich an das Zinsmeisteramt zwei Gulden zu entrichten waren; andererseits war aber das Bauamt zur Mitunterhaltung der Wasserleitung verpflichtet41). Neben den Fabrikationsräumen waren hier den Beschäftigten vier Zinswohnungen ein­ geräumt. Die Druckerei wurde ausgestattet mit Rolle und Walch, allen Druck­ requisiten, Pressen, Messing- und Kupferplatten, neugefertigten Modeln, Waagen und Gewichten, sowohl in den Schreibstuben als auch im Gewölbe, einer großen Anzahl hölzerner Kufen und sonstigem hölzernen Geschirr, Schleife, Glättischen und anderem mehr42). Daneben war ein Webermeister im Hauptgebäude tätig, der mit einigen Gesellen selbst Kattune webte43). Da dieser natürlich nur einen Bruchteil des zur Verarbeitung erforderlichen Bedarfes herstellen konnte, gab die Gesell­ schaft von Anfang an Baumwollgarn zum Weben von Kattun an Nürnberger und auswärtige Webermeister. Bereits Anfang 1783 arbeiteten so 22 Weber­ meister für den Betrieb44). In den Jahren 1783 und 1784 waren neben Nürn­ berger Webern vor allem Weber aus Fürth und Kleinreuth h. d. V. für die Druckerei tätig. 1785 hat sich die Poduktion der Druckerei anscheinend vor­ übergehend gesteigert, wie sich aus den erhaltenen Zollpassierscheinen der für die Druckerei arbeitenden auswärtigen Weber ergibt45). Von den rund 37) 88) 39) 40) 41) 42) 43) 44) 45)

23*

Stadt-Av. Rep. (alt) 100 i Nr. 918. Stadt-Av. aus UR 1790, s. d. ersichtlich. Stadt-Av. HV 4685/2 Stadt-Av. HY 4686/2. Stadt-Av. UR 1790, s. d. Stadt-Av. UR 1790, s. d. und HV 468 5/1. Stadt-Av. HV 4684/5. Stadt-Av. HV 4682/43. Stadt-Av. Zollamt Nr. 604a. Die Umrechnung nach „Reduktion der bisherigen Getreide-, Längen- und Flüssigkeitsmaße in den neu zu Bayern gekommenen Provinzen", Reg. Bl. 1811, Sp. 1343/44 in bayrische Pfund und dann nach Heinrich Grebenau, Tabellen zur Umwandlung des bayrischen Maßes und Gewichtes, München 1872, in unser heutiges Pfund ergibt, daß 100 alte Nürnberger Pfund rund 102 heutige Pfund sind.

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290 in diesem Jahr ausgegebenen Zollpassierscheinen sind etwas mehr als die Hälfte erhalten geblieben. Sie sind jeweils mit einem mit Papier überlegten kleinen Wachssiegel versehen, das die Buchstaben trägt Nürnberger] C[attun] F[abrik], Aus ihnen ergibt sich die nachfolgende Übersicht über die an aus­ wärtige Weber zur Herstellung von Kattun ausgegebenen Mengen an Baum­ wollgarn: 1) Rügland (Krs. Ansbach): 233 Pfund 2) Fürth: 216 Pfund 3) Roth: 183 Pfund 172 Pfund 4) Schwabach: 5) Burgfarrnbach: 108 Pfund 6) Kleinreuth h. d. V.: 100 Pfund 96 Pfund 7) Erlangen: 8) Oberbürg (Krs. Nürnberg): 81 Pfund 9) Großhabersdorf: 72 Pfund 10) Neunhof: 65 Pfund 11) Langenfeld: 62 Pfund 12) Pfaffenhofen (Krs. Schwabach): 54 Pfund 13) Demantsführt (Krs. Neustadt): 54 Pfund 14) Zirndorf: 38 Pfund 15) Altenmuhr (Krs. Gunzenhausen): 18 Pfund 16) Schweinau: 18 Pfund 17) Unternbibert (Krs. Ansbach): 9 Pfund

Erstaunlich an dieser Zusammenstellung ist vor allem der hohe Anteil der Weber aus dem doch ziemlich weit entfernten Rügland bei Ansbach. Die Bezahlung dieser Weber scheint allerdings nicht besonders gut gewesen zu sein, so daß manche Nürnberger Weber es vorzogen für auswärtige Betriebe zu arbeiten 46). Andererseits war die Gesellschaft mit der Qualität der von den Webern gelieferten Kattune nicht immer zufrieden und versuchte daher die Zahl der Webstühle im eigenen Haus zu vermehren. Ein diesbezüglicher Antrag wurde am 31. März 1786 an den Rat der Stadt gerichtet47). Die Ge­ sellschaft berichtet darin, daß der Betrieb sich zwar erweitert habe, aber noch ohne Abwurf eines Vorteils sei. Da sie bis jetzt noch nahezu drei Viertel ihres Webereibedarfs aus fremden herrschaftlichen Gebieten beziehen müßte, bitte sie, erlauben zu wollen, mehr Webstühle als die Handwerksordnung zuläßt (1 Webermeister darf nicht mehr als vier Webstühle haben) in ihren eigenen Gebäuden aufstellen zu dürfen. Es könnte dadurch gleichsam eine Schule ent­ stehen, in der gute Kattunweber ausgebildet würden und man wäre in der Lage, sich mehr und mehr von auswärts unabhängig zu machen. Dieser Vorschlag rief aber sofort die Nürnberger Weber auf den Plan. Sie hätten zwar nichts dagegen, wenn die Druckerei einen eigenen Weber­ meister beschäftige, obwohl das in anderen Reichsstädten, insbesondere in Augsburg nicht der Fall sei, wo Herr von Schülin den Kattun den Weber4fl) Stadt-Av. HV 4683. 47) Stadt-Av. HV 4684/5.

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meistern ordentlich abkaufe. Sie müßten jedoch eine Vermehrung der WebStühle und damit der Gesellen ablehnen, denn in ganz Deutschland seien keinem Meister mehr als vier Webstühle erlaubt. Wenn man in Nürnberg davon abgehen wollte, würden sowohl die hiesigen Meistersöhne und die, die hier gelernt hätten, auswärts Schwierigkeiten haben und andererseits würden kaum mehr fremde Gesellen hierher kommen, woran ohnedies jetzt schon Mangel wäre. Allzuviel könnte wahrscheinlich doch nicht herauskommen, wenn man dem Fabrikwebermeister ein Paar Stühle mehr als erlaubt zubil­ ligen würde. Die Weber machen daher den Vorschlag, daß man mehrere Mei­ ster anstellen solle, von denen jeder dann vier Stühle, besetzt mit zünftigen Gesellen, zu beaufsichtigen hätte. Wenn dies durchgeführt worden wäre und die Meister dabei in erster Linie nur eine Aufsichtsfunktion ausüben sollten, wäre damit aber eine weitere Verteuerung der Kattunherstellung verbunden gewesen. Bemerkenswert ist jedoch der weitere Vorschlag der Weber: Da für die vorgeschlagenen neuen Webstühle der Raum in den beiden Fabrikgebäuden nicht ausreichen dürfte, sollte sich die Gesellschaft nach einem eigenen ge­ eigneten Haus für die Kattunweberei umsehen. Die Weber schlugen dafür das sogen, „hohe Haus" vor, das „mit leichten Kosten" dafür umgebaut werden könnte 48). Dadurch könnte die Druckerei dann ihren Endzweck eher errei­ chen49). Was der Rat in dieser Angelegenheit entschieden hat, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Auch ein diesbezüglicher Ratsverlaß war nicht auf­ zufinden. Jedenfalls hat die Gesellschaft den Plan der Weber nicht aufgegriffen. Aus dem oben angeführten ergibt sich, daß die Nürnberger „Cottonfabrique" eine Kattundruckerei war, der nur eine kleine Weberei angeschlossen war. Ein geordneter Manufakturbetrieb war auf sachkundige Handwerksgesellen und Meister angewiesen. Wie anderwärts wird auch in Nürnberg die erwähnte Heranziehung von ungelernten Arbeitskräften aus dem Armen- und Arbeits­ haus wenig Erfolg gehabt haben, so daß bei der geringen Bereitwilligkeit des einheimischen Handwerks die Gesellschaft wohl gezwungen war, fachkundige auswärtige Arbeitskräfte zu beschäftigen. Kinder aus dem Armenhaus wurden aber offensichtlich zum Bemalen der Kattune herangezogen, denn bei den Verkaufsverhandlungen 1789 wird berichtet: „Die Kinder im Armenhaus, nebst anderen hiesigen sind so gut gezogen zum mahlen, als man sie in Augs­ burg haben kann" 50). Woher die Gesellschaft ihr Rohmaterial bezog, ist aus den Akten nicht zu entnehmen. Ihre Produkte dürfte die Gesellschaft durch die Leinwandhändler in erster Linie bei der einfachen städtischen und ländlichen Bevölkerung des Nürnberger Gebietes abgesetzt haben. Über die Höhe der Produktion der Druckerei sind keine Zahlen bekannt. Ein gewisser Rückschluß ergibt sich aber mit Hilfe der aufgefundenen Zollpassierscheine der für die Druckerei arbei­ tenden auswärtigen Weber wenigstens für das Jahr 1785 51). In diesem Jahr 48) 49) 60) 61)

Es konnte Stadt-Av. Stadt-Av. Stadt-Av.

leider nicht geklärt werden, um welches Gebäude es sich dabei handelt. HV 4684/7. Zollamt Nr. 604a. HV 4685/2.

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wurden rund 3000 Pfund Baumwollgarn an auswärtige Weber zur Herstellung der Kattune gegeben. Wenn die Gesellschaft anführt, daß sie zu dieser Zeit nahezu drei Viertel ihres Druckereibedarfs aus fremden herrschaftlichen Ge­ bieten beziehen muß, so darf man — einschließlich des selbst hergestellten Kattuns — rechnen, daß die Druckerei 1785 aus ca. 4500 heutigen Pfund Baumwollgarn hergestellte Kattune verarbeitet hat52). Zur Webung für 1 „Werk Cotton“ wurden jeweils ca. 9 Pfund Baumwollgarn ausgegeben. Sicher war diese Produktion geringer als etwa die der Kattundruckerei Achatius Härtner in Erlangen. Während in dieser im Jahre 1797 32 Drucker beschäftigt waren 53), haben in der Nürnberger Druckerei nicht mehr als 10 Drucker gearbeitet54). Die Druckerei der Kattunmanufaktur Stirner in Schwa­ bach beschäftigte 1792 30 Druckergesellen und 20 Druckerjungen 55). Insge­ samt läßt sich wohl sagen, daß die Nürnberger Kattundruckerei zu den mitt­ leren derartigen Betrieben der Zeit zählte. Bereits 1786 scheint sich die Auftragslage für die Nürnberger Druckerei verschlechtert zu haben, denn der von der Gesellschaft engagierte Leiter der Druckerei, Georg Adam Ziegler, beschwerte sich, daß ihm von dieser nicht genügend Arbeit zugewiesen werde. Er möchte wenigstens für 10 Drucker Arbeit erhalten, während die Gesellschaft nur so viel drucken lassen will, als bestellt ist. Um voll ausgelastet zu sein, bat er, ihm zu erlauben, Arbeit für Fremde annehmen zu dürfen56). Daraufhin ging die Gesellschaft ziemlich rücksichtslos gegen Ziegler vor, bekundete ihre vollkommene Unzufriedenheit mit ihm und kündigte seinen Vertrag (1786, Mai 26) 57). Alle Versuche Zieglers nun wieder in eigener Regie drucken zu dürfen, wußte die Gesell­ schaft unter Hinweis auf das erteilte Privileg beim Rat zu vereiteln 58). Wer Zieglers Nachfolger wurde, konnte leider nicht ermittelt werden. Erster Direktor war der Verfasser des Projekts zur Gründung der Gesell­ schaft, Georg Gottlieb Drechsler, der bis zum Oktober 1784 diese Stelle inne­ hatte 59). Sein Nachfolger war Andreas Christoph Immanuel Seidel, der 1786 starb M). Ihm folgte dann ein Faktor N. Dietsch, der selbst Mitgesellschafter war81). Letzter Direktor war Johann Heinrich Arnold, der dann die Druckerei 1788 übernahm62). Die Gesellschaft hat nur noch bis zum Jahre 1788 bestanden. Über die Gründe, die zu ihrer Auflösung führten, sowie über den genauen Zeitpunkt der Veräußerung des Betriebes konnte aus den einschlägigen Archivalien nichts ermittelt werden. Lediglich in einem Bericht des Bancoamtes vom 22. August 1792 heißt es, daß bei „Zergehung“ der Gesellschaft zu Ende des Jahres 1788 Johann Heinrich Arnold die Druckerei übernommen habe63). Unerfahrenheit 52) Angaben über die Umrechnung vergl. Anm. 45).

53) Reuter, a. a. O. S. 172. 54) Stadt-Av. HV 4682/62. 55) Reuter, a. a. O. S. 170. 5e) Stadt-Av. HV 4682/62. 57) Stadt-Av. HV 4682/63 (1786, Mai 26). 58) Stadt-Av. HV 4682/66—67. 5®—161) Stadt-Av. Zollamt Nr. 604a. 63) Stadt-Av. HV 4686/2.

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und eventuell auch Unfähigkeit der Unternehmensleitung, die mit Absatzund Betriebsorganisation wenig vertraut war, die Unterschätzung der Führungs­ schwierigkeiten eines größeren Betriebes, sowie Uneinigkeit unter den Gesell­ schaftern mögen Gründe für das Eingehen der Gesellschaft gewesen sein.

VI. Die Kattundruckerei unter Einzelinhabern Nach der Auflösung der Aktiengesellschaft der Nürnberger Kattrundrukkerei hat Johann Heinrich Arnold zu Ende des Jahres 1788 den Betrieb um 13 OOO Gulden übernommen64). Mit Ratsverlaß vom 23. Oktober 1788 war Arnold, als „Direktor bei der allhiesigen Cattonfabrique" angestellt, das Bürgerrecht verliehen worden65). Er hatte sich dabei auch verpflichtet, den hiesigen Waisenkindern durch die Kattundruckerei Verdienst zu verschaffen. Das genaue Datum der Übernahme durch Arnold konnte nicht festgestellt werden. Zu Anfang des Jahres 1789 bat Arnold den Rat um gnädige Transferie­ rung des der Gesellschaft erteilten Privilegs. Ehe dies aber geschah, ging Arnold „auf und davon" und hinterließ die Fabrik seinen Kreditgebern. Arnold ist angeblich durch einen für vier Lissaboner Handelshäuser reisenden Commis namens Seiler überredet worden, die Druckerei aufzugeben und soll sich von Nürnberg aus nach Lissabon begeben haben, um dort in seiner Branche tätig zu sein. Er hat sich, nach Meinung des Leonhard Paul Sörgel, nachdem die Hindernisse bereits überwunden waren, „durch einen Schwärmer den Kopf warm machen lassen und das Fleisch im Mund fahren lassen, um nach dem Schatten zu haschen" M). Dieser Leonhard Paul Sörgel, Amtskastner im Neuen Spital, hatte zu­ sammen mit dem Kauf- und Handelsmann Conrad Bauer die gesamte Debit­ masse des Johann Heinrich Arnold übernommen. Beide versuchten nun die Druckerei möglichst günstig an einen Kattunfabrikanten zu verkaufen. Sörgel gab in diesem Zusammenhang über den Zustand der Druckerei (1789, No­ vember 5) Auskunft67). Danach waren die Gebäude ganz fabrikmäßig her­ gestellt, Rolle und Hängemer in bestem Zustand und so gut wie in einer Augsburger Fabrik. Die Model waren, wohl unter Arnolds Leitung, um 2000 Gulden ganz neu gefertigt worden und der Geschmack nach Meinung Sörgels so, daß er nicht nur in Schwaben und Franken Anklang finden könne. Alle Model seien sehr schön geschnitten, so daß der beste Kenner daran nichts auszusetzen vermöge. Auch die Glätte sei ganz neu für 2000 Gulden gefertigt worden. Wenn Sörgel diese Angaben machte, so glaubte er sicher einen höheren Preis als 13 000 Gulden, um die Arnold die Druckerei gekauft hatte, erzielen zu können. Im Januar 1790 hatte man in der Person des Georg Haußmann aus Colmar einen Interessenten für die Kattundruckerei gefunden. Er war der Bruder des 64) Stadt-Av. HV 4686/2. •*) Staatsarchiv Nbg., Ratsverlässe. 6« e7) Stadt-Av. HV 4685/2.

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Inhabers der Colmarer Kattunmanufaktur, von der die Marktvorgeher be­ richten, daß sie beste Waren herstelle (22. Januar 1790) 88). Die Verhand­ lungen mit Haußmann scheiterten aber wegen zu weitgehender Forderungen bezüglich des Erlasses der Losung usw. Einer Verpachtung des Betriebes widersetzten sich Sörgel und Bauer nach­ drücklich. Sie wollten die Druckerei, „die uns schwer auf dem Halse liegt“, endlich verkaufen89). Nach langen Bemühungen und nachdem man die Drukkerei in den Zeitungen Amsterdams, Hamburgs, Kölns, Brüssels, Zürichs und Bayreuths hatte ausschreiben lassen, fand man endlich im September 1790 einen neuen Liebhaber. Es war der aus Langenburg im Hohenlohischen gebür­ tige, seit 16 Jahren als „Directeur“ in der Fabrik des Baron Schülin zu Augs­ burg tätige Johann Christian Ammerbacher70). Laut Kaufkontrakt vom 2. Sep­ tember 1790 übernahm Ammerbacher den gesamten Besitz der Kattundruckerei um nur 9250 Gulden71). Die Verkäufer waren also gezwungen, den Preis für die gesamte Anlage wesentlich zu reduzieren, um überhaupt einen Käufer zu finden. Am 11. September 1790 wurde dem Kattunfabrikanten Ammerbacher das Bürgerrecht erteilt72). Ihm wurde auch die dem Georg Haußmann ver­ weigerte 10jährige Losungsfreiheit zugestanden. Weiter übertrug man auf ihn das der Gesellschaft erteilte Privileg. Falls der Betrieb nicht florieren sollte, durfte er innerhalb von 10 Jahren, damit nicht sein ganzes hineingestecktes Vermögen verloren war, einen Vermögensrest ohne Nachtsteuer wegbringen. Bereits 1791 gab Ammerbacher aber die Kattundruckerei wieder auf, die nun, wegen der darauf haftenden Hypotheken, an die von Furtenbach’sehen Erben fiel73). Am 9. Mai 1792 erwarb sie schließlich der Kattundrucker Konrad Keller, der Besitzer der einzigen, neben dem größeren Betrieb noch be­ stehenden kleinen Druckerei „zur blauen Hand“ auf der Insel Schütt. Am 19. September 1792 wurde ihm das der Gesellschaft verliehene Privileg über­ tragen 74). Johann Konrad Keller wurde 1721 als Sohn des Kürassierreiters Michael Keller geboren. Er hatte in der Kattundruckerei Harter in Erlangen das Model­ schneiden gelernt und war dann in Mögeldorf tätig gewesen 75). Da er die Behausung „zur blauen Hand“ auf der Insel Schütt erkaufte, wurde ihm am 27. März 1778 das Bürgerrecht verliehen 78). Im Februar 1779 verheiratete er sich mit Anna Sybilla, Tochter des Hieronymus Vogel, Ordinarikutschers in Christian-Erlangen77). Es zeigte sich aber bald, daß Keller, trotz des Privilegs, nicht mehr die starke Unterstützung des Rates genoß, wie sie etwa der Gesellschaft zur Zeit 68) 69) 70) 71) 72) 75) 74) TO) 76) 77)

Stadt-Av. HV 4685/4. Stadt-Av. HV 4685/10. Stadt-Av. HV 4685/11. Stadt-Av. UR 1790, s. d. Staatsarchiv Nbg., Ratsverlässe. Stadt-Av. HV 4686/2. Stadt-Av. HV 4686/3. Stadt-Av. HV 4686/6. Stadt-Av. Neubürgerbuch III, S. 244. Aus den Kirchenbüchern des Evang. Landeskirchl. Archivs Nbg.

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ihres Bestehens zuteil geworden war. Schon im August 1792 mußte sich Keller gegen den Färbermeister Johann Leonhard Pabst auf der Schütt und den Blättleinschlager Mayer in der Grasersgasse wenden, die „eine Cotton-Fabrique en miniature“ im Vogelsgarten vor dem Frauentor einrichten wollten78). Pabst wurde zwar die Einrichtung dieser Druckerei untersagt. Er gab sich aber keineswegs damit zufrieden und verwies darauf, daß ursprünglich von den Färbern allein das Bedrucken von Leinen und Kattun ausgeführt wurde und daß die Kattundrucker ja letztlich aus den Färbern hervorgegangen seien. Als den eigentlichen Unterschied zwischen Färbern und Kattunfabrikanten führte er an: erstere färben und drucken für Lohn anderer Leute Arbeiten, die zweiten aber drucken eigene Sachen zum Verkauf. Keller begnüge sich aber nicht mit dem, was ihm zustehe, sondern drucke auch für andere Leute für Lohn79). Pabst wollte vor allem eindeutig klären, daß den Färbern das Recht zum Drucken zustehe und er drohte damit bis zum obersten Reichsgericht gehen zu wollen 80). Für Pabst setzte sich nachdrücklich das Rugamt ein, das ihn einen „erfindsamen, raffinirenden, spekulativen Kopf und geschickten und fleißigen Mann“ nannte 81). Trotz des Widerstandes des Bancoamtes brachte es Pabst so weit, daß ihm erlaubt wurde „Trümmer“ und anderer Leute Arbeit für Lohn zu drucken82). Die Zieglersche Kattundruckerei in Wöhrd, die dieser nach dem Aus­ scheiden aus dem Dienst der Gesellschaft nicht wieder betreiben durfte, wollte ein Georg Heinrich Meier, Stadtbürger und Kattundrucker, 1792 wieder auf­ leben lassen. Er wollte dazu den ganzen Apparat von der in Fürth eingegan­ genen Fabrik, die er käuflich erworben hatte, verwenden und war der Meinung, daß diese neue Druckerei der Nürnberger „Cottonfabrique“ nie schädlich sein könne83). Der Rat hat dieses Ansinnen aber offensichtlich abgelehnt. Im Gewerbekataster des Jahres 1810 findet sich jedoch in Wöhrd ein „Kattun­ fabrikant“ August Friedrich Richter84). Johann Konrad Keller hat den Betrieb in der alten Größe nicht fortzu­ führen vermocht, und er muß noch vor 1798 das Gebäude der ehemals Hofmännischen Druckerei (Neue Gasse 18, S. 1204) verkauft haben, denn im Jahre 1798 ist dieses im Besitz des Kartenfabrikanten Andreas Haubold85). Keller blieb bis zum 10. Februar 1804 im Besitz der Druckerei im Haupthaus (S 1214, Neue Gasse 24), die dann um 11 150 Gulden an Johann Konrad Glenk überging86). Seit ca. 1820 betrieb dieser im wesentlichen nur noch eine WeißStadt-Av. HV 4686/5. Stadt-Av. HV 4686/6. Stadt-Av. HV 4687/7. Stadt-Av. HV 4687/9. Stadt-Av. HV 4687/23. Stadt-Av. HV 4686/10. Stadt-Av. Gewerbekataster Nr. 1. Quartierliste von 1798 (Berechnung der von hiesig löbl. Bürgerschaft vom 1. 10. 1797 bis 31. 1. 1798 geleisteten Quartiergeldbeiträge, Nbg. 1798), S. 23. 86) Staatsarchiv Nbg., Rentamt Nbg., Bd. 122, fol. 1403.

78) 79) 80) 81) 82) 83) 84) 85)

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bleicherei. Er starb im Oktober 1839. Seine Witwe entsagte am 2. März 1849 87).

Zwischen 1806 und 1822 sind als „Kattunfabrikanten“ in Nürnberg nach­ weisbar: Johann Conrad denk (S 1214), Johann Bernhard Pabst, Johann Heinrich Pabst (L 607a) und August Friedrich Richter in Wöhrd88). Die durch Maschinentechnik verbesserten ausländischen Fabrikate ver­ drängten nach der Aufhebung der Kontinentalsperre weitgehend die heimischen Produkte und brachten die großen Kattundruckereien in Schwabach und Er­ langen genau so zu Fall wie die in Nürnberg noch bestehenden kleineren Druckereien89). Wenn die Nürnberger Aktiengesellschaft der Kattundruckerei schon sechs Jahre nach ihrer Gründung sich auflöste und wenn persönliche Unternehmer den Betrieb nicht mehr in Schwung halten konnten, so ist dies nicht nur dem Mangel an persönlicher Leistung, sondern vor allem auch den widrigen Zeit­ umständen zuzuschreiben. Offenbar haben sich die Gesellschaft zur Beförde­ rung vaterländischer Industrie ebensowenig wie die am Rande des Bankrotts stehende Reichsstadt des kranken Unternehmens nachhaltig angenommen, obwohl sich das Bancoamt sehr dafür einsetzte. Entscheidend für den Unter­ gang der Kattundruckerei dürften die Konkurrenz der gut funktionierenden und im Handel eingeführten Kattunfabriken der Fürstentümer Ansbach und Bayreuth und die mit dem Einsetzen der Reichskriege gegen das Frankreich der Revolution verbundene Wirtschaftsdepression gewesen sein, die ganz all­ gemein zu einer Einschränkung des Absatzes dieses Konsumgutes führte. Wenn es schon der Gesellschaft nicht gelang, den Betrieb einigermaßen ren­ tabel zu gestalten, so war das um so weniger unter der Leitung von Einzelinhabem der Fall, weshalb auch die Druckerei sehr bald wesentlich verkleinert werden mußte und damit für die Wirtschaft der Stadt keine Bedeutung mehr besaß.

87) Stadt-Av. Gewerbekataster Nr. 4 (1822). 88) Stadt-Av. Gewerbekataster Nr. 4 und Wiessner, a. a. O. S. 39. 89) Reuter, a. a. O. S. 136/137.

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ALTNÜRNBERGER DICHTUNG VON HANS SACHS BIS GRÜBEL*) Von Friedrich Bock (f) Im Zeitraum von 100 Minuten läßt sich über eine 300jährige Geschichte nicht allzuviel sagen. Sie dürfen von mir also nur eine umrißartige Darstellung der Altnürnberger Dichtung von Sachs bis Grübel erwarten und dazu aus den Werken einige Beispiele, die vielleicht nützlicher sind als breite ästhetische und geistesgeschichtliche Ausführungen. Und die Abgrenzung des Themas, die mir aufgegeben ist, verbietet ein näheres Eingehen auf das, was dem Hans Sachs vorherging. Nun ist es richtig: sehr lange vor Hans Sachs kann von einer deutschen Literatur in Nürnberg kaum die Rede sein. Die ältesten erhaltenen Zeugen eines deutschen Schrifttums, wenn auch noch nicht in poetischer Form, in Nürnberg gehören dem 14. und 15. Jahrhundert an. Es scheint mir nämlich vorerst noch verfrüht, Nürnberg eine irgendwie bedeutendere Stelle in der Pflege der mittelhochdeutschen Lyrik anzuweisen. Was hier neuerdings ver­ sucht worden ist, um unsere Stadt in die Pflegestätten jener ersten Blütezeit des deutschen Schrifttums einzureihen, ist scharfsinnig und mit viel Liebe an­ gelegt, aber die Forschung kommt mir noch nicht soweit gediehen vor, daß wir etwas Gesichertes sagen könnten. Und so gehört das erste Erzeugnis deutschen Schrifttums in Nürnberg, wie ja im Mittelalter zu erwarten, dem religiösen Gebiet an: es sind die Schau­ ungen der Mystikerin Christine Ebner, Nonne in Engelthal, aus dem be­ kannten, heute noch lebenden Patriziergeschlecht in Nürnberg; sie liegen noch im 14. Jahrhundert. — Und dann darf man wohl zur Literatur im weiteren Sinn auch die Erinnerungsbücher und Gedenkbücher von Nürnberger Bürgern rechnen; als älteste ist davon Ulman Stromers „Büchel von meinem Ge­ schlecht" erhalten, gleichzeitig die älteste Nürnberger Chronik und schon deshalb lesenswert; mit der Literatur hat es insofern wenigstens mittelbar zu tun, als Stromer die erste deutsche Papiermühle gegründet und damit der wohl­ feileren Verbreitung des Schrifttums einen wesentlichen Dienst geleistet hat. Und auch sein unglücklicher Enkel Niklas Muffel, dessen Prozeß und *) Zum Andenken an das 1964 verstorbene Ehrenmitglied des Vereins sei mit Einwilligung seiner Witwe dieser Vortrag abgedruckt, der am 2. 2. 1950 vor der Volkshochschule Nürnberg gehalten worden ist. Der Verfasser, der als bester Kenner dieses Sachgebiets gelten konnte, war sich des Skizzenhaften seines Unternehmens bewußt und scheute sich ohne eine gewisse Ausarbeitung vor einer Publikation. Da es aber noch an einer „Literaturgeschichte Nürnbergs“ und einschlägiger Voruntersuchungen mangelt, erscheint es doch wünschenswert, diese Ausführungen, die den behandelten Zeitraum sehr prägnant charakterisieren und manches Neue bringen, der Öffentlichkeit nicht vorzuenthalten. W. Schultheiß.

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Hinrichtung 1469 die Gemüter damals und bis heute erregt hat, hinterließ ein Memoirenbruchstück, dessen Lesung uns seltsam bewegen kann, zumal es wenige Monate vor seinem furchtbaren Ende geschrieben ist. In jener Zeit, Mitte des 15. Jahrhunderts, entfalten sich dann auch in Nürnberg die literarischen Bewegungen, aus denen heraus die bürgerliche Dichtung unserer Stadt erwächst: der Meistergesang, die Spruch- und Lied­ dichtung und das Fastnachtsspiel eines Rosenplut und F o 1 z. Ich muß es mir versagen, auf den Meistergesang näher einzu­ gehen, der, wie der ausgezeichnete Literarhistoriker Hermann Schneider (Gesch. d. dt. Dichtg. I, S. 240) sagt, schon zur Reformationszeit — mit der ja unser Thema beginnt — „zur lebenden Mumie geworden war". Er hatte seine große Zeit noch zu Beginn des 14. Jahrhunderts, als sich die höfischen Kreise der kunstvollen Lyrik allmählich verschlossen. Da suchte der letzte höfische Sän­ ger von gelehrter Bildung, Heinrich Frauenlob, sein Publikum unter den Stadtbürgern. In den politisch und wirtschaftlich erstarkenden städtischen Gemeinwesen wollte der Bürger hoch hinaus und hatte den Ehrgeiz, auch höfisch und gelehrt und künstlerisch zu sein. Aber aus einem fröhlichen Kampfplatz um künstlerische Dinge wurde die Singschule bald zu einer be­ haglichen Ruhestätte und engte sich in starre Formen und Regeln ein. Als die Meistersingerkunst verhältnismäßig spät im 15. Jahrhundert auch nach Nürnberg kam, hatte sie den Zustand der Verknöcherung schon erreicht, und in dieser Form hat sie sich bekanntlich noch Jahrhunderte lang weiter gefristet. Es ist nun sehr billig, sich über den Meistergesang dieser Art nur lustig zu machen. Wir müssen vielmehr anerkennen, daß es doch etwas Schönes um ihn war: es war doch wohl besser, wenn die Handwerker aus ihren dumpfen Werkstätten in der freien Zeit sich würdig zur Singschule begaben, anstatt zur Bierbank und zur Kegelbahn zu rennen, und wenn sie sich in den eintönigen Arbeitsgängen ihrer Berufsarbeit so nebenbei Gedanken machten, wie man das und jenes in deutscher Sprache glücklich und fein ausdrücken könnte. In die Nachbarschaft des Meistergesangs gehört die Erscheinung des SpruchSprechers, des berufsmäßigen Gelegenheitsdichters, in Nürnberg wohl älter als die Meistersinger; auch erlischt diese Tradition erst gegen 1820. Der Spruchsprecher, der zu festlichen Anlässen seine bescheidenen Reimereien vortrug, war bei größeren Hochzeiten und anderen Familienfesten unentbehr­ lich, er wartete auch später immer mit einem Neujahrsgedicht auf, und war zwar keine eigentliche Amtsperson, aber, von der Stadtregierung offiziell zu­ gelassen, hatte er eine eigene Tracht mit silbernen Schilden auf der Brust, dazu einen szepterähnlichen Stab in der Hand. Dieses Gewerbe war lange Zeit in einer Familie Weber erblich, als Größter gilt der Letzte der Familie, Wilhelm Weber, 1602—61. Wagenseil in seinem Buch „Von der Mei­ stersinger holdseligen Kunst" (1697) rühmt diesen Wilhelm Weber sehr. Jeden­ falls war er ein geschickter Improvisator. In seinen Hochzeitsgedichten ging er manchmal etwas weit in persönlichen Sticheleien, was ihm nicht nur eine Verwarnung vom Rat der Stadt, sondern gelegentlich auch Prügel eintrug. Als Beispiel seiner guten Augenblickseinfälle wird u. a. erzählt: bei einer 364

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Hochzeit ging es einmal recht hoch her und man vergnügte sich schon damit, Gläser zu zerbrechen. Da schüttelte Weber seinen Stab, daß die Metallschild­ chen laut klirrten, um sich Gehör zu verschaffen, und sagte dann: Paulus schreibt an die Epheser: Ihr Herrn seid lustig, brecht aber keine Gläser! In den Neujahrsgedichten jedesmal etwas Neues und einen brauchbaren Leitgedanken zu finden, war nicht einfach. Hier ein Beispiel, das uns auch den Stil der Zeit zeigen kann: der Glückwunsch für 1637 bringt oben einen Holz­ schnitt mit den Szenen bei der Geburt Christi und der Text behandelt dann die 3 Punkte: Ehre sei Gott, Friede auf Erden, den Menschen ein Wohlgefal­ len. Greifen wir den Abschnitt „Wohlgefallen" heraus: Aus dem Fried kommt das Wolgefallen Dem Menschen, in der Lieb zu wallen, Daß einer thut dem andern Guts In allen Ständen ohne Trutz. Ein Wolgefallen solln wir haben An Gott und allen seinen Gaben Die er uns schencket immerfort. Ein Wolgefallen ob seim Wort, Dardurch sein Will recht wird erkennt Und die heiligen Sacrament Werden uns gspendt allzeit Zur Seelen Heil und Seeligkeit. Ein Wolgefallen in dem Rath, Wol seyn zu regieren die Stadt, Ein Wolgefallen woll Gott geben, In Christlichem Wandel zu leben, Ein Wolgefalln und sichern Wandel Wöll Gott beschem dem Kauffhandel. Ein Wolgefalln den Handwercks Leuten, Gsundheit und Stärck zu allen Zeiten; Mann und Weib, Kindern und Gesind Gott auch sein Wolgfallen verkünd, Daß sie ihn allzeit loben und dancken. Ein Wolgefallen sey den Krancken, Wann ihr Stündlein vorhanden ist, Einzuschlaffen in Jesum Christ . . . Doch wir haben weit vorgegriffen in der Zeit und müssen in die Jahre um 1500 zurückkehren. Da ist eine interessante Erscheinung ein Einzelgänger, der

Landsknecht und frühere Gürtlergeselle Jörg G r a f f, zwanzig Jahre älter als Hans Sachs, von dem sich 16 Lieder erhalten haben, darunter 5 geistliche. Ein schweres Schicksal — er erblindete bei einem Brandunglück — hat ihn immer mehr in die Boheme und schließlich in die Hefe des Volks hinabge­ stoßen, ein paar Jahre war er verbannt. Seine weltlichen Lieder nehmen ihren 365

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Stoff aus der Umwelt, sind lebendig gestaltet und das Wort steht ihm gut zu Gebote. Einige Strophen aus dem Lied vom Heller können seine Eigenart veranschaulichen: Gelobt sey, der zum ersten erdacht, das man in der müntz die häller macht, er hats gar wol besunnen. Mir ist gar offt all meyner müntz bis auff drey häller zerrunnen. Mit dem häller man groß schätz macht, wiewol mancher den häller veracht; niemand laß sich verdrießen. Pfaffen Münch und frawen klöster thun yetz die schätz beschließen. Keyn Paur keyn knecht yetz behalten kan, sie wollen all sampt kriegrisch gan. kumpt keyner zu keytn heere: Sie lauffen nur auff der gart umb, der häller muß all neeren. Schwern all übel, leiden und macht, sagen von der und jhener schiacht, sind nie zu keyner kummen; ich glaub das doch jr keyner nie keine spieß aufft achsel numen. Vier häller man vor Zeiten gab einer Bulerin, yetz ist es ab, ist auff drey häller kumen; das machen die faulen haußmeid, die in der stat gen umme. Und dann kommt er sehr anschaulich und eingehend auf die geheime Pro­ stitution in Nürnberg zu sprechen. Karl Bröger hat die Gestalt dieses Jörg Graff in einem Roman verewigt, „Guldenschuh", für mich eines seiner besten Werke, voll Leben und Einfühlungsgabe. Auf den Humanismus einzugehen, liegt nicht in unserer Aufgabe. Aber nennen müssen wir ihn wenigstens und uns daran erinnern, daß diese große Bewegung, die Wegbereiterin des Übergangs vom Mittelalter zur Neu­ zeit, auch in Nürnberg ihre Pflege gefunden hat, wenn auch nicht in allzu gro­ ßen Vertretern, falls wir nicht den bekannten Angeregten und Anreger, den Freund Albrecht Dürers, Willibald Pirckheimer, dazu rechnen wollen. Und jetzt, in der Reformationszeit, wächst aus den erwähnten kleinen dichterischen Anfängen eine Erscheinung, die in der Geschichte der deutschen 366

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Nationalliteratur ihre bleibende Stelle hat, Hans Sachs, der größte sei­ ner Zeit, sprachlich neben Martin Luther der bedeutendste Vertreter deutscher Sprachkunst in der Epoche, wo sich vom Mittelhochdeutschen der Übergang zum Neuhochdeutschen vollzieht, in den Zustand unserer Sprache, den man sich gewöhnt hat, den frühneuhochdeutschen zu nennen. Hans Sachs beschreibt sein Leben und Wirken selber in dem Lied „Summa aller meiner Gedicht" vom Jahr 1567. Darnach ist er 1494 in Nürnberg als Sohn eines Schneiders geboren und besuchte eine der lateinischen Schulen. Mit 15 Jahren kam er in die Lehre als Schuhmacher, dann hat er einen großen Teil Deutschlands bereist und sich als Meister in Nürnberg niedergelassen. Schon bald hatte er sich für die Meistersingerkunst erwärmt und sich auf der Wanderschaft überall, wo es Singschulen gab, an ihnen beteiligt. Jetzt war er in Nürnberg auf Jahrzehnte wohl das unbestrittene Haupt der Schule. Dem Nürnberger Rat war der Schuster nicht immer bequem, zu früh und zu be­ geistert erhob er seine Stimme für die Reformation, als der Rat noch schwankte welcher Seite er sich anschließen sollte, und man untersagte ihm sogar einmal das Schreiben mit dem ausdrücklichen Bedeuten, daß der Schuster bei seinem Leisten zu bleiben hätte. So wurde ihm auch, soviel wir wissen, nie eine Ehren­ stellung in der Bürgerschaft angetragen, etwa als Mitglied des größeren Rates, dem ja viele Handwerker angehörten. — Als nach 40jähriger Ehe seine Frau gestorben war, hat er —- entgegen der Darstellung bei Richard Wagner — noch­ mals eine ganz junge Frau geheiratet. (Dem für uns etwas zu robusten Zeit­ geschmack entspricht es, daß er in einem Lied die Vorzüge dieser Frau bis in diskrete Körperlichkeiten hinein gepriesen hat.) Als er 1576 starb, gab es 5 dicke Foliobände seiner gedruckten Werke, die aber längst nicht alles ent­ hielten, was er gedichtet hat, vor allem nicht seine über 400 Meistergesänge. In seinen früheren Jahren hat er vieles Einzelne in Flugschrift form veröffent­ licht; auch eine stattliche Zahl von Bilderbogen, in denen seine Spruchgedichte von guten Künstlern der Zeit illustriert sind, gehören zu den Schätzen unserer alten Bibliotheken. Sein Schaffen hat vor allem drei Gebieten gehört; dem Meistergesang, für den er viele neue Weisen und Töne fand, der Reimrede (also Fabeln, Schwän­ ken — Anekdoten würden wir sagen — und Lieder), und dem Schauspiel. Die Stoffe entnahm er dem weiten Gebiet der Weltliteratur, die ja schon in gro­ ßem Umfang damals in deutschen Übersetzungen vorlag, von der Bibel über die Schriftsteller des griechisch-römischen Altertums bis zum Boccaccio. Seine Belesenheit setzt uns immer wieder in Erstaunen. Und all das stellt er in den Dienst der Lebensweisheit, alles geht durch das Medium seiner gefestigten, biederen, zu besinnlicher Betrachtung geneigten und humorvollen Persönlich­ keit hindurch. Man könnte ihn einen Moralisten nennen, manchmal auch einen Satiriker. Es ist schön zu beobachten, was er selbst für Behagen an einem Stoff empfindet und wie ihm das dichterische Gestalten Freude macht, ich möchte sagen, eine handwerkliche Freude. Allerdings hat er wohl nie ein tiefes Werk unter Schmerzen geboren, und hoher Gedankenflug liegt ihm fern. Darin ist er ganz ein Kind seiner kleinbürgerlichen Umwelt, und er stellt deren beste Seite, wie sie Nürnberg groß gemacht hat, wunderschön heraus. Er ist aber 367

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weit davon entfernt, ein Spießbürger zu sein, und erlaubt sich sehr wohl, seine Meinung zu sagen, auch in Fragen, die man noch umkämpft. So, wie schon gesagt, in der reformatorischen Bewegung, der zuliebe er sich auch in ein Ge­ biet versteigt, das er sonst nicht pflegt, nämlich in das Prosa-Gespräch, den Dialog, wie ihn die Zeit von den Humanisten her kannte. Das gelingt ihm ausgezeichnet, und seine „Disputation zwischen einem Chorherren und Schuh­ macher, darin das Wort Gottes und ein recht christlich Wesen verfochten würdt“, 1524, ist ein kleines Meisterstück. (Nachtigall/) Auch war er nicht eng in der religiösen Frage, er sah sehr wohl die Schattenseiten beziehungs­ weise die Auswüchse der neuen Bewegung, die nicht ausbleiben konnten, und die er unbedenklich geißelt. Als biederer Handwerker war Sachs haushälterisch, auch in der Arbeit mit seinen dichterischen Stoffen. Er versäumt es nicht leicht, den Inhalt eines Schwankes, also einer anekdotischen Erzählung in Reimpaaren, auch zum Fast­ nachtsspiel umzugestalten, und etwa gar auch noch zu einem Meisterlied. Manchmal fallen die parallelen Bearbeitungen dann ziemlich verschieden aus, so der Stoff von den ungleichen Kindern der Eva, wo im Theaterstück im Mittelpunkt die Religionsprüfung steht, die Gott der Herr wie ein braver Schulinspektor bei den Kindern abhält, während in dem Gedicht deutlich ein­ mal die soziale Frage anklingt: warum werden die einen große Herrn, die andern aber bloß Bauern und Handwerker, ja warum kommen die Menschen schon so ungleich auf die Welt — eine Frage freilich, die keine tiefgründige Beantwortung findet; der Dichter gibt sich natürlich mit dem, was Gott gefügt hat, zufrieden. Was ist nun das bleibende geschichtliche Verdienst von Hans Sachs? In ungewöhnlicher Vielseitigkeit hat er die spätmittelalterliche Kunstübung mit den Gedankengängen der Reformation und mit den Überlieferungen des von den Humanisten wieder zu Ehren gebrachten Altertums und mit der altdeut­ schen Sage geeint zu wahrhaft volkstümlichen Schöpfungen und ist so zu einem Lehrmeister und Bildner seiner Stadt, ja seines Volkes geworden. Wir bringen es heute kaum mehr fertig, einen ganzen Band seiner Spruch­ gedichte oder gar eine größere Reihe seiner Meisterlieder hintereinander weg mit höherem Genuß zu lesen; das war zeitgebunden. Zukunftsträchtig ist mehr seine dramatische Betätigung, und auch da sind es wieder nicht die breiten Schauspiele und Tragödien, die nur in Rede und Gegenrede gebrachte Erzäh­ lungen sind, also keine dramatischen Handlungen, — vielmehr die Fastnacht­ spiele: hier kann er eine knappe Handlung scharf zugespitzt in gutem Tempo schlagkräftig durchführen. Auch hat er die Erzeugnisse seiner Nürnberger Vor­ gänger, eines Hans Rosenplüt und Folz, verfeinert und durch die Tat gezeigt, wie so etwas auch ohne allzu grobe Unflätigkeiten und Zoten den einfachen Mann mitreißen kann.--------Als Probe darf ich einen Schwank zitieren, der für die Kunst des Dichters als Anekdotenerzähler bezeichnend ist, und auf den wir später noch einmal werden zurückkommen müssen: 368

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Die zwen diebischen pachanten in dem doten kercker (Vgl. Ausg. Götze, Nr. 216; siehe dort 100 u. 2 Meistergesänge) Dichter und Singer

In der silberweis Hans Sachsen, 1517. (Die Silberweis ist der erste seiner 13 Meisterliedertöne; er erfand ihn 1513 in Braunau und hat ihn 4 8 mal angewendet.) Ich lob ein brünlein küle Mit Ursprunges aufwüle Für ein groß wasserhüle, Die keinen Ursprung hat, Sich allein muß besechen Mit zufließenden bedien (Der brünlein, mag ich sprechen;) Die hül nit lang bestat, Wan von der sunen großer hitz Im sumerlangen tak Die hül wirt faul und gar unnütz, Gewint bösen geschmak; Sie trucknet ein, wirt grün und gelb. — So frischet sich das brünlein selb Mit seinem uresprunge; Beleihet unbezwunge Von der sune scheinunge, Es wirt nit faul noch mat. Das brünlein ich geleiche Einem dichter kunstreiche, Der gesang anfenkliche Dichtet aus Künsten grünt; Bas lob ich den mit rechte Für einen singer schlechte, Der sein gesang empfechte Aus eines fremden munt. Wan so entspringet neue kunst, Noch scherfer dan die alt. Des singers gesang ist umsunst, Er wirt geschweiget halt; Er kan nit gehn neue gespor, Sie sei ihm denn gebahnet vor Durch den dichter ohn scherzen, Der aus kunstreichem herzen, Kan dichten, ane scherzen, Neu gesang alle stunt. 24

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Wan alle künst auf erden Teglich gescherfet werden Von grobheit und geferden, Die man vor darin fant. Von gesang ich euch sage, Das er von tag zu tage Noch scherfer werden mage Durch den dichter, verstahnt! Darum gib ich dem dichter ganz Ein krön von rotem golt Und dem Singer ein grünen kranz Darbei ir merken solt: Kern der singer auf todes bar, Sein kunst mit ihm all stirbet gar; — Wirt der dichter begraben, Sein kunst wirt erst erhaben Müntlich und in buchstaben Gar weit in mengem lant. (Nach: Hans Sachs, hersg. v. P. Merker = Smmlg. Göschen, 24.

1927.)

Und nachdem wir nun doch schon einen Meistergesang betrachtet haben, darf ich noch einen bringen, der beinahe 100 Jahre jünger ist, nämlich von Georg Hager; der lebte von 1552—1634, war von Beruf wie Hans Sachs ein Schuster und wurde kürzlich von einem amerikanischen Gelehrten in einer stattlichen Ausgabe wieder bekannter gemacht. Die Weiber mit den Busenhündlein In der Neuen Jahrweis Georg Hägers. 1601. Als keiser aügustus Zu Rom geregiert hate, Da sah er mit verdrus, Und das in Rom der state Ettliche reiche weiber, secht, Wo sie waren bereite Al zeite, Hetten sie früh und spatte Affen oder hündtlein Bey ihnen an dem orte, Spilten mit jnen fein. Wenn das der keiser dorte Sehen det, sprach er zu in schlecht: Ich das nit loben kane Vor ane, Ir thü(e)t sünd dran hin förte. 370

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Herzt Ewre kinder klein, Spilt mit den an dem orte! Laßt das viech laufen fein Nach irer art hin forte, — Wie sie denn sint geschaffen recht Von gott in diese weite! Ich melte, Plutarchus schreibt die worte. Seit Sachs hat sich grundsätzlich in diesen hundert Jahren beim Meister­ gesang demnach nichts geändert. Doch nun kurz noch einmal zurück zu Sachs! Hätte das Nürnberger Schrifttum nur diesen einen Mann dem deutschen Volke geschenkt, so hätte es damit schon genug getan. Und es ist bezeichnend für die damalige Stellung der Stadt, daß sie wieder einmal das zur Reife geführt hat, was die Zeit forderte, was, um es gemeinplätziger zu sagen, in der Luft lag. Denn mit dem, was die Humanisten gebracht hatten, konnte in dieser Form die breite Masse nichts anfangen, wenn es ihr keiner ihresgleichen mundgerecht machte. Kaum ein Menschenalter nach dem Tode des Hans Sachs tritt ein neuer Dramatiker in Nürnberg auf, Jakob A y r e r. Der kommt nun von der ge­ lehrten Seite her, er war Notar und hat gegen 1600 einige Dutzend Dramen und Fastnachtsspiele geschrieben. Den Namen Ayrer werden Sie in der deut­ schen Literaturgeschichte mit Ehren genannt finden. Aber zu genießen ist er heute schwerer als Sachs: Seine Sprache ist nicht so unbeschwert, vieles mutet pedantisch und barock — im weniger guten Sinn des Wortes — an. Man braucht nur den Titel seiner gesammelten Dramen zu lesen, die allerdings erst nach seinem Tod, 1618, erschienen sind: Opus Theatricum Dreissig annkündigte schöne Comedien u. Tragedien anderen politischen Geschichten und Gedichten sampt noch andern 36 schönen lustigen u. kurtzweiligen Fassnacht- oder Possenspilen vonn allerhand denckwürdigen alten römischen Historien und durch weyland den erbarn und wolgelährten Herrn Jacobum Ayrer, Notarium publicum und Gerichts Procuratorn zu Nürnberg seeligen auss mancherley alten Poeten u. Scribenten zu seiner Weil u. Lust mit sonderem Fleiss zusammen colligirt u. in teutsche Reimen spilweiss verfasset, das man alles persönlich agim kan, sampt einem darzu gehörigen Register. 24 *

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Gedruckt zu Nürnberg durch Balthasar Scherffen anno 1618. Bedeutsamer ist bei Ayrer das Wollen als das Vollbringen. Er nimmt in der Geschichte des deutschen Dramas eine besondere Stellung ein: gegen Ende des Jahrhunderts waren englische Schauspielergesellschaften nach Deutschland gekommen und hatten mit ihrem neuen Stil viel Aufsehen erregt. Auch in Nürnberg treffen wir sie ab 1593 an, und ihre Neuerungen hat Ayrer sofort aufgenommen. Einmal war es die neue Einrichtung der Bühne, die jetzt im Hintergrund einen hohen Aufbau erhielt und so ganz andere technische Möglichkeiten bot als die einfachen Podien oder gar nur Tische, die man beim Fastnachtsspiel eines Folz oder Sachs an die Wand stellte, bestenfalls mit der Plane des Komödiantenzelts als Hintergrund. Und dann das Inhaltliche: die geistlichen Stoffe treten mehr und mehr zurück, Geschichtliches wird im ernsten Schauspiel bevorzugt, und wie Shakespeare die englische Königsgeschichte in vielen Stücken auf die Bühne gebracht hatte, so finden wir bei Ayrer z. B. die Geschichte der römischen Könige in einem Zyklus abgehandelt. — Dazu kam die stehende komische Figur, auch im ernsten Stüde, die man den Engländern absah. Der Größe nach wird man Ayrer nicht mit Shakespeare vergleichen dürfen, wohl aber hat er, wie man gesagt hat, dem Grundriß nach das Schaffen sei­ nes genauen Zeitgenossen widergespiegelt. Lokales hat Ayrer fast mehr gebracht als Sachs, Anspielungen auf be­ stimmte Örtlichkeiten in Nürnberg treffen wir in fast allen Fastnachtspielen immer wieder. Daß seine Wirkung über Nürnberg hinausging, verdankt er nicht zuletzt dem Ansehen seiner Vaterstadt, aus der die zugeströmten Frem­ den neue Anregungen mit nach Hause nahmen. Im Erscheinungsjahr von Ayrers Dramen begann der 30jährige Krieg, der so viel blühende Kultur vernichtet hat. Audi Nürnberg hat schwer gelitten, aber innerhalb der Mauern konnte wenigstens, besonders seit dem Sonder­ frieden von 163 5, das kulturelle Leben einigermaßen weitergehen. So konnte sich auch die Persönlichkeit eines Karl Philipp Harsdörffer (1607—58, Patrizier, zuletzt Ratsherr) ziemlich ungestört hier entfalten. Mit Sachs und mit Ayrer hat er das gemein, daß er auswärtiges Kulturgut in Nürnberg hei­ misch macht. Ich möchte von ihm behaupten, daß er im Gegensatz zu Ayrer besser ist als sein Ruf. Man darf eben in ihm nicht nur den Gründer des Pegnesischen Blumenordens und den Verfasser des „Nürnberger Trichters" sehen, muß vielmehr auch den fruchtbaren Schriftsteller, gelegentlich dürfen wir sogar sagen Dichter, in ihm würdigen. Als sein bedeutendstes Werk haben wohl die „Frauenzimmer-Gespräch­ spiele" in Prosa zu gelten, von denen er 1641—49 mehrere Bändchen ver­ öffentlicht hat. Die äußere Einkleidung ist ähnlich wie bei Boccaccio im Decamerone: Je drei Damen und Herrn der Gesellschaft kommen im Garten des einen Herrn zusammen und unterhalten sich über die verschiedensten Gegen­ stände. So sollte eine Sammlung entstehen, worin in Rede und Gegenrede 372

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alles Wissenswerte in anregender Form zur Sprache kommen sollte. Manches recht Fortschrittliche steht drinnen, so die Forderung, die Frauen hätten das Recht auf höhere Bildung genau so wie die Männer, so die Ablehnung des Zweikampfes als Torheit. Gern sieht man ihm dafür dann wieder mancherlei Pedantisches und Barockes nach. Weiter dürfen wir nicht vergessen, daß Harsdörffer eine hervorragende Erzählergabe besaß, vielleicht die beste unter seinen näheren Zeitgenossen. Da hat er seine umfangreichen Sammlungen von Geschichten herausgegeben unter dem Titel „Großer Schauplatz lust- und lehrreicher Geschichte" usw. Und dichten konnte er ja eigentlich auch nicht schlecht, man muß ihm nur manchen Schwulst nachsehen, der eben in der Mode seiner Zeit lag: Hören Sie etwa eine Strophe aus dem „Pegnesischen Schäfergedicht" von 1644, auf das wir dann noch einmal zurückkommen müssen: Es schlürfen die Pfeiffen, es würblen die Trumlen, Die Reuter und Beuter zu Pferde sich tumlen, Die Donnerkartaunen durchblitzen die Lufft; Es schüttem die Thäler, es splittert die Grufft, Es knirschen die Räder, es rollen die Wägen, Es rasselt und prasselt der eiserne Regen, Ein jeder den Nechsten zu würgen begehrt, So flinkert und blinkert das rasende Schwert. Und je näher ihm etwas zu Herzen ging, desto einfacher und eindringlicher konnte er es in Verse fassen. So im Loblied auf den Frieden: Als Teutschland Gott durch seine Macht Den Frieden wieder schickte, Deucht es uns seyn ein Traum bey Nacht, Den man im Schlaf erblickte. Doch fingen wir zu singen an: Das, das hat Gott an uns gethan. Es pflegt der Ackermann zwar hin Auffs Feld mit Leid zu ziehen, Doch wird ihm bald erfreut seyn Sinn, Wann er die Saat sieht blühen, Wann, daß er bey den Garben singt, Und sie mit Lust nach Hause bringt, Willkommen, Fried, willkommen! Doch zurück zum „Pegnesischen Schäfergedicht", das für das Nürnberger literarische Leben eine so nachhaltige Wirkung haben sollte. Harsdörffer, ein weitgereister Mann, war auswärts mehrfach mit zwei literarischen Bestre­ bungen in Berührung gekommen. Das eine war die Hirtenpoesie. Deutschland übernahm sie aus dem Ausland, wo sie schon lange geblüht hatte, in Italien, 373

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Spanien, England, mit den großen Sdiäferromanen und Schäferdramen des 16. Jahrhunderts. Und geschichtlich gingen ja die Wurzeln dieser Dichtungsart bis ins Altertum zurück. Sie entstand überall da, wo eine Überzivilisation die Sehnsucht nach einfacheren, natürlicheren Verhältnissen weckte. Freilich han­ delte es sich schon damals um ein Zurückstreben nach einem nicht mehr Voll­ ziehbaren, weil längst Verscherzten, und der dichterische Niederschlag war ja auch alles andere als einfach, war vielmehr raffinierte Kunst und durchaus Literatur, nicht Leben. — Und das Zweite, was Harsdörffer draußen kennenlemte, waren die Literarischen Gesellschaften, die, auch wieder nach italieni­ schem Muster, gerade jetzt in Deutschland entstanden, als erste die Frucht­ bringende Gesellschaft des Fürsten Ludwig von Anhalt, auch Palmenorden genannt, mit dem Ziel, die Sprache von ihren Fehlern, besonders von Fremd­ wörtern, zu reinigen und deutsche Dichtungen in sauberer, gewählter Sprache zu schaffen. Harsdörffer war Mitglied dieser Fruchtbringenden Gesellschaft geworden und gründete nun 1644 mit dem von auswärts gekommenen Dichter Joh. Klaj eine ähnliche Gesellschaft, zunächst nur ein Kränzchen von wenigen Männern, die Gesellschaft der Schäfer an der Pegnitz, die erst später den Namen „Pegnesischer Blumenorden“ annahm (Pegnesisch, weil er an der Peg­ nitz sein Wesen trieb und auch an ihr, auf einer kleinen Halbinsel unterhalb der Weidenmühle, zusammenkam, — und Blume, weil jedes Mitglied sich eine Blume als Abzeichen oder Symbol wählen mußte). Hier flössen nun, anders als im Palmenorden, die beiden genannten Bestrebungen zusammen: die Sprachpflege und das poetische Schäfertreiben. Die Keimzelle des Vereins ist eben jenes Pegnesische Schäfergedicht, das Harsdörffer und Klaj gemeinsam als Festschrift zu einer Doppelhochzeit im Nürnberger Patriziat, in der Familie Tetzel, verfaßt hatten. Übrigens war Harsdörffer für längere Zeit der einzige Patrizier, der dem Orden angehörte. Die stärkere Teilnahme des Stadtadels setzte erst später ein. 1647 erschien nun sein berühmtes und berüchtigtes Lehrbüchlein der Dicht­ kunst unter dem Titel: „Poetischer Trichter, die Teutsche Dicht- und Reim­ kunst in 6 Stunden einzugießen“ (dem später noch zweimal 6 Stunden folgten). Da finden sich gar abenteuerliche Dinge, wie die Lehre von den sinnreichen Beiwörtern. „Wie das Edelgesteine einen Ring zieret, also zieren die Bey- und Ansatzwort die Rede.“ Beispiele: für Blut sage man „Nasses Lebensgold“, für Frühling „Blumenvater, Wolkentreiber, Freudenbringer“; für Wein „Traurenzwinger, Schlafreitzer, Poetensaft“. „Hieraus“, sagt Harsdörffer, „erkennt man etlichermaßen den Poeten, wie den Löwen an den Klauen.“ — Das hat ja mit Poesie nur noch sehr am Rande zu tun, und noch mehr näherte sich Harsdörf­ fer diesem Rande, ja er überschritt ihn, wenn er sich etwa dazu herbeiließ, Figurengedichte zu machen; so, als Gegensatz zu dem vorhin verlesenen schlichten Friedensgedicht, eines, das er so künstlich in kurze, längere, lange und längste Zeilen gliederte, daß der äußere Umriß des Gedruckten die Form eines Reichsapfels ergab. Aber er konnte ja, wie wir gesehen haben, auch anders, einfacher und natürlicher, und deshalb sind neuere Literaturgeschichtsschreiber wieder ge­ neigt, ihm solches zu verzeihen. 374

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Ein jüngerer Zeitgenosse Harsdörffers und nach ihm Führer der Pegnitz­ schäfer war Sigmund Birken, später geadelt und zum kaiserlichen Dichter gekrönt. Von ihm ist noch weniger als von Harsdörffer geblieben. Seine größten Triumphe erlebte er vor jetzt genau 300 Jahren, als er eine ganze Reihe schwülstiger Gedichte und Festspiele zum Abschluß der Friedensver­ handlungen in Nürnberg lieferte. Aber um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muß man sagen, daß er einige verhältnismäßig schlichte und echte Kirchenlieder gedichtet hat, von denen drei sich noch bis ins neueste bayerische Gesangbuch erhalten haben, darunter: „Auf, auf, mein Herz und du mein gan­ zer Sinn". Auch er hat, wie sein Vorgänger, ein Lehrbuch der Dichtkunst ver­ faßt, die „Teutsche Rede-bind- und Dicht-Kunst" 1679, und einen lebhaften schöngeistig-literarischen Schriftwechsel über ganz Deutschland hin unter­ halten. In jenen Jaahren lebte in Nürnberg auch eine Dichterin, Katharina Re­ gina v. Greiffenberg (1633—94), die wir allerdings nur sehr bedingt zu den Unseren rechnen dürfen. Denn sie war eine Emigrantin aus Öster­ reich, aus den Kreisen des von dort vertriebenen protestantischen Adels, und lebte erst seit 1679 ständig hier. Freilich war sie vorher schon von Nürnberg her stark beeinflußt, denn sie war in dauernder brieflicher Verbindung mit Birken gestanden. Dem Blumenorden ist sie aber nie beigetreten. Ihre Dich­ tung ist vorwiegend religiös, und so gefeiert sie zu ihrer Zeit bei den dama­ ligen Literaturpäpsten und beim lesenden Publikum war, so sehr sie auch von Natur begabt war, so wenig sind ihre Sachen heute noch genießbar. Am be­ deutendsten ist eines ihrer Jugendwerke, 250 Sonette unter dem Titel „Der Teutschen Uranie Himmel-abstammend- u. Himmel-aufflammender Kunst­ klang, in dritthalbhundert Sonetten oder Klinggedichten", 1662. Das waren, abgesehen von ihrer sauberen Form, doch meist kindlich-fromme, für den Zeit­ stil noch recht einfache Gedichte, von denen wir uns eines anhören wollen: (Nr. 9)

Was fang ich an, was untersteh ich mich, Das höchste Werk auf Erden zu verrichten? Mein schlechtes Lob wird ihn vielmehr vernichten. Er ist und bleibt der Höchst, geehrt für sich. Fahr fort, mein Hand, preis Gott auch inniglich1, Befleiße dich, sein Wunderlob zu dichten! Du wirst dadurch zu mehrerm ihn verpflichten, Daß er mit Freud auch wunderseeligt dich. Laß Lob, Ruhm, Preis zu Wett den Engeln klingen Mit Lust: ists schon so heilig lieblich nicht, Und nicht so hoch, noch mit solch hellem Licht: Gott weiß doch wohl, daß sich nicht gleich kann schwingen Die kleine Schwalb dem Adler: ihm beliebt Was treu gemeint, ob es auch schlecht verübt.

Hier ist immerhin der modische Schwulst so weit ferngehalten, daß die wahre Empfindung herausleuchten kann, und die Gesetze der Form, beim So­ nett so unerbittlidi, sind mit Kunst befolgt.--------375

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Im ganzen war die Dichtung Nürnbergs ins Gebiet der Gelehrsamkeit abgedrängt und zu einer tedmischen Fertigkeit heruntergedrückt worden. Kein Wunder, daß sich dagegen ein gesundes Volksempfinden auflehnte, nicht in Protesten, sondern durch die Tat. Es entsteht langsam die Mundartdicht u n g ; zunächst wird sie, noch etwas im Schlepptau blumenordens­ mäßiger Maskerade, Bauern in Opern oder Hochzeitsfestspielen in den Mund gelegt und dann gewinnt sie allmählich ein selbständiges Leben. Denn sie ist durchaus nicht, wie man oft meint, erst von Grübel geschaffen, wir haben über 100 Proben schon aus der Zeit vor ihm; er hat sie nur als erster in großem Maßstab betrieben und sie zu ihrer — man darf wohl sagen — klassischen Form geführt. Bereits aus dem späteren 17. Jahrhundert haben wir mundartliche Texte. Bald erobert sich die Mundart den Neujahrswunsch als eigentliche Domäne. Nun ist ja das Stoffgebiet des Neujahrswunsches — wir haben schon eine schriftdeutsche Probe kennengelemt — etwas begrenzt: Klagen über das ab­ gelaufene böse Jahr, Hoffnung auf Besseres im kommenden, Anspielung auf besondere Ereignisse des vergangenen Jahres, gern in Klatsch ausartend, viel­ fach auch Spott über neue Moden — damit ist ungefähr alles umschrieben. Um die Sache etwas lebendiger zu machen, hat man aus dem Neujahrs wünsch bald das Neujahrs gespräch entwickelt: 2 oder 3 begegnen sich am Neu­ jahrsmorgen, sagen einander ihre Wünsche und kommen ins Plaudern; da ließ sich schon etwas mehr Abwechslung bieten. Besonders hübsch sind von den erhaltenen Neujahrsgesprächen zwei, von 1769 und 1800. Das erste ist in Prosa abgefaßt und schildert den Besuch einer urwüchsigen, wohl alten Frau aus dem Volk bei ihrer Base, einer Haubenmacherin. Die Base bemüht sich, möglichst fein zu sein und Schriftdeutsch zu sprechen, wobei ihr gewisse Ent­ gleisungen ins Mundartliche passieren; die andere spricht, wie ihr der Schna­ bel gewachsen ist, und, abgesehen von den notwendigen Beglückwünschungen, dreht sich das Gespräch in erster Linie um häusliche Fragen, um da«, was man dem Mann zum Essen hinstellt, um den Kaffee und seinen Ersatz, und schließt mit einer kleinen derb-komischen Szene. Das andere schildert, wie ein junges Bürger-Ehepaar mit seinem Kind die Großeltern zum Gratulieren besucht; hier sprechen sie alle Mundart — übri­ gens in einer Art von Hexametern, was auf einen gelehrten Verfasser schlie­ ßen läßt — und im Mittelpunkt des Gesprächs steht die Frage, ob mit dem Jahr 1800 schon das neue Jahrhundert anfängt oder erst mit 1801; sehr nett sucht der Sohn seiner Mutter in aller Ehrfurdit das Richtige klar zu machen. Da heißt es: (Sohn:)

Sög S’, Mutter, i denket a su: die Jauer döi wäreten Gülden, Die Kreuzer wären die Tög; nau manet i, kummet mer raus: Zo jeden Jauer ghäiem die Tög, als wöi zon Gülden die Kreuzer: Wenn i on hundertsten zihl, su ghäiem sehzk Kreuzer derzou. Suviel i waß, ziehln mer heuer on achtzehhunderten Jauer; Drum mahnet i ghäiret halt ah der letzt Dezember derzou. 376

MVGN 53 (1965) Altnürnberger Dichtung (Mutter:)

Der ferti, koh denken. (Sohn:)

Na, Mutter, der ghäiert zon fertinga Jauer Des achtzeht Jaurhundert haut ohgfangt äirst siebnzehhundert und ahns: Und wenn dös Jauer goar rum is, nau kummt des neuzeht Jaurhundert. (Mutter:)

Wos nutzt dös Riedn, ih waß jo, mei Oherla haut mers jo gsiagt. Er haut mers as wöi oft derzihlt, selmaul is grod asu gwesn, Dau homs ah gstrittn wöi öiz, wenns neu Jaurhundert ohgäiht. (Vater:)

öiz rout! Ihr wößt nix dervo, es git scho Leut döi dös verstenna. Wößtn döi's sunts ner recht, af ah Jauhr kummts jo nit oh. (Schwiegert:)

Ja wull! (Vater:)

Denkt S' ah su, Fra Tochter, mir zwa, mir wolln nit streitn. Mila, schaff öizet a Böir und gib a Braut derzou her! Lebhaft werden wir hier an die Idyllendichtung des späten 18. Jahrhun­ derts erinnert, an J. H. Voss mit seiner „Luise und deren 70. Geburtstag", sowie an J. W. Goethe 1797 zu seinem „Hermann und Dorothea". Und mittlerweile, zwischen 1770 und 1800, hat nun auch der Stoff im Mundartgedicht Eingang gefunden, der es im 19. Jahrhundert beherrschen soll: die launige Erzählung eines wirklichen Ereignisses und die Anekdote, die, oft aus uraltem Erzählgut genommen, neu und wirkungvoll gestaltet wird. Und als Drittes entwickelt sich aus dem Neujahrsgespräch der Dialog als Charakter- und Sittenschilderung. All diese Stoffe hat als Meister Johann Konrad Grübel in eine vorbildliche Form gebracht. G r ü b e 1, Sohn und Enkel eines Flaschnermeisters und selbst deT ange­ sehenste Vertreter seines Fachs, ist 1736 geboren und überlebt noch kurz den Verlust der reichsstädtischen Freiheit; er stirbt 1809. Ein unfehlbarer Be­ herrscher des Mundartlichen, ein genauer Kenner der Eigenarten und Schwä­ chen seiner Mitbürger, ein aufmerksamer Zuschauer bei allen politischen und unpolitischen Tagesereignissen, wird er zum unübertroffenen Schilderer der kleinstaatlichen und kleinbürgerlichen Verhältnisse seiner Zeit. Er ist ein Sati­ riker von Rang und zugleich, in seinen selbst gesteckten bescheidenen Gren­ zen, ein Meister der Form, dem nicht leicht ein Verstoß gegen das Versmaß vorkommt, der es auch, als tüchtiger Handwerker an bedachte Planung ge­ wöhnt, weit bringt in sauberer Gliederung und schlagkräftigem Aufbau sei­ ner Werkchen. Seine Kunst hat den Beifall Goethes gefunden, der die gegen 1800 neu erscheinende Sammlung seiner Gedichte zweimal in Zeitschriften mit Liebe und Verständnis bespricht. Er rühmt ihm unter anderm nach, er sei mit Be­ wußtsein ein Philister, und meint damit, daß er seine Grenzen nicht nur hat, 377

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sondern auch kennt, sie nicht überschreitet, vielmehr genau weiß, was man innerhalb dieses engen Bezirks leisten und künstlerisch gestalten kann. Auf dieses Goethe-Urteil war man natürlich in Nürnberg sehr stolz, und in einem hochdeutschen Nachruf auf Grübel heißt es: Der stolze Sänger blieb verwundernd stehen, Und hörte freudig Deine Weisen an. Und hingegeben lauschte Dir die Menge, Die keine Messiade lesen kann. Heute freilich, wo seit Grübels Tod anderthalb Jahrhunderte 'vergangen sind, scheint es nötig, selbst die Nürnberger wieder an manches seiner besten Werkchen zu erinnern. Die alte Gattung des Neujahrswunsches und -gesprächs führt er in einigen Gedichten der neunziger Jahre zu ihrer höchsten Vollendung. Seine Anekdoten zeichnen sich durch knappe Linienführung und gute Schlußeffekte aus. So „Der Schlosser und sein Gesell“ oder „Der Buchhalter“ (ein Holzhauer, der sich bei einem Kaufmann um eine freigewordene Buchhalterstelle bemüht, und den man im Kontor einen Tag lang das schwere Hauptbuch in den Händen „hal­ ten“ läßt), oder „Der Peter in der Fremde“. Ungeheuer eingeschlagen hat gleich beim Erscheinen als Einzeldruck das „Kränzlein“; hier schildert er be­ kanntlich, wie eine Gesellschaft von Kleinbürgern, Männlein und Weiblein, zur Veranstaltung üppiger Essen auf einem Dorf Gelder zusammenspart, und wie nun ein solcher Schmaus vor sich geht; wie der Alkohol schon auf die verschiedenen Temperamente verschieden einwirkt, da in der Neigung, unan­ genehm und streitsüchtig zu werden, dort in übermütigen Annäherungen an die Frauen, und wie man schließlich nicht ohne komischen Zwischenfall auf einem Leiterwagen heimkutschiert wird. Eine liebenswürdig-überlegene Klein­ malerei, gutmütig, schlagend und an den kleinen Anstößigkeiten, die in der Sache liegen, immer gerade noch vorbeistreifend. Hätten wir von Grübel nur noch das „Kränzlein“, so wäre er damit schon der größte Nürnberger Mund­ artdichter. Aber fast noch höher muß es ihm angerechnet werden, daß unter seinen vielen Gedichten — die gereimten Briefe nicht zu vergessen — nur ver­ schwindend wenige Belanglosigkeiten oder gar Versager zu finden sind. Er hat ja auch bei der Drucklegung seiner gesammelten Werke mancherlei aus­ gemerzt oder nochmals überarbeitet. Nun erwarten Sie mit Recht, einiges aus Grübels Schaffen zu hören. Ich möchte Ihnen aber keinen der vorhin genannten Schlager bringen, sondern drei weniger bekannte Gedichte. Das erste ist eine Anekdote, dieselbe, die wir von Hans Sachs gehört haben — Sie erinnern sich: die Pachanten mit dem Hemel. Hier ist aus dem Hammel nun ein Geißbock geworden, aus den fah­ renden Schülern zwei beliebige Zeitgenossen, und auch sonst hat Grübel die Geschichte stark umgebogen und sie Zug um Zug in die gewohnte Umwelt seiner Zeit gestellt. Ob er die Geschichte bei Sachs oder in einer der vielen umlaufenden Anekdotensammlungen gelesen hat, läßt sich nicht mehr aus­ machen. Übrigens ist Goethe gerade mit diesem Gedicht sehr zufrieden. Also: 378

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Der Geißbock und die Totenbeine An Gaßbuk hob’n ihrer Zwöi Scho lang gwüßt in an Haus, Den häitn s’ gern gstuhln ghat; Wöi bringt mer'n ober raus? Sie steign zon an Lodn nei----Öiz weiter könna s’ niet; Dau stäiht a Sok mit Nüssn grod, Öiz nehma s* döi halt miet. Die Nüss döi häit mer freili öiz, Wos fang’mer denn miet oh? Öiz sagt der Ah: I waß an Ploz, Horch, wou mers thal’n koh. Gäih ner dau miet in Körchhuf her, Und trog s* ins Bahhaus nei, Dau thal s’ awall fei eiherli Dortinn wörst sicher sei. Waßt wos? und ih proböirs no, Vielleicht kröig ih in Buk. No ja, horch Stoffl, machs fei gescheit Und foahr halt an kan Struk! — No, Narr, es mouß jo heunt nit sei, Wals su nit finster is; Doch, wenn i koh, so bring i’n miet, Thal ner awal die Nüss. No öiz, nix Närrschers siech i niet: Der fängt zon Thaln oh Und klappert mit dn Nüssn rum, Su närrsch mers denkn koh: „Haust du an Thal, hob ih an Thal, Döi ghäiem mei, döi dei.“ An Sok no haut er ba ihn ghat, Dau wörft ers händvull nei. Öiz, wöi si alles in der Welt Oft grod su schickn moußl: Der Pfarrer haut in Körchhuf gwohnt Und haut an bäisn Fouß; Öiez tout den grod sei Bah su wäih, Er koh’s nit haltn aus, Vür lauter Schmerzn sicht er z’Nachts Awal zon Fenster naus. 379

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„Wos is denn dös? Wos häir i denn? Wos mouß in Bahhaus sei? I häier Bah und häier noh: Dau döi senn mei, döi deil I bleib um alles in der Welt Nit länger dau allah, Denn wöi i häier, thaln scho Die Toutn ihri Bah." Von Pfarrhaus gäiht mit Fleiß a Tür In d’ Müßnerswohning nei, Daß, wenn mer’n Müßner hobn will, Su mouß er glei dau sei. öiz haut der Pfarrer gschriea gschwink, Glei is der Müßner dau, Und wöi er kummt, su dankt er Gott, Und sagt: Öiz bin i frouh! No, sogn S’ ner, wos wolln S’ denn? — Ach, schau Er ner dau naus Und horch Er dös Geklapper oh In unsem Toutnhaus. Des Sündnmauß is vul amaul, Glab jeder, wos er mog — Die Toutn thaln scho die Bah, Nau hobmer ’n jüngstn Tog! Der Müßner horcht, er häiert wos-----Ja, senn denn dös die Bah? — Ja freili, wall i’s ghäiert hob — Mi dauert ner mei G’mah! öiz mach Er, daß i doch ner gschwink Mei Gmah no träistn koh: Mih trog Er in die Köring nei, Und fang Er z’läutn oh! Der Müßner sagt: O, Sie senn schwer, I mahn, i trog scho drei!----Und wöi er’n zo der Köring tröckt, Su mouß er dort verbei. öiz mahnt der, der die Nüß haut thalt, Der mitn Buk wörds sei, Und sagt: Dau hob i ’s Messer scho, Dau, Stoffl, trog’n rei! A Messer?, haut der Müßner gsagt, No ja, dös wär su wos! 380

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Und wörft den gescbwink von Buckl roh, Dau sitzt er öitz in Gros.----Dau sicht mer ober, wos die Angst Ba manchn machn mouß: Er is nau gloffn grod su gschwink Mitsamt sein bäisn Fouß. Ob der öitz haut no länger gwart't, Ob der in Buk bringt miet, Und wou der haut die Nüß hihbracht — Dös waß i alles niet. Su haut mer mir’s halt ah derzielt, Nit weiter als su weit, Und su derziehl i’s wider öiz, I hob nit länger Zeit. Bei aller Bescheidenheit und Zurückhaltung konnte Grübel aber auch ein bißchen boshaft sein. So zeigt er sich z. B. im „Lebenslauf des Spitzhundes" (V, 55), wo er sich kleine satirische Seitenblicke auf den wissenschaftlichen und studentischen Betrieb der Universität Altdorf nicht versagen kann: I alter schwarzer treuer Spitz Bin eigntli zo Haus Scho von an röchtn gscheitn Urt: I bin vo Altdorf draus; Erzugn und geborn dort, Von bürgerlichn Stand, Und bild mer heunt no meiher ei, Als wöi a Hund von Land. I bin von meiner Jugnd oh Zwoar gwähr (wachsam), doch ober frumm. Bin in an Haus zwa Jauher gwöst Nächst on Collegium; Hob oft von weitn ghäiert zou, Wos mancher dortn löst, Is ober, wöi’s dau öfter gäiht, Ah bald vergeßn gwöst. Dös Raffn su nauch Borschnbrauch Is gwöst mei gräßta Freud, I hob, röcht wöi a Renommist Banoh kan Hund nit gscheut, Doch ober um ka Kleinigkeit, Su wöi mer dau oft rafft Su manstns um a Karessie — In meiner Nachberschaft. Und wenn i mi hob bißn satt, Hob gmant, i hobs für mih, 381

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So hob’n doch die andern ah Droh kieft su gout als ih. Es is dau scho der Brauch asu: Wenn der wos hohn tout, Die andern pass’n alli scho, Es tout nit anderst gout. — Und alles, wos mer treib’n koh In su an Urt, wöi dau, Dös alles hob i glernt, ih, Und bins ah heunt no frauh. Doch wal i on mir hob verspürt, Daß i no viel nit waß, Hob ih mi nach vollbrachter Zeit Begöb’n aff die Rahs (Kavaliersreisen d. jung. Patrizier!) Bin ober nit su rummer grahst Su aff klan Ortn ner: I hob mi scho von Altdorf aus Begehn bis höiher. Und wall i hob Empfehling ghat Von bestn Häusern drauß, So haut mer mih gleih gnumma af Höi in an groußn Haus. Dau hob i frali gseha, ih, Wöis zougäiht in der Stadt, Hob glernt und derfoahrn dau, Wos i nit gwüßt hob ghatt. Hob gmahnt, i tou mei Schuldigkeit Su gout als i hob könnt, Doch, wöi’s in groußn Häusern gäiht, Flugs haut die Gnod an End: An Unfall — i waß niet, worum, Und dös mi heunt no krönkt — : Mi haut mei Herr ganz unvermout’t Affs Land an Pfarrer gschenkt. Dau wär nu freili alles gout, Der Tiesch und die Loschie; Döi Still’n ober in den Haus Döi is nix gwest für mih. Mir is in Kupf no Altdorf gsteckt, Su geschwink vergißt mers niet, Und gleih kummt draf mei Herr amaul, Dau bin i wider miet. Und öiza mahn i freili wühl, I stünd su weit öiz gout, 382

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Und will nit hoffn, daß mer mih Weckschenkn meiher tout. Bin freili oft su frei ban Tiesch Und kratz on meiner Frau; Doch wall mers sdio is gwohnt von Spitz, So nehmt mers nit su gnau. Und öiz anbei empfehl i mih Mit aller Freundlichkeit Als Ihr gehorsamst treuer Spitz Mei ganza Löbnszeit. Fast ganz unbeachtet blieben die Briefe, mit denen die große Sammlung der Grübel-Gedichte schließt, und doch enthalten gerade sie manches beson­ ders reife Stück aus den letzten Jahren des Dichters. So der Brief vom 10. April 1804, dem ich eine kleine Einführung vorausschicken muß: Es war in Nürnberg eine alte Sitte, daß am Mittwoch der Osterwoche, wenn die Fastenzeit zu Ende ging, ein besonders großer Ochse geschlachtet und dann reich geschmückt triumphal durch die Stadt gefahren wurde — zwei­ fellos ein Osterbrauch, dessen tiefere Bedeutung längst vergessen war und über die auch der Rationalist Grübel nicht weiter nachdachte. Man machte aber trotz allem auch noch um die Jahrhundertwende ein großes Aufhebens mit der Sache, es erschienen sogar mehrmals Holzschnitte von den großen Ochsen mit beigedruckten Erklärungen über Art, Gewicht und Herkunft der Tiere: Grübel schildert das nun so: (V, 95) Herr Vetter, i hob langa Zeit Öiz her von kaner Neuigkeit On Ihnen könna schreibn naus. Worum? Es tröckt di Möih nit aus. Es ligt und stäiht öiz alles still, Und wenn mer ah wos schreibn will, So is’s su Zeug, nös nix bedeut, Und besser nau, es unterbleibt. Öiz ober wärs jo doch nit schöi, Wenn i dös Ding verbei ließ göih, Wall si su wos nit oft ereigt, A su a graußa Ochsaleicht: Es haut a Metzger in der Stadt A su an graußen Ochsn ghatt, Den haut er in a Wörtshaus gstellt, Und wall in Leutn su was gfällt, So haut mer nau sechs Kreuzer göbn Und haut den graußn Ochsn gsöhgn. Allah, die allermanstn Leut Döi hob’n denkt: na, su is gscheit:

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Öiz wart i, bis mem schlogn tout, Nau sieht mem umasunst scho gout. Und wall scho su vil Jauher lang Die Metzger streitn umma Rang, Wer on der Austern, grouß und gout, In schöinstn Ochsen schlogn tout, Su findt der Ochs, wie mancher haut, Aß derer Ursach ah sein Toud. On fünfazwanzkn März scho fröih Der gräißt von alln Ochsn höi, Mer hautn gföihert aff die Schüt — Dau senn viel taused Menschn miet — Und aff der Heuwaug gwugn drunt, In ganzn Ochsn, frisch und gsund: Wöigt fünfazwanzig Zentner schwer; Dös haut ka Mensch nit glabt vurher, Denn ih hob anni häiern sogn, Er mouß scho über dreißig hobn. Herr Vetter, ober glabn S' mir, Dös stelln Si si lang nit vür: Viel taused Menschn grouß und klah Senn gloffn über Stuk und Stah, Und dös banoh von jedn Stand, Höi von der Stodt und rei von Land. Ih hob'n d’ Eiher ah derzeigt, Bin selber gloffn mit der Leicht, Und hob vur Lärma und Gedräng Von Ochsn gseha ner a weng. Mit Bändern haut mern putzt röcht schöi, Dös läßt si jo scho su verstäih: Er haut von Bändern ghat an Zupf Und Bänder affn Schwonz und Kupf. — Der Ochs is kumma rei von Feucht, Dort häit er kröigt ka solcha Leicht. Denn ba der Heuwaug, dort ban Wögn Hob i zwa Weiber greina söhgn, Und wöi i fraug: Worum denn nau? So sogn s': um den Ochsn dau; Es göb wühl Ochsn gnoug ungfähr, Halt ober nit su grauß wöi der. No, denk i, su wos, dös is gscheit, Und denk: an Ochs und su viel Leut! 384

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Wenn öiz der Ochs su grauß nit wär, So käma su viel Leut nit her. Mer mouß ba uns, dös siech i eih, Wos Bsunders und Aparti’s sei, Vielleicht so kröigt mer nauch sein Taud A Leicht, als wöi der Ochs dau haut. Mit Grübel haben meine Ausführungen zu schließen. Ich muß es mir da­ her versagen, auf seine Nachfolger im 19. Jahrhundert einzugehen; ich zähle ihrer über ein halbes Hundert. Sie sind fast alle schwächer als er, wenn auch manchmal einem eine vollgültige Leistung geglückt ist. Sachs und Grübel sind in den besprochenen 3 Jahrhunderten die Größten, Hans Sachs zweifellos von gesamtdeutscher Bedeutung, eine Persönlichkeit von beachtlichem Format, aber vielleicht seiner Grenzen nicht ebenso bewußt wie der bescheidene Grübel, dem aber doch sein Plätzchen in der deutschen Litera­ turgeschichte auch gebührt, neben Joh. P. Hebel als einem der beiden größten süddeutschen Mundartdichter. Bezeichnend ist für Nürnberg, daß sie beide Handwerkerdichter sind, auch in ihrem dichterischen Streben aus Umwelt und Zeit zu verstehen: Sachs lebt in der Zeit von Nürnbergs größter Machtent­ faltung und kultureller Vollblüte, wo der Blick in die große Welt hinausgeht, aus der immer neue Anregungen kommen, — Grübel, der Sohn einer kargen, engen Notzeit — denken Sie an den wirtschaftlichen Verfall der Reichsstadt und an die napoleonischen Kriege, deren Auswirkung in Nürnberg er so tref­ fend schildern kann —, einer Zeit und Umwelt also, die den Menschen auf sich selbst und seinen kleinen Kreis verweist, ihn das Geringe wichtig nehmen läßt und ihm nur dann ein befriedigendes Innenleben erlaubt, wenn er über den Dingen steht; da braucht es gegenüber der Umwelt vor allem das nach­ sehende, liebevoll lächelnde Verstehen.

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„ . . . JOHANN KLAJ, DER H. SCHRIFFT BEFLISSENER, UND GEKRÖNTER POET " Ein Kapitel barocker Literatursoziologie Von Hans Recknagel Geboren anno 1616 zu Meißen ... 1656 in Kitzingen gestorben: vierzig Jahre, die durchschnittliche Lebenserwartung dieser Zeit. . . Studium der Theo­ logie in Leipzig und Wittenberg . .. dort Schüler August Büchners .. . Anfang 1644 in Nürnberg ... sammelt mit Georg Philipp Harsdörffer den Dichter­ kreis der Pegnitzschäfer, den Pegnesischen Blumenorden ... Lehrer an der Sebalder Lateinschule ... heiratet eine Nürnberger Bürgertochter ... ab 1650 Pfarrer in Kitzingen ... In biographisch-lexikalischen Notizen dieser Art erschöpfte sich Jahrhun­ derte hindurch das Wissen um Klaj. Hinter literarischen Schablonen und ästhetischen Vorurteilen verbarg sich bis in unsere Zeit die großartige Epoche des Barock, in der nicht zuletzt die deutsche Sprache so geschliffen und geschmeidigt wurde, daß sie wieder hof- und literaturfähig wurde. Die Neu­ entdeckung Klajs geschieht parallel zu der des ganzen Zeitalters. Er ist somit nicht nur in seinem Werk, sondern auch im Schicksal dieses Werkes bis heute ein typischer und keineswegs einer der geringsten Vertreter des Barock. Dabei meint Neuentdeckung nicht ein gerade modisches Aufstöbem von Antiquarien und Kuriositäten, die ihren Wert häufig allein aus der Dicke der abgelagerten Staubschicht oder aus der Patina herleiten. Es ist gemeint: Finden und Bewußt­ machen von Sprachmöglichkeiten und Sprachgründen, wo gleichberechtigt neben die synchrone Betrachtungsweise die diachrone tritt. Im Akt des Bewußtmachens von Möglichkeit und Bedingung in der Zeit legitimiert sich Historik. Auf der mühevollen Vor- und Kleinarbeit der positivistischen Schule um die Jahrhundertwende beruhte die Neueinschätzung des literarischen Barock in den zwanziger Jahren 1). Für Klaj leistete die Vorarbeit Albin Franz2), der in der bisher einzigen Monographie über Klaj und seine Dichtungen das überlieferte Quellenmaterial, als da sind historische Dokumente, biographische Zeugnisse, Werkregister und ähnliches fast vollständig zusammengetragen hat3). So verdienstvoll die Arbeit auf diesem Gebiet ist, so verständnislos und voreingenommen ist sie in ihrem ästhetischen Urteil. 1) Vgl. Erich Trunz: Die Erforschung der deutschen Barockdichtung, in DVJS 1940, Bd. 18, Referatenheft S. 1—100. 2) Albin Franz: Johann Klaj. Ein Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte des 17. Jahr­ hunderts. Marburg 1908. 3) In der „Bibliographie zur Theatergeschichte Nürnbergs“ von Peter Kertz und Ingeborg Strößenreuther, Nürnberg 1964, ist „Der auferstandene Lazarus" eines Johann Klaj, Nürnberg 1690, erwähnt (S. 23, Nr. 299). Sollte es sich um ein posthum erschienenes Werk unseres Dichters handeln, wäre damit ein bisher unbekanntes Werk Klajs entdeckt. Leider war mir bisher das Werk nicht erreichbar.

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„Zeigte die Dichtkunst des 17. Jahrhunderts im allgemeinen einen wenig erfreulichen Stand, so gilt dies von der dramatischen Poesie noch ganz besonders/* 4) In der Überzeugung des eigenen Geschmacks, wird ein Stil, der auf völlig andersgearteten Voraussetzungen basiert, als geschmacklos abgetan. Erst H. Cysarz 5)6 hat in seiner dreibändigen Barockanthologie versucht, die Stellung Klajs in seiner Zeit und dessen Bedeutung für seine Zeit unvor­ eingenommen zu betrachten. Unvoreingenommen vor allem von der Poetik der Klassik, die bis dahin die Einsicht vollkommen verstellt hatte. Klaj wird von Cysarz mit dem Maßstab seiner eigenen, der barocken Zeit gemessen und nicht am Geschmack der zwanziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Aus dem Vergleich mit Zeitgenossen kommt er zu dem Schluß, daß Klaj „ ... der Größte in Nürnberg und einer der Größten in seinem Jahrhundert ..." 8) ist. Seitdem erlosch das Interesse an Klaj und seine Wertschätzung nie mehr ganz. Sein Redeoratorium „Freudengedichte der seligmachenden Geburt Jesu Chri­ sti ..." wurde in die Reihe Barockdramen der Deutschen Literatur in Entwick­ lungsreihen aufgenommen 7). A. Schöne druckte in seiner jüngst erschienenen Sammlung barocker Texte Klajs „Höllen- und Himmelfahrt Jesu Christi . .." ab8). Bei Niemeyer in Tübingen ist eine zweibändige Faksimile-Ausgabe der Werke Klajs geplant. Der erste Band, sechs Redeoratorien und die „Lobrede der Teutschen Poeterey" enthaltend, ist soeben erschienen9). Der Heraus­ geber Conrad Wiedemann hat dankenswerterweise den vollständigen Text, d. h. auch Widmung, Anmerkungen und Lobgedichte, abgedruckt. Für barocke Texte ist dies nicht bloßes Beiwerk, sondern notwendiger Rahmen und gesell­ schaftlicher Ort. Da alle Werke Klajs nur in einmaliger Auflage erschienen (die eine Auflage sagt im Barock keineswegs etwas über die Güte des Werkes aus), ist mit Wiedemanns Editionsweise des fotomechanischen Nachdrucks auch keineswegs gegen die Gepflogenheiten wissenschaftlich kritischer Aus­ gaben verstoßen. Klajs Redeoratorien, vom Wortklang, vom Akustischen her konzipiert, sind für Funkübertragungen sehr gut geeignet. In ihrer dramaturgischen An­ lage, zwischen epischer Deklamation und dramatischer Aktion stehend, und mit der Vielfalt von Wort- und Klangspielen, Assonanzen, Reimen sind die Redeoratorien als Vorform des Hörspiels zu begreifen. Das Studio Nürnberg des Bayerischen Rundfunks hat eine Wiederaufführung der „Auferstehung 4) 5) 6) 7)

A. Franz, S. 35; vgl. dazu auch S. 43, 47, 55, 257, u. a. Herbert Cysarz; Barocklyrik, Bd. 1, 1. Auflage 1937, 2. Auflage Hildesheim 1964. H. Cysarz, S. 64. Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen, Reihe Barode, Barodedrama, Bd. 6, Oratorium und Festspiel, hrsg. von Willi Flemming, Leipzig 1933. l8) Die Deutsche Literatur, Texte und Zeugnisse, Bd. 3, Barode, hrsg. Albredit Schöne, München 1963. •) Johann Klaj; Redeoratorien und „Lobrede der Teutschen Poeterey“, hrsg. Conrad Wiede­ mann, Tübingen 1965.

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Jesu Christi ..." und der „Freudengedichte der seligmachenden Geburt ..." mit Erfolg gewagt9a). Viele Neudrucke barocker Texte erschweren dem Leser unnötig das Ver­ ständnis und den Zugang dadurch, daß sie nur den blanken Text wiedergeben. Man scheut häufig schon die vollständige Titelwiedergabe; den Abdruck von Widmungen, Lobgedichten und Anmerkungen erachtet man meist als über­ flüssig und als pure Papierverschwendung. In der Absicht, dem heutigen Leser zu helfen, ihm das Verständnis zu erleichtern, erschweren kurioserweise derart skelettierte Neudrucke das Verständnis erheblich. Schon allein die vollständige Wiedergabe des „bloßen und überflüssigen Beiwerks" könnte dazu führen, barocke Dichtung nicht als Bruchstücke einer persönlichen Konfession, sondern als ausgeprägte Gesellschaftsdichtung zu sehen. Scheinbar Äußerliches und Geringfügiges kann Aufschluß und Erhellung bieten. Exempla trahunt: Höllen- und Himmelfahrt JESU CHRISTI / nebenst darauf erfolgter Sichtbarer Außgiessung GOTTES deß Heiligen Geistes. In jetzo Kunstübliche Hochteutsche Reim­ arten verfasset / und in Nürnberg Bey Hochansehnlichster Volkreichster Versamlung abgehandelt durch Johann Clajen / der H. Schrifft Befliessenen. Nürnberg bey Wolffgang Endter. Anno M. DC. XLIV.10) So lautet die Titelseite eines der frühen Redeoratorien Klajs. In ähnlicher Weise sind die Titel all seiner Werke aufgebaut. Lediglich im „Engel- und Drachenstreit", der bezeichnenderweise eines seiner letzten Werke vor dem Verstummen in der Kitzinger Isolation ist, faßt sich Klaj kürzer. Dieser Titel hat informativen Charakter. Im Gegensatz zu den verschlüsselten Kurztiteln späterer Epochen sollen die langen barocken Titel vor allem unterrichten. Der in dieser Zeit ebenso beliebte Doppeltitel hat dieselbe Funktion. Demgemäß herrscht das Prinzip der Reihung vor, die der Erzählfolge des Textes entspricht: „Höllen- und Himmelfahrt. . . nebenst darauf erfolgter . . ." Heute ist dieser Bericht ausschließlich in die Inhaltsangabe und in den Wasch­ zettel oder Klappentext verlagert. Die thematische Erklärung wird ergänzt durch eine formale: „ ... in jetzo Kunstübliche Hochteutsche Reimarten verfasset ..." Eine solche Wendung mag auch den Stolz der eigenen poetischen Potenz und Fähigkeit beinhalten; #a) Sendungen an Ostern und Weihnachten 1965 nach Bearbeitung und Manuskripten des Verfassers. 10) Ebd. Wiedemann, S. 57.

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zugleich will sie aber auch den zeitgemäßen Stil, das Kunstübliche und das Allgemeinverständliche des Hochdeutschen betonen. Denn Klaj schreibt nicht nur aus innerem Antrieb, aus innerer Nötigung, in der Hoffnung ein paar Gleichgesinnte zu finden; er handelt seine Oratorien „ ... bey Hochansehnliebster Volkreichster Versandung“ ab. Der barocke Dichter macht Kunst für die Gesellschaft. Er fühlt sich nicht als das von den übrigen Menschen abgehobene und von den anderen abgesonderte Genie. Er ist ein Glied in der Hierarchie der Gesell­ schaft, er hat in ihr eine bestimmte Position, er spielt in der Gesellschaft eine Rolle, ganz gleich ob als Hofmann, als Jurist, als Arzt oder als Pfarrer. Selbst der verkrachte Theologiestudent legt selbstverständlich Wert auf seine gesell­ schaftliche Stellung. Sie gibt ihm erst das Recht und den Impuls, in der Gesell­ schaft mitzureden, die Gesellschaft als Künstler anzusprechen. Klaj versäumt es daher selten, seinen „Beruf“ anzugeben, etwa in der obigen Weise „ ... der H. Schrifft Befliessenen“ oder „ . . . der Hochheil. Gottes Lehre Ergebenens und gekrönten Poetens . . Hier, wie auch im „Herodes“, im „Leidenden Christus“ oder im „Engel- und Drachenstreit“, verweist Klaj mit besonderem Stolz auf die Anerkennung seitens der Gesell­ schaft durch die Krönung zum „Poeta laureatus caesareus“. Er wurde am 25. März 1645 von dem Pfalzgrafen Georg Achatius Heher in Nürnberg zum kaiserlichen lorbeergekrönten Poeten ernannt. Die enge Bindung an die Ge­ sellschaft zeigt sich nicht nur in der Lorbeerkrone, verliehen von deren höch­ stem Repräsentanten, sondern vor allem in den Widmungen und in den Lob­ gedichten seiner Werke. Es dürfte m. W. im Barode sehr wenige großformatigere Dichtungen ohne Widmungen geben. Finanzielle Überlegungen spielen natür­ lich eine Rolle, aber die Honorierung in klingender Münze war weniger Ziel, als selbstverständliche Folge. Aus den Widmungen läßt sich der Aufstieg Klajs im Stufenbau der Gesell­ schaft ablesen: vom treuen Schüler über den Panegyriker eines Stadtstaates zum renommierten Poeten, der seine Muse in den Dienst eines Feldmarschalls und eines Fürsten stellt. Sein poetischer Erstling, die Übersetzung von August Büchners „Joas“ u), ist natürlich seinem väterlichen Lehrer gewidmet: „Amplissimo atque Excellentissimo Viro Augusto Buchnero Proffessori cellebratissimo, supra genium seculi evecto; Germano Phoebo Promotori ac Patrono summo D. D. Johannes Clajus S. S. Theol. Stud.“ Büchner, der eine Anzahl von Dichtem nachhaltig beeinflußte, wurde seinerzeit vor allem berühmt und angefeindet durch die Einführung des Dakty­ lischen Metrums in den deutschsprachigen Vers. In seiner Rolle als Mentor wird er mit Geliert verglichen. Klaj hat ihm zeitlebens ein dankbares Ange­ denken bewahrt. Die folgenden, schon in Nürnberg entstandenen Werke (die „Aufferstehung Jesu Christi“, die „Höllen- und Himmelfahrt Jesu Christi“, “) Augusti Buchneri Joas, Der heiligen Geburt Christi zu Ehren gesungen. Aus dem La­ teinischen ins Deutsche versetzt Von Johanne Clajo. 1642. Wittenbergk, bey Johann Haken.

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„Herodes, der Kindermörder,...", „Der Leidende Christus, .. .", die „Lobrede der TeutschenPoeterey" und das „Pegnesisdie(s) Sdiäfergedicht, in denBerinorgischen Gefilden angestimmet von Strefon und Clajus") sind zum Teil dem Rat der Stadt gewidmet: „Denen Edlen / Ehrenvesten / Fürsichtigen / Hoch- und Wolweisen HERREN / Herren Bürger­ meistern und Rahte der weitberühmten Freien Kaiser­ lichen Reichsstadt Nürnberg." 12), zum Teil vornehmen und einflußreichen Bürgern, wie „Denen WolEdlen / Ehrnvesten / Fürsichtigen und Hochweisen Herren / H. Lucas Friederich Behaim / deß ältern geheimen Rahts hochbedienten Kirchenpflegem und Schulherm; Wie auch dessen H. Ambtsverwandten / H. Johann Albrecht Pömem / H. Georgen Imhof / H. Jobst Christoff Kressen / von Kressenstein. Meinen allerseits höchstgeehrten Schutzherren und viel mögenden Beförderern." 13) Diese letztere Widmung des „Herodes ..." zusammen mit der des „Leidenden Christus ..." umfaßt beinahe das gesamte Patriziat des damaligen Nürnberg. Einige seiner Werke hat Klaj auch einzelnen Bürgern dargebracht: Die „Lobrede der Teutschen Poeterey / ... ... Dem WolEdel / Gestrengen und Vesten Herrn Johan Jobsten Schmidmayem / von und auf Schwartzenbruck / u. d. g. Der freyen Künste Tugendeifrigen und viel­ mögenden Beförderern." 14) Zwei Brautpaaren aus dem Nürnberger Patriziat ist das „Pegnesische Schäfer­ gedicht" 15), eine Gemeinschaftsarbeit von Harsdörffer und Klaj, zugeeignet. Was die Widmung anbelangt, so erhebt sich Klaj in seinen beiden letzten Oratorien, die wahrscheinlich beide erst 1650 gedruckt wurden, weit über den Kreis des Nürnberger Stadtadels. „Johann Klaj gekrönten Poetens Engel­ und Drachenstreit", wahrscheinlich 1645/46 geschrieben16) und 1650 gedruckt „bey Jeremia Dümler", ist „Dem Durchläuchtigsten / Hochgebomen Fürsten und Herrn / Herrn Carl Gustav / Pfaltz-Grafen beym Rhein / zu Jülich / Cleve und Berg Hertzogen / Grafen zu Veldentz / Spanheim / der Marek und Ravensberg / Herrn zu Ravenstein / u. d. g. Der Königl. Majestät und Reiche Schweden über dero Armeen und Kriegs-Staet in Teutschland höchstverord12) ls) u) 15)

Ebd. Wiedemann: S. 3. Ebd. Wiedemann: S. 130. Ebd. Wiedemann: S. 377/378. Pegnesisdies Schaefergedicht / in den Berinorgischen Gefilden angestimmet von Strefon und Clajus. Nürnberg / in Verlegung Wolfgang Endter. M. DC. XXXXIV. ie) In einem Brief an Sigmund v. Birken nach Wolffenbüttel vom 4. 7. 1646 erwähnt Hars­ dörffer eine Gigantonanomachia Klajs, womit der Engel- und Drachenstreit gemeint sein könnte: „ ... Gigantonanomachia eius ego nondum vidi." (Im Archiv des German. Museums Nürnberg, P. Bl. O., 49a).

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neten Generalissimo etc. Meinem gnädigsten Fürsten und Herrn / u." 17) ge­ widmet. Nach dem vorläufigen Friedensschluß zu Münster und Osnabrück am 24. Oktober 1648 wählten die Parteien für die endgültigen und abschließen­ den Friedensverhandlungen die Reichsstadt Nürnberg. Die Verhandlungen zwi­ schen den kaiserlichen, schwedischen und französischen Abgesandten zogen sich von Mai 1649 bis Juni 1650 hin. Die Festlichkeiten dieser Herren wollten natürlich des kunstvollen poetischen Rahmens und der rühmenden Beschrei­ bung nicht entbehren. Der Patrizier Harsdörffer hielt sich im Ganzen vor­ nehm zurück, Sigmund von Birken arbeitete für den kaiserlichen Abgesandten Octavio Piccolomini, der evangelische Theologe Klaj schrieb natürlich für den schwedischen Bevollmächtigten und Thronerben Karl Gustav. Neben dem Engel- und Drachenstreit sind Karl Gustav noch zwei Werke mehr berich­ tenden Charakters gewidmet: ein „Schwedisches Fried- und Freudenmahl, zu Nürnberg den 25. des Herbstmonats, im Heiljahr 1649 gehalten, in jetzo neu­ üblichen Hochteutschen Reimarten besungen von Johann Klaj, H. Schrifft Ergebenen, und gekrönten Poeten. Nürnberg, bey Jeremia Dümler. 1649" und „Irene, das ist vollständige Außbildung Deß zu Nürnberg geschlossenen Frie­ dens 1650 ... durch Johann Klaj, dieser Zeit Pfarrherrn der Evangelischen Gemeine zu Kitzingen und gekrönten Kaiserl. Poeten ..." Dem Höchsten nach Karl Gustav, „Dem Hochwolgebomen Herrn / Herrn Carol Gustav Wrangeln / Herrn zu Schogkloster / Roßdorp und Bremer­ vörde / der Königl. Majestät und Reiche Schweden Rhat / General Feld­ marschallen in Teutschlande / auch General Gouverneurn in Pommern / etc. Meinem Gnädigen Herrn." 18) sind die „Freudengedichte der seligmachenden Geburt ..." dediziert. Obwohl Klaj in Nürnberg sehr bald persönliche Freunde gefunden hatte, wie Harsdörffer, Dilherr oder Birken, sind seine Werke den hervorragenden Repräsentanten der damaligen Gesellschaft zugeeignet. Heute haben Wid­ mungen meist einen persönlichen, freundschaftlichen Charakter, im Zeitalter des Barock sind sie überwiegend unpersönlich, rein gesellschaftlich gehalten. Die gesellschaftliche Bindung sieht in concreto so aus, daß Klaj materielle Förderung und steigendes Ansehen und Schätzung erwarten konnte19), wäh­ rend die hohen Herren ihrerseits sich bleibenden Ruhm und das ehrenvolle Decorum eines Mäzen versprachen. In einer Zeit, wo der Mensch nur als Glied eines strengen gesellschaftlichen Ordo zählt, wiegen die Imponderabilien des Ansehens, der Repräsentatio unvergleichlich schwerer. Der Panegyrikus ist in solcher Position wichtig wie das tägliche Brot. Vertrauter ist heutigem Denken der Zusammenschluß der Dichter zu Sprachgesellschaften. Während aber zum Beispiel heute die Gruppe 47 internen Charakter hat, waren die barocken Dichtergruppen in ihrem Wirken ausge­ sprochen extern, bzw. extensiv geplant. Ihr Ziel war nicht nur die Pflege der 17) Ebd. Wiedemann, S. 282. Ebd. Wiedemann, S. 334. 19) Aus Ratsprotokollen z. B. ist ersichtlich, daß diese Erwartung nicht enttäuscht wurde.

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persönlichen Verbindung der Poeten oder die Pflege einer isolierten poetischen Sprache, sondern die Aufbesserung und Schmeidigung der deutschen Sprache allgemein und die Gleichrangigkeit dieser Sprache als poetisches Ausdrucksmittel mit anderen alten wie neuen Sprachen. Georg Philipp Harsdörffer, Jo­ hann Klaj und Johann Michael Dilherr sammelten, im allgemeinen dem Zug der Zeit folgend, auch in Nürnberg einen Dichterkreis, der dann wenig später unter dem organisatorischen Talent Sigmund von Birkens zu dem bekannten „Pegnesischen Blumenorden" heranwuchs. Es bestand außerdem noch ein enger Kontakt zu anderen Sprachgesellschaften. Klaj war z. B. noch Mitglied von Zesens „Deutschgesinnter Genossenschaft". In dieser Gemeinschaft Gleichgesinnter fand der Einzelne im ständigen Gespräch, im Interesse der anderen geistige Förderung und Anregung. Nach Büchner in Wittenberg fand Klaj in Nürnberg besonders in Harsdörffer und Dilherr zwei äußerst anregende und kenntnisreiche Männer. War Harsdörffer eher der Vermittler von poetischen Ideen und Formen aus halb Europa, so wirkte der Sebalder Pfarrherr Dilherr mehr als Vermittler und Fürsprecher im lokal gesellschaftlichen Bereich. Mit Ausnahme der um 1650 veröffentlichten Werke fehlt vor keinem der anderen Werke Klajs die enthusiastische Ein­ ladung Dilherrs zu deren öffentlichem Vortrag. Da Dilherr im damaligen Nürn­ berger literarischen Leben keine unbedeutende Rolle spielte *°), war diese Einladung zugleich eine Empfehlung für die poetische Güte des jeweiligen Oratoriums. Wie großen Anklang Klajs Werke gefunden haben, kann man einmal aus der großen Anzahl in relativ kurzer Zeit geschriebener Werke er­ schließen, zum andern aus den für den fremden und jungen Klaj erstaunlich vielen Lobgedichten seitens anderer Schriftsteller. Es mag heute befremden, daß Lobgedichte einem gedruckten Werk beigegeben werden. Heute, wo Dich­ tung immer noch seit der Klassik als Zwiegespräch zwischen Autor und Leser verstanden wird, wo sich um den Lesenden im übertragenden Sinn das stille Kämmerlein schließt, ein Raum des Enthobenseins, ein isolierter Ort der Ruhe und Erholung sich bildet. Wird aber Dichtung eine öffentliche Angelegenheit, ein schöner Pfeiler der Gesellschaftsordnung, sind der Zuspruch und die Anerkennung anderer Poeten selbstverständliche Ergänzung, die mit dem Werk veröffentlicht werden muß. So selbstverständlich, wie heute die Wiedergabe von positiven Presse­ stimmen im Klappentext. Daß Klaj nach Antritt der Pfarrstelle in Kitzingen (1650) allmählich verstummte, mag nicht zuletzt an dem fehlenden Ansporn durch einen Dichterkreis wie in Nürnberg gelegen haben. Über solche augenscheinliche Merkmale wie umfangreicher informativer Titel, Zueignung und Lobgedichte ist der verstehende Zugang zu barocker Dichtung am ehesten möglich. Die Annahme, Barockliteratur sei Gesellschafts­ dichtung großen Stils, läßt sich auch im eigentlich poetischen Text verfolgen 20) In der Dissertation von Gerhard Schröttel „Johann Michael Dilherr und die vorpietistische Kirchenreform in Nürnberg“, Nbg. 1962 wird allerdings die enge Verbindung Dilherrs mit Klaj nicht erwähnt.

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und erweisen. Klaj ist ein Beispiel dafür, daß der barocke Dichter sich in seinem Dichten den Grundlagen und den Gesetzen seiner Gesellschaft verpflichtet fühlte, und daß er durch sein Werk die barocke Gesellschaft seinerseits ver­ pflichtete. Einer der tragenden Pfeiler der ständisch gestaffelten, feudalen Gesell­ schaftsordnung des Früh- und Hochbarock war die Religion. Der absolute Herrscher fühlte sich und wurde gesehen als „lieutenant de Dieu“. Der Landes­ vater wurde von Gottvater als sein Sachwalter eingesetzt. Krone, Szepter und Purpurmantel wurden u. a. auch hergeleitet aus dem Martyrium Christi. Die Beständigkeit, die constantia, als Bindung des Herrschers an die göttlichen Gebote, der sündige Widerstand gegen den rechtmäßigen Herrscher und der heilige Krieg gegen den Usurpator, die Glorifizierung des Herrschers und die Konsolidierung dieses Ordo, dies sind die Themen der barocken Haupt- und Staatsaktionen eines Anton Ulrich von Braunschweig, eines Anselm Ziegler von Kliphausen, vor allem eines Andreas Gryphius und mit Einschränkungen eines Daniel Casper von Lohenstein. Der Theologe Klaj bearbeitet überwiegend christliche Themen, weniger als Tribut an seinen Beruf, sondern im Wissen um die akuten Probleme der Zeit. Eines seiner frühen Werke „Johannis Claj / Weyhnacht-Liedt / Der Heiligen Geburt Christi zu ehren gesungen. Im Jahr 1644“ (es handelt sich um eine Frühstufe des 1650 gedruckten Weihnachtsoratoriums der „Freudenge­ dichte .. .“) trägt das für sein Gesamtwerk bezeichnende Motto „Cum Deo et Musis“, und es ließe sich ergänzen „pro commune“. Daß Claj sich als Poet und seine Werke als Dichtung und nicht als Predigt versteht, bestätigen seine Widmungsgedichte, seine „Lobrede der Teutschen Poeterey“ und nicht zuletzt der poetisch-lyrische Rang seiner Werke. Dieser Zeit geht es nicht, wie hun­ dert Jahre zuvor, ausschließlich um den Glauben, sondern um die Stützung und Festigung der gesellschaftlichen Hierarchie durch Religion. In Sachen der persönlichen Konfession herrscht Toleranz, wenn nicht gar Gleichgültigkeit. Die landläufige Meinung, der 30jährige Krieg sei ein Glaubenskrieg gewesen, ist ja längst zu anderen historischen Irrtümem gelegt worden. Die Probleme der Konfession waren das gelegene Mittel einer staatspolitischen Klärung und Konsolidierung. Solange die Fragen der Konfession nicht geklärt waren, so­ lange konnte sich keine krisenfeste Gesellschaftsordnung bilden. Daß der Kandidat der Theologie Johann Klaj dieses barocke Zeitproblem klar erfaßt und aktiv an dessen Lösung mitarbeitet, zeigt ihn auf der Höhe seiner Zeit. Den schwedischen Thronerben und Generalissimus Carl Gustav, den er als vorbildlichen Herrscher propagiert, redet er ganz folgerichtig als „ErdenGott“ an: „Willkommen ErdenGott von Gott zu guter Stunde!“ 21) In einer Fußnote vermerkt dazu Klaj: „Hohe Potentaten werden Götter genennet / wie unter andern Davids 82 Loblied erzwinget.“ In Herodes Ascalon dagegen hält Klaj seinen Zeitgenossen den unrecht­ mäßigen und tyrannischen Herrscher vor: 21) Ebd. Wiedemann, S. 287. 393

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„Herodes der Tyrann / von düstrem Angesicht / In Sitten wütigwild / Barbarisch in Geberden / Hat seine Grausamkeit gar gegen Gott geridit / Weil ihn der Menschen Mord nicht sättigt auf der Erden, Er trug mit Trug die Krön / der blutgemengte Koht / Der Bösen bester Freund / der Frommen Tod und Noht: Bis ihn der Frevelstoltz mit Jammer hat gestürtzet / Und letzt die Madensucht das Leben abgekürtzet." 22) Abgesehen von der durch ihre Rüdheit völlig unklassischen, ja fast modernen Diktion, haben wir hier in aller Kürze und Bündigkeit die barocke Herrschertheorie vor uns: die verpflichtende Bindung des Fürsten an Gott. Wie hoch Klaj das Wirken des Dichters einschätzt, geht aus der Zueignungsschrift zum „Herodes ..." hervor: „Es ist unschwer zu erweisen / daß Schauspiele dichten vorzeiten nur Kaiser / Fürsten / grosser Helden / und Weltweiser / nicht aber schlechter Leute Thun gewesen / die / wie sie ihren Widerwertigen mit der Hand obgesieget / also haben sie auch durch derer Zuthun die Feinde des Gemüts (die Verwirrung desselben) aus dem Felde geschlagen. Wie aber sonst die Poeterey ins gemein eine Lehrerin der Frömmigkeit / eine Erforscherin der Natur / eine Mutter der Tugenden / eine Geleits­ männin der Weißheit / ein Qwell der guten Künste und Sitten: .. ." 23) Klajs Hochschätzung der Dichtkunst geht so weit, daß er ihr geradezu ge­ schichtsträchtige Funktionen zumißt. In der „Lobrede der Teutschen Poeterey" heißt es, daß nach Tacitus die Germanen mit Heldenliedern auf Arminius in die Schlacht zogen, „ ... daß also / vermittelst der Göttlichen Dichtkunst / das Römische Kaiserthum auf die Teutschen gebracht worden." Wie einerseits die irdische Gesellschaftsordnung eng mit Religion und Kunst verflochten ist, so spiegelt andrerseits der „ordo coelestis" diese irdische Hierarchie bis ins Detail. Im Unterschied zum mittelalterlichen Weltverständnis ist im Barock die Religion nicht mehr das Gewölbe, sondern der Sockel irdi­ scher Gemeinschaften. Diese Trägerfunktion der Religion ermöglicht die Rück­ projektion irdischer Ordnungen in den himmlischen Bereich. Die Schilderung der militärischen Rangordnung der Engelsfürsten und der Schlachtordnung des himmlischen Heeres als eine zeitgenössische mag uns heute zunächst belustigen, erhellt aber zugleich barocken Geist: „Die Soldaten sind die Menge der himlischen Heerschaaren / ... Die ziehen daher in einem wol verfasseten Zuge / LegionRegiment - Squadron - Fähnlein - Troppen- und Rottenweise / ... Da stehet der Feldmarschall Michael / ... da hält der Obriste Cherub / ... Der Fendrich Gabriel / ..." 25) Die lange Zeit als gelehrte Pose und eitle Pedanterie mißverstandenen umfangreichen Anmerkungen lassen sich ebenfalls aus der gesellschaftlichen 22) 23) 24) *®)

Ebd. Wiedemann, Ebd. Wiedemann, Ebd. Wiedemann, „Freudengedichte

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S. 136. S. 131. S. 406. . . .“, Zueignungsschrift, ebd. Wiedemann, S. 336/37.

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Verpflichtung des barocken Dichters erklären. Da Kunst primär als erfreuliche Lehre 26) verstanden wurde, hatte der Künstler alles daran zu setzen, ver­ ständlich zu sein, und seine Äußerungen aus der „autoritas" der poetischen und wissenschaftlichen Tradition zu belegen, und damit die eben neuerstandene deutsche Dichtung zu stützen27). Klaj schienen die Anmerkungen immerhin so wichtig, daß sie bei manchen Werken den Umfang der eigentlichen Dich­ tung erreichen, ja übersteigen. In der „Lobrede . .." bezeichnet Klaj seine Dichtkunst als Wissenschaft und Lehre: „ ... / unser in den letzten Zügen ligendes Deutschland / ... / ruffet uns / ... zu: Redet / Redet / Redet / daß ich gelehrter absterbe. Anjetzo aber bin ich auf Gutachten dessen / dem ich zu gehor­ samen verpflichtet / und ein grosses Theil meiner wenigen Wissenschaaft zu danken / aufgetretten / etwas von der Liebwürdigsten Poeterey der Teutschen abzuhandeln." a8) Den Willen zu einer allgemeineren Verständlichkeit seiner Dichtungen offen­ bart Klaj besonders deutlich in der Vorrede zu den Anmerkungen der „Höllenund Himmelfahrt .. .": „Teutschliebender Leser. Wer weiß nicht / daß wir so Gelehrten so Ungelehrten schreiben? Beyden aber daß wir mögen verstanden werden: Massen unser Wissen nichtig ist / wenn wir einem andern nicht mittheilen / was wir wissen. In Ansehen dessen haben wir / denen Unbelesenen zu gut / folgende Stellen erläutern wollen:" 29) Diese Zitate sprechen für sich selbst und sind kaum falsch zu verstehen; nur werden sie allzu leicht überblättert. Für die heutige, völlig andersgeartete Dichtung und Gesellschaftsstruktur sind solche Verstrebungen zwischen Kunst und Gesellschaft belangloser. Für die primär gesellschaftlich orientierte Kunst der Barockzeit sind sie eminent wichtig und für ein geändertes Kunstverständ­ nis äußerst aufschlußreich. Daß diese Lesehilfe so leicht übergangen wird, ist nur ein Beweis für die perspektivische Gebundenheit unserer Betrachtungs­ weise. Der allegorische und repräsentative Stil der Barockliteratur, ihr Mangel und Desinteresse an Entwicklung und Wandlung eines Charakters im Drama oder Roman, das Fehlen einer Liebeslyrik, wo abgeschlossen von der Umwelt ein Ich zu einem Du spricht, das kennzeichnet u. a. die Literatur dieser Zeit als Gesellschaftsdichtung großen Stils. Der Mensch ist dieser Zeit nicht als Person interessant, sondern als Rollenträger und Repräsentant, die Liebe ist ein sehr offen beschriebenes Gesellschaftsspiel. Der private Mensch findet kaum Beachtung in der barocken Kunst. M) So hieß z. B. die Devise der Fruchtbringenden Gesellschaft: „Alles zu Nutze“. **) „Niemand ist so gar entfremdet / dem nicht wissend / daß unsere Dichtkunst / noch in ihrer Kindheit / und so Zusagen an Bäncken gehet / dahero sie einer Erklärung / als eines Gängel-Wagens benöthiget / ... (ebd. Wiedemann, S. 319). **) Ebd. Wiedemann, S. 385/86. 2#) Ebd. Wiedemann, S. 88.

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Klajs Hauptwerke sind die sogenannten „Redeoratorien". Sie stehen der poetischen Gattung nach zwischen epischer Deklamation und dramatischer Aktion. Zwar sind im gedruckten Text Kennzeichen des Dramas vorhanden (etwa die Unterteilung in mehrere Handlungen bzw. Akte, die Verwendung von Chören und die Aufteilung des Textes auf verschiedene Rollen), doch sind die Oratorien völlig undramatisch, haben ausgesprochen epische Züge und wurden mit Sicherheit von Klaj allein vorgetragen. Diese Zwischenstellung der Redeoratorien ist einerseits ein unverkennbares Merkmal Klajs, das in der deutschen Literatur dieser Zeit einzigartig ist; andererseits bereitet sie der Literaturwissenschaft erhebliche Schwierigkeiten. W. Flemming80) nahm die italienischen Rappresentazioni und das Oratorio als das von Harsdörffer vermittelte Vorbild Klajs an. Dieser Einfluß ist aber schwerer nachweisbar, als der des Niederländers Heinsius und des Jesuiten Jacob Balde. Flemming rückt ebenfalls das Redeoratorium näher zum Epischen als zum Dramatischen. Auch Klaj selbst und seine Zeitgenossen verstanden sie als epische Werke. Es wurde bisher übersehen, daß als Muse dieser Werke immer nur Clio, niemals aber Thalia genannt wird. In Zedlers „Universal-Lexikon“ aus dem Jahre 1733 heißt es, daß die Muse Clio „mithin eine bedeutet, welche durch die Poesie diejenigen, dero Thaten darinnen besungen werden, zu großen Lob und Ehren bringet, ..., Sonst wird sie eigentlich für die Erfinderin der Historie ... angegeben". In Clio, der Muse des epischen Erzählens und poetischen Rühmens und Ehrens (zweier typisch soziologischer Begriffe) bietet sich uns noch einmal ein Emblem barocker Gesellschaftsdichtung; mit Clio rundet sich der Exkurs durch das Werk Klajs. Eine stilistische Interpretation dieses Werkes würde den Rahmen dieser literatur-soziologischen Untersuchung sprengen. Die poetische Potenz, die mei­ sterhafte Sprachkunst des folgenden faszinierenden Wortkunstwerkes ist ein beredtes Zeugnis für den Dichter Klaj: Hellgläntzendes Silber / mit welchem sich gatten Der ästigen Linden weitstreiffende Schatten / Deine sanfftkühlend-beruhige Lust Ist jedem bewust. Wie solten Kunstahmende Pinsel bemahlen Die Blätter; die schirmen vor brennenden Strahlen / Keiner der Stämme / so grünlich beziert / Die Ordnung verführt. Es lisplen und wisplen die schlupfrigen Brunnen / Von ihnen ist diese Begrünung gerunnen / Sie schauren / betrauren und fürchten bereit Die schneyichte Zeit. w) a. a. O.. S. 7 ff. S1) Pegnesisches Schäfergedicht, S. 20.

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DIE LITERARISCHE SITUATION IN NÜRNBERG VON 1918-1933 Von Artur Kreiner (f) *) Natürlich unmöglich ist es, im Rahmen eines Aufsatzes alle buchhändle­ rischen Erscheinungen in und um Nürnberg aus diesem Zeitraum zu be­ handeln. Darum wollen wir uns von vorneherein nur auf geborene Nürnber­ ger und Fürther beschränken, so daß z. B. Cläre Goll und Ilse Meidinger-Geise ausfallen, und andererseits der zarte Ernst Penzoldt als Erlanger, der geist­ reiche Sigmund Graff als in Roth und die feinsinnige Sofie Hochstätter als in Pappenheim geboren. Auch alle Fachliteratur sei ausgeschlossen, und sei etwa die Heimatliteratur der Gebrüder Scherzer noch so bedeutend und die Reisebildbücher des gebo­ renen Danzigers Eugen Kusch noch so wertvoll. Ebensowenig liegen noch so gute philosophische Bücher, wie „Das Abenteuer des Geistes" des geborenen Fürthers Hermann Glöckner oder kunstgeschichtliche, wie die von Heinrich Höhn, in unserem heutigen Bereich; auch nicht noch so fruchtbare technische Schriften, wie von Doderer, geschweige Kriminal- und Unterhaltungsromane. Ta selbst Theater und Presse seien hier ausgeklammert. Und lassen Sie mich, bitte, auch die an sich nicht unbedeutende Nürnberger Mundartdichtung aus­ schließen, da mir als Altbaiem nun einmal der Schnabel nicht darnach ge­ wachsen ist. Sie ist einer besonderen Behandlung wert. Vielmehr wollen wir uns hier heute nur mit sogenannter schöner Literatur dieses Zeitraums beschäftigen: Lyrik, Epik und Dramatik. Ja, wovon hängt es denn ab, ob etwas gedruckt wird? Das Verlagswesen ist ein Geschäft wie jedes andere auch und unterliegt dem Gesetz von An­ gebot und Nachfrage. Hat der Schriftsteller bereits einen klangvollen Namen und verbürgt eine zahlreiche Anhängerschaft den Absatz, kann es der Ver­ leger wagen. Außerdem antwortet er: „Das lohnt sich nicht, das wird nicht gefragt, das kann ich nicht verkaufen." *) Am 19. September 1965 verstarb überraschend an einem Herzschlag im Alter von 72 Jahren unser langjähriges und verdiente Mitglied Dr. Arthur Kreiner, gerade in dem Augenblick, als an ihn die Aufgabe herangetreten war, die Leitung der Gruppe Nürnberg des „Frankenbunds“ zu übernehmen. Glücklicherweise hatte die Redaktion noch mit dem Autor die für den Druck geeignete Fassung des Vortrages vereinbaren können, den der Verfasser am 1. Dezember 1964 in seiner bekannten Art eines brillanten Essays gehalten hatte. Doch konnte er leider nicht dazu bewogen werden, den Vortrag im einzelnen auszuarbeiten und mit Quellenbelegen zu versehen. Immerhin hat mit diesen Aus­ führungen ein Mann, der das literarische Leben Nürnbergs in jener Epoche nicht nur teilnehmend miterlebt hat, einen sehr wertvollen, wenn auch vielleicht subjektiv ge­ haltenen Dokumentarbericht über jenes Kapitel der Literaturgeschichte Nürnbergs skizziert, die im ganzen leider noch zu schreiben ist W. S.

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Wieviele Bücher aber sind rein deshalb gedruckt worden, weil der Ver­ fasser den Druck selbst bezahlte? Oder aus Zufall, weil einer eine Lektorin eines Verlages persönlich kannte? Nur wenige, mutige und reiche Verleger können es sich leisten, ein gan­ zes Vermögen auf die Entdeckung eines unbekannten Kopfes zu setzen, wie das hier der Verlag Carl-Schmitt mit den Werken von Bernus und Pannwitz gewagt hat. Ist das also ein Wertmaßstab der geistigen Leistung, wenn nur gedruckt wird, was das Publikum verlangt? Die breite, unmündige Leserschaft fragt nicht, ob etwas gut oder schlecht ist, nur ob es zeitgemäß ist und reizt. Findet sie alles „Schon dagewesene" langweilig, bleiben nur die bisher heiligen Tabus zu brechen, so daß die Auslese im umgekehrten Verhältnis zum inneren Wert steht. Das beweist in unserem Jahrzehnt hier, wie schwer sich der echte Dichter Karl Bröger tat, sich durchzusetzen. Wäre er nicht von dem hellsichtigen Schulrat Grimm entdeckt und von UProf. Munker in München empfohlen wor­ den, wäre auch nichts von ihm gedruckt worden. Wer also nur seinem inneren Gebot, dem Gesetz seines Gewissens, folgt und nicht auf der Welle des Zeitgeistes reitet, kann erst nur von den wenigen Kennern erkannt werden und muß warten, bis diese kleine Unterströmung Oberwasser bekommt. Schöner und markiger kann dieser Unterschied zwischen Dichter- und Literatentum kaum gestaltet werden, als das der damals führende Literatur­ freund und Dichter Alfred Graf in seinem Gedicht auf Hans Sachs getan hat: „Es ist ein Treibhaus drinnen schwitzen seltsam Gewächs in künstlich Hitzen. Wie laut auch deren Namen schrein, die Zettul, die dran bunden sein — sie bleiben doch, in Töpf ein'baut, ein schwächlich aufgezüchtet Kraut. Fern rauscht ein Wald, gar knorrig stark, saftstrotzig und voll Wurzelmark. Drinn’ springen Tiere ohne Zahl, im Dickicht trinkt des Himmels Strahl sich satt am Quell, wo aus dem Spalt des Felsgesteins im Echo schallt der Kobold' lachend Narrenspott. Viel Vögel preisen jubelnd Gott. Das Treibhaus mit dem viel Mißwachs ist unser Stätt, der Wald — Hans Sachs." 398

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Dieses gute Jahrzehnt, *— nicht moralisch gut oder besser, ich meine dieses reichliche, geschichtsträchtige Jahrzehnt zwischen den beiden Weltkriegen —, heißen die einen das „goldene Jahrzehnt", weil wir nach dem 1. Weltkrieg geistig aufgerührt und schöpferisch waren, — was die „Ewig-gestrigen" revo­ lutionär heißen —, und die anderen hießen es die unselige Systemzeit. Wie aber kann man eigentlich bei dem chaotischen Durcheinander eines geistigen Aufbruchs von System reden, während sich doch der erst auch chaotische Nationalsozialismus zu einem um so fürchterlicheren System aus­ gewachsen hatte? Wie wirkte sich nun dieser geistige Umbruch in Nürnberg literarisch aus? Man muß jene Zeit selbst miterlebt haben, um ihr gerecht zu werden: Die Not infolge des verlorenen Krieges trübte die Vernunft und peitschte die Leidenschaften auf. So spiegelt auch die literarische Situation den Zwiespalt des damaligen Zeitgeistes wider: Wollte die eine Seite den verlorenen Krieg nicht wahr­ haben und versteifte sich auf die Dolchstoßlegende, so hörte man damals schon auf der anderen Seite jene Verdammung jeden Krieges, wie sie heut­ zutage am Volkstrauertag bereits Allgemeingut war. Warum sage ich das? Weil uns dann nicht mehr wundert, daß auch die Nürnberger Literatur damals in 2 Lager gespalten war: auf der einen Seite Kreise um den „Fränkischen Kurier" mit der später zu erwähnenden Feier­ abendgesellschaft um Heinz Schauwecker, auf der andern Seite der wirkliche Dichter Karl Bröger, der aber ebendeshalb keinen Kreis um sich versammelte. Darüber hinaus aber bestand der „Literarische Verein", der gerade in den stürmischen Jahren eine für uns heute geradezu beneidenswerte Wirkung entfaltete. Ein damaliger Zeitungsausschnitt schildert die literarische Situation in Nürnberg — halb ironisch — wie folgt: „Da irrte Friedrich Schiller Lebendiges Land an der Pegnitz. Ganz hypochonderisch bin ich vor Langeweile geworden und ich fließe nur fort, weil es so hergebracht ist. Der diese Zeilen geschrieben über die liebliche Pegnitz, Friedrich von Schiller, schriebe es heute nicht mehr. Denn er meinte nicht nur den Fluß und sein müdes Geschlängel, sondern die Allegorie der Langeweile des Landes. Nein, so ist es nicht mehr, es sprühet die Muse im Großraum. Und die Autoren erblühn’ in dem erneuerten Kreis. Siehe es regt sich: die Dichter sammeln sich neu im Vereine, nur im Vereine erblüht fränkische Poesie ..." Was tat sich damals nicht alles literarisch in Nürnberg! Schon am 29. Ja­ nuar 1918 wurde der „Literarische Verein" gegründet, der 1919 bereits 14 Vorträge und Vorlesungen damals berühmter Dichter und Literaten über und 399

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aus ihren Werken hinter sich hatte. Damals schon trug Fräulein Höllfritsch aus Lina Ritter-Wilds „Tagesscheide" vor: Auf flammendem Meer / in dunklen Wolkenschiffen steuern gewaltig / geladene Götter. Sie achten unser nicht Aus glänzenden Fernen stehn auf dunkelnden Sternen dem Abglanz ihrer Sterne im Angesicht ..." Muten uns solche Verse nicht heute noch ganz modern an? 1920 hatte der Verein schon 500, 1921 gar 1000 Mitglieder. Unter der Leitung Alfred Grafs legte man sich auf keinerlei Richtung oder Strömung fest, wollte man aber doch mit dem „jüngsten Deutschland" bekannt machen. War 1919 eine Vorlesung von Freiheitsgedichten, wohl wegen der revo­ lutionären Gegenwart überfüllt, hatte eine Vorlesung Karl Brögers nicht einmal 40 Besucher. Daher wurde statt der Revolutionierung eine Evolutionierung vorgeschlagen, die sich denn auch in den folgenden Jahren durchaus bewährte. So waren 1920 der Intendant Martersteig der Leipziger Theater, HaasBerkow mit seinem „Totentanz" zu hören — einer der tiefsten Theaterein­ drücke meines ganzen Lebens! —, Wilhelm von Scholz aus Stuttgart und Karl Henkell aus München. Schließlich fand noch eine Gedächtnisfeier für Richard Dehmel im großen Saal des Künstlerhauses statt. Dort waren denn auch noch aus eigenen Werken Franz Werfel wiederholt zu hören und Leo Weismantel, Heinrich Mann, Ernst Hardt, Joseph Winkler und u. a. auch Jakob Wassermann. Doch wurde auch über Barocklyrik, Georg Büchner, Christian Morgenstern und Hermann Löns, u. a. gesprochen. Leider wurde dieser Verein dann 1922 ein Opfer der Inflation, die damals wie galoppierende Schwindsucht wirkte. Doch erschienen schon 1923—25 wieder 10 bilderreiche Hefte „Fränkischer Bund" unter Leitung Alfred Grafs mit Beiträgen von Michael Georg Conrad, Anton Dörfler, Jakob Wassermann, Gustav Georg Wießner und Leo Weis­ mantel. Aber auch hier sei nicht stilles Wirken außerordentlicher Geister ver­ gessen, wie der Gebrüder Deinhard, wovon Hans, von Beruf Richter (1885— 1934), „Geist aus heiliger Feme" und eine eigenwillige Übersetzung von Dantes „Comedia" in fränkischer Sprachgestaltung vorlegte und der Vollblut­ musiker Rudolf sich als bester Kenner der Nürnberger Musikgeschichte erwies. Im übrigen spielte sich das öffentliche geistige Leben von 1920 in der Katharinenkirche ab, wo u. a. auch Kasimir Edschmid und Alfred Kerr zu hören waren. Das alles gipfelte im Dürerjahr 1928, in dem jede Woche in einem anderen Zeichen stand, z. B. eine Bachwoche, eine Woche der Oberpfalz u. s. w.. Nach­ dem schon 1923 ein fränkisches Dichtertreffen stattgefunden hatte mit Vor400

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lesungen im Künstlerhaus, versuchte man schon damals eine „Literarische Arbeitsgemeinschaft Franken“ zu gründen (1928), die aber ja bekanntlich erst jüngst hier in Nürnberg am Autoren tag glücklich gelang. Inzwischen hatte sich, dem Zug der Zeit entsprechend, aus Kreisen des „Fränkischen Kuriers“ um Heinz Schauwecker, Oskar Franz Schardt und Theo­ dor Vogel eine „Feierabendgesellschaft“ gebildet, die meist in den Sälen des Kulturvereins in Kunst und Literatur nationale Geselligkeit pflegte. Alldem entsprach zunächst ein blühendes Verlagsleben: Um 1924 ging der Verlag von Walther Günther Schreckenbach in den von Lorenz Spindler über, der von 1922 bis heute „Monatshefte für fränkische Heimat“ (seit 1954 „Stimme Frankens“) herausgab. Und im Verlag J. L. Schräg erschienen von 1923—29 „Nürnberger Liebhaberausgaben“, worin 1926 „Der englische Gruß“ von Lu Vollbehr und „Das Amulett“ von Jakob Wassermann verteten sind. Auch in der Zeitschrift „Das Schöpfrad“, von Dir. Dr. Friedrich Bock ge­ leitet, findet sich manches aus unserem Gebiet. (1928, 2 Jahrgänge). In der Nürnberger Tagespreise stand damals dem Fränkischen Kurier unter Dr. Rudolf Kötter auf der anderen Seite die Nürnberger Zeitung, der damalige Generalanzeiger, gegenüber, dessen Feuilletonredakteur Dr. Albert Malte Wagner z. B. eine aufsehenerregende Berichtreihe über den Massen­ mörder Harmann aus der Feder des später gemeuchelten Philosophen Theodor Lessing wagte, und der seine brennenden Theaterkritiken in einer „Nürnberger Dramaturgie . ..“ zusammenfaßte. Gleichzeitig wirkte in der Fränkischen Tagespost Karl Bröger still durch die Herausgabe der Beilage „Die Furche“. Ferner bekundete sich ein reges geistiges Leben in der damaligen Volks­ hochschule unter Gustav Theodor Wießner und dem späteren Staatssekretär Dr. Brenner, die im ehemaligen Katharinenkloster eine weit ausstrahlende Wirkung erzielten. Im benachbarten Luitpoldhaus erwuchs die Volksbücherei unter der tat­ kräftigen Leitung des jetzigen Direktors der Volkshochschule, Dr. Hugelmann, abgesehen von der stillen wissenschaftlichen Arbeit in der alten Stadtbiblio­ thek in der Burgstraße, die unter der Leitung von Dir. Dr. Bock von einem veralteten Kanzleibetrieb zu einer Anstalt aufblühte, die sich mit mancher Universitätsbibliothek messen konnte. Vergessen wir darüber aber nicht, was der Privatgelehrte Dr. Adolf Hechel in seinem einfach-vornehmen Hause auf der Insel Schütt anspruchsvollen Hörern in der Stille aus der Fülle seiner geistigen Schätze vortrug. Auch der geborene Kölner, Bernhard Siepen, versammelte in seinem Haus in Dambach einen Kreis um sich, den er „Klärungsgemeinschaft“ hieß, weil darin Fragen der Zeit und des Geisteslebens geklärt werden wollten. Schließlich wirkten die beiden Theologen Christian Geyer, Hauptprediger an Sankt Sebald, und Friedrich Rittelmeier (1902—16) in Nürnberg an Heilig Geist weithin bahnbrechend, indem sie durch Predigt, Vorträge und Aus­ sprachen im großen Saal des Künstlerhauses eine erstarrte Theologie durch 26

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die Forderung des inneren religiösen Erlebnisses wiederzuerwecken versuchten. Ihre Monatszeitschrift „Christentum und Gegenwart" und von 1921—1923 „Christentum und Wirklichkeit" zog weiteste Kreise und leistete Urständ für neuere religiöse Bewegung. Schließlich gehört auch die damals rasch aufblühende „Platengesellschaft" zur geistigen Situation, der Hermann Dollinger, Heinrich Höhn und der Heimatforscher Eduard Rühl angehörten. Nun aber zum Einzelnen: Zuerst zur Lyrik, und zwar in konzentrischen Kreisen, wie eine Scheibe. Dabei ist schon zeitlich der Mittel- und Ausgangs­ punkt unserer Betrachtung der ja schon 1644 gegründete Pegnesische Blumen­ orden. Ist er auch heute nur ein literarisches Kränzchen, geht doch das Vorurteil nicht an, auch jeden, der sich aus Ehrfurcht vor der bedeutenden Tradition dazu bekennt, als „Pegnesen" zu verachten, wobei so etwas wie die s. Zt. noch bezopften Chinesen vorschwebt. Heben ihn auch heute noch etwa die tiefschürfenden Vorträge von Litera­ tur-Professor Prang aus Erlangen weit über dieses Vorurteil, so schlief der Orden auch in unserem Jahrzehnt zwischen den beiden Weltkriegen nicht. Dabei darf auf meine eigenen zwei Irrhainfestspiele verwiesen werden: 1923 eines um Hans Sachs (wobei der heutige Hörspielleiter des bayrischen Rund­ funks, Hermann Dollinger, als Realgymnasiast Dürer darstellte), und 1928 „Dürers Auferstehung" 5 Szenen aus 5 Jahrhunderten, das damals in der Beilage der „Nürnberger Zeitung" „Luginsland" gedruckt wurde. Diesem Kreise gehörten auch die heute noch lebenden Lyrikerinnen Anna Blum-Erhard, Elisabeth Schnidtmann-Leffler und Helene Hirschmann an. Dichteten sie auch meist in heute ausgefahrenen Geleisen, so beweise ihnen doch ein Beispiel von Elisabeth Fürst aus ihrem Büchlein „Heimat Europa" (1963 bei L. Spindler), daß nicht weniges davon heute noch hörbar ist: so das Stimmungsbild „Abend in Agrigent": Unter der Tempelmauer im Heidegestrüpp weidet Pan seine Ziegen. Die munteren Tiere scherzen zwischen den Steinen und naschen von den niederen Akazien. Gelbes Licht — am Strand ruht silbern das Meer. Und die Flöte des Hirten klagt in den Abend, versteckt im Heidegestrüpp unter der braunen Tempelmauer. 402

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Den besten Überblick aber über die damalige Lyrik in Franken, bieten 4 Sammlungen, Blütenlesen (zu deutsch „Anthologien")!, aus denen hier natürlich nur die Nürnberger und Fürther erwähnt werden können. Da sind zunächst die beiden Bücher von Karl Kelber-Franken: „Fränkische Dichter, Liedstimmen der Zeit" (1927 bei Spindler) und die Ergänzung „Ein Neu Gespiel" mit Karl Burkert herausgegeben, (1930, Verl. Adolf Klein, Leipzig). Sie geben einen breiten Querschnitt von nicht weniger als 79 Dich­ tern. Ist es ein Zufall, daß von ihren Namen 7 paarweise auftreten, ja die Familie Kelber sogar dreifach? Fragen wir uns aber, was sich von all diesen Namen bis heute als wert­ beständig erwies, so sind die verifizierten Leitartikel eines Oskar Franz Schardt ebenso untergegangen, wie die billigen Reimereien eines Georg Türk. Nur der frühverstorbene Wilhelm Kunze (1902—39), der echte Natur- und Landschaftsdichter Karl Burkert (1885), Alfred Graf (1883—1960) und Hans Pflug (1899) können heute noch vor ernster Kritik bestehen, wenn auch natürlich nicht vor dem derzeitigen modischen Maßstab, sondern als gut in ihrer Art und Zeit. Zu Unrecht vergessen ist Theowill Übelacker (1891—1957), dessen zum Beweis sein Gedicht „Doppelte Berufung": Bleib nicht an der Erde haften flügelhaftes Menschen-Ich, tausend neue Leidenschaften grüßen aus den Welten dich. Bleib nicht an den Welten haften, sei der Erde neuer Sinn, o mit Sternenleidenschaften wirke in den Tagen hin. Abgesehen von seinen Gedichtbüchern auch „Sankt überall" (1918), Ludwigshafen) und „Der Frühling steigt aus dem Grab" (1924, Augsburg) war mir die musikalische Aufführung seiner Dichtung „Der Dom" in der Martha­ kirche eines der tiefsten Erlebnisse jenes Jahrzehnts. Doch das Schicksal des nur in dieser Auswahl vertretenen Literaten Jo­ hannes Foersch gehört beispielsweise auch zur literarischen Situation: Seine Vorlesung machte mir den nachhaltigsten Eindruck echter Dichtung. Außer einigen guten Feuilletons aber, der großen Kunst, Tiefes leicht zu sagen, habe ich nie wieder von ihm gehört. Er scheint ebeno vom Journalismus ver­ schluckt worden zu sein, wie manches Malertalent von der Plakatkunst ver­ dorben wurde. Um so mehr ist an Hans Pflug-Franken zu schätzen, daß er dieser Gefahr nicht erlag. Er hat eine andere Anthologie: „Wir Jungen" eingeleitet, die 1928 von Hermann Kunter im Verlag Ulrich, Heilbronn herausgegeben wurde. Darin schreibt Pflug: „Wir wollen ein Buch der Wenigbeachteten bauen". 26*

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Welches Gespür die Herausgeber dabei bewiesen, zeigt sogar, daß sie die in anderen Sammlungen unterschlagene Dichterin Maria Luise Weißmann (1899—1929), hervorgehoben haben mit der Kostprobe: Aber öffne .. . Aber öffne nur die Türe, Aber tritt nur auf die Schwelle, Hebe kaum den Blick und spüre Schon die ungeheure Helle, Schon den Glanz der leeren Räume, die wie Wiesen rasch erblühten, Schon den Tanz der schweren Träume, Die sich hoben, die erglühten . . . Zärtliche beschwingte Welle, Sieh’, kein Lufthauch, der nicht rühre — Aber tritt nur auf die Schwelle, Aber öffne nur die Türe! Welche Hintergründigkeit! Die Dichterin heiratete den Verleger Bachmaier in München-Pasing, der 1932 ihre gesammelten Werke herausgab. Welchen Mut bewies dieser Ver­ leger auch dadurch, die oben erwähnte spröde Danteübersetzung des Nürn­ berger Hans Deinhart zu drucken. Dagegen bringt 1928 nur die Auswahl einer gewissen Gesinnungsgemein­ schaft, der oben erwähnten Feierabendgesellschaft, der „Querschnitt durch die fränkische Dichtung der Gegenwart", herausgegeben mit Beihilfe des Stadt­ rates im Auftrag der kulturellen Arbeitsgemeinschaft Nürnberg von Fritz Hilsenbeck, (Verlag Frommann). Von den 57 auserwählten fränkischen Dichtem gehören 22 unserem Be­ reich an und sind 15 Mitglieder der Feierabendgesellschaft des Industrie- und Kulturvereins. Sind aber alle diese Gedichte und Prosastücke schon deshalb gut, weil sie die gewünschte Gesinnung aussagen? Es ist eine Ironie, daß dabei schon der 1954 mit dem Nürnberger Kultur­ preis ausgezeichnete, emigrierte Nürnberger Literat Hermann Kesten ausge­ rechnet mit einer Parodie auf „Fränkische Dichter" auftaucht, worin er sich über diese ganze Art heimatgebundener, lokalpatriotischer Dichtung lustig macht. Bleibt noch als viertes Sammelwerk das „Frankenbuch" (Würzburg, 1921) herausgegeben von Bruno Frank mit Bildnis Michael Georg Conrads von Karl Bauer. „Da die Auswahl nach eigenem Geschmack und Gefühl erfolgte und 404

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dabei einige Namen mehr betont wurden, darf nicht aus der Größe der Bei­ träge auf deren Wert und Bedeutung des Dichters geschlossen werden.“ Es enthält auch Prosastücke. Ist es auch hier ein Zufall, daß von den 39 Auserwählten 5 dem Volks­ schulwesen und 8 dem höheren Schulwesen angehören, darunter 8 Doktoren der Philosophie? Wie sehr auch bei all diesen ausgewählten Lyrikern die Zahl der selb­ ständigen Bücher in umgekehrtem Verhältnis zum inneren Wert steht, beweist einerseits das reiche Werk eines Heinz Schauwecker, andererseits die wenigen Bucherscheinungen von Emil Bauer (1884), Wilhelm Kunze und Bernhard Siepen (1885), sogut sie auch in diesen Auswahlen zum Zug kommen. Urteilen Sie selbst!: Von Bernhard Siepen: Land des Schweigens Ins Reich des Schweigens bin ich ausgefahren. Verquollener Himmel, schollenbraunes Land. Am Horizont die kahlen Bäume waren Als Totenwedel geisternd ausgespannt. Am tief verschlammten Weg die Vogelbeere Klagt glühend sich in roten Dolden aus. Doch grausend gähnt der Abend seine Leere. Kein Leben rings weiß sich mehr ein Zuhaus. Wo ist in dieser edlen Schwermut auch nur ein abgebrauchtes Wort oder Bild? Wilhelm Kunze wandelt in den Spuren des auch nur mehr Kennern bekannten Nürnberger Mystikers Daumer und hatte wahrhaftig ein Recht, von sich selbst ahnungsvoll zu schreiben: VII. Sonett: (Aus „Abend und Morgen“, Nürnberg 1927) Leise rötet sich der ferne Horizont im Westen; die Dämmerung kommt und stille wird die Welt; das Haus, in dem Merkur die Wache hält, leert sich von fremdem Volk und fremden Gästen. Wie ist der Tag mit einem Mal so rasch vergangen! Kaum trat auf dieser Erde Saum mein schwanker Fuß, kaum gaben wir uns Gruß und Gegengruß — da hat die Dämmerung schon das Herz umfangen. Einst winkte mir die Mutter, die mich so geliebt, als mich das Dasein scheu und spät umfangen, und keines ihrer Kinder hat sie so, wie ich, betrübt. 405

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Oh, wär die Liebste nie mit mir gegangen, da es noch Freuden unter einer bessern Sonne gibt! Jetzt winkt der Tod und hält mein Herz gefangen. Hermann Hesse wußte schon, warum er sich gerade diesen tiefsinnigen Gefährten zum Führer seiner tragisch hellsichtigen „Nürnberger Reise" erwählte. Der ewig kränkliche Kunze, hatte auf der höheren Schule so wenig gut getan, wie sein Zeitgenosse, der große Tondichter Hugo Distier. So war er erst Buchhändlerlehrling und bestätigt so aus eigenem Erlebnis einen Grund­ gedanken dieses Aufsatzes: „Dort lernte ich frühzeitig den „Geschmack" des Publikums kennen und kann es nun wenigstens fertig bringen, mich nie nach ihm zu richten. Dieser Geschmack, den der Sortimentsbuchhandel nur ausnützt, aber selten kultivieren will, hat mir diesen Beruf verleidet." Der sein ganzes Leben in der Stille schaffende Emil Bauer (1884), den man jahrzehntelang an seinem Marmortisch im Cafe Hauptmarkt schrei­ ben sehen konnte, hat sich, an Rilke geschult, eine Versverschlingung erar­ beitet, von der folgendes zum Beispiel diene: Nachtstille Immer stiller wird die Nacht, Immer reiner alles Reine. Zu den Sternen wurde eine Türe lautlos aufgemacht. Nichts mehr regt sich auf den Gassen Jeder ist allein gelassen, Der jetzt weise wird, und schweigt. Jedem wird das Namenlose, Wird in einer Silberrose Das Unendliche gezeigt. Und es hebt sich hoch der Bogen, Der die Welt dem Geist vermählt. Alle werden einbezogen, Keiner flüchtet, keiner fehlt. (Musarionverlag München, 1933: „Anderer Tag" und „Land der Gnade"). Schließlich schufen nicht stille Dichter in unserem Jahrzehnt an Werken, die erst nachher herauskamen?: Max Schneider mit seinem geradezu klas­ sischen „Schatten der Antike" (1939 in den Werkstätten der Stadt Halle, Burg Gibichenstein) und vor allem Wilhelm Puff (1889) mit seinen erst 1936 im Widerstandsverlag Berlin erschienenen gewaltigen Hymnen „Schöpfer und Schicksal" voll flutenden und feurigen Gedanken und Rhythmen. 406

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Im ganzen betrachtet, war selbst die beste Lyrik jenes Jahrzehnts eine ausklingende Welt, in der Josef Weinheber in Wien abschloß, was Goethe in Weimar begonnen hatte. Die edelste Form wirkte allmählich wie abgegriffene Münzen oder 2. und 3. Teeaufguß. Gegenüber alldem Dilettantismus aber ist alles echte Dichtertum eigen, einzigartig und unverwechselbar, und unter­ scheidet sich vom Literatentum durch spürbar echte Empfindung, durch ur­ sprüngliche Kraft, Herzton und Gewissenhaftigkeit. So daß manches An­ spruchslose besser sein kann, als vieles Anspruchsvolle, was nicht hält, was es verspricht. Doch damit genug von Lyrik! Nun zu dem weiteren Kreis der Romanliteratur, wovon ich ihnen natürlich nicht ebensoviele Beispiele vorlesen kann! Sehen wir von dem Roman „Spione" von der Filmschauspielerin Thea von Harbou (1928, Berlin) und dem Schülerroman „Primus" (1920, BüchenbachBaden) von Hugo Gabriel Lindner (1890—1958) ab, so erschienen u. a. von dem Romancier Anton Dörfler (München, 1890), der jahrelang in Nürnberg lebte, „Die Botschaft aus dem neuen Wunnentor“ (1925, Leipzig) und ab­ sonderliche Geschichten „Auf den unsichtbaren Brücken“ (1923, Nürnberg). Das meiste andere an Romanen und Novellen sind historische Heimat­ stoffe: da gibt es von Georg Türk allein 7 Heimatgeschichten (meist bei Steinkopf, Stuttgart) und die Novellen „Das fränkische Schicksal“ von Theo­ dor Vogel (1925 bei Spindler): aus Bauern-, Schweden- und Franzosenzeit. Streng geschichtlich ist der Eheroman einer Dürerischen Frauengestalt: Doro­ thea Hallerin von Oberarchivrat Alfred Gümbel (1925 bei Spindler). Ein Meister des historischen Romans war auch der in Fürth geborene Archivdirektor August Sperl (1862—1926), der mehrfach das Schicksal des im 30jährigen Krieg von der Oberpfalz nach Nürnberg ausgewanderten Landadels behandelt. Neben Helene Hirschmann (1882—1950): „Geschichten um die Lorenz­ kirche“ (1927, Nürnberg) und Anna Blum-Erhard mit „Wenn sie sehend werden“ (1932, Feuchtwangen), machen sich Lu Vollbehr (1871—1945) und Olga Pöhlmann (* 1880) mit Heimatromanen den Rang streitig, auch an Zahl ihrer Werke. Erschien von Vollbehr 1926 „Der englische Gruß, Veit Stoß' Schicksal“ in Nürnberg, so 1929 der Plassenburgroman „Hans Ulbeck“ in Kulmbach und 1931 „Der junge Dürer“ in Reutlingen, so von Olga Pöhl­ mann eine „Käthe Hallerin“ 1919 in München, 1923—48 „Nikolaus Muffel“ in Stuttgart, 1926 „Hans Kleeberg“, den wir von seinem Bildnis aus Dürers Hand kennen, in Breslau, Erzählungen „Fränkisches Mosaik“ 1928 in Feucht­ wangen, schließlich 1929 „Elisabeth Kraus“ in Nürnberg. Das alles aber über­ traf Olga Pöhlmann in ihren reifen Alterswerken „Sibylle Merian“ und „Jan Swamerdan“, worin sie das abenteuerliche Leben der bahnbrechenden Natur­ wissenschaftlerin und des Entdeckers des Blutkreislaufes spannend schildert. Mit Abstand den besten Roman fränkischer Geschichte der Dürerzeit aber schuf m. E. der 1866 in Lübeck geborene Julius Havemann in seinem 1926 erschienenen Roman „Pilger durch die Nacht“. Auf dem Hintergrund des stür407

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mischen Markgrafen Albrecht Alcibiades hat dieser Dichter die Atmosphäre und geistige Welt Dürer-Nürnbergs geradezu klassisch eingefangen und ge­ staltet. Werten wir aber auch hier nicht nach Länge und Seitenzahl, sondern nach straffer Gestaltung und kunstvollem Novellenbau, so schießen doch 3 nicht genug bekannte Nürnberger Dichter den Vogel ab: Da ist vor allem der schon durch seine Lyrik erwähnte Emil Bauer, der in seinen 3 noch ungedruckten Novellen das Kunstgesetz vom „Falken", wie es Theodor Storni und Gottfried Keller gegenüber der einpoligen Erzäh­ lung herausarbeiteten, meistert. „Der Dorfpfarrer von Caldavello", ein Onkel Napoleons, läßt sich weder durch den Aufstieg, noch Sturz des Tyrannen aus seiner göttlichen Gelassenheit bringen. In „Carlotta Terni" wird die tragische Magie zwischen Maler und Modell ebensogut gestaltet wie in „Der Wirt zum römischen Kaiser" die Erziehung des Herzogs Carl Eugen durch seine „Mai­ tresse" Sophie von Hohenheim. Hätte Emil Bauer diese Meisternovellen, wie Conrad Ferdinand Meyer 1874 bei Julius Rodenberg für die „Deutsche Rund­ schau" einreichen können, wäre Emil Bauer heute so berühmt wie jener. Sind diese Kunstwerke deshalb weniger wert, weil Emil Bauer zur Unzeit und in Nürnberg geboren wurde? Zum andern hat Hans Pflug in seinem Kurzroman: „Das Traumfenster" aus dem fränkischen Bauernkrieg und vor allem in seiner „Tyrannenlegende" um Robespierre — die eines Kenners wie Friedrich Sieburgs Anerkennung fand — sich als tiefen Dichter erwiesen. Was Karl Bröger von Pflugs Lyrik schreibt, daß er eine feste, stille, innerliche Art habe, die sich am wohlsten in der Dämmerung fühlt, gilt auch von seinem Prosastil, so, wenn er die Däm­ merung einmal hocken, einmal kriechen läßt. In seinem Kurzroman „Die Auferstehung", (1921, Erdgeistverlag Leipzig), schildert Pflug die Revolution 1918/19 mit ihren Straßenkämpfen und ihrem Feuergeist, ebenso wie Bernhard Siepen in seiner Novelle „Ulrich und Chri­ stian" (im „Flammenpaar" 1924 im „Bund" bei Schreckenbach erschienen) mit nicht weniger heißem Atem, als Leonhard Frank die damalige Friedens­ sehnsucht in dem seinerzeitigen Bestseller „Der Mensch ist gut". Warum nun sind die beiden nicht ebenso berühmt geworden? Je nun, Franks Feuerfunke fiel eben in einen dürren Heuhaufen und zün­ dete, während unsere Nürnberger kein Echo, keinen entsprechenden Leser­ und Hörerkreis fanden. Sind sie deshalb schlechter? Eine besondere Art Romane sind Lebensbilder großer Männer. Solche ge­ staltete — außer Jakob Wassermann — auch Eugen Ortner (1890—1947) über Albrecht Dürer; aus der Barodezeit den großen Komponisten Händel und den großen Baumeister Balthasar Neumann und unter dem Titel „Ein Mann ku­ riert Europa" den Heilkünstler Sebastian Kneipp. Wie Hermann Hesse sah dieser Dichter die Zerstörung Nürnbergs voraus, allerdings nur den Einsturz der falschen Fassaden; und forderte einen kultu­ rellen Neubau der Stadt. 408

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In seiner hier oft aufgeführten Tragödie „Michael Hundertpfund" (1925, Leipzig), läßt er einen Matrosen waschechte Nürnberger Mundart sprechen, was, wie das ganze Stüde, eine seinem Zeitgenossen Karl Bröger verwandte Kemhaftigkeit beweist. Denn Eugen Ortner war vor allem Dramatiker: 1929 entstand das Schauspiel „Insulinde oder die Kaffeemaschine von Lebak". Der überzeitlichen Tragik des Bauemlebens trug Ortner in der Tra­ gödie „Meier Helmbrecht" (1928) und 1932 in dem Spiel „Der Bauer geht um" Rechnung. Das bereits 1911 geschriebene Volksstück „Jud Süß" wurde ausgerechnet 1933 in Fürth uraufgeführt. Was nun die Dramatik betrifft, so haben wir hier in unserem Bereich den ganz seltenen Fall einer geborenen Dramatikerin, die 1881 hier geborene Hanna Rademacher aus dem für das Nürnberg der napoleonischen Zeit be­ deutsamen Geschlecht der Leuchs. Schenkte sie uns 1920 ein heiteres Spiel „Utopia" und 1931 eines über den Hochstapler Cagliostro — dem Großkophta Goethes nicht unähnlich —, so gestaltete sie 1925 in der „Johanna von Nea­ pel" einen tragischen Geschichtsstoff. Dasselbe aus der fränkischen Geschichte mit Heinrich Toppier (1933) und vor allem (1924) mit dem Schauspiel „Willi­ bald Pirckheimer". Es machte mir im Dürerjahr 1928 den tiefsten Eindruck, weil hier eine Frau das Vorbild eines aufrechten Mannes schuf, der sich poli­ tisch weder nach rechts, noch nach links mißbrauchen läßt. Aber die Finster­ nis hat’s nicht begriffen, und so brachte es dieses beherzigenswerte Schauspiel hier nicht über die 1. Aufführung hinaus. Und nun zum weitesten Kreis unserer Betrachtung: Die Nümberg-Fürther Dichter, die weit über unsere Heimat hinaus in die Welt wirkten, was sich auch in der Wahl auswärtiger, z. T. namhafter Verlage beweist. Karl Bröger (18 86—1944) dankt seinen Ruhm nicht zuletzt dem unange­ brachten Titel „Arbeiterdichter". Dabei litt der Dichter dann selbst darunter, wie oft sein vielzitiertes Wort, daß Deutschlands ärmster Sohn auch sein ge­ treuester sei, mißbraucht worden ist. Kein Wunder, daß der durch seine harte Jugend und sein Schicksal Verbitterte herb und spröde im Umgang mit Frem­ den war. Nachdem schon 1918 die Kriegsgedichte „Soldaten der Erde" bei Diederichs in Jena erschienen waren, kam dort 1920 auch „Der Held im Schatten" heraus. Und darin ist von einer guten Kameradschaft unter „wackeren deut­ schen Schädeln" die Rede mit einem gewissen Weiß, der aber in Wahrheit Schwarz hieß und tatsächlich als Lehrer im Einjährigendienst zu Eichstätt die dichterische Begabung Brögers als erster entdeckte und schon an seinen Stern glaubte. (S. Mitteilungen der Stadtbibliothek Nürnberg, August 1964.) Daraus erfahren wir auch, daß Karl Bröger, als Nürnberger sozialistischer Stadtrat in Dachau gelandet, dort ausgerechnet von einer englischen Journalistengruppe entdeckt und befreit wurde. 1923 erschien in Konstanz „Deutschland, ein lyrischer Gang in 3 Kreisen", 1925 wieder in Jena „Flamme" und „Unsere Straßen klingen", neue Gedichte in Rudolstadt. „Bunker 1917" (1929, Jena) gehörte zu jenen Kriegsbüchem, 409

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die mit dem Hurrapatriotismus aufräumten, aber die Geschichte einer Kame­ radschaft um so tiefer schilderten. Daß Bröger aber auch nicht bloß Kriegsschriftsteller war, sondern — eben­ so wie in ihren Bildern die Gebrüder Schiestel — in seinem Legendenbuch „Die 14 Nothelfer" (Berlin 1920) in ihrer volkstümlichen Symbolik verstand, und in seinem Roman „Vier und ihr Vater" (1937, Leipzig) und in dem „Roman einer Stadt, Nürnberg" (Leipzig, 1935) glückliches Familienleben und seine Vaterstadt vorbildlich gestaltete, erweist ihn auch als Heimatdichter im besten Sinn. (Eine Gesamtausgabe seiner Gedichte erschien unter dem Titel „Sturz und Erhebung" 1943 in Jena, eine Auswahl von seinem Sohn Friedrich Bröger bei der Nürnberger Presse 1954.) Das genaue Gegenteil zu diesem in sich verschlossenen Dichter war der weitläufige Alfred Graf (geb. 1883 zu Partenstein im Spessart und gestorben 1960 in Washington), den wir ja schon wiederholt als Förderer des Nürnberger Literaturbetriebes kennenlernten. Der Pfarrerssohn trat 1921 mit einer be­ deutenden Luthertrilogie „Der Prophet" hervor. 1922 veröffentlichte er in dem damaligen Verlag „Der Bund" bei Schreckenbach in Nürnberg Gedichte und das Drama „Lebensspieler", die köstliche Geschichte einer Kuh: „Muh", eine Satire auf den Kuhstall unserer sog. Kultur, und die fantastische Ko­ mödie „König Frosch" (1924). Überzeitlich dagegen erscheint mir „Von der Minne Überlast" (1922), die himmlische und irdische Liebe der Nonne Christiana Ebnerin von Engelthal, voll mittelalterlicher Glut, wie sie später Guido Kolbenheyer in seinem „Gottgelobten Herz" von einer anderen Nonne Ebne­ rin gestaltet hat. Auch in vielen auswärtigen Verlagen erschienen die Werke des wohl viel­ seitigsten und fruchtbarsten Nürnberger Heimatdichters Franz Bauer (1901). Er brachte u. a. 1927 das Märchenspiel von Lilofee in Melsungen und das Schauspiel Friedrich Ludwig Jahn in Teplitz heraus, 1930 ein Lenzspiel „Die 3 goldenen Haare" in München, 1932, „Auf dem Janushof" in Leipzig. Weitere Bücher, darunter lustiger Mundart, erzielten mehrere Auflagen. Nicht vergessen werden darf auch der bedeutende Fliegerdichter Peter Supf (1886—1961, München). Von ihm erschienen „Lieder aus den Lüften" (1919, Jena), „Musik der Einsamkeit" und die Knabenverse „Kindheit in Nürnberg" (1922 und 1926 in Berlin). In Berlin, Stuttgart und Leipzig zugleich 1928 „O Mensch in Mann und Weib" und schließlich „Die schönsten Märchen vom Fliegen" (Berlin 1930). Also haben wir in Peter Supf, wenn auch nicht dem dichterischen Rang, so doch mindestens dem modernen Stoff nach, einen deut­ schen Antoine Exuperyf Wieder einen anderen Typ bedeutender Schriftsteller stellt der weithin bekannte Rektor der Handelshochschule Nürnberg, Wilhelm Vershofen, dar, auf den, wenn er auch in 1878 in Wuppertal geboren war und 1960 in Tie­ fenbach im Allgäu starb, Nürnberg doch stolz sein darf. Er war nicht nur ein berühmter Wirtschaftsforscher, sondern prägte seine vielseitige Persönlichkeit auch mit unverwechselbarem Stil in bedeutenden Briefen und dichterischen Werken aus. 410

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Mit feiner Ironie und scharfer Satire geißelte er in seinem „Tyll Eulen­ spiegel, einem Spiel von Not und Torheit" (1919, Jena), der Finanznovelle „Fenriswolf" (1922, Stuttgart) und „Die Finanzen von Ohio Falls" (1925 im Verlag „Schwarzer Greif") die Verhältnisse seiner Zeit. Von ernster Seite aber zeigt den Freund Friedrich Neumanns „Der hohe Dienst" (1924 Rudol­ stadt). Schließlich bekennt der Dichter in seinem Alterswerk „Das Jahr eines Ungläubigen" — wie Reinhold Schneider — seine Zweifel an der Welt. Zu einem Bestseller mit Millionenauflage mit dem Roman „Das Tunnel" (1916—1926 — 244. Auflage, Berlin) brachte es der Fürther Bernhard Keller­ mann (1879—1951, Berlin). Auch mit der Geschichte einer Sehnsucht: „Yester und Li" (1925 bis 168. Auflage!) hat er die Jugend seiner Zeit entzückt Zahlte er 1921 mit dem Roman „Der 9. November" (bei S. Fischer, Berlin) seiner Zeit den Zoll, erwies er u. a. mit seinen Romanen „Das Meer" 1925, Berlin) und „Die Stadt Anatol, auf Persiens Karawanenstraßen" (Berlin 1932) seine Weltweite. (Ferner: „Die Brüder Schellenberg" und „Der Tor" (1925/ 26, Berlin). Weitaus der bedeutendste Romancier aber ist der andere Fürther Jakob Wassermann (1873—1934, in Altaussee im Salzkammergut). Er wurde hier ja vor einiger Zeit von berufenerer Seite im Rahmen der Volkshochschule zu den Kulturtagen ausführlich behandelt und so mag hier einiges Grundsätzliches genügen. Schon 1908 hatte er mit dem Untertitel seines „Caspar Hauser", der in­ zwischen zum leider nur geflügelten Wort gewordenen „Trägheit des Herzens" das Thema seines ganzen Lebens für eine tätige Humanität angeschlagen. Hatte er schon 1915 mit seinem Musikerroman „Das Gänsemännchen", der es zu einer Auflage von einer halben Million brachte, seine Leser aufgewühlt, so noch viel mehr durch seinen Roman „Christian Wahnschaffe" (1926, Ber­ lin) und gar erst durch den „Fall Mauritius" (1928, Berlin). Wurde dieser Stoff auch in Film und Fernsehen verarbeitet, verdient so seine Ergänzung zur Trilogie durch „Etzel Andergast" und „Josef Kerkherns 3. Existenz" noch tiefere Beachtung. Doch schrieb Wassermann auch — wie Eugen Ortner — Lebensromane berühmter Männer, wie „Christoph Columbus, der Don Qui­ chote des Ozeans" (1929, Berlin) und „Bula Matari, das Leben des Afrika­ forschers Stanley" (1932, Berlin). Schließlich gewährt sein „In memorian des Musikers Busoni" (1925) und sein Briefwechsel mit Thomas Mann und sei­ nem Freund Hugo von Hofmannsthal ebenso tiefen Einblick in seine weitläufi­ gen Beziehungen, wie die Briefe an Braut und Gattin in seine innere Welt (1900—1929).

Zum Schluß zog der 1954 durch den Nürnberger Kulturpreis ausgezeich­ nete Hermann Kesten (geb. 1900 in Podwoloczysl in Galizien) weiteste Kreise, wenn auch außerhalb seiner Heimatstadt. Denn während Wassermann mit seinen „Juden von Zirndorf", „Caspar Hauser" und vor allem im „Gänse­ männchen" die fränkische Landschaft und das Stadtbild Nürnbergs durchgei­ stigt, könnten die „Nürnberger Zwillinge" Kestens und andere seiner Ro­ mane, wo z. T. wiederholt Nürnberg erwähnt wird, geradesogut wo anders 411

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Literarische Situation

spielen. Nach den 2 Novellen „Die Liebesehe" (1929) erschien durchschnitt­ lich jedes Jahr ein Roman, meist im Verlag Kiepenheuer Berlin. 1929 noch „Ein ausschweifender Mensch, das Leben eines Tölpels". Dieser z. T. unfrei­ willig groteske Jugendroman stößt schon in die heute herrschende Literatur­ welt des Makabren vor und spielt in dem zerrütteten Berlin des 1. Weltkriegs mit Spionen, Selbstmordsüchten, Abartigkeiten und Attentaten. Über Bor­ delle führt der Weg ins Zuchthaus. Doch schildert er die dortige Innenwelt entsprechend der Zeit mehr in Andeutungen. „Glückliche Menschen" (1931) schildert spannend dieselben haltlosen Menschen und Zeiten, in denen alles, aber auch alles käuflich sei. Doch ent­ hält dieser Roman schon mehr Problematik, wo das Verbrechertum eigentlich beginnt. Allein die verschiedenen Lebensgeschichten nehmen zu oft ein rasches, überraschendes Ende. „Nur Dilettanten hören die Schreie der Welt" und „Ich bin asozial, wie ein giftiger Pilz" kennzeichnen den Geist dieser verwickelten Geschichte ebenso, wie ihrer Weisheit letzter Schluß: „Nur die Dummen sind glücklich. Unglück ist ein Charakterfehler, der Ruin der Menschheit." Überraschend reifer dagegen ist schon der 1932 erschienene und 1965 neu aufgelegte Roman „Der Scharlatan". Auch er verwickelt das Leben in vielen europäischen Großstädten. Doch steht hier schon zum Geleit von Goethe: „Der Handelnde ist immer unmoralisch," So ist hier die in den bis­ herigen Büchern nur angerissene Problematik vertieft, zu Worten wie: „Die Schatten der Toten werfen wir Überlebende, nicht sie; wenn wir die Toten vergessen, sind die Toten tot." Aber auch: „Es handelt sich nicht darum, glücklich zu sein, sondern glücklich zu machen." Übrigens hat er inzwischen auch — wie Ortner und Wassermann — bedeu­ tende geschichtliche Romane geschaffen: Der eine entwickelt das kopernikanische Weltbild von der Verfälschung des Hauptwerkes „de revolutionibus coelestium" durch den Nürnberger Reformator Osiander bis zum Tod Galileis, und der andere gestaltet das Leben König Philipp II. (1938, Amsterdam) = „Ich, der König" (1950, München). Kesten hat seine Hauptwerke in der Fremde und Emigration geschrieben, aber der Stadt seiner Jugend eine besorgte Liebe bewahrt. Seine „Nürnberger Reden" von 1961 und 1965 sind warnende Mahnrufe an die gegenwärtige Generation. Als „Weltbürger" neuen Formats ist er in den internationalen PEN-Club gewählt worden. (Außerdem ist noch Friedrich Hagen, geb. 1903 zu Nürnberg, zu nennen, der 1965 den Nürnberger Kulturpreis erhielt und bei dieser Gelegenheit in einer geistvollen und warm empfundenen Rede wie in seinen Übersetzungen aus der modernen französischen Literatur und seinen Werken Brücken zwischen seiner Geburtsstadt, Franken und Frankreich schlug. In seiner Heimat betätigte er sich zunächst vielseitig, bis er 1933 emigrieren mußte. Zusatz der Schrift­ leitung.) Wie wird nun das alles einmal im Rückblick aussehen? Bedenken wir, daß der Räuberroman „Rinaldo Rinaldini" von Goethes Schwager Vulpius ein Bestseller war, während Goethes „Tasso" und „Iphigenie" zunächst nicht 412

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einmal in 1000 Exemplaren gedruckt wurden, und daß Paul Heyse den ersten Nobelpreis der deutschen Literatur erhielt, während er heute als Gartenlaubendichter gilt, so müssen wir das literaturgeschichtliche Gesetz erkennen, daß alles zu seiner Zeit Aktuelle später verblaßt, während die ihrer Zeit voraus­ eilten, natürlich erst im nächsten Menschenalter erkannt werden konnten. Darum kann es dann geschehen, wie beim „Jüngsten Gericht", daß gerade die nicht in den Himmel kommen, die ihn hienieden schon in Erbpacht zu haben glaubten, während die, die unter ihrer Zeit litten, aber doch Wege in die Zukunft wiesen, hineinkommen. Den 1905 gegründeten Nürnberger Schillerpreis für „junge Talente, welche schöpferisch hervorzutreten versprachen" erhielt lediglich Bernhard Keller­ mann (1904/05 je 500 Mark), Karl Bröger (1910 600 Mark) und Hans Pflug für seinen Lyrikband „Singendes Blut" (1919, Phaetonverlag Cannstatt). Und so lassen Sie mich im Gegensatz zum Thema dieses Vortrags zu Ende kommen mit einem Zitat von Jery Lee: „Ach sähen wir doch das Leben und nicht nur die Situation/" Als Kaiser Wilhelm I. auf einer Sternwarte den Astronomen leutselig frug: „Haben Sie schon neue Sterne entdeckt?", hatte dieser den Mut, lächelnd zu fragen: „Kennen Sie denn die alten schon, Majestät?"

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EIN VERKANNTES NÜRNBERGER STEINCHÖRLEIN Von Erich Mutzer Die Adlerstraße, wenn auch durch moderne Neubauten in den letzten Jahren arg entstellt, zählt immer noch zu den substanzreichsten Altstadtinseln unsere Stadt. Eliminiert man den Klotz des Parkhauses, so läßt ihre leicht geschwungene Nordseite mit den hohen, steildachigen Bauten noch heute etwas vom festlich-bunten Bild dieser einstigen Prachtstraße erahnen, und ihre — zahlenmäßig nur wenigen — Althäuser zeigen auf engem Raum soviel an verschiedenen Bauformen, Materialien und Stilmerkmalen wie nirgendwo sonst in der Stadt. Auch die für die hiesige Baukunst bezeichnenden Details fehlen nicht; so steht die Adlerstraße mit nicht weniger als sechs Chörlein — bei nur acht alten Fassaden! — heute weit an der Spitze aller Nürnberger Straßen*). Mit dieser Zahl „sechs" aber beginnt das Problem. Fünf der Chörlein ent­ sprechen mit ihrem kastenartigen hölzernen Körper der gewohnten Form; ihr Dekor verweist sie in die Zeit zwischen 1700 und 1750 2). Das letzte aber, am Haus Adlerstraße 19 (Bild 4), fällt völlig aus der Reihe: Mit schräggestellten Seitenwänden kragt es nur flach vor, und wenn es nicht braun an­ gestrichen wäre und sich dadurch von der Fassade abhöbe, würde es mancher wohl überhaupt nicht als Chörlein ansprechen.Dazu treten noch sehr auf­ fallende Detailformen (Bild 3): Vor allem die steifen Nischen in der Brüstung, der Kleeblattbogenfries über den Fenstern und die Ornamente des Unterhaus. Was soll man von einem solchen Bauwerk halten? Nach fast einhelliger Meinung von Fachleuten und Laien gehört das Chör­ lein dem 19. Jahrhundert an8). So nennt es der Besitzer ein „ganz billiges, neueres Machwerk" *4), und in den „Bayerischen Kunstdenkmalen", dem vom Landesamt für Denkmalpflege herausgegebenen Kurzinventar, taucht es eben­ falls als „neugotischer Holzerker" auf5).* *An diesem Urteil ist jedoch zu*) Ein weiteres besonders wertvolles Chörlein, Adlerstraße 31, wurde 1947 zur Sicher­ stellung ins Germanische Nationalmuseum verbracht und ist dort unverständlicherweise jetzt nicht mehr vorhanden. — Vor dem Krieg betrug die Gesamtzahl der Chörlein in der Adlerstraße 18. *) Dabei bleibt unberücksichtigt, daß zwei von ihnen spätere Wiederholungen darstellen. 8) Eine gegenteilige Ansicht haben bisher lediglich vertreten: Wilhelm Paeseler, Die Nürn­ berger Chörlein; Seite 17 (nur Vermutung; der einzige darauf bezügliche Satz ist außer­ dem zur Hälfte falsch). — Erich Mulzer, Nürnberger Bürgerhäuser; Seite 56 (nur Ver­ mutung). — Erich Mulzer, Nürnberger Erker und Chörlein; Seite 209 (unter Hinweis auf die Bauamtsakten von 1609). 4) Freundliche Auskunft des Besitzers, Herrn Schmidt. Ihm und seiner Gemahlin bin ich im übrigen für ihr Entgegenkommen sehr zu Dank verpflichtet. 5) Seite 180. Die Angaben über das Haus sind genau so fehlerhaft.

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mindest der zweite Teil falsch; denn wie man sich leicht durch Abklopfen überzeugen kann, handelt es sich eindeutig um ein Steinchörlein. Dieser grobe Fehler warnt wieder einmal vor einer allzu raschen, gleichsam ambulanten Betrachtungsweise von Kunstwerken. Auch bei der Datierung empfiehlt es sich deshalb, nicht so vorschnell zu entscheiden, sondern erst genauere Unter­ suchungen und Überlegungen anzustellen. Als erstes muß vorausgeschickt werden, daß die ungewöhnliche Grundform des Chörleins nicht gegen ein höheres Alter spricht. Es handelt sich vielmehr um eine Bauweise, die zwischen 1590 und 1660 in Nürnberg des öfteren nachzuweisen ist68);7 sie behauptete sich während dieser Zeit neben den ge­ wöhnlichen rechteckigen Chörlein und stellte eine deutliche Abwendung von deren schrankartigen, schroff der Wand angesetzten Formen dar. Solche flach vortretenden, aus polygonalem Grundriß entwickelten Chörlein sind zwar heute nur mehr vereinzelt erhalten7), waren aber vor dem Krieg noch in etwa 20 Beispielen zu beobachten. Vor allem die älteren unter ihnen, die zwischen 1600 und 1620 anzusetzen sind8), kamen dabei dem Chörlein Adlerstraße 19 recht nahe. Allerdings bleiben auch einige Abweichungen bestehen, die in einem Fall sogar bis zur Grundform reichen: Das Chörlein in der Adlerstraße besitzt einen genau gleichseitigen Körper, während die fotografisch nachprüfbaren älteren Beispiele meist eine wesentlich breitere Vorderseite aufweisen 9). Die übrigen Unterschiede beschränken sich auf den Dekor. Die auffallenden Blendbögen und der Kleeblattfries sind an keinem anderen Beispiel zu finden. Der Unterteil aus einer wulstigen Wölbung und einer unterlagemden Platte kommt zwar des öfteren vor, doch tritt dann stets an die Stelle des beschläge­ artigen Ornaments ein Eierstab, und der Zahnschnitt an der Platte zeigt wesentlich kräftigere Formen. Die rechteckigen profilierten Fenster, die Ge­ simse und die dünnen Säulchen mit ihrem schräg gerillten Unterteil gehören dagegen dem üblichen Formenschatz an und entsprechen recht genau den Bil­ dungen an anderen Chörlein10). Der Zufall hat nun im Bestand „Reichsstädtisches Bauamt" des Stadt­ archivs einen Akt erhalten, der das Haus Adlerstraße 19 betrifft und die Ge­ nehmigung eines Steinchörleins in den Jahren 1609/10 zum Inhalt hat11). Ein beiliegender Abriß (Bild 2) zeigt ein dreiseitig vorspringendes Chörlein, das überraschenderweise auch den ungewohnten gleichseitigen Grundriß wie das heutige Bauwerk aufweist. Die Ausgestaltung mit Fenstern, Gesimsen und Haube entspricht etwa dem jetzigen Zustand, während im übrigen auffallende 6) Dazu Paeseler, Die Nürnberger Chörlein, Seite 116 ff. und 134 ff.; Mulzer, Nürnberger Erker und Chörlein, Seite 208 ff. 7) Obere Wörthstraße 18; auch Untere Grasersgasse 18 und Pellerhof. Abbildungen: Mulzer, Nürnberger Erker und Chörlein, Bild 62, 63 und 64. 8) Vgl. Paeseler, Die Nürnberger Chörlein, Seite 116 ff. #) Fotosammlung Nagel: Albrecht-Dürer-Platz 10, Burgstraße 3, Josephsplatz 5, 8 und 22, Kaiserstraße 29, Karlstraße 14, Tucherstraße 20, Weinmarkt 7, Winklerstraße 3. Gerlach, Nürnberger Erker, Giebel und Höfe: Karolinenstraße 18. 10) Vgl. besonders Albrecht-Dürer-Platz 10 (Nagel 7847) und Weinmarkt 7 (Nagel 7656). “) Vlla 8.

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Schlichtheit herrscht: Die Säulen fehlen, die Brüstung ist gefeldert, und der Raum über den Fenstern bleibt (wie bei mehreren Chörlein dieser Zeit) leer. Freilich kann eine solche Darstellung auch auf den schmuckfeindlichen Rat berechnet gewesen sein und braucht das endgültige Aussehen noch nicht in jeder Einzelheit vorweg zu nehmen 12). Kann es sich bei diesem Chörlein um das heutige Bauwerk handeln? Wie ein Vergleich der Bilder 2 und 3 zeigt, ist die Ähnlichkeit der Grundform bestechend. Bedenkt man die relative Seltenheit solcher Chörlein, so wäre es schon ein großer Zufall, wenn ein willkürlicher Ausbau des 19. Jahrhunderts einen so ähnlichen Vorgänger gehabt hätte. Noch unwahrscheinlicher wird dies durch den gleichseitigen Grundriß, der, wie schon gesagt, im 17. Jahr­ hundert eine große Ausnahme bildet. Die Identität der beiden Chörlein wird hierdurch fast schon zur Gewißheit. Schlüssig zu beweisen wäre sie allerdings nur, wenn es gelingt, auch durch Abbildungen eine Kontinuität zu belegen. Die früheste bildliche Darstellung findet sich auf einem Bönerschen Kup­ ferstich des „Gulden Reichs Adler am Roßmarckh“ ■(= Adlerstraße 15) von etwa 1700. Das Chörlein zeigt deutlich noch die gleichseitige, polygonal aus­ kragende Form der Erbauungszeit. Die Brüstung ist nach wie vor schmucklos, der Untersatz mehrfach abgetreppt, und eine Kuppel von geradezu Bönerscher Steifheit bekrönt das Bauwerk. — Trotz solcher künstlerischer Mängel ist das Blatt ergiebiger als die beiden bekannten Delsenbachschen Stiche des Roß­ markts von 1714 und etwa 1742 13), die in der Behandlung der Details recht grob bleiben14). Immerhin läßt das Chörlein Adlerstraße 19 auch hier einen abgetreppten Fuß und eine welsche Haube erkennen und unterscheidet sich dadurch von anderen Ausbauten, die, besonders auf dem jüngeren Stich, fast alle Konsolenfuß und Rundgiebel besitzen. Die Sonderform von 1609/10 schimmert also selbst bei einer so oberflächlichen Darstellung noch deutlich genug durch, Knapp hundert Jahre später liegt eine Zeichnung der Adlerstraße von Georg Christoph Wilder vor15); nachdem sie einer 1839/42 erschienenen Lithographie als Grundlage gedient hat, dürfte sie kurze Zeit vorher entstan­ den sein 16). Auch hier taucht das Chörlein deutlich mit einer Haube und einem 12) Paeseler weist Abweichungen zwischen Plan und Ausführung in diesem Sinne mehrfach nach: A. a. O., Seite 97, auch Seite 27. w) Der zweite Stich zeigt den (1742 bezogenen) Neubau des Ebracher Hofes und wurde wohl wegen dieser wichtigen Änderung des Straßenbildes angefertigt. Er unterscheidet sich aber auch in weiteren Einzelheiten, u. a. in Zahl und Art der Chörlein, von dem Vorgänger und ist im ganzen genauer ausgeführt. 14) Man beachte etwa das völlige Mißverstehen des benachbarten Hauses Adlerstraße 25, dessen einzigartiger dreistöckiger Kastenchor, der oben in einen mächtigen Dacherker auslief, kaum wiederzuerkennen ist. 15) Germanisches Nationalmuseum, Kupferstichkabinett: Norica 439, Kapsel 1069. 16) Ansichten von Nürnberg und seinen Umgebungen. Im Verlag der lithographischen Anstalt von Friedrich Scharrer zu Nürnberg. 1. Heft 1839; [2. Heft 1842]. — Fast sämtliche Bilder dieser Sammlung wiederholen vergröbert Zeichnungen Wilders. Diese müssen also, auch wenn der Name nicht genannt wird, die Vorlage gebildet haben; ihre Datierung „um 1845" durch das Germanische Nationalmuseum ist daher zu berichtigen.

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(vw

Bild 1: Der ursprüngliche Entwurf zu dem Chörlein Adlerstraße 19; wegen der Ausladung von 2 Sdiuh (= 60 cm) vom Rat am 18. Oktober 1609 abgelehnt. Das Haus Adlerstraße 19 hat sich bis heute kaum verändert; das Nachbargebäude rechts zeigt den Zustand vor dem Fassadenumbau des 18. Jahrhunderts. (Foto: Stadtarchiv)

Das Chörlein Adlerstraße 19 in drei Jahrhunderten

Bild 2:

Genehmigter Entwurf, 1609 (Foto: Stadtarchiv)

Bild 2a: Böner, um 1700 (Foto: Stadtbibliothek)

Bild 2b: Wilder, um 1840 (Foto: Germanisches Nationalmuseum)

Bild 2c: Schmidt, 1876/78 (Foto: Hochbauamt)

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Bild 3:

Das Chörlein Adlerstraße 19, heutiger Zustand (Foto: Sammlung Mulzer)

Bild 4: Die Häusergruppe Adlerstraße 19 und 21 heute. Der Unterschied zwischen dem flach der Wand angeschmiegten älteren Chörlein links und der fast 150 Jahre jüngeren Rokokoform rechts, die auf amtliche Vorschriften kaum noch Rücksicht zu nehmen brauchte, wird hier sehr deutlich sichtbar. Die Ausladung beträgt links 1 Schuh 3 Zoll (= 37 cm), rechts 2 Schuh 5 Zoll (= 73 cm). (Foto: Sammlung Mulzer)

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konsolenlosen (allerdings mehrfach abgetreppten) Fuß auf; es unterscheidet sich darin jetzt von sämtlichen anderen abgebildeten Chörlein. Berücksichtigt man den Blickwinkel, so ist auch das schräge Vortreten der Seitenwände aus­ zumachen. Die Fenster des Chörleins sind hoch und schmal; sie besitzen, wie heute, lediglich eine Quersprosse. Zwischen Fenster und Haube bleibt ein schmuckloser Wandstreifen frei. Die Brüstung ist mit mehreren senkrechten Strichen ausgefüllt; es könnte sich dahinter ebenso ein dunkles Rechteck wie auch eine nischenartige Verzierung verbergen. Zwar sind auch kleinere Ab­ weichungen gegen den heutigen und früheren Zustand festzustellen (so setzen die Fenster erst etwas oberhalb des Brustgesimses an, und Haube und Fuß laufen jeweils in eine größere Kugel oder Traube aus), aber im ganzen ist kein Zweifel möglich, daß 1840 das ursprüngliche Chörlein von 1609/10 noch vor­ handen war. Die erste fotografische Abbildung des Chörleins findet sich auf einer Auf­ nahme der Adlerstraße von Ferdinand Schmidt17). Nachdem das Haus Nr. 19 hier noch seine ursprüngliche schöne Sandsteinfassade mit profilierten Fenstern zeigt, die 1888 bei einem Umbau verputzt und mit renaissancierenden Orna­ menten versehen wurde 18), muß die Aufnahme also vor diesem Zeitpunkt erfolgt sein. Eine Untersuchung der Firmenschilder an Nachbarhäusern schiebt diese Grenze noch bis 1878 zurück18®). Andererseits ist das Kriegerdenkmal von 1876 schon vorhanden und liefert den termimus post quem. — Das Chör­ lein Adlerstraße 19 ist auf dieser Fotografie sehr deutlich zu erkennen, und zwar zeigt es in allen Einzelheiten den Zustand, den es heute noch aufweist. Lediglich eine geschmiedete, leicht vorgeneigte Blume an der Haubenspitze ist inzwischen verschwunden. Zwischen den Jahren 1876/78 und 1839/42, in denen mit Sicherheit schon das heutige bzw. noch das alte Chörlein vorhanden war, klafft nun allerdings eine Lücke. Sie umfaßt gerade Jahre, in denen eine Veränderung sehr wohl mög­ lich gewesen wäre — wenn auch schwerlich in dieser ungewöhnlichen Form1#). Besonders mißlich ist es außerdem, daß auf dem einzigen auffindbaren Doku­ ment aus dieser Zeitspanne, einem Plan von 1856, das Chörlein nickt einge­ zeichnet ist *°). Freilich handelt es sich dabei nur um einen sehr einfachen Ab17) Hochbauamt, Bildstelle. Abgedruckt bei: Justus Bier, Das alte Nürnberg in Anlage und Aufbau; Bild 71. 18) Städtische Bauamtsregistratur, Akt Adlerstraße 19, 1888. — Das Chörlein ist auf dem Plan schwarz ( = bestehend, im Gegensatz zu den rot ausgezogenen Veränderungen) eingezeichnet. Es weist allerdings andere Ornamente auf, die entweder dem zeitgenös­ sischen Wunschdenken des Architekten entsprungen sind oder eine später geplante Mo­ dernisierung im gotisch-renaissanceartigen Mischstil dieser Jahre vorwegnehmen sollten. Das ältere Foto Schmidts macht diese Abweichungen jedoch bedeutungslos. 18a) Am Haus Adlerstraße 28 ist (mit Lupe) die Aufschrift „ .. nk & Wechsel-" „ .. ebrüder Sc ..“ hinter dem Kriegerdenkmal zu erkennen. Laut Adreßbuch von 1876 besaß und bewohnte damals ein Banquier Jacob Schmidt das Haus, der nach dem Einwohnerregister 277 des Stadtarchivs am 15. 6. 1878 „heimlich von hier fort" ging. — Die „Bayerische Notenbank München", die anschließend in das Gebäude einzog, hatte vorher ihr Ge­ schäftslokal im Haus Adlerstraße 21 (vgl. die Adreßbücher von 1876 und 1880 ff. mit dem Wohnungswechsel der beiden Bankangestellten Ith und Keindl/). Tatsächlich läßt sich auf der Fotografie dort noch ein Schild „Bayerische Notenbank-Filiale" entziffern. 27

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riß der beiden untersten Stockwerke, der die Veränderung zweier Erdgeschoß­ öffnungen verdeutlichen soll und der auch die vier Fenster des Oberstocks als schlichte Rechtecke abbildet21). Eine solche Skizze, bei der es auf das Chörlein überhaupt nicht ankam, besagt wenig, aber sie mahnt doch zur Vorsicht, und es wäre beruhigend, wenn eine weitere zeitgenössische Abbildung den letzten Rest von Unsicherheit über diese Jahre beseitigen könnte. Doch eine solche Quelle ist rotz vieler Mühe nicht zu finden, obwohl die Adlerstraße damals zu den repräsentativsten Gegenden der Stadt zählte. So läßt sich also durch die Betrachtung von Abbildungen zwar beweisen, daß das jetzige Chörlein kein „ganz junges Machwerk" ist und daß das alte Chörlein von 1609/10 jahrhundertelang an dem Haus hing, es läßt sich also die Wahrscheinlichkeit einer Identität weiter erheblich steigern — aber ganz zur Deckung kommen die beiden Ausgangspunkte auf diesem Weg leider doch nicht. Es bleibt jetzt nur noch die Hoffnung, durch eine Untersuchung des Bau­ bestands neue Erkenntnisse zu gewinnen. Die Ausmessung des Chörleins ergibt ein Vorkragen von 37 cm von der Hauswand bis zu den vorderen Ecksäulen. Das entspricht haarscharf den 1 Schuh 3 Zoll, die in der endgültigen Genehmigung von 1610 genannt werden. Zwar stehen die Gesimse, vor allem am Dach, noch etwas weiter über; aber der vorläufige Bauplan von 1609 (Bild 2) zeigt, daß die Ausladung damals offenbar nur auf den Körper der Chörlein bezogen wurde. Das zweite dort eingezeichnete Maß, die lichte Weite, stimmt nicht so gut mit den jetzigen Verhältnissen überein: Statt 4 Schuh 4 Zoll (= 130 cm) mißt man heute 142 cm. Allerdings war diese Größe nicht reglementiert und für die Geneh­ migung ohne Belang; sie konnte jederzeit bis zum Baubeginn noch verändert werden. Das Material für das Chörlein erweist sich eindeutig als Stein, jedoch mit einer bemerkenswerten Ausnahme: Die beiden vorderen Ecksäulen sind höl­ zern. Eine derartige Materialmischung läßt sich zwar gerade bei Chörlein des frühen 17. Jahrhunderts mehrfach nachweisen22); aber in dem vorliegenden Fall wirken die Formen so frisch, daß man ihnen dieses Alter nicht zutraut. Zu beachten ist, daß diese vorderen Ecksäulen genau den (steinernen) Säulen am Wandansatz entsprechen. Die anderen nicht recht glaubhaften Ornamente an der Brüstung und am Fenstersturz erweisen sich ebenfalls als massiv. Nähere Untersuchungen verhindert die dicke braune Ölfabe, die das ganze Chörlein überzieht. Wo sie abblättert, kommt hellfarbiger Sandstein ans Tageslicht. 19 Nachbildungen von Chörlein dieser Art, meist in recht grober Manier, erfolgen erst gegen Ende des Jahrhunderts. Noch heute sind erhalten: Vordere Ledergasse 8 (Holz, 1889); Innere Läufer Gasse 31 (1892), Königstraße 80 (1895), Luitpoldstraße 9 (1899), Theater­ gasse 14. *°) Stadtarchiv, Plansammlung; Magistratspläne 1855/56 Nr. 72. 21) Das Fenster, an dem sich das Chörlein befinden müßte, ist etwas verbreitert. **) Paeseler, Die Nürnberger Chörlein, Seite 117.

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Zusammenfassend lassen sich nun die folgenden Thesen aufstellen: 1) Das Chörlein Adlerstraße 19 geht im Kern auf eine 1610 entstandene Ausladung zurück. 2) Es hat zwischen 1842 und 1876/78 Veränderungen erfahren. Dazu ge­ hören: Aus stilistischen Gründen die Brüstungsnischen und vermutlich der Kleeblattbogenfries; aus technischen Gründen wahrscheinlich auch die Fenstersäulen. Die Ornamentik des Unterbaus ist eine Variation älterer, vielleicht unkenntlich gewordener Formen. Alle diese Änderungen könnten sowohl von einer Überarbeitung des Chörleins wie auch von einer weitgehenden Aus­ wechslung herrühren22a). 3) Ein willkürliches Werk des 19. Jahrhunderts kann das Chörlein dage­ gen nicht sein, da die Übereinstimmung in Gesamtform, Grundriß und Maßen eine zufällige Ähnlichkeit mit dem Chörlein von 1610 ausschließt. Zur Klärung des Punktes 2) ist es noch nötig, a) nach unbekannten, vielleicht in privater Hand befindlichen Bildquellen der Adlerstraße zwischen 1842 und 1878 zu suchen; b) in einer denkmalpflegerisch einwandfreien Renovierung das Chörlein von der Ölfarbe zu befreien und den Baubefund festzustellen. Dabei sollten erkennbare Bauteile des 19. Jahrhunderts entfernt oder (bei einer stärkeren Auswechselung im 19. Jahrhundert) die Formen des Chörleins nach dem Plan von 1609 vereinfacht werden. Gelänge es außerdem noch, mit öffentlichen Mitteln die ganze Sandstein­ front des Hauses Adlerstraße 19 freizulegen, so ließe sich zusammen mit der Rokokofassade Adlerstraße 21 eine prachtvolle Baugruppe aus Gotik und Rokoko, mit ganz verschiedenartigen Chörlein und Erkern, wiedergewinnen, in deren Spannungsfeld das neuentdeckte kleine Kunstdenkmal dann seine volle Wirkung entfalten könnte. Anschließend sollen nun noch die schriftlichen Nachweise über den Bau dieses Chörleins betrachtet werden, um auch hier jede Kontrollmöglichkeit auszuschöpfen. Nachdem in der Literatur solche Quellen bisher nur auszugs­ weise veröffentlicht worden sind, ist es vielleicht von Interesse, bei dieser Gelegenheit einmal den Gang eines Genehmigungsverfahrens vollständig wie­ derzugeben und damit über die Arbeitsweise der städtischen Baubehörden vor 350 Jahren ein genaueres Bild zu gewinnen. Der schmale Akt von 1609/10, „Stephan Deckers begerte ausladung . . . betreffend" 23), bietet überdies ein recht gutes Beispiel solcher Amtshandlungen, das in vieler Hinsicht als typisch für das frühe 17. Jahrhundert gelten kann. Zwar sind die einzelnen Blätter dieses Aktes zum Teil undatiert und heute willkürlich durchnumeriert, aber durch kritischen Vergleich läßt sich ihre ursprüngliche Reihenfolge leicht wiederherstellen. 22a) Äußerstenfalls wäre auch eine Neuanfertigung, dann aber als bewußte Wiederholung des früheren Zustandes, denkbar. 23) Stadtarchiv, Reichsstädtisches Bauamt, Vlla 8. 2:

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Den Anfang bildet offensichtlich ein Antrag (ohne Datum), den der Bür­ ger Stefan Decker mit folgenden Worten an den Rat richtet24): „Demnach ich bedacht, eine neue ausladung von steinwerk in das mitel meiner behaußung am alten Roßmarkt in den andern gaden, uf 2 schuch herauß (aller maßen und gestalt hiebey ligende vießirung zu erkennen gibt) aufzusetzen und zu erbawen. Weiln aber solche erbawung ohne E. E. und H. bewilligung mir füerzunemmen nicht gebüeren will, alls gelangt an E. E. und H. mein underthenig gesinnen und bitten, die geruhen mir die günstige erlaubnus und bewilligung zu thun, das ich obberürtes gebew (dieweiln keinem nachbam oder anstößer meiner behaussung, sie auch uf beschehen ansprechen wol zufriden und jedermeniglich ohne schaden, nichts benommen) möge vollfüehren.“ Darunter haben die Anlieger eigenhändig ihre Zustimmung bestätigt: „Ich Michel Mül­ ler beken wie obstet**“, „Ich Hannß Göeßwein beken wie obstett“, „Ich Christoff Schwägler bekenne auch wie obstehet“. Eine Schwierigkeit bietet die „vießirung“, da der Akt zwei Zeichnungen mit grundverschiedenen Chörlein enthält. Nachdem jedoch die eine von ihnen ausdrücklich ein Vorkragen von 1 Schuh angibt, während der Antrag 2 Schuh verlangt, muß es sich um die andere Zeichnung handeln25) (Bild 1). Sie zeigt ein Chörlein üblicher Art mit rechteckigem Querschnitt, dessen schwere Deko­ ration — korinthisierende Säulen, Sprenggiebel und Omamentkartusche — schon frühbarocke Züge trägt. Die Aufschrift des Blattes lautet: „Abriß Steffan Deckhers begerten ausladung an seiner behaußung am Roßmarkt betref­ fend Der Antrag löst nun den üblichen Geschäftsgang aus. Am 30. August 1609 befiehlt der Rat dem Bauamt, nachdem er den Inhalt des Antrags und die nachbarliche Zustimmung umständlich wiederholt hat, „den augenschein ein­ zunehmen und dise und andere nachbam zu hören, ob es ihnen unnachtheilig, und den bericht widerzubringen“ 2Ä). Knapp drei Wochen später liegt das Ergebnis vor27). Unter bezug auf Deckers Antrag und den Ratsverlaß heißt es, es sei „befohlen worden, die benachbarten anderseits auch zu hören. Solchem zuvolge ist heute dato, den 16. October, der erbar und fümeme Mang Dillherr, anderen tages hernach, alß den 17. dito, der erbar Paulus Vogel erfordert worden. Die haben mir in persohn angezaiget, daz sie kein einredt wieder diesen erker haben kündten; allein wann sie dergleichen von eim E. Raht begem würdten, daz er ingleichen mit ihnen auch zufrieden sein wolt, deßwegen mich gebetten, solches ad notam zu nemen.“ Dieser Vorgang ist bezeichnend: Einmal zeigt er die weite Ausdehnung des nachbarlichen Einspruchsrechts, das nun im ganzen schon fünf Häuser umfaßt, zum andern läßt er die Zustimmung auf Gegenseitigkeit er24) Ebd. Prod. 1. — Die Schreibung aller Quellenzitate wurde vereinfacht nach den „Richt­ linien für die äußere Textgestaltung bei Herausgabe von Quellen zur neueren deutschen Geschichte“ (in: Blätter für deutsche Landesgesdiichte, 98. Jg. 1962). **) Ebd. Prod. 11. **) Ebd. Prod. 12. *7) Ebd. Prod. 8.

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kennen, die damals häufig vorkommt und die Ausbreitung der Chörlein sehr begünstigt. Ein Nachsatz drückt das noch deutlicher aus: „Diß hat Steffan Decker nicht allein für bekand angenommen, sond[em] obgedachten nachr barn ... auch zu willfahren versprochen." Am Schluß trägt das Blatt den Namen „Wolf Jacob Stromer Baumeister"; der höchste Beamte des städtischen Bauwesens scheint also die Verhandlungen über so wichtige Dinge, wie es die Chörlein damals waren, in eigener Person geführt zu haben. Bereits einen Tag später, am 18. Oktober 1609, entscheidet der Rat das Gesuch: „Steffan Deckher soll man erlauben, an seiner behausung gebetener­ maßen einen erker, doch allein eines schuch weit heraus in tag zue stellen, weiln es seine nachbarn leiden mögen." 28). In der starken Einschränkung, die Decker hier auf erlegt wird, zeigen sich die Folgen einer unmittelbar vorher erlassenen Ordnung des Rats, die das Ausladen der Chörlein grundsätzlich auf einen Schuh beschränkte. Zusammen mit den noch schärferen Vorschriften von 1613 und 1614 stellte sie einen Höhepunkt im Kampf des Rats gegen die Chörlein dar Wie üblich gibt sich Decker mit dieser Antwort nicht zufrieden. Der Rat erhält zunächst einen devoten Bittbrief: „Mir ist vor wenig tagen durch den ... ehrnvesten, fürsichtigen und weißen herm Wolff Jacob Stromern angezeigt worden, das E. E. und H. mir uf mein unterthenig anlangen groß­ günstig verwilliget, das ich den daselbst begerten chor für mein fenster machen, aber damit weiter nit dan eines stadtschuchs weit hinaus gegen der gassen fahren solte, welches gegen E. E. und H. mich underthenig bedanken thue. Weil aber solcher chor ... sehr eng sein würde, so will ich mich zu E. E. und H. großgünstig getrosten, auch underthenigst ersuchen und gebetten haben, sie wollen mir noch den übrigen begerten schuch, wo nit gar, jedoch zum we­ nigsten den halben, großgünstig zulassen und gestatten. Das bin ich umb E. E. und H. underthenig zu beschulden beraithwillig, und thue mich denselben zu gunsten und gewürigen beschaidt in underthenigkeit befehlent." 80) Spät und barsch, erst in einem Ratsverlaß vom 1. Dezember 1609, erfolgt die Antwort der Obrigkeit: „Steffan Decker aber sein begem, das er seinen erker anderthalben schuch tief machen möge, abschlagen, und es bey voriger vergunst bleiben laßen." 81 Damit war das Chörlein, wie es Decker vorgeschwebt hatte, unmöglich geworden. Aber der Wunsch nach einem Ausbau ließ sich dadurch nicht ein­ dämmen — bei Decker ebensowenig wie bei zahllosen anderen Nürnberger Bürgern. Die zweite Zeichnung (Bild 2), die dem Akt beiliegt82), läßt sich nur als eine notgedrungene Rücksichtnahme auf die Baupolizei deuten. Sie zeigt ein flach ausladendes Chörlein mit schrägen Seitenwänden; ein Querschnitt gibt ausdrücklich das Vorkragen mit „1 schuch" an. Die meisten übrigen 28) 20) 80) 31) 32)

Ebd. Prod. 3. Dazu im einzelnen: Mulzer, Nürnberger Erker und Chörlein, Seite 178 f., 182 f. Vlla 8, Prod. 10. Ebd. Prod. 13. Ebd. Prod. 2.

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Änderungen ergeben sich von selbst aus dieser neuen Grundform; so die ge­ schwungene Metallhaube statt des Giebels, der über dem polygonalen Grund­ riß nicht mehr möglich ist. Da der Rat in seinen Vorschriften auch Verzierun­ gen und Schnitzwerk streng untersagt hatte, ist das Äußere des neuen Chörleins völlig schmucklos gehalten. Die Aufschrift der Zeichnung lautet; „Abriß und bericht Steffan Deckers erkergebew betreffend. Actum 18. October 1609." Das Datum bezieht sich offenbar auf den grundsätzlichen Ratsverlaß zu diesem Vorgang; in Wirklich­ keit aber gibt die Zeichnung die spätere Entwicklung wieder, wie auch der umseitig geschriebene „bericht" beweist: „Den 10. Marty ao. 1610 hat Steffan Deckher, hendler, über den von einem E. Rhat vergünstigten erker bei herrn Hanns Nützel angehalten und gebetten, ime noch 3 zol weiter darmit herauszuefahren zu vergunnen, daz aber gedachter herr Nützel ohne vorwissen herrn Christoff Tuchers und herrn bawmeisters nicht bewilligen wollen. Alls ist uf anbringung dessen bevohlen, die nachbam darinnen zue hören, weiln aber die Franckfurter meeß vorhanden gewesen und man mit solcher verhör nicht aufkommen können, ist berürter Deckher mit ernanntem erkergebew, jedoch uff zuelassung herrn Hanns Nützels, fortgefahren und denselben aufgericht, sonderlich weiln er von steinwerk erbawt und diß orts nichts zu bedeuten habe; welches ich, Wolf Jacob Stromer Bawm[eister], hiehero verzeichnet, damit inkünftig, so sich deßwegen stritt ereignen wolten, ich hieran nicht schuldig." Soll man es für möglich halten? Man erinnere sich: Einen Schuh hat der Rat von dem ursprünglichen Vorhaben abgestrichen; die Hälfte davon nach­ zubewilligen, ist schroff abgelehnt worden; aber einen Viertelschuh über das vorgeschriebene Maß hinaus setzt jetzt der Bürger mit List und Tücke doch noch durch. Geradezu gerissen geht er dabei vor: Er wählt die Zeit, in der alles verreist ist; die Genehmigung wird von einem nicht zuständigen Rats­ herrn erteilt33), und mit dem Bau ist bereits begonnen worden, um rasch vollendete Tatsachen zu schaffen. Der Stadtbaumeister muß das alles schlucken und steht am Ende direkt mitleiderregend da — und das in einer Zeit, in der man sich gerade erst entschlossen hatte, gegen die Chörlein erbarmungslos vorzugehen und sie durch strengste Vorschriften zurückzudrängen! Wichtiger aber als diese Feststellung — und wohl überhaupt das wichtigste Ergebnis der Untersuchung — ist etwas anderes: Erstmals läßt sich an dieser Baugeschichte belegen, daß ein übliches Nürnberger Chörlein mit rechteckigem Grundriß sich einzig und allein wegen der einengenden Vorschriften des Rats in ein polygonal vortretendes Gebilde verwandelt. Bisher hat man diese neue Art von Ausbauten, die in der langen Reihe Nürnberger Chörlein eine knapp hundertjährige Episode bilden, auf andere Weise erklärt. Man sah darin ein verändertes Formgefühl, das mit dem Einfügen in die Fassade die gotische M) Hans Nützel und Christoph Tücher gehörten beide zu den sieben Älteren Herren; Tücher war außerdem noch Bauherr. Die interessante Frage, ob es sich bei der Genehmigung durch Nützel um eine Kompetenzüberschreitung oder um ein Beispiel einer geordneten Vertretung handelt, ist nicht zu klären.

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Eckigkeit durch eine geschmeidige Plastizität frühbarocker Art ablöst. Solche Anschauungen sind nicht falsch; immerhin ist ja schon um 1590, also lange vor den einschränkenden Gesetzen, an dem in vieler Hinsicht zukunftweisen­ den Toplerhaus das erste dieser Chörlein entstanden, und auch Jakob Wolff d. Ä. errichtete 1605 im Peilerhof, wo ihm niemand etwas hätte dreinreden können, zwei ähnliche polygonale Vorbauten. Andererseits aber läßt es sich nicht leugnen, daß diese „moderne", überlokale Barockform durch die Maß­ nahmen des Rats unbewußt stark unterstützt, ja beinahe erzwungen worden ist. Die Häufigkeit der dreiseitig vortretenden Chörlein im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts, also gerade in einer Zeit der stärksten Reglementierung aller Ausbauten, ist sicher kein Zufall, und sie sollte wieder einmal dazu ermahnen, bei stilistischen Entwicklungen nicht nur nach geistesgeschichtlichen Gründen und künstlerischen Vorbildern zu suchen, sondern auch die juristischen Ge­ gebenheiten zu beachten. Eine Stadtverwaltung kann tiefer in die Kunstge­ schichte eingreifen, als man glaubt; wenn auch im 17. Jahrhundert, anders als im 20., die unbotmäßige Bevölkerung die alten Verhältnisse bald wieder hergestellt hatte. Faßt man zusammen, so ergibt sich, daß die anfangs so unlohnend er­ scheinende Beschäftigung mit dem weder beachteten noch geschätzten Chör­ lein Adlerstraße 19 nicht nur mit hoher Wahrscheinlichkeit ein altes Bau­ denkmal wiederentdeckt, sondern auch eine neue Sicht auf die Entwicklung dieser Bauform erbracht hat. Am befriedigendsten aber ist vielleicht das Be­ wußtsein, hier wieder einmal Geschichte am lebenden Objekt erfahren zu haben — und das Wissen, daß in unserer Stadt trotz Bomben und Stadtplanung immer noch an unzähligen Stellen die Kontinuität vom archivalischen Doku­ ment bis zur sichtbaren Wirklichkeit besteht und nur darauf wartet, nachge­ tastet und aufgehellt zu werden.

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AUS DER GESCHICHTE DES NÜRNBERGER SPIELZEUGS*) Von Werner Schultheiß Wenn bereits 5 Jahre nach dem totalen Zusammenbruch von 1945 hier eine Spielwarenfachmesse errichtet werden konnte, so vermochte dieser geniale Gedanke von Emst Theodor Hom-Nümberg, nur dank günstiger Umstände verwirklicht werden. Nürnberg war nämlich imstande, infolge des allgemein für Deutschland einsetzenden Konjunkturaufschwungs die in der Tradition als Spielzeugstadt schlummernden Kräfte wiederzubeleben und voll zu ent­ wickeln. Nordbayerns Wirtschaftsmetropole hatte bekanntlich vor dem 2. Welt­ krieg auch eine internationale Stellung in Produktion und Handel von Spiel­ zeug erworben. Diese Position hatte sie in etwa 120 Jahren harter, aber fried­ licher Arbeit erreicht. Im Zuge der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts war der Spielzeugmacher zum Fabrikanten geworden. Neben den früheren Verleger der Heimarbeiter und den bisherigen Groß- und Exporthändler trat nun der Fabrikant mit Eigenvertrieb. Dieser ökonomisch-organisatorische Fortschritt konnte im vergangenen Säkulum nur deswegen erzielt werden, weil sich während des Liberalismus im *) Der vorliegende Aufsatz wurde mit ausgewählten 12 Lichtbildern vor dem „Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg" am 15. Februar 1966 auf Wunsch des Herrn Schul- und Kulturreferenten berufsmäßigen Stadtrats Dr. Hermann Glaser vorgetragen, nachdem dieser „Idee und Gestalt des Spielzeugmuseums der Stadt Nürnberg" ebenfalls an Hand von Licht­ bildern erläutert und vor allem das Projekt des Umbaus des Hauses Karlstraße 13 für diesen Zweck gezeigt hatte. Anschließend schilderte Frl. Dr. Lydia Bayer mit Lichtbildern von Puppen und Puppenstuben ihrer Sammlung die „Bunte Welt des Spielzeugs" anheimelnd. Mit diesem Abend beabsichtigte der Verein seine Mitglieder und die erschienenen Gäste zu Leihgaben und Schenkungen von Spielzeug an das Spielzeugmuseum (Leiterin Dr. Lydia Bayer, vorläufig Städtische Kunstsammlungen Nürnberg, Lorenzerstraße 32) und zum Beitritt als Mitglied des „Förderervereins" anzuregen. Aus dem gleichen Grunde erfolgt der Vorab­ druck der obigen Skizze, damit die Leser und Tauschpartner der „Mitteilungen" auf dieses neue Kulturinstitut der Stadt hingewiesen werden. Eine wissenschaftliche Untersuchung über die „Geschichte des Nürnberger Spielzeugs" ist von Dipl.-Volkswirt Georg Wenzel, Nürnberg, für 1966/67 zu erwarten, die illustriert als Sonderveröffentlichung erscheinen soll. Mit Rücksicht auf diese umfassende Publikation, die die Arbeit des Spielzeugmuseums von dieser Seite her unterstützen soll, verzichtete der Verfasser, dem obigen Aufsatz ins einzelne gehende Quellenangaben beizugeben. Benutzt wurden vor allem die wichtigsten Dis­ sertationen und zusammenfassenden Werke wie: 1. Rosenhaupt, Karl: Die Nürnberg-Fürther Metallspielwarenindustrie in geschichtlicher und sozialpolitischer Beleuchtung. (Münchener volkswirtschaftliche Studien. 82.) Stuttgart und Berlin 1907. 2. Senst, Otto: Die Metallspielwarenindustrie und der Spielwarenhandel von Nürnberg und Fürth. Phil. Diss. Erlangen 1901. 3. Esteimam, Georg: Die Nürnberger Spielwarenherstellung von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs. Staatswiss. Diss. Frankfurt 1923. 4. Wilckens, Leonie von: Tageslauf im Puppenhaus. Bürgerliches Leben vor dreihundert Jahren, München 1956.

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Nürnberger Handwerker und Kaufmann wieder die technischen und unter­ nehmerischen Fähigkeiten und Überlieferungen aus der großen Vergangenheit der Reichsstadt frei und voll entfalten konnten. So baut letzten Endes die Gegenwart immer noch auf den Grundlagen auf, die die Bürgerschaft im Spät­ mittelalter geschaffen hat. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts hatte Nürnberg mit bewunderungswürdiger Energie dank der zentralen Lage in Mitteleuropa seinen Fernhandel mit den wichtigsten Wirtschaftslandschaften Europas, zwischen Polen und Spanien, zwischen Ostsee und Mittelmeer entwickelt. Seitdem wurde Nürnberg auch der Prototyp der Handwerkerstaldt und fand sogar frühe den Übergang zur vorindustriellen Produktion unter Verwendung deT Wasserkraft. Schon im 15. Jahrhundert hieß es „Nürnberger Hand (d. h. Handwerkserzeugnis) geht durch alle Land", erst im 17./18. Jahrhundert ver­ wendete man hier den Begriff „Tand" = Spielzeug. Welche Rolle das Spielzeug in der wirtschaftlichen und kulturellen Ent­ wicklung Nürnbergs inne gehabt hat, sei an Hand von ein paar Sätzen zu skizzieren versucht. Dies im einzelnen darzustellen (und den Aufstieg zur Stadt des Spielzeugs zu schildern), ist Aufgabe einer eigenen wissenschaftlichen Untersuchung. Wer nun erwartet, in den frühesten Urkunden und gar in den Nürnberger Handwerkerlisten von 1363 und 1370, den 1. Gewerbestatistiken Deutsch­ lands, ein eigenes zahlenmäßig starkes Handwerk der Spielzeugmacher erwähnt zu finden, wird vollkommen enttäuscht sein. Erst in der Steuerliste von 1400 treten in der Vorstadt am Wöhrdertor 2 Dockenmacher Hans und Otto auf. Wurde also tatsächlich hier noch kein Spielzeug produziert? Doch, aber das Fertigen von Docken, d. h. Puppen z. B. aus Holz konnte von jedem ausgeübt werden, ohne daß er einem organisierten Gewerbe angehören mußte. Im übri­ gen war im Spätmittelalter die Herstellung von Spielzeug verteilt auf die 5. Bayer, Lydia: Das europäische Puppenhaus von 1550—1800. Geschichte und Formen, ein Spiegelbild der gleichzeitigen Wohnkultur. Teildruck. Phil. Diss. Würzburg 1962. 6. Ein Fund von Thonfiguren aus dem 14. Jahrhundert. (Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1859, S. 210 ff.) Dort ist der Fundort nicht angegeben. Auch die Stadtchronik

Nürnbergs (Stadtarchiv) verzeichnet dieses Ereignis nicht, ebenso wie der seinerzeitige Katalogeintrag des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. Frl. Oberkonservator Dr. Leonie von Wildcens glaubt, daß sie irgendwo einmal als Fundplatz den Hauptmarkt an­ gegeben gefunden habe. Herangezogen wurden ebenso die wichtigsten archivischen Quellen des Bayeri­ schen Staatsarchivs Nürnberg, des Stadtarchivs und des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. — Der Cod. germ. Mon. 4032 der Staatsbibliothek München wurde als Augsburger Provenienz festgestellt und vorläufig für diese Untersuchung ausgeschieden, da die von Rosen­ haupt zitierte Stelle nicht gefunden werden konnte und da wahrscheinlich ein Lesefehler „docken" für „decken" vorliegt. — Die undatierte Handwerksordnung der Nürnberger Papier­ dockenmacher (Stadtarchiv, Sammlung der Nürnberger Handwerksordnungen von 1629 ff. Rugamt 234, Bd. 3, Bl. 891—892 und Abschrift des 18. Jahrhunderts, Rugamt Nr. 160) ist meines Erachtens kurz vor 1713 entstanden, da der 1. Eintrag in den Meisterlisten des Rugamts 1699 ff. (Stadtarchiv, Rugamt Nr. 1, Bl. 25) am 20. Juni 1713 erfolgt ist. In den Ämterbüchern von 13 57/13 58 und in den Losungslisten von 1392/1396 sind noch keine Dockenmacher enthalten wie in den Handwerksmeisterlisten von 1363/1370 (BStA. Nürnberg).

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einzelnen, scharf abgegrenzten Berufe. Jedes Handwerk fertigte innerhalb des ihm zugewiesenen Arbeitsbereichs nebenbei „Kinderwerk" an. Dies wissen wir genau z. B. von den Hafnern aus ihrer 1. Ordnung von 1535. Das Germa­ nische Nationalmuseum besitzt allerdings ältere gegenständliche Quellen als die genannten Urkunden. Dank einem glücklichen Bodenfunde aus Nürnberg von 1859 birgt es etwa 100 kleine Tonfiguren, die aus der Zeit von 13 50 bis 1400 stammen. Es sind Frauen im Kostüm jener Epoche, Wickelkinder, nackte Männlein, gepanzerte Reiter, Heiligenfiguren, Töpfe, Kannen, Schüsseln zu Tage gefördert. Manche Menschenkörper haben auf der Brust eine runde Ver­ tiefung, um den Patenpfennig aufzunehmen. Es handelt sich um Kinderspiel­ zeug aus gebranntem Ton, d. h. um Massenproduktion eines hiesigen Hafner­ meisters. Da sich solche Figuren aus weißem Nürnberger Ton nach Dr. Raschke auch z. B. in Eichstätt gefunden haben, liegt auch bei dieser nebensächlich erscheinenden Berufsart bereits früher Export zunächst einmal in die nähere Umgebung der Stadt vor. Die bekannten Sammlungen der Handwerksord­ nungen von 153 5 und 1629 samt ihren Nachträgen erwähnen nur dann Spielzeug, wenn sich zwei Berufe um die alleinige Herstellung irgendeines Gegenstandes streiten. In erster Linie sind es die Holz-, Metall- und Elfen­ beindrechsler, die Flaschner, Messinggießer, Schellenmacher, Gürtler, Schrei­ ner, Geschmeidmacher, Zinngießer, außerdem noch Spielkarten- oder Brief­ maler und Buchdrucker, später die Alabasterer und Wachsposserer. Wer die deutschen Museen auf Spelzeuge überprüfen wird, wird vielleicht noch Spiel­ sachen aus dem 15. und 16. Jahrhundert finden können. Die alten Haushalts­ rechenbücher Nürnberger Patrizier erwähnen öfters verschiedenartiges Spiel­ zeug. Der Ratsherr Paulus I. Behaim schenkt seinen Kindern zu Weihnachten 1559 ein hölzernes Pferd, 1566 den Mädchen u. a. Docken, Spiegel und den Buben Schlitten, die er auf dem hiesigen Markt kaufen ließ. Wie ein Dockenschnitzer gearbeitet hat, zeigt uns ein Bild 1559 aus dem Landauer sehen Zwölfbrüderbuch. Der Lobspruch auf die Nürnberger Drechsler von 1589 nennt unter viel Krämerware „Ludel, Becher, Schlötterlein, Kindsstender, kleinen Hausrat", das die hiesigen Kaufleute in fremde Lande in großen Mengen ausführen. Damit besitzen wir den Nachweis, daß Nürnbergs Händler auch Spielzeug nach allen Richtungen exportieren und vermutlich nicht nur nach Italien, sonderen vor allem nach dem Osten verfrachten. Sogar kleine Spiegel und Glasketten wandern mit den Expeditionsflotten der Spanier und Welser nach Südamerika zu den Eingeborenen, wie Ulrich Schmiedel um 1535 berichtet. Damals durften die Nürnberger als Verleger auch erstmalig die Holzspielwaren des Thüringer Waldes, von Berchtesgaden und Oberammer­ gau geholt und die dortigen im Winter schnitzenden Heimarbeiter beschäftigt haben. Sie haben ihnen auf langfristige Verträge gegen vereinbarte Preise die ganze Produktion gegen Vorschüsse laufend abgenommen. Um 1540 erfindet der Schlosser Hans Ehemann das „Zankeisen", eine Art Vexierspiel, ursprünglich „Nürnberger Tand" genannt, ein Begriff, der sich dann auf Spielzeug im allgemeinen ausdehnte. Die Herstellung des Spielzeugs durch die Handwerke garantierte wegen der amtlichen Gewerbeschau höchste Güte der Waren. Eine Vorstellung von die426

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ser vermittelt uns das Stammbuch des Partiziers Hans Rieter von etwa 1570. Darin hat wohl Jost Ammann verschiedene Kinder mit zeitgenössischem Spiel­ zeug farbig abkonterfeit. Zu sehen sind einfache Windrädchen, Metallschlottem, aber auch ein reizendes Steckenpferd und ein prachtvolles Wiegenpferd. Das reiche Sortiment der Nürnberger Handwerker an Spielzeug zeigen vor allem die sogenannten Puppenhäuser, die besonders in Nürnberg um 1600 Mode werden. 1610 wird der Vorläufer des Christkindlesmarktes erwähnt, an dem aber ein Drechsler „schandbare gemalte Schnitzwerke" feilhält. Nach den Wirren des Schwedenjahres bildet sich ab 1639 förmlich der berühmt gewor­ dene Christmarkt, der von Anfang hauptsächlich Spielzeug, Lebkuchen, Ge­ nußmittel und Geschenkartikel anbietet. Der Dreißigjährige Krieg bringt eine Wendung, als sich Sonneberg und das Thüringer Produktionsgebiet von Nürnberg unabhängig machen. Außerdem beginnt jetzt der kunstfertige Mechaniker Spielautomaten her­ zustellen und Nürnbergs Ruf in dieser Hinsicht auszuweiten. Ein Goldschmied und der berühmte Hans Hautsch fertigen nach Angaben des französischen Festungsbaumeisters Vauban für den Dauphin aus silbernen Figuren eine kleine Armee, die förmliche Exerzierübungen demonstrieren kann. Christoph Weigel berichtet 1698 in seinem bekannten „Ständebuch" davon und singt ein Loblied auf die Nürnberger Spielzeugproduktion und ihre vielseitige Qua­ litätsarbeit. Die Erschwerung des Nürnberger Handels und die Autarkie und Zollpolitik der deutschen sowie europäischen Staaten zwingen Nürnberg im 18. Jahr­ hundert zur Herstellung und zum Vertrieb billiger Massenware. Die Papierdockenmacher, die offenbar vor 1700 nur zwölf an der Zahl sind, erhalten vom Rat um 1712 eine eigene Ordnung. Diese Satzung soll den Meistern die Existenz sichern und gleichzeitig die Qualitätsarbeit fördern. Eine Beschreibung der Nürnberger Handwerke des Rugamtschreibers Kohl bzw. Dr. Joh. Michael Filzhofers 1650/1719 bildet ihr inoffizielles Berufswappen ab und schildert ihre Arbeitsweise. 1734 werden in der Vorstadt Wöhrd und vor allem in der Landstadt etwa 40 Familien von Salzburger Emigranten angesiedelt, die billiges buntbemaltes

Holzspielzeug und Spanschachtein in Heimarbeit mit Frau und Kindern anfer­ tigen und eine neue Note in die hiesige Produktion bringen. Preislisten ihrer Waren von 1754 und 1785 berichten über die Vielfalt ihrer Waren. Außerdem beziehen die Nürnberger Manufakturwarenhändler nun aus Fürth, Schwabach, Berchtesgaden, Oberammergau, ja aus dem Ulmer Gebiet billiges Spielzeug. Sie exportieren dieses und die Erzeugnisse der hiesigen Drechsler und Metall­ gießer nach Spanien und England und deren Kolonien. Der Siebenjährige Krieg kreiert den Zinnsoldaten als Spielzeug. Fürth stellt die Massenware her, Nürn­ berg vertreibt sie. Der Nürnberger Johann Hilpert gießt im 18. Jahrhundert wahre Kunstwerke von Zinnfiguren, die Nürnbergs Entwicklung zur Stadt der Zinnfigur begründen. Die Aufklärung bringt nun eine neue Warengattung, nämlich das pädagogische Spielzeug, das Naturgesetze sinnfällig darstellen soll. 427

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Vorläufer des Bildkatalogs des modernen Großversandhauses stellen die illu­ strierten Musterbücher des Nürnberger Galanteriewarenhändlers Georg Hiero­ nymus Bestelmeyer von 1792 bis 1821 dar. Damit zeigt Nürnberg, daß es die wirtschaftlichen Auswirkungen der französischen Revolutionskriege erfolgreich mit neuen Methoden zu bekämpfen verstanden hat. Daher kann Goethe in einem Brief an Christiane vom 25. April 1813 beschreiben, wie er zu Dresden Kosaken Nürnberger Spielzeug, besonders Pferde und bespannte Wagen, be­ staunen sah. Als die Waffen 1815 schweigen, knüpfen die Nürnberger Manufaktur­ warenhändler mit neuer Energie die alten Exportbeziehungen an. Der bayeriche Staat fordert neuerdings die förmliche Konzessionierung der handwerk­ lichen und fabrikmäßigen Spielzeugproduktion. Aus den Gewerbekatastern können wir nun ersehen, daß sich nun ein eigener Beruf der Spielzeugmacher entwickelt, während daneben Holzdrechsler und Metallhandwerker weiterhin für ihre Branchen typisches Spielzeug hersteilen. In der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts vermochte Nürnberg, das führend im Stahlstich war, mit den billigen bunten Bilderbogen und wieder mit dem Bilderbuch etwas Neues auf den Markt zu bringen. Sie dienten der Unter­ haltung und Belehrung und eroberten sich eine weite Verbreitung. Wie Nürn­ berg vorbildlich im Spielzeugwesen war, zeigt das Beispiel, daß die 3-Zenti­ meter-Höhe der flachen Zinnfiguren der hiesigen Firma Heinrichsen eine Standardgröße für die Weltproduktion geworden ist. Die Einführung der Dampfmaschine und die Erfindung des Metalldrückens und -pressens erleichterten den Übergang vom Handwerksbetrieb zur Fabrik. So entwickelt sich gerade in Nürnberg die Metallspielwarenindustrie in beson­ ders auffallender Weise. Es beginnt die Epoche der schön lackierten Metall­ spielzeuge, der Dampfmaschinen, Dampfschiffe und mit Federzug bewegten Figuren und vor allem der Eisenbahnen. Alle diese Dinge zeigten Ende des 19. Jahrhunderts und vor dem 1. Weltkrieg einen so hohen Grad von Natur­ treue und Güte, daß Nürnberg damit auf dem Weltmarkt führend wurde. Außerdem trug das graphisch ausgerichtete Druckgewerbe mit dazu bei, daß Nürnbergs Bilderbücher und Spiele trotz Massenproduktion von erstklas­ siger künstlerischer Reife waren. Wieder konzentrierte sich die Spielwaren­ produktion im Großraum Nürnberg-Fürth, der etwa für 25 Millionen Mark produzierte, d. h. etwa Vs der deutschen Produktion. Diese wurde hauptsäch­ lich von Nürnberg zu 70 % exportiert. Welche Bedeutung die Ausfuhr für Nürnberg besaß, zeigt die Tatsache, daß Nürnberg-Fürth 1913 für etwa 10 Mill. Mk. Spielwaren allein in die USA versandt hat. Schon Ende des 19. Jahr­ hunderts gingen die Nürnberger Großfabriken wie Bing dazu über, die Spiel­ waren durch eigene Auslandsreisende und durch Kataloge in Eigenregie zu vertreiben und die Großhändler auszuschalten. Damals organisierten sich so­ wohl Händler wie Produzenten Bayerns und Deutschlands gerade hier in heute noch bestehenden Vereinigungen, um ihre Fachinteressen besonders in Zoll­ fragen besser vertreten zu können. 428

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Der 1. Weltkrieg brachte durch die Unterbindung des Exports schwere Einbußen. Mit viel Mühe wurden danach Produktion und Ausfuhr wieder auf­ gebaut, wenn auch wieder hohe Zölle im Ausland erhebliche Schwierigkeiten bereiteten. Durch Rationalisierung und z. B. durch die Einführung der Schmal­ spureisenbahn bei Bing und des elektrischen Spielzeugs versuchte sich Nürn­ berg Erleichterung zu verschaffen. Die Weltwirtschaftskrise von 1930 und der 2. Weltkrieg schienen Nürnberg als „Emporium des Spielzeugs" auszulöschen. Aber die Schwerkraft der Tradition in Mensch und Wirtschaft ermöglichte eine Wiedergeburt von Spielzeugproduktion und -handel. Die Schaffung der Fachmesse zeugt von dem alten Untemehmergeist, der Nürnberg im Mittelalter und im 19. Jahrhundert groß gemacht hat. Auch in der Gegenwart ver­ mag Nürnberg jährlich immer wieder mit Neuheiten u. a. durch Verwendung des Kunststoffs aufzuwarten, die bei der immer schärfer werdenden Konkur­ renz zur Existenzfrage werden. Das Spielzeug rangiert nach dem Produktions- und Exportwert verständ­ licherweise in der Wirtschaft der Stadt nicht an erster Stelle; aber es gehört zu Nürnbergs Ruf als Kulturstadt. Das künftige Spielzeugmuseum wird sicher auch der Produktion Anregungen für „Oldtimer" und unvergängliche Ideen und Formen, d. h. daher neue Impulse geben können.

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BUCHBESPRECHUNGEN W. Rausch [Hrg], Die Städte Mitteleuropas im 12. und 13. Jahrhundert. (Bei­ träge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas I, hrsg. vom Archiv der Stadt Linz), Linz 1963, 153 S., DM 20.-. Die sehr eindringlich „die prismatische Spiegelung der Probleme moderner Stadt­ geschichtsforschung“ im Hochmittelalter zeigenden Vorträge des 1961 in Linz ge­ haltenen Colloquiums liegen nun in einem Sammelband vor. Behandelte F. Vercauteren allgemein die europäischen Städte bis zum 11. Jahrhundert, so stellten die fol­ genden Vorträge die Frage der Anfänge oder Entwicklung des Städtewesens jeweils regional: R. Laufner für das Rheinland, O. Feger für Südwestdeutschland, G. Sydow für Bayern und Österreich (Anfänge), K. Gutkas für Österreich (Entwicklung) — trefflich ergänzt von A. Klaar mit einer Darstellung der Siedlungsformen —, C. Haase für Nordwestdeutschland und F. Kavka für Böhmen und Mähren. Der unseren Leser­ kreis besonders interessierende fränkisch-mitteldeutsche Raum blieb leider ausgespart, Sydow greift bis Eichstätt und Amberg. Für Nürnberg sei besonders erwähnt, daß Kavka erneut die 1938 von B. Mendl (Tak recene norimberske prävo v Cechäch) aufgestellte These aufgreift, daß in Böhmen allein Eger zum Nürnberger Stadtrechts­ kreis gehörte, Prag und die anderen Städte aber den Schwabenspiegel als rechtliches Vorbild annahmen, was zu Unrecht als „Nürnberger Recht“ bezeichnet werde. Wenn E. Ennen die trefflich besorgte Herausgabe — in der nur Fegers etwas zu krasse Ablehnung eines wissenschaftlichen Apparats wenigstens von Hinweisen stört — eine „ausgezeichnete Einführung in die landschaftlich differenzierende Erforschung und Deutung des mittelalterlichen mitteleuropäischen Städtewesens“ hieß, kann dem nur beigepflichtet werden. Vor allem Haases tief schürfende Fragestellung verdient besondere Beachtung bei jedem, der Stadtgeschichte aus dem hierzulande nur allzu sehr beliebten lokalhistorischen und von persönlichen Eitelkeiten erfüllten Milieu gelöst und im Rahmen der europäischen Problemstellungen behandelt sehen will. Nürnberg Hanns Hubert H o f m a n n

Anna Maria D r a b e k , Reisen und Reisezeremoniell der Römisch-Deutschen Herr­ scher im Spätmittelalter. Fotomechanischer Druck einer maschinenschriftlichen Dissertation (Wiener Dissertationen aus dem Gebiete der Geschichte Nr. 3). Wien 1964, 131 S. Die Vorrede, die von dem sakramentalen Charakter spätmittelalterlicher Lebens­ äußerungen ausgeht, stellt das Programm, zu zeigen, wie sich die Begegnung mit dem König vollzog, wie man ihm entgegenkam, und wie er sich seinerseits dem Volke zeigte, wobei Rang, Sitte und Brauch feste Normen schufen, die „als Zeremoniell Ausdruck eines ganz bestimmten Sinngehaltes waren“. Methodisch wird eingeschränkt, daß die Ergebnisse aus eingehender Beschäftigung mit den Reisen Sigmunds, Friedrichs III. und Maximilians kommen. Beim Durchlesen erweist sich, daß dabei Friedrich III. so dominierend im Vorder­ grund steht, daß das Thema etwas zu weit gegriffen scheint. Untersucht werden das Geleit, die Stationen der Reisen in Städten, Burgen und Klöstern, die Formen des 430

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feierlichen Empfangs (mit guten, teilweise breiten Einzelbeispielen), wobei das „mit dem Herrschereinzug verbundene Brauchtum“ gezeigt wird, die Liturgie des König­ empfangs, Ehrungen und besondere Geschenke und endlich die Form der Abreise eines Königs. Der Abschnitt über das vielfältige Recht der Plünderung am Herrscher verdient dabei besondere Beachtung. Auf die Reisen des Königs außerhalb des Reichs­ gebiets fällt ein kurzer Seitenblick. Die Zusammenfassung über Geschichte und Be­ deutung der wichtigsten Teile des Reisezeremoniells, der vor allem den liturgischen Formen nachgeht, ist ebenso wie der einschlägige vorhergehende Part D. zweifellos am besten gelungen und zeigt die Schule ihres Lehrers Heinrich Fichtenau. Sonst ist nämlich, soweit nicht einzelne Ereignisse geschildert sind, häufig aus wenigen Facts etwas rasch gefolgert und dann generell behauptet worden. Der Stil ist etwas zu schlicht und die verfassungsgeschichtlichen Gemeinplätze (etwa S. 58) sind arg dürftig. Auch etwas mehr topographische Sorgfalt wäre erwünscht: „Nydde“ S. 15 ist Nidda bei Frankfurt, die Nürnberger „Spitalskirche“ S. 61 ist die Spital­ kirche und die „Sebaldskirche“ S. 62 die Sebalduskirche. Bei der Quellenlage und der Bedeutung Nürnbergs im Itinerar der römischen Könige ist es selbstverständlich, daß die Dissertation dieser Stadt sich in besonderem Maße zuwendet. Deshalb bleibt um so unverständlicher, daß D. die 1955 erchienene ausführliche und sorgfältige Arbeit von A. Kircher, „Deutsche Kaiser in Nürnberg“, unbekannt blieb. Setzt Kircher auch erst 1500 an — wobei beide Autoren sich über den Quellenwert dieser Epoche für ihr Thema fast wörtlich einig sind —, so greift seine Einleitung mit 20 eng gedruckten Seiten (die etwa dem doppelten Umfang bei D. entsprächen) in das Spätmittelalter zurück, naturgemäß mit den gleichen Quellen. Der Rezensent ist dabei durchaus bereit, auch für diesen Zeitabschnitt Kircher den Vorzug zu geben. Nürnberg Hanns Hubert H o f m a n n Ernst Schwarz, Die Ortsnamen der Sudetenländer als Geschichtsquelle. 2. durch­ gesehene, teilweise umgearbeitete und erweiterte Auflage. (Handbuch der sudeten­ deutschen Kulturgeschichte, herausgegeben vom Vorstand des Collegium Caro­ linum, Forschungsstelle für die böhmischen Länder, Bd. l) Verlag Robert Lerche, München. 1961. 408 Seiten, 1 Grundkarte mit 13 Deckblättern. Die erste 1931 erschienene Auflage dieses Werkes ist bereits seit 1936 vergriffen. Es ist daher sehr zu begrüßen, daß der Vorstand des Collegium Carolinum und der Verfasser sich entschlossen haben, die vorliegende zweite umgearbeitete und erwei­ terte Auflage herauszugeben, denn in diesen dreißig Jahren sind vom Verfasser und seinen Schülern, sowie auch von tschechischer Seite eine ganze Reihe von größeren und kleineren Einzeldarstellungen erschienen, die in die neue Auflage eingearbeitet wurden. Das Werk behandelt nicht in alphabetischer Anordnung kreisweise die einzelnen Ortsnamen der Sudetenländer, wie dies etwa beim Historischen Ortsnamenbuch für Bayern der Fall ist; dies wäre in einem Bande nicht möglich gewesen. Außerdem gibt es solche Darstellungen für einzelne Kreise auch in den Sudetenländem; davon ist bis 1945 unter der Leitung des Verf. eine größere Anzahl erschienen, vgl. das Literaturverzeichnis. Von tschechischer Seite gibt es jetzt in alphabetischer Anordnung das vierbändige Werk von Profous, Mistni jmena v Cechäch (Die Ortsnamen in Böhmen). 1947—57. Das vorliegende Buch ist ähnlich aufgebaut wie das vom gleichen Verfasser 1960 erschienene „Sprache und Siedlung in Nordostbayem", nämlich nach sprach- und 431

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siedlungsgeschichtlichen Gesichtspunkten. Natürlich ist hier die Zahl der behandelten tschechischen Namen ungleich größer als in Nordostbayem. Da seit 1945 von amtlicher tschechischer Seite nur noch die tschechischen Orts­ namen gebraucht werden und für viele einst deutsche Orte auch neue amtliche tsche­ chische Namen eingeführt werden, ist hier eine letztmalige wissenschaftliche Doku­ mentation der deutschen Ortsnamen in den Sudetenländern gegeben. Das 3 8 Seiten umfassende alphabetische Verzeichnis der besprochenen Namen mit je drei Spalten auf einer Seite ermöglicht eine schnelle Auffindung jedes beliebigen behandelten Namens. Eine Grundkarte mit 13 farbigen Deckblättern bietet anschauliche Übersichten der im Text besprochenen sprachlichen Erscheinungen. Josef Pfänner Bayerisch-Österreichisches Wörterbuch. I. Österreich. Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich herausgegeben im Auftrag der Österreichischen Aka­ demie der Wissenschaften von der Kommission zur Schaffung des ÖsterreichischBayerischen Wörterbuches und zur Erforschung unserer Mundarten, bearbeitet von Viktor D o 11 m a y r und Eberhard Kranzmayer. 1. Lieferung: Vorwort, Einleitung, A — Achtung. Wien 1963. — 2. Lieferung: Achtung — Alant. Wien 1964. Broschiert, je Lieferung 76 S. Jeder der mit älteren Sprachdenkmälern des baierischen Raumes zu tun hat, greift immer wieder hilfesuchend zum bayerischen Wörterbuch von Schneller und findet auch meist das Gesuchte. Allerdings nicht immer, denn der „Schneller“ ist schon bald hundert Jahre alt — die 2. Auflage von Frommann erschien 1872—77 — und inzwischen hat die Mundart- und Wortforschung nicht unbedeutende Fortschritte gemacht. Man arbeitet daher schon seit fünf Jahrzehnten in der Wörterbuchkanzlei bei der bayer. Akademie der Wissenschaften in München an einer auf etwa acht Bände berechneten Neuausgabe des Schneller. Bis zum Jahre 1960 hatte man die Absicht mit der Wiener Wörterbuchkanzlei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gemeinsam ein Bayerisch-Österreichisches Wörterbuch herauszugeben, doch dann entschloß man sich für Bayern und Österreich je ein eigenes Werk heraus­ zubringen, aber unter dem gemeinsamen Titel „Bayerisch-Österreichisches Wörter­ buch“, da ja die österreichischen Mundarten auch „bairisch“ sind. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften ist nun der Bayerischen zuvor­ gekommen und hat in den letzten Jahren bereits zwei Lieferungen ihres Wörter­ buches herausgebracht. In der ersten Lieferung wird in einem zwanzig Spalten langen Vorwort die wechselvolle Geschichte des Wörterbuches seit seinem Beginn im Jahre 1910 anschaulich geschildert. Der Leser bekommt einen guten Einblick in die viel­ gestaltige, mühsame und zeitraubende Sammel- und Redaktionsarbeit einer Wörter­ buchkanzlei. Zwei Weltkriege haben die Sammlungen ohne allzugroße Verluste über­ standen. Viele bedeutende Germanisten haben haupt- und ehrenamtlich ihre Arbeits­ kraft zur Verfügung gestellt, viele ungenannt bleibende Idealisten durch Ausfüllung von Fragebogen ihr Scherflein beigetragen, viele öffentliche und private Stellen durch finanzielle Spenden die Arbeit ermöglicht. Ein zwölf Seiten umfassendes Literaturverzeichnis bringt die wissenschaftlichen und mundartlichen Quellen der Wortsammlungen. Die 29 Seiten lange Einleitung stellt eine ausführliche wissenschaftliche Gebrauchs­ anweisung für den Benützer dar. Die Grundsätze für die innere und äußere Ge­ staltung der einzelnen Lemmata (Stichwörter), für die Lautschrift, für die Auswahl der Worte, Zitate und Redensarten werden hier u. a. behandelt. 432

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Hingewesen sei noch ausdrücklich auf den reichen volkskundlichen Ertrag des Wörterbuches, da schon seit 1912, als die Volkskunde als selbständige Disziplin noch nicht existierte, nach den Richtlinien de; Wörterbuchkommission auch das sach­ liche und volkskundliche Gut (z. B. Brauchtum, Redensarten) in die Sammelarbeit mitpinbezogen wurde. Ferner sei bemerkt, daß sich die Mundartgrenzen der öster­ reichischen Mundarten keineswegs mit den politischen Grenzen des heutigen öster­ reichischen Staates decken, sondern alle Mundarten im Gebiet der ehemaligen Monarchie Österreich-Ungarn umfassen. Freuen wir uns, daß ein so wichtiges und schwieriges Werk nach so langer Vor­ bereitung jetzt sein Erscheinen begonnen hat! Hoffen wir, daß es zügig voranschreitet und daß der bayerische Teil ihm in nicht allzu weitem Abstand folgen wird! Josef Pfänner Hans Joachim B e r b i g, Das Nationalgefühl in Nürnberg nach dem Dreißig­ jährigen Krieg. Diss. München 1960, Selbstverlag. 162 S. Nach dem Zusammenbruch von 1945 ist sowohl im In- wie im Ausland sehr viel über Nation, Nationalismus und Nationalgefühl der Deutschen geredet und geschrie­ ben worden. Die anfänglich negative, verurteilende Sicht, die noch völlig unter dem Eindruck der vorangegangenen schrecklichen Jahre stand, wurde inzwischen abgelöst von einem mehr sachlichen, vorurteilsfreien Bild der Entwicklung des Selbstverständ­ nisses der deutschen Nation (vgl. z. B. W. Conze, Die deutsche Nation, 1963). Einen schönen Beitrag zur Klärung dieses schwierigen Problems — untersucht und aufgezeigt vornehmlich am Beispiel der Reichsstadt Nürnberg — leistet die Arbeit von Hans Joachim Berbig, eine Dissertation aus der Schule von Franz Schnabel in München, dem dieser Fragenkreis ein besonderes Anliegen war. Der Verfasser stellt zunächst den Patriotismus dar, den der Pegnesische Blumenorden in Nürnberg in seinem Kampf gegen Sprachmengerei und Alamodewesen ausgebildet und verbreitet hat. Wie bei allen anderen Sprachgesellschaften war diese vor allem sprachlich fun­ dierte „Nation“ (es wäre wohl besser gewesen, hier den Begriff der „Kulturnation“ zu verwenden) ohne jegliche politische Dynamik. Wie sehr dann das eigentliche, politisch bestimmte Nationalempfinden durch den Druck von außen wuchs, zeigen die Einwirkungen der Türkengefahr im Osten und der laufenden Übergriffe Ludwigs XIV. im Westen. Während die Türkengefahr zu­ nächst noch einmal das übernationale christliche Gemeingefühl aller abendländischen Völker offenkundig machte, schuf die Reunionspolitik des Sonnenkönigs im ganzen Deutschen Reich eine Welle bisher nie gekannten Nationalgefühls. Auch Nürnberg erhob sich über den üblichen Lokalpatriotismus zu einem umfassenden Reichspatriotis­ mus. Und doch zeigten sich auch sogleich die Grenzen dieser Entwicklung, denn beim Falle Straßburgs wurde fast mehr die nachfolgende Rekatholisierung bedauert als der Verlust der Reichsstadt selbst. Die national gestimmte deutsche Publizistik schuf während dieser jahrzehntelangen Auseinandersetzungen mit Frankreich unter dem Eindruck der französischen Kriegsführung der „verbrannten Erde“ den simplifizierten Typ „des Franzosen“, was die Beziehungen beider Völker für die Zukunft schwer belasten sollte. Im Zeitalter Kaiser Leopolds I. ist somit — nach Berbig — das deutsche Volk „zum Bewußtsein seiner Andersartigkeit“ gelangt, das schließlich so stark wurde, daß bei der Reichskriegserklärung von 1681 sich kein Reichsstand dem Drucke der Öffentlichkeit entziehen konnte. „Die Reaktivierung der Reichsidee und die Binde28

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kraft der föderativen Elemente in der alten Reichsverfassung verliehen dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation kurz vor seinem endgültigen Zerfall ein letztes Mal staatlichen Charakter/' Hier hat die Kritik einzusetzen. Es ist vom Verfasser durchaus richtig gesehen, wenn er in den Jahren kurz vor und während der sog. Raubkriege den Höhepunkt des deutschen Nationalgefühls vor den Napoleonischen Befreiungskriegen ansetzt, das schließlich mit der Reichsarmatur sogar eine föderativ-staatliche Ausbildung zeitigte. Es ist auch richtig, daß das Reich immer mehr zu einer Fiktion wurde, bis es eigentlich nurmehr in den vorderen Reichskreisen, die sich selbst als „das Reich“ (F. C. von Moser 1747) verstanden, erhalten blieb; doch für diesen Raum war das Reich lebendige politische Realität bis zum Zusammenbruch unter Napoleon! Daher wäre es notwendig gewesen, daß Berbig, um ein abgerundetes Bild zu geben, der weiteren Entwicklung des Nationalgefühls im 18. Jahrhundert in der stets kaiser­ treuen Reichsstadt nachgegangen wäre. Die Ausführungen von F. Wagner (Festschrift K. A. v. Müller, 1943) und E. Klebel (Jb. d. Ranke-Gesellschaft, 1955) hätten hier manchen Anhaltspunkt bieten können. So aber steht m. E. die erstaunlich umfang­ reiche Arbeit an gedruckten und ungedruckten Quellen nicht im rechten Verhältnis zum tatsächlichen Ergebnis. Es wäre somit zu wünschen, daß bald eine mit gleicher Akribie durchgeführte Untersuchung dieses interessante Problem noch vollständig klären würde. Erlangen Rudolf E n d r e s Horst H e 1 d m a n n , Moritz August von Thümmel. Sein Leben — Sein Werk — Seine Zeit. 1. Teil: 1738—1783 (= Schriften des Instituts für Fränkische Landes­ forschung an der Universität Erlangen-Nürnberg. Hrsg, von Gerhard Pfeiffer, Bd. 12). Neustadt/Aisch: Degener u. Co. 1964. XX T- 437 S. mit 9 Abb. und 2 Schriftproben. Der Ausstellung „Fränkische Literatur im 20. Jahrhundert“ anläßlich der Grün­ dung des Instituts für Fränkische Literatur an der Stadtbibliothek Nürnberg 1964 (vgl. Ausstellungskatalog der Stadtbibliothek Nürnberg 40) waren im gleichen Jahr bereits zwei kleinere Ausstellungen über die fränkischen Dichter Ernst Wagner (1769—1812) und Moritz August von Thümmel (1738—1817) vorausgegangen (vgl. Amtsblatt der Stadt Nürnberg vom 22. 5. 1964 bzw. 15. 4. 1964). Über den letzt­ genannten liegt nun der erste Teil einer umfassenden Biographie von Dr. Horst H e 1 d m a n n , Nürnberg, vor, der auch die beiden genannten Ausstellungen be­ treut hat. Die Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Er­ langen-Nürnberg als Dissertation angenommen und 1964 mit dem Preis der Fakultät ausgezeichnet. Der Vf. hat sich zur Aufgabe gesetzt, nicht nur Leben und Werk des Dichters darzustellen, sondern beides aus seiner Zeit heraus zu erklären und verständlich zu machen. Ausgehend von der beherzigenswerten Überlegung, daß mit einer nur ästhetisierenden Methode vor allem solchen Dichtern nicht beizukommen ist, die wie Thümmel zwar zu Lebzeiten große Beliebtheit genossen, heute aber kaum mehr beachtet werden, strebt er, gestützt auf alle erreichbaren Quellen, eine „Geschichte der literarischen Wirklichkeit“ (S. 6) an. Wie uns scheint, ist dem Vf. sein Vorhaben, für das ihm Material aus jahrelanger Forschungsarbeit zur Verfügung stand, voll geglückt: das angezeigte Budi wird das maßgebende Werk über Thümmel bleiben. Es bietet im Einleitungsteil die oben angedeuteten methodischen Überlegungen und einen Überblick über den Stand der Thümmel-Forschung, behandelt dann die

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einzelnen Stationen von Thümmels Leben (Kindheit auf Schloß Schönefeld bei Leip­ zig, Studium der Rechte in Leipzig, Tätigkeit als Kammerjunker, dann als Geheimer Hofrat im Dienst des Hauses Sachsen-Coburg-Saalfeld, Quittierung des Dienstes 1783) und bespricht die im fraglichen Zeitraum entstandenen Dichtungen. Dem Hauptwerk dieser Zeit, dem komischen Epos „Wilhelmine“, ist, seiner Bedeutung gemäß, ein eigener Hauptteil gewidmet. Ein Anhang mit familiengeschichtlichen Übersichten, ein Werk- und Personenregister und nicht zuletzt die außergewöhnlich reichhaltigen Literaturangaben machen das Buch zu einer den Rahmen einer Disser­ tation schon fast sprengenden Fundgrube. Die Beziehungen Thümmels zu Nürnberg waren nur locker; außer einigen Dienstund Geschäftsreisen (s. z. B. S. 242, 259, 273) ist eigentlich nur der Besuch bei dem Sammler und Polyhistor Christian Gottlieb von Murr (S. 381) erwähnenswert. Einen um so größeren Gewinn bedeutet das Werk für die offensichtlich neu erwachende fränkische Literaturgeschichte, in deren Interesse man hoffen möchte, den angekün­ digten zweiten, abschließenden Teil und vielleicht auch die vom Vf. zusammen­ gestellte Thümmel-Bibliographie in absehbarer Zeit begrüßen zu können. Hans Rad Spieler Hans-Walter Leiste, Nürnberg. Stuttgart 1964. 40 S., 8 Bilder. 2.50 DM. Der J. Fink-Verlag hat in einer Reihe „Schöne Städte Deutschlands (Das kleine Ansichtsbuch)“ auch Nürnberg einen kleinen Band von 40 ungezählten Seiten ge­ widmet, wobei 8 Lichtbilder charakteristische Ansichten Alt-Nürnbergs tragen. Das mit einigen humorvollen Zeichnungen versehene, in apart wirkendem Querklein­ format anspruchsvoll erscheinende Büchlein gibt eine sehr instruktive Skizze von der politischen und kulturellen Bedeutung Nürnbergs in Vergangenheit und Gegen­ wart, die einige Urteile berühmter Persönlichkeiten unterstreichen. Wenn z. B. auf 1 Seite in einer Kolumne 10 wichtige Sehenswürdigkeiten auf­ geführt werden, so könnten auf der freigebliebenen Halbseite noch die Marthakirche (Meistersingerkirche), Klarakirche, Verkehrsmuseum, Peilerhaus mit Apollobrunnen, Heiliggeistspital mit 2 Höfen, Fleischbrücke und Henkersteg erwähnt werden. Auf der Rückseite könnte auf der halb leerstehenden Seite unter „außerhalb der Stadt­ mauern“ Kraftshof mit befestigter Kirche und Neunhof, Schloß mit Jagdmuseum, bei „Besuche in der Umgebung“: Lauf, Altdorf, Schwabach genannt werden. Werner Schultheiß

Bernhard Krüger, Als es in Nürnberg noch gemütlich war. Nürnberg 1964, im Selbstverlag. 58 S. Gleich einem Kettlein mildfreundlich glitzernder Perlen reihen sich in diesem Bändchen Schnurren und Schmunzelgeschichten aneinander, einfallsreich und lebhaft erzählt, oft mit überraschenden Wendungen — immer aber im Kern dieselbe HerzensAussage des rauhbeinigen Wahlnürnbergers, der die Liebe zu unserer Stadt verschämt hinter seinem breiten Schmunzeln versteckt. Es ist das Lokalkolorit des alten, verschwundenen Nürnbergs, das diesem Humor seine Echtheit und Farbe gibt. Nämlich die aufgerauhte, derbe Farbe einer Altnürnberger Bierbank hinter etwas altersblinden Butzenscheiben, durch die das liebver­ traute Stelldichein der krummen Gassen, schiefen Giebel und verschrobenen Zwerch28*

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häuser hereinschaut. Von der knarrenden Stubentür her gesellt sich der „entspre­ chende" Duft dazu: Nach Bratwürsten riecht es da, nach gesottenem Fleisch und Sauerkraut, reichlich versetzt mit dem Geruch von Tischlerleim und frischem Holz. Und natürlich fehlen auch jene herben oder sauren lokalnürnberger „Grundaromen“ nicht, die aus den Tiefen der Brauereikeller und Hopfenscheunen heraus die Nasen der braven Spießbürger liebkosen. Diese herzhaften Geschichten schrieb ein Mann, der sich nichts angelesen und nichts anempfunden, sondern der die biedere, hausbackene Wirklichkeit Alt-Nürn­ berg (den Schuß harmlose Romantik mit einbegriffen) wirklich geatmet und gelebt hat. Vivant sequentes, Bernhard Krüger I Helmut H ä u ß 1 e r Bernhard Krüger, Nürnberger Stilblüten. Nürnberg 1964, im Selbstverlag. 59 S. Stilblüten, wie immer sie zustande kommen, sind soziologisch interessant und haben Gemütswert. Das fand der bekannte Nürnberger Journalist Bernhard Krüger auch — und er macht eine gelungene literarische Nutzanwendung davon. Er durchstreifte den Nürnberger Alltag und sah, wie einst Luther es riet, seinen lieben Mitmenschen auf den Mund. Die großen und kleinen Gemeindeparlamente in Nürnberg und Umgebung wurden unter die Lupe genommen, das Handwerks- und Vereinsleben wurde auf seine Stilblüten genau so getestet wie die Schule, die Welt des Lehrlings und der Einzelhandel. Niedlich die Überschriften, mit denen Krüger die wiedergegebenen verunglückten Wortfiguren und schiefen Parabeln versieht. Ihre Bündigkeit ersetzt jeden Kom­ mentar: Treffen sie doch immer haargenau den psychologischen Hintergrund, aus dem die verbale Mißgeburt entstanden ist: Die falsche Routine des gewohnheits­ mäßigen Vielsprechers, die ungekonnte Angeberei des Salonidioten, den Dünkel des Halbgebildeten, die „interesselose Interessiertheit" des Bürokraten. Man möchte dem Büchlein jedenfalls große Verbreitung und die herzliche Liebe seiner Leser wünschen, ist doch die Kunst des Menschen, über sich selbst zu lachen, der beste Teil der Heiterkeit — und die sicherste Gewißheit menschlichen Selbst­ besitzes. Helmut H ä u ß 1 e r Georg Mörsberger, Man sagt ja nix, man red't ja bloß. 40 Glossen, aus­ gewählt aus 17 Jahrgängen der „Nürnberger Nachrichten". Verlag Nürnberger Presse, Nürnberg 1964. 100 S. Die Kunst des Lächelns ist immer ein Stück Lebenskunst: Sie verlangt Abstand des Menschen zu sich selbst und innere Freiheit gegenüber den Dingen der Umwelt, sie ist unvereinbar mit Vorurteil und hämischer Gesinnung. Mit einem Wort, sie setzt den mündigen Menschen voraus, dem nichts Menschliches fremd ist, der gelernt hat, in jeder Situation — den kleinen Ärgerlichkeiten wie den großen Prüfungen —, stets Mensch zu bleiben und seine eigene Mitte zu behalten. Wo sich die Kunst des Lächelns ins gedruckte Wort umsetzt, geht sie nicht einher mit reißerischer Pamhletistik, sondern fertigt ihr geistiges Rankenwerk in leichter Goldarbeit und bevorzugt das feine, durchsichtige Spiel der Worte. Ein Spiel ohne gezielte Stiche, ohne die Absicht, Ärger und Feindseligkeit zu stiften und auch ohne 43 6

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den Anspruch, als tiefschürfende „Gesellschaftskritik" zu gelten. Und ein Spiel, dessen Gelingen vor allem vorbehaltlose Herzensgüte verlangt, weil seine hinter­ gründigen Anspielungen auf Mängel der Zeit und mitmenschliche Schwächen immer den Wunsch im Schilde führen, den Menschen mit sich selbst und seinem Alltag zu versöhnen. Von sich aus absichtslos, aber dem kleinen Geschehen der Stunde hell­ wach offen, ohne Selbstgerechtigkeit, aber stets zu launigem Tadel bereit, der nie das Augenzwinkern des Verstehens vergißt — so hat schon Goethe diese „Kunst" des Lächelns’ an dem alten Philosophen Lichtenberg gelobt. ln den 40 launigen Glossen seines Büchleins erzeigt sich Georg Mörsberger, Lokal-Redakteur der „Nürnberger Nachrichten", als ein zeitgenössischer Meister dieser Kunst. Die Probleme und Problemchen, die hier angesprochen sind, beziehen sich auf Nürnberger Begebenheiten zwischen 1947 und 1964. Sie haben kein „Grund­ thema" und keinen gedanklichen Leitfaden. Von Gelegenheit und Stimmung ver­ anlaßt, mokiert sich der Autor einmal über die Nebenerscheinungen des anschwel­ lenden Großstadtverkehrs und beschreibt seine Erfahrungen mit Parkuhren, während ihn ein ander Mal vielleicht die Entwanzung einer Nürnberger Mietwohnung und der damit verbundene Nachbarschaftsstreit, oder auch die niedlichen Possen eines zahmen Eichhörnchens vom Südfriedhof zu recht eigenwilligen Überlegungen inspirieren. Die geschliffenen journalistischen Mittel, deren er sich dabei bedient, haben in ihrer unaufdringlichen Brillanz heute Seltenheitswert. Möge ihre leise, liebenswerte Bot­ schaft unserer Zeit des Sensationshungers und der knalligen Reportagen noch ver­ nehmbar sein! Daß sie bereits seit Jahren als Einzelerzählungen in den „Nürnberger Nachrichten" erscheinen, sichert ihnen erfreulicherweise einen großen Bekanntenkreis. Helmut H ä u ß 1 e r Die Schulen in Nürnberg 1905—1960 mit Einführung in die Gesamtgeschidite. Im Aufträge des Stadtrats/Schulreferat bearbeitet von Otto Barthel. Nürn­ berg o. J. (1964), 680 S., Ln. Die Geschichte des Schulwesens ist nicht die Geschichte der Pädagogik. Aber sie zeigt, wie pädagogische Ideen verwirklicht wurden, welche Widerstände zu überwinden waren und wo die Kräfte dazu ansetzten. Denn Pädagogik realisiert sich zunächst im kleinen Raum, wesentlich beeinflußt durch personale und räumliche Impulse, be­ währt sich oder versagt hier und zeigt als praktisch-pädagogisches Geschehen durch­ aus spezifisch örtliche Ausprägungen. Insofern sind Untersuchungen über die histo­ rische Entwicklung der Schulen eines Gemeinwesens nicht nur als Zeugnis der Be­ mühungen und des Erfolges einer Stadt auf einem wesentlichen Teilgebiet des Bildungswesens bedeutungsvoll, sondern sie sind zugleich Bausteine für eine umfas­ sende Geschichtsschreibung — sowohl auf dem Gebiet der Pädagogik als auch ver­ schiedener benachbarter Wissenschaften. Einen Nürnberger Beitrag hierzu leistet das von Otto Barthel im Aufträge des Stadtrats vorgelegte umfangreiche Buch. Es hat zwei würdige Vorgänger: Ein Jahr­ hundert zuvor hatte W. K. Schultheiß eine fünfbändige „Geschichte der Schulen in Nürnberg" geschrieben, die 1906 auf Initiative des Magistrats durch eine Gesamt­ darstellung über „Die Schulen in Nürnberg mit besonderer Berücksichtigung des städtischen Schulwesens" ergänzt wurde. Die neue Veröffentlichung füllt die Lücke bis zur Gegenwart. Trotzdem ist die weiter zurückliegende Zeit nicht unberücksichtigt geblieben. In einem einleitenden Überblick über die Gesamtgeschichte wird der Tatsache, daß das Schulwesen im ganzen wie seine einzelnen Formen aus einem jahrhundertelangen Entwicklungs437

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prozeß erwachsen ist, ebenso Rechnung getragen wie in den meisten Einzeldarstel­ lungen. Dadurch wird dem Leser, dem die früheren Schriften schwerer zugänglich sind, auch ein erfreulich umfassendes Gesamtbild vermittelt. Das Unternehmen einer Darstellung aller Schulen in der Stadt Nürnberg für den Zeitraum von 55 Jahren war für den Bearbeiter eine Aufgabe, deren Schwierigkeiten nicht unterschätzt werden dürfen. In den Jahren 1853/57 und 1906 hatten es die Autoren in mancher Hinsicht leichter. Nicht nur die Zahl der Volksschulen, der Höheren Lehranstalten usw. hat sich im letzten halben Jahrhundert erheblich ver­ mehrt, die Schulreformen sind besonders durch die Ausweitung des beruflichen Bil­ dungswesens zahlreicher und in ihrer inneren Struktur vielgestaltiger geworden. Das alles in einem Band zu ordnen, dem einzelnen das richtige Gewicht zu geben, damit das Ganze Ausgewogenheit und Zusammenhang zeigt, konnte nur einem sachkun­ digen Mann gelingen, der die Schulentwicklung in der Stadt längere Zeit von höherer Warte verfolgt und verantwortlich mitgestaltet hat. Otto Barthel sind hierbei seine Erfahrungen als städtischer Oberschulrat zugute gekommen. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, daß Barthel dem allgemeinbildenden Bereich, vor allem dem Volksschul­ wesen, besonders verbunden ist. Ein so umfassendes Werk, das nicht nur nach Schulgattungen gegliedert ist, sondern auch übergreifende Bildungsarbeit in ihrer Verwirklichung an Nürnbergs Schulen historisch untersucht, über die Lehrervereine, die Geschichte des Schulhaus­ baues, Finanzierungs- bis hin zu Besoldungsfragen berichtet, konnte nicht die Arbeit eines einzelnen sein. Die Behörden der Stadt und vor allem die Lehrer und Schul­ leiter der öffentlichen und privaten Schulen Nürnbergs haben durch zahlreiche Einzel­ berichte dazu beigetragen, ein Gemeinschaftswerk zu schaffen, das nicht nur die Schulentwicklung aus lebendiger Erfahrung schildert, sondern zugleich Zeugnis gibt von dem weithin zu beobachtenden Interesse der Lehrerschaft an heimatgeschicht­ licher Forschung und vielfach den Dank der Schulen an die Stadt und deren Bürger ausdrückt. Daß sich die Einzeldarstellungen — verschiedene sind die bloße Aneinander­ reihung von Daten, andere stellen das Besondere heraus, verknüpfen das Örtliche mit dem Allgemeinen und fügen es in größere Zusammenhänge — in ihrer Aussage­ kraft unterscheiden, liegt in der Natur der Sache. Exemplarisch für besonders erfreu­ liche Beiträge mögen außer dem allgemeinen Teil über die Volksschule nur zwei genannt werden: Teil J, der über das Vereinswesen der Nürnberger Lehrerschaft berichtet, und der kurze Abriß „Unterricht über die allgemein anerkannten Grund­ sätze der Sittlichkeit“ (S. 445 ff.). In erster Linie ist der Band aber ein Bericht über die Bemühungen und Erfolge der Lehrer dieser Stadt. Und das ist er zu Recht, denn „jede Schule ist so viel wert, wie ihre Lehrer; jede Schule bedeutet der Jugend so viel, wie ihre Lehrer lebendig zu machen verstehen“ (Eduard Spranger: Zur Geschichte der deutschen Volksschule, Heidelberg 1949, S. 76). In der Lehrerschaft dürfte das Buch auch in erster Linie seine interessierten Leser finden. Da jeder von ihnen an der Entwicklung über kürzere oder längere Zeit un­ mittelbar beteiligt war, wird er unter der so sehr großen Zahl von Namen Nürn­ berger Pädagogen vielen Bekannten begegnen, die das Schulwesen der Stadt prägten. Er wird an die wirtschaftlichen und politischen Hemmnisse und Versuchungen, an die schweren Aufgaben und Verantwortungen der Kriegsjahre, über die auch damalige Schüler zu Wort kommen, erinnert, und er wird sich des gemeinschaftlichen Aufbaues nach 1945 wieder bewußt werden. Wir Jüngeren erfahren mit Staunen, welch ideelle Kraft in den ersten Jahren beim Wiederaufbau einer völlig zerstörten Stadt wirkte. 438

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Es ist natürlich, daß das Buch bei der umfassenden Themenstellung nicht er­ schöpfend berichten kann. So erfährt man über die Bildungswege und -ziele einiger Schulformen verhältnismäßig wenig. Die ansehnliche Liste der im Anhang aufge­ führten Abhandlungen über Einzelfragen und einzelne Schulen bzw. Schulformen wird durch wünschenswerte neuere und auch kritischere Untersuchungen ergänzt werden müssen. Während die Übersicht über pädagogische Literatur nicht ganz frei von bibliographischen Fehlern ist, gibt das ebenfalls im Anhang beigefügte Verzeichnis Nürnberger Schulakten dankenswerte Anregungen zum Weiterforschen, um die Ver­ dienste der Gestalter des Schulwesens dieser Stadt auch in überregionaler Bedeutung sichtbar zu machen. Wolfgang F i s c h 1 e i n Gert R ü c k e 1, Die Fränkische Tagespost. Geschichte einer Parteizeitung. Ver­ öffentlichungen der Stadtbibliothek Nürnberg 8, Nürnberg 1964. 142 S. Unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Emst Meier entstanden seit 1950 am vor­ maligen Institut für Publizistik der Universität Erlangen-Nürnberg eine Reihe baye­ rischer, insbesondere aber fränkischer Zeitungsmonographien. Sie bilden Grundlagen für eine noch zu schreibende bayerische Pressegeschichte. Eine, die vorliegende Arbeit, ragt sowohl durch Einzigartigkeit des Forschungsobjektes, wie auch durch Intensität der Durchführung aus dieser Gruppe hervor. Sie hat Dr. Karlheinz Goldmann ver­ dienstvollerweise als Nr. 8 in die „Veröffentlichungen der Stadtbibliothek Nürnberg" aufgenommen. Gert Rückei beschreibt anhand der Jahrgänge der „Fränkischen Tagespost" als Primärquelle die für eine Tageszeitung bereits umfassende und überaus bewegte Geschichte dieses angesehenen deutschen Parteiblattes. Mit der durch den Erlaß der Sozialistengesetze bedingten Umbenennung des „Nümberg-Fürther Social-Demokrat" in „Fränkische Tagespost" begann die Zeitung ihr jahrzehntelang gefährdetes Leben. Durch eine Anzahl ähnlicher, für den Fortbestand erforderlicher, taktisch kluger Manöver — nur eine Ausgabe des Blattes wurde in den Jahren 1878—1890 beschlag­ nahmt — vermochte die „FT" nicht nur die Zeit der Ausnahmegesetze zu überleben, sondern entwickelte sich schon in diesen Jahren der Verfolgung und Unterdrückung zum publizistischen Kristallisationspunkt der Nümberg-Fürther, ja der ganzen frän­ kischen Arbeiterbewegung. War die Not der Zeitung am größten, so standen ihr stets engagierte Journalisten von hohen Graden zur Verfügung. Allen voran „ihr eigenwilliger Schöpfer und Erhalter", das Vorbild für Generationen von Sozialdemokraten, Karl Grillenberger, aber auch Männer wie der selbstlose Asket und besonnene Sozialpolitiker Dr. Adolf Braun oder der weit über Franken hinaus renommierte Arbeiterdichter Karl Bröger. Ihre und ihrer Kollegen journalistische Tätigkeit analysiert Gert Rückei besonders in politisch prekären Epochen, in Zeiträumen, die gleichermaßen für die „FT" wie für die Sozialdemokratie Deutschlands Höhepunkte ihrer Geschichte bilden. Neben dieser historisch-politischen Darstellung trug Rückei in gewiß mühevoller Arbeit ein umfassendes Zahlen- und Datenmaterial zusammen, um somit auch den verlegerischen und technologischen Aspekten dieses traditionsreichen Parteiorgans gerecht zu werden. Geschichte und sozialer Wandel haben den Zeitungstyp Parteipresse zum Unter­ gang verurteilt. Nur wenigen, und da wiederum überwiegend sozialdemokratischen Blättern, gelang es, sich strukturell den neuen Gegebenheiten anzupassen. Diese Notwendigkeit hat auch die „FT" erkannt und hat daraus, wie Rückei abschließend ausführt, die Konsequenzen gezogen. Manfred Rühl 439

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Stadtbibliothek Nürnberg, Nürnberger Zeitschriften-Zentralkatalog. 2. Auflage. Teil: 1: Naturwissenschaften, Technik und Handwerk. Bearbeitet von Gebhard Büche, Nürnberg 1964. Es sind bereits über zehn Jahre her, daß Dr. Karlheinz Goldmann den Nürnberger Zeitschriften-Zentralkatalog herausgab. Wen wundert es, daß dieses Werk im Ver­ laufe dieser Jahre wesentlicher Änderungen und vor allem vieler Ergänzungen be­ durfte? In etwa dreijähriger Arbeit ging Gebhard Büche im Aufträge der Stadtbibliothek daran, für eine zweite Auflage „sämtliche in Nürnberger Bibliotheken befindliche Zeitschriften zusammenzutragen", ihren Bestand aufzuzeichnen, sowie ihren Standort auszuweisen. Dieses umfangreiche und selbst für den routinierten Bibliotheksfach­ mann diffizil zu erstellende Werk liegt nunmehr in seinem ersten, dem naturwissen­ schaftlich-technischen Teil vor. Industrie und Handwerk werden besonders darüber erfreut sein, aber nicht nur sie, sondern jeder Benutzer dieses Katalogs wird dem Bearbeiter den hochverdienten Dank zollen. Um so erwartungsvoller sehen nunmehr die in geisteswissenschaftlicher Forschung und Lehre Tätigen der Fortsetzung des Zentralkatalogs entgegen, soll doch dieser Teil eine seit geraumer Zeit schmerzlich fühlbare Lücke schließen. Manfred R ü h 1 Hans Liermann, Handbuch des Stiftungsredits, I. Band: Geschichte des Stif­ tungsrechts. Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1963. XV, 360 S., 27 Abb. Die Herausgeber dieses auf zwei Bände angelegten Werkes, die Arbeitsgemein­ schaft Deutscher Stiftungen und der Verband Deutscher Wohltätigkeitsstiftungen e. V., hatten das Bedürfnis empfunden nach „einer gründlichen, fachkundigen Unter­ suchung und Darstellung des Stiftungsrechts, um hierdurch den Stiftungsorganen selbst, den staatlichen Behörden wie dem Gesetzgeber jene Kenntnisse geschichtlicher und rechtlicher Art zu übermitteln, auf denen fußend ein fruchtbarer Schutz und die positive Obhut der Stiftungen in Zukunft sich entwickeln könnten". Sie hatten das Glück, in Unversitätsprofessor D. theol. h. c. Dr. Hans Liermann einen Forscher zu finden, der als mit den Problemen des Stiftungswesens und Stiftungsrechts seit langem besonders vertrauter Jurist, als Rechtsgeschichtler, Kulturhistoriker und Kirchenrechtler wie wenige die vielfältigen Voraussetzungen für dieses schwierige, aber fruchtbare Unterfangen mitbringt. Der vorliegende Band schildert die Entwick­ lung des Stiftungsrechts von der vorchristlichen Antike bis zum Schicksal der deut­ schen Stiftungen unter der Herrschaft des Nationalsozialismus. Der zweite Band wird der Dogmatik des Stiftungsredits gewidmet sein. Eine monographische Darstellung der gesamten deutschen Stiftungsrechtsgeschichte und ihrer antiken Wurzeln fehlte bis anhin; sie gewagt und vollendet zu haben, ist ein hohes Verdienst des Verf. Erst eine solche Zusammenschau ermöglicht die Aufdeckung rechtsgeschichtlicher Gesetzmäßigkeiten, wie sie Verf. mehrfach gelingt. So stellt er etwa fest, daß die Körperschaft zu allen Zeiten den Zugriff auf die viel­ fach als wehrlos erscheinende, als Vermögensmasse daliegende Stiftung versucht hat. Die darin sich manifestierende besondere Verletzlichkeit der Stiftung legt auch dem Rechtshistoriker die Einordnung dieser Institution in ihre jeweilige kulturelle Um­ welt nahe. Verf. begnügt sich daher nicht mit einer dogmengeschichtlichen Unter­ suchung, sondern verbindet in glücklicher Weise die Geschichte des Stiftungsrechts

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mit der des Stiftungswesens und seiner geistigen Hintergründe. Trotz dieser Weite des Blickfeldes behält er stets die Übersicht über das vielfältige historische Geschehen und weiß mit kundiger Hand das Wesentliche aus der langen Geschichte herauszu­ schälen und nachzuzeichnen, wobei ihm gelegentliche Seitenblicke auf die heutigen Verhältnisse dazu dienen, sowohl das Geschichtliche als auch das Gegenwärtige in ihrer Verschiedenheit oder Verwandtschaft plastischer hervortreten zu lassen. Es ist hier nicht der Ort und auf gedrängtem Raume ohnehin kaum möglich, den reichen Inhalt des Buches in Stichworten wiederzugeben. Doch sei der Leser dieser Zeitschrift darauf hingewiesen, daß das Werk auch dem Freunde und Kenner der Nürnberger Geschichte manche Belehrung und Anregung zu geben vermag. Die glück­ liche Methode des Verf., die Darstellung der allgemeinen Entwicklung immer wieder durch typische Beispiele aus einzelnen Rechtskreisen zu veranschaulichen und zu konkretisieren, läßt ihn mehrfach auch Nürnberger Erscheinungen heranziehen. So zeichnet sich bei der im Jahre 1339 erfolgten Gründung des Helig-Geist-Spitals in Nürnberg durch den Patrizier Konrad Gross die für die Geschichte des Stiftungsrechts so bedeutsame Entstehung des bürgerlichen Spitals ab. Zwar wurde bei dieser Stif­ tung noch eine Bestätigung des Bischofs von Bamberg eingeholt; aber die Stiftungs­ urkunde legte die Verwaltung des Spitals nach dem Ableben des ältesten Sohnes des Stifters ganz in die Hände des Rates (S. 99). Das von Burkhardt Seiler gestiftete, durch Zustiftungen wohlhabender Bürger vermehrte „Reiche Almosen", für das in Nürnberg seit 1388 ein eigenes Almosenamt bestand, zeigt den Gedanken der Stif­ tungszentralisation schon lange vor der Reformation wirksam. Das nach Einführung der Reformation im Jahre 1524 geschaffene Nürnberger „Große Almosen", das alle kirchlichen Stiftungen unter formaler Aufrechterhaltung ihrer Selbständigkeit um­ faßte, verwirklichte dann diesen Gedanken im großen Stil (S. 127). Die Stiftungs­ zentralisation verlockte zur Ausbeutung der Stiftungen; „so pflegte in Nürnberg von 1525 an der Rat von den kirchlichen Stiftungen (Darlehen) aufzunehmen und ihre überschüssigen Einnahmen einfach für sich abzuschöpfen" (S. 131). Andererseits hat die Stiftungszentralisation im „Gemeinen Kasten", wie Verf. eindrücklich aufzeigt, die Reformierung der Armenfürsorge im neuzeitlichen Sinne, wie sie schon früh in der Nürnberger Armenordnung von 1522 zum Ausdruck kam, ermöglicht. Während die kirchliche Reformation nach überzeugender Ansicht des Verf. in der Stiftungs­ rechtsgeschichte keine scharfe Zäsur darstellt, brachte die Aufklärung mit der Säku­ larisation eine grundsätzliche Gefährdung der Stiftung als Intsitution. Mit dem Über­ gang an Bayern, das Verf. als „das klassische Land der deutschen Säkularisation" bezeichnet, hat auch Nürnbergs Stiftungswesen, das sich damals allerdings in einem ziemlich zerrütteten Zustand befand, die vom Grafen Montgelas ins Werk gesetzte radikale und überstürzte Reform über sich ergehen lassen müssen, die von den Prin­ zipien der Verstaatlichung, der Zentralisierung, der Kapitalisierung, der Purifizierung und der Konsolidierung geprägt war*). Die Reformmaßnahmen mußten jedoch bald wieder abgebaut werden; die Verstaatlichung des Stiftungswesens wurde durch eine noch heute wirksame Kommunalisierung der Stiftungsverwaltung abgelöst. Auf dem Trümmerfeld, das Aufklärung und Säkularisation auf dem Gebiet des Stiftungswesens und des Stiftungsrechtes hinterlassen haben, mußte die Jurisprudenz des 19. Jahr­ hunderts eine neue Dogmatik des Stiftungsrechts aufbauen. Hierbei spielte auch die Erscheinung der Familienstiftung eine Rolle, mit der sich der einer Nürnberger Pa­ trizierfamilie angehörende Erlanger Professor Frhr. von Scheurl auseinandersetzte (S. 242). Verf. besitzt in hohem Maße die Gabe, anschaulich und fesselnd zu schildern. So vermag er die Fülle des von ihm verarbeiteten rechts- und geistesgeschichtlichen Materials und der dabei gewonnenen Erkenntnisse in einer Weise zu gestalten, die

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die Lektüre dieses bedeutsamen Buches nicht nur für den Spezialisten, sondern auch für einen weiteren Kreis von Geschichtsfreunden zum Genuß werden läßt. Hans-Rudolf Hagemann, Basel *) Hierüber jetzt auch Peter Fries, Das Nürnberger Stiftungswesen vom Ende der reichs­ städtischen Zeit bis zur Verwaltung der Stiftungen durch den Magistrat, etwa 1795 bis 1820, Erlangen Jur. Diss. 1963.

Walter Wagenseil, Der römischrechtliche Gehalt des Nürnberger Schuldrechts zur Zeit der Entstehung der Reformationen von 1479 bis 1564; Diss. jur. Er­ langen 1964, 199 S. Das Phänomen der Rezeption des römischen Rechts während des ausgehenden 15. und des 16. Jahrhunderts ist für die Rechtsentwicklung in Deutschland von weittragender Bedeutung und auch heute noch Gegenstand intensiver wissenschaftlicher Forschungsarbeit. Mit der vorliegenden Darstellung verfolgt der Verfasser ähnliche Ziele, wie seinerzeit die Abhandlungen von A. K ü h t m a n n für Bremen (Die Romanisierung des Civilprozesses in d. Stadt Bremen, Gierkes Untersuchungen z. Deut­ schen Staats- u. Rechtgesch. (36), 1891), H. G e r m a n n für Lübeck (Das Eindringen des römischen Rechts in das lübeckische Privatrecht, Diss. jur. Leipzig 1933), H. Coing für Frankfurt am Main (Die Rezeption des römischen Rechts in Frankfurt am Main, 19622) und D. Waldmann für Nürnberg (Entstehung der Nürnberger Refor­ mation von 1479/84 u. d. Quellen ihrer prozeßrechtlichen Vorschriften, Diss. jur. Erlangen 1908), nur beschränkt er seine Fragestellung auf das Schuldrecht. Außer Betracht bleibt deshalb die eigentliche Erforschung des Rezeptionsvorganges. Dem Verfasser geht es hauptsächlich um die Klärung der Frage, inwieweit die Nürnberger Reformationen des 15. und 16. Jahrhunderts „in besonders geschickter Weise über­ lieferte deutschrechtliche Gedanken mit dem zum Teil abgeänderten römischen Recht den Bedürfnissen des Rechtslebens entsprechend verbunden haben“ (S. 3, 4) und in welchem Umfange dies gerade für das kodifizierte Schuldrecht Geltung hat. Quellengrundlage der dogmengeschichtlichen Untersuchung sind die Reformatio­ nen von 1479, 1503, 1522 und 1564, ferner die sog. Additionaldekrete (Ratsverlässe), welche die Reformation von 1564 ergänzen oder abändern. Die praktische Verarbei­ tung der schuldrechtlichen Bestimmungen wird verdeutlicht durch Schuldverschreibungs- (Libri Conservatorii), Grundverbriefungs- (Libri Literarum) und Gerichtsbücher (Libri Judiciales), die als mittelbare Quellen des geltenden Schuldrechts ergänzend herangezogen sind. Einer gesonderten Abhandlung Vorbehalten ist das Recht der Handelsgesellschaften. Im ersten Hauptteil seiner Arbeit behandelt der Verfasser den Allgemeinen, im zweiten den Besonderen Teil des Schuldrechts, Er bringt eine umfassende, vollständige Darstellung der einzelnen Schuldverhältnisse und Rechtsinstitute; es kann hier nur auf einige besonders bemerkenswerte eingegangen werden. So ist beispielsweise im wesentlichen deutschrechtlich der Grundsatz der Formfreiheit schuldrechtlicher Ver­ träge (S. 6 ff.), die Normen über Leitungsort und -zeit, römischrechtlich dagegen das Verschuldensprinzip mit genauer Differenzierung hinsichtlich der Verschuldensgrade (S. 19 ff.). Im Besonderen Teil des Schuldrechts fällt in der Reformation von 1564 die eigenständige, weder auf römische noch auf deutschrechtliche Vorbilder zurückführbare Regelung des Zinsversprechens beim Darlehen als eine Art Naturalobligation auf (S. 56—58). Dagegen ist das Kaufrecht auffallend lückenhaft geregelt. Es fehlen z. B. völlig Bestimmungen über die Sachmängelhaftung des Verkäufers (S. 89). Eine 442

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Ausnahme besteht lediglich für den Gattungs- (S. 89) und den Viehkauf (S. 94 ff.). Eine sehr geschickte Verknüpfung von einheimischen Rechtsgrundsätzen mit dem römischen Recht wird bei der Miete deutlich. Während die älteren Reformationen für den Fall des Verkaufs des Grundstücks den Mietvertrag nicht ohne weiteres kraft Gesetzes endigen lassen, sondern dem Vermieter, hilfsweise auch dem Erwerber ein Recht zur vorzeitigen Kündigung aus wichtigem Grund einräumen, folgt die Refor­ mation von 1564 dem Grundsatz „Kauf bricht Miete“ (S. 132—138). Das Dienst­ vertragsrecht, obwohl in Nürnberg sehr alt, wird von den Reformationen nicht be­ handelt; hier kam ausschließlich örtliches Gewohnheitsrecht, ergänzt durch einzelne Ratsverlässe weiterhin zur Anwendung (S. 141). Anders wiederum der Lehrvertrag, dem wegen der zahlreichen Handwerksbetriebe der Stadt eine besondere Bedeutung zukam. Die Regelung ist durchweg deutschrechtlich und ebenfalls sehr maßgeblich von örtlichen Gewohnheiten bestimmt (S. 147 ff.). Für das Recht der unerlaubten Hand­ lungen ist ein geschlossenes System auf überwiegend deutschrechtlicher Grundlage im Ansatz erkennbar (S. 181 ff.). Eine Ausnahme gilt aber für die vom fremden Recht beeinflußte Tierschadenshaftung (S. 192 ff.). Die ungerechtfertigte Bereicherung da­ gegen wird als Rechtsinstitut in den Reformationen nicht erwähnt (S. 196), wohl aber finden sich in den Urkunden zahlreiche Fälle, die offensichtlich Bereicherungs­ ansprüche zum Gegenstand haben. Die für die Abwicklung geltenden Grundsätze entsprechen dem deutschen Recht (S. 198). Leider ist die Benutzung der neueren Literatur, insbesondere des Spezialschrift­ tums unvollständig. Es fehlt bespielsweise A. G e d e o n , Zur Rezeption des römi­ schen Privatrechts in Nürnberg, 1957, im übrigen muß auf die Zusammenstellung privatrechtlicher Einzeldarstellungen bei W. S c h u 11 h e i ß , Geschichte des Nürn­ berger Ortsrechts, 1957, S. 22 und 23, verwiesen werden. Zusammenfassend betrachtet jedoch zeigt die Untersuchung, daß das Nürnberger Schuldrecht von allen Teilgebieten des Privatrechts am wenigsten vom römischen Recht berührt wird. Damit dürfte die frühere Ansicht, die Unvollkommenheit des spätmittelalterlichen Schuldrechts sei eine Hauptursache der Rezeption gewesen, wider­ legt sein. Hans Schlosse, München C. Dieter Schmidt, Die Grünfisdiereigerechtigkeit in Nürnberg. Fotodruck Erlangen 1965. Erlanger jur. Dissertation. 117 S. Ein Prozeß zwischen den Eigentümern von in der Pegnitz liegenden und zu Häusern mit Grünfischereigerechtigkeit gehörigen Fischhälterungen und der Stadt als Eigentümerin des Flusses über den Rechtsinhalt des Besitzes solcher Fisch-Kästen gab Universitätsprofessor D. Dr. Hans Liermann-Erlangen Veranlassung, den umfas­ senden Komplex des Fischereirechts in Nürnberg untersuchen zu lassen, da dieses Rechtsgebiet noch nicht grundsätzlich erforscht war. Der Doktorand konnte dies nur auf Grund sorgfältiger Ermittlung und Kommentierung der Quellen tun. Er konnte da­ bei davon ausgehen, daß das Fischrecht in der Pegnitz ursprünglich im Besitz des Kö­ nigs war, der dieses dem Grundherrn zustehende Recht teils dem Burggrafen, teils geist­ lichen Instituten gab, von denen es zum Teil an Nürnberger Bürger kam. Schon im ältesten Satzungsbuch von 1302 sind gewerbepolizeiliche Bestimmungen über den Marktverkauf der Fischer enthalten. Die burggräflichen Fischer, deren erste Ansied­ lung in der heute noch bestehenden Fischergasse festzustellen ist, haben ihren Herren jährlich Dienstfische zu liefern. Die bürgerlichen Grünfischer, d. h. Verkäufer von frischen Fischen, im Gegensatz zu den Verkäufern von gesalzenen und getrockneten 443

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Fisdien, organisieren sich im 14. Jh. und werden in der Gewerbestatistik von 1363/ 70 mit 2 Vorgehern und etwa 20 Meistern erwähnt. Da ihre Häuser zweckmäßiger­ weise wegen der Fischhalterung an der Pegnitz liegen, wo eigene Fischgruben ein­ gebaut worden sind, bildet sich eine Radizierung des von Vater auf Sohn bzw. Schwiegersohn übergehenden Meisterrechts auf die ebenso erblich oder käuflich über­ gehenden Fischereianwesen aus. So entsteht die reale Grünfischereigerechtigkeit, für die unter dem Einfluß der Nahrungssicherung für den einzelnen Meister und der Beschränktheit des Fischvorkommens der „numerus clausus" eingeführt wird. Daneben gibt es nur auf Kleinverkauf beschränkte ebenfalls „reale" Salzfischereigerechtigkeit. Diese Realgerechtigkeit anerkennt 1808 das Königreich Bayern, sprengte aber dieses System durch Vergabe von der Marktlage zahlenmäßig angepaßten Personalkonzes­ sionen. Die Einführung der Gewerbefreiheit 1868 entkleidete die Realrechte ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, wenn sie auch formell noch bis heute fortbestehen. Der Verfasser vermag zu zeigen, wie z. B. das Recht an solchen Fischgruben im einzelnen urkundlich nicht nachgewiesen werden kann. Die noch stehenden Anwesen Untere Wörthstr. 8/l0 reichen in ihrem Baubestand vermutlich ins 15./16. Jh. zurück, bieten heute ein Stück romantisches Altnürnberg dar, das schon auf dem Braunschen Pro­ spekt von 1608 zu sehen ist. Sie zeigen damals wie gegenwärtig in der Pegnitz liegende bzw. versenkbare Fischkästen, über die keine förmlichen Konzessionen zu finden sind. Deren Rechtsverhältnisse beruhen daher auf Tradition und müssen nur mühsam erschlossen werden. In dankenswerter Weise fügt der Doktorand seiner sehr wertvollen Darlegung die einschlägigen Bestimmungen der Satzungsbücher (leider noch nach Baader und nicht nach den „Quellen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg Bd. 3" zitiert) und der Ordnung von 1629 ff. und der Gesellenordnung von 1673 hinzu. So ist nun wieder ein weiteres Gebiet der Nürnberger Rechtsgeschichte erfreulich geklärt worden. Werner Schultheiß Werk und Wirken, 50 Jahre TE-KA-DE, Nürnberg. Festschrift der „Süddeutsche Telefon-Apparate-, Kabel- und Drahtwerke AG TE-KA-DE Nürnberg (9. Juli 1962) 128 S. Die wirtschaftliche Blüte, zu der die freie Reichsstadt Nürnberg im Mittelalter durch Handel und Wandel mit aller Welt geführt wurde, fand im 17. und 18. Jahr­ hundert ein vorläufiges Ende. Jedoch bereits mit der beginnenden Industrialisierung in Deutschland in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erlebte die Stadt einen neuen ungeahnten Aufschwung. Der Boden hierzu war in erster Linie durch das traditions­ reiche Nürnberger Handwerk bereitet worden. Während vormals die Familienunter­ nehmen der Tücher, Peiler, Viatis, Haller, Holzschuher weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt waren, sind es heute besonders die dem gestiegenen Kapital­ bedarf der Großunternehmen gerecht werdenden Aktiengesellschaften. Neue Namen haben Weltruf erlangt, wie die Siemens-Schuckertwerke, die Maschinenfabrik Augs­ burg-Nürnberg und nicht zuletzt die TE-KA-DE. Ihr widmet sich eine 1962 anläßlich ihres 50jährigen Jubiläums herausgegebene Festschrift. Aus dem abwechslungsreichen Werdegang dieser Unternehmung sollen im folgenden einige Hauptstationen und Höhepunkte nachgezeichnet werden: Die süddeutsche Telefon-Aparate-, Kabel- und Drahtwerke Aktiengesellschaft TE-KA-DE Nürnberg geht in ihren ältesten Fertigungszweigen, dem Kabelwerk und dem Telefon-Apparatebau auf zwei alteingesessene Handwerksbetriebe, die Firmen Obermeier und Heller, zurück. Am 3. April 1895 erwerben Theodor und Max

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Guilleaume, die Inhaber der Firma „Felten & Guilleaume" in Mühlheim am Rhein, die Draht- u. Kabelfabrik I. Obermeier in Nürnberg-Lichtenhof und führen sie als OHG weiter. Das Fertigungsprogramm umfaßt Kabel für Telegrafen- und Telefon­ netze, Kraft- und Beleuchtungsanlagen, sowie Starkstromkabel. Die Übernahme be­ deutet für die Obermeier’sche Fabrik Aufschwung und Ausdehnung der Betriebs­ stätten und des Werksgeländes an der Allersberger Straße. Um wie Mitbewerber neben Kabeln auch den Apparateteil liefern zu können, übernimmt die Firma „Felten & Guilleaume" in Mühlheim 1904 die Firma „Friedrich Heller, Fabrik elektrischer Apparate für Telephonie und Signalwesen" in Nürnberg-Gleißhammer, die sie 1906 ebenfalls auf das Werksgelände an der Allersberger Straße verlegt. Die Fertigung von Telefonapparaten mit Magnetinduktor, Zentralumschaltern, Klingeln und son­ stigen Einrichtungen für Ruf- und Signalzwecke bilden eine glückliche Ergänzung zum Erzeugnisprogramm der Kabelfabrik, Die günstige Entwicklung im Nürnberger Werk führt am 9. Juli 1912 zur Gründung der selbständigen Aktiengesellschaft. Das Gesellschaftskapital wird auf 1 Million Goldmark festgesetzt. Die Aktien übernimmt das Stammhaus in Mühlheim; die Belegschaft zählt 228 Personen. Der Ausbruch des 1. Weltkrieges erfordert die Umstellung der Fertigung auf Feldkabel und Zünder. Die großen Anforderungen auf diesem Gebiet führen zum sprunghaften Anstieg der Belegschaft von 451 bei Kriegsbeginn auf 1707 im Jahre 1916. In Erkenntnis der Zukunftsmöglichkeiten für das Gebiet des Fernmeldewesens beteiligt sich die Firma an der Auswertung der zwischen 1905 und 1910 von Robert von Lieben erfundenen und patentierten Verstärkerröhre. Bereits 1916 nimmt die TE-KA-DE die selbständige Röhrenentwicklung auf. Die Umstellung von der Heeres­ fertigung auf das Vorkriegsprogramm nach 1918 geht zunächst wegen der Material­ schwierigkeiten, die der Währungsverfall mit sich bringt, nur langsam. Den Zerfalls­ erscheinungen der Währung tragen die Kapitalerhöhungen von 1 Mill. 1919 auf 20 Mill. bis 1922 Rechnung. Das Aktienkapital der Goldmarkeröffnungsbilanz 1924 beträgt 3 Millionen. Die zwei Jahrzehnte zwischen den Weltkriegen sind reich an wichtigen Entwick­ lungen in den einzelnen Fertigungszweigen. Auf dem Gebiet der Kabelfertigung ist vor allem die Herstellung des 98 paarigen Normal Fernkabels für die Post und Eisen­ bahn erwähnenswert. Marksteine sind in der Geschichte des Apparatebaus die Jahre 1922 und 1923 in denen die TE-KA-DE sich dem Gebiet der Leitungsverstärker und dem Rundfunkröhren- und Rundfunkapparatebau zuwendet. In die folgenden Jahre fällt die Errichtung einer Reihe vollständiger Fernämter für die Post. Die Arbeiten auf dem Gebiet der automatischen Telefonie werden 1926 begonnen. Verstärker für Tonfilmtheater, Akku-Heimladegeräte und Großlautsprecheranlagen werden in den folgenden Jahren ins Fertigungsprogramm aufgenommen. In Erkenntnis des kommenden Einflusses wichtiger Patente trifft die TE-KA-DE ein Abkommen mit Telefunken, die Produktion eigener Röhren einzustellen und die Fertigung von Vertragsröhren aufzunehmen. Pionierarbeit leistet die TE-KA-DE in den dreißiger Jahren für das Fernsehen. Der 2. Weltkrieg jedoch unterbricht die schon weit fortgeschrittene Entwicklung auf diesem Gebiet. In den Jahren 1939 bis 1945 wird der Apparatebau und die Kabelfertigung wieder stark von Heeresaufträgen in Anspruch genommen. Die Forschungsanstalt wird 1939 nach Berlin-Kaulsdorf verlegt. 1943 jedoch auf Anweisung des Reichsluftfahrtministe­ riums nach Oberkotzau und Schwarzenbach im Bayr. Wald verlagert. Aus den Bombenangriffen auf Nürnberg geht das Werk an der Allersberger Straße zu rund 92°/o zerstört hervor; die 1937 bzw. 1940 erworbenen Werke an der Schwabenstraße und Landgrabenstraße zu 67°/o bzw. 75%>. 445

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Bereits Ende 1945 laufen der Apparatebau und die Röhrenfertigung wieder an. Der Wiederaufbau für diese Fertigungsgebiete ist schon Ende 1949 abgeschlossen, während er sich in der Kabelfertigung bis 1951 hinzieht. Aus wirtschaftlichen Grün­ den wird 1956 die Einstellung der Röhrenfertigung beschlossen. Ähnliche Über­ legungen lassen die TE-KA-DE im selben Jahr auch die Rundfunk- und Fernsehgeräte-Fertigung aufgeben. Das Werk sieht eine aussichtsreichere Betätigung auf dem Gebiete der Apparate- und Kabelfertigung. Zur Erweiterung der Kabelfabrikation wird in zwei Bauabschnitten eine Werkanlage auf den nahezu 140 000 m2 großen Geländen in Nürnberg-Langwasser 1962 fertiggestellt. Das Gesellschaftskapital, das bereits 1958 um 3 Millionen erhöht wurde, wird 1961 auf 15 Millionen festgesetzt. Die neueste Entwicklung seit 1964 ist durch erste Versuche einer Gesprächsdurch­ wahl vom Fahrzeug ins Drahtnetz auf dem Gebiet des beweglichen UKW-Sprechfunks gekennzeichnet. Ebenfalls 1964 wird das Fernmeldeapparategebiet aus dem Stamm­ haus ausgegliedert und in eine selbständige Gesellschaft mit dem Firmennamen TEKA-DE Fernmeldeapparate GmbH, eingebracht. Während sich also die Tochtergesell­ schaft der Weiterentwicklung der Femmeldeapparate widmet, betätigt sich die TEKA-DE Aktiengesellschaft künftig ausschließlich auf dem Kabelgebiet. Leo Schuster Landesarbeitsamt Nordbayem in Verbindung mit dem Arbeitsamt Nürnberg. (Hrsg.): Der Wirtschaftsraum Nümberg-Fürth-Erlangen im Spiegelbild der Zahl, bearb. von W. Lutz, Nürnberg 1964/65, 164 S. Ein Scherzwort unter Statistikern spricht von drei Stufen der Lüge, der einfachen, der infamen Lüge und der Statistik. Gemeint wird hiermit, daß je nach Aufbereitung, Auswertung und Deutung des Zahlenmaterials die aus den statistischen Daten zu ziehenden Schlüsse manipuliert werden können. Die vorliegende, vom Landesarbeits­ amt Nordbayern besorgte Veröffentlichung besteht zu einem großen Teil aus statisti­ schen Angaben, die den Lehrern an den hiesigen Schulen als Beleg- und Unterrichts­ mittel für die Berufs-, Sozial- und Wirtschaftskunde dienen sollen. Um die gebotenen Zahlen richtig interpretieren zu können, müssen in erster Linie die den Verhältnissen zugrunde liegenden Bezugsgrößen berücksichtigt werden. So ist es für die Beur­ teilung z. B. der prozentualen Zunahme des Flugverkehrs wesentlich, ob als Bezugs­ größe das vorangegangene oder vielleicht schon das Jahr 1950 genommen wird. Den speziellen Ausführungen gehen vier von prominenter Hand verfaßte Ein­ leitungen voraus: ein Geleitwort von A. May, ein Vorwort von A. Urschlechter, eine Einführung von H. Glaser und ein Absatz über Wirtschaft und Bildung von F. Ruthel. Die Ausführungen selbst gliedern sich in 6 Abschnitte über „Raum" (J. S. Geer), „Mensch" (H. Bankei), „Wirtschaft" (F. Joas, W. Gräser), „Arbeit" (J. Kleefeld, A. Vorberg), „Nachwuchs" E. Weigand, H. Meier, A. Reischmann, K. Hagin und H. Bencker). Es schließt sich ein ausführlicher Anhang sowie ein Ver­ zeichnis mit Quellenangabe an. Die einzelnen Kapitel sind gleichartig aufgebaut, sie werden durch einen oder mehrere Aufsätze eingeleitet, an die sich die erläuternden Statistiken mit zahlreichen Aufgaben für den Schüler anschließen. Diesem wird zwei­ fellos wertvollstes Material an die Hand gegeben, das seinen Blick und sein Ver­ ständnis für die Belange der ihn umgebenden Verhältnisse weitet und ihn zum kriti­ schen wie verständigen Bürger erzieht. Aber auch den bereits von der Schule Ent­ lassenen gewähren die hier auf knappem Raum zusammengetragenen Zahlen einen guten Einblick in die wirtschaftliche, soziologische, rechtliche, politische, religiöse Situation des Nürnberg-Fürther-Erlanger Raumes.

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MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen Der interessierte Leser wird die dezimierte Einwohnerzahl Nürnbergs (heute 467 OOO) von 196 OOO Bürgern zu Kriegsende mit unbehaglicher Erinnerung zur Kenntnis nehmen, er wird sich (S. 43) Gedanken zur Verschiebung der Alterspyra­ mide in der Zeit von 1910 bis 1961 machen müssen oder aber auch andererseits den Rückgang der Säuglingssterblichkeit von 28 °/o (1880) auf 3,7 °/o (1962) freundlich

aufnehmen. An einigen Stellen leidet die Genauigkeit der Angaben durch inexakte Bezeich­ nungen, so auf Seite 97, wo einerseits Dienstleistungen für sich, daneben aber Handel, Geld und Versicherungen, Verkehrswesen, getrennt ausgewiesen werden, der Sache nach jedoch zusammengehören oder auf S. 105, wo unter den Wirtschaftsbereichen die Dienstleistungen ganz fehlen. Leider finden sich auch vom Wort her für Schüler wenig vorteilhafte Begriffe wie auf S. 95 mit der Frage nach den „unselbständigen Erwerbspersonen". Hätte man hier nicht besser von Lohn- und Gehaltsempfängern gesprochen? Ähnlich wie in allen anderen Städten der Bundesrepublik, besteht auch in Nürn­ berg eine angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenzahl ist von 1950 (23 979) bis 1960 auf 1334 zurückgegangen und verzeichnet 1962 nur einen geringen Anstieg auf 1840. Von den im hiesigen Raum beschäftigten 18 OOO Ausländem stehen Italiener, Griechen und Spanier nach der Zahl an erster Stelle. Sie finden vor allen Dingen in der Metallerzeugung und -Verarbeitung und im Baugewerbe Be­ schäftigung. Eine der interessantesten Angaben ist zweifellos die abnehmende Verkehrsleistung der Straßenbahn der VAG Nürnberg (S. 76), die in einem Jahr von 1962 bis 1963 um beinahe 2 Mio. km auf insgesamt 16 Mio. Fahrtkilometer abgenommen hat. Bei Beantwortung der Frage, warum die Beförderung von Personen durch die VAG von 1962 mit 132 Mio. auf 124 Mio. 1963 zurückgegangen ist, wird der Schüler in erster Linie an den stetig zunehmenden Individualverkehr (die tägliche Höchstbe­ lastung am Ring erreicht 37 OOO Fahrzeuge) zu denken haben. Hauptaugenmerk wurde den Fragen und Problemen des Nachwuchses geschenkt. Der Leser kann sich an Hand der angeführten Übersichten und Tabellen von der umfassenden Erziehungsarbeit im Raum Nürnberg überzeugen. Die Tatsache, daß die jeweiligen Stadtbereiche von Nürnberg über 89, von Fürth über 23 und Erlangen über 16 Volksschulen verfügen, spricht für die intensive und verantwortungsbewußte Bildungsarbeit unserer Stadtverwaltungen. Der Anhang bildet eine wertvolle Ergänzung zu den vorausgegangenen Ausfüh­ rungen. Er informiert den Interessenten über die weiteren Ausbildungsmöglichkeiten der Volksschüler und gibt eine Aufschlüsselung der Bevölkerung des Arbeitsamts­ bezirks Nürnberg, gegliedert nach Hauptamt und Nebenstellen. Die Darstellung des Wirtschaftsraumes Nürnberg-Fürth-Erlangen im Spiegelbild der Zahl, die freilich Fürth und Erlangen noch etwas stärker hätten berücksichtigen dürfen, kann als ein gelungenes Handbuch für den Lehrer gewertet werden. Im Interesse der Aktualität der Zahlen wäre es wünschenswert, wenn etwa alle zwei Jahre eine Neuauflage erfolgen könnte. Leo Schuster Geo Müller (Stempel-Müller), Vor hundert Jahren (Firmenfestschrift 1964), 12 S. Anläßlich von Jubiläen und ähnlichen Ereignissen bedienen sich größere Unter­ nehmungen seit langem repräsentativer Festschriften als attraktiver Mittel ihrer public-relations-Arbeit. Über die geschichtliche Aufzeichnung des eigenen Betriebs-

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geschehens und -erfolges hinaus werden in diesen Veröffentlichungen meist allgemeinhistorische Abhandlungen, die mitunter aus der Feder namhafter Fachleute stammen, über den betreffenden Wirtschaftszweig geboten. Die Firmenfestschrift ist, sofern sie eine gelungene Auswertung der oft umfangreichen Firmenarchive darstellt, für den Wirtschaftshistoriker zu einer anerkannten, ja unentbehrlichen Informationsquelle geworden. Somit wird auch dem fränkischen Lokalhistoriker die Festschrift zum hundert­ jährigen Jubiläum der als Personalgesellschaft geführten Stempelfabrik und Gravier­ anstalt Geo Müller sehr willkommen sein. Die im Jahre 1864 gegründete und aus gut-nürnberger Handwerkstradition hervorgegangene Unternehmung hat während vier Generationen an der Entwicklung des Stempels vom einfachen Brennstempel bis zu den mordemen Methoden der Flexographie maßgeblichen Anteil. Die chronologische Darstellung der Unternehmensgeschichte gibt dem Leser einen interessanten Einblick in das bewegte, von Krieg und Krisen mehrfach erschütterte Leben der Unterneh­ mung. Die Produktionsbreite erstreckt sich heute auf ein Sortiment von mehr als 75 genannten Artikeln (S. 10 f.). Die Entstehung des Stempelns geht auf den Wunsch nach Ausschmückung und Kennzeichnung, heute in erster Linie auf Rationalisierungsmomente, zurück, kann aber weder einer bestimmten Zeitepoche, noch einem Kulturkreis zugeschrieben werden. Sowohl Azteken als auch Inder, ebenso Babylonier wie Chinesen, aber auch die Völker Europas bedienten sich des Stempels für Münzen und Siegel. Die Erfindung der Druckerkunst wäre ohne die Fertigkeiten des Stempelschneiders nicht möglich gewesen. Die neuere Entwicklung begann mit der Verwendung von Kautschuk zur Fertigung des Gummistempels und führte zu den hochwertigen Stempelapparaten mit Farbwerk, automatischer Schaltung von Nummer- und Zeitangaben, mit Lichtsteuerung und magnetischer Auslösung. Aus der Gummistempelherstellung entwickelte sich ein neues Hochdruckverfahren, der bereits genannte Flexodruck, d. i. die Herstellung flexibler Druckplatten aus Gummi und Kunststoff. Es ist zu wünschen, daß diese Festschrift der Firma weitere Nürnberger Unter­ nehmer zu ähnlichen Dokumentationen anregt. Damit würde auch von dieser Seite ein beachtlicher Beitrag zur Erschließung der Nürnberger Wirtschaftsgeschichte ge­ leistet werden. Leo Schuster 1913—1963, Konrad Bickel, Nürnberg. Geschichte einer Handelsvertreterfamilie, München o. J. 88 S. Kapitalgesellschaften haben in der Regel eine längere Lebensdauer als Personen­ gesellschaften, bei denen Kapitalrisiko und Top-Management noch in einer Hand vereingt sind. Dies ist auch der Grund, weshalb die meisten Festschriften von Aktien­ gesellschaften vorgelegt werden. Chroniken von Personengesellschaften gibt es nur wenige, die Festschrift einer Handelsvertretung wird sogar ohne Beispei sein. Schon aus diesem Grund ist die Aufzeichnung der 50jährigen Geschichte der Nürnberger Textil Vertretung, Konrad Bickel, deren Gründung auf das Jahr 1913 zurückgeht, verdienstvoll. Die in erster Linie für Mitarbeiter, Lieferanten und Kunden verfaßte Arbeit bietet auch dem mit der Unternehmung nicht Verbundenen einen aufschlußreichen Einblick in die Tätigkeit des Handelsvertreters. In diesem Gewerbe kommt es wesentlich auf 448

MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen die Zusammenarbeit der „Etappe" mit dem Vertreter, der sich an der „Front" be* findet, an. Automation und Technik ermöglichen zwar in den Bureaus kostensparende Rationalisierung, die Musterkoffer sind jedoch heute wie ehedem für den Reisenden ebenso unentbehrlich wie seine Gabe, den Kunden zu beraten, zu überzeugen und für immer zu gewinnen. Der in ansprechendem Stil von dem Seniorchef, Otto Bickel, vorgetragene Text gliedert sich in folgende Hauptpunkte: Vorgeschichte und Gründung (1890—1913) Ein Normaljahr, Weltkrieg und Inflationszeit (1913—1923) Mit der Rentenmark in die Konjunktur und in die Krise (1924—1931) Die OHG erlebt Blüte und Auszehrung (1932—1939) Zweiter Weltkrieg und Zusammenbruch (1939—1947) Währungsreform und neuer Aufbau (1.948—1956) Die sieben fetten Jahre (1957—1963) Von Kunden und vertretenen Werken Von unserer gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft Die mit zahlreichen photografischen Aufnahmen ausgestattete Festschrift, in der minuziös und offen die wechselvollen Geschicke der Unternehmung in einem halben Jahrhundert ausgebreitet werden, ist darüber hinaus ein wertvoller Beitrag zu einem objektiven Berufsbild des Vertreters. Leo Schuster Karl Oettinger und Karl-Adolf Knappe, Hans Baidung Grien und Albrecht Dürer in Nürnberg, Nürnberg 1963. 330 S. Das Buch ist zunächst als eine abgeschlossene und selbständige Arbeit zu werten, die das Wissen um die Entwicklung Hans Baidungs in seinen frühen, in Nürnberg und Halle geschaffenen Werken zusammenfaßt unu klärt. Der Maler hat in den letzten zehn Jahren erneut nicht nur das besondere Interesse der Spezialisten, sondern auch einer breiten Schicht von Kunstfreunden auf sich gezogen, wie der große Erfolg der Karlsruher Baldungausstellung 1959 beweist. Es ist dies ein Verdienst der Kunst­ wissenschaft, insbesondere Carl Kochs, dessen Publikation der Zeichnungen Baidungs (Berlin 1941) als Jahresgabe des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft in viele Hände gelangte und dessen Beitrag über den Meister in dem von Theodor Heuss herausgegebenen Sammelwerk „Die großen Deutschen" (Band 1, Berlin 1956) auch dem mustergültigen, in zwei Auflagen erschienenen Katalog der Karlsruher Aus­ stellung vorangestellt wurde. Baidung konnte aber nur deshalb eine so weitgespannte neue Würdigung finden, weil ein Charakterzug seiner Kunst, der Einbruch des Dämo­ nischen, nicht als Antithese, wie es in den Teufelsgestalten der mittelalterlichen Malerei stets sichtbar gemacht wurde, sondern als etwas, das überall und immer vor­ handen ist und Form gewinnen kann, der Bewußtseinslage des modernen Menschen in eigentümlicher Weise entspricht. Oettingers Anteil am Buche zielt aber über eine isolierte Betrachtung Baidungs hinaus, es ist ein weiterer Schritt auf dem Wege, den der Verfasser mit seinen Altdorfer Studien (Erlangen 1959) begonnen hat. Es geht darum, während eines bestimmten Zeitraums — für Dürer und Baidung von 1503 bis Ende des Jahres 1508 — an Hand der datierten Werke und durch Einordnung der undatierten eine absolute Chronologie zu erreichen, die es ermöglicht, die Entwick­ lungsphasen gleichsam in einer graphischen Kurve zu erfassen und in Parallele zu 29

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setzen. Oettinger weicht dabei den Meistern bei ihrer Arbeit nicht von der Seite, denn dem Versuch kommt nur dann Beweiskraft zu, wenn es gelingen kann, jedem Werk auf Grund unverwechselbarer stilistischer Merkmale im zeitlichen Ablauf einen festen, unaustauschbaren Platz anzuweisen und aus den gleichen Merkmalen die be­ stimmende künstlerische Tendenz zu ermitteln, die Oettinger für die Jahre 1503, 1505/06, 1508, 1510 als Phasen der Konvexform, der massigen Figur und der Figur vor dem Raum bezeichnet für die Jahre 1504/05, 1506/07, 1509 als Phasen der hageren Form, der schlanken und dynamischen Figur und des Raumes mit Figur. Dabei wird eine Parallelentwicklung zwischen Dürer und Baidung festgestellt, die sich nicht auf „formale und motivische“ Züge beschränkt, die aus dem LehrerSchülerverhältnis unschwer zu erklären wären und von Oettinger auch für die Da­ tierung der Werke herangezogen werden, sondern „in tiefere Schichten hinabreicht, in das Lebensgefühl, in die Zone der „Gestimmtheit“, jenseits der jeweil gewählten Stimmung für einzelne Schöpfungen“ (S. 45). Einen Beweis für diese These sieht Oettinger in der Gleichgestimmtheit der Wandlungen Dürers und Baidungs vom Sommer 1505 bis zum Frühjahr 1507, in einer Zeit also, in der Dürer zum zweiten Male in Italien weilt und Baidung in Nürnberg bleibt und die Rückkunft des Mei­ sters dort erwartet, ehe er, einem vielleicht von Dürer vermittelten Auftrag folgend, nach Halle wandert. Beide Künstler erleben in dieser Zeit eine klassische Phase, bei Dürer durch das erneute Zusammentreffen mit Giovanni Bellini erklärbar, der sich eine dämonische Phase anschließt, die sich bei Dürer am deutlichsten im vieldisku­ tierten, 1506 geschaffenen Bild mit Jesus unter den Schriftgelehrten (Lugano-Castagnola, Slg. Thyssen) manifestiert, über das noch zu sprechen sein wird. Es ist die Absicht Oettingers, durch weitere Untersuchungen an den Frühwerken Cranachs und Grünewalds festzustellen, ob sich diese strikte Parallelität der Wandlungen, für die es eine rationale Erklärung nicht gibt, für die gesamte Dürergeneration bestätigt. In einem Nachwort zu seinen Altdorfer-Studien (S. 141—144) hat Oettinger ausführ­ lich zur Methode der zeitlichen Fixierung des künstlerischen Ausdruckswillens Stel­ lung genommen und dabei auch den naheliegenden Einwand, eine solche Rekon­ struktion ziehe die Freiheit des Genies zu wenig in Rechnung, als — wenigstens für die in Frage stehende Zeit — nicht stichhaltig zurückgewiesen. Den Anteil Baidungs an der Nürnberger Glasmalerei behandetl Karl-Adolf Knap­ pe, der bereits 1955 durch Zuweisung des Löffelholz-Fensters in St. Lorenz als erster die Tätigkeit Baidungs als Entwerfer für Glasgemälde während seiner Nürnberger Zeit erkannt und überzeugend nachgewiesen hatte. Während das wahrscheinlich 1506 entstandene Löffelholz-Fenster den individuellen Stil Baidungs so vollkommen be­ wahrt hat, daß Knappe die Anfertigung eines maß stabgleichen Kartons durch Bai­ dung annimmt, an den sich der ausführende Glasmaler sehr genau gehalten habe, bewertet er bei den übrigen Werken den Anteil Baidungs sehr unterschiedlich und differenziert zwischen Entwurfsskizze, maßstabgerechter Visierung und Karton als Vorlage für den Glasmaler. Es handelt sich dabei in erster Linie um Scheiben eines von verschiedenen Künstlern entworfenen neutestamentlichen Zyklus von Glas­ fenstern, dessen Reste sich heute in den KiTchen von Großgründlach und NümbergWöhrd befinden. Wie G. Frenzei feststellen konnte, wurde die Folge ab 1504 für den Kreuzgang des Nürnberger Karmeliterklosters angefertigt. Durch eingehende Analyse der für eine Mitwirkung Baidungs in Frage kommenden Fenster reiht Knappe die Glasgemälde, von denen nur die Darbringung im Tempel durch eine Jahreszahl auf 1505 datiert ist, in das Werk des Künstlers ein. Als späteste von den Scheiben Baidungs innerhalb der Folge sieht er mit Recht den Abschied Joachims von Anna an, die bereits auf die Arbeiten der frühen Straßburger Zeit des Malers hinweist. Die auch aus äußeren Gründen 1507/08 zu datierende Scheibe ist eines der Beweisstücke

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MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen für einen erneuten Aufenthalt Baidungs in Nürnberg nach Fertigstellung der 1507 ausgeführten Hallenser Altäre. Außer den Kapiteln über die Glasmalerei und den Katalog hat Knapp noch einen Abschnitt über die in der Zuschreibung an Baidung problematischen Werke beige­ steuert, unter denen die Ansbacher Tafel mit Christus in der Kelter, für die ein flüchtiger Entwurf Dürers Vorgelegen hat (Berlin), wohl das am meisten diskutierte Werk ist. Knappe hält eine Mitwirkung Baidungs für möglich und trennt die von E. Büchner dem gleichen anonymen Meister zugeschriebenen Tafeln vom Kelterbild, was für die Geburt Christi in Cleveland und die hl. Sippe im Germanischen Museum nicht einleuchtet. Das sehr manieristische Bild- des Schmerzensmannes in Venedig scheint dagegen eine Arbeit der sog. Dürerrenaissance des späten 16. Jahrhunderts zu sein. Zu rühmen sind die ausführlichen Register und die vorzügliche Ausstattung des Werkes durch den Verlag Hans Carl. Abschließend noch ein Wort zu Dürers Bild „Jesus unter den Schriftgelehrten". Dürer schreibt am 23. September 1506 aus Venedig an Willibald Pirckheimer: „Auch wist daz mein tafell fertig ist, auch ein ander quar (ital. quadro = Gemälde), des gleichen jch noch nie gemacht hab. Vnd wie jr ewch selbs vol gefalt, also gib jch mir hy mit awch zw fersten, daz pessers Maria pild jm land nit sey, wan all künstner loben daz, wy ewch dy herschaft. Sy sagen, daz sy erhabner leblicher gemell nie gesehenn haben." Zunächst meldet Dürer also die Fertigstellung „seiner" Tafel, des Rosenkranzfestes, über deren Erfolg bei der venezianischen Künstlerschaft er bereits am 8. September an Pirckheimer berichtet hat. Außerdem schreibt er von der Vol­ lendung eines zweiten Bildes, das sich von allem bisher Geschaffenen unterscheidet. Dann kehren seine Gedanken wieder zum Rosenkranzfest zurück, mit dem er sich den einheimischen Künstlern, die ihn nur als Stecher anerkennen wollten, als Maler gestellt hat. Und wiederum betont er seinen vollen Erfolg: ein besseres Marienbild gibt es im ganzen Land nicht, und auch die Künstler sagen, daß sie ein erhabeneres und lebensvolleres Gemälde nie gesehen haben. Man hat geglaubt, und auch Oettinger neigt dieser Meinung zu, daß die im zweiten Satz enthaltene Mitteilung auf das „ander quar" zu beziehen sei, das demnach auch ein Marienbild, wahrscheinlich die Madonna mit dem Zeisig, gewesen sei. Wenn man Dürers Äußerungen ernst nimmt, erscheint es aber doch ganz unmöglich, daß er die Madonna mit dem Zeisig gegenüber dem im gleichen Zusammenhang als „seine Tafel" erwähnten Rosenkranz­ fest als ein Werk bezeichnet, wie er es noch nie gemacht habe, als das beste Marien­ bild im Lande, als das erhabenste Gemälde, das die venezianischen Künstler je ge­ sehen haben. Diese Aussagen können sich nur auf das Rosenkranzfest beziehen. Dagegen spricht viel für die ebenfalls geäußerte Annahme, daß mit dem zweiten fertiggestellten Bild die Tafel mit Jesus unter den Schriftgelehrten gemeint sei. Dürer hatte auf der Signatur des Rosenkranzfestes vermerkt, daß er es innerhalb von fünf Monaten ausgeführt habe (Exegit quinque mestri spatio), auf der Signatur des Jesus unter den Schriftgelehrten dagegen, daß es ein Werk von fünf Tagen (Opus quinque dierum) sei. Diese Angaben über die Arbeitszeit erhalten ihren Sinn durch die Gegen­ überstellung und gelten den neugierigen venezianischen Malern, die beide Bilder in Dürers Atelier sehen konnten. Das so schnell ausgeführte Werk, von dem Dürer mit Recht sagen konnte, daß er „des gleichen" noch nicht gemacht habe, wäre demnach zwischen den beiden Briefen vom 8. und 23. September entstanden. Andererseits hat G. Arnolds 1959 eine Nachzeichnung des Bildes aus der Zeit um 1600 veröffentlicht, die unter der Signatur die Inschrift F. Romae zeigt. Damit könnte der Beweis für die umstrittene Romreise Dürers im Anschluß an seinen Aufenthalt in Bologna erbracht sein, doch hat eine Röntgenaufnahme des Originals keine Spuren einer solchen In­ schrift erkennen lassen. Es scheint also wahrscheinlicher, daß der Kopist die Orts29

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MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen angabe auf eigene Verantwortung zugefügt hat, da er das Bild in Rom gesehen hat, wo es sich seit dem 16. Jahrhundert bis zur Erwerbung für die Slg. Thyssen offenbar immer befunden hat. Peter Strieder Matthias Simon, Nümbergisches Pfarrerbuch. Die evangelische-lutherische Geist­ lichkeit der Reichsstadt Nürnberg und ihres Gebietes 1524—1806. Nürnberg 1965 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns XLI. Band). 359 S. Der Verfasser hat sich der mühevollen und deshalb um so dankenswerteren Aufgaben unterzogen, ein Nümbergisches Pfarrerbuch zu erstellen. In der alpha­ betischen Liste der Geistlichen werden nicht nur die Lebensdaten und Familienver­ hältnisse geboten, sondern auch meistens die wichtigsten Leistungen der Persönlich­ keiten skizziert sowie die benützten Quellen, die einschlägige Literatur sowie Hin­ weise auf vorhandene Porträts angegeben. Da der Allgemeine Porträt-Katalog (mit 3 Nachträgen) Hamburg 1931 (—35) zitiert wurde, verzichtete der Autor auf die Nürnberger Spezialkataloge von G. W. Panzer, 1790—1821. Im II. Teil werden „Die geistlichen Ämter" in alphabetischer Folge der Orte auf geführt, wobei die an den einzelnen Stellen tätigen Geistlichen in zeitlicher Reihe genannt werden. Am Schlüsse werden ein umfassendes Orts- und Personenregister angefügt. Dem Kenner braucht nicht dargelegt werden, wie wertvoll dieses Werk für jede Art Forschung ist, zumal in den Ortsbetreffen: Landesherrschaft, Kirchenhoheit, Patron, Geschichtliche Entwicklung und Dekanat angegeben werden. Die „Geschicht­ liche Einleitung“ führt in Kürze in die Probleme des Werkes ein. So ersetzt nun endlich das vorliegende Buch das ältere, von 1756—1763 reichende Werk von Pfarrer Andreas Würfel, das unter dem Titel „Diptycha ... “ die ein­ zelnen Kirchen der Reichsstadt und ihres Gebietes beschreibt und deren Geistliche aus der vorreformatorischen und lutherischen Zeit ausführlich behandelt, wobei in Kupferstichen Ansichten der Kirchen und Porträts der Geistlichen beigegeben werden. Pfarrer Georg Ernst Waldau hat eine Fortsetzung bis 1779 in 2 Bänden unter dem Titel „Diptycha ... contiuata“ veröffentlicht. Wer die Werke der Geistlichen in Titeln kennenlernen will, muß noch auf die älteren Werke zurückgreifen. Nach dem Vorwort des Verfassers sind A. Würfels „Diaptycha“ das erste Pfarrer­ buch des evangelischen Deutschland, dem Schlesien 1781—89 folgt. Dies dürfte als Ausdruck zunächst des ausgeprägten Standesbewußtseins der Nürnberger Geistlich­ keit gewertet werden, der das strenge automatische Regime des patrizischen Rates ein durch Geistliche geleitetes Kirchenministerium oder Superintendantur vorenthielt. Gleichzeitig zeigt sich auch in beiden Werken, daß die Nürnberger Geistlichen eine große Rolle in der gerade im 18. Jh. stark einisetzenden Erforschung der Nürnberger Geschichte spielen — eine Tradition, die der Verfasser in der Gegenwart mit Erfolg fortgesetzt hat. Werner Schultheiß Erich Stahleder, Die Handschriften der Augustinereremiten und Weltgeistlichen in der ehemalgen Reichsstadt Windsheim. Würzburg 1963 (Quellen und For­ schungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg. Herausgegeben von Theodor Kramer Bd. 15). Die Stadtbibliothek Bad Windsheim ist zwar allgemein wenig bekannt und be­ nützt, birgt aber mancherlei Schätze, u. a. die ziemlich vollzählig erhaltene Bücherei des 1525 aufgehobenen Augustinerklosters Windsheim. Der Verfasser Archivassessor

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MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen Stahleder hat auf Anregung von Universitätsprofessor Dr. Otto Meyer die HandSchriften jenes Konvents und der Weltgeistlichen jenes Ortes mit Sachkunde nach bibliothekarischen Grundsätzen beschrieben. Die Durchforschung jenes Bestandes hat manch wichtiges Dokument für die Erstellung des vom Rezensenten geschriebenen Urkundenbuches der Reichsstadt Windsheim 741—1400 beigesteuert. Doch sind bei Stahleder leider 2 Handschriftenfragmente nicht berücksichtigt, die im Stadtarchiv Bad Windsheim aufgetaucht sind. Es handelt sich um 4 Quart-Blätter Pergament einer Bibelhandschrift mit einer karolingischen Minuskel deutscher Herkunft aus der Zeit kurz von 850 (0, wie Universitätsprofessor Dr. Bernhard Bischoff-München festgestellt hat. Außerdem fand sich eine Lage von 6 Oktav-Blättern Pergament mit gotischer Buchschrift aus der Wende des 12./l 3. Jh., die nach Universitätsbibliothekar Dr. Weckerle-Erlangen ein Fragment des „Speculum ecclesiae“ (Predigtsammlung) des Priesters Honorius von Autun (f kurz nach, 1150) ist. Wie beide Handschriften­ bruchstücke nach Windsheim gekommen sind, ist noch nicht geklärt. Diese neue Veröffentlichung gibt einen erfreulichen Einblick in die Geistesge­ schichte eines fränkischen Predigerklosters und jenes Ordens. Für den Nürnberger ist das vorliegende Werk von Interesse, weil in dieser Bücherei verschiedene Be­ ziehungen zu Nürnberg und zum Nürnberger Augustinerkloster in Erscheinung treten. Werner Schultheiß

Klaus Leder, Universität Altdorf zur Theologie der Aufklärung in Franken. Die Theologische Fakultät in Altdorf 1750—1809. 1965 Lorenz Spindler Verlag, Nürnberg. Schriftenreihe der Alt-Nürnberger Landschaft. Herausgegeben von Fritz Schnelbögl Band XIV 396 S., Preis DM 19.—. Wer jemals Siegfried v. Scheurls 1949 erschienene Abhandlung „Die theologische Fakultät Altdorf im Rahmen der werdenden Universität 1575—1623“ gelesen hat, hegte den begreiflichen Wunsch, es möchte uns noch die entsprechende Fortsetzung beschert werden. Klaus Leder hat sie uns nun für die Zeit von 1750 bis 1809, also bis zur Aufhebung der Altdorfer Universität, in mustergültiger und, wie wir sofort unterstreichen dürfen, in erschöpfender Weise dargeboten. Sie ist ein wichtiger Beitrag zur Geistesgeschichte der Reichsstadt Nürnberg, die ja neben Straßburg die einzige war, die eine eigene Hochschule unterhalten hat. Alle bisherigen Forschungen sind in diesem schmucken, trefflich illustrierten Buch glücklich zusammengefaßt und durch genaueste Quellenforschung vertietf. Aber nicht nur Nürnberg darf diese umfang­ reiche Untersuchung als Gewinn buchen, sondern das Frankenland überhaupt. Beabsich­ tigt doch der gelehrte Verfasser „Einzug und Verlauf der Aufklärung“ an einem der geistigen und theologischen Brennpunkte des Deutschen Südens auf dem Hintergrund der Theol. Fakultät Altdorf zu veranschaulichen. Gerade damit wird aber die Studie zu einem beachtlichen geistesgeschichtlichen Beitrag zur Morphologie und Entwick­ lung der theologischen Aufklärung überhaupt und zu ihrer Periodisierung. Manche gängigen Pauschalurteile werden zurechtgerückt. Lag bei Professor Joh. Balthasar Bernhold, dem gelehrten Patristiker und dem Promotor Semlers, noch eine pietistisch modifizierte Theologie vor, die damals schon zu Ende ging, so haben die Professoren Joh. Bartholomäus Riederer (f 1771), Johann August Dietelmaier (f 1785), Hofmann (f 1772) und Sixt (f 1810), eine „vernünftige Orthodoxie“ vertreten, die sich leidenschaftlich und bewußt von der aufkommenden „Neologie“ abgrenzte. Über jeden einzelnen dieser Männer erhalten wir ein abgewogenes theolo­ gisches Porträt. Ihre Schüler Joh. Christoph Döderlein (f 1792). Christian Gottfried Junge (f 1814), Joh. Philipp Gabler (f 1826) Meyer und Vogel waren charakteristi453

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sehe Vertreter dieser Altdorfer Neologie, die Leder in 3 Phasen feinsinnig kenn­ zeichnet. Diese Theologie des 18. Jahrhunderts besaß wirklich ihre Gipfel und Höhe­ punkte: so war z. B. Dietelmaier der Begründer der Dogmengeschichte als einer theo­ logischen Disziplin, Döderlein wurde von seinen Zeitgenossen höher geschätzt und verehrt als Semler. Altdorf besaß nicht bloß die ersten theologisch praktischen Se­ minare Deutschlands, sondern schuf auch das erste moderne Seminar, das Professoren und Studenten zu gemeinsamer wissenschaftlicher Arbeit vereinigte. Gerade die Radi­ kalisierung der Aufklärung in Franken wurde durch Altdorf verhindert. Mit Gabler, dem Begründer der sog. biblischen Theologie als eigene Wissenschaft, trat noch eine Rückwanderung zu den lutherischen Bekenntnisschriften ein; der von Altdorf nach Erlangen transferierte Spätneologe Vogel verkörperte schließlich den Übergang zur lutherischen Restauration und Erweckungsbewegung. So bildete Erlangen in gewissem Sinn die Fortsetzung der Altdorfer Tradition. Die Gründe des Niedergangs und der schließlichen Aufhebung Altdorfs werden zum Schluß sorgsam abgewogen. Die Uni­ versität fiel schließlich dem Auflösungsantrag von Montgelas vom 17. 9. 1809 und dem Königlichen Dekret vom 24. 9. 1809 zum Opfer. Selbst Niethammer konnte die Auflösung nicht hindern. Jedenfalls ist die höchst verdienstvolle Arbeit Leders eine reiche Fundgrube für alle, die sich geistes- und theologiegeschichtlich oder aus Gründen der Familienkunde mit der einstigen Theologischen Fakultät Altdorf beschäftigen, deren Entwicklung und Ende in nuce nun vor uns liegt. Hoffentlich wird auch noch einmal die Zeit von 1623 bis 1750 ebenso glücklich erhellt. Um die entscheidenden Linien besser hervor­ treten zu lassen, mußte die Besprechung auf viele Einzelheiten und Beobachtungen verzichten. Zu S. 76: Hier ist doch wohl als Bemholds Geburtsort Burgsalach zu lesen! Paul Schattenmann Johannes Kist, Die Matrikel der Geistlichkeit des Bistums Bamberg 1400—1556. (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, IV. Reihe: Matrikeln fränkischer Schulen und Stände Bd. 7) Würzburg 1965. XX und 539 S. Lieferung 1—7, ä 5.50 DM insgesamt 38.50 DM. Zum 900jährigen Jubiläum des Bistums Bamberg hat Friedrich Wächter 1907 seinen „General-Personal-Schematismus der Erzdiözese Bamberg“ veröffentlich, der alle Geistlichen der Diözese von der Gründung des Bistums bis zum Jahre 1907 zu erfassen suchte. Rund 60 Jahre später hat nun der derzeitige Rektor der Bamberger Philosophisch-Theologischen Hochschule Professor Dr. Kist — die Nürnberger Kirchen­ geschichtsforschung verdankt ihm bereits eine Monographie über das Klarakloster — für den Zeitraum von 1400—1556 eine Neubearbeitung dieser Matrikel zustande gebracht, die alle quellenmäßig greifbaren Angehörigen des Welt- und Ordensklerus erfaßt, die in diesem Zeitabschnitt im Bereich der mittelalterlichen Diözese Bamberg geboren, geweiht, bepfründet oder tätig waren. Durch umfangreiche Belegsammlungen, vor allem aus den Staatsarchiven Bamberg und Nürnberg, dem Ordinariatsarchiv Bamberg und dem Vatikanischen Archiv Rom, ist dem Bearbeiter eine beachtliche Leistung gelungen: Die Zahl der nachgewiesenen Kleriker für diese 156 Jahre hat sich gegenüber Wächter um das Zweieinhalbfache auf 7290 erhöht. Damit hat Kist ein wertvolles Personallexikon des Klerus geschaffen. Für Nürnberg bedeutet es ein besonders glückliches Zusammentreffen, daß gleich­ zeitig mit dem Erscheinen von Simons Nürnbergischem Pfarrerbuch nun auch das Werk der Bamberger Matrikel — sie wurde seit 1955 in sieben Lieferungen gedruckt — vollständig vorliegt. Denn damit sind für die Reichsstadt und ihr Landgebiet alle 454

MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen Geistlichen von 1400 bis 1806 mit Lebensläufen erfaßt. Daß auch künftig noch ein­ zelne Ergänzungen hinzukommen werden, ist bei einem solchen Unternehmen nicht zu vermeiden, fällt jedoch im Vergleich zum Umfang des jetzt erreichten Standes nicht mehr wesentlich ins Gewicht. Der Schematismus gibt ein eindrucksvolles Bild von der bunten Vielfalt der Geist­ lichkeit einer spätmittelalterlichen Diözese im Hinblick auf Herkunft, Ausbildung und Tätigkeit. Neben dem einfachen Mönch des Bettelordens steht der angesehene Bamberger Domherr, neben dem Pfarrherrn der kleinen Landparochie der selbstbewußte, schon vom Humanismus gepägte Propst der Nürnberger Stadtpfarrei. Für verschiedene Zweige der historischen Forschung kann die Matrikel — selbst aus den Primärquellen geschöpft — nun als Sekundärquelle dienen. So ist jetzt z. B. bequem festzustellen, wie viele Söhne der Nürnberger Patrizierfamilien im 15. Jahr­ hundert den geistlichen Stand erwählten und zum Teil reich dotierte Pfründen er­ langten. Genannt seien nur Melchior Pfinzing, Propst zu St. Sebald in Nürnberg und bei St. Alban zu Mainz, Anton Paumgartner, gestorben 1492 als Dompropst von Brixen, Thomas Pirckheimer, Dompropst zu Eichstätt und Domkustos in Regensburg (gestorben 1473) und die beiden Vettern Lorenz und Sixtus Tücher, Pröpste bei St. Lorenz in Nürnberg. Mit Hilfe eines Registers der Studienorte kann man sich leicht einen Überblick über die Universitäten verschaffen, an denen die Kleriker ihren Studien oblagen. An der Spitze steht hier mit weitem Abstand Leipzig, gefolgt von Erfurt, Ingolstadt, Wien und Heidelberg. Außerdem ist dem Werk ein Register der Geburts- und Herkunftsorte und eines der Pfründen beigegeben. Die Reihe der Ver­ öffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte hat mit diesem Band eine wertvolle Bereicherung erfahren. (Eine Druckfehlerberichtigung: Bei Nr. 1206 und 2981 muß es jeweils „Ratsbuch“ heißen). Gerhard Hirschmann Georg L ö h 1 e i n und Horst Pohl, Archive der Freiherren Haller von Haller­ stein in Schloß Gründlach: Bd. I Archiv Hl. Kreuz, Nürnberg und Archiv Henfenfeld. München 1965 (Bayer. Archivinventare hrsg. im Auftrag der Generaldirek­ tion der Staatlichen Archive Bayerns Heft 26). 209 S. Der vorliegende stattliche Band stellt das 7. Heft der Reihe Mittelfranken dar, die vom Staatsarchiv Nürnberg betreut wird, und vor allem das 1. Verzeichnis über ein Archiv eines noch heute blühenden Patriziergeschlechts von Nürnberg. Der 1. Teil enthält zunächst das kurzgefaßte Verzeichnis über das Archiv einer ehemaligen Wohltätigkeitsstiftung, nämlich des von Bertold Haller um 1354 errichteten Pilger­ spitals Heiligkreuz. Es war die erste Anstalt dieser Art, die an der alten nach Aachen/ Frankfurt führenden Femstraße zur Verpflegung armer Wallfahrer errichtet wurde, wurde dauernd durch Mitglieder dieser Familie verwaltet und 1945 vollständig zer­ stört. Deshalb wurde das Gelände nach 1952 mit Wohnhäusern des Evang. Siedlungs­ werks überbaut. Das Archiv wurde während des 2. Weltkrieges durch die Stadt Nürn­ berg geborgen und liegt jetzt im Schloß Großgründlach. Anläßlich der Umorganisation des Stiftungswesens unter Montgelas wurde um 1812/20 der Komplex jener Stiftung aufgeteilt zwischen Wohltätigkeits- und Kultusstiftung (Kirche!) und dem Geschlecht. Deswegen befinden sich wenige, allerdings hier nicht berücksichtigte Archivalien über Heiligkreuz auch im Stadtarchiv Nürnberg als prinzipieller Verwahrerin der Nürn­ berger Stiftungsarchive. Aus diesem Grunde war es auch verantwortbar, daß der städt. Archivrat (1964 a. D.) Dr. Georg Löhlein von Amts wegen diesen Bestand verzeichnet und geordnet hat. Durch die Aufschließung dieser Quellen ist nun der Beweis erbracht worden, daß das Spital schon 1354 (nicht erst 1361 wie nach der bisherigen Literatur)

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gegründet worden ist und daß 1362/3 eine vom Neuen Tor bis Heiligkreuz reichende „Vorstadt" mit einem eigenen äußeren Tor vorhanden war. Aufschlußreich ist der Einblick in jene ziemlich reich dotierte Stiftung, die sich nach 1525 zur Herberge für mittellose fremde Vaganten umwandelte. Ihre Besitzungen lagen in zahlreichen Orten der Nürnberger Umgebung. Wie umfangreich dieser Bestand ist, mag die Bemerkung beleuchten, daß 154 Urkunden (darunter 14 für das Nürnberger Urkundenbuch vor 14001), 20 Amtsbücher, 895 Akten, 62 Rechnungen und 48 Pläne und Karten erfaßt werden, wobei die Stücke des Stadtarchivs mit einbezogen worden sind. Den Rest des Bandes (S. 69—209) füllt das Kurzinventar des sog. Gutsarchivs Henfenfeld, das die Haller mitsamt dem Herrschaftskomplex als Erben des rats­ fähigen Geschlechts Pfinzing 1764 geerbt und 1817 an den Großkaufmann Benedikt (von) Schwarz verkauft hatten. Leider konnte das Stadtarchiv Nürnberg diesen Be­ stand nicht 1943/4 erwerben. Deswegen kam es, wie der Rezensent miterleben mußte, anläßlich der amerikanischen Besetzung von Henfenfeld 1945/6 zu Schaden, wobei u. a. die ältesten Urkunden verlorengingen. Deshalb war es sehr zu begrüßen, daß Dipl.-Ing. Helmut Freiherr Haller von Hallerstein 1952 den immer noch sehr an­ sehnlichen Rest erwarb, ihn durch Dr. Pohl, Volontär am Germanischen National­ museum Nürnberg, aufnehmen und ordnen ließ, wofür ebenso wie für die Druck­ legung die Freiherrlich von Haller’sche Forschungsstiftung wesentliche Finanzhilfe leistete. Gebracht werden Inhaltsangaben von 342 Urkunden (1119—1857), 77 Amts­ büchern (Kopial-, Gült-, Gerichtsbücher und Repertoiren und private Geschäfts­ bücher 1532 — 19. Jahrhundert), 3131 Akten, 638 Rechnungsbänden und 78 Karten und Plänen. Dieser Komplex vereinigt zunächst die Quellen der Gutsherrschaft Henfenfeld samt einiger Stücke der Pfarrei, von denen B 38 und 39 dieser zurück­ gegeben hätten werden können, der Grund- und Gerichtsherrschaften Artelshofen und Hirschbach (früher von Ebner) und Malmsbach (früher von Grundherr und von Löffelholz) sowie der Schlösser Prackenfels und Sündersbühl — Nürnberg (früher von (von) Schwarz erworben hatte. Aus einem Erbe stammt noch persönliches und ge­ schäftliches Schriftgut des Nürnberger Marktvorstehers Konrad Lothes (f 1757), des Handelsmanns J. Chrph. Nöthel (f 1771), des Kaufmanns Heinrich Ermann (f 1782) usw. sowie ein beträchtlicher Teil des wertvollen Familien- und Firmenarchivs von Schwarz. Dazu kommen noch ein Restarchiv der von Furtenbach auf Reichenschwand und einige Varia im ersten Teil. Es erschiene der Überlegung wert, ob nicht künftig bei der Ordnung solcher Familienarchive durch eine „ archivalische Rurbereinigung" solche „fremde" Stücke an die zuständige Stelle vertauscht oder abgegeben werden sollten, da kein Forscher daran denkt, solche Dokumente an der gegenwärtigen Stelle zu suchen. Dies wäre eine weitere Aufgabe der „Landschaftlichen Archivpflege". Das künftige Register wird diesen Schönheitsfehler nicht ganz ausmerzen. Gerade der vielfältige Inhalt eines solchen Archivs zeigt die Notwendigkeit der Veröffent­ lichung von Inventaren solcher meistens nicht bekannten Archive. Diese Publikation ist vor allem der Tatkraft von Staatsarchivdirektor Dt. Fritz Schnelbögl und der Initiative von Dipl.-Ing. Helmut Freiherr Haller von Hallerstein zu verdanken, von dem zunächst eine Geschichte der Heiligkreuzstiftung und später eine Geschichte der eigenen Familie zu erwarten sind. Werner Schultheiß Günther Schuhmann, Ansbacher Bibliotheken vom Mittelalter bis 1806. Ein Beitrag zur Kultur- und Geistesgeschichte des Fürstentums Ansbach (Schriften des Instituts für fränkische Landesforchung an der Universität Erlangen Band 8), 1961, XX und 259 S., 8 Bildtafeln. Verlag Michael Lassleben Kallmünz-Opf. 15.- DM. 456

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Allem voran haben wir dem Institut für fränkische Landesforschung an dei Universität Erlangen und seinem ehern. Vorstand Prof. Dr. Karl Hauck dafür zu danken, daß die aus einer Erlanger Dissertation (19471) herausgewachsene Unter­ suchung endlich veröffentlicht wurde. Sie bietet nicht nur eine vollständige Geschichte der Bibliotheken der Stadt Ansbach, sondern darüber hinaus ein lebendiges und far­ biges Bild von Kultur und Wissenschaft im fränkischen Raum. Die Stadt Ansbach, im Mittelalter im geistigen Bann des Benediktinerklosters und späteren Chorherrenstiftes St. Gumbert und in der Neuzeit Residenz kunst­ sinniger Fürsten, beaß im 18. Jahrhundert in der fürstlichen Hofbibliothek eine erlesene Rüstkammer des Geistes. Ihre Vorgeschichte führt uns in das hohe Mittelalter zurück. Die Bibliotheken fränkischer Klöster bildeten die Grundlage der zu Ende des 16. Jahrhunderts entstehenden Konsistorialbibliothek, vor allem die Biblio­ thek des Stiftes St. Gumbert, dessen Geschichte ausführlich behandelt wird. Die heute in Erlangen verwahrte, aus dem 12. Jahrhundert stammende „Gumbertusbiber ist als kostbarstes Vermächtnis monastischen Lebens in den Mauern von Ansbach auf uns gekommen. Im Rahmen des Schicksals ihrer Bibliotheken ist auch die Geschichte der Klöster Auhausen, Wülzburg und Feuchtwangen kurz behandelt. Die Bibliotheken kamen nach unersetzlichen Verlusten, welche die Kriegswirren der Zeit und barbari­ sches Unverständnis verursacht hatten, ebenfalls in die Konsistorialbibliothek. Diese wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit der fürstlichen Hausbibliothek vereinigt, die seit dem 15. Jahrhundert unter geistig aufgeschlossenen Angehörigen des markgräflichen Hauses mehr und mehr gewachsen und seit 1720 „zum Nutzen Einheimischer und Fremder, Lehrender und Lernender" der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden war. Damit begann die Blütezeit der Ansbacher Bibliotheksgeschichte Systematische Aufstellung, Katalogisierung und planmäßige Erwerbungspolitik vor allem unter den Bibliothekaren und bekannten Historiographen Johann Sigmund Stre­ be!, Gottlieb Paul Christ und Johann Jakob Spieß ließen in der Folge die Bibliothek zu einem Mittelpunkt des fränkischen Kultur- und Geisteslebens werden. Bitter für die Stadt Ansbach, doch zum Nutzen der Universität Erlangen war die Teilung der auf etwa 20 000 Bände angewachsenen Bibliothek zu Beginn des 19. Jahrhunderts. In Ansbach verblieben nur noch etwa 7000 Bände der Grundstock der heutigen Regierungsbibliothek. Die Geschichte der Bibliothek des Ansbacher Gymnasiums, das aus der 1528 ge­ gründeten Lateinschule herausgewachsen war, und die einiger bedeutender PrivatBibliotheken schießen die Arbeit ab. Unter den letzteren sind vor allem die Bücher­ sammlungen des Humanisten Vincentius Obsopoeus, des Juristen, Architekten und weitläufigen Kavaliers Carl Friedrich von Zocha (1683—1749) und des Dichters Johann Peter Uz (f 1796) zu erwähnen. Ein reichhaltiges Quellen- und Literaturverzeichnis, ein umfangreicher Anmer­ kungsapparat, das exakte Register und der Anhang mit den Katalogen einiger Klo­ ster- und Privatbibliotheken machen das Buch zu einem kulturgeschichtlichen Stan­ dardwerk von überlokaler Bedeutung. Es enthält darüber hinaus für die Geschichte der Bibliotheksverwaltung viel Wertvolles, wobei hervorzuheben ist, daß selbst dieser von der Sache her trockene Stoff im besonderen durch die vielen Quellenzitate in lebendiger Form vermittelt wird. Ludwig Veit Christian Geyer, Heiteres und Ernstes aus meinem Leben. Bearbeitete Neuaus­ gabe zum 100. Geburtstag des Verfassers am 1. Oktober 1962. Kaiser Verlag München. 281 S. Christian Geyer, von 1902 bis 1929 Hauptprediger bei St. Sebald, bewirkte zu­ sammen mit seinem Freund Friedrich Ritteimeyer, Pfarrer bei Heilig-Geist, eine 457

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tiefgehende Erneuerung des kirchlichen Lebens in Nürnberg; denn die beiden Geist­ lichen suchten die vielfach entkirchlichten Großstadtmenschen „an ihrem geistigen Standort“ auf und verkündigten ihnen die ewigen Wahrheiten in einer gegenwart­ nahen Sprache. So fanden durch sie gebildete und einfache Menschen wieder den Weg in die Kirche. In seinen Erinnerungen „Heiteres und Ernstes aus meinem Leben“, in denen gerade der Abschnitt „Nürnberg“ einen breiten Raum einnimmt, tut der Leser einen Blick in Geyers Denken, Leben und Wirken. Wenn es auch persönliche Erinnerungen sind, die der Verfasser in seiner lebendigen, teils ernsten, teils humorvollen Art erzählt, es geht ihm dabei am wenigtens um sich selbst. Er berichtet in einer auch heute noch beherzigenswerten Weise von seinem Bemühen um die rechte Gestaltung des Gottesdienstes; er läßt uns, ein begnadeter Lehrer und Erzieher, an seinem päd­ agogischen Tun teilnehmen. Wir erfahren, wie er sich kritisch mit den geistigen Strömungen seiner Zeit auseinandersetzt und verantwortungsbewußt in sie eingreift. Soziale Notstände sucht er nicht nur in Wort und Schrift zu klären, sondern arbeitet jahrelang in persönlichem Einsatz an ihrer Behebung. Das alles stellt er selbst­ verständlich in die von ihm genau gekannte Nürnberger Umwelt hinein; liebevoll schildert er den „unvergleichlichen Dominikanerhof“, läßt uns ein fast mystisches Erleben des Inneren von St. Sebald nachempfinden, und am Rande erfahren wir, daß er archivalische Forschungen über die Adam Kraft'schen Leidensstationen veröffent­ licht hat (NB. nicht seine einzigen historischen Arbeiten über Nürnberg). In seinen Erinnerungen fällt manches gute Wort über Nürnberger Perönlichkeiten; dem von ihm sehr verehrten Johannes Zeltner widmet er ein von herzlicher Liebe gezeichnetes Gedenkblatt. Zuletzt setzt er dem Kirchner Eichgelein von St. Sebald (umbenannt in „Birkenreis“) und damit dem Nürnberger Witz und der Nürnberger Mundart ein originelles Denkmal. So kann dieses Buch — abgesehen von seinem persönlichen und literarischen Wert — als ein echtes Nürnberg-Buch, als eine Quelle für das Nürnberger Leben in jener Epoche, in diesen Blättern wärmstens empfohlen werden. Irene Stahl Erlangen. Bildband v. Will von P o s w i k mit Texten v. Ernst G. Deuerlein, Herbert Paulus, Walter Schroeder. München —Uelzen: Bong 1963. 108 S. 4°. Das Buch legt, wie schon der Titel sagt, den Nachdruck auf die 70 meist wohl gelungenen Photos, denen v. Poswik auch 6 Seiten Erläuterungen beigibt. — Deuerleins geschichtlicher Überblick ist, wie zu erwarten, besonnen und solid, geht auch an neueren Streitfragen nicht vorbei. — Paulus, „Kleine Erlanger Kunstgeschichte“ bietet bei anerkennenswerter Straffung reiches Material, darunter — in Text und Bildern — manches, was auch eingesessene Erlanger wohl noch nie gesehen oder be­ achtet haben. — Mit Bedauern ist festzustellen, daß in der kurzen Frist seit Erscheinen des Buches die sprunghafte Entwicklung der Stadt schon wieder zwei Stücke der architektonischen Substanz hat verschwinden lassen, das Gebäude der Ritterakademie (Text S. 10) und das S. 91 neben der Reformierten Kirche sichtbare schöne Eckhaus. — Stadtrat Schroeders Beitrag „Erlangen auf dem Wege zur Großstadt“ bringt neben einem Rückblick auf die bauliche Entwicklung der Stadt auch mancherlei Zukunfts­ musik. — Nicht zu übersehen ist S. 35 im Verzeichnis wichtigerer neuerer Literatur über Erlangen als heute noch unentbehrlich und als schöne Ergänzung zum vor­ liegenden Werk: Rühl-Deuerlein-Menhofer (1953). Friedrich Bock (f) 458

MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen Fürst Karl zu Schwarzenberg, Geschichte des reichsständisdien Hauses Schwarzenberg (= Bibliothek familiengeschichtlicher Arbeiten XXX und Ver­ öffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, Reihe IX, Band 16). Verlag Degener und Co., Neustadt a. d. Aisch 1963, 393 S. mit 10 genealog. Tafeln, zahlr. Text- und Tafelabb. Ausgabe in 2 Teilbänden. Mit dem vorliegenden Werk hat eines der ältesten und angesehensten fränkischen Adelsgeschlechter seine umfassende Darstellung erhalten. Der Autor, selbst dem fürstlichen Hause entstammend, hat die bereits zahlreich vorhandene Literatur heran­ gezogen, selbst viel neues Material aus den Archiven beigebracht und daraus ein repräsentatives Werk geschaffen, das in der Form von Einzelbiographien aufgebaut ist. Der Verlag hat für eine sorgfältige und gefällige Ausstattung Sorge getragen. Die Schwarzenberg stammen von den Herren von Seinsheim ab, die seit dem 12. Jahrhundert als Dienstmannen des Bamberger Klosters Michelsberg nachzuweisen sind. Erkinger I. (f 1437) erwarb Burg Schwarzenberg ob Scheinfeld, wonach sich das adelige Geschlecht seitdem nannte. Besonders erwähnt sei aus der großen Reihe der Lebensläufe der des Johann von Schwarzenberg (1463—1528), der als bedeutender Jurist und Staatsmann nachhaltig gewirkt hat. Die von ihm geschaffene Bamberger Halsgerichtsordnung (1507) wurde Vorbild für die „Carolina" von 1533. Der vom Humanismus geprägte Mann war in zahlreichen politischen und diplomatischen Mis­ sionen tätig, zuerst im Dienste der Bamberger Bischöfe, dann, nachdem er sich dei Reformation angeschlossen hatte, in dem der Ansbacher Markgrafen. Auf einer Reise ist er am 21. Oktober 1528 in Nürnberg im „Goldenen Kreuz" gestorben. Sein Grab auf dem Johannisfriedhof, dessen ehrende Inschrift bekannt ist, war leider schon nach Ablauf von 100 Jahren nicht mehr auffindbar. Weitere Bezüge zu Nürnberg enthält das Buch nur noch an einer Stelle: Im Krieg der Vereinigten Stände Frankens gegen Markgraf Albrecht Alcibiades wurde auch das schwarzenbergische Schloß Hohenlandsberg, das markgräfliche Besatzung hatte, von den Nürnbergem erobert und zerstört. Aus Anlaß seiner Einnahme ließ der Nürn­ berger Kriegskommissar Nützel einen „Beutepfennig" prägen. Als Ersatz für die dem Haus Schwarzenberg entstandenen schweren Kriegsschäden zahlte Nürnberg später 6000 Gulden. Der Erhebung des Geschlechtes in den Grafenstand 1566 folgte auf Grund der engen Beziehungen zum Habsburger Kaiserhaus 1670 diejenige in den Fürstenstand. Die berühmtesten Vertreter des fürstlichen Hauses im 19. Jahrhundert waren der Feldmarschall Karl I. Philipp (f 1820) und der Ministerpräsident Felix Fürst Schwar­ zenberg (f 1852), beide im Dienst der Donaumonarchie, Insgesamt stellt das Buch einen wertvollen Beitrag zur Geschichte der feudalen Gesellschaft und insbesondere zur geistigen und politischen Haltung der österrei­ chischen Aristokratie im 19. Jahrhundert dar. Gerhard Hirschmann Wirtschaftsraum Mittelfranken gestern — heute — morgen. Eine Dokumentation der Industrie- und Handelskammer Nürnberg. Nürnberg 1965. Anläßlich der Wiederkehr des 20. Jahrestags des politischen und wirtschaftlichen Zusammenbruchs des Deutschen Reiches am Ende des 2. Weltkriegs hat nun die Industrie- und Handelskammer für Mittelfranken in Nürnberg einen sehr aufschluß­ reichen Überblick über den ökonomischen Wiederaufbau in Regierungs- und Kammer­ bezirk veröffentlicht. Präsident Dr. Fritz Scharlach und Hauptgeschäftsführer Dr. 459

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Fritz Joas weisen mit berechtigtem Stolz in ihrem Vorwort auf das in den vergange­ nen 20 Jahren Geleistete hin. Schließlich war der Tätigkeitsbereich 1945 Kampf­ gebiet und das industrielle Herz Nordbayerns erlitt eine fast vollständige Vernichtung, die mit viel Opfern überwunden wurde. Doch sind als belastende Probleme die Ab­ schnürung vom ehemaligen Lieferanten und Bezieher im Osten, die Konkurrenz des standortmäßig günstigeren Rhein- und Ruhrgebiets und damit eine gefährliche Rand­ lage im Zusammenhang mit den künftigen Auswirkungen der EWG neu auf getreten. Unternehmerischer Wille und Können der Arbeitnehmer haben das „Wirtschafts­ wunder“ auch für Nürnberg Wirklichkeit werden lassen. Aus Einzelberichten von Dr. Schwarz und Ilse Neuheuser — IHKN, die in den Mitteilungsblättern übr die einzelnen Stadt- und Landkreise, in Zusammenarbeit mit den örtlichen Gremien der IHK, in den letzten Jahren erschienen waren, haben nun Dr. Flach und I. Neuheuser (beide IHKN) ein aus einem Guß wirkendes Werk ge­ schaffen, dem eine Übersichtskarte mit den Bezirken der Gremien, eine Tafel mit Strukturdaten von 1963 und charakteristischen Photos aus einzelnen Städten und Landkreisen beigegeben sind. Im Rahmen dieser Anzeige kann nur noch gesagt werden, daß hier von sach­ kundigster Seite die wirtschaftlichen Fragen aus Vergangenheit und Gegenwart für die Stadt- und die Landkreise des ehemaligen Nürnberger Territoriums behandelt werden. Wer sich über diese schwierigen Dinge informieren will, greife zu diesem, von dem Druckhaus Nürnberg typographisch vorzüglich ausgeführten Werk. Werner Schultheiß Wilhelm Schwemmer, Nürnberg, ein Führer durch die Altstadt. 4. (über­ arbeitete) Ausgabe. Verkehrsverein Nürnberg 1964. 64 S., 24 Tafeln, 1 Plan. Die vierte Ausgabe des Altstadtführers von Wilhelm Schwemmer unterscheidet sich von der dritten, 1960 erschienenen Auflage augenfällig durch sein neues Gewand. Zum Ergebnis der energischen Modernisierung (Gestaltung: Fritz H. Oerter) kann man den Verkehrsverein Nürnberg beglückwünchen. Durch Verkleinerung des For­ mates entstand ein handliches Taschenbuch. Die übersichtliche Anordnung des von Wilhelm Schwemmer klar gegliederten Textes ermöglicht im Verein mit dem beige­ gebenen Rundgangplan und einem Namen- und Sachregister rasche Information. Ebenso verhält es sich mit den um ein Drittel verringerten, dafür aber jetzt ganz­ seitigen Abbildungen, die zu einem eigenen Bildteil zusammengefaßt wurden. Die neue Auswahl spiegelt das Fortschreiten des Wiederaufbaus wider. Schwemmer konnte seinen Text weitgehend unverändert belassen. Er aktualisierte, wo es nötig war, und suchte mit kleinen Korrekturen bei Daten und Zuschreibungen Anschluß an den Stand der Forschung. Mit Wärme und großer Einfühlung hat Schwem­ mer eine knappe Darstellung von Geschichte und Kunstdenkmälem der Altstadt gegeben. Wer mehr an Einzelheiten zu erfahren wünscht, wird auch wissen, wo er anderwärts nachschlagen kann. Der Sinn des Bändchens liegt darin, der alten Reichs­ stadt und lebendigen Großstadt Nürnberg neue Freunde zu gewinnen, und das wird ihm sicher gelingen. Günther Bräutigam Hermann Mägerlein, Das sechste Jahrzehnt der Geschichte des Sportclubs Nürnberg 04 e. V. (Maxvorstadt). Ende Mai 1964, 82 S., mit Abb. Als Ergänzung zu dem im Jahre 1954 erschienenen Festbuch des SCN 04 „Vier kommen zu olympischen Ehren“ wurde zum 60jährigen Gründungsjubiläum dieses 460

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Sportvereins am 13. Juni 1964 eine Broschüre herausgegeben, für die Oberbürger­ meister Dr. Urschlechter das Ehrenprotektorat übernommen hat. Das Büchlein, 82 Seiten stark und reich bebildert, beschränkt sich bewußt auf die Ereignisse, Leistungen und bedeutenden Persönlichkeiten des Vereins, von denen innerhalb des letzten Jahrzehnts zu berichten ist. Eingangs zeigt es eine kleine „Porträtgalerie“ der gewesenen und jetzigen Vorsitzer, Sportleiter, Ehrenvorsitzenden und Kassierer. Des weiteren berichtet es über Ehrungen verdienter Männer, die Lei­ stungen der Ringermannschaften des — hauptsächlich an der Pflege der Schwerathletik orientierten — Vereins und gedenkt ehrend der im letzten Jahrzehnt verstorbenen Mitglieder Franz Reitmeier (Weltmeister im Ringen von 1920) und Kurt Homfischer, der es zum vierfachen Europa-Meister und zum zwölffachen Deutschen Meister in seiner Disziplin gebracht hatte. Den größten Raum aber beansprucht der Bericht vom Neubau des „Vereinseigenen Heims des Sportclubs 04“ an der Rollnerstraße, das außer der hochmodernen Turn­ halle und den zugehörigen Nebenräumen eine verpachtete Gaststätte und 2 Woh­ nungen umfaßt. An seiner statt wurde auf dem selben Grundstück die alte Turnhalle abgebrochen, die vorher den Zwecken des Vereins gedient hatte. Oberbürgermeister Dr. Urschlechter schrieb zum Erscheinen des Büchleins ein herz­ lich gehaltenes Begleitwort, in dem er die Lebenskraft und das hohe sportliche Ethos des SCN 04 rühmt und sich anerkennend ausspricht über die Vielfalt des sportlichen Lebens in unserer Stadt. Helmut H ä u ß 1 e r Gottlob H e c k e 1, Gerhard Hirschmann, Amd Müller, Schicksal jüdi­ scher Mitbürger in Nürnberg 1850—1945 (= Quellen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg 5. Band). 103 S. „Schicksal jüdischer Mitbürger in Nürnberg 1850—1945“ ist ein „Ausstellungs­ katalog mit Dokumentation“. (Bearbeitet von Stadtarchiv und Volksbücherei Nürn­ berg, Nürnberg 1965, im Selbstverlag des Stadtrats zu Nürnberg.) Als solcher ist diese Schrift dem Sinn und Zweck dieser Ausstellung verbunden. Ihr Inhalt ist be­ schränkt durch das Material, welches für die Ausstellung verfügbar war, so erstaun­ lich es auch bleibt, wie viel zusammengebracht werden konnte. Mit Ausstellung und Buch reiht sich Nürnberg in die Zahl der deutschen Städte ein, die ihre jüdischen Mitbürger nicht vergessen haben, und nicht vergessen haben die qualvolle Katastrophe, welche die noch Begünstigsten unter ihnen aus ihrer Hei­ mat trieb und über Tausend andere dahinschlachtete. Dieses Gedenken ist ungleich jenem, das als ein Ausfluß der Treue schmerzlindernden Frieden erzeugt. Es wühlt auf und soll aufwühlen. Es soll zeigen, wie ein gesittetes Volk der Rechtlosigkeit und dem Barbarentum verfiel und es zu einem „Nie Wieder“ hinführen. In diesem Sinne ist die Schrift eine moralische Wiedergutmachung nicht an den Verfolgten, sondern im wahren Sinne des Wortes Wiedergutmachung des deutschen Volkes selbst. Das scheint der Besprecherin ihr Sinn und Zweck. Einem kurzen Überblick über die Geschichte der Juden in Nürnberg vor der Emanzipation folgt ein Bericht über die aufblühende religiöse Gemeinde der Nürn­ berger Juden und über die Leistungen einzelner für die Allgemeinheit. Namen werden aufgeführt. Es ist nicht die Schuld der Verfasser oder derer, die sich so verdienstvoll um das Zusammenbringen der Ausstellung bemüht haben, daß dieser Bericht lücken­ haft bleibt. Er spiegelt wider, wie durch die Ausrottung des deutschen Judentums eine Tradition, und mit ihr das Wissen um die Juden in Nürnberg in dieser Zeit, 461

MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen abgerissen ist. Es mußten so auch die Leistungen Nürnberger Juden, nunmehr in fernen Landen, weitgehend unbekannt und ungenannt bleiben. Es sei der Besprecherin erlaubt, hier einen ihrer Besten zu nennen, den frühverstorbenen Minister für Wohnungswesen und Wohlfahrt in Israel, Georg Josephthal. Sinn und Zweck von Ausstellungen und Buch entsprechend, besteht der Hauptteil von „Schicksal jüdischer Mitbürger in Nürnberg 1850—1945“ aus einem Kapitel über die „Verfolgung unter dem Nationalsozialismus 1933—1945“ und ihm folgender Dokumentation durch Gesetze, Material über die Judenverfolgung in Nürnberg, darunter Augenzeugenberichte über die Kristallnacht und über die Deportierungen und den Massentod Nürnberger Juden. Bis in die tiefsten Tiefen erschütternd sind der Bericht von Paul O. Schick und der von Rosa Kaufmann. „Aus der Geschichte lernen, ist eine alte Forderung, die selten Wirklichkeit ge­ worden. Mag, wie es Arnd Müller in seinem einleitenden Kapitel sagt, dieses Buch dazu beitragen, „die Überzeugung zu stärken, daß die Humanität das Leitmotiv des mitmenschlichen Denkens und Handelns im persönlichen wie im politischen Raum sein muß“. Julie Meyer-Frank

Peter K e r t z und Ingeborg Strößenreuther, Bibliographie zur Theater­ geschichte Nürnbergs. Nürnberg: Stadtbibliothek 1964. 108 S. m. Abb. und Taf. br. (nicht im Buchhandel). (Veröffentlichungen der Stadtbibliothek Nürnberg. 6.) Franz Krautwurst, Das Schrifttum zur Musikgeschichte der Stadt Nürnberg. Nürnberg: Stadtbibliothek 1964. 68 S. br. (nicht im Buchhandel). (Veröffent­ lichungen der Stadtbibliothek Nürnberg. 7.) Mit den Bibliographien von Kertz-Strößenreuther und Krautwurst wird die Reihe der unter der bewährten Leitung von Karlheinz Goldmann von der Stadtbibliothek Nürnberg herausgegebenen Veröffentlichungen fortgesetzt. Beide Arbeiten verdanken ihre Entstehung einer Anregung des Kulturbeirates der Stadt Nürnberg. Wie immer, so hat man auch diesmal kompetente Bearbeiter ausgewählt: Die Theaterwissenschaftler Dr .Peter Kertz und Dr. Ingeborg Strößenreuther, die sich schon in anderen Arbeiten mit Nürnberg beschäftigt haben und wirklich hervorragende Ken­ ner der Nürnberger Theatergeschichte sind und den Musikwissenschaftler Universitäts­ dozent Dr. Franz Krautwurst, der ja für seine Verdienste um die Erforschung der Musikgeschichte Frankens und hier in besonderem Maße Nürnbergs bereits 1961 den Förderungspreis der Stadt Nürnberg erhielt. Die Arbeit von Kertz-Strößenreuther stellt, wie es im Vorwort heißt, „eine Quellen- und Literatursammlung von den Anfängen der Nürnberger Theatergeschichte bis zum Jahre 1960“ dar. Allen wichtigen und innerhalb der zur Fertigstellung der Arbeit festgesetzten Frist erreichbaren Quellen wurden berücksichtigt. Schade, daß es nicht möglich war, die Nürnberger Adelsarchive und den Briefwechsel des Nürnberger Patriziats auszuwerten. Sicher wäre dadurch sehr viel, bisher unbekanntes Material der Forschung zugänglich geworden. Das Verzeichnis ist in die Formalgruppen: Handschriftliche Quellen, Periodische und Sammelschriften, Gedruckte Quellen, Literatur und Bilder gegliedert. Je nach Bedarf sind diese Formalgruppen sachlich unterteilt. Innerhalb dieser Einheiten ist die Literatur dann chronologisch geordnet. Da nicht in allen Fällen (z. B. Bilderteil) die sachliche Untergruppierung in der Inhaltsübersicht aufgeführt ist, ist das Auf462

MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen finden der einzelnen Arbeiten unnötigerweise erschwert. Sicherlich wird dieser Nach­ teil z. T. durch das von den Herren Bibl.-Amtmann Ziegelmeier und Bibl.-Oberinsp. Rieg erstellte Namen- und Sachregister aufgehoben. Aber auch die Benützung des Registers ist, da in Extremfällen von einem Sachbegriff auf über 100 Nummern des Verzeichnisses verwiesen wird, nicht immer einfach. Die Titelaufnahmen sind sehr sorgfältig und genau. Besonders hervorgehoben sei, daß allen Titeln in den Kapiteln „Handschriftliche Quellen, Periodische und Sammel­ schriften, Gedruckte Quellen und Bilder“ Besitzvermerke beigefügt sind. Jedem In­ teressenten ist es dadurch sehr erleichtert, an die entsprechenden Werke heranzu­ kommen. Im Zusammenhang mit dieser Bibliographie wird man immer die Zuammenstellung der Literatur zur Musikgeschichte der Stadt Nürnberg von Krautwurst und nach der Fertigstellung auch den musikgeschichtlichen Quellenkatalog von Dr. W. Dupont nennen müssen. Ganz scharf lassen sich ja die beiden behandelten Gebiete nie trennen. Waren doch gerade etwa in der reichsstädtischen Zeit Sprech- und Musik­ theater sehr eng miteinander verzahnt. Krautwurst hat mit großem Erfolg alle Bereiche der Musik in ihren wichtigen Veröffentlichungen erfaßt. So sind z. B. nicht nur kirchen- und schulmusikalische Arbeiten und solche über Komponisten verzeichnet, sondern auch alle wichtigen Werke über das Kinderlied, das Gesangvereinswesen, über den Glockenguß, den Instrumentenbau, den Handel mit Musikalien usw. Insgesamt finden sich in der Bibliographie 824 Einträge. Die Literatur, die vor dem 1. 1. 1963 erschien, ist vollständig erfaßt. Nach diesem Zeitpunkt konnten nur noch die wichtigsten einschlägigen Veröffentlichungen aufgenommen werden. Die Bibliographie ist alphabetisch nach Verfassern bzw. sachlichen Ordnungswörtem geordnet und durch 3 Register (Personennamen, Orte und geographische Namen, Sachregister, d. i. Schlagwortregister) erschlossen. Das Verzeichnis wurde mit großer Akribie erstellt und ist ausgezeichnet und ein­ fach zu benützen. Störend wirkt, wie auch bei der Bibliographie von Kertz und Strößenreuther, bei den Registern die Verweisung von einem Namen oder Sachbegriff auf sehr viele Nummern des Verzeichnisses. Bei vielen Titelnummern zu einem Sach­ begriff oder Verfasser sollten doch den einzelnen Zahlen immer in Klammern die Verfasser oder sachlichen Ordnungswörter oder Stichworte hinzugefügt sein. Die Be­ nützung gerade für bibliographische Aufgaben, wie sie in Bibliotheken täglich an­ fallen, würde sehr erleichtert. Beide Arbeiten bieten sich, wie jeder, der die Vorgänge kennt, nicht anders erwartet hat, in ausgezeichnetem äußeren Gewände dar. Die Arbeit von KertzStrößenreuther zeichnet sich dazu noch durch wohlgelungene Abbildungen und Bild­ beilagen aus. Man muß die Stadtbibliothek und damit die Stadt Nürnberg beglückwünschen zu diesen ausgezeichneten Arbeiten. Es gibt wohl wenige Städte, die gleichartige Veröffentlichungen aufweisen können. Rudolf Frankenberger Dieter W u 11 k e , Die Histori Herculis des Nürnberger Humanisten und Freundes der Gebrüder Vischer, Pangratz Bernhaubt gen. Schwenter. Materialien zur Er­ forschung des Deutschen Humanismus um 1500. Böhlau Köln-Graz 1964. 391 S., 12 Tafeln, 48. DM. Das Buch Wuttkes ist eine wichtige Neuerscheinung zur Geschichte des Nürn­ berger Humanismus. Es ist aber auch für die Nürnberger Kunstgeschichte von Belang, 463

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weil es klärendes Licht in die Geschichte der Vischer’schen Gießhütte bringt. Pangratz Bernhaupt, genannt Schwenter (f 1555), war ein Freund des jüngeren Peter Vischer. Diesem und seinen Brüdern Hermann und Hans Vischer widmete er die deutsche Übersetzung eines lateinischen Herkulesgedichtes, als dessen Verfasser ein Gregorius Arvianotorfes genannt wird. Vielleicht verbirgt sich hinter diesem Namen Sebastian Brant. Schwenter wollte mit seinem kleinen Werk nach Ansicht Wuttkes dem Sebaldusgrab eine entsprechende literarische Leistung an die Seite stellen. Das Buch bringt zunächst eine saubere kritische Edition der in der Stadtbibliothek Nürnberg liegenden Handschrift, dazu ausführliche sprachliche und sachliche Kom­ mentare und ordnet die Histori Herculis in die Geschichte des Dramas und in die Geistesgeschichte des Humanismus ein. In einem 2. Teil schildert Wuttke das Leben des Nürnberger Dichters und sein sonstiges liberarisches Werk. Schwenter verfaßte neben der Histori Nürnberger Stadtchroniken, auch eine Genealogie seiner Familie, die erst kürzlich in Budapest wieder aufgefunden werden konnte. In seiner Eigenschaft als amtlicher Hochzeitslader schrieb er auch ein Hochzeitsbüchlein und Gelegenheits­ gedichte nieder. Da er auch beamteter Nußmesser war, trug er in einem uns erhal­ tenen Buch entsprechende dienstliche Aufzeichnungen ein und schließlich sammelte er historische Dokumente und überlieferte auf diese Weise die Abschrift der frühesten deutschen Übersetzung von Meisterlins Chronik der Stadt Nürnberg. Schwenters Leistung bei der Übersetzung der Histori Herculis beruht im wesentlichen auf Kom­ pilation. Als Übersetzer folgt er guter Nürnberger Humanistentradition (Hirnkofen, Alt, Lazarus Spengler, Sixt Tücher). Er überträgt sowohl sinngemäß als auch — in stärkerem Maße — Wort für Wort. Ein wichtiges Kapitel des Buches ist die Schilderung von Schwenters Freundschaft mit den Gebrüdern Vischer. Nachdem die Persönlichkeit des jüngeren Peter Vischer in neuerer Zeit durch Heinz Stafski in einer breiten Darstellung gewürdigt wurde, wobei er die künstlerische Leistung des jüngeren Peter Vischer auf Kosten seines Vaters, der nur Gußtechniker und Werkstattunternehmer gewesen sein soll, besonders herausstellte, hat Wuttke nunmehr auf Grund aller zugänglichen literarischen Unter­ lagen die Beziehungen Schwenters zu den Brüdern Vischer und damit auch die Stellung des alten Peter Vischer neu untersucht. Nach meiner Auffassung wird hier das künst­ lerische Verhältnis des Vaters zu seinen Söhnen zutreffender gesehen. Freilich kann ich nicht in allen Einzelheiten der Argumentation Wuttkes folgen: Entgegen der ausdrücklichen Überlieferung Neudörfers, wonach Hermann der älteste und Peter d. J. der Zweitälteste Sohn Peters d. Ä. gewesen sei, hält Wuttke Peter d. J. für den Ältesten und Hermann für den Zweitältesten. Wenn man auch Neudörfer manche Fehler und Schiefheiten nachsagen kann, die freilich vielfach auf die ungenügende Überlieferung und die bisherigen mangelhaften Editionen zurückzuführen sind, so sollte man m. E. nur dann korrigieren, wo es unbedingt sein muß. Gewiß scheint der Gebrauch der Vornamen bei den Erstgeborenen im damaligen Nürnberg Wuttke recht zu geben, aber solche Gebräuche sind nicht ausschließlich. Bei der Überprüfung der Stammbäume der damaligen Nürnberger Patriziergeschlechter, deren Gewohn­ heiten für das übrige Bürgertum weitgehend vorbildlich waren, mußte ich feststellen: In der Regel bekam der Erstgeborene den Namen des Vaters, doch wurde die Regel gelegentlich auch durchstoßen, so daß der Großvater zu der Ehre kam. Meines Er­ achtens genügt die Tatsache, daß Peter d. J. als Erster in der Vorrede Schwenters erwähnt wird, nicht, um daraus den Schluß zu ziehen, er sei der Älteste. Er war eben der spezielle Freund Schwenters (Wuttke S. 310), er hatte gleiche Interessen an der Poesie. Das erklärt die bevorzugte Nennung hinreichend, ohne daß die Angabe Neudörfers über das Alter der Söhne in Zweifel gezogen zu werden braucht. Auch 464

MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen der Umstand, daß der Vater Peter für Hermann 1514 eine Gießhütte suchte, macht es wahrscheinlicher, daß dieser der ältere der Söhne war. Bei dieser Gelegenheit sei auch ein Irrtum berichtigt, der sich seit Baader in die Nürnberger Kunstgeschichte eingeschlichen hat und von dem sich Wuttke mit Recht distanziert. Peter d. J. soll ein Fingerhuter gewesen sein. Der Sachverhalt ist nach dem Meisterbuch von 1496—1534 folgender: Dort werden die Rotschmiede und Fingerhuter unter einer Rubrik „Rotschmied, Fingerhueter" gemeinsam auf geführt, nicht ohne daß fast bei jedem Meister einzeln angegeben ist, er sei Fingerhuter oder Rotschmied. In dieser Liste ist eingetragen „Peter Vischer junior, rotschmied, sabato ante vocem joc[unditatis] 1527". Ein weiterer Eintrag lautet zum Jahre 1532: „Hanns Vischer und Hans Paumgartner 4a Penth[ecoste]". Hier fehlt die Angabe, ob Finger­ huter oder Rotschmied. An dem gesamten Werk des jungen Verfassers ist besonders zu rühmen eine erstaunliche Belesenheit und Kenntnis der zeitgeschichtlichen Quellen, die es ihm er­ laubt, zu jeder Forschungsfrage mit gründlichem Wissen Stellung zu nehmen. Wuttke ist ebenso daheim in der deutschen Sprachgeschichte — das weist der sprachliche Kommentar aus — wie in der Geschichte der deutschen und lateinischen Dichtung. Das Buch bringt neben einer überlegenen Schau der geistigen Situation der Zeit vor­ zügliche Einzelerkenntnisse. Als Beispiele seien genannt die feine Deutung des Sinn­ spruchs „Vitam, non mortem recogita", wobei vita im christlichem Sinne gemeint ist als das Leben nach dem Tode, oder die gerade meisterhafte Auslegung des sich seit Luther wandelnden Hausspruchs, der bis zum heutigen Tage gebräuchlich ist: „Ich lebe und weiß nicht, wie lang, ich sterbe und weiß nicht, wann, ich gehe und weiß nicht, wohin. Mich wundert, daß ich fröhlich bin." Dem Verfasser ist es auch geglückt, neben vielen anderen einzelnen Verbesse­ rungen und Ergänzungen einen merkwürdigen Irrtum in der Vischerliteratur zu be­ richtigen: Die angebliche Grabinschrift für Peter Vischer d. J. auf dem Rochus­ friedhof ist in Wirklichkeit von Peter Vischer d. Ä. 1522 für seine verstorbene Frau Margarete gesetzt worden. Fritz SchnelbÖgl

Ulrich Pusch, Ahnenliste Ingeborg und Edith Pusch. (In: Deutsches Familienarchiv, Band 27/1964, S. 265-302.) Der in Lüneburg wohnhafte Verfasser legt mit dieser Arbeit die Ahnenliste sei­ ner Kinder vor, die insgesamt 23 Generationen umfaßt und bis in das 13. Jahrhundert zurückreicht. Genealogen mögen an der verdienstvollen Liste ihr Interesse finden. Da Pusch in der zwölften Ahnengeneration über den 1611 in Nürnberg verstor­ benen Andreas Mendel (Nr. 5956) Anschluß beim Nürnberger Patriziat findet, kann dieses in den folgenden Generationen einen beträchtlichen Teil der erfaßten Puschschen Vorfahren stellen. So befinden sich schließlich unter den neun in der Liste auf­ geführten Ahnen der 23. Generation sieben Mitglieder der Nürnberger Geschlechter von Gründlach, von Ehenheim, Graf, Eseler, Pfinzing, Stromer und Waldstromer. Walter L e h n e r t 50

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Karl Kunze, Emst Ludwig Carl. Ein fränkischer Charge d’affaires und Kameralist an Höfen des europäischen Absolutismus. Phil. Diss. Erlangen 1965, 400 S., Fotodruck, Frankenverlag Lorenz Spindler, Nürnberg 1966, 12.— DM. Der 1682 in Öhringen im Hohenloher Land geborene Emst Ludwig Carl studierte in Halle Rechtswissenschaften und trat dann als Rat in die Dienste der Markgrafen von Ansbach und Bayreuth. Entscheidend für sein Leben wurde ein langer Aufenthalt in Paris (1719—1731), wo er die Fürsten von Öttingen in einem komplizierten und langwierigen Lehenprozeß, der sich um im Elsaß gelegene Lehen dieses Fürstenhauses drehte, vor den französischen Gerichtsbehörden vertrat. Nach dem Verlust dieses Prozesses, woran Carl keine Schuld traf, blieb er weiter als Agent und Einkäufer des Ansbacher Hofes in Paris, verscherzte sich durch die lange Abwesenheit nach seiner Rückkehr jedoch eine Wiederanstellung. Die letzten Lebensjahre verbrachte Carl in Wien, wo er beim Reichshof rat drei Prozesse gegen die fürstlichen Häuser Öttingen, Ansbach und Bayreuth wegen vorenthaltener Besoldung anstrengte. Ohne einen er­ folgreichen Abschluß dieser Rechtsverfahren zu erleben, starb er in der Kaiserstadt am 11. Juli 1743. Die bleibende Bedeutung Carls, dessen Leben äußerlich gesehen wenig erfolgreich verlief und in mancher Beziehung zwielichtige Züge trägt, liegt in dem Werk, das er während seines Pariser Aufenthaltes schuf, des „Traite de la richesse", einem Lehrbuch der Volkswirtschaftslehre, der Wirtschaftspolitik und des Steuerwesens. Als Autor dieses Buches wird Carl zu den bedeutendsten deutschen Kameralisten gezählt. Die Nürnberger Geschichtsforschung interessiert besonders Carls Tätigkeit in Ansbach, in deren Verlauf er wiederholt in Streitigkeiten des Fürstentums mit der Reichsstadt eingeschaltet war, so z. B. als die Nürnberger 1708 den Ansbacher Arzt Dr. Gotthilf Christoph Stahl in einem vor der Stadt gelegenen Brandenburgischen Lehengarten verhafteten, da er eine „ehrverletzliche und infame Schmäh-Carte“ gegen Nürnberg hatte drucken und verbreiten lassen, oder als 1714 das fast ganz von reichsstädtischem Gebiet umgebene markgräfliche Amt Schönberg durch Über­ griffe der Nürnberger bedroht wurde. Auch in der sog. Deinhardtischen Appellations­ sache, bei der es sich um die Gerichtshoheit über das Gut Heroldsberg drehte, hat Carl Schriftsätze gefertigt. Mit der vorzüglichen Dissertation, die noch aus der Schule des emeritierten Er­ langer Ordinarius Prof. Dr. Dr. Ernstberger hervorgegangen ist, hat das Leben Ernst Ludwig Carls, der zu den hervorragenden Geistern der europäischen Aufklärung ge­ rechnet werden kann, eine umfassende Darstellung und sein Werk eine wohlabge­ wogene Würdigung erfahren. Gerhard Hirschmann Nürnberger Nachrichten, wie sie wurden und was sie sind. Nürnberg 1965. Zur 20. Wiederkehr des Jubiläums der Gründung der „Nürnberger Nachrichten“ am 11. Oktober 1945 haben die Verlagsinhaber Dr. Joseph Drexel, Heinrich G. Mer­ kel und Bruno Schnell eine repräsentative Festschrift erscheinen lassen. Sie schildert den Werdegang und die Bedeutung jener Zeitung, die nach dem Zusammenbruch als erste in Nürnberg herauskommen konnte. Zunächst mußte sie in einem Zimdorfer Betrieb gedruckt werden, da alle anderen Druckereien Nürnbergs zerstört waren. Erst 1949 konnte sie ihr erstes hiesiges Domizil im ehemaligen Gauhaus der NSDAP auf schlagen. Da die dortigen Räume für das ständig wachsende Unternehmen 46 6

MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen bald zu klein wurden, errichtete die Firma, zu der auch der Olympia-Verlag gehört, neue Werkgebäude an der Marienstraße. Dank einer populären und nicht parteigebundenen Journalistik konnten die „Nürnberger Nachrichten“ sich zur größten Zeitung nicht nur Nürnbergs, sondern auch Nordbayerns entwickeln. Ab 1959 konn­ ten sie eine Interessengemeinschaft mit 11 angesehenen Heimatzeitungen der Um­ gegend schließen, nämlich mit dem „Erlanger Tagblatt“, der „Pegnitz-Zeitung“ Lauf, dem „Schwabacher Tagblatt“, dem „Treuchtlinger Kurier“ und der „Windsheimer Zei­ tung“. Neuerdings sind noch „Ansbacher“, „Feuchtwanger“ und „Weißenburger Nach­ richten“ und der „Rothenburger Anzeiger“ dazugekommen. Die Selbständigkeit der ein­ zelnen Heimatzeitungen kommt dadurch zum Ausdruck, daß diese jeweils den Lokal­ teil selbst gestalten. Diese Konzentration ergab sich dadurch, daß den kleineren Zeitungen nur noch mit großen finanziellen Opfern die Redaktion eines zeitgemäßen und stets aktuellen politischen Teils möglich war. In den „Nürnberger Nachrichten“ haben Nürnberg und Nordbayem ein charakteristisches und adäquates Organ erhalten. Dessen Gesicht haben die Herausgeber, vor allem Dr. Drexel, der verstorbene Chef­ redakteur Roland Buschmann und der Feuilletonschriftleiter Dr. Ludwig Baer geprägt. Das „Druckhaus Nürnberg“ ist dank seines auf den neuesten Stand gebrachten Ma­ schinenparks für alle Aufträge auch der anspruchsvollsten Kunden gerüstet. Die Belegschaft zählte 1963 fast 1000 Mitglieder, die Auflage betrug 1963 217 000 Stücke. So stellt diese Festschrift einen erfreulichen Bericht über eine der größten Firmen der Stadt dar. Diesem und anderen Unternehmen dieser Berufsgruppe verdankt es Nürnberg, wenn es im Zeitungsgewerbe Deutschlands an 12. Stelle steht. Der Verlag hat in dankenswerter Weise infolge der Aufgeschlossenheit seiner In­ haber die Altnürnberger Tradition der Wirtschaftsführer als Mäzene des hiesigen Kulturlebens auf genommen. So hat die Firma 1956 eine „Dr.-Joseph-Drexel-Stiftung“ errichtet, die jährlich 5000.— DM an verdiente Journalisten Deutschlands verteilt, gibt zum neuen Jahr literarische Kostbarkeiten und Studien heraus, wie z. B. 1966 von Hans Max von Aufseß „Ulrich von Hutten — Publizist und Partisan“ und seit 1957 das von Conrad Scherzer (f) redigierte und von zahlreichen Fachleuten geschrie­ bene Sammelwerk „Franken“, das die grundlegende Heimatkunde dieser geschichts­ trächtigen Landschaft darstellt. Außerdem betreut Heinrich G. Merkel als Vorsitzen­ der der „Kommission zur Erforschung der frühesten Zeitungsgeschichte Nürnbergs“ die Herausgabe eines Werkes „Nürnberg als Nachrichten- und Pressezentrum Deutschlands vom 14.—17. Jh.“. Werner Schultheiß Stadtarchiv Nürnberg 1865—1965. Festschrift zur Jahrhundertfeier, bearbeitet von Werner Schultheiß und Gerhard Hirschmann (= Quellen und For­ schungen zur Geschichte der Stadt Nürnberg, hgg. im Auftrag des Stadtrats durch das Stadtarchiv. 4. Band) Nürnberg 1964; Selbstverlag der Stadt Nürnberg. 160 S., 13 Tfln. 9.- DM. Aus Anlaß seines hundertjährigen Bestehens hat das Stadtarchiv Nürnberg eine interessante Festschrift in guter Gliederung und Aufmachung herausgebracht. Diese Festschrift bietet nicht nur dem Fachmann Vergleichsmöglichkeiten anhand der Ent­ wicklung eines großen städtischen Akten- und Urkundenamtes, seiner Probleme und des inneren nud äußeren Standes seiner Arbeiten. Sie führt auch alle stadtgeschichtlich Interessierten in die meist unbeachtete Arbeit eines Archvis und in seine Bedeutung für das Gemeinwesen und für die Stadtgeschichtsforschung umfassend ein. Dazu trägt ■so*

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neben der ausführlichen Geschichte des Stadtarchivs Nürnberg mit zahlreichen stati­ stischen Angaben von Archivdirektor Dr. Werner Schultheiß insbesondere auch die von Oberarchivrat Dr. Gerhard Hirschmann gelieferte Übersicht über die Bestände des Archivs mit zehnseitigem Register vorteilhaft bei. Die Verdienste der Reihe namhafter Stadtarchivare, denen die Geschicke des Nürnberger Stadtarchivs anvertraut waren, vermögen den heutigen Amtsleiter wenig zu trösten im Hinblick auf den Stand der inneren Ordnung seines Archivs. Diese archivarische Grundaufgabe schreitet trotz systematischer Arbeit nicht so rasch vor­ wärts, wie er es sich wünscht. Der Grund dafür ist, in Nürnberg wie anderwärts, darin zu suchen, daß das Archiv eben nicht nur zentrales Akten- und Urkundenamt des Gemeinwesens ist, sondern daß es auch in immer steigendem Maße Aufgaben einer Forschungsstellle zur Stadtgeschichte erfüllen muß. Die bisher erschienenen Bände seiner «Quellen und Forschungen“ legen davon beredtes Zeugnis ab. Außerdem steigt die Zahl der Benützungen sowohl von seiten der Stadtver­ waltung wie von privaten Forschungen von Jahr zu Jahr. Die letzteren sind inner­ halb von 5 Jahren von 811 (1959) auf 2142 (1963), also um 164 °/o, gestiegen. Neue Aufgaben werden in einer eigenen Fotostelle (seit 1962) und in der Abteilung Stadtchronik seit 1948, mit Bildchronik seit 1959, bewältigt. Für beide Hauptfunktionen des Archivs ist ein noch so schöner Stellenplan und sind die entsprechend gestiegenen Haushaltsansätze eben doch nicht ganz zureichend. Jedermann weiß, daß daran zur Zeit kaum etwas geändert werden kann. Doch kann sich das Nürnberger Stadtarchiv dazu beglückwünschen, daß es in dem mit der Stadtbibliothek gemeinsam benützten modernen Zweckbau gute Voraussetzungen für die äußere Ordnung seiner Bestände erlangt hat. Der zu erwartende Archivalienzu­ wachs künftiger Jahre wirft auch hier gleichwohl seine Schatten voraus. Wenn es gelingt, die vom Nürnberger Stadtarchiv seit seinem Bestehen ange­ strebte und trotz einiger Berichtigungen in der Vergangenheit längst nicht durchge­ führte «Flurbereinigung“ mit den staatlichen Archiven, insbesondere in Bezug auf die zweifellos zum städtischen Gemeinwesen gehörigen Stiftungsarchive zu erreichen — die inneren archivwissenschaftlichen Voraussetzungen dazu sollten heute eher ge­ geben sein als früher —, dann wird man dem Nürnberger Stadtarchiv unter seinem zielstrebigen Leiter eine gute Zukunft in der Erfüllung seiner Aufgaben Voraussagen können. Hermann V i e t z e n

Georg Bergler, Geschichte der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Nürnberg 1919—1961. Franken-Verlag Lorenz Spindler, Nürnberg 1963, 432 S. mit Register. 32 — DM. Zu den großen geschichtlichen Leistungen der Stadt Nürnberg zählt die Grün­ dung der Handelshochschule in den Notzeiten nach dem Ersten Weltkrieg als ein Zeichen unbedingten Lebenswillens. Die vorliegende Schrift ist das Tagebuch der Hohen Schule, die als jüngste der deutschen Handelshochschulen mit vielen Hoffnun­ gen gegründet wurde, diese Hoffnungen auch nie enttäuscht hat und dennoch als selbständige Anstalt nur 41 Jahre und 7 Monate alt geworden ist. Der Autor, Pro­ fessor Dr. Georg Bergler, der viele Jahre an dem Geschick der Hochschule mitwirkte, hat sich mit ganzer Kraft für ihre Selbständigkeit eingesetzt. Er hat darum, um äußerster Sachlichkeit willen, auf die eigene Darstellung verzichtet und Fakten — 468

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Berichte, Pressemeldungen, Auszüge aus Reden, Statistiken usw. — in logisdien und chronologischen Zusammenhang gebracht. Der Stoff ist mit solchem Geschick geord­ net, daß durchaus die Spannung einer Monographie erzielt wird. Der vorliegende erste Band der Geschichte erzählt das äußere Schicksal der Hochschule in der Weimarer Republik, im Dritten Reich und nach dem Zweiten Weltkrieg. Er bleibt Auskünfte über die Vorlesungen, die Finanzierung, die wissenschaftliche Tätigkeit der Profes­ soren usw. weitgehend schuldig. Es steht zu hoffen, daß der zweite Band, der ange­ kündigt ist, die Lücken des ersten schließt. Die Hochschule ist von einer Stiftung getragen worden, die am 26. Mai 1918 von dem unvergessenen Oberbürgermeister und späteren Reichsminister Dr. Otto Geßler errichtet wurde. Schon 1909 war vom königlich-bayerischen Kultusministerium den Städten München und Nürnberg das Recht verliehen worden, Handelshochschulen ins Leben zu rufen. Die Not der Zeit klopfte ohne Zögern an die Pforten der jungen Schule. Otto Geßler sah deutlich, daß die Zukunft Deutschlands durch Bildung und Erziehung gesichert werden müsse. So kamen in Nürnberg die Reformer zu Wort, die nach einer Freien Hochschule strebten, die sich weit den Absolventen des zweiten Bildungsweges öffnen sollte. Der Marburger Paul Natorp forderte die Errichtung eines Lehrstuhles für die gesamten theoretischen und praktischen Fragen der freien, nicht schulmäßigen Volksbildungsarbeit, eines Lehrstuhles für Sozialpädagogik in Verbindung mit einem Institut für Sozialwissenschaft überhaupt. Tatsächlich waren Volkshochschule, Hochschulkurse für die Praktiker in der Wirtschaft und wissenschaft­ liche Hochschule zunächst unter einer Verwaltung und Leitung vereinigt. Aber die deutsche Hochschultradition versagte diesen fruchtbaren Anfängen die Anerkennung. Schon unter dem ersten Rektor Professor Rieger mußte sich die Hochschule dem Herkömmlichen anbequemen. Auch der zweite Anlauf dieser Art nach dem Zweiten Weltkrieg in Wilhelmshaven teilte das Schicksal der Nürnberger Gründung. 1919 scheiterten auch die Pläne der USP, der Volkshochschule eine „Arbeiterhochschule" nach dem Muster der „Hochschule für Proletarier" in Berlin anzugliedern. Indes gelang es doch, der Hochschule Individualität zu geben. Die berufenen Professoren fühlten sich wohl und blieben lange. Berühmte Geister wie Sehling und Eheberg lehrten in Nürnberg, und dem 1923 berufenen Wühlern Vershofen gelang es dann, eine „Nürnberger Schule" zu gründen. 1920/21 zählte man schon 191 Stu­ dierende und 500 „Hörer", d. h. ohne Vollimmatrikulation an den Vorlesungen Teilnehmende. Diese „Hörerschaft" sowie die Ersatzprüfungen für die Maturität ge­ mäß den preußischen Ersatzreifeprüfungen überlebten als spärliche Reste der einstigen „Freien Hochschule". 1923 schrieben sich schon 395 Studierende und 500 Hörer ein, Zahlen, die erst als Folge der Hochschulpolitik des Dritten Reiches wieder unter­ schritten wurden. Der innere Ausbau schritt mächtig voran. Von Anfang an wurde die „kaufmännische Diplom-Prüfung" abgelegt, bis 1925 der Nürnberger DiplomKaufmann öffentlich anerkannt wurde. Im gleichen Jahr wurde die Rektoratsverfas­ sung eingeführt, zwei Jahre später die Habilitation für Betriebswirtschaftslehre zu­ gestanden. 1929 ist dem Rektor schließlich der Titel Magnifizenz verliehen worden, seit 1930 promoviert die Hochschule zum Doktor der Wirtschaftswissenschaften. Seit 1929 war es möglich, in Nürnberg Diplom-Handelslehrer zu werden; das Recht, Volkswirte zu diplomieren, folgte alsbald. Charakteristikum der Hochschule wurde der enge Konnex zur Praxis bei Wahrung aller Wissenschaftlichkeit. Die Vorträge und wissenschaftlichen Veranstaltungen füh­ ren eine beredte Sprache. Man hatte die Hand immer am Puls der Entwicklungen. Wilhelm Vershofen setzte sich vor vollen Häusern mit den Ford’sehen Produktions­ weisen auseinander, oder er analysierte lange, bevor derlei üblich wurde, Europas 469

MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen Zukunft zwischen Amerika und Rußland, oder die Weltwirtschaftskrise. Manche der Professoren wirkten rege in der Praxis: Sven Helander als Sachverständiger der deut­ schen Reedereien, Wilhelm Vershofen in Diensten der Oldenburgischen Wirtschaft. Über manche These ist die Entwicklung naturgemäß hinweggeschritten. Nicht zu bestreiten ist die Lebensnähe des Nürnberger wissenschaftlichen Wirkens. Sie doku­ mentierte sich in den 1924 eröffneten „Nürnberger Beiträge zu den Wirtschaftswis­ senschaften“, vor allem aber im Wirken der Institute, die an der Hochschule gegrün­ det wurden. Zu nennen ist hier die standortgerechte wissenschaftliche Zentrale für das Spielzeug, vor allem aber das Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware, in dem Bundeskanzler Ludwig Erhard entscheidende Erfahrungen gesam­ melt hat. Lange, nachdem die Hochschule unter dem Rektorat Ritter von Eberts nach 1933 vor allem mit nationalen Feiern an die Öffentlichkeit trat, ist auf den lebens­ nahen Tagungen dieses Instituts eine Lanze für die liberale Wirtschaftspolitik gebro­ chen worden. Nach dem Zweiten Weltkriege ist diese berühmte Einrichtung als In­ stitut für Absatz- und Verbrauchsforschung wieder aufgelebt. 1951 trat ein Institut für Exportforschung an seine Seite. Vor allem das absatzwirtschaftliche Institut hat sich mit seinen Hochschulwochen für die Führungskräfte der Wirtschaft verdient gemacht. Der dritte Teil des Buches ist vor allem den Verhandlungen über den Zusammen­ schluß der Nürnberger Hochschule mit der Universität Erlangen gewidmet. Es ist Georg Bergler, dem Gegner dieser Aktion, die am 2. 4. 1957 von Oberbürgermeister Bämreuther vorgeschlagen wurde, sicher nicht leichtgefallen, auf jede Stellungnahme zu verzichten und nur Berichte sprechen zu lassen. Je zwei Partner hatten sich zu einigen: Die Senate der beiden Hochschurlen vor allem über das Schicksal der Erlanger Wirtschaftswissenschaften und die Stadt mit dem Lande Bayern über die Standortgarantie für Nürnberg und den künftigen Unterhaltszuschuß der Stadt. Es ist hier nicht der Ort, das vierjährige Tauziehen zu verfolgen. Indes ist zu sagen, daß gerade die Nüchternheit des Buches, die Schwäche der Argumente — soweit es sie er­ kennen läßt —, derer zeigt, die den Zusammenschluß unter dem Einfluß einer umriß­ haften Großraumideologie befürwortet haben. Sehr viel kräftiger sind die Argumente der Gegner, die in Übereinstimmung mit der Gesamtpolitik des Wissenschaftsrates für Erlangen-Nürnberg die Lösung empfohlen haben, die das Land WürttembergBaden für Mannheim und Heidelberg gewählt hat. Eine so bewährte und eigengeartete Bildungsstätte wie die Erlanger Volkswirtschaft hätte nicht aufgegeben werden müs­ sen. Vor allem dies macht den Wert des Buches aus, daß künftige Hochschulpolitiker diese Erkenntnis gewinnen können. Natürlich ist der Gehalt des Buches in einer Besprechung nicht auszuschöpfen. Es unterrichtet uns über den Hochschulbund, die studentischen Korporationen und die Organisationen der NS-Zeit, über Studentenführung und Studentenwerk, Feste und Feiern der Hochschule. Es ist schweigsam, wo Schuld und Verdienst im Dritten Reich zur Sprache kommen. Kein Nürnberger überblickt die Stadtgeschichte ganz, der dies Buch nicht besitzt. Ingomar ß 0 g Reclams Kunstführer Deutschland. Baudenkmäler. Band I: Bayern. Bearbeitet von Alexander von Reitzenstein und Herbert Brunner. 5., neubearbeitete und erweiterte Auflage. Philipp Reclam jun., Stuttgart 1964. 1015 Seiten mit 55 Textabbildungen, 64 Tafeln, 2 Übersichtskarten. Seinen ersten Kunstführer hat der Reclam-Verlag vor knapp zehn Jahren heraus­ gebracht, es war der Kunstführer über Bayern, der nun in füntfer Auflage vorliegt. Insgesamt umfaßt die Westdeutschland gewidmete Reihe vier Bände. Der Verlag 470

MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen gesellte dazu einen zweibändigen „Kunstführer Österreich" und läßt inzwischen einen wiederum mehrbändigen Kunstführer über Italien erscheinen. Die Ausweitung des Programms spricht für den Erfolg des Unternehmens, das im rechten Augenblick begonnen wurde .Es gibt heute keinen anderen Kunstführer gleichen Niveaus, in dem ganz Westdeutschland erfaßt wäre. Das von Georg Dehio zu Anfang unseres Jahrhunderts geschaffene kunsthistorische Standardwerk, das „Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler", hat viele Auflagen und verschiedene Bearbeitungen von Teilgebieten erfahren, aber es liegt seit Jahrzehnten nicht mehr komplett vor. Die derzeitige Neubearbeitung wird zweifellos erst in etlichen Jahren abgeschlossen werden können. Als Konkurrenz zum „Dehio" will man den „Kunst­ führer Deutschland" bei Reclam nicht verstanden wissen, zumal in der Ausführlich­ keit wird ersterem der Vortritt gelassen. Wie das Stichwort „Baudenkmäler" im Titel andeutet, ist in den Reclamführern die Architenktur mit Vorrang behandelt, die Ausstattung der Bauwerke wird summarischer beschrieben, Stücke von besonderer Bedeutung ausgenommen. Berücksichtigt sind neben Einzelbauten auch städtebauliche Aspekte, Straßen und Plätze, Gartenanlagen, Brunnen und andere öffentliche Denk­ mäler. Das Schwergewicht liegt auf den „historischen" Kunstepochen, aber es ist er­ freulicherweise kein scharfer Trennungsstrich zur Gegenwart gezogen worden. Je nach dem Gewicht der Objekte sind den Besprechungen von Orten oder Einzelbauten einführende Abschnitte zur Erläuterung historischer Zusammenhänge vorangestellt. Da die von Fachleuten verfaßten Texte hin„führen" sollen zum Verständnis ausge­ wählter Kunstwerke, vereinigen sie in sich Information und Interpretation, zu Sachangaben tritt die würdigende Deutung. Der Kunstführer Bayern hat seit der ersten Auflage um rund ein Drittel an Umfang zugenommen. Gegenüber der vierten Auflage von 1961 sind 60 Seiten mehr zu konstatieren, wobei durch den Verzicht auf das Ortsregister (bei ohnehin alpha­ betischer Reihenfolge) und verstärkte Verwendung von Kleindruck an verschiedenen Stellen zusätzlicher Raum für die TextVermehrung geschaffen wurde. Unter Berück­ sichtigung kritischer Hinweise und neuer Forschungen haben Alexander von Reitzen­ stein und Herbert Brunner, beide von Anfang an Bearbeiter des Bandes, von Auflage zu Auflage Ergänzungen und Verbesserungen vorgenommen, wobei jetzt der Hand­ lichkeit wegen das schon 1961 angekündigte Maximum an Seiten erreicht sein dürfte. Von Nürnberg aus gesehen interessiert natürlich besonders die Frage: Wie schneidet Franken in der jüngsten Auflage ab? Von den rund 70 neu hinzugekom­ menen Ortsstich Worten entfallen 21 auf die drei fränkischen Regierungsbezirke. Mit größeren Beiträgen bedacht wurden dabei unter anderem Lindenhardt (der GrünewaldGemälde wegen), Neustadt a. d. Aisch und Wiesenthau. Aus dem Bereich der Frän­ kischen Schweiz erscheinen jetzt sowohl Streitberg als auch Rabeneck und Rabenstein, da man Burgen gegenüber mit einiger Großzügigkeit verfahren ist. Allgemeiner läßt sich sagen, daß Franken in dem gegebenen Rahmen angemessen vertreten ist. Gleiches kann auch für Nürnberg gelten, dem wie bisher 28 Seiten gewidmet sind. Sicher, es gäbe noch mancherlei Plätze, deren Erwähnung im Kunstführer man begrüßen würde: so etwa Gutenstetten (Landkreis Neustadt a. d. Aisch) wegen seines bemerkenswer­ ten Flügelaltarschreins von 1511 oder die reich ausgestattete Kirche von Veitsbronn (Landkreis Fürth) oder auch Großgründlach. Für andere Orte könnte man sich aus­ führlichere Würdigungen vorstellen. Soll man sich aber eine neuerliche Erweiterung des Kunstführers, der schließlich kein Denkmalinventar-Band ist, wünschen? Es gibt auch eine Grenze, jenseits derer „mehr" leicht „zuviel" wird. Freuen wir uns also des stattlichen Bandes, wie er ist! Günther Bräutigam

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MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen Festschrift für Peter Metz. Herausgegeben von Ursula Schlegel und Claus Zoege von Manteuffel. Walter De Gruyter & Co., Berlin 1965. 416 Seiten mit Abbildungen. Dem Direktor der Skulpturenabteilung der Staatlichen Museen (Stiftung Preußi­ scher Kulturbesitz) in Berlin-Dahlem, Professor Dr. Peter Metz, der auch eine Reihe von Jahren am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg wirkte, wurde 1961 zu seinem sechzigsten Geburtstag eine Festschrift überreicht, die jetzt gedruckt vorliegt. Der Band enthält eine Anzahl von Beiträgen, die die Kunstgeschichte Nürnbergs und Frankens betreffen und die daher hier kurz angezeigt werden sollen. Es sind, der chronologischen Anordnung in der Festschrift folgend: S. 170—197. Günther Bräutigam : Die Nürnberger Frauenkirche. Idee und Herkunft ihrer Architektur (zur Symbolbedeutung der 1350—1358 von Kaiser Karl IV. nach dem Vorbild des Aachener Münsters und der Pariser Sainte-Chapelle errichteten Kirche; „Frühwerk" des Architekten Peter Parier). — S. 224—238. Gottfried und Ursula F r e n z e 1 : Die fünfzehn Zeichen vor dem jüngsten Gericht in der St. Martha-Kirche zu Nürnberg (Glasmalereizyklus in einem Fenster des Chors, ge­ stiftet von der Familie Rieter, entstanden um 1390; Darstellung der Vorzeichen, die das Jüngste Gericht ankündigen). — S. 239—248. Heinrich R a g a 11 e r : Das Vituslegenden-Fenster im Chor der Pfarrkirche zu Iphofen (Glasmalereizyklus für das Chorhauptfenster, entstanden etwa 1430/40; Rekonstruktion und stilistische Ein­ ordnung). — S. 315—336. Karl-Adolf Knappe: Peter Trünklin, ein Nördlinger Bildschnitzer der Dürerzeit (zu Trünklins Biographie und Oeuvre; Peter-Pauls-Altar und weitere Schnitzaltäre in der Klosterkirche Heilsbronn, Skulpturen des ehemaligen Hochaltars der St. Salvatorkirche in Nördlingen von 1518). S. 366—378. Günther Schiedlausky : Beiträge zum Werk des Georg Strauch (Bildnis des Stadtarztes Friedrich Kühne, 1636, im Geschworenenbuch der Nürnberger Barbiere und Wund­ ärzte, Zusammenstellung und Neuzuschreibung von Emailmalereien). Günther Bräutigam Handbuch der historisdien Stätten Deutschlands. Band VII: Bayern. Hrsg, von Prof. Dr. Karl B o s 1. 2. Auflage. LXXI/949 Seiten, 10 Karten, 15 Stadtpläne, 4 Stammtafeln. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart (KrÖners Taschenausgabe Band 277) 1965.

Die Tatsache, daß dieses Handbuch in so kurzer Zeit — im Jahre 1961 erschien die erste Auflage — vergriffen war und eine Neuauflage erforderte, mag schon Beweis genug für seine Güte sein und zeigen, daß es einem echten Bedürfnis entsprang. Auch in der zweiten Auflage hat das Werk seine „leicht eingängige Methode der topographischen Geschichtsschreibung“ beibehalten. Der Herausgeber Prof. Karl Bosl, Ordinarius für bayerische Landesgeschichte in München, gibt eingangs in klarer Sprache einen gedrängten Aufriß der bayerischen Geschichte, der wohl weniger den „historisch interessierten Touristen“ (so Bosl im Vorwort) als den mit den Pro­ blemen der Entwicklung Gesamtbayems vertrauten Historiker und Geschichtsfreund anspricht. Gern läßt man in dem Eingangskapitel „Volk und Raum“ das interessante politische Kräftespiel um den bayerischen Raum vor sich abrollen. Wenn man das vom Verfasser im Jahre 1952 erschienene „Lehrbuch für Bayerische Geschichte“ (bei Schnell und Steiner, München, erschienen) heranzieht, so ist es recht reizvoll zu sehen, wie sehr sich in einem Jahrzehnt Forschens und Lehrens die Akzente und die 472

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Wertsetzung hier verschoben haben. Man wird dem Verfasser gern bestätigen, daß der damalige „erste Versuch und das Wagnis, ein Neuland in der Darstellung bayerischer Geschichte zu betreten" (BosI im Vorwort zu seinem Lehrbuch) vollauf gelungen ist. Mit Recht hat O. Puchner in seiner Rezension der ersten Auflage dieses Hand­ buches darauf hingewiesen (in Mitt. 51, S. 481 ff.), daß Bosl sich in gerechter Weise bemüht hat, in den einzelnen Abschnitten seines Geschichtsabrisses die Verschieden­ artigkeit des Geschichtsverlaufs in den altbayerischen, fränkischen und schwäbischen Landesteilen darzustellen. „Das Buch gibt sich Mühe, das g a n z e Bayern lebendig werden zu lassen." Dieser Satz, dem Vorwort zum Lehrbuch entnommen, hat seine Gültigkeit auch für das vorliegende „Handbuch der historischen Stätten" uneinge­ schränkt behalten. Den Hauptteil des Werkes nehmen ungefähr 1200 Ortsartikel verschiedener Länge aus ganz Bayern ein, in alphabetischer Reihenfolge geordnet. So für den Be­ nutzer zunächst wohl etwas verwirrend, aber mit einiger Mühe und mit Hilfe der beigefügten Kartenblätter ist der Überblick auch für den „Laien" bald gewonnen. Nicht immer sind die einzelnen Ortsartikel bei dem großen Mitarbeiterstab (nicht „Team"!) bewährter Fachleute gleichwertig ausgefallen. So sei auch auf einige kleine Unstimmigkeiten hingewiesen: In dem Ortsartikel Maria Mödingen (S. 454) wird die Mystikerin Margareta Ebner als Nürnberger Patrizierstochter bezeichnet. Der Ortsartikel Donauwörth (S. 149) bringt aber richtig: 1291 wurde (in D.) M. Ebner, eine Mystikerin des Dominikanerordens geboren. (Vgl. hierzu auch Joh. Traber, Die Herkunft der Marg. Ebner. Donauwörth 1910.) In dem Ortsartikel Nördlingen findet man keinen Hinweis auf den bekannten Mystiker Heinrich von Nördlingen. Andererseits wird er aber an zwei Orten (S. 149 und 454) erwähnt. Bei dieser Gelegenheit sei der Verfasser des betr. Ortsartikels auf einen Beitrag von Heinr. Gürsching „Neue urkundliche Nachrichten über den Mystiker Heinr. von Nördlingen" in der Festgabe für K. Schombaum, Nürnberg 1950, verwiesen. Die uns besonders interessierenden Ortsartikel Mittelfrankens und vor allem Nürnbergs sind in mustergültiger Weise von F. Schnelbögl, G. Pfeiffer („Nürnberg" stellt eine hervorragende zusammenfassende Darstellung aus einem Guß dar) und H. H. Hofmann verfaßt. Mit Dank an den Herausgeber sei auch vermerkt, daß fast alle Ortsartikel, die in der ersten Auflage des Handbuches von den Rezensionen O. Puchners (in Mitt. 51, S. 481 ff.) und G. Schuhmanns (in Bl. f. Fränk. Familienkunde 8. Bd. H. 3, S. 120 ff.) vermißt wurden, in dieser Neuauflage nachgeholt wurden, durchweg verfaßt von H. H. Hofmann. Hervorgehoben sei noch, daß von letzterem auch das wertvolle Verzeichnis der „Grundlegenden Literatur“ am Ende des Hand­ buches stammt. Gern und mit gutem Erfolg wird sich der suchende Heimatfreund dieses übersichtlichen Verzeichnisses als Ratgeber bedienen. Auf zwei geringfügige Unstimmigkeiten des umfangreichen Registers sei hinge­ wiesen: S. 531 wird der Ort Poppenreuth im Text genannt, im Ortsregister fehlt er. Dann heißt es in der Literaturangabe zum Ortsartikel Engelthal S. 175 LV 425, V/9, im Literaturregister findet sich aber keine Ziffer 9, nur 8 und 10; Druckfehler? Die in den früheren Rezensionen bemerkten Druckfehler scheinen nicht immer be­ rücksichtigt worden zu sein. Auch darf der bereits früher (von G. Schuhmann) aus­ gesprochene Wunsch nach einer Stammtafel der fränkischen Hohenzollern hier wie­ derholt werden. Doch sind dies alles nur geringfügige Kleinigkeiten, wenn man das Werk als Ganzes in seinem durch geschichtliche Fülle und Zuverlässigkeit bedingten Wert sieht. Durch die Katastrophe des vergangenen Krieges haben viele Menschen aus weiten Teilen des alten Reichsgebietes hier in Bayern schicksalhaft eine neue Heimat

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MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen gefunden. Ihnen allen wie auch den geschichtlich interessierten Reisenden und nicht zuletzt allen Heimatfreunden sei dieses prächtige und wirklich „handliche" Handbuch wärmstens empfohlen. Werner Sprung, Oberstudienrat Leo Beyer, Der Nürnberger Stadtteil Mögeldorf. Eine Häusergeschichte, Nürn­ berg 1964 (= Freie Schriftenfolge der Arbeitsgemeinschaft für Belange und Ge­ schichte Mögeldorfs, Band 2). 454 Seiten, Leinen 15.— DM. Von der Hand Leo Beyers — der schon im Jahre 1952 eine Ortsgeschichte von Mögeldorf erscheinen ließ — liegt jetzt eine Mögeldorfer Häusergeschichte vor. Die Geschichtsschreibung des von jeher eng mit Nürnberg verbundenen Dorfes und heu­ tigen Vororts erfährt mit dieser gründlichen Arbeit eine wertvolle Bereicherung. In mühevoller Kleinarbeit trug Beyer sein Material aus den Nürnberger Archiven zusammen. Der erste Hauptteil des Buches behandelt die im Stichjahr 1848 vorhan­ denen 75 „Anwesen des Mögeldorfer Kernes"; der zweite bringt die bis zum Stich­ jahr 1900 dazugekommenen „Anwesen der 1. Mögeldorfer Erweiterung". Der Autor konnte damit insgesamt etwa 240 Anwesen erfassen und deren Besitzgeschichte von den ältesten von ihm benützten Quellen bis in die Gegenwart verfolgen. Beyer bringt seine einzelnen Hofbeschreibungen in der Reihenfolge der 1796 eingeführten Hausnummern. Da er gut benutzbare Konkordanzlisten zu den moder­ nen Straßennamen und Hausnummern beigibt, kann zwar jede einzelne Hofbeschrei­ bung leicht aufgesucht werden, ein klarer Überblick über den verschiedentlich an­ gesprochenen „Urbestand" der Höfe sowie über die Dorfentwicklung läßt sich damit freilich nicht gewinnen. Jeder Hofbeschreibung ist ein Kopftitel mit Angabe der alten und der neuen Hausnummer, der Kataster-Plannummer sowie der Grund- und der Lehenherrschaft vorangestellt. Ein einleitendes Kapitel enthält Bemerkungen über die bauliche Entwicklung und über die Herrschaftsverhältnisse des Dorfes, die aller­ dings nicht mit statistisch-zusammenfassenden Ergebnissen der einzelnen — sehr aus­ führlich gehaltenen — Hausgeschichten versehen wurden. Aus Ersparnisgründen verzichtet Beyer leider auf Textanmerkungen, macht kaum eine Literaturangabe und gibt nur ein äußerst knappes Archivalienverzeichnis bei. Trotzdem dürfte das treffliche Buch eine wertvolle Bereicherung der Quellen für den heimatkundlichen Unterricht an Volksschulen darstellen. Walter L e h n e r t Rudolf Pfeiffer, Der Constantistenorden in Altdorf. (In: Jahresgabe der Ge­ sellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung 1962, Seite 3—17.) Der Aufsatz Pfeiffers vermittelt ein Bild aus dem Studentenleben während der letzten Jahre der Universität Altdorf. Der Constantistenorden, 1777 in Halle ge­ gründet, hatte sich in wenigen Jahren über mehrere Universitäten Deutschlands aus­ gebreitet. Eine Loge des Ordens wurde auch in Erlangen eröffnet. In Altdorf wurde als erster Constantist 1790 der bei der Loge Jena rezipierte stud. theol. Johannes Gerhard Christoph Doederlein immatrikuliert. Er versammelte einen Kreis Gleichgesinnter um sich, die alle — da sie zur Bildung einer eigenen Loge nicht in der Lage waren — in Erlangen rezipiert wurden, 1793 organisierte sich dieser Kreis als Seitenloge der Loge Erlangen. Nach Unruhen am 3. Oktober 1794 scheint diese Altdorfer Seitenloge wieder aufgelöst worden zu sein. Insgesamt hatten ihr 474

MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen 14 Mitglieder angehört; unter ihnen befanden sich u. a. Söhne der Nürnberger Patrizierfamilien Grundherr, Löffelholz und Volkamer. Außer auf gedruckte Quellen und einige Einträge in Stammbüchern stützt sich Rudolf Pfeiffer vor allem auf ein Protokollbuch der Constantistenloge Altdorf, das im Archiv der Familie von Grundherr im Stadtarchiv Nürnberg gefunden wurde. Die Edition dieser interessanten Quelle macht den Hauptteil der verdienstvollen Arbeit aus. Das Protokollbuch eines unbekannten Autors umfaßt den Zeitraum von April bis August 1794 und enthält u. a. eine Mitgliederliste (in Geheimschrift), einen kurzen Abriß der Geschichte der Altdorfer Constantisten, die „Additionalgesetze der Loge Aldtorf“ und einige Sitzungsprotokolle. Ein Namenregister sowie ein Quellen- und Literaturverzeichnis sind dem Werk beigegeben. Da — wohl durch einen unglücklichen Zufall — nirgends die Signatur der veröffentlichten Quelle angegeben ist, soll diese hier abschließend genannt wer­ den: Stadtarchiv Nürnberg, Grundherr-Archiv Nr. 20. Walter L e h n e r t

Karl Hannakam, Die Gemeindearchive des Landkreises Schwabach. München 1963 (= Bayerische Archivinventare, Heft 21), 3 52 Seiten und 3 Karten, brosch. 9.- DM. Mit dem vorliegenden Band wurde erstmals der Versuch unternommen, sämtliche Archivinventare eines Landkreises in einem Inventarheft herauszubringen. Karl Han­ nakam, durch einschlägige Arbeiten in der Fachwelt längst bekannt, stellte mit die­ sem gelungenen Werk erneut sein Können unter Beweis. Der Landkreis Schwabach umfaßt 49 Gemeinden. Es ist verständlich, daß bei einer derartigen Vielzahl von aufzunehmenden Einzelarchiven eine gewisse Komprimierung der Inventarbetreffe Platz greifen mußte. So konnten etwa Einzelsignaturen nur bei größeren Urkundenbeständen angegeben werden. Wenn auch die Hauptmasse des erfaßten Archivgutes „nur" aus Massenakten des 19. und des 20. Jahrhunderts besteht — Urkunden und Bände aus der Zeit vor 1800 haben neben den Städten Abenberg, Roth und Spalt nur noch sehr wenige Gemeinden (etwa Georgensgmünd, Katzwang, Wendelstein) aufzuweisen —, so ist doch sicher, daß der Inventarband eine sehr wesentliche Quelle der Heimatgeschichte darstellt. In diesem Zusammenhang ist besonders auch auf die sehr gründliche Einleitung zu verweisen, die u. a. einen knappen Abriß der historischen Landesgliederung des Land­ kreises bringt. Die Benützung des Bandes wird durch die sehr ausführlichen Namen- und Sach­ register in wünschenswerter Weise erleichtert. Dank der großzügigen Unterstützung des Kreistages Schwabach konnten dem Inventarheft nicht nur eine farbige Landkarte des Landkreises, sondern sogar noch Farbdrucke der Johann Georg Vetter'sehen Ober­ amtskarten von Roth (1739) und Schwabach (1740) beigegeben werden. Walter L e h n e r t Schöpferische Leistung. Festschriften zur 5.—10. Verleihung der Diesel-Medaille, Nürnberg 1959-1965. Seit seiner Gründung im Jahre 1962 konnte der in Nürnberg ansässige Deutsche Erfinderverband bis 1965 insgesamt 10 Verleihungsfeiern der von ihm gestifteten Diesel-Medaille begehen. Die aus diesen Anlässen jeweils herausgegebenen Fest­ schriften enthalten — neben technischen und patentrechtlichen Beiträgen namhafter 475

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Techniker und Juristen sowie zahlreichen Aufsätzen von Hans Keller, dem 1. Vor­ sitzenden des Deutschen Erfinderverbandes — auch Darstellungen zur Industrie- und zur Wirtschaftsgeschichte von Carl Graf von Klinckowstroem und Werner Schultheiß. Während die Arbeiten von Graf Klinckowstroem in ihrer Thematik nicht lokal be­ grenzt sind, beschänkt sich Schultheiß jeweils auf ein Thema aus der Nümbergischen Geschichte. Um sie einem weiteren Kreis zugänglich zu machen, sollen im folgenden diese Aufsätze, soweit sie Nürnberg betreffen, angezeigt werden: Der werktätige Mensch als Erfinder (von der Vorgeschichte bis zur Jahrhundert­ wende unter Einbeziehung der Technik des alten Nürnberg). (Klinckowstroem, Heft 5.) Nürnbergs Stellung in der deutschen Technik. Nürnberger Erfindungen in Ver­ gangenheit und Gegenwart. (Schultheiß, Heft 6.) Soziale Handwerkerfürsorge im alten Nürnberg. (Klinckowstroem, Heft 6.) Früher Schutz von Erfindungen und geistigem Eigentum in Deutschland und Nürn­ berg, Vorläufer des deutschen Patent- und Urheberrechts. (Schultheiß, Heft 7.) Nürnberg als Wirtschaftszentrum und „Schatzkästlein des deutschen Volkes". (Schultheiß, Heft 8.) Schöpferische Leistung Nürnbergs in Forschung und Erfindung. (Schulthteiß, Heft 9.) Schöpferische wissenschaftliche Leistungen der Reichsstadt Nürnberg und der Universität Altdorf. (Schultheiß, Heft 10.) Walter L e h n e r t Jürgen Uwe O h 1 a u, Der Haushalt der Reichsstadt Rothenburg o. T. in seiner Abhängigkeit von Bevölkerungsstruktur, Verwaltung und Territorienbildung (1350—1450). Phil. Diss. Erlangen 1965, Fotodruck, 292 S. mit zahlreichen Ta­ bellen. Vor mehr als 60 Jahren hat Paul Sander in einem ausgezeichneten Buch, das bis heute seine bleibende Bedeutung behalten hat, die reichsstädtische Haushaltung Nürnberg auf Grund ihres Zustandes von 1431—1440 (1902) dargestellt. Dieses große Werk war das Vorbild für die Dissertation von J. U. Ohlau, der in ähnlicher Form den Haushalt der Reichsstadt Rothenburg für die Zeit von 13 50^1450 erforscht und seine Abhängigkeit von der Bevölkerungsstruktur, der Stadtverwaltung und der Territorienbildung der Reichsstadt untersucht hat. In sechs Abschnitten behandelt er sein wirtschaftsgeschichtlich, bevölkerungsgeschichtlich und verfassungsgeschichtlich ebenso ergiebiges Thema mit Hilfe der Quellen des Rothenburger Stadtarchivs: I. Bevölkerung und Lebensraum, II. Die Judengemeinde Rothenburgs, III. Die Bürger im Dienste der Stadt (Bestallungslisten 1405—1410, Maßnahmen zur Verteidigung), IV. Der Reichsstädtische Haushalt (Einnahmen und Ausgaben), V. Entstehung und Wachstum des Territoriums, VI. Leibgedinge und Ewiggelder. Für Nürnberg ist der letzte, umfangreichste Abschnitt der Dissertation von Bedeutung, da hier eine an sich schon lange bekannte Tatsache, daß die Nürnberger Bürger ihr Barkapital in Form von Leibgedingen und Ewiggeldern gerne in fremden Städten anlegten, exem­ plarisch bewiesen wird. Bei ersteren handelt es sich um eine Lebensrente, die durch­ schnittlich einen Zins von 8 °/o brachte, bei letzteren um eine Art Pfandbrief mit einem Zinssatz von 5 °/o. Für die Zeit von 1400—1450 konnte Ohlau 57 Leib­ gedinge und 50 Ewiggelder nachweisen, die von namentlich auf geführten Nürnberger Bürgern an die Stadt Rothenburg verkauft wurden. Unter den Verkäufern begegnen uns neben den Namen der bekannten Patrizierfamilien auch eine Anzahl anderer Nürn­ berger Bürger. Auf Grund der noch vorhandenen Verkaufsurkunden und den dazu gehörigen Zinsquittungen hat Ohlau eine höchst aufschlußreiche Übersicht zusammen476

MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen stellen können, nach der sich die Stadt Rothenburg in der ersten Hälfte des 15. Jahr­ hunderts mit Hilfe der Leibgedinge (77 726 fl.) und der Ewiggelder (124 678 fl.) ein Gesamtkapital von 202 404 fl. Gulden hat beschaffen können, das freilich die Reichsstadt mit einem schweren Zinsendienst belastete. Die bedeutendsten Geldgeber auf beiden Gebieten der Kapitalschöpfung waren die Bürger der Stadt Nürnberg. Allein von ihnen stammten 3 5% der Leibgedinge (27118 fl.) und 35,5% der Ewiggelder (44 320 fl.), insgesamt also 71 438 Gulden. Dagegen waren die Bürger Rothenburgs selbst nur mit einer Gesamtsumme von 35 110 Gulden beteiligt. Ins Gewicht fielen daneben nur noch die Städte Speyer (37 298 fl. Ewiggelder) und Augsburg (7375 fl. Leibgedinge und 21 000 fl. Ewiggelder). Mit kleineren Summen waren Bürger der Reichsstädte Schwäbisch Hall und Windsheim beteiligt. Die Über­ sichten zeigen in höchst eindringlicher Form, wie kapitalkräftig Nürnbergs Bürger in der damaligen Zeit waren und wie sehr das kleinere Rothenburg bei der Kapital­ beschaffung gerade auf die aus der größeren Schwesterstadt zufließenden Gelder an­ gewiesen war. Die gute, von Professor Dr. Pfeiffer angeregte Dissertation liefert damit neben ihrer Hauptbedeutung für die Geschichte Rothenburgs und damit zu­ gleich der fränkischen Reichsstädte einen wertvollen Baustein für unsere Kenntnis von der Geldwirtschaft der Nürnberger Bürgerschaft im 15. Jahrhundert. Gerhard Hirschmann Vorstadt-St. Johannis-Verein, Nürnberg. Festausgabe des Mitteilungsblattes des Vor­ stadtvereins St. Johannis, Schniegling, Wetzendorf, Kriegsopfersiedlung anläßlich seines 90jährigen Bestehens. [1964] Gerhard Hirschmann, Aus der Geschichte der Nordvorstadt und ihrer Vor­ stad tvereine. Nürnberg. [1965] 85 Jahre. 1880—1965. Vorstadtverein Gostenhof und Kleinweidenmühle e. V. [1965]

Im Januar 1964 konnte der Vorstadtverein St. Johannis auf neunzig, im Mai des gleichen Jahres der Vorstadtverein Nürnberg-Nord auf sechzig Jahre seines Bestehens zurückblicken; der Vorstadtverein Gostenhof und Kleinweidenmühle beging im April 1965 das Fest seines 85jährigen Gründungsjubiläums. Aus den genannten Anlässen ließen die drei Vereine Festschriften erscheinen, die jeweils Aufsätze über ihre Gründung sowie über die Geschichte der namengebenden Vorstädte enthalten. Der Vorstadtverein St. Johannis bringt den Festvortrag von Gerhard Hirschmann „St. Johannis in seiner geschichtlichen Entwicklung", den dieser beim 90jährigen Jubiläum des Vereins gehalten hatte, zum Abdruck. Hirschmann zeigt hier — begin­ nend bei der ersten Erwähnung des Siechkobels im Jahre 1234 und der Stiftung der Herberge zum HL Kreuz durch Berthold Haller vor 13 54 — die Entwicklung dieses Vorortes, der nicht aus einem Dorf hervorgegangen ist, bis in die neueste Zeit auf. Unter dem Titel „Versunkenes Märchenland" steuert Helmut Häußler eine kunsthistorische Betrachtung über die Hesperidengärten zu St. Johannis — und was aus ihnen geworden ist — bei. Daneben enthält das Heft u. a. einen Beitrag von J. Kronberger „90 Jahre Vorstadtveiein", in dem die Geschichte des Vereins erschöp­ fend dargestellt wird. Ebenfalls aus der Feder Gerhard Hirschmanns stammt der Aufsatz „Aus der Ge­ schichte der Nordvorstadt und ihres Vorstadtvereins", den der Vorstadtverein Nürn­ berg-Nord als Broschüre herausgab. Das Gebiet dieses Stadtteils lag in reichsstädti­ scher Zeit im Verkehrsschatten des Burgfelsens. Da — mit Ausnahme des für den Verkehr bedeutungslosen Vestnertürleins — zwischen Tiergärtnertor und Laufertor der nördliche Mauerzug völlig geschlossen war, wurde es von keiner größeren 477

MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen Straße durchzogen. So entstanden hier — zwischen der Stadtmauer im Süden und der Landwehr im Norden — die Gärten, die der 1808 gebildeten Gemeinde „Gärten hinter der Veste" den Namen gaben. Aber noch bestand hier keine geschlossene Siedlung; die eigentliche Bautätigkeit setzte erst nach 1850 ein. Hirschmann verfolgt auch die Entwicklung dieser Vorstadt bis in die Gegenwart. Für die Festschrift des Vorstadtvereins Gostenhof und Kleinweidenmühle lieferte Helmut Häußler den Aufsatz „Vom Fronhof zum Industriestadtteil" mit dem Unter­ titel „Lebensbild der Nürnberger Vorstadt Gostenhof in sieben Jahrhunderten". Gostenhof — erstmals erwähnt 1270 — war ursprünglich burggräflicher Fronhof, bis es 1452 nach dem ersten Markgrafenkrieg als nümbergisches Pflegamt in die Juris­ diktion der Reichsstadt überging. Häußler geht ausführlich auf die Vor- und Nach­ wehen dieses Besitzwechsels ein, der sich bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit immer wieder auf das Schicksal des aus dem Fronhof entstandenen Dorfes auswirkte; außerdem behandelt er auch die bauliche und wirtschaftliche Entwicklung des Vor­ orts bis in die neueste Zeit. Zwei weitere Untersuchungen aus seiner Feder befassen sich mit den Themen „Schienenwege durch Gostenhof" und „Der Vorstadtverein Gostenhof und seine Geschichte". Hervorzuheben sind schließlich noch die trefflichen Mundart-Beiträge des Gostnhuufer Heimatdichters Heinrich Hirschmann. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die drei Veröffentlichungen bestens geeignet sind, eine gute Vorstellung der Stadtentwicklung in breite Schichten zu tragen. Es ist sehr zu begrüßen, daß die genannten Vereine ihre Jubiläen in dieser traditionsbewußten Form begangen und die Anregungen zu den hier besprochenen Untersuchungen gegeben haben. Walter Lehnert Ernst K ö n i g e r, Nürnberger Madonnen. Madonnenbilder aus drei Jahrhunderten. Sebaldus-Verlag Nürnberg 1965. 24 S. Text, mit 3 5 Bildtafeln (davon 4 Farb­ tafeln). 22.— DM. Wohl mancher, der den schmucken Band in die Hand nimmt, wird sich vielleicht wundern, daß in Nürnberg ein solches Buch nicht schon längst erschienen ist. Denn bekanntlich hat Nürnberg aus dem Mittelalter und den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts eine sehr große Zahl derartiger Werke religiöser Kunst aufzuweisen. Da die Reichsstadt während der Reformationszeit von einem Bildersturm verschont geblieben ist, haben sich diese bis in das 19. und 20. Jahrhundert erhalten, in dem allerdings die meisten an den Außenseiten der Gebäude angebrachten aus konservatorischen Gründen in das Germanische Nationalmuseum verbracht und an Ort und Stelle durch Kopien ersetzt wurden. Haben die wertvollen Originale durch rechtzeitige sichere Bergung den 2. Weltkrieg überdauert, so sind in der Nachkriegszeit viele Kopien an den Häusern wieder angebracht worden oder wieder neu erstanden, so daß die Altstadt auch heute noch verhältnismäßig reich an solchen religiösen „Haus­ zeichen" ist — ganz abgesehen von den zahlreichen Werken der Malerei und der Glasmalerei in den Kirchen oder gar der Graphik. Der Grund für das bisherige Feh­ len eines zusammenfassenden Werkes über diese Denkmäler in Nürnberg ist keines­ wegs ein konfessioneller. Schon 1855 hat G. W. K. Lochner diese in einem Bändchen: „Die noch vorhandenen Abzeichen Nürnberger Häuser" zu erfassen versucht, und später plante der Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg, die „an den Profanbauten der Stadt angebrachten Bildwerke, Madonnen und Heiligenfiguren, Reliefdarstellun­ gen religiösen und weltlichen Charakters, Tierbilder, Embleme, Wappen, Jahreszahlen u.s.w." in einem umfassenden Tafelwerk mit wissenschaftlichem Text, das sogenannte „Madonnenwerk", für das bereits Mittel ausgegeben wurden, herauszugeben. Mit der Bearbeitung wurde Professor Dr. F. T. Schulz beauftragt, der sich aber dieser

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MVGN 53 (1965) Buchbesprechungen Aufgabe wegen starker beruflicher Belastung nur sehr wenig widmen konnte. Seit 1933 verboten die politischen Verhältnisse, seit 1939 der 2. Weltkrieg und seit 1945 dessen Folgen die Weiterarbeit, so daß dieses Werk niemals erschienen ist, dessen Vorarbeiten der Verein nicht mehr erhalten konnte. So blieb es Dr. Ernst Königer Vorbehalten, sich dieser dankbaren Aufgabe zu widmen und nun wenigstens ein Teilergebnis vorzulegen. Denn bei der großen Fülle des erhaltenen Bestandes erwies sich eine weise Beschränkung als notwendig. Bewußt sind nur solche Bildwerke in dem Bande auf genommen, die „das Zusammensein der Mutter mit dem Christkind allein zeigen. Damit scheiden alle biblischen oder mysti­ schen Vorstellungen, wie etwa die Anbetung der Hl. drei Könige oder die Verlobung der Hl. Katharina, die sich vor Maria mit dem Kinde abspielen, aus“. Es handelt sich also hier nur um die Darstellung der „Sacra Conversazione“, der Mutter mit dem Kinde. Trotzdem hat sich die Fülle der erhaltenen Werke noch als so groß erwiesen, daß eine repräsentative Auswahl zu treffen war, zumal in dem Bande nicht nur die Werke der Bildhauerei, sondern ebenso der Malerei, der Glasmalerei, ja auch der Graphik und der Textilkunst Berücksichtigung fanden. Um so sorgfältiger mußte also die Auswahl sein, die den stilistischen Wandel der Madonnendarstellung und damit einen kurzen Gang durch die Nürnberger Kunstgeschichte vom 13. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts vermittelt. So beginnt die Reihe mit der bedeutenden Sandsteinmadonna im Mittelschiff von St. Lorenz (Anf. d. 14. Jh.), die den Stil des sogenannten Regensburger Erminold-Meisters voraussetzt; es folgt die Werkstatt des Westportals der Lorenzkirche (um 1355/60), dann eines der ältesten Beispiele für Nürnberger Hausmadonnen (Weinmarkt 12a, um 1360/70), die großartige Madonna vom Ostchor von St. Sebald (um 1370/80), weitere Beispiele in St. Lorenz (um 1380/ 90) und schließlich dort die farbenprächtige Madonna im Strahlenkranz (um 1425/30), eines der schönsten Beispiele für den „weichen Stil“. — Im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts geht die künstlerische Führung auf die Schreinaltäre und die Epitaphien über; meist sind es noch Schnitzaltäre, doch setzt sich die Malerei immer mehr durch. Der Band bietet auch für diese Stufe markante Beispiele. Schließlich erreicht auch die Madonnendarstellung in Nürnberg ihren Höhe­ punkt im Werk des Adam Kraft, Veit Stoß und Albrecht Dürer. Hat Adam Kraft eines seiner schönsten Werke in der Madonna vom Hause Bindergasse 1 (1504) ge­ schaffen, so ist Veit Stoß mit der bekannten Madonna von seinem einstigen Hause in der Wunderburggasse (um 1500) eine geradezu klassische Gestaltung des Madon­ nenthemas gelungen. Auch Albrecht Dürer geht von dem überlieferten Madonnentyp aus, formt aber nach seiner Begegnung mit dem Humanismus und der italienischen Renaissance in zahlreichen Werken, besonders auch der Graphik, sein eigenes Ma­ donnenbild. Ganz vom Geiste der Renaissance erfüllt ist dann die „Sacra Conver­ sazione“ vom Epitaph des Propstes Lorenz Tücher (St. Sebald, 1513), ein Hauptwerk des Hans von Kulmbach. Um 1560, als das letzte der in dem Bande gezeigten Bei­ spiele (Buchsbaumrelief von Pankraz Labenwolf) entstand, hatte das Madonnen­ thema in Nürnberg bereits seinen dogmatischen Kern verloren, es war gewissermaßen „verweltlicht“. In seinem knappen, prägnanten Text verfolgt der Verfasser auch die ikonographische Entwicklung des Themas und charakterisiert schließlich das Nürnberger Ma­ donnenbild als „von heiligem Emst und von Nüchternheit erfüllt gegenüber der gefühlsmäßigen Dynamik der altbayerischen oder der in das Monumentale gehenden Form der schwäbischen Madonnenbilder“. — Der handliche, sehr gut gestaltete Band, dem eine weite Verbreitung zu wünschen ist, füllt eine oft empfundene Lücke im Schrifttum über Nürnberg aus. Wilhelm Schwemmer 479