Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [50]

Table of contents :
Ein Steinmal aus dem Beginn des 14. Jahrhunderts, die Nürnberger Reichsschultheißen
Heinrich Geusmit und Sifrit von Kamerstein? Ein Deutungsversuch von Staatsanwalt
Wolfgang FRHR. STROMER VON REICHENBACH (Erlangen).............................. 1
Eine Gewürzhandelsabrechnung und ein Finanzierungsgeschäft des Nürnberger Rats von
13 50. Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte und Finanzpolitik der Reichsstadt im Spätmittelalter
von Oberarchivrat Dr. Werner SCHULTHEISS............................................ 11
Der Eberhardshof und der Muggenhof. Zwei ehemalige Weiler vor den Toren der
Reichsstadt von Studienrat Werner SPRUNG........................................................... 53
Der Handelsprozeß des Nürnberger Patriziers Jacob Haller von Dipl.-Ing. Helmut Frhr.
HALLER VON HALLERSTEIN (Groß-Gründlach)............................................................. 85
Nürnberg um die Mitte des 15. Jahrhunderts im Spiegel ausländischer Betrachtung von
Studienrat Dr. Otto ANDERS................................................................................................ 100
Nürnbergs wissenschaftliche Bedeutung am Ende des Mittelalters von Sternwartdirektor
Univ.-Prof. Dr. Ernst ZINNER (Bamberg)..........................................................................113
Lorenz und Georg Beheim, Freunde Willibald Pirckheimers von Christa SCHAPER
(Bayreuth) ............................................................................................................................... 120
Pangratz Bernhaubt gen. Schwenter, der Nürnberger Humanist und Freund der Gebrüder
Vischer von Stud.-Assessor Dr. Dieter WUTTKE (Bremen)............................................... 222
Nürnbergisch-fränkische Landschaften bei Albrecht Dürer, ein Verzeichnis sicher bestimmbarer
Darstellungen von Bibliotheksrat Dr. Fridolin DRESSLER (Bamberg) . 258
Die Entdeckung des Pegnitztales von Konservator Dr. Fritz ZINK..............................271
Zur Geschichte der älteren Nürnberger Kartographie: II. Jörg Nöttelein von Archivdirektor
Dr. Fritz SCHNELBÖGL........................................................................................286
Nürnberger Handel um 1540 von Univ.-Prof. Dr. Hermann KELLENBENZ (Köln) . 299
Seit wann beringt man die Vögel zur Erforschung des Vogelzuges? von Oberstudienrat
Dr. Wilhelm KRAFT...............................................................................................................325
Lucas Friedrich Behaim, der Nürnberger Musikherr des Frühbarock. Neue Dokumente
zur städtischen und privaten Musikpflege in Nürnberg zur Zeit des Dreißigjährigen
Krieges von Oberbibliotheksrat Dr. Heinz ZIRNBAUER.................................................. 330
Joachim von Sandrart — Deutscher und Europäer von Univ.-Prof. Dr. Kurt GERSTENBERG
(Würzburg)...................................................................................................................... 352
Handelsbeziehungen zwischen Nürnberg und Jena 1769—1780 von Dr. habil. Herbert
KOCH (Jena)............................................................................................................................. 374
Stammbuchminiaturen der Nürnberger Malerfamilie Kleemann von Bibliotheksreferendarin
Dr. Irmgard BEZZEL (München)................................................................................. 380
Das Nürnberger Nationaltheater 1798—1833 von Dr. Peter KERTZ..............................388
Buchbesprechungen:
Roger Mols S. J. Introduction ä la demographie historique des villes d’Europe du
16e au 18e siede (Louvain 1954 ff) bcspr. von Dr. Ingomar BOG..............................508
Franken. Land, Volk, Geschichte und Wirtschaft, Bd. II hgg. von Conrad Scherzer
(Nürnberg 1959), bespr. von Dr. Gerhard PFEIFFER...........................................................510
Jahrbuch für fränkische Landesforschung Bd. 18 (1958), bespr. v. Dr. Fritz SCHNELBÖGL 512
Jahrbuch für fränkische Landesforschung Bd. 19 (1959) bespr. von Dr. Friedrich BOCK 513
Nürnberger Urkundenbuch 5. Lfg. (Nürnberg 1959) bespr. von Dr. Fritz SCHNELBÖGL 515
L. Schnurrer, Die Urkunden der Stadt Dinkelsbühl 1282—1450 (München 1960)
bespr. von Dr. Hanns Hubert HOFMANN..........................................................................516
517
Die Acht-, Verbots- und Fehdebücher Nürnbergs von 1285—1400 bearb. von Werner
Schultheiß, bespr. von Dr. Ernst PITZ............................................................
Ernst Pitz, Schrift- und Aktenwesen der städtischen Verwaltung im Spätmittelalter:
Köln-Nürnberg-Lübeck (Köln 1959) bespr. von Dr. Werner SCHULTHEISS . 52?
Friedrich Bock, Zur Volkskunde der Reichsstadt Nürnberg (Würzburg 1959) bespr.
von Dr. Artur Kreiner..........................................................................................528
Otto P u c h n e r , Die Lehrjungen des Nürnberger Schuhmacherhandwerks auf dem
Land 1660—1808 (Neustadt/Aisch 1960) bespr. von Dr. Friedrich BOCK . . 529
Lore Sporhan-Krempel und Wolfgang von Stromer, Das Handelshaus
der Stromer von Nürnberg und die Geschichte der ersten deutschen Papiermühle
(1960) bespr. von Dr. Werner SCHULTHEISS............................................................530
Günter P. Feh ring, St. Sebald zu Nürnberg (München-Berlin 1959) bespr. von
Dr. Wilhelm SCHWEMMER..........................................................................................530
Die Kunstdenkmäler von Bayern. Landkreis Hersbruck, bearb. von Wilhelm Schwemmer
(München 1959) bespr. von Konrad LENGENFELDER..................................... 5 31
Gerhard Pfeiffer, Die Vorbilder zu Albrecht Dürers „Vier Aposteln" (Nürnberg
1960) bespr. von Dr. Wilhelm SCHWEMMER............................................................532
Friedrich Winkler, Hans von Kulmbach, Leben und Werk eines fränkischen Künstlers
der Dürerzeit (Kulmbach 1959) bespr. von Dr. Peter STRIEDER . 534
Bernhard Klaus, Veit Dietrich, Leben und Werk (Nürnberg 1958) bespr. von
Dr. Paul SCHATTENMANN.................................................................................................538
Hans Ankwicz-Kleehoven, Der Wiener Humanist Johannes Cuspinian (Graz
1959) bespr. von Dr. Friedrich BOCK...........................................................................540
Werner Storkebaum, Graf Christoph von Oldenburg (Oldenburg 1959) bespr.
von Dr. Günther SCHUHMANN.........................................................................................541
Joseph M. Ritz, Das Antlitz Bambergs (Bamberg o. J.) bespr. von Dr. Wilhelm
SCHWEMMER ........................................................................................................................ 542
Konrad Kupfer, Forchheim, Geschichte einer alten fränkischen Stadt (Nürnberg
1960) bespr. von Dr. Werner SCHULTHEISS..........................................................................542
325 Jahre Gymnasium Schweinfurt (Schweinfurt 1959) bespr. von Dr. Friedrich BOCK 543
Hildegard Weiß, Lichtenfels-Staffelstein (Hist. Atlas von Bayern, München 1959)
bespr. von Dr. Ludwig VEIT .................................................................................................543
Max P i e n d 1, Herzogtum Sulzbach, Landrichtertum Sulzbach (Hist. Atlas von Bayern,
München 1957) bespr. von Dr. Fritz SCHNELBÖGL........................................................... 545

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Mitteilungen des

Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

Fünfzigster Band

Nürnberg 1960 Selbstverlag des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

Im Aufträge des Vorstandes des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, hgg. v. Archiv­ direktor Professor Dr. Gerhard Pfeiffer Für Inhalt und Form der einzelnen Beiträge sind die Verfasser verantwortlich Gedruckt mit Unterstützung vor allem des Stadtrats zu Nürnberg, des Bezirksverbandes Mittel­ franken, der Stadtsparkasse Nürnberg und des Herrn Dr. Barth (Lauf). Allen Spendern und Mitarbeitern sei geziemend gedankt. Druck: Ph. C. W. Schmidt, Neustadt/Aisch Klischees: Klischee-Anstalt Döss (Nürnberg), Ulrich & Co. (Nürnberg) und Zerreis & Co. (Nürnberg). Für die Genehmigung der Reproduktion sei den Besitzern, bes. dem Britischen Museum, London, den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München, dem Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg, und der Stadtbibliothek, Nürnberg, aufrichtig gedankt. Alle Rechte Vorbehalten! Copyright by Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg 1960.

INHALT: Ein Steinmal aus dem Beginn des 14. Jahrhunderts, die Nürnberger Reichsschultheißen Heinrich Geusmit und Sifrit von Kamerstein? Ein Deutungsversuch von Staatsanwalt Wolfgang FRHR. STROMER VON REICHENBACH (Erlangen).............................. 1 Eine Gewürzhandelsabrechnung und ein Finanzierungsgeschäft des Nürnberger Rats von 13 50. Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte und Finanzpolitik der Reichsstadt im Spät­ mittelalter von Oberarchivrat Dr. Werner SCHULTHEISS............................................ 11 Der Eberhardshof und der Muggenhof. Zwei ehemalige Weiler vor den Toren der Reichsstadt von Studienrat Werner SPRUNG........................................................... 53 Der Handelsprozeß des Nürnberger Patriziers Jacob Haller von Dipl.-Ing. Helmut Frhr. HALLER VON HALLERSTEIN (Groß-Gründlach)............................................................. 85 Nürnberg um die Mitte des 15. Jahrhunderts im Spiegel ausländischer Betrachtung von Studienrat Dr. Otto ANDERS................................................................................................ 100 Nürnbergs wissenschaftliche Bedeutung am Ende des Mittelalters von Sternwartdirektor Univ.-Prof. Dr. Ernst ZINNER (Bamberg)..........................................................................113 Lorenz und Georg Beheim, Freunde Willibald Pirckheimers von Christa SCHAPER (Bayreuth) .. .............................................................................................................................. 120 Pangratz Bernhaubt gen. Schwenter, der Nürnberger Humanist und Freund der Gebrüder Vischer von Stud.-Assessor Dr.DieterWUTTKE (Bremen)............................................... 222 Nürnbergisch-fränkische Landschaften bei Albrecht Dürer, ein Verzeichnis sicher be­ stimmbarer Darstellungen von Bibliotheksrat Dr. Fridolin DRESSLER (Bamberg) . 258 Die Entdeckung des Pegnitztales von Konservator Dr. Fritz ZINK..............................271 Zur Geschichte der älteren Nürnberger Kartographie: II. Jörg Nöttelein von Archiv­ direktor Dr. Fritz SCHNELBÖGL........................................................................................286 Nürnberger Handel um 1540 von Univ.-Prof. Dr. Hermann KELLENBENZ (Köln) . 299 Seit wann beringt man die Vögel zur Erforschung des Vogelzuges? von Oberstudienrat Dr. Wilhelm KRAFT...............................................................................................................325 Lucas Friedrich Behaim, der Nürnberger Musikherr des Frühbarock. Neue Dokumente zur städtischen und privaten Musikpflege in Nürnberg zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges von Oberbibliotheksrat Dr.HeinzZIRNBAUER.................................................. 330 Joachim von Sandrart — Deutscher und Europäer von Univ.-Prof. Dr. Kurt GERSTEN­ BERG (Würzburg)...................................................................................................................... 352 Handelsbeziehungen zwischen Nürnberg und Jena 1769—1780 von Dr. habil. Herbert KOCH (Jena).............................................................................................................................. 374 Stammbuchminiaturen der Nürnberger Malerfamilie Kleemann von Bibliotheksreferen­ darin Dr. Irmgard BEZZEL (München)................................................................................. 380 Das Nürnberger Nationaltheater 1798—1833 von Dr. Peter KERTZ..............................388 Buchbesprechungen: Roger Mols S. J. Introduction ä la demographie historique des villes d’Europe du 16e au 18e siede (Louvain 1954 ff) bcspr. von Dr. Ingomar BOG..............................508 Franken. Land, Volk, Geschichte und Wirtschaft, Bd. II hgg. von Conrad Scherzer (Nürnberg 1959), bespr. von Dr. Gerhard PFEIFFER........................................................... 510 Jahrbuch für fränkische Landesforschung Bd. 18 (1958), bespr. v. Dr. Fritz SCHNELBÖGL 512 Jahrbuch für fränkische Landesforschung Bd. 19 (1959) bespr. von Dr. Friedrich BOCK 513 Nürnberger Urkundenbuch 5. Lfg. (Nürnberg 1959) bespr. von Dr. Fritz SCHNELBÖGL 515 L. Schnurrer, Die Urkunden der Stadt Dinkelsbühl 1282—1450 (München 1960) bespr. von Dr. Hanns Hubert HOFMANN..........................................................................516

Die Acht-, Verbots- und Fehdebücher Nürnbergs von 1285—1400 bearb. von Werner Schultheiß, bespr. von Dr. Ernst PITZ............................................................ 517 Ernst Pitz, Schrift- und Aktenwesen der städtischen Verwaltung im Spätmittelalter: Köln-Nürnberg-Lübeck (Köln 1959) bespr. von Dr. Werner SCHULTHEISS . 52? Friedrich Bock, Zur Volkskunde der Reichsstadt Nürnberg (Würzburg 1959) bespr. von Dr. Artur Kreiner..........................................................................................528 Otto P u c h n e r , Die Lehrjungen des Nürnberger Schuhmacherhandwerks auf dem Land 1660—1808 (Neustadt/Aisch 1960) bespr. von Dr. Friedrich BOCK . . 529 Lore Sporhan-Krempel und Wolfgang von Stromer, Das Handelshaus der Stromer von Nürnberg und die Geschichte der ersten deutschen Papiermühle (1960) bespr. von Dr. Werner SCHULTHEISS............................................................530 Günter P. Feh ring, St. Sebald zu Nürnberg (München-Berlin 1959) bespr. von Dr. Wilhelm SCHWEMMER..........................................................................................530 Die Kunstdenkmäler von Bayern. Landkreis Hersbruck, bearb. von Wilhelm Schwemmer (München 1959) bespr. von Konrad LENGENFELDER..................................... 5 31 Gerhard Pfeiffer, Die Vorbilder zu Albrecht Dürers „Vier Aposteln" (Nürnberg 1960) bespr. von Dr. Wilhelm SCHWEMMER............................................................532 Friedrich Winkler, Hans von Kulmbach, Leben und Werk eines fränkischen Künst­ lers der Dürerzeit (Kulmbach 1959) bespr. von Dr. Peter STRIEDER . 534 Bernhard Klaus, Veit Dietrich, Leben und Werk (Nürnberg 1958) bespr. von Dr. Paul SCHATTENMANN.................................................................................................538 Hans Ankwicz-Kleehoven, Der Wiener Humanist Johannes Cuspinian (Graz 1959) bespr. von Dr. Friedrich BOCK...........................................................................540 Werner Storkebaum, Graf Christoph von Oldenburg (Oldenburg 1959) bespr. von Dr. Günther SCHUHMANN......................................................................................... 541 Joseph M. Ritz, Das Antlitz Bambergs (Bamberg o. J.) bespr. von Dr. Wilhelm SCHWEMMER ........................................................................................................................ 542 Konrad Kupfer, Forchheim, Geschichte einer alten fränkischen Stadt (Nürnberg 1960) bespr. von Dr. Werner SCHULTHEISS.......................................................................... 542 325 Jahre Gymnasium Schweinfurt (Schweinfurt 1959) bespr. von Dr. Friedrich BOCK 543 Hildegard Weiß, Lichtenfels-Staffelstein (Hist. Atlas von Bayern, München 1959) bespr. von Dr. Ludwig VEIT ................................................................................................. 543 Max P i e n d 1, Herzogtum Sulzbach, Landrichtertum Sulzbach (Hist. Atlas von Bayern, München 1957) bespr. von Dr. Fritz SCHNELBÖGL........................................................... 545

EIN STEINMAL AUS DEM BEGINN DES 14. JAHRHUNDERTS, DIE NÜRNBERGER REICHS SCHULTHEIS SEN HEINRICH GEUSMIT UND SIFRIT v. KAMERSTEIN? Ein Deutungsversuch von Wolfgang v. Stromer. Im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, im Kreuzgang des ehe­ maligen Karthäuserklosters stehen zwei merkwürdige, zusammengehörige Steinplastiken1). Kunstgeschichtlich lassen sie sich als um 1300 entstanden einreihen. Sie gehören so zu den ältesten erhaltenen Nürnberger Skulpturen. Ihre künstlerische Ausdruckskraft ist vielleicht nicht sehr bedeutend, ihre Gestaltung eher formal und fast unbeholfen zu nennen. Doch zeichnen sich die beiden Bildwerke durch Eigentümlichkeiten aus, die ihnen auf ganz anderem Gebiete Aussagewert geben und die erstaunen lassen, daß ihnen noch keine besondere Untersuchung gewidmet wurde. Es sind zwei rechteckige Steinplatten, die nur auf der Vorderseite als Flachrelief ge­ staltet sind. Sonst sind sie nur mit Meißelhieben bearbeitet. Ihr Format ist 128x91x23,5 cm und 94 x91 x23,5 cm. Das Material ist ein Sandstein, vielleicht Wendelsteiner Quarzit aus der weiteren Umgebung Nürnbergs. Dem ersten Anschein nach sind es — schon merkwürdig genug — zwei DoppelEpitaphien. Die größere Platte trägt die Unterhälften zweier Männerfiguren, darunter zwei verschiedene Wappen. Die kleinere Platte zeigt ein Paar weib­ liche Figuren, — hier ist leider sogar nur das untere Drittel vorhanden, — darunter genau dasselbe Wappenpaar wie bei den Männern. Die Abmessungen der Platten, die genau gleiche Größe der Wappen ergeben, daß die beiden Bildpaare ursprünglich gleich groß waren. Unter der jeweils linken Gestalt auf beiden Platten ist ein quer-halbierter Wappenschild, unter jeder rechten ein Schild mit drei sechs-speichigen Rädern in Dreiecksstellung. Gehört zu jeder Gestalt das unter ihr stehende Wappen und dürfen wir davon ausgehen, daß Personen, die sich derart zusammen abbilden ließen, miteinander verwandt waren, so waren die Dargestellten doppelt und zwar kreuzweise miteinander verschwägert. Dies gilt jedenfalls in dem weiteren Sinne, daß ein Mann und eine Frau der einen Familie mit einer Frau und einem Manne aus der anderen Familie verheiratet waren 2). Wenn die Tafeln nur Epitaphien waren, muß es allerdings befremden, daß nicht die Ehegattenpaare oder vielleicht auch die Geschwisterpaare oder Bluts­ verwandten zusammen bestattet wurden, sondern je für sich das Schwägerund Schwägerinnenpaar. Das muß einen besonderen Grund gehabt haben und vielleicht kann die besondere Stellung der beiden Männer, die sich aus ihren *) Abbildung 1 und 2 2) Beispiele für solche Doppelverschwägerungen vgl. Anm. 53 i

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MVGN 50 (I960) Steinmal

Emblemen unter Zuhilfenahme archivalischer und chronikalischer Indizien er­ gibt, eine Deutung dafür liefern. Nach dem Zugangskatalog des Museums waren die beiden Fragmente 3) in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bei der Regulierung des Nürnberger Hauptmarktes gefunden worden, wo sie zur Abdeckung eines unterirdischen Kanals gedient hatten. Um 1730 aber gehörten sie noch zur Ausstattung der 1807 abgerissenen Predigerkirche4), die an der Ecke der Burg- und Theresienstraße gestanden war. Eine illustrierte Handschrift der Stadtbibliothek Nürnberg5), „Johann Jacob Schwarz, 1737, Beschreibung aller in der Dominikanerkirche sich befindenden Altäre ..." schildert unsere Plastiken: „Außer dem Chor sind in der Mitte der Kirche zwischen den Säulen folgende Epitaphia: Gleich unter dem Chor an der ersten Säule ist ein altes und schön in Stein eingehauenes Gedächtnis, auf einem Grab, nämlich zwei männliche, deren jede ein Schwert in der Hand haltend, und zwei weibliche Figuren, davon eine ein Buch, die andere ohne etwas in der Hand habend, und sind sowohl unter den männlichen als weiblichen Figuren folgende beiden Wappen . .." Die Wappenbilder der Handschrift entsprechen genau denen der Relief­ platten. Ob die Bildwerke zur ältesten Ausstattung der Dominikaner-(Prediger-)kirche gehörten, wissen wir nicht, doch wäre es möglich, da das Kloster um 1275 gegründet wurde6). Leider sind in der Handschrift die Bildwerke selbst nicht wiedergegeben und kein Bild des Kircheninneren im Bestand der Stadtbibliothek läßt sie erkennen. Die Eigentümlichkeit der Anordnung der Figuren und Wappen zueinander muß schon früh die Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, als aber der ur­ sprüngliche Sinn der Bilder bereits vergessen war. Im 16. Jahrhundert führte ein Deutungsversuch zur Legendenbildung. Das jeweils rechte Wappen wurde als redendes Wappen einer Familie „von Rad" gedeutet. Da diese in Nürn­ berg aber nicht vorkommt, wurde der Anlaß dazu erfunden, wieso diese 4 Personen gemeinsam in Nürnberg bestattet wurden: Bei einem Turnier 1286 oder 13 86 sei die Tribüne zusammengebrochen und viele der auswärtigen Zu­ schauer vom Adel zu Tode gekommen, dabei auch die „zwen von Rad" 7). Diese Geschichte vermag das Bildwerk nicht befriedigend zu erklären, zumal der zweite „von Rad" eine Frau ist. Die Schwerter, die die Männer in Händen haben, könnten mit den Wappen­ schilden rein die Abzeichen ihres ritterlichen Standes sein, wie wir dies etwa bei vielen Minnesängern der Manessischen Handschrift sehen. Als Rechts­ symbol kennzeichnet das Schwert den Träger peinlicher Gerichtsbarkeit8). Bei 8) 4) 5) ®) 7) 8)

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Steinplastiken Gd. 304 und 305 Friedr. Bock, Das Nürnberger Predigerkloster, MVGN 25/1924 S. 145 ff. (S. 192) Hs. Will 2, 1395 2° S. 44, ebenso Hs. 1395 a S. 46. Bock a.a.O. S. 152. Staatsarch. Nürnbg., Rep. 52 a Nürnberger Handschr. nr. 211, Hallerbuch pag. 37. K. v. Amira-Cl. v. Schwerin, Rechtsarchäologie, Berlin 1943, S. 43.

MYGN 50 (I960) Steinmal

Fürstenbildnissen fällt in der Regel beides zusammen, so daß nicht zu ent­ scheiden ist, ob dieses oder jenes oder beides hervorgehoben werden soll. Die Schwerter unseres Steinbildes haben aber die Eigentümlichkeit, daß sie mit breiten Bändern, — dem Schwertgurt und Wehrgehänge — umwunden sind. Dies mag zunächst einfach dazu dienen, daß das blanke Schwert und das in der Scheide unterscheidbar dargestellt werden können. Doch dürfen wir in dieser Unterscheidung eine Absicht vermuten. Grundsätzlich wird, wie es auch sinn­ voll ist, das blanke Schwert in der Hand gehalten 9), das Schwert in der Scheide hängt an der Seite oder, wenn es abgelegt ist, hängt der Schwertgurt, vielleicht einmal um das Schwert geschlungen, lose herab 10). Doch gibt es einige Bild­ werke aus der gleichen Zeitepoche, die in ähnlicher Weise umbundene Schwer­ ter zeigen wie die der beiden Männer, besonders des linken. So trägt Heinrich der Löwe auf seinem etwa um 1230 geschaffenen Grabmal ein erhobenes, umbundenes Schwert. Von den Naumburger Stifterfiguren hat Sizzo ein solches Schwert erhoben, Ekkehart hält es vor sich stehend. Auch der Anführer der Häscher auf dem Lettner in Naumburg trägt geschultert ein umwundenes Schwert. In der unsem Bildwerken etwa gleichzeitigen Heidelberger Bilderhand­ schrift zum Sachsenspiegel hat der Richter der peinlichen Gerichtsbarkeit ein so mit dem Gurt umwickeltes Schwert quer über den Knien liegen n). In den 138 Bildern der um 1300 angelegten Manessischen Handschrift finden wir nur zweimal ein so hergerichtetes Schwert: auf dem Bilde „Klingsor von Ungerlant“ 12) hält es Landgraf Hermann von Thüringen erhoben. Auf dem 4. Bild der Handschrift sehen wir König Wenzel von Böhmen, unter ihm zwei Spiel­ leute. Rechts reichen zwei barhäuptige Jünglinge dem König einen goldenen Pokal und Reichsapfel. Links unten kniet ein Gepanzerter, dem ein neben und etwas hinter dem König stehender Mann eine Urkunde hinunterreicht. Das Haupt dieses Mannes ist — in Gegenwart des Königs — bedeckt, mit einem kegelförmigen Hut mit hoher Krempe, und er hält das umbundene Schwert ge­ schultert 13). Heinrich der Löwe, Sizzo und Ekkehart, Hermann von Thüringen sind Fürsten, Ritter und Inhaber von Hochgerichtsgewalt. Immerhin hat die — sehr bestrittene — Deutung der naumburger Stiftergruppe als eines gerichtlichen Zweikampfes etwas bestechendes und viele Anhänger gefunden. Sizzos geschul­ tertes Schwert hat man immer wieder als Zeichen seiner Gerichtsgewalt ange­ sehen 14). Landgraf Hermann ist in der Liederhandschrift als Schiedsrichter im Sängerwettstreit dargestellt. Das Schwert des Anführers der Häscher auf dem naumburger Lettner gilt als Zeichen der — zwar recht beschränkten — Gerichtse) z. B. bei Rolandssäulen, Reitersiegeln, Kampfszenen. t0) z. B. in zahlreichen Miniaturen der Manessischen Hs.; unter den Stifterbildern in Naum­ burg Dietrich von Brehna. n) Der große Brockhaus, 15. Aufl. 1933, Tafel Rechtssymbole I Abb. 6 12) Faksimile-Ausgabe des Inselverlags 1929 (R.Sillib-F.Panzer-A.Haseloff), Bild 65 fol. 219 v. 13) ebda. Bild 4 fol. 10 r. 14) Herbert Küas, Die Naumburger Werkstatt, Berlin 1937, S. 122 oben; Paul Hinz, Der Naumburger Meister, ein protestantischer Mensch des XIII. Jahrhunderts, Berlin 1958, Tafel S. 98, Text S. 31.

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gewalt des Hohen Rates, in deren Namen er Christum ergreifen soll15). Der Richter des Sachsenspiegels ist nur als solcher, nicht als Person bestimmten Standes dargestellt. Der Mann mit Urkunde, Hut und Schwert neben König Wenzel ist durch Stellung und Attribute als hoher Hofbeamter, durch die Ur­ kunde aber als Rechtswahrer, als Kanzler, Notar, am ehesten aber doch als der Hofrichter ausgewiesen. Allerdings hat man bisher das Schwert als Rechts­ symbol der Gerichtsgewalt besonders in einer typischen Haltung gesehen: ge­ schultert oder quer über die Kniee gelegt. Soll aber die auffällige Anordnung der Bänder des Wehrgehänges und Schwertgurtes, die das Schwert gewisser­ maßen bändigen und fesseln, rein zufällig sein? Durch praktische Gründe ist sie nicht unbedingt veranlaßt. Wer das Schwert braucht, zieht es blank; wer es bereit hält, trägt es an der Seite; wer es ablegt, löst die Gurte, so daß sie herabhängen. Ausdrücklich gebändigt ist die blutige Gewalt des Schwertes an befriedeten Stätten: in der Kirche und im Gericht, in der Hand des Richters. Ich glaube daher, daß wir dieser Besonderheit der Darstellung Aussagewert beimessen dürfen, so daß wir auch die beiden Männer unseres Steinmals für Träger von Hochgerichtsgewalt ansehen können. Dieser Umstand, Standort und Entstehungszeit der Bildnisse weisen uns auf Nürnbergs höchste Richter des 13. und beginnenden 14. Jahrhunderts, die Reichsschultheißen. Wirklich führt das rechte der Wappen einer von ihnen, der gerade zur Entstehungszeit der Steinreliefs dieses Amt innehatte, Sifrit von Kamerstein. Er ist erstmals als Reichsschultheiß im Februar—März 1303 beglaubigt18). Vor und nach ihm ist Schultheiß Konrad Esler 17), dann wieder Sifrit von Kamerstein 1308 und 1309 18). Das Wappen der Kamersteiner ist nach dem Schild des großartigen Reiter­ siegels des Ramungus (II.) senior de Camerstein an der Urkunde von 1292. V. 20 genau das rechte der beiden Figurenpaare:19) drei 2:1 im Dreieck gestellte, sechs-speichige Räder. Die Umschrift dieses Siegels las ich übrigens mit Primbs20) am Original — entgegen NUB 829 — als: „S/IGILLVM DES/ALTEN VON CAMERSTEIN DES GETREWEN VNT DES (RAIN ?)“, was auf ein ganz ungewöhnliches Ereignis, eine einzigartige Leistung oder Haltung des Camersteiners hinweist21). 15) Hinz a.a.O. Tafel S. 138 16) 1303. II. 21 Regesta Boica V, 41; 1303. III. 8., Stadtarch. Eger, Urk. 6, Monumenta Egrana nr. 533. 17) 1304. III. 20, Hauptstaatsarch. München, Kaiserselekt 1165; Gerd Wunder, „Pfintzing die alten“, MVGN 49/1959, S. 62, Exkurs II: Esler. 18) 1308. VII. 8., J. C. Gatterer, Historia Holzschuherorum, Nürnbg. 1755, II S. 16, nr. 16 a; 1309. II. 14 HStA München Reichsstadt Nürnbg. nr. 216; Gatterer II S. 18 nr. 17 a; MVGN 26/1926 S. 97; Chr. W. Fr. Stromer, Geschichte... des Reichsschultheißenamtes, Nürnbg. 1787, S. 74. 19) HStaA München, Regensburg St. Emmeran nr. 170; Nürnberger Urkundenbuch (NUB) nr. 829; Lang Regesta Boica IV, 515; Abbildung 3; abgezeichnet bei Gottlob Hecke/, Die Lehen des letzten Kammersteiners, Schwabacher Heimat, 4. Jg. 1959, S. 9. 20) Primbs, Die Herren von Camerstein, 40. Jahresbericht d. hist. Vereins für Mittelfranken 1880, S. 12 ff. (S. 22, Note c); 21) Die bei der Lesung des NUB nr. 829: „ ... das Catzewen vnt das Rhor“ und dem Inhalt der Urkunde — Patronatsrecht in Rohr — naheliegende Verknüpfung der Siegelumschrift

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MVGN 50 (I960) Steinmal

Da so der eine der Männer als der Reichsschultheiß Sifrit von Kamerstein gesichert ist, dürfte auch die linke Männergestalt mit dem Richterschwert und quergeteiltem Schild unter den Nürnberger Schultheißen zu suchen sein. Die Pfinzing 22), die damals ja eine ganze Reihe der Schultheißen stellten, führten tatsächlich später als Wappen auch einen querhalbierten, schwarz-gelben Schild. Aber nach ihrer eigenen Familienüberlieferung ist dieses Wappen von den Geusmit übernommen23). Tatsächlich ist Heinrich Geusmit, von dem sein Enkel Ulman Stromeir in seinem „Püchel von meim gesiecht und von abentewr" zweimal berichtet24), er sei Schultheiß gewesen, zwischen den zwei Amts­ perioden Sifrits von Kamerstein 1306. VII.* 19 als Schultheiß genannt25). Eine Verschwägerung Heinrich Geusmits mit Sifrit von Kamerstein, gar eine Doppelverschwägerung beider Familien 26) ließ sich urkundlich bisher nicht nachweisen. Jedoch läßt schon die zeitliche Verschachtelung ihrer Ämter auf engere Beziehungen schließen. Nun hat Wunder mit unendlicher Mühe die vielfachen verwandtschaftlichen Verflechtungen der Familien Pfinzing, Esler, Groß, Geusmit, Coler, Geuder, die zwischen 1276 und 1385 meist das Schultheißenamt besetzten, dargetan (S. 58), dazu die der vielfach hineinverwobenen, altpatrizischen Familien der Holzschuher, Ebner und Stromer 27). Einer der wenigen Außenseiter in dieser durch Verwandtschaft so eng ver­ knüpften Reihe der Reichsschultheißen war bisher noch Sifrit von Kamerstein. Jedoch besteht wenigstens eine greifbare Verbindung der Kamersteiner mit einer Familie des „Clans" der übrigen Reichsschultheißenfamilien28), wenn

22) 23) 24)

25) 26)

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mit den Besitzungen der Kammersteiner in Katzwang und Rohr entfiele damit wieder (Heinr. Schlüpfinger, Die Pfarrkirche St. Emmeran zu Rohr, in Schwabacher Heimat, 3. Jg., Nr. 2, S. 17 f„ Beilage zum Schwabacher Tagblatt, April 1958). Wunder S. 57 ff. Wunder S. 48; Anm. 84 u. 85; Die Chroniken der deutschen Städte, Bd. I (Nürnberg I), Leipzig 1862, Ulman Stromers Püchl (USt), hrsg. v. K. Hegel, 62, 14 u. Anm. 1; 91, 11; Heinrich Geusmits Wappen im Wappenbuch von 1425 (Andreas II. Stromer), Stromer-Archiv Grünsberg, Hs. 27 fol. 6 v. C. W. F. Stromer a.a.O. S.74; Stadtarchiv Nürnberg, Karton zum NUB; Orig.-perg.~urk., HStA München, Nürnberger Archiv, fase. 212. ebensowenig eine Verschwägerung Pfinzing—Kammersteiner. Ganz ist natürlich nicht aus­ zuschließen, daß es statt Geusmit ein wappengleicher Schultheiß Pfinzing war, dann wohl Markward II., Geusmits Mutterbruder und Schultheiß 1288—90. Am sozial- und rechts­ geschichtlichen Ergebnis würde sich dabei nichts, am genealogischen wenig ändern. Doch spricht die Zeitfolge und Ulman Stromers folgender Bericht für Geusmit. Übrigens ist Geusmit letztmals urkundlich 1312 erwähnt (Kraft in MVGN 32 (1934) S. 36 zu nr. 2050), und S. v. Kamerstein angeblich 1313 gestorben, Primbs, S. 24, Anm. 00. Wunders Angaben werden weiter unterstützt durch eine Nachricht von 1314. IV. 12 (inse­ riert in die Urkunde von 1320. VII. 2. im Germanischen Nationalmuseum nr. 209), aus welcher Lochner eine kleine Esler-Stammtafel zusammenstellte (Lochner, Conrad Esler, Schultheiß zu Nürnberg, Anzeiger für die Kunde der deutschen Vorzeit, Bd. 12, 1865, Spalte 423). Eine mittelbare Beziehung besteht noch dadurch, daß der Reiche Heinz, des Schultheißen und Spitalstifters Konrad Groß Vater, mit Sophie von Vestenberg verheiratet war, die wieder ein Kamerstein-Abkömmling war; Gottlob Hechel, Die Lehen des letzten Kamersteiners, Schwabacher Heimat, 4. Jg. 1959, Nr. 1, S. 8.

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man Ulman Stromeir, dem unwiderlegten Gewährsmann für Nürnbergs Ge­ schichte und Genealogie glauben will: Püchl, fol. 1 a:29) „ . . . ich Ulman Stromeier hab ervaren, daz meins anherren anher hiess her Gerhart von Reichenbach ein ritter, und die vesten zu dem Kamerstein waz sein, . . . und waz daz reich lehen het an dem Reichen­ bach, di selben lehen schullen unser frewnt der elcz furbach eywikleich verleichen und auch vil hewser zu Swobach. ... der ander sun (Gerharts) hiess Cunrat, der nam in der stat zu Nurenberg zu der e hern Cunrat Waltstromer, waz ein ritter, dez selb swester nam er zu der e. (fol. 1 b):) und do er bey seim swoger hi wonhaftig waz, do verlos er sein namen Reichenbach, daz man in nach seim swoger hiezz den Stromeir, als uns der namen her an kumen ist. . Tatsächlich ist 1265 zweimal Conrad (Wald-)Stromeir urkundlich als Nürnberger Schultheiß genannt30), in der ersten Urkunde mit einem weiteren Conradus Stromeier, in dem wohl der Schwager aus der Familie der Reichen­ bacher (-Kamersteiner) zu erblicken ist. Für die enge Zusammengehörigkeit der Stromer-forestarii und der Stromer-Reichenbacher sprechen so viele Indi­ zien, daß die von Ulman behauptete Schwägerschaft und der daraus erwachsene Namensübergang durchaus wahrscheinlich werden. So zählt Ulman in seinem Nekrolog 31) die Verstorbenen wohlgeordnet nach Familien auf, die zuerst ge­ nannten Familien Pfinzing, Ebner, Holzschuher, Vörchtel, Coler offenbar auch in einer gewissen Reihenfolge ihrer Bedeutung für seine Verwandtschaft und nach der Stellung dieser Familien in Nürnberg — die Waldstromer aber bunt ver­ mischt mit seinen Brüdern, Vettern und Neffen. Beide Familien nannten sich im ganzen 13. Jahrhundert, überwiegend noch im 14. und gelegentlich sogar im 15. Jh. unterschiedslos nur Stromer 32). Auch für den von Ulman behaupteten Zusammenhang seiner Familie mit Reichenbach, Kamerstein, Schwabach und damit dem Reichsministerialen“

29) U St a.a.O. S. 60 f. 80) NUB 410, 411 von 1265. XI. 16 u. 1265. XII. 1; derselbe als Reichsforstmeister NUB 415, 416 (1266). Eine Verwandtschaft der Waldstromer mit den Schultheißen Pfinzing und Esler bei Wunder, S. 39 ff.; mit Schultheiß Konrad Groß in Biedermanns Geschlechtsregister Tab. DXLV. 81) U St S. 83 ff. bes. 84, 20. Dieser Teil des „Püchl“ ist von Historikern und Genealogen immer wieder mißverstanden worden als auf Vollständigkeit Anspruch erhebende Auf­ zählung der Ehrbaren Familien (so z. B. MVGN 47/1956, S. 419 wegen der als „Neureichs“ nicht aufgezählten Rummel). Er ist aber nur eine Nennung von Verstorbenen, deren An­ denken Ulman des Gedächtnisses wert hielt. 82) NUB z. B. nr. 410, 411, 415, 416, 453, 672, 673, 847, 868. Noch 1410 nennt Margarete Runtinger, die Witwe des Regensburger Großkaufmanns, in ihrem Testament ihre Schwe­ ster, die sicher eine Waldstromerin war, „swester Anna die Stromayrynn von Nürnberg“; Franz Bastian, Runtingerbuch Bd. III, Regensbg. 1943, S. 63 oben. Im Liber real nuovo der Firma Donado Soranzo & fratelli/Venedig, erscheint 1419 ein Jachomo Stromer als Käufer von 179 Bochasini, bei der Gegenbuchung aber ein Jac. Valstromer (!). (Staatsarch. Venedig, Registri Commerc. 14, p. 8lb bezw. p. 89). Daß die von Ulman genannten Kinder des Conrad von Reichenbach, genannt Stromer (USt 61, 7 f.) nicht nur der dritten Frau Helbagnin zuzurechnen sind, sondern zumindest die vor „Herman Stromeir, den man nant Helvogel“, genannten den beiden ersten Frauen, und besonders der als erster genannte Anherr Ulmans, Cunrat Stromeir, der Schwester des Cunrat Waltstromer, halte ich mit Wunder, S. 38, Anm. 31, für eindeutig.

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geschlecht der Kamersteiner sprechen zahlreiche Argumente; keine Urkunde aber läßt sich für das Gegenteil anführen. Der Stammvater der Kamersteiner heißt zuerst 1213 Ramungus de Swabahc33), dann 1224 Ramungus olim de Suabahc 34)> dann erst ab 1235 Ramungus de Kamerstein 35). Audi der Stamm­ vater der Stromer, ganz offenbar Ulmans „Conrad von Reichenbach (bei Schwabach /), genannt Stromer“, heißt zuerst urkundlich 1254 Cunrad de Swabach 36), von da ab öfters Cunradus Stromeier de Swabach 37). 1298 und 1299 ist auch ein Ramung der Reichenbach genannt38), seinem Leitnamen nach und wegen der unmittelbaren Nachbarschaft von Reichenbach und Kamer­ stein als Kamersteiner anzusprechen. Besitz der Stromer ist in Reichenbach zwar erst 1384 nachweisbar 39). Aber vielleicht geschah es gerade um die alte Tradition dort für immer zu wahren, daß Peter d. Ä. Stromeyr, der älteste der Geschlechtsfreunde, „unser frewnt der elcz“ also, damals aus seinem Hof dort eine Familienstiftung machte. Die Lehensherrnrechte des Reichs, die Ulman oben nannte, mögen abgelöst worden oder im Interregnum untergegangen sein oder an weiteren (später auch nach­ weisbaren) stromersdien Höfen dort gehaftet haben40). Ja, in der Ortsflur von Niederreichenbach gab es nach einer Urkunde von 1472 ein Grundstück, genannt „der Purckstall“, nächst der Grenze zur Orts­ flur von Schwabach, und Schlüpfinger ist der Nachweis gelungen, daß dieser „Purckstall“ zu den Grundstücken des Hofes der Peter-Stromerstiftung von 13 84 gehörte 41). Der auffallende Vorname Ramung mag dem Familienoberhaupt Vorbe­ halten gewesen sein, so daß es nicht verwundert, wenn er bei den Stromern fehlt. Gerhart ist in beiden Familien nie wieder belegt. Wenn überhaupt möchte ich hier einen Irrtum Ulmans annehmen. Die in beiden Geschlechtern vorkommenden Conrad und Siegfried erscheinen mir als Leitnamen wenig 33) NUB 136, 1213. VII. 31; ebenso 1219. XI. 18 Eger, Reg. Imp. V nr. 1071; NUB 181, 1219. XI. 26. 34) Mon. Boic. 49 nr. 3 8. 35) 1235. Juni, UB der Lande ob der Enns III, 29; III, 49; Seine außerordentliche Bedeutung zeigen NUB 303, 304. Er ist judex in Egra 1241—1250, Monumenta Egrana 202, 204, 216, NUB 318. 36) NUB 352, 1254.1. 2; W. E. Vock, Ulman Stromeir und sein Buch, MVGN 29/1928, S. 85 ff. (S. 110, Anm. 15). 37) NUB 3 5 3, 1254. Jan.; Vock S. 111, Anm. 16; NUB 428, 441, hier zusammen mit Ramungus de Kamersteine, 1269. VII. 15. 38) NUB 93 8, 1048, 1049. Verdächtig ist allerdings, daß er am Ende einer Reihe von „Ehr­ baren" genannt ist und daß ihm das Prädikat „Herr" fehlt, — wie allerdings NUB 1049 auch dem alten Schultheiß Berthold Pfinzing, dem es sicher zustand. • Mängel der Über­ lieferung? 39) 13 84. III. 17, Urk. 3 5 im Stromer-Archiv Grünsberg. 40) Urk. v. 1440.1.18 im Stromerarchiv, Hof der Ortolfschen Linie, vgl. Anm. 43. Unter­ reichenbach Hs.-Nr. 15). 41) Unterreichenbach Hs.-Nr. 27 und Flurnr. 95; Heinrich Schlüpfinger, Geschichte des Kirch­ dorfes Unterreichenbach, Schwabacher Heimat, Jg. 4/1959, S. 21 u. 23. Die durch die Re­ volutionsgesetzgebung von 1848 entzogenen grundherrlichen Rechte der Familie wurden erst 1952 (!) im Grundbuch für Unterreichenbach gelöscht. Auch ein Rechtsdenkmal l

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überzeugungskräftig. Immerhin ist während Sifrit von Kamersteins Nürnberger Schultheißenzeit ein Seitz Stromer der Hauptvertreter seiner Familie 42). Als beweiskräftiges Indiz für eine enge Verbindung beider Geschlechter sehe ich aber das gleichzeitige Vorkommen des in Nürnberg damals — und wohl überhaupt im Fränkischen — ganz ungewöhnlichen Vornamens Ortolf an 43). So schließen sich auch die Schultheißen Conrad Stromer-Waldstromer, Heinrich Geusmit und Sifrit von Kamerstein eng an die von Wunder heraus­ gearbeitete, stark verflochtene Gruppe der Schultheißen aus den Familien Pfinzing, Esler, Groß und Geuder an 44). Heinrich Geusmits Sohn Jacob, Ulmans Mutterbruder45), war übrigens laut Nürnbergs ältestem Ämterbüchlein 1357 oberster Hauptmann der ganzen Lorenzer Stadthälfte 46). Schon dies läßt mir nicht angängig erscheinen, Geus­ mit und Kamerstein nur als Vertreter im Schultheißenamt anzusehen 47). Ganz ausgeschlossen erscheint das bei Sifrit von Kamerstein durch seine sichere Her­ kunft aus der Reichsministerialität und seine hervorragende persönliche Be­ deutung 48), — für beide Schultheißen aber nicht zuletzt durch die Über­ zeugungskraft, die unser steinernes Denkmal ausströmt. Das von Pitz in der „Entstehung der Ratsherrschaft" 49) vorausgesetzte Spannungsdreieck zwischen Consules, Schöffen und Schultheiß bestand so höchstens in der Natur der Ämter, aber nicht zwischen den Personen und 42) Vielleicht hilft der Eintrag 256 von 1314 im Nürnberger Achtbuch (frdl. Hinweis Dr. Schultheiß) die Verwandtschaft klären: Breunlin und Heinrich officiales, Brüder des ge­ töteten Siboto officialis, ermächtigen ihren sororius Sifrid Stromeir zur Klage gegen Hein­ rich de Luzenburg, der darauf geächtet wird. 4S) Ortolf von Kamerstein in Urk. 1337.1.9., Stadtarch. Nürnbg., Urk.reihe; zwei weitere Belege bei Primbs S. 19 für 1335. — Ortolf I. Stromer bei USt 66, 14; 71, 21; 84, 24; gestorben 1395 ; Urk. 3 3. von 13 83. VIII. 22 im Stromer-Archiv. Lt. Codex Hans Haller III, fol. 63 v., Haller-Archiv Großgründlach, ist er vor 1320 geboren. — Ortolf erweist sich als Kamersteiner Leitname, der durch den Reichsministerialen Ortolf Wepflar de Kalsmunt (1266, 1272) aus Wetzlar in die Kamersteinsche Familie gekommen war; G. Heckei, Die Lehen des letzten Kamersteiners, a.a.O. S. 11. 44) Eine weitere Beziehung der Stromer zum Schultheißen von 1311, Erkenbrecht Koler, ergibt sich dadurch, daß Ulmans schon 1348 gestorbener Bruder Hainrich mit dessen Tochter, Ulmans Brüder Peter und Andreas mit Töchtern des Forstmeisters Ott Koler und eine Stromerin zur Rose mit einem jüngeren Erkenbrecht Koler verheiratet waren; USt 64,4; 64, 6; 63, 19; 63, 11. Schließlich besteht noch eine — entferntere — Beziehung zum Schult­ heißen von 1390/1403, dem Ritter Friedrich von Lauffenholz, dadurch daß Ulmans Groß­ vater in zweiter Ehe eine Schwester (Kunigunde) eines älteren Fridreich von Lauffenholcz hatte, U St 61, 19. 45) USt 64, 33; 46) Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 52b, AStB 258 fol. 21 r. 47) so Wunder S. 62, Exkurs II: Esler. 48) Der strenuus vir Seifried von Camerstein ist 1306. XII. 23 mit Gottfried von Schlüsselberg Schiedsrichter im Streit Kaiser Albrechts mit den Herzogen von Bayern um das Hirschberger Erbe/ Primbs a.a.O. S. 18 unten. Heckei S. 9 u. 15, Anm. 13. Riezler, Gesch. Bayerns II, 164 ff. 49) Emst Pitz, Die Entstehung der Ratsherrschaft in Nürnberg, München 1956, Schriftenreihe z. bay. Landesgeschichte, Bd. 5 5.

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Abb. 1. Doppelepithaph mit zwei Männergestalten und Wappen (einst Predigerkirche, jetzt Germ. Nat. Mus. Nbg.)

Abb. 2. Doppelepithaph mit Resten von zwei Frauengestalten (einst Nürnberger Predigerkirche, jetzt Germ. Nat. Mus. Nbg.)

Abb. 3. Siegel des Ramung II. von Camerstein v. J. 1292, (Hauptstaatsarchiv München)

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Personengruppen, die diese Ämter innehatten 50).Wie die Rats- und Schöffen­ ämter war auch das Schultheißenamt, bis es die ja rein patrizisch regierte Stadt 1385 überhaupt für immer an sich brachte, von Conrad Stromer anno 1265 ab fast ununterbrochen mit den Vätern, Brüdern, Schwägern der Consules und Scabini besetzt51). Es war eine soziologisch eng begrenzte Gruppe einiger vielfach verwandter Familien, die dieses Amt fast 120 Jahre besaß, wohl — wie es für Conrad Groß ab 1338 belegt ist, — durch Verpfändung oder eine vorschußweise, pauschale Ablösung der aus dem Amt zu erwartenden Gefälle an den Kaiser oder den Burggrafen als Pfandinhaber. Der zeitweilig auffällig häufige Wechsel des Amtes innerhalb dieser Familien und gar mehrmals zwi­ schen den selben Personen mag vielleicht — von zufälligen und rein persön­ lichen Gründen abgesehen — mit Rücksicht auf die schwankenden Macht­ verhältnisse im Reich, in und um Nürnberg, zwischen Kaisern, Burggrafen und Wittelsbachern erfolgt sein, um durch die Herausstellung eines „politisch tragbaren" Amtsverwesers den Dauerbesitz des Amtes selbst für diese Gruppe von Familien zu bewahren. Die dauernde Besetzung des Richteramtes mit einem der ihren war für diese Familien, die noch im 14. Jahrhundert als Groß- und Fernhändler, gewerbliche Geldverleiher und Unternehmer nachzu­ weisen sind, von ganz besonderer Bedeutung. Unsere Plastiken aber scheinen mir in erster Linie Stifterbilder zu sein, wenn es auch nahelag, daß die Stifter an der gleichen Stelle bestattet wurden 52). Bei einem Stifterbild wäre auch verständlich, daß nicht Ehegatten oder Bluts­ verwandte beeinander stehen, — dazu müßte entweder die Wappen- oder die Geschlechtergruppierung anders sein, — sondern Mann bei Mann, Frau bei Frau 53). Durch ihre Anordnung und ihre Symbole wollten die Stifter zum Aus80) Schultheiß lehnte dies schon in seiner ausführlichen Würdigung von Pitz in MVGN 47/1956 S. 483 ff. (487 o.) für die Kollegien der Consules, Scabini und Genannten ab; ebenso Wun­ der S. 57 o. 5l) Wunder, S. 57 unten, stellt ihnen noch Bertold Isolt genannt Propst, 1258—1265, voran, dessen Beziehung zu den übrigen Rats- und Schultheißenfamilien fraglich bleibt. Eine Unterbrechung trat ein während der 1. Verpfändung an den Burggrafen 1338 durch Rapold von Külsheim und während des Aufruhrs 1348 durch Heinrich von Perg. Bei Külsheim fällt immerhin noch die Übereinstimmung des ungewöhnlichen Vornamens auf mit dem des Vaters (und gleichnamigen Bruders) Ropolt des Schultheißen Geusmit (USt 73, 33; 74,1). Der Schultheiß Conrad Waldstromer von 1265 war nach nicht unglaubhafter Überlieferung (Biedermann Tab. DXLV) verheiratet mit Beatrix von Perg. 82) Ausweislich der vielen Altäre, Epitaphien und Grabstätten, die die Hs. von 1737 (Anm. 5) nennt, und vieler Urkunden war die Predigerkirche, einstiger Standort der Steinbilder, geradezu die „Leibkirche“ der Stromer und der ihnen engst zugehörigen Familien. Neben der Kirche stand das berühmte Haus der Stromer „zur Rose“ und das Haus des Conrad Stromeir „vor den Predigern" (1301—1355 genannt, mit diesem Beinamen ab 1344), Vater Ortolfs (Anm. 43). Vielleicht unterstützt das die These der Verwandtschaft Kamersteiner— Geusmit-Stromer. 5S) Auch bei des Schultheiß Heinrich Geusmits Sohn Jacob (Anm. 45, 46) lag eine kreuzweise Verwandtenheirat vor. Jacob heiratete die Enkelin aus der Ehe seiner Schwester Margrete mit Heinrich Stromer. Vom kanonischen Eheverbot konnte man sich ja Dispens erwirken. Der Schwager der Margrete Geusmit-Stromer, Ulrich Stromer „am Zotenberg", heiratete eine Tochter Elle des Conrad Purkhaymer von Bamberg, der mit Stromers Schwester ver­ heiratet war (USt 64, 3 3 u. 62, 25). In dieser Schicht waren diese Doppelverbindungen also nichts ungewöhnliches. Sie waren bedingt durch die begrenzte Zahl der Ebenbürtigen und waren zugleich ein Mittel der Machtkonzentration.

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druck bringen, welche Stellung, welches Amt und welche Macht sie innehatten und wie eng sie durch Amt und Verschwägerung verbunden waren. Umgekehrt sind die Bilder auch keine „Rolande“, abstrakte Symbole der Gerichtsgewalt, noch Richter in Ausübung ihres Amtes. Dabei hätten die Frauen nichts zu suchen und die Schwerter müßten erhoben oder quer übers Knie gelegt sein. Sie sind nur Bildnisse von Persönlichkeiten mit ihren Attributen. Leider ken­ nen wir von den Beigaben der Frauen außer den Wappen nur das Buch. Immerhin wird seine Trägerin die für eine Frau weltlichen Standes, — sie war ja verheiratet, — ungewöhnliche Kenntnis des Lesens besessen haben 54). Aus urkundlichen Zeugnissen können wir erst zwei Generationen später sicher darauf schließen, daß Nürnbergerinnen weltlichen Standes lesen und schreiben konnten55). So ist auch das steinerne Frauenpaar ein bemerkenswertes Zeugnis für Altnürnbergs Sozial- und Geistesgeschichte. Als zusammenfassendes Ergebnis aller Indizien: Standort und Entstehungs­ zeit, Bildinhalt, Anordnung und Beigaben der Figuren, heraldischer, rechtsund sozialgeschichtlicher, urkundlicher und chronikalischer Argumente — glaube ich sagen zu dürfen: Der vom Betrachter aus rechte der Männer ist fast sicher der Reichsschultheiß Sifrit von Kamerstein 56). Auch der linke ist daher höchstwahrscheinlich ein Nürnberger Reichsschultheiß 57), am ehesten Heinrich Geusmit, vielleicht auch Marquart II. Pfinzing. Beide Schultheißen hatten ihre Ehefrau aus der Familie des anderen genommen. Sifrit von Kamerstein aus einem Geschlecht bedeutender Reichsministerialen und die Schultheißen aus den altpatrizischen Nürnberger Familien galten am Beginn des 14. Jahrhun­ derts als ebenbürtig 58). 54) Daß die Patrizierstöchter geistlichen Standes damals auch schon zu schreiben verstanden, zeigt die Mystikerin Christine Ebner (1277—1356). 55) Das Verzeichnis der Gewerbetreibenden von 1363 nennt als einzige Frauen die Wechselerinnen Praunspachin und Leubendorferin, erstere Ortolf Stromers Schwiegermutter oder Schwägerin. Auch Ulman Stromers Witwe Agnes betrieb selbständig Geldgeschäfte mit Verbindungen bis Köln. Diese Frauen müssen wohl rechnen, lesen und schreiben gekonnt haben. 56) Die anderen Kamersteiner kommen aus zeitlichen Gründen und da sie nur gelegentlich Be­ ziehung zu Nürnberg hatten, kaum in Frage. 57) Das nächstälteste Steinbild eines Nürnberger Reichsschultheißen, das des Stifters Konrad Groß im Heilig-Geist-Spital hat allerdings kein Richterschwert, sondern am Gürtel hängend einen Dolch oder ein Kurzschwert mit verzierter Scheide. 58) Schwert und Wappenschild sprächen wohl auch dafür, daß Geusmit oder Pfinzing die Ritter­ würde besaß. Aber gerade dafür fehlen alle urkundlichen Zeugnisse. Sehr zu Dank bin ich Herrn Direktor Dr. Heckei und Herrn Amtmann Schlüpfinger für die Überlassung von Kamersteiner- und Reichenbacher-Regesten, Herrn Professor L. Grothe, Herrn Dr. Bräutigam/Erlangen und Baron Hubert Welser für Anregungen verpflichtet. Herr Dr. Stafski machte mich frdl. darauf aufmerksam, daß der Schöpfer der Steinmale der Werkstatt des Meisters der heiligen Katharina der Sebaldkirche zugehören dürfte. Diese Werkstatt hat 1t. K. Martin, Die Nürnberger Steinplastik im 14. Jhd., Berlin 1927, S. 13 ff. „greifbare Beziehungen zu Mainz". (Ebso. Thieme-Becker-Vollmer, Allg. Lexikon d. bild. Künstler, Bd. 37 S. 176). Nach Mainz bestanden auch die frühesten nachweisbaren persön­ lichen Beziehungen des Kreises der Schultheißenfamilien, so Merklin Pfinzings 1264 (NUB 403), Ulman Stromers und seiner Brüder ab 13 51, fast jährlich nachweisbar über Gene­ rationen. Diese Verbindung bestand sicher auch in der Zwischenzeit und mag zur Berufung des Meisters und seines Werkstattkreises zu diesen Arbeiten geführt haben.

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EINE GEWÜRZHANDELSABRECHNUNG UND EIN FINANZIERUNGSGESCHÄFT DES NÜRNBERGER RATS VON 1350 Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte und Finanzpolitik der Reichsstadt im Spätmittelalter. Von Werner Schultheiß. Wer über die früheste Wirtschaftsgeschichte einer deutschen Stadt arbeiten will, begegnet einem auffälligen Mangel an Quellen, während er in dem aller­ dings in der Entwicklung weit fortgeschritteneren Italien *) oder Frankreich *) schon während des 13. Jh. eine Fülle von Unterlagen, z. B. vor allem Handels­ bücher, vorfindet. Eine gewisse Ausnahme für Deutschland stellen Köln8), Lübeck 4), * 2 Frankfurt 3 a. M.5) und Nürnberg6) dar. Ein Blick auf die Quellen­ lage in Nürnberg mag diese Beobachtung erläutern. Bis zum Jahre 1400 sind eine große Anzahl von königlichen, landesfürstlichen und städtischen Privi­ legien und zwischenstädtischen Verträgen über Handels- und Zollvergünsti­ gungen überliefert7)-8 Eine erste Zollordnung von etwa 1330—50 8) gibt Ein*) A. Kulischer, Allgem. Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1, 1928 (1958), S. 278 ff.; A. Doren, Ital. Wirtschaftsgeschichte, 1934, S. 433; J. le Goff, Marchands et banquiers du moyen age, Paris 1956, passim; Ad. Schaube, Handelsgeschichte der romanischen Völker des Mittel­ meergebietes . . ., 1906, S. 334 ff., 433 ff., 769 ff.; Aloys Schulte, Gesch. d. mal. Handels u. Verkehrs zw. Westdeutschland u. Italien, Leipzig 1900, I bes. S. 152 ff. u. 342 ff. (Handelsbücher). 2) A. Schaube, a.a. O., S. 77, 109 f., 293 ff.; H. See, Französische Wirtschaftsgeschichte, 1930, I, S. 43 ff. 3) Vgl. Bruno Kuske, Quellen zur Handelsgeschichte der Stadt Köln, 4 Bände, 1918—1934 und H. Planitz-Th. Buyken, Die Kölner Schreinsbücher des 13. und 14. Jahrhunderts, Weimar 1937. 4) Vgl. F. Rörig, Hansische Beiträge zur dt. Wirtschaftsgeschichte. Breslau 1928. 5) Al. Dietz, Frankfurter Handelsgeschichte, 5 Bde. 1910—25; F. L. Bastian, Das Runtingerbuch 13 83—1407 und verwandtes Material zum Regensburger—südostdeutschen Handel und Münzwesen, Bd. I (Darstellung), 1944, S. 109 ff., bes. 112 ff, (Auszüge aus den verlorenen Fr.er Schöffenbüchern 1342 ff.). 8) Für Nürnberg liegt noch keine moderne zusammenfassende Wirtschaftsgeschichte vor. Vorläufig sind wir noch angewiesen auf Ferd. Roth, Geschichte des N.ischen Handels, 4 Bände, 1800—2, und zahlreiche wertvolle Monographien zu diesem Thema. Vgl. künftig einstweilen Werner Schultheiß, Anfänge des Nürnberger Handels, Nürnberg 1961 (Bei­ träge zur Landes- und Volkskunde Frankens, Band 2). 7) F. Roth, Gesch. d. N.ischen Handels I, 1800, S. 11 ff. und E. Mummenhoff, Handel . . . in: Die Stadt Nürnberg . . . 1906, S. 169—276. W. Biebinger und W. Neukam, Quellen zur Handelsgeschichte d. Rst. Nürnberg, 1. (einz. Heft) Erlangen 1934. Vgl. auch J. Baader, Nürnberger Polizeiordnungen a. d. 13. bis 15. Jh., Stuttgart 1861, S. 122 ff. (Handelspolizei). 8) Biebinger-Neukam a.a. O., S. 30—31; Baader a.a. O., S. 126; künftig, W. Schultheiß, N.er Rechtsquellen (Satzungsbücher) Lief. 3A nach Satzungsbuch IV/E (German. Nat. Museum Hs. 6028a—2°) BL 9a u. SB III/C (BStANbg AStB 227) Bl. 106a.

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blick in die Gegenstände des Nürnberger Handels und der Durchfuhr durch den Ort. Wertvolle Einzelnachrichten bieten die städtischen Amtsbücher, so die Satzungsbücher 1302 ff.9), die Neubürgerbücher 1302 ff.10), die Acht- und Verbotsbücher 1285 ff. n) und die Stadtrechnungen 1377 ff.12). Während als weitere sekundäre Quellen in Köln die „Schreinsbücher" des 12.—13. Jh. in Frage kommen und Rörig in Lübeck die Stadtbücher des 13.—14. Jh., d. h. die Verbrief ungsbücher über Grund- und Schuldverträge, zu richtunggebenden Forschungen über die ökonomische Struktur der Travestadt auswerten konnte, fehlen in Nürnberg bis 1481 12a) die Gerichtsprotokolle, die 1349 erstmalig urkundlich erwähnt werden. Für diesen Zeitraum sind wir auf Urkunden an­ gewiesen, die durch Stadtgericht, Rat, kirchliche Institutionen und Privatleute ausgestellt worden sind. Aus dem 13. Jh. sind nur 3 Dokumente erhalten, die unmittelbar kommerzielle Angelegenheiten von Bürgern betreffen13). Aus dem folgenden Säkulum sind dagegen schätzungsweise 100 Urkunden und sonstige schriftliche Quellen überliefert, die über Handelssachen berichten 14). Im Gegensatz zu Italien und Frankreich treten in Deutschland schriftliche Quellen, die unmittelbar aus dem Betrieb eines Kaufmanns stammen, erst am Anfang des 14. Jh. auf. Das erste deutsche Handelsbuch ist vorläufig das iSchuldkontobuch der Nürnberger Tuchhandelsgesellschaft Holzschuher von etwa 1304/5—7 15). Mit dem Abstand eines Menschenalters folgen das Lübecker Wittenborg-Heft von 13 36 16), das Rostocker Tölnerbuch von 1345—50 17) und das Hamburger Geldersenbuch von 1360—66 I8). In Nürnberg setzen primäre handelsgeschichtliche Aufzeichnungen erst wieder 1362/3 mit der Abrechnung des Nürnberger Rates über an Karl IV. vermittelte Waffenlieferungen 19) ein. ö) Vorl. Drucke in W. K. Lochner, N.er Jahrbücher II, 1834, S. 121 ff. und Jos. Baader, N.er Polizeiordnungen d. 13.—15. Jh., Stuttgart 1861; künftig N.er Rechtsquellen Lief. 3/4. 10) Or. Bayer. Staatsarchiv Nbg. Amts- und Standbuch 228, 297 und German. Nat.-Museum Nbg. Hs. 16577—2°, Veröffentlichung durch das Stadtarchiv Nürnberg vorbereitet. n) Vgl. die neue Veröffentlichung von Werner Schultheiß, Nürnberger Rechtsquellen, Lief. 1/2, 1960.

12) Or. BStaatsA Nbg. Rep. 54; überholt P. Sander, Haushaltung Nürnbergs, 1902, S. 725; jetzt E. Pitz, Schrift- und Aktenwesen der städt. Verwaltung im Spätmittelalter; KölnNürnberg—Lübeck, Köln 1959, S. 197 ff. und W. Schultheiß, N.er Rechtsquellen I/II, S. 129 *, Anm. 818. 12a) Or. Stadtarchiv Nürnberg; vgl. E. Wölfel, D. rechtl. Formen im Verkehr m. Liegenschaften in Nbg. Erlanger Diss. (Maschr.) 1948. 1S) Vgl. [G. Pfeiffer] Nürnberger Urkundenbuch, Lief. 1—5, 1951—59, Nr. 385 (1259 XI. 6), 407 (1265 II. 18.), 891 (1295 V. 2). 14) Vgl. das Manuskript des „Nürnberger Urkundenbuchs 1301—1400“ im StadtA. Nbg., und Roth a.a. O. I, S. 11—82. 15) Or. Germ. Nat. Mus. Nbg. (Leihgabe von Stromersche Familie); Publikation durch A. Chroust-H. Proesler, Das Handlungsbuch der Holzschuher in Nürnberg von 1304—1307. Erlangen 1934. 16) Edition durch C. Mollwo, Das Handlungsbuch von... Wittenborg, Leipzig 1901; dazu Bastian, Runtingerbuch I, S. 247 ff. 17> Edition bei K. Koppmann, Joh. Tölners Handlungsbuch von 1345—13 50 (Rostock 1885). 18) H. Nirrnheim, D. Handlungsbuch . . . Geldersen. Hamburg—Leipzig 1895. 19) W. Neukam, Eine Nürnberg-Sulzbacher Platten- und Waffenlieferung für Karl IV. in den Jahren 1362/3. In: Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg, Bd. 47, 1956, S. 124 ff., mit vorzüglicher rechnerischer Nachprüfung.

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Daran schließen sich Ausführungen des Ratsherrn und Großkaufmanns Ulman Stromer über die Handelsgewohnheiten in europäischen Märkten von etwa 1390 20), die Abrechnungen der Handelsgesellschaft Kreß21) und einige wenige, aber höchst interessante Dokumente aus den Archiven der Familien und Handelsfirmen Fürer, Behaim 22) und Imhoff23). Bei der Seltenheit solcher primärer Handelsquellen gewinnt eine Abrechnung der Stadt Nürnberg über Gewürzhandelsgeschäfte aus dem Jahre 1350 24) besondere Bedeutung. Franz Ludwig Bastian, der allzu früh verstorbene Meister der oberdeutschen Wirt­ schaftsgeschichte des Mittelalters, hat in seinem Lebenswerk, dem „Regens­ burger Runtingerbuch von 1397 ff/'25) dieses interessante Dokument in Parallele zur Wirtschaftsweise der Regensburger gesetzt. Da aber diese auf­ schlußreiche Quelle noch nicht besonders für Nürnberg erschöpfend ausge­ wertet und die Edition durch das „Nürnberger Urkundenbuch“ 26) in abseh­ barer Zeit nicht zu erwarten ist, erscheint es notwendig, diesen frühesten Beleg für die wirtschaftliche Betätigung der hiesigen Stadt gemeinde durch einen vollständigen Abdruck der Öffentlichkeit und den Interessenten zu unterbreiten, ihn kurz zu kommentieren und in den Zusammenhang mit der Stadt- und Wirtschaftsgeschichte zu stellen. Beschreibung der Quelle Dieses aufschlußreiche und allgemein noch nicht gewürdigte Dokument findet sich in einer Handschrift aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, die im Bayer. Staatsarchiv Nürnberg eingereiht ist. Es handelt sich um einen Oktav20) Or. Germ. Nat.-Mus. Nbg.; Edition bei K. Hegel, Dt. Städtechroniken I, 1861, bes. S. 99—106. 21) [Gg. von Kreß:] Beiträge z. N.er Handelsgeschichte 1370—1430. In: Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg 2, 1880, S. 187—194. 22) Unveröffentlichte Originale in den Teilarchiven Behaim im Stadtarchiv Nbg. und Germ. Nat.-Mus. Nbg. und Monumenta Zollerana Nr. 215 (Veröffentlichung in Vorbereitung). 23) Helga Jahnel, Die Imhoffs. Eine N.er Patrizier- und Großkaufmannsfamilie. Ungedr. phil. Diss. (Würzburg 1951). 24) Or. BStA Nbg. Amts- und Standbuch Nr. 40 erwähnt bei E. Pitz, Entstehung der Rats­ herrschaft in Nürnberg, München 1956, S. 154 [„ältestes Rechnungsnotizbuch der Losunger“; (fr. Mskr. 672)] und Schrift- und Aktenwesen 1959, S. 211, nach dem „dessen Zweck schwer zu bestimmen ist“. Auf meine Veranlassung ausgestellt in der Ausstellung „Handel und Wandel in aller Welt“ des Germanisdien Nationalmuseums Nürnberg an­ läßlich des 400jährigen Jubiläums des Handelsvorstands (= Industrie- und Handels­ kammer) Nbg. Frühjahr 1960; vgl. Katalog Nr. 27. Das Wasserzeichen des Papiers stellt eine Armbrust (ähnlich Briquet, Les Filigranes 1907, Bd. I, Nr. 708, 13 54 in Troyes vor­ kommend) dar, und ist dem Papier des Amtsbuchs v. 1357/8 (BStANbg. AStB Nr. 258) gleich. — Frdl. Mitt. des Papiersachverständigen G. Piccard, Stuttgart. 25) Runtingerbuch I, S. 161/2, wo Inhalt und Bedeutung dieser Rechnung als Finanztransaktion der Stadt Nürnberg klar herausgestellt ist, aber m. E. die Summierungen S. 162 Zeile 6/7 (1463 V2 Pfd. Pfeffer und 5 V2 Ztr. Ingwer um ca. 1360 fl Gesamterlös) auf irrigen Kombinationen der beiden Rechnungen beruhen, wie im folgenden nachgewiesen werden kann. 26) Es wäre zu wünschen, wenn das für die Edition von E. Mummenhoff und R. Schaffer vor­ bereitete Manuskript des „Nürnberger llrkundenbuchs 1301—1350“ nach der notwendigen Überarbeitung in absehbarer Zeit veröffentlicht werden könnte.

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band, der offenbar in den vergangenen Jahrzehnten mit einem modernen Einband von dunkelbraunem Leder versehen worden ist und dessen Papier­ blätter zum Teil an den Ecken ausgebessert worden sind. Vorhanden sind 127 Folien eines starken, gerippten gelblichen Papiers französischer Herkunft vom durchschnittlichen Format 14,8 cm Breite und 21,2 cm Höhe 24). Nach den bisherigen Feststellungen des Verfassers stellt das Stück die erste erhaltene Papierhandschrift aus der städtischen Kanzlei Nürnbergs dar. Doch kann dies reiner Zufall sein, da aus der 1. Hälfte des 14. Jh. mindestens 4 Stadtbücher verloren gegangen sind, nämlich das Achtbuch II von 1308 bis 1359 27), das iSatzungsbuch II/B vom Anfang des 14. Jh.28), das Neubürgerbuch von 1335 ff.29) und die Stadtrechnungen von 1340 ff.30); von ihnen allen kennen wir daher den Beschreibstoff nicht. Hervorhebenswert erscheint aber, daß das AStB 40 nicht wie die bekannten Stadtbücher oder das älteste Kopialbuch von ca. 1340 ff.31) aus Pergament, sondern aus Papier gefertigt ist, das als Beschreibstoff für weniger wichtige und nicht dauernd aufbewahrungs­ würdige Aufzeichnungen verwendet worden ist32). Die Handschrift besteht aus 8 Lagen Papier: I Bl. 1—14, II Bl. 15—32, III—VI unbeschrieben, VII Bl. 91—111, VIII Bl. 112—128. Auffällig ist, daß nur wenige Seiten beschrieben sind, und zwar noch in mannigfaltigster Weise, wie sich aus folgender Aufstellung ergibt: Bl. 1—4 : Gewürzhandelsgeschäft vom 3. 2. 1350 (I. Teil). Bl. 4’ : Ausgabe (der Stadt ?) für Wein 13 53. Bl. 5’ : Liste über Waffen der städtischen Türmer. Ohne Datum. Bl. 6—10 : 1355 IV 5 Privileg Kaiser Karls IV. für seine Besitzungen west­ lich des Böhmerwaldes (Schreiberzeichen I). Bl. 11—13: 1221 IV Privileg Kaiser Friedrichs II. für den Deutschorden (Vidimus des Landgerichts Sulzbach). Bl. 14—15 : 1355 IV 28 Privileg Kaiser Karls IV. für den Deutschorden (iSchreiberzeichen II). Bl. 16—17 : Privileg Kaiser Friedrichs II. f. d. Deutschorden von 1221 in deut­ scher Übersetzung. Schluß fehlt. 103’—105’ : Gewürzhandelsrechnung vom 3.2.1350 (II. Teil). Die übrigen Seiten sind unbeschrieben. Um für die Beurteilung der Handschrift und die Untersuchung über die Gewürzhandelsrechnung die notwendigen Unterlagen zu erhalten, sei der voll­ ständige Text dieses Geschäfts und der Einträge über Weinausgabe und städ­ tischen Waffenbesitz im Anhang abgedruckt. Da die auf Bl. 6—17 kopierten Urkunden für unsere Abhandlung und auch für die Geschichte Nürnbergs ohne 27> Vgl. W. Schultheiß, N.er Rechtsquellen 1/2, 1960, S. 208x ff. und S. 66 ff. 28) ebenda S. 204x ff. 29) Vgl. das für die Edition vorbereitete Manuskript der Neubürgerliste (Hs. 16577—2° d. GNM. Nbg.) im Stadtarchiv Nürnberg. so) Vgl. Nürnberger Rechtsquellen 1/2, 1960, S. 129x Anm. 818. 81) ebenda S. 129x, Anm. 820. Or. BStA Nbg. ASTB Nr. 41. S2) Vgl. H. Breßlau, Handbuch der Urkundenlehre, II/l, Leipzig 1915, S. 501 ff.

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Bedeutung sind, wird von einer Edition in diesem Rahmen abgesehen. Wie sich bei der Abschrift dieses Dokuments ergab und wie aus der beigegebenen Abbildung zu ersehen ist, ist die Gewürzhandelsrechnung von 1350 von 2 Schreiberhänden gefertigt, die im Text durch die Signaturen X und Y gekenn­ zeichnet worden sind. Nun haben aber beide Schreiber ihre Texte nicht in einem Zuge geschrieben, sondern in verschiedenen Absätzen, wie aus der Ver­ schiedenheit der Schriftzüge und der Tinten zu ersehen ist. Diese z. TI. zu ver­ schiedenen Zeiten eingetragenen Abschnitte sind u. a. durch den Beisatz von arabischen Ziffern zu den Buchstaben, also X bzw. XX oder Y 1, hervorgehoben worden. Um die Zitierung der einzelnen Geschäftsvorgänge zu erleichtern, wurden die einzelnen Absätze der Gewürzhandelsrechnung durchnummeriert. Um das Verständnis der nicht immer ganz klar und überdies sehr knapp ab­ gefaßten Quelle und der vorliegenden Ausführungen zu erleichtern, sei hier eine kurze und bereits aufgegliederte Inhaltsangabe der Abrechnung eingefügt: Teil I: Abrechnung des Ulrich Pottensteiner vom 3. 2.1350. Gewürzverkäufe § 1 Verkauf von 1368 Vs Zentner Holzschuherischen Pfeffer« in Mainz und Köln um 679 fl —56 dn 678 fl § 2 Verkauf von 549 Pfd. 28 Lot Ingwer des H. Holzschuher 224 fl § 3 Darlehen d. Holzschuher an U. Pottensteiner 90 Gulden -f 14 Schildgulden (=17 fl. 90 hl.) 107 fl § 3a Zwischensumme angeblich 1020 fl, tatsächlich 1010 fl B. Rückzahlungen der Stadt an H. Holzschuher wegen dieser Schuld: § 4/5 Zahlung der Stadt für Holzschuher an A. Ebner (Schuldübernahme) § 6 Stadt an Ortlieb für Holzschuher § 7 Stadt an H. Holzschuher (Aufrechnung an der Losung bzw Jahres­ steuer) § 8 C. Groß für Stadt an H. Holzschuher § 9 Neue Losunger an Holzschuher § 10 Losunger an H. Holzschuher (3. April) § 11 Heinz Mendel anstatt der Stadt an H. Holzschuher 190 Pfd. Haller = Nicht gezogene Schlußsumme C. Gewürzkäufe auf Borg: § 12 bei Chunrad Tücher 239 XU Pfd. Pfeffer, 119 fl. — 83 hl = §13/4 bei Ernoltsvelder — Regensburg 856 Pfd. Pfeffer (Anzahlung 14 fl 12 ß, Restschuld 410 fl)

184 hl 88 hl 90 hl 134 hl

150 fl 40 fl 17 200 200 50

fl fl fl fl

180 fl 837 fl

5 ß 5 ß

118 fl

152 hl

424 fl

12 6

Teil 11: Abrechnung des U. Pottensteiner und des Heinrich Geuder vom 3. Februar 1350. A. Einnahmen a) aus Gewürzverkäuf en: § 15 Verkauf von 501 ZU Pfd. Pfeffer des H. Holzschuher zu Mainz 224 lb 3ß 7 hl § 16 Verkauf von 111 Pfd. 12 Lot Holzschuherischen Ingwers 42 lb 4ß § 17 Verkauf von 239 Pfd. Pfeffer d. C. Tücher 110 lb 14ß § 17a Zwischensumme 387 lb 10ß 7 hl = 372 fl 15

MVGN 50 (i960) Gewürzhandelsrechnung Verkauf von 406 Pfd. Pfeffer d. Holzschuher zu Köln Verkauf von 150 Pfd. Ingwer d. Holzschuher Verkauf von 288 1h Pfd. [Ingwer des Heinrich Holzschuher] § 21 Gelddarlehen des H. Holzschuher 14 Schildgulden (Wiederholung von § 3 ?) = § 21a Zwischensumme für die Verkäufe in Köln 275 Schildgulden = § 18 § 19 § 20

304 Mark 96 Mark

18 dn 10 V« ß

179 Mark 17 fl

10 dn 90 hl

341 (kl.) fl

b) Einnahmen aus Gelddarlehen § 22 § § § § §

23 24 25 26 27

§ 28

Einnahmen in Lüttich mit Rückersatz durch Losungstube 200 Schildgulden = Gelddarlehen des Haid Gelddarlehen des Ehinger Gelddarlehen des Eisenhuter Gelddarlehen des Peter Stromeier Gelddarlehen des Heinrich Holzschuher (Wiederholung von § 3 ?) Gelddarlehen des Ulrich Pottensteiner und des Heinrich Groß

§ 28a Summe von 21a—28

B. Ausgaben: § 29 Zahlung in Aachen § 30 Pfanddarlehen an den Burggrafen § 31 Vorschuß an den Ernoltsvelder (= § 14) § 32 Vorschuß an Geuder 2 fl + 1 Schg. Nicht gezogene Summe C. Auslagen des Pottensteiner und Geuder § 33 Gesamte Auslagen § 34 Abschlagszahlung der Losungsstube

die 250 100 300 66 97 90

fl fl fl fl fl fl

600 fl 2216 fl

2000 199 14 3

fl fl fl fl

5 ß

io hl

2216 fl

5 ß

10 hl

129 lb 28 lb

Hier bricht die Abrechnung ab. Es ist keine Schlußabrechnung erfolgt. Der Inhalt der ganzen Abrechnung läßt sich folgendermaßen kurz zu­ sammenfassen: Heinrich Holzschuher, Konrad Tücher und Ernoltsvelder verkaufen auf Borg der Stadt Nürnberg Gewürzmengen, die von U. Pottensteiner bzw. von diesem und H. Geuder als Kommissionären der Stadt verkauft werden. Die Verkaufs­ erlöse und Gelddarlehen finanzieren eine Zahlung der Stadt Nürnberg an Aachen, die die Ursache der ganzen Transaktion ist. Heinrich Holzschuher erhält den größten Teil seines Verkaufspreises zurück; die Kommissionäre empfangen einen Teil ihrer Auslagen. Wie bei vielen mittelalterlichen und wie bei den ältesten Stadtbüchern Nürnbergs nennen sich weder Schreiber noch Eigentümer der Handschrift. Es ist also zu ermitteln, wer diese Handschrift, die so verschiedene Inhalte birgt, angelegt und wem sie gehört hat. Um die vielfältigen Rätsel, die der Kodex aufgibt, zu lösen oder wenigstens ihrer Lösung näher zu bringen, sei versucht, die Schreiberhände dieses Manuskripts zu ermitteln. Hand X ist eine Urkundenkursive, die relativ groß und schwungvoll ist und fast maniriert im Stile der damaligen Kanzleischriften wirkt, vor allem 16

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flüchtig ist und durch ihre keulenförmigen Schaftverdickungen, waagrechten Abkürzungsstriche und charakteristischen Buchstabenformen auffällt. Von ihr sind die meisten Sätze oder Paragraphen der Gewürzhandelsrechnung auf Bl. 1—4 und Bl. 103 —105’ sowie die kopierten Urkunden auf Bl. 16—17 ge­ schrieben. In der Gewürzhandelsrechnung I und II fällt auf, daß die Hand X in

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Schriftprobe von Hand X (AStB 40 Bl. 103’, § 15)

§ 32—34 mittels einer flüchtigeren und kleineren Kursive Nachträge gemacht hat, die durch die Signatur XX gekennzeichnet worden sind. Hervorhebenswert erscheint, daß die Hand X hinter den 4 Urkundenschriften der Bl. 6—17 je ein ,Schreiberzeichen 3S) gesetzt hat. Mit diesen individuell gestalteten, gra­ phischen Siegeln am Schlüsse einer Urkunde oder eines Eintrags haben m. E. die Schreiber von Kaiser- oder Königs-, Fürsten-, Gerichts- und Stadt- sowie Privaturkunden bekunden wollen, von wem die Urkunde geschrieben, viel33) Vgl. dazu N.er Rechtsquellen l/2, 1960, S. 162x; 141x ff.

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leicht auch verfaßt oder diktiert wurde. Diese 4 Signa des X sind nicht ganz gleichförmig gestaltet: sie bestehen aus zwei übereinander gestellten Punkten mit einem rechts daneben gesetzten waagrechten Strich bzw. einer Wellen­ linie. Diese Handschrift läßt sich in Urkunden der Stadt und des Stadtgerichts vorläufig nicht nachweisen und dürfte keinem iStadtschreiber angehört haben, vielleicht Ulrich Pottensteiner oder H. Holzschuher34). Eine Hand Y, die sich deutlich von X und XX unterscheidet, hat die §§ 4—10 geschrieben. Diesem neuen Schreiber ist eine etwas regelmäßigere klei­ nere Urkundenschrift eigen. Sie kommt auch mehrfach in anderen Stadtbüchern

Schriftprobe von Hand Y (AStB 40 Bl. 1* §§ 5—7)

Nürnbergs vor, z. B. im Nachtrag zum Nürnberger Reichssalbüchlein von ca. 1360 35) und dürfte mit dem Stadtschreiber H II — Friedrich von Kitzin­ gen 36) — identisch sein. Nach dem paläographischen Befund ergibt sich also, daß das Manuskript aus der Stadtverwaltung herausgewachsen ist. Diese Feststellung bestätigt auch die Formulierung der einzelnen Sätze. §§ 5—10 wählen eine persönliche Fas84) Vgl. die Durchsicht der Urkundenreihe des Stadtarchivs Nürnberg 1349—1355 und der im Stadtarchiv befindlichen Filme des Bestands des Bayer. Hauptstaatsarchivs München „Reichsstadt Nürnberg, Urkunden" 1349—1355. “) [G. Pfeiffer], Nürnberger Urkundenbuch (— 1300) Nr. 1073 mit Hinweis auf ältere Drucke und einschlägige Literatur. S6) Vgl. Nürnberger Rechtsquellen l/2, 1960, S. 141x—142x

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sung: „wir haben gegeben“ oder „die neuen Losunger haben geben..." § 14 berichtet davon, daß einem Regensburger Bürger ein Schuldbrief der Stadt Nürnberg gegeben wird. § 33 notiert die Schuld der Stadt an 2 Nürnberger, an die eine Abschlagszahlung von 28 Pfund durch die Losungsstube geleistet wird. Das Manuskript kann also als städtisches Amtsbuch angesprochen werden, das zwischen 1850 (Februar 2) und 13 55 (April 28) angelegt worden ist. Es hat für die Aufzeichnung von Abrechnungen, aber auch für Urkundenabschriften gedient. Warum es aber nicht vollständig ausgenützt wurde, ist nicht mehr zu ergründen. Während das Holzschuherbuch von 1304/7 noch in der damaligen Weltund Amtssprache des Latein abgefaßt ist, verwendet die vorliegende Rechnung hauptsächlich das Deutsche und nur in den Datierungen und in einigen aller­ dings fast typischen Kanzleifloskeln das Lateinische. Somit zeigt sich der inner­ halb von 50 Jahren eingetretene Wandel in der Verwendung der Volkssprache. Außerdem ist m. E. aus der deutschen Fassung zu folgern, daß sie sich unmittel­ bar an die in der Volkssprache abgehaltene Abrechnung anschließt und daß die konzepthafte Form der Abrechnung auf die wahrscheinlich gleichzeitige Protokollierung zurückzuführen ist.

Die in der Abrechnung genannten Personen Bevor wir die Gewürzhandelsabrechnung als kommerzielle Transaktion zu umreißen versuchen, wollen wir zunächst ermitteln, welche Personen und Kreise an dieser geschäftlichen Unternehmung, die sich aus mehreren Einzelhand­ lungen zusammensetzt, beteiligt waren. Nach §§ 1—3 und dem ganzen Text scheint zunächst Heinrich Holzschuher die Hauptrolle in dieser Abrechnung zu spielen; denn gemäß § 3a werden Waren des Holzschuher im Werte von 1020 Goldgulden verkauft. Er muß also ein nicht unvermögender Kaufmann gewesen sein. Zweifellos gehört er zu dem gleichnamigen, noch heute blühenden Patriziergeschlecht Nürnbergs. Vier Angehörige dieser Familie haben um 1300 eine Tuchhandelsgesellschaft betrieben, deren Schuldkontobuch von etwa 1304—7 noch erhalten ist37). Es erzählt von dem Tuchverkauf en detail und auf Borg. Teilhaber sind die Brüder Herdegen I. und Heinrich III. und Herdegens Söhne Heinrich IV. und Herdegen II. Außerdem wird ein Friedrich Holzschuher 1340 als Gläubiger eines Kölner Krämers erwähnt38). Da die Genealogie der Holzschuher39) noch nicht auf Grund aller erreich­ baren Quellen Nürnbergs erarbeitet ist, ist es vorläufig nicht leicht, unseren Heinrich Holzschuher zu identifizieren. Höchstwahrscheinlich ist es Hein­ rich IV., der älteste Sohn eines Herdegen I., den A. Chroust als die viel­ schreibende Hand H I des Holzschuherbuchs bezeichnet. Heinrich begegnet 37) Chroust-Proesler (Anm. 15), S. XX ff. 38) Bastian Runtingerbuch I, S. 161. 39) J. Chr. Gatterer, Hist, geneal. . . . Holzschuheriorum, Nbg. 1755, S. 119 ff. und Tafel I und 2

*

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1321 neben seinen Brüdern Herdegen II. und Konrad. Er ist es wohl auch, der als Bürge in den Neubürgerbüchern ab 1324 (und bis 1364 ?) und 1358 als „Ungelter“, d. h. als Pächter und Einnehmer des „Ungelds“ (Akzise auf Ge­ tränke) auftritt. Nachdem er sich offenbar aus dem Handel zurückgezogen hat und nachdem andere Mitglieder seines Geschlechts aus dem Rat ausgeschieden sind, wird er noch in seinen späten Jahren 13 58 und 13 59 in den Rat gewählt. Da er seitdem aus den Ratslisten verschwindet, wird mit Biedermann und Gatterer sein Ableben anzunehmen sein. Hervorhebenswert erscheint, daß 1350 Heinrich Holzschuher als Herrn Ortliebs Eidam (= Schwiegersohn) bezeichnet wird; gleichzeitig wird die Versippung des Ortlieb auf der Füll mit Philipp Groß beurkundet40). Da nach A. Chroust Heinrichs IV. Anteil am Holzschuher­ buch von 1304—7 bedeutend gewesen ist, dürfte er nach der Auflösung der Tuchhandelsfirma der führende Kaufmann des Geschlechts geblieben sein. Dank seines durch Tüchtigkeit und Vermögen fundierten Ansehens konnte er zusammen mit dem ihm durch Versippung verbundenen Standesgenossen und mit anderen ihm bekannten Kaufleuten dieses Gewürzhandelsgeschäft, das zugleich eine Finanzierung einer städtischen Zahlung von 2000 Gulden dar­ stellt, übernehmen und durchführen lassen. Es wäre an sich denkbar, daß Heinrich Holzschuher zu diesem Zweck eine Gelegenheitsgesellschaft mit Ulrich Pottensteiner und Heinrich Geuder gebildet hat, die für ihn tätig wurden und abrechneten. Eher ist aber anzunehmen, daß Pottensteiner und Geuder Beauftragte des Holzschuher und des Rates waren. Die zweitwichtigste Persönlichkeit in diesem Zusammenhänge war Ulrich Pottensteiner, weil er die beträchtlichen, von H. Holzschuher und anderen übernommenen Gewürzmengen in Mainz, Köln und Lüttich vertrieb. Er sitzt nicht im innern Rat und gehört nicht zu den „ratsfähigen Geschlechtern“ 41), doch ist am Ende des 14. Jh. ein Pottensteiner mit der Tochter des Patriziers Ulrich Stromer am Zotenberg verheiratet42). Die Pottensteiner dürfen, wie die Quellen aus der Mitte des 14. Jh. ersehen lassen, als Kaufleute „mittleren Formats“ angesehen werden 43). Ihr Name läßt auf die Herkunft aus dem jetzt

40) 41) 42) 43)

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II; J. G. Biedermann, Geschlechtsregister d. Patriciats d. Rst. Nbg., Bayreuth 1748, Taf. 167—169; Genealogie Holzschuher, Mskr. d. 18. Jh. (StadtA. Nbg., Geneal. Pap.); Rats­ listen nach rst. Ämterbuch von 173 5 (Or. StA. Nbg. Bürgermeisteramt Nr. ll) und Cod. man. 82—2° (Or. Stadtarch. Nbg.); A. Chroust-H. Proesler, a.a. O. S. XX ff. und Er­ gänzungen v. W. Kraft in Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. St. Nbg. 32, 1934, S. 14 ff.; aus dem Rep. d. Archivs der Fam. v. Holzschuher und der Urkundenreihe des StadtA. Nbg. waren keine Anhaltspunkte zu finden. — Heinrich V. Holzschuher, der Sohn des Friedrich H. (jüngster Bruder des Herdegen I.) scheidet wohl aus, da er 1321 gestorben sein soll. Sein Sohn Heinrich VI. (Gern. Pilgram von Eyb) lebte angeblich noch 1372, während sein Sohn Heinrich VII. schon 1363 gestorben sein soll. Urkunde vom 27. September 13 50 (Stadtarchiv, Or. UR und Manuskript des NUB). Ratslisten d. rst. Ämterbuchs von 173 5 (StadtA. Nbg. Bürgermeisteramt Nr. 11) und Kartei (ebenda). Vgl. Julie Meyer, Patriziat in Nbg. MittVGN 27. 1927, S. 40. Vgl. Chron. d. dt. St. I, S. 62 u. 71. Da Bastian (Runtingerbuch I, S. 163 Anm. ) die Pottensteiner mit den Tuchgroßhändlern Holzschuher vergleicht, hält er sie letzten Endes nur für „Kleinkaufleute“. Merkel und Jacob Pottensteiner besitzen am 6. 3. 13 55 und 1372 und 1375 Brotbänke bei der Sebalduskirche. Urkundenreihe und Manuskript des NUB im StadtA. Nbg.

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oberfränkischen Ort Pottenstein schließen. Ulrich der Pottensteiner ist, da er nicht in den Neubürgerbüchern 1302 ff.44) genannt wird, der Sohn eines Nürnberger Bürgers und tritt erstmalig kaufmännisch aktiv in der Gewürz­ handelsrechnung von 1350 auf. Er war offenbar vermögend, da er zusammen mit Heinrich Groß allein 600 Gulden, d. h. etwa Va der aufzubringenden Summe, leihen kann. Wenn er in den Rheinlanden Gewürzmengen im Werte von über 1000 Gulden verkauft, so kann er nicht Neuling in solchen Ge­ schäften gewesen sein, da nur ein eingearbeiteter Fachmann solch bedeutende Vorräte in kürzester Frist mit Gewinn absetzen konnte. Auf seine Bitte wird Kaiser Karl IV. 135 5 in Venedig vorstellig, als seinem Bruder Konrad Potten­ steiner dort ein Posten Seide beschlagnahmt wird45), dies ein Beweis für Handel mit Venedig und Beziehungen zum Kaiserhof. Um jene Zeit werden Ulrich einmal und Konrad zweimal mit nicht überlieferten Geschäften in den Frank­ furter Schöffenbüchern erwähnt46). Schließlich dürfte er mit jenem „Ulrich dem Botensteiner" identisch sein, für den zusammen mit Heinrich gleichen Familien­ namens Kaiser Karl IV. beim Rat zu Nürnberg Arrest beantragt, weil beide seinem Hofdiener Meingos, Stadtarzt zu Nürnberg, 500 Gulden schuldig ge­ blieben sind47). In den Handwerksmeisterlisten von 1363 und 1370 ff.48) werden sie nicht erwähnt, scheinen also diesem Berufsstand nicht angehört zu haben. In der 2. Hälfte des 14. Jh. werden die beiden Brüder in Nürnberg nicht mehr genannt. Die drittbedeutendste Rolle dieser Transaktion spielt ein Heinrich (I.) Geuder 49), weil er zusammen mit Ulrich Pottensteiner die erwähnten Gewürz­ posten im Rheinland verkauft hat. Er gehört zu einem seit 1349 ratsfähigen Geschlecht und dürfte als erster seines Geschlechts mit Unterbrechungen von 1349 bis 1365 im Rat gesessen sein, von 1365—1385 das dem Burggrafen ver­ pfändete Amt des Reichsschultheißen in Nürnberg inne gehabt haben und mit Anna Groß, der Tochter des Konrad Groß, Patriziers und früheren In­ habers des Schultheißenamts, verheiratet gewesen sein. Es ist nur bekannt, daß ein Albrecht Geuder 1355 und ein Träger dieses Familiennamens 1371 Handelsgeschäfte in Frankfurt a. M. betrieben haben 50) und daß die Geuder die dem Reich lehenbare Grundherrschaft Heroldsberg 1391 erworben haben51). 44) Kartei zu den Neubürgerbüchern im StadtA. Nbg.: 1330 H[einrich] Pottensteiner als Bürge und Bürger. Er wird 1348 wegen Mordversuchs aus der Stadt verbannt. W. Schultheiß, N.er Rechtsquellen J/II Nr. 712. **) Böhmer-Huber, Regesta Imperii VIII (Karl IV) Nr. 3498. 4Ö) Bastian, Runtingerbuch I, S. 163 ohne Zitierung der Jahre und Vorfälle. 47) Böhmer-Huber, Reg. Imp. VIII Nr. 3498. 48) Register (Kartei) zu beiden Listen im StaatsA. Nbg. 49) Biedermann, Geschlechtsregister d. Patriziats, 1748, Tafel 46; Julie Meyer, a.a. O. S. 40; Ämterbuch d. Rst. Nbg. 173 5 und Kartei der Ratslisten (StadtA. Nbg.); Geneal. Papiere Geuder und Groß (StadtA. Nbg.). Heinrich Geuder wird nach einem verlornen Bürgerbuch 1360 als Losunger bzw. Losungseinnehmer der Sebalder Stadthälfte am 20. September 1360 bestellt. Vgl. Murr, Journal z. Kunstgeschichte 2, 1776, S. 3 5. Außerdem ist er mit Conrad Heiden am 8. Juni 13 57 als Unterhändler der Stadt im Vergleich mit Christian Fürer ge­ nannt (N.’er Urk.-Buch). 50) Bastian, Runtingerbuch I, S. 142, A. 265. 51) Manuskript d. NUB (StadtA. Nbg.); H. Dannenbauer, Entsfehg. d. Territoriums d. Rst. Nürnberg, 1928, S. 122—123.

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Da offenbar die vorhandenen Gewürzmengen des Heinrich Holzschuher nicht ausreichten, um eine Summe von 2000 fl. aufzubringen, so kaufte am 10. Februar 13 50, also eine Woche später, als die Abrechnung begonnen worden war, nach dem nicht ganz klar formulierten § 12 Ulrich Pottensteiner von Chunrat dem Tucker 239 1U Pfund Pfeffer im Werte von 119 Gulden weniger 83 Haller. Da Mainzer Währung genannt wird, ist es möglich, daß dieser Kauf, dessen Preis er schuldig blieb, in Mainz getätigt worden ist. Wenn er dieses frei verfügbare Kapital der Stadt Nürnberg zu leihen ver­ mochte, so muß er ein gewisses Vermögen besessen haben. Da Tücher zu­ sammen mit den übrigen Patriziern der Stadt Nürnberg einen Dienst leistet, darf seine Zugehörigkeit zu dem gleichnamigen ratsfähigen Geschlecht ver­ mutet werden, wenn er auch bisher nicht als historische Persönlichkeit erfaß­ bar war. Er kommt nämlich nicht in den gleichzeitigen Ratslisten und in der allerdings unvollständigen Genealogie der Tücher bei Biedermann (1748) 52) vor, könnte aber trotzdem der Bruder Bertolds I. (f 1379), sein, der sich da­ mals hochgearbeitet hatte und deshalb als erster seines Geschlechts 1351 in den Rat ging. Vielleicht ist er ein bisher unbekannter Sohn des Stammherrn Konrad Tücher gewesen. Ob er identisch ist mit jenen Chunrat und Bertold Tücher von Gostenhof, denen 1332 wegen Ketzerei die Stadt verboten wird 53), ist nicht mit Sicherheit zu behaupten. Doch findet sich ein Konrad Tücher mit Fleisch und Viehlieferungen 13 52 und 1356 in Frankfurt a. M.54) erwähnt und 1370 in den Pfragnerlisten Nürnbergs mit Knechten als Stellvertretern55). Bastian rechnet ihn nicht zum patrizischen Geschlecht, doch ist zu bedenken, daß diese bis dahin noch wenig bekannte Familie erst 1351 in den Rat eintritt. Am gleichen 10. Februar kauft U. Pottensteiner aus dem gleichen Grund wahrscheinlich zu Mainz von dem Regensburger Bürger Ernoltsvelder 8 56 Pfund Pfeffer. Letzterer erhält nur eine Abschlagszahlung von 14 Gulden, die wahrscheinlich die Kosten seiner Reise decken, und für die Restsumme einen Schuldbrief der Stadt (litera civitatis) von 410 Gulden. Diese Persönlichkeit ist auch in Regensburg nicht weiter bekannt56). In der Gewürzhandelsabrechnung werden außerdem einige Nürnberger Bürger genannt, die als Geldgeber an diesem Finanzierungsgeschäft beteiligt sind. Diese Namen lassen den Kreis erschließen, der sich neben Warenhandel auch mit Geldgeschäften befaßt hat. Die meisten dieser Männer gehören zu den ratsfähigen oder den ihnen sozial gleichgestellten „ehrbaren Geschlech­ tern“, die miteinander versippt waren. Im 1. Teil der Abrechnung werden u. a. 52) Rst. Ämterbuch v. 1735 (Anm. 39) und Biedermann a.a. O. Taf. 493; nicht in den Neu­ bürgerlisten 1302 (Kartei StadtA.). Bemerkenswert ist, daß Berthold Tücher auch als Zeuge in Urkunden des Reichsschultheißen Konrad Groß z. B. 1351 (Urkundenreihe des StadtA. Nbg.) vorkommt. 5S) N.er Rechtsquellen I/II Nr. 591 u. 592. 54) Bastian, Runtingerbuch I, S. 147. 55) Ebenda. BStANbg. AStB Nr. 303, Bl. 24’ und 82’. In diesen beiden Gewerbestatistiken von 1363 u. 1370 kommen allerdings auch nichtpatrizische Träger des Namens Tücher vor. 58) Bastian, Runtingerbuch I, S. 162, Anm. 351, kennt nur einen jüngeren (Heinrich) als Vieh­ händler und einen älteren (Otto) aus Urkunden 1328—56; Regensburger Urkundenbuch I/II (Monumenta Boica); Regesta Boica (Register).

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die Personen aufgezählt, die dem Heinrich Holzschuher Geldbeträge z. TL im Aufträge der Stadt geben. Diese Reihe eröffnet ein Albrecht Ebner, über den der fehlerhafte und nicht zu Ende geführte § 4 und der richtig formulierte § 5 berichten. Diese Persön­ lichkeit hatte bei der Stadt eine Leibrente gekauft, von deren Kaufpreis 150 fl er für die Gemeinde dem Holzschuher gezahlt hat. Der Geldgeber stammt aus einem der ältesten Patriziergeschlechter der ,Stadt. Da aber zu jener Zeit mehrere Träger dieses Vornamens existieren, ist nicht genau zu entscheiden, um welche Persönlichkeit es sich handelt. Wahrscheinlich ist es jener Albrecht I. Ebner, der Sohn eines Eberhard Ebner, der schon vor 1348 im Rat sitzt, sogar im Rat der „Aufrührer" von 1348/9 vertreten und trotzdem 1350—2 u. 1354 Ratsherr geblieben ist57). § 6 besagt: Wir haben dem „Ortlib auf der Füll" 40 Gulden für Heinrich Holzschuher gegeben. Es ist höchstwahrscheinlich jener Fritz Ortlieb auf der Fülle (= heute „Füll" oder Kaiserstraße) gewesen, der mit kurzen Unter­ brechungen von 1357 bis 1366 im Rat saß und 1351 als „Ortlyb de Nürnberg" in Frankfurt a. M. vier Tuche mit einem Pferd ausgleicht. Schon 1317 tauchen Träger dieses Namens in Nürnberg auf; noch im 15. Jh. sitzt diese Familie im Rat58). Nach einer Urkunde vom 27. September 13 50 40) war dieser Ortlieb auf der Füll versippt mit dem Ratsherrn und Ratsbaumeister Philipp Groß, dem Bruder des bekannten Reichsschultheißen und Spitalstifters Konrad Groß (f 1356). Konrad d. J. Groß, der Sohn jenes Philipp Groß, gibt nun dem Heinrich Holzschuher 200 Gulden, die er den „Bürgern", d. h. der Stadt, wegen des Kaufs einer Leibrente schuldig war. Konrad d. J. sitzt nicht im Rat. Das ganze Geschlecht Groß entfaltet, wie noch wenig bekannt ist, eine sehr intensive wirtschaftliche Tätigkeit: Der Reichsschultheiß Konrad I. hat schon in den 30er und 40er Jahren vor allem als Hofbankier Ludwigs des Bayern durch Darlehen und Reichspfandschaften einen außergewöhnlichen Reichtum er­ worben 5Ö); Herman Reichenheinz (= Groß) ist 1356 in Frankfurt als Gläu­ biger eines Kölners erwähnt; die Brüder Prant und Philipp II. Groß, Söhne Philipps I., treiben 1360 und 1383 Handel mit Venedig60). 57) Biedermann, a.a. O. Taf. 25; Jul. Meyer a.a. O. S. 40 (2 Tafeln); Ratslisten (Cod. man. 82—2°, Rst. Ämterbudi und Kartei) im Stadtarchiv; nach den Neubürgerbüchern war Albrecht I. Ebner Bürge für Neubürger 1315—52 und 1358 (Stadtarchiv, Kartei). 58) Die Ortlieb erwähnt schon Ulman Stromer (Chron. d. dt. St. I, S. 91) sowie die Ratslisten bei Julie Meyer a.a. O. S. 40 und Kartei des Stadtarchivs nach Ämterbuch und Neubürger­ büchern; Bastian, Runtingerbuch I, S. 140 nach den Frankfurter Schöffenbüchern. 59) W. Schultheiß, Konrad Groß in N.er Gestalten aus neun Jahrhunderten, 1950, S. 16 ff. und künftig in der „Neuen Deutschen Biographie“; E. Mummenhoff in Allgem. Dt. Bio­ graphie, Bd. 13, S. 744 ff.; Gemperlein, K. Groß, in Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. St. Nürnberg 39, 1944, S. 84 ff.; Genealog. Papiere Groß und Ratslisten bei Stadtarchiv Nbg. sowie Julie Meyer a.a. O. S. 40; A. Würfel (Genealogie Groß) in Nachrichten zur N.er Stadt und Adelsgeschichte 1, 1766, S. 308 ff. 60) H. Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi I, Nr. 183 und 247, sowie II, S. 75. Runtingerbuch I, S. 161.

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Heintz Mennlin (= Mendel) hat nach § 11 wegen seines bei der Stadt erworbenen Leibgedings dem Heinrich Holzschuher für die Gemeinde 190 Pfund Haller gegeben. Er war mit Margaretha, der Tochter des Spitalstifters Konrad Groß verheiratet, kam als erster des seit 1305 in Nürnberg belegten Ge­ schlechts 1354 in den Rat, in dem er bis 1367 verblieb, und verstarb 1368. Er besaß schon 13 55 Güter in Henfenfeld bei Nürnberg. Ulman Stromer nennt ihn „Heynreich Mendel an der Egidiengasse“ 61). Dieser läßt sich 13 50 erst­ malig als aktiver Kaufmann nachweisen. Mitglieder dieses Geschlechts treten seit der Mitte des 14. Jh. im Venedig- und Italienhandel auf 62). Auf Grund des erworbenen Reichtums vermögen die Söhne Markward 1381 das hiesige Kartäuserkloster und Konrad kurz danach das Zwölfbrüderhaus für verarmte Handwerker zu gründen 83). Im 2. Teil der Abrechnung treten als weitere Geldgeber „der Hayd“ und „der Ehinger“ auf, deren Vornamen und Persönlichkeiten durch den damaligen Schreiber als bekannt vorausgesetzt werden. Ersterer ist wahrscheinlich Conrad Haid oder Heid, der 1305 als Bürger erwähnt wird, als erster seines Ge­ schlechts 13 57/8 in den Rat kommt und vermutlich schon 13 58 stirbt. Er ist 1343 schon Gläubiger einer Frankfurter Transportfirma, kauft 1350 3 Güter in der Opferpfalz, nimmt den Wittelsbacher Ludwig von Brandenburg in seinem Nürnberger Hause auf und erhält 1350 2 Judenhofstätten am Haupt­ markt84). Nach einer Urkunde vom 20. Oktober 1363 ist Friedrich Groß der Schwiegersohn eines Otto Hayd. Die Gewürzhandelsrechnung meint vermutlich Conrat Ehinger, den Ulman Stromer „Cunrat Eyehinger“ nennt. Dieser tritt am 3. Februar 1347 als Bürger und Bürge auf, sitzt 1360 und 1362 als erster seiner Familie im Rat und stirbt in den nächsten Jahren. Wenn die Gesellschafter Conrad und Albrecht Ehinger 1373 in Frankfurt auf der Messe Barchent handeln, so darf auch für den Ehinger des Jahres 13 50 die Eigenschaft als Kaufmann vermutet werden. Da die Mitglieder dieses Geschlechts in der Folgezeit offenbar nicht mehr die Qualitäten eines Großhändlers aufrechterhalten konnten, wurde nie­ mand aus dieser Familie mehr in den Rat gewählt85). Peter Stromeyer, ein Angehöriger eines alten patrizischen und heute noch blühenden Geschlechts, leiht 97 Gulden. Er ist der Halbbruder des Ulman Stromer (f 1407), der als Chronist und Gründer der 1. dt. Papiermühle bekannt geworden ist. Peter sitzt 1351 und 135 5 im Rat, ist der Schwiegersohn des 61) Ratslisten (Ämterbuch und Kartei) sowie Kartei zu den Neubürgerbüchern im Stadtarchiv Nbg.; Julie Meyer a.a. O.; Joh. Ferd. Roth, Gesch. d. Karthause Nürnberg 1790, S. 5 und 168; U. Stromer in „Püchel zu meim gesiecht“, Chron. d. dt. Städte I, S. 92. 62) H. Simonsfeld, Fondaco dei Tedeschi, bes. II, 1887, S. 74/75. ®3) Roth, Karthause a.a. O. und Reicke, Geschichte d. Rst. Nbg., 1896, S. 286—289. 64) Vgl. Kartei der Neubürgerbücher 1302 ff. im Stadtarchiv Nbg.; Ämterlisten (ebenda); Juli Meyer a.a. O.; Manuskript des NUB (ebenda); Chron. d. dt. Städte I, S. 93; Bastian, Runtingerbuch I, S. 142 A. 263; Würfel a.a. O. I S. 325; vgl. Anm. 49 Schluß! 65) Kartei zu den Neubürgerbüchern 1302 ff. und Ämterlisten „Bürgermeisterlisten“ im Stadtarchiv Nbg.; Hegel, Chron. d. dt. Städte I, S. 95 und 221; Bastian, Runtingerbuch I, S. 166, Anm. 370. Höchstwahrscheinlich ist er mit dem von Ulman Stromer erwähnten „Cunrat Eychinger“ identisch (Chron. d. dt. Städte I, S. 95).

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Forstmeisters im Lorenzer Wald und ist in der Forstwissenschaft berühmt ge­ worden, weil er als erster Förster gilt, von dem ein planmäßiges Ansäen von Wald bezeugt ist. Sein Bruder Konrad betätigt sich offenbar wie sein Vater im Handel und wird 1346 am Malojapaß (?) ermordet und in Como/Italien be­ graben 66). Der Betrag von 97 Gulden ist nicht hoch, könnte also die derzeitige Kapitalsrücklage jenes Patriziers darstellen. Heinrich Croß und Ulrich Pottensteiner geben ein nicht unbeträchtliches Darlehen von 600 Gulden, können daher unter Umständen als Gesellschafter einer unbekannten Firma angesprochen werden. Heinrich Groß gehört dem schon genannten ratsfähigen Geschlecht an, war höchstwahrscheinlich der älteste Bruder Philipps I. und Konrads I., stand offenbar zeitlebens im Schatten dieser bedeutenden Persönlichkeiten, saß nur 1344 im Rat und starb vermut­ lich 1356. Er könnte aber auch ein Sohn des Reichsschultheißen Konrad sein, der (von 13 56—62) selbst Reichsschultheiß gewesen ist und 1360 zweimal zu­ sammen mit seinen Brüdern und Nürnberger Bürgern Karl IV. Darlehen gibt87). Der ebenfalls ohne Vornamen erwähnte und als bekannt vorausgesetzte „Eisenhuter“ gibt ein Darlehen von 66 Gulden. Er gehört zu den gehobenen Schichten der nichtpatrizischen Bürger. Träger dieses Namens treten in den Neubürgerbüchern schon seit 1305 als Bürgen auf und dürfen daher als Bürger aufgefaßt werden. Ihr Name läßt darauf schließen, daß ihre Vorfahren aus dem Metallhandwerk stammten und Eisenhüte verfertigten. Es dürfte sich wohl um Hans Eisenhut handeln, der 13 30 als Bürger erwähnt wurde und 1349 Kontrahent eines Frankfurter Gürtlers war, 1351 in der Mainstadt mit einem Aachener einen Rechtsstreit hatte und als Blechschmied seit 1370 „Genannter der Handwerke“ im inneren Rat war. In den Handwerksmeisterlisten von 1363 und 1370 werden unter den Flaschenschmieden „Hans Eisenhuter der Kurze“ und unter den Haubenschmieden „Hans Eisenhuter der Lange“ erwähnt68). Ein Christoph Eisenhuter stirbt 1416 zu Venedig. Die Ratsverordnung, die kurz nach 1336 69) wegen des durch Konrad Groß gekauften Hammerwerks „Gleiß­ hammer“ erlassen wird, erwähnt Conrad und Heinrich Eisenhuter als Ange­ stellte jenes Spitalstifters, der auch als erster nachweisbarer „Metallindustriel­ ler“ Nürnbergs angesprochen werden kann. Die Eisenhuter gehören also zu den Metallhandwerkern, die auf den Frankfurter Messen zugleich eigene und 66) Biedermann, Geschlechtsregister, Tafel 463; Ernst Frhr. Stromer von Reichenbach, Unsere Ahnen in der Rst. Nbg., 1951, S. 11 ff.; Vock, Ulman Stromeir, Mitt. VGN 29, 1928, S. 126, 128, 139—141. Neubürgerbücher und Ratslisten (Kartei StadtA. Nbg.) Julie Meyer a.a. O.; Hegel, Chron. d. dt. Städte I, S. 63 und 65; H. Simonsfeld, Fondaco a.a. O. II, S. 77 (14251); Bastian, Runtingerbuch I, S. 155, Anm. 317 und S. 163, Anm. 356; Peter Stromer kauft die geringwertigen Gulden des Kaisers auf (Frankfurter Stadtrechnung 1360/1). 67) Vgl. die in Anm. 59 zitierte Literatur; Chron. d. dt. St. I, S. 89; vgl. Wölckern, Hist. Nov. Dipl. 1738 II Nr. 172 u. 173 (1360 VII 29 u. IX 1: 700 fl. u. 60 Schock Prager Groß­ pfennige). 6b) Vgl. Kartei des StadtA. Nbg. zu den Neubürgerlisten und Ratslisten; Bastian, Runtinger­ buch I, S. 142/3; Handwerksmeisterlisten BSTA Nbg. AStB Nr. 302 Bl. 7’ und 303 Bl. 2. Simonsfeld, Fondaco II, S. 76. 69) J. Baader, Nürnberger Polizeiverordnungen d. 13.-15. Jh. Stuttgart 1861, S. 169—170 nach Satzungsbuch III/C (Or. BStA Nbg. AStB Nr. 227) Bl. 100, linke Spalte.

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fremde Gewerbeprodukte vertreiben, damit in den Stand der Kaufleute auf­ steigen und deshalb als Vertreter der Handwerker in den Rat berufen werden. Bei der Überprüfung der Beteiligten ergibt sich, daß 5 der genannten Per­ sonen den alten patrizischen Geschlechtern, 6 den ehrbaren und gerade zu dieser Zeit aufgestiegenen und ratsfähig gewordenen Familien, 2 den „bürger­ lichen" und eine Person auswärtigen Familien angehören. Hervorhebenswert erscheint, daß diejenigen Geschlechter etwas stärker vertreten sind, die sich gerade um die Mitte des 14. Jh. hochgearbeitet und mit den alten Geschlechtern verschwägert haben. Daß diese neue Schicht der Ehrbaren, die sich nach dieser Quelle offenbar um Konrad Groß schart und mit ihm versippt ist, damals erstmalig im Rat auftritt, ist m. E. eine Frucht der „Revolution" von 1348/9, vor der nur die alten Geschlechter ausschließlich die Leitung der Stadt inne­ hatten. Das Auftreten einer relativ starken Schicht schnell reich gewordener Großkaufleute läßt auf eine Hochkonjunktur schließen, an der damals Nürn­ berg m. E. besonderen Anteil nahm, weil es im Gegensatz zu fast ganz Deutsch­ land von der Pestepidemie der Jahre 1348/9 verschont geblieben war70). Die buckhaltungstecknische und rechnerische Nachprüfung der Gewürz­ handelsredinung Die Nürnberger Gewürzhandelsrechnung von 1350 vermag ähnlich wie das Holzschuherbuch von 1304—7 auf die viel umstrittene Frage71) Antwort zu geben, ob die mittelalterlichen Kaufleute eine regelrechte und gute Buch­ führung 72) sowie ein fehlerfreies Rechnen 73) verstanden haben. Aus diesem 70) Schon Reicke, Geschichte d. Rst. Nbg. 1896, S. 227, sagt, daß „weder durch Urkunden noch durch geschichtliche Zeugnisse noch durch irgend welche sagenhafte Reminiszenzen das Auftreten jenes schrecklichen großen Sterbens in Nürnberg nachgewiesen werden kann". Im gleichen Sinne E. Werunsky, Geschichte Karls IV., II/l, 1880, S. 307. Auf diese Tatsache, die den schnellen Aufstieg Nürnbergs im 14. Jh. und das Überflügeln älterer Städte erklärt, ist m. W. noch nicht in der neueren Literatur zur Geschichte N.s hinge­ wiesen worden. Die N.er Ratslisten 1347—52 zeigen eine auffällige Kontinuität der Na­ men, die gegen ein Auftreten der Pest in Nürnberg spricht. Vgl. über den im übrigen Deutschland eine epochemachende Wirtschaftsdepression herbeiführenden „Schwarzen Tod" von 1347—49 Friedrich Lütge in „Das 14. u. 15. Jh. in d. Sozial- und Wirtschafts­ geschichte" (Jahrbücher f. Nationalökonomie und Statistik 62, 1950, S. 166 ff.) und Ernst Kelter, „D. dt. Wirtschaftsleben im 14. u. 15. Jh." (Jbb. f. NÖ u. St. 65, 1953, S. 161 ff.). 71) Werner Sombart, Der moderne Kapitalismus, 3. Aufl. 1919, I S. 295 u. 298 und von ihm unabhängig W. Stieda, Quellen zur Handelsstatistik im Mittelalter, Abhdl. d. Berliner Akademie d. Wiss. 1903, S. 18 ff.; dagegen F. Rörig über das Lübecker Warendorp­ büchlein in „Hans. Beiträgen z. dt. Wirtschaftsgeschichte, 1928, S. 217 ff. u. 234 f. und vor allem F. Bastian, Runtingerbuch I, S. 203 ff.; H. Pirenne, Soz. u. Wirtschaftsgesch. Europas im MA. (Bern ca. 1955), S. 122—3, äußert, daß „die Buchführung bei den Kauf­ leuten im 13. Jh. . . . doch allgemein üblich war". 72) Vgl. wegen der mal. Buchführung B. Penndorf, Gesch. d. Buchhaltung in Deutschland, Leipzig 1918, S. 36 ff. (ohne Stellungsnahme zum Problem d. Anm. 71); F. Bastian, Runtingerbuch I, 201 ff. passim anläßlich der Würdigung der verschiedenen deutschen Handelsbücher. 7S) Vgl. zur mal. Rechenkunst Peter Treutlein, Das Rechnen im 16. Jahrhundert (Abhandl. z. Gesch. d. Mathematik, 1, 1877, Leipzig 1877, S. 1—100; B. Penndorf, Methodik des kaufmännischen Rechnens, Leipzig u. Berlin 1910, S. 1—10. Vgl. auch Kurt Vogel, Adam Riese der deutsche Rechenmeister, München 1959, S. 7 ff. mit Rechenbeispielen und Ab­ bildungen (Rechentisch!).

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Grunde ist die Nachprüfung notwendig, wie die einzelnen Geschäftsvorgänge verbucht worden sind und ob die Einzelrechnungen mit ihren Summierungen und Multiplikationen bzw. Dividierungen wirklich stimmen. Es erscheint reizvoll zu kontrollieren, ob Ulrich Pottensteiner, Heinrich Geuder und die Ver­ treter der Stadt (Losunger und Stadtschreiber), die diese Rechnung abge­ nommen haben, sich mit dem Einmaleins ausgekannt haben. Zunächst befremdet die Tatsache, daß die Abrechnung in zwei Teile aufge­ spalten ist. Daß diese 2 Teile die Lagen I (Bl. 1—4) und VIII (Bl. 103 —105’) einnehmen, ist schwer zu erklären und vielleicht auf das Versehen des Buch­ binders zurückzuführen. Weiterhin fällt auf, daß nur Teil I mit großen Schräg­ strichen durchkreuzt ist. Dies bedeutet, daß die Abrechnung als erledigt zu gelten hat. Auch der 2. Teil könnte durchstrichen sein, da er ungefähr eine Abgleichung von Einnahmen und Ausgaben sowie der Feststellung der Aus­ lagen von Pottensteiner und Geuder enthält. Wenn wir den Teil I auf seine Zusammensetzung überprüfen, so können wir 3 Abschnitte unterscheiden: 1. §§ 1—2 verzeichnen den Verkauf der durch Holzschuher geliehenen Gewürzmengen durch U. Pottensteiner; 2. §§ 3—11 schildern die Rückzahlungen der Stadt an Holzschuher in bar oder durch Über­ weisungen Dritter aus Leibgedingskäufen bei der .Stadt; 3. §§ 12—14 ent­ halten „ Pfefferdarlehen “ des Conrad Tücher und des Regensburgers Ernoltsvelder. Der 2. Teil mit der gleichzeitigen Abrechnung des U. Pottensteiner und des H. Geuder läßt sich ebenfalls in 3 Abschnitte zusammenfassen: 1. Einnahmen a) §§ 15—21a aus dem Verkauf der durch Holzschuher und Tücher zur Verfügung gestellten Gewürzmengen, b) §§ 22—28a aus Lütticher und Nürnberger Geld­ darlehen; 2. Ausgabeverbuchung der eingenommenen 2216 Goldgulden (§§ 29 bis 32); 3. Auslagen bzw. Restschuld der 2 „Kommissionäre“. Die buchtechnische Anordnung ist also verhältnismäßig übersichtlich: am Ende verschiedener Abschnitte stehen sogar Zwischensummierungen, so z. B. in § 3a, 21a und 28a. Ehe wir die Abrechnung im Ganzen würdigen, prüfen wir zunächst das Ingwergeschäft nach. Diese ölhaltige Droge wurde u. a. als magenstärkendes Arzneimittel und zum Würzen von Bier und Wein im Mittelalter gern ver­ wendet. Nach § 2 hat Ulrich Pottensteiner den Ingwer des Heinrich Holz­ schuher, nämlich 550 Pfund weniger 4 Lot, das Pfund und 8 V2 kurzer Schil­ ling Haller um 224 Gulden 7 Schilling 4 Heller verkauft. Die Rechnung stimmt, da 5 50 Pfund zu 102 Haller 224 Gulden 8 Schilling 6 Haller ausmachen, von denen 4 Lot oder Vs Pfund von 102 Haller = 12 3U, abgerundet 13 Haller, ab­ zuziehen sind, so daß tatsächlich die Summe von 224 fl 7 ß 4 hl bleibt. Im 2. Teil wird in § 16, 19 und 20 davon berichtet, daß U. Pottensteiner und H. Geuder des Holzschuhers Ingwer in 3 Posten (111 Pfd. 12 Lot + 150 Pfd. + 288 Pfd. 16 Lot) zu verschiedenen Preisen in Mainz und Köln verkauft haben. Nach dem Wortlaut müssen es zwei gleich große Warenmengen ge­ wesen sein, die verkauft worden sind. Es fällt auf, daß im Fall § 2 ein relativ hoher Preis mit 8 V2 Schilling oder 102 Haller berechnet worden ist, während 27

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in § 16 nur 7 ß 8 hl oder 92 Haller, nach § 19 7 ß 9 hl oder 93 Haller und nach § 20 sogar nur 7 ß 6 hl oder 90 Haller erzielt worden sind. Es ist wahrscheinlich, daß der Zwang zum Verkauf die Käufer zum Drücken des Preises veranlaßt hat.

Pfeffer war das wichtigste Gewürz des Mittelalters, das im Mittelalter ge­ wöhnlich den Bratentunken und Suppen beigefügt wurde, um durch die Schärfe die Verdauung der umfangreichen Fleischmahlzeiten zu erleichtern oder sonst als herzanregende Arznei zu wirken. Diese aus „Indien“ bezogene Droge diente schon im Spätmittelalter als wertbeständige Kapitalsanlage und als Spekulationsgegenstand. Am Beispiel des Konrad Tücher (§ 12 u. 17) können wir den Verlauf eines Gewürzhandelsgeschäfts genauer verfolgen. Am 10. Februar kauft PöttenSteiner offenbar zu Mainz, weil die dortige Währung angegeben wird, 239 V2 Pfund Pfeffer um 10 ß 4 hl oder 124 Haller je Pfund, um noch weitere Gelder auftreiben zu können. Dieser Pfeffer wird auf Borg erworben: Die Schuld be­ trägt 119 Gulden weniger 83 Haller oder 29 667 Haller. Nach Teil II § 17 ver­ kaufen nun Pottensteiner und Geuder die gleiche Pfeffermenge offenbar zu Mainz zu 9 ß 3 hl oder 111 Haller um 110 Pfd. 13 ß oder 26 5 56 Haller. Da die Verkäufer an einem Pfund Pfeffer 13 Haller verlieren, büßen sie ins­ gesamt 3 111 Haller oder 17 lb 31 hl ein. Es ist zu vermuten, daß der Kauf­ preis des Pfeffers für C. Tücher höher angesetzt worden ist, da der Verkäufer den Kaufpreis auf eine nicht genannte Zeit stundete und da der Unterschied zwischen Marktwert und Verkaufspreis als Ersatz für die im Mittelalter ver­ botenen Zinsen bei Darlehen unter Christen angesehen wurde. In ähnlicher Weise wird im 1. Teil (§ 13—14) am 10. Februar von dem Regensburger Ernoltsvelder eine größere Pfeffermenge von 8 56 Pfund, das Pfund ebenfalls zu 124 Haller, erworben. Auch in diesem Falle wird der Kauf auf Borg abgeschlossen, um neue Geldmittel zu erhalten. Der Verkäufer erhält nur eine Anzahlung von 14 Gulden und 12 Schilling, die vielleicht die Reise­ kosten des Ernoltsvelder nach Mainz und zurück nach Regensburg decken sollen. Für seine Restforderung erhält er einen Schuldbrief der Stadt Nürnberg über 410 Gulden. Auch diese Rechnung stimmt rechnerisch. Ein Verkauf dieser Pfeffermenge wird nicht verrechnet und ist wahrscheinlich erst nach dieser Ab­ rechnung erfolgt. Betrachten wir nun die Verkäufe des Holzschuherischen Pfeffers f § 1 (Teil I), der durchstrichen ist, berichtet davon, daß U. Pottensteiner in Mainz und Köln 1368 V2 Pfund dieses Gewürzes um 679 fl weniger 56 hl oder 678 fl 164 hl verkauft hat. Diese Berechnung stimmt. Es wird nicht erzählt, an wen diese beträchtliche Menge abgesetzt worden ist, sondern nur summarisch das Schlußergebnis mitgeteilt. Der Verkauf zu dem Preis von 10 ß 4 hl oder 124 Haller je Pfund ist eine großartige Leistung dieses „Handelsdieners“ gewesen. Nach dem nicht ausgestrichenen § 15 des Teils II verkaufen gemäß der gleichzeitigen Abrechnung U. Pottensteiner und H. Geuder weitere 5013U Pfd. Holzschuherischen Pfeffers zu Mainz. Daß die Verkaufssumme irrig an­ gegeben wird, wird unten nachgewiesen werden. 28

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Nach § 18 (Teil II) haben die beiden Nürnberger eine weitere Partie Holzschuherischen Pfeffers, nämlich 406 Pfd. zu je 9 (Schilling oder 108 Haller ver­ kauft. Der erzielte Erlös wird in Kölner Währung mit 304 Mark (Silber) 18 Pfennig (dn) angegeben, wobei die Mark mit 144 Pfennigen ( = Hallern) gleichgesetzt wird. Die Nachrechnung ergibt, daß 406 Pfund zu 108 Hallern einen Verkaufspreis von 43 848 dn: 144 = 304 Mark 72 dn ausmachen. Es sind also nur 54 dn Abschlag gegeben worden, das einem Trinkgeld für einen Diener des Kontrahenten gleichkommen könnte. Hervorhebenswert erscheint, daß der Pfeffer in Köln gegenüber dem in Mainz erzielten Preis noch einmal um 4 Pfennig oder Haller für 1 Pfund zurückgesetzt werden mußte, und daß trotz der vermehrten Reisespesen ein weiterer Verlust eingetreten ist. Im ganzen scheinen also an Holzschuherischem Pfeffer verkauft worden zu sein: 1368 V2 (§ l) + 501 3A (§ 15) + 406 (§ 18) zusammen 2276 *A Pfd. Dazu kommen noch die verkauften 239 V4 Pfd. des Konrad Tücher (§§ 13—14), woraus sich ein Gesamtverkauf von 2515 V2 Pfund oder 25 Zentner 15 V2 Pfd. Pfeffer ergibt. Wenn man noch den auf Borg gekauften und nach der Ab­ rechnung offenbar noch nicht abgestoßenen Pfeffer des Regensburger Ernoltsvelder mit 8 56 Pfd. hinzunimmt, so ergibt sich ein Gesamtumsatz an Pfeffer von 3 3 Zentnern 71 V2 Pfund — eine ganz beträchtliche Menge! Ebenso ansehnlich ist die verkaufte Menge des Holzschuherischen Ingwer: nach § 2 sind es 549 Pfd. 28 Lot, nach § 16 111 Pfd. 12 Lot, nach § 19 150 Pfd., nach § 20 288 Pfd. 16 Lot, zusammen also 11093A Pfund oder 11 Zentner 9 3A Pfd. Bevor wir die rechnerische Ausführung aller genannten Vorgänge kon­ trollieren, müssen wir zum besseren Verständnis die verwendeten Münzsorten und Währungseinheiten schildern. Hauptmünze Süddeutschlands im 14. Jh. ist der „Haller“ (Pfennig)74). Um 1350 enthält der „Haller“, der erst nach 1356 einzelnen Münzstätten zugewiesen werden kann, durchschnittlich Vs Feinsilber bei etwa 0,6 gr. Gewicht 75). 240 Stücke machen ein „Pfund (lb = libra)“, 12 Stücke den im Fränkischen gebräuchlichen „kurzen“ Schilling (ß b[revis]) aus, der im Gegensatz zum baierischen „langen“ Schilling mit 30 Stücken steht. Daneben tritt in unserer Quelle ein nicht weiter benannter „kleiner (Gold-)Gulden“ auf, der als rheinischer Goldgulden angesprochen werden darf und dessen Wert mit 250 Hallern in § 12 angegeben ist. Daneben tauchen in § 3, 14, 21/2 und 32 als „schilt“ bezeichnete (Gold-)Münzen auf, die als flandrische Nachprägungen von französischen Gulden mit dem Lilienwappen angesprochen werden dürfen 74). Nach § 21a gelten 275 Schildgulden gleich „kleinen“ gewöhnlichen Gulden. ,So ergibt sich eine Relation von 1 Schg. = 310 Haller = 1 lb 5 ß 10 h = 1,24 Gulden. Nach einer Anmerkung des X zu § 22 sollen aber 200 Schg. — 250 fl wert sein. Demnach sind also offenbar abge­ rundet 1 Schg.— 1 V4 kleine Gulden. Nach § 18—20 rechnet man in Köln nach Mark (Silber), die 144 Pfennig wert sind, wie aus der Nachrechnung von

74) Vgl. dazu Bastian, Runtingerbuch I, S. 643 ff. 75> Frdl. Auskunft der Bayer. Münzsammlung München (Dr. Steinhilber).

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§18 und 19 hervorgeht. In Mainz wird mit „paymunt“ (pagamentum) das gängige Zahlungsmittel (Haller) bezeichnet75). Die rechnerische Kontrolle der mitgeteilten Geschäftsvorgänge ergibt fol­ gendes Bild: Zu wiederholen ist, daß die Verkaufserlöse von §§ 1—2 richtig gerechnet sind. Doch stimmen nicht die Summierungen von §§ 1—3: 678 fl 194 hl + 224 fl 88 hl + 90 fl + 17 fl 90 hl (statt 14 Schildgulden) sind zusammengezählt nur 1010 fl 122 hl. Wenn in § 3a als Gesamtsumme 1020 fl angegeben sind, so läßt sich dies entweder nur durch eine höhere Wertberechnung des Schild­ guldens oder eine Aufrundung erklären. Die Berechnungen von §§ 12—14 sind in Ordnung. Der Mainzer Verkauf des Holzschuherischen Pfeffers ergibt: (501 + s/i) X 112 = 56 112 + 84 = 56 196 hl : 240 = 234 Pfd. 36 hl oder 3 ß. No­ tiert sind aber 224 lb 3 ß 7 hl. Diese Zahl beruht auf einem Abschreibfehler des Rechnungsschreibers. Der Rechnung sind tatsächlich 234 lb 3 ß zugrunde­ gelegt, da die Summierung von § 15 mit diesem Betrag die Summe von § 17a ergibt. Der Verkauf des Holzschuherischen Ingwers zu Mainz (§ 16) zeitigte als Erlös 111 12/s2 Pfd. zu 92 hl, das sind 10 212 + 34 V2 hl oder 10 246 V2 : 240 = 42 lb 166 V2 hl oder 13 ß 10 V2 hl. Diese Rechnung stimmt also nicht um etwa 1 V2 hl. Die Bruchrechnung scheint also summarisch auf 42 lb 14 ß aufgerundet worden zu sein. Die Rechnung von § 17 ist einwandfrei. Wenn nun für § 15 234 lb 3 ß 7 hl zu 42 lb 14 ß (§ 16) und 110 lb 13 ß (§ 17) gezählt werden, so ergibt sich der in § 17a genannte Betrag von 387 lb 10 ß 7 hl, die tatsächlich 372 Gulden darstellen, wobei in der Schlußsumme die 7 Haller weggelassen sind. Bei § 18 ist, wie schon bemerkt, ein Abschlag von 54 dn abgerechnet worden. Die Multiplikation von § 19 ist nicht zu beanstanden. Bei § 20 ergibt sich ein rechnerischer Verkaufserlös 288 V2 Pfd. X 90 hl = 180 Mark 45 dn. Wenn nur 179 Mark 7 ß 10 dn angegeben werden, so ist wohl ein stiller Abschlag von 71 dn gegeben worden. Während die Abrechnung II in § 17a eine Zusammenziehung der §§ 15—17 zunächst in Pfunden und in Umrechnung in kleine Gulden bringt, fehlt eine Summierung der §§ 18—20 in kölnischen Mark, die hier mit 579 Mark 238 dn oder 8 3 614 dn nachgeholt werden kann. Dazu kommen noch 14 Schildgulden zu 310 dn = 4340 dn. Die Schlußsumme beläuft sich also in Kölner Pfennigen auf 87 954 dn., die, durch 250 dividiert, 351 fl 17 ß ergibt. Die Handschrift benennt jedoch eine Schlußsumme von 275 Schildgulden oder 341 „kleinen“ Gulden. Wieso der Schreiber zu dieser Summierung kommt, ist nicht mehr nachzuprüfen. Offensichtlich ist ihm bei diesem schwierigen Rechenexempel §§ 15—21a ein Fehler unterlaufen, da auch die Summierung §§ 15—21 in Schildgulden umgerechnet 28 3 Schg. 224 dn statt 275 Schg. ergibt. Möglich ist 30

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aber auch, daß Gesamtspesen oder Ähnliches stillschweigend abgezogen wor­ den sind. Wenn bei verschiedenen Verkaufssummen kleine Abschläge oder Ab­ rundungen nach unten, also Rabatte, gewährt, aber nicht eigens hervorgehoben werden, so ist eine solche Gebarung in keiner Weise außergewöhnlich, sondern auch von F. Bastian im Runtingerbuch von 1383 ff. mehrmals festgestellt worden. Kontrollieren wir nun den letzten Teil der Abrechnung II f Die in § 22 zu Lüttich eingenommenen 200 Schildgulden sind nach den bisherigen Angaben 200 X 310 : 250 = 248 kleine Gulden. In einer Randbemerkung des Schrei­ bers X wird aber nachgetragen, daß sie 250 fl gleichkommen. Es scheint also der Schildgulden inzwischen im Wert gestiegen zu sein. Wenn wir nun die Posten für Verkaufserlöse von Gewürzen (§§ 15—20) mit den Geldeinnahmen zu Lüttich (§ 22) und den Gelddarlehen Nürnberger Bürger (§§ 21, 23—28) zusammenzählen, also 372 fl (§ 17a) + 341 fl (§ 21a) + 250 fl (§ 22: Nicht 248 fl H) + 100 fl (§ 23) + 300 fl (§ 24) + 66 fl (§ 25) + 97 fl (§ 26) + 90 fl (§ 27) + 600 fl (§ 28), so erhalten wir gerade den Betrag von § 28a mit 2216 Gulden. Nach der 2. Abrechnung haben also U. Pottensteiner und H. Geuder als Beauftragte H. Holzschuhers insgesamt 2216 fl aufgebracht. Über deren Verwendung wird anschließend in §§ 29—32 Auskunft ge­ geben. Die Ausgaben betragen nach § 29 für eine Zahlung in Aachen, deren Rechtsgrund nicht angegeben wird, 2000 Gulden. Für die Verpfändung eines Rittergürtels erhält der Burggraf von Nürnberg, mit dem höchstwahrscheinlich der damals regierende Johann II. (f 1357) 76) gemeint ist, 199 fl als Darlehen. Außerdem wird die Anzahlung für den Regensburger Ernoltsvelder aus Ab­ rechnung I (§ 14) statt mit 14 Gulden und 12 Schilling nur mit 14 Gulden wiederholt. Weiterhin wird eine Barentnahme des H. Geuder mit etwa 3 V2 kleinen Gulden aufgeführt. Die Ausgaben von §§ 29—32 betragen also 2216 V2 fl. Eine Abgleichung ist nicht gezogen, aber es wird nun ersichtlich, daß beide V2 Gulden mehr ausgegeben als eingenommen haben. Immerhin stimmt diese Abrechnung im großen und ganzen. Den Schluß der Abrechnung II bilden zwei Nachträge (§§ 33—34) von der Hand des X, die sich deutlich durch flüchtigeren und sogar schwer leserlichen Duktus von den vorhergehenden Schriftzügen unterscheiden. X hat so schnell geschrieben, daß er in § 33 das Wort „schuldig“ vergessen hat. Er notiert darin, daß die Stadt dem Pottensteiner und dem Geuder 129 lb hl schuldig bleibt und daß ihnen aus der Losungsstube eine Abschlagszahlung von 28 lb ge­ währt worden ist. Nun berichtet die Abrechnung zwar, daß Pottensteiner aller­ dings zusammen mit Heinrich Groß (§ 28) ein Darlehen von 600 fl gewährt haben, doch von einer ähnlichen Beteiligung des Heinrich Geuder ist nirgends die Rede. Es kann sich vielleicht darum handeln, daß Pottensteiner und Geuder 76) Vgl. die gleichzeitigen Urkunden der Burggrafen in „Monumenta Zollerana“, Bd. III, z. B. Nr. 220 und 227.

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ihre Reisekosten zunächst selbst bezahlt haben und daß die Stadt ihnen nun diese Auslagen für die Reise und den Transport (Zollgelder) der Waren nach Eintreffen von neuen Geldbeträgen zum Teil zurückerstattet hat. Audi die Restzahlung wird nicht vermerkt. Nicht festgehalten wird das Datum dieser nachträglichen Abrechnung, die nach dem 2. 3. 13 50 stattgefunden haben muß. Dieser Rückersatz von irgendwelchen Auslagen in Teil II erinnert an Teil I, in dessen §§ 4—11 die Rückzahlungen der Stadt an Heinrich Holzschuher niedergelegt werden. Dieser Abschnitt ist buchtechnisch und paläographisch von dem vorhergehenden Absatz und der Abrechnung II dadurch unterschieden, daß er andere Formulierungen gebraucht und von der Hand Y geschrieben ist, die die 6 Einträge in durch verschiedene Schriftdukten unterscheidbaren Ab­ sätzen Y 1—4 niedergelegt hat. Die zeitliche Einreihung des § 10 (Eintrag Y 4) wird durch das beigesetzte Datum „sabato post Pascha“ [— Samstag nach Ostern = 3. April 13 50] ermöglicht. Heinrich Holzschuher erhält zurück­ erstattet in bar durch die „neuen Losunger“ 200 fl (§ 9), d. h. nach dem Ein­ gang der neuen Bürgersteuer, die offenbar am 1. April erhoben wurde, und am 3. April weitere 50 fl (§ 10), jedoch vorher schon durch Aufrechnung seiner offenbar auf 17 Gulden von ihm veranschlagten „Losung“ oder Bürgersteuer des Jahres 13 50/1, diesen Betrag, also zusammen 267 Gulden. Außerdem zahlen Konrad Groß der Jüngere wegen des Erwerbs einer Leibgedingsrente bei der Stadt vom Kaufpreis 200 fl nicht der Stadt, sondern direkt an Heinrich Holzschuher (§ 8). Das gleiche ist der Fall bei Heinrich Mendel, der wegen seines Leibgedings dem Heinrich Holzschuher 190 lb hl oder 180 fl 5 ß ent­ richtet (§ 11). Etwas schwerer verständlich sind die Formulierungen der §§ 4 bis 6. § 4 ist durch § 5 überholt. Auch in diesem Falle handelt es sich um ein Leibgeding, das Albrecht Ebner bei der Stadt gekauft hat. Von dem Erwerbs­ preis hätte Ebner 150 fl dem Holzschuher zählen sollen; da dieser aber diesen Betrag dem Ebner überweist (geschafft), ist anzunehmen, daß Holzschuher offenbar diesem jenen Betrag geschuldet hat. In § 6 verbucht der Stadtschreiber, daß die Stadt anstatt und für den Holzschuher dem Ortlib auf der Füll 40 Gul­ den ausgezahlt hat. Insgesamt erhält also Heinrich Holzschuher durch Zah­ lungen, Aufrechnung und Schuldübernahmen durch die Stadt zwischen dem 2. 2. und 3. 4. 13 50 von seinen Forderungen an die Stadt 267 fl + 190 fl + 200 fl + 180 fl 5 ß = 837 fl 5 ß. Wie hoch waren nun die städtischen Schulden an Heinrich Holzschuher? Darüber gibt folgende Aufstellung Auskunft: §§ 1—3

Verkäufe von durch Holzschuher zur Verfügung gestellten Ge­ würzen (1368 V2 Pfd. Pfeffer + 549 Pfg. 28 Lot Ingwer) sowie

Bardarlehen an Pottensteiner in Höhe von 90 Gulden + 14 Schildgulden §§ 15—16 Verkäufe von durch H. zu Verfügung gestellten 501 8A Pfd. Pfeffer — 224 lb 3 ß 7 hl + 111 Pfd. 12 Lot Ingwer = 42 lb 14 ß — 266 lb17 ß 7 hl. oder umgerechnet §§ 18—20 Verkäufe von H.s 406 Pfd. Pfeffer und 438 V2 Pfd. Ingwer zu Köln + Bardarlehenvon 14 Schildgulden Zusammen

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1020 fl

256 fl

51 hl

341 fl 1617 fl

51 hl

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Diese Aufstellung ist aber noch insofern zu berichtigen, als die in § 3 auf­ geführten Darlehen des H. Holzschuher an U. Pottensteiner in Höhe von 90 fl und 14 iSchildgulden m. E. in § 21 mit 14 Schildgulden und in § 27 mit 90 fl wiederkehren. Das letztere Darlehen wurde schon in dem obigen Verzeichnis der Forderungen nicht mehr aufgenommen, während die 14 Schildgulden in der Zwischensumme von § 21a nochmals enthalten sind. Es müssen daher von der oben genannten Summe der 1617 fl 51 hl weitere 17 fl 90 hl abgezogen werden. Der Gesamtbetrag der Forderungen Holzschuhers an die Stadt beläuft sich also auf 1599 fl 201 Haller. Wenn Holzschuher bis zum 3. April 837 fl 60 hl zurückerhalten hat, dann besitzt er zu diesem späteren Zeitpunkt noch eine Restforderung von 762 fl 139 hl, also etwas weniger als die Hälfte des ursprünglichen Betrages. Die Stadt hat also eine relativ rasche Schuldentilgung in die Wege leiten können. Die im vorstehenden durchgeführten Untersuchungen der „Gewürzhandels­ abrechnung" bestätigt die bisher geäußerte Ansicht, daß sie eine Abrechnung der Stadt Nürnberg mit Beauftragten von ihr bzw. des H. Holzschuher über Gewürzverkäufe, 2 Gewürzkäufe auf Borg, Rückzahlungen an Holzschuher, Gelddarlehen Nürnberger Bürger und schließlich um die Abgleichung von Ein­ nahmen und Ausgaben jener Transaktion über 2216 fl sowie die Rück­ erstattung der Auslagen an die 2 Beauftragten betrifft. Diese Abrechnung er­ folgt in 2 Teilen: im 1. Teil (Bl. 1—4) rechnet U. Pottensteiner über offenbar von ihm allein durchgeführte Verkäufe von Holzschuherischen Gewürzen ab; daran schließen sich die Rückzahlungen an Holzschuher an (§§ 4—11) und die Gewürzkäufe des Pottensteiner auf Borg bei Ch. Tücher und dem Regensburger Ernoltsvelder (§§ 12—14). Eine förmliche Abgleichung dieses Teils wird nicht gegeben. Wir erfahren zwar im zweiten Teil, wie der von Tücher gekaufte Pfeffer wieder verkauft worden ist, aber nicht, wie die Emoltsvelderische Gewürzmenge abgestoßen und wie dieser Regensburger wegen seiner Forderung befriedigt worden ist. Der 2. Teil der Abrechnung wird am gleichen Tage aber unter Hinzu­ ziehung des H. Geuder, der als 2. Beauftragter der Stadt bzw. des Holzschuher tätig geworden ist, abgelegt (Bl. 103 —105’). Er erfaßt eine fast gleichzeitige, aber größere und selbständige Transaktion ähnlicher Art. Die Abrechnung I und II stehen miteinander in Beziehung: Wie oben schon dargelegt wurde, kehren die 2 Posten des § 3 in §§ 21 und 27 wieder. Außerdem tritt die von dem Tücher erworbene Gewürzmenge in Teil I als Kauf (§ 12) und in Teil II als Verkauf (§ 17) auf. Im übrigen wird in beiden Teilen über gesonderte Gewürzmengen abgerechnet. Wenn auch in beiden Teilen je eine gleich große Menge Ingwer in Höhe von 549 Pfd. 28 Lot vorkommt, so handelt es sich nicht um den gleichen Posten, wie aus der Formulierung von § 2 und §§ 16, 19 und 20 zu erschließen ist. Die rechnerische Kontrolle hat nur 2 direkt nachweisbare Fehler ergeben: Die Summe der §§ 1—3 in § 3a stimmt nicht und differiert um etwa 10 lb Haller. Bei der Niederschrift des Rechnungsprotokolls ist dem Schreiber bei § 15 insofern ein Irrtum unterlaufen, als er statt 234 Ib fälschlich 224 gesetzt hat. Doch ist die irrige Zahl bei der Summierung in § 17a nicht berücksichtigt. Auch 3

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die Summierung der §§ 18—21 in § 21a ist nicht korrekt. Vollständig fehler­ freies Rechnen kommt also in dieser Abrechnung nicht vor. Bei ihr waren min­ destens 5 Personen beteiligt: U. Pottensteiner, Heinrich Geuder, vermutlich die 2 Losunger des Rats als Führer und Leiter der städtischen Kassenverwaltung (Hand X ?), der Stadtschreiber (Hand Y) und vermutlich H. Holzschuher zur Kontrolle. Einem von ihnen hätten die Rechenfehler auffallen müssen oder können, da die Abrechnung höchstwahrscheinlich gemeinsam vor einem Rechen­ tisch, auf dem in eigenen Zeilen die verschiedenen Geldsortenstufen wie Haller, Schilling, Pfund, Gulden mit den Unterabteilungen I, X (= 10), C (= 100), M (— 1000) angegeben waren, wie z. B. auf dem hölzernen Rechentisch im Heimatmuseum Dinkelsbühl zu sehen ist. Wenn wir bedenken, daß die vor­ liegende Abrechnung mit 4 Währungen arbeitet, nämlich mit dem Haller bzw. Schilling und Pfund, mit dem „kleinen" Gulden, mit dem Schildgulden und der kölnischen Mark, so werden wir die Schwierigkeiten verstehen, die einer Ab­ rechnung im Mittelalter entgegen standen. Diese mußte mittels symbolischer Rechenpfennige für dem Rechentisch unter Verwendung der „römischen Zahl­ zeichen" getätigt werden. Unter solchen Umständen können wir nicht dem unbedingten Verdikt Sombarts, daß die mittelalterlichen Kaufleute nicht hätten rechnen können, zustimmen, sondern eher anerkennen, daß die Nürnberger in diesem Falle verhältnismäßig gut gerechnet haben. Versuchen wir zuletzt das buchhalterische Können bei dieser Gewürz­ handelsrechnung zu bewerten? Wir konnten schon feststellen, daß das Protokoll über diese Abrechnung relativ übersichtlich ist. Doch fällt auf, daß im Teil I eine Abgleichung fehlt, während Teil II eine Gegenüberstellung von Ein­ nahmen und Ausgaben in Höhe von je 2216 (V2) fl bringt. Jedenfalls wird keine vollständige Abrechnung über beide Transaktionen gegeben. Ähnlich wie einige Nürnberger Geldgeber nur mit ihrem Familiennamen genannt wer­ den, so wird vieles einfach als bekannt vorausgesetzt. In den beiden Proto­ kollen werden z. TI. nur Anhaltspunkte gegeben. Es hat den Anschein, daß nach dem Abschluß der beiden großen Transaktionen am 2. 2. 1350 nur das Wesentliche und das bis zu diesem Zeitpunkt Erledigte festgehalten werden sollte. Die Flüchtigkeit der Schrift läßt etwa gleichzeitige Protokollierung der Abrechnung annehmen. Es fehlt außerdem die Tilgung der Restforderungen des H. Holzschuher und der beiden „Kommissionäre" U. Pottensteiner und H. Geuder. Unberücksichtigt ist weiterhin der Verkauf des Ernoltsvelderischen Pfeffers geblieben. Die ganzen Aufzeichnungen haben also etwas Bruchstück­ haftes und Fragmentarisches an sich. Es darf daher angenommen werden, daß die Abrechnungen nur eine Art Gedächtnisstütze über die Geschäftsvorgänge bis zum 10. April gewesen sind und daß die Schlußabrechnung nicht nachge­ tragen worden ist, die eigentlich in das gleiche Buch hätte eingetragen werden sollen und können. Diese Schlußabrechnung, die die Stadt einerseits mit Holzschuher und mit dessen Beauftragten Pottensteiner und Geuder, andererseits mit Gewürzver­ käufern auf Borg sowie den Nürnberger Gelddarlehensgebern zu einem spä­ teren, uns nicht bekannten Zeitpunkt vorzunehmen hatte, müßte daher auch in den gleichzeitigen Stadtrechnungen zu suchen sein, von denen wir wissen, 34

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daß sie ab 1340 schriftlich geführt worden sind77). Leider sind aber die Bände von 1340 bis 1377, die noch der Ratsschreiber Johannes Müllner (f 1635) für seine historiographischen Arbeiten über Nürnberg ausgewertet hat, nach dieser Benützung verloren gegangen, sodaß wir die vorliegende Gewürzhandels­ rechnung nach dieser Originalquelle nicht mehr nachprüfen können. Wir kön­ nen also nicht mehr sagen als wir schon aus dem Text der Abrechnung er­ mittelt haben. Die beiden Abrechnungen (Teil I und II) können nur als Konzepte über Teile der ganzen Transaktionen angesprochen werden und sind daher nicht mit den gleichen Maß Stäben zu messen, die wir an die Stadtrechnung selbst legen würden. An der Anlage der „Gewürzhandelsrechnung" stört zunächst die ge­ trennte Eintragung an zwei, im gleichen Amtsbuch so weit auseinander liegen­ den Stellen; doch ist es möglich, daß dieser Mangel auf ein Versehen des Buch­ binders zurückzuführen ist. In Teil I folgen bei der Transaktion I auf die Schuld der Stadt sofort die Rückzahlungen an den Gläubiger. In Teil II wird klar die Aufbringung einer Summe von 2216 fl durch Gewürzverkäufe und Gelddarlehen der folgenden Aufstellung der Ausgaben dieses Betrages gegen­ übergesetzt. Bei dem vorhandenen Platz hätte der Schreiber ohne Schwierig­ keiten Einnahmen und Ausgaben auf getrennte Seiten und Blätter eintragen können. Er hat dies nicht getan. Diese Sparsamkeit in der Verwendung von Pergament und Papier bei der Führung von Handelsbüchem hat schon Bastian im „Runtingerbuch“ bemerkt und dabei ausgeführt, daß die Schreiber jeden freien Platz zu Nachträgen benützt haben, ohne auf die chronologische und und sachliche Reihenfolge der Notate Rücksicht zu nehmen. In dieser Hinsicht haftet also auch dieser Abrechnung etwas Primitives an. Diese Tatsache ist wohl auf die Überlegung der die Rechnung gebenden und protokollierenden Personen zurückzuführen, daß diese Aufzeichnungen ein Provisorium und nur eine Gedächtnisstütze bis zur endgültigen Abgleichung anläßlich der Jahres­ schlußrechnung der Stadt für 1350/1 sein sollten. Die Gewürzhandelsrechnung läßt also kein abschließendes Urteil darüber zu, welchen Grad von Buch­ haltungstechnik die Stadtverwaltung in den Jahren um 1340—50 entwickelt hat. Die Abrechnung zeigt nichts Außergewöhnliches, doch etwa den Durchschnitt. Daß der gleiche Nürnberger Großkaufmann, der bei dieser Rechnungslegung von 13 50 mitgewirkt hat, schon 50 Jahre vorher eine regelrechte Buchführung, die unter dem mittelbaren Einfluß Italiens gestanden hat, gekannt hat, beweist das iSchuldkontobuch der Tuchhandelsgesellschaft der Nürnberger Patrizier Holzschuher von 1304—7 15). Die Formulierung der Übernahme einer Holzschuherischen Schuld an Ebner durch die Stadt zwecks Tilgung einer Forderung Holzschuhers an die Stadt hat dem Schreiber gewisse Schwierigkeiten gemacht, da er den § 4 wohl infolge eines Irtums oder Hörfehlers falsch stilisiert und dann nicht beendigt hat.

77) Vgl. W. Schultheiß, Nürnberger Rechtsquellen I/II, 1960, S. 129, Anm. 818.

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Die Motive der städtischen Handelstransaktion (Sdtulden der Stadt Nürnberg um 1350) Bei der Untersuchung der beiden Abrechnungen hat sich als wichtigstes Ergebnis herausgeschält: die Stadt Nürnberg finanziert mit Hilfe von Geld­ darlehen Nürnberger Bürger und durch Verkäufe von auf Borg bei Bürgern und Fremden erworbenen Gewürzmengen die Aufbringung einer Summe, aus der letzten Endes eine Zahlung von 2000 fl nach Aachen beglichen wird (Teil II). Nach Teil I verkauft derselbe Beauftragte der Stadt 2 Gewürzposten des Rats­ herrn Heinrich Holzschuher; der erzielte Erlös wird ihm von der Stadt ersetzt. Wofür die erzielte Summe verwendet wird, wird nicht gesagt. Die ganzen Tansaktionen geschahen also im Interesse, im Aufträge und zu Lasten der Stadt. Daß Bürger einer mittelalterlichen Stadt Gewürzhandel getrieben haben, ist fast als selbstverständlich zu betrachten. In unserem Falle liegt sogar Groß­ handel vor, da Mengen über 1 Zentner, ingesamt über 40 Zentner gehandelt werden. Noch das Satzungsbuch des Fünfergerichts der Reichsstadt Nürnberg von etwa 1560—2 78) legt die Umsatzmengen für Gewürze so fest, daß in unserem Falle von Großhandel gesprochen werden kann. Wenn aber eine Stadtgemeinde eine Handelstransaktion in solch großem Stil in die Wege leitet und durchführen läßt, so müssen außergewöhnliche Gründe für eine solche Maßnahme Vorgelegen haben. Bastian weist auf ein ähnliches Vorgehen Mün­ chens in der 1. Hälfte des 14. Jh. hin 79) und erklärt dieses mit dem Zwang zur plötzlichen Geldbeschaffung. Die gleichen Motive liegen hier vor und lassen sich durch die besondere Lage erklären, in der die fränkische Reichsstadt sich gerade um 13 50 befand: Nürnberg hatte nämlich gerade den sog. „Hand­ werkeraufstand" von 1348/9 und einen schweren Konflikt mit König Karl IV.8 Mskr. NUB; Or. Stadtarchiv Nbg., Urkundenreihe. 9S) Werunsky a.a. O. II/l, S. 205; A. Nuglisch, Finanzwesen d. Dt. Reiches unter Karl IV., Straßburg 1899, S. 51; Chroniken d. dt. Städte III, S. 124 (Chronik d. 15./16. Jh.); E. Reiche, Gesch. d. Rst. Nbg. S. 218. 94) Reg. Imp. VIII Nr. 1335 (12. X. 1355) u. Mskr. NUB. 95> H. Planitz, Die dt. Stadt, 1955, S. 318; K. Zeumer, Die dt. Städtesteuern, 1878; Nuglisch a.a. O. S. 19 ff.

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Steuer hieß in Nürnberg und in den Orten des Nürnberger Rechtskreises „Losung", d. h. Ablösung von der jährlichen Bürgersteuerpflicht. Diese „Lo­ sung" wird schon in dem ältesten Satzungsbuch Nürnbergs von 1302 und 1314 9Ö) erwähnt. Nach der jährlichen Ratswahl, die meistens im Frühjahr (später 1. Mai) stattfand, wurden die sie verwaltenden Beamten gewählt. Von solchen „neuen Losungern" berichtet die Gewürzhandelsrechnung (§ 9); nach § 34 haben jene auch einen eigenen Arbeitsraum, die „Losungsstube", die im 1332—40 neu errichteten Rathaus an der Nordwestseite des großen Rathaus­ saales gelegen war. Zur Zeit der Ablegung der Gewürzhandelsrechnung, zwi­ schen dem 2. 2. und 3. 4. 1350, wird gerade eine solche Losung erhoben, da dem Heinrich Holzschuher seine Steuersumme von 17 fl auf seine Forderungen gegen die Stadt angerechnet wird. Da die damalige Stadtrechnung und das Losungsregister fehlen, läßt sich nicht sagen, welche Beträge 1350 durch die Bürgersteuer aufgebracht worden sind. Eigenartigerweise erhob offenbar noch 1360 die Stadt von den früheren Aufrührern eine erhöhte Steuer97). Wenn auch 13 50 ein erhöhter Satz gefordert worden sein könnte, so dürfte der Ertrag nicht die notwendigen Summen erbracht haben, da während der Jahres des Umbruchs Handel und Wandel gestört waren und zudem 1349 150 Familien aus der Stadt verbannt worden waren. Die Stadt mußte daher zu außer­ ordentlichen Maßnahmen greifen. Um die Finanznot während der Aufruhrzeit zu beheben, hatte der damalige Rat die Nürnberger Judengemeinde mit einer Zwangskontribution belegt, wie wir aus anderen Quellen erschließen können. Obwohl die Juden seit 1313 98) offiziell das Nürnberger Bürgerrecht erwerben mußten, blieben die Israeliten doch die „Kammerknechte des Königs", dessen besonderen Schutz sie ge­ nossen und der sie deshalb besonders besteuerte. Aus dem Nachtrag des Reichssalbüchleins von etwa 1340—60 “) wissen wir, daß die Nürnberger Juden­ gemeinde ebensoviel wie die Stadtgemeinde Nürnberg, nämlich 2000 Pfd. Haller, jährlich an das Reich zu zahlen hatte. Die Zwangskontribution des Aufrührerrats wurde durch König Karl IV. als Schutzherrn der Juden nicht an­ erkannt. Er beauftragte daher am 28. Mai 1349 die Burggrafen von Nürnberg, das bei den Juden geraubte Gut bei den von ihm abtrünnigen Nümbergern einzufordern. Am 25. Juni 1349 ") überwies außerdem Karl IV. den Burggrafen 1100 Pfund Haller an der gewöhnlichen Judensteuer zu Nürnberg, mit der Ver­ pflichtung, dem Edelherm Ulrich von Hanau davon jährlich 100 Pfd. zu geben, und versprach, ihnen sowie dem Bischof von Bamberg, im Falle einer Ver­ treibung der Juden aus Nürnberg die zurückgelassene Habe der Juden zur Hälfte zu überweisen. Daß die Volksstimmung damals gegen die Juden ein­ gestellt war, geht aus der Tatsache hervor, daß der Aufrührerrat einen Mit­ bürger verbannte, weil er einen Aufstand gegen die Israeliten anzetteln 96) Or. Satzungsbuch I/A u. III/C (BStA Nbg. AStB 227 und 228); Abdrucke: Lochner, N.er Jahrbücher, II, Nbg. 1834, S. 131, 144; künftig W. Schultheiß, N.er Rechtsquellen III/IV, SB I Nr. 18 a, 76, 84, 85; J. Baader, Polizeiverordnungen, 1861, S. 15—16. 97) Chr. G. von Murr, Journal für Kunstgeschichte 2, 1776, S. 35. 98) Mskr. NUNB; Regest: Lochner, N.er Jahrbücher II, 1834, S. 194 (1313. VI. 26). ") Reg. Imp. VIII Nr. 1037.

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wollte 10°). Offenbar rechnete der Kaiser mit einem Pogrom, weil damals im ganzen Reich Ausschreitungen gegen die Juden vorkamen 80), und sicherte sich seinen Anteil an der erwarteten Beute durch Überweisung seiner Forderungen an die zunächstliegenden Reichsfürsten. Nach der Wiederherstellung des patrizischen Stadtregiments erteilte Karl IV. dem Rate noch am 2. Oktober 1349 lw) das Privileg, daß, wenn den Juden wider des Rats Willen etwas geschähe, der König und seine Thronnachfolger keine Entschädigung deswegen fordern dürften. Der Rat schützte sich also gegen die Erhebung eines Buß­ geldes wegen Eingriffs in die königliche Rechtssphäre im Falle eines Vor­ gehens des Pöbels gegen die Juden und ließ sich am 16. November 1349 102) noch das weitere Privileg geben, daß das Judenviertel abgebrochen und dort ein großer Marktplatz errichtet werden durfte, während anstelle der Synagoge eine Marienkirche erbaut werden solle. Ulman Stromer berichtet in seinem „puchel von meim gesiecht" 103), der ältesten zeitgenössischen Chronik Nürn­ bergs, lakonisch und kurz zum 5. Dezember 1349, daß die Juden verbrannt worden sind. Der offizielle Abbruch des Judenviertels war also durch die Volks­ menge, die offenbar durch die damals allgemeinen Judenpogrome aufgereizt war, zu einer Vernichtung der nicht rechtzeitig geflohenen Juden, ausgenützt worden. Was geschah nun mit dem Vermögen der geflohenen und getöteten Juden Nürnbergs? Der Rat hat nicht nur die Häuser der Juden beschlagnahmt und diese mit großen Kosten einebnen und in die beiden Marktplätze (Hauptund ehemaliger Obstmarkt) umwandeln lassen, sondern gemäß dem könig­ lichen Privileg vom 12. Oktober 1350 104) auch das gesamte Vermögen der Judenbürger beschlagnahmt, insbesondere deren Forderungen an Bürger und Auswärtige aus Gelddarlehen und Pfandleihen, d. h. aus der Hauptgeschäfts­ tätigkeit der Israeliten in der damaligen Zeit. Deshalb konnte auch der Burg­ graf von Nürnberg auf Grund des königlichen Privilegs vom 28. Mai und 25. Juni 1349 105) Forderungen an Nürnberg stellen. Er hat nicht weniger als 13 000 Pfund beansprucht, wie wir aus dem Vergleich mit der Stadt vom 18. November 1350 108) ersehen. Der Zoller sah jedoch seine unberechtigten Ansprüche ein, verzichtete offenbar auf diesen hohen Betrag, sagte aber nicht, ob er etwa mit einem anderen Betrag abgefunden worden war. Nachdem die Burggrafen gerade zu jener Zeit beim Reichsoberhaupt in Ungnade gefallen waren (wir haben hier nicht die Gründe dafür zu erörtern), konnten sie ihre Forderungen nicht durchsetzen und mußten sogar das ihnen durch den König versetzte Ungeld in Nürnberg an die Stadt herausgeben, die eben diese indirekte Steuer durch das Reich erhalten hatte. Deshalb mußte sich der Burg­ graf mit dem ihm durch den König zugesicherten Anteil am Judengrundbesitz 10°) 101> 102) 103) 104) 105> 106>

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N.er Rechtsquellen I/II, Nr. 718 (1348. X. 25). Reg. Imp. VIII Nr. 1173. ebenda Nr. 1192. Chron. d. dt. Städte I, S. 25. Mskr. NUB; Reg. Imp. VIII Nr. 1335. Mskr. NUB; Reg. Imp. VIII Nr. 967 u. 1037; Mon. Zoll. III, Nr. 227 u. 233. Mskr. NUB.

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begnügen und quittierte am 12. Oktober 1350 107) über 800 Pfund Haller. In diesem Zusammenhang interessieren zwei außergewöhnlich hohe Zahlungen Nürnbergs an Karl IV. aus dem Jahre 1353. Am 19. November quittierten Hofbeamte Karls IV. der Stadt die Leistung von 4000 Gulden108). Am 15. November dieses Jahres109) quittiert der königliche Kämmerer der Stadt den Empfang von 9645 Gulden und 850 Schock böhmischer Pfennige (ca. 10 134 fl) 110), die der König Konrad Groß und dem Rat anvertraut hatte. Wenn wir nach dem Grund der Zahlung dieser recht ansehnlichen Summe fragen, so erinnert die Betrachtung des damaligen Geschehens in Reich und Stadt und der Beziehungen zwischen dem Reichsoberhaupt und der fränkischen Reichsstadt an jene 13 000 Pfund (= 10 500 fl), die nach der Angabe des Burggrafen Nürnberg aus den Judenvermögen erlöst haben soll. Wenn zu diesen 10 500 fl noch die obigen 4000 fl oder die beiden Abschlagszahlungen an die Burggrafen und den Bischof von Bamberg mit zusammen 1600 Pfund Haller gerechnet werden, so erhalten wir sogar mehr als jene 13 000 Pfd. Haller, von denen die Zollern sprechen. Es ist wohl nicht zuviel behauptet, daß die Quittungen des 15. und 19. November 13 53 die Herausgabe des Nürnberger Judenvermögens von 1349 an Karl IV. als obersten Schutzherrn der Juden bedeuten und daß sich der König gescheut hat, als Zahlungsgrund ein solches schmutziges Geschäft anzugeben. Dabei muß man in Betracht ziehen, daß gerade um 1353 die heutige Frauenkirche an der Stelle der früheren Synagoge errichtet worden ist, daß die hiesige Marienkirche königliche Hof­ kapelle und Filiale der Prager Hofkapelle war und daß Karl IV. bisher mit Recht unbestritten als Erbauer des Gotteshauses zu Unserer Lieben Frau ge­ golten hat111). Unter diesen Umständen darf m. E. vermutet werden, daß Karl IV. doch Gewissensbedenken gehabt hat, sich restlos am beschlagnahmten Vermögen der Nürnberger Juden auch für Reichs- oder Landeszwecke zu beDie Stadt Nürnberg kam offenbar nur in den Genuß des Grundes und Bodens des ehemaligen Ghettos. Allerdings befreite der König schon am 12. Oktober 1350 die Stadt Nürnberg für sich und ihre Bürger von allen Schulden, die sie reichern und daß er mit diesen etwa 15 000 fl ganz oder teilweise die Nürn­ berger Marienkirche gleichsam als,Sühne für die Verletzung seiner Pflicht zum Judenschutz errichtet hat. Dieses unrühmliche Verfahren, sich durch Beschlag­ nahme der Judenvermögen zu bereichern, hat sein Sohn Wenzel wiederholt112). 107) 108) 109) 110)

Mskr. NUB. Ebenda; Reg. Imp. VIII, Nr. 6730. Mskr. NUB. Nach frdl. Mitt. der Staatl. Münzsammlung München (Dr. Steinhilber) ist die damalige Wertrelation des böhmischen Pfennigs nicht sicher bestimmbar. Nach Fr. v. Schrötter, Wörterbuch d. Münzkunde, 1930, S. 606, entsprach um 1500 ein Schock Grosdien einem Gulden und 60 Prager Schockgroschen einer „Mark“ (Silber). Dann wären 850 Sch.G. x 144 = 122 400 : 250 = 489 Gulden 150 hl. m) E. Eichhorn, Frauenkirche in Nürnberg, München 1955, S. 1 und W. SchultheißE. Eichhorn, Nürnberg 1957, S. 18. Die Errichtung der Kirche z. U. L. Frau anstelle der Synagoge wird schon ausgesprodien im Privileg Karls IV. für Nbg. vom 16. Nov. 1349 (Reg. Imp. VIII Nr. 1192) mit der Erlaubnis zum Abbruch des Judenviertels in Nürnberg und der Schaffung von 2 Marktplätzen. 112) Reiche, Gesch. d. Rst. Nbg. 1896, S. 233/4; K. Hegel in Chron. d. dt. St. I, S. 111—130.

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bei den getöteten und bei den rechtzeitig geflohenen, nun aber bei anderen Reichsfürsten und Grundherren gesessenen Juden hatte. Wie stark die da­ malige allgemeine Verschuldung an die Juden gewesen sein muß, geht auch aus der Befreiung des Nürnberger Deutschordenritterhauses von den Juden­ schulden am 8. November 1350 113) hervor. An dieser unrühmlichen Beute nahmen noch einige Nürnberger Bürger, der Wittelsbacher Ludwig von Bran­ denburg, die Burggrafen und die Bischöfe von Bamberg und Würzburg teil, wie schon oben ausgeführt worden ist und wie aus einer Überweisung von 1200 Mark Silber an Bischof Albrecht von Würzburg am 28. Juni 1349 114) hervorgeht. Mit der Beseitigung des Ghettos und dem Judenmord von 1349 war aber die Geschichte der Nürnberger Judengemeinde nicht für immer abgeschlossen. Es sei nochmals auf die m. W. in der einschlägigen Literatur noch nicht er­ wähnte Tatsache hingewiesen, daß nach dem Bekanntwerden der königlichen Erlaubnis zum Abbruch des Judenviertels ein Teil der Nürnberger Juden, die das kommende und seit langem drohende Unheil ahnten und voraussahen, flüchteten und bei benachbarten Fürsten und Städten ins Exil gingen. Nachdem in Nürnberg die Ordnung durch den patrizischen Rat wiederhergestellt worden war und das durch die allgemeine Verhetzung aufgestachelte Volk wieder zur Einsicht und Vernunft gekommen war, richteten die ehemaligen Judenbürger offenbar an König Karl IV. als ihren obersten Schutzherrn die Bitte, wieder nach Nürnberg zurückkehren zu dürfen. Am 26. Mai 1352 115) befahl daher das Reichsoberhaupt, das an den Judensteuern erhebliches Interesse hatte, dem Schultheißen und Rat zu Nürnberg, wieder Juden in ihre Stadt aufzunehmen und sie zu schirmen. Tatsächlich bildete sich hier wieder eine israelitische Ge­ meinde, der die Gegend um den sog. „Judenhof" (1945 durch Bomben zer­ stört) als Wohnplatz zugewiesen und bis 1498 bewohnt wurde. Die Gewürzhandelsrechnung von 1350 läßt erkennen, daß die Beschlag­ nahme der Judenvermögen damals für die Finanzierung des städtischen Geld­ bedarfs keine Rolle gespielt hat. Da der Geldbedarf nicht durch den Verkauf der geborgten Gewürzmengen ganz gedeckt werden konnte, gaben verschiedene Bürger, die dem Rat und Heinrich Holzschuher nahestanden, dem Rat Bar­ darlehen. Es streckten der Stadt vor Heinrich Holzschuher selbst 14 Schild­ gulden oder 17 fl. 90 bzw. 120 Haller (§§ 3, 21, 27), ein Hayd 100 fl (§ 23), Ehinger 300 fl (§ 24), Eysenhuter 66 fl (§ 25), Peter Stromeyer 97 fl. (§ 26) und Vlrich Pottensteiner zusammen mit Heinrich Groß 600 fl (§ 28). Diese Einzelbeträge ergeben die respektable Summe von 1270 fl. Die Darlehen scheinen kurzfristig und zinslos gewährt worden zu sein. Wie die Rückzahlung erfolgte, wird in der Abrechnung nicht gesagt. Ob und wie diese Darlehens­ geber für den Gewinn entschädigt worden sind, der ihnen bei der Verwendung im eigenen Geschäft erwachsen wäre, kann nicht gesagt werden. Es sei nur daran erinnert, daß noch bis zum Ende des 15. Jh. das Zinsnehmen durch die lls) Mskr. NUB; Reg. Imp. VIII Nr. 1340. 1U) NUB; Reg. Imp. VIII Nr. 1045 und 1046. ns) NUB; Reg. Imp. VIII Nr. 1490. E. Reicke, Geschichte S. 233.

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Kirche nur den Juden gestattet war U8). Wenn 6 Bürger und Patrizier Nürn­ bergs in einer Notzeit, nämlich 5 Monate nach einem verlorenen Krieg und einer bedingungslosen Kapitulation, noch soviel „bereites Geld“ in ihren Geld­ truhen liegen hatten, so spricht diese Tatsache für die Finanzkraft und die Sparsamkeit dieser Kreise. Aber nicht jeder Bürger konnte oder wollte der Stadt solche einfachen Dar­ lehen geben. Diese Geldbeschaffung reichte offenbar immer noch nicht aus. Die Gewürzhandelsrechnung berichtet nämlich von einer weiteren Methode der Geldbeschaffung: sie erwähnt nämlich Leibgedinge, d. h. Geldrenten auf Lebenszeit einer Person. Eine juristische Persönlichkeit (Stadtgemeinde, Kirche, Kloster, .Stiftung) oder eine natürliche Person verkauft einer natürlichen Person auf deren Lebenszeit gegen eine Geldsumme eine jährliche Geldrente, die ge­ wöhnlich den zehnten Teil der Kaufsumme betrug 117). Beim Ewiggeld dagegen war die Rente auf ewige Zeiten oder an den jeweiligen Erben bzw. Inhaber des Ewiggeldbriefes zu zahlen. Deswegen betrug die Kaufsumme gewöhnlich das 20- bis 25fache der Rentensumme. Auf diese Weise konnte der Geldbedürftige Kapital aufnehmen in der Erwartung, die Rente ohne weiteres aus dem Ertrag des damit erworbenenen Landguts oder Hauses oder des damit begonnenen Handelsgeschäfts zahlen zu können. Die Gewürzhandelsrechnung berichtet in Teil I und in § 5, 8 und 11, von Leibgedingen des Albrecht Ebner, des Konrad Groß d. J. und des Heinz Mennlin. In diesen 2 Fällen handelt es sich um Beträge von 150 fl, 200 fl und 190 Pfd. Haller oder 182 fl 96 hl — 532 fl 96 hl. Wenn dies der Kaufpreis der gesamten Leibgedinge wäre, so wären an diese 3 Bürger Leibrenten von etwa 53 Gulden jährlich verkauft worden. Es ist aber wahrscheinlich, daß nur ein Teil des Kaufpreises hier genannt worden ist, da der gewonnene Betrag ja zur Deckung von Fehlbeträgen im städtischen Haushalt dienen sollte und hier nicht aufgeführt worden ist. Zufällig erhaltene Dokumente berichten davon, daß die Leibgedingsverkäufe der Gewürzhandelsrechnung nicht die einzigen jener Jahre gewesen sind. Am 16. Februar 1350 118), also kurz nach Ablegung der Gewürzhandels­ rechnung, verkauft die Stadt um eine nicht genannte Summe dem Fritz Holzschuher, einem Verwandten des Heinrich Holzschuher, für seine Tochter ein jährliches Leibgeding von 10 Pfd. Haller. Am 11. März des gleichen Jahres118) erwirbt Heinrich Grundherr, der um die Mitte des 14. Jh. plötzlich als sehr wohlhabender Mann auf tritt und deshalb damals in den Rat berufen wurde, eine Leibrente von jährlich 104 [f] Pfund Hallern. Nach dem im 15. Jh. üb­ lichen Satz könnte die Stadt damit eine Summe von 1140 Pfund Haller oder 1056 2/5 Gulden gewonnen haben, immerhin einen erklecklichen Betrag. Be­ merkenswert ist, daß in beiden Urkunden der Gegenwert des Leibgedings nicht genannt wird. Da mit den Leibgedingen wohl in gewissem Sinne von den 11#) H. Conrad, Dt. Rechtsgeschichte I, 1954, S. 289c, 406, 570; Pirenne a.a. O. S. 130 ff. ll7> P. Sander, Rst. Haushaltung Nürnbergs, 1902, S. 404. Vgl. dazu im allgemeinen H. Pirenne, a.a. O. S. 135 f. 118) Mskr. NUB.

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Christen das Zinsnehmen umgangen worden ist, dürfte in dem verschwiegenen Kaufpreis ein entsprechender Abschlag für den Zins gewährt worden sein. Vielleicht hat die Stadt statt der üblichen 1056 fl nur 1000 fl in bar in die Hand bekommen. Ein solches Verfahren ist deshalb wahrscheinlich, weil die in den beiden Urkunden bis ins Einzelne auf geführten Bedingungen über den Verkauf der Leibrente und über die Sicherung der Zahlung auffällig rigorose Klauseln zugunsten der Rentengläubiger darstellen. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit der Losungsstube, d. h. der Gemeinde, sollte der Rat 4 Ratsherren oder Bürger als Bürgen stellen, die dann die Zahlung leisten mußten und an die sich der Gläubiger halten konnte! Diese außergewöhnlich scharfen Garantien zeigen schlaglichtartig die damals infolge des Zusammenbruchs von 1349 gesunkene Kreditwürdigkeit der /Stadt und die seinerzeitigen Schwierigkeiten der Geld­ beschaffung. Der Kreis der Nürnberger Geldgeber läßt sich aus einer Notiz in der von Michael Behaim d. Ä. 1491 gefertigten Abschrift von Ruprecht Hallers sei. aus den Stadtrechnungen gezogener Ratsliste 1332—1410 erschließen. Beim Jahre 1349 heißt es nämlich: „Ich find, das die erbern burger der schuld nit enwesten, so die im auflauf gemacht heten und sich swerlich angriffen, vil leibgedings und ewiggelt verkauften. So find ich, das etlich erperg purger gelt darliehen. Und stet nemlich geschrieben, wer und wievil man dargeliehen hat, nemlich ein Graner, ein Tetzel, die Kunel Kromairin, Ernst von Lentersheim, ein Steinlinger, ein Schopper, ein Behaim, ein Gruntherr, ein Vorstmeister, ein Haller, ein Kestel, ein Teuffel" 118a). Die eben ermittelte Aufnahme von Leibgedingen in Nürnberg hat offenbar immer noch nicht genügt, da entweder die Opferfreudigkeit oder tatsächlich die Finanzkraft der hiesigen Bürgerschaft erschöpft war. Diese Tatsache können wir daraus erschließen, daß die Stadt im folgenden Jahre 1351 Leibgedinge an Auswärtige verkauft hat. Auf diese Weise konnten nicht nur die drängenden Zahlungsverpflichtungen, sondern auch die nun fälligen Leibgedingsrenten an die erwähnten Gläubiger befriedigt werden. Auch in diesem Falle berichten wieder zufällig erhaltene Urkunden über diese neue Aktion der Stadt im folgenden Jahr. Am 14. März 1351118) verkauft die Stadt Nürnberg drei ge­ nannten Mainzer Bürgern Leibrenten mit jährlichen Beträgen von 50, 75 und 25 „kleinen" Gulden, die wir schon aus der Gewürzhandelsrechnung kennen. Bezeichnend ist, daß diese Urkunden von dem Schultheiß (Konrad Groß), dem Rat, den Schöffen und den „Geschworenen", d. h. den aus der Bürgerschaft gewählten Vertrauenspersonen, die früher und später „Genannte (des größeren Rates)" heißen, ausgestellt sind. Daß sämtliche Repräsentanten des Gemein­ wesens und sogar der bekannte Reichsschultheiß als Aussteller der Urkunde fungieren, sollte die Garantie der eingegangenen Verpflichtungen erhöhen. Bemerkenswert ist aber, daß die Klauseln über den Verkauf der Leibrenten nicht mehr so streng wie die der Nürnberger Urkunden von 13 50 sind, sondern einem damals üblichen Formular entsprechen. Nach einer Urkunde vom 14. Mai 118a) Stadtarchiv Nürnberg, Beheimarchiv vorl. Nr. 2339 (früher Cod. 82—2°) bl. 9; Vorlage im Frhrl. von Hallersdien Familienarchiv Großgründlach.

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1351 118) besitzen die Erben eines eben verstorbenen Kölner Bürgers noch eine Leibrente von 30 fl jährlich, die also vor 13 51 erworben worden sein muß. Schätzungsweise hat Nürnberg mit diesen Leibgedingen eine Summe von etwa 1800 Gulden erlöst. Wenn wir noch die aus den Jahren 1355—1360 119) er­ haltenen Zahlungsaufforderungen und Leibrentenquittungen aus Mainz in unsere Betrachtung einbeziehen, so sind mit Einschluß der schon erwähnten Gläubiger insgesamt jährliche Leibrenten von 848 fl an Mainz zu leisten, die einem erzielten Kapital von etwa 8480 fl gleichkommen. Es läßt sich daher behaupten, daß Nürnberg damals einen sehr starken Geldbedarf gehabt hat, den es durch Leibrenten und Gelddarlehen, nach modernen Begriffen, auf dem Wege von langfristigen Anleihen gedeckt hat. Nürnberg ist aber kein ßonderfall jener Zeit, da die Reichsstadt Eger z. B. 1352 12°) allein von Nürnberger Bürgern (Patriziern) Leibrenten von jährlich 713 Pfd. Haller im Werte von etwa 7130 Pfd. Haller verkauft und einen ähnlich starken Geldbedarf aufweist.

Übersicht über die Ausgaben und Einnahmen Nürnbergs 1350 (Versuchte Rekonstruktion des städtischen Haushalts 1350) Die erhaltenen Quellen und die aus ihnen ermittelten Ausgaben und Ein­ nahmen der Reichsstadt Nürnberg reizen zu dem Versuch, die verlorene Stadt­ rechnung des Jahres 1350/1 wenigstens in ihren Grundzügen zu rekonstruieren und mindestens eine Übersicht über die bekannt gewordenen Ausgaben und Einnahmen zu liefern. Begreiflicherweise muß dieses Unternehmen Stückwerk bleiben, da zuviele Einzelposten fehlen. Immerhin ergibt sich folgendes Bild: Ausgaben 1350: Pfund Haller : Zahlung nach Aachen (§ 29 der Gewürzhandels­ rechnung 2 000.— 2. IX. u. 23. XI.: Darlehen an die Fischbecken gegen Verpfändung von Reichslehen 600.— 18. IX. : Burggraf v. Nürnberg quittiert wegen Abgeltung der Judenhäuser 800.— Vor 18. XI. : Bischof von Bamberg quittiert die ihm über­ wiesene Reichssteuer von 13 50 2 000.— 10. XII. : Bischof von Bamberg quittiert seinen Anteil an den Judenhäusern N.s 800.— Vor 2. II.

Zusammen

Pfd. 6 200.— = Gulden 5 952.—

119) Or. Stadtarchiv Nbg. Urkundenreihe (Losungsamt, Leibrenten 1355—1365), Mskr. d. NUB; Rep. A 2 I Nr. 360—373, und German. Nat.-Museum Nbg. Archiv, PgtU v. 26. VIII. 1354 u. 26. II. 1360. 12°), Yg] p M. Mayer, Verordnungsbücher d. Stadt Eger (1352—1482), Archiv f. österr. Gesch. 60 I, 1880, S. 60—66; danach Mskr. d. NUB.

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Es lassen sich also für 1350 Zahlungen der Stadt in Höhe von 6200 Pfd. Haller oder 5952 Gulden nachweisen. Nicht gerechnet sind dabei die sicher er­ heblichen Kosten für die Beherbergung des Kaisers und seines Gefolges wäh­ rend der langen Aufenthalte vom 6.-28. April und 10. Mai bis 1. Juni121), die ebenso nicht unerheblichen Kosten für die Erteilung von 5 wirtschaftlich sehr vorteilhaften Privilegien und die sicher hohen Kosten für die Einebnung des Ghettos und die Herstellung der beiden Marktplätze (Haupt- und Obstmarkt). An Einnahmen kommt zunächst die ordentliche Bürgersteuer oder Losung in Frage, deren Ertrag nicht bekannt ist, aber mindestens die Summe der Reichssteuer von 2000 Pfd. oder 1920 fl erbracht haben könnte. An außerordentlichen Einnahmen lassen sich 1350 feststellen: Warendarlehen des H. Holzschuher Warendarlehen des Chunrat Tücher Warendarlehen des Emoltsvelder-Regensburg Bardarlehen Nürnberger Bürger und Lüttichs Leibgedinge nach der Gewürzhandelsrechnung 2 Leibgedinge Nürnberger Bürger nach Urkunden 4 Leibgedinge Mainzer und Kölner Bürger Darlehensaufnahme bei B. von Varrenbach in Zusam­ menhang mit Darlehen an die Vischpecken 800 Pfd. Haller oder

ca. ca. ca. ca.

Summe der außerordentlichen Einnahmen

ca. 7 798 Gulden

1 579 119 424 1 520 532 1 056 1 800

fi fi fi fi fi fi fi

768 fi

Nach modernen Begriffen können wir die gesamten nachweisbaren Aus­ gaben unterscheiden in a) ordentliche Ausgaben (Reichssteuer) 1920 fl b) außerordentliche Ausgaben (das übrige der obigen Aufstellung) 4 072 fl Zusammen nachweisbar

5992 fl

und bei den Einnahmen a) ordentliche Einnahmen (Losung vermutlich) b) außerordentliche Einnahmen (siehe obige Aufstellung)

1920 fl 7798fl

Zusammen

8718 fl

Diese sehr lückenhafte Übersicht vermittelt wenigstens annähernd eine Vorstellung über den nicht unbeträchtlichen Umfang des nachweisbaren Haus­ haltsteils der Reichsstadt Nürnberg im Jahre 1350. Der tatsächliche Haushalt dürfte über 10 000 fl betragen haben. 121) Die Dauer der N.er Aufenthalte Karls IV. sind verzeichnet bei Reg. Imp. VIII S. 640. Die Aufzeichnung des Ratsschreibers Müllner von etwa 1620—35 über die Schenkungen der Rst. Nbg. an Kaiser und hohe Besucher (Or. BStA Nbg. AStB Nr. 321) beginnt mit den Schenkungen an Karl IV. erst 1357 (Bl. 1 und Beiblatt).

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Scklußbetracktung Die Gewürzhandelsrechnung von 1350 beleuchtet die schweren Nachkriegs­ wirren und die fühlbaren Nachwehen des sog. Handwerkeraufstands von 1348/9. Sie ergänzt wirkungsvoll die wenigen schriftlichen Quellen über jene ereignisreiche Periode, die zu den düstersten Abschnitten der Nürnberger Ge­ schichte zählt. Auch in diesem Zeitraum der städtische Entwicklung doku­ mentiert sich die starke Abhängigkeit der Schicksale Nürnbergs von König und Reichsgeschehen. Das eigenartige Manuskript, das auf den ersten Blick schwer zu deuten ist, läßt sich als eine in zwei große Teile fallende Abrechnung der Stadt über 2 ge­ schäftliche Transaktionen erklären. Die Beurteilung ist dadurch erschwert, daß diese Abrechnung nur als unvollständiges Konzept, als Gedankenstütze zu werten ist. Sie steht daher nicht auf der durchschnittlichen Höhe der damaligen Buchhaltungstechnik, die in Nürnberg wegen der schriftlichen Führung der Stadtrechnung ab 1340 vorauszusetzen ist122). Dieses merkwürdige Dokument gewährt zunächst einen interessanten Ein­ blick in den Gewürzkandel, der damals nach dem Textilhandel wohl die wich­ tigste Großhandelstätigkeit Nürnbergs darstellt. Geschäfte werden nur in Pfeffer und Ingwer abgeschlossen, aber ersteres Gewürz war wohl die Standard­ ware des mittelalterlichen Warengroßhändlers. Wir erfahren, daß Heinrich Holzschuher eine beträchtliche Menge an solchen Gewürzen auf Lager hat und diese zu Gunsten der Stadt verkaufen läßt. Er tut dies nicht selbst, sondern durch Beauftragte (Kommissionäre) der Stadt. Ein zweiter, bisher unbekannter Nürnberger besitzt eine kleinere Pfeffermenge. Ein dritter Posten von 8 V2 Zentnern wird von einem Regensburger auf Borg gekauft. Im ganzen werden vermutlich 44 Zentner Gewürze umgesetzt. Wir erfahren, in welchen Einzel­ posten die Gewürze abgegeben worden sind, zu welchem Preis ein Posten ge­ kauft und verkauft worden ist und wie stark die Verkaufspreise für Pfeffer in dieser kurzen Zeit differieren! Dieses Schwanken ist weniger durch allgemeine Konjunkturbewegungen bedingt als durch den Zwang der Verkäufer zum Ab­ stößen der Ware, um zu Geld zu kommen. Bemerkenswert ist, daß die Kom­ missionäre die Gewürzmengen in Mainz, Köln und offenbar in Lüttich ver­ kaufen, d. h. auf der Handelsroute nach dem Textilproduktionszentrum Euro­ pas in Flandern. Hervorhebenswert ist, daß nicht die Frankfurter Messen be­ sucht werden, die für diese eiligen Geschäfte offenbar zu spät lagen, und daß das ältere Handelsemporium Mainz noch eine Rolle auch als Kapitalmarkt spielt. Der Verkehr auf der alten West-Ost-Achse Flandern—Regensburg er­ scheint als etwas Selbstverständliches für Nürnberg und die hier genannten Kaufleute. Interessant erscheint weiterhin, daß Heinrich Holzschuher, der aus der Tuchhandelsfirma von 1304—7 bekannt ist, sich nun im Gewürzhandels­ geschäft betätigt. Diese Aufzeichnung läßt den später traditionell gewordenen Gewürzhandel in der Frühzeit seines Aufschwungs erkennen. Seit 1340 holen 122) Vgl. zur Technik der Buchführung der Stadt in den Stadtrechnungen P. Sander, Rst. Haus­ haltung Nürnbergs, 1902, S. 289 ff. und L. Schönberg, Technik d. Finanzhaushalts d. dt. Städte im MA., 1910, S. 94 ff.

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nämlich die Nürnberger selbst die Gewürze, die sie vertreiben, in Venedig, dem damaligen Hauptstapelplatz Europas für Orientwaren und Spezereien. Der Wert dieser bisher allgemein noch nicht bekannten Aufzeichnung liegt auch darin, daß sie einen seltenen Einblick in das Funktionieren des Gewürzhandels im einzelnen bietet. Ist bisher für das Spätmittelalter nur über den Warenhandel der Nürn­ berger geschrieben worden und hat man diesen als ihre mehr oder minder aus­ schließliche Beschäftigung betrachtet, so läßt diese Abrechnung nun erkennen, daß diese Nürnberger Bürger auch mit ihren Kapitalien arbeiten, sie der Stadt als Darlehen zur Verfügung stellen oder sie zum Ankauf von Leibrenten ver­ wenden. Überraschend ist die Tatsache, daß die Nürnberger Großkaufleute nach einer so schweren Krise, wie sie die Jahre 1348/9 darstellen, noch soviel Bargeld besitzen. Unter diesen Umständen dürfte die von Meisterlin in seiner Chronik von 1488 berichtete Plünderung der Patrizierhäuser durch den Pöbel123) anläßlich des Handwerkeraufstands von 1348 eine Erfindung des fabulierfreudigen Humanisten gewesen sein. Anerkennung verdient, daß die dem Rat angehörenden Geschlechter und dem Rat nahestehenden Großkauf­ leute der Stadt in ihrer Finanznot durch Waren- und Gelddarlehen sowie durch den Kauf von Leibgedingen helfen und ein gewisses Gemeinschaftsbewußtsein zeigen. Doch darf niemand den mittelalterlichen Kaufmann als reinen Idea­ listen betrachten. Man muß vielmehr ihn in erster Linie als rational und kapitalistisch, d. h. auf Gewinn arbeitenden Kaufmann ansehen und fragen, welche Entschädigung der Einzelne für die zinslose Hingabe von Kapital er­ halten haben könnte. Diese Frage läßt sich an Hand des vorliegenden torso­ haften Materials nicht beantworten. Nur im Falle des Nürnbergers Tücher können wir die Vermutung aussprechen, daß der Kaufpreis des auf Borg ge­ kauften Pfeffers gegenüber dem durchschnittlichen Marktpreis höher angesetzt worden ist. Die Gewürzhandelsrechnung sieht auf den ersten Blick, besonders in §§ 1—3 des Teils I, wie die private Aufzeichnung eines Kaufmanns über ein in seinem Namen und Aufträge getätigten Warenverkauf aus. Doch belehren uns die folgenden §§ 4—11 darüber, daß dem Heinrich Holzschuher für den erzielten Erlös von 1020 Gulden sofort Rückzahlungen durch die Stadt zur Tilgung dieser Forderung geleistet werden. Es handelt sich also um eine finanzielle Trans­ aktion der Stadt Nürnberg. Während die Geschäfte des Teils I durch Ulrich Pottensteiner, der als Beauftragter des Rats angesprochen werden darf, allein ausgeführt werden, werden die einzelnen Geschäftsvorgänge des Teils II in der Hauptsache durch zwei Beauftragte des Rats ausgeführt. Erst dieser II. Teil läßt eigentlich vollkommen erschließen, worum es wirklich bei dem ganzen Unter­ nehmen geht. Die sämtlichen Transaktionen haben sichtlich nur den Zweck, der Stadt Geld zu beschaffen und eine Zahlung von 2000 Gulden nach Aachen zu ermöglichen. Es handelt sich also nicht nur um eine Aufzeichnung der Stadt­ verwaltung, sondern um die skizzenhafte Protokollierung einer städtischen m> Chron. d. dt. Städte III, S. 141 (Meisterlins dt. Chronik). Vgl. dazu E. Reicke a.a. O. S. 201 ff.

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Finanzaktion. Da die Stadtkasse damals leer oder überbeansprucht war, wurden mit verschiedenen Methoden Geldmittel beschafft: 1. Bürger geben als Dar­ lehen Waren her, die verkauft werden. 2. Bürger geben Kapital durch Kauf städtischer Leibrenten her. 3. Bürger geben förmliche Gelddarlehen her. Alle drei Maßnahmen lassen sich unter den modernen Begriffen „Anleihewirtschaft" einreihen. Hervorhebenswert ist, wie aus Teil II die Beschaffung der not­ wendigen Geldsummen hervorgeht und wie die Ausgabe dieser Beträge verbucht wird. Zum Schlüsse werden auch noch die Auslagen der 2 Kommis­ sionäre festgehalten. Die Gewürzhandelsrechnung ist also in erster Linie eine Aufzeichnung, die über die Haushaltsgebarung und die Finanzpolitik der Reichsstadt Nürnberg Auskunft gibt. Da die Stadtrechnung dieser Jahre fehlt und die Quellen jener Jahre relativ dürftig sind, gewinnt dieses fragmentarische Manuskript an be­ sonderem Wert. Mit welcher Virtuosität die Stadtverwaltung in ihrer damaligen Finanznot Geld zu beschaffen versteht, verdient uneingeschränktes Lob. Diese dreifache Art der Anleihebeschaffung erweist die Ratsherren und wahrschein­ lich die Losunger, die schon damals die Finanzverwaltung der Stadt geführt haben dürften, als erfahrene und gewandte Kaufleute. Unter diesen Um­ ständen bewährte sich das damalige, für jene relativ primitiven Verhältnisse passende System, die Verwaltung mangels von ausgebildeten Berufsbeamten durch in der Kaufmannschaft bewährte Bürger als Ehrenbeamte ausüben zu lassen. Das nun veröffentlichte Manuskript ist für die Erforschung der Nürnberger Wirtschaftsgeschichte besonders aufschlußreich, weil es unsere Kenntnisse über die Namen der in Nürnberg kaufmännisch tätigen Bürger erweitert. Wichtig ist die Feststellung, daß eigentlich die meisten Angehörigen des Patriziats kommerziell arbeiten und daß wir auch die Namen von einigen bisher un­ bekannten Kaufleuten aus dem einfachen Bürgerstande erfahren haben. Die Gewürzhandelsabrechnung des Jahres 1350 stellt wohl eine wirtschafts­ geschichtliche Quelle eigener Art dar und dürfte in Deutschland wohl wenige Parallelen besitzen. Anliegen des Verfassers war es, diese vergilbten Blätter, die diese kurzen lakonischen Eintragungen enthalten, zum Leben zu erwecken und ihr Ver­ ständnis zu vermitteln. Da gerade primäre wirtschaftliche Quellen aus jener Zeit fehlen, so erschien es notwendig, an Hand dieses für Nürnberg einzig­ artigen Dokuments einen Begriff von dem Rechnen eines Kaufmanns und der Buchhaltung der Stadtverwaltung Nürnberg im 14. Jh. zu geben sowie Einblick in das erste belegte Finanzgeschäft des Nürnberger Rates zu geben.

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MVGN 50 (I960) Gewürzhandelsrechnung Anhang: Textabdruck der GewürzUandelsabredinung von 1350. Bl. 1 a). X Anno ab incamationis b) M°CCC°L0 anno jubileo feria quarta post festum purificationis [= 3. Februar 1350]. [§ 1. X] Da widerrechent Vlr[ich] Potenstainer und verrechent, daz er het Hainr[ich] Holtsdi[uher] pfeffer verkauffet ze Maintz und ze K6len 13 zenten und 68 V2 lb, daz 1b umb 10 [ß] h und 4 or h. Summa 600 und 79 gülden minus , die hat man bezalt auz der losungstuben x) y). [§ 23. X] Item von dem Hayden 100 gülden. [§ 24. X] Item von dem Ehinger 300 gülden. [Bl. 105. § 25. X] Item von dem Eysenhuter 66 gülden. [§ 26. X] Item von Peter Stromayer 97 gülden. [§ 27. X] Item von Hainr[ich] Holtsch[uher] 90 gülden. [§ 28. X] Item da lehen Vlr[ich] Potenst[einer] und Hainr[ich] Groz dar 600 gülden. [§ 28a. X] Summa 2200 gülden und 16 gülden. [§ 29. X] Item dez haben si gen Ach geben 2000 z) gülden. [§ 30. X] Item so haben si geben umb meins herren dez purkgraven gürtlen 200 gülden minus 1 gülden. [Bl. 105’. § 31. X] Item si gaben dem von Regenspurk 14 or guidein. [§ 32. XX] Item a) so nam der Gevder 2 gülden et - schilt. [§ 33. XX] Item a) beleibt man dem Potensteiner und dem Gevder 129 b) lb h nl. [§ 34. XX] In a) c) hac c) dentur c) eis 28 d) lb auz der losungstuben. Angefügt seien noch die Stellen über die Ausgaben für Wein aus demJahre 1353 und die undatierte Liste der städtischen Waffen der Nürnberger Türmer von der gleichen Hand, wes­ halb dieser Eintrag auf etwa 1353/4 geschätzt werden kann. s) Durch Verweiszeichen über der Zeile von glz. Hand nachgetragen und durch Verweiszeichen hier­ herbezogen. VIII ausgestrichen und VIII darübergeschrieben. Darübergeschrieben und mit Verweiszeichen einbezogen. Zwischen die Zeilen eingeschrieben und mit Verweiszeichen darunter. Davor ausgestrichen 40: XL. Von gleicher Hand nachgetnagen mit neuem Duktus. Am r. Rand von gleicher Hia.nd: flor[enos] 250 miin (? minores ?). In der Hschr.: II m. Nachtrag von gleicher (?) Hand. Darunter ausgestrichen: CXXIX = 129. Undeutlich geschrieben. In der Hschr.: XXIIX. Mitglied einer damals ratsfähigen Familie. Fritz Krauter sitzt zwischen 1347—1363 viermal im Rat.

t) u) v) w) x) v) z) a) b) c) d) d)

MVGN 50 (i960) Gewürzhandelsrechnung [Bl. 4\ Y] Anno Domini M0CCO°LIII° [= 1353]. Bernh[art] Krauter ebenda Nr. 511 und 514 48) siehe Anm. 4 dort Aufsatz von Gerhard Pfeiffer. 49) St.A.N. Rentamt Fürth (Rep. 2138) Saal 26 5/ Nr. 31 sowie St.A.N. Rep. 272^ Nr. 2403 Kanzleilehen 50) Stadtarchiv Nbg. Vorortsakten Gemeinde Höfen, Gewerbeakten sowie Nürnberger Adreß­ buch von 1900, Seite 242

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MVGN 50 (I960) Eberhardshof und Muggenhof

Im alten Ortsteil mit der Haus-Nr. 1—10 befinden sich neben der alten Schenkstatt noch 5 Ökonomen, wobei es nicht ersichtlich ist, wieweit sie reine Landwirtschaft treiben oder nicht schon in der Hauptsache Fuhrbetriebe für die nahen Industriewerke unterhalten. Die ganze Ortschaft zählt 78 Gebäude­ nummern, davon sind außer einigen Wirten und Bäckern die meisten Be­ wohner Handwerker und Fabrikarbeiter. Dazu finden wir folgende Unter­ nehmen: HausNr. 12 HausNr. 30

HausNr. HausNr. HausNr. HausNr. HausNr. HausNr. HausNr. HausNr.

The Premier Cycle Co. Ltd. Velocipedfabrik seit 1882 Draht- und Metallwarenfabrik. Gebr. Brenndorf seit 1884 Broncewarenfabrik von Sill und Co. seit 1886 Sporer, Mechanische Werkstätte, seit 1887 Nürnberger Gußstahlfabrik 31 Cementfabrik von Radimaier 33/36 Das Städtische Gaswerk — Muggenhof (seit 1898 Ölgaswerk A. G. Doos — Hersbruck) 39 Nüßlein, Spielwarenfabrik 49 Keim u. Schilling, Blechemballagenfabrik 5 3/54 die Herkules-Werke 57 Weinmann, Cementwarenfabrik 64 Triumph-Fahrradwerke (seit 19. 1. 1897, mit ungef. 100 Ar­ beitern begonnen.) 66 Soldan u. Co., Fabrik elektrischer Maschinen und Apparate. Später Elektrizitätsgesellschaft; heute AEG.

Der Eberhardshof hatte sein ländliches Gepräge länger bewahren können; erst nach 1900, nach der Eingemeindung nach Nürnberg, wurden auf seiner Flur die Straßenzüge von Gostenhof her erweitert; dann siedelten sich in ihr einige Gewerbeunternehmen an. Lange Zeit befand sich an der Fürther Straße fast bis zum Eberhardshof hin das weite Gelände des Volksfestplatzes, bis auch dieser wieder in allerjüngster Zeit der Anlage eines Großunternehmens (Versandhaus Quelle) weichen mußte. Die jahrhundertealte Geschichte beider Ortschaften Eberhardshof und Muggenhof ist erfüllt von der Not und dem Elend vieler Kriege und Heeres­ züge, so zweier Markgrafenkriege (1449 und 1552), des mörderischen Dreißig­ jährigen Krieges und der Bombenangriffe eines jüngst vergangenen Welt­ krieges, wobei es sich der Verfasser mit Absicht versagt hat, dies im Einzelnen nach Art früherer Chroniken darzulegen, obwohl auch hierfür Quellen vor­ handen gewesen wären. Vielmehr sollte der Gestaltwandel beider Weiler dar­ gelegt werden. Dabei ist dieser Wandel auf dem Muggenhof besonders hervor­ getreten: Aus dem ältesten vermutbaren Hof der frühen Siedlungszeit nah 1000, angelegt an dem Rennweg auf dem südlichen Hochufer der Pegnitz, bildete sich ein Weiler mit einer getrennten Lehensherrshaft und einer noh vielfältigeren Grundherrshaft heraus; er stieg dann unter der Krone Bayerns in den langen Friedensjahren des vergangenen Jahrhunderts zu einem blühen­ den Industrievorort empor, um zuletzt ein fester Bestandteil der Großstadt Nürnberg zu werden. Auh heute ist er noh beahtlih durh eine Reihe füh0

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MYGN 50 (I960) Eberhardshof und Muggenhof

render Industrieunternehmen, fast im Mittelpunkt des geplanten Wirtschafts­ großraumes Nürnberg—Fürth—Erlangen—Schwabach gelegen. Der Eberhardshof bei Nürnberg. Die erste namentliche Nennung des Hofes finden wir in einer Urkunde vom 18.4. 1344 *). In ihr verkauft ein Chunrad Eberhard von den Hoeven ( = Höfen) und seine Ehefrau das Erb­ recht dieses Hofes an Chunrad den Weizzenburger, seine Frau Adelheid und seine Schwieger Leugart; nach ihrem Tod soll der Hof als Seelgerät dem Deutschherrenorden zufallen. Über die Größe des Hofes erfahren wir in dieser Urkunde noch nichts, jedoch weist das Stromersche Waldbuch12) von 1425 als Abschrift einer älteren Vorlage von 1385 für den Eberhardshof zwei Feuerrechte auf, so daß man wohl auf eine Teilung des Hofes schließen kann. 1403 wird dem Ott Knorr vom Spitalmeister Holzschuher der Hof (wahrscheinlich nur der halbe Hof) durch eine Urkunde erblich verliehen 3). In dem Salbuch des Elisabeth-Spitals zu Nürnberg von 1409 4) wird der geteilte Hof zum erstenmal beschrieben: Ott Knorr zinst für seine Hofhälfte 4 Sümer Korn, 8 Käse, 60 Eier, V* Pfund Heller, 2 Herbsthühner und 2 Vaßnachthennen. Craft Helsenweck besitzt die andere Hofhälfte und zahlt die gleiche Gült. Von dieser Familie Helsenweck findet sich in einem Fürther Gerichtsbuch des bambergischen Domprobsteiamtes 5) eine eigenartige Klage. Im Jahre 1448 klagt die Anna Helsweckin vom Eberhardshof und die Kunigund Kreußin vom Gostenhof gegen Hans Fischer den Älteren zu Kleinreuth und Ulein Fischer und Elsbeth, seine Schwester, zu der Großen Reuth (= bei Schweinau) wegen einer Beleidigung: „ ... daz sie gesprochen haben, sye seien Zauberinnen und haben mit sullich zauberey zubracht, daz des Fischers sun der Helsweckin tochter haben nemen müssen; daz doch wider den heyligen christlichen glauben und ein keczerey wäre und si damit gern zu gefencnussen bracht hätten Als Wiedergutmachung verlangen die Frauen 100 fl., für damalige Verhältnisse eine er­ hebliche Geldsumme. Man kann daraus auch ersehen, wie schwerwiegend diese Beleidigung oder üble Nachrede genommen wurde. Das Salbuch des Elisabeth-Spitals vom Jahre 1464 6) (also vor fast 500 Jahren abgefaßt 0 gewährt uns einen guten Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Hofes: Der Hof ist noch geteilt, als Besitzer erscheinen Hermann Krelle und Hans Raming (beide Familiennamen kommen zu dieser und auch noch in späterer Zeit im Südwesten Nürnbergs vor). Die Höhe der Abgaben ist unverändert geblieben, außerdem werden die Felder und Wiesen in ihrer Flurlage genau beschrieben. Das Waldbuch des Hans Stromeyer (= Stromer) von 1465 7) nennt für den Eberhardshof sogar drei Feuerrechte. Offenbar muß einer der Halbhöfe noch ein bewohntes Nebenhaus ge­ habt haben. Die beiden Familien Krell und Raming (Roming) sitzen lange Zeit nebeneinander auf ihren Hofteilen, noch 1529 werden sie in einer Nürnberger Steuerliste genannt. Darin werden Nicolaus Krell mit 800 fl. und Hans Raming mit 600 fl. zur Steuer veranlagt 8). 1533 wird dem Hans Krell vom Waldamt Laurenzi Bauholz bewilligt9), der Hans Raming scheint seinen Hofanteil verkauft zu haben. Wir finden ihn wahrscheinlich als den Besitzer des einen Pfinzinghofes in Muggenhof und eines Hofes in Wetzendorf wieder. Auch die Zehnt­ bücher des Landalmosenamtes führen nur den Hans Krell als Besitzer des Eberhardhofes bis zum Jahre 1559 10). 1) Vorarbeiten zum Nürnberger Urkundenbuch im Stadtarchiv, desgl. Regesta Boica VIII S. 11, ferner St.A.N. Rep. 210 Nr. 100 (Archival-Urkunden in Abschrift) 2) St.A.N. Rep. 751 Nr. 9 3) St.A.N. Rep. 210 Nr. 100 4) Stadt-A. N. Zinsbuch des alten Spitalis zu Sankt Elisabeth zu Nbg. von 1409 5) St.A. Bamberg Rep. B 81 Nr. 6/26 b fol. 42 f. 6) im Stadtarchiv Nürnberg 7) St.A. N. Rep. 52a Nr. 310 8) St.A. N. Nürnberger Bauern Verzeichnisse Nr. 1 ») St.A. N. Rep. 751 Nr. 391 10) Stadt-A. N. Landalmosenamt — Zehntbücher Nr. F 116 -118

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MVGN 50 (i960) Eberhardshof und Muggenhof Die Gebrüder Michel und Hans Zirolt haben 4 fl ewiger Gült aus einer Wiese zu Geyßmannshoff, die sie von ihrem Vater Cunz Zirolt zum Ebertskof sei. ererbt, 1548 dem Hans Krell und Elisabeth seiner Hausfrau zum Ebertshof für 132 fl. verkauft11). Aus diesem Ein­ trag eines alten Fürther domprobsteilichen Gerichtsbuches läßt sich vermuten, daß der Cunz Zirolt für kurze Zeit den halben Hof vom Hans Raming erworben hatte. 1552 in der Nacht vom 11. zum 12. Mai wurde der Hof von den Truppen des Markgrafen von Ansbach vollständig niedergebrannt, nachdem ihm im Jahre 1449, im sog. ersten Mark­ grafenkrieg, dasselbe Los beschieden war 12). Die Holzschnittkarte des H(ans) W(urm) vom Jahre 1559 zeigt uns auf dem Eberhardshof zwei Bauernhäuser, die von einem Zaun fest umschlossen sind. Seit 1560 ist Hans Imhof, der Junge Besitzer des Hofes. Er stammt aus einer Bauern* familie, die zu der Zeit wohl eine der reichsten war. Sie besaß mehrere Höfe in Wetzendorf und Schniegling, dazu kleinere Güter und Flurstücke in Poppenreuth. Im Jahre 1575 erwirbt dieser Hans Imhof auch noch den größten Bauernhof und ein Gut in Geismannshof, den von Löffelholzischen Hof (alte HausNr. 1 und 2, heute Weikershofstraße 73 und 75). 1577 baut Hans Imhof auf dem Eberhardshof ein neues Hofhaus13), auch hat er auf dem Hof unberechtigt ausgeschenkt, wie aus einem Akt vom Jahre 1588 hervorgeht14). Bis zum Jahre 1587 wird er in den Zehntlisten geführt, dann übernimmt sein Schwiegersohn Hanns Höfler im nächsten Jahre den gesamten Hof 15). Conrad Humbser von Eltersdorf heiratet 1601 die Witwe Christina Höfflerin vom Eberts­ hof 16). Er führt den Hof bis 1605, als der eigentliche Erbe Friedrich Höfler den Hof über­ nehmen kann 10)17). Jedoch wechselt der Hof bald wieder seinen Besitzer, denn von 1610 an wird ein Hans Lemmermann genannt18). Das Salbudt des Elisabeth-Spitals vom Jahre 1615 gibt neben dem Besitzernamen (bis zum Jahre 1740) auch noch einen Hinweis: „auf dem Hof waren zuvor zwei Hof, hat jetzt ein Bauernhaus und zwei Stadel“ 19). Der sog. Ansbacher 16-Punkte-Bericht (um 1620) bringt über den Eberhardshof folgenden Eintrag: „Den Eberhartshoff hat Endres Behr (= Andreas Bayer 1t. Salbuch), gehet dem Teutschen Ordenshauß zu Nürnberg zu Lehen, gibt Gült 9 Vs Sümer Korn und 7 Gülden vor Walburgi und Michaeli Zinß und vor Hüner und Eier und gehört der Zehendt nach Mugenhof. Der Zehendt zur (sic!) Mugenhof wie zum Eberhardshof gehören zusammen, weilen die Feldung zusammen stoßen, und werden vom Domprobst und dem Reichen Almosen umb 32 Sümer verlassen, den jeder Teil halb empfängt“ 20). Der Hof bleibt nun über 100 Jahre, bis ungef. 1740, im Besitz dieser Familie Bayer (Baier). 1629 Conrad Bayer. Im Jahre 1632 wird auch der Eberhardshof von den kroatischen kaiser­ lichen Kriegs Völkern in Brand gesteckt worden sein, erst 1670 wird von dem Conrad Bayer das abgebrannte Hofhaus wieder auf gebaut 21). 1673 Stephan Bayer führt den Hof. Friedrich Lohebauer vom Muggenhof hat 1686 die Witwe des Vorbesitzers geheiratet. Das Schatzungsbuch der Commende St. Elisabeth in Nürnberg vom Jahre 16 8 8 22) bringt eine umfangreiche und sehr genaue Beschreibung des Eberhardshöfes: „Ein Hof, eine halbe Stunde von Nürnberg gegen Fürth, allwohin er auch gepfarrt, gelegen, die hohe Obrigkeit Brandenburg-Onoltzbach, die Vogteilichkeit aber dem Hohen Orden der Commende und Spital Nürnberg zuständig. Dieser Hof ist dem Orden und Spital Nürnberg 11) 12) 13) 14) 15) 1®) 17) iS) 19) 20) 21) 22)

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St.A. N. Rentamt Fürth Nr. 1023 f. 250 (Fürther Gerichtsbuch von 1538—1548) Reicke: Gesch. d. St. Nbg. 1896, Seite 894 St.A. N. Rep. 751 Nr. 392 Stadt-A. N. Rep. 100 c Nr. 12 St.A. N. Rep. 751 Nr. 393 St. Michael-Fürth Ehebücher ab 1578 St.A. N. Rep. 751 Rep. 394 St.A. N. Rep. 751 Nr. 395 Stadt-A. N. Salbuch des Elisabeth-Spitals von 1615 St.A. N. der sog. Ansbacher 16-Punkte-Bericht Nr. 11 St.A. N. Rep. 751 Nr. 864 St.A. N. Rep. 59 Nr. 139a Schatzungsbuch der Kommende St. Elisabeth zu Nürnberg von 1688; ferner Stadtarchiv Nürnberg, Salbuch von 1688, sodann St.A. N. Rentamt Fürth Nr. 1022, Steuerbeschreibung des Deutschherren Ordens von 1700.

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MVGN 50 (i960) Eberhardshof und Muggenhof vogt-, lehen-, gericht-, dienst-, zins-, gült- und steuerbar. Gibt großen Handlohn als von 15 einen Gulden, auch Haupt- oder Fallrecht. Ist sonsten außer des Feldzehnten von niemands anderen beschwert. Hat auch die Waldsgerechtigkeit täglich mit 4 Haupt ins Brennholz zu fahren. Friedrich Lohebauer besitzt diesen Hof, darauf ein wohlgebautes Haus von Holz, woran ein großer Keller mit Ziegeldach, zwei Städel aneinander, wovon der eine halb mit Ziegel und das übrige mit Stroh gedeckt. Ein Wagen- und Karrenschupf, ein Stadel bei der Weth, auch von Strohdach. Ein neugebautes Kosthäußlein und ein Backofen, beides mit Ziegeln gedeckt, mit seinen Feuerrechten, eine steinerne und hölzerne Rübgrub. Ein noch öde Brandstatt zu einem Kost- oder Tagwerkers-Häußlein mit seinem Feuerrecht. Dabei hat es ein Tagwerk Baum­ garten mit einer lebendigen Hecke eingefangen. Ein Viertel Tagwerk Kraut- und ein halb Viertel Rübgarten. Und ist der Innhaber befugt, die ganze Hofreith mit einem Zaun zu umfangen. Gibt keinen Klein- oder Krautzehnten. Zu dem Hof gehören 51 Morgen Feld, 11 Tagwerk Wiesen und 6 Morgen Espan. (Diese werden in ihrer Größe und Flurlage genau beschrieben.) Geben die zehnte Garb in Mugenhöfer Zehndten, so halb der löbl. Domprobstei Bamberg Amt Fürth und halben der Landt-Almußen in Nürnberg gehörig. Die Wiesen sind zehntfrei, die sechs Morgen Espan darf niemand überhüten. Gült an den Orden: 9 V2 Sümer Korn, 4 Pfd., 2 Hennen, 4 Hühner, 16 Kees und 120 Eier. Besitz an Vieh: 8 Fuhrpferde, 1 einjähriges Fohlen, 10 Nutzkühe, 6 einjährige und 2 zwei­ jährige Kühe im Gesamtwert von 250 fl. Der Hof ist geschätzt für 1500 fl. Um 1710 ist der Bauer Friedrich Lohbauer gestorben, seine Witwe führt den Hof weiter, aber sie hat sehr großen Schaden durch die Nürnberger Metzger, die mit ihren großen Schaf­ herden den Espan und die Äcker überhüten. Als den Hütejungen einige Schafe abgepfändet werden, kommt es zur Schlägerei und zu gewalttätigen Übergriffen. Dabei werden sogar den Eberhardshöfern 2 Pferde entführt. Auf die Beschwerde des Ordenskomturs über diese Vor­ fälle sagt der Rat der Stadt Nürnberg Ersatz des Schadens und Bestrafung der Schuldigen zu 23). Noch im Jahre 1710 übernimmt Ulrich Bayer den Hof. Wegen Alters und der hohen Schuldenlast ersucht er 1720 die Kommende in Nürnberg, den Hof teilen und dem Sohn die Hälfte verkaufen zu dürfen 24). 1721 vergrößert er das Hofhaus21). Der Nachfolger Leonhard Bayer macht wenig später (1723) diese Hofteilung des Vaters wieder rückgängig, wie aus einem dicken Aktenfaszikel hervorgeht; auch scheinen erhebliche Zwistigkeiten bei dem Kauf ent­ standen zu sein 24). Das Salbuch nennt weiter einen Hannß Bayer als Hofbesitzer, im Jahre 1733 wird ihm vom Waldamt Bauholz bewilligt 2S). Um 1740 wird der Eberhardshof wieder geteilt: Leonhard Kern und Johann Kißkalt sind die neuen Besitzer 25a). Besitzfolge der Hofhälfte des Joh. Kißkalt: später Haus Nr. 1 und 3 1742 Johann Kißkalt (1742—1786) Im Jahre 1753 baut er sein Wohnhaus an einer andern Stelle in der Hofreith und auch etwas vergrößert auf 26). 1786 übernimmt Konrad Kißkalt den Halbhof für 4600 fl von der Mutter27). 1808 Fassion: Wohnhaus, Scheune, Stall. 3A Morgen Garten, 27 V4 Morgen Feld, 5 Tagw. Wie­ sen. Waldrecht: 4 Mäß Holz, 3 Mäß Stöcke, 300 Büschel. 1827 erhält Konrad Kißkalt nach dem Tode des Vaters den Halbhof im Werte von 7000 fl. in der Erbschaftsteilung. Der Hof hat die HausNr. 39 und wird im Grundkataster als der „Forsterhof“ bezeichnet28). 1848 ist Konrad Kißkalt noch Hofbesitzer 29). 23) Stadt-A. N. Rep. 100 c Nr. 8 ebenda Nr. 9 25) St.A. N. Rep. 751 Nr. 396 25a) ebenda Nr. 397 26) ebenda Nr. 421 27) St.A. Nr. Rep. 225/22 Finanzamt Nbg. Nr. 41 28) ebenda Finanzamt Nbg. Nr. 102 24)

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MVGN 50 (I960) Eberhardshof und Muggenhof 1900 G. Hammel, Bäckermeister. (Nürnberger Adreßbuch) 1941 B. Krauß, Gastwirtin. (Nürnberger Adreßbuch) Daneben besteht das alte Hofhaus als HausNr. 3 weiter: 1900 A. Übler 1941 Königsche Erben. Im vorigen Jahrhundert ist dann noch als weiteres Anwesen ein Bahnwärterhaus zum Eberhardshof unter der HausNr. 4 hinzugekommen. Besitzfolge der anderen Hof hälfte: später HausNr. 2 1741 Leonhard Kern 1794 übernimmt Anna Margaretha Kern den Halbhof im Wert von 4300 fl. erblich von ihrer Mutter, der Witwe des Leonhard Kern. 1808 Häuserfassion: Besitzer ist noch Anna M. Kern. Ein Halbhof mit Wohnhaus, Scheune, Stall. s/4 Morgen Garten, 27 V4 Morgen Feld, 5 Tagwerk Wiesen. Steuerwert: 5500 fl. Waldrecht: 4 Maß Holz, 3 Maß Stöcke, 300 Büsdiel27). 1824 hat Joh. Lothar Lorenz durch Heirat der Anna Maria Kern den Hof (im Anschlag von 6000 fl) erworben. Das Anwesen trägt im Grundkataster die HausNr. 40 2S). 1848 ist Joh. Lothar Lorenz noch Besitzer des Hofes29). 1861/62 Leonhard Lorenz30). 1900 K. Lorenz, Ökonom (Nürnberger Adreßbuch) 1941 Hähnlein, Hoch- und Tiefbau. (Nürnberger Adreßbuch) 20) Stadt-A. N. Vorortsakten Gemeinde Höfen, Steuerl/istie W47/48 ebenda

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Muggenhof. Die Erbschänke. alte Hausnr. V2 später: Hausnr. 52 und 5 3 heute: Fuchsstraße 3 5 Das Anwesen ist ein dompropsteilich-bambergisches Lehen. Grundherren: Seit 1418 die Gralant. Die Freiherren von Leonrod, seit 1459 urkundlich nach' weisbar. Von 1699—1751 die Peiler vom Schoppershof. Von 1751—1848 wieder die Freiherrn von Leonrod. Das Anwesen hat kein Waldreckt am Lorenzer Wald.

Entstehung und Besitzveränderungen: In einem Prozeß der Freiherren von Leonrod mit dem Rat der Stadt Nürnberg im Jahre 1754 führen diese an, daß ihre Schenkstatt zum Mugenenhof bereits im Jahre 1436 bestanden hat, damals soll der Rat Zeugen über die Schenkstatt abgehört haben. Umfrage des Rates nach den Schenken um Nürnberg: „Mugenhof. Fritz Weschpleul und Hermann Krell von den Höfen promiserunt et dixerunt, das sie gedenken, nemblich der Weschpleul bey 50 jaren und der Krell bey 30 jaren, daz kein erbschenkstatt zum Mugenhof und auch keynerlei hantwerck gewesen sey.“ Diese Umfrage läßt vermuten, daß sich damals auf dem Muggenhof noch keine Erbschenke, wohl aber schon eine sog. Heckenschenke befand; dabei mag das Recht zum freien Schenken dem ältesten auf dem Muggenhof entstandenen Hof angehört haben (s. S. ). 16. Juli 1466. Urkunde des Kaisers Friedrich für Hans von Leonrod und Hannsen Hofmann zu Mangenhowe (sic!); darin werden sie auf Beschwerden des Rates zu Nürnberg aufgefordert, „die Sehenckstatt, so sy zu Mugenhoffen haben, abzutun und ferer nit zu geprauchen ..." In der Ratsumfrage vom Jahre 1476 wird Muggenhof nicht erwähnt, wohl aber heißt es 1479 in dem Bericht von dem Angießen der Kannen: „Die hernach geschrieben sind markgrawisch, tumprobstisch und ander, schenken nürn­ berger maß, den hab ich angossen. Item zu Mugenhofen schenkt einer, haist der Hof­ mann und ist kein erbschenkstatt.“ 69

MVGN 50 (I960) Eberhardshof und Muggenhof In einem Ratsverlaß verbietet der Rat der Stadt Nürnberg dem Hanns Hofmann das Schenken. 1482 wird den Wirten zu Mugenhoff, Klein- und Großreuth (== hinter der Veste) vom Rat erneut das Schenken verboten mit der Drohung, daß andernfalls durch die Einspänniger den Fässern der Boden ausgeschlagen werde. 1482 wird dem Hans Hofmann nochmals bei 20 fl Strafe das Schenken verboten. 1482, am 2. Dez., erfolgt nunmehr ein sehr energisches Schreiben des Markgrafen an den Rat wegen der Muggenhofer Schenkstatt. Offenbar erkennt der Rat, daß aus diesem Streit ihm ein Politikum erwachsen wird, wenn er nicht mit klaren Rechten gegen den Markgrafen, dessen Lehens- und Dienstmann der von Leonrod ist, vorgeht. Daher wird er den Hanns Pirckheimer (den Vater des bekannten Humanisten Willibald Pirckheimer), Doktor der Rechte, mit einem Gutachten beauftragt haben. Das Gutachten, unter dem Datum vom 21. Dez., trägt die Überschrift „Gutachten über das Nürnberger Privileg an den Rat und was das Privilegium für Mängel hat". Hanns Pirckheimer weist nun sehr klar auf die schwachen Rechtsgrundlagen hin und schließt dann «... Aus dem versten euer fürsichheit und Weisheit, das ich besorg, das der handel, wider Leonrods armen man gehandelt, nit am formicklichsten sey, und mocht gut sein, eyn zegerliche antwort meinem herrn Markgrafen und Leonrod geben, doch den handel inen lassen, bißlang und ein pesser privilegium erlangt werd" (Stadtarch. Nbg., Bürgermeisteramt 10). 1483 ist die Muggenhofer Schenke Gegenstand einer Verhandlung zwischen dem Rat von Nürnberg einerseits und dem Domprobst zu Bamberg (als Lehensherm) und Hanns von Leonrod andererseits. Der Rat verlangt unter Berufung auf das kaiserliche Privileg (das alle Schenken im Umkreis von einer Meile um Nürnberg, die nicht Erbschenken sind, verbietet) die Ab­ stellung des Schenkens auf dem Muggenhof, während Hanns von Leonrod betont, daß dies keine neue Schenkstatt sei, denn sein verstorbener Vater, Wilhelm von Leonrod, habe bereits auf dem gemeldeten Gut angefangen zu schenken. Hanns Hofmann hat dem Rat die eidliche Zusage gegeben, von dem Schenken abzustehen. Nun wird er aber von seinem Eigenherrn Hans von Leonrod bedrängt, die Schenkstatt wieder­ aufzurichten, tue er es nicht, so will der Leonrod ihn in einen Turm legen lassen. In dieser Not wendet sich der Hans Hofmann an den Rat mit der Bitte, ihn von der eidlichen Zusage zu ent­ binden. Der Rat ist damit nicht einverstanden, sondern befiehlt dem Hofmann erneut, das Schenken zu lassen und sich an seine Zusage zu halten. Gegen eine Gewalttat seines Herrn will ihn der Rat in Schutz nehmen. (Als Extrakt in dem Aktenstück vom Jahre 1708/27 enthalten. St.A.N. Rep. 2721 Nr. 2621 Kanzleilehen). 1501 wird Hans von Leonrod mit drei Höfen samt der Schenkstatt vom Dom­ propst zu Bamberg belehnt (St.A. Bbg. Standbuch 3013 f. 3). 7. Juli 1510 bestätigt Kaiser Maximilian dem Georg von Leonrod die Schenkstatt zu Muggenhof, die bereits seit 40 Jahren besteht, als Erbschenke mit der Gerechtigkeit, daß in einer Viertel Meile wegs keine neue Schenkstatt aufgerichtet werden darf. (Ein Wirt ist in der Urkunde nicht genannt, die Original-Urkunde befindet sich im German. Museum, eine Abschrift im Staatsarchiv Nbg. S I A-Laden L 28, Nr. 21.) (Ebenda auch das Folgende) Sebalt Wolf als Wirt auf der Erbschenke zu Muggenhof beschwert sich 1524 bei seinem Eigenherrn, dem Herrn von Leonrod, daß ihm die Schenke in Schniegling Abbruch tut. Dieselbe Klage richtet der Sebalt Wolf auch an den Rat der Stadt und nennt diesmal auch die unberechtigten Wirte in Schniegling: N. Zeydler, N. Poler, Hammerschmied und Simon Heintz. Vom gleichen Jahr nochmals ein Schreiben des Herrn von Leonrod an den Rat wegen der neuen Schenkstatt in Schniegling, die der Zeidler errichtet hat. Sebolt Wolf erneuert 1526 seine Klage beim Rat wegen des unberechtigten Schenkens zu Schniegling, diesmal richtet sich die Klage gegen den Zeidler Heinrich Lang. Heinrich Lang antwortet nun dem Rat in einem Schreiben: Seine Eltern sowie er selbst wie auch noch andere im Dorfe hätten bereits über 40 Jahr unbeanstandet im Dorfe ausgeschenkt. Erbschenkengerechtigkeit zum Muggenhof bestehe erst neuerdings und zu Unrecht, früher sei es ein Schafstall gewesen! Sebalt Wolf ist noch Besitzer der Erbschenkstatt, aber er scheint sie an Cunz Amberger verpachtet zu haben. Aus einem geringfügigen Anlaß kommt es am 10. August 1528 zu einem

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MVGN 50 (I960) Eberhardshof und Muggenhof „politischen“ Zusammenstoß des Markgrafen und der Reichsstadt. Vier ledige Gesellen zu Schniegling haben einen Hammel „aufgeworfen“ und zum Kugelfest alle aus der Stadt und den umliegenden Dörfern nach der Schenkstatt auf dem Muggenhof eingeladen. Darauf sind viele Hunderte gekommen (Nach Aussage des Amtmannes zu Cadolzburg waren es 500 •Menschen; der Wirt sagt, es seien gegen 160 Personen gewesen!), die alle in der Schenkstatt gegessen und getrunken haben. Der Kästner (Amtmann) von Cadolzburg schreitet nun da­ gegen ein und läßt den Wirt Cunz Amberger gefangen nach Cadolzburg abführen. Offenbar spielen hier die Ereignisse des jüngst vergangenen Bauernkrieges mit, wenn er sein Einschreiten mit einem Spruch des Schwäbischen Bundes begründet. Danach seien alle Zusammenkünfte und Zusammenrottungen auf Tänzen, Kirchweihen und Kugelplätzen verboten. Auch der Rat von Nürnberg hätte dies als Bundesmitglied beachten sollen; im übrigen weist er daraufhin, daß der Markgraf die fraisliche Gerichtsbarkeit hier auf dem Muggenhof ausschließlich für sich beansprucht. Doch scheint der Vorfall bald beigelegt worden zu sein, denn Cunz Amberger wird gegen Erlegung des Zehrgeldes freigelassen. (St.A.N. A-Laden S I L 3 Nr. 42) Die Lustbarkeiten auf dem Muggenhof scheinen schon damals beliebt gewesen zu sein, so daß der Rat der Stadt wohl oftmals Anlaß hatte, dagegen einzuschreiten. Ratsverlaß vom 9. Sept. 15 32: Der Wirt auf dem Muggenhof soll die Tanz- und Spiel­ plätze abstellen, bei Nichtbefolgen sollen Fenster und Öfen eingeschlagen und die Weinfässer zerschlagen werden. Die Herren von Leonrod beklagen sich am 18. August 1546 beim Rat der Stadt, daß er das Tanzen auf dem Muggenhof verboten hat. (St.A.N. S I L 82, Nr. 21) 1539 ist Hans Schmidt Wirt auf der Erbschenke; im Jahre 1541 hat er das Bauholz für die Schenkstatt, die kein Waldrecht hat, verbaut, daher bekommt er künftig kein Bauholz mehr aus dem Lorenzer Wald. (St.A.N. Rep. 751 Nr. 391) 1552, im sog. 2. Markgrafenkrieg, ist auch die Schenkstatt abgebrannt. Die Holzschnittkarte des H(ans) W(urm) vom Jahre 1559 zeigt uns auf dem Mugenhof ein großes zweistöckiges Wirtshaus, daneben rechts und links ein Bauernhaus. 15 57 ist Albrecht Locker Wirt bis ungefähr 1572. Haintz Bauer, ehemaliger Wirt zum Mugenhof (St.A.N. S I L 36 Nr. I1), ist in einem Streit in Fürth verwickelt. 1579 oder noch früher ist Paulus Metzner Wirt. 1587 heiratet er die Clara Domerin von Dambach, 1595 ist er gestorben. 1596 heiratet Christoph Ott vom Gostenhof die Witwe Clara Metznerin, 1607 beschwert er sich zusammen mit dem Löffelholzischen Wirt Hans Höfler in Poppenreuth über die Heckenwirtschaften in Doos, Schiegling, Wetzendorf und Layh. (German. Mus. Löffelholz-Arch. Ortsakten Poppenreuth) Auf diese Beschwerden antwortet der Rat in einem ausführlichen Schreiben an Georg Wil­ helm von Leonrod zu Trugenhofen im Jahre 1600. Die Klage des Wirtes Christoph Ott zu Muggenhof sei völlig unberechtigt. Der Rat sorge schon von sich aus, daß künftig in den ge­ nannten Orten nicht mehr unberechtigt geschenkt werde. Wenn dort gelegentlich einmal ge­ schenkt werde, so habe er, der Rat, dasselbe Einsehen und dieselbe Nachsicht mit diesen Leu­ ten, wie er es einstmals mit dem Schenken auf dem Muggenhof gehabt habe. Wenn der Rat ganz streng auf sein älteres kaiserliches Privileg gesehen hätte, hätte die Muggenhöfer Schenk­ statt ebenso abgetan werden müssen. Es spreche aus der Klage des Wirtes zum Muggenhof viel Brotneid. Und nun schließt die Schrift mit feiner Ironie, wenn sie bemerkt, daß am Ende die Leonrod unter Berufung auf ihr jüngeres Privileg auch noch die Abschaffung einiger Schenken in der Stadt verlangen möchten, weil sie in der Viertelmeile lägen. Im Jahre 1604 und 1605 folgen noch zwei Schreiben des Rates ähnlichen Inhaltes, wenn auch etwas versöhnlicher im Ton. (Als Auszug enthalten in dem Aktenstück von 1708/27 im St.A.N. Rep. 2721 Nr. 2621 Kanzleilehensakten) Hans Höfler, Sohn des ob engenannten Poppenreuther Wirtes, hat 1612 die Erbschenke und läßt das Hofhaus sowie den Tanzboden ausbessem; weitere Bauten an den Stallungen folgen in den Jahren 1613—15. (St.A.N. Rep. 751 Nr. 394 und Nr. 468 sowie St.A.N. SVII L 105 Nr. 507) Beschreibung der Güter auf dem Muggenhof (um 1620). Hans Höfflers Wirtschaft gehet vorgedachtem Hans Eglof von Leonrod zu Lehen, gibt jährlich nit mehr dann drey Gülden vor das Umgeld, und hat kayserliche Freiheit, daß uff dießer Straß bis gein Fürth oder Poppenreuth kein Wirtschaft mehr derff uffgericht werden, derselb Höffier ein Bauernhof (gehört dem Leonrod zu Lehen). (St.A.N. Ansbacher 16-PunkteBerichte Nr. 11)

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MVGN 50 (I960) Eberhardshof und Muggenhof Aus dieser Zeit besitzen wir auch 2 gute Ansichten vom Muggenhof, die sog. Cnopfsche Federzeichnung (um 1620) und die Pegnitzkarte des Ingenieurs Albrecht vom Jahre 1624. 1622 erwirbt Georg Neumann die Schenkstatt, er ist Bürger zu Nürnberg und Englischer Tuchfärber; der Anbau einer Abseite an das Wirtshaus wird ihm zunächst vom Waldamt abgeschlagen, dann aber wohl doch genehmigt. Aus diesem Anbau entwickelt sich später da6 Wohnhaus mit der HausNr. 2. (St.A. N. Rep. 751 Nr. 468 und Nr. 394). Im Herbst 1632 ist die gesamte Ortschaft Muggenhof und damit auch die Schenkstatt niedergebrannt worden. Wann die Schenkstatt wieder aufgebaut wurde, läßt sich leider nicht mehr genau feststellen, da die bisher oftmals angeführten Bücher des Waldamtes bis nach 1700 aussetzen. Um 1645, wahrscheinlich schon früher, wird auf dem Muggenhof die Schenkstatt wieder in Betrieb gewesen sein. Der Rat verbietet nämlich 1645 unter Hinweis auf den unordentlichen Lebenswandel und auf die Gefahren und Unfälle, die bei der Rückkehr in betrunkenem Zustand in die Stadt ent­ stehen könnten, seinen Bürgern den immer mehr in Schwang gekommenen Besuch der Wirt­ schaften auf dem Lande um die Stadt herum. Er führt dann im einzelnen die verbotenen Wirt­ schaften auf, darunter auch die Schenkstatt zum Muggenhof. Daß dieses Verbot recht wirksam gewesen sein muß, wird aus einer Eingabe des Wirtes Hans Lang (zum Muggenhof) an den Rat im Jahre 1654 ersichtlich. Er bittet, das Verbot auf­ zuheben und den Bürgern die Schenkstatt zum Muggenhof zu erlauben. Er bittet dies noch be­ sonders eindringlich mit dem Hinweis, daß er ein um des Glaubens willen vertriebener Mann sei (er kommt anscheinend aus Böhmen, denn er beruft sich auf einige Nürnberger Kauf­ leute, die ihn von ihren früheren Reisen nach Böhmen kennen). Eine Antwort des Rates ist nicht bekannt. Jedoch wird das Verbot nach langer Zeit vom Rat im Jahre 1673 nochmals ausgesprochen, diesmal wieder unter Anführung der verbotenen Wirtschaften, auch der Schenk­ statt zum Muggenhof. (Gleichfalls als Abschrift enthalten in dem Aktenstück vom Jahre 1708/27, St.A. N. Rep. 2721 Nr. 2621.) Die Besitzerreihe läßt sich trotz der fehlenden leonrodischen Sal- und Zinsbücher mit ziem­ licher Sicherheit aus einer Übersicht der Akten feststellen, welche Christoph Peiler dem Grafen von Leonrod 1751 mit dem Besitz übergab. (St.A. N. Rep. 2721 Nr. 2326) Um 1650 hat Hans Adam Hilling ansehnlichen Besitz in Schniegling und beklagt sich nun in einer Eingabe über das unberechtigte Schenken dort. Vor 1653 ist Andreas Neumann Besitzer, vielleicht ein Nachkomme des Georg Neumann, der 1623 die Schenkstatt erwarb. Ab 1653 besitzt Hans Lang die Schenkstatt; von seiner Eingabe an den Rat haben wir be­ reits vorher gehört; 1658 heiratet er als Witwer eine Magdalena Walbingerin (diese Familie ist zu der Zeit auf dem Spitalhof ansässig). 1663 Wolf Strobel. 1666 Georg Maulwurf; für gut 60 Jahre bleibt die Schenkstatt im Besitz dieser Familie. 1672 beklagt sich Georg Maulwurf wegen der neu aufgerichteten Schenkstatt in Wetzendorf. Von dem erneuten Verbot der Schenke zum Muggenhof für die Nürnberger Bürger haben wir vorher schon gehört. 1713 ist die Witwe Elisabeth die Wirtin. Hans Georg Maulwurf hat 1719 ohne Erlaubnis des Waldamtes eine Art Sommerlaube für seine Gäste gebaut, er muß sie wieder abreißen und außerdem noch 3 fl Strafe zahlen. Im nächsten Jahr darf er sie mit Genehmigung und in gleicher Größe an derselben Stelle aufbauenf (St.A. N. Rep. 751 Nr. 1053) 1699 hat Christoph Peiler vom Schoppershof die Eigenherrschaft über die leonrodischen Güter und damit auch über die Schenkstatt übernommen. Daraus mag ihm neben der Besitzer­ freude auch mancher Verdruß erwachsen sein. Davon zeugt ein dicker Aktenstoß mit der Über­ schrift „Die dem Peiler von Schoppershof von Seite Nürnbergs angestrittene Erbschenkstatt zu Muggenhof und die andurch gekränkte lehensherrliche Gerechtsame der Domprobstey zu Bamberg. 1708—1727“. (St.A. N. Rep. 272* Nr. 2621) Vom Rat der Stadt werden nochmals die bekannten Tatsachen seit 1436 in Abschriften vor­ gebracht, mit dem Ziel, die Erteilung des Schenkensprivilegs durch Kaiser Maximilian im Jahre 1510 als erschlichen hinzustellen und damit auch die Schenkstatt auf dem Muggenhof zu verbieten. Ein Erfolg war zu dieser Zeit schon mehr als aussichtslos, so verebbt nach endlosem Schriftwechsel die Angelegenheit ohne jeden rechten Abschluf

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MVGN 50 (I960) Eberhardshof und Muggenhof 1728 heiratet Johann Hager die Catharina Maulwurfin und wird dadurch Wirt auf dem Muggenhof. Der Lehensbrief für die Peiler von 1732 bringt eine kurze Beschreibung: Wirts­ haus (Johann Hager) Ein Garten von 1 Morgen, darin ein Sommerhaus, ferner 2 Morgen Feld. (Diese 2 Morgen Feld sind aus dem Lohbauerschen geteilten Hof genommen worden (später HausNr. 8) (St.A. N. Rep. 2721 Nr. 2356) 1734 heiratet Johann Heinrich Ulridi die Catharina Hagerin, offenbar die Witwe des Vor­ besitzers; nach 4 Jahren ist ein weiterer Wechsel eingetreten. 1738 kauft Johann Ruttenstein die Schenkstatt von der Catharina Ulrich. Durch seine Frau erbt er bald den Conrad Höflerschen Hof (HausNr. 4) dazu. Während einer strittigen Bau­ sache zwischen dem Nürnberger Rat und dem markgräflichen Beamten zu Cadolzburg (im Jahre 1747) wird er verhaftet und soll nach Cadolzburg geführt werden. Noch heute wird man schmunzeln, wenn man liest, wie der pfiffige Wirt den ziemlich einfältigen Soldaten auf seinem eigenen Pferde entkommt und sich so in Sicherheit bringen kann. (St.A. N. Rep. 751 Nr. 468) 1751 erhalten die Grafen von Leonrod ihren Besitz wieder von den Peilern zurück. In dem neuen Lehensbrief für die Leonrod ist Johann Ruttenstein als Wirt genannt, auch als Besitzer des ehemals Höflerschen Hofes. Für die 2 Morgen Feld aus dem Halbhof des Joh. Peter Kiel muß „er 2 Mezen zuschütten“. (St.A. N. Rep. 2721 Nr. 2356N 1754 entbrennt ein neuer Streit mit dem Rat wegen der Erbschenke. Der Anlaß erscheint uns heute ziemlich geringfügig: Am Wirtshaus war ein Schild angebracht worden, darauf das Bild des Kaisers Maximilian, darunter die Worte „Zum römischen Kaiser“; auf der andern Seite aber stand (und daran hatte man offenbar auf Seiten Nürnbergs Anstoß genommen) „Kayserlich-privilegierte Hochgräflich Leonrodtische Erbschenkstatt“. Die Schenkstatt war daraufhin den Bürgern erneut verboten worden, ja der Rat hatte sogar einen Prozeß vor dem Reichshofrat angestrengt. Da man auf beiden Seiten wohl sobald keinen Entscheid von Wien erwartete, schlossen beide Parteien (der Rat der Stadt Nürnberg und der Graf Luwig Emanuel von Leonrod) einen Vergleich in 10 Punkten ab: 1. die Worte „kaiserliche Erb . . .“ sollen binnen Jahresfrist abgeändert werden. 2. das Umgelt (= Getränkesteuer) zur Hälfte weiter an Nürnberg gezahlt werden. 3. der Nürnberger Amtmann hat das Recht zur Überprüfung durch plötzliche und unange­ meldete Recherchen. 4. der Rat gibt die Zusicherung, eine unbefugte Nahrung zu stören, (d. h. ein unbefugtes Schenken in der Umgebung zu hindern) 5. der Vergleich gilt solange, als die Schenkstatt in leonrodischem Besitz ist. 6. der Rat verpflichtet sich, keinem Besitzer der Schenkstatt Hinderungen zu bereiten. 7. in Schniegling, Doos und Gaismannshof bleibt der schon seit vielen Jahren conzedierte Dorfs- und Haustrunk bestehen, jedoch dürfen keine neuen Wirtschaften in Betrieb ge­ nommen werden: Gästesetzen, Spielleute halten und dergleichen mehr. 8. den Nürnberger Bürgern wird der Muggenhof wieder erlaubt. 9. Der Ort Muggenhof wird aus dem bisherigen Ortsverbot herausgenommen. 10. Der Vergleich bleibt zunächst solange in Kraft, bis der Prozeß entschieden wird und neue Verhältnisse schafft. (Als Urkunde im Stadtarchiv Nürnberg, vgl. hierzu aber auch St.A. N. Rep. lb Nr. 770 Päpstliche und Fürstliche Privilegien.) Da wir weiter nichts mehr von einer Änderung erfahren, darf man annehmen, daß dieser Vergleich bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit gegolten hat. 1772 übernimmt ein Leonhard Pfann von dem Ruttenstein die Wirtschaft. 1774 hat er einen Fischkasten in der Pegnitz eingepfählt und wird deswegen vor dem Rat verklagt (früher St.A. N. S II L 70 Nr. 7, jetzt im Stadtarchiv Nürnberg Rep. 100g Nr. 519). Die Klage des Herrn von Serz in Schniegling wird vom Rat als unbegründet abgewiesen. 1781 erneuert er das baufällige Beständnerhaus hinter dem Wirtshaus, 1802 stockt er es dann soweit auf, daß es mit dem Wirtshaus gleiche Höhe bekommt. Wenig später bezieht er es dann für sich 1804 als Altensitz (alte HausNr. 2), (St.A. N. Rep. 751 Nr. 468), nachdem er am 1. 6. 1804 die Schenkstatt für 5650 fl an Joh. David Knauer verkauft hat. 1808 Häuserfassion: Muggenhof. Ein Viertelshof. Ein Wirtshaus von Riegelwand (Haus­ Nr. 1) Ein Nebenhaus (HausNr. 2) von Stein. Die Wirtschaftsgerechtigkeit ist durch Kaiserl. Privileg vom Jahr 1510 begründet. Lehens- und Grundherr: von Leonrod, gilt an Geld dahin jährlich unter dem Namen Herbstgefälle 3f 1. an Gülten jährlich 3 Mezen Korn. Die Steuer-

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MVGN 50 (I960) Eberhardshof und Muggenhof masse beträgt vom Viertelhof (3 Morgen Acker) 31 fl., am Wirtschaftsgewerbe 10 fl. an jähr­ licher Steuer zum Rentamt Fürth 12 fl 10 kr. und an Servis 1 fl 54 kr. Nota: die Schenkstatt hatte an sich kein Waldrecht. (St.A. N. Rep. 225/22 Nr. 41) 1833 Grundkataster: Joh. David Knauer ist noch Besitzer. Die Schenkstatt hat jetzt mit dem Nebenhaus die Nr. 52 und 53. 1848 wird Georg Staudt als Besitzer in einer Steuerliste der Gemeinde Höfen auf geführt. (Stadtarchiv Nbg. Vorortsakten). 1885 erwirbt A. Kugler die Wirtschaft (nach einem Artikel vom Jahre 1925 im Fränk. Kurier, ohne Verfasser). 1900 A. Kugler, Wirt HausNr. 1 und 2 (Nürnberger Adreßbuch) „Kaffee und Restaurant Muggenhof". 1941 Besitzer Kugler. Wirtin F. Vogel/ G. Dehn, Gastwirt. Fuchsstr. 35. (Das Nebenhaus scheint keine eigene HausNr. mehr zu führen.)

Muggenhof. Der erste leonrodische Hof. alte HausNr. 3 später: HausNr. 54, heute: Fuchsstraße 39 Das Anwesen ist ein dompropsteilich-bambergisches Lehen. Grundherren: Seit 1418 die Gralant, sodann seit 1459 die Freiherren von Leonrod (vgl. Haus­ Nr. V2 (zum Patrimonialgericht Neudorf b. Ansbach). Besitzverhältnisse: Die Besitzverhältnisse der ältesten Zeit sind nicht klar aufzuweisen, da keinerlei Zins- oder Salbücher der Leonrod aufgefunden werden konnten. Daher mußten die Angaben über die Hofbesitzer aus einzeln verstreuten Einträgen in Waldbüchern (Bauholz­ abgaben) sowie den Zehntlisten des Landalmosenamtes zusammengestellt werden, auch das älteste Ehebuch der Pfarrei Fürth-St. Michael wurde herangezogen. Dieser Hof dürfte nach meinem Vermuten der älteste Teil des Muggenhofes gewesen sein; aus ihm wurde ungef. um 1440 die Schenkstatt herausgelöst, ja vielleicht ist auch der Nach­ barhof (später Nr. 4) erst nach 1450 von diesem Hof abgeteilt worden. Doch läßt sich dies alles bei dem Fehlen jeglicher Urkunden nur vermuten. 1449 Wehrliste: Hanns Hoff mann, Ein Pantzer, Goller, ein Eisenhut, und eine Armbrust. (St.A. N. Rep. 52a Nr. 117) Derselbe Hans Hoffmann begegnet uns in den Jahren 1466, 1479 und 1482 in dem Streit um die Schenkstatt (siehe HausNr. V2). 1501 Hanns Hofmann (St.A.Bbg. Standbuch Nr. 3013 f. 3), 1507 Hermann Paul (St.A.Bbg. Standbuch 3014 f. 7). Sebald Wolf scheint 1524 neben der Schenkstatt auch den Hof gehabt zu haben, denn der 1528 verhaftete Wirt Conz Amberger ist nicht der Besitzer der Schenkstatt; dies ist Sebalt Wolf, der dann wohl auch diesen Hof bebaute. Hans Sdimid hat im Jahre 1541 das Bauholz statt für den Hof für die Schenkstatt verbaut, daher ist ihm das Waldrecht im Lorenzer Wald gesperrt worden. (St.A. N. Rep. 751 Nr. 391) 1551 Wolf Planck (Waldbuch Nr. 391) Ab 1561 Michael Dürr (Waldbuch Nr. 392 und Zehntbuch F 118). Er ist bis ungefähr 1574 Besitzer des Hofes; dann wird ihm um 1575 Hanns Keser gefolgt sein. Bis zum Jahre 1630 finden wir in den Waldbüchern und in dem Zehntbuch den Hans Keeser verzeichnet, aber es wird sich bestimmt um Vater und Sohn handeln. Um 1620 wird der Hof zum ersten Mal etwas genauer beschrieben: Hannßen Keeßers des Eltern Hoff (hinter den Leonrod) gibt obigen Höfen in allem gleiche Gült und anders (d. h. die Gült für den Hof beträgt 4 Sümer Korn, 3 Pfd Michelsgeld, 1 Pfd Kraut, 60 Hendtlein Flachs, 3 alte und 3 junge Hühner; ferner gibt er für 12 Morgen Feld, die aus dem Hof des Lienhard Jordan gezogen worden sind, an die v. Petz als Eigenherren dafür 2 Sümer Korn, 9 Pfd 6 Pfg Herrengeld, 5 Pfd Flachs, 1 Meß Holz, 5 Hühner, 30 Eier. (St.A. N. Ansbacher 16-PunkteBericht Nr. 11) Im Herbst 1632 ist der Hof von den Kroaten niedergebrannt worden, in der Folgezeit scheint ihn der Sohn Cunz Keeser vom Gostenhof aus bebaut zu haben, wie aus den Ein­ trägen im Zehntbuch zu schließen ist (bis ungef. 1653). 74

MVGN 50 (i960) Eberhardshof und Muggenhof 1652 heiratet Hans Kraft von Wetzendorf die Elisabeth Keeßerin, Tochter des Hans Kecsers zu Muggenhof, und wird wahrscheinlich auch den Hof übernommen haben; von 1656 bis 1674 führen ihn die Zehntlisten. 1676 ist Hans Büätel Hofbesitzer bis ungef. 1712, dann übernimmt 1712 Hans Lang den Hof. In einem Lehensbrief an die Peiler vom Jahre 1732 findet sich eine Beschreibung des Anwesens: Hanns Lang, ein ganzer Hof, darin 35 Morgen Feld und 9 1h Tgw. Wiesen. (St.A. N. Rep. 2721 Nr. 2356 Kanzleilehen) Ab 1749 finden wir den Sohn Peter Lang auf dem Hof (Waldbuch Nr. 396). Der Lehens­ brief für die Herren von Leonrod vom Jahre 1751 lautet: Peter Lang, ein Hof. Zins 4 Sümra Korn, Erbzins 6 fl 46 kr. (St.A. N. Rep. 2721 Nr. 23 56 Kanzleilehen). 1771 hat Conrad Hofmann den Hof bis zu seinem Tode 1802 inne. 1790 Lehensbrief. Conrad Hofmann Ein Hof gibt 10 fl statt deren sonst abzurechnen ge­ habten Naturalien an Käs, Faßnacht- und Herbsthühner, Ayer, Rüben, Kraut und Flachs. (St.A. N. Rep. 2721 Nr. 2357 Kanzleilehen) 1803 übernimmt Johann Hof mann, der Sohn, das väterliche Erbe für 4500 fl. 1808 Häuserfassion: Ein halber Hof (HausNr. 3) mit Wohnhaus, Front von Quadern, sonst Riegelwand. Hofreith und Brunnen sind mit HausNr. 1 gemeinsam. Stall und Scheune. V4 Mor­ gen Garten, 36 Morgen Feld, 9 V4 Tagw. Wiese. Abgaben an die Grundherrschaft: für Vaßnachthennen, Geltgült und Herbstgefälle 10 fl; 4 Sümer Korn an Korngült. Waldrecht: 6 Maß Holz, 5 Mäß Stöcke, 400 Büschel. Gemeindenutzungsrecht. Steuerwert: 4500 fl. (St.A. N. Rep. 225/22 Nr. 41) 183 3 Grundkataster: Joh. Hofmann d. Ältere ist noch Hofbesitzer. Hofname „Mittelbauer“ (wahrscheinlich nach der Lage des Hofes zwischen Schenkstatt und dem zweiten leonrodischen Hof Nr. 4). Das Anwesen führt jetzt die HausNr. 54. (St.A. N. Rep. 225/22 Nr. 102) 1848 Johann Hofmanns Witwe (lt. Steuerliste der Gemeinde Höfen) Stadtarchiv Nbg. Vor­ ortsakten. 1900 M. Steinlein, Oekonom (Nürnberger Adreßbuch) 1941 Steinlein, Fuhrunternehmerswitwe. (Nürnberger Adreßbuch)

Muggenhof. Der zweite leonrodische Hof. alte HausNr. 4

später: HausNr. 55,

heute: Fuchsstraße Nr. 43

Das Anwesen ist ein dompropsteilick-bambergisdies Lehen. Grundherren: Seit 1418 die Gralant, die Freiherren von Leonrod (Patrimonialgericht Neudorf), (vgl. hierzu und über die ersten Besitzverhältnisse die Ausführungen bei Haus­ Nr. V2 und HausNr. 3). Besitzverhältnisse: 1459 Crafft Hofmanns Sohn (St.A.Bbg. Standbuch 3011 f. 6), 1501 Hans Hofmann (St.A.Bbg. Standbuch 3013 f. 3), 1507 Ulrich Dulpaum (St.A.Bbg. Stdb. 3014 f. 7). 1508 Wehrliste: Ulrich Hofier Hof. Harnisch, Puchsen. Die Eintragung in die Wehrliste bezieht sich zwar auf den Nachbarhof (HausNr. 5), aber damals führte der Hoffier den Hof für seinen Stiefsohn Fritz Stenz. 1539 Michel Hefer empfängt Bauholz für seinen Hof. (Waldbuch Nr. 391) 1552 Georg Puck (auch Buck geschrieben, offenbar verwandt mit einer der ältesten Wetzen­ dorfer Familien, auch in Poppenreuth um diese Zeit ansässig.) Er besitzt lange Zeit, bis 1604, den Hof, vielleicht sind es auch Vater und Sohn gleichen Namens, denn laut Fürther Ehebuch heiratet 1593 Georgius Puck die Appolonia Haffnerin zu Dambach. Von 1605 an führt die Witwe den Hof (nach dem Zehntbuch zu schließen). 1607 heiratet ein Joannes Meißel zu Fürth die Appolonia Georg Puckin zu Mugenhof, also die Witwe des Pude. Sie scheint nach Fürth gezogen zu sein, da seit 1606/1608 die (Gebrüder) Endres und Erhärt Lämmermann in den Waldbüchern und in der Zehntliste bis zum Jahre 1620 geführt werden, dann folgt Hanns Höfler (Wirtssohn aus Poppenreuth (um 1620), „der selbe Höffier, ein Bauernhof (er ist auch Besitzer der Erbschenkstatt), Gült: 4 Sümra Korn, 1 Pfd Kraut, 60 Hendtlein Flachs, 3 Pfd Michelsgeld, 3 alte und 3 junge Hühner“. (St.A. N. Ansbacher 16-Punkte-Bericht Nr. ll)

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MVGN 50 (I960) Eberhardshof und Muggenhof Der Hof bleibt nun über den 30jährigen Krieg und seine Zerstörungen hinweg über ein­ hundert Jahre im Besitz der Familie Höfler. Um 1670 und wohl schon früher Hans Höfler, um 1700 Andreas Höfler, in den Zehntlisten von 1704 bis 1717 geführt, dann in einer Feld­ beschreibung des Pfinzinghofes von 1705 als Anrainer erwähnt. Ab 1720 Conrad Höfler. In einem Lehensbrief an die Peiler wird 1732 der Hof kurz be­ schrieben: Conrad Höfler. Ein ganzer Hof mit Wohnhaus, Stadel, Brandstädt (I), dazu gehören 7 Tagwerk Wiesen und 36 Morgen Feld (St.A. N. Rep. 2721 Nr. 23 56 Kanzleilehen). Um 1741 führt die Witwe Anna den Hof, sie versucht das abgebrannte Nebenhaus wiederaufzubauen, offenbar mit erheblichen Schwierigkeiten, denn der Neubau kommt erst 1746/47 zustande, nachdem sich der Schwiegersohn, der Wirt Johann Ruttenstein von der Erbschenkstatt, dafür eingesetzt hatte. (St.A. N. Rep. 751 Nr. 468) Um 1750 ist Johann Ruttenstein, der im Jahre 1744 die Margaretha Höfler, Tochter des Conrad Höfler, geheiratet hatte, in den Besitz des Hofes gekommen. Belehnung der v. Leonrod im Jahre 1751 durch den Dompropst zu Bamberg; im Lehensbrief folgender Eintrag: Johann Ruttenstein, Wirt, Ein Hof, zinst 4 Sümer Korn, Erbzinß 6 fl. 46 kr. (St.A. N. Rep. 2721 Nr. 2356) 1767 ist das Wohnhaus abgebrannt. Der jetzige Besitzer Johann Ruttenstein, junior, Müller­ meister in Schniegling, baut es 1769 wieder auf. Als Beständner ist wieder ein Conrad Höfler auf dem Hof. (St.A. N. Rep. 751 Nr. 468) 1790, bei der erneuten Belehnung der Herren von Leonrod finden wir Jakob Kurz als Besitzer des Hofes, die gesamte Gült außer dem Korn ist jetzt in den Betrag von 10 fl zu­ sammengezogen worden. (St.A. N. Rep. 2721 Nr. 2357) In der folgenden Belehnung von 1802 ist wiederum Jakob Kurz als Hofbesitzer genannt (ebenda Nr. 2357). Die dann folgende Belehnung im Jahre 1808 (ebenda Nr. 2358) führt Johann Adam Förster als Besitzer auf. Etwas unklar bleiben die vorstehenden Besitzverhältnisse des Jakob Kurz durch die An­ gaben über den Erwerb durch Joh. Adam Förster in der Häuserfassion von 1808: „Den ganzen Halbhof habe ich im Jahre 1791 aus den Händen der Vormundschaft meiner verstorbenen Ehefrau Maria Helena Ruttensteinin, deren Eltern der Müllermeister Joh. Georg Ruttenstein in Schniegling und dessen Ehegattin solchen vorher besaßen, aus freier Hand um 2600 Kauf­ schilling erkauft.“ An Lichtmeß 1808 hat nun Johann Adam Förster die Hälfte des Halbhofes an Leonhard Steinlein für 5000 fl verkauft, dabei ergeben sich dann die folgenden neuen Besitzverhältnisse: Leonhard Steinlein besitzt das Wohnhaus (HausNr. 4), ein Haus mit einer Riegelwand und einem steinernen Vordergiebel, das Haus ist baufällig und muß daher neugebaut werden. Das Waldrecht (7 Mäß Holz, 6 Mäß Stöcke, 500 Büschel) bleibt ungeteilt am Haus. Die Scheune wird geteilt, der Steinlein erhält die größere Hälfte, ebenso die größere Hälfte der Hofreith mit dem Brunnen. Die Felder des ganzen Halbhofes betragen nach dem alten Maß 36 Morgen und 8 Tagw. Wiesen, nach der neuen Vermessung jedoch 413/4 Morgen und ll8/4 Tagw. Diese werden ebenfalls genau der Hälfte nach aufgeteilt, so daß jeder an die Grundherrschaft die halbe Gült zu entrichten hat: 2 Sümer Korn und 5 fl an Herbstgefällen. (St.A. N. Rep. 225/22 Nr. 41) Der Förstersdte Teil rechnet künftig als „fliegendes Lehen“ oder wird auch „ein unbezimmertes Lehen“ genannt, der Steuerwert ist 2600 fl. Im Jahre 1821 besitzt ihn Joh. Georg Förster, Müller in Schniegling. 1833 Grundkataster: Besitzer des Viertelshofes ist Leonhard Steinlein, der Hof wird mit dem Hofnamen „Höflerbauer“ bezeichnet, sicherlich nach den Besitzern im 17./18. Jahrhundert. Er trägt jetzt die HausNr. 55. (St.A. N. Rep. 225/22 Nr. 102). 1848 Veit Hofmann (Steuerliste der Gemeinde Höfen im Stadtarchiv Nürnberg, Vor­ ortsakten). Ebenso 1845 in den Verhandlungen der Gefällsablösung genannt. (St.A. N. Rep. 2721 Nr. 2403) 1900 B. Steinlein, Oekonomenwitwe (Nürnberger Adreßbuch) 1941 H. Steinlein, Besitzer des Wohnhauses Fuchsstraße 43 (wohnt selbst in der Innenstadt).

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MVGN 50 (I960) Eberhardshof und Muggenhof Muggenhof. Der Pfinzing-Hof. alte HausNr. 5 und Nebenhaus Nr 9, später: HausNr. 56, später HausNr. 60 heute Fuchsstraße 45 (mit 45 a) Das Anwesen ist ein ehemals von Bergsckes ReidisleUen. Grundherren: Seit 1396 nachweisbar die Nürnberger Patrizierfamilie (von) Sckürstab, 1442 Steffan Groland, 1548 Martin Pfinzing, es bleibt bis 1764 Besitz dieser Familie. Mit dem Tode des letzten Pfinzing, Johann Sigmund, fällt das Lehen an den Ansbacher Lehenshof zurück und bleibt bis 1775 in dessen Hand. 1775 kommt es durch Tausch mit anderen Gütern in Rohr und Roßtal an Achatius Wilhelm Carl von Geißendorf genannt Größer; nach seinem Tode 1797 übernimmt es seine Tochter Rosina. 1804 löst der Hofbesitzer Georg Kißkalt für 1760 fl die Afterlehen- oder Eigenherrschaftl. Gerechtsame und Zinslehensqualität ab. Besitzverkältnisse: „Leupold, Erhard und Anthoni die Schürstab haben 1396 empfangen 2 hoff zu dem Mugenhoff.“ (St.A. N. Ansbacher Generalakten Nr. 19 und als Abschrift davon mit den Belehnungen im 16./17. Jahrhdt. St.A. N. Rep. 59 Nr. 289) 1442 Wehrliste: Hans Stentz (hinter Steffan Grolant) schopen, eisenhut, armprost (St.A. N. Amts- und Standbücher Nr. 114). 1437 hat Hans Stentz vom Dompropst die Fließau (= Flößau b. Fürth) (St.A.Bbg. Standbuch 3010) zu Lehen. 1444 Ratsumfrage nach den Schenken in Höfen, dabei sagt Hans Stentz als Zeuge aus, „er gedenkt bei 20 Jahren“. (St.A. N. Rep. 16a SI L 188 ad Nr. 1) 1449 Wehrliste: Hans Stentz, Pantzer, Goller, Armprust, Eisenhut und 2 Hantschuh. (St.A. N. Amts- und Standbücher Nr. 117). 1460 besitzt Lorentz Stentz die „Fließau“ (St.A.Bbg. Standbuch 3011 f. 109) 1508 Wehrliste: Ulrich Hoffier Hof. Harnisch, Puchsen. Fritz Stentz, sein Stiefsohn. (St.A. N. Rep. 19 D-Akten Nr. 1595) 1529 Steueranlagen: Fritz Stentz 380 fl. 1539 425 fl; 1542 596 fl; 1545 726 fl. 1548 Fritz Stentz. Ein Hof (hinter Martin Pfintzing) 5 50 fl geschätzt, dazu Varnus 86 fl, abzüglich 50 fl Gattergeld, bleiben 586 fl. Steueranlage. 1557 erhält er vom Waldamt Bauholz für „Ingepeu“ (= Innenausbau) (St.A. N. Rep. 75* Nr. 392). In den Zehntlisten wird er von 1525 bis 1559 aufgeführt. (St.A. N. F 116/118). Paulus Mögner ab 1563 (hinter Hans Pfintzing) wird von 1563—1576 in den Zehntlisten aufgeführt (F 117/118). 1567 erhält er Bauholz für Ingepeu und Schweinestall, 1572 wird ihm Bauholz für Ingepeu im Haus bewilligt (St.A. N. Rep. 751 nr. 392). 1580 im Lehensbrief der Pfinzing genannt. (St.A. N. Rep. 27211 Nr. 7821 Kanzleilehen) 1575 ist Paulus Mögner in dem Streit der Gemeinde Muggenhof mit der Ursula Sitzinger in Schniegling genannt (Stadt-A. N. Rep. 100g Nr. 512), 1583 nochmals in dem Lehensempfängnis der Pfinzinge aufgeführt als: „Ein Hof zum Muggenhof gelegen, darauf jetzt Paulus Wagner sitzt“. (St.A. N. Rep. 59 Nr. 289 Seckendorffsches Saalbuch.) 1587 Georg Möller (hinter Paulus Pfintzing) im Belehnungsbrief an die Pfinzing genannt, ebendort die Gültangabe für den Hof: Herrengelt 3 Pfd 25 Pfg, 4 Sümer Korn, 400 Haupt Kraut, 60 Eier, 3 Vaßnachthennen, 6 Herbsthühner, 6 Vz Pfd Flachs (St.A. N. Rep. 272JI Nr. 7821). In den Zehntlisten wird er bis 1591 geführt. (Stdt.A. N. F 118) Caspar Hegendörfer wird 1592 und 1593 in den Zehntlisten geführt, dann wird er ge­ storben sein, denn im Jahre 1594 heiratet Joannes Reichelt zu Großreuth die Anna Caspar Hegendörferin zu Muggenhof (St. Michael-Fürth, Ehebücher ab 1578). 1594 Hans Reickelt (hinter Paulus Pfinzing) besitzt den Hof bis zum Jahre 1612, wie aus den Zehntlisten und den Bauholzabgaben des Waldamtes zu ersehen ist. (Stdt.A. N. F 118 und St.A. N. Rep. 75l Nr. 393—395). 1612 Cunz Vierlein (wahrscheinlich aus einer Wetzendorfer Familie), als Cunz Hörla finden wir den Namen am Rande neben dem Georg Möller im Lehensbrief von 1587 dazugesetzt (siehe oben.'). Bis ungef. 1620 ist er Hofbesitzer, wieder nach den Zehntlisten und Bauholz­ abgaben zu schließen (vgl. Vorbesitzer). Um 1620 Mickel Vierlein (Florlein f). Ansbacher 16-Punkte-Bericht: „Michel Florleins Hof gehet Christoph Pfintzing zu Lehen, gibt jährlich 4 Sümra Korn, 1 Fuder Kraut, sibenthalb

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MVGN 50 (I960) Eberhardshof und Muggenhof Pfund Flachs, 3 Pfd. Geld, 3 alte und 3 junge Hennen.“ Im Jahre 1623 ist er Empfänger von Bauholz (St.A. N. Rep. 751 nr. 394), die Zehntlisten führen ihn bis 1625 (Stdt.A. N. F 118). Ab 1627 Georg Kuhn (es finden sich verschiedene Namensformen wie z. B. Kunel, Kühnle, Künlein, Kuel, Kuhle u. ä. m.), er stammt wahrscheinlich auch aus einer Wetzendorfer Bauernfamilie. In den Lehensbriefen für die Pfintzing wird er 1631, 1632 und später noch 1656 als Besitzer des Hofes genannt. (St.A. N. Rep. 272^ Nr. 7821) Nachdem der Hof im Jahre 1632 von den Kroaten niedergebrannt worden war, wird der Georg Künel die Felder des öde liegenden Hofes von seinem anderen Hof in Sack (hinter den Christoph Praun verherrt, heute der sog. Flurerhof, HausNr. 5) bebaut haben, wie man den Zehntlisten entnehmen kann. Um 1660 scheint der Hof wiederaufgebaut zu sein, vielleicht mit einer kräftigen Kapital­ hilfe durch die Pfinzing, denn im Jahre 1766 hat der Besitzer Hans Wening noch eine Schuld von 1600 fl auf dem Hof an die Nachkommen des Pfinzing zu zahlen. Als Hofbesitzer wird in den Lehnsbriefen von 1669 an ein Georg Wening genannt (St.A. N. Rep. 272U Nr. 7821). Er ist der Schwiegersohn des Kühnlein, wie einem alten Grab- und Kirchenstuhlregister der Poppenreuther Pfarrei zu entnehmen ist. Die Zehntlisten weisen ihn bis 1687 aus. Als sein Sohn Michael 1690 in den Yölkelhof nach Höfles einheiratet, wird der Vater Georg Wening als Dorfhauptmann zu Muggenhof genannt (Poppenreuther Ehebücher). Um 1700 wird der Sohn Hans Wening den Hof übernommen haben, in den Zehntlisten ist er seit 1701 genannt. Die Lehensspezifikation des Pfinzing an den Ansbacher Lehenshof vom Jahre 1705 enthält die erste umfassende Beschreibung des Hofes: Besitzer Hans Wening. Die Gült ist die gleiche wie 1587 und 1620, nur mit einer geringen Abweichung des Herrengeldes. Ein Haus in der Hofreith mit Ziegel gedeckt. Ein Stadel mit Stroh gedeckt, daran ein Schupfen, zwo Rübgruben. Ein Brunnen, vier Schweinställ, ein Backofen. Ein Pflanzgärtlein hinter dem Stadel. Zu dem Hof gehören 34 Äcker mit 3 5 V2 Morgen, 5 Wiesen von 7 Tagwerk (die in ihrer Flurlage genau beschrieben werden). Mehr ein Garten, so ein gutes Morgen groß, an des Lohbauern Hofzaun hinab stoßend, darin ein neu Wohnhauß und Keller gebaut worden. (In diesem Wohnhaus wohnt 1764 der Schuster Georg Lenzmann; dieses Nebenhaus hat 1808 die alte HausNr. 9.) 1721 wird dem Hans Wening ein Schupfenanbau an den Stadel bewilligt, ferner folgen noch in den Jahren 1733/34 weitere Bauholzbewilligungen (St.A. N. Rep. 751 Nr. 468 und 396). 1740 übernimmt der Sohn Hans Wening für 2800 fl den Hof vom Vater. (St.A. N. Rep. 272II Nr. 7820) Nach einem Streit mit seinem Nachbarn Johann Ruttenstein, weil dieser zu nahe an seine Hofreith das neue Wohnhaus bauen will, vergleicht er sich mit diesem 1746 (St.A. N. Rep. 751 Nr. 468). 1764 ist sein Lehensherr Joh. Sigmund Pfinzing gestorben, und da mit dessen Tod die Lehen an den Ansbacher Lehenshof heimgefallen sind, wird er sofort von einem Lehnshofrat und dessen Kanzleischreiber am 17. 3. 1764 in Pflicht genommen und muß von jetzt an den Markgrafen als seinen Landesherren anerkennen. Dabei wird zum Zeichen der „würklich voll­ zogenen Possesion“ das alte Feuer auf dem Herde gelöscht und ein neues angezündet; sodann wurde von dem Türbalken ein Span abgenommen. Die genaue Beschreibung des Hofes weicht kaum von der im Jahre 1705 ab, nur werden als Besitz 42 Morgen Feld und 6 V2 Tagwerk Wiesen angeführt. In dem Hofhäuslein wohnt der Schuster Georg Lenzmann, dieser zahlt für eine Henne 15 kr. Schutzgebühr. (Die Lage des Hofhauses wird wie folgt beschrieben: Ein Hof zu Muggenhof, bei welchem sich ein auf einem dazugehörigen Acker erbautes sogenanntes Hof­ häuslein vorgefunden.) Zum Landpflegamt (in Nürnberg) mußte der Wening nach seinen An­ gaben bislang als Nürnberger Untertan jährlich zahlen: 3 fl 3 8 V2 kr Quartal-Steuer, 9 fl 6 kr Ord.-Steuer und 16 fl Reutergelder (St.A. N. Rep. 272H Nr. 7820). Diese Steuer wird von ihm bis 1768 bezahlt, dann findet sich in der Steuerliste der Vermerk „kommt als Pfinzingisch Gut aus der Besteuerung in Wegfall“ (St.A. N. D-Akten Nr. 1534). 1774 bekommt Hans Wening in dem preußischen Beamten (später Baumschreiber zu Elbing) Achatius von Geißendorf genannt Größer einen neuen Eigenherrn; die vorgenommene Lehns­ beschreibung weicht kaum von der früheren ab (St.A. N. Rep. 272^ Nr. 7586). In den Urlaubsbüchern (= Bauholzabgabebüchern) des Waldamtes wird Hans Wening bis 1778 geführt, dann wird als sein Nachfolger ein Johann Harrepeter, Handelsmann zu Nürn­ berg und Poststallmeister, genannt (St.A. N. Rep. 751 Nr. 397). Nach ihm trägt sicherlich der Hof in der folgenden Zeit den Namen „Postbauer“ (so 18 33 im Grundkataster). 78

MVGN 50 (i960) Eberhardshof und Muggenhof Am 7. Februar 1791 erwirbt der Bauer Georg Kißkalt nach dem Tode des Harrepeter für 4100 fl den Hof. Im Jahre 1804 löst er für 1760 fl die v. Größerische Eigenherrschaft ab. 1808 Häuserfassion: Ein Dreiviertelhof HausNr. 5 und 9. Besitzer Georg Kißkalt. Ein Wohnhaus aus Holz, mit Riegelwänden erbaut, dazu ein besonderes Häuslein (mit Nr. 9 be­ zeichnet) nebst daran stoßendem Feld, 1 Morgen groß, zum Dreiviertelhof gehörig. Felder 33 Morgen, davon 12 3ü Morgen Sommerfelder, 17 V4 Morgen Winterfelder, 3 Mor­ gen Brachfelder. 8 V4 Tagwerk Wiesen. Es ist dasselbe ein sog. Altenbergisches Lehengut und die Lehensherrschaft davon ist der Altenbergische Lehenshof zu Ansbach, wohin er auch in Veränderungsfällen zu 10 %> handlohnbar ist. Die Afterlehen- oder Eigenherrschaft davon war ehemals die von Größerische Familie zu Nürnberg, an welche dasselbe jährlich abgeben mußte: an Korngült 4 Sümer, am Herbstgefällen 7 fl 53 kr. Steuerwert des Hofes: 5050 fl. Waldrecht: 7 Mäß Holz, 6 Mäß Stöcke, 500 Büschel sowie Rechtstreu, Gemeindenutzungsrecht. (St.A. N. Rep. 225/22 Nr. 41) Am 23. Mai 1814 erwirbt Johann Konrad Kreß den Hof für 8000 fl. 183 3 im Grundkataster als Besitzer aufgeführt, der Hofname lautet „Postbauer", die HausNr. sind jetzt Nr. 56 und 60. (St.A. N. Rep. 225/22 Nr. 102) 1848 Konrad Kreß (in einer Steuerliste der Gemeinde Höfen, StadtA. N. Vorortsakten). 1900 J. Stengel, Privatier (Nürnberger Adreßbuch) 1941 Die Stadt Nürnberg. 2 Wohnhäuser. (Nürnberger Adreßbuch).

Muggenhof. Der Pfinzing-, später v. Peziscke Hof. alte HausNr. 6 später: HausNr. 57, heute: Fuchsstraße 46 Das Anwesen ist ein ehemals von Berg’sches Reickslehen. Grundherren: Die Nürnberger Patrizierfamilie Schürstab, seit 1396 nachweisbar, dann 1442 Lienhard Grolant, 1515 Sebald Pfinzing, bis ungefähr 1580 die Pfinzing, dann Valentin Schönborn, ab 1598 Pius Petz; die Familie v. Petz auf Lichtenhof hatte diesen Hof bis 1848 als Eigenherren in Besitz. Besitzverhältnisse: „Leupold, Erhard und Anthoni die Schürstab haben empfangen 2 hoff zu dem Mugenhoff." 1396. (vgl. HausNr. 5) (St.A. N. Ansbacher Generalakten Nr. 19 und als Abschrift davon mit den Belehnungen im 16./17. Jahrhdt. St.A. N. Rep. 59 Nr. 289) 1442 Wehrliste: Cap. Heintz Hof mann (hinter Lienhard Groland), pantzer, eisenhut, arm­ prost. (Die Abkürzung Cap. bedeutet Hauptmann = Dorfhauptmann.) St.A. N. Amts- und Standbücher Nr. 114) 1444 Ratsumfrage nach den Schenken in Höfen, dabei sagt Heintz Hoffmann vom Mugen­ hoff aus als Zeuge, „er gedenke bei 30 Jahren“. (St.A. N. Rep. 16a SI L 188 ad Nr. 1) 1449 Wehrliste: Cap. Heintz Hofmann, Pantzer, Armbrust, Goller und Eisenhut, 2 Blech­ handschuhe. (St.A. N. Amts- und Standbücher Nr. 117). Sehr wahrscheinlich gehört dieser Heintz Hofmann zu der reichen und angesehenen Familie Hofmann, die zu der Zeit großen Besitz in Poppenreuth und Schniegling hatte, meist als „die Hofmänner“ bezeichnet. Audi zu dem ersten Besitzer der Schenkstatt um 1466 Hans Hofmann werden verwandtschaftliche Beziehungen bestanden haben. Nach 1500 ist der Hof in den Händen eines Wetzendorfer Bauern, des Hans Raming (auch die eine Hälfte des Eberhardshofes besitzt zu dieser Zeit ein Hans Raming, die Namensform ist später Roming). 1508 Wehrliste: Hans Steinla, auf des Ramings Gut zu Wetzendorf Be­ ständner. Gut. Harnisch, Puchsen. (St.A. N. Rep. 19, D-Akten Nr. 1595) 1515. Hans Raming aus Wetzendorf ein Gut (hinter Sebold Pfintzing) zu Mugenhof, ist sunst nürnbergisch. (Eintrag in der Liste der Handroß guter, d. h. solcher Güter, die als Neben­ güter durch einen Beständner = Pächter bebaut wurden. St.A. N. Rep. 59 Nr. 151) Ab 1525 ist Fritz Lorentz in den Zehntlisten genannt (St.A. N. F 116) Ab 1529 Steueranschläge: Fritz Lorentz, 180 fl, 1539 220 fl, 1542 351 fl, 1545 Anna Lorentzin 431 fl. 1548 Claus Waltz. Ein Hof (hinter Sebald Pfintzing) auf 300 fl geschätzt, dazu Varnus 43 fl, 15 fl Gattergült abzüglich, bleiben 328 fl. (St.A. N. Bürger- und Bauemverzeichnisse Nr.

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MVGN 50 (i960) Eberhardshof und Muggenhof 1—5.) Die Zehntlisten des Landalmosenamtes weisen ihn bis 1556 als Besitzer des Hofes aus. (St.A. N. F 118) Hans Jordan besitzt den Hof von 1557 bis ungef. 1600 (Zehntlisten F 118). Der Name erscheint in mannigfachen Abänderungen als Jurran, Godan, auch Godel; in dieser Namens­ form Jordan/Godel ist eine alte Poppenreuther Bauernfamilie von 1430—1560 bekannt, mit der auch hier verwandtschaftliche Beziehungen bestehen könnten. In dieser langen Zeit als Hofbesitzer ist Hans Jordan auch mehrfach als Empfänger von Bauholz genannt. (St.A. N. Rep. 751 Nr. 393 und 392) 1575 vertritt Hans Jordan als Dorfhauptmann zu Muggenhof die Gemeinde in ihrem Streit mit der Ursula Sitzinger in Schniegling (Stadtarchiv Nbg. Rep. 100 g Nr. 512). Zu dieser Zeit muß auch der Wechsel der Grundherrschaft Pfinzing—Petz vor sich gegangen sein, denn das Seckendorfische Salbuch über die Reichslehen von 1577—1600 enthält fol. 11 den Eintrag: Die Pfintzinge, Gebrüder und Vettern haben zu Mannlehen seit ihrer jüngsten Ao. 1583 Lehensempfängnis einen Hof zum Muggenhof gelegen, . . . (= Hof Nr. 5). (St.A. N. Rep. 59 Nr. 289). Ab 1601 scheint der Sohn Lienkard Jordan den Hof zu besitzen, nach den Zehntlisten und den Waldbüchern zu schließen (vgl St.A. N F. 118 und St.A. N. Rep. 751 Nr. 394 und 395). Um 1620 wird der Hof wie folgt beschrieben: Lienhard Jordans Hof gehet Pius Petz zu Nürn­ berg zu Lehen. Gült: 2 Sümer Korn, 2 Pfd 6 Pfg Herrengeld, 6 Pfd Michelszins, 1 Klafter Holz, 5 Pfd gehechelten Flachs, 2 Vaßnachthennen, 3 Herbsthühner, 30 Eier. 12 Morgen Feld sind in Hans Keeßers Hof (Hof Nr. 3) gekommen, dieser gibt dafür an den Petz 2 Sümer Korn, 9 Pfd 6 Pfg Herrngeld, 5 Pfd Flachs, 1 Meß Holz, 5 Hühner, 30 Eier. (St.A. N. Ansbacher 16-Punkte-Berichte Nr. 11) Bis zur Zerstörung im 30jährigen Krieg (September 1632) ist der Hof in dem Besitz des Lienhard Jordan geblieben, wie die Zehntlisten ausweisen (vgl. F 118), dann wird der Hof lange Zeit öde und unbebaut gelegen haben, denn erst im Jahre 1641 wird ein Leonhard Kühl (wohl ein Verwandter des Georg Kühl auf dem benachbarten Pfinzinghof als Hofbesitzer ge­ nannt; bis 1674 ist er auf dem Hof. (St.A. N. F 118) Ab 1676 folgt Hans Büchel (auch Biegel oder sogar Pickel geschrieben). Bis zum Jahre 1718 wird er in dem Zehntbuch verzeichnet, die Anlage zur sog. Türkensteuer besteuert ihn mit Sohn und Magd. (St.A. N. Nürnberger Bürger- und Bauernverzeichnisse Nr. 6). In einem Lehensakt der Familie von Petz vom Jahre 1827 findet sich ohne Jahresangabe eine Gült- und Feldbeschreibung des Hofes: „Hans Büchel hat einen Hof zu Muggenhof (zum Lichtenhof gehörig). Gült: 2 Sümer Korn, 2 Pfd 6 Pfg Herrengeld, 7 Pfd Krautgeld, 1 Meeß Förresholz, 4 V2 Pfd Flachs, 30 Eier, 3 Herbsthühner, 2 Faßnachthennen, sodann werden Felder und Wiesen in der Flurlage beschrieben. (St.A. N. Rep. 2721 Nr. 2607 Kanzleilehen) Von 1721 an folgt ihm sein Sohn Georg Büchel; nach dem Zehntbuch (F 118) ist er bis 1733 Hofbesitzer, wobei wir einmal den Hinweis finden: „der Pezische Halbhof ist nicht an­ gebaut“. 1741 wird Hans Holland vom Waldamt ein Stadelbau genehmigt (St.A. N. Rep. 751 Nr. 468). 1751 wird ihm nochmals Bauholz zugeteilt (ebenda Nr. 396). Die Zehntliste führt ihn nur für das Jahr 1742 (Stdt.A. N. F 118), auch in einer Steuerliste wird er vor dem Jahre 1758 ge­ führt. (St.A. N. D-Akten Nr. 1534) Ab 1754 folgt Wolfgang Flintsch als Hofbesitzer. Er ist in dem Zehntbuch bis 1769 ge­ führt, in der genannten Steuerliste ebenfalls bis 1769. Im Jahre 1767 erhält er Bauholz be­ willigt (St.A. N. Rep. 751 Nr. 397). 1770 Michael Hof mann, in den Zehntlisten bis 1788 genannt, in der Steuerliste bis 1805, jedoch wird seine Witwe Kunigunda um 1804 den Johann Hahn geheiratet haben, der den Hof innehatte, bis der Sohn Johann Hofmann mündig wurde und den Hof übernehmen konnte. Dies Datum wird in der Fassion von 1808 und dem Grundkataster von 1833 sehr ver­ schieden angegeben: mit dem März 1807 und dem 29. 6. 1817/ Vielleicht, daß es sich auch um zwei Söhne Johann Hofmann handelt, so wäre der Zusatz „der Jüngere“ zu erklären. Fassion 1808: Ein Halbhof, HausNr. 6. Besitzer Johann Hof mann, im März 1807 von der Mutter Kunigunda, jetzt in 2. Ehe als Kunigunda Hahn lebend, und den Geschwistern für 3000 fl übernommen. Ein Wohnhaus von Riegelwand mit einem steinernen Fuß, Stall und Scheune. 27 Morgen Feld und 7 Tagwerk Wiesen. Grundherrschaft: die v. Pezische Familie in Nürnberg. (Patrimo-

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MVGN 50 (I960) Eberhardshof und Muggenhof nialgericht Lichtenhof), gibt jährlich dahin an Gült: 2 fl 9 kr. für 66 Pfg Herrengeld und 7 Pfd Krautgeld, ln Natura 1 Meß Förrenholz, 4 xh Pfd Flachs, BO Eier an Ostern, anstatt 2 Faßnachthennen und 3 Herbsthühnem 7 junge Hühner. An Gültkorn 2 Sümra. Waldrecht 6 Maß Holz, 5 Mäß Stocke, 400 Büschel. Gemeindenutzungsrecht. (St.A. N. Rep. 225/22 Nr. 41) 183 3 Grundkataster: Besitzer Johann Hofmann d. Jüngere (am 29. 6. 1817 vom Stiefvater Joh. Hahn um 3000 fl übernommen). Der Hof hat den Hofnamen „Seebauer“, ist jetzt HausNr. 57. (St.A. N. Rep. 225/22 Nr. 102) 1848 Leonhard Kern. (Steuerliste der Gemeinde Höfen), (Stadtarchiv N. Vorortsakten) 1900 H. Birkmann, Oekonom, HausNr. 6 (Nürnberger Adreßbuch) 1941 Die Stadt Nürnberg. Fuchsstraße Nr. 46. Wohnhaus. (Nürnberger Adreßbuch). Muggenhof. Der dritte leonrodische Hof. alte HausNr. 7 später: HausNr. 58, heute Fuchsstraße Nr. 42 (der sog. Schwedenstadel). Das Anwesen ist ein dompropsteilidt-bambergisdies Lehen. Grundherren: Seit 1418 die Gralant, die Freiherren von Leonrod (Patrimonialgericht Neudorf b. Ansbach), vgl. HausNr. V2. Besitzverhältnisse: In den ältesten Zeiten sind die Besitzverhältnisse auch bei diesem Hof wie bei den übrigen leonrodischen Höfen sehr schwer zu ermitteln. Einen gewissen Anhalt bietet die Tatsache, daß das ehemalige Hallerische Gut in diesem Hof aufgegangen ist. So werden beide Anwesen oftmals die gleichen Besitzer gehabt haben. 1442 Wehrliste: Margret Reckin und ihr Sohn. Bewaffnung wie beim Hans Stentz (nämlich: schopen, eisenhut, armprost). 1449 Wehrliste: Ulrich Reck (Pantzer, Goller, Armbrust, Eisenhut und 2 Handschuhe). (St.A. N. Amts- und Standbücher Nr. 114 und 117) 1459 der Reck (St.A.Bbg. Standbuch 3011 f. 6), 1501 Anna Reckin (St.A.Bbg. Stdb. 3013 f. 3) In dem Verzeichnis der Handroßgüter finden sich die folgenden Einträge: 1503, Der Tetzel hat ein Gut zum Muggenhof, verläßt das Ulein Recken, der Leonroderisch ist. 1508 Mugehoff. Wolf Detzel und sein Bruder haben ein Gut, paut zu Handroß Ulrich Reck und ist markgräflich. 1515 Mugenhof. Uirich Reck paut ein Gut zu Handroß, ist Jeronymus Haller Eigenherr, ist leonrodisch. (St.A. N. Rep. 59 Nr. 151) 1508 Wehrliste: Ulrich Reck ist markgräflich. Gut. Harnisch, Puchsen. (St.A. N. Nr. 1595) 1529. Ulrich Reck wird wegen des Hallerischen Gutes mit 210 fl zur Steuer veranlagt. (St.A. N. Bauernverzeichnisse Nr. l) 15 39. In den weiteren Steuerveranlagungen für 1539/42/45 ist Hans Mullner der Besitz* nachfolger. In den Jahren 1542 und 1545 heißt es Hans Müller zu Schnepfenreuth, während es in der umfangreicheren Beschreibung von 1548 lautet: Hanns Müller junior zu Mugenhof auf 200 fl, geschätzt. Vielleicht hat der Sohn den Hof vom Vater übernommen und wohnt jetzt auch auf dem Hof in Muggenhof. In dem Zehntbuch (F 118) des Landalmosenamtes und den Urlaubs­ büchern des Waldamtes wird uns Hans Müller von 1545 bis 1557 genannt, dann folgt 1557 Georg Mullner als Empfänger von Bauholz (Waldbuch Nr. 392). Für kurze Zeit, ungef. von 1579 an, mag auch Paulus Metzner den Hof in Besitz gehabt haben, bis er Wirt auf der Erbschenkstatt wurde. Von 15 81 an bis 1595 dürfte ein Hanns Bauer (Pawer geschr.) Hofbesitzer gewesen sein. (Stadt-A. N. F 118 und St.A. N. Rep. 751 nr. 393) Nach 1600 finden wir einen Peter Rodner auf dem Hof, im Jahre 1617 erhält er vom Waldamt Bauholz bewilligt, eine Dorfbeschreibung von 1620 lautet: Peter Ratners Hof (hinter Hans Eglof von Leonrod) zinst 4 Sümer Korn, 3 Pfd Michelsgeld, 260 Köpfe Kraut, 60 Hendtlein Flachs, 3 alte und 3 junge Hühner. (St.A. N. Ansbacher 16-Punkte-Bericht Nr. 11) Der Hof ist im 30jährigen Krieg (1632) niedergebrannt worden und für längere Zeit nicht bebaut worden, erst von 1644 an wird Hans Lohebauer in dem Zehntbudi als Hofbesitzer genannt. 6

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MVGN 50 (i960) Eberhardshof und Muggenhof Ihm folgt sein Sohn Conrad Lohebauer ungefähr um 1675; der Hof scheint zu dieser Zeit noch nicht geteilt zu sein. Wahrscheinlich wird die Teilung um 1700 erfolgt sein, denn in einer Flurbeschreibung des Pfinzinghofes vom Jahre 1705 werden als Feldanrainer „beede Lohbauern" genannt. In dem Lehensbrief an die Peiler vom Jahre 1732 ist die Hofteilung eine feste Tatsache: Conrad Lohbauer. Halbhof. Wohnhaus (später HausNr. 8), ein halber Stadel, Backofen und Grub sind gemeinschaftlich. 25 Morgen Feld, 7 V4 Tagw. Wiesen. Peter Lohbauer. Halbhof (später HausNr. 7). 27 Morgen Feld, 7 V4 Tagw. Wiesen. Unter den Lohbauerschen Halbhöfen soll sich ein verdecktes Hallerisches Gütlein befinden. (St.A. N. Rep. 2721 Nr. 2356) In einer weiteren Belehnung von 1751 an die Grafen von Leonrod werden Friedrich Lang (und Joh. Peter Kiel, s. HausNr. 8) als Besitzer von je einer Hofhälfte genannt. Offenbar sind beide die 2. Ehemänner; die eine Hofhälfte bleibt jedoch im Besitz der Familie Lohbauer. 1768 übernimmt Johann Peter Lohebauer den Halbhof (vgl. die Häuserfassion von 1808). 1807 beabsichtigt Johann Peter Lohbauer, den Stadel zu erneuern. (St.A. N. Rep. 751 Nr. 468). 1808. HausNr. 7 Halbhof. Besitzer: Johann Peter Lohbauer. „Ich habe den Halbhof von ohngefähr 40 Jahren — genau kann ich es nicht sagen, weil der Kaufbrief vor einigen Jahren verloren gegangen ist — nachdem mein jüngerer Bruder Conrad Lohbauer, dem derselbe schon zugeschrieben gewesen, mit Tod ab gegangen, in väter­ licher Erbschaft um 2000 fl übernommen. Mein Vater als voriger Besitzer hieß Peter Lohbauer." Ein Haus mit Riegelwänden, darin sogleich die Viehstallung befindlich. Eine baufällige Scheune, welche ganz neu hergestellt werden muß. Die Hofreith sowie Backofen, Ziehbrunnen und Kellergrube werden gemeinsam mit HausNr. 8 besessen, dazu sind noch 2 Wechselwiesen gemeinsam. Vs Morgen Garten, 24 s/4 Morgen Feld, 6 V2 Morgen Wiesen. Waldrecht: 4 Klafter Holz. Gemeindenutzungsrecht. Steuerwert 3750 fl. Zins: Korngült 2 Sr. an Herbstgefällen 5 fl. (St.A. N. Rep. 225/22 Nr. 41 Häuserfassion) 1810 kauft Georg Reichel von der Witwe Anna Lohbauer den Halbhof für 2500 fl. 1833 Georg Reichel noch im Besitz des Halbhofes „Bergbauer", jetzt HausNr. 58 (St.A. N. Rep. 225/22 Nr. 102). 1848 Peter Reichel 1900 J. Kleinlein, Oekonom (Nürnberger Adreßbuch). 1941 Die Stadt Nürnberg. Das Anwesen trägt die HausNr. Fuchsstraße 42.

Der andere Lohbauersche Halbhof Muggenhof. Der dritte leonrodiscke Hof. alte HausNr. 8 später: HausNr. 59 heute Fuchsstraße Nr. 40 Lehns- und grundherrliche Verhältnisse sowie Besitzer bis ungef. 1680 finden sich bei dem Anwesen HausNr. 7. Weitere Besitzer nach der Hofteilung: Hofname: 1833 „Triebbauer" (1688) Konrad Lohbauer. 1732 Lehensbeschreibung: Peter Lohbauer. Halbhof. 25 Morgen Feld, 7 V4 Tagwerk Wiesen. Zusatz: Unter den Lohbauerschen Halbhöfen soll sich ein verdecktes Hallerisches Gütlein be­ finden. (St.A. N. Rep. 272 Nr. 2356 Lehensbrief an die Peiler) 1751 Joh. Peter Kiel (wohl seit 1740 Besitzer nach den Zehntbüchern zu schließen, Stadtarch. Nbg. F 118) „Halbhof. Erbzins 2 fl 18 kr 2 h. Gült: 2 Sümer Korn weniger 2 Metzen, die der Wirt für 2 Morgen Feld zuschütten muß." (St.A. N. Rep. 272 Nr. 2356, Lehenbrief für die von Leonrod.) Offenbar sind inzwischen 2 Morgen Feld aus dem Hof an den Besitzer der Erbschenke verkauft worden. 1754 verbietet der Graf von Leonrod dem Joh. Peter Kiel (sowie dem Friedrich Lang), von dem Hallerschen Gut Gült und Steuer nach Nürnberg zu zahlen. (St.A. N. S I L 584 Nr. 8)

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MVGN 50 (I960) Eberhardshof und Muggenhof Ab 1777 Johann Käferlein (Zehntlisten F 118 Stadtarchiv Nbg.) 1778 erhält er Bauholz zu Umbauten auf dem Hof, 1802 baut er den Stadel in dem Gärtlein neu auf. (St.A. N. Rep. 751 Nr. 397 und 468) Am 14. August 1803 hat Conrad Käferlein den Halbhof für 4000 fl aus der väterlichen Erbschaft übernommen. 1808. Ein Halbhof. Besitzer: Conrad Käferlein. Ein Haus mit Riegelwänden, Scheune, Stallungen; Hofreith, Backofen, Kellergrube und Ziehbrunnen gemeinsam mit HausNr. 7, ebenso zwei Wechselwiesen. Vs Morgen Garten, 25 3/4 Morgen Feld, 7 V2 Morgen Wiesen. Waldrecht: 4 Mäß Holz, 3 Mäß Stöcke, 300 Büschel. Gemeindenutzungsrecht. Gibt jährlich an die v. Leonrod (Patrimonialgericht Neudorf) an Herbstgefällen 5 fl, dann 1 Sümer 13 Mez. Komgült. (St.A. N. Rep. 225/22 Nr. 41 Häuserfassion) 1833 besitzt noch Konrad Käferlein den Halbhof, jetzt HausNr. 59, als Hofname findet sich die Bezeichnung „Triebbauer“. (St.A. N. Rep. 225/22 Nr. 102) 1840 Joh. Georg Egerdörfer 1941. Die Stadt Nürnberg. Fuchsstraße Nr. 40. Einwohner: A. Biegel, Witwe.

Muggenhof. Ein abgegangenes Gut. ohne HausNr. (befindet sich in dem zerteilten Hof Nr. 7/8) Das Gut ist ein ehemals von Bergsckes Reidtslehen. Grundherren: Die Nürnberger Patrizierfamilie von Grundherr, nachweislich seit 1396 bis ungef. 1490; danach hat es die Familie Tetzel in Nürnberg, von diesen ist es ungefähr um 1515 an die Familie von Haller (Joachimsche Linie) in Nürnberg gekommen und bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts geblieben.

Besitzverhältnissc: 1396: „Michel und Erhard die Grundherren haben empfangen 1 Wiese und einen Hof zu Mugenhof.“ (Das älteste v. Berg’sche Reichslehenbuch von 1396 anfangend im St.A. N. Ans­ bacher Generalakten Nr. 19 und als Abschrift davon mit den Belehnungen im 16./17. Jahrhdt. St.A. N. Rep. 59 Nr. 289.) 1442 Ullein Stentz (schopen, eisenhut, armprost), sein Grundherr ist Paulus Grundherr. (St.A. N. Amts- und Standbuch Nr. 114) 1449 derselbe Ulrich Stentz, nochmals die Bewaffnung: 1 Pantzer, 1 Goller, 1 Armbrust, 1 Eysenhut, 2 Hentschuh. (St.A. N. Amts- und Standbuch Nr. 117) 27. Okt. 1483 Urkunde: „Ich Ulrich Gruntherr, Burger zu Nürmberg bekenne öffentlich mit disem brief gein aller meniglichen, das ich verliehen und vererbt hab den Hof zu dem Mugenhof, der von meinem Vater seligen auf mich vererbt ist, dem bescheiden Michel Stenntzen und seinen erben zu haben und zu nyeßen . . . davon er mir und meinen erben geben soll rechter herren gult ewiglich alle jahr 4 sumer korns / 12 eymer gesottens krauts / zwen kloben flachs, die da zu dem minsten sollen wiegen sibenthalb (= 6 V2) pfund/ 11 Schilling haller der kurzen hallergelts / ein fuder holtz / 60 eyer zu ostern / 6 herbsthüner / 3 vaßnachthennen ... Er soll mir auch den hof wesentlich halten als erbs und lands recht ist, als er dann des sein treu an aids statt geben hat. (German. Museum Nr. 7736 ZR 4247a) 1497 Michel Stentz, Steuerliste zum „Gemeinen Pfennig“, absens (= abwesend). Dieser Zusatz wird schon darauf hinweisen, daß der Stentz auf einem anderen Hof wohnt und diesen Hof als Nebengut (= zu Handroß) bebaut. (St.A. N. Rep. 2c Nr. 100) 1500 verkauft Wolf Tetzel seinem Oheim, Hans Tetzel, einen Hof zu Mugenhof, den er 1496 nach dem Tode seines Vaters Gabriel Tetzel bei der Erbteilung erhalten hat. (St.A. N. Rep. lb Nr. 414 Päpstl. und fürstliche Privilegien.) 1503 hat Tetzel ein Gut zum Mugenhof; verläßt das Ulein Recken, der Leonrodisch ist. 1508: Mugehoff. Wolf Detzel und sein Bruder haben ein Gut, paut zu Handroß Ulrich Rech und ist markgräflich. 1515: Mugenhof. Ulrich Reck paut ein Gut zu Handroß, ist Jeronymus Haller Eigenherr, ist Leonrodisch. (St.A. N. Rep. 59 Nr. 151, Verzeichnis der Handroßgüter.) 1508: Lllrich Reck ist markgräflich. Gut. Harnisch, Puchsen. (St.A. N. Rep. 19 Nr. 1595 D-Akten) 6

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MVGN 50 (I960) Eberhardshof und Muggenhof 1529 wird Ulrich Reck zur Steuer mit 210 fl veranlagt. (St.A. N. Rep. 66 Nürnberger Bauernverzeichnisse Nr. 1) 1539 wird Hans Mulner zur Steuer mit 150 fl veranlagt, 1542 mit 200 fl, 1545 wiederum mit 200 fl. 1548 Steuerbeschreibung: Hans Müller junior zu Schnepfenreuth ein Gut hinter Joachim Hallers Erben auf 200 fl geschätzt. (St.A. N. Rep. 66 Nürnberger Bauern Verzeichnisse Nr. 2—5.) Weitere Besitzer des Gutes konnten nicht mehr ermittelt werden, wahrscheinlich ist das Wohnhaus, wenn es überhaupt noch vorhanden und bewohnt war, im 2. Markgrafenkrieg ab­ gebrannt und später nicht mehr aufgebaut worden, die Felder wurden dann von den Besitzern des Hofes Nr. 7/8 (leonrodisch) mitbebaut und sind schließlich Bestand dieses Hofes geworden. In einer Lehensbeschreibung von 1732 heißt es: „Unter den beiden Lohbauerschen Halb­ höfen (= HausNr. 7/8) soll sich ein verdecktes Gütlein befinden, an dem die Herren von Haller ein Fünftel Anrecht an der Gült haben, laut eines Vergleiches vom Jahre 1637 zwischen den Grafen von Leonrod und den Hallern.“ Allerdings wissen auf Befragen die Bauern nichts von einem solchen Gut! (St.A. N. Rep. 272 Nr. 2356 Ansbacher Kanzleilehen) Bei einem Vergleich der Hofgröße in der Fassion vom Jahre 1808 fällt jedoch auf, daß dieser Hof mehr Felder hat als die beiden anderen leonrodischen Höfe (HausNr. 3 und Nr. 4). 1754 verbietet der Graf von Leonrod seinen beiden Untertanen Joh. Peter Kiel und Fried­ rich Lang zu Muggenhof von dem Hallerschen Gut, Gült und Steuer nach Nürnberg zu zahlen. (St.A. N. S I L 584 Nr. 8) Dieses Verbot darf wohl als eine Repressalie in dem damaligen Streit um die Erbschenke zwischen den Grafen von Leonrod und dem Rat der Stadt Nürnberg angenommen werden, es ist auch künftig wirksam geblieben, denn eine Nürnberger Steuerliste, die mit dem Jahre 1758 beginnt, weist keinen der beiden Halbhofbauern mehr bis zum Jahre 1805 als Steuerzahler aus. (St.A. N. D-Akten Nr. 1534) 3. Okt. 1766: Ein Lehensbrief aus der Kanzlei des Kaisers Joseph II. an Christoph Joachim Haller von Hallerstein und seine Brüder: Item ein Güthlein zu Mungenhof gelegen, daran das Erb Hanns Hoffmann, anjetzo Conrad Lohebauers Wittib und deren Sohn Conrad Lohebauer ist. 26. 3. 1808: Ein weiterer Lehensbrief an die Haller: Ein unbezimmertes Gut zu Muckenhof. (Beide Lehensbriefe in einem v. Hallerschen Lehensakt der Ansbacher Kanzleilehen, St.A. N. Rep. 272 Nr. 1789) In der Häuserfassion vom Jahre 1808 jedoch wie auch in dem Grundkataster von 1833/35 ist von diesem unbezimmerten Gut der Haller nichts mehr zu finden

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DER HANDELSPROZESS DES NÜRNBERGER PATRIZIERS JACOB HALLER Von Helmut Freiherr Haller von Hallerstein Über die großen und erfolgreichen Handelsgeschäfte des ausgehenden Mittelalters erhalten wir leider nur in Ausnahmefällen genauere Kenntnis. Dafür berichten die Quellen aber umsomehr, wenn Schwierigkeiten auftauchten oder wenn die Gerichte bemüht werden mußten. Die Briefbücher des Nürn­ berger Rates sind voll von Interventionsschreiben an Fürsten und Herren wegen Handelsbeschwerungen durch unrechtmäßige Zölle, durch Beschlagnahme von Waren und Geld, durch Überfälle auf Kaufmannszüge und dergleichen mehr. Wir bekommen hieraus zwar einen wesentlichen Einblick in die umfangreiche Handelstätigkeit und insbesondere in die Gefahren, denen sie ständig aus­ gesetzt war, ohne jedoch hierbei den Ablauf der Vorgänge in allen Einzelheiten feststellen zu können. Aus einem in allen Phasen völlig überschaubaren Gang der Ereignisse können wir die allgemeinen Verhältnisse und die Risiken, mit denen ein Kaufherr jener Zeit rechnen mußte, aber wohl am besten beurteilen. Offenbar schien auch den Nachkommen des Nürnberger Patriziers Jacob Haller dessen sich über ein Menschenleben hinziehender und mit besonderer Hartnäckigkeit geführter Handelsprozeß so beispielhaft und einprägsam, daß er uns erhalten geblieben ist. Denn er wurde dem „Eisernen Versperr", in dem sonst nur die kaiserlichen Privilegien- und Lehensbriefe der Familie und der­ gleichen aufbewahrt wurden, einverleibt *)• Wie alle anderen Nürnberger Geschlechter haben auch die schon vor 1300 im Nürnberger Rat vertretenen Haller sich von Anbeginn an im Wirtschafts­ leben betätigt. Sie bildeten im Gegensatz zu den meisten anderen Familien nur selten Gesellschaften; sie blieben vielmehr vornehmlich Individualisten und traten insbesondere als Finanziers hervor. Der 1425 verstorbene Peter III. Haller zu Ziegelstein2) vereinigte in seltener Vollkommenheit den Fern*) Prozeßakt im Frhr. Haller v. Hallersteinschen Archiv Schloß Gründlach (Rep. 1 Nr. IX. 2. 1). Der Akt wurde zweifelsohne von Jacob Haller selbst angelegt und enthält auf 18 Folio­ seiten die im folgenden mit Nr. I—XIV bezeichneten Urkunden- bzw. Briefabschriften. Zur Ergänzung wurden insbesondere die Briefbücher des Nürnberger Rates (BB) im Staats­ archiv Nürnberg (StAN) herangezogen. Für den Schlußteil des Prozesses fanden sich aufschlußreiche Urkunden im Staatsarchiv Würzburg (StAW). Für die entgegenkommende Unterstützung sei Herrn Oberregierungs­ archivrat Dr. Hofmann und Herrn Archivrat Dr. Scherzer, Würzburg, hier nochmals bestens gedankt. Auf die rechtshistorischen Probleme des Prozeßverfahrens einzugehen, muß Berufeneren überlassen bleiben. 2) Ausführliche Nachrichten über Peter III. Haller siehe die demnächst vom Verfasser in der Schriftenfolge der Gesellsch. f. Familienforschung in Franken erscheinende Veröffentlichung „Die Haller von Hallerstein" (7. u. 8. Kapitel).

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händler, Politiker und Finanzier von Fürsten und Herren in einer Person und konnte das seit Generationen ererbte Vermögen und Ansehen seiner Familie nicht nur erhalten, sondern durch glückliche Geschäfte noch vermehren. Seinen fünf Söhnen, die er in alle Probleme der Handels- und Finanzgeschäfte jener Zeit wie kaum ein anderer einzuweihen in der Lage war, konnte er daher auch das stattliche Vermögen von über 60 000 fl vermachen, also um mit heutigen Begriffen zu reden, ein vielfaches Millionenerbe hinterlassen. Freilich, mühelos fielen damals wie heute niemanden die Früchte in den Schoß. Peter hatte wie alle wagemutigen Kaufleute und Bankiers oft genug die Schwierigkeiten mittelalterlichen Handels und Verkehrs erleben und manchen Verlust hinnehmen müssen. Die umständlichen Transportverhältnisse auf meist unzulänglichen Straßen, die ewigen Straßenfehden mit ihren Plünderungen von Kauffahrteizügen, die nie abreißenden Kriegsläufte mit Lähmung von Wirt­ schaft und Verkehr, die oft nicht voraussehbaren Konjunkturschwankungen, Absatzrisiken usw. und nicht zuletzt die territoriale Zerplitterung des Reiches mit ihrer Unzahl von Gerichten und Zuständigkeiten konnten den Fernhändler vor 500 Jahren sehr schnell zum Ruin bringen. Dieses für den Einzelnen so viel größere Risiko gegenüber unserer modernen Wirtschaftstruktur, die durch viel­ fältige Versicherungen, durch Statistiken ermöglichte Absatzprognosen und dergleichen mehr ganz andere Dispositionsmöglichkeiten erlaubt, brachte es mit sich, daß Bankrott und Riesengewinne in jener Zeit nahe beieinander lagen 3). Wagemut, Kaufmannstalent und eine unerbittliche Zähigkeit in der Verfolgung von Rechtsansprüchen, auch gute Beziehungen und nicht zuletzt eine Portion Glück, das waren einige der wesentlichen Voraussetzungen, um Vermögen zu erhalten und zu mehren oder neu zu schaffen. Unter solchen Vorbedingungen war Peters drittältester Sohn, Jacob Haller4), aufgewachsen, erzogen und als Kaufherr tätig geworden. Anderthalb Jahre nach des Vaters Tod, im Sommer 1427, zog Jacob zur Frankfurter Messe und schloß dort unter anderem einen Verkauf über einen größeren Posten Textilwaren ab. Nicht lange konnte er sich seines sicherlich einträglichen Ge­ winn versprechenden Geschäftes erfreuen. Wohl war er vorsichtig genug ge­ wesen, die — ganz oder zum Teil, wir wissen es nicht — auf Wechsel vereinbarte Zahlung mit allen Klauseln urkundlich durch den Käufer und durch einen Bürgen als voll haftbaren Selbstschuldner sichern zu lassen5). Aber was half das alles, wenn der Käufer, der Rothenburger Bürger und Kaufmann Hans Weidner, nach fristgemäßer Zahlung der ersten Hälfte der Wechselschuld auf der Herbstmesse zu Frankfurt in eben dem Jahre 1427 die zweite, ein Jahr darauf fällige Rate nicht zahlte und „trunnig wurde von schuld wegn“, also flüchtete und unauffindbar blieb? 3) Einer der größten Bankrotteure der 1. Hälfte des 15. Jhdts. war der Nürnberger Hans Ortlieb, der unter Hinterlassung von mehr als 21 000 fl Schulden flüchtete (StAN Urk. 7-farb. Alph. Nr. 797; Altmann, Reg. Imp. XI Nr. 8300; Sporhan-Krempel u. Stromer, Das Handelshaus der Stromer in Nürnberg in Vjschr. Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte 47 (1960) S. 97). 4) Zur Person Jacob II. Hallers vergl. Anm. 2) (7. Kapitel u. Stammtafel). 5) Die Schuldurkunde vom 5. Juli 1427 (Nr. I) ist im Wortlaut im Anhang abgedruckt.

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Über 231 ungarische Goldgulden, was 322 rheinischen Gulden entspricht, also eine nicht unbeträchtliche Summe, die — um nur einen Anhaltspunkt zu geben6) — vielleicht mindestens 15 000 DM unserer Zeit entsprechen mögen, ging die Wechselschuld, von der also die Hälfte nach Weidners Flucht noch offen stand. Zunächst verklagte Jacob seinen (Schuldner vor dem örtlich zuständigen Frankfurter Gericht. Anderthalb Jahre vergingen vergeblich dabei, weil Weidner von Rothenburg unbekannt verzogen war. Nun belangte Jacob den als Selbstschuldner aufgestellten Passauer Bürger Stefan Walsinger vor dem bischöflichen Landgericht zu Passau in Österreich, obwohl dieser „seine hab nicht eingenommen hab“, aber dafür war er nun einmal haftbarer Bürge. Aber dieser Prozeß kam von Anfang an kaum vorwärts, denn es wurden „vil schub (Terminverschiebungen) von der Hussenraiß (Hussittenkrieg) und ander ursach wegn gemacht“ 7). Zwar setzte sich auch der Nürnberger Rat, wie dies üblich war, für seinen Bürger ein und intervenierte im Mai 1430 beim Passauer Bischof8). Es kam dann auch zu einem Pfandurteil für Jacob auf des Walsingers Habe und Güter, jedoch ehe es vollstreckt werden konnte, starb Walsinger. Wieder schaltete sich der reichsstädtische Rat ein und bat im Juli und im September 1432 9) den Bischof von Passau, ihrem Bürger Jacob Haller doch „zu dem gute des Stephan Walczinger selig und seiner hausfrau in des bischofs schloss zu Füsstneck (Fürsteneck, Lkr. Wolfstein) gesessen“ zu verhelfen. In­ zwischen hatte aber die Mutter des verstorbenen Walsinger erreicht, daß dessen Erbe gerichtlich ihr zugesprochen wurde, sodaß Jacob nichts mehr beschlag­ nahmen lassen konnte 7). Sicherlich hatten die Walsingerschen Erben zu ihrem Manöver auch die Unterstützung der Behörden zu Passau gefunden. Dort hatte man eine Generation früher dem Breslauer Kaufmann Hans Betiko in seinem Prozeß gegen einen Passauer Bürger und Beamten wegen „Beraubung“ einer großen Geldsumme auch erst zu seinem Recht verholfen, als das Hofgericht König Wenzels energisch in Aktion trat10). Jacobs Bemühungen, wenn er seine Sache nicht aufgeben wollte, mußten sich also nun nach mehr als vier verlorenen Jahren wieder gegen den eigent­ lichen Schuldner richten. Tatsächlich gelang es ihm — offenbar erst 1434 —, den Aufenthaltsort des Hans Weidner ausfindig zu machen. Dieser wohnte jetzt zu Haßfurt am Main und war durchaus vermögend, so besaß er größere Abgabenrechte aus den Dörfern Thüngersheim “) und Retzbach12). Vor dem für Weidner zuständigen Gericht des Bischofs von Würzburg erhob nun Jacob erneut die Klage. Unter Vorsitz des Hans von Munster tagte am 12. September 1434 das Gericht zu Haßfurt mit den Beisitzern Eberhart von iSchaumberg, 6) Brauchbare Umrechnungen mittelalterlicher Geldsummen in heutige Verhältnisse sind be­ kanntlich unmöglich; obige Angabe soll nur eine ungefähre Größenordnung vermitteln. 7) Nach der Schilderung in Urkunde 1435 Juni 1 (Nr. V). 8) BB IX fol. 6. 9) BB X fol. 17, 49. 10) H. Pruckner, Der Prozeß eines Breslauer Kaufmannes gegen einen Passauer Bürger und dessen Auswirkungen (1386—1408), in: Passauer Studien (1953), S. 257—74. n) Landkreis Würzburg. 12) Landkreis Karlstadt.

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Ritter, Mathis vom Lichtenstein, Walthazar von Benkheim, Hans Fuchß zu Haßfurt, Ek Sweygrer, Hans Köttner und Linhart Vogt13). Auf das Vorbringen Jacobs, der persönlich erschienen war, auf Zahlung der längst fälligen Schuld­ summe über 161 fl zuzüglich 113 V2 fl für Schadgeld behauptete Weidner, er habe nie „kuntschaft“ erhalten. Denn der eine von Jacobs Kundschaftern in Frankfurt sei, wie er erst neulich erfahren habe, gestorben, der andere „nämlich der Slegl“ sei außerlands in Siebenbürgen, während doch Jacob vorgegeben habe, er halte sich hierzulande in Frankfurt oder Rothenburg auf. Vergebens wandte Jacob ein, daß doch die Originalschuldurkunde und der vom Frank­ furter Gericht bestätigte Schadgeldbrief vorlägen und nur diese allein maß­ gebend seien. Das Gericht erteilte Weidner einen Schub. Mit eigener Hand fügte Jacob, dem verständlicherweise die Geduld gerissen war, an den Haßfurter Urteilsbrief an: „It(em) ich kont nit rechtns bek(o)mmen vor mein H(er)rns von Wirczpurg; dorumb lüde ich dieselbn an andre gericht und behub zu in nach inhalt der hernachgenden br(ief)“. Das andere Gericht, vor dem Jacob nun einen neuen, seinen vierten Prozeß in dieser Sache begann, war das kaiserliche Landgericht zu Nürnberg. Dort, wo er, auch als markgräflicher Lehensträger, über gute Beziehungen verfügen konnte, kam er auch sehr rasch zu einem Erfolg „und nam mit urteil einen kuntbrife und sant den auf die pfantschaft und alle die recht, die Hanns Weydner zu Hasfurt het an Tungersheim und an Retzbach, und wo er sust icht het, es wern heuß, hofe, wisn, erb, holtzer, varend oder ligente hab, besucht und unbesucht, nichtz ausgenomen“. In diesem Urteilsspruch vom 1. Juni 143 5 14), der unter Vorsitz des Land­ richters Wilhelm von Rechberg von Hohenrechberg gefällt wurde, werden Jacobs bisherige vergebliche Versuche, zu seinem Recht zu kommen, geschildert und die Unkosten angegeben, die er darauf verwenden mußte. Den Walsinger habe er „mit andern geltern, den er auch schuldig was zu Franckfurt mit seinem leibe und gut, mit gericht ernider gelegt (pfänden lassen), der wich i(h)m do auch vom gericht hellich (heimlich) und liess vier pferd do steen; darauf klagt er und die andern auf ein gleiche antzal“. Dieses Verfahren habe anderthalb Jahre gedauert „wann er (Jacob) auslendig und zu Österreich 15) was und lanksam mit verkünd (Nachrichtenverbindung) und andern Sachen zugeng". Jacob habe dabei 42 fl Unkosten gehabt. Weiterhin habe sein Klagführer, „der zu Franck­ furt auf dasselb recht läge für sich allein darzu mit recht pracht und behabt, das er zu Franckfurt allain zu gericht gelt und zerung besunder darauf von Jacob Hallers wegen auch außgeben hat hundert und vierzehnthalbn (113 V2) gülden rheinisch", worüber er von dem Gericht zu Frankfurt besiegelte Briefe habe. Ferner habe er in Passau fünf Jahre lang „albeg stetz sein diener zu einem klagfurer dorauf ligen und zerend gehabt, das er und sein klagfurer mit gericht gelt, potenlon, kost und zeru(n)g dorauf allein auch besunder ausgebn het mer 13) Urkunde Nr. II. 14) Inseriert in Urkunde Nr. V. 15) Eine Handelstätigkeit Jacobs in Österreich ist auch urkundlich nachweisbar („Die Haller v. Hallerstein" 8. Kapitel).

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dann dreuhundert und anderthalben gülden reinisch". Schließlich habe ihn der Prozeß zu Würzburg weitere 60 fl gekostet. Für die eigentliche Schuld und die gesamten Auslagen alle die Jahre hindurch sei ihm ein Verlust an Zinsen, Wechselspesen u. dgl. von 498 V2 fl entstanden16). Gegen etwaige Einreden des Weidner, daß dieser seine Schuld längst bezahlt und Jacob gar keine Ver­ zugsschäden gehabt habe, erklärt Jacob energisch unter Hinweis auf die Ehre des Kaufmanns: „ob er nu darein reden wollet, das doch wider ere und recht were und im unmuglich (überaus großen) schaden precht, wann ein yder sein petschaft und besunder kaufleut ir petschaft in aller der maß ze halten schuldig seind und halten als ir sygel und meniglichen brife unter iren petschaften geben; ob sein not tet, so ding er sich des an redlich kaufleut". Jacob bittet das Nürn­ berger Landgericht „umb hauptgelt und scheden" für die Gesamtsumme von 1181 fl um Genugtuung und daß „dorumb sein leib und gut stillsten und davon geholfen werde", sowie daß es ihm „anleit", d. h. die Einweisung in den Pfand­ besitz des Schuldners, gewährt. Nachdem Jacob „die anleite besaß nach recht mer dann sechs wochen und drey tag, das sie nyemant versprach als er mit Hansen Tapfheim(er) seinem anleyter vor gericht bezeugt hat", setzte ihn das Gericht ein in „nutz und gewer an der egenanten pfantschaft und allen den rechten, die der vorgenante Weidner hat an den obgenanten gutem allen". Jacob wird von gerichtswegen „mit gemeiner volg und urteil auf den ayde" bestätigt, was er und seine Helfer mit den erklagten Gütern täten, „daran solten sy nicht gefrevelt noch getan habn, daß sie wider pessern oder pussn soltn geen lantfriden, lantgerichten noch geen nyemantz und sol man im von gericht darutnb zu schirmern geben, wes er begert". Gleichzeitig 17) erhielt Jacob einen besonderen Landgerichtsbrief: „Hanns Weydner von Hasfurt, der wer in sein echt (Acht) und was er und sein helfer demselben seinen echter an seinem leib und gutem teten alle dieweil er aus der echt nicht körnen were, ob sye davon icht wol billichen und zu recht nicht ge­ frevelt noch getan heten, daß sie weder pessern noch pussen soln geen lant­ friden, lantgerichtn noch geen nyemant." Damit, so möchte man annehmen, war nun alles erreicht, was Jacob so lange erstritten hatte. Jedoch Thüngersheim und Retzbach lagen im Würzburger Gebiet und das kaiserliche Landgericht trug nur einen hochklingenden Namen, ohne daß seine Urteilssprüche auch in anderen Territorien anerkannt worden wären. Jacob ließ sich deshalb ein Jahr später nochmals zwei Landgerichts­ briefe 18) gleichlautend für die beiden Gemeinden ausstellen: „der Schultheiß, 1€) Wegen des kanonischen Zinsverbotes war offiziell eine Zinsenberechnung nicht statthaft, tatsächlich verbargen sie sich aber unter den „scheden“. Wörtlich heißt es: „solch obgemeltes gelt sey im lang außengestanden und kost ze bestellen die obgemeltn iare mer dann vier­ hundert und neunthalben und neuntzig gülden an die scheden, darauf gegangn syder bis her und die noch darauf geen mugen“. In der Urkunde 1449 Juli 28 (Anm. 42) spricht der Würzburger Bischof selbst ganz offen von „Hauptsumme samt austehenden Zinsen“. 17) Tatsächlich zwei Tage vorher ausgestellt (1435 Mai 30; Nr. VI). 18) Urkunden 1436 Juni 9 (Nr. VII u. VIII).

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Richt(er), Baurnmeister und die Baum gemeinglich, die wern in seiner echt“ mit allen übrigen so umständlichen und doch so nutzlosen Formeln. Die zwei Dör­ fer dachten aber gar nicht daran, Jacob zu seinem Recht zu verhelfen und ver­ weigerten ihm — sicherlich nicht ohne Rückendeckung durch ihren bischöflichen Territorialherren — trotz aller Achterklärungen das gerichtlich zuerkannte Pfandrecht auf Weidners Besitz. Ein Vierteljahr wartete Jacob ab, dann ging er gegen die beiden Gemeinden selbst vor und verklagte diese vor dem Nürnberger Landgericht. In dem Urteilsbrief vom 11. September 1436 19) heißt es, daß Thüngersheim und Retzbach dem Hans Weidner zinspflichtig seien und diesem für diese Verpflichtung auch gehuldigt und geschworen hätten. Auf Grund der Pfandeinsetzung Jacobs in des Weidners Habe in Höhe von 1176 fl20) wären die Dörfer verpflichtet, dem Haller „furpaß ze warten“ und ihm die Zinsen zu reichen, was sie aber nicht getan hätten und dadurch sei Jacob ein Schaden von 2000 fl21) entstanden. Wenn die Gemeinden verbringen würden, sie wären Jacob nicht verpflichtet und des Weidners Rechte seien einem Dritten übertragen, so „besehehe es Weydner zu fluchtsal“ (betrügerische Übergabe eines Gutes an einen anderen zum Nachteil des Gläubigers22)) und ihm zu „geverde“. Nachdem Jacob von dem Würzburger Gericht damals „abgefordert“ (zurückgewiesen) wurde und ihm „nicht rechtens geen mocht“, hoffe er zu Gott und dem Recht, daß ihm Anleit auf alle Güter und Habe, die der Schultheiß, Richter und Bauernmeister und die Bauern gemeiniglich zu Thüngersheim und Retzbach haben, gegeben werde. Nachdem die Frist von 6 Wochen und 3 Tagen ohne Einspruch bei seinem Anleiter Hans Tapfheimer verflossen war, wurde Jacob mit Land­ gerichtsurteil in die Pfandschaft gegen die Dörfer selbst eingesetzt. Tatsächlich hatte Weidner seine Besitzrechte offiziell einem anderen, dem Engelhard von Münster, Diener des Würzburger Bischofs, verschrieben, sodaß Jacob nach wie vor seine Ansprüche nicht realisieren konnte. Man kann sich die unsagbare Enttäuschung und Verbitterung, die den redlich denkenden Kauf­ herrn befallen mußte, vorstellen, nachdem er wegen einer Schuldsumme von 19) Ausgestellt je für Thüngersheim und für Retzbach (inseriert in Nr. IX). 20) Die hier genannte Summe von 1176 fl ist zwar um 5 fl niedriger als in Urk. 143 5 Juni 1 angegeben, sie stimmt aber mit den Einzelposten zusammen: Die eigentliche Schuld betrug 161 fl; an Unkosten wurden geltend gemacht für den Prozeß zu Frankfurt 42 + 113 V* fl, für den zu Passau 301 V2 fl, für den zu Würzburg 60 fl, also insgesamt 517 fl Unkosten; hinzu 498 V2 fl Zinsverlust und Wechselspesen. 21) Man müßte annehmen, daß unter dieser Summe von 2000 fl die 1435 Juni 1 gerichtlich zugebilligte Pfandsumme von 1176 fl zuzüglich neuer Unkosten und Zinsentgang für die inzwischen verflossenen 1 V4 Jahre zu verstehen sind. Jedoch ist 1459 (Anm. 44) unter Bezugnahme auf die Urteile von 1435—36 ausdrücklich von 1176 fl Hauptsumme „und dazu“ 2000 fl weiterer Kosten und Schäden die Rede. Es erscheinen schon die 498 V2 fl Zinsverlust und Spesen für die Zeit vom Herbst 1428 bis Juni 1435 bei einer Schuldsumme von 161 fl unwahrscheinlich hoch (46 %> Jahrf). Erst recht sind 2000 fl Unkosten und Zinsentgang für 1 V4 Jahre kaum denkbar. Man kann daher nur annehmen, daß Jacob Haller von vorneherein eine jahrzehntelange Prozeßdauer einkalkuliert hat, was auch aus dem Wortlaut der Urkunde von 143 5 „und die noch darauf geen mugen“ (s. Anm. 16) spricht. 22) Nach Lexer, Mittelhochdeutsches Wörterbuch.

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160 fl bereits mehr als das zehnfache an Unkosten und Einbußen aufgewendet hatte und nun wiederum durch ein betrügerisches Manöver geprellt wurde. Schließlich hatte er noch genug sonstige Sorgen sowohl geschäftlicher wie privater Natur. Denn neben diesem langwierigen Prozeßverfahren mußte er auch andere Rechtsstreitigkeiten ausfechten, wie z. B. mit einem Gläubiger in der Südsteiermark, wo er sich zur Wehr setzen mußte. Außerdem war auch das häusliche Glück nicht ungetrübt, da seine Frau Veronika um ihre Morgengabe bangte, die der Geschäftsmann Jacob zu seinem Handelskapital geschlagen hatte, weshalb es zu unliebsamen Auseinandersetzungen kam. Trotzdem ließ sich Jacob nicht beirren, denn er war aus zähem Holz geschnitzt. Er besaß die familieneigene Hartnäckigkeit in der Verfolgung von Rechtsansprüchen, die genauso seinen älteren Bruder Peter auszeichnete. Charakteristisch ist dafür dessen in jenen Jahren an den Salzburger Bischof gerichtetes Schreiben wegen unberechtigter Geldforderungen eines österreichischen Kaufmannes, er wolle lieber mit 40 Pferden nach Österreich reiten und sollte es ihn 1000 fl kosten, er wolle den Buben schon an den Galgen bringen, ehe er von seinem Recht abgehe 3). So gab Jacob also nicht auf, sondern wählte einen neuen, außergewöhn­ lichen Rechtsweg, das Femegericht. Zu diesem Zweck ließ er sich im Juli 1437 2{) von dem kaiserlichen Hofgericht zu Eger die verschiedenen Urteils­ briefe des Nürnberger Landgerichts bestätigen. Unter Vorsitz des kaiserlichen Hofrichters Graf Heinrich von Montfort, Herrn zu Tettnang, wurden auf An­ suchen Jacobs Anwalt Hans Geyßler die Konfirmationen erteilt, um sie ge­ brauchen zu können „vor alln gerichtn geistlichn und weltlichn und an allen enden“. Daß Jacob als Nürnberger Bürger überhaupt den Weg der Femeklage wählte, lag insofern nahe, als er selbst Freischöffe war24) wie auch sein jüngerer Bruder, der Ritter Paul Haller zu Ziegelstein 25). Das heimliche Gericht zu Westfalen nahm die Klage an und lud Hans Weidner und die beiden Dörfer Thüngersheim und Retzbach auf den 30. Ok­ tober 1438 durch den Boten Hans Tretdensloch vor den Freigrafen Heinrich von Lynne an den Freistuhl zu Bodelschwing. Natürlich empörte sich der Würzburger Bischof über diese Vorladung seiner Untertanen und richtete einen Beschwerde­ brief, „geben im feld vor dem Reussenperg“ 26) am 18. September 1438, an den Nürnberger Rat. Dieser solle Jacob Haller daran weisen, gegen die Stifts­ untertanen nicht vor dem Freistuhl, sondern vor dem zuständigen bischöflichen Gericht zu klagen. Der Bischof wolle Haller nach Rückkehr aus dem Feld dann einen Rechtstag gewähren27). Der Nürnberger Rat, der seine Entscheidungen immer gut überlegte, schrieb zunächst dem Bischof, man käme auf die Sache in

23> Urkunden 1437 Juli 23 (Nr. V und IX); Original StAW Würzburger Urk. Nr. 24) Vergl. L. Veit, Nürnberg und die Feme (1955), S. 196 (Nürnberger Forschungen 25) a. a. O. S. 197. ®®) Vergl. hierzu Lorenz Fries, Würzburger Chronik (1924), S. 610. 27) Der Brief wurde von dem kais. Notar Joh. Kritzlmor de opido Kulmbach vor den Sebold Schüler und Heinrich Wurm, Laien, im Predigerkloster zu Nürnberg am 21. vidimiert (Nr. III).

97/123. 2. Bd).

Zeugen 9. 1438

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Kürze zurück28). Einige Tage darnach erging dann die Antwort29) an Bischof Johann zu Würzburg, man habe Jacob vor den Rat zur Stellungnahme ge­ beten. Dieser habe erklärt, daß er schon vor etlichen Jahren den Weidner vor das Würzburger Landgericht geladen, viele Rechtstage besucht und große Un­ kosten dabei gehabt habe. Ihm hätte aber „das recht nicht gedeyen mugen“ und der Bischof habe ihm „abgesagt". Deshalb habe er „sein notdurft und gerechtigkeit“ vor dem Femegericht gesucht. Auf besondere Bitte des Rates wolle Haller aber seine Klage zurücknehmen, wenn der Bischof gegen Weidner und die zwei Gemeinden einen ordentlichen Rechtstag ansetze und ihm für seine Person, sowie seinen Begleitern und seiner Habe mitsamt Urkunden „frid und geleyt“ gebe; geschehe dies nicht, so klage Haller vor dem Freistuhl weiter. Der Brief des Rates wurde zu Karlstadt einem Rat des Bischofs über­ geben30). Inzwischen war auch eine Ladung des Freigrafen gegen Engelhard von Münster, gegen den Jacob ebenfalls Femeklage erhoben hatte, ergangen und der Bischof wandte sich nochmals beschwerdeführend an die Reichsstadt. In dem Antwortbrief des Rates31) wurde erwidert, nach „vil reden und Wider­ reden" wolle Jacob sich seiner Klage „entslagen", wenn die obigen Bedingungen gewährt werden. Sicherlich hat es turbulente Scenen in der Ratssitzung gegeben, denn zweifelsohne war Jacob nach den bisherigen Erfahrungen wenig geneigt, den sicher wirkungsvolleren Rechtsweg vor dem Gericht zu Westfalen zurückzuziehen. Aber er zeigte sich als getreuer Bürger seiner Vaterstadt, der sowieso daran liegen mußte, daß keiner der Ihrigen vor dem von Nürnberg bekämpften Femegericht32) prozessierte. Wirklich setzte auch Bischof Johann einen Rechtstag, aber nur in Sachen Engelhard von Münster. Jacob weigerte sich daraufhin den Tag zu besuchen, da er „unaustragend und nit füklich" sei, denn einer Trennung des Verfahrens von dem gegen den eigentlichen Schuldner Hans Weidner könne er nicht zu­ stimmen. Der Nürnberger Rat schrieb deshalb am 22. Mai 1439 33) an den Bischof, er solle wie vereinbart alle Beteiligten zur gemeinsamen Verhandlung vorladen. Endlich gab der Würzburger Bischof dem Verlangen statt und lud Engelhart von Münster, die Dörfer Retzbach und Thüngersheim, sowie Hans Weidner an einem und Jacob Haller am andern mit der Zusage freien Geleits auf den 5. Juni 1439 nach Würzburg 34). Da der Termin aber wieder abgesagt wurde, schaltete sich der Rat erneut ein und bat Würzburg noch zweimal35), doch endlich die Sache zu Ende zu bringen, der Besuch der Rechtstage koste Haller viel Zeit und Kost, und er habe auch noch andere Geschäfte. Am Freitag nach St. Veitstag (19. Juni) des Jahres 1439, also 11 Jahre nach Fälligkeit der Schuldzahlung, tagte schließlich zu Haßfurt das Würzburger Ge28) BB XIII fol. 226’. 29) BB XIII fol. 227.

30) BB XIII fol. 234’. 31) BB XIII fol. 236’. 32) Vergl. Veit a. a. O. S. 4 ff. 33) BB XIII fol. 326. 34) Sendschreiben des Würzburger Bischofs an den Nürnberger Rat 1439 Mai 19 (Nr. IV). 35) Am 12. u. 18. Juni 1439; BB XIII fol. 341’.

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rieht unter dem Vorsitz des Würzburger Hofmeisters Jörg von Bebemberg mit den Urteilsprechern Meister Jorg Heymberg und Meister Niclas vom Hagen, Lehrer geistlicher und weltlicher Rechte, Herrn Apel vom Liechtenstein, Herrn Carl Druchseß, Herrn Lorenz von Ostheim, Ritter, Caspar von Bibra, Kunrad von Gyech, Karl Druchseß zum Rotenstein, Wilhalm von Bibra, Karl von Schawmberg und Karl von Bastheim. Auf Jacobs Bitte, das vom kaiserlichen Hofgericht bestätigte Urteil des Landgerichts zu Nürnberg mit der Pfand­ einsetzung in Weidners Rechte auf die zwei Dörfer anzuerkennen, erfolgte eine völlige Rechts Verdrehung. Es wurde überhaupt nicht über Jacobs Gläubiger­ ansprüche verhandelt, sondern Jacob wurde angeklagt, er habe die Stifts­ privilegien Würzburgs verletzt, indem er seine Sache vor fremde Gerichte ge­ bracht habe und er sei „darumb penfeilig“, er habe sich also strafbar gemacht. Vergebens verlangte Jacob vom Gericht zuerst Verhandlungsaufnahme gegen Weidner, „dan es die ursach sey und eine aus der andern wachs“. In erbitterter Rede und Gegenrede warf Haller dem Münster vor, er habe sich mit Gewalt und rechtswidrig in den Besitz der Rechte auf Thüngersheim und Retzbach gesetzt und enthalte sie ihm vor, was ihm schon 2000 fl Schaden gebracht hätte. Dagegen behauptete Münster, er sei rechtmäßiger Besitzer, Hallers Kla­ gen vor fremden Gerichten seien nicht nur nicht maßgebend, sondern sogar ein Rechtsverstoß. Um dies zu beweisen, erbat Münster vom Gericht Anberaumung neuer Verhandlung, wo er die Privilegien und Freiheiten des Würzburger Stifts beibringen werde. Tatsächlich gewährte das Gericht Münster einen neuen Termin, gab aber wenigstens dem weiteren Ersuchen des Münster auf einen völligen Rechtsbruch, nämlich Jacob alle Urkunden abzunehmen, nicht statt, da ihm freies Geleit zugesichert worden sei36). Bitter beklagte sich Jacob in einer eigenhändigen Notiz 37) über diesen dem Recht Hohn sprechenden Urteilsbrief und über das weitere rechtswidrige Vor­ gehen des Würzburger Gerichts. „Also haben sie drew gericht besetzt ye über viertzehn tag eins“, man hätte ihn dazu aber überhaupt nie geladen. Im dritten und letzten Termin, von dem er 10 Tage später erst Kenntnis erhalten habe, sei dem Münster gegen ihn zu Recht erkannt worden. Dabei sei der Termin zu einem Zeitpunkt angesetzt worden, „do mein her marggraf mit macht im land zu Franken gelegn, daß solche fecht im land ist gewesen, daß ich zu dem rechtn auf denselbn tag nit körnen mocht sein als in ein weiß einer eehaft (in rechtmäßiger Weise), darczu so ist die stat Wirczpurg auf denselbn tag den ganczn tag gesperrt gwesen, daß man nymant aus noch ein wolt lassen, das landkundig ist. Es ist auch das lantgericht und alle gericht zu Wirczpurg die auf denselbn tag auch gesetzt waren, ausgeslagen yderman an (ohne) schaden". Man sieht: von einer ordentlichen und unparteiischen Rechtspflege war über­ haupt keine Rede, sondern es wurde vom Gericht selbst gröbster Rechtsbruch begangen. Wie sollte Handel und Wirtschaft unter solchen Voraussetzungen überhaupt florieren? Welch unsäglichen Schwierigkeiten war der Kaufherr jener Zeit nicht ausgesetzt neben allen übrigen Erschwernissen wie Raub, PlündeM) Urkunde Nr. X. 37) Auf beigehefteten Blatt mit der Überschrift „auf den gerichtsbrif“ (Nr. XI).

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rungen, Krieg usw.I Wieviel mußte da nicht auf Verlustkonto geschrieben werden, nicht, weil ein Schuldner nicht zahlen konnte, sondern weil er nicht wollte und dazu noch die Unterstützung der Gerichte fand. Wohl viele hätten an seiner Stelle resignierend die weitere Verfolgung unter diesen Umständen auf gegeben. Nicht so aber Jacob Haller. Er, der die Ehre des Kaufmanns zur Grundlage seines Handelns erhob und an das Recht glaubte, resignierte trotz aller Enttäuschungen und wohl gerade wegen des unerhörten Vorgehens der Würzburger Richter nicht. Er beschritt den letzten Weg, den der höchsten Instanz und appellierte an den Kaiser. Am 13. August 1439 38) nimmt der kaiserliche Notar Johannes Kriczlmor aus Kulmbach in der Wohnung Conrad Paumgartners des Älteren zu Nürnberg vor den Zeugen Andreas Imhof und Johannes Vischl die umfangreiche Klagund Appellationsschrift an König Albrecht auf. Ausführlich werden die ganzen bisherigen Vorgänge geschildert und erklärt, daß Jacob sich dem Spruch des Würzburger Gerichts, das dem Engelhard Münster die Rechte auf die Dörfer Thüngersheim und Retzbach zugesprochen und ihn völlig abgewiesen habe, nicht fügen könne, sondern bitte, ihm die „appostel, fürderbrief und geczeugnis“ zu geben. Jacob beauftragte den öffentlichen Schreiber Reinhanns von Altdorf, die Appellationsschrift dem Würzburger Bischof auszuhändigen. Bischof Johann verweigerte aber dem Überbringer jeglichen Empfang, so daß Reinhanns am 31. September die Appellation „in die kirchn des Thums zu Wirczpurg angeslogen und die daselbs verkündiget und geoffenbart“, außerdem schlug er eine Zweitschrift an die Kirchentüre des Doms an und ließ „die daselbs steken“. Zeugen dieser öffentlichen Zustellung waren Wilhelm Kutner und Jobst von Smalkalden, gelehrte Laien des Bamberger und Würzburger Bistums3Ö). König Friedrich IV., der Nachfolger König Albrechts, nahm mit Ur­ kunde zu (Wiener)Neustadt vom 30. Mai 1440 40) die Berufung an und gebot Hans Weidner, den Gemeinden Retzbach und Thüngersheim sowie Engelhard von Münster binnen 6 Wochen und 3 Tagen auf einen Rechtstag „vor uns in unserm kunigliche hof, wo wir dan in dem heiligen Reiche sein werden ze körnen“. Würden sie persönlich oder ihr Anwalt auf die drei Rechtstage je innerhalb 14 Tagen nicht erscheinen und sich verantworten, „so wollen wir dem rechten seine gangk lassen“. Natürlich wurden aus den 6 Wochen wieder etliche Jahre, in denen sich das Verfahren dahinschleppte. Jacob versuchte alles Beweismaterial zu sammeln und bat deshalb auch den Nürnberger Rat, ihm besiegelte Abschriften der Briefe des Rates an den Würzburger Bischof auszufertigen. Dies wurde ihm aber abgelehnt, da „nun solch sach bei uns nicht herkomen, noch geschehen sei, dass wir gesigelte abschriften herausgeben haben, so ist uns solches zu tun auch nicht schicklich“ 41). 38) 3») 40) 41)

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Urkunde Nr. XII. Dokument Nr. XIII. Urkunde Nr. XIV (nicht bei Chmel, Reg. Imp. Fried. III/IV). BB XIV fol. 322 f (1441 Feb. 27 U. 28) u. XV fol. 74 (1441 Aug. 3).

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Inzwischen war auch Bischof Johann von Brunn gestorben und seine Nach­ folger auf dem Würzburger Bischofstuhl (Sigmund von Sachsen und Gottfried von Limpurg, dachten erst recht nicht daran, Jacob Haller zu seinem Recht zu verhelfen. Im Gegenteil es traten nun noch andere Personen auf, die gegen die Dörfer Retzbach und Thüngersheim und gegen Weidner Forderungen vor­ brachten, und diese wurden befriedigt, während Jacob immer noch leer ausging. Schon Bischof Johann hatte dem Peter Haberkom gegen ein Darlehen jähr­ liche Gülten auf die beiden Dörfer verschrieben gehabt. Nachdem diese die Abgaben aber nicht leisteten, hatten des verstorbenen Haberkoms Söhne Peter, Cuntz und Michel, sowie die Schwiegersöhne Hans von Tottenheim und Heinz von Blafelden als gemeinsame Erben Thüngersheim und Retzbach mit Fehde überzogen. Der Dechant Reichart von Maspach und das Würzburger Kapitel nahmen sich „derselben armen leute als für die iren an", und Bischof Gottfried schaltete sich dann 1449 als Schiedsrichter ein42). Die Gläubiger erhielten für die dargeliehene Hauptsumme samt ausstehenden Zinsen und Schäden 2100 fl zugewiesen, allerdings hiervon nur 100 fl bar, 1500 fl innerhalb von 15 Jahren mit je 100 fl aus der Kellerei Karlstadt und 500 fl wiederum durch Ver­ schreibung auf die beiden Dörfer. Offenbar hatte also die von Bischof Johann den Dörfern aufgebürdete Belastung deren Finanzkraft weit überstiegen. Auf die Abgabenrechte des Weidner auf die zwei Dörfer wurden von anderer Seite ebenfalls Forderungen erhoben. Ein gewisser Linhart Eberhart hatte als Gläubiger des Weidner, ebenso wie Jacob Haller, ein Gerichtsurteil auf dessen Rechte zu Retzbach und Thüngersheim erwirkt. Diese Rechte werden nun hier beschrieben mit 1400 fl. Kapitalwert auf „der bete, zollen und ungelt" mit einer Jahresrente von 100 fl. Als sowohl Eberhart wie Weidner gestorben waren, geriet dessen Witwe mit dem Vormund der Eberhartschen Kinder, dem Ritter Jorg Fischle, in eine Auseinandersetzung, die das Würzburger Kapitel 1455 schlichtete 43). Hierbei übernahm Dechant von Maspach die Bezahlung der Forderungen des Fischle in Höhe von 426 fl auf das Domkapitel wogegen dieses alle Ansprüche des verstorbenen Hans Weidner auf die Abgabenrechte, gegen Herausgabe aller diesbezüglichen Urkunden, beanspruchte. Damit war also nun das Würzburger Domkapitel Rechtsnachfolger der von Jacob Haller schon längst erklagten Weidnerschen Einkünfte zu Thüngersheim und Retzbach geworden. Jacob, als „Ausländer", hatte natürlich einen viel schwierigeren Stand, seine viel früher gerichtlich zugesprochenen Ansprüche durchzusetzen, als die einheimischen anderen Kläger, die nun zu ihrem Recht gekommen waren. Jetzt hatte Jacob als Widersacher auch noch das Würzburger Bistum und damit eine noch schwierigere Position. Es braucht daher nicht zu wundem, daß seine Sache noch langsamer, als jene Zeiten und Umstände es mit sich brachten, vorwärtsging. Er blieb aber hart­ näckig und verfolgte seinen Rechtskampf nach wie vor. Endlich im Jahre 1459 gelang es ihm, das kaiserliche Kammergericht wieder in Aktion zu bringen. 42> StAW Würzburger Urkunde Nr. 97/125 (1449 Juli 28). 43) a. a. O. Nr. 97/126 (1453 Juni 9).

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Jacobs Anwalt verlangte in der von Wilhelm Markgraf zu Hochberg geführten Verhandlung vom 16. Februar die Reichsachterklärung der beiden Dörfer auf Grund der seiner Zeit vom kaiserlichen Landgericht Nürnberg ergangenen und vom Hofgericht Kaiser Sigmunds bestätigten Urteile über die erklagte Haupt­ summe von 1176 fl zuzüglich 2000 fl weiterer Kosten und Schäden. Da kein Bevollmächtigter von Retzbach und Thüngersheim auf das Ladungsschreiben erschienen war, wurde zunächst vertagt. Nachdem „in (ihnen, den Dörfern) ist also gerufen und Jacob Hallers anwalt hat die gemelte zeit ganz aus ge­ wartet, ist auf den andern tag des monats Martii Berchtold Happ, unsers keyserlichn hofs Sachen gesworn procurator“ erschienen als Bevollmächtigter des Bischofs Johann III. von Würzburg. Happ brachte vor, daß — wie wir oben schon gesehen haben — die Dörfer nunmehr dem Würzburger Stift zuständig seien und dieses die Hallersche Sache gar nichts anginge. Dieser Einwand konnte nicht durchschlagen, und so wurde tatsächlich Thüngersheim und Retzbach am 18. April 1459 41) in aller Form in die Reichsacht erklärt. Aber wer sollte die Acht schon vollziehen, wenn das Würzburger Domstift schützend hinter den Geächteten stand? Es geschah also offenbar gar nichts und der Kaufherr Jacob Haller erlebte es nicht mehr, seinen Kampf um das Recht siegreich zu beenden. Denn am 22. Januar 1469 starb er im Alter von etwa 75 Jahren 45). Sein ältester Sohn Jobst, der 1442 schon in Wien studiert hatte 40), war anschließend bei Kaiser Friedrich in den Hofdienst eingetreten 47) und stand als Nürnberger Ratsherr Zeit seines Lebens in vielen Missionen mit dem Kaiser und anderen Fürsten in Verbindung48). Nach des Vaters Tod übernahm er es, den Handelsprozeß erneut aufzugreifen. Tatsächlich erwirkte er genau 10 Jahre nach der Reichsachterklärung und wenige Wochen nach Jacobs Tod einen kaiserlichen Befehl4Ö), der nun eine schärfere Tonart anschlug. Kaiser Friedrich richtete angefangen mit dem Erzbischof von Mainz und Reichserzkanzler an alle benachbarten Fürsten, Grafen, Ritter und Herren vom Adel50) einen Befehlbrief mit dem Gebot „euch allen und yeden, besonder von obgemelter unser keyserlichn macht, gerichts und des rechtens wegen ernstlich und vestig44) a. a. O. Nr. 97/128. 45) Wie sein prachtvoller Totenschild (Frhr. v. Hallersche Leihgabe im German. National­ museum Nürnberg) ausweist. 46) Die Matrikel der Universität Wien Bd. 1 (1956), S. 227. 47> Frhr. Haller v. H.-Archiv CCH-I fol. 65/4. 48) Einzelheiten vergl. „Die Haller v. Hallerstein“ (7. Kap. Abschn. e). 49) StAW Würzburger Urkunde Nr. 97/129 (1469 April 10). 50) Der kaiserliche Befehl wurde gerichtet an: Adolf Erzbischof zu Mainz und Reichserzkanzler, Rudolf Bischof von Würzburg, Georg Bischof von Bamberg, Ernst Reichserzmarschall, Wilhelm und Albrecht Herzoge zu Sachsen, Landgrafen von Thüringen und Markgrafen zu Meißen, Albrecht und Johann Markgrafen zu Brandenburg und Burggrafen zu Nürn­ berg, Heinrich Graf von Württemberg, Coadjutor des Stifts zu Mainz, Probst, Dechant und Kapitel zu Würzburg und zu Bamberg, Wilhelm, Otto u. Friedrich Grafen von Henneberg, Johann und Wilhelm zu Wertheim, Alwig zu Sultz, Grafen, Hauptmann und Gesellschaft der Vereinigung zu Franken, Michel und Sigmund Herren zu Schwartzenberg, Georg und alle andern von Tüngen, Dietz und Christof Fuchs, Cunrat von Hutten, Erasmus von Eber­ stein, Bürgermeister, Räte und Gemeinde der Stadt Rothenburg an der Tauber, Schwäb. Hall, Würzburg, Schweinfurt, Haßfurt, Karlstadt, Retzing.

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lieh, das ir die von Tungersheim und Retzpach als unser und des heiligen reichs offenbaren achter fürbass in euern landen, herrschaften, slossen, stetten, merkten, dorfern, gerichten und gepieten nit enthalten, hausen, hoven, etzen, trengken noch sunst dehainerlay gemainschaft mit in haben'* sollt, solange bis sie dem Jobst Haller „um sein behapt und erlangt recht bekerung und wandel getan haben". So waren also nun wegen der so lange zurückliegenden Warenschulden aus einem Messegeschäft die Fürsten des Reiches aufgeboten worden, und nicht umsonst. Denn nun bequemte sich das Würzburger Kapitel doch endlich Ver­ handlungen aufzunehmen. Es dauerte natürlich noch einige Jahre bis man eine Einigung zustande brachte, aber endlich am 29. März 1474 war es soweit. Wie sollten aber die verklagten Dörfer Retzbach und Thüngersheim eine hohe Schuldsumme in wenigstens absehbarer Zeit entrichten, nachdem sich ja schon früher ergeben hatte, daß sie gar nicht so leistungsfähig waren? Man fand in dem Produkt des Landes, dem Wein, den Ausweg. In der Vergleichsurkunde 51) verpflichten sich nun Hans Schulteyß als (Schultheiß, Claus Karbach und Hans Schulteyß als Dorfmeister von Retzbach und Hans Taußacker als Schultheiß, Cunz Wüster und Hans Bawr als Dorfmeister von Thüngersheim unter Zu­ stimmung und Siegelung des Bischofs Rudolf von Scherenberg und Wilhelms von Limpurg für das Domkapitel mit Mitsiegelung der Ritter Hans vom Sande und Michel von Gebsattel zu folgenden Leistungen: Innerhalb von vier Jahren sind je 25 fl bar an Jobst Haller zu entrichten, insgesamt also 100 fl. Solange Jobst Haller und seine Ehefrau Magdalena, geborene Halbwachs, leben, erhalten sie jedes Jahr am St. Martinstag 2 V2 Fuder Wein. Stirbt einer der beiden Ehepartner, so wird der Anspruch auf 2 Fuder reduziert. Den Wein können sie aus der gesamten Ernte der beiden Dörfer auswählen, welcher ihnen am besten dünkt. Sollten die Leistungen je nicht erfüllt werden, so kann Jobst Haller unver­ züglich aus jedem Dorf drei Mann nach Würzburg in ein offenes Wirtshaus zum Einlager heranziehen. Magdalena Haller kam allerdings nicht in den Genuß dieser Wein­ lieferungen, denn sie starb bereits fünf Wochen später52). Dafür mußten die Dörfer aber an Jobst Haller noch 19 Jahre lang den Weintribut entrichten, denn er starb erst am 12. August 1495 53). Natürlich wird er den Wein verkauft haben, da er diese Menge von über 33 000 Liter54) auch in 19 Jahren nicht gut hätte vertrinken können, ganz abgesehen davon, daß ein Nürnberger Patrizier vorwiegend bessere Weine vom Rhein, vom Welschland usw. zu trinken 51) Pgt. Urk. 1474 März 29 im German. Nationalmuseum Nürnberg (durch Einschnitte un­ gültig gemacht). 52) Am 2. Mai 1474 (StAN Totengeläutbuch Nr. 1 fol. 31). 53) Frhr. Haller v. H.-Archiv CHH-I fol. 97; sein Totenschild im Schloß Gründlach. 54> 38 Fuder Wein entsprechen nach Nelkenbrechers allgem. Taschenbuch der Münz-, Maß- und Gewichtskunde (15. Aufl. 1832, S. 359) 33 440 Liter.

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pflegte M). Wir können den Wert der somit an Jobst Haller entrichteten Schuld­ summe leider nicht genau angeben. Man kann aber ungefähr annehmen, daß ein Fuder rund 25 fl einbrachte 56). Dann hätte Jobst Haller zusammen mit den 100 fl Barzahlung insgesamt den Gegenwert von rund 1100 fl erhalten. Für diese Summe, die über einem Drittel der erklagten 57) und nach heutigen Maß­ stäben beiläufig um die 40—50 000 DM 6) entsprach, hatte sich der Kampf also immerhin doch gelohnt. Die Prozeßtaktik war dabei von Jacob klug gewählt worden. Denn hätte er sich nicht an das kaiserliche Landgericht gewandt und durch das Hofgericht Kaiser Sigmunds die Urteile bestätigen lassen, so wäre der Prozeß wohl hoffnungslos geworden. Ebenso war es sehr klug gewesen, die Forderungen völlig auf die zwei Dörfer abzuschieben, denn diese konnten auch nach Jahr­ zehnten noch belangt werden, während von den Erben des Weidner niemals etwas herauszuholen gewesen wäre. Hätte Jacob allerdings nicht seiner Vaterstadt zu Liebe den Femeprozeß zurückgezogen, so wäre er vielleicht damals schon zum Ziele gekommen, da dieses Gericht noch am ehesten etwas durchzusetzen vermochte. Es gehörte aber auch ein Vermögen dazu, um überhaupt einen derartigen Prozeß durch sieben Instanzen und durch Jahrzehnte hindurch führen zu können; hatten wir doch oben schon gesehen, daß nach zehnjähriger Prozeßdauer vor erst drei Instanzen die Unkosten und Schäden auf das mehr als zehnfache der eigentlichen Schuldsumme beziffert werden mußten. Wenn es Jobst schließlich doch noch gelang, durch die Intervention an den deutschen König und Kaiser zu seinem Recht zu kommen, so haben sicher dabei die guten Beziehungen der Haller zu den Fürstenhäusern und insbesondere zum Kaiser eine Rolle gespielt. Nicht nur Jobst selbst, sondern eine ganze Anzahl Haller waren in dessen Dien­ sten, wie Leupold, der 1455 in Friedrichs III. Residenz Wiener Neustadt starb, wie Hans, der für seine Verdienste bei der Belagerung der Wiener Burg mit Gnadenbriefen und Orden belohnt wurde, oder wie Paul, der schon von Kaiser Sigmund auf der Tiberbrücke zu Rom zum Ritter geschlagen wurde und auch Kaiser Friedrich noch lange diente58). Es mußte aber auch dem Kaiser daran liegen, daß gerade die Patrizier, die ihm nicht nur in Krieg und Frieden dienten, sondern die ihm immer wieder als Geldgeber mit großen Summen unter die Arme greifen konnten, nicht rechtlos der Willkür ausgeliefert wurden. Denn 55) Die Weinbezüge der Nürnberger aus dem Rheinland, Italien und anderen Gegenden sind schon in früher Zeit bekannt (vergl. Veit, Handel u. Wandel mit aller Welt — 1960 — S. 21). *•) Vergl. Kamann, Aus Nürnberger Haushaltungs- und Rechnungsbüchern des 15. u. 16. Jahr­ hunderts, in: Mitt. d. Ver. f. Gesch. Nürnberg 6 (1886); darnach lag 1490 der Preis für 1 Eimer Franken wein im Mittel bei 2 fl, also für 1 Fuder zu 12 Eimer im Mittel bei 25 fl. 57) Die erklagte Gesamtsumme ist laut Urkunde 1459 Feb. 16 mit 3176 fl anzusetzen. Von der Fälligkeit der Schuldsumme von 161 fl bis zum Vergleich waren 45 V2 Jahre vergangen. Bei 5 °/o Verzinsung wäre sie in diesem Zeitraum auf 2460 fl angewachsen, sodaß für Prozeßkosten noch 716 fl verblieben wären, was knapp ausgereicht haben mag (unbe­ rücksichtigt ist dabei die Verzinsung der Unkosten und die im Abzahlungszeitraum). Ins­ gesamt hatte Jacob Haller jedenfalls seine frühzeitig erhobenen hohen Forderungen auf lange Sicht hin gut kalkuliert gehabt (vergl. hierzu Anm. 21). 58) Über diese siehe „Die Haller v. Hallerstein“ (9. Kapitel).

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trotz der vielen Mühsale, denen Fernhändler und Finanziers ausgesetzt waren, und die in besonderem Maße Jacob Haller hier widerfahren waren, war der Handel des Mittelalters ein einträgliches Geschäft für den, der es verstand. Be­ denkt man schließlich, daß Schwindel und Betrug in Handel und Wirtschaft auch in unseren Tagen nicht auszumerzen sind und ein durch alle Instanzen bis zum Bundesgerichtshof getriebener Prozeß gleichfalls viele Jahre und nicht wenig Geld erfordert, so zeigt sich, daß sich, relativ gesehen, auch in 500 Jahren die Welt nicht viel geändert hat. Der Ausgangspunkt des Prozesses: Die Schuldurkunde vom 5. Juli 1427. „Ich Steffan Walsinger, burger zu Passaw, vnd ich Hanns Weydner, burger zu Rotemburg, bekennen offenlich mit dem brief für vns vnßer elich hausfrawen vnd für all vnßer erben, das wir vnuerschaidenlich vnß yeder für vol recht vnd redlich schuldig worden sein vnd geltn sulln dem ersamen Jacoben Haller burger zu Nuremberg vnd seinen erben tzweyhundert einunddreissig vngrisch guidein, die wir im oder, wer den brif mit seinem gutn willen vnd wort innehat, gütlich richten vnd betzalen schullen vnd wollen vnuertzogenlich halb in der nachstn herbstmeß die schirist kumpt, nach datum diß briefs zu Frankfurt in der stat vnd halb inn der nechstn herbstmeß schirst darnach über ein jar auch zu Frankfurt gentzlich on all ir schaden. Vnd wir sulln in betzaln zu peden obgenant fristen mit reinischen guidein vnd im derselbn souil dafür geben, als man dann zu Frankfurt gibt, bar vmb bar. Teten wir des nicht, was des dann der obgente Haller vnd sein erben, den des nach yder obgenant frist schaden nemen, es were zu Cristen, Juden, mit wechslen, keuffen, zerungbrifen, potenlon, nachraysen oder sust, wie der schade genant were, der redlich were, den gereden und geloben wir in mitsampt dem obgenanten hauptgut auch allen zu yder obgenanten frist gentzlich auszerichtn on Widerrede vnd iren Worten dorumb ze glauben an aide vnd on notrecht. Auch sol sich vnß keinr mit seiner antzal davon richtn noch schaiden sundern vnß yder sol für vol dafür behaft sein. Des alles zu vrkund geben wir im vnd seinen erben den briefe versigelt mit vnßer peder anhangenden petscheten. Geben am samstag vor sand Kylians tag nach Cristi gepurd viertzehenhundert vnd in dem sybenvndtzweintzigisten iare.“

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NÜRNBERG UM DIE MITTE DES 15. JAHRHUNDERTS IM SPIEGEL AUSLÄNDISCHER BETRACHTUNG Von Otto Anders Hier soll von dem Spanier Pero Tafur, dem Italiener Aeneas Sylvius Piccolomini und dem Böhmen Leo von Rozmital in der Reihenfolge, wie ihre Berichte zeitlich einzuordnen sind, die Rede sein, nicht aber ihrer Bedeutung nach, denn Aeneas Sylvius nimmt als Geschichtsschreiber und als Kultur­ historiker einen besonderen Rang ein, auch wenn man nur seine Äußerungen in Bezug auf Nürnberg in Betracht zieht. In den beiden letzten Bänden der „Mttlgen f. d. Gesch. d. Stadt Nürnberg“ wurde der Leser mit zwei Berichten aus dem ausgehenden 16. Jahrhundert über­ rascht, die von Ausländern verfaßt waren, welche, wie man besonders aner­ kennen muß, sogar ins Detail gehen, indem sie aus persönlicher Bekanntschaft Familiennamen nennen und einen Einblick in das innere Getriebe der Ver­ waltung und Politik gewähren 1). Der eine von ihnen, der Engländer William Smith, war für seine Aufgabe aufs beste gerüstet. Denn jahrelang hatte er in Nürnberg als Tuchhändler (mit besonderer Vorliebe für Heraldik) gelebt, und er wäre durch seine Verheira­ tung mit einer Nürnbergerin hier fast heimisch geworden, wenn er als Kauf­ mann größeren Erfolg gehabt hätte. Der andere, der hugenottische Franzose Esprinchard, hat sich in Nürnberg und dem Stadtgebiet zehn Tage lang aufgehalten. Er war vor allem an dem geistigen Leben und an Glaubenssachen interessiert, suchte persönliche Be­ ziehungen anzuknüpfen, ohne aber Wehrkraft und Verfassung der Stadt sowie den Gewerbefleiß der Bewohner außer acht zu lassen. Nicht von allen Ausländern kann man füglich verlangen, daß sie sich mit einer ihnen volksfremden Stadt innerlich so eng verbunden fühlen, wie diese beiden Zeugen von Nürnbergs reichsstädtischer Vergangenheit es getan haben. Seien wir aber auch denen dankbar, die wie der Italiener Girolamo Faleti2) sich mit einem allgemeinen Gesamteindruck begnügen und nur hier und da mit erhobenem Zeigefinger auf diese oder jene Erscheinung hindeuten, welche ihnen außergewöhnlich und sensationell erscheint. Sein Brief datiert vom Jahr 1547. Es entbehrt nicht eines gewissen Reizes, in der Forschung weitere hundert Jahre bis in das ausgehende Mittelalter zurückzugehen und dort drei fast gleich­ altrige Ausländer zu finden, die sich mit Nürnberg, dem Stadtbild, der Volks1) Bd. 48, S. 194—24?: Description of the Cittie of Noremberg. Übersetzt durch William Roadi, Brit. Cult. Representative, mit Vor- und Geleitwort des Bibliotheksdirektors Dr. Karlheinz Goldmann. Bd. 49, S. 226—245: Hermann Kellenbenz, Ein frz. Reisebricht über Nürnberg und Franken vom ausgehenden 16. Jhdt. 2) Bd. 15, S. 195—205: Walter Friedensburg, Nürnberg im Jahre 1547.

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zahl, der Beschäftigung seiner Bewohner befassen, dabei aber auch die günstige Handelslage inmitten Deutschlands, die Wehrhaftigkeit und sogar die ge­ schichtliche Vergangenheit der Stadt berücksichtigen. Wir werden in eine Zeit versetzt, bevor Konrad Celtis sein Heimatbuch De origine, situ, moribus et institutis Norinbergae libellus (1501) geschrieben hat. Die Mitte des 15. Jahrhunderts war eine Zeit der Unruhe und äußersten Spannung, die in ganz Europa spürbar war und sich auf die weltlichen Dinge ebenso wie auf die Sache des Glaubens erstreckte. Es war eine Zeit der Krisis und des Überganges, ganz zu schweigen von der akuten Türkengefahr, welche Konstantinopel und Süd­ ungarn bedrohte. Es folgen jetzt die einschlägigen Stellen aus den Schriften jener drei Autoren, soweit sie sich auf Nürnberg beziehen. Es erscheint zum besseren Ver­ ständnis notwendig, jeweils in einigen einleitenden Sätzen auf die näheren Umstände einzugehen, unter denen sie entstanden sind. Pero Tafur3) Er als Spanier hat vor fünfhundert Jahren das Wort gefunden: Nürnberg wie Toledo, und seine Feststellung trifft auf die Altstadt noch heute zu. Tafur war nicht ein beliebiger Hidalgo, sondern ein gebildeter junger Ritter, der enge Beziehungen zu dem kastilischen Hofe in Toledo unterhielt. An einer Stelle seiner „Andancas e viajes“ läßt er einfließen, daß er in Sevilla geboren wurde 4), an einer anderen, daß er bei Jaen gegen die Mauren gekämpft hat5). Wahrscheinlich wurde ihm damals als Lohn das „collar descama“ verliehen, eine Ordenskette, die er nicht versäumt bei besonders feierlichen Audienzen anzulegen, so z. B. in Konstantinopel am Hofe des Kaisers Johannes Palaeologus und in Breslau vor Kaiser Albrecht II., welchem er rühmend den Beinamen „el Ilustre“ gibt. Bei Antritt der Reise im Jahre 143 5, die ursprünglich eine Pilgerfahrt ins Heilige Land sein sollte, war Tafur, wie wir annehmen dürfen, etwa 25 Jahre alt. Erst nach der Rückkehr von seiner vierjährigen Reise hat er sich verheiratet. 3) Der unten zitierte Text ist mit all seinen archaischen Eigentümlichkeiten in Recht­ schreibung und Interpunktion einem Neudruck entnommen, der unter dem Titel „Andancas e viajes de Pero Tafur por diversas partes del mundo avidos (1435—1439)" in der Coleccion de libros espanoles raros 6 curiosos in Madrid 1874, 2 Bde., erschienen ist, versehen mit einer Einleitung von etwa 20 Seiten und zahlreichen Anmerkungen (diese in Bd. 2) von M. Jimenez de la Espada. Das Original des Reiseberichts ist im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen, aber in einer Kopie erhalten, einer Handschrift aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts, wo aber das erste und das letzte Blatt des Originals fehlen. 91 Blätter. Zwei Stellen in Tafurs Reisebericht (I, 139: „rey D. Juan — que Dios aya", Juan II. gest. 1454, und I, 282: „fijo pequeno, el cual es agora rey de Ungria" in Bezug auf Ladislaus Postumus, geb. 1440, König 1445—1457) lassen den Schluß zu, daß die Niederschrift zwi­ schen 1454 und 1457 beendet worden ist. 4) I, 78: ... e preguntändome dönde era, ovo de saber de mi como yo era castellano natural de Sevilla. — Gegenüber diesem klaren und unzweideutigen Zeugnis müs­ sen alle späteren Buchangaben, Tafur sei aus Cordoba gebürtig, zurücktreten. Aber ein­ mal fixierte Irrtümer pflanzen sich durch Jahrhunderte fort und sind nicht auszurotten. Selbst das angesehene Diccionario enciclopedico Salvat bezeichnet in t. VI (BarcelonaMadrid, 195 5) unseren Pero Tafur als „natural de Cordoba". 5) I, 269, zitiert in dem unten mitgeteilten Text.

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Es blieb aber nicht bei dem Besuch der heiligen Stätten. Mit einem Auftrag des Königs Janus von Cypern, für den Tafur ein Empfehlungsschreiben des kastilischen Herrschers mitbrachte, verband er einen Besuch in Kairo (damals noch Babylon genannt), Ägypten und dem Kloster Sinai. Von da über Rhodus, den Sitz des Johanniterordens, nach Konstantinopel, Trapezunt, Kaffa auf der Krim in „Tartaria", wo sich eine genuesische Niederlassung und ein Sklaven­ markt befand, und wiederum über Konstantinopel nach Venedig. Dieser weitgereiste junge Mann kam von dort über den St. Gotthard nach Deutschland. Der äußere Anlaß dazu braucht uns hier nicht allzu sehr zu interessieren. Nebenbei bemerkt: Tafur hatte es übernommen, für seinen Landsmann Quexada einen ritterlichen Auftrag an den burgundischen Partner über das verabredete Lanzenstechen in Brüssel auszurichten. Wichtiger ist vielmehr, daß Tafur, in Basel angelangt, dort offensichtlich derartig in den Strudel gegen­ sätzlicher Meinungen hineingerissen wurde, daß er zwecks genauer Information erst einmal seinen Landsmann Juan de Cervantes, Kardinal von Sankt Peter, auf suchte, welcher sich, „um den Papst Eugen nicht zu erzürnen", lieber in der Nachbarschaft8) aufhielt als an den Beratungen des Konzils teilzunehmen. Es mag sein, daß die erhaltene Auskunft unseren Tafur nicht befriedigte oder daß er von dem Kardinal auf die Neutralitätsbestrebungen des neugewählten Kai­ sers hingewiesen wurde. Aber dem sei, wie ihm wolle. Aus der Handlungsweise Tafurs nach dem zweiten Aufenthalt in Basel geht hervor, daß er beharrlich das Ziel verfolgte, den Kaiser persönlich zu sprechen. Es dürfte kein anderer trif­ tiger Beweggrund vorhanden sein, um Tafurs nunmehrige Reise quer durch Süddeutschland, Böhmen, Sachen-Meißen und Schlesien 67) zu erklären. Wir wollen Tafurs Bedeutung keineswegs überschätzen, glauben aber in diesem Falle richtig zu vermuten, wenn wir annehmen, daß er aus rein privater Initiative die Audienz bei Kaiser Albrecht erstrebte, um später in Toledo über dessen staatspolitische Ansichten berichten zu können. Auf seiner Reise durch Süddeutschland kam Pero Tafur im Herbst 1438 nach Nürnberg, wo zu dieser Zeit ein Reichstag stattfand. Tafur nähert sich der Stadt von Nördlingen her. Weil „Streitigkeiten zwischen dieser Stadt und I, 234: en las Alpes en Sabada, que dizen eilos los Santos banos ... e alK ... un monesterio muy notable, que llaman Maristella,... 7) Am kaiserlichen Hof in Breslau in der damaligen „Kaiserburg" wurde unser Tafur höchst ehrenvoll auf genommen und zur Tafel und zu Festlichkeiten hinzugezogen. Der Gast wurde bevorzugt ausgezeichnet. Nicht nur wurde ihm das eine Mal bei Tisch der Platz neben dem Kaiser zugewiesen — auf der anderen Seite saß der Vertreter des Deutschen Ritter­ ordens —, sondern der Kaiser überreichte ihm auch in besonderer Audienz im Beisein der Gesandten seine „Devisen", die Ordensabzeichen mit dem Drachen (für Ungarn), dem Adler (für Österreich) und dem „Tusenique, que quiere dezir tovaja" (für Böhmen ?). In Bezug auf das deutsche Schlesien und das.deutsche Breslau kann es sich Vf. dieses nicht versagen, Pero Tafurs prodeutsches Zeugnis zu zitieren. Tafur nennt Breslau in I, 272 „la grant cibdat de Vresalavia, que es en Silegia, en fin de toda Alemania", es liegt also zwar im äußersten Zipfel Deutschlands, aber doch immer noch innerhalb — trotz Chrustschow und der Befürworter der sogenannten Oder-Neiße-Grenze. Tafur vergleicht in I, 278 Breslau mit Sevilla, und Sevilla war seine Heimat. Hätte er eingewilligt, daß seine Heimatstadt den Moslems von Granada oder den Marokkanern überlassen würde? 6)

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einem großen Herrn der Nachbarschaft“ bestanden, hatte man ihm von dort aus ein Geleit mitgegeben, damit er „aus dieser gefährlichen Gegend glücklich herauskäme“. Der diesen Worten Tafurs sich unmittelbar anschließende Text wird auf spanisch und in deutscher Übersetzung dargeboten: . . . E fui ä la £ibdat de Nirum.. . Und ich reiste weiter nach der berga, donde falle muchas gentes e Stadt Nürnberg. Dort fand ich viele embaxadores del Papa e el cardenal Leute u. Gesandte des Papstes: so­ de Sancta Cruz8), e otros muchos wohl den Kardinal von Santa Cruz 8) perlados, e este que es oy cardenal als auch viele andere Prälaten, sowie de Sant Systo, que enton^e llamavan den, der heute der Kardinal von Sankt Sixtus ist, der aber damals frey Juan de Torquemada 9); e por la Bruder Johannes von Torquemada9) parte del Con^ilio, ei cardenal Darle 10), e otros muchos perlados, e hieß; von seiten des Konzils: Kardi­ nal Darle 10) u. viele andere Prälaten, maestre Juan de Segovia u), maestro auch den Meister Juan de Segovia 12), en tehologia; e por el Emperador, Doktor der Theologie; u. von seiten Gaspar Xelique 12), que era su vi

Pirckheimer wird erst im 9. Brief genannt. P. P. 375 (29., Z. 11 f. Soden-Knaake, Christoph Scheurls Briefbuch II, Nr. 130. Pirckheimers Tochter Felicitas heiratete 1515 Hans Imhoff, dieser ist hier fraglos ge­ meint. Drei Töchter Pirckheimers waren Nonnen, Barbara, die zweitjüngste Tochter heiratete 1518 Hans Straub. 243) StadtB. Nbg. P. P. 375 (30. 244) Karl Örtel ist von 1508—1521 Kanzleischreiber in Nürnberg gewesen (Ämterbüchlein). Als Zeuge gen. 1516 Nov. 2 (A-Urkunden Nr. 145. Er war Pfleger des Landauer’schen 12-Brüder-Hauses und macht wegen Verwendung des überschüssigen Einkommens des Bruderhauses zugunsten anderer Stiftungen einen Vorschlag, der im Original im Staats­ archiv Nürnberg erhalten ist (Rep. 52b, Nr. 341). Herrn Staatsarchivdirektor Dr. Schnelbögl für diese aufschlußreiche Feststellung be­ sonderen Dank/ 245) StadtB. Nbg. P. P. 375 (31.

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allem die Finger (oder Zehen) machen ihm Beschwerden und er fürchtet, daß es noch schlimmer werden wird. Dann können wir ein Gespräch der Freunde belauschen, womit sie ihren Durst stillen. Beheim findet es nicht schlecht, wenn der Freund Wein statt Bier trinkt. Er hält es ebenso. Aber wenn der Chorherr gutes Bier hat, dann trinkt er gern davon, wenn es ihm auch gesundheitlich nicht gut tut. „Wenn die Deinen sich wohl befinden, freue ich mich, grüße sie und auch die Kramerin und unsren Albrecht.“ Auch berichtet er nach Nürn­ berg, welche Fruchtsirupe die Bamberger Apotheker vorrätig haben, und fragt, ob Hirschvogel 246) seine Schuld bezahlt. — Ein Satz in diesem Brief ist von be­ sonderem Interesse, weil er ein Werturteil Beheims über Hutten enthält, das noch nicht bekannt ist. „Huttenus adhuc hic est. Fuit sepius mecum. Est bonus socius. Ibit Maguntiacum“ 247). Hutten ist immer noch in Bamberg, er hat Beheim öfters besucht und ist ein guter Gefährte. Er wird nach Mainz gehen. Über was mögen sich die beiden Humanisten alles unterhalten haben? Bei dem großen Altersunterschied von 30 Jahren erregt dies Urteil Beheims über die menschliche Haltung Huttens gesteigerte Aufmerksamkeit. Es wirft Licht auf ihre vertrauten Gespräche. — Kaum ein Brief Beheims von solcher Kürze — er umfaßt nur 17 Zeilen mit Datum und Unterschrift — spricht in lockerer und prägnanter Ausdrucksweise so viele Themen an wie dieser! Er wirkt wirklich an diesem Namenstag wie eine Unterhaltung der Freunde bei einem Glas Wein. Noch ist der Stoff nicht erschöpft. So hat Beheim erzählen gehört — aber er glaubt es nicht —, Kasimir hätte den Pfalzgrafen schlagen wollen, als dieser dem Markgrafen gesagt hätte, es sei eines Fürsten unwürdig, im Solde der Nürnberger zu stehen 248). Auch ist die Nachricht zum Chorherrn gedrungen, daß der Propst von St. Sebald auf den Tod erkrankt sei. Mit „Tuus Laurentius" wie die meisten Briefe schließt auch dieser. Diesen kurzen aber inhaltsreichen Brief hatte Pirckheimer bald beant­ wortet und viel von der hohen Politik geschrieben. Sdion am 21. August taucht Lorenz Beheim wieder die Feder in die Tinte, um dem liebsten und besten der Freunde, wie er sich ausdrückt, für die vielen Neuigkeiten zu danken 249). Die Nachrichten zeigen „meo judicio“ keinen Frieden an. Gott der Herr sei mit uns, so wird niemand gegen uns sein! An Hutten hat er den Gruß Pirckheimers aus­ gerichtet, der ihn erwidert. Dieser hätte in wenigen Tagen den vierten Angriff gegen den Herzog von Württemberg vollendet — und ziemlich scharf. Beheim war nicht ganz wohl bei der Angriffslust des temperamentvollen Junkers; das ist zu fühlen. Nun taucht in diesem Brief eine Persönlichkeit auf, die besondere Aufmerksamkeit erregt. Beheim schreibt: „Si d. Caspar Wirt, vester syndicus, 24,ß) Auf welchen Hirschvogel sich die Bemerkung bezieht, war noch nicht zu klären. Hirschvogel weiter erwähnt Brief P. P. 375 (57. Z. 8. 247) P. P. 375 (31 Z. 5. — Hutten war bestimmt seit 21. Juli 1517 in Bamberg anwesend. Bei seinen Aufenthalten dort wohnte er stets bei seinen Freunden, den Domherren Andreas und Jakob Fuchs. Dankenswerte Mitteilung von Herrn Dr. Heinrich Grimm, Scheßlitzl Hutten war am 10. August demnach schon über drei Wochen in Bamberg, wo er neben der Freundschaft zu den Domherren Fuchs auch verwandtschaftliche Beziehungen zu der Frau des Ritters Georg v. Schaumberg hatte, die eine geborene Hutten war. 248) P. P. 375 (31 Z. 7—8 Reicke, Lor. Beheim vermerkt diese Stelle S. 20. 249) StadtB. Nbg. P. P. 375 (32.

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qui est vel fuit Auguste, istuc venerit, ego quoque, licet valde dispositus, ad vos convolabo.“ Wenn Kaspar Wirt, der Nürnberger Syndicus (in Rom), der in Augsburg ist oder gewesen ist, in die Reichsstadt kommt, dann wird Beheim, auch wenn er sehr beschäftigt ist, hinübereilen. Die Anwesenheit Wirts in Franken gedachte auch der Bamberger Bischof zu nützen; das geht aus einem anschließenden Satz Beheims hervor. Er hat vernommen, daß Herr Kaspar zum Bischof eingeladen wurde. „Cogitavi“ Beheim hat verstanden, warum die Ein­ ladung erfolgt. Mit diesem einflußreichen Kurialen aus Rom — das leuchtet aus dem Wort heraus — könne viel verhandelt werden. Dann fügt er noch an Pirckheimer hinzu „Tu cogita“. In diesem „cogitavi“ und „tu cogita“ schwingt ihr ganzes gegenseitiges Wissen um das politische und diplomatische Spiel mit 250). Von Pirckheimers (Schwiegersohn ist die Rede, von allerlei Rezepten und Pillen. Der Rat für Pirckheimers Freundin, wie Zahnersatz zu beschaffen sei, wurde schon oben behandelt1W). Der mit allen Wassern gewaschene Beheim hatte — wie wir es schon früher lasen — auch dafür Rat gewußt! Beheim brauchte dagegen wieder eine Freund­ lichkeit seines Nürnberger Freundes: „fatias amore mei“. Der Nürnberger „Dyther“ 251) brauchte von ihm einen Rat. Er hätte Pirckheimer schon am gestrigen Tage schreiben wollen, erwähnt Beheim im Zusammenhang mit H. Knod 252). Pirckheimer hatte seiner Sendung nach Bamberg auch ein Päck­ chen für Schöner beigefügt; das hat Beheim weitergeleitet. Das Päckchen wird Drucke enthalten haben. Schöner jedoch ist mit dem Druck nicht zu­ frieden, doch das wird er Pirckheimer selber schreiben. Der Bischof sei wieder zurückgekehrt, aber der Kanonikus wüßte nicht, was er ausgerichtet hat. — Zum Schluß des langen Briefes ist wieder von Hutten die Rede 253), dem Beheim auch den Brief aushändigte. Dieser Brief Pirckheimers an den Junker hat wohl „illam materiam“ enthalten; Hutten ist bald danach in die Curia Caroli zurück­ gekehrt und hat Beheim jenen Stoff zu lesen gegeben. Hutten scheine den Stoff nicht zu billigen, er entspräche zu wenig der Ehre und Würde Reuchlins, wie 250) Brief P. P. 375 (32 Z. 14—17. 251) Brief P. P. 375 (32 Z. 31. Dieser „Dyther" ist sicher identisch mit dem Schreiber eines Rezeptes, das sich im Original und deutsch geschrieben unter P. P. 375 (61 findet. Das Rezept ist „dem her Lorenz pehem Doktor“ geschrieben worden und enthält eine Vor­ schrift zur Bereitung eines Pulvers gegen die „feullen im mund oder wo sie ist“ aus den dürr gewordenen Holzstengeln eines Strauches. Der Strauch kann die Berberitze sein. — Dyther (Dither) noch gen. in P. P. 375 (3 5, 57. StadtA. Nbg., Genealogische Papiere Diether: Diether Georg Münzmeister u. Goldschmied, f 1528, der nach MVGNbg. 6,66 in der Gilgengasse wohnte, könnte mit dem Vor­ genannten personengleich sein. 252) Brief P. P. 375 (32 Z. 33. Dieser hier genannte „H. Knod", der öfters Briefe zwischen den Freunden vermittelte, kann wohl nur Heinrich Knod gewesen sein, der nach den Brief­ büchern der Reichsstadt sich öfters als Diener des Rates in Bamberg aufgehalten hat. Für 1513 ist er in Bamberg nachweisbar auch später und ebenso 1519 Der Hinweis auf das Vorkommen des Heinrich Knod in den B. B. ist Herrn Staatsarchiv­ direktor Dr. Schnelbögl zu verdanken (K. wird auch Knod v. Weida gen.). 253) P. P. 375 (32 Z. 41—47. Heumann, Documenta, S. 256—257. Heumann hat aus dem Originalbrief nur folgende Zeilen veröffentlicht: (2—6, Z. 14—15, Z. 39—40, Z. 41—46. Der Brief Beheims scheint an zwei Tagen geschrieben zu sein.

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Hutten ihm selbst nach Nürnberg schreiben wolle. Beheim äußert die Meinung, daß Hutten die Veröffentlichung auch aus taktischen Gründen ablehne, weil er wahrnimmt, daß auch andere sich des Witzes und des Stiles bedienen, die er selbst in den Dunkelmännerbriefen anwandte. Hutten scheint öffentlich nicht zu leugnen, jene Briefe herausgegeben zu haben. Beheim findet das wegen des Risikos nicht gerade klug, weil die Lobredner ihm etwas auswischen könnten. — „Gar sehr sind sie Pharisäer!" — Wie kannte Beheim die menschliche Natur! Anfang September (der Brief trägt kein Datum, nur die Bezeichnung Sep­ tember — er gehört aber sinngemäß hierher) hatte sich Pirckheimer bei Beheim beklagt, daß Hutten ihm immer noch nicht geantwortet hätte, wie der Antwort­ brief Beheims deutlich erkennen läßt254). Beheim berichtet nämlich, Hutten ver­ spräche öfters, daß er ihm schreiben werde. So hätte jeder seine Versprechungen. Er ist sicher, daß die beiden so viel älteren Freunde dem jungen Hutten wohl­ gesonnen waren, wenn es auch Verstimmungen gegeben haben mag. — Der Kanonikus hätte gehört, daß Kaspar Wirt ein Kleinod überreicht worden war, was es ist und von welchem Wert, das wisse er jedoch nicht. Der gemeinsame Freund, der Dekan, hat ihm davon erzählt. Wir wissen, daß damit Andreas Fuchs gemeint war 255). Noch einmal erscheint Hutten im schriftlichen Gespräch. Er hat Beheim ein Rezept „contra tumores gallicos" gegeben, das auf jenen italienischen Arzt zurückgeht. Beheim sagt es nicht zu, aber er will es Pirck­ heimer auf Wunsch schicken 256). Inzwischen hatte Pirckheimer wegen eines 254) StadtB. Nbg. P. P. 375 (3 5 Hutten Z. 2 genannt. 255) In jenen Jahren war Bamberger Domdekan Andreas Fuchs von Wallburg. Den Beinamen Wallburg trug dieser Familienzweig nach der Veste Wallburg bei Eltmann am Main, deren Burgfried heute noch steht. Die Fuchse hatten die Burg 114 Jahre lang bis 1477 als Pfandherren inne. Andreas studierte wie sein Bruder Jakob (Anm. 238) ab 1496 zunächst in Erfurt. Dort traten sie zu Crotus Rubeanus (Johannes Jäger aus Dornheim/Thür.) in freundliche Beziehung. Hutten fand sich W. S. 1502 dort zum Studium ein. Die Brüder er­ warben 1499 das Baccalaureat, 1503 den Magister in Erfurt. Ihr Werdegang soll nur in Kürze skizziert werden. Andreas ging zum weiteren Studium erst nach Wien (1513). Die Brüder Fuchs stammten aus einer mit Grundrechten sehr begüterten Familie, dazu wurden sie beide noch während der Ausbildung Domherren von Bamberg und besaßen auch andere Pfründen. In Bologna sehen wir die Brüder dann wieder zum Studium vereint (1515), wo sie in ihrer Wohnung — mit eigenen Bediensteten — Freunde wie Ulrich von Hutten und Friedrich Fischer (aus Nürnberg, erst fürstbischöfl. Rat in Würzburg, dann herzogl. preuß. Kanzler in Königsberg, schließlich 1536 als Ratskonsulent in Nürnberg) gastlich aufnahmen. Jakob F., der in Bologna das Doktorat beider Rechte erwarb, war wissen­ schaftlich ausgerichtet. Andreas wurde ein vorzüglicher Verwaltungsmann. Als Dom­ dekan von 1515—1522 bekleidete er ein wichtiges Amt in der Diözese. — Sein Epitaph (f 1542) im Dom zu Bamberg. — Vorstehende Zusammenfassung geht auf die Forschungs­ arbeit von Heinrich Grimm, Scheßlitz zurück, der einen Auszug aus seinem „Hutten als Humanist“ Kap. V. S. 80—82 dankenswerterweise zur Verfügung stellte. Für die Beheim-Forschung sind die Brüder Fuchs von besonderem Interesse, weil sie wiederholt in den Briefen Vorkommen. Der Chorherr von St. Stephan war beiden Dom­ herren besonders verbunden. 256) Nach Beheims Briefen war der „morbus gallicus“ recht verbreitet. Man gewinnt jedoch keinen Eindruck, wie weit er auch Familien ergriffen hat. P. P. 375 (3 5 Z. 9—10. „Ille dominus Hutten dedit mihi receptam contra tumores gallicos, quam sibi dedit ille medicus Italicus. Sed mihi non placet admodum. Si placet tibi, mittam. Iam non habeo tempus scribendi.“ Das Zitat aus dem Brief Beheims mit dem Hutten-Rezept zur Bekämpfung der gallischen

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Dialoges angefragt — das könnte vielleicht jener Stoff gewesen sein, von dem zwischen Hutten und Beheim im August die Rede war? Wenn sich Beheim recht erinnerte, hat er den Dialog schon von Hutten zurückbekommen. Er vertraute darauf, daß er bereits in Pirckheimers Händen wäre. Beheim hätte durch Dr. Marsilius 257) Verschiedenes zurückgeschickt, wie er am 13. Sept. schreibt 258). Dann kommt der Chorherr auf ein besonderes Thema. „Noster dictator" — dahinter steckte Johann von Schwarzenberg, wie wir wissen — hätte ihm seinen Tullius „von den emptern" zur Nachprüfung der Übersetzung übergeben. Man fühlt, daß das keine angenehme Aufgabe für Beheim ist. Es hätte sich ihm noch Michael Kerper 259) zugesellt. „Aber bisher habe ich nichts gemacht", er sei durch andere Aufgaben gehindert. Wahrscheinlich hatte er oder andere Bamberger Geistliche Post aus Rom erhalten, denn er erzählt von der Beendigung des Lateran-Konzils, von der Verkündigung einer Bulle, und daß der Papst eine Steuer aufgelegt hätte. Auch auf diesen Brief hatte Pirckheimer wieder sehr rasch geantwortet. Die Zeilen aus Nürnberg haben ein Urteil über Hutten enthalten, das uns nur aus der Antwort spürbar wird. Wie kam es zu Pirckheimers Unmut? Pirck­ heimer hatte im August ein Schriftstück übersandt — vielleicht einen Dialog, der in der Art der Dunkelmännerbriefe verfaßt war. Hutten lehnte den Stoff — wie Beheim wahrscheinlich richtig vermutet — aus taktischen Gründen ab. Der Junker hatte dann aus begreiflichen Gründen nicht sofort dazu Stellung genommen und die Antwort hinausgezögert. So war Pirckheimer jetzt ver­ ärgert und hat sich über Hutten nicht freundlich ausgesprochen. Nun ant­ wortet Beheim am 18. September mit jenem Satz, der in der Literatur wiederholt zum Nachteil Huttens ausgelegt wurde. Der Brief ist bei Heumann im Auszug veröffentlicht mo). Heumann hat aber mitten im übermittelten „Hutten-Text" einige Worte ausgelassen. Beheim hat als erstes aus Pirckheimers Brief die geäußerte Meinung über Hutten herausgegriffen und beginnt seine Zeilen: „Quae de homine Hutteno scribis, astipulor tibi. Ex vultu quasi noscitur. E t similiter feci sibi bonum vultum. Legit mihi ultimam invectivam, quam in ducem Wirtenbergensem scripsit" 2'31). Kein so geringschätziges

257)

258) 259)

26°) 261)

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Geschwüre hat freundlicherweise Herr Dr. Josef Pfänner, Nürnberg überprüft. Ihm ist auch die Kontrolle einer weiteren Briefstelle über Pillen, die Pirckheimer nach Bamberg schickte, zu danken, von denen Beheim nicht wisse, wann sie zu nehmen sind, spät oder am Mor­ gen. — Dann von Interesse Z. 4—5: Die Pillen wären jetzt besser, weil die Kräuter grün seien. Will’s Gelehrten Lexikon, Bd. III, S. 248. Dr. Prenninger oder Uranus (Marsilius) ein Ictus und beyder Rechten Doktor, war ein Sohn Martins und von Konstanz gebürtig. Er ist von 1512—1525 Nürnberger Konsulent gewesen, sodann aber weggegangen und des Bischofs von Würzburg Konrad III. Kanzler gewesen. StadtB. Nbg. P. P. 375 (33. Joseph Heller, Reformationsgeschichte des ehern. Bistums Bamberg, Bamberg 1828, S. 41. Unter denen, welcher sich Schwarzenberg zu seinen schriftstellerischen Arbeiten bediente, muß noch Michael Kerper erwähnt werden. Heumann, Documenta, S. 258—259. Heumann bringt die Zeilen 2—7, 10—18 und 24—26. z. B. Paul Kalkoff, Huttens Vagantenzeit und Untergang, Weimar 1925, S. 74. Brief P. P. 375 (57 Z. 2—3: „Was Du über den Menschen Hutten schreibst, pflichte ich Dir vollkommen bei. Aus dem Gesichtsausdruck ist er zu erkennen. Und so habe ich ihm

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Aburteilen steckt hinter diesen Worten, wie bisher herausgelesen wurde, das wird durch den bei Heumann nicht gebrachten Satz erkennbar. Vielmehr hatte sich in Beheim die Kenntnis vom Wesen Huttens vertieft. Hutten war viel impulsiver und kompromißloser als der diplomatische Beheim. Die beiden Freunde — Pirckheimer und Beheim — wollten vielleicht nun eine gewisse Vor­ sicht und Zurückhaltung gegen den Junker walten lassen, wie es auch gleich in einer Bemerkung Beheims zum Ausdruck kommt. Hutten hatte ihm die letzte Angriffsschrift gegen den Herzog von Württemberg vorgelesen; sie wäre gewiß verschmitzt! Vieles, was geradezu erdichtet ist, fügte er hinein, was Hutten selbst zugibt! Hutten hatte Beheim dann um seinen Rat gefragt, ob er dem Bischof dienen solle. Hier fühlt man nun die von Beheim angewandte Vor­ sicht bei der Antwort, damit ihm nicht durch das Weitertragen seiner Meinung durch Hutten ein Schaden entstünde. Jedenfalls hätte Hutten sich jetzt ent­ fernt und Beheim weiß nicht wohin. — Reuchlin wurde von Pirckheimer und Beheim sehr hochgeachtet. Darum ist es interessant, gerade im Anschluß an ihre Unterhaltung über Hutten zu hören, wie der Chorherr von sich aus nun Pirck­ heimer berät. Wieder ist von dem Dialog die Rede, den Pirckheimer Hutten zur Begutachtung übersandt hatte. Beheim hatte ihn ja auch gelesen. Er schreibt wörtlich M2): „Aber wenn Du es an Reuchlin schickst, — ich weiß nicht, ob ich es billigen soll. Du weißt nämlich, wie er mit Dir gehandelt hat, — beim Druckenlassen Deiner Briefe. Er wird allgemein als ein guter Mann ange­ sehen“, setzte Beheim dann ausgleichend hinzu. Hier ist doch auch eine Mahnung zur Vorsicht zu spüren! Die Urteile in diesen Briefen sind nicht so sehr eine Abwertung als ein gemeinsames Abstimmen auf die vielen Persön­ lichkeiten, die ihnen begegnen. Pirckheimer hatte sich im Frühling dieses Jahres mit vollstem Ernst mit der geistigen Situation der Theologen auseinander gesetzt und der Übersetzung des Fischers von Lucian eine „Apologie Reuchlins“ vorangesetzt, von der noch die Rede sein wird. Diese Veröffentlichung beabsichtigte Pirckheimer seinem Freunde Lorenz Beheim zu widmen — und hat es auch getan. Nun kommt in diesem Brief die Rede darauf. Es ist Beheim nicht ganz angenehm, daß er darin in Gemeinschaft mit so viel gelehrten Männern genannt ist. Er wisse sich wahr­ lich weit entfernt von diesen Studien, er möchte nicht verlacht werden. „Außer daß ich sehr beträchtlich im Studium gewesen bin, bin ich und werde ich jetzt (nur) Liebhaber sein.“ Es wäre besser, ihn — den nicht löblichen — aus jenem Kreis zu tilgen. Pirckheimer hat sich natürlich als geübter Übersetzer dafür interessiert, daß Beheim für Schwarzenberg Ciceros „de officiis“ durchsehen solle. Diese Durchsicht behagt Beheim gar nicht. Vom Deutschen ins Deutsche sei übertragen worden, vom Schlechten ins Schlechtere. Ihm obliege es nun, den dritten deutschen Text zu verfertigen. Er wolle Pirckheimer den Anfang, wenn er fertig sein wird, zur Begutachtung schicken 2ß3). auch sein, 262) Brief s®3) Brief

ein treffliches Gesicht gemacht.“ Dieser Nachsatz kann natürlich ironisch gemeint was naheliegt. P. P. 375 (57 Z. 10—11. P. P. 375 (57 Z. 16—23.

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Aus Rom weiß Beheim neben anderen kirchlichen Nachrichten vor allem zu berichten, daß der Papst 64 Kardinäle ernannt hätte und „reservavit adhuc X in pectore suo. O fecundum pectus Florentini hominis sive servi dei 263a). Es ist bekannt, daß Pirckheimer sich besonders für die Bildung der Jugend einsetzte. Er war mit der Oberaufsicht und Visitation der Lorenzer und Sebalder Schulen beauftragt. So war die Empfehlung, die Beheim am Schluß dieses langen Briefes vom 18. September 1517 aussprach, am rechten Platze: „Noster rector scholarium . . . qui laudatus est hic . . .“ ein rechtschaffener Mann, ein „poeta“ und Jurist, der mit ihm befreundet ist, interessiert sich für das Rektorat der Lorenzer Schule. Er ist ein guter Sänger. Auf der letzten Synode hätte er vor dem Bischof und dem Klerus eine treffliche Rede gehalten. „Ganz der Deine“ schließt dieser Brief. Die zwei vom Oktober erhaltenen Briefe bringen uns von zwei aufeinander­ folgenden Tagen eine eingehende Situationsschilderung aus der Curia Caroli. Sie sind eine kostbare Hinterlassenschaft, weil in ihrem Mittelpunkt die Person Albrecht Dürers steht. Pirckheimer hatte um die Reise Dürers nach Bamberg ge­ wußt und dem gemeinsamen Freund in der Bischofsstadt Post mitgesandt. Wie sich Beheim über Dürers Besuch freute, das leuchtet aus seinen Worten gleich in der ersten Zeile hervor: „Unser Albrecht hat mir Deinen Brief überbracht, ich wünschte, Du hättest es gesehen“. So hätte er Pirckheimer auch gern dabei gehabt! Bald hatte sich Beheim zu einem Dankesbrief an den Tisch gesetzt2ß4). Wir erleben wirklich etwas von dem Fluidum mit, das den Kanonikatshof beim Besuch des großen Künstlers erfüllte. So schreibt der Chorherr am 11. Oktober 1517, Dürer wäre sein Gast (er war eine ganze Reihe von Tagen in Bamberg) aber bisher hat er nur einmal die Gelegenheit gehabt, mit ihm zu Mittag zu essen. Immer sei Dürer eingeladen. — Das Wort ,immer’ ist im Brief unter­ strichen! „Heut ist er beim hochwürdigsten Herrn Bischof. Ich weiß nicht, was er zeichnet.“ Er hat den Brief also in Abwesenheit Dürers angefangen. Vielerlei hat er Pirckheimer zu berichten. Es verging eine ganze Zeit, bis später Dürer kurz heimkehrte und seinem Gastgeber von seinen Erlebnissen beim Bischof erzählte. Im selben Brief weiter unten berichtet Beheim nämlich nach Nürn­ berg, was Dürer heut beim Bischof malte. Er hat dort von seinem Narren Sella ein Bild angefertigt und wird auch den Bischof porträtieren 265). Vielleicht ist Dürer deshalb zwischendurch schnell in die Kurie geeilt, um sich umzuziehen? „Hoc vesperi coenat cum episcopo et praepositissimus“. Er speist also heut abend beim Bischof und hat einen Ehrenplatz. In dieser Zwischenzeit hat Dürer auch wohl schnell einige Zeilen an seine Frau Agnes geschrieben, denn am Schluß des Briefes heißt es „Has interclusas mittas uxori Dwrers.“ In diesen Brief zwischen der ersten Nachricht über Dürer und der Wieder­ gabe von dessen Erzählung über seinen Besuch beim Bischof fügt Beheim die Antworten auf verschiedene Fragen ein. Pirckheimer hatte auch die „defensio“ Reuchlins mitgeschickt. Beheim kommt in den nächsten Tagen leider nicht viel 263a) Brief P. P. 375 (57 Z. 24—26. “4) StadtB. Nbg. P. P. 375 (34. 285) P. P. 375 (34 Z. 2—3, Z. 37—38.

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zum Lesen. Er freut sich aber daran und bewundert die kluge Schreibweise. Ob er sie zurücksenden oder behalten könnte, möchte er wissen. Zwei lange Ab­ schnitte sind wieder mit heilkundigen Vorschriften erfüllt. Die höchst inter­ essante Anweisung zur Zahnpflege wurde schon vorweggenommen 115). Wir können den Brief noch immer nicht aus der Hand legen, wollte man ihn Wort für Wort aufschlüsseln, es gäbe eine kleine Arbeit für sich allein. Dürer hat auch einen Brief Pirckheimers an Hutten mitgebracht. Beheim schreibt nur mit wenigen Worten darüber: Litteras tuas ad Huttenum. Praesentavi domino decano, qui mittet eas Magontiacum". Es würde erzählt, meint Beheim, daß der Mainzer Erzbischof nicht wolle, daß Hutten sich von da entferne. Aber dennoch habe er gehört, daß er für einige Tage hierher käme. Pirckheimer hatte also dem jungen Junker wieder geschrieben. Die Ver­ ärgerung vom September war nicht so tiefgehend gewesen. Beheim kündigte Pirckheimer auch den Besuch Schoners an, der ihm einen Himmelsglobus an­ bieten werde. „Gestern", schreibt Beheim, „hat Schöner mir einen gebracht und er sagte mir zu." 2 V2 fl. hätte er dafür gezahlt mit den „canonibus" (wohl Tabellen, so vermutet auch Reicke). „Placebit" so empfiehlt er Schoners Ar­ beit nach Nürnberg. Es erregt unsere Aufmerksamkeit, was Beheim sich an zeitgenössischen Druckwerken bestellt, wie er es nach Nürnberg berichtet. Aus Frankfurt läßt er sich die „Defensio" Pfefferkorns und dessen „Streitpüchlein" 266) herbei­ schaffen. Pirckheimer möchte doch bitte seinen Famulus zum Einkauf aus­ schicken. Er hätte gern „artem memorativam", was Peypus 1515 gedruckt hat 267). Als Nachsatz unter dem aufschlußreichen Brief steht noch, daß er Pirckheimers Lucian268a) und Capnions Triumph erwarte268b), nachdem er vorher die Kramerin, Tochter, Schwiegersohn und die Schwester hat grüßen lassen. Schon am nächsten Tag, den 12. Oktober 2,69), schreibt er schon wieder nach Nürnberg. Dieses Mal keinen so langen Brief — nur ein Blatt mit 10 Zeilen! Kaum hätte der Rektor den Brief für ihn in Empfang genommen (sicher den langen vom 11. Oktober, den der Empfohlene Pirckheimer bei seiner persön­ lichen Vorstellung überreichen sollte), da erscheine ein Buchhändler mit Büchern und Traktaten. Darunter ist auch der erwartete „Lucianus" gewesen. Beheim dankt Pirckheimer für die so ehrenvolle Widmung. Er möchte gern mehr schreiben, aber er wird davon abgehalten. Nun sind wir Zeuge einer heiteren Scene. „Unser Albrecht, der mit meiner Köchin plaudert, läßt es nicht zu" 27°). ***) P. P. 375 (34 2. Briefseite Z. 5. 267) Beheim bestellte in Nürnberg: Jakobi Philippi Tridentini Ars memorativa Impressum per Fridericum Peypus, Norimbergae 1515. Diese freundliche Feststellung hat Dr. Elisabeth Geck, Gutenberg-Museum, Mainz, ge­ troffen. Herzlichen Dank' 268a) Willibald Pirckheimer, Luciani Piscator seu reviviscentes . .. Epistola Apologetica, 1518 Mense Jan. Nurenb. 2esb) Josef Benzing, Ulrich Hutten und seine Drucker. Eine Bibliographie der Schriften Huttens im 16. Jahrhundert mit Beiträgen von Heinrich Grimm. Wiesbaden 1936. Auf S. 4 im chronolog. Verzeichnis nennt Grimm Daten zur Vollendung von Huttens »Triumphus Capnionis“. 269) StadtB. Nbg. P. P. 375 (36. 27°) Brief P. P. 375 (36 Z. 8.

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So wird der Brief auch bald geschlossen. Es wird nur kurz noch der Besuch des Probstes von St. Sebald in Bamberg erwähnt. Er hätte ihn aber nicht gesehen. Beheim war in diesen Tagen wirklich recht in Anspruch genommen. Hoffentlich hat die zitierte Köchin den Freunden etwas Leckeres auf den Tisch gebracht! Die gemeinsam verlebten Stunden haben die Freunde sicherlich zu einer ein­ gehenden Betrachtung der „Apokalypse" genutzt, die die Kanoniker von St. Stephan als kostbarsten Schatz des kaiserlichen Kollegiatstiftes hüteten 272). Wird Dürer als zeitgenössischer Künstler, der mit anderen technischen Mitteln selbst eine großartige „Apokalypse" geschaffen hat, diesen alten Pergament­ kodex mit seinen „51 Malereyen auf Goldgrund" 273) betrachtet haben? Hier sah er die apokalyptischen Reiter nicht wie bei sich zu einer Gruppe zusammen­ gefaßt, sondern in einzelnen Darstellungen. Murr beschaute diese Reliquie vor 1799 noch in der „Sacristey" innerhalb der Immunität des Stiftes. Auf dem Einbande hat er von der in Gold gegrabenen Inschrift so viel lesen können, daß die Namen der Stifter „Henrik und Kunigund" ihm die früheste Zeit dieser Stiftsgründung nahe brachten 274). Die heute bald 1000-jährigen Malereien sind uns als Vermächtnis der Chorherren von St. Stephan überkommen 275). Dürer und Beheim haben wohl auch das Grabdenkmal der kaiserlichen Stifter — Heinrich und Kunigunde — besucht, das, von dem Geist und den Händen Tilman Riemenschneiders von Würzburg geschaffen, seinen Platz im Dom noch nicht lange inne hatte. Diese drei Tage, die sich durch die beiden Briefe überschauen lassen, ver­ mitteln uns wirklich etwas von der Lebensumwelt Beheims, auch von der Kontaktfähigkeit und geistigen Beweglichkeit des bald 60jährigen Mannes! Dürer war als Gast für eine Reihe von Tagen in seinem Hause eingekehrt. Der Künstler wurde sicher in der Curia von so manchem Bamberger aufgesucht, der nicht in den Briefen erscheint. Effektiv aber wissen wir von dem Besuch Scho­ ners mit dem Globus. Dazu holte der Bamberger Rektor Post für Nürnberg ab. Der Buchhändler brachte viele Neuerscheinungen ins Haus und daraus entspann sich ein längeres Gespräch. Auch zwei Nürnberger sprachen bei Beheim vor, Franz Imhof und Wolfgang Holzschuher, die vor dem Bischof ersdieinen soll­ ten276). Diese Briefe sind wichtige Zeugen für die Lebensgestaltung Beheims. 272) Alois Fauser, Die Bamberger Apokalypse, Inselverlag 1958 (mit 59 Farbtafeln). 273) Christ. Gottlieb von Murr, Merkwürdigkeiten der Fürstbischöfl. Residenzstadt Bamberg, Nürnberg 1799, S. 158. 274) Irmgard Wolf, Die Säkularisierung der Stift- und Klosterbibliotheken im Gebiet des Erzbistums Bamberg, 1952. Dissertation, Maschinenschrift, Staatsbibliothek Bamberg S. 37. Kollegiatstift St. Stephan. Die Codices waren in der Sakristei der Johanneskapelle am oberen Stephansberg (heute Hs.-Nr. 5—7) aufbewahrt, wo Murr sie 1799 gesehen hat. — Die Handschrift (die Apokalypse) ein Geschenk der Kaiserin Kunigunde bei Gründung des Stiftes, war im 10. Jahrhundert in der Reichenauer Malschule hergestellt worden. S. 38. Weitere Angaben über das Schicksal der Bücher aus dem säkularisierten Stifte St. Stephan waren nicht zu ermitteln. Lorenz Beheim hat sicher nach seinem Tode einen Teil seiner Bücher der Stiftsbibliothek vererbt. Es ist keine Spur davon mehr zu finden. Sicher hatte er auch Druckwerke Dürers besessen. 275) Die Bamberger Apokalypse ist im Besitz der Staatsbibliothek Bamberg. 276) Franz Imhoff hat schon Juli 1514 Beheim in Bamberg aufgesucht. Reiche, Pirckheimer II., S. 451, Z. 2—5. Beheim hat durch Franz Imhoff Post an Pirckheimer mitgegeben. Er weiß

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In den Tagen nach dem 12. Oktober 1517 hat Albrecht Dürer das Porträt des Bischofs Georg III. Schenk von Limburg geschaffen (1505—1522) 277). Zwi­ schen dem ebenso feinsinnigen wie aufgeschlossenen Kirchenfürsten, der die Aristokratie des Blutes mit der des Geistes verband, und dem Künstler werden sich bei den Sitzungen für das Bild Gespräche entwickelt haben, deren Inhalt auch in der Curia Caroli nachklangen. Bald hatte Pirckheimer auf die Briefe Beheims vom 11. und 12. Oktober geantwortet, denn schon am 21. d. M. bestätigt der Kanonikus wieder einen Brief aus Nürnberg 278), der Nachrichten über die „Tratziherin“ enthalten hat. Nun ist diese Drahtzieherin, von Geburt eine Barbara Haller, nach Bamberg gefahren und hat Beheim am 20. Oktober in seiner Kurie aufgesucht, ihre „mala fortuna“ beklagend. Sie würde auch zu Pirckheimer kommen und diesen Brief überbringen. Hier ist nicht Ort noch Raum, sich über das Schicksal dieser Frau zu verbreiten, die seit 1514 immer wieder in den Briefen auf taucht. Eines ist sicher: die Liebesgeschichte dieser wohlansehnlichen Frau war das Stadt­ gespräch in Nürnberg von 1510 bis 1520. Nicht glücklich verheiratet, hat die kinderlose Frau in einem anderen Ehemann — Franz Imhoff — einen Freund gefunden, was natürlich Ärgernis erregte. — Der Rat der Stadt Nürnberg mußte der öffentlichen Meinung Rechnung tragen und hat sich über das Verhalten der „Trahtziherin“ mehrfach in Bamberg beim Bischof beschwert. Emil Reicke hat den Verlauf der Verhandlungen untersucht 279). Beheim, den sie am 20. Okto­ ber selbst aufsuchte, war über das Hin und Her der Verhandlungen im Bilde 28°). Barbara Drahtzieherin versuchte, sich bei dem Juristen Beheim Rat zu holen. —

277)

278) 27e)

280)

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nicht, wie P. und I. zueinander stehen, doch hat er erkannt, daß I. in Pirckheimer seinen Freund sieht, so habe Beheim freimütiger für ihn und über ihn geschrieben. Anm. 279. Imhoffs Beziehungen zu Barbara Drahtzieherin. Wolfgang Holzschuher, s. Reicke, Pirckheimer II., Reg. 610 mehrfach genannt. Erich Freiherr von Guttenberg, Das Bistum Bamberg I. Teil Berlin-Leipzig 1937, Georg III, Schenk von Limburg S. 280—286. Herrn Hochschulprofessor Dr. theol. Johannes Kist freundlichen Dank für den Hinweis auf diese ausgezeichnete Zusammenfassung. Wilhelm G. Neukam, Ein vergessenes Dürer-Bild in Pommersfelden, Fürstbischof Georg Schenk III. v. Limpurg, in: „Fränk. Blatt. 9 Jg. S. 45—48. Interessant ist der S. 45 er­ wähnte Eintrag in den Hofkammerrechnungen, daß Dürers Diener Bartholomes Tilen am 24. Okt. 1517 mit 1 Gulden Trinkgeld beschenkt wurde. Demnach hat Dürer Bamberg auch nicht früher verlassen und ist fast 3 Wochen bei Beheim zu Gast gewesen. Herrn Dr. Georg Wirth, Bamberg, vielen Dank für die Übersendung dieser Abhandlung. Dürers Porträt von Bischof Georg III. befindet sich im Besitz der Grafen von Schönborn, Schloß Pommersfelden. StadtB. Nbg. P. P. 375 (37 Z. 2—11. In Heumann, Documenta S. 259 Z. 12—15 veröffentlicht. Reicke, Pirckheimer II., S. 452—453, Anm. 4. — 1514 haben sowohl Franz Imhoff als auch Barbara Drahtzieherin schwören müssen, sich nicht mehr zu treffen. Der Bischof von Bamberg setzte sich beim Rat der Stadt von Nürnberg für die Frau ein, daß ihr auferlegte Verbote fielen. — Nachdem die bestehenden Ehen beider durch den Tod des anderen Ehe­ gatten gelöst waren, haben sich Franz Imhoff und Barbara Drahtzieherin geb. Haller am 27. Nov. 1521 geheiratet. Ihre Ehe währte dann noch bis 1537 — bis zum Tode von Franz Imhoff. StA. Nbg. BB 77, Fol. 94 und 110. Der Rat der Stadt Nürnberg hatte am Montag nach Dionisius und Montag nach Ursula 1517 an den Bischof von Bamberg wegen Barbara Franz Drahtzieherin berichtet.

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Weiter berichtet Beheim in diesem Schriftstück, daß ein Geistlicher in Bamberg ein Buch schreibt, das er Pirckheimer zu widmen gedenkt. Auch hätte er die „defensio“ Reuchlins auf ihren Wunsch Herrn Jakob Fuchs und seinem Bruder, dem Dekan gegeben. „Sunt enim nostri partisani“ — sie sind ihre Gesinnungs­ genossen, die Brüder Fuchs! — Die beigelegte Post bittet Beheim an Michael Staud zu übergeben, der eine Krone auf seinem Hause hat281) und auch an die Pörstin. Auch für Coberger ist ein Brief dabei 282). Im gleichen Monat hat ein Mönch in Wittenberg, dem es ernst war mit seinen Überlegungen, „über die Kraft die Ablässe" nachgedacht. Am 31. Ok­ tober 1517 heftete er seine Thesen an das Portal der dortigen Schloßkirche. „Das Recht und die Pflicht zur Kritik entnahm er allein seiner Eigenschaft als vereidigter Doktor der Theologie" 283). Warum weckten diese Hammerschläge noch nicht die Verantwortlichen, welche die Macht besaßen, eine Neuordnung einzuleiten? In den erhalten gebliebenen Briefen taucht dieses Ereignis, das zu einem historischen Faktum wurde, mit keinem Worte auf. — Die Humanisten der deutschsprachigen Länder und wohin sonst noch Pirckheimers eben erschienene „Epistola apologetica“, die Verteidigungsschrift für Reuchlin, gelangte, lasen gerade dieses Druckwerk. In überlegener Form hat Pirckheimer seine Gedanken in Worte gefaßt und sich in wahrhaft vornehmer Haltung vor den angegriffenen Reuchlin gestellt. Das ihm vorschwebende Bild eines wahrhaften Theologen ist eine Zeichnung von geistigem Adel. Dies kleine Werk erhellt uns viele persön­ liche Gespräche, die die beiden Freunde über dessen Leitgedanken gehabt haben müssen! Pirckheimer hatte gerade diese Abhandlung seinem langjährigen Freunde Lorenz Beheim gewidmet. Unter den „wahren Theologen" nennt Pirckheimer Geistliche aus einem sehr weitgespannten Raum religiösen Den­ kens. — Noch war der Bruch nicht vollzogen; nur Risse zogen sich durch die Einheit der Kirche. So steht auch Martin Luther mitten unter diesen Gottes­ gelehrten, in deren Kreis von Erasmus von Rotterdam bis hin zu den Brüdern Georg und Lorenz Beheim mehr oder minder starke Persönlichkeiten einge­ schlossen waren 284). 281) P. P. 375 (37 Z. 18. Es war bisher nicht zu klären, welcher Staud hier gemeint war. 282) Coberger, der hier einen Brief Beheims erhält, ist fraglos Hans Coberger, der Vetter des bekannten Anton Koberger. Hans Coberger führte nach dessen Tod (f 1513) die große Druckerei und den Buchhandel fort. Oskar Hase, Die Koberger. Eine Darstellung des buchhändlerischen Geschäftsbetriebes in der Zeit des Überganges vom Mittelalter zur Neuzeit. Leipzig, 1885, S. 13 f., S. 53, S. 34. wird die Freundschaft Pirckheimers zu diesem Hans Coberger bezeugt. Auch zu Christoph Scheurl hatte Koberger nahe Beziehungen. Was für uns wissenswert ist und noch nicht be­ kannt ist, daß dieser Hans Koberger d. Ältere ein Vetter 2. Grades zu Lorenz Beheim über seine Großmutter Eis Beheim geb. Beheim war. So hatte Beheim zu diesem weitgereisten und geachteten Buchhändler besondere Beziehungen. 283) Erich Hassinger, Das Werden des neuzeitlichen Europa, 1300—1600, Braunschweig 1959, S. 127. 284) Karl Hagen, Deutschlands literarische und religiöse Verhältnisse im Reformationszeitalter mit besonderer Rücksicht auf Willibald Pirckheimer, Erlangen 1841, Bd. I. S. 456 f. Hagen bringt diese Schrift sehr ausführlich. Rudolf Hagen, Willibald Pirckheimer in seinem Verhältnis zum Humanismus und zur

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Emil Reicke bringt eine Übersetzung der Widmung Pirckheimers in der Oktober 1517 bei Peypus gedruckten Schrift 285): „Deinen Bemühungen, Deiner Liebe zu mir glaube ich einen nicht geringen Teil des Erfolgs meiner Studien zu verdanken. ... die Natur . . . hat Dich — außer mit den glücklichsten Geistes­ anlagen und der Fülle der Gelehrsamkeit auch mit jener Humanität begabt, daß Dir nichts erwünschter ist als dasjenige, was Du mit vielen Kosten und heißem Bemühen gelernt, Deinen Freunden unentgeltlich mitzuteilen. Wie vieles von dem, was ich nicht wußte, in Astronomie und Mathematik, in der Geheim­ philosophie — nicht der abergläubischen, sondern der echten, heiligen — in der Medizin und in der Kriegs Wissenschaft, habe ich doch von Dir gelernt: denn Du verstehst Dich vortrefflich auf die Künste des Krieges wie des Friedens." Aus dieser Widmung fühlen wir wieder die tiefe Verbundenheit der Freunde. Pirckheimer hatte sich nach dem Brief Beheims vom 21. Oktober, den die „Tratziherin" überbrachte, gleich wieder an den Schreibtisch gesetzt. Er mußte dies Mal aber lange auf Antwort warten. Der Kanonikus schrieb erst am 8. November und nahm am Schluß dieses Briefes ausführlich Stellung zu den Klagen der Barbara Drahtzieherin 286). Dies wird hier außer acht gelassen. Auch die Briefstelle, die seinen Bruder Georg betrifft, soll wie auch andere in den folgenden Briefen, später dessen Lebensdarstellung eingefügt werden. Lorenz Beheim übermittelt nun dem Freunde das wunderbare Lob, das er sich für die Übersetzung (Luciani) in Bamberg erworben hat. „Alle bewundern die Fähig­ keiten Deines Geistes und die Schärfe der Aussage" 287). Mehr will er nicht darüber schreiben; Pirckheimer liebt es nicht, wenn er viel Worte macht. Je­ doch fordert er den Freund auf, er möchte endlich die 2 Nazianzenischen Reden herausgeben, damit er nach den göttlichen Reden die Scheintheologen unter­ richte. Pirckheimer hatte im letzten Brief nach dem Geistlichen gefragt, der ihm in Bamberg ein Buch widmen wolle. Nun kann ihm Beheim berichten, er sei Lektor am Karmeliterkloster, ein gelehrter Mann und guter Reuchlinist288). Auch dem Provinzial Muffel 289) hat Beheim auf dessen Wunsch Schrifttum ge­ schickt. — Ein Kuriale, ein rechtschaffener Mann, hätte von Rom kommend ihm in Bamberg auf der Durchreise erzählt, daß der Papst in dieser Sache Schweigen auferlegt hat. Wenn es wahr ist, dann werden sie das schnell wis­ sen 29°). Von Hutten weiß er nichts. Wenn er aber in Kürze in Bamberg wäre, wird Beheim es zu erfahren versuchen. — Gesundheitlich geht es dem Kanonikus gar nicht gut. Hat er — wie auch Reicke vermutet — in dieser Zeit einen leichten Schlaganfall erlitten? Er

285) 286) 287) 288) 289) 29°)

Reformation in MVGNbg. Bd. 4, 1882, bringt in den Anm. S. 172 Briefauszüge, die die „Apologie" loben, darunter Erasmus, und S. 173 die Namen der aufgeführten Theologen. Reicke, Lor. Beheim S. 1—2. StadtB. Nbg. P. P. 375 (38 Z. 33—41. P. P. 375 (38. Z. 10—16. In Heumann, Documenta S. 259—260, Z. 10—16, 2. Briefseite, Z. 10—11 veröffentlicht. Brief P. P. 375 (38. 2. Briefseite Z. 1—3. Siehe auch Brief Beheim vom 16. November. Johann Rötelstein, der hier genannt ist, s. Kist, Bistum Bamberg Nr. 5103. Kist, Bistum Bamberg, Nr. 4395. Georg Muffel stammt aus Hallstadt, war Karmelit, von 1505—1513 Prior, zum Provizial 1514 gewählt. Brief P. P. 375 (3 8. 2. Briefseite Z. 8—10.

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schreibt nämlich „cepit me vertigo“, es erfaßte mich ein Schwindel. Die linke Hand und ihre Finger scheinen zu schlafen und die Gefühllosigkeit dauert an 291). So fühlt er sich auch nicht wohl genug, zwei Einladungen zu Hochzeiten nach Nürnberg anzunehmen. Er freut sich, daß die ihm angenehme „Katharinella Rosenzweid“ 292) heiratet. Er hat ihren Verlobten293) in Bamberg ge­ sprochen und sich mit ihm unterhalten. Er bitte um einen besonderen Gruß an die Kramerin, die so freundlich war, ihn einzuladen 294). Auch zur Hilprantschen Hochzeit 295) — zu seinem Schwager — wird er nicht kommen. Sollte sich 291) Brief P. P. 375 (38 Z. 18—12. „Non enim hic sunt medici, quos possem consultare“. Er klagt oft in Bamberg über mangelnde ärztliche Beratung. 292) Brief P. P. 375 (38. 2. Briefseite Z. 12. Die Persönlichkeit der Katharina Rosenzweig ist geklärt. Sie war die eine der vier Töchter, von denen zwei Nonnen wurden, des Dr. med. Heinrich Rosenzweig und der Barbara Ketzel. Dr. Rosenzweig war Arzt und Physikus in Nürnberg von 1495—1511. Für den Zeitpunkt der Eheschließung der Katharina R. Anfang November 1517 ist dieser Brief Beheims die bisher einzige Quelle. — Herr Oberregierungsrat i. R. Th. Aign, Hersbruck, teilte aus seiner Ketzel-Forschung besondere Hinweise mit. Vielen Dank! Auf ihn geht auch der Hinweis zurück, daß das Epitaph der Eltern der Katharina R. des Ehepaares H. Rosenzweig/ Barb. Ketzel sich noch gut erhalten in der Lorenzerkirche befindet. 293> Brief P. P. 375 (38. 2. Briefseite Z. 12—13. Beheim hat in Bamberg den Verlobten der Katharina Rosenzweig gesprochen und läßt ihn nun durch Pirckheimer grüßen. In diesem Brief ist aber der Eigenname des Verlobten nicht genannt. StadtB. Nbg. Amb. 173, 2°, Test. 174c Katharina Hans Lochingerin von 1540, brachte die erste Feststellung ihres Frauennamens. Herr Oberregierungsrat i. R. Th. Aign, Hersbruck wies vollends nach, daß Kath. Rosenzweig die Ehefrau von Hans Lochinger war. Hans Rupprich, Dürers schriftlicher Nachlaß I, Berlin 1956, S. 265 zeigt Hans Lochinger als „Diener des Rats zu Nürnberg“, der sich bemühte, von Kaiser Karl V. die Bestätigung der von Kaiser Maximilian I. bewilligten Leibrente Dürers zu erhalten. Diese Tatsache bringt Theodor Aign auch in seiner Ketzel-Abhandlung, deren Druck bevorsteht. Gerd Wunder, Hans Lochinger, der Nürnberger. In: „Haalquell“ Bl. f. Heimatkunde des Haller Landes Jg. 10, Nr. 17, Dez. 1958 bringt eine beachtenswerte Darstellung der Per­ sönlichkeit Lochingers, die die Bedeutung dieses Mannes unterstreicht. Herrn Oberregierungsrat i. R. Th. Aign, Hersbruck wird die Einsicht in diese biographische Abhandlung verdankt. 294) Über Ursula Kramer geb. Ketzel war schon in Anm. 235 berichtet worden. Ihre Test. Ab­ schrift ist aus StadtB. Nbg. Amb. 173, 2° S. 155 e ersichtlich, wie die Bearbeiterin fest­ stellte. Ihre nahen Beziehungen zur Familie Rosenzweig werden auch hier offenbar. Wenn Beheim ihr in Brief P. P. 375 (3 8 2. Briefseite Z. 14—15 „Ago enim sibi gratias, quod me dignata est invitare“ dankt, so war er zur Hochzeit geladen. Der höfliche Dank Beheims legt die Vermutung sehr nahe, daß Frau Ursula Kramer für die verwaiste Nichte Katharina Rosenzweig die Hochzeit richtete. Frau Kramer hat ein hohes Alter erreicht, sie starb erst im Frühjahr 1535. Germ. Nat. Museum Nbg. Hs. Nr. 6277, Großtotengeläutbuch von St. Sebald, Fol. 44 „Ursula Hans Kramerin bey der Wag“. Sie hat die Freunde Beheim, Pirckheimer und Dürer zeitlich und altersmäßig weit über­ lebt. Dürer bezeichnet sie am 13. Okt. 1506 schon in einem unfeinen Witz als „alt Kromerle“ Reicke, Pirckheimer I., S. 440, 443 Anm. 35. Im gleichen Bd. S. 313 vermutet Reiche, daß eine Dürer-Zeichnung das „alt Kromerle“ darstellt. 295) Die Hiltprantsche Hochzeit konnte auch geklärt werden. Beheims Schwester Margarethe war mit Hans Hiltprant verheiratet. Hiltprants Tochter Anna war in erster Ehe mit Lazarus Rotmundt verheiratet gewesen. Die junge Witwe heiratete nun Jakob Sattler. S. Lochner Chronik, 1502—1518. 16. 10. 1517. Am Freitag Galli wurde Jakob Sattler zu seiner vorhabenden Hochzeit mit Hansen Hiltprants Tochter, die jüngst Lazarus Rotmundt seligen ehlich gehabt hatte, auf Montag nach Praesentationis Marie der Stadtpfeifer vergönnt.

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jedoch sein Befinden noch bessern, dann eilt er herbei „tui visendi causa“ — um Dich zu sehen/ Er schreibt am 16. November wieder nach Nürnberg und berichtet, daß er nun das Büchlein jenes Carmeliten gesehen hätte, das Pirckheimer gewidmet werden soll. Wie es scheint, hat er auch den Autor kennengelernt. Er hieße Johann Rötelstein, sei Schwabe und Pirckheimer sehr ergeben. Er gehe gegen Pfefferkorn vor, der die Zwietracht unter den Theologen verursacht hat, lobt Reuchlin und ermahnt Maximilian, Frieden zu stiften. Da Beheim Neuigkeiten nicht zu berichten hätte, gibt er einen Bericht über seinen gesundheitlichen Zu­ stand, der recht kümmerlich ist. Er ist durch Schwindel im Kopf und durch Er­ brechen im Magen geschwächt. In den Füßen plagt ihn das Podagra und in den Händen Chiragra 296). Wie wohl hatte er sich noch im Oktober bei Dürers Be­ such gefühlt / Er machte sich selbst,Sorgen über seinen Zustand. In der Apotheke in Bamberg haben sie die bestimmten Pillen 297) nicht, die ihm helfen könnten. Er bittet zum Abschluß dieses Briefes Pirckheimer nachdrücklich um be­ stimmte Auskünfte zur Errichtung eines Testamentes, wie es vor allem in Nürnberg üblich war. Diese Bitte hat Pirckheimer sicher bedenklich gestimmt. Dazu scheint ihm ein Bekannter, der Beheim kürzlich besucht hatte, erzählt zu haben, Beheim heize aus Geiz sein Zimmer nicht richtig und gönne sich nichts. Voller Sorge muß Pirckheimer nach Bamberg geschrieben haben. Beheim ließ dieser Vor­ wurf, geizig zu sein, nicht lange Ruhe und, obwohl es ihm Mühe machte, den langen Brief zu vollenden, — er schreibt vom 5. bis 8. Dezember daran — geht er doch an seine Rechtfertigung 298). Der Antwort auf diesen Vorwurf verdanken wir die Nachrichten über sein den Winden ausgesetztes Zimmer136), das er nicht einmal mit dem Feuer der Vestalinnen erwärmen könne. „Nihil certe, quod fert appetitus meus, mihi subtraho.“ Er entzieht sich also nichts, was ihm schmeckt. — Pirckheimer hatte ihn aus Sorge um seinen Zustand auch gebeten, die Juristerei aufzugeben. Er stimmt ihm zu, nur 2—3 Sachen habe er zu erledigen. Jedoch der Chordienst greift ihn an. Da er nun 60 Jahr alt wäre *2"), denkt er an das Lebensende und an die Vergebung seiner Vergehen. Diese ernste Betrachtung schließt er mit den wahren Worten „Homo enim sum ... et humani nil alienum a me puto“ 30°). Die „Tratziherin“ hat wieder Post zwischen den Freunden vermittelt, auch von dem Karmeliter ist die Rede. Im übrigen hat er erfahren, daß „noster

296) 297)

298) 2") 30°)

StadtA. Nbg. Genealogische Papiere Schwab enthalten Nachweise über das Geschlecht der Rotmund, so auch Ehe Rotmund Hiltprand. StadtB. Nbg. P. P. 375 (39. Z. 7-9. In Heumann, Documenta S. 260—261, Z. 1—6, Z. 11—15 veröffentlicht. Brief P. P. 375 (39 Z. 9. Die dort genannten Pillen können vielleicht identisch sein mit den von Pirckheimer in seinem podagrischen Tagebuch angeführten Pillen „Asaieret“, die Emil Reicke in seiner Abhandlung „Willibald Pirckheimer und sein Podagra“ im „Frank. Kurier“ am 7. Mai 1901 S. 3 nennt. StadtB. Nbg. P. P. 375 (40. Z. 1—21. Brief P. P. 375 (40. Z. 22. Hier ist der eine erhaltene Altersnachweis Lorenz Beheims ver­ zeichnet. Brief P. P. 375 (40. Z. 24—25.

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dictator“, also Johann von Schwarzenberg, der sich durch eigene Schuld verhaßt gemacht hat, in diesen Tagen durch „sein Unschicklichkeit“ alle, besonders den Bischof, verwundert hat301). Viele Tage ist er nicht aus dem Haus gekommen. Aber er hat gelesen. Inzwischen ist das von Frankfurt bestellte „Streitbüchlein“ Pfefferkorns in seine Hände gelangt, das er durchgeschaut hat. Er beobachtet die Agression Pfefferkorns, der Reuchlin stark, Hutten weniger, dagegen Erasmus von Rotter­ dam wieder mehr angreift 302). Es ist interessant, daß in Beheims Händen auch schon die erst im August 1517 in Löwen erschienene „Apologia“ 303) des Eras­ mus ist, die der große Humanist dem „außerordentlichen Manne“ Jakob FaberStapulensis 304) zuschreibt. Der Chorherr schreibt wörtlich dazu: „Profecto est mirabilis Roterodamus“ 305). — Von einem vom Bischof an Albrecht (Dürer) geschickten Geschenk weiß er nichts. Dagegen kann er berichten, daß Schöner nächste Woche mit 10 oder 12 Globen nach Nürnberg kommt. Vielleicht über­ nimmt Pirckheimer oder Albrecht einen davon. — Rührend ist die Fürsorge Pirckheimers für den kranken Freund. Er hat ihm nicht nur Pillen mitgesandt, sondern bis in Einzelheiten hat er ihn ermahnt, für die Gesundheit Sorge zu tragen. Schließlich hat er ihm noch die Fragen wegen der Errichtung von Testa­ menten beantwortet. Zugleich hat er aber auch Beheim nach einem bestimmten Bamberger Bibliotheksbuch gefragt. An die Beschaffung wird Beheim jetzt denken. Dieses Bibliotheksbuch für den Freund zu finden ist der Kanonikus dann auch eifrig bemüht. So war er selbst am 16. Dezember zusammen mit den Brü­ dern Fuchs, den beiden Domherren, in der Bibliothek auf der Suche. Leider noch ohne Erfolg, wie er im Brief vom 18. Dezember nach Nürnberg schreibt 306). Er hätte heut ja auch wieder Post des Buches wegen von Pirck­ heimer gehabt. Anscheinend weiß Pirckheimer den Titel nicht mehr und kann nur Angaben über den Einband machen. Bei der Suche hat ihn der Herr Dekan (Andreas Fuchs) gefragt, ob jenes Buch durch eine Kette angeschlossen gewesen sei. Hutten hätte nämlich auch noch ein Buch bei sich, das nicht angekettet gewesen ist und das er bisher noch nicht zurückgegeben hat. „Was Du mir über 301) Brief P. P. 375 (40. Z. 34—37. 302) Herrn Dr. Josef Benzing-Mainz wird der Hinweis verdankt, daß Pfefferkorns Streydt püchlein 1516 erschienen ist. Ein Exemplar davon ist in der Stadtbibliothek zu Augs­ burg vorhanden. 303) Apologia Erasmi Roterodami ad eximium virum Jacobum Fabrum Stapulensem, cuius argumentum versa pagella demonstrabit. Erschienen August 1517 in Löwen. Für diesen Hinweis Dr. Elisabeth Geck, Gutenberg-Museum, Mainz, besonderen Dank/ 304) Jacques Lefebore d’Etaples (Faber Stapulensis) war ein großer Humanist und Mensch (um 1450—1536). Friedr. Heer, Die dritte Kraft, Der Furopäische Humanismus zwischen den Fronten des konfessionellen Zeitalters. Frankfurt 1959 würdigt ihn S. 101. In Rom — 1500 — trat er zum jüdischen Leibarzt des Papstes in Beziehung, der Astrologe war (kannte Beheim ihn auch?) S. 108. 305) Brief P. P. 375 (40. Z. 31—33. 306) StadtB. Nbg. P. P. 375 (41 Z. 2—6. 307) Brief P. P. 375 (41. Z. 12—14. Nicht geklärt ist eine Begründung, die dann ein deutsches Sprichwort enthält. „All die schuh sein vber ein leist geslagen“. Es handelt sich um eine Frage, die mit der Theologie zusammenhängt. Dürer Z. 15.

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Rotterdam und Reuchlin (Capnione) schreibst, hat mich zu lesen sehr ge­ freut !“ 307) Beheim gratuliert Dürer, daß er so freigiebig vom Bischof (a nostris) belohnt worden ist. So viel ist beim Porträtieren zu gewinnen! Pirckheimer hätte ihn wieder mit Medikamenten und gesundheitlichen Ratschlägen so wohl versorgt, daß er ihm außerordentlich dankbar ist. Trotz aller Fürsorge Pirckheimers muß Beheim noch vor Jahresende 1517 einen argen Rückfall erlitten haben. Am 4. Januar 1518 begegnet uns zum ersten Mal ein Brief, den er nicht selbst, sondern sein Famulus schrieb. Wir entnehmen daraus, daß Lic. iur. Silvester Kochinger 308) ihm Nachricht von Pirckheimer überbracht hat. Vom Nürnberger Syndicus Johann Polraus ist die Rede 309), der Beheim wohl bekannt war. Zwei Streitfälle, der eine von Georg Winkler 31°) und der andere von der Landauerin gegen Wilhelm Haller311) finden Erwähnung. Noch in seinem angegriffenen Zustand nimmt Beheim zu den Rechtsfragen .Stellung. Mit einer Schrift, die seinen schlechten Gesundheits­ zustand widerspiegelt, schreibt er nur wenige Worte darunter „Ego adhuc non ambulo“ — er geht jetzt nicht aus. Er hofft jedoch, es würde in einigen Tagen besser sein. Zuletzt schreibt der Famulus noch auf Deutsch darunter: „Stecke das Briefflein dem Schoner zu.“ So war der geographisch so interessierte Geist­ liche wieder einmal in Nürnberg. Beheims Lebenskraft überwand diese Krise. Am 9. Februar 1519 312) schreibt er selbst nun wieder wesentlich erholter an seinen Freund, dem er gleich am Anfang des Briefes eine fröhliche Fastenzeit wünscht. Er empfiehlt an Pirck308) StadtB. Nbg. P.P. 375 (42. Z. 1. Bisher war über Silvester Kochinger lic. iur. nichts zu erfahren. 309) Brief P. P. 375 (42. Z. 3—4. Kist, Bistum Bamberg Nr. 611. Johann Polraus (Polrows) von Kronach bezog die Uni­ versität Leipzig 1467 W. S. Er beurkundet als Kleriker und Notar seit 1477. In Nbg. wurde er Syndicus 1478 und Konsulent 1516. Gestorben ist er zu Nürnberg 1523. Eine Nachfrage beim Stadtarchiv Kronach ergab die Feststellung, daß es sich bei den Polraus in Kronach um eine alte, seit 1390 archivalisch in Kronach nachweisbare Familie handelt. Sie war angesehen und befähigt, denn im Verzeichnis der Bürgermeister (Fehn, Chronik von Kronach, I., 149) erscheint 1390 „koncz polraus“ als Bürgermeister. Herrn Verwaltungsamtmann Hans Kremer, Kronach, für das verständnisvolle Eingehen auf die Anfrage besten Dank. Es würde sich lohnen, die Lebensumstände dieses Oberfranken zu erforschen. Er war ein befähigter Jurist, der mit vielen Sonderaufträgen bedacht wurde. U. a. war er Testaments­ vollstrecker für Eberhard Kadmer, Anm. 159), desgl. für Probst Anthon Kress, Text zu Anm. 170). Polraus hinterläßt bei seinem Tode 1523 bei Jakob Fugger in Augsburg hinterlegt 500 fl. Germ. Nat.-Museum Nbg., Hs. Nr. 6277 Großtotengeläutbuch von St. Sebald, Fol. 18. „Magister Johann polroß ein alter weitbekannter Notarius.“ 31°) Brief P. P. 375 (42. Z. 6—7. War das Prokurator Georg Winkler, der seiner Tochter wegen mit Sebastian Haller einen Handel vor dem geistlichen Gericht in Bamberg austrug? S. StadtA. Nbg. Genealogische Papiere Winkler v. Mohrenfels. 311) Brief P. P. 375 (42. Z. 7. „Landauerin contra Wilh. Haller“ Dorothea Landauer, s. Reicke, Pirckheimer II. S. 109,145. 312) StadtB. Nbg. P. P. 375 (43. Z. 1. Mortuus est magnus ille gatto. (Kater) . . . P. hätte ihm nicht von den drei Hochzeiten geschrieben. — In: Heumann Documenta, S. 261—262, Z. 4—9 veröffentlicht.

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heimer auf eine Bitte Dr. med. Fabius Zonarius312a), einen jungen, gebildeten und gelehrten Mann. „Er ist nämlich Reuchlinist und Dir völlig ergeben“. Er schreibt viel, so auch verschiedene Gedichte gegen die Kölner, Ortwin,Thungern und Hochstraten, in der Art und dem Stil der „Dunkelmänner“. Pirckheimer würde darüber lachen und den Witz des Mannes anerkennen. Er schließt diese Empfehlung mit dem Ausdruck der Freude über ihre gute Kameradschaft. — Von einem Sylvester ist nicht gerade freundlich die Rede 308). Schöner hätte ihm versprochen zu kommen, aber er kam nicht. Gesundheitlich ging es wieder besser, er hätte Pirckheimers Ratschlag befolgt. Zum Ausgehen wäre es ihm aber zu kalt. Von diesem Jahr 1518 ist nur noch ein Brief erhalten — es ist eigentlich nur ein Zettel von 10 Zeilen, wie man ihn einem nach Nürnberg Reisenden schnell' zuschob 313). Ist Dr. Burkhard 314), der in der ersten Zeile genannt ist, identisch mit jenem Doktor, der ihm Pirckheimers Brief übergeben ließ, den er aber nicht persönlich sah? Zur Expedition gegen die Türken vermerkt er: „Wenn doch unsere Türken vertilgt würden/“ — Dann vergehen von der Lebenszeit Beheims über zehn Monate, ehe wir wieder einen erhaltenen Brief in die Hand bekommen. Das Jahr 1519 beginnt mit einem herzlichen Neujahrsglückwunsch an den Nürnberger Freund. „Bonus et optimus sit tibi futurus annus. Et mihi quoque, deo propitio“ 315). Am letzten Dezember wären zwei „falzgrafen“ nach Bam­ berg gekommen und seien noch da. Beheim knüpft an diesen Besuch und den von zwei weiteren „falzgrafen“ oder „comites palatini“ Vermutungen 316). In der letzten Zeile des Kurzbriefes spricht er den Wunsch aus: „Ego veilem esse sanus, Deus sit nobis igitur propitius“. Sein Wunsch, gesund zu werden, geht leider nicht in Erfüllung 317). Nur kurz ist auch die folgende Nachricht vom 5. Februar. Darin kommt der Aus­ spruch vor, den auch Reicke schon erwähnte 318). Beheim hat gehört, daß die Reutlinger sich in der Gewalt des Herzogs von Württemberg befinden. Wenn doch die Tyrannen vertrieben würden mit miro caseo! (Kasimir) Wenn Gott das doch einmal vollbrächte! — Im vorletzten ,Satz spricht Beheim über seine Meinung zu den religiösen Neuerungen: Sie sollten gegen das Neue Abneigung 3i2a) Nach freundlicher Mitteilung von Herrn Dr. Grimm, Scheßlitz, wird Zonarius — der Freund Ulrich Huttens Fabian Gürtler aus deren gemeinsamer Studienzeit in Frankfurt 1506/07 — als der Verfasser des „Eccius dedolatus“ angesehen. Diese Ansicht wird von Prof. Hans Rupprich, Wien, dem Herausgeber der Celtis-Briefe, vertreten; vgl. Hans Rupprich, Der Eccius dedolatus und sein Verfasser (Wien 1930). 313> StadtB. Nbg. P. P. 375 (44. 314) Brief P. P. 375 (44. Z. 2 und 6. Ob Dr. Burckhard identisch sein kann mit Petrus Burckhardt, Phil, und med. Doktor (1487—15 39) Physicus ord. der Stadt Nürnberg? — so genannt StadtA. Nbg. Genealog. Papiere Burckard. 315) StadtB. Nbg. P. P. 375 (45. 316) Brief P. P. 375 (45. Z. 7—9 „falzgrafen", Z. 10. 317) StadtB. Nbg. P. P. 375 (46. 318) Brief P. P. 375 (46. Z. 10—11. Reicke, Lor. Beheim S. 19.

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zeigen und sich nicht allzu sehr um die Religion kümmern. Das ist die erste uns erhaltene Stellungnahme Beheims zur beginnenden Reformation 319). Im Brief vom 21. Februar 320) stellt Beheim zum Tode Kaiser Maximilians nochmals astrologische Berechnungen an. Er erwähnt Herrn Werner321) im Zusammenhang mit einem Auftrag für Pirckheimer. Beheims Famulus Wolf­ gang befindet sich, wie es scheint, gerade in Nürnberg. Ihm möchte Pirckheimer das Erbetene mitgeben, weil er sogleich zu ihm zurückkehren wird. Er hätte gehört, daß mirum caseo wegen der Verweigerung eines Weinzolles gegen die Nürnberger sehr aufgebracht sei. „faciet miros caseos“ schreibt er dazu 322). Dann folgt eine aufschlußreiche Mahnung an Lazarus Spengler, dem er freund­ schaftlich verbunden ist. Mehrfach bestellte er Grüße in den Briefen an ihn. Nun bedauert er dessen Eifer bei der Einführung neuer religiöser Formen. „Quod Lazarus scriba attendat cum novitatibus, quae odiosae sunt de mutando ordinem divini sermonis intellexi. Male fecit“ 323). Er solle sich lieber seinen Geschäften widmen als sich in die göttlichen einzulassen. Alles sucht er zu lenken. Sein Eifer ist nicht gut. Aber was liegt daran, „faciant domini“. — Der Brief schließt mit der Bemerkung, daß er sich im Haus aufhält, weil die Kälte ihm zu stark ist. Nach den Grüßen an die Kramerin und Dürer folgt ein Nach­ satz, daß „nostri“ in Bamberg Großes planen. „Wollen darzu ein Stewr aufflegen.“ Der Brief vom 7. März 1519 324) bringt gleich mehrere Nachrichten von besonderem zeitgeschichtlichen Interesse. Eine militärische Expedition wurde in Bamberg eingeleitet, 1000 Fußsoldaten und 200 Reiter, „wenn ich mich recht erinnere/ Aber nun sind sie in Forchheim.“ So beginnt der Brief und weiter unten ist dann die Rede davon, auf welche Weise sich wohl der Herzog von Württemberg verteidigen wird. „Noster dictator“ (Schwarzenberg) und Georg von Schaumberg sind die Bamberger Befehlshaber 325). „Schicken mit 6 Schlenglein“. 800 Fußsoldaten übernimmt die Stadt, 200 der Bischof. Wie Beheim hört, geben die Geistlichen eine Steuer. — Auch der Markgraf wird zitiert 326). Beheim hat Schöner Pirckheimers „tabulas Chorographie“ über­ geben. Ihm selbst hat der Freund Kopien übersandt, für die er Dank sagt 327). 319) Brief P. P. 375 (46. Z. 12—13. „Et novitates odio habetote, et de religione non nimis curate", dann folgt noch ein Satz, der sich darauf bezieht. 32°) StadtB. Nbg. 375 (59. Z. If. und Anm. 375, (46 Z. 4 f. 321) Brief P. P. 375 (59. Z. 17—19. 322) Brief P. P. 375 (59. Z. 20—21, Reicke, Lor. Beheim S. 19. 323) Brief P. P. 375 (59. Z. 22—24. 324) StadtB. Nbg. P. P. 375 (49. Z. 2—3. Dann folgt eine juristische Vertretung für „Grossin"? S25) Brief P. P. 375 (49. Z. 13—14. Zu diesem Zug Schwarzenbergs und Schaumbergs, der von Beheim „miles auratus" ge­ nannt wird, findet sich in: Gerd Wunder, Hans Lochinger Anm. 293 dieses: „Hans Lochinger war als Pfennigmeister des Nürnberger Kontingents dabei (im Feldzug gegen den Herzog von Württemberg) und hat aus dem Feldlager Pirckheimer anschauliche Berichte über den Feldzug geschickt, denen es an Humor nicht fehlt.: „Her Hans von Schwarzen­ berg und Jörg von Schaumberg sein ihrs Bedenken ganz gewaltig in dem Krieg." Wirk­ lich eine launige Beobachtung eines Teilnehmers dieses unblutigen Feldzuges! 326) Brief P. P. 375 (49. Z. 7—9. 327) Brief P. P. 375 (49. Z. 10—11 und Z. 7.

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Marstaller erscheint im Brief vom 23. März 828) und der „kaiserliche“ Albrecht mit seinem großartigen Stabius 329). — Gesundheitlich geht es dem Chorherrn wirklich nicht gut, er ziehe sich an den Händen in die Kirche! — wie er schreibt. Der letzte, längere Brief Beheims, der auf uns kam, ist vom 29. März 1519 33°). Er dankt Pirckheimer für besondere politische Nachrichten331). Gott möge es zum Guten wenden. Er hörte von Pirckheimer, daß Dürer eine Reise nach England und dem armen Spanien plant. Er warnt bei Dürers zarter Kon­ stitution aber vor diesen Strapazen. Da Dürer keine Kinder hat, sollte ihm doch sein Vermögen, „sua substantia“, genügen und er im Dienste Gottes ruhige Tage hinbringen. Ruhige Tage möchten wir Beheim auch zum Ausklang seines Lebens wünschen. Es ist zu fühlen, wie ihn sein Leiden mitnimmt. Am 26. April 15 1 9 332) möchte er seinem Freund auf vieles antworten und mitteilen, aber das Chiragara, die Handgicht, plagt ihn derartig in den Fingern, daß er es nicht kann. Auch ist er heute nicht imstande spazieren zu gehen noch auf seinen Füßen zu stehen. Er ist wirklich in einem bejammernswerten Zustand. „Deus sit medicus noster“, Gott sei unser Arzt, ruft er aus. — Pirckheimers interessante Mitteilungen hätte er gern gelesen, aber er kann — wie gesagt — wegen seiner Unpäßlichkeit nicht antworten. „Ganz der Deine“ unterschreibt er die kurze Nachricht. Im Frühjahr dieses Jahres war Pirckheimer mit Martin Tücher und Albrecht Dürer, der ihn als Privatmann begleitete, in der Schweiz gewesen. Mit einem Brief vom 7. Juli 332a) begrüßt Beheim die beiden Freunde wieder bei ihrer Rückkehr in die Heimatstadt. Er freut sich und er gratuliert, daß sie ihre An­ gelegenheiten so wohl geführt haben. Es erregt auch sein Gefallen, daß die Schweizer die Nürnberger mit Auszeichnung behandelt haben. — Dieser Brief enthält wiederum Material über Markgraf Casimir, der allerhand „fabulas“ ausgestreut hätte, um den Nürnbergern zu schaden. Wenn es recht gelesen ist, hat sein Schwager Eysen Beheim Material darüber geschickt. Emil Reicke hat schon auf die Brief stelle die Aufmerksamkeit gelenkt 333). Kasimir verlangt an­ statt des verweigerten Weinzolles von den Nürnbergern eine Abfindung. „Schalksgeld“ nennt Beheim das. „Sed credo nihil sibi.“ Der Kanonikus glaubt ihm nichts. Herzog Wilhelm von Bayern, dem Schwager des Markgrafen, ist die 328) StadtB Nbg. 375 (47. Z. 9. 32fl) Brief P. P. 375 (47. Z. 10 „Grüße . . . den kaiserlichen Albrecht und seinen großmäch­ tigen Stabius. Emil Reicke, Albrecht Dürers Gedächtnis im Briefwechsel Willibald Pirckheimers in MVGNbg. Bd. 28, Nürnberg 1928, schreibt dazu auf S. 374 Anm.: „Der Mathematiker Johannes Stabius, Berater Kaiser Maximilians bei seinen künstlerischen Entwürfen zur Ehre des Hauses Oesterreich (Ehrenpforte-Triumphzug), an denen ja auch Dürer so stark beteiligt war, daher er hier „kaiserlich" genannt wird. 33°) StadtB. Nbg. P. P. 375 (60. 331) Brief P. P. 375 (60. Z. 2—4. Dürer Z. 22—24. 332) StadtB. Nbg. P. P. 375 (48. 332a) StadtB. Nbg. P. P. 375 (50. Z. 14 kommt Martin Glück? vor. 833) Brief P. P. 375 (50. Z. 8—14. Reicke, Lor. Beheim S. 19—20.

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Vermittlung übertragen/ Beheim schreibt dazu das ewig-gültige Sprichwort in seiner Muttersprache: „kein kro blückt der andern dy äugen awß“. — Aus einer Bemerkung ist zu schließen, daß Beheim mit dem allgewaltigen Bamberger Hofmeister Schwarzenberg doch oft zusammen getroffen sein muß, sonst könnte er nicht sagen: „Dictatorem nostrum hactenus non vidi. Est homo sui capitis, quod omnia scire putat“ 334). Nach den Grüßen an Dürer und die Kramerin fügt er noch hinzu, daß sein Bruder Georg ihn zum St. Lorenz-Fest nach Nürn­ berg eingeladen hat. Ob er hinüber gefahren ist? Hoffen wir es, denn den näch­ sten Namenstag des Bamberger Bruders hat der Propst von ,St. Lorenz Georg Beheim nicht mehr erlebt. Dem Brief vom 16. Juli 335) nach hatte sich die Hütterin aus Nürnberg in Bamberg eingefunden, die der Stadt Nürnberg verwiesen war. Beheim wurde von ihr um Fürsprache gebeten. „Rogatus rogo“ schreibt er an Pirckheimer 336). Als Nachsatz erscheint unter diesem Brief eine Bemerkung, die auf das Sebaldusgrab hinweist — auf jenes edle Werk Peter Vischers und seiner Söhne. Beheim nahm besonderen Anteil daran, wußte er doch, daß seine Familie — sein Bruder Sebald, sein Schwager Wolfgang Eysen unter den Spendern für dieses Kunstwerk waren. Er schreibt: „Vulcanum audio istic mirabilia apud cerdones fecisse“ 337). Vom Jahre 1520 sind nur drei Briefe erhalten und nicht einen hat Lorenz Beheim noch persönlich schreiben können. Pirckheimer hatte seinem Freund durch „Georgium Erlinger bibliopolam“ 338) einen Brief übersandt, dem er Nachrichten über neu entdeckte Inseln „in mari Oceano“ entnahm. Beheim dankt dem „vortrefflichsten Freund“ am 4. März 1520 339) dafür, zugleich über­ mittelt er den Dank D. Joh. Schoners, den er von dieser Neuigkeit in Kenntnis gesetzt hatte. Ob sie durch diese Neuentdeckung endlich an die Tore der Unter­ welt kämen? Man fühlt daraus, wie die Phantasie der Zeitgenossen sich mit diesen erstaunlichen Entdeckungen beschäftigte. Nun könne man nicht mehr 334) Brief P. P. 374 (50. Z. 16: „Unseren Diktator habe ich bis jetzt nicht gesehen. Er hat seinen eignen Kopf, weil er alles zu wissen glaubt." 335) StadtB. Nbg. P. P. 375 (61. 336) Brief P. P. 375 (61. Z. 8. — Z. 7 wird ein „Aichinger" genannt. 337) „Vulcanus habe, wie ich höre, dort (in Nürnberg) Wunderbares bei Handwerksleuten geschaffen." 838) Georg Erlinger erscheint mehrfach in der Literatur. Karl Schottenloher, die Buchdrucker­ tätigkeit Georg Erlingers in Bamberg von 1522 bis 1541. Leipzig, 1907. — Georg Wirth, Die Druckerei der Bamberger Fürstbischöfe, Diss. Erlangen, 1949. Seine umstrittene Herkunft konnte noch nicht ganz geklärt werden. Die Bearbeiterin fand ein Testament, das seinen Vater und seine Geschwister nennt. StadtB. Nbg. Amb. 173 2°. S. 127 c. Georg E., Sohn des Peter Erlinger, hat demnach einen Bruder und zwei Schwestern. Die in Nürnberg an Hans Reytvogel verheiratet gewesene Schwe­ ster Barbara seines Vaters nennt ihn in ihrem Testament. Schulz, Das Milchmarktviertel, Nürnberger Bürgerhäuser Bd. I nennt S. 363 Peter Er­ lingers Kinder 1516 als Verkäufer eines früher der Familie Reytvogel gehörigen Hauses. Herrn Stadtarchivdirektor Dr. Deiniger, Augsburg, vielen Dank für den Hinweis, daß die Familie Erlinger dort seit mindestens 1346 nachweisbar ist. 1498 kommt in Augsburg ein Ulrich und ein Lorenz Erlinger vor. Ein Peter Erlinger ist jedoch nicht feststellbar. — Ulrich und Lorenz Erlinger waren VateTsbrüder des Georg Erlinger, s. Test. 127 c. 839) StadtB. Nbg. P. P. 375 (51.

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vom „armen“ Spanien sprechen. Der gegenwärtige König hätte guten Grund zur Hoffnung 340). — Dann kehren seine Gedanken aus der weiten Ferne wieder zurück hin zu seinem schlechten Gesundheitszustand. Wir erfahren, daß er wegen Schwäche in den Füßen den ganzen Februar, auch einen Teil des Januars daheim geblieben ist. Dazu sei noch der ganze Dezember und nun noch der März zu rechnen „daß ich mich unbeweglich im Hause halte“ 341). Was das für ein Ende nehmen wird, weiß er nicht. Gott möge es zu einem guten Ende führen. Pirckheimer legt er sehr ans Herz, um seine Gesundheit Sorge zu tragen. Dem Gruß an den Freund fügt er „simul ac fratrem meum S. Laurentii praepositum“ hinzu. Anfang April hat Pirckheimer nun seinerseits über starkes Podagra geklagt und darüber, daß seine gewohnten Heilmittel wenig oder gar nichts nutzten. Beheim hofft ihn nun ab 18. April 342) auf dem Wege der Besserung. Crotus Rubeanus 343), von dem Pirckheimer schriebe, hätte er bisher noch nicht ge­ sehen. Was hatte Pirckheimer über das Los Reuchlins geschrieben 344), daß der Kanonikus ihn bedauerte? „So sehr gelehrt könne er doch nicht dem wilden Ansturm des Schicksals entgehen!“ — Der Abschluß der kurzen Nachricht läßt uns wieder einen Vorgang miterleben, der das freundschaftliche Hin und Her zwischen Bamberg und Nürnberg erneut unterstreicht. Frau Kramer hatte dem kranken Chorherren selbstgemachte Würste übersandt, wofür er sich durch Pirckheimer bei ihr herzlich bedankt und fügt — da er grad nichts anderes hat, für die Spenderin einen „Likör“ nach ländlicher Art hinzu. Er grüßt die Töchter und Schwiegersöhne und den „bebarteten“ Dürer 345). Zwischen diesem Brief und dem letzten, der auf uns gekommen ist, trat ein schmerzliches Erlebnis an ihn heran — der Tod des Bruders Georg in Nürnberg, der am 2. Juni dieses Jahres starb. Wir können nur ahnen, wie der Verlust des jüngeren Bruders seine Lebenskräfte schwinden läßt, wie Schmerz und Krankheit allmählich seine Heiterkeit, seinen Lebenswillen aufzehrten. Mit keinem Wort ist auch nur ein Ereignis erwähnt, das ihn in diesem Jahre 1520 berührt haben muß. Sein bester Freund Pirckheimer war unter den Kirchenbann 340) 341) 342) 343)

Brief P. P. 375 (51. Z. 8—10. Brief P. P. 375 (51 Z. 14. StadtB. Nbg. P. P. 375 (52. Crotus Rubeanus, der auf Z. 6 genannt wird, war den Brüdern Fuchs seit Erfurt gut bekannt. Der ältere Jakob Fuchs (den Beheim oft nennt), nach Deutschland zurückge­ kehrt, verpflichtete als Studienleiter einer jungen Generation seiner Familie den in­ zwischen geistlich gewordenen, alten Erfurter Freund C. R., der im Frühling 1517 zur Erfüllung dieser Aufgaben nach Bologna reiste. Freundliche Mitteilung von Dr. Heinrich Grimm, Scheßlitz. Es mag sein, daß C. R. nun die Betreuung der jungen Herren von Fuchs abgeschlossen hatte und somit in Bamberg erschien, 344) Brief P. P. 375 (52. Z. 7—9. Der in Rom geschlossenen Freundschaft Beheims mit Reuchlin gedenkt Pirckheimer ehrend. Siebenkees, Materialien, Bd. I., S. 265. Vielleicht hatte Reuchlin Pirckheimer von seiner Flucht aus Württemberg 1519 nach In­ golstadt geschrieben, wo er sich in Not befand. Pirckheimer tröstete ihn und half ihm mit Geld aus. S. Rudolf Hagen, Willibald Pirckheimer in seinem Verhältnis zum Humanismus und zur Reformation. MVGN IV, Nürnberg 1882, S. 85, S. 167, Anm. 101. 345) Brief P. P. 375 (52. Nachsatz erwähnt Marstaller wieder.

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gefallen, zusammen mit Martin Luther und Lazarus .Spengler. Das wird Lorenz Beheim, der kirchlichen Gesetzen unteran und zugetan war, erschreckt haben. Der letzte Brief vom 27. Dezember 1520 liegt vor uns 346). Dreizehn Zeilen umfassend. Ein glückliches, neues Jahr wünscht Beheim Willibald Pirckheimer. Gott möge sie behüten. — Aus Nürnberg hat er wieder Aufschlußreiches über den neuen „Kontinent" erfahren, der den Spaniern Gold einbringt. Aber wenn Spanien „totum orbem" besitzen sollte — das Beiwort „misera" oder „miseria de Hispania“ würde es nicht tilgen. Genug davon, meint er abschließend. Laßt uns danach trachten, glücklicher zu leben und zu triumphieren hier und in einem künftigen Leben 347). Dem künftigen Leben näher als er ahnen mag, setzt Lorenz Beheim mit zittriger Hand nur drei Zeilen darunter. Den beiliegenden Brief möchte Pirckheimer an Dürer weiterleiten. Dann bittet er nach Grüßen an die Seinen noch um ein Mittel gegen Apoplexie. Das sind seine letzten Worte. Die wenigen Monate bis zu seinem Tod am 11. April 1521 wird er sehr ge­ litten haben. Emil Reicke übermittelt uns die Inschrift seines heute nicht mehr vorhandenen Grabmales348): Memoriae Laurentii Beheym Nurenbergensis, hujus Ecclesiae Canonici ac Juris Pontificij Doctoris, Viri ob virtutes singularis variarumque disciplinarum, linguarum et rerum cognitionem immortali digni memoria. Vixit annis LXIII, decessit ab ortu Christi MDXXI tertio Idus Aprilis." In Nürnberg erklangen nach seinem Tode die Glocken zu seinem Gedenken — über den Dächern der Stadt, die seine Heimat gewesen ist 349). Pirckheimer war sicher mit seiner Testamentsvollstreckung betraut worden, wenn sich auch nirgends der Hinweis erhielt. Das wunderwirkende Gefäß aus Neapel, das er erbte, schreibt Pirckheimer nun (in wörtlicher Übersetzung) „gelangte auf Grund letztwilliger Verfügung an mich, den von ihm überaus ge­ liebten Freund. Im Jahre des Herrn 1521. Er lebe mit den Lebenden" 35°). — „Vivat cum viventibus." — Das ist der letzte Gruß an den treuen Gefährten vieler glücklicher Jahre. Ein Leben — weiträumig und spannungsreich — glitt an uns vorüber. Aus diesem Sohn einer Nürnberger Handwerkerfamilie war kein Philosoph und kein Gelehrter geworden, aber eine interessante, lebendige Persönlichkeit. Viel­ schichtig war seine menschliche Natur, vielfältig sein Wirken. Ehrlichen Her­ zens erstrebte er als Kleriker eine frühe Reform seiner Kirche. Seiner vorzüg­ lichen Gabe, Freundschaft zu erwerben, verdanken wir in Briefen glaubwürdige Selbstzeugnisse. Sie ergaben die authentische Grundlage für die Betrachtung dieses Lebens — eine Betrachtung, die dem Leben eines weltklugen und welt­ erfahrenen deutschen Humanisten galt. 346) 347) 348) 349)

StadtB. Nbg. 375 (53. Brief P. P. 375 (53. Z. 4—9. Emil Reicke, Lor. Beheim, S. 38—39. Germanisches National-Museum Nürnberg, Hs. 6277, Großtotengeläutbuch von St. Se­ bald, Fol. 12 b „Doktor Lorentz peham“. 35°) Johann Christian Siebenkees,Materialien zur Nürnbergischen Geschichte, I. Bd. Nürn­ berg 1792, S. 262. S. auch Anm. 149. Das von Beheim ererbte Gefäß gab Pirckheimer an eine Labungsstiftung weiter, die auf seinen Urgroßvater zurückging. S. auch Reimann, Die älteren Pirckheimer, S. 52. Dem Gefäß hatte er den eigenhändigen Bericht beigegeben.

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Zwischen die Lebensbilder der beiden Brüder Beheim sei der knappe Stoff eingefügt, der sich über einen ihrer Neffen fand, den späteren Kanonikus am Mariengredenstift in Mainz, Sebald Beheim, für den Willibald Pirckheimer auch mit freundschaftlicher Fürsprache eintrat. Der Geschütz- und Glockengießer Sebald Beheim (f 1534), dessen letzte Ehe mit Agnes Gauch samt ihrer Nachkommenschaft erforscht und erfaßt ist, hat aus erster Ehe diesen Sohn Sebald gehabt, der dem Beispiel der Brüder seines Vaters folgte und Kleriker wurde. Wer seine Mutter war, konnte noch nicht ermittelt werden. Zum ersten Mal tauchte er in der Literatur auf, als das Tagebuch des Kanonikus Wolfgang Königstein am Frankfurter Liebfrauenstift veröffentlicht wurde 351): „Anno 1521 am 24. Juli. . . hat mir her Sebolt Behem, canonicus ad gradus Moguntiae, gesagt, wie daß syn vetter, her Lorenz Behem, uß dißer weit abgeschyden sey — Gott wole die sele trösten — umb Ostern, und synt mir also domit abgestorben sechs gülden pension, die ich im alle jar reychen must..." 352) Eine in Bamberg verwahrte Pergamenturkunde vom 30. Januar 1509 353) bringt uns Kenntnis davon, daß dieser Sebald Beheim als Bamberger Kleriker zu seinen Prokuratoren bestellte: Dechant Georg Stiebar 354), Weigand von Redwitz 355), Alexander von Rabenstein 171a), Lorenz Behem decret. Dr., Martin Tiel, St. Stephani158) und Amand Körber, B. M. V. und S. Gangolf Kanoni­ kus 356). Diese LIrkunde fertigte als Notar der Würzburger Kleriker Heinrich Rab 357) in der Kurie „sub nomine Judenberg" aus. Sebald Beheim war zu Zeiten seines Onkels Lorenz als Kleriker in Bamberg tätig. Später ist er am gleichen Stift in Mainz nachgewiesen, wo sein Onkel Georg fast ein Jahrzehnt lang weilte. Für die Übertragung des Mainzer Kanonikats an diesen Neffen seines Bamberger Freundes setzte sich Pirckheimer in einem Schreiben an einen ein­ flußreichen, leider unbekannten Adressaten, der den Freunden persönlich be­ kannt war, mit besonderem Nachdruck ein 358). „Nosti Laurencium Beheym 351) G. E. Steitz, Tagebuch des Canonicus Wolfgang Königstein am Liebfrauenstifte (Frank­ furt) Frankfurt, 1876, S. 23, 70. 352) Die Zahlung dieser sechs Gulden Pension an Lorenz Beheim ging fraglos auf die unter Anm. 56) erwähnte Papsturkunde vom 16. Mai 1494 zurück (Kanonikat und Präbende der Kirche St. Mariä in Frankfurt). 353) Domkapitelsarchiv Bamberg, Nr. 807, Lade 5, Fach 1. 30. Januar 1509. Die Urkunde wurde ausgefertigt „Bamberge in curia venerabilis . .. dni Laurenti Behem sub nomine Judenberg". Diese Lagebezeichnung des Kanonikatshof von Lorenz Beheim ist ungewöhnlich. Sollte sie auf die nahe Judengasse zurückgehen? 354) Wächter, Nr. 902, Reicke, Pirckheimer I, S. 107 f. Beheim kannte Georg Stiebar gut. Er versuchte ihm über Pirckheimer einen neuen Ofen für sein großes Studierzimmer aus Nürnberg zu verschaffen. 355) Guttenberg, Bistum Bamberg I S. 316. Weigand von Redwitz 1509 Domkanoniker wurde 1522 Juni 18 Bischof von Bamberg. Kist, Bistum Bamberg Nr. 4839. 356) Kist, Bistum Bamberg Nr. 3 512. 357) Kist, Bistum Bamberg, 4717. Heinrich Rab von Baunach, der von 1472—75 in Leipzig studierte, hatte die Seelmesse bei St. Stephan seit 1484 inne. 358) Reicke, Pirckheimer II, S. 212/213. Reicke schließt nur der Anrede wegen Dr. Kaspar Wirth in Rom als Adressanten aus. Er wird aber trotzdem als Empfänger des Briefes in Betracht kommen.

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nostrum, qui fratris filio canonicatum . . . vacantem impetravit..." Den fol­ genden Worten nach hatte Sebald bereits den Eid geschworen und die „pos­ sessio" angenommen. In seinem und Lorenz Beheims Namen wollte der Nürn­ berger Ratsherr gegen entstehende Schwierigkeiten bei der Übernahme dieser Präbende in Mainz eine Ausgleichszahlung anbieten lassen. In einem Brief vom 10. Mai 1513 kommt Lorenz Beheim dann selbst auf seinen Neffen zu sprechen 359), „Mirum est, quod nihil possum intelligere . /. quidnam agatur aut actum sit in causa canonicatus et prebendae nepotis mei Sebaldi." Wann Sebald das Kanonikat in Mainz antrat, war bislang nicht feststellbar. Er ist jedoch 1515 dort nachzuweisen 360). Für das Jahr 1517 hat sich ein aufschluß­ reicher Hinweis erhalten. Im Juni dieses Jahres wurde mit den Bürgern der alten Bischofsstadt am Rhein die Geistlichkeit aufgefordert, Quartiere für die auswärtigen Teilnehmer am Mainzer Reichstag im Juli 1517 zur Verfügung zu stellen. Im Verzeichnis der Personen, die in „unsrer Lieben Frawenstifft ad gradus" Gäste aufnehmen wollten, finden wir „Sebaldus Beheim wurt halten etlich Nürnbergische räte" 361). So muß der junge Nürnberger genügend Platz und auch die Einrichtung dazu gehabt haben, Gäste aus seiner Vaterstadt auf­ nehmen zu können. Wen durfte Sebald bei sich willkommen heißen? „Anstatt Cristoffen Kreßen wird Cristoff Tetzel nach Mainz zum Reichstag abge­ fertigt" 362). Nicht viel mehr war über den jungen Beheim in Erfahrung zu bringen. Am 21. Juli 1521 hat er dann dem Frankfurter Kanonikus Wolfgang Königstein am dortigen Liebfrauenstift über den Tod seines Vetters — richtiger Oheims — Lorenz Beheim berichtet. Später taucht er dann noch einmal in einem Brief von Johann Schöner auf. — Dieser für seine Zeit hervorragende Mathematiker und Geograph 383) fühlte sich — nach Kirchehrenbach bei Forch359) Reicke, Pirckheimer II, S. 229, Z. 22—27. 36°) Nach Abschluß der Arbeit konnte ich noch feststellen, daß Sebald Beheim nach dem Ver­ zicht seines Onkels Georg Beheim das Kanonikat an der Kirche „Beatae Marie virginis ad gradus Moguntiacum“ am 31. Mai 1515 durch Pabst Leo X. übertragen bekam. Quelle: Arch. Vatic. Reg. Lat. 1328, fol. 329—331. Nach freundlicher Mitteilung von Dr. Marga Dörr, Wiesbaden, ist Sebald Beheim für 1515 in Mainz bezeugt. Quelle: Hs. 10 des Mainzer Priesterseminars. Vielen Dank/ 361) StA Würzburg, Mainz. Reg. Archiv. L. 16/124 fol. 10, ist Sebald Beheim genannt. Diese Liste gibt eine gute Übersicht über die Zusammensetzung des Chorherrenstifts 1517. — Da wird aufgeführt: „Doktor Peter ist ein alt krank Man kan niemand herbergen.“ Das ist Dr. Peter Vierssen, der mit Sebalds Onkel Georg Beheim die Gründung der Burse zum Schenkenberg vornahm. In dem als Gastgeber Kölnischer Räte genannten Stiftsscholastiker Herrn Johann Reuß hatte Sebald auch einen guten Freund seines Onkels zu sehen. Die obige Urkunde fand Erwähnung in: Fritz Herrmann, Die Protokolle des Mainzer Dom­ kapitels. Bd. III. Paderborn 1932, S. 122 (Abh. Herrmann, Mainzer Protokolle). 362) StA Nbg. BB 77, fol. 34, 1517. Es gelang zunächst nur diese eine Ausfertigung zu finden. 383) Die Österreichische Nationalbibliothek Wien besitzt Sammelhandschriften von Johannes Schöner, in denen kürzere medizinische oder astrologische Abhandlungen des Lorenz Beheim — von Johannes Schöner abgeschrieben — enthalten sind. Cod. Vindob. 5002 wurde der Bearbeiterin zur Einsichtnahme übersandt, auch diese Handschrift ist von Jo­ hannes Schöner geschrieben. Fol. 148r— 149v. enthält eine kurze Abhandlung „de ascensione termini Haomar“. „a doct. Laur. Behem“ ist dabei vermerkt. Der Band enthält fol. 104 eine „astrologische Berechnung des Nürnberger Mathematikers Johann Werner“ für

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heim wegen Vernachlässigung seiner priesterlichen Pflichten versetzt — auf dem Lande nicht wohl. Er sei „auch itz ain gantzer pauwer geworden", so schreibt er an Pirckheimer, an den sich aus den Jahren nach 1520 einige Briefe erhielten 364). Er möchte wieder in die Stadt. Am 24. Dezember 1525 bittet er Pirckheimer, sich für ihn um das Beheim’sche Kanonikat an St. Stephan in Bamberg zu verwenden, da „doktor Lorentz Behems — o lobelicher gedechtnis — iunger vetter canonicus zu St. Stefan bey unß nit willens ist solches sein Kanonikat zu possedieren“ 365). Der junge Sebald Beheim hatte also darauf verzichtet, nach Bamberg zurück­ zukehren. Das ist — und auch nur mittelbar — die letzte Kunde, die wir von ihm besitzen. Die Ungewißheit über sein weiteres Leben mag mit der an­ brechenden Reformation Zusammenhängen. So verlieren sich seine Spuren.

* Im gleichen Beheim-Haus am Schießgraben in Nürnberg — im Bereich des Läufer Schlagturmes, in dem nach 1505 die Stiefgeschwister des Kanonikus Sebald Beheim aufwuchsen — erlebte eine Generation früher neben dem vitalen Lorenz der um vier Jahre jüngere Georg Beheim seine Kindheitsjahre. Er wird ruhiger und besinnlicher als sein älterer Bruder gewesen sein; das geht aus den Worten hervor, die Christoph Scheurl ihm 1513 im Hinblick auf seine Ent­ wicklung widmet: „ ... ad literas natus, qui a puero nihil fecit praeter legere, docere, orare“ 366). Diese Darstellung, die den jungen Menschen kennzeichnet, hat seinem Wesen, seinem Lerneifer entsprochen, das wird noch aus anderen Zeugnissen seiner Zeitgenossen offenbar werden. Seine Mutter Elsbeth erlebte durch ihren frühen Tod nur das Studium des Lorenz und sein Magister-Examen. Ob Georg auch in der Leibesbeschaffenheit zarter war als Lorenz? Es fällt auf, daß Lorenz im Verhältnis zu ihm jünger zum Studium schritt. Mit etwa 20 Jah­ ren schrieb sich Georg im S. S. 1482 als ,Student in Leipzig ein 367). Zugleich mit ihm immatrikulierte sich unter dem Rektorat des Andreas Frisner von Wunsiedel — ein späterer, bekannter Humanist Eitelwolf von Stein 368). Neben

364) 365) 366) 367) 368)

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Willibald Pirchheymer, in die dann nachträglich Schöner den Tod „birckhemers“ am 21. 12. 1550 um 12 Uhr einsetzte. Für die freundlichen Auskünfte wird dem Direktor der Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, Herrn Dr. Franz Unterkircher Dank gesagt. StadtB Nbg. P. P. 499, 8. StadtB Nbg. P. P. 499, 6 Z. 3—6. Weitere Briefe Schoners, das Beheim-Kanonikat in Bamberg betreffend P. P. 499, 14 Z. 5—8, P. P. 499, 17 Z. 3—6 u. a. Christoph Scheurl, Vita reverendi Patris Dni Anthonii Kressen, Nürnberg, 1515, Fol. 8 (Abk. Scheurl, Vita Kress). Erler, Leipzig, Bd. I, S. 329, 44. Kist, Matrikel Bamberg, Nr. 260. Erler, Leipzig, Bd. I, S. 331, 135. Gustav Bauch, Aus der Geschichte des Mainzer Humanismus, Darmstadt 1907. (Abk. Bauch, Mainzer Humanismus) In: Beiträge zur Geschichte der Universitäten Mainz und Gießen, S. 71/72. „Als einen Reformator der Universität (Mainz) bezeichnet Hutten in einem schönen Trauerbrief an seinen Freund, den Bamberger und Würzburger Kanonikus Jakob Fuchs, Eitelwolf von Stein.“ E. v. St. starb kaum fünfzigjährig 1515 in Mainz als Rat und Hofmeister des Erzbischofs Albrecht von Brandenburg.

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drei Nürnbergern erwarb Georg Beheim als erste akademische Würde am 6. März den baccalaureus artium 369), den Magister der gleichen Disciplin am 28. Dezember 148 8 37°). Während bei seinem Bruder Lorenz nur nach dem üblichen Ausbildungsweg zu vermuten war, daß er als Magister zunächst in Leipzig blieb, ist es bei Georg archivalisch erwiesen. Als junger Magister stellte er zwei seiner Landsleute am 11. September 1490 als Baccalaureaten zum Examen vor 371). Nach der gründlichen philosophischen Ausbildung in Leipzig mag sich Georg Anfang 1491 eine Zeitlang in seiner Vaterstadt aufgehalten haben. Wir treffen ihn dann im Spätsommer des Jahres in Köln an, wo sich am 18. Sep­ tember 1491 „magister Georgius Behem de Norenberga“ inscribierte und unter dem Rektorat von Jakobus Amersvordin „ad theologiam iuravit et solvit“ 372). Der Fortgang seines dortigen Studiums läßt sich aus den Universitätsakten gut verfolgen. Im Nov./Dez. 1493 nahm die Universität 1 fl. ein „de magistro Georgio de Nurenberga“, als er den theologischen Baccalaureus erwarb 373). Im Herbst 1495 bezahlte er „ex principio in theol. ... 4 markas“ 374). Erst nach 1500 taucht dann sein Name wieder in den Archivalien auf. Am 22. Dezember 1501 „ ... in eadem congregatione fuit receptus ad facultatem artium honorabilis vir dominus ac magister et sacre theologie subscriptus licentiatus. . . Magister Georgius de Nurenberga“ 375). Aus dem ernsten, jungen Menschen hatte sich ein Mann entwickelt, der sich der Aufmerksamkeit des akademischen Gremiums erfreute. Neben Magister Gerard de Harderwyk war auch Lic. theol. Beheim am 27. Juni 1502 Beauftragter der Artistenfakultät bei der Rektorats­ wahl376). Dieser Niederländer Gerard Henricus — Professor art. und theol. — hatte zu dem jungen Nürnberger besonderes Zutrauen. Er ernannte Georg Beheim, der in Köln selten mit dem Familiennamen, sondern meist nur mit der Herkunftsbezeichnung geführt wurde, zu seinem Testamentsvollstrecker neben Magister Arnold de Tongris 377). In seinem letzten Willen setzte er ein: 369) 37°) 371) 372) 373) 374> 375)

376)

377)

i> *

Erler, Leipzig II, S. 286, 31. Erler, Leipzig II, S. 306, 6. Erler, Leipzig II, S. 318, 25, S. 319, 31. Hermann Keussen, Die Matrikel der Universität Köln, II. Bd. 1476—15 59, Bonn 1919, S. 308, 411, 48. Historisches Archiv der Stadt Köln, Univ. Akten 515 (b) L. R. Rechnungsbuch der Artisten­ fakultät C, 1492—1503, fol. 37 a (Abk. Köln, Archiv, L. R.) Köln, Archiv, L. R. fol. 51 b. „item ex principio in theol. magistri Gorgen Norebergie 4 markas“ . . . vor dem 10. Oktober 1495. Köln, Archiv, Univ. Akten 481, Bl. 16. (1501) Preterea mercurii altera Thome apostoli post meridiem hora prima fuit habita congregatio facultatis artium ad eligendum novum receptorem . . . item in eadem congregatione (siehe Text). Herrn Stadtarchivar Dr. Gerig vielen Dank für die freundliche Bereitstellung der Archi­ valien in Köln und für vorstehenden, wörtlichen Auszug. „ . . . pro electione novi rectoris per venerabiles viros et magistros et magistros intrantes, videlicet magistrum Gerardum de Harderwyck artium magistrum et sacre theologie professorum, magister Gerardum de Kempis legum doctorem, magistrum Theodoricum de Dordraco medicinarum doctorem et magistrum Georgium de Nuremberga sacre theologie licentiatum . . Vorstehender Auszug wird Herrn Stadtarchivar Dr. Gerig, Köln, ver­ dankt. Univ. Akten 39. Fol. 1. Köln, Archiv. Univ. Akten 92, fol. 59b—6lb, 1502 Aug. 6 Testament 1503 Aug. 22 Nachlaß.

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„Regimen burse committo m. Arnoldo de Thongeri et m. Georgio de Nuerenberga lic. et lego eis domum meam, quam . . . multis impensis edificavi..." 378) Georg Beheim war von Ende August 1503 an „Conregens" der Bursa Laurentiana in Köln. Dieses Amt trug ihm erhöhte Verantwortung für die Ausbildung der Jugend ein, die ihm ohnehin als Professor an der Universität oblag 379). Wiederholt trat er als Testamentsvollstrecker auf. So durfte er einem Lands­ mann diesen letzten Dienst erweisen — Peter Kämmerer von Nürnberg 38°). Kämmerer vermachte „parvum horologium m. Georgio Behem de Nuerenberga m. art., lic. theol., regenti burse Lauren" 381). Am 25. November 1503 stand er in einer Kammer der Bursa Laurentiana am Bett des kranken Petrus Brostadt de Huls und nahm sein Testament entgegen. Diese Übertragung enthält für uns das letzte authentisch belegbare Datum, das Georg Beheim an Köln knüpft 382). Es ist anzunehmen, daß seine Übersiedlung nach Mainz im kommenden Jahr erfolgte. Durch die Mitverantwortung für die Leitung der Burse kommt Beheim in verstärkten Kontakt mit Arnold de Tongris, wie er oben bezeichnet wird. Das zu untersuchen ist von Bedeutung. Wer war dieser Arnoldo Luyde von Tongern? Die Persönlichkeit dieses Mannes ist für uns von Interesse. Georg Beheim blieb auch nach den Kölner Jahren noch in Verbindung mit ihm 415). Arnold Luyde (1470—1540) stammte aus der belgischen .Stadt Tongern. 148 5 in Köln immatrikuliert, erwarb er dort den mag. art. und später den Dr. theol. Als Professor der Theologie lehrte er in Köln von 1509—1540. Das in ihn gesetzte Vertrauen offenbart sich in der mehrfachen Übernahme des Rektorats 383). Als Regens der Bursa Laurentiana hat er lange Jahre fungiert und 1530 eine kurze Geschichte von ihr geschrieben. Durch seine brieflichen Beziehungen zu Georg Beheim wurde dessen späteres Lebensschicksal und dann sein Tod in Köln bekannt und darin überliefert 384). Er stand im Lager der Gegner Reuchlins — in der Argumentation vielleicht maßvoller wie seine Mitkämpfer in Köln. Durch die Dunkelmänner-Briefe wurde er in den Vordergrund gerückt. Eine Satire kann als Geschichtsquelle jedoch nicht gewertet werden 385). 378> Testament Ger. Henrici de Harderwyck Univ. Akt. 92, fol. 60a zu Z. 9—10 die zitierte Übertragung. 379) Keussen, Köln Bd. I, S. 111 Nr. 134. Georg Behem de Norenberga lic. theol. Conreg. burse als Prof, der Artisten-Facultät in Köln von 1501—1503 genannt. 38°) Köln, Archiv. Univ. Akt. 92, fol. 6lb—62b, 63a—b. Test. Aug. 25 bzw. Nachlaß Aug. 31. des Petrus Kamerer de Nurinberge. 381) Aus welcher Nürnberger Kamerer Familie dieser Petrus K. entstammte, ist noch nicht ge­ klärt. Wahrscheinlich waren seine Eltern Kontz und Klara Kamerer. Keussen, Bd. I weist Petrus Kamerer de Norinberge 1503 als Prof, der Artistenfakultät nach. P. K. 1493 in Köln imm. 1497 m. art., commensalis von m. Ger. Harderwick. 428, 39. 382) Köln, Archiv. Univ. Urk. N. 78, 1503 Nov. 25. — Die Urkunden der Anm. 378, 380, 382 sind außerdem erfaßt von Joseph Hansen in Mitt. d. StadtA Köln, 36./37. Heft Köln 1918. 383) Keussen, Köln, Bd. I, S. 67, 174. Bd. II, S. 203/204. 384) Köln, Archiv, Univ. Akt. 759. Regentenreihe des Laurentianer Gymnas. fol. 4. Univ. Akten 760. 385) Hans Rupprich, Johannes Reuchlin und seine Bedeutung im Europäischen Humanismus, Pforzheim 195 5. In: Johannes Reuchlin 145 5—1522, S. 26/27 wird Arnold von Tungern genannt, die Dunkelmännerbriefe S. 28. Aloys Börner, Epistolae obscurorum virorum, Heidelberg 1924, Bd. I u. II. Bd. I Ein­ führung Arnold von Tungern gen. S. 9, 11, 105.

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Über zwölf Jahre war Georg Beheim als Lernender und Lehrender an der Kölner Universität gewesen, das hat seine geistige Haltung geprägt. Diese rheinische Hochschule galt als Tochter der Universität Paris. In der theo­ logischen Fakultät war sie den Lehrsätzen des Thomas von Aquin ergeben, der als junger Dominikaner seinem Lehrer Albertus Magnus 1248 von der Pariser Universität nach Köln folgte. Es gilt als sicher, daß unser Magister Georgius de Nuerenberga dem thomistischen Denken zugeneigt war, das verbürgt sein Studium an der von Nürnbergern nicht häufig besuchten Kölner Universität. Schon in Leipzig muß er von der scholastischen Haltung der Kölner Lehrweise gewußt haben. Sie entsprach wohl seinem Wesen; Sachlichkeit verband sich in ihm mit tiefer Gottesliebe. Wird die geistige Haltung Georg Beheims in der Kölner Zeitspanne aus seinen in dieser Periode erworbenen Werken fühlbar? — Innerhalb der Fenitzer-Bibliothek fanden sich eine ganze Reihe von Inkunabeln und Spätdrucken, die Probst Georg Beheim nach seinem Tode der Bibliothek der Lorenzer Kirche in Nürnberg vererbte. Die erneuerte Kenntnis vom Umfang und Inhalt dieser Stiftung gibt dieser Untersuchung die Möglichkeit der Dar­ stellung 386). Aus Leipzig hatte sich der junge Magister u. a. mitgebracht das “Quodlibet sancti Thome“. Dieses 1485 gedruckte Werk hatte er sich bald nach seinem Erscheinen im Jahre 1487 gekauft. Georg Beheim hatte es in Leipzig schon mit tiefem Interesse durchgearbeitet; Vieles ist unterstrichen und mit persönlichen Zusätzen versehen worden 387). Was erwarb sich Georg Beheim in Köln an Drucken? In die Zeit vor 1500 sind durch entsprechenden Eintrag zwei Bücher zu verweisen; das eine hat ,Symon de Cassia zum Autor 388). Unser besonderes Interesse erregt ein Band, der gleich vier Werke verschiedener Ver886) Das Landeskirchliche Archiv, Nürnberg, verwahrt die Fenitzer-Bibliothek, die auf eine Stiftung eines Nürnberger Bürgers des 17. Jahrhunderts zurückgeht. Mit ihr verschmolzen wurde die schon früher bestehende Bibliothek der Laurentiana, der Propst Georg Beheim nach seinem Tode 1520 Bestandteile seiner Bücherei vermachte. — Eine genaue Unter­ suchung aller Druckwerke der Laurentiana, die vor seinem Tode erschienen sind, brachte die Stiftung in ihrem Umfang zutage. Sie kann aus persönlichen Einträgen Beheims oder Schenkungseinträgen nachgewiesen werden. Aus Georg Beheims Bibliothek stammen fol­ gende Bände: Fenitzer I, 67, 68, 69, 70, 80, 388. Fenitzer II, 203, 204, 577, 578, 592, 611, 614, 616, 628, 648, 650, 665, 679. Die Bücher sind sämtlich noch in ihrem originalen Einband erhalten, schön geprägte Ledereinbände, zum Teil Holzdeckel mit Lederrücken. Eine ganze Anzahl der Bücher enthalten auch Sammlungen von Druckwerken, so daß aus diesem erhaltenen Bestandteil der Beheimschen Bibliothek ein guter Überblick über die besonderen Interessen des Besitzers zu gewinnen ist. (Abk. Bibliothek Beheim.) Frau Dr. Mathilde Kopp, Bibliothekarin des Landeskirchl. Archivs herzlichen Dank für ihre Mithilfe und das verständnisvolle Interesse. 387) Bibliothek Beheim, Fenitzer IV, 578. 2° In diesem mit hellem, schönen Ledereinband versehenen Werk steht vorn von einer unbe­ kannten Hand: „A Jesu nato 1520 Dms Georgius Behem theoc professor S. Laurentij Nurmbergen. rector ac prepositus e vivis decedens hoc legato Laurentianam bibliothecam exornavit". Hinten ist dann von Beheims Hand vermerkt: „Emptus est 1487 et constat . ." Der Preis in fl. ist nicht sicher festzustellen. S88) Bibliothek Beheim, Fenitzer IV, 611. Vorn der oben angeführte Schenkungsvermerk und hinten auf dem beklebten Holzdeckel hat Beheim vermerkt: „Iste über emptus est per me Georgium Beham de Nurmberga anno 1497 impensis iij fl. in auro." Das ist ein der Größe nach sehr gewichtiges Buch.

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fasser enthält389). Er ist 1501 erworben worden. Robertus Holkot (f 1349) ist darin vertreten, der von thomistischer Tradition zu nominalistischen An­ schauungen überging. Darin hat der junge Lizentiat nichts handschriftlich ver­ merkt. Lupoid von Bebenburg, jener Bamberger Bischof von 13 53—1363, tritt uns mit einer seiner kirchenpolitischen Schriften entgegen 390). Als zeitgenös­ sischer, einflußreicher Schriftsteller ist der durch das „Narrenschiff (1494) be­ rühmt gewordene Sebastian Brant (1457—1521) durch „Nihil sine causa" (1497 erschienen) darin enthalten. Von den Drucken, die dieser Sammelband birgt, hat Georg Beheim vor allem Reuchlins „de verbo mirifico" mit Aufmerksam­ keit durchgearbeitet. Das beweisen die Anmerkungen seiner Hand. Hans Rupprich bezeichnet dieses Werk „Vom wundertätigen Wort" als die Arbeit eines Gottsuchers. Reuchlin läßt hier die Veränderungen seiner mittelalterlichen Seele durch die Antike und die neuen Bildungselemente bewußt werden 391). Über dieses 1494 erschienene Werk haben sich Reuchlin und Lorenz Beheim 1498 in Rom zusammen unterhalten. Der Bruder Georg wußte von dieser Be­ gegnung und ist den Gedanken Reuchlins ganz bewußt nachgegangen. Das ge­ schah zu Köln in der Stadt, wo dann die grimmigen Gegner Reuchlins saßen und noch dazu unter den Augen des Beheim nahe stehenden Professors Arnold von Tungern. Des weiteren nimmt Georg Beheim in Köln in seine Bibliothek ein Werk von Gabriel Biel (etwa 1418—1495) auf 392), von dem er später noch mehr Ar­ beiten erwirbt. Es weist zwar keine Spuren von Durcharbeit auf. Der Besitz allein aber zeigt schon das Interesse für diesen bedeutenden Vertreter der nominalistischen Theologie und beweist, daß der Lizentiat sich als Anhänger des Thomas von Aquino einer andern Denkweise nicht völlig verschloß. Um 1 fl. in auro erwarb er gleichfalls in Köln den „Tractatus Wilhelmi Parisiensis super passione Christi" 393), das vielfach handschriftliche Anerkennungen ent­ hält. Er wird die Werke für seine Lehrtätigkeit gebraucht haben. — Diese Be­ standteile seiner Bücherei sind bewußt in den Vordergrund gerückt worden, weil sie ein persönliches Zeugnis seiner geistigen Entwicklung bieten. Die Jahre in Köln sahen Beheim zuletzt als Universitätslehrer und in der verantwortlichen Leitung der Bursa Laurentiana — warum vertauscht er diesen Wirkungskreis mit Mainz? Diese Frage ist nicht eindeutig zu klären. Die Über­ siedlung wird 1504 erfolgt sein. Haben ihm die römischen Beziehungen seines Bruders — ehe er selbst die ewige Stadt verließ, die Übernahme des Kanonikats 389) Bibliothek Beheim, Fenitzer 1, 3 88, 2° „praesens über emptus est 1501“ vermerkt Beheim mit dem Preis von 1 fl. 39°) v. Guttenberg, Bistum Bamberg I, S. 216—223, Lupoid. III von Bebenburg, Bischof von Bamberg. 391) Rupprich, Joh. Reuchlin und seine Bedeutung im europäischen Humanismus, Anm. 384), S. 16—18, S. 32. 392) Bibliothek Beheim, Fenitzer IV, 592. 2° Vorn der oft anzutreffende Todeseintrag. Hinten „Iste über cum suo socio emptus est per me Georgium Beham de Norinberga anno 1503 impense 1 fl. et V2.“ Das Werk ist be­ sonders gut erhalten. 393) Bibliothek Beheim, Fenitzer IV, 215 4°.

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am Liebfrauenstift in Mainz erleichtert? —393a) Sicher ist, daß Georg Beheim 1504 in seiner Vaterstadt war. Die Kenntnis davon verdanken wir einem persönlichen Eintrag in einer Schrift „emi Nurmberge 1504 394). Die Anwesenheit Georgs 1504 in Nürnberg unterstreicht auch die angenommene Heimkehr des Kurialen Lorenz in diesem Jahr. Nach jahrelanger Trennung wünschten sich die Brüder einmal wiederzusehen. Das Jahr 1504 wurde für die Gebrüder zu einem Wendepunkt im Ablauf ihrer Lebensschicksale. Nach dem Aufenthalt in Nürn­ berg kann Georg sein Kanonikat in Mainz angetreten haben. Mainz war damals in seiner geistigen Atmosphäre weitgehend geprägt durch die große Persönlichkeit des Kurfürsten und Erzbischofs Berthold, eines Grafen aus dem Geschlecht der Henneberger, der von 1484 bis Ende 1504 als Erzkanzler weitgehenden Einfluß auf die Reichsgeschichte hatte. Er war der weise Fürsprecher einer Reichsreform. — Im Gegensatz zu der 1388 gegründeten Kölner Universität war die Hochschule in Mainz jüngeren Datums und erst 1477 errichtet worden. Wie Beheim seinen neuen Wirkungskreis betrat, war diese Lehrstätte in ihrer Entfaltung begriffen. Wir werden einem Teil der Hoch­ schullehrer in dieser Betrachtung begegnen. Ehe wir von seiner Wirksamkeit im Bereich der Universität berichten, wollen wir uns der Kirche und dem Stift zuwenden, als deren Chorherr Georg Beheim dann fast ein Jahrzehnt fungierte. Sein dortiges Leben vollzog sich unmittelbar im Schatten des Mainzer Domes 395). Die Liebfrauenkirche, eine Hallenkirche, und das Stift lagen vor der Ostapsis des Kaiserdomes. Heute er­ innert nur noch der Name des Platzes an ihr Vorhandensein an dieser Stelle. Nur einige erlesene Kunstwerke, die die Kirche schmückten, sind erhalten ge­ blieben. Ihre heut fast tausendjährigen, berühmten Bronze-Portalflügel — die Willigis-Pforten — sind dem Marktportal des Domes eingefügt worden. Durch “

393a) Eine Forschung, die während der Drucklegung erfolgte, bestätigt diese in der Arbeit aus­ gesprochene Vermutung. — Arch. Vaticano. Reg. Lat. 1135, f. 18—21v. Die dort verzeichnete Bulle Papst Julius II. bringt Vorgänge anläßlich der Verleihung eines Kanonikates zur Kenntnis, die sich durch drei Pontifikate erstreckten. Alexander VI. hatte nach dem Tode von Philipp Kamberger dessen Kanonikat an der Kirche „b. Marie ad gradus Maguntiacum“ . . . „Laurencio Behem, clerico Bambergen, dioc., decretorum doctori, tune familiari suo continuo commensali sub data (16. 2. 1503)“ verliehen, „et deinde, cum dictus Lau­ rentius concessioni gracie huiusmodi litteris apostolicus super ea non confectis in manus bone memorie Pii papae III .. . sponte et libere cessisset“, .. . lies Papst Pius III. „Georgio Behem, licenciato in theologia, . . . graciam facere specialcm . . . sub data (8. 10. 1503)“ und das vorgenannte Kanonikat erteilen. Papst Julius II., der Nachfolger des am 10. Okt. 1503 verstorbenen Pius III., unterschrieb „Rome apud S. Petrum anno incarnacionis Do­ mini 1503 6 kal. Decembris anno primo“ (26. 11. 1503) die Besitzergreifung „prefato Georgio“. 394) Bibliothek Beheim, Fenitzer IV, 616 2°. Dieser Sammelband, der viele Einzelschriften von Paulus Cortesius, Carolus Bovillus, Ulrich Pinder (sicher der Nürnberger Arztf), Laurentius Valla u. a. enthält, trägt vorn den Vermerk Beheims „1515 Liber Georgij Behem TL“. Nicht nur die Jahreszahl, auch der fehlende Zusatz der Herkunftsbezeichnung erweist die Zusammenfassung der Schriften in seiner Nürnberger Zeit. Das letzte der hier zusammengebundenen Traktate, das auf „Dr. Ulricum“ zurückgeht, trägt den Vermerk „emi Nurmberge 1504“. Dafür hatte er 60 Groschen bezahlt. 395) August Schuchert, Die Mainzer Kirchen und Kapellen. Mainz 1940, S. 2 (Abk. Schuchert, Mainzer Kirchen).

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sie ist einst der Chorherr Beheim geschritten. Auch das wundervolle Tauf­ becken der Liebfrauenkirche — 1328 in Zinn gegossen —, das er vor Augen hatte, ist dem Dom einverleibt 396). Vor dem Hauptportal im Osten der Lieb­ frauenkirche führte eine hohe Treppe hinab ins tiefer gelegene Gelände dem nahen Rhein entgegen. Diese Treppe hatte dem Stift als Zusatz zum Namen gedient „Beatae virginis ad gradus“ oder wie es oft im Schrifttum auftaucht als „Maria-Greden-Stift“. An der jungen Universität lehrte als ordentlicher Professor für Rhetorik und Moralphilosophie Rhagius Aestikampianus — einer jener viel wandernden Humanisten — in den Jahren 1502—1506. Ihm verdanken wir in einem Ge­ dicht eine (Schilderung des Lizentiaten Beheim, die unsere Vorstellung von ihm weiter verdeutlicht. „Geboren in den norischen Landen, wo der rußige Werk­ mann aus dem gemischten Metall mächtig tönende Glocken und dem Donner und Blitz gleich zu fürchtende Bombarden gießt, ein Mann, der rein denkt, spricht und handelt, bescheiden und mäßig lebt, selten lacht, wenig redet, ein strenger Richter der Vergehen, ein frommer Priester ist“ 397). Was geht daraus hervor? Ein offenes Bekenntnis zu der Nürnberger Handwerkerfamilie, der Beheim entstammte und die Zeichnung eines nach innen gewendeten Wesens, das dem seines Bruders Lorenz gegensätzlich war. Wie heiter und lebensfroh klangen die Gedichte, die dem päpstlichen Beamten zugeeignet waren/ Alle Versuche, diese „Epigrammata“ im Original einzusehen, waren bisher erfolg­ los 398). Das Gedicht selbst hätte sicher noch manchen Aufschluß mehr über Georg Beheim erbracht, den Rhagius als seinen großen Gönner und Freund rühmt. Wie Georg Beheim in Köln Einfluß auf die Bursa Laurentiana gewann, so entwickelte sich in Mainz für ihn eine ähnliche Stellung an der Burse zum Schenkenberg als einem Institut der Universität. In Mainz war er am MariaGredenstift auf Dr. Ivo Wittich gestoßen, der von 1473 an in Leipzig studierte und dort alle akademischen Würden bis zum Doktorat im Kanonischen Recht erwarb 3"). Dieser aus Hammelburg gebürtige Franke ist bis 1487 mit Sicher396) Schuchert, Mainzer Kirchen, Sammelmappe 15, Alt-Liebfrauen. Die kunsthistorische Be­ trachtung und die beigefügten Abbildungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert zeichnen ein eindrucksvolles Bild dieser schönen, gotischen Hallenkirche. Sie wurde 1793 bei der Stadt­ beschießung beschädigt und 1803—1807 abgetragen. Der Mainzer Dom enthält außer den im Text angeführten Kunstwerken noch weitere vor dem Abbruch überführte, künstlerische Arbeiten aus der Liebfrauenkirche. 397) Bauch, Mainzer Humanismus, S. 54. Aestikampianus wird in dieser Arbeit Bauchs ab S. 45 f. ausführlich gewürdigt. 398) Trotz monatelanger Suche in in- und ausländischen Bibliotheken hat sich bisher kein Exemplar der „Epigrammata Johannis Aesticampiani“ Leipzig, Melchior Lotter, 1507, finden lassen. Dr. Heinrich Grimm, Scheßlitz, hat das gesuchte Druckwerk 1936/37 selbst noch ein­ gesehen und kann hinzufügen, daß Rhagius und Beheim befreundet gewesen sein müs­ sen. Beheim hat diesem Humanisten wohl des öfteren wirtschaftliche Hilfe in Form von Getreide und Weinspenden zugewandt. — Für diesen Hinweis wird vielmals gedankt. :lß9> Erler, Leipzig I, 290, 3 5, Erler II, 248, 6, 2. März 1476, Erler II, S. 37, 43. In der Litera­ tur wird Ivo Wittich mehrfach genannt. Bauch, Leipziger Frühhumanismus S. 20—21. Bauch, Mainzer Humanismus, S. 12 f. 1501 war Wittich mainzischer Sigillifer, 1501 und 1502 Kanzler der Universität. 1504 stiftete er an der Universität eine Lektur für Ge-

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heit in Leipzig nachzuweisen — als Universitätslehrer und als Herausgeber einer für Leipzig ersten originalen Klassikerausgabe. Ivo Wittich hat beide Beheims in Leipzig beim Studium erlebt. Er war 1491 vom Erzbischof Berthold von Henneberg als Rat an seinen Hof berufen worden und war 1504, als Georg Beheim ihn in Mainz wieder traf, gerade Rektor der dortigen Universität. Wittich, der auch 1495—96 als Vertreter von Mainz am Reichskammergericht gewirkt hatte, sah in Georg den rechten Vollstrecker seines letzten Willens nach seinem frühen Tod am 4. 12. 1507 400). Dieser Ehrenpflicht werden Ur­ kunden verdankt, die Beheims Wirken in Mainz näher beleuchten. Aus Ivo Wittichs Vermögen gab er 1510 einen bedeutenden Betrag her, um Grund­ besitz zu erwerben und die Stiftung der Burse Schenkenberg zu ermöglichen 401). Mit dieser Hergabe wird er im Sinne des Erblassers gehandelt haben, den er schon lange kannte. Die schon bestehende Burse „Zum Algesheimer" war der theologischen Denkweise der „Nominalisten" verschrieben. Sie hielten sich an die von Occam begonnene Begriffsbildung. Die „Realisten" führten ihre Denkweise auf Albertus Magnus, Thomas von Aquin zurück. Durch diese neue Stiftung, die als Kollegium den Beinamen „zum h. Thomas von Aquino" führte, sollte der von Köln ausgehende, geistige Einfluß gestärkt werden. Das war ganz im Sinne Georg Beheims. Die Geldgeber waren neben Beheim Peter Phirssen, Dr. med. 402), Tilman Silbach (Selbach?), Stiftsherrn Unser Lieben Frauen in Mainz. Peter von Vierssen aus Friesland war ein angesehener Gelehrter, Prof. phil. und med., dazu mehrfach Rektor der Universität Mainz gewesen. Hochbetagt starb er im Liebfrauenstift 1517, als Georgs Neffe Sebald Chorherr am gleichen Stift war. Es ist interessant, daß die drei Darleiher der 200 fl. sich ausbedungen haben, daß nach ihrem Tode der Prior und Lektor der Mainzer Dominikaner den maßgeblichen Einfluß auf die Wahl der Regenten der Burse ausüben sollen. Fände sich in Mainz kein geeigneter Regens, dann sollte er aus Köln geholt werden. Das bestätigt den Kölner Führungsanspruch. schichte, S. 18. Wittich hat allen Mainzern sichtbar durch einen in seinem Rektoratsjahr 1504 gesetzten Denkstein gleichfalls sein Zeugnis für Guttenberg vor aller Welt ab­ gelegt. — Wittich war eine besondere Persönlichkeit gewesen — ein Humanist, der nicht nur sprachliche und poetische, sondern auch historische Interessen vertrat. — Der Nach­ weis seiner Abstammung u. a. auch: Gerhard Zimmermann, Das Breslauer Domkapitel im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation, Weimar 193 8, S. 577. 400) StadtA. Mainz, Mainzer Urkunde 1510, Jan. 10 Universität. Org. Perg. Urkunde. Zeile 10. „spectabilis vir dominus Georgius Beheim Sacre theologie licentiatus ex testamento eximii viri domino doctore Ivonius wittich canonicus ad gradus centum“. Beheim gab 100 fl. her. Als Testamentarier des Sieglers Ivo Wittich finden wir Georg Beheim auch am 5. Okt. 1508 genannt in: Fritz Herrmann, Quellen zur Topographie der Stadt Mainz, Häuser u. Steuerlisten 1497—1541, Mainz 1914, S. 119. 401) Fritz Hermann, Die Mainzer Bursen „Zum Algesheimer“ und „Zum Schenkenberg“ und ihre Statuten. Darmstadt 1907. In: Beiträge zur Gesch. der Univ. Mainz u. Gießen, S. 99 f. 402) Margarete Dörr, Das St. Mariengredenstift in Mainz, Dissertation, Mainz 1953, erwähnt Viersen und Silbach S. 89 u. 84 als Chorherren des Stiftes. Dieser Arbeit werden wert­ volle Forschungsergebnisse über das Stift verdankt. — Peter (von) Viersen war seit 1487 Kanonikus des Stiftes.

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Die von Beheim, Viersen und Silbach bestimmten derzeitigen Regenten waren M. Johann Lapicide, Nikolaus Holtmann aus Ahaus in Westfalen 403), der gleichfalls in Köln studiert hatte, und Nikolaus Gerbel aus Pforzheim 404), der später besonders geschätzte Humanist. Durch den maßgeblichen Einfluß, den Beheim auf diese Burse ausübte, kam er in lebendigen Kontakt mit der studierenden Jugend. Die meisten seiner Freunde waren dazu Professoren; er selbst lehrte in Mainz als Dozent für Theologie. Wo wirkte er als Priester? Dafür haben sich neben seinem Chorherren-Amt zwei Nachweise erhalten. Beheim resignierte am 7. 2. 1511 „ad Cappellaniam Capelle sancte Martini" 405). Kann die Martinskapelle des damaligen Domes identisch sein mit dem heutigen Martinschor — dem großen Westchor? In der Altmünster-Kirche hatte Beheim den Wilhildisaltar inne, davon wird noch später die Rede sein. Mit einigen Domherren stand der Lizentiat in besonderem Konnex. Er wurde neben dem Domherren Johann von Guttenberg Testamentsvollstrecker für den Domherren Wolf von Bicken, der Gültbriefe über den Zoll zu Ehrenfels am Rhein besaß 406). Die in Würzburg und Mainz vorhandenen Urkunden brachten über die Mainzer Jahre dieses Geistlichen einigen Aufschluß. In seiner Bibliothek hat sich leider kein Buch erhalten, das sich durch seinen handschriftlichen Eintrag zweifelsfrei auf diese Jahre zurückführen läßt. Es sind eine Reihe von un­ datierten Bänden auf uns gekommen. Die Kölner und die Nürnberger Er­ werbungen haben den Zeit-Eintrag. Vielleicht sind die nicht datierten auf Mainz zurückzuführen? Georg Beheim unterhielt sicher wie viele seiner Zeitgenossen einen aus­ gedehnten Schriftwechsel. Allein schon durch die Leipziger und Kölner Jahre hatte er eine Fülle von menschlichen Begegnungen gehabt, deren Eindruck sich in Mainz noch vertiefte. Von ihm selbst ist im Gegensatz zu seinem Bruder Lorenz kein Brief erhalten geblieben. Ein Briefkonzept Willibald Pirckheimers gibt uns Kenntnis von einem Schreiben des Nürnberger Ratsherren nach Mainz; es ist bald nach dem 24. Oktober 1507 geschrieben worden 407). „Quamvis omnes tuos sumopere diligam, praecipue tarnen tibi ac fratri Laurencio sumopere devictus ac deditus sum ..." Pirckheimer schätzt die ganze Familie Beheim, ist aber besonders Georg und seinem Bruder Laurentius überaus ver403) Nikolaus Holtman gen. bei E. W. E. Roth, Westfälische Gelehrte zu Mainz 1442—1591 in Zeitschr. f. vaterl. Gesch. u. Altertumskunde, Münster 1899, 57. Bd.; S. 109—112. 404) Nikolaus Gerbel (1485—1560) Univ. Köln 1506, dann Mainz, Wien und Bologna. Seit 1515 in Straßburg, wo er als Prof, für Geschichte wirkte. Lex. f. Theol. u. Kirche IV. Allg. Dtsche. Biographie, Bauchs Rezeption des Humanismus in Wien. 40ä) StA. Würzburg, Mainzer neureg. Urkunde B 88 Perg. ohne Siegel 7. Febr. 1511. — Auch erwähnt in Herrmann, Mainzer Protokolle, S. 650, Anm. 1. 406) StadtA. Mainz, Mainzer Urkunden 278 a 1513 März 14. St. Agnes. Perg. Urkunde ohne Siegel. Georg Beheim im Zusammenhang mit einer Stiftung Wolf von Bicken noch einmal 28. 9. 1528 in Herrmann, Mainzer Protokolle S. 383 Anm. genannt. 407> Reicke, Pirckheimer II, S. 10—11. StA Nbg. RB 8, fol. 399.

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blinden und ergeben. Er preist ihre Gelehrsamkeit und vielfältigen Kennt­ nisse; das ausgesprochene Lob wird ehrlich gewesen sein. Der Ratsherr möchte Georg Beheim wieder in die gemeinsame Vaterstadt zurückholen. Jedoch wäre die Pfründe neben einer angenehmen Wohnung ziemlich geringfügig; vielleicht könnten da aber Freunde helfend einspringen. Georg Beheim verzichtet auf dieses Angebot. Seine Stunde zur Rückkehr in die Heimat hatte noch nicht geschlagen. Christoph Scheurl hatte im Frühjahr 1512 auf der Durchreise von Witten­ berg nach Nürnberg in Bamberg zufällig Georg Beheim, den er schon länger kannte, wiedergesehen. Beheim war gerade bei seinem Bruder Lorenz zu Be­ such. Dies Zusammensein der Brüder in den Ostertagen 1512 214) überliefert uns ein Brief des Lorenz Beheim an Pirckheimer 408). „Frater meus te salutat, brevi, ut sperat, te alloquuturus, quandoquidem domum festinat." Georg Beheim, der Pirckheimer einen Gruß bestellen ließ, hoffte ihn baldigst in Nürn­ berg selbst zu sprechen. Lorenz berichtet dann noch, daß er seinen Bruder ge­ lehrt hat, verschiedene Destillate zu machen 409). — Es ist möglich, daß Georg Beheim auf der Rückreise nach Mainz bei dem Aufenthalt in Nürnberg neben Pirckheimer auch Scheurl besucht hat. Es entspann sich jedenfalls ein Brief­ wechsel zwischen dem Nürnberger Ratskonsulenten und dem Mainzer Stifts­ herren. Scheurl war daran interessiert, zwischen Georg Beheim und Jodokus Trutvetter (etwa 1460—1519), dem angesehenen Professor der Theologie in Erfurt, freundschaftliche Beziehungen herzustellen410). Diesem Bemühen ver­ danken wir mancherlei Hinweise auf Georg Beheim. Trutvetter hatte Scheurl mitgeteilt, daß er Georg Beheim ein Traktat geschickt hätte; er würde ihm auch noch gern weitere nach Mainz schicken, falls der Chorherr daran Gefallen hätte. Scheinbar hatte sich der Dank für diese Sendung verzögert, denn Scheurl zweifelt in diesem Brief vom 7. September, den er Georg Beheim, „Theologie professori ad gradus beate virginis canonico Maguntiaco“ schreibt, ob er das „tractatulum“ bekommen hat4U). — So war der Briefwechsel Trutvetter/Beheim schon eingeleitet worden. Am gleichen Tag schrieb Scheurl auch an Trutvetter, daß er Lorenz Beheim, der „hac die apud nos fuit“, Post „ad fratrem Georgium“ mitgegeben hätte412). Im Brief Scheurls an Trutvetter vom 5. November 1512 ist ein Auszug aus Georg Beheims Antwortbrief auf diese Anfrage vom 9. Sep­ tember erhalten 41y): „Interea venio ad nostrum Bohemum.“ Scheurl hätte vor408) Reicke, Pirckheimer II, S. 143, Z. 25—26. 40S)) Reicke, Pirckheimer II, S. 145, Z. 13—14. 410) Gustav Plitt, Jodokus Trutfetter von Eisenach, der Lehrer Luthers, Erlangen, 1876, S. 52 Georg Beheim genannt. — Scheurl hatte auch die Verbindung von Albrecht Dürer zu Trutfetter hergestellt, der dem Theologen ein Geschenk übersandte. 4U) Familienarchiv von Scheurl, Fischbach, Cod. 306, fol. 137b. Bauch, Scheurls Briefbuch, lenkt S. 428 die Aufmerksamkeit auf diesen Brief. Das Datum scheint nicht richtig übertragen. Es steht „nonas septembris“ im Original. 412) Familienarchiv von Scheurl, Fischbach, Cod. 306, fol. 140 u. 140 b. Scheurl hat Lorenz Beheim zugleich mit dem Brief an seinen Bruder auch ein Schreiben „doctori Hermani“ in Bamberg mitgegeben. Bauch, Scheurls Briefbuch, S. 428. Auch hier wird das Datum der 9. 9. 1512 sein und nicht 2. 9. 1512. Siehe Anm. 161. 413) Soden, Christoph Scheurls Briefbuch I, S. 103, 104.

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gestern einen Brief von ihm gehabt, — Beheim, der nach seiner Angabe in­ zwischen Trutvetter selbst geantwortet hätte, nahm mit folgenden Worten in seinem Brief an Scheurl zu dem Erfurter Gelehrten Stellung: „Accepi dudum doctissimi viri, theologi maximi Jodoci Truttfetter, opusculum, quod in rationali philosophia ob adolescentulorum profectum edidit..." Beheim hätte das kleine Werk längst bekommen und erkennt dann die Gedanken des Erfurter Professors ganz und gar an. Er hätte ihm deshalb mit Dankbarkeit geant­ wortet und der Erwartung Ausdruck gegeben, daß weitere Veröffentlichungen dieser Art ihm nach Mainz zugehen möchten. Trutvetter und Beheim waren demnach beide ehrlich an einer Vertiefung der Bildung des Nachwuchses inter­ essiert. — Nach dem wörtlichen Auszug aus dem Mainzer Brief fährt Scheurl dann fort — vielleicht hatte der Erfurter Theologe irgendwelche Bedenken wegen Beheims verzögertem Dank geäußert —, „soweit ich es selbst wahrnahm, ist Georg ein guter Mensch, rechtschaffen, ganz offenherzig, menschenfreund­ lich, gebildet und ein ganzer Theologe". Scheurl hoffte, die Freundschaft zwi­ schen den beiden von ihm verehrten Theologen vermittelt zu haben. Mainz war in den Jahren von 1509—1513 zu einem Brennpunkt im Kampf für und wider Reuchlin geworden 4U). Georg Beheim hat als Angehöriger der theologischen Fakultät diese Auseinandersetzungen miterlebt. Von ihm selbst fehlt leider jede persönliche Stellungnahme dazu. Sein besonderes Vertrauens­ verhältnis zu Prof. Arnold von Tungern, dem bekannten Gegner Reuchlins in Köln, läßt uns seine Stellungnahme gegen die Judenbücher und somit auch gegen Reuchlins Veröffentlichungen vermuten. Emil Reicke weist auf einen „Magister Georgium de Nurenberga" hin, der Briefe Arnold von Tungerns 1512 in Mainz überbracht hatte415). Das kann niemand anders als Georg Beheim gewesen sein, der im ganzen Kölner Freundeskreis unter dieser Be­ zeichnung bekannt war. Lorenz Beheim war mit all seinen Freunden bis hin zur Kurie, wo Jakob Questenberg und Kaspar Wirt für den angegriffenen Huma­ nisten eintraten, für Johannes Reuchlin eingenommen. Georg war zum min­ desten in den Mainzer Jahren im Gegenlager zu suchen. Die Brüder haben sich darüber nicht entzweit. Es erweist sich aber als eine interessante Tatsache, wie hier Veranlagung und Umgebung bei der Urteilsbildung mitgewirkt haben. Der den Brüdern Beheim wohlbekannte Propst Anthon Kress an St. Lorenz in Nürnberg war — zart und schmächtig von Konstitution — vor der Zeit seinem großen Pflichtenkreis erlegen. Er starb am Donnerstag Abend den 8. September 414) F. W. E. Roth, Der Kampf um die Judenbücher und Reuchlin vor der theologischen Fakul­ tät zu Mainz 1509—1513. In „Der Katholik“, Mainz 1909, 89. Jhg. Bd. XI/7. Heft. 415) Reicke, Pirckheimer I, S. 32—33. Arnold von Tungern, gut bekannt mit Georg Beheim, hat an den Mainzer Stiftsherrn geschrieben und Briefe an Peter Meyer, den Plebanus in Frankfurt beigelegt, die dann von Beheim überbracht wurden. Arnold von Tungern wurde selten mit seinem Familiennamen „Luyde“, sondern meist mit der Herkunftsbezeichnung geführt. Roth, s. Anm. 415 schreibt in „Der Katholik“ S. 142—143: „Der Frankfurter Pfarrer Meyer untersagte den Verkauf des Augenspiegels und ließ gegen ihn predigen (17. 9. 1511). Das war falsch, das Verbot ließ die Nachfrage nach dem Buch nur steigen.“ — Reuchlins Augenspiegel war August 1511 erschienen. Der „Augenspiegel“ war die Ant­ wort auf Pfefferkorns „Handspiegel", den er Arnold von Tungern, Regens der Laurentianerburse in Köln (Frühjahr 1511), gewidmet hatte.

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1513 im Alter von 35 V2 Jahren418). Schon am Tag darauf trat der Rat der Reichsstadt zusammen und nominierte wiederum einen Sohn Nürnbergs — Georg Beheim — zu seinem Nachfolger. Noch am gleichen Tag, Freitag den 9. September wurde ein Brief an „unsern prokurator zu Rom, Herrn Kaspar Wirt Doktor" abgefertigt, er möge „bey Babstlicher Heyligkeit" ein neu possession und provision erlangen für den „hochgelerten Herrn Georgen Beheim" 417). Am Samstag den 10. September ging dann erst das wohlgesetzte Schreiben des Rats an den ausersehenen Geistlichen nach Mainz ab. Nachdem der bisherige Propst „seinen tödlichen Abschied auß diesem Jammertal ge­ nommen" . . . „haben wir fürgenommen, ain anndern Brobst an des abgangen stat zu benennen vnd darauff ewer wirdigkeit alls denen, der vnns yedesmals für gotsfürchtig, from vnd tuglich berömbt vnd zu vnnser Stat Nürnberg alls seines vadterlannds geporen Ist, für einen Brobst benent... ist darauff. . . vnnser dienstlich bitten . . . euch zu vnns gein Nürnberg furderlich thun auch darin bedencken den gemeinen nutz ewers Vaterlands, den Ir durch ewer gegenwurtigkeit, wie vnns nit zweyfelt, gegen Got vnd den menschen ewren pfarkynndern höchlich . . . meren vnd furdern megt" 418). Der Ruf der Vaterstadt wird Georg Beheim bewegt haben und er ist ihm gefolgt. — Christoph Scheurl teilt am 16. September 1513 Trutvetter nach Erfurt mit, daß Georg Beheim „nuper magno senatus consensu applaudente populo" zum Propst von St. Lorenz berufen worden sei. Scheurl hofft, daß der Erfurter Professor nun den Weg zu einem Besuch nach Nürnberg finden würde 419). Am 30. September kann der Ratskonsulent dem Erfurter Theologen schreiben, daß „noster Georgius Behem" die Berufung angenommen hätte — er, der erste Theologe nach lauter Juristen 42°). So spiegelt sich diese Wahl im zeitgenössischen Briefwechsel. Leider ist uns die Antwort Georg Beheims nicht erhalten geblieben. Aus einem Brief des Rats an den Bamberger Bischof erfahren wir nun offiziell am 10. Ok­ tober 1513, daß „der new angesehen Brobst zu sant Laurentzen . . . newlicher tag hat geschriben, die brobstey anzenemen vnd sich mit dem schirsten in Nürnberg zu thun ... so wir vnns nun seiner Zukunft ungeverlich in acht Tagen verhoffen . . ." 421). Georg Beheim rüstete inzwischen zum Aufbruch von Mainz, wo er fast ein Jahrzehnt gelebt und gewirkt hatte. 416) Kress, Briefe des Sixt Tuchter, Anz. f. Kde. d. dtsch. Vorzeit 1877. Die zarte Konstitution des Propstes Anthon Kress wird erwähnt. 417) StA Nbg. BB 71 fol. 99. Dieser Brief war dem RB 10, fol. 97 nach durch „ein eylends post" „ains erbern rats sindico zu Rom doktor Kaspar Wirt“ gesandt worden. Hierony­ mus Holzschuher, dessen Antlitz Dürer uns so eindrucksvoll überliefert hat, hatte neben Georg Fütterer und M. Johann Polraus, dem Notar, vom Rat den Auftrag erhalten, die Formalitäten dieser Propst-Wahl durchzuführen. 418) StA Nbg. BB 71, fol. 99—99b. 419) Familienarchiv von Scheurl, Fischbach, Cod. K. fol. 169b. 42°) Familienarchiv von Scheurl, Fischbach, Cod. K. fol. 17lb Z. 20—21 f. 421) StA Nbg. BB 71, fol. 135. Nach der Einsicht wurde festgestellt, daß Reicke, Pirckheimer II, S. 280 auch diesen Brief im Zusammenhang mit den Verträgen über die Nürnberger Propsteien bringt und darauf hinweist, daß Dr. Lorenz Beheim (BB. 71, 158) die Übergabe der Vollmachten an den Bischof vermittelte.

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Wir können uns nach dem Brief des Rats fast den Tag der Ankunft er­ rechnen. Durch das herbstliche Frankenland war er der Heimat entgegen­ gefahren, das Bild des Lorenzer Pfarrhofes vor seinem geistigen Auge, dessen ehrwürdiges Gemäuer ihm seit seiner Kindheit vertraut war. Heut kündet nur noch ein Bild von diesem malerischen Alt-Nürnberg 422). — Eine Mauer aus Quader- und Brockensteinen, doppelt mit Dachziegeln gedeckt, schloß die ganze Anlage südlich des Ostchores der Kirche gegen ihr Gelände ab. Georg traf bald in der „curia et habitatione parrochialis . . . ecclesie sancte Laurencii Nurenbergensis“ ein. Die Gebäude des Propsteihofes lagen in huf­ eisenförmiger Anlage in gehörigem Abstand von der Grenzmauer abgerückt vor dem Geistlichen. Den linken Flügel bildete ein stattlicher Fachwerkbau, der durch einen zweiteiligen Sandsteinerker in rechteckiger Grundform seinen besonderen Schwerpunkt erhielt. Dieser besondere Schmuck ging auf eine Stiftung von Propst Lorenz Tücher 423) von 1480 zurück. Ganz massiv aus Stein bis zum Dach war das eigentliche Propstei-Haus erbaut. Sein gotischer Kapellenchor lockerte den Ernst der Breitfassade auf und nahm den Blick gefangen — fast so wundersam und in den Formen ähnlich dem Sebalder Chörlein, das uns erhalten blieb. Konrad Konhofer, Pleban und Rektor zu St. Lorenz 424), hatte den Chor 1439 erbauen lassen. Wie der Erker Tuchers sein Familienwappen trug, wies diese Stiftung das Wappen Kunhofers auf 425). Südöstlich schloß sich an den Hof ein kleiner Garten an, der ein Gartenhaus umschloß. Es blieb ein Inventar erhalten, das es uns möglich macht, das Pfarrhaus mit Georg Beheim zu durchschreiten 426). Darüber hinaus ergibt ein anderer Bericht Tatsachen, die etwas von dem Leben spürbar werden lassen, das in diesen Räumen waltete 427). 422) Denkmalsarchiv der Stadt Nürnberg, Photo Dr. Nagel (14604) nach der Beilage zum Be­ richt vom 13. 11. 1841. Einzelheiten zur Beschreibung des Pfarrhofes sind neben dem Inventar aus dem Kressarchiv Anm. 426 entnommen: StA. Nbg., Akt. der kgl. Bayer.-Reg. K. d. J. Nr. 6813 und Landeskirchl. Archiv Nbg. Verpachtung d. ehern. Schaffners Wohnung von 1836 im Lorenzer Pfarrhof. Bericht vom 28. 11. 1822. Diesen beiden Berichten kommt besondere Bedeutung zu, weil sie den Zustand vor dem Umbau nach 1841 beleuchten. Der Archivarin am Landeskirchl. Archiv, Helene Burger, wird für ihre freundliche Mit­ hilfe herzlich gedankt. Urs Boeck, Karl Alexander Heideloff, MVGNbg. 48 (1958), S. 369 1. bringt das Bild des alten Pfarrhofes von St. Lorenz und S. 364—65 Heideloffs Bemühungen um dieses alte Bauwerk. 423) Kraus, die Stadt Nürnberg in ihren Beziehungen zur Römischen Kurie . . . MVGNbg. 41 (1950) Lorenz Tücher S. 76—78. 424) MVGNbg. (1928) Dr. Konrad Konhofer f 1452, Pfarrer von St. Lorenz 143 8—52, S. 242 f. Johannes Kist, Die Matrikel der Geistlichkeit des Bistums Bamberg (195 5 ff) S. 129. 425) Wilhelm Paeseler, Die Nürnberger Chörlein, Erlangen 1932. Das Chörlein am Lorenzer Pfarrhof S. 49—51, S. 114 Register über das Vorkommen beider Chörlein von 1439 und 1480. 426) Kress-Archiv, D XXVII birgt die Inventaraufnahme des Lorenzer Pfarrhofes nach dem am 8. 9. 1511 erfolgten Tod von Propst Anthon Kress von Notar Johann Polraus voll­ zogen. 427) Stadt-A Y 291, Hektor Pömer Einkommen/Ausgab der Propstei St. Lorenz. Diese auf­ schlußreiche Zusammenstellung bringt zum Vergleich auch das Einkommen zur Zeit von

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Im ersten Stockwerk neben der „camera dormitorii“ mit dem „Spanpedt mit aym grünen arresen Himmel und furhang“ war ein „vorderes Stüblein“, das als Wohnraum mit „einem Tisch in der außladung“, Polsterbänken, „dreypaint stüll“ eingerichtet war. Hier standen Zinnkrüge und Becher zum Zutrunk für Freunde beim abendlichen Gedankenaustausch bereit, wenn der Raum von den Kerzen auf dem „hangenen Leuchter“ erfüllt war. — Im Studierzimmer daneben kann man vielleicht auch bei Beheim einen Schreibtisch vermuten, — Kress hatte einen in seinem Besitz gehabt — dazu einen geflügelten Tisch, Leder­ sessel mit Messingknöpfen und dreibeinige Stühle. Hier wird Beheim seine private Bibliothek untergebracht haben — alle die vielen, schönen, leder­ gebundenen Werke, die er in den dreißig Jahren seiner auswärtigen Studienund Dozentenzeit in Leipzig, Köln und Mainz erworben hatte. An das Studier­ zimmer schloß sich dann wohl die Hauskapelle an, die wir von außen be­ trachteten, die innen einen steinernen Altar trug. Die Räume im ersten Stock­ werk waren um einen geräumigen Saal gruppiert. Eigentlich war es nur ein unwahrscheinlich großer und heller Vorplatz. 14 Fuß hoch, 80 Fuß im lichten, 37 Fuß tief, so lauten die alten Angaben. (Der Nürnberger Fuß = 0,303 m.) Der Raum war unheizbar, sein Fußboden war „geöstreicht“, der Plafond eine altdeutsche Holzdecke. Im Erdgeschoß lagen die große Konventstube und die Wirtschaftsräume. In der Küche waltete der Koch Heinrich mit den Küchen­ buben seines Amtes. Darin gab es allein 135 Pfd. Zinn zu pflegen; im Keller und Stüblein war noch mehr Zinn gestapelt — 228 Pfd. Für die Zubereitung der Speisen waren vielerlei Behältnisse vorhanden — für die Fastenmahlzeiten 1 messing- und 1 kupfernes „vischpehk“, dazu „pratpfannen“, „kupferdurchschläge“, einen „glockenspeis-mörser“, „leuchter mit drein rohren“ und auch einen Kupfer-Wasserzuber, der mit dem vom Schöpfbrunnen geholten Wasser zu füllen war. — Das Inventar der Pfisterei, der Kellnerei ist aufgeführt. Viele Wäsche, Tischtücher und Handtücher waren für den großen Haushalt nötig. Auf den vier Hausböden lagerten zur Zeit des Todes von Propst Kress einige Hundert Simra Korn. Die ausgedehnten Kellergewölbe bargen den Wein, der täglich zu den Mahlzeiten getrunken wurde. Das Inventar, das Notar Johann Polraus nach dem Tode von Propst Kress so umsichtig aufnahm, lehrt uns das Innere der Propstei mit den vielen Schlaf­ kammern und Gewölben kennen. Da das Haupthaus mit dem Seitenflügel im Innern verbunden war, könnte man treppauf, treppab wandern — vom „gewelb vnder der .Stiegen“ zu der Kammer auf der Stiegen, daneben die Kammer „uff dem Thor“, zu des Predigers Gemach, in der Choralis-Kammern bis hin zum „hintern Stüblein beim garten gegen der gassen“. Sogar das „Summerhaus oder Lawben“ können wir im Garten betreten, das unten Tische, Credenz und Bänke enthielt, auch das „Gemach vff der Lawben“ ist eingerichtet. Propst Kress und Propst Beheim. Dazu genaue Angaben über die Zahl der Hausgenossen und Hinweise darauf, wie Propst Beheim die Beköstigung regelte. — Diese Arbeit wird Alexius Pirbaum, der am 5. 8. 1516 zu einem Kirchner bei St. Lorenz bestellt worden war, verdankt, und der somit auch schon Propst Georg Beheim gedient hat. Nachrichten über Pirbaum bei Lochner-Neudörfer, S. 183—185.

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Das war die tägliche Umwelt des neuernannten Propstes, ein umfangreicher Hausstand, der ständig fast 20 Menschen zu versorgen hatte. Da war der Pre­ diger, der Schaffer 428), der Schulmeister, denen der Propst zu trinken und zu essen gab „als gut er es selber hat“. Beheim ließ nämlich auch dem Schulmeister, „wiewohl er nicht verpflicht, zu jeglicher Mahlzeit ein Seidel Weins geben“. Dann kamen 6 Zuherren — wohl die Kapläne — hinzu, denen Beheim auch beim „Zumuß“ der Verpflegung entgegenkam. Zu diesem Personenkreis der kirchlichen Verwaltung traten alle anderen Hilfskräfte, — der Kellner, der Koch, die Küchenbuben, die Predigersknaben, Hausknechte, die „Chorales“ und der Schreiber. Das war ein stattlicher Kreis, der da täglich Wohnung und Kost genoß — „item so isset der Organist alle Pfinstag im Pfarrhoff auch alle Fest, so er auf der Orgel schlägt“, dazu kamen noch zu „Hochzeitlichen Festen“ wie Ostern, Pfingsten, Kirchweih, zum Fest ,St. Lorenz der Kirchner mit seinen zwei Knechten. An solchen Tagen bekam die ganze Tischrunde, die Kapläne und das Hausgesinde eingeschlossen, Wein zum Mahle. — Zudem gesellten sich noch oft Gäste, vor allem vom bischöflichen Hofe in Bamberg dazu. Des Bischofs „Botte“ war oft zu versorgen, der dann wohl auch zu ge­ gebener Zeit die zwei Körblein Feigen mit nach Bamberg nahm, die die Pfarrei Lorenz alljährlich einmal seiner Gnaden in Bamberg überreichte. — Das Or­ ganisieren in Küche und Keller hat der Koch Heinrich mit seinen Helfern ge­ leitet und seinem Pfarrer diese Mühe abgenommen. Georg Beheim übernahm — ernst und gewissenhaft wie er als Mensch war — kraft seines Amtes nun die Seelsorge für einen großen Pfarrsprengel, zu dem in Stadt und Land 12 000 Kommunikanten gehörten. Der frühere Propst Sixt Tücher hatte 1503 an seinen Amtsnachfolger Anthon Kress geschrieben, das Amt sei zwar einträglich, aber eine ungeheure Belastung für Geist und Kör­ per429). Christoph Scheurl gibt uns eine Beschreibung der Persönlichkeit Beheims, wie er jetzt vor seine Gemeinde trat. Auch dieser Propst hält täglidi die Messe, predigt, lebt so rein und erbarlich, daß wir andern von seinem Leben ein Recht, recht zu leben, entlehen mögen. „Er hat ein rechter Mannsleng, ein kal Haupt, ist bräuniet, zwey vnd fünffzig Jar alt“ 43°). Von seinem Studierzimmer aus fiel Beheims Blick ständig auf den schönen Ostchor seiner Pfarrkirche — der Lorenzkirche —, die zu allen Zeiten der Stolz der Nürnberger Bürger war. Es wird ein besonderer Tag für die Rotschmieds428) J. Andreas Schmeller, Bayerisches Wörterbuch, Stuttgart/Tübingen, 1817—1837, S. 379, 2. Sp. In Nürnberg hießen Schaffer die ältesten Diakone der beyden Hauptkirchen, welche die gottesdienstlichen Verrichtungen unter die Geistlichen zu verteilen hatten. — Das gilt sicher auch für die vorreformatorische Zeit. Einem anderen Hinweis nach war der Schaffer einem „procurator“ gleichzusetzen. 429) Kress, Briefe des Sixt Tücher, Anz. f. Kde. d. dtsch. Vorzeit, 1877. 43°) Scheurl, Vita Anthon Kress, fol. 8 oben kommt er darin auf dessen Nachfolger Beheim zu sprechen. Diese Zeilen enthalten die einzige überlieferte Altersangabe von Georg Beheim. Handschriftlich geschrieben hat es Scheurl 1513, gedruckt wurde es 1515. Die Angabe von dem Alter von 52 Jahren wird sich auf 1513 beziehen, wie anzunehmen ist. Georg Beheim wäre sonst noch später — erst mit 23 Jahren zum Studieren gekommen. In der zeit­ genössischen Übersetzung der Lebensbeschreibung, die gleichfalls im Germ. Museum vor­ handen und auch ausgestellt ist (Raum 42), kommt Georg Beheim S. 15 oben vor.

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familie Beheim mit allen ihren Zweigen gewesen sein, als einer der Ihren als Träger einer so hohen geistlichen Würde in seiner Vaterstadt den Altar zum ersten feierlichen Gottesdienst betrat. Mit den Verwandten nahmen Ratsherren und Genannte daran teil, vor allem Hieronymus Holzschuher, dessen Erscheinung durch Dürers Gemälde noch gegenwärtig ist, der Beheims AmtsÜbernahme einzuleiten und durchzuführen hatte 417). Trug Georg Beheim an diesem Tage den „Weyss tamaschkh Chormantel auf dem Schilt der Englisch grus, Wolff Eyssens und der Beheim-Wappen“ — ein Geschenk seiner Schwester Otilia Eysen 130) und zur Messe das „Roth Samath Meßgewant mit einem cruzifix und seinem Familienwappen“?431). Nicht nur die Beheim-Familie — alle gewerbefleißigen Familien Nürnbergs — werden sich an diesem neuen Propst gefreut haben, „applaudente populo“, wie es in einem zeitgenössischen Brief heißt. In der Kirche hingen wohl an diesem Tage die wundervollen, alten Wirk­ teppiche aus, um die Festlichkeit des Tages zu erhöhen. — Geistliche und welt­ liche Würdenträger werden Georg Beheim in der Propstei nachher ihre Glück­ wünsche dargebracht haben. Die Gabe eines Gastes ist uns noch heute erhalten. Albrecht Dürer übergab ihm in einem prächtigen Ledereinband, in großem Format mit 10 Messingknöpfen und zwei Schließen versehen, Werke seiner Hand — das Marienleben, die Apokalypse und die große Passion in einem Buch vereint in der Ausgabe von 1 511 432). Ein kostbares Geschenk, das Beheim vorn mit diesem Eintrag kennzeichnet: „Liber Georgii Beham licenciati Teologie ex donatione Alb. Dürer.“ Die Albertina in Wien verwahrt noch ein weiteres Geschenk Dürers an Georg Beheim 433). Die erste Amtshandlung nach der erfolgten Berufung wird die Siegelung des Vertrages zwischen dem Bischof von Bamberg und dem Rate der Stadt Nürnberg gewesen sein, über das ius patronatus an den beiden Kirchen, die am 431) StadtA Nbg. YY 159 Inventarius vber St. Lorentzen Clainod im 1524 jar beschriben. Neben dem einen p. 10 aufgeführten *Meßgewand aus Georg Beheims Besitz kommen p. 10b drei Chormäntel vor, die durch sein Wappen ausgewiesen sind. 432) Das Geschenk Dürers an Georg Beheim kam 1520 als Stiftung an die LaurentianaBibliothek. Sie hatte ihren Standort in einem zweiteiligen Gewölbe im Erdgeschoß des Seitenflügels der Propstei. Dort verblieben die Bücher dann rund dreihundert Jahre bis 1822. Dann wurden sie mitsamt der Fenitzerbibliothek in die Stadtbibliothek überführt. Ihr Standort wurde sodann das Dominikanerkloster. Pfarrer Joh. Wolfgang Hilpert, der sich um die Sammlung geschichtlicher Nachrichten der Lorenz-Kirche besondere Ver­ dienste erworben hat, hat sie katalogisiert. — Das Geschenk Dürers führt heute die Be­ zeichnung „Fenitzer 2", 140, 2°, ist im Besitz des Landeskirchl. Archivs Nürnberg und als Leihgabe im Germanischen National-Museum Nürnberg, Raum 42 aufgestellt. 433) Hans Rupprich, Dürers Schriftlicher Nachlaß, I. Bd. Berlin 1956 bringt S. 293 Kenntnis von einem weiteren Geschenk Dürers an Georg Beheim. Es handelt sich um das Marien­ leben in einem altgebundenen Exemplar. — Der Eintrag darin „Nürnberg 1513" ist ohne Einsicht Beheim nicht zuzuweisen. Dagegen ist die Fassung „Liber Georgij Beham lic(entiati) teologie. Ex donatione Alb(erti) Dürer" die gleiche wie im Sammelband im Germanischen Museum. — Im Wiener Dürer-Band fehlt der Stiftungsvermerk, den eine andere Hand in den meisten Büchern nach seinem Tode eingeschrieben hatte. Anm. 3 87. Das ist auffallend. Es handelt sich bei diesem Geschenk Dürers wohl um ein Werk, daß nach seinem Tode in den Besitz seiner Verwandten überging. Wie es in die Albertina kam, konnte trotz Nachfrage leider nicht geklärt werden. 14

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Donnerstag nach Matthäi 1513 vollzogen wurde und die das sehr gut er­ haltene große Siegel von Georg Beheim trägt 434). — Propst Beheim hatte bald eingesehen, daß seine Pfarrkirche dringend einer Überholung bedurfte. Sie wurde gleich 1514 durchgeführt — vielleicht erstrahlte dann zum ersten Lau­ rentiusfest, das er mit seiner Gemeinde im August dieses Jahres beging, der wunderbare Raum in neuem Glanz. Eine Inschrift kündet heute noch die Tat­ sache dieser Restaurierung. Rechts oben neben dem Hauptportal innen steht zu lesen: „1514 ist vernewt worden dise kirchen“. Auf dem Lorenzer Friedhof ließ gerade damals Kunz Horn, ein vermögender Nürnberger Bürger, eine St. Annenkapelle erbauen. Nun gründete Horn bei diesem Neubau eine reiche Pfründe und Zeuge dieser Handlung war am 2. April 1514 Georg Behaim, Propst zu St. Lorenz 435). So wirkte Georg Beheim allenthalben kraft seines Amtes. Da der Rat der Reichsstadt Nürnberg zugleich mit der Bestätigung Beheims das volle Patronatsrecht für St. Lorenz und auch für St. Sebald erstrebte, zog sich der endgültige Zeitpunkt seiner kirchlichen Bestätigung noch länger hin. Es wurden viele Briefe zwischen Nürnberg und Bamberg gewechselt, bis endlich Mitte Mai 1514 der Vertrag mit allen Beibriefen den beiderseitigen Ver­ tretern an der Kurie zugestellt wurde, für Nürnberg dem langjährigen Ge­ schäftsträger Kaspar Wirt101) und dem Mainzer Dekan Johann Buren, für Bamberg dem Dompropst Markward von Stein und dem Kulmbacher Pfarrer Paul Neydecker 223). Alle vier waren bereits in Rom. Wirt und Neydecker wa­ ren an den Verhandlungen führend beteiligt 430). Am 27. November 1514 er­ teilte Papst Leo X. „Romae apud S. Petrum“ die Bestätigung „ . . . Melchior Pfintzing S. Sebaldi et Georgius Behem S. Laurenti ecclesiarum praedictarum rectores..." 437). Georg Beheims geistliche Stellung brachte Ehrenpflichten mit sich. Nach­ weisbar ist er Testamentsvollstrecker von Mathes Landauer 438), aus dessen 434) StA Nbg. Päpstliche und fürst. Privilegien Nr. 479, 1513 Sept. 22. Auffallend ist dies errechnete Datum! Beheim kann an diesem Tage noch nicht in Nürnberg gewesen sein. 435) StA Nbg. Rep. 74. Urk. des Stadt- u. Almosenamtes Nr. 25 8. 436) Kraus, Die Stadt Nürnberg in ihren Beziehungen zur Römischen Kurie. MVGNbg. 41 (1950) § 15. Eroberung des Ämterbesetzungsrechtes. S. 82. Die Einsetzung Beheims und der damit verknüpfte Vertrag ist dort eingehend wiedergegeben. 437) J. Hergenroether, Leonis regesta Nr. 12 963. StA Nbg. Rep. lb Päpstl. u. fürst. Privilegien Nr. 484, Nov. 27, 1514. Orig. Pergament mit anhängender Bleibulle. 438) Mathäus Landauer, der neben seinem Handwerk als ein früher Industrieller im damaligen Nbg. anzusprechen ist, hat sich durch die Stiftung des „Zwölfbrüderhauses“ — eines Alters­ heimes — und als Mäzen von Albrecht Dürer einen Nachruhm erworben, der noch heute wirksam ist. Dieser Landauer bestellte für die Allerheiligenkapelle (siehe Schaper, Bau­ meister Hans Beheim der Älterere, MVGNbg. 48 (1958) S. 132) — des sogenannten Landauerklosters — 1511 u. a. auch eine Altartafel bei Albrecht Dürer. Dies berühmte Allerheiligenbild — heute im Besitz des Kunsthistorischen Museums in Wien — hat uns Darstellungen von Mitgliedern der Familien Landauer und Haller erhalten, die sowohl Georg als auch Lorenz Beheim bekannt waren (siehe auch Anm. 196 und 311). Wilhelm Waetzoldt, Dürer und seine Zeit, Zürich 195 3 weist S. 145 auf den Bildnis­ gehalt des Allerheiligenbildes hin.

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Hinterlassenschaft er 1515 als Ewiggeld 1740 Gulden anlegte 439). Mit ihm teilten die Verantwortung für dieses große Vermögen u. a. Willibald Pirckheimer und Jakob Muffel 205), den auch Lorenz Beheim gut kannte. Es war wirklich ein dichtes Netz menschlicher Beziehungen, in das die Brüder Beheim und ihre Freunde Pirckheimer und Dürer einbezogen waren. Zu der Seelsorge traten Aufgaben kirchlicher Verwaltung und die Ver­ antwortung für die ordnungsgemäße Leitung der Lorenzer Lateinschule. Als Kirchenmeister standen ihm bis 1514 Lorenz Haller, 1514—1516 Endres von Watt, der Bruder des Lorenz Beheim gut bekannten Professors Paulus von Watt 22, 23) zur Seite, denen von 1516—1519 Hans Hübner und danach Wil­ helm Schlüsselfelder folgten. Als Kirchenpfleger fand Beheim 1513 Jakob Groland vor, dessen Amt 1519 Kaspar Nützel übernahm 440). — Wir haben Georg Beheim nicht nur als einen gewissenhaften Theologen, sondern auch als einen ausgesprochenen Pädagogen kennen gelernt. So wird ihm die Förderung der Lorenzer Schule besonders am Herzen gelegen haben. Diese Lehranstalt schaute schon auf eine lange Tradition zurück. In Erscheinung tritt sie 1362 zum ersten Mal bei der Beurkundung eines an ihr wirksamen „ludimagisters“ 441). Be­ heim, der an Bursen der Universitäten Köln und Mainz besonderen Einfluß gehabt hatte, wird an dem Lehrplan erhöhtes Interesse gehabt haben, um die Hochschulreife der Jugend zu fördern. Manch fruchtbares Gespräch mag er mit Willibald Pirckheimer in dieser Hinsicht geführt haben, der 1509 zum Visitator der Sebalder und Lorenzer Schulen bestimmt wurde 442). Beheim fand bei seinem Amtsantritt als Schulmeister Johann Dobeneck aus Wendelstein vor. Er wurde meist Johannes Cochläus genannt und war ein Humanist von Kenntnis und Würdigkeit. Cochläus, der von 1504 an in Köln studierte und sich dort den Magistergrad erworben hatte, wurde 1510 zum Rektor und Schulmeister der Lorenzer Pfarrschule berufen 443). Mit seinem direkten Vorgesetzten — Propst Beheim — wird er durch das Studium in Köln gute sachliche und auch persönliche Kontakte gehabt haben. Reicke weist darauf hin, daß Cochläus ein Epicedion auf den verstorbenen Propst Anthon Kress am 19. Dezember 1513 seinem Nachfolger Georg Beheim gewidmet hat 444). Die Zusammenarbeit blieb nicht lange erhalten, weil Cochläus Pirckheimers Neffen Geuder zum Studium nach Italien begleitete. Daß Cochläus Georg 439) StA Nbg. AStB Nr. 286b, Ewiggeldbuch der Reichsstadt Nürnberg, fol. 95, ebenso StadtA Nbg. LL 29 fol. 165 „der erwirdige vnd hochgelerte Herr Jorigen Beham, Brobst vnd Pfarrher zu sannt Lorenz“ am 10. November 1515 als Vormund des Mathes Landauer genannt. StA Nbg. Rep. 8. Kirchenurkunde Nr. 242, 1515, 26. April, Propst Beheim kauft Ewig­ geld aus dem Vermögen Landauers. 44°) Andreas Würfel, Diptycha ecclesiarum, Verzeichnis der Geistlichen, Nürnberg 1759. Kirchenmeister S. 50. Kirchenpfleger S. 49. 441) Johann Christian Siebenkees, Materialien zur Nürnbergischen Geschichte, Nürnberg 1792, I. S. 275. 442) Rudolf Hagen, Willibald Pirckheimer in seinem Verhältnis zum Humanismus und zur Reformation. MVGNbg. 4, (1882), S. 79, Anm. 71. Diese Arbeit weist auf den großen Einfluß Pirckheimers auf das Nürnberger Schulwesen hin. 443) Georg Andreas Will, Nürnbg. Gelehrtenlexikon I, Nürnberg-Altdorf 1755, S. 202—213. 444) Reicke, Pirckheimer II, S. 249, Anm. 2. 14

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Beheim des öfteren in seinen Briefen an Pirckheimer aus Bologna erwähnt, entging bisher der Beachtung, weil er nicht den Namen, sondern nur Beheims Amtsbezeichnung einsetzte. „Dedi ad dominum Praepositum S. Laurentii, inter caetera, duas quaterniones quintae in Justinianum querelae, ut tibi legendas transmittat“ 445). Cochläus hat somit mit Georg Beheim auch in direktem Brief­ wechsel gestanden. Als nächster Rektor der Lorenzer Lateinschule ist von 1517 an Johann Ketzmann (1487—1542) erwiesen, der in Schwabach bei Nürnberg geboren war. Wie die Zeit der Vakanz in der Leitung überwunden wurde, steht nicht fest. Christoph Scheurl riet Ketzmann, dem Kölner Dominikaner, in einem Brief am 24. Juni 1517, sich durch Briefe das Wohlwollen des Propstes Georg Beheim und des Ratsherren Hieronymus Ebner zu erwerben „Hi docti doctas amant“ 446). Lorenz Beheim hatte sich in der Zeit der Vakanz für den „rector scholarium“ am Stephansstift in Bamberg als empfehlenswerten Schulmeister für die Lorenzer Pfarrschule eingesetzt 447), auch Cochläus hatte von Bologna aus in die Frage der Nachfolge eingegriffen: „ . . . scripsi etiam Domino praeposito de eodem“ 448). Der verlorene Brief an Beheim wird, was die Frage seines Nachfolgers anging, im Inhalt ganz ähnlich dem an Pirckheimer gewesen sein. Cochläus empfahl einen Lehrer „qui ad annos quinque in Svvabach scholis praefuit“. Er erwähnt, daß er z. Zt. in Köln ist und gibt ihm ein gutes mensch­ liches und fachliches Zeugnis. Da Cochläus auch hier keinen Familiennamen er­ wähnt, bleibt nur zu vermuten, weil Köln und Schwabach erwähnt sind, daß es sich um Johann Ketzmann handeln könnte. Im gleichen ,Sinn hatte er also auch Propst Beheim geschrieben, wie hier ersichtlich wird. Nachdem sich Georg Beheim in seinem großen Pflichtenkreis mehr und mehr eingelebt hatte, freute er sich, andere Theologen als Gäste bei sich zu sehen. So ist in einem Brief Scheurls vom 5. September 1514 an Trutfetter nach Erfurt, dem er schon mehrfach vorher Grüße des Propstes bestellt hatte 449), eine herzliche Einladung Beheims an den Erfurter Professor erhalten. Christoph Scheurl schreibt, daß „noster praepositus. . . nihil magis optat. . . [quam] quod te hospitaliter recepturus sit; expectat tuas litteras“ 45°). Ob Trutfetter der Ein­ ladung Folge geleistet hat? — Am 15. Dezember des gleichen Jahres übersandte Scheurl nach Erfurt Georg Beheims Antwort „in causa Eckiana“ 451). Am glei­ chen Tage ging auch Doktor Johann Rüdiger in Eichstätt ein Brief des Rats­ konsulenten zu. Scheurl schrieb ihm: „praeposito nostro reddidi tuas“, und, daß er ihn gebeten hätte, Rüdiger 452) „iudicium suum in causa Eckiana“ zu 445) Heumann, Documenta, I. Epistolae Io. Cochlaei S. 12—13. Die Cochläus-Briefe an Pirck­ heimer sind dort auf S. 1—87 veröffentlicht. Will, Nbg. Gelehrten-Lexikon I, S. 210 weist hin auf Cochläus: „Vita Theodorici regis quondam Ostrogothorum et Italiae. Querela itidem de reipubl. statu sub Justiniano Imp. I." 446) Soden-Knaake, Chr. Scheurls Briefbuch, II, Nr. 134. 447) StadtB Nbg. P. P. 375, (57. Leider ist der Name des Bamberger Rektors nicht festzustellen. 448) Heumann, Documenta, I. Epistolae Io. Cochlaei, S. 16. 44fl) Familienarchiv von Scheurl, Fischbach, Cod. K. fol. 179 a und fol. 181a. 45°) Familienarchiv von Scheurl, Fischbach, Cod. K. fol. 187. 451) Familienarchiv von Scheurl, Fischbach, Cod. K. 194 b. 452) Kist, Matrikel Bamberg, S. 338 Nr. 5128.

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schreiben 453). So wird uns wieder ein Briefpartner Beheims authentisch über­ mittelt. Es wird aus einer Antwort Scheurls offenbar, daß Trutfetter sich im Früh­ jahr 1515 fragte, ob Georg Beheim im Unterrichtssystem seine Richtung billige. tScheurl beruhigt ihn am 16. April 1515 deswegen und versichert ihm, daß „noster vero praepositus in philosophia insignitus est Lipsii“; das gewähr­ leistete wohl die von Trutvetter erhoffte Haltung454)- Am 24. Juli 1515 brachte Friedrich Peypus in Nürnberg die „Viertzig sendbriefe“ heraus. Es sind die von Christoph Scheurl aus dem Latein ins Deutsche übersetzten Briefe Sixt Tuchers an Charitas Pirckheimer und Apollonia Tücher, die er mit ehrenden Worten Georg Beheim, dem Theologie-Professor und Propst, widmete 455). Es ist erwähnenswert, daß Lorenz und Georg Beheim gemeinsam die Ehre widerfuhr, von einem Verfasser eines zeitgenössischen Werkes zu „Germaniae Theologis nobilioribus ac jurium praestantissimis“ gezählt zu werden 456). Franciscus Irenicus — sein Name war eigentlich Franz Fritz, der 1495 in Ettlingen (Baden) geboren wurde — war von Jugend an historisch interessiert. Er unternahm es als junger Heidelberger Magister, Quellen zur Geschichte Deutschlands zusammenzutragen. Paul Joachimsen, der sich ausführlich mit diesem Werk auseinandersetzte, fand es begreiflich, daß ein solches Buch selbst unter den sich drängenden Ankündigungen auf anderen Gebieten, den Dunkel­ männerbriefen, dem Triumphus Reuchlins, den ersten theologischen Arbeiten Luthers, Aufsehen erregte 457)Ehe Georg Beheims Wirksamkeit in Nürnberg weiter zu untersuchen ist, sei noch eine Urkunde mitgeteilt, die uns die Lösung einer seiner Mainzer Beziehungen überliefert. Im Pfarrhof zu St. Lorenz in Nürnberg wurde am 12. März 15 1 5 458) beurkundet, daß Georg Beheim auf die Altarpfründe 453) Familienarchiv von Scheurl, Fischbach, Cod. K. fol. 195. Z. 2 f. Beheim scheint Rüdiger besonders gewogen zu sein. Scheurl schreibt fol. 179 b auch, daß Beheim gewünscht hätte, Rüdiger zu grüßen. Mit „in causa eckiana“ sind Johann Ecks Disputationen „de licitis usuris“ gemeint, s. Bauch, Scheurls Briefbuch, S. 446. Reicke weist auch in Pirckheimer II, S. 12 auf Georg Beheims Gutachten über die durch Eck aufgerührten Wucherfragen hin. 454) Familienarchiv von Scheurl, Fischbach, Cod. K. fol. 202, Z. 5 f. 455) Viertzig sendbriefe / aus dem Latein / in das Teutsch/ gezogen . . . Nürnberg, 1515. Wil­ helm Graf, Doktor Christoph Scheurl von Wilhelm Graf, Doktor Christoph Scheurl von Nürnberg, Leipzig/Berlin 1930, S. 59. Grafs Stellungnahme zu Sendbriefen, S. 157. Die Sendbriefe im Schriftenverzeichnis. 456) Francisci Irenici Ettlingensis, Exegesis Historiae Germaniae, Hannoviae 1728. Dies Exem­ plar einer späteren Ausgabe wurde in der Erlanger Universitätsbibliothek eingesehen. S. 81, die Brüder Beheim erwähnt. Die Erstausgabe August 1518 durch Anshelm-Hagenau herausgekommen, den Verlag hatte Koberger-Nürnberg übernommen. 457) Paul Joachimsen, Geschichtsauffassung und Geschichtsschreibung in Deutschland unter dem Einfluß des Humanismus. Leipzig, Berlin 1910. In „Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renaissance“ Heft 6. Franz Irenikus S. 169—185. Die zitierte Stel­ lungnahme S. 171. 458) Herrn Dr. Falck, Stadtarchiv Mainz, wird für sein freundliches Interesse vielmals gedankt. StadtA Mainz, Urkunde Altmünster 1515, März 12. „Reverendus vir dominus Georgius Behem praepositus et plebanus parrochialis ecclesie Sancti Laurenti Nurenberge Bambergensis necnon ecclesie beatae virginis ad gradus Maguntinensis canonicus ac altarista

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St. Wilhildis gegenüber Äbtissin und Convent von Altmünster 459), der die Kollatur dieser Pfründe zustand, verzichtet. Als Zeugen waren in Nürnberg zugegen Nikolaus Linhardt und Paulus Lang 46°), Kleriker der Bamberger Diözese. Beheims Rechtsvertreter in Mainz war Johann Reuß 461), Propst zu St. Stephan, Gottschalk Eschenbruck 462), Stiftsherr von St. Peter und zu „Unser Lieben Frauen" (Mariagredenstift) und Magister Ahus, Stiftsherr von St. Jo­ hann in Mainz. In der Literatur wurde der beachtenswerte Hinweis gefunden, daß Erzbischof Albrecht von Mainz am 12. Februar 1517 als Subkommissar eines verkündeten Ablasses für die Markgräflich-Brandenburgischen Besitzungen in Franken, Dr. Jodokus Lorcher, Pfarrer zu Neumarkt ernannte. Mit ihm erhielt den glei­ chen Auftrag für Nürnberg Georg Beheim, Propst zu St. Lorenz 463). Dieser Ablaß war 1516 von Papst Leo X. bewilligt worden. Der Dominikaner Tetzel erschien in diesem Zusammenhang seit Januar 1517 als Generalsubkommissar des Mainzer Erzbischofes 464). Georg Beheim — in Mainz wohl bekannt — hatte somit eine Funktion übertragen bekommen, die ihn in Beziehung zu dem Ablaß brachte, der tiefgreifende Folgen hatte. Wir besitzen leider von Georg Beheim keine persönlichen Stellungsnahmen zu religiösen und zeitpolitischen Fragen, wie sie sich von seinem Bruder er­ hielten. Wie schon ersichtlich war, stand er in Mainz in persönlichen und schrift­ lichen Beziehungen zu Gegnern Reuchlins. Welchen Standpunkt hat er in diesem Streit in den späteren Nürnberger Jahren vertreten? — Pirckheimer hatte den Propst in seiner Verteidigungsschrift für Reuchlin in dem Kreis „wahrer

"•J

460)

481) 462) 48S) 484)

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sancte wilhildis virginis Monasterii veteris celle eiusdem loci ..." Beurkundet wurde „in curia et habitatione dicte parrochialis ecclesie sancti Laurencii Nurenbergensis." Leider fehlen Unterschrift und Siegel an dieser Pergamenturkunde. Sie sind durch Abschneiden entfernt worden. Bis 1799 werden in Mainz noch mehr Georg Beheim betreffende Ur­ kunden vorhanden gewesen sein. „1799 brachen die Franzosen das Liebfrauen StiftsArchiv in der Kirche auf, stahlen das Eisen an den Kisten, und verkauften fuhrenweise die Urkunden und Acten an die Käsekrämer." Nachweis: Anzeiger f. Kunde der deutsch. Vor­ zeit, 21. Bd. 1874, S. 341. Schuchert, Mainzer Kirchen, Mappe 7. Altmünster. Als Gründerin dieser sehr alten, klösterlichen Anlage wird die aus der Gegend von Würz­ burg stammende fränkische Heilige Bilhildis genannt. Für die Anlage, die zunächst „Hohes Münster" hieß und aus einem Kloster und einer Kirche bestand, kam später die Be­ zeichnung „vetus monasterium" auf. Das Altmünsterkloster mußte bei der Schönbornschen Neubefestigung geschleift werden. S. 5. Kist, Matrikel Bamberg erwähnt weder Nikolaus Linhardt noch Paul Lang; vgl. jedoch bei Kist Nr. 3898. Herrn Staatsarchivdirektor Dr. Schnelbögl glückte es, Paul Lang als Zeuge in Urkunden für die St. Lorenzkirche in Nürnberg nachzuweisen, 1514 und 1517. In der letzten Be­ urkundung wird er als Kleriker Paul Lang von Lauf bezeichnet. Besonderen Dank für diese Feststellung. Dörr, Das St. Mariengredenstift in Mainz, S. 80. Johann Reus von Warberg Scholaster 1505. Beheim ist ihm also am gleichen Stift begegnet. Hermann, Quellen zur Topographie der Stadt Mainz, Mainz 1914, S. 16. Gottschalk Eschenbrucker f 1515, April 1. J. H. Hennes, Albrecht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz und Magdeburg, Mainz 1858, S. 49. Pastor, Bd. IV. S. 235—236. Der Mainz-Magdeburgische Ablaß.

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Theologen" genannt 284). Er verdiente diese Bezeichnung. War es ihm aber recht, dadurch in den Kreis der Reuchlinisten einbezogen zu werden? — In die­ sem Zusammenhang ist eine Stelle im Brief seines Bruders Lorenz vom 8. No­ vember 1517 von besonderem Interesse: „Et primo ad hoc, quod Lucianum unum dono dederis fratri meo, qui tacet“ 485). Pirckheimer hatte nach Bamberg geschrieben, daß er Propst Beheim einen Lucian, dem die Verteidigungsschrift Reuchlins beigegeben war, geschenkt hätte und daß der Beschenkte schwiege. Lorenz unterhält sich nun mit seinem Freunde darüber, warum Georg Beheim schwiege. Er hätte nichts, was er verbringen oder Widerreden könnte, und so schwiege er. „Veritatem agnitam enim vir bonus neutri quoque impugnabit.“ Dieser Satz sagt über den Menschen Georg Beheim aus, daß er die Schäden erkannte und die erkannte Wahrheit — auch wenn er einmal im gegnerischen Lager gestanden hatte — nicht anfeindete. Im Gegensatz zu seinem Bruder Lorenz war er aber dagegen, die Satire — wie sie sich in der Art der Dunkelmänner-Briefe zeigte — als Mittel auf dem Wege einer Neuordnung zu nutzen. Der Spott lag ihm nicht. Er verwarf ihn völlig, dafür gilt das Zeugnis seines Bruders im Brief vom 9. Febr. 1518. Lorenz hatte von Schriften des Dr. med. Fabius Zonarius berichtet, der gegen die Kölner Reuchlin-Gegner Ortwin, Thungern und Hochstraten in der Art der Dunkelmänner schrieb312): „Quodsi frater meus illa legeret, excommunicando diabolo ipsum (nisi poenitentia condigna satisfaceret) daret“ 466). Er würde den Schreiber mit den schärfsten Mitteln exkommunizieren. Zwischen den Zeilen kann man lesen, wie schwierig die Situation der Theologen geworden war, die sahen und doch kaum eine Möglichkeit zum Ein­ greifen hatten. Georg Beheim war durch die vielen Besuche, die er erhielt, über die Entwicklung auf dem laufenden. Im August 1517 war ihm als Hausgast Dr. Kaspar Wirth von Rom angekündigt worden. Der Rat der Reichsstadt hatte seinem Prokurator an der Kurie geschrieben, der auf seiner Deutschland-Reise schon bis Augsburg gekommen war, er möge sich auch nach Nürnberg bemühen, im Pfarrhof zu 5t. Lorenz Herberg nehmen, wo er mit gutem Gemach bewirtet werden soll 467). Diese Einladung ist bemerkenswert, weil sie die Gastlichkeit der Lorenzer Propstei hervorhebt und auch deutlich macht, daß in diesen Räumen wichtige Gespräche zustande kamen. Selbst der Bamberger Bischof erstrebte ein persönliches Zusammentreffen mit dem erfolgreichen Diplomaten aus Rom 25°). In seinen letzten Lebensjahren war der Propst an St. Lorenz von einer be­ sonderen Frage sehr in Anspruch genommen. Kaiser Maximilian hatte sich über die Art und Weise des Begräbnisses bei den Pfarrkirchen und Klöstern der Stadt aufgehalten. Nun versuchte der Rat der Stadt Grund und Boden für Fried­ hofsanlagen vor der Stadt zu gewinnen. In den Ratsverlässen ist zu lesen, daß dem Propst Laurenti angezeigt wird, „das ein Rat endlich entschlossen sey, ein Gotsacker vor der Stat in sannt Lorenzen pfarr machen zu lassen" 468). Entweder 465;> 466) 487) 468)

StadtB Nbg. P. P. 375 (38. Z. 6—10. StadtB Nbg. P. P. 375 Z. 7—8. Heumann, Documenta S. 262. StA Nbg. BB 77, fol. 49, Mittwoch nach Laurenti 1517. StA Nbg. RV Nr. 619, fol. 4. Sabato post Vincenti 1518.

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solle der Propst einen passenden Standort wählen oder der Rat wolle es für sich selbst tun. Der Ton läßt darauf schließen, daß Verhandlungen darüber schon früher angebahnt, aber noch zu keinem Ende geführt waren. Der neue Gottes­ acker wird dann Ostern 1518 zum ersten Mal beim Gostenhof vor dem Spittler Tor erwähnt 469). Hans Stegmann hat durch seine Arbeit die Aufmerksamkeit auf diese Verhandlungen gelenkt und dazu beigetragen, daß Briefe zwischen Lorenz Beheim und Pirckheimer in den Jahren 1517 und 1519 dem Verstehen nahe gebracht werden. Der entstehende Friedhof mußte eine feste Einfriedung erhalten, eine Kapelle sollte darin erbaut und St. Rochus zu Ehren geweiht werden. Konrad Imhoff (1463—1519) wollte die Stiftung und den Bau der Kapelle übernehmen. Da kam es zwischen ihm und Propst Beheim zu Miß­ helligkeiten. Der Propst von St. Lorenz hatte sich nämlich an den Rat gewandt, um von dem in der zu erbauenden Rochuskapelle anfallenden Opfergeld einen Anteil zu erhalten. Der Rat hielt das Ansinnen für billig, noch dazu, wo der Propst ihm die Bestimmung des Anteiles überlassen hatte. Allein Konrad Imhoff schlug rundweg ab. Der Rat bat nun den Propst, sich „aim erbaren rath zu eren und gefallen“ nachgiebig zu zeigen. Den Verhandlungen bis ins Einzelne zu folgen würde zu weit führen 47°). Da Konrad Imhoff noch nicht einlenkte, fragte der Rat bei dem Propst von St. Lorenz an, ob dieser mit seiner Familie die Stiftung der Kapelle unternehmen wolle. Propst Georg Beheims Antwort auf dieses an sich ehrenvolle, aber auch recht kostspielige Ansinnen spiegelt wohl fast wörtlich das Nürnberger Ratsbuch: „ob nachmaln die ImHof oder sunst yemand des Raths sich solchs Gepeus der Kapellen vnd Stifftung ainer ewigen meß vndersten vnd beladen, will er deß absten . . .“ Er hatte sich mit seiner Familie beraten und formuliert nun den Entschluß: „ . . . vnd von wegen der begerten erstattung des costens mit dem kirchhof fund er seinen mit­ verwandten der naigung nicht, dhweil der costen mit dem paw vnd der stifftung sunst groß vnd biß in die 3000 gülden lauffen werd, das der an den costen des Kirchhofs ichtzig geben wöll, darumb sein bit sey, ein rat solte sy deßhalb nicht anziehen vnd den vertrauen auff inn stellen. Wo im Got das leben gönnte, alß das er mit der Zeit in ersparung seines einkommens widerrumb zu ainem Vorrat kommen“, dann wird er das, „was im von geistlichen güttern zusten vnd vberpleib, das er desselben gar nichtzit seinen freunden sonndern dem gemain nutz in die losungsstuben verordnen vnd schaffen will“ 471). Wir hören Georg Beheim hier in der ihm eignen Redeweise seiner Meinung Ausdruck verleihen, darum ist dieser Wortlaut von besonderem Interesse. In den erhaltenen Briefen zwischen Lorenz Beheim und Pirckheimer taucht die Frage der Verlegung der Begräbnisstätte der Lorenzer Gemeinde zum ersten Mal am 18. Dezember 1517 auf, „darüber daß mein Bruder nicht so leicht ,sepulturae transferendae’ zustimmt, wundere ich mich nicht“. Die folgende Stellungnahme des Bamberger Chorherren und seine Begründung der noch nidit erfolgten Zustimmung ist auch in der Übersetzung nicht einfach zu 469) Hans Stegmann, Die Rochuskapelle zu Nürnberg, München 1885, S. 9—13. 47°) STA Nbg. RV Nr. 634, fol. 6,10—14, 16 enthält Material zu diesen Verhandlungen, um nur einige Nachweise zu nennen. 471) StA Nbg. RB Nr. 11, fol. 201, quarta post Reminiscere 1519, (22. 3. 1519).

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deuten. Es käme nur darauf an, daß der Propst nicht opponiere. „Dennoch weil die Theologie auf einem festen Felsen gegründet ist, werden Überredungs­ versuche nicht leicht zugelassen . . wenn nämlich das nicht von ihm, sondern von seinen Vorgesetzten und dem Bischof stammt, so ist das seine Sache, die Kirchen zu begrenzen und die Friedhöfe zu ordnen ..." 472). In dem Hin und Her der Meinungen sollte dann ein Ratsverlaß 468) klärend wirken. Im Jahre 1518 wurde der Platz für den neu zu errichtenden Friedhof der Lorenzer Pfarrgemeinde bestimmt. Die Frage, wer die Kapelle stiftete, blieb noch bis 1519 unentschieden. Pirckheimer bewährte sich durch seinen Rat und seine Fürsprache in diesen Verhandlungen. Lorenz dankt dem Ratsherren am 7. März 1519 für seine freundschaftliche Tat mit folgenden Worten 473): „Ago tibi gratias, quia fratribus meis in tua tutela inprimis assistis"; Pirckheimer hatte also dem Propst und seinem Bruder Sebald durch seinen Schutz beigestanden — und wie Lorenz weiter ausführt — jedem von beiden in wirksamer Weise, — dem Propst, das ist ohne Namensnennung ersichtlich, gegen die Macht des Rates und besonders gegen Konrad Imhoff. — Lorenz Beheim scheint am 23. März noch nicht zu wissen, daß sein Bruder Georg von der Stiftung der Rochuskapelle für sich und seine Familie Abstand genommen hat, wie es im Ratsbuch unter dem 22. März 1519 zu lesen ist471). Die durch die Ereignisse überholte Stellungnahme aus Bamberg ist aber doch recht aufschlußreich für das Wesen des Propstes, daß sie wörtlich gebracht wird: „Was mein Bruder gegen die Ratsherren durchgesetzt hat, gefällt mir nicht aus dem Grunde, weil mein Bruder kein aktiver Mensch ist und wenn er sich mit Bausachen einläßt, wird ihm alles nicht ausreichend erscheinen, und doch gefällt mir andererseits, daß er sein Vorhaben durchgesetzt hat. Aber ich habe keine Sorge, ich weiß, daß er das erledigen wird, da er sich freiwillig in Sachen eingelassen hat, die ihn nichts angehen. Ich wollte, daß er das ,Seinige bewahre, als daß er es für den Bau ausgibt. Diese seine ehrenvolle Aufgabe — eher Last — hätte ich gern anderen überlassen" 474). War trotz Propst Beheims Ablehnung, die Stiftung der Rochus-Kapelle zu übernehmen, die Verhandlung darüber mit dem Rat immer noch in der Schwebe? — Am 29. März nimmt Lorenz Beheim erneut zu der Frage Stellung: „Darüber, daß mein Bruder gegenüber den Ratsherren die Oberhand behalten hat und sich die Herren vom Rat ihm gefügig gezeigt haben, muß man sehr dankbar sein. Du denkt gewiß ebenso wie ich. Wenn ich an seiner Stelle wäre, wollte ich lieber, daß er den Ratsherren diese Baulast überlassen hätte/ Ich würde mich in keiner Weise um die Gunst des Volkes kümmern, daß sie sagen: ,Ey, ein frummer pfarrer’ und er würde sein Vermögen bewahren ..." Dann fährt der Chorherr fort: „Ich habe ihn heftig getadelt wegen eines solchen Be­ ginnens, und wenn er noch kann oder könnte, so möchte ich, daß er von diesem phantastischen Vorhaben abspringt. Denn er hat sich sehr bemüht. . . um den Friedhof und zu seinem eigenen Schaden will er es dotieren und für einen guten 472) StadtB Nbg. P. P. 375 (41, Z. 16—23. 473) StadtB Nbg. P. P. 375 (49, Z. 15-16. 474) StadtB Nbg. P. P. 375 (47, Z. 4-8.

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Zweck stiften“ 475). Soweit die Übersetzung. Der Briefwechsel der Brüder, der ja nicht vorhanden ist, muß recht lebhaft gewesen sein. Lorenz bittet Pirckheimer, seinem Bruder nichts von diesem Schreiben zu sagen, denn der Propst würde dann deswegen ein großes Lamento anfangen. Lorenz hätte dem Bruder geschrieben, er soll freigiebiger gegen seine Freunde sein, worauf ihm Georg erwiderte, er hätte genug Vermögen, um eine fromme Stiftung zu errichten. Georg solle diese Sorge lieber den Herren vom Rathaus überlassen und für sein eignes Haus und die darin Wohnenden sorgen und denen Gutes tun. — Audi er — Lorenz — würde gern von dem Bruder eine Guttat empfangen, er wäre gleichsam ausgeschöpft, besäße nichts außer dem Kanonikat bei St. Stephan, würde täglich schwächer. . .“ 476). Es ist sicher, daß nicht nur Lorenz, sondern auch die anderen Geschwister die Kapellenstiftung nicht förderten, das ist aus dem Wort zu fühlen: „fund er seinen mitverwandten der naigung nicht“ 471). — Danach tauchen noch einmal im Brief vom 26. April 1519 die Streitfragen zwischen Propst Beheim und dem Patrizier auf. Lorenz schreibt — wohl von seinem Standpunkt als Jurist aus — „Was mein Bruder über Konrad Imhoff denkt, darin denkt er wie ein Theologe“. Der nachfolgende Satz ist in seinem Sinn nicht völlig zu enträtseln 477). Die Nachricht, daß Konrad Imhoff am 21. April des Jahres verstorben war, scheint noch nicht nach Bamberg ge­ drungen zu sein. Diese letzte Zeitspanne im Leben Georg Beheims zeichnete sich nicht nur durch die schwierigen Verhandlungen um den Rochusfriedhof aus. Er erlebte auch, daß seine Pfarrkirche um ein kostbares Kunstwerk bereichert wurde. Veit Stoß hatte den „Englischen Gruß“ geschaffen, der 1518 seinen Platz im Chor der Lorenzerkirche fand. Im Innern der Kirche an der Südseite des Chores war 1519 ein Chörlein erbaut worden 478), das mit dem zu gleicher Zeit ent­ standenen schönen Portal zur Sakristei und einem malerischen Treppenhaus die Blicke auf sich zieht; Hans Behaim der Ältere ist als der Baumeister dieses 475) StadtB Nbg. P. P. 375 (60, Z. 6—11. Beheim fährt im Anschluß daran fort: „Gerte Theologi omnes sunt instabiles, loquor exspectus. In nullo contractu vellim interesse, vbi cum talibus est agendum, nam . . . fecerint, quod effici voluit, nimis magno desiderio affecta(n)tur. Ubi, quod cupierunt, consecuti sunt, paenitet eos facti et in contrarium nituntur. Et enim sacra scriptura nescio, quo pacto ipsos inconstantes facit. Et vere in omnibus dictis et factis videntur effeminati, nil strenui in se habentes . . .“ 476) StadtB Nbg. P. P. 375 (60, Z. 15 „rogo, nihil sibi dices ... so beginnt der weitere deut­ sche Auszug aus diesem Brief dem Sinn gemäß bis Z. 19. Daran schließt sich noch eine Be­ trachtung über die Theologen im allgemeinen: „Tarnen dei auxilo confido potius in mea quam sua substantia. Theologorum enim est proprium, esse avaros quia Saturnini sunt omnes et sequuntur suas condiciones timidi, suspiciosi, invidi, melancolici. Sed satis est.“ Die Nachprüfung der lateinischen Briefabschrift und seiner Übersetzung übernahm dan­ kenswerter Weise Herr Dr. Josef Pfänner, Nürnberg. 477) StadtB Nbg. P. P. 375 (48, Z. 5-6. Die Stiftung der Rochuskapelle hatte dann die Familie Imhoff übernommen. Der Vertrag über den Bau wurde zwischen den Imhoffs und Hans Beheim dem Älteren am 13. Septem­ ber (1519) abgeschlossen. Die Ausführung des Baues lag in den Händen von Paulus Be­ haim, seinem Sohne. S. Christa Schaper, Baumeisterfamilie Behaim. MVGNbg. 48/195 8, S. 161—162. 477a) Paeseler, Die Nürnberger Chörlein. S. 45, 76. 478) Reicke, Lor. Beheim, S. 23. StadtB Nbg. P. P. 375 (57, Z. 27—29. 18. Sept. 1517.

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Wandteiles anzusehen. Propst Georg Beheim wird die Planung mit dem ver­ dienten Baufachmann der Stadt beraten und sich an der meisterhaften Form und Ausführung gefreut haben. Es gilt als sicher, daß Propst Beheim in seiner Vaterstadt innerhalb eines anregenden Freundeskreises auch seine geistige Heimat hatte. Seine Beziehung zu Willibald Pirckheimer war tiefer und herzlicher, als bislang offenbar wurde. Pirckheimer hat ihn nicht nur juristisch beraten, mit ihm die Schulsorgen geteilt, er hat ihn auch mit Heilmitteln versorgt und ihn mit Erfolg kuriert 478). — Christoph Scheurl hat uns überliefert, daß Georg Beheim zur „StaupitzGesellschaft" in Nürnberg gehörte 479). Johann von Staupitz, mit Georg Beheim eines Alters, hatte zu gleicher Zeit in Leipzig mit ihm studiert. Dieser Augu­ stiner hatte später in seinem Orden eine führende Stellung eingenommen. Als Theologieprofessor und als Kanzelredner war er von bedeutender Wirkung. In Nürnberg hatte er viele treue Anhänger unter den Ratsherren, den Konsu­ lenten und Kaufleuten. Die „Staupitz-Gesellschaft", die sich aus seinen Freun­ den gebildet hatte, war eine halb besinnliche, halb gesellige Vereinigung. Die Anhänger des Johann von Staupitz suchten das religiöse Leben zu vertiefen und Wege zur Besserung der kirchlichen Zustände zu finden, wie es gleichzeitig die Mitglieder des Oratorio del divino amore in Rom erstrebten. In diesem Kreis wird Georg Beheim Schriften des Augustiners Martin Luther kennen­ gelernt haben. Zu den Aufgaben Beheims gehörte auch, die Verpflichtung der Geistlichen vorzunehmen, die in seinem Amtsbereich ein Benefizium antraten. So legte am 25. Mai 1519 Johannes Naß, der das Frühmessnerbenefizium in der St. Leonhardskirche antrat, in die Hände Georg Beheims, Propst zu St. Lorenz, den Eid der Residenzpflicht und des Gehorsams ab 48°). Trotz der Meinungsverschiedenheit, die wegen der beabsichtigten Stiftung der Rochuskapelle in Nürnberg zwischen den Brüdern geherrscht hatten, blieben sie sich weiterhin verbunden. Lorenz bestellte dem Propst ausdrücklich Grüße 481) und berichtete Pirckheimer am 7. Juli 1519: „frater meus invitat me ad festum S. Laurenti" 482). Ob die Brüder das Laurentius-Fest gemeinsam feierten? — Dieser August brachte Georg Beheim noch die Teilnahme an einer glänzenden Hochzeit. Christoph Scheurl, der die Beziehungen zu den Brüdern Beheim schon seit Jahren gepflegt hatte, lud mit vielen anderen geistlichen und weltlichen Würdenträger von nah und fern zu seiner Hochzeit mit Katharina Fütterer am Montag, den 29. August 1519 auch „Herrn Jorg Behaim, Licentiat, 479) Soden-Knaake, Christoph Scheurls Briefbuch II, S. 176, 2. Nov. 1518 „ . . . Georgius Behem theologus, praepositus noster, inculpatae vitae ... hi inter multos alios apud d. Augustinum conveniunt ..." Graf, Dr., Christoph Scheurl, S. 66. 48°) StA Nbg. Rep. 74 Urk. des Stadt- u. Almosenamtes Nr. 274, 1519, 25. Mai. 481) StadtB. Nbg. P. P. 375 (51, Z. 482) StadtB. Nbg. P. P. 375 (50, Z. 17. Herrn Dr. Zirnbauer, Leiter der Handschr. Abteilung der Stadtbibliothek Nürnberg, für die Beschaffung der Reproduktionen der unveröffentlichten Beheim-Briefe und für das freundliche Interesse vielen Dank.

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probst zu S. Lorentzen ein 483). Es war ein stattliches Gefolge, das sich Scheurl gebeten hatte — Bürgermeister, Ratsherren, Juristen, Ärzte und Genannte des Rats. Auch Albrecht Dürer und seine Hausfrau schritten wie Georg Beheim im Zuge mit. — An den festlichen Mahlzeiten hatte Propst Beheim gleichfalls teil­ genommen und als Geschenk „ein silbern maiolla“ 484) überreicht. Nur einmal ist von einer Krankheit Georg Beheims die Rede gewesen 478); welches Leiden führte sein Leben 1520 dem Ende entgegen? Er erscheint am 28. März 1520 noch einmal in einer Urkunde, als Georg Brenner, ein Geist­ licher der Bamberger Diözese, den Eid in die Hände des Propstes schwur und den Nikolausaltar in St. Lorenz übertragen erhielt 485). Es ist sicher, daß Georg Beheim vorsorglich für den Fall seines Todes alles geordnet hatte. Ein Testa­ ment erhielt sich nicht, jedoch in seiner Handschrift Stiftungsvermerke in seinen Büchern: Liber Georgii behem theologie licentiati ad bibliothecam S laurentij“ 486). Ein Teil seiner Bibliothek, die er auch durch Zukäufe in den Nürnberger Jahren vergrößert hatte, ist uns geblieben. Der Stich, den die Nürnberger Stadt­ bibliothek von Georg Beheim besitzt 487), kann nicht nach dem Leben ge­ stochen sein. Der Kupferstecher Nikolaus Häublin 488) lebte erst im 17. Jahr­ hundert. Der Stich kann nur nach einem alten Bild angefertigt sein oder war das Grabmal Beheim der Vorwurf für das nachträgliche Werk? „Nachdem der almechtig Got heutigen Tags frue zwischen zwaien vnd dreyen hören den erwirdigen hochgelerten Herrn Georgen Beheim . . . Probst zu sannt Lorentzen auß diesem Jammertal ervurdert hat, des Selen Got der Herr parmhertzigkait genediglich mitzuteilen geruhe“, diese Worte setzte der Rat der Reichsstadt Nürnberg unter dem Datum „den andern Junii 1520“ der am gleichen Tage erfolgten Wahl seines Nachfolgers voran 489). Das Grab wurde ihm vor dem Hauptaltar seiner Pfarrkirche bereitet. Acht Kapläne dürften ihn, wie einst seinen Vorgänger, auf den Schultern zu seiner Ruhe­ stätte getragen haben unter dem Geläut der Glocken der beiden Pfarrkirchen490). Seine Familie aber ließ ihm ein würdiges Grabmal gießen. Bei den persönlichen Beziehungen zu Peter Vischer kann nur diese Gußwerkstätte in Betracht ge­ kommen sein. — In voller Lebensgröße im priesterlichen Kleide, mit einem Kelch in der rechten und einem Buch in der linken Hand — zu Füßen sein 483) Freiherr E. Löffelholz von Kolberg, Dr. Christoph Scheurls Hochzeit ... In MVGNbg. 3, 1881, S. 159, S. 165, S. 166. 484) Anzeiger f. Kunde der deutschen Vorzeit, Bd. 21, 1874, S. 270. Ein Maigellein ist eine Art kleiner, tassenförmiger Becher mit niedrigem Fuß . . . wurde zu dem üblichen Nachttrunk verwandt, und war ein unausgesetzt im Gebrauch befindlicher Handbecher. 485) StA. Nbg. Urk. des Stadt- u. Almosenamtes Rep. 74, Nr. 278, 1520, 28. März. 486) Bibliothek Beheim, Fenitzer IV., 204, 4°. 487) StadtB Nbg. B 196. 488) Thieme-Becker, Künstler-Lexikon Bd. 15, S. 444. Nikolaus Häublin war als Kupferstecher in Nürnberg, Leipzig, Frankfurt und den Niederlanden tätig gewesen. Der Aufenthalt in Nürnberg ist um 1666 anzunehmen. Es entsteht die Frage, wer hatte fast 150 Jahre nach Georg Beheims Tod noch Interesse an einer Nachschöpfung seiner Erscheinung? 489) StA Nbg. RB 11, fol. 288b. 49°) Germanisches National-Museum, Nürnberg, Hs. Nr. 6277, Großtotengeläutbuch von St. Sebald, fol. 10.

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Wappenschild — so ruhte die in Erz gegossene Gestalt des Propstes als erste in der Reihe vor dem Hauptaltar. Auf der metallenen Einfassung war zu lesen: „Georgius Behem ar/cium magister et Sac* theole Licenciato hq Ecclie S. Laurenty rector et pptq, qui ob/ijt magno suorum deside/rio de se relicto Juni 1 Anno dmi 1520. Cujus anima requiescat in pace.“ In die Ecken der Einfassung waren die Figuren der vier Evangelisten eingegossen491). Fast dreihundert Jahre lang lag dieses Monument über seinem Grabe, bis es mit manchem anderen Epitaph um geringen Geldeswert 1812 zum unersetzlichen Verlust der Kirche abgebrochen und für altes Metall verkauft wurde 492). Christoph Scheurl, der Zeitgenosse der Brüder Beheim, hatte durch seine Worte dem Propst ein Denkmal gesetzt 43°), das jenes aus Erz überdauern sollte. Er zeichnet damit nicht nur diesen Geistlichen, sondern die väterliche Familie aus, wenn er 1513 zur Wahl von Georg Beheim schreibt: „Inn dieser wal ist nit angesehen das gebluet, noch practica noch einig bitt, man hat allein geachtet der Kunst, der Vulkummenheit vnd des guten Lebens; wiewohl der Pehaim freuntschafft 493) bey den Unsern ein ersame alte frome freuntschafft ist, in dero dieser Zeit mer Gelerter gesehen werden dann in ainichem andern Geschlecht.“

401) Pfarrhof St. Lorenz, Wolfgang Hilpert, 3. Pfarrer an St. Lorenz, Beschreibung der St. Lorenzer Kirche, MS 1827, S. 195. Pfarrer Hilpert hatte das Grabmal von Georg Beheim noch in guter Erinnerung. Er berichtet S. 188, daß Propst Beheim viel an dem Pfarrhof ge­ baut und gestiftet hat. Hilpert erwähnt S. 111, daß am 30. Juli 1813 u. a. um 40 fl. ein rothes samtnes Meßgewand verkauft wurde — vielleicht ging das auch noch auf Georg Beheim zurück. 492) Johann Wolfgang Hilpert, Die Kirche des heiligen Laurentius, Nürnberg 1831, S. 25. 493) „Freundschaft“ bedeutet, wie auch Schmeller-Frommann I, 822 angibt, Verwandtschaft.

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PANGRATZ BERNHAUBT GEN. SCHWENTER, DER NÜRNBERGER HUMANIST UND FREUND DER GEBRÜDER VISCHER von Dieter Wuttke Der nachfolgende Aufsatz gibt mit gewissen Auslassungen, Änderungen und Zusätzen, die sich aus der Weiterarbeit am Stoff und der Veröffentlichung im Rahmen der Nürnberger Mitteilungen erklären, den dritten Teil der maschinenschriflichen Dissertation des Verfassers wieder. Ihr Titel lautet: Die „Histori Herculis“ des Nürnberger Humanisten und Freundes der Gebrüder Vischer, Pangratz Beinhaubt gen. Schwenter. Edition mit Kommentar und Biographie, Tübingen 1956. Die „Histori Herculis" ist ein bis heute der Literaturwissenschaft unbekannt gebliebenes literarisches Werk. Zu seiner Charakterisierung wird im Verlaufe des Aufsatzes einiges gesagt werden (s. S. 237 ff.). Die genannte Dissertation versucht einen kritischen Text zu geben und diesen sprach-, literatur-, kunst- und kulturgeschichtlich auf­ zuschließen. Hier erfolgt nun zunächst der Abdruck des für die Nürnberger Kultur-, Literaturund Kunstgeschichte interessanten Stoffes. Die gesamte Arbeit soll demnächst in den von Herbert Grundmann herausgegebenen „Beiheften zum Archiv für Kulturgeschichte“ (BöhlauVerlag, Köln) erscheinen. Den leitenden Beamten der Nürnberger Archive und Bibliotheken danke ich wärmstens für freundliche Unterstützung. Insbesondere gedenke ich der Herren Bibliotheksdirektor Dr. Goldmann, Bibliotheksrat Dr. Matthey, Archivdirektor Prof. Dr. Pfeiffer, Archivdirektor Dr. Schnelbögl und Bibliotheksoberinspektor Ziegelmeier.

2. Lebensdaten, Familie Pangratz Bernhaubt genannt Schwenter1) wurde 1481 2), wahrscheinlich Anfang März 3), in Nürnberg geboren. Von dem Vater wissen wir nur, daß er *) Über das Vorkommen des Namens Schwenter in Alt-Nürnberg und seine etymologische Herleitung s. Charlotte Scheffler-Erhard, Alt-Nürnberger Namenbuch, Nürnberger For­ schungen Bd. 5, Nürnberg 1959, S. 313. Bernhaubt ist gleich „Bärenhaupt“ wie das Wap­ pen eindeutig zeigt. S. S. 224. Über die Graezisierung von Bernhaubt in Artocephalos s. S. 225. Er selbst schreibt seinen Namen: 1515 Cod. Amb. 645 = „Histori Herculis" S. 2, 5—6 in der Diss. des Verfassers: „Pangratz Bernhaubt den man sunst nent Schwenter", ebendort S. 11, 28—29: „PANGRACZ BERNHAVBT"; ca. 1521 Hs. 70, fol. 279v: „Pangratz Bernhaubt" („sunst Schwenter" aus nicht feststell­ baren Gründen ausradiert); 1539 Hs. 75, fol. 67v: „Pangratz Bernhaubt"; 1542 Hs. 75, fol. 75v: „Schwenter“ und „Schwennter", Cod. 4425, fol. 51v, von fremder Hand, aber gewiß nach seiner Vorschrift: „Pangratz Bernhaubt Schwenter benannt", 1543 Stadtarchiv Nürnberg Urkundenreihe, Urk. v. 17. Aug. 1543 im Sigel: „PANGRACZ SC WENTER“. Die Schreibungen „Pangraz“ und „Schwenterer“ bei Th. v. Kern, Die Chroniken d. dt. Städte, X, 110—112; Adolf Haase, Die Schlacht bei Nürnberg, S. 14—15 und passim; Alfr. Bauch, MVG Nürnberg 13, S. 276—85 (nur „Pangraz“); Emil Reiche, Willibald Pirckheimer Briefwechsel, I, S. 187 Anm. 17 sind also nicht berechtigt. Von fremder Hand kommen in zeitgenössischen Quellen diese Namensformen vor: „Panngratz“; „Schwentter“; „Schwenntter“; „Schwennter“; „Schwender“; „Schwendter“. 2) Dies Datum ergibt sich aus Angaben in Cod. 4425, fol. 51v (s. Abdr. S. 247 f.) und Hs. 75, fol. 36v. 3) Stadtarch. Nürnberg Stadtgericht Lit. 5 (20) 1503—4, fol. 86: Abschrift einer Urkunde vom 14. März 1504, nach der Pangratz und seiner Schwester Anna das väterliche Erbe über-

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Jakob hieß, von Beruf Kürschner war, 1495 Genannter des größeren Rates wurde, eine Frau namens Margarete hatte und daß er spätestens 1503 starb 3). Die Mutter hat noch einige Jahre länger gelebt, mindestens bis 1506, wenn eine Bemerkung von Pangratz, nach der er „am Sant Egidientag den ersten September" des Jahres 1506 „am viber“ krank in seiner Mutter Haus lag, so auslegen dürfen 4). Er lag dort sicher, damit seine Mutter ihn pflegen konnte. Wir wissen noch von vier weiteren Kindern des Jakob, von zwei Töchtern namens Anna5) und von zwei Söhnen namens Franz 6) und Niclas. Letzterer ist wie sein Vater Kürschner gewesen und hat in der Dörrersgasse gewohnt7). Er zog 1542 mit den Söhnen des Pangratz gegen die Türken8). Von diesem Zuge sind er, der Vetter Jorg Wisshaw 5) und Sohn Sebald des Pangratz nicht wiedergekommen. Pangratz, der mit seiner Familie ein Haus in der Neuen Gasse bewohnte 9), war ebenfalls mit einer Frau namens Margarete verheiratet. Die Heirat hat vor 1516 stattgefunden10). Wir wissen von drei Söhnen der beiden, von Pangratz jun., Sebald und Hans und einer namentlich nicht genannten Toch­ ter “). Pangratz jun. war Rechenmeister und siedelte sich nach 1548 in Regens­ burg an. Er war vorher mit seinem Bruder Hans und einem Dritten in einen Prozeß wegen Totschlags verwickelt gewesen, in dem sogar der Bischof von Eichstätt eingriff12). Von Sebald, der von Beruf Messerer und Hans, der Kürsch­ ner 13) war, ist ein Bildnis im Cod. 4425, fol. 52r, erhalten, das sie in ihrer Landsknechtkleidung zeigt (vgl. S. 248 u. Abb. 2). Hans kam von Schwenters Verwandten als einziger vom Türkenzuge zurück 8).

4) 5)

6) 7) 8) 9) 10) n) 12) 13)

geben wurde. Zwischen dem Tode des Vaters und dieser Übergabe wird einige Zeit ver­ strichen sein, so daß 1503 — oder 1502, wie Bauch, MVG. Nürnberg, 13, S. 276 angibt, woher hat er die Zahl? — dessen Todesjahr gewesen sein wird. Vermutlich wird diese Übergabe kurz nach Pangratzens 23. Geburtstage stattgefunden haben. Im Sept. d. Jahres 1504 zog er mit in den Bayerischen Erbfolgekrieg, und da war er bereits 23: S. Cod. 4425, fol. 5lv und Hs. 70, fol. 279v. Wenn die Urkunde am 14. März ausgefertigt worden ist, wird er also wenige Tage zuvor Geburtstag gehabt haben. Daß der Vater Genannter war, geht aus einem Eintrag in J. H. Msc. hist. 62, fol. 53r (s. S. 253) hervor. s. Hs. 70, fol. 282v Eine war mit Schwenters Vetter Jorg Wisshaw, auch Wischatz, der 1542 mit Schwenters Söhnen in den Türkenkrieg zog und von diesem Zuge nicht wiederkam, verheiratet (Stadtarch. Nürnbg. Stadtgericht Lit. 5 (20) fol. 86; Cod. 4425, fol. 219r; Hs. 75, fol. 75*; Hs. 71, fol. 30v), die andere mit Lorenz Lang (Hs. 225, fol. 121r), wahrscheinlich ein Bruder des noch zu nennenden Jorg Lang, s. S. 230. Stadtarch. Nürnbg. Stadtgericht Lit. 57, 115. Von ihm ist sonst nichts bekannt. Hs. 307, Rep. 52 b, Staatsarchiv Nürnberg fol. 72*; Hs. 71, fol. 30*; Stadtarchiv Nürnberg Stadtgericht Lit. 43, 67. Cod. 4425, fol. 219r; Hs. 75, fol. 75*; Hs. 71, fol. 30*. Stadtarch. Nürnbg. Stadtgericht Lit. 45, 54. 1516 wird sie in einer Urkunde als Frau des P. genannt: Stadtarch. Nürnbg. Stadtgericht Lit. 31, 13. RV. Nr. 922, fol. 27*, Dienstag, 9. Nov. 1540. RV. Nr. 1028, fol. 15r, Mittwoch, 3. Okt. 1548; Nr. 1029, fol. 12* und 17*, Donnerstag 25. und Samstag 27. Okt. 1548. S. auch RV. 1031, fol. 8r, Nachr. v. 18. Dez. 1548. Hs. 71, fol. 30*.

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Das Bernhaubt-Schwentersche14) Wappen ist aus drei Abbildungen be­ kannt. Zwei davon befinden sich im Reinhartschen Wappenbuch, fol. 19r und 121r, (s. S. 252) und die dritte und schönste steht im Wappenbuch vom Jahre 1583 auf fol. 57r (s. ,S. 253). Pangratz Schwenters Siegel an der Urkunde vom 17. August 1543 (s. S. 253) stimmt damit völlig überein. Im Wappenschild be­ findet sich ein Bärenhaupt. Es wird von zwei sich anblickenden Bärenhäuptern gekrönt. Das Wappen ist in Schwarz, Gold und Blau gehalten. Pangratz Schwenter verstarb in dem für damalige Zeiten hohen Alter von 71 Jahren am 7. Juli 15 5 5 15). Seine Frau, die die letzten Jahre ihres Lebens im Prediger-Kloster verbrachte 16), hat ihn noch überlebt; wie lange, wissen wir nicht. 2. Lebenslang bis zur Anstellung beim Nürnberger Rat im Jahre 1507 Das früheste Erlebnis aus Schwenters Leben erfahren wir aus einer Notiz des Achtundfünfzigjährigen in einer seiner Chroniken 17). Es bezieht sich auf den prachtvollen Reichstag, den 1487 Kaiser Friedrich III. in Nürnberg hielt, in dessen Verlauf Conrad Celtis als erster Deutscher zum Poeta Laureatus ge­ krönt wurde. Besonders die vielen Turniere auf dem Markt und die dort statt­ findenden Lehensverteilungen machten einen starken Eindruck auf den damals Sechsjährigen. Zu einer Nachricht von fremder Hand darüber schrieb er daher an den Rand: „Da pin ich Im 7. Jahr meines Alters gewesen hab solichs ge­ sehen/". In der Kreuzwoche desselben Jahres machten die Kinder Nürnbergs eine große Prozession auf der Hallerwiese. Der Kaiser sah den Aufzug vom Schloß aus und hatte so große Freude daran, daß er die Kinder auf den folgen­ den Sonntag in den Stadtgraben vor der Burg bestellte, um sie dort zu bewirten. Schwenter war auch dabei. Wir lassen ihn berichten, da sein Eintrag kultur­ historisch interessant ist: „Item Im 1487 in der Creutzwochenn / waß Kayser Fridrich Zw N(urmberg) In einem grossen Reychstag / vnnd alß er die kinder mit den kreutzen vor mittag vnd darnach sie auff der Hallerwysen auch vom schloß herab sähe begerte er die alle darnach auff den nechst kommenden Sonnentag in den statgraben vnnten an der Vesten zw körnen da sähe er herab in den grabn der kinder menig der waren Tausent vnd mer/ da het er bestellet etliche vaß mit wein / vnnd pier vill Semeln / vnd ein grosse anzall leckuchen darauff eines Kaysers pild14) Die Bernhaubt-Schwenter, von denen noch eine ganze Reihe in den Stadtgerichtsbüchern genannt werden, ohne daß sich bis jetzt über ihr Verhältnis zu Pangratz etwas ausmachen ließ — die leider noch nicht wiedergefundene Genealogia s. S. 257 würde hier sicher Aus­ kunft geben —, sind streng von der Familie Schwenter zu trennen, aus der Daniel Sdiwenter, Prof, zu Altorf, 1585—1636, hervorging, s. ADB, Bd. 33, 1891, S. 413/4. Dessen Vater, der 1520 in Kelheim geboren wurde und 1596 in Nürnberg starb, ist am 21. 2. 1540 nach Nürnberg eingewandert: Nürnberger Stadtarch. Familienarch. „Schwenter" 90 b 10; Stadtbibi. Nürnberg gen. S. 121, 8, Tafel I. Deren Wappen im Reinhartschen Wappen­ buch, fol. 79 (s. S. 252). 15j RV. Nr. 1119, fol. 5r, vom 13. Juli 1555. Das genaue Todesdatum bietet J. H. Msc. hist 138, fol. 108r (s. S. 253), ebenso J. H. Msc. hist. 62, fol. 62v; dagegen bietet das Toten­ geläutbuch von St. Sebald nur den ungefähren Zeitraum (s. S. 253). 1#) RV. Nr. 1119, fol. 38r, vom 5. August 1555. 17) Hs. 75, fol. 36v—37v. Vgl. audi Hs. 70, fol. 199v.

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MVGN 50 (I960) Pangratz Bemhaubt gen. Schwenter nus stunde / das alles wurde den kindern vnd knecht vnd maydten so auff die kinder warteten auß geteylet / Es waß aber soliches gedrenge im graben vnnd ausserhalb / das man etlich kinder schwachaith halben must herauß vnd haym tragen / da pin ich auch bey gewesenn vnd werden soliche Leckuchen auff heutigen tag gebachen vnnd kayser leckuchen benant" 17).

Über die Schulzeit des jungen Pangratz wissen wir leider nichts. Er hat aber gewiß eine der Lateinschulen besucht, vielleicht für kurze Zeit auch die 1496 gegründete Poetenschule. Er wird als ein begabter Schüler gegolten haben; denn im Sommer 1498 schrieb er sich als Student der Artistenfakultät bei der Universität Heidelberg ein 18). Er wählte die „Via moderna“, schlug sich also in das Lager der Nominalisten 19). Am 20. Januar 1500 schloß er sein Studium als „Baccalaureus artium viae modernae“ ab 20). Er studierte dort zu einer Zeit, in der die humanistischen Bestrebungen durch den Kurfürsten Philipp, der von 1476—1508 regierte, großzügige Förderung erfuhren. Am 13. Septem­ ber 1498 wurde Jakob Wimpfeling Professor an der Artistenfakultät. Durch ihn und den bis 1499 noch in Heidelberg weilenden Reuchlin blühte das Studium des Griechischen auf21). Wenn Schwenter später das Bernhaubt in Arctocephalos 22) gräzisierte, so ist dies womöglich auf eigene Griechischstudien oder auf die Berührung mit Gräzisten hier in Heidelberg zurückzuführen. Er selbst verweist auf seinen Aufenthalt in Heidelberg in einer ergänzenden Notiz zu einer chronikalischen Nachricht in Hs. 70, fol. 210v, die den Tod Herzog Ottos von Neuenmarkt (in Bayern) im Jahre 1499 betrifft. Mit seinem Tode endete die seit 1410 bestehende Linie Pfalz-Mosbach, die auch in Ober­ bayern — eben in Neumarkt, oder Neuenmarkt, wie es in den Chroniken gern heißt — Besitz hatte. Dieser fiel nun an die Kurlinie in Heidelberg zurück. Schwenter berichtet von einer Fürstenzusammenkunft in Heidelberg, die er nach Ottos Tode gesehen habe und fährt dann fort: „da pin ich zw Haydelberg 18) Gustav Toepke, Die Matrikel der Universität Heidelberg, Th. 1, 1884, S. 427: „Rectoratus magistri Ade Wemheri de Temar, vtriusque iuris licentiati, concorditer per vniversitatem electi in vigilia diui Thome apostoli domini 1497, sub cuius magistratu intytulati sunt: . . . (S. 429) Pancracius Swenter de Nurnberga Bambergensis dioc. XVI Kalend. Julij 1498." 19) Über den Wegestreit zwischen „via antiqua" (Realisten) und „via moderna" (Nomina­ listen) s. Gerhard Ritter, Die Heidelberger Universität, Bd. I. Das Mittelalter, Heidelberg 1936, S. 379—390; vgl. Joh. Friedr. Hautz, Geschichte der Univ. Heidelberg, Bd. I, 1862, S. 300, 306, 347: Hier irrtümlicherweise „via moderna" = Realisten, „via antiqua" = Nominalisten. 20) Toepke, Matrikel, Bd. I, S. 429 nach Bd. 2 der Akten der Artistenfakultät, fol. 169v (s. S. 253). Dort heißt es auf das Jahr 1500 bezogen: „anno quo supra in die sancti Sebastiani martiris infra scripti admissi sunt ad baccalaureatus gradum in artibus in via moderna: et ordine quo sequitur sunt locati." ...dt 11 Pangracius Schwenter ex nürnberga". Von Schwenters wie von den andern Namen sind von anderer Hand zu einer Stelle am Rand Striche gezogen, an der steht: „sub magistro Jacobo Weger determinaverunt". Die Vermittlung des Wortlautes der Akten verdanke ich Herrn Prof. Dr. Krabusch, Heidelberg. 21) Jos. Knepper, Jak. Wimpfeling, 1902, S. 94—98, 133. 22) 1518 Hs. 179, fol. 74r: „P. Arct.“; 1519 Hs. 70, fol. 20v: „Scriptum per me p. arctocephä", fol. 128r: „sub expensis Pancraty Arctocaeph" (Chron. d. dt. Städte, III, S. 26 falsch ge­ lesen: „Pancracy Arctocephali“); fol. 156v: Pancratius Arctocephas Sch. Neno Bernh. wo alle Namen beieinander sind; denn die Abk. sind sicher aufzulösen in: Schwenter Nenon Bernhaubt; 1521 Hs. 179, fol. 146^: „per me pancratium Arctocepham". 15

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auff der Hohenschull gewesen das gesehen etc/' 23). Ob er anschließend noch woanders studierte oder gleich nach Nürnberg zurückkehrte, darüber ist nichts bekannt. Im Sommer 1502 war er jedenfalls wieder dort und erlebte in der Stadt die Auswirkungen der Schlacht von Nürnberg vom 19. Juni 1502 zwi­ schen Nürnberg und dem Markgrafen Friedrich IV. von Brandenburg. In Hs. 70, fol. 271—274v hat er einen Augenzeugenbericht davon hinterlassen 24). Als er viele Jahre danach etwa um 1520 seinen Bericht niederlegte, überkam ihn noch einmal all die Not, und er schrieb zu den Worten auf fol. 271v: „Audi was grosser Jamer in der stat Nuremberg woll zu bedencken also komen vill leuth vmb das man schätzt bey M° ( = 1000) mannen auff beyden seyten dj dot beliben vnnd pald stürben“

noch die Bemerkung an den Rand: „Ich habs gesehen O Gott". Anfang des Jahres 1504 wurde Schwenter mündig (s. Anm. 3). Im Spät­ sommer desselben Jahres finden wir ihn als Schenk in Nürnbergischen Kriegs­ diensten. Er gehörte in dieser Eigenschaft dem Kontingent Nürnbergischer Söldner an, das mit an dem Bayerischen Erbfolgekrieg teilnahm. Das von ihm erhaltene Bildnis (Cod. 4425, fol. 51v, s. Abb. l) zeigt ihn in seiner Aus­ rüstung. Als er in Hs. 70, fol. 278v—280v, auf die „Behamer Schlacht", den Auszug der Nürnberger mit den andern Verbündeten unter Kaiser Maximilian gegen die Böhmen, ein Teilunternehmen im Verlaufe des Erbfolgekrieges 25), zu sprechen kommt, durchbricht er die sonst nüchtern chronikalische Dar­ stellungsweise. Er fügt ein Erlebnis hinzu, das er hatte, als Befehl gegeben war, sich zum Kampfe aufzustellen, und nun alles in wildem Waffenlärm durch­ einanderlief. Es ist die einzige Stelle, an der er einmal ausführlicher von sidi spricht. Ich lasse ihn daher selbst zu Worte kommen, zumal der Bericht auf seinen zu einer gewissen Hitz- und Starrköpfigkeit neigenden Charakter ein Licht wirft: „ . . . Do pin Ich Pangratz Bernhaubt auch bey gewessen / ein besolter meiner herren / von Nuremberg vber den wein / da ich noch einen bey mir hette Jorgen Nußmesser Eberlein 26) benant alß sych ein soliche Rumorey erhub / mocht ich meines erhitzigten gebluts halben auch solichen lust Zusehen mich nicht enthalten / wie wol mich mein mitgesel / vleissig erbathe / mich auch zum dicken moll meiner hern dinst ermanet / aber vnangesehen des oder eines grossen prun ich auff glauben in hitziger begird soliche Sachen auch Zusehen / pin also mit angethonem harnisch vnd ander meiner geweren auch dem hauffen vnd gedreng zw gelauffen / 23) Über Otto von Neumarkt, gest. 8. April 1499, s. Häutle, Genealogie der Wittelsbacher, S. 132; Häuser, Gesch. der Rheinpfalz, Bd. I, 1845, S. 500. Über die Fürstenzusammenkunft, wahrscheinlich um Ottos Tod anzuzeigen und den Besitzstand neu zu regeln, sagt die ein­ schlägige Literatur nichts. Nach einer Auskunft von Herrn Dr. Derwein vom Stadtarchiv Heidelberg ist vielleicht Näheres darüber im Generallandesarchiv Karlsruhe zu erfahren. 24) Über die Schlacht s.: Adolf Haase, Die Schlacht bei Nürnberg, Diss. Greifswald, 1887; dazu Kamann in MVG-Nürnberg, VII, 188 8, S. 280ff.; ferner: Emil Reicke, Fränkischer Kurier. 1902, Nr. 200, 204, 206; zur Topographie der Schlacht: Ottmar Kreppei, Die Schlacht im Nürnberger Walde, Nürnberg 1905, dazu: Heerwagen in: MVG Nürnberg XVII, 1906, S. 340—46; zur Vorgeschichte s.: Karl Thiermann, Zur Vorgeschichte der Schlacht im Nürn­ berger Walde 1502, MVG Nürnberg, 27, 1928, S. 313—320. 25) Über den Bayrischen Erbfolgekrieg und Nürnbergs Rolle darin: Feßmaier, Versuch einer Staatsgeschichte der Oberpfalz, 1803, S. 101—121; Sigm. Riezler, Geschichte Bayerns, Bd. III (1347—1508), Gotha 1889, S. 529 ff.; E. Reicke, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg, 1896, S. 508—522. Zug gegen die Böhmen: Riezler, III, S. 611; Reicke, S. 517—518. 26) Über Eberlein s. S. 230.

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MVGN 50 (i960) Pangratz Bernhaubt gen. Schwenter vnd zw meiner hem fendrich Jorgen von Volckach dieselbe zeith neben ine komen welcher midi erkante hinter inen in das nächst gelid zusteen geordnet hat / glaub ich das zustund bey den 20 Fendiein vnd ein ytlich fendiein seinen aygen pfeuffer vnd paucker auch hatten ytlicher ein / oder 2 gesellen zw welchen sie sich verpunten beyeinander zusteen alß ich aber einiger vnd keinen mitgesellen hette vnd vill hoher vnd edler vmb die fendiein zusteen sich drungen zanckten vnd einer den andern hinter sich druckt also bekome ich pald in das 20 oder 30 gelide hinter die fendiein alß ich aber nymant bekanten wider sehen noch suchen mocht vnd imer etlich parthej sich gesellet hette, treib mich die vnerkantnuß in einen vnwillen vnd wurde also die hitzige begirde außgelescht vinge an in mir selber zubedencken das ich dem dinst meiner herren wie sy mir bevolchen hetten nicht auswartte / ging also pald den hohen perg von den hauffen zutal vnd bekam langsam zw meinem geseln welchen ich bey dem wein so ime vnd mir zuuerwaren / außzuspeysen vnd zum teyll zuuerkauffen befolchen waß / nicht kleinen muth meins vmbkerens entpfing / . .. “ (fol. 279v — 280v)

Dann haben wir erst wieder eine Nachricht aus dem Jahre 1506. Am 1. Sep­ tember lag er krank in seiner Mutter Haus 27). Im Vorjahre hatte in Nürnberg eine große Epidemie gewüstet 28), vielleicht war sein „viber“ eine Auswirkung der immer noch schleichenden Krankheit. 3. Amt erlauf bahn im Dienste des Nürnberger Rates 1507—1547 1507 übernahm Schwenter das Amt eines Hochzeitladers. In dieser Eigen­ schaft war es seine Aufgabe, wenn in einer der ehrbaren Familien eine Hoch­ zeit gefeiert werden sollte, die Gäste zum Tanze nach dem Hochzeitsmahl zu laden. Das Mahl und der Tanz fanden seit Ende des 15. Jhdts. vielfach auf dem Rathaus statt29). Auch zum Vorabendtanz, der etwa dem Polterabend unserer Zeit entspricht, und zu der einige Tage später stattfindenden Nachfeier im Hause des Bräutigams hatte er zu laden 30). Bei der Ladung zum Vortanz wurde er auch von dem Bräutigam, sonst nur von einem Knecht und dem Spruchsprecher, dem Hegelein oder Hängelein, dessen Aufgabe das Stegreif­ dichten von Lobsprüchen war, zu Pferde begleitet31). Aus mehr als drei Pferden durfte der Zug des Hochzeitladers nicht bestehen. Dies und auch die Ent­ lohnung waren gesetzlich geregelt. Dem Lader war für seine Bemühungen am Hochzeitstage ein Gulden zu entrichten. Im April 1511 verfügte der Rat, daß „Hinfuro dem schwenntter vnnd anndern seines gleichen so auff den grossen Hochtzeitten dienen von einer Hochtzeit onnderthalben guldin“ gegeben werden 27) Hs. 75, fol. 45v; Hs. 70, fol. 282v: In beiden Hss. heißt es zu einer Nachricht über den Brand von Georg Holschuers Haus: „Nota mein kranckheit“. Vgl. S. 223. 28> Hs. 75, fol. 46'; Hs. 70, fol. 235^ 29) Ernst Mummenhoff, Studien zur Topographie u. Geschichte der Nürnberger Rathäuser, MVG Nürnberg 5, 1884, S. 167—173. 80) Siebenkees, Materialien, II, S. 449—486 (s. S. 253); Reicke, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg, S. 664, 669; Aug. Jegel, Altnürnberger Hochzeitsbrauch und Eherecht bes. bis zum Ausgang des 16. Jhdts., MVG Nürnberg, 44, 1953, S. 238—274. 31) Über das Verhältnis der Spruchsprecher zu den Meistersingern und Hochzeitladern s. Theod. Hampe, Spruchsprecher, Meistersinger und Hochzeitlader, vornehmlich in Nürn­ berg, Mitteil, aus dem Germ. Nationalmus. 1894, S. 25—44 und 60—69. Den Jörg Genßkling, der um 1502 in Nürnberg Hengelein war (vgl. MVG Nürnberg 27, S. 254), hat Schwenter offenbar in seiner Jugend gut gekannt. Er erzählt ein Abenteuer von ihm recht ausführlich in Hs. 70, fol. 268v—269^. Es scheinen sonst keine Namen von Spruchsprechern der damaligen Zeit, soweit ich sehe, bekannt zu sein. *

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sollten32). Audi die Beköstigung war festgelegt: „den tantzladern, vnd mitreitern mag man auch des morgens wol ein früsuppen, mit sampt einer oder zweyer hennen, vnd dartzu franckenwein, reynischen wein oder andern wein in demselben vngelt zetrinken geben . . ." 8S). Spätestens seit Schwenter waren die Hochzeitlader auch zugleich eine Art Schenk und Zeremonienmeister bei festlichen Anlässen34). Als 1513 zu Ehren eines Kardinals von den Bürgern Brot aus 189 Jahre altem Korn gebacken wurde, schnitt Schwenter daraus „tellerbroth" und hat dies sicher dem Kardinal auch kredenzt35). Bei der Audienz, die die durchreisende Königin von Ungarn am 17. Oktober 1522 den Frauen und Töchtern der „Regirenden Herren" von Nürnberg gab 36), die sie reich beschenkten, hatte er die Aufgabe, für eine ge­ rechte Sitzordnung der Damen zu sorgen und die Geschenke vor die Königin zu tragen: „Bey solicher enntpfahung vnnd vererung pin Ich P. S. gewesen alle schanckung / in schuesseln / vnnd andern gefeßen der konigin fuergetragenn vnd In meinen Hennden ein angeschribne zettel / wie soliche Erbare Frauen In Ordnung / vnd Irer Herren stennde nach einannder gehen solten / In anzuzaigen vnnd ordnen solte / wie woll es nicht allen gefallen wolt / doch must es sein / “ 37).

Seine Erfahrung und sein Geschick in diesen Dingen waren so groß, daß er 1523 beauftragt wurde, für einen Tanz zu Ehren des Herzogs Johann von Bayern einen neuen Tanzladezettel aufzustellen, wofür er vom Rat „sechs Pfund neu" erhielt38). Auch zu einer Totenfeier, einer Gedächtnisversammlung zu Ehren des gerade verstorbenen Kaisers Maximilian, hatte er einmal, am 18. Januar 1519, zu laden 39). Schwenter hat dieses Amt vom 15. November 1507 bis zum 4. August 1539 innegehabt40). Aufzeichnungen über seine Tätigkeit hat er niedergelegt in dem „Hochzeith-Buchlein der Erbarn In Nürnberg" ( — Hs. 215, s. S. 255 f.). Er ließ darin genau Buch führen über die seit 1462 abgehaltenen Hochzeiten — und tat es selbst — mit folgender von ihm eingeführter Formel: „Margreth Herr Jobst Tetzeis verdichte Egemahel Marten Bessler am Vischbach Erb­ tochter haben hochzeith gehalten 1462 adj 11 Julij“ 41).

Zuweilen sind von Schwenter kurze Charakteristiken des Ehemannes oder der Gemahlin hinzugefügt und persönliche Bemerkungen eingestreut worden. 32) Siebenkees, II, S. 475. 33) Siebenkees, II, S. 466. 34) Jegel, MVG Nürnberg, 44, S. 251. Seine allgemeine Bemerkung „mit der Zeit werden die Hochzeitlader Ceremoniemeister“ läßt sich also präzisieren. 35) Hs. 70, fol. 288r. 36) Cod. 4425, fol. 174v. 37) Cod. 4425, fol. 175r, unterer Rand. 38) Bauch, MVG Nürnberg, 13, S. 277—278. 39) Cod. 4425, fol. 173r. 40) Hs. 215, fol. 39v und 60*. 41) Ursprünglich lautete die Eintragung auf fol. 33r: „Margaretha Herr Jobst Tetzel Ehegemahel Marten Besslers am Vischbach tochter 1462 adj 11 Julij“. Schwenter hat die Eintragung in die obige Form gebracht: so auch alle weiteren. Statt „Egemahel" tritt auch oft „Eewirtin“ und „Erenwirtin“ ein. Von fol. 68v an heißt es statt „adj“ immer „den" bei der Datumsangabe.

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So vermerkt er z. B. zu Helena Imhoff, der Gattin Peter Imhoffs des Jüngeren, (fol. 39r): „Ich gedenckh das sie eine schone frau waß herzog friedrich von Sachsen / vnd Bischhoff Georg von Bamberg zechten vnd spilten gern mit ir“;

und zu Georg Futterer (fol. 40v): „Ein redlich man in eine großen langen parth wurde außgeschickt / zw krieg von gemeiner stat“.

Dessen Hochzeit mit Ursula Meichsner am 12. Oktober 1508 war die erste, die Schwenter „allein gedinet“ hat. Offenbar wurden die Hochzeitlader erst eine gewisse Zeit von ihren Vorgängern in das Amt eingeführt, so Schwenter von seinem Schwager, den wir namentlich nicht kennen 42). Er selbst tat dies mit seinem Nachfolger Bernhart Hirßbach im Jahre 153 9 43), an dessen Seite 1543 sein „aydam“ Sebastian Burrer trat44), den er ebenfalls noch einführte. Bis zum 10. Dezember 1543, der Hochzeit des Hieronymus Holtschuer, auf der er „um ein guts Damast zir wames“ diente, hat Schwenter nachweislich noch mit ausgeholfen, wahrscheinlich sogar noch bis zum 18. November 1550 45). Dies zeigt, wie gern er diesen Beruf ausgeübt hat. Daß er als Hochzeitlader bei den Ehrbaren in hohem Ansehen stand, zeigt folgende Notiz zu Jacob Muffels Hochzeit am 4. Juli 1536 (fol. 57v): „auff diese hochzeith hab ich kranckheit halben nit kunen laden sonder mein sone pangratz vnd Jorg Lang mein mitgesel am ambt tett das worth doch wurde es mir wieder ein wenig pesser das ich dennoch die hochzeith dienet doch schwerlich / dennocht waß yderman meyner gesuntheith froh“.

Schwenter hat seinen Nachfolger Hirspach, der „berümpt, das er beredt war46) und deswegen gewählt wurde, sicher an Gewandtheit und Beredsamkeit noch übertroffen. Mit ebensolchem Geschick hat Schwenter sein anderes Amt verwaltet, das er vom 5. September 1524 49) bis zum 29. Juli 1539 innehatte, das Honig-, Nußmesser- und Eichamt. Über dieses Amt berichtet die, soweit ich sehe, bis­ her noch nicht ausgewertete Hs. 264 (s. S. 256) 47), die einst in Schwenters Besitz war. Die Eintragungen, die zum größten Teil nicht von seiner Hand stammen, 42) Hs. 215, fol. 39v. 43) Hs. 215, fol. 60r—v. Nach Bauch, MVG Nürnberg 13, S. 278, handelt es sich um den früheren Büchsenmeister Bernhart Hirßbach. Er wird derselbe sein, der 1505 von dem römischen König angefordert wurde: s. Brief vom 10. 5. 1505 des Nürnberger Rates an Anton Tetzel und Willibald Pirckheimer, Abdrude bei: E. Reicke, Willibald Pirckheimer Briefwechsel, I, S. 220 und 222. Reicke sagt dort von ihm: „Näheres über ihn ist uns nicht bekannt.“ Vgl. S. 232. 44) Hs. 215, fol. 61v; RV Nr. 1022, fol. 43r v. 25.Apr. 1548; Hans Bösch, Verlobung und Verehelichung in Nürnberg im 16. Jhdt., Mitteil, des Germ. Nationalmuseums, 1892, S. 49. **) Hs. 215, fol. 63r und 68v. Dies ist sehr wahrscheinlich; denn zur Hochzeit Bernhard Nützels mit Erndraut Harstorffer am 4. November 15 50 bemerkte er: „der herre hot mir fleissig gedanckt weils vmb midi vnd die meinen verdinet“, und zu einer Hochzeit am 18.Nov.: „Ist ein gantzer regentag gewesen/ vnstet wetter“. Danach finden sich solche persön­ lichen Bemerkungen nicht mehr. 46) RV Nr. 905, fol. 32v v. 29. Juli 1539. 47) Bei Reicke, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg, S. 607, und Bauch, MVG Nürnberg, 13, S. 279, finden sich nur wenige Bemerkungen über das Amt.

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beziehen sich fast ausschließlich auf den Zeitraum, in dem er das Amt ver­ waltete. So erhalten wir einen guten Einblick in seine Aufgaben und erfahren auch von den Nöten, die er bei ihrer gewissenhaften Erledigung überwinden mußte. Er war zunächst nur „mitgesell am ampt" neben Jorg Eberlein 48), des­ sen bisheriger Helfer Clas Groß 49) gewesen war. Spätestens seit 1533 war Schwenter dann Vorsteher des Amtes und „mitgesell" wurde Jorg Lang 50), der nach Schwenters Ausscheiden in die erste Stelle rückte 51). Neben den Nuß- und Honigmessern gab es noch Getreide-, Obst-, Kohlen- und Holzmesser 52), erstere hatten aber die Oberaufsicht, und es oblag ihnen, jährlich einmal sämtliche Meßgefäße zu eichen 53), die dann zum Zeichen der durchgeführten Kontrolle jeweils ein neues „Jarzeychen“ eingedrückt be­ kamen 54). Die Hs. enthält eine ganze Reihe von Vorschriften über die Art, wie die einzelnen Gefäße zu eichen waren. Eine besonders wichtige Amts­ handlung wird es für die Nußmesser Schwenter und Lang gewesen sein, als sie 3 533 den Auftrag bekamen, einen alt-ehrwürdigen Biereimer zu eichen, der sich auf dem Rathaus befand. Die Hs. berichtet darüber: „Item von Einem Erbam rath ist beden Nußmeßem befelch geben den yrden pieraymer so vntter das rothaus behalden wirth / von moßen zumeßen zueichen das ist bescheen Im 15 33 Jar den 10 Nouembris vnd heit derselbig yrden pieraymer 81 Nurmberger maß woll gedrenckt/ vnd steen mit buchstaben woll erhaben hernach benante worth Anno domini MCCCC vnd in dem LX Jar pin ich gemacht worden, vnd der pier aymer hais Ich: Der stat meiner Herrnn/ von Nürmberg pin Ich. der mich hot gemacht ein werder maister Pangratz Schwentter Jorg Lang bede Nusmesser 1533 den 10. Nouembris“. (fol. 27r).

Seit 153 5 gab es eine Verordnung des Rats, die die unterschiedliche „taxe und besoldung“ für das Eichen der verschiedenen Gefäße festlegte. Einzelne Meßgefäße konnten von den Nußmessern auch nach Bedarf ausgeliehen wer­ den. So wurden z. B. „Milichram meßlein . . . wöchentlich den peurin am markt milichram außzumessen hingelihen“ 55). Neue Gefäße durften nur mit Bewilli­ gung des Rates eingeführt werden. Vom 9. Oktober 153 5 datiert eine „Neue Ordnung", nach der es den „mettschencken auch süssen vnd gebranten wein schenken" erlaubt wurde, daß sie fortan auch mit gut geeichten „kopffen" und „kandeln" 56) ausmessen dürften 57). Über die Beschaffenheit dieser neuen Ge48) Hs. 70, fol. 279v (s. Abdruck S. 226); Hs. 264, fol. 29v. Eberlein scheint Gehilfe des Hanns Wernher gewesen zu sein. Er ist derselbe Eberlein, der mit Schwenter als Schenk am Bayr. Erbfolgekrieg teilnahm (s. Cod. 4425, fol. 51v: Abdruck S. 247 f.). Dieser Eberlein bekam von Jorg Lang bis 1539 monatlich 4 ch. Als Lang dann in Schwenters Stelle rückte, bestimmte der Rat, diese Abgabe „dem Jüngern, so ans ampt angenomen wirt“, zu über­ tragen: RV Nr. 905, fol. 32v, vom 29. Juli 1539. Welche Rolle Eberlein damals noch spielte und warum dieser die Abgabe bekam, konnte ich nicht herausfinden. 49) RV Nr. 707, fol. 13r v. 5. Sept. 1524. 50) Hs. 264, fol. 27r; Hs. 215, fol. 57v. 51) RV Nr. 905, fol. 32v v. 29. Juli 1539. 52> Hs. 264, fol. 9r—10v, 56r—57r. 5S) Hs. 264, fol. 2V. 54) Hs. 264, fol. lv—2', 7r— 8'. 55) Hs. 264, fol. 16r~v. 56) Kopf = Becher, Kandel = Kanne. 57) Hs. 264, fol. 16r und 38v— 39v.

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fäße erließ der Rat genaue Vorschriften: Sie mußten einem Mustergefäß des Rates exakt in Höhe und Breite entsprechen. Im Zusammenhang mit dieser Neueinführung wurde Schwenter in einen Streit mit den Kandelgießern ver­ wickelt. Die Kandelgießer waren damals nicht allzu gewissenhaft bei der An­ fertigung von Gefäßen, so daß Schwenter gewiß öfter grobe Mängel wird ha­ ben feststellen können. Er gab daher nicht allen Kandelgießern Mitteilung von der „Neuen Ordnung", damit sie entsprechende Gefäße für den Verkauf an­ fertigen konnten, sondern nur einem ihm als besonders gewissenhaft be­ kannten Meister namens Melchior Koch auf dem „sew oder krempelmarkt". Dieser versorgte dann die Wirte mit den neuen Gefäßen. Als die andern Mei­ ster davon hörten, gaben sie ihr Befremden brieflich dem Rat zum Ausdruck und verlangten sogar die Absetzung Schwenters und die Übergabe des Eich­ amtes an ihre Zunft. Denn sie allein verstünden etwas von Gefäßen. Schwenter verteidigte sich in einem Schreiben an den Rat, in dem er auf die Nachlässig­ keit der Kandelgießer hinwies — die Meister ließen Diener und Mägde die Arbeit machen —, und auf seine einschließlich des Ladeamtes nun schon acht­ zehnjährige Tätigkeit zur vollen Zufriedenheit seiner Herren sowie auf seine Fähigkeit, wie ein gelernter Kandelgießer Kannen zu gießen und anzustechen. Der Rat bestimmte denn auch, daß er im Amt bleiben solle, jedoch sei es natürlich allen Meistern erlaubt, die neuen Gefäße herzustellen 58). Ein Jahr später, im August 1536, kam es zu einem Streit zwischen den Pfragnern (= Lebensmittelhändlern) und den Nußmessern. Die Pfragner benutzten zum Einmessen größere Gefäße als zum Ausmessen. Diesen unhaltbaren Zustand hatten die beiden „Ambtmenner der Eych" Anfang 1536 auf gedeckt59). Der Rat beauftragte sie deshalb, „alle meß zu getrayd gehörig Recht/ Ineinander zuuermessen vnd zu eychen auff ire Pflicht vnd Ayde."60) Die Pfragner wurden darüber unwillig und sandten eine Supplikation an den Rat, des Inhalts, er möchte wegen des alten „herkommen" nichts verändern. Sie fürchteten auch, daß in Nürnbergs Umgebung die alten Meßgefäße bleiben und sie so benach­ teiligt würden. Schwenter vertrat in dieser Sache eindeutig den Standpunkt, daß es „unrecht hundert jar . . . nicht eine stund recht gewesen" sei und daß „Alth herkomen . . . nichts vngerechts" bekräftige. Im übrigen habe Markgraf Jörg versprochen, in Nürnbergs Umgebung dieselben Maßgefäße einzuführen, wie sie in der Stadt gebräuchlich seien. So verfügte der Rat am 28. August 15 36, daß es bei der neuen Eiche bleiben solle. Die Nußmesser sollten sich durch nichts in ihrem Amt behindern lassen, sondern alle Übertretungen sofort dem Rat melden. Noch Ende September waren die Gemüter der Pfragner so erhitzt, daß einer sie wütend beschimpfte, als sie auf dem Markt neue Gefäße einkauften. Dies geschah vor dem Haus des Anton Tetzel, der sofort Anzeige gegen den Pfragner erstattete. Er wurde zu 14 Tagen Turmhaft verurteilt. Nur auf Bitten der Nußmesser wurde die Strafe auf 3 Tage und 2 Nächte verkürzt61). Ende März 1537 mußten dann die geschworenen Getreidemesser noch einmal aus58> 59) 80) 81)

Hs. Hs. Hs. Hs.

264, 264, 264, 264,

fol. 40v—46*. fol. 49V. fol. 50r—5 lv. fol. 5iv—54v.

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drücklich darauf hingewiesen werden, daß sie bei ihrem Eide für gerechtes Getreideausmessen zu sorgen hätten. Man sieht, daß für die Ausübung dieses für die Aufrechterhaltung eines gesunden, ehrlichen Handels wichtigen Amtes nur ein aufrechter, unbestech­ licher und energischer Mann zu gebrauchen war. Wir dürfen sagen, daß Schwenters Gefühl für Anstand und Etikette, das ihn als Lader so beliebt ge­ macht hatte, solche Eigenschaften in ausgezeichnetem Maße entsprachen. Die Verbindung von Hochzeitlader und Nußmesser in Schwenters Person muß dem Rat sehr gefallen haben; denn als dieser abtrat, suchte er einen Nachfolger, der auch wieder zu beidem geeignet war 62). Als zur Fastenzeit des Jahres 1539 nach 1 5 Jahren zum ersten Male wieder ein Schembartlauf und ein Fleischhackertanz aufgeführt wurden, war Schwenter auch dabei: „Dar innen pin ich im holtzman geloffen vnd mein freulein waß Jorg Herl / waren woll geputzt die ein seytten gantz weyß die ander gelb vnd braun gesdiibt von atlaß / coste mich bej 11 fl.“ 63)

Am 16. Juli 1539 wurde Schwenter als Nachfolger des Hans Lochinger zum Hauswirt (Hausmeister) auf dem Rathaus bestellt, wo er kurz nach dem 8. August einzog64). Es wurde ihm von seinen Herren von Anfang an be­ sonders aufgelegt, nicht zu viele Festlichkeiten in den Räumen des Rathauses zuzulassen, es sei denn, die „Ratspersonen" und „Cantzelisten“ suchten ihn darum an. Da seine Familie nicht zu den Ehrbaren gehörte, war es daher ein ®2) RV Nr. 905, fol. 32v v. 29. Juli 1539: „Vnd vnder allen suplicanten nit mer dan zwen, dj auch zum hochzeitladen geschickt sein mochten, gfunden, nemlich Johann lother vnd Bernhart hirspach, dweil dan der hirspach berümpt das er beredt sein soll, seinethalben noch mer erkundigung geschehen, ob er auch wenig oder sonst mangelhafft /" vgl. S. 229. 83) Hs. 75, fol. 67v. Über die Gestalt des Holzmannes und seines Fräuleins war Auskunft zu finden einzig im „Nürnbergischen Schönbart-Buch und Gesellen-Stechen. Aus einem alten Manuscript zum Druck befördert und mit benöthigten Kupfern versehen", o. O. u. J. (1765). Darin heißt es bei der Darlegung der „Geschichte des Nürnbergischen SchönbartLaufens" auf S. 12: „Die in rauhen Kleidern, oder die Holzleute, mußten vorauslaufen und Raum unter dem Volke machen; die eigentliche Schönbartgesellschaft aber folgte Weiteren Aufschluß bieten die Seiten 46 bis 47, die über den Schembartlauf von 1539 be­ richten: „Anno 1539 d. 17. und 18. Februarii war ein großer Schönbart, dessen Hauptleute waren Jacob Muffel, Joachim Tezel und Martin von Ploben. Ihrer waren bey 150 (Per­ sonen) gekleidet in ganz Atlas, einem Weiber-Wammes, mit gelben und blauen Strichen, Rautenweiß auf den Ermeln, die Schnitt an den Hosen waren gelb und braun, der Durchzug und die Strümpfe weiß. Sie hatten weiße Hüte auf, mit einem güldenen Flügel.. Bey diesem Schönbart-Lauffen fanden sich auch schöne und wohlgezierte Holzmännlein und Holzfräulein, deren Führer war Albrecht Scheurl, wovon die auf sie gestellte Reimen oben... (S. 43) zu Ende ersichtlich." Diese Reime heißen: l.Zum Holzmann: „In eines wilden Mannes G’stalt ich,// Bey dem Schönbart ließ finden mich“. 2. Zum Holzfräulein: „Dieweil mein Mann sich macht auf d’Straßen, // will ich ihm folgen gleichermaßen.“ Aus diesen Bemerkungen sieht man, daß „Holzmann" und „Wilder Mann" dasselbe sind. Normalerweise trugen die Holzmänner „rauhe Kleider" (Näheres s. Samuel L. Sumberg, The Nuremberg Schembart Manuscripts, Publ. of the Mod. Lang. Ass. of America XLIV, 1929, S. 874. Sumberg kennt nur den Begriff „Wilder Mann“). Das Besondere am Schembartlauf von 15 39 war u. a. offenbar, daß es diesmal auch „schöne und wohlgezierte Holzmännlein und Holzfräulein" gab. Zu denen müssen Schwenter und J. Herl der Beschrei­ bung nach gehört haben. ®4) RV Nr. 905, fol. 19r v. 16. Juli 1539; Nr. 906, fol. 12«- v. 8. Aug. 1539.

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Wagnis, als er die Hochzeit seiner Tochter Anfang November 1540 auf dem Rathaus abhielt. Man ließ es diesmal durchgehen, verlangte jedoch, daß es in Zukunft vorher angezeigt würde 65). Aber als er im August 1545 für die Hoch­ zeit seines Sohnes um Erlaubnis bat, wurde es ihm abgeschlagen, „dweils bis­ her nit preuchlich gewest" 66). Er wurde wie noch heute die Hausmeister zu den verschiedensten Dienstleistungen herangezogen. 1541 bekam er einmal 4 Gulden extra „seiner mühe halben so er Im furiren mit schreiben vnd vmblauff gehapt" 67). Nach dem Reichstag im Jahre 1542 war es seine Aufgabe, das aus­ geschüttete Trinkgeld zu verteilen 68). Während eines großen Sterbens in Nürn­ berg im Jahre 1545 wurde vom Rat ein Barbier angestellt, der die Leichen für die Bestattung herzurichten hatte; Schwenters Aufgabe war es, ihn auf dem Rathaus zu beherbergen und zu beköstigen. Diese Aufgabe hat er anscheinend nur unwillig übernommen. Der Barbier lief bald davon, und es war schwer für den Rat, einen neuen zu suchen. Schließlich fand man Endres Kirchperger und trug Schwenter auf, ihn besser als den anderen zu versorgen 6Ö). Von 1540 bis 1553 war Schwenter außerdem Genannter des größeren Rates70). Was von den Genannten in Testamenten und Verträgen mit dazu besonders angefertigten Siegeln besiegelt wurde, das galt, als wenn es vor Ge­ richt beeidigt worden wäre. Wenn ein Genannter vor Gericht geladen wurde, dann brauchte er keinen Zeugeneid zu schwören 71). Es ist daher nicht ver­ wunderlich, daß die Gerichtsakten Schwenter vom Jahre 1540 an sehr oft als Zeugen, besonders in Erbsachen, nennen 72). Ende 1545 begann Schwenters Stern zu sinken. Am 16. Dezember brach früh morgens in der Doktorstube neben der Kanzlei ein Feuer aus, das in kurzer Zeit noch auf eine darüber liegende kleine Stube Übergriff und alles darin Befindliche vernichtete. Die Kanzlei konnte zum Glück vor Schaden be­ wahrt werden. Dennoch sind auf diese Weise eine große Anzahl Akten, vor allem auch Geheimakten, was dem Rat besonders unangenehm war, ver­ nichtet worden. Man fürchtete, daß die Feinde der Stadt sich darüber freuen würden, und befahl, daß die Kanzlisten und Ratspersonen über den Umfang 65) RV Nr. 922, fol. 27V v. 9. November 1540. 66) RB 23, fol. 80r v. 18. Aug. 1545; vgl. RV. Nr. 986, fol. 30v. 67) RV Nr. 926, fol. 32v v. 26. Febr. 1541. 68) RV. Nr. 947, fol. 8V v. 6. September 1512. 69) RV. Nr. 988, fol. 20v v. 2. Okt. 1545; Nr. 989, fol. 8V v. 26. Okt. 1545; RB. 22, fol. 7V und 23, fol. 137v. 70) Roths Verzeichnis aller Genannten des größeren Rats zu Nürnberg, S. 75 (s. S. 25 3); Ms. germ 914 Fol. (s. S. 253) läßt ihn fol. 42v dies Amt 1541 antreten. J. H. Msc. hist. 138 fol. 108r nennt ihn für 1540 (s. S. 253), ebenso J. H. Msc. hist. 62, fol. 62v. Eine ähnliche „Laufbahn“ hat übrigens schon Dürers Schwiegervater Hans Frey um die Jahrhundert­ wende zurückgelegt. Er war erst Honig- und Nußmesser, dann wurde er Hauswirt auf dem Rathaus und in dieser Eigenschaft berief man ihn unter die Genannten. S. H. Rupprich, Dürer, Schriftl. Nachlaß, Bd. 1, Bin. 1956, S. 31 und S. 34, Anm. 51. 71) Ms germ. 914 Fol., fol. 2'—v. Vgl. J. H. Msc. hist. 62, fol. 34r—38v „Von Pflicht der Genanten des Grossem Raths allhie 1515". 72) Stadtarchiv Nürnberg Stadtgericht Lit. 50—61; Urkundenreihe Urkunde v. 17. Aug. 1543 mit Sigel s. S. 253. Vgl. Wilhelm Gebhard, Organisation der Reichsstadt Nürnberg, Diss. Erlangen, Nürnberg 1910, S. 14—18.

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des Schadens schweigen sollten. Es wird vermutet, daß die Doktorstube wahr­ scheinlich auch den Teil einer juristischen Handbibliothek, deren Verwalter dann Schwenter gewesen sein dürfte, enthielt73). Falls es sich so verhält, wird davon eine ganze Anzahl Bücher den Flammen zum Opfer gefallen sein. Am selben Tage noch wurde angeordnet, daß das Rathaus besser mit Eimern und Spritzen zu versehen sei. In der folgenden Nacht ließ man eine Brandwache auf­ stellen, da das Feuer noch schwelte. Am 17. Dezember wurden Schwenter, seine Frau, das Gesinde und die Kanzlisten verhört, wobei sich folgender Tat­ bestand ergab: Die Schwenterin hatte die Magd um 5 Uhr morgens Feuer in den Ofen der Doktorstube legen lassen. Da die Beheizung des Ofens an dem Morgen zum ersten Male in diesem Winter geschah, war die Stube noch nicht von allerlei besonders in der Gegend des Ofens herumstehenden Schachteln leergeräumt. Diese nun waren in Brand geraten. Das Unglück konnte umso mehr einen ungehinderten Verlauf nehmen, als Schwenter Passanten, die ihn auf den Rauch, der aus der Doktorstube quoll, aufmerksam machten, mit Schimpfworten davonjagte. Nach seinem Verhalten befragt, leugnete er ab, den Leuten „böse taiding“ gegeben zu haben, und behauptete, nichts davon gewußt zu haben, daß Feuer im Ofen der Doktorstube gemacht worden sei. Die Schwenterin berief sich zur Entschuldigung dafür, daß sie hatte heizen lassen, auf einen Befehl, der ihr 14 Tage vorher von der Kanzlei zugekommen wäre, die Stube zu heizen, wenn ein kalter Morgen käme 74). Der Rat hat damals nichts gegen Schwenter unternommen, sicher ein Zeichen für die Gunst, in der er stand. In Hs. 75, fol. 81r und Hs. 1, fol. 148r hat er selbst eine Nachricht über die „Brunst auff dem Rathaus“ eingefügt, ohne aber seine und seiner Frau Schuld dabei anzugeben. Die einzige Folge war, daß am 2. Januar 1546 eine neue Schlotfegerordnung erlassen wurde, da bisher das Schlotfegen auf dem Rathaus zu nachlässig gehandhabt worden war. Schon einige Zeit vor dem Brand werden Schwenters häusliche Verhält­ nisse zu wünschen übrig gelassen haben 75). Für die Zeit danach ist es sicher bezeugt. In einem Verlaß vom 12. Mai 1546 ordnete der Rat an, Schwenter wegen seines zänkischen Wesens zu ermahnen. Er sei schon mehrmals gewarnt worden, doch sei bisher wenig Besserung erfolgt. Es sollte nun nicht länger geduldet werden. Auch seine Frau wurde ermahnt, sich gegen ihren Mann nach Gebühr zu halten. Die Eheleute versprachen' Besserung, worauf der Rat am 15. Mai ansagen ließ, daß er „ursach hette sie bede vom hauß vnnd ampt zethun“. Aber sie sollten noch einmal Bewährungsfrist erhalten. Sie wurden ermahnt, wieder zur Predigt zu gehen mit ihrem Gesinde und in Gottesfurcht zu leben, „aber wo nit, werd man des Jars nit erwarten, sonder dazwischen sie 73) Karlheinz Goldmann, 600 Jahre Stadtbilb. Nürnberg 1957, S. 13. 74) RB 23, fol. 173v—174v v. 16.—18. Dez. 1545; RV Nr. 990, fol. 37v—38r; Nr. 991, fol. lv u. 4V: Danach Darstellung bei Ernst Mummenhoff, Das Rathaus in Nürnberg 1891, S. 112: Er stellt die Entlassung Schwenters aus dem Hausmeisteramt irrigerweise so dar, als sei sie wegen des Brandes erfolgt. Sie erfolgte aber wegen seines schlechten Betragens, s. unten. Der Sachverhalt ist völlig verdreht wiedergegeben in Ms. germ. 661, fol. 21, deren Bericht aus der Mitte des 17. Jhdts. stammt. 75) s. Anm. 8 3.

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vom ampt Urlauben“ 78). Bis Anfang 1547 scheint es leidlich mit den beiden gegangen zu sein. Dann aber sah sich der Rat gezwungen, wieder Erkundi­ gungen über ihr Verhalten einziehen zu lassen, zumal auch ihr Sohn wegen Zuhälterei zu Klagen Anlaß gab77). Am 12. Mai 1547 war die Geduld des Rates zu Ende. Er verordnete:78) „ Pangratz en Sch wenn ter dem haußwirt vnd seim weib / auf ir gethane verantwurtung vnd entschuldigung ansagen, das mans angehört, dweil sie vor offtmals gewarnt worden vnd aber bisher kein pesserung geuolgt, auch noch ferner keine zuuerhoffen, so köntens meine herrn nachred vnd Verminderung halben Irer Reputation, lenger nit mehr gedulden ...“

Bis zum St. Laurentius tag, den 10. August, sollten sie sich eine neue Her­ berge gesucht haben und ausgezogen sein. Eine neue Bitte Schwenters, ihn doch im Amt zu lassen, wurde abgewiesen79). Zu Schwenters Nachfolger wurde am 26. Juli Jakob Quicklperger bestellt80). Da Schwenter zu dieser Zeit noch keine Herberge gefunden hatte, wurde ihm auf seine Bitte noch bis zum Allerheiligentag, den 1. November, für seinen Auszug Zeit gegeben. „In be­ dacht seiner langen dienst vnd alters“ erhielt er eine Pension von 50 Gulden jährlich, die für damalige Zeiten recht hoch war 81). Während der letzten beiden Lebensjahre betrieb Schwenter nebenbei einen „Kram“ neben dem Predigerkloster82). Die dunkle, zänkische und starrköpfige Seite seines Wesens, die nach dem Brand durch die Berichte in den Ratsverlässen so offenkundig hervortritt, scheint von Jugend auf einer seiner Charakterzüge gewesen zu sein. Man denkt hier unwillkürlich zurück an das von ihm selbst erzählte Erlebnis im Bayerischen Erbfolgekrieg, wo er sich wegen seines „erhitzigten gebluts“ trotz der Mahnung des Kollegen Eberlein nicht zurückhalten konnte, seinen Posten verließ und sich unter die in den Kampf Ziehenden mischte. Diese Eigenschaft scheint, durch ein Erbteil von mütterlicher Seite verstärkt — s. das auf S. 254 über die Schwenterin Gesagte — in den Söhnen und vor allem bei Pangratz junior recht stark ausgeprägt gewesen zu sein. Daß dieser an einem Totschlag beteiligt gewesen ist, wurde erwähnt (s. S. 223). Ein andermal mußte er sich wegen eines groben Drohbriefes an Schwenters Schwiegersohn Bonifatius Nöttelein verantworten 83). 4. Tätigkeit als Chronist und Literat Überblickt man die von ,S. 254 bis S. 257 gegebenen Datierungen der Ein­ träge, die Schwenter in seinen Chroniken vornahm, so zeigt sich, daß ein recht waches historisches Interesse das ganze Leben über bei ihm anhielt. Von 76) 77) 78> 79) 80) 81) 82) 83)

RV Nr. 996, fol. 28r v v. 12. Mai 1546; fol. 35* v. 15. Mai 1546. RV Nr. 1009, fol. 24r v. 23. April 1547; fol. 51* v. 10. Mai 1547. RV Nr. 1010, fol.2* v. 12. Mai 1547. RV Nr. 1010, fol. 10r v. 18. Mai 1547. RV Nr. 1012, fol. 55* v. 26. Juli 1547; fol. 60* v. 28. Juli 1547; fol. 62* v. 29. Juli 1547. RV Nr. 1013, fol. 18r v. 16. Aug. 1547;Bauch, MVGNürnberg, 13, S.280. RV 1095, fol. 25* v. 3. Okt. 1553. RV Nr. 977, fol. 22* v. 12. Dez. 1544: Nöttelein beklagte sich damals gegen seine Frau, eine geborene Schwenterin (0, seinen Schwiegervater und seinen Schwager.

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1517 an bis 1554 hat er immer wieder Einträge vorgenommen. Für die Nach­ welt besonders wertvoll war seine Leidenschaft im Sammeln historischer Doku­ mente. Er hat selbst Kosten aus eigener Tasche nicht gescheut, um Abschriften davon, die alle in den Jahren 1517 bis 1521 entstanden sind, anfertigen zu lassen 84). Vielleicht darf man aus der Tatsache, daß sich von einer seiner Handschriften gleich zwei wörtliche Abschriften finden, schließen, daß er da­ mals geradezu einen Handel damit trieb 85). Wir verdanken seiner Leidenschaft die Abschrift der frühesten deutschen Übersetzung von Meisterlins berühmter Chronik der Stadt Nürnberg 86). Nach 1521 hat sich Schwenter auf den Eintrag kleinerer chronikalischer Nachrichten beschränkt, die sich, soweit sie das 15.Jhdt. betreffen, auf den Text älterer Jahrbücher stützen 87), dann aber für den Beginn des 16. Jhdts. zu­ weilen Augenzeugenberichte darstellen (Schlacht bei Nürnberg, Bayerischer Erb­ folgekrieg), im übrigen wohl auf offiziellen Verlautbarungen beruhen dürften. Zwischen 15 3 5 und 1549 hat Schwenter nur sein Hochzeitsbüchlein geführt und Aufzeichnungen über das Honig- und Nußmesseramt, sowie einzelne No­ tizen in Hs. 71 zu späterem Eintrag in die großen Chroniken vorgenommen. Mit dieser Hs. ist ein Merkbüchlein Schwenters erhalten geblieben. In ihm finden sich verschiedentlich von seiner Hand Hinweise, die es dem Abschreiber ermöglichen sollten, die dort in falscher zeitlicher Reihenfolge stehenden Nachrichten beim Kopieren in die richtige zeitliche Abfolge zu bringen (Hs. 71, fol. 4r, 22v. 24v—25r). Die schon mehrfach zitierte Nachricht über den Türken­ zug seines Bruders ist hier zum ersten Male von Schwenter fixiert und dann wörtlich von anderer Hand in den Cod. 4425 übertragen worden (Hs. 71, fol. 30v = Cod. 4425, fol. 218r), so daß man zunächst stutzt, wenn man von dieser Hand liest: „auff disen zuge sind meiner sune zwen mitgezogen Sebald vnd Hans Schwender ..." Ähnlich ist es mit den Bildunterschriften (Cod. 4425, fol. 51v und 52r)> die auch nicht von Schwenters Hand geschrieben sind, obwohl es dort heißt: „Der gestalt. . . pin ick Pangratz Bernhaubt. . ." und „Sebaldt vnd Hanns Schwenter . . . meiner herrn . . . besoltte . . .". Als Grund für Schwenters verhältnismäßig geringe Beschäftigung mit den Chroniken zwischen 1535 und 1549 werden zunächst starke berufliche Beanspruchung, dann für die Jahre nach 1545, wie er selbst sagt, „alter vnd Verdrossenheit" (Hs. 70, fol. 314r) zu gelten haben. Ende 1549 wandte sich Schwenter wieder seinen Chroniken zu. Anfang Dezember dieses Jahres schrieb er drei historische Lieder ab 88), die auf Ereig­ nisse bei der Schlacht von Nürnberg 1502 und im Bayerischen Erbfolgekrieg 1504 anspielen. Eines davon schrieb er am 3. Dezember „bey gantzer nacht". 84) S. die Angaben bei der Beschreibung der Hss. 1, 70, 179, Cod. 4995 v. S. 254 bis S. 257. ^ Von Hs. 179 sind Cod. 4995 und der noch nicht aufgefundene Cod. 79 (s. S. 257) abge­ schrieben worden. Es ist jedoch nicht sicher, ob Schwenter diese Abschriften veranlaßte. 86) P. Joachimsohn, Die humanistische Geschichtsschreibung in Deutschland, Bd. I Sigismund Meisterlin, 1895. Die neueste Zusammenfassung über ihn bietet: R. Newald, in: Die dt. Lit. des MA, Verfasserlexikon, Bd. III, 1943, S. 345 ff. 87) S. Städtechroniken Bd. X, S. 110. 88) Hs. 70, fol. 314r—32lv.

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Damals hat er auch seine Eintragungen in Hs. 75 vorgenommen, die ausschließ­ lich in ergänzenden und kritischen Randbemerkungen bestehen zu dem von verschiedenen anderen Händen Geschriebenen. Schließlich hat er im Jahre 1552 den Cod. 4425 mit ergänzenden Einträgen versehen, nachdem er kurz vorher aus seinem Merkbüchlein einige Mitteilungen hatte übertragen lassen (s. S. 236). Nur Spuren von Einträgen finden sich in Hs. 1 (s. S. 254) bis zum Jahre 15 54. Er hat einzelne Namen hier nur noch mit roten Tintenstrichen hervorgehoben; Bemerkungen finden sich nicht mehr. Schwenter benutzte zwei Schriftarten. Er schrieb entweder in Humanisten­ schrift oder in gotischer Kurrentschrift. Für Überschriften verwendete er goti­ sche Buchschrift. Verschiedentlich begegnen in seinen Chroniken schöne Ini­ tialen und Wappenzeichnungen. Für die Initiale in Hs. 179 auf fol. 156T und die Wappen ebendort auf fol. 15 5V wird man mit einiger Wahrscheinlichkeit Schwenter als Urheber angeben dürfen, da von ihm der ganze umliegende Text geschrieben ist. Im übrigen wäre es merkwürdig, wenn er sich in solcher Be­ tätigung nicht auch einmal versucht haben sollte bei seinem ständigen Um­ gang mit Chroniken. Über die Urheber anderer Initialen und Wappenzeich­ nungen in Schwenters Chroniken lassen sich bis jetzt keine rechten An­ deutungen geben. Sie werden den von ihm beschäftigten Abschreibern zu­ kommen, die jedoch über vereinzelte Namensnennungen hinaus (s. S. 254 f.) keinerlei Gestalt gewinnen. Über Federzeichnungen mit Personendarstellungen in Schwenters Chroniken wird weiter unten einiges gesagt (s. S. 247 ff.). Sechs Tage nach Schwenters Tod verfügte der Rat: „Dieweil Panngratz Sdiwennter tods verschiden. sol man seinen Ayden Bonifatius Nöttelein beuelhen darob zu sein, das die püecher vnnd schryfften. so er verlassen vnnd meine herm belangen, nit verzogen, sonnder zusamen gehalten vnnd mein herrn vberanntwurt werden" 89).

Im Verlaß vom 5. August 1555 heißt es: „ ... vnd dem Nötelein sol man aufflegen, von den püediem vnd schryfften, die sein Schweher vnnder den hannden gehabt, vnd meine herm belangen mügen, weil ers schon in dj Lanndtspfleger Stuben gethan. ain kurtze verzeichnus zu machen ...“ 90).

Es müßte höchst aufschlußreich sein, wenn dieses Verzeichnis noch einmal an den Tag käme. Man sieht aus den Verordnungen, daß Schwenter als Chronist vom Rat eine gewisse Bedeutung zugemessen worden ist. Alfred Bauch, dem das Verdienst zukommt, als erster einen Lebens- und Schaffensabriß Schwenters gezeichnet zu haben, schreibt, wie er auf Schwenter als Literaten zu sprechen kommt: „Er . . . hat sich als Dichter versucht. Ein von ihm verfaßtes umfangreiches Gedicht, das, bisher nicht bekannt, noch der Wertung durch einen Literaturhistoriker harrt, befindet sich in der Nürn­ berger Stadtbibliothek ..." 90a). Mit diesem „Gedicht“ ist die aus dreizehn be­ schriebenen Blättern bestehende Handschrift Amb 645 2° der Nürnberger Stadtbibliothek gemeint, die 1879 oder 1882 von dem Nürnberger Antiquar 89) RV Nr. 1119, fol. 5r, vom 13. Juli 1555. 90) RV Nr. 1119, fol. 38r, vom 5. August 1555. Über Nöttelein s. S. 235. 90a) Alfred Bauch, Pangraz Schwenter, der Freund Peter Vischers des Jüngeren, in: MVGN 13, 1899, 276—285.

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Barbeck aufgekauft worden ist91). Das Manuskript ist von Schwenter eigen­ händig in Humanistenschrift geschrieben und Ende des Jahres 1515 fertig­ gestellt worden. Sein Haupttitel lautet auf fol. V: „DIE HISTORI/ || DES LEBENS (STERBENS VND/ || wunderwerck/ des Hochberümten Streitters: manlichen || uberwinders / Herculis / . . .". Lange vor dem Ankauf durch die Stadtbibliothek, etwa im Anfang des 19. Jhdts., sind zwei Blätter aus der Hs. herausgetrennt worden, die auf den Vorderseiten aquarellierte Federzeich­ nungen Peter Vischers d. J. und auf den Rückseiten Text der „Histori Herculis" enthalten. 183 5 kamen die beiden Blätter mit der Sammlung Nagler an das Berliner Kupferstichkabinett. Dort befinden sie sich noch heute unter den Inventarnummem 1082 und 1083 92). Edmund Wilhelm Braun gelang es 1915, von diesen Blättern aus die Brücke zum Nürnberger Manuskript zu schlagen 93). Auf fol. 4 av, der Rückseite des ersten der Berliner Blätter, steht der auf­ schlußreiche Untertitel: „DER TRAVM DES l| GROSTEN STREIT || TERS HERCV / I! LIS VON DEM || GEKRON / I! TEN, jj POETEN jj GREGORIO || AR VIANOTORFE, || VON SPEIER ERSTLICH || IN LATEIN: VNDDVRCH j| MICH PANGRACZ BERN || HAVBT ZV TEVTHS || GEMACHT, VAHET AN, || ". Daraus ergibt sich, daß Schwenter nicht als Dichter, sondern als Über­ setzer zu gelten hat. Nach dem viel umständlicheren Haupttitel, als hier angegeben wurde, folgt noch auf fol. lx ein Mottogedicht und Schwenters Wahlspruch „Mors omnia aequat". Fol. lv ist mit der seit Bauchs und Brauns Aufsätzen in der Vischer-Forschung vielzitierten Widmungsvorrede an die Gebrüder Vischer ausgefüllt. Auf fol. 2r steht ein Gedicht „ZV DEM LESER", und es beginnt „EIN VOREDE VON DER TVGENT", die bis fol. 4V reicht. Noch auf der­ selben Seite fängt der Hauptteil an. Die Blätter 4V bis 6V, zu denen auch die Berliner Blätter gehören, die mit 4a und 5a bezeichnet werden, handeln von Hercules am Scheidewege. Dem Hercules erscheinen im Traum „Virtus" und „Voluptas" und fordern ihn auf, sich für eine von ihnen zu entscheiden. Dem­ entsprechend zeigt die eine der Federzeichnungen, wie Somnus, der Schlaf­ gott, dem Hercules den Traum eingibt. Die andere gibt den Inhalt des Traums wieder: Man erblickt im Vordergrund die von Spielern umgebene „Voluptas", hinter der sich zur Warnung ein feuerspeiender Höllenrachen öffnet; im Hintergrund steigt „Virtus" auf steilem und steinigem Pfad den Sternen ent­ gegen. Dieses Teiles der „Histori Herculis" wegen hat sich Erwin Panofsky in seinem Werk über „Hercules am Scheidewege und andere antike Bildstoffe in der neueren Kunst" ausführlich mit Schwenters Manuskript befaßt und den Weg für eine fruchtbare Beschäftigung gewiesen94). Den von fol. 7V bis llr reichenden Abschnitt nennt man am besten „Triumph des Hercules". Hierin 91) Karlheinz Goldmann, 600 Jahre Stadtbibliothek Nürnberg 1957, S. 86. 92) Elfried Bode, Die Zeichnungen deutscher Meister im Kupferstichkabinett zu Berlin, Berlin 1921, Bd. I, Tafel 117 u. Bd. II, S. 87—88. ®8) Edm. Wilh. Braun, Die Handzeichnungen des jüngeren Peter Vischer zu Pangraz Schwenters Gedicht über die Herkulestaten, in: Monatshefte f. Kunstwiss. 8, 1915, 52—57. 94) Studien der Bibliothek Warburg 18, Bin. u. Lpz. 1930, S. 86—100.

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nimmt ein von den Musen gesungener Bericht über die Taten des Hercules den größeren Raum ein (fol. 8r— llr). Fol. T enthält eine angefangene Feder­ zeichnung, die die Darstellung eines Musenreigens hat werden sollen. Sie dürfte entgegen der bisher von der Forschung vertretenen Auffassung, die dies Fragment ebenfalls Peter Vischer d. J. zuschreibt, von Hermann Vischer stammen 95). Das Ganze mündet in ein von fol. llv bis 13r ausgebreitetes Memento mori. Dazu tritt auf fol. 13r ein kurzes Schlußwort Schwenters. Auf fol. 13v hat er noch einige Sprüche verzeichnet, die mit der „Histori Herculis“ direkt nichts mehr zu tun haben. Der Haupttitel, die Widmungsvorrede und das Schlußwort sind eindeutig Schwenters Zusätze. Mit derselben Gewißheit läßt sich sagen, daß der Haupt­ teil von fol. 4V bis 13r Schwenter durch den im Untertitel (fol. 4av) genannten Gregorius Arvianotorfes von Speier zugekommen ist. Bei dem Mottogedicht, dem Gedicht „ZV DEM LESER“ und der „VOREDE VON DER TUGENT“ läßt sich nicht genau sagen, ob es sich um Zusätze Schwenters handelt oder um Teile, die das Manuskript des Arvianotorfes mitlieferte. Bei der Vorrede, die ein Zitatenmosaik vor allem aus Cicero, Laktanz, Vergil, Horaz und Enea Silvio Piccolomini darstellt, dürfte am wahrscheinlichsten Schwenter als Ur­ heber in Frage kommen. Panofskys Vermutung dürfte sich, nachdem neue Argumente literatur- und theatergeschichtlicher Art gesammelt werden konn­ ten, als richtig erwiesen haben, daß es sich bei dem lateinischen Original des Arvianotorfes um ein Herculesdrama handeln muß. Und zwar, da die Ver­ flechtungen mit dem Werk Sebastian Brants außerordentlich stark sind, um dasjenige, das 1512 unter der Regie von Brant nach einem Zeugnis Wimpfelings in Straßburg aufgeführt wurde und bis heute für verloren gilt96). Jetzt kennen wir es wenigstens aus einer Übersetzung. Man wird wegen der außer­ ordentlich engen Beziehungen der „Histori Herculis“ zum Werke Sebastian Brants noch einen Schritt weiter gehen und Brant nicht nur für den Regisseur, sondern auch für den Autor des Dramas halten dürfen. Dann wäre der Name Gregorius Arvianotorfes, dessen Erklärung bisher nicht gelingen wollte, als eine literarische Mystifikation aufzufassen, die Brant wegen Anfeindungen, denen sein Drama nachweislich ausgesetzt war, vorgenommen haben muß. Nach Aussage des Haupttitels hat Schwenter aus der Vorlage des Arvia­ notorfes eine „Historia“ im erzählenden Stil machen wollen. Seine schöpferi­ schen Kräfte sind aber völlig bei dem Werk des Übersetzens aufgezehrt worden: Man spürt nicht den leisesten Ansatz, das Drama mit Vorrede und SchlußMemento-mori zu einer einheitlichen Historia im erzählenden Stil umzuformen. Und dabei ist die Übersetzung noch so schlecht, daß die „Histori Herculis“ deswegen außerhalb der lokalen Literaturgeschichte keinerlei Würdigung ver­ diente, wäre sie nicht durch die angedeuteten Beziehungen zu den Vischern und Sebastian Brant äußerst interessant. Schwenters geringe schöpferische Be­ gabung zeigt sich auch darin, daß er weite Teile der persönlichen Widmungsfl5) Verf. in: ZfKunstgeschichte, Bd. 22, 1959, S. 328 f. öö) Verf. in Diss. über „Histori Herculis", S. 153—154. Über Arvianotorfes s. S. 124—125.

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Vorrede an die Vischer fast buchstabengetreu aus der Widmungsvorrede ab­ geschrieben hat, die Wilhelm von Hirnkofen 1478 seiner Übersetzung des bekannten Traktats „De miseriis curialium“ des Enea Silvio Piccolomini voran­ gestellt hat. Den Haupttitel übrigens hat er aus der 1514 in Nürnberg er­ schienen „Histori Sankt Sebalds“ entlehnt. Dennoch ist Schwenters literarische Bedeutung, darüber kann kein Zweifel bestehen, größer als seine Bedeutung als Chronist97). Meisterlins Chronik und etwa Dr. Scheurls Epistel (s. S. 254) und die kleineren Nachrichten, sind auch noch in Handschriften anderer erhalten. Von dem Bühnenspiel Sebastian Brants, das uns nun in seiner Besonderheit klar vor Augen steht, worauf hier jedoch nicht näher eingegangen werden kann, besäßen wir aber nur die kleine Notiz des Wimpfeling, hätten wir nicht noch die Übersetzung Schwenters. Die Über­ setzung und wahrscheinlich die Zusammenstellung der „Vorrede von der Tugent“ sind Schwenters eigentliches Werk. Seine wesentlichste Leistung als Chronist und Literat ist die des Übermitteins. Für die Arbeit des Übersetzens und die eventuelle Zusammenstellung der Vorrede aus den verschiedensten lateinischen Autoren konnte ihm sein Studium in Heidelberg die Grundlagen schaffen. Die ersten Verdeutschungs­ übungen wird er aber schon in seiner Vaterstadt absolviert haben. Durch die Schulordnung von 1485 nämlich wurde größeres Gewicht auf das Ver­ deutschen der auswendig gelernten lateinischen Vokabeln gelegt. Da er zu den Begabteren gehörte, wird ihm als vorgerücktem Schüler täglich eine Extra­ lektion, ein „actus in arte humanitatis“, zuteil geworden sein, und er wird in der zweiten Nachmittagsstunde mit seinen ebenso befähigten Kameraden laut Schulordnung eine Lektion betrieben haben, „die nicht allein nützlich, sunder auch lustig und lieblich“ war, eine Fabel des Aesop oder ein Lustspiel des Terenz98). Vielleicht datiert von damals auch schon eine erste Berührung mit Enea Silvios Werken. Denn womöglich übte man zu seiner Schulzeit schon ver­ einzelt, was zu Beginn des neuen Jahrhunderts durch Erlaß der Schule ver­ ordnet wurde, daß „an suntagen und Feyertagen frue vor der meß vnd vnnder der Fruepredig soll ein Epistel Ene Silvy Gasparini oder andere dergleichen dienstlich mit kreiden an ein Dafel geschrieben den knaben Im andern Zirkl eine oder zwo zeil darauß vnd den Im dritten Zirkel ganz exponiert vnd verteutscht vnd sie Irer fürgegeben lektion am Werktag darnach wie oben verlautt mit Erforschung der Deklination oder Konjugation vnnd partis orationis der schwersten vnd selzamsten nominum verborum vnnd anderer diction verhört werden“ "). Wir sehen, wie die Hochschätzung des Enea Silvio, die 97) Der Meinung Bauchs, MYG Nürnberg, 13, S. 282—283, muß widersprochen werden, der sagt: „Höher als seine dichterischen Leistungen ist seine Tätigkeit als Chronist und Sammler von Chroniken und historischen Dokumenten einzuschätzen“. Über den Irrtum von der „dichterischen Leistung“ Schwenters s. die Ausführungen weiter oben. 98) Reiche, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg, S. 727. ") Siebenkees, Materialien, Bd. II, Ordnung der Lateinschulen aus dem Anfang des XVI. Jhdts., S. 731; s. auch: Siebenkees, Materialien, Bd. I, S. 269 ff.; Heinr. Wilh. Heerwagen, Zur Geschichte der Nürnberger Gelehrtenschulen in dem Zeitraum von 1485—1526, Pro­ gramm der kgl. Studienanstalt zu Nürnberg 1860, 1862/3, 1866/7, 1867/8.

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Heimburg wadigerufen und der Wyle und Hirnkofen sichtbar in Übersetzungen Ausdruck verliehen hatten (s. unten), in Nürnberger Humanistenkreisen um die Jahrhundertwende weiterhin so lebendig war, daß sogar der Schulunterricht davon beeinflußt wurde. Dies zu einer Zeit, in der die neue Humanisten­ generation sich unter Bebels Führung von den ihr zu formelhaft erscheinenden Briefen des Enea absetzte und diese nicht mehr zur klassischen Lektüre rechnete 10°). Als Schwenter nach Heidelberg kam (s. S. 225), blühte dort das Übersetzungs­ wesen in den Humanistenkreisen 101). Wimpfeling, der 1498 dort eine Professur annahm, übersetzte eine Schrift des Philippus Beroaldus, und wahrscheinlich ist auch die handschriftlich erhaltene Übersetzung des Ciceronischen Cato aus dieser Zeit sein Werk 102). Ob dieser zeitweilig auch Schwenters Lehrer ge­ wesen ist, darüber ist nichts bekannt. Dagegen spräche die Schwentersche Über­ setzung von „sol“ mit „der Son“ und „luna" mit „die Mon" loa). Wimpfe­ ling hat die Bestrebungen einzelner Humanisten, die Genera der deutschen Substantive nach dem Lateinischen einzurichten 1497 in seinem „Isidoneus Germanicus“ abgelehnt104). Als einer Person, die vom Rat der Stadt Nürnberg angestellt war, ist es Schwenter sicher jederzeit möglich gewesen, seine Kenntnisse in der Bücherei des Rates zu vervollkommnen 105). Durch die Entlehnung der Widmungsvorrede aus dem genannten Werke des Wilhelm von Hirnkofen stellt sich Schwenter in die bis auf Gregor Heim­ burg 106) zurückreichende Nürnberger Übersetzungstradition. Heimburg war Sekretär des Enea Silvio, bevor er 143 5 als Syndikus vom Nürnberger Rat in Dienst genommen wurde. Als Niklas von Wyle 1447 einige Monate das Amt des Stadtschreibers in Nürnberg innehatte, nahm Heimburg einen entscheiden­ den Einfluß auf ihn. Er unterstützte Wyle in seiner Vorliebe für die Briefe des Enea. Wyle sammelte sie schließlich; nach Wyles Tod kam die Sammlung 1486 in Nürnberg heraus. Er übersetzte auch als erster einige Briefe ins Deutsche. Dabei und bei den übrigen Translatzen war ihm ein von Heimburg vertretenes Übersetzungsprinzip maßgebend. Wyle berichtet darüber in der an Jörg von 10°) Bebel in: Epistola qui autores legendi sint ad Joh. Nauclerum, Pforzheim 1504; P. Joachim­ sohn, Frühhumanismus in Schwaben, in: Württ. Viertelj.hefte f. Landesgesch., Nf. V. Jg., 1896, S. 110. 101) Hartfelder, Deutsche Übersetzungen klassischer Schriftsteller aus dem Heidelberger Humanistenkreis, Programm des Heidelberger Gymnasiums, 1883/4. W. Stammler, Zur Sprachgesch. des 15. u. 16. Jhdts., in: Kl. Schriften zur Sprachgeschichte, 1954, S. 179—180. 102) Jos„ Knepper, Jak. Wimpfeling, 1902, Erläuterungen u. Ergänzungen zu Janssens Ge­ schichte des dtn. Volkes, III, 2—4, S. 97—98. i°3) yerf„ Diss., S. 11, Z. 29. 104) Isidoneus Germanicus Ad R. P. D. Georgium de Gemmyngen Spirensem propositum Jacobi Vympfelingi Sletstatini, fol. Bii. Exemplar in UB Tübingen. 105} J. Petz, Beiträge zur Geschichte der Bücherei des Nürnberger Rates 1429—1538, in: MVG Nürnberg 6, 1886, S. 123—174. 106) Paul Joachimsohn, Gregor Heimburg, Bamberg 1891. 16

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Absberg gerichteten Widmung zu seinen Translatzen mit folgenden Worten107): Heimburg sage „daz ain yetlidi tütsch, daz usz gutem zierlichem vnd wol gesatzten latin gezogen vnd recht vnd wol getransferyeret wer. oudi gut zierlich tütsche vnd lobes wirdig, haissen vnd sin muste, vnd nit wol verbessert werden mocht“.

Darin liegt die Aufforderung, möglichst nahe am lateinischen Text zu bleiben. Dem sind eine ganze Reihe von Übersetzern vor allem auch des Heidel­ berger Kreises gefolgt, u. a. Sdiwenter108). Bei der engen Verbindung, die Heimburg mit Enea Silvio und mit Wyle gehabt hat, ist es sicher kein Zufall, daß einer der beiden Übersetzer109) von Briefen des Enea in der Nachfolge Wyles der in Nürnberger Diensten stehende Hirnkofen gewesen ist. Nach ihm traten in Nürnberg als Übersetzer Georg Alt mit der Verdeutschung von Hartmann Schedels Weltchronik (1493) und Lazarus Spengler mit einer „Beschreibung des heyligen Bischoffs Eusebij ... von dem leben vnd sterben .. . Hieronymi“ (1514) hervor. Ferner sind Sixt Tücher mit den „Viertzig sendbriefen aus dem Latein in das Teutsch ge­ zogen ..." (Panzer, Annal. I. 377, Nr. 810) und Peter Stahel zu nennen, der zwischen 1517 und 1520 auf Bitten Seb. Brants den Anfang von Petrarcas Glücksbuch verdeutschte 110). Alle diese Männer bekleideten Ämter im Rat der Stadt oder standen wie im Falle Hirnkofens den Ratspersonen sehr nahe. Dies gilt auch für Schwenter, der 1515, als er die „Histori Herculis“ voll­ endete, Hochzeitlader im Dienste der Stadt war. Sein Beispiel zeigt, wie zu Anfang des 16. Jhdts. der Geist des Humanismus bis zu den Inhabern unterer Ämter vorgedrungen war. 5. Freundschaft zu den Gebrüdern Visdier

Schwenters „Histori Herculis" gilt seit ihrer Auffindung in den Be ständen der Nürnberger Stadtbibliothek als ein Beweis für die Richtigkeit der Nachricht, die ein Zeitgenosse, der Nürnberger Schreib- und Rechenmeister 107) Adelbert von Keller, Translationen von Niclas Wyle, 1861, Bibliothek d. Stuttg. Literar. Vereins Bd. 57, S. 9. Die bis heute einzige zusammenfassende Darstellung der Übersetzungsgeschichte dieser Zeit bietet W. Stammler in dem in Anm. 101 genannten Aufsatz. 108) Über Schwenters Übersetzungsprinzipien s. Verf., Diss. über „Histori Herculis“, S. 261—264.

109) Der andere war Michael Christian in Konstanz. Über ihn s. Joachimsohn in: Württ. Vjhefte f. Landesgesch. NF. V. Jg., 1896, S. 111—114. tiö) Fraenger, Altdeutsches Bilderbuch, 1930, S. 8. Über diese interessante Persönlichkeit scheint kaum Nachricht vorhanden zu sein. Von 1513—1520 war er Genannter des größeren Rates nach J. F. Roths „Genanntenbuch“, S. 58. 1520 ist er über seiner Arbeit weggestorben, die Georg Spalatin aus Leipzig fortführte. Das genaue Todesdatum bietet J. H. Msc. hist. 138, fol. 93r (s. S. 253). Dort heißt es „Peter Stahel obijt 18 Aprilis A° 1520“, vgl. J. H. Msc. hist. 62, fol. 57v. Die Stadtgerichtbücher nennen ihn zwischen 1512 und 1518 öfter als Vormund und Zeuge. Seine Witwe Barbara wird von 1525 an bis 1534 in Eigentumssachen genannt. Er ist nicht mit dem Ratskonsulenten gleichen Namens, der 1506 starb, zu verwechseln.

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Johann Neudörffer, über die Zusammenarbeit Schwenters mit Peter Vischer d. J. übermittelt. Er schreibt111: „Dieser Peter, gemelts Vischers Sohn, hatte seine Lust an Historien und Poeten zu lesen, daraus er dann mit Hilf Pancrazen Schwenters viel schöner Poeterei aufriss und mit Farben absetzt. Er war in allen Dingen nicht weniger dann obgemelter Hermann sein Bruder geschieht und erfahren, und ist auch in seinen besten Tagen verschieden. Sollt ich aber von der andern Brüder, Hanns, Jakob und Paulus, Kunst und Verstand nach der Länge anzeigen, möcht es zu viel seyn.“

Die Widmungsvorrede zur „Histori Herculis“ lehrt, daß diese Aussage über Schwenter auch auf sein Verhältnis zu Hermann und Hans Vischer aus­ gedehnt werden muß. Er widmet sein Werk ausdrücklich allen dreien. Peter hat sich dadurch erkenntlich gezeigt, daß er die zwei genannten, in Berlin be­ findlichen Illustrationen (s. S. 238) anfertigte. Hermann ist mit seinem Beitrag, einem Musenreigen, wegen seines plötzlichen Todes am 1. Januar 1517 nicht fertig geworden (s. S. 239). Hans hat sich an der Ausschmückung der „Histori Herculis“ nicht beteiligt. Vielleicht stammen die Schwenter-Bildnisse, auf die weiter unten zurückzukommen ist (s. S. 247 ff.), von seiner Hand. Dann könnte man diese als eine späte Dankesgabe von ihm auffassen. In dieser Verbindung des Humanisten mit dem bildenden Künstler ist eine Erfüllung desjenigen Ideals der damaligen Zeit zu erblicken, das in der ständigen gegenseitigen Ergänzung von Literatur und bildender Kunst, von Eloquentia und Pictura, gesehen wurde. Enea Silvio hatte einst zu Gregor Heimburg die Hoffnung ausgesprochen, es möchte auch in Deutschland zu dieser Verbindung kommen. Abgesehen von unserem Beispiel ergab sie sich aufs beste in der engen Freundschaft zwischen Pirckheimer und Dürer und in dessen und Burgkmairs Zusammenarbeit mit Konrad Celtis, dem „Erz­ humanisten“ 112). Wir wissen nicht, von wann Schwenters Freundschaft mit den Gebrüdern Peter d. J., Hermann und Hans Vischer datiert. Die erste Erwähnung findet sich Ende 1515 in der „Histori Herculis“. Hier tritt Schwenter schon als ver­ trauter Freund der Vischer auf, indem er von ihnen als seinen „besundern erwelten freunden“ spricht. Also wird die Verbindung sich schon eine Reihe von Jahren vorher ergeben haben. Auch die Erwähnung Schwenters in der Rechnung des Sigmund Fürer über die Aufstellung des Sebaldusgrabes, gibt leider keinen Hinweis darauf, da der auf ihn bezügliche Eintrag ohne Jahreszahl vorgenommen wurde. Aber immerhin sieht man daraus, daß Schwen­ ter sich offenbar recht verdient gemacht hat, die Leute zu Geldspenden zur Errichtung des Sebaldusgrabes aufzufordern. Er erhielt einmal zwischen 1508 und 1519 15 Schilling, „als er die leudt Ervodertt“ (= weil er die Leute aufln) Des Johann Neudörfer Schreib- und Rechenmeisters zu Nürnberg Nachrichten von Künst­ lern und Werkleuten daselbst aus dem Jahre 1547, herausg. von G. W. K. Lochner, Wien 1875, Quellen-Schriften f. Kunstgesch. X, S. 33. 112> Hans Rupprich, Humanismus und Renaissance in den deutschen Städten und an den Universitäten, s. die Einl.; ders., Der Briefwechsel des Conrad Celtis, München 1934, S. XVII. Eine Reihe aufschlußreicher Beispiele bringt W. Fraenger, Altdeutsches Bilderbuch, passim. 16 *

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fordert) 113. Übrigens finden sich aus späteren Jahren in der aus seinem Besitz stammenden Hs. 4425 zwei Einträge über Aufstellung und Messinggewicht des Sebaldusgrabes, die jedoch weder von ihm selbst eingetragen noch von ihm formuliert wurden 114). Schwenter hat die Ausarbeitung der „Histori Herculis" wegen der ständi­ gen Bitten seiner nach den geistigen Gütern des Humanismus lechzenden Freunde vorgenommen, deren Fuggergitter115) und Sebaldusgrab er in der Widmungsvorrede erwähnt. Sie wollten durch Zeichnungen beitragen zur Feier des in der zeitgenössischen Literatur und Kunst so oft behandelten und dargestellten Helden Hercules116). Besonders starken Anreiz zur Nacheiferung mag den Freunden das 1512 in Augsburg erschienene Werk „Virtus et Voluptas" des Johannes Pinicianus ge­ geben haben. Ihm geht ebenfalls eine Vorrede über die Tugend voraus. In ihr und im Verlaufe des Stückes werden dieselben Laktanz-Stellen ausführlich be­ nutzt wie in der „Histori Herculis". Das Werk bildet den einzigen der bis heute bekannt gewordenen zeitgenössischen Drucke von Herculesspielen, der durch mehrere Text-Illustrationen verziert ist. Die Illustrationen, in diesem Falle Holzschnitte, hat kein geringerer als Hans Burgkmair d. Ä. angefertigt117). Ein gewisser Ansporn kann Schwenter, als er seine Vorrede von der Tugend plante, auch von Lazarus Spenglers Dürer gewidmeter „Ermanung vnd Undterweisung zu einem tugendhaften Wandel" zugekommen sein. Das Werk wurde 1509 oder 1510 in Nürnberg gedruckt118). Es hat sich bisher leider nichts Nachweisbares darüber finden lassen, wie das Manuskript Sebastian Brants, an dem sich dann der Eifer ,Schwenters und der Vischers entzündete, nach Nürnberg gekommen ist. Vielleicht hatte man in ihrem Kreis von der, wie Rückschlüsse aus einer näheren Betrachtung der „Histori Herculis" zeigen, außerordentlich prachtvollen Aufführung des „Trau­ mes Herculis" in Straßburg gehört und hat sich womöglich wegen der An­ feindung, dem das Stück in Straßburg ausgesetzt war, um die Beschaffung des Manuskriptes besonders bemüht mit der Absicht, es von Nürnberg aus zur Geltung zu bringen. Vielleicht ist Brant von sich aus an Schwenter herange­ treten, nachdem er von Schwenters Bereitwilligkeit und Fähigkeit, Übersetzun­ gen anzufertigen, gehört hatte und von seiner Verbindung zu den Vischern. 113) Abdrude bei S. Meller, Peter Vischer d. Ä. u. seine Werkstadt, Lpz. 1925, S. 226. 114) Diese Einträge, die Widmungsvorrede und eine Reihe anderer chronikalischer Nach­ richten werden auf ihren Aussagegehalt hin für die Vischer-Forschung befragt in dem Aufsatz des Verfassers mit dem Titel: „Handschriften-Zeugnisse über das Wirken der Vischer nebst kritischen Bemerkungen zu ihrer Auswertung", ZfKunstgesch. Bd. 22, 1959, Heft 4. 115) Ich schließe mich der Vermutung Meilers an, der in den Worten der Widmungsvorrede „Dan ich euwre so angefangen sein arebeith" eine Anspielung auf das Fuggergitter sieht, (s. S. 156/7 des in Anm. 113 genannten Werkes). 116) s. S. 186 und 211 ff. in der Diss. des Verfassers. 117) s. des Verfassers Diss., S. 220—22. 1,e) Hans v. Schubert, Lazarus Spengler u. die Reformation in Nürnberg, Quellen u. For­ schungen zur Reformationsgeschichte Bd. XVII, Lpz. 1934, S. 123. Nach diesem Werk sind die Angaben in des Verfassers Diss., S. 118, zu berichtigen.

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Dann wäre dieser Fall ähnlich gelagert wie der, als Brant 1517 den Nürnberger „Genannten" Peter Stahel bat, Petrarcas Glücksbuch zu verdeutschen (vgl. S. 242) ,19). Die Ausarbeitung der „Histori Herculis" ist in ständiger Fühlung mit den Vischern vonstatten gegangen. Dies läßt sich aus der Weglassung eines Wortes in der Vorrede schließen an einer Stelle, die Schwenter sonst wörtlich von Birnkofen übernommen hat. Hirnkofen schreibt: „So hab ich . . . sölich translatz . . . erstlick zu euch auszgeen lassen", Schwenter dagegen: „So Hab ich . . . soliche Sachen zu euch ausgeen lassen" 12°). Noch einmal wird Schwenter jedoch solches Unternehmen kaum auf sich genommen haben wegen der beträchtlichen Mühen, die ihm solche „eigenschöpferische" literarische Arbeit bereitete. Auf jeden Fall ist kein Zeugnis, das dafür spräche, erhalten. Die Zusammenarbeit zwischen Schwenter und Peter d. J. gestaltete sich offenbar besonders eng, so daß man Peter den speziellen Freund Schwenters wird nennen dürfen. Er wird ihm, von dem wir die meisten mythologischen Darstellungen besitzen, eine große Anzahl von mythologischen Stoffen aus den lateinischen „Historien" und „Poeten", mit Neudörffer zu sprechen, ver­ mittelt haben. Gerade im Falle Peters läßt sich besonders gut greifen, warum er einen lateinkundigen Vermittler benötigte. Seine eignen Kenntnisse der lateinischen Sprache waren zu mangelhaft. Dies beweist die Vermischung deut­ scher und lateinischer Wortformen in der Umschrift zu dem Broncemedaillon mit seinem Portrait vom Jahre 1509 „Ego Petrus Vischer Meus Alter 22 Anno 1509" und in der Inschrift der Grabplatte von 1525 „Opus M. Pefn Fischers Normberge 1525 121). Schwenters Interesse für mythologische Stoffe hat sich bis weit über Peters Tod im Jahre 1528 hinaus erhalten. Als Zeichen dafür hat der etwa um 1538 beschriebene Zettel aus Hs. 71 (s. S. 251) zu gelten, auf dem er die Sage von Kephalos und Prokris notierte122). Als Beleg für die besonders enge Verbindung mit Peter kommt in Betracht, daß immerhin zwei der drei Illustrationen zur „Histori Herculis" auf das Konto Peters gehen. Darüber hinaus läßt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit sagen, daß Schwenter Anregungen für den Bildaufbau zumindest einer der Feder­ zeichnungen Peters gegeben hat123). Hinzu tritt das vielbesprochene Mono­ gramm ß von Peters 1524 entstandener Zeichnung „Allegorie auf den Sieg der Reformation". Es dürfte sich hierbei um ein eigens für diesen Fall ausgedachtes Monogramm handeln zum Zeichen der engen Verbindung der beiden Männer, insofern es nämlich als PP und PB lesbar ist und so beider Namen enthält: Petrus Piscator u. Pangratz Bernhaubt. Dabei ergibt sich die reizvolle Um­ kehrung, daß der Name des lateinunkundigen Peter latinisiert, der des latein119) Eine Arbeit über die literarisch-künstlerischen Beziehungen zwischen Straßburg u. Nürn­ berg scheint es noch nicht zu geben. Einzelnes findet man im Pirckheimer-Briefwechsel, Bd. 2, 1956, S. 52—5 5 u. 269. Über Umzüge von Bürgern nach Straßburg und umgekehrt s. Karlheinz Goldmann, Straßburg u. Nürnberg, MVG Nürnberg 46, 1955, S. 524—532. 12°) Verfasser, Diss., S. 97. 121) S. Meller, Peter Vischer d. Ä. u. seine Werkstatt, Lpz. 1925, S. 166 u. 200. 122) Diss. des Verfassers, S. XIV, 33, 271—274. 123) Ebendort, S. 274.

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kundigen Schwenter aber muttersprachlich erscheint124). Daß die Zeichnung 1524 entstand, ist nicht zufällig. In diesem Jahre fand in Nürnberg, wie wir auch von Schwenters Hand aus Hs. 75 (fol. 52v) erfahren, die letzte Heiltumsweisung statt125) und war der „anefang aller Evangelischen Ordnung". Schwen­ ter war wie sein Freund Peter ein begeisterter Anhänger Luthers und wird da­ her Peters Zeichnung nach Kräften gefördert haben. Seine Einstellung zur Reformation ist aus Randbemerkungen bekannt, die er zu dem Bericht eines Katholiken über die Reformation und die Ereignisse des Bauernkrieges in Hs. 75 (fol. 47v—55v) machte. Zu der Mitteilung fol. 47v: „Im 1519 jar zu dieser zeit prach Martinus Luther erstlich herfur mit seiner lere ist vil guts darinnen khumen das ist man wol inen worden / was noch guts dafern ist lert die zeyt wol sagen mich dunck Kistus werd mer darin gesucht dan Christus",

bemerkt Schwenter: „O du guter kreutzer dw host des Luthers lere nicht gelesen vnd vrteylest".

Bis fol. 53v durchsetzt er den Text mit Glossen kritischer Art, dann verliert er die Geduld und schreibt: „Ey mich verdreust auff dein heylosse schrifft zu antworten dan es nichts warhafftigs noch gutes wirth von dir beschrieben".

Auf fol. 54r kann er sich aber sdion nicht mehr zurückhalten und beginnt wieder, den Text mit Bemerkungen zu durchsetzen. Kam Schwenter, dessen Wahlspruch „Mors omnia aequat" lautet126), in der „Histori Herculis" besonders der Epilog mit seinen eindringlichen Mah­ nungen an den Tod entgegen — weist er doch mit ihm auf das Motiv des Totentanzes hin, auf „das Nichtunterscheiden von Reich und Arm, Hoch und Niedrig durch den großen Gleichmacher Tod" 127) —, so Peter Vischer gemäß seinem Wahlspruch „Vitam non mortem recogita" 128) besonders die Vorrede und der Traum des Hercules. Dort wird ja das Thema der zwei Wege im menschlichen Leben, der „via vitae" und der „via mortis", behandelt. Schwen­ ter wird dies Wort seit seiner Kindheit 1506 zum Wahlspruch gewählt haben. Das Thema Tod und Sterben hat ihn so sehr beschäftigt, daß er in Hs. 70 (fol. 23 5V) eine Übersicht über die großen Sterben in Nürnberg seit 1462 gab129). Auf den Rand des Blattes hat er mit roter Tinte geschrieben „Mors omnia equat" und daneben sein Monogramm gesetzt. Auf dem unteren Rand steht „Mors omnium re rum vicissitudo" 13°), und darunter hat er noch einen Toten124) Verfasser in ZfKunstgeschichte, Bd. 22, 1959, S. 327 f. 125) s. Reicke, Geschichte d. Reichsstadt Nürnberg, Nürnberg 1896, Register unter „Heiligtum­ weisung". 126) £)ieser Wahlspruch stammt aus Claudians „Raptus Proserpinae", lib. 2, Z. 302 und lautet dort „omnia mors aequat". Über die Bedeutung dieses Wortes als Inschrift s. Fr. P. Weber, Aspects of death, London 41922, S. 130—131, 283—301; C. Fehrmann, Diktaren och Döden, Stockholm 1952, Abb. bei S. 320. 127) E. Brede, Studien zu den lat. u. dt. Totentanztexten, Halle/S., 1931, S. 8. 128> W. Rehm, Der Todesgedanke in der dtn. Dichtung, Halle 1928, S. 186, mit Bezug auf yischers Wahlspruch. 129) Über solche Aufzählungen bei Chronisten des Spätma. s. E. Döring-Hirsch, Tod und Jen­ seits, Bin. 1927, S. 5 mit Anm. 14. is°) Dies Wort stammt aus dem Eunuchus des Terenz (2,2,45), wo es heißt: „Omnium rerum, heus vicissitudo est“. s. Erasmus, Adagia, Venetiis 1508, fol. 80v—81r. Über die Verbreitung als Inschrift s. Weber, Aspects of Death, S. 537 u. 558.

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köpf gezeichnet. Den frühesten Beleg für diesen Wahlspruch bietet die „Histori Herculis“ (1,26), dann findet er sich noch zweimal am Ende von Abschriften (beide vom Dezember 1519 in Hs. 70, fol. llv und 21v). Das obige Beispiel aus der Liste der Sterben in Nürnberg ist nach 1521 zu datieren. Peter Vischers Wahlspruch findet sich zuerst 1525 auf einer kleinen Tafel, die an ein Broncetintenfaß gelegt ist. Neben der Tafel liegt ein Totenschädel und daneben steht eine weibliche Gestalt, die mit der Rechten in den Himmel weist131). Den­ selben Spruch hat er 1528 auf dem Grabstein seines Vaters angebracht. 6. Exkurs: Die aquarellierten Federzeichnungen in den Chroniken aus Schwenters Besitz Der in den vorangehenden Ausführungen schon genannte Codex 4425 des Germanischen Nationalmuseums aus dem Besitze Schwenters enthält auf fol. 5 lv und 52r zwei aquarellierte Federzeichnungen, die bisher der Aufmerksam­ keit der Kunsthistoriker entgangen sind, obwohl sie ihre Entstehung ganz offensichtlich der Hand eines überdurchschnittlichen, also vollauf künstlerisch begabten Zeichners verdanken. Zwar hat Bauch schon 1899 auf die eine der Zeichnungen, die ein Bildnis Schwenters darstellt, aufmerksam gemacht und Braun 1915 eine zusammenhängende Betrachtung der in Schwenter-Hss. be­ gegnenden Zeichnungen für lohnend gehalten 132), doch ist daraufhin bisher keine Beschäftigung mit den Zeichnungen erfolgt. Es hat sich lediglich die unmotivierte Feststellung in Meilers Buch über „Peter Vischer d. Ä. und seine Werkstatt“ eingeschlichen, Peter d. J. habe Illustrationen zu Pangratz Schwen­ ters Chronikabschriften angefertigt und Schulz hat diese Bemerkung in seinem Abschnitt über Peter d. J. im „Allgemeinen Lexikon der bildenden Künstler“ übernommen 133). Auch ich habe bisher nicht mehr getan, als die beiden eben genannten Zeichnungen an entlegener Stelle veröffentlicht134). Heute sei mit der ersten wirklichen Veröffentlichung dieser beiden Zeichnungen die zweier anderer in Schwenter-Hss. begegnender verbunden. Und es sei ein erster Versuch gewagt, die Zeichnungen bestimmten Händen zuzuteilen. Dabei sollen die oben zuerst genannten beiden Zeichnungen im Mittelpunkt stehen, weil sie die künstlerisch wertvollsten sind und daher die größte Aufmerksamkeit verdienen. Die auf fol. 51v befindliche Zeichnung bildet den dreiundzwanzigjährigen Pangratz Schwenter ab in voller Kriegsrüstung in seiner Eigenschaft als Schenk im Bayerischen Erbfolgekriege (s. Abb. 1). Dies erfährt man aus der Unter­ schrift des Bildes: „Der gestalt vnd rustung / pin ich Pangratz Bernhaubt (I Schwenter benant / Im Bayrischen kriege vnd Behamer || Schlacht 1504 meines 131) Bode, Kleinbroncen der Söhne des älteren P. Vischer, Jb. d. preuß. Kunstsammlungen Bd. 29, 1908, S. 32 Abb. 3 und S. 33—34. 132) Bauch in dem in Anm. 90a genannten Aufsatz, S. 276—277; Braun in dem in Anm. 93 gen. Aufsatze, S. 52. 13S) Meller, in dem in Anm. 121 gen. Werke, S. 192; Fr. T. Schulz, Artikel „Vischer" im Allg. Lexikon der bild. Künstler, Bd. 34, 1940, S. 410 rechte Spalte. 134) im Anhang der Diss. des Verf.

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alters 23 Jarn / meiner Herrn || von Nurmberg besolter vnd Schenckh mit meinem || mitgesellen Jorgenn Eberlein 135) gewesen." Das von braunen Tinten­ linien umrahmte Bildnis ist 15,3 cm breit und 19,2 cm hoch. Die Bäume und Schwenters Hellebarde ragen aus dem vorgezeichneten Rechteck der angegebe­ nen Größe heraus. Die Farben sind sehr gut erhalten. Der Untergrund des Blattes ist laviert. Panzer, Hellebarde, Schwertknauf, Kannen und Feldflasche sind stahlblau gehalten; die vor den Kannen liegenden Zapfhähne golden; alle Kleidung einschließlich der Schuhe und Schwertscheide dunkelbraun; Gesicht, Halskrause und rechte Hand orangen; Barettfeder weiß; Baumstämme silbergrau Baumkronen und Boden olivgrün. Das Bildnis von der gegenüberliegenden Seite auf fol. 52T hat dieselbe Größe und befindet sich ebenfalls in einem guten Zustand. Auch sein Unter­ grund ist laviert. Es zeigt die beiden Söhne Schwenters, Sebald und Hans, in jugendlichem, nicht näher bestimmbarem Alter als Landsknechte vor ihrem Auszuge gegen die Türken im Jahre 1542 (s. Abb. 2). Die Unterschrift zu dem Bilde lautet: „Sebaldt vnd Hanns Schwenter gebrüder sind Im || Turckenzug In Hungern vor Pest / der gestalt meiner || hern von Nurmberg besolte / als ehrliche Lands- || knecht gezogen / aber Sebaldt Schwenter ist vor Pest |j ver­ schieden Anno domini 1542." Ich gebe wieder die Farben an: Gesichter und Hände sind orange gehalten, Barette und Schuhe braun, Barettfedern und Halskrausen weiß, Wämse rot und braun gestreift, Hosen gelb und schwarz gestreift, Beinkleider gelb, Schwertgriffe und Panzerkragen des rechten stahl­ blau, Schwertscheiden schwarz, Lanzen grau, Boden oliv. Im selben Codex fin­ det sich auf fol. 219r—v ein Eintrag über die näheren Umstände des Ungarn­ zuges der Söhne. Danach hat der Rat der Stadt Nürnberg am 19. April 1542 unter dem Hauptmann Pangratz Zolnner ein Fähnlein Knechte in Richtung Wien geschickt. Nicht nur Schwenters Söhne, sondern auch sein Bruder Niko­ laus und sein Vetter Wischatz sind dabeigewesen. Der für uns interessante Teil des Eintrags lautet: „auf disen zuge sind meiner sune zwen mit gezogenn Sebald vnd Hans Schwender mein Bruder Niclaus Schwenter vnd mein vetter Jorg Wischatz / sind meine zwen sone Inn gelber färbe mit schwartze vnterfuttert schwartze parchate zerschnitne wammaß rotten wullenen hemden vnd neuen gollern, der almechtig ewig gott geb Inen gluck vnd hail Amen." Die Farbangaben von hier stimmen in etwa mit der Wiedergabe im Bildnis überein. Bei der Unvollständigkeit der Angaben hat man den Text jedoch nicht für eine Art Angebung zu dem Bildnis zu halten. Obwohl auf fol. 219r—v von „meiner sune zwen" die Rede ist und die Söhne in der Unterschrift zum Bild­ nis „meiner hern von Nurmberg besolte" genannt werden und obwohl unter Schwenters Bildnis „Der gestalt vnd rustung pin ich Pangratz Bernhaupt..." steht, ist das alles dennoch nicht von Schwenters Hand geschrieben, sondern von einer, die auch sonst noch häufig in dieser Hs. und andern aus seinem Be­ sitze begegnet. Der Bntrag und die Unterschriften sind aber jedenfalls auf Schwenters Veranlassung vorgenommen worden, wie ihre Formulierung lehrt, und sind Abschriften von woanders niedergeschriebenen Entwürfen Schwenters. 135) Über Eberlein s. die Ausführungen in Anm. 48.

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Den eigenhändigen Entwurf zu dem Bericht über den Türkenzug der Söhne fol. 219r—v habe ich in dem Notizbüchlein Schwenters gefunden136). Während der Entwurf im Notizbuch für das Jahr 1542 anzusetzen ist, dürfte die Abschrift erst nach 1549, wahrscheinlich erst 1552, erfolgt sein. Codex 4425 gehört nämlich zu denen, die Schwenter erst später bearbeitete, nämlich frühestens zwei Jahre nach Entlassung aus seinem Amte als Hausmeister des Nürnberger Rathauses im Jahre 1547 137). Demnach sind auch die beiden Bildunterschriften nicht früher vorgenommen worden. Das bedeutet nun aber nicht, daß die Bild­ nisse nicht früher entstanden sein können. Versuchen wir zunächst zu einer ungefähren Datierung zu kommen: Wir sollten meinen, das Bildnis der Söhne hätte einen besseren Platz bei fol. 219 in unmittelbarer Nähe der Nachricht über den Türkenzug gefunden 138). Aber offenbar wollte Schwenter, daß sein und seiner Söhne Bildnis sich beieinander befinden; oder ist das Beieinander der Bilder nicht schon ein Hinweis auf die gleichzeitige Entstehung? Schieben wir die Beantwortung der Frage noch etwas auf. Schwenters Bildnis dagegen befindet sich für den ersten Blick am rechten Ort, nämlich mitten in einem von Schwenter eigenhändig abgeschriebenen Bericht über den Bayerischen Erbfolge­ krieg, an dem er ja teilgenommen hatte. Bei näherem Zusehen findet man jedoch einen Ort, der besser gepaßt hätte. In einer anderen Hs. nämlich, die im Bayrischen Staatsarchiv Nürnberg liegt, gibt es ebenfalls einen Bericht über den Erbfolgekrieg. Und dieser Bericht ist viel persönlicher gestaltet; denn als er auf die „Behamer Schlacht" zu sprechen kommt, durchbricht er die objektive Darstellung und fügt ein persönliches Erlebnis hinzu, das er einleitet: „Do pin ich Pangratz Bernhaubt auch bey gewesen / ein besolter meiner heren / von Nuremberg vber den wein / da ich noch einen bey mir hette Jorgen Nußmesser Eberlein benant" 139). Hier sollte man das Schwenter-Bildnis doch viel eher er­ warten. Aber diese Hs. gehört zu den früh, nämlich zwischen 1517 und 153 5 bearbeiteten, und speziell der eben genannte persönliche Bericht ist 1521 oder kurz danach entstanden. Allem Anschein nach war das Bildnis damals noch nicht geschaffen, sonst hätte er es gewiß hier eingefügt. Das Bildnis der Söhne be­ findet sich immerhin in dem Codex, in dem sowohl das Ereignis objektiv notiert als auch Persönliches von ihnen berichtet wird, wenn es auch nicht genau bei der Seite steht, wo man es erwarten könnte. Durch diese Erörterung gewinnen wir mit Sicherheit das Jahr 1521 als den Zeitpunkt, nach dem das Schwenter-Bildnis erst geschaffen sein kann. Es scheidet von vornherein aus, seine Entstehung um 1504 herum zu vermuten. Wir kommen ein gutes Stück weiter, wenn wir die Zeichentechnik der Bildnisse vergleichen. Wir sehen dann sofort an der Art der Federhaltung, Linienführung und Farbgebung, daß sie von ein und derselben Hand stammen und füglich zu ungefähr dem gleichen 136) Hs. 71, fol. 30V; vgl. Hs. 75, fol. 75v. 137) S. S. 256. 188> In Hs. 75 bei fol. 75v ist es auf keinen Fall zu erwarten. Die Hs. ist bis fol. 80v eine fremde, nicht auf Schwenters Veranlassung zus.gestellte Hs., die er lediglich 1549 mit ergänzenden u. recht kritischen Randnotizen durchsetzte. Von fol. 80v Mitte bis zum Ende auf fol. 123v hat er sie dann allerdings eigenhändig fortgesetzt. 139) Hs. 70, fol. 278V—280v.

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Zeitpunkt geschaffen sein müssen. Also dürfte das Nebeneinander wirklich ihre gleichzeitige Entstehung bedeuten. Als Zeitpunkt dafür liegt nun das Jahr 1542 nahe, das Jahr des Auszugs der Söhne gegen die Türken. Da Schwenter den Codex 4425 nicht später als 1552 zusammenstellte und be­ arbeitete, kommt als Entstehungszeit die Spanne von 1542—1552 in Betracht, so können wir vorläufig sagen. Schön bestätigt wird dies durch eine Unter­ suchung des Papiers. Die Blätter 51 und 52, die die Bildnisse enthalten, bilden mit den voraufgehenden Blättern 45 und 46 je einen Bogen. Als Wasserzeichen begegnet auf diesen Bögen der Ochsenkopf Briquet Nr. 15269. Nach Angaben Briquets stammt Papier dieses Wasserzeichens aus Ravensburg und wurde von 1542—1546 hergestellt. Es ist nun Zeit, die Frage nach dem Schöpfer der Bildnisse zu stellen. Sollte es Schwenter selbst sein? Wohl kaum, obwohl ich ihm eine kolorierte Federzeichnung, die sich auf fol. 147v des Codex 179, Rep. 52a im Staatsarchiv Nürnberg befindet, zuschreiben möchte (s. Abb. 3), die mit dem Codex zwi­ schen 1518 und 1521 entstanden sein muß. Sie findet sich zu Anfang eines von Schwenters Hand geschriebenen Berichtes über den Markgräflichen Krieg 1449—1452. Da alles Umliegende von ihm stammt, könnte er also auch die Zeichnung angebracht haben. Es wäre eigentlich merkwürdig, wenn ein Freund der Gebrüder Vischer sich nicht auch einmal zeichnerisch mit der Feder betätigt haben sollte. Aber man vergleiche die für eine Chronikillustration ganz wackere Durchführung mit den Schwenter-Bildnissen und man findet, daß ein so großer Unterschied besteht, daß es unmöglich ist, diese Federzeichnung mit jenen einer Hand zuzuschreiben. Die Schwenter-Bildnisse stehen weit über dem Niveau dieser Zeichnung. Ebenfalls scheidet als Urheber der Schöpfer der kolorierten Federzeich­ nung aus, die sich im Codex der Schwenter-Bildnisse auf fol. 114v befindet und Dr. Peter Knorr darstellt, der um 1465 Probst zu Wetzlar gewesen ist. Man vergleiche nur die plumpe Linienführung, die vor allem das Gesicht und die Hände so grob macht mit den Schwenter-Bildnissen. Vermutlich hat diese Zeichnung mit dem Wappen in der rechten Bildhälfte derselbe angefertigt, der auch aus fol. 2V—6V und 121v verschiedene Wappen gezeichnet hat. Dieser könnte zugleich derselbe sein, der große Teile der Hs. für Schwenter teilweise in wunderbarer Schönschrift abschrieb, darunter auch die Unterschriften zu den Schwenter-Bildnissen. Schon aus Gründen der Zeichentechnik scheidet auch der Schöpfer der Zeich­ nung auf fol. lv des Codex 4995 der Bayerischen Staatsbibliothek München aus (s. Abb. 4). Dann aber auch aus andern Gründen: Codex 4995 ist eine wört­ liche, schon um 1521 entstandene Abschrift der Schwenter-Hs. 179, Rep. 52a des Nürnberger Staatsarchivs, enthält jedoch Ab sch reibefehl er, die darauf deuten, daß Schwenter die Abschrift nicht beaufsichtigt und nach Vollendung nie durchgesehen, also womöglich nie in Händen gehabt hat. Er ist sonst außerordentlich korrigierfreudig. Die Vorlage, Hs. 179, enthält die Zeichnung auch nicht. Sie dürfte also auf Veranlassung dessen, der den Codex Schwenters für sich abschreiben ließ, entstanden sein. Der Inhalt der Zeichnung ist nicht 250

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uninteressant: Sie stellt Conrad Celtis dar bei der Übergabe seines Buches über Nürnberg an die Nürnberger Losunger Paul Volckamer und Gabriel Nützel140). Wer könnte sonst aus Schwenters Umgebung als Autor in Betracht kom­ men? Peter Vischer d. J. ist bereits seit 1528 tot; Hermann sogar schon seit 1517. Doch Hans Vischer, der dritte von den Brüdern, denen Schwenter 1515 seine „Histori Herculis" gewidmet hat, lebt noch, und zwar bis zum 8. Septem­ ber 1550. Peter d. J. hat dem Freunde 1516 zum Dank für die Widmung die beiden aquarellierten Federzeichnungen „Der Traum des Hercules" sowie „Virtutes und Voluptas" zur Illustration der „Histori Herculis" angefertigt. Hermann ist über seinem Beitrag, einen Musenreigen, weggestorben (s. die Aus­ führungen oben S. 239). Sollte Hans sich gar nicht haben erkenntlich zeigen wollen? In den beiden zur Diskussion stehenden Bildnissen haben wir, so meine ich, eine späte Dankesgabe des Hans Vischer vor uns. Sehen wir uns nun unter den mit Sicherheit dem Hans Vischer zuzuschrei­ benden Werken um, so finden wir leider nichts Vergleichbares. Im übrigen kann man ihm mit Bestimmtheit nur eine Zeichnung zuweisen, den Entwurf zum Apollo-Brunnen vom Jahre 1531. Bei einem Vergleich dieser durch frem­ des Vorbild beeinflußten Zeichnung, mit den Schwenter-Bildnissen kann man lediglich sagen, daß an ihr nichts den Bildnissen widerspricht. Im übrigen ist der zeitliche Abstand ja beträchtlich, ebenso die Art des künstlerischen Vor­ wurfs. Was Bode, der die eben genannte Zeichnung zuerst veröffentlicht hat, zur Charakterisierung einiger Bronzen Hans Vischers anführt, daß sie durch „schlanke gefällige Formen, gute Proportionen, gewählte Stellung und Be­ wegung ausgezeichnet seien" 141), nehme ich auch für die Schwenter-Bildnisse in Anspruch. Hinzu tritt eine feine Charakterisierungskunst. Man sehe sich die Gesichter daraufhin einmal gründlich an. So etwas hat nicht irgendwer, sondern nur eine profilierte Künstlerpersönlichkeit geschaffen 142). Ich glaube noch ein gewichtgebendes Argument für Hans Vischers Autor­ schaft in die Waagschale legen zu können. Auf dem Bildnis Schwenters befindet sich neben dessen rechtem Knie eine Art Monogramm, das ich als H V lese. Das V trägt einen für Vischer-Werkstattzeichen typischen Querbalken. Ich kann mir keine sinnvollere Auflösung als die mit Hans Vischer denken (siehe Abb. 1). Freilich, der Ort, an dem sich das Zeichen befindet, ist ungewöhnlich. Man würde es eher etwa unten in der Mitte oder in einer Ecke des Bildnisses erwarten. Doch wird man zugeben, daß es sich trotzdem ganz organisch einfügt. Ebenso erregt die Form Anstoß, die einen vor allem auf einer Photographie eher an beiläufige Tintenstriche als an bewußt gesetzte Buchstaben denken läßt. Wenn man sich jedoch das Original genauer ansieht, dann kann man nur schwer zweifeln, daß es sich nicht um bewußt gesetzte Buchstaben handeln soll. Der Künstler kann sie angebracht haben, aber auch Schwenter. Dies entspräche 140) S. S. 257. Für freundl. Rat und Erlaubnis zur Veröffentlichung der Abb. habe ich Herrn Dr. K. Dachs, Staatsbibliothek München, zu danken. 141) s. W. Bode, in dem in Anm. 131 gen. Aufsatz, S. 41. 142) Schon Bauch hat in seinem Aufsatz (s. Anm. 90a) bemerkt, daß die in Schwenters Chroniken eingestreuten bildlichen Darstellungen teils künstlerisch seien.

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durchaus seinem sonstigen Verhalten, alles Besondere, das ihn betrifft, auch anzumerken. Das Bildnis Schwenters dürfte zuerst entstanden sein; denn es ist reicher und sorgfältiger ausgeführt. Es ist vermutlich nach einer Skizze gefertigt, die das Gesicht des jungen Mannes festhielt, und für das Detail der Ausrüstung nach Angebungen Schwenters. Wahrscheinlich besaß er noch die Rüstung und Kriegskleidung und die Kriegsutensilien und konnte sie dem Künstler vor­ weisen. Ebenso wird man sich die Entstehung des Bildnisses der Söhne vor­ zustellen haben. Es ist nicht ganz zur Vollendung gediehen: Der rechten Ge­ stalt fehlt die linke Hand. Dies mag auf einer gewissen Nachlässigkeit beruhen. Die Ursache könnte aber auch darin liegen, daß wir hier die allerletzte Arbeit Hans Vischers vor uns haben, über der er wegstarb. Für diese Vermutung spricht, daß Schwenter 1547 in den Ruhestand treten mußte und sich von An­ fang Dezember 1549 an — dies läßt sich genau ermitteln — nach langjähriger Unterbrechung wieder seinen Chroniken zu widmen begann 143. Jetzt wird in ihm, als er vielfältige Rückschau auf sein Leben hielt, der Wunsch nach gültigen Porträts von sich und seinen Söhnen vielleicht neu, vielleicht auch zum erstenmal erwacht sein, um so für sein und ihr Nachleben zu sorgen. Ähn­ lichem, auf die ganze Familie gerichteten Interesse verdankte 15 51 das leider seit dem Anfang des 19. Jhdts. verschollene „Erste Büchlein der Bemhaubt Schwenterischen Genealogia“ seine Entstehung144). Und andererseits dürfte Hans Vis eher vor 1549 als vielbeschäftigter und von Schulden geplagter Leiter der Gießhütte kaum Zeit für solche Liebesdienste am Freunde gefunden haben. Das Jahr 1549 brachte ihm die erzwungene Lösung aus allen Verpflichtungen. Er zog nach Eichstätt und mußte versprechen, dort sein Handwerk nicht aus­ zuüben. Da mögen ihm Bitten wie die Schwenters nach Bildnissen von sich und seinen Söhnen als Hilfe, über diese schwer zu tragende Lage hinweg­ zukommen, sehr genehm gewesen sein. Da er am 8. Sept. 1550 gestorben ist, müssen die Bildnisse zwischen diesem Termin und Dez. 1549 entstanden sein. Nach den obigen Ausführungen liegt es besonders nahe, den Spätsommer des Jahres 1550, die Zeit unmittelbar vor dem Tode des Hans, dafür anzusetzen. 7. Beschreibendes Verzeichnis der Quellen Abkürzungen: RB = Nürnberger Ratsbücher, RY = Nürnberger Ratsverlässe. A. Aufzeichnungen von fremder Hand. I. Handschriften: a) im Staatsarchiv Nürnberg: 1. Nürnberger Ratsverlässe der Jahre 1507—1555; 2. Nürnberger Ratsbücher der Jahre 1545—1547; 3. Hs.-Nr. 225 Rep. 52a = Reinhartsches Wappenbuch, fol. 19r und 121r Wappen der Schwenter/Bemhaubt; 143) s. S. 236. 144) s. S. 257.

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MVGN 50 (I960) Pangratz Bernhaubt gen. Scbwenter 4. Hs.-Nr. 221 Rep. 52a = Nürnberger Wappenbuch vom Jahre 1583, Bd. 4, fol. 57r Wappen der „Bernhaubt“; b) int Stadtarchiv Nürnberg: 1. Stadtgericht Lit. der Jahre 1503—1547; 2. Stadtarchiv Urkundenreihe: Urkunde vom 17. August 1543 mit Schwenters Siegel: c. int Germanischen Nationalmuseum Nürnberg: Totengeläutbuch von St. Sebald, im Eintragungszeitraum vom 4. Juni bis 17. Sep­ tember 1555, Schwenter genannt; vgl. J. H. Msc. hist. 62: d) in der Staatlichen Bibliothek zu Bamberg: 1. J. H. Msc. hist. 138 enthaltend ein Nürnberger Bürgerbuch 1302—1637, fol. 108r Eintrag über Schwenters Todesdatum. Dieser Codex scheint noch nie recht ausgewertet worden zu sein. Er enthält zahlreiche genaue Todesdaten von Nürn­ berger Genannten, die man sonst nicht finden kann. Literatur: Friedr. Leitschuh, Katalog der Hss. der Kgl. Bibliothek zu Bamberg, Bd. 2, Die Hss. der Helleriana, Lpz. 1887, S. 68; 2. J.H. Msc. hist. 62, Nürnberger Chronik verschiedenen Inhalts, Mitte 16.—18. Jhdt., fol. 62v und 344v Einträge über Schwenter. Fol. 315 bis 375 entspricht dem im Germanischen Nationalmuseum zu Nürnberg aufbewahrten Totengeläutbuch von St. Sebald. Literatur: Friedr. Leitschuh, Katalog d. Hss. der Kgl. Bibi, zu Bamberg, Bd. 2, S. 30—31. Von dieser Hs. scheint dasselbe zu gelten wie von J.H. Msc. hist. 138. Ich bin nicht sicher, ob man in Nürnberg bisher auf die darin befindliche Abschrift (fol. 300—312) aus dem 17. Jhdt. desjenigen Toten­ geläutbuches von St. Sebald geachtet hat, das der Kirchenmeister Sebald Schreyer für die Jahre 1439—1517 zusammengestellt hat. Das Original davon ist offen­ bar nicht erhalten. Für die Erlaubnis zur Benutzung der beiden Bamberger Hss. habe ich Herrn Bibliotheksrat Dr. Dreßler herzlich zu danken; e. in der öffentlichen Wissenschaftlichen Bibliothek Berlin: 1. Ms germ. Fol. Nr. 914 (z. Zt. in Tübingen) Bericht vom Ursprung und An­ ordnung der Genannten des größeren Rathes allhier in Nürnberg . .. 1332—1794, fol. 42v Notiz über Schwenter; 2. Ms. germ. Fol. Nr. 661 (z. Zt. in Tübingen), fol. 20—23 Feuers-Brünste in Nürnberg 821—1675, fol. 21r Notiz über Schwenter; f. im Universitätsarchiv Heidelberg: Akten der Artistenfakultät der Universität Heidelberg, Bd. 2, fol. 169v Notiz über Schwenter, Signatur des Bandes: I, 3 Nr. 49. II. Drucke: 1. Johann Christian Siebenkees, Materialien zur Nürnberger Geschichte, Bd. II 1792, achtes Stück S. 449—486 Nümbergisches Hochzeitbüchlein, vom Jahr 1485, welches erneut, gebessert und geändert worden den 7. Februar 1526, darin S. 475 Notiz über Schwenter; 2. Johann Ferdinand Roths Verzeichnis aller Genannten des größeren Raths zu Nürn­ berg, Nürnberg 1802, S. 75 Notiz über Schwenter; 3. Des Johann Neudörfer Schreib- und Rechenmeisters zu Nürnberg Nachrichten von Künstlern und Werkleuten daselbst aus dem Jahre 1547 . . . herausgegeben von Dr. G. W. K. Lochner, Wien 1875, Quellenschriften für Kunstgeschichte X, S. 33 Nachricht über Schwenter; 4. Gustav Toepke, Die Matrikel der Universität Heidelberg, Th. 1, 1884, S. 429 Notiz über Schwenter; 5. Die Rechnungen Sigm. Fürers und Peter Imhoffs d. Ä. über Einnahmen und Aus­ gaben zum Sebaldusgrab, Abdrude b. S. Meller, Peter Vischer d. Ä. und seine Werk­ statt, Leipzig 1925, S. 226 Notiz über Schwenter.

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MVGN 50 (i960) Pangratz Bernhaubt gen. Schwenter B. Aufzeichnungen von eigener Hand (nur in Hss.). a) im Staatsarchiv Nürnberg: 1. Hs. 1 Rep. 52 b (früher Ms. 182 des „kgl. Kreisarchivs")* Pp.-Hs. in Folio mit VI u. 191 Blatt, Hs. chronikalischen Inhalts, Einträge von Schwenters und anderer Hand, Datierung der von Schwenter veranlaßten und eigenen Einträge: Frühestens bald nach 1516—1554 (s. fol. 27r u. 154r). Wenn man die Papiersorten unter Berück­ sichtigung der Wasserzeichen untersucht, legt sich als Zeitpunkt des Eintragungs­ beginns um 1542 nahe. Literatur: Die Chroniken der deutschen Städte, Bd. XI, hg. von C. Hegel, Leipzig 1874, S. 779—804: Dort Abdruck der auf fol. lr—27* befindlichen, sicher auf Schwenters Veranlassung angefertigten Abschrift der Epistel von Christoph Scheurl vom 15. Dezember 1516 über die Verfassung der Reichsstadt Nürnberg, die 1863 M. Lexer aus dieser Hs. exzerpierte. 2. Hs. 70 Rep. 52a (früher Ms. 113 des Nürnberger „kgl. Kreisarchivs"), Pp.-Hs. in Folio mit 363 Blatt, Hs. chronikalischen Inhalts, Einträge von Schwenters und anderer Hand, Datierung der von Schwenter veranlaßten und eigenen Einträge: Dezember 1519 bis Dezember 1549 (s. fol. llr, 20v u. 319V), Literatur: Die Chroniken der deutschen Städte, Bd. III, hg. von C. Hegel, Leipzig 1864, S. 26—27 und 32—178: Dort Beschreibung des Hs. und Abdruck der Über­ setzung von Sigismund Meisterlins Chronik der Stadt Nürnberg, wozu die in dieser Hs. fol. 31r—128r befindliche älteste erhaltene Abschrift, die Paul von Weychselwing im Aufträge Schwenters anfertigte, die Textgrundlage bot. Die Chroniken der deutschen Städte, Bd. X, . .. 1872, S. 110—112 und 118—440: Dort Beschreibung der Hs. unter Bezugnahme auf Städtechroniken Bd. III, S. 26—27, und Abdruck von Jahrbüchern des 15. Jhdts. Dazu sind die über weite Teile der Hs. verstreuten Mitteilungen über Ereignisse bis zum Jahre 1500 von Schwenters und anderer Hand hinzugezogen worden. R. von Liliencron, Die Historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jhdt., Leipzig Bd. I 1865, Bd. II 1866: II, 190: Zur Textgestaltung Abschrift, die nicht von Schwenters Hand ist, benutzt, fol. 224v—229T, II, 225: Zur Textgestaltung Abschrift Schwenters benutzt, fol. 316r—319v, II, 228: Zur Textgestaltung Abschrift Schwenters benutzt, fol. 171r—175T, II, 236: Zur Textgestaltung Abschrift Schwenters benutzt, fol. 314r— 315V, für die LiedeT I, 123 b und II, 226, die sich fol. 220v—223* (nicht von Schwenters Hand) und fol. 320r—321v (von Schwenters Hand) befinden, hat Liliencron andere Quellen benutzt. Geschichte des ehemaligen Weilers Affalterbach, Beitrag zur Kriegs- und Sitten­ geschichte des Mittelalters von Franz Freiherr von Soden, Nürnberg 1841 und Adolf Haase, Die Schlacht bei Nürnberg vom 19. Juni 1502, Diss. Greifswald 1887, S. 14—16 und passim: benutzen Schwenters Mitteilung über die sog. „Kirchweih von Affalterbach" fol. 268*—274v. 3. Hs. 71 Rep. 52 a Pp.-Hs. in Quart mit 45 Blatt, von mir in den Beständen des Staatsarchivs gefunden. Bisher durch falsche Auf­ lösung des Monogramms S auf fol. lr und falsche Lesung des Namens auf fol. 30v „Paulus Schwend“ zugeschrieben. An Schwenters Autorenschaft für große Teile der Hs. kann bei einem Schriftenvergleich und einem Vergleich mit dem ebenso ge­ formten Monogramm in Hs. 70, fol. 23 5v, kein Zweifel bestehen. Hs. chronikalischen Inhalts, zwischen fol. 2 und 3 (fol. 1 und 2 sind zusammengeklebt) liegen vier lose Zettel. Nr. 4 enthält die Sage von Kephalos und Prokris, s. den Abdruck auf S. 33 und die Bemerkungen dazu auf S. XIV in der Diss. des Verfassers.

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MVGN 50 (i960) Pangratz Bernhaubt gen. Schwenter Datierung der Einträge Schwenters: 1538—1544 (s. fol. lr, 4r, und 29r— 36v), Zettel Nr. 2: 31. Mai 1542, Nr. 1 wird zur selben Zeit geschrieben sein, da er ähnlichen Eintrag enthält, Nr. 3 und 4 werden daher wohl auch ungefähr in diese Zeit zu setzen sein. Historisches Lied fol. 17r— 19v, nicht von Schwenters Hand, findet sich von der­ selben Hand geschrieben wieder in Cod. 4425 des Germanisdien Nationalmuseums Nürnberg, ebenso Text fol. 21r—29r = Cod. 4425, fol. 205r—216r; fol. 15v = Cod. 4425, fol. 218r. 4. Hs. 75 Rep. 52 a Pp.-Hs. in Folio mit 123 Blatt, Hs. chronikalischen Inhalts, Einträge von anderer Hand, überall Zusätze von Schwenters Hand, Datierung der Zusätze Schwenters: 1549 (s. fol. 38v). Fol. 23r verweist Schwenter bei Erwähnung des markgräflichen Krieges (1449—1453) auf sein „gantz buch von diesem krieg beschriebn“: Damit ist Hs. 179 (s. Nr. 5), fol. 147r—254r, größtenteils von seiner Hand, gemeint. (Von Hs. 179 ist abgeschrieben Cod. 4995 der Münchener Staatsbibliothek, fol. 215r—371v; über diesen Codex Näheres S. 256.) Literatur: A. Gümbel, Die Stifterbildnisse auf Dürers Allerheiligenaltar, Repert. f. Kunstwiss. 46, 1925, S. 227—228: Dort Bezugnahme auf eine Mitteilung Schwen­ ters auf fol. 42v—43r; ders. Neues über Dürers Allerhciligenaltar, in: HeimgartenBeilage zur Bayr. Staatszeitg. vom 8.1.1924. Der Hinweis auf diese Hs. und die Literatur wird einer Notiz in Hallers Sippenkartei verdankt, die das Stadtarchiv Nürnberg aufbewahrt. Abdruck der Stelle fol. 42v—43r bei Hans Rupprich, Dürer. Schriftlicher Nachlaß, Bd. I, Bin. 1956, S. 250. Vgl. dazu die berichtigten Anm. in Bd. II, der demnächst erscheinen wird. 5. Hs. 179 Rep. 52 a (früher Ms. 71 a des Nürnberger „kgl. Kreisarchivs“), Pp.-Hs. in Folio mit 254 Blatt, Hs. chronikalischen Inhalts, Einträge auf Veranlassung Schwenters von Paul von Neuenstain und Paulus Weygswergk (scheinen der Schrift nach identisch zu sein, auch mit Paul von Weychselwing, s. S. 254) und von eigener und noch einer fremden Hand. Datierung der von Schwenter veranlaßten und eigenen Einträge: 1518—1521 (fol. 74r und 146v). Auf fol. 147v befindet sich eine kolorierte Federzeichnung, die Ban­ nerträger mit Schildknappen darstellt. Sie stammt vielleicht von Schwenters Hand. (Näheres s. S. 250.) Eine wörtliche Abschrift von Hs. 179 stellt der Cod. 4995 der Bayrischen Staats­ bibliothek München dar von einer in Schwenters Schriften sonst nicht begegnenden Hand. Auch die Abschreibervermerke wurden aus Hs. 179 mit abgeschrieben. Der Schreiber von Cod. 4995 nennt sich nirgends. So ist die Bemerkung in den „Chro­ niken der deutschen Städte“, II, 115, wo Cod. 4995 beschrieben wird, „am Ende derselben nennt sich der Abschreiber ,Pancratius Arctocephalus, 1521’ “ falsch. Weiteres s. unter Cod. 4995; Literatur: Die Chroniken der deutschen Städte, Bd. II, . . . 1864, S. 123—347 und 115: Dort Beschreibung des Cod. 4995 und Abdruck des Kriegsberichtes über den markgräflichen Krieg unter Hinzuziehung von Cod. 4995, fol. 215r—371v, wört­ lich aus Hs. 179, fol. 147r—254r. Albert Werminghoff, Conrad Celtis und sein Buch über Nürnberg, Freiburg i. Br. 1921, S. 93—94: dort Beschreibung der ersten 48 Bll. mit falscher Lesung des Abschreibernamens, der sich Paulus de Neuenstain (s. oben) nennt. 6. Hs. 215 Rep. 52 a (früher Ms. 512 des Nürnberger „kgl. Kreisarchivs“), Pp.-Hs. in Folio mit 78 Blatt, „Hochzeith-Buchlein der Erbam In Nürnberg 1547“, es enthält Einträge über Hoch­ zeiten der Jahre 1462—1554 meist von Schwenters, aber auch von einer andern Hand, Datierung der Einträge Schwenters: Frühestens 1540—15 54 (s. fol. 2r und 71v); die Untersuchung der Papiersorten unter Berücksichtigung der Wasserzeichen legt als Zeitpunkt des Eintragungsbeginns um 1542 nahe. Vgl. mit dieser Hs. das „Ver­ zeichnis aller fürnemen Hochzeitten ..." aus der Staatl. Bibliothek Bamberg (J. H.

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MVGN 50 (i960) Pangratz Bernhaubt gen. Schwenter Mscr. hist. 71), das ebenfalls mit dem Jahre 1462, und zwar mit Erwähnung der­ selben Hochzeit, beginnt. 7. Hs. 264 Rep. 52 b Pp.-Hs. in Folio mit XII und 70 Blatt, von mir erstmalig als Hs. aus Schwenters Besitz festgestellt, Hs. mit Aufzeichnungen über das Honig-, Nußmesser- und Eichamt in Nürnberg, Einträge meist von anderer Hand, aber mit reichen Zusätzen Schwenters, Datierung der Einträge Schwenters: Frühestens 153 5—1545 (s. fol. 5r und 60r). b) in der Stadtbibliothek Nürnberg: 1. Cod. Amb. 645 Pp.-Hs. in Folio mit 14 Blatt, enthält „Histori Herculis“, Datierung der Niederschrift durch Schwenter: Ende 1515 (s. fol. lv). Genaue Beschreibung s. S. VIII—X, Ausgabe s. S. 1—32 in der Diss. des Verfassers. Daß die Hs. von Schwenters Hand geschrieben wurde, lehrt ein Vergleich mit seinen Einträgen in den andern Hss., die zu einem großen Teil so persönlicher Art sind, daß sie nur von ihm selbst stammen können. Dies mußte hervorgehoben werden, weil die bloße Nennung des Schreibers, selbst wenn er sich mit „ich“ ein­ führt, zum Beweis der Autorschaft nicht genügt. Dies braucht auf weiter nichts als einer wörtlichen Abschrift zu beruhen, vgl. das zu Hs. 179 und zu Cod. 4995 Gesagte; 2. Cod. Amb. 54 Pp.-Hs. in Folio 315 Blatt, Hs. chronikalischen Inhalts mit Eintragungen für die Jahre 1448—1601, Einträge nirgends von Schwenters Hand, dennoch wird die Hs. im Katalog der Stadtbibi, unter Pangraz Bämhaupt verzeichnet, Gründe für die Zuschreibung waren nicht herauszufinden, sie beruht, einer Nachricht des ehemaligen Direktors Dr. Bock zufolge, aller Wahrscheinlichkeit nach auf einem Irrtum. c) im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg: Cod. 4425 Pp.-Hs. in Folio 2 + 7 + 256 Blatt, Hs. chronikalischen Inhalts, fol. 5 lv und 52r Bildnisse Schwenters und seiner Söhne (kolorierte Federzeichnungen ca. 15 x 19 cm), die wahrscheinlich Hans Vischer angefertigt hat (näheres s. S. 247 ff.). Über die kolorierte Federzeichnung, die Dr. Peter Knorr darstellt (fol. 114v) s. S. 250. Einträge von anderen Händen, teilweise auch von Schwenter, überall Zusätze von ihm, Datierung der Schwenter-Bildnisse: 15 50. Das Bildnis Dr. Knorrs dürfte zwischen 1549 und 15 52 entstanden sein. Datierung der Zusätze und Einträge Schwenters: 1552 (s. fol. 141r und 147v). Fol. 172V—175r hat Hs. 4425 mit geringen Abweichungen mit dem Bamberger J. H. Msc. 21a fol. 192r—195r gemeinsam. S. den Aufsatz des Verfassers mit dem Thema „Hand­ schriften — Zeugnisse über das Wirken der Vischer . . .“ in ZfKunstgesch., Bd. 22, 1959, Heft 4. Weiteres s. zu Hs. 71 (S. 255). d) in der Bayrischen Staatsbibliothek München: Cod. 4995 Pp.-Hs. in Folio mit 376 Blatt, Hs. chronikalischen Inhalts, wörtliche Abschrift von Hs. 179, Rep. 52a des Staatsarchivs Nürnberg; Beweis der Abhängigkeit der Münchener von der Nürnberger Hs. ist die Tatsache, daß auch die in der Nürnberger Hs. enthaltenen Abschreibervermerke übernommen wurden, und zwar mit Fehlern, die offensichtlich auf falsche Lesung zurückgehen, so Cod. 4995 fol. 214v „prime pamratur arcotepham“ statt Hs. 179 fol. 146v „per me pancratium Arctocepham“; Einträge nicht von Schwenters oder einer andern in seinen Chroniken vorkommenden Hand,

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