Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [48]

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Mitteilungen des

Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

A c h t u n d v i e r zigs t e r Band

Nürnberg 1958 Selbstverlag des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

Im Aufträge des Vorstands des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg hgg. v. Archivdirektor Prof. Dr. Gerhard Pfeiffer. Für Form und Inhalt der einzelnen Beiträge sind die Verfasser verantwortlich. Gedruckt mit Unterstützung des Stadtrats zu Nürnberg, des Kultusministe­ riums Baden-Württemberg, des Bezirksverbandes Mittelfranken, der Stadt­ sparkasse Nürnberg, der M. A. N. Nürnberg und des Herrn Achitekten Dipl.-Ing. Wurm-Ravensburg. Allen Spendern und Mitarbeitern sei herzlichst gedankt! Der Umschlag wurde auf Grund einer Anregung von Prof. Dr. Grote nach dem Wappenmuster des Nürnberger Heiltumsschreines von Fr. OerterNürnberg gestaltet. Druck: Ph. C. W. Schmidt, Neustadt/Ai sch. Klischees: Graphische Kunstanstalt und Druckerei Karl Ulrich & Co. Alle Rechte Vorbehalten! Copyright by Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg 1958.

INHALT: Nürnbergs Selbstverwaltung 1256—1956 von Archivdirektor Prof. Dr. Gerhard Pfeiffer............................................................................................. 1 Der Kupferhammer zu Enzendorf bei Rupprechtstegen von Studienprofes­ sor Karl Frhr. v. Harsdorf (f).........................................................................26 Nürnberg und Kuttenberg von Oberstudienrat Dr. Richard Klier ... 51 Portugiesische Forschungen und Quellen zur Behaimfrage von Hochschul­ professor Dr. Hermann Kellenbenz................................................................... 79 Der Globus des Lukas Rem. Ein Beitrag zum Martin-Behaim-Gedächtnisjahr 1957 von Hubert Frhr. v. Welser (Neunhof b. Lauf) .... 96 Bartolome Flores, ein früher Nürnberger Amerikafahrer von Studienrat Dr. Gerd Wunder (Gelbingen b. Schw. Hall).................................................... 115 Studien zur Geschichte der Baumeisterfamilie Behaim von Christa Schaper (Bayreuth)................................................................................................................125 Über die Quellen zu Hans Sachs’ Spruchgedicht „Die 110 fließende Wasser Teutschlandes“ (1559) von Dr. Walther Matthey, Bibliothekar am Ger­ manischen Nationalmuseum...............................................................................183 William Smith: A Description of the Cittie of Noremberg (Beschreibung der Reichsstadt Nürnberg) 1594, übersetzt von dem British Cultural Representative William Roach mit einem Vorwort von Bibliotheks­ direktor Dr. Karlheinz Goldmann........................................................................ 194 Johann Valentin Willius von Univ.-Professor Dr. Dr. Anton Emstberger (Erlangen)................................................................................................................246 Der Übergang der Reichsstadt Nürnberg an Bayern im Jahre 1806, eine rechtsgeschichtliche Betrachtung von Univ.-Professor D. Dr. Hans Liermann (Erlangen).................................................................................................. 259 Die Ära Wurm in Nürnberg 1806—1818 von Archivrat Dr. Gerhard Hirsch­ mann .................................................................. 277 Hegel als Rektor und Lehrer am Gymnasium in Nürnberg von Studienrat Kurt Hussel................................................................................................................306 Karl Alexander Heideloff von Dr. UrsBoeck (Tübingen).................................. 314 Das Rezatland im Lichte der Heilsbronner Regesten. Betrachtungen über Urkundenregesten des Zisterzienserklosters Heilsbronn 1. Teil: 1132 bis 1321, bearb. v. Günther Schuhmann und Gerhard Hirschmann von Dr. Ingomar Bog (Roßtal)...............................................................................391 Buchbesprechungen: Der Gesichtskreis: Josef Drexel zum 60. Geburtstag (München 1956) von Studienprofessor Dr. August Jegel...........................................................396 Bilder aus der deutschen Vergangenheit (Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg z. dtsch. Kunst- u. Kulturgeschichte. Band 2/3 Ludwig Grote, Hier bin ich ein Herr. Dürer in Venedig. (1956). Bd. 4 Günther Schiedlausky, Essen und Trinken. Tafelsitten bis zum Ausgang des Mittelalters (1956). Bd. 5 Leonie von Wilckens Tages­ lauf im Puppenhaus. Bürgerliches Leben vor 300 Jahren (1956) von Dr. Kurt Pilz....................................................................................................... 397 Konrad Kupfer, Die ehemalige Naturalwirtschaft dm bäuerlichen und bür­ gerlichen Leben (Nürnberg 1957) von Archivdirektor Dr. Fritz Schnelbögl 402

Historischer Atlas von Bayern Teil Franken. Reihe II, Heft 1, la, 2, 3 von Archivdirektor Prof. Dr. Gerhard Pfeiffer........................................403 Alexander Frhr. v. Reitzenstein, Franken (München 1955) von Dr. Kurt Pilz............................................................................................................................. 404 Jahrbuch für fränkische Landesforschung Bd. 16 (Kallmünz/Opf. 1956) von Stud.-Professor Dr. Wilhelm Kraft..................................................... 406 Werner Schultheiß und Emst Eichhorn, Nürnberg. Die Schönheit der alten Noris von Archivrat Dr. Gerhard Hirschmann........................................408 Des Götz von Berlichingen Register der Hälte und Furten um Nürnberg, eingeleitet, hgg. und erläutert von Hanns Hubert Hofmann von Archiv­ direktor Dr. Fritz Schnelbögl...............................................................................409 Werner Schultheiß, Geschichte des Nürnberger Ortsrechtes (Nürnberg 1957) von Stadtrat a. D. Dr. Karl H. Fischer.....................................................409 Wulf Schadendorf, Von Tracht und Mode im alten Nürnberg (Nürnberg 1956) von Dr. Kurt Pilz..................................................................................... 410 Ernst Eichhorn, Frauenkirche Nürnberg (München 1955) von Direktor d. städt. Kunstsammlungen Dr. Wilhelm Schwemmer....................................... 411 Dürer: Schriftlicher Nachlaß, hgg. von Hans Rupprich (Berlin 1956) von Bibliotheksdirektor i. R. Dr. Friedrich Bock (Erlangen) . . . 412 Eugen Geiger, Der Meistergesang des Hans Sachs (Bern 1956) von Biblio­ theksdirektor i. R. Dr. Friedrich Bock (Erlangen)....................................... 414 Johann Joseph Morper, Bamberg, die Mitte Deutschlands (Bamberg 1957) von Direktor d. städt. Kunstsammlungen Dr. Wilhelm Schwemmer . 414 Hansiwernfried Muth, Aigentliche Abbildung der Statt Bamberg (Bamberg 1957) von Direktor d. städt. Kunstsammlungen Dr. Wilhelm Schwemmer 415 Wilhelm Engel, Die Burgen Frankenberg über Uffenheim mit einem burgenkundlichen Nachwort von Hellmut Kunstmann (Würzburg 1956) von Archivdirektor Prof. Dr. Gerhard Pfeiffer..............................................416 Ernst Kober, Geschichte des Kreises Jägemdorf (Grettstadt bei Schweinfurt) von Stud.-Professor Dr. August Jegel.....................................................417 Ernst Gagel unter Mitarbeit von Fritz Schnelbögl, Pfinzing, der Karto­ graph der Reichsstadt Nürnberg (Hersbruck 1957) von Dr. Hanns Hubert Hofmann................................................................................................................ 418

Nürnbergs Selbstverwaltung 1256-1956 Von Gerhard Pfeiffer

Stadtratsverfassung und Selbstverwaltungsgedanke Am 10. Oktober 1956 jährte es sich zum 700. Male, daß der Nürnberger Stadtrat urkundlich in Erscheinung trat. Will man die Bedeutung dieses Tages ermessen, so gilt es im Auge zu behalten, daß dieser Stadtrat allmählich entstanden ist und steten Wandlungen unter­ worfenwar. Aber nicht nur der Nürnberger Stadtrat von 1256 hat seine Entstehungsgeschichte gehabt und Wandlungen erfahren; auch der Be­ griff „Selbstverwaltung“, als deren Träger in Nürnberg der Stadtrat in seiner heutigen Gestalt uns entgegentritt, hat ebenfalls seine wech­ selvolle Geschichte durchgemacht. Dieser Begriff „Selbstverwaltung“ ist nämlich erst im 19. Jahrhundert als Übersetzung aus dem englischen „self-government“ durch Rudolf von Gneist in die deutsche Staats­ rechtswissenschaft eingeführt worden und kann nicht ohne weiteres auf vergangene Verhältnise angewendet werden. Denn gerade die moderne Selbstverwaltung in Deutschland ist an besondere geschichtliche Voraussetzungen geknüpft. Sie setzt das Be­ stehen einer absoluten zentralen Staatsgewalt voraus, der gegenüber Körperschaften und Gemeinschaften den Anspruch erheben, ihre inne­ ren Angelegenheiten selbst regeln zu dürfen. Gerade der Selbstver­ waltungsgedanke geht von der Einheit der öffentlichen Gewalt aus, deren Ausübung auf verschiedene Träger verteilt und übertragen werden sollte. Er ist insofern verwandt mit der von Montesquieu ent­ falteten Lehre von der Gewaltenteilung, wonach Gesetzgebung, Ver­ waltung und richterliche Entscheidung in verschiedenen Händen liegen sollen. Charakteristischerweise hat man diese Lehre ergänzt durch den Begriff des „pouvoir municipal“, der Kommunalgewalt, die in ihrem Bereich unabhängig sein müsse. Im 19. Jahrhundert ist aber der Ge­ danke der Gewaltenteilung eine Verbindung eingegangen mit dem Gedanken der Demokratie, der Lehre, daß alle Gewalt vom Volke aus­ gehe, in seinem Namen und nach seinem Willen ausgeübt werden solle. i

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Aus der Verbindung, die der Gedanke der Demokratie mit dem der Gewaltenteilung einging, ist so der moderne Gedanke des Staatsauf­ baus von unten, von den Zellen des öffentlichen Lebens in den Ge­ meinden, hinauf zum Gesamtstaat, erwachsen. Von diesem Ideengut her gesehen erweist sich natürlich die Wirklich­ keit von 1256 als etwas in mancher Hinsicht anderes. Denn der Stadtrat von 1256 sah sich keiner einheitlichen Staatsgewalt gegenüber, die auf dem Wege der Gesetzgebung ihm Rechte übertragen hätte. Er ist viel­ mehr Glied in einem ständischen Aufbau des Reiches, das sich am Ende der Stauferzeit vor der Gefahr der Auflösung sieht. Deshalb müssen wir uns immer wieder fragen, in welcher Hinsicht der Stadtrat von da­ mals die Idee der Selbstverwaltung verwirklichte.

Die Anfänge der Selbstverwaltung in Nürnberg Ursprünglich waren auch die Städte des mittelalterlichen Reiches nur Bezirke für die obrigkeitliche Verwaltung königlicher Beamter ge­ wesen wie das Land auch. Lag auf dem Lande Rechtsprechung und Verwaltung in der Hand der Grafen, so in den königlichen Städten in der Hand der Burggrafen, und neben und unter ihnen der Schult­ heißen. Für Nürnberg wird der Burggraf zum ersten Mal mit seiner Funktion 1138 bezeugt, der Schultheiß 1173 oder 1174. Fast zur gleichen Zeit wie der Schultheiß tritt ein weiterer königlicher Beamter auf, der Butigler, der für ein Jahrhundert sein Hofamt als Keller­ meister mit Aufgaben der königlichen Güterverwaltung in Nürnberg verbunden hat. War so Nürnberg zunächst nur königlicher Gerichts- und Verwaltungs­ bezirk, so waren doch die Siedler am Fuße der Burg mehr als bloße Objekte königlicher Verwaltung. Man verkennt das mittelalterliche Leben, wenn man neben dem stark betonten und von Gottes Gnaden abgeleiteten Herrschaftsgedanken das lebendige genossenschaftliche Band als wesentliche Verfassungskomponente übersieht. Zwar ist der Schultheiß königlicher Beamter, aber er fällt keine Urteile, er ver­ kündet sie nur, nachdem sie die aus der Gerichtsgemeinde hervor­ gehenden Schöffen gefunden haben. Weiter ergibt sich aus einer Ur­ kunde Friedrich Rotbarts von 1163, daß die Nürnberger auch Träger besonderer Freiheitsrechte waren, und der sogenannte große Freiheits­ brief Friedrichs II. für Nürnberg vom Jahre 1219 gewährte diesen Nürnbergern nicht nur zahlreiche wirtschaftspolitische Rechte, son­ dern enthielt auch die Bestätigung einer als herkömmlich bezeichneten Regelung, die für die Entstehung der Selbstverwaltung einen wichti­ gen Ansatzpunkt bot, nämlich, daß der Herrscher im Reiche die Steuern in Nürnberg nicht von den einzelnen Steuerpflichtigen, sondern von der Gesamtheit der Bürger erheben ließ. Mit anderen Worten, Nürn­ berg ist steuerrechtlich als Körperschaft anerkannt und dieser Körper­ schaft ist die Verteilung der Steuerlast auf die einzelnen Bürger über­ lassen. Es fehlen freilich vollständig irgend welche Nachrichten dar2

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über, wie sich diese steuerpolitische Selbstverwaltung gestaltet hat. Man kann daran denken, daß das Schöffenkolleg die Umlage der Steu­ ern vornahm oder auch daß ein besonderer Bürgerausschuß darüber entschied. Jedenfalls aber war eine von der einseitigen Entscheidungs­ befugnis der königlichen Beamten freie Sphäre bürgerlicher Selbst­ verwaltung geschaffen. Nürnberg als selbständige Körperschaft Erst einige Zeit später, seit etwa 1240, äußert sich der genossenschaft­ liche, korporative Charakter der Bürgergemeinde nach außen. Diese erscheint jetzt als „Universitas civium“, d. h. als Gesamtbürgerschaft; ca. 1242 läßt sich nachweisen, daß sie ein Stadtsiegel führte, und seit Beginn der 1250er Jahre beschäftigt sie einen Stadtschreiber. Am 1. Mai 1256 sind zum ersten Mal das innere Königstor und der Wall dabei, d. h. freilich noch nicht eine Stadtmauer, genannt, die Bürger­ schaft sorgte also jedenfalls durch eine Stadtbefestigung für ihren Selbstschutz. Am 10. Oktober 1256 tritt erstmalig der Rat der Stadt Nürnberg handelnd auf. Wie konnte es zu dieser schnellen Entwicklung innerhalb von rund U/2 Jahrzehnten kommen? Der Aufschwung Nürnbergs zur Reichs­ stadt ist wesentlich bestimmt durch die politische Geschichte des Reiches. Dieses Reich erlebte eine große Krise, als Papst Gregor IX. im Jahre 1239 über Kaiser Friedrich II. den Kirchenbann aussprach und der Kampf zwischen Kaiser und Papst ausbrach. In dem Augen­ blick, in dem der Kaiser den Rückhalt seiner Untertanen brauchte, wuchs die politische Bedeutung der Städte, und Friedrichs II. Sohn, Konrad IV., mußte ihnen politische Zugeständnisse machen. Ausdruck dieser politischen Verselbständigung der Städte ist die Rats­ verfassung. Ihre Anfänge liegen in Italien. Hier wirkte das Vorbild der Stadtrepublik Rom des Altertums nach, wo 2 Konsulen an der Spitze des öffentlichen Lebens gestanden hatten. Nach dem Erlöschen der römischen Konsulatsverfassung haben bereits gegen Ende des 11. Jahrhunderts oberitalienische Bürgerschaften wieder Konsuln zu Stadtoberhäuptern gewählt. Gegen 1190 treten solche Konsuln oder, wie die deutsche Bezeichnung lautet, Ratsherren, am Oberrhein, in den Bischofstädten Basel, Straßburg, Speyer, Worms, und schließlich in Utrecht auf. Die Verwaltung der Städte durch das Kolleg der Konsuln, lateinisch consilium, deutsch Rat genannt, breitet sich allmählich auch in den königlichen Städten aus und gewinnt Bedeutung, als am 25. Mai 1254 König Konrad IV. stirbt, aber der 1247 gewählte Gegenkönig Wilhelm von Holland nicht überall im Reiche Anerkennung findet. Nürnberg im Rheinischen Städtebund Jetzt schließen sich auf Anregung mittelrheinischer Städte verschie­ dene deutsche Städte und Fürsten zum sogenannnten Rheinischen 3

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Städtebund zusammen und beschwören gemeinsam den Frieden. Die­ ser beschworene Friede war offenbar jener Reichslandfriede, den Kaiser Friedrich II. auf einem feierlichen Reichstag zu Mainz im Jahre 1235 verkündete und beschwören ließ, ein Bündel von Rechtsnormen der verschiedensten Art: Freiheit der Kirche, Verpflichtung der Ge­ richte auf das altüberkommene Landrecht, Beschränkung des Fehdeund Privatpfändungsrechtes, Beseitigung willkürlicher Steuern und Zölle, Niederhaltung von Familienzwistigkeiten, Abgrenzung der Rechte der Städte, Durchführung der Reichsacht und Konstituierung des königlichen Hofgerichts. So unsystematisch Auswahl und Anord­ nung dieser Rechtsnormen auch erscheinen mögen, sie zielen entspre­ chend der Ankündigung in der Präambel auf die Schaffung von Frie­ den und Recht und stellen somit eine Art Verfassungsurkunde des mittelalterlichen Reiches dar. Herrscher und Untertanen sind nicht mehr allein durch das persönliche Band der Treue miteinander ver­ bunden, sondern beide sind auch förmlich auf den Landfrieden ver­ pflichtet. Das Ziel des Rheinischen Städtebundes ist es also, dieses Reichsgrundgesetz aufrechtzuerhalten, gerade in dem Augenblick, in dem kein anerkanntes Reichsoberhaupt für Friede und Recht sorgen konnte. Dieser Rheinische Städtebund ist der Anlaß für das Schreiben, mit dem der Stadtrat zu Nürnberg erstmalig politisch handelnd in die Geschichte eintritt. Dieses Schreiben lautet in freier Übersetzung aus dem Lateinischen etwa folgendermaßen: Den bescheidenen, weisen und ehrbaren Mannen, dem Bür­ germeister, Richter, Rat und den Bürgern insgemein in Regensburg entbieten Schultheiß, Konsuln und Gesamt­ bürgerschaft von Nürnberg ihre Dienstbereitschaft. Es ist allgemein bekannt, daß Euere offiziellen Gesandten in der Stadt Mainz in Gegenwart des Kämmerers Walbot und der Mainzer Ratsherren den heiligen Frieden beschworen ha­ ben, den Ihr unverbrüchlich halten wollt, und daß Euere Bürgerschaft dort von jenen in die Einung des heiligen Friedens aufgenommen wurde. Dazu beglückwünschen wir Euch aufs beste. Wir sind bereit, wenn es Euch dienlich ist, Euch mit Rat und Tat zu helfen, und wir werden nicht auf­ hören, wenn nötig, für Euch Gut und Blut auf Grund dieses wechselseitigen Bundes einzusetzen. Wir hoffen, denselben Rückhalt bei Euch zu finden. Des zu Urkund übergeben wir Euch dieses mit unserem Siegel beglaubigte Blatt. Gegeben zu Nürnberg im Jahre des Herrn 1256, am 6. Tag vor den Iden des Oktober, in der 15. Indiktion. Aus diesem Schreiben geht hervor, daß auch Nürnberg, wahrscheinlich kurz zuvor, Mitglied des Rheinischen Städtebundes geworden ist. Diese Beziehungen zum Mittelrhein vertieft die Stadt, indem Schultheiß, Rat und Gesamtbürgerschaft von Nürnberg wenige Jahre später, am 23. April 1264, mit den Mainzern wechselseitige Zollfreiheit ausbedingen. 4

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Reichsstadt oder bayerische Landstadt Nürnberg war damals auf Hilfe angewiesen und fand sie bei Mainz, dem Bischof von Eichstätt als dem Kanzler des Mainzer Erzbistums und beim König von Böhmen. In demselben Augenblick nämlich, in dem Nürnberg die politische Selbstverantwortlichkeit in Anspruch nahm, mußte es diese auch verteidigen. Gerade in jenen Jahren ging es um Sein oder Nichtsein der Rechte reichsstädtischer Geltung Nürnbergs: Würde Nürnberg unter dem Beistand des Rheinischen Städtebundes Reichsstadt bleiben, oder war es eine Stadt, die der königlichen Familie gehörte und die daher das Schicksal der staufischen Familiengüter teilte? Die Entscheidung fiel zunächst gegen Nürnberg aus. Denn Nürnberg ging nach dem Tode des letzten Staufen Konradin als Teil seines Erbes in den Besitz der Wittelsbacher über, Nürnberg war von 1269 an für kurze Zeit eine bayerische Landstadt. Als daher König Rudolf von Habsburg nach seinem Regierungsantritt 1273 die Rechte der deutschen Könige im Reiche neu begründete, mußte er auch Nürnberg von neuem für das Reich in Anspruch neh­ men. Aber dabei mußte er nun Rücksicht auf den Burggrafen nehmen. Dieser übte durch den Butigler, später durch seinen Amtmann, leitende Befugnisse im Stadtgericht und in der Stadtverwaltung aus. Aber der Wille der Bürgerschaft, wie er sich im Interregnum geregt hatte, nämlich die politischen Interessen der Gemeinde selbst wahr­ zunehmen, konnte nicht mehr übergangen werden. Der Stadtrat bestand daher weiter. Der Rat als Selbstverwaltungskörperschaft Aber die Stellung dieses Stadtrates ist nicht nur nach oben, gegen­ über dem königlichen Schultheißen und dem burggräflichen Amtmann, eingeschränkt, sie ist auch nach unten hin nicht die einer autorativen Behörde. Die Mitglieder des Rates sind eben „Bürger vom Rat“, Män­ ner, die sich durch nichts anderes von ihren Mitbürgern unterscheiden als dadurch, daß sie über Fragen des Gemeinwohls mitberaten. Ihnen fehlt eine obrigkeitliche Stellung gegenüber den Mitbürgern; das kommt sehr deutlich in einer ihrer seit 1286 bezeugten Funktionen zum Ausdruck, bei den Stadtverweisungen. Die Eintragungen im älte­ sten Achtbuch lauten nämlich, soweit nicht Schultheiß und Schöffen kraft königlicher Gerichtshoheit eine Ächtung aussprachen, auf Selbst­ verbannung dessen, der den Stadtfrieden gebrochen hat. „Er ver­ urteilte sich selber“, „er verwies sich selber aus der Stadt“ heißt es da, und der Friedebrecher erklärte dabei, er könne bei unerlaubter Rückkehr in die Stadt ohne Urteil gehängt werden. Wer durch Tot­ schlag, Diebstahl oder sonst ein Verbrechen den Stadtfrieden ge­ brochen hat, scheidet aus diesem Stadtfrieden aus, mehr kann der Rat dem Verbrecher nicht eröffnen, er kann höchstens mit Anklage beim Schultheißen drohen; deshalb geht der Friedebrecher gleichsam „frei­ willig“ von dannen. 5

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Am Hofe der Könige und Kaiser ist man sich über diesen Tatbestand lange Zeit klar geblieben. Nicht nur im Mittelalter, sondern auch noch im 16. Jahrhundert, z. B. auf den bedeutsamen Reichstagen von 1555 und 1582, bestreitet man dem Rat der Reichsstädte die gleiche obrig­ keitliche Stellung wie dem Fürsten über die Untertanen seiner Länder. Denn, so argumentiert man, die königlichen und kaiserlichen Privi­ legien werden einer Stadt als solcher, nicht dem Rat ausgestellt. Einem neugewählten Kaiser huldigt nicht nur der Rat, sondern die ganze Bürgerschaft. Diese weiß sich daher als „Mitobrigkeit“ und Streitig­ keiten zwischen ihr und dem Rat sind nicht Auflehnung von Unter­ tanen gegen ihre Obrigkeit, sondern Streitigkeiten zwischen Parteien, Streitigkeiten, die in den Reichsstädten bis zum Ende des alten Rei­ ches durch kaiserliche Kommissionen geschlichtet werden. Von diesem Gesichtspunkt aus sind auch die sogenannten Zunftkämpfe, die vom Südwesten des Reiches, von Schwaben, herkommend, 1348 auch auf Nürnberg übergreifen, rechtsgeschichtlich nicht Revolutionen von Untertanen, sondern verfassungspolitische Streitigkeiten um die Willensbildung in der Gemeinde. So erklärt sich auch, daß mit dem Zunftrat von 1348 der Wittelsbacher Markgraf Ludwig von Branden­ burg paktiert und daß so das verfassungspolitische Ringen in Nürnberg sich mit dem reichspolitischen Gegensatz von Wittelsbachern und Luxemburgern verknüpfen kann. Der Sieg Karls IV. wird auch nicht nur durch das Strafgericht gegen die, welche die Stadt dem Reich ent­ fremden und dem Hause Wittelsbach zuführen wollten, sondern auch durch eine verfassungspolitische Maßnahme gekrönt: Beseitigung der Zünfte und Bünde, sofern sie nicht vor dem Abfall des Jahres 1348 herkömmlich gewesen waren. Somit erweist sich die Rats Verfassung in ihrer Wurzel und ihrer Idee wirklich als Form der Selbstverwaltung, weil zunächst das genossen­ schaftliche Moment vor dem Herrschaftsprinzip hervortrat und nur allmählich in den Hintergrund gedrängt wurde. Ursprünglich vertrat der Rat die Bürgerschaft, er herrschte nicht über sie. Aber je länger desto mehr setzte sich schon vor den Zunftkämpfen die Herrschaftsfunktion, der Behördencharakter des Rates durch. Man kann diese Entwicklung in vieler Hinsicht deutlich verfolgen. Hoheitsrechte des Stadtrats Schon die Funktion des Rates, daß er den Neubürgern den Bürgereid abnahm, schloß die zunächst zusammen mit dem Schultheißen geübte Entscheidungsvollmacht darüber ein, ob der Bewerber als Bürger überhaupt angenommen werden sollte. Diese Vollmacht war ja nicht zu umgehen; denn es lag im Interesse der Stadt, im Interesse der Gesamtbürgerschaft, daß unerwünschte Elemente von der Einwande­ rung nach Nürnberg abgehalten wurden. Eine weitere Verstärkung dieser Entscheidungsbefugnisse brachte die Judenverfolgung des Jahres 1298 mit sich. Die Judenfeindschaft hatte 6

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besonders unter den ärmeren Schichten in Stadt und Land des dama­ ligen Franken Platz gegriffen. König Albrecht war nicht geneigt, die­ ses mit Mord, Brand und Plünderung verbundene Pogrom hinzu­ nehmen. Das Achtbuch sagt daher, daß gewisse Leute, die vor dem König und den Bürgern keine Gnade gefunden hatten, wegen des Tumults und Aufstands aus der Stadt hinausgeworfen wurden. So ist 1298 aus der freiwilligen Selbstverbannung, die der Rat bisher be­ urkunden ließ, das von der Autorität des Königs getragene Hoheits­ recht des Stadtverweises geworden. Seit ca. 1302 sind dann Satzungen, wir würden heute sagen ortspolizei­ liche Vorschriften, überliefert, die in ihrem ältesten Bestand als Wei­ sungen des Schultheißen und der „Bürger vom Rat“ bezeichnet werden. Sie betreffen vor allem das Gewerbewesen, aber auch Form und Arten der Steuer, der sogenannten Losung, einer direkten Vermögens­ und Einkommenssteuer, und des Ungelds, der indirekten Steuer auf Lebens- und Genußmittel. So übt — zunächst immer noch gemeinsam mit dem Schultheißen — der Rat ein Gesetzgebungsrecht auf wichtigen Gebieten des Lebens aus. Seit 1313 wird der Rat durch königliches Privileg in der Gewerbe- und Steuergesetzgebung von der Mitwirkung des Schultheißen unabhängig. Aber andererseits hat gerade die Zusammenarbeit mit dem Schult­ heißen und seine Einbeziehung in die bürgerliche Selbstverwaltung eine Heraushebung des obrigkeitlichen Charakters des Rates mit sich gebracht. Denn der Schultheiß ist ja Träger obrigkeitlicher Funktionen, die er kraft königlicher Vollmacht ausübt. Aber schon die Schultheißen, die der König im 13. Jahrhundert bestellte, waren vielfach Mitglieder von Familien, die auch im Rat und Schöffenkolleg saßen. Dieser Ein­ fügung des Schultheißen in die bürgerliche Sphäre und der Notwen­ digkeit, seine Kraft in den Dienst der Bürgerschaft zu stellen, trug König Heinrich VII. dadurch Rechnung, daß er bestimmte, der Schult­ heiß müsse jährlich einen Eid leisten, daß er das Recht nach dem ver­ nünftigen Urteil der Schöffen sprechen wolle. Als gar das Schult­ heißenamt in den Pfandbesitz des bedeutendsten Nürnbergers des Mittelalters, des Konrad Groß, des Gründers des Heilig-Geist-Spitals, und dann 1385 in den Pfandbesitz der Stadt gekommen war, hatte diese Würde wegen der damit verbundenen Einkünfte für den König nur noch als Pfandobjekt Interesse. Die mit ihr verbundenen Funktionen waren so sehr im Sinne der Bürgerschaft wahrgenommen worden, daß das Königtum keine Bedenken zu tragen brauchte, sie ganz den Bür­ gern zu überlassen.

Der Obrigkeitscharakter des Rates Entsprechend dieser Entwicklung trat der Obrigkeitscharakter des Rates bald immer deutlicher hervor. Er äußerte sich z. B. in einem Grundsatz, der heute als selbstverständliche Spielregel parlamenta­ rischer Arbeit gilt, aber im Mittelalter durchaus nicht selbstverständ-

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lieh war, dem seit 1323 für den Nürnberger Rat bezeugten Grundsatz des Mehrheitsbeschlusses. Das deutsche Altertum kannte keine Mehrheitsbeschlüsse, es kannte nur die Einmütigkeit der Genossen und die Zustimmung der Gesamt­ heit. Daher kam es z. B. im Reiche immer wieder zu langen Kämpfen bei zwiespältigen Königswahlen, die erst die Goldene Bulle 1356 endgültig zu beseitigen suchte, indem sie den Mehrheitsbeschluß als Grundsatz für die Königswahl in ihre Bestimmungen aufnahm. Noch heute besteht bei uns eine gewisse Abneigung gegen dieses aus dem römischen Recht geholte Prinzip; denn immer wieder fällt es manchen schwer, sich, wie man zu sagen pflegt, majorisieren zu lassen, d. h. sich einer Mehrheit zu fügen. Je mehr das Majoritätsprinzip zur politi­ schen Regel wird, desto weiter entfernen sich die Entscheidungen von einem Ausgleich der Interessen aller, desto stärker tritt der Obrig­ keitscharakter der beschlußfassenden Institution hervor. Es ist cha­ rakteristisch, daß man da, wo man sich der Grenzen obrigkeitlicher Gewalt bewußt wird, auch eine Schranke für die Anwendung des Mehrheitsprinzipes gesetzt hat: Im 16. und 17. Jahrhundert dringt in schweren Auseinandersetzungen die Auffassung durch, daß in Religionsfragen eine Mehrheit die Minderheit nicht überstimmen dür­ fe. Auf Mehrheitsbeschlüssen beruhende Maßnahmen dürfen also nur äußere Ordnungen betreffen, nicht persönliche Gewissensentschei­ dungen berühren. Nicht minder aufschlußreich ist es, daß festgestellt werden konnte, daß der Nürnberger Stadtrat und auch dessen Per­ sonalausschuß im Jahre 1956 rund 73% der Beschlüsse einstimmig fasste, und daß dieser Prozentsatz bei den übrigen Ausschüssen zwi­ schen 95 und 99% lag. Mit dem Auftreten des Mehrheitsprinzips hängt auch die innere Orga­ nisation des Rates zusammen: In den Ratssitzungen ist immer ein Bürgermeister für vier Wochen als „Frager“ tätig; er führt also den Vorsitz im Rat und leitet die Abstimmung. Sollen alle Bürgermeister im Laufe der 52 Wochen des Jahres einmal an die Reihe kommen, so sind deren 13 nötig. Diese Zahl ist durch Zeugenreihen schon im 13. Jahrhundert für die Bürgermeister und die Schöffen, die im Bedarfsfälle als „jüngere Bürgermeister“ die „älteren“ vertreten, zu erschließen. Der Behördencharakter des Rates zeigt sich auch darin, daß nun eigene städtische Beamte auftreten, die die Befehle des Rates auszuführen haben. Neben dem Stadtschreiber ist im 14. Jahrhundert als erster der „Pfänder“ erwähnt. Durch die Gewerbeaufsichtsfunktionen, die dieser Pfänder ausübt, tritt der Rat der Handwerkerschaft als Obrig­ keit gegenüber. Der Rathausbau Rein äußerlich tritt die Machtfülle des Rates im Rathausbau in Er­ scheinung. Es ist nicht feststellbar, wo in der ältesten Zeit das Schöffen8

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kolleg und der Rat zusammengetreten sind. Aber in den 1320er Jahren ist es klar: Der Rat versammelt sich in einem Haus, das der Bürger­ schaft gehört und daher „der Bürger Haus“ genannt wird; nach seiner Aufgabe, als Verkaufshalle für die Tuchkaufleute zu dienen, heißt es auch „Tuchhaus“ und ist Ecke Hauptmarkt und Tuchgasse gelegen. Aber gerade mit der Intensivierung der Verwaltung wuchs das Be­ dürfnis nach Beratungs- und Amtsräumen, so daß man sich 1332 zum Ankauf eines Geländes für ein städtisches Amtsgebäude unter der drückenden Bedingung einer — bis zum Jahre 1806 geleisteten — jährlichen Zinszahlung von 100 Pfund Haller an Kloster Heilsbronn entschloß. Daß das Haus, das bis etwa 1340 hin erstand, nicht mehr Bürgerhaus, sondern Rathaus genannt wurde, zeigt den eintretenden Wandel an. Aus den Bürgern vom Rat waren wirklich „Ratsherren“, aus der von einem Bürgerausschuß wahrgenommenen Selbstverwal­ tungsfunktion war eine behördenmäßig organisierte Ratsherrschaft geworden. Die geschichtliche Erinnerung an diese Ratsherrschaft, an die Zeit reichsstädtischer Selbständigkeit Nürnbergs, an die Jahre ihrer höchsten Blüte und ihres größten Ansehens in deutschen Landen haftet an dem ehrwürdigen alten Rathaus. Mit seinem Wiederaufbau wird sich der Stadtrat den Dank aller derer sichern, die sich dieser stolzen Vergangenheit verpflichtet wissen. Der soziale Abschluß der Ratsfamilien Zu der Herrschaftseigenschaft des Rates trug der soziale Abschluß des am Rat beteiligten Personenkreises bei. Zuverlässige Nachrichten dar­ über, wie der Rat und das Schöffenkolleg ursprünglich bestellt wurden, liegen nicht vor. Aber es darf mit einiger Wahrscheinlichkeit gesagt werden, daß sich beide Kollegien aus dem Kreise der angesehensten Bürger ergänzte, die man ursprünglich als „Genannte“ bezeichnete. Das Wort „Genannte“ gibt wohl auch einen Fingerzeig für die Ent­ stehung dieser Gruppe im alten Nürnberg. Es waren Männer, die dem Schultheißen oder vom Schultheißen als bei Gericht glaubwürdige Persönlichkeiten benannt worden waren. Sie gelten daher durch die Jahrhunderte hindurch als befähigt, Urkunden mit ihren Siegeln zu beglaubigen, und ihr besonderes Merkmal ist daher auch die „Ge­ richtsfähigkeit“. Diese Genannten bilden den „großen Rat“, einen mehr als 200 Per­ sonen umfassenden Kreis angesehener Männer, der in gewisser Weise als eine Vertretung der Bürgerschaft angesehen werden kann. Zu besonders schweren Entscheidungen, z. B. bei Änderungen der Steuer­ gesetzgebung oder z. B. bei dem die Einführung der Reformation ein­ leitenden Religionsgespräch von 1525 oder vor dem Abschluß des Bündnisses mit Gustav Adolf 1632, werden sie herangezogen. Seitdem die Aufgaben des Schultheißen an den Rat übergegangen sind, werden auch die Genannten jeweils vom Rat berufen. Eine Wechselbeziehung der Genannten zum „Inneren Rat“ besteht auch darin, daß zur jähr9

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liehen Ratsneuwahl das Genanntenkolleg zwei Wahlmänner des ab­ tretenden Rates, der abtretende Rat drei Wahlmänner aus dem Ge­ nanntenkolleg benennt und diese fünf Wahlmänner den neuen Rat wählen. Dieser Wahlmodus hat nicht verhindern können, daß bei den Neu­ wahlen, schon um der Kontinuität der Verwaltung willen auf die be­ währten Persönlichkeiten und schließlich auf dieselben Familien immer wieder zurückgegriffen wurde. Eine rechtliche Beschränkung dieses Personenkreises, eine sogenannte Ratsfähigkeit für bestimmte Familien, dürfte es ursprünglich nicht gegeben haben. Aber bereits die Urkunden des 13. Jahrhunderts nennen als Zeugen immer wieder dieselben Namen, einen engen Kreis von Personen, die ein besonderes Ansehen genossen haben. Dieses Ansehen beruhte auf ihren her­ kunftsmäßigen und verwandtschaftlichen Beziehungen zum Kreise der Dienstmannen des Reiches, es basierte auf ihrem Reichtum, den sie im Fernhandel erwarben und vermehrten, und es verband sich mit der Muße des Unternehmers, der mit unselbständigen Arbeitskräften oder als Kapitalgeber ein Geschäft führte und daher — im Gegensatz zum Handwerker — die Voraussetzungen für eine freie, in den ältesten Zeiten ehrenamtliche Mitarbeit an den öffentlichen Aufgaben mit­ brachte. Erst 1521 wurde eine gewisse soziale Grenze gezogen: Man bezeichnete bestimmte Ratsfamilien, die zum Tanz auf dem Rathaus­ saal zu laden wären. Erst seit der Gesetzgebung Kaiser Leopolds wird der Kreis des Patriziats als rechtlich abgeschlossener Stand und als Korporation betrachtet, der die Ratsfähigkeit für sich allein bean­ sprucht und diese durch Zuwahl neuer Familien weiter verleihen kann. Damit sind wir aber in einer Epoche des Niedergangs der Reichsstadt angelangt, und es kann, ohne das große Verdienst des Patriziats in der Vergangenheit der Stadt zu schmälern, gesagt werden, daß dieser enge Abschluß des Patriziats von der Bürgerschaft und der grund­ sätzliche Verzicht auf Handelstätigkeit auch nicht im eigenen Interesse des Patriziats gelegen haben und zum Verfall der Stadt im 17. und 18. Jahrhundert beitrugen.

Der Rat als Landesherr Neben den sozialen Momenten führten noch weitere Vorgänge zur Stärkung der Ratsherrschaft, zur Lösung des Rats aus dem genossen­ schaftlichen Band der Gesamtbürgerschaft. Um des als Reichsgrund­ gesetz bereits erwähnten Landfriedens willen erlaubte Karl IV. 1354 den fränkischen Städten die Teilnahme an Bündnissen, die natürlich der Rat abschloß. Mit diesem Recht und mit dem von Nürnberg zu­ sammen mit den anderen Reichsstädten geübten Recht, auf den Reichs­ tagen durch seine Vertreter an den Beratungen teilzunehmen, ver­ folgte der Rat einen Anspruch, um des willen er als Obrigkeit den anderen Reichsständen, den Fürsten und Grafen, gleich geachtet wer­ den wollte. Dieser Anspruch fand nach langen Kämpfen im Westfäli­ schen Frieden von 1648 seine reichsrechtliche Anerkennung. 10

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Dieser Obrigkeitscharakter des Rates prägte sich noch weiter dadurch aus, daß der Rat ein Hoheitsrecht nach dem anderen erwarb: Befrei­ ung von auswärtigen Gerichten, vom Landgericht des Burggrafen, vom Hofgericht des Kaisers, vom geistlichen Gericht des Bischofs von Bam­ berg; dann das Recht über Bauern zu richten, die in Grundabhängig­ keit von Nürnberger Familien und Stiftungen standen, schließlich Aufsichtsrechte über den Reichswald und das Recht der Verwaltung der Kaiserburg bei Thronvakanz. Dazu trat die Erwerbung eines eige­ nen städtischen Landgebietes, die im Jahre 1400 mit dem Ankauf der Festung Lichtenau bei Ansbach begann und 1504/05 im Landshuter Erbfolgekrieg auf militärischem Wege umfassend durchgeführt wurde. Jetzt hatte der Rat über Bauern und Landstädte zu gebieten, deren Verhältnis zu ihm eindeutig durch den Begriff Untertanen gekenn­ zeichnet war. Es nimmt nicht Wunder, daß dieses Verhältnis auch auf seine Beziehungen zur Bürgerschaft abfärbte, die ja an der Bestellung des Rates unbeteiligt blieb. Die Behörden nämlich, die nun das Nürn­ berger Landgebiet verwalteten, traten im Grunde gegenüber den Untertanen auf dem Lande nicht anders auf, als die Fachbehörden wie Vormundsamt, Kriegsamt, Rugsamt usw. gegenüber den Bürgern. Schließlich haben die religiösen Verhältnisse zu einer Steigerung der Macht des Rates beigetragen. Mit Sicherheit kann gesagt werden, daß das Eintreten des Rates für das Anliegen der Reformation nicht aus bewußt machtpolitischen Absichten erfolgt ist. Das lange Schwanken des Rates und der Zwischenzustand vom 5. Juni 1524, dem Tag an dem die leitenden Geistlichen von St. Sebald und St. Lorenz eine Reform der Messe Vornahmen, bis zum 21. April 1525, dem Tag, an dem der Rat die alte Form der römischen Messe in der Stadt untersagte, ver­ bietet eine solche Betrachtung. Aber tatsächlich hat durch die Refor­ mation der Rat die Verwaltung und, besonders später, die Nutzung eines beträchtlichen Kirchen- und Klosterstiftungsvermögens in die Hand bekommen, und aus dem vom Rat geübten Schutz einer aus der Bibel neu gewonnenen Glaubensüberzeugung wurde eine Kirchen­ hoheit, eine Macht über die Gewissen, die, besonders dem Fürsten­ stand, den Weg zum Absolutismus ebnen half. Kaiser und Rat

Aber daß in Nürnberg die Bäume nicht in den Himmel wuchsen, da­ für sorgte die eigentümliche Stellung der Stadt als Reichsstadt, ihr Verhältnis zum Kaiser. Denn im Grunde war er der Stadtherr und er, der auch konfessionell im anderen Lager stand, sah, wie wir ausge­ führt haben, den Rat nicht als Obrigkeit über die Bürger, sondern als Selbstverwaltungsorgan an. Er griff daher bei Beschwerden gegen den Rat, wie in anderen Städten, so auch in Nürnberg durch Kommissionen ein. Einen Anlaß dazu bot die Verschuldung der Stadt, die den Rat zwang, die Bürgerschaft hoch zu besteuern. Diese Besteuerung veranlaßte die Kaufmannschaft 1730/31 zu Beschwerden am Wiener Hofe, 11

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der daraufhin eine Kommission einsetzte; diese Kommission half aber auch über die Finanzmisere nicht grundsätzlich hinweg. Als deshalb der Rat 1785 erneut sich zu einer Extrasteuer entschloß, forderte das Genanntenkolleg, daß künftige Sondersteuern nur mit Mehrheits­ beschluß des Genanntenkollegs und der Bürgerschaft erhoben werden dürften. Da der Rat diese Forderung überging, beschwerte sich das Kollegium beim Kaiser. Der Kampf weitete sich daher — wir stehen ja im Zeitalter der Französischen Revolution — schnell zu einer grund­ sätzlichen Verfassungsfrage aus. Dem Patriziat wurde die ausschließ­ liche Besetzung der Ratsstellen streitig gemacht, und es wurde eine Schiedsinstanz zwischen dem patrizischen Rat und der Bürgerschaft gefordert. Tatsächlich mußte der Rat nachgeben und ein gemischt patrizisch-bürgerliches ökonomieverbesserungs- und Rechnungsrevi­ sionskollegium einsetzen. Damit war der Weg gebahnt für eine neue Verfassungsform, die in dem Grundvertrag von 1794 ihren Ausdruck fand. Durch diesen Grundvertrag wurde der Rat seiner Stellung als ausschließlicher Repräsentant der Nürnberger Landeshoheit entklei­ det. Die Steuerhoheit stand nämlich nun dem aus den verschiedenen Standesgruppen gebildeten Genanntenkolleg zu. Die Aufsicht über die Kassen- und Rechnungsführung übernahm das Rechnungsrevisions­ kolleg, das gleichfalls aus allen Ständen nach einem bestimmten Schlüssel zusammengesetzt war. In beiden Kollegien bildete das Patri­ ziat die Minderheit. Der nach wie vor patrizische Rat war mit dieser Beschränkung seiner Stellung nicht zufrieden und erhoffte eine neue Begründung seiner Macht und eine Hilfe in der Finanzfrage durch eine kaiserliche Kom­ mission, die er 1797 erwirkte. Sie traf am 1. Dezember 1797 ein und hat hier solange gearbeitet, bis sie durch die Auflösung des alten Reiches am 6. August 1806 ihre Vollmacht verlor. Wenige Tage vor der Ok­ kupation der Stadt durch Bayern hat sie diese verlassen. Sie hinterließ das Verfassungsproblem der Reichsstadt ungelöst und die Frist der 40 Tage, in der die Stadt die volle Souveränität besessen hat, reichte nicht aus, um eine innere Reorganisation auch nur in Angriff zu neh­ men; das geschah vor allem deshalb nicht, weil man sich darüber klar war, daß die Tage der Selbstregierung gezählt waren, da ja die Rhein­ bundakte bekannt waren, in denen Napoleon den König von Bayern ermächtigte, Nürnberg seinem Staate einzuverleiben. So löste der bayerische Staat das latente Verfassungsproblem, und er löste es ra­ dikaler als je ein Reichsstädter gedacht hatte. Ob Patrizier oder Hand­ werker, sie wurden alle Untertanen. Jegliche Ratsherrschaft hörte auf, nach kurzer Zeit auch jegliche Selbstverwaltung. Nürnberg war fast nur noch ein Gebietsteil des Staates, ein Verwaltungsbezirk für dessen Organe. Nürnberg ohne Selbstverwaltung Der bayerische Staat befand sich damals in einem inneren Umbau, durch den er nach Erlangung der Souveränität das nachzuholen suchte, 12

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was Frankreich oder Preußen im 18. Jahrhundert in langem Bemühen angebahnt hatten: eine Zentralisation aller Gewalt beim Staate und die Beseitigung landschaftlicher und ständischer Unterschiede durch Aufhebung der Privilegien, auch der städtischen. Man wollte, wie sich die führenden Staatsmänner ausdrückten, nicht „Staaten im Staate“ dulden. Eine solche Politik mußte natürlich dort besonders bitter empfunden werden, wo man auf eine jahrhundertelange Geschichte der Eigenstaatlichkeit zurückschauen konnte, in Franken und Schwa­ ben. Ein Schlußpunkt dieser Entwicklung war die Kommunalgesetz­ gebung des Jahres 1808. Das Jahr, in dem Preußen durch die Städte­ ordnung des Freiherrn vom Stein nach englischem Vorbild einen verheißungsvollen Anfang auf kommunalpolitischem Gebiet anzubah­ nen schien, war das gleiche Jahr, in dem Bayern unter dem Einfluß der zentralistischen Gesetzgebung Frankreichs, besonders unter dem Ein­ druck des Gesetzes vom 28. Pluviose des Jahres 8, d. h. nach christlicher Zeitrechnung vom 17. Februar 1800, jegliches gemeindliches Eigen­ leben erstickte. Prinzip dieser bayerischen Gesetzgebung war: Je größer an Bevölkerungszahl und je bedeutsamer durch Geschichte und politische Erfahrung eine Gemeinde war, desto geringer sollten ihre kommunalpolitischen Rechte sein. Landgemeinden und kleine Städte durften z. B. ihre Bürgermeister wählen und in Gemeindeversamm­ lungen zusammentreten bzw. einen Munizipalrat — den französischen conseil municipal — wählen, in Städten über 5 000 Einwohner aber regierte ein staatlicher Polizeidirektor und verwaltete ein staatlicher Kommunaladministrator das Gemeinde vermögen; und in diesen Städ­ ten berief der Staat einige Wahlmänner, die den Munizipalrat wählen sollten. So schaltete der Staat von vornherein Widerstände aus, die ihm von einem selbstbewußten und geschäftserfahrenen Bürgertum hätten erwachsen können. Denn es war sicher: ein von der Bürger­ schaft etwa Nürnbergs gewählter Bürgermeister wäre kaum, wie der Verfasser der Instruktion für die Gemeindevorsteher wollte, „in vor­ züglichem Maße geschickt“ gewesen, „um als Werkzeug der Lokal­ polizei gebraucht zu werden“. Durch diese Gesetzgebung wurde die durch Sonderprivilegierung ge­ schichtlich erwachsene, individuelle Gestalt der einzelnen Stadtver­ fassungen beseitigt. Aber eines blieb doch anerkannt: Die Gemeinden waren auch Korporationen, Kcfßorationen freilich, die unter der be­ ständigen Kuratel des Staates standen und daher, wie das Gesetz sagte, „in der Ausübung ihrer Rechte wie die Minderjährigen be­ schränkt waren und auch ihre Vorrechte genossen.“ Aber gerade wegen dieser Beschränkung wollte die Ausführung des Gemeinde­ edikts nicht in Gang kommen. Denn in den großen Städten gab sich, wie Graf Thürheim feststellte, „kein gut gesinnter und fähiger Bürger“ für das Amt des Munizipalrates her, um so an einer Staatseinrichtung mitzuwirken, die die bürgerliche Freiheit illusorisch machte.

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Neue Anfänge kommunaler Selbstverwaltung So mußte denn die Umkehr folgen, die sich in dem Gemeindeedikt vom Jahre 1818 vollzog, das unter dem Eindruck der Befreiungskriege und der Städteordnung des Freiherrn vom Stein durch den Geheimrat von Zentner als „Grundstein des bayerischen Verfassungsgebäudes“ ent­ worfen wurde. Auch jetzt blieb noch die Kuratel des Staates erhalten, aber sie nahm andere Formen an; denn nun wurden — wieder nach dem Vorbild eines französischen Gesetzes vom 14. Dezember 1789 — von dem eigenen Wirkungskreise der Gemeinden die ihnen vom Staate übertragenen Aufgaben unterschieden. Die Verwaltung des Gemeinde­ vermögens, die Festsetzung und Verwaltung der als Aufschlag zu den Staatssteuern erhobenen Gemeindeumlagen, die Bürgeraufnahme und die Erteilung von Gewerbekonzessionen, das alles gehörte zur kommu­ nalen Autonomie, die Polizeiverwaltung wurde nach langen Erwä­ gungen Auftragsverwaltung, zu deren Überwachung ein Stadtkommisär eingesetzt blieb. Auf Grund einer allerhöchsten Verordnung vom 5. November 1872 verschwand auch er, denn nun, nachdem schon im Bayerischen Strafgesetzbuch 1861 den Gemeinden das Recht zum Er­ laß ortspolizeilicher Vorschriften zugebilligt worden war, wurden mit der Revision des Gemeindeedikts durch Gesetz vom 29. April 1869 die Gemeinden als „öffentliche Körperschaften mit dem Recht der Selbst­ verwaltung nach Maßgabe des Gesetzes“ definiert, und von jetzt ab beschränkte sich die Aufsicht des Staates auf die Einhaltung der ge­ setzlichen Vorschriften und auf den Schutz der Gemeindebürger vor Übergriffen durch die Gemeindekörperschaften. Bürger und Einwohner Eine wesentliche Unterscheidung behielt freilich die bayerische Ge­ meindegesetzgebung aus dem schroff obrigkeitlichen Edikt über das Gemeindewesen vom Jahre 1808 dauernd bei, nämlich die Unter­ scheidung zwischen Gemeindebürgern und Einwohnern. Diese letzte­ ren waren und blieben Untertanen und nur jene nahmen an den Rechten und Ehrenpflichten in der Gemeinde teil. 1818 wurde das Bürgerrecht auf solche volljährige Männer beschränkt, die besteuerten Grundbesitz hatten oder ein besteuertes selbständiges Gewerbe be­ trieben. Wirtschaftliche Selbständigkeit war also das Merkmal des Bürgers. Die revidierte Gemeindeordnung von 1869 erweiterte den Kreis der zum Erwerb des Bürgerrechtes Befähigten, indem sie ihn auch auf alle in unselbständiger Arbeit Stehenden ausdehnte, sofern sie zu einer direkten Steuer, also z. B. zur Einkommensteuer, veran­ lagt und nicht in die häusliche Gemeinschaft ihres Dienstherren auf­ genommen waren. Es blieb aber auch in Nürnberg die Erlegung einer Bürgerrechtsgebühr bestehen, und es ist charakteristisch, daß um die Jahrhundertwende der im Magistrat und im Gemeindekolleg herr­ schende Freisinn sich beklagte, daß sich die Sozialdemokraten durch Beteiligung an der Aufbringung der Bürgerrechtsgelder für ihre Mit14

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glieder langsam einen größeren Einfluß in der Stadt sicherten. Dieser Einfluß stieg, als 1908 an die Stelle des Mehrheitswahlrechts das Ver­ hältniswahlrecht getreten war. Mit der Revolution von 1918 fiel auch endgültig die Unterscheidung von Gemeindebürgern und Einwoh­ nern weg. Auch das passive Wahlrecht, die Wählbarkeit, hat eine allmähliche Demokratisierung durchgemacht. Von 1818 an war z. B. in Nürnberg nur der als Gemeindebevollmächtigter wählbar, der dem höchstbe­ steuerten Drittel der Bürger angehörte. 1869 aber wurde die Wähl­ barkeit allen aktiv Wahlberechtigten, die das 25. Lebensjahr erreicht hatten, zuerkannt. Nach dem Ersten Weltkrieg Nach dem ersten Weltkrieg und der Revolution wurde der letzte Schritt der Demokratisierung mit dem Selbstverwaltungsgesetz von 1919 da­ durch getan, daß der Dualismus zwischen Magistrat und Gemeinde­ bevollmächtigtenkolleg beseitigt wurde. Vorher hatte das Gemeinde­ bevollmächtigtenkolleg durch die Wahl des Magistrats seine Rechte zum guten Teil an diesen weiter gegeben. War der kollegial beratende und beschließende Magistrat erst einmal bestellt, dann war in gesetz­ lich festgelegten grundsätzlichen Fragen die Zustimmung des Ge­ meindekollegs einzuholen. Jetzt, nach 1919, fungierte ein einziger von der Gemeinde gewählter Stadtrat, der außer dem Oberbürgermeister, der aus einer Gemeindewahl hervorging, die Bürgermeister und die berufsmäßigen Stadträte zu wählen hatte und die Entscheidungen traf. Nachdem schon 100 Jahre vorher die richterliche Gewalt aus der kom­ munalen Sphäre herausgenommen war, war so in gewissem Sinne auf Gemeindebasis die Legislative im Stadtrat von der Exekutive durch die städtischen Dienststellen getrennt. Die dadurch hergestellte demokratische, vor allem auf den Gebieten des sozialen und kulturellen Lebens erfolgreiche Entwicklung der städtischen Selbstverwaltung erlitt durch die nationalsozialistische Machtergreifung einen plötzlichen Einschnitt. Durch die Gleichschal­ tung wurde nicht nur den demokratisch gesinnten Parteien die Teil­ nahme an den Sitzungen des Stadtrates in roher Gewalttat unmöglich gemacht und die Übereinstimmung der Selbstverwaltung mit den poli­ tischen Zielen der Staatsführung erzwungen, sondern durch die Deut­ sche Gemeindeordnung von 1935 dem Stadtrat das Recht der Wahl von Bürgermeistern und Beigeordneten zugunsten der Partei und des Staates genommen und dem ausschließlich nationalsozialistisch be­ setzten Stadtrat nur noch eine beratende Funktion zuerkannt. Nach dem Zusammenbruch 1945 Nach dem Zusammenbruch von 1945 ermächtigte die amerikanische Militärregierung, ohne daß deutscherseits neue gesetzliche Grund­ lagen geschaffen waren, den Bürgermeister zur Beiziehung eines be15

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ratenden Beirats, der nach dem Schlüssel der Stadtratswahl von 1928 21 Vertreter der vier demokratisch gesinnten Parteien umfaßte und statt der in Wegfall gekommenen Rechtsparteien neun Männer aus Industrie, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst enthielt. Im Juni 1946 trat an Stelle dieses Beirats ein aus ordnungsmäßiger demokratischer Wahl hervorgegangener Stadtrat, wie ihn die provisorische bayerische Gemeindeordnung vom 28. Februar 1946 vorsah. Die bayerische Ver­ fassung und die bayerische Gemeindeordnung vom 25. Janunar 1952 schufen dann die Grundlagen, auf denen die tägliche Arbeit des Stadt­ rates beruht. Gibt die bayerische Verfassung der Gemeindeverwaltung ihre programmatische Zielsetzung in den Worten: „Die Selbstverwal­ tung in den Gemeinden dient dem Aufbau der Demokratie von unten nach oben“, so bezeichnet mit Recht die Gemeindeordnung die Ge­ meinden als „die Grundlagen des Staates und des demokratischen Lebens“. Damit ist die kommunale Selbstverwaltung eingebaut in ein politisches Gedankensystem, aus dem sie ihre Kraft zieht und dem sie ihrerseits selbst mit allen Kräften dienen soll. Die Leistungen der Selbstverwaltung Bei einer Betrachtung der Selbstverwaltung und Selbstregierung in Nürnbergs Geschichte wird man sich aber nicht auf einen Einblick in die Verfassungsformen begnügen dürfen, in denen sich diese Arbeit vollzog, sondern man wird auch das Ergebnis dieser Arbeit, die Lei­ stungen der Selbstverwaltung, wenigstens in Umrissen ins Auge fassen müssen. Ein solches Vorhaben stößt aber auf mancherlei Schwierigkeiten: Zu­ nächst gilt wohl nicht mit Unrecht als Kennzeichen einer guten Ver­ waltung, daß sie reibungslos arbeitet, d. h. daß die Spuren ihrer Tätig­ keit für den Außenstehenden nicht direkt erkennbar sind. Und in der westlichen Welt ist man überzeugt, daß sie mehr der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Betätigung der Bürger freien Spielraum lassen und diese höchstens anregen soll als daß sie sie immer und über­ all reglementieren oder selbst an sich ziehen darf. Gerade deswegen ist, besonders im Zeitalter des Liberalismus die „gute“ öffentliche Ver­ waltung viel mehr der stille, kaum in Erscheinung tretende Partner so mancher bedeutenden Leistung als ihr eigentlicher Träger gewesen. „Gute Polizei“ Aber trotzdem: eine Aufgabe ist aller Verwaltung, aller staatlichen wie kommunalen Arbeit, durch die Jahrhunderte gestellt gewesen: die Sorge für die öffentliche Ordnung. Seit dem 16. Jahrhundert hat man sich daran gewöhnt, diese Tätigkeit unter dem Begriff der „Polizei“ zusammenzufassen und erst in jüngster Zeit, als dieses Wort als Aus­ druck obrigkeitsstaatlichen Denkens erschien, nahm man an ihm An­ stoß. Der Begriff „Polizei“ darf aber bei einer historischen Rückschau ohne dieses Ressentiment Verwendung finden, weil sich an ihm am 16

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leichtesten die Fülle der Aufgaben aufreihen läßt, die durch die Jahr­ hunderte hindurch von dem Nürnberger Stadtrat gelöst wurden. Diese Polizeiverwaltung hat zunächst schon immer die Sicherheit des Einzelnen und seines Eigentums im Auge gehabt. Pfänder, Büttel und Stadtknechte, Türmer, Torwächter und Nachtwächter sind die Voll­ strecker solcher Aufgaben gewesen. Ein engerer Ratsausschuß, das sog. Fünfergericht, sprach schon im Mittelalter Polizeistrafen für Ord­ nungswidrigkeiten und leichte Vergehen aus. Die ältesten Acht- und Stadtverweisbücher lassen das Bestreben des Rates erkennen, mit strengen Strafen die Gefährdung öffentlicher Ordnung durch Trunken­ heit, Raufereien, Falschspielerei, Unzucht, Notzucht und dergleichen zu unterbinden. Das älteste Satzungsbuch regelte daher bereits Fragen öffentlicher Ordnung, regelte auch das Gäste- und Fremdenrecht, und in der Folge wurde bereits in reichsstädtischer Zeit die Fremden- und Sittenpolizei so ausgebaut, daß sie die meldepflichtigen Fremden in den Herbergen überwachte, über das Frauenhaus die Aufsicht führte, aber später unter dem Einfluß der Reformation Prostituierte grund­ sätzlich auswies. Gerade die Sittenpolizei hat im 19. und 20. Jahrhun­ dert vielerlei Wandlungen erfahren. Dienst am Eigentum des Einzelnen wie der Gesamtheit lag vor allem im Bereich der Feuerpolizei vor. Es galt schon im 15. Jahrhundert der Grundsatz der öffentlichen Dienstpflicht bei Feuersbrünsten. Viertel­ meister und Gassenhauptleute hatten die Vorraussetzungen für den reibungslosen Ablauf der Löscharbeiten zu schaffen; für den aktiven Dienst waren vor allem Angehörige derjenigen Berufe eingesetzt, die mit Wasser zu tun hatten oder bausachverständig waren: Bader und Müller, Steinmetzen und Zimmerleute. Die Stadt hatte selbst Lösch­ gerät beschafft, das nach Aussage einer Feuerordnung von 1544 aus 6 Wagen mit Eimern, Leitern und Haken bestand. Durch Kaminkehrer­ ordnungen wurde schon früh alles geregelt, was den Ausbruch von Bränden durch Mängel der Herdfeuerung hintanhalten konnte. Das Ergebnis all dieser Bemühungen war, daß Nürnberg vor großen Stadt­ bränden verschont geblieben ist. Das beruhte nicht zum geringsten Teil auch auf der Tätigkeit der Bau­ polizei. Denn sie hatte bei ihren Maßnahmen auch feuerpolizeiliche Gesichtspunkte im Auge, daneben aber natürlich solche der Hygiene und der Holzersparnis, die der Bedrohung des Baumbestandes der beiden Reichswälder auf der Sebalder und Lorenzer Seite entgegen­ wirken sollte. Deshalb drang die Baupolizei, wo immer es möglich war, auf den Übergang von der Holz- oder Fachwerkbauweise zum Natur­ oder Backsteinbau und verlangte statt Strohdächer die Dachdeckung mit Ziegeln. Sie erließ Bauvorschriften wie die, daß die Straßenfront von der Trauf-, nicht der Giebelseite der Häuser eingenommen würde. Sie verbot Überkragungen, das sog. „Ausladen“, regelte das Recht der „Chörlein“ im unteren Gaden oder die Größe der Dacherker. Auch die Nürnberger Baupolizei war den Gefahren bürokratischen Übereifers ausgesetzt, wie etwa die Verhandlungen bei Errichtung des berühm2

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ten Peilerhauses zeigen. Aber ihre große historische Leistung ist das geschlossene harmonische Stadtbild gewesen, das die Altstadt Nürn­ berg in wesentlichen Zügen bis zum 2. Januar 1945, dem Tage ihrer Luftkriegskatastrophe, bewahrt hatte. Das Bauamt regelte auch die Rechtsfragen der Bauhandwerker; andere Ämter, vor allem das Rugamt, entschieden über die Rechte der übrigen Gewerbe. Das Rugamt schlichtete Handwerksstreitigkeiten, die wegen der starken Spezialisierung der Gewerbe besonders in der Spätzeit der Reichsstadt an der Tagesordnung waren. Der Stadtrat ließ auch sorgfältig Aufsicht über Maß und Gewicht führen und durch den Schauamtmann die Exportwaren, vor allem Metallgeräte aus Zinn und Messing, Instrumente und Goldschmiedearbeiten, prüfen. Durch Eindrücken des Schauzeichens übernahm er zugleich die Gewähr für Metallechtheit, aber auch für Qualität und Nürnberger Herkunft der Arbeiten. Diese Schau hatte ihre besondere Bedeutung für den Geschäftsverkehr mit Lebens- und Genußmitteln. Marktmeister sorgten für Ordnung und Reinlichkeit im Lebensmittelhandel und übten auch die Fleisch­ beschau bei den Fleischbänken aus. Besondere Mehl- und Brotschauer, Weinvisierer, Bierkieser und Gewürz- (besonders Saffran-) Schauer prüften die einwandfreie Qualität der Lebens- und Genußmittel, für die sie zuständig waren. Durch diese Lebensmittelpolizei sorgte der Rat für die Qualität der Lebensmittel, er traf auch besonders in Kriegszeiten Vorsorge für eine ausreichende Lebensmittelversorgung der Bevölkerung. So hat er bereits im 14. und 15. Jahrhundert Funktionen moderner Kriegser­ nährungsämter wahrnehmen lassen. Er hat zur Lagerung von Vor­ räten Kornhäuser bauen lassen, wie sie in der Mauthalle und der Kaiserstallung noch heute das Stadtbild zieren. Für die Ernährungs­ fürsorge in Kriegszeiten hat er auch — bereits 1384 und 1449 nach­ weisbar — statistische Erhebungen über die Bevölkerungszahl durch­ geführt. Schließlich wurde vom Stadtrat und seinen Organen die Armenpolizei geübt. Schon im 14. Jahrhundert haben wir in Nürnberg mit einem plötzlichen Anwachsen der Bevölkerung zu rechnen, die das Eingreifen der Obrigkeit erforderlich machte. Von 1370 reißt die Reihe der Bettel­ und Almosenordnungen nicht ab, die allmählich, insbesondere unter dem Eindruck der Reformation aus dem Almosengeben als einem privaten Gott wohlgefälligen Werk eine rationale Amtstätigkeit mach­ ten. Schon 1522 finden wir in ihnen Ansätze moderner sozialer Arbeit, etwa wenn für die Sprechstunden der Almosenherren statt des Al­ mosengebens Pflichten der Arbeitsvermittlung vorgesehen wurden. Unterschiede vor und nach 1806

Diese Beispiele ortspolizeilicher Arbeit des Rates oder Magistrats der Stadt Nürnberg lassen erkennen, daß die Erfüllung dieser Aufgaben 18

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nach Inhalt, Umfang, Form und Richtung im Laufe der Jahrhunderte fortwährenden Veränderungen unterworfen war. Aber eine scharfe Zäsur bringt in dieser Hinsicht der Übergang Nürnbergs an Bayern im Jahre 1806. Vorher lag die Bedeutung des Rates in seinen politi­ schen Funktionen: Er arbeitete durch seine Vertreter auf den Reichs­ und Städtetagen mit; er war an politischen Bündnissen, vor allem zur Wahrung des Landfriedens, beteiligt und auf den Kreistagen des Fränkischen Reichskreises spielte er eine maßgebliche Rolle. Er be­ mühte sich um die Förderung des Handels und der Wirtschaft, er übte das Zoll- und Münzrecht aus, er verwaltete ein weites Landgebiet führte das landesherrliche Kirchenregiment und unterhielt zum Rück­ halt für seine außenpolitischen Beziehungen zu den Nachbarn ein Kriegsvolk. Bürgermeister und Schöffen sprachen auch Recht. Gerade als städtischer Gerichtsbezirk, durch die gerichtsverfassungsmäßige Exemption der Stadt aus dem umliegenden Land, hat sich ja die mittel­ alterliche Stadt überhaupt zu entwickeln begonnen. Gegenüber dieser Vielseitigkeit politischer und gerichtlicher Aufgaben der Reichsstadt könnte fast der Arbeitsbereich der bayerischen Stadt Nürnberg als eingeschränkt erscheinen. Aber jenem Mehr von einst entspricht doch auch in vieler Hinsicht ein Weniger gegenüber dem, was heute von einer großen Stadtgemeinde erwartet wird. Denn das 19. und 20. Jahrhundert sind die Zeiten der Entwicklung neuer be­ deutsamer Gemeindeeinrichtungen, ohne die das Leben in einer mo­ dernen Großstadt undenkbar wäre. Gas-, Wasser- und Elektrizitäts­ werke, Verkehrseinrichtungen wie Straßenbahnen und Autobuslinien, hygienische und Wohlfahrtseinrichtungen wie städtische Kranken­ häuser und Altersheime, kulturelle Einrichtungen der verschiedensten Art, die das moderne Nürnberg aufweist, sie alle waren noch dem 18. Jahrhundert ganz unbekannt. Auch für diese Entwicklung ist der Übergang Nürnbergs an Bayern eine Zäsur von entscheidender Bedeutung geworden. Denn der baye­ rische Staat verfuhr zwar gerade in Nürnberg bei der Ausscheidung von Staats- und Kommunalvermögen einseitig im Staatsinteresse, aber er vermittelte doch den Städten neue Möglichkeiten für die Erfüllung von Gemeindeaufgaben. / Manche solcher Gemeindeaufgaben, die Kommunalanstalten als Or­ gane des Stadtrats heute wahrzunehmen pflegen, lagen nämlich früher vielfach in der Hand von Privatpersonen und zum guten Teil in der Hand dotierter Ämter und von Stiftungen, die zur selbständigen Rechtspersönlichkeit geworden waren. Diese Institutionen sind das Ergebnis einer Entwicklung, das sich vom Mittelalter her bis in die jüngste Vergangenheit erhalten hat. In Staat und Kirche hatten sich nämlich keine zentralen Organisationen entwickeln können, die ratio­ nal die Einnahmen eines Bezirkes verwalteten und aus ihnen Besol­ dungen für die Träger der Aufgaben des Staates oder der Kirche be­ stritten. Sondern das einzelne Amt wurde mit einem Vermögen aus­ gestattet — dotiert —, aus dessen Einkünften der Amtsträger lebte. 2*

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Diese enge Verbindung von Amt und Amts vermögen führte zu dem unserm modernen Empfinden so widerstrebenden Tatbestand, daß öffentliche Ämter verkauft, verpfändet, getauscht wurden. Im Bereich der Kirche ist diese Entwicklung durch das Verbot der Simonie hint­ angehalten worden, aber dafür hat sich das kirchliche Amt in der Regel zur selbständigen Rechtspersönlichkeit entwickelt und ist darin der selbständigen Stiftung vergleichbar geworden. Auch in Nürnberg nahmen vielfach Ämter der Kirche, Anstalten der Orden oder selbständige Stiftungen Aufgaben wahr, die heute im Be­ reich der staatlichen oder kommunalen Sphäre liegen, aber auch heute noch zu Kompetenzkonflikten auf den Gebieten der Schule und der Wohlfahrtspflege, ja gelegentlich zu vermögensrechtlichen Streitig­ keiten führen können. Beispiele hierfür sind z. B. die Pfarrschulen und ehemaligen Kirchhöfe bei St. Sebald und St. Lorenz; oder das Elisa­ bethspital, das der Deutsche Ritterorden seit dem 13. Jahrhundert unterhielt, oder das Spital, das die Dominikanerinnen bei St. Katharina führten; schließlich das Neue Spital zum Heiligen Geist, das 1331/39 von Konrad Groß gestiftet und großzügig ausgestattet wurde, oder das Sebastianspital, 1490 als Pesthaus von den Testamentsvollstreckern des Nürnberger Bürgers Konrad Toppier gestiftet, schließlich im Zeit­ alter des Pietismus die sog. Lödelsche und Ambrosius Wirthsche Armenschulstiftungen. Hatte schon die Reformation Ordensniederlassungen und Stiftungen aufgehoben und die damit in die Hand genommenen Vermögenswerte verwandten, aber neuen Zielsetzungen gewidmet, so machte die baye­ rische Staatsverwaltung durch ein „organisches Edikt“ vom 1. Oktober 1807 den vielen irgendwie öffentlichen Zwecken dienenden Einzel­ stiftungen ein Ende, indem sie aus ihnen drei Vermögensmassen bildete und aus diesen die Bedürfnisse des Kultus, des Unterrichts und der Wohltätigkeit bestritt. Indem die Verwaltung und Verwen­ dung der Stiftungsvermögen 1818 auf die Gemeinden überging, wur­ den diese in die Lage versetzt, Gemeindeaufgaben aus diesen Ver­ mögen wahrzunehmen und Schulen und Wohlfahrtseinrichtungen zu unterhalten. In der Regel wurden, wenn die betreffenden Stiftungs­ vermögen zum Unterhalt solcher Einrichtungen nicht ausreichten und diese so erhebliche Kommunalzuschüsse benötigten, aus Anstalten, die vom Stiftungsvermögen unterhalten wurden, in Kommunalanstalten umgewandelt, denen weiter Zuschüsse aus dem Stiftungsvermögen zuflossen. Diese Umwandlung wurde 1883 für das Sebastianspital und 1891/92 für das Waisenhaus vorgenommen. So grundsätzlich und bedeutsam der Einschnitt der Jahre 1806/18 also auch sein mag, so darf nicht übersehen werden, daß ältere Formen bis in unsere Tage hinein wirken, aber andererseits auch die modernen Gemeindeanstalten und kommunalen Wirtschaftsunternehmungen weit in die Vergangenheit zurückreichende Wurzeln haben. Beispiel für das Fortwirken des Stiftungsgedankens ist die Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, die auf Grund einer 1918 er20

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richteten Stiftung „Freie Hochschule für Handel, Industrie und all­ gemeine Volksbildung“ ins Leben gerufen wurde. Auch andere Ein­ richtungen wie das Luitpoldhaus verdanken einer großherzigen Stif­ tung ihre Entstehung.

Gemeinnützige Vereine Für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in den Gemeinden des 19. Jahrhunderts sind aber andere juristische Personen besonders charakteristisch: die Vereine, die, aus freien Zusammenschlüssen her­ vorgehend, mit ihrer Arbeit der Gesamtbürgerschaft dienen wollen. 1813 entstand z. B. aus einem vereinsartigen Zusammenschluß die Maximilians-Augenheilanstalt, 1847 wurde die Turnerfeuerwehr, 1854 der Turn- und Feuerwehrverein für Nürnberg gegründet, öffentliche Anlagen wurden auf Initiative von Vereinen geschaffen, etwa des MaxfeldVereins oder des Vereins zur Verschönerung der Luitpold­ anlage, und für die Ausgestaltung der Rosenau bildete sich 1883 ge­ mäß § 180 II HGB eine vom Bundesrat genehmigte gemeinnützige Aktiengesellschaft, deren Vermögen 1893 von der Stadt erworben wurde. Als Vorstufe von Volksbücherei und Volkshochschule wirkte eine Volksbildungsgesellschaft, und ehe die Stadt zur Errichtung des Stadions schritt, sorgten Sportvereine für Sportplätze und Bade­ anstalten. Kennzeichnend für diese Formen des Dienstes für öffentliche Auf­ gaben in der Gemeinde ist das Bestehen der von der Kommune unab­ hängigen Rechtspersönlichkeiten, eben eines Vereins, der Vermögen besitzen kann, oder einer Stiftung, durch die ein Vermögen selbst Person des Rechtes wird. Gegenüber der Stiftung oder dem gemein­ nützigen Verein hat die moderne Form der Kommunalanstalt ohne Rechtspersönlichkeit den Vorzug, daß die Verwaltung nicht auf einen unabänderlichen Stiftungszweck und einen einmaligen Stifterwillen oder auf Vereinsbeschlüsse festgelegt ist und sich daher den wandel­ baren Gegebenheiten, Bedürfnissen und Anschauungen in der Ge­ meinde anpassen kann. Ferner kann bei einer Stiftung oder einem Verein der Kreis der Berechtigten entsprechend dem Stifterwillen und unter Umständen durch gesetzliche Regelung oder nach Vereins­ satzung beschränkt sein; die Kommunalanstalt aber muß verfassungs­ gemäß von jedem Einwohner ohne Unterschied der Geburt und Rasse, des Geschlechtes, des Glaubens oder des Berufs benützt werden können.

Gemeindeanstalten Die Kommunalanstalt, die im Eigentum der Gemeinde steht, ist natür­ lich an die Voraussetzung gebunden, daß die Gemeinde Rechtspersön­ lichkeit ist, also Trägerin von Eigentum sein kann. Daher werden auch erst seit der Mitte des 13. Jahrhunderts Nürnberger Kommunalein­ richtungen genannt, Stadtmauern und Stadttore, im 14. Jahrhundert das Tuch- und Rathaus. Schon dem 14. Jahrhundert gehören auch die 21

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ältesten städtischen Wasserversorgungsanlagen an, die öffentlichen Grundwasserbrunnen und die Quellwasserleitungen wie etwa die Schöne Brunnenleitung und die Leitung des Hiserleinbrunnens beim Unschlitthaus; zu diesen traten seit Ende des 16. Jahrhunderts Pump­ werke wie das 1582/84 errichtete Blausternwerk. Es wurde in einem Stadtturm am heutigen Sterntor untergebracht, benutzte die Wasser­ kraft des Fischbachs zum Betreiben des Pumpwerks und nahm das gepumpte Grundwasser im obersten Teil des Turmes auf. Nicht von der Hand zu weisen scheint mir die Vermutung, daß schon dem 14. Jahrhundert auch eine Wohlfahrtseinrichtung angehört, die als Kommunalanstalt, nicht als selbständige Stiftung organisiert war: die Findel. Dem widerspräche, daß schon seit dem 14. Jahrhundert Schenkungen, Verkäufe und Stiftungen an die Findelkinder vorgenommen werden, die den Schluß zuließen, daß die Findel Rechtsper­ sönlichkeit gewesen sei. Zwar hat auch nach 1807 nicht die Kommunal­ administration, sondern die Stiftungsadministration die Findel ver­ waltet, und die Fortsetzerin der Findel, das Waisenhaus, wurde, wie erwähnt, 1891 aus dem Stiftungshaushalt in den Kommunalhaushalt überführt. Aber schwer fällt ins Gewicht, daß von einer Stiftungs­ urkunde auch in früheren Jahrhunderten nie die Rede ist und daß ein städtischer Findelpfleger die Verwaltung führte. Man gewinnt den Eindruck, daß erst durch die Jörg Keypersche Stiftung (1485) die Fin­ del einer selbständigen Stiftung angeglichen wurde. Sie war wohl eine dotierte Kommunalanstalt, die auf Zuschüsse und Einkünfte­ zuweisungen des Rates aus Strafgebühren der zu den Sitzungen zu spät kommenden Ratsherren, Miststättengebühren, Klingelbeutel­ geldern und dergleichen angewiesen blieb. Eine selbständige Ver­ fügungsbefugnis der Findelverwaltung über die Einkünfte war aber zweckbedingt: Wenn für die Findel- und Waisenkinder ein familien­ ähnlicher Haushalt geführt werden sollte, dann mußte Vieh gehalten und auf den Findelwiesen geweidet, mußte Brot gebacken und die Kleidung der Kinder instand gehalten werden. Auch die Anfänge einer kulturellen Gemeindeanstalt reichen bis in das 14. Jahrhundert zurück, nämlich die der Stadtbibliothek, die aus einer juristischen Amtsbücherei her vorgegangen ist und durch Zustiftungen und — im Zeitalter der Reformation — durch die Bibliotheken aufgehobener Klöster bedeutsame Erweiterungen erfahren hat. Eine der Nürnberger Gemeindeeinrichtungen des Mittelalters wurde zur Zwangsanstalt. Dadurch nämlich, daß Hausschlachtungen, außer von Schweinen, nicht zugelassen wurden, ergab sich ein Benützungs­ zwang der städtischen „Schlaghäuser“ d. h. Schlachthäuser für die Metzger und die Bürgerschaft. Die Rücksicht auf die Hygiene und der Grundsatz des öffentlichen Wohls waren hierfür entscheidend. Im Reformationszeitalter, in dem durch Dürers Schenkung der „Vier Apostel“ an den Rat der Grundstock einer städtischen Kunstsammlung 22

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entsteht, können frei werdende Klöster für städtische Ämter und An­ stalten verwendet werden. Im Augustinerkloster wird das Almosen­ amt untergebracht, das Egidienkloster nimmt das nach Ratschlägen Philipp Melanchthons errichtete Gymnasium auf, das 1575 zur Aka­ demie erweitert und nach Altdorf verlegt wird und 1623 die Erhebung zur Universität erlebt. Die Marthakirche wird als Spielbühne zur Ver­ fügung gestellt und damit die Anfänge eines Theaterbetriebes ge­ schaffen. Für einen solchen steht dann der Heilsbronner Hof zur Verfügung, bis ein eigens erbautes Fechthaus auch Schauspielgruppen aufnimmt. Noch im 17. Jahrhundert tritt daneben durch Umbau eines Kalkstadels das alte Schauspielhaus. All diese Einrichtungen wurden durch die Jahrhunderte hindurch an Schauspieltruppen verpachtet oder kurzfristig überlassen, und selbst nach dem Zusammenbruch 1945 wurde auf diese Weise in Nürnberg der Theaterbetrieb wieder auf­ genommen, bis die Eigenregie, in der die Stadt das Theater seit 1920 geführt hatte, sich erneut durchsetzte. Gemeindliche Wirtschaftsunternehmungen Es ist so deutlich, daß es in Nürnberg Kommunalanstalten seit dem Mittelalter gegeben hat und daß diese im 19. und 20. Jahrhundert einen vorher nicht abzusehenden Umfang angenommen haben. Man könnte aber meinen, daß erst einer neueren Entwicklung seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts die kommunale Wirtschaftsunterneh­ mung angehören könnte. Aber auch diese reicht weit zurück. Seit 1469 führte der Rat ein Weizenbräuhaus in eigener Regie, und er beschloß 1486 eigene Ziegelhütten zu betreiben. Die seit 1552 bestehende „Herrenhütte“ bei Ziegelstein erinnert mit ihrem Namen noch heute daran. Das Leihhaus war ein städtisches Pfandkreditunternehmen und 1563 übernahm der Rat für den Unschlitt ein Zwischenhandelsmono­ pol. Als 1621 der Banco Publico „in gemeiner Stadt Namen angestellt“ wurde, war damit „ein obrigkeitlich organisiertes oder unter Aufsicht des Rates arbeitendes Unternehmen“ begonnen worden. So stand der reichsstädtische Rat in mancher Beziehung sogar der Gegenwart näher als der Magistrat des 19. Jahrhunderts, der 1847 das Gaswerk als Privatunternehmen eröffnen ließ und es erst 1871 über­ nahm. Noch 1881 gründeten die Bremer Kaufleute Alfes und Dr. Wilkens die Nürnberg-Fürther Straßenbahn als Privatunternehmen, und dieses ging erst 1903 an die Stadt über. Die Bayerische Gemeindeordnung setzt der Tätigkeit der Anstalten und Wirtschaftsunternehmungen der Gemeinden feste Grenzen. Der Benützungszwang öffentlicher Einrichtungen darf nicht zum Nachteil von Einrichtungen der Kirchen und anerkannten Religionsgesellschaf­ ten verfügt werden, und wirtschaftliche Unternehmungen sind den Gemeinden nur soweit gestattet, als sie durch den öffentlichen Zweck erfordert werden und nicht ebensogut durch einen andern erfüllt werden können. Mit diesen Bestimmungen sind zwei Faktoren im 23

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öffentlichen Leben anerkannt, deren Wirken nicht beeinträchtigt wer­ den soll: die Kirchen und die freie Wirtschaft. Vom einzelnen her könnte man sagen: Es soll das Recht des einzelnen respektiert werden, für die Benützung öffentlicher Einrichtungen gewissensmäßigen religi­ ösen Bindungen zu folgen, und dem einzelnen soll eine freie wirt­ schaftliche Betätigung ermöglicht werden. Damit sind Forderungen des Liberalismus, aus dem die moderne demokratische Entwicklung hervorgegangen ist, bewahrt worden, um zu verhüten, daß die Demo­ kratie ihre eigenen geschichtlichen Grundlagen zerstört und in ein totalitäres System umschlägt. Im Kräftespiel von Staat, Kommunen, Kirchen und freier Wirtschaft soll sich das öffentliche Leben entfalten. Die Lehren der Vergangenheit Der Blick in die Vergangenheit hat gezeigt, daß Nürnberg in einem Auf und Ab alle Stufen der Selbstverwaltung durchschritten hat, von dem bescheidensten steuerpolitischen Umlagerecht bis zur vollen Ratsherrschaft, ja bis zur Souveränität, und daß Nürnberg nach jähem Sturz, bei dem es faktisch alle Körperschaftsrechte einbüßte, allmäh­ lich im Kranz der bayerischen Städte durch die Kuratel des Staats hin­ durch zu einer in der Demokratie verwurzelten eigenständigen Auf­ gabe im Staatsganzen aufgestiegen ist. Die geschichtliche Betrachtung ermöglicht auch eine gerechte Beur­ teilung der Leistungen der kommunalen Selbstverwaltung. Ihre Schwerpunkte lagen in den einzelnen Zeiträumen auf verschiedenen Aufgabenbereichen. Aber ein jedes Jahrhundert hat Entscheidungen gefällt, Maßnahmen ergriffen und Einrichtungen geschaffen, die nicht nur den Zeitgenossen zugute kamen, sondern auch dauernde segens­ reiche Auswirkungen hatten. Die Form, die Intensität und der Auf­ gabenkreis dieser Maßnahmen und Einrichtungen haben sich gewan­ delt. Voraussetzung für ihre Inangriffnahme war und bleibt das Gemeinwohl. Der Gedanke des Gemeinwohls soll auch die Spannung lösen zwischen zwei Prinzipien, die auch in der Selbstverwaltung miteinander ringen: Herrschaft und Genossenschaft, oder mit anderen Worten: Regieren und doch sich verantwortlich fühlen gegenüber dem Auftrag der Ge­ meinschaft. Diese unvermeidbare Spannung zwischen Herrschaft und Genossenschaft kann bei Beratungen und Entscheidungen des Stadt­ rats immer wieder fruchtbar werden, wenn der Wille zur Herrschaft durch die Bindung an das Gemeinwohl nicht nur eingeschränkt, son­ dern auch geadelt und beflügelt wird: Salus publica suprema lex esto! Literaturnachweis Die vorstehende Darstellung beruht auf einer zusammenfassenden Verwertung der umfang­ reichen Literatur. Im Anschluß an den Gang der Darstellung sei das Wichtigste genannt: Heinrich Heffter, Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert (Stuttgart 1950) Nürnberger Urkundenbuch herausgegeben vom Stadtrat, bearbeitet vom Stadtarchiv (Nürnberg 1951—1954)

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MVGN 46 (1956) Nürnbergs Selbstverwaltung (v. Wölckern) Historia Norimbergensis Diplomatica (Nürnberg 1738) Gerhard Pfeiffer, Der Aufstieg der Reichstädt Nürnberg im 13. Jahrhundert, in: Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nbg. 44 (1953) Ernst Pitz, Die Entstehung der Ratsherrschaft in Nürnberg, im 13. und 14. Jahrhundert (München 1956) Paul Sander, Die reichstädtische Haushaltung Nürnbergs (Leipzig 1902) Werner Schultheiß, Geschichte des Nürnberger Ortsrechts, in: Das Ortsrecht der Stadt Nürnberg (auch selbständig: Nürnberg 1957) (mit umfassendem Schrifttumsnachweis) Hans Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter (Graz 1954) Joseph Baader, Nürnberger Polizeiordnungen (Stuttgart 1861) (künftig: die Nürnberger Satzungsbücher, deren Herausg. im Stadtarchiv vorbereitet wird) Gerhard Pfeiffer, Der Augsburger Religionsfriede und die Reichsstädte, in: Zschr. d. Hist. Ver. f. Schwaben 61 (1955) Georg Wolfgg. Karl Lochner, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg zur Zeit Kaiser Karls IV. (Berlin 1873) Ernst Mummenhoff, Das Rathaus in Nürnberg (Nürnberg 1891) Julie Meyer, Die Entstehung des Patriziats in Nürnberg, in: Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nbg. 27 (1928) Franz Buhl, Der Niedergang der reichsstädtischen Finanzwirtschaft und die kaiserliche Subdelegationskommision von 1797—1806, in: Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nbg. 26 (1926) Georg Schrötter, Die letzten Jahre der Reichsstadt Nürnberg und ihr Übergang an Bayern in: Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nbg. 17 (1906) Hans Liermann, Der Übergang der Reichsstadt Nürnberg an Bayern im Jahre 1806, in: Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nbg. 48 (1957) Josef Rinnab, Staatsrecht und Völkerrecht beim Übergang Nürnbergs an Bayern, Diss. Erlangen 1932 Hans Reiter, Die geschichtl. Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung in Bayern, Diss. München 1948 Adolf Neuper, Die leitenden Ideen in der Geschichte des bayerischen Kommunalrechts, Diss. Erlangen 1952 Heinz Günther Ladwig, Die Entstehung des Selbstverwaltungsrechtes der bayerischen Gemeinden, Diss. Erlangen 1952 Julius Rühm, Die bayerische Stadtratsverfassung und ihre Vorzüge in der Praxis, in: Magdeburger Amtsblatt 1925 Karl Helmreich und Kurt Rock, Handausgabe der bayerischen Gemeindeordnung (Ansbach 1915; mehrere Auflagen!) Hans Rollwagen, Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (München 1952) Wilhelm Gebhard, Organisation der Reichsstadt Nürnberg (Nürnberg 1910) Heinz Ludwig Rothmann, Geschlechtskrankheiten und Prostitution in Nürnberg 1870-1930, Diss. Erlangen 1953 Franz Wolfermann, Die Entwicklung des Feuerlöschwesens der Stadt Nürnberg (Nbg. 1878) Carl L. Sachs, Das Nürnberger Bauamt (München 1915) Gerhard Pfeiffer, Nürnbergs Bürgerhausbau, in: Kunst dem Volk (1940) Adolf Pfeiffer, Baupolizei in der mittelalterlichen Stadt, in: Mitt. d. oberhess. Gesch.Ver. NF 41 (Gießen 1956) Paul Schneider, „Nürnbergisch gerecht geschaut Gut“ (Nürnberg 1940) August Jegel, Ernährungsfürsorge des Altnürnberger Rates, in: Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nbg. 37 (1940) Den Hinweis auf eine Volkszählung 1384 verdanke ich Herrn Archivrat Dr. Schultheiß (Quellenfund: Stadtrechnung) Willy Rüger, Mittelalterliches Almosenwesen, die Almosenordnungen der Stadt Nürnberg (Nürnberg 1937) Friedrich Elkar, Zentralisierung und Dezentralisierung der Verwaltung des bayerischen Stiftungsvermögens in der Zeit Maximilian IV. (I.) Josef, Diss. Erlangen 1949 Ernst Mummenhoff, Die öffentliche Gesundheits- und Krankenpflege im alten Nürnberg, in: Festschrift zur Eröffnung des neuen Krankenhauses (Nürnberg 1898) W. Bauer, Das Sebastianspital in Nürnberg 1528—1928 Gerhard Pfeiffer, Vier Jahrhunderte Nürnberger Hochschulbestrebungen, in: Die Nürn­ berger Hochschule im fränkischen Raum, 1955 Die Wasserversorgung der Stadt Nürnberg von der reichsstädtischen Zeit bis zur Gegen­ wart (Nürnberg 1912) Ernst Mummenhoff, Das Findel- und Waisenhaus zu Nürnberg, in: Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nbg. 21/22 (1915 und 1918) Karlheinz Goldmann, 600 Jahre Geschichte der Stadtbibliothek Nürnberg, in: Mitt. a. d. Stadtbibliothek Nürnberg, Jahrgang 4/5 (1955/6) Carl L. Sachs, Metzgergewerbe und Fleisch Versorgung der Reichsstadt Nürnberg (Nbg. 1922) Franz Eduard Hysel, Das Theater in Nürnberg (Nürnberg 1863) Julius Kelber, Die ehemalige Dorfgemeinde Ziegelstein (Nürnberg 1933) Stadt Nürnberg, Das städtische Verwaltungswesen (Nbg. 1906) Die Wohlfahrtseinrichtungen Nürnbergs (Nbg. 1921) Rudolf Fuchs, Der Bancho Publico zu Nürnberg (Berlin 1954) 50 Jahre elektrischer Betrieb, 65 Jahre Straßenbahn (Nbg. 1946).

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Der Kupferhammer zu Enzendorf bei Rupprechtstegen*) Von Karl Freiherr von Harsdorf (|)

Wenn man im Pegnitztal von Artelshofen nach Rupprechtstegen geht, kommt man an der kleinen Ortschaft Enzendorf vorbei; der ältere Teil des Dorfes liegt auf dem rechten Pegnitzufer; hohe Bret­ terstapel lassen erkennen, daß dort eine Sägemühle in Betrieb ist. Aber nichts weist darauf hin, daß in Enzendorf einmal ein Kupfer­ hammer stand, der in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts und im 16. Jahrhundert im Nürnberger Wirtschaftsleben eine nicht unbedeu­ tende Rolle gespielt hat. In der Literatur wird der Kupferhammer mehrfach erwähnt; in einem alten Repertorium des Harsdorfsehen Familienarchivs fand ich Notizen über den Hüttenhandel der Harsdörffer-Gesellschaft zu Enzendorf, die sich auf die Zeit von 1472 bis 1504 beziehen. Das veranlaßte mich, die Geschichte dieses Kupfer­ hammers und Hüttenhandels näher zu erforschen. Enzendorf erscheint schon frühzeitig als bayerischer Besitz. Nach dem bayerischen Salbuch aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts hat die Vogtei Hersbruck des Klosters Bergen Besitz in Enzendorf1). Die Lage an der Pegnitz forderte wohl schon frühzeitig zur Anlage eines Hammerwerkes auf. Wir haben Nachricht von einem Eisenhammer, der in der Hand des Nürnberger Bürgers Konrad Eschenloer war. Aus einem Schreiben2) des Nürnberger Rates vom 3. Oktober 1450 an Otto Pfalzgrafen bei Rhein und Herzog von Bayern erfahren wir, daß Konrad Eschenloer d. J., Nürnberger Bürger, seinen im ersten Markgrafenkrieg verbrannten Hammer wieder aufbauen wollte. Die von Velden hatten ihn daran gehindert. Vergebens hatte am 28. Sep­ tember 1450 der Nürnberger Rat die Veldener aufgefordert, den Bau nicht zu behindern3). Daher wandte er sich nun an Herzog Otto. In dem Schreiben berief er sich darauf, daß bereits König Ruprecht Kon­ rad Eschenloer d. Ä.4) den Hammer gegen einen Jahreszins vererbt habe und daß dieses Erbzinslehen von Herzog Johann von Bayern und König Christoph von Dänemark, Ottos Bruder und Vetter, be­ stätigt worden sei. Herzog Otto möge daher Konrad Eschenloer ge26

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gen Martin von Wildenstein und die Veldener in seinen Rechten schützen. König Ruprecht starb 1410. Vor dieser Zeit muß also bereits der Eisenhammer bestanden haben. Nürnberger Bürger hatten auch sonst in dieser Gegend Eisenhämmer. Das geht aus einer Urkunde König Wenzels vom 9. Mai 1398 hervor, in der er zugunsten der in seinem Land und seiner Herrschaft Bayern sowie der im Besitz der Nürn­ berger Bürger befindlichen Hämmer alle Neuerungen für kraftlos erklärt und den Hammerbesitzern gestattet, gegen Reichung des Zehnten in seinem Lande Erz zu suchen und zu graben6). Im Jahre 1424 erhält Christian Haller aus Nürnberg zwei Blechhämmer in Peg­ nitz und Lauf vom Herzog Johann als Lehen, ,,in aller Maß, wie sie sein Vater inne gehabt“6). Konrad oder Kunz Eschenloer gehörte einer angesehenen Nürn­ berger Familie an. In der Handschrift 241 des Staatsarchivs Nürnberg (Verzeichnis derer Erbarn Geschlecht und anderer Fümehmer Bürger zu Nürnberg, so zwar nicht zu Rathes-Ämptern gezogen worden, doch sonsten auch guten Herkommens gewesen, etwa 1660 verfaßt) heißt es S. 51: „Cunz Eschenloer ist von des Blechschmidt Handwerks we­ gen, so vor Jahren zu Nürnberg in großen Würden gewest, von Anno 1434 biß 1452 in Rath gangen.“ Sein Name erscheint häufig in den Nürnberger Briefbüchern7); er wird öfter vom Rat nach auswärts geschickt, um z. B. über Geleitsfragen zu verhandeln8). In einem Kaufbrief vom 27. Januar 1438, nach welchem ein Ulrich Heber den Hammer zu Diepoltsdorf von Hans Swartz, Bürger zu Nürnberg, kauft, werden als „Kaufleute“ genannt: Conrad Eschenloer der Ältere, Bürger zu Nürnberg, Heinrich Pelstler, Bürger zu Auerbach, Konrad Krause vom Hilpoltstein und Hans Smuck, jetzt gesessen zu Lauf9). 1443 wird Contz Eschenloer der Ältere von 2 Bauern aus dem Ge­ richt Stierberg vor das Fehmgericht in Westfalen geladen, — sehr zum Mißfallen des Rates10). Im gleichen Jahr schreibt der Rat zu Nürnberg an den Rat zu Amberg, der ihrem „Bürger und Ratgesel­ len“ Konrad Eschenloer einen Rechtstag gegen den Amberger Bür­ ger Hans Frank gesetzt hatte, und bittet ihn, ihm zu seinen Rechten zu verhelfen “). 1446 ermahnt der Rat Konrat Eschenloer d. Ä., seine Schulden einem Zwickauer Bürger gegenüber unverzüglich zu be­ gleichen12). Im Besitz anderer Eschenloer, so eines Christoff Eschen­ loer, war ein anderer Eisenhammer zu Gunterstal bei Pegnitz13). Der Eisenhammer zu Enzendorf wurde bis 1466 betrieben, und zwar wurden dort Schieneisen, d. h. Stabeisen und Bleche, hergestellt. In diesem Jahr wurde der Hammer in einen Kupferhammer umge­ wandelt14). Mit Urkunde d. d. Landshut den 4. März 146615) erlaubt Pfalzgraf Ludwig bei Rhein, Herzog in Nieder- und Oberbayern, dem Jobst Tetzel und Endres Harsdorffer und ihren Erben, für 6 Jahre in dem Schien- und Blechhammer zu Enzendorf Kupfer schmelzen, schmieden und verarbeiten zu lassen. 27

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Jobst Tetzel gehörte einer Nürnberger Patrizierfamilie an, die F. M. Ress in seiner Abhandlung über den Eisenhandel der Oberpfalz in alter Zeit als ausgesprochene Montanindustrielle bezeichnet. Sie beschäftigten sich schon früh mit dem Hüttenwesen und dem Eisen­ handel. Ein Jobst Tetzel ist 1387 im Besitz der oberpfälzischen Schienhämmer Thalheim und Haunritz16). 1464 ist der Hammer zu Thalheim im Besitz eines Jörg Tetzel und nach dessen Tod hat ihn der Sohn Jörg Tetzel der Jüngere inne17). Jobst Tetzel, der mit Endres Harsdörffer im Jahre 1466 das Recht erhielt, den Kupferhammer in Enzendorf zu betreiben, war also sicher Fachmann auf dem Ge­ biet des Hammerwesens. Er scheint spätestens im Jahre 1472 als Teilhaber ausgeschieden zu sein; denn in dieser Zeit ist nur noch von der Harsdorffer-Gesellschaft des Hüttenhandels zu Enzendorf die Rede. Tetzeis hohes Alter und Krankheit mag ihn dazu bewogen haben. In einem Schreiben18) an Herzog Ludwig in Nieder- u. Oberbayem vom 12. März 1474 teilt der Rat mit, „daß Jobs Tetzel, unser lieber ratsfreund, dieser zeit mit blödigkeit seines leibs beladen ist“, und in einem Schreiben19) vom 16. März 1474 ist die Rede von „wey­ land unserm lieben ratsfreund“ Jobst Tetzel; er ist also kurz zuvor gestorben. Es mag die Frage naheliegen, warum Jobst Tetzel und Endres Harsdörffer in Enzendorf eine Schmelzhütte und einen Kupferham­ mer errichteten. Das hing einmal zusammen mit dem großen Bedarf des in Kupfer und Messing arbeitenden Nürnberger Handwerks der Kupfer- und Rotschmiede und dann mit dem großen Gewinn, der aus dem Handel mit Bergwerksprodukten gezogen wurde. Nach der Mitte des 15. Jahrhunderts wurde eine neue Technik des Metallscheidens bekannt, das Saigern80), d. h. die Kunst, das Silber mit Hilfe von Blei aus den silberhaltigen Kupfererzen zu ziehen. Das in den Schmelz­ öfen gewonnene Kupfer, das Rohkupfer, mußte, bevor es in der Fa­ brikation Verwendung fand, einem Saigerprozeß unterworfen wer­ den, bei dem das Rohkupfer eingeschmolzen, das darin enthaltene Silber abgeschieden und Garkupfer hergestellt wurde. Das geschah in einem umständlichen Verfahren auf besonderen Saigerhütten. Zu­ erst schmolz man das Kupfer derartig ein, daß man im Schmelzofen eine an Silber reichere Kupferschicht erzielte. Sodann wurde das nicht verschlackte Kupfer „in Scheiben gerissen“, d. h. die auf dem flüssigen Kupfer durch Abkühlen entstandene feste Haut wurde als Metallscheibe abgehoben. Die Scheiben wurden nun mit Blei zusam­ mengeschmolzen und die Legierung darauf gesaigert, wobei man die Bleistücke auf dem Treibherd auf brennende Holzscheite legte und das silberhaltige Blei durch eine geneigte Rinne in einen Tiegel ab­ fließen ließ. Die zurückbleibenden „Kienstöcke“ mußten noch einmal „verbleit“ werden, da sie Blei- und Silberrückstände enthielten; sie wurden schließlich im Ofen mit scharfem Blei „gedörrt“, um dadurch das übrige nicht mehr silberhaltige Blei abzuscheiden, und zuletzt auf Garkupfer verschmolzen. Es wurden also benötigt: Schmelzöfen, Sai28

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geröfen, Garherde, Treibherd und Dörröfen. Solche Saigerhütten waren daher sehr kostspielige Anlagen und somit dem Kleinbetrieb entzogen. Ein einzelner konnte das dafür benötigte Kapital nicht auf­ bringen. Nur das Großkapital konnte auf dem von der Technik neu gewonnenen Gebiet arbeiten. Und solches Kapital war gewöhnlich im Handel erworben worden. Das trifft auch für die Harsdorffer-Gesellschaft 21) zu. Neben Endres Harsdörffer tritt sein Vetter Peter als Teilhaber an der Schmelz­ hütte und dem Kupferhammer auf. Peter Harsdörffer und seine Ge­ sellschaft handelten schon in den 1460er Jahren mit böhmischen Städten28); es werden besonders Olmütz und Brünn genannt. Dane­ ben suchten sie auch Geldgeber, die Geld auf Gewinn und Verlust in die Gesellschaft einbrachten. Es handelte sich also um eine kommanditistische Beteiligung, die in Nürnberg nicht selten war, wie aus einem Privileg hervorgeht, das Kaiser Friedrich III. im Jahre 1464 der Stadt Nürnberg verlieh23). Darin heißt es: „Mehr so ordnen wir von des handeis und kaufmannschaft wegen: Welche person, burger oder burgerin der vorgemelten stadt Nürnberg, ein nehmlich summa gelds mit geding (d. h. mit der Verabredung eines festen Zin­ ses auf das hergeliehene Kapital) in eine gesellschaft legen, daß sie solch geding halten und dem nachkommen sollen. Welch obgemelte person aber ir gut und gelt in gesellschaft thun und legen ohn ge­ ding, sonder zu gewinn und verlust und doch für sich selbst die handtierung der gesellschaft nit pflegen zu handeln, ob und wann dieselbe gesellschaften durch ungefall oder sonsten verlust leiden und in schul­ den fallen würden, und dieselbe schulde von dem hauptgut, das sie alle in der gesellschaft hetten, nicht mochte bezahlt werden, so sollen dieselben personen, die, als vorsteht, ihr gut und gelt unverdingt in gesellschaft hetten, nicht mehr zu bezahlen pflichtig und schuldig sein, denn allein so viel, als sich nach anzahl ihres angelegten hauptguethes gebieren, und damit der übrigen schulden ganz entledigt und auch alle andere ihr haab und guth, wo sie die hetten, deshalb von allermeniglichen, unangelangt, unaufgehalten und unbekümmert sein und bleiben... “ Aus einem alten Repertorium im Harsdorfschen Archiv (S. 20) entnehme ich einige Angaben über solche Beteiligungen: In einem Pergamentbrief aus dem Jahre 1472 bekennt Sigmund von Egloffstein, Ritter und Schultheiß der Stadt Nürnberg, daß 500 fl. Rheini­ scher Landeswährung, die er bei Endres Harsdörffer und seiner Ge­ sellschaft liegen gehabt, sambt aller Gewinnung zu Dank ausgerichtet worden seien. — In einem Pergamentbrief aus dem Jahre 1484 quit­ tiert Erckenbrecht Koler seinen Verwandten Peter und Endres Hars­ dörffer den Rückempfang von 200 fl., die er in ihrer Gesellschaft zu Gewinn und Verlust liegen gehabt, samt aller und jeglicher Gewin­ nung. — 1486 bekennen Peter und Endreß die Harsdörffer, daß sie Frau Margarethe, Ehefrau des Ritters Hartung von Egloffstein, schul29

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dig worden sind 200 fl., die sie auf künftig Lichtmeß 1487 ohne allen schaden wieder zurückbezahlen wollen. Hauptsächlich aber waren weitere Mitglieder der HarsdorfferFamilie mit Einlagen an dem Geschäft beteiligt. So quittiert Anthoni Harsdorffer dem Peter und Endres Harsdorffer die Nutzung von 800 fl., daß er dieselben zu gutem Dank wohl empfangen habe, und zwar 1479: 8000 fl., 1482: 1400 fl., 1483: 1200 fl., 1484: 1400 fl. Das waren also ganz beträchtliche Gewinne. 1487 quittiert derselbe Anthoni um 1100 fl. Hauptgut samt aller Gewinnung. Ein anderer Hars­ dorffer, Paulus, hatte bei seinem Tode im Jahre 1480 1800 fl. in dem Harsdorffersehen Hüttenhandel zu Enzendorf auf Gewinn und Ver­ lust liegen gehabt. Die Tochter Peter Harsdorffers, der mit seinem Vetter Endres den Kupferhammer betrieb, Barbara, die mit Lienhart von Ploben ver­ heiratet war, hat nach dem Tod ihres Vaters, der 1498 starb, die Summe von 3750 fl. als Hauptgut im Schmelzhüttenhandel auf Ge­ winn und Verlust liegen. Sie hatte diese Summe von ihrem Vater geerbt. In 4 Raten auf 4 Frankfurter Messen werden ihr diese 3750 fl. samt aller Gewinnung zurückbezahlt, die letzte Rate im Jahre 1504. Aus dem Jahre 1505 stammt auch eine Quittung des Fabian Hars­ dorffer über 2000 fl. Hauptgut, das er auf Gewinn und Verlust im Hüttenhandel liegen gehabt. Dieser Fabian Harsdorffer war auch von Jugend auf im Dienst der Gesellschaft im Hüttenhandel gewesen; am 31. Januar 1504 bestätigt er, daß er jeder Zeit bis auf dato seinen Ge­ winn und sein Dienstgeld empfangen habe. Der Schmelzhüttenhandel war also ein einträgliches Geschäft. Durch das Saigern des Rohkupfers wurde ja auch Silber gewonnen. Das Kupfer, das nach Wünschen der Nürnberger Handwerker auf dem Hammer zu Blechen verarbeitet wurde, fand in Nürnberg rei­ ßenden Absatz. Der Handel mit Kupfer- und Messingprodukten spielte daher schon Ende des 15. Jahrhunderts eine große Rolle, und zwar gingen diese Erzeugnisse auf die Pyrenäenhalbinsel. Sie waren ein wichtiges Tauschmittel der Portugiesen an der Westküste Afrikas gegen Elfenbein, Gold, Guineapfeffer und Negersklaven. Nürnberg war eine Haupterzeugungsstätte dafür. Martin Behaim nahm an den Expeditionen der Portugiesen teil und dürfte seine geschäftstüchtigen Mitbürger über die neuen Absatzmöglichkeiten aufgeklärt haben“). Auch Dr. Hieronymus Münzer aus Nürnberg, der 1495 Portugal be­ reiste, erwähnt „vasea cuprea et stanea und Paternoster aus Nürn­ berg“, die er dort in den Warenlagern gesehen habe. Ein Grund für die Wahl Enzendorfs als Schmelzhütte und Kupfer­ hammer dürfte darin zu suchen sein, daß der nahe Veldensteiner Forst die Versorgung des Hammers mit Holzkohlen sicherstellte. Die Veldensteiner Amtsrechnungen im Staatsarchiv Bamberg“3) gestat­ ten es, den Bezug von Meilerkohlen durch die Hammermeister in En­ zendorf vom Jahre 1485 an bis zum Jahre 1561 zu verfolgen. 30

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Vielleicht ist auch für die Wahl Enzendorfs als Stätte für die Sai­ gerhütte mitbestimmend gewesen, daß es nicht sehr weit von Eschen­ bach an der Pegnitz liegt, wo die Harsdorffer seit 1402 einen Herren­ sitz besaßen. Dort hielten sich Endres Harsdorffer und sein Neffe und Haupterbe, Hans Harsdorffer, von dem noch die Rede sein wird, häu­ fig auf, wenn sie nicht selbst in Enzendorf wohnten, wo sie neben der Schmelzhütte und dem Hammer einen „Sitz“ hatten. In einem Brief vom 23. Juli 1494 schreibt Endres Harsdorffer an die Räte zu Sulz­ bach25), er leiste in seiner Schmelzhütte und seinem Sitz Enzendorf unweit von Hohenstein Steuer und Reiß nach dem Anschlag des Her­ zogs Georg von Bayern und seiner Amtleute wie andere Landsassen. Nun hindere ihn — im Gegensatz zu den früheren Pflegern auf dem Hohenstein — der jetzige Pfleger Endres von Lichtenstein an seinem Weidwerk auf Hasen, Hühner und Vögel. Er bittet daher, den Rent­ meister zu Weiden, Hans von Floß, aufzufordern, er solle den Hohensteiner Pfleger anweisen, ihn bei seinen Rechten zu belassen. In der gleichen Sache schreibt auch der Rat der Stadt Nürnberg am 16. Au­ gust 1494 an Hans von Floß, Rentmeister zu Weiden28). Auf den im Staatsarchiv Nürnberg vorhandenen Plänen 27), so auf Blatt 14 der von L. Wittmann herausgegebenen Landkarten von Franken (Mappe II) ist das von einer Mauer umgebene Herrenhaus deutlich zu erkennen. Im Landshuter Erbfolgekrieg sollte es als Ver­ teidigungsstützpunkt noch eine Rolle spielen. Endres Harsdorffer hatte eine besondere Vorliebe für Eschenbach. In seinem Testament von 1490 bestimmte er u. a., daß man von dem erlösten Geld aus seinen verkauften Kleidern die bösen Weg und Steg und zwar vor allem gegen Eschenbach bessern soll. In diesem Testa­ ment — seine Ehe mit Ursula Behaim war kinderlos geblieben — machte er Hanns Harsdorffer, den Sohn seines verstorbenen Bruders Anthoni Harsdorffer, zum Erben aller seiner Lehen und Lehengüter; dazu vererbte er ihm seinen halben Teil an der Behausung in Enzen­ dorf mitsamt der Schmelzhütte, Hammerstatt und allem Zubehör, ferner sein frei eigen Schloß Eschenbach28). Endres Harsdorffer starb 1498. Mit seinem Erben Hans Harsdorffer kam ein Mann in den Besitz der Schmelzhütte und des Hammers, der von Metallen, besonders von der Silber- und Kupfergewinnung, etwas verstand. Von 1496—1499 war er Oberster Münzmeister des Königs Ladislaus von Böhmen, mit dem Sitz in Kuttenberg. Kuttenberg war eine alte Bergstadt südöstlich von Prag mit reichen, silberhaltigen Kupferkiesen, die dort abgebaut wurden. Es war auch die Hauptmünzstätte des Königreichs Böhmen. Der Oberste Münzmeister hatte die Aufsicht über sämtliche Berg­ werke in Böhmen. Es mag verwundern, daß ein Angehöriger eines Nürnberger ehrbaren Geschlechts Oberster Münzmeister des Königs von Böhmen wurde. Nun, der Vater des Hans Harsdorffer, mit Namen Anthoni, Bruder des Endres, hatte sich in Böhmen niedergelassen; er 31

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besaß die Burg und das Dorf Malesitz bei Pilsen. Hans Harsdorffer erbte mit seiner Schwester Katharina, die 1474 den Nürnberger Ortolf Stromer heiratete, diesen Besitz. Aus diesem Jahr 1474 stammt ein Teilbrief der Geschwister über väterliches und mütterliches Erbe auch um das Dorf Malesitz, in Böhmen gelegen, für welches er ihr in einer Summe 1000 fl geben soll. Hans Harsdorffer wurde also Alleinbesitzer von Malesitz; bei seiner Übersiedlung nach Nürnberg im Jahre 1499 scheint er es verkauft zu haben. Er unterschreibt aber Briefe an böh­ mische Herren, so z. B. an den Kanzler Albrecht von Kolowrat im Jahre 1506, als Hanns Harsdorffer von Malesitz und auch der Rat der Stadt Nürnberg nennt ihn in Schreiben nach Böhmen so. Hans Harsdorffer muß beim König Ladislaus II. in großem An­ sehen gewesen sein; denn er ist zusammen mit dem König auf einer gemalten Tafel dargestellt, die sich über der Kapellentür des Münz­ hofes zu Kuttenberg befand. Der lateinische Text trägt die Jahres­ zahl 1497; Hans Harsdorffer wird darin genannt „generosus Joannes Horstorffer de Malesitz, supremus magister monetae“. Diese Tafel war noch im Jahre 1582 erhalten; im Auftrag des Lazarus Harsdorffer von Artelshofen wurde die Darstellung in Wasserfarben abgemalt und später im Jahre 1649 in Kupfer gestochen; Kupferstiche sind noch im Besitz der Familie v. Harsdorf. Bei seinem Ausscheiden aus dem Amt des Obersten Münzmeisters erhielt Hans Harsdorffer vom König Ladislaus eine Urkunde, die zu Ofen am 5. April 1499 ausge­ stellt ist, mit der Ladislaus seinem Rat Hans Harsdorffer, Münzmei­ ster zu Kuttenberg, bestätigt, daß er über alle Einnahmen und Aus­ gaben seines Amtes mit den Gefällen aus den königlichen Bergwer­ ken „zu Kuttenberg, zu der Eull und Gnyn“ recht und redlich ab­ gerechnet habe. “). Als Grund für die Aufgabe des Münzmeisteramtes kann man die Abnahme der Ausbeute aus dem Silbergbau annehmen, die für 1496 in der böhmischen Chronik des Wenceslaus Hagecius be­ zeugt istso). Außerdem gab es Uneinigkeiten zwischen den Bergamt­ leuten und der Knappschaft, die Harsdorffer ein Verbleiben im Amt verleidet haben mögen. Endlich wird auch die Erbschaft der Schmelz­ hütte und des Kupferhammers in Enzendorf eine Rolle gespielt und seinen Entschluß erleichtert haben, in die Stadt der Ahnen zurückzu­ kehren. Er war auch mit einer Angehörigen eines alten Nürnberger Geschlechts, mit Margaretha Nützel, verheiratet. Zweifellos hat er seine Kenntnisse der Kuttenberger Bergwerksbetriebe und seine Be­ ziehungen zu König Ladislaus ausgenützt und dafür gesorgt, daß das Rohkupfer aus Kuttenberg, das dort nicht gesaigert werden konnte, auf die Schmelzhütte zu Enzendorf geliefert wurde. Hans Harsdorffer war in Nürnberg kein Fremder. Er erscheint als Nürnberger Bürger in den Briefbüchern31) von 1493; im Jahr 1495 reitet er in Geschäften nach Böhmen und berichtet nach seiner Rück­ kehr seinem Onkel Peter Harsdorffer über einen Auftrag, den er im Namen des Rats durchgeführt hat. Am 11. August 1497 erteilt er als 32

Tafel i. Unbekannter Meister, Hans Harstorfer (1484)

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Tafel II. Kupferstich nach der Votivtafel über der Kapellentür des Münzhofes zu Kuttenberg

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Oberster Münzmeister von Nürnberg aus den Münzamtleuten von Kuttenberg die Weisung, nicht bloß die Hellerprägung vorzunehmen, sondern abwechselnd eine Woche Groschen und die andere Heller zu münzen. Er erwähnt gleichzeitig, daß er 20 Zentner Kupfer zum Münzbedarf aufgekauft habe, — doch wohl von der Harsdorffer Schmelzhütte in Enzendorf. — Ein weiterer Brief aus Nürnberg ist datiert vom 4. Februar 1498. Im Jahre 1499 ließ sich Hans Harsdorffer endgültig in Nürnberg nieder; bereits 2 Jahre darauf kam er als „Alter Genannter“ in den Rat; er wurde, ohne „Junger Bürgermeister“ gewesen zu sein, 1505 zum „Alten Bürgermeister“ erwählt und häufig in diplomatischen Missionen verwendet. Im Landshuter Erfolgekrieg war er im Zuge gegen Lauf neben Endres Tücher und Sebald Schürstab Oberster Hauptmann; nach der Einnahme von Hersbruck war er mit der Or­ ganisation der Verteidigung dieser Stadt und mit der Fortführung des Krieges ins Bayerische hinein beauftragt. Nun lagen Harsdorffers Sitz in Eschenbach und die Schmelzhütte zu Enzendorf im Kriegsgebiet; es mußte auch dem Rat der Stadt Nürnberg daran gelegen sein, daß besonders Enzendorf nicht in die Hand des Feindes fiel. Deshalb erging am 17. Juni 1504 auf Wunsch des Hans Harsdorffer an Jörg Hüttenbeck, den Pfleger von Hersbruck, und Endres Stromer, Hauptmann zu Hersbruck, Anweisung, sie soll­ ten beim Eindringen des Feindes, vor allem auf Ersuchen des Harsdorffersehen Vogtes zu Eschenbach oder des Harsdorffersehen Hulkapfers32) auf der Schmelzhütte zu Enzendorf dem Harsdorffer und seinen bäuerlichen Hintersassen zu Hilfe eilen33). Etwa 2 Monate später erscheint die Lage noch bedrohlicher; der Rat hat Kundschaft von einer „merklichen Sammlung“ zu Amberg und Auerbach und befürchtet, es werde gegen Enzendorf und andere seine Flecken „mit beschedigung was fürgenomen“. Er erteilt deshalb dem Pfleger von Lauf, Endres Stromeier, den Auftrag, 250 Knechte nach Hersbruck zu verordnen. Dem Jorgen Hüttenbeck, Pfleger zu Hersbruck, und Bartholomäus Groland, Hauptmann daselbst, wird eingeschärft, „gegen den veynden, wo sie für Eschenbach, Enzendorf oder ander unser flecken rucken wurden“, zu handeln. Sie können auch noch etliche 100 Knechte aus Altdorf anfordern *). Aber erst im Februar 1505 wurde es mit einem Angriff auf Enzen­ dorf ernst. Am 25. Febr. 1505 schreibt der Rat in einem Brief an seine Gesandten, Herrn Erasmus Toppier, Probst v. St. Sebald, und Jorg Holtzschuher, unter anderem: „Dabey haben wir euch nicht verhalten wollen, das gestern die von Amberg vnd Awerbach uf dreyhundert zu roß und zwayhundert zu fuß mit etlichem geschoß für Entzendorf körnen sint und haben das Dorf bis an ain haws verprandt und sich an den sitz gericht und fest darein geschossen. Aber die unsem sich so tröstlich gewert mit schiessen und, wie sie gemogt, haben auch etliche man, als uns anlangt, bey acht oder zehen, und dazu etliche 3

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pferd erschossen und die veind mit gewalt abgetrieben . ..35).“ Von einer Zerstörung der Schmelzhütte ist nicht die Rede; auch aus den Akten und Urkunden ist nichts dergleichen zu entnehmen 38). Hans Harsdorffer wird von 1504 an in diplomatischen Missionen37) verwendet, besonders wenn es sich um Verhandlungen mit König Ladislaus II. wegen der eroberten Flecken handelt. So finden wir ihn 1504 in Wien und Ofen; am 29. August erhält er mit Friedrich Tetzel vom Rat die Vollmacht, die eroberten Flecken, Städte und Schlösser von König Ladislaus als Lehen zu empfangen und dafür Lehens­ pflicht zu tun. Nach langen schwierigen Verhandlungen haben die beiden das auch zustande gebracht. Die Belehnungsurkunde vom 21. Sept. 1506 in deutscher und tschechischer Ausfertigung ist im Staatsarchiv Nürnberg vorhanden38). Es sei noch erwähnt, daß der Rat im Jahre 1510 Hans Harsdorffer als Münzsachverständigen zu den Verhandlungen abordnete, die in Forchheim der „silbernen Münz“ halber mit dem Bischof von Bamberg, dem Markgrafen von Ansbach und dem Pfalzgrafen von Bayern stattfanden. Doch zurück zu dem Privatmann und Unternehmer Hans Hars­ dorffer! Er trat 1498/99 das von seinem Oheim Endres Harsdorffer überkommene Erbe in Eschenbach und Enzendorf an. Im Jahre 1498 war auch Peter Harsdorffer, der Teilhaber des Endres, verstorben. Die beiden hatten immer wieder ihre Gesellschaftsverschreibungen erneuert. Leider haben sich die Originale nicht erhalten; in dem alten Repertorium im Harsdorfschen Archiv werden aufgeführt eine Ge­ sellschaftsverschreibung von 1493, dazu Pergamentquittungen, „wie Petter und Endres die Harsdorffer einander quittieren umb die ertra­ gene nutzung ires gesellschafts-hüttenhandels zu Entzendorff wegen, das ein ieder sein gebür biß dato Kiliani (Juli 8) Ao. 1493 zur genug empfangen hab“. Weitere Gesellschaftsverschreibungen wurden 1495 und 1498 abgeschlossen. Leider sind auch die Abrechnungen, von 1489 bis 1498, die dem Verfasser des Repertoriums Vorlagen, nicht mehr erhalten. Die Erben des Peter Harsdorffer waren dessen Sohn Peter III. und seine Schwester Barbara, die mit Lienhart von Ploben39) verheiratet war. Am 10. September 1502 verkaufen nun diese beiden, Peter und seine Schwester Barbara ihren Anteil an Enzen­ dorf für 700 rh. Gulden an Hans Harsdorffer, Bürger, des Kleineren Rats zu Nürnberg40). Als Verkaufsobjekt wird genannt: die Hälfte an der Schmelzhütte, dem Hüttenwerk, der Hammerstatt, den Koh­ len und dem Werkzeug mitsamt dem vom Stift Bamberg lehnrührigen Lehngütlein und allem Gewinnanteil. Barbara von Ploben ließ sich auch von Hans Harsdorffer ihr von ihrem Vater ererbtes und im Hüt­ tenhandel eingebrachtes Hauptgut von 3750 fl auszahlen. Die Rück­ zahlung sollte in 4 Fristen zu je 937V2 fl auf der Frankfurter Messe erfolgen. Es lag eine Quittung über diesen Teilbetrag vor vom 21. März 1503, 23. April 1504 und eine Abschlußquittung über die Ge­ samtsumme von 3750 fl., die er, Hans Harsdorffer, der von Ploben 34

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auf 4 Frankfurter Messen wegen ires ererbten Hauptguts im Hütten­ handel zu bezahlen schuldig gewesen. Es quittieren am 23. Sept. 1504 Peter Harsdorffer, der Bruder, und Lienhart von Ploben, der Ehemann. Als Alleinbesitzer hat sich nun Hans Harsdorffer mit Tatkraft und Erfolg dem Schmelzhüttenbetrieb und -handel gewidmet; leider haben sich keinerlei Akten über seinen Hüttenhandel erhalten, je­ doch die Nachricht, daß er sehr reich gewesen sei. Seine hervor­ ragende Stellung im Rat hat er sicher auch für seine Geschäfte aus­ genützt, unter anderm um Zollfreiheit zu erlangen. Ein am 31. März 1509 unter des alten Bürgermeisters Anthoni Tücher Petschier aus­ gegangenes Schreiben 41) an Paulus Topler, Pfleger zu Lauf, überlie­ fert, daß Hans Harsdorffer „von seinem kuppfer, pley und anderen zollbarn gutem, die er von Nurmberg auß auf sein huttenwerk Enntzendorff und von dannen widerumb bis gein Nurmberg durch unser stat Lauff alle Jar pflegt ze furen und schicken, ausserhalb des ge­ meinen wegzols, sonst keinen zol, der uns als der herschaft nach altem geprauch zu geben gepurt hat, reichen, sonnder des von uns sein leben lang gefreyt sein soll“. Nur noch zwei Lebensjahre waren diesem bedeutenden Manne vergönnt. Am 14. Januar 1511 trat er wieder einmal das Amt des Älteren Bürgermeisters an; am 22. Januar wird er in einem Schreiben als „weyland unnser Ratsfreund Hanns Harsdorffer seliger“ be­ zeichnet. So starb er in den Sielen, wurde jäh aus der Arbeit für die Stadt Nürnberg und aus seiner eigenen gerissen. Hans Harsdorffer hatte keinen Sohn, nur 3 Töchter; eine Katha­ rina, die mit Leonhard Groland verheiratet war; eine zweite, Ursula, vermählt mit Hans Ebner, und eine dritte, Anna, die zur Zeit des Todes des Vaters noch unmündig war. Der Schwiegersohn Hans Eb­ ner übernahm den Betrieb der Schmelzhütte und des Kupferham­ mers. Am 26. März 1511 verkauften42) Hans Harsdorffers „Geschäfts­ vollzieher“, d. h. Testamentsvollstrecker, und die Vormünder der Jung­ frau Anna sowie Leonhard Groland, des verstorbenen Hans Hars­ dorffers Eidam, und Katharina, seine Ehefrau, dem ehrbaren Hans Ebner und seiner Ehefrau Ursula zu ihrem Drittel aus dem väter­ lichen Erbe ihre andern zwei Drittel an dem Sitz und Herrenhaus Enzendorf, Hütte und Hammerwerk, Kohlenstadel, „zu den kolenlegen gehörig“, den zwei Häusern und Stallungen, darinnen die Hüt­ ten- und Fuhrknecht wohnen, mitsamt all dem Hausrat, „der etwan der gesellschaft zu gut im herrenheußlein belyben, auch gepew in und ober dem wasser zusambt plaspelgen, eysen und anderm Werkzeug, alles zum hutten- und hammerwerkch gehörig und dinstlich, grund und poden... mitsambt dem hof, eckern, wysen und gerten, daran gelegen, und aller seiner zugehörung“. Der Kaufpreis war 400 Gul­ den rheinisch. Dieser Hans Ebner handelte nach Roth43) mit Kurzwaren nach Lyon, Er gehörte einem alten Nürnberger Handelsgeschlecht an. Von 3

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1512—1526 war er Alter Genannter, 1526 Alter Bürgermeister, 1536 Septemvir, Ritter des Heiligen Römischen Reichs und Kaiserlicher Rat. Er starb am 3. März 155344). Im Jahre 1511 hatte Hans Ebner sicher Beziehungen zu Böhmen. Am 26. Mai dankte der Rat dem Meister Hannsen Scholler, Bedien­ steten des Königs von Ungarn und Böhmen, für eine Warnung, die dieser „unserm burger Hanns Ebner hat getan“, und bittet um weitere Nachrichten45). Ebners Hauptsorge mußte sein, die Kupferlieferun­ gen aus Kuttenberg sicherzustellen. Den Handel mit dem Kutten­ berger Garkupfer hatte ein Kuttenberger Bürger Johann Troy be­ trieben. Mit diesem Johann oder Hans Troy schloß Hanns Ebner am 15. September 1511 einen diesbezüglichen Vertrag. Eine vidimierte Abschrift aus dem Jahre 1538 hat sich in den Nürnberger Gerichts­ büchern der freiwilligen Gerichtsbarkeit erhalten. Der Brief46) lautet: Zu wissen und kunt sey gegen meniglich, das sich die erbarn Hans Ebner, burger zu Nurmberg, für sich und sein gesellschaft ains und der erber Hans Troy, burger zum Kuttenperg, anderstails miteinander verainigt und vertragen und auch kaufsweis verlassen haben, nämlichen also, das ich genannter Hans Troy dem benannten Hanns Ebner alle und ygliche Pehmische kupfer, was des­ selben im Kuttenperg gemacht und mir zu meinem tail werden, gen Nurmberg uff mein selbist wagnus zufuren zuschicken und geben soll und wille und sonst nyemant anderm. Und soll mir genannter Ebner allweg für ein marck sylbers im Perger (= Kuttenberger) Zentner geben und dafür bezalen vierthalben schock groschen (Dettling: ein Schock Groschen galt 4 Taler) oder syben schwert­ schock und für ein yeden Zentner kupfers zwölf weis groschen, und der genannt Ebner soll den zol im Thayn [= Zollhaus] zu Prag vom Zentner vier weis groschen und das furlon selbst herausbezahlen, und, so ime solche kupfer gen Nurmberg gelibert und geantwort ist, alsdann soll er mir das darnach in vier­ zehen tagen ungefarlich bezalen. Wo wir auch der prob in einer oder mer Posten irrig wurden, sollen wir uns baide demselben miteinander selbist güt­ lich und fraintlich vertragen oder, so es nit geschehen wurd, uns uff einen etwan zum perg Kutten oder andern enden verainigen, uns derselben zu entschaiden. Es soll auch bemelter Hanns Troy dem benanten Ebner ein yedes jar besonder funffzig Gulden Rheinsch im vorbestimbten kauf nachlassen; und solcher kauf soll besten, alsolang der bemelt Hans Troy die kupfer bey seinen handen hat. Doch so hat ime bemelter Ebner bevorbehalten, wann ime geliebt und eben ist, es sey über kurtz oder lang, das er dem benannten Troyen sol­ chen kauf wider mag aufschreiben, alsdann soll er die kupfer nach solchem auf sehr eiben lenger nicht dan ein viertail jars zu nemen verpflichtet sein, alles getreulich und ungevarlich. Und des alles zu warer urkund sind des zwo gleich­ lautend zettel einer handtschrift mit unser yedes aufgetrucktem petschir über­ antwort und geben worden und zu noch merer gezeugknus haben wir mit vleis erbeten die erbern Sigmunden Furer und Hannsen Nutzei, baide burger zu Nurmberg, das sy auch ire petschir an diesen brief getruckt, doch ine und iren erben on schaden, der geben ist am montag nach der hl. creutz erhebung, der gewest ist der funfzehend tag des monats Septembris nach Christi gepurt 1500 und im eylften Jar.

Troy erscheint auch in einer Urkunde des Königs Ladislaus von Böhmen vom 13. Juni 1514, die in dem Werk von Kaspar Graf Stern­ berg, Umrisse einer Geschichte der böhmischen Bergwerke (Prag 1836), angeführt ist47). Darin heißt es, daß dieser Johann Troy mit­ tels königlicher Bewilligung den Handel mit dem Kuttenberger Gar36

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kupfer getrieben, nun sich aber mit einem Nürnberger Kaufmann Johann Nitschel (= Nützel) vereinbart und ihm die Hälfte des Kup­ fers überlassen habe, was der König bestätigt. Dieser Hans Nützel, Nürnberger Bürger, tritt uns im Jahre 1512 als Kaufmann entgegen, der mit Böhmen Handel treibt; denn in die­ sem Jahre wird ihm zusammen mit dem Münchner herzoglichen Bür­ ger Bernhard Tichtel und dem Nürnberger Bürger Gabriel Schnee­ berger Kaufmannsgut entwendet und auf die Flossenbürg (Inhaber Herr Gotterse vomGutenstain, ein böhmischer Edelmann) gebracht48). Hans Nützel hat auch Frachtgeschäfte nach Böhmen übernommen. Am 30. August 1513 schreibt49) der Rat der Stadt Nürnberg an die Ritterschaft und Räte des Königreichs Böhmen, für die er 20 Schlan­ gen hat gießen lassen, daß sie fertig seien; er fährt in dem Brief fort: „Die haben wir zu stunden an unsern burger Hans Nutzei bevolhen, mit aigner fure auf das schloß gein Prag zu antworten, die costen mit allen dingen sampt dem furlon 993 gülden rh. und 3 Schilling in gold.“ In einem beigeschlossenen Zettel heißt es: „Die zwanzig schlangenpuchsen sampt den Schiiten wegen 107 Zentner vnd 5 lb, den Zent­ ner für neundhalben gülden thut 909 fl. 18 ß. Die siben model 3 fl., und für das furlon vom Zentner 3 ort ains gülden, thut 80 fl. 5 ß. Thut alles in summa 993 fl. 3 ß.“ Dieser Hans Nützel hat nun im Jahre 1516 das von Johann Troy überkommene Privileg des Kupferkaufs an die Gebrüder Bernhard Tichtel in München und Augustin Tichtel in Nürnberg zediert und König Ladislaus hat die Zession in einer Urkunde bestätigt, die am 24. Februar 1516 in Ofen ausgestellt ist50). Die Gebrüder Tichtel spiel­ ten im Kupferhandel weiterhin eine beträchtliche Rolle, mit der wir uns noch befassen werden. Roth schreibt von ihnen in seiner Ge­ schichte des Nürnberger Handels: „Die Tichtel waren in München im Ratsstand; sie wurden für Geschlechter gehalten.“ Bernhard Tichtel war bayr. Pfleger zu Starnberg. Augustin Tichtel wurde im Jahre 1506 Bürger in Nürnberg, auf Verwendung des Herzogs Albrecht von Bayern54). Schon kurze Zeit darnach, im April 1506, setzte sich der Rat in einem Schreiben an König Ladislaus von Böhmen für seinen neuen Bürger Augustin Dichtei ein52). Es hatten sich Personen beim Kgl. Ungelter in Prag als Nürnberger Bürger angezeigt. Der Rat hat nun „in der Stadt Bücher“ nachgesehen; es waren tatsächlich Nürn­ berger Bürger dabei, darunter Augustin Dichtei, die sich deshalb „aller Freiheiten der Stadt gebrauchen mögen“. Also war auch Augu­ stin Dichtei am Handel mit Böhmen beteiligt. Im Jahr 1516 war er nun mit seinem Münchener Bruder Bernhard Dichtei in das Kupfer­ geschäft eingestiegen. Der Vertrag der Brüder Tichtel über das Kup­ fer von Kuttenberg wurde von dem Nachfolger des Königs Ladislaus, König Ludwig, bestätigt. Wie vorteilhaft dieser Kupferhandel für die Nürnberger sein mußte, kann man daraus entnehmen, daß Tichtel 37

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dem König 10 000 fl. geliehen hatte, gegen Abzug von 150 fl. an jeden 100 Zentnern auf Abschlag des Kapitals und Vorbehalt einer zwei­ jährigen Kündigung53). Diese vorteilhaften Kupfergeschäfte54) lockten nun auch andere, nicht-Nürnberger Unternehmer an, hinter denen wohl Bartholomäus Welser in Augsburg stand, der seit 1518 das dortige Hauptgeschäft leitete. Nun war etwa 1508 in Leipzig eine besondere Faktorei der Welser errichtet worden, die von Hieronymus Walter55) geleitet wurde. Dieser Hieronymus Walter war auch an einer Handelsgesell­ schaft der Familie Schütz beteiligt, die vor der Stadt Chemnitz eine Saigerhütte besaß. Um diese Saigerhütte mit Kupfer zu versorgen, griff Walter nach den silberhaltigen Kupfererzen von Kuttenberg. „Im Jahre 1525 verkaufte König Ludwig von Ungarn und Böhmen, der damals alle seine Kräfte für den Entscheidungskampf gegen die Türken anspannte“, die gesamte Kupferausbeute der Gruben von Kut­ tenberg auf 10 Jahre um 10 000 fl. an den edlen Herrn Sebastian von der Weitmul, Herrn von Komotau. Mit diesem böhmischen Edelmann — er wurde 1542 königlicher Münzmeister — „schlossen Hieronymus Walter, Gregor Schütz und ihre Mitverwandten am 25. April 1525 zu Komotau einen Vertrag ab, der ihnen gegen eine Anzahlung von 20 000 fl. die gesamte Kupferausbeute von Kuttenberg auf 10 Jahre sichern sollte.“ Sebastian von der Weitmul verpflichtete sich, das rohe Kupfer auf seine Kosten nach Annaberg bringen zu lassen, wo es nochmals auf seinen Silbergehalt geprüft werden sollte. Für eine Mark Feinsilber im Annaberger Zentner sollten Walter und seine Gesellschafter 9V4 fl. Rh. bezahlen; würde aber in einem Zentner mehr als eine Mark Silber sein, so sollte der Uberschuß nur mit 8 fl. je Mark bezahlt werden. Dieser Vertrag war aber für die Gesellschaft der Nürnberger Händler, die schon seit langer Zeit an der Kupferausbeute von Kut­ tenberg beteiligt waren, so bedenklich, daß sie ihn nicht ruhig hin­ nehmen konnten, und da sie ihren gefährlichen Gegner weniger in Walter und den Schütz als in dem Augsburger Ratsherrn Bartholo­ mäus Welser sahen, wendeten sie sich gegen diesen. Sie beschwerten sich beim Nürnberger Rat, der sich auch seiner Bürger annahm und an den Augsburger Rat in dieser Angelegenheit schrieb. Die Brief­ bücher unterrichten uns ausführlich darüber58). Bartholomäus Welser und die Welsersehen Faktoren hatten nun ihrerseits allerlei Beschwer­ den gegen Nürnberger Bürger und Handwerker zu führen. Darauf erwiderte der Nürnberger Rat am 17. April 1525, daß nicht allein Hans Ebner, sondern auch viele Nürnberger Bürger und Handwer­ ker, die das böhmische Kupfer in ihrem Gewerbe bisher gebrauch­ ten, und andere Bürger und Personen, die sich dabei ernährt, über den Kupferkauf des Bartholomäus Welser und seiner Gesellschaft sich schon mehrfach beschwert hätten, und daß der Rat selbst in Anbe­ tracht des gemeinen Handels, Gewerbes und der Nahrung der Nüm38

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berger Bürgerschaft, in Anbetracht der hohen Verpflichtungen und Verschreibungen, die die Könige von Ungarn und Böhmen solchen Kupferkaufs halber gegeben, in Anbetracht endlich des Umstands, daß seit langen Jahren dieses Kupfer nach Nürnberg geführt und dort verarbeitet worden sei, diese Beschwerde vollkommen teile. Wel­ ser und seine Gesellschaft seien als die Prinzipale anzusehen, die diese Sachen durch ihre Verwandten und Diener Hieronymus Walther zu Leipzig und Michael Salzburger in Böhmen betreiben, das Geld dafür ausgelegt und unerachtet aller Warnung bisher mit Nachdruck be­ trieben haben. Überdies hätten auch die Welser vor wenigen Wochen dem Georg Schütz seine Hütte zu Chemnitz abgekauft in der Absicht, das böhmische Kupfer daselbst und an keinem andern Ort zu saigern. Welser schreibe, che Nürnberger sollten selbst Mittel und Wege Vor­ schlägen, die Irrungen zur Ruhe zu bringen . .. Solches Erbieten werde von den Nürnberger Beteiligten nicht für gegründet und zuträglich angesehen, denn der Kauf sei durch die Welser und ihre Mitverwand­ ten mit Geld derart übersetzt, daß ihnen als armen Gesellen beim Kupfer zu konkurrieren unmöglich sei. So sei auch den Handwerkern durch die jetzige Lieferung von Kupfer nicht geholfen; denn dieses böhmische Kupfer müsse zuerst auf die Hütte nach Chemnitz und von da erst nach Nürnberg geführt werden, was zur Folge habe, daß sie den Zentner um einen halben Gulden teurer bezahlen müßten als sie ihn bisher von Hans Ebner gekauft hätten; abgesehen davon sei den Nürnberger Handwerkern mit dem Bezug des Kupfers von Welser nicht gedient, denn von des Ebners Hütten, die in einem hal­ ben Tag zu erlangen seien, hätten sie die geschlagenen Kupferbleche aller Sorten, wie sie ein jeder in seinem Handwerk und Gewerb be­ dürfe, bestellen können, was ihnen aber nun nicht mehr möglich sei. Die Nürnberger machen nun den Vorschlag, „daß die euern bey irem kupferkauf in Behaim, wie sy den erlangt hetten, pleiben und doch darbey verpflicht sein sollten, unserm ratsfreunde Hansen Ebner alle solchen kupfer dergestalt, wie er die pißhere vom Tichtell laut seiner Verschreibung gehabt hett, sein lebenlang oder, wo solichs je zu beschwerlich geacht werden sollt, ein anzale und nemlich piß in zehen jar, die nächsten, zu libern. Dagegen soll sich auch gedachter Hans Ebner verpinden, den Weisem die gesaigerten kupfer und kupferplech, so vil er der über unser handwercker notturfft nit geprauchen wurd, ihnen, den Weisem, wo sy deß begerten, vor andern glei­ cherweise in zimlichem pillichen kauf zu libern und zuzustellen.“57) In einem zweiten Schreiben68) an den Rat von Augsburg bestä­ tigt der Nürnberger Rat das Antwortschreiben nebst beigefügtem Bericht des Bartholomäus Welser, der aber mehr auf Schein gestellt als begründet sei. Etliche ihrer Ratsfreunde hätten mit dem Welserschen Geschäftsverwandten Simon Seitz, der gerade in Nürnberg ge­ wesen, verhandelt; dieser Seitz habe bewilligt, ihrem Ratsfreund Hans Ebner von dem fraglichen böhmischen Kupfer die nächsten 2 Jahre jedes Jahr 1000 Zentner rauhes ungesaigertes Kupfer, wie 39

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solches bisher geschehen, zu liefern; dagegen habe ihr Ratsfreund, der Ebner, 1100 Zentner auf drei Jahre verlangt, mit denen dennoch die Ihrigen, die Nürnberger, die sich damit ernähren und ihr Hand­ werk treiben müßten, nicht zufrieden wären; der Sache würde auch damit nicht geholfen. Nun habe aber Simon Seitz auch begehrt, es solle die Zustimmung Bernhard Tichtels, Bürgers zu München, der zuvor diesen Kupferkauf gehabt, zu dieser Sache und daneben auch Verzicht und Verschreibung seiner Gerechtigkeit beigebracht werden, dessen sich die Ihrigen, die Nürnberger, entsetzt und hoch beschwert hätten, denn der Tichtel sei nicht ihr Bürger, ihnen auch mitnichten verwandt, darum es auch weder in ihrer noch in ihres Ratsfreunds Hans Ebner Macht stehe, denselben zu diesem oder jenem nach dem Augsburger Ansuchen und Gefallen zu zwingen . . . Und sollte auch wirklich Tichtel dazu vermocht werden, sich seiner Gerechtigkeit zu begeben, was wäre es anders, als daß dann Bartholomäus Welser und seine Gesellschaft in den Stand gesetzt wären, diese ihre prätendierte und erlangte Handlung für und für ungehindert in ihrer Gewalt zu halten, damit die Ihrigen, die Nürnberger, dieses Kupfers nach Aus­ gang der vertragsmäßigen Zeit ganz entbehren müßten? Da sie nun zu dem Augsburger Rat das Vertrauen hegten, daß derselbe nicht haben wolle, daß durch einer einzelnen Person Nutzen oder Vorteil der ganzen Stadt Nürnberg Nachteil und Schaden zugehe, so richte­ ten sie an denselben die Bitte, den Bartholomäus Welser zu vermö­ gen, daß er in Berücksichtigung der Zeitumstände die durch ihren Ratsfreund Hansen Ebner bewilligten Vorschläge, die auch ihm, dem Welser, und seinen Zuverwandten viel mehr als den Nürnbergem zuträglich und ersprießlich seien, annehme, die Sache auch nicht län­ ger aufhalte und verzögere, sondern die Kupfer wiederum in den alten Stand zu stellen, nemlich, daß den Nürnbergern die böhmi­ schen Kupfer wieder wie bisher geliefert werden. Der Nürnberger Rat wandte sich in dieser Angelegenheit am 9. Mai 1525 auch an Herrn Adam von Neuhaus, des Reichs Beheim Obersten Kanzler, und hob in seiner Vorstellung59) hervor, daß Welsers Vorgehen auch der löblichen Krone Böhmen und der ihr Ver­ wandten, die seit langer Zeit ihren Wechsel, Gewerb und Hantierung bei den Nürnbergem gehabt, Nachteil bringen würde. „Ob nun wir als der cron Beham lehenleut und verwandten oder die Welser dem königreich Beham mer wolthat und furderung erzeigt haben, haben sich euer gnaden“ aus der Geschichte und den Fällen der verflossenen Zeit „leicht zu erinnern“;auch der König von Ungarn und Böhmen1 habe über diesen Kupferkauf und darüber, daß er wie zuvor in ihre Stadt gewendet werden soll, genugsam Verschreibung, Bewilligung und Verpflichtung gegeben. Es wurde daher um Abstellung der Welse­ rischen Eingriffe und Belassung des alten Standes nach den hohen Verschreibungen gebeten. Eine ähnliche Beschwerdeschrift ging an den König Ludwig von Ungarn und Böhmen. 40

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In einem Schreiben an den Augsburger Rat vom 24. Mai 1525 teilt der Nürnberger Rat mit, daß er seinen Ratsfreund Hans Ebner dahin gütlich bewegt habe, daß er den Vorschlag des Augsburger Bür­ gers Bartholomäus Welser und seiner Mitverwandten, wiewohl mit hoher Beschwerde, angenommen und bewilligt habe. In einem wei­ teren Schreiben vom 21. Juni 1525 spricht der Rat von der Unmög­ lichkeit, auf die Tichtel einzuwirken. Damit schließt der Briefwechsel mit Augsburg60). Die Streitigkeit war aber noch nicht zum Abschluß gekommen. Als Bartholomäus Welser im Jahre 1526 in Nürnberg weilte, beschloß der Rat am 31. Mai ihm anzuzeigen, daß er geneigt sei, ihm und den Seinen, soferne er sich auch gebührlich bezeig, hiefür wie bisher allen guten Willen zu beweisen, und sich versehe, er werde seines geschwin­ den Vorhabens abstehen. Sollte aber das nit geschehen, würde ein Rat und die Seinen geursacht, sich gegen ihn und die Seinen auch zu halten und zu erzeigen, daß er eines Rats Mißfallen wegen dem, dazu er sie unbillig nötige, spüren sollte. Dem Ebner und den Tichtel war unterdessen ein politisches Er­ eignis zu Hilfe gekommen. König Ludwig war am 29. August 1526 in der Schlacht bei Mohacz gefallen, am 24. Februar 1527 wurde der Habsburger Ferdinand, Kaiser Karls V. Bruder, in Prag zum König von Böhmen gekrönt. Dem neuen König legten Hans Ebner sowie Bernhard und Augu­ stin Tichtel ihre alten Privilegien zur Bestätigung vor. Es sollen zwei Briefe des Königs Ladislaus über den ,,halben“ Kupferkauf im Kö­ nigreich Böhmen gewesen sein, außerdem wird ein Brief des Königs Ludwig an Hans Troy erwähnt. König Ferdinand erneuerte ihnen am 12. März 1527 zu Prag diese Privilegien und erweiterte sie, indem er sie auf die gesamte Kupferausbeute seines Königreichs ausdehnte; das rohe böhmische Kupfer sollte fortan nur auf die Saigerhütte nach Nürnberg geliefert werden81). Auf Grund dieses Privilegs gingen nun die Nürnberger Händler gegen Walter und die Schütz vor, aber diese fanden bie ihrem Landesherrn, dem Herzog Georg, kräftige Unter­ stützung. Der Herzog und seine Räte hielten die Verträge zwischen König Ludwig und Sebastian von der Weitmul und zwischen diesem und den Schützen für rechtskräftig. Doch bemühten sie sich, Bartholo­ mäus Welser aus dem Handel auszuschließen. Sie baten ihn am 11. November 1527, seinen Anteil an dem Kupferkauf auf dem Kut­ tenberg in Güte aufzugeben62). Uber die Stellung, die Welser nach der Ansicht der Nürnberger Händler in dieser Angelegenheit einnahm, gibt ein langer Brief Aus­ kunft, den Hans Ebner im Winter 1527 auf 1528 an den Rat von Nürnberg geschrieben hat83). Er geht zunächst auf die frühere Ge­ schichte seiner Gesellschaft ein und behauptet dann, daß Welser sie aus ihren Gerechtigkeiten verdrängt und mit Geld ausgekauft habe. Er sei der Führer Walters und der Schützen gewesen. Die seien nur 41

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von Welser vorgeschoben worden. Er, Ebner, könne auch die Prak­ tiken nachweisen, durch die sie ihn und die Tichtel beiseite geschoben hätten, indem sie für den Zentner Kupfer mehr geboten hätten als er. Nun habe aber die Königliche Majestät von Böhmen als oberster Bergherr ihren Vorfahren und ihnen, den Nürnberger Händlern, den Kupferkauf gewährt und bestätigt, und der König sei der rechte Herr der Kupfer, nicht der Herr von der Weitmul. Ebner schließt seinen Brief, indem er den Schutz des Herzogs Wilhelm von Bayern für Bernhard Tichtel und des Nürnberger Rats für sich selbst anruft, die Gegner aber verweist er auf den Weg der Klage vor den König. Den Nürnbergern drohte aber auch von anderer Seite her Ge­ fahr64). König Ferdinand hatte ihnen zwar 1527 die Privilegien über die Kupfersaigerung bestätigt; die königliche Hofkammer nahm aber in den nachfolgenden Jahren einen Vorschlag, der schon im Jahre 1494 dem König Ladislaus ohne Erfolg gemacht worden war, eine Kupfersaigerung in Kuttenberg zu errichten, wieder auf; der König schien den Vorteil wohl einzusehen und die Stände schienen darauf zu dringen, so daß von der königlichen Hofkammer der Kupferkontrakt mit den Tichtel aufgekündigt wurde und der Oberstmünzmeister vom Guttenstein zur Einrichtung der neuen Saigerhütte Anstalten machte. Die Nürnberger setzten nun alles in Bewegung, um ihren großen Gewinn nicht so leicht aus den Händen zu lassen. Der König selbst konnte den Nürnbergern ihren Gewinn nicht eher entreißen, als die 20 000 fl., welche die Gebrüder Tichtel König Ludwig geliehen hatten und von denen 10 000 fl. auf das Kupfer versichert waren, zurück­ gezahlt sein würden. So blieb alles beim alten, und es wurde 1531 ein neuer Vertrag auf drei Jahre mit den Nürnbergern abge­ schlossen 65). In demselben Jahre 1531 haben nun Bernhard Tichtel zu Tutzing, Hans Ebner und Augustin Tichtel, Bürger zu Nürnberg, nach Aus­ scheiden etlicher ihrer Anverwandter sich vereinigt und entschlossen, ihre neue Gesellschaft am 1. Januar 1531 anzufangen und 3 Jahre währen zu lassen; in solchem Handel haben zusammengelegt: 1. Bernhard Tychtel für seinen dritten Theil . . . 5000 fl. 2. Hans Ebner für sich selbst......................................... 3500 fl. 3. Augustin Tychtel für sich selbst.................................. 3500 fl. 4. Hans Ebner und Augustin Tychtel haben zu ihren zwey Dritteil zu sich eingenommen Sigmunden Fürer mit 800 fl., Bernhard Paumgartner mit 700 fl. und Hieronymus Paumgartner mit 1500 fl., „das macht in ayner summa funffzehentausent gülden, alles an guter Behemischer Münz, ye 24 weys groschen für ain gülden gerechnet. Mit solcher Summa der 15 000 fl. sollen und wollen wir die nechstkunfftigen drey Jar lang, aynen yeden nach markzal seines erlegten Haupt­ guts zu gewynn und Verlust, wie es Got fuegen wurd, getreulich han­ deln. Wo sich aber schaden erfunde, so soll es nach rate und gutbedunken des merers tails aus unns geendert und gepessert werden/* 42

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Dieser Vertrag wurde zweimal erneuert und blieb bis Ende 1537 in Kraft66). In diesem Jahre starb Bernhard Tichtel und nun wurde mit seinen Erben ein neuer Vertrag67) geschlossen, der am 1. Januar 1538 begann. Erben waren Hieronymus Paumgartner in Nürnberg durch Sibilla, seine Ehefrau, eine Tochter Bernhard Tichtels, und Bartholomäus Schrenk durch Felicitas, seine Ehefrau, auch eine Toch­ ter Bernhard Tichtels. Hieronymus Paumgartner war schon seit 1531 an der Gesellschaft beteiligt. Hans Ebner, die Erben Bernhard Tich­ tels und Augustin Tichtel erneuern nun den alten Vertrag. In den Bestimmungen des neuen heißt es: „Das wir yetzt genannte Paum­ gartner, Schrennk und Tichtel... dem benannten herrn Hansen Eb­ ner und seinen erben alle und yede Behemische ungesaigerte kupfer, was derselben im Kuttenperg und daselbst umb gemacht und dahin gevallen und uns zu unserm theill laut königlicher begnadung und confirmation worden und zusten, dieselben geen Nürmberg auf unser wagnus zu füren [und] zu schicken geben sollen und wollen und sonst niemand andrem. Und soll uns der benannt herr Hans Ebner alweg für ain marck Silbers im perger centner (= Kuttenberger Zentner) geben oder dafür bezalen vierdhalb schock groschen oder sieben schwertschock, das thut acht gülden fünfzehn Schilling, den gülden zu Sechsundsechzig creutzern gerechnet in grober müntz, die zu Nürmberg yederzeit geng und geb ist, oder in gold ye ain goldgulden für die Sechsundsechzig creutzer, welchs ime, dem Ebner, yederzeit am füglichsten sein will. . . Und vemer soll gedachter herr Hans Eb­ ner uns für ein yeden perger centner kupfers zwölf weis groschen und so ime solich kupfer gelibert und geantwurt ist, alsdann soll er uns das darnach in viertzehen tagen ungeverlich, den gülden zu 66 creutzem, oder in gold bezalen. Und der bestimpt herr Hanns Ebner soll auch das furlon von Kuttenberg gen Nürmberg sampt dem zoll im Thein zu Prag in müntz aufs nechst, so er kan, selbs entrichten, darin ime gemeiner gesellschafft dhiener förderlich und dienstlich sein sol­ len vnnd auf sein begern das gelt daumb zu Prag darleihen vnnd alhie von ime on allen aufwechsel wider bezalt nemen. Wo wir auf die prob in ainer oder mehr posstn irrig würden, sol­ len wir uns bedertheils derselben miteinander selbst gütlich und freuntlich vertragen oder, so es nit geschehen möcht, uns derhalben auf die geschworen schau zu Nürmberg ziehen vnnd dieselb entschaiden lassen, und was allda an der prob abgeen wurde, sollen wir obberürten Paumgartner, Schrennck, Dichtei, unsere geselschaffter, erben und nachkomen dem benanten Herrn Hannsen Ebner und sei­ nen erben yederzeit gutzumachen und zu geweren schuldig sein ... So haben wir uns aus beweglichen gutten Ursachen mit gedachtem herm Hannsen Ebner vereinigt vnd verglichen, nemlichen und also, das er uns die nechst kommenden sechs Jar lang... für yeden Perger centner kupfers nit mer denn sechs weiß groschen. .. geben vnd be­ zalen soll. Dagegen sol gedachter herr Hanns Ebner die bestimpten 43

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6 jar lang die gefahr, ob sich hie zu Nürmberg in probierung des Sil­ bers einicher abgang befinde, allein besteen.“ Im Jahr 1540 droht von neuem eine Aufkündigung des Kupfer­ vertrags durch König Ferdinand. Wieder setzt sich der Rat der Stadt Nürnberg für seine Bürger ein. Am 15. Januar 1540 ergeht ein Schrei­ ben von den Ältern des Rats zu Nürnberg an Herrn Lienhart Frei­ herrn von Felß, Römischer, Hungerischer und Behemischer Königl. Majestät Rath und Obersten Hofmarschall68). Der König, so schreibt der Rat, erhalte die Abkündung des Vertrages über das böhmischkuttenbergische ungesaigerte Kupfer noch aufrecht, was der Stadt und den Bürgern, insbesondere dem Hans Ebner, Augustin Tichtel und deren Zugewandten beschwerlich falle, die ja „jerlichen nit mit einer geringen summa zu erhaltung der verlege, vorraths und huttenwerks gefasst sein müssten“. Der Rat bittet daher den König, vor seiner Abreise nach den Niederlanden die Abkündigung zu wider­ rufen und die früheren Begnadigungen und Kontrakte zu bestätigen. Nun, es ist den Nümbergern gelungen, diese Bestätigung zu er­ halten; das geht aus einer Urkunde89) hervor, die Kaiser Karl V. am 16. September 1541 zu Genua zu Gunsten des Hanns Ebner ausgestellt hat. Der Betrieb der Enzendorfer Schmelzhütte konnte nämlich auch durch Schwierigkeiten in der Kohlenversorgung beeinträchtigt wer­ den. Dem wollte Hanns Ebner Vorbeugen. So wandte er sich an Kai­ ser Karl V. Er hat, wie es in der Urkunde heißt, ,,furbringen lassen, wie er eine schmeltz- und saigerhütten zu Entzendorff habe, daselbst mehr und lenger, dann menschen gedenken, kupfer geschmelzt und gesaigert worden, auch ye und alweg ditz orts ein hamerwerck ge­ west seye; und daß er auch an einem andern ort, im Hirspach ge­ nant, ain hamerwerck habe, darauf itzen eisenschynen geschmidt werden, auf welche schmeltz- oder saigerhütten und hamerwerck die­ selben recht anzurichten, zu pauen, zu underhalten und zu verlegen er, bemelter Ebner, und seine vorfaren am werckzeug und andern notturftigen zugehorungen ein merkliche summa gelts und costen gewandt hetten, wie auch noch teglich zu Verlegung der arbeiter, Schmelzer, hammerschmidtvolks und anderer notturft ein merklicher cost darauf gieng und vil armer leut sich solchs schmeltzens und hamerwercks ernereten. Nachdem es dem eisen-berckwerk nahe gelegen und dazu die kupfer, so auß der chron Behaim gefurt, daselbst gesai­ gert wurden, welche dann ime, dem Ebner, von dem durchleuchtigisten grosmechtigen fürsten herrn Ferdinand Römischen, zu Hungern und Behaim konig er, unserm freundlichen lieben bruder, hievor als Statthalter im heiligen Reich verschrieben, auch er und seine erben darauf sonnderlich privilegirt und gefreit weren, alles verrers inhalts derselben Verschreibungen und confirmation —, dieweil aber zu sol­ chem schmelzhandel vnd hammerwerck vil und ein merckliche anzal holz und koln verbraucht und, wo ainich mehr huttwerk oder hamerwergk nahet umb Entzendorf und Hirspach aufgericht, so wurden die 44

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weide und holzer ganz erschöpft und an holz und koln in kurtzer zeit solcher mangel sein, das dise des Ebners Schmelz und hammerwerck in abnemmen komen und zuletzt gentzlich abgehen, also das man solches mangels halb an holz und koln darauf weder schmelzen noch schmiden konndte, welches den arbeitern und andern armen anstossenden leuten, die sich der ortt in merklicher anzal des schmelzens vnd hammerwercks, und was demselben anhengig, erneren, auch der gemainen nutz, und darzu ime, dem Ebner, zu merklichem nachthaill schaden und abbruch gedeyen wurde, und uns darauf demuttig an­ gerufen und gebeten, das wir in ansehung des gemainen nutz und angezaigten Ursachen, ime und allen seinen erben vnd nachkhommen, inhabern und besitzern der vorgemelten schmelzhutten zu Entzendorff und hammerwercks zu Hirspach,... hierinn mit unsern Kaiser­ lichen gnaden zu erscheinen und sy derhalben mit nachgeschribenen sondern freyhaitten zu fursehen gnediglich geruhten, haben wir an­ gesehen solch sein demütig bitte, auch erbar und redlich herkomen und wesen, damit er vor uns berumbt wirdet, auch die getreuen dienst, die seine vorfordern unsern vorfaren, und er uns und dem hailigen reiche oft willigklich gethan und sich kunftiglich zu thun erpeut, auch wol thun mag vnd soll, und darumb mit wohlbedachten mut gutem rath vnd rechter wissen, demselben Hans Ebner, allen seinen erben und nachkhomen, besitzern und inhabern des Entzendorff und Hirspachs, diese sondere gnad und freyhait gethan und gegeben, thun und geben inen die hiemit von Römischer Kaiserlicher machtvolkhomenhait, wissentlich in craft ditz briefs, ordnen setzen und wollen, das nun hinfuro niemand in zwayen gantzen meilen wegs gerings umb Entzendorff vnd Hirspachs, ainich new schmelzhutten oder hammerwerk pawen, aufrichten oder gebrauchen soll oder mag, one und wider des gemelten Hannsen Ebners, seiner erben und nachkhomen, inhabern des Entzendorffs und Hirspachs, wissen, willen und außtruckliche erlaubung, sondern das derselb Hans Ebner... allain und sonst niemandt sollen und mögen zu und umb Entzendorff und Hirs­ pach inner zwaien meilen wegs, wie obsteet, schmelzhutten oder hamerwerck haben, treiben und sich derselben nach ihrem besten nutz gebrauchen und niesen, von allermenigklich unverhindert, doch Uns und dem hailigen reich an unser obrigkhait und rechten unvergriffen und unschedlich.“ Gegen Zuwiderhandelnde wird ein Pön von 20 Marek lötigs Golds gesetzt, „die ein yeder, so offt er freventlich hie­ wider thete, uns halb zu Unser und der Reichs Cammer und den an­ dern halben thail dem oftgenanten Hanns Ebner etc. unnachlessig zu bezalen verfallen sein soll“. Von diesem weitgehenden Privileg des Hanns Ebner wußte der Rat der Stadt Nürnberg nichts. Es kam ihm erst im Jahre 1559 zur Kenntnis. Nach dem Tode von Hanns Ebner richtete dessen Sohn Matthes, der den Hammer zu Hirspach geerbt hatte, an Kaiser Fer­ dinand die Bitte um Konfirmierung der vorigen Freiheiten, die er ausführlich beschreibt. Diese Supplikation Ebners70) wurde nun dem 45

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Rat zur Äußerung zugeleitet; sie kam am 5. Mai 1559 in seine Hände; er nahm dazu folgende Stellung: Er könne „nit pergen, das uns in warheit solch auspracht Privilegium etwas seltzam zu hören gewest, dann wir ausser diser uns von E. K. Mt. zugestellten Copy darvor von solchem privilegium ainich wissen nit gehabt, wolten sunsten solchs dem alten Ebner seligen unwidersprochen nit gelassen, vielweniger etwas darin eingeraumbt haben vnd ist uns aus allerhand erheblichen Ursachen in solche confirmation zu bewilligen zum höchsten beschwerlich; dann die war­ heit, das dies Hirspach und Entzendorf on mittel in unserer unwidersprechlichen hohen vnd nider oberkeit gelegen und umb dieselbig landschaft ein solche gestalt vnd gelegenheit hat, das, wann Gott der allmechtig etwan auch ein perkwerck darin beschern, wie es dann darzu guete gelegenheit, und wir aller­ lei hamer und hüttenwerk darzu notürfftig sein würden, do wir dann der koln und anders, das darzu gehört auch nit geraten konten, wehr uns ein solches durch dises privilegium abgekürtzet. Zu dem das diselb refier mehrerteils Behemisch lehen und in unsern amptern, die wir von E. K. Mt. und der löblichen cron Beheim zu lehen tragen, gelegen sein, also, do dieses privilegium also durch E. K. Mt. solte confirmiert werden, uns und den unsern mit holz, koln und anderm die hende dardurch dermassen gesperrt, das es allein in seinem, des Ebners, gewalt stunde, uns solches zuzelassen oder nit, was grosen be­ schwerlichen nachteils der cron Beheim und uns daran ervolgen wurde, do wir also mit gepfendter hand In unsern selbs oberkeiten vnd gepieten sitzen vnd uns derselben vor Privatpersonen nit geprauchen solten, das haben E. K. Mt. allergnedigst zu ermessen, was nutzes, aufnemens und frumens der chron Beheim lehen aber dagegen erfolgen, do dise ding frei gelassen wurden. Und wieweil tausent ärmer menschen ire narung und underhaltung diser ort haben konnten, das ist leichtlich zu bedenken.“

Der Rat bittet also, dem Mathias Ebner sein Begehren abzulehnen und ihn damit abzuweisen. Ob daher Mathias Ebner und die Besitzer von Enzendorf die gewünschte Konfirmation erlangen konnten, ist aus den Akten nicht ersichtlich, ja unwahrscheinlich. Im Jahre 1541 waren also die Kupferlieferungen aus Kuttenberg gesichert; aber die Kupfersaigerung wurde auch in Kuttenberg durch­ geführt703). Aber am 16. November 1548 wurde wieder die Kupfer­ ausbeute an die Ebner in Nürnberg gegen einen gleich zu erlegenden Pfandschilling von 5000 fl., den Gulden zu 14 Batzen oder 24 Weiß­ groschen gerechnet, auf 7 Jahre verpachtet, mit Vorbehalt einer zwei­ jährigen Aufkündigung71). Hanns Ebner hat das Ende dieser Pachtzeit nicht mehr erlebt; er starb im Jahre 1553. Im Jahre 1552 sah er sich großen wirtschaft­ lichen Schwierigkeiten gegenüber. Dem Handel und Gewerbe wurde durch den Zweiten Markgrafenkrieg ein schwerer Schlag versetzt. Durch die Kriegsereignisse wurde sicher auch der Verkehr mit Böh­ men und dadurch die Versorgung mit Rohkupfer stark beeinträch­ tigt. Dazu kamen noch die Verluste durch Brandschatzung und Nie­ derbrennen der Anlagen in Enzendorf. E. Mummenhoff schreibt in seinem Buch: Altnürnberg in Krieg und Kriegsnot72), über die Ver­ wüstungen des Nürnberger Gebietes u. a.: „Hans Ebner wurde auf­ gefordert, wegen seiner vier Flecken Enzendorf, Eschenbach, Artels­ hofen und Hirsehbach bis zum 24. Mai (1552) 14 000 fl. Brandschat­ zung im markgräflichen Lager zu erlegen. Auf eine Anfrage antwor46

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tete ihm der Rat, es wäre zu besorgen, daß, wenn er auch einige Brandschatzung leiste, sie ihm doch nicht gehalten und die Flecken trotzdem nicht unverbrannt bleiben würden. Man stelle ihm anheim, wie er sich verhalten wolle, könne aber nicht unterlassen, daran zu erinnern, zu was merklichen Schaden der Rat und viele Bürger durch das gänzliche Verbrennen ihrer Sitze und Güter gekommen, und wolle ihn deshalb ermahnen sich so zu halten, daß es ihm und seinen Söhnen nicht zu Schimpf, Spott und Beschwerung gereichen möge. Bald darauf wurde sein Herrenhaus zu Eschenbach, das Hammerwerk zu Enzendorf und die Sitze zu Artelshofen und Hirschbach ausge­ brannt, vermutlich deshalb, weil seine Brandschatzung nicht als ge­ nügend angesehen wurde.“ In dem Verzeichnis der vom Markgrafen eingeäscherten und gebrandschatzten Nürnberger Orte73) wird für Enzendorf aufgeführt: ,,Entzendorf, ein herrnsitz, saigerhüttenwerk und hamerwerk, ist alles sampt 25 zimern und ein grosser vorrath kolen verprennt und ein merklich antzal centner kupfer vnd plei hinwek gefürt, dessen alles man Schadens hat über 8000 fl.“ Der Schaden für den verbrannten Herrensitz in Artelshofen wird mit 2500 fl., der für Eschenbach mit 3 000 fl. und für Hirschbach mit 1500 fl. angegeben. Das ergibt einen Gesamtschaden für Ebner, der auf 15 000 fl. geschätzt wurde. Nach dem Tode Hans Ebners fällt Enzendorf auf dem Erbwege an den Sohn Mathes Ebner und die Tochter Frau Hastrubal Rosen­ taler, die es aber schon nach wenigen Jahren verkaufen. 1556 ist Berthold Holzschuher Besitzer des Hammers74). Der Verkauf hing sicher mit den oben erwähnten wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu­ sammen. Vielleicht war auch der Vertrag über die Kuttenberger Kup­ ferlieferungen, der ja 1555 ablief, nicht mehr erneuert worden. Wir wissen, daß um diese Zeit ein Verfall der Kuttenberger Bergwerke eintrat. Im Jahre 1557 berichtet eine Untersuchungskommission, daß die Erzkiese in größeren Tiefen ärmer geworden waren, daß die För­ derungskosten zu hoch seien und daß der Abbau auf diese Weise nicht fortgesetzt werden könne74a). Solchen Schwierigkeiten war Mathes Ebner anscheinend nicht ge­ wachsen; so stieß er Enzendorf ab. Im Jahre 1561 erscheint neben Berthold Holzschuher auch Sebastian Imhoff als Besitzer des Ham­ merwerks; einige Zeit darauf ist er Alleinbesitzer, denn Berthold Holzschuher war ihm verschuldet. Sebastian Imhoff starb im Jahre 1572. Die Vormünder der Söhne Imhoffs verkauften am 2. Juni 1573 „Entzendorff sambt dem hamerwerckh und allem und jedem vorrath, wie die namen haben, mit wassernredern, heusern, zinnern springen­ den prunnen, garten, wißfleckhlein am hof und allem holzwachs, und velde, inmassen alß jetzo vorhanden und gedachter Sebastian Im Hoff seliger sollichs innen gehabt und auf sein absterben hinder sich ver­ lassen, ... dem ersamen Hansen Dorn, zu Entzendorff wohnhaft, Anna seiner ehewirtin, und iren erben, mit aller und jeder recht und 47

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gerechtigkheit, der aigenschaft und anderer zugehörung, für frei lautter aigen und unbeschwerdt handtlons oder anderer ainiger auflag (ausserhalb sechs pfenning, die es j erlich von der hamerhofstat in die probstei zue Herßpruckh gibt) umb zwey tausent guldin in guter ganger muntz, alß jhe sechzig kreutzer für ein guldin zu rechnen.“ Es wird eine Anzahlung von 800 fl. zu Walburgis, die Zahlung der üb­ rigen 1200 fl. gegen jährliche 5% Verzinsung je 600 fl. auf Lichtmeß 1574 und 1575 ausbedungen75). Dieser Hans Dorn7,8) tritt im Jahre 1565 als Verwalter von Enzendorf auf, auch als „Schmelzer“. Er war also der „Hutkapfer“ oder technische Leiter. Schon 1539 wird ein Christoff Dorn, „Hutkapfer“ des Hanns Ebner erwähnt77); wahr­ scheinlich war unser Hans Dorn ein Sohn dieses Christof. Aber auch Hans Dorn sah sich bald unüberwindlichen Schwierigkeiten im Be­ trieb der Schmelzhütte und des Hammers gegenüber; er weiß, wie es in einem Schreiben an die Landpfleger heißt, Entzendorff „nit lenger zu erhalten“. Am 14. Dezember 1575 verkauft er es dem ersamen Mi­ chel Paußmann von der Hamerhüll, in der Pfalz wohnhaft, um 1765 fl., der an Stelle des Hammers eine Sägemühl und später noch eine Mahl­ mühle einrichtet. Der Kaufvertrag78) stimmt im Wortlaut mit dem vom 2. Juni 1573 überein; doch ist die Zahl der Wasserräder mit 5 angegeben, was immerhin einen Schluß auf die Größe der Anlage erlaubt. Mit der Umwandlung in eine Sägemühle79) ist die Geschichte des Kupferhammers zu Ende. Über 100 Jahre, von 1466 bis 1576, haben wir sie verfolgen können, und ich hoffe gezeigt zu haben, daß die Schmelzhütte und der Kupferhammer zu Enzendorf, wie der Kupfer­ handel überhaupt, in der Wirtschaftsgeschichte der Stadt Nürnberg einen nicht ganz unbedeutenden Platz eingenommen haben. Anmerkungen *) Ich habe mich bemüht, in pietätvoller Wahrung des Vortragstextes des verstorbenen Barons diese Untersuchung druckfertig zu machen. Ich fügte die vom Vf. vorgesehenen Ergänzungen ein, ersetzte mehrfach wörtlich längere Archivalienauszüge durch knappe regestenartige Inhaltsangaben, kollationierte noch einmal die mir zugänglichen Texte und suchte auf Grund der Stoffsammlung des Vf. mit nachfolgenden Anmerkungen die Angaben des Vfs., soweit es mir möglich war, archivalisch und literarisch zu belegen. [D. Herausgeber.] 1) Rudolf Geiger in: Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nbg. 43 (1952) S. 177, Das Urbar in Geigers maschinenschriftl. Diss. Vgl. StA Nbg. Salb. 49, 49a, 50, 51, 54, 57 u. 252. Dan­ nenbauer S. 37 f. 2) StA Nbg. Briefb. 21, 112/. 3) ebda. 21, 107. 4) Nach einer in einem Kopialbuch v. J. 1602 im Frhr. v. Ebnerschen Arch. (S. 273) überlieferten Urk. v. 16. 12. 1437 ging damals durch Kauf der Hammer noch einmal von Konrad Eschenloer d. J. an seinen gleichnamigen Vater über (Frdl. Ausk. v. Herrn Ober­ studienrat Frhr. Ebner zu Eschenbach). 5) Abschr. Stadtarch. Nbg. Vorarb. zum NUB. Vgl. Roth I, 51. «) Reß in: Schmollers Jb. f. Gesetzgebg. Verw. u. Stat. 74, 606 u. 585. Über Blech- u. Schienhämmer s. Reß in: Verhdlg. d. Hist. Ver. f. Opf. 91 (1950) S. 51 ff. 7) z. B. Briefb. 7, 86; 11, 239; 13, 132'; 14, 123; 15, 252; 16, 43’ 146. Neukam in: Mitt. d. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nbg. 42, 114; Reg. Imp. XI Nr. 11 790. Er wird auch in den Bamberger Lehnbüchern genannt: StA Bbg. A 221/1. 8) Sander 491, 498, 581. Al. Schulte, Gesch. d. Gr. Ravensburger Handelsges. I, 463, III, 355. 9) StA Nbg., Urk. d. Kl. St. Klara Nr. 95. 10) Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nbg. I, 24; Ludw. Veit, Nbg. u. d. Feme S. 166. 11) Briefb. 16, 170.

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MVGN 48 (1058) Kupferhammer Enzendorf 12) ebda. 18, 120. 13) Briefb. 61, 60. 14) Auf Enzendorf hat schon F. M. Reß, Der Eisenhandel der Oberpfalz in alter Zeit, S. 14, hingewiesen. 15) Or. Pgt. im Frhr. v. Ebnerschen Archiv z. Eschenbach (Chron. Verzeichn. Nr. 9) Abschr. Stadtarch. Nbg.: Lochner, Norica III, 280. 16) Reß in Schmollers Jb. 74, S. 88; Eisenhandel der Opf. S. 14. 17) Briefb. 31, 3. 18) Briefb. 34b, 26. iß) ebda. S. 22, vgl. auch S. 274. 20) Sander S. 270, dazu Walter Möllenberg, bes. S. 5. 21) Uber die Harsdorffer-Gesellschaft vgl. Mummenhoff in: Die Stadt Nürnberg im Jubiläumsjahr 1906, S. 222. 22) Roth I, 232. 23) [v. Woelckern] Hist. Nor. dipl. (1738) Nr. 368; Jakob Strieder, Studien... S. 103 f. 24) Strieder, Aus Antwerpener Notariatsarch. S. XXXIII. 24a) StA Bambg. Rep. A 231 Nr. 52701—52745; die flgd. Rechnungen (Nr. 52746 ff.) v. J. 1562 an enthalten keine Eintragungen für Enzendorf mehr mit Ausnahme d. Rechng. f. 1571/2 (Nr. 52 755). 25) A-Laden S I L 50 Nr. 24 (StA Nbg.). 26) Briefb. 43, 92. 27) z. B. auch Nr. 436. Vgl. die Reproduktion der Pflnzingkarte des Amtes Hersbruck v. J. 1596 bei Gagel-Schnelbögl, Pfinzing, der Kartograph der Reichsstadt Nürnberg (Hersbruck 1957). 2«) Die Vorlage dürfte im Frhr. v. Harsdorffsehen Archiv beruhen. Ein Regest: Stadt­ bibi.-Nbg. Hs. Amb. 173—20, S. 19 c 29) desgl. so) Wenceslaus Hagecius, übers, v. Sandei S. 198 ff. 31) Vgl. Briefb. 53, 5', 6; 55. 156. Dazu Reicke. Gesch. d. Reichsstadt Nbg. S. 496. 32) Hulkapfer oder Huttkapfer (= Hüttengaffer) war der technische Betriebsleiter, der in der Hammerhütte nach dem Rechten sah und den Besitzer im Betrieb vertrat, vgl. Frz. Mich. Reß, Unternehmungen, Unternehmer u. Arbeiter im Eisenerzbau . . . , Schmol­ lers Jb. f. Gesetzgebg., Verw. u. Statistik 74 (1954) S. 579. 33) Briefb. 52, 1197120. 34) Briefb. 53, 5', 6. 35) Briefb. 54, 216'. 36) vgl. über die Schäden in Enzendorf: StA Nbg. Amts- u. Standb. 142, 58 u. 123’f. 37) Briefb. 54, 66', 73, 88'. 38) StA Nbg. Päpstl. u. fürstl. Privilegien Nr. 452b. 39) im Frhr. v. Harsdorffschen Arch. befindet sich eine Bestätigung der Barbara v. Ploben v. 24. Januar 1502, wonach ihr Bruder Peter Harsdorffer ihr aus ihrem Erbteil „an dem huttenhandel czu Enczendorff [nämlich] 5000 fl. an parschaft, schuld, kopfer, pley“ 749 fl. 11 ß in Geldgewinn, die er von ihrem Vetter Peter Harsdorffer empfangen hat, bezahlt hat auf die 525 fl. 11 ß, die Martin und Peter Holzschuher, ihre Söhne, in diesem Hüttenhandel schuldig geworden sind. 40) Die Verkaufsurk. im Frhr. v. Ebnerschen Arch. Schubl. H Nr. Lit. D. Abschr. Stadtarch. Nbg. Lochner Norica III, 143. 41) Briefb. 63, 190. 42) StA Nbg. Rep. 100 c Nr. 1029 (Landpflegamt: Hersbruck L 370 Nr. 41) Nr. 21/2. 43) Roth I, 314. Uber Hans Ebner vgl. auch StA Nbg. Briefb. 76, 149; 70, 228; 80, 28. 44) Joh. Gottfr. Biedermann, Geschlechtsregister d. hochadeligen Patriciats zu Nbg. (Nbg. 1748) Tf. XXVIII. 45) Briefb. 66, 239. 46) Stadtarch. Nbg. lib. litt. (49) Bl. 108'f.; Druck: Dettling S. 177 f. 47) s. 93 ff. Uber Hans Nützel vgl. auch Briefb. 56, 224. 48) Briefb. 69, 186'; 72, 229 ; 73, lOO^f. 49) Briefb. 71, 87'f. 50) Grf. Sternberg I, S. 93 (nach Kuttenberger Copiarium II Nr. 22, 37, 48) vgl. auch Anm. 53. Zum flgd. Roth I, 372. Uber frühere Generationen der Tichtel: Fridolin Solleder, München im MA (München 1938) passim. 51) Briefb. 56, 224; vgl. über Bernhard Tichtel Briefb. 70, 29; 71, 69'. Aus dem Brief des Rats v. 1. 3. 1506 geht hervor, daß dieser wegen &iner „handlung und leichtfertigkeit, durch Tichteln geübt“, Bedenken gegen seine Aufnahme als Bürger gehabt hat. 52) Briefb. 56, 224. 53) Briefb. 80, 130. 54) Roth I, 55, 372 ff. Die Welser (Nbg. 1917) I, 104, II, 107 ff. Kroker, S. 107 ff, Jakob Strieder, Studien, bes. S. 242 ff. 55) Außer Kroker vgl. Gerh. Fischer S. 122, Dettling S. 179. 56) Briefb. 89, 8, 29, 119 ff., 163’ff., 180, 182, 187 ff., 226, 266'; 90, 68', 78, 85'. 116’, 172; 91, 176’; 92, 47’; 93, 85. 57) Briefb. 89, 121'f. 58) Briefb. 80, 163 ff. 59) Briefb. 89, 180 ff. 60) Briefb. 90, 68'ff. «i) Dettling S. 180, Kroker 107 dazu Briefb. 95, 138 ff., 198 f.; 96, 202. 82) Kroker 108. 63) Dettling S. 188 f., Kroker, 106. Vgl. Briefb. 94, 25 und dazu 96, 46 ff. u. 105 ff.

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MVGN 48 (1858) Kupferhammer Enzendorf #4) Gf. Sternberg a. a. O. I S. 101. Briefb. 98, 27; 99, 187. 65) Roth a. a. O. I, 852, 379 ff. Roth lag die Or.urk. v. 24. I. 1531 vor. «6) über die Gesellschaft ist zu vgl. Briefb. 106, 83; 107, 197 f.; 109, 167 f.; 111, 88, 124, 144; 112, 19', 20', 198»; 113, 37, 139; 135, 173’. 67) Stadtarch. Nbg. Lochner, Norica III, 213 ff. 68) Roth I, 384 f. Dazu Briefb. 120, 82', 84'. 69) StA Nbg. Rep. 100 c Nr. 1026 (A Lade 39 Nr. 40). 70) ebda. 70a) Vgl. dazu den ergänzenden Beitrag von Richard Klier, bes. unten S. 70. 71) Gf. Sternberg S. 108. 72) i, 93 f., vgl. auch 102 f. 73) 35. Bericht. . . d. Hist. Ver. ... zu Bambg. (1872) S. 114. 74) vgl. f. d. Zeit ab 1537: StA Nbg. Rep. 100 c Nr. 1029 (Landpflegamt: Hersbruck L 370 Nr. 41) Nr. 1—11. 74a) Sternberg I S. 115 ff. 75) Rep. 100 c Nr. 1029 Nr. 15. 76) ebda. Nr. 13. 77) StA Nbg. SIL 452 Nr. 40. 78) Rep. 100 c Nr. 1029 Nr. 19. Vgl. auch dazu die Nrn. 14, 16, 17, 18, 23, 24, 25. Das Akten­ stück bezieht sich auf Handlohn und Eigenschaft der Hammerhütte. 79) über die späteren Schicksale der Hütte vgl. StA Nbg. S II L 116 Nr. 22. S I L 115 Nr. 23 u. 27. Rentamt Hersbruck (Rep. 225/16) Nr. 14 *, 976 II, 979, 3141.

Literaturhinweise Josef Baader, Krieg der fränkischen Einungsverwandten gegen Markgraf Albrecht, in: 33. u. 35. Ber___d. Hist. Ver------ zu Bambg. (1870/72). Christoph Beck, D. Ortsnamen des Pegnitztales... (Nbg. 1909). Böhmische Chronik des Wenceslaus Hagecius (übers, v. J. Sandei, 1596). Heinz Dannenbauer, Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg (Stuttgart 1928). Käthe Dettling, Der Metallhandel Nürnbgs. im 16. Jhdt., in: Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nbg. 27 (1928). Friedrich Dobel, Der Fugger Bergbau u. Handel in Ungarn, in: Ztschr. d. Hist. Ver. f. Schwaben u. Neuburg 6 (1879). Gerhard Fischer, Aus zwei Jahrhunderten Leipziger Handelsgeschichte 1470 bis 1650 (Leipzig 1929). Ernst Kroker, Hieronymus Walther, der Vorkämpfer der Katholiken, in: Beitr z. Gesch. d. Stadt Leipz. im Ref.Zeitalter, Neujahrsbl. d. Bibi. u. d. Archivs d. Stadt Leipzig 4 (1908). Walter Möllenberg, Die Eroberung des Weltmarktes durch das Mansfelder Kup­ fer (Gotha 1911). Ernst Mummenhoff, Handel, Gewerbe u. Industrie in Nürnberg, in: Nürnberg im Jubiläums)ahre 1806. ders., Altnürnberg in Krieg und Kriegsnot I (Nürnberg 1916). Heinrich Rappe, Die Münzstätte Kuttenberg, in: Numism. Ztschr. 20 (1888). Franz Michael Reß, Der Eisenhandel der Oberpfalz in alter Zeit (Deutsches Museum, Abhandl. u. Berichte 19, 1, 1951). Joh. Ferd. Roth, Gesch. d. Nürnbergischen Handels I—IV (Nbg. 1800/02). Paul Sander, Die reichtsstädtische Haushaltung Nürnbergs 1434—1440 (Leipzig 1908). Ernst Scheibe, Studien zur Nürnberger Waffenindustrie 1450—1550 (Diss. Bonn, 1908). Emst Scholler, Der Reichsstadt Nürnberg Geld- und Münzwesen (Nbg. 1916). Alois Schulte, Gesch. d. mittelalterl. Handels u. Verkehrs (Leipzig 1900). ders., Gesch. d. Großen Ravensburger Handelsgesellschaft (Stuttgart 1923). Kaspar Gf. Sternberg, Umrisse einer Geschichte der böhmischen Bergwerke (Prag 1836—1838). Jakob Strieder, Studien zur Gesch. kapitalistischer Organisationsformen (Mün­ chen u. Leipzig 1925). ders., Aus Antwerpener Notariatsarchiven (1930).

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Nürnberg und Kuttenberg Von Richard Klier I. Hermann Groß, ein bisher unbekannter Münzmeister Kuttenbergs Die verträumte böhmische Kleinstadt Kuttenberg, die ungefähr 60 km OSO Prag liegt, gehört zu den bedeutendsten Kunststätten Mitteleuropas. Von der Blütezeit der einstigen Bergstadt, dem,,Schatz und Kleinod des Königreichs Böhmen“, zeugen noch heute die groß­ artige gotische St. Barbarakirche, die derselben Stilepoche angehö­ rende St. Jakobskirche, das Steinerne Haus, der Welsche Hof (die Hauptmünzstätte Böhmens) und der gotische Brunnen, um nur die wichtigsten Baudenkmäler zu nennen. Der Bergstadt, die am Ende der Regierung des stolzen Königs Premysl Ottokar II. (t 1278) auf den Gründen des Waldsassener Tochterklosters Sedletz entstand, ver­ dankte ihre rasche Entwicklung zur zweiten königlichen Stadt Böh­ mens neben der Prager Altstadt vornehmlich der Tatkraft deutscher Bergleute, die hier zusammenströmten. Drei Florentiner Münzpräger, welche König Wenzel II. nach Kuttenberg berief, gaben die Anregung zur Prägung von Dickmünzen, den sogenannten „Prager Groschen“, im Jahre 1300, die eine Umwälzung auf dem Gebiet des Münzwesens Deutschlands hervorriefen. Nach den drei Italienern trägt bis heute das ehemalige Münzamt den Namen „Welscher Hof“ l). Vor den Hussitenkriegen war in Kuttenberg auch ein Nürnberger Patrizier, Hermann Groß, als Münzmeister tätig. Wir hören von ihm in einer Fürschrift des Rats der Stadt Nürnberg vom 16. November 1454 (BB 25, f. 53) für dessen einzige Erbin, Barbara, die Ehewirtin des Hans Stromer, eines Bürgers der Stadt Nürnberg. Das Schreiben war an den König von Böhmen, Ladislaus Postumus, und in der­ selben Form an den Gubernator (Georg von Podiebrad), an den Ober­ sten Münzmeister Johann von Sutitz und von Czabelitz und an den Rat „zum Kutten“ gerichtet. In dem Schreiben heißt es: „Wann uns dem merernteile unseres rates küntlich und wissentlich ist, das frau Barbara, Hannsen Stromers, unsers burgers, eliche wirttin, zeigerin diß brieffs, Hermann Grossen, weilent müntzmeister auff dem berg zum Kutten, seligen, leipliche eliche tochter und rechter einiger erb ist und nu derselb Herman selig hause und hofe, auch anders daselbst auf dem Kutten in den vergangen zwitrachten in Behem, so uns wol 4 *

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MVGN 48 (1958) Nürnberg und Kuttenberg

wissentlich ist, gelassen hat,. .. dieselb euer kuniglich maiestat geruch von angeborner gut und mildekeit gnediklich darob ze sein, zu be­ stellen und ze schaffen, damit der gemelten fraue die obgenannt behausung und anders, ir rechtlich zugeburnd, gütlich folg und eingeantwurt werde . .. “ Aus dem Interzessionsschreiben des Nürnberger Rates ist zu er­ schließen, daß der Kuttenberger Münzmeister Hermann Groß, der im Jahre 1435 gestorben ist, wie wir noch hören werden, „in den ver­ gangen zwitrachten in Behem“, es kann sich nur um den Hussitenkrieg handeln, sein Haus und Hof und noch anderes Eigentum bei seiner Vertreibung zurücklassen mußte. Seine Tochter Barbara, die den Namen der Schutzheiligen der bedeutendsten Kirche Kuttenbergs trägt, reiste im Spätherbst des Jahres 1454, wie aus dem Beisatz „zeigerin diß briefs“ hervorgeht, nach Prag und Kuttenberg, um sich um die Ausfolgung und Einantwortung des väterlichen Erbes zu bemühen. Warum sie es gerade im Jahre 1454, neunzehn Jahre nach dem Tod des Vaters, tat, soll im folgenden dargelegt werden. Dazu muß etwas weiter ausgeholt werden. Bei Ausbruch der Hussitenwirren standen die deutschen Bürger Kuttenbergs, wie die meisten Deut­ schen Böhmens, auf der Seite des Kaisers und Königs Sigmund und kannten keine Schonung für die Hussiten, die in ihre Hände gerieten. Der hussitische Chronist Laurenz von Brezowa berichtet darüber: „Von so entsetzlicher Grausamkeit entbrannte das Volk in Kutten­ berg, daß binnen kurzer Zeit mehr als 1600 Menschen dort elend niedergemacht und in die Schächte geworfen wurden, so daß die Henker oft bei der Mordarbeit ermatteten.“ Die Hussiten blieben die Antwort nicht schuldig, was die deutschen Städte Komotau, Prachatitz und Bistritz in furchtbarer Weise erfahren mußten2). Als sich Kaiser Sigmund aus Böhmen zurückzog und seine Anhänger ihrem Schicksal überließ, mußten sich auch die Kuttenberger den Prager gemäßigten Hussiten (Utraquisten) unterwerfen. In dem Vertrag, der dabei von den Kuttenbergern und Pragern aufgestellt wurde, wurde festgesetzt, daß jeder aus der Stadt fortziehen könne, der bis zum 15. August 1421 die vier Prager Artikel (Freiheit der Predigt, Spen­ dung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt, Armut der Geistlichen und Bestrafung der Todsünden durch ein weltliches Gericht) nicht anerkennen wollte3). Daraufhin verließen die meisten deutschen Bür­ ger aus religiösen Gründen die Stadt. Ihre Häuser wurden von der nunmehr hussitischen und damit tschechischen Stadtgemeinde be­ schlagnahmt und an bewährte Gesinnungsgenossen verschenkt oder auch verkauft. Unter den Bürgern, die Kuttenberg verließen, war auch der Münz­ meister Hermann Groß. Zur Zeit seines Wegzugs aus der Bergstadt war er nicht mehr in diesem Amte, es ist auch bis jetzt nicht möglich, auf Grund der vorhandenen Nachrichten festzustellen, wann er es eigentlich versehen hat. 52

MVGN 48 (1958) Nürnberg und Kuttenberg

Als die Bergwerke nach dem Wegzug der deutschen Bergleute verfielen und zum Teil ersoffen, wußte der Kaiser Sigmund nach Be­ endigung der Hussitenkriege keinen besseren Rat zur Wiederherstel­ lung der Bergwerke als die Wiederberufung der alten (deutschen) Bergleute. Da diese die Rückgabe ihres früheren Eigentums forder­ ten, auch in keinerlei Weise sub utraque kommunizieren wollten, wie ,,die neuen Inwohner der Bergstadt“ verlangten, mußte man ihnen, da man sie dringend brauchte, die St. Barbarakirche als Gotteshaus mit einem eigenen Priester einräumen. Über die Güter der alten Bergleute wurde bestimmt, daß sich die im Besitz der Güter befind­ lichen neuen Bergleute mit den alten Eigentümern „im freundlichen Wege ausgleichen“ sollten; wenn das auf Schwierigkeiten stoßen sollte, war vorgesehen, daß der Münzmeister Johann von Sutitz oder seine Nachfolger als Schiedsrichter fungieren sollten. Wer binnen Jahr und Tag nach dem Datum der Urkunde (Prag 1^37, 19. März) zu seinem Gute nicht zurückkehren sollte, der sollte sein Recht daran verlieren und dies Vermögen sollte der Stadt heimfallen. Außerdem war noch bestimmt, daß alle Schulden aus der Vergangenheit, auch geistliche und weltliche Abgaben, welche auf den Häusern hafteten, amortisiert sein sollten4). Dieser gutgemeinte Vergleich zwischen den alten und neuen Berg­ leuten, der schon vor dem Böhmischen Landtag am 2. Februar 1437 abgeschlossen und in der kaiserlichen Urkunde am 19. März 1$37 sanktioniert wurde, scheint in seiner Durchführung hinsichtlich der Vermögensfrage auf Schwierigkeiten gestoßen zu sein; denn am 7. Mai 1454 kam es vor dem Münzmeister Johann von Sutitz zu einem abschließenden Vergleich zwischen den schon genannten Vertrags­ partnern, weil sie seit dem Majestätsbrief des Kaisers Sigmund „we­ gen verschiedener Hindernisse zu keinem End und Ziel“ gelangen konnten5). In dem neuen Vergleich wurde bestimmt, daß die älteren Bergleute die Häuser, die sie nach Erbrecht beanspruchen konnten, selbst abschätzen durften. Die Häuser, die seit dem Tode Kaiser Sig­ munds (9.12.1438) nicht verbessert worden waren, konnten von dem ehemaligen Eigentümer oder dem jetzigen Besitzer zum halben Schätzwerte erworben werden. Bei durchgeführten baulichen Verbes­ serungen stand es dem gegenwärtigen Besitzer frei, das Haus gegen Zahlung von zwei Dritteln des Schätzwertes zurückzustellen oder ein Drittel des Wertes auszuzahlen. Von den Wiesen, Feldern und Wein­ bergen, ob sie nun gekauft oder umsonst erlangt worden waren, soll­ ten dem alten Eigentümer zwei Drittel des Schätzungswertes ge­ bühren, wenn sie an den gegenwärtigen Besitzer übergingen, oder es war ein Drittel zu zahlen, wenn der alte Eigentümer seine Grund­ stücke wieder übernehmen wollte. Als Zahlungstermine wurden fest­ gesetzt: das erste Drittel war innerhalb eines Monats nach Abschluß des Vertrags, das zweite Drittel war ein halbes Jahr später und das dritte Drittel nach einem weiteren halben Jahr zu zahlen, so daß die Zahlung binnen Jahr und Tag geleistet sein sollte. 53

MVGN 43 (1958) Nürnberg und Kuttenberg

Als Termin für die Geltendmachung der Ansprüche wurde für die beim Vertragsabschluß Anwesenden der nächstkünftige St. Wenzels­ tag (28. September 1454) und für diejenigen, die dabei nicht zugegen waren, die nächstkünftigen Weihnachten festgesetzt. Nun verstehen wir, warum sich Frau Barbara Stromer in der ungünstigen Reise­ zeit der zweiten Novemberhälfte auf den Weg nach Prag zum König und Gubernator bzw. zu den Landesbehörden und von da nach Kuttenberg auf den Weg machte. Von Nürnberg bis Prag mußte sie mit sieben Reisetagen rechnen6) und von Prag nach Kuttenberg mit zwei Tagen. Was Frau Barbara erreichte, wissen wir noch nicht, je­ doch finden sich darüber wahrscheinlich Belege im Stadtarchiv Kut­ tenberg. Die Fürschrift der Stadt Nürnberg vom 16. November 1454 für Barbara Stromer ist nicht nur wertvoll durch den Hinweis auf einen bisher unbekannten Münzmeister Kuttenbergs, der aus der berühm­ ten Patrizierfamilie Groß in Nürnberg stammte7), sondern auch ebenso wichtig für die Bestimmung der Zeit der Entstehung eines im Germanischen Museum als Leihgabe der Stadt Nürnberg befindlichen Epitaphienbildes8) aus der heute nicht mehr vorhandenen Domini­ kanerkirche. Unter dem Bild, das Christus als Weltrichter auf dem Himmelsbogen thronend darstellt, sind auf einem Bildstreifen der Stifter des Bildes — nach dem Wappen mit den drei Lilien muß es ein Stromer sein — und dessen noch lebende Frau, nach dem Wappen (Lin­ denbusch über einem Dreiberg mit einem roten Kreuz) eine geborene Groß, diese mit vier Knaben, dargestellt. Rechts davon sind noch zwei Frauen mit Kindern zu sehen. Da die Umschrift dieses Epitaphiums noch in einer Abschrift von Johann Jakob Schwarz aus dem Jahre 1737 erhalten ist9), können wir die abgebildeten Personen näher be­ stimmen. Gehen wir aus von der in der Mitte des Bildstreifens be­ findlichen Porträtähnlichkeit zeigenden Frau. Es ist die rechte ein­ zige Erbin des Hermann Groß, die nach dem Schreiben vom Jahre 1454 Barbara heißt. Ihr Vater starb nach der Umschrift im Jahre 1435, ihre Mutter Anna war nach dem Wappen eine geborene Schneck, sie starb schon im Jahre 1424. Der Gemahl der Barbara geb. Groß war Hans Stromer, der deshalb porträtähnlich dargestellt ist, weil er wie seine Frau Barbara bei der Aufstellung dieser Gedächtnistafel (für die Eltern des Ehepaars und für die zwei verstorbenen Gattin­ nen) noch lebte. Die Eltern des Hans Stromer waren nach der Um­ schrift Ortolf Stromer (t 1395) und dessen Frau Klar(a) (t 1430), nach dem Wappen eine Praunspach. Uber die bereits verstorbenen Gattin­ nen Hans Stromers „an der prukken“ erfahren wir folgendes: Die erste Ehefrau war Kathrey, nach dem Wappen eine geborene Stark und verwitwete Grundherr, die am „sant Wentzlaus obent“ (27. Sep­ tember) des Jahres 1421 verschied. Sie ist mit drei Jungen und drei Mädchen dargestellt, die alle das Stromersche Wappen zeigen. Ka­ threy schloß am 14. 2. 1413 die Ehe mit Hans Stromer. Dessen zweite Gemahlin war Alheit (Adelheid), nach dem Wappen eine geborene 54

MVGN 48 (1958) Nürnberg und Kuttenberg

Schüler und verwitwete Seitz-Österreicher, die „den nechsten mentag nach sant Jorgen“ (24. April 1430) starb. Sie hat zwei Knaben zur Seite. Diese Feststellungen bestätigen vollauf das Urteil des Kunst­ historikers Walter Frieß, der „nach der Tracht der Stifterfiguren“ die Entstehung des Epitaphbildes, das nicht für, sondern von Hans Stromer gestiftet wurde, in die Zeit um 1450 verlegte10). Anmerkungen 1) Über die Entstehung von Kuttenberg vgl. Adolf Zycha, Uber den Ursprung der Städte in Böhmen und die Städtepolitik der Pfemysliden, Mittn. d. Ver. f. Gesch d. Deut­ schen in Böhmen, 52. Jahrg. (1914) S. 50—54. Die Geschichte Kuttenbergs behandelt der Ar­ tikel „Kutnä Hora“ im Ottüv Slovnlk Nauöny (= Ottos Lexikon), Bd. 15, S. 418—432 (hier wie in den Dodätky(Nachträgen) dieses Lexikons ist weiterführende Literatur angegeben. Die Kunstdenkmäler sind behandelt in dem Bilderband: Z'denek Wirth, Kutnä Hora (= Kuttenberg), la ville et son art, Prag 1931 (53 Seiten Text, 110 Bildtafeln, 1 Bildbeilage). 2) Bertold Bretholz, Geschichte Böhmens und Mährens, Bd. 2 (1922), S. 17 f., S. 58—60. 3) Franz Palacky, Geschichte von Böhmen III, 2, S. 210 f. 4) Die Urkunde des Jahres 1437 ist in einer Bestätigung des Königs Ladislaus (Postumus) vom 15. Juni 1454 erhalten, sie findet sich gedruckt bei Graf Kaspar Sternberg, Um­ risse einer Geschichte der böhmischen Bergwerke I, 2, S. 112, Nr. 79, der tschechische Text ins Deutsche übersetzt auf Seite 186. 5) Vergleich vom Jahre 1454 bei Sternberg I, 2, S. 116, Nr. 80, Übersetzung S. 190. •6) Hans Wilhelm Kreß von Kressenstein brauchte im Jahre 1611 für eine Reise nach Prag sieben Tage auf der Hinfahrt (vom 5. bis zum 12. November einschließlich) und auf der Rückfahrt acht Tage (vom 28. November bis zum 5. Dezember 1611), wie aus seinem „Itinerarium Germaniae, Galliae, Belgii, Angliae et Bohemiae“ zu ersehen ist (Bibliothek des Germanischen Museums Nürnberg, Handschrift Nr. 17 613). Johannes Hus trat am 11. Oktober 1414 von Prag seine Reise nach Konstanz an und traf am 19. Oktober d. J. in Nürnberg ein. Die Reisedauer betrug demnach auch acht Tage (Franz Palacky, Gesch. v. Böhmen, III, 1, S. 316 f). 7) Adolf Zycha, Das böhmische Bergrecht des Mittelalters, Berlin 1900, Bd. 2, S. 388 erwähnt „Mathes Groß, obrister gesworn vorsucher“ (Vorsucher = Probierer) nach einer Urkunde vom 4. Jan. 1405, die Kuttenberg betrifft. Ob er mit dem Nürnberger Patrizier­ geschlecht etwas zu tun hat, ist noch zu klären. Hans Groß, Sohn des verstorbenen Phi­ lipp Groß, ist nach einem Schreiben des Nürnberger Rats an den der Stadt Kuttenberg vom 10. April 1415 (BB 4, f. 75) als Nürnberger Bürger ledig gesprochen worden. 8) Kataloge des Germanischen Nationalmuseums: Die Gemälde des 13. bis 16. Jahr­ hunderts, bearbeitet von Eberhard Lutze und Eberhard Wiegand, Leipzig 1937, Bilder­ band Abb. 31, im Textband S. 122, Nr. 124. (Hier ist auch die einschlägige Literatur an­ gegeben.) ») Beschreibung und Abzeichnung aller in der Dominikanerkirche befindlichen Monu­ mente, 1737, Handschrift der Stadtbibliothek Nürnberg (Will II, 1935, 20). io) Katalog der Ausstellung Nürnberger Malerei 1350—1450 im Germ. Museum Nürn­ berg, Nürnberg 1931, S. 49, Nr. 77 — Meine Angaben über die Ehefrauen Hans Stromers ergänze ich nach Mitteilungen, für die ich z. T. H. Baron Wolfgang von Stromer zu Dank verpflichtet bin. Der Ehevertrag Hans Stromers mit Kathrein, der Tochter Hans Starks und der Witwe nach Thomas Grundherr, vom 14. Februar 1413, findet sich in einer beglaubigten Abschrift vom 26. Okt. 1424 im Archiv des Germ. Museums Nürnberg, Perg. Urkd. 1424 X. 26. Hans Stromer dürfte der 3. Ehemann seiner ersten Frau gewesen sein. In erster Ehe soll sie mit Purchart von Lochaim vermählt gewesen sein (Siehe Hans-Haller-Buch, Codex H, fol. 23’, im Frh. Haller von Hallersteinschen Archiv, Schloß Gründlach, Rep. I, Abt. 1, Nr. 1/3). Die zweite Ehe Hans Stromers mit Alheit, der Tochter Stefan Schülers und Witwe nach Seitz Österreicher, kann nur von kurzer Dauer gewesen sein; denn ihr erster Mann lebte noch am Ende des Jahres 1426 (J. Baader, Nürnbergs Handel im Mittelalter, 38. Jahresbericht des Hist. Vereins f. Mittelfranken, 1871/72, S. 109). Im oben erwähnten Hans Hallerbuch, f. 23’, wird noch erwähnt, Hans Stromer hätte nach dem Tod seiner zweiten Frau die Ehe geschlossen mit „Hermann Grossen tochter, die het vor gehapt Heinrich Kästner zu Anberg.“ Dieser, einer der reichsten Gewerken Ambergs, war in erster Ehe mit einer Juncker aus Eger verheiratet; seine zweite Frau war „eine Groß aus dem bekannten Nürnberger Patriziergeschlecht“ (Ress). Es darf wohl ergänzt werden, es war Barbara Groß. Da ihr erster Mann, Heinrich Castner von Kotzersricht, im Jahre 1438 starb und in der Castner-Kapelle (jetzt Vierzehn-NothelferKapelle) und der St. Martinskirche in Amberg, für die er nicht weniger als 500 Gulden gestiftet hatte, bestattet wurde, ist damit ein Terminus a quo für die Eheschließung Hans Stromers mit Barbara Groß gegeben (Vgl. Franz Michael Reß, Die ®erg- ulJd Hüttenwerkfamilie der Castner zu Amberg, Zeitschrift „Ausschnitt“ 1952, Heft 3, S. 8). Über die Stromer in Amberg vgl. Fr. Mich. Reß, Unternehmungen, Unternehmer und Arbeiter im Eisenerzbergbau der Oberpfalz v. 1300—1630, Schmollers Jahrbuch f. Gesetz­ gebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, 74. Jg., 5. Heft, S. 72, Anm. 61. -- Herrn Dipl.-Ing. Helmut Frhn. Haller von Hallerstein danke ich für die Erlaubnis zur Einsicht­ nahme in das Hans-Haller-Buch.

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MVGN 46 (1956) Nürnberg und Kuttenberg

II. Über Hans Harsdorf er in Böhmen Die wichtigsten Lebensdaten Hans Harsdorfers von Malesitz (tschechisch Hanus Horstorfer z Malesic oder Malesic) hat schon Karl Frh. von Harsdorf in diesem Jahrgang der Zeitschrift mitgeteilt. Im folgenden sollen unter Heranziehung neuer Quellen und der ein­ schlägigen tschechischen Literatur einige Ergänzungen dazu gebracht werden. Hans Harsdorf er dürfte in Pilsen geboren und aufgewachsen sein; denn seine Eltern wohnten dort1). Sein Vater war Antonius Hars­ dorfer, die Mutter Barbara, eine geborene Fritz von Pilsen. Der Vater besaß das Gut Malesitz, das 6 km WNW von Pilsen lag. Sein Toten­ schild war im Jahre 1581 in der Pilsner Pfarrkirche (St. Bartholo­ mäus) an einer Säule zu sehen. Es trug die Inschrift: „Anno Domini MCCCCLXII (1462. 12. III.] die sabbathi ante festum Gregorii in jejunio obiit honestus et strenuus vir Antonius Harsdörffer in Malesiz. Cuius anima requiescat in pace etc. Amen.“ Aus dem Bericht über Andenken an die Familie Harsdorfer in der Pilsner Pfarrkirche vom Jahre 1581, in der uns diese Grabinschrift mitgeteilt wird, geht noch folgendes hervor: „Und zu negst bey der Seillen (Säulen) und der Thur, so gegen dem Marek hinausgehet, ligt ein groser langer Grab­ stein, darauf beyde, das Harßdorffer und Nützel Wappen von Massing gegossen, stehen. Und abermals gleich an der Wandt daselbsten, wo die Thur gegen den Marek hinausgehent, ist ein Altar, an welchen solche beyde Wappen auch gefunden werden. Item in einen closter zu Pilsen solle ein Harßdorfferin ein Nunn gewesen sein. Die­ ses obgemelten Anthoni Haßdorffers zu Pilsen Ehewürthin solle ihrer Geburt eine Fritzin gewesen sein.“ Für die obigen Angaben sind leider im „Urkundenbuch der könig­ lichen Stadt Pilsen“ von Josef Strnad2) keine Belege zu finden. Wir erfahren daraus nur, daß der Münzmeister zu Kuttenberg, Jan Horstorfar, der Frau des Schneiders Hanus Rfmsky für den Kauf eines Grundstücks 25 Schock meißn. Groschen geliehen hat (1498, 22. Juni8)) und daß die ehrbam und festen Jan Skolla von der Toppei, Walther Leschengruber von Reispach und Herdibor Zeledky von Podsedicz (Bürger von Pilsen) an die Nürnberger Ratsherrn Ulman Stro­ mair und Hans Harsdorfer in tschechischer Sprache 4) schrieben, sich beim Rat der Stadt Nürnberg für sie zu verwenden, worauf dieser am 12. Januar 1506 gleich in deutscher Sprache antwortete. Daraus ist zu ersehen, daß Hans Harsdorfer die tschechische Sprache beherrschte. Das Gut Malesitz ging nach dem Tode von Antonius Harsdorfer an seine Erben über. Am 30. März 1474 trat Katharina, die Gattin des Ortolf Stromer in Nürnberg, ihren Anteil daran an ihren Bruder Hans um 1000 Gulden ab 5). Merkwürdig ist, daß in den bisherigen geschichtlichen Darstellungen über das Gut und Dorf Malesitz bei Pilsen, das im ehemals deutschsprachigen Gerichtsbezirk Tuschkau liegt, nicht der geringste Hinweis auf die Harsdorfer zu finden ist. 56

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Für die Zeit von 1449 bis 1503 (54 Jahre!) soll die reiche Pilsner Bür­ gerin Anna Safränek von Pautnow (Pauten, Bezirk Tepl) die Besitze­ rin der Feste und des Dorfes Malesitz gewesen sein. Vielleicht ergibt sich doch bei genauerer Nachprüfung, daß sie erst von Hans Harsdorfer das Gut erworben hat, das müßte aber vor dem Jahre 1489 gewesen sein, wo sie ihre Untertanen gegen einen Übergriff eines Gutsnach­ barn in Schutz nahme). Bei den Nürnberger Patrizierfamilien können wir oft feststellen, daß ihre auswärtigen Mitglieder stets enge Beziehungen zu ihrer Vaterstadt aufrechterhielten und ihre nächsten Nachkommen nach Nürnberg heirateten. Das gilt für Katharina Harsdorfer, die wir oben als Gattin eines Nürnberger Patriziers erwähnten, und auch für ihren Bruder Hans, der am 6. August (Sixtustag) 1481 die Ehe mit Marga­ rethe, der Tochter des Nürnberger Ratsherrn Gabriel Nützel, ein­ ging, wie ein Regest des Heiratsbriefs im Repertorium des Familien­ archivs der Freiherrn v. Harsdorf erkennen läßt. Am Ende des Jahres 1493 sehen wir Hans Harsdorfer im Dienste des Königs Wladislaw II. In den Werksregistem (tschech. registra verkovä) der Kuttenberger Münze, einer Haupteinnahmequelle des Königreichs Böhmen, finden wir unter den Ausgaben der Woche Dum medium (29. Dez.) 1493 angegeben: ,,für drei Ornate aus Damast und für pendilia [Altarvorhänge] 23 Schock 36 Groschen nach Aachen für den Altar, dessen Kollator der böhmische König, S. M., ist, dem Horstorfar aus Nürnberg gegeben.“ Wahrscheinlich ist Harsdorfer zu der Zeit schon als „Hofmann“ (dvoremn) im Dienst des Herrschers Böhmens und Ungarns gestanden. Sicher war das aber der Fall im Jahre 1494; denn in diesem Jahre erhielt er als „Hofmann Seiner Mt. des Königs“ für seinen „Dienst“ 100 Schock (böhm. Groschen) ausge­ zahlt. Der Obersthofmeister des Königreichs Böhmen, der mächtige Herr Wilhelm von Pernstein, empfing bei der gleichen Gelegenheit 350 Schock und der Hofmeister Vaclav Rupovsky (oder z Rupova) 200 Schock 8). Die engen Beziehungen zum König und den höchsten Landes­ beamten ermöglichten Hans Harsdorfer den Aufstieg zum Obersten Münzmeister des Königreichs Böhmen, einem der höchsten Ämter des Landes. Während bei der Besetzung aller anderen höchsten Landes­ ämter die Geburt entschied, ja bei jedem Amt genau festgelegt war, ob es ein Herr oder ein Ritter bekleiden durfte, galt für das Münz­ meisteramt, daß es von Vertretern aller drei Stände Böhmens, also auch von einem Bürger versehen werden konnte. Kuttenberg, der Amtssitz des Obersten Münzmeisters, brauchte nach den schweren Unruhen der Bergleute9), die sich in den Jahren 1494 und 1496 mit Recht gegen das schändliche und niederträchtige Betragen des Berg­ hofmeisters Michael von Wrchowischt erhoben hatten, einen umsich­ tigen Mann, der für Ordnung sorgen konnte. Der Aufstand im Jahre 1496 war durch Festnahme von zehn Anführern und deren Hinrich­ tung ohne vorhergehendes Gerichtsverfahren auf Befehl des Königs 57

MVGN 46 (1958) Nürnberg und Kuttenberg

niedergeworfen worden; doch stellte es sich bei den Verhandlungen vor einem außerordentlichen Gericht, das eingesetzt wurde, darauf­ hin heraus, daß man in diesem Falle die unschuldigen Kleinen gerich­ tet, doch die Großen laufen gelassen hatte. Wie diese bestraft wurden, ist unbekannt. Es dürfte aber nicht zu weit hergeholt sein, wenn man annimmt, daß die Einsetzung Hans Harsdorfers als Obersten Münz­ meister damit zusammenhängt. Am 20. Dezember 1496 wurde er durch seinen Amtsvorgänger Puota Svihovsky und Albrecht von Ko­ lo wrat in sein Amt eingeführt10). Als hoher Beamter nahm er auch an dem Landtag teil, der in den Pfingstquatembern (ab 17. Mai) 1497 in der Landeshauptstadt Böhmens abgehalten wurde n). Bei diesem wurde u. a. genau festgelegt, welchen Ständen die obersten Landes­ ämter zustünden und dabei wurde beschlossen, daß es dem König freistehen solle, Personen aus allen drei Ständen, mögen sie den Her­ ren, Rittern oder Städten angehören, zum Obersten Münzmeister zu ernennen, wer ihm eben am tauglichsten dazu erscheinen möge. Mit dem König kam Harsdorfer immer wieder in Berührung. So übergab er ihm im Jahre 1497 auf der Prager Burg neun von Frau Haschek in Kuttenberg hergestellte, mit Goldfäden bestickte Hauben; am Ende dieses Jahres schickte er dem König nach Ofen (Buda) neuerdings 22 von diesen Hauben und Teile einer Sturmhaube, die er für den König in Nürnberg gekauft hatte 12). Harsdorfer dürfte immer wieder wäh­ rend seiner Amtszeit nach Nürnberg gekommen sein; auffallend ist jedoch, daß er immer als ,, Harsdorf er von Nürnberg“ in den Werkregistem erwähnt wird, sich aber niemals ein Hinweis auf Pilsen findet. Im Jahre 1498 muß er längere Zeit in Nürnberg geweilt haben, weil ihm ein Eilbote mit einem Brief der Schöppenmeister von Kut­ tenberg nachgeschickt wurde 13). Harsdorfer, der den Kupferhammer von Enzendorf geerbt hatte, konnte auf die Dauer sein Amt nicht mehr ordnungsgemäß versehen, weshalb er wohl den König bat, ihn aus diesem zu entlassen. Das geschah am 5. April 1499 durch eine in Ofen ausgestellte Urkunde, in welcher der König Wladislaw II. die Rechnungslegung des Münzmeisters Hans Harsdorfer von Maleschitz über die Einkünfte der Bergwerke zu Kuttenberg, Eule und Gnyn (Neuknin) und die auf sein Geheiß gemachten Ausgaben genehmigte. Am gleichen Tage verlieh dieser dem scheidenden Münzmeister das Recht, die Brennkrätze (prengrec), d. h. was an silberhältigen Abfall nach dem Brennen des Silbers zusammengekratzt wurde und dem König zustand, für sich zu verwenden14). Wladislaw II., König von Böhmen, stellte am 17. November 1499 in Preßburg Hans Harsdorfer von Maleschitz, „der ihm im Münzmei­ steramte treu und recht gedient habe, und um ihm dafür Dankbar­ keit und irgend eine Gnade zu erweisen“ einen Schutzbrief für ihn und seine Bediensteten, auch für seine Habe (statek kann auch Gut bedeuten!) aus, damit er in allen Ländern des Königs drei Jahre lang Sicherheit genießen möge 15). 58

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Als Hans Harsdorfer das Münzmeisteramt aufgab, war ihm der König Wladislaw II. mit 3000 Schock (böhm.) Groschen verschuldet18). Diese dürfte er in den 3200 Schock Gr. zurückerstattet erhalten haben, die ihm sein Nachfolger im Amte um St. Martine (1. Januar) 1501 in Prag übergab 1?). Obgleich Hans Harsdorfer nur vom 20. Dezember 1496 bis zum 5. April 1499, demnach nicht ganz zwei und ein halbes Jahr, als Ober­ ster Münzmeister des Königreichs Böhmen in Kuttenberg tätig war, erinnern noch mehrere Denkmäler der Kunst an sein Schaffen. Das bescheidenste Zeugnis seiner Tatkraft ist das Turmwappen der Hars­ dorfer am Torbogen des Münzmeisterhauses 18). Das läßt darauf schlie­ ßen, daß er während seiner Amtszeit dieses Gebäude (ein Fachwerk­ haus) an Stelle eines älteren errichten ließ. Emanuel Leminger, einer der besten Kenner der Geschichte Kuttenbergs, vertrat jedoch die Ansicht, daß Hans Harsdorfer weder das Münzmeisterhaus noch die Kapelle des Welschen Hofes (der Münzstätte) erbauen ließ 19). Seine Ansicht begründet er damit, daß die Werksregister des Kuttenberger Münzamtes, die sonst jede kleine Ausgabe verzeichnet hätten, nichts über beide Bauten erwähnten. J. Branis, ein bekannter Kunsthisto­ riker (Konservator), der zur gleichen Zeit wie Emanuel Leminger an der Realschule in Kuttenberg als Lehrer tätig war, vertrat jedoch die Auffassung, daß in die Werkregister nur die ordentlichen Ausgaben, aber nicht die außerordentlichen Aufnahme gefunden hätten, so daß die aus dem Schweigen der Quellen gezogene Schlußfolgerung nicht stimmen könne20). Auf den Bau der prächtigen Erkerkapelle des Welschen Hofes21) zur Zeit des Münzmeisters Harsdofer weisen die Werkregister der Kuttenberger Münze doch hin; denn sie berichten zum Jahr 1497 ,,dominica Spiritus Domini [Pfingstsonntag, 14. Mai] zur Fertigstel­ lung des cancellum, wo sich der Leib des Herrn befindet, wurden 10 Groschen gegeben“ 22). Bald darauf, am 20. Juli 1497, wurde die Kapelle durch den Bischof Gabriel von Bosnien geweiht23), wie eine bei den Restaurierungsarbeiten des Jahres 1897 in der Tumba des Nebenaltars St. Philipp und St. Jakob gefundene Weiheurkunde glei­ chen Datums und die Votivtafel, die einst im Freien über dem Ein­ gang der Kapelle, Wind und Wetter ausgesetzt, hing, beweisen24). Das Votivbild zeigt neben der Erbärmdegestalt in Halbfigur zwei Engelsgestalten. Im Vordergrund knieen der König von Ungarn und Böhmen Wladislaw II. und rechts davon Hans Harsdorfer mit seinem Turm-Wappen. Die Schutzpatrone der Kapelle der hl. Wenzel und der hl. Ladislaus, sind hinter den beiden zu sehen. Der Kupferstich, welcher das Votivbild wiedergibt, ist nach einer Aquarellzeichnung im Jahre 1649 entstanden25). Er zeigt beim hl. Wenzel nicht die Lehensfahne mit dem böhmischen Adler (dem alten böhmischen Lan­ deswappen) und der hl. Ladislaus trägt keine Partisane, wie auf dem Original. Das Wappen Harsdorfers ist auf dem Original rechts unten angebracht, im Kupferstich dagegen links. Der Maler, der die Kopie 59

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verfertigte, hat sich demnach wenig Mühe gegeben. Die Schutzpatrone der Kapelle des Welschen Hofes, St. Wenzel und St. Ladislaus, sind nicht nur auf dem Votivbild, sondern auch auf dem Hauptaltar dar­ gestellt worden, wie aus einer Beschreibung der Kapelle aus dem Jahre 1603 hervorgeht: ,,In den mitlern Altar seind von Holz aus­ geschnitzt zwei König in Harnisch, ein böhmischer und ein ungari­ scher und jeder seines Königreichs Wapen in Henden, zu ihren Füßen aber ist obgemelten Herrn Harßdorffers Wappen von Holtz geschnitzt völlig sambt der Helmdeck uf altväterisch schon ausgeschnitten und zimlich gros. Zur rechten Seiten stehet eben von dieses H. Harßdorf­ fers Wappen nur der Schild, zur linken Seiten aber stehet von Holtz geschnitzt ein Schild von dreyen Lilien dreyeckich.“ Weder E. Leminger noch der Konservator J. Branis erwähnen in ihren gründlichen Arbeiten über die Kapelle diesen Altar, auch Zdenek Wirth nicht. Vielleicht sind diese beiden Statuen in eine andere Kirche gebracht worden und so erhalten geblieben. In der Beschreibung der Kapelle von 1603 wird bei den beiden Nebenaltären nur erwähnt, daß sich auf beiden das Harsdorfer- und das Nützelwappen befänden. Vermerkt wird noch die Äußerung der Münzamtleute, „dieser H. Harßdörffer werde obgemeltes Kirchlein gestiftet haben.“ Ihr Urteil war nicht unbegründet. Ein prächtiges Zeugnis für die Freigebigkeit und den frommen Sinn des Münzmeisters und seiner Gattin ist die mit dem Wappen beider gezierte Kasel (= Meßgewand eines Priesters), die sich wie zwei Messingleuchter, die auch von dem Ehepaar gespendet worden sein sollen, im Museum von Kuttenberg befinden 27). Ein Inventar des Kirchenschatzes der Kapelle des Welschen Hofes wurde unter dem Kaplan Johannes de Stradomia und unter dem Münzmeister Hans Harsdorfer im Jahre 1497 zusammengestellt. Von den in ihm erwähn­ ten kirchlichen Gegenständen und Büchern, könnte manches durch Hans Harsdorfer vermittelt worden sein. Unter den Büchern befindet sich eine „biblia impressionis Nurmbergensis“ (eine in Nürnberg ge­ druckte Bibel), die aus der Offizin Koberger stammen muß 28). Für eine Neuausstattung der Kapelle in jeder Hinsicht zur Amtszeit des Münzmeisters Harsdorfer spricht es auch, daß von den acht Meß­ büchern genau die Hälfte im erwähnten Inventar als „neu“ bezeich­ net werden **). E. Leminger irrt sich, wenn er glaubt, daß die Anbringung der Wappen des Münzmeisters und seiner Gattin nur Prahlerei gewesen wäre so). Hans Harsdorfer wird man nicht gerecht, wenn man ihn ein­ fach als „abgefeimten Kleinkrämer (kupcik = Kaufmännl) und Agen­ ten der Nürnberger“ bezeichnet31); denn dieser Mann, den der böh­ mische König unter den Bürgern seines Landes im Jahre 1496 als den Würdigsten betrachtete, eines der höchsten Ämter des Königreichs zu bekleiden, konnte es sich als Glied einer bedeutenden Nürnberger Pa­ trizierfamilie erlauben, den größten Teil der Ausstattung einer Ka60

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pelle zu stiften. Davon reden die Wappen der Harsdörfer und Nützel in Kuttenberg. Leminger hat weiter Hans Harsdörfer den Vorwurf gemacht, er habe „sich nur des Gewinns und der materiellen Vorteile willen wie seine anderenLandsleute um den königlichen Hof und um Kutten­ berg bemüht“ 32), dem kann nicht widersprochen werden; denn das war Kaufmannsart. Lorenz Weißberger von Weißenberg, ein Beamter des Burggrafenamts in Prag sandte am 18. Dezember 1581 den Harsdörfern in Nürnberg einen Bericht über seine Nachforschungen über den Münzmeister Hans Harsdörfer33), darin erwähnt er auch den „kupferkauf, den der herr Johannes Harßdorffer vorzeiten den Nurmbergern zugut (wie ich bericht bin) bey den könig Ladislao hat zuwegen gebracht.“ Wie ich im folgenden Abschnitt ausführen werde, war die Ausfuhr von Kupfer aus Böhmen ungefähr zwischen dem Jahr 1462 und 1492 gesperrt. Es ist ja möglich, daß sich Hans Harsdorfer um die Freigabe der Kupferausfuhr erfolgreich bemüht hat. Nach den Amtsbüchern der Kuttenberger Münze zu schließen, besaß er kein Monopol im böhmischen Kupferhandel wie etwa die Nürn­ berger Kaufleute im 16. Jahrhundert. Abkürzungen: Lern = Emanuel Leminger, Krälovskä mincovna v Kutne Hofe, Rozpravy Cesk6 Akademie . . . pro v6dy, slovesnost a umöni (Die könig­ liche Münze in Kuttenberg, Abhandlungen der Tschechischen Aka­ demie der Wissenschaften, der Literatur und der Künste.), Trida (Klasse) I, Cislo (Nr.) 48, Prag 1912. BB = Briefbücher des Nürnberger Rats.

Anmerkungen 1) Die folgenden Angaben über die Harsdörfer in Pilsen habe ich einem Repertorium (eigentlich ist es eine Art Kopialbuch) des Familienarchivs der Freiherren von Harsdorf in Nürnberg entnommen (Signatur: D XII 3), das mir Karl Frh. von Harsdorf (f) liebens­ würdigerweise zur Verfügung gestellt hat. Uber den böhmischen Zweig des Geschlechts der Harsdörfer vgl. Joh. Gottfried Biedermann, Geschlechtsregister des hochadeligen Patriciats zu Nürnberg, Bayreuth 1748, Tafel 146. 2) Originaltitel: Listäf krälovsk6 mesta Plznö a druhdy doddanych osad (Urkunden­ buch der kgl. Stadt Pilsen und ihrer einst untertänigen Gemeinden), Bd. II. 3) und 4) strnad a. a. O., S. 382 f. u. S. 530. 5) Harsd. Repertorium fol 2‘. II losungers Andreas Imhoff J cheiff captaine Bartelmew Poemer Hans Welser The VIII old Julius Gewder | lordes or privy Christofer Fhurer I Counsell Joachim Nützell Paulus Harstorfer J Christofer Tücher Anthony Gewder Jobst Friderick Tetzell Ieronimus Kress Iacob Imhoff

Jeronimus Y\ Baumgartner > Andreas Imhoff J Bartholomäus Poemer Hans Welser Julius Gewder Christofer Fhürer Joachim Nützel Paulus Harstorffer Christofer Tücher Anton Gewder Jobst Friedrich Tetzel Jeronimus Kress Jacob Imhoff

The XIII yong Borowmaisters: Jacob Stark Martin Haller Veit Maximillian Holtshuer Paulus Koler Paulus Behem Georg Volkamer Hanss Nutzell Hans William Leffelholtz Balthasar Derrer Charles Slusselfelder Charles Tetzell Paulus Pfintzing Ernestus Haller. fol. 12 r

Die 13 Jungen Bürgermeister: Jacob Stark Martin Haller Veit Maximilian Holtshuer Paulus Koler Paulus Beheim Georg Volkamer Hanss Nutzell Hans Wilhelm Löffelholtz Balthasar Derrer Karl Slüsselfelder Karl Tetzel Paulus Pfintzing Ernst Haller fol. 12 r

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fol. 11 v Die Namen der Stadträte vom Jahre 1590 waren folgende: Die 13 alten Bürgermeister: 2 Losunger Kriegsherr Die 8 Alten Herren oder der Geheime Rat

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The VIII Altergenanters: Ieronimus Holtshuer Morrice Fhurer Charles Grundher Wolf Leffelholtz Wolf Jacob Stromer Leonard Tücher Dauid Harstorfer Jacob Poemer

The VIII men of occupations: Joachim Herdegen, berebrewer Balthaser Stockamer, tayler Hans Apell, leatherer Conrad Slaursbach, butcher Leonard Koch, baker Hans Mayer, clothmaker Paulus Dullner, goldsmith Mathew Hartman, skinner

Die 8 Alten Genannten: Jeronimus Holtshuer Moritz Fhurer Karl Grundherr Wolf Löffelholtz Wolf Jacob Stromer Leonhard Tücher David Harstorfer Jacob Poemer

Die 8 Leute des Handwerks Joachim Herde­ gen, Bierbrauer Balthasar Stockamer, Schneider Hans Apell, Gerber Conrad Slaursbach, Fleischer Leonhard Koch, Bäcker Hans Mayer, Tuchmacher Paulus Dullner, Goldschmied Matthias Hart­ mann, Rauch­ warenhändler

Here is to be noted (for the auoyding of factions and partiallities) there may not be aboue two of one surname, at one tyme, in the Counsell. fol. 12 v

Hierzu sei bemerkt, daß (zur Ver­ meidung von Parteienbildung undEinseitgkeit) nie mehr als 2 gleichen Na­ mens und zur gleichen Zeit dem Rat angehören dürfen, fol. 12 v

Of the Election of the Magistrates. As I haue beffore noted, they and all other officers also of the cittie: are elected euery Easter holydayes, fby the voices of them of the Comon Counsell (as hereafter shall appeare in the articles whereunto the said Comon Counsell are sworne). The ceremonies werof is not openly seene, because (when they be come all together) they shutt the dores of their Towne House. And so lykewise at all other tymes, when the said Comon Counsell are called (which is done by ringing of a bell) that is, when any fayre is at hand at Franckford, & at other tymes, when occasion requireth. And here is to be noted, that if any of the said magistrates do dye, although it be within VIII daies or lesse, after he is chosen: yet shall there be no other chosen in his place tili Easter Holydayes following. But if it chaunce any of the Ceiffest to dye: then do they presently of them selues remove another into his place, which is comonly hym whose turne is next in ancientie, and reserue the lowest place alwaies, for the new elected, which is at Easter following. fol. 13 r

Die Wahl der Ratsherren Wie ich bereits erwähnt habe, wer­ den die Ratsherren und alle anderen Stadtbeamten jedes Jahr in den Oster­ feiertagen gewählt. Dieses geschieht durch Abstimmung im Großen Rat (wie später aus den Satzungen, auf die die Ratsherren schwören müssen, her­ vorgeht). Diese feierliche Handlung findet hinter verschlossenen Türen des Rathauses statt. Und so wird es im­ mer gemacht, wenn der Große Rat durch Läuten einer Glocke zusammen­ gerufen wird; z. B. vor Beginn der Frankfurter Messe oder ähnlichen An­ lässen. Hier möchte ich noch folgen­ des bemerken: Sollte ein Ratsherr sterben, und sollte das selbst inner­ halb der ersten 8 Tage nach seiner Wahl sein, so wird doch niemand an seine Stelle bis zu den nächsten Oster­ feiertagen gewählt. Stirbt dagegen einer der höheren Beamten, wird gleich ein anderer an seine Stelle er­ nannt, gewöhnlich der Rangnächste. Die niedrigste Stellung wird den Neu­ gewählten gegeben.

fol. 13 r

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MVGN 48 (1958) William Smith

The Charge of euery magistrate seuerally. Every one of these magistrates affordsaid (the VIII occupations excepted) I meane the other 34: haue also the Charge of some seuerall place or Office apart. Lordes of the warres As first there is 4. which are called Kriegsherren, that is Lordes of the warres. Whereof one is CheifT. And haue a secreatory and a place of counsell apart in the Townehouse or Guild Hall. Lordes of the prouinces Item IV Lordes of Prouinces orSurveiors of their landes or countreis. Which haue also their counsell Cham­ ber and two secreatories. Lordes of the Almes Item IV Lordes of Almes, who haue their officers und also a seuerall coun­ sell chamber und a secreatory. Lordes of the orphanes Item IV Lordes of the Court of Or­ phanes, which haue also their counsell chamber apart, with a secreatory and a beadell or comaunder. Chancelor Item one of the cheiffest lords is alwais Chancelor, & haue a Chancery with clarkes, messengers & others therevnto apartayning. Churchlord Another is called Churchlord. Who is in place of the bishopp, ruleth all matters belonging to the church, licenceth the printing of bookes, payeth the preests, clarkes & sextens their wages, every Quatember, that is every quarter. fol. 13 v M.r of the Hospitall Another is Cheiff Maister of the Hospitall. Overseer of the buildings Mj of the forrests & chases Another is lord over the fortifications & buildings. Another over the woods, as it were over the forrests & chases, without whose leaue no man can feil a peece of timber. But Hauking, Hunting, Fi­ shing & Fouling: belongeth to the Marques of Brandenburgh, who (as viscount of Noremberg) claymeth jurisdiction to the very gates of the cittie, as hereafter in speaking of saffe conduct shalbe declared.

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Die Aufgaben und Pflichten der Rats­ herren Jeder der 34 oben genannten Rats­ herren — ausgenommen sind die 8 Handwerker — muß auch noch ande­ ren Ämtern und Aufgaben nachgehen. Da sind zunächst die 4 Kriegsherren, von denen einer den Vorsitz hat. Sie haben im Rathaus ein Zimmer und einen Schreiber. Ferner gibt es 4 Landpflegamtleute oder Verwalter für das Land oder die Landschaft. Auch sie haben ein Rat­ hauszimmer und 2 Schreiber. Ferner 4 Almosenherren mit Be­ amten; sie haben ein getrenntes Rats­ zimmer und einen Schreiber. Außerdem 4 Findelherren mit einem Ratszimmer, einem Sekretär und einem Diener oder einem Findelmeister. Einer der Hauptratsherren ist im­ mer Losunger; er hat eine Kanzlei mit Angestellten, Boten usw. Ein weiterer wird der Kirchenpfle­ ger genannt; er tritt an die Stelle des Bischofs und entscheidet alle Angele­ genheiten der Kirche, genehmigt das Drucken von Büchern und zahlt den Priestern, Diakonen und Küstern jedes Vierteljahr ihre Besoldung.

fol. 13 v Ein anderer Ratsherr wieder ist der Oberste Spitalpfleger. Einer ist für die Befestigung und die Bauten zuständig. Dann gibt es einen, der für die Wäl­ der und die Jagd zuständig ist und ohne dessen Zustimmung keiner Holz fällen darf. Die Falkenbeize, Jagd, Fisch- und Vogelfang aber gehören dem Markgrafen von Brandenburg, der (als Burggraf von Nürnberg) Anspruch auf seine Rechte bis vor die Tore der Stadt erhebt, was ich später unter „Sicherheitsgeleit“ erklären werde.

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Imposts, Tolles Customes Another is Lord for the Imposts. Another for the Tolles and customes. Two of them are called Borow Lordes, which do admitt men into the liberties of the cittie. Others they call Chest Lordes, & in Latin Questores, which receaue and pay their mony. Others are Lordes over the prisons / Ouer the fyre / Sigillatores or Lordes of the Seall / Bridge-Lordes / & overseers of the high waies / Agreers of Controversies / and others. fol. 14 r Their maner of Entertaynment of Strangers, or order of presenting them with wyne. Euery one that is an Inholder, hath speciall comaundmet, that when any guest cometh with two horses or aboue: that he present his name in wryting to the magistrates. Who immediatly do send one with certaine pottes of wyne, who sayeth these wordes in effect. [In roter Schrift:] Honorable- or- Wurshippfull S.r &c. My Lordes the Magistrates of this Cit­ tie, haue with great ioy vnderstood of your Honors coming to towne. And in token of their good will they present you with these few potts of wyne, which they pray you to take in good part (or if he be a great parsonage then he sayeth) praying you to continew their gratious and favorable good Lord &c. — Who either answereth hym selff, or eis somebody for hym thus: I do most hartely thanck your Lordes for their überall gift and pre­ sent: I will boast thereof and will allwais be inclyned to do them Service wherein I can &c. If he be a prince or such lyke: then they send him a whole wagon with wyne, another with otes, & the third with fish & other victualls. fol. 14 v Customes and prerogatiues of men & women, as well citezens, as others. It is not the maner there as it is in England, that in purchasing or convayance of landes or tenements, contracts of matrimony or such lyke matters of importance, that any man maketh a wryting and setteth to his hand and seall: But is sealed by two of the Comon Counsell. And so it is effec-

Dann gibt es noch je einen Herren für die Steuern, für die Wegegelder und die Zölle. Zwei von ihnen werden Bür­ gerherren genannt, die das Bürgerrecht verleihen. Andere werden Rechnungsherren genannt, lateinisch „Questores“, welche Gelder einnehmen und auszah­ len. Wieder andere sind zuständig für die Gefängnisse, die Feuerwehr, die Siegelaufbewahrung, die Brücken, die Straßen, und dann gibt es noch die Schiedsmänner. fol. 14 r Die Art des Willkommenheißens für Fremde und die Form der W eindarbietung Jeder Gastwirt hat besondere An­ weisung, bei der Ankunft eines Gastes mit zwei oder mehr Pferden dessen Namen schriftlich dem Stadtrat zu melden. Dieser entsendet sogleich je­ manden mit Weinkrügen, der in fol­ gender Weise spricht: Sehr ehrenwer­ ter oder gnädiger Herr: Meine Herren, der Rat dieser Stadt, haben mit gro­ ßer Freude davon erfahren, daß Euer Gnaden in die Stadt gekommen sind. Als Zeichen ihrer Wohlgeneigtheit überreichen sie Ihnen diese Krüge mit Wein, die Sie freundlicherweise an­ nehmen möchten. (Wenn es sich um eine hohe Persönlichkeit handelt) sagt er: ... und bitten Sie, Ihr gnädiger und freundlicher Herr zu bleiben usw. Daraufhin antwortet entweder der Gast selbst oder jemand für ihn: Ich danke euren Herren herzlichst für ihre großmütige Aufmerksamkeit und ihr Geschenk. Ich werde sie rühmen und bestrebt sein, ihnen zu helfen, wann immer ich kann usw. Wenn er ein Fürst oder dergl. ist, schickt der Stadt­ rat einen ganzen Wagen Wein, einen weiteren mit Hafer und einen dritten mit Fisch und anderen Lebensmitteln, fol. 14 v Gebräuche und Rechte der Männer und Frauen, der Bürger und anderer Es ist dort nicht gebräuchlich wie in England, daß beim Kauf oder der Übereignung von Land oder Häusern, bei Eheschließungen oder anderen wichtigen Angelegenheiten jemand ein Schreiben aufsetzt, es unterschreibt und versiegelt; es wird vielmehr von 2 Herren des Größeren Rats versie-

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tuall in their law, or ells not. Therefore need they not many lawyers or scriueners. For except the clarkes of the chauncery and their procurators: I know not aboue two notaries publike in all the cittie. So trew and just are they in their dealings, that their word is as much as an Obligation. In so much that at a fayre tyme, some one man shall deale for 20. 30. or 40. thousand pounds English mony vppon credit without making any bill. Yea some of them & most part will bring home their mony the same day it is dew, or beffore, because he will not haue it reported that he paid after his day. So trew and just are they, that if you lose a purse of mony in the Street, ring, bracelet or such lyke: you shalbe sure to haue it againe. I would it were so in London. fol. 15 r But to say somewhat of purchasing of houses: no stranger or any other not free of their cittie may buy any house in the cittie or yet be suffred to haue his owne fyre. And yet a stranger or any other may buy the same in the name of a citezen. Which citezen geveth the sayd stranger a bill orwryting, confessing that notwithstanding, that the same house was bought in his name: yet was it for the proper vse of such a one, and with his proper mony. And yet cannot the stranger enioy the house, except he kepe the same citezen in house with hym, in whose name the house was purchased. And must pay all tolles and dewties as a stranger, for all such marchandize as he sendeth to or fro, which is one in the hundreth for all maner of silk wares, brought in or carried out. But all maner of wares made in the cittie is free and payeth nothing, except fustions, buckrams, and such lyke woven workes, which payeth hälfe in the hundredth, to say, ten Shillings for 100. pounds worth. But he which is admitted a citezen (which with favour is easely to be had) and for the valew of III pounds English money: Then is he free for all maner of marchandize whatsoeuer, for his owne proper accompt. Neither is he at any maner of charges through out the whole yeare, either for wat­

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gelt und wird damit rechtlich bin­ dend. Sie brauchen daher nicht so viele Juristen und Schreiber. Denn außer den Kanzleischreibern und Ratskonsu­ lenten kenne ich nicht mehr als 2 Notare in der ganzen Stadt. So wahr und gerecht sind sie in ihren Verhand­ lungen, daß ihr Wort als Verpflichtung gilt. Es geht so weit, daß kein Schrift­ stück angefertigt wird, wenn jemand zur Messezeit für 20, 30 oder 40 000 englische Pfund auf Kredit einkauft. Einige von ihnen und sogar die mei­ sten, werden ihr Geld an dem Tage, an dem es fällig ist, bringen, oder vor­ her; sie wollen nicht, daß man ihnen nachsagt, sie haben zu spät gezahlt. So ehrlich und wahr sind sie, daß man jeden Geldbeutel oder jedes Schmuck­ stück, das man auf der Straße verliert, bestimmt wieder zurückbekommt. Ich wünschte, es wäre so in London, fol. 15 r Über den Kauf von Häusern Kein Fremder oder niemand, der nicht freier Bürger ist, darf ein Haus innerhalb der Stadt kaufen oder selbst seinen „eigenen Herd“ haben. Und doch kann jeder Fremde im Na­ men eines Bürgers ein Haus erwer­ ben. Der Bürger gibt dem besagten Fremden ein Schreiben, in dem er be­ scheinigt, daß das betreffende Haus in seinem Namen gekauft wurde, trotz­ dem aber zum Bewohnen für Herrn Sowieso und mit dessen Geld erwor­ ben wurde. Dafür ist der Fremde wiederum verpflichtet, dem Bürger, in dessen Namen er, das Haus kaufte, in demselben auch Wohnung zu ge­ ben. Er muß auch weiterhin als Frem­ der für alle Waren, die er bekommt oder wegschickt, Wegegelder und Zölle zahlen: Für alle Seidenwaren 1 %>; alle Waren, die in der Stadt angefer­ tigt werden, sind zollfrei, außer Baumwollzeug, Steifleinen und ähnliche Webstoffen, für die man 1k %> be­ zahlt, d. h. 10 Shilling für 100 Pfd. Wert. Aber derjenige, der als freier Bürger zugelassen ist (das ist leicht zu haben und kostet ungefähr 3 engl. Pfund), hat alle Waren zollfrei für seine eigene Rechnung. Weiter braucht er das ganze Jahr keine Abgaben zu entrichten für Wache, Aufsicht, Kir­ che, Verwaltung, Straßenreinigung,

MVGN 48 (1958) William Smith

ching, warding, parsons or clarks wages, fol. 15 v scavenger, paving of streets, or any contributions, No although the towne wall did fall downe: The magistrats do build all and pay for all, and that with expedition. If Paules Steeple had bin in that cittie: it had bin builded upp againe 30. yeares agoe. Only once a yeare euery citezen payeth one in the hundredth to the Lordes, of all the mony and marchandize that he is worth. But Landes and Tenements do geue 6. p cento, which payment is called Losung. And the two cheiffest lordes which receaue the same are called Losungers or Losunghers. Yet here is to be noted that looke what a man hath in apparell, housholdstuff, bookes or plate: the same is free & payeth nothing. This freedome hath any that is a citezen. But if any be disposed to be no longer citezen, but will go to some other place to dwell: then shall he pay to the magistrates 10. p cento at the least of all his moueables (nothing at all excepted) which shalbe praised, valued & written. Neither shall he be euer taken in againe to be citezen: but his children may. But if any citezen be comaunded to depart away out of their cittie: then needeth he not to geue any thing at all. And here I haue thought good to sett downe the forme of the letter, that euery citezen must leaue with the magistrates, when he departeth. fol. 16 r out of their cittie (which letter they call A Reuers Letter.) And also their pasport, out of their Chancery for his discharge. The Reuers Letter IN. N. do cause to be knowne vnto all men, that whereas I did geue vpp my citezenshipp of N. in the Counsell chamber beffore the Right Wurshippfull, sage & discreet, Borowmaister & Counsell of the same, my deare Lor­ des, And they favourable accepting the same: Do confesse therfore by these presents, that for all matters (nothing excepted) touching my said Lordes, as the weale publike of their cittie or their citezens: I my seife or my lawfull attorney, through frendly

fol. 15 v Straßenbau oder sonstiges. Selbst wenn die Stadtmauern Umfallen, baut der Rat sie sofort wieder auf und bezahlt alles. Wenn der Kirchturm der St Pauls Cathedrale in dieser Stadt stünde, wäre er schon vor 30 Jahren wieder aufgebaut worden. Nur einmal jährlich bezahlt jeder Bürger Vioo sei­ nes Geldes und seiner Waren an den Rat, aber für Ländereien und Häuser muß er 6°/o geben, was Losung ge­ nannt wird. Die beiden höchsten Stadt­ räte, die das Geld einnehmen, heißen Losunger. Doch hier muß hinzugefügt werden, daß alles, was man an Klei­ dung, Haushaltssachen, Büchern oder Silber besitzt, frei von Abgaben ist. Diese Freiheit hat jeder Bürger. Sollte aber jemand sein Bürgerrecht aufge­ ben, um woanders zu wohnen, dann muß er 10°/o von seinem beweglichen Gut — nichts ausgenommen — abge­ ben; es wird abgeschätzt und dann schriftlich bestätigt. Er selbst kann nie wieder Bürger der Stadt werden, wohl aber seine Kinder. Wird aber ein Bür­ ger aus der Stadt ausgewiesen, braucht er gar nichts abzugeben. Hier halte ich es für angebracht, die Form des Brie­ fes wiederzugeben, den jeder Bürger beim Verlassen der Stadt beim Stadt-

fol. 16 r rat hinterlegen muß. (Dieser Brief wird der Reversbrief genannt.) Man erhält auch noch einen Geleitbrief von der Kanzlei. Der Revers: Ich, N. N., möchte allen bekanntgeben, daß ich mein Bürger­ recht der Stadt Nürnberg im Rathaus im Beisein der gnädigen, weisen und verständigen Herren Bürgermeister und Räte aufgegeben habe, was gnä­ dig gewährt wurde. Ich erkläre hier­ mit, daß ich bereit bin, in allen Rechts­ fragen, ohne Ausnahme, die das öf­ fentliche Interesse der genannten Her­ ren, des Rats der Stadt, oder deren Bürger betreffen, entweder selbst oder durch meinen rechtmäßigen Vertre­ ter in freundlicher Weise mit den 223

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meanes, shall take the law, of my said Lordes, the counsell of Nor: beffore any Romish Emprour or king, that is or shalbe, or beffore the counsell of the citties of Winsheim or Weissenburg. But if the matter do touch their citezens, tenants, poore people, or their goods: then will I parsonally my seife, or through my lawfull attomey, in frendly maner, cyte them before the Imperiall Judge & Tribunall Seat of Nor: or in such places wherein they do apartaine, & where they do appoint me. But if the Borowmaister & Coun­ sell haue or shall haue any thing to say vnto me, for matters that haue chaunced or passed in the tyme I was citezen: fol. 16 v then will I within a yeare next after the date hereof answere them beffore any Romish Emprour or king or bef­ fore the Counsell of the said citties of Winsheim & Weissenburg or the Im­ periall Judge of the Judgement Seat of Nor. Also that I will pay them all dewties & contributions of all my goods & substance in accustomed ma­ ner as is vsed of all my moueables or vnmoueables or howsoeuer the same may be named, nothing excepted that is dew vnto me or shal be dew hereafter, either through marriage, inheritance, gift, or otherwise within or without the cittie, in what maner soeuer it hath chanced or shall hoppen, which doth or ought to pay any Losung to the Counsell of this cittie, and all thinges remayning vnpayd beffore the date hereof: to discharge them presently. I will also not tarry or dwell within a league of the cittie, except I haue leaue of my said Lor­ des & Counsell of the same cittie. And when I come to Noremberg, I will go to a comon inne, which kepeth ordynary table and there spend my mony as other guests do, and not by any of my frendes or kinsfolkes. And to board in no place and no longer, then it pleaseth my said Lordes to geue me leaue or do thinck good. Also whatsoeuer fol. 17 r inheritance or others I haue gotten within the cittie or jurisdiction therof or shall otherwise belong vnto me: The same shall I seil within a yeare 224

Stadträten zu Nürnberg vor dem Ge­ richt des Römischen Kaisers oder Kö­ nigs, dem jetzigen oder zukünftigen, oder vor dem Stadtrat der Städte Windsheim oder Weißenburg, zu er­ scheinen». Sollte es sich um Rechtsfra­ gen mit Bürgern, Mietern oder armen Leuten oder deren Vermögen handeln, dann will ich persönlich oder mein rechtmäßiger Vertreter sie in freund­ licher Weise vor das Reichiskammergericht oder das Stadtgericht von Nürnberg laden, oder vor die Ämter, die für sie zuständig sind oder wohin sie mich laden. Aber sollte der Bür­ germeister und Stadtrat irgendeinen Anspruch an mich haben aus der Zeit, zu der ich Bürger der Stadt war, so fol. 16 v werde ich vor Ablauf eines Jahres, vom Tag der Abgabe dieser Erklä­ rungen, mich vor einem römischen Kaiser oder König oder vor den Räten der Städte Windsheim und Weißen­ burg oder vor dem Reichsrichter des Gerichtes Nürnberg verantworten. Ebenfalls will ich alle Steuern und Abgaben von meiner ganzen Habe in gewohnter Weise von meinem beweg­ lichen wie unbeweglichen Vermögen bezahlen, nicht ausgenommen das, was mir durch Heirat, Erbschaft, Schen­ kung oder sonstwie innerhalb oder außerhalb der Stadt zufällt oder zu­ fallen wird, von allem, wofür Losung an den Stadtrat gegeben werden muß: ferner werde ich all meine Schulden sofort bezahlen. Ich verpflichte mich, nicht innerhalb einer Meile im Um­ kreis der Stadt zu bleiben oder zu wohnen, es sei denn, ich habe die Er­ laubnis der Herren des Rates. Sollte ich nach Nürnberg kommen, werde ich in einer öffentlichen Herberge bleiben und dort mein Geld wie jeder andere Gast ausgeben und nicht bei einem Bekannten oder Verwandten wohnen. Ich werde mich nur solange aufhal­ ten, wie es die Herren des Rats für gut halten und mir Erlaubnis geben.

fol. 17 r Ferner will ich jeglichen Besitz, den ich innerhalb der Stadt oder deren Gerichtsbezirk erworben habe oder mir sonst gehört, im Laufe eines Jah-

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after the date hereof to the citezens of this cittie & to none ells. Which if I do not: Then may the Worshippfull Counsell of the cittie take the same into their owne handes and vse the same at their pleasures, vnhindred of me or any for me, as I haue promised to performe all the premisses here beffore contayned: And haue sworne an oath vnto Almightie God. In wittnes whereof I haue earnestly desyred the wurshippfull P. L. and M. S. both of the Comon Counsell of this cittie to put to their sealles. Which we the said L. & S, haue done, yet not to any da­ mage for vs our heires. Dated in N; the... day of... &c. The Pasport. We Borow-maister & Counsell of the Cittie of N: do acknowledge openly and cause to be knowne vnto all men, That W. S. who a certaine tyme was our sworne citezen: The said W. S. did all the tyme of his citezenshipp be­ haue hym selff ciuilly. And according to the Orders of our cittie hath yelded vpp the same and with our good willes is quitt thereof: And so honestly hath taken this his pasport. In witt­ nes &c. fol. 17 v Of their Marriages. If any do contract marriage without consent of their parents or frendes: then are the parents not bound to geue anything with them. Such mar­ riages are called Corner Marriages: But the comon and right maner of proceeding therein, is thus. First he that is to be married, sendeth III or IV of his cheiffest frendes to the fathers house of the Damseil, to demand her in marriage. Who being brought into a parier: there doth as many of her frendes stand on the other syde of the parier, and then one of his frendes sayeth in effect as followeth: Wurshipp sirs, Our kinsman & frend N. L. desyreth your doughter (ore neece &c.) to be geuen hym in lawfull matrimony, wherfore we pray you of your fauorable & determinate answere. Then doth her frendes comonly desyre III weekes or a monthes respyte to conferr with the rest of their frendes (who per adventure are out of towne) or with the maid her selff, who oftentymes knoweth nothing 15

res an einen Bürger der Stadt und an niemanden sonst verkaufen. Sollte ich mein Versprechen nicht halten, kann der ehrbare Rat der Stadt meinen Be­ satz übernehmen und darüber unge­ hindert und nach seinem Belieben ver­ fügen. Für alle Versprechen, die ich gegeben habe, habe ich bei Gott dem Allmächtigen einen Eid geschworen. Als Zeugen hierfür habe ich die ehr­ baren Herren P. L. und M. S., beide Genannte des größeren Rates, gebe­ ten, zu siegeln. Wir, die genannten L. S. haben gesiegelt, ohne daß wir oder unsere Erben irgendwelche Ver­ antwortung übernehmen. Datiert in N., am Tage... usw. Der Geleitbrief Wir, der Bürgermeister und Stadt­ rat zu Nürnberg, zeigen hiermit an und geben öffentlich bekannt, daß William Smith, der eine Zeitlang un­ ser geschworener Bürger war, sich im­ mer ordentlich verhalten hat. Er hat gemäß den Anordnungen der Stadt das Bürgerrecht aufgegeben und verläßt sie frei durch unsere Gunst. Dieser Geleitbrief wurde ehrlich erworben ... Zeugen, usw. fol. 17 v

Über ihre Heiraten Wenn jemand eine Ehe ohne Er­ laubnis der Eltern oder Freunde schließt, brauchen die Eltern keine Mitgift zu geben. Solche Ehen nennen sie „Winkelehen“. Der normale und richtige Vorgang bei der Heirat ist folgender: Derjenige, der zu heiraten beabsichtigt, entsendet 3 oder 4 seiner besten Freunde in das Vaterhaus des Mädchens, damit sie um ihre Hand anhalten. Sie werden in das Gastzimmer geführt, wo sich die Freunde des jun­ gen Mädchens und die des jungen Mannes gegenüberstehen. Einer spricht: Ehrbare Herren, unser Verwandter und Freund möchte, daß Sie ihm Ihre Tochter, Nichte usw. zur Ene anver­ trauen und bitten um Ihre zustim­ mende und entscheidende Antwort. Gewöhnlich erbitten die Verwandten des Mädchens 3 Wochen oder einen Monat Wartezeit, um mit den übrigen Freunden, die vielleicht verreist sind, zu beraten, oder mit dem Mädchen selbst, das oft nichts von der Sache weiß, bis alles beschlossen ist — was

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of the matter, tili they haue concluded. Which in my opinion is not to be comended. But being once agreed: then they send for the bryde, and the brydegrome taketh her by the hand. And imediatly all the kindred (so many as is there present) do also geue them their hands, wishing them joy. fol. 18 r Then are the couennants drawne out in wryting, sealed with two of the Comon Counsell: and the day of marriage agreed vppon. Which marriage daies are alwaies on Mondayes, Tewsdayes or Wensdaies. Six dayes beffore the marriage, they wryte vpp the names of all those which they will haue bidden to the wedding and deliuer the same to one, whose Office is to bidd to weddings and burialls (whereof there is about 12. in all). This man goeth in stately maner with a man wayting on hym, from one to another, noting all them that promise to come, tili he haue his just nomber, for aboue 60. there may not come to supper (which is 5. tables, and 12. at euery table). But to go to church with them: They may haue as many as they will or can gett to come. And therfore when there is a man & his wyfie bidden to the marriage (for they bidd none but maried folkes), comonly they go both of them to the church: and but one of them to the feast, which is alwaies a supper. The wordes which the wedding bidder speaketh, are these in effect: Wurshipfull S.r I am sent vnto you by the two fathers N. W. & R. C: with the brydegrome F. D. and the verteous maid M. K. his betroathed bryde. Who most earnestly pray & desyre you & your bedfellow, on Tewsday next to go with them to the Christian church to the fol. 18 v solemniation of their marriage, which shal be at the Church of St. Sebald at Service tyme. And moreover they pray you both, that you will honor them with your presence at supper the same day, which supper shal be kept in the house of D. L., at 6. of the clock, at euening. In recompence whereof the said parents, brydgrome & bryde wil be redy at all tymes to do the lyke for you or yours. 226

meiner Ansicht nach nicht gerade emp­ fehlenswert ist. Sobald man sich einig ist, wird die Braut herbeigerufen, der Bräutigam nimmt sie bei der Hand und sogleich reichen ihnen alle Anwesenden die Hand und wünschen ihnen Glück. fol. 18 r Dann wird der Ehekontrakt ausge­ schrieben und von zwei Herren des größeren Rats besiegelt, und der Hoch­ zeitstag wird festgelegt. Heiratstage sind immer montags, dienstags oder mittwochs. 6 Tage vor der Hochzeit werden die Namen aller Gäste aufge­ schrieben und die Liste einem Mann überbracht, der für die Hochzeiten und die Begräbnisse die Einladungen überbringt (es gibt ungefähr 12 dieser Männer in Nürnberg). In würdevoller Weise, gefolgt von einem Diener, be­ nachrichtigt dieser Mann einen nach dem anderen und notiert die Zusagen, bis er seine richtige Zahl hiat. Denn über 60 Personen können nicht zum Essen kommen; es gibt nämlich 5 Tische mit je 12 Plätzen. Zur Kirche können so viele kommen, wie wollen. Wenn also ein Mann und seine Frau geladen sind (und es werden nur ver­ heiratete Leute eingeladen), gehen ge­ wöhnlich beide mit in die Kirche, doch nur einer mit zum Festmahl, das im­ mer ein Abendessen ist. Der Hoch­ zeitslader spricht folgendes: „Ehrba­ rer Herr, ich komme im Namen der beiden Väter, N. W. und R. C. und des Bräutigams F. D. und des tugend­ haften Mädchens M. K., seiner Braut. Sie alle bitten herzlich, daß Sie und Ihre Frau am kommenden Dienstag zur Gottesdienstzeit zur kirchlichen fol. 18 v Trauung in St. Sebald kommen möch­ ten. Sie bitten weiterhin um die Ehre Ihrer Anwesenheit beim Abendessen am gleichen Tag. Das Essen wird im Hause des D. L. um 6 Uhr abends sein. Die Eltern sowie die Braut und der Bräutigam werden als Gegenleistung gerne zu jeder Zeit für Sie und Ihre Verwandten das Gleiche tun.“

MVGN 46 (1956) William Smith

When the day of marriage is come: certaine of the neerest frendes are bidd home in the moming to break­ fast. Which done, they go into the church (I meane the men only). And in the middest of the church the bryde grome standeth betwene the two fathers, tili all they that be bidden be come. Who coming first to the brydegrome, do take him by the hand saying: I wish you good fortune to the holy estate of matrimony. And then taking the fathers also by the hand, do say: I wish you good fortune to your new kindred. When they be all come together: then do they go in comely & decent Order, III & III in a ranck, and fetch the bryde. Who cometh forth with all the women after her, III & III in a ranck, and on ech syde of her a maid, all III in costly apparell and garlands of pearle on their bare heads. But if she be one of the gentilitye: fol. 19 r

Wenn der Hochzeitstag gekommen ist, werden die besten Freunde zum Frühstück geladen, wonach die Män­ ner allein in die Kirche gehen. In der Mitte der Kirche steht der Bräutigam zwischen den beiden Vätern bis alle Eingeladenen dort sind. Die Gäste gehen zuerst zum Bräutigam, reichen ihm die Hand und sagen: Ich wünsche Dir alles Gute zum Ehestand. Dann reichen sie den Vätern die Hand und sagen: Ich wünsche Ihnen alles Gute zu Ihrer neuen Verwandtschaft. Wenn sie alle versammelt sind, gehen sie, geordnet in Dreierreihen, um die Braut abzuholen. Sie tritt aus dem Hause, gefolgt von den Frauen, auch in Reihen zu dritt, und an jeder Seite geht eine Brautjungfer — alle drei in kostbarer Kleidung und Perlenschmuck

Then hath she a coronall of gold on her head and is ledd betwene two magistrates. Being come nere to the church: they that kepe watch in the steeple, do sound their trompetts. And so lykewise when they retome back againe. So soone as theiy come into the church, they are presently maried. And after some musick & playing on the Organes: they retorne againe in the same order, tili they come to the house dore, where they stay, and lett the bryde & women go in. Then do the II fathers thanck the rest of the men, in this maner following: Wurshypfull Sjs We two fathers, brydgrome & bryde & the whole kindred, do thanck your worshipps for your paynes taking in going with vs to the Holy Church: being alwaies redy to recompence the same, wherein we shal be able.

auf dem Kopf. Stammt die Braut aber aus einer Patrizierfamilie, trägt sie eine kleine Krone aus Gold auf ihrem Kopf und wird von zwei Herren des Rats geführt. Sobald sich der Zug der Kirche nähert, blasen die Turmwäch­ ter in ihre Posaunen und ebenso, wenn er die Kirche wieder verläßt. Nach dem Einzug in die Kirche wird das Brautpaar sofort getraut, und unter Musik und Orgelspiel verlassen sie die Kirche wieder in der gleichen Ord­ nung. Zu Hause angekommen, betre­ ten die Frauen zuerst das Haus. Dar­ aufhin danken die beiden Väter den übrigen Männern mit folgenden Wor­ ten: „Ehrbare Herren! Wir, die zwei Väter, der Bräutigam und die Braut und unsere Verwandtschaft danken Ihnen für die Aufmerksamkeit, die Sie uns mit der Begleitung zur Kirche er­ wiesen haben. Wir werden immer, wenn möglich, bereit sein, dasselbe für Sie zu tun.“ Nach dem Abendessen tanzen sie dann bis 10 Uhr (denn länger ist es nicht erlaubt). Und damit ist der erste Hochzeitstag vorüber. Am Abend des zweiten Tages werden unverheiratete Männer und Frauen und die nächste Verwandtschaft zum Essen gebeten, und anschließend wird wieder bis 10

The same night after supper is finished, they haue dancing tili 10. of the clock (for lenger they may not be suffred). And so the first day of the wedding is accomplished. The second day at night they bidd certaine batchelors and maids and the cheiffest of their kindred to supper, and haue 15 *

fol. 19 r

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MVGN 48 (1958) William Smith

dancing againe tili ten of the clock: and then it is wholy finished. But yet by the way I must say somwhat to confute such as say, that a man cannot dwell amongst those people: but he shal be sometymes overseene in drinck. fol. 19 v The contrary whereof I can most truly justifye. For during the tyme I continewed & dwelt amongst them (which was 20. yeares together) I was neuer overtaken with that vice, neither would be, if I should be there as long againe. For here in this high countrey, they will accept a mans excuse for drincking: which they will not do in Saxony. And those which are so soone ouertaken, are comonly such aswill seeme to challenge others, who stryving for themaistry: are soonest overcome them selues. Although the other be also oftentymes sore wounded with the lyning of the goblett. Of their Christnings. At their christnings, they vse not many ceremonies. For comonly there goeth none to church with the chyld, but women and children. The children go beffore, and next beffore the midwyffe (who carrieth the chyld) goeth a litte boy, if it be a manchyld, or a girle if it be a wench/&c. carrying of a stick, made and painted lyke a taper of wax. After the christning (which is alwais at two of the clock in the afternoone) then they haue a banket & so that matter is finished also. But here in this countrey if it be a boy, then they haue but one godfather, and to a girle one godmother. The women do lye 6. weekes in childbedd: and then go alone to the church, without any other Company or any other a doe. fol. 20r Of their Burialls. When any of them dyeth: then do they wryte upp the names of their cheiffest and neerest frends and deliuer the same to a bidder of guests, as if it were to a wedding: And these so bidden are all called mourners. The bidder goeth from one to another saying thus: Wurshippfull Sr. It hath pleased Almighty God to call R. N. out of this vale of misery: And the 228

Uhr getanzt, — und damit ist alles vorüber. Hier muß ich den Leuten wider­ sprechen, die behaupten, daß man mit den Nümbergern nicht Zusammenle­ ben kann, ohne manchmal betrunken zu sein. Ich kann nur das Gegenteil fol. 19 v behaupten, denn während der 20 Jahre, die ich dort gewohnt habe, bin ich die­ sem Laster nicht verfallen und würde es auch nicht, sollte ich noch weitere 20 Jahre dort leben. Denn hier in die­ sem hochentwickelten Land wird im­ mer Rücksicht genommen, wenn man nicht mittrinken will, ganz im Gegen­ satz zu Sachsen. Die Betrunkenen, die man hier sieht, kommen gewöhnlich von einem Trinkwettstreit, bei dem Gewinner und Verlierer zu tief in den Becher geschaut haben. Freilich: Die andern werden auch oft bei dem Be­ chern schwer verwundet. Die Taufen Bei ihren Taufen machen sie nicht viel Feierlichkeiten. Meistens gehen nur Frauen und Kinder mit in die Kirche. Voran gehen die Kinder und vor der Hebamme, die das Kind trägt, geht entweder ein Junge oder ein Mädchen, je nach Geschlecht des Täuf­ lings, mit einem bemalten Stock, der wie eine Kerze aussieht. Nach der Taufe, die immer um 2 Uhr mittags ist, geben sie ein Festmahl, und das ist alles. Hier in Deutschland hat je­ der Junge nur einen Paten und jedes Mädchen nur eine Patin. Die Frauen liegen 6 Wochen im Kindbett, danach gehen sie allein und ohne weiteres Aufsehen in die Kirche. fol. 20 r

Vom Begräbnis Wenn einer von ihnen stirbt, dann werden die Namen der nächsten Ver­ wandten und Freunde aufgeschrieben und die Liste dem Leichenbitter über­ geben, genau wie bei einer Hochzeit. Alle Eingeladenen nennt man die Trauernden. Der Leichenbitter geht von einem zum anderen und spricht: „Ehrbarer Herr, es hat Gott dem Herrn gefallen, R. N. aus diesem Jammer-

MVGN 46 (1956) William Smith

whole kindred do pray you to morow at noone to be amongst the moumers, who do meet at the house of M. P. Scituate in the N. Street &c. The next morning, the name & title of the dead is written vppon a peece of paper and carried to hym, who is Lord over the Church, or Church Lord, as they call him, who must allow or disallow of the title (wherein the Duchmen of all nations be most curious). Then is it so faire written with choak vppon a blackbord or table and hanged vpp in euery church one. About ten of the clock all the belles at euery church do ring. Then do such as know not of the death of the party: go into the church and reed his name. Who knowing the same to be of his acquaintance or otherwise hath bin heretofore beholdenvnto him will per aduenture accompany the corps. At XII of the clock at noone which is alwais konwne by ringing of a great bell, and hath so continewed, sinee the An.o 1529

Turk beseeged Vienna An.° 1529) the mourners do meet at the house beffore appointed. The fol. 20 v cheiif mourner standeth in the middest, and on ech syde of him two of the next kindred. Whom euery one that cometh, taketh by the hand saying: Your heauynes is sorowfull vnto me — or as we say in England, I am sory for your heauynes. These are all in mouming cloakes, of their owne cost.

When all the mourners be come together: then they go into the church and stay there about hälfe an houre. There do all the other (who come voluntary of them selues) take the cheiif mourners by the hand, saying: your heauines is sorowfull vnto me, others say: Blessed are the dead which dye in the Lord. After they go in comely Order (the children of the Hospitall or poore Scollers first), then the preests, and so III & III in a ranck: to the house of the deceased, beifore whose dore leaneth IV long polles, painted bloud redd. and vnder the very dore, a fyne whyte linnen cloth wrought throughout with open work, that it seemeth rather a nett then any thing ells. When they come beifore

tale abzurufen, und alle Verwandten bitten Sie, morgen mittag bei den Trauernden zu sein. Sie treffen sich im Hause des M. P. in der N. Straße.“ Am nächsten Morgen werden Name und Titel des Verstorbenen schriftlich dem sog. Kirchenpfleger überbracht, welcher die Richtigkeit prüft (worin die Deutschen vor allen Nationen peinlich genau sind). Daraufhin wird in jeder Kirche der Name des Verstor­ benen schön mit Kreide auf eine schwarze Tafel geschrieben und auf­ gehängt. Um 10 Uhr läuten die Glokken aller Kirchen, dann gehen die­ jenigen, die nichts von dem Tode ge­ hört haben, in die Kirche und erfah­ ren dort den Namen des Verstorbenen. Sollten sie ihn gekannt haben oder sollte er ihnen einmal geholfen haben, so schließen sie sich eventuell dem Leichenzug an. Um 12 Uhr mittags ver­ sammeln sich die Leidtragenden vor dem genannten Haus. Dies wird durch Schlag mit einer großen Glocke be­ kanntgegeben, und es wird so ge­ macht seit der Belagerung Wiens durch die Türken Anno 1529. fol. 20 v Der Haupttrauernde steht in der Mitte und neben ihm zwei der näch­ sten Anverwandten. Jeder der An­ wesenden gibt ihnen die Hand und sagt: „Ihr Kumer tut mir leid“ — oder wie wir in England sagen: „Ich bin traurig wegen Ihres Kummers“. Nach­ dem sie sich alle versammelt haben, gehen sie für eine halbe Stunde in die Kirche. Inzwischen kommen auch die Nichtgeladenen, geben den Trau­ ernden die Hand und sagen: „Ihr Kummer tut mir leid“, andere sagen: „Gesegnet seien, die im Herrn ent­ schlafen“. Alle tragen eigene Trauer­ kleidung. Sie gehen in folgender Ord­ nung zum Trauerhaus: Zuerst die Kin­ der des Spitals oder arme Schüler, dann die Priester und zuletzt alle üb­ rigen in Dreierreihen. Gegen die Tür des Trauerhauses gelehnt stehen vier blutrot gestrichene Stangen und unter der Tür liegt ein feines weißes Leinen­ tuch in Hohlisaumarbeit, das wie ein Netz aussieht. Priester und Kinder singen ein kurzes Lied und 4 der grö­ ßeren Kinder nehmen die 4 roten Stan­ gen und gehen voran, dann folgen die 229

MVGN 48 (1958) William Smith

the house: the children and the preests beginn to sing a small tyme. And 4. of the biggest children take vpp the 4. redd polles and go on formost. After them the rest of the boyes & the preests VI in nomber. Then do they bring the corps carried on mens Shoul­ ders, afterwhom followeth all the wo­ men, which are or do come into the house (for none of them cometh into the church). When all the women be past: then do the men follow in Order fol. 21 r none buried within the cittie as beffore, tili they come almost to the towne gates (for they bury none wi(thin the cittie): then do all the mourners go into a house, letting the corps, with the children, preests and women pass forth. The III cheiffest mourners standing formost within the housedore: all the rest which are in the Street, do by III & III pass along by the said mourners making low curtesy to them. And so all is finished, without any banqueting or feasting. The inventory of the deceased, whether he be stranger or other: must within a month after the buriall be brought into the Court of Orphanes, where security shal be taken for answering of the same. Thai the frendes of the deceased coming at any tyme afterwards: may be assured therof. Of their Prouision for the Poore. Besydes dyuers almes houses and their goodly, fayre and large New Hospitall: they geue a weekly almes to the poore. For none may be suffred to begg within the cittie, neither old nor yong. And wheneas there are many poore children which go to scoole, and were alwaies wont at noone and at night tyme to begg in the streets, at euery mans dore, with singing of Psalmes: Now there is such Order taken, that they do only euery Monday, Wensday and Fryday go fol. 21 v along through the streets singing. Two of them carriing of basketts, wherein they put the bread which is geuen them: and other two haue boxes, wherein they putt their mony. 230

übrigen Knaben und vier Priester. Männer tragen auf ihren Schultern den Leichnam heraus, gefolgt von den Frauen, die im Hause versammelt sind (denn keine von ihnen geht mit in die Kirche), ihnen folgen alle Männer in geordneten Reihen. Sie ziehen bis kurz

fol. 21 r

vor das Stadttor. Hier gehen die Leid­ tragenden in ein Haus, der übrige Lei­ chenzug zieht an ihnen vorüber, wäh­ rend die drei Hauptleidtragenden in der Haustür stehen. Alle übrigen ver­ beugen sich tief vor den Leidtragen­ den, wenn sie in Dreierreihen an ihnen verbeischreiten. Und damit ist dann auch alles zu Ende ohne Feier und Festlichkeit. Innerhalb eines Monats nach dem Begräbnis muß eine Liste des Inven­ tars des Toten, auch wenn er ein Fremder war, zum Vormundsamt ge­ bracht werden. Es wird alles sicher aufbewahrt und verwaltet, so daß die Angehörigen jederzeit alles in bester Ordnung finden.

Von ihrer Armenversorgung Neben einigen Armenhäusern und ihrem guten, schönen und großen Neuen Spital geben sie ihren Armen noch ein wöchentliches Almosen. We­ der alt noch jung darf in der Stadt betteln. Und obwohl es viele Schul­ kinder gibt, die gewöhnlich mittags und abends mit Psalmensingen in den Straßen und vor den Haustüren bet­ telten, ist es jetzt so geregelt worden, daß sie nur montags, mittwochs und freitags singend durch die Straßen gehen dürfen. Zwei von ihnen tragen Körbe, in die sie das Brot legen, das sie bekommen, und zwei tragen eine Büchse für das Geld.

MVGN 46 (195«) William Smith

Prouision for the Sick. Less then a quarter of an English myle from the cittie (which is of lyke distance that their buriall places are) is the goodly new buildings called The Lazaret, furnished throughout with seuerall fayre roumes, bedds, cleane linnen, Doctors, Surgions, women to attend the sick, fresh fountains of water, besydes the ronning riuer hard by, and all other things thereunto belonging: That it is seldome seene, that any dyeth that is brought thither. But so soone as he is recouered: goeth home again to his owne house. Such lyke lazaret haue I often wished, as is now in building, betwene London & Islington. I pray god it may come to some good effect.

Die Krankenversorgung Weniger als eine viertel englische Meile von der Stadt entfernt (auch ihre Friedhöfe liegen in dieser Ent­ fernung), ist das schöne, neue Ge­ bäude, Lazarett genannt. Es hat schöne Zimmer und ist mit guten Betten aus­ gestattet, sauberem Bettzeug, Brunnen mit frischem Wasser, und gleich neben­ an ist der Fluß. Es hat alles, was zu einem guten Hospital gehört, nicht zu­ letzt Ärzte, Wundärzte und gutes Pflegepersonal. Es kommt selten vor, daß dort jemand stirbt, die meisten werden wieder gesund und können nach Hause zurück. Ein solches Laza­ rett habe ich mir oft in England ge­ wünscht. Jetzt wird eines zwischen London und Islington gebaut und ich wünsche bei Gott, daß etwas Gutes daraus wird.

Prouision for fyre. This is worthy the noting: That when any house chaunceth to be on fyre (yea although it be but a chimney) and that the flame is seene to ryse III foot high: Then do they which kepe watch, smyte the fol. 22 r belles. The gates are shutt, all the cittie vpp in armour with their captaines and all other furniture therunto belonging placed in battaill array: as if the enemye were alredy entred. He that is first on horseback in the market place (or anyother of the 4 places where the horsemen do meet) hath 100. florins, the second 50. the third 25. and all the rest 6. florins a peece. Euery man knoweth what he hath to do. Those which carry ladders, water and bucketts: are the carmen and porters of the cittie, who are sworne therunto: when they are first admitted to be porters. He that bringeth the first ladder or fyre hook hath a florin, the second half a florin, the third a quarter of a florin: and all the rest the sixt part of a florin a person. No man needeth to trouble him seif further then his Charge is. They rönne not on heapes, as they do in London, without either rule or order.

Vorkehrungen gegen Feuer Folgendes ist besonders bemerkens­ wert. Wenn irgendein Haus Feuer fängt (und sei es nur ein Kaminbrand), und die Flammen einen Meter hoch steigen, dann läuten die Wächter die fol. 22 r Alarmglocken. Die Tore werden ge­ schlossen, und die ganze Stadt läuft wohl ausgerüstet mit allem, was ge­ braucht wird, in Kriegsordnung zu­ sammen, als ob der Feind in die Stadt eingebrochen wäre. Derjenige Reiter, der zuerst auf dem Marktplatz oder auf einem der vier Versammlungs­ plätze für Reiter ankommt, erhält 100 Gulden, der Zweite 50 und der Dritte 25, alle übrigen bekommen 6 Gulden pro Kopf. Jeder Mann weiß, was er zu tun hat. Die Fuhrleute und Träger der Stadt tragen die Leitern, Eimer und Wasser. Sie haben bei ihrer Auf­ nahme einen Eid abgelegt, das zu tun. Der erste, der eine Leiter oder einen Feuerhaken bringt, bekommt einen Gulden, der zweite einen halben und der dritte einen viertel Gulden — und alle übrigen ein Sechstel Gulden pro Kopf. Jeder braucht nur eine be­ stimmte Arbeit zu verrichten. Sie lau­ fen nicht in Massen durcheinander wie in London, ohne Regeln und Anwei­ sungen. 231

MVGN 48 (1958) William Smith

What nomber of men fhe cittie *is äble to make And here hauing occasion to speak of captains and order of battaill: Some man per aduenture would willingly know of what force the cittie is: and how many able men of warre it is able to make. Whereunto I say, that the comon report goeth there, that they are able to make 80. thousand men in houres warning to go out into the feild against the enemy: and yet leaue the cittie fully furnished for defence thereof. fol. 22 v

Wieviel Soldaten die Stadt aufstellen kann Da ich hier von Heitern und Schlacht­ ordnung gesprochen habe, möchte viel­ leicht mancher wissen, wie kriegsstark die Stadt ist, und wieviel Soldaten sie aufstellen kann. Man sagte mir, daß 80 000 Mann zur Stunde des Alarms ins Feld geschickt werden können, um gegen den Feind zu ziehen, und trotz­ dem noch genügend da wären, um die Stadt zu verteidigen. Aber ich habe genau nachgeforscht und die Ange­ legenheit geprüft und finde die Zahl viel kleiner; statt 80 000 sollte man 18 000 sagen, fol. 22 v

But I hauing dewly enquired and examined this matter, do fynd the same much less, and in the place of eightie thousand: eightene thousand should be pronounced. Punishment of Malefactors Every one that is brought into prison for any matter worthy of death: is racked beffore two of the magistrates, and his confession taken in wryting. Düring the tyme he lyeth in prison: they write to other citties, letting them vnderstand, that they haue such a one in hold, and what he hath confessed. Sometymes there cometh more matter from other places. Three dayes beffore the execution, he hath warning geuen him to prepare himself to dye. Düring which III daies, there is alwais a preacher with him, ys watched day and night and hath geuen whatsoeuer he desyreth, either of meat or drinck. When the day of execution cometh (which is comonly on a tewsdy or thursday), he is brought beffore the judge, who sitteth with a whyte rodd in his right hand, and with his left hand holdeth a short two hand sword, with a paire of gantletts hanging at the cross, and about XII. of the mamistrates, to say, on ech hand VI. Then is his confession redd aloud by the clark, at the later end whereof is written thus: Which being against the fol. 23 r La wes of the Holy Homish Empire: My Lordes haue decreed and geue sentence that he shal be &c.

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Bestrafung der Verbrecher Jeder, der ein Verbrechen began­ gen hat, das mit dem Tode bestraft wird, wird in Gegenwart von zwei Herren des Rats gefoltert und sein Geständnis wird schriftlich nieder­ gelegt. Währender im Gefängnis liegt, verständigt man die anderen Städte, daß der Mann gefangen wurde und was er gestanden hat. Manchmal kommen noch andere Beschuldigungen aus an­ deren Orten hinzu. Drei Tage vor der Hinrichtung wird er aufgefordert, sich auf seinen Tod vorzubereiten. Wäh­ rend dieser drei Tage ist immer ein Priester bei ihm. Er wird Tag und Nacht bewacht und bekommt an Essen und Trinken alles, was er sich nur wünscht. Am Tage der Hinrichtung (gewöhnlich an einem Dienstag oder Donnerstag), wird er vor den Richter gebracht. Dieser hält in seiner rechten Hand einen weißen Stab und in der linken ein kurzes zweihändiges Schwert mit ein Paar Handschuhen am Schwert­ kreuz. Rechts und links von ihm sitzen je 6 Ratsherren. Der Schreiber liest fol. 23 r das Geständnis laut vor und am Schluß desselben heißt es: ... welches gegen das Gesetz des Heiligen Römischen Reiches ist, und deshalb haben meine hohen Herren ihn verurteilt zu ... usw. Der Richter fragt jeden Beisitzer,

MVGN 4« (1958) William Smith

Then doth the Judge ask euery one of the Lords particulerly, beginning wlth the yongest first, saying: Sr. N How doth the sentence please you. Who answereth: What law and justice is, pleaseth me. Then doth the Judge say thus to the Hanginan: Executioner, I comaund thee, in the name of the Holy Romish Empire, that you carry hym to the place of execution/ &c. / And so he is presently carried to the gallows, which is about a flight shoot, from the cittie. If it be for theft, then he is hanged, yet a citezen hath such favour, that he is beheaded with the sword. If it be for wilfull murther: then is hepinched with hott tongs & broken with the wheele. He that setteth any mans house, barne or stable on fyre: is burned. The women are for all offences drowned. He that sweareth a false oth: hath the II ioynts of his formost fingers cutt away, and cast into the riuer. He that blashemeth God: hath the end of his tong cut out & cast into the riuer. Other offences which be not so haynous, the oifenders are only whipped out of the towne with a rodd by the hangman & banished. But sometymes the offence is such, that the rodd is poisened. And he whipped in such sort, that he liueth not long after. fol. 23 v

mit dem Jüngsten angefangen: „Herr N. sind Sie mit meinem Urteil einver­ standen?“ Worauf ein jeder antwor­ tet: „Was Recht und Gesetz ist, er­ kenne ich an.“ Dann spricht wieder der Richter: „Henker, ich befehle Dir im Namen des Heiligen Römischen Reiches, den Mann zur Hinrichtung zu führen, usw.“ Er wird sofort zum Gal­ gen geführt, einen Pfeilschuß von der Stadt entfernt. Für Diebstahl wird man gehängt, doch kann man einem Bürger die Ver­ günstigung gewähren, mit dem Schwert enthauptet zu werden. Für vorsätz­ lichen Mord wird der Schuldige mit glühenden Zangen gezwickt und ge­ rädert. Für Brandstiftung wird er ver­ brannt. Die Frauen werden für alle Ver­ brechen ertränkt. Für Meineid wer­ den die zwei Glieder der Zeigefinger abgehackt und in den Fluß geworfen. Für Gotteslästerung wird die Zunge abgesdhnitten und in den Fluß gewor­ fen. Bei kleineren Verbrechen wird der Missetäter vom Henker aus der Stadt gepeitscht und verbannt. Aber für bestimmte Verbrechen wird die Peitsche vergiftet, und der mit einer solchen Peitsche Geschlagene stirbt meistens kurz danach, fol. 23 v

The maner of taking saffe conduct, when the marchants go to the fayres of Franckford or Leiptzig. The Marques of Brandenburg George Friderick (who kepeth his court at Onspach 6. leagues from Noremberg) doth (as viscount of Noremberg) clayme jurisdiction to the very gates of the cittie.

Wie man den Kaufleuten auf ihrem Weg zur Frankfurter oder Leipziger Messe das sichere Geleit gibt

And so the day appointed (which is alwais VIII dayes beffore the fayre beginneth), about VIII of the clock in the moming, there cometh a troup of 30. or 40 horsemen with a trompetor, to the very bridge at the gate, where they stay, but the captaine rydeth tili he corne vppon the draw bridge, and then turneth his horse about, so that oftentymes the very tayle of his horse is vnder the portcullis. Vnto whom one of theclarkes of thechaun-

Der Markgraf von Brandenburg Georg Friedrich (der seinen Sitz in Ansbach, 6 deutsche Meilen von Nürn­ berg entfernt, hat), erhebt als Burg­ graf von Nürnberg Anspruch auf Ge­ richtsbarkeit bis vor die Nürnberger Stadttore. Und so erscheint an dem festgesetz­ ten Tag, immer 8 Tage vor Beginn einer Messe, morgens um 8 Uhr eine Truppe von 30 oder 40 Reitern und einem Trompeter. Sie reiten bis zur Brücke am Stadttor und machen dort halt. Nur der Hauptmann reitet wei­ ter bis zur Zugbrücke und wendet dort sein Pferd, so daß der Pferdeschweif oft bis unter das Fallgatter kommt. Ein Kanzleibote redet ihn an mit fol­ genden Worten: „Ehrbarer Herr, Meine

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MVGN 48 (1958) William Smith

cery sayeth these wordes in effect: Wurshippfull Sr. My Lordes the magistrates of this cittie, do Protest vnto you, that this your nere approaching is against their willes & consents: nether will they yeld to any such derogation of their priueleges &c. Vnto whom the captaine answereth thus: And I am comaunded to do thus, by my Prince & Souereigne Lord The Marques of Brandenburg, tili such tyme, as the matter be brought to an issew which hath byn so long in tryall &c. fol. 24 r Sometymes they multiply wordes so farr about the matter, that they are redy to go together by the eares. When this talk is ended, they ryde away with the marchants, and when they come into the feilds, a bow shoote or II, from the suburbes: The cap­ taine stayeth & maketh a short oration, declaring, that they shal be saffly conducted as in tymes past: they obseruing such Orders as heretofore &c. Sometymes he excepteth certaine men by name, who ether haue offended the Marques or broken his Orders in some respect. And so they ryde forward on their jorney, so farr as the said Mar­ ques dominions reacheth, which is XI. leagues: Then doth the Bishopp of Wurtzburg his horsemen receave them, and lastly the Archbishopp of Mentz his saff conduct, who bringeth them to the very gates of Franckford. And in lyke maner do they retorne, when the fayre is ended. And tili of late yeares where went III saff conducts, to say, on Fryday, Saterday & Monday. Afterwards but two, which was on Saterday and Monday. And lastly but one, which goeth on the Monday and cometh to Franckford on Saterday at night following. For the marchants fynding them selues agreeued, that they were constrayned to go alwaies with conduct fol. 24 v (for otherwise they should on the way be sore beaten or misused): Desyred leaue that they might come & go at any tyme, paying all such rights and dewties, as otherwise they sould do: the which was granted them. So that now, he that will not or cannot be redy to go with saffconduct: may 234

Herren vom Rat einer Stadt protestie­ ren hiermit gegen Ihr nahes Heran­ kommen an die Stadt ohne deren Ein­ verständnis und Erlaubnis, und ebenso werden sie keine Einschränkungen ihrer Rechte dulden, usw.“ Darauf antwortet der Hauptmann: „Und ich bin von meinem Fürsten und aller­ höchstem Herrn, dem Markgrafen von Brandenburg gesandt, das auszuführen bis zu der Zeit, wo die lang umstrit­ tene Angelegenheit entschieden ist.“ fol. 24 r Manchmal geraten die beiden in einen solchen Wortschwall, daß sie sich fast bei den Ohren nehmen möchten. Wenn dieses „Gespräch“ beendet ist, reiten sie mit den Kaufleuten in die Felder, einen oder zwei Bogenschuß von der Vorstadt entfernt. Der Hauptmann hält an und hält eine kurze Rede, worin er erklärt, daß sie sicheres Geleit haben werden wie in vergangenen Zeiten, solange sie sich den bekannten An­ ordnungen fügen. Manchmal nennt er einige Leute mit Namen, die ausgeschlossen werden, weil sie den Markgrafen beleidigt haben oder seinen Anordnungen nicht gefolgt sind. Und so setzen sie ihre Reise fort bis an die Grenzen der markgräflichen Lande, 11 deutsche Meilen. Dort werden sie von den Rei­ tern des Bischofs von Würzburg emp­ fangen, und zuletzt gibt ihnen der Erz­ bischof von Mainz sicheres Geleit bis vor die Tore von Frankfurt. Nach Beendigung der Messe kom­ men sie in ähnlicher Weise zurück. Bis vor ein paar Jahren gab es drei­ mal sicheres Geleit, und zwar am Frei­ tag, Samstag und Montag. Später nur noch zweimal, am Samstag und Mon­ tag, und zuletzt nur einmal, und zwar geht es am Montag an und man kommt am darauf folgenden Samstag abends in Frankfurt an. Die Kaufleute, die verärgert waren, daß sie immer nur mit Geleit reisen mußten (denn sonst wären sie unterwegs geschlagen und mißhandelt worden), baten um Erlaub­ nis, kommen und gehn zu dürfen, wann es ihnen beliebt. Dieses wurde ihnen erlaubt, nur mußten sie Wege­ gelder und Zölle abgeben wie im Ge­ leit, so daß jetzt ein jeder, der nicht

MVGN 4« (195«) William Smith

go beffore or after, paying a small dewty, and at certaine places taking a letter of saffconduct, the effect of whieh letter is as followeth: I. KW. appointed Saff Conductor for my So­ uereigne Lord the Marques of Br. do in the name of the said gratious Prince by these presents geue saff conduct to R. C. & 4 more with him on a coach with body and goods fromhence to the cittie of K. against all those for whom my said Souereigne shal be able to encounter. All excomunicated parsons, breakers of peace theeues & robbers excepted, to whom this letter shal be nothing helpfull or avaylable. &c. In wittness. Thus much touching saffe conduct, which per adventure is not knowne to eueryone: yet necessary for euery one to know that shall trauell those coun­ treis, especially in the faire tyme otherwise there is no such matter. And this saff conduct belongeth properly to marchants, which ryde on horseback or travell by coach. For it toucheth nothing noblemen, gentlemen, students, or such as travell on foot. fol. 25 r

im Geleit reisen will oder kann, spä­ ter oder früher, nach Abgabe seines Zolls und im Besitz eines Geleitsbrie­ fes an den verschiedenen Geleitssta­ tionen reisen kann. Der Briefinhalt ist folgender: Ich, N. W.., von meinem allerhöchsten Herrn, dem Markgrafen von Brandenburg, beauftragter Geleits­ hauptmann gebe imNamemmeinesgnädigen Fürsten durch dieses Schreiben Herrn R. C. und weiteren vier Herren sicheres Geleit. Sie reisen in einem Wa­ gen und führen Güter nach K. mit sich. Gegen alle diejenigen, die sich wider­ setzen, wird mein allerhöchster Herr Vorgehen; ausgenommen sind geäch­ tete Personen, Friedebrecher, Diebe und Räuber, für die dieser Brief un­ gültig ist. Zum Zeugnis... Soviel über das sichere Geleit. Vieleicht ist es nicht jedem bekannt, doch müssen es alle diejenigen kennen, die das Land zur Messezeit durchreisen, denn zu ande­ rer Zeit gibt es das nicht. Dieses Sicherheitsgeleit gibt es nur für Kauf­ leute, die entweder zu Pferde oder mit dem Wagen reisen. Es betrifft nicht Edelleute, Herren, Studenten und zu Fuß Reisende, fol. 25 r

Ar ticles wherevnto they of the Comon Counsell are sworne.

Satzungen, auf welche die Genannten des größeren Rats schwören müssen

I.

I. Jedes Mitglied des Großen Rats muß bedacht sein, den Vorteil und das Wohl des Rates zu fördern, sowie den Rat mit all der ihm zur Verfügung stehenden Macht vor Schaden zu be­ wahren. II. Kein Mitglied des Großen Rates darf bei der Ämterwahl anwesend sein, mit Ausnahme bei der Wahl in den Osterfeiertagen.

Euery one of the comon counsell shall seek & further the proffite & weif are of the magistrates: And warne them from damage to the vttermost of their power. II. None of the comon counsell shal be present at any new election of any magistrate: except at the election in the easter holydayes. III. If any of the comon counsell do vnderstand of any muteny or vnorderly election: then is he bound to reueale the same to the borow-maister and counsell. IIII.

He shall not be acknowne at any tyme to whom he will geue his vorne* et the election of the magistrates: but shall alwais geue his voice according to his conscience, without fol. 25 v

III. Sollte irgendein Genannter von einem Aufruhr oder einer unordent­ lichen Wahl erfahren, so muß er den Bürgermeister und den Stadtrat da­ von unterrichten. IV. Es wird zu keiner Zeit bekannt werden, wem er die Stimme bei der Wahl des Rats gegeben hat. Er soll aber immer nach seinem Gewissen wählen, und keine Vergütung, Ge­ schenk oder Bestechung annnehmen. Sollte jemand ihn dazu bewegen oder fol. 25 v 235

MVGN 48 (1958) William Smith

taking any reward, gift, or brybe. Or if any sihould move or compell him therto: he shall vppon his oth shew the same to the borowmaister. That they being therfore brought beffore justice & not able to purge them selues: may be punished, as the counsell shall thinck meet. V. None shall seale any contract for stolne goods, neither buy or receaue the same or any mony therefore in any maner of way whatsoeuer. VI. When any one of them shall seall or beare wittnes: he shall first take good Information on all sydes, if it be their will & meaning, as it is written & redd. Whether it be in barganing contract, quittance, or others. VII. None shall seall any will or testament for young children, frantik folkes, or children which are in the power and gouernment of their parents or elder^. VIII. When any of the comon counsell shal be called as witnes in the law: he shall not refuse to appeare, being dewly comaunded. IX. Two of the comon counsell shall seall a last will & testament. But if they do both dye: then shall the te­ stament be deliuered vpp to the magistrates, where it shall remayne in as good effect: as if they were both living. One of them shall read the will in the presence of the testator: and the other shall looke into it, and then ask the said testator if he haue hard & well vnderstood the same, as it was redd, and whether it be his determinate will & meaning. X. Then shall they streight in presence of the testator close vpp the same & look diligently to it, that nothing more then was redd: be thrust into it, by the wryter or any body ells. XI. The witnesses or sealers shall also with their own hands wryte their Christian name & surname vppon the testament, so closed vpp. 236

zwingen, so muß er dies bei seinem Eid dem Bürgermeister unterbreiten. Wenn der Bestecher vor Gericht seine Unschuld nicht beweisen kann, wird er gemäß den Anordnungen des Rates bestraft. V. Keiner darf einen Vertrag für gestohlene Güter besiegeln, weder sol­ che Waren kaufen oder annehmen, noch Geld dafür in irgendeiner Weise bekommen. VI. Sollte ein; Genannter etwas besie­ geln oder als Zeuge unterschreiben müssen, so muß er alle Beteiligten fra­ gen, ob das Schreiben, welches vorge­ lesen wird, ihren Wünschen und ihrer Meinung entspricht, gleichgültig, ob es Kaufverträge, Quittungen oder dergl. betrifft. VII. Niemand darf ein Testament von Kleinkindern, Irren oder Kindern, die unter der Gewalt ihrer Eltern oder eines Vormundes stehen, besiegeln. VIII. Wenn ein Genannter vor­ schriftsmäßig als Zeuge vor Gericht geladen wird, so darf er es nicht ab­ lehnen. fol. 26 r IX. Ein Testament wird von zwei Genannten besiegelt. Im Falle ihres Todes wird das Testament dem Rat übergeben und bleibt in Kraft, als ob die beiden noch lebten. Einer liest das Testament in Gegenwart des Erblassers vor, während der andere es prüft und den Erblasser fragt, ob er das Vorgelesene verstanden hat und ob es seiner endgültigen Willensmei­ nung entspricht.

X. Dann müssen die Genannten so­ fort im Beisein des Erblassers das Te­ stament besiegeln und aufpassen, daß nichts mehr zu dem Vorgelesenen von dem Schreiber hinzugefügt wird. XI. Das geschlossene Testament er­ hält noch die eigenhändige Unter­ schrift der Vor- und Zunamen der Zeugen oder Besiegter.

MVGN 48 (1958) William Smith

XII. Also there shall stand written vppon the testament thus: Testamentum R. N. on Monday, the 8. of August, an.° &c. And then: Testes Ragati. But that should be written with the hand of some other. XIII. The same approued testament shall by the testator be deliuered to the trusty handes of one of the seallers. fol. 26 v XIIII.

When any man will alter his testa­ ment or put an apendix to it (except it be in the tyme of mortallitie): he shall demand the testament of both the witnesses. Who then shall open the same & take of their sealles. The addition closed in, & sealed vpp againe. But if it should be sealed by two others, in absence of the first: that must be mentioned in the ad­ dition. XV. A testament being once deliuered to the trusty hands of the seallers: shal be deliuered to none other, vnless at the request of the testator or to the magistrates of the cittie. XVI. None of the comon counsell shall take any testament vnclosed: But so soone as he shall haue vnderstanding of the death of the testator: shall presently bring the same testament into the Chancery. XVII. And for as much as hitherto, trough neckgligence of some of the Comon Counsell, which cannot wryte or read.: also through some evell wryters, which haue read the testament otherwise then it was written, to the defamation of fol. 27 r the cittie and hindrance or damage to the heires or legatories therof: Therfore henceforth none of the Co­ mon Counsell which cannot wryte and read shall seall any testament. But otherwise he may well be admitted1, as a wittness in the law or any thing ells. XVIII. When any of the Comon Counsell forgetteth his oth, or otherwise is

XII. Auf dem Testament muß fer­ ner stehen: Testamentum R. N. vom Montag, dem 8. August, Anno usw. Und weiter: Testes Rogati. Das muß aber von einem anderen geschrieben werden. XIII. Dieses anerkannte Testament wird vom Erblasser einem der Be­ siegter zu treuen Händen übergeben, fol. 26 v XIV. Sollte jemand sein Testament ändern oder etwas hinzufügen wollen (ausgenommen auf dem Sterbebett), müssen beide Testamentszeugen an­ wesend sein. Es wird geöffnet und das Siegel erbrochen, der Nachtrag beigefügt und wieder versiegelt. Aber sollte es von zwei anderen Zeugen be­ siegelt werden in Abwesenheit der ersten, muß dies im Anhang erwähnt werden. fol. 26 v XV. Befindet sich das Testament einmal in treuen Händen der Besieg­ ter, wird es niemandem ausgehändigt, es sei denn auf Wunsch des Erblas­ sers oder des Rats der Stadt. XVI. Kein Ratsherr darf ein unver­ schlossenes Testament annehmen, aber sobald er Nachricht vom Tode des Erblassers hat, muß er es sofort in die Kanzlei bringen. XVII. Die Nachlässigkeit einiger des Größeren Rats, die weder lesen noch schreiben konnten, und böswilliger Schreiber, die das Testament anders vorlasen als geschrieben stand, brach­

tet. 27 r ten die Stadt in schlechten Ruf und den Erben Verzögerung und Schaden. Daher darf in Zukunft kein Genann­ ter, der des Lesens und Schreibens unkundig ist, ein Testament versie­ geln. Aber sonst kann er bei Gericht oder anderswo als Zeuge erscheinen. XVIII. Wenn ein Genannter seinen Eid verletzt oder einen Meineid be­ geht, wird er seines Amtes enthoben 237

MVGN 48 (1958) William Smith

found to be periured: he shal be put from his Office and neuer be admitted vnto it agayne. Hereafter followeth a table of all those which haue bin elected into the Counsell since an.° 1477 vntill the yeare 1590. Wherby you may see, in what yeare they were chosen: when they were old borow maisters, old lordes, cheiff-captaines and losunghers. And when they dyed or cärne out of the Counsell. fol. 27 v FINI S. Such as be desirous to know the armes of the gentillity of this cittie, aswell those which remayneyet alyve: as such also which be dead (whereof some are quyte extinct:) shall fynd the same hereafter in their right coulers, after the order of the alphabeth &c. [Es folgen auf fol. 34 r bis 39 v = 12 Seiten: 12 mal 16 handgemalte Fa­ milienwappen = 192 Wappen mit An­ gabe des Namens. Die Familiennamen lauten:] Ammon / Armaner et Albawer / Awer / Baumgartner / Besler / Behem / Brunsterer / Braunspach / Berinsdorfer / Buckell / Braun Engell / Chauer / Chunhem / Cranter / Camermaister / Derrer / Duitmer / Dallner / Deichseil / Dummer / Dratziher / Esler / Ebner / Erkell / Eschenloher / Edelbeham / Elbarger / Eib / Fueterer / Farenbacher / Fhürer / Furenberger / Gundelfinger / Gruber / Grä­ ber / Granettel / Groß / Grund­ herr / Gewder / Grolandt / Graser / Geratswell / Gletzelman / Haller / Harstorfer / Haibachs / Hagelshamer (alias) Heidt / Hayden / Hirshuogell / Holtshuer / Hegner / Helwegen / Huebner / Hewgen / Hatzell / Hetzer / Helchner / Hawgenwirt / Hawg / Hosteter / Horneck / Imhoff / Ingram / , Kipper / Kydorffer / Kramer / Kreß / Kepff / Koler / Koler / Ketzell / Ketzler/ Kewtzell / Kettenhofer / Kolb / Kolb / Koberger / Knebell / Kragen / Langman / Lemblein / Loeffelholtz / Langenmanitell / Landawer / Letsher / Lochner / Lochaim / Lochnen / Muf­ feil / Meixsner / Muntzmaister / Mun­ deil / Mayer / Melber / Menger /

238

und nie wieder zum Größeren Rat zu­ gelassen. Hier folgt eine Liste derer, die seit 1477 bis 1590 in den Rat gewählt wurden. Aus ihr ist zu ersehen, in welchem Jahr sie gewählt wurden, wann sie Altbürgermeister, Ältere Herren, Kriegshauptmann und Lo­ sungherr wurden, und weiterhin, wann sie starben oder den Rat verließen. fol. 27v

ENDE Wer die Wappen des Stadtadels ken­ nenlernen möchte, sowohl derer, die noch leben, wie derer, die starben, (von denen einige ganz erloschen sind) wird sie hiernach in den rechten Far­ ben nach alphabetischer Ordnung fin­ den .etc. Meurlein / Marstaller / Mendell / Müntzer / Munsterer / Nutzell / Nortwin / Neydung / Olhoffen / Osterei­ cher (alias) Pfenninger / Ortlieb / Or­ teil / Obermayer / Ortolff / Odenheis / Pamwolff / Pfaltzner / Porkmaister / Poemer / Pfintzing / Penroll / Pil­ gram / Pilgrim of Eib. / Ploben / Pratzer / Push / Rech / Rieter / Rosendaler / Rummeli / Rothan / Römer / Rutz / Rorer / Ridler / Reichle / Shopper / Sigwein / Stromer / Starck / Snodt / Shuler / Slemitzer / Slaudersbach / Slusselfelder / Smithmer / Shurstab / Sax / Stainlinger / / fol. 38 v: Semler / Sheurll / Saurman / Shutz / Sadler / Spalter / Schedell / Stäuber/ Saurzapff / Sayler / Smugenhoffer / Stierberger / Spengler / Spengler / Steiner / Stich / / fol. 39 r: Schreyer / Sewbald / Teuffell / Tetzell / Trautzkirchen / Traner / Thill / Tücher / Tracht / Vlstat / Voght / Vnshaw / Vszmer / Visher / Visher / Visher // fol. 39 v: Volkamer / Vurwe / Vnderholtzer / Voechtell / Weigell / Welser / Wagner / Wart / Wolkenstain / Zolner / Zolner / Zacharias / Zienner / Zenner / Zainer / Zingle. / / F i n i s.

MVGN 48 (1958) William Smith old Lordes

Cheiff Captaine

Losunger

[anno]

old borowmaisters [anno]

[anno]

[anno]

[anno]

Anthony Tücher Jacob Grolandt Sebald Pfintzing Leonard Behem Marquard Mendell

1477 1478 1478 1479 1479

1491 1492 — — 1499

1493 1502 — — 1502

1501 1510 —

1480 f 1514 — died in the Tower

Seitz Pfintzing Anthony Tetzeil

1480 1480

— 1494

— 1500

1483 1493 1500 1495 1532 1484 1494 1513 1514

Hans Shopper Gabriell Holtshuer Nicholas Gross Hector Poemer Martin Gewder George Holtshuer Erkenbrecht Koler Seitz Pfintzing George Holtshuer

1481 1481 1482 1482 1483 1484 1484 1484 1486

Hanss Shurstab

1487

— — — — 1490 — — — — 1494 — — Alter genanter — 1532 1499 1507 1515 — — — — — — — — — — — — came out of 1508 1499 the counsell — — - i —

Michaeli Behem Hanss Rieter Leonard Grundher Erasmus Haller Andrew Tücher Conrad Imhoff Anthony Kress Hanss Rummell Stephen Volkamer

1489 1489 1490 1490 1491 1491 1492 1492 1493

Alter genanter — — — — 1510 1502 — — 1499 — 1500 1526 — — 1506 Alter genanter — — | — Alter genanter

Sebald Shurstab William Haller George Koler Willibald Pirkamer Lazarus Holtshuer Andrew Gewder William Derrer Ieronimus Holtshuer

1493 1494 1495 1496 1497 1497 1498 1499

_ — — 1501 — — — — — — — — Desired leaue to go out Alter genanter | — Came out of the Counsell Came out of the Counsell 1509 | 1515 | - 1

When they died or came out of the Counsell

1524 1515 1479 1479 1509

t t f f —

f f f f | t f — —

1488 t

The names of the magistrates

elected

1505 — — — — came out of the counsell — — 1507 1507

yeares of continuance [anno]

47 37 1 V* 30 V*

34

2 12 18 13 49 V*

10 29 28 1

[fol. 28 r:] 1511 t 1500 | 1531 f 1501 f 1530 f 1518 f 1520 t 1496 f 1417 f [1517 f] 1505 f 1494 f 1499 f 1522 — 1523 t 1515 — 1503 — 1529 t

— — — — — — — — —

22 11 41 11 39 27 28 4 24 12 V*

4 26 26 18 5 30 239

MVGN 48 (1958) William Smith When they died or came out of the Counsell

The names of the magistrates

elected

[anno]

old borowmaisters [anno]

old Lordes

CheifI Captaine

Losunger

[anno]

[anno]

[anno]

1523











yeares of continuance

[fol. 28 v:' 1523 1504 1518 1503 1501 1510 1529 1506 1526 1503 1502 1532 1507 1526 1535 1530 1522



Wolff Poemer Henry Wolff Peter Harstorffer Seitz Koler Peter Rieter Hanss Harstorfer Jesper Nutzell Nicholas Grolandt Jacob Muffeil Ieronimus Haller Wolff Loeffelholtz Ieronimus Ebner Simon Gross

1499 1499 1499 1499 1501 1501 1502 1502 1502 1502 1502 1503 1503

t t — f

Hanss Stromer Hanss Volkamer Jacob Welser Michaeli Behem

George Fueterer William Hallar Friderick Tetzell George Haller George Koler Gabriell Nützell Stephen Baumgartner Leonard Grolandt Frances Shurstab Nicholas Gross Frances Imhoff Nicholas Haller Simon Pfintzing Jobst Haller Sebald Pfintzing Fabian Harstorfer Casper Baumgartner

t t f — —

f f f t f —

t

1 1 ,|

~ __

— — — 1506 Came out of the Counsell Came out of the Counsell — — — 1505 1524 1509 1515 1524 —







1514

1519











"

24 5 19 4 Vf 9 27 4 24 1 Vt 29 4

1503 1504 1504 1504

Came out of the Counsell 1508 | 1509 | 1515 | 1515 was Lieutenant at Reichenek — — — 1511 1532 1515 1532 1529 Desired leaue to go out Alter genanter | —

23 31 26 18

1504 1504 1505 1505 1505 1506 1507 1507 1508 1508 1509 1510 1510 1510 1511 1511 1511

Came out of the Counsell Came out of the Counsell overseer of thebuildings — — — — — — — — was deputie at Felden — — 1 — — — — 1519 1515 Came out of the Counsell - i - i - 1 — Came out of the Counsell 1524 | - i - 1 — Came out of the Counsell Came out of the Counsell 1522 | 1531 | 1535 | — Came out of the Counsell overseer of thebuildings

14 Vf 17 4 7 17 1 14 8 11 1 18 Vf 5 32 1 12

[fol. 29 r:] 1518 1504 1522 1509 1512 1523 1508 1521 1516 1519 1510 1528 1510 1515 1543 1512 1523

240

— — f t f — f t — f — t — — t — f

MVGN 48 (1958) William Smith When they died or came out of the Counsell

The names of the magistrates

elected

[anno]

old borowmaisters [anno]

old Lordes

Cheiff Captaine

LOsunger

[anno]

[anno]

[anno]

yeares of continuance

[fol. 29 v: 1553 1522 1527 1535 1515 1544 1557

t t — f — t —

Hanss Ebner Hanss Imhoff Christopher Fhürer Christopher Kress Simon Pfintzing Christopher Tetzell Leonard Shurstab

1512 1513 1513 1513 1513 1515 1516

1523 1541 1533 1546 1551 1549

t f t t f t

1517 1518 1518 1518 1519 1519

1535 1530 1557 1535 1524

t — f f —

Wolff Poemer Clement Volkamer Friderick Behem Simon Fhürer Jeronimus Fueterer Bernard Baum­ gartner Christopher Koler Wolf Stromer Hanss Gewder Hanss Haller William Rumeil

1579 t 1552 t 1551 — 1528 f 1557 t 1524 t 1554— 1544 t 1558 t 1565 t 1532 1547 1533 1534 1565

— t f — —

1551 t

16

1519 1520 1520 1521 1522 1523 1523 1523 1524 1524 1524 1524 1524 1525 1525

Andrew Imhoff Martin Pfintzing Nicholas Grolandt Martin Tücher Paulus Grundher Hanss Nutzell Hanss Rieter Lazarus Holtshuer Sebastian Gross Jeronimus Baum­ gartner Hanss Poemer Mathew Loeffelholtz Martin Loeffelholtz Joachim Haller Leonard Tücher

1527 1527 1528 1529 1529

Jeronimus Holtshuer

1530

1536 1544 1536 — — — 1519 Desyred leaue to go out 1519 ] 1529 1 1532 1 Came out of the Counsell 1529 1529 | 1529 1527 1544 Came out of 1529 the Ccmnsell _ 1523 — — 1527 1536 — — — 1531 — Alter genanter — Alter genanter — — 1529 1536

41 9 14 22 2 29 41

_ _ 1531 1528 Desyred leaue to go out 1545 i - i - i overseer of thebuildings was Deputie at Lichteinaw 1544 1532 1544 1529 — 1533 — — Came out of the Counsell — — — — — — 1557 1536 — — — — Desired leaue to go out Alter genanter — 1557 1533 — — 1549 — 1533 1553

16 10 37 14 2

Came out of the Counsell — Alter genanter i — | — — Came out of the Counsell 1531 | 1532 | 1536 | 1536 Desyred leaue to go out 1536 | 1544 | — | —

6 23 15 28 32 30

56 29 28 4 33 Vt

30 20 33 40 5 20 5 5 36 21

241

MVGN 48 (1958) William Smith When they died or came out of the Counsell

The names of the magistrates

elected

[anno]

[fol. 30 v:' 1560 t 1565 — 1539 — 1536 f 1558 t 1557 f 1549 — 1541 — 1578 f 1536 — 1539 — 1554 f 1549 t 1557 t 1586 f 1537 — 1569 f

Casper Nützell Sebastian Welser Ladislaus Derrer Jeronimus Tücher Gabriell Imhoff Wolff Harstorfer George Gewder Sebald Shurstab Sebald Haller Thomas Reicle Anthony Tetzell George Volkamer William Slusselfelder Erasmus Ebner Bathasar Derrer Anthony Rieter Jacob Muffeil

1530 1530 1530 1531 1532 1532 1533 1533 1534 1534 1534 1536 1536 1536 1536 1536 1537

[fol. 31 r:] 1543 — 1575 t 1562 f 1551 t 1560 f 1573 t 1546 — 1576 f 1573 f 1549 —

Wolff Tücher Jobst Tetzell Barnabas Poemer Jeronimus Fueterer Christopher Kress Hanss Stark Christopher Haller Joachim Tetzell Jeronimus Shurstab Jacob Haller

1537 1539 1541 1542 1543 1544 1544 1545 1545 1546

Gabriell Nützell Barthold Holtshuer Christopher Grolandt Balthasar Baum­ gartner Paulus Tücher Joachim Haller George Gewder

1576 f 1552 — 1561 f 1551 — 1551 — 1570 t 1551 f

242

old borowmaisters [anno]

old Lordes

Cheiff Captaine

LOsunger

[anno]

[anno]

[anno]

1549 | 1552 1 Came out of the Counsell Came out of the Counsell —







— — — 1552 — — — 1553 was Deputie at Lauff Came out of the Counsell 1542 | 1549 i 1565 | 1565 Came out of the Counsell Came out of the Counsell — 1544 | 1552 | ---— Alter genanter — 1552 — — 1578 1575 1557 1565 Desired leaue to go out 1557 | 1558 | — | —

yeares of continuance

30 35 9 5 26 25 16 8 44 2

5 18 13 21 50 1

32

6 36 21 10 18 29 2 31 28 3

1547 1548 1549

Came out of the Counsell — 1554 | 1564 | 1566 — Alter genanter — |1 - 1 — — Alter genanter — Alter genanter Came out of the Counsell overseer of the buildings — 1 1558 1 ~ 1 was Deputy at Hershpruck — 1 1556 | 1565 Came out of the Counsell — | --- i - !1 -

1550

was Deputy at Altorff

1

1550 1550 1551

Came out of the Counsell — — 1564 — — — — —

20 Vf

29 4 12

1

MVGN 48 (1958) William Smith When they died or came out of the Counsell

The names of the magistrates

elected

[anno]

old borowmaisters [anno]

old Lordes

Cheiff Captaine

Losunger

[anno]

[anno]

[anno]

yeares of continuance

[fol. 31 v: 1574 1558 1557 1568 1571 1570

t — — t t t

1564 1571 1575 1560 1568

f t t f —

1568 f 1565 1569 1562 1589

— t — t

George Volkamer Lazarus Holtshuer Anthony Tücher Paulus Behem Martin Pfintzing Hans Dietrik Leffelholtz Christoph er Fhürer Thomas Loeffelholtz Sebastian Fueterer Conrad Ebner Charles Fhürer

1551 1552 1552 1552 1552 1553

1564 | 1569 | — l Came out of the Counsell Came out of the Counsell 1564 — — — — 1566 — Alter genanter

24 6 5 16 20 17

1553 1553 1554 1555 1557

— 1565 —

— 1569 —

— — —

— —









11 18 21 5 11

Paulus Koler Andrew Imhoff Joachim Poemer Ladislaus Derrer Frances Tücher Willibald Slusselfelder

1558 1558 1558 1558 1558 1559

Friderik Stromer Jacob Fueterer

1559 1559

Hanss Welser Simon Holtshuer Juilus Gewder Hanss Bieter Leonhard Grundher Bartelmew Poemer Mark Tücher Jeronimus Baum­ gartner Philipp Gewder Christopher Kress Mathew Loeffelholtz Joachim Poemer Joachim Nützell Jacob Welser Jeronimus Holtshuer

1568 1569 1569



was lost, no man can teil how — — — — 1565 1579 1586 1589 „ was Deputy at Lauff — | — 1 — 1 — Came out of the Counsell 1569 1 1575 | 1579 I1 1579

10 7 11 4 30

[fol. 32 r:] 1580 f 1575 —

1567 t 1584 1578 1590 1574

t f f f

1581 1583 1579 1588

f t f —

1587 —

21 16

1561 1561 1562 1562 1562 1563 1563 1565

Alter genanter 11 — 1569 Came out of the Counsell 1572 1584 — — — — 1584 1571 — — 1577 1582 — — — 1574 — 1575 1579 1589 — — — 1573 1575 1584 1586 1577

1565 1566 1566 1567

1575 1578 1576 1578

16 17 13 21

— 1579 1575 — — — — — — Came out of the Counsell i 1579 1589 | Desired leaue to go out i Alter genanter

6 22 16 27 11

18

243

MVGN 48 (1958) William Smith When they died or came out of the CounseU

[fol. 32 v: 1590 t 1577 t 1587 1576 1586 1574

f — t —

1582 f 1587 t 1588 t

1584 — 1584 f 1587 —

The names of the magistrates

elected

[anno]

Tobias Tücher Hanss Ebner Christopher Fhüerer Hans Jacob Haller William Rummell Clement Volkamer Hanss Grolandt

1569 1570 1570 1571 1571 1572 1572

Hanss Pflntzing Hans Vlrick Stark Lazarus Härstorfer Christopher Tücher Paulus Härstorfer Peter Rieter

1574 1574 1575 1575 1575 1576

Jeronimus Shurstab George Tetzell Morrice Fhürer Charles Grundher

1576 1576 1577 1577

Jacob Stark Jeronimus Kress chosen againe in Jobst Friderik Tetzell Paulus Imhoff Martin Haller Veit Maximilian Holtshuer Anthony Gewder Casper Baumgartner Paulus Koler Jeronimus Kress Seyfride Pfintzing Paulus Behem George Volkamer Hanss Nützell Hanss William Loeffelholtz Balthasar Derrer Jacob Imhoff

1578 1579 1584 1579

old borowmaisters [anno]

old Lordes

Cheiff Captaine

sunger

[anno]

[anno]

[anno]

LO—



Alter genanter — 1589 —



1582 1583









Came out of the Counsell 1580 1



i

-

i

-

was Chastellam at Hilpoltstein —



1586



— —

Alter genanter 1584 1585

yeares of continuance

— — —

7 16 5 14 2 8 13 13

1589

was Deputy at Hershpruck

8 — — — —

8 11



2



4

Came out of the Counsell

3



1



1



Alter genanter Alter genanter Alter genanter

[fol. 33 r:] 1581 —

1584 t

1585 —

1586 t

244

was Deputy at Lauff 1588

1580 1580 1581



1582 1582 1583 1584 1584 1584 1584 1585 1585

1587

1586 1586

1589 —











2»/4

MVGN « (1968) William Smith When they died or came out of the Counsell

[fol. 33 v: 1589 t

The names of the magistrates

elected

[anno]

Sebald Welser Charles Slusselfelder Paulus Pfintzing Charles Tetzeil Ernestus Haller Wolfe Loeffelholtz Wolff Jacob Stromer Leonard Tücher Dauid Harstorfer Jacob Poemer Hans Bieter

1587 1587 1587 1587 1588 1588 1589 1590 1590 1590 1591

old borowmaisters [anno]

old Lordes [anno]

Cheiff Captaine

LOsunger

[anno]

[anno]

yeares

of

contlnuance

2'/i Alter genanter

Alter genanter

245

Johann Valentin Willius Ein Streitfall zwischen Kaiser Karl VI. und der Reichsstadt Nürnberg

Von Anton Ernstberger

Im September 1717 ging es schon weit ins fünfte Jahr, daß Johann Valentin Willius, vormals Feldscher und Wundarzt beim kaiserlichen, in der Rheinfestung Philippsburg liegenden Regiment des General­ feldzeugmeisters Graf von Guttenstein, im Turm Luginsland auf der Burg zu Nürnberg in sicherem Gewahrsam saß. Fast fünf Jahre Haft, das war eine lange, eine harte Zeit, besonders für einen erst vierzig Lebensjahre zählenden jungen Mann. Dabei mußte ihm diese lange, harte Zeit noch länger und härter erscheinen, weil keine Aussicht auf ein baldiges Ende oder auf ein Ende überhaupt bestand. Es war eine Haft ohne vorausgegangenes Urteil, eine für unbegrenzt verhängte Verwahrung. Kein Wunder, daß der Häftling, die Ungewißheit seines Loses vor Augen, alles versuchte, wieder frei zu kommen, alles, auch das Ungewöhnlichste und Gewagteste. Aus dem Gefängnisturm auszubrechen, war unmöglich. Diese Hoffnung mußte, falls sie je genährt wurde, aufgegeben werden. Es blieb nur eines übrig, nämlich die Freiheit zu erbitten oder zu er­ schleichen, sie von oben, von höherer Stelle aus rechtmäßig oder un­ rechtmäßig wiedergeschenkt zu erhalten. Dabei wurde nicht an den ehemaligen Regimentskommandeur Graf von Guttenstein gedacht, der die Haft angeordnet hatte, auch nicht an den Rat der Reichsstadt Nürnberg, der sie vollziehen ließ. Hier wie dort galt ein Erfolg für unsicher. Beide Befehlsgewalten er­ schienen auch viel zu gering, zu niedrig, zu untergeordnet. Es müßte höher gegriffen werden. Am besten schien es, wenn die höchste, die letzte Stelle im Reich ihr Machtwort sprach, wenn der Oberste Rich­ ter selbst den Fall entschied und ein für allemal erledigte, das Reichs­ oberhaupt, der Kaiser. Ob das ein durch die lange Haftzeit entstandenes, fixes Wahnbild oder ein wohldurchdachtes, raffiniert ausgeklügeltes Berechnungs­ kunststück war, ob das eine oder das andere, es wurde in Szene ge246

MVGN 48 (1958) WUlius

setzt und gelang. Es gelang wenigstens für den Anfang. Es schien sogar für die Dauer gelingen zu wollen. Willius schrieb im September 1717 an Kaiser Karl VI. persönlich nach Wien einen Brief1). Wie er es zuwege brachte, dieses Schreiben unbeobachtet zu verfassen, es aus dem strengbewachten Turmarrest hinauszuschwindeln, es weiter bis nach Wien zu schaffen und dort in die Hände des Kaisers kommen zu lassen, blieb unbekannt. Es blieb vorderhand auch nebensächlich. Denn die Hauptsache war der Inhalt des Briefes. Ein alarmierender Inhalt. Er lautete so, daß von Wien aus sofort eingeschritten werden mußte, falls das, was da mitgeteilt wurde, der Wahrheit entsprach. Das war für den Kaiser und für seine ihm zur Seite stehenden Berater in dieser Sache, für den Reichshofratsvize­ präsidenten Karl Ludwig Graf von Sinzendorf 2) und für den Haupt­ konzipienten der deutschen Expedition in der Wiener Reichskanzlei Ernst Franz von Glandorff3), selbstverständlich, war nicht nur eine äußere Rechtspflicht, sondern auch eine innere Gewissenpflicht. Es war ein Fall, der das unverzügliche Eingreifen des Reichsoberhauptes forderte. Willius trug, wie er gleich einleitend beteuerte, „mit heißvergos­ senen Tränen“ dem Kaiser folgendes vor: Seine Haft im Nürnberger Männereisenturm dauere nun schon an die fünf Jahre. Warum aber wäre er hierher eingeliefert worden und warum würde er hier festgehalten? „Umb keiner anderen Ursach willen, als daß ich bei Herrn Pater Carl zu Philippsburg kommu­ nizieret habe und festiglich entschlossen bin, den wahren, alleinselig­ machenden katholischen Glauben anzunehmen.“ Also weil er, der ge­ borene Protestant, hatte katholisch werden wollen, darum, einzig und allein nur darum, hätten ihn seine protestantischen Verwandten mit Hilfe des Nürnberger Gesandten am kaiserlichen Hof zu Wien, Hein­ rich Christoph Hochmann von Hochenau, von Philippsburg nach Nürnberg ins Gefängnis bringen lassen. Sie wollten so auch verhin­ dern, daß sein nicht unbeträchtliches Vermögen von der protestanti­ schen auf die katholische Seite überginge. Deshalb möchte „umb Got­ tes, der heiligen, hochgelobten Jungfrauen Mariae, der wahren Got­ tesgebärerin, und aller lieben Heiligen willen“ doch der Kaiser, „rex apostolicus et protector catholicus“, dem Nürnberger Magistrat anbe­ fehlen, ihn, den nur um seiner katholischen Gesinnung wegen Ver­ folgten, der schon so lange dauernden Haft zu entlassen, nach Wien zu bringen, damit er, bisher Feldscher eines kaiserlichen Regiments, dem Kaiser auch weiterhin „treu alleruntänigste Dienste zu Wasser und zu Lande möge leisten können“. Wie im beendeten Spanischen Erbfolgekriege gegen Frankreich würde er auch im neu ausgebroche­ nen Türkenkriege wieder ganz seinen Mann stellen. So bete und flehe er „inbrünstig und andächtig“: „Gott sei dem Helden Carl zum unverrückten Segen! Nur lauter Wonne blüh auf allen seinen Wegen! 247

MVGN 48 (1968) Willius

Der Himmel schütze selbst den Kaiserlichen Thron Und geb dem Christenfeind den längstverdienten Lohn!“ Am 14. September 1717 war der briefliche Hilferuf dieses angeb­ lich nur wegen seiner Religion Verfolgten dem Kaiser durch den Reichshofratsvizepräsidenten vorgelegt worden4). Schon am zwei­ ten Tage darauf, am 16. September 1717, ging das sofort verfügte kaiserliche Reskript an die Reichsstadt Nürnberg ab 5). Es war eine kurze, geharnischte Epistel. Der Ton klang drohend. Der Kaiser wolle nicht hoffen, daß die Nürnberger wirklich die Gefangensetzung des Feldschers Willius allein darum verfügt hätten, weil dieser katholisch geworden wäre, ,,allenfalls Euch wissend, daß niemand wegen der im Heiligen Römi­ schen Reich tolerierten Glauben zu verfolgen oder zu bekümmern, weder mit Arrest noch Gefängnus zu belegen seie“. Der offenen Dro­ hung folgte der offene Befehl. Ausdrücklich trug der Kaiser „als Rö­ mischer Kaiser und Obrister Richter im Reich“ den Nürnbergem zwar „gnädigst“, aber auch „ernstlich“ auf, „ohnverweilt zu berichten, was die eigentliche Ursache dieser Gefängnus gedachtes Johann Valentin Willius seie und warum er da drinnen ins fünfte Jahr liegen müsse“. Das war deutlich genug. Der Kaiser zog die Reichsstadt Nürnberg wegen ihres Verhaltens im Fall Willius zur Verantwortung. Der Reichshofrat war die zuständige Gerichtsstelle hierfür. In Nürnberg verstand man die Zeichen richtig. Man beeilte sich, dem kaiserlichen Befehl unverzüglich nachzukommen. Der angefor­ derte Bericht sollte möglichst noch am gleichen Tage, da das Reskript eingetroffen war, wieder nach Wien abgeschickt werden. Er sollte erst dem Gesandten Hochmann zug^hen, und dieser sollte ihn, ent­ sprechend diplomatisch eingekleidet, dem Kaiser vorlegen 6). So hoffte und glaubte man, vorerst wenigstens genug getan zu haben. Dem aufziehenden Ungewitter schien Halt geboten. Wie unmöglich es aber war, so schnell zu handeln, wie man wollte, zeigte sich, als sich die mit dieser Frage befaßten Ratskonsulenten der Stadt, voran der Hauptberater Dr. Georg Carl Wölcker6a), in die Ak­ ten vertieften. Je länger man darin las, um so sicherer wurde man nicht nur über die völlige Schuldlosigkeit Nürnbergs, sondern über die geradezu erdrückende Alleinschuld von Willius. Der angeblich katholische Religionsverfolgte wandelte sich zum mehrfachen Kir­ chenschänder und Kirchendieb, zudem noch zum Schänder und Dieb an einer katholischen Kirche. Von einem Übertritt zum katholischen Glauben fand sich keine Spur. Eine solche Behauptung war glatte Lüge, nur dazu erfunden, um sich und seine Übeltaten zu decken. Ein Verbrecher suchte ein Alibi. Ein Unverschämter glaubte, den Kaiser als höchsten Richter mit ins Unrecht ziehen zu können. Gegen eine solche Untat mußte der Kaiser, der völlig falsch berichtete Kaiser, selbst geschützt werden. Die Lüge forderte die Wahrheit heraus. Hier durfte man aber nichts übereilen. Wenn schon der Verdacht des Kaisers zerstreut werden konnte, sollte es bis zum Grunde ge248

MVGN 48 (1968) WUlius

schehen. Der gegen Nürnberg gerichtete Fall Willius ließ sich zu einem Glanzfall für Nürnberg wenden. Und das kostete Zeit. Gewiß erklärte sich der Kaiser mit vollem Recht zum obersten Wahrer von Frieden, Ordnung und Gerechtigkeit im Reich, vor Gott und Welt dazu verpflichtet, die Reichsgesetze nicht nur selbst zu ach­ ten, sondern auch ihre Achtung durch alle anderen zu gewährleisten. Der Religionsfriede, wie er zu Augsburg 1555 verkündet und zu Mün­ ster-Osnabrück 1648 neu bestätigt wurde, war ein solches Gesetz, ein solches Grundgesetz des Reiches. Mit vollem Recht wollte sich aber auch die Reichsstadt Nürnberg als ein treuer Befolger dieses Gesetzes, und gerade dieses Gesetzes, erweisen. Hier treu dem Reich und treu dem Kaiser zu sein, das galt in Nürnberg nicht zum bloßen Schein. „Des Heiligen Römischen Reiches Freie Stadt“, dieser Name ver­ pflichtete buchstäblich. Darum wurde dem Kaiser auch jetzt, noch ehe man in die nähere Untersuchung der für so kritisch gehaltenen Haftsache eintrat, schon von vornherein geantwortet, daß man sich in Nürnberg keiner Ver­ letzung des Religionsfriedens bewußt wäre, weder des zu Augsburg noch des zu Münster-Osnabrück geschlossenen. In diesem guten Glau­ ben, ja in dieser Gewißheit ließ man durch den Gesandten Hochmann in Wien vorläufig mitteilen, „wie man hiesigen Orts niemals gemeinet seie, etwas wider das Instrumentum Pacis zu verhängen oder zu Schulden kommen zu lassen“ 7). Es war ein selbstsicheres Wort. Doch erwies es sich als wahr. Ge­ rade der Fall Willius bestätigte es von neuem voll und ganz. Die Beweise wurden angeboten. Sie wurden auch unwiderleglich erbracht, dafür erbracht, daß die Reichsstadt Nürnberg den Religions­ frieden weder selbst gebrochen hatte noch ihn durch andere hatte brechen lassen, sondern daß Willius ein Übeltäter war. Das vom Kai­ ser für mißachtet gehaltene Recht war unverletzt geblieben. Als erster Kronzeuge kam Oberstleutnant Freiherr von Ehrmanns zu Wort, der damalige Bataillonskommandeur von Willius. Er hatte über diesen schon vor Jahren an den Regimentskommandeur Generalfeldzeugmeister Graf von Guttenstein Meldung erstattet, schon da­ mals, als Willius beim Regiment seine ersten Schandtaten verübte und daraufhin verhaftet wurde 8). Dieser Bericht wurde jetzt vor­ gelegt 9). Er war vernichtend. Willius, gegen Ende des Spanischen Erbfolgekrieges erst bei der Grenadierkompanie des Hauptmanns Mischka und dann beim Gesamtbataillon Ehrmanns als Feldscher bestellt, entpuppte sich bald als ausgemachter Dieb und Betrüger, verkaufte oder versetzte seine Dienstuniformen, plünderte die ihm anvertraute Apotheke, erleich­ terte den „Feldkasten“ um die besten der darin enthaltenen ärzt­ lichen Instrumente und schob, zur Verantwortung gezogen, die Schuld auf andere. Dann vergriff er sich an der Habe der Soldaten. In den Lagerzelten wie in der Kaserne ließ er mitgehen, was ihm in die Fin­ ger kam, besonders gute, neue Wäsche. 249

MVGN 48

(1956)

Willius

Das war aber erst der bescheidene Beginn. Kühnere Fortsetzung und unverschämtes Ende folgten. Nachdem er, Interesse am katholilischen Gottesdienst vorschützend, durch mehrere Tage die Gelegen­ heit in der Sakristei der Philippsburger Schloßkapelle ausgekund­ schaftet hatte, wußte er genug. Er brachte ein Weihrauchfaß aus Mes­ sing zur Seite, zerbrach es und gab die unkenntlich gemachten Trüm­ mer einem Rotgießer, der ein Barbierbecken daraus fertigen sollte. Zugleich stahl er ein ganzes, feinlinnenes weißes Meßgewand, eine Albe, und verkaufte sie einem plötzlich aufgetauchten und ebenso plötzlich verschwundenen jüdischen Hausierer. Nicht genug damit, holte er sich kurz darauf unmittelbar vom Altar der Kapelle zwei schwere Leuchter, nahm ein bei der Messe gebrauchtes Kelchtuch mit, trennte die darangestickten reichen Silberfransen herunter und verkaufte auch dieses alles wieder einem Juden. Nun war das Maß voll. Der Schloßkaplan, ein Kapuziner10), hatte zwar den Reuebeteuerungen des Überführten geglaubt und ihn bei seinem Hauptmann straffrei erbeten, auch erreicht, daß keine An­ zeige an ein höheres Kommando erstattet wurde. Selbst gegen den Rückfälligen wollte der leicht umzustimmende Pater noch einmal Gnade vor Recht angewandt wissen. Wieder bat er darum. Doch um­ sonst. Diesmal nahm das gehörige Strafverfahren seinen Lauf. Oberst­ leutnant Ehrmanns ließ den unverbesserlichen Plünderer öffentlichen Gutes, Kameradschaftsdieb und Kirchenschänder durch den Profoßen in Eisen schließen und vom Hauptmann-Auditor des Bataillons streng verhören. Dabei kam Überraschendes an den Tag. Zu seiner Person gab Willius an, daß er 35 Jahre alt wäre, in Kopenhagen geboren, verheiratet, kinderlos, Bürger der Reichsstadt Frankfurt, wo auch angeblich seine Frau noch wohnte. Das wurde ge­ glaubt, erschien vorläufig auch belanglos. Zweifel erregte schon seine Mitteilung, daß er, der so übel Be­ leumundete, der Sohn des verstorbenen Dr. med. Johann Valentin Willius wäre, der bis zu seinem Tode Leibarzt des Königs von Däne­ mark war. Noch zweifelhafter erschien die Glaubwürdigkeit der Aus­ sage, daß die Schwester des verstorbenen Vaters, also die Tante des Verhafteten, Katharina von Binder hieße und in Wien als die Witwe des namhaften, vor einigen Jahren gestorbenen, am kaiserlichen Hof und in der Wiener Gesellschaft immer noch in bestem Angedenken stehenden Reichshofrats Friedrich von Binder11) lebe. Auch das wollte nicht zum Bilde des Delinquenten passen, daß der erste Ratskonsu­ lent der Reichsstadt Regensburg, Bößner, in naher Verwandschaft zu ihm stände. Doch erwiesen sich alle diese Angaben als richtig. Oberstleutnant von Ehrmanns ließ sie nachprüfen 12). Willius war, was seine Her­ kunft und seine Verwandtschaft betraf, wirklich der, für den er sich ausgab. 250

MVGN 48 (1958) WUlius

Das machte freilich die Entscheidung, vor die seine militärischen Vorgesetzten, jetzt zugleich seine Richter, gestellt waren, nicht leich­ ter. Was sollten sie mit einem solchen Menschen tun? Daß er schuldig war, brauchte nicht weiter bewiesen zu werden. Er leugnete es auch gar nicht. Wie aber wäre er zu bestrafen, so zu bestrafen, daß die be­ gangenen Untaten gerecht gebüßt und die künftig noch zu befürch­ tenden wirksam hintangehalten würden? Dabei stand auf der Liste seiner Vergehen noch eines, das als das ärgste erschien, nämlich das freventliche Spiel mit seinem Bekennt­ nis. Evangelisch-lutherisch geboren, gab er sich bald für katholisch, bald wieder für kalvinisch aus. Das Abendmahl empfing er, gar nicht so selten, beim lutherischen Pastor. Was war er also wirklich, „dieser Bösewicht“, wie ihn Oberstleutnant von Ehrmanns voll Empörung nannte? 13). Wäre keine Rücksicht auf die hohe Verwandtschaft, besonders auf die Reichshofrätin von Binder in Wien und auf den Ratkonsulenten Bößner in Regensburg zu nehmen gewesen, wie man glaubte, es tun zu müssen, hätten nach Ehrmanns Meinung erst die „Justiz“ und dann der „Scharfrichter“ das letzte Wort gehabt. So aber blieb es bei den Verhören durch Bataillonsoffiziere. Weiter zu gehen, schien nicht ratsam, zumal sich auch General Graf von Schlick aus Wien brieflich zugunsten des Inhaftierten verwendete. Ein solcher Wunsch des Generals war für Feldzeugmeister Graf von Guttenstein schon ein halber Befehl, natürlich erst recht für den im Rang noch tieferstehenden Oberstleutnant von Ehrmanns. Da aber etwas Ernstliches geschehen mußte, griff Graf Guttenstein den Vor­ schlag Ehrmanns’ auf, daß Willius ohne weiteres Gerichtsverfahren entweder einer empfindlichen Leibesstrafe unterzogen würde oder, „was noch füglicher und sicherer zu sein scheine, auf einige, wo nicht gar ewige Zeit ins Zuchthaus getan werden mögte“ 14). Damit war er dann, wohl für immer, unschädlich gemacht. Er konnte seiner hohen Verwandtschaft „keinen fernem Spott“ mehr antun 15). Die Wiener Reichshofrätin, der Regensburger Ratskonsulent und alle anderen Angehörigen der „Freundschaft“ brauchten von diesem ungeratenen Neffen und Vetter keine weitere Schande zu befürchten. So geschah es auch. Graf von Guttenstein verfügte die Haft, dem Wortlaut nach unbegrenzt. Eine Eskorte schwerbewaffneter Muske­ tiere, befehligt von einem Feldwebel, lieferte Anfang März 1713 den Feldscher Willius in Nürnberg ab. Warum in Nürnberg? Die Reichs­ hofrätin von Binder hatte es so gewünscht. Der Rat der Reichsstadt berief sich auf sie, als er den Befehl zur Übernahme des Gefangenen in den Turm Luginsland gab. Dem Turmhüter wurde auf die Seele gebunden, „daß es selben wohl verwahren, jedoch in ein sauber Zim­ mer legen solle“ 1< jpfjunb einem "^«mh-eUef utm t»nBxjt>rldpidrr ,3^i4>eil. ') t Jiji ^Ünsrr mrter tözmgfübrtr tut» mtf bic ~£eait«hg , Webe imt ,35^ ^ mrb Knuten ,3f«brk'ntbtr{ grbmri \«i tmb bte iStarbf ttm bi* “• CÖfagenb beberraefjt. 'Zfit ^Vtwaiflji tnm l>uv ist mr, *. beartjretRtcf) rridt iuuVat»fefAr(ifl. ffflir fht. trr*d)hgerr3Fa»Ättt» ^ tttrttdd brrtfftt sid) M»(fKtbtr^ narb alLrit'^Ätticu au*-; brr |](jfÄtm5inUrberg , brr *3!wferbcrg tfm (Sawbrrg 4000JRi|Vbocb, bcr c^hirrabfrg, bte^Dferb Aintr, ber'Qätaljmuim, baa^onl*rg», (j beeilte an mdj . tmb tthmsebtr eud) brrb^* £tttmr I tubiMÄt» ^VttftcnbltLc rjbr alte, bt* ibrjSnur j^hr |olcfj< dFrru,,

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