Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [41]

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Mitteilungen des

Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg

E i n u n d v i e r z i g s t e r Band

NÜRNBERG KOMMISSIONSVERLAG „DIE EGGE” 19 5 0

Gedruckt mit Zuschüssen des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, des Erzbischöfl. Ordinariats Bamberg, des Stadtrats Nürnberg und des Brauerei­ verbandes Nürnberg. Druck: Buchdruckerei und Verlag Ph. C. W. Schmidt, Neustadt a. d. Aisch

INHALT Abhandlungen: Die Stadt Nürnberg in ihren Beziehungen zur Römischen Kurie während des Mittelalters Von Dr. Joseph Kraus, Direktor des Aufseesianum in Bamberg . .

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Friedrich Wilhelm Ghillany. Ein Typus aus dem deutschen Bürgertum von 1848 Von Archivdirektor Dr. Gerhard Pfeiffer................................................... 155 Die Familie Muffel im Mittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte des Nürn­ berger Patriziats, seiner Entstehung und seines Besitzes Von Dr. Gerhard Hirschmann, Staatsarchivreferendar .... Kleine Beiträge: Nürnberger Reichsvogtei im 12. Jahrhundert Von Studienprofessor Dr. Wilhelm Kraft................................................... 393 Das Wachstafelbuch des Burggrafentums zu Nürnberg Von Studienrat Werner Sprung.................................................................... 396 Wieder einmal „Schembart“ Von Bibliotheksdirektor Dr. Friedrich Bock.......................................... 399 Zur Baugeschichte des Hersbrucker Schlosses Von Konservator Dr. Wilhelm Schwemmer...........................................399 Georg Andreas Will. Ein Lebensbild aus der Spätzeit der Universität Altdorf Von Bibliotheksdirektor Dr. Friedrich Bock...........................................404 Karl Ludwig Roth, Rektor des Melanchthon-Gymnasiums in Nürnberg Von Eberhard Teufel, Pfarrer in Stuttgart...........................................427 Der Plan der Nürnberger Germanistenversammlung von 1848. Mit einem Briefe Jakob Grimms Von Dr. Hanns Hubert Hofmanm Assistent am Institut für fränkische Landesforschung in Erlangen .....................................................................443 Wallenstein als Altdorfer Student Von Studienprofessor Dr. August Jegel..................................................447

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Die Stadt Nürnberg in ihren Beziehungen zur Römischen Kurie während des Mittelalters Von Josef Kraus.

Einleitung. Nach der ersten umfassenden Nürnberger Chronik trat die Stadt im Jahre 799 erstmals in unmittelbare Beziehung zu den Päpsten. Siegmund Meisterlin berichtet, Papst Leo III. habe damals die angeblich von Karl dem Großen errichtete Kapelle bei Altenfurth konsekriert1). Wenn diese Mitteilung des Chronisten auch häufig nachgeschrieben wurde2), so ist sie doch unhaltbar8). Um diese frühe Zeit gab es weder einen Ort, der den Namen Nürnberg trug, noch eine Kapelle zu Altenfurth. Die Geschichte der späteren Reichsstadt be­ ginnt mit der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts und die Altenfurther Rundkäpelle ist nach fast allgemeiner Ansicht ein Bauwerk des zwölften4). Meisterlin ist hier, wie so oft, der Versuchung erlegen, weltgeschichtliche Er­ eignisse und bedeutende Persönlichkeiten mit seiner Stadt in Verbindung zu bringen, um so deren Geschichte möglichst weit zurückführen zu können. Was sein Bericht an Wahrheitsgehalt bietet, ist denkbar wenig. Im Jahre 1052 zog Leo IX. von Regensburg her durch die Nürnberger Gegend und wohl auch durch die junge Siedlung an der Pegnitz5). Irgendwelche Spuren in Nürnbergs Geschichte hat dieser frühe Papstbesuch nicht hinterlassen6). Um diese Zeit findet der Name der später so mächtigen Stadt erstmals ur­ kundliche Erwähnung7). Ihre Entwicklung vollzog sich mit erstaunlicher Schnel­ ligkeit, dank ihrer günstigen geographischen Lage, dank der Vorliebe deutscher Könige und Kaiser für sie, und nicht zuletzt dank der bald in großem Ausmaß einsetzenden Wallfahrtsbewegung zum Grabe des hl. Sebald8). In kirchlicher Hinsicht unterstand die Gemeinde dem Bischof der neugegründeten Diözese Bamberg9), während sich das religiöse Leben der Siedlung selbst um die beiden Kapellen St. Peter und Heiliggrab gruppierte, an deren Stelle wenig später die Kirchen St. Sebald und St. Lorenz erstanden. Durch den Flußlauf der Pegnitz getrennt, bildeten diese beiden späteren Hauptkirchen Nürnbergs mit ihrem Gemeindegebiet noch geraume Zeit Bestandteile auswärtiger Pfarrreien; die Sebalder Stadtseite unterstand der alten Pfarrei Poppenreuth, die Lorenzer der Pfarrei Fürth, an der Südgrenze des Bamberger Bistums 10). Auch die verschiedenen Ordensgemeinschaften gründeten bald Nieder­ lassungen in der aufstrebenden Stadt. Als erster erstand um 1140 der Schotten­ konvent zu St. Egidien, im 13. Jahrhundert kamen die Klöster der Augustiner, Franziskaner, Karmeliten und Dominikaner hinzu. Auch die Häuser der Magdalenerinnen, die später in den Klarissenorden übertraten und der Dominikanerinnen von St. Katharina wurden in dieser Zeit errichtet. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts übernahm ein Teil der Magdalenerinnen das mit Hilfe des Reichsministerialen Ulrich von Königstein gegründete Kloster l

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Engelthal, dem der zuständige Bischof von Eichstätt die Regel des hl. Augusti­ nus gab. Der Deutsche Orden hatte bereits von Kaiser Otto IV. die St. Jakobs­ kirche in Nürnberg und von Friedrich II. das Spital der hl. Elisabeth er­ halten 11). Im 14. Jahrhundert entstanden die beiden mit Nürnberg immer eng verbundenen Nonnenklöster Himmelthron und Maria Schiedung; das erste, als Zisterzienserinnenkloster 1343 am Neuen Spital errichtet und fünf Jahre später nach Gründlach verlegt12); das andere, gestiftet von Ludwig dem Bayern und einigen Familien Nürnbergs, zu Pillenreuth18). Den Abschluß der Nürnberger Klostergründungen machte Markward Mendel mit seiner um 1330 erbauten Kartause14). Es ist klar, daß die Geistlichkeit dieser vielen Kirchen und Klöster mit ihren Vorgesetzten Behörden bis hinauf zum Hl. Stuhl lebhafte Beziehungen unterhielt. Die Konvente erbaten päpstliche Privilegien, die Bestätigung ihrer Güter und Rechte, Schutzbriefe und Indulte verschiedener Art15). Gelegentlich kam es auch zu besonderen Verhandlungen mit der Kurie, so um 1270 von seiten der Augustiner, die ihre abgebrannten Klostergebäude gegen den Willen des Bamberger Oberhirten innerhalb der Nürnberger Stadtmauern wieder­ aufbauen wollten16), oder 1278 beim Uebertritt der Magdalenerinnen in den Klarissenorden17). Auch Ablaßbriefe wurden erbeten, wenn auch von den zahlreichen, die bis 1350 für Nürnberger Empfänger ausgestellt wurden, nur wenige aus kurialen Kreisen stammen und kein einziger aus der Hand des Papstes selbst18). Vielfältige Beziehungen zu den obersten Kirchenbehörden ergaben sich ferner aus dem Pfründewesen, das im 13. und 14. Jahrhundert schon weithin Reservat der Kurie geworden war. Höhere Kirchenämter, um die es sich dabei vorzugsweise handelte, gab es zwar um jene Zeit in Nürnberg noch nicht. Da die Inhaber der Hauptkirchen jedoch stets Kanoniker des Bamberger Domkapitels waren 1#), erscheint in Verleihungs- und Bestätigungs­ urkunden aus Rom und Avignon doch zuweilen auch der Name Nürnbergs20). In einigen wenigen Fällen haben sich Geistliche der Stadt auch schon in dieser Zeit auf dem Wege der Appellation an die Kurie gewandt. So suchte Abt Donald von St. Egidien auf diese Weise mehrere Vikare von Schwabach und Katzwang gegen übermäßige Steuerforderungen des Eichstätter Bischofs zu schützen21). Die Nonnen von Engelthal brachten ihren langdauemden Streit mit dem Pfarrer von Offenhausen vor den Papst22). Und als in den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts die schon lange bestehende Spannung zwischen dem Welt- und Ordensklerus Nürnbergs zu ernsten Auseinandersetzungen führte, wurde auch hier von beiden Seiten die Entscheidung des Apostolischen Stuhles angerufen 2S). Bei all diesen römischen Verhandlungen der Geistlichkeit spielte die Stadt Nürnberg als solche keine Rolle. Niemals in den ersten drei Jahrhunderten ihrer Geschichte findet man ihre Regierung als Bittstellerin in Rom oder Avignon. Die Klosterprivilegien wurden begreiflicherweise von den Konventen selbst erbeten, in einigen Fällen auch mit königlicher Unterstützung24). Auf die Besetzung der Hauptkirchen hatte die Stadt keinen Einfluß. Die Appella­ tionen gingen ausnahmslos von Geistlichen aus. Sogar bei den kurialen Ab­ laßverleihungen ist nirgendwo die Mitwirkung städtischer Behörden nachzu­ weisen. Auch im Rahmen der großen Politik sucht man bis in das 14. Jahrhundert hinein vergeblich nach unmittelbaren Beziehungen zwischen der 2

Verwaltung der Stadt Nürnberg und der Römischen Kurie. Wie die Stadt in geistlichen Fragen noch nicht daran dachte, selbständig mit den Päpsten zu verhandeln, so überließ sie sich in politischen ganz der Führung des Königs, auch wenn sie damit gelegentlich in Gegensatz zur kirchlichen Obrigkeit geriet. Sie konnte kaum anders; ein starkes Gefühl der Dankbarkeit für die zahl­ reichen Erweise königlicher Huld und wohl noch mehr das Bewußtsein, daß ohne Kaiser und Reich ein gedeihlicher Aufstieg des Gemeinwesens unmög­ lich war, zwangen die Stadt immer wieder an die Seite des Reichsoberhauptes. Aber niemals, in keinem Abschnitt der großen mittelalterlichen Kämpfe zwi­ schen Kaiser und Papst nahm Nürnberg eine grundsätzlich papstfeindliche Stellung ein. Man hat das zwar schon für die Zeit des Investiturstreits behauptet **). Aber weder die mehrmalige Anwesenheit Heinrichs IV., noch die Entscheidung der Stadt für den alternden Kaiser im Sommer 1105 berechtigen zu diesem Urteil. Führung und Volk der Gemeinde hatten keinen Einfluß auf die Wahl des königlichen Aufenthaltsortes, und in den Kämpfen zwischen Vater und Sohn handelte es sich in erster Linie um die Burg, nicht um die Stadt26). Deutlicher erscheint die Stellung Nürnbergs in den schweren Auseinander­ setzungen der Stauferzeit. Von Barbarossa bis Konrad IV. standen sein£ Be­ wohner unentwegt zu den Fürsten dieses stolzen Geschlechtes, denen Stadt und Burg an der Pegnitz als Mittelpunkt ihrer fränkischen Besitzungen, als Residenz und Tagungsort besonders teuer war. Friedrich Barbarossa, Hein­ rich VI., Philipp von Schwaben, Friedrich II. und seine Söhne, alle hielten sich oft und gerne hier auf. Was verdankte Nürnberg, nicht allein Friedrich II.!' Seit die staufische Partei im Herbst 1211 von hier aus das „Kind von Apulien“ ins Reich gerufen hatte, galt die besondere Gunst und Fürsorge des jungen Herrschers der aufstrebenden fränkischen Stadt. Sein Privileg vom 8. November 1219 war „ein Markstein in der Entwicklung Nürnbergs . . . der stärkste und massivste Grundstein der Nürnberger Reichsfreiheit“27). Kein Wunder, daß man hier immer staufisch fühlte, auch während der erbitterten Kämpfe dieses Hauses mit der Kurie. Darum traf der Bann, den Alexander III. am 24. März 1160 über den Rotbart und seine Anhänger aussprach, Nürnberg ebenso wie den Diözesanbischof Eberhard II. von Bamberg28). Das gleiche geschah etwa 80 Jahre später. Unter den Truppen der deutschen Städte, die um 1239 dem zweiten Friedrich gegen Papst Gregor IX. zu Hilfe eilten, befand sich auch ein Nürnberger Fähnlein. Wiederum verfiel die Stadt dem Bann. Am 11. April des Jahres 1240 befahl der Passauer Archidiakon Albert Behaim kraft päpst­ licher Vollmacht dem Bischof von Eichstätt, gegen Nürnberg, Greding und Weißenburg das Interdikt zu verkünden, weil die genannten Städte für den Kaiser Partei ergriffen hätten29). Trotzdem scheint Nürnberg dem Kaiser treugeblieben zu sein, selbst nach dessen Absetzung und der zu Lyon gegen ihn ausgesprochenen erneuten Exkommunikation, als ein Großteil der deut­ schen Fürsten ihn verlassen hatte80). Gleichwohl gilt auch hier: Eine grund­ sätzliche Gegnerschaft gegen die Kurie gab es in Nürnberg nicht. Man folgte dem Kaiser, weil er der Kaiser war, und nicht, weil er gegen das Papsttum kämpfte. Ausschlaggebend blieb immer die Rücksicht auf das Wohl der Stadt. Als der Stern des staufischen Hauses niederging, suchte und fand Nürnberg den Anschluß an die neue Zeit. Lange vor dem Ende des unglücklichen Konradin trat es dem Rheinischen Städtebund bei und damit jener Kräfte­ gruppe, die sich bereits zur Anerkennung Wilhelms von Holland verstanden hatte 21). i*

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Die Stellung der Stadt zu Ludwig dem Bayern konnte keine andere sein als zu seinen kaiserlichen Vorgängern. Auch ihm verdankte Nürnberg außer­ ordentlich vielS2). Dazu kam, daß sich viele Nachbarfürsten und Nachbarstädte für ihn entschieden, ja nach der Mühldorfer Schlacht beinahe alle ohne Aus­ nahme. Wie hätte Nürnberg anders handeln können? Der Papst war weit, seine Strafen verspürte man bei der eigenwilligen Haltung der heimischen Bischöfe oft kaum, während vom Kaiser alles abhing. Seine Gegnerschaft bedeutete Ge­ fährdung oder gar Verlust der wichtigsten Rechte und Freiheiten, der Privi­ legien für Handel und Verkehr, für Gericht und Wirtschaft und damit aller Aussichten auf eine weitere Aufwärtsentwicklung des Gemeinwesens. So war der Platz Nürnbergs auch in diesem letzten harten Kampf zwischen Kaiser und Papst von vornherein bestimmt. Mit Ludwig verfiel es 1324 wiederum den Strafen der Kurie33), Es ist bekannt, welche Erbitterung das 23 Jahre dauernde Interdikt überall in Deutschland hervorrief und wie sehr das Ansehen des Apostolischen Stuhles darunter litt, sodaß seine Gesandten und Anhänger mancherorts den schlimm­ sten Gewalttaten ausgesetzt waren34). Aus Nürnberg hören wir nichts der­ gleichen. Die sonst so gut unterrichteten Chronisten der Stadt berichten weder von Ausschreitungen der Bevölkerung gegen Geistliche noch von Zwistigkeiten innerhalb des Klerus selbst, wie sie damals so häufig vorkamen. Es scheint, als habe Geistlichkeit und Volk in seltener Einmütigkeit die Beobachtung des Interdikts abgelehnt, ja als sei es überhaupt nicht verkündet worden. Wie wäre es sonst möglich, daß der Kaiser, der mit strengsten Strafen gegen alle Verteidiger der päpstlichen Politik einschritt, der die „nichtsingende“ Geist­ lichkeit mit Güterentziehung, Haft und Reichsacht bedrohte, der papsttreue Ordensleute aus den Klöstern und Städten jagen ließ35), nicht ein einziges Mal Veranlassung hatte, gegen Nürnberger Geistliche oder gegen die Stadt selbst einzuschreiten? Im Gegenteil, wir kennen aus allen Abschnitten seiner Regie­ rungszeit zahlreiche Erweise königlicher Huld für sie36), sodaß Mummenhoff mit Recht sagen kann, Ludwig der Bayer sei zeit seines Lebens „der eifrige Anwalt, der treue Freund, der besorgte Vater der Stadt“ gewesen37). Es gibt noch weitere Beweise für den Anschluß der Nürnberger Geistlich­ keit an den gebannten Herrscher. Am 3. März 1349 ließ Bischof Friedrich von Bamberg den Klarissen der Stadt die Strafen nach, die sie sich während des Kampfes zwischen König und Papst zugezogen hatten38). Das Haus des Deutschen Ordens zu Nürnberg war dem Herrscher treu ergeben, wie der Orden überhaupt und — wenigstens bis 1333 — der Landkomtur von Franken im besonderen39). Die Stimmung in Engelthal wird durch die „keineswegs päpstlich gesinnte“ Christina Ebnerin40) ebenso gekennzeichnet, wie das die bekannte Mystikerin Margareta Ebner, die bis zuletzt zu dem gebannten Reichsoberhaupt hielt, für das Dominikanerinnenkloster Medingen tat41). Daß die Geistlichkeit Nürnbergs das Interdikt nicht beachtete, unterliegt keinem Zweifel. Im April 1333 beschwerte sich der stellvertretende Pfarrer Heinrich von St. Lorenz beim Bamberger Domdechanteigericht, daß die Frauen vom Dritten Orden des hl. Franziskus seit Jahren seine pfarrlichen Rechte miß­ achteten. Aus der Beschwerde geht mit aller Deutlichkeit hervor, daß das religiöse Leben der Stadt in keiner Weise gestört, daß also kein Interdikt verkündet war42). Man würde sich aber auch in diesem Falle täuschen, wollte man den Lenkern der städtischen Politik oder dem Nürnberger Klerus eine grundsätz4

liehe Gegnerschaft gegen den Heiligen Stuhl zuschreiben. Beide hielten zum Kaiser, aber beide wollten es auch mit der Kurie nicht verderben. Darum weigerte sich der Rat im September 1332 keineswegs, mit den Richtern zu ver­ handeln, die der Bischof zur Erforschung kirchen- und papstfeindlicher Ketzereien entsandt hatte 43). Und die Geistlichkeit? Sie brachte es fertig, trotz Nichtbeachtung des Interdikts und trotz ihrer Parteinahme für Ludwig Jahrzehnte hindurch auch mit der Kurie in Verbindung zu bleiben. Von 1324 bis 43 sind wenigstens acht. Ablaßbriefe aus Avignon und Rom für Nürnberger Kirchen bekannt44). Mehr als einmal während der großen Kämpfe wurde der Abt von St. Egidien mit der Exekution päpstlicher Reskripte beauftragt45); und in verschiedenen Fällen brachten Nürnberger Geistliche ihre Streitfälle auf dem Wege der Appellation nach Rom48). So riß die Verbindung Nürnbergs mit dem päpstlichen Hof nie ganz ab. Auch die Hinneigung zum gebannten Herrscher hinderte die Stadt nicht, mit der Kurie zu verkehren. Es ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, daß sich die Nürnberger Geistlichkeit am Ende des großen Kampfes um 1348 von dem durchreisenden Bischof Ulrich von Chur bestätigen ließ, sie handle nur ge­ zwungen dem päpstlichen Interdikt zuwider47). Wenn gesagt wurde, man könne für die Zeit vor 1350 weder in kirchlichen noch in politischen Fragen unmittelbare Beziehungen zwischen der Stadt Nürnberg und der Römischen Kurie nachweisen, so bleibt noch die Frage zu klären, ob nicht die Vertreter der Kurie, die Legaten und Nuntien, die ja auch damals schon häufig an der Pegnitz erschienen, in irgendeiner Weise Verbin­ dung mit den städtischen Behörden aufgenommen haben. Soviel wir wissen, nein. Die päpstlichen Gesandten kamen stets in Angelegenheiten des Herr­ schers, der Gesamtkirche oder des Reiches, nie in solchen der Stadt48). Nur einmal läßt sich die Teilnahme eines päpstlichen Legaten an einem Rechts­ geschäft der Stadt nachweisen. Unter den Zeugen des Stiftungsbriefes für das Neue Spital aus dem Jahre 1339 erscheint Arnold von Verdela, der Gesandte Benedikts XII. an Ludwig den Bayern 4fl). So darf man am Ende dieser ersten Periode Nürnberger Geschichte sagen: Seit der Name der Stadt erstmals in Urkunden erscheint, begegnet er wohl immer wieder in Verbindung mit der Römischen Kurie. Aber weder in den großen Auseinandersetzungen zwischen Imperium und Sacerdotium noch in den kleinen Anliegen der eigenen Kirchen und Klöster beim Heiligen Stuhl hat die Stadt als solche eine Rolle gespielt, ja sie trat kaum einmal mit den Legaten in Verbindung, die in nicht geringer Zahl in ihren Mauern weilten. Was Mummenhoff für die Gesamtgeschichte Nürnbergs für diesen Zeitraum festgestellt hat50), bestätigt sich also auch auf dem Gebiete der Beziehungen Nürnbergs zur Römischen Kurie: „Die . . . Zeit . . . bis gegen die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts bildet eine fortlaufende Kette von Ereignissen, welche fast ausschließlich die Entwicklung des inneren Lebens der Stadt be­ zeichnen ... Es ist merkwürdig, in welchem Maße die äußere Geschichte während der langen Zeit von beinahe anderthalbhundert Jahren in den Hinter­ grund tritt, um der stillen Arbeit innerer friedlicher Entwicklung das Feld zu lassen“.

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I. Abschnitt.

Die Aufnahme unmittelbarer Beziehungen zwischen Nürnberg und der Römischen Kurie (1350—1417). § 1. Nürnbergs erste Verhandlungen mit der Kurie. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts erreichte die Entwicklung des Nürn­ berger Gemeinwesens einen gewissen Abschluß. In Verwaltung und Gerichts­ wesen, Wirtschaft, Handel und Verkehr mit einer Fülle von Vorrechten und Freiheiten ausgestattet, im Innern seit dem Scheitern des Aufstandes von 1348 völlig gefestigt, konnte die Stadt nun beginnen, auch die Gestaltung ihrer äußeren Beziehungen in die eigene Hand zu nehmen. Ausschließlich maßge­ bend war dabei, wie überhaupt in der Regierung der Stadtgemeinde, der Kleine Rat, eine Körperschaft von 42 Männern, die fast ausnahmslos dem städtischen Patriziat entstammten. Die Bürgerschaft hatte auf seine Entschei­ dungen kaum einen Einfluß51). Dieser Rat begann nun in den fünfziger Jahren des 14. Jahrhunderts zum ersten Mal unmittelbare Verbindung mit dem päpstlichen Stuhle aufzunehmen. Die Fragen, um die es dabei ging, sind bezeichnend für die ganze spätere Entwicklung, deren letztes Ziel, die Erringung absoluter Kirchenhoheit, sich immer deutlicher enthüllte. Hier liegt das Kernstück der Nümbergisch-Römischen Beziehungen am Ausgang des Mittelalters. Auf drei wichtigen Gebieten zeigte sich das Bestreben der Stadt, in den kirchlichen Bereich hinüberzugreifen, zuerst, nämlich auf dem Gebiete der geistlichen Gerichtsbarkeit, auf dem Gebiete der Ämterbesetzung und auf dem Gebiete der kirchlichen Organisation. Daß es dabei nicht ohne Kampf abgehen würde, war bei der grundsätzlichen Haltung der Römischen Kurie unschwer vorauszusehen. Die geistliche Gerichtsbarkeit. Im Laufe des 13. und 14. Jahrhunderts hatte eich Nürnberg in der Rechtspflege einen hohen Grad von Selbständigkeit ge­ sichert. Seine Bürgerschaft war durch wiederholte kaiserliche Verfügungen in weltlichen Streit- und Strafsachen von jedem auswärtigen Gerichtszwang be­ freit und ausschließlich an die städtischen Gerichte verwiesen worden52). Eine Ausnahme machten lediglich die Kleriker auf Grund des privilegium fori so­ wie die rein kirchlichen Vergehen der Gläubigen, für die der Bischof von Bamberg bzw. der Bamberger Domdekan zuständig war, der sich im Kampf gegen Bischof und Archidiakon die geistliche Gerichtsbarkeit über das gesamte 6

Bistumsgebiet angeeignet hatte58). Da außerdem alle Rechtsstreitigkeiten, die sowohl das kirchliche wie das bürgerliche Gebiet betrafen (causae spiritual! annexae), sowie alle Zivil- und Strafsachen, bei denen eine Sünde mitspielte (ratione peccati), vor das kirchliche Gericht gezogen werden konnten, waren diese Ausnahmefälle freilich nicht selten54). Nürnbergs Regierung trug schwer an diesem Zustand, der ihr als unwür­ diges und gefährliches Abhängigkeitsverhältnis von fremder, wenn auch geistlicher Macht, erschien. Es fühlte sich als Reichsstadt, als Tagungsort der großen Reichs- und Fürstenversammlungen, als Residenz von Königen und Kaisern; es war stolz darauf, daß beinahe ein Drittel der gesamten Bamberger Bistumsbevölkerung in seinen Stadtmauern wohnte55). Als Stadt von solcher Größe und Bedeutung glaubte es auch dem geistlichen Gericht gegenüber eine besondere Stellung beanspruchen zu müssen. Sie zu erreichen, war Nürnbergs erstes Ziel an der Römischen Kurie. Dem Rat schwebten drei Wege vor: Einschränkung der Zuständigkeit des Bamberger Richters, Erhebung Nürnbergs zum Gerichtsort für sämtliche Streitund Strafsachen seiner Bürger auch in geistlichen Dingen und endlich Be­ schränkung der geistlichen Gerichtsbarkeit in Nürnberg auf rein kirchliche Fälle. Zuerst suchte man also den Richter zu treffen. Eine Bittschrift des Jahres 1354, die erste, mit der Nürnbergs Regierung an die Kurie ging55), brachte gegen ihn vor, er überschreite seine Befugnisse, lade ohne ausreichenden Grund vor sein Gericht, mißbrauche seine Strafgewalt zum eigenen Vorteil und verhänge nicht selten ungerechterweise schwerste Strafen über einzelne Bürger der Reichsstadt oder über die Gesamtheit ihrer Einwohnerschaft Also dieselben Vorwürfe, wie sie damals von seiten der Landesfürsten und des aufstrebenden Bürgertums ziemlich allgemein erhoben wurden57). Und nun die Bitte: Vorladungen Nürnberger Bürger durch den Domdekan in anderen als rein geistlichen Dingen sollten ein für allemal als nichtig gelten, jede Be­ strafung der Stadt durch den geistlichen Richter solle abhängig gemacht werden von der besonderen Erlaubnis des Apostolischen Stuhles. Papt Innozenz VI. lehnte ab, mit Recht., Denn ein Privileg dieser Art hätte die richterliche Gewalt des Bamberger Domdekans allzusehr beschnitten und revolutionierend gewirkt in allen Städten des Abendlandes. Wer sollte im Einzelfall entscheiden, ob es sich um rein kirchliche Fragen handelte oder nicht? Und wie sollte der geistlicher Richter seine. Aufgaben erfüllen können, wenn ihm die Ausübung der Strafgewalt in den wichtigsten Fällen entzogen war? Der Papst wies als Abhilfe auf das Mittel der kanonischen Bestrafung des Dekans hin, falls dieser wirklich seine Gewalt mißbrauche58). So ging es also nicht. Der Rat versuchte den zweiten Weg: Nürnberg sollte Verhandlungsort werden für alle geistlichen Prozesse, in die städtische Bürger verwickelt werden konnten. Nicht bloß für jene, die sich innerhalb der Bür­ gerschaft abspielten; Fälle solcher Art waren ohnedies nicht häufig, da nie­ mand gerne an fremde Gerichte ging, wenn er auch daheim zu seinem Recht kommen konnte. Die Ladungen nach Bamberg wurden vielmehr fast immer von Nichtnürnbergern veranlaßt; sollten sie abgestellt werden, so mußte eben Nürnberg auch für Händel zwischen Einheimischen und Fremden Ge­ richtsort werden. Allgemeinrechtlich stand diesem Wunsche nichts entgegen, da der Bischof bzw. der Domdekan seine richterliche Gewalt überall im Bis7

tum ausüben konnte59). Tatsächlich aber bedeutete es ein starkes Stück, sämt­ lichen Bistumsangehörigen zuzumuten, ihre geistlichen Streitsachen mit Nürn­ berger Bürgern gerade in Nürnberg austragen zu lassen, während die Nürn­ berger niemals Reisen zu auswärtigen Gerichten zu machen hatten. Die erneute Bittschrift des Rates, wie die erste im Namen des deutschen Königs ab gefaßt, betonte vor allem die weite Entfernung zwischen Nürnberg und der Bischofsstadt, die Unsicherheit des Weges und wiederum die hervor­ ragende Stellung Nürnbergs, Gründe, die zwar den Tatsachen entsprachen60), die jedoch die weitgehenden Forderungen des Rates nicht rechtfertigen konn­ ten. War der Weg nach Bamberg für einen Bürger Nürnbergs weit und ge­ fährlich, so war er es nicht weniger für einen Bamberger, der nach Nürnberg reisen mußte, oder gar für einen Prozeßteilnehmer aus den nördlichen Pfarreien des Bistums. Daß der Domdekan oder sein Vertreter Streitfälle innerhalb der reichsstädtischen Bürgerschaft an Ort und Stelle erledigen sollte, war ein Verlangen, das man bei der Bevölkerungszahl und Bedeutung Nürnbergs verstehen konnte. Daß aber jeder Diözesane, der mit einem Nürn­ berger in Streit geriet, gerade dorthin vor das geistliche Gericht kommen sollte, konnte man billigerweise nicht erwarten. In diesem durchaus berechtigten Sinn entschied auch die Kurie, indem sie die Bestellung eines geistlichen Richters für Nürnberg genehmigte, der künftig die kirchlichen Streit- und Strafsachen innerhalb der Bürgerschaft entscheiden sollte. Der Domdekan wurde angewiesen, für die in Frage kommenden Fälle einen Vertreter zu er­ nennen 61). Obwohl damit den berechtigten Wünschen Nürnbergs voll entsprochen war, fühlte sich der Rat tief enttäuscht. Er sah in der päpstlichen Antwort nicht die bedeutenden Zugeständnisse, die sie machte, sondern die Ablehnung seines weitergehenden Planes, sich eine völlige Ausnahmestellung zu verschaf­ fen. Denn was man auch immer von Schwierigkeiten des Weges, von der Gefährlichkeit der Reise nach Bamberg, von Verlust an Zeit und Geld ge­ schrieben hatte, die Hauptsache war das nicht. Man wollte auf das geistliche Gericht selber Einfluß gewinnen, man wollte auch ihm gegenüber, soweit das möglich war, unabhängig sein. Dieses Ziel ließ sich aber nur dann erreichen, wenn man den zuständigen geistlichen Richter in der Nähe hatte. Gewiß, recht­ lich gab es ?ür die weltlichen Behörden der Stadt keine Möglichkeit, seine Amtsführung zu beeinflussen. Aber praktisch konnte sich ein Mann, der inner­ halb der Reichsstadt lebte und wirkte, ihrem mächtigen Einfluß ungleich weni­ ger entziehen als etwa der Dekan, der fern von Nürnberg im Kreuzgang des Bamberger Kapitelshauses zu Gerichte saß. Deshalb konnte man keinen Rich­ ter brauchen, der nur gelegentlich nach Nürnberg herüberkam, und erst recht keinen, der in einer der Nachbarstädte Recht sprach, obwohl auch in diesem Fall die immer betonten Reiseschwierigkeiten ganz oder teilweise weggefallen wären. Und deshalb genügte auch ein Richter nicht, der ausschließlich für innerstädtische kirchliche Rechtsfälle zuständig war62). Man versuchte es also noch einmal. Der städtische Gesandte in Avignon wurde angewiesen, alles zu tun, um die einschränkenden Bestimmungen des Reskripts zu beseitigen. Und hier wird auch das letzte Ziel offenbar, das der Rat in diesen Kämpfen zu erreichen suchte, die Beschränkung der sachlichen Zuständigkeit des geistlichen Gerichts überhaupt. Bisher hatte man das immer verschwiegen. Man glaubte wohl selber Mittel und Wege dazu finden zu können, sobald der kirchliche Richter einmal in Nürnberg war. Das war aber 8

durch die kuriale Entscheidung ernstlich in Frage gestellt, besonders jetzt, da Bamberg eben unter Berufung auf diese Entscheidung seine schon weitgehen-' den Zugeständnisse zurückgenommen und alle Verhandlungen abgebrochen hatte63). Scheiterte der neuerliche Versuch, einen geistlichen Richter mit mög^ liehst umfassenden Vollmachten für Nürnberg zu erreichen, so sollte der Papst gebeten werden, von sich aus die Zuständigkeit des Dechanteigerichts abzu­ grenzen, und zwar — wie es in den Anweisungen des Rates hieß — auf die herkömmlichen geistlichen Dinge: Ehe, Glaube, Zehnt und Wucher64). Stadt kaum einen Erfolg06). So blieb alles beim alten, auch auf die Ernennung eines eigenen geistlichen Richters für Nürnberg wurde verzichtet. Am 24. Oktober 1366 fiel in Avignon die endgültige Entscheidung. Nürn­ berg sollte einen geistlichen Richter erhalten; aber wiederum nur für jene Rechtsfälle, die sich innerhalb der städtischen Bürgerschaft ergaben. Lediglich die Vororte sollten mit einbezogen sein. Auf die sachliche Abgrenzung dieser Fälle ging die Bulle65) nicht ein, konnte sie nicht eingehen, ohne daß dies weitreichende Folgen gehabt hätte. Damit war auch dieser Vorstoß des Rates gegen das geistliche Gericht mißlungen. An seinen großen Forderungen ge­ messen, bedeutete die Ausdehnung des Privilegs von 1361 auf die Vororte der Mehr als dreißig Jahre schwieg der Rat. Nur einmal, als er in Person des römischen Rechtsgelehrten Petrus de Pisis67) einen besonders geeigneten Anwalt an der Kurie gefunden zu haben glaubte, kam er auf seine alten Forderungen zurück68). Da aber auch diesmal nichts Wesentliches erreicht werden konnte — lediglich die Bewohner des reichsstädtischen Territoriums sollten in den Geltungsbereich des Privilegs von 1361 miteinbezogen werden — brach man die Verhandlungen an der Kurie noch vor Ausfertigung der Bulle ab ••). Um diese Zeit gelang es den Städten Wien, Würzburg, Braunschweig und Quedlinburg am päpstlichen Hof außerordentliche Vergünstigungen auf dem Gebiete der geistlichen Gerichtsbarkeit zu erwirken. Ihre Bürgerschaft sollte in Zukunft von niemand vor ein auswärtiges geistliches Gericht geladen wer­ den dürfen 70). Das war das, was auch Nürnberg so oft und so vergeblich an­ gestrebt hatte. Mit neuem Eifer ging man nun ans Werk. Alle Gründe, die all die Jahre hindurch gegen das Bamberger Gericht ins Feld geführt worden waren, wurden von neuem hervorgeholt. Die weite Entfernung, die Unsicher­ heit der Wege, die Verluste an Zeit und Geld. Dazu kam eine lange Reihe von Klagen gegen die Amtsführung der geistlichen Richter. Das Nürnberger Staats­ archiv besitzt eine Beschwerdeschrift gegen den Bamberger Domdekan, die in diesen Jahren entstanden ist71). Sie wirft ihm vor, er mische sich in rein weltliche Händel ein, lade Unschuldige vor, verweigere den zu Unrecht Ge­ ladenen jeden Schadenersatz, verhänge viel zu hohe Strafen, dränge den Leuten seine Urteilsbriefe auf und zwar gegen übermäßige Gebühren, ja er lasse sich sogar für Freisprechungen bezahlen. Außerdem verweise er die Nürnberger Juden nicht an das allein zuständige Stadtgericht, spreche den reichsstädtischen Gerichtsbriefen die Beweiskraft ab und habe in vielen Fällen sogar Berufungen an die Kurie zu verhindern gesucht. Eine Liste mit Namen und anderen Einzelangaben sollte die Richtigkeit der Anschuldigungen be­ weisen 72). Es läßt sich heute nicht mehr nachprüfen, inwieweit die Klagen des Rates . der Wahrheit entsprachen. Manche Härten mögen hier wie anderswo gewiß 9

vorgekommen sein78), aber ebenso sicher lag die Hauptschuld an den Span­ nungen sehr häufig bei dem ausgeprägten Selbstbewußtsein der reichsstädti­ schen Bürgerschaft, die jede Art von Abhängigkeit, auch jene auf kirchlichem Gebiete, nur widerwillig ertrug. Diesmal brachte der Vorstoß des Rates einen vollen Erfolg. In drei Bullen vom 26. April 1402 erfüllte Bonifaz IX. fast alle Wünsche Nürnbergs. Seine Bürger sollten in Zukunft von niemand vor ein Gericht außerhalb der Stadtmauern gefordert werden dürfen (privilegium de non evocando); ein geistlicher Richter sollte alle nur möglichen Rechtsfälle, die einen. Nürnberger berührten, innerhalb der Stadt entscheiden. Als Konser­ vatoren dieses Vorrechts wurden in einer zweiten Bulle die Bischöfe von Eich­ stätt und Würzburg zusammen mit dem Nürnberger Schottenabt bestellt. Und in einer dritten beauftragte der Papst die gleichen Kirchenfürsten, im Sinne der Verfügung Bonifaz VIII. von 1302 dafür zu sorgen, daß Nürnberg nicht mehr um Schulden und geringer Geldbeträge willen dem Interdikt verfalle74). Damit stand der Rat auf dem Höhepunkt seiner Erfolge im Kampf gegen die geistliche Gerichtsbarkeit, auf einem Höhepunkt, den er nach kurzem Be­ sitz bis zur Reformation nicht wieder erreichte. Denn die Freude war wirklich nur von kurzer Dauer. Bald nach der Veröffentlichung des großen Nürnberger Privilegs durch den Bischof von Eichstätt75) erhoben Bischof, Dekan und Kapitel von Bamberg dagegen Einspruch beim Apostolischen Stuhl mit der Begrün­ dung, daß ihren Rechten dadurch unerträglicher Eintrag geschehe — man er­ innere sich nur der Tatsache, daß etwa ein Drittel der Bamberger Bistums­ bevölkerung auf Nümbergischem Gebiet wohnte. Und schon am 6. Dezember 1402, also nur sieben Monate nach seiner Verleihung, widerrief Papst Boni­ faz IX. das Nürnberger Privileg76). Alle Versuche des Rates, diesen Widerruf als Ergebnis unredlicher Machenschaften seitens der Bamberger anzufechten, oder mit Hilfe des Königs und der Reichsstände den Einfluß des Domdechantei­ gerichts einzuschränken, mißlangen77). Die Reichsstadt befand sich am Ende dieser Periode dem geistlichen Gericht gegenüber in der gleichen Lage, in der sie 60 Jahre früher ihren Kampf begonnen hatte78). Die Ämterbesetzung. Die zweite Angelegenheit, in der sich Nürnberg um die Mitte des 14. Jahrhunderts an die Kurie wandte, betraf die Frage der Be­ setzung seiner beiden Hauptkirchen St. Sebald und St. Lorenz. Zwar hatte die Kirche um diese Zeit längst die aus altgermanischer Rechtsanschauung her­ vorgegangenen Grundsätze des Eigenkirchenwesens, kraft deren der Erbauer oder Stifter einer Kirche auf seinem Grund und Boden das volle Verfügungs­ recht über diese beanspruchte, beseitigt. Aber auch der Patronat, der laikalen Kirchenherren an den von ihnen errichteten Kirchen oder auf Grund anderer Rechtstitel verblieb, gewährte diesen noch manche Sonderrechte von Bedeu­ tung, vor allem das Präsentationsrecht7®). Und darüber hinaus verstanden es die weltlichen Territorialgewalten bis zum Ende des Mittelalters, gerade den Patronat trotz aller kirchlichen Bestimmungen zur Steigerung ihres Einflusses auf das kirchliche Gebiet zu mißbrauchen, gelegentlich bis zur Überwachung des Lebenswandels der Geistlichkeit und der Regelung gottesdienstlicher Fragen ®°). Daß auch dem Nürnberger Rat dieses Ziel außerordentlich erstrebenswert erschien, ist bei seinem ausgeprägten Unabhängigkeits- und Machtgefühl nicht verwunderlich. Und so setzt um 1350 ein zäher, mit Edlen Mitteln geführter Kampf ein um die Erringung des Patronatsrechtes über die Hauptkirchen der Stadt, der bis in die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts hineinreichte. 10

Wie schon erwähnt, gehörte von alters her die Lorenzer Stadtseite Nürn­ bergs pfarrlich zu Fürth, die Sebalder dagegen zum Gebiet der nahe gelegenen Landpfarrei Poppenreuth. Infolge des mächtigen Aufblühens der Reichsstadt verlagerte sich besonders in letzterem Falle der Schwerpunkt der Pfarrei sehr bald nach Nürnberg, was vor allem in der Verleihung des Tauf- und Begräb­ nisrechtes 81), sowie in der Verlegung des Pfarrsitzes an die Kirche des Hl. Se­ bald zum Ausdrude kam82). Rechtlich änderte sich durch diese Vorgänge aller­ dings nichts im Verhältnis der beiden Kirchen zueinander, vor allem wurde der Nürnberger in keiner Weise eine Vorrangstellung über die alte Peters­ kirche in Poppenreuth zugesprochen88). Von ganz besonderer Bedeutung für die Hauptkirchen Nürnbergs war ferner der Umstand, daß sowohl Poppen­ reuth/St. Sebald wie auch Fürth/St. Lorenz zu jenen Pfarreien des Bamberger Bistums zählten, die der Bischof nach „offenbar sehr altem Herkommen“ 84> ausschließlich an Mitglieder seines Domkapitels zu verleihen pflegte, ohne daß es sich dabei etwa um eine formelle Inkorporation gehandelt hätte85). Diese eigentlichen Inhaber der Pfarreien — in Bamberger Urkunden werden sie häufig Oberpfarrer oder oberste Pfarrer genannt86) — wohnten in Bamberg, während die Seelsorge an ihren Kirchen durch Vikare ausgeübt wurde87). Irgendein Vorschlagsrecht des Nürnberger Rates bei der Besetzung seiner beiden Kirchen bestand nicht — dafür gab es ja auch keinen Rechtstitel — und, solange diese den Bamberger Kanonikern Vorbehalten blieben, bestand auch keine Aussicht, es zu erreichen. So richtete sich der erste Vorstoß Nürnbergs auf diesem Gebiete gegen jenes alte Bamberger Herkommen. Unter Übergehung des Ortsordinarius suchte man die Römische Kurie zu strengster Einschärfung der Residenzpflicht für die Inhaber der beiden Hauptkirchen zu veranlassen und damit praktisch das Domkapitel zum Verzicht auf St. Sebald und St Lorenz zu zwingen, da kein Domherr dauernd in Nürnberg Wohnung nehmen konnte. Der Papst lehnte ab und verwies den Rat ordnungsgemäß an den Diözesanbischof 88>. Einen vorübergehenden Erfolg hatte der Angriff Nürnbergs aber doch. In St. Sebald folgte um 1355 auf den Domherrn Friedrich von Castell der Pfarrer Albrecht Krauter, der sicher kein Kanoniker war und der tatsächlich in Nürn­ berg Wohnung nahm89). Auch Walter von Sydelnsdorf, der im Jahre 1356 Pfarrer von St. Lorenz wurde, gehörte dem Bamberger Domkapitel nicht an 90). Das Gleiche gilt von seinem Nachfolger Heinrich Prel91). Doch schon gegen Ende der siebziger Jahre, als Krauter auf seine Pfarrei verzichtete, um in den Kartäuserorden einzutreten, folgte ihm in Wolfram Dürr wieder ein Bam­ berger Domherr, der in der Bischofsstadt wohnte und St. Sebald durch einen Vikar versorgen ließ 92). Nürnbergs Rat gab sich nicht geschlagen. Und schon zu Beginn der Amts­ zeit Wolfram Dürrs eröffnete sich ihm gelegentlich eines Zunächst ohne seine Mitwirkung geführten, langen und erbitterten Streites um den Besitz der Kirchen Poppenreuth und St. Sebald die Möglichkeit, seinem Ziel einen we­ sentlichen Schritt näher zu kommen. Wie bereits erwähnt, war St. Sebald im Laufe der Zeit praktisch Pfarrsitz geworden, hatte die pfarrlichen Rechte erhalten und hatte sich eine derartige Vorrangstellung erworben, daß man sich daran gewöhnte, die ganze Pfarrei nicht mehr nach Poppenreuth, sondern nach St. Sebald zu benennen, ohne daß dieser Zustand irgendeine rechtliche Festlegung erfahren hätte. Diesen Um­ stand benützte der Inhaber einer Altarpfründe bei St. Sebald, Konrad Sauer,

um den wenig beliebten Wolfram Dürr aus der Pfarrei zu verdrängen M). Da Pürr die Pfarrei unter dem eingebürgerten Titel St. Sebald erhalten hatte* bezeichnete sie Sauer als vakant und ließ sie sich durch den eben in Nürnberg weilenden Legaten Urbans VI., Kardinal Pileus von Prata, am 9. Juli 1379 als Pfarrei Poppenreuth übertragen 94). Und sofort nach der Verleihung erhob er nun unter Berufung auf das immer noch bestehende Rechtsverhältnis zwischen Poppenreuth und St. Sebald als Inhaber der Mutterkirche auch Anspruch auf die Nürnberger Tochterkirche. Auf die Ansprüche Wolfram Dürrs nahm er keinerlei Rücksicht95). Natürlich war dieser nicht gewillt, sich kurzerhand verdrängen zu lassen. Er berief sich auf die tatsächlich bestehenden Verhältnisse, denen zu­ folge St. Sebald längst eine Vorrangstellung gegenüber Poppenreuth errungen habe, erklärte Sauers Ansprüche für unbegründet, die Verleihung der Pfarrei än ihn für ungültig und hinderte ihn entschieden an der Besitzergreifung der Poppenreuth er Kirche, deren Einkünfte er nach wie vor einzog96). Es kam zum Prozeß an der Kurie. Drei Jahre lang wurde dort verhandelt. Sauer, der allmählich einsah, daß er einen überholten Standpunkt vertrat, änderte seine Kampfweise und be­ gann nun auf die vollständige Trennung beider Kirchen hinzuarbeiten. Konnte er St. Sebald nicht erreichen, so wollte er wenigstens Poppenreuth nicht ver­ lieren, auch nicht um den Preis des völligen und bleibenden Verlustes jener alten Tochterkirche und der Anerkennung ihrer pfarrlichen Selbständigkeit. Und damit kam er zum Ziel. Am 27. Mai 1383 erklärte die Kurie, die Ver­ leihung der Poppenreuther Kirche an Konrad Sauer sei den kanonischen Be­ stimmungen entsprechend erfolgt, bestehe also zu Recht. Die Selbständigkeit der umstrittenen Kirchen und ihre Unabhängigkeit voneinander wurde aner­ kannt, Dürrs Ansprüche auf Poppenreuth endgültig abgewiesen 97). Die Stadt Nürnberg hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt im Hinter­ grund gehalten, wenn auch nicht eigens betont zu werden braucht, daß Rat und Bürgerschaft den Verlauf des Streites von Anfang an mit größter Auf­ merksamkeit verfolgten 98). Nun wurde man unruhig. Sauers Behauptung, die umstrittenen Kirchen stellten zwei getrennte und voneinander unabhängige Pfarreien dar, entsprach weder den Tatsachen noch den Wünschen der Reichs­ stadt. Nie war eine Grenze zwischen Poppenreuth und St. Sebald festgelegt worden; beide bildeten noch immer eine Pfarrei, wie auch nur ein Pfarrer Inhaber beider Kirchen war. Unter diesen Umständen mußte die kuriale Ent­ scheidung, die ja zwei selbständige Pfarreien voraussetzte und daher keinerlei Bestimmungen über deren Abgrenzung gegeneinander traf, zu ernsten Schwierigkeiten in Seelsorgs- und Wirtschaftsfragen führen, zumal weder Konrad Sauer noch Wolfram Dürr zu einer gütlichen Einigung bereit war. Den Rat interessierte vor allem die wirtschaftliche Seite des Streitfalls. Hatte er sich doch bereits damals einen entscheidenden Einfluß auf die Ver­ waltung des KirchenVermögens zu verschaffen gewußt. Ein von ihm bestellter Pfleger leitete die Bauarbeiten an den Kirchen, überwachte die Stiftungs­ gelder, verwaltete die Vermächtnisse, Gaben, Ablaßbriefe usw. Der Verlust dieses Einflusses auf das Kirchenvermögen der Poppenreuther Pfarrhälfte konnte ihm also nicht gleichgültig sein "). Auch der Gedanke an den Verlust der so lange als selbstverständlich angesehenen Vorrangstellung St. Sebalds über die Mutterkirche und an die Verkleinerung der stattlichen Pfarrei über­ haupt mochte dabei eine Rolle spielen. 12

So trat die Reichsstadt offen auf den Plan. Ihr Ziel war: Wiederherstellung des früheren Zustandes der Pfarrlichen Einheit mit St. Sebald als Pfarrsitz und rechtliche Sicherung dieses Zustandes durch die oberste kirchliche Be­ hörde. Begründet wurde die Bitte des Rates mit dem Hinweis auf die unab­ lässigen Streitigkeiten der beiden Pfarrer100) und die großen Nachteile und Gefahren, von denen das Seelenheil der Gläubigen sowie der Gottesdienst in der Sebalduskirche durch die Pfarrteilung angeblich bedroht waren. Und schon am 23. April 1386 hatte man das Ziel erreicht. Urban VI. ordnete die Wieder­ vereinigung der getrennten Pfarreien an und bestimmte, daß nach Abgang des einen der gegenwärtigen Inhaber dem anderen ohne weiteres die Gesamt­ pfarrei zufallen solle. Pfarrsitz wurde St. Sebald, Poppenreuth sollte in Zu­ kunft durch einen Vikar nach dem Vorschlag des Pfarrers versehen werden 101). Vielleicht ermutigte dieser Erfolg die Herren des städtischen Rates, nun auch auf jene Wünsche wieder zurückzugreifen, die in früheren Jahren un­ erfüllt geblieben waren, vor allem auf jenen, der die Loslösung der beiden Hauptkirchen St. Sebald und St. Lorenz vom Bämberger Domkapitel betraf. Die Bulle des Jahres 1386 genügte für diese Zwecke nicht. Sie forderte zwar vom künftigen Inhaber der Gesamtpfarrei St. Sebald/Poppenreuth persönliche Residenz in Nürnberg. Aber wenn Dürr, der Domherr von Bamberg und Ge­ neralvikar des dortigen Bischofs, die Pfarrei behauptete, war daran nicht zu denken 102). Außerdem galt die Bulle nur für eine Pfarrei, nicht auch für St. Lorenz, wo die Dinge ähnlich lagen. Es galt also dafür zu sorgen, daß erstens Konrad Sauer der kommende Pfarrer von St.Sebald/Poppenreuth wurde, und daß zweitens die Kurie für diese und die andere Nürnberger Pfarrei die ge­ naueste Beobachtung der Residenzpflicht befahl. Die eigentlichen Ziele des Rates bei alledem sind klar. Es mochte ja sein, daß die Abwesenheit der Pfarrer zu manchen Mißständen in der Seelsorge führte, zu großen aber nicht. Das zeigt schon die Schilderung des kirchlichen Lebens in den Bittschriften des Rates selber. Entscheidend war und blieb das Selbstgefühl der Ratsherren und Bürger, die ihre Hauptkirchen nicht nur in jeder Hinsicht so wohlgeordnet und geleitet sehen wollten, wie es nach ihrer Meinung dem Rang und der Bedeutung Nürnbergs entsprach103), sondern dringend darnach verlangten, sie möglichst vollständig ihrem Verfügungsrecht zu unterstellen. Dieses letzte Ziel lag freilich noch in der Ferne, aber man war schon zufrieden, wenn man ihm wenigstens schrittweise näherkam. Und das gelang auch diesmal. Denn die neuerwirkte päpstliche Anordnung, die den Pfarrern von St. Sebald und St. Lorenz unter Strafe des Amtsverlustes befahl, an ihren Kirchen „fortwährend persönlich zu residieren“, bedeutete praktisch das Ende der herkömmlichen Bindung an das Bämberger Domkapitel. Daran änderte auch die* Klausel der Bulle nichts, daß die im Dienste des Hl. Stuhles, des Bistums, der beiden Kirchen, der Nürnberger Stadtgemeinde oder ge­ legentlich einer Wallfahrt verbrachte Zeit ausgenommen sein solle 104). Denn der dauernde persönliche Wohnsitz eines Bämberger Kanonikers war doch immer Bamberg. Nürnberg zog die Folgerungen aus dem päpstlichen Reskript sehr bald, zu­ nächst für St. Sebald/Poppenreuth. Da Wolfram Dürr als Domherr und Gene­ ralvikar der Residenzpflicht in dem geforderten Umfang nicht genügen konnte, betrachtete man ihn als amtsenthoben und Konrad Sauer, der mittlerweile in den Dienst des Rates getreten war105), übernahm die Gesamtpfarrei, wie es 13

die Verfügung Urbans VI. vom Jahre 1386 vorgesehen hatte. Um den Ein­ spruch Wolfram Dürrs und des Diözesanbischofs kömmerte man sich gerade damals sehr wenig, da der große Städtekrieg, der eben tobte, die Verbindung mit dem apf der Gegenseite stehenden Bamberg ohnehin schwer oder un­ möglich machte108). Dort freilich hielt man am bisherigen Zustand fest, bis Dürr im Jahre 1393 starb 107). Denn als der Bischof kurz darauf die Pfarrei St. Sebald/Poppenreuth an den Eichstätter Kanonikus Albert Fleischmann verlieh, erklärte er ausdrücklich, sie sei durch den Tod Wolfram Dürrs frei geworden 108); Von Konrad Sauer, der noch 1394 als Pfarrer der beiden Kirchen geurkundet hatte 109) und mittlerweile ebenfalls gestorben war 110), ist im Ver­ leihungsdekret mit keinem Wort die Bede. Deutlicher konnte nicht erklärt werden, daß man in Bamberg nur Wolfram Dürr als rechtmäßigen Pfarrer betrachtet hatte. Warum der Bischof aber nun sein Domkapitel überging und Albert Fleischmann wählte, ist schwer zu sagen. Nürnberg war jedenfalls mit seiner Wahl zufrieden. Denn der neue Pfarrer entsprach den päpstlichen Be­ stimmungen und, was die Hauptsache war, er zählte nicht zu den Mitgliedern des Bamberger Domkapitels m). Ähnlich endete die Entwicklung in St. Lorenz. Zwischen 1386 und 1391 be­ mühten sich an der Kurie nicht weniger als vier Bewerber um die durch den Tod des Bamberger Domherrn Konrad Stör erledigte Pfarrei: der Pfarrer Konrad Schiller von Haßfurt und die Kanoniker Friedrich Heyden von Bam­ berg, Erhard Mercatoris von Gran und Wilhelm Sprenger von Stift Haug bei Würzbürg. Sieger wurde der Würzburger, also auch hier ein Kleriker, der nicht Bamberger Domherr war. Von einer Mitwirkung des städtischen Rates melden die Quellen freilich nichts m). Noch einmal galt es für den Nürnberger Rat, die errungene Unabhängigkeit seiner Hauptkirchen vom Bamberger Kapitel zu verteidigen, das nicht gewillt war, seine herkömmlichen Ansprüche kampflos preiszugeben. Als Bischof Lamprecht 1398 auf das Bistum resignierte, verpflichtete das Domkapitel in einer umfangreichen Wahlkapitulation11S) seinen Nachfolger unter anderem, die Pfarreien St. Sebald /Poppenreuth und St. Lorenz neben verschiedenen an­ deren der mensa des Kapitels zu inkorporieren, und der neue Bischof Albrecht vo-n Wertheim erwirkte dafür tatsächlich die Bestätigung der Kurie 114). Damit war das kaum gelöste Band zwischen den Kirchen Nürnbergs und dem Kapitel wieder hergestellt. Ja es war noch bedeutend enger und fester geworden. Vor­ her hatte der Ordinarius die Pfarreien lediglich auf Grund alten Herkommens an einzelne Mitglieder seines Kapitels verliehen. Nun war das Ka­ pitel als solches Pfarrer von St.Sebald und St.Lorenz, die Einkünfte der Kirchen flössen dem Tafelgut des Kapitels zu, sogar Patronat und Präsen­ tationsrecht waren diesem ausdrücklich übertragen. Es war «befugt, dem Bi­ schof die Vikare vorzuschlagen, die in seinem Namen an beiden Kirchen die tatsächlichen Pfarrfunktionen ausüben sollten und denen es aus deren Ver­ mögen oder Einkünften eine portio congrua zuzuweisen verpflichtet war115). Zum Glück für Nürnberg ertrug Bischof Albrecht die weitgehenden Be­ stimmungen der Wahlkapitulation nicht lange. Mit dem Widerruf ihrer Bestä­ tigung durch den Papst118) wurden auch die Inkorporationen der städtischen Kirchen wieder aufgehoben. Das Bamberger Kapitel suchte zwar gerade an ihnen festzuhalten, erklärte sich schließlich aber damit einverstanden, daß wenigstens der ehemalige Zustand wiederhergestellt würde, nach dem die 14

beiden Nürnberger Pfarreien den Kanonikern reserviert bleiben sollten, ohne daß diese verpflichtet seien, in Nürnberg persönlich zu residieren117). Zweifellos widersprachen diese neuerlichen Vereinbarungen zwischen Bi** schof und Kapitel dem Sinn, zum Teil sogar dem Wortlaut des päpstlichen Widerrufs von 1400, der unter anderem verboten hatte, die Wahlkapitulation zur Grundlage neuer Rechtsgeschäfte zu machen. Auch die Bulle Urbans VI. vom 30. Januar 1388 über die Residenzpflicht der Nürnberger Pfarrer stand ihnen entgegen. Und endlich war der Schiedsrichter, Graf Johann der Ältere von Wertheim, der jene Vereinbarungen zustandegebracht hatte, nicht zu­ ständig gewesen 118). So fiel es dem Gesandten Nürnbergs, dem Pfarrer Albert Fleischmanm von St. Sebald119), nicht schwer, auch diesen Angriff des Domkapitels an der Kurie erfolgreich abzuwehren. In seiner weit ausholenden Bulle Inter ceteras solicitudmis nostrae vom 31. Mai 1402 12°) wiederholte Bonifaz IX. nochmals die Aufhebung der Inkorporationen, erklärte den Schiedsspruch des Grafen von Wertheim für ungültig und schärfte die Beobachtung der Residenzpflicht an den Nürnberger Kirchen neuerdings ein. Darüber hinaus erhielt die Reichs­ stadt zwei außerordentlich bedeutsame Privilegien. Das eine untensagte jede Inkorporation der Lorenz- und Sebalduskirche auf ewige Zeiten121). Das an­ dere übertrug dem Rat von Nürnberg das Präsentationsrecht auf die beiden Kirchen in jenen Fällen, in denen der Ordinarius seine Pflicht vernachlässigen oder bei der Verleihung den Privilegien der Stadt zuwiderhandeln würde. Das Verleihungsrecht sollte dann jeweils auf die Exekutoren des gegenwärtigen Reskripts, nämlich die Bischöfe von Würzburg und Eichstätt und den Abt des Nürnberger Schottenklosters, übergehen122). Der Kampf gegen das Bamberger Domkapitel war mit dieser päpstlichen Entscheidung endgültig gewonnen, St. Sebald und St. Lorenz hatten aufgehört, Reservatbenefizien der dortigen Domherren zu sein 12S). Albert Fleischmann bereits, der bis weit ins 15. Jahrhundert hinein die Pfarrei St. Sebald/Poppen­ reuth innehatte, gehörte dem Kapitel nicht an. Ebensowenig der Nachfolger Wilhelm Sprengers bei St. Lorenz, Johann Rencker124). Die Residenzpflicht beobachteten freilich auch sie nicht125), ohne daß der Rat dagegen Einspruch erhoben hätte. Sie war ihm eben nur ein geeignetes Mittel gewesen, die Kirchen vom Bamberger Kapitel zu lösen. Er hatte sein Ziel erreicht, ja mit der Übertragung des Präsentationsrechtes in Ausnahmefällen war ihm dar­ über hinaus ein weiterer wichtiger Schitt gelungen auf dem Wege zum letzten Ziel, das ihm vorschwebte: Erringung des vollen Verfügungsrechtes über die Pfarreien. Doch die Geschichte dieses Kampfes fällt in eine spätere Zeit. Neben den Fragen der geistlichen Gerichtsbarkeit und der Ämterbesetzung war es vor allem jene der kirchlichen Organisation innerhalb des Stadt­ gebietes, die den Nürnberger Rat bereits im 14. Jahrhundert an die Kurie führte. Wieviel den Herren der Reichsstadt daran lag, die pfarrliche Einteüung der Stadt mit St. Sebald und St. Lorenz als Mittelpunkten aufrecht zu erhalten und ‘Abspaltungen möglichst zu vermeiden-, zeigt schon die Geschichte des Streites um St. Sebald/Poppenreuth. Und so verwundert es nicht, wenn der Rat auch gegen andere Versuche, durch Neubau von Kirchen oder Erhebung älterer Kapellen zu Pfarrkirchen die Zahl der Nürnberger Pfarreien zu ver­ mehren, entschieden Stellung nahm. So hatte Pfarrer Walter von St. Lorenz, im Jahre 1362 den Bischof gebeten, die St. Leonhardskapelle zur Pfarrkirche

zu erheben, da die seelsorgerliche Betreuung der in den Vorstädten und eingepfarrten Dörfern wohnenden Gläubigen besonders nach Schließung der Stadttore von St. Lorenz aus nur schwer möglich sei. Der Plan scheiterte am Widerstand des Rates l26). Ja dieser forderte dem Nachfolger Pfarrer Walters das feierliche Versprechen ab, die Kapelle in ihrer bisherigen Stellung zu be­ lassen und außerdem in seiner Pfarrei ohne Erlaubnis der Stadt weder eine Kirche, noch eine Kapelle, noch ein Seelhaus oder ein Spital zu errichten 127). Eine Bitte an den Hl. Stuhl, den Nürnberger Pfarrern die Errichtung neuer Kirchen oder Pfarreien in den umliegenden Dörfen zu untersagen128), blieb zunächst ohne Antwort129). Erst 14 Jahre später gelang es den erneuten Vor­ stellungen des Rates an der Kurie, ein entsprechendes Verbot zu erwirken 13°). Wir kennen die Gründe, die den Rat veranlaßten, gerade zu dieser Zeit den Neubau von Kirchen verbieten zu lassen. Man stand eben mitten im Städtekrieg, eine Reihe von Ortschaften der nächsten Umgebung gehörte dem Burggrafen von Nürnberg, einem der entschiedensten Gegner der Reichsstadt, vor allem das wichtige, nach St. Sebald eingepfarrte Marktdorf Wöhrd m). Es war mit Sicherheit zu erwarten, daß die Bevölkerung dieser Dörfer, die in Kriegszeiten völlig von ihren Pfarrkirchen in Nürnberg abgeschnitten waren, endlich nach pfarrlicher Selbständigkeit verlangen würde und daß die Burg­ grafen sie schon aus politischen Gründen darin unterstützten. Aus den glei­ chen Gründen aber suchte der Rat die Verbindung mit ihnen aufrecht zu er­ halten. Denn solange diese Dörfer den städtischen Pfarreien angehörten, gab es immer wieder Mittel und Wege, ihre Bewohner auch in politischer Hinsicht zu beeinflussen und den eigenen Interessen mehr oder weniger dienstbar zu machen132). Als daher Wöhrd gleich nach dem Städtekrieg mit Zustimmung des Burggrafen tatsächlich den Bau einer eigenen Kirche begann, stieß es auf den heftigsten Widerstand der Reichsstadt133). Nach kirchlichem Recht durfte eine Kirche nur dann errichtet werden, wenn der zuständige Bischof seine Einwilligung erteilte, wenn ausreichende Gründe dafür sprachen, wenn die bauliche Instandhaltung, die Ausgaben für den Gottesdienst und den zu be­ stellenden Geistlichen genügend gesichert waren, und wenn eine schon be­ stehende kirchliche Anstalt dadurch nicht geschädigt wurde. Vor allem sollte der Pfarrgottesdienst keine Einbuße erleiden134). Hier setzte der Rat ein. Die Zustimmung des Bischofs lag vor185), auch die wirtschaftlichen Sicherheiten waren gegeben, aber — so erklärte Nürn­ berg — die Neugründung bedeute eine schwere und ganz unnötige Schädigung der Pfarrei St. Sebald. Denn Wöhrd, das seit unvordenklichen Zeiten dorthin gehöre, liege so nahe bei der Pfarrkirche, daß nicht nur das Glockengeläute, sondern sogar die Kirchengesänge noch dort zu hören seien. Der Weg sei kurz, eben, ungefährlich und leicht gangbar. Im Falle schwerer Erkrankung und nach der abendlichen Schließung der Stadttore könne die Wöhrder Bevölke­ rung ohne besondere Mühe den Kaplan von St. Jobst oder den Pfarrer von Mögeldorf erreichen 136). Daß Wöhrd nahe bei St. Sebald liegt, ist richtig. Daß aber der Weg dort­ hin immer ungefährlich und leicht gangbar war, entsprach wohl kaum den Tatsachen. Die Unmöglichkeit, in Kriegszeiten zur Pfarrkirche zu kommen, war ja gerade der Grund, der die Wöhrder Bevölkerung so dringend nach einem eigenen Gotteshaus und einem eigenen Priester verlangen ließ. Auch St. Jobst und Mögeldorf waren in solchen Zeiten nur schwer zu erreichen. Was aber die angebliche Schädigung des Pfarrers und der Pfarrkirche betrifft, 16

so hatten sich die Wöhrder ausdrücklich verpflichtet, deren Rechte in jeder Hinsicht sicherzustellen 137). Außerdem bot der mögliche Verlust an zufälligen Einnahmen, etwa aus freiwilligen Gaben der Gläubigen, nach dem Kirchen­ recht keinen Grund zur Verhinderung eines Neubaues 138). Wöhrd begann also zu bauen und es baute weiter, auch nachdem Wolfram Dürr, der damals noch Pfarrer bei St. Sebald war, Klage auf Unterlassung des Neuwerks erhoben und den Fall unter Hinweis auf das Bauverbot Urbans VI. von 1388 der Kurie unterbreitet hatte 139). Als Albert Fleischmann die Pfarrei übernahm, war der Wöhrder Kirchenbau schon konsekriert 14°). Aber der Streit hörte nicht auf. Auch Pfarrer Fleischmann wandte sich an den Papst, der den Kardinal Pileus mit der Untersuchung und Klärung der Streitsache beauftragte 141). Gegen dessen Urteil — Abbruch der Kirche unter Androhung des Interdikts — legte nun wieder Wöhrd Berufung an die Kurie ein. Ein weiterer Richter wurde bestellt, die beiden Burggrafen Friedrich und Johann von Nürnberg versuchten, zwischen Pfarrer und Gemeinde zu vermitteln, es kam zu keiner Einigung. Zuletzt schlug Wöhrd an höchster Stelle vor, die ganze Angelegenheit dort verhandeln zu lassen, wo man sie am besten be­ urteilen könne, nämlich in Bamberg. Papst Bonifaz IX. ging auf diesen Vorschlag ein und erteilte Bischof Lamprecht von Bamberg und seinem erwählten Nachfolger am 3. Juli 1399 den Auftrag, binnen sechs Monaten eine endgültige Entscheidung herbeizu­ führen 142). Es kam nicht dazu. Die Wöhrder Kirche blieb zwar stehen 143); aber noch 24 Jahre später bemühten sich die Burggrafen zusammen mit der Bürger­ schaft Wöhrds vergeblich, die päpstliche Genehmigung zur Errichtung einer eigenen Pfarrei zu erwirken 144). Und Pfarrer Fleischmann weigerte sich sogar, einen Vikar für die dortige Kirche zu bestellen 145). Nur der Nürnberger Rat hatte seine Haltung gründlich geändert; denn unterdessen war Wöhrd durch Kauf in seinen Besitz übergegangen und damit waren die politischen Gründe seines früheren Widerstandes gegen die pfarrliche Selbständigkeit der Ge­ meinde entfallen. Außerdem hatte sich die Seelenzahl in den beiden Haupt­ pfarreien zu dieser Zeit so vergrößert, daß auch nach Ansicht des Rates eine weitere Aufgliederung nicht mehr zu vermeiden war. Wie die Geschichte der ersten Verhandlungen Nürnbergs an der Kurie zeigt, entsprach deren Verlauf und Ergebnis nicht immer den Wünschen des städtischen Rates. Trotz aller Bemühungen gelang es nicht, dem geistlichen Gericht gegenüber die ersehnte Ausnahmestellung zu erobern. Auch auf dem Gebiete der kirchlichen Organisation blieben bei allem Entgegenkommen des Hl. Stuhles doch manche Fragen weiterhin ungelöst. Aber die Grundlagen waren geschaffen, auf denen man in späterer Zeit den Bau der städtischen Kirchenhoheit weiterführen konnte. Daß es gelungen war, die beiden Haupt­ kirchen aus ihrer herkömmlichen Bindung an das Bamberger Domkapitel zu lösen, ja darüber hinaus ein begrenztes Präsentationsrecht auf sie zu gewin­ nen, war dabei von besonderer Wichtigkeit. Aber auch hier handelte es sich, wie gesagt, nur um Ausgangspunkte; der eigentliche Kampf um die Erringung der Kirchenhoheit wurde erst im 15. und im beginnenden 16. Jahrhundert aus­ getragen.

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§ 2. Nürnbergs Stellung zur Kurie in den kirchlichen Wirren der Zeit.

Die ersten Verhandlungen Nürnbergs an der Kurie fielen in eine außer­ ordentlich bewegte Zeit der Kirchengeschichte. Seit Beginn des 14. Jahrhun­ derts befand sich der päpstliche Hof nicht mehr in der Ewigen Stadt, sondern hatte sich in Avignon niedergelassen. Und als er im Jahre 1377 endlich nach Born zurückkehrte, nahm jene furchtbare Heimsuchung der christlichen Welt ihren Anfang, die man mit dem Namen „Großes abendländisches Schisma“ bezeichnet. Die Christenheit zerfiel in zwei Parteien. Die deutschen Könige, England, Ober- und Mittel-Italien, Ungarn und der europäische Norden stell­ ten sich auf die Seite Roms, wo Urban VI. residierte. Frankreich, Spanien, Unteritalien, Schottland und einzelne Gegenden des Reichs nahmen für seinen Widersacher in Avignon Partei. Die Spaltung reichte bis in die Bistümer, Or­ denshäuser und Pfarreien hinein. Auf beiden Seiten standen Heilige, beide Lager waren mit dem Kirchenbann belegt. Das Ansehen der Kirche und des Papsttums litt ungeheuer. Immer offener erhoben sich, von der allgemeinen Verwirrung begünstigt, neue Sekten gegen den Glauben, neue Propheten traten auf, weltliche Machthaber griffen in die innersten Angelegenheiten der Kirche ein, die ganze Verfassung und gesellschaftliche Ordnung der abend­ ländischen Welt schien ins Wanken zu geraten146). „Die Krisis, welche die Kirche in dieser entsetzlichen Periode bestand, war die größte, die ihre Ge­ schichte kennt147).“ Nürnberg hatte seine ersten großen Verhandlungen an der Kurie be­ gonnen, als diese noch in Avignon weilte. Dorthin hatte der Rat seinen ersten Gesandten, den Schultheißenschreiber Jakob, geschickt148). Von dort stammten die Ablaßbriefe der 50er und 60er Jahre149), von dort kamen die päpstlichen Legaten 15°), von dort erbaten die Geistlichen und Bürger Nürnbergs in immer wachsender Zahl Privilegien und Dispense151). Nun galt es auch für Nürnberg, sich zu entscheiden: Avignon oder Rom. Man wählte Rom, nicht etwa auf Grund einer selbständig 'gewonnenen Überzeugung. Es wäre auch unbillig, von den Nürnberger Kaufleuten zu verlangen, was Kardinälen, Bischöfen, Königen und Fürsten, Gelehrten und selbst Heiligen nicht gelang, Klarheit zu gewinnen in dieser wichtigsten Frage der Zeit. Es entsprach einfach der reichsstädtischen Politik, wenn irgend möglich, an der Seite des Reichsoberhauptes zu bleiben152). Karl IV., Wenzel und Ruprecht hielten, solange sie regierten, unentwegt zu den Päpsten in Rom153). Also tat es auch Nürnberg. Und das umso lieber, als auch die zu­ ständige geistliche Obrigkeit diesmal einer Meinung mit den Königen war 154). Diese Ausrichtung Nürnbergs zeigte sich schon im Juli 1379, als der Legat Urbans VI., Kardinal Pileus von Prata, dort erschien, um der Sache seines Herrn Anhänger zu gewinnen. Alles erbat und nahm seine Urkunden. Vikare ließen ihre Pfründen bestätigen155), Kirchen und Klöster ihre zahl­ reichen Ablaßbriefe156) oder auch, wie Pillenreuth, das ja ln der Zeit des langen Interdikts unter Ludwig dem Bayern entstanden war, die Stiftung ihre Häuser157). Auch neue Ablässe wurden verliehen158) und außerdem Privilegien der verschiedensten Art159). Die Altaristen der Sebalduskirche, die mit ihrem Pfarrer ihrer Rechte und Pflichten wegen im Streite lagen, übertrugen dem Legaten die Entscheidung und unterwarfen sich seinem Urteil 16°). Auch der Rat dachte und handelte nicht anders. Eben damals hatte sich eines seiner Mitglieder, der Ratsherr Markward Mendel, entschlossen, 18

in Nürnberg eine Kartause zu errichten. Auf seine Bitte schickte der Ordens­ obere in der Grande Chartreuse einen seiner Mönche zur Übernahme des Hauses. Da erfuhr man, daß die gesamte Leitung des Kartäuserordens der Obödienz von Avignon angehöre161). Sofort wurde der Mönch zurückgeschickt und, da für die Kartausen des romtreuen Kirchengebietes noch kein Oberer ernannt war ,bat man Pileus um Genehmigung des Klosterbaues. Am 7. August 1380 setzte dieser sein Siegel unter den Stiftungsbrief und ein halbes Jahr später legte er selbst in Gegenwart König Wenzels und zahlreicher Fürsten den Grundstein der neuen Kartause. Mendel aber begab sich nach Rom, um dort von dem inzwischen ernannten Großprior die endgültige Be­ stätigung seiner Stiftung und ihre Aufnahme in den Gesamtorden ziu erbitten162). Fünfmal in weniger als zwei Jahren erschien Kardinal Pileus in Nürnberg, stets begrüßt als Vertreter des rechtmäßigen Papstes 16S). Auch in der Folge­ zeit waren es ausnahmslos Legaten des römischen Stuhles, die an die Pegnitz kamen, der Erzbischof Maffiolus von Messina, der Kardinal Philipp de Alenconio und zuletzt Antonius de Monte Catino 164). Mit den Vertretern Avignons hatte die Reichsstadt keinerlei Verbindung, so wenig wie mit den Päpsten an der Rhone selbst. Das ist umso auffallender, als die großen Anliegen des Rates in Rom durchaus nicht immer mit Erfolg betrieben wurden. Man denke nur an seine Bemühungen auf den Gebieten der geistlichen Gerichtsbarkeit, der Ämter­ besetzung und der kirchlichen Organisation. Was lag näher als der Versuch, in Avignon zu erreichen, was in Rom unerreichbar blieb? Daß man ihn nie machte, beweist, wie ausschließlich Nürnberg der römischen Obödienz ver­ bunden war165). Das gilt sowohl vom Rat, wie auch von der städtischen Geist­ lichkeit und Bürgerschaft. Seit etwa 1380 entwickelte sich ein überaus leb­ hafter Verkehr zwischen Nürnbergs Bevölkerung und dem römischen Hof. Zahlreich waren die Bitten um Ablaßbriefe166), Bestätigungen167), Ämter­ verleihungen oder Anwartschaften168), Ehedispensen169), Beichtbriefe170) und andere Vergünstigungen der verschiedensten Art171). Und alle richteten sich an den päpstlichen Stuhl in Rom. Auch das Konzil von Pisa änderte anfänglich nichts an dieser klaren Haltung der Reichsstadt. Alexander V. und sein Nachfolger Johann XXIII. gewannen zwar den größten Teil der gläubigen Welt für sich, vor allem Eng­ land und Frankreich; die Pyrenäenhalbinsel und Schottland blieben bei Bene­ dikt XIII., dem Papst von Avignon. Aber Nürnberg hielt wie der Hauptteil Italiens und der deutsche König dem Papst in Rom die Treue 172). Die Haltung des Königs blieb entscheidend17S), zumal unter den wenigen deutschen Bi­ schöfen, die auch jetzt noch auf römischer Seite standen, auch der Bamberger war174). Die früheren regen Beziehungen zwischen Nürnberg und Rom hörten freilich auf175). Das lag aber wohl an der Schwierigkeit, mit Gregor XII. in Verbindung zu kommen, der seit Januar 1408 die Ewige Stadt verlassen hatte und in Lucca, Siena oder Rimini Hof hielt176). Vielleicht auch an der wach­ senden allgemeinen Gleichgültigkeit der Schismafrage gegenüber177). Sicher ist, daß gerade Nürnberg es immer wieder ablehnte, dazu offen Stellung zu nehmen. Als Laien, so erklärte der Nürnberger Wilhelm Mendel als Sprecher der Städte im April 1410 zu Heidelberg, bedauerten sie die traurige Lage der Kirche, stellten aber alles der geistlichen Obrigkeit und dem Allmächtigen anheim178). 2*

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Kurz darauf starb König Ruprecht, der große Freund und Förderer der römischen Obödienz in Deutschland. Sein Nachfolger Sigismund gehörte dem Lager der Pisaner an 17#). Und jetzt zeigte sich mit letzter Deutlichkeit, daß für Nürnbergs Haltung im Schisma weder rechtliche noch dogmatische Über­ legungen maßgebend waren, sondern allein das Beispiel des Reichsoberhauptes. Denn sämtliche Papsturkunden, die vom Jahre 1412 an für Nürnberger Emp­ fänger ausgestellt wurden, kamen aus der Kanzlei des Konzilpapstes Johan^ XXIII.180). Der städtische Rat181) hielt sich zwar zurück; er brachte seine großen, noch immer unerfüllten Wünsche nicht vor den Pisaner Papst. Aber auch er sprach in seinen Briefen jetzt von „unserem heiligen Vater Papst Johannes“. An den Vorgängen in Konstanz, wo am 5. November 1414 ein allgemeines Konzil zur Wiederherstellung der kirchlichen Einheit eröffnet worden war 182), nahm Nürnberg lebhaftesten Anteil. Zahlreiche Briefe an den Rat der Boden­ seestadt ersuchten um Nachrichten über den Verlauf der Verhandlungen 183), die Pfarrer der beiden Hauptkirchen, Ratsherren und städtische Beamte reisten zum Konzil184). Und diesmal wurden die allgemeinen Erwartungen nicht ent­ täuscht. Der 11. November 1417 schenkte der Kirche nach fast vierzigjähriger Spaltung endlich die Einheit wieder185).

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II. Abschnitt

Das große Jahrhundert der Nümbergisch-Römischen Beziehungen (1417—1517). A. Nürnbergs Beziehungen zur Kurie im Rahmen des staatlichen Lebens. Das beginnende 15. Jahrhundert sah Nürnberg unter den ersten Städten des Reiches. Der Fleiß und die Rührigkeit seiner Bürgerschaft, die Gunst seiner Lage und die starke Förderung seitens der Könige und Kaiser hatten es in steter Entwicklung zu einem Mittelpunkt politischen, geistigen und wirtschaftlichen Lebens in Deutschland gemacht. Es war fähig geworden, in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten an allen bedeutenden Er­ eignissen in Kirche und Staat tätigen Anteil zu nehmen. Daß es dabei immer wieder auch der Kurie begegnete, versteht sich bei der engen Verbundenheit des geistlichen und weltlichen Bereichs im Mittelalter von selbst. Das Gleiche gilt aber auch von den kleinen und großen Fragen des innerstädtischen Lebens. In einer Zeit, da der Mensch in der Institution des Papsttums noch mehr sah als etwa eine kirchliche Behörde oder politische Macht, da die gläubige Welt den Papst tatsächlich als den Heiligen Vater, den wahren Stellvertreter Christi auf Erden betrachtete, mußte sein Einfluß auf allen Lebensgebieten irgendwie spürbar sein. Es überrascht daher nicht, daß man auch im innerstädtischen Leben Nürn­ bergs der Kurie zunächst auf weltlichem Gebiete begegnet. Der Anstoß ging dabei in den meisten Fällen von den amtlichen Stellen der Reichsstadt aus, die sich in den verschiedensten Anliegen der Verwaltung und Rechtspflege, des Handels und der Wirtschaft oder auch ihrer äußeren Politik die Hilfe des Hl. Stuhles erbaten. § 1. Nürnbergs Beziehungen zur Römischen Kurie auf dem Gebiete der Verwaltung und Rechtspflege. Wenn man den Jahrbüchern des 15. Jahrhunderts in diesem Punkte glauben darf, so hat Nürnberg bereits dm Jahre 1427 für ein wichtiges Rechts­ geschäft die Bestätigung der Kurie eingeholt, nämlich für den großen Kauf­ vertrag, durch den die Burg über der Stadt und andere Besitzungen der Nürn­ berger Burggrafen mit zahlreichen Rechten in städtischen Besitz überging186). Mag diese Nachricht aber auch wenig verbürgt sein, in zahlreichen anderen 21

Fällen steht die Mitwirkung Roms außer Zweifel, in anderen wenigstens der ^Versuch des Rates, sie zu erwirken. So dachte man daran, den Papst zu einem Verbot der häufig vorkommenden leichtfertigen Eheschließungen zu veran­ lassen 187), mit seiner Hilfe die Abfassung von Testamenten und letztwilligen Verfügungen zu ordnen188); man erbat und erhielt die Erlaubnis, herrenloses Gut wohltätigen Zwecken nach eigener Wahl zuzuführen189); dem Abt von St. Egidien verschaffte man die Vollmacht, den Urkunden der Reichsstadt die päpstliche Bestätigung und ihren notariellen Abschriften durch ein Siegel die Rechtskraft der Originale zu verleihen 19°), lauter Vergünstigungen, die im bürgerlichen Leben nicht ohne Bedeutung waren. Ganz besonders hilfreich erwies sich die Mitwirkung der Kurie in den vielfachen Kämpfen, die Nürnberg um die Befreiung seiner Bürgerschaft von auswärtigem Gerichtszwang durchfocht. Das Bamberger geistliche Gericht war nicht das einzige, von dem man sich beschwert fühlte. Neben ihm luden auch (die geistlichen Gerichte der Bistümer Würzburg und Eichstätt, das burgj gräfliche Landgericht, die Landgerichte von Bamberg, Sulzbach und Hirsch! berg, das kaiserliche Hofgericht und vor allem die Heimlichen Gerichte West­ falens häufig genug Bewohner Nürnbergs vor ihre Schranken. Die Bedeutung der Femegerichte im ausgehenden Mittelalter ist bekannt. Ohne Rücksicht auf Hoheitsgrenzen und Privilegien schickten die Freigrafen ihre Ladebriefe und Urteile an Fürsten und Bauern, Handwerker und Bürger, ihre Freischöffen saßen überall, ihre Verbindungen umspannten das ganze Reich191). Gerade Nürnberg bekam ihre Macht recht oft zu spüren. Für die Zeit zwischen 1429 und 1460 z. B. enthalten die Briefbücher des Rates nicht weniger als etwa 350 Schreiben in Femesachen ijnd um die Mitte des Jahr­ hunderts liefen zahlreiche Femeprozesse gegen einzelne Bürger und gegen die Stadtgemeinde selber192). Der Rat fand es an der Zeit, dagegen Stellung zu nehmen. Eine Anzahl von Rechtsgelehrten und Ratsherren machte sich an die Arbeit, um zunächst den Kaiser für Nürnbergs Anliegen zu gewinnen, und dann von der Kurie ein privilegium de non evocando zu erwirken, das sich ausdrücklich auf das westfälische Gericht, aber auch auf andere ortsfremde Gerichte erstrecken sollte 19S). Der erste Versuch in Rom endete mit einer Enttäuschung. Schuld daran trug offenbar der damalige ständige Prokurator Nürnbergs an der Kurie, Heinrich Eugel, der erst 1455 studienhalber in die Ewige Stadt gekommen war und den kurialen Geschäftsgang noch wenig beherrschte194). Man hatte ihn beauftragt, eine Bittschrift, für die der Pfarrer von St. Sebald bereits die päpstliche Genehmigung erhalten hatte, nochmals in verbesserter Form einzureichen. Als aber die ausgefertigte Bulle195) daheim eintraf, zeigte es sich, daß dies nicht geschehen war. Üas neue Privileg gewährte zu viel und zu wenig. Einerseits wurde darin die Nürnberger Geistlichkeit angewiesen, sich in weltlichen Dingen vor den städtischen Gerichten zu verantworten, und der Bischof, in geistlichen Angelegenheiten zu Nürnberg Gericht zu halten. Beides hatte der Rat gar nicht beabsichtigt, da er voraussah, daß Bamberg derartige Beeinträchtigungen des befreiten Gerichtsstandes der Geistlichen196) -und der ordentlichen Juris­ diktion des Bischofs nicht hinnehmen würde. Andererseits gewährte das Pri­ vileg wieder zu wenig. 22

Denn es untersagte lediglich, die Bewohner der Reichsstadt vor delegierte Richter und Kommissare zu laden, und auch da nur, wenn es sich um Entfer­ nungen über eine Tagesreise hinaus handelte. Die Inhaber der ordentlichen Jurisdiktionsgewalt, wozu sich auch die Freigrafen der Westfälischen Ge­ richte zählten, waren außer dem Bamberger Bischof gar nicht erwähntlö7). Der Zusammenarbeit Gregor Heimburgs und Martin Mairs sowie der Ge­ brüder Pirkheimer gelang es, einige Jahre später zu Mantua ein neues päpst­ liches Privileg gegen ortsfremde Gerichte zu erhalten 198). Da aber auch dieses nicht allen Nürnberger Erwartungen entsprach, sollte Eugel wiederum in Rom vorstellig werden. Er lehnte ab. Nach seinem ersten Mißerfolg hatte man ihm solche Vorwürfe gemacht19®), daß er monatelang überhaupt jeden Verkehr mit dem Rat abbrach. So ging Kaplan Konrad Aichelstam vom Neuen Spital an die Kurie200) und brachte endlich ein Privileg nach Hause, wie man es sich wünschte. Kein Träger ordentlicher oder delegierter Juris­ diktionsgewalt im geistlichen und weltlichen Bereich — außer dem zuständigen Diözesanbischof — sollte in Zukunft einen Burger Nürnbergs über eine Tage­ reise weit vor seinen Richterstuhl laden201). Mit diesem Privileg konnte man die Feme in ihre Schranken verweisen. Und als einige Jahre später durch kaiserliche 202) und päpstliche 203) Ver­ fügung auch die Bewohner des gesamten reichsstädtischen Gebietes in den Schutz dieses — und eines ähnlichen kaiserlichen Privilegs 204) — einbezogen wurden, war die Macht der Freigerichte für Nürnberg gebrochen. Unter Be­ rufung auf jene Freiheiten traten die Äbte von St. Egidien jedem Freigrafen und Stuhlherren entgegen, der sich unterstand, einen Untertanen Nürnbergs vor sein Gericht zu laden 205). Bald wagte es keiner mehr. Die Femeprozesse, die noch um die Mitte des Jahrhunderts soviel Beunruhigung in der Reichs­ stadt ausgelöst hatten, waren schon gegen Ende der siebziger Jahre fast völlig verschwunden 206). Ähnlich verhielt es sich mit den Ladungen an andere aus­ wärtige Gerichte mit alleiniger Ausnahme des geistlichen Gerichts zu Bam­ berg; denn die Rechte des Ordinarius waren auch in der Bulle des Jahres 1460 ausdrücklich anerkannt worden. Es lag nahe, die Hilfe der Kurie, die sich hier so wertvoll erwiesen hatte, auch in anderen Fällen in Anspruch zu nehmen. Oft genug wurden z. B. die zahlreichen königlichen Freiheitsbriefe der Stadt von Gegnern aus kirchlichen und weltlichen Kreisen nicht beachtet oder gar angegriffen. Man brauchte also eine stärkere Sicherung für sie, eine Sicherung, die über den äußeren Rechts­ bereich hinaus auch die Gewissen verpflichtete. Dazu aber war in weitestem Umfange nur die Kurie imstande. Aus diesem Grunde bedeutete es eine sehr fühlbare Hilfe, als Papst Sixtus IV. im Jahre 1475 die großen Gerichtsprivile­ gien Karls IV. und Friedrichs III. für Nürnberg bestätigte 207). Und eine noch wichtigere, als der gleiche Papst am 11. März 1478 sämtliche Rechte und Frei­ heiten der Reichsstadt für ewige Zeiten in den Schutz des Hl. Stuhles nahm208). Wie wichtig gerade diese päpstliche Vergünstigung im staatlichen Leben Nürn­ bergs war, zeigt die Häufigkeit, mit der man sich in den kommenden Jahren auf sie berief 209). Neben diesen Erfolgen der Stadt sind die Beziehungen, die sie außerdem in Verwaltungs- und Rechtsangelegenheiten mit der Kurie verbanden, ohne nennenswerte Bedeutung. Gelegentlich wandte sich der Hl. Stuhl in den An­ liegen einzelner Gläubigen an den Rat, ersuchte um Wiederaufnahme eines 23

Ausgewiesenen, um Bestrafung von Wegelagerern und anderen Rechtsbrechern, um Gewährung von Rechtshilfen für betrogene Kaufleute, um Erfüllung einer letztwilligen Verfügung oder ganz allgemein um Wiedergutmachung eines Un­ rechts 210). Aber das geschah nicht oft, und auch in diesen seltenen Fällen will­ fahrte der Rat durchaus nicht immer den Wünschen der Kurie. Umgekehrt kam es auch nur selten vor, daß einzelne Bürger der Reichsstadt in weltlichen Angelegenheiten die Hilfe des Hl. Vaters erbaten. Wo es geschah, unterstützte sie der Rat manchmal mit Empfehlungsschreiben oder stellte ihnen anheim, die Dienste des städtischen Prokurators in Rom in Anspruch zu nehmen, nahm aber sonst im allgemeinen nur wenig Anteil daran211). Auch das auffallende Interesse, das man um die Mitte des 15. Jahrhunderts dem Geschlechte Muffel entgegenbrachte, bildete keine Ausnahme. Wenn die Kurie damals Jahre hin­ durch immer wieder um Anwartschaften, Verleihung von Kirchenämtern, Rechtsschutz usw. für Johann und Niklas Muffel gebeten wurde, und zwar von amtlicher Nürnberger Seite, so erklärt sich das allein aus der Tatsache, daß der Vater der Beiden in jenen Jahren als vorderster Losunger an der Spitze der Reichsstadt stand. Nicht der Rat als solcher war es, der die Diener und Gönner Nürnbergs für die Söhne Muffels arbeiten ließ, sondern der Vater, der freilich zugleich den Rat und die Stadt vertrat212). Wie ungern die Rats­ herren diese Familienpolitik mitmachten, bewies der Sturz des Losungers deut­ lich genug213). § 2. Nürnbergs Beziehungen zur Römischen Kurie auf dem Gebiete der Wirtschaft und des Handels. Nürnberg war Handelsstadt. Der Rührigkeit seiner Kaufleute, dem Fleiß und der Geschicklichkeit seiner Handwerker verdankte es zum großen Teil seinen Aufstieg und seine stets wachsende Bedeutung. Hier flössen die Güter Westeuropas und des Morgenlandes zusammen, von hier brachten zahlreiche Kaufmannszüge Fertigwaren und Gebrauchsartikel in die Länder des Ostens, während diese ihre reichen Bodenschätze und landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf den Markt brachten, auf die Nürnberg bei seiner wenig fruchtbaren Lage angewiesen war. Jede Störung dieser lebhaften Beziehungen mußte das Wirt­ schaftsgefüge der Reichsstadt empfindlich treffen. Und dieser Fall trat tatsächlich ein, als Papst Martin V. im Kampf gegen die böhmischen Hussiten ein allgemeines Verkehrsverbot mit dem Osten ver­ kündete. Nürnberg stand damit vor einer überaus schwierigen Entscheidung. Die Beobachtung des päpstlichen Verbots bedeutete den Verlust des böhmischen Marktes, die Nichtbeobachtung war mit schweren Kirchenstrafen bedroht, bei­ des brachte also Nachteile und Gefahren, die nach Möglichkeit vermieden werden mußten214). Der Rat setzte seine Hoffnung zunächst auf die neueröffnete Kirchenver­ sammlung von Basel215), von der man allgemein die Wiederherstellung des Friedens im Osten und die völlige Bereinigung der Hussitenfrage2le) erwartete. Nach der furchtbaren Niederlage des Kreuzheeres bei Taus hatte man sich dort auch wirklich zu Verhandlungen entschlossen, Vertreter des Konzils weil­ ten bereits in Nürnberg, um mit den Hussiten erste Fühlung zu nehmen217). Da erschien im Herbst 1431 eine Bulle Eugens IV., in der die Auflösung des Konzils verfügt wurde. Alle Hoffnungen schienen damit vernichtet. Und so ist 24

es verständlich, daß der Beschluß der Basler Väter, trotzdem weiter zu tagen und vor allem das böhmische Friedenswerk fortzusetzen, gerade in Nürnberg begeisterte Zustimmung fand 218). Noch mehr! Wo immer das Konzil bei seinen weiteren Verhandlungen mit den Hussiten Unterstützung brauchte, stellte sich der Nürnberger Rat bereitwilligst zur Verfügung219). Und so mag es für ihn keine geringe Genugtuung gewesen sein, als auch mit seiner Hilfe am 5. Juli 1436 in Iglau der Friedensschliuß zustandekam. Jahre friedlicher Entwicklung folgten, der Handel mit Böhmen und Mähren blühte auf, Scharen von Händ­ lern und Käufern kamen gerade aus den östlichen Ländern zu den Märkten der Reichsstadt. Da führten die scharfen kirchlichen und völkischen Gegensätze in Böhmen, die auch der Friedens Schluß nicht hatte ausgleichen können, er­ neut zum Bruch. Nach jahrelangen Bemühungen der Legaten Carvajal, Niko­ laus von Cues, Johannes Kapistran und Enea Silvio Piccolomini um die Wie­ dergewinnung der Irrgläubigen und nach zahlreichen Verhandlungen mit dem böhmischen König Georg Podiebrad sah sich die Kurie gezwungen, ein zweites Mal zum Kreuzzug wider die Hussiten aufzurufen 220). Damit hatte Nürnberg seinen Absatzmarkt im Osten erneut verloren. Äußerlich erfüllte der Rat seine Pflicht. Das neue Handelsverbot wurde bekanntgegeben, verschiedene Bürger, die sich dagegen verfehlten, wurden bestraft. Auch die Bitte des Papstes und seines Legaten, der von Podiebrad angegriffenen Stadt Pilsen zu Hilfe zu kommen, lehnte man nicht ab 221). Es sollte alles vermieden werden, was dem guten und christlichen Ruf der Stadt abträglich werden konnte. Nur ein Beispiel dafür! Im Jahre 1473 kam eine polnisch-böhmische Gesandtschaft nach Nürnberg, die der Rat feierlich, wie er es gewohnt war, begrüßte. Als er aber erfuhr, daß sich unter ihren Mitgliedern Gebannte befanden, beeilte er sich, an der Kurie zu versichern, er habe wirk­ lich im guten Glauben gehandelt. Zu gleicher Zeit entschuldigte er sich aber auch beim polnischen König und bat, es nicht übel zu nehmen, daß die städti­ sche Geistlichkeit bei diesem Anlaß das Interdikt über die Stadt verhängt habe 222). Innerlich stand Nürnberg dem neuen Hussitenkrieg durchaus ablehnend gegenüber. Der Rat ließ es zwar zu, daß in seinem Hoheitsgebiet Soldaten angeworben wurden, er gab ihnen jedoch weder Sold noch irgendwelche Aus­ rüstungsgegenstände, ja nicht einmal einen Führer mit. Später untersagte er die Anwerbungen überhaupt, da sich angeblich zu viele Ehemänner meldeten, deren Frauen und Kinder dann der öffentlichen Fürsorge zur Last fielen223). Im übrigen hoffte und wartete man unentwegt auf die Wiederherstellung des Friedens. Als aber Jahr um Jahr verging, als auch der Tod Georg Podiebrads und die Thronbesteigung des katholischen Prinzen Wladislav keine Verände­ rung brachten 224), entschloß man sich in Nürnberg, endlich selber zu handeln. Wurde der Blockadering um Böhmen nicht beseitigt, so mußte man eben ver­ suchen, für sich selbst eine Bresche zu schlagen. Dazu brauchte man die Kurie. Nur dort jvar zu erreichen, was Nürnberg brauchte, Absolution von allen Zensuren, die sich Rat und Bürgerschaft durch etwaige Verstöße gegen das bestehende Verkehrsverfoot zugezogen hatten, und vor allem: Erlaubnis des freien Handels mit Böhmen für die Zukunft. Man wußte sehr wohl, daß die Erreichung gerade dieses Zieles nicht leicht werden würde. Stand ihm ja nicht bloß das ausdrückliche und augenblickliche Ver­ bot entgegen, auch das kirchliche Recht im allgemeinen untersagte den Ver­ kehr mit Menschen, die sich durch Ungehorsam, Ketzerei und Starrsinn selber 25

aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen hatten 225). Freilich diesmal lagen die Dinge schwieriger als je zuvor. Ein ganzes Volk hatte sich dem Irrglauben verschrieben, hatte jahrelang mit verbissener Wut allen Versuchen der Wie­ dergewinnung getrotzt, ein ganzes Volk stand unter Bann und Interdikt. Es war fast nicht möglich, einer solchen Zahl von Menschen gegenüber die ge­ forderte Verkehrssperre durchzuführen. Gestattete doch der Papst später in Böhmen selbst Sakramentenempfang und Gottesdienst, auch wenn die Treu­ gebliebenen nicht jede Berührung mit ihren irrgläubigen Volksgenossen ver­ meiden konnten 226). Daß der Verkehr mit ihnen auch außerhalb Böhmens nicht aufgehört hatte, war aller Welt bekannt 227). Besonders in Nürnberg ergaben sich hier immer wieder die größten Schwierigkeiten, da sich die böhmischen Kaufleute ihrerseits wenig um das päpstliche Verkehrsverbot kümmerten, son­ dern nach Beendigung des zweiten Hussitenkrieges in großer Zahl in die Reichsstadt kamen. Den städtischen Amtsleuten blieb schon der Zölle und Abgaben wegen kein anderer Weg, als mit ihnen zu verhandeln. Man wird sich fragen müssen, warum Nürnberg nicht auch wie viele Ge­ genden des Reiches die kirchlichen Vorschriften einfach außer Acht ließ. In einzelnen Fällen und von einzelnen Bürgern geschah das gewiß 228), nicht aber im großen, im amtlichen Leben der Gemeinde. Erstens waren dafür schon die Geistlichen nicht zu haben, die jedem, der mit den Ketzern verkehrte, die Lossprechung verweigerten, sogar in der österlichen Zeit. Außerdem wollte der Rat keineswegs seine guten Beziehungen zur Kurie gefährden. Und schließlich fühlte man sich doch auch im Gewissen verpflichtet, den Vorschriften der obersten kirchlichen Behörde nach Möglichkeit zu gehorchen. Auch wenn an­ dere sich nicht darum kümmerten, schrieb der Rat einmal an seinen römischen Vertreter, die Nürnberger wollten doch „als gehorsamen dem heiligen Stule und der kirchen das nicht verachten“ 229). Es blieb nur der Weg nach Rom. Das erste Ziel, Lossprechung von den bisher zugezogenen Zensuren, war bald erreicht. Schon am 3. April 1477 ent­ sprach Bischof Alexander von Forli, der päpstliche Legat für Deutschland, der diesbezüglichen Bitte des Rates, und einige Monate später traf auch eine zu­ stimmende Verfügung des Papstes ein. Das Handelsverbot aber wurde nicht gelockert. Es bedurfte langer und mühevoller Arbeit, bis Sixtus IV. wenig­ stens den Handel mit böhmischen Kaufleuten in Nürnberg und auf Nürnbergischem Gebiet erlaubte. Die Erlaubnis war auf zwei Jahre befristet, der Handel an anderen Orten, vor allem in Böhmen selbst blieb weiterhin unter­ sagt 23°). Damit war also noch nicht sehr viel gewonnen. Man wollte ja nicht bloß mit den böhmischen Händlern verkehren, die ins Reich herüberkamen, man wollte selber wieder zu den böhmischen Märkten fahren, die böhmischen Städte und Dörfer besuchen, das böhmische Volk wie früher mit den kleinen und großen Gegenständen versorgen, die es brauchte. Und so ruhte man nicht, bis ein Jahr später der Osthandel durch ein neues päpstliches Dispensreskript uneingeschränkt für Nürnberg gestattet wurde, allerdings wieder nur auf zwei Jahre231). Und so blieb es nun lange Zeit. Zwar hätte der Rat gerne eine zeitlich unbegrenzte Dispense gehabt, aber er war auch dankbar, daß ihm das Ent­ gegenkommen der Kurie gestattete, reinen Gewissens seinen friedlichen Ge­ schäften nachzugehen, und er nahm dafür die kleine Mühe und die geringen Auslagen gerne hin, die mit den jeweiligen Verlängerungen des Reskripts 232) verbunden waren. Seit 1486 wurde dabei in den Bittschriften Nürnbergs eine 26

neue und bemerkenswerte Begründung angeführt. Die Reichsstadt, so hieß es da, sei so gefestigt im Glauben, daß sie eher die Ketzer bekehren als sich von ihnen irreführen lassen werde 23S). Mit dem Eintreten ruhigerer Zustände in Böhmen, besonders nach dem Abschluß des Religionsfriedens in Kutten­ berg, als das Interdikt praktisch, wenn auch nicht formell, außer Kraft ge­ treten war, kam die Kurie den Wünschen Nürnbergs noch mehr entgegen. Innozenz VIII. verlängerte 1492 seine Handelserlaubnis erstmals um drei Jahre und Alexander VI. erteilte sie 1495 bis auf Widerruf 284). Die Politik Nürnbergs hatte sich bewährt. Ohne das Verbot der Kurie offen zu verletzen, ja gerade mit Hilfe des Hl. Stuhles, hatte es die Reichsstadt verstanden, ihre Wünsche durchzusetzen, den Weg nach Osten freizumachen und freizuhalten und so Jahrzehnte hindurch alles abzuwehren, was ihren Wirtschafts- und Handelsinteressen zuwider war. Ganz ähnlich verhielt sie sich einer anderen Bedrohung ihres wirtschaft­ lichen Lebens gegenüber, die ungefähr zur selben Zeit auftauchte. Kardinal­ legat Nikolaus von Cues hatte im Jahre 1451 zu Bamberg neue Judengeset'ze bekanntgegeben, nach denen in Zukunft auch für diese alle Zinsgeschäfte verboten sein sollten. Die Juden sollten sich anderen Arbeiten und Berufen zuwenden, außerdem wurden sie verpflichtet, zur leichteren Erkennbarkeit besondere Zeichen zu tragen, die Männer einen gelben Ring auf Gewand und Mantel, die Frauen zwei blaue Streifen an den Schleiern. Die Durchführung dieser neuen Gesetze wurde für alle Orte des Bistums Bamberg bis 1. August 1451 unter Strafe des Interdikts befohlen 235). Nun hatten sich in Nürnberg wie überall in der christlichen Welt mit der Zeit zahlreiche jüdische Familien niedergelassen, die im Wirtschaftsleben der Reichsstadt eine bedeutende Rolle spielten. Vor allem befanden sie sich im Alleinbesitz des Geld- und Kreditwesens, das den Christen infolge des stren­ gen kirchlichen Verbotes des Zinsnehmens nicht zugänglich war, das aber ge­ rade die Handelsherren, Kaufleute und Handwerker Nürnbergs bei ihren oft bedeutenden Geschäften nicht entbehren konnten. Sie brauchten bares Geld und waren froh, es gegen Pfand und Schuldschein bei den Juden zu be­ kommen. Außerdem bildeten die jüdischen Steuerabgaben eine recht ergiebige Einnahmequelle für die städtische Kasse 236). Man begreift, daß die neuen Gesetze unter diesen Umständen in Nürn­ berg allgemeine Unruhe auslösten. Die Kleidervorschriften störten nur wenig. Seit Jahrhunderten hatten Päpste und KirchenVersammlungen besondere Kennzeichen für die Juden angeordnet, und wenn diese Vorschriften auch nie zu allgemeiner Durchführung gelangt waren, eine besondere Tracht kennzeich­ nete die Juden beinahe überall 237). In Nürnberg mußten sie in älterer Zeit hohe, spitze Hüte von roter Farbe tragen, später bewilligte man den ein­ heimischen Barette, während fremde verpflichtet waren, über dem Mantel große Kapuzen (Gugeln) anzulegen. Außerdem mußten sich die jüdischen Männer einmal im Monat den Bart kürzen lassen 288). Da kam es also auf den Ring und die blauen Streifen auch nicht mehr an. Viel bedeutsamer aber er­ schien dem Rat und natürlich auch der Nürnberger Judenschaft das Verbot des Zinsnehmens. Dadurch verlor die Geschäftswelt die Möglichkeit, sich in Fällen augenblicklicher Zahlungsschwierigkeiten rasch und unauffällig Bar­ geld zu beschaffen. Zweitens war zu befürchten, daß dann eben Christen heimlich das Zinsgeschäft übernehmen würden, allen kirchlichen Verboten zum Trotz. Drittens mußten die Juden in anderen Berufen untergebracht wer­ den, was nicht nur eine gefährliche Belastung für manchen Erwerbszweig er27

warten ließ, sondern auch die kirchlicher- und staatlicherseits vorgeschriebene Trennung zwischen Christen und Juden erheblich erschweren mußte. Und schließlich konnte man mit Sicherheit annehmen, daß zahlreiche Juden den Ausnahmegesetzen einfach ausweichen würden durch Abwanderung in Ge­ biete, in denen diese entweder nicht verkündet oder von den Landesherren nicht beachtet wurden. Das aber bedeutete einen recht spürbaren Steueraus­ fall im städtischen Haushalt. Die dringenden Vorstellungen des Nürnberger Rates beim Kardinallegaten bewogen diesen zunächst zu einer kurzen Fristverlängerung für die Reichs­ stadt: Das Zins verbot sollte dort erst am Sonntag Invocavit, also am ersten Fastensonntag 1452, in Kraft treten, das Kleidergesetz dagegen sofort 239). Diese Atempause war außerordentlich wertvoll. Verschaffte sie doch dem Rat und der Judengemeinde die Möglichkeit, die Frage an der höchsten kirchlichen Stelle entscheiden zu lassen. Und das geschah unverzüglich. Eine jüdische Abordnung reiste nach Rom, um den eben dort weilenden Nürnberger Ge­ sandten Heinrich Gerung für ihre Sache zu gewinnen, der Rat wandte sich schriftlich an den Hl. Vater selber. Beide wünschten die völlige Beseitigung der Bamberger Gesetze 240). Es ist klar, daß die Kurie ihrem Legaten nicht einfach in den Rücken fallen und seine Anordnungen widerrufen konnte. Der erste Fastensonntag — er fiel im Jahre 1452 auf den 27. Februar — rückte immer näher, die erwartete Entscheidung blieb aus. Auch Niklas Muffel und Pfarrer Heinrich Leubing von St. Sebald, die sich damals anläßlich der Kaiserkrönung Friedrichs III. in der Ewigen Stadt befanden, konnten nichts erreichen. Sollte die Stadt nicht dem angedrohten Interdikt verfallen, so blieb keine andere Wahl, als vorerst das Zinsverbot auch in Nürnberg zu verkünden und zu vollziehen 241). Unterdessen arbeiteten die Vertreter des Rates in Italien weiter. Muffel erwirkte einen königlichen Brief, der den Legaten veranlaßte, die Frist für Nürnberg neuerdings bis zum 24. Juni zu verlängern 242). Und bevor diese zu Ende ging, konnte er seiner Vaterstadt die erfreuliche Mitteilung machen, daß Papst Nikolaus V. auf Fürsprache des neugekrönten Kaisers und seiner Räte die Judengesetze für Nürnberg für die Dauer eines Jahres außer Kraft gesetzt habe 243). Natürlich galten die Gründe, die den Nürnberger Rat von Anfang an ge­ zwungen hatten, gegen die Anordnungen des Kardinallegaten Einspruch zu erheben, auch im kommenden Jahr noch. Nikolaus von Cues hatte es gut ge­ meint; er wollte die alten, strengen Gesetze der Kirche wieder zur Geltung bringen und auf alle Menschen ausdehnen, die in christlichen Ländern wohn­ ten. Aber er übersah, daß ein allgemeines Zinsverbot bei den wirtschaftlichen Verhältnissen und bei den geltenden kirchlichen Bestimmungen jener Zeit einfach Undurchführbar war 244). Gerade Nürnberg mit seinen weiträumigen Handelsbeziehungen, mit seinem reichen wirtschaftlichen Leben und dem flu­ tenden Verkehr, der in seinen Mauern herrschte, spürte das am besten. Darum konnte und wollte es hier nicht schweigen. Nun hörte man eben damals, der Papst habe auf Bitten des Kaisers und des Salzburger Erzbischofs die Judengesetze aufgehoben, die Nikolaus von Cues auch in deren Gebieten erlassen hatte 245). Sofort war Nürnbergs Plan fertig. Der städtische Gesandte Jörg Derrer wurde angewiesen, sich aus der kaiserlichen Kanzlei eine Abschrift jenes päpstlichen Aufhebungsbriefes zu verschaffen; diese wollte man dann in Rom vor legen und für Nürnberg eine 28

gleiche Verfügung erbitten. Was in Österreich und Salzburg erlaubt war, konnte ja schließlich in Nürnberg nicht verboten sein 246). Man sieht, der Rat war um kein Mittel verlegen, wenn es darauf ankam, seine Pläne und Wünsche durchzusetzen. Diesmal scheiterte sein Vorhaben an den kaiserlichen Beamten, die für Nürnbergs nicht ganz einwandfreies An­ suchen nicht zu haben waren. Sie erklärten sich aber bereit, den Kaiser zu einer nochmaligen Fürsprache beim Papst und beim Bischof von Bamberg zu veranlassen, und Nürnberg stimmte gerne zu. Wie wichtig dem Rat und noch mehr den Juden der Reichsstadt die Beseitigung der Ausnahmegesetze er­ schien, zeigt der Umstand, daß man dem Kaiser und seinen Räten allein für das Empfehlungsschreiben die stattliche Summe von 4600 Gulden bot, „es hulff solich seiner gnaden furderung oder nit“ 247). Da Friedrich aber im Falle des Gelingens noch weitere 500 Gulden forderte 248), verzichtete man auf seine Mithilfe, und man tat gut daran. Denn inzwischen war die Judenfrage bereits gelöst, und zwar von einer Seite, mit der man gar nicht gerechnet hatte. Bam­ berg, das von sich aus in der gleichen Angelegenheit an die Kurie gegangen war, hatte am 20. März 1453 bei Nikolaus V. die Aufhebung der Judengesetze für das gesamte Bistumsgebiet durchgesetzt 249). § 3. Nürnbergs äußere Politik und die Römische Kurie. Neben Fragen der Verwaltung und des Rechtswesens, des Handels und der Wirtschaft zwangen auch solche der äußeren Politik den Rat von Nürn­ berg im Laufe des 15. Jahrhunderts immer wieder zu Verhandlungen mit dem Hl. Stuhl. Die zahlreichen Empfehlungsschreiben und Förderungsbriefe, mit denen man benachbarte oder befreundete Fürsten und Städte an der Kurie unterstützte, seien dabei nur beiläufig erwähnt 250). Sie beruhten meist auf Gegenseitigkeit, da ja auch Nürnberg gewohnt war, bei jeder Gelegenheit seine reichen Beziehungen auszunützen. Bedeutsamer sind jene Fälle, in denen das eigene Wohl und Wehe der Reichsstadt auf dem Spiele stand und die man mit Hilfe oder auch gegen denWiderstand der Kurie einer glücklichen Lösung zuzuführen versuchte. Hierher gehört vor allem die Geschichte des sog. ersten markgräflichen Krieges, der um die Mitte des 15. Jahrhunderts ausbrach und ganz Süd­ deutschland in Mitleidenschaft zog. Auf der einen Seite stand Nürnberg mit den Städten des Schwäbischen Bundes, auf der anderen der ehrgeizige und gewandte Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg, dem bei der Teilung der hohenzollerschen Lande das Ansbacher Gebiet zugefallen war, mit zahl­ reichen anderen Fürsten und Herren. Die tiefere Ursache des Krieges lag in der wachsenden Spannung zwischen den Fürsten und dem mächtig aufblühen­ den Reichsstand der großen Städte, den nächsten Anlaß bildeten Streitigkeiten um verschiedene Hoheitsrechte, auf die sowohl Nürnberg wie auch der Mark­ graf Anspruch erhoben. Der Verlauf der kriegerischen Auseinandersetzungen beschäftigt uns hier nicht. Um so mehr aber die zahlreichen Versuche Nürnbergs, seine bedrängte Lage mit HilfeT des Hl. Stuhles zu verbessern. Dringende Bitten um Vermitt­ lung im Krieg, leidenschaftliche Beteuerungen der eigenen Friedensbereit­ schaft und Schuldlosigkeit, heftige Klagen über die ungerechten und grau­ samen Machenschaften des Feindes ergingen aus den Amtsstuben der Reichs­ stadt an die Kurie, sowie an die Legaten des Papstes in Deutschland251). Alles sollte dazu beitragen, die großen Ziele zu erreichen, um die es en$timmende Beschäftigungen auszuüben, wie Handels- und Kaufmannsgeschäfte, Arzneikunst und Bechsvertretungen, Vermögensverwal­ tungen, Wirts-, Schenk-, Fleischer- und andere Gewerbe 527). Nicht wenige Klöster Nürnbergs betrieben aber den Ausschank von Wein, Bier und sonsti­ gen Getränken, unterhielten Herbergen oder übten ein anderes Gewerbe aus, während manche Mitglieder des Weltklerus als Ärzte und Anwälte sich be­ tätigten. Abgesehen von der spürbaren Konkurrenz, die den bürgerlichen. Be­ trieben dabei erwuchs, sah der Bat diesen Zustand besonders deshalb außer­ ordentlich ungern, weil man die betreffenden Klöster und Kleriker infolge ihrer Standesprivilegiien nicht zur Einhaltung der einschlägigen städtischen Vorschriften zwingen konnte und weil der Gemeinde auf diese Weise nicht unbedeutende Beträge an Steuern und Abgaben, unter anderem das soge­ nannte Ungeld, eine für dien Stadthaushalt sehr wichtige Wein- und Bierver­ brauchssteuer, entgingen 528). Wohl schärften Papst und Bischof auf Ansuchen des Bates die Beobachtung der kanonischen Verbote wiederholt ein 529); die städtische Geistlichkeit leistete jedoch nur in geringem Maße Folge, am wenig­ sten die Deutschherren bei St. Jakob, deren Spitalmedster nach wie vor einen gutgehenden Wirtschaftsbetrieb unterhielt 580). Und als man ihnen mit Hilfe neuer päpstlicher Verfügungen entgegentreten wollte, verdarb man es mit dem Bischof. Der Abt von St. Egidien hatte nämlich im Auftrag der Stadtregierung zu einem der kurialen Beskripte nähere Ausführungsbestimmungen erlassen, ohne dafür die Genehmigung der Diözesanbehörde emzuholen, so daß diese über einen .solchen Eingriff in ihre Jurisdiktion mit Becht empört war. Es half nichts, daß der Bat sofort einlenkte, der Bischof verlangte die bedingungslose Abstellung der getroffenen Maßnahmen und außerdem den Verzicht auf die erwirkte päpstliche Verfügung. Darauf ging wiederum der Rat nicht ein und so blieb die ganze Angelegenheit in der Schwebe631). Den Vorteil davon, hatten die Nürnberger Geistlichen, die sich bis zur Glaubensspaltung herauf sowohl 61

über das Schaftkverbot wie über das Verbot anderer Gewerbe hinwegsetzen konnten 632). Nicht weniger ergebnislos endeten die langdauernden Bemühungen Nürn­ bergs, seine Geistlichen zur Beobachtung der Residenzpflicht zu zwingen, ob­ wohl ein großer Teil derselben auf Grund seines Amtes oder der für seine Pfründe geltenden Stiftungsbestimmumgen dazu verpflichtet war 533). Viele setzten sich willkürlich über ihre Pflicht hinweg oder verschafften sich päpst­ liche Privilegien, die sie davon befreiten 534). Die schädlichen Folgen dieser Praxis im ausgehenden Mittelalter sind! bekannt und der Nürnberger Rat über­ trieb gewiß nicht, wenn er noch dm Jahre 1515 vor dem Bischof bittere Klagen darüber führte, daß so viele Benefizien der Reichsstadt infolge der dauernden Abwesenheit ihrer Inhaber der Auflösung nahe seien. Die bestellten Verweser kümmerten sich kaum um ihre Pflichten, ließen die Häuser verkommen, ver­ schleuderten die Kirchengeräte, vernachlässigten die gestifteten Gottesdienste und gäben soviel Ärgernis, daß niemand mehr Lust habe, eine fromme Stif­ tung zu machen. Da der Ordinarius erwiderte, er könne Inhaber von Inkuratbenefizien nicht zur Beobachtung der Residenzpflicht zwingen 535), wandte sich der Rat an die Kurie. Sie sollte ihm die Erlaubnis geben, jeden Geistlichen vor Verleihung eines städtischen Beneficiums schwören zu lassen, daß er per­ sönlich in Nürnberg residieren und seine Pfründe mit niemand vertauschen wolle. Ein Erfolg dieser Bitte ist nicht festzustellen'. Schließlich griff man zur Selbsthilfe, setzte einen der abwesenden Benefiziaten aus eigener Machtvoll­ kommenheit ab und erhob gegen ihn Klage zum Hl. Stuhl. Auch in diesem Falle ist die weitere Entwicklung nicht bekannt 538). Auf die vielfachen Streitigkeiten innerhalb des städtischen Klerus hatte der Rat ebenfalls nur geringen Einfluß. Als z. B. die langdauernden Spannungen zwischen Welt-und Ordensgeistlichkeit um die Mitte des 15. Jahrhunderts zurri offenen Kampf ausarteten und sogar Kirchen und Kanzeln zur Austragung per­ sönlicher Fehden mißbraucht wurden, da sandten die Stadtväter eine Abordnung nach Bamberg mit der Erklärung, sie würden künftig mit jedem Unruhestifter in einer Weise sprechen, „das er loben sollt, das er geswigen het“. Aber sofort wies sie der Bischof mit Recht in ihre Schranken. Das seien harte Worte, sagte er, außerdem sei in solchen Fällen nicht der Rat von Nürnberg, sondern die Bistumsregierung zuständig. Tatsächlich wurde der Streit dann auch in Bam­ berg beigelegt und zwar durdi Nikolaus von Cues, der sich damals — im Mai 1451 — eben dort aufhielt 537). Ebenso unbedeutend war die Rolle, die dem Rat gelegentlich der Auseinandersetzungen zwischen Pfarrer Leubing von St. Sebald und den Gedstlidien der Frauenkirche um 1460 zufiel. Er konnte ledig­ lich seinen Gesandten in Mantua anweisen, auf Leubing ein wachsames Auge zu haben 538). Am allerunangenehmsten empfand es der Rat, daß ihm durch das privilegium fori verwehrt war, das persönliche Leben der Kleriker zu überwachen und ihre Verfehlungen nach seinen Gesetzen und vor seinen Ge­ richten zu bestrafen. Denn dafür war ausschließlich der kirchliche Richter zu­ ständig, wie auch für die bürgerlichen Rechtssachen der Geistlichen unter­ einander und für solche zwischen Geistlichen und Laien 539). Es kam vor, daß sich Laien in den geistlichen Stand aufnehmen ließen — dazu genügte der Empfang der Tonsur —, um ungestraft ihren üblen Gewohnheiten nachgehen zu können und durch ihren Stand vor der strengen Hand der redchsstädtischen Polizei geschützt zu sein. Nicht viel besser trieben es manche Pfründeninhaber, die ihre Amtspflichten vernachlässigten, den Gottesdienst versäumten und 62

ihren Vorgesetzten den Gehorsam verweigerten 540). Es ist verständlich, daß der Rat, der sonst mit eiserner Strenge für Zucht und Ordnung sorgte, in diesen Zuständen eine Störung des städtischen Lebens sah, die er mit allen Mitteln zu beseitigen trachtete. Die Römische Kurie leistete ihm dabei Hilfe, soweit sie es im Rahmen der kanonischen Vorschriften konnte. Sie erteilte dem Abt von St. Egidien Auf­ trag und Vollmacht, pflichtvergessene Kleriker zu bestrafen und zur Erfüllung ihrer Standespflichten zu zwingen541). Sie schärfte den Geistlichen Nürnbergs ein, ehrbar und standesgemäß zu leben, alle mit den kirchlichen Bestimmungen unvereinbaren Berufe aufzugeben und ihren geistlichen Verpflichtungen ge­ treulich nachzukommen 642). Der Legat und Kardinal Auxias de Podio ver­ öffentlichte am Oktober 1479 eine lange und bedeutsame Verordnung gegen das Treiben unwürdiger Kleriker in Nürnberg und gab bis ins einzelne gehende Anweisungen 543). Auch Bamberg kam den berechtigten Forderungen der Reichsstadt entgegen, indem es dem Rat erlaubte, von solchen Geistlichen das schriftliche Versprechen der Lebensbesserung zu verlangen und jene, die sich gegen städtische Verordnungen verfehlten, sogar in Haft zu nehmen. Nur soll­ ten sie binnen 24 Stunden der kirchlichen Oberbehörde zur Aburteilung über­ geben werden 544). Aber das privilegium fori wurde niemals preisgegeben. Wenn auch die weltliche Gewalt Geistlichen gegenüber, die sich etwas zuschulden kommen ließen, das eine oder andere Zugeständnis erhielt, Urteil und Bestrafung stand ihr nicht zu. Das- blieb Sache der kirchlichen Behörden. Eine Straf- oder Besserungsgewalt über die Geistlichen des Stadtgebietes hat der Nürnberger Rat bis zur Glaubensspaltung nie erreicht 545). Ganz anders verlief der Kampf Nürnbergs gegen das zweite wichtige Standesvorrecht des Klerus, das privilegium immunitatas. Versuche, die Steuerund Abgabenfreiheit der städtischen Geistlichen zu beschränken oder ganz zu beseitigen, begannen hier schon in der Zeit dies Konzils von Konstanz 546), doch scheint ihre Durchführung damals aus nicht näher bekannten Gründen unter­ blieben zu sein. Ein halbes Jahrhundert später erst wurden sie wieder auf­ genommen, als die Stadt anläßlich ihrer Teilnahme am Reichsfeldzug gegen Burgund ihren Geistlichen wie der übrigen Bürgerschaft eine Steuer auferlegte. Der Klerus wehrte sich natürlich dagegen und der Bischof drohte dem Rat mit Prozeß und kirchlichen Strafen, so daß sich dieser eiligst an der Kurie um eine „gegenwere“ bemühte 547). Er war freilich klug genug, nicht unmittel­ bar um die Erlaubnis der Besteuerung seiner Geistlichen nachzusuchen, son­ dern ließ sich zunächst nur ausdrücklich und feierlich den Schutz derselben und ihrer Güter übertragen. Denn wer den Schutz der Reichsstadt genoß, hatte billigerweise auch an den allgemeinen Lasten mitzutragen 548). Am 22. April 1475 genehmigte der Hl. Stuhl die Bitte Nürnbergs und am 11. Oktober 1488 erteilte Innozenz VIII. den Schirmvogtei-Rechten des reichsstädtischen Rates über die gesamte Geistlichkeit des Nürnberger Territoriums samt ihren Be­ sitzungen die erbetene päpstliche Bestätigung 549). Damit waren, um mit Werminghoff 55°) zu sprechen, der „Schirmvogtiei als einer die obrigkeitlichen Rechte insgesamt umfassenden Gewalt . . . auch die Kleriker als Schutzgenossen un­ terstellt.“ Sie hatten sich damit auch den bürgerlichen Pflichten und Lasten in entsprechender Weise zu unterziehen, also eine Beschränkung des Immundtätsprivilegs hinzunehmen, für die sich der Rat schon einige Jahre früher trotz des begreiflichen Widerstandes der städtischen Geistlichkeit und der 63

Bistumsbehörden durch genaue Registrierung aller in klerikaler Hand befind­ lichein Besitzungen die praktischen Unterlagen verschafft hatte551). Vielleicht kann man eine Verfügung Sixtus IV. vom 22. Juni 1475 gegen geistliche und weltliche Herren, die den Klerus Nürnbergs in seinen Gütern, Rechten und Einkünften schädigten, als Gegenstoß von dieser Seite erklären — die Bulle selbst 552) gibt darüber keinen Aufschluß — er änderte jedoch nichts an der Tatsache, daß der Rat mit Hilfe der Römischen Kurie anerkannter Vogt und Schutzherr aller kirchlichen Besitzungen seines Gebietes geworden war und damit wenigstens ein beschränktes Besteuerungsrecht über sie errungen hatte. § 14. Einbruch in die Verfassung der Klöster.

Schon dm ausgehenden 14. Jahrhundert hatte es die Regierung Nürnbergs verstanden, die Klöster der Stadt und des städtischen Territoriums unter ihre Aufsicht zu bringen. Sie übte in königlichem Auftrag das Schutzrecht aus über Engelthal 553), St. Katharina 554) und St. Klara 555); die Nonnen von Gründlach hatten sich ihr freiwillig unterstellt 556), Pillenreuth war 1392 zu weitgehenden Zugeständnissen veranlaßt worden 557), die Kartause übernahm bereits bei ihrer Stiftung verschiedene Verpflichtungen gegenüber der Stadt, in sämtlichen Klöstern überwachten vom Rat bestellte Pfleger die Verwaltung und Bewirt­ schaftung des Klostergutes 558). Doch dieser Einfluß genügte den Herren des städtischen Rates längst nicht mehr. Ihr Streben ging dahin, die Klöster der Stadt und des Nümbergischen Gebietes möglichst vollständig in die Hand zu bekommen. Es kam soweit, daß sie schließlich Anspruch darauf erhoben, über alle mit dem klösterlichen Leben zusammenhängenden Fragen «bestimmen zu dürfen, nicht nur über die Verwaltung des Klostervermögens, sondern auch über Aufnahme und Abweisung von Bewerbern und Bewerberinnen, über den Verkehr der Klöster mit ihren Oberen, über Aufsdchts- und Visitationsrecht, und endlich auch über das innere Leben der Ordensleute selber. Bei alledem aber suchte man die Unterstützung der Kurie und fand sie in vielen Fällen. Schon bei der Sicherung der Schirmvogtei über die klösterlichen Nieder­ lassungen seines Gebietes, die Nürnberg durch königliche Verleihung, durch eigene Stiftungen oder durch Jetztwillige Verfügungen erworben hatte, war die Mitwirkung des Hl. Stuhles nicht unbedeutend. Die ersten Versuche, dafür die päpstliche Bestätigung zu erwerben — es handelte sich damals um St. Egidden, das sich in den Schutz des Rates begeben hatte 559) — blieben zwar ohne sichtbaren Erfolg. Dafür erteilten die bereits angeführten 560) Bullen von 1475 und 1488 den Schutzrechten Nürnbergs über den gesamten Welt- und Ordensklerus seines Gebietes die Bestätigung der Kirche. Auch zu Beginn des 16. Jahrhunderts, als es mit einzelnen Klöstern, deren Vogtei durch den baye­ rischen Erbfolgekrieg an die Reichsstadt gekommen war, ernste Schwierig­ keiten gab, stellte sich die Kurie auf Nürnbergs Seite. So hatte der Abt von Weißenohe gegen den Rat Klage in Rom erhoben, weil sein Kloster von städtischen Truppen besetzt und er selbst zur Leistung des Huldigungseddes gezwungen worden war. Zugleich beantragte er mit Unterstützung des Ramberger Bischofs die Verhängung des Interdikts über Nürnberg. Auch in diesem Falle ließ sich der Hl. Stuhl jedoch davon überzeugen, daß die Ansprüche des Rates zu Recht bestanden und nahm seinen bereits ausgesprochenen Straferlaß zurück501). 64

Hinsichtlich der klösterlichen Vermögensverwaltung hatte sich Nürnbergs Regierung, wie schon oben gesagt (S. 64), durch die Einrichtung der Kloster­ pfleger, die in allen geschäftlichen Fragen gehört werden mußten und denen von setiten der Orden alljährlich Rechenschaft abzulegen war, maßgebenden Einfluß gesichert 582). Darüber hinaus sollte aber auch das Verfügungsrecht der Ordensleitungen über die Vermögenswerte möglichst eingeschränkt werden. Und wirklich gelang es in dien fünfziger Jahren, als der große Kapistran im benachbarten Amberg ein Franziskanerkloster gegründet hatte und zu be­ sorgen war, dlaß das Nürnberger Haus einen Teil seiner Bücher, Kirchengeräte und Einrichtunigsgegenstände dorthin werde abtreten müssen, ein päpstliches Reskript zu erwirken, das jedie Veräußerung von Besitztümern des Nürnberger Barfüßenklosters von der Einwilligung dies Rates abhängig machte 563). Daß es den Stadtvätern dabei nicht so sehr um dien Schutz der Klostergüter zu tun war, als vielmehr um den eigenen Einfluß, zeigte sich nachher sehr deutlich. Der Hl. Vater hatte nämlich alle Besitz Veränderungen im Fra nziskanerk loster nicht nur an die Zustimmung des Rates geknüpft, sondern auch an das Ein­ verständnis der jeweiligen Stifter. Damit aber waren dem Rat die Hände ge­ bunden, sooft er selber ‘gerne eine Veräußerung vorgenommen hätte 564). Und auf eine Zurücknahme diese störenden Bedingung ließ sich die Kurie nicht ein 565). Auch der etwa 25 Jahre später auftauchende Plan, mit Hilfe Roms weiteren Einfluß auf die „Rechnung der Frauenklöster“ zu gewinnen, gelang nicht 566). Sehr bedeutsam waren diie Zugeständnisse, die Rom dem Nürnberger Rat bezüglich der Aufnahme in die Nonnenklöster ednräumte. Auch auf diesem Gebiet bestanden schon lang zuvor innerstäd/tasche Regelungen mit einzelnen Konventen, die Männerklöster wie St. Egidien, Kartause, Deutschordenshaus, nicht ausgenommen 567). Bei den Frauenklöstem sprach neben dem allgemeinen Wunsch des Rates, möglichsten Einfluß auf die Zusammensetzung der Ordens­ konvente zu gewinnen, noch ein besonderer Grund mit. Unter Ausschluß aller Nichtnümbergerinnen sollten sie zu Versorgungsstätten der einheimischen Biirgers töchter werden und so dien Mangel der Stiftsfähigkedt des städtischen Patriziats einigermaßen ausgleichen 568). Bis zum Jahre 1467 fand der Rat bei seinen Maßnahmen gegen auswärtige Bewerberinnen keinen nennenswerten Widerstand. Endlich aber beschwerte sich das Kloster zu St. Klaren beim Hl. Stuhl und dieser erteilte dem Ordinarius Auf­ trag, die Eingriffe der weltlichen Gewalt abzustellen589). Der Rat fügte sich äußer­ lich, im Geheimen aber traf er Vorbereitungen zum Gegenstoß. Pillenreuth wurde neuerdings in unmittelbaren Verhandlungen verpflichtet, ohne sein Wissen niemand aufzunehmen 570). In St. Klara trat um dieselbe Zeit die Äbtissin zurück, der Klosterpfleger Niklas Muffel wurde hingerichtet, Vorgänge, die zwar mit der Aufnahmesache nichts zu tun hatten, die aber doch den Widerstand der Nonnen stark erschütterten571). Um das Jahr 1476/ erfolgte dann der offene Angriff, und er endete mit dem Sieg des Rates. Unter dem 11. Juni dieses Jahres befahl der Papst den Vorsteherinnen der Frauenklöster St. Klara, St. Katharina, Pillenreuth und Gründlach, in Zukunft keiner Nichtnürnbergerin die Aufnahme zu gewähren 572). Eine sofortige Beschwerde, die das Katharinenkloster an den Hl. Stuhl richtete, blieb ohne Erfolg. Im Gegen­ teil, etwa zwei Jahre später wiederholte die Kurie ihre Anordnung unter den ehrendsten Worten für die Umsicht und Klugheit, die Nürnbergs Regierung allzeit bewiesen habeÖ7S). Damit hatte der Rat sein Ziel erreicht. Je mehr sich 5

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die Oberen der einzelnen Ordensgemeinschaften gegen die neuen Bestimmun­ gen sträubten, desto nachdrücklicher bestand er auf ihrer genauen Beobach­ tung. Unnachsiditlich wurden Aufnahmegesuche auswärtiger Mädchen und Frauen abgelehnt, auch wenn sich hochgestellte Persönlichkeiten für sie ver­ wandten. Nur in einem Punkt wünschte der Rat selber allmählich eine Milderung. Nach der strengen Auslegung der päpstlichen Bulle durften näm­ lich nur gebürtige Nürnbergerinnen aufgenommen werden, also nicht einmal jene Bewohnerinnen der Reichsstadt, die früher einmal von auswärts zuge­ zogen waren und längst das Bürgerrecht besaßen. Damit erwies sich der Kreis der Aufnahmeberechtigten denn doch als zu eng. Mit der merkwürdigen Be­ gründung, die gebürtigen Nürnbergerinnen seien häufig von allzu zarter Konstitution, sodaß sie die gröberen Arbeiten des klösterlichen Lebens nicht verrichten könnten, bat man also den Hl. Stuhl um Erweiterung der Auf­ nahmevorschriften. Sie wurde ohne Zögern gewährt674). Von diesem Zeitpunkt an stand es ganz im Belieben des Rates, Bewerbe­ rinnen von auswärts zuzulassen oder abzuweisen, je nachdem er ihnen das Bürgerrecht verlieh oder nicht. Er verfuhr dabei, wie es ihm gefiel. Zuweilen erklärte er, die Aufnahme einer Ortsfremden überhaupt nicht gestatten zu können 676). Brachte eine Gesuchstellerin aber ein ordentliches Vermögen mit, dann bildete ihre Herkunft häufig kein Hindernis mehr678). Besondere Ab­ machungen bestanden mit Pillenreuth, da dort überhaupt niemand ohne aus­ drückliche Erlaubnis des Rates aufgenommen werden durfte, auch nicht, wenn es sich um eine gebürtige Nürnbergerin handelte 677). Die zahlreichen Auf­ nahmebewilligungen, die immer von der Ratsstube, nicht vom Kloster aus­ gesprochen wurden, und noch mehr die scharfen Rügen gegen Pillenreuth, wenn es den Rat einmal zu übergehen suchte, beweisen am besten, mit welch eifersüchtigen Augen dieser die getroffenen Abmachungen überwachte 678). Noch empfindlicher griff die Nürnberger Stadtverwaltung in die Ordens­ verfassungen hinein, als sie daranging, sich auch in die geistliche Leitung der Klöster einzumischen und den Einfluß der rechtmäßigen Oberen möglichst auszuschalten 67#). Da war vor allem das Aufsichts- und Visitationsrecht, das die Vorsteher einiger Ordensprovinzen über die unter den entsprechenden Regeln lebenden Nürnberger Frauenklöster ausübten. Dadurch, so behauptete der Rat, entstünden viele Unzuträglichkeiten für die Konvente und für die Bürger der Stadt, deren Vorfahren jene Klöster gestiftet hätten und deren Töchter in ihnen lebten. Die Visitatoren setzten häufig in völliger Unkenntnis der örtlichen Verhältnisse und der persönlichen Eigenschaften der einzelnen Nonnen die Inhaberinnen der verschiedenen Ämter ab oder ließen sie durch ungeeignete Ordensfrauen ersetzen, sprächen nachteilige Versetzungen in andere Klöster aus und brächten auf diese und ähnliche Weise immer wieder Unruhe in die klösterlichen Gemeinschaften und in die Bevölkerung Nürnbergs. Des­ halb sei es dringend nötig, dafür zu sorgen, daß in Zukunft ohne Rat und Zustimmung des Abtes von St. Egidien, der beiden Pfarrer und der Prioren des Benediktiner- und Kartäuserklosters keine Visitation, Amtsenthebung, Ernennung oder Versetzung in den Frauenkonventen vorgenommen werden dürfe. Die Besetzung der Verwaltungsstellen endlich solle nur mit Genehmi­ gung der Klosterpfleger oder anderer Beauftragter der Stadt geschehen. Indem Eugen IV. am 10. Dezember 1444 alle diese Forderungen des Nürnberger Rates ohne Abstrich genehmigte680), fügte er einen neuen wichti­ gen Stein in den Bau der reichsstädtischen Kirchenhoheit, die Frauenklöster 66

der Stadt gerieten immer mehr unter die Herrschaft des Rates. Nur St. Katharina erreichte mit Hilfe des Kardinalprotektors des Dominikanerordens für sich den Widerruf jener einschneidenden Bestimmungen881). Die Eingriffe des Rates in die Ordensverfassungen beschränkten sich nicht auf die Frauenklöster allein, auch die Mönche bekamen sie in zahlreichen Fällen zu spüren. So der Konvent zu St. Egidien, dessen Abt der ranghöchste Geistliche Nürnbergs war, und der deshalb sehr häufig als Exekutor päpst­ licher Justizreskripte oder Privilegien bestellt wurde58*). Daß auch dieser einzige Prälat der Reichsstadt samt seinem Kloster unter der Oberaufsicht eines auswärtigen Ordensoberen stand, erschien dem Rat allmählich als untragbarer Zustand. Kraft ihrer alten Rechte, die von zahlreichen Päpsten bestätigt und auch von St. Egidien öfter als einmal anerkannt worden waren, übten nämlich die Äbte des Schottenklosters zu Regensburg 588) das Aufsichts­ und Visitationsrecht über die Abtei aus, nahmen an der Wahl des Abtes teil, verfügten über verschiedene Ämter, maßregelten unwürdige Mönche usw., kurz, es bestand ein Abhängigkeitsverhältnis, das der Rat unbedingt zu be­ seitigen versuchte. Die erste Lockerung wurde bereits im Jahre 1418 durchgesetzt, als auf Betreiben der Stadt deutsche Mönche in St. Egidien einzogen und mit Georg Moringer der erste deutsche Abt die Leitung des Klosters übernahm 584). Schwere Zusammenstöße mit St. Jakob in Regensburg waren die Folge, der schwerste führte die Parteien vor das Konzil von Basel, wo Patriarch Ludwig von Aquileja zugunsten der Nürnberger entschied. Im darauffolgenden Jahr wurde Georg Moringer, der 1429 zurückgetreten war, trotz aller Regensburger Proteste ein zweites Mal zum Abt gewählt585). Der letzte und entscheidende Angriff des Nürnberger Rates auf die alt­ herkömmlichen Rechte der Schottenäbte von St. Jakob begann um die Mitte des Jahrhunderts. Ohne sich um die geschichtliche Entwicklung zu kümmern, behauptete er in seiner Eingabe an die Kurie 585), die Regensburger hätten nur den zeitweiligen Verfall des Nürnberger Klosters ausgenützt, um sich diese Befugnisse anzueignen. Besser sei dadurch jedenfalls nichts geworden. Der heutige glänzende Zustand der Abtei St. Egidien gründe sich allein auf die verdienstvollen Bemühungen Bischof Alberts von Bamberg, der in Kon­ stanz und Basel mit der Reform der Benediktinerklöster beauftragten Prä­ laten und der deutschen Könige. Ja es sei zu befürchten, daß der gute Geist, der seitdem in der Abtei herrsche, durch die Ansprüche der Regensburger wieder vernichtet und ein Zustand wiederhergestellt werde, der zum Schaden des Gottesdienstes und der Seelen lange genug bestanden habe. Die Antwort der Kurie 587) brachte die volle Lösung des Egidienklosters vom Regensburger Schottenkonvent. Nur den Oberen des Gesamtordens innerhalb der Mainzer Kirchenprovinz sollte es noch unterstellt sein. Unglücklicherweise hatten sich in diese so günstige Bulle verschiedene Unrichtigkeiten eingeschlichen 588), sodaß es den Regensburgern nicht schwer wurde, sie als verdächtig abzulehnen’ Sie gewannen damit freilich nur einen kurzen Aufschub. Wie Nikolaus V. vertraten auch seine Nachfolger 589) in diesem Streit durchaus die Sache der Pegnitzstadt. Und im November 1459 bestätigte Pius II. zu Mantua nochmals ausdrücklich die Unabhängigkeit des St. Egidienklosters von der Regensburger Schottenabtei 59°). Der Rat hatte auch hier seine Wünsche durchgesetzt591). 5*

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Weniger Glück hatte er allerdings mit seinem Vorstoß gegen die Ver­ fassung des Franziskanerordens. Es war auch ein allzu starkes Stüde, von der Kurie die Erlaubnis zu verlangen, daß die Nürnberger Franziskaner aus ihrer Gemeinschaft einen Vikar erwählen dürften, der über sein Kloster und über St. Klara die Jurisdiktionsrechte des Ordensgenerals haben sollte. Er sollte, wie in der Bittschrift592) ausgeführt wurde, aus ordentlicher Gewalt visitieren, regieren, Missetäter zurechtweisen, mit kirchlichen Zensuren belegen, absol­ vieren und versetzen, Obere ernennen und absetzen und Aufnahmen in beide Klöster vornehmen dürfen, und der Provinzial sollte gehalten sein, seine Wahl innerhalb dreier Tage zu bestätigen. Andernfalls sollte er als vom Hl. Stuhl bestätigt gelten. Visitationen durch General oder Provinzial sollten zwar den päpstlichen Anordnungen und der Ordensregel entsprechend gehalten werden dürfen, jede Veränderung in den Klöstern aber sollte an die Zu­ stimmung des Vikars und bestimmter Vertreter des Konvents gebunden sein. Mehr konnte man kaum fordern. Wieder einmal mußte die Sorge um das klösterliche Leben den passenden Vorwand abgeben, um den städtischen Ein­ fluß auf zwei Klöster zu steigern, indem man sie von allen Bindungen nach außen abzuschneiden suchte. Aber diese unerhörten Forderungen gingen auch der Kurie zu weit, die Nürnberger Vorschläge wurden abgewiesen. Ein ähn­ liches Schicksal traf sdhon einige Jahre früher die Zumutung des Rates an das Konzil von Basel, der Reichsstadt das volle Aufsichtsrecht über die städtischen Klöster zuzusprechen und ihr die Aufstellung von „Superinten­ denten“ zu gestatten, nach deren Befinden alle Einzelfragen des klösterlichen Lebens geregelt werden sollten 598). In diesem Zusammenhang verdient auch der Plan des Klosters Pillen­ reuth Erwähnung, die Jurisdiktion des Eichstätter Bischofs abzuschütteln. Denn auch in diesem Fall waren es in Wirklichkeit nicht die Ordensfrauen, die eine Änderung wünschten, sondern der Nürnberger Rat, der weltliche Herr des Klosters, der auch die geistliche Herrschaft gerne an sich gezogen hätte. Aus diesem Grunde lieh er den Nonnen 300 Gulden und beauftragte einen seiner Gesandten, Pillenreuth an der Kurie zu vertreten 504). Erfolg hatten diese Bemühungen nicht. Neben diesen Eingriffen in die äußere Verfassung und Organisation der Klöster suchte der Rat seine Herrschaftsansprüche sogar auf deren inneres Leben auszudehnen und nicht einmal da stieß er an der Kurie auf nennens­ werten Widerstand. Man begreift ja, daß es manchmal nötig sein mochte, einen Prediger zur Ordnung zu rufen oder unberechtigte Einmischungen der Ordensleute in städtische Angelegenheiten zurückzuweisen. Aber wie kam die weltliche Behörde dazu, Mönche und Nonnen wegen nichtstandesgemäßen Verhaltens zu maßregeln oder ganze Konvente zur Annahme strengerer Regeln zu zwingen 595)? Es geht hier nicht um die Frage, ob diese Maßnahmen im Einzelfall gut und segensreich waren, sie bedeuten jedenfalls einen Ein­ griff in innerste Bezirke des geistlichen Lebens, zu dem der Rat nicht be­ rechtigt war. Indem er sich auch hier als zuständig betrachtete, regierte er allmählich in fast alle Angelegenheiten seiner Klöster hinein und die Kurie lieh ihm dabei nicht selten ihre Unterstützung. Die Reformen des Katharinen-, St. Klaren- und Egidienklosters, die am Ausgang des 14. und am Anfang des 15. Jahrhunderts mit römischer Hilfe durchgeführt wurden, waren noch hauptsächlich von den zuständigen geistlichen Oberen ausgegangen, wenn auch der Rat dabei kräftig mitgewirkt hatte596). Andere, wie die von 1428 in 68

St. Katharina oder die von 1498 in Gründlach, vollzogen sich ohne Eingreifen der Kurie 597). In vielen Fällen aber arbeitete die Kurie mit dem Rat zu­ sammen oder sollte es wenigstens nach Ansicht der Nürnberger tun. Diese Zusammenarbeit zeigte sich bereits bei der Reform des Augustiner­ klosters. Kaum ein anderes bekam jahrzehntelang soviel Klagen seitens der Stadtverwaltung zu hören wie dieses 598), obwohl hier bereits 1420 die strengere Ordensregel eingeführt und in den Jahren 1434 bis 37 weitere Reformen vor­ genommen worden waren 599). Immer wieder hatte der Rat am Leben der Mönche etwas auszusetzen und noch mehr an den Maßnahmen der nichtreformierten Ordensleitung, die so gar nicht auf die „demütigen Bitten“ der Stadtväter hören wollte. General und Provinzial, die beide Ende der vier­ ziger Jahre nach Nürnberg kamen, kümmerten sich nach Aussage des Rates überhaupt nicht um Reformfragen, sondern förderten im Gegenteil gerade die Anhänger der milderen Richtung in jeder Weise. Und doch wünsche Nürnberg, dessen Obhut das Kloster seit langem anvertraut sei, wie es in einem Ratsschreiben an den Hl. Stuhl heißt, nichts sehnlicher, als daß das Fünklein der Reform, das in ihm angefacht sei, zur leuchtenden Flamme vollkommen geistlichen Lebens werde. Der Papst möge darum das Nürnberger Augustinerkloster seiner bisherigen Leitung entziehen und dem Oberen der reformierten Augustinerklöster Italiens unterstellen 800). Da die Kurie auf diese erste Bitte keine Antwort gab, drängte der Rat weiter, förderte von sich aus die strengere Richtung im Konvent und wandte sich schließlich an den Diözesanbischof, der 1459 vom Hl. Stuhl ermächtigt worden war, die Klöster seines Bistums zu reformieren. Mit seiner Unter­ stützung wurde 1462 die strengere Richtung in Nürnberg wieder ein­ geführt801). Schon ein Jahr später gelang es jedoch dem Oberen der bayeri­ schen Augustinerprovinz, Johann Ludovici, Papst Pius II. zum Widerruf des Nürnberger Reformwerks zu bewegen, der außerdem jede weitere Behinderung der Ordensoberen in der Leitung des dortigen Klosters untersagte. Nun wurde der Rat lebendig. Seine Boten eilten in alle Richtungen, nach Bamberg zum Bischof, nach Wiener Neustadt zum Kaiser und vor allem nach Rom zum Hl. Stuhl 802). Einem solchen Ansturm war auch der Ordens­ general nicht gewachsen, zumal die Reichsstadt ihre reichen Geldmittel an rechter Stelle einzusetzen verstand. Bereits am 21. April 1463 war der Widerstand des großen Ordens gebrochen. Der Papst bestätigte die Einführung der strengen Ordensregel im Nürnberger Augustinerkloster, befahl ihre Be­ obachtung für ewige Zeiten und legte den Ordensoberen in dieser Angelegen­ heit dauernde Schweigepflicht auf 808). Von da an gab es keine Klagen mehr. Und regte sich doch einmal in der Provinz oder im Nürnberger Konvent eine mildere Auffassung, dann war der Rat sehr rasch bei der Hand, „die Lämmer vor den Wölfen“ zu schützen 604). Im Franziskanerkloster ging der Reformgedanke zunächst wohl von den Mönchen selber aus. Da aber nur eine kleine Minderheit mit dem Guardian Albert Büchelbach an der Spitze dafür eintrat, brauchte man zu seiner Ver­ wirklichung die Unterstützung des Rates. Dieser zögerte erst, da er sich über die Folgen nicht recht klar werden konnte. Als aber Büchelbach die päpst­ liche Erlaubnis zur Einführung der Observanz vorzeigen konnte, in der die Reichsstadt angewiesen wurde, die Besitztümer des Franziskanerklosters frommen Zwecken zuzuführen, machte man gerne mit 605). Auf Ansuchen des

Rates erschien im Mai 1447 Nikolaus Karoli, der Leiter der reformierten Straßburger Franziskanerprovinz, in Nürnberg und vollzog in feierlicher Weise die Aufnahme des dortigen Konvents in den Kreis der Observanten Klöster. Die Besitzungen wurden dem Pfleger des Neuen Spitals übergeben 606). Von dieser Zeit an fühlte sich der Rat mitverantwortlich für alles, was im Barfüßerkloster geschah. Knapp ein Jahr nach Durchführung der Reform unterstützte er den neuen Guardian Heinrich Burger mit großer Entschieden­ heit, als dieser die nachträgliche Genehmigung des Hl. Vaters für seinen Übertritt aus dem Zisterzienser- in den Franziskanerorden erbat607). Be­ sonders aber war es die Aufrechterhaltung der Observanz, für die sich die Stadtverwaltung immer wieder kräftig einsetzte. Als sich Mitte der fünfziger Jahre allerlei Mißstände zu zeigen begannen, bat sie die Kurie sofort um Bestätigung der reformierten Regel 808). Sogar wenn es um Angelegenheiten des Gesamtordens ging, wie im Jahre 1478, als Sixtus IV. ein Generalkapitel nach Rom einberufen hatte, oder 1506, als sich Julius II. mit dem Gedanken trug, die verschiedenen Zweige des Franziskanerordens wieder zu vereinigen, war der Rat zur Stelle 606). Dem Kloster zu St. Klaren, in dem soviele Töchter der vornehmsten städtischen Familien lebten, galt das Interesse der Stadtregierung immer in besonderer Weise. So überrascht es nicht, daß sie auch hier in das inner­ klösterliche Leben eingriff und eine Änderung der dort beobachteten Regel herbeizuführen verstand. Es erschien ihr einfach als Forderung der Vernunft, auch in St. Klara der Observanz zum Sieg zu verhelfen, nachdem die Beicht­ väter der Nonnen, die Franziskaner, sie angenommen hatten 61°). Aber der Rat handelte auch hier selbstherrlicher und eigenmächtiger, als er in solch geist­ lichen Dingen hätte handeln dürfen. Ohne Rücksicht auf die Ordensleitung oder auf die Meinung der Ordensfrauen von St. Klara erteilte er dem Kloster­ pfleger Niklas Muffel, als dieser zur Kaiserkrönung Friedrichs III. nach Italien reiste, den Auftrag, an der Kurie die Erlaubnis zur Überführung des Klarissen­ klosters in die reformierte Straßburger Franziskanerprovinz einzuholen. Nikolaus V. erklärte sich am 27. April 1452 damit einverstanden611). Es traf sich gut, daß gerade damals der große Johannes Kapistran in die Reichsstadt kam. Seiner feurigen Beredsamkeit war es großenteils zu danken, daß sich die Nonnen mit den neuen Verhältnissen einverstanden erklärten. Die Proteste des bisherigen Provinzials Johannes Gnybe wurden unter Berufung auf die päpstliche Entscheidung zurückgewiesen612). Noch einmal, am Vorabend der Glaubensspaltung, griff der Nürnberger Rat in das geistliche Leben eines Klosters ein, als er die reichlich verwelt­ lichten Chorfrauen von Engelthal zu reformieren suchte. In aller Stille nahmen seine Gesandten Verbindung mit dem zuständigen Dominikaner­ provinzial, mit dem Prior des Nürnberger Predigerklosters, mit dem Ordens­ general Thomas de Vio und mit der Kurie auf. Die Oberen billigten den Vor­ schlag der Stadt, und Leo X. richtete ein eigenes Schreiben an den Rat mit dem erwünschten Auftrag, er möge bei der Reformierung Engelthals nach Kräften mithelfen618). Das eben hatte man erreichen wollen. Und so erschien der Provinzial in den ersten Oktobertagen 1513, begleitet von drei Nürnberger Ratsherren und 10 Nonnen aus dem Katharinenkloster, vor Engelthal. Es dauerte lange, bis der Widerstand der streitbaren Frauen gebrochen werden konnte614). Ihre verzweifelten Briefe an befreundete Klöster, an den Bischof 70

von Eichstätt und an den Kaiser wurden von zahlreichen Familien des frän­ kischen und bayerischen Adels unterstützt. Maximilian, der schon vor der Reform einen Schutzbrief für Engelthal ausgestellt, auf Bitten seines Ver­ trauten, des Propstes Milchior Pfinzing von St. Sebald, aber wieder zurück­ genommen hatte, ernannte nun zwei Fürsten zu Schiedsrichtern zwischen Kloster und Reichsstadt615). Der Rat gab nicht einen Zoll breit nach. Gestützt auf eine frühere königliche Verfügung, die Nürnberg mit der Schirmvogtei über Engelthal betraut hatte, und auf den päpstlichen Reformbefehl, wies er alle Klagen und Beschwerden zurück616). Das Reformwerk wurde gewaltsam zu Ende geführt. § 15. Eroberung des Ämterbesetzungsrechtes. Auf ihrem Wege zur Kirchenhoheit erstrebten die weltlichen Gewalten im ausgehenden Mittelalter nichts inniger als einen möglichst umfassenden Ein­ fluß auf die Besetzung der kirchlichen Ämter. Denn hier boten sich die besten Möglichkeiten, das geistliche Leben der Gemeinde zu beherrschen und zu durchdringen und vor allem auch eine gefügige Geistlichkeit heranzuziehen. Auch der überall sich regende Wunsch, Söhne einheimischer Familien in den wichtigeren Kirchenämtern zu sehen, ließ sich dann am leichtesten und sichersten verwirklichen, wenn deren Besetzungsrecht in den Händen der städtischen Behörden lag. Bei den einfachen Meß- und Altarpfründen erreichte der Nürnberger Rat dieses Ziel verhältnismäßig leicht, in dem er sich — wie es fast überall ge­ schah — das von der Kirche dem Stifter zugebilligte Patronatsrecht zu ver­ schaffen wußte, auf dem Wege der Schenkung, der letztwilligen Verfügung, der Treuhandschaft und ähnlicher privatrechtlicher Abmachungen617). Zu Beginn des 16. Jahrhunderts verfügte er so über nicht weniger als 37 Benefizien des reichsstädtischen Gebietes, während das Vorschlagsrecht auf 15 weitere in den Händen einzelner Familien lag und bei etwa 10 die Pfarrer der beiden Hauptkirchen präsentationsberechtigt waren618). Kirchenrechtlich bestanden gegen diese Entwicklung zunächst keine Schwierigkeiten, da es sich durchwegs um gestiftete Pfründen handelte, auf die den Stiftern das Patronatsrecht zukam. Von diesen war es im Lauf der Zeit in zahlreichen Fällen durch Erbschaft, Schenkung, Tausch oder Ersitzung auf den Rat bzw. auf die Reichsstadt übergegangen ®10). Eine Beeinträchtigung des Vorschlagsrechtes durch päpstliche Reservationen, Provisionen und Exspektanzen kam in Nürnberg nur selten vor und geschah es doch einmal, so verstand es der Rat fast immer, sie rechtzeitig abzuwehren. Andernfalls erhob er Einspruch bei kurialen Beamten, bei Kardinälen oder beim Hl. Vater selber und zahlte lieber eine lebenslange Pension an den römischen Bewerber, als daß er sein Recht preisgegeben hätte. Gelegentlich verpflichtete er auch den von ihm präsentierten Kleriker von vorneherein, seine Pfründe an der Römi­ schen Kurie persönlich zu verteidigen610). Aber derartige Fälle kamen, wie gesagt, in Nürnberg nur selten vor und besagten nichts gegen die Vorschlagsrechte des städtischen Rates. Grundsätz­ lich sind diese von Rom aus niemals angegriffen worden, im Gregenteil, sie erhielten vom Hl. Stuhl ihre endgültige Sicherung. 71

Um das Jahr 1460 regte sich nämlich in der Nürnberger Ratsstube der Wunsch, das gesamte Ämterwesen der Reichsstadt, soweit es einfache Meßund Altarpfründen betraf, einheitlich zu ordnen und auf eine sichere Grund­ lage zu stellen. Mancher Stiftungsbrief und manche Bestätigungsurkunde waren lückenhaft abgefaßt, manche boten nur sehr unklare Unterlagen für den Anspruch des Rates auf die Patronatsrechte, in anderen Fällen standen diese einer Einzelperson oder einer Familie und erst nach deren Aussterben dem Rate zu, in anderen war es diesem bedingungslos übertragen worden. Es gab auch Ämter, die seit mehr als 70 Jahren von der Stadtverwaltung auf dem Wege der Präsentation vergeben wurden, ohne daß dafür eine rechtliche Grundlage vorhanden war. Deshalb bedeutete es eine außerordentliche Hilfe für Nürnberg, als Pius II. die gesamten Patronatsrechte des Rates für ewige Zeiten bestätigte, nachdem er sie diesem sicherheitshalber von neuem über­ tragen hatte*21). Die Herrschaft der städtischen Regierung über einen Groß­ teil der gestifteten Kirchenämter und damit über die Mehrzahl der niederen Geistlichkeit war damit von der höchsten kirchlichen Behörde anerkannt und gesichert worden 622). Viel wichtiger als die einfachen Priesterpfründen erschienen dem Rat freilich die Pfarreien der Stadt und das pfarrliche Leben überhaupt, auf das er unablässig Einfluß zu gewinnen suchte. Die Erringung des Patronats über St. Sebald und St. Lorenz war bis in die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts hinein eines der Hauptziele Nürnbergischer Kirchenpolitik. Für die außerordentliche Wertschätzung der beiden Hauptkirchen seitens des Rates und für das Interesse, das er immer an ihrer Entwicklung nahm, bieten zwei Vorfälle aus den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts die besten Beispiele. Seit der Vereinigung Poppenreuths mit St. Sebald schlug der ge­ meinsame Inhaber, so oft es nötig war, für die dortige Vikarie einen Priester vor und wies ihm einen Teil der Einkünfte zu, wie es die päpstlichen Ver­ fügungen des ausgehenden 14. Jahrhunderts festgelegt hatten 628). So war es fast 100 Jahre lang gehalten worden. Da erhob plötzlich der Vikar Johann Schimmel von Poppenreuth den Anspruch, selbständiger Pfarrei* zu sein, und es kostete nicht wenig Mühe, eine gütliche Einigung mit ihm zustandezubrin­ gen624). Als es gelungen war, wandte sich der Rat an die Kurie und bat, die ständige Vikarie in Poppenreuth zu einer amoviblen umwandeln zu dürfen, in der Erwägung, daß nur auf diese Weise die volle Verfügungsgewalt über Poppenreuth auf die Dauer gewährleistet sei. Denn ein ad nutum amovibler Vikar mußte schon im eigenen Interesse viel mehr darauf bedacht sein, mit seinem Pfarrherrn in gutem Einvernehmen zu bleiben, als ein ständiger. In­ dem Sixtus IV. den Inhabern der Sebalduskirche das Recht zusprach, die St. Petruskirche in Poppenreuth in Zukunft mit einem frei amoviblen Vikar zu besetzen, ohne daß hiezu die Erlaubnis des Ordinarius nötig sein sollte 625), brachte er eine Entwicklung zum Abschluß, die der Nürnberger Rat seit Jahr­ zehnten gefördert hatte: Die Mutterkirche St. Peter war in vollständige Ab­ hängigkeit von ihrer Tochterkirche geraten. Um dieselbe Zeit ging ein weiterer Wunsch der Reichsstadt bezüglich ihrer Hauptkirchen in Erfüllung. Seit dem 13. Jahrhundert war es Regel geworden, Bischöfe und Äbte sowie die Dignitäre in den Kapiteln, später auch Offiziale und Generalvikare zu päpstlichen Delegaten zu bestimmen, denen zur Ent­ lastung der kurialen Behörden zahlreiche Einzelfälle, besonders solche der 72

streitigen Gerichtsbarkeit zur Untersuchung und Entscheidung im Namen des Papstes übertragen wurden 620). In Nürnberg kam dafür nur der Abt von St. Egidien in Betracht, ein Zustand, den die Reichsstadt bei ihrer Bedeutung und bei ihrem außerordentlich lebhaften Verkehr mit der Kurie als völlig un­ zulänglich betrachtete. So richtete der Rat um das Jahr 1477 die Bitte an den Hl. Stuhl, die Pfarrer von St. Sebald und St. Lorenz zu Pröpsten zu ernennen und sie zusammen mit den Rektoren der Frauenkirche und der Kirche des Neuen Spitals in den Kreis der delegationsfähigen Personen aufzunehmen. Auch dieser Bitte wurde durch den Papst Sixtus IV. bereitwilligst ent­ sprochen 827). So sehr die Kurie den Wünschen des Nürnberger Rates in diesen und zahlreichen anderen Fragen entgegenkam, das wichtigste, unentwegt verfolgte Ziel der städtischen Kirchenpolitik, Einfluß auf die Besetzung der beiden Pfarreien zu gewinnen, wurde nur sehr langsam und nach Überwindung immer neuer Schwierigkeiten erreicht. Solange das Besetzungsrecht uneinge­ schränkt in der Hand des Bamberger Bischofs lag, fehlte der Kirchenhoheit Nürnbergs eines der wesentlichsten Stücke. Gerade die schönsten und reich­ sten Ämter, die herrlichsten Kirchen, die Leitung des kirchlichen Lebens der Gesamtbevölkerung, das alles konnte Geistlichen anvertraut werden, die dem Rat unbekannt, vielleicht sogar recht unwillkommen waren. Zwar hatte man gegen Ende des 14. Jahrhunderts die päpstliche Verfügung durchgesetzt, daß nur geeignete und würdige Priester Pfarrer in Nürnberg werden sollten und daß sie persönlich an ihren Pfarrkirchen zu wohnen hatten, auf die Be­ setzung selber besaß der Rat jedoch nicht den geringsten Einfluß. „In freier Kollation (collatio libera) besetzte der Bischof von Bamberg die Nürnberger Pfarrstellen, ohne an das Vorschlagsrecht irgendeines Dritten gebunden zu sein 628).“ Sollte hier eine Änderung geschaffen werden, so ging das nur auf dem Weg über ein entsprechendes päpstliches Privileg. Da aber erhoben sich gewaltige Hindernisse. Denn es war von vorneherein ausgeschlossen, daß sich Bamberg freiwillig mit einer solchen Beeinträchtigung seiner Rechte einverstanden erklärte. Im Jahre 1438 machte der Rat nur den Versuch eines Vorschlags für die erledigte Pfarrei St. Lorenz und erlebte eine zweimalige sehr entschiedene Abweisung, obwohl der von ihm bezeichnet© Dr. Konhofer zu den bischöflichen Behörden in guten Beziehungen stand 629). Außerdem stellte sich auch die Kurie einem Präsentationsrecht, wie es dem Rat vorschwebte, oft in den Weg, indem sie von sich aus über Kirchenämter verfügte 630), wenn das auch, wie bereits erwähnt, gerade in Nürnberg nicht eben häufig geschah. Dennoch begann die Reichsstadt den Kampf. Siebzig Jahre lang dauerte dieses Ringen mit Bamberg, mit Rom, mit zahlreichen Persönlichkeiten des geistlichen Standes, bis der Endsieg errungen war. Aber er wurde errungen, mit zäher Beharrlichkeit und ohne Rücksicht auf Geld und Mühen, unter An­ spannung aller Kräfte, mit Einsatz aller möglichen Mittel und Ausnützung aller Beziehungen, die der Stadt zu Gebote standen. Im einzelnen lassen sich etwa drei große Abschnitte dieses Kampfes unterscheiden. Der erste dauerte etwa von 1443 bis 1474. In dieser Zeit begnügte man sich im wesentlichen damit, von Fall zu Fall einen geeignet erscheinenden Priester mit päpstlicher Hilfe die eine oder die andere städtische Pfarrei zu verschaffen. Schon Heinrich Leubing dürfte auf diese Weise um 1444 in den 73

Besitz von St. Sebald gelangt sein. Man brauchte ihm nur zu einer päpstlichen Anwartschaft oder rechtzeitig nach Erledigung der Pfarrstelle zu einer päpst­ lichen Verleihungsurkunde zu verhelfen, um das Besetzungsrecht des Ordina­ rius auszuschalten®81). Bei St. Lorenz wurde nach dem Tode Konrad Konhofers, der 1438 durch Tausch in den Besitz der Pfarrei gekommen war, der gleiche Weg eingeschlagen. Aber diesmal stieß man'auf entschiedenen Wider­ stand. Peter Knorr®32), der Freund und Hofjurist des Markgrafen von Ans­ bach, wies ebenso wie der Nürnberger Bürgerssohn Thomas Pirkheimer ®38) eine römische Urkunde vor, die ihm ein Anrecht auf die freie Pfarrstelle zu­ sprach. Und der Bamberger Bischof stellte sich unverzüglich auf die Seite Knorrs. Man muß sich hier erinnern, daß eben der erste markgräfliche Krieg beendet war und daß man noch immer auf Hof- und Fürstentagen nach an­ nehmbaren Friedensbedingungen suchte. Bei all diesen oft sehr stürmisch ver­ laufenden Tagungen war Knorr der Wortführer der Fürstenpartei, der die heftigsten Anklagen gegen die Städte im allgemeinen und gegen Nürnberg im besonderen schleuderte. Thomas Pirkheimer dagegen vertrat lange Zeit die Sache der Städte mit bestem Willen und manchem Erfolg in Rom. Kein Wunder, daß der Rat entsetzt war bei dem Gedanken, künftig den Berater seines grimmigsten Gegners als Pfarrer in seiner nächsten Nähe zu haben. Aber trotz aller leidenschaftlichen Gegenwehr gelang es nicht, ihn fernzu­ halten. Von der Kurie wurde ihm die Propstei der Freisinger Kirche angeboten, Knorr lehnte ab. Er wollte Pfarrer von St. Lorenz werden, und er wurde es auch 684). Da fügte sich auch die Nürnberger Regierung, und zwar mit einer Geschmeidigkeit, die angesichts ihres jahrelangen, erbitterten Wider­ standes etwas eigenartig anmutet. Sie hatte es übrigens nicht zu bereuen. Der neue Pfarrer leistete im Gegenteil als Mittelsmann zwischen Nürnberg und Ansbach später die besten Dienste 835). Bei den Vorgängen, die in den sechziger Jahren zum Rücktritt des Pfarrers Heinrich Leubing von St. Sebald führten, wird Nürnberg nicht ausdrücklich erwähnt. Aber schon die Tatsache, daß der streitbare Leubing in der Reichs­ stadt wenig beliebt war und daß mit seinem Nachfolger Johann Lochner®3®) ein gebürtiger Nürnberger nach St. Sebald kam, der außerdem unmittelbar nachher in den Dienst des Rates trat, deutet darauf hin, daß dieser dabei nicht ganz unbeteiligt gewesen war. Einige Vorfälle aus jener Zeit machen diese Annahme noch wahrscheinlicher. Am 18. April 1461 richtete Pius II. eine Mahnung an den Rat der Reichsstadt, Heinrich Leubing in Sachen seiner Pfarrei Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und nicht zu dulden, daß er darin von irgendeiner Seite geschädigt werde 687). Und im September des gleichen Jahres erschien ein Diener Lochners vor dem Rat und behauptete, der städti­ sche Gesandte Konrad Aichelstam habe in Rom 1000 Gulden geboten, wenn Leubing aus St. Sebald entfernt würde. Das mochte nun zwar übertrieben sein, aber der Gesandte mußte doch zugeben, seinerzeit an der Kurie über die Unbeliebtheit Leubings gesprochen zu haben und über den Wunsch der Stadt, ihn möglichst bald loszuwerden. Und nun war dieser Wunsch auffallend ge­ nau in Erfüllung gegangen, Leubing hatte verzichtet, Johann Lochner war kraft päpstlicher Verleihung an seine Stelle getreten 688). Wie diese Beispiele zeigen, beschränkte sich bisher die Mitwirkung Nürn­ bergs bei der Besetzung seiner Pfarreien darauf, mit mehr oder weniger Glück einem Bewerber in Rom zum Siege zu verhelfen. Das Jahr 1474 aber brachte eine grundlegende Änderung. 74

Durch das Wiener Konkordat von 1448 waren dem Hl. Stuhl für Deutsch­ land alle im Corpus iuris canonici enthaltenen und durch Johann XXII. und Benedikt XII. festgelegten Reservationen zugebilligt worden, etwa in der Form, wie sie in die päpstlichen Kanzleiregeln aufgenommen worden waren. Darnach stand dem Papst die Besetzung aller Kirchenämter zu, deren Inhaber am Sitz der Kurie oder innerhalb einer gewissen Entfernung von ihr star­ ben 839), oder deren Inhaber durch den Papst abgesetzt, versetzt, befördert oder konsekriert worden waren, oder deren Inhaber ein anderes mit dem bis­ herigen unvereinbares Amt erhalten hatten, oder deren bisherige Inhaber Kardinäle oder andere kuriale Würdenträger bzw. bestimmte Beamte gewesen waren. Außerdem hatte sich der Hl. Stuhl das Recht Vorbehalten, alle in einem ungeraden Monat erledigten Ämter zu verleihen ®40). Damit war in das freie bischöfliche Besetzungsrecht auch hinsichtlich der beiden Nürnberger Pfarreien eine weite Bresche geschlagen, die dem städtischen Rat endlich die langersehnte Möglichkeit zum Angriff bot. Der Ordinarius hatte nie eine Minderung seiner Verleihungsrechte seitens des Rates geduldet; nun waren sie für sechs Monate des Jahres auf die Kurie übergegangen und dort konnte man sich entschieden leichter Einfluß auf sie verschaffen als in Bamberg. Nürnberg ließ sich diese günstige Gelegenheit nicht entgehen. Eine Bitt­ schrift mit heftigen Klagen über die zahlreichen Schäden, die das religiöse Leben und der Gottesdienst von ungeeigneten und trotz der Bestimmung Ur­ bans VI. nicht residierenden Pfarrern erleide, und über die ärgerlichen Strei­ tigkeiten unter Klerikern mit päpstlichen Exspektanzen erging an den Hl. Stuhl. Ihre Wirkung war eine geradezu erstaunliche. Am 31. Dezember 1474 verlieh Papst Sixtus IV. dem Rat von Nürnberg das Präsentationsrecht auf die beiden Pfarreien der Reichsstadt in allen Fällen,, die auf Grund der Wiener Beschlüsse und der in den päpstlichen Kanzleiregeln enthaltenen Bestimmun­ gen der Kurie Vorbehalten waren. Und was von größter Wichtigkeit war* präsentiert sollte nicht dem Bamberger Bischof werden, sondern dem Abt von St. Egidien, der dann die kanonische Institution des Vorgeschlagenen durch­ zuführen hatte. Für sich selbst verlangte die Kurie lediglich, daß der neue Pfarrer jeweils innerhalb eines halben Jahres in Rom um Bestätigung ein­ komme und die vorgeschriebenen Annaten entrichte®41). Das bedeutete den Einbruch der städtischen Obrigkeit in das Besetzungs­ recht der Pfarreien, einen Einbruch von größter Bedeutung für das gesamte kirchliche Leben der Gemeinde. Der Rat war sozusagen an die Stelle der Kurie getreten, nicht bloß in den sogenannten päpstlichen Monaten, sondern darüber hinaus auch in jenen Fällen, die sich der Hl. Stuhl besonders Vor­ behalten hatte. Er war Patron seiner beiden Kirchen geworden, wenigstens in Zeiten ihrer Erledigung und unter bestimmten Voraussetzungen, genau so, als hätte er die Patronatsrechte durch Stiftung oder Dotierung in ursprüng­ licher Weise erworben. Von hier aus boten sich Möglichkeiten genug, den ordentlichen Verleiher allmählich überhaupt auszuschalten. Man brauchte nur den Pfarrern nahezulegen, in einem päpstlichen Monat auf ihr Amt zu ver­ zichten. Oder man sorgte dafür, daß sie ein entsprechendes kuriales Amt er­ hielten, um des Präsentationsrechtes auch in den bischöflichen Monaten sicher zu sein. So war mit der Bulle von 1474 einer der größten Wünsche Nürnbergs seiner Erfüllung nahegekommen, es galt nun vor allem, die erreichte Stellung

gegen alle Angriffe zu verteidigen. Und dieser Gedanke bildet den Inhalt des zweiten Abschnittes im Kampf der Stadt um das volle Verfügungsrecht über St. Sebald und St. Lorenz, der etwa die Jahre zwischen 1474 und 1508 ausfüllt. Die Hauptgefahr drohte natürlich von Bamberg, das sich durch diese außerordentlichen Zugeständnisse in seinen herkömmlichen Rechten beein­ trächtigt fühlte, um so mehr, als es verschiedene Punkte des Wiener Konkor­ dats, besonders die Monatsteilung mit der Kurie, nicht oder nur sehr wider­ strebend hingenommen hatte 842). Im März des Jahres 1477 wiederholte Sixtus IV. auf Wunsch der Reichs­ stadt noch einmal in aller Ausführlichkeit seine großen Zugeständnisse 648). Und schon im folgenden Jahr begann die erste heftige Auseinandersetzung Nürnbergs mit den Bistumsbehörden und später auch mit Rom. Dr. Peter Knorr, der Propst von St. Lorenz, war nämlich am Matthiastag 1478, also am 24. Februar, gestorben. Sofort schlug der Rat dem Abt von St. Egidien einen Nachfolger vor, den Nürnberger Bürgerssohn Dr. Georg Pfinzing, der einige Jahre früher die Verhandlungen an der Kurie zu einem so günstigen Ergebnis geführt hatte 644). Und das, obwohl der Februar laut Wiener Konkordat bischöflicher Monat war. Die Ratsherren Tetzel und Rieter, die den Bischof und das Kapitel von Nürnbergs Privileg und der Präsentation Pfinzings in Kenntnis setzten, wiesen wohl auf die kurialen Ämter des ver­ storbenen Propstes hin, aber der Rang eines päpstlichen Ehrenkaplans, den jener innegehabt hatte, begründete schon seit dem deutschen Konkordat von Konstanz kein Verleihungsrecht der Kurie mehr, und unter den päpstlichen Kammerklerikern, denen er seit 1454 angehört hatte, rechnete er nur zu den sogenannten supranumerariis, deren Stellen ebenfalls nicht der Kurie Vorbe­ halten waren 645). Außerdem behaupteten die Bamberger, Peter Knorr habe seine kurialen Ämter und Würden schon längst niedergelegt gehabt. Über­ haupt befremde es den Bischof und das Kapitel sehr, daß Nürnberg sich unterstehe, „so getürstigklichen in seiner gnaden oberkeit und herrlichkeit zu greiffen“. Man werde sich dagegen wehren, und wenn dabei „der vierteil ires Stifts und nutzung darauf geen solt 646)“. Während man so in der Heimat verhandelte und auf beiden Seiten Vor­ bereitungen zur entscheidenden Auseinandersetzung traf, verschaffte sich Pfinzing in Rom ohne besondere Mühe die päpstliche Anerkennung und eine Warnung an seine Gegner, seine Rechte als ordnungsgemäß bestellter Pfarrer der Lorenzkirche anzugreifen 647). Schon glaubte Nürnberg den Kampf ge­ wonnen, da starb Pfinzing am 10. Juni 1478 völlig unerwartet in der Ewigen Stadt648). Unangenehmeres für Nürnberg hätte in diesem Augenblick kaum ge­ schehen können. Zwar präsentierte der Rat sofort nach Eintreffen der Trauer­ kunde den Bürgerssohn Dr. Lorenz Tücher, der damals Stiftskanoniker in Zürich war, als neuen Pfarrer 649). Und er hatte diesmal auch das Recht dazu, da Pfinzing an der Kurie gestorben war, der Hl. Stuhl bzw. auf Grund des großen Privilegs die Reichsstadt also auch in geradem Monat zu verleihen hatte. Aber einmal bestritt Bamberg noch immer die Rechte Pfinzings, an dessen Stelle der Domherr Wynhard von Rabenstein zum Pfarrer von St. Lo­ renz ernannt worden war; und außerdem erhoben nicht weniger als vier weitere Kleriker, gestützt auf päpstliche Exspektanzen, Anspruch auf die er76

ledigte Stelle: die kurialen Beamten Melchior Truchseß von Pommersfelden und Melchior Meckau, Kardinal Georg Heßler, der Freund Friedrichs III., und der Kardinaldiakon Theodor von Montferrat 65°). Man möchte glauben, es wäre unter diesen Umständen das Klügste ge­ wesen, wenn Nürnberg vorübergehend auf seine Rechte verzichtet und sich mit einem der Bewerber abgefunden hätte. Aber die Dinge lagen doch nicht so einfach. Der Rat wußte sehr wohl, daß der Bischof die neu gewonnenen Präsentationsrechte sehr empfindlich schädigen konnte, wenn er einen ge­ fügigen Pfarrer nach St. Lorenz brachte. Er brauchte ihn und seine Nach­ folger nur zu veranlassen, in einem geraden Monat zurückzutreten, um aufs neue das Verleihungsrecht ausüben zu können. Noch gefährlicher aber war es, St. Lorenz in die Hand eines an der Kurie lebenden Klerikers geraten zu lassen. Hier pflegte sich beim Ableben des einen sehr rasch ein anderer Bewerber einzufinden, so daß die betreffende Stelle von einer Hand in die andere überging, noch bevor der ordentliche Verleiher überhaupt dazu kam, seine Rechte geltend zu machen. Nürnberg wußte also wohl, warum es um keinen Preis nachgeben wollte. Der neue Propst und Pfarrer Lorenz Tücher eilte an die Kurie, ebenso im Auftrag des Rates der Pfarrer Lorenz Rebel von Burgebrach, um den Hl. Vater zur Bestätigung der städtischen Privilegien und der Präsentation Tuchers zu bewegen. Es gelang ihnen dank der starken Unterstützung, die der kaiserliche Gesandte Andreas Zamometic ihnen leistete651). Gleichwohl dauerten die Angriffe der Gegner fort, der Streit um St. Lorenz zog immer weitere Kreise. Nünberg wandte sich an alle Welt um Hilfe, an den Kaiser, an die Könige von Böhmen, Ungarn und Neapel, an den Dogen von Venedig, den Patriarchen von Aquileja, den Karmelitengeneral Martignano, und vor allem immer wieder an den Erzbischof von Krain, den ebengenannten Andreas Zamometic. Auch der Papst und die Kardinäle wurden mit Bitten bestürmt. Die Treue der Reichsstadt zum Hl. Stuhl, ihre großen Verdienste im Kampf gegen die Türken (!) und andere Feinde des Glaubens, die Rücksicht auf die großen Unkosten, mit denen man die fraglichen Rechte in Rom erworben hatte, all das wurde herangezogen, um den Bitten des Rates Nachdruck zu verleihen. Man sprach sogar recht deutlich aus, daß eine Verletzung der Nürnberger Privilegien durch Rom an die Ehre des Hl. Stuhles und des Reiches rühre 852). Der ganze Erfolg dieser vielfachen Bemühungen bestand schließlich darin, daß Zamometic vom Hl. Vater den Auftrag nach Deutschland mitbekam, auf dem Nürnberger Reichstag im Oktober 1479 mit den Parteien zu verhan­ deln653). Kardinal Heßler, einer der Bewerber, wich geschickt aus, indem er erklärte, ohne Wissen des Kaisers könne er in dieser Angelegenheit nichts unternehmen. Uber den Verlauf der Besprechungen mit dem Bischof berich­ tete Zamometic in einem Schreiben an die Kurie, dessen Zustellung der Nürn­ berger Rat übernahm. Damit es wirklich in die Hände des Papstes gelange, trug man dem städtischen Prokurator Konrad Krantz auf, es bei der Über­ reichung als hochwichtige Mitteilung vom Nürnberger Reichstag zu bezeich­ nen654). Wieder glaubte man sich dem Ziele nahe, da lief die Nachricht ein, der Papst habe St. Lorenz neuerdings an Melchior Meckau verliehen. Dieser sei jedoch bereit, gegen eine lebenslängliche Pension von seinen Ansprüchen zurückzutreten 656). 77

Nürnberg lehnte ab. Vielleicht glaubte der Rat sogar, sich sehr geschickt aus der Schlinge gezogen zu haben, als er auf die vom Hl. Stuhl selber ge­ troffene Anordnung hinwies, daß die Einkünfte der städtischen Pfarreien aus­ schließlich zum Unterhalt der dort amtierenden Geistlichen verwendet werden dürften 656). Er mag darum nicht wenig betroffen gewesen sein, als man ihm mitteilte, die Kurie habe die gesamten Nürnberger Pfarrprivilegien wider­ rufen. Eine Bamberger Gesandtschaft hatte den Papst überzeugt, daß sie eine schwere Schädigung der von Kaiser Heinrich II. gestifteten Kirche von Bam­ berg, eine Verletzung des Wiener Konkordats und eine Kränkung des von Friedrich III. empfohlenen Kardinals Heßler darstellten und daher unmöglich aufrecht erhalten werden dürften 657). Voller Empörung schrieb damals der Nürnberger Rat an den Erzbischof von Krain °58), es sei dem Ansehen der Kurie und des Hl. Vaters wenig förder­ lich, ein kaum verliehenes Privileg ohne hinreichenden Grund zu widerrufen. Gerade solche Vorfälle führten am leichtesten zu jener Mißstimmung im Reich, die so wenig Begeisterung aufkommen lasse für die großen Aufgaben der Christenheit. Das war nicht ganz aus der Luft gegriffen. Trug auch Nürn­ berg die Hauptschuld an den immer wiederkehrenden Schwierigkeiten, da es sich allzu ungestüm in kirchliche Rechte drängte, so war doch auch die Praxis der Kurie, Privilegien zu gewähren und wieder aufzuheben oder mehreren Bewerbern zugleich Anwartschaft auf das gleiche Kirchenamt zu erteilen, nicht einwandfrei. Daß es bei solchen Anlässen zu unerquicklichen Szenen kommen mußte, ist verständlich. Wie es Lorenz Tücher fertigbrachte, den Streit um St. Lorenz doch noch zugunsten Nürnbergs zu entscheiden und darüber hinaus auch die Präsenta­ tionsrechte des Rates wiederherzustellen, läßt sich nicht genau sagen. Am 13. Februar 1481 setzte der Papst nach eingehender Darstellung der Vorge­ schichte die Privilegien das Jahres 1474 wieder in Kraft, erklärte die An­ sprüche der Heßler, Meckau, Montferrat, Rabenstein und Truchseß für null und nichtig und bestätigte Lorenz Tücher als rechtmäßigen Inhaber der Nürn­ berger Lorenzkirche 659). Nur die Pension für Meckau mußte zugestanden werden. Sie betrug jährlich 100 Gulden und wurde etwa zwei Jahrzehnte hindurch entrichtet, anscheinend bis Meckau 1503 Kardinal geworden war 660). Die nächsten Jahre dienten dem Ausbau der Privilegien und ihrer Siche­ rung gegen Bamberg. Es konnte der Fall eintreten, daß bei Erledigung einer Pfarrei der Abt von St. Egidien nicht erreichbar war und infolgedessen die Präsentation und kanonische Institution eines neuen Pfarrherrn verzögert werden mußte. Das aber konnte bei der Gegnerschaft Bambergs und bei der Ämtersucht mancher kurialen Persönlichkeit immer gefährlich werden. Man half diesem Übelstand durch ein weiteres päpstliches Privileg ab, das dem Propst der Frauenkirche und dem Kustos des Neuen Spitals die gleichen Voll­ machten hinsichtlich der Ämterbesetzung gewährte, wie sie der Abt von St. Egidien bisher allein besaß. Der Rat sollte im Einzelfall unter ihnen die Aus­ wahl haben661). Um dieselbe Zeit ging die Pfarrei St. Sebald von Johann Lochner auf Marx Hirschvogel 662) über, wieder einen Sohn der Reichsstadt. Da Lochner in der Nacht vom 19. auf den 20. September 1484 gestorben war, also in einem päpstlichen Monat, gab es diesmal keine Schwierigkeiten. Der Rat schlug den neuen Pfarrer ordnungsgemäß vor und Nürnbergs ständiger Prokurator an 78

der Kurie holte für ihn die vorgeschriebene päpstliche Bestätigung ein661). Bei dieser Gelegenheit waren die Hatsherren übrigens auf einen neuen Ge­ danken gekommen. Leonhard Hirschvogel, der Bruder des Präsentierten, hatte sich freiwillig erboten, sämtliche Kosten in einem etwa notwendig werdenden Prozeß zu tragen. Sein Angebot fand ungeteilten Beifall, ja man beschloß, in Zukunft nur solche Geistliche für die beiden Pfarreien vorzuschlagen, die vor­ her gelobt hatten, Prozesse um ihre Stellen auf eigene Kosten durchzu­ fechten 664). Noch einmal gerieten die Nürnberger Präsentationsrechte in schwere Ge­ fahr, als Papst Innozenz VIII. die durch Privilegien von Päpsten und Bischöfen verliehenen Laienpatronate widerrief®66). Wohl machte sich der Geschäfts­ träger Nürnbergs in Rom, Veit Meier, aus der Heimat in gewohnter Weise unterstützt, sofort an die Arbeit, um eine neue Bestätigung der städtischen Vergünstigungen zu erwirken, ja er hatte sie bereits erhalten — da erschien eine Bamberger Gesandtschaft an der Kurie. Sie hatte den Auftrag, den Tod des Diözesanbischofs zu melden und für seinen Nachfolger Heinrich III. Groß von Trockau die päpstliche Konfirmation zu erbitten ®66), aber auch gegen die unaufhörlichen Eingriffe des Nürnberger Rates in kirchliches Rechtsgebiet Verwahrung einzulegen. Die Folge war, daß die neue Bestätigung der reichs­ städtischen Privilegien, die schon zur Reinschrift bereitlag, zurückgenommen und eine gegenteilige Verfügung erlassen wurde, wie es den Forderungen der Bamberger entsprach 867). Es dauerte Jahre, bis dieser neue Schlag wieder wettgemacht werden konnte, und es kostete solche Mühe, daß Nürnberg im März 1492 sogar daran dachte, mit den Bistumsbehörden unmittelbar zu ver­ handeln und unter Umständen freiwillig auf das Präsentationsrecht außerhalb der päpstlichen Monate zu verzichten, d. h. in jenen Fällen, die der Kurie bzw. auf Grund des großen Privilegs von 1474 dem Nürnberger Rat auch in den geraden Monaten Vorbehalten waren 668). Gerade in diesem Zeitpunkt aber konnte Veit Meier aus Rom den glücklichen Abschluß seiner Arbeiten melden. Am 22. Mai 1492 hatte Innozenz VIII. die Präsentationsrechte Nürnbergs im früheren Umfang wiederhergestelltM#). Schon aber war der Kampf um St. Lorenz wieder entbrannt. Tücher war seit 1481 Pfarrer, Meckau bezog seine Pension, Kardinal Heßler war 148267®), der Kardinal von Montferrat 1484 gestorben871). Melchior Truchseß und Wynhard von Rabenstein jedoch gaben noch immer nicht Ruhe. Im Jahre 1488 trat Rabenstein seine angeblichen Rechte an seinen Mitbewerber ab 672), und dieser gedachte eben den Kampf gegen Tücher wieder aufzunehmen, da über­ raschte auph ihn der Tod 873). Seine Ansprüche aber erloschen nicht mit ihm. Da der Truchseß päpstlicher Protonotar und Kämmerer gewesen war, fand sich sogleich ein anderer, der sein Erbe zu übernehmen bereit war, Kardinal Johannes Antonius de Sancto Georgio, und dieser war bei seiner hohen Stel­ lung ungleich gefährlicher als der Verstorbene 674). Trotz aller Bemühungen des Nürnberger Rates bestand er auf seinem vermeintlichen Recht, so daß man auch ihn wie früher Meckau mit einer Jahrespension abfinden mußte. Lorenz Tücher, des ewigen Kampfes müde, verzichtete im März 1496 auf seine so schwer umstrittene Pfarrei zugunsten seines Vetters Sixtus 876). Und Erasmus Toppier, der gewandte Hofjurist des Herzogs Albrecht von BayernMünchen, der schon vorher mit dem Kardinal Sangiorgio in Italien verhandelt hatte, brachte auf einer zweiten Romfahrt die Angelegenheit in Ordnung 876). 79

Die folgenden Neubesetzungen der beiden Nürnberger Pfarreien vollzogen sich ohne Schwierigkeiten. Mit größter Vorsicht wurde jede von ihnen vor­ bereitet und eine mehrfache Sicherung sorgte dafür, daß der Bischof nie zum Zuge kam. Die Pröpste hatten sich irgendeinen kurialen Titel zu verschaffen, durch den die Besetzung ihrer Stellen der Kurie bzw. dem Nürnberger Bat Vorbehalten wurde. Zweitens veranlaßte man sie, in einem päpstlichen Monat freiwillig zurückzutreten, sobald ihr Alter oder ihr Gesundheitszustand dies wünschenswert erscheinen ließ. Und drittens ließ man in die Bestätigungs­ urkunden der Neuernannten gerne die Klausel einfügen, daß den Zurückge­ tretenen jederzeit die Rückkehr auf ihre Pfarreien gestattet sein solle. So konnte jede Gefahr abgewehrt werden. Selbst wenn einer der Pröpste in einem bischöflichen Monat starb, hatte Bamberg keine Möglichkeit einzugreifen. Entweder gehörte der Verstorbene der päpstlichen Familie an, so daß den Ratsherren aus diesem Grunde das Präsentationsrecht zukam, oder der frühere Inhaber übernahm seine Stelle wieder für einige Zeit. Das Ganze war so geschickt ersonnen, daß der Bischof seit 1438 trotz Wiener Konkordat und ordentlicher Verleihungsgewalt keine der Nürnberger Pfarreien mehr hatte besetzen können. Auch jetzt, um die Wende des Jahrhunderts, kam er nicht dazu. Im Mai 1495 trat Marx Hirschvogel, der Propst von St. Sebald, zurück und der Rat schlug den schon genannten Erasmus Toppier als seinen Nachfolger vor 677). In gleicher Weise löste im Spätjahr 1503 der junge Patri­ zier ssohn Anton Kreß, der damals noch in Pavia studierte, den Pfarrer Sixtus Tücher in St. Lorenz ab C78). Den scheidenden Geistlichen wurde auf ausdrück­ lichen Wunsch des Rates das Recht der Rückkehr in ihre Ämter Vorbehalten. Mit dem Tod der beiden zurückgetretenen Pröpste Hirschvogel und Tücher sah der Rat in den Jahren 1504 und 1507 seine zweite Sicherung fallen 679). Zudem sprach man in Bamberg von einer päpstlichen Erklärung, derzufolge die Kurie in Zukunft nur noch über die Ämter jener römischen Beamten und Würdenträger verfügen werde, die tatsächlich an der Kurie gelebt hätten 680). Damit drohte auch der bewährte Weg über Rom zu versagen. Es brauchte jetzt nur einem der amtierenden Pfarrer etwas zuzustoßen, so war, wenn es in einem geraden Monat geschah, das Besetzungsrecht unbestreitbar in den Händen des Bamberger Bischofs. Aus diesen Gründen suchte Nürnberg vom Jahre 1508 an nach neuen Sicherheiten für seine bedeutsamen Privilegien. Die beste bot der Erwerb des uneingeschränkten Patronats über die Pfarreien, also des Präsentationsrechtes für alle Zeiten und für jeden Fall. Noch wußte der Rat nicht, wie dieser Gedanke verwirklicht werden sollte, aber er beherrschte den ganzen dritten Abschnitt des städtischen Ringens um die Pfarreien, der damit begann. Zunächst ließ man sich Zeit mit den erforderlichen Beratungen und Vor­ arbeiten 881). Beide Pröpste standen im schönsten Alter, Kreß anfangs der dreißiger, Toppier in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre, niemand dachte an eine Gefahr. Da brachte ein Eilbote aus dem fernen Trier die aufrüttelnde Nachricht, daß Toppier in der ersten Stunde seines 50. Geburtstages auf dem dortigen Reichstag gestorben sei. Es war am 26. April 1512, in einem bischöf­ lichen Monat! Hätte Nürnberg überhaupt noch daran gedacht, die Rechte des Diözesanbischofs bei der Besetzung seiner Pfarreien zu berücksichtigen, so hätte es jetzt die beste Gelegenheit gehabt, das zu beweisen. Aber sofort nach der 80

Ankunft des Boten 082) ließ der Bat den Pfarrhof von St. Sebald besetzen, die Vertreter des Bamberger Domkapitels, die nur einige Stunden .später ein­ trafen, standen bereits vor verschlossenen Türen. Am nächsten Tag wurde der kaiserliche Rat Melchior Pfinzing als neuer Propst der Sebalduskirche präsentiert und durch den Rektor der Frauenkirche noch am gleichen Tag in sein Amt eingesetzt. Ein eilender Bote setzte den Prokurator in Rom, Kaspar Wirt, von den Geschehnissen in Kenntnis und überbrachte den Auftrag des Rates, dem neuen Pfarrherrn unverzüglich die päpstliche Bestätigung zu er­ wirken 683). Damit leistete sich der Rat eine offenkundige Rechtsverletzung. Gewiß bekleidete Toppier seit 1501 das Amt eines päpstlichen Notars 684). Aber dieses begründete kein Besetzungsrecht der Kurie, also auch kein Präsentationsrecht des Nürnberger Rates, wie dieser sehr wohl wußte. Diesmal hätte zweifellos der Bischof zu verleihen gehabt. Und er hatte es auch bereits getan. Denn auch er befand sich auf dem Trierer Reichstag, als Toppier starb, und auch er sandte einen Eilboten nach Bamberg, der dem Kapitel melden sollte, daß die Sebalduskirche vorläufig dem Erbschenken Wilhelm von Limburg ver­ liehen worden sei. Im Juni übertrug er sie endgültig dem Domherrn Andreas Fuchs, dessen Vetter Thomas Rat Maximilians I. war 685). Zugleich wurde dem Kanoniker nahegelegt, sich nach Rom zu begeben, um dort seine eigenen und die Rechte des Bisdiofs gegen die Umtriebe der Nürnberger wahrzunehmen 886). In diesem Augenblick warf Melchior Pfinzing einen ganz neuen Gedanken in den Streit. War es nicht klüger, auf dem Wege unmittelbarer Verhand­ lungen mit Bamberg einen Ausgleich zu suchen, als in Rom einen vielleicht langwierigen Prozeß gegeneinander zu beginnen, dessen Ausgang noch dazu recht zweifelhaft war? Vielleicht gelang es sogar, trotz der entgegenstehenden kanonischen Bestimmungen 687) auf diesem Wege den Vollpatronat über die Pfarreien zu erringen, den Nürnberg seit Jahrzehnten so leidenschaftlich er­ strebte 688). Die erste Besprechung, zu der zwei kaiserliche Vertreter, Thomas Fuchs und Johann Rüdinger erschienen waren, scheiterte an den allzu hohen Forde­ rungen Bambergs 689). Da aber Kaspar Wirt an der Kurie nicht recht voran­ kam690), der Kaiser erneut zu gütlicher Einigung riet und der Bischof selber wieder zu Verhandlungen einlud, versuchte man es noch ein zweites Mal. Verhandlungsleiter sollte nach dem Vorschlag des Oberhirten und nach dem Wunsch des Kaisers der bischöfliche Hofmeister, Rat Johann von Schwarzen­ berg sein. Nürnberg ließ sich hauptsächlich durch den bekannten Humanisten Willibald Pirkheimer vertreten691). Und dieses zweite Mal kam eine Einigung zustande. Der Bischof erklärte sich bereit, dem Rat von Nürnberg das volle Patronatsrecht über St. Sebald und St. Lorenz zu verleihen, ihm also auch in den bischöflichen Monaten das Recht der Präsentation einzuräumen. Diese sollte in jedem Fall beim Bischof oder bei dessen Generalvikar erfolgen, denen dann die kanonische Institution zustand, während der zuständige Archidiakon die amtliche Besitzeinweisung vornehmen sollte 692). Neben diesem Hauptpunkt des Vertrages wurden noch einige andere, aus alter Zeit herrührende Streitfragen bereinigt, besonders die dauernde Vereinigung der Kirchen von Poppenreuth und St. Sebald, und die bisher noch nicht anerkannte Erhebung der beiden Nürnberger Haupt­ kirchen zu Propsteien. Die Reichsstadt verpflichtete sich in dem Vertrag zur 81

Zahlung einer Jahrespension von je 100 Gulden für St. Sebald und St. Lorenz, zur Anerkennung und treuen Beobachtung aller Rechte, die dem Bischof, dem Domdekan und dem zuständigen Archidiakon über Kirchen und Gläubige der Reichsstadt zustanden, zur Entrichtung der herkömmlichen Abgaben an das Bistum und zum Verzicht auf alle gegen Bamberg erworbenen Privilegien. Die päpstlichen Rechte bei Erledigung der Pfarreien in ungeraden Monaten, vor allem der Anspruch der Kurie auf die Annaten, sollten von dieser Rege­ lung unberührt bleiben 698). Diese Klausel war notwendig, weil man ja das Abkommen der Kurie zur Bestätigung vorlegen mußte. Es dauerte freilich noch zwei volle Jahre, bis man dazu kam. Immer wieder ritten die Boten der beiden Parteien zwischen Bamberg und Nürnberg hin und her, brachten Entwürfe, deutsche und latei­ nische Reinschriften, Änderungsvorschläge, Zusätze, Beibriefe usw. 694). Am 8. September 1513 starb Anton Kreß, der Propst zu St. Lorenz, und bis sein Nachfolger Dr. Georg Behaim eingeführt war, verstrich wieder geraume Zeit 695). Endlich Mitte Mai 1514 konnte der Vertrag mit allen Beibriefen den beiderseitigen Vertretern an der Kurie zugestellt werden, für Nürnberg dem langjährigen reichsstädtischen Geschäftsträger Kaspar Wirt und dem Mainzer Dekan Johann Buren, für Bamberg dem Dompropst Markward von Stein und dem Kulmbacher Pfarrer Paul Neydecker. Alle vier befanden sich bereits in Rom, bereit die Sache ihrer Auftraggeber nach besten Kräften und mit dem Einsatz ihrer reichen Erfahrung zu einem befriedigenden Abschluß zu bringen 696). Zweifellos widersprachen die Abmachungen in wesentlichen Punkten den Gesetzen und Gewohnheiten der Kirche. Geistliche Rechte gegen Jahrespen­ sionen abzutreten, kam dem Tatbestand der Simonie verdächtig nahe 697). Außerdem bekämpfte gerade die Römische Kurie seit Jahrhunderten den Mißbrauch, den manche Bischöfe mit der Verleihung von Laienpatronaten trieben 698), und schließlich konnte Nürnberg keinen Rechtsgrund anführen, der es zum Erwerb des vollen Patronats berechtigt hätte6"). Wirt und Neydecker, die sich in erster Linie mit den Verhandlungen an der Kurie befaßten, sahen diese Schwierigkeiten sehr bald. Daher baten sie ihre Auftraggeber, sie möchten den Kaiser zu Empfehlungsbriefen an einfluß­ reiche Persönlichkeiten des Päpstlichen Hofes veranlassen, besonders an den Kardinal Pucci, der zu dieser Zeit an der Kurie sehr viel galt 70°). Der Kaiser sollte den Vertrag für sein Werk erklären, für einen von ihm befohlenen und ermöglichten Friedensvertrag zwischen zwei reichsunmittelbaren Mächten, der eine die Ruhe und Sicherheit des Landes bedrohende Gefahr noch glücklich beseitigt habe. So sei zu hoffen, daß der Papst leichter über die inneren Mängel des Abkommens hinwegsehen werde. Tatsächlich ging Maximilian I. auf die entsprechende Bitte Nürnbergs ein. Und der Papst erteilte auf seine Botschaft hin am 27. November 1514 dem Bambergisch-Nürnbergischen Vertrag die kirchliche Bestätigung. Der Rat der Reichsstadt sollte für ewige Zeiten Träger des vollen Patronats über St. Se­ bald und St. Lorenz sein und damit vor allem das Recht besitzen, in jedem Erledigungsfall den neuen Pfarrer und Propst vorzuschlagen. Das Einzige, was Rom sich auch weiterhin vorbehielt, war die Mitteilungspflicht des Rates bei Neubesetzung der Pfarreien in päpstlichen Monaten und die Entrichtung der entsprechenden Annaten701). 82

Nürnbergs Sieg konnte nicht vollständiger sein. Mit starker Unterstützung der römischen Kurie hatte der Rat in langen Kämpfen nun endlich das ge­ samte Pfründewesen seiner Stadt in eigene Hand gebracht und so wenigstens mittelbar den nachhaltigsten Einfluß erobert auf das kirchliche Leben der städtischen Bevölkerung. Was das bedeutete, zeigte sich schon in den näch­ sten Jahren, 1520 beim Tode Georg Behaims und 1521, als Melchior Pfinzing auf seine Pfarrei verzichtete. In beiden Fällen präsentierte der Rat Männer, die aus Wittenberg kamen, Hektor Pömer auf St. Lorenz und Georg Peßler auf die Sebalduskirche 702). Sie waren die Schrittmacher der neuen Lehre in Nürnberg. § 16. Reichsstadt und Bistum. Der Kampf Nürnbergs um die Erringung der Kirchenhoheit richtete sich naturgemäß vor allem gegen die unmittelbar übergeordnete kirchliche Be­ hörde, gegen Bistum und Bischof von Bamberg. Daher die zahllosen Zusam­ menstöße, Beschwerden, Verhandlungen und offenen Feindseligkeiten zwischen beiden Mächten, die mit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts beginnend bis in die Jahre der Glaubensspaltung hineinreichten. Bamberg fühlte sich immer, und oft mit Recht, in seiner obrigkeitlichen Gewalt angegriffen und geschädigt. Nürnberg aber wußte gut genug, daß seine Vorstöße in kirchliches Rechtsgebiet mit dem Widerstand der Bistumsbehörden zu rechnen hatten. Darum die unaufhörlichen Mahnungen des Rates, besonders an seine römi­ schen Vertreter, zu Vorsicht und Wachsamkeit. Es brauchte nur ein Domherr von Bamberg Anstalten zu einer Romfahrt treffen, sofort vermutete man in der Ratsstube der Reichsstadt eine Gefahr 703). Nichts blieb unbeachtet. Als Nikolaus von Cues 1451 nach Bamberg kam, erhielten zwei Nürnberger Spitzel Befehl, bei Welt- und Ordensgeistlichen herumzuhorchen, was der Legat dort wolle 704). Als der Domdekan Hertnid von Stein beabsichtigte, sich für die Zeit seiner häufigen Besuche in der Reichsstadt dort ein Absteigequartier ein­ zurichten, wurde es ihm verweigert 705). Der Rat wollte sich nicht in die Karten schauen lassen; denn das Spiel ging oft genug gegen das Bistum. Ge­ spielt aber wurde an der Kurie. Und hier war der Vorteil bei Nürnberg. Seiner zähen, immer gleichen ’ Politik, seiner einheitlichen Führung, seinen weitverzweigten Verbindungen und schließlich auch seinen reichen Geldmitteln hatte das meist tief verschul­ dete, von Kämpfen zwischen Bischof und Kapitel zerrissene Hochstift nichts Gleichwertiges entgegenzustellen. Von 1350 bis zur Glaubensspaltung saßen 15 Bischöfe auf dem Stuhl des hl. Otto, Männer von sehr verschiedener Wesensart, mit sehr verschiedenen Ansichten, Plänen und Zielen. In Nürnberg regierte in dieser ganzen Zeit „der Rat“. Gewiß wechselten auch dort die einzelnen Persönlichkeiten, aber nie das Ganze zugleich, nie die Richtung und das Ziel, der Rat blieb immer derselbe. Diese Vorteile verschafften der Reichsstadt im Kampf um die Kirchen­ hoheit jene mannigfachen Erfolge, von denen auf den vorausgehenden Seiten die Rede war und die hier nicht mehr wiederholt zu werden brauchen. Sie genügten jedoch nicht, das letete und höchste Ziel dieses Kampfes zu er­ reichen, die gänzliche Unabhängigkeit von Bamberg, die völlige Lösung aus dem Bistumsverband. 6*

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Daß sich der Nürnberger Rat mit solch weitgehenden Plänen befaßte, läßt sich kaum bezweifeln. Von 1476 an erscheint in seinen Briefen an städtische Gesandte in Rom immer wieder das Wort Exemtion, ohne daß man freilich aus dem Zusammenhang ersehen könnte, was damit gemeint war 706). Die Ge­ nehmigung, die Sixtus IV. am 2. April 1478 der Nürnberger Stadtregierung erteilte, päpstliche Reskripte ohne Wissen und Zustimmung der Diözesanbehörden einsehen und ausführen zu lassen 707), bedeutete wohl auch eine ge­ wisse Befreiung von bischöflicher Gewalt, aber von Exemtion kann man dabei nicht sprechen. Schon der ganz besondere Nachdruck, der in den verschie­ denen Briefen auf diese Exemtion gelegt wurde, fällt auf. Man wünschte eine Bulle darüber, die mit größter Genauigkeit abgefaßt sein sollte; der Termin ihrer Verwendung sollte ausdrücklich dem Rat überlassen werden. Der Ge­ sandte an der Kurie wurde angewiesen, dafür zu sorgen, daß der Hl. Vater und die Kardinäle sie eigenhändig unterschrieben 708). Kurz, es handelte sich offenkundig um eine Angelegenheit, der ganz besondere Bedeutung beige­ messen wurde. Unsere Vermutung erhält ihre stärkste Stütze durch einen Brief, den der Bamberger Bischof gerade um das Jahr 1478 an einen seiner Nachbarfürsten richtete 709). Es genüge dem Rat von Nürnberg nicht, so heißt es da, das Patronatsrecht über die beiden städtischen Pfarreien an sich gerissen zu haben. Er versuche darüber hinaus immer wieder, der bischöflichen Gewalt Abbruch zu tun, ja er arbeite neuerdings sogar darauf hin, vom Bistum völlig unabhängig zu werden. Das aber bedeutet eben Exemtion. Wenn man den häufigen Anspielungen im Briefwechsel des Rates mit seinen römischen Ver­ tretern dieses bischöfliche Zeugnis hinzufügt, das in allen überprüfbaren Punkten den Tatsachen entspricht, so darf man die Behauptung wagen: Nürn­ berg hat sich in den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts tatsächlich mit dem Gedanken getragen, aus dem Bamberger Bistumsverband auszuscheiden. Wie das rechtlich und praktisch geschehen sollte, läßt sich bei dem Schweigen der Quellen heute nicht mehr sagen. An die Errichtung eines Stadtbistums etwa nach dem Vorbild der von manchen Territorialfürsten geschaffenen oder erworbenen Landesbistümer hat man wohl nicht gedacht. Sie ist keiner Stadt des Reiches in jener Zeit gelungen 710). Wahrscheinlicher ist eine andere Annahme, auf die eine Erklärung des Kanzleischreibers Friedrich Salwirt vom Jahre 1501 hinweist. Dieser verwahrte sich damals vor dem Bischof gegen die überall verbreiteten Gerüchte, der Nürnberger Rat habe sich der ordentlichen Jurisdiktion des Oberhirten entziehen wollen und den Hl. Stuhl gebeten, an dessen Stelle den Abt von St. Egidien zum geistlichen Oberhaupt der Reichs­ stadt zu erheben711). Nürnberg als exemtes kirchliches Gebiet nach Art einer gefreiten Prä­ latur, das hätte die Befreiung von Bamberg bedeutet, das Aufhören der oft so widerwillig ertragenen Gerichtsbarkeit, der Finanz-, Zwangs- und Straf­ gewalt des Bischofs, kurz einen Grad kirchlicher Selbständigkeit, wie er höher kaum zu erreichen war712). Die Exemtionspläne Nürnbergs sind nicht zur Ausführung gelangt. Weder Bamberg noch die Kurie waren dafür zu gewinnen71S) und der plötzliche Tod des städtischen Gesandten Georg Pfinzing in Rom, der die gesamte, bis dahin geleistete Vorarbeit zunichte machte, veranlaßte den Rat, sie vorläufig zurück­ zustellen 714). Völlig aufgegeben wurden sie wohl nicht, wie das immer wache 84

Mißtrauen der Bamberger Bistumsbehörden zeigt. Noch im Jahre 1509 erhob sich ein heftiger Streit zwischen Bischof Georg III. und Nürnberg über die Weihebefugnisse des Abtes von St. Egidien, der unter Berufung auf ein päpst­ liches Privileg bis nach Forchheim hinauf Glocken, Kelche und andere kirch­ liche Gerätschaften konsekrierte bzw. benedizierte. Erst nach verschiedenen Besprechungen versprach der Bischof, diese Gewohnheit in mäßigen Grenzen dulden zu wollen, aber nicht des Privilegs wegen, sondern dem Rat zuliebe 715>. Und noch am Vorabend der Glaubensspaltung, im großen Vertrag von 1513, ließ sich derselbe Bischof von den Nürnbergern Gehorsam und Unterordnung in geistlichen Dingen versprechen, sowie den freiwilligen Verzicht auf jedes päpstliche Privileg, das seiner ordentlichen Gewalt zuwider sei. Ergebnis.

Es waren zahlreiche und bedeutsame Beziehungen, die Nürnberg in dem Jahrhundert zwischen 1417 und 1517 mit der römischen Kurie verbanden. Auf allen Gebieten des bürgerlichen Lebens trafen die beiden Mächte zu^sammen, in der Verwaltung und Rechtspflege (S. 21—24), in Handel und Wirtschaft (S. 24—29), in den Fragen der großen Politik (S. 29—36). Noch ungleich lebhafter gestaltete sich ihr Verkehr aber naturgemäß im Bereich des Religiösen (S. 36—48). Eine Fülle von Anliegen der privaten Frömmig­ keit, der Gottesdienstgestaltung, von Wünschen und Bitten in den Fragen des religiös-kirchlichen Lebens überhaupt führte die Reichsstadt immer aufs neue an den römischen Hof. Und der mit zäher Ausdauer durchgefochtene Kampf um die Erringung der Kirchenhoheit schließlich (S. 48—85) verwies ganz von selber in zahlreichen Fällen auf den Hl. Stuhl. Die Beweggründe, die Nürnberg bei alledem leiteten, waren wohl manch­ mal religiöser Art, wie etwa bei der Heiligsprechung des Stadtpatrons Sebaldus (S. 38 ff.). Aber selbst hier und in ähnlichen Fällen verleugneten sich die eigentlichen Triebkräfte der reichsstädtischen Politik nicht ganz, die man etwa mit den Worten Selbstgefühl und Geschäftsgeist bezeichnen könnte. So diente die päpstliche Erlaubnis zum Handel mit Böhmen wohl dem Seelenheil der Bürger, aber auch ihren wirtschaftlichen Bestrebungen (S. 25—27). Die Ablässe für die Reichskleinodien wurden erbeten, um Gläubige in möglichst großer Zahl zu den Kirchen und Heiligtümern zu führen, aber auch zu dem großen Markt, der mit der Heiltumsweisung verbunden war (S. 45—48). Ähnlich verlangte man die Aufhebung der Bamberger Judengesetze so drin­ gend, nicht nur um der christlichen Bevölkerung eine Zusammenarbeit mit den Juden zu ersparen, sondern in erster Linie, um die jüdischen Darlehen und Abgaben nicht zu verlieren (S. 27—29). Von den Angriffen Nürnbergs auf das kirchliche Strafwesen (S. 62 ff.) und die Feiertagsordnung (S. 42 f.) ließe sich Ähnliches sagen. Besonders deutlich aber erscheint der Gedanke an den eigenen Vorteil in der Haltung Nürnbergs dort, wo es um Ereignisse und Fragen von allgemeiner Bedeutung ging. Dieser Gedanke leitete die städtische Politik in der Zeit des Konzils von Basel, in der es Nürnberg je nach Bedarf und Nutzen mit jeder der streitenden Parteien hielt (S. 29). Er ließ den Rat im markgräflichen Krieg (S. 29—35) immer wieder an die Kürie gehen und verhinderte in den langen Jahren der Türkennot jedes tie­ fere Verständnis für die gewaltigen Aufgaben der Zeit (S. 35—36). 85

Seine Pflichten gegen den Hl. Stuhl hat Nürnberg — wenigstens nach außen hin — immer erfüllt. Das beste Beispiel dafür bietet der zweite Hussitenkrieg, in dem die Stadt das päpstliche Handelsverbot mit Böhmen amt­ lich verkündete und beobachtete, obwohl es ihr so ungemein lästig war. Selbst als man sich in vielen Gegenden des Reiches längst nicht mehr darum küm­ merte, hörte Nürnberg nicht auf, sich alle zwei Jahre die päpstliche Handels­ erlaubnis ausdrücklich erneuern zu lassen (S. 24 ff.). Auch die Wünsche der Päpste wurden gerne erfüllt, mehr jedenfalls als jene des Königs und der Fürsten, — wenn sie den Plänen des Rates nicht zuwiderliefen (S. 35 f.). Um die Mittel und Wege, die eigenen Wünsche an der Kurie durchzu­ setzen, war Nürnberg im allgemeinen nicht verlegen. Es fand nichts Ehren­ rühriges dabei, zu gleicher Zeit dem römischen Papst und dem Basler Konzil Treueerklärungen abzugeben (S. 35), Geheimabkommen mit kurialen Be­ amten oder Ablaßkommissaren zu schließen (S. 34, 56 f), und den Hl. Stuhl auch in nicht ganz einwandfreien Angelegenheiten um Unterstützung zu bitten. Es sei hier an die Bemühungen des Rates erinnert, sich in der Juden­ frage durch Bestechung Abschriften aus der kaiserlichen Kanzlei zu ver­ schaffen (S. 28 f.), oder an die langwierigen Kämpfe gegen die Schadenersatz­ forderungen des Abtes von Kaisheim, deren Berechtigung man längst ein­ gesehen hatte (S. 33 f.). Im übrigen setzte Nürnberg alles ein, was seinen Plänen förderlich sein konnte, vor allem Geld und gute Beziehungen, gewann die fähigsten Männer der Zeit als Ratgeber, Unterhändler und Fürsprecher, einen Gregor Heimburg, Martin Mair, Heinrich Leubing, Peter Knorr, Mel­ chior Pfinzing bis zu den gewaltigen Persönlichkeiten eines Johannes Kapistran, Nikolaus von Cues oder Enea Silvio Piccolomini. Die Arbeiten an der Kurie selber führten durchwegs besondere Gesandte des Rates aus, die in fast ununterbrochener Folge nach Italien eilten, und seit Mitte des 15. Jahr­ hunderts unterhielt Nürnberg überdies noch einen ständigen Prokurator in Rom (S. 37). ' Und das Ergebnis dieser so außerordentlich lebhaften Beziehungen? Es war zweifellos für die kirchliche Entwicklung Nürnbergs von allergrößter Be­ deutung, und nicht für diese allein. Einige der päpstlichen Urkunden hatten auch für das rein bürgerliche Leben der Reichsstadt geradezu unersetzlichen Wert. Mit ihrer Hilfe gelang es dem Rat, die Macht der Westfälischen Frei­ gerichte in seinem Hoheitsgebiet zu brechen (S. 22 f.) und die Gesamtheit seiner Rechte und Freiheiten gegen äußere Angriffe sicherzustellen (S. 23 f). Ihnen war es zu verdanken, daß die Reichskleinodien in Nürnberg blieben und damit die reichen wirtschaftlichen Vorteile, die sich an sie knüpften (S. 45 ff.). Sie verschafften den Kaufleuten an der Pegnitz freie Handelsmög­ lichkeiten mit den östlichen Ländern (S. 24 ff.), verhalfen der Stadt zu einem glimpflichen Frieden mit den Fürsten nach dem markgräflichen Krieg (S. 30 ff.) und befreiten ihr wirtschaftliches Leben von den hemmenden Bestimmungen der jüdischen Ausnahmegesetze (S. 27 ff.). Der Papst erhob den Nürnberger Schutzherrn Sebaldus auf die Altäre und leistete damit dem Ansehen der Reichsstadt wie ihrem kirchlichen Leben einen unschätzbaren Dienst (S. 38 bis 40). Päpstliche Ablaßbriefe, Privilegien, Dispensen und Indulte in reicher Zahl ergingen an Nürnberger Kirchen und Klöster, Geistliche und Laien, Ratsherren und Bürger (S. 35, 37—38, 58); es gab kaum ein Anliegen der Reichsstadt, dem die Kurie nicht im' Rahmen des Möglichen Verständnis entgegengebracht hätte. Gewiß mancher Wunsch wurde nur 86

zögernd oder gar nicht erfüllt. Aber man darf nicht übersehen, daß nicht selten äußere Umstände einen Plan zum Scheitern brachten, wie etwa 1429 anläßlich der zweiten Romfahrt Konrad Konhofers, als eine pestartige Seuche einen längeren Aufenthalt in der Ewigen Stadt unmöglich machte. Oft gingen auch Nürnbergs Forderungen zu weit, oft standen ihnen Gesetze und Gewohn­ heiten der Kirche entgegen, die nicht einfach aufgehoben werden konnten, oft auch waren sie mit den Grundsätzen der Päpste unvereinbar. Und doch wur­ den sogar in solchen Fällen wiederholt weitgehende Zugeständnisse gemacht. Man denke etwa an das Fastengebot, das für Nürnberg in einem Umfang gemildert wurde, wie kaum irgendwo (S. 40 ff.). Auch in der Interdiktfrage suchte Eugen IV. der besonderen Lage der Reichsstadt gerecht zu werden, indem er derartige Zensuren für die Dauer wichtiger Tagungen aufhob (S. 44 f.). Daß der Kaiser, dessen Anwesenheit dabei vorausgesetzt wurde, so selten auf deutschen Reichstagen erschien, war nicht seine Schuld. Von ganz besonderer Bedeutung aber war die Mitwirkung der Kurie beim Aufbau der reichsstädtischen Kirchenhoheit. Zwar führte der jahrzehntelange Kampf gegen die geistliche Gerichtsbarkeit nur zu vorübergehenden und un­ wesentlichen Erfolgen (S. 48—51); die Versuche des Rates, das kirchliche Asyl­ recht einzuschränken (S. 51 f.), eine Neuorganisation des Stadtgebietes in kirchlicher Hinsicht durchzusetzen (S. 52—55) und die richterliche Gewalt über die städtische Geistlichkeit zu erobern (S. 60—61), blieben sogar ganz ergebnis­ los. In all diesen Fällen stellte sich die Kurie auf den Boden des geltenden Rechtes, verwies an die zuständigen kirchlichen Behörden und verweigerte jedes weitergehende Zugeständnis. Indem sie jedoch zugleich die entsprechen­ den kanonischen Bestimmungen einschärfte, leistete sie auch hier manchen wertvollen Dienst. Es sei nur an ihre Schutzvorschriften für Nürnberger Appellationen an den Hl. Stuhl erinnert (S. 51) oder an ihre Ausführungen über Inhalt und Form der Ladebriefe (S. 49) oder auch an die Bestätigung der Bamberger Gerichtsreform vom Jahre 1463 (S. 50). Die meisten Ziele seines großen Kampfes aber hat der Nürnberger Rat gerade mit Hilfe der Kurie erreicht. Sie half ihm eine Sonderstellung im Ablaßwesen, ja ein förmliches Ablaßmonopol zu erringen (S. 58 f.). Sie ver­ bot den Geistlichen der Stadt die Ausübung bürgerlicher Berufe und gab damit dem Rat die Mittel in die Hand, sie aus Handel und Wirtschaft zu ver­ treiben, ein Versuch, der freilich am Widerstand der Bistumsbehörden und der Geistlichen selbst scheiterte (S. 61 f.). Die Kurie ermöglichte es der Nürn­ berger Stadtregierung, das privilegium immunitatis zu beschneiden und die geistlichen Personen und Güter ihres Gebietes zu Steuern und Abgaben her­ anzuziehen (S. 63 ff.). Päpstliche Diplome gestatteten es dem Rat, allmählich in beinahe alle Klosterangelegenheiten hineinzuregieren, in die VermögensVerwaltung (S. 65), in die Aufnahmeregelung (S. 65 f.), ja sogar in die geistliche Leitung der Ordensfamilien (S. 66). Ohne Zustimmung der Stadt­ verwaltung konnte in den Frauenklöstern keine Visitation, keine Versetzung, kein Ämterwechsel vorgenommen werden. In St. Egidien wurde der Einfluß des seit Jahrhunderten zuständigen Oberen, des Schottenabtes von Regensburg, / mit päpstlicher Unterstützung überhaupt ausgeschaltet (S. 67). Sogar in das innere Leben der Klöster griff der Rat „aus Bäbstlichem gewalt“ ein, maß­ regelte Mönche und Nonnen und veranlaßte oder erzwang die Annahme strengerer Ordensregeln, unter Umständen sogar gegen den Willen der leiten­ den Oberen (S. 69—71). Und endlich machte ihn die Kurie zum Herrn über 87

die gesamten kirchlichen Ämter der Stadt, indem sie seine Patronatsrechte über Meß- und Altarpfründen bestätigte (S. 72) und ihm das Vorschlagsrecht für die beiden Pfarreien zunächst in reservierten Fällen übertrug (S. 15). Erst diese Verleihung schuf die Grundlage für.den Kampf Nürnbergs um den Vollpatronat, wie der endgültige Sieg erst sichergestellt war, als der Papst den Vertrag von 1513 trotz seiner offenkundigen Mängel bestätigt hatte (S. 72—83). Im großen und ganzen konnte sich Nürnberg auf seinem Weg zur Kirchen­ hoheit nicht über die mangelnde Unterstützung des Heiligen Stuhles beklagen. Im Gegenteil, nur mit seiner Hilfe war es dem Rat gelungen, seinen Einfluß auf weite Gebiete des kirchlichen Lebens auszudehnen, die Herrschaft zu er­ ringen über Ablaß, Kirchenamt und Geistlichkeit. Es fehlte nur noch Eines, die Trennung von Bamberg, die volle Ausschaltung der bischöflichen Gewalt und vielleicht sogar der päpstlichen, zur Krönung des bereits recht hoch ge­ führten Baues reichsstädtischer Kirchenhoheit. Das aber war ein Gedanke, der erst mit Luthers Lehre deutlicher ins Blickfeld, des Nürnberger Rates trat.

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JII. Abschnitt.

Das Ende der Beziehungen zwischen Nürnberg und der Kurie. § 1. Nürnbergs Beschwerden gegen den Römischen Hof. Äußerlich betrachtet herrschte zwischen Nürnberg und der Kurie bis zur Glaubensspaltung herauf stets das beste Verhältnis. Sooft in Wort und Schrift des Papstes gedacht wurde, nannte man ihn ehrfürchtig den aller­ heiligsten Vater. Ungehorsam oder Auflehnung wider den Hl. Stuhl bezeichneten die Lenker der Reichsstadt noch im Jahre 1506 als schändliches und gottloses Verbrechen 713> und sie selber sparten in ihren Briefen nicht mit Beteuerungen ihrer Ergebenheit und Treue zu Kirche und Papsttum. Auch im 16. Jahrhundert noch zogen die päpstlichen Legaten mit fürstlichen Ehren in Nürnberg ein, wie etwa Raimund Peraudi oder Kajetan717). Die ganze zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts herauf erhielten die Päpste zu ihrer Wahl und Krönung herzlich gehaltene Glückwunschschreiben des Nürnberger Rates und beinahe jeder wurde bei dieser Gelegenheit als Leuchte der christlichen Kirche und als besonderer Freund der Reichsstadt gefeiert718). Niklas Muffel, der vorderste Losunger Nürnbergs, nahm 1459 im Kreise seiner Ratsgenossen ein päpstliches Schreiben entgegen, kniend und mit den Zeichen tiefster Ehrfurcht719). Kein Schisma und keine konziliare Theorie hatte den Glauben der Nürn­ berger, Kaufleute wie Handwerker, je erschüttert, die im Papst den Hl. Vater, den wahren Stellvertreter Christi auf Erden sahen. Zweifel am Primat gab es hier noch nicht einmal in den ersten Jahren der Glaubensspaltung. Immer noch holten sich die Männer und Frauen der vornehmsten Geschlechter Ab­ laßbriefe und Privilegien aller Art 720) in Rom. Das ausgeprägte katholische Empfinden der Bevölkerung und der führenden Kreise, ihr starkes Gebunden­ sein an Sitte und Väterart ließen es nie zu einer wirklichen Entfremdung mit dem Hl. Stuhle kommen. Dennoch hatte auch Nürnberg seine Beschwerden gegen den Römischen Hof. Martin Weigel glaubt bereits um 1434 eine Verstimnrfung feststellen zu können, als Konrad Konhofer auf dem Posten des Stadtjuristen durch Gregor Heimburg abgelöst wurde. Aber seine Beweisführung überzeugt hier nicht. Konhofers geringe Erfolge nach 1425 waren weniger der Herrschsucht und Verständnislosigkeit der Kurie, als vielmehr einer Kette von Zufällig­ keiten zuzuschreiben. Und Gregor Heimburg war zu dieser Zeit weder ein 89

„scharfer Gegner der Kurie“ noch ein „Vertreter humanistischer Ideale“ 721). Als er etwa seit dem Ausgang der Basler Wirren tatsächlich der erbitterte Feind des Papsttums wurde, hatte sich sein Verhältnis zu Nürnberg bereits gelockert, und als es zur Entscheidung kam, löste es sich ganz. Doch darf man aus der zögernden und offenbar auch unzureichenden Durchführung der päpstlichen Strafbestimmungen gegen Heimburg immerhin schließen, daß der Nürnberger Hat nicht damit einverstanden war 722). Mit größerem Recht läßt sich um 1450 von einer deutlichen Verärgerung Nürnbergs sprechen, wie dies Eugen Franz getan hat 723). Denn die endlosen Verhandlungen mit den' Fürsten nach Beendigung des ersten markgräflichen Krieges, die Judengesetze des Cusanus, die beginnenden Kämpfe um St. Lorenz und die immer noch andauernden gegen die geistliche Gerichtsbar­ keit konnten nicht ohne Folgen bleiben. Aber auch damals änderte sich nach außen kaum etwas in Nürnbergs Beziehungen zur Kurie. Sie waren lebhaft und freundlich wie immer. Nicht einmal die allgemein und erbittert erhobenen Klagen gegen die Kurie, wie sie aus der Zeit vor der Glaubens­ spaltung bekannt sind 724), spielten in Nürnberg eine besondere Rolle. Was die päpstliche Stellenbesetzungspraxis betrifft, so gab es in der Reichsstadt bis zum Jahre 1477 überhaupt kein höheres Kirchenamt und Stellen, die für kuriale Persönlichkeiten ernstlich in Frage kamen, nur zwei, nämlich die Pfarreien St. Sebald und St. Lorenz. Auch sie wurden erst durch das Wiener Konkordat in das kuriale Verleihungswesen einbezogen, für ganze 26 Jahre, dann hatte sich der Rat die päpstlichen Rechte bereits ge­ sichert. Es kam trotzdem zu Kämpfen, besonders um die Lorenzkirche. Man darf jedoch nicht übersehen, daß diese Zwistigkeiten zumeist nicht von Rom ausgelöst wurden, sondern aus Differenzen mit dem Diözesanbischof entstanden, der sich gegen das allzu stürmische Streben Nürnbergs nach dem Patronat mit Recht zur Wehr setzte. Die Fälle, in denen die Kurie Anwart­ schaften auf kleinere Kirchenämter der Reichsstadt vergab, waren kaum von Bedeutung. St. Egidien endlich ist nie von Rom aus verliehen worden. Dann die Abgaben an die Kurie! Auch davon konnte sich Nürnberg nicht allzu sehr belastet fühlen. Annaten von städtischen Kirchenämtern gingen stets auf Rechnung des betreffenden Geistlichen, nicht auf Kosten der Ge­ meinde. Sie wurden bereits vor der Wiener Regelung in einigen, wenigen Fällen entrichtet, sooft eben die Kurie an einer Nürnberger Stellenbesetzung beteiligt war. Nach 1448 hatten sie die Inhaber der beiden Hauptkirchen etwa zehnmal zu bezahlen. Es handelte sich dabei um Beträge bis zu 210 Gulden, eine Summe, die im Vergleich zu den wirklichen Jahreseinnahmen der Pfarrer sicherlich nicht zu hoch gewesen ist72E). Klagen über die Gebühren der zahlreichen päpstlichen Reskripte begegnen fast gar nicht. Um 1437 be­ schwerte sich der Haslacher Pfarrer Hertlein einmal darüber 726); aber aus seinen Worten spricht weniger der Unmut über die hohen Auslagen als der Ärger über die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen. Wenn der Rat seine gewaltigen Zahlungen, Verehrungen, Geschenke und Trinkgelder betrachtete, die bei den verschiedensten Gelegenheiten an Kaiser, Fürsten, Räte, Ge­ sandte und Diener bis zu den Türhütern herab geleistet wurden, wenn er die Summen in Erwägung zog, die sich ein Friedrich III. oder Maximilian bezahlen ließen 727), dann dürften ihm seine verhältnismäßig geringen Aus­ gaben in Rom nicht allzuhoch erschienen sein. 90

Seit Müllners Annalen gilt es den meisten Geschichtsschreibern Nürn­ bergs für erwiesen, daß im Mißbrauch der Ablässe und der Ablaßgelder ein Hauptmotiv der Reichsstadt für ihren Anschluß an die neue Lehre zu sehen sei 728). In Wirklichkeit sind Müllners Angaben über einzelne Ablaß Prediger und die Höhe der von ihnen gesammelten Beträge vielfach über­ trieben oder ganz unrichtig. Die Kommissare, die nach Nürnberg kamen, waren im Gegenteil oft Männer von anerkannter Gewissenhaftigkeit, wie Nikolaus von Cues, Johannes Kapistran oder auch Raimund Peraudi, denen die seelische Erhebung der Gläubigen wirklich am Herzen lag 729). Gewiß erschienen auch andere, besonders im beginnenden 16. Jahrhundert. Sie scha­ deten der Sache und dem Ansehen der Kurie zweifellos. Aber sehr tief reichte der Schaden in Nürnberg gewöhnlich nicht. Denn in solchen Fällen pflegte der Rat sehr rasch und kräftig einzugreifen. Das Geldopfer bedeutete nicht viel, zumal die ärmeren Schichten der Bevölkerung sehr oft nur wenig oder gar nichts zu geben brauchten. Natürlich sahen es die Stadtväter nicht gerne, wenn hin und wieder einige hundert oder tausend Gulden nach auswärts wanderten. Natürlich lagen ihnen die Zwecke, für die das Geld bestimmt war, manchmal sehr fern und sicher machten auch sie sich ihre Gedanken über seine Verwendung. Aber dennoch gilt: In Nürnberg ist das Ablaßwesen „mit Ausnahme einiger Wellen der Entartung, die um die 15. Jahrhundert­ wende hereinschlugen, in erträglichen Grenzen geblieben 730).“ Noch um 1520 dachte der Großteil der Bürgerschaft nicht daran, im Ablaß eine „Verführung des Volkes“ zu sehen 731). Und die Verfallserscheinungen an der Kurie selbst? Daß Nürnberg auch darüber genau unterrichtet war, braucht bei seinen lebhaften Beziehungen zum päpstlichen Hof nicht erst betont zu werden. Hartmann Schedel, der bekannte Nürnberger Arzt und Humanist, hat z. B. zahlreiche Schriften von und über Savonarola, den großen Ankläger Alexanders VI., in seine Sammlungen auf­ genommen732). Aber Rat und Volk erlaubten sich kaum jemals eine miß­ billigende Bemerkung über den Hl. Stuhl. Als 1501 in Rom das Gerücht um­ ging, ein Dominikaner habe in Nürnberg eine Lobrede auf Savonarola ge­ halten, richteten die Ratsherren als getreue Söhne der Kirche, denen jede Verunglimpfung des gemeinsamen Vaters unerträglich erscheine, ein ausführ­ liches Entschuldigungsschreiben an den Papst. Es schloß mit der Versicherung tiefster Ergebenheit wie jedes andere Ratsschreiben an die Kurie auch 733). Die wirklichen, schmerzlich empfundenen Beschwerden Nürnbergs gegen den römischen Hof lagen auf einem ganz anderen Gebiet, auf dem Gebiet der eigenen Kirchenpolitik. Trotz aller Ergebenheitserklärungen verfolgte der Rat doch immer nur ein Ziel an der Kurie, die Erringung möglichst großer Vergünstigungen auf kirchlichem Gebiet, den Aufbau der reichsstädtischen Kirchenhoheit. Daß der Hl. Stuhl nicht bedingungslos auf diese Pläne einging, daß er manche nur zögernd unterstützte und andere überhaupt zurückwies, das war es, was die Beziehungen zwischen beiden Mächten wirklich belastete. Mit einigem Recht beschwerte sich die Reichsstadt über die Unbeständigkeit römischer Entscheidungen. Man erinnere sich etwa der wiederholten Aufhebun­ gen bereits gewährter Privilegien hinsichtlich der geistlichen Gerichtsbarkeit oder der langen Reihe bald günstiger, bald ungünstiger römischer Entscheidungen gegen die Schadenersatzforderungen der Klöster nach dem ersten markgräf­ lichen Krieg 734). Wieviele der widersprechendsten Verfügungen ergingen allein 91

während des Kampfes um die Ämterbesetzung! Bald sollte der Rat präsen­ tieren, bald der Bischof das freie Verleihungsrecht haben; wenigstens zweimal gewährte der Papst den Nürnbergern das Vorschlagsrecht für ihre Pfarreien und sicherte es mit den stärksten Garantien, um es wenig später kurzerhand zu widerrufen. Und so ging es nicht selten. Mochte der Endsieg dann auch Nürnberg gehören, das ja in den meisten Fällen über die besseren Beziehun­ gen, die geschickteren Unterhändler und die reicheren Geldmittel verfügte, es blieb doch ein Gefühl der Bitterkeit und der Enttäuschung zurück, daß dort, wo man höchste Sicherheit und unbedingte Versprechenstreue erwartet hatte, auch soviel Unbeständigkeit zu finden war. Oft freilich trug Nürnberg selbst die Hauptschuld an seinen Mißerfolgen. Zumutungen, die auf das volle Verfügungsrecht im geistlichen Bereich hinaus­ liefen, wie etwa die Bemühungen um Zubilligung richterlicher Gewalt über den Klerus oder um Lösung aus dem Bistumsverband, überstiegen eben alles erträgliche Maß. Auch Rom konnte die Rechte der Geistlichkeit, des Bistums und der Kirche nicht nach Belieben verschenken. Daß es der Reichsstadt außerordentlich große Zugeständnisse machte, dürfte der Abschnitt über den Aufbau der Nürnberger Kirchenhoheit zur Genüge bewiesen haben. Unmittelbare Eingriffe der Kurie in die eifersüchtig bewachten Rechte Nürnbergs selbst kamen sehr selten vor, besonders nicht die äußerst ungern gesehenen Ladungen städtischer Bürger vor ein römisches Gericht in welt­ lichen Dingen. Einige Fälle dieser Art aber ereigneten sich doch, und da sie unglücklicherweise bereits in die Zeit der allgemeinen Gärung fielen, haben sie mehr als manche große Beschwerde das Verhältnis zwischen Nürnberg und Rom vergiftet. Einer dieser Prozesse betraf eine Forderung des römischen Bankhauses Spinelli an die Familie Rummel in Nürnberg. Er begann mit einem päpst­ lichen Mahnschreiben an den Rat der Reichsstadt, den Gläubigern zu ihrem Geld zu verhelfen. Da aber die eigentlichen Schuldner schon gestorben waren, lehnte dieser ab und verlangte erst den Nachweis, daß die jüngeren Mitglieder der Familie Rummel wirklich für die Summe aufzukommen hatten. Darauf klagten die Spinelli an der Kurie und brachten einen der Beteiligten in den Bann, der Nürnberger Rat selbst entging mit knapper Not der gleichen Strafe 785). Folgenschwerer gestaltete sich der zweite Zusammenstoß Nürnbergs mit den kurialen Gerichten. Auf Klage der Brüder Furtenbach in Feldkirch, deren einer dem geistlichen Stande angehörte, wurde der hochangesehene Ratsherr Hieronymus Holzschuher und seine Gemahlin wegen angeblicher Erbschleicherei nach Rom geladen. Welchen Eindruck diese Vorladung in Nürnberg machte, begreift man erst ganz, wenn man die Zeit ihrer Zustellung beachtet. Es war im Sommer 1519! Daß die Gebrüder Furtenbach ihre Klage an der Kurie einreichten, ist durchaus begreiflich. Um einen langwierigen Prozeß gegen den mächtigen Patrizier in Nürnberg zu führen, fehlte ihnen das nötige Geld. Außerdem war der eine von ihnen, wie er selbst erklärte, als Kleriker an und für sich an das kirchliche Gericht gebunden. Und schließlich konnte nach Recht und Gewohnheit jedermann vor dem Gericht des Papstes, des obersten Richters der Gesamtkirche, belangt werden. Aber für diese Gründe hatte der Nürn92

berger Rat wenig Verständnis. In seinen Augen bedeutete diese Vorladung einen Angriff auf die alten Gerichtsprivilegien der Reichsstadt, und nicht weniger auch auf ihre Ehre, da sich die Kurie damit auf den Standpunkt der Kläger zu stellen schien, man könne in Nürnberg gegen einen Patrizier nicht zu seinem Rechte kommen. Holzschuhers Privatprozeß wurde so vom ersten Augenblick an eine Angelegenheit der Reichsstadt, ja eine Sache, die das ganze Reich berührte, wie der Rat in einem Brief an Jakob Fugger erklärte 788). So kam es, daß der Holzschuhersche Erbschaftsstreit im Winter 1519/20halb Nürnberg in Atem hielt. Im November stellten sich römische Beamte ein, um an Ort und Stelle Erhebungen zu pflegen, während der Rat alle Welt für seine Sache zu gewinnen suchte, die Städte des Schwäbischen Bundes, die königlichen Räte in Innsbruck, ja sogar das neugewählte Reichsoberhaupt im fernen Spanien. Und tatsächlich gelang es auch, den Prozeß an der Kurie abzustellen und durchzusetzen, daß er an das Nürnberger Stadtgericht ver­ wiesen wurde 737). In diesem Augenblick übernahm der bekannte Dr. Johann Eck die Klage­ vertretung. Als er aus Italien heimkehrte, um die Bannandrohung gegen Mar­ tin Luther zu verkünden, teilte er dem Rat von Nürnberg nebenbei auch die Wiederaufnahme des Furtenbachschen Erbschaftsprozesses an der Kurie mit. Ausgerechnet der heftigste Gegner des Wittenbergers auch Gegner der reichs­ städtischen Interessen! Ausgerechnet in diesem kritischen Zeitpunkt eine neue Unbeständigkeit kurialer Entscheidungen! Was half es, daß die neuerlichen Bemühungen des Rates nach Jahr und Tag ein zweites Mal erfolgreich ende­ ten. Diese abermalige Zurückverweisung des Prozesses konnte den Schaden nicht wieder gutmachen, der bereits angerichtet war 738). Als unberechtigte Eingriffe in seine Hoheitsrechte faßte der Nürnberger Rat schließlich auch jene Fälle auf, in denen sich der Hl. Stuhl als Anwalt verurteilter Bürger betätigte. Schon nach der Hinrichtung des Losungers Nik­ las Muffel im Jahre 1469 hatte Nürnberg manchen Kampf am päpstlichen Hof und mit päpstlichen Legaten auszufechten gehabt 739). Nun führte die Ein­ kerkerung des Losungers Anton Tetzel, dem man Anstiftung zum Aufstand, Verrat städtischer Geheimnisse, Bestechlichkeit und andere Vergehen gegen das Gemeinwohl vorwarf, neuerdings zu Differenzen mit Rom. Papst Leo X. forderte im Frühjahr 1517 die sorgfältige Überprüfung des Urteils und gegebe­ nenfalls die Entlassung des schon über zwei Jahre Gefangenen. Da Tetzel bald darauf im Gefängnis starb, erledigte sich die Sache von selber, aber auch sie hat der Kurie in den regierenden Kreisen Nürnbergs keine Freunde ge­ wonnen 74°). So stand es, als die Stunde der Entscheidung kam. Der Glaube war nicht erschüttert und die stets gepflegte Achtung vor Brauchtum und Väterart wies der Reichsstadt ihren Platz bei Papsttum und Kirche. Sie hat ihn nicht ge­ wählt. Denn Wittenberg bot, was Rom niemals bieten konnte, die Erfüllung des letzten Wunsches Nürnberger Kirchenpolitik: die Kirchenhoheit in ihrer Vollendung. Was jahrzehntelange Bemühungen an der Kurie nicht hatten er­ reichen können, dort war es ganz von selbst zu haben, die erfolgreiche Be­ endigung des ewigen Kampfes gegen die geistliche Gerichtsbarkeit, die AbSchaffung des Interdikts, des Fastengebotes, des Asylrechts, der geistlichen Standesvorrechte, die Aufhebung zahlreicher Feiertage, das ausschließliche Verfügungsrecht über Pfarreien, Pfründen, Klöster und die gesamte Geistlich93

keit, und endlich die volle Unabhängigkeit von Bamberg, ja die volle Selb­ ständigkeit in kirchlichen Dingen überhaupt. Alle edleren Beweggründe in Ehren! Aber diese verlockenden Aussichten wogen zweifellos schwer, als es galt, sich zu entscheiden741). Nürnberg entschied sich für die neue Lehre. Und wenn der Rat durch seine an der Kurie nicht erfüllten und nicht erfüllbaren Wünsche zu dieser Wahl mit veranlaßt wurde, so gestatteten es ihm die erfüllten, seine Ent­ scheidung in kürzester Zeit in die Tat umzusetzen. Das Wort von der tragi­ schen Schuld des Papsttums, das sich im Landeskirchentum selbst den Tod­ feind groß gezogen habe 742), gilt auch für Nürnberg. § 2. Der Bruch mit Rom.

Am 15. Juni 1520 erschien die Bulle Exsurge Domine, in der die Lehre Luthers verurteilt und dieser samt seinen Anhängern unter Androhung kirch­ licher Strafen zum Widerruf aufgefordert wurde. Dr. Johann Eck brachte sie ins Reich. Nürnberg nahm sofort dagegen Stellung, das erste Mal in der Geschichte seiner römischen Beziehungen, daß ein päpstlicher Erlaß der offenen und amt­ lichen Ablehnung des Rates verfiel. Zwar wurde der Druck von Luther­ schriften in der Stadt für einige Zeit untersagt74S), in seinen Briefen 744) aber sprach der Rat von „des Babst vnd doctor Ecken vnschicklichkeit“, deren Wünsche und Verbote undurchführbar seien, und in einem ausführlichen Schreiben nach Rom appellierte er nach breiter Darlegung der in der Bulle enthaltenen „Irrtümer“ an den besser zu unterrichtenden Papst, an ein allge­ meines Konzil und an den Allmächtigen selber 745). Auch unterstützte er seine Bürger Lazarus Spengler und Willibald Pirkheimer, die Eck namentlich als Anhänger Luthers bezeichnet hatte, in jeder Weise. Zum völligen Bruch mit der Kurie wollte man es aber noch nicht kommen lassen. Als Pirkheimer und Spengler am 3. Januar 1521 zusammen mit Luther und Hutten tatsächlich dem Bann verfielen, beeilten sie sich, den verurteilten Sätzen des Witten­ bergers abzuschwören und dem päpstlichen Legaten zu versichern, sie seien immer treue Söhne der Kirche und des Hl. Vaters gewesen 746). Der früher so lebhafte Briefwechsel Nürnbergs mit der Kurie hörte um diese Zeit allmählich auf. Hadrian VI., der als letzter deutscher Papst im Jahre 1522 den Stuhl des hl. Petrus bestieg, erhielt noch ein Glückwunsch­ schreiben des Rates zu seiner Erhebung 747). Dann und wann erbat sich noch ein Bürger einen Ablaßbrief oder brachte eine Streitsache vor den Hl. Stuhl 748). Der Rat selber aber wandte sich immer seltener nach Rom. Nicht einmal die Nachricht, der Papst habe sämtliche Patronatsverleihungen seines Vorgängers für Laien, also auch für die Nürnberger von 1513 bzw. 1517 widerrufen, machte viel Eindruck auf ihn. Monatelang kümmerte er sich gar nicht darum, dann widmete er dieser Frage gelegentlich eines Briefes an Kaspar Wirt einige Worte. Sie waren merkwürdig genug, Drohung und Bitte, Unmut und Ver­ trauen in einem, vielleicht der beste Ausdruck der eigenen Unklarheit und Unsicherheit dem Oberhaupt der alten Kirche gegenüber 749). Das letzte Schreiben des Rates an seinen langjährigen Sachwalter in Rom, Kaspar Wirt, trägt das Datum des 13. August 1524. Es brachte ihm die Schlußabrechnung mit der Reichsstadt 75°), seine Dienste wurden weiterhin nicht mehr benötigt. 94

Denn inzwischen hatte sich Nürnbergs Bruch mit der Kurie vollzogen. Schon im Jahre 1522 konnte es der städtische Pöbel wagen, ein Fastnachts­ spiel über den Papst in den Straßen der Reichsstadt aufzuführen751). Die Pröpste der beiden Hauptkirchen, die der Rat auf Grund seiner neuerwor­ benen Präsentationsrechte bestellt hatte — Hektor Pömer in St. Lorenz und Georg Peßler in St. Sebald — gingen immer offener gegen die Einrichtungen der alten Kirche vor. Auf den Kanzeln ihrer Kirchen standen seit Anfang der zwanziger Jahre Prediger von absolut lutherischer Gesinnung, ebenso in der Kirche des Neuen Spitals und bei den Augustinern. Man braucht nur die Namen Osiander, Dominikus Sleupner, Venatorius und Wenzeslaus Linck zu nennen. Sie schufen mit der Gewalt ihrer Worte die Grundlagen, auf denen die Herren des Rates ihren neuen Kirchenbau errichten konnten. An Stelle der kirchlichen Oberbehörde regierte nun der Rat. Er be­ herrschte das gesamte geistliche Leben, stellte Regeln für die Prediger auf, rügte und bestrafte sie oder setzte sie ab, wenn sie nicht seiner Meinung waren. Der Fleischverkauf in der Fastenzeit wurde gestattet, das Fastengebot außer Kraft gesetzt. Ein Stück nach dem andern in dem vertrauten Ring ge­ heiligter Bräuche verschwand: die Heiltumsweisung, die feierlichen Prozes­ sionen an Fronleichnam und an den Tagen des heiligen Sebaldus, die Spen­ dung des Johannesweins. Das herkömmliche Passionsspiel am Karfreitag im Neuen Spital galt nun als Affenspiel, der Ablaß als unchristliche Verführung des Volkes, eine ganz neue Zeit brach an 752). Wie weit sich Rat und Bürgerschaft bereits vom Papsttum und von der alten Kirche entfernt hatten, wurde besonders deutlich auf den beiden Reichs­ tagen von 1522/23 und 1524. Beim ersten erschien Chieregati als päpstlicher Legat und der Hl. Vater richtete eine herzliche Mahnung an den Nürnberger Rat, er möge sich doch durch Scheingründe und Phrasen nicht täuschen lassen, sondern dem Glauben seiner Ahnen die Treue halten und den Anordnungen der höchsten geist­ lichen und weltlichen Obrigkeiten Folge leisten 753). Nürnberg dachte nicht daran. Ja, als der Legat die Reichsstände aufforderte, dem offenen Treiben der Lutherfreunde in der Stadt ein Ende zu machen und vor allem die vier Hauptprediger gefangen zu setzen, traf der Rat militärische Vorbereitungen zu deren Verteidigung 754). Auch spätere Versuche des Legaten und des Erz­ herzogs Ferdinand, die Bestimmungen des Wormser Edikts in Nürnberg durch­ zuführen, verliefen ergebnislos. Die städtische Regierung gab zur Antwort, sie hielte es gar nicht mit Luther, sondern lediglich mit dem Evangelium 755). Noch schlimmere Erfahrungen machte Lorenz Campeggio, der den Hl. Stuhl auf dem zweiten Nürnberger Reichstag vertrat. Nach Verhandlungen mit den Ständen und dem Erzherzog entschloß man sich zwar im städtischen Rathaus, den Empfang in der üblichen feierlichen Weise zu gestalten 756); das Volk aber kaufte, wie der Wormser Dompropst zu berichten weiß, alte Schuhe auf, um den einreitenden Legaten damit zu bewerfen 757). Campeggio verzichtete auf den Empfang. Er wußte um die wahre Stimmung der Herren und Bürger, die im Grunde dieselbe war wie in Augsburg, wo ihm kurz zuvor der johlende Pöbel das Geleite gegeben hatte. Und er täuschte sich nicht. Auch während des Reichstags 758) hörten die eigenmächtigen Umgestaltungen des Gottes­ dienstes in den Kirchen der Stadt nicht auf, womit Pröpste und Ordensobere ihrer neuen Überzeugung Ausdruck zu verleihen suchten. Osiander durfte es 95

sich erlauben, über den römischen Antichrist zu predigen, während der Ver­ treter Roms in nächster Nähe weilte, ja dieser war unter dem sonst so stren­ gen Regiment der städtischen Polizei nicht einmal vor öffentlichen Beschimp­ fungen und tätlichen Angriffen sicher. Nürnberg legte keinen Wert mehr auf seine Beziehungen zur Kurie. Am 25. April 1524 verließ Campeggio die Reichs­ stadt. „Es war Nürnbergs Abschied vom Papsttum“, sagt Hans von Schubert. Und in der Tat, die Trennung war im wesentlichen bereits vollzogen. Im gleichen Monat, in dem der letzte päpstliche Legat aus Nürnberg ritt, kehrte der Mann nach achtzehnjährigem Aufenthalt an der Kurie nach Bam­ berg heim, der berufen war, das letzte Blatt in der Geschichte der Nürnbergisch-Römischen Beziehungen zu schreiben, der Propst Paul Neydecker 759) von St. Gangolf. Auf sein Drängen entschloß sich die Bistumsregierung endlich zum Eingreifen in die immer unhaltbarer werdenden Zustände zu Nürnberg. Schon hatten die dortigen Pröpste im Verein mit dem Augustinerprior Volprecht wesentliche Änderungen am Gottesdienst vorgenommen; sie spendeten das heilige Sakrament unter beiden Gestalten, schafften Jahrtage und Seelen­ messen ab und kümmerten sich um kein Gesetz und um keine Gewohnheit mehr. Nun sollten sie sich deswegen vor dem Bischof verantworten. Paul Neydecker wurde als Richter bestellt 760). Mit einem ganzen Troß von Freunden und Anhängern trafen die Gela­ denen am 12. September 1524 in Bamberg ein. Eine gütliche Verständigung erschien von vorneherein unmöglich. Die Nürnberger brachten eine Recht­ fertigungsschrift mit, die ihrem ganzen Inhalt nach das gerade Gegenteil be­ wirken mußte. So blieb nichts anderes übrig, als die Neuerer nach den kirch­ lichen Gesetzen zu bestrafen. Propst Hektor Pömer von St. Lorenz, Propst Georg Peßler von St. Sebald und Prior Wolfgang Volprecht vom Kloster der Augustiner-Eremiten zu Nürnberg verfielen als hartnäckige Ketzer der Ex­ kommunikation. Ihre Ämter wurden für erledigt erklärt, die Ausübung priesterlicher Amtshandlungen verboten, der Verkehr mit ihnen untersagt761). Die Verurteilten antworteten mit einem ausführlichen Berufungsschreiben an ein künftiges, allgemeines, freies und christliches Konzil, gaben es in Druck und ließen es im ganzen Bistum verbreiten 782). Und während der Richter in Bamberg seines Lebens nicht mehr sicher war, gingen die Gebannten in Nürn­ berg unter dem Schutz des Rates ungestört ihren Weg weiter in die neue Lehre. Das letzte Strafmittel der Kirche, Bann und Interdikt, wirkte nicht mehr. Nürnberg hatte das Papsttum und die alte Kirche endgültig verlassen.

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Anmerkungen. 1) Sigmund Meisterlins Chronik der Reichsstadt Nürnberg 1483 (StC III 60f.). — Ders., Exaratio rerum gestarum inclitae civitatis Neuronbergensium (StC III 196). 2) Hartmann Schedel, Chronicon mundi (Orig.-Handschrift Cent 2, 98 der StBN) S. 100. — Moritz Maximilian Mayer, Johann Müllners Rathsschreibers Annalen der löb­ lichen, weitberühmten Reichs-Vesten und Stadt Nürnberg. 1. Theil, Nürnberg 1836. S. 163. — L. von Wölckern, Singularia Norimbergensia, Nürnberg 1737. S. 179 ff. — Ders., Historia Norimbergensis Diplomatica, Nürnberg 1738. S. 84 f. — Ähnliche Darstellungen finden sich bei Sagittarius, Historia antiqua liberae atque imperialis civitatis Norimbergae. Jenae 1679. S. 100. — Andreas Würfel, Diptycha ecclesiae Egydianae, Nürnberg 1757. S. 12. — Joh. Christoph Wagenseil, De sacri Rom. Imperii libera civitate Norimbergensi commentatio, Altdorf 1697. S. 21. — Karl Christian Hirsch, Fragment einer Nürnbergischen Kirchen­ geschichte (bei Will, Museum Noricum, Altdorf 1759. S. 333). 3) Zu den Reisen Leos III. vgl. Jaffe-Löwenfeld, Regesta pontificum Romanbrum ab condita ecclesia ad annum p. Chr. n. 1198, Lipsiae 1885, Tom. I, 311. — Albert Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands, 2. Bd., Leipzig 1912. S. 100 ff. — Abel-Simson, Jahrbücher des Fränkischen Reiches unter Karl dem Großen, 2. Bd., Leipzig 1883. S. 320. 4) Fritz Traugott Schulz, Die Rundkapelle zu Altenfurth bei Nürnberg. Ein Bauwerk des XII. Jahrhunderts (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Heft 94, Straßburg 1908. S. 24 und 44). — Emil Reicke, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg von dem ersten urkundlichen Nachweis ihres Bestehens bis zu ihrem Übergang an das Königreich Bayern (1806), Nürnberg 1896. S. 10. — Vgl. StC III 60 Anm. 4. 5) Die grundlegende Stelle dafür, auf die sich alle späteren Nürnberger Chronisten berufen, bringt Wiguleus Hund in seiner Metropolis Salisburgensis (ed. Christophorus Gewoldus, München 1620), I 194: Gebhardus tertius, Anno 1036 a fratre suo Conrado Salico Imp. Episcopus factus est . . . Sub eodem Leo 9. Pontifex Maximus . . . Ratisbonam venit . . . Cum vero Leo Pontifex Ratisbona Noribergam proficiscetetur . . . etc. — Vgl. Müllner-Mayer, Annalen S. 272 (nennt fälschlich das Jahr 1036 als Jahr dieses Papstbesuches). — Wölckern, Singularia S. 182 Anm. 1 und 315 ff. — Ders., Historia S. 86 und 92. — Georg Ernst Waldau, Vermischte Beyträge zur Geschichte der Stadt Nürn­ berg, 1. Bd., Nürnberg 1786. S. 294. — Will, Museum S. 333. — Zur Reise vgl. Hauck, Kirchengeschichte III 604 Anm. 4 und S. 607. 6) Wölckern, Singularia S. 317. 7) Urkunde Heinrichs III. vom 16. Juli 1050 (= MB 29 Nr. 375). — Zu den verschiedenen Theorien über Entstehung und Frühgeschichte Nürnbergs vgl. Ernst Mummenhoff, Nürn­ bergs Ursprung und Alter in den Darstellungen der Geschichtschreiber und im Lichte der Geschichte, Nürnberg 1908. — Ders., Gesammelte Aufsätze und Vorträge, 1. Bd., Nürn­ berg 1931. S. lf. und MVGN 16, 1904. S. 222. 8) Mummenhoff, Altnürnberg. Schilderungen aus der älteren Reichsstädtischen Zeit bis zum Jahre 1350, Bamberg 1890. S. 5 f. (== Bayerische Bibliothek 22. Bd.). ») Erich von Guttenberg, Die Königskirche in Fürth und ihre Bedeutung für die Süd­ grenze des Bistums Bamberg (66. Jahresbericht d. hist. Vereins f. Mittelfranken 1930. S. 140 f.). — Heinrich Büttner, Die Bistümer Würzburg und Bamberg in ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung für die Geschichte des deutschen Ostens. Das Bistum Bamberg (Brackmann, Studien und Vorarbeiten zur Germania pontificia 3, 1937). S. 209 f. 10) Siegfried Reicke, Stadtgemeinde und Stadtpfarrkirchen der Reichsstadt Nürnberg im 14. Jahrhundert. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung. (MVGN 26, 1926.) S. 4 ff., 17 f. — Friedr. Wilh. Hoffmann, Die Sebalduskirche in Nürnberg. Ihre Baugeschichte und ihre Kunstdenkmale. Wien 1912. S. 11. — Zur Geschichte der Pfarreibildung in Nürnberg vgl. Guttenberg, Die Königskirche S. 133 ff. — Ders., Nochmals zum Alter der Pfarrkirche St. Lorenz in Nürnberg (ZbKG 8, 1933). S. 102—15. — Reicke, Stadtgemeinde S. 15 ff., 39—42. — Reinhold Schaffer, Wie ist das Verhältnis von St. Lorenz in Nürnberg zur Pfarrkirche in Fürth bis 1350? (MVGN 30, 1931). S. 307—21. 11) St. E g i d i e n : StC I S. XVI. — Ed. III 91 Anm. 4 und S. 272. — Ebd. X 118 Anm. 6. Augustinerkloster: Julie Rosenthal-Metzger, Das Augustinerkloster in Nürn­ berg (MVGN 30, 1931). Franziskanerkloster: G. Pickel, Geschichte des Barfüßerklosters in Nürn7

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berg (BbKG 18, 1912). — Ulrich Schmidt, Das ehemalige Franziskanerkloster in Nürnberg, Nürnberg 1913. Kar meli tenkloster : Müllner-Mayer, Annalen S. 464. — Reicke, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg S. 81. Dominikanerkloster : Friedrich Bock, Das Nürnberger Predigerkloster. Bei­ träge zu seiner Geschichte (MVGN 25, 1924). Magdalenerinnen : Johannes Kist, Das Klarissenkloster in Nürnberg bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts, Nürnberg 1929. Dominikanerinnen: Walter Fries, Kirche und Kloster zu St. Katharina in Nürnberg (MVGN 25, 1924). Engelthal: J. Chr. Martini, Historisch-geographische Beschreibung des ehe­ maligen berühmten Frauenklosters Engelthal, in dem Nürnbergischen Gebiete, aus Ur­ kunden und sichern Nachrichten mit möglichstem Fleis zusammengetragen, Nürnberg und Altdorf 1762. — vgl. Kist, Klarissenkloster S. 3 f. — Franz Heidingsfelder, Die Regesten der Bischöfe von Eichstätt (Veröff. d. Gesellschaft f. Fränk. Gesch. VI. Reihe Bd. I, Erlangen 1938). S. 225 Nr. 730. Deutscher Orden: Gg. Schrötter, Das Deutschordenshaus in Nürnberg. 1209 bis 1500. (Festgabe für Hermann Grauert, Freiburg 1910.) — Ders., Die Kirche der hl. Elisa­ beth in Nürnberg. (Ehemalige Deutschordenskirche), Nürnberg 1903. 12) Georg Freiherr von Kreß, Gründlach und seine Besitzer (MVGN 3, 1881). iS) Andreas Würfel, Geschichte des ehemaligen Nonnen-Klosters zu Pillenreuth Maria Schiedung genannt, in dem Nürnbergischen Gebiete, aus des Klosters Urkunden zusam­ men getragen und mit dienlichen Anmerkungen erläutert, Altdorf 1764. — G. W. K. Locihner, Kaiser Ludwig der Bayer und die Stadt Nürnberg, Nürnberg 1840. S. 25. — Reicke, Gesch. der Reichsstadt S. 196 f. 14) Vgl. unten S. 187. 1») SAM Rstadt Nbg Fasz. 157, 158. — StAN Rep. 9 I Nr. 319 Bl. 2 b—3 b und 4 a.— VA Reg. Vat. 180 fol. 271b. — SAN 7fA Nr. 3 f. — MZ VIII Nr. 157. — Vgl. Potthast, Regesta pontificum Rom. Nr. 13 045. — Heidingsfelder, Regesten Nr. 730. — MüllnerMayer, Annalen S. 414. — Müllner, Annalium der löblichen Reichsvesten vnd Stadt Nürmberg (SBM Cod. germ. 2073), Bd. II 293 f. — Joh. Christian Siebenkees, Materialien zur Nürnbergischen Geschichte, 2 Bd., Nürnberg 1792. S. 683. — Will, Museum S. 355. — Kist, Klarissenkloster S. 10, 145—48. iß) Rosenthal-Metzger, Augustinerkloster S. 7 f., 88, 92 f. 17) SAM Rstadt Nbg., St. Klara Nr. 19 und 27 — StAN Rep. 9 I Nr. 319 Bl. 1 a und b. -r Kist, Klarissenkloster S. 7 ff., 142—45. 18) Dem Verfasser sind 14 kuriale Ablaßbriefe für Nürnberger Empfänger aus der Zeit bis 1350 bekannt, und zwar 9 für St. Sebald (SAM Rstadt Nbg. Fasz. 67, 69 ff., 73. — Vgl. RB IV 431), einer für St. Lorenz (SAM a. a. O. Fasz. 95), drei für das Neue Spital (StAN Regest vom 6. Juli 1335 und 29. Dez. 1336. — Ebd. Rep. 31 (2) I Bl. 89 b), einer für Engelthal (SAM a. a. O. Fasz. 185). l») Schaffer, Verhältnis S. 314 f. — Guttenberg, Nochmals zum Alter S. 104, 107, 113. ao) SAB Rep. J 1 S. 213 und Kanzleibuch 1 Bl. 15 f. (Vgl. Potthast, Regesta Nr. 9955. — Lucien Auvray, Les registres de GrGgoire IX., Paris 1896—1910. Nr. 2670. — RB II 243). — SAM Hochstift Bamberg Fasz. 433. (Vgl. Potthast, a. a. O. Nr. 17 395. — RB III 121. — Die Urkunde wurde häufig auf Alexander III. bezogen und darum fälschlich in das Jahr 1162 statt 1258 verlegt. — Vgl. SAB Rep. J 1 S. 212 und Re£>. 11 I S. 213. — StC I S. XV Anm. 3 und RB I 247). — VA Reg. Avignon. 20 fol. 259 und 266 b. — Reg. Vat. 76 ep. 418 fol. 242 b, 243 und ep. 432 fol. 247 b. (Vgl. G. Mollat, Jean XXII (1316—34). Lettres communes analys6es d’apres les registres dits d’Avignon et du Vatican, Paris 1904—35. Nr. 18 651 f.). — VA Reg. Avignon. 20 fol. 218 b. — Reg. Vat. 76 ep. 328 B fol. 216. (Bei Mollat, a. a. O. Nr. 18 643). — VA Introitus et Exitus Nr. 250 fol. 32 b, 33. — Vgl. Ludwig Möhler, Die Einnahmen der apost. Kammer unter Klemens VI., Paderborn 1931. S. 403 f. — Joh. Peter Kirsch, Die päpstlichen Annaten in Deutschland während des 14. Jahrhunderts, Paderborn 1903. S. 32 f. 21) RB VH 205. 22) SAM Rstadt Nbg. Fasz. 178—80. — Heidingsfelder, Regesten Nr. 1652. 28) SAM Rstadt Nbg. Fasz. St. Klara Nr. 84 und Fasz. 215. — Vgl. J. M. Vidal, Benoit XII (1334—1342). Lettres communes analys6es d’apres les registres dits d’Avignon et du Vatican, Paris 1903—11. Nr. 1565 und 3260. — S. Riezler, Vatikanische Akten zur deutschen Geschichte in der Zeit Kaiser Ludwigs des Bayern, Innsbruck 1891. Nr. 1712. 24) So unterstützten Rudolf von Habsburg und seine Gemahlin Anna um 1278 das Gesuch der Magdalenerinnen um Aufnahme in den Klarissenorden (StAN Rep. 9 I Nr. 319 Bl. 1 a und b) und Karl IV. gegen 1347 das der Gründlacher Nonnen um Inkorporation der Pfarrei Gunzenhausen (VA Reg. Vat. 180 fol. 271 b). 26) G, Sohwemmer, Nürnberg, das Bild einer politischen Stadt, Potsdam 1937. S. 6 ff. nennt Nürnberg schon für die damalige Zeit einen „Vorort der deutschen Kaiserpolitik gegen die Macht der Fürsten und der Kirche“ und meint, es sei „im Kampfe gegen die unberechtigten Übergriffe der Kirche, gegen die weltlichen Machtansprüche Roms stets

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an vorderster Stelle“ gestanden. Schwemmers Gewährsmann, A. von Hofmann, Die Stadt Nürnberg. Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1924. S. 19 f., ist etwas zurückhaltender im Urteil. 2«) Heinrichs Anwesenheit bezeugt MB 29 Nr. 424, 428 und 31 Nr. 194. Über die Ereig­ nisse von 1105 vgl. Gerold Meyer von Knonau, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V., 5. Bd., Leipzig 1904. S. 234. — Reicke, Gesch. d. Reichsstadt S. 25 f. — Daß auch im Volke Sympathien für Heinrich IV. vorhanden waren, dürfte ein Brief Bischof Ruperts von Bamberg an den Kaiser beweisen, in dem von „ceterique sui fideles Nurenbergenses“ die Rede ist. Vgl. Philipp Jaff6, Bibliotheca rerum Germanicarum, Tom. V, Monumenta Bambergensia, Berolini 1869. S. 170 Nr. 87. — W. Giesebrecht, Geschichte der deutschen Kaiserzeit. 3. Bd., Leipzig 1890. S. 653—61 und 1187. 27) Böhmer-Ficker, Regesta Imperii V. Innsbruck 1881—1901. Nr. 1069. — Vgl. Eugen Franz* Nürnberg, Kaiser und Reich. Studien zur Reichsstädtischen Außenpolitik, München 1930. S. 1 f. — Reicke, Gesch. d. Reichsstadt S. 66—71. — Mummenhoff, Altnürnberg S. 8. — Friedr. Knöpp, Die Stellung Friedrichs II. und seiner beiden Söhne zu den deutschen Städten (Hist. Studien Ebering 181, 1928) S. 23 ff. 28) GS I 148. — Joh. Looshorn, Die Geschichte des Bisthums Bamberg, 2. Bd. S. 437. 29) Heidingsfelder, Regesten I Nr. 709. — Knöpp, a. a. O. 88. — Hauck, Kirchen­ geschichte IV 813—86. — Funk-Bihlmeyer, Kirchengeschichte, 2, Bd., Paderborn 1940. S. 261. so) GS I 176. — Noch im Sommer 1251 weilte König Konrad in Nürnberg. Vgl. MB. 30 P. I. Nr. 792. — Böhmer-Ficker, Regesta V Nr. 4552—59. — Er war am 13. April gleichen Jahres von Innozenz IV. exkommuniziert worden (Hauck, Kir'fchengeschichte V 6). Viel­ leicht darf man auch darin einen Beweis für die noch immer staufische Haltung Nürn­ bergs sehen, daß Wilhelm von Holland am 27. März 1255 die Altenfurther Kapelle gegen die alten Rechte des Nürnberger Schottenklosters den Zisterziensern von Heilsbronn übertrug (Böhmer-Ficker RJ V Nr. 5253). 8i) Mummenhoff, Altnürnberg S. 17. — Hauck, Kirchengeschichte V 8. 32) Lochner, Kaiser Ludwig S. 6 f. — Mummenhoff, Altnürnberg S. 19, 29 ff. — Heidingsfelder, Regesten I Nr. 1594. — Reicke, Gesch. d. Reichsstadt S. 184 f. — StC IH 137 Anm. 3. 33) Josef Knöpfler, Kaiser Ludwig der Bayer und die Reichsstädte in Schwaben, Elsaß und am Oberrhein, mit besonderer Berücksichtigung der städt. Anteilnahme an des Kaisers Kampf mit der Kurie. (Forschungen zur Geschichte Bayerns 11, 1903). S. 4 f., 19. — Besonders wichtig war, daß sich der •Nürnberger Burggraf, mit dem die Stadt schon im Oktober 1313 übereingekommen war, womöglich gemeinsam dem künftigen Herrscher zu huldigen