Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg [33]

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Mitteilungen des

Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg Herausgegeben mit Unterstützung der Stadt Nürnberg im Auftrag des Vereins von

Dr. Wilhelm Kraft.

Dreiunddreißigster Band.

NÜRNBERG J. L. SCHRÄG VERLAG

1936.

t)ruck von j. L. Stich in Nürnberg.

III

Inhaltsverzeichnis. Abhandlung : Die Reformation in Nürnberg von Adolf Engelhardt. Kapitel I. Warum eine kirchliche Refor­ mation notwendig war. S. i — 24. Reformationsbestrebungen im 15. Jahrhundert (3) Seite Ablaßwesen....................................................................... 4—11 Mißbräuche....................................................................... 11 — 13 Selbsthilfe durch Erwerbung des Präsentationsrechts in Nürnberg................................................................13—18 Die Beschwerden gegen den römischen Stuhl . . 19 — 24 Kapitel II. Die Anfänge der Reformation i n N ü r n b e r g. S. 25 — 44. Der Staupitzianerkreis..................................................25 — 28 Luthers Beziehungen zu Nürnberg............................ 28 — 33 Der Kampf mit Eck.........................................................33 — 38 Spenglers Schutzred. Eccius dedolatus . . . . 38 — 41 Pirkheimer und Luther.................................... . 41—44 Kapitel III. Die Gefährdung der Bewe­ gung durch die päpstliche Bann­ bulle. S. 45 — 61. Spengler und Pirkheimer im Bann............................ 45 — 47 Verhandlungen mit dem Bischof............................ 47 — 49 Der Kampf mit Eck.........................................................49 — 57 Vermittlung durch Aleander. Die Lösung . . . 57 — 60 Kapitel IV. Der Reichstag zu Worms 1521. S. 62 — 92. Luthers Gegner auf dem Reichstag . . . . . 62 — 65 Aleander und seine Bemühungen um Luthers Ver­ urteilung .......................................................................66 — 67 Die Gegenmaßnahmen des Kurfürsten zu Sachsen . 66 — 67 Der kaiserliche Beichtvater..............................67 — 68 Ablehnung eines Mandats durch die Stände . . 68 — 72 Die Beschwerden gegen den römischen Stuhl . . 72 — 73 Luthers Vorladung. Das Sequestrationsmandat . 74 Aleander versucht Luther von Worms fern zu halten......................................................... 75 Wirkung der Ankunft Luthers auf die Gegner . . 76 Luthers Verhör undVerteidigung...............................78 — 80 Die Erklärung des Kaisers. Kochläusund Luther . 81 Luthers Entlassung und Heimreise . . . . 81—82 Der Reichstagsabschied............................ 83 Unterzeichnung der Achtserklärung durch den Kaiser. Das Wormser Edikt.......................84 — 85 Das Verhalten Nürnbergs zum Wormser 'Edikt . 86 — 87 Propst Georg Behaim fMelchior Pfinzings Abgang.............................................................................. 88 — 89 Neubesetzung der Propsteien St. Sebald und St. Lorenz........................................................ 88 — 89 Die neuen Prediger an den Pfarrkirchen .. . 90 — 92 Kapitel V. Der Reichstag zu Nürnberg 1522,'23. S. 93—126. Leo X. t Papst Adrian VI..............................................93 — 94 Das Reichsregiment.........................................................94— 95 Herzog Georg von Sachsen und König Ferdinand .

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Erstes Auftreten des päpstlichen Nuntius . Verstärkung der Gegner Luthers durch Kurfürst Joachim von Brandenburg........................................... Päpstliche Schreiben an die Reichsstände . Zweites Auftreten des Nuntius : Das Schuld­ bekenntnis des Papstes Von der Planitz der Schildhalter Luthers . Verhaftung der Nürnberger Prediger gefordert Hans von Schwarzenbergs großer Erfolg . . . Die Antwort des Ausschusses an den Nuntius . Nürnberg schützt seine Prediger . Schwere Kämpfe im Ausschuß und Reichsregiment Die Ständeantwort an den Nuntius ein Sieg der Evangelischen .......................................................... Der Reichstagsabschied und das Mandat . Die Auswirkungen des Reichstags in Nürnberg Reformen daselbst; konservative Haltung des Rats Die Predigt des Evangeliums ist frei . . . Hans Sachs ein evangelischer Zeuge . Kapitel VI. Der Reichstag zu Nürnberg 1524. S. 127—162. Das vorsichtige Verhalten des Rates . Schleupner lebenslänglich angestellt............................. Der Vertreter der Kurie Kardinal Campeggi . Verlegung des Reichsregiments von Nürnberg nach Eßlingen ........................................................................ Vorstoß gegen Nürnberg und die Verteidigung Ankunft des Legaten in Nürnberg............................. Verhandlung Campeggis mit Scheurl . Erste Verhandlung des Legaten mit den Ständen und dem zu jenem verordneten Ausschuß Verstimmung gegen Legaten.................................... Die Gegner der Reformation in der Mehrheit . Stellungnahme der Reichsstädte.................................... Spenglers Gutachten . .................................................. Verhandlungen im ständischen Ausschuß Einspruch der evangelischen Fürsten und Städte gegen den Ausschußbeschluß . . . . . Erfolge des Legaten gegen die Evangelischen . Neuer Einspruch der Städte . . Der Ständebeschluß und der Einspruch des Legaten Proteste der Evangelischen gegen den Abschied . Sonderinstruktion des Papstes für den Legaten Das kaiserliche Mandat von Burgos . Unheilvolle Wirkung desselben.................................... Mobilmachung unter den Reichsständen zur Bekämpfung des Evangeliums.................................... Der Regensburger Konvent........................................... Scheinreformation......................................................... Evangelische Ratschläge.................................................. Anfänge zur Bekenntnisbildung.................................... Auswirkungen des Reichstags in Nürnberg . Die Stellungnahme des Rates zum kaiserlichen Mandat............................................................................... Spenglers Gutachten......................................................... Reformen der Nürnberger Pröpste............................ Die Botschaft des Rates in Regensburg und Bamberg . .................................... ...... • Die Vorladung nach Bamberg................................... Das Urteil des Bischofs.................................................. Spenglers Gutachten dazu . . . .

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Die Rechtfertigungschrift der Pröpste und deren Wirkung....................................................................... Reformen des Rates......................................................... Loslösung Nürnbergs vom Papsttum . Kapitel VII. Das Nürnberger Religions­ gespräch 1525. S. 163—182. Die Veranlassung zu dem Gespräch............................. Die Vorgänge im Karthäuserkloster . Blasius Stöckl ....................................................................... Die Vorarbeiten für das Gespräch............................. Die Stellungnahme der Klosterleute zu demselben . Die Verhandlungen im Rathaus.................................... Die führenden Persönlichkeiten.................................... Die 12 Artikel der Lehre........................................... Die erste Aussprache über dieselben . Der Rückzug der Klosterprediger............................. Ihre Wiederkehr und weitere Beteiligung . Ihre endgiltige Absage.................................................. Osianders nochmalige Besprechung und Begrün­ dung der 12 Artikel . .................................... Die Entscheidung des Rates und die darauf erfolg­ ten Anordnungen des Rates.................................... Der Erfolg des Religionsgesprächs............................. Kapitel VIII. Nürnberg im Bauernkrieg. S. 183 — 212. Soziale und wirtschaftliche Verhältnisse im Bauernstand................................................................ Ursachen des Aufstandes........................................... Vorbeugungsmaßnahmen des Nürnberger Rates Eingreifen des Schwäbischen Bundes .... Der Nürnberger Rat wünscht eine friedliche Ver­ ständigung .......................................... • . Beruhigungsversuche des Rates in seinem Gebiet . Maßnahmen des Rates zum Schutz der Stadt und der Klöster auf dem Land........................................... Gesandtschaft der Bauern aus dem Odenwald und Neckartal ....................................................................... Nürnbergs schwierige Lage............................ ....... Vorwürfe und Drohungen Würzburgs und der dortigen Bauern......................................................... Vermittlungsversuche des Rates in Bamberg . Wirtschaftliche Erleichterungen und soziale Maß­ nahmen des Rates im eigenen Gebiet .... Markgraf Kasimirs Maßnahmen für sein Gebiet und dessen Ansuchen um Nürnbergs Hilfe . Sorgenstimmung in Nürnberg.................................... Würzburgs Ansuchen um Nürnbergs Vermittlung . Der Tag zu Schweinfurt.................................................. Festhalten Nürnbergs an der Neutralität gegenüber dem Markgrafen......................................................... Bitte der Würzburger und Bamberger Bauern um Nürnbergs Vermittlung . . . . Das Blutgericht zu Würzburg.................................... Vermittlungsversuch des Rates in Bamberg und das Blutgericht daselbst........................................... Eintreten des Nürnberger Rates für Windsheim, Rothenburg, Dinkelsbühl und Weißenburg Des Rates Vorgehen gegen die am Aufstand betei­ ligten Untertanen......................................................... und seine Abwehr der Gegenreformation

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Kapitel IX. Die Aufhebung der Klöster und der Ausbau des äußeren Kir­ chenwesens. S. 213 — 229.

Seite

Was zur Aufhebung der Klöster drängte . . . 213 — 215 Niklas Katteisburgers und Johann von Schwarzen­ bergs Kampfschriften...................................... 215 Charitas Pirkheimer und das Klarakloster . . . 216 — 217 Die Augustiner übergeben ihr Kloster .... 217 Das Kloster zu Gründlach folgt............................ 217 — 218 Uebergabe des Karmeliterklosters................ 218 Die Karthäuser.................................................... 218 Das Schottenkloster............................................. 219 Die Dominikaner und Franziskaner bleiben . . . 219 Versuche des Rates bei den Frauenklöstern ver­ geblich .............................................................................. 220 Poliander und Schwanhäußer als Klosterprediger . 220 Widerstand bei St. Klara und Katharina . . . 221 Austritte bei St. Klara...................................... 221 Melanchthons Besuch...................................... 222 Bürgerrecht und Bürgerpflicht der Geistlichen . . 222 — 223 Verheiratung der Geistlichen....................... 224 Der Streit mit dem Deutschen Hof............................ 224 — 226 Obrigkeitsrecht über den Besitz auswärtiger Klöster in Nürnberg...................................... 226 Steuern der Geistlichen........................................................ 226 — 227 Das große Almosen und das Almosenamt . . . 227 Das Kirchenamt...................................................................... 227 — 228 Besoldung der Geistlichen.............................. 228' Verwendung der Pfründestiftungen...................................228 — 229 Kapitel X. Der innere Ausbau. S. 230 — 251. Gestaltung der „Messe“ im biblischen Sinn . . 230 Evangelische Gottesdienstordnung in allen Kirchen. Beschränkung der Feiertage. Hebung des sitt­ lichen Lebens.................................................... 231 Der Rat übernimmt die volle landeskirchliche Gewalt......................................................... 231 Verbesserung der Armenpflege....................... 232 Sorge für Erziehung und Bildung der Jugend . . 232 — 233 Die Melanchthonschule........................................................ 233 — 235 Wenzeslaus Linck............................................................... 235 — 236 Theologische und Erbauungsliteratur ... . 236 Der Kampf gegen die Zerrüttung des Ehewesens . 237 — 239 Einführung von Kirchenbüchern........................ 240 Ordnung des Beichtwesens................................................. 240 — 241 Kinderpredigten................................... 241 Der Streit mit dem Bischof von Bamberg . . . 242 — 246 Die Klage beim Schwäbischen Bund .... 246 Förderung der Seelsorge...................................... 247 Der Pfarrer von Kappel...................................... 247 Der Streit mit dem Bischof geht weiter . . . 248 Das Schadengeld und der kleine Zehnt . .. . 250 Der Tag zu Forchheim...................................... 250 Schlußwort............................................................ 25i Buchbesprechungen. S. 259 — 266. Quellen zur Handelsgeschichte der Stadt Nürnberg seit 1400............................................................................. 259 — 261 Deutschlands erste EisenbahnNürnberg — Fürth . 261 — 266

Vorwort. Der Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg bietet seinen Mitgliedern im vorliegenden Band 33 der Mitteilungen den ersten Teil der auf seinen Wunsch vom Verfasser Kirchen­ rat Adolf Engelhardt überlassenen Arbeit „Die Reformation in Nürnberg’'. Um die Schrift auf mehrfach geäußerten Wunsch auch weiteren Kreisen zugänglich zu machen, wird gleichzeitig eine Sonderausgabe im Buchhandel erscheinen. Bei dem Um­ stand, daß eine umfassende wissenschaftliche Darstellung der Nürnberger Reformationsgeschichte bisher gefehlt hat, glaubt der Verein den Freunden der Geschichte unserer Stadt mit der Veröffentlichung dieser Arbeit einen Dienst zu erweisen.

Nürnberg, die Stadt der Reichsparteitage März 1936

Der Vereinsführer Dr. W. Kraft

Die Reformation in Nürnberg i. Band

Von

Adolf Engelhardt.

Kapitel i.

Warum eine kirchliche Reformation notwendig war. Der Ruf nach einer Reformation der Kirche war in Deutschland bereits im 15. Jahrhundert laut geworden und seitdem nicht mehr verstummt. Von zwei verschiedenen Seiten war diese Forderung ausgegangen, von geistlicher theologischer, aber auch von weltlicher Seite. Stets aber hatte sich dieser Ruf und die durch ihn geweckte Bewegung vor allem gegen das Papsttum gerichtet mit dem Vorwurf, daß durch dessen Schuld die Kirche verweltlicht und so der ihr von Christus gegebenen Aufgabe entfremdet worden sei. Die auf eine Neugestaltung der Kirche gerichtete religiöse und dogmatische Bewegung war auf dem Konzil zu Kon­ stanz, welches Johann Hus als Ketzer verbrannte, noch ein­ mal unterdrückt worden. Dagegen schien es, als hätte das Konzil zu Basel die päpstlichen Mißbräuche, welche sich zur geistigen Bedrückung und materiellen Ausbeutung des deutschen Volkes so lang und unheilvoll ausgewirkt hatten, ausgetilgt. Dieses Konzil hatte unter entschiedener Beto­ nung, daß es über dem Papst stehe und dieser sich den Be­ schlüssen des Konzils zu fügen habe, vor allem eine Refor­ mation des Hauptes der Kirche, d. h. des Papsttums und des römischen Hofes durchgesetzt. Die Verleihung von kirch­ lichen Aemtern sollte allein nach den Bestimmungen des kanonischen Rechtes erfolgen. Alle die unsauberen Metho­ den und Bestimmungen, welche dem Pfründenschacher und der Bereicherung des Papstes und seiner Höflinge gedient und dem Wesen und Ansehen der Kirche den schlimmsten Schaden zugefügt hatten, waren damit abgeschafft und unter das Verbrechen der Simonie gestellt. Ebenso waren die bis­ herigen Eingriffe des päpstlichen Gerichts in die weltliche 1*

4 Rechtspflege abgetan. Aber dieser Erfolg erwies sich als nur vorübergehend. Das alte Unwesen riß wieder ein. Die Zustände wurden um so schlimmer, als inzwischen auch die Ausbeutung des Volkes durch den kirchlichen Ablaß ein das kirchliche Leben aufs schwerste schädigendes, unerträg­ liches Maß angenommen hatte. Als im n. Jahrhundert der Ablaß in der römischen Kirche eingeführt wurde, bestand derselbe nur in einem teil­ weisen Nachlaß von Bußstrafen, d. h. von Strafen, welche in der Beichte dem Beichtenden vom Priester als Buße aul­ erlegt worden waren. Als Bedingungen für solchen Nach­ laß galten neben aufrichtiger Reue bestimmte fromme Hand­ lungen, so z. B. der Besuch einer Kirche zu einer bestimm­ ten Zeit, die Verrichtung von Gebeten, eine Gabe für Arme oder eine Beisteuer zum Bau oder zur Ausschmückung einer Kirche. Ursprünglich war diese Einrichtung wohl als ein Erziehungsmittel der Seelsorge gedacht und mochte als solches auch eine gewisse Berechtigung haben, wenn auch gesagt werden muß, daß sie nicht biblisch begründet war, weil sie zur Lehre von der Versöhnung durch Christi Opfer­ tod nicht stimmte. Auch als Hilfsmittel der Kirche zur Er­ reichung kirchlicher Zwecke war sie wertvoll, besonders wo es sich um die Beschaffung von Mitteln zur Unter­ stützung Bedürftiger oder zum Bau einer Kirche handelte. In der Regel war es der Bischof, der solche Ablässe ge­ währte; aber auch die Kardinäle hatten dazu das Recht, vor allem aber der Papst. Mit der Zeit erfuhr der Ablaß eine wesentliche Erwei­ terung und damit auch eine zunehmende Entartung. Im 13. Iahrhundert wurde er auf die Erlassung der Sünden­ strafen überhaupt ausgedehnt. Nicht nur die vom Priester auf er legten Bußübungen, sondern auch die von Gott dem Sünder vorbehaltenen Strafen, sowohl im diesseitigen, als besonders auch im jenseitigen Leben konnten jetzt durch den Ablaß nachgelassen werden. Und wieviel schien das wert! Wohl hatte die Kirche durch ihre Vollmacht,, Sünden zu vergeben, für ihre gehorsamen Glieder die Hölle ver­ schlossen. Aber sie hatte dafür einen anderen Ort der Qual

s aufgetan: das Fegfeuer. Man hatte die Gläubigen gelehrt, im Bußsakrament würden nur die Sünden vergeben* mit welchen die Strafe ewiger Verdammnis verbunden sei; die zeitlichen Strafen aber müsse der Sünder, nachdem er durch die Absolution des Priesters mit Gott versöhnt sei, noch abbüßen durch Leistung der vom Priester ihm auferlegten Werke der Genugtuung; und was er davon im Leben nicht abgebüßt habe, müsse im Fegfeuer nachgeholt werden. Wer daher starb, bevor er für alle seine Sünden Genugtuung ge­ leistet hatte, war vom Fegfeuer bedroht. Dagegen konnte nur der Ablaß helfen! Wer das Glück und die Mittel hatte, einen ,,Vollablaß“ zu erringen, war vom Fegfeuer völlig be­ freit. Ein ,,Teilablaß“ von 40 oder 60 oder 100 Tagen kürzte die Qual desselben wenigstens um diese Zeiträume ab. Ein Bischof konnte einen Strafnachlaß von 40, ein Kardinal einen solchen von 100 Tagen gewähren. Papst Sixtus IV. ging noch weiter, indem er gesaftete, daß auch für bereits Verstorbene durch deren Hinterbliebene ein Ablaß ,,zur Erlassung der Strafe“ erworben werden konnte, so daß also der bekannte Reim Johann Tetzeis: ,,Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“, durchaus die Meinung dieses Papstes wiedergab. Im 15. Jahrhundert kam dazu noch die Einrichtung der „Beicht- und Ablaßbriefe.“ Diese gestatteten ihren Be­ sitzern, den erworbenen Ablaß, falls sie ihn nicht sofort ge­ brauchen wollten, für eine Zeit aufzubewahren, in welcher sie desselben bedurften. Einmal im Leben oder in der Todesstunde konnte man sich durch einen Priester den Ab­ laß erteilen lassen. Auch im religiösen Leben Nürnbergs wirkte sich dieses Ablaßwesen aus. Nach Dr. Martin Weigel1) be­ sitzt das Staatsarchiv Nürnberg 150 für Nürnberg ausgestellte Ablaßbriefe aus der Zeit von 1400 an, während aus der Zeit vor 1400 etwa die gleiche Zahl im Staatsarchiv zu München aufbewahrt ist. Von besonderer Bedeutung war der von Papst Martin V. be­ willigte Ablaß, welcher allen denen zugute kam, die alljähr­ lich in der Woche nach dem Sonntag Quasimodogeniti

6 an der üblichen „Heiltumsweisung“ und der dabei gehaltenen feierlichen Messe teilnahmen. Dieses „Heiltum“ bestand in einer Sammlung von Reliquien, welche mit den „Reichs­ kleinodien“ am 22. März 1424 von Prag nach Nürnberg ge­ bracht und der Reichsstadt zur Aufbewahrung „für ewige Zeiten“ anvertraut worden war. Der dabei gespendete Ablaß gewährte einen Nachlaß von Strafen auf 7 Jahre. Die Größe dieses Ablasses erhöhte natürlich die Feier, indem sie all­ jährlich eine sehr große Zahl von Fremden nach Nürnberg zog. Die Heiltumsweisung fand stets auf dem Hauptmarkt vom Schopper’schen Hause aus statt, an welchem ein be­ sonderes Gerüst dafür aufgerichtet war. Auch der Bischof von Bamberg hatte einen Ablaß von 40 Tagen für dieses Fest erteilt.2) Von gleicher Bedeutung für Nürnberg war der Ablaß, welchen derselbe Papst Martin V. 1425 aus Anlaß der Heiligsprechung des Heiligen Sebald für dessen Kirche er­ teilte. Dieser Ablaß sollte ebenfalls mit 7 Jahren allen denen zugute kommen, welche am 19. August, dem Fest dieses Heiligen, die Kirche zu St. Sebald besuchten. Diese Kirche verfügte auch über viele andere Ablässe. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts konnten diejenigen, welche alle dort gebotenen Gelegenheiten ausnützten, einen Ablaß von insgesamt 250 Iahren erwerben.3) Im Jahre 1436 kamen zwei Ablaßprediger als Gesandte des Konzils zu Basel nach Nürnberg. Sie wollten angeblich die Mittel aufbringen zur Wiedervereinigung der griechischen mit der römischen Kirche. Sie gaben vor, der Kaiser von Konstanfinopel wolle zur Herbeiführung dieser Vereinigung persönlich auf die Kirchenversammlung kommen, wenn ihm die Reisekosten vergütet würden. Dazu sollte der Ertrag des Ablasses dienen, den sie zu verkündigen hätten. Alle, die dazu Geld beisteuerten, sollten dadurch Vergebung der Sünden erlangen. Der Nürnberger Rat lehnte es jedoch ab, diesen Ablaß in der Stadt verkündigen zu lassen, da der Hussitenkrieg der Stadt viel Schaden gebracht habe. Er traute wohl auch der Sache nicht. Einer dieser Ge-

7 sandten kam im nächsten Jahre wieder mit der Bitte, Almosenstöcke in den Nürnberger Kirchen für jenen Zweck auf stellen zu dürfen. Man wies ihn ab unter Be­ rufung auf einen kaiserlichen Befehl, daß für diesen Zweck nichts gegeben werden solle. Schließlich gestattete der Rat in jeder Kirche einen Opferstock aufzustellen. Aber die Schlüssel zu den Stöcken wurden den Ratsherren Johann Rieter und Christian Imhof bis auf weiteren kaiserlichen Befehl in Verwahrung gegeben. Ob die Ablaßkrämer schließlich doch noch etwas von dem Ertrag erhielten, geht aus dem Bericht nicht hervor.4) Dieser Fall, wie auch die nachfolgenden, zeigen, daß nunmehr die Ablaßverkündigung zu einem reinen Finanz­ geschäft der Päpste geworden war. Man benützte dafür jetzt die sogenannten Jubeljahre. Solche Feiern wurden zuerst beim Beginn eines neuen Jahrhunderts veranstaltet. Dabei wurde allen denen, welche aus diesem Anlaß eine Pilgerreise nach Rom unternahmen und dort die vorge­ schriebenen frommen Leistungen vollbrachten, ein voll­ kommener Ablaß gewährt. Um die dadurch erzielten großen Einnahmen öfters zu haben, wiederholte man dann die Jubelfeiern alle 50, ja auch alle 25 Jahre. Auch das Jahr 1450 war ein solches Jubel- und Ablaßjahr. Der Ertrag desselben scheint gut gewesen zu sein. Darum entschloß man sich in Rom, im folgenden Jahre eine Nachjubelfeier zu veranstalten. Zu diesem Zweck schickte der Papst den Kardinallegaten Nikolaus von Kues nach Deutschland, der im Frühjahr 1451 auch nach Nürnberg kam und hier einen großen Ablaß verkündigte. Wer in diesen Tagen reuig beichtete, 7 Freitage fastete, an 7 Mittwochen kein Fleisch aßv an 24 Tagen die Kirchen St. Sebald, St. Lorenz, St. Egydien, St. Jakob und die Heiliggeistkirche besuchte und in jeder derselben 40 Vaterunser betete, 10 davon für alle gläubigen Seelen, 10 für die christliche Kirche und den Papst, 10 für den Kaiser und 10 für sich selbst wegen eigener Sünden, endlich wer die Hälfte des Geldes, das ihn eine Pilgerfahrt nach Rom gekostet hätte, in den Kirchen­ stock legte, sollte des gleichen Ablasses teilhaftig werden

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wie diejenigen, welche sich ihn im Vorjahr persönlich in Rom geholt hätten. Die Kirche stand damals auf der Höhe ihrer Macht und ihres Einflusses. Die Hussitengefahr trieb ihr das Volk in die Arme. Dazu war der Kardinallegat ein glän­ zender Redner. So war der Zudrang des Volkes sehr groß, und viel Geld mochte eingelegt worden sein. Ob freilich der Ertrag dieses Ablasses tatsächlich 30 000 Gulden betrug wie Waldau berichtet, erscheint doch fraglich.5) Im Jahr 1489 führte der Nürnberger Rat einen Erwei­ terungsbau des Neuen Spitals aus, indem er an zwei Stellen die Pegnitz überbaute. Zur teilweisen Deckung der Kosten suchte er um einen Ablaß nach, den Papst Innocenz VIII. auch bewilligte. Nach dem Abschluß des Ablaßgeschäftes erschienen zwei päpstliche Kommissäre in Nürnberg, um das angefallene Geld zu zählen und den ver­ einbarten Anteil des Papstes am Ertrag in * Empfang zu nehmen. Statt nun aber an den Rat dessen Anteil auszu­ händigen, nahmen die päpstlichen Kommissare den ganzen Ertrag von 4500 Gulden an sich und zogen damit ab! Nun schickte der Rat Dr. Letscher nach Rom und ließ den Papst ersuchen, den Anteil der Stadt herauszugeben. Als das abgelehnt wurde, bat Dr. Letscher, man möge für den Spitalbau und die Findel wenigstens 1500 Gulden geben. Aber auch das war vergeblich, und der Nürnberger Rat sah sich betrogen.6) Im folgenden Jahr kam wieder ein päpstlicher Jubel­ ablaß nach Nürnberg. Er wurde durch den Kardinal Raimund Peraudi verkündigt. Diesmal sollte der Ertrag einem«Kriegszug gegen die Türken zugut kommen. Die Feier begann mit einer großen Prozession von St. Sebald zur Spitalkirche. Dort war ein großes, rotes Kreuz aufge­ richtet, von dem zwei seidene Fahnen, mit dem päpstlichen Wappen geschmückt, herabhingen. Vor das Kreuz hatte man eine große, eiserne Kiste gestellt, in welche das Ab­ laßgeld eingelegt werden sollte. Aus beiden Pfarreien und aus den Klöstern der Stadt waren 43 Geistliche aufgeboten, welche dem zusammenströmenden Volk die Beichte abnah-

9 men. Jeden Abend, nach dem ,,Komplet“, dem Abendgottes­ dienst, fand eine Prozession zu jenem Kreuz statt, in welcher jedesmal eine Anzahl von Büßern mitgeführt wurde, die besondere Sünden begangen hatten. Als äußeres Zeichen ihrer Buße trugen sie die Gegenstände in den Hän­ den, mit denen sie gesündigt und Strafe verdient hatten: Schwerter, Spieße, Ruten, Fackeln u. dergl. Es sollen ins­ gesamt 530 solche Büßer vor das Kreuz geführt worden sein. Für einen Beichtbrief, in welchem den einzelnen die Absolution bestätigt wurde, mußten 70 Hellerz=1/4 Gulden bezahlt werden. Für solche Beichtbriefe wurden 2000 Gulden eingenommen. In die Ablaßkiste wurden 4500 Gulden eingelegt. Von dem Gesamtertrag verehrten die päpstlichen Kommissäre ,,aus großer Gnade“ dem Neuen Spital 500 und der I^indel 100 Gulden. Diese Beträge sollten wohl den großen Betrug wieder gut machen, den die päpstlichen Kommissare im Vorjahr an beiden Anstalten verübt hatten.7) Nach solchen mit den Ablaßpredigern gemachten Er­ fahrungen übte der Rat diesen Herren gegenüber größere Zurückhaltung. Er sah in ihrem Auftreten einen Eingriff in seine Hoheitsrechte und eine Ausbeutung seiner Bürger, die er nach Möglichkeit abzuwehren bemüht war. Als im Jahr 1516 wieder ein solcher namens Dr. Trigantinus in Nürnberg erschien, um einen päpstlichen Ablaß zugunsten des Heiliggeistspitals zu Rom zu vertreiben, prüfte der Rat die Ausweise desselben sehr genau, zumal da man allerlei Ungünstiges über sein Auftreten in Baiern gehört hatte. Seine Papiere stimmten auch nicht mit den Anweisungen des Bischofs. Auf Erkundigung durch den zurzeit in Augs­ burg weilenden Ratsherrn Leonhard Groland bei den kaiser­ lichen Räten, rieten diese, den Ablaß durch Tripontinus in der Stadt nicht verkündigen zu lassen. So wies der Rat, dem die Sache ,,mehr zur Verführung des - gemeinen, ein­ fältigen Volks, als zu einer genießlichen Förderung ihrer Seelen“ geeignet schien, den Mann mit einer Wegzehrung von 10 Gulden ab.8)

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Religiöse und dogmatische Bedenken hatte der Rat damals gegen den Ablaß noch nicht. Trug er doch kein Bedenken, bald darauf sich aufs neue für sein Spital um einen Ablaß zu bewerben, bei dessen Bewilligung allerdings die römische Kurie ihren Vorteil wohl zu wahren wußte, so daß für das Spital nur wenig herauskam.9) Auf die Spitze wurde das Ablaßunwesen durch Leo X. getrieben. Charakteristisch für diesen Papst ist ein Wort, das er am Tag seiner Wahl zu seinem Bruder sprach: „Wir wollen das Papsttum genießen, das uns Gott verliehen hat.“10) Es zeigt uns,, wie er sein hohes Amt auffaßte. Schwelgerei, Prunk und Verschwendung jeglicher Art trieb er auf den Höhepunkt. Dazu brauchte er viel Geld. Aber er verfügte auch über die nötige Finanzkunst, um seine leeren Kassen immer wieder zu füllen. So gelang es diesem Papst, das Laterankonzil noch kurz vor dessen Schluß dahin zu bringen, daß es ihm einen Zehnten von sämt­ lichen Kirchengütern der ganzen Christenheit bewilligte. Angeblich sollte der Ertrag dieses Zehnten zu einem noch gar nicht beschlossenen Türkenkrieg verwendet werden, was jedoch niemand glaubte, ioo ooo Livres von dem Ertrag schenkte er seinem Neffen.11) Aber dieser Beutezug genügte dem Papst nicht. Noch im gleichen Jahre schrieb er einen Ablaß für den Bau der Peterskirche aus. Der Papst hatte dem Kurfürsten und Erzbischof von Mainz gestattet, die Erzbistümer Mainz und Magdeburg mit dem Bistum Halberstadt in seiner Hand zu vereinigen. Für diese Genehmigung hatte der Erzbischof außer 14000 Dukaten Bestätigungsgebühren noch eine „Komposition“ von 10000 Dukaten an den Papst zu be­ zahlen. Die Fugger streckten ihm die Summe von 24 000 Dukaten vor. Seine Untertanen mußten dieselbe aufbringen. Dazu sollte der Peterskirchen-Ablaß herhalten. Man vereinbarte mit dem Erzbischof, dieser sollte den Ablaß in seinen drei Kirchenprovinzen so vertreiben, daß nach dem Abzug der Kosten die Hälfte des Ertrags ihm selbst zur Bezahlung seiner Schuld an den Papst, die andere Hälfte aber der Peterskirche zufalle. Der Unterkommissär des

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Erzbischofs, Johann Tetzel aus dem Dominikanerkloster zu Leipzig, wußte,, nach dem Zeugnis eines seiner Ordens­ brüder, ,,unerhörte Wege, Geld zu gewinnen“. Nach seiner Instruktion konnte er neben der Erlassung aller Sünden­ strafen auch vollkommene Vergebung aller Sünden ver­ sprechen. Auch ohne Reue konnte man sich einen Beicht­ brief kaufen, auf dessen Vorzeigung jeder frei gewählte Beichtvater einmal im Leben und in der Todesstunde dem Besitzer Generalabsolution erteilen mußte. Ebenso war der Ablaß für Tote zu haben. Aber neben dem Ablaßunwesen gab es noch andere Dinge, welche die Forderung einer Reformation begrün­ deten. Als der oben erwähnte Kardinal Nikolaus von Kues im Jahre 1451 nach Deutschland kam, hatte er außer der Verkündigung des Jubelablasses noch einen besonderen Auftrag: er sollte die deutsche Kirche einer Reformation unterziehen. An eine religiöse Reformation freilich dachte man dabei nicht. Nur die schädlichen Auswüchse, wie sie in den zahlreichen Mißbräuchen und in dem unchristlichen Wandel der hohen und niederen Geistlichen und in den Klöstern zutage traten, sollten abgetan werden. Als nun der Kardinal sein Werk beginnen wollte, stieß er auf heftigen Widerstand. In einem von einem Mainzer Kleriker verfaßten und dem Kardinal vor die Tür gelegten Schrift­ stück wurde ihm vorgehalten, eine nur in einzelnen Ge­ bieten vorgenommene Reformation habe keinen Sinn. Die ganze Kirche müsse reformiert werden durch ein allge­ meines Konzil und zwar an Haupt und Gliedern. Wenn das Haupt krank ist, sind es auch Glieder. Soll reformiert werden, so muß bei dem Papst und der römischen Kurie angefangen werden wegen der vielen Ausschreitungen und Uebertretungen, die durch den Papst und seine Kardinäle täglich begangen werden. Die abscheuliche Simonie beim Verkauf geistlicher Pfründen, die wie Schweine und Kühe auf dem Markt um Geld abgegeben werden, muß aufhören. Der Papst sinnt täglich in unersättlicher Begierde mit den Seinen, wie er nur alles Geld des deutschen Volkes in seinen Besitz bringe. Unzählige, denen er Aemter und

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Pfründen gegen hohe Summen versprochen hat, sind be­ trogen. Auch der römische Hof muß reformiert werden. Die Kardinale ziehen stolz und pomphaft mit einem Ge­ folge von 160 bis 170 Rossen in den Palast; ihre Diener­ schaft trägt buntseidene Kleider mit Gold und Silber ge­ ziert. Die Kardinäle haben ungeheure Einkünfte von zahl­ reichen Kirchen, Propsteien und Abteien. An der Kurie gibt es Bankiers und Wucherer, bei denen der Papst und die Kardinäle ihr Geld haben. Das schlimmste Gesindel, Kuppler und Dirnen, befinden sich unter der Dienerschaft der Kardinäle, und das duldet der Papst! Unter allerlei Vorwänden werden Ablässe verkauft, um den Deutschen die letzten Reste ihres .Vermögens zu nehmen: für die Be­ kehrung der Böhmen, für die Zurückführung der Griechen zur römischen Kirche,, für die Bekämpfung der Türken, aber nichts von dem allen geschieht und das Volk ist betrogen. Darum ist eine allgemeine Reformation nötig und beim Papst und der Kurie muß dieselbe beginnen!12) Aber nicht nur die niederen Kleriker traten mit solchen Forderungen auf. Nachdem die deutschen Fürsten, an ihrer Spitze die drei rheinischen geistlichen Kurfürsten, die Dekrete des Baseler Konzils angenommen und sich dadurch einigermaßen von Rom unabhängig gemacht hatten, waren auch sie auf die Seite der Opposition gegen die Kurie ge­ treten und sie blieben in dieser Stellung mehr oder weniger das ganze Jahrhundert hindurch. Die Beschwerden, welche die geistlichen Fürsten teils für sich, teils im Verein mit den weltlichen Fürsten gegen die Kurie erhoben, spielten von da an auf den Tagen derselben eine bedeutende Rolle. Als führende Persönlichkeit und als ebenso gewandter, als schneidiger Sprecher begegnet uns wiederholt in diesen Kämpfen der Nürnberger Gregor von Heimburg, der bis zu seinem Tod 1472 sich als tapferer, seinen Grundsätzen treuer Kämpfer gegen die Uebergriffe der Kurie bewährte. Freilich verstand es letztere trotz wiederholter, schwerer Niederlagen, ihre Machtstellung zu erhalten, oder sie doch immer wieder geltend zu machen. Die Ausbeutung des Volkes ging weiter, nicht bloß durch die Ablässe und

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Zehnten, sondern auch durch den Pfründenschacher, durch die Anwartschaften, Reservationen und andere Finanz­ künste, in denen man sich zu Rom überaus erfindungs­ reich bewies. Auch die „Annaten“ gehörten zu diesen. So nannte man den Geldbetrag, welchen jeder, dem ein geistliches Amt übertragen wurde, in der Höhe eines halben Jahresertrags seiner Pfründe beim Antritt seines Amtes an die Kurie zu zahlen hatte. Wohl um dieser Annaten willen hatte Nikolaus V. im Wiener Konkordat 1448 den deutschen Bischöfen die Hälfte ihrer Besetzungsrechte für geistliche Stellen entzogen und sich zugeeignet. Nun war es seit langer Zeit die allgemeine Klage, daß es mit der Besetzung kirchlicher Aemter keineswegs gewissen­ haft genommen werde, daß vielfach ungeeignete, ja unwür­ dige Persönlichkeiten selbst in hohe, verantwortungsreiche Aemter kamen, War doch noch Papst Adrian VI. veranlaßt, auf dem Reichstag zu Nürnberg 1523 durch seinen Nuntius den Reichsständen das Versprechen zu geben,, daß künftig keine Unwürdigen, keine Schauspieler und Stallknechte zu kirchlichen Aemtern zugelassen werden sollten! Auch in Nürnberg hatte man auf diesem Gebiete seine Erfahrungen gemacht. Wohl hatte der Rat bereits im Jahre 1388 durchgesetzt, daß Papst Urban VI. verfügte, es sollten die beiden Kirchen St. Sebald und St. Lorenz nur geeigneten Priestern, welche in Nürnberg wohnten und das Amt selbst verwalteten, verliehen und das Einkommen dieser Kirchen nur zur Besoldung der Pfarrer und ihrer Kapläne verwendet werden.13) Aber diese Verfügung wurde bald wieder vergessen und nicht beachtet. Auch nach dem Wiener Konkordat, durch welches die Besetzung der Pfarr­ stellen zum Teil in die Hände des Papstes selbst gelegt worden war, wurde es nicht besser. Um seine Gemeinden vor Schaden zu bewahren, suchte der Rat sich selbst einen maßgebenden Einfluß auf die Besetzung seiner Pfarreien zu sichern, indem er an den Papst Sixtus IV. das Gesuch richtete, dieser möge ihm das Präsentationsrecht für die beiden Nürnberger Pfarreien verleihen.14)

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Das Gesuch hatte Erfolg. Den Eingang der Bulle vom 31. Dezember 1474, durch welche Sixtus IV. dem Rat das erbetene Privileg erteilte, zeigt, daß der Papst die Beweg­ gründe,, welche der Rat für sein Gesuch ins Feld geführt hatte, durchaus würdigte, ja sich dieselben aneignete. Er erinnerte zunächst an die im Jahr 1388 von Urban VI. er­ lassene Verfügung, stellte aber fest, daß dieselbe ,,aus Schulden der bösen Zeit“ nicht beachtet worden sei. Die Bedeutung der beiden Nürnberger Pfarrkirchen, die man in Rom unter anderem auch darin erblickte, daß bei St. Sebald täglich 4 gesungene und 18 gelesene, bei St. Lorenz 3 ge­ sungene und 15 gelesene Messen zu vollziehen seien, mache es notwendig, daß beide Kirchen durch taugliche und würdige Personen regiert würden, daß die Pfarrvorstände ihrer Pfarrei auch persönlich vorstünden und darauf sähen, das die Erträgnisse des Stiftungsvermögens nicht für andere Zwecke, als wozu sie gestiftet seien, verwendet würden. Der Papst stellte nämlich weiterhin fest, daß bisher auch untaug­ liche Pfarrer und Regierer, und unwissende, ungelehrte Priester, ja auch solche, die überhaupt keine Priester waren, angestellt worden seien, daß die Pfarrvorstände zum Teil gar nicht in Nürnberg gewohnt und ihr Amt nicht selbst ver­ sehen, sondern sich darauf beschränkt hätten, die Einkünfte desselben zu genießen. Vielfach sei es zu ärgerlichen Streitigkeiten der Bewerber untereinander gekommen und ein böses Beispiel gegeben worden. Dadurch sei dem kirchlichen Amt und seinem Ansehen, wie auch der Ge­ meinde, viel Abbruch geschehen. Um nun solche Mißstände für die Zukunft unmöglich zu machen, verfügte der Papst, daß Bürgermeister und Rat berechtigt sein sollten, in allen Fällen der Erledigung einer der beiden Pfarrstellen in den päpstlichen Monaten (das waren die ungeraden: Januar, März, Mai usw.) solche Personen zu benennen, welche sie zu diesen wichtigen Aemtern für geeignet hielten und zu denen man sich ver­ sehen könne, daß sie ihr Amt persönlich und gewissenhaft verwalteten. Jedoch sollte innerhalb von 6 Monaten für den Pfarrer um eine ,,neue Provision“, d. h. um die Bestä-

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tigung durch den Papst nachgesucht werden, wofür der halbe Jahresertrag der Pfarrei an die päpstliche Kammer zu entrichten sei. Die Präsentation sollte bei dem Abt von St. Egydien erfolgen, welcher berechtigt sein sollte, den Gewählten in sein Amt einzuführen.15) Mit dem damit dem Nürnberger Rat verliehenen Privileg hatte der Papst nur seine eigenen Rechte an den Rat abge­ treten, während die nach dem Wiener Konkordat dem Bischof zustehenden Rechte völlig unangetastet blieben. Trotzdem war man in Bamberg mit dem Entgegenkommen des Papstes gegenüber dem Rat nicht einverstanden. Schon das offene Zugeständnis, daß bisher bei der Auswahl der Pfarrer Mißgriffe gemacht worden waren, was ja auch den Bischof traf, mußte diesen verstimmen; nicht weniger aber der Umstand, daß hier einer weltlichen Behörde Rechte ein­ geräumt wurden, welche eigentlich und ursprünglich dem Bischof zustanden, und die der Papst seinerzeit diesem ge­ nommen hatte. Es war auch vorauszusehen, daß der Rat sein Recht dazu benützen werde, nur solche Pfarrer an die beiden Kirchen zu bringen, die ihm ergeben waren und stets Hand in Hand mit ihm gingen. War der Rat schon immer darauf bedacht gewesen, sich vom Bischof auch in kirch­ licher Beziehung nach Möglichkeit unabhängig zu machen, so war zu erwarten, daß das neue Recht diesem Streben des Rates nur förderlich sein würde. Die Mißstimmung in Bamberg wuchs, als der Papst am 18. September 1477 auf Ansuchen des Rates die beiden Nürnberger Pfarreien zu Propsteien erhob, wo­ durch deren Vorstände mit dem Rechte der Jurisdiktion über die ihnen untergebenen Geistlichen ausgestattet wurden. Damit war wieder ein Teil der Rechte des Bischofs an die beiden Pröpste übergegangen., und das dem Rat verliehene Präsentationsrecht hatte noch ein weiteres Gewicht erhalten.16) Der offene Kampf begann jedoch erst im folgenden Jahr, als der Rat nach dem Tod des Propstes von St. Lorenz, Dr. Peter Knorr, zum erstenmal von seinem Präsentations­ recht Gebrauch machte. Knorr war im Februar, also in

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einem bischöflichen Monat, gestorben. Nun aber hatte der Verstorbene als Kleriker der päpstlichen Kammer und päpstlicher Kaplan ein besonderes päpstliches Ehrenamt be­ kleidet, und für solche Fälle hatte der Papst die Wieder­ besetzung auch in den bischöflichen Monaten sich selbst Vorbehalten. Darum konnte der Rat auf Grund der Bulle vom 31. Dezember 1474 auch in diesem Erledigungsfall das Präsentationsrecht für sich in Anspruch nehmen. Das tat er denn auch, indem er, noch bevor der Bischof vom Tod des Propstes etwas erfuhr, einen Nürnberger, den Kanzler des Erzbischofs von Mainz und Propst zu St. Maria daselbst Dr. Georg Pfinzing dem Abt von St. Egydien zum Propst von St. Lorenz präsentierte. Der Bischof, dem der Rat am folgenden Tag durch eine Gesandtschaft von der Präsentation und der bereits erfolgten Einsetzung des Gewählten Anzeige erstattete, protestierte gegen dieses Verfahren und erklärte, daß er das Besetzungsrecht in diesem Falle für sich in Anspruch nehme. Beide Teile be­ schwerten sich darauf bei dem Papst. Dieser aber bestätigte die Präsentation Pfinzings als zu Recht bestehend und er­ teilte diesem die ,,neue Provision“. 17) Nun aber starb Pfinzing am 10. Juni 1478 unerwartet zu Rom und damit war die Propstei aufs neue erledigt. Sofort nach dem Eintreffen der Nachricht von Pfinzings Tod entschloß sich der Rat, die Propstei dem Chorherrn, Dr. Lorenz Tücher, zu verleihen und tat sofort die nötigen Schritte zu Rom. Hier aber war bereits ein römischer Kardinal, Franz Piccolomini, als Bewerber für die Propstei aufgetreten. Dieser konnte sich auf die bei der Kurie geltendefi Kanzleiregeln berufen, nach denen jede deutsche kirchliche Pfründe, deren bisheriger Inhaber in Rom ge­ storben war, von einem der römischen Kardinäle, dem eine sogenannte Anwartschaft vom Papst verliehen war, in An­ spruch genommen werden konnte, natürlich ohne die Ver­ pflichtung, das Amt persönlich zu verwalten,, jedoch mit dem Recht, die Einkünfte desselben zu genießen. In diesem Falle konnte der Anspruch des Kardinals nur dadurch abgewehrt werden, daß der vom Rat präsentierte Dr. Lorenz

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Tücher sich verpflichtete, außer der Annate von 180 Gulden an den Papst noch die Hälfte seines Jahresgehalts, nämlich ioo Gulden jährlich, als „Pension“ an den Kardinal zu be­ zahlen. Diese Zahlung hörte erst nach 25 Jahren auf, als der Kardinal im Jahre 1503 Papst geworden war. Dazu kam, daß der Papst, obwohl er Tücher bereits die „neue Provision“ verliehen und dafür die Annate im Be­ trag von 180 Gulden erhalten hatte, sich nunmehr durch allerlei Umtriebe am päpstlichen Hof bewegen ließ, die Propstei noch einmal und zwar an seinen Geheimkämmerer Melchior von Meckau zu verleihen, nachdem auch dieser sich verpflichtet hatte, die entsprechende Annate an den Papst zu bezahlen. Nur dem entschiedenen Auftreten des Nürnberger Rates und Tuchers selbst, der seine Rechte per­ sönlich am päpstlichen Hof vertrat, war es zu danken, daß schließlich der Papst die Ernennung Meckaus zurücknahm und Tücher aufs neue bestätigte. Jedoch mußte dieser sich verpflichten, auch dem Pfründenjäger Melchior von Meckau eine jährliche „Pension“ von 100 Gulden zu bezahlen, so daß durch die beiden von ihm zu zahlenden Pensionen sein Einkommen nahezu völlig aufgezehrt war.18) Auch der Nachfolger Lorenz Tuchers, dessen Vetter Sixtus Tücher, auf welchen jener mit Zustimmung des Rates die Propstei im Jahr 1496 übertrug, konnte die Be­ stätigung des Papstes nur dadurch erhalten, daß er dem Kardinal Johannes Antonius, welchem der Papst widerrecht­ lich die Propstei versprochen hatte, die Hälfte seines Ein­ kommens als jährliche Pension zusicherte.19) Als so nach langen Kämpfen und Schwierigkeiten, die aus der an der Kurie herrschenden Mißwirtschaft der Pfründen­ jägerei entstanden waren, das Präsentationsrecht djes Rates in den päpstlichen Monaten endgültig sichergerstellt war, ging dieser daran, dieses Recht für alle Erledigungsfälle, auch für die dem Bischof zustehenden, zu gewinnen. Er erreichte das auch durch einen mit dem Bischof und dem Domkapitel am 22. September 1513 abgeschlossenen Ver­ trag. In diesem wurde dem Nürnberger Rat ein- für alle­ mal das Recht eingeräumt, auch in den bisher bischöflichen



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Monaten dem Bischof oder dessen Vikar eine taugliche Per­ son zu präsentieren, die dann vom Bischof oder dessen Vikar bestätigt werden sollte. Alle übrigen bischöflichen ordentlichen Rechte des Bischofs und des Domkapitels blieben durch den Vertrag unberührt. Dafür mußte der Rat dem Bischof und Domkapitel eine einmalige Abfindung von 1000 Gulden bezahlen. Ferner verpflichtete er sich, dafür zu sorgen, daß die jeweiligen Inhaber beider Propsteien an den Bischof und das Domkapitel eine jährliche Pension von je ioo Gulden und die noch besonders festgestzten Gebühren und Steuern bezahlten.20) Dieser Vertrag erhielt jedoch erst im November 1517 nach langen Verhandlungen die Bestätigung des Papstes.21) Da die jährlichen Abgaben an den Bischof und das Dom­ kapitel bis in das 19. Jahrhundert bezahlt wurden und bis zur endgültigen Sicherung des Rechtes nicht geringe Be­ träge an Gebühren, Reisekosten und ,,Handsalben“ er­ wuchsen, dürfen die Gesamtkosten, welche der Stadt und den Pröpsten aus der Erwerbung und Sicherung des Präsen­ tationsrechtes erwuchsen, auf mindestens 80 000 Gulden an­ geschlagen werden. Allerdings war das um diesen hohen Preis erworbene Recht für die Stadt sehr wertvoll, da es dem Rat die Mög­ lichkeit bot, stets Persönlichkeiten nach seinem Sinn an seine beiden Pfarrkirchen zu bringen. Insbesondere ermög­ lichte dieses Recht es dem Rat, in der Reformationszeit Männer von entschiedener, evangelischer Gesinnung als Pfarrvorstände zu berufen, welche ihm bei der Durchfüh­ rung der kirchlichen Reformation die besten Dienste leisteten. Als Kaiser Maximilian auf dem Reichstag zu Augsburg 1518 mit den päpstlichen Legaten dem vom Laterankonzi! dem Papst bewilligten, aber von den Deutschen abgelehnten Zehnten vom Klerus und den Zwanzigsten von den Welt­ lichen durchzusetzen sich bemühte und' dabei die Ver­ weigerer sogar mit dem päpstlichen Bann und der Reichs­ acht bedrohte, stieß er bei den Reichsständen auf heftigen Widerspruch. Zur Begründung dieses Widerspruchs ließen

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die Stände ihre Beschwerden gegen den römischen Stuhl zu­ sammenstellen. Einen wertvollen Beitrag dazu bildete ein damals erschienenes Flugblatt mit dem Titel ,,Oratio dissuasoria“, in welchem die deutschen Fürsten aufgefordert wurden, zur Wahrung ihrer Ehre und des gemeinen Nutzens gegen die römische Habsucht zusammenzustehen. Der Ver­ fasser bemerkte dazu: ,,Wären die Geldsummen, welche unter der Regierung Friedrichs III. und Maximilians für Pallien und andere Possen aus Deutschland geflossen sind, gesammelt worden, dann hätte man Geld genug zum Türkenkrieg“. Ferner hieß es in dem Flugblatt: ,,Die schlimmsten Sitten wurden, von Rom her in Deutschland eingeführt: Täuschen, Betrügen, Meineide leisten, Testamente unterschieben, göttliche und menschliche Dinge profa­ nieren, Streit und Prozesse anspinnen. Aus dem römischen Unflat ergoß sich diese scheußliche Flut über den Erdkreis.“ Weiter hieß es: ,,Den Türken wollt ihr schlagen? Ich billige euere Absicht, aber ich fürchte, ihr irrt auch im Namen. Sucht ihn nicht in Asien, sucht ihn in Italien. Gegen den asiatischen Türken kann jeder Fürst sich selbst wehren, den anderen aber zu bändigen reicht die ganze christliche Welt nicht aus. Diesen Höllenhund könnt ihr nur mit Strömen Goldes besänftigen. Gedenkt der deut­ schen Freiheit, werdet nicht tributpflichtig und zahlt keine Zehnten!“22) Als Verbreiter dieser Flugschrift wurde damals ein Würzburger Domherr Friedrich Fischer genannt! In der darauf erfolgten Zusammenstellung der ,,Be­ schwerden gegen den römischen Stuhl“ wurde gesagt: ,,Land und Leute deutscher Nation sind durch Aufruhr, Krieg, Verwüstung, Mißwachs, Teuerung und Mangel aufs Höchste beschwert und das Land überall verarmt und ent­ blößt. Da gedenkt dann der gemeine Mann, wie viel große* Summen Geldes aus jedem Fleckchen Deutschlands durch Verkündung des Cruciats (=Kreuzzüge) und der Indulgenzen (=Ablässe) zum Türkenkrieg zusammengebracht worden seien und daß bisher ein Zug nicht zustande gekom­ men. Kein Wunder, daß Mißtrauen ihn erfaßt und er seine !*

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weitere Mitwirkung versagt, daß er aufzählt, wie oft man Geld gegeben, daß er auf den Ursprung der Annaten, die anfangs bloß zum Kampf gegen die Türken bewilligt worden, hinweist und daß er fragt, wohin denn das Geld gekommen sei. Die Beschwerungen von der Kurie her werden immer drückender. Die Pfründen werden verkauft ohne Rücksicht auf die Konkordate und Landesrechte zur schmählichen Bereicherung aller jener Auditoren, Advo­ katen, Prokuratoren und anderen Offiziale. Die Annaten werden erhöht und ausgedehnt. Die neuen Aemter bei der Kurie steigern die Preise für die Konfirmation der Bischöfe und Erzbischöfe. Die ordentliche Kollation (=Verleihung von Aemtern) wird verhindert durch die Menge von An­ wartschaften, Reservationen, Kanzleiregeln.“23) Als Beispiel zu der hier unter anderem erhobenen Klage wegen Errichtung neuer Aemter diene folgendes: Als Leo X. bei seinen Kardinälen auf Widerstand gegen seine eigenmächtige Gewaltherrschaft stieß, beseitigte er nicht nur seine Gegner aus dem Kardinalskollegium — es waren gerade diejenigen, welche seine Wahl gefördert und durch­ gesetzt hatten —„ sondern er ernannte an einem Tage nicht weniger als 31 neue Kardinäle, durch welche er nun für alle Fälle die Mehrheit für sich hatte und so ohne Widerstand herrschen konnte. Nebenbei brachten ihm diese Ernen­ nungen eine Einnahme von 200 ooo> nach anderer Schätzung sogar 500000 Dukaten!24) Seine Finanzkunst bewährte er auch damit, daß er un­ zählige Dinge verbot, nur um sie gegen hohe Gebühren wieder von dem Verbot dispensieren zu können. Dafür gab er eine förmliche Preisliste heraus, in welcher die Ge­ bühren für alle möglichen Dispensationen verzeichnet waren. Dieses Finanzgebaren nannte ein römischer Kardinal „den schändlichsten Gewinn“ und „ein Handelsgeschäft, wo geist­ liche Güter und was zum Heil der Seelen ersonnen wird, verschachert werde.25) Wenige Tage nach der Uebergabe der oben erwähnten Beschwerden der Stände auf dem Reichstag lief eine Denk­ schrift des Bischofs Eberhard von Lüttich bei den Ständen

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ein, in welcher die Geldgier und die Verschwendungssucht des Papstes in den schärfsten Worten gegeißelt wurde. Diese Schrift schloß mit den Worten: ,,Bedenket selbst,, ihr Fürsten, wie weit durch den Raub und den Diebstahl der Pfründen Religion und Gottesdienst verhindert wird. Denn es erlangt selbst ein Eseltreiber, ja ein Lotterbub in Rom, was man sovielen trefflichen Männern in Deutschland ver­ sagt. Es sind nur dem Schein nach Hirten, die weder mit Worten noch Werken Christi Heerde weiden“. —,Jetzt, wo Du Kaiser, und Ihr, Stände, zu gemeinem Nutzen berat­ schlagt, ersuchet den Papst, daß er diese und andere Miß­ bräuche, womit man ein Buch füllen könnte, aus väterlicher Liebe und wachsamer Hirtentreue abschaffe.“26) Auch diese Schrift trug nicht wenig dazu bei, daß die Mißstimmung der versammelten Reichsstände gegen die Kurie und den Papst wuchs. Darum blieben die Stände fest und lehnten alle Forderungen des Kaisers ab. Sie sagten ihm, der Papst solle nur die Annatengelder in Deutschland lassen, dann habe man Geld genug für den Türkenkrieg. Der Reichstag schloß resultatlos. Bezüglich des Bischofs von Lüttich ist folgendes be­ merkenswert: Seit 1516 bemühte er sich um den Kardinals­ hut. Er hatte damals den späteren Nuntius Aleander des­ halb eigens nach Rom gesandt. Aber der Papst beeilte sich nicht, diesen Wunsch zu erfüllen. Seine Beschwerdeschrift wird wohl auch das ihre dazu beigetragen haben. Wohl setzte schließlich der Kaiser, der dem Bischof besonders ge­ wogen war, bei dem Papst die Wahl desselben zum Kar­ dinal durch. Aber auch jetzt vollzog der Papst die Ernen­ nung nicht. Erst als der Bischof, um wieder zu Gnaden an­ genommen zu werden, während des Reichstags zu Worms seine Schrift gegen den Papst abgeleugnet hatte, erhielt der Bischof den heißersehnten roten Hut.27) Aus Aleanders Depeschen geht übrigens hervor, daß der in den Beschwerden der deutschen Nation von 1518 so scharf gegeißelte Aemterschacher an der Kurie auch wäh rend des Reichstags zu Worms unentwegt weiter geübt wurde. Angesichts der wachsenden Zustimmung, welche

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Luther in seinem Kampf gegen Rom auch bei den Reichs­ ständen fand, die in ihm vielfach einen Bundesgenossen sahen,, schrieb zu jener Zeit Aleander an den päpstlichen Vizekanzler Julius von Medici: ,,Aber um Gotteswillen bitte ich mit allen guten Christen, daß man endlich die Neuerungen abstelle, als da sind die Vergleiche, Reser­ vationen, Dispensationen, Derogationen der deutschen Kon­ kordate. Man zügle die unersättlichen Inhaber zahlloser Pfründen, die auch die deutschen Benefizien alle an sich reißen möchten. Denn das deutsche Volk wirft die Dinge in einen Topf mit der Sache Luthers, und so erfahren wir in der Hauptsache, nämlich im katholischen Glauben, schwere Einbuße“.28) Die Beschwerden der Reichstände enthielten in einem besonderen Abschnitt auch Klagen über den deutschen Klerus. So wurde geklagt, daß die Geistlichen vielfach einen anstößigen Lebenswandel führten, sich an Schlägereien beteiligten und häufig auch im Konkubinat mit leicht­ fertigen Frauenspersonen lebten. Die Hauptaufgabe dieses Abschnittes aber bilden Schilderungen, wie die Geistlichen vom armen Volk Geld erpreßten. Von 43 Artikeln beschäf­ tigen sich nicht weniger als 17 damit. Wenn jeder der hier mitgeteilten Fälle auch nur einmal vorkam,, dann müssen auf diesem Gebiete unerträgliche Zustände geherrscht haben. Erbschleicherei war noch einer der harmloseren Wege. Vor allem wurde die Geistlichkeit beschuldigt, daß sie ihre kirch­ liche Autorität zu eigener Bereicherung benütze.29) Endlich enthalten die Beschwerden der Stände auch einen Abschnitt über die päpstliche Verwaltungspraxis. Hier wird unter anderem auch darauf hingewiesen, daß vielfach Prozesse, die vor das weltliche Gericht in Deutsch­ land gehörten, vor die geistlichen Gerichte, auch vor das päpstliche Gericht zu Rom gezogen und dort nicht nach dem Gesetz, sondern nach Willkür entschieden wurden.30) Aus den Nürnberger Rats- und Briefbüchern sehen wir, daß der Rat sich ziemlich häufig gegen Eingriffe des geist­ lichen Gerichts zu Bamberg in seine Gerichtsbarkeit zu wehren hatte. Aber auch Rom hatte das gegen die Nürn-

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berger wiederholt versucht. Einen besonders üblen Fall dieser Art erlebte Nürnberg noch im Anfang der kirch­ lichen Reformation. Im Juli 1519 wurde einer der ange­ sehensten Männer der Stadt, der Patrizier und Ratsherr Hieronymus Holzschuher und seine Ehefrau Dorothea geb. Müntzer vor das päpstliche Gericht zu Rom geladen, weil beide durch die dort wohnhaften Brüder Hieronymus und Leonhard Furtenbach der Erbschleicherei beschuldigt worden waren. Für den Rat, dessen Gerichtsbarkeit Holz­ schuher unterstand, war dieses Vorgehen der Kläger um so kränkender, als diese die Erhebung ihrer Anklage zu Rom mit der Behauptung begründeten, sie könnten bei dem Nürnberger Rat wegen des großen Ansehens Holzschuhers und seines Reichtums ihr Recht nicht finden. Hieronymus Furtenbach erschien mit einem päpstlichen Kommissar, einem Notar und mehreren Geistlichen in Nürnberg zum Verhör Holzschuhers und seiner Ehefrau*, denen die Kläger vorwarfen, sie hätten Holzschuhers Schwiegervater Ludwig Müntzer kurz vor dessen Tod veranlaßt, sein Testament, in welchem auch die Brüder Furtenbach bedacht gewesen seien, umzustoßen und Holzschuher und seine Ehefrau als Alleinerben einzusetzen. Der Rat sowohl als auch Holz­ schuher protestierten gegen die Ladung nach Rom und gegen das Verhör durch den päpstlichen Kommissar und verlangten ein deutsches Gericht, aber vergebens. Der Rat beauftragte seinen Syndikus Dr„ Wirt in Rom, bei dem Papst die Abweisung der Klage zu fordern. Nach längeren Verhandlungen gelang es im Juni 1520, den Papst von der Unrechtmäßigkeit des Verfahrens zu überzeugen, so daß dieser die Klage endlich abwies. Aber Johann Eck, der bekannte gehässige Gegner Luthers und der zu diesem sich haltenden Stadt Nürnberg, verstand es, die Wiederaufnahme des Prozesses in Rom durchzusetzen. Trotzdem mußte die Klage zum zweitenmal abgewiesen werden. Ueberdies hatten Holzschuher und seine Ehefrau den klaren Beweis für ihre Unschuld erbringen können. Immerhin hatte die Sache für Holzschuher viel Aerger und Kosten verursacht.31)

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Aber nicht nur die immer wieder versuchten Eingriffe kirchlicher Behörden in die weltliche Gerichtsbarkeit wurden als lästig, ja unerträglich empfunden, sondern auch die Tatsache, daß alle geistlichen Personen, die in den Klöstern, wie die Weltgeistlichen, ausschließlich den geistlichen Ge­ richten unterstellt waren, wirkte sich sehr übel aus. Viel­ fach blieben Verbrecher unbestraft, weil die Kirche sie schützte, während sie dem Zugriff der weltlichen Behörde entzogen waren. Auch die Nürnberger Rats- und Brief­ bücher enthalten viele solcher Fälle gerade aus jener Zeit. Auch die damaligen Rechtsverhältnisse auf kirchlichem Ge­ biet bedurften einer Reformation. Wenn man nun fragt, warum es bis dahin nicht ge­ lungen war, eine Reformation der Kirche zu erreichen, ob­ wohl ihre Notwendigkeit längst erkannt, obwohl sie immer wieder gefordert und auch versucht worden war, so lag die Schuld nicht nur an denen, die ein Interesse hatten, sie zu verhindern, sondern auch daran lag es, daß man nur die Mißbräuche, die Auswirkungen und Auswüchse eines falschen Systems bekämpfte, dieses selbst aber bestehen ließ. Eine erfolgreiche Reformation der Kirche war erst dann möglich, wenn man dem Uebel auf den Grund ging und vor allem eine religiöse Erneuerung suchte. Das war Luthers Tat am 31. Oktober 1517* Durch Luthers Thesen wurde dem verfälschten, kirchlichen System der religöse und dogmatische Grund und Boden entzogen. Das System samt seinen Auswirkungen und Mißbräuchen konnte über­ wunden werden. Der Weg war frei zur kirchlichen Refor­ mation!

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Kapitel II. Die Anfänge der Reformation in Nürnberg. In der Augustinerstraße, nahe bei St. Sebald da, wo jetzt das alte Justizgebäude steht, befand sich einst ein Augustinerkloster, von dem die Straße auch ihren Namen hat. Im Jahr 1265 gegründet, zählte dasselbe nach seiner in der Mitte des 15. Jahrhunderts durchgeführten Reforma­ tion zu den angesehensten, nicht nur in Nürnberg, sondern in ganz Deutschland. Durfte es sich doch seit jener Zeit stets ausgezeichneter Vorstände erfreuen, welche auf strenge Zucht und Ordnung hielten. In der Pflege der Wissen­ schaften stand dieses Kloster in Nürnberg obenan. Mit den Augustinern standen selbst die Vertreter der neuen Geistesrichtung, wie sie am Ausgang des Mittelalters im Humanismus auftrat, auf bestem Fuß, während die übrigen Männerklöster weniger geschätzt wurden. Als Seelsorger genossen die Augustiner besonderes Vertrauen. Die Predigt wurde bei ihnen besondes gepflegt. Dieses Kloster wurde nun auch der Ausgangspunkt und die erste Pflegestätte der auf die kirchliche Reformation gerichteten Bewegung in unserer Stadt. Es war kein ge­ ringerer, als der bekannte Generalvikar des Augustiner­ ordens für Deutschland, Johann von Staupitz, Luthers väterlicher Gönner und Berater, welcher zu dieser Be­ wegung den ersten Anstoß gab. Auf seinen Visitations­ reisen kam er öfters nach Nürnberg, das er besonders liebte, und jedesmal predigte er in der schönen Augustinerkirche zu St. Veit, und zwar so eindrucksvoll uncf anziehend, daß die Kirche die Zuhörer kaum zu fassen vermochte. Zumal die Gebildeten fühlten sich von ihm angezögen, und die

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regierenden Herren, wie die des Rates, saßen gerne zu seinen Füßen. Die Anziehungskraft seiner Predigten be­ stand darin, daß er mit diesen dem Bedürfnis und Sehnen der Zeit entgegen kam und die biblische Wahrheit schlicht und klar aus eigenem Erleben heraus, und darum zum Herzen sprechend, bezeugte. Schon im Herbst 1512 hatte Staupitz hier unter großem Zulauf gepredigt1). In der Adventszeit 1516 verweilte er längere Zeit dahier und seine Adventspredigten zogen wieder große Scharen von Zuhörern an. Einige Gedanken aus diesen Predigten, die er im Druck herausgab, seien hier mitgeteilt: „Unsere guten Werke sind nicht unser Verdienst. Gott ist es, der die Kraft dazu in uns wirkt.“ „Niemand kann einen guten Gedanken, Woi»t oder Werk haben, es sei denn Gott zuvor mit seiner Barmherzigkeit in ihm gewesen“. — Ueber die Werkheiligkeit und die Ablaßlehre jener Zeit sagt er: „Es ist nicht so, wie durch etliche dem einfältigen Volk öfter eingebildet wird: so der Mensch seine Sünden fleißig beichtet und sich dann der päpstlichen Indulgenz durch eine zeitliche Handreichung teilhaftig macht, daß er damit Vergebung der Sünden erlange. Denn der Klang des Guldens, der in die Geldkiste fällt, würde den Sünder seiner Sünden nicht entledigen, sondern dem allen muß vor­ nehmlich und zuvörderst ein recht reumütiges Herz voran­ gehen. Es ist auch ganz unzweifelig, daß der Mensch durch eine recht gegründete Reue auch ohne allen Ablaß Ver­ gebung seiner Missetat erlangen kann, aber unglaublich und ohne allen Grund, daß ein Mensch mit der höchsten päpst­ lichen Begnadigung, wo nicht zuvor eine wahre, herzliche Reue über seine Sünde mitläuft, Verzeihung derselben finden mag“. Solche Worte waren bis dahin nicht gehört worden. Sie mußten befreiend und beruhigend auf alle diejenigen wirken, welche durch die damaligen Lehren der Kirche be­ unruhigt waren und aus der Gewissensangst nicht heraus­ kommen konnten. Darum verstehen wir es, daß Staupitzens Predigten und Unterredungen begierig gehört und dankbar gerühmt wurden.

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Damals bildete sich ein edler Freundeskreis um den liebens­ würdigen und geistvollen Mann. Es waren die beiden Losunger Anton Tücher und Hieronymus Ebner, dann Kaspar Nützel, Hieronymus Holzschuher, Endres und Martin Tücher, Sigmund und Christoph Fürer, der Rechtskonsulent des Rates Dr. Christoph Scheurl, der Ratsschreiber Lazarus Spengler und Albrecht Dürer, die zu diesem Kreis ge­ hörten und als solche genannt sind. Im Augustinerkloster hielten sie ihre Zusammenkünfte. Da wurden die von Staupitz in seinen Predigten ausgesprochenen Gedanken besprochen und weiter ausgedeutet. Auch manches heitere Scherzwort weisen die von Spengler nachgeschriebenen Tischreden auf.2) Scheurl kann sich gar nicht genug tun, Staupitzens Darbietungen an diesen Abenden zu rühmen. Einen wahren Theologen nennt er ihn, einen Herold des Evangeliums, einen Schüler, ja, die Zunge des Apostels Paulus.3) Der Freundeskreis, der sich den Namen „Staupitzianer“ oder „Sodalitas Staupitziana“ gegeben hatte, bestand auch über die Zeit hinaus, in welcher Staupitz nach Nürnberg kam. Eine wertvolle Bereicherung und Förderung erfuhr derselbe, als Staupitz im Frühjahr 1517 Wenzeslaus Linck als Prediger zu den Augustinern nach Nürnberg versetzte. Linck war vorher Prediger und Prior des Augustinerklosters in Wittenberg und zugleich Professor an der Universität gewesen und mit Luther innig befreundet. Er war Dekan der theologischen Fakultät gewesen, als Luther bei der­ selben die theologische Doktorwürde erwarb. Linck wurde alsbald der geistige Mittelpunkt des Staupitzianerkreises, und auf ihn übertrug sich nun die ganze Verehrung, welche bisher Staupitz in diesem Kreis erfahren hatte. Er war fort­ an auch das lebendige Bindeglied zwischen Nürnberg und Wittenberg und trug viel dazu bei, daß Luthers theologische Gedanken immermehr daselbst bekannt wurden. Damals schlossen sich auch der Propst von St. Lorenz Georg Behaim und der spätere Propst von St. Sebald Georg Peßler, dem Staupitzianerkreise an, so daß nun auch die Geistlichkeit der Stadt in demselben vertreten war.

28 Mit Luther war der Nürnberger Kreis bereits am An­ fang des Jahres 1517 in unmittelbaren Verkehr getreten. Staupitz hatte dazu die Veranlassung gegeben, in dem er dem Kreise Luther als tüchtigen Theologen rühmte, welcher die Briefe des Apostels Paulus mit wunderbarem Talent auslege.4) Daraufhin bewarb sich Scheurl im Namen des Kreises um Luthers Freundschaft und schriftlichen Ver­ kehr.5) Luther lehnte zunächst ab, freilich nur aus Beschei­ denheit und, wie er meinte, zum Besten der Gesellschaft. Er litt gerade damals unter schweren Seelenkämpfen, da er glaubte, in seinem Leben nichts als Sünde sehen und sich selbst verabscheuen zu müssen. Mit solch einem Menschen, so meinte er, sollte niemand Freundschaft suchen. Scheurls Bitte erschien ihm zugleich als eine Versuchung, sich der Welt, der er doch absterben wollte, wieder zuzuwenden. Gegen diese Versuchung wollte er sich durch eine schroffe Abweisung schützen.6) Aber Scheurl machte einen neuen Versuch, der dann auch Erfolg hatte. Er dachte dabei nicht nur an sich und den Nürnberger Kreis. Es lag ihm auch daran, Luther und die Wittenberger Theologen mit dem Ingolstädter Professor Dr. Johann Eck in Verbindung zu bringen.7) Zu der von Scheurl gewünschten Freundschaft zwischen Eck und Luther kam es freilich nicht, wenn auch letzterer freundlich an Eck schrieb.8) Dieser war ein sehr begabter und gelehrter Mann,, der auch für humanistische Bestre­ bungen empfänglich war. Aber er war kein vornehmer Charakter, von maßlosem Ehrgeiz beherrscht und ein eif­ riger Pfründenjäger. In verschiedenen Disputationen hatte er den Nachweis zu liefern versucht, daß das bis dahin von der Kirche verbotene Zinsnehmen eine gottgewollte Sache sei. Die Folge dieser von den Fugger bezahlten Disputa­ tionen war, daß die Kaufleute sich vielfach rzum Wucher be­ rechtigt glaubten. In weiten, christlichen Kreisen war man darüber empört. Auch Scheurl äußerte sich damals sehr entrüstet über Eck. Aber wenige Wochen darauf besuchte er Eck in Ingolstadt und schloß mit ihm Freundschaft. Scheurl war eben bei aller beruflichen Tüchtigkeit, die er

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im Dienst seiner Vaterstadt vielfach bewährte, ein ehr­ geiziger Mann, dem es ein zwingendes Bedürfnis war, mit allen Persönlichkeiten von Ruf und Namen, insbesondere mit Gelehrten, persönliche Beziehungen anzuknüpfen. Den Schritt, der in seinen Auswirkungen Luther, ohne daß er daran gedacht hatte, schließlich zum Werk der kirch­ lichen Reformation führte, tat er bekanntlich mit dem An­ schlag der Thesen „über die Kraft des Ablasses“ am 31. Oktober 1517. Diese Thesen waren gegen den Ablaß ge­ richtet, welcher in diesem Jahr vom Papst Leo X. dem Kurfürsten und Erzbischof von Mainz bewilligt worden war, und'der nun durch den Dominikaner Johann Tetzel in schamloser Weise auch in den Grenzgebieten um Wittenberg vertrieben wurde. Luthers Thesen erregten überall großes Aufsehen. Auch in Nürnberg fanden sie allgemeinen Beifall.9) Der Witten­ berger Kanonikus Ulrich von Dinstadt hatte dem ihm be­ freundeten Scheurl eine Abschrift übersandt.10) Freilich erfaßte dieser ihre eigentliche Bedeutung damals nicht, wenn er auch eine erfreuliche, wissenschaftliche Leistung in ihnen sah. Wir sehen dies daraus,, daß Scheurl sie sofort nicht nur an den Prior Kilian Leib zu Rebdorf und Dr. Peutinger in Augsburg, sondern auch an seinen Freund Eck übersandte, in der Meinung, diesen damit eine Freude zu machen. Scheurl freute sich über die Thesen, weil durch dieselben die römische Habsucht und Beutelschneiderei be­ kämpft wurde; aber den religiösen Einspruch gegen das Ab­ laßunwesen, den die Thesen bedeuteten, erkannte er nicht.11) Dagegen erfaßte der Nürnberger Ratsherr Kaspar Nützel sofort ihre große, religiöse Bedeutung. Um sie auch den Nichtgelehrten zugänglich zu machen und ins Volk zu bringen, übersetze er sie in’s Deutsche.12) Zum besseren Verständnis der Thesen ließ der Augustinerprior Wolfgang Volprecht einen Sermon Luthers über den Ablaß drucken, wofür er allerdings vom Rat einen Verweis erhielt. Man wird das verstehen, auch wenn man sich der Tat des wackeren Priors freut. Mochten auch die meisten und an­ gesehensten Mitglieder des Rates persönlich Luthers Tat

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vom 31. Oktober freudig begrüßen, als Behörde mußte der Rat vorsichtig sein und Zurückhaltung üben. Das hat sich denn auch in der Folgezeit bewährt. Zur rechten Zeit hat der Rat bei wichtigen Entscheidungen, wie wir sehen werden, die nötige Entschiedenheit und Festigkeit bewiesen. Bei der Uebersendung der Thesen Luthers an Eck hatte Scheurl diesen um sein Urteil über dieselben gebeten, freilich ohne von jemand dazu veranlaßt worden zu sein.13) Eck antwortete unbestimmt, er wolle 10 Meilen täglich zu solcher Disputation reisen.14) Scheurl verstand das so, als wollte Eck zu einer Disputation kommen, um an Luthers Seite dessen Thesen zu verteidigen. Erst aus Briefen von Wittenberg erkannte er Ecks gegnerische Stellungnahme. Durch dessen Unaufrichtigkeit gekränkt, schrieb er längere Zeit nicht mehr an ihn. Schließlich bat er, Eck möge sich im Kampf gegen Luther wenigstens Mäßigung auferlegen. Das war nötig geworden; denn Eck hatte inzwischen auf Wunsch des Eichstätter Bischofs seine „obelisci“, d. h. An­ merkungen zu den Thesen geschrieben, in denen er Luther, den er doch kurz vorher noch seiner Freundschaft versichert hatte, in bösartiger Weise verleumdete. Daß von dieser ihm angeblich befreundeten Seite die ersten Angriffe erfolgten, berührte Luther sehr schmerzlich: ,,Wenn ich nicht die Schliche des Satans kennete, würde ich mich wundern, mit welch wüstem Eifer Eck eine eben erst geschlossene Freundschaft löst, ohne jede Warnung, ja ohne mich über­ haupt einer Zeile oder eines Abschiedsgrußes zu würdigen.“15) Auf das Drängen seiner Freunde erwiderte Luther diesen Angriff mit einer Gegenschrift, der er den Titel „asterisci“, d. h. „Sternchen“ gab. Wie Eck seine Schrift durch Linck an Luther hatte gelangen lassen, so tat dieser umgekehrt mit der seinen, so daß man auch in Nürnberg von Anfang an den entstehenden Kampf miterleben konnte. Scheurl hatte aus Ecks Schrift entnommen, daß dieser gar nicht erfaßt hatte, um was es sich für Luther eigentlich han­ delte. Er machte ihn darauf aufmerksam und bat ihn, er möchte die Verbindung mit Wittenberg nicht durch unüber-

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legte Bekämpfung Luthers mutwillig zerstören. Aber seine Versuche, zwischen beiden zu vermitteln, schlugen fehl.16) Auch Luther wäre bereit gewesen, das Seine zu tun, um den Frieden wiederherzustellen. Aber das war nicht mehr möglich, weil noch andere Gegner gegen Luther auftraten. Diese Angriffe nötigten ihn zu weiterem Studium der Heiligen Schrift, der Geschichte der Kirche und des Papst­ tums. Das aber führte ihn zu immer neuen Erkenntnissen, die ihm bestätigten, daß er auf dem rechten Wege war. Mit ihm wuchs auch das Kirchenvolk immer mehr in die bib­ lische und geschichtliche Wahrheit hinein. Denn Luthers Schriften, welche in dieser Zeit entstanden, wurden allent­ halben begierig aufgenommen, ganz besonders auch in Nürnberg, wo die Augustiner und der Staupitzianerkreis für die Verbreitung derselben tätig waren. Wenn Luther um jene Zeit in seinen ,.Resolutionen“17) den Satz schrieb: ,,Die Kirche bedarf einer Reformation“, so sprach er damit einen Gedanken aus, der als Sehnsucht in weiten Kreisen des deutschen Volkes lebte, und der bald darauf zu Augsburg auf dem Reichstag in den ,,Beschwerden der deutschen Nation gegen den römischen Hof und die Geistlichen“ auch ein offizielles Echo fand. Im Juni 1518 hatte sich der Papst nach längerem Zögern entschlossen, den Prozeß gegen Luther zu eröffnen, welchen sowohl der Erzbischof von Mainz, als auch Tetzel mit ihren Anklagen gefordert hatten. Luther wurde nach Rom vorgeladen, um sich vor dem Papste zu verantworten. Aber der Kurfürst Friedrich von Sachsen, Luthers Landes­ herr, setzte es durch, daß das Verhör dem damals in Augs­ burg beim Reichstag anwesenden päpstlichen Legaten, Kardinal Kajetan, übertragen wurde. Auch der Kaiser hatte sich dafür ausgesprochen.18) Das war der Anlaß, daß Luther in diesem Jahr auf dem Weg nach Augsburg nach Nürnberg kam. Am 5. Oktober traf er hier ein. Er stieg bei seinem Freunde Linck im Augustinerkloster ab. In die Oeffentlichkeit trat er während dieses Aufenthalts nicht; Aber er wurde von Linck in den Kreis der Staüpitzianer eingeführt. Alle freuten sich, den verehrten Mann nun auch

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persönlich kennen zu lernen. Nur Scheurl fehlte an diesem Abend. Gerade auf ihn mochte Luther besonders gerech­ net haben. Der Kurfürst Friedrich hatte nämlich den Nürnberger Rat gebeten, zu gestatten, daß Scheurl Luther nach Augsburg begleite, um ihm dort als Rechtsbeistand zu dienen. Aber Scheurl hatte am i. Oktober vom Rat den Auftrag erhalten, zu einem gerichtlichen Termin nach Aschaffenburg zu reisen. Der die Bitte des Kurfürsten ent­ haltende Brief Spalatins war erst nach Scheurls Abreise in Nürnberg eingetroffen, so daß es Scheurl unmöglich war, ihn zu begleiten.19) In Begleitung seines Freundes Linck, der ihn auch mit einer neuen Kutte ausstaffiert hatte, damit er vor dem Kar­ dinal würdig erscheine, wanderte Luther am folgenden Tag weiter nach Augsburg. Auch Staupitz war zu seinem Schutze daselbst erschienen. Im Karmeliterkloster bei St. Anna wohnte Luther als Gast des ihm von Wittenberg her befreundeten Priors Johann Frosch. Dort hatten auch kurz vorher die zum Reichstag verordneten Nürnberger, unter ihnen auch Lazarus Spengler, gewohnt. Die Verhandlungen des Kardinals mit Luther blieben bekanntlich ergebnislos, da jener, ohne den geringsten Ver­ such zu machen, Luther des Irrtums zu überführen, be­ dingungslosen Widerruf von ihm forderte. Schließlich hatte er Luther befohlen, ihm nicht mehr unter die Augen zu kommen, wenn er nicht widerrufen wolle. Dazu kamen dringende Warnungen seiner Freunde, die sich dann auch als wohlbegründet erwiesen, und die Luther veranlaßten, wieder abzurejsen. Nachdem er in einer notariellen Ur­ kunde andere Richter und ein rechtschaffenes Gericht an einem sicheren Ort gefordert hatte, ritt er in der Nacht vom 20. auf den 21. Oktober unter Mithilfe des Augs­ burger Rates durch ein für ihn geöffnetes Pförtchen aus der Stadt auf einem Pferd, das ihm Staupitz besorgt hatte. Er schied von Augsburg mit dem Eindruck völliger Verständ­ nislosigkeit für die zur Entscheidung stehende religiöse Frage bei dem Mann, der sein Richter sein sollte. Staupitz und Linck, die beide warm für Luther eingetreten waren

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und dadurch den Zorn des Legaten auf sich geladen hatten, waren schon vorher abgereist. Am 23. Oktober kam Luther wieder nach Nürnberg. Wieder versammelten sich die Freunde um ihn, sehr besorgt um sein weiteres Schicksal unter dem Eindruck des Be­ richts, den Staupitz und Linck über die Behandlung Luthers durch den Kardinal erstattet hatten und den Luther nun bestätigte. So entrüstet man in Nürnberg über den Kardinal und die Römischen überhaupt war, die Verehrung für Luther wuchs nur noch mehr. Das können wir aus den Briefen entnehmen, welche Scheurl in diesen Tagen an seine Freunde in Sachsen schrieb, in denen er jetzt den Nürnberger Kreis Luther zu Ehren als „Martinianer“ bezeichnete. Von Pirkheimer wurde Luther in diesen Tagen zu Tisch geladen. Nach einem sehr scharfen Breve des Papstes, von welchem Luther während dieses Aufenthalts in Nürnberg Kenntnis erhalten hatte, glaubte man im Kreise seiner Freunde, daß nun in absehbarer Zeit der vernichtende Schlag gegen Luther und seine Anhänger geführt werden würde. Aber der Prozeß gegen Luther sollte noch einmal einen Aufschub erleiden. In Rom hatte man die Nachricht erhalten, daß der alte Kaiser schwer erkrankt sei. Daraufhin begann der Papst einzulenken. Starb der Kaiser, dann stand die Wahl eines neuen Kaisers in Aussicht. Diese trat nun für den Papst in den Vordergrund seiner Interessen, und die kirchliche Frage trat zurück. Schon jetzt trat der Enkel des Kaisers, der junge König Karl von Spanien, als Bewerber um die Kaiserkrone auf. Als zweiter Bewerber stand gegen ihn der König Franz von Frankreich. Für den Papst kam keiner von beiden in Betracht. Ihm mußte viel daran liegen, den einflußreichsten Fürsten Deutsch­ lands, den Kurfürsten Friedrich von Sachsen dafür zu ge­ winnen. Dazu sandte er seinen Kammerherrn, Karl von Miltitz,, nach Deutschland, um dem Kurfürsten die geweihte goldene Rose und andere päpstliche Gnaden zu, überbringen.

34 Als man in Nürnberg davon hörte, befürchtete man für Luther das Schlimmste. Man glaubte in dieser Sendung den Versuch des Papstes sehen zu müssen, den Kurfürsten von Luther und seiner Sache zu trennen. Scheurl sprach die Befürchtung aus, der Kurfürst werde Luther, ,,den Herold der Wahrheit, die Posaune des Evangeliums, den Prediger des einen Christus“ preisgeben.20) Aber diese Annahme traf nicht zu. Neben seinem Auftrag an den Kur­ fürsten hatte sich Miltitz vorgenommen, auf eigene Faust mit Luther zu verhandeln, um womöglich eine Verstän­ digung mit ihm herbeizuführen. Zur Mitwirkung dabei suchte er in Nürnberg, wohin er am 18. Dezember 1518 ge­ kommen war, den ihm von früher her bekannten Scheurl auf. Zwei Tage lang, bis in die tiefe Nacht hinein, ver­ handelte er mit diesem. Er erzählte ihm, der Papst sei mit Tetzeis Ablaßpredigt keineswegs zufrieden. Man wolle in Güte mit Luther verhandeln; wenn dieser widerrufe, könne man ihm ein Bistum oder eine andere Würde über­ tragen. Das möge Scheurl an Luther schreiben und ihm empfehlen, einen ,,ehrenhaften Mittelweg“ zu suchen. In der Tat schrieb Scheurl am folgenden Tag an Luther in diesem Sinn. Der Brief enthält unter anderem folgende Sätze: ,,Dein Gewissen treibt Dich, mehr der Heiligen Schrift, als dem Papst zu gehorchen. Aber Vielen scheint es dem Papst gegeben zu sein, die Schrift zu erklären. Wenn die Fürsten Dir fehlen, was willst Du ausrichten? Was Du kannst, hast Du hinreichend gezeigt. Rom fürchtet Dich. Immer war es die Sache des Weisen, sich in die Zeit zu schicken; das Uebrige muß man für eine günstigere Zeit aufheben. Mir gefällt jenes: Löblicher ist es, mit Gewinn nachzugeben, als mit Schaden besiegt zu werden.“21) Wie Scheurl diese Lockungen meinte und offenbar auch von Luther verstanden wissen wollte, sagt er noch deutlicher in einem Brief an Staupitz vom 23. Dezember, wo er ebenfalls von reichen päpstlichen Gnaden als Beloh­ nung, aber auch von schwersten Strafen spricht und hin­ zufügt: ,,Hier der Himmel, hier die Hölle — wenn Martin

35 nicht zur Vernunft kommen sollte“.22) Luther antwortete, er erkenne sein gutes Herz dankbar an; auch er wünsche*, daß der Streit in Güte beigelegt werde und er aus de» vielen Aufregungen herauskomme. Aber er zweifle an de»> ehrlichen Absichten seiner Gegner; ja er fürchte, daß de* Streit nur wachsen werde. Er schloß mit den Worten?« „Gottes Wille geschehe! Wirf Deine Sorgen um mich auf* ihn, dann brauchst Du Dich um mich nicht mehr zt> ängstigen“.23) Von Nürnberg reiste Miltitz nach Sachsen, wo er mit Luther in Altenburg in Spalatins Wohnung zusammenträf und in Gegenwart der kurfürstlichen Räte mit ihm ver^. handelte. Es kam dahin, daß Luther versprach, den Streik seinerseits nicht fortzusetzen, freilich unter der Bedingung, daß seine Gegner auch schwiegen. Ferner versprach er, de». Papst seines Gehorsams zu versichern. Dagegen wurde ihm ein unparteiisches Schiedsgericht über seine Sache in Aus^* sicht gestellt, welches in der Tat dem Landesherrn Luthers und dem Erzbischof von Trier in der Folge übertragen wurde. Wir müssen hier noch einmal auf Scheurl zurückkom­ men. Mit seinen letzen Ratschlägen an Luther hatte sicfh Scheurl selbst gekennzeichnet. Ihm stand die Guns4 der Fürsten und anderer Größen höher, als die Wahr­ heit. Sein Ehrgeiz, sein Bedürfnis, allen angenehm zu sein* machte es ihm auch unmöglich, in der religiösen Frage einen klaren Standpunkt zu gewinnen, so sehr er sich auch anfangs für Luther begeisterte. Diese Unentschiedenheit machte ihn dann auf beiden Seiten verdächtig. Die Witten­ berger fingen an, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln*. Andrerseits beschuldigte ihn Eck der Hinneigung zu denLutheranern. Beiden gegenüber suchte er sich mit gewun­ denen Redensarten und der wiederholten Versicherung, daf| er beider Freund sein und bleiben wolle, zu verteidigen.24) ~ Scheurl wollte jetzt nur noch „das Amt eines Wechslers ver­ sehen, der ihre Worte hin und her sendet“. Es ist auch schwer zu verstehen, daß Scheurl es fertig brachte, den Kardinal Kajetan, als dieser am 25. Februar 8*

36 i£ij9.naqh Nürnberg kam, mit einer begeisterten Rede zu empfangen und ihm die größten Schmeicheleien zu sagen, wiewohl er sich. Ende Oktober mit größter Entrüstung über Riesen Mann ausgesprochen und erst kurz zuvor in einem Brief an Spalatin Kajetans Verhalten gegen Luther als „Ge­ meinheit und Frevel am Heiligsten“ bezeichnet hatte.25) Ueber

den

Ausgang

der

Verhandlungen

Miltitz und Luther war Scheurl hoch erfreut.

zwischen

Nun schien

ja der Friede, den er so sehnlich gewünscht hatte, gesichert zu sein.

Aber gerade sein Freund Eck war es,

der

den

Frieden wieder aufhob. In den Streit zwischen Eck und Luther hatte gegen des letzteren Willen auch Professor Karlstadt von Wittenberg eingegriffen,

indem er gegen

Eck Thesen aufstellte, die er diesem gegenüber verteidigen wollte.

Das führte zu einer Disputation zwischen Eck und

Kapstadt, mit der auch Luther einverstanden war und über deren Anberaumung nach Leipzig oder Erfurt dieser sich in Augsburg persönlich mit Eck geeinigt hatte.26) aber teilte Scheurl seinem Freunde Eck am 22.

Nun

Dezember

mit, daß Miltitz auf dem Weg nach Sachsen sei, um zwischen dtem Papst und. Luther Frieden zu machen.27) Wir erinnern Uns jedoch, daß Eck, seitdem ihm Luthers Thesen über den Ablaß bekannt geworden waren,

sich

mit

dem

heißen

Wunsch trug, mit Luther über dieselben disputieren zu können.

Darum veröffentlichte er sofort auf Scheurls Mit­

teilung von Miltitz* Absicht seine für die Disputation be­ stimmten Thesen. Diese hatte er aber so gefaßt, daß jeder Sachkundige erkennen mußte, dieselben seien nur scheinbar gegen Karlstadt, in Wirklichkeit aber gegen Luther gerich­ tet, mit der Absicht, auch diesen in die Disputation hinein­ zuziehen.

Luther war nämlich durch seine geschichtlichen

Studien, z:u denen ihn der Ablaßstreit genötigt hatte, zu der Feststellung gekommen, daß der Primat

des

Papstes

sich

lediglich aus den päpstlichen Dekretalen der letzten vier Jahrhunderte begründen lasse und die beglaubigte Ge­ schichte von xioo Jahren,

die

Nizänisehe Konzil gegen sich

Heilige habe.

Schrift Diese

und

das

Feststellung

Luthers ließ Eck nicht ruhen. Sein Ehrgeiz drängte ihn, sich

37 auch mit Luther zu messen. ^Nur dadurch sollte Friede wenden, daß er diesen Gegner überwand. Darum faßte er seine Thesen so, daß Luther Sich durch dieselben heraus­ gefordert sehen mußte! 1 Wohl bat diesen Scheurl, er möge sich auf Ecki Herausforderung nicht einlassen. Auch Eck suchte er mit freundschaftlichen Bitten und scharfem Tadel von der Dis­ putation abzubringen. Aber bei diesem fruchtete nichts. Zu* dem forderte es Luthers wissenschaftliche Ehre, daß er dih Herausforderung ännahm. Freilich zeigte Seheuri gerade in dem, was er jetzt über Luther schrieb, wie wenig er eigentlich dessen Gedanken und die von ihm geweckte Be­ wegung in ihrem Kern und Wesen verstanden hatte. So schreibt er: ,,Nach meinem Urteil erfährt (durch Lutheri der christliche Glaube keinerlei Abänderung; nur die Lehr* methode wird verbessert, Sophismen, die Aristotelischen Verschleierungen der biblischen Wahrheit, die ganz unnütz sind, werden ausgetrieben. Während diese die Lehre de$ Paulus so verdunkelt haben, daß der Apostel sie selbst nicht mehr erkannt hätte, werden jetzt die Kirchenväter, die wahren Theologen aus der Verbannung zurückgerufen, ge­ lesen, gelehrt, gepredigt; keine Lehre hat mehr ihr alteä Gewand, alles wird erneuert und verbessert.28) *■ Daß Eck alle seine Bitten und Mahnungen unbeachtet ließ, nahm Scheurl übel. Aber auch mit Luther War er nicht zufrieden. Als dieser ihm am 20. Februar seine Theseri gegen Eck übersandt und dazu geschrieben hatte, Cr freue sich, daß Eck ihm nun seine wahre Gesinnung gezeigt habe: nun aber wolle er gründlich mit ihm und der römischen Anmaßung abrechnen, nahm Scheurl an der 13. These, iti der Luther behauptete, daß der Primat des Papstes erst 40Ö Jahre alt sei, großen Anstoß. Mit Bezug darauf schrieb et an Johann Doltzig: „Unser Martinus ist bei den Deutschen zu solcher Höhe unsterblichen Ruhmes emporgestiegen, daÖ er glaubt, sich jeden Irrweg erlauben zu dürfen — wenn e£ überhaupt noch irren kann!“29) Wohl glaubte Scheurl auch jetzt noch an die Möglichkeit einer Vermittlung.80) Aber als auch diese Tloffnufi£

3« zerrann und er sich schließlich zwischen Eck und Luther entscheiden mußte, wählte er Eck. Beweis dafür ist, daß er diesen bat, auf seiner Reise zur Disputation in seinem Hause abzusteigen, und daß er ihn zu seiner Hochzeit einlud. Scheurl zog sich von da an von der reformatorischen Bewegung mehr und mehr zurück. In der Disputation zu Leipzig wurde Luther bekannt­ lich durch Eck dahin gedrängt, nicht nur das Recht und die Autorität des päpstlichen Primats, sondern auch die Autori­ tät des Konzils von Konstanz zu bestreiten. Damit hatte er die beiden höchsten bisher in Geltung gewesenen In­ stanzen für Glaubensfragen öffentlich abgelehnt. Das mochte, wie überall, so auch in Nürnberg Aufsehen erregt haben. Aber die Sympathien waren nicht aufseiten Ecks, der in Nürnberg als überaus eitel und hochfahrend, als Schürzenjäger und Gewohnheitesäufer bekannt war und zu­ dem als ,sophistischer Schwätzer“ galt. Dagegen bewuderte man Luthers Mut und Kühnheit, umsomehr, als er seine Erkenntnisse in der Folge immer klarer herausarbeitete und tapfer verteidigte. Gegen Ende des Jahres 1519 erwuchs für Luther auch in Nürnberg selbst ein Verteidiger in dem Ratsschreiber Lazarus Spengler. Diesem war es klar und gewiß gewor­ den, daß eine Erneuerung der Kirche nötig und daß Luther der Mann sei, der den Weg dazu zeigte. Darum glaubte er für Luther eintreten zu müssen. Er tat das in einer Schrift, welche den Titel trug: ,,Schutzred und christenliche Antwort eines ehrbaren Liebhabers göttlicher Wahrheit der Heiligen Schrift auf etlicher vermeint Widersprechen. Mit An­ zeigung, warum Dr. Martin Luthers Lehr nit als unchristenlich verworfen, sondern mehr für christenlich gehalten werden soll.“ Spengler hatte diese Schrift nicht für die allgemeine Oeffentlichkeit bestimmt, sondern nur seinen nächsten 'Freunden handschriftlich mitgeteilt. Aber sie wurde ohne sein Vorwissen gedruckt.31) Wahrscheinlich war es der Canonikus Bernhard Adelmann in Augsburg, der das ver­ anlaßt hatte. Diese Schrift bildet das erste öffentliche

39 Zeugnis für die evangelische Wahrheit in Nürnberg und gehört zu dem Schönsten und Besten, das die erste Zeit der Reformation überhaupt hervorgebracht hat. Aus jeder Zeile spricht hier die warme und tapfere Glaubensüberzeugung einer religiös und sittlich tief angelegten Persönlichkeit, der es mit der Sache, die sie vertritt, voller Ernst ist. Sechs hauptsächliche Gründe sind es, welche Spengler in der Schutzred als für Luther sprechend anführt. Vor allem erscheint ihm wichtig, daß sich Luthers Lehre ganz und gar auf die Heilige Schrift und besonders auf die Lehre Christi gründet, so daß, wer Luthers Lehre bekämpft, sich mit Christi Lehre in Widerspruch setzt. Luther hat auch das Recht, die Schrift auszulegen, sogut wie diejenigen, die sie bisher entstellt haben. Aber Luthers Lehre stimmt nicht nur mit der Heiligen Schrift überein, sie stimmt auch zu unserer menschlichen Veranlagung und zu unseren Bedürf­ nissen, wie zur menschlichen Vernunft. Spengler betont, daß ihm noch keine Lehre so stark in seine Vernunft ein­ gegangen sei, wie Luthers Lehre. Die ,,Märleinprediger“ haben dem Volk das Gewissen unruhig gemacht, indem sie dasselbe gelehrt haben, sich auf Fasten, Rosenkranzbeten, Wallfahrten und dergleichen zu verlassen, aber nicht auf Gottes Gnade. Weil nun Luther dagegen auftritt, schreit man ihn als einen Feind der Kirche aus. Was ferner für Luther spricht und einnimmt, ist die Tatsache, daß dieser im Gegensatz zu den Ablaßpredigern Christus und nicht den eigenen Vorteil sucht. Luther hat durch sein Auftreten sich selbst, seinem Orden und seinen Freunden nur Nachteil geschaffen. Trotzdem läßt er nicht ab, sein Ziel zu verfolgen. Luther habe ihm selbst gesagt — wahrscheinlich bei seinem Aufenthalt in Nürnberg auf der Rückreise von Augsburg — wenn seine Lehre von Gott sei, werde dieser sie handhaben und schützen, sei sie aber Menschenwerk, so werde sie mit der Zeit selbst zu Trüm­ mern gehen. Weiter hat Luthers Lehre die Gewissen beruhigt und von Skrupeln befreit, während durch die Lehren der bis­ herigen Prediger die Menschen mehr geängstfgt, als ge-

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tröstet, mehr in Verzweiflung als in Erquickung, mehr in übermäßige Furcht, als in Vertrauen zu Gott geführt worden sind. Man sage nicht, Luther hätte seine Lehre nicht in die Oeffentlichkeit bringen, sondern den Gelehrten zur Be­ urteilung vorlegen sollen. Ist seine Lehre wahr und gött­ lich, dann gehört sie vor alle Menschen. Luther hat aber das Recht und die Pflicht gehabt, gerade jetzt die wahre, christliche Lehre nicht zu verschweigen, wo Tetzel das arme Volk durch seinen Ablaßhandel verführt hat. Als Prediger und Doktor durfte er dazu nicht schweigen! Endlich hat sich Luther schriftlich und mündlich er­ boten, von seiner Meinung abzustehen, wenn er des Irrtums überführt wende. Das ist ein christliches Gemüt und ein tapferes Erbieten. Obwohl aber etliche Theologen gegen Luther aufgetreten sind, haben sie wenig Ehre und Sieg davongetragen. Spengler gibt zum Schluß auch der Meinung Ausdruck, daß viele unter den Gegnern Luthers es bei sich selbst anders wüßten, als sie gegen Luther schrieben und redeten und daß sie ihr ,,Geplärr“ nur aus Neid und Eigen­ nutz laut weiden ließen, um billigen Ruhm zu ernten.32) Aus einem Brief Bernhard Adelmanns an Pirkheimer vom i. Januar 1520 wissen wir, daß Eck über diese Schrift, die er in seiner Eitelkeit als gegen sich persönlich gerichtet ansah, sehr erbost war. In einer Frühstücksgesellschaft prahlte er, schon ziemlich angetrunken, ein Nürnberger habe gegen ihn eine Schrift drucken lassen; er könne aber, ehe er eine Maß geleert habe, eine weit elegantere Antwort schreiben und werde das auch bestimmt tun.33) Wir werden hören, wie er sich an Spengler gerächt hat! In kurzer 'Zeit war diese Schrift Spenglers in ganz Deutschland verbreitet. In Augsburg, wo sie zuerst er­ schienen war, folgte eine zweite Auflage. In Wittenberg und Leipzig wurde sie nachgedruckt. Durch die Angriffe, welche Spengler durch die Gegner erfuhr, sah dieser sich veranlaßt, seine Schrift durch umfangreiche, der Vertei­ digung dienende Zusätze zu erweitern. Aber der ängstlich gewordene'Rat verhinderte den Druck dieser Erweiterung. Er glaubte Vorsicht üben zu müssen, damit der Streit nicht

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ausarte und dem Rat und der Stadt nicht Schwierigkeiten entstünden. Diese Gefahr schien auch tatsächlich bereits gegeben. Bald nach der Schutzred Spenglers, im Februar 1520, er­ schien in Erfurt eine lateinische Schrift unter dem Titel: ,,Eccius dedolatus“, zu deutsch „Der abgehobelte“ oder genauer „Der abgeeckte Eck“. Als Verfasser war Johannes Francisous Cotta lambergius angegeben. Aber das war nur ein Deckname. Allgemein galt der gelehrte Nürnberger Humanist und Ratsherr Wilibald Pirkheimer als Verfasser, wiewohl dieser es nicht zugab. Die Angabe, daß diese Schrift ,,im Hinterhaupte Deutschlands“ geschrieben sei, ist nur eine durchsichtige Verhüllung. Nur ein Nürnberger, dem die Verhältnisse und Vorkommnisse, wie auch die ver­ spotteten Persönlichkeiten und deren Beziehungen genau bekannt waren, konnte der Verfasser sein. Verschiedene andere Anhaltspunkte weisen bestimmt auf Pirkheimer. Auch Luther, welcher die Satire handschriftlich zugeschickt erhielt, glaubte in ihr, wie er an Spalatin schrieb, Pirkheimers Geist zu erkennen. Sie gefiel ihm auch nicht. Er meinte, ein offenes Anklagen sei besser, als ,,ein Beißen unter dem Zaun hervor“. Seine Auffassung von der not­ wendig gewordenen Reformation kommt auch in dieser Schrift keineswegs zu ihrem Recht. Nur humanistische Interessen und keine religiösen, um die es Luther allein zu tun war, wurden in ihr vertreten. Pirkheimer war seinerzeit in dem Streit des Humanisten Reuchlin mit den,,Dunkelmännern“ entschieden für den ersteren und seine Sache eingetreten. In seiner ,,Apologie“ hatte er scharfe Kritik an der hergebrachten scholastischen Theologie geübt und eine Reform derselben gefordert. Als nun Luther s^ine Thesen angeschlagen hatte, glaubte Pirkheimer, dieser sei der Mann, der eine solche Reform herbeiführen könne. Darum begrüßte er Luthers Auftreten. Es entstand ein leb­ hafter Briefwechsel zwischen beiden, von dem jedoch nichts mehr erhalten ist, als ein Brief Luthers vom 20. Februar T5i9-34) Dieser Brief zeigt, daß damals ein engeres Ver­ hältnis zwischen beiden bestand, und daß Pirkheimer an der

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wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Eck stark inter­ essiert war. Aus einem Brief Linck’s an Pirkheimer35) entnahmen wir, daß dieser Luthers Verteidigungsschrift gegen Ecks „obelisci“ noch vor deren Veröffentlichung durch Linck erhalten hatte. Aus Wittenberg ließ er sich die neu schienenen Schriften Luthers zusenden. Ueber seine Dis­ putation mit Eck ermattete ihm Eck einen Bericht.36) Mit Melanchthon war Pirkheimer seit längerer Zeit befreundet. Wiederholt hatte er ihn als Gast in seinem Hause, das erste­ mal bei seiner Ueber Siedlung von Tübingen nach Witten­ berg. Seine Wertschätzung für Luther bezeugte Pirkheimer auch gegenüber Emser. Mit Begeisterung rühmte er dessen Auftreten. Von ihm und seinen Anhängern schreibt er, ihre Verdienste seien so wenig zu zählen, wie die Sterne am Himmel. Es gereiche den Weisen von Wittenberg zu un­ sterblichem Ruhm, daß sie es seien, die nach sovielen Jahr­ hunderten der Christenheit die Augen geöffnet hätten, damit sie das Wahre vom Falschen unterscheide. Um so schärfer urteilte Pirkheimer über Luthers Gegner Eck. Schon aus Anlaß der oben erwähnten Dis­ putation über das Recht des Zinsnehmens hatte ihm Pirk­ heimer geschrieben: ,,Ich hätte gewünscht, daß Du Dich nicht mit einem Gegenstand befaßt hättest, der nur Schande bringt“. Auch durch Pirkheimers scharfe Kritik an der scholastischen Theologie mußte sich Eck empfindlich ge­ troffen fühlen. Vollendet wurde dann der Bruch durch Pirkheimers Eintreten für Luther, während dieses für letz­ teren in der wissenschaftlichen Welt einen Erfolg bedeutete. Aber wenn wir auch in der Anfangszeit der Reformationsbewegung den Jiochangesehenen Humanisten auf der Seite Luthers finden, bei näherem Zusehen erhalten wir doch immer wieder den Eindruck, daß es nicht eigentlich Luthers religiöse Gedanken und Anliegen waren, die Pirkheimer zu ihm hinzogen und mit ihm verbanden. Wir haben noch das Bruchstück eines Schreibens von Pirkheimers Hand, das dieser an den Papst Adrian VI. richtete, um ihn über die Reformationsbewegung in Deutschland aufzuklären und zwar, wie er ausdrücklich versichert, aufgrund genauer

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Kenntnis der Verhältnisse und eigener Erfahrung. Das Schreiben wurde allerdings nicht ganz vollendet, weil in­ zwischen die Nachricht von dem Tod des Papstes einge­ troffen war.37) Da führt Pirkheimer aus, daß die Dominikaner durch ihren Haß gegen alle schönen Wissenschaften den ganzen lutherischen Handel verschuldet hätten. Durch den Ablaß­ handel, den sie mehr als billig getrieben, durch ihre gottes­ lästerlichen Uebertreibungen, mit denen sie die Kraft des Ablasses angepriesen, hätten sie das Ohr jedes Ehrenmannes verletzt. Durch ihre Schändlichkeiten hätten sie Luther gereizt, daß er in seinen Angriffen viel weiter ging, als er gewollt. Da alles andere gegen ihn versagte und Kajetan mehr verdorben als erreicht habe, hätten sie ihren „Vor­ tänzer“ Eck nach Rom gesandt, der dort alles mit seinen Lügen, seinem Geschrei und leeren Versprechungen erfüllte und mit Bullen schwer beladen zurückgekehrt sei, ein Feind nicht nur der Lutheraner, sondern gerade der Besten, die er um ihrer Bildung, ihrer Tugend und Gelehr­ samkeit willen haßte, und an denen er nun mit päpstlicher Vollmacht seinen Privathaß kühlte. Wir sehen hieraus, daß für Pirkheimer bei der Be­ urteilung der lutherischen Bewegung das humanistische In­ teresse im Vordergrund stand. Er sieht in Luthers Auf­ treten nur einen Kampf der Wissenschaft und der edlen Bildung gegen die Dunkelmänner. In dem, was in Wirk­ lichkeit der Ausgangspunkt und die treibende Kraft der von Luther erregten Bewegung war, in seinem religiösen Ringen und Kämpfen hat Pirkheimer diesen nicht verstanden. Darum konnte er auch mit Luther nicht weiter gehen. Pirkheimer war und blieb ein getreuer Sohn der römischen Kirche trotz seiner humanistischen Einstellung. Gegen deren Autorität etwas zu sagen oder zu tun, kam ihm nicht in den Sinn. Aber ein Mensch von tieferer Religiosität war er überhaupt nicht. Als sich dann zeigte, daß Luther das religiöse Moment in den Vordergrund stellte und aufgrund seiner biblischen und historischen Studien und Erkenntnisse, um der religiösen Wahrheit zum Sieg zu verhelfen, sich

44 nicht scheute, die damalige römische Hierarchie und deren Autorität in ihren

geschichtlichen

Auswüchsen zu bekämpfen,

Grundlagen

wie

ihren

konnte Pirkheimer ihm nicht

folgen, zumal nachdem Eck Pirkheimers Anhängerschaft an Luther zum Vorwand genommen hatte, seinen Gegner mit der kirchlichen Exkommunikation zu bedrohen, um seiner Privatrache zu genügen.

Mit dem Reformator zu

leiden,

mit ihm vor aller Welt am Pranger zu stehen, dazu reichte seine Begeisterung für Luther nicht aus.

So

wurde

die

Bannangelegenheit und die mit ihr verbundenen Verdrieß­ lichkeiten für Pirkheimer der Wendepunkt in seiner Stellung zur kirchlichen Reformation.

In der Folgezeit hatte er an

Luthers Vorgehen und dessen Auswirkungen

allerlei

zu

tadeln, und je länger je mehr rückte er von ihm ab, bis er sich schließlich völlig von ihm und seiner Sache schied.

45

Kapitel III.

Die Gefährdung der Bewegung durch die päpstliche Bannbulle. Daß Eck es sich nicht werde versagen können, seinen vermeintlichen Sieg von Leipzig entsprechend auszunützen, mußte erwartet werden. Vor allem lag ihm daran,* daß der Prozeß gegen Luther erneuert werde. Nachdem er dies durch seine schriftlichen Berichte nach. Rom vorbereitet hatte, reiste er im Januar 1520 selbst dorthin, um die Er­ neuerung des Prozesses persönlich zu betreiben. Es gelang ihm auch, das volle Vertrauen des Papstes zu gewinnen und zu erreichen, daß die Androhung des Bannes durch die Bulle „Exsurge Domine“ vom 15. Juli 1520 erfolgte für den Fall, daß Luther 41 als ketzerisch erklärte Sätze, die man aus seinen Schriften zusammengestellt und aus ihrem Zusam­ menhang gerissen hatte, binnen 60 Tagen nicht widerrufe. Dabei gönnte sich Eck noch eine besondere Schaden­ freude, indem er sich vom Papst die ,,Sonderkommission“ erbat, in die Bannandrohungsbulle neben Luther auch noch bis zu 24 Anhänger desselben namentlich-aufzunehmen, die Bulle öffentlich bekannt zu machen und an den von ihr Be­ troffenen zu vollziehen. Die beiden ersten, die so in die Bannbulle kamen, waren Lazarus Spengler und Wilibald Pirkheimer. Spengler sollte damit für seine „Schutzred“, Pirkheimer aber für den „Eccius dedolatus“ büßen. Eck wäre verpflichtet gewesen, vor allem den von der Bannandrohung Betroffenen davon Mitteilung zu machen. Das tat er jedoch nicht. Vielmehr schlug er die Bulle am 21. September in Meißen, am 25. in Merseburg und am 29. in Brandenburg öffentlich an. Erst am 15. Oktober sandte er von Ingolstadt aus eine Abschrift der Bulle an den Nürn-

46 berger Rat, nachdem von der Frist, welche den vom Bann Bedrohten zum Widerruf und zu ihrer Reinigung gegeben war, bereits ein Teil verstrichen war. Diese Frist hatte 9 Tage nach der ersten Veröffentlichung der Bulle, also mit dem 30. September begonnen. In seinem Begleitschreiben1) versicherte Eck den Rat seiner aufrichtigen Zuneigung für die Stadt und fügte hinzu, er habe sich gegen den Auftrag des Papstes, die Bulle zu publizieren und exequieren, lange gewehrt und gewidert, während das gerade Gegenteil Tat­ sache war. Die Aufnahme der beiden Nürnberger in die Bannbulle begründete er mit der Behauptung, diese hätten ,,die irrige und verführerische Lehre Luthers mehr als ziem­ lich gelobt, gefördert und aufgeblasen“. Er erbot sich dem Rat zu Gefallen die beiden gutwillig und ohne allen Nachteil zu absolvieren, wenn sie ihm als dem päpstlichen Bevollmäch­ tigten ,,gebührliche, rechtmäßige Bekenntnis tun wollten“. Endlich forderte er vom Rat, daß dieser den Druck und Ver­ kauf aller lutherischen Schriften verbieten, die vorhandenen aber auf einen Haufen sammeln und verbrennen solle. Der Rat, welcher Ecks Schreiben am 17. Oktober er­ hielt, gab sofort eine Abschrift desselben an Spengler und Pirkheimer und legte auch zwei Briefe Bernhard Baum­ gärtners aus Ingolstadt bei, welche auf die drohende Gefahr hinwiesen. Es ist begreiflich, daß dem Rat diese Sache höchst peinlich war. Eck hatte dem Rat erst kürzlich einen üblen Streich gespielt, indem er den in Rom gegen einen der angesehensten Patrizier und Ratsherrn Hieronymus Holzschuher anhängig gemachten, vom Papst jedoch abge­ wiesenen Prozeß durch sein eigenmächtiges Eingreifen zum Wiederaufleben gebracht hatte.2) Die Bannangelegenheit empfand nun der Rat als einen neuen boshaften Streich nicht nur gegen die beiden angesehenen Bürger, sondern auch gegen sich selbst und die Stadt. Sofort berief er seine zur Zeit auswärts weilenden Rechtskonsulenten zu seiner Beratung nach Hause. Den damals zur Krönungsfeier nach Aachen entsandten Ratsherren Lienhard Groland und Niklas Haller machte er von dem Vorfall Mitteilung und sprach seine ernsten Befürchtungen aus wegen der Folgen,

47

die daraus entstehen konnten.3) Wohl hatten einige der Ratsherren, die in ihrer Sorge um die Stadt „furchtsam und kleinmütig“ geworden waren, Spengler „unter Augen“ ge­ sagt, er und Pirkheimer sollten bedenken, ob sie Ecks Vor­ nehmen nicht selbst verschuldet hätten.4) Aber diese Stim­ mung war nur vorübergehend. Man war sich im Rat, und besonders auch bei den Herren Eltern darüber einig, daß man sich hinter die beiden Angegriffenen stellen und sie schützen müsse. Wiederholt betonte Spengler in diesen Tagen, daß ihm von seinen Herren diese Zusicherung ge­ geben worden sei. In seinem Schreiben an den Rat hatte Eck zwei Wege gezeigt, auf welchen Spengler und Pirkheimer vom Bann frei werden könnten: das Ansuchen um Absolution bei dem Papst, oder ein Bekenntnis vor Eck selbst. Der letztere Weg, die Demütigung vor Eck, schien den beiden zu schwer. Spengler war am 19. Oktober nach Neuhof geritten, wo Pirkheimer sich damals, um der in Nürnberg herrschenden Pest zu entgehen, auf dem Gut seines Schwagers Geuder auf hielt. Hier entschlossen sich beide, sich unmittelbar an den Papst zu wenden und ein gemeinsames Bekenntnis ein­ zureichen, aufgrund dessen sie ihre Absolution zu erlangen hofften. Der Rat glaubte jedoch Anhaltspunkte für die Annahme zu haben, daß der Bischof geneigt sei, ihm gegen Eck in der Sache beizustehen. Darum sandte er noch am 19. Okto­ ber einen seiner Beamten, Dr. Knod, nach Bamberg, um dort zu erkunden, wie man am bischöflichen Hof über die Sache denke.5) Der Bescheid war gut. Der Bischof ließ durch seinen Vikar empfehlen, weder der Rat, noch Spengler und Pirkheimer sollten sich mit „dem Buben“ (Eck) ein­ lassen. Der Bischof wolle, wenn jene sich an ihn wendeten, selbst „die Sache bei Eck abstellen“.6) Dr. Knod hörte in Bamberg auch, der Bischof habe Eck unter vier Augen ge­ sagt, auch er teile Luthers Anschauungen, ja auch seine Räte seien alle lutherisch. Von Eck wurde erzählt, er habe sich in Bamberg sehr anstößig benommen. Er sei — vom Wein — „voller gewesen, als eine Sau“; Geistliche und

48

Laien hätten sich über ihn entsetzt,.7) Der Generalvikar Zertlin sagte zu Dr. Knod, er wollte, (daß man den Buben ertränke. Der Bischof aber äußerte seine Verwunderung darüber, daß der Papst ,,einem solchen losen Mann soviel Gewalt (—Vollmacht) gebe.“8) Spengler und Pirkheimer richteten nunmehr ein Schreiben an den Bischof, in welchem sie erklärten, sie könnten es nicht glauben, daß der Papst Eck ermächtigt habe, ihre Namen in anderen Bistümern zu publizieren Niemand, der unparteiisch sei, könne sie beschuldigen, wie es Eck getan habe. Luthers Lehre hätten sie nur angenom­ men, soweit sie christlich sei. Das Urteil darüber überließen sie der Kirche. Der Bischof möge sie als ihr ordentlicher Richter gegen Eck in Schutz nehmen. Sie seien auch bereit, dem Bischof Rede zu stehen, wie auch aller geistlichen und weltlichen Obrigkeit im Reich. Die Herren Eltern billigten dieses Erbieten und sandten es an den Bischof mit einem Begleitschreiben.9) Die Antwort des Bischofs vom 2,. November brachte eine große Enttäuschung. In ihr bedauerte der Bischof, gegen Eck als den apostolischen Nuntius nichts tun zu können Wäre er vom Papst mit der Sache betraut worden, so wäre es anders gegangen. Doch sei er bereit, die beiden Schreiben befürwortend an Eck weiterzugeben.10) Auf Wunsch des Rates verfaßte Spengler eine Antwort, in der die Enttäuschung deutlich zum Ausdruck kam. Sie hätten beide geglaubt, ein Recht zur Anrufung des Bischofs gehabt zu haben, nachdem dieser ihnen die Bulle Ecks zugeleitet habe, aber auQh um der Vorwürfe willen, welche Eck gegen sie erhoben habe.11) Am 9. .November sandte der Bischof den Bescheid, es seien nun sämtliche Schriftstücke an Eck abgegangen. Er, der Bischof, sei ,,voll guter Zuversicht“.12) Auf diese Vertröstung gab Spengler wohl nichts mehr. Schon auf den ersten Bescheid des Bischofs hatte er an Pirkheimer geschrieben: „Ihr kennt diesen Hof, man kann sich auf niemand verlassen, unten Bier und oben Gest“. Wir wissen auch, woher die veränderte Meinung des Bischofs kam. Dieser hatte um diese Zeit eine Einladung des

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Bischofs von Würzburg zu einer Zusammenkunft mit diesem in Zeil am Main erhalten, auf welcher über die kirchliche Frage verhandelt werden sollte. Darum hielt sich jetzt der Bamberger zurück und wollte nichts Entschei­ dendes tun. Daß er die gegebene Zusage, er werde die Sache „bei Eck abstellen“, nicht mehr erfüllen konnte oder wollte, zeigt uns die geringschätzige und spöttische Ant­ wort, welche ihm Eck am 12. November gab. Sie war eine glatte Ablehnung. Die Ketzerei der Beklagten sei ebenso unbestreitbar wie seine, Ecks Vollmacht. Ihre Verant­ wortung sei ungenügend. Würde er ihr Erbieten annehmen, so würde ihm das in Rom zur Schande gereichen. Sie könnten ja die Absolution beim Papst selbst betreiben. Nur sollten sie bedenken, daß der ihnen gestellte Termin zu Ende gehe. Am Schluß wies Eck noch daraufhin, daß er Bernhard Adelmann, den Domherrn von Augsburg, auf die Fürsprache der Herzoge von Bayern absolviert habe. Dieser habe sich freilich besser in die Sache gefunden, als die beiden Nürn­ berger.13) Damit war der erste Versuch Spenglers und Pirkheimers, sich aus der Übeln Lage zu befreien, gescheitert. Jedenfalls war auf den Bischof von Bamberg nicht mehr zu rechnen. Denn dieser hatte sich inzwischen von Luthers Sache völlig abgewendet. Das Schreiben Ecks vom 12. November hatte er bei der oben erwähnten Zusammenkunft in Zeil am Main mit dem Bischof von Würzburg erhalten. Letzterer, ein entschiedener Gegner Luthers, hat dabei wohl auch das Seine getan, um den Bamberger von Luther abzu­ wenden. Dazu scheint auch ein „Almanach“ mitgeholfen zu haben, welches damals ein Nürnberger Arzt und Mathe­ matiker ohne Wissen des Rats hatte drucken lassen. Der­ selbe enthielt Bilder von Geistlichen in Situationen, welche mit Recht als eine starke Beschimpfung der Geistlichkeit empfunden wurde. Von einer Seite, welche der Reforma­ tionsbewegung feindlich gesinnt war, hatten die Bischöfe dieses Almanach in Zeil zugesandt erhalten. Natürlich waren diese tief verstimmt und bald hörte man in Nürnberg, daß der Bischof von Bamberg „.gemeiner Stadt im Herzen 4

So ganz wider und ungnädig“ sei. Auch die ernstliche Strafe, welche der Rat über den Verfasser der Schrift Dr. Busch und den Drucker Fritz Peipus verhängte, konnte daran nichts mehr ändern.14) Zur Unterstützung der bei Eck eingeleiteten Be­ mühungen hatte sich der Rat am 30. Oktober auch an den Landesherrn Ecks, den Herzog Wilhelm von Bayern ge­ wendet mit der Bitte um Fürsprache für Spengler und Pirkheimer bei dem päpstlichen Kommissar.15) Am 5. November antwortete der Herzog, er sei gern bereit, dem Rat in der Sache zu dienen; aber diese sei ihm zu wenig bekannt, er müsse bei Eck erst anfragen, aus welchen Be­ weggründen er diese Handlung vorgenommen habe.16) Freilich mußte der Herzog damals von der Sache bereits "wissen. War er doch von Adelmann schon vorher um Für­ sprache angegangen worden, die er auch zugesagt hatte1 Die Antwort, welche Eck dem Herzog am 15. November gab, ist ein Muster von Heuchelei und Hinterhältigkeit. Er versicherte den Herzog seiner besonderen Wertschätzung für Nürnberg und seinen Rat, dem er gerne seine Dienste leisten möchte. Aber nach dem ihm erteilten päpstlichen Befehl müsse er zur Erhaltung des christlichen Glaubens gegen Luthers Anhänger handeln. Als solche seien ihm Spengler und Pirkheimer angezeigt worden. Ersterer solle eine Schutzred zur Verteidigung Luthers unchristlicher Lehre verfaßt haben. Beide hätten die lutherische Lehre ausgebreitet und aufgeblasen. Es stehe nicht in seiner Macht, dem Wunsch des Herzogs und der Stadt Nürnberg zu willfahren. Tue er das, so übertrete er das Maß seines Mandats und komme in die Ungnade des Papstes. Die beiden sollten sich nur der Bulle gemäß halten und ein ent­ sprechendes Glaubensbekenntnis an den Papst einsenden! Daß er selbst die beiden absolvieren konnte, verschwieg Eck dem Herzog. Offenbar war es ihm nur darum zu tun, die Lage der Dinge zu verschleiern und den Handel hinauszu­ ziehen, damit die beiden den Termin versäumten!17)

5i

Am 23. November schickte der Herzog diese Antwort an den Rat mit der Versicherung, er habe es auch versucht, .durch seine Räte auf Eck einzuwirken, aber vergeblich.18) Inzwischen hatte man in Nürnberg aus Bamberg ver­ nommen, daß Adelmann durch Eck auf die Fürsprache des Herzogs und seines Bruders absolviert worden sei. Ferner hörte Spengler durch Bernhard Baumgärtner, daß Adelmann vorher an den Papst appelliert habe. Baumgärtner hatte seinem Bericht auch eine Abschrift der Appellationsurkunde beigelegt, deren sich Adelmann bedient hatte und zugleich geraten, Spengler und Pirkheimer sollten das gleiche tun. Spengler war dazu bereit und erhielt auch Pirkheimers Zu­ stimmung.19) Der Rat beauftragte Nützel und Spengler mit Magister Bolraus und den anderen Juristen darüber zu rat­ schlagen; die Sache gedieh rasch. Am 26. November konnte Spengler die Appellationsurkunde, welche Bolraus verfaßt hatte, Pirkheimer zuschicken. Am 1. Dezember wurde die Appellation Spenglers und Pirkheimers vor den beiden Bürgermeistern als Vertretern des Rates und anderen Zeugen durch den Notar Scheid#ner verkündigt. 20) Als Beilage übersandten die beiden mit der Appellation eine vom Spengler verfaßte Schrift nach Bamberg, welche in klarer, kraftvoller Sprache rückhaltlos das gesamte, üble Verhalten Ecks in der vorliegenden Bannsache schilderte und geißelte. Wohl hatte man sichs längere Zeit überlegt, ob es gut sei, diese Schrift angesichts der zur Zeit in Bam­ berg herrschenden ungünstigen Stimmung vorzulegen; auch Spengler selbst hatte Bedenken, wie sein Brief vom 26. November an Pirkheimer zeigt. Aber man glaubte schließlich doch, solch offene und entschiedene Sprache nicht scheuen zu dürfen.21) Noch bevor Ecks Antwort vom 15. November durch Herzog Wilhelm dem Rate zugesandt worden war, hatte sich dieser entschlossen, zur besseren Förderung seines Anliegens einen eigenen Gesandten in der Person des bei dem Herzog Wilhelm sehr beliebten Ratsherrn Jakob Muffel, eines sehr gewandten Diplomaten, an den bayerischen Hof zu senden. Spengler hatte für ihn eine ,,stattliche“ Instruktion verfaßt, 4*

52

Sie enthielt den Auftrag, bei dem Herzog Wilhelm dahin zu wirken, daß er Eck dahin bringe, Spengler und Pirkheimer ebenso wie Adelmann zu absolvieren.22) Nach längerem Suchen traf Muffel den Herzog am 30. November auf der Sauhatz, fünf Meilen östlich von Augsburg. Am 2. Dezember glaubte er Spengler in einem kurzen, vorläufigen Bericht schreiben zu dürfen, daß die Sache gut stehe.23) Aber es kam wieder anders. Am 11. Dezember schrieb der Herzog aus Erding, Eck, den er zu sich beschieden, habe es abgelehnt, die beiden Nürnberger ebenso zu absolvieren, wie Adelmann. Ecks schriftliche Er­ klärung legte der Herzog seinem Brief bei. In derselben betonte Eck folgende Punkte: 1. habe er die beiden Bürger Nürnbergs nicht aus Neid oder Mutwillen, auch nicht, um der Stadt zu schaden, in der Bulle benannt; 2. habe er vom Papst dazu Vollmacht empfangen, wo­ rüber er sich dem Herzog gegenüber ausgewiesen habe; 3. hätten sich Spengler und Pirkheimer ebenso ver­ halten wie Adelmann, so hätte er sie ebenso absolviert wie diesen; er tue das auch jetzt noch, wenn sie sich rechtmäßig gegen ihn erbieten, so, daß er es verantworten könne; 4. auf ihr jüngstes Erbieten dem Bischof zu Bamberg gegenüber einzugehen, habe er keine Vollmacht. Das hätte vor ihm geschehen müssen;.auch sei es zu allgemein gefaßt gewesen und habe .auf die 41 in der Bulle als ketzerisch bezeichneten Artikel Luthers keinen Bezug genommen; endlich hätten sie sich auf ein Konzil berufen, was gegen die päpstliche Bulle sei. Würde er das annehmen, so käme er in die Ungnade des Papstes. 5. dem Rat zu Gefallen sei er bereit, die beiden aufs mildeste zu entledigen, wiewohl jetzt der «ihnen gestellte Termin von 60 Tagen vorüber sei und wiewohl sie an den Papst appelliert hätten. Nur müßten sie sich gebührlich in die Sache schicken, d. h. sich vor ihm demütigen.24) Auch der Herzog hatte in seinem Begleitschreiben zu diesem Weg geraten, indem er bemerkte, er sende Ecks Schreiben in der Zuversicht, daß Spengler und Pirkheimer

53 „soviel Bericht daraus empfangen, daß sie wie Adelmann auch aus der Sachen kämen.“25) Ein Brief Spenglers an Pirkheimer vom 18. Dezember zeigt uns, wie es dann auch wirklich dazu kam. Spengler berichtet darin von einer Sitzung der Herren Eltern, welche bald nach dem Eintreffen des letzen Briefes des Herzogs Wilhelm stattgefunden hatte. So ungern sich auch die Herren mit „dem leichtfertigen Mann“ einließen, jetzt er­ schien ihnen doch dieser Weg als der allein noch Erfolg versprechende. Der Gedanke, sich an die päpstlichen Nun­ tien zu wenden, den Spengler kurz vorher noch ausge­ sprochen hatte, erschien doch zweifelhaft. Eck werde, wenn man ihn weiterhin umgehe, das Feuer doch wieder anblasen. „Darum“, so schließt er, „raten die Herren einhellig, daß wir uns überwinden, unsern Vorteil hierin mehr als den Groll gegen Eck bedenken und diesen Weg nicht abschlagen sollten“.26) Auch Pirkheimer war nun bereit, nach dem Rat der Herren Eltern zu handeln. Was ihnen beiden diesen Ent­ schluß erleichterte, war das Vertrauen, Adelmann werde gewiß in seiner Beugung vor Eck nicht zu weit gegangen sein und was er getan habe, könnten sie wohl auch auf sich nehmen. Allerdings übersahen sie dabei, daß Eck seinerzeit Adelmann ausdrücklich zum Stillschweigen darüber ver­ pflichtet hatte, was von ihm gefordert worden sei und daß Eck diese Verpflichtung gewiß nicht ohne bestimmte Ab­ sicht gefordert hatte. Auch der Rat und die Herren Eltern vertrauten Eck noch immer zuviel. Am 22. Dezember sandte der Rat einen eilenden Boten nach Ingolstadt mit der Anfrage, wann Dr. Eck für einen Beauftragten des Rates zu sprechen sei. Eck stellte dem Rat in einer „geschmalzten guten Schrift“, aus welcher der Triumph des Sieges deutlich genug herausklang, den 29. Dezember und den 4. Januar zur Wahl. Der Rat wählte den letzteren Tag. Zu diesem Termin wurde nun Dr. Rorer mit einer von Pirkheimer verfaßten und von Spengler ge­ billigten Instruktion nach Ingolstadt abgeordnet.27)

54 Die Rechtsgelehrten des Rates, wie auch dieser selbst, waren der Meinung, das Erbieten, welches Spengler und Pirkheimer in ihren eingereichten Appellationen ausgespro­ chen hatten, sei mehr gewesen, als ihnen die päpstliche Bulle auferlegt hatte. Spengler hatte auch gehört, daß Eck sich darüber „hoch gaudiert“ habe. Darum gab er sich der Hoffnung hin, es „sollte bei ihm die Sache leicht erhebt werden“. Aber so leicht sollte es doch nicht gehen. Dr. Rorer hatte den Auftrag, von Eck zu erreichen, daß die beiden absolviert würden, wie Adelmann. Auch sie selbst glaubten umsomehr darauf rechnen zu dürfen, als ihnen Eck selbst das in Aussicht gestellt hatte. Aber dieser dachte gar nicht daran, sein Wort zu halten. Dr. Rorer hat seinen Auftraggebern einen ausführlichen schriftlichen Bericht über seine mit Eck gepflogenen Ver­ handlungen erstattet.28) Nach diesem hatte Eck zu der Verhandlung drei Zeugen und den Notar der Universität zugezogen mit der Begründung, daß er noch jung sei und in diesen Sachen nicht genug Erfahrung habe und daher der Beratung bedürfe. Nachdem nun Rorer seine Vollmacht übergeben und den Antrag gestellt hatte, Eck möge seine Herren, wie er mit Adelmann getan, absolvieren, flüsterte der neben Eck sitzende, juristische Professor Dr. Burkard diesem in’s Ohr, er solle eine andere Vollmacht fordern. Darauf fragte Eck Dr. Rorer, ob er nicht eine Vollmacht habe, die ihn ermächtige, „in die Seele seiner Herren“ einen Eid zu schwören und anderes zu tun, wie sich gebühre. Rorer verneinte das und fügte hinzu, Eck habe ja keine be­ sondere Vollmacht gefordert, darum möge er sich an der überreichten genügen lassen und nunmehr die vom Herzog und ihm selbst gegebene Zusage erfüllen. Darauf erwiderte Eck, diese Zusage sei wohl gegeben, aber sie könne nur er­ füllt werden, wenn der Nürnberger Rat und seine Herren dasselbe täten oder tun ließen, wie Bernhard Adelmann. Auf die weitere Frage Rorers, was denn Adelmann getan habe, verweigerte Eck die Antwort und übergab lediglich eine Abschrift der von Adelmann seinem Vertreter s. Zt. übergebenen Vollmacht. Nun bat Rorer, Eck möge doch

55 die durch ihn übergebene Vollmacht näher ansehen, denn sie enthalte seines Achtens „Gewalt überflüssig genug“, worauf Eck Rorer und dessen vorsorglich mitgebrachten Zeugen abtreten ließ, da er sich mit den seinigen darüber beraten wolle. Nachdem Eck jene wieder hereingerufen hatte, eröffnete er Rorer, er könne mit ihm nicht anders handeln, als wie die päpstliche Bulle laute, nämlich in forma juris; er müsse also den Eid fordern. Da aber Rorer keine Vollmacht habe, einen solchen für seine Herren zu leisten, könne er mit ihm nicht weiter verhandeln. Spengler und Pirkheimer hätten recht wohl wissen können, was Adelmann getan habe, um sich vom Bann zu lösen. Darum hätten sie ihm auch eine entsprechende Vollmacht mitgeben können. Nun entfernte sich Rorer, um sich mit Bernhard Baum­ gärtner, der noch Dr. Reuchlin zuzog, zu beraten. Letzterer riet, Rorer solle noch einmal versuchen, zu erfahren, was Adelmann getan bezw. habe tun lassen. Rorer ging aufs neue zu Eck und wiederholte die Frage, was der Prokurator Adelmanns vor ihm getan habe, erhielt aber wieder keine klare Antwort. Nur eine Abschrift der Adelmann erteilten Absolution wurde ihm übergeben. Diese Verhandlung beweist, daß es Eck nur darum zu tun war, seine Gegner hinzuhalten und sein boshaftes Spiel mit ihnen fortzusetzen, nachdem sie sich in seine Gewalt ge­ geben hatten. In ihrer ganzen Größe zeigt sich seine Bos­ heit und Hinterhältigkeit darin, daß er s. Zt. Adelmann das Versprechen abgenommen hatte, niemand etwas darüber zu sagen, was er vor Eck geleistet habe, um absolviert zu werden, so daß Adelmann auf Spenglers Anfrage keinen Be­ scheid hatte geben können, und daß nun Eck auch Rorer keinen Aufschluß geben wollte. Freilich stellte sich aus den von Eck an RörÄ* übergebenen Schriftstücken heraus, daß Adelmann in Wirklichkeit keinen Eid hatte leisten, sondert! nur ein Gelübde hatte tun müssen, daß also Eck hier be­ wußt gelogen hat!29) Welche Stimmung Rorers Bericht bei Spengler er­ weckte, können wir uns denken. In dem Brief vom io. Januar nennt er Eck „unser Monstrum, der noch mehr des

56 Hobelns bedarf“ und „Dr. Unflat“. Aber man wußte jetzt wenigstens, was Adelmann getan und was er nicht habe ver­ raten dürfen! Der Rat empfahl nun den beiden, es Adel­ mann nachzutun. Ein Notar in Ingolstadt, Dr. Voyt, hatte sich Rorer gegenüber angeboten, sie vor Eck zu vertreten. Das wurde angenommen. Dazu war eine neue Vollmacht nötig, die auf Dr. Voyt auszustellen war. Nun war aber Pirkheimer damals krank, wodurch sich seine Rückkehr in die Stadt verzögerte. Darum ließ Spengler, der um diese Zeit im Auftrag des Rates zum Reichstag nach Worms reisen mußte, am 17. Januar die an Dr. Voyt zu übersendende Vollmacht für seine Person voll­ ziehen, während Pirkheimer das nach seiner Rückkehr am 26. Januar nachholte.30) Nun gab es für die Lösung vom Bann drei Wege. Die Angeschuldigten hatten die Möglichkeit, zu erklären, daß sie Luther überhaupt nicht angehangen und seine Lehre in keinem Stück gebilligt hätten. Das aber konnten und wollten Spengler und Pirkheimer nicht tun. Der zweite Weg be­ stand darin, daß sie sich einfach als Ketzer schuldig gaben. Das konnten und wollten sie wieder nicht tun. So blieb nur noch der Weg, sich die Absolution zu erbitten für den Fall, daß sie durch ihre Hinneigung zu Luther und seiner Lehre etwas den Geboten der Kirche zuwiderlaufendes und des Bannes würdiges getan haben sollten. Diesen Weg hatte Adelmann gewählt und er war auch in dieser mildesten Form absolviert worden. Da ihnen von Eck das gleiche versprochen war, stellten Spengler und Pirkheimer ihre .Vollmacht auch für diese Form der Lösung aus. Aber Eck verstand es, ihnen auch jetzt noch einen Strick zu drehen. Durch die Krankheit Pirkheimers hatte sich die Ausstellung seiner Vollmacht defürt verzögert, daß Dr. Voyt erst am 1. Februar bei Eck erscheinen konnte. Nun erklärte dieser., die Absolution nicht mehr vollziehen zu können, nachdem die beiden Wegen Nichteinhaltung der gesetzten Frist.der Exkommunikation verfallen seien. Von dieser Entscheidung setzte Eck am 4. Februar den Nürnber­ ger Rat in Kenntnis, erklärte sich jedoch ,,aus besonderer

57 Gefälligkeit“ bereit, die beiden in der allein noch möglichen härtesten Form, der ,,absolutio simplex“ zu lösen.31) So mußte denn der saure Weg noch einmal gegangen werden. Ueber den weiteren Verlauf desselben finden sich keine Urkunden. Wohl bringt Riederer in seinen ,,Bei­ trägen“ S. 138 ein ,»Testimonium absolutionis“, welches von der Bannsache handelt und in welchem Pirkheimer als Be­ teiligter genannt ist. Aber die Namen der Handelnden sind durch ,,N“ ersetzt. Es handelt sich also nicht um eine wirkliche Urkunde, sondern nur um einen Entwurf für eine solche. Derselbe bezieht sich auch auf eine Handlung vom 5. Ianuar 1521, an welchem die Lossprechung noch nicht er­ folgt sein konnte. Jedenfalls steht fest, daß in der päpstlichen Bulle vom 3. Januar 1521,. in welcher über Luther endgültig der Bann­ fluch ausgesprochen wurde, weil er nicht widerrufen und Buße getan habe, auch die Namen Spenglers und Pirkheimers standen, so daß nun auch diese als endgültig ge­ bannt gelten mußten. Diese Bulle erhielt der päpstliche Nuntius Aleander in Worms am 10. Februar 1521. Als Spengler, der damals auch in Worms war, von dieser Bulle und ihrem Inhalt hörte, protestierte er gegen dieselbe und reichte zugleich eine Appellation an den Kaiser ein. Pirk­ heimer tat für sich das gleiche. Der Kaiser erkundigte sich darauf bei den Nuntien Aleander und Carraciolo nach der Sachlage. Diese erklärten, in diesem Fall könne nur noch der Papst absolvieren. Doch erklärte sich Aleander bereit, dazu behilflich zu sein. In einem Bericht vom 26. Mai 1521 schrieb Aleander an den päpstlichen Vizekanzler: ,,Sogar Lazarus Spengler, der Nürnberger Kanzler, der hier beim Reichstag zugegen ist, eine der vier gehörnten Bestien, deren Absolution der Heilige Vater sich selbst Vorbehalten hat, ist in solcher Bestürzung, daß er erklärt, er sei dem Papst immer untertänig gewesen, habe sich daher nicht weiter zu unterwerfen, daß er beteuert, er sei schon von Eck absolsolviert worden und sich darüber beklagt, daß er dessen un­ geachtet in der Bulle namhaft gemacht sei. Als er nun diese

58 seine Rechtfertigung dem Kaiser vortrug, wies ihn dieser an mich. Ich bedauerte, ihn nicht absolvieren zu können, riet ihm aber, sein Gesuch bei Seiner Heiligkeit einzureichen und die vorgeschriebene Abschwörung zu leisten, verhieß auch, zu seinen Gunsten zu berichten und sprach die Hoffnung aus, daß die Gnade Seiner Heiligkeit ihm Absolution er­ teilen werde. Wenn er nun kommt, so wünsche ich wohl, daß man nach Erteilung eines gehörigen Verweises ihm Verzeihung angedeihen lasse, um die Leute nicht zur Ver­ zweiflung zu bringen“. Ueber Pirkheimer schreibt Aleander in demselben Bericht: „Gleicherweise soll sein Genosse Pirk­ heimer, ein Haupt der lutherischen Partei, auch er Doktor und Ratsherr in Nürnberg, sich in vollem Rückzug befinden, da seine Mitbürger ihn jetzt zu meiden beginnen; und so hoffe ich denn, daß die Dinge sich mit Gottes Hilfe stetig zum Besseren wenden werden“.32) Aus diesem Bericht geht klar hervor, daß Spengler und damit auch Pirkheimer tatsächlich von Eck noch absolviert worden sind. Wäre das nicht geschehen, dann hätte es Spengler sicherlich vor dem Kaiser nicht behauptet. Nur konnte ihre Absolvierung, da sie erst im Februar erfolgt sein konnte, bei der Ausfertigung der Bulle vom 3. Januar nicht berücksichtigt werden! Weiter schrieb Aleander am 6. Juli 1521 von Brüssel aus an den Vizekanzler Medici: „Jetzt haben sie mir ein instrumentum procuratorium übersendet, worin sie in aller Demut und Untertänigkeit neue Absolution erbitten, falls die von Eck nicht hinreichend wäre. Darum bitte ich, Euere Herrlichkeit ^yolle bei dem hochwürdigen Kardinal der sancti quatuor coronati veranlassen, daß er ein Breve aussteile mit der Vollmacht, daß ich sie absolvieren darf, trotz­ dem unser Herr das sich Vorbehalten hat. Wenn sie hier zu­ gegen wären, würde ich sie angewiesen haben, ein Bitt­ gesuch um Absolution an S. Heiligkeit selbst zu richten, aber weil sie mehr als 15 Tagreisen weit entfernt sind und ihr Prokurator, der die Absolution für sie erbittet, ein kaiserlicher Sekretär ist, so könnte man sie auf dem oben beschriebenen Weg absolvieren. Oder vielleicht weiß der

hochwürdige Kardinal der sancti quatuor coronati einen besseren Weg zu finden. Jedenfalls wäre es gut zu einem Exempel für die andern, auch weil Wilibald ein hoher Herr ist, reich, von großem Ansehen in diesem Lande und den Namen eines großen Gelehrten hat“.33) Bereits am 3. August 1521 übersandte der päpstliche Vizekanzler an Aleander das Breve, durch welches letzterer zur Absolvierung der beiden Nürnberger ermächtigt wurde.34) Wann und wie nun die Urkunde über die end­ gültige Lossprechung in Spenglers und Pirkheimers Hände kam, läßt sich nur vermuten. Daß die Lossprechung tat­ sächlich erfolgte, bestätigt ein Brief von Erasmus an Pirkheimer vom 29. November 1521, in welchem jener schreibt, Aleander habe ihm in Löwen ein Schriftstück gezeigt, durch welches Pirkheimer von seiner Last befreit worden sei.35) Es fragt sich nun, wer „der kaiserliche Sekretär“ war, von welchem Aleander in seinem Bericht aus Brüssel als dem Prokurator Spenglers und Pirkheimers spricht. In seinem Brief vom 5. Dezember 152036) hatte Spengler Pirk­ heimer vorgeschlagen, den kaiserlichen Rat Banisius als Ver­ treter in Anspruch zu nehmen. Später hatte er diesen Vor­ schlag wiederholt. Dieser Banisius war mit Pirkheimer von Innsbruck her befreundet. Er war zu gleicher Zeit mit Spengler auf dem Reichstag zu Worms. Kalkoff nimmt nun an, daß Spengler seinen Vorschlag vom 5. Dezember 1520, der damals nicht ausgeführt worden war, im Mai 1521 erneuerte und Banisius für seine und Pirkheimers Vertretung gewonnen, endlich daß dieser Banisius seinen Clienten auch die Lossprechungsurkunde ausgehändigt hat. Nach Kalkoff war Banisius zu der Zeit, wo das Breve mit der Vollmacht zur Absolvierung bei Aleander eintraf, eben­ falls in den Niederlanden. Von dort ging er im Auftrag des Kaisers nach Trient. Nun nimmt Kalkoff weiter an, daß Banisius vor seiner Abreise dorthin die Absolutionsurkunde nach Nürnberg übersandt hat, so daß sie dort im August 1521 eingetroffen wäre. Ueber das, was Spengler und Pirkheimer, um los­ gesprochen zu werden, sowohl zuletzt bei Eck, als auch bei

6o Aleander hatte leisten müssen, ist nichts bekannt.

Jeden­

falls ist aber anzunehmen, daß sie alle „Ketzereien“ ab­ schwören mußten. worden sein.

Pirkheimer wird das nicht schwer ge­

Wie Spengler sich damit innerlich abgefunden

hat, wissen wir nicht.

Seine „Schutzred“ hat er jedenfalls

nicht verleugnet, wie Pirkheimer ihm s. Zt. geraten hatte. Er blieb auch weiterhin ein ganzer,

ungeteilter

Anhänger

des Evangeliums, das ihm ja nicht als „Ketzerei“ zu gelten brauchte.

Er ist die Seele und die treibende Kraft der evan­

gelischen Bewegung

in

Nürnberg geblieben

bis an

sein

Ende. Auch seinem Leidensgenossen Pirkheimer hat Spengler die Treue

gehalten bis

an das

Ende

des

gemeinsamen

Kampfes, an dem er die Hauptlast zu tragen hatte. hatte Scheurl versucht, Spengler

schrieb

Wohl

ihn von Pirkheimer zu trennen.

darüber

am

17.

November

1520

an

letzteren: „Ist wahr, man hat nicht unterlassen, wie meine Herren die Eltern wissen, mich von Euch zu trennen,

ist

auch so weit ohne mein Wissen, Befehl und Willen kom­ men: wo ich Dr. Ecken ein Gesellenbrieflein hätt schreiben wollen, wäre ich aus der Sach gewest.

Aber ich habe dieses

Fürnemen, weme man vielleicht hat zwagen (=in die Enge treiben) wollen, geschmeckt und der Birn nit essen, mich von Euch trennen lassen wollen,

und

die

oder

Antwort

geben, ich werde bei Euch stehen als ein Fels, Glücks und Unglücks bei Euch erwarten. Also werd ich ihm ( — Scheurl) auch tun und wenn ich heut in Bann kommen sollt.37) Wir werden später hören, daß Pirkheimer ihm diese Treue schlecht gedankt hat! Auch gegen den Rat,

der

doch für die beiden

alles

getan hat, um ihnen aus der üblen Lage zu helfen und keine Kosten dafür gescheut hatte, zeigte sich Pirkheimer keines­ wegs dankbar.

Er machte es dem Rat geradezu zum Vor­

wurf, daß dieser den Handel als seine eigene Sache ansah und brüstete sich, er hätte sich mit allen Ehren aus der Sache gezogen, wenn die Nürnberger nicht dazwischen ge­ treten wären. Es mutet auch recht eigentümlich an, wenn er jetzt von Luther, den er doch s. Zt. freudig begrüßt, von

6i

dem er erklärt hatte: „Wer Recht hat, dem hange ich an“, völlig abrückte und behauptete: „Niemand wird mich über­ führen, daß ich, sei es schriftlich oder mündlich, Luther an­ gehangen habe. Denn immer habe ich jene Tragödie verab­ scheut und deshalb war Luther schon längst sehr wenig mein Freund, obgleich mir Eck Freundschaft mit ihm vor­ wirft.38)

62

Ka p i t e 1 IV. Der Reichstag zu Worms 1521. Mit großer Spannung sah man diesem Reichstag in ganz Deutschland entgegen. Zum erstenmal trat der junge Kaiser vor die Stände des Reichs, um mit ihnen über die Wohlfahrt des deutschen Volkes zu handeln. Schwer­ wiegende Aufgaben politischer, rechtlicher und wirtschaft­ licher Art waren zu lösen. Aber die wichtigste, die deutsche Nation am tiefsten erregende Frage war die religiöse, die Frage der kirchlichen Reformation. Der Nürnberger Rat hatte drei seiner tüchtigsten und bewährtesten Mitglieder als Vertreter der Stadt nach Worms gesandt: den zweiten Losunger Kaspar Nützel, dann Lienhard Groland und Christoph Kreß, denen Lazarus Spengler, der vorderste Ratsschreiber, und ein erfahrener Jurist, Dr. Prenninger, beigegeben wurden. Ueber die Religionsverhandlungen besitzt die Nürn­ berger Stadtbibliothek einen ausführlichen Privatbericht Spenglers, der uns wertvolle Einblicke und Urteile in und über die Vorgänge auf dem Reichstag gewährt.1) Was Spengler hier berichtet, wird sowohl durch die deutschen Reichstagsakten2), als auch durch die Berichte des päpst­ lichen Nuntius3), zum Teil auch durch die Berichte der aus­ ländischen Gesandten4) bestätigt und ergänzt. Zunächst sind für uns die Persönlichkeiten von Bedeu­ tung, welche auf den Gang der Dinge während des Reichs­ tags am meisten bestimmend ein wirkten. Im Vordergrund steht hier der Kaiser. Auf ihn sah damals alle Welt, viele auch auf evangelischer Seite mit großem Vertrauen. Zu diesen Vielen gehörte auch Spengler. Mit besonderer An­ erkennung berichtet er von des Kaisers Frömmigkeit, welche

63 dieser durch seine Teilnahme am gottesdienstlichen Leben, wie durch seine sonstige Haltung bekundete. Aus diesen Aeußerungen seiner Frömmigkeit schöpfte Spengler die Hoffnung auf eine gerechte, Frieden und Eintracht suchende und das Glück und die Wohlfahrt des Reiches fördernde Regierung des Kaisers. Insbesondere traute er diesem zu, er werde die religiöse Frage zu einer gerechten, den Bedürf­ nissen der Nation entsprechenden Entscheidung und Lösung bringen. Darin hat sich Spengler freilich getäuscht. Gerade die Frömmigkeit, wie sie dem Kaiser von Jugend auf aner­ zogen war, in der er des Papstes Willen mit Gottes Willen und dem Heil der Kirche gleichsetzte, machte es ihm un­ möglich, Luther und seiner Sache gerecht zu werden. Karl V. sah es für seine heiligste Pflicht und Lebensaufgabe an, der Schutzherr der römischen Kirche auch in ihrer da­ maligen Gestalt zu sein. In der hierarchisch verfaßten Welt­ kirche sah er zugleich die stärkste Stütze seiner eigenen Herrschaft. Der lutherischen Bewegung stand er mit ab­ soluter Verständnislosigkeit gegenüber. In allem, was Luther redete, schrieb und tat, sah er nur gottlose Empö­ rung und Zerstörung altgeheiligter Ordnungen, an denen das Heil der Menschheit hing.5) In dieser Auffassung wurde der Kaiser fortgesetzt be­ stärkt durch den päpstlichen Nuntius Girolamo Aleandro gewöhnlich Aleander genannt, der von Leo X. nach Worms gesandt worden war mit dem Auftrag, die Vollziehung der Bannbulle an Luther und dessen Anhängern durch Kaiser und Reich durchzusetzen. Einen geschickteren und eif­ rigeren, aber auch skrupelloseren Verfechter ihrer Inter­ essen, als diesen, hat die römische Kurie kaum je gehabt. Tiefere Religiosität fehlte ihm, soviel er auch den Namen Gottes im Mund führte. In sittlicher Beziehung hatte er ein weites Gewissen. Mit der Ehefrau eines Notars lebte er im Ehebruch. Lüge, Heuchelei, Verdrehung und Entstellung der Wahrheit gehörte für ihn zu den Hilfsmitteln seines Berufs, unter Umständen zur amtlichen Pflicht.6) Wie seinem Herrn, dem Papst, war auch für Aleander der lutherische Handel in der Hauptsache eine Macht- und

6\ Geldfrage. Er wußte, daß die Losreißung Deutschlands vom römischen Stuhl für diesen eine gewaltige Einbuße nicht nur an Macht und Einfluß, sondern auch an Geld bedeutete, die mit allen Mitteln abzuwehren war. Alles deutsche Wesen, für das er kein Verständnis hatte, betrachtete er mit höhnischer Geringschätzung. Die Deutschen nannte er nur „Barbaren“ oder „tolle Hunde“. Charakteristisch ist die von ihm wiederholt ausgesprochene Drohung: „Wenn die Deutschen, die doch das wenigste Geld nach Rom zahlen, sich vom römischen Stuhl losreißen, wird man dafür sorgen, daß sie sich gegenseitig in ihrem Blut ersticken“.7) Für Luther hat Aleander nur Bezeichnungen wie „Schurke, Schuft, Räuber, Spitzbube, Basilisk, Satan“, u. dergl., ähn­ liche auch für den Kurfürsten von Sachsen. Durch Aus­ rottung ,,der lutherischen Ketzerei“ zu den höchsten Würden der Kirche emporzusteigen, war ihm höchstes Lebensziel.8) Um für den Kampf gegen Luther Mitarbeiter in den Kreisen der geistlichen und weltlichen Fürsten, der kaiser­ lichen Minister und Räte wie des Kanzleipersonals zu ge­ winnen, empfahl und erreichte er in Rom unablässig Beloh­ nungen und Gnaden in Form von päpstlichen Breven, Ver­ leihung von reichen Pfründen, Kardinalshüten, Bestechung durch Geld oder Erfüllung anderer persönlicher Wünsche, auch, „wo letztere etwas übel riechen“, oder wo Rechte und Interessen anderer dadurch geschädigt werden sollten!9) Die geistlichen Fürsten waren, den Erzbischof von Köln Hermann von Wied ausgenommen, alle gegen Luther, Waren sie doch alle vom Papst abhängig und verteidigten, sie mit dessen Macht und Interessen auch die eigenen! Auch viele weltliche Fürsten hielten zum Papst, nur um ihres Vorteils willen. So vertrat Kurfürst Joachim von Branden­ burg alle Anträge Aleanders, um sich das landesherrliche Besetzungsrecht für die Bistümer seines Landes zu sichern.10) Auch der Markgraf Casimir ließ sich seine Unterstützung der päpstlichen Wünsche durch Zuwendung reicher Pfründen an seine Brüder abkaufen.11) Der Pfalz­ graf Friedrich aber, der anfangs lutherisch gesinnt und

65 sogar in Gegenwart des Kaisers für Luther eingetreten war, wurde ganz still, als ihn der Kaiser vom Hof zu weisen drohte, wenn er wieder solche Reden führe.12) Spengler klagt in seinem Bericht in beweglichen Worten über die Interesselosigkeit der geistlichen und weltlichen Fürsten an den Aufgaben des Reichstags,. Sie hätten die meiste Zeit mit Bankettieren und Spielen zugebracht und durch Unmäßigkeit und Verschwendungssucht Aergernis er­ regt, allen voran die geistlichen Fürsten! Auch in der Fastenzeit und der heiligen Marterwoche hätten sie ihr Lasterleben fortgesetzt.13) Nach den von Kaiser Friedrich II. in den Jahren 1232 und 1238 erlassenen Konstiutionen war die weltliche Obrig­ keit in Deutschland verpflichtet, den vom Papst ausgespro­ chenen Bannfluch durch Verhängung der Reichsacht und des Todes auf dem Scheiterhaufen zu vollziehen. Karl V. war von Anfang an entschlossen, im Falle Luthers diese Pflicht zu erfüllen. Nun aber hatte Kurfürst Friedrich von Sachsen schon vor der Wahl Karls V. durchgesetzt, daß in die Wahlverschreibung die Bestimmung aufgenommen wurde, daß weder über einen Fürsten noch Untertanen im Reich ohne ausreichenden Grund und ohne genügendes Ver­ hör die Reichsacht verhängt werden dürfe. Damit hatte er vorsorglich das Verfahren gegen Luther und seine Anhänger und Beschützer unter den Schutz des Gesetzes und unter die Aufsicht der Reichsstände gestellt. Ferner hatte der Kur­ fürst noch vor dem Reichstag für Luther ein Schiedsgericht, bestehend aus unparteiischen und sachverständigen Männern und die vorhergehende Zusicherung freien Geleits für die Hin- und Rückreise gefordert. Nun hatte Aleander schon in Antwerpen, wohin er dem Kaiser entgegengereist war, im Oktober 1520 ein Mandat erwirkt, nach welchem Luthers Bücher in den Niederlanden verbrannt werden sollten. Das war auch in mehreren Städten daselbst, und dann auf Aleanders Betreiben auch in Köln und Mainz geschehen.14) Als aber Aleander noch vor der Krönung des Kaisers in Aachen „ein mit der Strafe des kaiserlichen Bannes“ (= „Reichsacht“) ausgerüstetes 5

66 Mandat für das ganze Deutsche Reich wünschte, lehnten das die kaiserlichen Räte ab mit der Begründung, daß ein solches Mandat vorerst nicht erlassen werden könne.15) Auch an den Kurfürsten Friedrich richtete Aleander in Köln den Wunsch, dieser möchte Luthers Schriften ver­ brennen lassen, ihn selbst aber verhaften und ausliefern. Aber der Kurfürst lehnte das ab. In einer Unterredung am i. November erinnerte letzterer den Kaiser an die von ihm beschworene Wahlverschreibung und erhielt die Zusiche­ rung, Luther sollte nicht unverhört verurteilt werden. Kurz vor seiner Ankunft in Worms schrieb dann der Kaiser von Oppenheim aus an den Kurfürsten, dieser möge Luther mit sich auf den Reichstag bringen; er werde ihn von gelehrten und sachverständigen Personen verhören lassen und dafür sorgen, daß ihm nichts wider Recht geschehe.16) Aber kaum hatte Aleander davon gehört, als er bei dem kaiserlichen Minister Chievres vorsprach und die Zurücknaume dieses Schreibens forderte. Er erhielt dann auch die Versicherung, daß man die Ehre des Papstes und der Kirche bei keinem Schritt außer acht lassen und daß sich der Kaiser als wahrer katholischer Fürst erweisen werde. Zugleich lud man Aleander ein, an der am folgenden Tag stattfindenden Sitzung des deutschen Staatsrates teilzunehmen, wo er seine Wünsche äußern könne. Ueber seine dort gehaltene Rede berichtete Aleander nach Rom: ,,Ich gab eine Uebersicht der stärksten, dem katholischen Glauben widerstreben­ der und meinen Zuhörern mißfälliger Lehren Luthers. Und als ich so die Fürsten zu der richtigen Auffasung und in geneigte Stimmung gebracht hatte, verlangte ich den Erlaß des Mandats und weitere geeignete Maßregeln“ 17). Aleanders Vortrag im Staatsrat machte bei diesem, wie auch bei dem Kaiser, dem darüber berichtet wurde, großen Eindruck. Doch wurde beschlossen, vor weiteren Schritten die Ankunft des Erzkanzlers, des Erzbischofs von Mainz, zu erwarten. Inzwischen wußte Aleander den kaiserlichen Großkanzler Gattinara dahin zu bringen, daß dieser ver­ sprach, das Erscheinen Luthers in Worms zu hintertreiben. In der Tat schrieb der Kaiser am 17. Dezember an den Kur-

67 fürsten, er befürchte, weil alle, die mit dem gebannten Luther handeln, in den gleichen Bann fielen, es möchten daraus große Irrungen entstehen. Der Kurfürst möge Luther nur dann mitbringen, wenn dieser alles, was er gegen den Papst gesagt und geschrieben, widerrufen habe; aber auch dann nicht nach Worms, sondern etwa nach Frank­ furt. Dort solle er weiteren Bescheides warten. Zu diesem Entschluß des Kaisers mochte auch die in diesen Tagen ein­ getroffene Nachricht beigetragen haben, daß der Papst nun­ mehr geneigt sei, ein Bündnis mit dem Kaiser gegen Frank­ reich einzugehen.18) Unterdessen hatte Aleander seinem schon zu Aachen vorgelegten, aber damals abgelehnten Entwurf zu einem Mandat gegen Luther eine neue Fassung gegeben. Dieser Entwurf wurde in einem Ausschuß beraten, der aus lauter von Aleander gekauften Persönlichkeiten bestand und am 29. Dezember in einer Sitzung des Gesamtstaatsrats aller von Karl V. beherrschten Länder im Beisein des Kaisers an­ genommen. Italiener, Spanier, Wallonen, Burgunder, faßten so einen Beschluß, welcher die wichtigste Lebensfrage des deutschen Volkes entscheiden sollte.19) Das die Vorladung Luthers zurücknehmende Schreiben des Kaisers hatte sich mit einem solchen des Kurfürsten vom 20. Dezember gekreuzt. In diesem erklärte der Kur­ fürst, er habe Luthers Verhör gewünscht, damit die Wahr­ heit an den Tag komme. Nun aber habe er vernommen, daß Luthers Bücher unverhört und mit der Hl. Schrift un­ überwunden in Köln, Mainz und sonst auf kaiserlichen Be­ fehl verbrannt worden seien. Er habe sich dessen nicht ver­ sehen. Man hätte das, auch wenn man Luther nicht ansehen wollte, um seinetwillen nicht tun sollen. Da falle es ihm schwer, Luther mit auf den Reichstag zu bringen. Der Kaiser wolle ihn damit verschonen.20) Nun hatte inzwischen Aleander mit dem kaiserlichen Beichtvater Glapio noch einen anderen Plan ausgeheckt, um Luther von Worms fern zu halten und den Widerstand des Kurfürsten gegen dessen Verurteilung zu brechen. Sie wollten dem bereits auf dem Weg nach Worms befindlichen

68 Kurfürsten im Namen des Kaisers vorschlagen, durch Glapio ein Verhör Luthers fern von Worms vornehmen zu lassen. In diesem Vorschlag war Luthers Lehre aufs ärgste entstellt und er selbst als Feind der Kirche und aller Obrig­ keit verlästert. Der Beschluß des Gesamtstaatsrates vom 29. Dezember sollte dem Kurfürsten mitgeteilt werden mit der Bitte, dieser möge ,,den ungenähten Rock des christ­ lichen Glaubens nicht zerteilen lassen und den Zerstörer aller menschlichen Ordnung nicht länger beschützen“. Bei fer­ nerem Widerstand sollte dem Kurfürsten mit dem Verlust der Kurwürde gedroht werden.21) Der feine Plan scheiterte jedoch daran, daß der Kur­ fürst früher in Worms erschien, als die Gesandtschaft abgehen konnte, und schon am Tag nach seiner Ankunft am 6. Januar eine Unterredung herbeiführte, welche der Lage der Dinge eine andere Wendung gab. Der Kurfürst erhielt vom Kaiser ,,die gnädige Vertröstung“, daß Luther nicht vergewaltigt, sondern gehört werden sollte. Auch wagte es jetzt der Kaiser nicht, das am 29. Dezember beschlossene Mandat zu veröffentlichen. Diese neuerliche Zusage des Kaisers ließ der Kurfürst sofort Luther mitteilen und ihn auffordern, seine bereits veröffentlichte ,,protestatio et oblatio“ dem Kaiser zu übersenden und sich dabei gegen jede Gewalttat zu verwahren, welche ihm etwa vor dem zu­ gesagten Verhör zugedacht sein sollte. Auch dem ihm be­ freundeten Nürnberger Losunger Anton Tücher ließ der Kurfürst von der ihm gegebenen kaiserlichen Zusage Kennt­ nis geben, wohl in der Absicht, sie dadurch in die Oeffentlichkeit zu brirfgen.22) Daß Aleander sich bei diesem Mißerfolg nicht be­ ruhigte, zeigt ein in diesen Tagen geschriebener Brief des Kurfürsten, in dem er seinem Neffen Johann Friedrich sagen ließ, man ,,halte alle Tage wider Luther Rat, ihn in Acht und Bann zu tun und aufs höchste zu verfolgen. Das tun die roten Hütlein und die Römer mit ihrem Anhang.“23) In der Tat nützte Aleander die Zeit bis zur Eröffnung des Reichstags gründlich aus, um das Mandat gegen Luther doch noch durchzuset'zen. Dazu wurde er auch immer wie-

69 der angefeuert durch den Vizekanzler des Papstes Julius von Medici, der ihm auch die Gesichtspunkte zeigte, welche er dem Kaiser wie dem Kurfürsten gegenüber geltend machen sollte. Besonders wirksam schien dem Vizekanzler die Be­ hauptung, daß die Ketzer nicht nur die römische Hierarchie in Deutschland, sondern auch das Reich selbst und alle welt­ liche Obrigkeit stürzen wollten.24) In der Bannbulle wie in der von Rom ihm mitgegebenen Instruktion waren Aleander noch andere Mittel zur Unterdrückung der Ketzer emp­ fohlen, an denen er besonderes Wohlgefallen hatte. So schreibt er am 17. Februar an Eck: ,,Mit eiserner Rute und mit Feuer müssen die Ketzer getroffen werden. Ihr Leib muß vernichtet werden, damit die Seele gerettet werde.“25) Man wußte, warum man so drängte. Es wuchs die Sorge, die Ausrottung der Ketzer könnte durch die Politik verhindert werden. Der vom Kaiser geplante Romzug und die Rückeroberung von Mailand, auch der kommende Krieg gegen Frankreich nötigten zur Rücksichtnahme auf die Stände, welche die Mittel dafür zu bewilligen hatten. Bei den Ständen herrschte eine starke Mißstimmung gegen Rom wegen der vielen Mißbräuche und der schamlosen Ausplün­ derung des deutschen Volkes, deren Abstellung bisher ver­ geblich gefordert worden war. Auch die ausländischen Ge­ sandten wußten von dieser Mißstimmung. Sie wußten auch von dem großen Anhang Luthers im Volk. Man wußte auch von der dadurch gebotenen Zurückhaltung des Kaisers und seiner Räte.26) Dieser wachsende Anhang Luthers machte auch Aleander, wie er immer wieder betont, die größte Sorge. Darum glaubte er, nicht säumen zu dürfen. Die durch die feierliche Eröffnung des Reichstags am 28. Januar gehobene Stimmung des Kaisers benützend, stellten die bei­ den Nuntien im Verein mit dem Beichtvater des Kaisers letzterem aufs neue die Notwendigkeit vor Augen, das vor­ bereitete Mandat endlich herauszugeben. Der Kaiser war dazu bereit. Mit der Versicherung, er wolle Reich und Leben daran setzen, um „das böse Gewächs mit der Wurzel auszurotten“, befahl er die Ausfertigung des Mandats. Am

70 3- Februar wurde der Entwurf im Staatsrat durch den Kaiser zur Annahme empfohlen und angenommen.27) Um den Kurfürsten Friedrich, dessen Einspruch gegen das Mandat zu fürchten war, gefügig zu machen, wurde am gleichen Tage die bereits bei der Kaiserwahl in Aussicht ge­ stellte Verlobung der Schwester des Kaisers Katharina mit dem Neffen des Kurfürsten Johann Friedrich durch einen notariellen Akt vollzogen, was sich freilich bald als eine bloße Komödie erwies. Aber der Kurfürst, obwohl er damals noch glaubte, es sei ernst und aufrichtig gemeint, ließ sich da­ durch keineswegs beeinflussen und blieb bei seinem Ent­ schluß, den Kampf für Luthers Sache weiter zu führen. Der Kaiser, dem das nicht verborgen blieb, war darüber sehr verstimmt. Als am 6. Februar der Hofmarschall des Her­ zogs Johann ihm das vom Kurfürsten veranlaßte Schreiben mit Luthers ,,protestatio et oblatio“ überreichte und dabei bat, der Kaiser möge Luther Gerechtigkeit widerfahren lassen, geriet der Kaiser in solche Wut, daß er das Schrei­ ben, ohne es anzusehen, in Stücke riß und zu Boden warf. Aleander hob es auf und schickte es triumphierend nach Born als Beweis, wie gut er den Kaiser bearbeitet habe.28) Sehr viel lag Aleander daran, daß das am 3. Februar vom Staatsrat gebilligte Mandat nicht auch den Reichs­ ständen vorgelegt werde. Er fürchtete, diese würden es ab­ lehnen. Um die Stände nicht vor den Kopf zu stoßen, wurde ein neuer Versuch zur Verständigung mit Luther und dem Kurfürsten unternommen, indem man dem letzteren ,,gute Mittel“ zu einer solchen bot. Die Folge davon waren viertägige Verhandlungen zwischen dem kaiserlichen Beicht­ vater Glapio und dem Kanzler Brück. Dabei gab Glapio offen zu, daß die Kirche reformbedürftig sei. Luther habe auch Gutes geschrieben; sogar der Kaiser habe an mancher seiner Schriften Gefallen gefunden. Selbst unter den vom Papst beanstandeten Artikeln sei keiner so ungeschickt, daß nicht ein christlicher Verstand und ein guter, katholischer Sinn darin gefunden werden könne. Nur die „Babylonica“ (gemeint ist die 1520 erschienene Schrift ,,Von der babyloni­ schen Gefangenschaft der Kirche“) müßte Luther zurück-

7i nehmen, oder ableugnen, daß er sie geschrieben habe (!) Ein Hauptfehler Luthers sei, daß er sich immer auf die Heilige Schrift berufe. Diese sei wie weiches Wachs, man könne sie zerren und dehnen nach eigenem Gefallen. Mit ihr könne man die verkehrtesten Dinge beweisen (!) Den Widerruf könne Luther leisten wie es ihm zusage. Er könne auch seinen Aeußerungen einen guten, katholischen Sinn unter­ legen. Zum Schluß meinte Glapio, der Kaiser werde es gern sehen, wenn der Kurfürst selbst eine derartige Bei­ legung der Sache bei ihm beantrage.29) An der letzten Zumutung hatte der Kurfürst genug. Er lehnte durch seinen Kanzler nicht nur dieses Ansinnen, son­ dern auch das ganze Ränkespiel, als das er Glapio’s Vor­ schläge erkannt hatte, ab mit der Begründung, er könne es mit seiner Ehre nicht vereinigen, zu einem für Luther so nachteiligen Verfahren die Hand zu bieten. So blieb denn nichts anderes übrig, als das Mandat gegen Luther den Reichständen vorzulegen, so unangenehm das auch den Päpstlichen war. Um bei den Ständen für das Mandat Stimmung zu machen, erhielt Aleander vom Kaiser den Auftrag, am Aschermittwoch den 13. Februar vor einer Ständeversammlung einen Vortrag über die Verwerflichkeit der Lehre Luthers zu halten.30) Sehr geschickt, wenn auch sehr gegen die Wahrheit, suchte Aleander Luther vor allem politisch zu verdächtigen. Dieser gehe nur darauf aus, das Volk zu Aufruhr und Gewalttat zu verführen. Unter dem Vorwand des Evangeliums hebe er jede weltliche Gesetz­ gebung und Rechtspflege auf. Durch seine Angriffe auf den Primat des Papstes und die Verwerfung der Konzilien habe er nur alte, längst verdammte Ketzereien erneuert. Aleander schloß mit dem Hinweis, daß in Glaubensfragen keine weit liehe Obrigkeit, auch nicht der Kaiser das Recht habe, das Urteil des Papstes in Zweifel zu ziehen. Am 15. Februar wurde das Mandat den Ständen vorge­ legt. Wegen der Erkrankung des Kurfürsten Friedrich er­ folgte die Beschlußfassung erst am 18. Februar. Bei der Beratung im Kurfürstenrat kam es zwischen dem Kur­ fürsten von Sachsen und dem von Brandenburg durch die

72

Erregung de.- letzfeien zu einem heftigen Zusammenstoß, bei dem sie beinahe handgemein geworden wären.31) Ein ,,Ge­ denkzettel“, welchen der Kurfürst Friedrich für seine Rede benützte, zeigt uns seine geschickte Beweisführung. Die Behauptung, daß Luther ein Unruhestifter und Feind aller Obrigkeit sei, bezeichnete er als eine Verleumdung. Den Römischen sei es nicht um Gottes Ehre und das Heil der Seelen, sondern um Erhaltung ihrer Macht und die Befrie­ digung ihrer Habsucht zu tun. Luther könne seine Schriften gegen alle Vorwürfe verteidigen. Viele Gelehrte hielten seine Lehre für christlich und heilsam. Darum dürfe man ihn nicht ungehört verurteilen.32) Die Gesamtheit der Reichsstände beschoß daraufhin, das Mandat nicht ausgehen zu lassen. Luther solle unter freiem Geleit nach Worms berufen werden, aber — das setz­ ten die Gegner auf Aleanders Betreiben durch — er solle nur gefragt werden, ob er widerrufen wolle oder nicht! Wenn er seine gegen den christlichen Glauben und die christliche Kirche gerichteten Schriften widerrufe, solle er in anderen Punkten, so in den Beschwerden der deutschen Nation, ge­ hört, und es solle darin der Billigkeit nach verfügt werden. Endlich forderte und erreichte Herzog Georg von Sachsen noch den Zusatz zu dem Beschluß, die Beschwerden müßten mit einem Konzil beraten, und die Notwendigkeit der Be­ rufung eines solchen müßte dem Papst dadurch fühlbar ge­ macht werden, daß man ihm keine Annaten mehr bezahle.33) Als dieser Beschluß am 19. Februar dem Kaiser über­ geben wurde, bewies dieser aufs neue seine Parteinahme für den Papst, inddm er erklärte, die Beschwerden gegen die Kurie dürften nicht mit der Sache Luthers zusammen­ geworfen werden. Er werde selbst dem Papst schreiben und hoffe, Seine Heiligkeit werde die Mißbräuche, wenn sichs damit gemäß der Behauptung der Stände verhalte, ab­ stellen.34) Am 2. März aber erteilte er den Ständen den Be­ scheid, er habe beschlossen, Luther nach Worms zu fordern und ihn „mit freiem, sicheren Geleit hin und wieder bis in sein Gewahrsam genugsamlich zu versehen, ihn zu fragen und zu hören“. Die Beschwerden und Mißbräuche, welche

73 abgestellt werden sollten, seien ihm schriftlich anzuzeigen; er wolle dieselben erwägen und beratschlagen und sich mit den Ständen bereden, was vorzunehmen und zu han­ deln sei.35) Diese Beschwerden wurden darauf durch einen Aus­ schuß zusammengestellt. Den wichtigsten Teil (14 Be­ schwerdepunkte) lieferte der streng katholische Herzog Georg von Sachsen.36) Wie berechtigt übrigens diese Be­ schwerden waren, zeigt Aleander selbst, wenn er am 5. Mai die Erwartung ausspricht, man müsse sich „in Rom eines gottgefälligen Wandels befleißigen und ein Regiment führen, das dem deutschen Volk keinen Anlaß gebe, über die bei der Verleihung von Kirchen und Pfründen vorkommenden Derogationen, Reservationen und Erpressungen der Stellen­ jäger zu klagen“. Auch am 6. Februar hatte er es als not­ wendig bezeichnet, daß alle Reservationen, besonders die unter Verletzung der Konkordate geschaffenen, aufgehoben würden, auch „wenn der Kaiser selbst sie tausendmal be­ gehrte.“37) Freilich wagte es jetzt die Mehrheit der Stände nicht mehr, diese Beschwerden dem Kaiser zu übergeben. Die Sache verlief im Sand. Aleander aber, welcher die Zu­ sammenstellung der Beschwerden durch Vertrauensbruch „hinter dem Rücken des Sachsen“ erhalten hatte, konnte dieselbe bereits am 18. Februar nach Rom schicken, wo man sie stillschweigend in den Akten verschwinden ließ.38) Durch die wiederholte Ablehnung des Mandats waren der Kaiser und die Römischen sehr verstimmt. Aleander sandte sehr erregte und sorgenvolle Berichte nach Rom. Das Mandat wurde jetzt umgearbeitet, um es den Ständen annehmbar zu machen. Der gehässige Eingang wurde ge­ mildert. Dagegen wurde eine Aeußerung Luthers, in der er die geistlichen Richter, welche s. Zt. Johann Hus in Kon­ stanz zum Feuertod verurteilten, als Mörder und Pharisäer bezeichnet hatte, gefälscht, indem behauptet wurde, diese Bezeichnung habe dem Kaiser Sigismund und den Fürsten gegolten.39)

74 Aber auch diesen neuen Mandatsentwuri lehnten die Stände am 5. März ab. Am folgenden Tag befahl dann der Kaiser die Ausfertigung der Vorladung Luthers. Sie war in freundlichem Ton gehalten und gab Luther die ihm ge­ bührenden Ehrentitel, worüber Aleander sehr entrüstet war.40) Bevor aber der Kaiser diese Vorladung unterschrieb, wurde noch der Versuch gemacht, die Einladung dem Kur­ fürsten von Sachsen zuzuschieben.41) Erst, als dieser das abgelehnt hatte, Unterzeichnete sowohl der Kaiser als der Erzkanzler des Reichs Erzbischof Albrecht von Mainz die Vorladung und den Geleitsbrief. Diese beiden Schriftstücke sind die einzigen Urkunden in Luthers Sache auf dem Reichstag, welche verfassungsmäßig ausgefertigt sind! In der Karwoche besuchte der Kaiser fleißig die Kirchen, Am Gründonnerstag vollzog er in feierlicher Weise an 14 armen Knaben die Fußwaschung.42) Auch Aleander war in diesen Tagen ,,ein wenig fromm“, indem er sich ,,ein wenig mit Gott und seinem Gewissen beschäftigte“.43) Sehr tief scheint er dabei freilich nicht gegangen zu sein. Denn gerade in diesen Tagen schrieb er mit Stolz in sein Tage­ buch, daß ihm „von seiner geliebten ,,Perilla Proana“ — der Gattin eines Notars, mit welcher der würdige Gesandte des Papstes im Ehebruch lebte — ,,ein Sohn geboren sei“.44) In dieser eigenen und des Kaisers ,,andächtigen und from­ men Stimmung“ erreichte er von letzterem am 26. März die Erlaubnis, ein kaiserliches Mandat öffentlich anzuschlagen, nach welchem alle Bücher Luthers an die Obrigkeit abge­ liefert, auch nicht mehr gedruckt, verkauft oder gekauft werden sollten? Unterschrieben war dieses Mandat weder vom Kaiser noch vom Erzkanzler. Auch die Reichsstände waren wegen desselben nicht befragt worden. Datiert war das Mandat vom 10. März. 45) Recht viel Erfolg hatte Aleander mit diesem Mandat allerdings nicht. In Worms wurde der Anschlag sofort wieder abgerissen. Er selbst klagte daß trotz des Mandats ,,die Schriften Luthers und seiner verruchten Genossen so­ gar bei Hof verkauft und ihre Bilder öffentlich ausgestellt würden. In den Kreisen der Lutheraner erklärte man das

75 Mandat für erschlichen und als schmählichen Bruch des kaiserlichen Geleits. Aleander — und wohl auch die Kaiserlichen — hatten gehofft, Luther werde angesichts des Mandats, von dessen Erlassung er auf der Reise nach Worms Kenntnis erhielt, sich von der Weiterreise abschrecken lassen. Aber dieser hielt es für seine Pflicht, unter allen Umständen nach Worms zu kommen und Zeugnis für seine Sache abzulegen. Der Kurfürst, welcher das Mandat ebenfalls als Geleitsbruch empfand, trug Bedenken gegen Luthers Kommen. Aber der Kanzler Brück hielt es für nötig, daß Luther trotzdem komme, zumal die Gegner triumphieren würden, wenn er wegbliebe.46) Dagegen machte Aleander, der nur mit Schrecken an Luthers Kommen denken konnte, noch einen letzten Ver­ such, dasselbe zu verhindern. Der kaiserliche Rat Armers­ dorf wurde nach der Ebernburg geschickt, um Ulrich von Hutten, der in seinen Schriften leidenschaftlich gegen Rom und den Kaiser geschrieben und soeben auf die Erlassung des Sequestrationsmandats hin einen ,,Pfaffenkrieg“ ange­ kündigt hatte, durch das Angebot eines kaiserlichen Jahr­ gelds von 400 Gulden zum Schweigen zu bringen. Auch Franz von Sickingen, der Luther s. Zt. seine Burg und seine Landsknechte zur Verfügung stellen wollte, wurde für den Dienst des Kaisers angeworben. Im Anschluß daran er­ schien der kaiserliche Beichtvater auf der Ebernburg mit dem Vorschlag, Luther sollte durch Sickingen dorthin ein­ geladen werden, da man über eine Verständigung mit ihm verhandeln wolle, die dem Kaiser erwünscht wäre. Hutten und der damals ebenfalls auf der Ebernburg weilende ehe­ malige Dominikaner Martin Butzer, jetzt ein begeisterter Anhänger Luthers, sollten diesen dazu bewegen, auf die Ebernburg zu kommen.47) Butzer reiste Luther nach Oppenheim entgegen. Aber dieser lehnte den Vorschlag ab, da er die Falle erkannte, die man ihm stellen wollte. Wäre Luther auf die Ebernburg gegangen, dann wäre er des kaiserlichen Geleits verlustig gegangen und dem Zugriff seiner Feinde ausgesetzt gewesen.

Als die Kaiserlichen sichere Nachricht erhalten hatten, daß Luther tatsächlich nach Worms komme, waren sie nach Aleanders Bericht ,,wie vom Donner gerührt“.48) Aehnlich scheint es auch diesem selbst ergangen zu sein, als Luther seinen Einzug gehalten hatte. Vor allem war er wütend auf die kaiserlichen Räte, denen er alle Schuld an Luthers Kom­ men zuschob, weil sie den Kaiser schlecht beraten hätten. Er nennt sie feig und blödsinnig und meint, Gott werde sie zum Gespött werden lassen, weil sie mehr mit den Menschen, als mit Gott gerechnet hätten.49) Auch Spengler sagt in seinem Bericht, Luther habe den Römischen mit seiner unversehenen Ankunft ,,alle Register verzogen und sie wie Schweine zusammen­ gejagt.“50) Der begeisterte Empfang Luthers von seiten des Volkes und vieler Herren vom Adel war Aleander besonders ärgerlich.51) Aber alle seine Wut änderte nichts mehr an der Tatsache, daß nun Luther in Worms war und gehört werden sollte. Er konnte nur noch einmal die Kaiserlichen bestürmen, daß an Luther nur die Frage gerichtet werden dürfe, ob er widerrufen wolle.52), und dem erzbischöflichen Offizial von Eck, der zum Sprecher für das Verhör be­ stimmt war, die Fragestellung wörtlich vorschreiben, um jede Möglichkeit einer Verteidigung Luthers auszu­ schließen.53) Der Offizial erwies sich denn auch den von Aleander er­ haltenen Anweisungen gegenüber als gehorsam. Zur Beloh­ nung dafür erhielt er 400 Gulden. Der Papst hatte 1000 Gulden für ihn geschickt. Aleander gab ihm nur 400, weil er glaubte, daßMiese genügten. Dafür empfahl ihn Alean­ der für eine reiche Pfründe.54) Interessant ist, daß er dem Offizial unbedingtes Schweigen über diese Belohnungen auf erlegte! ,,Denn es gibt keine schwerere und wirksamere Verleumdung, mit der diese Deutschen uns dem Haß des Volkes und die kaiserlichen Mandate der Mißachtung preis­ geben, als daß wir den Kaiser, den Staatsrat und alle Welt bestechen, eine Behauptung, die nicht nur grundfalsch, son­ dern geradezu lächerlich ist, aber dennoch von den Luthe­ ranern mit Wort, Schrift und Eidschwur verfochten

77 wird.“55) Und doch hat gerade Aleander solche Be­ stechungen vielfach vorgeschlagen und selbst vollzogen, wofür er in seinen Depeschen zahlreiche Beispiele anführt! Auf das Verhör Luthers und die nachfolgenden Ver­ handlungen mit ihm näher einzugehen, ist für unsern Zweck nicht nötig.56) Wenn Luther bei seinem ersten Verhör für seine Ant­ wort Bedenkzeit erbat, so tat er das nicht, weil er, wie seine Gegner meinten, sich noch überlegen wollte, ob er wider­ rufen wollte, oder nicht. Das war für ihn keine Frage mehr. Widerrufen konnte und wollte er nicht. Nur war er nicht darauf gefaßt, daß er Antwort geben sollte, ohne sich zu verteidigen zu können. Seine Ueberlegung galt nur der Form, die er seiner Antwort geben wollte. Darum war es ihm zu tun, daß er die rechten Worte finde, um überzeugend und zugleich in schicklicher Form zu sagen, was er sagen mußte. Sollen wir aber den Eindruck wiedergeben, den wir von Luthers Auftreten und Verhalten in Worms erhalten, dann können wir es mit den Worten tun, welche der Kurfürst Friedrich am Abend des 17. April zu Spalatin sprach: ,,Wohl hat Pater Dr. Martinus geredet“, oder, wie Spengler sein Urteil über ihn zusammenfaßte : „.Luther hat sich in diesem Handel zu Worms so tapfer, christenlich und ehr­ bar gehalten, daß ich meine, die Romanisten und ihre heim­ lichen und öffentlichen Anhänger sollten viel tausend Gulden darum geben, daß sie ihn des Orts nie erfordert, gesehen oder gehört hätten“.57) Das gilt aber nicht nur von dem Verhör vom 16. und 17. April, sondern auch von den Besprechungen, welche am 24. und 25. April auf Wunsch des ängstlich gewordenen Erzbischofs von Mainz und auf Antrag der Stände vom 20. April vom Kaiser gestattet wurden, weil man es nocheinmal versuchen wollte, Luther in gütlicher Unterredung „auf den rechten Weg zu bringen“.58) Der badische Kanzler Dr. Vehus, welcher diesmal Sprecher war, wie auch der Erz­ bischof von Trier, welcher die Schlußverhandlungen führte, waren bemüht, Luther gerecht zu werden und durch wohl-

78 wollendes Entgegenkommen eine Verständigung zu erzielen. Luther erkannte das auch dankbar an. Ob es freilich auch nur Wohlwollen gegen Luther war, wenn der Erzbischof ihm schließlich sagte, er vermute, Luther habe nur aus Furcht vor seinen Anhängern nicht widerrufen wollen, sei dahingestellt. Wohl versicherte er weiter, er habe für ihn eine reiche Pfründe bereitgestellt und wolle ihn an seinem Tisch und in seinem Rat behalten; dann stehe er unter seinem und des Kaisers Schutz und in des Papstes höchster Gunst. Aber Luther lehnte das alles ab. Dem Erzbischof freilich wäre für Luthers Unschädlichmachung der Kardi­ nalshut sicher gewesen! Daß er es übrigens mit seinen Versprechungen nicht ganz ehrlich meinte, beweist seine nachträgliche Erklärung gegenüber Aleander: es sei ihm nie in den Sinn gekommen, seinen Anerbietungen irgend­ welche Verbindlichkeit beizulegen!59) Daß so auch diese letzen Versuche zu keiner Verstän­ digung führten, hatte seinen Grund nur darin, daß die Wort­ führer die Prüfung und Beurteilung der Lehre Luthers an der Heiligen Schrift nicht zugeben durften, während Luther darauf nicht verzichten konnte. Er schloß seine Ausfüh­ rungen mit der Versicherung, er habe nichts anderes gewollt als eine Reformation auf Grund der Heiligen Schrift. Er sei bereit, alles zu erdulden, was nun über ihn verhängt werde. Nur eins müsse er sich Vorbehalten: das Wort Gottes frei zu bekennen und zu bezeugen! In einem Brief vom 18. April hatte der kaiserliche Rat Sixtus Oelhafen, ein Nürnberger, an seinen Schwager Hektor Pömer,* Propst an St. Lorenz, geschrieben, er habe nach dem Verhör Luthers vom 17. April vor dessen Her­ berge auf seine Rückkehr gewartet. Da habe Luther, als er in seine Wohnung trat, seine Hände aufgereckt und froh liehen Angesichts gerufen: ,.Ich bin hindurch, ich bin hin­ durch!“60) Aleander, der von diesem Ausruf Luthers ge­ hört hatte, sucht in seinem Bericht vom 19. April den Worten einen boshaften Sinn unterzulegen, indem er von der sie begleitenden Geste des Händeaufhebens sagt: ,,wie die Landsknechte pflegen, wenn sie über einen wohl-

79 gelungenen Hieb frohlocken“.61) Wir glauben nicht, daß Luther so gedacht hat. Jedenfalls aber hatte er allen Grund zu frohlocken. Er war durch die für ihn überaus ernsten und schweren Tage hindurchgekommen mit einem unver­ letzten Gewissen! Nichts hatte ihn bewegen können, seiner Ueberzeugung und seinem Gewissen untreu zu werden. Freilich hatte er eben damit zugleich seinen Gegnern in der Tat einen ,,wohlgelungenen Hieb“ gegeben und ihre Listen und Ränke zuschanden gemacht. Sieger in diesem Kampf war weder der Kaiser noch der Papst, noch deren hinterlistige und verlogene Diplomaten, sondern die von Luther vertretene evangelische Wahrheit, welche durch alle römischen Listen und Ränke nicht überwunden werden konnte, auch wenn sie den, der sie verteidigte, in Bann und Reichsacht taten! Es war nicht, wie immer wieder behauptet wird, Eigen­ sinn und Rechthaberei, auch nicht selbstgewählte Aufleh­ nung gegen altgeheiligte Anschauungen und Ordnungen, durch die Luther sich leiten ließ, sondern allein die Pflicht, die sein Gewissen ihm gebot. Er wußte, was seiner wartete, wenn er nicht widerrief. Er war sich auch der ungeheuren Verantwortung bewußt, die er vor der Welt und der Ge­ schichte trug. Aber er ging diesen Weg, weil ihm kein an­ derer möglich war. Darin liegt die Tragik seines Schick­ sals, aber auch seine Größe! Sahen auch die Gegner diese Größe nicht, vielmehr die Mehrzahl nur Verstocktheit und Bosheit, den Ehrlichen unter ihnen mußte sein Heldenmut Achtung abnötigen ! Heute aber dankt es ihm die Weit, daß er ihr die Freiheit des Gewissens .erstritten hat ! Wir wollen nicht sagen, daß der Kaiser, der Luther verurteilte, und die Fürsten und Stände, welche dieser Ver­ urteilung zustimmten, damit bewußt Unrecht getan hätten. Bei den damals herrschenden Rechtsanschauungen und Rechtsverhältnissen gab es schließlich, wie Kold'e mit Recht ausgeführt hat, keinen anderen Ausweg, als daß Luther ver­ urteilt wurde.62) Mit der Verwerfung der Unfehlbarkeit der

8o Konzilien und des Primats des Papstes hatte er sich tatsäch­ lich außerhalb des damals geltenden Rechts gestellt! Der Fehler, welcher damals gemacht wurde, bestand darin, daß man glaubte, in Glaubenssachen eine richterliche Entschei­ dung treffen zu müssen. Denn in Glaubenssachen darf es keine Entscheidung durch menschliches Urteil geben. Der Glaube ist Sache der Ueberzeugung und des Gewissens. Hier gilt nur der Weg, den einst Gamaliel und den auch Luther gezeigt hat: ,,Ist der Rat oder das Werk aus Men­ schen, so wird es untergehen, ist es aber aus Gott, so könnt ihr es nicht dämpfen“! Das große Unrecht aber, welches damals geschah, bestand darin, daß der Papst und seine Werkzeuge und Sachwalter nicht die Wahrheit, die Ehre Gottes und das Heil der Seelen, sondern die eigene Macht und Ehre suchten, daß sie um der Macht und um des Geldes willen Gottes Wort mißachteten, daß sie sich selbst und die Kirche nicht unter die Heilige Schrift und ihre Wahrheit stellen wollten, und darum auch nicht zur Erkenntnis der Abwege kommen konnten, auf denen sie sich befanden. Das war ihr Unrecht und wird für alle Zeiten auf dem damaligen Papsttum und allen denen, die es stützten, lasten, daß man mit unehrlichen Mitteln, mit Falschheit und Hinterlist, mit Entstellung und Verleumdung gegen Luther kämpfte und die Wahrheit zu unterdrücken suchte ! Wir kehren zum Reichstag zurück. Am 19. April berief der Kaiser die Reichsstände zu sich und verlas vor ihnen eine eigenhändig in französischer Sprache geschriebene Er­ klärung, welche in der Versicherung gipfelte, er wolle Krone und Leben daran setzen, um die Ketzereien auszu­ rotten und gegen Luther als einen überwiesenen Ketzer ver­ fahren, wozu er die Zustimmung des Reichstags erwarte.63) Darauf stellte der Kurfürst Joachim den Antrag, der Kaiser möge nach Ablauf der Geleitsfrist gegen Luther und seine Anhänger ernstliche Mandate ergehen und seine Schriften verbrennen lassen. Kurfürst Friedrich protestierte dagegen. Am Nachmittag traten die Kurfürsten unter sich zusam­ men. Mit 4 gegen 2 Stimmen wurde dem Vorhaben des Kaisers zugestimmt.64)

8i Die Erklärung des Kaisers war inzwischen im Volk be­ kannt geworden und hatte unter diesem große Mißstimmung erregt. In der folgenden Nacht wurden in der Stadt zahl­ reiche Plakate angeschlagen, durch welche gegen das Vor­ haben des Kaisers und der Stände protestiert und den Fürsten und Romanisten, besonders aber dem Erzbischof von Mainz im Namen von 400 Edlen Fehde angekündigt wurde. Unterzeichnet waren die Plakate mit dem drei­ maligen ,,Bundschuh“, dem Kennwort der unzufriedenen Bauern. Daraufhin regte der Erzbischof die oben erwähnte nochmalige Aussprache mit Luther vom 24. und 25. April an.65) Noch am 24. April wurde Luther eine weitere Falle ge­ stellt. Das geschah durch Johann Dobeneck, gewöhnlich Kochläus genannt. Dieser stammte aus Wendelstein bei Nürnberg, war eine zeitlang Rektor der Lateinschule bei St. Lorenz hier gewesen und dann Dechant an der Frauen­ kirche zu Frankfurt geworden. Noch ein Jahr vor dem Wormser Reichstag war er für Luther eingetreten, hatte sich dann aber wieder auf die römische Seite zurückgefun­ den und sich schließlich zum Gegner Luthers entwickelt. Diesen rief nun Aleander nach Worms, um ihn für seine Zwecke zu gebrauchen. Nach der Aussprache Luthers mit dem Erzbischof von Trier suchte Kochläus Luther in seiner Herberge auf, um ihn zu einer Disputation ,,aufs Feuer“ herauszufordern. Es wäre Luther nicht schwer gewesen, mit diesem theologisch nicht gerade bedeutenden, aber um­ somehr von sich eingenommenen Mann fertig zu werden. Aber Kochläus machte es ihm unmöglich, die Herausforde­ rung anzunehmen, indem er die Bedingung stellte, daß Luther vorher auf das kaiserliche Geleit verzichten müsse. Darin steckte aber die Falle, die Luther sofort erkannt hatte. Hätte dieser auf das Geleit verzichtet, dann wäre er — so war es mit Aleander abgekartet — sofort ergriffen und dem Feuertod überliefert worden.66) Am 25. April erhielt Luther seine Entlassung und reiste am 26. von Worms ab. Vor der Abreise ließ ihm sein Kurfürst noch sagen, es sei eine Stätte für ihn bereit, wo 6



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er allen Feinden des Evangeliums zum Trotz werde bleiben können. In Friedberg entließ er den Reichsherold und gab ihm ein Schreiben an den Kaiser und ein gleiches an die Reichstände mit, in welchem er nochmal erklärte, daß er grundsätzlich nur die Beweisführung nach der Heiligen Schrift gelten lassen könne. Das sei der Angelpunkt des ganzen Streits gewesen, daß Gottes Wort ungebunden bleiben müsse.67) Am 30. April ließ der Kaiser den versammelten Reichs­ ständen eröffnen, da Luther bei seiner ketzerischen Meinung beharre und er als Schirmherr der Kirche den christlichen Glauben zu schützen habe, sollten die Stände ihm raten, was nun gegen Luther und seine Beschützer, wie gegen die Drucker, Verkäufer und Käufer seiner Schriften mit Acht, Aberacht oder sonst geschehen solle. Nachdem sich die Stände darüber beraten hatten, antworteten sie entsprechend ihrem Mehrheitsbeschluß, der Kaiser wolle die Mandate, wie er sie für gut ansehe, entwerfen lassen. Den Entwurf wollten sie prüfen und dem Kaiser dann ihr Gutbedünken anzeigen.68). Der Großkanzler erteilte Aleander am 1. Mai den Auftrag, ,,einen hübschen Entwurf“ zu einem Mandat zu fertigen. Da dieser alles längst vorbereitet hatte, konnte er den Entwurf in einer Nacht diktieren. Es war ihm eine nicht geringe Beruhigung, daß der Kaiser in diesen Tagen zu Glapio sagte: „Ich verspreche auch> daß, wenn erst das neue Mandat zustandegekommen und veröffentlicht ist, ich den ersten, bei dem eine Schrift oder ein Bild Luthers ge­ funden wird, an diesem Fenster — an dem er eben lehnte — aufknüpfen lasse.69) Man war nun am Hof des Kaisers entschlossen, das Mandat den Reichsständen nicht mehr zur endgültigen Gelehmigung vorzulegen, obwohl diese das zur Bedingung ge­ macht hatten. Als aber Aleander am 12. Mai die Unter­ schrift des Kaisers erbat, hielt dieser noch einen kurzen Aul­ schub für nötig. Noch waren wichtige Beschlüsse von den Reichsständen zu fassen. Da durften diese nicht vor den Kopf gestoßen werden.70) Auch war durch die Nachricht von Luthers angeblicher Gefangennahme große Erregung

83 gegen die Kaiserlichen entstanden, denen man die Schuld daran zuschob. Man ließ daher durch den Augsburger Ge­ sandten das Gerücht verbreiten, das Mandat werde nicht er­ lassen.71) Die Erwartung, daß man die Stände dadurch für die unbegrenzte Bewilligung der vom Kaiser geforderten Truppen gewinnen könne, erfüllte sich freilich nicht. Der Aerger der Kaiserlichen über diese Haltung der Stände richtete sich vor allem gegen den Kurfürsten Friedrich, der ohnedies als Beschützer Luthers gehaßt wurde;. Schon am 30. April hatte der Kaiser davon gesprochen, daß er auch gegen Luthers ,,Anhänger und Enthalter“ vorgehen wolle. Auch der Reichstagsabschied, der in diesen Tagen fest­ gestellt wurde, enthielt Bestimmungen, die offensichtlich gegen den Kurfürsten gerichtet waren. In der päpstlichen Bulle vom 3. Januar 1521, welche über Luther endgültig den Bannfluch aussprach, war auch der Kurfürst zu Sachsen ausdrücklich in das Urteil mit eingeschlossen. Dieser wußte wohl, daß der Kaiser die Hand zur Voll­ streckung auch an ihm bieten werde. Die Ansammlung von Truppen in der Nähe von Worms schien gegen ihn gerichtet zu sein. So entschloß sich der Kurfürst, obwohl er schwer gichtkrank war, am 23. Mai in aller Stille abzureisen. Der Erzbischof von Mainz lieh ihm dazu seine Sänfte. Nach seiner Abreise ließ er dem Kaiser ein Schreiben überreichen, in welchem er nocheinmal gegen die Vollziehung der Bann­ bulle durch die Achterklärung Verwahrung einlegte, solange Luther nicht des Irrtums überführt sei. Am 25. Mai begab sich der Kaiser in feierlichem Zug nach dem Rathaus, wo ihn der Kurfürst von Brandenburg mit einer sehr schmeichelhaften Rede begrüßte. Hier wurde der Reichstagsabschied mit allem, was von den Ständen be­ schlossen worden war, verlesen und unterzeichnet. Ein Gesetz gegen Luther und seine Anhänger enthielt dieser Abschied nicht. Damit war der Reichstag geschlossen. Die vier noch anwesenden Kurfürsten und die Bischöfe von Lüttich, Straßburg, Augsburg, Bamberg und .Würzburg gaben dem Kaiser das Geleit in die bischöfliche Pfalz, die Wohnung des Kaisers. Dort verlas der Großkanzler ein c*

84 Schreiben des Papstes, in welchem dieser dem Kaiser seine Anerkennung aussprach, ,,weil er sich im Kampf gegen Luther, den Sohn der Bosheit, vom Geiste Gottes habe leiten lassen“. Auch die übrigen Anwesenden erhielten ähnliche Belobungen und wurden ermahnt, sich auch ferner in der Bekämpfung des Erzketzers vom Geiste Gottes leiten zu lassen. Und nun erklärte der Kaiser, das Edikt gegen Luther erlassen zu wollen. Nachdem dasselbe verlesen war, erklärte der Kurfürst von Brandenburg im Namen der An­ wesenden, daß ihnen das Edikt gefalle und daß man es, ohne ein Jota daran zu ändern, zum Vollzug bringen müsse. Denn das sei die Meinung und der Beschluß aller Stände des Reichs gewesen.72) Am andern Morgen, dem Trinitatisfest, nach Schluß der Predigt und des Hochamts, Unterzeichnete der Kaiser, wie Aleander wörtlich berichtet: „mitten in der Kirche mit seiner gesegneten Hand an diesem Tag des Heils“ beide Mandate, das lateinische und das deutsche, „in so zufrie­ dener Stimmung, daß er ganz vergnügt aussah“.73) Aleander berichtet weiter, auch der Erzbischof von Mainz habe beide Exemplare unterschrieben.74) Er meldet das wohl deshalb, weil zur Rechtsgültigkeit eines Reichsgesetzes die Gegen­ zeichnung desselben durch den Erzkanzler des Reichs, den Erzbischof von Mainz, nötig war. Aber hier hat Aleander wieder einmal (nach seinen eigenen Worten) „um des Glau­ bens willen gelogen“. Der Erzbischof hatte vielmehr die Gegenzeichnung verweigert. Die beiden heute noch im päpstlichen Archiv zu Rom liegenden Originale tragen zwar die Unterschrift des Kaisers; das deutsche Exemplar aber ist daneben nur von dem deutschen Sekretär Nikolaus Ziegler, und das lateinische von dem burgundischen Sekretär Hannart unterschrieben.75) So ist denn das Wormser Edikt tatsächlich kein ver­ fassungsmäßig zustandegekommenes Reichsgesetz, sondern nur eine auf Betreiben der Päpstlichen hinter dem Rücken der Reichsstände herausgegebene Verfügung, der man den Schein eines gültigen Reichsgesetzes zu geben versucht hatte. Kurfürst Joachim hat allerdings behauptet, das

85 Edikt zu erlassen, sei die Meinung und der Beschluß aller Reichsstände gewesen. Auch das Edikt selbst enthält die Behauptung, daß es „mit dem einhelligen Rat des Kaisers, der Kurfürsten und Stände, jetzo hie versammelt“, be­ schlossen worden sei.76) Aber das ist eine Fälschung. Das Edikt wurde den Ständen zur Genehmigung nicht mehr vor­ gelegt. Nach einem Bericht Spalatins an den Kurfürsten hat Pfalzgraf Ludwig, als ihm Herzog Wilhelm von Braun­ schweig von der Unterstellung, das Edikt sei mit ein­ helligem Rat der Stände beschlossen, Mitteilung machte, mit Unwillen erklärt, das sei ihm seines Teils verborgen, er wisse nichts davon, viel weniger habe er es bewilligt.77) Was nun den Inhalt dieses zwar kaiserlich genannten, aber vom päpstlichen Nuntius verfaßten Edikts betrifft, so kann man wohl sagen, daß es das verlogenste und zugleich grausamste „Gesetz“ ist, das je auf deutschem Boden er­ lassen wurde. Die Mittel und Wege, mit deren Hilfe es zu­ stande kam: Hinterlist, Falschheit, Lüge und Entstellung, Fälschung und Verleumdung, die Aleander selbst in seinen Berichten nach Rom aufdeckt, liefern für alle Zeiten den Beweis, daß Luther mit seinem Kampf gegen die damalige verweltlichte Kirche im vollen Recht war. Eine Sache, die man mit solchen Mitteln schützen und verteidigen mußte, konnte keine gute Sache sein! Wie haben nun alle diese Vorgänge, diese Verhand­ lungen und Beschlüsse des Reichstags auf die Gesandten Nürnbergs und damit auf Nürnberg selbst und die dortige Stimmung gewirkt? Durch Spenglers Bericht, wie durch andere Nachrichten war man in Nürnberg völlig im Bilde über die Umtriebe und Absichten der Römischen. Mit Spengler war man überzeugt, daß der Kaiser gegen Luther nicht, wie es tatsächlich geschah, vorgegangen wäre, wenn er über ihn und seine Lehre „wahrhaftigen Bericht empfangen hätte und nicht die päpstlichen Heuchler und Ohrenkrauer ihn durch ihr eigennützig, ungöttlich Per­ suasion und Anweisung verhetzt hätten“. Insbesondere wußte man von all den Listen und Ränken Aleanders, deren Ziel es war, die freie Verantwortung und Rechtfertigung

86 Luthers vor dem Reichstag unmöglich zu machen, weil man das Licht der Wahrheit fürchtete. Man war auch zu der Ueberzeugung gekommen, daß die Römischen Luther weniger um seiner Glaubenslehren willen verfolgten, als vielmehr, weil er die vielen Mißbräuche, die „Büberei, Geiz und sträfliche Sachen“ der römischen Kurie und ihrer Geist­ lichen aufgedeckt und gegeißelt habe. Das Ansehen, welches Luther von Anfang an in Nürnberg genoß,, und der Glaube an seine göttliche Sendung wurden durch die Vorgänge in Worms nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern nur gestärkt. Nürnbergs Rat und Bürgerschaft blieben Luther und seiner Sache treu ! Als das Wormser Edikt dem Rat durch den Haupt­ mann des Schwäbischen Bundes Ulrich Arzt amtlich zuge­ stellt wurde, gab man zwar das in dem Edikt enthaltene Verbot der lutherischen Bücher bekannt, aber die Verkün­ dung der Achterklärung wurde „zu längerem Nachgedenken gestellt“. Die Gelehrten, in diesem Fall die juristischen Be­ rater der Stadt, äußerten sich dahin, daß man einem kaiser­ lichen Edikt an sich zum Gehorsam verpflichtet sei; aber hier handle es sich um ein ungerechtes Gebot, dem man auch nach dem geltenden Recht keinen Gehorsam schulde, zumal da aus der Befolgung auch viel Nachteil und Schaden erwachsen würde. Ueberdies sei das Edikt nicht, wie sein Verfasser Aleander behaupte, „mit einhelligem Rat der Kur­ fürsten, Fürsten und Stände beschlossen“, also nicht recht­ mäßig. Darum solle man „die Ehr und das Wort Gottes, auch christliche Wahrheit und der Seelen Heil mehr er­ messen und beherzigen, denn alles zeitliche Gut, Ehr und Leib, und derhalben dem Mandat einig Vollziehung nicht tun lassen“. Jedenfalls sollte man das Edikt vorerst nicht veröffentlichen; der Rat müsse darin nicht der erste sein, sondern abwarten, was die anderen Stände tun. Diesen Rat­ schlag eignete sich der Rat an. Wenn dann dieser am 7. September auf eine Anfrage Weißenburgs, wie man es in Nürnberg mit dem Edikt halte, erwiderte, er sei im Tun und Lassen noch unentschlossen,79) so bezog sich das lediglich auf die Frage der Veröffent-

»7 lichung des Edikts. Daß man dasselbe nicht befolgen wollte, stand dem Rat fest. Als sich derselbe schließlich doch ent­ schloß, das Edikt am Rathaus anzuschlagen80), geschah das nur um die Form zu wahren und unter Protest vor Notar und Zeugen gegen die Rechtmäßigkeit des kaiserlichen Ge­ bots, wie in dem Beschluß ausdrücklich vermerkt wurde. Für Nürnberg war es damit abgetan! Man vergegenwärtige sich nur einmal, welche Zustände in den einzelnen Gemein­ wesen durch die Vollziehung dieses Edikts geschaffen' wor­ den wären. In demselben hieß es wörtlich: ,,Aber gegen seine (nämlich Luthers) Mitverwandten, Anhänger, Gönner und Nachfolger, derselben bewegliche und unbewegliche Güter sollt ^ihr in Kraft der heiligen Konstitution und un­ serer des Reiches Acht und Aberacht in dieser Weise han­ deln : nämlich sie niederwerfen und fahen und ihre Güter zu eueren Händen nehmen und die in eueren Nutz wenden und behalten ohne meniglich Verhinderung“. Wie sich Aleander den Vollzug dachte, schrieb er dem Vizekanzler des Papstes am 27. Juni 1521: ,,Man glaubt allgemein, daß viele Ritter, die bisher die eifrigsten Anhänger Luthers waren, aus Kraft und Anlaß der Acht die Vollstreckung selbst übernehmen werden, um Geld und Gut unter gutem Vorwand an sich zu reißen.“81) Also die Erweckung nied­ rigster Instinkte! Rohes, brutales Faustrecht, Gewalttat, Anarchie sollte über Deutschland kommen nach dem Willen Roms und im Namen des Christentums! Wie sich der Nürnberger Rat gegenüber diesem grau­ samen Edikt das Recht des Ungehorsams wahrte und dabei doch ein gutes Gewissen behielt, so machte er es auch mit dem Verbot der lutherischen Bücher. Er ließ es wohl be­ kannt machen, aber er tat nichts zu dessen Vollzug. Ja, nicht wenige Mitglieder des Rates bezogen selbst Luthers Schriften. Der Kurfürst Friedrich von Sachsen sandte dem ihm befreundeten Losunger Anton Tücher alle wichtigen Schriften Luthers zu. Im übrigen vermied man jedes stürmische Vorgehen. An den Gottesdiensten und kirchlichen Ordnungen wurde vorerst nichts geändert. Die in der Woche nach dem

88 Weißen Sonntag übliche Heiltumsweisung wurde auch in diesem Jahr vorgenommen. Der Rat hatte Vorsorge getroffen, daß die Krönungsinsignien und Reichskleinodien, welche zur Krönung des Kaisers nach Aachen gebracht worden waren, rechtzeitig wieder zurückkamen, damit die Feier zur üblichen Zeit stattfinden konnte.82) Auch die Fronleichnamsprozession wurde zunächst nicht abgestellt. Doch war der Rat nach wie vor darauf bedacht, daß in den Nürnberger Gemeinden die Predigt und Seelsorge im evan­ gelischen Sinn und Geist gehandhabt werde. Darum legte er auch, sobald sich die Möglichkeit dazu bot, die Leitung des Nürnberger Kirchenwesens in die Hände von Männern, welche die Bürgschaft dafür boten, daß dies auch verwirk­ licht werde. Am 2. Juni 1520 war der Probst Georg Behaim zu St. Lorenz gestorben. Noch am gleichen Tage hatte der Rat den jungen Patrizier Hektor Pömer zu dessen Nach­ folger gewählt.83) Pömer stammte aus einem alten, rats­ fähigen Geschlecht. Er studierte zurzeit seiner Wahl noch in Wittenberg und war, als er die Nachricht von seiner Be­ rufung nach St. Lorenz erhielt, noch nicht ganz 25 Jahre alt. In Wittenberg hatte er sich eng an Luther und Melanchthon angeschlossen und bei beiden auch theolo­ gische Vorlesungen gehört. Damit er seine Studien vollen­ den, als Doktor beider Rechte promovieren und zu Bamberg die Priesterweihe erwerben könne, erteilte ihm der Rat noch Urlaub bis zum Dreikönigstag 1521.84) Obwohl Pömer, wie alle bisherigen Pröpste, Jurist war, hatte er sich auch eine gute, theologische Bildung erworben. In seiner Amts­ führung hat er das vom Rat in ihn gesetzte Vertrauen stets gerechtfertigt. Mit fester, sicherer Hand hat er seine Ge­ meinde im evangelischen Geist geleitet und, wie wir später hören werden, auch die Verantwortung dafür nicht ge­ scheut. Als der Ausgang des Wormser Reichstags die führen­ den Männer auf kirchlichem Gebiet zur Entscheidung nötigte, auf welcher Seite sie stehen wollten, entschloß sich der Propst von St. Sebald, Melchior Pfinzing, von seinem

89 Amt zurückzutreten. Der Rat hatte diesen im Jahre 1512 auf Wunsch des Kaisers Maximilian, dem Pfinzing eine Reihe von Jahren als Sekretär gedient hatte, zum Propst gewählt. Aber schon seit längerer Zeit war man im Rat nicht sehr zufrieden mit ihm gewesen. Als kaiserlicher Rat, der er auch nach seiner Ernennung zum Propst geblieben war, weilte er vielfach am kaiserlichen Hof. Um seine Ge­ meinde hat er sich nicht viel gekümmert. Er hatte es ver­ standen, neben seiner Propstei noch eine Anzahl auswär­ tiger Pfründen in seiner Hand zu vereinigen, welche er durch andere Geistliche verwalten ließ, während ihm die Einkünfte zuflossen. Für Luthers Reformation hatte er weder Verständnis noch Interesse. Hätte er sich dieser angeschlossen, so hätte er auf seine vielen Pfründen ver­ zichten müssen. Das Eintreten mehrerer der ihm unter­ gebenen Geistlichen für die Reformation verleidete ihm ebenfalls das Amt. Als er nun im Herbst 1521 bei dem Rat um seine Entlassung nachsuchte, ließ ihn dieser gern ziehen und bewilligte seine Bedingungen, nämlich 100 Gulden als jährlichen Ruhegehalt auf Kosten seines Nach­ folgers zur Entschädigung für 1100 Gulden, welche Pfinzing auf den Ausbau des Pfarrhofs verwendet hatte, ferner eine Meßpfründe bei St. Sebald, die er durch einen Vikar ver­ sehen ließ, und eine Wohnung in seinem früheren Eltern­ hause.85) In der gleichen Ratssitzung wurde auch ein Nach­ folger gewählt in der Person des jungen Patrizierssohnes Hieronymus Baumgärtner. 86) Auch dieser studierte damals in Wittenberg, war einer der vertrautesten Schüler Melanchthons und auch mit Luther persönlich bekannt. Baumgärtner konnte sich freilich nicht ent­ schließen, die auf ihn gefallene Wahl anzunehmen. Er dankte für das ihm erwiesene Vertrauen, erklärte aber, daß er „als ein junger, unversuchter Gesell solche schwere Bürde ohne Beschwerung seines Gewissens nicht auf sich nehmen könne. Nun wählte der Rat Dr. Georg Peßler, der die Wahl mit „übergroßem Dank“ annahm. Auch dieser war ein Nürnberger und hatte ebenfalls in Wittenberg studiert.

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An wissenschaftlicher Bildung stand er Pömer keineswegs nach. Beide haben stets einmütig und im Segen zusam­ mengearbeitet.87) Auf die Ernennung neuer, evangelisch gesinnter Pfarrvorstände folgte alsbald die Aufstellung theo­ logisch gebildeter Prediger. Bereits vor der Refor­ mation gab es an beiden Pfarrkirchen zu Nürnberg neben den Seelsorgegeistlichen besondere Prediger. Doch scheint man an dieselben keine besonderen Anforde­ rungen gestellt zu haben, was schon aus der ge­ ringen Besoldung, die man ihnen reichte, zu schließen ist. Erst seit dem Beginn der kirchlichen Reformation gewann das Predigtamt eine größere Bedeutung. Nachdem durch Luther die Heilige Schrift als die alleinige Norm für die christliche Lehre aufgestellt war, ergab sich die Notwen­ digkeit, für das Predigtamt theologisch gebildete Persön­ lichkeiten zu haben, welche mit der Heiligen Schrift wohl vertraut, dieselbe der Gemeinde auszulegen wußten. Es war der im Jahre 1521 verstorbene Kirchenmeister Sebald Schreyer. welcher für die Neuordnung des Predigt­ amtes an der Sebalduskirche die Grundlage schuf, indem er in seinem Testament einen aus seinem Vermögen mit 3000 Gulden erkauften, jährlichen Zins von 100 Gulden zur Besoldung eines Predigers stiftete. Schreyer hatte dabei bestimmt, daß der damit zu besoldende Prediger in der Heiligen Schrift wohlgelehrt und ein Doktor der Theologie sein müsse. Auch sollte er befähigt sein, dem Nürnberger Rat in Bedarfsfällen als Berater in kirchlichen Angelegenheiten* zu dienen. Es war also dem Stifter daran gelegen, für dieses Amt eine theologisch gebildete, wissen­ schaftlich hochstehende Persönlichkeit zu gewinnen. Auch eine materiell gehobene Stellung sollte der Prediger haben. Schreyer hatte nämlich ein bejahrtes Fräulein Namens Dorothea Tesch dazu bewogen, ebenfalls einen jährlichen Zins von 100 Gulden für die Begründung der Predigerstelle zu stiften.88) Am 29. Juni 1521 forderte der Rat die Testaments­ vollstrecker Sebald Schreyers auf, sich im Benehmen mit

91

dem Propst zu St. Sebald über die Wahl eines Predigers zu einigen. Luther, den man um seinen Rat anging, empfahl den derzeitigen Kanonikus zu Leipzig Dr. Domi­ nikus Schleupner aus Breslau. Sein Bischof Johann Thurzo hatte ihn seinerzeit nach Wittenberg geschickt, damit er die evangelische Wahrheit kennen lerne. So war Schleupner ein guter Lutheraner geworden. Nun verhandelte der Rat durch seinen Syndikus Michael von Kadan mit ihm. Am 29. Februar wurde Schleupner von seiner Ernennung zum Prediger an St. Sebald in Kenntnis gesetzt und ihm, wie Sebald Schreyer in seinem Testament bestimmt hatte, zu­ nächst die Predigten ,,an etlichen bestimmten Festen und hochzeitlichen Tagen“ übertragen. Nach dem Tod des bis­ herigen Predigers Johann Hübschenauer wurde dessen Amt mit dem Schleupners durch eine besondere Verein­ barung (siehe die Anmerkung Nr. 88) vereinigt und letzterem alle Predigten an St. Sebald übertragen. Seine Besoldung wurde auf jährlich 200 Gulden samt dem Tisch im Pfarrhof und einer Wohnung festgesetzt.89) Schleupner hat durch seine schlichten, praktischen, ganz im Evange lium gegründeten Predigten in reichem Segen an der Ge­ meinde gewirkt. Am gleichen Tag, an dem man Schleupner seine Er­ nennung für St. Sebald mitteilte, gab der Rat seine Zu­ stimmung zur Berufung eines theologisch gebildeten Pre­ digers auch für St. Lorenz. Dafür hatte Dr. Pömer Andreas Osiander vorgeschlagen. Dieser war der Sohn eines Schmieds aus Gunzenhausen. In Ingolstadt hatte er Theo­ logie studiert, sich aber auch in anderen Wissenschaften gründliche Kenntnisse erworben. Im Jahre 1520 war er als Lehrer der hebräischen Sprache ins Augustinerkloster nach Nürnberg gekommen. Durch diese Verbindung mit den Augustinern, wie durch seine hervorragende wissenschaft­ liche Bildung, kam er mit den evangelischen Kreisen Nürn­ bergs in nahe Berührung. Seine gründliche Kenntnis der beiden Grundsprachen der Heiligen Schrift ermöglichte ihm ein tiefes Eindringen in den Inhalt der letzteren und die Verwertung desselben für seine Theologie. So wurde er

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ein bedeutendes Werkzeug zur Begründung und Verbrei­ tung des evangelischen Glaubens in Nürnberg. Auf Grund einer bei St. Sebald gehaltenen Predigt bestellte ihn Dr. Pömer mit Zustimmung des Rates zum Prediger an St. Lorenz.90) Osiander war ein hochbegabter feuriger Pre­ diger, der das Volk für Luther und seine Sache zu be­ geistern wußte und von den Gegnern gefürchtet, aber auch wegen seines leidenschaftlichen, heftigen Wesens vielfach angefeindet wurde. Noch eine dritte Kirche, die im Neuen Spital, wurde im gleichen Jahr mit einem tüchtigen, evangelischen Prediger besetzt, indem der Rat den Frühmesser an der Kirche zu Kornburg, Thomas Jäger, dahin berief. Er ver­ fügte über eine gründliche humanistische Bildung und stand seit längerer Zeit mit Pirkheimer in wissenschaftlichem Verkehr, wurde auch in gelehrten Kreisen allgemein geschätzt. Er erscheint gewöhnlich mit seinem lateinischen Namen Venatorius.91)

93

Kapitel V*

Der Reichstag zu Nürnberg 1522/23. Mit der Berufung Luthers auf den Reichstag zu Worms hatte Karl V. die kirchliche Frage zu einer Sache des Reichs gemacht. Von Reichs wegen sollte diese Frage ge­ löst werden. Als dann das Wormser Edikt beschlossen und ausgegangen war, glaubte man dieselbe gelöst zu haben. Aber das war eine Täuschung. Fragen des Geistes­ lebens, zumal religiöse Fragen, lassen sich nicht lösen mit Gewalt, am wenigsten durch einen Machtspruch, der, wie das Wormser Edikt, den Stempel des Unrechts an sich trägt und darum von vornherein der inneren Autorität ermangelt. Dazu kam, daß der Kaiser auf längere Zeit hinaus gar nicht die Macht besaß, seinen Gewaltspruch auch durchzu­ führen. Durch die Aufstände in Spanien und den Krieg mit Frankreich war er gezwungen, fern von Deutschland zu sein, um seine Erblande zu schützen. Das Reich mußte er sich selbst überlassen. Aber auch der Papst war damals nicht in der Lage, die ,,deutsche Ketzerei“ mit Erfolg zu bekämpfen. Leo X. war am 2. Dezember 1521 gestorben. Die ganz und gar verweltlichten Kardinäle, von denen der Gesandte des Kaisers am päpstlichen Hof am Weihnachtsabend seinem Herrn schrieb: ,,In der Hölle kann es nicht so viel Haß und so viele Teufel geben als unter diesen Kardinälen“1), hatten zwar, weil sie sich auf keinen der Ihrigen hatten einigen können, nicht einen Mann ihres Sinnes, sondern einen von Herzen frommen und streng kirchlichen Mann zum Papst gewählt, nämlich den früheren Lehrer des Kaisers Adrian aus Utrecht, dessen Wahl der Kaiser um so freudiger begrüßte.

94 weil er von Jugend auf in

engen

Beziehungen

mit

ihm

stand und für die Kirche das Beste von ihm glaubte er­ warten zu dürfen. Aber vor allem konnte der neue Papst sein Amt erst nach einem halben Jahr übernehmen, da er bis dahin als kaiserlicher Statthalter in Spanien festgehalten war.

Dann aber zeigte sich bald,

daß trotz der gemein­

samen großen Aufgaben, welche den Papst an die Seite des Kaisers wiesen, beider Interessen doch vielfach derart aus­ einandergingen, daß ein einmütiges Zusammenwirken un­ möglich wurde. Des Kaisers politische Interessen zu för­ dern sah er sich außerstande von der Auffassung seines kirchlichen Amtes her, und

seine

Bemühungen

um

eine

Reformation der Kirche, die er für nötig hielt, scheiterten an dem Widerstand der Kardinale.

In vergeblichem Ringen

um unerreichbare Ziele verzehrte dieser edle Papst seine Lebenskraft.

und fromme

Am 14. September 1523 starb er.

Da so weder vom Kaiser, noch etwas gegen die lutherische

vom

Papst

ernstlich

Bewegung geschah,

sich dieselbe ungehindert weiter entfalten,

zumal

konnte da

sie

durchaus volkstümlich war und aus dem Gemüt des Volkes ihre Kraft schöpfte. Sehr viel kam nun darauf an, wie sich das Reichsregi­ ment. in dessen Hände für die Zeit der Abwesenheit des Kaisers die Regierung gelegt war, zu der Bewegung stellte. Die Regimentsordnung vom 26. Mai 1521, wie sie auf dem Wormser Reichstag beschlossen worden war, enthielt die Bestimmung: „So auch den Statthalter und Regiment für not ansehen wjurde, des christlichen Glaubens Anfechter halben im Reich mit anderen christlichen Ständen und Ge­ walten zu handeln,, das sollen sie zu tun auch Macht haben.“2) Damit war dem Regiment Recht und Pflicht gegeben, sich auch die Religionssache angelegen

sein

zu

lassen.

Nun

zählte das Reichsregiment, welches im Herbst 1521 seine Tätigkeit in Nürnberg aufnahm, neben entschiedenen Geg­ nern Luthers auch eine Anzahl überzeugter Lutheraner zu seinen Mitgliedern, welche zugleich bedeutende Persönlich­ keiten und starke Charaktere waren und sich in den ent­ scheidenden Momenten auch durchzusetzen und ein ge-

95 wisses Uebergewicht zu behaupten wußten. Anfangs scheint auch bei den römisch gesinnten Mitgliedern wenig Neigung bestanden zu haben, an die heikle und schwierige Religionsfrage zu rühren, zumal da für die Geistlichen unangenehme Auseinandersetzungen zu erwarten waren. Nur einer drängte dazu: Herzog Georg von Sachsen. Seit der Leipziger Disputation war er Luthers entschiedener Gegner. Er war fest überzeugt, daß der Rückgang seines im Erzgebirg betriebenen Bergbaues und das Vordringen der Türken gegen Deutschland Gottes Strafe dafür sei, daß ,,die lutherische Pest" nicht entschieden genug bekämpft werde.3) Schon wenige Tage nach seinem Eintritt in's Regiment erklärte er dem kursächsischen Rat Hans von der Planitz, die dringendsten Artikel, über welche man im Regiment verhandeln müsse, seien die, wie dem Umsich­ greifen der lutherischen Ketzerei zu wehren und wie dem Türken Widerstand zu leisten sei. Auch auf dein vom 23. März bis 8. Mai 1522 zu Nürnberg gehaltenen Reichs­ tag hatte er durch seinen Vertreter ein ernstes Einschreiten gegen Luther und seine Anhänger gefordert.4) Aber weder das Regiment noch die Stände waren damals geneigt, darauf einzugehen. Als dann im Herbst dieses Jahres Erz­ herzog Ferdinand zu dem neuen Reichstag nach Nürnberg kam, beschwerte sich der Herzog bei diesem. Dazu kam, daß jetzt auch der vom Papst zu diesem Reichstag verordnete Nuntius Chieregati das Einschreiten des Erzherzogs gegen den Verkauf einer Schrift Melanchthons in Nürn­ berg forderte und Ferdinand dessen Antrag dem Reichs­ regiment zur Behandlung vorlegte, welches die Sache an die Stände gelangen ließ.5) Vollends aber kam die kirchliche Frage in Fluß, als der päpstliche Nuntius am 10. Dezember in einer gemein­ samen Sitzung des Regiments und der Stände erschien und mit der Forderung auftrat, die Stände sollten das bis­ her nur wenig beachtete Wormser Edikt durchführen und die lutherische Ketzerei ausrotten.6) Dabei fiel den Stän­ den auf, daß er von seiner Instruktion nur einen Teil vor­ lesen ließ, mit dem andern Teil aber zurückhielt und nie-

Q6 inandem einen Einblick erklärte.

in

denselben

geben

zu

dürfen

Für die Evangelischen wurde die Lage noch schwie­ riger, als vom i. Januar 1523 an der Kurfürst Joachim von Brandenburg persönlich im Reichsregiment zu tun hatte. Durch ihn erhielten die Gegner der Reformation eine wesentliche Verstärkung. Wir wissen, wie gehässig er in Worms aufgetreten war. Auch in Nürnberg tat er jetzt was ihm möglich war, um der evangelischen Sache zu schaden. In der Hauptsache waren es politische Gründe, die ihn dazu bestimmten. Dazu kamen auch per­ sönliche Anliegen. So wollte er den Kaiser für eine Ver­ bindung seines Sohnes mit dessen Schwester gewinnen.7) Schon Ende Dezember hatte Planitz seinem Kurfürsten gegenüber die Vermutung ausgesprochen, Kurfürst Joachim möchte ,,nicht undienstlich“ dazu sein, daß Luther, von dem man im Reichstag bisher geschwiegen habe, ,,hervorkomme“, d. h. daß gegen ihn vorgegangen werde.8) Dafür hatten schon vorher auch der Erzbischof von Salzburg und der Erzherzog Ferdinand gesorgt. Beide wollten die lutherische Sache abgetan wissen, bevor der Kurfürst Friedrich nach Nürnberg kam, dessen Einfluß zu Luthers Gunsten sie fürchteten. Leider aber war der Kurfürst damals so leidend, daß er nicht reisen konnte,.9) Auch der Papst selbst hatte das Seine getan, um gegen Luther Stimmung zu machen, indem er dem Nuntius ein allgemeines Brtve an die in Nürnberg versammelten Reichsstände mitgab, durch welches er diese zum entschie­ denen Einschreiten gegen Luther aufforderte.10) Einzelne einflußreiche Persönlichkeiten wurden besonders bearbeitet. So hatte er auch an den Erzbischof von Mainz ein eigenes Breve gerichtet, in dem er betonte, die Lässigkeit der Fürsten, insbesondere der geistlichen, sei an der weiten Verbreitung der lutherischen Lehre schuld. Darum müsse der Erzbischof mit .allen Kräften dahin wirken, daß auf dem Reichstag zur Ausrottung der Ketzerei Mittel be­ schlossen und angewandt würden.11)

97 Auch der Kurfürst Friedrich wurde in einem persön­ lichen Breve ermahnt, Luther nicht länger zu schützen, nachdem derselbe durch die geistliche und weltliche Obrig­ keit verurteilt sei.12) Dieser Werbung sollte außerdem noch ein Brief des Nuntius an den Kurfürsten nachhelfen. Aus der Antwort auf das päpstliche Breve habe er des Kurfürsten hochfürstliches Gemüt gegen den Papst und die christliche Kirche dankbar vermerkt. Dem Papst als dem Statthalter Christi liege nichts mehr am Herzen, als daß alle Menschen mit gutem Leben, und besonders die Fürsten mit guter Regierung geschickt seien, die Seligkeit zu verdienen. Darum müsse gegen die Türken und die Ungehorsamen des Glaubens die nötige Hilfe beschlossen werden. Es sei dem Nuntius ein großer Schmerz, daß der Kurfürst durch seine Krankheit verhindert sei, auf den Reichstag zu kommen. Seine Gegenwart würde eine be­ sondere Förderung des päpstlichen Anliegens bedeuten. Darum bitte er Gott um Genesung des Kurfürsten, damit unter seiner Leitung alles zum Besten gewendet werde. Er sei bereit, alles, was der Kurfürst dem Papst hiezu mitteilen wolle, diesem zu übermitteln und bitte ihn, mit Fleiß zu beherzigen und zu vollbringen, was der Papst kraft seines Hirtenamtes von ihm begehre.13) Einen ganz anderen Ton schlug das Breve an, welches der Erzherzog Ferdinand vom Papst erhielt. Planitz war in der Lage, seinem Kurfürsten eine Abschrift desselben zu senden. Hier versichert der Papst, daß es ihm „in den größten Aengsten und unaussprechlichen Schmerzen“, welche ihm „der so breite Durchgang des lutherischen Unglaubens“ verursache, eine stete Erquickung sei, daß Ferdinand die Lehre Luthers nicht nur mit Grauen ab­ lehne, sondern ihn und seine Anhänger aufs Höchste ver­ folge. Er, der Papst, könne Gott nicht genug danken, daß er in dem Erzherzog der christlichen Kirche und der deut­ schen Nation einen Mann geschenkt habe, der sich dem Verderben wie eine Mauer entgegenstelle, die Ketzer mit eiserner Rute heimsuche und durch sein Vorbild seine Untertanen und andere Fürsten zur Nachfolge reize. Es

98 gebe ja auch Fürsten, die lieber der lutherischen Finsternis als dem christlichen Licht, lieber dem Irrtum als der Wahrheit nachfolgen Avollten. Die würden, wenn sie sich nicht besserten, dem Urteil und der Rache Gottes nicht ent­ gehen. „Sind es doch Ketzereien, welche längst von der Kirche verdammt, und auch von jedem in der Schrift Ungelehrten, wenn er das Licht des göttlichen Angesichts, das über ihm leuchtet, ansehen will, als falsch und töricht zu erkennen sind. Ist doch auch der neue Evangelist, dem sie nachfolgen, ein Mann, an dessen Leben, Worten und Schriften jedermann erkennen kann, daß die Früchte wie der Baum sind. Tut er doch nichts anderes als lästern, schelten, verwerfen, zanken, spotten; leitet er nicht alle Menschen an, ihren Oberen, den weltlichen wie den geist­ lichen, widerspenstig zu sein, die Güter zu plündern, der Weltlust des Fleisches zu dienen und alle Gottesfurcht zu verwerfen! Das alles tut er unter dem Schein der Gott­ seligkeit und Freiheit, während doch die wahre Gottselig­ keit darin besteht, sich von der Welt unbefleckt zu er­ halten, und die wahre Freiheit, der Sünde nicht untertan zu sein. Luther macht die Menschen zu Knechten der Sünde. Darum ist offenbar, daß dieser Mensch nicht den Geist Gottes, sondern den des Teufels in sich hat. Wie kann man einen solchen als Führer zur Seligkeit annehmen, dessen ganzes Vorbild zum ewigen Verderben zieht.“14) Lassen wir dieses Zerrbild auf uns wirken, welches der Papst in diesem Breve von Luther entwirft, dann können wir nur annehmen, daß dieser Papst, der doch ein geistig und sittlich hochstehender Mensch und Gelehrter war, keine einzige Schrift von Luther gelesen, sondern nur nachgeredet hat, was gewissenlose Fälscher und Verleum­ der ihm gesagt haben! Da verstehen wir es, wenn von der Planitz zu dem Urteil kam, das er in seinem Brief vom 30. Dezember 1522 seinem Kurfürsten gegenüber aus­ sprach: er glaube nicht, daß es diesem Papst um eine wirk­ liche Reformation zu tun sei. Wäre es ihm ein wirklicher Ernst, Gottes Ehre und der Menschen Seligkeit zu fördern, dann hätte er es gar nicht nötig, Luther mit eiserner Rute

99 zu verfolgen, er brauche nur festzustellen, wo und was die Wahrheit sei.15) Gewiß wollte Adrian VI. eine Reformation; es war ihm wirklich ernst damit. Aber er sah nicht tief genug. Den Weltsinn, von welchem der römische Hof damals beherrscht war, die Laster und Mißbräuche, welche das Ansehen der Kurie und der Kirche schädigten, wollte er abtun; den Be­ schwerden, welche gegen die Kurie und die Geistlichen laut wurden, wollte er Rechnung tragen; mit einem Wort: die üblen Auswüchse des herrschenden Systems sollten aus­ getilgt werden. Aber das System sollte bleiben. Bis zur Wurzel vorzudringen, aus der die Uebelstände wuchsen, daran dachte er nicht. Daß der damaligen Kirche das Wichtigste und Nötigste fehlte, daß ihr die Wahrheit ver­ loren gegangen war, daß sie nicht mehr auf dem Grund des Wortes Gottes ruhte, und daß darin die Quelle alles Uebels lag, das sah auch dieser ernste, ehrliche, in seiner Art wirk­ lich fromme und auf das Wohl der Kirche bedachte Papst nicht! Hatte Kurfürst Joachim seinen Einfluß gegen Luther bis dahin durch andere geltend gemacht, so benützte er jetzt seine Anwesenheit im Reichsregiment auch zu persön­ lichen Angriffen. Auch seine Waffen waren Verdrehung und Entstellung der Lehre Luthers und Drohungen gegen den Kurfürsten, der ihn schütze.16) Von der Planitz jedoch wußte beide zu rechtfertigen. Auch im Reichsregiment fanden sich Verteidiger. Hier wurde beschlossen, die Stände darüber entscheiden zu lassen, was in der Sache ge­ schehen solle.17) Die heftigen, zum Teil sogar ,,wilden“ Auseinandersetzungen in den darauffolgenden Ständever­ sammlungen gab nun von der Planitz Veranlassung zu der interessanten Feststellung: ,,Und sind fast alle von den Fürsten, geistlich und weltlich, soviel deren hier sind, dem Luther ganz entgegen, ihre Räte aber sind der mehrer Teil gut lutherisch.“18) In der zuletzt erwähnten Regimentssitzung hatten sich Erzherzog Ferdinand, Kurfürst Joachim, der Erzbischof von Salzburg und einige andere sehr bemüht, einen Antrag 7*

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durchzusetzen, nach welchem der Entwurf zu einem jeden weiteren Druck lutherischer und anderer ketzerischer Schriften verbietenden Mandat den Ständen übermittelt und dabei als Wille des Reichsregiments bekundet werden sollte, daß das Wormser ‘ Edikt entschieden durchzuführen und gegen Luther ernstlich einzuschreiten sei. Die Antrag­ steller begegneten jedoch damit einer starken, entschlosse­ nen Mehrheit. Nach langem Hin- und Herreden, wobei sich besonders Kurfürst Joachim „wundergeschäftig machte“, und von der Planitz durch sein tapferes Auftreten gegen diesen ,,nit viel Gnade erlanget“, wurde beschlossen, die Stände unter Hinweis auf das Wormser Edikt und „welchergestallt es ausgegangen“ (d. h. wie es zustandegekommen), wie auch auf die seitherige Entwicklung der Dinge um deren Gutdünken zu bitten, was nunmehr geschehen solle. Das Regiment wolle für sich allein keine Stellung zu der Sache nehmen, sondern sich mit den Ständen darüber be­ nehmen und Beschluß fassen.19) Noch am gleichen Tage ersuchte der päpstliche Nun­ tius um Gehör bei den Reichsständen. Es wurde ihm für den folgenden Tag, den 3. Januar, in einer gemeinsamen Sitzung des Regiments und der Stände bewilligt.20) Hier übergab der Nuntius das bereits erwähnte, an die Reichs­ stände gerichtete Breve des Papstes.21) Auch in diesem leistete sich der Papst dieselben groben Ent­ stellungen, wie wir sie von Leos X. Bannbulle und dem von Aleander verfaßten Wormser Edikt her, wie auch aus Adrians Breve an den Erzherzog kennen. Alle christliche Liebe und Frömmigkeit hat Luther vergessen und gottlos verachtet. Seine Bücher sind voll von Irrtümern, Ketze­ reien, Schmähungen, Aufwiegelungen. Wie ein Pesthauch geht seine Lehre durch die Länder und erfüllt der Menschen Herzen mit Verderben. Selbst vom christlichen Glauben abgefallen, hat er das deutsche Volk von dem Weg abge­ führt, den der Heiland und seine Apostel gezeigt. Mit einem ekelhaften Geschwür wird Luther verglichen, von dem der Körper der Christenheit befreit werden muß. Auch hier vermissen wir jeden Versuch, Luther auch nur im ge-



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ringsten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen; auch hier nur skrupellose Entstellung und Verleumdung! Nachdem der Nuntius dieses Breve verlesen hatte, rückte er mit dem zweiten Teil seiner Instruktion heraus, welcher allgemeines Erstaunen hervorrief. Hier wurde die Schuld an dem ganzen Handel der römischen Kurie zuge­ schoben. Das Aufkommen der lutherischen Lehre wird als eine Strafe Gottes bezeichnet für die Sünden des Papstes, der Prälaten und Geistlichen. Die Krankheit ist vom Haupt in die Glieder gekommen. Seit manchem Jahr ist am Sitz des Papstes Verabscheuungswürdiges getrieben worden. In der kirchlichen Verwaltung sind Mißbräuche eingerissen, göttliche Gebote mit Füßen getreten worden. Darum gibt nun der Papst dem Nuntius die Weisung: „Du wirst in dieser Sache versprechen, daß wir, soviel an uns liegt, alle Mühe aufwenden werden, daß zuerst dieser Hof, von welchem vielleicht dieses Uebel ausgegangen ist, reformiert werde, damit von derselben Stelle, von welcher das Ver­ derben zu allen unteren geflossen ist, auch die Heilung und Besserung zu allen ausgehe. Nur zu diesem Zweck haben wir dieses hohe Amt übernommen.“ Außerdem war nach dieser Instruktion der Nuntius beauftragt, den Fürsten noch besonders mitzuteilen, der Papst bedaure die vielfach vorgekommenen Verletzungen der mit ihnen abgeschlossenen Konkordate und werde die­ selben abstellen; auch wolle er die vielfachen Uebergriffe abschaffen: die kirchlichen Pfründen sollen nicht mehr an Unwürdige, wie Schauspieler und Stallknechte, sondern nur an fromme und tüchtige Gelehrte verliehen werden.22) Von der Planitz schrieb am 4. Januar von dieser am 3. Januar verlesenen Instruktion an den Kurfürsten : Ver­ meinen etliche, sie sei so wohl und gut gemacht, als hätt sie der Bischof von Salzburg selbs gemacht“. Am 8. Januar, als er eine Abschrift davon übersandte, bemerkte er: ,,Haben viel Leut den Wahn, sie sei allhier zu Nürnberg gemacht, oder aufs wenigst Anzeig geschehen und Unterweisung ge­ geben, wie sie sollt gestellt werden“.23) In der Tat erregte das darin abgelegte offene Sündenbekenntnis der Kurie bei

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vielen Verwunderung. Offenbar traute man dem Papst nach früheren Erfahrungen solche Ehrlichkeit nicht zu. Daß der Nuntius bei seinem ersten Auftreten nur einen Teil seiner Instruktion verlas und keinerlei Einblick in dieselbe geben wollte, gab den Ständen Veranlassung zu der An­ nahme, als seien zweierlei Instruktionen vorhanden, von denen die zweite erst in Nürnberg entstanden sei. Wenn der Nuntius in der ersten Sitzung am 6. Dezember gewisse Zurückhaltung übte und keinen Einblick in seine Instruk­ tion gab und lediglich die Forderung vorausnahm, daß das Wormser Edikt zu erfüllen sei, so wollte er offenbar nicht sogleich alle seine Karten aufdecken. Hätte er jetzt schon auch das Sündenbekenntnis bekanntgegeben, so hätte das jedenfalls eine Abschwächung jener Forderung bedeutet. Ueberdies stimmt das offene Sündenbekenntnis der Instruk­ tion ganz und gar zu dem Charakter Adrians VI., der zweifellos ein ehrlicher Mann war und das Beste der Kirche wollte. Nur daß er, ebenso wie der Kaiser, über Luther, seine Lehre und sein Streben ganz falsch unterrichtet war! Wohl scheint ein Widerspruch darin zu liegen, daß Adrian zwar die Schuld des römischen Hofes, die Mißbräuche und Mißstände an demselben und bei den Geistlichen rück­ haltlos zugab, aber dann doch die Durchführung des Wormser Edikts forderte und Luthers Lehre, die sich da­ gegen gewendet, abgetan wissen wollte. Aber wir müssen dabei doch bedenken, daß eben auch dieser Papst in der römischen Tradition befangen war, von der er sich nicht zu lösen vermochte. In seiner Instruktion begegnen wir denn auch der Feststellung: Was früher durch Konzilien und Kirche verworfen wurde, braucht nicht aufs neue geprüft zu werden; was vop beiden als gültig erklärt wurde, ist Glaubenssatz. Darum darf auch Luthers Lehre nicht mehr geprülfc und keine Verteidigung derselben zugelassen werden. Durch seine Bestreitung der Autorität der Kon­ zilien und die Verbrennung der heiligen Kirchengesetze ist Luther als Verächter und Zerstörer des öffentlichen Frie­ dens erwiesen. Also ist er von denen, die den Frieden lieben, auszutilgen!24)

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Als nun aufgrund seiner Instruktion der Nuntius die Vollziehung des Wormser Edikts forderte, betonte er dabei, daß das vor allem in Nürnberg geschehen müsse. Luther habe — was natürlich erfunden war — die Gottessohnschaft Christi und die Jungfräulichkeit Maria’s bestritten. Aber nicht nur Luther lehre so. Auch die Nürnberger Prediger bei den Augustinern, bei St. Lorenz und St. Sebald und im Neuen Spital folgten ihm darin. Der Prediger von St. Lorenz sei ein getaufter Jude und stelle den Christen nach; •er habe auch von seinem Propst die Einführung des Heiligen Abendmahls in beider Gestalt gefordert. Zwei Karthäusermönche seien aus dem Kloster ausgetreten und von den Augustinern freundlich aufgenommen .worden. Darum solle man die 4 Prediger und den Augustinerprior gefangensetzen und ihnen ,,ihr Recht tun“! Dem Papst ge­ schehe damit ein Gefallen. Den gleichen Antrag stellte der Erzbischof von Salzburg.25) Pas Reich,regiment trat sofort zu einer Sitzung zusam­ men, während der Nuntius abtrat. Planitz erhielt den Auf­ trag, letzteren zu begleiten. Auf dem Weg zum Prediger­ kloster, wo der Nuntius wohnte, sagte ihm Planitz,, er hätte besser getan, wenn er seinen Antrag zuvor mit einigen Pürsten besprochen hätte. Darauf gestand der Nuntius, es sei ihm die Stellung dieses Antrags durch Erzherzog Ferdinand, Kurfürst Joachim und den Erzbischof von Salzburg angeraten worden.26) Während nun Planitz für kurze Zeit abwesend war, beeilte sich Kurfürst Jcflachim als erster zu erklären, es sei nur billig, zu tun, was die päpstliche Heiligkeit und der Nuntius begehre. Das solle man auch den Ständen empfehlen. Der Kanzler von Trier stimmte ihm zu. In diesem Augenblick kam Planitz zurück und er­ suchte den Erzherzog als Vorsitzenden, zu veranlassen, daß die Erklärung des Kurfürsten wiederholt werde. Als das geschehen war, erwiderte Planitz, so unbedacht dürfe man nicht handeln; man solle eine Abschrift des Breves und der Instruktion erbitten und dann darüber beraten^ Zuvor aber müsse die Meinung der Stände darüber gehört werden, da

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es doch diese am meisten angehe. Die Mehrheit entschied sich für Planitzens Antrag. Trotzdem beauftragte der Erzherzog den Kurfürsten, die Sache bei den Ständen, welchen der Regimentsbeschluß mitzuteilen war, in seinem Sinn vorzutragen, d. h. den Regi­ mentsbeschluß zu fälschen. Planitz erhob dagegen Ein­ spruch mit dem Beifügen, die Stände würden sich das nicht gefallen lassen. Joachim antwortete, der Statthalter stehe hier als Vertreter des Kaisers und könne so verfügen. Auch Ferdinand rief dazwischen: ,,Ich bin hier an des Kaisers Statt und mag es tun“! Planitz aber fügte schlagfertig hinzu: „Ja, aber neben dem Regiment nach Vermög der Ordnung“! Darauf wurde der Kurfürst ersucht, bei den Ständen seinen Bericht im Sinne des Mehrheitsbeschlusses zu er­ statten. Aber dieser fügte sich nicht. In der Ständever­ sammlung verschwieg er, daß der fragliche Antrag vom Papst bezw. vom Nuntius herrühre und behauptete, der Kaiser habe an den Statthalter und das Regiment den Be­ fehl gelangen lassen, das Wormser Edikt auszuführen. Da Planitz wußte, daß dies den Tatsachen nicht entsprach, fragte er den Kurfürsten öffentlich, ob er den vom Kaiser an das Regiment geschriebenen Brief gesehen habe. Der Kurfürst verneinte. Darauf Planitz: „Ich hab ihn auch nicht‘gesehen, so weiß ich auch von keinem; darum hätte man diese Behauptung besser unterlassen“. Der Kurfürst erwidert^: „Soll ich das dem Statthalter sagen?“ Planitz dagegen: „Haltet es, wie Ihr wollt!“ Die Stände be­ schlossen nun einmütig, eine Abschrift des Breves und der Instruktion vom Nuntius zu fordern und die Sache in einem Ausschuß zu beraten, der dann den Ständen Bericht zu er­ statten habe.27) Am 8. Januar übergab der Nuntius die verlangten Ab­ schriften.28) Gleichzeitig stellte er dem Erzherzog seinen Antrag auf Verhaftung der Prediger und der ausgetretenen Mönche schriftlich zu. Im Ständeausschuß wurde sofort darüber verhandelt. Die geistlichen Mitglieder desselben und die meisten weltlichen stimmten für den Antrag. Nur

Philipp von Feilitzsch und Markgraf Kasimir waren da­ gegen. Trotzdem wurde aus Furcht vor der durch den An­ trag des Nuntius sehr erregten Nürnberger Bürgerschaft beschlossen, die Prediger nicht ungehört zu verhaften. Zu­ vor aber sollte ein kleiner Ausschuß gebildet werden, der die Sache wohl überlegen und dann Vorschläge machen sollte. In diesen Ausschuß wurden gewählt : der Erzbischof von Salzburg, der Bischof von Augsburg, die bischöflichen Vikare von Freising und Bamberg, der Hochmeister Albrecht von Preußen, Hans von Schwarzenberg, Sebastian von Rotenhan, Dr. Werther und der Magdeburgische Kanzler Dr. Hoch.29) Von Schwarzenberg und Rotenhan sagt Planitz, sie seien ,,mit großer Beschwerde“, d. h. unter heftigem Wider­ spruch der Gegner, in den Ausschuß gekommen. Beide waren Lutheraner. Hans von Schwarzenberg hatte sich der lutherischen Bewegung von Anfang an mit Begeisterung und aus voller Ueberzeugung angeschlossen, obwohl er damals im Dienst des Bischofs von Bamberg gestanden war. In­ zwischen war er in den Dienst des Markgrafen von Bran­ denburg übergetreten. Durch seine gründliche, allgemeine und besondere juristische Bildung, seine unverwüstliche Arbeitskraft wie durch die Ueberlegenheit seiner nach allen Seiten hin gegründeten und gegen jede Einwendung ge­ festigten Ueberzeugung war er das einflußreichste Mitglied des Reichsregiments und nun auch dieses Ausschusses, in welchem er auch die Gegner in entscheidenden Augen­ blicken mit sich fortzureißen wußte. Allem Anschein nach sollte dieser Ausschuß auch unter­ suchen, ob die Beschuldigungen des Nuntius gegen die Prediger begründet seien. Was zu diesem Zweck geschah und was dabei herä^skam, geht aus den sonst so aufschluß­ reichen Berichten Planitzens nicht hervor. Dieser erwähnt nur am 13. Januar: ,,Bamberg und Freising versäumen am heiligen Tag zu St. Sebald keine Predigt“.30) Daß Osiander, der Prediger von St. Lorenz, kein getaufter Jude, son­ dern der Sohn christlicher Eltern war, konnte ' Markgraf Kasimir bestätigen. Der Verdacht, er sei ein Jude, war



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offenbar nur dadurch entstanden, daß Osiander ein Meister der hebräischen Sprache war. Allen Predigern konnte der Nürnberger Rat, dessen angesehenste Mitglieder regelmäßig unter ihren Kanzeln saßen, das beste Zeugnis geben. Im Regiment trat Schwarzenberg warm für sie ein.31) Am 15. Januar berichtet Planitz, daß die Verhand­ lungen über die dem Nuntius zu erteilende Antwort im kleinen Ausschuß begonnen hätten. Bei der Zusammen­ setzung desselben war es ein schweres Stück Arbeit. Aber es gelang Schwarzenberg schließlich, allen Widerstand der Gegner zu überwinden und eine Einigung zustand zu bringen, die einen vollen Sieg der evangelischen Sache dar­ stellte und von der größten Bedeutung für die ganze folgende Entwicklung geworden ist. Der Bischof von Augsburg hatte sich grollend gefügt. Der Erzbischof von Salzburg und Dr. Werther, der Vertreter des Herzogs Georg von Sachsen, waren schließlich von den Verhand­ lungen fern geblieben.32) Der so zustande gekommene Entwurf zur Antwort an den Nuntius geht von dem Schuldbekenntnis und den Reformversprechungen des Papstes aus und erkennt beide dankbar an, um dann zu erklären, daß es um der vom Papst zugegebenen vielen Mißbräuche willen unmöglich sei, die Forderung des Nuntius zu erfüllen und das Wormser Edikt durchzuführen. Würde man gegen Luther und seine Anhänger einschreiten, so müßte das so verstanden werden, als wollte man die evangelische Wahrheit durch Tyrannei unterdrücken und unchristliche Mißbräuche aufrecht er­ halten, woraus dann eine große Empörung, Abfall und Widerstand gegen die Obrigkeit erwachsen würde. Nach­ dem der Papst und sein Nuntius selbst zugeben, daß um der Sünden der Priester willen solche Heimsuchung über die Kirche gekommen ist, müssen zuerst jene Sünden aus­ gerottet werden. Wehn der Papst erklärt, daß die Krank­ heit vom Haupt in die Glieder gekommen ist. muß zuerst dort die Besserung einsetzen und der römische Hof refor­ miert werden. Wenn dann der Papst sein Versprechen er­ füllt, die ihm bekannten und noch zu überreichenden Be-

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schwerden der deutschen Nation abzustellen, dann werden auch die andern ihre Sünden erkennen und zu christlicher Besserung getrieben werden. Was ,,die lutherischen Irrungen“ betrifft, so sind die Stände ganz begierig,, zu tun, was sie christlich und nützlich raten und helfen können. Sie wissen jedoch kein besseres Mittel, als daß Papst und Kaiser ,,ein frei, christlich Kon­ zilium an eine bequeme Malstatt deutscher Nation“ aufs förderlichste ausschreiben und binnen Jahresfrist eröffnen. Bei diesem Konzil müssen die Weltlichen gleiches Stimm­ recht mit den Geistlichen haben und niemand darf gehindert sein, für die göttliche, evangelische Wahrheit zu reden, vielmehr muß jeder bei dem Heil seiner Seele dazu ver­ pflichtet sein. Wenn nun der Papst die Wünsche der Stände zu er­ füllen bereit ist, so wollen diese bei dem Kurfürsten von Sachsen, wie bei Luther und seinen Anhängern handeln, daß letztere nichts mehr schreiben oder lehren, was zu Auf­ ruhr und Aergernis des christlichen Volkes Ursache und Bewegung geben möge. Sie wollen auch veranlassen, daß die Prediger ermahnt werden, alles zu vermeiden,, was zur Erregung des Volkes gegen die Obrigkeit oder zur Irre­ führung der Christen dienen könnte, sondern allein das heilige’ Evangelium und bewährte Schriften nach rechtem, christlichen Verstand zu predigen und zu lehren, die ,,disputierlichen Sachen aber bis zur Entscheidung des Konzils ruhen zu lassen“. Die Prediger sollen dabei von ihren Obern beauf­ sichtigt und, wenn sie irren, gütlich und christlich zurecht gewiesen werden, damit es nicht scheine, als sollte die evan­ gelische Wahrheit unterdrückt werden. Vonseiten der Obrigkeit soll auch darauf gesehen werden, daß die Buch­ drucker nicht drucken, was zu Irrungen, Aufruhr und Em­ pörung dienen kann.33) Bevor wir nun den Gang der Dinge weiter verfolgen, wollen wir sehen, was zur Abwehr des Angriffs auf die Prediger in Nürnberg selbst geschah. Zunächst erklärten am 4. Januar Osiander von St. Lorenz und der Prediger

io8 Reß bei den Augustinern von der Kanzel, weil man die Lehre Christi mit der Wahrheit nicht umstoßen könne, wolle man es mit der Lüge tun. Osiander fügte dem noch hinzu: „Und wenn Du Papst Adrian noch drei Kronen auf dem Haupte hättest, so solltest Du mich nicht von dem Wort Gottes drängen“! Im Volk herrschte große Erregung.34) Aber auch der Rat nahm den Angriff nicht ruhig hin. Es wurde ein Ausschuß aus den Herren Eltern mit Endres Tücher, Sebald Pfinzing, Sigmund Fürer und Lazarus Spengler gebildet, um zu beraten, wie man sich in der Sache verhalten wolle.35) Auch die „Kriegsstube“ wurde veranlaßt, ihre Maßnahmen zu treffen. In einer Sitzung am 5. Januar beschloß der Rat, vorerst weder bei dem Statthalter noch bei den Reichsständen noch bei dem Nun­ tius etwas zu unternehmen, sondern erst die Stellungnahme der Reichsstände abzuwarten. Von sich aus wollte der Rat seine Prediger nicht abschaffen, noch „forchtsam machen“, da man weder die Gemeinde vor den Kopf stoßen, noch vor Gott durch Menschenfurcht mißfällig werden wolle. Sollte aber jemand von den Reichsständen, oder andere sich unter­ stehen, von sich aus, ohne vom Rat dazu ersucht zu sein, die Prediger oder etliche Klosterleute oder andere dem Rat Zugehörige gefangen zu setzen, so würde der Rat das keines­ wegs dulden, sondern in diesem Fall nach Bereitstellung seiner bewaffneten Macht zunächst mit den Reichsständen durch seine Ratsfreunde wegen Freilassung der Gefangenen gütlich handeln. Würde diese nicht erreicht, dann müßte der Rat den Vorteil der Stadt und seiner Untertanen höher achten als aller Fürsten Ungnade und die Prediger durch seine Bewaffneten selbst befreien. Denn ein Rat muß mit seinen Untertanen und Bürgern haushalten, während alle Fürsten wieder von hinnen scheiden. Das sei,m gutem Ge­ dächtnis zu behalten.“ Werde Erzherzog Ferdinand an den Rat das Ansinnen stellen, daß die Herren Eltern in dieser Angelegenheit zu ihm oder einem andern Fürsten kommen, dann sollten — um etwaiger Anschläge willen — nicht alle hingehen, son­ dern sich teilen, oder andere jüngere Ratsmitglieder mit

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sich nehmen. Sollten aber die Reichsstände vom Rat for­ dern, daß er die Prediger oder andere gefangensetze, dann solle folgende unabänderliche Antwort gegeben werden: „Der Rat ist über die Anschuldigung und Zumutung zum höchsten entsetzt. Derselbe hat bisher nichts getan oder zugelassen,, was der Christenheit oder dem christlichen Glauben zur Verletzung oder dem Reich zur Verachtung oder Schaden gereichen möchte. Was der Rat und die Stadt bisher für das Reich und die Christenheit getan und ge­ opfert haben, weist die Geschichte auf. Beide sind von dem päpstlichen Orator mit Unrecht beschuldigt. Sie sind ge­ sonnen, sich auch weiterhin als fromme Christenleute und gehorsame Untertanen zu erzeigen, sich allein an das heilige Evangelium und Wort Gottes zu halten. Die Nürnberger Prediger verkünden nur das Wort Gottes und sind bereit, für ihre Lehre einzustehen. Solange sie keines Unrechts überwiesen sind, kann der Rat es nicht verantworten, sie ge­ fangen zu setzen. Darum erwartet der Rat, man werde auf der gestellten Forderung nicht beharren.“ Um jedoch gegen alle Zufälligkeiten geschützt zu sein, verordnete der Rat, aus der Bürgerschaft und den Hand­ werkern 50 kriegserfahrene Männer in Sold zu nehmen. Von diesen sollte jeder 10 Mann an werben, die jederzeit auf­ gerufen werden und dem Rat zur Verfügung stehen könnten. Die Türmer wurden angewiesen, bei Tag und Nacht fleißig Wache zu halten. Zwölf Reiter sollten ab­ wechselnd in Rotten Tag und Nacht die Stadt durchstreifen. Eine ständige Wache von 20 Mann wurde im Rathaus aufgestellt. Die Stöcke und Sperrketten in den Gassen wurden nachgesehen und ergänzt.36) Diese Maßnahmen des Rates scheinen gewirkt zu haben. Von der Verhaftung der Prediger und Klosterleute war nicht mehr die Rede! Der Entwurf des kleinen Ausschusses wurde noch am 15. Januar an den Ständeausschuß hinübergegeben Dieser forderte von den 3 Kurien, den Kurfürsten, den Fürsten und den Städten, je ein Gutachten. Von diesen ifct nur das der Städte, weiches allem Anschein nach von Spengler ver*

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faßt ist, vorhanden.37) Es spricht die volle Zustimmung zum Entwurf des kleinen Ausschusses aus. Die Städte sind der gewissen Zuversicht, daß, wenn diesem Ratschlag ge­ mäß durch Kaiser und Papst gehandelt würde, nicht nur die schwebenden Irrungen in der christlichen Kirche zum größten Teil gestillt und viele Mißbräuche von selbst fallen würden, sondern daß auch viel Unruhe und Widerwärtigkeit zwischen den christlichen Ständen beseitigt, geistliche und weltliche Stände in friedlichem Wesen erhalten und Gott und sein Wort dadurch geehrt würde. Besonders begrüßten es die Städtebotschaften, daß mit dieser Antwort an den päpstlichen Nuntius auch die Beschwerden gegen den römischen Stuhl und die Geistlichen übergeben werden sollten! Es war zu erwarten, daß der Entwurf im großen Aus­ schuß heftigen Widerspruch finden werde. Auch hier hatten die geistlichen Stände die Mehrheit, wie sie denn überhaupt auf diesem Reichstag ein starkes Uebergewichr hatten. Wie Planitz berichtet38), nahmen die Bischöfe be­ sonders daran Anstoß, daß der Entwurf auf das Schuld­ bekenntnis des Papstes Bezug nahm und dabei besonders den Satz wiederholte und betonte, daß ,,die Sünden in der Kirche von den Sünden der Prälaten herkämen“. Um nicht den Schein zu erwecken, als stimmten sie dem Bekenntnis ihres Oberhirten zu, wollten sie diesen Satz gestrichen haben. Sie wollten, wie Planitz sich ausdrückt, „wider aller Menschen Opinion fromm, gerecht und unvermakelt angesehen werden, als hätten sie gar keine Wasser getrübt.“ Es gelang ihnen auch, die Streichung des auf sie be­ züglichen Satzes durchzusetzen, während sie den Satz, in welchem von den ärgerniserregenden Zuständen am römi­ schen Hof die Rede war, stehen ließen! Der Bischof von Augsburg hatte in der Aussprache sehr erregt in die Ver­ sammlung hineingerufen: „Die Irrungen,, die jetzt im Glau­ ben sind, fließen von denen her, die dem Luther in seiner ketzerischen Lehre anhangen!“39) Ebenso entschieden wehrten sich die Bischöfe gegen den Vorschlag, das Konzil in deutschen Landen abzuhalten. Denn alle deut-

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sehen Reichsstädte seien lutherisch. Hielte man das Konzil in einer deutschen Stadt, dann müßte man nach dem Willen der Städte beschließen und dürfte gegen Luther gar nichts vornehmen. Sie schlugen Mantua vor. Doch blieb es bei der Forderung einer deutschen Stadt und zwar wurden Straßburg, Mainz, Köln und Metz vorgeschlagen.40) Großen Anstoß erregte bei den Geistlichen auch die Forderung, daß auf dem Konzil die Weltlichen gleiches Stimmrecht wie die Geistlichen haben sollten. Sie machten geltend, das sei bisher nicht üblich gewesen; die Weltlichen hätten auch kein Urteil, weil sie die Schrift nicht verstün­ den. Man entgegnete ihnen, die geistlichen Stände hätten „in geistlichem Schein“ allen Reichtum und alle Gewalt an sich gerissen und den Weltlichen genommen* Um nicht noch mehr vergewaltigt zu werden,, müßten die Weltlichen das Recht haben, wenigstens gleichberechtigt mit den Geist­ lichen in den Konzilien zu handeln und zu beschließen. Auch die Forderung, daß den Geistlichen Freiheit zu einer objektiven, nur die Wahrheit suchenden Stimmabgabe zu sichern sei, gefiel den Bischöfen nicht. Sie bestritten, daß sie dem Papst verpflichtet seien, nach dessen Willen abzu­ stimmen. Man erwiderte, eine solche Pflicht bestehe tat­ sächlich für solche, denen die Macht und die Gunst des Papstes über die eigene Ueberzeugung gehe. Diese dürften auf einem Konzil nichts sagen, was dem Papst zu­ wider sei.41) Der Satz des Entwurfs, welcher die Unfrei­ heit der Geistlichen und die daraus folgenden Uebel be­ tonte, wunde durch Mehrheitsbeschluß gestrichen. Doch blieb die Forderung völliger Unabhängigkeit bestehen. Bezeichnend ist für die Römischen, daß bei der Be­ stimmung über Inhalt und Maß der ferneren kirchlichen Verkündigung über den Begriff „Evangelium“ ein heftiger Streit entstand. Der kleine Ausschuß hatte vorgeschlagen, es sollte „allein das rechte, lautere Evangelium und be­ währte Schriften nach rechtem, christlichen Verstand“ ge­ predigt werden. Mit dieser Fassung waren die Geistlichen nicht einverstanden. Schon das Wort „Evangelium“ war ihnen anstößig. An dessen Stelle sollte „die Wahrheit

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Gottes“ gesetzt werden. Der sächsische Vertreter Philipp von Feilitzsch sprach seine Verwunderung darüber aus, daß die Geistlichen jenes Wort so sehr haßten, daß sie es „aus­ getan“ hätten. Er werde nun und nimmer zugeben, daß dasselbe unterdrückt und abgetan werde. Darüber war der Erzbischof von Mainz so entrüstet, daß er „eilends mit großem Zorn zur Türe hinausging und anheim in seine Herberge ritt“.42) Aber auch abgesehen von diesem biblischen Ausdruck waren sie mit einer so allgemeinen Anweisung nicht zufrie­ den. Sie wollten eine Fassung, in welcher die Lehre der römischen Kirche vorgeschrieben und sichergestellt wurde und forderten, daß die Lehre der 4 Kirchenväter: Hierony­ mus, Augustin, Ambrosius und Gregor für die Predigt maß­ gebend bleiben sollte. Das aber konnten die Evangelischen nicht annehmen. Man fürchtete mit Recht, daß diese Ein­ schränkung der evangelischen Predigt die größten Schwie­ rigkeiten bereiten würde. Auch die von den Geistlichen erhobene Forderung, daß der Kurfürst von Sachsen veranlaßt werden sollte, Luther und seinen Anhängern „alles weitere Lehren und Schreiben zu untersagen“, verursachte noch viel Streit. Feilitzsch verwahrte sich entschieden gegen diese Forderung, da er aus ihrer Annahme für den Kurfürsten und die Universität Wittenberg viel Schaden befürchtete.43) So zog sich die Feststellung der dem Nüntius zu geben­ den Antwort weiter hinaus. Diesem war das sehr unan­ genehm. Er fühlte sich in Nürnberg recht unbehaglich, wie er am 2. Februar Planitz gestand.44) Er wußte wohl, daß er durch seine Forderung, die Nürnberger Prediger ge­ fangen zu setzen, nicht nur den Unwillen des Rates, sondern auch der Gesamtbevölkerung Nürnbergs auf sich geladen hatte. Darum wünschte er möglichst bald aus der Stadt zu kommen. Uebrigens erklärte er jetzt auch öffentlich, er habe die Verhaftung der Prediger nicht aus eigenem An­ trieb und nicht im Auftrag des Papstes, sondern auf Ver­ anlassung des Erzherzogs, des Kurfürsten Joachim und des Erzbischofs von Salzburg gefordert.45)



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Am 28. Januar erschien der Nuntius wieder zu einer Sitzung des Regiments und legte ein angebliches päpst­ liches Breve vor, in welchem die Stände aufgefordert wurden, dem Nuntius auf seine im Namen des Papstes ge­ stellten Forderungen Antwort zu geben.46) Nun begannen die Verhandlungen aufs neue. Ihr Abschluß gelang nur nach weiteren heftigen Auseinandersetzungen. Noch ein­ mal versuchte Kurfürst Joachim mit Hilfe des Erzherzogs und des Kanzlers von Trier, alle bisherigen Verhandlungen und Entschließungen des Regiments und der Stände illuso­ risch zu machen, indem er im Reichsregiment forderte, dieses sollte das Wormser Edikt erneuern und durchführen. Wie­ wohl nun die genannten drei im Regiment allein standen, sandten Ferdinand und Joachim auf eigene Faust den Landkomenthur von Koblenz Ludwig von Sensheim zu dem eine Treppe höher tagenden großen Ausschuß mit dem Auftrag, diesem zu berichten, „das Regiment sehe für gut an, daß man des Kaisers Mandate (d. h. das Wormser Edikt) ausführe“. Nur dem entschiedenen Auftreten Schwarzenbergs, Planitz' und einiger anderer Mitglieder des Regiments war es zu danken, daß dieser Anschlag ver­ eitelt wurde- Diese verbaten es sich entschieden, daß jene Botschaft in ihrem Namen ausgerichtet werde. Geschehe dies trotzdem, dann müßten sie vor den Ständen die Er­ klärung abgeben, daß diese Botschaft falsch sei und die große Mehrheit im Regiment sich dagegen ausgesprochen habe. So wurden die drei gezwungen, dem großen Aus­ schuß zu berichten, daß nur die 3 Fürsten die Ausführung des Wormser Edikts wünschten. Der Ausschuß aber lehnte es ab, diesem Wunsch zu entsprechen, weil das der dem Nuntius zu erteilenden Antwort entgegengesetzt wäre.47) Auch in der Ständeversammlung vom 4. Februar ging es noch einmal hart her und der tapfere Streiter von der Planitz hatte „viel Sturms zu leiden und viel böser, hoffärtiger und verächtlicher Worte für gut zu nehmen“. Besonders tat sich darin wieder der Bischof von Augsburg hervor. Von ihm sagt Planitz: „den Gott aus dem Kot er­ hoben und nunmals zum Fürsten seines Volks gesetzt, der 8

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verfolgt meines Achtens das Evangelium am härtesten“. Aber es gelang schließlich doch, die 4 Kirchenväter als Norm für die Predigt auszuschalten. Man sagte den Geg­ nern, die 4 Evangelisten hätten jedenfalls mehr vom heiligen Geist gehabt, als die 4 „doctores“. Schließlich einigte man sich auf den vermittelnden Vorschlag, „daß nichts gelehrt werde, als das wahre, reine, lautere Evangelium nach der Lehre und Auslegung der bewährten und von der christ­ lichen Kirche angenommenen Schrift“.48) Dagegen gelang es den Geistlichen mit Hilfe einiger Fürsten, die Bestimmung über das Vorgehen gegen Luther ganz in ihrem Sinn zu gestalten. Im Entwurf war dieses Vorgehen von der Erfüllung der Wünsche der Stände durch den Papst abhängig gemacht. Aüch sollten die Stände selbst mit Luther und seinen Anhängern verhandeln; ferner sollte nur verhindert werden, daß diese etwas schrieben, was zu Aufruhr und Aergernis des christlichen Volkes Anlaß geben könnte. Diese drei Punkte wurden jetzt durch die geistliche Mehrheit gestrichen; das Einschreiten gegen Luther sollte bedingungslos und nur durch einen Auftrag an den Kurfürsten zu Sachsen geschehen. Luther sollte überhaupt nichts mehr schreiben dürfen.49) Am 5. Februar wurde die also umgestaltete Antwort dem Nuntius übergeben.50) Am 7. Februar entgegnete er, dieselbe könne weder ihm noch dem Papst noch dem Kaiser genügen. Durch sie werde Gottes Majestät (!), des Papstes Würde und des Kaisers Hoheit beleidigt und deren Befehle mit Füßen getreten. Die Stände hätten sich damit selbst herabgewürdlgt, indem sie ein Gesetz mißachtet und verworfen hätten,, das unter ihrer Mitwirkung erlassen wor­ den sei. Die Beschwerden der deutschen Nation werde der Papst, soviel an ihm liege, abstellen. Vor allem müßten die Stände das Wormser Edikt an Luther und seinen An­ hängern vollziehen. Auf die Forderung eines Konzils werde der Papst einzugehen geneigt sein. Doch müßten die dafür gestellten Bedingungen zurückgenommen werden. Den Ort für das Konzil bestimme der Papst. Predigen dürfe man nur mit Erlaubnis des Bischofs. Ketzerische Bücher

müßten verbrannt werden. Verheiratete Geistliche unter­ stünden dem geistlichen Gericht. Aus diesen Gründen wünsche er eine bessere, durchsichtigere, verständigere und überlegtere Antwort.51) Die Stände blieben bei ihrem Beschluß.52) Schon am 2. Februar hatte man mit der Abfassung des Abschieds be­ gonnen. Auch hier bemühten sich die Geistlichen, denselben möglichst nach ihrem Sinn zu gestalten und Luthers Sachemöglichst in einem ungünstigen Licht darzustellen, andrer­ seits aber das Schuldbekenntnis des Papstes aus dem Ab­ schied fern zu halten. Am 9. Februar wurde der Abschiedverlesen. Aber die Städte verweigerten ihre Unterschrift und Siegelung. Seit längerer Zeit hatte man ihnen das Stimmrecht verweigert und ihnen nur Lasten aufgeladen. Besonders die geistlichen Fürsten verhielten sich feindselig gegen sie, weil sie in der Mehrzahl lutherisch gesinnt waren. Gegen diese Beeinträchtigung wollten die Städte mit ihrer Weigerung der Unterschrift protestieren. Auch Nürnberg verweigerte sie.53) Was der Reichstagsabschied an Beschlüssen enthielt, wurde am 6. März 1523 in Gestalt eines Mandats des Reichsregiments hinausgegeben.54) Dieser Abschied wie das Mandat bekunden, daß, obwohl nicht alle Wünsche der Evangelischen in Erfüllung gegangen waren, doch ein bedeutsamer Sieg der evangelischen Sache auf diesem Reichstag erstritten worden war. Sie bedeuten die Auf­ hebung des Wormser Edikts und die Freigabe des Evan­ geliums. Konnte die bezüglich des letzteren getroffene Bestimmung auch im Sinne der Römischen ausgelegt wer­ den, so könnten doch auch die Evangelischen sie auch in ihrem Sinne für sich geltend machen. Und sie haben das auch jederzeit getan ! Das Verbot der lutherischen Schrif­ ten konnten sie um so ruhiger hinnehmen, als es schon längst und erst recht für die Zukunft wirkungslos war. Höchst bedeutsam erscheint das auf diesem Reichstag offiziell abgelegte Schuldbekenntnis des Papstes. Mit ihm; war das gerade Gegenteil von dem erreicht worden, was man gewollt hatte. Nicht nur, daß die evangelischen



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Stände auf dieses Bekenntnis ihre Weigerung gründeten, das Wormser Edikt durchzuführen. Durch dasselbe wurden auch die Bischöfe sehr verstimmt und verärgert, so daß sie nicht mit der Entschiedenheit auftraten, welche nötig ge­ wesen wäre, um den Willen des Papstes durchzusetzen, während andrerseits die weltlichen Stände, auch diejenigen, welche in der religiösen Frage nicht auf Luthers Seite standen, durch das päpstliche Bekenntnis veranlaßt wurden, ihre Beschwerden gegen den römischen Stuhl und die Geistlichen nur um so tatkräftiger geltend zu machen, nach­ dem deren Berechtigung nun auch offiziell und öffentlich bestätigt worden war. Daß der Nürnberger Rat auch während dieses Reichs­ tags seine bisher geübte kluge Zurückhaltung gegenüber dem Vorwärtsdrängen seiner Prediger und der Bürger­ schaft bewahren mußte, ist verständlich. Schon die An­ wesenheit und Haltung des kaiserlichen Statthalters zwang ihn dazu. So beschied dieser am n.*Dezember 6 Mitglieder der Herren Eltern und des Rates zu sich und ließ ihnen durch den kaiserlichen Rat Dr. Lamparter Vorhalten, in der Stadt werde Luthers Lehre übermäßig gehegt; jeder­ mann sei mit derselben vergiftet, Luthers Bücher würden öffentlich feilgehalten päpstlicher Heiligkeit und kaiser­ licher Majestät zur Schmach und zur Verachtung kaiser­ licher Mandate. Der Statthalter erwarte, daß der Rat da­ gegen einschreite, damit man nicht genötigt sei, ,,in anderer, ernstlicher Weise zu handeln“. Darauf beschloß der Rat, alle Buchführer und Krämer, auch den Apotheker Stephan, der sich wohl auch mit dem Buchhandel abgab., zu be­ schicken und das wiederholt erlassene Verkaufsverbot aufs neue einzuschärfen. Auch das Drucken lutherischer Schrif­ ten wurde verboten. Der Prediger der Augustiner, welcher sich auf der Kanzel allzu freimütig ausgesprochen hatte, wurde von Rats wegen ermahnt, „daß er sich hinfüro ent­ halte, jemand hohen oder niederen Standes in seinen Pre­ digten unziemlich anzutasten.“35) Am 15. Dezember wurde dann noch verfügt, daß Vorgefundene Schriften ohne Schadenersatz weggenommen und diejenigen, bei denen

solche gefunden würden, einen Tag auf den Turm, d;e Frauen aber ,,an die Bank“ kommen sollten.56) Am 3. Januar ging dann der Rat sogar so weit, daß er nach einer neuerlichen Einschärfung des Druckverbots lutherischer Schriften ausdrücklich erlaubte, lutherfeindliche Schriften zu drucken; nur mußten dieselben zuvor durch den Rats­ schreiber geprüft werden.57 Das mochte wohl durch die am gleichen Tag von dem Nuntius erhobenen Forderungen an das Reichsregiment und die Stände veranlaßt sein! Der Rat konnte diese Erlaubnis um so leichter geben, weil er wußte, daß sich in Nürnberg kein einziger Drucker finden werde, der lutherfeindliche Schriften drucken würde. Uebrigens waren die damals von Luthers Gegnern geschrie­ benen Bücher derart, daß sie die Reformationsbewegung eher förderten als hinderten. Am 26. Januar berichtete der Prediger von St. Sebald dem Rat, es sei ihm vertraulich mitgeteilt worden, der Statthalter wolle auf Drängen des Nuntius die Prediger von St. Sebald, St. Lorenz und bei den Augustinern beschicken, um ihnen das eidliche Versprechen abzufordern, ihre Pre­ digten einzustellen. Weigerten sie sich dessen, so sollten sie verhaftet werden. Der Rat wies die Prediger an, wenn der Erzherzog sie rufen lasse, sollten sie sich bereit erklären, vor ihm zu erscheinen, vorher aber freies Geleit von ihm fordern und nur, wenn das ihnen zugesagte Geleit als ver­ trauenswürdig erachtet würde, hingehen. Auf alle Fälle werde der Rat sie schützen. Wir sehen daraus, wie wenig man im Rat diesem Fürsten traute. Eine Anweisung, wie sich die Prediger zu einer etwaigen Forderung wegen Ein­ stellung ihrer Predigttätigkeit verhalten sollten, enthält der betreffende Ratsbeschluß nicht. Der Rat setzte wohl als selbstverständlich voraus, daß die Prediger jede derartige Zumutung ablehnen würden. Es erfolgte jedoch nichts gegen sie. Die Festigkeit des Rates und dessen Sicherungs­ maßnahmen, wohl auch die starke Erregung in der Bürger­ schaft scheinen Eindruck gemacht zu haben.58) Die wachsende Mißstimmung gegen die Klosterleute, deren Prediger vielfach auf den Kanzeln gegen die Refor-



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mation Stimmung zu machen suchten, machte sich darin Luft, daß während der Nacht vor den Klöstern Spottlieder gesungen oder schmähende Zettel angeschlagen, ja auch die Fenster eingeworfen wurden. Besonders gegen die Bar­ füßer und Dominikaner — im Kloster der letzteren wohnte der Nuntius —- richtete sich solcher Unfug, zumal in der Zeit, in der die Wogen der Erregung im Volk infolge der Anschläge des Nuntius und seiner fürstlichen Hintermänner auf die evangelischen Prediger hochgingen. Der Rat verbot derartigen Unfug durch öffentlichen Anschlag unter An­ drohung ernstlicher Strafe und stellte Wachen auf, um die Klöster zu schützen.59) Schon damals kam es vor, daß einzelne Mönche ihr Kloster verließen, um in’s bürgerliche Leben zurückzu­ kehren. Als der Prior des Dominikanerklosters im Juli 1522 vom Rat einige Stadtknechte forderte, welche den aus­ getretenen und in sein Elternhaus zurückgekehrten Mönch Gallus Korn gewaltsam in’s Kloster zurückführen sollten, lehnte der Rat dieses Ansinnen ab, weil er es nicht für recht und gut hielt, in solchen Fällen Gewalt anzuwenden.60) Auch dem Karmeliterprior empfahl der Rat, gegen 4 bei ihm ausgetretene Mönche keine Gewalt zu üben. Dagegen drohte er letzteren die Ausweisung aus der Stadt an, wenn sie ihrem Prior und den Klosterbrüdern unziemlich begeg­ neten, wie sie getan hatten.61) Einem ausgetretenen Mönch hatte der Rat auf Ansuchen das Bürgerrecht verliehen. Als er aber vernahm, daß er sich mit einer ausgetretenen Nonne verheiratet habe, fand er das anstößig. Darum nahm er das Bürgerrecht zurück und ließ den beiden sagen, sie sollten „ihr Geld anderswo verzehren“, da sie „aus beweglichen Ursachen hie einem Rat nicht füg­ lich“ seien.62) Bald darauf gab jedoch der Rat diesen Standpunkt auf, indem er sich entschloß* gegen ausgetretene Mönche und verheiratete Priester und Mönche nur dann ein­ zuschreiten, wenn sie sich nicht geziemend hielten.88) In der Aenderung oder Abschaffung kirchlicher Bräuche und Ordnungen war der Rat sehr zurückhaltend. Zwar Bräuche, welche völlig entartet waren und schlimme Be-

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gleiterscheinungen zeigten, schaffte er ohne weiteres ab. So wurde im Jahre 1523 das bisher am Karfreitag und in der Osterwoche zur Veranschaulichung des Leidens Christi im Neuen Spital aufgeführte Passionsspiel für immer ab­ gestellt, „weil es sich einem Dockenspiel vergleicht und mehr zu einem Aergernis und Leichtfertigkeit, als zur An­ dacht förderlich gewest, und weil nicht christlich ist, die Andacht der Herzen durch Affenspiel zu mehren“. 64) Um dieselbe Zeit wurde das am Palmsonntag übliche Umher­ ziehen der Schüler mit dem „Palmesel“ in den Häusern verboten und nur noch den „Sakramentalsten“, d. h. den Chorknaben, welche am Altardienst mitzuwirken hatten, gestattet. Bald darauf wurde es ganz abgeschafft, weil es schließlich nur auf eine Bettelei hinauslief.05) Bei St. Lorenz war es üblich gewesen, am Tag des Evangelisten Johannes (27. Dezember) geweihten Wein an das Kirchenvolk auszuteilen. Diese Sitte mochte wohl aus der Legende entstanden sein, nach welcher aus einem dem Apostel einmal gereichten, vergifteten Kelch mit Wein das Gift in Gestalt einer kleinen Schlange entwichen sein soll, nachdem Johannes den Kelch gesegnet habe. Daran sollte wohl der am Johannistag vom Priester gesegnete und der Gemeinde gereichte Wein erinnern. Zugleich sollte wohl den Empfängern damit etwas von dem Geist des Apostels und seiner das Böse und Schädliche überwindenden Kraft geschenkt werden. Aber diese an sich schöne und sinnvolle Sitte scheint damals stark entartet gewesen zu sein und ihren ursprünglichen tiefen Sinn verloren zu haben. Denn im Jahr 1523 wurde sie „wegen des dabei eingerissenen un­ züchtigen Wesens“ durch Ratsbeschluß abgeschafft. 66) Noch im .November 1522 hatte der Rat einen Ablaß für das städtische Almosen zugelassen. Aber bald nach dem Reichstag im März 1523 ordnete er „aus guten, christlichen Ursachen“ an, es sollten in der kommenden Fastenzeit .„keine Ablaßfahnen oder anderes dem SondersiechenAlmosen dienliche aufgerichtet, oder verkündigt, sondern fallen gelassen werden, dieweil der Ablaß für ein lauter un­ christliche Verführung der Menschen änzusehen sei“.^7)

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Dagegen hielt es der Rat für gut, das Fleischessen in der Fastenzeit, welches unter dem Volk einzureißen schien, um diese Zeit noch zu verbieten, weil es gegen die brüder­ liche Liebe sei, den Nächsten verletze und auch einer Ver­ achtung des Verbots eines Rates gleichkäme. Ein auf dem „Neuen Bau“ (dem heutigen Maxplatz) wohnender Ring­ macher hatte sich des Fleischessens öffentlich gerühmt und suchte auch seine Frau dazu zu bewegen, wofür ihn der Rat in Haft nehmen ließ. Die Warnung vor dei Uebertretung des Verbots, welche der Rat an den Kirchentüren hatte anschlagen lassen, wurde abgerissen. Der Rat ließ sie unter Strafandrohung erneuern. Den Metzgern wurde ver­ boten, in dieser Zeit zu schlachten und Fleisch zu verkaufen. Wenn Kranke auf ärztliche* Anordnung Fleisch essen sollten, mußte dies bei dem Bürgermeister angemeldet wer­ den, der die Erlaubnis zu geben hatte.68) Die Weisung des „Reichsheiltums“, welche seit ioo Jahren nach Ostern alljährlich auf dem Hauptmarkt vorge­ nommen worden war, fand 1523 noch einmal mit dem gegewohnten Gepränge statt.69) Auch das Fest des Heiligen Deokar bei St. Lorenz und das des Heiligen Sebald in dessen Kirche wurde nocheinmal gefeiert, letzteres mit wesentlicher Einschränkung. Der Sarg des Heiligen wurde in der Kirche nur bis zum Weihbrunnen und von da nur einmal um die Kirche getragen. Alle anderen üblichen Zeremonien und jedes Gepränge wurde abgestellt.70) Nach einem in der Woche nach Pfingsten gefaßten Ratsbeschluß waren wegen der Zeremonien, welche bei dem Fronleichnamsfest < im Gebrauch waren, „etliche unge­ schickte Reden“ laut geworden. Es scheinen das Stimmen gewesen zu sein, welche die Abschaffung dieses Festes forderten. Da der Rat Störungen befürchtete, wandte er sich an die Prediger von St. Sebald, St. Lorenz und im Neuen Spital mit der Bitte, am folgenden Sonntag und am Fronleichnamsfest selbst dem Volk in der Predigt zu sagen, es sei vielleicht besser, derartige Gebräuche abzu­ stellen; weil aber dieses Fest seit so langer Zeit gefeiert worden, sei es nicht ratsam, es auf einmal abzuschaffen.

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An der Art, wie es gefeiert werde, sei nichts gelegen. Man solle also mit den Schwachen Geduld haben und nicht durch Unschicklichkeit die brüderliche Einigkeit zerreißen. „Denn obwohl unter denen, die mit dem Sakrament herumgehen, viele sind, die auch hierin des rechten Grundes unterrichtet sind und wissen, wie es billig hierin sollte gehalten werden, müssen sie dennoch Gott zu Ehren, weil ja der Fronleichnam Christi da ist, auch den armen, schwachen Christen zu gut Geduld haben“!71) Dieser konservative und pietätvolle Sinn,, den der Nürn­ berger Rat während der ganzen Reformationsbewegung an den Tag legte, hat dieselbe vor mancher Ueberstürzung be­ wahrt und sie stets in ruhigen Bahnen gehalten. Um der Bewegung diese ruhige und gesunde Entwicklung zu sichern und den Frieden in der Bürgerschaft zu wahren und auch unter den Geistlichen nach Möglichkeit zu erhalten, schärfte der Rat bei jeder Gelegenheit den Predigern in den Klöstern wie auch den evangelischen Predigern ein, sich in ihren Predigten jeglicher Schärfe und „Unschicklichkeit“ zu enthalten und alles zu- vermeiden, was zu Aergernis und Unfrieden dienen könne. Daß der Rat auch ernstlich gegen Ruhestörer einzuschreiten sich nicht scheute, hatte er be­ reits im Vorjahr bewiesen, als er dem Dominikanerprediger, welcher die Verordnung des Rates vom 14. Februar 1522 nicht achtete, sein Aergernis erregendes Predigen verwies, aber auch den Malergesellen, der ihn deshalb öffentlich an­ gegriffen hatte, auf 4 Tage in den Turm sperrte.72) Ebenso wurde dem Franziskanerprediger Dr. Wintzler,, der sich ebenfalls als Unruhestifter gezeigt hatte, geraten, an einem andern Ort zu predigen, und als er sich nicht besserte, der Stadtverweis ausgesprochen, während der temparamentvolle Deckenweber Kadolzburger, der den Prediger einen „blin­ den Blindenleiter“ gescholten hatte, mit der gleichen Strafe belegt wurde, die man ihm allerdings bald darauf wieder er­ ließ.73) Noch in einer anderen Frage bewährte der Rat seinen konservativen Sinn. Von einem Teil ihrer Pfarrkinder waren die Pröpste beider Pfarrkirchen ini März 1523 er-

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sucht worden, ihnen in der bevorstehenden Osterzeit das Heilige Abendmahl nach der Einsetzung Christi in beider Gestalt zu reichen. Diese wollten jedoch in dieser Sache nicht eigenmächtig handeln und wandten sich deshalb an den Rat mit der Bitte um dessen Entscheidung. Sie erklär­ ten dabei, daß sie die Bitte der Gemeinde nicht für unbe­ gründet hielten, weil sie den Worten des Evangeliums ge­ mäß sei, daß sie jedoch befürchteten,, eine solche Neuerung könnte Widerspruch finden und ,,Aergernis, Zerteilung und Empörung“ verursachen. Werde doch ohnedies das Volk dieser Stadt von den zurzeit hier weilenden Herrschaften „eines neuen, unchristlichen und unziemlichen Fürnehmens“ beschuldigt. Da sie nun nicht wüßten, was sie tun sollten, aber gern tun möchten, was Gott gefällig und dem Volk gut und nutz sei, bitten sie die Obrigkeit um Rat, was sie tun sollten.74) Der Rat antwortete den Pröpsten, er sei ganz dafür, daß dem Wort Gottes stracks nachgelebt werde und wolle auch selbst gern dazu helfen. Aber die Zeit scheine ihm in diesem Fall noch nicht reif zu sein. Er fürchte, wenn man dem Begehren der Gemeinde Folge leiste, so würde es statt zu christlicher Einigkeit zu Zwiespalt und zur Er­ weckung von allerlei Unwillen dienen. Weil nun die Christ­ gläubigen sich nach dem Evangelium friedlicher Einigkeit befleißigen sollten, halte es der Rat für seine Pflicht, bei den Seinigen den Unfrieden soviel als möglich zu verhüten, da­ mit es nicht gehe, wie seinerzeit in Böhmen. Auch sei das Reichsregiment und das Kammergericht, wie auch etliche Kurfürsten, Fürsten und Stände des Reiches solchen Neue­ rungen abgeneigt. Darum bitte der Rat die Pröpste, zu solcher Neuerung zurzeit noch keine Veranlassung zu geben und ihre Gemeinden anzuweisen, sie möchten es weiterhin halten wie bisher. Ueberdies empfahl er den Pröpsten, sie möchten das Begehren der Gemeinden dem Bischof mitteilen und «dessen Entscheidung erbitten, seine Antwort aber dem Rat zukommen lassen.75) Wie nicht anders zu erwarten war, entschied der Bischof dahin, sie sollten die Neuerung unterlassen und abwarten, was das in Aussicht stehende

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Konzil beschließe. So blieb es denn in den Pfarrkirchen bei der bisherigen Uebung. Nur der Prior des Augustiner­ klosters Johann Volprecht wagte es auf eigene Faust, schon jetzt in einem kleineren Kreis das Heilige Abendmahl in beider Gestalt zu reichen, ohne daß er deshalb von jemand angefochten wurde.76) Im September 1523 war der Rat aufs neue veranlaßt, in der Bücherangelegenheit einzuschreiten. Der ehemalige Barfüßer Heinrich von Kettenbach hatte eine Schrift unter dem Titel „Praktika“ erscheinen lassen, in welcher er so­ wohl den Papst, als den Kaiser wegen der Verurteilung Luthers in Worms sehr scharf angegriffen hatte. Auch war Luthers heftige Schrift gegen den König von England wieder im Nürnberger Buchhandel aufgetaucht, trotz des schon früher erfolgten Verbots. Der Rat befahl, bei allen Buchführern und sonst nach beiden Schriften zu fahnden und sie im Betretungsfall zu beschlagnahmen. Zugleich ver­ bot er jeden Verkauf derartiger Schriften um des Friedens willen.77) Wenn so der Rat durch die kaiserlichen Mandate als Obrigkeit gezwungen war, die lutherischen Schriften in seinem Gebiet soviel als möglich zu unterdrücken, so war doch die Predigt des Evangeliums durch den letzen Reichstagsabschied freigegeben. Ihr konnte der Rat nun völlig freien Lauf lassen. Dadurch aber wuchs das Nürn­ berger Kirchenvolk immer mehr in die evangelische Wahr­ heit hinein. Schon im Herbst 1522 hatte der Rat fest­ stellen können, daß der Zudrang zu den evangelischen Pre­ digten immer stärker werde. Auch die zum Reichstag an­ wesenden Fürsten und ihr Hofgesinde, wie auch andere Stände besuchten vielfach die Gottesdienste. In der Sebalduskirche reichten die Sitzplätze nicht mehr aus, so daß sich der Rat entschließen mußte, „,über dem Taufstein am Engelschor“ und an der Nordseite des Langhauses vor den dortigen Triforien eine „Empore“ anbringen zu lassen, um Platz zu schaffen.78) Die Versuche der Römlinge, die Predigt des Evangeliums zu unterdrücken, hatten das Volk nur um so begieriger nach ihr gemacht. Die Bedrohung

124 ihrer Prediger auf dem letzten Reichstag hatte die Gemeinde um so enger mit diesen verbunden und die Festigkeit, mit* welcher der Rat für die Prediger eintrat, stärkte deren Hörer zu gleicher Treue. Und als die beiden Hauptfeinde des Evangeliums, Erzherzog Ferdinand und der päpstliche Nuntius, am 16. Februar die Stadt verließen, um in Ansbach am Hof des Markgrafen Kasimir mit diesem vergnügte Fastnacht zu feiern, freute man sich auch in Nürnberg. Nur daß es hier eine reinere, edlere Freude war: das Evangelium hatte einen bedeutsamen Sieg er­ rungen und die evangelische Bewegung war um einen guten Schritt vorwärts gekommen! Ein Zeuge dafür, wie tief und stark die lutherische Be­ wegung schon damals in Nürnberg eingewurzelt war, ist der Schuhmacher und Meistersinger Hans Sachs. Dieser war der Reformationsbewegung von Anfang an mit leb­ hafter Teilnahme gefolgt. In ernstem und gründlichem Studium der Bibel hatte er an dieser Luthers Lehre ge­ prüft. Von dessen Schriften hatte er im Jahre 1522 bereits 40 in seinem nicht nur äußerlichen, sondern auch geistigen Besitz. Sein tiefes Gemüt und sein sittlicher Lebensernst ließen ihn alsbald erkennen und spüren, daß durch Luther dem Volk der Weg zu einer religiösen und sittlichen Erneue­ rung gewiesen.werde. So war noch nie zum Volk geredet worden! Das.;,.war der starke Eindruck, den er aus Luthers Schriften empfing. Die religiöse Wärme und die machtvolle Glaubensfreudigkeit, welche diese ausstrahlten, gewannen sein Herz. Nach längerem, innerlichem Reifen drängte es ihn, Mer Freude an seinem beglückenden Er­ leben einen Ausdruck zu geben in seinem Gedicht von der ,,Wittenbergischen Nachtigall“, mit dem er jubelnd Luthers Botschaft begrüßte und sich freudig zu ihr bekannte. Bald nach dem Schluß des Nürnberger Reichstags 1523 erschien das Gedicht im Druck und nicht nur in Nürnberg, sondern auch auswärts fand es rasche Verbreitung. Ist auch der poetische Wert desselben nicht sehr groß, so übte doch das begeisterte und kraftvolle Zeugnis, welches hier ein Mann aus dem Volke, ein schlichter Handwerker, vor der Oeffent-

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lichkeit ablegte, eine große Wirkung aus. Jedenfalls hat dieses Gedicht sehr viel dazu beigetragen, daß Luthers Sache in Nürnberg rasch populär wurde. Im folgenden Jahr ließ Hans Sachs in kurzer Auf­ einanderfolge eine Reihe von Flugschriften ausgehen, die in Prosa geschrieben, in Gestalt von Gesprächen, Fragen erörterten, welche die Zeit bewegten. Jedes dieser Gespräche — es sind uns vier erhalten — ist ein Kunst­ werk für sich, jedes bereitet dem Leser einen köstlichen Genuß. In den ersten beiden kämpft Hans Sachs gegen das römische Wesen, während er in den beiden andern den evangelischen Glaubensgenossen das Gewissen schärft. Neben dem hohen religiösen und sittlichen Ernst, von dem diese Gespräche getragen sind, begegnen wir auch einem gesunden, köstlichen Humor, der dem Verfasser überhaupt eigen ist. Wohl das schönste und beste von diesen Gesprächen ist das erste, welches ein Schuster mit einem Geistlichen, einem Chorherrn führt. Unübertrefflich ist hier die Art, wie der schlichte Handwerksmann den ge­ lehrten, sich jenem weit überlegen dünkenden geistlichen Herrn abführt und zugleich in seiner Weise charakterisiert. Diese Gespräche sind Reformationsschriften im besten Sinne des Wortes, wenn sie auch nicht aus der Feder eines Hochgelehrten stammen. Ihr besonderer Reiz Und Wert liegt darin, daß sie uns zeigen, wie Luthers Lehre auf den bürgerlichen Mittelstand wirkte, wie er mit seiner Verkün­ digung diese Kreise viel tiefer zu erfassen wußte, als manche unter den Gebildeten, weil er dort weniger oder überhaupt nicht auf nur geistige und wissenschaftliche, sondern vielmehr auf religiöse und sittliche Interessen stieß. Während ein Pirkheimer, ein Scheurl und manche andere Vertreter der Wissenschaft und Bildung Luther nicht verstanden und sich darum bald wieder unbefriedigt von ihm zurückzogen, verstand man ihn in diesen ein­ fachen, bürgerlichen Kreisen um so besser- So konnte auch der schlichte, fromme Handwerksmann Hans Sachs für seine Kreise der erfolgreiche Vermittler der Gedanken Luthers werden, der er tatsächlich nicht nur in seiner

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Vaterstadt, sondern weit über deren Mauern hinaus gewor­ den ist. Daß man ihn auf der römischen Seite weniger schätzte und ihn nur den ,,tollen und verfluchten Schuster“ nannte, ist verständlich, wenn man nur das Gespräch des Schusters mit dem Chorherrn gelesen hat. In den evan­ gelischen Kreisen war und ist Hans Sachs auch heute noch bei allen, die ihn kennen, nicht nur als humorvoller Volks­ dichter, sondern auch als treuer Bekenner und Förderer evangelischen Christentums hochgeschätzt und geehrt! Dem Beispiel Luthers und Lazarus Spenglers folgend hat Hans Sachs seine Dichtkunst auch in den Dienst des Gemeindelebens gestellt, indem er schon 1524 geistliche Lieder für den Gemeindegesang verfaßte. Im folgenden Jahr gab er eine Sammlung von 8 Liedern heraus unter dem Titel: ,,Etliche geistliche, in der Schrift gegründete Lieder für die Laien zu singen“. Dieser Sammlung ließ er 1526 ein Büchlein mit „dreizehn Psalmen zu singen“ folgen, die dann in die Nürnberger, wie auch in andere Ge­ sangbücher aufgenommen wurden. Sind seine Lieder auch in der Sprache etwas ungelenk und schwerfällig, so sind sie doch wertvolle Zeugnisse seines evangelischen Glaubens und seines Eifers in der Mitarbeit an dem Aufbau des evange­ lischen Gemeindelebens. Ihm ist vor allem darum zu tun, die schriftgemäße Lehre und das reine, lautere Gotteswort zu preisen, das durch Luther an den Tag gekommen ist. Seine wertvollsten Erzeugnisse sind allerdings die lehr­ haften Dichtungen, für die ihm eine besondere Veran­ lagung eigen war. In ihnen treibt und pflegt er praktisches Christentum, m^hnt er zu einem reinen, christlichen Lebenswandel und zur Nächstenliebe, worin er zugleich ein gutes Vorbild zu geben bemüht ist. Damit hat er seinen Volksgenossen den besten Dienst getan!

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Kapitel VI. Der Reichstag zu Nürnberg 1524. Im Abschied des letzten Nürnberger Reichstags war zur Behandlung verschiedener wichtiger nicht mehr er­ ledigter Gegenstände ein neuer Reichstag auf den 13. Juli 1523 angesetzt worden. Doch wurde derselbe wiederholt vertagt und konnte erst am 14. Januar 1524 eröffnet werden. In der Zwischenzeit glaubte man im Nürnberger Rat recht vorsichtig sein und alles vermeiden zu müssen, was den Gegnern zu einem neuen Vorstoß gegen die Stadt auf dem kommenden Reichstag Anlaß geben konnte. Die Bücherläden wurden regelmäßig nach verbotenen Schriften durchsucht. Ein altes Fräulein in der Tuchscheerergasse legte man auf 4 Tage ,,an die Bank“, weil sie die schon erwähnte Schrift des Heinrich von Ketten­ bach feil gehalten hatte.1) Junge Leute aus ehrbaren Familien, welche als Priester und Mönche verkleidet den geistlichen Stand zu verhöhnen versucht hatten, kamen auf 4 Tage in den Turm.2) Da zu befürchten war, daß während des Reichstags wegen der ausgelaufenen Mönche und verheirateten Geistlichen, die sich in der Stadt auf­ hielten, dem Rat Schwierigkeiten entstünden, wies man solche zwar nicht aus, überwachte sie aber sorgfältig, um solche, die sich etwa nicht gut hielten, gebührend zu strafen. Nur zwei ausgetretene Mönche wies der Rat aus der Stadt«3) Gegen Ende des Jahres 1523 trat in def Vorstadt Wöhrd ein Mann auf, der in der Tracht eines Bauern aus dem Ries predigte und religiöse Gespräche mit den Leuten führte. Da er nichts Anstößiges vortrug und sich gut be­ nahm, ließ ihn der Rat gewähren. Das Volk hörte ihn

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gern und strömte ihm zu. Sogar der Kurfürst von Sachsen hörte ihn in Begleitung Spalatins einmal predigen. Schließ­ lich aber verbot ihm der Rat das öffentliche Predigen, er­ laubte ihm jedoch die seelsorgerliche Beratung solcher, die ihn aufsuch'ten und darum baten.4) Daß jedoch dem Rat die geordnete biblische Wortver­ kündigung besonders am Herzen lag, entnehmen wir daraus,” daß er bald nach Beginn des neuen Reichstags mit dem Sebalder Prediger Schleupner einen endgültigen, lebenslänglichen Vertrag abschloß, durch welchen dieser zur reinen, lauteren Predigt des Evangeliums verpflichtet wurde, nachdem er bisher nur provisorisch im Dienste der Stadt gestanden war.5) Andererseits kam der Rat damals dem Erzherzog Ferdinand, der wieder als Vertreter des Kaisers zum Reichstag gekommen war, entgegen, als dieser angeregt hatte, am 25. Januar eine feierliche Prozession von St. Sebald nach Lorenz zu veranstalten, bei welcher Gott um gnädige Hilfe in der schweren Zeit angerufen werden sollte. Dabei suchte der Rat dieser Veranstaltung einen sittlichen Inhalt zu geben, indem er die Buße und Heiligung des Lebens als Aufgabe und Ziel derselben betonte.6) Eine Verhandlung über die Religionsfrage auf diesem Reichstag war weder im Ausschreiben des Reichsregiments, noch in der Vorlage des Statthalters vorgesehen. Auch in der Vorlage des Regiments war sie mit keinem Wort berührt. Dagegen hatte der Kaiser seinem Orator eine zweite Vorlage mitgegeben, in welcher die Vollziehung des bisher nicht* beachteten und vom letzten Reichstag geradezu aufgehobenen Wormser Edikts gefordert wurde-7) Auch in Rom hatte man sich entschlossen, auf diesem Reichstag gegen die für jenes höchst bedrohlichen Be­ schlüsse von 1522/23 Stellung zu nehmen. Zur Vertretung der Kurie wurde diesmal, weil es sich um Lebensfragen der römischen Kirche handelte, eine be­ sonders tüchtige Kraft in der Person des Kardinals Lorenz Campeggi zum Reichstag abgeordnet. Er ging diesmal sehr ungern nach Deutschland.8) Erst als der Papst

129 ihm die Zahlung von 2000 Dukaten noch vor seiner Ab­ reise und die reichliche Versorgung seiner Kinder für den Fall, daß er in Deutschland den Tod erleide, versprochen hatte, willigte er in die Sendung. Da sich die Verhand­ lungen darüber länger hinauszogen, sandte der Papst als Vorläufer seinen Kämmerer Hieronymus Rorario nach Nürnberg, der am 15. Februar dort eintraf. Am 17. Februar stellte er sich den Ständen vor mit der Bitte, diese tnöchten nicht auseindergehen, bevor der Legat des Papstes in Nürnberg eingetroffen sei. Eine Zusage für diese Zumu­ tung erhielt er jedoch nicht.9) Bei den ersten Verhandlungen ging es um das Reichs­ regiment. Gegen dieses hatten die Reichsstädte eine Be­ schwerde eingereicht, weil es ihre Freiheiten und Privilegien verletzt habe, indem es sie mit einem Reichszoll belastete, der ihren Handel schwer zu schädigen drohte. Da auch die römisch gesinnten Stände Gegner des bisherigen Regiments waren, weil es die kirchliche Reformation begünstigt hatte, erhielt dasselbe eine andere Zusammensetzung und wurde nach Eßlingen verlegt, was eine Benachteiligung der Re­ formation bedeutete.10) Der erste Vorstoß gegen die Evangelischen galt der Stadt Nürnberg. Am 24. Februar bestellte der kaiserliche Statthalter die 7 Herren Eltern zu sich, von denen aber vor­ sichtshalber nur 4 erschienen und erhob gegen sie den Vor­ wurf, sie seien als Regenten der Stadt viel zu nachgiebig gegen die Lutherischen- Ketzerische Schriften und Schmäh­ gedichte, in denen sogar der Kaiser angetastet werde, würden geduldet und feilgehalten; die Prediger verursach­ ten unchristliche Irrungen, ausgelaufenen Ordensleuten ge­ statte man den Aufenthalt in der Stadt; sogar Bauern lasse man öffentlich predigen, alles im Widerspruch zum Wormser Edikt, das doch nach dem Willen des Kaisers zu befolgen sei. Auf diese Beschuldigungen gab der Rat am 2. März -eine schriftliche Antwort, in der er sich auf den letzen Reichstagsabschied berief. Nach diesem, der als Mandat im Namen des Kaisers ausgegangen sei, habe man sich ge9

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halten: man habe das Bücherverbot erneuert, Uebertreter desselben gestraft, unerlaubte Schriften eingezogen. Den Handel mit solchen ganz zu unterbinden, sei jedoch un­ möglich, da die Stadt ,,ein offenes Gewerbhaus“ sei. Die Nürnberger Prediger seien christliche, verständige und ge­ schickte Männer, die sich streng an das letze, kaiserliche Mandat hielten und nur das heilige Evangelium verkün­ digten, was mehr als 1000 regelmäßige Zuhörer, Fürsten, Grafen und Herren bestätigen könnten. Ausgetretene Ordensleute, welche arbeiten und sich gut benehmen, aus­ zuweisen, sei keine Obrigkeit verpflichtet; unordentliche habe man aus der Stadt geschafft. Also werde man sich weiter­ hin halten. Dem Bauern habe man, obwohl er nichts Un­ christliches geredet habe, das Predigen untersagt. Der Rat gedenke überhaupt nichts zuzulassen, was gegen den christ­ lichen Glauben, Gottes Ehre und das Evangelium sei.11} Damit war dieser Angriff abgewiesen. Am i. Februar hatte Campeggi seine Reise angetreten; am 14. März kam er in Nürnberg an. Er hatte sich also reichlich Zeit gelassen. Als man am 11. März von seiner Ankunft in Augsburg hörte, verhandelten die Stände über seinen Empfang. Dabei teilte Herzog Wilhelm von Bayern mit, daß der Legat bei seinem Einreiten in Augsburg, als er mit erhobener Hand den Segen erteilte, von dem versam­ melten Volk arg verhöhnt worden sei. Man entschloß sich, daß ihm alle anwesenden Stände mit dem Erzherzog und dem kaiserlichen Orator entgegenreiten sollten. Jedoch ließ man ihm sagen, er möge ,,seinen Segen und das Kreuz­ machen vermeiden^.12) Am 13. März erließ der Rat ein Mandat, in welchem er den Bürgern ein ehrerbietiges Ver­ halten gegen den Legaten zur Pflicht machte. Alle Geist­ lichen an den Kirchen und in den Klöstern sollten sich um 3 Uhr zu St. Sebald versammeln, um dem Kardinal in feier­ licher Prozession entgegen zu ziehen. Die Sebalduskirche wurde für den Empfang festlich geschmückt. Die Kirchen­ türen wurden mit „Wappnern“ besetzt. Von Rats wegen ritten dem Kardinal Bernhard Baumgärtner, Christoph Tetzel mit Dr. Scheurl und dem Schultheißen Hans von

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Obernitz entgegen.13) Der Kanzler von Mainz begrüßte den Kardinal im Namen der Stände mit einer kurzen Rede. Alles weitere verbat sich der Kardinal. Auf seinen Wunsch wurde er ohne weiteres von den beiden Ratsherren, dem Schultheißen und Dr. Scheurl in seine Herberge „Zum goldenen Kranz“ in der Zistelgasse (jetzt Albrecht-Dürerstraße) geleitet, wo er von der Stadt „wie ein Kurfürst“ mit Wein und Fischen beschenkt wurde. Die Geistlichkeit wurde wieder heimgeschickt. Die Sebalduskirche hatte der Kardinal nicht betreten.14) Am folgenden Tag berief der Kardinal Dr. Scheurl zu sich um ihm, wie er angab, einen Bescheid auf ein Gesuch des Rates an die Kurie zu erteilen, in Wirklichkeit wie sich zeigte, um ihn auszuholen. Als Campeggi noch Professor der Rechtswissenschaft in Bologna gewesen war, hatte Scheurl bei ihm Vorlesungen gehört. Der Kardinal sprach ihm sogleich sein Befremden darüber aus, daß der aus so vornehmen und weisen Regenten bestehende Nürnberger Rat Luther und seinen wenigen Nachfolgern anhange, die nur nach ihren Köpfen handelten und keinen Richter über sich leiden wollten. Man habe ihm gesagt, daß zu Nürn­ berg in 4* bis 500 Häusern in der Fastenzeit Fleisch ge­ gessen werde, daß man die Beichte und die Messe nicht mehr besuche. Der Rat dulde Prediger, welche täglich gegen den Papst predigten, die andern setze er ab. Er lasse gegen das Verbot der Obrigkeit lutherische Bücher drucken. Den Päpstlichen gestatte er das für die ihrigen nicht. Er, der Kardinal, habe nach einem katholischen Büchlein fragen lassen, aber es nicht bekommen können; an lutherischen sei dagegen Ueberfluß.. In Nürnberg gebe es wohl 40 verschie­ dene Religionsmeinungen ; der eine beobachte dies, der an­ dere jenes. Das alles dulde der Rat bis er es schließlich nicht mehr hindern könne und keine Gewalt mehr über seine Untertanen habe. Darauf antwortete Scheurl, Nürnberg habe seine An­ hänglichkeit an den Papst stets bewiesen. Aber der ge­ meine Mann wünsche, sich nur an Christus als seinen Seligmacher und an das reine Evangelium zu halten. Die 9*

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Nürnberger hängen nicht an Luther, sondern an Christus. In Jahren sei kein lutherischer Buchstabe in Nürnberg ge­ druckt worden. Der Rat habe die kaiserlichen Mandate veröffentlicht, Bücher wegnehmen lassen, Buchhändler be­ straft. Wenn der Kardinal das gewünschte Büchlein nicht habe bekommen können, so liege das nicht am Rat, sondern am Volk, das die Buchhändler bedrohe, die solche Bücher verkauften. Denn diese enthielten wenig von der Heiligen Schrift und viel von Schullehren, sie seien nur geschrieben, um dem Papst zu heucheln. Darum seien sie auch nicht verkäuflich, weil der gemeine Mann Gottes Wort fordere und jetzt an einem Tag mehr lese als sonst in einem Jahr. Bei den jetzigen Predigern finde das Volk was es suche, während die Priester der alten Ordnung dem Wort Gottes zuwider lehrten und bei den Zuhörern nur Unwillen er­ regten. Der Papst habe durch seine Gesetze die göttlichen Gebote so verdunkelt, daß er die Verantwortung dafür trage, wenn viele den Fleischgenuß an Fasttagen als schwerere Sünde empfänden, als Ehebruch, falsches Zeugnis und der­ gleichen. In vielen seiner Gesetze befinde sich der Papst im Widerspruch mit der Heiligen Schrift. Um der zahl­ reichen Mißgriffe seiner Amtsführung willen habe Julius II auf seinem Sterbebett gewünscht, nicht Papst gewesen zu sein. Trotzdem habe sich der Nürnberger Rat stets nach des Papstes Willen gehalten. Jetzt komme er freilich mehr dahin, in Religionsangelegenheiten jedem freie Hand zu lassen. — Leider wurde hier die Aussprache durch den Ein­ tritt des Bischofs von Wien unterbrochen. Ob sie noch fortgesetzt wurde* ist nicht bekannt. Jedenfalls hatte der Legat genug an dem, was er von Scheurl gehört hatte.15) Am gleichen Tage sagte Osiander auf der Kanzel von St. Lorenz, in Rom sei der Antichrist an dem Tage einge­ zogen, an welchem Kaiser Konstatin von dort weggezogen sei. Als Campeggi davon hörte, weinte er, tief erschüttert davon, daß die römische Kirche so tief verachtet werde.16) Am 17. März erschien der Kardinal in der Versamm­ lung der Reichsstände. Nach einem Vortrag seines Beglei­ ters des Bischofs von Skara über den Christenglauben und

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wie dem Türken Widerstand zu leisten sei, ließ Campeggi ein päpstliches Breve verlesen, welches seine Beglaubigung und die Mahnung an die Stände enthielt, irti Widerstand gegen die Feinde des christlichen Glaubens nicht nachzu­ lassen.17) Sodann bat er, man möge etliche Personen zu ihm verordnen, mit denen er vertraulich über seinen Auftrag reden möchte. Man bildete dafür einen Ausschuß von 8 Personen, welchem der pfälzische Kanzler Dr. Venningen, der kölnische Kanzler Dr. Einkurn, der Bischof von Würz­ burg, Pfalzgraf Herzog Friedrich, der Dompropst von Speyer Georg von Schwalbach, der badische Kanzler Dr. Vehus, der hessische Kanzler Ludwig von Beumelburg und der Dompropst von Worms Dr. Ribisen angehörten.18) Mit diesem Ausschuß verhandelte der Legat am folgen­ den Tag. Nach dem von Vehus und Ribisen erstatteten Bericht19) sprach Campeggi seine Verwunderung darüber aus, daß soviel deutsche Fürsten und Herren die Ausbrei­ tung der lutherischen Lehre im deutschen Volk duldeten und gestatteten, daß der Glaube, die Sitten und Gebräuche der Voreltern abgetan würden, weil einige Personen da­ gegen geschrieben hätten, ohne daß der große Schaden be­ dacht werde, der dadurch im Volk entstehe. Wehre man dem nicht, so werde nur Aufruhr und Ungehorsam gegen die Obrigkeit entstehen. Darum habe ihn der Heilige Vater nach Nürnberg gesandt, mit den Ständen zu ratschlagen, vTe dem allen abzuhelfen sei. Er wolle nun mit ihnen nach einer guten und bequemen Arznei gegen das Uebel suchen zu Heil und Wohlfahrt des deutschen Volkes. Der Ausschuß wünschte jedoch zuerst die Meinung des Legaten darüber zu hören, um diese dann den Ständen mitteilen und wirksamer mit diesen beraten zu können. Die Stände hätten ja bereits im vorigen Jahr durch den päpst­ lichen Nuntius ihr Gutdünken darüber, wie dem Uebel ab­ zuhelfen sei, mitgeteilt. Auch habe man ihm die Beschwer­ den und Anliegen der deutschen Nation zur Aushändigung an den Papst übergeben.20) Wenn nun der Legat darüber einen Auftrag habe, so wollten sie denselben gern ver­ nehmen.

134 Darauf antwortete Campeggi, wegen der neuen Lehre und der Ketzereien wisse er von keinem Mittel, welches von den Ständen bedacht und dem Papst oder den Kardinälen vorgelegt worden wäre. Die Stände sollten daher selbst solche Mittel und Wege bedenken. Nun seien sowohl in Worms, als auf dem letzten Reichstag in dieser Sache Mandate ausgegangen, die wohl von etlichen Fürsten, aber von vielen nicht beachtet worden seien. Darum müsse vor allem bedacht werden, wie diese Mandate zu vollziehen seien. Erst dann könne man eine Anordnung treffen! Ob die Beschwerden der deutschen Nation von den Ständen nach Rom geschickt worden seien, wisse er nicht. Es seien 3 gedruckte Exemplare besonderen Personen zugeschickt worden. Eins davon habe er in Händen gehabt. Aber weder der Papst noch die Kardinäle, noch er selbst hätten geglaubt, daß etwas so übermäßig Ungeschicktes vom Reichsregiment und von so hochverständigen Kurfürsten, Fürsten und Ständen bedacht und beschlossen worden sei, sie hätten gemeint, daß solches von Personen, die dem Papst und dem Stuhl zum Rom nichts Besseres gönnten, zusam­ mengesucht worden sei. Deshalb habe er darüber keinen Auftrag. Doch sei er durch seine allgemeine Instruktion ermächtigt, auch darüber zu reden. Jene Beschwerden ent­ hielten viele Artikel, welche dem Papst feindselig und dem Stuhl zu Rom ungehorsam, unehrlich und der Ketzerei ver­ dächtig seien, lieber diese verhandle er nicht. Ueber solche dagegen, die nicht gegen den Papst und den römischen Stuhl seien und dem Recht und der Gerechtigkeit dienten, sei er bereit, zu handeln. Doch wäre es nach seiner Mei­ nung besser, deswegen eine Gesandtschaft nach Rom zu schicken. Die würde in dem, was möglich sei, ebenso er­ hört werden, wie die Spanier!21) Diese hochfahrende, geringschätzige und spöttische Antwort war nicht nur eine echt römische Heuchelei und Unehrlichkeit, sondern auch eine unverschämte Beleidigung sämtlicher,, auch der gut katholischen, deutschen Reichs­ stände. Man hatte in Rom die Beschwerden der deutschen Nation tatsächlich erhalten. Schon Aleander hatte sie von

135 Worms aus nach Rom geschickt und 1523 wurden sie offiziell nach Rom gesandt. Auch Campeggi hat das ge­ wußt. Er tat nur, als hielte er sie nicht für echt, um nicht darauf eingehen zu müssen. In Rom wußte man ganz genau, woher diese Beschwerden stammten und daß gerade die schlimmsten und die Kurie am meisten bloßstellenden von dem gut katholischen Herzog Georg von Sachsen her­ rührten. Gerade darum suchte man sie jetzt abzuleugnen! Wir verstehen es, wenn die Stände ihre Verstimmung über diese Beleidigung und Unehrlichkeit des Legaten diesem merken ließen und zwar einen Ausschuß einsetzten, der über einen Bescheid an denselben beraten sollte, aber die Beschlußfassung bis zur Erledigung der kaiserlichen Vor­ lage verschoben. Nun war aber die Zusammensetzung und Gruppierung der Stände auf diesem Reichstag für die evan­ gelische Sache höchst ungünstig. Luthers Gegner verfüg­ ten sowohl in den Ausschüssen als in den Vollversamm­ lungen über die Mehrheit der Stimmen. Wenn wir die Unterschriften überschauen, welche der Reichstagsabschied von 1524 auf weist, dann finden wir, daß allein 19 geistliche Fürsten persönlich anwesend oder durch Gesandte vertreten waren, die natürlich alle gegen die Evangelischen standen. Von den weltlichen Fürsten nahmen zwar die 2 entschieden­ sten Gegner der Reformation, Kurfürst Joachim und 'Herzog Georg an diesem Reichstag überhaupt nicht teil; dafür traten aber die beiden Herzoge von Bayern,, die sich inzwischen ganz auf die päpstliche Seite geschlagen hatten, und der Erzherzog Ferdinand, der als Bruder und StattRaiter des Kaisers ein besonderes Gewicht hatte, um so tatkräftiger hervor. Der Kurfürst von der Pfalz und der Markgraf von Baden waren mehr oder weniger neutral. Kursachsen aber hielt sich auf diesem Reichstag völlig zurück. Kurfürst Friedrich hatte seinen Gesandten unter­ sagt, sich an den Verhandlungen und Beschlüssen in der Rirchlichen Frage irgendwie zu beteiligen.22) Auf der lutherischen Seite standen nach einer Zusammenstellung des Rursächsischen Gesandten von Feilitzsch nur der Hoch­ meister des deutschen Ordens, Albrecht von Preußen, der

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Gesandte des Grafen von Henneberg, die übrigen Grafen und die Vertreter der Städte.23) Das Reichsregiment,, welches noch auf dem vorigen Reichstag die Belange der Evangelischen mit gutem Erfolg vertreten konnte, hatte jetzt keinen Einfluß mehr. Da war es nur gut, daß jetzt wenigstens den Städten die Teilnahme an den Verhandlungen ermöglicht war und sich deren Ein­ fluß um so stärker geltend machen konnte. Die führende Stellung Nürnbergs fiel dabei stark in‘s Gewicht! Am 27. März traten die Gesandten der Städte zusam­ men, um über ihre Stellungnahme zu beraten. Lazarus Spengler hatte dafür ein Gutachten vorgelegt, welches zu seinen besten Leistungen auf diesem Gebiet zu zählen ist.24) Für die Städte, so führt er darin aus, ist die eine Frage ent­ scheidend, ob sie Christen sein wollten oder nicht. Wollen sie das sein, dann wissen sie auch, was sie zu tun haben. Christus ist ein Herr auch über seine Feinde und stark genug, seine Ehre, sein Wort und seine Wahrheit zu erhal­ ten und alle, die dagegen ratschlagen, handeln und gebieten, so mächtig und grausam sie auch sein mögen, ,,werden den Stegreif nit um ein Loch höher gürten, als es bei Gott ver­ ordnet und beschlossen ist. Darum kann auch ein Christ ge­ trost sein und auf diesen Herrn zum höchsten trutzen“. So empfiehlt denn Spengler den Städten, die Erklärung abzu­ geben: „Als Christen müssen und wollen sie in allen irdi­ schen Dingen dem Kaiser gehorchen und dienen, was aber ihre Seele und Gewissen anlangt, erkennen sie Christus allein als ihren Herrn. Bei dessen Evangelium und Gebot wollen sie bleiben und darnach handeln bis zum Grab“! Für die Vertreter der Städte im Ausschuß empfahl Spengler als den besten und sichersten Weg: man möge bei dem Abschied und Mandat von 1523 bleiben und darnach leben und han­ deln, insbesondere auch damit, daß man am Evangelium als dem alleinigen Maßstab für die Predigt festhalte. Damit wäre dann auch die Antwort gefunden, welche dem Legaten zu geben sei. Diesem müßte aber auch gesagt werden, man sei auf evangelischer Seite darüber empört, daß er es gewagt habe, den Empfang des vorigen Reichsabschieds und

137 der Beschwerden der deutschen Nation abzuleugnen und dieselben als ,,übermäßig ungeschickt“ und „zum Teil als ketzerisch“ zu bezeichnen. Die Beschwerden müßten jetzt aufs neue vorgebracht und auf deren Abstellung gedrungen werden. Zum Schluß aber gibt Spengler für die Städte wie für die Evangelischen die Losung aus: „Sich durch nichts abschrecken lassen, sondern Gott und seinem Wort ver­ trauen, der so mächtig ist, daß auch die Pforten der Hölle nichts dawider vermögen“! Die Städte beschlossen denn auch ganz im Sinne dieses Gutachtens, und ihre Vertreter im Ausschuß wurden dem­ entsprechend instruiert. Am 28. und 29. März beriet der ständische Ausschuß. Es ging dabei sehr stürmisch zu. Die Geistlichen forderten die Erneuerung des Wormser Edikts. Dagegen erhoben die Evangelischen lebhaften Widerspruch. Besonders die Städte­ vertreter erklärten, es sei den Städten unmöglich, das Edikt durchzuführen, denn das müßte die schlimmsten Folgen haben.25) Trotzdem wurde mit Stimmenmehrheit be­ schlossen,, Statthalter und Regiment sollten ein Mandat gegen die lutherische Lehre ausgehen lassen. Ein Entwurf dafür wurde vorgelegt26). Aber dieser Beschluß sollte doch nicht durchdringen ! Inzwischen war nämlich die Beratungs­ gruppe für die kaiserliche Vorlage gebildet worden und diese wurde schließlich ausschlaggebend. Am 4. April traten die Stände wieder zusammen. Der Mandatsentwurf wurde abgelehnt. Man einigte sich, die kaiserliche Vorlage und die Forderung des Legaten, welche beide schließlich auf das gleiche hinausliefen, zugleich zu behandeln. Dabei kam folgender Beschluß zustande: Nachdem der Kaiser die Durchführung des Wormser Edikts fordert, erkennen die Stände die Verpflichtung an, diesem Befehl soviel als mög­ lich gehorsam zu sein. Doch halten sie für nötig, bei dem Legaten um ein allgemeines oder Nationalkonzil anzuhalten. Damit auf demselben fruchtbar gehandelt werde, sollen et­ liche Stände, vor allem solche, die hohe Schulen haben, aus aller neuen Lehre, was davon disputierlich ist, Auszüge machen lassen und ihr Gutbedünken auf dem Konzil vor-

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tragen, damit das Gute mit dem Bösen nicht unterdrückt und endlich erörtert werde, wie sich ein jeder halten soll. Inzwischen soll das Heilige Evangelium nach rechtem, wahren Verstand und Auslegung der von der gemeinen Kirche angenommenen Lehrer gepredigt und gelehrt werden. Die Beschwerungen der deutschen Nation gegen den Stuhl zu Rom und die Geistlichen, sollen durch die Stände beratschlagt und auf dem Konzil vorgetragen und darüber beschlossen werden.27) Nach einem Bericht des Dompropsts Ribisen28) ver­ suchten Albrecht von Preußen, die Grafen von Solms und Graf Georg von Wertheim am 5. April diesen Beschluß mit Hilfe des pfälzischen, hessischen und Freisinger Kanzlers wieder umzustoßen. Ihre Begründung nennt Ribisen „un­ gereimt und seltsam“, wohl deshalb, weil sie von evangelisch Gesinnten vorgebracht wurde. Der Hochmeister Albrecht hatte darauf hingewiesen, daß im Kurfürstentum Sachsen, wie in Oberdeutschland Luthers Lehre bereits fest eingewur­ zelt sei. Wollte man dagegen mit Mandaten vorgehen — dem Kurfürsten habe man in Worms eine andere Zusage gegeben29)—, so werde daraus nur Empörung gegen die Geistlichen und die Obrigkeit und Verachtung des Papstes und Kaisers entstehen. Darum sollten Statthalter und Orator eine friedliche Lösung suchen. Graf Georg von Wertheim aber führte dabei eine ziemlich scharfe Sprache. Wie man mit dem Mandat in Worms nicht zum Ziel gekom­ men sei, werde man auch jetzt damit nicht zum Ziel kom­ men. Durch den Papst und seinen Anhang sei man be­ trogen. Luther aber habe die Lehre Christi aufgezeigt. Weil die Lehre Christi die Wahrheit sei, dürfe man sie nicht als „neue Lehre“ bezeichnen. Darum habe auch der letzte Reichstag angeordnet, daß das Evangelium Christi gepredigt werden solle. Der Apostel Johannes, Jakobus, Petrus und Paulus hätten gewiß den heiligen Geist gehabt, während es bei den 4 doctor,es — diese waren jetzt wieder als Lehrnorm gefordert worden — zweifelhaft sei, ob sie den heiligen Geist qder den des Säckels gehabt hätten. Man dürfe hier

139 nicht fragen, was dem Papst gefällig sei, sondern Gott danken, daß er die Wahrheit an‘s Licht gebracht habe, und überall das Evangelium verkündigen nach den Aposteln und Propheten. Dann werde man im Lande wohl regieren und den Freunden an der Grenze gegen die Türken Hilfe bringen können.30) Auch die Städtegesandten erhoben gegen den Beschluß der Stände Einspruch und forderten die Aufrechterhaltung des vorigen Abschieds und ein freies Konzil als den besten Weg.31) Aber dieser Einspruch fand keine Beachtung mehr. Auch der Legat brachte noch Ein wände. Das Nationalkonzil lehnte er ab und versprach nur, sich für ein freies Konzil zu verwenden.32) Schließlich waren die Stände damit einverstanden, daß ein allgemeines freies Konzil der ganzen Christenheit baldmöglichst ausgeschrieben werde, blieben aber dabei, eine gemeine Versammlung der deutschen Nation zu veranstalten, auf welcher beratschlagt werden sollte, wie es bis zur Anstellung des Konzils zu halten sei, damit der Gute nicht unterdrückt werde ! Auf Betreiben des Legaten fanden jedoch noch weitere Verhandlungen statt, durch welche dieser doch noch in einigen Punkten eine für Rom günstigere Fassung der Be­ schlüsse zu erreichen wußte. Während nämlich in dem Be­ schluß vom 4. April das allgemeine und das nationale Konzil als von gleicher Bedeutung angesehen war, und die Frage, welches von beiden zu verwirklichen sei, davon abhängig gemacht wurde, welches von beiden am raschesten berufen werden könne, wurde in der schließlichen Fassung das allgemeine Konzil als dasjenige bezeichnet, durch welches die schwebenden Fragen endgiltig zu regeln seien. Dadurch wurde das Nationalkonzil zwar noch nicht beseitigt, aber seine Beschlüsse sollten nur bis zum allgemeinen Konzil Geltung haben ! Auch wurde es jetzt nicht mehr als ,,Konzil“ bezeichnet, sondern als ,,gemeine Versammlung der deutschen Nation“. Der ursprüngliche Gedanke,, daß die deutsche Nation die kirchliche Frage für sich selbständig regeln wollte, war damit aufgegeben !



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Noch eine andere wichtige Aenderung vermochte der Legat durchzusetzen. Im ersten Beschluß war vorgesehen, daß zwischen den Ständen und dem Legaten noch während des Reichstags eine Einigung über Zeit und Malstatt des Konzils zustandekäme; in der endgiltigen Fassung aber ver­ sprach der Legat nur, das Konzil beim römischen Stuhl zu empfehlen und zu fördern. So hatte der Legat jede Bindung vermieden ! Dagegen suchten die Stände die Nationalver­ sammlung dadurch zu sichern, daß sie gegen den Legaten den Termin desselben auf Martini 1524 festlegten und Speyer als Ort dafür bestimmten. Der endgiltige Beschluß wurde am 12. April den Ver­ tretern der Städte mitgeteilt. Am 14. April reichten diese über alle Punkte eine Entgegnung ein, in der sie ihren lutherischen Standpunkt noch nachdrücklicher betonten, als am 6. April.33) Aufs neue lehnten sie die Erneuerung des Wormser Edikts ab und fügten hinzu : ,,Aber das mögen die ehrbaren Städte leiden, daß dieser Sachen und Irrungen halber eine gemeine, freie, christliche Versammlung und Verhör von Personen geistlichen und weltlichen Standes vorgenommen und dazu männiglich im ganzen römischen Reich frei und stracks sicher dazu und von dannen wieder­ um in sein Gewahrsam zu kommen vergleitet und in solcher Versammlung und Verhör fürgenommen werde, wie es bis zur Anstellung eines gemeinen, freien Konzils des Evange­ liums und des Wortes Gottes halber solle gehalten werden.“ Aber darauf gingen die Stände nicht mehr ein ! Der Statthalter und der kaiserliche Orator wünschten, — wohl auf Veranlassung des Legaten die Stände möchten mit dem letzteren nocheinmal verhandeln, um dessen Zu­ stimmung zu ihren Beschlüssen zu erreichen. Aber die Stände lehnten das ab mit der Begründung, daß ihre Beschlüsse endgiltig seien und die Zustimmung des Statt­ halters und des Orators erhalten hätten. Ueberdies seien mehrere Stände bereits abgereist. Doch wollten sie dem Legaten ihren endgiltigen Beschluß mitteilen.34) Durch einen Ausschuß ließen sie eine lateinische Uebersetzung herstellen, welche dem Legaten am 17. April über-

reicht wurde. Letzterer antwortete noch am gleichen Tag.35) Ueber die Erneuerung des Wormser Edikts sprach er sein Wohlgefallen aus und ermahnte zu kräftiger Durchführung desselben. Dagegen habe der Satz in dem Beschluß der Stände sein Mißfallen erregt : ,,Damit das Gute neben dem Bösen nicht unterdrückt und endlich erörtert werden möge, weß sich hinfort jeder halten soll.“ Denn unter den Lehren der Ketzer könne doch nichts Gutes sein, vielmehr seien dieselben ganz vergiftet und enthielten nur Todbringendes 1 Ein allgemeines Konzil halte er nicht für das geeignete Mittel, weil ein solches in kurzer Zeit nicht berufen werden könne. Wenn es trotzdem gewünscht werde, sei er bereit, beim Papst dafür tätig zu sein. Die angesetzte National­ versammlung müsse er verwerfen. Auch auf diesem Wege sei nichts zu erhoffen. Eine so verschieden zusammen­ gesetzte Versammlung eigne sich überhaupt nicht für solche Entscheidungen in Glaubensfragen, am wenigsten Laien, welche die Schrift und die Glaubensdekrete nicht kennen. Wenn Laien jedes Standes zugelassen würden und der Pöbel (!) mit Prälaten und Fürsten zusammensitze, was für Beschlüsse würden da herauskommen ! Zur Behandlung der Beschwerden empfehle sich eine Gesandtschaft der Stände nach Rom. Das entspräche der Würde des römischen Stuhls wie des römischen Reiches. Wolle man aber mit ’hm darüber verhandeln, so möge man einige gebildete, recht­ schaffene Männer auswählen, mit denen wolle er nach Gerechtigkeit und Billigkeit handeln. Diese Schrift des Legaten fand jedoch keine Beachtung mehr. Der Ständebeschluß wurde unter § 28 und 29 in den Reichstagsabschied aufgenommen.36) Vonseiten des Legaten erfolgte noch ein kurzer Protest, in welchem er sich auf seine früheren Erklärungen bezog und bemerkte, daß er bei denselben bleiben müsse. Philipp von Feilitzsch hatte bereits am 11. April im Namen des Kur- . fürsten von Sachsen gegen den ganzen Reichstag und alle Beschlüsse desselben in der Religionssache Protest ein­ gelegt. Das gleiche tat der Hochmeister Albrecht von Preußen.37) Graf Bernhard von Solms und Graf Georg von

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Wertheim protestierten im Namen sämtlicher Grafen gegen die Erneuerung des Wormser Edikts, während sie die Nationalversammlung annahmen.38) Daß mit dem Abschied weder die Evangelischen, noch der Legat, noch die Kurie, noch der Kaiser zufrieden waren, ist verständlich. Kamen doch in demselben ganz entgegen­ gesetzte Tendenzen zum Ausdruck. Einerseits wurde das Wormser Edikt mit seiner Verdammung der lutherischen Lehre als rechtsgiltig und zum Gehorsam verpflichtend an­ erkannt, andrerseits aber zugestanden, daß in der ,,neuen Lehre“ sich auch Gutes finde, das nicht unterdrückt werden dürfe. Ja, es wird hier eine wissenschaftliche Untersuchung und Prüfung der vom Papst verdammten ,.neuen Lehre“ angeondnet, deren Abschluß und endgiltige Entscheidung einem allgemeinen, freien Konzil Vorbehalten wird. Bis zu dieser Entscheidung wird die Predigt des Evangeliums an­ geordnet, zwar mit einer gewissen Bindung, die aber prak­ tisch als eine solche nicht empfunden zu werden brauchte. Man hat diesen Abschied ein Kompromiß genannt, in welchem sich die Gegensätze zwischen den römisch und den lutherisch Gesinnten vereinigt hatten. Aber das trifft nicht zu ! Die römisch Gesinnten waren auf diesem Reichstag so stark in der Mehrzahl, daß für sie keine Notwendigkeit bestand, auf ein Kompromiß einzugehen. Der Abschied war vielmehr das Werk der zu Rom stehenden Mehrheit, die jedoch Luther und seine Sache nicht ganz und unbedingt verwerfen wollte, ,,nicht aus gutem Willen“, wie von der Planitz schreibt, sondern ,,,weil sie für ihre Haut fürch­ tete“ 39), andrerseits aber dem Papst die bisher von ihm geübte schrankenlose Beherrschung der Kirche nicht mehr zugestehen wollte. Bezeichnend für den Standpunkt dieser Mehrheit ist, daß sie die Anerkennung des Wormser Edikts lediglich mit der Rücksichtnahme auf den Kaiser begrün­ dete und dabei ganz außer Acht ließ, daß auch der Papst das gleiche wie der Kaiser gefordert hatte. Bezeichnend ist ferner, daß der Antrag auf ein Nationalkonzil, welches doch dem Papst ganz besonders unangenehm sein mußte, von Bayern, also von besonders gut katholischer Seite gestellt.

143 oder zum wenigsten stark unterstützt wurde, und zwar mit der Begründung, daß ein allgemeines Konzil zuviel Zeit beanspruchen würde und die ganze Sache doch nur die deutsche Nation angehe, wie denn auch von der Planitz diesen Reichstagsabschied geradezu „ein Werk der Bayern und Pfaffen“ nennt.40) Man war eben auch auf dieser Seite, besonders bei den weltlichen Fürsten, mit dem Papst und der Kurie unzufrieden, und das wollte man mit diesem Ab­ schied zum Ausdruck bringen ! Man kann mit Sicherheit annehmen, daß die Römischen die Verpflichtung zur Erfüllung des Wormser Edikts durch die Hinzufügung der Worte : „soviel ihnen möglich“ keineswegs einschränken, sondern vielmehr verstärken wollten. Aber man konnte diesen Zusatz auch im ein­ schränkenden Sinn : ,,so weit es ihnen möglich sei“ ver­ stehen. Die Evangelischen aber hatten schon immer betont, daß ihnen die Erfüllung des Edikts unmöglich sei. Und darauf beriefen sie sich in Zukunft immer wieder. Ja sie sahen in diesem Zusatz einen Rechtsgrund für ihre Nicht­ erfüllung ! Als der Papst durch den Legaten von der Absicht der Stände, diesen Reichstagsabschied zu erlassen, Kenntnis erhielt, erteilte er seinem Gesandten am kaiserlichen Hof eine ausführliche Instruktion, in welcher er die arge Ver­ wüstung der Kirche in Deutschland schilderte und dem Gesandten auftrug, bei dem Kaiser dahin zu wirken, daß dieser gegen solche Verirrungen mit der größten Energie einschreite, damit nicht seine und der Kirche Autorität im Reiche völlig zerstört werde. Der Kurfürst von Sachsen als das Haupt der Ungehorsamen müsse der Kurwürde beraubt, und eine der gottlosen Städte — man dachte wohl an Nürn­ berg — müsse mit dem Bann belegt werden ! 41) Doch zeigte sich’s bald, daß der Kaiser solcher Mah­ nung gar nicht bedurfte. Als er die Akten des Reichstags im Juli erhalten und von denselben Kenntnis genommen hatte, ließ er von Burgos in Spanien ein vom 15. Juli datiertes Mandat an die Reichsstände ausgehen, in welchem er die Abhaltung der geplanten Nationalversammlung als ein

144 Majestätsverbrechen unter Androhung cler Acht und Aber­ acht und der Beraubung aller kaiserlichen Gnaden und Frei­ heiten verbot und die unbeschränkte Erfüllung und Durch­ führung des Edikts von Worms aufs neue einschärfte und zugleich jede selbständige Erörterung, Erklärung und Aus­ legung von Glaubensfragen bis zur Berufung eines Konzils durch den Papst untersagte.42) Mit diesem Verbot wiederholte der Kaiser eigentlich nur, was er vor 3 Jahren bereits in Worms verfügt hatte. Aber damals hatte er wenigstens den Schein zu erwecken und zu wahren versucht, als hätte er damit in Uebereinstimmung mit dem Reichstag gehandelt, während er jetzt sein verdammendes Urteil gegen den Reichstag selbst richtete, und zwar gegen einen Reichstag, welcher in der kirchlichen Frage in seiner großen Mehrheit auf der Seite des Kaisers stand ! Gegen diesen Reichstag, der doch die verfassungs­ mäßige Vertretung des Reiches und des deutschen Volkes darstellte, trat der Kaiser jetzt für die Interessen des Papstes ein, um zu verhindern, was zum Besten des deut­ schen Volkes hätte erreicht werden können müssen ! Und doch war es dem Kaiser gerade jetzt unmöglich, seinen Worten die Tat folgen zu lassen. Durch die endlosen Schwierigkeiten, welche ihm damals in allen seinen Ländern entgegentraten, war er mit Sorgen und Geschäften stark überlastet. In weiten Gebieten des Reiches kündigte sich der Bauernaufstand an. In Italien drangen die Franzosen siegreich vor. Dazu kam, daß der neue Papst Clemens VII. eine sehr zweideutige Politik trieb und schließlich ganz auf Frankreichs Seite trat. Damit war er zugleich der wirk­ samste Bundesgenosse Luthers geworden. Denn gegen diesen und seine Anhänger etwas zu unternehmen war jetzt unmöglich. „Von der Sache Luthers zu reden“, schrieb der Kaiser seinem Botschafter in Rom, „ist jetzt keine Zeit !“ Ja seine Gedanken gingen noch weiter. Er äußerte : Ich werde nach Italien gehen und mich an denen rächen, welche mich gekränkt haben, besonders aber an dieser Memme, dem Papst. Heute oder morgen wird Martin Luther viel-

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leicht ein wertvoller Mann sein ! 43) Freilich werden wir sehen, daß diese Stimmung nur eine vorübergehende war ! Die Wirkung des kaiserlichen Mandats von Burgos war darum so unheilvoll, weil der Kaiser, der mit ihm die Ein­ heit der Kirche retten wollte, nur die Macht des Papstes stützte, damit aber die Einheit des Reiches zerstörte, ohne die Einheit der Kirche retten zu können ! Selbst die eifrig­ sten Verteidiger der römischen Kirche, Fürsten, Theologen und Laien, selbst Papst Adrian, hatten eingesehen, daß eine Reformation der Kirche nötig sei : vor allem aus religiösen Gründen, weil sie in hohem Grade verweltlicht und immer unfähiger geworden war, ihre Aufgabe am Volk zu erfüllen; aber auch aus nationalen Gründen wegen der Ein­ griffe der Kirche in die Selbständigkeit des Staates und wegen der Ausbeutung des Volkes, die immer unerträg­ licher geworden waren. Zahlreiche Versuche zu einer solchen Reformation waren im Lauf der Zeit unternommen worden,, von Einzelnen, von Synoden und Konzilien. Aber sie waren entweder schon im Keim gewaltsam unterdrückt, oder auf falschem Weg unternommen worden und so erfolg­ los geblieben. Luther war es, der die Reformation der Kirche auf dem einzig erfolgreichen Wege und mit den einzig wirksamen Mitteln unternommen hatte. Er wollte das Christentum zu der Gestalt seines Ursprungs zurückführen, indem er seine Erkenntnisse aus den alten Urkunden schöpfte, in denen das wahre Wesen des Christentums und der Kirche bezeugt ist : aus der Heiligen Schrift. Dieses Zurückgehen auf den Ursprung und das wahre Wesen von Christentum und Kirche nötigte ihn, alles zu verwerfen, was zum ursprünglichen Wesen nicht mehr stimmte. Zugleich mußten auch alle Ansprüche, Einrichtungen und Ordnungen abgelehnt werden, welche die freie Entwicklung des christ­ lichen Lebens im Sinn und Geist der heiligen Schrift hinderten. Vom Haupt der Kirche sollte diese Reformation durch­ geführt werden. Als dieses versagte, erhoffte Luther die Reformation vom Kaiser und Reich. Als auch der Kaiser versagte, waren wenigstens im Reichsregiment und bei den 10

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Reichsständen noch Kräfte vorhanden, welche für eine Reformation eintraten, wie sie dem Geist und den Forderun­ gen der heiligen Schrift, wie auch den Bedürfnissen ent­ sprach und bei der auch die Einheit des Reiches und der Kirche erhalten bleiben konnte. Die Abschiede der beiden Nürnberger Reichstage hatten an diesem Ziel festgehalten und4 dasselbe mit Hilfe eines allgemeinen Konzils zu er­ reichen gehofft. Wäre es möglich gewesen, auf diesem Wege fortzuschreiten und das Werk zu vollenden, dann wäre die Einheit des deutschen Volkes auch im religiösen und kirchlichen Leben erhalten geblieben und eine gerei­ nigte und erneuerte deutsch-evangelische Kirche wäre er­ kämpft worden. Den Weg dazu hatte auch der Reichstags­ abschied von 1524 gezeigt trotz der Widersprüche, die er in sich trug. In den zahlreichen und wertvollen theolo­ gischen Gutachten, welche nach dem Beschluß der Reichs­ stände damals von beiden Seiten ausgearbeitet wurden, wäre eine gute Grundlage vorhanden gewesen, auf der man sich friedlich hätte auseinander,setzen, das Gute vom Bösen, das Wahre vom Falschen scheiden und sich christlich und fried­ lich hätte vertragen können ! Aber das wäre gegen die Interessen Roms gewesen ! Darum mußte die von den Reichsständen beschlossene deutsche Nationalversammlüng verhindert und es unmöglich gemacht werden, daß die Deutschen die Ordnung ihrer kirchlichen Angelegenheiten selbst in die Hand nahmen. Der päpstliche Legat und der Bruder des Kaisers verstanden es, letzteren dahin zu bringen, daß er die Nationalversamm­ lung und jede selbständige Erörterung der kirchlichen Frage verbot ! Gleichzeitig begann man eine Mobilmachung unter den einzelnen Reichsständen zur entschiedenen Bekämpfung des Evangeliums in deren Gebieten. Die ersten, die man dafür gewann, waren die Herzoge von Bayern. Diese hatten schon am 5. März 1522 auf Veranlassung der Universität Ingolstadt ein Mandat erlassen, in welchem allen Unter­ tanen befohlen wurde, ,,bei dem Glauben ihrer Voreltern zu bleiben“. Wohl setzten die Bischöfe, welche in dieser Ver-

H7 fügung einen Eingriff in ihre amtlichen Befugnisse sahen, der Regierung bei deren Verfolgung der Ketzer passiven Widerstand entgegen. Aber auf eine Beschwerde der Her­ zoge bei dem Papst erließ dieser eine Bulle, in welcher er einer von der Regierung eingesetzten Kommission das Recht erteilte, auch ohne Mitwirkung der Bischöfe gegen die Ketzer vorzugehen. Als Belohnung für ihren Eifer in der Ketzerverfolgung bewilligte der Papst den Herzogen den fünften Teil aller Einkünfte der Bischöfe und Geistlichen in deren Gebiet ! Dem Erzherzog Ferdinand aber bewilligte der Papst als Belohnung für seine treuen Dienste in der Ketzerverfolgung den dritten Teil von den Einkünften der Bischöfe und Geistlichen, wodurch der Eifer des Erz­ herzogs nicht wenig gesteigert wurde. Den Erzbischof von Salzburg gewann man für denselben Dienst durch das Zu­ geständnis, daß er die 4 Bistümer seines Gebietes selbständig besetzen dürfe.44) daher kam es denn auch, daß bereits auf dem Reichstag von 1524 der römische Standpunkt viel stärker zur Geltung gebracht wurde. D.er ,.ungerechte Mammon“ wirkte ! Um der Gefahr,, welche durch die in Nürnberg beschlos­ sene Nationalversammlung dem Papsttum drohte, zuvor­ zukommen. hatte der päpstliche Legat noch in Nürnberg eine Zusammenkunft katholischer Fürsten in Regensburg angeregt. Dieselbe kam Ende Juni 1524 zustande. Sech­ zehn Tage lang wurde verhandelt. Doch wurde der Ernst der Geschäfte auch einmal durch einen festlichen Nachttanz unterbrochen.45) Eine Vereinigung zur Erhaltung des katholischen Glaubens und zur Unterdrückung des evan­ gelischen wurde beschlossen. Die bayerischen Bischöfe bewilligten den fünften, die österreichischen den vierten Teil ihrer Einkünfte für die Zwecke der Vereinigung.46) Bezüg­ lich der Lehre wurde vereinbart, daß die 4 lateinischen Kirchenväter Ambrosius, Hieronymus, Gregorius und Augustin als Norm derselben gelten sollten. Der . Gottes­ dienst sollte unverändert bleiben. Luthers Einfluß sollte völlig ausgeschaltet werden durch ein neues Bücherverbot, 10*

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wie durch das Verbot des Besuches der Universität Witten­ berg bei schweren Strafen. Es wurden auch Mißbräuche abgestellt, wie z. B. die Erpressungen des niederen Klerus bei Gemeindegliedern, die Nötigung zu teueren Leichenbegängnissen, die Versagung der Absolution um einer Schuldforderung willen. Bei der Verleihung von Pfarrstellen sollte die persönliche Würdig­ keit mehr berücksichtigt werden. Die Prediger sollten zu größerem Ernst, zur Vermeidung von Märchen und unhalt­ baren Behauptungen, aber auch zu einem sittlichen Lebens­ wandel angehalten werden.47) Durch diese halben Reformen, zu denen sich die Bischöfe gezwungen sahen, suchte man den Schein einer Reformation zu erwecken und.durchkreuzte damit zugleich die große, geistige und religiöse Neugestaltung, in welcher damals die deutsche Nation begriffen war. Anstatt auf der beschlossenen Versammlung zu Speyer nach bestem Ver­ mögen an der Erneuerung der gesamten deutschen Kirche mitzuarbeiten, zog man es vor, Sonderwege zu gehen und sich einseitig und für immer mit Rom zu verbinden. Damit begann die beklagenswerte Spaltung der deutschen Nation in kirchlicher Beziehung. In den Gebieten der Regensburger Vereinigung begann nun die systematische Verfolgung der Evangelischen. Dagegen wurde in den übrigen Gebieten die Reformation weiter gefördert und mit der Berufung auf die beiden letzten Reichstagsabschiede gestützt. Von besonderer Bedeutung war dabei die Bestimmung des Abschieds von 1524 in § 29 : ,,Und ist darauf Kur­ fürsten, Fürsten pnd Ständen, sonderlich denen, so hohe Schulen haben, geschrieben und befohlen, durch ihre gelehr­ ten, ehrbaren, erfahrenen und verständigen Räte einen Aus­ zug aller neuen Lehre und Bücher, was darin disputierbar, zu machen.“ Als Zweck und Ziel dieser Arbeit bezeichnete der Abschied : ,,Damit das Gute neben dem Bösen nicht unterdrückt und endlich (== endgiltig) erörtert werden möge, wie sich hinfort jeder halten soll.“ Damit war festgestellt und anerkannt, daß in der Lehre Luthers Gutes enthalten war, das erhalten werden mußte. Dieses sollte herausgestellt

149 und darüber entschieden werden. Darum setzte jetzt in allen evangelischen Gebieten eine eifrige Tätigkeit ein, besonders in den fränkischen Gebieten, obgleich gerade hier die hohen Schulen fehlten, denen der Reichstagsabschied vor allem diese Arbeit zugedacht hatte. Nürnberg und Brandenburg-Ansbach hatten hier die Führung. Aber auch die Grafen von Henneberg und Wertheim, auch die Reichs­ städte Windsheim und Rothenburg beteiligten sich an der Arbeit. Von besonderer Bedeutung war der von den Nürnberger Predigern Osiander, Schleupner und Venatorius verfaßte Ratschlag. Aber auch der Ansbacher, wahrschein­ lich von dem Prediger Rurer und dem Kanzler Vogler verfaßt, war eine selbständige, aus der heiligen Schrift geschöpfte Arbeit. Derselbe gewann dadurch an Bedeutung, daß er durch die Anerkennung Luthers und Nürnbergs zum ersten evangelischen Bekenntnis wurde.48) Wenn freilich durch das Ende September 1524 eingetroffene kaiserliche Mandat vom 15. Juli mit seinem Verbot der Speyerer Nationalversammlung diese Arbeiten ihr nächstes und hauptsächliches Ziel verloren haben, so waren sie doch nicht umsonst getan. Ihre Bedeutung behielten sie dadurch, daß sie zur Klärung und Entscheidung darüber, was das Wesentliche am evangelischen Glauben sei und darum unter allen Umständen erhalten werden müsse,, aber auch zur klaren Abgrenzung gegen die Römischen, überaus wert­ volle Dienste geleistet haben. Sie bedeuten zugleich den ersten Schritt auf dem Weg zur evangelischen Bekenntnis­ bildung ! Wie hat nun dieser Reichstag, wie haben die Vorgänge und Beschlüsse desselben auf die Nürnberger Reformations­ bewegung gewirkt ? Bei dem wachsenden, immer mehr sich organisierenden Widerstand der römischen Partei gegen die evangelische Reformation, der überdies durch die Stellungnahme des Kaisers einen starken Nachdruck erhielt, war die Lage für die Evangelischen überhaupt, und für Nürnberg besonders, schwierig. Dabei war Nürnbergs Haltung in dieser entschei­ dungsvollen Zeit nicht nur für die Entwicklung in

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der Stadt selbst von Bedeutung, sondern auch für die deutsch-evangelische Bewegung überhaupt. Was die Reichs­ stände damals in Nürnberg beobachteten und erlebten, mußte auch auf ihre eigene Haltung wirken, bei den Freun­ den wie bei den Gegnern. Die evangelisch Gesinnten, namentlich die unter den Städten, sahen auf Nürnberg als auf ihren Vorkämpfer, der ihnen mit dem bereits Erreichten und Geschaffenen ein gutes Vorbild gab, während die Geg­ ner hier einen Anschauungsunterricht empfingen, der sie die große Gefahr erkennen ließ, die in dieser Bewegung dem Papsttum drohte und sie zum Kampf dagegen reizte. Je entschiedener man sich zu Luther bekannte und ihm. folgte, desto heftiger wurde der Kampf, desto größer wurden die Schwierigkeiten ! Schon hier sei es gesagt : Nürnberg hat sich gut gehalten in jenen Tagen. Wir erinnern uns an den ersten Angriff, welchen der kaiserliche Statthalter gegen die Stadt unternahm. Die Antwort, welche der Rat ihm gab, war ein klares und mutiges Bekenntnis zum Evangelium. Auch die Auskunft, welche Scheurl dem päpstlichen Legaten gab, war eine klare, unmißverständliche Zurückweisung seiner Be­ schwerden. Wie man in der Bürgerschaft den Legaten ein­ schätzte, mag daraus entnommen werden, daß der Rat vor der Ankunft desselben anordnen mußte, es sollten beim Einzug des Legaten alle Unfreundlichkeiten gegen ihn ver­ mieden werden. Das wurde wohl beachtet, aber der Empfang war sehr kühl. Campeggi hatte dem damals in Nürnberg lebenden berühmten Mathematiker Schoner unter vielen lockenden* Versprechungen sehr wertvolle mathema­ tische Bücher und Instrumente abgeschwätzt, aber nachher sich geweigert, den vereinbarten Kaufpreis zu bezahlen, weil Schoner ein Ketzer sei. Dieses Verhalten des hohen Kirchenfürsten hatte diesem die allgemeine Verachtung der Nürnberger zugezogen. Da er in beständiger Furcht vor Schmähungen und Beleidigungen schwebte, stellte ihm der Rat einen eigenen Türhüter vor seine Wohnung, um ihm den nach dem Gesandtenrecht gebührenden Schutz zu leisten.49)

Die Entscheidung darüber, wie sich Nürnberg zu dem scharfen Mandat des Kaisers vom 15. Juli 1524 verhalten solle, war nicht leicht. Wohl hatte der Rat bereits mit den übrigen Reichsständen den Reichstagsabschied und damit auch das gleichzeitig hinausgegebene Mandat des Statt­ halters vom 18. April abgelehnt und dagegen protestiert, weil darin das Wormser Edikt als rechtsgiltig erneuert worden war. In jenem kaiserlichen Mandat aber war die Erfüllung des Wormser Edikts aufs neue gefordert und die Nichterfüllung mit der Reichsacht und dem Verlust aller Privilegien und Freiheiten bedroht worden. Da galt es, vorsichtig zu sein. Hatte doch der Kaiser beieits seinen Orator Dr. Hannart beauftragt, dem Reichsregiment seinen ernstlichen Willen anzuzeigen, daß durch dieses zunächst einmal in Nürnberg Ordnung gemacht und ein Exempel für die übrigen Reichsstädte aufgestellt werde ! Für die Verhandlung des Rates über diese Frage hatte Spengler ein ausführliches Gutachten ausgearbeitet.50) In demselben war zunächst festgestellt, daß die an die einzel­ nen Stände gerichteten Mandate verschieden gefaßt seien und insbesondere die Strafandrohungen verschieden lauteten. Spengler glaubte, daß gegen die Reichsstädte, und vor allem gegen Nürnberg mit der Reichsacht vorzugehen geplant sei. Für diesen Fall stellte er weiter fest, daß nach der kaiser­ lichen Wahlverschreibung niemand in die Acht erklärt werden dürfe ohne ordentlichen Prozeß, und daß solch ein Urteil nur vom Kammergericht nach vorheriger gesetz­ mäßiger Vorladung frei und ohne Einmischung des Kaisers gefällt werden könne. Um dieser Bestimmungen willen sei eine Achterklärung für den Rat und die Stadt nicht zu be­ fürchten. Auch bestünde gegen eine solche das Recht der Appellation. Die Sache gehe auch nicht Nürnberg allein, sondern alle Stände an. Darum solle der Rat allein nichts vornehmen. Da viele Reichsstände das Wormser Edikt nicht erfüllt hätten, müßte gegen diese alle vorgegangen werden. Ueberdies sei das Wormser Edikt durch den Reichstag von 1523 aufgehoben. Auch darum könne Nürnberg mit der Keichsacht nicht belegt werden.

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Sollte der Rat wegen Uebertretung des Edikts vor das Reichsregiment oder das Kammergericht geladen werden, könne er geltend machen, er sei demselben gehorsam gewesen, indem er es öffentlich angeschlagen, das Bücher­ verbot durchgeführt, die Uebertreter desselben gestraft, den Predigern allein die Verkündigung des Evangeliums zur Pflicht gemacht habe. Beschuldige man den Rat, er habe unterlassen, was er nach dem Edikt zu tun schuldig gewesen, so könne er sagen, er habe nur unterlassen, was ihm zu tun unmöglich gewesen,, wenn nicht Aufruhr in der Stadt entstehen sollte. Man könne auch geltend machen, daß der Statthaltereiverweser Georg Truchseß dem Rats­ herrn und Mitglied des Reichsregiments Christoph Tetzei gegenüber diesen Entschuldigüngsgrund als ausreichend be­ zeichnet habe. Zum Schluß empfiehlt Spengler, die Städte sollten auf dem zur Zeit ausgeschriebenen Städtetag zu Ulm eine einmütige Erklärung an den Kaiser richten des Inhalts, daß sie dem Kaiser und Reich in allen Dingen gehorsam sein, aber bei dem Wort Gottes bleiben wollten. Diese Rechtsauffassung eignete sich der Rat an und be­ schloß, vorerst nichts zu tun und eine abwartende Stellung einzunehmen. Zu den Sorgen, welche das kaiserliche Mandat dem Rat verursacht hatte, war demselben' noch eine andere Schwierigkeit erwachsen. Wir erinnern uns, daß im Vor­ jahr der Bischof dem durch die beiden Pröpste an ihn gerichteten Wunsch der Gemeinden, das heilige Abendmahl in beider Gestalt zu empfangen, die Zustimmung verweigert und sie auf ein künftiges Konzil verwiesen hatte. Da aber damals keine Aussicht auf das Zustandekommen eines Konzils bestand, und es sich auch nur um die Wieder­ herstellung eines schriftgemäßen und von der Kirche mit Unrecht abgeschafften alten Brauches handelte, hatte sich damals der Augustinerprior entschlossen,, auf eigene Ver­ antwortung in seiner Klosterkirche das heilige Abendmahl in beider Gestalt zu reichen. Am Osterfest 1524 schlossen sich diesem Vorgehen Volprechts auch die beiden Pröpste Pömer und Peßler an, indem sie ihren Gemeinden auf deren

153 wiederholten Wunsch das heilige Abendmahl nach der Ein­ setzung Christi reichten. Dazu kam, daß selbst die Schwester des Kaisers Isabella, die Gemahlin des vertrie­ benen Königs Christian II. von ■ Dänemark, sich auf der Burg durch Osiander das Abendmahl in beider Gestalt reichen ließ. Der Erzherzog Ferdinand nahm ihr das so übel, daß er ihr erklärte, er wünschte, daß sie nicht seine Schwester sei.51) Die Pröpste gingen aber noch weiter, indem sie die Messe deutsch lasen, die Seelenmessen und Jahrtage für die Verstorbenen abschafften, ebenso den bis dahin üblichen Gesang „Salve regina“, in welchem Maria über Gebühr ver­ herrlicht und angebetet worden war. Die Weihung von Salz und Wasser wurde ebenfalls aus den kirchlichen Ceremonien gestrichen. Man begann auch die Taufen in deutscher Sprache zu halten. Das erste Kind, welches Peßler deutsch taufte, war das Kind des Bürgers Kaspar Melber. Das Kind hielt bei der Taufe Georg Spalatin als Vertreter des Kurfürsten von Sachsen, und ein Minister des Kurfürsten Ludwig von der Pfalz. Im Gottesdienst wurden nun auch die Evangelien und Episteln deutsch gelesen, wie man überhaupt bemüht war, die lateinische Sprache aus dem Gottesdienst fern zu halten. Durch diese tiefgreifenden Aenderungen wurde der Rat beunruhigt. Er sah voraus, daß er für dieselben verantwort­ lich gemacht werden würde und ihm daraus Schwierigkeiten entstehen würden. Er schickte daher die Ratsherren Sebald Pfinzing, Martin Tücher und Christoph Koler zu den Pröp­ sten und ließ ihnen sein Bedauern darüber aussprechen. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn sie damit nicht so sehr geeilt, sondern mit Vorsicht gehandelt hätten. Denn an­ gesichts des kaiserlichen Mandats vom 18. April sei zu be­ fürchten, daß diese Veränderungen, die außer in Wittenberg noch an keinem andern Ort vorgenommen worden seien, der Stadt vor allem beim Kaiser, aber auch bei vielen Kur­ fürsten, Fürsten und Ständen des Reichs zu großer Be­ schwerung, Nachrede und Schaden für die Bürgerschaft gereichen und übel ausgelegt werde. Da überdies an man-

154 chen cler abgeschafften Stücke für die Seligkeit der Men­ schen nichts gelegen sei, wäre des Rates Meinung, die Pröpste möchten bei der Abschaffung nicht beharren, son­ dern einen Teil der Ceremonien wieder einführen und bei' behalten, bis man sehe, wie die Verhältnisse an anderen Orten sich nach Gottes Willen gestalten, jedoch von dem rechten Weg des Glaubens und des Evangeliums nicht weichen. Zunächst sollten die Pröpste ihre Beweggründe und ihr Gutbedünken mitteilen, damit der Rat in der Lage sei, einen Beschluß zu fassen. Die Pröpste baten um Bedenkzeit, um dem Rat schrift­ lich zu berichten, wie sie mit gutem Vorbedacht ihres Amtes und Gewissens halber gehandelt und ihr Vorgehen aus der heiligen Schrift begründen könnten, jedoch ließ der Rat noch am gleichen Abend, um gedeckt zu sein, unter Berufung auf das kaiserliche Mandat die beiden Pröpste , .bitt lieh ersuchen“, sie möchten die Ceremonien und Gebräuche wieder in den vorigen Stand bringen. Wollten sie aber in der Messe die Evangelien und Episteln deutsch lesen und das heilige Abendmahl in beider Gestalt reichen, so stelle das der Rat ,,zu ihrem Gefallen“.52) Nachdem die Pröpste ihren Bericht eingereicht und darin die Gründe angegeben hatten, aus denen sie ihre Aenderungen nicht, wie der Rat gewünscht hatte, zurück­ nehmen könnten, wurde die Sache beim Rat „zu fernerem Nachgedenken gestellt“ und beschlossen, deswegen, wie auch wegen des kaiserlichen Mandats eine Ratsbotschaft an den Statthalter, oder an das Reichsregiment nach Eßlingen zu schicken, um1 den Rat dort zu entschuldigen. Zu dieser Botschaft wurden Christoph Kreß, Clemens Volkamer und Christoph Scheurl verordnet.53) Am folgenden Tag reisten die Gesandten nach Regens­ burg, wo sie am 25. Juni vom Erzherzog empfangen wurden. Eine ausführliche Instruktion war ihnen mit­ gegeben worden.54) ihr Erscheinen begründeten sie mit der im Reichstagsabschied enthaltenen Weisung, nach welcher diejenigen Reichsstände, denen die Erfüllung des kaiserlichen Mandats Schwierigkeiten bereite, sich an den

155 Statthalter und das Reichsreginient wenden sollten. Sodann erklärten sie, obwohl die Reichsstädte und mit ihnen Nürn­ berg, den letzten Reichstagsabschied weder bewilligt noch angenommen, sondern dagegen protestiert hätten, habe der Rat das Mandat des Statthalters mit Ehrerbietung empfan­ gen und das Druckverbot gehorsam erfüllt. Wenn er nun das Mandat nicht nach seinem Wortlaut und dem ganzen Inhalt vollziehe, so geschehe das nicht aus Verachtung der kaiserlichen Majestät oder des Statthalters. Wollte der Rat das Mandat mit Ernst ausführen, dann müßte er Aufruhr, Blutvergießen, Verderben und Unrat gewärtigen, zumal da benachbarte Landschaften bereits in Empörung begriffen seien. Es werde aber kaiserlicher Majestät wohl mehr an Erhaltung des Friedens und der Einigkeit, guter Polizei und Ordnung, als an Zertrennung und Verderben liegen. Der Erzherzog möge daher einsehen, daß es dem Rat unmöglich sei. dem Mandat weiter zu gehorchen als bisher, und Nürn­ berg als eine gehorsame Stadt des Reiches bedenken und sie bei dem Regiment entschuldigen. Wie zu erwarten war, wies der Erzherzog auf die in Nürnberg vorgenommenen Neuerungen hin, über die er wohl unterrichtet war. Darauf erwiderten die Gesandten, die Pröpste hätten noch vor dem Eintreffen des kaiserlichen Mandats jene Aenderungen ohne Wissen und Willen des Rates vorgenommen. Dieser habe ihnen sein Mißfallen darüber ausgesprochen und sie gütlich ersucht, diese Aen­ derungen, soweit sie dem Wort Gottes nicht entsprächen, wieder abzustellen, was die Pröpste jedoch ablehnten mit der Begründung, sie hätten aus schuldiger Pflicht gehandelt. Abgesehen von den beiden Pfarrkirchen und den Augu­ stinern sei in ganz Nürnberg nichts geändert. Der Rat habe seine Geistlichen zu nichts gedrängt und sie mit Geboten und Verboten nicht beschwert, vielmehr sie treu beschützt und solche gestraft, die unrecht gegen sie gehandelt hätten. Weiter wiesen die Gesandten auf den Reichstags­ abschied von 1523 hin, welcher verfügt habe, es solle allein das heilige Evangelium nach Auslegung der Schriften, von der heiligen Kirche approbiert und angenommen, gelehrt

156 und gepredigt werden. Diese Predigt habe nun bewirkt, daß die Nürnberger Gemeinde nach dem Wort Gottes ganz begierig geworden sei. Darum stehe es nicht in der Macht des Rates, die Neuerungen, die nach dem Wort Gottes erfolgt seien, abzustellen, solange nicht ein Konzil darüber entschieden habe. Darum möge der Statthalter den Rat damit als entschuldigt gelten lassen und verhüten, daß gegen ihn eingeschritten werde. Im Namen des Statthalters erkannte dessen Hofmeister Emricourt den guten Willen des Rates an, bedauerte jedoch, daß dieser sich mit der Unmöglichkeit des Vollzugs ent­ schuldige, nachdem doch der Erzherzog den Rat gewarnt und gemahnt habe, es nicht soweit kommen zu lassen, daß das Uebel nicht mehr verhindert werden könne. Mit ihrer Bitte, es wolle gegen den Rat nicht eingeschritten werden, wurden die Gesandten an den zweiten Statthalter gewiesen, der darüber zu entscheiden habe. Schließlich ließ man es bei dem Versprechen bewenden, der Rat werde sich nach Mög­ lichkeit bemühen, dem kaiserlichen Mandat zu gehorchen.55) Diese Verhandlung hatte noch ein Nachspiel. Campeggi, der damals noch in Regensburg war, hatte von der Anwesenheit der Nürnberger Gesandtschaft gehört und ließ Scheurl zu sich rufen, um ,,aus brüderlicher Neigung“ eben­ falls über die Zustände in Nürnberg mit diesem zu sprechen. Er beschuldigte den Rat verschiedener Uebergriffe. So habe dieser einen Priester aus der Stadt vertrieben und zu einem harten Eid — nämlich nicht mehr in die Stadt zurückzu­ kehren — gezwungen; Schmähbriefe und -gedichte gegen Geistliche würden geduldet. Besonders anstößig waren dem Legaten die ,,Neuerungen“ der Pröpste. Bezüglich der letzteren sagte Campeggi, man durchschaue das Vorgehen des Rates. Dieser hätte die Neuerungen verhindern können, wenn er gewollt hätte. Aber die Herren sollten nicht glauben, man werde diese Neuerungen dulden, weil die­ selben schon soweit vorgeschritten seien. Man werde nicht ablassen, in den Kaiser zu dringen; auch werde der Papst alle den Nürnbergern verliehenen Gnadenbezeugungen und gewährten Freiheiten entziehen. Darum lasse er den Rat

157 durch Scheurl „aus Liebe und Zuneigung zu der Stadt“ bitten, seinen Irrtum aufzugeben und zum „alten Glauben“ zurückzukehren. Den Vorfall mit dem ausgewiesenen Priester Maußner konnte Scheurl zur Zufriedenheit des Legaten aufklären und richtigstellen. Er war mit Recht ausgewiesen worden. Bezüglich der Schmähgedichte und -bilder konnte Scheurl auf die wiederholten Verbote und das ernstliche Vorgehen des Rates dagegen hinweisen. Wegen der kirchlichen Neuerungen habe die Botschaft durch wahrheitsgetreuen Bericht den Rat bei dem Statthalter von allem Verdacht gereinigt. Während dieses Gesprächs war der Erzbischof von Salzburg eingetreten. Als Scheurl davon sprach, daß der Nürnberger Rat sich gern aus der heiligen Schrift eines Besseren belehren ließe, bemerkte der Erzbischof, man solle über Glaubensfragen nicht grübeln oder disputieren. Was die Väter 1500 Jahre lang unbezweifelt geglaubt und gehalten hätten, bedürfe keiner weiteren Prüfung.56) Aller­ dings ein bequemer Standpunkt ! Als ob die Irrlehren und Mißbräuche, welche Luther bekämpfte, tatsächlich schon seit 1500 Jahren, also schon zur Zeit Christi bestanden hätten und nicht erst unter dem Papsttum eingeführt worden wären ! Der Rat hielt es für angezeigt, dieselbe Botschaft auch zu dem Bischof von Bamberg zu schicken, um auch bei diesem „Unterricht und Entschuldigung zu tun“. Von diesem Vorhaben wurden beide Pröpste und deren Prediger in Kenntnis gesetzt.57) Bezüglich des Vorgehens der Pröpste wurde, wie bei dem Statthalter,, auch hier betont, daß es ohne des Rates Wissen und Willen erfolgt sei und daß dieser die Zurücknahme der Neuerungen gefordert habe. Dagegen erklärte die Gesandtschaft im Auftrag des Rates, daß die an den Bischof gebrachte Beschuldigung, die Nürn­ berger Prediger hätten unchristliche, in der heiligen Schrift nicht begründete Lehren verkündigt, unberechtigt sei. Die Prediger seien erbötig, jedermann Rechenschaft zu geben und sich aus der heiligen Schrift weisen und überführen zu

158 lassen. Sollten sie unchristlicher Lehre überführt werden, wolle sie der Rat nicht schützen, noch bei sich dulden. Aber ohne solchen Nachweis könne und werde der Rat nicht gegen sie vorgehen. In diesem Falle würde die Bürgerschaft für sie eintreten, die nach dem Wort Gottes sehr begierig sei. Auch hier erfolgte die Berufung auf den Reichstags­ abschied von 1523 ! Der Bischof zeigte sich vom Stand der Dinge in Nürn­ berg wohl unterrichtet. Während der letzten Fastenzeit sei er selbst beim Reichstag in Nürnberg gewesen. Da habe er die Pröpste beschickt, sie gütlich ermahnt, und als das nichts half, die Abstellung der Neuerungen befohlen. Aber auch jetzt hätten sie sich nicht gefügt und sich auf den Willen des Pfarrvolks berufen. Zu letzterem gehöre auch der Rat. Es wäre Pflicht desselben gewesen, die Pröpste bei dem Bischof zu belangen. Aber der Rat habe das bisher unterlassen und die Neuerungen geduldet. Nun werde der Bischof gegen die Pröpste, die Prediger und andere Geist­ liche einschreiten. Er erwarte, daß ihm der Rat dabei behilflich sein und jene zum gebührenden Gehorsam zurück­ führen werde.58) Die Rechtsgelehrten, denen der Rat diesen Bescheid vorlegte, rieten, die Pröpste und Prediger davon in Kennt­ nis zu setzen, damit sie sich für den bevorstehenden Prozeß rüsten könnten. Was die Pröpste und Prediger bisher getan, sei zum Besten der Gemeinde geschehen. Darum dürfe sie der Rat auch nicht verlassen. Sollten sie den Beistand der Rechtsgelehrten wünschen, dann möge der Rat gestatten, daß diese ihnen 'gleich anderen Bürgern darin dienten. So geschah es denn auch.59) Bald darauf erhielten beide Pröbste und der Prior Volprecht eine Vorladung für den 12. September, um sich persönlich vor dem Bischof zu verantworten. Eine größere Anzahl ' Nürnberger Bürger gab ihnen das Geleite nach Bamberg. Der Prokurator des Fiskus Paulus Neudecker vertrat die Anklage und stellte den Antrag, die Angeschul­ digten nach dem bestehenden Recht zu bestrafen. Dagegen protestierten diese mit der Erklärung, sie könnten in dieser

159 Sache, welche mehr die Gemeinde Nürnberg, als ihre Per­ son angehe., den Bischof nicht als Richter anerkennen, zumal da dieser im vorliegenden Fall selbst Partei sei. Sie wollten nur die heilige Schrift in ihrem rechten Sinn und Verstand als Richter leiden und annehmen. Hierauf wurden ihnen 16 Fragen vorgelegt, welche sie alle ihrer Ueberzeugung gemäß beantworteten, mit dem Erbieten, sie wollten für alles, was sie vorgenommen, auch schriftlich Rechenschaft ablegen. Sie übergaben dann auch eine Schrift, welche sie auch dem Nürnberger Rat über­ geben hatten, in der sie die Gründe vortrugen, die sie zu den vorgenommenen Aenderungen bewogen hätten. 60) Bezeichnend ist, daß der Bischof diese Rechtfertigungs­ schrift nicht annehmen wollte ! Der Fiskal bestand auf seiner Anklage und dem Strafantrag. Zur Urteiisverkündigung wurde ein neuer Termin auf den 19. September fest­ gesetzt. Zu diesem Termin erschienen die Angeschuldigten nicht selbst, sondern ließen sich durch einen Anwalt ver­ treten. Dieser — nach Strobel war es der Prediger Osiander — wiederholte die Erklärung, daß die Angeklagten den Bischof nicht als ihren Richter anerkennen könnten. Das fand jedoch keine Beachtung. Man begann mit der Ver­ lesung des Urteils. Schon aus den ersten Worten war zu erkennen, daß es ein Verdammungsurteil war. Darum unterbrach der Anwalt die Verlesung und appellierte mit lauter Stimme an ein ,.freies, christliches und gottseliges Konzil“. Durch das Urteil waren die 3 Angeklagten als Ketzer erklärt, in den Bann getan und ihres Amtes entsetzt. Als ihnen das bekannt geworden war, wiederholten sie am 13. Oktober ihre Appellation im Augustinerkloster in aller Form vor Notar und Zeugen, ließen dieselbe dem Bischof schriftlich bekannt geben und veröffentlichten sie in einer Denkschrift, die auch an das Reichsregiment nach Eßlingen zur Kenntnis gegeben wurde. Dieses UTrteil hatte den Rat vor eine überaus wichtige Entscheidung gestellt. Es war zu erwarten, daß der Bischof



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den Rat als „weltliche Hand und Obrigkeit“ zur Voll­ streckung seines Urteils anrufen werde, wozu er nach den Konstitutionen Friedrich II. berechtigt war. Nun hatte der Rat seine Botschaft nach Bamberg geschickt, um zu zeigen, daß er in der Sache getan habe, was ihm möglich war, zugleich aber auch, um nicht selbst gegen die von ihm hochgeschätzten Geistlichen vorgehen zu müssen. Damit kam er aber nicht um die nun einmal bestehende Pflicht herum, als weltliche Obrigkeit das Urteil des Bischofs zu vollziehen — vorausgesetzt, daß es ein gerechtes Urteil war ! Hier setzte nun das Gutachten ein, welches Spengler dem Rat auf dessen Ansuchen in dieser Sache erstattete, und mit dem er sich wieder, wie schon so oft, als wertvoller und zuverlässiger Berater und Wegweiser bewährte. Speng­ ler stellte fest, daß die Angeklagten den Bischof als Richter in dieser Sache abgelehnt und gebeten hätten, derselbe wolle sie aufgrund der heiligen Schrift berichten, worin sie bei ihren Aenderungen unrecht und wider Gottes Wort und die christliche Kirche gehandelt hätten. Ferner hätten sie sich erboten, dem Bischof die Beweggründe zu ihrem Vorgehen mitzuteilen, und auch hierüber des Bischofs Belehrung dankbar anzunehmen und zu befolgen. Beides aber habe der Bischof abgelehnt und sofort das Urteil gefällt. Damit habe sich der Bischof gegenüber den Angeklagten ins Unrecht gesetzt. Unter Berufung darauf könne der Rat die Vollziehung des bischöflichen Urteils ablehnen. Ueberdies sei mit der Absetzung der Pröpste die Sache nicht erledigt. Die Frage der geänderten Ceremonien bleibe bestehen und müßte auf alle Fälle gelöst werden. Eine Zurücknahme der Aenderungen würde, nachdem dieselben unwiderleglich aus der Schrift als berechtigt erwiesen seien, unheilvoll in der Gemeinde wirken. Selbst wenn das Reichs­ regiment sich auf die Seite des Bischofs stellen würde, könnte der Rat sein Verhalten mit der Tatsache rechtfertigen, daß die Aenderungen von den Pröpsten aus der heiligen Schrift als berechtigt erwiesen seien, wogegen dem Rat keine Jurisdiktion zustehe. Bei ihrem hohen Erbieten dem Bischof gegenüber und bei ihrer Appellation an ein

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Konzil, das doch auch der Kaiser haben wolle, könne der Rat die Pröpste unmöglich mit Gewalt vertreiben, ohne bei der Gemeinde den größten Anstoß und die übelsten Folgen zu erregen. Daß der Bischof gegen die Stadt mit Bann und Interdikt handeln werde, sei kaum zu befürchten. Tue er es doch, so wisse jedermann, wieviel der bischöfliche Bann jetzt noch gelte. Ueberdies könne man sich auch dagegen durch eine Appellation an ein Konzil schützen. Ueberhaupt empfiehlt Spengler dem Rat in dieser Sache, die nicht nur ihn selbst, sondern alle Untertanen des Reichs an­ gehe, und die auch eigentlich nicht Sache der Menschen, son­ dern Gottes sei, nicht kleinmütig zu sein und sich nicht „■durch jede Fastnachtslarve, die man ihm täglich vorhält“, erschrecken zu lassen, sondern Gott zu vertrauen, der zur rechten Zeit sich als Helfer erweisen werde.61) Die oben erwähnte Rechtfertigungsschrift der Pröpste ist eine gründliche, aus der Schrift geschöpfte und in ihr gegründete Arbeit von hohem theologischen Wert und bleibender Bedeutung. Die unanfechtbare biblische Begrün­ dung, welche hier die Verfasser den von ihnen getroffenen Neuordnungen gaben, wie auch der hohe Gewissensernst und das hohe Verantwortungsbewußtsein, von dem die Schrift getragen ist, das alles mußte einen tiefen, über­ zeugenden Eindruck auf die Ratsherren und ihre volle Zu­ stimmung gewinnen, als die Schrift am Tag nach dem 4. Sonntag nach Trinitatis im Rat verlesen wurde. Als das bischöfliche Urteil über die Pröpste dem Rat offiziell zugestellt wurde, fand es weder bei diesem, noch bei der Gemeinde Beachtung. Beide Pröpste blieben im Amt, und der Bannfluch des Bischofs tat ihrem Ansehen nicht den geringsten Abbruch. Zunächst schien auch der Bischof sich mit dem passiven Widerstand des Rates und dem Verbleiben der Pröpste in ihrem Amt abgefunden zu haben. Die neuen Erkenntnisse wirkten sich auch in der Ein­ schränkung und dann auch in der Abschaffung der Reliquienverehrung aus. Schon im Frühjahr 1524 hatte cjer Rat an­ geordnet, daß die bis dahin in der Zeit nach Ostern übliche 11

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öffentliche Heiltumsweisung auf dem Hauptmarkt unter­ bleiben solle. Nur als im Mai etwa 1000 wendische und ungarische Wallfahrer auf ihrem Weg nach Aachen durch Nürnberg zogen, wurden ihnen die Reliquien auf ihren Wunsch in der Sebalduskirche gezeigt.62) Das St. Deokarsfest in der Lorenzkirche wurde in diesem Jahr nocheinmal, aber ohne jedes Gepränge und ohne Umhertragen des Sarges gefeiert.63) Weiter bestimmte der Rat, daß das Fronleichnamsfest in beiden Pfarrkirchen und in der Frauenkirche ohne alles äußerliche Gepränge und ohne Prozession gefeiert werde. Das Festmahl, welches bis dahin die beiden Kirchenmeister an diesem Tag gegeben hatten, unterblieb von nun an. Im Neuen Spital fand die bisher • übliche Prozession mit dem Sakrament am Sonntag nach Fronleichnam, aber „ohne Flofierer, Engel und Rosenstreuen“ statt.64) Das Aus­ setzen und Umhertragen des Sarges beim Sebaldusfest wurde von diesem Jahr an ebenfalls unterlassen.65) In einem alten, jetzt im landeskirchlichen Archiv zu Nürnberg aufbewahrten als ,,Liber mortuorum“ betitelten Buch, in welchem die für St. Sebald gestifteten und bis zum Jahr 1524 gehaltenen Jahrtage und Seelenmessen eingetra­ gen sind, findet sich auf dem Titelblatt — offenbar von der Hand des mit der Führung der Kirchenbücher betrauten ältesten Kaplans, ,,Schaffer“ genannt — die Bemerkung : ,,In diesem Jahre hat man dem Papst Urlaub gegeben“. In der Tat brachte und bedeutete das Jahr 1524 die Los­ lösung Nürnbergs vom Papsttum und der römischen Kirche. Der Bischof selbst hatte diese Entscheidung eingeleitet und herbeigeführt, indem er die 3 Geistlichen mit dem Bann belegte, weil sie der heiligen Schrift und der Einsetzung Christi gehorchend, das heilige Abendmahl ihren Gemein­ den in beider Gestalt gereicht hatten. Der Rat und die Gemeinden bekannten sich zu dieser Tat, indem sie die Pröpste auch weiterhin im Amt behielten trotz des Bann­ fluchs, der für sifc wirkungslos blieb !



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Kapitel VII.

Das Nürnberger Religionsgespräch. Die heftigste Gegnerschaft erwuchs der reformatorisehen Bewegung in Nürnberg aus den hier vorhandenen Klöstern. Nicht wenige von deren Insassen mochten Gegner dieser Bewegung geworden sein aus reinen und edlen Gründen, weil sie mit vollem Ernst an dem im Mittelalter so hochgepriesenen Lebensideal hingen, das sie im Klosterleben gefunden hatten und das ihnen durch die Reformation zerstört und genommen zu werden drohte. Doch gab es auch andere, weniger edle Gründe, aus denen viele am Klosterleben festhielten und dasselbe verteidigten : das bequeme, sorgenfreie Leben, das sie hier gefunden, die Vorrechte und Freiheiten, die sie hier genossen, der Ruf besonderer Frömmigkeit und Heiligkeit;, dessen sie sich erfreuten. Aber aus welchen Gründen es auch immer sein mochte, die leidenschaftlichsten Gegner der Reformation standen auf den Kanzeln der Klöster. Wiederholt hatte der Rat Veranlassung, deren Prediger vor Ausschreitungen zu warnen; mehrere derselben hatte er aus der Stadt weisen müssen. Allen voran jedoch standen darin die Dominikaner und Barfüßer.1) Ein besonders heftiger Vorstoß war Ende Dezember 1524 auch aus dem Karthäuserkloster gekommen. Hier war der Prior Blasius Stöckl bei den Obern des Ordens ketze­ rischer Lehre beschuldigt und eine Untersuchung gegen denselben durch einen Visitator beantragt worden. Ein solcher war auch bereits im Kloster erschienen. Diesem und dem Convent gegenüber hatte sich der Prior bereit erklärt, über alles, was er gepredigt, vor dem Visitator und 11*

164 im Beisein von Gelehrten und Verständigen Rechenschaft abzulegen, und wo ihm aus der heiligen Schrift ein Irrtum nachgewiesen werde, wolle er sich gütlich unterwerfen und strafen lassen. Der Rat, welcher von dem Vorfall und dem Erbieten des Priors Kenntnis erhalten hatte, ließ den Visi­ tator durch eine Abordnung ersuchen, dem Ansuchen des Priors, das doch recht und billig sei, stattzugeben. Dabei gab der Rat dem letzteren das Zeugnis, daß er solange er im Kloster sei, sich ehrbar und wohl gehalten und der Rat ein besonderes Wohlgefallen an ihm habe. Stimme der Visitator zu, dann werde der Rat den Abt von St. Egydien, die Pröpste beider Pfarreien, die Oberen und Prediger aller Nürnberger Klöster bitten lassen, auf Ersuchen des Priors Blasius an der Verhandlung teilzunehmen. Der Visitator antwortete, er sei nicht zu einer Dispu­ tation hieher gekommen und habe auch keine Veranlassung, dem Ansuchen des Priors und des Rates statt zu geben. Wegen der Beschuldigung gegen Stöckl habe er bereits an die große Karthause berichtet und erwarte deren baldige Antwort. Was ihm von dort befohlen werde, wolle er tun. Nun hörte der Rat, daß Stöckl bereits seines Priorates entsetzt worden sei, und zwar auf die Anklage eines Kloster­ bruders Martin hin, daß Stöckl die evangelische Lehre ver­ kündige und daß man bis zur Ankunft des Visitators die Absetzung verheimlicht habe. Darauf schickte der Rat seine Abordnung aufs neue ins Kloster mit dem Auftrag, sich bei dem Visitator nach dem Grund der Absetzung zu erkundigen. Der Visitaor verweigerte die Angabe des Grundes und teilte nur mit, Stöckl werde in ein Kloster im Schwarzwald versetzt. Als Schutzherr des Klosters ordnete jetzt der Rat an, Stöckl dürfe nicht weggeschickt und kein neuer Prior eingesetzt werden, bis der Rat genauen Be­ scheid erhalten und seine Zustimmung gegeben habe. Der Denunziant Bruder Martin aber erhielt vom Rat den Befehl, binnen 3 Tagen die Stadt zu verlassen.2) Wohl entgegnete Bruder Martin, der Rat habe ihm als einem gefreiten Ordensmann nichts zu gebieten, und der Schaffer des Klosters versuchte wenigstens eine Verlängerung des Ter-

165 mins zu erreichen, aber der Rat bestand auf der sofortigen Ausweisung. Erst nach der Abreise des Mönches werde er mit dem Convent gütlich und ohne Gewaltanwendung ver­ handeln.3) Eine daraufhin vom Rat angeordnete, durch den Abt von St. Egydien mit dem Prediger Dr. Schleupner, dem Ratsherrn Bernhard Baumgärtner und dem Juristen Dr. Scheurl durchgeführte Visitation des Klosters und Verhand­ lung mit dem Convent bestätigte, daß der einzige Grund zur Absetzung des Priors der gewesen sei, daß er das Wort Gottes nach der heiligen Schrift gepredigt habe. Daher verfügte der Rat, daß der Prior im Kloster zu belassen sei, ebenso zwei junge Priester, die auf Stöckls Seite gestanden waren und ebenfalls hätten entfernt werden sollen, endlich daß kein neuer Prior gewählt werde. Dabei erklärte der Rat, er halte sich für verpflichtet, dafür zu sorgen, daß im Kloster das Wort Gottes lauter und rein verkündigt werde. Wollten die Mönche Stöckl nicht mehr hören, dann werde man ihnen zwei fromme und gelehrte Ordensmänner, den Augustinerprior und den Prediger von St. Egydien zuweisen. Man hoffe,, daß dann wieder Friede und Einigkeit im Kloster einkehre.4) Diese Anordnung des Rates nahm ein Teil der Mönche übel auf. Sie weigerten sich in einer Zuschrift an den Rat, auch diese beiden Prediger zu hören, weil deren Predigten wider ihre Statuten gingen. Jedenfalls müßten sie deswegen erst bei ihren Ordensobern anfragen. Aber der Rat blieb bei seiner Anordnung und verfügte, daß für den Anfang eine Ratskommission einigemale bei den Predigten zugegen sein solle.5) Den widerstrebenden Mönchen aber ließ der Rat sagen, daß er an ihrer ,,trutzigen Antastung“ Beschwe­ rung und Mißfallen trage; er gestehe ihnen auch keineswegs, sie bei ihren Statuten zu handhaben. Man wisse wohl, daß der Schaffer Oelhafen und Vater Auracher die Urheber des Widerstandes seien, gegen die man nötigenfalls einschreiten werde.6) In der folgenden Woche erschienen zwei fremde Kar­ thäusermönche im Auftrag der Obersten des Ordens zu

i66 einer Visitation im Kloster. Der Rat ließ ihnen sagen, er erwarte, daß sie bei ihrer Visitation nichts hinter dem Rücken des Rates als der Obrigkeit des Klosters beschließen oder anordnen würden, sondern ihm vorher anzeigten, was sie zu verfügen gedächten. Finde er, daß ihre Handlung auf christliche Einigkeit,, Ausbreitung und Erhaltung des Wor­ tes Gottes abziele, dann werde er ihnen nichts in den Weg legen.. Sollten sie aber Gottes Wort einschränken oder unterdrücken wollen, dann werde er das nicht gestatten. Die Visitatoren baten jedoch, ihre Visitation nach dem Ordensbrauch durchführen zu dürfen. Das Kloster müsse wieder einen Prior, dazu einen Stellvertreter für denselben und einen Schaffer oder Custos erhalten. Dafür zu sorgen, möge man sie nicht hindern. Auch ihnen sei es um Wieder­ herstellung von Frieden und Ruhe im Kloster zu tun und sie wollten alles aufbieten, um das zu erreichen.7) Nunmehr antwortete der Rat ebenso freundlich und erklärte, daß er eine ordentliche, billige und nützliche Visi­ tation des Klosters nicht hindern wolle, er gestatte ihnen auch, demselben einen Prior, Vikar, Schaffer und Custos zu verordnen, jedoch sollten für solche Aemter nur Per­ sonen genommen werden, welche christlich seien und die Verkündigung des göttlichen Wortes nicht hinderten. Ins­ besondere sollte der Augustinerprediger, dem der Rat die Predigt im Kloster aufgetragen habe, in keiner Weise ver­ hindert werden, sein Predigtamt frei auszurichten. Endlich sollte den Insassen des Klosters gestattet werden, auch außerhalb des Klosters von christlichen Predigern Gottes Wort zu hören.8) Inzwischen hatte der Rgt einen Entschluß gefaßt, zu welchem er die Anregung aus dem eben geschilderten Vor­ fall im Karthäuserkloster empfangen hatte. Wir erinnern uns, daß der Prior Blasius Stöckl, als er bei den Oberen seines Ordens ketzerischer Lehre beschuldigt worden war, sich dem Visitator und dem Convent gegenüber zu einer Aussprache im Beisein von Gelehrten und Sachverständigen erboten hatte, in der er sich wegen der gegen ihn erhobenen Beschuldigung aus der heiligen Schrift zu rechtfertigen ge-

dachte, daß jedoch der zuerst gesandte Visitator dieses Erbieten abgelehnt hatte. Der Nürnberger Rat freilich hätte es gern gesehen, daß dieser Weg beschritten worden wäre, weil er davon eine Klärung erwartete, die zu einer Ver­ ständigung zwischen beiden Parteien führen konnte. Da dem Rat an der Beseitigung der Gegensätze und vor allem des ,,ungleichen Predigens“ sehr viel gelegen war,, griff er jetzt den Gedanken Stöckls von sich aus auf, in der Hoff­ nung, auf diesem Wege zu Frieden und Einigkeit in der Religionsfrage zu kommen. Am 20. Februar 1525 wurden sämtliche Prediger der Pfarreien und Klöster der Stadt zusammenberufen zu einer Beratung 'darüber, wie und wodurch ein gleiches und einhel­ liges Predigen des heiligen Evangeliums und des Wortes Gottes in der Stadt erreicht werden könne. Zu diesem Zweck wurden sämtliche Prediger aufgefordert, in bestimmter Frist dem Rat eine Zusammenstellung derjenigen Artikel zu über­ geben, welche nach eines jeden Meinung jedem Christen zu seiner Seligkeit zu wissen nötig wären, damit man daraus entnehmen könne, wie jeder Prediger in seiner Lehre stehe und wie man das zwiespältige Lehren und Predigen bei den Irrigen und Ungeschickten abstellen könne. Diesem Befehl kamen die sechs Prediger von St. Sebald, St. Lerenz, im Neuen( Spital, bei St., Egydien, bei den Augustinern . und St. Jakob nach, indem jeder für sich die gestellte Frage beantwortete, während die fünf Klosterprediger der Domini­ kaner, der Barfüßer, der Carmeliter, der von St. Katharina und der von St. Clara eine gemeinsame Schrift einreichten. Aus diesen Schriften ließ der Rat — wahrscheinlich durch Osiarider — einen Auszug hersteilen, der in 12 Artikeln bestand und die wichtigsten in Betracht kommenden Haupt­ punkte enthielt. Diese. 12 Artikel wurden nun sämtlichen Predigern beider Parteien zugestellt mit dem Auftrag, am Freitag, dem St. Kunigundentag (3. März), im großen Saal des Rat­ hauses zu erscheinen, wo jedem die Möglichkeit gegeben werden sollte, was er über diese Artikel bisher in seinen Predigten gelehrt und dem Volke vorgetragen habe und

168 ferner zu lehren gedenke, aus der heiligen Schrift zu be­ gründen und zu beweisen.9) Während sich die Prediger der beiden Pfarrkirchen und des Spitals, sowie diejenigen des Benediktiner- und Augu­ stinerklosters, auch der des Deutschen Ordens (St. Jakob) sofort erboten, zu dem gestellten Termin zu erscheinen, er­ klärten die Dominikaner, Barfüßer und Carmeliter, das geplante Religionsgespräch sei soviel wie eine Disputation; die aber habe der Kaiser verboten, sodaß sie sich nicht daran beteiligen könnten. Dagegen erklärten sie sich bereit, ihre Antwort auf die gestellten Fragen in gebührlicher Zeit schriftlich zu übergeben und dann das Urteil darüber den drei Universitäten Heidelberg, Ingolstadt und Tübingen zu überlassen. Diese Erklärung unterschrieben sie : ,,Demütige, geduldige Prädikanten Prediger- Barfüßer- und Carmeliterordens“. Darauf sandte der Rat Bernhard Baumgärtner, Chri­ stoph Koler und Christoph Scheurl in die drei Klöster mit dem Befehl, bei den Obern und Predigern in Gegenwart des ganzen Convents zu fragen, ob die bei dem Rat eingelaufene schriftliche Mitteilung und Absage mit ihrer aller Wissen und Willen verfaßt sei und ihrer aller Meinung enthalte, dann aber ihnen ,,mit ehrbaren Worten“ zu sagen, daß es sich für den Rat nicht um eine Disputation handle, sondern um eine freundliche Unterredung, aus der man sehen könnte, ob es nicht möglich wäre, zu einer Verständigung zwischen beiden Parteien zu kommen 'und dem christlichen Volk das Wort Gottes einhellig zu verkündigen. Darum gebe sich der Rat der Hoffnung hin, sie würden zu dem Termin dennoch erscheinen. Denn ob sie nun kämen, oder nicht, jedenfalls werde der Rat sein Vorhaben zu seinem und seiner Untertanen Besten ausführen. In den drei Klöstern erhielten die Verordneten des Rates die Antwort, daß der dem Rat gegebene schriftliche Bescheid im Namen des ganzen Convents erfolgt sei. Darüber,, ob sie nunmehr zu dem Gespräch erscheinen würden, müßten sie sich noch unterreden. Sie würden dem Rat noch Antwort geben. Sie

entschlossen sich zuletzt doch, ihre Prediger an dem Ge­ spräch teilnehmen zu lassen. Einen Grund für die anfängliche Weigerung der Mönche, an den Verhandlungen teilzunehmen, glaubte Spengler in deren Mangel an theologischer Bildung und namentlich in ihrer Unkenntnis der heiligen Schrift sehen zu müssen, wie dieser überhaupt von Anfang an wenig Hoffnung hatte, daß sich das Unternehmen erfolgreich durchführen lasse. Auch der sonst so weitblickende Rats­ herr Christoph Kreß hatte in einem Schreiben an Hans Ebner große Bedenken gegen die Veranstaltung des Ge­ sprächs geäußert. Er war der Meinung, daß der Rat damit „sich des Evangeliums allzuheiß annehme“ und glaubte angesichts des schroffen Gegensatzes zwischen beiden Par­ teien Unruhen befürchten zu müssen. Kreß war allerdings damals von Nürnberg als Bundesrat abwesend und konnte wohl die Lage nicht so beurteilen wie Spengler, der in der Veranstaltung einen guten Weg zur Verständigung und zum Frieden sah.10) Am 3. März begann im großen Rathaussaal die feier­ liche Handlung. Außer dem gesamten Rat waren auch die Genannten des großen Rats, dazu noch eine größere Anzahl angesehener Bürger geladen worden,, sodaß etwa 500 Per­ sonen anwesend waren. Zu Präsidenten hatte der Rat den Abt von Egydien Friedrich Pistorius, die beiden Pröpste Georg Peßler und Hektor Pömer, sowie den Domprediger aus Würzburg Johann Graumann, auch Poliander genannt, bestimmt. Er war dem Rat als evangelisch gesinnt bekannt. Darum hatte ihn der Rat gebeten, bei dem Religionsgespräch mitzuwirken. Wir werden später mehr von ihm hören. Der einleitende Vortrag und die Fragestellung war dem Rechtskonsulenten Christoph Scheurl vom Rat über­ tragen. Als Lektor und Syndikus war der Ratsschreiber Lazarus Spengler bestellt. Die Sprecher auf evangelischer Seite waren : Dominikus Schleupner, Prediger an St. Sebald, Andreas Osiander, Prediger an St. Lorenz, Thomas Venatorius, Prediger im Neuen Spital, Wolfgang Volprecht, Prior der Augustiner, Sebastian Fürnschild, Prediger an

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St. Egydien, endlich Johann Thalmann, Prediger des Deutschen Ordens bei St. Jakob. Die römische Partei war vertreten durch Andreas Stoß, Prior der Carmeliter (ein Sohn des berühmten Bildschnitzers Veit Stoß), Michael Frieß, Ouardian der Barfüßer, Konrad Pflüger, Prior der Dominikaner, Lienhard Ebner, Prediger der Barfüßer, Lud­ wig Hirsvogel, Prediger der Carmeliter, Jobst Pregler, Prediger der Dominikaner, Georg Erber, Prediger zu St. Katharina, und Nikolaus Lichtenstein, Prediger zu St. Clara. Scheurl eröffnete die Verhandlungen mit einem ,zier­ lichen Vortrag“. Er führte die Gründe an, welche den Rat zur Veranstaltung dieses Gesprächs bewogen hatten und bat die Redner, ihre Vorträge in deutscher Sprache und so verständlich zu halten, daß die Verordneten des Rates sie gut nachschreiben könnten. Man wolle keine Disputation, sondern ein christliches brüderliches Gespräch halten, um eine Ausgleichung des mißhelligen Predigens zu erreichen. Auch sollte keiner den anderen mit Schmähworten antasten, sondern jeder sich christlicher Bescheidenheit befleißigen. An allem, was geredet werde, solle man erkennen, daß die Redner nicht sich selbst, sondern Gottes Ehre, Wort und Wahrheit suchten. Maßgebend für alle Entscheidungen sollte nur das reine Evangelium sein.11) Hierauf las Spengler die 12 Artikel vor, über welche verhandelt .werden sollte. Es waren folgende : 1. Was Sünde sei und ihre Strafe. 2. Warum das Gesetz gegeben, und wie es zu gebrau­ chen sei. 3. Was Gerechtigkeit sei, die vor Gott gilt. 4. Was Evangelium sei, daraus dann erwächst Glaube, Liebe, Hoffnung. 5. Was die Taufe sei, was sie bedeute und was ihre Wirkung sei. 6. Welchergestalt der alte Adam müsse getötet werden, daraus dann soviele Sekten erwachsen seien; 7. Was das Sakrament des Altars sei, und was dasselbe in uns wirken soll.

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8. Was gerechte, gute Werke seien und ob man durch die Werke zur Gerechtigkeit kommt, oder ob die Werke aus der Gerechtigkeit fließen. 9. Was Menschengebot oder -lehre seien und inwiefern man sie halten, oder nicht halten soll. 10. Was weltliche, von Gott eingesetzte Obrigkeit für Gewalt habe, zu gebieten, und inwiefern und inwie­ weit man ihr zu gehorchen schuldig sei. 11. Was Aergernis sei, und in wiefern man diese ver­ meiden müsse. 12. Ob sich Diener der Kirche verheiraten mögen, und ob im ehebrecherischen Fall der Unschuldige bei Leben des Schuldigen wieder zur Ehe schreiten möge oder nicht. Nach Verlesung dieser Artikel forderte Scheurl sämt­ liche Prediger auf, zu denselben Stellung zu nehmen und ihre Anschauung kund zu geben. Die einzelnen Aeußerungen sind uns aufbewahrt in einer Druckschrift, welche der Rat aufgrund einer amtlichen Nachschrift herstellen ließ : ,,Handlung eines ersamen wevsen Rats zu Nürnberg mit iren Prädikanten M. D. XXV.“ 12) Die Aussprache erfolgte in der Weise, daß die einzelnen Redner aufgerufen wurden,, ihre Meinung zu jedem der 12 Artikel zu sagen. Zum 1. Artikel erklärte sich der Sebalder Prediger Schleupner, der als erster aufgerufen worden war, kurz und klar im biblischen Sinn. Als aber nach diesem der Barfüßer­ prediger aufgerufen wurde, lehnte dieser eine Erklärung ab unter Berufung auf das kaiserliche Mandat, welches jede Disputation verbiete, wie auch auf die von den Kloster­ leuten übergebene Schrift, die man verlesen möge. Da überdies die zu beantwortenden Artikel fast die ganze heilige Schrift in sich begriffen, sei es in kurzer Zeit unmög­ lich, sich auf weitere Erörterungen einzulassen. Im gleichen Sinn äußerten sich die Prediger der Carmeliter, der Domini­ kaner, wie die zu St. Katharina und St. Clara. Osiander, der Prediger von St. Lorenz, gab fast die gleiche Erklärung ab, wie sein Sebalder Kollege. Ihm schlossen sich die Prediger zum Neuen Spital und der

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Augustiner, von St. Egydien und vom Deutschen Haus (St. Jakob) an. Darauf kamen die Prioren und Quardiane an die Reihe. Andreas Stoß hielt eine ,,lange und verdrieß­ liche“ Rede, in der er sich auf die Konzilien, die alten Kir­ chenväter und das alte Herkommen berief und von neuem auf das kaiserliche Mandat und die große Gefahr hinwies, welche der Stadt aus der Nichtbefolgung desselben erwach­ sen müßte. Auch er schlug die drei (damals noch ganz im römischen Geist befangenen) hohen Schulen Heidelberg, Ingolstadt und Tübingen als Instanzen vor, welche in der Sache allein entscheiden könnten. Der Dominikanerprior erklärte wohl, wenn er gewußt hätte, daß es sich hier nicht um eine Disputation, sondern um eine freundliche, brüder­ liche Aussprache handle, so hätte er seinem Prediger auch zu antworten erlaubt; aber er hielt es doch für besser, daß man schriftlich verhandle. Dann würden wohl auch die andern zufrieden sein. Kurz, scharf und klar sprach der Augustinerprior : die Gegner scheuen das Licht der Wahr­ heit und suchen Ausflüchte aus Furcht ihre Torheit könnte an den Tag kommen. Eines anderen Richters, als die Schrift, bedarf man nicht, denn diese ist klar. Dagegen stimmte der Quardian der Dominikaner seinem Prior zu. Daß die Römischen einer mündlichen Aussprache aus­ wichen, machte bei der Versammlung einen schlechten Ein­ druck. Vor dem Rathaus hatte sich eine große Menschen­ menge angesammelt, welche in höchster Spannung den Ausgang der Verhandlungen erwartete. Als unter dieser bekannt wurde, daß die Mönche einer Aussprache und Ver­ teidigung ausgejvichen seien, bemächtigte sich des Volkes eine große Erregung. Die einen riefen, man solle die Mönche zum Fenster herab werfen, andere meinten, sie wüßten eine bessere Weise, mit ihnen zu disputieren. Schließlich mußte der Rat, als die Verhandlungen abgebro­ chen wurden, die Klosterleute durch Stadtknechte in ihre Klöster geleiten lassen, um sie gegen die erregte Volks­ menge zu schützen. 13) Am Sonntag den 5. März kam man zum zweitenmal zusammen. Hier erklärte Scheurl, der Rat bestehe auf

173 weiterer mündlicher Verhandlung und werde keine zwie­ spältige Predigt mehr dulden; man müsse sich verständigen., damit Friede werde. Jetzt zeigten sich auch die Mönche bereit, sich an der Aussprache zu beteiligen. Nachdem sich der Barfüßerprediger zugleich im Namen der übrigen Klosterprediger nachträglich zum i. Artikel geäußert hatte, ohne dabei Widerspruch zu finden, ging man zum 2. Artikel über. Hier gingen die Meinungen auseinander, da Schleupner,, Osiander und Thomas Jäger vom Spital,, die hier zum Wort kamen, die Aufgabe und den Dienst des Gesetzes in der Hauptsache im pädagogischen Sinn verstanden wissen wollten, sofern dasselbe nur die Sündenerkenntnis und damit auch das Heilsverlangen im Menschen wecken solle, ohne durch sich selbst das Heil und die Seligkeit schenken zu können, während die Mönche in ihrer Würdigung des Gesetzes mehr die Anleitung zum rechten christlichen Leben betonten, wodurch es die Menschen auch selig mache. Das Resultat der Verhandlung dieses Tages war, daß beide Teile auf ihrem Standpunkt blieben.14) Bei der dritten Zusammenkunft am Dienstag den 7. März stellte sich heraus, daß die Verhandlungen bei dem bisherigen Verfahren sich allzusehr in die Länge ziehen würden. Der Rat ließ daher durch Scheurl vorschlagen, es sollte jede der beiden Parteien nur einen Vertreter aus ihrer Mitte wählen der für seine Partei das Wort führe. Doch sollte es jedermann freistehen, im Bedarfsfälle an der von dem Wortführer gegebenen Antwort ,,zu ändern, zu mehren, zu mindern oder zu bessern“. Von der evangelischen Seite wurde Osiander, von der andern der Barfiißerquardian Michael Frieß zu Wortführern erwählt. Daß bei dem 3. Artikel, über den an diesem Tag der Barfüßer die Aussprache eröffnete, bei der grundsätzlichen Verschiedenheit der hier gegebenen Standpunkte der Gegen­ satz scharf zutage treten mußte, war zu erwarten. Als nun Osiander den evangelischen Standpunkt ebenso klar und bestimmt herausstellte, wie der Barfüßer den seinen, fühlte sich letzterer dadurch verletzt, daß Osiander seine Auffas­ sung ,,also zu Boden gestoßen habe“. Da könnten sie nicht

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weiter verhandeln,, es sei denn, daß unparteiische Richter vorhanden wären, die Rede .und Gegenrede hören und dann entscheiden könnten. Solche wären die von ihnen vor­ geschlagenen drei Universitäten, vor denen man mündlich oder schriftlich verhandeln könnte. Dem stimmte auch der Carmeliterprior zu, der dabei bemerkte, bei der jetzigen Art zu verhandeln käme nichts heraus, als Schmähung und Hader. Osiander bezeichnete solche Einwände nur als eine Ausflucht. Darüber dürfe sich niemand beklagen, daß der Gegner auch seinen Standpunkt geltend mache. Das hätten die Mönche auch getan. Wo die Auffassungen einander ent­ gegengesetzt sind, müssen es die Vertreter derselben auch sein ! Nun hatte Osiander in seiner Antwort zum 3. Artikel auch den damit eng zusammenhängenden 4. Artikel herein­ gezogen, in dem er von der Liebe sprach, die durch das Evangelium aus dem Glauben wachsen und folgen müsse, während der Barfüßer sich auf den 3. Artikel mit seinen Ausführungen beschränkt hatte. Auch daraus hatten sie Osiander einen Vorwurf gemacht, wie denn überhaupt bei den Gegnern eine gereizte Stimmung zu spüren war. Darum hielt es Scheurl im Benehmen mit einigen Herren des Rates für angezeigt, diesen 4. Artikel auch den Mönchen zur Aeußerung vorzulegen, worauf dann der Barfüßer ganz im Sinne der Evangelischen über diesen Artikel sprach ! In der Besprechung des 5. Artikels von der Taufe ergab sich zwischen beiden Teilen kein merklicher Unterschied. Das gleiche gilt fom 6. Artikel, nur daß man bezüglich des Begriffes ,,Sekten“ verschiedener Auffassung war und Osiander sich genötigt sah, zur Auffassung des Barfüßers vom Gebet, wie vom Fasten, Wachen und Kasteien durch harte Kleidung als Mitteln zur Abtötung des ,,alten Adam“ eine Korrektur zu geben durch die Hervorhebung, daß das alles geistig zu fassen und zu üben sei, auch nicht an Zahl, Zeit und Ort gebunden sei und nicht als besonderes Ver­ dienst gelten dürfe.15)

175 Auch im 7. Artikel, der das Sakrament des Altars betraf, bestand im Hauptpunkt Uebereinstimmung. Nur hatte Osiander hier auszusetzen, daß die römische Kirche der Gemeinde den Kelch verweigere im Widerspruch zur Einsetzung durch Christus, und daß man ein Opfer daraus gemacht habe. Hier konnte sich Osiander auf die Recht­ fertigungsschrift der beiden Pröpste vom Vorjahr berufen. Dagegen glaubte der Wortführer der Römischen behaupten zu dürfen, die Kirche habe das Recht gehabt, das Sakra­ ment zu ändern (!), so gut die Apostel sich das Recht genommen hätten, das Sakrament der Taufe zu ändern, indem sie, wie der Barfüßer behauptete, statt im Namen des Dreieinigen im Namen Christi getauft hätten — eine Behauptung, die nichts als eine Spitzfindigkeit war. Ferner glaubte der Mönch die Umwandlung des Sakraments in ein Opfer mit dem Hinweis rechtfertigen zu dürfen, daß Christus als ein ,.ewiger Hohepriester“ auch ein ewiges Opfer haben müsse, das freilich nicht ein leibliches, sondern ein geistliches Opfer sei, was ebenfalls nur auf eine Spitz­ findigkeit hinauslief und in der Schrift nicht zu begrün­ den ist. In der Beantwortung der im 8. Artikel gestellten Frage : ,,Ob man durch die Werke zur Gerechtigkeit kommt, oder ob die Werke aus der Gerechtigkeit fließen“ kam der Barfüßer zu dem Schluß, daß wir Menschen, weil wir keinem andern Menschen ins Herz schauen können, über­ haupt kein Urteil darüber fällen sollen, aus welchem Grund solche Werke geschehen. Dem hielt Osiander des Herren Wort entgegen : „Wer an mich glaubt, von des Leibe wer­ den Strome des lebendigen Wassers fließen“. Wo Gott durch Christus in uns ist und wirkt mit seinem Wort und Geist, da sind auch Werke, die Gott gefallen. Also kommen die Werke aus dem Glauben und der dadurch geschenkten Gerechtigkeit. Die Frage des 9. Artikels, was Menschengebot und -lehre sei und wiefern man die halten soll, beantwortete Osiander mit den Sätzen : Was Gott geboten hat, darf niemand verbieten; was Gott verboten hat, darf niemand

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gebieten oder erlauben; was aber Gott weder geboten, nöch verboten, also frei gelassen hat, damit soll man die Gewissen nicht binden. Ausgenommen ist, was die Obrigkeit gebietet zu gemeinem Nutz, Friede und Einigkeit. Was jedoch geboten wird dem Willen Gottes zuwider, ist Menschen­ lehre und nicht zu halten. Dagegen unterschied der Bar­ füßer : ausdrückliche und klare Gottesgebote, welche die heilige Schrift verkündigt, klare Menschengebote, die ihren Grund nicht in der Schrift haben und solche, die nicht wört­ lich in der Schrift stehen, aber doch aus dem Geist derselben stammen. So ist es Pflicht des Menschen, den „alten Adam“ zu ertöten, also ist das Klosterleben Gottes Wille und Ord­ nung ! Immerhin fügte der Mönch hinzu : wo es sich anders erfinde, wolle er sich weisen lassen.16) Am Sonntag Reminiscere wurde zunächst über die Gewalt der Obrigkeit d. h. über die Stellung des Christen zum Staat gesprochen. Der Barfüßer, welcher zuerst das Wort hatte, unterschied dreierlei Obrigkeit : die erste besteht darin, daß jeder den andern höher achten soll, als sich selbst, daß das Weib dem Mann, das Hausgesinde den Hausvätern untertan sei. Die zweite ist die geistliche Obrig­ keit, die Prälaten, Hirten und Bischöfe, die in der Kirche Ordnung machen und halten. Die dritte ist die weltliche Obrigkeit, die das Schwert hat und über alles gebietet, was zu bürgerlicher Einigkeit und zum Frieden dient Ihr ist jeder schuldig zu gehorchen. Doch soll das Gewissen ungebunden sein. Praktischer und klarer scheidet Osiander. Es sind zwei Reiche, das Geistliche, darin Gott allein der Herr ist und die Obrigkeit- hat. Die Prälaten sind nicht Herren, sondern nur Gottes Botschafter. Das Schwert des Geistes,, das sie führen, soll die Menschen fromm machen. Weiter haben sie keine Gewalt, sie sollen Knechte und Diener sein. Das andere Reich ist weltlich. Die hier regie­ ren, haben das Schwert gegen die zu führen, welche durch Gottes Wort sich nicht fromm machen lassen, sie zu zwin­ gen, daß sie niphts Uebles tun, dagegen die Frommen zu schützen. Ihnen muß man gehorchen in allem, was nicht wider Gott und sein Gebot ist.

177 Uebereinstimmung im Wesentlichen herrschte zwischen beiden Teilen über den n. Artikel, der vom Aergernis handelte, das unter Christen nicht gegeben werden soll, wäh­ rend beim 12. und letzten Artikel, in welchem die Frage der Ehe von Geistlichen und die der Wiederverheiratung Ge­ schiedener aufgeworfen war, die Gegensätze wieder hervor­ traten. Der Barfüßer lehnte die Ehe von Geistlichen ab, aller­ dings unter Begründungen, die nur möglich waren,, wenn man die angezogenen Weisungen des Herrn Christus und der Apostel falsch verstand und auslegte. Osiander dagegen trat für die Ehe der Geistlichen ein, wobei er eine aus­ führliche Begründung, die bei der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit zu weit geführt hätte, auf später verschob. In der zweiten Frage dieses Artikels vertrat der Mönch den auch heute noch in der römischen Kirche geltenden Grundsatz, daß unschuldig Geschiedenen bei Lebzeiten des Schuldigen die Wiederverheiratung zu verbieten sei. Denn jener bleibe an diesen trotz äußerer Scheidung innerlich gebunden, solange letzterer lebe. Osiander machte dagegen geltend, daß Christus eine wegen Ehebruchs erfolgte Schei­ dung als eine rechte und wirkliche bezeichnet habe, also der unschuldig Geschiedene frei und darum berechtigt sei, sich wieder zu verheiraten.17) Damit war das Gespräch mit den Mönchen zum Ab­ schluß gekommen. Hatte sich auch gezeigt, daß da und dort zwischen beiden Teilen mehr oder weniger Ueberein­ stimmung bestand, so war doch eine solche in den wichtig­ sten und entscheidenden Fragen nicht gefunden. Nun hatten sich die Redner beider Parteien für die Berechtigung ihrer und der Ihrigen Auffassungen auf die heilige Schrift berufen. Darum hielt es die evangelische Partei für erwünscht, daß man die Gegner noch einmal höre und ihnen Gelegenheit gebe, die behauptete Schriftgemäßheit ihrer Lehre zu beweisen. Die evangelischen Theologen hofften nämlich, nicht nur ihre Lehre aus der heiligen Schrift als die rechte zu beweisen,, sondern auch die Gegner mit Hilfe der Schrift auch soweit belehren zu können, daß diese ihren 12

178 Irrtum erkennen würden und sich brüderlich weisen ließen, sodaß man doch zu einer Verständigung und einhelliger Predigt kommen könne. Dazu wünschte der Rat allen am Gespräch Beteiligten noch einmal Gelegenheit zu geben, ihre Aeußerungen zu ändern und zu verbessern und vielleicht noch dies und jenes hinzuzufügen, was zur Verständigung führen könnte. Darum ließ der Rat am Schluß der Ver­ handlungen vom 12. März sämtliche Beteiligte durch Dr. Seheuri einladen, am Dienstag den 14. März um 5 Uhr auf dem Rathaus zu erscheinen, wo jede Partei durch einen aus ihrer Mitte über sämtliche Artikel noch einmal zusammen­ fassend sprechen, und was bei den Gegnern als irrig und unbegründet angesehen werde, aufgrund der heiligen Schrift widerlegen solle, sodaß sie durch gegenseitigen brüder­ lichen Unterricht vielleicht doch zu einem einhelligen Ver­ stand der heiligen Schrift kommen möchten.18) Freilich erfüllte sich die auf diese letzte Verhandlung gesetzte Hoffnung nicht. Am 14. März zu früher Ratszeit kündigten die fünf Klosterprediger die für diesen Tag ver­ abredete Zusammenkunft ab und übergaben eine Schrift, in der sie erklärten, es habe nun den Anschein, daß aus der Sache doch noch eine Disputation werde. Das aber ginge gegen des Kaisers Mandat. Als weiteren Grund ihres Weg­ bleibens gaben sie an, es seien keine unparteiischen Richter vorhanden und eine gerechte Würdigung ihrer Ansichten nicht zu erwarten. Auf irgend welche Neuerungen und Aenderungen wollten sie sich nicht einlassen. Endlich be­ zogen sie sich wiederholt auf die drei von ihnen als Richter vorgeschlagenen Universitäten und dazu auf ihren Ordi­ narius, den Bischof, mit dem Erbieten, von diesem alles anzunehmen, was er sie heißen werde. Die Mönche baten auch, der Rat möge diese ihre Erklärung auch vor den Genannten des großen Rats verlesen lassen. Durch diese Absage ließ sich jedoch der Rat keineswegs hindern, die anberaumte Versammlung abzuhalten und die Verhandlungen in der vereinbarten Weise durchzuführen. Ein Gutachten Spenglers hatte ihn in diesem Entschluß bestärkt. Osiander wurde beauftragt, die 12 Artikel noch

179 einmal gründlich zu erklären und aus der heiligen Schrift zu widerlegen, was für unbegründet gehalten werde. Er entledigte,sich dieser Aufgabe in einer zweistündigen Rede, in der er noch einmal alle seine und der übrigen evan­ gelischen Prediger Erklärungen aus der Schrift begründete, die der Gegner abwies und dem Rat zuletzt dringend emp­ fahl, jetzt auf kein Konzil mehr zu warten, sondern von sich aus die durch die heilige Schrift gebotenen Entschei­ dungen zu treffen. Die ganze Versammlung stimmte dem zu. Die schriftlich widerlegten Ausführungen beider Par­ teien unterzog der Rat am folgenden Tag in einer beson­ deren Sitzung noch einer eingehenden Prüfung und Berat­ schlagung. Aufgrund derselben wurde am 17. März mit einer stattlichen Stimmenmehrheit beschlossen, in die drei Klöster der Dominikaner, Barfüßer und Carmeliter den Befehl ergehen zu lassen, daß diese ihr öffentliches Predigen und Beichthören solange einstellen sollten, bis sie ihre Lehre und Haltung aus der heiligen Schrift als dieser gemäß und recht erwiesen hätten. Den Dominikanern und Barfüßern wurde ferner befohlen,, ihre Predigt- und Seelsorgetätigkeit in den bisher von ihnen betreuten, unter dem Schutz des Rates stehenden hiesigen und auswärtigen Klöstern einzu­ stellen. Dr. Andreas Stoß, Prior der Carmeliter, der sich als besonders leidenschaftlicher und gehässiger Gegner der Reformation erwiesen hatte, wurde im Auftrag des Rates auf gefordert, binnen drei Tagen die Stadt zu verlassen und „seinen Pfennig anderswo zu verzehren“. Diese Anordnun­ gen des Rates wurden auch den beiden Frauenklöstern zu St. Clara und Katharina eröffnet mit dem Versprechen, daß man sie mit gelehrten und geschickten Predigern und Beichtvätern versehen werde, mit denen sie zufrieden sein würden.19) Für das Clarakloster bestimmte der Rat den oberwähn­ ten bisherigen Domprediger Dr. Johann Graumann, Poliander genannt, der auf Wunsch des Rates hieher über­ gesiedelt war, als Prediger und Seelsorger. Er war ein wissenschaftlich hochgebildeter Mann und trefflicher Pre­ diger. Von ihm stammt das schöne Kirchenlied : „Nun 12*

lob man SeeT den Herren“. Das Predigtamt im Katharinen­ kloster wurde dem bisherigen Prediger an St. Gangolf zu Bamberg Johann Schwanhäußer übertragen.20) Nach eingehender Beratung mit dem der Reformation zugeneigten Abt Friedrich Pistorius,, den beiden Pröpsten und deren Predigern, dazu auch mit den Juristen des Rates wurden bald darauf die Ratsherren Christoph Koler und Bernhard Baumgärtner mit Heinrich Hiener beauftragt, sich in die sechs Mannsklöster der Stadt und in den Deut­ schen Hof zu begeben und anzusagen, der Rat habe Gott zu Lob und zur Förderung christlicher Einigkeit beschlos­ sen und angeordnet, daß hinfort in allen Klöstern die gleiche Gottesdienstordnung zu halten sei, wie in den beiden Pfarr­ kirchen und bei den Augustinern. Die päpstliche Messe solle nirgends mehr gehalten werden, es sei denn, daß ihre Berechtigung aus der heiligen Schrift nachgewiesen würde. Die gleiche Verhandlung sollten die beiden Pröpste mit ihren Vikariern in Gegenwart der genannten Ratsverordneten vornehmen und die entsprechenden Anordnungen treffen.21) Bei den oben erwähnten Verhandlungen der Ratskom­ mission in den Mannsklöstern hatte sich der Barfüßer­ prediger besonders widersetzlich benommen. Diesen ließ nun ^der Rat wissen, er habe in zwei Tagen die Stadt zu verlassen. Bruder Jörg im gleichen Kloster wurde wegen seines ,,ungeschickten Redens“ gegen den Rat verwarnt und ihm für den Wiederholungsfall die gleiche Maßnahme angedroht. Au$ demselben Grund wurde der Dominikaner­ mönch Parcival aus der Stadt verwiesen.22) Das Religionsgespräch brachte eine wesentliche Klärung der kirchlichen Lage zu Nürnberg. Der Entschluß des Rates, durch dasselbe die kirchliche Streitfrage für die Stadt und ihr Gebiet zür Entscheidung zu bringen, hatte die evangelische Partei vor die Notwendigkeit gestellt, vor allem sich selbst noch einmal auf das Recht ihres Glau­ bensstandpunktes zu besinnen, aber auch die evangelische Glaubenslehre in ihren wesentlichen Zügen und deren

i8 Folgerungen für das christliche Leben klar herauszustellen und auch wissenschaftlich zu begründen. Indem sie sich mit diesen Feststellungen allein auf die Autorität der heiligen Schrift gründeten und dies auch von den Gegnern für deren Einwendungen forderten,, hatten sie sich von vorn­ herein eine sichere Ueberlegenheit und eine unüberwindliche Kampfstellung gesichert. Die 12 Artikel, welche der Aus­ sprache zügrund gelegt wurden, zeigten an sich schon,, wie gründlich die geistigen Führer der Nürnberger Refor­ mationsbewegung die lutherische Gedankenwelt verarbeitet hatten. Aber auch alles, was dieselben in der Aussprache vortrugen und aus der Schrift begründeten, gestaltete sich zu einer klaren, überzeugenden Darstellung der biblischen Wahrheit und ihres allein christlichen Glaubensgehaltes und sicherten ihnen den vollen Sieg. Indem die römisch Gesinn­ ten am Schluß sich von den Verhandlungen zurückzogen und der entscheidenden Aussprache auswichen, gaben sie selbst ihre Niederlage und den Sieg der evangelischen Sache zu. Denn die Gründe, welche sie für ihren Rückzug geltend machten, waren doch nur Scheingründe, mit denen sie ihre Niederlage zu verhüllen suchten. So bedeutete dieses Religionsgespräch mit seinem Aus­ gang die Durchbruchsstunde der evangelischen Reformation für Nürnberg. Hatte sich Nürnberg im Jahre 1524 von der römischen Hierarchie geschieden und so eine klare Lage nach außen geschaffen, so brachte das Jahr 1525 mit der Ueberwindung der Gegensätze im eigenen Hause die Klärung der Lage nach innen. Darum bedeuten diese beiden Jahre mit ihren Ergebnissen wichtige Marksteine in der Geschichte Nürnbergs ! Aber war es denn wirklich ein Erfolg und ein Fort­ schritt, was so die Jahre 1524 und 1525 gebracht haben ? Folgte nicht diesem Durchbruch der Reformation,, wie man ihn damals in Nürnberg und in anderen Gebieten erlebte, der Ausbruch jener gewaltigen Revolution, welche maßloses Unglück und Elend über weite Gebiete Deutschlands brachte, und deren Wellen auch bis in das Nürnberger Gebiet herein-

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schlugen ? War diese Revolution nicht gerade durch diese kirchliche Umwälzung hervorgerufen worden ? Man hat das schon damals behauptet, und immer wieder wird diese Beschuldigung erhoben. Darum müssen wir diesem Ab­ schnitt aus der Nürnberger Reformationsgeschichte noch eine kurze Untersuchung darüber anfügen, in welchem Ver­ hältnis die große religiöse Bewegung jener Zeit überhaupt, und besonders die in Nürnberg zu der großen sozialen Bewegung jener Tage stand und wie beide Bewegungen auf­ einander wirkten !

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Kapitel VIII.

Nürnberg im Bauernkrieg. Die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bauern waren in jener entscheidungsvollen Zeit sehr ungünstig. Bauern, die als Freie auf eigenem Grund und Boden lebten, waren im Fränkischen selten geworden; im Gegenteil war das Feld, das sie bebauten, gewöhnlich nicht ihr Eigentum sondern ihnen von den Grundherren gegen Abgaben bestimmter Art in Geld und Naturalien, vielfach auch gegen Leistung fixierter oder unbeschränkter Fron­ dienste als Zins- oder Beutellehen überlassen. Insbesondere war bei geistlichen Stiften und den Klöstern diese Art der Verwertung herkömmlich. War der Bauer außerdem noch Figenmann des Grundherren, so oblag seine Person und sein Besitz den drückenden Bestimmungen des Todfall­ rechts, d. h. der Abgabe des Besthaupts und weiterhin weit­ gehenden Beschränkungen in der Verfügung über seine Person, seine Familie und seinen Besitz. Ob der Bauer -frei oder eigen war, so war er doch weiterhin zu den fast untragbaren Abgaben des Zehnten an die Kirche und die weltlichen Zehntherren verpflichtet, deren Ausdehnung auf sämtliche Früchte des Feldes, Gartens und alle Haustiere, ob Säuger oder Vögel, den Bauern besonders erbitterte. Dazu kamen die öffentlich rechtlichen Auflagen und Fron­ dienste gegen den Landesherren in Gestalt von allerlei dauernden oder einmaligen Steuern, von Frondiensten an Wegen, Stegen, Wehrbauten u. a. m. Den Bauern ergrimmte aber weiterhin die auf römisch-rechtlicher Grund­ lage erzwungene Ausschließung von der althergebrachten Nutzung der Wälder und Gewässer für seinen bäuerlichen

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Bedarf. Gerade die geistlichen Herrschaften scheinen in der Ausbeutung ihrer Bauern die härtesten und rücksichts­ losesten gewesen zu sein. So hatten z. B. die Aebte von Kempten die Ordnung eingeführt, daß ein freier Grundholde, der sich ,,aus des Gotteshauses Herrlichkeit und Obrigkeit“ lösen wollte, den dritten Teil seines ganzen beweglichen und unbeweglichen Besitzes an den Abt abgeben mußte.1) Dazu kam, daß die Rechtspflege dem Bauern ungünstig war. indem die Grundherren sich des fremden römischen Gesetzes bedien­ ten und der gemeine Mann oft nicht zu seinem Recht kommen konnte. Da war es verständlich, daß bei den Bauern je länger je mehr eine gärende Mißstimmung gegen ihre Herrschaften entstand. Ebenso war es verständlich, daß der bedrückte und ausgesogene Bauernstand, als Luther gegen die Verweltlichung und Entartung dei Kirche und die Ausbeutung -des Volkes durch das Ablaßunwesen auftrat und Reformen forderte,, diesem alsbald zufiel. Hing doch die soziale Unordnung, die Rechtlosigkeit und Bedrückung des Bauernstandes eng mit der Verweltlichung und Entartung der Kirche zusammen, die ihren religiösen und sozialen Beruf am Volk,, zumal an den Armen und Geringen, nicht mehr zu erfüllen willig und fähig war. Eben darum glaubten die Bauern im Namen der Religion eine soziale Neuordnung fordern zu müssen. Von einer durch­ greifenden kirchlichen Reformation aufgrund des reinen, lauteren Evangeliums erhofften sie auch eine Besserung der sozialen und damit auch ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse. Darum war es auch ihre erste und wichtigste Forderung an ihre Obrigkeiten, claß die Verkündigung des reinen Evan­ geliums frei gegeben werde. Insofern bestand tatsächlich ein Zusammenhang zwischen der bäuerlichen Bewegung und der Reformationsbewegung Luthers. Bei diesem Zusam­ menhang war es auch erklärlich, daß, als auf dem Reichs­ tag zu Nürnberg 1524 sich der Widerstand gegen die vom Großteil des deutschen Volkes und besonders auch vom gemeinen Mann geforderte Reformation vor allem aus dem geistlichen Stand heraus immer stärker geltend machte und durch das kaiserliche Verbot der deutschen Nationalver-

185 Sammlung zu Speyer, wie auch durch den Convent zu Regensburg wiederum unter dem Einfluß vor allem der geistlichen Fürsten jede evangelische Reformbewegung unterbunden und verhindert werden sollte, die Verbitterung bei dem gemeinen Mann nur noch mehr wuchs und die Bauern schließlich sich dahin drängen ließen, sich mit Gewalt zu erkämpfen, was ihnen trotz aller Bitten und Vorstellungen bisher versagt worden war ! Wiewohl nun im Nürnberger Gebiet die Verhältnisse nicht so drückend waren, wie in anderen Gebieten,, machte sich die Unzufriedenheit der Bauern auch hier fühlbar. Schon im Mai 1524 war dem Rat bekannt geworden, daß seine Untertanen und ,,Armeleut“, wie man die Bauern gemeinhin nannte, sich vereinigen wollten, ihren Herren die Zehnten und sonstigen Abgaben nicht mehr zu leisten und daß sie das mit dem Evangelium begründen wollten, das jetzt verkündigt werde. Der Rat beschloß daher, eine öffentliche Kundgebung zu erlassen, um seine Untertanen zu Ruhe und Ordnung zu rufen. Einem Christen, so führte er darin aus, gezieme solche Handlung nicht. Jeder Christ sei verpflichtet, nicht nur'Gott zu geben, was Gottes ist, sondern auch der Obrig­ keit, was dieser gebührt. Die Freiheit, zu der Christus die Menschen erlöst hat, gibt nicht das Recht, sich von den äußeren Bürden und Pflichten frei zu machen. Darum sollten alle Untertanen und Armeleut auf dem Land von ihrem ungeschickten Vorhaben abstehen und ihre Zehnten usw. ferner entrichten. Ungehorsame werde der Rat strafen.2) In Gründlach war eine Bauernversammlung gehalten worden, welche auch 6 Nürnbergische Bauern besucht hatten. Diese wurden vor den Rat geladen und eidlich ver­ pflichtet, das zu unterlassen. Alle Nürnbergischen Haupt­ leute (= Ortsführer) erhielten den gleichen Befehl. Auch in der Stadt wurde am darauffolgenden Sonntag eine öffent­ liche Warnung erlassen, durch welche allen Bürgern und deren Ehehalten der Besuch von Bäuernversammlüngen ver­ boten wurde.3)

i86 Bald wurde jedoch bekannt, daß trotz dieser Warnun­ gen und Abmahnungen die Bauernbewegung auch unter den Bürgern der Stadt Anhänger gefunden habe. Verächtliche Reden und Anschuldigungen gegen den Rat wurden laut, Anschläge an öffentlichen Plätzen und sogar in den Kirchen suchten Mißstimmung gegen die Obrigkeit zu erwecken und den Frieden zu stören. Nun versammelte Hieronymus Ebner die Genannten des großen Rates und ersuchte sie, den Rat gegen die wider ihn erhobenen Beschuldigungen zu verteidigen und das Volk zu beruhigen. Er konnte dabei feststellen,, -daß der Rat sich bisher väterlich und fürsorglich gegen Reiche und Arme erzeigt und alles Mögliche getan habe, seine Bürger zu schützen und zu handhaben, und daß das Geschrei und der Unwille gegen den Rat ganz unberechtigt sei. Dem gemeinen Mann gehe es in Nürnberg und in dessen Landgebiet nicht schlecht. Die Lasten seien nicht zu hoch; in Zeiten der Teuerung werde das Nötige stets beschafft, im Spital und durch das Almosen werde für die Armen genügend gesorgt. Ferner wurden alle Viertelsmeister mit ihren Haupt­ leuten zu handeln beruftragt und instruiert. Diesen wurden gedruckte Zettel zugestellt, die sie zur Belehrung und War­ nung verteilen sollten. Die Hauptleute sollten auch in ihren Bezirken Umschau halten nach tauglichen Bürgern, welche der Rat im Bedarfsfall bewaffnen und zur Aufrechterhal­ tung der Ordnung verwenden konnte.4) Anfangs Juni verweigerten die Bauern von Herolds­ berg dem Abt zu St. Egydien den schuldigen Heuzehnten. Der Rat wies sie zum Gehorsam. Auch dem Pfarrer von Henfenfeld und dem Kapitel zu St. Stephan in Bamberg half der Rat zu ihren Zehnten. Dagegen empfahl er dem Pfleger von Lichtenau Martin Löffelholz, den dortigen Pflichtigen den Zehnten zu erlassen, um Härten zu vermeiden.5) In seiner öffentlichen Kundgebung vom Rathaus hatte der Rat eine Belohnung von 50 Gulden für diejenigen ausgesetzt, welche ihm Aufwiegler gegen die Obrigkeit anzeig­ ten. So konnte ein Wirt von Wöhrd und ein Tuchknappe gefaßt werden, welche öffentlich zum Aufruhr gegen den

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Rat und zum Zusammengehen mit den Bauern aufgerufen hatten. Beide wurden am 5. Juli 1524 öffentlich mit dem Schwert gerichtet.6) Diese Maßnahmen des Rates scheinen gewirkt zu haben. Wohl wurde in der Erntezeit in einigen Fällen das für den Zehnten bestimmte Getreide während der Nacht auf dem Felde von Unbekannten verbrannt7) — wohl als Protest gegen den Zehnten —, aber sonst scheint es im Nürnberger Gebiet ruhig geblieben zu sein. Denn die Nürnberger Rats­ und Briefbücher berichten nichts mehr von Unruhen. Erst als im folgenden Frühjahr der Bauernaufstand auch in Franken allgemein losbrach, wurden die Wirkungen des­ selben auch im Nürnberger Gebiet wieder fühlbar. Nachdem der Schwäbische Bund sich entschlossen hatte, die Aufstandsbewegung mit Waffengewalt niederzuschlagen, war auch Nürnberg als Mitglied des Schwäbischen Bundes verpflichtet, seinen Anteil an Truppen zu stellen. Dieser Pflicht kam denn auch der Rat nach.8) Freilich wäre dem­ selben eine friedliche Lösung, die er auch für möglich hielt und betrieb, viel lieber gewesen ! Die Bauern hatten ihre Forderungen aufgestellt, deren erste, wie schon erwähnt, die freie Verkündigung des Evangeliums betraf. Auch ihre übrigen Forderungen waren in der Hauptsache gerecht und billig. Darüber wollten sie gütlich verhandeln. Sie fanden wohl bei den Reichsstädten Verständnis und Entgegen­ kommen; aber der Schwäbische Bund lehnte unter dem Einfluß des Erzherzogs Ferdinand und der dem Regens­ burger Bund angeschlossenen Fürsten jede Verhandlung ab und zwang damit die Bauern zum Kampf mit den Waffen. Ferdinand sah in der Bauernbewegung nur „.die lutherische Sache“ und das ,,verfluchte lutherische Gift', welches aus­ getilgt werden mußte ! Wie man in Nürnberg die Sache ansah, zeigen uns die Briefe, welche der Rat im März des Jahres 1525 an seine Gesandten beim Schwäbischen Bund schrieb. Hier weist derselbe nicht nur den Vorwurf zurück, daß die evangeli­ schen Prediger und das durch sie verkündigte Evangelium die Bauern zum Aufruhr gereizt habe; er spricht es auch

188 offen aus, daß vielmehr die ,,übermäßigen und unleidlichen Beschwerden“, mit denen die Bauern belastet waren, den Anlaß dazu gegeben hätten. Das gedruckte Ausschreiben, welches die Bauern zur Begründung ihrer Beschwerden dem Schwäbischen Bund überreicht und auch sonst öffentlich verbreitet hatten, war auch in Nürnberg bekannt. Von diesem erklärte der Rat daß es bei dem gemeinen Mann in den Städten'und auf dem Land ein großes Ansehen habe. Man sollte das weitgehende Erbieten der Bauern, wie auch ihre Beschwerden, deren Berechtigung niemand bestreiten könne, wohl bedenken. Es sei leicht gesagt, das Evangelium und die Prediger seien schuld an der Empörung; aber an die übermäßige Tyrannei der Herrschaften und an ihre gewalttätige Verfolgung des Wortes Gottes und der Pre­ diger, welche nur ein Deckmantel ihrer eigenen ungeschick­ ten Handlung, wie schier jedes Kind auf der Gasse wisse, sei, denke man nicht. Darum müsse nun eine Ungeschick­ lichkeit die andere bringen ! Der Rat hielt es für viel besser, sich jetzt mit den Bauern über ziemliche Mittel zu verständigen, als sie mit den Waffen zu bekämpfen, womit man doch der Sache nicht endgiltig Rat schaffe. Das sollten die Gesandten als Mei­ nung des Rates sagen ! — Auch in einem weiteren Brief er­ klärte der Rat, es wäre seines Achtens. ,,viel besser, die Läuft aller Ende zu bedenken, als sich in diese Weitläufig­ keit, Blutvergießen und Verderben der armen Leut und Land­ schaften/die in Städten und auf dem Land einen so großen Anhang haben, zu begeben“.9) Bei den Eührern des Schwäbischen Bundes freilich blieben diese Bemühungen des Rates um eine friedliche Ver­ ständigung mit den Bauern erfolglos. So mußte denn das Unheil seinen Lauf nehmen ! Dagegen war der Nürnberger Rat nun um so ernstlicher darauf bedacht, daß wenigstens in seinem Gebiet Ruhe und Frieden erhalten blieben. Kurz vor Ostern wandte er sich aufs neue an die Genannten, um mit ihrer Hilfe beruhigend auf die Stadtbevölkerung einzuwirken. Auch hier wies er darauf hin, daß der Aufruhr der Bauern zum nicht geringen

189 Teil dadurch hervorgerufen worden sei, daß manche Obrig­ keiten ihren Untertanen die Verkündigung des göttlichen Wortes vorenthalten und verboten hätten, aber auch durch die übermäßige Belastung des armen Mannes. Der Rat aber habe sich seinen Untertanen gegenüber stets so verhalten, wie es christlichen Regenten gezieme und gedenke das zur Erhaltung brüderlicher Liebe und Einigkeit auch fernerhin zu tun, sadaß niemand einen Grund zur Klage habe. Trotzdem müsse , er hören, daß etliche seiner Unterthanen gegen ihn allerlei ungeschickte Reden führten und gerne sähen, daß der Aufruhr auch in des Rats Gebieten um sich greife. Das schmerze ihn tief. Darum bitten die Genannten, wo sie solch ungeschickte Reden oder anderes, das dem Ungehorsam und Aufruhr in der Stadt und auf dem Lande förderlich sein könne, vernehmen würden, daß sie die Leute möglichst davon abweisen und Anzeige erstatten, und so zur Herbei­ führung und Erhaltung geordneter Zustände mitwirken möchten. Am Donnerstag nach Ostern ließ dann der Rat einen allgemeinen Aufruf an alle Untertanen in der Stadt und ,,Armeleut“ auf dem Land ergehen, in welchem er das den Genannten Vorgetragene noch weiter ausführte. Insbeson­ dere wies er auf die bisherigen Mißerfolge und Niederlagen der Bauern hin und auf die schlimmen Böigen, die ein endgiltiges Scheitern ihres Unternehmens mit sich bringen werde. Noch einmal warnt er seine Untertanen vor der Beteiligung am Aufruhr und versichert sie, daß er ihnen zum Besten damit rate. Hielten sie sich ruhig, so werde er sie vor jedem Unrecht schützen. Auch sei das Bundesheer im Anzug, das diesen. Schutz zu verstärken in der Lage sei,10) Mit seinen Gesandten beim Bundesheer blieb der Rat in ständiger Fühlung, indem er sie über die Vorgänge im eigenen Gebiet, wie in der Umgebung auf dem Laufenden hielt, Ratschläge für die eigenen Maßnahmen erbat und Wünsche und Anregungen für die vom Bund zu treffenden äußerte. Die Berichte, welche in den überaus kritischen Wochen des Monats April an die Gesandten gingen, be-

künden ein reiches Maß an Umsicht und Klugheit des Han­ delns», wie auch der Gerechtigkeit, welche der Rat in seinen Urteilen, wie in seinen Maßnahmen beiden kämpfenden Parteien widerfahren ließ. Wo es möglich war, suchte der Rat zu vermitteln und eine Verständigung herbeizuführen; zwischen den Bauern und den Bundesständen, in Windsheim und Rothenburg, wo die Bürgerschaft gegen den Rat, wie in Bamberg und Würzburg, wo jene gegen den Bischof aufgestanden war. Im eigenen Haus hielt der Rat auf Ruhe und Ordnung. Wo dabei Bitten, Warnung und Mah­ nung nicht half, ließ er es auch am Ernst nicht fehlen.11) In einem Erlaß vom 25. April, den er durch die Viertels­ meister und deren Hauptleute in jedes Haus bringen ließ, gab er zwar zu, daß den Bauern von ihren Herren Unrecht geschehen sei, aber er wies auch auf die Ausschreitungen der Bauern hin, durch welche diese Unschuldige mit den Schuldigen schädigten und mit denen sie sich ebenfalls als unchristlich erwiesen hätten. Mit ernsten Worten tadelte er auch diejenigen unter seinen eigenen Bürgern und Unter­ tanen, welche jetzt Partei für die Bauern nahmen und auch ins Nürnberger Gebiet den Aufruhr tragen wollten.12) Am gleichen Tag ordnete der Rat an> daß die beiden Ratsherren Barthel Haller und Seyfried Coler an bestimm­ ten Tagen Sprechstunden in den einzelnen Orten des Nürn­ berger Gebietes halten sollten, in denen sie von den Unter­ tanen auf dem Land Klagen und Beschwerden entgegen­ nehmen, sie beraten und auf ,,ziemliche, brüderliche und leidenliche Mittel“ mit ihnen handeln könnten.13) Um die Stadt zu schützen, beschloß der Rat, 1200 Knechte, zum Teil aus der eigenen Bevölkerung anzu­ werben. Um jede Zusammenrottung auf dem Land zu verhindern,, wurden kleine Abteilungen in die Schlösser des Adels in der Umgebung, wie auch nach Altdorf, Lauf, Hersbruck und Velden gelegt.14) Damit kein geraubtes Gut, oder solche, die bei den Bauernhaufen gewesen waren,, in die Stadt kommen könn­ ten, ordnete der Rat an, daß das Vestnertor und das Irrertörlein (jetzt Hallertor) ständig geschlossen bleiben sollten.

Die übrigen Tore wurden mit Genannten des Rates besetzt, welche auf alle Ein- und Ausgehenden acht haben sollten. Insbesondere sollten sie fremde Fuhrleute, Boten und Bauern, welche in die Stadt wollten, befragen, woher sie kämen, was sie in der Stadt zu tun,, und ob sie Briefe hereinzubringen hätten. Verdächtige Briefe, welche bei Ankommenden gefunden würden, sollten dem Rat über­ bracht werden. Boten, welche Briefe an Privatpersonen zu überbringen hätten, sollten zu dem Empfänger begleitet und letzterer gefragt werden, was die Bauern ihnen geschrieben hätten. Die Tore durften erst eine halbe Stunde nach Tages­ anbruch geöffnet werden. Vor dem Aufsperren sollten die Türmer fleißig Umschau halten,, ob feindliche Kriegshaufen in der Nähe der Stadt zu sehen seien.15) Da die beiden unter dem Schutz des Rates stehenden auswärtigen Frauenklöster durch Bauernhaufen gefährdet schienen, schickte der Rat Sigmund Fürer und Bernhard Baumgärtner nach Engelthal und Martin Geuder und Christoph Coler nach Pillenreuth, um den Insassen beider Klöster zu empfehlen, sie möchten, da der Rat sie draußen nicht schützen könne, sich in die Stadt herein begeben und die Verwaltung des Klosters und seiner Güter dem Pfleger des gemeinen Kastens überlassen. Sollten welche von ihnen es vorziehen, zu ihren Freunden zu gehen, so sei der Rat auch damit einverstanden. In diesem Fall werde er jeder ein ziemliches Leibgeding zukommen lassen. Die von Pillenreuth fügten sich. Sie wurden bei Konrad Haller untergebracht und freundlich aufgenommen. Da­ gegen weigerten sich die von Engelthal, ihr Kloster zu verlassen. Nun forderte der Rat die Uebersiedlung und setzte ihnen dafür einen Termin. Doch gestattete er ihnen, nach Hersbruck zu gehen, wenn ihnen das lieber sei. Aus­ drücklich versicherte er, daß es den Klosterfrauen freistehe, in ruhiger Zeit wieder in ihr Kloster zurückzukehren.16) Am 13. Mai erschienen bei dem Rat drei Gesandte der Bauernschaft aus dem Odenwald und Neckartal, welche damals das Schloß zu Würzburg belagerten, mit der Bitte um Bescheid, ob der Rat und seine Bürgerschaft, wenn das

Bauernheer in die Gegend von Nürnberg kommen würde, sich zu ihnen halten, oder gegen sie stellen werde. Durch Hans Ebner und Martin Tücher wurde ihnen geantwortet, der Rat habe sich je und je bemüht, daß der gemeine Mann von den vielfachen Schädigungen und den übermächtigen Lasten befreit würde. Trotz allen Widerspruchs habe er sich für die freie Verkündigung des Evangeliums eingesetzt. Weder durch Fürsten, noch durch andere habe er sich gegen die Bauern einnehmen lassen. Er halte auch weiter an Gottes Wort fest und werde alle daraus erfolgenden Beschwerungen der Seinen abwehren. Gegen die Bauern gedenke er nicht zu handeln. Aber mit ihnen zu sein, könnte er bei den Pflichten, mit denen er dem Kaiser und Reich und dem Bund zu Schwaben verbunden sei, nicht verant­ worten. Der Rat hoffe, die. Bauern würden schon wegen des wenig fruchtbaren Bodens, der ihnen nicht genügend Proviant biete, das Nürnberger Gebiet meiden und gegen die Stadt nichts unternehmen ! Die Gesandten teilten darauf vertraulich mit, die Bauern würden, wenn sie zu Würzburg ihr Vorhaben aus­ geführt hätten, gegen den Markgrafen ziehen und ihn ver­ derben. Dafür wünschten sie zu wissen, ob die Stadt ihnen mit Geschütz, Pulver und Mannschaften zu Hilfe kommen, oder gegen Bezahlung solches liefern wollte, mit Rücksicht darauf, daß sie nur gegen diejenigen handeln würden, welche bisher wider Gottes Ehre, Recht und Billigkeit viele Leute, besonders auch Nürnberg beschädigt hätten. Um sich gegen solche Beschädigungen zu schützen, habe sich’s der Rat bisher viel, kosten lassen; jetzt könne er das ohne Mühe erreichen. Jedenfalls wollten die Bauern gegen den Rat nichts unternehmen. Darauf entgegneten die Beauftragten, der Rat wolle und müsse dem Markgrafen als seinem Bundesgenossen die Treue halten; aber er werde auch nicht gegen die Bauern kämpfen. Daran sollten sie sich genügen lassen und das nicht gering .achten. Auch gegen seine Bundesgenossen ihnen Geschütz, Pulver und Mannschaften zu stellen, könne er nicht verantworten. Noch einmal wiederholten die Ge-



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sandten ihre Bitte mit der Begründung, was nicht christlich sei, brauche man nicht zu halten. Könne aber der Rat ihnen nicht entgegenkommen, so müßten sie sich zufrieden geben. Sollte jedoch der Rat Hilfe brauchen, so würden sie mit dem gleichen Maß messen, mit dem man ihnen jetzt messe.17) Nürnberg befand sich damals in einer schwierigen Lage. Die aufrührerische Stimmung in der Stadt und deren Um­ gebung nahm bedrohlich zu. Auch mußte man eines Ueberfalls der Bauern gewärtig sein. Der Rat saß, wie er an Kreß schrieb, ,,in der rechten Hatz“. Der Schwäbische Bund hatte ihn um ein Darlehen von 6000 Gulden gebeten und der Bitte die Drohung hinzugefügt, einer etwaigen Ablehnung werde man ,,künftig gedenken“. Das empfand der Rat als Unfreundlichkeit und verwahrte sich kräftig dagegen. Er habe dem Bund gegenüber stets seine Schuldigkeit getan und werde nun für seine Pflichterfüllung damit belohnt, daß er ständig ,,mit gefaßtem Schild sitzen“ und sich’s gefallen lassen müsse, daß man ihn über sein Vermögen belaste und ihn dazu noch mit unfreundlichen Drohungen bedenke. Das Darlehen gewährte schließlich der Rat, aber nur auf ein Jahr und unter der Bedingung, daß ihm dasselbe auf etwa in der Folge noch kommende Anschläge angerechnet werde und daß der Bund das Geld selbst in Nürnberg abholen lasse. Dazu fügte er noch die Bemerkung, es scheine, daß die Bündischen den Rat für ihre Hintersassen hielten, die stets bereit sein müßten, ihnen Geld zu liefern, während die Fürsten nichts zahlen wollten. Als weitere Antwort gab der Rat an seinen Gesandten beim Bund den Auftrag, dringend zu fordern,, daß der Bund mit seinem Kriegsvolk baldigst in das Nürnberger und Bamberger Gebiet komme, um beide Gebiete gegen einen Angriff der Bauern zu schützen.18) Der Rat zu Würzburg, der mit seiner Bürgerschaft auf die Seite der den Bischof in der Marienburg belagernden Bauern getreten war, glaubte dem Nürnberger Rat Vor­ würfe darüber machen zu sollen, daß dieser dasx Gesuch der Bauern um Geschütz, Pulver und Mannschaften abgelehnt 13

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habe. Der Rat antwortete, es wäre gegen alle Treue gehan­ delt, wenn Nürnberg die Bauern gegen seine Bundesgenossen unterstützte. Wenn die Bauern sich berühmten, Aufrichter des Evangeliums zu sein, dann müßten sie auch Nürnberg dabei bleiben lassen und ihnen keine Veranlassung geben, gegen die Bauern zu handeln.19) Ein recht trübes Stimmungsbild gab der Rat in einem Brief vom 15. Mai an Christoph Kreß. Im markgräflichen Gebiet waren die Städte Kitzingen, Uffenheim, Kregling, Prichsenstadt und andere Orte zu den Bauern übergegangen. Letzere hatten auch Neustadt und alle Aemter an der Aisch eingenommen. Die markgräflichen Bauern im Amt Cadolzburg schickten sich an, Schlösser,, Klöster und Dörfer zu zerstören. Die Gesandten der Bauern waren am 13. Mai von Nürnberg so ,,trutzig, prächtig und stolz abgeschieden, als ob die Welt ihr eigen sei“, sodaß man in Nürnberg an­ nehmen mußte, sie würden jetzt gegen die Nürnberger Flecken und Schlösser vorgehen. Hatten sie doch bei ihrem Weggehen geäußert, sie wollten im ganzen Land kein Haus stehen lassen, das besser sei als ein Bauernhaus ! Der Rat stellte auch fest, daß die Bauern in den Nürnberger Land­ orten viel schlimmer gehaust hätten, als in Schwaben. Aber er war überzeugt, daß, wenn das hündische Kriegsvolk bald nach Franken käme, und ,,dieser höllische Haufe“ in Fran­ ken getrennt und geschlagen würde, so würde allen Landen und dem Bund geholfen. Darum sollte Kreß dringend for­ dern, daß das Bundesheer nach Franken komme. Sollte das nicht geschehen, dann müßten für Nürnberg wenigstens 500 Mann zu P,ferd und 3000 zu Fuß geschickt werden. Damit hoffe der Rat etwas Tapferes auszurichten. Man möge doch bedenken, wie unbillig und hochbeschwerlich es für Nürnberg wäre, wenn dieses nur die hohen Kosten im Bunde tragen müßte, aber nur die schwäbischen Bischöfe, Prälaten und Aebte und ,,dergleichen Gesind“ beschützt würden, Nürnberg aber, dem die Not auf dem Halse liege, keine Hilfe erhalten könnte ! 20) Nürnberg hatte sich, als bekannt geworden war„ daß die Bürgerschaft zu Bamberg gegen den Bischof aufgestanden

195 war, alsbald dem Bischof, wie der Stadt zu gütlicher Unter­ handlung zwischen beiden angeboten. Der Rat erhielt jedoch von den ,,verordneten Hauptleuten und Befehls­ habern der Stadt Bamberg“ ein Schreiben mit der Anfrage, ob der Bischof mit Nürnberg in Einigung stehe, und wessen sie sich vom Rat versehen sollten. Dieser gab eine ,,ehrbare Antwort“ und wiederholte sein Anerbieten, erhielt jedoch von beiden Seiten den Bescheid, daß die Irrungen zwischen ihnen bereits verfaßt seien und weitere Vermittlung unnötig sei. Es wurde denn auch zwischen beiden ein ,,schriftlicher Anlaß“ aufgerichtet, aufgrund dessen über alle Irrungen verhandelt werden sollte, wobei die Beschwerden der Armenleute zuerst erledigt werden sollten. Ferner war dem Rat bekannt geworden, daß die Stadt nur den Bischof als ihren Herrn haben wollte und nicht auch das Domkapitel, und daß ein Teil der Domherrn, der Priester und Mönche in den Klöstern dem Rat der Stadt als Bürger gehuldigt hätten. Alle Höfe der Domherren außer zweien waren zer­ stört und ausgeplündert. Es scheint also die Auflehnung der Bürgerschaft vor allem gegen das Domkapitel gerichtet gewesen zu sein. Bei der Verständigung mit dem Bamberger Rat habe der Bischof sogar eingewilligt, daß der Rat den früheren Prediger von St. Gangolf Johann Schwanhäußer, der wegen seiner evangelischen Gesinnung aus Bamberg hatte weichen müssen und nach Nürnberg als Prediger an das Katharinenkloster berufen worden war, wieder zurückforderte. Darauf beurlaubte der Nürnberger Rat Schwanhäußer auf 3 Monate nach Bamberg. Aber schon am 19. Mai hörte man in Nürnberg, daß die Irrungen in Bamberg aufs neue ausgebrochen seien. Wieder ermahnte Nürnberg zur Verständigung. Als Christenleute müßten sie aus dem Evangelium wissen, daß man um das Zeitliche nicht streiten, Blut vergießen und Land und Leute verderben solle. Auch jetzt bot sich der Rat als Vermittler an. Am 25. Mai konnte er dem Bischof mitteilen, daß nun­ mehr die Bürgerschaft, wie die Bauern in die auch vom Bischof gebilligte gütliche Verhandlung eingewilligt hätten.21) 1?*

Während nun diese Verhandlungen noch schwebten, hatte der Nürnberger Rat Veranlassung, gegenüber der Bambergischen Bauernschaft auch eigene-, wie seiner Bürger Interessen zu vertreten und zu schützen. Die dortigen Bauern hatten dem Anton Tetzel angedroht, seine im Bamberger Gebiet liegenden Güter anzugreifen. Der Rat wandte sich an die Hauptleute mit der Bitte, das zu ver­ hindern und ihm nicht Anlaß zu Gegenhandlungen zu geben. Ferner wollten die Bauern das durch Sigmund Pfinzing vom Bischof käuflich erworbene Schloß Marloffstein zerstören. Auch dagegen erhob der Rat Einspruch. Endlich hatten die Bambergischen Bauern den Versuch gemacht, durch Briefe und andere Mittel Nürnberger Untertanen gegen ihre Obrigkeit aufzuwiegeln. Der Rat verbat sich das und erklärte den Bauern, wenn sie diese Versuche nicht auf geben würden, müßte er sie als seine größten Feinde ansehen und sich ernstlich dagegen wehren.22) Zur Beruhigung und Befriedung seiner Untertanen hatte der Rat schon am 23. Mai eine Verfügung erlassen, durch welche eine Neuregelung der Zehnten getroffen wurde. Diese bedeutete eine nicht unwesentliche Erleich­ terung für die Leistungspflichtigen. Alle sogenannten leben­ digen Zehnten von Tieren, z. B. von Füllen, Kälbern, Läm­ mern, Schweinen u. dergl., wie auch der sogenannte tote Zehnten von Heidel, Hirse, Heu, Hopfen, Kraut, Rüben u. dergl. wurden aufgehoben. Bei den sogenannten harten oder großen Zehnten von Korn, Weizen, Dinkel, Gerste und Hafer sollte nach wie vor die zehnte Garbe gegeben oder genommen werden. Wo jedoch von altersher nur die fünf­ zehnte, zwanzigste oder dreißigste, oder gar kein Zehnt gegeben oder genommen wurde, sollte es auch weiterhin so bleiben.23) Eine weitere Erleichterung, welche auch der städtischen Bevölkerung zugut kam und von großer wirtschaftlicher Bedeutung war, gewährte der Rat, indem er für die auf Häusern und Grundstücken lastenden Erbzinsen die gesetz­ liche Möglichkeit der Ablösung schuf. Da diese Möglichkeit bisher nicht bestanden hatte, war es den Aufstrebenden

197 unmöglich gewesen, zu einem schuldenfreien Grundeigentum zu kommen. Von jetzt an sollte es jedem Bürger zu jeder­ zeit gestattet sein, alle und jede „Weysat“ und Eigenzinsen, mit denen sein Haus oder andere liegende Güter belastet waren, abzulösen. Die Ablösungsbeträge wurden in gerech­ ter Weise festgesetzt. In Streitfällen, welche dabei zwi­ schen den Eigenherren und Erbleuten entstehen konnten, behielt sich der Rat vor, nach Billigkeit zu entscheiden. Der Wunsch zur Ablösung mußte dem Eigenherrn ein halbes Jahr zuvor angezeigt werden. Da das Gold zu jener Zeit sehr hoch im Kurs stand, wurde gestattet, die Ablösung statt in Gold in Münz vorzunehmen. Die Bezahlung der Gatter- und Hauszinse wurde dadurch erleichtert, daß die­ selben ebenfalls in Münz geleistet werden konnten. Das Ungelt'‘ sollte von nun an halb in Gold und halb in grober Münz bezahlt werden. Das Marktgeld wurde abgeschafft. Ebenso die „Stolgebühren“, welche an die Geistlichen für Amtshandlungen zu zahlen waren. Den Wohlhabenden wurde dabei empfohlen, diese bisherigen Leistungen dem großen Almosen zuzuwenden. Von ,,der gemeinen Anlage für Krieg und Polizei“ sollten diejenigen Bürger befreit sein, welche nicht mehr als ioo Gulden zu Verlosungen hatten.24) Angesichts aller dieser Erleichterungen und sonst geübter Fürsorge glaubte der Rat erwarten zu dürfen, es würden nun alle seine Untertanen des Rates väterliche und getreue Neigung bedenken und zu Herzen nehmen, ,,wie leidlich und wohl ein jeder in dieser Stadt vor anderen im Reich sitze, und wie herzlich und gut es ein Rat gegen sie alle meine, und demnach einem Rat um so geneigter billigen bürgerlichen Gehorsam erzeigen.“ Zur Vervollständigung des Bildes sei hier noch eine weitere bedeutsame soziale Tat des Nürnberger Rates vorausgenommen und eingefügt, wiewohl sie erst einige Wochen später gegen Ende Juli erfolgte. Um diese Zeit brachten die Pfleger und Verwalter des Almosens dem Rat zur Kenntnis, daß manche von den Gütern auf dem Land,, auf welchen Zinsen und Gülten ruhten, die nun an das

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Almosen bezahlt werden mußten, derart überlastet seien, daß die Zahlungspflichtigen die Abgaben nicht mehr er­ schwingen und die betreffenden Güter nicht mehr erhalten könnten. Die Pfleger wurden daher vom Rat ermächtigt, die Lasten der zu hoch beschwerten Güter entsprechend zu ermäßigen. Ferner sollten sie den Inhabern solcher Güter gestatten, ihr unverkäufliches Getreide zur Ablösung einiger Lasten zu verwenden. Alte Schulden sollten ganz oder teil­ weise erlassen werden, damit die Güter den Inhabern erhalten bleiben könnten.25) Als die Bauern vor Würzburg und Bamberg gezogen waren und die Würzburger Bürgerschaft gezwungen hatten, auf ihre Seite zu treten, befürchtete Markgraf Casimir einen Angriff auch auf sein Gebiet. Darum berief er Vertreter seiner bäuerlichen Untertanen nach Ansbach, um ihre Beschwerden zu hören. Diese stellten vier Forderungen, nämlich daß sie das Wild, welches ihre Felder verwüste, außerhalb der Wälder abschießen dürften, und ihnen als Lohn dafür die Haut überlassen werde; daß die Geistlichen in des Markgrafen Gebiet verpflichtet werden sollten, mit den Weltlichen die allgemeinen Bürden zu tragen und Bürger zu werden; daß ihnen aus den staatlichen Wäldern Holz zum Bauen unentgeltlich abgegeben werde; endlich daß man ihnen den Aufwechsel am Gold erlasse. Der Mark­ graf hatte diese Forderungen bewilligt und sich erboten, mit einem kleinen Ausschuß' der Bauern weiter zu ver­ handeln. Was bei anderen Fürsten und Obrigkeiten in anderen Stücken bewilligt würde, wolle er ihnen auch gewähren. Trotzdem hatten sich viele seiner Untertanen gegen ihn aufreden lassen und waren zu den Haufen der Bauern übergegangen. Nun sandte der Markgraf drei seiner Räte : Hans von Seckendorf, Veit von Lentersheim und Georg von Streitberg, an den Nürnberger Rat mit der Bitte, dieser möge ihm mit 2000 Mann zu Fuß und dem notwendigen Geschütz, oder ,wie man sich einige, zu Hilfe kommen. Der Rat ließ jedoch durch Jakob Muffel und Martin Tücher antworten, er bedaure die schwierige Lage des Markgrafen,

199 aber diesem bewaffnete Hilfe zu leisten, sei ihm zur Zeit nicht möglich, da er mit den Bauern vor Würzburg, die ihn ebenfalls um Hilfe angesucht, denen er jedoch eine abschlä­ gige Antwort gegeben habe., noch anhängig sei und die Antwort derselben abwarten müsse.26) Der Rat war über­ haupt entschlossen, neutral zu bleiben und über das hinaus., wozu er als Mitglied des Schwäbischen Bundes verpflichtet war, keiner der beiden Parteien Hilfe zu leisten. Ein An­ suchen des Pfalzgrafen Friedrich und des Bischofs von Eichstätt hatte er schon früher abgelehnt und das mit den eigenen Schwierigkeiten begründet. Ebenso lehnte er später die von den Bauern gegen den Markgrafen gewünschte Hilfe ab.27) In diesen Tagen erhielt der Rat die Nachricht von dem Entschluß der Würzburger Bauern, nunmehr das Nürn­ berger Gebiet zu überziehen, alle Schlösser, Landsitze und Flecken in demselben zu zerstören und die Untertanen auf­ rührig zu machen. Aus einem Brief an Kreß vom 26. Mai ist zu entnehmen, daß an diesem Tage die Sorgenstimmung des Rates ihren Höhepunkt erreicht hatte. Von keiner Seite war Hilfe zu erwarten. Das Heer des Bundes war weit entfernt. Die Stadt war gegen einen Ueberfall nur ungenügend gerüstet. Das schlimmste aber war, daß ein nicht geringer Teil der Bürgerschaft sich „ganz ungeschickt, mutwillig und ungezähmt“ verhielt und große Neigung zeigte, im Fall eines Angriffs der Bauern es mit diesen zu halten. Wohl hatte Volkamer geschrieben, daß der Bund im äußersten Notfall der Stadt 200 Berittene und 2000 Mann zu Fuß zu Hilfe schicken wolle; aber diese waren noch nicht einmal beisammen, und bis sie kamen, konnte viel Unheil geschehen. Die Schlösser von Ermreut und Marloff­ stein wurden bereits von den Bauern berannt und mußten in wenigen Tagen fallen. Trotzdem aber bewahrte der Rat Gottvertrauen, Ruhe und Festigkeit.28) In diesen Tagen schien denn auch die vom Rat ersehnte Wendung einzutreten ! Die Bauern vor Würzburg fingen an einzusehen, daß sie die Festung des Bischofs doch nicht bezwingen könnten, obwohl 40 Bergknappen' dieselbe zu

200

untergraben und zu sprengen suchten. Dazu kam, daß sie einen Teil ihres Belagerungsheeres abgeben und dem heran­ rückenden Bundesheer entgegenschicken mußten. So mußte der Angriff auf Nürnberg unterbleiben. Ferner war die Nachricht von der entscheidenden Niederlage der Bauern in Thüringen eingetroffen, wodurch die Siegeszuversicht der Bauern in Franken wesentlich herabgestimmt wurde. Jetzt erschien in Nürnberg eine Gesandtschaft des Rates zu Würzburg mit dem Ersuchen, der Nürnberger Rat möchte sich bei der Führung des Bundesheeres dafür einsetzen, daß „ein gütlicher Anstand“ verabredet werde, um weiteres Blutvergießen und Verwüstung des Landes zu verhüten. Wohl sandte daraufhin der Rat seinen Pfleger von Schwar­ zenbruck zum Oberbefehlshaber des Bundesheeres Georg Truchseß zu Waldburg, damit er mit diesem in dem gewünschten Sinne handle; aber die weitere Bitte des Würzburger Rates um Ueberlassung von Geschütz und Pulver für den Fall, daß der Anstand nicht zustande komme, lehnte der Rat ab.29) Auch die Führer des Bauernheeres vor Würzburg schickten jetzt nach Nürnberg Gesandte mit dem Bericht, sie hätten nunmehr die Stände für den i. Juni zu einem Tag nach Schweinfurt eingeladen, auf welchem „von guten Ordnungen, Aufrichtung des Wortes Gottes, auch Frieden und Recht, sonderlich aber der Obrigkeiten und anderer Sachen halben“ gehandelt werden sollte. Der Nürnberger Rat sprach diesen Gesandten seine Freude über ihren Ent­ schluß zu friedlicher Unterhandlung aus, bemerkte jedoch, daß wenn durch solche Verhandlung etwas Gutes und alle Teile Befriedigendes geschaffen werden solle, für die von ihnen gewünschte Neuordnung der politischen und sozialen Verhältnisse vor allem und ausschließlich Gottes Wort und Wille zur Richtschnur genommen werden müßte. Ihr bis­ heriges gewaltsames Vorgehen könne der Rat nicht für christlich und dem Wort Gottes gemäß ansehen, sondern vielmehr für des Teufels Anschläge, der auch hier das Un­ kraut unter den Weizen gesät habe, um das Evangelium zu entstellen und dessen Heilswirkung zu verhindern. Darum

201

bitte er die Führer dringend, in all ihrem Vornehmen das Ende zu bedenken und sich gegenwärtig zu halten, daß man durch Widersetzlichkeit gegen die Obrigkeit nie zu Recht und Ordnung kommen könne. Den Tag zu Schweinfurt beschickte der Rat nicht. Derselbe fand auch bei der Mehr­ zahl der Stände keine Beachtung, zumal da er auch zu kurz anberaumt war.30) Fun Teil der vor Würzburg gelegenen Bauern war nach Neustadt an der Aisch abgezogen und hatte sich mit den dortigen aufrührerischen Untertanen des Markgrafen ver­ einigt. Es war ihnen gelungen, den Markgrafen in seinem Schloß Hoheneck bei Windsheim einzuschließen. Zur Be­ zwingung des Schlosses baten sie den Rat um großes Geschütz, Eisen, Kugeln, Pulver, Spieße und Proviant. Ihrem Boten hatten sie neben dem Brief an den Rat auch einen solchen an die Bürgerschaft mitgegeben und diese gebeten, falls der Rat ihr Gesuch ablehne, sollten sie diesen zur Erfüllung der Bitte zwingen. Aber dieser zweite Brief wurde dem Boten von der Torwache abgenommen und dem Rat ausgehändigt. Letzterer schrieb darauf den Bauern, es sei bisher in Nürnberg nicht Brauch gewesen, daß die Bür­ ger über den Rat regierten. Den Versuch, die Bürgerschaft gegen den Rat aufzuwiegeln, hätten sie besser unterlassen, zumal die Bauern sich berühmten, Aufrichter und Hand­ haber des göttlichen Wortes zu sein, welches doch den Gehorsam gegen die Obrigkeit fordere. Ihnen Geschütz und anderes zum Kampf gegen den Markgrafen zu geben, sei dem Rat unmöglich, da er mit demselben in Bundeseinigung stehe.31) Trotz dieser auch hier bewiesenen Neutralität mußte Kreß am 4. Juni dem Rat berichten, er müsse bei dem hündischen Heer allerlei „spitzige Reden“ hören, als hätte Nürnberg, um von den Bauern nicht geschädigt zu werden, heimlich zu diesen geholfen und sie unterstützt. Der Rat antwortete Kreß, er wundere sich über solche Reden der­ jenigen nicht, die ihm nicht gönnten, daß er keinen größeren Schaden gehabt. Er habe jedes Gesuch der dauern um Kriegsmittel abgelehnt und ihnen weder öffentlich, noch

202

heimlich etwas gegeben und habe dadurch die B'auern sehr erzürnt.

Wenn

sie

jedoch

am

Anfang

bei

Nürnberger

Bürgern etwas gekauft hätten, habe er dem nicht gewehrt. Das habe ihn ,,der Markt und die Not gelernt“. So habe er es aber auch gegenüber den Fürsten und dem Adel gehalten. Hätte der Rat seinen Bürgern verboten, etwas zu verkaufen, dann hätte

er

den

eigenen Haus gehabt.

größten

und

schädlichsten Krieg

im

Auf den Bund, der viel zu langsam

vorgegangen sei, habe man sich ja auch nicht verlassen können ! Das sollten die Nürnberger Gesandten jedem sagen, der das nicht wisse.32) Inzwischen

war der Teil

des Bauernheeres,

welcher

gegen die» Bündischen gezogen war, von diesen bei Königs­ hofen im Taubertal völlig aufgerieben worden.

Der Führer

desselben, Götz von Berlichingen, hatte das Heer unter dem Vorgeben, mehr Truppen herbeizuholen, 4 oder 5 Stunden vor dem Angriff der Bündischen verlassen und war geflohen.

Sö geschah es, daß hier 4000 Bauern erschlagen

wurden ! 33) Jetzt erschienen von den Hauptleuten und Räten der Würzburger Bauern und von den zu Schweinfurt versam­ melt gewesenen Botschaften Gesandte in Nürnberg und baten den Rat unter Berufung auf dessen früheres Erbieten zu

Vermittlungsverhandlungen,

dieser

wolle

mit

ihren

Herren und dem Schwäbischen Bund über einen Waffen­ stillstand verhandeln.

Der Rat bestätigte seine wiederholt

bekundete Bereitwilligkeit zu gütlicher Vermittlung, fügte jedoch hinzu, man habe ihm seinerzeit auf sein Erbieten nicht nur keine Antwort gegeben, sondern ihm sogar ge­ droht, auch ihn mit Krieg zu überziehen. Daraus habe der Rat geschlossen, daß die Bauern zum Frieden und zu güt­ licher Verhandlung nicht geneigt seien, oder ihn nicht zum Unterhändler wollten.

Vor kurzem habe er sich auch dem

Markgrafen zur Vermittlung zwischen diesem und seinen aufrührerischen Untertanen angeboten, aber es habe auf beiden Seiten1 am guten Willen dazu gefehlt. Jetzt fürchte er, daß es zu spät sei und die Bündischen nicht mehr auf gütliche Handlung eingehen würden, zumal da die Stände

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und Räte des Bundes, ohne deren Zustimmung die Heer­ führer nichts unternehmen könnten, zur Zeit nicht beim Heer weilten. Es handle sich jetzt auch nicht mehr um eine Sache der Fürsten, sondern allein des Bundes, der auf Drängen der Fürsten den Krieg führe. Durch das lange Hinausschieben der angebotenen Verhandlungen durch die Bauern sei dem Rat jetzt jeder Weg zu einer Vermittlung verbaut. Es bleibe jetzt nur übrig, sich in die Sache zu schicken.34) Dasselbe Ansuchen wie die Würzburger Bauern hatten auch die um Bamberg an den Nürnberger Rat gerichtet. Dieser übersandte denselben seinen den Würzburgern erteil­ ten Bescheid und fügte hinzu, er habe auch seine Bundes­ räte Kreß und Volkamer ersucht, für die Bauern beim Bund soviel als möglich einzutreten. Insbesondere habe er sich für die beiden Städte- Würzburg und Bamberg eingesetzt, welche beide mit Recht erklärten, sie hätten sich nur gezwungen am Aufstand beteiligt.35) Am 7. Juni mußte sich die Stadt Würzburg nach kurzer Belagerung dem hündischen Heer auf Gnade und Ungnade ergeben. In einem Ring, welchen die beim Heere anwesen­ den Fürsten des Bundes gebildet hatten, verlas der Oberfeld­ herr Georg Truchseß die Namen von 65 Würzburger Bür­ gern, welche er sofort nach der Uebergabe der Stadt hatte verhaften lassen. Diese wurden vorgeführt und in Gegen­ wart der Fürsten enthauptet. Viele von ihnen waren am Aufruhr überhaupt nicht beteiligt gewesen; aber sie waren verdächtig, evangelisch gesinnt zu sein ! Daß diejenigen, welche es mit den Bauern gehalten, von den letzteren dazu gezwungen worden waren, wurde nicht berücksichtigt. Außerdem wurden noch 15 der reichsten Bürger der Stadt verhaftet, auf das Schloß geführt und dort enthauptet. Die Stadt wurde dem Kriegsvolk zur Plünderung übergeben.36) Nachdem das grausame Blutgericht in Würzburg voll­ zogen war, zog Georg Truchseß mit seinem Heer nach Bamberg. Um womöglich zu verhindern, daß hier ebenso ungerecht und grausam verfahren werde, wie in Würzburg, schickte der Nürnberger Rat Martin Tücher, Bernhard

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Baumgärtner und Stephan Gollner nach Bamberg mit dem Auftrag, den Bischof zur Milde gegerl seine Untertanen zu bewegen. Freilich mußten die Gesandten schon bald berich­ ten, der Bischof, der sie zunächst freundlich aufgenommen habe, scheine zu gütlicher Verhandlung nicht mehr viel Lust zu haben; denn er schiebe dieselbe hinaus, wohl in der Hoffnung, mit Hilfe des Bundesheeres und seines Anführers mehr zu erreichen, als durch Verhandlung. Wohl rieten ihm die Nürnberger Gesandten, die Stadt nicht dem Bundesheer preiszugeben, sondern die Beschwerden zu berücksichtigen, aus denen der Aufruhr entstanden sei. Aber das machte wenig Eindruck. Durch seinen Gesandten, den Pfleger von Schwarzenbruck, der eben von seiner zweiten Sendung zum Truchseß zurückgekehrt war, hatte der Rat erfahren, daß letzterer gesonnen sei, ,,die ungehorsame und abfällige Stadt und Landschaft“ streng zu bestrafen. Darum empfahl er seinen Gesandten, ,,einen glimpflichen Abschied zu nehmen“. Wohl wünschte der Bischof, daß diese noch blieben. Doch hatten die Gesandten wie der Rat den Eindruck, der Bischof habe gar nicht die Absicht, seinen Untertanen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, durch die Verhand­ lungen wolle er sie nur hinhalten, um sie ,,in das Spiel mit dem Bund zu bringen“, d. h. dem Gericht des Bundes aus­ zuliefern. Dazu wollte er sich auch der Nürnberger Gesandten bedienen ! Darum wies der Rat jetzt diese an heimzukehren.37) In der Tat hörte man in Nürnberg wenige Tage darauf, daß auf Veranlassung der Bündischen 9 der angesehensten Bürger in Bamberg verhaftet worden seien. Es war allgemein bekannt, daß diese dem Bischof treu ergeben waren. Ihrem Einfluß hatte es dieser zu danken, daß er nicht aus der Stadt vertrieben, sein Schloß Altenburg und sein Hof in der Stadt nicht geplündert und zerstört wurde. Trotzdem ließ es der Bischof zu, daß diese 9 Bürger ver­ haftet und ohne Gerichtsurteil hingerichtet wurden ! Sie waren die reichsten und angesehensten der Stadt. Ihr Ver­ mögen konnte man einziehen und an einige Günstlinge ver­ teilen ! Mehrere Bamberger Domherren, welche beim Be-

2öS

ginn des Aufruhrs aus der Stadt geflohen waren und in Nürnberg eine Zuflucht gefunden hatten, scheuten sich schon während ihres dortigen Aufenthaltes nicht, offen aus­ zusprechen, daß sie nicht ruhen würden bis diese 9 Personen die Zeche mit ihren Köpfen bezahlt hätten; denn sie hätten ,,vorlang .dem Evangelium angehangen“. Diese Domherren werden wohl die Anstifter dieses Verbrechens gewesen sein ! Als der Nürnberger Rat von der Verhaftung jener 9 Bürger hörte, wies er seinen in Bamberg weilenden Bundesrat Christoph Kreß an, sich für dieselben zu verwenden, daß ihnen kein Unrecht geschehe. Aber alle seine Bemühungen waren vergeblich. Darum ritt er aus Bamberg weg, damit niemand sagen könne, der Nürnberger Bundesrat sei auch dabei gewesen.38) Nur das eine hatte er noch erreicht, daß Nürnberger Untertanen, die im Bamberger Gebiet wohnten und etwa der Teilnahme am Aufruhr beschuldigt wurden, ohne Ver­ hör und den Nachweis einer Schuld nicht verurteilt werden sollten. Als dann das hündische Heer seinen Weg nach Forchheim nahm, in dessen Umgegend viele Nürnbergische Untertanen ansässig waren, hatten diese unter der Rück­ sichtslosigkeit der Bündischen schwer zu leiden. Diese führ­ ten große Herden geraubten Viehs mit sich, durch welche sie alle Felder ohne Unterschied abweiden und verwüsten ließen. Ueberhaupt wurden auch die Nürnberger Unter­ tanen, obwohl sie sich nicht am Aufruhr beteiligt hatten, wie Feinde behandelt. Darum ließ der Rat an allen Häusern seiner Untertanen das Nürnberger Wappen anbringen, um dieselben als Nürnberger Untertanen kenntlich zu machen.39) Um jedoch nicht den Schein zu erwecken, als wolle er fremde Untertanen schützen, welche sich gegen ihre Obrig­ keit erhoben hatten und dann in’s Nürnberger Gebiet geflohen waren, ließ der Rat solche Flüchtlinge warnen und ihnen empfehlen, sein Gebiet zu verlassen, da er sie nicht schützen könnte, sondern auf Ansuchen ihrer Obrigkeit Recht gegen sie ergehen lassen müßte.40) Mit dem Strafgericht zu Würzburg und Bamberg war der Schwäbische Bund in der Hauptsache des Bauernauf-

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Standes in Franken Herr geworden. Jetzt sah es derselbe als seine Aufgabe an, gegen diejenigen vorzugehen, welche beschuldigt oder verdächtig waren,, die Aufrührer begünstigt zu haben. Als erster war der Rat der Reichsstadt Winds­ heim durch den Markgrafen Casimir der Anhängerschaft an die Bauern beschuldigt worden. In der Tat hatte hier ein Teil der Bürgerschaft beim Beginn der Unruhen den Ver­ such unternommen, den Rat mit Gewalt zum Anschluß an die Bauern zu zwingen. Aber der Nürnberger Rat, der von dort angerufen wurde, hatte es durch gütliches Zureden erreicht, die unruhigen Bürger Windsheims zur Vernunft zu bringen, und während des ganzen Bauernkriegs war dann in Windsheim Ruhe und Ordnung bewahrt geblieben. Nur hatte der Rat einmal arme Flüchtlinge, denen Haus und Hof verbrannt worden war, in die Stadt aufgenommen und bis zum Ende des Krieges versorgt. Deshalb verklagte der Markgraf die Stadt aufs neue beim Schwäbischen Bund und verlangte, daß ihm das Strafgericht über dieselbe über­ tragen werde. Aber auch jetzt trat Nürnberg durch seinen Bundesrat Christoph Kreß entschieden für die Stadt ein. Kreß setzte es durch, daß die Untersuchung der Windsheimer Sache dem Nürnberger Rat übertragen wurde, welcher der tatsächlich ganz unschuldigen Stadt volle Gerechtigkeit widerfahren ließ.41) Zur gleichen Zeit, wie in Windsheim hatte auch in Rothenburg die Bürgerschaft den Rat gewaltsam abgesetzt und war auf die Seite der Bauern getreten. Auch hier hatte der Nürnberger Rat zusammen mit dem von Schwäbisch Hall zu vermitteln und Ordnung zu schaffen versucht. Aber die Bürgerschaft hatte jede Verhandlung mit der Nürn­ berger Ratsbotschaft abgelehnt und erklärt, sie gedächten die Handlung mit ihrem Rat selbst christlich zu vollenden, sodaß man keine Beschwerde zu haben brauche. Die Schuld daran, daß hier nichts ausgerichtet werden konnte — zum großen Schaden der Stadt — trug Dr. Karlstadt, der bekannte Fanatiker und Unruhstifter, der s. Zt. zu Witten­ berg die große Verwirrung angerichtet hatte. Von dort ver­ trieben, war dieser jetzt nach Rothenburg gekommen und

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hatte auch hier sein Gift ausgesät, die Bürgerschaft auf­ gewiegelt und sie dahin gebracht, daß sie sich mit den Bauern verband. Erst nach der Niederlage der Bauern, als die große Not über die Stadt hereinbrach, erinnerte man sich dort wieder an Nürnberg und bat um dessen Fürsprache bei dem Schwäbischen Bund. Der Rat beauftragte denn auch seine Vertreter bei demselben, tatkräftig für die ver­ führte Stadt einzutreten.42) Auch die Stadt Dinkelsbühl war in Schwierigkeiten geraten dadurch, daß ihre Untertanen auf dem Land durch die Bauern, welche Schloß und Stadt Ellwangen ein­ genommen hatten, auf ge wiegelt wurden. Obwohl der dortige Rat auf Nürnbergs Vorschlag die Sache damals selbst an den Bund gebracht und von da an Ruhe und Ord­ nung bewahrt hatte, nahm der Bund nach der Nieder­ schlagung des Aufstands eine Tagsatzung gegen Dinkels­ bühl und den Rat vor. Obwohl der letztere geltend machte, daß seine Bürger sich nicht freiwillig, sondern gezwungen mit den Bauern eingelassen hätten, wurde die Stadt zur Zahlung einer hohen, für sie unerschwinglichen Geldstrafe verurteilt. Nürnberg riet nun, die Zahlung zu verweigern. Auch hier hatte der Markgraf zum Schaden der Stadt beim Bund geredet ! 43) Noch um eine vierte Reichsstadt Frankens nahm sich damals Nürnberg treulich an und diente ihr mit Rat und Tat : Weißenburg. Diese wurde namentlich durch die auf­ ständischen Bauern aus dem Eichstättischen Gebiet be­ drängt. Diesen war auch ein größerer Teil der Bürger der Stadt zugelaufen. Als die Bauern anfangs Mai durch den Bischof geschlagen worden waren, flüchteten sich viele der­ selben in die Stadt. Der Rat mußte schließlich die Hilfe des Bundes anrufen, um die Bestrafung der Schuldigen, welche der Richter der Stadt beschützte, zu erreichen und so wieder Ruhe und Ordnung zu schaffen. Durch Nürnberg wurde der Rat darin treulich unterstützt.44) Diese Beispiele zeigen uns, daß der Nürnberger Rat jedem zu dienen bereit war, wenn es galt, ihm aus den Schwierigkeiten, welche der Krieg mit sich brachte, heraus-

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zuhelfen, oder dieselben zu mildern. Den Grundsatz, daß man mit Milde und Wohlwollen, mit Menschlichkeit und Gerechtigkeit mehr erreiche als mit brutaler Gewalt und harten, grausamen Strafen, hat der Nürnberger Rat auch dabei immer wieder geltend gemacht, wie er ja auch selbst im eigenen Gebiet nach diesem Grundsatz gehandelt hat, wenn er auch da, wo Warnungen und Mahnungen vergeb­ lich waren, scharf zugriff und sich auch nicht scheute, das Schwert zu gebrauchen. Daß er sich ganz besonders der unschuldig Verfolgten annahm und tatkräftig für sie eintrat, wird für immer ein Ruhmesblatt in der Geschichte Nürn­ bergs bleiben, obgleich ihm in Würzburg und Bamberg kein Erfolg beschieden war, weil dort schnöde Habsucht im Bund mit dem Haß gegen das Evangelium stärker war, als das Gefühl für Menschlichkeit und Gerechtigkeit ! Besonders wohltuend berührt uns das soziale Denken und Fühlen, welches der Rat nicht nur mit Worten, sondern auch mit der Tat bekundete, indem er seinen Untertanen und Armenleuten“ wirtschaftliche Erleichterungen schaffte, wo es immer möglich war. Dieses soziale Denken und Handeln hat ihm und der Stadt auch Segen gebracht. Denn das war es vor allem, was die Stadt und ihr Gebiet vor den Schrecken und Nöten der Revolution in der Haupt­ sache bewahrte und dem Gemeinwesen über diese schwere Zeit hinweghalf. Diese soziale und humane Gesinnung machte um so größeren Eindruck, als bei den meisten Fürsten jener Zeit, bei den weltlichen, wie bei den geist­ lichen, wenig pder nichts davon zu spüren war. Und doch wäre das ganze Unheil und Elend, welches der Bauernkrieg über Deutschland gebracht hat, verhütet worden, wenn man der Mahnung des Nürnberger Rates bei den Fürsten Gehör geschenkt und den tatsächlich stark überlasteten und mit Recht sich beschwerenden Bauern wenigstens die schwer­ sten Lasten erleichtert hätte ! Nach der Beendigung des Bauernkriegs blieb es freilich auch dem Nürnberger Rat nicht erspart, gegen diejenigen seiner Untertanen vorzugehen, welche sich an dem Auf­ stand beteiligt hatten. Dafür wurde eine besondere Kom-

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mission eingesetzt, in welcher als Vorsitzende die beiden Ratsherren Leo Schürstab und Paulus Grundherr walteten. In allen Hauptmannschaften des Nürnberger Gebiets wurde eine Untersuchung angestellt, darüber, wer sich strafbar gemacht habe. Alle diejenigen, welchen nachgewiesen werden konnte, daß sie sich den Aufrührern angeschlossen und bei der Zerstörung und Plünderung fremden Eigentums mitgewirkt hatten, wurden auf Ansuchen der Geschädigten dem Gericht unterstellt. Anstifter und Aufwiegler zum Auf­ ruhr, wie auch Anführer in demselben sollten an Leib und Gütern gestraft werden. Solche dem Rat zu benennen, wurden die Untertanen besonders aufgefordert. Alle LTntertanen, welche nicht als Mittäter angezeigt oder überwiesen waren, mußten schwören, ,,daß ihrer keiner in eigener Per­ son oder durch einen Beauftragten bei einem oder mehreren Haufen der Aufrührer gewesen sei, daß sie zu solchem Aufruhr, tätlichen Handlungen und Beschädigungen der Untertanen Hilfe, Tat und Beistand oder Rat nicht getan haben, auch nicht bei anderen Herrschaften“. Sollte einem, der diesen Eid geleistet, nachträglich bewiesen werden, daß er falsch geschworen habe, so sollte er nicht nur als Mit­ täter, sondern auch wegen Meineids bestraft werden. Nach­ dem der Rat alle seine Untertanen wiederholt schriftlich und mündlich vor der Beteiligung am Aufstand hatte warnen lassen, und auch von den Aufständischen in der Umgebung Nürnbergs wiederholt gefordert und auch die Zusage erhalten hatte, daß sie keinen Nürnberger Unter­ tanen durch Ueberredung oder Gewalt zu sich ziehen wollten, wurde die Kommission angewiesen, eine Entschul­ digung Angeklagter, sie seien mit Gewalt zum Aufstand gezwungen worden, nicht gelten zu lassen. Der größere Teil der Verdächtigen konnte sich durch den Eid reinigen. Die das nicht konnten, mußten das Nürn­ berger Gebiet für immer, oder für eine bestimmte Zeit ver­ lassen. Im allgemeinen wurde, wo es immer möglich war, milde geurteilt. Das Maß der Strafen war den beiden Ratsherren überlassen.45) 14

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Nürnberger Untertanen aus Wendelstein, 8 an der Zahl, hatte das Markgräfliche Gericht nach Schwabach vorgeladen, weil sie beschuldigt worden waren, während des Aufruhrs einige Tage bei den auf dem Mässinger Berg versammelten Bauern gewesen zu sein.

Der Rat verbot ihnen, der Vor­

ladung Folge zu leisten,

nachdem

er

selbst

sie

Geständnis hin mit je 2 Gulden bestraft hatte. hatte

allen

Grund,

sich

seiner

Untertanen

auf

ihr

Der Rat

anzunehmen.

Nicht nur, daß das Markgräfliche Gericht hier nicht zu­ ständig war;

die Angeschuldigten

wären dort auch viel

schwerer bestraft worden, wie denn Markgraf Casimir seine am Aufruhr beteiligten Untertanen vielfach mit großer Grausamkeit bestrafte.

So hatte er 70 Bauern die Augen

ausstechen lassen, und sie so

für

ihr

ganzes Leben

zu

unglücklichen, armen Bettlern gemacht ! 40) Waren die Bauern im vollen Recht gewesen, als sie im Namen des Christentums, wie Luther es vertrat und zur Geltung bringen wollte, eine soziale Neuordnung für ihren Berufsstand forderten, so hatten sie dieses gute Recht selbst in’s Unrecht gesetzt, indem sie sich hatten verleiten lassen, ihre Forderung durch Empörung und Aufruhr, Krieg und Gewalttat durchsetzen zu wollen. Andererseits war für die Fürsten, zumal für die geistlichen, die in der Bauernbewe­ gung vor allem ,,die lutherische Sache“ sahen, die Bekämp­ fung des Aufstands zugleich zu einem Kampf gegen Luther und seine Sache geworden.

In Würzburg und Bamberg

hatte sich das mit besonderer Deutlichkeit gezeigt und der Kampf hatte ,hier die übelsten Formen angenommen.

Die

Unterdrückung des Aufstandes war zur Gegenreformation geworden ! Daß diese Gegenreformation in den katholischen Gebie­ ten sich nicht nur auf einzelne und besondere Straffälle beschränkte, beweist uns die Tatsache, daß der Nürnberger Rat sich gezwungen sah, seine Gesandten, die er am 13. Juli 1525 zu einer Tagung des Fränkischen Kreises nach Forchheim schickte, anzuweisen, sie sollten sich mit aller Entschie­ denheit dafür einsetzen, daß die hier zur endgültigen Liqui­ dierung des Aufstandes zu bewilligenden Truppen ,,von den

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Bischöfen nicht zur Ausrottung des Evangeliums in ihren Bezirken und zur Erhaltung der alten Mißbräuche“ Verwen­ dung finden dürften. Daß ferner diese Bekämpfung der kirchlichen Reformation nicht nur für die katholischen und besonders für die bischöflichen Gebiete gelten sollte., sondern vor allem auch gegen die bereits evangelischen Reichsstädte gerichtet war, entnehmen wir einem Brief des Nürnberger Rates vom io. Juli an Clemens Volkamer, in welchem fest­ gestellt war, daß von seiten der Fürsten des Reichsregiments und des Kammergerichts Umtriebe im Gange waren mit dem Ziel, die freien Reichsstädte ,,mit Gewalt vom Wort Gottes zu dringen und die alten Irrsale und Mißbräuche wieder aufzurichten“.47) Da der Rat auch feststellen konnte, daß neben diesen ,,Praktiken“ zugleich Bestrebungen der Fürsten herliefen, welche auch gegen den Kaiser und dessen Bruder und Statt­ halter gerichtet waren, war der Rat auch auf den Gedanken gekommen, den letzteren in’s Vertrauen zu ziehen und ein ,,Verständnis“ zwischen diesem und den Reichsstädten., viel­ leicht auch dem Kurfürsten zu Sachsen und anderen anzustreben, unter dessen Schutz man beim Wort Gottes bleiben könne. Freilich erwies sich dieser Gedanke in der Folge als unausführbar ! 48) Durch den Aufstand der Bauern hatte die kirchliche Reformation einen starken Rückschlag erlitten. Bei den katholischen Fürsten und Ständen war der Entschluß und der Wille, mit dem Aufruhr auch den religiösen Aufbruch im deutschen Volk riiederzuschlagen und die begonnene und bereits mehr oder weniger durchgeführte Reformation wie­ der rückgängig zu machen, nicht wenig gestärkt worden. Umsomehr mußte man nun auf der evangelischen Seite darauf bedacht sein, dieser Absicht und der daraus erwach­ senden Gefahr zu begegnen. Dazu mußte vor allem die starke Diskreditierung überwunden werden, welche die reformatorische Bewegung durch den Aufruhr erfahren hatte, indem die Freiheit des Evangeliums zum Unrecht der Gewalttat mißbraucht worden war. Die Bewegung mußte auf ihr eigentliches, inneres Wesen zurückgeführt und 14*

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damit ihr göttliches Recht erwiesen und in’s Licht gestellt werden. Luther war es vor allem, der durch seine Schriften aus dieser Zeit diese Aufgabe erfüllte. Auch der Nürnberger Rat hatte schon während des Bauernkriegs und nachher der Sache der Reformation in diesem Sinne durch seine Kund­ gebungen und Ermahnungen an seine Untertanen, wie auch an die Fürsten und die mit ihm verbündeten Städte wie auch durch seine vorbildlichen sozialen Maßnahmen wert­ vollen Dienst getan. Auch seine Prediger haben ihn darin aufs beste unterstützt. Weiter aber war es die Aufgabe der Obrigkeiten, auch insofern praktische Arbeit zu tun, als sie die kirchlichen Verhältnisse in ihren Gebieten nach den evangelischen Grundsätzen ausbauten und organisierten. Wie man in Nürnberg diese Aufgabe erfüllte, soll in den folgenden Kapiteln gezeigt werden.

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Kapitel IX.

Die Auflösung der Klöster und der Ausbau des äußeren Kirchenwesens. Bei dem im Frühjahr 1525 vorgenommenen Religions­ gespräch war unter den 12 besprochenen Artikeln der achte, von ,,den guten Werken“ handelnde von besonderer Bedeu­ tung. Denn hier war die Frage des christlich-sittlichen Lebensideals zur Beantwortung gestellt. Luther hatte seine eigene Auffassung von demselben dahin formuliert : ,,Nicht sonderlicher Heiligkeit nachlaufen durch Wallfahrten, ins Kloster gehen und die Welt fliehen; vielmehr soll der Glaube sich im täglichen Leben bewähren, im Verkehr mit der Welt; nicht indem man sich aus der Welt flüchtet und ihren Versuchungen, Sorgen, Mühen und Aufgaben zu ent­ rinnen sucht, sondern sich in denselben bewährt“. Damit hatte Luther das Mönchtum und Klosterleben als Weg zur Gerechtigkeit und Seligkeit abgelehnt, und zwar aus eigener Erfahrung heraus, die er in schweren Seelenkämpfen hatte machen müssen. Wenn man nun bei dem Religionsgespräch auch von Nürnberger Klosterleuten eine Antwort auf die Frage forderte, ,,ob man durch die Werke zur Gerechtigkeit kommt, oder ob die Werke aus der Gerechtigkeit fließen“, so lag darin für sie die Aufforderung, das Klosterleben, welches sie als den besten und sichersten Weg zur Gerech­ tigkeit vor Gott und damit zur Seligkeit ansahen, als solchen aus der heiligen Schrift nachzuweisen und zu ver­ teidigen. Daß ihnen diese Aufgabe recht unangenehm war, zeigte der Barfüßermönch, welcher bei der Behandlung dieser Frage das erste Wort hatte, dadurch, daß er den Kern der Frage einfach umging und der Schwierigkeit

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auswich, indem er sich darauf beschränkte, zu sagen, man wisse nicht, aus welchem Grund die guten Werke kämen. Die Unmöglichkeit, das Mönchtum und das Kloster­ leben, wie auch so manches andere, aus der heiligen Schrift als Weg zur Gerechtigkeit zu verteidigen, war wohl auch einer von den Gründen, welche die Mönche schließlich veranlaßten, von der letzten entscheidenden Aussprache weg­ zubleiben. Sie wußten, daß sie hier unterliegen würden. In der Tat hatten sich beim Abschluß des Religions­ gesprächs sämtliche evangelische Prediger, der Rat und die ganze große Versammlung zu Luthers Auffassung bekannt. Diese Entscheidung mußte zunächst die Aufhebung der Klöster im Nürnberger Gebiet zur Folge haben. Die Zahl der Klöster in Nürnberg war verhältnismäßig groß. Es gab in der Stadt 6 Männerklöster : das Schotten- oder Egydienkloster, das der Franziskaner oder Barfüßer, der Domini­ kaner, der Augustiner, das der Karmeliter oder FrauenBrüder und das der Karthäuser. Dazu kamen 2 Frauen­ klöster in der Stadt : das zu St. Klara und St. Katharina und 3 im Nürnberger Landgebiet : Engelthal, Pillenreuth und Gründlach. Ein Teil dieser Klöster hatte schon längere Zeit vor der kirchlichen Reformation dem Nürnberger Rat, welcher das Schutz- und Aufsichtsrecht über alle Klöster seines Herr­ schaftsgebiets ausübte, viel zu schaffen gemacht. So hatten die Schottenmönche bei St. Egidien eine Zeit lang ,,ein wahres Musterleben mönchischer Lüderlichkeit“ geführt, bis der Rat energisch einschritt und dem wüsten Leben ein Ende machte.1) Aehnlich war es auch in Engelthal und Gründlach gewesen, wo die Zuchtlosigkeit die schlimmsten Orgien feierte, ohne daß die geistliche Obrigkeit sich darum kümmerte.2) Ein besonders übler Wandel forderte das Ein­ schreiten des Rates im Dominikanerkloster und zugleich in Engelthal heraus, wobei der Dominikanerprior, dem die Seelsorge zu Engelthal anvertraut war, und die Schaffnerin daselbst eine höchst üble Rolle spielten.3) Wie die Kloster­ zucht und -erziehung auch sonst da und dort auf die Klosterinsassen gewirkt hatte, zeigt uns auch manches

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Beispiel entlaufener Mönche und Nonnen, in deren Ver­ halten sich ein Abgrund von Gemeinheit auftat. Da ist denn verständlich, daß schon bevor Luthers reformatorische Gedanken über den Wert des Klosterlebens aufklärend wirkten, sich im Volk eine wachsende Abneigung gegen die Klöster herausbildete und diese heftig bekämpft wurden. Gewiß ist dabei nicht wenigen ernstlich frommen, sittlich reinen und untadeligen Klosterleuten, die an ihrem Lebensideal festhielten und ihren Stand durch ein vorbild­ liches Leben zierten, Unrecht geschehen. Aber man wird es auch verstehen, wenn die Angehörigen derselben, insbeson­ dere Eltern, welche junge Töchter in einem Kloster hatten, um deren Wohl und Seelenheil besorgt wurden und die­ selben zum Austritt zu bewegen versuchten, und wenn in wachsender Zahl Schriften erschienen, welche gegen das Klosterleben ankämpften. Eine solche Schrift war 1524 in Nürnberg erschienen, welche ein Deckenweber Niklas Katteisburger verfaßt und an seine zu Bamberg in einem Kloster lebende Schwester geschickt hatte. Diese Schrift war nicht nur eine treffliche Kampfschrift gegen das Klosterwesen, sondern auch eine klare und ziemlich vollständige Darlegung der evangelischen Glaubenslehre. Auffallend ist in derselben die gründliche Bibelkenntnis dieses einfachen Handwerkers.4) Großes Aufsehen erregte damals auch eine Schrift des bischöflichen Hofmeisters Johann von Schwarzenberg in Bamberg, zu welcher der Nürnberger Prediger Osiander auf Ansuchen des Verfassers die Vorrede geschrieben hatte. Johann von Schwarzenberg hatte seine Tochter, welche Priorin im dortigen Kloster zum heiligen Grab war, zum Austritt aus dem Kloster veranlaßt, und in dieser Schrift, die er als offenen Brief an den Bischof ausgehen ließ, seine Gründe dafür dargelegt. Während Luther über diesen Brief dem Verfasser seine Freude aussprach5), war der Nürn­ berger Rat darüber ungehalten, nicht wegen des Briefes selbst, sondern wegen der großen Schärfe der Vorrede, über welche er Osiander gegenüber seine Mißbilligung aus­ sprach.6)

216 Eine der edelsten Gestalten unter den Klosterleuten jener Zeit war die Aebtissin des Klaraklosters Charitas Pirkheimer, eine Schwester des bekannten Ratsherrn und Gelehrten Wilibald Pirkheimer. Schon im Alter von 13 Jahren war sie in’s Kloster eingetreten und im Jahre 1306 zur Aebtissin gewählt worden. Ihr hatte sich das Kloster­ leben als die ideale Gestalt und Form des christlichen Lebens bewährt. Ihre Neigung und Befähigung zu wissen­ schaftlichen Studien hatte in der Stille des Klosters volles Genüge gefunden. Die Sorge für das leibliche und geistliche Wohl der ihrer Leitung und Betreuung unterstehenden Klosterschwestern, von denen die Mehrzahl den besten und vornehmsten Familien Nürnbergs entstammten, und viele ihr auch verwandtschaftlich nahestanden, gewährte ihr reiche innere Befriedigung. So empfand sie denn die damals erfolgten Angriffe auf das Klosterwesen als einen Eingriff in ihr Heiligstes. Darum hielt sie es für Recht und Pflicht, sich dagegen zu wehren. Die Franziskaner, denen die Seelsorge im Klara­ kloster übertragen war, verstanden es als heftige Gegner der Reformation, auch Nonnen gegen dieselbe einzunehmen. Die Schriften des der Reformation feindselig gesinnten Franziskaners Schatzgeyer und des ebenso fanatischen Luthergegners Hieronymus Emser wurden im Klarakloster eifrig gelesen und geschätzt. In einem Brief an den letz­ teren, in welchem sie diesem im Namen ,,ihrer 60 Kinder“ für sein Eintreten zugunsten der Klöster dankte, ließ sich die Aebtissin hinreißen, scharfe Kritik nicht nur an den ,,Lutherischen“ überhaupt, sondern auch am Nürnberger Rat als dem Schutzherrn ihres Klosters zu üben. Dieser Brief wurde ohne ihr Wissen und Wollen veröffentlicht und erregte in Nürnberg, besonders aber bei dem Rat, große Mißstimmung.7) Dazu kam, daß Eltern und Verwandte der Klosterschwestern bei ihren Besuchen im Kloster zu letz­ teren gegen das Klosterleben redeten. Ja es kam dahin, daß von böswilligen Leuten üble Nachreden über die Nonnen und ihre Seelsorger erfunden und im Volk verbreitet wurden.8) Wiewohl solche durchaus unbegründet waren,

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hielt es der Rat für gut, den Oberen der Barfüßer und zu­ gleich auch denen der Dominikaner anzuraten, die von ihnen gestellten Beichtväter aus den beiden Frauenklöstern zurückzuziehen, damit solchen Nachreden ein für allemal der Boden entzogen werde.9) Nun hatten bereits am 24. Dezember 1524 die Augu­ stiner dem Rat das Anerbieten gemacht, ihr Kloster und alle Güter desselben dem neu errichteten gemeinen Kasten des großen Almosens zu übergeben und auf alle Einkünfte aus den Klostergütern zu verzichten. Sie erboten sich auch, soweit sie dafür tauglich befun­ den würden, der Gemeinde in und außerhalb der Stadt nach des Rats Befehl durch Verkündigung des Wortes Gottes, Reichung der Sakramente und andere christliche Verrichtungen zu dienen. Sie begehrten dafür nichts weiter, als daß man sie mit Kleidung, Speis und Trank versehen, denen aber, welche sich in weltlichen Stand begeben wollten, den nötigen Unterhalt reichen möge.10 Der Rat war geneigt, dieses Anerbieten anzunehmen, behielt sich jedoch vor, erst noch zu erwägen, wie und vor wem die Uebergabe zu erfolgen habe, damit sie auch den Oberen des Ordens und dem kaiserlichen Fiskal gegenüber rechtmäßig bestehen könnten. Von beiden Seiten glaubte nämlich der Rat einen Einspruch befürchten zu müssen. In ihrer Begründung des Angebots hatten die Mönche gesagt, daß sie ,,etliche Jahre her eine geistliche Obrigkeit nicht erkannt hätten“, womit sie wohl meinten, ihr Kloster sei herrenlos geworden. Die Juristen, denen der Rat ein Gutachten über die Rechtslage abforderte, sahen darin einen Rechtsgrund. Sie fügten noch hinzu,- daß die Klostergüter, welche bisher einem dem Wort Gottes widersprechenden Zweck gedient hätten, nach der Uebergabe an den Rat, einem Gott wohlgefälligen Zweck zugewendet würden, indem sie dann zu Nutz und Frommen der Armen dienen sollten. Am 22. März 1525 wurde denn auch die Auflösung und Uebergabe des Klosters unter vor­ sichtiger Wahrung aller rechtlichen Folgen vollzogen.11) Am 12. Mai erbot sich die Aebtissin des Klosters Gründlach, mit ihrem Konvent alle Güter und Untertanen

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ihres Klosters dem gemeinen Kasten zu übergeben gegen die Zusicherung ihres Unterhalts durch den Rat. Noch am gleichen Tag beauftragte der Rat Sebastian Schedel, das Kloster in Besitz zu nehmen und die Untertanen desselben im Namen des Almosens zu verpflichten.12) Am 15. Mai erfolgte die Uebergabe des Karmeliter­ klosters. Durch die Ausweisung des Priors Andres Stoß war dieselbe wesentlich erleichtert worden. Der jetzige Prior samt dem Konvent hatte die Uebergabe selbst angeboten. Sie erfolgte unter denselben Bedingungen, wie sie mit den Augustinern vereinbart worden waren. Der Aus­ gang des Religionsgesprächs hatte ebenfalls den Weg dazu geebnet. Denn dieser hatte manchem die Augen geöffnet. Auch das Verbot des öffentlichen Predigens und Beicht­ hörens an die Mönche solange, bis sie ihre Lehre und Hal­ tung aus der Heiligen Schrift als dieser gemäß erwiesen hätten, mochte dazu beigetragen haben.18) Am 6. Juni hatten sich sämtliche Insassen auch des Karthäuserklosters bis auf einen, Simon Reuter, entschlos­ sen, das Klosterleben aufzugeben. Diesem einzig noch übrig gebliebenen schlug der Rat vor, dem Beispiel des Rektors zu folgen, der in ein auswärtiges Kloster übergetreten war. Reuter befolgte diesen Rat. Mit den anderen wurde dann derselbe Vertrag abgeschlossen, wie mit den übrigen Klosterleuten, die in die Auflösung gewilligt hatten. Es hatte allerdings langer und schwieriger Verhandlungen be­ durft, bis es dahin kam. Interessant sind die Gründe, welche bei der Uebergabe für diese von den Mönchen nach Strobels Bericht in Müllners Reformationsgeschichte (Seite 64 bis 67) angegeben wurden. Sie gaben zu, daß aus dem Kloster­ leben ,,mannigfaltige, schädliche Irrungen, Mißbräuche und Verführungen“ zu gewarten seien; daß das christliche Volk durch die Stiftungen von Klöstern und ,,Seelgerethen“ von dem einigen, rechten Weg der Seligkeit abgeführt worden sei; durch das Klosterleben werde das Verdienst Christi geschmälert; es sei unrecht, daß die Klosterleute sich von den arbeitenden Leuten unterhalten lassen. Die Uebergabe erfolgte am 9. Oktober 1525.14)

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Das Schottenkloster hatte bereits am i. Mai 1525 durch seinen Abt Friedrich Pistorius dem Rat die dem Kloster zustehende Gerichtsbarkeit über dessen ,,Armeleut und Hintersassen“ mit deren Zustimmung angeboten. Der Rat hatte sich zur Uebernahme bereit erklärt. Bei dieser Gelegenheit hatte der Rat dem Abt auch nahegelegt, alle Wertstücke und Ornate des Klosters inventieren und beschreiben zu lassen, wie das auch in anderen Klöstern geschehen war. Er wollte dadurch verhüten, daß etwas von dem Klostergut verschleudert wurde, denn man rechnete schon damals mit der Auflösung des Klosters. Unter dem 12. Juli des gleichen Jahres meldete dann das Ratsbuch : „Auf dato sind Abt und Convent des Klosters zu St. Egvdien mit ihrem Kloster und desselbigen Zugehörungen gleich anderen in den gemeinen Kasten oder das große Almosen angenommen und haben ihre Cession gleich andern Ordensleuten in eigener Person getan“.15) Nun bestanden von den sechs Mannsklöstern nur noch zwei : das der Dominikaner und das der Barfüßer, die sich nicht auflösen wollten. Der Rat hinderte sie auch nicht, weiterhin nach ihrer Ordensregel zu leben. Aber man unter­ sagte den Mönchen jede Seelsorge in den Pfarrgemeinden. Sie durften auch keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen. Das Predigen in ihren Kirchen war ihnen gestattet, aber ,,zu solcher Zeit und mit Versperrung der Türen, daß nicht Laien aus der Stadt dabei seien“. Den Barfüßern aber wurde noch besonders empfohlen, sie sollten auch die Pre­ digten in den Pfarrkirchen besuchen und hören, , ob sie dort besseren Unterricb4' empfangen und bekehrt werden möchten“.16) Während so die Mehrzahl der Mannsklöster sich selbst auflöste, und auch die beiden noch bestehenden im All­ gemeinen sich in die Anordnungen des Rates fügten, nur daß sie, wie nicht anders zu erwarten war, die Predigten in den Pfarrkirchen nicht besuchten, blieben die noch bestehenden Frauenklöster fest bei ihrem Widerstand. Wohl hatte der Rat am 6. Juni, dem gleichen Tag, an welchem die Gründlacher Klosterfrauen ihr Kloster übergaben, sich

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zu dem Versuch entschlossen, auch in den beiden Klöstern zu Engelthal und Pillenreuth für die Auflösung derselben Stimmung zu machen» Nach eingehender Beratung mit den Predigern und Rechtsgelehrten hatte er je eine Abordnung zu diesen Klosterfrauen, welche zu dieser Zeit wegen der Bauernunruhen noch in Nürnberg bzw. in Hersbruck weilten, geschickt, um sie ,,zu unterrichten, wofür sie ihr äußerliches Wesen achten und halten sollten“, und ihnen den Rat zu erteilen, ihre Klosterkleidung, welche Aergernis im Volk errege, binnen vier Wochen abzulegen und sich bürgerlich zu kleiden. Weiter ließ sie der Rat ermahnen, zur Predigt zu gehen, das Wort Gottes zu hören und daraus tür sich ,,Bericht zu nehmen“. Denjenigen, welche in der Stadt Verwandte oder Freunde hatten, ließ er sagen, sie könnten, wenn sie wollten, bei diesen wohnen; er wolle dann für ihren Unterhalt sorgen. Nur sollten sie sich ehr­ lich und redlich halten. Sollten welche von ihnen sich mit der Zeit entschließen, sich zu verheiraten, so werde man sie dafür ,,ziemlich abfertigen“. Jeder von ihnen, die aus dem Kloster austreten wolle, sollte ihr Eingebrachtes mit­ gegeben werden. Die Vorsteherinnen beider Klöster wurden denn auch angewiesen, solche, die austreten wollten, daran nicht zu hindern und sie von ihrem Gelöbnis und ihren Pflichten zu entbinden. Wer jedoch im Kloster bleiben wollte, sollte daran ebenfalls nicht gehindert werden.17) Diese Lockungen scheinen indeß in beiden Klöstern weder bei Klosterschwestern, noch bei deren Vorgesetzten viel Eindruck gemacht zu haben. * Am stärksten aber war der Widerstand in den beiden Frauenklöstern in der Stadt : St. Klara und St. Katharina. Vor allem hatten diese . die ihnen nach dem Religions­ gespräch zugewiesenen Prediger Poliander und Schwanhäußer abgelehnt und blieben bei dieser Ablehnung. Ver­ gebens bemühte sich der angesehene und einflußreiche Pfleger des Klaraklosters Kaspar Nützel durch gütliche Verhand­ lungen mit der Aebtissin Charitas Pirkheimer eine Verstän­ digung herbeizuführen. Noch weniger half der Zwang, wel­ chen der Rat daraufhin anzuwenden für gut fand. Daß sich

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zu den Predigten auch vielfach Leute aus der Stadt ein­ drängten und sich durchaus nicht immer taktvoll gegen die Nonnen benahmen, machte deren Verärgerung nur noch größer und damit auch ihren Widerstand. Jetzt weigerten sie sich auch, bei den ihnen aufgezwungenen Seelsorgern zur Beichte und zum Sakrament zu gehen.18) Nun schickte der Rat auch eine Abordnung nach St. Klara und Katharina und ließ auch dort die Erklärung abgeben, er habe aus dem Wort Gottes soviel Unterricht empfangen, daß er wisse, was es um das Klostergelübde und das Klosterleben sei, und daß es nur zu Aergernis und Verführung diene. Darum fordere er vor allem, daß wo Eltern oder Verwandte den Austritt ihrer Kinder oder Ver­ wandten wünschten, dieser durch die Oberen gestattet werde. Die Austretenden sollten von ihren Gelübden ent­ bunden, und das von ihnen Eingebrachte sollte ihnen mit­ gegeben werden. Neuaufnahmen wurden untersagt. Sämt­ liche Nonnen sollten binnen 4 Wochen ihre Klosterkleidung ablegen, und sich wie andere Leute kleiden; denn sie wüßten, daß ihre Seligkeit nicht an Kutten und Kleidern hänge. Weiter wurde den Oberen befohlen, in beiden Klöstern einige vergitterte ..Redfenster“ anbringen zu lassen, an welchen sich die ihre Angehörigen im Kloster besuchenden Eltern und Verwandten mit diesen allein ohne Gegenwart anderer Klosterpersonen aussprechen 1 "nnten.19) Diese Verfügung des Rates benützten nun drei ,,ehr­ bare Frauen“, die des ersten Losungers Hieronymus Ebner, die des zweiten Losungers Kaspar Nützel und die des Ratsherrn Friedrich Tetzel, um am 12. Juni 1525 von der Aebtissin zu St. Klara die Herausgabe ihrer Töchter zu fordern. Als das abgeschlagen wurde, beschwerten sie sich bei dem Rat. Dieser befahl der Aebtissin, den drei Müttern ihre Töchter herauszugeben. Das geschah denn auch am folgenden Tag. Daß dabei die Tochter der Tetzelin von ihrer schlagfertigen Mutter, weil sie sich sträubte, mit dieser aus dem Kloster zu gehen, eine Ohrfeige erhielt, wurde später, als es aus den Aufschreibungen der Aebtissin bekannt

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wurde, von römisch gesinnten Geschichtsschreibern als ein großes Unrecht ausgebeutet.20) Als Melanchthon im September 1525 vorübergehend in Nürnberg weilte, besuchte er auch das Klarakloster, wohl vor allem als Aufmerksamkeit gegen die von ihm wegen ihrer hohen wissenschaftlichen Bildung und Gelehrsamkeit geschätzte Aebtissin. Daß diese dabei ihrem Schmerz über die dem Kloster und ihr durch den Rat widerfahrene und von ihr als allzuhart empfundene Behandlung Ausdruck gab, ist verständlich. Melanchthon sah sich dadurch veranlaßt, bei dem Rat Fürsprache für sie einzulegen und erreichte dadurch ein milderes Verfahren gegen die Aebtissin und ihre Schützlinge, die doch nur nach ihrer religiösen Ueberzeugung, bzw. ihrer Amtspflicht, mochten sie auch irre geleitet sein, handelten.21) Das Klarakloster hielt sich noch bis zum Jahr 1590, das zu St. Katharina bis 1596, wo beide ausstarben. Das Kloster Pillenreuth wurde im Iahre 1552 im Markgrafen­ krieg durch Brand zerstört. Die noch vorhandenen Kloster­ schwestern hatten sich nach St. Klara geflüchtet. Engelthal hielt sich bis zum Jahr 1565. Auch die beiden noch vor­ handenen Mannklöster siechten langsam dahin. Das Verbot, neue Mitglieder aufzunehmen, wie auch das Verbot, Seel­ sorge in den Pfarrgemeinden auszuüben und die im Zusam­ menhang damit stehende Verarmung durch das Nachlassen der Geschenke und Gaben führte 1543 zum Aussterben des Dominikanerklosters, dem dann 1562 die Barfüßer darin folgten. Neben der 'Lösung der Frage der Klöster zur Sicherung kirchlicher Einigkeit war auch ein wichtiges Anliegen des Rates, die Verhältnisse der im Dienst der Gemeinden stehenden Geistlichen einer Neuordnung zu unterziehen, und zwar sowohl ihr Verhältnis zur weltlichen Obrigkeit, als auch ihre Rechte und Pflichten innerhalb der Bürgerschaft. Die Geistlichen hatten bis dahin weder Bürgerrecht noch Bürgerpflichten.. Jetzt forderte der Rat von jedem Geist­ lichen, daß er Bürger werde, und wie alle Bürger Steuern und ,,Ungelt“ entrichte. Das geschah vor allem aus sozialen

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Gründen. In der Bürgerschaft wurde die Ausnahmestellung, welche die Geistlichen bisher eingenommen hatten, indem sie von bürgerlichen Lasten und Pflichten befreit waren, als unbillig empfunden. Darum hob der Rat jetzt diese Ausnahmestellung auf. Denjenigen, welche das Bürgerrecht und damit auch die Bürgerpflicht annahmen, wurde ihre Pfründe und deren Einkommen für ihre ganze Lebenszeit gesichert. Dagegen mußten solche, die sich weigerten, das Bürgerrecht anzunehmen, die Stadt verlassen und ihr Amt aufgeben. Innerhalb einer bestimmten Frist konnten sie jedoch ihre Pfründe mit einem auswärtigen Geistlichen ver­ tauschen, vorausgesetzt, daß derselbe dem Rat genehm war. In der betreffenden Verfügung des Rates wurde ausdrück­ lich ausgesprochen, daß die Geistlichen, welche die Bürger­ pflicht auf sich nahmen, auch unter dem Schutz des Rates stehen sollten. Die Annahme des Bürgerrechts und der Bürgerpflichten durch die Geistlichen forderte der Rat aber auch noch aus einem anderen Grund, wenn dieser auch in dem betreffenden Ratsbeschluß nicht ausdrücklich erwähnt wurde. Bis dahin war der geistliche Stand keiner weltlichen, sondern allein der geistlichen Gerichtsbarkeit unterstellt, was ebenfalls zu großen Uebelständen führen konnte. Uebertreter der Gesetze aus dem geistlichen Stand — auch solche gab es gerade damals nicht selten — wurden vielfach nicht bestraft und konnten ihr böses Beispiel weiter geben, weil d ' geist­ liche Gericht versagte und die Uebeltäter schonte. Für die weltliche Obrigkeit aber waren solche nicht greifbar. So mußte einmal der Nürnberger Rat dem zu Nördlingen raten, einen des groben Diebstahls überführten Geistlichen laufen zu lassen, weil der bischöfliche Fiskal diesem nichts tat und der Rat ihn nicht strafen durfte. Darum forderte der Nürn­ berger Rat mit gutem Recht, daß auch die Geistlichen sich seiner Gerichtsbarkeit unterstellten, indem sie das Bürger­ recht annahmen. Das diente zugleich auch dem Ansehen des geistlichen Standes. Das den Geistlichen bis dahin auferlegte Eheverbot hatte vielfach zu üblen Zuständen und unsittlichen, Aerger-

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nis erregenden Verhältnissen geführt. Das Konkubinen­ unwesen hatte in erschreckendem Maße zugenommen. Besonders schlimm wirkte es sich darum aus, weil es gegen Entrichtung einer jährlich zu zahlenden Gebühr an den Bischof geduldet wurde, und dieser das Laster als Ein­ nahmequelle benützte. Da war es nur gut, daß der Rat auch die Strafgewalt über seine Geistlichen hatte und seinen Verboten auch gegebenenfalls Nachdruck zu geben ver­ mochte. Sein entschiedenes Verbot vom io. Mai 1525 unter Androhung der Ausweisung der Zuwiderhandelnden binnen 8 Tagen genügte, um dieses Unwesen in Nürnberg in kurzer Zeit auszutilgen.23) Auch die Priester und Vikarier des Deutschen Hofes forderte der Rat zur Erwerbung des Bürgerrechtes auf. Auch hier begründete er diese Aufforderung mit dem sozialen Gedanken, den er gegenüber den Geistlichen der Stadt in den Vordergrund gestellt hatte. Zugleich legte der Rat den Amtleuten des Deutschen Hofes nahe, ihr Leben und Eigentum angesichts der drohenden Gefahren des Bauernkriegs unter den Schutz des Rates zu stellen. Zu diesem Zweck sollte der jeweilige Hauskommenthur und der Spitalmeister das Bürgerrecht annehmen; der Deutsche Hof in der Stadt und die im Nürnberger Gebiet gelegenen Grundstücke sollten der Obrigkeit des Rates unterstellt und versteuert werden; für die Getränke, wie Wein und Bier, welche im Haus eingelegt und verbraucht würden, sollte das übliche ,,Ungelt“ entrichtet werden. Endlich wünschte der Rat, daß bei dieser Gelegenheit noch eine besondere Sache geregelt werde. Der Deutsche Hof hatte nämlich am Nürnberger Stadtwald ein Holznutzungsrecht, welches bis­ her über das vereinbarte Maß ausgenützt worden war. Diese Holznutzung sollte jetzt auf ,,ein leidliches Maß“ gebracht werden. Alle diese Bedingungen wurden von dem Land­ kommenthur zu Ellingen Wolfgang von Eisenhofen ,,mit großer Danksagung“ angenommen und der Hauskommen­ thur mit dem Spitalmeister ermächtigt, vor dem Rat die

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Bürgerpflicht zu leisten. Das geschah am 16. Mai 1525 in Gegenwart vieler Zeugen.24) Als aber der Bauernkrieg vorüber war, ersuchte der Meister des Deutschen Ordens Dietrich von Cleen durch eine Gesandtschaft den Rat, den Deutschen Hof wieder aus der Bürgerpflicht zu entlassen, da sich der Orden durch diese seiner Selbständigkeit und Würde beraubt fühle. Als ein ,,hochgefreiter Orden von Rittern“ könnten sie diese Be­ schwerung nicht tragen. Der Orden habe Anspruch auf den Schutz des Rates auch ohne Bürgerpflicht. Der Rat bestand jedoch auf der beschworenen Pflicht, willigte aber schließlich darein, die Sache auf ein halbes Jahr in Ruhe zu stellen.25) Als im Juni 1526 der Hauskommenthur Philipp von Heußenstein nach Regensburg versetzt wurde, entließ ihn der Rat aus der Bürgerpflicht, nachdem der Spital­ meister Georg von Giech für den zu ernennenden Haüskommenthur den Eid geleistet hatte.26) Im März 1527 entstanden neue Schwierigkeiten. Der Deutschmeister hatte auf einem Tag des Schwäbischen Bundes den Nürnberger Rat öffentlich beschuldigt, dieser habe seinerzeit den Verwalter des Deutschen Hofs mit Gewalt zur bürgerlichen Pflicht gebracht. Dazu hatte der­ selbe von den Bundesräten gefordert, denselben davon zu befreien. Auf diese falsche Beschuldigung erklärte der Rat dem Spitalmeister als derzeitigen Verwalter des Hofs, in Rücksicht auf die vielen Guttaten, welche die Stadt dem Orden bisher erwiesen, hätte er ein anderes Benehmen erwartet. Nun aber müsse er sich gegen die He:, en so ver­ halten, daß sie das Mißfallen des Rates spüren sollten. Dieser habe seiner Zeit dem Orden ein Darlehen von 1200 Gulden gegeben, welche vertragsgemäß im Deutschen Hof angelegt bleiben sollten. Dieser habe jedoch den Betrag ohne Wissen und Zustimmung des Rats wieder ausgeliehen. Darüber verlange der Rat Rechenschaft und die Wieder­ beibringung des Geldes. Sodann habe er dem Orden bewil­ ligt, seinen Holzbedarf aus dem Stadtwald „in der Meil“ zu entnehmen. Davon hätten sie einen übermäßigen und unziemlichen Gebrauch gemacht und geradezu eine Ver15

wiistung des Waldes angerichtet. Im Deutschen Hof lägen zur Zeit über 800 Mäß gehauenes Holz. Das werde der Rat nicht weiter dulden. Bis auf weiteres sei das Holzfällen einzustellen.27) Daß das Verhältnis mit dem Deutschen Hof in der Folgezeit ein gespanntes blieb, entnehmen wir aus zwei Ratsbeschlüssen aus dem Jahr 1529. Der Rat hatte an den Deutschen Hof aus dem großen Almosen eine jährliche Korngült zu leisten, von demselben aber für das Almosen eine Korn- und Hafergült zu empfangen. Letztere war im Jahr 1528 nicht geleistet worden. Der Rat hatte die Anrech­ nung dieser Leistung auf diejenige der Stadt gefordert. Der Trießler des Deutschen Hofes verweigerte diese. Deshalb stellte der Rat darauf die Einstellung auch seiner Leistung in Aussicht.28) Als es dann auf dem Bundestag zu Ulm im Februar 1529 dem Deutschen Orden gelang, die Räte des Schwäbischen Bundes dahin zu bringen, daß sie den Nürn­ berger Rat zu einer Geldstrafe verurteilten, weil dieser die Deutschherren mit der in Nürnberg von allen Bewohnern zu zahlenden Getränkesteuer belastet hatte, dürfte die Miß­ stimmung gegen den Deutschen Hof nicht besser geworden sein. Dem Rat lag viel daran, seine Obrigkeitsrechte auch auf diejenigen Anwesen auszudehnen, welche auswärtige Klöster in der Stadt besaßen. Hier kamen die Klöster in Heilsbronn, Ebrach, Neunkirchen am Brand, Frauenaurach und Seligenpforten in Betracht. Bei diesen regte der Rat an, sie möch­ ten ihre in det Stadt liegenden Höfe an Nürnberger Bürger verkaufen. Da die Klöster nicht darauf eingehen wollten, machte der Rat das Zugeständnis, daß die in Frage kom­ menden Höfe Eigentum der Klöster bleiben, aber die Ver­ walter derselben Bürger der Stadt werden und als solche die gleichen Lasten tragen sollten, wie die übrigen Bürger. So wurde auch diese Frage friedlich geordnet.29) Die Steuern, welche die Geistlichen von ihrem Ein­ kommen zu entrichten hatten, waren ziemlich beträchtlich, wenn auch entsprechend abgestuft. Den beiden Pröpsten bewilligte der Rat als Entschädigung für das von ihnen zu

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zahlende Ungelt eine Gehaltszulage von 30 Gulden. Für Wein und Bier hatten sie, wie jeder Bürger, wenn sie solches einlegten, die übliche Getränkesteuer zu entrichten. Dieselbe wurde auch den noch bestehenden Klöstern auf­ erlegt. Auch die Frauenklöster scheinen auf Wein und Bier nicht verzichtet zu haben.30) Wie schon erwähnt, wurde das Vermögen der auf­ gelösten Klöster mit dem im Jahre 1522 begründeten ,,Neuen Almosen“, jetzt das ,,Große Almosen“ genannt, ver­ einigt. In dieses ,,Almosen“ kam auch das Vermögen der Kirchen zu St. Sebald. St. Lorenz, St. Marien, ferner das Einkommen aller Pfründen, und zwar nicht bloß derer in der Stadt, sondern zum Teil auch aus entfernteren Kirchen im Nürnberger Gebiet. Dazu kam noch das Vermögen der beiden Findein und der beiden Siechkobel zu St. Leonhard und St. Peter. Zur Verwaltung dieses bedeutenden Vermögens wurde das sogenannte ..Almosenamt“ errichtet, welches sich in zwei Abteilungen gliederte, nämlich in das Stadt- und in das Landalmosen. Dem Stadtalmosen wurden sämtliche Klostergebäude, die Pfründehäuser der Kapläne und die der Vikarier oder Meßpriester, ebenso die Seelhäuser angegliedert. Ihm oblag die Instandhaltung der kirchlichen Gebäude, die Auszahlung der Pensionen und Leibgedinge der ausgetre­ tenen Mönche und Nonnen, und bis zur späteren Errichtung eines besonderen Kirchenamtes die Besoldung der Geist­ lichen, der Lehrer, Kirchen, Meßner und Totengräber. Da­ durch, daß man den größten Teil des Kirchenvermögens dem Almosen überwies, war dieses der Kirche und damit seinem eigentlichen Zweck völlig entfremdet. Wohl wurde 1528 zur Betreuung der Kirchen und zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse ein eigenes Kirchenamt geschaffen, aber man gab demselben keine Dotation in Gestalt eines dazu nötigen Vermögens. Man überließ ihm nur geringe Einkünfte und beschränkte sich darauf, zur baulichen Unterhaltung der kirchlichen Gebäude und zur Bestreitung sonstiger Bedürf­ nisse im Bedarfsfall Zuschüsse hinüberzugeben. 15*

228 Das Kirchenamt hatte unter anderem auch für die Besoldung der Geistlichen aufzukommen. Wie für die Kirchengebäude und andere Bedürfnisse der Etat sehr knapp bemessen war, so auch für die Geistlichen und Kirchendiener. Die höchsten Gehälter hatten die Pröpste. Jedoch fielen diese mit der Zeit weg, der für Peßler bereits 1533 nach dessen Ruhestandsversetzung und der andere nach Pömers Tod, da beide Propsteien nicht wieder besetzt wurden. Von da an übertrug der Rat die Aufsicht über die übrigen Geistlichen den Predigern von St. Sebald und St. Lorenz. Schleupner bezog einen Jahresgehalt von 200 Gulden, Osiander zunächst T50, dann ebenfalls 200 Gulden und freie Wohnung. Am besten war der am 11. Dezember 1525 zum Prediger an der Spitalkirche berufene Wenzeslaus Linck gestellt, da er zu seinem Gehalt als Prediger im Betrag von 200 Gulden noch 100 für die Verwaltung der Custorei und dazu noch eine Wohnung in Horns Pfründehaus erhielt. Dagegen erhielten die Prediger zu St. Egydien und an der Marienkirche 52, der an St. Jakob 50 Gulden. Die Kapläne bezogen nach der Neuordnung ihrer Dienstbezüge im Jahr 1524 einen Gehalt von 50 Gulden. Nachdem derselbe 1534 auf 75 Gulden erhöht worden war, suchten die Kapläne 1541 wegen der zunehmenden Geldentwertung wieder um Auf­ besserung nach. Der Rat bewilligte ihnen jetzt 140 Gulden und als Entschädigung für die abgeschafften Stolgebühren 10 Gulden nejpst freier Wohnung. Dabei wurde ihnen vom Rat bemerkt, sie sollten ,,das Maul nach der Tasche richten.31) Für die beiden Pfarrkirchen, aber auch für die übrigen, war im Lauf der Zeit eine große Zahl von Stiftungen errich­ tet worden, aus deren Erträgnissen zahlreiche Geistliche, Vikarier genannt, besoldet wurden, welche die vielen Messen zum Gedächtnis der Verstorbenen, oder aus anderen Anlässen gestiftete zu halten hatten. Solcher Messen waren im Jahr 1474 zum Beispiel bei St. Sebald täglich 22, bei St. Lorenz 18 zu vollziehen, wofür bei St. Sebald 19, bei St. Lorenz 20 Vikarier angestellt waren. Nachdem man auf

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Vorschlag der beiden Pröpste im Jahre 1524 alle Messen und Jahrtage abgeschafft hatte, war man vor die Frage gestellt, wie die Erträgnisse aus diesen Meßpfründen zu ver­ wenden seien. Es wurde vorgeschlagen, den Stiftungs­ betrag an die noch lebenden Nachkommen der Stifter, in jedem Fall an die inzwischen verarmten, zurückzugeben, während andere meinten, diese Geldmittel sollten für den Gottesdienst, wenn auch für eine andere Form desselben erhalten bleiben. Melanchthon, den der Rat um ein Gut­ achten ersuchte, schloß sich der letzteren Anschauung an. Der Rat handelte diesem Ratschlag gemäß, zumal da dieser sich mit Luthers Anschauung deckte. Auch dieser vertrat den Standpunkt, daß der Rat als Lehensherr dieser Stif­ tungen nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sei, für eine würdige Verwendung derselben Sorge zu tragen. Nachdem das ganze Messewesen einen Mißbrauch darstelle, durch welchen mehr zum Aergernis als zum Heil der Seelen gedient worden sei, betrachte er es als eine Gewissenssache, die Pfründen in einer der Ehre Gottes und dem Heil der Menschen dienenden Weise zu verwenden. Damit stehe man auch im Einklang mit den ursprünglichen Absichten der Stifter.32) So entschloß sich der Rat zur Aufhebung dieser Pfrün­ den. Jedoch verfuhr er dabei sehr rücksichtsvoll. Er ließ die Inhaber solcher Pfründen, wenn sie sich nur sonst in die Anordnungen des Rates fügten, bis zu ihrem Tod im Genuß ihrer Einkünfte, oder er fand sie mit einer lebens­ länglichen Leibrente ab, wenn sie das vorzogen. Wer von den Pründeinhabern sich in die neue Ordnung nicht fügen wollte, mußte die Stadt verlassen, erhielt aber für sein Leben lang die halbe Nutzung seiner Pfründe zugesichert. Solchen gewährte der Rat auch die Möglichkeit, ihre Pfründe innerhalb eines halben Jahres einem anderen christ­ lichen Geistlichen mit dem Vorbehalt der halben Nutzung zu übergeben.33) In einzelnen besonderen Fällen gab der Rat solche Stif­ tungen auch an die Nachkommen der Stifter zurück.34)

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Kapitel X.

Der innere Ausbau. Der evangelische Grundsatz, daß nicht nur für die kirchliche Lehre, sondern auch für alles kirchliche Handeln die heilige Schrift maßgebend sei, mußte sich vor allem im Gottesdienst auswirken. Wir wissen, wie die beiden Pröpste und der Prior der Augustiner schon 1524 diesem Grundsatz folgten, indem sie die Abendmahlsfeier der Gemeinde schriftgemäß gestalteten. Eine weitere Folge war, daß sie die päpstliche Messe in ihrer eigentlichen Bedeutung und Vollständigkeit abtaten, indem sie das nicht schriftgemäße Opfer und den Kanon wegließen und die ganze Handlung in deutscher Sprache vollzogen. Auch die Seelenmessen für Verstorbene mußten fallen. Für die so evangelisch gestal­ tete Messe hatte dann im folgenden Jahr der Kaplan Andreas Döber im Neuen Spital eine sehr schöne Form und Ordnung geschaffen, die er in seiner Schrift veröffentlichte : ,,Von der evangelischen Meß, wie sie zu Nürnberg im Neuen Spital gehalten wird“. Aus dieser wurde das Sünden­ bekenntnis und die Absolution fast wörtlich in die evang. jetzige bayerische Agende herübergenommen. Sie enthält auch eine sehr'wertvolle Abendmahlsvermahnung, welche in viele heutige Agenden übergegangen ist. Bald nach dem Abschluß des Religionsgesprächs von 1525 ging der Rat um einen bedeutsamen Schritt weiter, in­ dem er in den damals noch vollzählig vorhandenen 6 Manns­ klöstern und im Deutschen Hof die Anordnung verkünden ließ, daß es künftig in den Klöstern ,,mit Singen und Lesen gleich gehalten werde, wie in beiden Pfarreien und im Augustinerkloster, damit es allenthalben gleichmäßig und einig zugehe“. Ein Zwang sollte freilich, wie in dem betref-

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fenclen Ratsbeschluß ausdrücklich bemerkt ist, nicht aus­ geübt werden; nur sollte das „bisherige Kirchengepräng und die päpstliche Messe gänzlich unterlassen werden, es sei denn, daß deren Berechtigung aus der heiligen Schrift nach­ gewiesen werde. Dasselbe sollte durch die Pröpste den „Vikariern“ an den Pfarrkirchen, denen bisher das Lesen von Messen übertragen war, eingeschärft werden.1) Nachdem man die Heiligenverehrung als unchristlich erkannt hatte, wurden nun auch die mit letzterer im Zusam­ menhang stehenden Feiertage abgeschafft, da sie nach der Erfahrung des Rates nur zur Förderung des Müßiggangs, der Unmäßigkeit, Unzucht und zu Schlägereien Veranlassung gegeben hatten. Nach einem Gutachten der Pröpste und der Prediger wurde verordnet, daß abgesehen von den Sonn­ tagen nur noch die hohen Feiertage : Weihnachten, Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten, und auch diese nur an einem Tag gefeiert werden sollten. Von den übrigen Feiertagen sollten nur die Aposteltage und der Tag Johannes des Täufers, von den Marienfesten nur Mariä Verkündigung, Lichtmeß- und Heimsuchung bestehen bleiben.2) Auf die Hebung des sittlichen Lebens war der Rat ernstlich bedacht. Durch strenge Verordnungen suchte er die Zuchtlosigkeit einzudämmen. Das Kegelspiel auf den Kegelplätzen vor der Stadt wurde an den Werktagen, das Karten- und Würfelspiel wurde überhaupt verboten. Gegen unmäßiges Zechen erließ er scharfe Strafbestimmungen. Dem überhandnehmenden Luxus sollte eine neue Hochzeits­ ordnung wehren. Die Hochzeitsfeiern wurden auf einen Tag beschränkt. Das Singen von unzüchtigen Liedern und Aufsagen von derartigen Sprüchen bei Hochzeiten wurde verboten.3) Mit der Loslösung von Bamberg übernahm der Rat die landeskirchliche Gewalt. Während er bisher nur das Recht zur Präsentation der Pröpste gehabt hatte, und die niedere Geistlichkeit von diesen ernannt worden war, beanspruchte der Rat nunmehr das Recht zur Berufung aller Geistlichen in seinem Gebiet und behauptete dasselbe trotz mehrfachem Widerspruch von seiten des Bischofs. Aus den aufgelösten

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Klöstern hatte sich eine Anzahl von Mönchen für den Gemeindedienst zur Verfügung gestellt. Die dafür geeig­ neten wurden angenommen, so zum Beispiel der Augustiner Johann Volprecht als Wochenprediger im Spital.4) Mit Vor­ liebe wurden solche Geistliche angestellt, welche in Witten­ berg studiert hatten. Vorbildlich wirkte der Rat durch eine gründliche Ver­ besserung der Armenpflege und seine bereits 1522 geschaf­ fene Almosenordnung.5) Die zahlreichen Armenstiftungen und die bis dahin geübte Verwendung derselben hatten nichts weniger als erziehlich auf die Empfänger gewirkt. Sollten doch die Gaben nach den alten Stiftungsbestim­ mungen zumeist ohne Auswahl und ohne Rücksicht auf Würdigkeit verteilt werden ,,an jeden, der da kommen mag“. Dadurch hatte man nicht nur viele Bettler an­ gezogen, die an den Verteilungstagen nicht nur aus der Stadt, sondern auch von auswärts in großen Scharen zu­ sammenströmten und dann auch auf der Straße und in den Häusern bettelten. Viele waren dadurch zum Müßiggang geradezu erzogen worden. Jetzt wurde der Haus- und Straßenbettel überhaupt verboten. Fremde Gewohnheits­ bettler wurden ausgewiesen. Vor allem wurden Erwerbs­ unfähige unterstützt. Auch den kleinen Handwerkern, die sich um das Almosen nicht bewarben, suchte man, wenn sie strebsame Leute waren, aufzuhelfen, wie man dabei über­ haupt nicht nur materielle, sondern auch erziehliche, reli­ giös-sittliche Gesichtspunkte maßgebend sein ließ. Die so vom Rat geschaffene Almosenordnung fand alsbald auch in anderen Städten Nachahmung. Die Erziehung und Bildung der Jugend, auf welche man in Nürnberg je und je Gewicht gelegt hatte, widmete der Rat in dieser Zeit besondere Aufmerksamkeit. Als Luther im Jahre 1524 in einer Schrift alle Bürgermeister und Ratsherren der Städte in deutschen Landen zur Errich­ tung von Schulen aufforderte, fiel diese Anregung auch in Nürnberg auf einen fruchtbaren Boden. Bereits seit längerer Zeit hatte man hier 3 Lateinschulen : bei St. Sebald, St. Lorenz und H. Geist. Aber diese genügten dem Rat nicht

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mehr. Da ihm Melanchthons „übergroße Geschicklichkeit, die Kinder zu lehren“, bekannt war, ließ er diesen durch Hieronymus Baumgärtner, der während seiner Studienzeit zu Wittenberg in ein freundschaftliches Verhältnis zu ihm getreten war, ersuchen, er möge nach Nürnberg übersiedeln, wo man ihm die Leitung und Verbesserung des Nürnberger Schulwesens übertragen wolle. Melanchthon konnte sich jedoch nicht entschließen, dem Kurfürsten Friedrich, der ihn nach Wittenberg berufen hatte, untreu zu werden und lehnte den Ruf ab.6) Nun aber hatten Hieronymus Ebner und Kaspar Nützel im Rat angeregt, zu den 3 Lateinschulen noch eine höhere Schule zu errichten, welche vor allem die Aufgabe haben sollte, als Vorschule zur Heranbildung eines neuen Geist­ lichen- und Predigerstandes zu dienen, zugleich aber die allgemeine höhere Bildung zu pflegen. Man bat daher Melanchthon im September 1525 aufs neue, nach Nürnberg zu kommen und dem Rat bei der Errichtung einer solchen Schule mit seinem Rat an die Hand zu gehen.7) Am 12. November kam Melanchthon hier an. Am 17. November beriet der Rat mit ihm eingehend über die Sache und be­ schloß auch, die Schule nach Melanchthons Vorschlägen zu errichten. Die jährlichen Kosten schlug man auf etwa 1000 Gulden an. Bezüglich der anzustellenden Lehrkräfte sollte Melanchthon Vorschläge machen. Man bemühte sich zu­ nächst, ihn selbst als Leiter für die Schule zu gewinnen. Als er auch diesmal ablehnte, wählte der Rat Joachim Kammermeister, der mit Melanchthon nach Nürnberg gekommen war. zum Rektor der Schule und Lehrer der griechischen Sprache, während Michael Röting für den Unterricht in der lateinischen Sprache bestellt wurde. Kammermeister erhielt einen Gehalt von 200, Röting einen solchen von 100 Gulden zugebilligt. An Ostern 1526 sollte die Schule in’s Leben treten. Für seine Mühewaltung erhielt Melanchthon außer dem Ersatz seiner Reisekosten vier „Maiollein“ (kleine Trinkgefäße) im Wert von 60 Gulden als Ehrengeschenk.8)

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Zur feierlichen Eröffnung der Schule wurde Melanchthon eingeladen.9) Am io. Mai 1526 kam er in Begleitung Michael Rötings und des von ihm als Lehrer der Dichtkunst vorgeschlagenen und auch am 23. Mai vom Rat gewählten Erban Hesse in Nürnberg an. Melanchthon wohnte bei dem Abt Friedrich Pistorius im Egydienkloster. Am folgenden Tag hielten die Ratsherren Sigmund Fürer, Hieronymus Baumgärtner, Christoph Koler und Leo Schürstab mit Melanchthon und den dazu eingeladenen Lehrern die erste Schulkonferenz. Am 23. Mai fand die feierliche Eröffnung im Egydienkloster, in welchem die Schule untergebracht werden sollte, statt. Am Tage vorher hatte der Rat ein Mandat anschlagen lassen, in welchem er auf die Notwen­ digkeit, den Zweck und die Aufgaben der neuen Schule hinwies und die Eltern aufforderte, ihre Söhne in dieselbe zu schicken. Bei der Eröffnung hielt Melanchthon die Festrede. Nach der Eröffnungsfeier hielt sich Melanchthon noch einige Tage in Nürnberg auf. Er besuchte Pirkheimer, bei dem er auch mit Albrecht Dürer zusammentraf, und Pirkheimers Schwester Charitas im Clarakloster. Hier war es, wo Melanchthon dem Pfleger Kaspar Nützel gegenüber für ein schonendes Vorgehen gegen die Nonnen eintrat.10) Ende Juni trat in das Lehrerkollegium noch Johann Schoner als Lehrer der Mathematik ein. Er war vorher in Kirchehrenbach bei Forchheim und dann in Bamberg Priester gewesen, hatte sich aber als solcher nie recht wohl gefühlt und sich nach einem andern Beruf gesehnt, in dem er seine reichen Kenntnisse in der Mathematik verwerten konnte. Auf Empfehlung Pirkheimers und Osianders kam er dann an die Nürnberger Schule. Er war derselbe, den der päpstliche Legat Campeggi während des Reichstags von 1524 so schmählich um seine wertvollen mathematischen Instrumente und Bücher betrogen und dies damit zu rechtfertigen gesucht hatte, daß Schoner ein Ketzer sei.11) Die Lehrkräfte der neuen Schule, zu denen im Juli 1526 noch der im Augustinerkloster tätig gewesene Lehrer der hebräischen Sprache Johann Böschenstein kam 12),

235 waren alle evangelisch. Ihre geselligen Zusammenkünfte bildeten in der nächsten Zeit den Mittelpunkt des geistigen Lebens und Strebens in Nürnberg. Auch Spengler,Linck und der Suttenprediger Thomas Jäger gehörten zu diesem Kreis, in welchem der Humanismus mit der evangelischen Theologie einen schönen Bund geschlossen hatte. Wenn auch nicht alle Erwartungen, welche man auf diese neue Schule gesetzt hatte, sich erfüllten und diese infolge der Ungunst der Zeitverhältnisse in den folgenden Jahren mehr oder weniger wieder in Verfall geriet, hat sie doch als Pflanzstätte der Wissenschaft das Ihrige geleistet. Von ihr ging auch auf die vorhandenen drei Kirchenschulen insofern ein Segen aus, als man im Rat denselben als den Stätten, an denen ,,die Jugend ihre Principia erhielt und zur Tugend und Kunst desto stattlicher gezogen wurde“, wieder besondere Aufmerksamkeit schenkte, und sie zu fördern suchte.13) Auch erwachte und wuchs jetzt unter den jüngeren Geistlichen das Bedürfnis nach größerer wissenschaftlicher Erkenntnis und Tüchtigkeit. Es mehrten sich diejenigen, welche bei dem Rat um Urlaub nachsuchten, um wenigstens auf ein Jahr auf eine Universität zu gehen und sich dort eine gründliche theologische Bildung zu erwerben. Es lag nahe, daß hierfür zumeist Wittenberg gewählt wurde. Einen wesentlichen Anteil an dem Aufbau des evan­ gelischen Gemeindelebens hatte neben den übrigen Predigern der am Ende des Jahres 1525 nach Nürnberg zurückgekehrte Wenzeslaus Linck. Er war ein Altersgenosse und naher Freund Luthers, und wie dieser Augustiner. Im Jahre 1517 hatte ihn Staupitz von Wittenberg, wo er als akademischer Lehrer großes Ansehen genoß, als Prediger in’s Augustiner­ kloster nach Nürnberg versetzt, wo er durch seine schlichten und zugleich tiefen, evangelischen Predigten in reichem Segen wirkte und im Staupitzianerkreis sich als führendes Mitglied bewährte. Als .Staupitz sich im Jahre 1520 ent­ schlossen hatte, sein Amt als Generalvikar des Augustiner­ ordens niederzulegen, wurde Linck auf Staupitzens und Luthers Vorschlag für dieses Amt gewählt. Er hat dasselbe

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durchaus im evangelischen Geist geführt und so auch in der Kutte reformatorisch im besten Sinne des Wortes gewirkt. Da er damit dem Widerspruch einer zwar kleinen, aber erbitterten Partei innerhalb des Ordens begegnete, legte er im Jahre 1523 sein Amt nieder. Nachdem er in Altenburg, wohin ihn der Kurfürst von Sachsen berief, 2 Jahre lang im Segen gewirkt und der Reformation zum Durchbruch verholfen hatte, berief ihn im Dezember 1525 der Nürn­ berger Rat als Verwalter der Custorei und des Predigtamtes an die Spitalkirche.14) Als Gradmesser für den Fortschritt, der auf dem geistigen, wie religiösen Gebiet dieser Zeit eigen war, mag uns die Literatur dienen, welche damals auf dem Markt erschien. Die Zeit, in der Luthers und andere evangelische Schriften in Nürnberg verboten wurden, war vorüber. Nicht nur die theologische Literatur konnte sich jetzt ungehindert entfalten, welche die Aufgabe hatte, die evangelische Auf­ fassung und Uebung des Christentums in’s Licht zu stellen und zu verteidigen; auch die Erbauungsliteratur wurde im evangelischen Geist bereichert. Die Meistersinger, wie vor allem Hans Sachs, verlegten sich jetzt auf die geistliche Dichtung. Auch Spengler, Wenzel Linck, Veit Dietrich, Sebald Heyden, der Kantor von St. Sebald, dichteten ihre Kirchenlieder. Gesangbücher für den Gottesdienst ent­ standen. Im Jahr 1526 kamen deren zwei in Nürnberg heraus. Daß auch sonst noch manches Wertvolle auf diesem Gebiet in Nürnberg geleistet wurde, entnehmen wir daraus, daß Luther um« diese Zeit an Linck die Bitte richtete, dieser möge ihm alle deutschen Bilderreime, Liederbücher und Meistergesänge, welche in Nürnberg entstanden und gedruckt seien, zuschicken.15) Wir haben schon davon gesprochen, daß der Rat in dieser Uebergangszeit auch gegen manche Ausschreitungen aufzutreten Veranlassung hatte. Große Bewegungen rufen ja nicht allein Gutes und Edles hervor; sie können auch üble Begleiterscheinungen haben und darunter leiden. Die geistige Befreiung, welche die kirchliche Reformation gebracht hat, konnte auch falsch verstanden und mißbraucht

237 werden. Luther sah ganz recht, wenn er sagte, daß wo Gott am Werke sei, sein Reich zu bauen, zugleich auch der Teufel das seinige zu verteidigen suche. Es ist darum auch begreiflich, wenn die Gegner der Reformation z. B. in der sittlichen Verwilderung, wie sie während des Bauernkrieges und nach demselben zutage trat, nur eine Frucht der Reformationsbewegung und in falscher Anwendung des Schriftwortes : ,,An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“ einen Beweis der Verwerflichkeit dieser Bewegung sahen und auch heute noch sehen. Aber man darf den Wert einer geschichtlichen Bewegung nicht ohne weiteres nach etwaigen üblen Begleiterscheinungen beurteilen und soll bedenken, daß diese ihre Wurzeln durchaus nicht in der Bewegung selbst haben müssen, sondern in der Fehlbarkeit und dem sündigen Wesen der Menschen, welche eine gute Sache auch entstellen und verderben können. Evangelische Frei­ heit ist ein hohes Gut; aber wo man sie falsch versteht und mißbraucht, wird sie zum Uebel ! Diese Erfahrung mußte auch in der Reformationszeit gemacht werden. Ein besonderer Uebelstand, der zu jener Zeit aus dem Untergrund menschlicher Sünde und dem Mißbrauch christ­ licher Freiheit auch in unserer Stadt zutage trat, war die Korruption des Ehewesens. Hier wirkte sich das Aufhören der bischöflichen Jurisdiktion im Nürnberger Gebiet nach­ teilig aus. Nachdem der Rat zu seinem weltlichen Regiment auch das Kirchenregiment in seinem Gebiet für sich in Anspruch genommen und damit seine Geistlichen von der Gerichtsbarkeit des Bischofs frei gemacht hatte, stellte auch das bischöfliche Ehegericht seine Tätigkeit ein. Der Rat aber, der während der Bauernunruhen und auch nach den­ selben alle Hände voll zu tun hatte, um nur die größten Uebelstände zu beseitigen, war bisher noch nicht dazu gekommen, auch die Ehegerichtsbarkeit in die Hand zu nehmen, sodaß es auf diesem Gebiet eine Zeitlang ,,keinen Richter und keine Strafe gab“. Die Folge davon waren öffentliche Ehebrüche, leichtfertige Trennungen von Ehen und anderweitige Verheiratungen. Die Rechtsgelehrten, von denen der Rat ein Gutachten darüber einforderte, wie dem



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zu begegnen sei, wußten keinen Weg zur Abhilfe. So ent­ schloß sich der Rat, die Ehesachen durch das Nürnberger Stadtgericht austragen zu lassen. Letzteres wies er an, ihm jeden gerichtlich festgestellten Ehebruch und auch alle die Fälle, in welchen den Richtern die Entscheidung schwer falle, zur Kenntnis zu bringen.16) Trotzdem wurden weiterhin Ehen gelöst ohne rechts­ kräftige Scheidung; auch wurden bei Lebzeiten des geschie­ denen Teils neue Verbindungen geschlossen. Darum glaubte der Rat mit größerem Ernst vorgehen zu müssen. In einer öffentlichen Kundgebung erklärte er, derartige Uebertretungen des klaren Gottesgebots in seinem Gebiet nicht dulden zu können, es sei denn, daß zuvor ein rechtliches Urteil und die Zustimmung des Rates zu einem solchen Schritt erfolgt sei.17) Nun erhob der Bischof von Bamberg gegen dieses Vorgehen des Rates beim Schwäbischen Bund Einspruch, weil er dadurch seiner ,geistlichen Jurisdiktion entsetzt sei“. Aber der Rat wußte sich auf den Bundestagen zu Augsburg und Nördlingen wohl zu rechtfertigen 18) und ließ sich durch diesen Einspruch in der Bekämpfung jener Uebelstände keineswegs hindern. Auch wenn eine Ehe durch ein rechtmäßiges Urteil geschieden war, wollte er dem unschul­ digen Teil bei Lebzeiten des andern Teils die Wieder­ verheiratung nicht gestatten, weil das in anderen evan­ gelischen Gebieten zur Zeit npch nicht Brauch sei und die Gutachten, welche er bei den Theologen und den Juristen eingeholt habet zwiespältig gelautet hätten, woraus für die Rechtsordnung viele Beschwerden erwachsen müßten. Der Rat glaubte auch damals in einer solchen Wiederverhei­ ratung einen Mißbrauch der christlichen Freiheit sehen zu müssen. Unter Berufung darauf, daß solche Wieder­ verheiratung im Deutschen Reich und auch bei anderen christlichen (d. h. evangelischen) Ständen bisher nicht zu­ gelassen und im Gebrauch gewesen, daß ferner daraus bei allen Nationen ein merkliches Aergernis, Haß und Wider­ willen entstehen, auch viel sträfliche Leichtfertigkeit, Sünde und Unrat, dazu auch eine Auflösung der bürgerlichen



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Rechtsordnung erwachsen konnte, erklärte der Rat, er sei entschlossen, alle diejenigen, welche bei Lebzeiten des geschiedenen Ehegemahls eine andere Ehe eingingen, in seinem Gebiet nicht mehr zu dulden, sondern sie mit ihrem neuen Ehegatten aus der Stadt oder dem Landgebiet zu weisen. Weil aber solche Fälle erfahrungsgemäß zumeist aus dem Laster des Ehebruchs herrührten, der nach kaiser­ lichem und dem göttlichen Wort mit dem Tod bestraft werden konnte, und dieses Laster in der letzten Zeit sich sehr breit machte, gab der Rat weiter öffentlich bekannt, daß er gegen jeden, der dieses Lasters überführt werde, mit ernstlicher Strafe einzuschreiten gedenke.19) Nun hatten die Theologen in ihrem dem Rat erstatteten Gutachten bemerkt, daß sie vielfach von Gemeindegliedern in solchen Fällen um Rat angegangen würden, und daß sie diesen sagen müßten, was im Wort Gottes darüber enthalten sei. Darum ließ der Rat die Pröpste und sämtliche Prediger zu sich rufen und erklärte ihnen, er wolle die Geistlichen keineswegs hindern, den Leuten zu sagen, was für Weisung das Wort Gottes für solche Fälle gebe. Aber ihm liege daran, daß einem Geschiedenen bei Lebzeiten seines Ehe­ genossen die Wiederverheiratung nicht zugelassen werde. Ein Christ sei in solchem Falle schuldig, auch wenn ihm Gottes Wort letztere zulasse. Geduld zu haben, bis ohne öffentlichen Schaden und ohne Zerrüttung der Rechts­ ordnung eine Besserung derselben möglich sei. Ein Mittel dazu wäre die Versöhnung mit dem Ehegenossen. Darum bitte der Rat, die Geistlichen möchten, um die bei ihnen Rat suchenden zur Geduld zu bewegen, diese auf die zur Zeit noch bestehende Rechtsordnung und auf die guten Beweggründe des Rats zu deren Aufrechterhaltung hinweisen. Dadurch würde manche Unschicklichkeit vermieden werden. An das Stadtgericht aber ließ der Rat die Weisung ergehen, dieses möge solchen, welche am Gericht ihre Ehescheidung betreiben wollten, soviel als möglich davon abraten und sie zur Versöhnung ermahnen. Von dem Aus­ gang solcher Verhandlungen solle dem Rat Anzeige erstattet

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werden, damit dieser gegebenenfalls von Obrigkeitswegen mit Strafen Vorgehen könne/20) An die verordneten Hauptleute ließ der Rat den Auf­ trag erteilen, fleißig darauf Acht zu haben, ob in ihrem Bezirk Leute in wilder Ehe zusammenlebten, oder sonst ein unziemliches, leichtfertiges und sündliches Leben führten, und von jedem Fall durch den Viertelsmeister den Rat in Kenntnis setzen, damit solch unchristliches Leben gestraft und verhindert werden könne.21) In der Zeit nach dem Reichstag zu Nürnberg 1524, wo in unserer Stadt mit der Bannung der Pröpste die Scheidung der evangelisch Gesinnten von der römischen Kirche ein­ setzte, hatten sowohl der Rat als Obrigkeit, wie auch die sich bildenden evangelischen Gemeinden und ihre Geist­ lichen ein starkes Interesse daran, zu wissen, wer denn nun zu diesen Gemeinden gehöre. Darum begannen am Michaelistag 1524 die beiden ,,Schaffer“ an St. Sebald und St. Lorenz alle diejenigen Personen, welche in diesen beiden Kirchen getraut, oder, wie man damals sagte, ,,eingeleitet“ worden waren, in ein besonders dafür angelegtes Buch, ein­ zutragen. Jedenfalls war das eine kirchliche Maßnahme, die nicht nur einem standesamtlichen, sondern auch einem seelsorgerlichen Interesse diente. Das zu dieser Zeit angelegte ,.Ehebuch“ sollte den Anfang zu einem Verzeichnis der erwachsenen und selbständigen Gemeindeglieder bilden. Bald darauf wurde auch eine gleichmäßige Führung dieser Ehebücher für beide Gemeinden angeordnet, indem der Schaffer von . St. Lorenz vom Rat den Auftrag erhielt, in seiner Kirche ,,allwegen Bräutigam und Braut, so sich lassen einleiten, mit ihrem 'Namen und Zunamen lassen einschreiben und allemal den Tag dazu, wie der Brauch zu St. Sebald ist“. Merkwürdig erscheint die Tatsache, daß die kirchlichen Trauungen anfangs ,,vor oder unter den Kirchen­ türen“ stattfanden. Erst am 4. November 1525 bestimmte der Rat, daß sie von nun an ,,vor der Altäre einem vor­ genommen werden sollte“.22) Mit der Aufhebung der ,,Ohrenbeichte“ ergab sich das Bedürfnis, die Gemeinden über die Notwendigkeit und den

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Wert der allgemeinen, wie der Einzelbeichte als Vorberei­ tung für die Feier des heiligen Abendmahls entsprechend zu belehren und aufzuklären. Darüber besprach sich der Rat mit den beiden Pröpsten und den 3 Predigern Schleupner, Osiander und Linck. Man kam zu dem Beschluß, in jeder Pfarrgemeinde einige geeignete Geistliche aufzustellen, um den Gemeindegliedern, welche der Belehrung darüber bedurften, diesen Dienst zu leisten.23) Allerdings scheint diese Gelegenheit von den Gemeindegliedern nicht viel benützt worden zu sein. Wir schließen das daraus, daß in der darauf folgenden Osterzeit, in der es allgemein in der Gemeinde üblich war, das Sakrament zu empfangen, die Beobachtung gemacht wurde, daß viele Leute immer noch ,,unberichtet des Glaubens und unwissend, aus was Ursachen sie das Sakrament gebrauchten“, und nur aus alter Gewohn­ heit zum Sakrament gingen. Darum wurden die Prediger ersucht, in der Predigt das Volk aufzuklären und zu ermahnen, daß jeder, der zum Sakrament gehen wollte, sich vorher bei dem betreffenden Geistlichen anmelde, damit dieser sie auf ihren Glaubensstand prüfen und sie seelsorgerlich beraten könne. Wir sehen daraus, wie sehr der Rat darum besorgt war, daß christliche Erkenntnis und christ­ liches Leben in den Gemeinden gepflegt und gefördert werde. Auch auf die religiöse Unterweisung der Jugend legte der Rat großes Gewicht. In der Spitalkirche waren hiefür in der Fastenzeit besondere Kinderpredigten gehalten, aber in der letzten Zeit aus unbekannten Gründen unterlassen worden. Bald nachdem Dr. Wenzel Linck sein Amt an der Spitalkirche angetreten hatte, regte er bei dem Rat an, es sollten diese Kinderpredigten wieder aufgenommen werden. So wurden dieselben von da an in der Fastenzeit durch Linck ,,über den andern Tag“ wieder gehalten. Der Rat ordnete jetzt das gleiche auch für die beiden Pfarr­ kirchen an, wobei es den Predigern überlassen wurde, sich untereinander über die Tage zu verständigen. In den folgenden Jahren begegnen wir in den Ratsbüchern gegen 16

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die Fastenzeit regelmäßig der Aufforderung, diese Kinder­ predigten wieder aufzunehmen. Es ist begreiflich, daß diese Aufbauarbeit des Rates und seiner Organe nicht ohne Störung und Schwierigkeiten vonstatten ging. Wir erinnern uns, daß der Bischof von Bamberg schon bald nach dem Reichstag von 1524 gegen die Neuordnung des Gottesdienstes im evangelischen Sinn, wie sie die Pröpste vorgenommen hatten, Einspruch erhob und letztere, weil sie die Aenderungen nicht zurücknehmen wollten, mit dem Bann belegte. Die Veranstaltung des Religionsgesprächs im März des folgenden Jahres und die daran geknüpften Maßnahmen des Rates hatten den Bischof auf’s neue verstimmt. Darum richtete dieser alsbald nach dem Religionsgespräch ein scharf gehaltenes Schreiben an den Rat mit der Drohung, wenn dieser nicht alsbald zur althergebrachten Ordnung zurückkehre, müsse er weiterer Verklagung durch den Bischof gewärtig sein.25) Es waren 6 Beschwerdepunkte, welche der Bischof dem Rat vorhielt : 1) daß die Pröpste trotz des gegen sie ergangenen Urteils im Amt geduldet würden; 2) daß den Ordensleuten in den Klöstern das Predigen und Beichthören der Gemeindeglieder verboten sei; 3) daß der Rat sich Kirchengüter und Pfründen aneigne und die Vertauschung von Pfründen nicht gestatte; 4) daß er den Laienpriestern das Messelesen an ihren Pfründealtären nicht gestatte; 5) daß die ^Schaffer an beiden Pfarrkirchen bischöfliche Gewalt gebrauchten, ohne bei dem bischöflichen Fiskal um die Genehmigung dazu nachzusuchen; 6) daß der Rat nach seinem Gutdünken Pfründen besetze, den Geistlichen gebiete, sich mit der Messe nach ,,der neuen Lehre“ zu halten und gegen die Widerstreben­ den einschreite, wozu er kein Recht habe. In seiner Antwort vom 7. April 1525 26) stellte der Rat zunächst fest, daß der Bischof, wenn er die Pröpste ,,unchristlicher Handlung“ beschuldigte, diese Beschul­ digung hätte aus der heiligen Schrift beweisen müssen,

243 zumal da die Pröpste sich erboten hatten, sich in offenem Verhör zu verantworten. Aber man habe sie verurteilt, ohne sie zu hören. Solange ihre Schuld nicht aus der heiligen Schrift erwiesen sei, werde sie der Rat nicht aus dem Amt weisen. Die Gemeinde würde sich das auch nicht gefallen lassen. Die Laien sind jetzt soweit unterrichtet, daß sie wissen, daß in Sachen des Glaubens und des Gewissens nicht durch menschliche, gerichtliche Prozesse, sondern allein durch Gottes Wort entschieden werden kann. Wenn der Rat den Ordensleuten das Predigen und Beichthören verboten hat, so deshalb, weil das Kirchenvolk durch ihr Predigen und Handeln auf unchristliche Wege geleitet wurde. Es wäre Sache des Bischofs gewesen, dafür zu sorgen, daß dem Volk das Wort Gottes klar und lauter, unvermischt mit menschlicher Lehre verkündigt werde, umsomehr, als das auf den Nürnberger Reichstagen aus­ drücklich befohlen wurde. Nun hat der Rat selbst dafür gesorgt und stellt es dem Bischof anheim, ob er damit etwas Unchristliches getan habe. Hätte der Rat damit auf den Bischof gewartet, hätte er wohl lang gewartet. Der Rat glaubt nur seine Pflicht getan zu haben ! Pfründen und das dazu gehörige Einkommen zu ver­ geben, ist des Rates Recht. Weil die damit belehnten Geistlichen vielfach nicht der Kirche und der Gemeinde gedient, sondern ihre Tage in Müßiggang, Faulheit und Wollust zugebracht, ihre Messen und andere Dienste um Geld verkauft, während die Stifter der Pfründen ihre Stif­ tungen nicht für den Mißbrauch gemacht haben, hat der Rat erledigte Pfründen an fromme, geschickte Geistliche ver­ liehen, welche Gottes Wort und Sakrament recht verwalten. Damit glaubt der Rat recht und christlich gehandelt zu haben. Auch unter der Aufsicht des Bischofs zu Bamberg ist viel Mißbrauch im Kaufen und Verkaufen, im Ver­ tauschen und Verschachern von kirchlichen Pfründen getrieben und geduldet worden. Geistliche haben ihre Pfründen nicht selbst verwaltet, sondern sie durch ungeeig­ nete Geistliche gegen einen Hungerlohn versehen lassen und den Ertrag ihrer Pfründen eingesteckt, ohne etwas dafür zu 16*

244 leisten. weil der gewesen werden. hat der erfüllt !

Dem hat die weltliche Obrigkeit zusehen müssen, Bischof nicht dagegen einschritt, wie er schuldig wäre. Zahlreiche Beispiele könnten angeführt Mit seinem Einschreiten gegen solche Mißbräuche Rat nur seine Pflicht gegenüber der Gemeinde

Der Rat hat tatsächlich in einzelnen Fällen Geistliche, die er oder seine Amtleute für geeignet befunden, nicht dem bischöflichen Vikar präsentiert, sondern selbst eingesetzt, und zwar darum, weil Geistliche für ihre Bestätigung dem bischöflichen Vikar hohe Summen haben bezahlen müssen, was für arme, unvermögliche Geistliche beschwerlich und auch nicht christlich ist 1 Das wollte der Rat in den genannten Fällen verhüten. Man hat auch die Erfahrung gemacht, daß vom Rat präsentierten Geistlichen die Bestäti­ gung und Einsetzung deshalb verweigert wurde, weil sie die Messe nicht lateinisch, sondern deutsch lasen, oder weil sie verdächtigt waren, Anhänger und Verkünder des Evan­ geliums zu sein. Der Bischof hat auch von ,,der neuen Lehre“ gesprochen, welche der Rat habe verkündigen lassen. Was der Bischof als ,,neue Lehre*' ansieht, ist dem Rat ver­ borgen. Er kann nicht glauben, daß der Bischof etwa die Verkündigung des Evangeliums meine, wie es jetzt in Nürn­ berg und an vielen anderen Orten gepredigt wird. Denn das haben schon die Propheten, auch Christus und seine Apostel nicht nur selbst verkündigt, sondern auch aller menschlichen Kreatur zu predigen befohlen. Sollte aber der Bischof das für eine ,,neue Lehre** halten, daß seit einiger Zeit das klare Wort Gottes durch menschliche Zusätze zum nicht geringen Schaden der Seelen verdunkelt worden ist, so ist der Rat ganz und gar mit dem Bischof einverstanden. Nur darf es dabei nicht bleiben. Denn in Sachen, welche Gottes Ehre und das Heil der Bürgerschaft und Gemeinde ' belangen, weiß der Rat von keinem andern, als dem göttlichen Befehl und Willen, wie er in Gottes Wort geschrieben steht. Davon darf niemand weichen, der ein Christ sein will !

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Die Messen zu halten, hat der Rat bisher nicht verboten. Doch sind seine Geistlichen durch Gottes Wort zu der Erkenntnis gekommen, daß die päpstlichen Messen ein schädlicher Mißbrauch sind. Sie halten dieselben daher nicht mehr in dieser Gestalt. Sollten sich die Pröpste mit der Zeit entschließen, darin weiter etwas zu ändern, so wird sich der Rat dem göttlichen Wort nicht ungemäß halten. Daß die Schaffer beider Pfarrkirchen ihr Amt eigen­ mächtig ohne Erlaubnis ausüben, ist dem Rat unbekannt. Er sieht nicht ein, warum sie zur Ausrichtung ihres Amtes noch einer besonderen Erlaubnis bedürften, nachdem ihnen ihr Amt ein für allemal übertragen ist und sie es in Kraft des göttlichen Wortes ausüben. Der Rat hat den Gemeinden seines Gebiets auf ihr Ansuchen christliche Prediger und Seelsorger geordnet und diesen befohlen, nichts anderes, als das lautere Evangelium zu predigen und sich auch sonst als Vorsteher ihrer Gemeinden dem göttlichen Wort gemäß zu halten. Eine andere Weisung kann er ihnen überhaupt nicht geben. Das wird auch allgemein als göttlich und notwendig angesehen. Auch der Bischof kann ihm das nicht verweisen. Unbillig hat der Rat gegen keinen Geistlichen gehandelt. Doch möge der Bischof Beispiele nennen, welche das Gegenteil beweisen ! Man sieht jetzt deutlich, daß die Finsternis mensch­ licher Irrungen vergangen und der Tag der Erleuchtung vor Augen ist, daß die unwidersprechlichen Mißbräuche in den Dingen, die man geistlich nennt, nicht mehr zu ver­ bergen und die Wahrheit nicht mehr zu unterdrücken ist. Das Volk wird täglich sehender und verständiger. Mit den versprochenen Konzilien und anderem, woraus doch keine Vollziehung des göttlichen Wortes folgt, läßt es sich nicht mehr hinhalten. Man hält es mit dem Apostel Paulus, daß es Zeit ist, aufzustehen vom Schlaf und dem Lichte Gottes nachzufolgen. ,,Wir sind“ — so schließt der Rat — „auf keinen Menschen, oder auf irgend welche menschliche Ord­ nung und Gebrauch, sondern auf Christus getauft, der das einzige Haupt seiner Kirche, der Weg, die Wahrheit, das

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Licht und Leben und unsere Seligkeit ist, der uns durch sein Blut erkauft und erlöst hat. Seinem Wort und Evan­ gelium gedenken wir, soviel er uns Gnade dazu gibt, anzuhangen und dabei bis in unser Grab zu verharren, wie wir uns in der Taufe als Christenleut zu tun verpflichtet wissen.“ Auf diese klare und entschiedene Verantwortung des Rates wußte man wohl in Bamberg nichts zu sagen. In den Akten ist wenigstens von einer Entgegnung nichts zu finden. Als jedoch im darauf folgenden Herbst der Schwä­ bische Bund in Nördlingen tagte, reichte der Bischof bei diesem eine Klage gegen Nürnberg ein, in der er den Rat beschuldigte, dieser habe ihn seiner ordentlichen geistlichen Jurisdiktion entsetzt. In seiner Antwort am 27. November bestritt das der Rat und behauptete, sich in der Sache durchaus christlich und rechtmäßig verhalten zu haben. Er bestritt auch dem Schwäbischen Bund aufgrund der Verfassung desselben das Recht, in dieser Sache Richter zu sein. Die Aufgabe des Bundes sei lediglich die Erhaltung des Friedens und des Rechtes in weltlichen Dingen. Hier aber handle es sich um eine Religionssache, die vor ein Konzil oder einen Reichstag gehöre.27) Diese Ablehnung wiederholte der Rat auch am 2. April 1526, als der Bischof die Sache noch einmal an den Bund gebracht hatte.28) Daß man über diesen Auseinandersetzungen mit dem Bischof und dem Bund nicht vergaß, für den Dienst an der Gemeinde da£ Nötige zu tun, zeigt uns ein Ratschlag, zu welchem sich am 17. Februar 1526 eine Kommission, bestehend aus den Ratsherren Sigmund Fürer, Nikolaus Groland und Leo Schürstab mit dem Propst zu St. Sebald und den drei Predigern Linck, Schleupner und Osiander zusammengesetzt hatten, um über wichtige Fragen der Seelsorge zu beraten. Noch immer fehlte es an der nötigen Belehrung und Beratung der Gemeinde über die Beichte und deren Bedeu­ tung für das christliche Leben. Darum wählte die genannte Kommission eine Anzahl tüchtiger Kapläne aus, welche den

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Auftrag erhielten, der Gemeinde einen förmlichen Beicht­ unterricht zu erteilen und sie über die damit zusammen­ hängenden Fragen zu belehren. Es hatte sich gezeigt, daß bei den Kaplänen selbst, denen die Seelsorge oblag, nicht alles in Ordnung war. Schon über das äußere Auftreten mancher wurde geklagt. Es war vorgekommen, daß Kapläneim kurzen Reitrock und mit dem Schwert umgürtet zu den. Kranken kamen. Manche führten ein nichts weniger als vorbildliches Leben. Es wurde gemeldet, daß in den Pfarrhöfen, wo die Kapläne wohnten, leichtfertige Frauen ausund eingingen. Dieses Unwesen wurde vor allem abgetan. Die Lebensordnung der Geistlichen wurde revidiert und ergänzt. Die Pröpste wurden beauftragt strenge Aufsicht zu üben und ermächtigt, solche, die keinen vorbildlichen Wandel führten, zu entlassen. Die Prediger wurden an­ gewiesen, den Kaplänen ihrer Kirche einen gründlichen Unterricht in der Seelsorge zu erteilen. Den Gemeinde­ gliedern wurde freigestellt, sich ihre Seelsorger unter den Geistlichen selbst zu wählen und diejenigen um Rat und Belehrung anzugehen, zu denen sie am meisten Vertrauen hatten. Sie waren dabei auch nicht an ihre Pfarrei gebun­ den. Offenbar wollte man mit diesen Bestimmungen unter den Kaplänen einen gewissen Wetteifer in ihrem Streben nach Tüchtigkeit erwecken. Um ihre Tüchtigkeit zu steigern, hielten die Prediger mit ihren Kaplänen von Zeit zu Zeit ein „Verhör“, d. h. Unterredungen und Aussprachen über wichtige Fragen des Amtes. So gelang es mit der Zeit, auch ein brauchbares Seelsorgepersonal heranzubilden.29) Der Streit mit dem Bischof kam indessen nicht zur Ruhe. Die Mißstimmung des Rates verschärfte sich noch, als der Bischof jetzt eine neue Klage beim Bund erhob, zu welcher ihm der übel beleumundete Pfarrer von Kappel bei Hilpoltstein, ein Mann von sehr zweifelhaftem und bedenklichem Charakter das Material lieferte. Der Rat ant­ wortete darauf mit einer eingehenden Schilderung des Charakters und des üblen Verhaltens dieses Pfarrers, gegen den er übermäßige Geduld und Nachsicht geübt habe, bis er sich endlich gezwungen sah, ihn im Interesse des Amtes und

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der Gemeinde zwangsweise in den Ruhestand zu versetzen. Dabei gab der Rat seinem Erstaunen darüber Ausdruck, daß der Bischof es nicht für unter seiner Würde hielt, wegen und mit Hilfe eines solch üblen Menschen den Rat so schwer zu verklagen und den Bund damit zu belästigen.30) In seine erneute Klage wegen Entsetzung von seiner geistlichen Jurisdiktion hatte der Bischof noch zwei andere Klagepunkte aufgenommen : einen Streit des Bischofs mit der Gemeinde Betzenstein wegen einer Holznutzung im Veldensteiner Forst, in welchem der Rat als Obrigkeit aus schuldiger Pflicht für die Gemeinde eingetreten war, und die Abschaffung des kleinen Zehntens für das Nürnberger Gebiet durch den Rat. Da der erstere Klagepunkt rein welt­ lichen Charakters war, brauchen wir uns hier damit nicht zu beschäftigen. Dagegen handelte es sich bei dem zweiten Klagepunkt zwar auch um eine weltliche Sache, aber zugleich um eine solche, in welcher auch die christliche Ethik eine Rolle spielte. Die Sache führt uns zurück in den Bauernkrieg. Zu den damaligen Forderungen der Bauern gehörte die Aufhebung des kleinen Zehnten. Um seine Untertanen ruhig zu halten, hatte ihnen der Bischof diese Forderung erfüllt und ihnen den kleinen Zehnten nach­ gelassen. Der Nürnberger Rat war ihm darin für sein Gebiet gefolgt. Nach der Niederwerfung des Aufstandes nahm der Bischof sein Entgegenkommen zurück mit der Begründung, daß seine Bauern trotzdem am Aufstand teilgenommen hätten, und forderte diese Zurücknahme auch vom Nürn­ berger Rat. Letzterer lehnte das Ansinnen des Bischofs ab, da seine Bauern sich nicht am Aufstand beteiligt hätten und da er es darum für unrecht halte, diesen gegenüber wort­ brüchig zu werden und ihnen die frühere Belastung wieder aufzulegen. Es folgten lange Verhandlungen, an denen nur eines erfreulich war, nämlich der starke Wille zur Gerech­ tigkeit und das soziale Fühlen und Denken des Nürnberger Rates, welch beides uns in den Ausführungen desselben entgegentritt, während auf der anderen Seite wenig davon zu spüren war.31)

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Wie man im Bamberger Gebiet die Bauern damals ausbeutete, zeigt folgendes Beispiel. Als ,,Schadengeld“, d. h. zur Ersetzung des Schadens, den die Adeligen durch Zerstörung ihres Besitzes erlitten hatten, mußten die Bam­ berger Untertanen den ,,zwanzigsten Pfennig“ von ihrem Eigentum bezahlen. Von den Nürnberger Untertanen, welche kirchlich zum Bistum gehörten, mußte dafür der zweiundzwanzigste Pfennig entrichtet werden, wiewohl diese am Aufstand überhaupt nicht beteiligt waren. Außer­ dem belegte man noch jede Herdstatt mit einer besonderen Abgabe von 3 Gulden ! Am Ende des Jahres 1526 wurde jedoch noch einmal der dreißigste Pfennig vom Eigentum als Schadenersatz eingefordert, obwohl bei der vorigen Um­ lage ausdrücklich versprochen worden war, daß keine Nach­ forderung mehr kommen sollte ! Der Nürnberger Rat, der schon früher für seine Unter­ tanen die Pflicht zu zahlen nicht anerkannt und die Bezah­ lung als freiwillig bezeichnet hatte, verweigerte jetzt jede weitere Bezahlung, zumal über die Verwendung der Um­ lagen niemals Rechnung gelegt worden sei. Der Rat wußte auch, daß bei der Austeilung des Schadengelds große Ungleichheit geherrscht und mancher Empfänger sich selbst gerühmt habe, es sei ihm sein Schaden zwei- oder dreifach vergütet worden, also daß nicht wenige sich einen zweiten Bauernaufruhr gewünscht hätten ! 32) Während es bezüglich des kleinen Zehnten zwischen dem Bischof und Nürnberg im Jahre 1527 zu einer Ver­ ständigung kam, erklärte der Rat auf dem Bundestag zu Ulm durch seinen Gesandten den Bündischen, daß er in der Frage der Jurisdiktion ,.weder zur Güte, noch im Rechten etwas nachgeben wolle“. Die Bamberger sollten nicht glauben ,,für und für ein Register zu haben, das sie nach Gefallen ziehen könnten“. Dazu berief er sich auf den zu dieser Zeit schon als wertvoller Behelf dienenden Speyerer Reichsabschied von 1526, ,,der in dieser Sache ein lauter Maß gab und den Bündischen ihre Hand sperrte“.33) Trotzdem machte der Bischof am' 22. März 1527 noch einmal den Versuch, in der Frage der Jurisdiktion noch

2 50

etwas zu erreichen. An diesem Tag kamen zwei Boten des Bischofs zu den Herren Eltern des Rates mit dem Ersuchen, diese möchten gestatten, daß von ihnen ein bischöfliches Mandat in der Stadt angeschlagen werde. Dieses Mandat war an alle Geistlichen Nürnbergs gerichtet und enthielt die Aufforderung an diese, das Volk dahin zu weisen, daß es der lutherischen Sekte nicht anhange. Auch sollte die Ohrenbeichte wieder eingeführt und das Sakrament wieder unter einer Gestalt gereicht werden. Der Rat lehnte es jedoch ab, das Mandat anschlagen zu lassen, da für ihn jetzt der Reichstagsabschied von 1526 maßgebend sei.34) Damit war auch dieser Versuch des Bischofs, seinen Einfluß wieder auf die Gestaltung des kirchlichen Lebens in Nürnberg zur Geltung zu bringen, abgewehrt ! Wie man übrigens über die Glaubensfrage, um die es doch angeblich bei diesem Klagepunkt vor allem ging, in der nächsten Umgebung des Bischofs, nämlich im Dom­ kapitel, dachte, zeigt uns eine bemerkenswerte Aeußerung des Dompropstes aus jenen Tagen. Auf einer Zusammen­ kunft der Vertreter Nürnbergs und Bambergs zu Forchheim, auf welcher über verschiedene schwebende Streitfragen ver­ handelt wurde, erklärte der Dompropst : wenn sie, die Bamberger Geistlichen nur gewiß wären, daß sie ihre Güter und ihr Einkommen behielten, würden sie sich in der Glaubensfrage mit den Lutherischen leicht verständigen können ! Die Nürnberger Vertreter hatten dabei den bestimmten Eindruck, daß diesen Herren das Einkommen die Haupt­ sache sei. Bliebe ihnen das erhalten, dann „wäre ihnen wenig daran gelegen, was sie für sich selbst, oder was andere glaubten, denn ihr Glaube bestehe nicht minder, als auch der andere in der Tasche“.35) — Mit der Veranstaltung und Durchführung des Reli­ gionsgesprächs von 1525 und mit den praktischen Maß­ nahmen, welche der Rat im Anschluß an dasselbe traf, hatte dieser den Schlußstein zum Nürnberger Reformationswerk gesetzt. Aufgabe der folgenden Jahre war es nun, dieses in

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der Hauptsache abgeschlossene Werk gegen weitere An­ griffe, die mit Sicherheit zu erwarten waren, zu verteidigen und zu schützen und zu diesem Zweck immer fester zu gründen und auszubauen. Wie der Rat und seine Mit­ arbeiter diese Aufgabe erfüllten, sollen die Darstellungen des in Aussicht genommenen zweiten Bandes zeigen, welcher dem hiermit abgeschlossenen so bald als möglich folgen soll.

252

Anmerkungen. I.

*) Dr. M. Weigel : Nürnberger Ablaßbriefe u. Ablaßprediger, Zeitschr. f. bay. K.-Gesch 1928 H. 1 S. 4. — 2) Dr. E. Reicke : Gesch. der Reichsstadt Nürnberg S. 385 ff.; Waldau Neue Beiträge I S. 88. — 3) Weigel ebenda. — 4) Waldau II S. 215 ff. — 5) Ebenda S. 219 f. — 6) Ebenda S. 224 ff. — 7) Ebenda S. 225; Reicke S. 690. —• 8) Waldau II S. 226; Reicke S. 692. — Nürnberger Briefb. 75, 98. —■ 9) Briefb. 75, 198. — 10) Theod. Brieger : Die Reformation S. 50. — 11) Leop. Ranke : Deutsche Geschichte im Zeitalter der Refor­ mation 1924 I S. 215 f. — 12) Bruno Gebhardt : Die Gravamina der deutschen Nation gegen den römischen Hof 1895 S. 5—9. — 13) Päpstl. u. fürstl. Privilegien, Staatsarchiv Nürnberg Rep. 1 C Nr. 110. — 14) Müllner Annalen IV. S. 47 Stadtarch. Nürnberg. — 15) Die päpstl. Bulle im Original, Staatsarch. Nbg. Rep. 88 Nr. 17. — lö) Päpstl. und Fürstl. Privilegien Rep. 1 b Nr. 348. 18. IX. 1477. 17) Ad. Engelhardt : Der Kirchenpatronat zu Nürnberg, Zeitschr. f. b. K.-Gesch. 1932 H. 1 S. 6 ff. — 18) Ebenda S.8—15. — 19) Ebenda S. j6. — 20) Ebenda H. 2 S. 69. — 21) Ebenda S. 70—72. — 22) Geb­ hardt : Gravamina S. 95 f. — 23) Ebenda S. 97. — 24) Ranke I S. 214; Brieger S. 51. — 25) Brieger S. 51 u. 53. — 28) Gebhardt S. 99—101. — Paul Kalkoff : Die Depeschen des Nuntius Aleander vom Worm­ ser Reichstag 1521. S. 43 Anm. 1 u. 2. — 28) Ebenda S. 48. — 29) Gebhardt S. 110 f. — 30) Ebenda S. 113. — 31) Nürnberger Ratsbuch 11, 249, 252, 260, 262; Ratschlagbuch 2, 110, 134—140; Briefb. 80, 114, 118, 119, 140, 145, 148, 160. — II. i) Scheurl’s Briefbuch I S. 101. — 2) Ebenda II S. 43. — 3) Ebenda II S. 1. — 4) Ebenda S. 1 u. 2. — 5) Ebenda II S. 1. — 0) De Wette : Luthers Briefe I S. 49. — 7) Sch.’s Briefb. II S. 12 bis 14. — 8) De Wette I. S. 32. — 9) Sch.’s Briefb. II S. 39, 40, 42, 43. _ 10) Ebenda II S. 42. — A1) Ebenda S. 39 u. 40. — 12) Ebenda II S. 43. — 13) Ebenda S. 40. — 14) Ebenda S. 44. — lö) De Wette I S. 100. — 16) Sch.’s Briefb. II S. 45, 46, 47. — 17) Luthers Werke W. A. I 627. — 18) Sch.’s Briefb. II, 5. — 19) Ebenda S. 53, 57, 58. — 20) Ebenda S. 63. — 21) Ebenda S. 70 ff. — 22) Ebenda S. 78. — 23) De Wette I S. 211. — 24) Sch.’s Briefb. II, S. 45, 9h 92, 87, 88, 112, 117, 127. — 25) Ratsb. XI S. 198; von Soden : Beiträge zur Gesch. der Reformation S. 71 ff. — 26) Enders : Luthers Brief­ wechsel I S. 280 f. — 27) Sch.’s Briefb. II S. 77- — 28) Ebenda S. 83 u. 84. — 29) De Wette I S. 230; Sch.’s Briefb. II S. 85. — 30) Ebenda S. 88. — 31) Riederer : Beitr. z. d. Reformationsurkunden S.94. — 32) Die „Schutzred“ ist abgedruckt bei M. M. Mayer Spengleriana u. bei Riederer Beitr. S. 197—208. — 3S) Heumann J.: Documenta

253 literaria II S. 181. — 34) Der Brief bei P. Drews : Pirkheimers Stel­ lung zur Reformation. S. 40 f. — 35) Riederer : Nachrichten zur Kirchen-Gelehrten u. Büchergeschichte I S. 173. — 36) De Wette I S. 355- — 37) Bilibaldi Pirkheimeri epistola ad Dominum Adrianum pontificem maximum de motibus in Germania per Dominicanos et horum complices excitatis et de occasione Lutheranismi. Opera Pirkheimeri S. 372 ff. — III. 1) Das Original ist im Besitz der Familie Merkel u. liegt im Germanischen Nationalmuseum. Abgedruckt bei Riederer Beitr. S. 56 u. 57. — 2) Siehe Kap. I S. 17 f. — 3) Briefb. 81, 265 u. 267. — 4) Spengler an Pirkheimer, Riederer Nachr. I, 320 f. — ö) Riederer Beitr. S. 64. — 6) Ebenda S. 60. — 7) Riederer Nachr. I S. 447. — 8) Ebenda S. 327. — 9) Ebenda S. 442; Briefb. 81 S. 274. — i0) Rie­ derer Beitr. S. 75. — A1) Riederer Nachr. I S. 446 f. — 12 ) Riederer Beitr. S. 77. — 13) Ebenda S. 79—83. — 14) Ratsb. 11, 322; Ratsverl. 1520/21 H. 9, 6; Riederer Nachr. II S. 184. — 15) Briefb. 81 S. 273. — le) Riederer Beitr. S. 103. — 17) Ebenda S. 104. — 18) Ebenda S. 106. 19) Riederer Nachr. II S. 64. — 20) Ebenda S. 183 u. 187, Ratschlagb. 3, S. 17; Riederer Beitr. S. 88. — 21) Riederer Nachr. II S. 184—187; ders. Beitr. S. 92—98. — 22) Ders. Nachr. II S. 183. — 23) Ders. Beitr. S. 107. — 24) Ders. Beitr. S. 109 ff. — 2Ö) Ebenda S. 109. — 26) Riederer, Nachr. II. S. 192. — 27) Ders. Beitr. S. 115; 117 fif; Briefb. 82, 40. — 28) Abgedruckt Riederer Beitr. S. 125—130. — 29) Vergl. auch Spenglers Brief vom 10. I. 21 Riederer Beitr. S. 131. 30) Die Vollmacht: Riederer Beitr. S. 134—136. — 31) Ecks Brief vom 4. II. 21 : Zeitschr. f. hist. Theologie 1873 S. 438. — 32) Kalkoff Depeschen S. 251 u. 252. — 33) Th. Brieger: Aleander u. Luther S. 245 f. — 34) P. Kalkoff : Pirkheimers u. Spenglers Lösung vom Bann S. 88 ff. — 35) Riederer Beitr. S. 142. — 36) Riederer Nachr. II S. 187. — 37) Ebenda S. 65 Nachschr. — 38) P. Drews: Wilib. Pirk­ heimers Stellung zur Reformation S. 76. — IV. ‘ A) Stadtbibi. Nbg. C. 5. App. 34 K. 1—18 Nr. 8. Der Bericht ist abgedruckt bei M. M. Mayer Spengleriana. — 2) Deutsche Reichs­ tagsakten Bd. II von A. Wrede (abgekürzt : „D. R. A.“) Sowohl im Staats- als im Stadtarchiv Nbg. —3) P. Kalkoff: Die Depeschen des Nuntius Aleander vom Wormser Reichstag 1521 2. Aufl. (ab­ gekürzt: „A. D.“) — 4) Briefe, Depeschen und Berichte über Luther vom Wormser Reichstag. (Abgek.: „B. D. B.“) — 6) Maj7er Speng­ leriana 15 ff; B. D. B., S. 4; Baumgarten H., Karl V. u. die Refor­ mation S. 11. — 6) Kalkoff: Die Entstehung des Wormser Edikts (abgek. „W. E.“) S. 3; derselbe: Aleander gegen Luther S. 141 ff. Am 8. Februar 1521 berichtet Aleander nach Rom über eine Aus­ einandersetzung mit dem Humanisten Erasmus: „Ich heuchelte ganz geschickt und erfand einige verbindliche Lügen, wie ich im Interesse des Glaubens und meines Auftrags gar nicht anders tun konnte“. A. D. S. 76. — 7) Mayer Spengleriana S. 33; D. R. A. II S. 890. — 8) Kalkoff: W. E. S. 4. — 9) A. D. S. 88, 38, 128, 43, 162, 58, 82,70, 135, 130; Anm. 1; Kalkoff: W. E. S. 86. — 10) A. D. S. 153. — “) A. D. 98. — 12) A. D. S. 56; Kalkoff: W. E S. 83. — 13) Mayer Spengleriana S. 25; A. D. S. 149- — i4) A. D. S. 19, 20. 33; B. D. B. S. 41. — 16) A. D. S. 33. — ie) D. R. A. II S. 466. —

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17) A. D. S. 35 u. 36. — 18) A. D. S.61, Anm. 2; D. R.A. II S. 468. — 19) D.R.A. II S. 469. Anm. 1. — 20) D. R. A. II S. 470. — 21) D.R.A. II S. 474. Anm. 1. — 22) Von dieser Unterredung des Kurfürsten mit dem Kaiser und dieser Aufforderung an Luther wissen wir aus des letzteren Antwort vom 25. 1. 21. D.R.A. II S. 476. Der Kanzler Brück beruft sich darauf in seinen Be­ sprechungen mit Glapio D. R. A. II S. 490. Vergleiche auch das Schreiben des kurfürstlichen Rates Bernh. v. Hirschfeld an Anton Tücher : Theol. Studien und Kritiken 1882, S. 697. — 23) Förste­ mann: Neues Urkundenbuch zur Geschichte der Reformation S. 10; D.R.A. II S. 776. Anm. 2 u. 3. — 24) A. D. S. 86. Anm. 1. — 26) B. D. B. S. 43- —26) B.D. B. S. 26, 31, 32. — 27) A. D. S. 72. Kalkoff bezieht diesen Befehl auf die Staatsratssitzung vom 29. Dezember; sie kann aber nur von der am 3. Februar gehaltenen Staatsratssitzung gelten. — 28) Kalkoff: Der Wormser Reichstag S. 238. — 29) D. R. A. il S. 477 ff. Bericht des Kanzlers Brück über seine Verhandlungen mit Glapio an den Kurfürsten. — 30) D.R.A. II S. 494 ff. Bericht des Kanzlers Brück über die Aschermittwochs­ rede Aleanders. Kurfürst Friedrich war durch Krankheit verhin­ dert, an der Versammlung teilzunehmen und hatte sich durch seinen Kanzler vertreten lassen. A. D. S. 85. Eigener Bericht Aleanders. Darin sagt er, er habe „mit Gottes Hilfe so uner­ schrocken geredet, als wenn er 20 Schulbuben eine Lektion zu er­ teilen gehabt hätte, obwohl viele lutherische Fürsten böse Ge­ sichter dazu machten“. — 31) A. D. S. 93. — 32) D. R. A. II S. 490., Anm. — 33) D. R. A. II S. 514 ff- — 34) A. D. S. 96. — 35) D. R. A. II S. 518 ff. — 36) D.R.A. II S. 670; ebenda S. 662 ff. — 37) S. 211 u. 63. 38) A.D. S. 89. — 39) D.R.A. II S. 520 ff. — 40) D.R.A. II S. 526. 41) D. R. A. II S. 527. — 42) Eine anschauliche Schilderung davon gibt Spengler in seinem Bericht bei Mayer Spengleriana S. 17 ff. — 43) A. D. S. 144. — 44) Kalkoff: Der Wormser Reichstag S. 66. — 45) D.R.A. II S. 529 ff. Aleander hatte sich bemüht, das Mandat „in eine den Absichten des heiligen Stuhls, wie der Ehre u. Auto­ rität des Papstes entsprechende Form zu bringen“. A.D. S. 114. 46) D.R.A. II S. 534 ff- — 47) A. D. S. 156 ff. — 48) A.D. S. 165. — 49) A.D. S. 168. — 50) Mayer Spengleriana S. 51. — 51) A.D. S. 168. 52) A.D. S. 169. — 53) A.D. S. 190 Anm.; Kalkoff. Wormser Reichstag S. 339. — 54) A.D. S. 181, 217, 234. — 55) A.D. S. 235.— 5Ö) Der Gesamtbericht über die Verhandlungen vom 16. bis 26. April befindet sich in D. R. A. II S. 550—569. Ein weiterer Bericht mit der Rede und« Gegenrede Luthers ebenda 569 ff. Die Aufzeich­ nungen des Offizials von Eck über die am 17. u. 18. April gehal­ tenen Reden S. 581 ff. Ferner ein Bericht über die Verhandlungen vom 19. bis 26. April S. 612 ff. Endlich der Bericht eines Spaniers S. 632. — 57) Mayer Spengleriana S. 52—59. — 58) D. R. A. II S. 589. Bezüglich der Antwort des Kaisers siehe auch D.R.A. II S. 601. — Anm. 4; auch A. D. S. 184. — 5e) A. D. S. 190 ff. — 0O) D. R. A. II S. 852; Riederer Nachrichten IV. S. 96—98. — 61) A.D. S. 176. — 62) Th. Kolde: Luther u. der Reichstag zu Worms 1521 S. 72 i. — 63) D. R. A. II S. 594. Aleander berichtet über den Eindruck dieser Erklärung: y,Viele der Fürsten waren bleich wie der Tod“ A. D. S. 177. Vom Kaiser schreibt er, dieser habe soviel getan, „daß wir auch mit etwas weniger zufrieden gewesen wären“. A. D. S. 178. — 64) D.R.A. II S. 596 ff; A.D. S. 178 Anm. 2. — 65) A.D. S. 182; D.R.A II S. 599 Anm. 2. — 66) A.D. S. 188 Anm. 2; D. R. A. II S. 564 Anm. 4 u. S. 626. Als Belohnung war Kochläus ein Dispens zur Erlangung zweier Pfründen kostenfrei und ein Reisegeld von

255 io Gulden zugesagt worden. A. D. S. 204. — 87) D. R. A. II S. 878. — 68) D. R.A. II S. 893; A.D. S. 206 Anm. 1; D.R.A. II S. 896 ff» 69) A. D. S. 209. —■ 70) Diesen Grund gibt Aleander an. A. D. S. 233. 71) A.D. S. 248 u. 249 Anm. 1. — 72) A.D. S. 246—248.Der Reichs­ tagsabschied: D.R.A. II S. 729—743. — 73) A.D. S. 249 u. 250. — 74) A.D. S. 250. Siehe jedoch Anm. 1. — 75) Kalkoff W. E. S. 224. — 76) D.R.A. II S. 653. — 77) D.R.A. II S. 640 Anm. 2. — 78) Ratschlagbuch 3 S. 80; Ratsb. 12, 25. — 79) Briefb. 82, 234. — 80) Ratsb. 12, 38. — 81) A.D. S. 224. — 82) Briefb. 82, 92. — M) Ratsb. 11, 288. Die Mitteilung von. der erfolgten Wahl an Pömer: Briefb. 81, 135; Die Präsentation an den Bischof zu Bam­ berg, Briefb. 81, 174. — 84) Ratsverl. 1520/21 H. 8 f. 9. — 85) Ratsb. 12, 37. Der Pfarrhof war im April 1361 am Tauftag des bei St. Sebald getauften späteren Königs Wenzel zum Teil abgebrannt und damals nur aus Holz wieder aufgebaut worden. Pfinzing baute ihn 1514 aus eigenen Mitteln mit Steinen wieder aus. Damals wurde auch der „Pfinzingerker“ mit dem Propsteiwappen auf der Nordseite angebracht. — 86) Ratsb. 12, 37. — 87) Ratsb. 12, 42; Briefb. 83, 49. — 88) Siehe die Stiftungsurkunde der Testaments­ vollstrecker vom 23. Februar 1523. Nürnberger Staatsarchiv S. 1 L 74 Nr. 26. — 89) Ratsb. 12, 14; Briefb. 83, 144; Ratsb. 12, 52; Ratsverl. 1523/24 G. 12, 79. — 90) Ratsb. 12, 63. — 91) Ratsb. 13, 49 b. —V. D Baumgarten Karl V. und die deutsche Reformation S. 16. — 2) D.R.A. II S. 225. — 3) Wülcker u. Virck : Von der Planitz Be­ richte aus dem Reichsregiment in Nürnberg 1521—23 S. 73, 17—20. 4) D. R. A. III S. 66 f. — 5) Planitz S. 248, 30—249, 4. — 6) D.R.A. III S. 387; Planitz S. 267, 13—24. — 7) Planitz S. 304* 17—18. 8) Ders. S. 283, 7—10. 9) Planitz S. 288, 290, 293, 304, 319. 10) D. R. A. III S. 399 ff. — A1) D. R. A. III S. 404 ff. — 12) D. R. A. III S. 406 ff. — 13) Planitz S. 299 ff. — 14) Ders. S. 296—299. —• lö) Ders. S. 295, I5—35- — 16) Ders. S. 302—303, 25; S. 304, 16—18. — 17) Ders. S. 304, 8—16. — 18) Ders. S. 304, 19—21. — 19) Ders. S. 306, 11—31. — 20) Ders. S. 306, 31—32. — 21) D. R. A. III S. 399 ff. — 22) D.R.A. III S. 390 ff. — 23) Planitz S. 307, 1—2; S. 310 1—7. — 24) D.R.A. III S. 390 ff. — 25) Planitz S. 307, 6—308, 4. — 26) Ders. S. 308, 5—21. — 27) Ders. S. 308, 21—309, 15. — 28) Ders. S. 309, 38—310, 8—30. — 29) Ders. S. 310, 27—31; 332, 5; 323, 2 u. 18—19; 317, 28—30. — 30) Ders. S. 317, 6—37. — 31) Ders. S. 323, 16—17. — 32) Ders. S. 325, 12—18; 345, 1—7. — 33) Genaue Inhaltsangabe bei Baumgarten H. Geschichte Karls V., Bd. II S. 239 ff. — 34) Planitz S. 309, 16 ff., 317, 25. — 35) Ratsverl. vom 3. I. 23 H. 10 f. 6. — 36) Ratsb. 12, 123 b, 126 a; D. R. A. III S. 41Ü] der Ratschlag des Ausschusses Staatsarch. Nbg. S. I L. 78 Nr. 19. — 37)D.R. A. III S. 433 ff. — 38) Planitz S. 331, 3—14. — 3Ö) Ders. S. 344, H- — 40) Ders. S. 33h 14—21. — 41) D.R.A. III S. 429ff. — 42) Planitz S. 344, 20—26. — 43) Ders. S. 345, 14—26. — 44) Ders. S. 352, 4—6. — 45) Ders. S. 352, 6—16. — 46) Ders. S. 345, 35—34b, 3 — 47) Ders. S. 354, 18—36. — 48) Ders. S. 357, 12—27. — 49) D. R.A. III S. 417 ff« u. S. 435 ff. — 50) Planitz S. 357, 12, D.R.A. JII S. 435 ff. — 51) D.R.A. III S. 433 ff- — ö2) Planitz S. 383, 23—25; D.R.A. III S. 477 Anm. 3. — 53) Ratsverl. 1522/23 H. 11 f. 8 — ö4) Der Abschied : D.R.A. III S. 436—446. Das Mandat: D.R.A. III S. 447 ff. u. Staatsarch. Nbg. T. I L. 68 Nr. n — 65) Ratsb. 12, 116b; D.R.A

256 III S. 410 Anm. — 56) Ratsverl. 1522/23 H. 9 f. 12. — 57) Ratsverl. 1522/23 H. 10 f. 3; Ratsb. 12, 121. — 58) Ratsb. 12, 135. — 59) Ratsb. 12, 143 u. 154. — 60) Ratsverl. 1522/23 H. 3 f. 14; Ratsb. 12, 84. — 61) Ratsb. 12, 184. — 62) Ratsb. 12, 210. — 63) Ratsb. 12, 205. — 64) Ratsb. 12, 153 u. 155. — 65) Ratsb. 12, 156. — 6Ö) Ratsb. 12, 210 b. — 67) Ratsb. 12, 153. — 68) 12, 148. — 69) Ebenda. — 70) Ratsb. 12, 185. — 71) Ratsb. 12, 174. — 72) Ratsverl. 1521/22 H. 9 f. 8. — 73) Ratsb. 12, 91b. — 74) Staatsarch. Nbg. S. I L. 78 Nr. 20 a. — 75) Ratsb. 12, 150. — 76) Planitz S. 419, 13—19. — 77) Ratsb. 12, 190. — 78) Ratsb. 12, 110 b. — VI. *) Ratsb. 12, 212 b. — 2) Ebenda. — 3) Ratsb. 12, 205 b. — 4) Ratsb. 12, 238. — 5) Ratsb. 12, 221. — 6) Ratsb. 12, 217. — 7) D. R.A. IV S. 295. — 8) D. R.A. IV S. 484. — 9) D.R.A. IV S. 472 u. 476. — 10) D. R. A. IV S. 297 f. — ir) D. R. A. IV S .478 f.; Briefb. 86, 166. — 12) Förstemann Urk.B. S. 154—157. — lö) Ratsb. 12, 227 b. — 15) D. R. A. IV S. 151 f. — 15) von Soden S. 170. — 16) Förstemann S. 164. — 17) D.R.A. IV S. 471—476. — 18) D.R.A. IV S. 148 f. — 19) D.R.A. IV S. 483—489. — 20) Siehe dagegen D.R.A. III. S. 647 Anm. 1. Die Beschwerden wurden damals nicht dem Nuntius übergeben, sondern dem Papst unmittelbar zu­ geschickt. Vergleiche das Schreiben des Reichsregiments an Papst Adrian : Notizenblatt 2, 58. — 21) D. R. A. IV S. 487 f. — 22) Förste­ mann S. 157 u. 165. — 23) Ebenda S. 182. — 24) D. R. A. IV S. 489 bis 495. — 25) Förstemann S. 150. — 26) D.R.A. IV S. 496—498. — 27) D.R.A. IV S. 500 ff. — 28) D.R.A. IV S. 160. — 29) D. R. A. II S. 659 Anm. 1. — 30) D.R.A. IV S. 503 u. 505. — 31) D. R. A. IV S. 507. — 32) Ebenda S. 167—170. — 33) Ebenda S. 517 f. — 34) Ebenda S. 520. — 35) Ebenda S. 512. — 36) D. R. A. IV S. 603 bis 605; S. I L. 68 f. 116. — 37) Förstemann S. 192. — 38) D.R.A. IV S. 587 f. —• 39) Förstemann S. 187. — 40) Ebenda S. 189 u. 193. — 41) Balan Monumenta reformationis Lutheranae S. 332 u. 339 f. — 42) Das Mandat: Staatsarch. Nbg. S. I L. 68 Nr. 11 c. — 43) Baum­ garten S. 39. — 44) Ranke II S. 109—112. — 45) Ebenda S. 114. — 46) Winter : Gesch. der Schicksale der evangelischen Lehre in u. durch Bayern II S. 322. — 47) Constitutio ad removendos abusus et o'rdinatio ad vitam cleri reformandam per reverendum Laurentium. Ratisbonae nonis Juliis 1524. — 48) Ed. Engelhardt Ehrengedächt­ nis S. 90 ff. u. 165 ff. — 4Ö) Strobel Nachrichten S. 18 ff. — 50) Staats­ arch. Nbg. S. I L. 68 Nr. 11 d. — 51) Förstemann S. 173 f. — 62) Ratsb. 12, 247. — ö3) Ratsb. 12, 247 b. — 54) Staatsarch. Nbg. S. I L. 30 Nr. 5. — 6ß) von Soden S. 181 f.; Staatsarch. Nbg. S. I L. 78 Nr. 12 a u. b. — 66) v. Soden S. 182 ff. — 57) Ratsb. 12, 252; Staatsarch. Nbg. S. I L. 30 Nr. 5 d. — 58) Ebenda Nr. 5 d u. e. — 59) Ratschlagb. 4, 150; Ratsb. 12, 253. — 0O) Staatsarch. Nbg. S. I L. 78 Nr. 7 a. — 61) Ebenda T. I L. 68 Nr. 11 e. — 62) Ratsb. 12, 229 u. 242. — ®3) Ratsb. 12, 239. — 04) Ratsb. 12, 239 b. — 65) Ratsb. 12, 257. — VII. *) Ratsb. 12, 275. — 2) Ratsb. 12, 277 b u. 280 b. — 3) Ratsb. 12, 281. — 4) Ratsb. 12, 285. — 6) Ratsb. 12, 285 b. — 6) Ratsb. 12, 286. — 7) Ratsb. 12, 288. — 8) Ebenda. — 9) Ratsb. 12, 287 b. — 10) Ratsb. 12, 291. — Brief Spenglers an Volkamer S. I L. 78 Nr. 10. — u) Eben­ da. — 12) Solger 762 c Beiband IV Stadtbibi. Nbg. — ls) Ebenda

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S. 1—3, s. I L. 78 Nr. 10. — 14) Ebenda S. 3—6. — 15) Ebenda S. 67 — 16) Ebenda S. 12—18. — 17) Ebenda S. 19—24. — 18) Ebenda S. 25; Ratsb. 12, 293. — i9) Ebenda. — 20) Ratsb. 12, 294. — 21) Ratsb. 13, 3. — 22) Ratsb. 13, 3 b. — VIII. *) W. Vogt : Vorgeschichte des Bauernkriegs S. 13. — 2) Ratsb. 12, 241. — 3) Ratsb. 12, 242 b. — 4) Ratsb. 12, 244 b; Will : Beiträge zur Fränkischen Kirchengeschichte S. 138. — 8) Ratsverl. 4. VI. 1524. — 6) Will S. 139. — 7) Ratsb. 12, 253. — 8) Ratsb. 12, 289 b. — 9) Briefb. 89, 26, 46, 47, 54. — 10) Ratsb. 13, 1—3. — n) Briefb. 89, 57 a, 66 a, 72, m, 114, 128 b, 131, 133 b. — 12) Ratsb. 13, 4. — 13) Ratsb. 13, 5.— 14) Briefb. 89, 138, 139 a. — 15) Ratsb. 13, 13. — ie) Ratsb. 13, 7;Briefb. 89, 195 u. 200. — 17) Ratsb. 13, 8 b; Briefb. 89, 199 a. — 18) Briefb. 89, 197 a, 199 a; Ratsb. 13, 12. — 19) Briefb. 89, 199 a. — 20) Briefb. 89, 205 a. — 21) Briefb. 89, 128 b, 143 b, 214 b, 216 a, 227 b, 246 a. — 22) Briefb. 89, 212, 213 b, 228 b, 236 b. — 23) Ratsb. 13, 13. — 24) Ratsb. 13, 16 b. — 2Ö) Ratsb. 13, 28 b. — 28) Ratsb. 13, 14. — 27) Briefb. 89, 144 b, 154 a, 239 a. — 28) Briefb. 89, 231 a. — 29) Ratsb. 13, 19 b. — 30) Briefb. 89, 250 a. — 31) Briefb. 89,239 a u. 247 a. — 32) Briefb. 90, 18 b. — 33) Briefb. 90, 14 b. — 34) Briefb. 90, 12. — 35) Briefb. 90, 14. — 36) Briefb. 90, 39 b. — 37) Briefb. 90, 54 a. — 38) Briefb. 90, 59 b. — 39) Briefb. 90, 65 a. — 40) Ratsb. 13, 21, 23, 26, 32. — 41) Briefb.89, 546, 55 b; 90, 23 b, 32, 46 b, 85 a, 133 a.— 42) Briefb. 89, 57; 90, 18; Will Beitr. S. 169 f. — 43) Briefb. 89, 151 b; 90, 71 u.155 a. — 44) Briefb. 89, 140 b,150, 117 b; 90, 79, 89. — 45) Ratsb. 13, 33—35. — 46) Will Beitr. S. 207. — 47) Briefb. 90, 103 a. — 48) Briefb. 90, 92 b. —

IX. *) Roth : Die Einführung der Reformation in Nürnberg S. 177. — 2) Staatsarch. Nbg. S. I L. 39 Nr. 54; von Schubert : Lazarus Spengler und die Reformation in Nürnberg S. 132. — 3) Ebenda S. 134 ff. — 4) Ed. Engelhardt: Ehrengedächtnis S. 28 ff. — 5) de Wette II S. 58. — 6) von Soden S. 209. — 7) Riederer Nachrichten I S. 191 u. 194. — 8) Lochner : Hist. pol. Blätter Bd. 44 S. 422. — 9) Ratsb. 12, 273 a. — 10) Ratsb. 12, 277. — 1A) Ratschlagb. Nr. 4 f. 180 f. 12) Ratsb. 13, 8. — 13) 13, 10. — 14) Ratsb. 13, 21, 26, 41 b. — lß) Ratsb. 13, 6, 27. — 16) Ratsb. 13, 19 b. — 17) Ebenda. — 18) Höfler : Denkwürdigkeiten S. 33—38 u. 42. — 19) Ebenda im 2. Abschnitt. — 20) Ratsb. 13,21 b. — 21) Strobel: Melanchthons Auf­ enthalt in Nürnberg S. 26. — 23) Ratsb. 13, 7 b. — *4) Ratsb. 13, 8 u. 10 b. — 25) Ratsb. 13, 36 b. — 26) Ratsb. 13, 93 b. — **) Ratsb. 13, 257, 269, 283. — 28) Ratsb. 14, 290 u. 290 b. — 29) Ratsb. 13, 6 b, 12b, 15b, 16, 21 b, 48b; Briefb. 90, 60; 91, 87; Ratsverl. 1525 H 2 f. 16. — 30) Ratsb. 13, 30, 29, 44 b. — 31) Hilpert : Die Entstehung des vereinigten prot. Kirchenvermögens S. 34 ff*; Ratsb. 13, 49. — 32) Corpus reformatorum I S. 14 ff.; Strobel: Miscellanea II S. 165; Briefb. 89, 43 b. — **) Strobel : Müllners Reformationsgeschichte S. 60; von Soden S. 231—32; Hilpert S. 36. — M) Ratsb. 13, 52 b.; Hilpert 36. —

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258 X. A) Ratsb. 13, 3. — 2) 13, 15. — 3) Ratsb. 13, 44; von Soden S. 256. — 4) Ebenda S. 233; Ratsb. 13, 49. — 5) Waldau : Neue Bei­ träge IV S. 417 f. — 6) Strobel : Melanchthons Aufenthalt in Nbg. S. 10. —■ 7) Ratsb. 13, 36b; Briefb. 91, 11. — 8) Ratsb. 13, 45, 45 b, 46 b, 86 b. — 9) Briefb. 92, 58. — 10) Strobel : Melanchthon in Nbg. S.26—28. — n) von Soden 266. — 12) Ratsb. 13, 38 u. 120. — 13) v. Soden S. 267. — 14) Ratsb. 13, 49. — 15) Roth : Einführung der Reformation S. 270. — 16) Ratsb. 13, 53 b. — 17) Ratsb. 13, 211 b. 18) Ratsb. 13, 217. — 19) Ratsb. 13, 264. — 2Ü) Ebenda. — 21) Ratsb. 14, 5. — 22) Ratsb. 13, 44 u. 456. — 23) Ratsb. 13, 59. — 24) Ratsb. 13, 62b, 171, 259. — 25) Strobel: Müllners Reformationsgeschichte S. 58. — 26) Briefb .89, 83 b. — 27) Briefb. 91, 121. — 28) Ratschlagb. 5, 110; Briefb. 92, 109. — 29) Ratschlagb. 5, 114; Ratsb. 13, 59. — 30) Briefb. 12, 122 u. 123 b. — 31) Briefb. 93, 40 b u. 47 b. — 32) Briefb. 98, 184 b; Briefb. 94, 132 u. 181. — 33) Briefb. 94, 188b. — 34) Ratschlagb. 5, 221; Ratsb. 13, 255 b. — 35) Briefb. 94, 181. —

Druckfehle rber ich tigu n g : Auf Seite 179 Zeile 10 soll es statt „widerlegten“ heißen: „niedergelegten“.

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Buchbesprechungen. Quellen zur Handelsgeschichte der Stadt Nürnberg seit 1400. Aus dem Archiv der Reichsstadt. Nach den Plänen und Vorarbeiten von K. Theodor v. Eheberg und Carl L. Sachs unter Leitung von Bernhard Schmeidler bearbeitet von Wilhelm B i e b i n g e r und Wilhelm Neu­ kam. I. Band, 1. Heft: 1400—1405. (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, X. Reihe.) Erlangen 1934, Palm u. Enke. XXIV, 160 S. Brosch. RM. 10.—. In der X. Reihe der Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte liegt nun als unmittelbarer Nach­ folger des 1. Bandes : ,,Das Handlungsbuch der Hol^schuher (ca. 1305—1307)“ das i.Heft des 2. Bandes „Quellen zur Handelsgeschichte der Stadt Nürnberg seit 1400“ vor. Daß die „Quellen“ gerade mit dem Jahre 1400 einsetzen, dafür ist eine Begründung nicht in der Arbeit angegeben; doch ist wahrscheinlich, daß die Bearbeiter dem sehnlichst erwar­ teten Urkundenbuch der Stadt, das etwa bis 1400 ein­ gehenderes Quellenmaterial bietet, nicht vorgreifen wollten. Weiterhin beschränkten sich die Bearbeiter, bzw. Heraus­ geber grundsätzlich auf jenes Material, das ehemals nach­ weisbar Bestandteil des alten reichsstädtischen Archivs gewesen ist. Jedenfalls ist der Benutzer sicher, daß durch diese Lösung das wichtigste einschlägige Archiv völlig und sachgemäß ausgewertet wurde. Nichts ist für den Benutzer störender als der Gedanke, es könnte doch noch wichtiges Material sich in einem Archiv versteckt halten : dem haben die Bearbeiter vorgebaut. Wie aus den „Vorläufigen Bemer­ kungen“, bzw. schon aus dem Titel hervorgeht, haben die „Quellen“ bereits eine längere Leidensgeschichte hinter sich. 17*



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Der Plan zu der Gesamtarbeit geht auf die Vorschläge von Geh. Rat Prof. Dr. Ritter v. Eheberg zurück, ohne daß freilich die ersten langjährigen Vorarbeiten zum Druck hin­ reichten; seit 1923 hatte C. L. Sachs die Leitung der Arbeiten in Händen, wodurch ein großer Teil des Jahres 1400 im Manuskript fertig wurde; nachdem Sachs die Leitung abgegeben hatte, übernahm Prof. B. Schmeidler die verwaiste Stelle. Seine beiden Bearbeiter, die Archivräte am St.A. Nürnberg Biebinger und Neukam haben dann die Stoffsammlung selbständig fortgeführt und die erforder­ lichen Anmerkungen hergestellt, während Schmeidler die sorgfältige Edition überwachte. Gliedert man die Gesamtmasse des dargebotenen Stoffes nach einigen Hauptgesichtspunkten, so ergibt sich, daß bei der Stoffauswahl zunächst einmal die für den eigentlichen auswärtigen oder Fernhandel bezüglichen Akten und Urkunden herangezogen wurden, so etwa in den Nummern 1, 4, 7, 10, 16, 20, 22, 31, 32, 41, 46, 47, 49» 53» 68, 71, 72, 73, 75, 76, 89, 90, 106, 107, 109, 110, in, 122, 128, 137, 140, 141, 143, 153, 154, 159, 160, 161, 164, 166, 170, 171, 173, 174, 184, 189, 190, 191, 194, 199, 202, 203, 209. Als 2. große Gruppe finden wir dann die Stücke, die sich auf dieRegelung der inneren Handels- und der Gewerbeangelegenheiten der Stadt durch den Rat beziehen. Diese beiden Gruppen ergeben zusammen ein Bild von der ununterbrochen fortlaufenden, eifrigen Aufsicht, Fürsorge und Hilfe des Rates für den Handel, und einen Einblick in die Maßnahmen gegen die Schädlinge desselben. Weiter wurden die Privilegien von Kaisern und Fürsten heran­ gezogen und dann insbesondere auch das Material über die Münze und die Münzverhältnisse als der technisch-wirt­ schaftlichen Grundlage und der ,,Katalysatoren“ des Han­ dels für die weitere Verarbeitung bereitgestellt. Der heimische Handel, der mit dem Gewerbe und Handwerk, dem Frachtverkehr und Marktwesen unlösbar zusammenhängt, wurde in dem Maße berücksichtigt, als eben Beziehungen zum Marktgeschehen vorhanden oder als



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vorhanden anzunehmen waren. Eine gewaltige Menge Namen von Kaufleuten und ihres Hilfspersonals, von Hand­ werkern, von sonstigen Personen, Oertlichkeiten, Zuständen und Verhältnissen treten uns so entgegen. Nicht bloß als Qerschnitt durch die Quellen des reichsstädtischen Handels­ wesens, sondern auch als Fundgrube für rechts- und kultur­ geschichtliche Zustände und Verhältnisse, für Nürnberger Topographie und Familiengeschichte, für die Besiedlungs-, Handwerks- und Gewerbegeschichte Nürnbergs sird diese „Quellen“ bedeutsam. Die ganze Bearbeitung muß als vorbildlich bezeichnet werden : der Abdruck der Quellen, ihre Beschreibung und die Erläuterung derselben beweisen anerkennenswerte Sorg­ falt in der Auswahl und Wiedergabe, genaue und erfreulich eingehende Heranziehung der Literatur über Nürnberg, der einschlägigen Werke über Kultur-, Rechts-, Handels- und weitere Wirtschaftsgeschichte und vor allem auch ein Vertrautsein der Bearbeiter mit der Topographie Nürnbergs; die „Quellen“ bringen auch hier manches Neue für den Nürn­ berger selbst. Die S. 21 genannte ,,Curia Ber Pfinczings“ dürfte wohl der Hof Berthold Pfinzings am Egydienplatz sein. Das Frauentor war 1400 noch am alten Graben beim heutigen ,,Mautkeller“ (S. 12). In Regest 12 dürfte statt ,,gesezzen an dern markt“ wohl ,,an dem markt“ zu setzen sein. Alles in allem handelt es sich in diesem Heft um eine dankenswerte, wissenschaftlich nach jeder Seite hin treff­ liche Arbeit, die freilich in dieser gründlichen Form wohl nicht fortgesetzt werden kann, wenn man das Ende der Gesamtarbeit nicht genau so in der Ferne verschwinden sehen will, wie die Herausgabe des Urkundenbuchs der Stadt Nürnberg, das seit 50 Jahren bearbeitet wird, ohne daß eine Zeile bisher das Licht der Welt erblickt hätte. Deutschlands erste Eisenbahn Nürnberg — Fürth. Im Auftrag der Oberbürgermeister der Städte Nürnberg und Fürth und der Ludwigseisenbahn-Gesellschaft verfaßt von Stadtoberamtmann D r. M a x B e c k h. J. L. Schräg Verlag Nürnberg. 1935. 353 S. (mit 70 Bildern). RM. 3.80.

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Aus Anlaß der hundertmaligen Wiederkehr des bedeut­ samen Tages für die Geschichte des deutschen Verkehrs, an dem die erste deutsche Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet wurde, hat der Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg nicht nur eine weithin beachtete Feier zu Ehren des ehemaligen Nürnberger Bürgermeisters Scharrer als Gründer derselben veranstaltet, sondern darüber hinaus auch gemeinsam mit dem Oberbürgermeister der Stadt Fürth und der Ludwigseisenbahn-Gesellschaft eine wichtige Festschrift zur Jahrhundertfeier unter dem Titel ,,Deutsch­ lands erste Eisenbahn Nürnberg — Fürth. Ein Werk von Tatkraft und Gemeinsinn“ in dem bekannten Verlag Schräg in Nürnberg erscheinen lassen. Verfasser ist der Stadt­ oberamtmann Dr. Max Beckh von Nürnberg. Es ist ein stattlicher Band von 353 Seiten, den man schon um seines Aeußeren willen gerne in die Hand nimmt. Der braune Lederrücken, der weißlederfarbene Einband und der Schmuck desselben stimmen trefflich zusammen. Der erste angenehme Eindruck wird verstärkt durch den schönen Druck auf weißem Kunstdruckpapier und die sorgfältig aus­ gewählten, künstlerisch und kulturgeschichtlich wertvollen und technisch glänzend wiedergegebenen vielen Bilder und Zeichnungen. Ausgehend von einer Schau auf jene Zeit, die unmittel­ bar an der Schwelle des Eisenbahnzeitalters liegt, erkennen wir den gewaltigen geistigen Hintergrund, auf dem sich in der Folge die wirtschaftliche Umwälzung größten Stils vollzieht. * Nicht Deutschland ist es, das zunächst die ersten Eisen­ bahnen in Betrieb sah, sondern England und Amerika wie Frankreich wirken hier bahnbrechend. Schon 1809 führt man gegen Eintrittsgeld in London eine im Kreis laufende Dampfmaschine mit angehängter Kutsche den Zuschauern vor. Zum Abschluß gegen die nichtzahlende Oeffentlichkeit war ein hoher Bretterzaun um die Fahrbahn errichtet. Mit Recht meint hier der Verfasser : ,,Ob nicht dieser Bretter­ zaun vielleicht die Veranlassung dazu war, daß man später

in Deutschland sagte, daß man die Eisenbahn mit Rücksicht auf die nicht’ mitfahrende Bevölkerung mit einer Bretter­ wand verdecken müßte ?“ Auch in Frankreich war es nicht so, wie Treitschke in seiner ,,Deutsche Geschichte“ behaup­ tet, daß dieses Land in den 40er Jahren nur eine Eisenbahn besaß, sondern wir erfahren, daß vor 1836 sogar schon drei Linien befahren wurden. Theoretisch war man auch in Deutschland nicht müßig. Zwei Persönlichkeiten führt uns der Verfasser vor Augen : Joseph Baader und Friedrich List, ohne die man sich die Entwicklung des heutigen Eisenbahnnetzes nicht denken könnte. Jos. Baader, der unermüdliche Vor­ kämpfer für den Eisenbahngedanken, hatte schon 1815 in Bayern ein Privileg für Eisenbahnen und in England ein Patent für den Bau solcher erhalten. Aber in Bayern stan­ den ihm in den Vertretern des ,,Kanalbaues“, an der Spitze der bayerische König selbst, zu übermächtige Gegner gegen­ über, die es auch endlich unmöglich machten, daß Baader an der unmittelbaren Vorbereitung der ersten deutschen Eisenbahn mitwirken konnte. Seine Bedeutung stellt der Verfasser mit Recht stark heraus. Neben diesem bayerischen Techniker erhält aber auch die andere noch gewaltigere Persönlichkeit, der Volkswirt Friedrich List, einen Ehrenplatz. Der Verfasser legt nicht nur die grundlegende Bedeutung Lists für das deutsche Eisenbahnwesen klar, er erzählt auch von den Beziehungen Lists zu Nürnberg, wo dieser 1819 als Konsulent der deut­ schen Handelskammer fast eine zweite Heimat gefunden hätte. Die neuen Forschungsergebnisse, die Beckh hier zur Geschichte des großen Deutschen in einer Reihe von Einzel­ heiten bieten konnte, und die auch bisher der ausgedehnten Listforschung noch entgangen waren, werden als „NebenergebnisV mit Dank aufgenommen werden. Es ist auch für Nürnberg ehrenvoll, wenn z. B. der bahnbrechende deutsche Volkswirtschaftler in einem Brief vom Jahre ,1819 schreibt : ,,In der Nürnberger Kaufmannschaft ist kein gemeiner Geist. Ueberhaupt hat mir der Ort und die Leute dort

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recht wohl gefallen. Meine Anwesenheit machte Sensation. Ich wurde von allen Seiten in Augenschein genommen und bekomplimentiert.“ In dem schönen Abschnitt „Der Kampf um die Erreichung von Deutschlands erster Eisenbahn mit Dampf­ betrieb“ bietet der Verfasser ausführlich und von allen Seiten beleuchtend das, was hier in Nürnberg eine Anzahl rühriger, weitschauender und aufgeschlossener Männer für die neue Sache gewirkt hat und wie sie sich trotz unend­ licher Widerwärtigkeiten und gutgemeinter kleinmütiger Mahnungen der Gegner und Spießer zum Schluß doch sieg­ reich durchsetzten. Beckh ist es gelungen, hier (ine wert­ volle Neuigkeit zu finden : Als der König von Bayern mit dem Wunsch einer „Communikation“ zwischen Nürnberg und Fürth an die Stadt herantrat, verneint Scharrer die Notwendigkeit einer Bahn für Nürnberg. Man versteht diese Stellungnahme, weil er durch seine Bürgermeister­ tätigkeit belastet, bisher keine Gelegenheit hatte, sich mit der Frage des Eisenbahnwesens inniger vertraut zu machen. Später aber war er ihr begeisterter und führender Vor­ kämpfer. Der Aufruf, den die „Allgemeine Handelszeitung Nr. 1 (1833)“ veröffentlichte, erregte überall großes Auf­ sehen und das Für und Wider wurde in Schrift und Wort lebhaft erwogen. Nachdem die Festlegung der Strecke und eine Planung der technischen Durchführung von Prof. K. G. Kuppler einerseits und die Abtretung des Geländes anderer­ seits erfolgt war, kam es zur Herausgabe eines Prospectus am 14. Mai 1833, der von den beiden Bürgermeistern von Nürnberg und Fürth, Binder und Baeumer, dann von G. Z. Platner, H. F. Meyer und J. W. Reißig unterzeichnet ist. Der klare und eindringliche Text selbst aber stammt von der Hand Scharrers. Der Verfasser Beckh hat in diesem Abschnitt die Tätigkeit der einzelnen'Gründungsmitarbeiter, insbesondere von J. Scharrer und G. Z. Platner eingehend und wohlabgewogen dargestellt. Humorvoll liest sich der Kampf der Lohnkutscher gegen das Neue, das freilich seinerzeit für manchen ernste Schicksalsfrage war.

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„Wer hat denn nur den Dampf erdacht, Die Fuhrleut um ihr Brot gebracht ? Die sind nun wahrlich übel dran Mit der verdammten Eisenbahn.“ So steht auf einem Bierglasdeckel der Zeit als Ausdruck der gequälten Stimmung der „Ausgeschalteten“. Für die' Finanzierung des ganzen Unternehmens hat sich G. Zach. Platner durch den vollen Einsatz seiner Persönlichkeit größte Verdienste erworben, indem er, nachdem durch Scharrer gewissermaßen das Werk geistig festgelegt war, die finanzkräftigen Kreise zum Zeichnen der ausgegebenen Subskriptionsliste heranzog. Mit melancholischen Anwand­ lungen liest man, daß die bayr. Staatsregierung 2 (m. W. zwei) Aktien zu 100 Gulden als Beweis „ihrer lebhaften Teilnahme“ zeichnete und 20 Gulden hievon einzahlte. Ueber die erste allgemeine Versammlung im kleinen Rathaussaal, die Wahl des Direktoriums und über ein Gesuch an den König, in dem dieser mehr höflich als wahr als der „eigentliche Schöpfer“ der Bahn bezeichnet wird, um ein Privile , wird in spannender Darstellung berichtet. In einem neuen Abschnitt bietet der Verfasser eine Reihe gehaltvoller Lebensbilder der Gründerpersönlichkeiten. Hier ist über die Urheberschaft des Planes gewissenhaft all das zusammengetragen, was heute noch hierüber eindeutig zu ermitteln war. Die Gründlichkeit der Arbeit Beckhs beweist hier wieder eine Kleinigkeit. Es genügt ihm nicht, daß Mummenhoff den Geburtstag Platners in der „Allg. Biographie“ auf den 27. 7. 1779 festlegte, durch Einsicht der Akten ergab sich ihm ein anderes, der 27. 7. 1781. Wie so oft in der Geschichte, fragt man bei großen Taten, die unter der Arbeitsteilnahme mehrerer geleistet wurden, zweckmäßig nicht nach dem Urheber. Der Ver­ fasser betont seinerseits, gestützt auf eindringlichste, lang­ jährige Aktendurchsicht, die überragende Arbeit Scharrers, und die Stadt Nürnberg hat ja auch nicht ohne Grund die Person Scharrers etwas mehr in den Vordergrund gestellt. Aber der Verfasser erkennt neben Scharrer doch auch die große Bedeutung Platners uneingeschränkt an, wenn er

266 sagt: „Am wichtigsten ist doch die Tatsache, daß die beiden Männer in Freundschaft das Unternehmen begonnen und gefördert haben. Darin, daß ihre Einstellung zu allen im Laufe der Entwicklung auftauchenden wichtigen Problemen eine einheitliche war, lag die Stärke der Führung des Unter­ nehmens in der Entstehungszeit“. Es ist hier nicht die Möglichkeit gegeben, all die Phasen der weiteren Entwick­ lung, die der Verfasser bietet, eingehend zu erörtern; es kann nur gesagt werden, daß er den Leser völlig über alles Wesentliche ins Bild setzt. Ein Verzeichnis der benützten Literatur und Akten, wie ein umfassendes Register be­ schließen die Arbeit. Es ist eine ,,Festschrift“. Sie unterscheidet sich von den mitunter erscheinenden Arbeiten solcher Art dadurch, daß sie, im festlichen Gewände erschienen, voll innerer Schönheit und wissenschaftlichem Gehalt sich vorstellt. Der Verfasser hat in langjähriger Arbeit die Durchforschung eines äußerst umfangreichen Aktenmaterials und Schrift­ tums bewältigt, insbesondere wurden von ihm auch sämt­ liche für Nürnberg wichtige Zeitungen und Zeitschriften erschöpfend ausgewertet. Die Darstellung ist flüssig, lebendig in der Schilderung und oft durch ansprechenden Humor, besonders durch Beinahme zeitgenössischer Ge­ dichte, gewürzt. Der Leser wird gerne den fesselnd geschriebenen, die Spannung der Zeit wiederspiegelnden Abschnitten folgen. Eine derartige Festschrift ist würdig der großen, Zeit, um derentwillen sie geschrieben wurde. Sie ist wohl geeignet die Erinnerung an die große Vergangen­ heit im Leser lebendig werden zu lassen und wird sie über lange Zeit lebendig erhalten.