Lutherische Theologie und Kirche 1-2/2015 - Einzelkapitel: Realpräsenz (Einführung) 9783846999158

Volker Stolle hat diesen Text auf Bitten des Pfarrkonvents Süddeutschland der SELK vorgetragen. Er wird hier dokumentier

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Lutherische Theologie und Kirche 1-2/2015 - Einzelkapitel: Realpräsenz (Einführung)
 9783846999158

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Zu diesem Heft
VOLKER STOLLE
JORG CHRISTIAN SALZMANN
WERNER KLÄN
BUCHSCHAU

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Zu diesem Heft Liebe Leserin, lieber Leser! Die Lehre von der Realpräsenz des Leibes und Blutes Jesu Christi im Abendmahl ist für eine bewusst konfessionell bestimmte lutherische Theologie und Kirche zwar ein Schibboleth, ein Prüfstein der eigenständigen theologischen Positionierung und kirchlichen Existenz. Einen Exklusivanspruch auf das Thema „Realpräsenz“ hat das von Werner Klän so apostrophierte Konkordienluthertum aber keineswegs. Darauf weist u.a. das Themenheft der Zeitschrift Evangelische Theologie zu dieser Frage aus dem Jahr 2014 hin. Darin konstatiert der Herausgeber Bernd Oberdorfer: „Auch nach der Leuenberger Konkordie hat die Frage jedoch nicht an Bedeutung verloren. Im Gegenteil hat diese selbst dazu angeregt, auf der Basis des erreichten Konsenses weiterzudenken und das erreichte gemeinsame Verständnis ökumenisch zu vertiefen. Ohnehin hat die Frage nach der Gegenwart Christi im Abendmahl gerade in neuerer Zeit wichtige fundamental-theologische Debatten ausgelöst.“1 In ökumenischer Verantwortung kann und sollte sich ein bekenntnisgebundenes Luthertum, wie es in Deutschland etwa durch die Selbständige Evangelische Lutherische Kirche (SELK) oder die Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden (ELKiB) repräsentiert wird, an diesen Debatten beteiligen. Beide Kirchen können gerade auch im Hinblick auf die Frage der Realpräsenz den erhofften Konsens in der Leuenberger Konkordie nicht in ausreichendem Maße erkennen. Diese Position darf aber nicht in – womöglich selbstgenügsamer – theologischer Beharrlichkeit enden, sondern muss aufgrund des unaufgebbaren ökumenischen Anspruchs lutherischer Theologie immer wieder und immer neu reflektiert vertreten werden. Dabei ist dann zunächst auch der Blick in den Spiegel zu wagen und auszuhalten, wie ihn uns z.B. die katholische Ökumenikerin Dorothea Sattler vorhält: „Welche Schwierigkeiten noch immer gegeben sind, in Streitsituationen, die über Generationen bestehen, erst einmal mit großer Gelassenheit aufeinander zu hören, wurde mir bei einer internationalen Tagung bewusst, zu der die ‚Selbständige Evangelisch Lutherische Kirche‘ nach Oberursel eingeladen hatte. Die Leuenberger Konkordie war das Thema der Tagung – und damit – wie zu erwarten – der Streit um die lutherische und reformierte Abendmahlslehre. […] Die 1

Bernd Oberdorfer, Zu diesem Heft, EvTh 74 (2014), 411–412, hier: 412.

2 Abendmahlslehre als Grundlage einer Bekenntnisgemeinschaft ist mehr als Gegenstand einer theologischen Kontroverse. Die konfessionelle Identität steht infrage, die Erinnerung an Personen und ihren Lebenseinsatz für die Wahrheit – und oft damit verbunden die Weigerung, damalige Kontroversen als heute versöhnt zu betrachten. […] Ernüchtert bin ich nach Hause zurückgekehrt – als eine, die sich in der dort wenig komfortablen Lage vorfand, als eine römischkatholische Theologin die Leuenberger Konkordie mit ihrer ja recht vage gefassten Formulierung, im Abendmahl schenke ‚sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein verheißenes Wort mit Brot und Wein‘, verteidigen zu müssen – oder besser: zu wollen. […] Grundlegend dabei ist, dass die Präsenz Jesu Christi in seinem Leib und Blut in Verbindung mit den Mahlgaben Brot und Wein verkündigt wird. Können wir als Menschen mehr sagen? …“2 Nun sieht sich die konkordienlutherische Position ihrerseits in der „wenig komfortablen Lage“, diese Frage bejahen zu müssen. Zwar können lutherische Christinnen und Christen den zitierten Satz aus der Leuenberger Konkordie im Prinzip mitsprechen – das Problem ist allerdings das von Sattler selbst konstatierte „recht vage“. Darauf hinzuweisen, darf nun allerdings nicht als „Weigerung“ zur Verständigung aufgefasst werden. Und lutherische Theologie selbst steht immer wieder vor der selbstkritischen Aufgabe, diesen Eindruck nicht zu erwecken. In dem durch solche und andere Herausforderungen nötig gewordenen Reflexionsprozess spielt nun naturgemäß die Lehre von der Realpräsenz eine zentrale Rolle. Vor allem wird es dabei darum gehen, dass lutherischerseits das Beharren auf der Gegenwart des wahren Leibes und Blutes Jesu Christi im Abendmahl eben nicht in substanzontologischen „Speculationen“ des 16. Jh.s begründet ist,3 sondern sich der für alle Glaubenden zu allen Zeiten elementaren und

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Dorothea Sattler, Eucharistische Realpräsenz des diakonischen Lebens Jesu Christi. Eine römisch-katholische Perspektive, EvTh 74 (2014), 447–460, hier: 454 mit Bezugnahme auf Werner Klän/Gilberto da Silva (Hg.), Die Leuenberger Konkordie im innerlutherischen Streit. Internationale Perspektiven aus drei Konfessionen, OUH. E 9, Göttingen 2012. Vgl. dazu Bernd Oberdorfer, „Entsetzliche Speculationen“? Überlegungen zur Argumentationslogik in Luthers Abendmahlslehre, EvTh 74 (2014), 413–422. Der Titel ist ein Zitat Adolf von Harnacks.

3 existenzbestimmenden Vergewisserung der Zueignung des Heils verdankt.4 Dies gilt es immer wieder und immer wieder neu auszusagen. Für Fachtheologen mag hier eine gewisse Versuchung bestehen, im Sprachspiel des 16. und 17. Jh.s zu verharren, das Konkordienbuch schlicht zu rezitieren und damit in der Sache auf der „richtigen Seite“ zu bleiben. Die Aufgabe besteht aber gerade darin, die alten Wahrheiten so zu sagen, dass Zeitgenossinnen und -genossen sie verstehen, ja mit eigenen Worten mit- und nachsprechen können, ohne dass in der Sache Wesentliches verloren geht. Es ist die vornehmste Aufgabe lutherischer Theologie, sich um das Durchdenken und Vermitteln dieses Kerns ihrer theologischen und kirchlichen Existenz im Hier und Heute zu bemühen. Im Jahr 2013 lag dem Allgemeinen Pfarrkonvent der SELK ein Antrag des Bezirkspfarrkonvents Westfalen vor, man möge die Theologische Kommission der SELK mit einer zeitgemäßen Formulierung der Lehre von der Realpräsenz beauftragen. Dieser Antrag fand keine Mehrheit; gleichwohl ging die Debatte an unterschiedlichen Stellen weiter. Wir greifen das Thema hier auf und widmen der Frage der Realpräsenz ein ganzes Doppelheft von Lutherische Theologie und Kirche. Dabei ist klar, dass mit den hier vorliegenden Beiträgen das Thema weder erschöpft, noch die oben skizzierte Aufgabe schon geleistet ist. Hier liegen Bestandsaufnahmen und Impulse vor, die weiter reflektiert werden wollen. Es beginnt mit einem Text, den Volker Stolle auf Bitten des Pfarrkonvents Süddeutschland der SELK vortrug und den wir hier dokumentieren. Stolle macht dabei zunächst auf die geschichtlich recht junge Verwendung des Begriffs „Realpräsenz“ aufmerksam. Zudem fragt er nach unterschiedlichen Implikationen hinsichtlich des Person- und es Präsenzbegriffes bei der Verwendung des Begriffes in verschiedenartigen theologischen Kontexten. Im Sinne des oben Gesagten schließt er nicht mit einem Fazit, sondern mit einer Aufgabenbeschreibung, über die an sich schon zu diskutieren wäre.

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Der Gedanke findet sich bei Oberdorfer, EvTh 74 (2014) (wie Anm. 3), 421: „Zu beachten ist indes, dass diese Entfaltung bei Luther kein ‚spekulatives‘ Eigenleben erhält, sondern strikt rückgebunden bleibt an ihre Funktion, die Heil vermittelnde Präsenz des ‚ganzen Christus‘ im Abendmahl konzeptionell abzusichern“. Abgesehen von der Frage, ob die Vokabel „absichern“ für Luthers Intention glücklich gewählt ist, scheint mir der Gedanke im Gesamtduktus von Oberdorfers Ausführungen auch nicht stark genug gewichtet zu sein.

4 Stolles Nachfolger auf dem neutestamentlichen Lehrstuhl der LThH Oberursel, Jorg Salzmann, setzt die Beiträge aus exegetischer Sicht fort. Er widmet sich dem koinonia-Begriff in 1. Kor 10 und zeigt, dass „Paulus sich hier Gemeinschaft als Teilhabe auch im leiblichen Sinne vorstellt.“ Gerade die exegetische Rückfrage und Debatte ist unerlässlich, wenn man das Bekenntnis in seinem eigenen Anspruch, sachgerechte Auslegung der Heiligen Schrift zu sein, ernst nehmen will. Sodann zeichnet Werner Klän die Skizze einer ökumenischen Bestandsaufnahme. In der Tat spielt dabei der Begriff „Realpräsenz“ eine wesentliche Rolle. Allerdings ist es aus lutherischer Perspektive höchst erstaunlich, wer da mit wem Einigkeit hinsichtlich der Realpräsenz Christi im Abendmahl feststellen kann. Nun ist es zwar einerseits richtig, dass es nicht um „bestimmte gedankliche Konstruktionen“ gehen kann, wie Volker Stolle schreibt, sondern um das „Heilsgeschehen“ und die „segensvolle Teilhabe“ daran. Andererseits wird aber deutlich, dass eine große Unübersichtlichkeit, ja Unklarheit in der begrifflichen Erfassung die Klarheit der gemeinten „Sache“ nicht erhöht. Auch hier entlässt Werner Kläns Bestandsaufnahme eine theologische Aufgabe aus sich heraus. Schließlich macht Christoph Barnbrock mit seinen Überlegungen zu Möglichkeiten der Behandlung des Themas im kirchlichen Unterricht klar, dass theologische Reflexion nie zum Selbstzweck oder zum Glasperlenspiel werden darf. Wie sich wesentliche Formulierungen der lutherischen Abendmahlslehre dem Kleinen Katechismus verdanken und von daher auch lange Zeit zum Gemeingut lutherischer Christinnen und Christen wurden, so ist heute danach zu fragen, wie das Gemeinte verständlich zu vermitteln ist – auch den jungen und jüngsten Christenmenschen. Erstaunlich ist wiederum die Diagnose, dass nämlich oft ein Bemühen um eine verständliche Vermittlung der Realpräsenz nicht in Angriff genommen wird. Vielmehr wird der Sachverhalt auch in lutherischen Kreisen scheinbar als „bekannt“ vorausgesetzt. So ergibt sich wieder eine Aufgabe, die Christoph Barnbrock auch gleich selbst in Angriff nimmt. Übersetzung tut not – und ohne gründliche Reflexion mit substantiellem Bezug auf die Tradition geht das wohl nicht. Es gibt viel zu tun, aber gerade im Angehen dieser Mühe hat lutherische Theologie und Kirche ihren unverwechselbaren Beitrag zum ökumenischen Gespräch zu leisten. Zuletzt möchte ich ausdrücklich auf die ausführliche Rezension der Neuausgabe der Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutheri-

5 schen Kirche (BSELK) hinweisen, mit der Gilberto da Silva dieses Heft beschließt. Nach über 80 Jahren ist dieser evangelische Basistext neu ediert worden. Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche hat der verantwortlichen Herausgeberin, Prof. Dr. Irene Dingel vom Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG) in Mainz dafür den Hermann-Sasse-Preis für lutherische Theologie 2015 verliehen. Völlig zu Recht, wie wir meinen. Gilberto da Silvas Besprechung führt ein in die neuen editorischen Grundsätze, macht aufmerksam auf die Vielfalt der Ausgaben, die sich bereits im 16. Jh. fand und macht hoffentlich Lust dazu, die drei Bände BSELK selbst zur Hand zu nehmen und das Bekenntnis der lutherischen Kirche neu zu entdecken und zu durchdenken. Prof. Dr. Achim Behrens

VOLKER STOLLE

Realpräsenz1 Einführung Der Pfarrkonvent Westfalen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) hat sich mit dem Berichtsband über die Leuenbergtagung in Oberursel2 beschäftigt. Dabei ist ihm aufgefallen, wie darin der Begriff Realpräsenz, der in der „Leuenberger Konkordie“ (1973) selbst gar nicht begegnet,3 unterschiedlich gebraucht wird. So heißt es einerseits: „Jesus Christus selbst ist Geber und Gabe seines Mahls, so lautet die konfessionsverbindende Formel über das Abendmahl, die sich der Erfahrung des Kirchenkampfs verdankt.“ Und diese Formel wird als „ein Bekenntnis zur Realpräsenz Christi im Abendmahl …, Realpräsenz jedoch in einem personalen, nicht in einem lokalen oder substanzontologischen Sinn“ verstanden.4 Andererseits ist zu lesen: „The term commonly used to describe the Lutheran teaching is ‚Real Presence‘. What is meant is specifically the real presence of the body und blood of Christ in the bread and wine, not merely the presence of Christ in an general way (as Matt 1

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Vortrag auf dem Pfarrkonvent Süddeutschland der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche am 4. Februar 2014 in München, für den Druck weiter ausgearbeitet. Werner Klän/Gilberto da Silva (Hg.), Die Leuenberger Konkordie im innerlutherischen Streit (OUH. E 9), Göttingen 2012. Dagegen findet sich der Begriff in den „Ratzeburger Thesen zur ‚Leuenberger Konkordie'“, mit denen sich 1972 die „Kirchliche Sammlung um Bibel und Bekenntnis“ gegen die damals erst im Entwurf vorliegende „Leuenberger Konkordie“ wandte (Von der wahren Einheit der Kirche. Lutherische Stimmen zum Leuenberger Konkordienentwurf, hg. v. Ulrich Asendorf/Friedrich Wilhelm Künneth, Berlin und Schleswig-Holstein 1973, 271–280, dort 277). – In der sogenannten „Leuenberger Vorkonkordie“ (Juni 1971) begegnen noch die Wendungen „unter den Abendmahlsgaben gibt sich der gekreuzigte und auferstandene Herr real in unsere leibliche Wirklichkeit hinein“ (2.4) und „die Realität der Abendmahlsgabe“ (3.1), auf die schon im „Entwurf“ von September 1971 verzichtet wurde (Tuomo Mannermaa, Von Preußen nach Leuenberg [AGTL NF 1], Hamburg 1981, 187.188). Klän/da Silva, Leuenberger Konkordie (wie Anm. 2), 97.

_______________________________________________________________________ LuThK 39 (2015), 6–27 DOI 978-3-8469-9915-8

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18,20, for instance, speaks of Christ’s presence where two or three are gathered together in his name).“5 Und folglich findet sich auch die Position: „Es glaubt kein Christ die reale Abwesenheit Christi. Von daher sind Erklärungen im Gottesdienstblatt, welche die Besucher am Abendmahlstisch auf diejenigen beschränken wollen, die ‚an die Realpräsenz Christi im Sakrament glauben‘, bedeutungslos.“6 Offenbar stehen sich unterschiedliche Verständnisweisen unvermittelt gegenüber. Und es ist nicht zu erkennen, wie diese unterschiedlichen Positionen ins Gespräch miteinander kommen können. Das empfand der Konvent Westfalen der SELK als äußerst misslich, da mit dem Begriff Realpräsenz ein zentraler Punkt des kirchlichen Selbstverständnisses der SELK angesprochen scheint. Der Konvent meinte, man müsse an diesem Punkt gesprächsfähiger werden, um im ökumenischen Dialog Rechenschaft ablegen zu können, was denn tatsächlich gemeint sei. Es sollte nicht darum gehen, die eigene Position an die der Leuenberger Konkordie anzugleichen, sondern darum, das eigene Anliegen verständlicher zu artikulieren. Der Konvent wandte sich deshalb mit einem Antrag an den Allgemeinen Pfarrkonvent der SELK.7 Dieser hat sich in seiner Mehrheit diese Aufgabe, das eigene Bekenntnis verständlicher zu artikulieren, nicht zu eigen gemacht. Jedoch hat der Konvent Süddeutschland der SELK die Frage weiter verfolgt. Dass hier tatsächlich Klärungsbedarf besteht, unterstreicht der Band, der die Beiträge zu einem Kolloquium von Vertretern der Evangelischen Kirche der Union (EKU) und der SELK Ende Februar 2013 in Wittenberg dokumentiert.8 Einerseits wird der Begriff Realpräsenz hier unreflektiert verwendet,9 andererseits wird er unter5 6 7 8

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A.a.O., 164f. A.a.O., 50, Anm. 36. Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche. 12. Allgemeiner Pfarrkonvent, Berlin-Spandau, 17.–21.06.2013, Nr. 320. Jürgen Kampmann/Werner Klän (Hg.), Preußische Union, lutherisches Bekenntnis und kirchliche Prägungen. Theologische Ortsbestimmungen im Ringen um Anspruch und Reichweite konfessioneller Bestimmtheit der Kirche (OUH. E 14), Göttingen 2014. Eilert Herms spricht in seiner Darstellung Luthers von einer „realen Präsenz des inkarnierten Versöhners“, ohne dafür ein ausdrückliches Lutherzitat vorweisen zu können (Luthers Abendmahlsverständnis und seine ökumenische Gegenwartsbedeutung, a.a.O., 270–288, Zitat dort 277f). Armin Wenz greift den Be-

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schiedlich bestimmt.10 Das unterstreicht, dass die Bitte um Präzisierung des Aussagegehalts durchaus berechtigt erscheint. Zudem ist der ökumenische Aspekt zu beachten. Oft wird der Begriff „Realpräsenz“ als charakteristisch für die lutherische Lehre vom Abendmahl verwendet. Dem steht gegenüber, dass im so genannten Lima-Papier „Taufe, Eucharistie und Amt“, das 1982 von der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen vorgelegt wurde, nach Überzeugung aller Kirchen das Abendmahl „the sacrament of his (sc. Christ’s) real presence“ ist. Hier wird also eine Konvergenz aller Kirche weltweit dahingehend festgestellt: „The Church confesses Christ’s real, living and active presence in the eucharist.“11 Allerdings wird weiterer Gesprächsbedarf signalisiert: „Some other churches, while affirming a real presence of Christ at the eucharist, do not link that presence so definitely with the signs of bread and wine.“12 Nun ist auffällig, dass in der deutschen Übersetzung von ,wirklicher Gegenwart‘ die Rede ist und der Begriff Realpräsenz nur in Klammern hinzugesetzt wird.13 Während

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griff Realpräsenz auf, um das Anliegen der Konkordienformel zu bestimmen, in der dieser Begriff nicht begegnet (a.a.O., 292). Johannes Hund und Christoph Barnbrock attestieren Johann Gottfried Scheibel ein Bekenntnis zur Realpräsenz, ohne dass sich an den angeführten Belegstellen der Begriff findet (a.a.O., 50.70.142). In einem angeführten Zitat wird zwischen „somatischer und prneumatischer Realpräsenzlehre“ unterschieden (a.a.O., 201). Welchen Sinn kann es haben, eine Alternative zwischen einem in den Grundtexten enthaltenen Begriff (soma) und einem in ihnen nicht enthaltenen (pneuma) aufzustellen? – Und Eilert Herms bestimmt das „intendierte Reale“: „Es ist eben das Geschehen der Selbstvergegenwärtigung des Schöpfers in Jesus Christus durch den Geist“ (a.a.O., 286). Diese Definition ist so weit greifend und entfernt sich so sehr von der konkreten Abendmahlshandlung, dass die Konturen gänzlich verschwimmen. Denn es soll jetzt ja primär nicht mehr um die Präsenz Christi, sondern um die des Schöpfers gehen, und ein Bezug zu den Einsetzungsworten, für deren Geltung Luther doch stritt, fehlt völlig. Baptism, Eucharist and Ministry (Faith and Order Paper No. 111), World Council of Churches, Genf 1983, II.13 (p. 10). Ebd. „Sakrament seiner wirklichen Gegenwart (Realpräsenz)“ (Taufe, Eucharistie und Amt, Frankfurt am Main u. Paderborn 91984). Oder „real“ bleibt unübersetzt: „Die Kirche bekennt Christi reale, lebendige und handelnde Gegenwart in der Eucharistie.“ Oder nur übersetzt: „Einige andere Kirchen bejahen zwar die wirkliche Gegenwart Christi bei der Eucharistie.“

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der Begriff im Englischen selbstverständlich verwendet wird, ist im Deutschen eine gewisse Unentschlossenheit zu beobachten, indem sich eine Zurückhaltung gegenüber dem Fremdwort zeigt und offensichtlich ein deutsches Äquivalent bevorzugt wird.14 Jedenfalls bezeichnet der Begriff einerseits ein ökumenisches Gemeingut, andererseits ein konfessionelles Sondergut. Das Bedeutungsspektrum ist so weit gespannt, dass eine genauere Bestimmung des Begriffs angezeigt ist.15 Im Grunde geht es um ein Anliegen, das bereits Rudolf Rocholl vor weit über 100 Jahren bewegte und das er mit seiner Monographie „Realpräsenz“ zu bewältigen versuchte.16 Er empfand schon damals, „daß die Theorie der Realpräsenz einer wirklichen Läuterung bedurfte“, und meinte, „der Ernst der Lage gebietet vor schwerem Gange das Heergeräth zu prüfen.“ Und er bestimmte diese Arbeit als „eine interconfessionelle“. „Je fester wir im Besondern gründen, desto weiter wird das Auge für das Ganze erschlossen“ und die ganze Kirche als „das gemeinsame Vaterhaus“ in den Blick kommen.17 Es ging ihm explizit um eine notwendige Weiterentwicklung der lutherischen Lehre über ihren traditionellen Rahmen hinaus.

Einzug des Begriffs Realpräsenz in die theologische Debatte Doch der Begriff „Realpräsenz“ bürgerte sich immer mehr ein, ohne dass die geforderte inhaltliche Läuterung erfolgt wäre. Ernst Sommerlath stellte 1941 die These auf: „Seine (sc. Luthers) tiefste persönliche Anteilnahme gehört dabei der Realpräsenz des Leibes und Blutes Christi im Abendmahl. Es ist bekannt, daß er an ihr nicht einen Augenblick gezweifelt hat; sie ist der ruhende Pol in seinen Ge14 Dies wird auch durch die Tatsache unterstrichen, dass die ganz oder stärker vom deutschen Kontext bestimmten Arnoldshainer Abendmahlsthesen (1957) und die Leuenberger Konkordie (1973) diesen Begriff vermeiden, während er dann in weltweiten Kontext vom Lima-Papier explizit aufgenommen wird. 15 Vgl. zum Lima-Papier schon: Jobst Schöne, Eucharistie, LuThK 8 (1984), 121– 136, dort 125f (= Ders., Botschafter an Christi Statt. Versuche, Gr. Oesingen 1996, 45–59, dort 49). 16 Rudolf Rocholl, Die Realpräsenz. Das Lehrstück von der Gegenwart des Herrn bei den Seinen. Ein Beitrag zur Christologie, Gütersloh 1875, 446 S. – Vgl. auch das Kapitel „Der Sakramentsbegriff“ in: Rudolf Rocholl, Altiora quaero. Drei Kapitel über Spiritualismus und Realismus, Leipzig 1899, 15–78. 17 A.a.O., VIII–IX.

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danken über das Abendmahl.“18 Dieser gewichtigen Herausstellung des Ausdrucks folgte dann aber nicht etwa eine Klärung, sondern die simple Feststellung: „Im Grunde ging es Luther dabei nicht darum, die Weise der Gegenwart Christi genau zu bestimmen. Er ist zu seinen Ausführungen viel mehr durch die Positionen seiner Gegner als durch eigenes Bedürfnis gedrängt worden. Ihm war es genug, daß das Brot und der Wein Christi Leib und Blut sei; wie das zugehe, hätte er gern der göttlichen Allmacht überlassen.“19 Was macht es dann aber für einen Sinn, die Einsetzungsworte Jesu auf diesen abstrakten Begriff zu bringen? Wenn nur Luthers Überzeugung: „Es kan niemand anders, einfeltiger und gewisser davon reden denn also ‚Das ist mein leib‘“20, Ausdruck finden soll, dann erübrigt sich eigentlich eine Bezeichnung auf einer kategorialen Metaebene. In einem seiner Briefe an lutherische Pastoren verwendete Hermann Sasse 1952 den Begriff noch in einem weiten Sinne. Indem er offenbar von unterschiedlichen Verstehensmöglichkeiten ausging, stellte er ein Verständnis „einem ganz anderen Verständnis der Realpräsenz“ entgegen, sprach von Realpräsenz „in milder Form“ und einer „katholischen Anschauung von der Realpräsenz“ und „einer Realpräsenz im Sinne der späteren Kirchenlehre“, nahm also eine große Offenheit des Begriffs an.21 In einem Beitrag zur Arbeit der Ökumenischen Kommission der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands zur Frage von Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft 1954 löste Kurt Schmidt-Clausen die Realpräsenz von Leib und Blut Christi in den Elementen und übertrug diesen Begriff auf die Inkarnation: „Soll der Mensch also im Sohn wirklich der barmherzigen Gottesliebe begegnen, so muß der fleischgewordene Gott selbst gegenwärtig sein. Die Realpräsenz gehört mit zum Evangelium, ja, sie ist selbst Evangeli-

18 Ernst Sommerlath, Das Abendmahl bei Luther, in: Hermann Sasse (Hg.), Vom Sakrament des Altars. Lutherische Beiträge zur Frage des heiligen Abendmahls, Leipzig 1941, 95–132, dort 116. 19 A.a.O.,117. 20 Martin Luther, Vom Abendmahl Christi, Bekenntnis (1528), WA 26, 459,23–24. 21 Hermann Sasse, Der Schriftgrund der lutherischen Abendmahlslehre (Briefe an lutherische Pastoren, Nr. 23, Februar 1951), in: ders., In Statu Confessionis. GA (I), Friedrich Wilhelm Hopf (Hg.), Berlin und Hamburg 1966, 101–114, Zitate dort 102.103.105.

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um.“22 Der Begriff wird aus seinem speziellen Bezug zum Abendmahl herausgenommen. Und gerade in diesem Sinne der Menschwerdung Gottes beruft Schmidt-Clausen sich auf Luther.23 Es überrascht, mit welcher Selbstverständlichkeit dennoch immer wieder mit diesem Begriff umgegangen wird. So überschreibt Albrecht Peters seine Untersuchung zu „Luthers Zeugnis von Christi Gegenwart im Abendmahl“ mit dem Titel „Realpräsenz“, ohne diesen Begriff dann zu erläutern, zu begründen oder näher zu bestimmen.24 In den angeführten Lutherzitaten lässt er sich nicht finden.25 Dennoch spricht Peters von „Luthers Bekenntnis zur Realpräsenz“26. Offenbar will er damit die Aussage auf den Punkt bringen: „Christi Leib ist nicht von Christi Person zu trennen.“27 Luther halte „das Ineinander fest, das Grundvoraussetzung für unsere an den Leib gebundene, in ihm reale Existenz ist. Auch wir sind niemals Person ohne Leib, niemals Leib ohne Person, es sei denn im Tode. Das gilt nach Luther auch für Christus, für den erhöhten Herrn.“ 28 „Real“ 22 Kurt Schmidt-Clausen, Offene Kommunion in der Kirche von Schweden, in: Koinonia. Arbeiten des Oekumenischen Ausschusses der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands zur Frage der Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft, Berlin 1957, 105–112, dort 110. 23 „Der Gedanke der Realpräsenz läßt sich somit ungezwungen in Luthers entscheidende Grundanschauung einordnen (…). Luthers Abendmahlstheologie ist aber streng genommen ein Stück seiner Inkarnationstheologie“ (ebd., 110). 24 Albrecht Peters, Realpräsenz. Luthers Zeugnis von Christi Gegenwart im Abendmahl (AGTL 5), 2., um einen Nachtrag (203–206) erweiterte Aufl., Berlin u. Hamburg 1966. Der Begriff fließt in Peters Darstellung ein, ohne dass er durch Bezugstexte vorgegeben wäre (a.a.O., 16.22.27.29f.32.34); abgesichert erscheint er erst durch Zitate von Autoren des 20. Jahrhunderts (Helmut Gollwitzer, a.a.O., 24; Reinhold Seeberg, a.a.O., 25; Hans Graß, a.a.O., 33; Ernst Sommerlath, a.a.O., 40). 25 A.a.O., 119 zitiert Luthers Referat der schwärmerischen Position: „Schwermeri dicunt: spiritualiter in nobis, i. e. speculative; realiter dicunt eum (Christum) esse droben“ (WA 40 I, 546,5–6). Luther nimmt das ihm fremde Gegenüber von spiritualiter und realiter also in der veränderten Form speculative und realiter auf und problematisiert es dadurch. Zudem spricht er nicht von praesentia, sondern von esse. In einem andern Lutherzitat bei Peters (Realpräsenz, 98) dient der Begriff realiter der Erläuterung der „veritas corporis Christi“ in Bestreitung einer Gegenwart „in loco“. 26 A.a.O., 42 27 A.a.O., 111. 28 Ebd.

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meint dann die leibhafte Erscheinung einer Person. Übrigens ist die Argumentation bei Peters auf die „Arnoldshainer Abendmahlsthesen“ ausgerichtet.29 Allerdings war weder durch diese Thesen von 1957 noch durch deren Erläuterungen von 1962 der Begriff Realpräsenz vorgegeben; die Formulierungen kamen ohne ihn aus. Offenbar wird er eher schlagwortartig als definitorisch verwendet und in dieser Weise zum Schibboleth lutherischer Abendmahlsauffassung. Dabei ist klar, dass es sich bei dem Begriff „Realpräsenz“ nicht um einen biblischen Begriff handelt. Ja, auch in den lutherischen Bekenntnisschriften ist er nicht zu finden. Wohl spricht Melanchthon von einer „corporalis praesentia Christi“, bzw. einer „praesentia vivi Christi“30, nicht aber von einer „realis praesentia“31. Diese Wendung stellt vielmehr eine später üblich gewordene Definition dar. In den deutschen Sprachraum ist der Begriff aus dem Englischen eingewandert, als Übersetzung von „real presence“, einer Wendung, die sich selbst als Übersetzung von „vere adesse“ darstellt (real im Sinne von vere) und die Verlässlichkeit der Einsetzungsworte zum Ausdruck bringen soll, und zwar als Ausstrahlung der englischen Traktatbewegung im 19. Jahrhundert auf das europäische Festland.32 Deshalb ist 29 A.a.O., 197–202. 30 Apol 10,4; BSELK 425,15f; 427,14. 31 Eine gewisse Nähe ergibt sich freilich zu Luthers Symboldefinition: „Signum philosophicum est nota absentis rei, signum theologicum est nota praesentis rei“ (Nr. 5106, WA.TR 4, 666,8–9), also als Zeichen einer präsenten Sache, nicht realis praesentia, sondern praesens res. 32 Rocholl vermerkt selbst, dass er mit seinem Titel „Realpräsenz“ an den Titel „The Doctrine of the Real Presence“ anknüpft, wie er 1855 von Edward Bouverie Pusey (1800–1882) gewählt worden war (Realpräsenz, V). Pusey begründete die Oxford-Bewegung und gab seit 1833 „Tracts for the times“ heraus. Pusey wendet sich in seinem Werk gegen reformierte Verflüchtigungen und möchte im Rückgriff auf das Zeugnis der Alten Kirche zugleich Missverständnisse ausschließen, die sich bei den Begriffen „Transsubstantiation“ und „Konsubstantiation“ einstellen können, die von dem Grundwort „substantia“ abgeleitet sind; mit „real objective Presence“ (The Doctrine of the Real Presence, 716) möchte er das wörtliche Verständnis der Einsetzungsworte betonen (ebd., 722); als lateinisches Äquivalent ergibt sich „vere“, weil „realis“ bereits im Zusammenhang der Transsubstantiationslehre Verwendung gefunden hatte (Heinrich Denzinger/Peter Hünermann, Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, Freiburg u.a. 442014, 491 [Nr. 1636]), von der sich Pusey ja abgrenzen wollte.

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er weder durch einen einfachen Verweis auf bestimmte Bibelstellen, noch auf Bekenntnisformulierungen zu begründen,33 sondern bedarf einer besonderen Erklärung und muss sich für die heutige gegenseitige Verständigung erst als hilfreich erweisen. Karl Friedrich August Kahnis z.B. kam 1875 bei seiner ausführlichen Darlegung der Abendmahlslehre in seiner „Lutherischen Dogmatik“ noch ganz ohne den Begriff Realpräsenz aus.34 In der Dogmatik von August Vilmar begegnet der Begriff zwar einmal beiläufig35, Bedeutung bekommt bei ihm aber nur die Wendung „reale Mitteilung des Leibes Christi“36. Und noch später findet sich in der anerkannt lutherischen Dogmatik von Franz Pieper der Begriff nur zweimal als Erläuterung der Wendung „Wesen des Abendmahls“37 und bezeichnenderweise zweimal in einem englischen Zitat,38 bleibt also ohne eigenes Gewicht. Was er zur Präzisierung der lutherischen Position erbringen kann und soll, müsste also erst plausibel gemacht werden.

Voraussetzungen der Verwendungsgeschichte 1) Tod und Auferstehung Das lutherische Bekenntnis und die Leuenberger Konkordie verbindet eine deutliche Verschiebung der Fragestellung gegenüber den neutestamentlichen Basistexten. Während Paulus sagt: „Sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (1. Kor 11,26), ist bei uns heute als Übernahme aus der römischkatholischen Liturgie ein Einschub gebräuchlich geworden: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“39 33 Keinesfalls ist der Ausdruck als Reaktion auf Melanchthons Änderungen im Wortlaut von CA 10 zu begreifen; denn Melanchthon lässt in der Variata zwar das „adesse“, nicht aber das „vere“ aus (BSLK, 65,45f). 34 Karl Friedrich August Kahnis, Die lutherische Dogmatik historisch-genetisch dargestellt II, Leipzig 21875, 338–456. 35 August Friedrich Christian Vilmar, Dogmatik II, nach dessen Tode hg. v. Karl Wilhelm Piderit, Gütersloh 1874, 259. 36 A.a.O., 246.248. 37 Franz Pieper, Christliche Dogmatik III, St. Louis, Mo. 1920, 420.429. 38 A.a.O., 354f. 39 Evangelisch-lutherische Kirchenagende I, hg. v. der Kirchenleitung der SELK, Freiburg, Basel, Wien 1997, 277.

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Während alle neutestamentlichen Texte den Fokus speziell auf den Tod Jesu richten und unsere Anteilhabe am Sterben Jesu bezeugen, fragen die Kirchen heute danach, wie der auferstandene und erhöhte Christus im Abendmahl gegenwärtig ist. So formuliert auch die Leuenberger Konkordie: „Im Abendmahl schenkt sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein verheißendes Wort mit Brot und Wein. So gibt er sich selbst vorbehaltlos allen, die Brot und Wein empfangen; der Glaube empfängt das Mahl zum Heil, der Unglaube zum Gericht“ (III,1). Wir stehen also in einer bestimmten Wirkungsgeschichte. Denn die reformatorische Diskussion über die Gegenwart Christi im Abendmahl war ja durch den Einwand ausgelöst, der zur Rechten Gottes erhöhte Christus könne seiner menschlichen Natur nach nicht zugleich auf Erden im Abendmahl sein. Worte, die ihren Sitz in der Erniedrigungstheologie haben, wurden also in die Erhöhungstheologie einbeschrieben. Rocholl erklärt: „Die evangelische Kirche läßt den Kosmos vom Himmel durchdrungen sein und sie hat den Erlöser in verklärter Leiblichkeit auch im Diesseits. Sie weiß ihn dort, wo er’s verheißen hat, im Altarsakrament gegenwärtig. Sie hat den Realismus.“40 Die Frage nach der Gegenwart des Erhöhten bringt eine Problematik ein, die in den Abendmahlstexten nicht angesprochen ist.41 Es wird gleichsam ein Schritt von 1. Kor 11 (Herrenmahl) hinüber nach 1. Kor 15 (Auferstehung) getan und damit die Frage nach dem Wie des Auferstehungsleibes angesprochen: „Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib. Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch einen geistlichen Leib“ (1. Kor 15,44), den Paulus gleich danach auch einen „himmlischen“ nennt (1. Kor 15,49). Allerdings geht die Diskussion dann noch einen Schritt weiter und macht sich auch noch darüber Gedanken, wie sich der geistliche Auferstehungsleib der menschlichen Natur Christi natürlichen Leibern von Menschen, die noch im irdischen Dasein leben, mitteilen kann. Die Kategorien überschneiden sich dann fast unentwirrbar. Wenn die Konkordienformel „veram, sed supernaturalem manducati40 Rocholl, Altiora quaero (wie Anm. 16), 25. 41 Paul Althaus, Die lutherische Abendmahlslehre in der Gegenwart, München 1931, 38.43f, hat auf diesen Unterschied hingewiesen, diesen Hinweis dann aber mit problematischen Implikationen hinsichtlich der Einheit der Person in Christus verquickt (Die Christliche Wahrheit II, Gütersloh 1948, 385f).

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onem corporis Christi“ bekennt, „quemadmodum etiam vere, supernaturaliter tamen, sanguinem Christi bibi docemus“42, dann bezieht sie sich offenbar auf die paulinische Gegenüberstellung „natürlicher und geistlicher bzw. himmlischer Leib“, spricht sie doch auch von einer „Himmlischen Weise“43 des mündlichen Genusses. Der Begriff „übernatürlich“ ist jedoch in doppelter Weise problematisch. Denn erstens wird nicht bedacht, dass dogmatisch auch die Gottheit Christi als „Natur“ bezeichnet wird, wie die Konkordienformel selbst vorher durch Aufnahme eines Lutherzitats festgestellt hat: „Iesus Christus est verus, essentialis, naturalis, perfectus Deus et homo in unitate personae, inseparabilis et indivisus.“44 Der erhöhte Christus vereint zwei Naturen in sich. Und die Konkordienformel stellt ausdrücklich die Verbindung zum Abendmahl her: „ita in sacra Coena duas diversas substantias, panem videlicet naturalem et verum naturale corpus Christi.“45 Was heißt dann aber „super-naturalis“ hinsichtlich des Essens des Leibes Christi? Zweitens soll offenbar der von 1. Kor 15,44 vorgegebene Begriff „geistlich“ vermieden werden46, weil er nicht zum gekreuzigten Christus passt und auch weil er ein Lieblingswort der Schweizer war. Deshalb wird in dieser unklaren Weise von „übernatürlich“ gesprochen. Paulus ging zudem von einer zeitlichen Folge aus: „Und wie wir getragen haben das Bild des irdischen, so werden wir auch tragen des Bild des himmlischen“ (1. Kor 15,49), stellt also in diesem Zusammenhang keine Verbindung zum Herrenmahl her, zu einer möglichen Mitteilung des himmlischen Leibes Christi an die irdischen Christen. Die reformatorische Fragestellung ist ihm offenbar noch fremd. 2) Zwei Sachen (res) Die westliche Kirche folgt einer Weichenstellung, die auf Irenäus zurückgeht. Der Kirchenvater wird, nachdem Luther sich diesbezüg-

42 FC.Epitome VII; BSELK, 1267,11–13. 43 „coelesti modo” (FC.Epitome VII; BSELK, 1260,7/1261,7). 44 FC.Epitome VII; BSELK, 1259,28f. Aus dem Deutschen übersetzt aus: Luther, Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis (1528), WA 26, 326,30–32. 45 FC.SD VII; BSELK, 1471,4–6. 46 In diesem Sinne wird das Wort „geistlich“ ausdrücklich definiert: „spiritualem, supernaturalem, coelestem modum“ (FC.SD VII; BSELK, 1497,31).

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lich bereits 1527 mit ihm auseinandergesetzt hatte47, in der Wittenberger Konkordie von 1536 und mit dieser dann in der Konkordienformel ausdrücklich mit seinem Satz zitiert: „Die Eucharistie besteht aus zwei Dingen, einem irdischen und einem himmlischen (Eucharistiam constare duabus rebus, terrena und coelesti).“48 Damit wird die Abendmahlsgabe sowohl dem Begriff „res“ zugeordnet als auch diese „Sache“ auf einen himmlischen und einen irdischen Teil verdoppelt. Ganz unabhängig davon, was Irenäus unter den beiden Sachen oder Dingen genau verstanden hat, legte die Übersetzung aus dem Griechischen (pragma) ins Lateinische (res) eine Bedeutungsverschiebung nahe. Während „pragma“ mit seinem verbalen Hintergrund immer ein Geschehen, eine Handlung assoziiert, löst „res“, auch wenn es in seinem Bedeutungsumfang weitgehend dem Begriff „pragma“ entspricht und auch Ereignis und Handhabung bedeuten kann, doch von seinem nominalen Hintergrund her primär die Vorstellung vorfindlicher Dinglichkeit aus. So werden Leib und Blut als Signifikanten des Sterbens Jesu zu einer in ihrer Räumlichkeit problematischen „materia terrena et coelestis“. An dieser Weichenstellung hat sich die abendländische Theologie dann tüchtig abgearbeitet. Die Konkordienformel zitiert diesen Satz allerdings, indem sie zugleich konsequent vermeidet, in ihrer eigenen Darlegung den Begriff „res/realiter“ aufzunehmen, nachdem Melanchthon diesen schon ausschließlich im Hinblick auf Brot und Wein, die irdische, sichtbare Sache also, verwendet hatte.49 Sie geht also noch einen Schritt weiter

47 Martin Luther, Daß diese Worte Christi (Das ist mein Leib etc) noch fest stehen wider die Schwarmgeister (1527), WA 23, 64–283, dort 228,21 – 236,7.254,14– 29. 48 Wittenberger Konkordie (BSLK, 65,28f); Zitat in FC.SD VII (BSELK, 1461,26). 49 „cum illis (his) rebus, quae videntur, pane et vino“ (Apol X; BSELK 425,13; 427,14f). Später nimmt die lutherische Orthodoxie die Rede von den beiden „Sachen“ wieder auf. David Hollaz bietet die Definition: „Nam licet (= wenngleich) vno & eodem organo sumatur res terrena & coelestis, non tamen eodem modo. Panis & vinum ore accipitur immediate & naturaliter, corpus & sanguis Christi mediate et supernaturaliter“ (David Hollaz, Examen theologicum acroamaticum vniversam theologiam thetico-polemicam complectens [Stargard 1707], Ausgabe von Romanus Teller, Leipzig 21763, 1130). Hier wird durch die Begriffspaare „mediate – immediate“ und „naturaliter – supernaturaliter“ nur die Art und Weise des Genusses erläutert. Hollaz bietet einerseits die Wendung „vere et realiter“ (ebd., 1108), benennt andererseits als „Materia coelestis coenae dominicae …

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und definiert die Art der „praesentia“ durchweg als „vere et substantialiter“ (ausgehend von Apol X). Diese Vermeidung des Begriffs „res“ ist begleitet von dem ausdrücklichen Verzicht auf eine philosophisch rechenschaftsfähige Definition. Der lateinische Doppelausdruck wird in der Apologie allein mit „wahrhafftiglich“ wiedergegeben50 und meint einfach ein verstärktes „vere“. Eine Formulierung Melanchthons aufnehmend erklärt die Konkordienformel die Einsetzungsworte als eine „einzigartige“ (inusitata) „Redeweise“ (forma loquendi)51, die also analogielos ist und sich deshalb nicht näher definieren lässt.52 Sie begnügt sich mit der bloßen Feststellung, dass aufgrund einer inkommensurablen „sacramentalis unio“ „cum pane et vino vere et substantialiter adesse, exhiberi et sumi corpus et sanguinem Christi“53. Hier wird „substantialiter“ im Deutschen mit „wesentlich“ aufgenommen (grundlegend FC.Epitome VII54). Und diese Verbindung wird noch dazu ausdrücklich auf die Handlung, „die gantze action oder verrichtung dieses Sacraments“, beschränkt.55 Ganz offensichtlich nimmt das lutherische Bekenntnis hier im Blick auf das Abendmahl die Begrifflichkeit der nizänischen Christologie auf: „Deum verum (wahrhaftigen) de Deo vero … consubstantialem (in einerlei Wesen) patri.“56 Und damit wird mit „vere et substantialiter“ auf eine Einzigartigkeit verwiesen, die nur für das Bekenntnis Gottes gilt in ausdrücklicher Abgrenzung gegen die Wirklichkeit alles Geschaffenen.57

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verum & substantiale Christi corpus, verus item & substantialis sanguis“ (a.a.O., 1118), verwendet also ontologische Begrifflichkeit. Apol X; BSELK, 424,12/425,12. FC.SD VII; BSELK, 1471,14.20. Diese Entscheidung hat erhebliche Konsequenzen, indem dadurch die Transsubstantiationslehre ausgeschlossen ist, weil ein Vergleich mit der Substanz der Elemente Brot und Wein eben nicht möglich ist. Damit erübrigen sich auch Überlegungen, wie Substanz und Akzidenz zu bestimmen sind. FC.SD VII (Zitat aus Wittenberger Konkordie); BSELK, 1461,27–22.30 BSELK, 1258,9–11. FC.SD VII; BSELK, 1488,16–26. BSELK, 49,11–13. Vergleichbar ist Luthers Begriffserklärung zum „Glauben“ als einer Sache von einzigartiger Substanz, die sich nicht unter einen allgemeinen Substanzbegriff einordnen lässt, weil es sich um Gottes Werk handelt: „alia res fides in animo, nam est substantia, sed tamen non est ita substantia, ut in praedicamentis (nach dem Allgemeinbegriff) corpus est substantia“ (WA.TR 5, 25,14–16; Nr. 5245),

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Dass die Ausdrucksweise so gemeint ist, wird auch dadurch unterstrichen, dass Luther in seinem Brief über sein Buch von den Winkelmessen (1534) die „warhafftige und rechte natürliche“ Wirklichkeit von „Leib und Blut Christi“ im Abendmahl mit der „warhafftigen und rechten natürlichen“ Wirklichkeit des „Namens Gottes“ gleichsetzt.58 Denn Luther verweist dazu ausdrücklich auf den Zusammenhang mit dem nizänischen Bekenntnis: „Und sey nicht ein geistlich noch ertichtet leib und blut, Sondern das rechte natürliche, von dem heiligen jungfrewlichen, rechten, menschlichem leibe Marie, allein vom heiligen Geist empfangen, welcher leib und blut Christi auch jtzt droben sitzt zur rechten hand Gottes jnn der Maiestet, jnn der Göttlichen person, die Christus Jhesus heisst, ein rechter, warer, ewiger Gott mit dem Vater, von dem er jnn Ewigkeit geborn ist etc.“ 59 Aus der dogmatischen Tradition wird hier der Begriff „natürlich“ aufgenommen und statt „übernatürlich“ in der Formulierung der Konkordienformel steht hier „unsichtbarlich“. Das Adjektiv „realis“ bietet sich nicht an; denn: Was sollte das hinsichtlich des Namens Gottes besagen? Die Zurückhaltung der lutherischen Theologen gegenüber dem Begriff Realpräsenz steht der Verwendung gerade dieses Begriffs bei der Abwehr derselben Front, die mit den Lehren Zwinglis und Calvins gegeben war („ad fictitios et imaginarios tropos“), in der Lehräußerung des Trienter Konzils zur Eucharistie von 1551 gegenüber.60 Das erste Kapitel des entsprechenden Dekrets ist überschrieben: „De reali praesentia Domini nostri Iesu Christi in sanctissimo Eucharistiae sacramento.“61 Und es heißt, dass im Sakrament nach der Konsekration von Brot und Wein „Dominum nostrum Iesum Christum verum Deum atque hominem vere, realiter ac substantialiter sub specie illarum rerum sensibilium contineri“.62 Die lutherische Wendung „vere et substantialiter“ ist durch den Zusatz „realiter“

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d.h. als „von Gott gegeben, als sein eigen Werk“ und nicht als „selbwesend Ding“ (a.a.O., 26,6–10); W² 22,39–40. WA 38, 262–272, dort 265,20–28. A.a.O., 264,34–265,5. Konzil von Trient, 13. Sitzung, 11. Oktober 1551: Dekret über das Sakrament der Eucharistie (Denzinger/Hünermann, Kompendium (wie Anm. 32), 492 [Nr. 1637]). A.a.O., 491 [Nr. 1636]. Ebd.

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erweitert.63 Und damit ist der Begriff Realpräsenz für die römischkatholische Auffassung reklamiert.

Realpräsenz und Personalpräsenz Tatsächlich wurde diese Zurückhaltung der Bekenntnisschriften lange Zeit durchgehalten. Erst seit dem 19. Jahrhundert64 bemühte man sich zur Abwehr spiritualistischer und rationalistischer Tendenzen65 doch um eine genauere Klärung. So geriet der Begriff Realpräsenz zunächst in den Sog eines christlichen Realismus.66 Anknüpfend an die Wendung „vere et substantialiter“, griff man den Substanzbegriff auf, um eine Position zu entwickeln, die weder dem Spiritualismus noch dem Materialismus verfiel. Aus Kritik an diesem Versuch entstand dann später die Deutung der Realpräsenz über den Personbe63 Bezeichnend ist, dass Martin Chemnitz (1522–1586) diesen Konzilsbeschluss in seinem Wortlaut aufnimmt, sein eigenes Bekenntnis dann aber – kommentarlos – ohne den Zusatz formuliert: „Simpliciter vero & aperte profiteor, me amplecti & probare illarum Ecclesiarum sententiam quae agnoscunt & docent veram & substantialem praesentiam corporis & sangunis Christi in Coena, in eo sensu, quem verba Coenae simplici, propria, vsitata & genuina sua significatione praebant“ (Martin Chemnitz, Examen Concilii Tridentini [1566–1573], ed. Georg Christian Joannis, I+II, Frankfurt am Main 1707, 359). Indem er sich an dem Wortlaut der Einsetzungsworte genügen lässt, erübrigen sich weitergehende Erläuterungen. Chemnitz, ein Mitarbeiter der Konkordienformel, bietet bereits deren Formulierung. 64 Friedrich Loofs schreibt 1896: „Die Geschichte der Abendmahlslehre auf lutherischem Gebiet nach diesem symbolischen Abschluß hat ein besonderes Interesse erst seit der Erneuerung konfessionell-lutherischer Traditionen in der wissenschaftlichen Theologie unsers Jahrhundert“ (RE3 1, Art. Abendmahl II, 38–68, dort 67,40–42). 65 „Wir griffen den spiritualistischen Sakramentsbegriff an. Er ist kümmerlicher Rest des wahren. Denn man hat die himmlischen Realitäten entwertet, welche als solche der auferstandene Herr in seiner verklärten Leiblichkeit uns nicht nur beglaubigt, sondern tastbar in unseren Gesichtskreis gestellt hat“ [Rocholl, Alitora quaero (wie Anm. 16), 94]. 66 Im Unterschied zu dem mittelalterlichen Streit über Realismus und Nominalismus, der auch zum Streit über die Eucharistie geführt hatte (Ratramnus, Radbertus, Berengar), ging es bei diesem neuzeitlichen Realismus darum, einer idealistischen Vergeistigung durch Aufnahme von naturphilosophischen und theosophischen Impulsen zu wehren und eine ganzheitliche Sicht des Menschen und der gesamten Wirklichkeit zu gewinnen.

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griff. Dabei weisen beide Begriffe eine sehr wechselvolle Begriffsgeschichte auf. Beide sind alles andere als eindeutig. Werner Elert nimmt den von ihm zitierten Begriff „substantia sui corporis“ in der eigenen Formulierung „diese Realpräsenz des Leibes Christi“ auf und geht damit wie selbstverständlich davon aus, dass beide Begriffe dasselbe meinen.67 Nun ist aber bereits der Ausgangsbegriff, wenn man ihn als solchen für sich verwendet und nicht in seiner Verbindung mit „vere“ zur betonten Verstärkung von „wahrhaftig“, nicht eindeutig. Substanz kann Stoff und Wesen meinen. In einem Fall sagt der Begriff etwas über die materielle Beschaffenheit aus (hyle, physis), im andern dagegen weist er auf das sich gleich bleibend Durchhaltende (ousia) hin. Diese Begrifflichkeit lässt sich schwer zur näheren Beschreibung einer Wirklichkeit nutzen, die durch das Verheißungswort Jesu zustande kommt und dessen eigene Gegenwart erschließt, wenn dies auch in der Transsubstantiationslehre versucht wird.68 Dennoch bemühte sich dann Rudolf Rocholl in seiner Monographie „Die Realpräsenz“ (1875), eine in seiner Zeit angemessene Interpretation zu entwickeln und dadurch sogar neue Dimensionen im ökumenischen Gespräch zu erschließen. Er nahm Descartes’ Gedanken der zwei endlichen Substanzen, der res cogitans und der res extensa, auf, um die Gegenwart Christi im Abendmahl zu deuten. Ein ähnliches Bild wie Luther, der vom Feuer im glühenden Eisen sprach, 67 Werner Elert, Morphologie des Luthertums I. Theologie und Weltanschauung des Luthertums hauptsächlich im 16. und 17. Jahrhundert, München 21958, 267. – Elert selbst stellt fest: „Die hier auf lutherischer Seite oft wiederkehrenden Begriffe substantialiter und corporaliter wollen aber ebensowenig eine nähere Bezeichnung der Art und Weise geben, sie sind vielmehr als Gegensatz zu der von den Gegnern vertretenen Lehre gemeint“ (a.a.O., 268). Sie wollen also nur auf den Wortlaut der Einsetzungsworte verweisen und bedeuten geradezu „einen Verzicht auf eine nähere Beschreibung der Art und Weise“ (ebd.); entsprechend müsste das dann auch für den Begriff „Realpräsenz“ gelten. 68 Das Dekret des Trienter Konzils über die Eucharistie bestimmt das Sakrament zunächst als „forma visibilis“ der „res sacra“ (Denzinger/Hünermann, Kompendium [wie Anm. 32], 493 [Nr. 1639]) und konkretisiert diese „Sache“ dann mithilfe des Substanzbegriffes: „per consecrationem panis et vini conversionem fieri totius substantiae panis in substantiam corporis Christi Domini nostri, et totius substantiae vini in substantiam sanguinis eius. Quae conversio convenienter et proprie a sancta catholica ecclesia transsubstantiatio est appellata“ (a.a.O., 493f [Nr. 1642]).

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gebrauchend sagt Rocholl: „Wie der Blitz des Geistgedankens mit der Substanz der Seele als innerer Leiblichkeit den äußern Leib erfüllt, so durchdringt, erfüllt und gestaltet hier der Erhöhte innerlich die Scharen der Pilger auf Erden, indem er die inneren Leiber in den gebrechlichen Zeiten verklärt. Alle aber stehn an der Pforte des Himmels, und der Herr in wirklicher Realpräsenz unter ihnen und in ihnen; in ihnen, weil er die Substanz seines verklärten Leibes und Bluts durch mündliche Nießung in ihre Leiber legt, unter ihnen und in ihrer Mitte, weil er persönlich dem Akt gegenwärtig und als Gottmensch in geheimnißvoller Concomitanz dem in den Elementen Dargereichten verbunden ist“ (381). Rocholl versucht also, die unio mystica der Gläubigen mit Christus, die unio personalis in Christus und die unio sacramentalis der Gegenwart von Leib und Blut Christi unter Brot und Wein miteinander zu verbinden. Er will eine Klärung des Begriffs nicht schon allein in seinem engeren sakramentalen Gebrauch erschließen, sondern „in weiterer Bedeutung als die Gegenwart des Herrn bei den Seinen überhaupt“ (VI). Ausdrücklich spricht er dabei von dem verklärten Leib und Blut Christi, nicht aber von dem Leib und Blut, die dem Tode unterworfen sind. Der abstrakte Substanzbegriff ist wenig dienlich, eine Gemeinschaft mit Christus auszudrücken, die in einer Schicksalsgemeinschaft mit ihm in seinem Sterben begründet ist. Es ist m. E. sehr die Frage, ob eine begriffliche Umorientierung auf eine Personalpräsenz weiterhilft. Für durchaus bemerkenswert halte ich, dass die Konkordienformel „personaliter“ und „realiter“ gleichsetzt. Sie tut dies hinsichtlich der Gemeinschaft der beiden Naturen in Christus: „personaliter unita atque ita realiter, hoc est, vere et reipsa“69. Und dabei legt sie „realiter“ ausdrücklich in einem nicht philosophisch-ontologischen Sinne fest, indem sie den Begriff sowohl gegenüber „essentiale“ als auch gegenüber „physice“ abgrenzt und damit den Substanzbegriff grundsätzlich ausschließt.70 Von ihren Denkvoraussetzungen her legt sich also eine Unterscheidung zwischen Personal- und Realpräsenz überhaupt nicht nahe. Denn die Terminologie in der Christologie darf ja nicht von der in der Abendmahlslehre abweichen. Der neuzeitliche, vor allem von Fichte geprägte Personbegriff unterscheidet sich bedeutungsmäßig von der klassischen Definition, die 69 FC.Epitome VIII; BSELK, 1271,14f. Vgl. FC.Epitome VIII; BSLK 1267,24f; FC.SD VIII; BSELK, 1517,2; 1037,19f. 70 FC.SD VIII; BSELK, 1533,3–6.

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in der dogmatischen Sprache aufgenommen ist.71 Man muss jeweils hinzufügen, in welchem Sinne man Person gerade verstanden wissen will. Dem klassischen Sprachgebrauch entsprechend kann man von drei „Personen“ in der einen Gottheit im Sinne ihrer besonderen Subsistenz (CA I) sprechen. Daran schließt sich der Gedanke der „personalis unio“ von göttlicher und menschlicher Natur in Christus an.72 Dabei ist die göttliche Natur als Person (hypostasis) definiert, während die menschliche Natur durch die personale Einung (unio personalis) der beiden Naturen in die Personalität der göttlichen Natur aufgenommen wird (Enhypostasie).73 Ließe sich die menschliche Natur Christi für sich betrachten, müsste sie als „unpersönlich“ gelten (Anhypostasie). Von einer personalen Gegenwart Christi im Abendmahl zu sprechen, hieße nach dieser Definition selbstverständlich, dass der ganze Christus nach seiner göttlichen und nach seiner menschlichen Natur gegenwärtig ist.74 Mithin ergibt sich in der dogmatischen Sinngebung kein Unterschied zwischen Real- und Personalpräsenz. Nach der neuzeitlichen Definition kann dagegen nur von der einen Persönlichkeit des einen Gottes im Sinne seines Selbstbewusstseins und seines einen Willens gesprochen werden; drei Personen würden drei Götter meinen. Und die Rede von einer Persönlichkeit Christi wird zu einem Selbstwiderspruch. Denn die zweite Person der Gottheit entfaltet ihre innerliche vorgegebene Eigentümlichkeit ja gerade nicht für sich alleine, sondern nimmt die Menschheit in sich auf und macht die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch zu ihrer Maxime. Die Menschwerdung ist ein Akt göttlicher Freiheit und nicht eine Folge göttlicher Grundgegebenheit. Wahrscheinlich ist der Personbegriff ähnlich gefährlich wie der ontologi71 Schon Friedrich Adolph Philippi hat diese Differenz bewusst gemacht (Kirchliche Glaubenslehre II, Stuttgart 1857, 144–147); auch Albrecht Peters weist auf diese Problematik hin (Realpräsenz [wie Anm. 24], 34f). 72 Werner Elert stellt fest, „daß hier die Hypostasis, zu der die beiden Naturen zusammengehen, mit dem heutigen Begriff der Person oder der Persönlichkeit so gut wie nichts zu tun hat“ (Werner Elert, Der Ausgang der altkirchlichen Christologie, hg. v. Wilhelm Maurer/Elisabeth Bergsträßer, Berlin 1957, 144). „Das moderne Verständnis des Personbegriffes ist demnach hier ganz fernzuhalten“ (a.a.O., 143). 73 Vgl. FC.SD VIII; BSELK 1508,6–15; 1510,3–15. 74 Es gelten dann ja die chalcedonensischen Arretierungen: „unvermischet, unverwandelt, unzertrennet oder unzerteilet und unabgesondert“ (BSELK, 1613,16f): FC.Epitome VII; BSELK, 1258,29–31.

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sche Substanzbegriff, mit dem man früher zu arbeiten versuchte. Denn sowohl bei „Person“ als auch bei „Substanz“ wird aufseiten der Menschen eine sich bruchlos durchhaltende Identität (ein selbstreferenzielles Kontinuum) suggeriert, während für Paulus ein Zugang zum Leben nur durch Anteilgewinnen an Christi Tod möglich ist, sowohl was die Taufe (Röm 6,3–11) als auch was die Predigt (1. Kor 1,18–25) als auch was das Herrenmahl (1. Kor 11,23–26) betrifft, also nur, wenn ein Bruch mit der vorfindlichen Identität in Kauf genommen wird. Und die Konkordienformel beschränkt ihre Aussagen ja ausdrücklich auf den Rahmen der sakramentalen Handlung.

Rückorientierung an den Einsetzungsworten M.E. wäre es sehr viel sinnvoller, sich auf die biblischen Texte selbst (1. Kor 11,23–26, verbunden mit 10,16–22 und 11,27–31; Mk 14,22– 25; Mt 26,26–30; Lk 22, 14–20, sowie Joh 6,51b–58) zurückzubesinnen, als Hilfe bei neuen philosophischen Wirklichkeitsanalysen zu suchen. Die biblischen Texte werden bei uns ja ohnehin weitgehend verdeckt durch Interpretationen, die sich als wörtliche Verständnisse nur ausgeben.75 Schon Luthers Anliegen war es ja, den biblischen Wortlauten, die den letzten Willen Jesu überliefern, uneingeschränkt Geltung zu verschaffen und sie nicht aus Gründen eigener Verstehensschwierigkeiten beiseite zu schieben. So gilt es, spätere Fragestellungen nicht zum Interpretationsansatz zu erheben. Die Frage der „manducatio impiorum“ oder „indignorum“ ist eine Frage nach der Bedeutung des „Glaubens“ beim Abendmahlsempfangs. Dieser Begriff begegnet in den Abendmahlstexten selbst nicht. Er muss aus der Wendung „für euch“ erst abgeleitet werden: „Denn das Wort ‚für euch‘ fordert eitel gläubige hertzen.“76 Es handelt sich nicht um ein primäres Interpretament, sondern um eine Problematisierung, die offensichtlich einer besonderen Diskussionslage späterer Zeit geschuldet ist. Auch die Deutung im Sinne einer Personalpräsenz verleitet leicht dazu, das Glaubensmotiv einzubringen, um die Art der Begegnung zu charakterisieren. Der Nutzen des Essens und Trinkens wird mit „Vergebung der Sünden“ angegeben, obwohl dieser Begriff nur bei Matthäus und nur 75 Das gilt gerade auch für das Lima-Papier „Taufe, Eucharistie und Amt“ (1982). 76 Martin Luther, Kleiner Katechismus, Das Sakrament des Altars (BSELK, 890,14). – Auch aus der Textvariante „unwürdig“ sowie aus der Forderung des „Unterscheidens“ wird eine Ableitung versucht (1. Kor 11,29).

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in Verbindung mit dem Kelchwort begegnet, philologisch also nichts für eine solch zentrale Bedeutung spricht. Vielmehr schenkt Jesus im gemeinsamen Grundverständnis der neutestamentlichen Überlieferungen seine Gegenwart, durch die er seine Jünger in seine heilsam rettende Gemeinschaft nimmt. Die biblischen Texte sprechen in den Einsetzungsworten alle von „Leib und Blut“. Im Sinne von „Mensch“ kennen sie sonst die Wendung „Fleisch und Blut“ (Mt 16,17; 1. Kor 15,50; Gal 1,16; Eph 6,12; Hebr 2,14). Eine menschliche Person kann biblisch zwar von Fleisch und Blut sein, nicht aber von Leib und Blut. „Leib“ und „Blut“ haben hier also einen spezifischen Sinn, als Hinweise eben auf den toten Jesus; das „Blut“ wird von den Evangelisten ausdrücklich als „vergossen“ qualifiziert. Im Blut ist zwar nach biblischem Verständnis die Seele, das Leben; aber ob die Persönlichkeit darin ist, ist doch sehr die Frage, da hier gerade eine Trennung vom Leib vorliegt. Die Doppelheit von Leib und Blut macht zwar hinsichtlich des gewaltsamen Todes Jesu Sinn, entzieht sich aber aller Sinnhaftigkeit, wenn man sie auf eine Person als solche beziehen will. Die Doppelheit besagt, dass Jesus trotz seines Todes bei den Seinen ist und dies eben unabdingbar als „Gekreuzigter“, wie Paulus sagt (1. Kor 1,23; 2,2; Gal 3,1), als der, der als Auferstandener und Lebender seinen Tod unveräußerlich an sich trägt.77 Bezeichnenderweise begegnet in der dogmatischen Diskussion nun zur Charakterisierung des Genusses zwar das von Leib abgeleitete Adjektiv „corporalis, leiblich“, nicht aber entsprechend auch das von Blut abgeleitete „sanguineus, blutig“. Der entscheidende Punkt ist, dass die durch Jesus selbst ins Leben gerufene Jüngergemeinschaft durch seinen Tod eigentlich hätte beendet sein und sich für immer auflösen müssen, war sie doch allein durch seinen Ruf in seine Nachfolge begründet. Eine Christenheit über seinen Tod hinaus gibt es allein deshalb, weil Jesus seine diese Gemeinschaft begründende Gegenwart auch durch seinen Tod hin-

77 Freilich ist die Kreuzigung eine unblutige Todesart. Weder Paulus noch die Synoptiker setzen voraus, dass tatsächlich Blut geflossen ist. Was besagt die Wendung dann aber? Jedenfalls weist sie auf einen gewaltsamen Tod Jesu hin. Wenn Johannes als einziger von einem Lanzenstich und dem Austreten von „Blut und Wasser“ berichtet, so wird damit zwar über die Brücke des „Sehens“ ein Bezug zum Glauben zu Ostern geschlagen, nicht aber zum Abendmahl (Joh 19,33–35; 20,8).

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durch zugesagt und ihren Vollzug im Herrenmahl geordnet hat.78 Er hat in der Nacht, als er „ausgeliefert“ und damit von Gott und Menschen verlassen wurde, sich seinerseits seinen Jüngern bleibend als integrierende Mitte zugesprochen und der Gesetzmäßigkeit des Todes widersprochen.79 In seinem Tod hat er an dieser Gemeinschaft festgehalten und als der Auferstandene hat er diese fundamentale Zusage auch eingelöst.80 Das Abendmahl ist alles andere als eine Trauerfeier, um von einem Verstorbenen Abschied zu nehmen. Hier stiftet der Tod eine neue Gemeinschaft; dies geschieht nicht er nach der 78 Auch die Taufe geschieht ja in den Tod des Christus Jesus hinein (Röm 6,3–11); vgl. Volker Stolle, Taufe und Buße. Luthers Interpretation von Röm 6,3–11, KuD 53 (2007), 2–34, dort 4–11. Ja, es gilt generell für den Christusglauben (Phil 3,9– 11). 79 Eilert Herms beschreibt die Abendmahlsgabe als eine „Gründonnerstag gegebene, aber erst am Ostertag tatsächlich empfangene“ und beruft sich dabei insbesondere auf Lukas (Luthers Abendmahlsverständnis, 276). Gerade Lukas aber überliefert das Jesuswort an Petrus, dass dessen Glaube nicht völlig zum Erliegen kommen werde, weil Jesus für ihn gebetet habe (Lk 22,31–32). Jesu Gabe ist also schon vor der Erkenntnis des Jüngers (22,61; 24,34; Act 1,15–26) wirksam. Gerade auch Lukas betont die Bedeutung des Todes Jesu für die Jüngergemeinschaft (Lk 22,15–18) und stellt das Abendmahl (Lk 22,19–20) mit einem Abschiedsgespräch zusammen, in dem Jesus seinen Jüngern zur Bewältigung gerade dieser Situation hilft und eine Neuformierung des Kreises ordnet (Lk 22,21– 38). Das Versagen der Jünger lässt die Souveränität, mit der Jesus bereits am Gründonnerstag das kommende Geschehen beherrscht, umso deutlicher aufscheinen. Das „Empfangen“ hat über das Essen und Trinken hinaus keine konstitutive Bedeutung. Die beiden Emmausjünger, die am Ostertag Jesus am Brotbrechen erkennen (Lk 24,13–35) gehören ausdrücklich nicht zum Zwölferkreis der „Apostel“, mit denen Jesus sein letztes Mahl gefeiert hatte (Lk 22,14), sie empfangen mit ihrer Erkenntnis also nicht die am Gründonnerstag ausgeteilte Abendmahlsgabe, sondern sie nehmen die Identität des auferstandenen mit dem ihnen bekannten irdischen Jesus wahr. 80 Wie der Tod Jesu zur Auferweckung durch Gott führt, so bleibt der Zugang zur Auferweckung mit Christus an die Hineinnahme an seinen Tod gebunden. „Der Realismus des Mitsterbens fordert den Realismus auch des Mitauferstehens. Es beruht auf diesem Realismus, wenn sich die Heilsmittel, die in das Mitsterben und Mitauferstehen mit Christus hineinziehen, so daß es zu einem unmittelbaren Verhältnis persönlichster Form zu ihm kommt, ohne Ausnahme darauf gründen, daß Christus gestorben und daß er auferstanden ist“ (Karl Heinrich Rengstorf, Die Auferstehung Jesu. Form, Art und Sinn der urchristlichen Osterbotschaft, Witten/Ruhr 41960, 64).

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Auferstehung Jesu. Die Aufforderungen zum Essen und Trinken korrespondieren dem Ruf in die Nachfolge. Die neutestamentlichen Texte enthalten keinen Hinweis auf den Heiligen Geist; das gilt auch für Joh 6,51a–58.81 Eine pneumatologische Begründung wird später gesucht, um einen systematischen Ausgleich mit der Trinitätslehre und einen übergeordneten Gnadenmittel- und Sakramentsbegriff zu gewinnen. Die Urtradition konzentriert sich auf einen christologischen Kontext; diesen zu beachten und konsequent zu würdigen schließt nicht per se eine Vernachlässigung der Einheit in Gott ein.82 Die neutestamentlichen Texte weisen – das hat schon Luther aufmerksam beachtet – keine Opferterminologie auf. D.h., das Geschehen richtet sich nicht an Gott als Bezugsperson, wie es das Eucharistische Hochgebet in Epiklese und Anamnese83 tut; vielmehr beschränkt sich der Horizont auf die Gemeinschaft Jesu mit seinen Jüngern, die angesichts seines Todes zu zerbrechen droht, die aber von ihn selbst durch den Tod hindurch zugesprochen wird. Paulus spricht griechisch von „koinonia“ (1. Kor 10,16f). Es geht um Gemeinschaft, also um „communio“, die einen „unitor“ als Kristallisationspunkt voraussetzt. Der Kommunikationsbegriff bietet sich eher an als der Substanz- oder der Personbegriff. Das weist aber auf ein Geschehen hin, eine Handlung, eben „pragma“, wie Irenäus sagte. Wenn ich es einmal etwas überspitzt ausdrücken darf: Neutestamentlich stellt sich nicht die Frage, ob und wie der erhöhte Christus nach seiner Menschheit im Abendmahl gegenwärtig sein kann, son81 Die Diskussion über Geist und Fleisch (Joh 6,63) ist deutlich dagegen abgesetzt. 82 Ein Hinweis auf das „Gotteslob“ (Act 2,47) kann keineswegs als primärer hermeneutischer Schlüssel zum Verständnis der Abendmahlstexte dienen. Wenn Melanchthon die Aussage, dass die Sakramente „zeichen und zeugnus sind Göttlichs willens gegen uns“ (CA 13; BSELK, 108,4f), dann dahingehend interpretiert, dass ihnen ein „mandatum Dei“ zugrunde liege (Apol 10; BSELK 513,3.10.23), so besagt das, dass Jesus in Übereinstimmung mit dem Willen seines Vaters die Anweisungen zur Taufe, zum Abendmahl und zur Absolution gegeben hat. Dogmatisch bietet sich folgende Unterscheidung an: „Caussa efficiens Sacramenti principalis est solus Deus, vnus in essentia & trinus in personis. Speciali autem ratione Dominus noster, Iesus Christus, sacrae coenae auctor & institutor est“ (Hollaz, Examen [wie Anm. 49], 1105). 83 Evangelisch-Lutherische Kirchenagende I, 274.278. – Das auf die Präfation folgende Sanctus ist mit dem Benedictus verbunden (268f); das Gotteslob der Engel im Himmel verbindet sich mit dem Christuslob der Menschen auf Erden.

Realpräsenz

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dern ob und wie der erhöhte Christus auch nach seiner Gottheit so bleibend vom Tode gezeichnet gesehen werden kann, wie Paulus und die Evangelisten dies bezeugen. Die das Abendmahl Empfangenden werden von Christus in seinen Tod hinein genommen, um in ihm das Leben zu gewinnen, und nicht umgekehrt.84 Aus diesem „Proprium“85 christologischer „Engführung“ lässt sich keineswegs die Befürchtung einer zwangsläufigen Verletzung des trinitarischen Bekenntnisses zu dem einen Gott ableiten.

Aufgabenstellung Es stellt sich die Frage, was wir eigentlich als Botschaft vermitteln wollen, wenn wir von Realpräsenz sprechen. Es kann ja nicht darum gehen, die Wirklichkeit des Abendmahls durch bestimmte gedankliche Konstruktionen erfassbar zu machen, sondern allein darum, das Heilsgeschehen im Abendmahl sprachlich zu vermitteln, um zur segensvollen Teilhabe einzuladen.

84 Elert formuliert genau umgekehrt: „Daß ich ihn (sc. Christus) befreit von den Schranken s e i n e s historischen Augenblicks und s e i n e s geographischen Ortes auf m e i n e n historischen Augenblick, auf mein Heute und Hier beziehen darf, das ist die Lehre von der Realpräsenz des ‚erhöhten Christus‘“ (Morphologie I [wie Anm. 67], 280). „Gedächtnis“ (1. Kor 11,24f) im biblischen Sinne meint nicht mein Erinnern, sondern die Proklamation eines in der Vergangenheit liegenden Geschehens in seinem gegenwärtigen Wirksamwerden (vgl. den Auszug aus Ägypten in der Passafeier, Ex 12,14.25–27). 85 Die vom Auferstandenen eingesetzte Taufe ist dagegen trinitarisch ausgerichtet (Mt 28,19), unbeschadet ihrer besonderen christologischen Implikationen (Röm 6,3–11). Die Sündenvergebung (Absolution) erteilt Jesus aufgrund seiner eigenen Bevollmächtigung (Mk 2,10; Mt 9,6.8; vgl. Mt 6,9.12; Lk 11,2.4) und gibt sie entsprechend verbunden mit den Heiligen Geist weiter (Joh 20,21–23).

JORG CHRISTIAN SALZMANN

Abendmahl und κοινωνία in 1. Korinther 10 I An kaum einer anderen Stelle des Neuen Testaments scheint die Realpräsenz von Leib und Blut Christi im Abendmahl deutlicher ausgedrückt zu sein, als in der Erörterung des Apostels Paulus zum Essen von Götzenopferfleisch. Dort heißt es in 1. Kor 10: „Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist’s: So sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.“ (1. Kor 10,16–17) Doch bei näherem Hinsehen tut sich eine Reihe von Fragen auf, und so zeigt ein Blick in die Sekundärliteratur eine Fülle verschiedener Deutungsmöglichkeiten für diese Stelle. Einige Zitate mögen das belegen. Einem Verständnis im Sinne der Realpräsenz von Leib und Blut Christi diametral entgegengesetzt ist z.B. die Interpretation von Matthias Klinghardt. Er sagt: „Für die Genitivverbindung ,κοινωνία τοῦ αἵματος Χριστοῦ‘ ist … nicht an eine substanzhaft-reale Teilhabe der Gemeinde an Christus in Brot und Wein zu denken. Näher liegt die Deutung, daß der im Gebet dem Herrn übereignete Becher die Gemeinschaft der Mahlteilnehmer untereinander repräsentiert, die durch das Blut Christi gestiftet wurde. Analog dazu wäre ,κοινωνία τοῦ σώματος Χριστοῦ‘ diejenige Gemeinschaft der Mahlteilnehmer, die durch das gemeinsame Mahleröffnungsgebet über dem Brot christologisch bestimmt ist und deshalb als ,Leib Christi‘ bezeichnet wird. Wenn die κοινωνία τοῦ αἵματος bzw. τοῦ σώματος Χριστοῦ nicht Anteilhabe an Christus meint, sondern die durch Christus begründete Gemeinschaft der Mahlteilnehmer untereinander, ergibt sich die für das σῶμα-Verständnis wichtige Konsequenz, daß bereits in 10,16 ,Leib‘ primär ekklesiologischen Sinn hat.“1 Die Gemeinschaft des Leibes Christi wäre also die Gemeinschaft in der Gemeinde als Leib Christi, und die Gemeinschaft des Blutes Christi wäre in eben diesem Sinne zu verstehen. Das Blut wäre hier 1

Matthias Klinghardt, Gemeinschaftsmahl und Mahlgemeinschaft, Soziologie und Liturgie frühchristlicher Mahlfeiern (TANZ 13), Tübingen/Basel 1996, 309–310. _______________________________________________________________________ LuThK 39 (2015), 28–40 DOI 978-3-8469-9916-5

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nur erwähnt, weil die Gemeinschaft der Mahlteilnehmer untereinander durch den Tod Christi gestiftet wurde. Gemeinschaft des Blutes hieße also: Gemeinschaft, die auf das Blut zurückzuführen ist. Die parallele Konstruktion „Gemeinschaft des Blutes“ – „Gemeinschaft des Leibes“ wäre demnach nicht parallel zu verstehen, sondern jede Genitivkonstruktion hätte ihre je eigene Bedeutung.2 Für Klinghardt ist damit an dieser Stelle neben seinen Überlegungen zu Übereinstimmungen mit hellenistischen Mahlfeiern der Vers 17 bestimmend, weil dort die Gemeinde als Leib bezeichnet wird. Dieser Deutung widerspricht Andreas Lindemann in seinem Kommentar. Für ihn überwiegt der Bezug auf den Tod Christi, so dass er auch τὸ σῶμα τοῦ Χριστοῦ nicht ekklesiologisch versteht. Erst in Vers 17 sei ein Wechsel im Verständnis des σῶμα gegeben: „Im Trinken wird eine direkte Teilhabe an Christi ,Blut‘, also am Tod Christi hergestellt, der für die Glaubenden Rettung bedeutet. … Die rhetorische Frage in V. 16b. ist analog zu V. 16a formuliert … Deshalb ist τὸ σῶμα τοῦ Χριστοῦ nicht im ekklesiologischen Sinne zu verstehen …, sondern bezieht sich (in Entsprechung zu αἷμα) auf den Leib des gekreuzigten Christus, womit unter anderem Aspekt nochmals auf die Heilsbedeutung des Todes Jesu abgehoben ist (ganz entsprechend der Abendmahlsüberlieferung …). Die gegenüber der Mahltradition veränderte Abfolge Kelch / Brot verweist nicht auf einen liturgisch anderen Ablauf der Mahlfeier (dagegen spräche schon V. 3f.), sondern verdankt sich der nachfolgenden Argumentation, die von einem Brot sinnfällig auf die Einheit der Gemeinde als σῶμα (nicht: σῶμα Χριστοῦ) zielt (V. 17).“3 Nach Lindemann bezeichnete also die κοινωνία des Blutes und Leibes Christi eine Teilhabe am Heil, welches Christus mit seinem Blut und Leib, m.a.W. durch seinen Tod erworben hat. Gewissermaßen eine Mittelposition nimmt Hans Joachim Stein ein. Für ihn ist im Blick auf den Leib ähnlich wie für Klinghardt das Verständnis von V 16 durch die Zuordnung von V 17 bestimmt; 2

3

Dagegen m.E. zu Recht z.B. Dieter Zeller, Der erste Brief an die Korinther (KEK 5), Göttingen 2010, 338. – Unter Verweis auf den sonstigen Sprachgebrauch in der Antike beharrt Harm W. Hollander, The Idea of Fellowship in 1. Corinthians 10.14–22, NTS 55 (2009), 469–470, darauf, dass κοινωνία immer und nur die Gemeinschaft der Mahlteilnehmer untereinander bezeichne; es fragt sich allerdings mindestens, ob der Sprachgebrauch des Paulus in 1Kor 10 damit zu erklären ist. Lindemann, Der Erste Korintherbrief, 224.

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dagegen versteht er den Kelch ähnlich wie Lindemann als Bezug zum Sühneotd Christi: „… durch die Mahlteilnahme entsteht eine Gemeinschaft, die nach zwei Richtungen hin zu bestimmen ist, die wiederum in der Rezeption des Paulus jeweils durch Becher und Brot repräsentiert werden. Der eine kreisende Becher steht nach 10,16a für die Gemeinschaft mit dem in den Tod gegangenen Christus. Das gemeinschaftliche Trinken aus diesem Becher schafft also eine vertikale Gemeinschaft, die Gemeinschaft der Mahlteilnehmer mit Christus. Das eine Brot steht nach 10,17 für die Gemeinschaft der Gemeinde. Der Akt des Brechens und Verteilens des Brotes schafft demnach über die vertikale Christusbindung hinaus eine horizontale Gemeinschaft, also die Einheit der Mahlteilnehmer untereinander. Die vielverhandelte Frage, ob der Leib Christi in V. 16b den dahingegebenen Kreuzesleib Jesu oder den Leib der Gemeinde bezeichnet, läuft damit ins Leere, denn die Gemeinschaft der Mahlteilnehmer mit Christus im Mahl ist in beiden Fällen gegeben. Doch scheint das Schwergewicht der Brotdeutung eher auf der horizontalen als auf der vertikalen Ebene zu liegen; nur so kann Paulus den Doppelcharakter der Mahlgemeinschaft herausstellen.“4 Markant ist bei dieser Interpretation im Übrigen, wie konsequent Stein κοινωνία als Gemeinschaft deutet und den Aspekt der Teilhabe ausblendet. Den wiederum bezieht Hans-Josef Klauck mit ein, dessen Position hier noch kurz durch ein letztes Zitat sikzziert werden soll: „Der als Interpretament neu eingeführte Zentralbegriff Koinonia entstammt nicht mehr dem Judentum, sondern der hellenistischen sakralen Mahlterminologie. Er gewinnt bei Paulus eine doppelte Ausrichtung: Gemeinschaft (mit jemandem) durch (gemeinsame) Teilhabe (an etwas), so daß man paraphrasieren kann: Das Essen des Brotes und das Trinken aus dem Kelch, gemeinsam vollzogen, vermitteln personale Gemeinschaft mit dem gekreuzigten und erhöhten Christus durch Teilhabe an seinem Leib und Blut … Wir erhalten Einblick in eine sich entwickelnde Eucharistielehre, die von den Abendmahlsworten ausgeht, aber zur Entfaltung auch nichtbiblische Konzepte aus der Umwelt absorbiert.“5

4 5

Hans Joachim Stein, Frühchristliche Mahlfeiern (WUNT II 255), Tübingen 2008, 108–109. Hans-Josef Klauck, 1. Korintherbrief (NEB.NT 7), Würzburg 31992, 73.

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Die Feststellung, dass hier ein römisch-katholischer Exeget schreibt, überrascht angesichts dieser Deutung nicht, wobei Klauck sich in seinen Formulierungen im Blick auf die „Teilhabe an … (Christi) Leib und Blut“ allerdings nicht wirklich festlegt; es handelt sich nach ihm eben um „eine sich entwickelnde Eucharistielehre“ (Hervorhebung J.C.S.). Wie auch immer, eine konfessionskundliche Zuordnung der jeweils vertretenen Positionen wäre reizvoll. Doch kann es auch nicht befriedigen, jetzt eine (wiederum durch konfessionell bestimmte Vorverständnisse gelenkte) lutherische Position daneben zu setzen.6 Vielmehr will ich hier noch einmal versuchen, unter Berücksichtigung des Kontextes herauszuarbeiten, was Paulus mit seinen Aussagen in 1. Kor 10,16–17 meint. Dass hierbei ein lutherisches Vorverständnis wenigstens die Möglichkeit einer Deutung im Sinne von Realpräsenz nicht ausschließt, muss freilich konzediert werden.

II Paulus redet von der κοινωνία des Leibes Christi im Zusammenhang einer Argumentation zum Götzenopferfleischessen (1. Kor 8–10). Zur Einordnung dieser Aussage ist es sinnvoll, den Gedankengang nachzuvollziehen. In einem ersten Argumentationsgang (1. Kor 8) hatte Paulus zwar festgestellt, dass das Essen von Götzenopferfleisch an sich unschädlich sei, da es nur einen wahren Gott gebe, aber er hatte zur Rücksichtnahme auf diejenigen aufgerufen, die mit dem Essen solchen Fleisches dennoch Probleme haben. In einem zweiten Argumentationsgang (1. Kor 9), welcher der Stütze der ersten Argumentation dient, sich aber zu einer Art Exkurs auswächst, setzt Paulus sich damit auseinander, es könne ihm jemand mangelnde Freiheit und Vollmacht nachsagen. Nach einem dritten Argumentationsgang in zwei Teilen (1. Kor 10,1–13 und 14–22) fasst er noch einmal zusammen (1. Kor 10,23–24) und kommt schließlich zu einer praktischen Handlungsanweisung (1. Kor 10,25–30).

6

Z.B. Gregory J. Lockwood, 1. Corinthians (ConCom), St. Louis 2000, 341, der eher thetisch als argumentativ formuliert: „Just as the very concrete gifts of charity for the poor saints in Jerusalem are called a κοινωνία …, so here Paul is not talking about fellowship as ,warm fuzzy‘ feelings. Rather, through the sacramental bread and wine there is direct oral reception of the Lord's crucified and glorified body and blood.“ (Hervorhebung im Original)

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In diesem dritten Argumentationsgang hält Paulus zwar nach wie vor fest, dass die Götzen nichtig sind, aber er räumt doch ein, dass die hinter ihnen stehenden Dämonen so viel Macht haben, dass man sich von ihnen möglichst fernhalten solle. Um aufzuzeigen, dass man sich nicht einfach in Sicherheit wiegen könne, führt er als erstes die Väter Israels ins Feld, die keineswegs durch ihre bloße Zugehörigkeit zum Gottesvolk und das Essen und Trinken der ihnen gewährten geistlichen Speise und des geistlichen Tranks automatisch das Wohlgefallen Gottes auf ihrer Seite hatten. Vielmehr konnten sie durch verschiedene Sünden wie z.B. Götzendienst ihr Heil verwirken. So sollten auch die Korinther darauf achten, dass sie nicht in Versuchung gerieten (1. Kor 10,1–13). Zu seinem zweiten Anlauf in diesem Argumentationsgang leitet Paulus mit der zusammenfassenden Aufforderung über, die Korinther sollten den Götzendienst meiden; er begründet das jetzt damit, dass sie keine Gemeinschaft mit den hinter den Götzenopfern stehenden Dämonen haben sollen (1. Kor 10,14–22). Κοινωνία ist hier das Schlüsselwort; es kommt in V 16 zweimal vor, und die zugehörige Personenbezeichnung κοινωνός findet sich sowohl in V 18 als in V 20. Das dazu passende Verb μετέχειν taucht in diesem Abschnitt ebenfalls zweimal auf (V 17 und V 21). Wiederum geht es getreu dem Oberthema der gesamten Erörterung um Mahlzeiten (mit Essen und Trinken). Paulus stellt hier nun Götzenopfermahlzeiten, die Opfermahlzeiten Israels und das Abendmahl der christlichen Gemeinde nebeneinander. Er beginnt mit den Aussagen zum Abendmahl (V 16–17), redet dann von Israel (V 18), um schließlich auf die Götzenopfer als das eigentliche Thema zurückzukommen (V 19–20) und abschließend zu sagen, dass die Gemeinschaft mit dem Herrn und diejenige mit den Götzen einander ausschließen (V 21–22). Das ganze Stück 1. Kor 10,14–22 ist durch Aufforderungen gerahmt, dass nämlich die Korinther den Götzendienst meiden (V 14) und den Herrn nicht zu Eifersucht reizen sollen (V 22, Aufforderung in Form einer rhetorischen Frage). Auch V 15 ist ein Appell, der sich an die Urteilskraft der Korinther richtet und so für das nachfolgende Argument besonders zum Mitdenken auffordert. In dem abschließenden Stück (1. Kor 10,23–11,1) bringt Paulus nun die unterschiedlichen Stränge seiner Argumentation zusammen. Wie lassen sich die grundsätzliche Freiheit gegenüber den Götzenopfern, welche lediglich durch Rücksichtnahme eingeschränkt ist, und die Mahnung, sich von den Götzenopfern wegen der Macht der Dämonen ganz fernzuhalten, miteinander vereinen? Paulus fasst seinen

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ersten Argumentationsgang mit dem Hinweis auf die durch Rücksichtnahme eingeschränkte Freiheit in 1. Kor 10,23–24 zusammen, so dass hier im Anschluss an das Vorhergehende die Betonung der Freiheit und die Warnung vor den Dämonen hart nebeneinander stehen. Die Auflösung geschieht in der pragmatischen Anweisung, man solle beim Kauf und beim Verzehr von Fleisch nicht nach dessen Herkunft fragen, wenn aber bekannt würde, dass es sich um Götzenopferfleisch handle, davon Abstand nehmen (1. Kor 10,25–30). Hier hebt Paulus noch einmal hervor, dass das Fleisch als Gabe Gottes des Schöpfers an sich nicht schädlich sei, dass man aber auf die Gewissen anderer Rücksicht nehmen solle. Der Machtraum der Dämonen wird also letztlich doch wieder eingeschränkt auf diejenigen, welche in ihrem Glauben durch bewussten Verzehr von Götzenopferfleisch gefährdet würden.

III Innerhalb des so gesteckten Rahmens müssen wir noch einmal nachfragen, wie Paulus den Begriff κοινωνία gebraucht. Das Bedeutungsspektrum des Wortes bewegt sich allgemein zwischen den Polen Teilhabe und Anteilgabe, Gemeinschaft und Tischgemeinschaft.7 Bei der Passage 1. Kor 10,14–22 ist von besonderem Interesse, in welchem Sinne Paulus bei den zu κοινωνία bzw. κοινωνός hinzugefügten Wörtern den Genitiv benutzt; sind Leib und Blut Christ das, woran man Anteil bekommt oder begründen sie die Gemeinschaft? Werden κοινωνοί am Tisch des Herrn zu Teilhabern seiner Tischgemeinschaft oder seiner selbst? Relativ einfach scheint Vers 20 zu verstehen. Wenn Paulus hier sagt, die Korinther sollten nicht zu κοινωνοί der Dämonen werden, dann wird das in Vers 21 so erläutert: „Ihr könnt nicht am Tisch des Herrn teilhaben und am Tisch von Dämonen.“ Damit ist hier κοινωνός am besten als „Tischgenosse“ übersetzt. Dabei ginge es also zunächst um Tischgemeinschaft mit dem Herrn bzw. mit Dämonen; es ist auch plausibel, dass der Herr und die Dämonen jeweils als Gastgeber angesehen werden. Darüber hinaus ist es möglich, dass die Teilhabe auch als Teilhabe am Gastgeber selbst zu denken ist.8 Aller7 8

Zum ganzen Spektrum der Wortbedeutung vgl. Wiard Popkes, Gemeinschaft, RAC 9, 1103, und Josef Hainz, κοινωνία κτλ., EWNT2, 750–751. Vgl. a.a.O., 1117: „… von einer Kommunion zwischen Göttern u. Menschen ist im Zusammenhang des Opfers also nur in recht allgemeinem Sinn zu reden …“.

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dings lässt sich ein solches Verständnis, das von V 16 her mit bestimmt wäre, nicht zwingend erweisen; es kann mitschwingen, doch wenn Paulus den Fokus darauf legen wollte, dann hätte er in V 21 das Wort „Tisch“ weglassen müssen. Umgekehrt sieht V 16 auf den ersten Blick so aus, als sei hier von Anteilhabe am Herrn die Rede. Doch brauchen wir angesichts der vorgestellten verschiedenen Interpretationen des Verses Kriterien zu Entscheidung, ob das tatsächlich der Fall ist. In V 18 taucht noch einmal das Wort κοινωνός auf. Hier heißt es, dass diejenigen Israeliten, die vom Opfer(fleisch) essen, κοινωνοί des Altares sind. Es steht also der Altar als Opferort für das Opfer und für den Tisch, an dem die Kultgemeinschaft ihr Mahl zu sich nimmt, so dass es um Tischgenossenschaft geht. Diese, das können wir analog zu V 21 folgern, schafft zugleich auch eine Gemeinschaft mit demjenigen, dem das Opfer gilt. Überhaupt stellt Paulus ja heidnische und jüdische Opfermahlzeiten sowie das christliche Abendmahl nebeneinander. Was ist der Vergleichspunkt, worauf kommt es ihm an? Letztenendes ist es die Teilhabe, und er will drauf hinaus, dass Teilhabe am Tisch des Herrn und am Tisch von Dämonen einander ausschließen. Das Abendmahl wird also neben die Opfermahlzeiten bei Heiden und Juden gestellt, und wie diese so stellt auch das Abendmahl teilhabende Gemeinschaft her. Dass es ihm dabei nicht nur um Gemeinschaft der Mahlteilnehmer untereinander geht, zeigen die Beispiele; denn hier hätte es ausgereicht, darauf zu verweisen, dass Juden und Heiden bzw. auch Anhänger Jesu und Heiden keine Tischgemeinschaft miteinander haben. Die Teilhabe ist also auch Gemeinschaft mit Gott bzw. mit den Dämonen. Was meint Paulus dann mit den Worten der Verse 16 und 17? Zunächst: Er redet vom Segenskelch und vom gebrochenen Brot. Hier fehlt zwar die Bezeichnung κυριακὸν δεῖπνον (1. Kor 11,20), aber da der Kelch nicht irgendein Kelch bei der Mahlzeit, sondern ein gesegneter Kelch ist und weil die Bezeichnung Brot brechen ebenso wie die Erwähnung des Leibes (σῶμα) zu den Abendmahlsworten passt, schließlich weil es in dem Vergleich, den Paulus anstrengt, wie gezeigt nicht um die einfache Mahlgemeinschaft geht, deshalb ist das Verständnis, Paulus rede hier vom Herrenmahl, trotz der ungewöhnlichen Reihenfolge (Kelch und Brot) richtig. Man wird diese Reihenfolge entweder aus der argumentativen Absicht des Paulus herleiten, die auf das Brot abzielt, oder aber sie spiegelt wider, dass die Abendmahlsbräuche und damit die Reihenfolge von Brot und Wein

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noch nicht wirklich festgefügt waren (das würde zu dem Befund der Didache passen, wo ebenfalls das Brot auf den Kelch folgt).9 Der Kelch, so sagt Paulus, und setzt durch das Mittel der rhetorischen Frage diese Aussage bei den Korinthern als bekannt voraus, ist die Gemeinschaft des Blutes des Christus (1. Kor 10,16). Im Sinne der Analogie zu den Opfermahlzeiten wird hier mit dem Stichwort Blut wohl vor allem die Tötung des Opfers evoziert; die Teilnehmer der Mahlzeit haben damit Teil an dem Opfer und sind dadurch mit der gastgebenden Gottheit verbunden. Auffällig ist, dass hier nicht vom Blut Jesu die Rede ist, sondern vom Blut des Messias; das vergossene Blut wird also mit der Funktion des Messias in Verbindung gebracht, die sich damit allerdings signifikant von den üblichen Messiaserwartungen unterscheidet; er kommt zur Rettung, nicht indem er Gewalt ausübt, sondern durch seinen Tod. Für einen heidnischen Kontext kann die Teilhabe am Opferblut auch konkret gemeint sein; dann stünde der Kelch auch für den Genuss des Blutes des Messias im Rahmen der Mahlzeit, welche Anteil an ihm und seinem Heil gibt; im jüdischen Kontext wäre das wegen des Verbotes von Blutgenuss freilich ausgeschlossen. Der Text bei Paulus gibt zur Entscheidung in dieser Sache erst einmal keinen Anhaltspunkt; evtl. kann durch die parallel formulierte Aussage von der „Gemeinschaft des Leibes des Christus“ Näheres erschlossen werden. Im Blick auf die Opferanalogie fällt hier auf, dass nicht von σάρξ, sondern von σῶμα die Rede ist. Das ist allerdings mit Ausnahme der nicht offen das Abendmahl ansprechenden johanneischen Texte (Joh 6) konsistent so in allen Abendmahlstexten, so dass die Begriffswahl durch die Tradition diktiert sein dürfte. Das σῶμα wird aber im folgenden Vers erläutert: „denn ein Brot, ein Leib sind wir viele, die wir nämlich alle an dem einen Brot teilhaben.“ (1. Kor 10,17) Die Teilhabe an dem einen Brot ist also dasselbe wie die Teilhabe an dem einen Leib, und diese wiederum vereinigt die Gemeinde in einem Leib. Später im Brief, 1. Kor 12, nimmt Paulus das Motiv von der Gemeinde als Leib wieder auf und entfaltet es unter nicht sakramentalen Gesichtspunkten, um zu verdeutlichen, dass die Gemeindeglieder alle verschieden sind bzw. verschiedene Gaben haben, dass aber dennoch alle dazu gehören und gebraucht werden. Es fragt sich, ob 9

Beide Meinungen werden vertreten. Neben dem bereits zitierten Kommentar von Lindemann ist z.B. auch Dieter Zeller der Meinung, dass die für das NT ungewöhnliche Reihenfolge sich der Argumentation des Paulus verdanke (Zeller, Brief [wie Anm.2], 337).

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damit auch in 1. Kor 10 ein uneigentlicher Gebrauch des Begriffs σῶμα zu erschließen ist. Wenn hier eine Metapher vorliegt, dann wäre gesagt, dass die Gemeinde an dem einen Brot teilhat und auf diese Weise vereinigt wird zu einer Körperschaft, zu einem Leib. Eine solche Deutung ist nicht einfach von der Hand zu weisen. Eine Schwierigkeit bringt diese Deutung allerdings mit sich: Wie verhalten sich das σῶμα τοῦ Χριστοῦ und die Gemeinde als σῶμα zueinander? Die metaphorische Deutung der Gemeinde als σῶμα ruft ja andere Assoziationen wach als die Rede vom σῶμα τοῦ Χριστοῦ; das eine ist die Gemeinschaft der Gemeinde als gegliederter Organismus, das andere der Leib Christi als das für die vielen dahingegebene Opfer. Davon ist mit den Herrenmahlsworten in 1. Kor 11 die Rede. Wenn man von diesen Worten erst einmal absieht, dann ließe sich eine Übereinstimmung zwischen Leib Christi und Gemeinde als Leib mit der Brücke über das paulinische „in-Christus-Sein“10 herstellen. Durch Teilhabe an Christus kommt es zu einem Sein in Christus und damit wird die Gemeinde als Leib zum Leib Christi – oder umgekehrt, die Gemeinde als Leib Christi wird zum einheitlichen Leib trotz der Verschiedenheit ihrer Glieder. Die Teilhabe an Christus, die mit dem Essen hergestellt wird, ist also mehr als nur die Teilhabe an den Heilswirkungen seines Opfertodes; das neue Leben in Christus wird dadurch manifest. Umgekehrt ist wegen der Verbindung zu den Abendmahlsworten der Leib Christi, in dem die Gemeinde durch das Essen und Trinken verbunden ist, auch die Teilhabe an seinem Opfer. Es wird also hier ein komplexes Beziehungsgeflecht zwischen der Gemeinde, dem Mahl, dem Opfer Christi und seinem Leib hergestellt. Man kann nicht sagen, dass Paulus in 1. Kor 10 einfach vom Essen und Trinken des Leibes und Blutes Christi redet; zugleich verbietet sich eine schlichte metaphorische Deutung auf die Gemeinde als Leib Christi,11 und die Teilhabe, von der hier die Rede ist, beschreibt nicht nur die Zueignung der Auswirkungen des Opfertodes Christi. 10 Vgl. v.a. Röm 12,5: „… so sind wir vielen ein Leib in Christus …“; ferner Röm 3,24; 6,11.23; 8,1, 16,3.7 u.ö.; 1. Kor 1,30; 15,18; 2. Kor 2,17; 5,17 usw. 11 Auch die grundsätzlich zu bejahende Aufteilung nach den Versen 16 und 17 etwa bei Zeller, Brief (wie Anm. 2), 338, nach der erst in V 17 ein metaphorischer Wortgebrauch vorliege, wird der Komplexität des Ganzen nur bedingt gerecht, weil ja die Verse unmittelbar aufeinander folgen und wegen der Abfolge mindestens V 16 auch das Verständnis von V 17 beeinflusst. Vgl. Matthias Walter, Gemeinde als Leib Christi (NTOA 49), Freiburg/Göttingen 2001, 113: „Der

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Bevor wir versuchen, noch einmal positiv nachzuvollziehen, was Paulus denn sagt, werfen wir noch einen Blick auf den engeren Kontext, in dem ja andere Mahlzeiten zum Vergleich herangezogen werden. Die Analogie, auf welche es für Paulus im Zusammenhang seiner Argumentation ankommt, liegt in der Gemeinschaft und Teilhabe der Mahlteilnehmer untereinander und an der jeweiligen Gottheit; ohne diesen direkten Gottesbezug ist, wie seine Anweisungen zum Verhalten beim Essen mit heidnischen Gastgebern zeigen (1. Kor 10,27–30), die Mahlgemeinschaft kein Problem. Interessant ist auch, dass Paulus hier für Israel nicht noch einmal auf die zuvor als Beispiel herangezogene durch den Geist Gottes bewirkte Speisung mit dem Manna zurückkommt. Offenbar liegt für ihn der Gedanke an die κοινωνία bei der Opfermahlzeit näher, die Analogie zwischen den Mahlzeiten scheint hier für ihn plausibler zu sein. Sind damit auch die nichtchristlichen Mahlzeiten sakramental verstanden? Für Israel sagt Paulus, dass die Teilnehmer an den Opfermahlzeiten Teilhaber und Genossen des Altars sind. Sie sind also durch die gemeinsame Mahlzeit miteinander und mit ihrem Gott verbunden, dem das Opfer gilt. Eine „Teilhabe“ an Gott wird allerdings wohl kaum so gedacht sein, dass in dem Opferfleisch Gott präsent ist; vielmehr treten die Mahlteilnehmer durch das Essen mit Gott in Kontakt. Ähnlich ist es mit dem Tisch der Dämonen: Teilhabe an diesem Tisch fügt die Mahlteilnehmer in den Machtbereich der Dämonen σῶμα-Begriff oszilliert in 10,16f. also semantisch zwischen realer und metaphorischer Bedeutung.“, außerdem Hans-Joachim Klauck, Eucharistie und Kirchengemeinschaft bei Paulus, in: ders., Gemeinde – Amt – Sakrament, Würzburg 1989, 335–336: „Der Übergang von V. 16 zu V. 17 beweist, daß Paulus sein Gemeindemodell vom sakramentalen Geschehen aus entwickelt. Er interpretiert die Gemeinde vom Herrenmahl als ihrem Einheitsprinzip her.“ – Mit sehr weit reichenden Folgerungen nimmt Bernd Kollmann, Ursprung und Gestalten der frühchristlichen Mahlfeier (GTA 43), Göttingen 1990, 58–70, die ältere These auf, dass 1. Kor 10,16 auf vorpaulinische Überlieferung zurückgehe und eine andere Mahltheologie reflektiere als 1. Kor 11,23b–25. Er stellt allerdings für Paulus fest: „Insgesamt ist anhand des Textbefunds von 1. Kor 10,14–22 eine pln. Parallelisierung von Herrenmahl und heidnischen Kultmahlzeiten zu konstatieren, wobei das tertium comparationis in der hier wie dort involvierten Koinonia mit der jeweiligen Gottheit liegt, ohne daß sich die Analogien auf sämtliche Einzelzüge, und dies gilt explizit für im pln. Herrenmahl nicht nachweisbare Opferaspekte, erstrecken würden.“ (a.a.O., 67)

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ein. Um es mit Peter Lampe zu sagen: Paulus ist der Meinung, „dass Dämonen sich am Ort des Schlachtopferns selber ,herumtreiben‘ …, um sich am frischen Schlachtblut und den Dämpfen zu ergötzen“, 12 „es verstecken sich für … (ihn) hinter dem heidnischen Opferkult real existierende Dämonen, mit denen beim Schlachtopfer in Kontakt getreten wird“.13 Darüber hinaus könnte hier auch daran gedacht sein, dass durch das Essen die Dämonen unmittelbar Einzug in die Mahlteilnehmer halten.14 Denn wenn Lampe aus der Möglichkeit für Christen, außerhalb der eigentlichen Opferfeiern das den heidnischen Götzen geopferte Fleisch zu essen, folgert: „Die Realpräsenz der Dämonen ist für Paulus an den Akt des Opfertierschlachtens gebunden, nicht an das Element des Fleisches, so wie die eucharistische Realpräsenz das Kyrios für Paulus an den liturgischen Akt und noch nicht an die Elemente an sich gebunden ist“,15 dann denkt er m.E. zu sehr in modernen Kategorien. Die „Realpräsenz“ mag an den „liturgischen Akt“ gebunden sein; aber das schließt keineswegs die Vorstellung aus, dass diese Präsenz sich auch und gerade über den leiblichen Akt des Essens vollzieht.16 Trotzdem müssen wir festhalten, dass die „Einverleibung“ des Göttlichen wohl nicht der Vergleichspunkt ist, auf den es dem Paulus hier ankommt. Die Besonderheit beim christlichen Abendmahl ist ja auch, dass hier anders als überall sonst das Opfer mit der Gottheit identisch ist. So scheint Paulus allgemeiner davon auszugehen, dass sich in der Opferfeier eine Teilhabe an der Gottheit und damit Gemeinschaft an ihr vollzieht. Für das Götzenopferfleisch ist dabei allemal deutlich, dass die Dämonen diesem Fleisch nicht auf Dauer 12 Peter Lampe, Die dämonologischen Implikationen von 1. Korinther 8 und 10 vor dem Hintergrund paganer Zeugnisse, in: Hermann Lichternberger u.a. (Hg.), Die Dämonen. Demons, Tübingen 2003, 595. 13 A.a.O., 598. 14 Vgl. Otto Böcher, Dämonen IV. Neues Testament, TRE 8, 281: „Nach gemeinantiker, auch vom Judentum geteilten Auffassung versuchen die Dämonen, durch die Körperöffnungen in den Menschen einzudringen, um ihn zu ,verunreinigen‘ und zu schädigen. … noch immer setzt die Teilhabe an heidnischen Kultmahlen dämonischer Gefährdung aus (1. Kor 10,20f), die durch den Mund vermittelt wird.“ (Hervorhebung im Original), ferner C. Detlef G. Müller, Geister (Dämonen): C. IV. Volksglaube, RAC 9, 783–784. 15 Lampe, Implikationen (wie Anm. 12), 595. 16 Vgl. dazu auch die Hinweise auf die Mysterienkulte bei Kollmann, Ursprung (wie Anm. 11), 59–60.

Abendmahl und κοινωνία in 1. Korinther 10

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„anhaften“. Sie scheinen aber für Paulus durch Christus nicht dermaßen depotenziert zu sein, dass sie für Anhänger Christi bei der Opferfeier am heidnischen Tempel keine Gefahr mehr darstellten.

IV Wir können nun versuchen, zusammenfassend zu beschreiben, was Paulus in 1. Kor 10 über die „Gemeinschaft des Blutes des Christus“ und die „Gemeinschaft des Leibes des Christus“ sagt. Er will erreichen, dass die Gemeindeglieder in Korinth nicht an Götzenopfermahlzeiten teilnehmen; dazu sagt er, dass die Tischgemeinschaften des Herrn und der Dämonen einander ausschließen. Κοινωνία meint aber für ihn nicht einfach, dass man gemeinsame Mahlzeiten feiert und dadurch miteinander verbunden ist. Vielmehr geht es auch und die Gemeinschaft eigentlich begründend um Teilhabe an der gastgebenden Gottheit. Für das Abendmahl drückt Paulus das durch eben die Begriffe „Gemeinschaft des Blutes des Christus“ und „Gemeinschaft des Leibes des Christus“ aus. Die Teilhabe ist also hier an das Essen und Trinken gebunden und somit durchaus materiell gedacht; durch die Konnotation des Opfertodes beim Stichwort Blut und durch die sich anschließende eher metaphorische Redeweise von der Gemeinde als Leib sind aber von vornherein auch andere und verschiedene Bedeutungsebenen impliziert. Die Teilhabe an dem einen Brot ist Teilhabe an dem Leib des Christus und zugleich auch Teilhabe an der Gemeinde als seinem Leib. Die Teilhabe an dem Blut des Christus ist Teilhabe an ihm selbst und zugleich auch die Teilhabe an seinem Opfertod. Wie verhält sich diese Deutung zur Frage der Realpräsenz des Leibes und Blutes Christi im Abendmahl? Das Anliegen der lutherischen Rede von der Realpräsenz ist ein doppeltes: Einerseits geht es soteriologisch darum, dass nicht der Glaube oder menschliches Verhalten das Sakrament zum Sakrament oder als solches nutzbar macht, sondern allein das wirkmächtige Wort Gottes. Andererseits wird christologisch an der wahren Menschheit Jesu Christi festgehalten, die sich im Abendmahl bis in seine Leiblichkeit hinein erweist. Wenn Paulus in 1. Kor 10 von der Gemeinschaft des Blutes und des Leibes des Christus spricht, kommt es ihm weder auf das eine noch auf das andere der genannten Anliegen an. Dennoch ist seine Rede von der Gemeinschaft bzw. Teilhabe des Blutes und des Leibes des Christus nicht nur zu einem Verständnis im Sinne der Realpräsenz hin offen; sondern es ist, wie gezeigt, nach Ausdrucksweise und Gedankengang

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von 1. Kor 10 in besonderem Maße plausibel, dass Paulus sich hier Gemeinschaft als Teilhabe auch im leiblichen Sinne vorstellt, auch wenn damit die von ihm im Text bemühten Analogien letztlich gesprengt werden.

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Realpräsenz Skizze einer ökumenischen Bestandsaufnahme 1. Vorreformatorische Entwicklungen Die Frage nach einer angemessenen Beschreibung, begrifflichen Fassung und theologischen Deutung der Gabe des Herrenmahls beschäftigt die Christenheit seit frühester Zeit. In seiner umfangreichen Untersuchung zum Messopfer hat Arnold Angenendt die reichen Varianten solcher Interpretationsvorgänge von der Antike bis an die Schwelle der Reformation dargestellt und kritisch mit den Entwicklungen des II. Vaticanums ins Gespräch gebracht.1 Wesentlich ist für den neutestamentlichen Befund der Mahlcharakter der Feier, die Kommunion als „Einswerden mit der Person Jesu Christi“. In der Taufe als „Sakrament des Glaubens“ sei die Christus-Zugehörigkeit „verendgültigt“, im Herrenmahl erfahre diese Verbindung „ihre fortwährende Kräftigung“.2 Das mit dem Wiederholungsbefehl verbunden Gedenken müsse als ein Vorgang „von oben her“ verstanden werden, also nicht bloß als abständige „Rückbesinnung“ oder „subjektive Erinnerung“, vielmehr „als von Christus her geschehende ‚Vergegenwärtigung‘“ des Lebens, Leidens und Sterbens Christi, mithin seiner Selbsthingabe als des Gekreuzigten.3 Sein Blut ist die Sühne, der die Gläubigen bedürfen, die sie aber auch erfahren.4 Das einzige Opfer auf Seiten der Gemeinde, das diesem Vorgang adäquat geschehe, sei ein Lob- und Dankopfer, wie dies in der Geschichte der christlichen Liturgie und Theologie auch in den ersten Jahrhunderten verstanden und geübt wurde, nicht zuletzt im Selbstopfer, in der

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Arnold Angenendt, Offertorium. Das mittelalterliche Meßopfer (LGF 101), Münster 2013, ³2014; zur Auseinandersetzung mit den Entwicklungen in der römischkatholischen Kirche der letzten fünfzig Jahre vgl. a.a.O., 478–488. A.a.O., 35. A.a.O., 36; 38. A.a.O., 48. ______________________________________________________________________ LuThK 39 (2015), 41–69 DOI 978-3-8469-9917-2

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ganzheitlichen Hingabe der Christen im Lebensvollzug.5 Damit ist der „vertikalen Dimension“6 eine „horizontale Dimension“7 beigegeben, die christliche „Sozialsorge“8 ermöglichte, aber auch Regelungen für das Bestehen von, den Ausschluss aus der und die Wiederaufnahme in die Gemeinschaft der Gemeinde erforderlich machte.9 Die frühen Hochgebete spiegeln noch „die Gemeinsamkeit aller Teilnehmer“, die ihren Grund darin hat, dass „Jesus sich zu unser aller Heil in seinem Fleisch und Blut vergegenwärtigt“10. Entscheidend für die „theologische Deutung […] für das eucharistische Brot und den Wein“ wurde am Ende des patristischen Zeitalters der Mysteriums- bzw. Sakramentsbegriff und sein Verständnis.11 Im „Symbolismus“, als dessen Kronzeuge in der Alten Kirche Augustinus in Anspruch genommen wird, wird der Zusammenhang zwischen Leib und Blut Christi und den eucharistischen Elementen gemäß der platonisch inspirierten Bild-Abbild-Beziehung verstanden; empfangen wird demnach der Leib des Erhöhten, doch so, dass im Vorgang des Essens und Trinkens eine „Einverleibung in den geopferten Christus“ vollzogen wird.12 Ambrosius hingegen steht für einen „Metabolismus“, der die (Ver-)Wandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi vertritt; in beiden Deutungsvorgängen liegt nunmehr der Akzent auf der Frage nach der „Gegenwärtigkeit“ der eucharistischen Gabe.13 In der frühmittelalterlichen Fortführung verdichte sich die „realistische“ Auffassung von der Gegenwärtigkeit von Leib/Fleisch und Blut Christi, bewirkt durch das Machtwort des Herrn selbst, wie dies bei Paschasius Radbertus besonders deutlich wird.14 Erst im hohen Mittelalter wurde die (Ver-)Wandlung jedoch zu einem wirklich eigenständigen Thema theologischen Nachdenkens. Die priesterliche Vollmacht zur Konsekration und die Transsubstantiati-

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A.a.O., 38–42 A.a.O., Kapitelüberschrift, 33. A.a.O., Kapitelüberschrift, 50. A.a.O., 58. A.a.O., 50–63. A.a.O., 470. A.a.O., 64–70. A.a.O.,65–68. A.a.O., 68f. A.a.O., 196–201.

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onstheorie erhielten nun besonderes Gewicht.15 Das Priestertum wird nun tendenziell von der Gemeinschaft isoliert und aufgrund der ihm zugeschriebenen Konsekrationsvollmacht auch über das Volk erhoben. Bei Thomas von Aquin fallen schließlich Weihe und Darbringung des Opfers in eins; es kommt zu einer „Konzentration auf die Konsekration“.16 Verbunden ist diese „revolutionierend[e]“ Entwicklung mit einem oft hyperrealistischen Verständnis.17 Die Transsubstantiationstheorie, wie sie im IV. Laterankonzil kodifiziert wurde, stellte demgegenüber eine sozusagen anti-materialistische Modifikation dar; so eignet nach Thomas der „substantiellen“ Gegenwart von Leib und Blut Christi im Sakrament keinerlei „Körperlichkeit, Räumlichkeit und Ausdehnung“, zumal nicht der historische Leib Christi gegenwärtig gesetzt, vielmehr eine Wandlung „in den verklärten Leib des Herrn“ vollzogen werde.18 Freilich werden Lob- und Dankopfer als Vollzug der Einverleibung in den Tod des Herrn nun tendenziell nebensächlich19; Vorrang gewinnt „die Frage nach der Erklärung der sogenannten ‚Realpräsenz‘“.20 Infolgedessen kommt es zu Elevation und Anbetung der Hostie, in der eine „anschaubare Vergegenwärtigung Jesu Christi selbst“ fromme Verehrung erfuhr; im 13. Jahrhundert ging aus diesen Ansätzen das Fronleichnamsfest hervor.21 Kehrseite dieser Entwicklung ist der seltene Empfang der Kommunion und das „Kelchverbot für die Laien“22; es kam zu einer „Herabstufung der Laien“23. Das späte Mittelalter schließlich ist gekennzeichnet durch ein „ganz und gar statisch gewordenes Eucharistieverständnis“.24 Cha15 16 17 18 19 20

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A.a.O., 358–400. A.a.O., 359f.; 472 A.a.O., 360, 367f., führt neben anderem die Bluthostien des Mittelalters an. A.a.O., 365. A.a.O., 367. Otto Hermann Pesch, Katholische Dogmatik aus ökumenischer Erfahrung 2: Die Geschichte Gottes mit den Menschen. Ekklesiologie, Sakramentenlehre, Eschatologie, Ostfildern 2010, 481, zitiert bei Angenendt, Offertorium (wie Anm. 1), 373. Angenendt, Offertorium (wie Anm. 1), 377; 379. A.a.O., 381–389; er bemerkt, dass nur die römisch-katholische Kirche diesen Kelchentzug geboten habe, vgl. a.a.O., 473. A.a.O., 475. Joseph Ratzinger, Das Problem der Transsubstantiation und die Frage nach dem Sinn der Eucharistie, in: ThQ 147 (1967), 129–158, hier 136, zitiert bei Angenendt, Offertorium (wie Anm. 1), 402.

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rakteristisch ist dafür die Messtheologie Gabriel Biels.25 Jetzt ist die Messe „im Kern […] das Opfer des Sohnes an den Vater“, vollzogen in hierarchischer Abstufung vom Priester, der eigentlich Leib und Blut Christi, „die er in den Kanon-Worten konsekriert hat, für das Heil der Lebenden und Toten dem allerheiligsten Vater“ opfert, und, freilich nur „mittelbar vom Volk“.26 Auch wenn die Messe letztlich auf Kommunion zielt, ist sie doch wesentlich Opfer, und zwar Sühnopfer.27 Kein geringerer als Otto Hermann Pesch hat deshalb Verständnis dafür gezeigt, dass Luther die Opferbezüge aus den gebeten des Messkanons gestrichen habe. Neuere römisch-katholische Messtheologie betone die „Hineinnnahme der Kirche in das Hingabegeschehen Christi“28 und dementsprechend auch den priesterlichen Dienst des Volkes Gottes, dessen Verwirklichung die Amtsträger zuzuordnen seien.29

2. Lutherische Grundbestimmungen Für Martin Luther besteht kein Zweifel an der Gegenwart von Leib und Blut Christi, die durch das schöpferische Testamentswort des in den Tod gehenden Jesus Christus konstituiert wird, dass seine kreative, performative Kraft auch diesseits von Gründonnerstag und Karfreitag behält.30 Die Stiftungsworte des Herrn haben demnach als Gottes Wort konstitutiven Sinn für das Sakrament, denn „als Wort des Schöpfers im Munde Christi überformen sie die geschöpflichnatürlichen Elemente, heben sie, ohne sie zu beseitigen, in die neue

25 Angenendt, Offertorium (wie Anm. 1), 443–452. 26 Gabriel Biel, Canonis Missae Exposition, Lectio 37, H, zitiert bei Angenendt, Offertorium (wie Anm. 1), 445. 27 A.a.O., 447. 28 Negel, Ambivalentes Opfer. Studien zur Symbolik, Dialektik und Aporetik eines theologischen Fundamentalbegriffs, Paderborn 2005, 320, zitiert bei A.a.O., 483. 29 Gisbert Geshake, Priester/Priestertum II/2. Systematisch, in: TRE 27 (1997), 422– 431, hier 423, zitiert bei Angenendt, Offertorium (wie Anm. 1), 484. 30 Vgl. Joachim Ringleben, Der Sinn der Einsetzungsworte nach Luther, in: Joachim Ringleben/Jobst Schöne/Karl-Hermann Kandler (Hg.), Das Mahl Christi mit seiner Kirche (= Lutherisch Glauben. Schriftenreihe des lutherischen Einigungswerks 4), Neuendettelsau 2006, 13–31; dazu Jobst Schöne, Das essbare Heil. Was Martin Luther vom heiligen Abendmahl bekennt, in: a.a.O., 33–49, Nachdruck in: Jobst Schöne, Botschafter an Christi Statt. Versuche, Groß Oesingen 1996, 8–13.

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Wort-Wirklichkeit hinein, die Christi eigene ist“31. Es handelt sich um eine durch das „identifizierende[n] ‚est‘“ konstituierte „Zusammenfügung“.32 In diesem Vorgang werden nach Luther „natürlicher und eschatologischer Leib Christi […] unterschieden und zugleich aufeinander bezogen“33. So kommt es kraft des kreativen Redens Christi zu einer sakramentalen Einheit von neuer Qualität,34 die jedenfalls „analogielos“ bleibt.35 Die Confessio Augustana Invariata folgt Luther in der Ineinssetzung von Leib und Blut Christi mit den Elementen von Brot und Wein; liest man CA X in einer reziproken Epexegese der deutschen und lateinischen Fassung, dann ist Melanchthons Brückenschlag zur mittelalterlich-abendländischen Tradition unübersehbar: Wahrer Leib und wahres Blut Christi sind „unter der Gestalt“ von Brot und Wein gegenwärtig, werden ausgeteilt und empfangen.36 Das Stiftungshandeln Gottes und seine heilvolle Selbstzusage sind für den lutherischen Sakramentsbegriff konstitutiv. Der Gedanke der Wortbezogenheit und der Zeichenhaftigkeit, der für den augustinischen Sakramentsbegriff kennzeichnend ist, wird von Melanchthon durchaus beibehalten.37 Er folgt – wie Luther – der Bestimmung des Sakraments als „sichtbares Wort“ („verbum visibile“), so dass seine Eigenart in der Veranschaulichung dessen liegt, was das Wort bereits besagt.38 Bedeutungsgehalt und Wirkung von Wort und gottesdienstlichem Vollzug des Abendmahls sind dabei identisch – nämlich Vergebung der Sünden und somit erneuerte Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch; der Modus von Mitteilung, Wahrnehmung und Aufnahme des Heils freilich differiert.39 Das Wesen des Altarsakraments wird im Bekenntnis der lutherischen Kirche ausschließlich auf Einsetzungsworte Christi am Grün31 32 33 34 35 36. 37 38 39

Ringleben, Sinn (wie Anm. 30), 24. A.a.O., 26, mit Bezug auf WA 26, 443, 29–31. A.a.O., 28, mit Bezug auf WA 26, 382, 8–12, vgl. WA 26, 380, 20–28. A.a.O., 30. Vgl. FC SD VII 38, „inusitata“, BSLK, 984; BSELK 1471, 14. Vgl. Schöne, Heil (wie Anm. 30), 42. BSLK, 64. Vgl. ApolCA XIII 5, BSLK 292f; BSELK 512,3–10; 513,3–8. Großer Katechismus, 5. Hauptstück, Abendmahl, 8–14; 31, BSLK 709f.; 713f. „Idem effectus est verbi et ritus“; „ritus … est quasi pictura verbi, idem significans, quod verbum. Quare idem est utriusque effectus“, Apol CA XIII, BSLK 293; BSELK 513,16.

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donnerstag begründet.40 Die reale Gegenwart von Leib und Blut Christi unter Brot und Wein als Mahl ist also in Gottes Ordnung fundiert, die mehr ist als ein „Stiftungszusammenhang“. Dabei dient die Betonung von Leib und Blut Christi dem Bezug, wenn nicht der Konzentration auf die Opfergestalt des Herrn als Verdichtung seines Heilswerks.41 Auch und gerade beim Heiligen Abendmahl betont Martin Luther „Gottes Wort und Ordnung bzw. Befehl“42 als das, was das Sakrament zustande bringt und ausmacht, nämlich die Stiftung durch Jesus Christus selbst. In den Auseinandersetzungen, besonders mit der Schweizer Reformation wird eine „figurative“ Deutung der Einsetzungsworte abgelehnt, nach der bloß ihre „bildliche Bedeutsamkeit“ in Geltung stehe. Vielmehr ist buchstäblicher Sinn der Stiftungsworte zu wahren. Darin hat das Abendmahl seinen objektiven Grund und Bestand. So kann der Unterscheid zwischen der Zürcher Reformation Zwinglis und Luther markiert werden, dass es in der Schweiz um „Erinnerung statt Opfer“, in Wittenberg um „[s]tets neue Selbstvergegenwärtigung“ Christi gehe.43 Eine solche ist darin begründet, dass „in den apostolisch bezeugten Christusworten des Abendmahls Christus selbst zur Gemeinde spricht“.44 Es ist jedoch daran festzuhalten, dass durch Christi Stiftungswort Brot und Wein unüberbietbar mit seinem Leib und Blut identifiziert werden und demzufolge identisch gesetzt sind45, durch die sich die Mitteilung der Sündenvergebung, die Wiederaufnahme in die Christusgemeinschaft

40 FC SD VII, 42–59; BSLK 985–991; BSELK 1471–1481. Dies wird auch für die Konsekration in Anspruch genommen, vgl. FC SD VII, 73–82; BSLK 997–1000; BSELK 1484–1489. 41 FC SD VIII 62–65; BSLK 993f.; BSELK 1480–83, 78; BSLK 1043f; BSELK 1538– 1541. 42 Großer Katechismus, 5. Hauptstück, Abendmahl, 4, BSLK 708. 43 Dietrich Korsch, Die Gegenwart Jesu Christi im Abendmahl. Einleitung in: ders. (Hg.), Die Gegenwart Jesu Christi im Abendmahl, Leipzig 2005, 11–18, hier16f. 44 Reinhard Schwarz, Selbstvergegenwärtigung Christi, in: a.a.O., 19–50, hier 28. 45 Peters, Kommentar zu Luthers Katechismen 4, 137–146; insofern bleibt Gunther Wenz hinter der Pointe der Luther(i)schen Abendmahlstheologie zurück, wenn er formuliert: „Die Realpräsenz Jesu Christi ist also unzweifelhaft als Persongegenwart zu bestimmen.“, Wenz, Theologie der Bekenntnisschriften 1, 638; Peters wertet seine an Luthers Texten gewonnenen Einsichten bedauerlicherweise im Vorhinein als „dem Mittelalter verhaftet“ ab; a.a.O., 134.

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und die Stärkung des immer der Kräftigung bedürftigen Glaubens vollziehen46 Dabei bleibt die katabatische Richtung des Geschehens strukturbildend; „denn die Mahlhandlung selber mit der Heilszusage Christi und der Austeilung von Leib und Blut Christi unter Brot und Wein bleibt ein Geschehen der Zuwendung Christi, das der Christ dankbar annimmt“; er wird aber nicht zum Subjekt dieses Vorgangs.47 Der Empfang der Abendmahlsgaben in der Weise, wie Christus selbst die Feier dieses Sakrament geordnet und seiner Christenheit nachzuvollziehen geboten hat, gehört konstitutiv zum Sakrament, da es als Mahl(feier) gestiftet ist; es gilt als das Testament Christi, das auch von der Kirche nicht geändert werden darf. Dazu zu rechnen ist nach reformatorischen Auffassung auch die Forderung nach dem Laienkelch und der gottesdienstliche Vollzug „unter beiderlei Gestalt“, da diese eindeutig dem Mandat des Herrn (Mt 26, 27; 1. Kor 11, 20ff.) wie der altkirchlichen Praxis entspreche.48 Ebenso muss der Empfang von Leib und Blut Christi „mit dem Mund“ als genuiner Bestandteil der lutherischen Abendmahlstheologie angesehen werden: Die leibliche Dimension der Sakramentsfeier darf nicht unterschätzt werden, geht es doch um die Gegenwart der Opfergestalt Christi in ihrer „ganzheitlichen“ Geltung für uns.49 Die Feier des heiligen Mahles ist dabei immer Feier der Gemeinde Jesu Christi; das Sakrament gehört in die Mitte des Volkes Gottes. Die „Konsekration“ der eucharistischen Gaben von Brot und Wein wird vollzogen in einem gottesdienstlichen Gesamtgeschehen („tota actio“). Dazu gehören die gottesdienstliche Versammlung, die Bereitung der Gaben, ihre Segnung durch die Stiftungswort des Herrn, die Austeilung, der Empfang, das Essen und Trinken und die Verkündigung des Heils, das Christus mit dieser Selbstpreisgabe erworben und erwirtschaftet hat.50 Dass es zunehmende Differenzen in den Konzeptionen Luthers und Melanchthons vom Altarsakrament gab wie auch Spannungen zwischen Württembergischer und Wittenberger Theologie in der zweiten 46 Großer Katechismus, 5. Hauptstück, Abendmahl 20–32; BSLK 711–714. 47 Schwarz, Selbstvergegenwärtigung (wie Anm. 44), 43. 48 Grundlegend dazu CA XXII; BSLK 86 f.; BSELK 134f.; ASm III 6; BSELK 450– 452; BSELK 766,20–769,13. 49 Hermann Sasse, Corpus Christi. Ein Beitrag zum Problem der Abendmahlskonkordie (= LBl 117/118, Oktober 1979), Erlangen 1979, 50f. 50 FC SD VII, BSLK 1000f.; BSELK 1488–1491.

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Hälfte des 16. Jahrhunderts, ist offenkundig.51 Es ist erkennbar, wie sich Melanchthon in der Entwicklung seiner Aussagen von Luther entfernt, und wie wenig Verständigungsmöglichkeiten es „[z]wischen dem klassisch-philippistischen Konzept und der Württemberger Position“, für die Johannes Brenz mit seinen Schülern stehen mag, a limine gab. Die frühzeitig gegebenen Spannungen erwiesen sich in der Folge als Grunddifferenzen, die nicht mehr überbrückbar schienen. In der Lösung der Divergenzen und Differenzen, wie sie von Martin Chemnitz inspiriert und in der Konkordienformel durchgeführt wurde, wird die communicatrio idiomatum realis als „Geschehenszusammenhang“ begriffen; die Realpräsenz von Leib und Blut Christi im Sakrament des Altars sind begründet in dem schöpferischallmächtigen Wort Christi, dass auch Realitäten setzt, die „voreschatologisch“ von menschlicher Einsicht nicht erfasst werden können.52 Doch gilt und gibt es ein legitimes Bemühen um eine schrifttheologisch begründete, sachlich angemessene, begrifflich genaue, weitestgehend plausibilisierbare Beschreibung von Stiftung, Wirklichkeit, Sinn und Wirkung des Herrenmahls. Dazu gehören nach dem spätesten Bekenntnistext im Konkordienbuch die wahrhaft und wirklich gegebene Gegenwart von Leib und Blut Christi samt ihrer Darreichung und Austeilung in Verbindung mit den irdischen Elementen, der leiblichen „Nießung“ dieser Gaben „mit dem Mund“ und der Empfang ebendieser Gaben von Leib und Blut Christi unabhängig von der gläubigen oder sittlichen Disposition der Kommunikanten.53

3. Neuere Versuche römisch-katholischer Reformulierung der eucharistischen Gegenwart und ihre Kritik In der neueren römisch-katholischen Sakramentstheologie wurde der Versuch gemacht, die Vorgaben der – vorgeblich nicht mehr verstehbaren – Substanzontologie im Hintergrund der Transsubstantiationstheorie einer Modifikation zuzuführen, um deren Sinn zu bewahren; darin sei es darum zu tun, „dem personalen Charakter des eucharistischen Geheimnisses besser gerecht zu werden“. Dem versu51 Johannes Hund, Das Wort ward Fleisch. Eine systematisch-theologische Untersuchung zur Debatte um die Wittenberger Christologie und Abendmahlslehre in den Jahren 1567 bis 1574 (= FSÖTH 114), Göttingen 2006, hier 97–111. 52 A.a.O., 701. 53 Robert Kolb, Die Konkordienformel. Eine Einführung in ihre Geschichte und Theologie (= OUH E 8), Göttingen 2011, 141.

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chen „Transsignifikations- bzw. Transfinalisatonslehre“ zu entsprechen.54 Die Elemente werden im sakramentalen Zusammenhang also in eine andere Sinn- oder Bedeutungsdimension überführt. Das Signalwort für solche Neubestimmung ist der Begriff des „Realsymbols“; er soll die mit dem traditionellen Zeichenbegriff verbundenen Probleme überwinden.55 Dazu wird er in ein personales Begegnungsgeschehen integriert.56 Papst Paul VI. hat demgegenüber die Rückbindung der Elemente an eine „ontologische Neubestimmung“ betont.57 Um die Gefahr eines bloß subjektiven Verständnisses zu wehren, ist daher der Begriff „Transinstitution“ ins Gespräch gebracht worden, im Sinn einer „Umstiftung, in der Gott selbst den Wirklichkeiten von Brot und Wein schöpferisch eine neue Seinsbestimmung gibt“.58 Gleichwohl herrscht die personale Auffassung des eucharistischen Geschehens auch in der neueren Deutung noch vor, wenn einer „Rückbindung der somatischen Realpräsenz an die Personalpräsenz Christi“ das Wort geredet wird, handle es sich doch bei der Eucharistie um ein „Begegnungsgeschehen, dessen Subjekt Jesus Christus ist“.59 Die „Empfangshandlung“ von Essen und Trinken wird folglich als „ausdrucksstarke Weise seiner Selbsthingabe“, nämlich als „Selbstdarreichung Jesu in Brot und Wein“ gedeutet, deren Ziel „nicht die neue Qualität von Brot und Wein, sondern die Verwandlung der sie empfangenen Menschen“ sei.60 Demzufolge kann auch eine „Einigkeit über die Realpräsenz Jesu Christi im Geschehen der Eucharistie“ unter ökumenischen Vorzeichen behauptet werden; nur „hinsichtlich des Wie“ gingen die Auffassungen noch auseinander.61 Die Tragfähigkeit der neueren römisch-katholischen Deutungsmodelle für die eucharistische Gegenwart der sakramentalen Gaben ist freilich von Notger Slenczka bestritten worden, weil „nach traditionellem Verständnis im Zentrum der Eucharistie die Objektivität einer 54 Eva-Maria Faber, Einführung in die katholischen Sakramentenlehre, Darmstadt, 2002, 112–117, hier 114. 55 Vgl. Notger Slenczka, Realpräsenz und Ontologie. Untersuchungen der ontologischen Grundlagen er Transsignifikationslehre (= FSÖTh 66), Göttingen 1993, 25. 56 A.a.O., 30. 57 Enzyklika „Mysterium Fidei“ (DH 4413) bei Faber, Sakramentenlehre (wie Anm. 54), 115. 58 Jochen Hilberath bei Faber, Sakramentslehre (wie Anm. 54). 59 A.a.O., 115. 60 A.a.O., 116. 61 A.a.O., 117.

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Realpräsenz unter den Gestalten steht“.62 Die hinter der Transsignifikationslehre liegende Phänomenologie, sie sei transzendentaler oder existentieller Art, wird als grundlegend different von substanzontologischen Bestimmungen angesehen, damit zugleich aber als ontologisch unzureichend abgewiesen.63 Denn sie „hintergeht die Ontologie der Substanz“, weil sie dieser die angenommene „Selbständigkeit“ bestreitet64; sie versucht, „das ‚Wesen‘ des Seienden vom ‚finis‘ bzw. vom ‚Sinn‘ des Seienden ‚für‘ den Menschen her zu bestimmen“65. In der Neubestimmung der eucharistischen Wirklichkeit, so wird gesagt, laufe dies darauf hinaus, „die Isolation der Realpräsenz unter den Gestalten als rein faktische ‚Anwesenheit‘ oder ‚Vorhandenheit‘ Christi aufzubrechen und die Realpräsenz in den Zusammenhang eines auf die res tantum sacramenti, die unio fidelium cum Christo abzielenden Geschehens einzubinden.“66 In ökumenischer Perspektive führen diese Ansätze aus dem Bereich römisch-katholischer Theologie darauf, „dass die Realpräsenz ihrer internen Struktur nach ein intentionales Geschehen ist, und dass dementsprechend die Applikation und der usus nicht akzidentiell, sondern wesentlich ist“67. Es ist überdies darauf aufmerksam gemacht worden, dass die „Zuordnung der sakramentalen Gegenwart, der Sakramente und der Kirche (als Medium Christi) überhaupt in den Vollzug der Begegnung von Gott und Menschen […] eine strenge Parallele […] zum Grundanliegen Luthers“ darstelle.68 Denn es gehe darum, „nicht die Realpräsenz als Faktum zu betrachten, sondern die Realpräsenz als Modus der Selbstzueignung Christi zu ergreifen“69. Und doch sei es Luther in seiner Theologie um eine „Neubestimmung der Sprache und der Wirklichkeit“ zu tun.70 Dabei steht außer Zweifel: „Die Identifikation ‚Dies (Brot) ist mein Leib‘ muß nach allen Bestandteilen des Satzes 62 Slenczka, Realpräsenz (wie Anm. 55), 32, mit Bezug auf Thomas von Aquin, STh III q 73 a 1 ad 3. 63 A.a.O., 542. 64 A.a.O., 539f. 65 A.a.O., 549. 66 A.a.O., 558. 67 A.a.O., 559. 68 A.a.O., 560. 69 A.a.O., 570. 70 Notger Slenczka, Neubestimmte Wirklichkeit. Zum systematischen Zentrum der Lehre Luthers von der Gegenwart Christi unter Brot und Wein, in: Korsch, Gegenwart (wie Anm. 43), 79–98.

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wörtlich, und eben als Identifikation verstanden werden.“ Eben dieses Verständnis ist freilich „aus dem Sprachgebrauch der Bibel“ gewonnen.71 Ob es dann genügt „das Abendmahl als individuelle Zueignung der Person Christi auf Glauben hin, das heißt: als Grund eines neuen Selbstverständnisses“ zu deuten, dürfte allerdings fragwürdig bleiben.72

4. Neuere Bestimmungsversuche evangelischer Provenienz In neueren lutherischen Deutungsversuchen zur „Realpräsenz“, bezogen auf das Altarsakrament, überwiegen die personalen Beschreibungen der Gegenwartsweise Jesu Christi.73 Albrecht Peters will mit Luther das „Sakrament […] als Konzentration des gesamten Evangeliums“ verstanden wissen.74 Demnach ehre „Luther den unter Brot und Wein gegenwärtigen Herrn“ 75. Doch stellten die verba testamenti einen Offenbarungsvorgang dar: „in ihnen offenbart sich der im Element in seiner Leibesgestalt gegenwärtige Herr den Kommunikanten“; dieser Vorgang sei wortbezogen und personal zu verstehen.76 Doch seien „die sachlich-dinglichen wie die personalen Bezüge gleicherweise gegenwärtig“.77 Denn „bei Luther wird die Gegenwart eines Leibes bezeugt, bei der gerade dasjenige weggenommen ist, was leibliches Gegenwärtigsein charakterisiert“78 oder, in Umkehrung der Perspektive: „Ein Leib ist gegenwärtig wie ein Geist, und doch ist das Wesen seines Leibseins nicht aufgehoben.“79 Dem entspricht „der Glaube an die Präsenz des Herrn“.80 Denn es gehe nicht um eine „repraesentatio der Heilstatsachen“, als vielmehr um die „Gegenwart des Heilswirkers“81. Insofern sei „im 71 A.a.O., 95. 72 A.a.O., 97. 73 Um geliebter Kürze willen beschränke ich mich auf eine Auswahl aus der deutschen theologischen Literatur der vergangenen fünfzig Jahre. 74 Albrecht Peters, Realpräsenz. Luthers Zeugnis von Christi Gegenwart im Abendmahl (AGTL V), Berlin/Hamburg 1966, 134. 75 A.a.O., 94. 76 A.a.O., 87. 77 A.a.O., 110. 78 A.a.O., 98. 79 A.a.O., 99. 80 A.a.O.,102. 81 A.a.O., 112.

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Hinblick auf die Nießung das Wort dem leiblichen Essen vorgeordnet“82, und daher sei die „Gabe des Sakraments […] keine andere als die eine Gabe des Wortes, der totus vivus Christus in seiner gottmenschlichen Person“.83 Das „Proprium des Altarsakraments“ sei also „nicht das Was der Gegenwart Christi“, vielmehr „das Wie dieser Gegenwart“84. Hermann Sasse sieht einen unauflöslichen Zusammenhang zwischen Inkarnation und Realpräsenz;85 darum steht ihm die Gewissheit unumstößlich fest, was denn die Gabe des Altarsakraments sei: „Es ist der Leib, der von seiner Mutter Maria geboren wurde, der am Kreuze starb, der begraben wurde, von den Toten auferstand, gen Himmel fuhr und zur Rechten des Vaters sitzt […]. Dies und nichts anderes ist das Dogma der Kirche von dem Abendmahl.“86 Die manducatio oralis von Leib und Blut Christi ist dementsprechend „vollendete[r] Ausdruck“ „der wirklichen Inkarnation“87. Diesen Sachverhalt sieht er bereits in der altkirchlichen Liturgie und Theologie bestätigt: „Brot und Wein sind nach der Konsekration Leib und Blut des Herrn. Weiter nichts? Nein, weiter nichts.“88 Nachvollzogen versteht Sasse diesen Sachverhalt noch in der Wittenberger Konkordie von 1536, in der „das klare Bekenntnis vorlag, daß Brot und Wein wahrlich und der Substanz nach Leib und Blut Christi sei“89. Ulrich Kühn versteht die Sakramente grundsätzlich als „symbolische kommunikative Handlungen“90, als „geistgewirkte Antworthandlungen aus Glauben“91 bzw. als „Handlungen der Gemeinde Christi“. Diese Grundauffassung gilt auch vom Altarsakrament.92 In dieser ekklesialen Begründung erlaubt es „Vergewisserung von Zugehörigkeit, […] Erfahrung von Geborgenheit, […] Neuanfang in den Verstrickungen von Schuld und Gewalt“ und wird erfahrbar „als

82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92

A.a.O., 127. A.a.O., 134. A.a.O., 139. Sasse, Corpus Christi (wie Anm. 49), 114–121. A.a.O., 20. A.a.O., 24. A.a.O., 26. A.a.O., 76. Ulrich Kühn, Sakramente (HST 11), Gütersloh 1985, ²1990, 208–213, hier 219. A.a.O., 219 A.a.O., 259.

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Geschehen geteilten Lebens“.93 Es ist „auch als Werk der Kirche“ anzusehen, „Stiftung und Gabe Christi“ eigentlich nur „im Sinne eines Stiftungszusammenhangs, der das Tun des Vorösterlichen mit dem Tun des Erhöhten zusammenbindet“.94 Dass Christus das eigentlich alleinige Subjekt der Eucharistie und der Mahlhandlung ist, wird dabei zumindest verdunkelt, wenn „die im Namen Jesu (und d.h. in seiner Gegenwart im Geist) versammelte Gemeinde Jesu“ als handelnde verstanden wird und somit „der ekklesiologischen Dimension eine noch grundlegendere, die besondere Realpräsenz Christi mitbegründende Rolle zufällt“.95 Doch will er „die Gewißheit um das Zuvorkommen des Herrn uns zugute und um die Gewährung seiner Gemeinschaft mit uns nicht fraglich werden […] lassen“.96 Was die Bestimmung von Realpräsenz betrifft, schließt sich Kühn der Leuenberger Konkordie dahingehend an, dass „das personale Verständnis der Abendmahlsgabe und also der Gegenwart Christi grundlegend geworden“ sei.97 Insofern hat das Abendmahl „den Sinn, Ort und Geschehen der zentralen Christusbegegnung der Gemeinde zu sein, und zugleich Ort und Geschehen, wo die Gemeinde als Gemeinschaft immer neu begründet wird.“98 Solch „symbolischer Vollzug“ lässt „real vollzogen“ werden, was symbolisiert wird, „die Gemeinschaft mit dem Herrn und untereinander“.99 So sehr die Betonung der gemeindlich-kirchlichen Dimension, die das Altarsakrament auch stiftet, zu begrüßen ist, im Blick auf die Bestimmung dessen, was Realpräsenz meint, ist aus konkordienlutherischer Sicht eine offenkundige Unterbelichtung festzustellen. Zustimmungsfähig ist zunächst Gunther Wenz Grundannahme, dass im Abendmahl „der Mahlherr als der Fleischgewordene, nämlich als der gegenwärtig ist, der sich bis in die letzte Tiefe der Endlichkeit an den Ort des Menschen begeben hat.“100 Genauer kann gesagt werden, dass es sich um seine Gegenwart „im Zustand des Geopfertwer-

93 94 95 96 97 98 99 100

A.a.O., 264. A.a.O., 268f. A.a.O., 277; 284. A.a.O., 293. A.a.O., 283 A.a.O., 293. A.a.O., 29. Gunther Wenz, Einführung in die evangelische Sakramentenlehre, Darmstadt 1988, 159.

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dens“ handle.101 Die Alternativen von „Substantialismus und Personalismus, res-Präsenz und Personalpräsenz“ erklärt Wenz zu „vorschnelle[n] Gegensätze[n]“102, um sie hin zu einer personal bestimmten Synthese aufzulösen: „Die abendmahlstheologische Betonung von Leib und Blut Christi hält fest, daß der Herr im Sakrament persönlich-wirksam gegenwärtig ist in der Fülle seiner Geschichte, in welcher er ist, was er ist.“103 Gabe im Herrenmahl ist darum die „eine Person des für uns gestorbenen Christus“, „nicht getrennte Stoffe“104. Dem von ihm apostrophierten „repristinative[n] Luthertum“105 wird der Vorwurf gemacht, „die Realpräsenz dezidiert als res-Präsenz interpretiert und dabei die Substantialität der Abendmahlsgabe klar von der personalen Art des Wortglaubens unterschieden wissen“ zu wollen.106 Als „Zentralgehalt aller Gnadengaben“, also auch der sakramentalen, hält Wenz die „Sündenvergebung […] als Aufnahme des Sünders in die Christusgemeinschaft“ fest.107 Dass diese Aufnahme zugleich ekklesiale Bezüge aufscheinen lässt, ist nicht zu leugnen.108 Freilich darf diese Sicht nicht einen Subjektwechsel derart in Erscheinung treten lassen, als wären die Sakramente „realsymbolische Glaubenshandlungen der Gemeinde Jesu Christi“.109 Doch sei es „ein unaufgebbares lutherisches Bekenntnis, daß sich das fleischgewordene Wort im Sakrament des Altars‚ vom Glauben mitten in unserer Welt, in der unmittelbaren Nähe, in echter, uns betreffender Geschichtlichkeit, also in Leiblichkeit in der Handlung des dargereichten Brotes und Weines leibhaftig greifen und halten läßt“110. Damit 101 Ernst Kinder bei a.a.O., 159. 102 A.a.O., 160. 103 A.a.O., 161. 104 A.a.O., 162. 105 A.a.O., 192; hierher rechnet Wenz Friedrich Wilhelm Hopf, Hermann Sasse und Ernst Sommerlath; vgl. a.a.O., 47–51; vgl. auch Kühn, Sakramente (wie Anm. 90), 278–280; die von Wenz und Kühn inkriminierten Positionen finden sich mit anderen gebündelt in Hermann Sasse (Hg.), Vom Sakrament des Altars. Lutherische Beiträge zur Frage des heiligen Abendmahls, Leipzig 1941. 106 A.a.O., 192. 107 A.a.O., 43. 108 A.a.O., 256. 109 Mit A.a.O., 256, gegen Kühn, Sakramente (wie Anm. 90), 306. 110 A.a.O., 50 unter Rückgriff auf Paul Althaus: Luthers Abendmahlslehre, in: LJ XI (1929), 34; ein „bloßer ‚Verbismus‘“ sei allerdings lutherisch nicht haltbar; A.a.O., 50.

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ist zwar die katabatische Struktur des Sakraments indiziert; gemessen an den klassisch-lutherischen Bestimmungen von Abendmahlsgabe und Sakramentsempfang werden in diesem Zitat jedoch die Aussagegehalte sowohl von manducatio oralis als von manducatio impiorum verfehlt. Wenn von Wenz der gläubige Empfang als Bestimmung der Elemente durch die verba testamenti aufgegriffen wird, spricht er sich sowohl gegen eine „isolierte[n] Elementenfrömmigkeit“ wie gegen einen „von den Elementen absehenden Aktualismus“ aus.111 Dabei darf freilich nicht übersehen werden, dass die „Mahlelemente“ als Träger von Leib und Blut Christi, die eben zur Nießung mit dem Munde gereicht werden, „Leibsbrot“ und „Blutswein“ werden, um Luthers Worte zu gebrauchen.112 Wenn in der Aufnahme lutherscher Gedanken bei Reinhard Schwarz davon die Rede ist, dass „Jesus Christus, der menschgewordene, am Kreuz gestorbene und mit der Auferweckung zu Gott erhöhte Gottessohn, sein gültiges Wort in den Abendmahlworten spricht“113, dann gilt: Gerade so „identifiziert“ Christus „sich selbst in seiner Lebenshingabe mit Brot und Wein“114. Doch wird für diese Art der Gegenwart der Begriff der „Personalpräsenz“ bevorzugt und die Begrifflichkeit von „Realpräsenz“ und „Konsubstantiation“ für „untauglich“ befunden.115 Vergegenwärtigung vollziehe sich eben „in Person“, und „Christi Leib und Blut [sc. können] nicht als Substanzen unabhängig von der Christus-Person gegenwärtig werden“116. Leib und Blut Christi dürften eben darum nicht „zu Substanzen“ erklärt werden, weil sie „nicht in stofflicher Selbständigkeit, sondern in unlösbarer Einheit mit dem menschgewordenen und erhöhten Gottessohn gegenwärtig sind.“117 Selbst in der Aussage, dass Christus „in den Worten seines letzten Mahles sich in seinem leiblichen Mensch-Sein mit den Gaben von Brot und Wein identifiziert und in der Einheit von Mahlwort und Mahlgaben sich selbst mitteilt“118, bleibt Luthers Insistieren auf dem „Est“ freilich unterbestimmt.

111 A.a.O., 55. 112 Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis, WA 46, 444f. 113 Schwarz, Selbstvergegenwärtigung (wie Anm. 44), 47. 114 A.a.O., 33. 115 A.a.O., 46. 116 A.a.O., 46. 117 Wenz, Sakramentenlehre (wie Anm. 100), 161. 118 Schwarz, Selbstvergegenwärtigung (wie Anm. 44), 47.

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Ein Seitenblick mag noch auf Hans-Martin Barths Versuch gelenkt werden, das Herrenmahl „im Kontext der Weltreligionen“ zu verorten und zu deuten.119 Auch er spricht bevorzugt von einem Stiftungszusammenhang, was die Einsetzung des Herrenmahls angeht120 und führt die gängigen Interpretationen der sakramentalen Gegenwartsweisen Christi121 und der Opferproblematik auf.122 Als Sinn des Herrenmahls bestimmt er „Gemeinschaft mit Christus“, „Gemeinschaft der Glaubenden untereinander“ und „Gemeinschaft des neuen Äons“.123 Das Brotwort meine: „Er selbst für die Menschen, mit seiner ganzen Geschichte, seinem ganzen Sein“; das Kelchwort: „sein Leben, sein Sterben für sie, die Sünder“.124 Barth sieht zwar gewisse Bezüge zu außerchristlichen Opfer- und Mahlhandlungen, es überwiege aber die „religionsgeschichtliche Sonderstellung des christlichen Abendmahls“.125 Dabei betont er besonders die „Konsequenzen einer eucharistischen Ethik“.126 Eine Relativierung der traditionellen konfessionellen Kontroversen hält er für möglich, „wenn die Einsetzungsworte nicht isoliert betrachtet, sondern auf das gesamte Mahlgeschehen bezogen und in ihrer soteriologischen und eschatologischen Grundaussage ernst genommen werden.“127 Die Verweigerung von Kirchengemeinschaft erklärt er folglich für „Sünde“.128 Diese scheinbar so ökumenisch einherkommende Wertung stellt einen offenkundigen Widerspruch zu der besonnenen Feststellung der Charta Oecumenica dar: „Noch verhindern wesentliche Unterschiede im Glauben die sichtbare Einheit. Es gibt verschiedene Auffassungen, vor allem von der Kirche und ihrer Einheit, von den Sakramenten und den Ämtern.“ Zu Recht fährt dieses ökumenisch ehrliche Dokument fort: „Damit dürfen wir uns nicht abfinden.“, und leitet daraus die Selbstverpflichtung der Kirchen ab, „uns beharrlich um ein ge-

119 Hans-Martin Barth, Dogmatik. Evangelischer Glaube im Kontext der Weltreligionen. Ein Lehrbuch, München/Gütersloh 2001, 637–661. 120 A.a.O., 640. 121 A.a.O., 641–645. 122 A.a.O., 645–647. 123 A.a.O., 650–652. 124 A.a.O., 656. 125 A.a.O., 657–661. 126 A.a.O., 658. 127 A.a.O., 661. 128 A.a.O., 661.

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meinsames Verständnis der Heilsbotschaft Christi im Evangelium zu bemühen“129.

5. Ökumenische Zwischenergebnisse Nach einigen Jahren überwiegend bilateraler Gesprächsgänge über das Verständnis des Abendmahls bzw. der Eucharistie erging vor zwei Jahren in der deutschen Ökumene ein Appell zum Nicht- Nachlassen im Dialog über Abendmahl/Eucharistie.130 Auch hier wird in einer umfassenden Bilanz von einem „weitgehenden Konsens in der Frage der Realpräsenz in der Eucharistie“ gesprochen.131 Als kompatibel, kommensurabel, nicht aber kontradiktorisch gelten folgende Aussagen aus den ökumenischen Gesprächen der letzten vier Jahrzehnte.132 So heißt es im anglikanisch/römisch-katholischen Dialog: „Gemeinschaft mit Christus in der Eucharistie setzt seine durch das Brot und den Wein, die in diesem Mysterium sein Leib und sein Blut werden, wirksam bezeichnete wahre Gegenwart voraus. […] Die Elemente sind nicht bloß Zeichen: Christi Leib und Blut werden wirklich gegenwärtig und wirklich gegeben.“ (Die Lehre von der Eucharistie, [Windsor-Erklärung] 1971, §§6; 9)133 Anglikaner und Lutheraner einigten sich auf folgende Formel:

129 Charta Oecumenica. Leitlinien für die wachsende Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa, in: ÖR 50 (2001), 506–514, hier 508; dazu Arbeitshilfe Charta Oecumenica. Anregungen zur Arbeit mit der Charta Oecumenica, Frankfurt/Main, 2001). 130 Nicht nachlassen im Dialog: Abendmahl/Eucharistie 2012, ÖR 61 (2012.), Heft 4. 131 Susan K. Wood, Die Eucharistie: Ökumenische Errungenschaften und bleibende Unterschiede; ÖR 61 (2012), 389–410; im Folgenden konzentriere ich mich auf die Aussagen zur Gegenwart (von Leib und Blut) Christi im Altarsakrament und übergehe die Aussagen zum Opfer; vgl. hierzu auch Walter Kardinal Kasper, Die Früchte ernten. Grundlagen christlichen Glaubens im ökumenischen Dialog, Paderborn/Leipzig 2011 (englisch: Harvesting the Fruits. Basic Aspects of Christian Faith in Ecumenical Dialogue, London/New York 2009), 173–198. 132 Die Zitate sind für den jetzigen Zusammenhang chronologisch geordnet. 133 Anglikanisch/Römisch-katholische Internationale Kommission: Die Lehre von der Eucharistie, 1971, in: DwÜ 1 Paderborn/Frankfurt am Main, 1983, zitiert bei Wood, Gegenwart (wie Anm. 131), 397.

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„Beide Kirchen bekräftigen die wahre Gegenwart (Realpräsenz) Christi in diesem Sakrament, aber keine von beiden versucht genau zu definieren, wie dies geschieht.“ (Pullach-Bericht, 1972, §68)134

Die Leuenberger Konkordie stellte als gemeinsame Position lutherischer, reformierter und unierter Kirchen fest: „Im Abendmahl schenkt sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein verheißendes Wort mit Brot und Wein. So gibt er sich vorbehaltlos allen, die Brot und Wein empfangen; der Glaube empfängt das Mahl zum Heil, der Unglaube zum Gericht.“ (Leuenberger Konkordie, 1973, §18)135

Als Ertrag methodistisch/römisch-katholischer Gespräche konnte formuliert werden: „Christus ist in der Fülle seines menschlichen und göttlichen Seins in der Eucharistie gegenwärtig […] Es handelt sich um eine einzigartige Weise der Gegenwart Christi; sie ist durch die heiligen Elemente von Brot und Wein vermittelt, die innerhalb der eucharistischen Handlung wirksame Zeichen des Leibes und Blutes Christi sind.“ (Dublin-Bericht, 1976, §59)136

Ein Ergebnis früherer lutherisch/römisch-katholischer Gespräche lautet: „Im Sakrament des Abendmahls ist Jesus Christus, wahrer Gott und wahrere Mensch, voll und ganz mit seinem Leib und seinem Blut unter dem Zeichen von Brot und Wein gegenwärtig“. Gemeinsam bekennen katholische und lutherische Christen, dass in der Eucharistie Leib und

134 Internationaler anglikanisch/evangelisch-lutherischer Dialog, Pullach-Bericht, in: DwÜ 1 (wie Anm. 133), 54–76, hier 63f., zitiert bei Wood, Gegenwart (wie Anm. 131), 395. 135 Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa, in: DwÜ 3, Paderborn/Frankfurt am Main, 2003, 724–731, hier 727, zitiert bei Wood, Gegenwart (wie Anm. 131), 395. 136 Bericht der Gemeinsamen Kommission der Römisch-katholischen Kirche und des Weltrats Methodistischer Kirchen, in: DwÜ 1 (wie Anm. 133), 423–453, hier 437f., zitiert bei Wood, Gegenwart (wie Anm. 131), 398.

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Blut des Herrn real empfangen werden.“ (Das Herrenmahl, 1978, §16; 62)137

Anders heißt es im Ertrag des reformiert/römisch-katholischen Dialogs: „die Gegenwart (sc. Christi ist) […] zugleich sakramental und personal. […] So erkennen wir dankbar an, dass beide Traditionen, die reformierte und die römisch-katholische, zu dem Glauben an die Realpräsenz Christi in der Eucharistie stehen“ (Die Gegenwart Christi in der Welt, 1977, Phase I, §91)138

Im Ökumenischen Rat der Kirchen wurden Konvergenzen in der Abendmahlsauffassung dahingehend erreicht, dass „im Essen und Trinken des Brotes und Weines […] „Christus Gemeinschaft mit sich selbst“ gewähre; die Eucharistie wurde als „eucharistisches Mahl“ und „das Sakrament der Gabe“ bestimmt und unter den Gesichtspunkten von Danksagung an den Vater“, als „Anamnese oder Gedächtnis (Memorial) Christi“, als „Anrufung des Geistes“ und als „Gemeinschaft (Communio) der Gläubigen“ betrachtet. (LimaDokument, 1983)139 So kann auch gesagt werden: „… das eucharistische Mahl ist das Sakrament des Leibes und Blutes Christi, das Sakrament seiner wirklichen Gegenwart (Realpräsenz). […] Doch die Art der Gegenwart Christi in der Eucharistie ist einzigartig. Jesus sagte über dem Brot und dem Wein der Eucharistie: ‚Das ist mein Leib … dies ist mein Blut‘. Was Christus sprach, ist wahr, und diese Wahrheit wird jedesmal erfüllt, wenn die Eucharistie gefeiert wird. Die Kirche bekennt Christi reale, lebendige und handelende Gegenwart in der Eucharistie.“140

137 Gemeinsame Römisch-katholische/Evangelische-lutherische Kommission: Das Herrenmahl, Paderborn/Frankfurt/M. 1978, 17; 39; vgl. Wood, Gegenwart (wie Anm. 131), 395. 138 Reformiert/Römisch-katholischer Dialog: Die Gegenwart Christi in der Welt, 1977, Phase I, in: DwÜ 1 (wie Anm. 133), 487–517, hier 507, zitiert bei Wood, Gegenwart (wie Anm. 131), 398. 139 Taufe, Eucharistie und Amt. Konvergenzerklärungen der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen, in: DwÜ 1 (wie Anm. 133), 545–585, hier 557–567. 140 Taufe, Eucharistie und Amt (wie Anm. 139), 560.

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Zwischen Anglikanern und skandinavischen Lutheranern konnte diese Feststellung getroffen werden: „Wir glauben, dass beim Abendmahl (Eucharistie) unter den Formen von Brot und Wein der Leib und das Blut Christi wahrhaftig gegenwärtig sind, ausgeteilt und empfangen werden. Auf diese Weise empfangen wir den Leib und das Blut Christi, gekreuzigt und auferstanden, und in ihm die Sündenvergebung und alle anderen Gaben seiner Passion.“ (Porvoo-Erklärung, 1992, §32 h)141

Als Konvergenz zwischen Lutheranern und Orthodoxen wurde herausgestellt: „Lutheraner und Orthodoxe halten sich wörtlich an die Worte Jesu‚ Dies ist mein Leibe; dies ist mein Blut‘. Sie glauben, dass in der Eucharistie Brot und Wein zu Christi Leib und Blut werden, um von den Kommunikanten konsumiert zu werden. Wie dies geschieht, wird von beiden als tiefes und wahres Geheimnis betrachtet. Um zu diesem Geheimnis einen Zugang zu finden, haben Orthodoxe und Lutheraner sich auf ihre jeweilige Tradition besonnen und sind im Blick auf das, was hier geschieht, zu unterschiedlichen Erkenntnissen gekommen. a) Lutheraner sprechen von Christi ‚Realpräsenz‘ in der Eucharistie und beschreiben Christi Leib und Blut als ‚in, mit und unter‘ dem Brot und Wein“ […] b) Orthodoxe bekennen eine wahre Verwandlung (metabole) von Brot und Wein zu Leib und Blut Christi durch die Einsetzungsworte und das Wirken des Heiligen Geistes in der eucharistischen anaphora. […] Die mittelalterliche Lehre von der Transsubstantiation wird von Orthodoxen wie von Lutheranern verworfen.“142

Dass diese Ergebnisse, vergleicht man sie im multilateralen ökumenischen Kontext, noch spannungsreich einherkommen, um das mindeste zu sagen, scheint evident und somit ihre Kompatibilität fraglich. Denn wie soll die ausdrückliche Verwerfung der „mittelal141 Porvooer Gemeinsame Feststellung, in: DwÜ 2, Paderborn/Frankfurt am Main 2003, 749–777, hier 766, zitiert bei Wood, Gegenwart (wie Anm. 131), 396. 142 Gemeinsame lutherisch-orthodoxe Kommission, 13. Vollversammlung, Bratislava (Slowakei), 2.–9. November 2006: Das Mysterium der Kirchen. D/1. Die Heilige Eucharistie im Leben der Kirche, in: DwÜ 4, Paderborn/Leipzig 2012, 514– 519, hier 516f.); Hervorhebungen im Original; das Dokument ist bei Wood, Gegenwart (wie Anm. 131), noch nicht eingearbeitet.

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terlichen Lehre von der Transsubstantiation“ – mehr als eine Theorie war sie bis zur Dogmatisierung durch das Konzil von Trient freilich nicht –, wie Lutheraner und Orthodoxe sie vollziehen, im Gegenüber zur römisch-katholischen Lehre und Kirche verstanden werden, für die die Beschlüsse des Tridentinum nach wie vor verbindlich sind, auch wenn sie in der theologischen Diskussion des 20. Jahrhunderts reformuliert werden? Wie soll das Bekenntnis zur „Realpräsenz Christi in der Eucharistie“, wie Katholiken und Reformierte es aussprechen, für kompatibel gehalten werden mit dem Bekenntnis von Katholiken und Lutheranern, dass „in der Eucharistie Leib und Blut des Herrn real empfangen werden“, oder mit der Aussage von Anglikanern und skandinavischen Lutheranern, dass „unter den Formen von Brot und Wein der Leib und das Blut Christi wahrhaftig gegenwärtig sind, ausgeteilt und empfangen werden“?143 Wie soll die Aussage, dass nach den Ergebnissen des methodistisch/römischkatholischen Gesprächs die „heiligen Elemente“ in der Sakramentsfeier „wirksame Zeichen des Leibes und Blutes Christi sind“, zusammenstimmen mit der Auffassung im anglikanisch/römischkatholischen Dialogergebnis: „Die Elemente sind nicht bloß Zeichen: Christi Leib und Blut werden wirklich gegenwärtig und wirklich gegeben“? Und wie soll mit alledem stimmig in Beziehung gesetzt werden, dass im Ergebnis multilateraler Gespräche keine Verhältnisbestimmung der Elemente Brot und Wein mit Leib und Blut Christi vorgenommen wird?144 Walter Kasper hat, gerade auf dem Hintergrund des Ertrags im lutherisch/römisch-katholischen Dialog, gefolgert, dass eine Reihe „ungelöst[er]“ Fragen noch der Erörterung bedarf; sie betreffen etwa „die lehrmäßige Formulierung und die Dauer der eucharistischen Gegenwart“, dazu die Lehre vom Opfercharakter der Messe, die „noch Anlass zu Meinungsverschiedenheiten“ gebe, aber auch die Frage der Realpräsenz im Sinn einer „Wandlung“ der

143 Dass zumindest für das 16. Jahrhundert ein unüberbrückbarer Gegensatz zwischen lutherischer und reformierter Abendmahlsauffassung bestand, ist evident; vgl. Jan Rohls, Geist und Zeichen. Die reformierte Abendmahlslehre in ihrer geschichtlichen Entwicklung, in: Korsch, Die Gegenwart (wie Anm. 43), 51–78; charakteristisch für die Unterschied in der Bestimmung des Stellenwert dieses Streits ist, dass die Reformierten „diese bleibende Differenz […] für nicht derart gravierend“ hielten, dass „sie dadurch die Übereinstimmung mit den Lutheranern im Fundamentalen aufgehoben sahen“; a.a.O., 78. 144 Vgl. Jobst Schöne, Eucharistie, in: Schöne, Botschafter (wie Anm. 30), 45–59.

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Elemente von Brot und Wein.145 Und er stellt präzis die Frage: „Ist Luthers eigene Position zur Realpräsenz […] vereinbar mit der von den lutherischen Kirchen weithin akzeptierten Position der Leuenberger Konkordie, und sind die lutherisch-reformierten Kontroversen über die Realpräsenz überwunden?“146 Aus konkordienlutherischer Sicht kann die Antwort nur: „Nein!“, lauten; denn die Auffassung des lutherischen Bekenntnisses, dass die allmächtigen Stiftungsworte des Herrn selbst die Realität bewirken, die sie besagen, wird nicht in jenem Dokument bewahrt, eher bestritten.147 Aber auch, wenn man nur Einlassungen eines der Gesprächspartner in seinen unterschiedlichen Dialogergebnissen analysiert, ergeben sich nicht leicht auflösbare Schwierigkeiten: Wie kann es für konzinn gehalten werden, wenn Lutheraner zum einen feststellen, dass „in der Eucharistie Brot und Wein zu Christi Leib und Blut werden“, zum anderen aber betonen, dass „Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, voll und ganz mit seinem Leib und seinem Blut unter dem Zeichen von Brot und Wein gegenwärtig“ sei, und wiederum behaupten, dass „sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein verheißendes Wort mit Brot und Wein“ schenke? Nur scheinbar sind die Differenzen geringfügiger Art. Selbst wenn die Weise der Veränderung, als deren Ergebnis Brot und Wein nun Leib und Blut Christi werden, im lutherisch/orthodoxen Gesprächsgang ins „Geheimnis“ gerechnet wird, bleibt die unverkennbare Tendenz auf eine Identifizierung beider Größen: „werden zu“. Die differenzierende Beschreibung der Gegenwart Jesu Christi als Gottmensch, die sich in Verbindung mit Leib und Blut unter dem Zeichen von Brot und Wein vollziehe, wie Lutheraner und Katholiken gemeinsam aussagen, fasst dies Beziehungsgefüge deutlich lockerer; der Zeichenbegriff bleibt eher unbestimmt, und die Aussage bleibt hinter der Terminologie des IV. Laterankonzils klar zurück, die von der Confessio Augustana mit der 145 Kasper, Früchte (wie Anm. 131), 190–194. 146 A.a.O., 196. 147 Vgl. Werner Klän, Bekenntnis und Sakramentsgemeinschaft – Anfragen an die Tragfähigkeit des Modells der „Leuenberger Konkordie“ aus konkordienlutherischer Sicht, in: Werner Klän/Gilberto da Silva (Hg.), Die Leuenberger Konkordie im innerlutherischen Streit. Internationale Perspektiven aus drei Konfessionen (OUH E 9), Göttingen 2012, 74–91, hier 84; nicht sehr viel anders Dorothea Sattler, Auf dem Weg zu einer „Gemeinsamen Erklärung zum Herrenmahl?“ Eine offene Frage im Für und Wider, ÖR 61 (2012), 426f.

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Wendung „unter der Gestalt von Brot und Wein“ aufgegriffen und somit auch als gemeinsame Tradition in Anspruch genommen wurde. Näher an dieser (freilich westkirchlichen) Weise der Verständigung über die Gaben des Altarsakraments im Verhältnis zu den Elementen findet sich die anglikanisch-lutherische Formulierung. Die präspositionalen Wendungen in den Bestimmungen der Leuenberger Konkordie hingegen lassen erst recht eine genaue Fassung der Relation der Elemente Brot und Wein zu der Gabe bzw. den Gaben von Leib und Blut vermissen. Für die Konvergenzen in den lutherisch/römisch-katholischen Gesprächsgängen der zurückliegenden Jahrzehnte wird als Ergebnis der Glaube „an die eucharistische Gegenwart Jesu Christi“ als eine des „erhöhte[n] Herrn“ festgestellt.148 Diese Feststellung bleibt allerdings hinter den Erträgen früherer lutherisch/römisch-katholischer Dialoge deutlich zurück. Unangesehen der benannten Schwierigkeiten gibt es in jüngerer Zeit Bestrebungen, eine „Gemeinsame Erklärung zum Herrenmahl“ vorzubereiten.149 Skizzen für eine derartige Erklärung wurden bereits gezeichnet150, und der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kurt Kardinal Koch, hat eine solche Option schon vor zwei Jahren aufscheinen lassen.151 Wohl wird nicht bestritten, das „insbesondere die Kontroversen über den ‚Opfercharakter‘ von Abendmahl und Eucharistie sowie die differenten Vorstellungen von der ‚realen Gegenwart‘ Jesu Christ im Geschehen der Abendmahlsliturgie oder der eucharistischen Feier immer noch als bisher ökumenisch nicht geklärt“ gelten.152 Doch sollte angestrebt werden, durch „Beschreibung eines differenzierten Konsenses“ wichtige Schritte auf dem Weg zum Ziel „der Eucharistie- und Abendmahlsgemeinschaft aller Christinnen und Christen“ zu tun.153 Mit durchaus weniger Bedenken wird ein solches Projekt aus evangelischer Sicht als „ökumenisch wünschenswert und […] naheliegend

148 Lutherisch/Römisch-katholische Kommission für die Einheit: Vom Konflikt zur Gemeinschaft. Gemeinsames lutherisch-katholischen Reformationsgedenken im Jahr 2017, Leipzig/Paderborn 32014, 65. 149 Sattler, Auf dem Weg (wie Anm. 147), 411–428. 150 Von Harding Meyer und Gunther Wenz, vgl. a.a.O., 414. 151 A.a.O., 413. 152 A.a.O., 417. 153 A.a.O., 421; 411.

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und möglich“ befürwortet,154 da trotz aller nicht zu leugnenden Differenzen „keine kirchentrennenden Gegensätze“ bestehen.155 Allerdings harrten immer noch amtstheologische und ekklesiologische Unterschiede der Bearbeitung.156 Die neue Ökumenische Dogmatik von Wolfgang Beinert und Ulrich Kühn stellt auch einen Beitrag zur ökumenischen Sicherung der Dialogergebnisse, zumindest der gemeinsamen römisch-katholischen/evangelischen Bemühungen dar, lässt aber auch die Defizite bisheriger Dialogergebnisse klar hervortreten.157 So kann über das Herrenmahl konfessionsübergreifend gesagt werden: „Man muss die deutenden Worte Jesu zu Brot und Wein […] als Worte einer sakramentalen Identifikation von Leib und Brot, Blut und Wein verstehen.“158 Die auf der Grundlage exegetischer Einsichten gewonnene Deutung von „Leib“ und „Blut“ legt ein tendenziell personales Verständnis nahe: „Mit ‚Leib‘ (griech. soma) ist die Person Jesu in ihrer Leibhaftigkeit gemeint, mit ‚Blut‘ (griech. haima) eine Person als leibhaft lebende – im Blut ist das Leben.“159 Doch sei damit eine soteriologische Deutung verbinden, in der „der Bezug zu Jesu Tod greifbar“ werde; von einem Opfer der Kirche sei hingegen in den neutestamentlichen Texten gar keine Rede.160 Bezüglich der Frage der Realpräsenz wird gegenüber der Leuenberger Konkordie angemerkt, dass dort „eine Personalisierung der Abendmahlsgabe vorgenommen“ werde, vor allem aber, „dass damit die sakramentale Bindung Christi an die ‚Elemente‘ Brot und Wein nicht völlig eingeholt ist und so ein wesentliches Anliegen der lutherischen Tradition nicht aufgenommen wurde, die stets die Gegenwart von Leib und Blut Christi ‚in, mit und unter‘ Brot und Wein festgehalten hat“; mithin komme „die sakramentale Einbindung der Elemente nicht zureichend zum Ausdruck“.161 Gleichwohl bleibt als ökumenischer Ertrag letzt154 Friederike Nüssel, Ist eine „Gemeinsame Erklärung zum Herrenmahl“ möglich und sinnvoll? Überlegungen aus evangelischer Sicht, ÖR 61 (2012), 429–439, hier 437. 155 A.a.O., 434. 156 A.a.O., 438. 157 Wolfgang Beinert/Ulrich Kühn: Ökumenische Dogmatik, Leipzig/Regensburg 2013. 158 A.a.O., 659; Hervorhebung im Original. 159 Ebd. 160 A.a.O., 659f.; Hervorhebung im Original. 161 A.a.O., 676.

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lich nur die doppelte Grenzbestimmung, die einer „Verfälschung bzw. Verflüchtigung des Bekenntnisses zur realen Gegenwart Christi im Herrenmahl“ wehren solle, wie dies schon 1979 im gemeinsamen lutherisch/römisch-katholischen Dokument „Das Herrenmahl“ formuliert wurde: Die „eucharistische Begegnung mit Christus“ sei ein „Geheimnis“, „das begrifflich wohl niemals adäquat einzuholen ist“162. Wenn dies doch in ökumenischer Absicht versucht wird, lautet beispielsweise eine Lösung: „Die ‚Gegenwart‘ Jesu Christi wird erfahrbar im Mahl, das Zeichenhandlung der unverbrüchlichen Bundestreue Gottes ist. Jesus selbst hat die Mahlgaben in diesen Deutungszusammenhang gestellt. Ihrem Wesen nach werden Brot und Wein verwandelt, wenn das Gedächtnis Jesu Christi geschieht: Die deutenden Worte gegenwärtigen den ursprungsgetreuen Bezugszusammenhang der von Jeus gestifteten Zeichenhandlung. Die in Gottes Geist geschehende, gegenwärtigende Erinnerung verwandelt die Mahlgaben im Sinne Jesu. Brot und Wein bleiben als Mahlgaben erhalten, aber ihr Wesen wird ein anderes. Sie sind nun wirksame Zeichen für Jesu Sterbebereitschaft, in der die Tiefe der Liebe Gottes aufleuchtet.“163

Voraussetzung dieser Darstellung ist die Überzeugung, das „die Kategorie der ‚Beziehung‘ eine konstitutive Bedeutung“ für die Deutung des Abendmahls bzw. der Eucharistie gewinnt. Daher sei „eine personale, relationale Terminologie hilfreicher als der Gebrauch von naturphilosophischen Begriffen und sachhaften Kategorien“.164 Die erstrebte und (angeblich) erreichte Annäherung der traditionellen Verstehen- und Auslegungsweisen der Realpräsenz wird dann darin gesehen, dass die „konfessionellen Standorte […] sich nicht in der gläubigen Annahme der wahren Gegenwart Jesu Christi im Mahlgeschehen unterscheiden, wohl aber in der konkreten Beschreibung des Zusammenhangs dieser Gegenwart mit den Mahlgaben Brot und Wein.“165 162 A.a.O., 677. 163 Dorothea Sattler/Friederieke Nüssel, Menschenstimmen zu Abendmahl und Eucharistie. Erinnerungen – Anfragen – Erwartungen, Frankfurt am Main /Paderborn 2004, 209f. 164 A.a.O., 205. 165 A.a.O., 209.

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6. Eine vorläufige Schlussbemerkung In Bezug auf das „Mysterium“ als bzw. im „Sakrament“ konnte schon Hermann Sasse sagen: „Hier ist alle Philosophie zu Ende.“ 166 Es muss – und kann – nämlich auch exegetisch behauptet werden, dass die Rede der Stiftungsworte von Leib und Blut Christi nicht einfach nur die Person Jesu meinen, sondern „den Leib Jesu als den in den Tod gegebenen, wie die Analogie zum Becherwort zeigt“167. In der systematischen Auswertung kann das so formuliert werden: „Er ist gegenwärtig mit seinem Leib und Blut, jenen Beweisen, die uns klarmachen, dass das Opfer für uns dargebracht worden ist, vor Gott aber eine gegenwärtige und andauernde Bedeutung hat.“ Es handelt sich folglich um die „Gegenwart des ewigen Opfers Christi im Kontext der gottesdienstlichen Gemeinde.“168 Selbst wenn sich lutherische Theologie scheute, den Gedanken einer sakrifiziellen Gegenwart von Leib und Blut Christi mit ihrer sakramentalen Gegenwart zu verbinden,169 so sind doch die Gaben von Leib und Blut Christi nicht zu trennen „von seiner Person und dem Geschick dieser Person zu Karfreitag und Ostern“.170 Gewiss ein wenig kühn kann dann die Feier des Altarsakraments auch als „sacrificial banquet“ bezeichnet werden.171 Sie sind auch nicht abzulösen von der Wirklichkeit der Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazareth, so dass auf dem Hintergrund von Luthers Auffassung des Altarsakraments warnend gesagt werden muss: „Mit der Realpräsenz fällt die Inkarnation des ewigen Gottessohnes, fällt der ganze christliche Glaube, fällt die Kirche 166 Sasse, Corpus Christi (wie Anm. 49), 24. 167 Gerhard Delling, Abendmahl II. Urchristliches Mahl-Verständnis, in TRE I 47– 553, hier 53, zitiert bei Karl-Hermann Kandler, Die Verwaltung des hl. Abendmahls, dogmatisch und praktisch-theologisch, in: Ringleben/Schöne/Kandler (wie Anm. 30), 58. 168 David P. Scaer, Taufe und Herrenmahl im Leben der Kirche, in: Manfred Roensch/Jobst Schöne (Hg.), Die eine heilige christliche Kirche und die Gnadenmittel, Erlangen 1980, 166–189, hier 181. 169 Vgl. den Bericht zur Aussprache in a.a.O., 196f. 170 Karl-Hermann Kandler, Christi Leib und Blut. Studien zur gegenwärtigen lutherischen Abendmahlslehre (AGTL NF 2), Hannover 1982, 128. 171 John W. Kleinig, The Lord’s Supper As a Sacrificial Banquet, Logia 12 (2003), 11–13, zitiert bei John R. Stephenson, The Lutheran View, in: Gordon T. Smith, The Lord’s Supper. Five Views, Downers Grove, IL 2008, 41–58, 54

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Christi.“172 Von hier aus lässt sich dann auch das Proprium des Altarsakraments in lutherischer Lesart dahingehend bestimmen, dass „Christus sich hier mittels Leib und But im mündlichen Genuß zu eigen gibt“173. Es mag sein, das diese Anschauung und Auffassung, ja Wahrheit für zeitgenössisches Empfinden „anstößig erscheint, nämlich daß Christus in seiner Lebenshingabe wirklich in diesen Gaben präsent ist, daß es Christi Leib und Blut sind, die genossen werden“.174 Wie viel an Reminiszenzen an klassischen abendmahlstheologische Bestimmungen der kirchlichen Traditionen noch vorhanden ist, wie weit das Wissen um die Spezifika des je konfessionellen Verständnisses des Altarsakraments überhaupt, erst recht aber der Bestimmung der eucharistischen Gaben in heutiger kirchlicher Zeitgenossenschaft geschwunden ist, zeigt die Untersuchung über „Menschenstimmen zu Abendmahl und Eucharistie“ aus dem Jahr 2004.175 Die eindeutige, in der Tat „beunruhigende“176 Bilanz lautet: „Vielfach ist in den konfessionellen Traditionen weder eine genaue Kenntnis der eigenen Argumentation im Blick auf die Gegenwartweisen Jesu Christi im gottesdienstlichen Mahlgeschehen festzustellen noch gar eine Einsicht in die Hintergründe anderer Überzeugungen.“177 Alle Kirchen und Konfessionen stehen vor der Herausforderung, was sie über die sakramentale Gegenwart Jesu Christaus dem Neuen Testament lernen, in der Theologiegeschichte und ihren autoritativen Dokumenten verbindlichen formuliert, in ihrer Abendmahls- bzw. Eucharistie-Liturgie zum Ausdruck gebracht und in der Frömmigkeitsgeschichte ihrer jeweiligen Prägung erfahren und bewahrt haben, neu ins Gespräch mit dem grundlegenden biblischen Zeugnis und mit den anderen christlichen Verstehensweisen zu bringen. Dabei ist das erneute Durchdringen nicht zuletzt der eigenen theologischen und kirchlichen Überzeugungen unabdingbares Erfordernis 172 Sasse, Corpus Christi (wie Anm. 49), 77. 173 Kandler, Leib (wie Anm. 170), 140. 174 Reinhard Brandt, Ob die Worte: „Das ist mein Leib“ wohl feste stahn?, in: Korsch, Die Gegenwart (wie Anm. 43), 123–138, hier 135. 175 Sattler/Nüssel, Menschenstimmen (wie Anm. 163); zum Komplex „Wahre und wirkliche Gegenwart Jesu Christi in der Feier des Mahls“, vgl. a.a.O., 194–210. 176 Karl Rahner, Ökumenische Theologie der Zukunft, in: ders., Einheit in Vielfalt. Schriften zur ökumenischen Theologie, Sämtliche Werke 27, Freiburg 2002, 115, zitiert bei Sattler/Nüssel, Menschenstimmen (wie Anm. 163), 201. 177 Sattler/Nüssel, Menschenstimmen (wie Anm. 163), 200f.

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zum Verstehen der je anderen Anschauungen. Dies gehört zur Logik des Dialogs. Die lutherische Kirche vertritt in ihrem Bekenntnis und in der Gewissheit, gemäß dem Wortlaut der Heiligen Schrift zu reden, entschieden die wahre Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im Sakrament des Altars und ihre Ausspendung dieser Gaben samt ihres Ertrages an die, die das Sakrament empfangen; diese Überzeugung sahen gerade konfessionelle Lutheraner bisher geteilt von den Anschauungen der römisch-katholischen Kirche und den orthodoxen Kirchen des Ostens.178 Sie betont überdies die unüberbietbare Verdichtung der Zuwendung göttlichen Heils zu den einzelnen Glaubenden im Empfang des Heiligen Abendmahls und die gemeinschaftsstärkende Wirkung für die Glaubenden durch das Sakrament des Altars; diese Auffassung teilt sie mit vielen andern. Stehendes Angebot zur Stärkung des Vertrauens auf Gott, zur Erneuerung der bereinigten Gottesbeziehung, zur Vertiefung der Verbindung mit Christus ist das Herrenmahl.179 Es gilt, auch und gerade in den agendarisch-gottesdienstlichen Vollzügen der Sakramentsfeier „fest[zu]halten, daß nicht nur Brot und Wein, sondern unter diesen Leib und Blut Christi empfangen werden.“180 Das Spezifikum des Heiligen Abendmahl besteht eben „darin, dass Christus hier seinen Leib und sein Blut als Zeichen seiner Gegenwart allen, die hinzutreten, zu essen und zu trinken gibt“181. Denn das Altarsakrament ist nichts anderes als das Evangelium in leiblicher Gestalt, nämlich heilsame Selbstgabe dessen, was Jesus Christus am Kreuz auf Golgatha eingesetzt hat, damit wir von Gott alles Gute haben. Diese Botschaft wird die lutherische Kirche konkordienlutherischer Prägung unermüdlich in das ökumenische Ge178 „Et comperimus non tantum romanam ecclesiam affirmare corporalen praesentiam Christi, sed idem et nunc sentire et olim sensisse graecam ecclesiam.“ ApolCA X 2, BSLK 248, 11–15; BSELK 425,15–17; auf Deutsch zitiert: „So wissen wir, daß nicht allein die römische, sondern auch die griechische Kirche die leibliche Gegenwart Christi im heiligen Abendmahl gelehret” FC SD VII 11; BSLK 976, 37–41; BSELK 1146,14–16; neuerdings etwa Stephenson, View (wie Anm. 171), 50. 179 Großer Katechismus, 5. Hauptstück, Abendmahl, 35, BSLK 714; BSELK 1141– 1143. 180 Brandt, Worte (wie Anm. 174), 136. 181 Theologische Feststellungen zu den Arnoldshainer Abendmahlsthesen – Lutherische Theologische Hochschule, zitiert bei Kandler, Leib (wie Anm. 170), 139.

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spräch der Gegenwart einzubringen haben. Denn wenn Jesus Christus durch seine Wortgewalt Brot und Wein unüberbietbar mit seinem Leib und Blut in eins setzt, erfahren wir nicht nur etwas von Gott, sondern empfangen ihn selbst in der Gestalt seiner Hingabe: Sein Leib und Blut ist der Schatz, den Gott selbst „für jeden auf den Tisch gelegt“ hat. Wir haben und bekommen, was Christus sagt: „Das ist mein Leib. Das ist das Neue Testament in meinem Blut“. Wir sollen essen und trinken, was Christus schenkt: seinen heiligen Leib, „für dich gegeben“; sein teures Blut, „für dich vergossen“. Wir empfangen und schmecken, was Christus hier austeilt und spendet: seinen Leib und sein Blut, eingesetzt und geopfert zur Erlösung der Welt. Denn was Christus sagt, setzt allerwirklichste Wirklichkeit, hat allergültigste Geltung, ist allerwahrhaftigste Wahrheit. Eben in diesem Verständnis ist das Altarsakrament „summa et compendium Euangelii“182. Oder, noch kürzer: „Dies Sakrament ist das Evangelium.“183

182 WA 6, 525, 36. 183 WA 11, 442, 22f.

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Realpräsenz Möglichkeiten der Behandlung des Themas im kirchlichen Unterricht 1. Einleitung 1.1 Fragestellung Im Jahr 2013 lag dem Allgemeinen Pfarrkonvent der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) ein Antrag eines Bezirkspfarrkonvents vor, in dem „die Erarbeitung einer zeitgemäßen Formulierung der lutherischen Lehre von der Realpräsenz des Leibes und Blutes Christi“ erbeten wurde, „die in ökumenischen Gesprächen und in der Vermittlung in die eigene Kirche hinein das Wesen des Realpräsenz im Horizont gegenwärtiger Denk- und Vorstellungskategorien zum Ausdruck bringt.“1

Deutlich wird an diesem Antrag unter anderem, dass mit dem Festhalten an bestimmten dogmatischen Überzeugungen die Vermittlungsaufgabe noch nicht erledigt ist, sondern immer wieder neu Herausforderung ist und bleibt. Diese Erkenntnis hat meiner Wahrnehmung nach Bestand, auch wenn der Antrag auf dem Pfarrkonvent selbst nicht die erforderliche Unterstützung erhalten hat. Mit diesem Beitrag möchte ich mich der Frage zuwenden, wie das, was mit dem Stichwort „Realpräsenz“ gefasst ist, im kirchlichen Unterricht, also im Normalfall der Konfirmandenarbeit, zu Beginn des 21. Jahrhunderts angemessen aufgenommen und erschlossen werden kann. Dabei sollen die bisherige Praxis, reformatorische Grunderkenntnisse und didaktische Überlegungen in den Blick geraten, bevor Impulse für die Praxis vorgestellt werden. Am Anfang aber steht die terminologische Klärung, worum es eigentlich geht. 1

Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, 12. Allgemeiner Pfarrkonvent Berlin-Spandau, Nr. 320.

_______________________________________________________________________ LuThK 39 (2015), 70–96 DOI 978-3-8469-9918-9

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1.2 Zum Verständnis von „Realpräsenz“ Mit dem Stichwort „Realpräsenz“ können ganz unterschiedliche Konzepte bezeichnet werden. So kann auch im Rahmen reformierter Theologie von Realpräsenz Christi in den Sakramenten die Rede sein, wie etwa bei Paul Jacob, der mit Bezug auf den Heidelberger Katechismus formuliert: „Die Realpräsenz Christi ist eine solche im Heiligen Geist und also nicht ‚leiblich‘, sondern ‚geistlich‘.“2 Nach (klassischem) lutherischen Verständnis ist „Realpräsenz Christi“ im heiligen Abendmahl aber eben gerade keine Beschreibung eines geistigen oder auch ausschließlich geistlichen Geschehens, sondern sehr wohl der Begriff für eine leibliche Wirklichkeit, bei der sowohl Brot und Wein als auch Leib und Blut Christi im heiligen Abendmahl gegenwärtig sind, ausgeteilt und empfangen werden.3 Oder um es prägnant mit Hermann Sasse zu sagen: „Heute wie vor vier [bzw. inzwischen fünf, CB] Jahrhunderten geht es um die Frage, ob es wahr ist oder nicht, was unser Katechismus über das Sakrament des Altars lehrt: ‚Es ist der wahre Leib und Blut unseres Herrn Jesu Christi, unter dem Brot und Wein uns Christen zu essen und zu trinken von Christo selbst eingesetzt‘.“4

Zugleich erreichen wir hier eine Grenze des Aussagbaren, denn – so wieder Sasse: „Ein Dogma über das Wie der Realpräsenz, das dem von der Transsubstantiation entspräche, kennt die Lutherische Kirche nicht.“5 Wie und wo aber sind diese Zusammenhänge im Raum lutherischer Kirchen in Vergangenheit und Gegenwart im Unterricht behandelt und entfaltet worden?

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Paul Jacobs, Theologie reformierter Bekenntnisschriften in Grundzügen, Neukirchen Kr. Moers 1959, 73. Vgl. Irene Dingel (Hg.), CA X (Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche. Vollständige Neuedition, Göttingen 2014 [BSELK], 104). Hermann Sasse, Inkarnation und Realpräsenz, in: Ders., Corpus Christi. Ein Beitrag zum Problem der Abendmahlskonkordie, hg. v. Friedrich Wilhelm Hopf, Erlangen 1979, 114–121, dort 119. Hermann Sasse, Zum lutherischen Verständnis der Konsekration, in: Ders., a.a.O., 129–145, dort 139 [im Original hervorgehoben].

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2. Bestandsaufnahme 2.1 Historischer Rückblick6 Von kaum zu überschätzender Bedeutung dürften für den kirchlichen Unterricht im evangelischen Bereich die Katechismen gewesen sein. Dabei wiederum sind die Katechismen Martin Luthers, nicht zuletzt durch ihre Aufnahme in das Konkordienbuch jedenfalls im lutherischen Bereich von singulärer Prägekraft gewesen. So dürfte oben zitierte Aussage Luthers aus dem Kleinen Katechismus für die meisten lutherischen Christen schlechthin die Zusammenfassung dessen gewesen sein, was die lutherische Kirche unter Realpräsenz verstand. Dass dies keineswegs zwangsläufig der Fall sein musste, zeigt sich daran, dass zu Luthers Zeit eine Vielzahl an regionalen Katechismen entstand,7 die sich zum Teil an Luthers Katechismen (v.a. den Kleinen Katechismus) anlehnte, zum Teil aber auch unabhängig davon das reformatorische Gedankengut zusammenzufassen versuchte. So konnte etwa Johannes Brenz als Schüler Luthers in seinem späteren Katechismus eigenständig formulieren: „QVÆSTIO. Quid est cœna Dominica? Responsio. Cœna Dominica est Sacramentum seu diuinum signaculum, quo Christus vere præsens, offert ac donat nobis pane & vino corpus & sanguinem suum, & certificat nos, quod remittantur nobis peccata, & pertineat ad nos ius æternæ vitæ.“8

Mit den Stichworten „signaculum“ und „certificare“ sind dabei im Vergleich zu Luthers Formulierung zwei Akzente gesetzt, die in der kontroverstheologischen Diskussion dieser Zeit durchaus als erwünschte oder unerwünschte Annäherungen an das reformierte La6

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Dieser historische Rückblick kann nur punktuell erfolgen. Vgl. zur Katechismusgeschichte vor allem Wolfgang Grünberg, Art. Katechismus I, TRE 17 (1988), 710–728. Vgl. Grünberg, Katechismus (wie Anm. 6), 715, und vor allem die beeindruckende Quellensammlung von Johann Michael Reu, Quellen zur Geschichte des Katechismus-Unterrichts in der evangelischen Kirche Deutschlands zwischen 1530 und 1600, Gütersloh 1904ff. CATECHISMUS PIA ET VTILI Explicatione illustratus. IOANNE BRENTIO AUTORE; o.O. 1561, f. 7v (VD 16 B 7550).

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ger verstanden werden konnten. Dass dies von Johannes Brenz nicht beabsichtigt war, zeigt dann wiederum seine umfangreiche Auslegung seines Katechismus zur Stelle.9 Zugleich zeigen sowohl Luthers als auch Brenz‘ Katechismen schon bestimmte Eigenarten, die sich in den weiteren Jahrzehnten und Jahrhunderten verstärken werden: Erkennbar ist, dass jeweils einer Kurzfassung eine Langfassung an die Seite gestellt wird. Dabei ist die Kurzfassung in Frage- und Antwortform gehalten, während die Langfassung von diesem Schema abweicht und sich dabei nicht zuletzt auch der kontroverstheologischen Diskussion widmet, in der sich dann die sog. „Unterscheidungslehren“ als Katechismusstoff herausbilden. Mit Frage und Antwort ist die katechetische Situation zu Hause oder in Schule und Kirche nachgestellt bzw. vorformuliert, wobei die katechetischen Antworten wohl zunächst nicht als Memorierstoff, sondern als Musterantworten verstanden wurden.10 Dass die Erklärungen und dann auch die Erklärungen der Erklärungen zum Lernstoff wurden, ist eine spätere, allerdings auch schon bald einsetzende Entwicklung. Ihren Sitz im Leben hatte die katechetische Unterweisung im Gottesdienst selbst (davon geben die Katechismuspredigten Zeugnis), aber auch bei den Examina im kirchlichen Leben vor dem Abendmahlsgang und der Eheschließung sowie in der Schule und im Haus. Später entwickelte sich die Praxis, den eigentlichen Unterricht dem Küster anzuvertrauen und dem Pfarrer nur noch die Überprüfung des Wissens zu überlassen.11 Einen weiteren Entwicklungsschritt stellte dann die Entstehung der exponierten Katechismen dar, die wiederum den Luther’schen Katechismus um Erklärungen und biblische Referenztexte erweiterten. So konnten zum einen dogmatische Klärungen eingetragen werden, die in Luthers (Kleinem) Katechismus (noch) nicht enthalten waren, zum anderen konnten durch die weiteren Erklärungen auch Verständnisschwierigkeiten überwunden werden. Gleichzeitig führte die Zunahme an Erklärungen auch zu einem Anwachsen des Lernstoffes, da schließlich auch die zusätzlichen Erklärungen auswendig 9 Vgl. Brenz, Catechismus (wie Anm. 8), 627ff., dort v.a. 630–632. 10 Vgl. Grünberg, Katechismus (wie Anm. 6), 712: „Luther denkt nicht an das Memorieren des Wortlauts der Erklärungen, sondern an ein freies Gespräch, für das er mit seinen Formulierungen nur ein Beispiel geben will.“ 11 Vgl. Grünberg, Katechismus (wie Anm. 6), 718.

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zu lernen waren.12 Dabei bildeten sich auch bei den exponierten Katechismen wiederum verschiedene Formen heraus. So hat etwa Johann Conrad Dietrich als einer der prominenten Verfasser exponierter Katechismen sowohl einen ausführlichen lateinischen exponierten Katechismus verfasst13 als auch einen kürzeren lateinischdeutschen.14 Die Entfaltung von Luthers Katechismen in exponierten Katechismen reicht über Pietismus und Aufklärung bis ins 19., zum Teil sogar bis ins 20. und 21. Jahrhundert. Ab dem 19. Jahrhundert rücken aber auch zunehmend didaktische Fragen in den Blickpunkt. Besonderes Augenmerk verdient in diesem Zusammenhang die katechetische Arbeit in einigen lutherischen Kirchen in den USA. Hier wurden die Katechismen Dietrichs in Übersetzungen und Überarbeitungen konserviert,15 lange Zeit als Unterrichtsgrundlage bewahrt16 und bisweilen in noch kleinschrittigere Frage-Antwort-Sequenzen für den Unterricht überführt.17 Daneben hat es aber auch eigenständige Versuche gegeben, das eigene konfessionelle Erbe in Form eines exponierten Katechismus für die jeweilige Gegenwart zu bewahren.18 12 Vgl. Grünberg, Katechismus (wie Anm. 6), 715–718, dort v.a. 717f. 13 D. CVNR. DIETERICI INSTITUTIONES CATECHETICAE, depromptæ E. B. LUTHERI CATECHESI […]. EDITIO NOVISSIMA, LIPSIÆ o.J. [um 1700] (VD 17 28:730117X). 14 EPITOME CATECHETICA, D. CUNRADI DIETERICI, PASTORIS Et SUPERINTENDENTIS ULMENSIS in Usum IUVENTTUTIS CLASSICÆ. Kurtze Catechismus=Lehre / von D. Conrad Dietrichn / Ulmischen Pfarrern und Superintendenten, der zuwachsenden Schul=Jugend zum besten verabfasset. […], LIPSIÆ 1689. (VD 17 384:717953L). 15 Vgl. bspw. Dr. Martin Luthers Kleiner Katechismus in Frage und Antwort gründlich ausgelegt von Dr. Johann Conrad Dietrich […], St. Louis 1898, und D. Conrad Dieterichs […] Institutiones Catecheticae, das ist, gründliche Auslegung des Katechismus d. Martin Luthers in Frage und Antwort und mit Anmerkungen versehen. Aus dem Lateinischen Übersetzt von D. Friedrich Wilhelm August Rotz, St. Louis/Leipzig 1876. 16 Vgl. [Johann Leonhard] Geo.[rg] Mezger, Entwürfe zu Katechesen über Luthers Kleinen Katechismus, St. Louis 1902. 17 Vgl. Evangelisch=Lutherische Katechismus=Milch. 75 kurze Katechesen über Dr. Martin Luthers Kleinen Katechismus, nach der Erklärung Joh. Konr. Dietrichs. Aus dem Nachlasse des sel. J. C. W. Lindemann, weiland Direktor des Schullehrerseminars zu Addison, Ill. Selbstverlag von Fr. Lindemann P., St. Louis 1885. 18 Vgl. Katechismusauslegung aus Dr. Luthers Schriften und den symbolischen Büchern zusammengestellt von Ernst Gerh. Wilh. Keyl, Pastor der evange-

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Dies hat dazu geführt, dass die Tradition der exponierten Katechismen dort bis zum heutigen Tag lebendig geblieben ist19 und unter Berücksichtigung gegenwärtiger Herausforderung für die Zukunft fortgeschrieben werden soll.20 Vereinzelt hat diese Entwicklung dann auch nach Deutschland zurückgewirkt.21 Wie aber ist das Thema „Realpräsenz“ in der Geschichte im Rahmen der Katechese inhaltlich bearbeitet worden? 2.2 „Realpräsenz“ bei Martin Luther22 Für die katechetische Arbeit in den Jahrhunderten nach der Reformation sind Luthers eigene Ausführungen in den Katechismen, aber auch in seiner Schrift „Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis“ bleibend bedeutsam. Sie sind Grundlage und Ausgangspunkt für die zum Teil weiterführenden Überlegungen. Während Luther die Sache der „Realpräsenz“ im Kleinen Katechismus in aller nur denkbaren Kürze fasst, sind die Ausführungen im Großen Katechismus deutlich umfangreicher. Erkennbar wird dabei, dass für Luther beim Thema „Realpräsenz“ nicht die Elemente und womöglich deren wie auch immer zu denkende „Wandlung“ im Vordergrund stehen, sondern das Wort Christi: „Nu steht hie Christus wort: Nemet, esset, das ist mein Leib. Trincket alle daraus, das ist das neue Testament in meinem Blut etc. Da bleiben wir bey und wöllen sie ansehen, die in meistern werden und anders machen, denn ers geredt hat. Das ist wol war, wenn du das wort da-

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lisch=lutherischen St. Paulsgemeinde in Baltimore, 4 Bde., Nördlingen [und weitere Orte] 1853ff. Die letzte offizielle Fassung eines exponierten Katechismus im Raum der Lutheran Church–Missouri Synod (LCMS) ist im Jahr 1991 veröffentlicht worden: Luther’s Small Catechism with Explanation, St. Louis 2005. Vgl. http://blogs.lcms.org/2014/survey-updating-explanation (Stand 31.12.2014). Vgl. Martin Luthers Kleiner Katechismus mit Erklärungen. Mit Fragen und Antworten [hg. v. Richard Tepper], Groß Oesingen 1983. – Unabhängig davon wurde auch der Hannoversche Katechismus von 1862 Anfang der 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts noch einmal neu herausgegeben: Dr. Martin Luthers kleiner Katechismus mit Erklärung, hg. v. Helmut Korinth, Hamburg 1983. Vgl. ausführlicher zur lutherischen Lehrbildung in ihrer ganzen Breite den Beitrag von Werner Klän in diesem Heft.

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von thust oder one wort ansihest, so hastu nichts denn lauter Brot und Wein. Wenn sie aber dabey bleiben, wie sie sollen und müssen, so ists lauts derselbigen warhafftig Christus Leib und Blut. Denn wie Christus mund redet und spricht, also ist es, als der nicht liegen noch triegen kan.“23

Den Leib und das Blut Christi kann Luther dabei als einen „Schatz und geschencke“24 fassen, denn: „Nu kan je Christus Leib nicht ein unfruchtbar vergeblich ding sein, das nichts schaffe noch nütze […]“.25 Dabei kann er diese Gaben „als ein gewiss Pfand und Zeichen, Ja eben dasselbige Gut“ verstehen, „so für mich gesetzt ist, wider meine Sünde, Todt und alle Unglück.“26 Die ins Wort gefassten Abendmahlsgaben, Leib und Blut Christi, bringen so konkret mit sich, was sie am Kreuz gewonnen haben. Am ausführlichsten wendet sich Martin Luther der Thematik in seiner Schrift „Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis“ zu, in der er insbesondere die Auseinandersetzung mit der Abendmahlslehre des linken Flügels der Reformation in aller Ausführlichkeit führt. Es ist hier nicht der Raum, Luthers Argumentation umfassend darzustellen. Ich möchte aber einige Aspekte herausstellen, die für Unterrichtskontexte von Belang sein könnten. Denn unbeschadet dessen, dass Luther selbst auch vor einem allzu ausufernden Spekulieren über die Möglichkeit des Leibes und Blutes in den Abendmahlsgaben warnt und zu einfältigem Glauben an die Einsetzungsworte aufruft, 27 beschäftigt er sich in dieser Schrift doch auch umfassend mit Fragen der Logik, der Grammatik und der Sprachphilosophie und versucht, auch in diesen Feldern den Leser für sich zu gewinnen.

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GrKat, Vom Sacrament des Altars (BSELK, 1136,13–20). A.a.O. (BSELK, 1140,15). A.a.O. (BSELK, 1140,15f.). A.a.O. (BSELK, 1138,20–22). Vgl. Martin Luther, Vom Abendmahl. Christi. Bekenntnis, WA XXVI,261–509, dort 297,27–30: „Das er auch zuernet, da wir warnen: Man solle nicht fragen, wie es zugehe, das Christus leib ym abendmal sey, sondern einfeltiglich gleuben den worten Gottes, Welchs wir nicht den einfeltigen (denn sie duerffens nicht), sondern den hochfarenden und eben den schwermern selbs zu gut haben gethan […].“

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Grundlegend für Luthers Abendmahlsverständnis ist dabei sein Wortverständnis.28 Es ist das, was Luther mit dem Begriff „thatel wort“29 bzw. „thetel wort“30 bezeichnet: „Heist er uns aber war reden, so mus freylich sein leib da sein ym abendmahl aus krafft nicht unsers sprechens, sondern seines befelhs, heissens und wirckens.“ 31 Dabei distanziert Luther sich von bestimmten Wandlungsvorstellungen und setzt stattdessen auf eine Identifikation von Brot und Leib Christi: „Wir machen auch seinen leib nicht aus dem brod, wie uns der geist anleuget, Ja, wir sagen auch nicht, das sein leib werde aus dem brod, Sondern wir sagen, sein leib, der lengest gemacht und worden ist, sey da, wenn wir sagen ‚Das ist mein Leib‘, Denn Christus heist uns nicht sagen: Das werde mein leib, odder da machet meinen leib, sondern das ist mein leib.“32

Für die Art der Gegenwart Jesu Christi hält Luther drei voneinander zu unterscheidende Weisen fest: eine „begreiffliche, leibliche weise“, eine „unbegreiffliche, geistliche weise“ und als drittes eine „Goettliche, hymelische Weise“.33 Die erste Weise ist die menschliche, die zweite diejenige, mit der Jesus Christus nach Ostern durch verschlossene Türen gehen konnte und mit seinem Leib und Blut im Abendmahl gegenwärtig ist. Die dritte Weise ist diejenige, nach der Jesus Christus als eine Person der Trinität allgegenwärtig ist. So gesteht Luther freimütig ein, „das Christus ym abendmahl nicht sichtbarlich, sterblich und weltlicher weise sey“.34 Aber nur weil er in dieser einen bestimmten Weise nicht im Abendmahl gegenwärtig sei, heiße dies noch lang nicht, dass er gar nicht im Abendmahl mit seinem Leib und Blut gegenwärtig sei – oder, um es anschaulich mit Luther auszudrücken: „Der koenig sitzt nicht gekroenet uber tische, darumb sitzt er nicht uber tische, kinderspiel und gauckelwerck ist das, wie die schulen wol 28 Vgl. grundlegend dazu Joachim Ringleben, Gott im Wort. Luthers Theologie von der Sprache her, HUTh 57, Tübingen 2010, bes. 144–169. 29 Luther, Abendmahl (wie Anm. 27), 282,19. 30 A.a.O., 283,1. 31 A.a.O., 284,35–37. 32 A.a.O., 287,26–30. 33 A.a.O., 335,30; 335,38f.; 336,8. 34 A.a.O., 302,30f.

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wissen, Aber bey den geistern mus solchs schrifft und Christlicher glaube sein.“35

Grammatisch fasst Luther das Phänomen in der Figur der Synekdoche und beschreibt anschaulich, wie zweierlei Ding, die miteinander verbunden sind, miteinander identifiziert werden können: „Solche weise zu reden von unterschiedlichen wesen als von einerley, heissen die grammatici Synecdochen, und ist fast gemein nicht allen ynn der schrifft, sondern auch ynn allen sprachen, als wenn ich einen sack odder beutel zeige oder dar reiche, spreche ich: Das sind hundert guelden, da geht das zeigen und das woertlin ‚das‘ auff den beutel, Aber weil der beutel und guelden etlicher masse ein wesen sind, als ein klumpe, so triffts zu gleich auch die guelden, Der weise nach greiffe ich ein fas an und spreche, das ist Reinisch wein, das ist Welsch wein, das ist roter wein. Item ich greiffe ein glas an und spreche: das ist wasser, das ist bier, das ist salbe etc. Inn allen diesen reden sihestu, wie das woertlin ‚das‘ zeiget auf das gefesse, und doch, weil das getrencke und gefesse etlicher massen ein ding ist, so triffts zu gleich, ja wol furnemlich das getrencke […].“36

So nutzt Luther das Bild von Gefäß und Inhalt und kann es sogar noch als mehrfache Verschachtelung weiterführen: „So fassen die wort erstlich das brod und den becher zum sacrament, Brod und becher fassen den leib und blut Christi, Leib und blut Christi fassen das newe testament, Das newe testament fasset vergebung der sunden, Vergebung der sunden fasset das ewige leben und seligkeit. Sihe, das alles reichen und geben uns die wort des abendmals, und wir fassens mit dem glauben.“37

Zur Veranschaulichung und Plausibilisierung der Gegenwart des Leibes und Blutes Christi in den Gaben des Heiligen Abendmahls kann Luther vielerlei Vergleiche anführen: Etwa den Vergleich mit einem Ton oder dem Licht, die sich ausbreiten, ohne von einem Raum begrenzt zu sein.38 Oder mit einem Kristall, in dessen Mitte sich eine Blase befindet, die aus unterschiedlichen Perspektiven zu 35 36 37 38

A.a.O., 301,26–28. A.a.O., 444,1–12. A.a.O., 479,3–8. Vgl. a.a.O., 335,41–336,4.

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sehen ist.39 Oder den Vergleich mit einem Spiegel, der in viele Teile zersprungen, ein vielfaches Bild derselben Sache zeigt.40 Oder das Beispiel der Sonne, die sich in einem See spiegelt, oder einer Säule, die auf einem Platz steht, und für Menschen an ganz unterschiedlichen Orten sichtbar ist.41 Auch wenn die Beispiele und Vergleich erkennbar an ihre Grenzen stoßen, ist doch an ihnen abzulesen, dass Luther durchaus daran gelegen ist, seine Vorstellung von Realpräsenz nicht nur exegetisch abzuleiten und entsprechend argumentativ zu sichern, sondern auch zu plausibilisieren. Dies ist ein Impuls, der auch religionspädagogisch fruchtbar zu machen ist. 2.3 (Be-)Deutungen der „Realpräsenz“ in anderen historischen Entwürfen Für die lutherische Theologie der folgenden Jahrhunderte sind Luthers Ausführungen, insbesondere in seiner großen Abendmahlsschrift, wegweisend. Ausgehend von einer schrifttheologischen Begründung macht sich die Lehre der Realpräsenz vor allem am Wortlaut der Einsetzungsworte fest und werden auch darüber hinaus Luthers Differenzierungen und Weichenstellungen nachvollzogen. Wie bei Luther finden sich auch in der späteren lutherischen Literatur zumindest gelegentlich Versuche, diesen theologischen Topos zu plausibilisieren und dessen Relevanz aufzuzeigen.42 Zwar äußert etwa Johann Conrad Dannhauer zunächst mit Luthers eigenen Worten Kritik an der Frage nach Wert und Nutzen des Festhaltens an der Realpräsenz: „Wolan wann wirs gleich nicht koenten anzeigen / wie es nuetz und noth were / daß Christus Leib im Brod sey / sollte darumb Gottes Wort falsch / und nach unserm Duenckel zudrähen seyn? Ein fromm Gottesfürchtig Hertz thut also: Es fraget zum ersten / obs Gottes Wort sey / wenn es das hoeret / so daempffet es mit Haenden und Fuessen diese Frage / worzu es nuetz oder noth sey / denn es spricht mit Furch und Demuth also: Mein lieber GOtt / ich bin blind / weiß warlich nicht / 39 40 41 42

A.a.O., 337,9–31. A.a.O., 338,18–30. A.a.O., 414,32–418,25. Die folgende Übersicht greift selbstverständlich nur einige wenige Veröffentlichungen heraus – vieles andere muss unberücksichtigt bleiben.

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was mir nutz oder noth sey / wills auch nicht wissen / sondern glaube und trawe dir /daß Du es am allerbesten weissest / und meynest nach deiner Göttlichen Guete und Weißheit.“43

Und doch geht Dannhauer in seinen Ausführungen anschließend gerade dieser Frage in verschiedener Hinsicht nach. Einiges greife ich heraus. Zum einen sieht er den Nutzen in der Realpräsenz im damit verbundenen Segen gegeben. Kurz gesagt ließe sich formulieren: Wo Gott ist, ist Segen.44 Ein Zweites ist das Pfad, das das Abendmahl darstellt. Wie ein Verlobungsring einer Verlobten deutlich mache, wie sehr sie ihr Verlobter liebt, so und noch viel mehr sei die Gegenwart des Leibes und Blutes Christi in den Gaben des Heiligen Abendmahls Pfand und Vergewisserung der göttlichen Liebe und Treue.45 Wir haben es dabei nach Dannhauer weiterhin mit einem Akt größter Intimität und Zuneigung zu tun.46 Ein anderes Stichwort ist das der „Bluts-freundschafft und Gemeinschaft aller erworbenen Güter“,47 ein Motiv, das in Zeiten, in denen Blutsbrüderschaft tatsächlich noch geschlossen wurde, sicher noch ein höheres Maß an Plausibiliät besaß. Und schließlich nennt Dannhauer die Gewissheit der Anteilhabe am ewigen Leben: „Die Gewißheit der Aufferstehung unsers Fleisches / und desselben himmlischen Glory / es soll der Mensch ewig leben / auch nach dem Leib / von der Speiß des Leibs Christi. Sicut oralis manducatio arboris vitæ erat typus immortalitatis, Unser Leib ( ita rursus Luth. Tom 3. Jen p. 376 f. 2) wird mit dem Leib Christi gespeiset / auff daß unser Glaub 43 CATECHISMUS=MILCH / Oder Der Erklaerung deß Christlichen Catechismi Neundter Theil / begreiffend Das Fuenffte Hauptstuck / von dem Sacrament deß Heiligen Abendmahls / Zu Straßburg im Muenster geprediget Durch Johann=Conrad Dannhawern / Weiland der H. Schrifft Doctorem, der Universitaet Professorem, und E. Ehrw. Kirchen-Convents Praesidem, &c., Straßburg 1672 (VD 17 23:272937Q), 332f. (Hervorhebung im Original größer gesetzt). 44 Vgl. a.a.O., 333. 45 Vgl. a.a.O., 333f. 46 Vgl. a.a.O., 271: „Wie Johannes an der Brust Jesu gelegen / und da gleichsam Guesse und Fluesse der himmlischen Weißheit gesogen: Laßt uns gleicher gestalt mit kindlichem Vertrawen Christo in den Schooß ligen / seiner Brust und liebreichem Mutter=hertzen den Glaubens=mund appiciren / und auß seiner eroeffneten Seiten=wund sein Blut / den edlen Lebens- und Himmels=Safft auffassen / unsere arme Seelen damit zulaben […].“ 47 Vgl. a.a.O., 334 und 368f.

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und Hoffnung bestehe / daß unser Leib soll auch ewig leben von derselbigen ewigen Speise deß Leibs Christi / den er leiblich isset / welches ist ein leiblicher Nutz. Aber dennoch auß der massen groß / und folget aus dem geistlichen / denn Christus wird ja auch unsern Leib ewiglich lebendig / seelig und herrlich machen.“ 48

In ähnlicher Weise legt Friedrich Brunn rund zwei Jahrhunderte später in seiner Katechismusauslegung den Schwerpunkt auf die damit gegebene Gewissheit, wenn er sich mit der Bedeutung der Realpräsenz befasst.49 Zur Veranschaulichung kann Brunn das Miteinander von Brot und Wein, Leib und Blut Christi mit dem Ineinander von vermischten Wasser und Wein vergleichen, allerdings nicht ohne sich gleich von einer solchen „natürliche[n], äußerlich mechanische[n] und darum für die Vernunft gar wohl begreifliche[n] Weise“50 abzugrenzen. Dagegen hält er fest: „In göttlicher, d.i. also übernatürlicher, wunderbarer, für alle menschlichen Sinne unfaßbarer Weise hat vielmehr der HErr die Gegenwart seines Leibes und Blutes im heiligen Abendmahl an Brot und Wein gebunden.“51 Dem entspricht dann auch der antikapernaitische Impuls, der auch bei Brunn im Anschluss an die lutherische Bekenntnistradition zu beobachten ist.52 Einen weiteren Zugang bietet Georg Mezger in seinen Entwürfen zur Katechismusauslegung, wenn er das Bild des Lösegeldes verwendet: „Sein Leib und sein Blut ist das Lösegeld, welches Christus dargelegt hat, uns von unsern Sünden zu erlösen, daß wir Vergebung der Sünden haben sollten. Und das sagen nun diese Worte, daß jedem, der zum heiligen Abendmahl geht, eben der Leib und das Blut, womit Christus Vergebung der Sünden am Kreuz erworben hat, dargereicht wird, daß er diesen Leib ißt und dieses Blut trinkt.“53

48 A.a.O., 334 (Hervorhebung im Original größer gesetzt). 49 Vgl. Friedrich Brunn, Gottes Wort und Luthers Lehr‘. Erklärung des Kleinen Katechismus M. Luthers für reifere Christen, Dresden o.O. [1889], 580f. und 594. 50 A.a.O., 586 (im Original sind die Hervorhebungen gesperrt gesetzt). 51 A.a.O., 587 (im Original sind die Hervorhebungen gesperrt gesetzt). 52 A.a.O., 587f. 53 Mezger, Entwürfe (wie Anm. 16). 283 (im Original sind die Hervorhebungen gesperrt gesetzt).

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Dadurch bekommt die Pfand-Metaphorik, die sich auch sonst häufig in der lutherischen Katechismusauslegungsliteratur findet, noch einmal eine neue Anschaulichkeit: „Er [= der Kommunikant, CB] empfängt auch selbst dieses Lösegeld, Christi Leib und Blut, als ein Zeichen und Siegel, daß seine Sünden ihm vergeben sind.“54 Auch wenn es, einmal im Bild geblieben, durchaus denkbar wäre, die Lösegeldübergabe an einem anderen Ort vorzunehmen als an dem Ort, an dem sich die Geisel befindet, gibt es für die Geisel natürlich einen umso höheren Grad an Vergewisserung, wenn sie nicht nur darauf hofft, dass jemand das Lösegeld zahlen wird, sondern sie dieses Lösegeld unmittelbar empfängt. 2.4 Aktuelle Entwürfe aus dem Bereich deutschsprachiger (Landes-)Kirchen In den meisten von mir eingesehenen aktuellen Entwürfen für die Konfirmandenarbeit spielt die Frage nach der Art der Gegenwart Jesu im Abendmahl keine oder eine absolut untergeordnete Rolle. Dies ist für theologische Entwürfe aus den Unterzeichnerkirchen der Leuenberger Konkordie durchaus folgerichtig, ist in ihr doch festgehalten, dass Bemühungen um ein Nachdanken über die „Art der Gegenwart Christi im Abendmahl, das von dieser Handlung [= Essen und Trinken, CB] absieht“ dazu geeignet seien, „den Sinn des Abendmahls zu verdunkeln“.55 Von der Gegenwart des Leibes und Blutes Christi in, mit und unter Brot und Wein ist also in der Regel nicht die Rede. Entsprechend finden sich auch keine Versuche, Vorstellungen wie die der Realpräsenz des Leibes und Blutes Christi im Abendmahl zu veranschaulichen und zu plausibilisieren. Das Heilige Abendmahl rückt dabei durchgängig stark in die Nähe gewöhnlicher Mahlzeiten.56 Wo der Text des Kleinen Katechismus noch zitiert wird, bleibt er dann ein unerklärter und unerschlossener Fremdkörper.57

54 A.a.O., 283 (im Original sind die Hervorhebungen gesperrt gesetzt). 55 Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa (Leuenberger Konkordie). 16. März 1973, in: Unser Glaube. Die Bekenntnisschriften der evangelischlutherischen Kirchen. Ausgabe für die Gemeinde, im Auftrag der VELKD hg. v. Amt der VELKD, Gütersloh 62013, 923–933, dort 928. 56 Vgl. bspw. konfi live. Zweijähriger Kurs. 16 Einheiten, Göttingen 2014, 62–65. 57 Vgl. bspw. konfi live. Mein Begleiter, Göttingen 2014, 148.

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Überraschend anders kommt in dieser Landschaft die Katechismusauslegung von Norbert Dennerlein und Ingrid WiedenrothGabler daher.58 Hier begegnet sogar der Begriff „Realpräsenz“ und wird erklärt. Parallelen und Unterschiede zum römisch-katholischen und reformierten Abendmahlsverständnis werden benannt. Doch auch hier unterbleiben weitgehend Erklärungs- und Plausibilisierungsversuche, warum es denn wichtig und bedeutsam sein könnte, die Realpräsenz als Lehrtopos festzuhalten. Den größten Raum in allen hier von mir gesichteten Entwürfen und Arbeitsbüchern erhält das Thema in dem Lehr- und Lernbuch von Kurt Kirschnereit.59 Dieses Buch enthält ein ganzes Unterkapitel zu den Abendmahlsgaben, in dem sowohl Unterschiede zum römisch-katholischen Abendmahlsverständnis deutlich werden als auch die Bedeutung der Lehre der Realpräsenz aufscheint: „Leib und Blut machen deutlich, was Christus für uns getan hat. […] Das alles geschah vor etwa 2000 Jahren. Doch soll diese Erlösung ja heute für mich gelten. Im Abendmahl wird diese Zeit überbrückt; unser Herr Jesus Christus ist gegenwärtig, denn wo sein Leib und sein Blut sind, da ist er selber dabei. Mit Brot und Wein empfangen wir Leib und Blut Christi und damit seine ganze Erlösungstat. Unsere Sünden sind uns also tatsächlich vergeben.“60

Der Wert der Realpräsenz wird hier also darin gefasst, dass der Abendmahlsgast mit dem Empfang der Gaben die zeitliche Distanz zum Erlösungsgeschehen überwindet, er mit den Gaben auch die Person fasst und so ein Höchstmaß an Vergewisserung der Sündenvergebung erlangt. Auch einen Plausibilisierungsversuch unternimmt Kirschnereit, wenn er das „in, mit und unter“ mit dem Wärmeschutz eines Wintermantels vergleicht. Auch dieser sei ja, obwohl man ihn nicht sehen könne, wahrnehmbar. In diesem einen Fall könne man etwas Unsichtbares fühlen, im Fall des Abendmahls könne man das Unsichtbare glauben. 61 58 Norbert Dennerlein/Ingrid Wiedenroth-Gabler, Luthers Kleiner Katechismus – für Leute von heute, Gütersloh 2007, v.a. 109–123. 59 Kurt Kirschnereit, Ich weiß, woran ich glaube. Ein Lehr- und Lernbuch nach Martin Luthers Kleinem Katechismus für Kinder und Eltern, Schüler und Lehrer, Konfirmanden und Pfarrer, Metzingen 1994. 60 A.a.O., 273f. 61 A.a.O., 275.

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So etwas wie die klassischen „Unterscheidungslehren“ sind noch im Entwurf der Konfirmandenarbeit der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich zu finden, in dem die Parallelen und Unterschiede zwischen einer römisch-katholischen und einer reformierten Abendmahlsfeier beleuchtet werden.62 2.5 Neuere Entwürfe aus dem Bereich der SELK In den ersten Arbeitshilfen zum Konfirmandenunterricht, die für den Bereich der SELK erstellt worden sind, dem Ordner „glauben bekennen handeln“,63 wird nur in aller Kürze das Thema Realpräsenz berührt, indem formuliert wird: „Im Heiligen Abendmahl wird durch die Einsetzungsworte, die Christus gesprochen hat, in Brot und Wein der wahre Leib und das wahre Blut des Herrn zum Essen zum Trinken gegeben. Beides ist während der Abendmahlsfeier da: sowohl Brot und Wein als auch Leib und Blut Christi.“64

In einer Fußnote werden kurz die reformierte und die römischkatholische Abendmahlslehre dargestellt. Es schließt sich weiterhin eine Information zur manducatio impiorium an. Weitere erläuternde, deutende oder die Relevanz aufzeigende Hinweise finden sich nicht. Lediglich, die Aussage, dass „Leib und Blut des Herrn als Speise und Trank des Lebens“ empfangen werden und „ihnen […] zur Verbindung mit dem Herrn (er in uns – wir in ihm) […] [dienen]“65, lassen etwas davon erkennen, welche Bedeutung das Festhalten an der Realpräsenz hat. In dem 20 Jahre später veröffentlichten Konfirmandenmaterial „Das Heilige Abendmahl“66 nimmt die Frage nach der Gegenwart

62 Konf. Wir leben in Beziehungen. Arbeitshilfe für die Konfirmationsarbeit mit 2 Begleit-DVDs und 103 Karten [Eure Wahl!], Zürich 2014, 411 sowie M. 4.2.20 und 4.2.21. 63 glauben bekennen handeln. Arbeitshilfen für den kirchlichen Unterricht. Erarbeitet und hg. v. einer katechetischen Kommission der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche, Hermannsburg 1977. 64 A.a.O., 78. 65 Ebd. 66 Das Heilige Abendmahl. Unterrichtsmodell für den Konfirmandenunterricht – Vorbereitungshilfen und Unterrichtsblätter – . Erarbeitet im Auftrag und unter

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Christi im Heiligen Abendmahl und damit nach der Realpräsenz breiten Raum ein. Ein ganzer Hauptteil ist dem gewidmet. Auf vielen Seiten und mit umfangreichen Rekursen auf die lutherischen Bekenntnisschriften sind hier Informationen zum lutherischen Abendmahlsverständnis zusammengestellt. Daneben kommen auch neuere Entwicklungen im Bereich der Ökumene (Leuenberger Konkordie und Lima-Texte) in den Blick. Auch die Abendmahlsverständnisse anderer (auch kleiner Kirchen) werden referiert. In den didaktischen Überlegungen werden insbesondere Verständnisprobleme reflektiert, etwa das sog. kapernaitische Missverständnis, das nicht zuletzt durch sich geänderte Sprachgewohnheiten drohe.67 Worin nun die besondere Bedeutung und Relevanz der lutherischen Lehre der Realpräsenz liegt, wird allerdings weiter nicht entfaltet. Am ehesten geschieht das dort, wo das Bild vom Weinstock zur Deutung des Abendmahls herangezogen wird – aber auch dort nur am Rande.68 An dieser Stelle führen Überlegungen von Werner Klän in seinen Katechismusmeditationen „Der dir helfen und dich mit allem Guten reichlich überschütten will“69 ein Stück weiter. Auch wenn diese Meditationen nicht für den Gebrauch im Konfirmandenunterricht bestimmt sind und sich auch nicht ohne Weiteres dafür gebrauchen lassen, bietet Klän unter den Frageperspektiven „Wo kommst du darin vor?“ „Was sagt das über dich?“ „Was macht das mit dir?“ 70 Antwortversuche zur Bedeutung der Realpräsenz. Drei Aspekte möchte ich dabei herausgreifen. Erstens versucht Klän die Bedeutung der Realpräsenz vom Wert der Gaben zu erschließen („Keine köstlichere Speise, keinen kostbareren Trank gibt es für mich zu kosten auf dieser Welt.“71). Zweitens benennt Klän den Aspekt „innigster Gemeinschaft mit meinem Gottesbruder“,72 die sich durch diese kostbaren Gaben ergibt. Und drittens sieht Klän durch das Bekenntnis

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Mitwirkung der Kommission für Kirchliche Unterweisung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche von Hans Peter Mahlke, Groß Oesingen 1997. A.a.O., 45. A.a.O., 66. Werner Klän, „Der dir helfen und dich mit allem Guten reichlich überschütten will“. – Eine Katechismus Meditation – mit Bildern von Regina Piesbergen (OUH 46), Oberursel 2006. A.a.O., 48f. (u.ö.). A.a.O., 48. Ebd.

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zur Realpräsenz eine Verdichtung von Kommunikation gegeben: „[…] wir [erfahren] nicht nur etwas von Gott, sondern empfangen ihn selbst in der Gestalt seiner Hingabe: Sein Leib und Blut ist der Schatz, den Gott selbst ‚für jeden auf den Tisch gelegt‘ hat.“73

3. Didaktische Spurensuche Ganz offensichtlich ist das Thema „Realpräsenz“ in den letzten Jahrzehnten im kirchlichen Unterricht in den Hintergrund getreten oder sogar komplett von der Bildfläche verschwunden. Das hat zum einen mit theologischen und kirchenpolitischen Grundentscheidungen zu tun, zum anderen aber auch mit neugewonnenen religionspädagogischen Erkenntnissen, die gegenwärtige Konfirmandenarbeit nicht einfach außer Acht lassen kann. Schon Theodosius Harnack konnte Ende des 19. Jahrhunderts festhalten: „Die Aufgabe [des kirchlichen Unterrichts, CB] ist also: eine richtige, klare und sichere Verbindung zwischen dem sachlichen und persönlichen Object zu Stande zu bringen; jenem keine Gewalt anzuthun, sondern nach den inneren Gesetzen desselben zu verfahren, und ebenso sich nach der besonderen Natur und Entwickelungsstufe der Katechumenen zu richten. Daraus ergeben sich alle Grundsätze und Verfahrensweisen des [sic!] katechetischen Lehrmethode. Es ist nicht schwer, oberflächlich zu Kindern zu reden, aber das ist nicht christliche Wahrheit; diese ist gedankenschwer an sich und nimmt den ganzen menschlichen Geist, je nach der Stufe desselben in Anspruch. Die nicht leichte Aufgabe besteht darin: der Forderung des Inhalts des Mitzutheilenden und der Beschaffenheit der Kindesnatur in gleicher Weise zu genügen; das Mißverhältniß wegzuräumen, in welchem dieser Inhalt zur Fassungskraft und Einsichtsfähigkeit des Kindes steht; um den Zweck zu erreichen, der nicht bloß in Mittheilung von Kenntnissen, sondern in lebendiger Erkenntniß und Aneignung der evangelischen Heilswahrheit besteht. Denn in Allem haben wir daran fest zu

73 A.a.O., 49.

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halten und niemals aus dem Auge zu verlieren, daß es ein Glaubensunterricht ist: über den Glauben und für den Glauben.“ 74

Hier deutet sich schon an, dass Lernprozesse nicht nur darin bestehen können, dass ein bestimmter Lerninhalt gepaukt werden muss. Sondern Sache und Person müssen zusammenkommen. Ziel ist nicht bloß ein kognitives Wissen, sondern „lebendig[e] Erkenntniß“. Auf die hier besprochene Thematik angewandt würde das bedeuten: Ziel kirchlichen Unterrichts kann es nicht sein, etwa einfach die Unterscheidungslehren in Kinderköpfe hinzubringen, sondern irgendwie muss lebendig werden, was es mit der Realpräsenz des Leibes und Blutes Christi im Abendmahl auf sich hat. Damit ist schon einiges angedeutet, was sich dann in der religionspädagogischen Debatte des 20. Jahrhunderts weiterentwickelt. Einige Akzente möchte ich diesbezüglich herausgreifen. 3.1 Vom Belehren zum Lernen Im Lerngeschehen ist das Kind bzw. der oder die Jugendliche nach dem Verständnis neuerer religionspädagogischer Konzepte nicht bloß ein „Objekt“, wie Harnack es noch gefasst hat, sondern, um es mit Burkard Porzelt zu sagen: „In der heutigen pädagogischen Alltagsdiskussion hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Lernen als ein Vorgang aufgefasst werden muss, in dem es entscheidend auf die Eigentätigkeit und Eigenständigkeit des lernenden Subjektes ankommt.“75

Das aber wiederum bedeutet. Als Lehrender bin ich nicht dann erfolgreich, wenn ich einen bestimmten Inhalt „vermittelt“ habe, sondern wenn ich einen eigenständigen Lernprozess des oder der Lernenden angestoßen habe. Eine solche Subjektorientierung bedeutet aber nicht, dass Inhalte, die der Unterrichtsgruppe fremd sind, keinen Platz haben dürften. Ganz im Gegenteil. Ingrid Schoberth hält fest: „Das Lernen christlicher Religion ist zunächst ein Lernen von außen. Das heißt, dass die Schüler immer auch auf wenig Vertrautes im Un74 Theodosius Harnack, Katechetik und Erklärung des kleinen Katechismus Dr. Martin Luthers 1, Erlangen 1882, 141f. (Hervorhebung im Original gesperrt). 75 Burkard Porzelt, Grundlegung religiöses Lernen, UTB 3177, Bad Heilbrunn 2009, 26.

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terricht stoßen […]. Darin liegt aber nicht ein Nachteil, sondern vielmehr die Chance des Religionsunterrichts, dass ihnen christliche Religion so eröffnet wird und dass sie sich in diesem noch Fremden bewegen lernen.“76

Altes und Bewährtes wird so mit Neuem und Aktuellem ins Gespräch gebracht: „Dieses Hin- und Hergehen zwischen Tradition und Gegenwart ist kein Anachronismus, keine Rückwendung zurück zu den alten Traditionen des Glaubens der Kirche, sondern führt ein in ein neues Hören auf die Tradition, die dann im je eigenen Leben ihre eigene Form gewinnt.“ 77

Mit Blick auf das hier behandelte Thema „Realpräsenz“ würde dies also keineswegs bedeuten, dass dieses Thema nicht mehr verhandelt werden darf. Allerdings ist das Themenfeld so aufzuschließen, dass die Konfirmandinnen und Konfirmanden für sich etwas daran lernen können. 3.2 Die Bedeutung der Relevanz und des Lebensweltbezugs Das schließt aber ein, dass der Unterricht so gestaltet sein muss, dass die Relevanz des behandelten Stoffes sich den Lernenden erschließen kann. Uta Pohl-Patalong stellt realitätsnah fest: „Es kann nicht erwartet werden, dass die Lernenden fertige Inhalte akzeptieren oder für sich übernehmen. Diese müssen ihre Plausibilität und Relevanz für das Leben der Subjekte jeweils erweisen.“78

Dies wird sich nicht zuletzt an der „Lebensdienlichkeit“79 und dem Bezug zur Lebenswelt entscheiden. Dass dies nicht bedeuten kann, dass der Unterricht auf die Themen der Pubertät reduziert wird, versteht sich von selbst. So würde gerade das Fremde, an dem Lernprozesse sich ergeben, verloren gehen. Dass es ganz ohne einen Bezug auf die Lebenswelt aber auch nicht geht, ist ebenso selbstverständ-

76 Ingrid Schoberth, Religionsunterricht mit Luthers Katechismus. Sekundarstufe I, Göttingen 2006, 11. 77 A.a.O., 9. 78 Uta Pohl-Patalong, Religionspädagogik. Ansätze für die Praxis, Göttingen 2013, 14. 79 A.a.O., 15.

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lich und gilt auch für ein in dieser Hinsicht so sperriges Thema wie das der Realpräsenz. 3.3 Abschied vom rein kognitiven Lernen Während man traditionell unter Lernprozessen kognitive Prozesse verstanden hat, ist in der neueren Pädagogik die Erkenntnis gereift, dass sich menschliches Lernen in drei bis vier Dimensionen ereignet: in einer kognitiven, einer affektiven (oder emotionalen), einer aktionalen (oder pragmatischen) und einer sozialen Dimension, wobei letztere als eigenständige Dimension umstritten ist.80 Für die Behandlung des Themas „Realpräsenz“ würde das bedeuten, dass es in diesem Lernprozess nicht nur darum gehen kann, ein Wissen über die reformatorische Abendmahlslehre zu entwickeln. Sondern mit der affektiven und aktionalen Dimension würde auch noch in den Blick geraten, wie sich in Lernprozessen Haltungen und Wertungen verändern können und welche Handlungskompetenzen die Lernenden sich aneignen können. 3.4 Heranwachsende in ihrer Kompetenz fördern Damit ist aber ein weiterer Aspekt schon angesprochen, nämlich der der Kompetenzorientierung des Unterrichts.81 Auch wenn die Kompetenzorientierung nicht unumstritten ist, lohnt es sich, auch für den kirchlichen Unterricht danach zu fragen, welche Kompetenzen die Konfirmandinnen und Konfirmanden sich in ihm erwerben (sollen). Konkret auf das Thema „Realpräsenz“ bezogen wäre so danach zu fragen, was Konfirmandinnen und Konfirmanden am Ende können oder können sollen, welche Kompetenzen sie erworben haben und wozu diese Kompetenzen sie befähigen.

4. Zugänge Im Folgenden möchte ich exemplarisch einige Zugänge vorstellen, mit denen die Sache der Realpräsenz pädagogisch verantwortet ins Spiel gebracht werden könnte, sodass Konfirmandinnen und Konfir80 Vgl. Porzelt, Grundlegung (wie Anm. 75), 32–36, und Helmut Hanisch, Unterrichtsplanung im Fach Religion. Theorie und Praxis, UTB 2921, Göttingen 2007, 49–100, dort v.a. 54–57. 81 Vgl. bspw. Gabriele Obst, Kompetenzorientiertes Lehren und Lernen im Religionsunterricht, Göttingen ³2010.

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manden sich diese erschließen können und an Kompetenz gewinnen. Dass alle Zugänge und Beispiele in der theologischen Übertragbarkeit an ihre Grenzen stoßen, ist mir bewusst. Dasselbe gilt aber auch für die Beispiele, die Martin Luther in seiner Abendmahlsschrift verwendet hat. 4.1 Präsenz auf dem Fußballplatz Während sich in der praktisch-theologischen Diskussion das Stichwort „Präsenz“ in durchaus unterschiedlich geprägten Ansätzen großer Beliebtheit erfreut,82 liegt es für Jugendliche im kirchlichen Unterricht eher fern. Allerdings begegnet der Begriff durchaus auch gelegentlich im Kontext der Lebenswelt der Jugendlichen. So war Anfang des Jahres 2015 im Sportmagazin „kicker“ über den 18-jährigen Gianluca Gaudino vom FC Bayern München zu lesen: „Mit der Rückkehr Bastian Schweinsteigers sind Gaudinos Chancen auf viele Einsätze eher noch gesunken, der Weltmeister und Xabi Alonso gelten für den Start am nächsten Freitag auf seiner Position als gesetzt. Dennoch drängt er sich als Alternative auf. Im Trainingslager in Katar behauptete er sich in den Trainingsspielen sehr gut, bestach mit enormer Präsenz und seiner sehr guten Technik. Auch in den beiden Testspielen vor Ort überzeugte der schmächtige Gaudino.“83

Hier wird „Präsenz“ in einem für viele (nicht nur männliche) Jugendliche zentralen Lebensbereich, nämlich dem des Fußballs, als Kardinaltugend benannt. Was ist hier unter „Präsenz“ zu verstehen? Die hier gemeinte „Gegenwärtigkeit“ lässt sich wohl so verstehen, dass sich der genannte Spieler nicht versteckt hat, Verantwortung übernommen hat, anspielbereit war, er seine Knochen hingehalten hat, dazwischengegangen ist, er sich trotz seines „schmächtige[n]“ Körperbaus nicht den Schneid hat abkaufen lassen. 82 Vgl. bspw. Thomas Kabel, Handbuch Liturgische Präsenz. Zur praktischen Inszenierung des Gottesdienstes 1, Gütersloh 2002; Michael Meyer-Blanck/Jörg Seip/Benhard Spielberg (Hg.), Homiletische Präsenz. Predigt und Rhetorik, ÖSP 7, München 2010, und Daniel Schmidt, Präsent predigen, LuthBei(B) 20 (2015), 3–25. 83 http://www.kicker.de/news/fussball/bundesliga/startseite/619498/artikel_gaudino -besticht-mit-praesenz-und-technik.html (Stand: 28.2.2015).

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Diese Präsenz auf dem Feld unterscheidet sich ja beispielsweise von der Präsenz, die der Trainer am Seitenrand hat, der dem Spiel seiner Mannschaft zwar seine Idee eingeprägt hat, von außen auch hier und da eingreifen und korrigieren kann, aber doch niemals so präsent sein kann wie die Spieler, die mit ihrem Körper auf dem Platz stehen und ihre Knochen hinhalten. Welche Zugänge wären von daher für die Behandlung des Themas „Realpräsenz“ im Unterricht möglich? Ich nenne nur einige Stichworte: Jesus Christus wechselt sich selbst in das Spiel unseres Leben ein. Er steht nicht nur an der Außenlinie, sondern schmeißt sich mit ganzem Körpereinsatz dazwischen. Mit seiner leiblichen Präsenz in, mit und unter Brot und Wein ist er nicht nur der Ideengeber, sondern der, der im Spiel meines Lebens anspielbar ist und mir selbst aus der Bredouille hilft, wenn mir die Gegner zu eng auf den Leib rücken. Konfirmandinnen und Konfirmanden könnten sich das Thema so selbst durch eigene Übertragungen erschließen. Möglichkeiten und Grenzen solchen Transfers könnten miteinander bedacht und diskutiert werden. 4.2 „Real Life“ in einer zunehmend virtuellen Welt Der Aspekt des Realen und der Realität bzw. der unterschiedlichen begegnet Jugendlichen heute vor allem in der Unterscheidung von virtueller Welt und „Real Life“. Letzteres lässt sich nach einer Beschreibung in der Online-Enzyklopädie Wikipedia folgendermaßen fassen: „Real Life (engl., übersetzt: „wirkliches Leben“, gelegentlich auch meat life, etwa: „fleischliches Leben“), kurz meist als RL bezeichnet, ist eine Bezeichnung aus der Internet-Szene, die als Begriff für das Leben eines Menschen außerhalb seiner virtuellen Aktivitäten im Internet verwendet wird. […] In Abgrenzung zum Real Life steht dabei das Leben in der virtuellen Realität. In Online-Rollenspielen, aber auch in sozialen Netzwerken, können User eine neue Persönlichkeit kreieren. Das reicht von kleinen Details, welche die eigene Person interessanter erscheinen lassen sollen, bis hin zur Erstellung eines Avatars mit einem besonderen Äußeren und besonderen Fähigkeiten in MMOGs.

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Einige Soziologen schätzen, dass die Unterscheidung zwischen Real Life und Virtueller Realität zunehmend obsolet wird, da sich die Menschen mit immer weiterer Verbreitung des Internets ganz natürlich häufiger online bewegen und soziale Netzwerke oder andere Formen der virtuellen Kommunikation tatsächliche Begegnungen ergänzen oder sogar teilweise ersetzen.“84

Dieses Feld ließe sich durchaus nutzen, um mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden über den Wert des Realen und in einem zweiten Schritt auch über die Realpräsenz ins Gespräch zu kommen. Zu berücksichtigen ist, dass in den meisten Fällen die virtuelle Welt für die Konfirmandinnen und Konfirmanden eine größere Bedeutung und Faszination besitzen dürfte als für die Lehrperson. Während der Unterrichtende nicht zuletzt auch die Gefahren im Blick haben dürfte, die sich durch eine Verlagerung großer Lebensbereiche in den virtuellen Raum ergeben, erleben Konfirmandinnen und Konfirmanden diesen Raum gerade als faszinierend, weil sich hier (etwa in Onlinespielen) Möglichkeiten ergeben, die ihnen sonst verschlossen bleiben. Sind diese unterschiedlichen Wahrnehmungsweisen im Blick, kann sich aber gerade daraus ein interessanter und weiterführender Meinungsaustausch ergeben: Welche Chancen bietet die virtuelle Welt, welche die reale Welt? Wo wünsche ich mir den realen Kontakt mit einem Menschen und nicht nur einen virtuellen? Was bedeutet das dann, wenn Jesus Christus mit seinem Leib und Blut real gegenwärtig ist (sozusagen im „Real Life“)? Schwingt in der Vorstellung der Ubiquität bzw. Ubivolipräsenz Christi, die ja auch Voraussetzung für die Gegenwart des Leibes und Blutes Christi in den Abendmahlsgaben ist, auch etwas von der Faszination der virtuellen Realität mit (z.B. das Erleben von Gleichzeitigkeit über räumliche Distanz hinweg)? 4.3 Verlässlichkeit: Gott beim Wort nehmen können Für Martin Luther ist die Wahrhaftigkeit des göttlichen Redens ein wesentliches Grunddatum für die Rede von de Realpräsenz. Wenn Jesus Christus nicht lügt, was er nicht tun kann und nicht tut, dann sind seine Worte für das zu nehmen, was sie aussagen.

84 http://de.wikipedia.org/wiki/Real_Life (Stand: 28.2.2015).

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Verlässlichkeit und Ehrlichkeit wiederum sind Werte, die bei Kindern und Jugendlichen heute besonders hoch im Kurs stehen.85 Hier ließe sich also durchaus vor dem Hintergrund von gegenwärtigen Lebenseinstellungen von Konfirmandinnen und Konfirmanden auch worttheologisch plausibilisieren, welchen Wert es hat, Gott eben auch hier beim Wort zu nehmen. Behält man dabei im Blick, um mit Joachim Ringleben zu reden, „daß das Element ins Wort ‚gefaßt‘ ist – so wie Christus selber sich ‚ins Wort gefaßt‘ hat“86, dann ließe sich das Sprachspiel zur Redewendung „Gott beim Wort nehmen“ sogar noch ausbauen. Denn im Abendmahl gilt ja für das Verständnis der Redewendung, dass sich Gott beim Wort nehmen lässt, nicht nur, dass Gott zu dem steht, was er sagt, sondern auch, dass Jesus Christus sich durch das und mit dem Wort in den Abendmahlsgaben tatsächlich auch selbst nehmen und empfangen lässt. 4.4 Orientierung in einer multikonfessionellen und multireligiösen Welt Über Jahrzehnte hinweg gehörte das Traktieren der sog „Unterscheidungslehren“ jedenfalls in bestimmten konfessionellen Bereichen zum Kern kirchlichen Unterrichts.87 Manches ließe sich als Kritik dagegen vorbringen: Es ließe sich wohl zu Recht fragen, ob die anderen Konfessionen in solchem Unterricht tatsächlich immer angemessen dargestellt worden sind. Gerade die Kürze der Beschreibungen kann leicht zu Überzeichnungen oder Einseitigkeiten in der Darstellung führen. Entsprechend hat sich in den letzten Jahren eine größere Zurückhaltung an diesem Punkt ergeben. In der Unterrichtshilfe der Katechetischen Kommission der SELK heißt es von daher auch:

85 Vgl. GEOlino-UNICEF-Kinderwertemonitor 2014 (http://www.unicef.de/blob/56990/a121cfd7c7acbdc2f4b97cbcdf0cc716/geolinounicef-kinderwertemonitor-2014-data.pdf | Stand: 2.3.2015), S. 7: „Vertrauen/Zuverlässigkeit“ und „Ehrlichkeit“ gehören zu den fünf wichtigsten Werten für Kinder und Jugendliche (stärker gewichtet sind nur „Familie“, „Freundschaft“ und „Geborgenheit“). 86 Ringleben, Gott (wie Anm. 28), 166. 87 Vgl. Tepper, Katechismus (wie Anm. 21), 133–135.

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„Im Blick auf den KU ist zu fragen: Ist es notwendig und ist es dann auch didaktisch möglich, die Abendmahlslehren anderer Kirchen zu behandeln? Für eine Behandlung spricht der ökumensche Gesichtspunkt, daß es richtig ist, über andere Kirchen informiert zu sein, aber auch die didaktische Überlegung, daß sich die lutherische Lehre am Gegenüber anderer Lehren deutlicher herausarbeiten läßt. Gegen die Behandlung spricht das Alter der Konfirmanden. Die lutherische Lehre ist zudem grundsätzlich auch ohne das Gegenüber anderer Lehren darstellbar.“88

Wichtige Pro- und Contra-Argumente sind damit genannt. Gleichwohl würde ich gerne noch zusätzlich benennen, dass die Fähigkeit, sich in der multikonfessionellen und multireligiösen Gesellschaft zu orientieren, eine Kernkompetenz darstellen könnte, die der Unterricht vermitteln könnte. Wenige Jahre nach der Konfirmation werden die Jugendlichen womöglich den Wohnort wechseln und Anschluss an eine neue Gemeinde suchen. Wenn dies nicht nur zufällig oder nach Gesichtspunkten der Gewohnheit oder des eigenen ästhetischen Empfindens geschehen soll, ist an irgendeiner Stelle in der religiösen Biographie auch eine Auseinandersetzung mit den Lehren der unterschiedlichen Kirchen nötig. Der Konfirmandenunterricht bietet dafür in herausgehobener Weise Gelegenheit, wenn er nicht nur als Erlebnisraum, sondern eben auch als Lernort verstanden wird. Dass dies didaktische Fragen nach der konkreten Umsetzung aufwirft und sich die Gestaltung in der Umsetzung wahrscheinlich auch von herkömmlichen Modellen unterscheiden wird, ergibt sich aus den didaktischen Überlegungen, die ich oben dargestellt habe.89 4.5 „Igitt, ich ess doch kein Menschenfleisch!“ Gerade dann, wenn die reale Gegenwart des Leibes und Blutes Christi in, mit und unter Brot und Wein gegenüber reformierter Abendmahlstheologie stark betont wird, droht die Gefahr des sog. kapernaitischen Missverständnisses, als würde es sich bei der Abendmahlsfeier um einen Akt von Kanibalismus handeln.

88 Mahlke, Abendmahl (wie Anm. 66), 45. 89 Vgl. a.a.O., 45.

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Es ist damit zu rechnen, dass Kinder und Jugendliche an dieser Stelle zunächst durchaus Scheu und Ekel empfinden. Umso erstaunlicher ist, dass diese Frage in neueren Unterrichtskonzepten nicht oder nur am Rande behandelt wird.90 Nimmt man die Konfirmanden als Subjekte des Unterrichts wahr und ernst, sind im Unterricht gerade auch solche Fragestellungen an prominenter Stelle zu behandeln und Vorbehalte aufzunehmen. Luthers Unterscheidung zwischen einer leiblichen, einer geistlichen und einer göttlichen Weise der Gegenwart Christi91 könnte hier als Impuls eingespielt werden und zu Differenzierungsversuchen einladen. 4.6 Matroschka: Eins im anderen In zunehmendem Maße werden Kinder schon vor der Konfirmation und oftmals auch bereits vor dem Konfirmandenunterricht zum Heiligen Abendmahl zugelassen bzw. eingeladen. Im Raum der SELK geht dem ein kirchlicher Unterricht voran. Für diesen Unterricht stellt sich die Vermittlung dessen, was mit dem Terminus „Realpräsenz“ gefasst ist, noch einmal in besonderer Weise als Herausforderung dar. Auch wenn Friedrich Brunn davor warnt, das Miteinander der Abendmahlsgaben so zu verstehen, „daß nun eins im andern enthalten und eingeschlossen ist“,92 mögen die Matroschka-Puppen russischer Herkunft doch dazu taugen zu veranschaulichen, was alles unter den äußerlichen Gaben von Brot und Wein verborgen liegt. Ausgehend von Luthers Vorstellung, dass Brot und Wein, Leib und Blut Christi, Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit im Abendmahl ineinander verschachtelt gereicht und empfangen werden93 ließe sich mit günstig zu erwerbenden Matroschka-Rohlingen94 das Ineinander dieser Gaben veranschaulichen. Die Kinder könnten durch das Bemalen der Rohlinge zudem kreativ gestalten, was sie unter den einzelnen Gaben verstehen, und rela-

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Vgl. etwa die kurze Passage bei A.a.O., 45. Vgl. oben Anm. 33. Brunn, Erklärung (wie Anm. 49), 586. Vgl. oben Anm. 37. Vgl. bspw. http://www.rakuten.de/produkt/babuschka-matroschka-matroyshkablanko-rohling-4-tlg-9cm-728617765.html (Stand: 3.3.2015).

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tiv abstrakten Begriffen wie „Sündenvergebung“ oder „ewiges Leben“ einen anschaulichen Ausdruck verleihen.

5. Resümee Mit diesen Überlegungen sind natürlich noch nicht alle Fragestellungen bearbeitet und behandelt, die für die Behandlung des Themas im kirchlichen Unterricht relevant sind. Es sind nur einige Schneisen geschlagen und Möglichkeiten zur Weiterarbeit aufgezeigt. Gerade in der praktischen Umsetzung würde es jeweils noch intensiverer didaktischer Planung und weiterer Überlegungen zur methodischen Umsetzung bedürfen. Deutlich geworden ist aber, so hoffe ich, dennoch, dass es eine Alternative gibt zu den beiden Möglichkeiten, die Lehre der Realpräsenz einfach als Lehrstück ohne Lebensweltbezug als für sich stehende „Wahrheit“ zu verhandeln oder auf die Behandlung ganz zu verzichten. Gerade wenn eine Kirche im Bekenntnis zur leibhaften Gegenwart des Leibes und Blutes Christi in den Gaben des Abendmahls eines ihrer Herzstücke sieht, wird sie immer wieder neu nach Wegen suchen (müssen), diese Gabe Gottes nachwachsenden Generationen eben auch didaktisch verantwortet nahezubringen.

BUCHSCHAU Irene Dingel (Hrsg.), Die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche. Vollständige Neuedition (BSELK – 3 Bde.), Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 2014. VIII, 1712 Seiten mit 25 Abb. Leinen, ISBN 978–3–525–52104–5, 69,99€ (nur Hauptband). Die Ende 2014 erschienene vollständige Neuedition der „Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche“ (BSELK) erfüllt ein lang gehegtes Desiderat in der historisch-wissenschaftlichen und systematisch-theologischen Forschung. Die erste moderne kritische Edition des Konkordienbuchs von 1930, die „Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche“ (BSLK) war auch bis jetzt die letzte und hat in all den Jahren dreizehn Auflagen erlebt. Sie stellte durchaus eine großartige wissenschaftliche Leistung dar, die jedoch nicht mehr dem aktuellen Stand der Forschung und heutigen Standards entspricht. Ein wichtiger, ja zentraler Unterschied zwischen den BSLK von 1930 und den BSELK von 2014 besteht in der Methode der Darstellung der jeweiligen Bekenntnistexte bzw. in den Editionsprinzipien. Während die BSLK noch in den Fußstapfen der großen historisch-kritischen Untersuchungen des 19. Jh.s versuchten, die erste Fassung eines Bekenntnistexts zu rekonstruieren bzw. abzudrucken, um so zu einer „Urfassung“ zu gelangen, gehen die BSELK einen ganz anderen Weg. In der Neuedition werden entweder der „Textus receptus“, der (tatsächlich) überlieferte Text, oder die „Editio princeps“, die erste gedruckte Ausgabe, einer Bekenntnisschrift dem Druck zugrunde gelegt. Abgesehen davon, dass diese Methode heutigen historischund literatur-wissenschaftlichen Zugängen wie der stärkeren Berücksichtigung der Textrezeption Rechnung trägt, zeigen die BSELK dadurch teilweise eine größere Nähe zum Textbestand des Dresdner Konkordienbuchs von 1580 und des Leipziger von 1584, was für die kirchliche Bekenntnispraxis nicht irrelevant sein dürfte. Nach den Worten der Herausgeberin „wird Wert darauf gelegt, jene Textgestalt zugänglich zu machen, die tatsächlich rezipiert wurde, Rechtskraft erhielt und langfristige Wirkung erzielte“ (V). Oder anders ausgedrückt, das Ziel der neuen Ausgabe sei „all jene Schriften zusammenzustellen, die damals wie heute in Theologie, Predigt und Unterricht sowie im Leben der Gemeinden von Relevanz oder zumindest von Interesse sind“ (5). Dies entspricht eher dem Bekenntnischarakter der Texte als die veraltete Methode der Edition von 1930. Der abgedruckte Text des Apostolicums (42f) folgt dem Wortlaut des im lateinischen Konkordienbuch 1584 zu findenden Textes. Dieser „entspricht der im abendländischen Spätmittelalter als bindend geltend Textgestalt“ (40). Der Nizänum-Text (eigentlich Nizäno-Konstantinopolitanum) entspricht dem Wortlaut des Missale Romanum, das im Mittelalter im Gebrauch war. Da aber das Original der griechische Text, erhalten in den Akten des Konzils von Chalkedon 451, ist, wird dieser ebenfalls abgedruckt (50). Beim sog. Athanasianum wird die Fassung des lateinischen Konkordienbuchs von 1584 geboten, die wiederum dem römischen Brevier ent-

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spricht. Die abgedruckten deutschen Übersetzungen aller drei altkirchlichen Bekenntnisse geben den in „Die drey Symbola oder Bekenntnis des glaubens Christi jnn der kirchen eintrechtiglich gebraucht“ zu findenden Luthertext von 1538 (WA 50, 262-283) wieder. In den jetzt getrennten Einleitungen zu jedem Text (in den BSLK gab es eine gemeinsame Einleitung zu allen drei Bekenntnissen) gibt Adolf Martin Ritter einen knappen, aber angemessenen und zweckdienlichen Einblick in die Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte der Texte, die auch im Unterschied zu den BSLK die Ergebnisse neuerer Forschung berücksichtigt. Darin befinden sich auch die Hinweise auf die Quellen und Materialien, die sich in Quellen und Materialien, Band I (QuM 1), 5–34, befinden. Darin werden mit wissenschaftlichen Einleitungen von Adolf Martin Ritter Texte und Kontexte abgedruckt, die für die wissenschaftliche Arbeit mit den altkirlichlichen Symbolen von Relevanz sind. Der äußerst komplexen Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte der Confessio Augustana trägt die Einleitung, die die übrigen Einleitungen in den BSELK um Länge und Detailreichtum übertrifft, völlig Rechnung. Es ist bemerkenswert, dass der Ur- und Grundtext evangelisch-lutherischen Kirchseins so viele Textzeugnisse bzw. Varianten hat, doch wiederum verdankt sich diese textuelle Vielfalt der historischen, systematischen und politischen Bedeutung dieses Bekenntnisses. Hinzu kommt die Tatsache, dass die am 25. Juni 1530 in Augsburg verlesenen und übergebenen – und also reichsrechtliche Relevanz aufweisenden – Texte verschollen sind. Für den Abdruck in den BSELK entschieden sich Herausgeberin und Bearbeiter, hier Gottfried Seebaß (+ 2008) und Volker Leppin, für die Editio princeps des deutschen und lateinischen Textes der CA von 1531. Demnach wurde ein Text zugrundegelegt, „der 1. in dieser Fassung nachweislich existiert hat und 2. von seinen Autoren selbst als gültige Fassung angesehen wurde“ (73). Somit wird hier gemäß den Editionsrichtlinien der BSELK auf eine Textrekonstruktion verzichtet, wie es in den BSLK von 1930 noch der Fall war, wobei allerdings die Rekonstruktion damals die in der Forschung umstrittene sog. Mainzer Abschrift als Grundlage hatte (BSLK, XIX). In diesem Sinne bieten die BSELK einen CA-Text, der bereits 1531 zumindest durch die Drucklegung als autorisiert galt. Angesichts der Fülle von Abschriften und Varianten dürfte dies nicht von unerheblicher Bedeutung sein. Die Verlagerung größerer Textpassagen und sogar ganzer Texte der Vordokumente sowie der Varianten auf den Quellen und Materialien Band (QuM I), während der Apparat „nur eindeutig zuzuordnende knappe Varianten“ (74) darstellt, sorgt für Aufgeräumtheit und Eleganz im Hauptband; ein dankbarer großer Unterschied zur Unübersichtlichkeit in den BSLK. In einzelnen Fällen (Art. IV, XX, XXVII, XXVIII) sind die Textvarianten im entstehungsgeschichtlichen Bereich so groß, dass die Texte im Hauptband parallel abgedruckt werden. In QuM 1, 35–218, werden mit wissenschaftlichen Einleitungen von Volker Leppin folgende Texte abgedruckt: Schwabacher Artikel, Marburger Artikel, Deutsche Übersetzung der lateinischen Fassung von Ende Mai/Anfang Juni 1530 (Na), Entwurf der Vorrede Juni 1530 (Wa), Abschrift Spalatins (Weil 1) in Auszügen, Bran-

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denburg-Ansbachische Lehrfassung (Nü1), Entwurf der Vorrede und des Schlusses Juni 1530 (Ja), Ansbacher Exemplar (Nü2) in Auszügen, Confessio Augustana variata prima 1533 (W33R) in Auszügen, Confessio Augustana variata secunda 1540 (W40R) und Confessio Augustana variata tertia 1542 (W42R). Bezüglich des lateinischen Textes der Apologie der Confessio Augustana stellt sich die Editionsproblematik zunächst als die grundsätzliche Entscheidung zwischen der Editio princeps vom Ende April / Anfang Mai 1531 oder der Editio secunda vom Anfang September desselben Jahres dar. Während die BSLK von 1930 die Editio princeps oder sog. „Quartausgabe“ abdruckte, entschieden sich Herausgeberin und Bearbeiter, hier Christian Peters, in den BSELK für die Editio secunda, die sog. „Oktavausgabe“. Letztere war die von Melanchthon selbst präferierte Ausgabe, denn während er erstere unter Zeitdruck verfasst hatte und sie als unfertig, besonders hinsichtlich des Rechtfertigungsartikels, betrachtete, war der neuüberarbeitete Text viel kürzer und im Rechtfertigungsartikel viel präziser (vgl. 232f). Die Entscheidung zwischen dem „ursprünglicheren“ und dem „besseren“ Text war allerdings auch Thema bei den ersten Editionen des lateinischen Konkordienbuches: während die Ausgabe von 1580 den Oktavtext bot, erschien die Ausgabe von 1584 mit dem früheren Quarttext. Was die BSELK von 2014 angeht, ist Peters zuzustimmen, „dass die Editio secunda, der Oktavtext vom September 1531, der für die Reformationszeit selbst bestimmende Text der lateinischen Apologie gewesen ist. Auch unter theologischen und formalen Gesichtspunkten ist ihm, anders als dies seit 1584 durchweg geschehen ist, der Vorrang vor dem Quarttext einzuräumen“ (233). Der gebotene deutsche Text, der „keine Übersetzung im eigentlichen Sinne [ist], sondern eine kommentierende Umschreibung“ (234), folgt dem Text von Justus Jonas von 1531, der sowohl den Quart- als auch den Oktavtext miteinbezieht. Hier greifen BSLK und BSELK auf dieselbe Textgrundlage zu. Unter Bearbeitung von Christian Peters und Rafael Kuhnert sowie Mitwirkung von Bastian Basse sind in QuM 1, 219–798, folgende Text zu finden: Melanchthons Thesen für den kaiserlichen Prediger Aegidius (1./2. Juli 1530), Die evangelischen Mitschriften der Confutatio (3. Aug. 1530), Der Windsheimer Bericht über den Inhalt der Confutatio (4. Aug. 1530), Die durch Cochlaeus überlieferte Zusammenfassung der Confutatio, Die Wolfenbütteler Handschrift (Codex Guelferbytanus „Grundschrift Spalatins“, ca. 11. Aug. 1530), Die Dresdner Handschrift (Codex Chytraenus), Die Schwäbisch Haller Handschrift (Codex Hallensis), Die Kasseler Handschrift (Codex Casselanus), Die frühe „Wittenberger Redaktion“ der deutschen Apologie, Die Quartausgabe der lateinischen Apologie (April/Mai 1531), Disputatio, quare fide iustificemur, Die Oktavausgabe der deutschen Apologie (1533) sowie Das Sondergut der zweiten „Oktavausgabe“ der deutschen Apologie (1540). Der Text der Schmalkaldischen Artikel in den BSELK folgen in der deutschen Fassung der von Luther selbst in Auftrag gegebenen Editio princeps von 1538, in der lateinischen Fassung dem Abdruck im Konkordienbuch von 1584. Die BSLK von 1930 entschieden sich beim deutschen Text gemäß ihrer Anlage für Luthers eigene

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Niederschrift von 1536, wobei die von ihm selbst vorgenommen Änderungen für den Druck 1538 in nach außen gerückten Spalten abgedruckt werden; beim lateinischen Text für den im Konkordienbuch 1580 abgedruckten Text mit den Varianten des Konkordienbuchs von 1584. Für den kirchlichen und wissenschaftlichen Gebrauch sind die Entscheidungen der BSELK sinnvoller und editionstechnisch präziser. Allerdings ist die Einleitung von Hans-Otto Schneider zu knapp gehalten, was das Nachvollziehen mancher Tradierungswege und Editionsentscheidungen erst auf den zweiten Blick ermöglicht. In QuM 1, 799–879, werden unter Bearbeitung von Klaus Breuer und Hans-Otto Schneider folgende Texte abgedruckt: Unterschriftenliste der Schmalkaldischen Artikel von 1537 und Die Schmalkaldischen Artikel in lateinischer und englischer Übersetzung von 1541/42 und 1543. Der lateinische Text des De potestate et primatu papae tractatus in den BSELK folgt dem im lateinischen Konkordienbuch von 1584 abgedruckten Text; der deutsche Text dem im Konkordienbuch von 1580 erschienenen. Im ersten Fall handelt es sich um die ursprünglichere Fassung; im zweiten auf eine von Veit Dietrich angefertigte Übersetzung, die 1541 im Druck erschien. Dagegen boten die BSLK von 1930 als lateinischen Text die Abschrift Spalatins von 1537 und als deutschen Text eine stark korrigierte Übersetzung Veit Dietrichs ebenfalls von 1537. Hier zeigen sich erneut die unterschiedlichen Konzepte der beiden kritischen Editionen, wobei in Bezug auf die Bedeutung von Bekenntnisschriften nicht die textkritische Rekonstruktion eines (möglichen) Originals wie in den BSLK, sondern der Abdruck der Editio princeps bzw. des Textus receptus wie in den BSELK die sinnvollste Methode sein dürfte. Die Einleitung von Klaus Breuer ist zwar knapp, aber dem Tractatus, der irrtümlicherweise schon sehr früh als ein Anhang der Schmalkaldischen Artikel rezipiert wurde, angemessen. Zum Tractatus werden in QuM 1 keine Texte und Kontexte abgedruckt. Herausgeberin und Bearbeiter entschieden sich bezüglich des Großen und Kleinen Katechismus Martin Luthers für die Texte nach dem deutschen Konkordienbuch von 1580 und seiner lateinischen Fassung von 1584, allerdings musste man hier auf verschiedene Ausgaben der Konkordienbücher zugreifen, denn es gab bekanntlich regionale Unterschiede, was den Abdruck der Tauf- und Traubüchlein sowie der „Vermahnung zur Beichte“ angeht. Dieses Konzept unterscheidet die BSELK von den BSLK von 1930, die für den deutschen Text des Kleinen Katechismus den Schirlentz-Druck (Wittenberg 1531), für den deutschen Text des Großen Katechismus den Rhaw-Druck (Wittenberg 1529), für den lateinischen Text des Kleinen Katechismus wiederum den früheren Schirlentz-Druck (Wittenberg 1529), für den lateinischen Text des Großen Katechismus den Setzer-Druck (Hagenau 1529) präferierten; dabei wurden freilich Vorreden, Tauf- und Traubüchlein sowie die „Vermahnung zur Beichte“ aus anderen Quellen genommen. Diese Textkollage war, wie bereits erwähnt, der Anlage der BSLK geschuldet, denn es sollte der ursprünglichere Text bzw. seine Rekonstruktion geboten werden. Die neue Edition der BSELK verzichtet

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erfreulicherweise auf diese Methode und bietet die Fassung, „deren Bedeutung sich aus der Rezeption und Wirkungsgeschichte ergibt, die die Katechismen Luthers mit der Verbreitung des Konkordienbuchs im weltweiten Luthertum erfahren haben“ (846). Dies dürfte nicht nur in rezeptionsgeschichtlichem, sondern auch in bekenntnisrelevantem Sinne von großer Bedeutung sein. Die BSELK drucken auch erstmals „die mit dem Text des Kleinen Katechismus eng zusammengehörenden bildlichen Darstellungen aus dem lateinischen Konkordienbuch von 1584“ (V) ab. Leider sind die Abbildungen zu klein geraten, was in zukünftigen Auflagen hoffentlich verbessert wird. Eigens zu erwähnen ist noch die schöne Einleitung von Robert Kolb, die nicht nur einen technischen Überblick über die Rezeptionsgeschichte der Texte, sondern auch eine kurze Skizze über die Bedeutung und Entwicklung der religiösen Unterweisung seit dem Alten Testament bietet. Zu den Katechismen sind in QuM 1, 881-922, bearbeitet von Robert Kolb und Johannes Schilling, folgende Text zu finden: Tauf- und Traubüchlein – lateinische Fassung, Vermahnung zur Beichte – lateinische Fassung, Katechetische Texte aus Luthers Tischreden und Katechismuslieder aus dem Babstschen Gesangbuch. Die – mit den anderen Einleitungen verglichene – lange Einleitung von Irene Dingel zur Bearbeitung der Konkordienformel entspricht der langen, komplizierten und ereignisreichen Entstehungsgeschichte dieser Bekenntnisschrift. Die Einleitung selbst teilt sich in Vorgeschichte, kurze Skizzen über die theologischen Streitigkeiten, Entstehung von Corpora Doctrinae bzw. Konsenssuche, Druckgeschichte und technische Angaben zu den verwendeten Quellen. Besonders für Theologiestudierende dürfte diese Einleitung von großem Nutzen sein. Die gebotenen deutschen Texte von Epitome, Solida Declaratio, Catalogus Testimoniorum und Vorrede „folgen dem ersten Druck des Konkordienbuchs, Dresden 1580, und repräsentieren damit die Texte, die nicht nur rechtliche Relevanz, sondern auch Bedeutung in den sich anschließenden kontroversen Diskussionen erlangt haben“ (1178). Die lateinischen Texte folgen den im Konkordienbuch, Leipzig 1584, abgedruckten. Eine abweichende Verfahrensweise gibt es allerdings beim Abdruck des Catalogus, denn hier wird nur die deutsch-lateinische Fassung wiedergegeben, während die lateinisch-griechische Fassung als Textvariante geboten wird. Die BSLK von 1930, die vergleichsweise auch damals eine längere Einleitung in die Konkordienformel boten, druckten den deutschen Text der Konkordienformel nach dem Urschrift von Jakob Andreae von 1577 ab, den lateinischen nach dem lateinischen Konkordienbuch von 1584 „mit den wichtigeren Abweichungen“ (BSLK, XLIV) im Konkordienbuch 1580. Hierzu zeigt sich einmal mehr, dass es sinnvoller ist, in einer Edition von Bekenntnisschriften nicht einen Ur- oder rekonstruierten Text, das heißt einen Text, der nicht offiziell approbiert wurde, abzudrucken, sondern den Text, der tatsächlich gedruckt und somit (breit) rezipiert wurde. QuM 2 (643 Seiten) widmet sich ausschließlich der Konkordienformel. Mit den jeweiligen wissenschaftlichen Einleitungen und Bearbeitungen von Hans-Christian Brandy, Marion Bechtold-Meyer und Irene Dingel werden hier die Vorstufen der

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Buchschau

Konkordienformel dargeboten: Die fünf Artikel (1568/69), Die Sechs Predigten (1573), Die Schwäbische Konkordie (1573/74), Die Schwäbisch-Sächsische Konkordie (1575), Die Maulbronner Formel (1576) und Das Torgische Buch (1576) abgedruckt. Außerdem werden auch die Vorstufen der Vorrede zu Konkordienformel und Konkordienbuch (1578–1580) geboten. In formaler Hinsicht unternimmt die Neuedition behutsame grammatische und zeichentechnische Eingriffe in die Quellentexte, um die Verständlichkeit zu erleichtern (1f). Eine weitere Verbesserung gegenüber BSLK 1930 ist die Tatsache, dass die wissenschaftlichen Einleitungen unmittelbar vor den Quellentexten stehen. Das erleichtert die Arbeit – besonders von Studierenden – mit dem Text. Allerdings sind die Einleitungen unterschiedlich detailreich, wenn sie über die Überlieferung der Schriften und die für die Edition getroffenen Entscheidungen Auskunft geben. Manche Einleitungen werden auch vollständig oder zum Teil im Hauptband und in QuM 1 bzw. QuM 2 doppelt abgedruckt. Darauf hätte man verzichten können. Für den Leser sind die Angaben der entsprechenden Seiten in den BSLK von 1930 in der abgedruckten Quelle von großem Wert, denn sie erleichtern ungemein den Abgleich. Es wird allerdings keine Absatzzählung mehr geboten, sodass die Zitierweise nach dem Muster „[Schrift], [Art.], BSELK, Seite, Zeile“ sich etablieren dürfte. Das Zitieren nach Schrift und Absatz ist mit der Verwendung der neuen Edition nicht mehr möglich. Ältere Zitate nach Schrift und Absatz werden wiederum in den BSELK nur vermittels der BSLK auffindbar sein. Der kritische Apparat der BSELK ist klassisch dreigeteilt in Textkritik, Wirkungsgeschichte und Sachbezug und wirkt insgesamt viel aufgeräumter – und somit übersichtlicher – als in den BSLK. Jeder der drei Bände bietet ein Abkürzungsverzeichnis, ein Verzeichnis der verwendeten Quellen und Sekundärliteratur, ein Personen-, ein Bibelstellen- und ein Sachregister. Einige Druckfehler, die in einer nächsten Auflage zu beheben sein werden, sind leider zu beklagen. Mag die eine oder andere Textentscheidung bezüglich von Textus receptus bzw. Editio princeps ggf. umstritten sein, doch das Gesamtpaket dieser Neuedition der Lutherischen Bekenntnisschriften ist ein äußerst gelungenes Werk, besonders im Vergleich mit der in formaler und konzeptioneller Hinsicht veralteten Edition von 1930. Die Entscheidung, zwei Quellen- und Materialienbände mit zu veröffentlichen ist zu begrüßen und ein wichtiger Gewinn für das Studium der lutherischen Bekenntnisschriften. Abgesehen von dem zusätzlich angebotenen Material, führte die Verlagerung von Texten vom Hauptband auf die Quellen- und Materialienbände zu einer übersichtlicheren Gestaltung des ersteren. Verglichen mit den BSLK von 1930 und nicht nur deswegen stellen die BSELK von 2014 einen Quantensprung im Sinne einer wissenschaftlichen Edition der lutherischen Bekenntnisschriften dar. Gilberto da Silva, Oberursel

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