Leuna: Ein germanischer Bestattungsplatz der spätromischen Kaiserzeit [Reprint 2022 ed.] 9783112610282, 9783112610275

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German Pages 182 [187] Year 1954

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Leuna: Ein germanischer Bestattungsplatz der spätromischen Kaiserzeit [Reprint 2022 ed.]
 9783112610282, 9783112610275

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D E U T S C H E AKADEMIE DER W I S S E N S C H A F T E N ZU B E R L I N S C H R I F T E N DER S E K T I O N FÜR VOR- U N D F R Ü H G E S C H I C H T E BAND I

LEUNA EIN G E R M A N I S C H E R B E S T A T T U N G S P L A T Z DER S P Ä T R Ö M I S C H E N K A I S E R Z E I T

VON

WALTHER SCHULZ

MIT B E I T R Ä G E N VON H . G R I M M , O.F. GANDERT UND

H.H.WUNDSCH

mit 41 Tafeln und 97 Abbildungen im Text

19

5 3

AKADEMIE-VERLAG

• BERLIN

Erschienen im Akademie-Verlag, Berlin NW 7, Schiffbauerdamm 19 Lizenz-Nr. 202 • 100/37/52 Satz und Druck: C. G. Röder in Treuhandverwaltung, Leipzig - III/18/2 - 39 587 Bestell- und Verlagsnummer: 2044/1 Printed in Germany

Zur Einführung Am 5. April 1952 wurde bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften .zu Berlin eine Sektion für Vor- und Frühgeschichte gegründet, in der die berufenen Vertreter des Faches und der Nachbarwissenschaften auf dem Gebiete der Deutschen Demokratischen Republik ihren Zusammenschluß gefunden haben. Auf diese Weise soll eine Entwicklung nachgeholt werden, die im Westen bereits vor 50 Jahren zur Gründung, der Rom.-Germ. Kommission in Frankfurt geführt hat und von der eine ungeahnte Belebung der Forschung ausgegangen ist. Als eine ihrer vornehmsten Aufgaben betrachtet die Sektion die Herausgabe einer Schriftenreihe. Sie hofft .damit eine vorhandene Lücke zu schließen und einem aus den Kreisen der Fachwelt mehrfach geäußerten Wunsche entgegenzukommen. Die Bände sollen in zwangloser Folge erscheinen und bedeutsame Einzelfunde, Inhalte von Gräberfeldern und Siedlungen, die Ergebnisse größerer Ausgrabungen, sowie Bestandsaufnahmen bestimmter Bodendenkmäler und Fundgruppen der Forschung zugänglich machen. Wir geben unserer Freude darüber Ausdruck, daß die neue Schriftenreihe mit den Grabfunden von Leuna eröffnet werden kann, deren Herausgabe von der gesamten europäischen Forschung seit langem erwartet wird. Durch die in ihnen enthaltenen Importstücke sind sie nicht nur für die eigentliche Vorgeschichte, sondern auch für die Römerforschung an Rhein und Donau von besonderer Bedeutung. In diesem Sinne bildet der vorliegende Band eine willkommene Ergänzung zu der bereits früher durch Herrn Schulz erfolgten Veröffentlichung der Fürstengräber von Haßleben. Unverzagt Vorsitzender

der

Sektion

Vorwort Die Veröffentlichung der Grabfunde von Leuna, die zu dem wertvollsten Besitz des Landesmuseums in Halle gehören, ist schon längst fällig. Als zu den Funden von 1917 die des Jahres 1926 gekommen waren, konnte mit Recht angenommen werden, daß damit die noch erreichbaren Reste eines besonders hervorragenden BegräbnispJatzes erschöpft waren, denn die Erdbewegungen und Bebauungen lassen es aller Voraussicht nach leider ganz unwahrscheinlich erscheinen, daß hier noch einmal, den Fund von 1834 eingerechnet, zum vierten Male, mit kostbaren Schätzen bestattete Tote wieder aufgefunden werden könnten, trotzdem wir wissen, daß nur einige von den Gräbern der Wissenschaft zugänglich gemacht worden sind. Die Bekanntgabe dieser Funde stand zweifellos dem Direktor der damaligen Landesanstalt Prof. H A H N E zu. Erst als ich die Haßlebener Gräber bearbeitet und im Jahre 1933 veröffentlicht hatte, lag es wohl nahe, daß ich auch die Veröffentlichung der Leunaer Gräber übernähme, zumal da sich H A H N E mehr anderen Aufgabengebieten zugewandt hatte. Eine Verpflichtung wurde sie erst für mich, als ich nach dem Ableben von H A H N E im Jahre 1935 dessen Nachfolger als Direktor der Landesanstalt geworden war. Indessen hatte nun auch ich zunächst nicht die Muße, mich dieser Aufgabe zu widmen. Zur Bearbeitung fand ich erst in den Kriegsjahren Zeit. So lag ein Manuskript mit Abbildungen einigermaßen fertig vor, als die zunehmende Gefahr der Vernichtung zu einer Sicherung des Fundmaterials wie auch seiner Bearbeitung zwang. Jahrelang mußte das Manuskript noch ruhen, als bereits die Waffen schwiegen. Im Jahre 1951 eröffnete sich endlich die Aussicht, daß von der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Berlin dank den Bemühungen von Prof. UNVERZAGT und Prof. J A H N die Leunaarbeit zum Druck übernommen wurde1). Nun ergab sich die Notwendigkeit einer nochmaligen Überarbeitung, um auch die neuere Literatur, soweit sie mir zugänglich war, zu berücksichtigen. Schließlich konnte wenigstens noch in Anmerkungen das grundlegende Werk von Hans Jürgen E G G E R S : „Der römische Import im freien Germanien" herangezogen werden. Eine engere Verbindung mit dem Leunatext durch Hinweise herzustellen, war ich von Anfang an bemüht. Da aber inzwischen durch Kriegseinwirkungen diese Arbeit wohl nicht mehr so leicht zu beschaffen ist, wie vorher, schienen mir neben den Hinweisen auch Wiederholungen nicht überflüssig zu sein. Für die Bearbeitung der Tierknochenreste war bereit« zur Kriegszeit Dr. 0. F. G A N D E R T gewonnen worden, und auch die der Fischreste war damals von Prof. W U N D S C H durchgeführt worden. Die Untersuchung des menschlichen Skelettmaterials hat erst im Jahre 1951 Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Hans GRIMM in dankenswerter Weise übernommen. Was zu der Literaturzitierung zu sagen ist, sei hier gleich angeschlossen. Von Abkürzungen, die eine Erklärung benötigen, sind nur angewandt: Jahresschrift Halle = Jahresschrift für die Vorgeschichte der sächsisch-thüringischen Länder (seit 1941 für mitteldeutsche Vorgeschichte), Provinzialmuseum, Landesanstalt, Landesmuseum in Halle. SCHULZ, Haßleben = Walther SCHULZ: Das Fürstengrab und das Grabfeld von Haßleben. Röm.-germ. Forschungen Bd. 7, Berlin und Leipzig, W. de Gruyter, 1933. Als ich für die Jahresschrift Halle 1950 (siehe Anmerkung 1) einen Abschnitt aus der Arbeit vorausnahm, war mir die baldige Druckmöglichkeit noch nicht bekannt.

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Voiwort

H . J . EGGERS, Der römische Import 1951 = H . J . EGGERS : Der römische Import im freien Germanien. Atlas der Urgeschichte Bd. 1. Hamburg, Selbstverl. Hamburgisches Museum für Völkerkunde und Vorgeschichte. Bei wiederholter Zitierung ist mit Nennung des Verfassers auf die Anmerkung hingewiesen, die das Zitat ausführlicher enthält.

Februar 1953.

Walther Schulz

Inhalt Zur Einführung Vorwort

3 ; . . .

5

Inhalt

7

Fundort und Funde

9

Die Gräber und ihr Inhalt

11

Die Grabfunde, 1917 Die Grabfunde 1926 Die Grabfunde 1834

11 16 31

Zusammenfassende und vergleichende Betrachtung Bestattungssitte Reich ausgestattete Körpergräber in Mitteldeutschland Reich ausgestattete Körpergräber in weiteren Gebieten Aufnahme der Bestattungssitte in Mitteldeutschland Lage des Bestattungsplatzes Grabanlage Beigaben Speise- oder Opferbeigaben Goldobolus Sporen Pfeilspitzen Schmuck (Armring, Fibeln, Fingerringe) Gürtelschnallen Gegenstände der Körperpflege Bronzenadeln Frage des Gebrauchs von Eisengegenständen Geschirrausstattung Tongefäße Bronzegeschirr Glasgefäße Silberschalen Silberlöffel Elfenbeinkästchen ' Holzeimer Holztablett Brettspiel Zur provinzialrömischen Einfuhr Zeitbestimmung der Gräber

35 35 35 37 40 41 42 44 44 46 47 49 50 52 53 54 54 54 55 60 61 62 62 63 63 63 63 66 67

Inhalt

8

69

Geschichtliches Zu den gesellschaftlichen Verhältnissen Zur Herkunft der Bevölkerung Zur Einordnung in die geschichtlichen Zusammenhänge

69 69 72



Anhang I Hans Geimm : Anthropologische Bemerkungen zu den Gräbern von Leuna . . . . Anhang

74

II

0 . F. Gandekt : Die Säugetier- und Yogelreste aus den Gräbern von Leuna Anhang III H. H. Wundsch: Bestimmung der Fischreste, Grab 3, 1926

. . .

85 95

Fundort und Funde Südlich von Merseburg liegt an der Saaleniederung das Dorf Leuna, das dem gewaltigen Industrie werke seinen Namen gegeben hat. Dieses Dorf wieder ist aus den zwei Ortschaften Ockendorf und Leuna zusammengewachsen. Das Hochufer der Saale, das bei dem entsprechend gelegenen Dorfe Rössen von Osten nach Westen streicht, wendet sich hier, eine Mulde bildend, nach Norden, wobei das Gelände in diesem Abschnitte allmählich zur Saale abfällt. Die hier besonders breite Saaleniederung läßt noch im Wasserlaufe der alten Saale und in toten Saaleschlingen erkennen, daß die Saale ihr Bett wiederholt wechselte. In dieser Gegend ist ein Saaleübergang nicht anzunehmen. Die breite, feuchte Niederung wirkt eher abgrenzend, die Gewässer mochten aber zu Fischfang, die Bruchwälder zur Jagd einladen. Die sich östlich und südöstlich an Leuna anschließende Terrasse hatte bereits in der jüngeren Steinzeit besondere Bedeutung für die Besiedlung, denn hier hatte sich bei dem Dorfe Göhlitzsch die Sippe der Schnurkeramiker niedergelassen, die einem der Ihrigen in der berühmten Steinkammer eine für damalige Zeit hervorragende Bestattung bereitete. Bei dem Dorfe Rössen siedelte eine Bevölkerung, deren mit Prunkkeramik ausgestattete Gräber einer Kultur den Namen gegeben haben. Dazu kommt der mächtige Grabhügel bei Rössen, der seit der Steinzeit bis zum älteren Mittelalter als Bestattungsstätte angezogen hat. Die Anlage des Leunawerkes gab bei ständigen Bodenarbeiten eine erwünschte Gelegenheit, vorund frühgeschichtliche Besiedlungsreste aufzudecken. Es muß hier verzichtet werden, auf die Fülle der Fundstätten auch nur in einer Aufzählung hinzuweisen, die sich weiter in Richtung auf Merseburg fortsetzen, dem Platze, der seit je als Saaleübergang Bedeutung hat. Die Saaleterrasse westlich von Leuna war durch eine Kiesgrube und dann durch Bauarbeiten aufgeschlossen. Hier sind die Grabstätten gefunden worden, die uns in dieser Veröffentlichung beschäftigen. Der Bestattungsplatz hat hart östlich vom alten Dorfe Leuna gelegen, also da. wo die Hochterrasse mit einer Muldenbildung nach Norden umbiegt. Auf der Lageskizze Abb. 1 ist die Stätte mit einem Kreise umschlossen, wobei die Straßengabelung der Kötzschener und früheren Merseburger Straße, jetzt Friedrich-Ebert-Straße, eingezeichnet ist, die für die Grabungen von 1917 und 1926 von Bedeutung ist. Von der zugehörenden Siedlung ist trotz der umfangreichen Bodenbewegungen keine Spur bekannt geworden, vermutlich hat sie nach dem Saaletal zu an der Mulde gelegen, möglicherweise ist sie daher von dem heutigen Dorfe Leuna überdeckt. In der genannten Kiesgrube wurden bereits im Jahre 1834 Funde geborgen, die später mit einer Privatsammlung in das Britische Museum von London ge-, langten. Als im Jahre 1917 im Zusammenhange mit dem Aufbau des Leuna Werkes Straßenzüge angelegt wurden, stieß man wiederum auf Gräber dieser Gruppe. Und endlich sind im Jahre 1926 in der Nähe dieser Stelle noch einmal Gräber entdeckt worden. Es handelt sich allem Anschein nach um Teile eines einheitlichen Begräbnisplatzes der spätrömischen Zeit. In der folgenden Fundbeschreibung werden zuerst die Grabfunde von 1917, anschließend die von 1926 und nur als Ergänzung die von 1834 des Londoner Museums behandelt. In der Nähe, gleichfalls an der Kötzschener Straße, wurden Gräber der Merowingerzeit etwa aus dem 6. Jahrhundert und vielleicht aus noch späterer Zeit aufgefunden (Landesmuseum Halle und Museum Merseburg), zu dieser Gruppe gehört vielleicht auch das im Jahre 1926

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WALTHER SCHULZ

aufgedeckte Grab 4. Da ein Zusammenhang zwischen den Gräbern der spätrömischen Zeit und denen der Merowingerzeit durch überleitende Funde nicht zu erkennen ist, wird von der Mitbehandlung dieser jüngeren Gruppe in der vorliegenden Arbeit abgesehen. Die Möglichkeit einer fortdauernden Belegung des Bestattungsplatzes und eines Weiterbestehens der

Abb. 1. Lageskizze der Fundstelle, 1:25 000. 1 Bestattungsplatz bei Leuna. 2 Bestattungsplatz. bei Merseburg.

Ortsgrenze.

Siedlung ist zwar nicht von der Hand zu weisen, aber nach den bisherigen Funden nicht gesichert. Bei der weitgehenden Umgestaltung des Geländes in den vergangenen Jahren müßte es als besonderer Glücksfall angesehen werden, wenn noch in Zukunft durch Neufunde dieser Zusammenhang festgestellt werden könnte. Im Jahre 1943 wurde in einem Schrebergarten an der Torstraße, in der Saaleniederung am alten Ortsteil Ockendorf, ein Körpergrab des 4. Jahrhunderts aufgefunden. Das Skelett soll in Rückenlage mit angezogenen Beinen in Richtung von Nord nach Süd gelegen haben. Es konnten noch die Reste einer Bronzefibel und das Bruchstück einer bräunlichgrauen Tonschale geborgen werden (Museum Halle 43 : 225) Abb. 2 u. 3. Vielleicht haben hier, kaum y 2 km nordöstlich unserer Fundstelle, noch weitere ärmlicher ausgestattete Gräber gelegen, die unseren Gräbern zeitlich entsprechen. In der Merseburger Gemarkung liegt etwa 1 km nordwestlich der 2 3 Leunaer Gräber auf dem Galgenberge ein BeAbb. 2. Bruchstücke einer Bronzefibel, Vi Gr. s t a t t U n g s p l a t z mit Urnen- und Körpergräbern, Abb. 3. Profil einer Tonschale, 1 / 2 n. Gr.

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der im 3. Jahrhundert einsetzt und bis m das 5. Jahrhundert reicht (Abb. 1 Fundstelle 2)1). Bei der Nachbarschaft mit dem Leunaer Bestattungsplatze bieten sich hier wichtige Einblicke in die gesellschaftlichen Verhältnisse derZeit. !) W. SCHULZ, Zwei Bestattungsplätze bei Merseburg, in: Jahresschrift Halle 34, 1950, S. 154 ff.

Die Gräber und ihr Inhalt Die Grabfunde 1917 Bei Anlage der Merseburger Straße und der Kötzschener Straße wurden im Jahre 1917 Gräber festgestellt. Die folgenden Ausführungen beruhen auf dem Berichte von Paul B E B G E B von der Landesanstalt für Vorgeschichte, der am 27. 10. die Fundstelle aufsuchte. Umherliegende Knochen deuteten auf ein Grab. Dieses Grab wird hier als Grab 3 bezeichnet, um für die zwei übrigen Gräber mit Beigaben die von Berger gegebene Bezeichnung Grab 1 und Grab 2 beizubehalten. 15—20 m östlich von Grab 3 war Grab 1 angeschnitten worden. Grab 1 Nach Aussage des Schachtmeisters lagen die Fundgegenstände 1,25—1,50 m tief. Zu dem Grabe gehörten sehr viele Steine. Einige von diesen Sandsteinstücken lagen noch umher, auch konnten Scherben aufgelesen werden. Gefunden wurden ferner drei Tongefäße, und zwar ein Faltenbecher, eine auf Drehscheibe hergestellte Schale und eine gleichfalls auf Drehscheibe gearbeitete Fußschüsse]. Die Gefäße sollen gelegen, nicht gestanden haben. Das Grab lag zum Teil noch unberührt unter dem alten Feldwege. Am 30. 10. 1917 wurde der Rest von Berger untersucht. Es fand sich in 1,75 m Tiefe ein waagerecht liegender Einschluß im gelben Kiese, der, im Durchschnitt langoval, 70 cm in der Breite und 35 cm in der Höhe maß und an den Rändern Holzstruktur erkennen ließ. Dieser Rest setzte sich 32 cm weit nach Süden hin fort und lief in ein etwas schräg nach oben gerichtetes Holzbrett aus, das noch 20 cm weiter zu verfolgen war. Die Holzeinlage war nach Berger vielleicht der Rest eines Sarges aus -zwei Brettern, der sich mit dem Kiese der Umgebung gefüllt hatte. Das Grab mit den Skelettresten eines Erwachsenen war etwa von Norden nach Süden gerichtet. Die Tongefäße Faltenbecher (17: 188b), Tai. I, 1 u. Abb. 4, Drehscheibenarbeit H. 26,5, Randdm. 10, Bodendm. 7 cm, außen bis zur Innenseite des Randteiles schwarzglänzend geglättet, die Innenwandung grau, Tonmasse hellbräunlichgrau, 5 langgezogene Dellen. Form der provinzialrömischen Faltenbecher. Fußschale (17 :188a), Taf. 1,2 u. Abb. 5, Drehscheibenarbeit H. 9, Randdm. 12,2, Bodendm. 5 cm, hellgrau, an einer Seite wohl durch Eisenoxyd rötlichbrauner Anflug. Fußschüssel (17: 188c), Taf. I, 3 u. Abb. 6, Drehscheibenarbeit, H. bis 9, Randdm. 20, Bodendm. 6,5 cm, graubräunlich. Tonmasse im Inneren heller. Grab 2, 19172) Im Anschlüsse an diesen Fund wurde ein weiteres Grab angeschnitten, das gleichfalls an der Kötzschener Straße lag. Die Untersuchung wurde von N . NIKLASSON im November durchgeführt. Auch hier war die Grabung dadurch erschwert, daß das Grab zum Teil unter dem benutzten Feldwege lag. Die folgenden Angaben beruhen auf dem Fundberichte von N. Niklasson im Archiv der Landesanstalt (dazu Abb. 7—9). Die Humusschicht war hier ) Das Grab bereits abgebildet beiW. SCHULZ. Die Skelettgräber der spätröinischen Zeit in Mitteldeutschland, in: „25 Jahre Siedlungsarchäologie". Mannusbibl. Nr. 22 1922. S. 102 Abb. 4. 2

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WALTHER

SCHULZ

L e u n a , ein germanischer Bestattungsplatz der spätrömischen Kaiserzeit

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50 cm stark, die Eingrabung im Kies hob sieh durch Verfärbung ab. Unter der Humusschicht betrug die Breite 1,60 m und verjüngte sich nach unten. In der Tiefe von 0,60—1,00 m unter der Oberfläche lagen mehrere kopfgroße Steine. In Tiefe von 1,50 m dürften Holzreste auf einen Holzsarg schließen lassen. Links und rechts davon war je ein 15 cm breiter Holzstreifen zu erkennen, von denen der linke als Eichenholz bestimmt werden konnte. Am südlichen Ende schienen beide Streifen, offenbar zwei starke Eichenbohlen, durch eine schmalere Querbohle von 5 cm Stärke verbunden zu sein, falls es sich hier nicht, was nicht sicher entschieden werden konnte, um den südlichen Abschluß des Sarges handelte. Von dieser Querbohle lief ein Holzstreifen von 10 cm Stärke schräg zur linken Längsbohle. Zwischen den beiden Längsbohlen waren die Seitenbretter des Sarges als schmale Streifen von 2—3 cm Stärke zu erkennen, ihr Abstand betrug 0,45 m. Die seitlichen Bohlen lagen mit ihrer Querkante etwa 10 cm höher als die Seitenbretter des Sarges, die Spuren der Querbohlen gingen zum Teil in das Querbrett des Sarges über. Der von Norden nach Süden gerichtete Sarg hatte eine Länge von 2,5 m und eine Breite von 0,45 m und war aus 2 cm starken Brettern zusammengesetzt. Das südliche Abschlußbrett war rechtwinklig, das nördliche dagegen etwas schräg gestellt. 12 cm vor dem nördlichen Abschlüsse deutete eine dunkle Stelle von 6 cm Durchmesser anscheinend auf einen aufrecht stehenden Pfahl. Am Fußende des Bestatteten deuteten Spuren auf einen Holzkasten oder eine Holzabgrenzung. Grabausstattung

Der Tote war ausgestreckt in der Richtung von Nord nach Süd beigesetzt. Erhaltungszustand sehr schlecht, Schädel fast völlig vergangen. Die Größe des Bestatteten betrug etwa 1,50 m. Danach und nach der Zierlichkeit der Sporen dürfte es sich um eine jugendliche Person gehandelt haben. Im Munde des Toten ein Aureus des Tetricus. Hinter dem Kopfe ein Drehscheibenbecher. An der rechten Seite drei Pfeile mit nach oben gerichteten Spitzen aus Silber, in der Nähe eine kleine Glaskugel. In Gegend der linken Hand ein Goldfingerring, in der Beckengegend eine Schnalle. Am Fußende zwei Silbersporen. Bei dem linken Fuß ein Knochenkamm, eine Silberfibel und eine bronzene Nadel ohne Kopf. Zu dem Holzkasten bemerkt Niklasson, daß das vordere Brett gut zu erkennen war, während die Seitenbretter von den Sargbrettern kaum zu unterscheiden waren. Die Länge des vorderen Brettes betrug etwa 40, die Breite etwa 6 cm. Das eine Ende war schräg abgeschnitten, .es befand sich 60 cm von der südlichen Abschlußseite des Sarges, woraus geschlossen werden kann, daß der Kasten auch diese Länge gehabt hat. Verschiedene winklig gebogene Beschläge und Nieten aus Bronze gehörten dazu. Hier fanden sich ein flacher Bronzeteller, eine profilierte Tonschale, ein Tonkumpf, eine Fußschüssel aus Ton, eine umgestülpte Silberschale, Kelle mit Sieb aus Bronze, gleichfalls umgestülpt, und eine Glasschale (Geschirrgruppe Abb. 10). In und über der Schüssel lagen Tierknochen. Am nördlichen Rande des Tellers wurden Lederreste mit darüber geflochtenem Faden beobachtet, „von derselben Art, wie noch heute an Jagdtaschen zu sehen". Die Speisebeigaben der Schüssel wurden von O. F. GÄNDERT als Teile eines Huhnes und eines Spanferkels bestimmt; Reste eines Hahnes deutet er als Opfer (siehe Anhang). Funde

Silberfibel provinzialrömischer Form mit drei Kopfknöpfen und Scharnierkonstruktion (17 : 452 j) Taf. II, 1 u. Abb. 16, zum Teil vergoldet. Bügelknopf und Endknöpfe der Achsenhülse tragen an der Basis eine Querrille, die zur Aufnahme eines Schmuckdrahtes bestimmt sein könnte. Die Knöpfe sowie die Nadel bestehen aus vergoldeter Bronze. Die Achsenhülse ist achtflächig. Der sechsflächige Bügel führt auf der Mittelfläche eine Reihe übereinander gestellter dreieckähnlicher Einschläge mit Nielloeinlage, auf den beiderseits anschließenden seitlichen Flächen zum Teil rankenförmige gleichfalls niellierte Einschläge. Der Bügelabschluß ist mit feinem vergoldeten Bronzedraht mehrfach umwunden, dem sich ein silbernes

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WALTHER SCHULZ

gekerbtes Drahtringelchen ansehließt. Der Fuß schließt in der Breite des Bügels gerade ab und ist auf der Unterseite zu einer Tülle als Nadelhalter umgehämmert. Die Oberseite ist zum Teil abgekantet, unterbrochen von quergerillten Stegen. Die Mittelflächen der abgekanteten Strecken setzen das Niellomuster der Bügelmitte fort. Silberschnalle (17 : 452f), Taf. I I , 6. Die Achse aus Silber hält den weit ausladenden, auf der Unterseite flachen, auf der Oberseite abgedachten bis 4,2 cm weiten Rahmen, den Dorn und die Ansatzplatte aus einem um den Rahmen gelegten, ursprünglich rechteckigen Silberblech. Drei silberne Pfeilspitzen (17: 452 c), Taf. I I I , 2. Die Pfeilspitzen stimmen nicht ganz in Größe und Form überein, Blätter annähernd rautenförmig; bei der größten, Länge 9 cm, und der kleinsten, Länge 8 cm, ist die größte Breite des Blattes näher nach der Blattmitte gerückt als bei der mittleren, Länge 8,5 cm, bei der die Breite im unteren Drittel liegt. Die Herstellungstechnik ist die gleiche. An der durch Umbiegen des Bleches gebildeten Tülle ist der Schlitz nicht verhämmert. Die beiden Blatthälften sind gegeneinander versetzt, so daß das Blatt beiderseits nur ein wenig abgedacht und zur Hälfte flach ist. In den Pfeilspitzen haben sich die Reste der Schäftung erhalten, die nach der Untersuchung von W. v. STOKAR eher aus Pappel- als aus Weidenholz bestehen. Silbersporen (17 : 452u, v), Taf. I I I , 1. Typus der spätrömischen Nietsporen3). Die Schenkel von verschiedener Länge und Biegung, Oberseite der Schenkel gerundet mit Neigung zur Fazettierung. Unterhalb des Stachels kleiner stumpfer Fortsatz. Stachel in den Schenkel eingenietet, in der Mitte anschwellend, Spitze konisch. Eine weitere Ausschmückung scheinen nur die gestreckteren Schenkel und der aufsteigende Ast getragen zu haben. Allerdings können die auf die Endplatten aufgelöteten von einem Perldraht umgebenen Hohlbuckelchen leicht verlorengegangen sein, doch ist es auffallend, daß nur an den genannten Sporenteilen ein umgelegtes vergoldetes Preßblech mit Perldrahteinfassung erhalten ist. Goldfingerring (17 : 452e), Taf. II, 2. Die ovale Platte geht an der einen Seite in den innen flachen, außen gewölbten Ringbügel über, dessen anderes Ende auf die Platte aufgelötet und aufgehämmert ist. Auf der Platte ovaler flach geschliffener Karneol mit Merkurbild in Kastenzarge, eingefaßt von zwei gewundenen Drähten. Auch die Bügelansätze sind mit drei gewundenen Drähten geschmückt, von denen der mittlere auf den beiden anderen aufliegt. Innere Weite: 1,7—1,8 cm; Bügelbreite 0,3 cm. Aureus des Tetricus (268-273) (17: 452d), Taf. II, 3. Vs.: Kopf des Kaisers mit Lorbeer nach rechts. Umschrift: I M P C T E T R I C U S P F A U G Rs.: Weibliche Gestalt mit Helm, Szepter und Zweig, sitzend davor Lorika. Umschrift: V I R T U S AUG Kamm (17 : 452g), Taf. I I , 7. Die drei Lagen sind mit Bronzenieten zusammengehalten. Breite 12,5, H. des Griffteils 5,1, Dreilagenstärke oben 1,3 cm. Bruchstücke einer Bronzenadel (17 : 452h), Taf. II, 5. Grünliche, schwach durchscheinende Glaskugel (17 : 452i), Taf. II, 4. Da sie undurchbohrt ist, ist nicht anzunehmen, daß sie als Kopf der Bronzenadel Verwendung gefunden hat. Becher (17:452b), Taf. IV, 1 u. Abb. 11, oberhalb des Schädels, auf Drehscheibe gearbeitet, bauchig, ausgeprägter Standfuß und zweifach gewulstete Schulter, schwach nach innen geneigter Hals und ausladender Rand. Ton im Innern grau, Außenfläche glänzend schwarz geglättet. H. 18,5, Randdm. 10, Bodendm. 9,5 cm. Abgebildet auch bei W. Schulz, Haßleben, Taf. 24, 7, dazu S. 39. Schale (17 :452 t), Taf. IV, 2 u.Abb. 12, auf Drehscheibe. Ton grau, poliert. H. 6, Randdm. 9, Bodendm. 4,5 cm. 3 ) M. JAHN, Der Reitersporn, seine Entstehung und früheste Entwicklung. Mannusbibl. Nr. 21, 1921, S. 82ff.: Die Nietsporen auf germanischem Gebiet. Hier Abb. 38 der Leunaer Sporn wiedergegeben und S. 86 beschrieben; über Tragweise auf Grund der Ausschmückung S. 87.

L e u n a , ein germanischer Bestattungsplatz der spätrömischen Kaiserzeit

Abb. 10. Geschirrgruppe

Abb. 11—14. Keramik, 1lln. Gr.

Abb. 15. Glasschale, s / 3 n. Gr.

Abb. 17. Bronzekelle mit Sieb, Vi n - Gr.

o

Abb. 16. Silberfibel, >/, n. Gr

Abb. 18. Bronzeteller, 1 / i n. Gr

Abb. 10—18. Funde aus Grab 2, 1917

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W A L T H E B SCHULZ

Fußschüssel (17 : 4521), Tai. I V , 4 u. Abb. 13, freihändig gearbeitet, ungleichmäßig, Fuß abgesetzt. T o n braun bis dunkelgrau fleckig, Innenseite gleichmäßiger grau, Tonmasse mit kleinen Quarzkörnchen durchsetzt. H . bis 11,5, Randdm. 20, Bodendm. 9,3 cm. Kumpf (17 : 452m), Taf. I V , 3 u. Abb. 14, freihändig ungleichmäßig gearbeitet, Ton fleckig rotbraun bis dunkelgrau, Tonmasse wie bei der vorgenannten Schüssel. H . bis über 11, äußerer Randdm. 14,5, Bodendm. 11 cm. Silberschale (17: 452n), Taf. V . 1. Metall etwas kupferhaltig. Rand nach außen geneigt. Nachahmung einer Glasschale, die eingeschliffenen Rundflächen sind hier als von außen eingepreßte flache Dellen mit Mittelgrübchen und Ringumrandung wiedergegeben. Oberhalb des Bodens und unterhalb des Randes Reihen von Punkt- und Stricheinschlägen, auch zwischen den zwei Dellenreihen eine Punktreihe. Die einzelnen Dellen der oberen wie auch der unteren Reihe sind getrennt durch senkrechte Stricheinschläge, die oben und unten durch Punktgruppen in Dreieckform abgeschlossen werden. H . 7, Dm. des nach außen geneigten Randes 10,5 cm. Bronzeteller (17:452k), Taf. V I I , 1 u. Abb. 18, gegossen und abgedreht mit niedrigem Standringe. Oberhalb der Umbiegung zum Randteil und auf dem Rande je eine Rille. Auf Unterseite und Innenseite Mittelgrübchen, als Einsatzstelle des Drehstiftes. Randdm. 30, Standringdm. I I cm. Bronzekelle mit Einlagesieb (17 : 452c, p), Taf. V I u. Abb. 17. Kelle mit Drehstiftgrübeben in Mitte der Innen- und Außenseite des flach nach außen gewölbten Bodens. Randdm. 11, Grifflänge 11,5, H . 5,5 cm. Sieb, in Rand und Grifform genau auf die Kelle eingepaßt,-Drehstiftgrübchen in Mitte der Innen- und Außenseite. Sieblöcher sorgfältig von innen nach außen geschlagen, Radialmuster im Bodenteil, begrenzt von flachen Bögen, im Wandteil Wellenlinienmuster, begrenzt unten von einer, oben von zwei Pünktreihen. Bruchstücke einer gerieten Glasschale (17 : 452qu), Taf. V , 2 u. Abb. 15. Glas jetzt schmutzigmilchig, Rand ausladend. Randdm. etwa 12 cm. Zwei Teile eines stark zerfressenen winklig gebogenen, bandförmigen Bronzebeschlages (17: 452 w), Taf. V I I , 2. In dem einen Teile sind außer einem Nietloch noch zwei Nieten erhalten. Breite des Beschlages etwa 1,7 cm. Zu einem Kasten oder Tablett. Lederrest (17 : 452s), Taf. V I I , 3, mit anhaftenden netzartig geflochtenen Schnüren.

Die Grabfunde 1926 Bei weiteren Erdarbeiten in der Nähe der Stelle, an der bereits 1917 Funde gemacht waren, wurden im März 1926 wiederum Gräber angeschnitten 4 ). Die Landesanstalt wurde benachrichtigt, als eine Silberfibel (Grab 1) von einem Arbeiter gefunden worden war. Daraufhin konnten zunächst die Gräber 1—3 in einer Grabung vom 9.—14. 3. 1926 zum Teil noch untersucht werden. Die Tiefe der Grabsohle unter der ursprünglichen Oberfläche war nicht mehr festzustellen. Der umgebende Boden bestand aus grobem Kies (Taf. V I I I , 1). Die Bezeichnung der Gräber entspricht der Reihenfolge ihrer Untersuchung. Die Lage der Gräber zu einander zeigt Abb. 19. Die Abstände betragen zwischen Grab 1 und 3 (die inneren Seitenwände der Grabgruben gemessen) 9 m, zwischen Grab 2 und 3 8 m. Die Gräber schließen sich östlich an die Grabungsstelle von 1917 an. Die weiteren zerstörten Gräber des Jahres 1926 lagen nördlich von der Grabgruppe der drei reich ausgestatteten Gräber. Das Grab 5, 1926 wurde weiter östlich in der früheren Merseburger Straße nahe dem heute nicht mehr vorhandenen Hause Nr. 42 (hier jetzt Wartehalle der Straßenbahn) aufgedeckt (Abb. 20). Aus dem Räume zwischen den Gräbern I bis 3 und dem Grabe 5 sind keine Bestattungen bekannt geworden. 4

) Kurzer Hinweis Nachriclitenblatt für deutsche Vorzeit II, 1926, S. 26.

L e u n a , ein germanischer Bestattungsplatz der spätröraischen Kaiserzeit

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Grab 1

(geborgen vom Verfasser) Abb. 21. E s konnte noch die Länge und Breite des Grabraumes festgestellt werden, der in der Nord-Südrichtung 2,80 m, in der Ost-Westrichtung etwas über 2 m maß. An drei Ecken waren Holzreste zu bemerken. An der Nordwestecke zeichneten sich die Spuren eines im Durchschnitt anscheinend viereckigen Pfostens von 15 cm Durchmesser ab. Das Skelett hat längs der Westwand in Nord-Südrichtung gelegen. Erhalten sind der rechte Oberschenkel eines kräftigen mittelgroßen Mannes, der dazugehörige Unter-

Li,

| 192t 1926

1926

3 1326

Li

N Kötzschenen

Str.

Eckhaus

Abb. 19. Lageplan der drei Sauptgräber 1926

Nr. 118

Skelett Gasthaus

Abb. 20. Lageplan der Gräber 1926. 1 Gruppe Grab 1—3, 2 Grab 5

Oefäßgruppe

Abb. 21. Grab 1,1926

Schenkel, Fußknochen beider Füße, Beckenreste und andere Knochenstücke. Links seitlich der Füße wurde eine Gefäßgruppe noch in ursprünglicher Lage geborgen (Abb. 22). E s sind eine Terrasigillataschale, eine auf Drehscheibe gearbeitete Schale, eine freihändig gearbeitete Schüs sei und ein Topf. Von den übrigen Beigaben lagen die Sporen in der ursprünglichen Lage. Weitere Beigaben sind: eine silberne Zweirollenfibel, eine Bronzeschnalle, zwei silberne Pfeilspitzen, ein Kamm, die Reste eines Glasbechers und Bruchstück eines Bronzebleches. Bei Berücksichtigung der Größe des Grabraumes und der zum Teil nur in geringen Trümmern erhaltenen Beigaben (Glas, Bronzereste) ist mit dem Verluste eines Teiles der Grabausstattung zu rechnen. Funde

Silberfibel5) (26 : 668n), Taf. I X , 1, mit Zweirollenkonstruktion der Nadelfederung, Spiralachsen aus Bronze, ursprünglich beiderseits mit aufgesetzten Knöpfen aus Silber, an der aus5 ) Siehe auch W. SCHULZ, Eine Silberfibel der spätrömischen Zeit von Leuna, Kr. Merseburg. Mannus Ergänzungsband VI, 1928, S. 146ff.

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SCHULZ

gekehlten Basis durch S-förmig geschlungenen Perldraht miteinander verbunden. Auf den Fibelkopf ist ein Knopf aufgesetzt, um dessen Basis ein feiner horizontal gerillter und schräg gekerbter Dralit gelegt ist. Der Achsenhalter ist mit einer kleinen Platte überdeckt, der mit einem gedrehten Draht eingefaßt ist. Der Bügel trägt nach Kopf- und Fußansatz zu je zwei Gruppen von geperlten Drähten. Jede Gruppe besteht aus zwei nebeneinander liegenden Drähten, über die ein dritter Draht gelegt ist, der nur bei einer Gruppe fehlt (vielleicht verlorengegangen). In der Mitte erweitert sich der Bügel zu einer ovalen Platte, auf deren Unterseite sich der Bügelsteg absetzt, doch ist dieser mit der Platte in eins gearbeitet. Die Platte hat ursprünglich, wie Vergleichsstücke zeigen und noch an Spuren zu erkennen ist, einen ovalen Glasfluß als Auflage getragen. In einer leichten Stufe, die Querrille und Querkehle trägt, setzt der Fuß an, der schwach dachförmig gestaltet ist. Er erweitert sich ausschwingend bis zum unteren Drittel, wo er winkelig abschließt. Auf der Unterseite des Fußes liegt der den größten Teil der Fußlänge einnehmende Nadelhalter. Silbersporenpaar (26: 668j,k), Taf. X, 1, mit senkrechtem Mittelast und unterem Fortsatz. Die Schenkel sind von verschiedener Länge, die äußeren gestreckter als die inneren6). Der eingesetzte gestreckte Stachel ist an der Basis profiliert und endet in eine Konusspitze. Die Schenkel und der Mittelast sind fazettiert, der untere Fortsatz ist mit einer Querrille versehen. Die Befestigungsnägel, von denen einer beim rechten Sporn fehlt, tragen gerundete Köpfe und hakenartig umgeschlagene Enden. Zwei silberne Pfeilspitzen (26 : 668, 1, 2), Taf. X, 2. Länge 6 cm, überaus zierlich, mit Neigung zu gegenseitiger Versetzung der beiden Blatthälften, die dadurch erwirkt ist, daß auf der einen Seite die linke, auf der anderen die rechte Hälfte eingehämmert ist. Die Tülle ist zusammengebogen. Bronzeschnalle (26 : 668 m), Taf. IX, 2. Die Achse hält den auf der Unterseite abgeflachten Schnallenrahmen, den ebenfalls abgeflachten Schnallendorn und ursprünglich auch die Beschlagplatte, von der nur geringe Reste erhalten sind. Auf die Achsenenden war ursprünglich beiderseits ein Ring aufgesetzt. Die Breite des Riemens betrug etwa 2 cm. Kamm (26 : 668i),Taf. IX, 3, mit breit glockenförmigem Griffteile. Die drei Lagen sind durch Bronzenieten zusammengehalten. Griffbreite 10,6, H. 5,3, Stärke der drei Lagen oben 1,4 cm. Terrasigillataschale (26 : 668e), Taf. XI, 1 u. Abb. 23, H. 12, Randdm. 20, Fußdm. 8,5 cm. Der Formschüsselstempel an der Wandung der ornamentierten Teile erscheint auf dem Gefäß in Spiegelschrift. Da der Stempel von 2,8 cm Länge in die Formschüssel nur flüchtig eingedrückt war, sind von dem Töpfernamen nur die ersten Buchstaben erkennbar R E S (?). Unter der üblichen Eierstabreihe ein Ornament aus Ankerkreuzen, getrennt durch Perlstäbe. Die Kreuze sind aus ankerförmigen Einzelstempeln zusammengesetzt. Fußschale (26 : 668f), Taf. XII, 1 u. Abb. 25, profiliert, Drehscheibenarbeit, H. 10, Randdm. 14,5, gr. Durchm. 16, Bödendm. 6,5 cm. Bräunlichgrauer Ton, am Halsteil eingeglättete Muster aus Winkeln und schräg gestellten Wellenlinien7). Fußschüssel (26: 668g), Taf. XII, 3 u. Abb. 26, Drehscheibenarbeit, braungrau. H. 9,1, Randdm. 20, Fußdm. 7,4 cm. Topf (26 : 668h), Taf. XII, 2 u. Abb. 24, mit breiter Standfläche, Schulterbildung, kurzem Hals und wulstiger Lippe. Graubräunlich, Oberfläche geglättet. H. 14,5, Randdm. 17,2, Bodendm. 10,5 cm. Beste eines Glasbechers (26 : 668o), Taf. XI, 2 u. Abb. 27, hell, mit Rillen unter dem Rande und eingeschliffenen Ovalen. Form wohl verwandt mit Becher aus Grab 3, 1926, doch Ovale dichter gestellt und ohne Umrahmung. Dünne schwach gebogene Bronzeblechstückchen (26 : 668p) unbekannter Bestimmung. 6

) Hier ist die von M. JAHN wie Anm. 3 angenommene Tragweise durch den Befund bestätigt. ') Siehe auch W. SCHULZ, Mitteldeutsche Drehscheibengefäße mit eingeglätteten Mustern. Jahresschrift Halle 17, 1929, S. 62f. n. Abb. Taf. XII, 2.

L e u n a , ein germanischer Bestattungsplatz der spätrömischen Kaiserzeit

Abb. 22. Gefäßgruppe

Abb. 23. Terrasigillataschale, 1I4 n. Gr.

Abb. 22—27. Funde aus Grab 1, 1926

Abb. 28. Grab 2, 1926. Spuren des Holzsarges, Aufsieht und Schrägschnitt

Abb. 30. Geschirrgruppe aus Grab 2, 1926

Abb. 29. Grab 2, 1926

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W A L T H E B SCHULZ

Grab 2 (geborgen vom Verfasser) Auch dieses Grab war bereits angeschnitten und dabei das wertvollste Stück, der Goldfingerring, entnommen worden. Im Boden hoben sich in der horizontalen Abdeckung und in dem vertikalen Schrägschnitt, der den zerstörten Teil von dem noch ungestörten trennte, die Wand- und Bodenumrisse durch Holzverfärbung von dem Füllboden des Grabraumes und dem umgrenzenden Boden ab (Abb. 28). Der Tote war also in einem rechteckigen Holzsarge beigesetzt worden. Nach dem Schnittprofile hat die Westwand des Sarges sich nach außen geneigt. Der erhaltene Teil der Ostwand maß noch 1,80 m, sie war jedoch ursprünglich länger, da oberhalb der Gefäßgruppe der Tote Platz gefunden hatte. Die Breite betrug 70 cm. Das Skelett, das von Nord nach Süd gerichtet war, war in seinem oberen Teil und seiner rechten Seite bereits zerstört, aber auch in dem erhaltenen Grabteile nur noch sehr schlecht erhalten (Abb. 29). Es fanden sich Reste vom rechten und linken Oberschenkel, vom oberen Teil des rechten und linken Unterschenkels und der Rest des linken Armes. Der Goldring wird an der rechten Hand gesessen haben. In der Gegend der Füße lagen zwei Bronze-

stand die Geschirrgruppe Abb. 30, am nächsten der unteren Grabwand das größere Gefäß, oberhalb davon das ovale Bronzetablett, darauf zwei kleine Schalen, die eine mit der Öffnung nach unten (26 : 669d), dabei die mittelgroße Schäle. Außerdem lagen an und auf dem Tablett zwei Knochenstücke. In der Umgebung der Gefäßgruppe und darüber hinaus waren die Reste der eingedrückten Holzbedeckung des Grabes zu bemerken. Zu dem Grabfunde gehört außerdem ein kleines Bronzeblechbruchstück. Als Speisebeigabe wurden der rechte Oberarm und das rechte Schulterblatt eines etwa 10 Monate alten Schweines festgestellt (nach Bestimmung Von O. F. G A N D E R T ) . Funde

Goldfingerring (26- 669f), Taf. X I I I , 1, mit Platte, auf der die verbreiterten Enden des Ringbügels aufgehämmert sind. Auf der Platte ein ovaler, flach geschliffener Almandin in Kastenzarge, der von drei Perldrähten eingefaßt ist. Die Bügelansätze sind mit drei Perldrähten geschmückt, deren mittlerer über die beiden unteren gelegt ist; Innere Weite des Ringes 1,9, Bügelbreite 0,4 cm. Bronzesporenpaar (26 : 669 h), Taf. X I I I , 3, zur Gruppe der Nietsporen mit senkrechter Achse und unterem Fortsatz. Von den Schenkeln ist der eine gestreckter. Die Abschluß-

L e u n a , ein germanischer Beetattungsplatz der spätrömischen Kaiserzeit

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Scheiben der stärker gebogenen Schenkel und des Mittelastes tragen eine aufgelegte Silberblechplatte, die vielleicht auch bei den gestreckteren Schenkeln vorhanden gewesen ist. Der Befund zeigt, daß diese sichtbar nach außen getragen wurden. Der Stachel des Unken Sporns endet in eine kleine Konusspitze, bei dem rechten ist diese stark abgerundet. Die Einschnürungen über der Basis und unter der Spitze entsprechen den Sporen aus Grab 2, 1917. Vom Kamm (26 : 669 i) sind nur noch geringe Reste erhalten. Es war ein Dreilagenkamm mit gerundetem Griffteile, mit Bronzenieten.

Bei dem Kamm Bronzenadel (26 : 669), Taf. X I I I , 2. Unter dem K a m m ein kleiner Reif aus Bronzeblech (26: 669j), Abb. 35, Dm. 4 cm. E r scheint Holzreste umgeben zu haben, es könnte sich daher um die Einfassung eines Holzbüchschens oder eines ähnlichen Behälters handeln. Ovales Bronzetablett (26: 669q), Taf. XVI, u. Abb. 36, mit eingravierten Ornamenten auf der Innenfläche und auf der Oberseite der beiden Handgriffe. Von Band zu Rand Dm. 45 und 21,7 cm. Der ovale nur zum Teil erhaltene Fußring ist angelötet. Tongefäße: Größere Schale (26 : 669b), Taf. XIV u. Abb. 31. Drehscheibenarbeit, bräunlichgrau. H . 17, Randdm. 27, Bodendm. 11,5 cm. Fußschale (26 : 669 c), Taf. XV, 1 u. Abb. 33, Drehscheibenarbeit, Wandung außen schwarz glänzend geglättet. H. 11, Randdm. 15, Bodendm. 6,5 cm. Fußschale (26 : 669d), Taf. XV, 2 u. Abb. 34, Drehscheibenarbeit, dunkelgrau, zum Teil, besonders der untere Teil, schwarzglänzend geglättet. H . 8, Randdm. 12, Bodendm. 5,4 cm. Fußschale (26 : 669e), Taf. XV, 3 u. Abb. 32, Drehscheibenarbeit, dunkelgrau bis glänzend schwarz mit geglätteten Horizontalstreifen. H. 7,7, Randdm. 12,6, Bodendm. 5,5 cm. Bruchstück eines Bronzebleches (26 : 669k), schwach gebogen, 2,5 cm breit und über 4 cm lang.

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WALTHER

Grab

SCHULZ

3

Das reichste der im Bestattungsplatz von Leuna aufgefundenen Gräber (Ausgrabung Prof. mit Mitarbeitern). Das Grab war von Nordnordwest nach Südsüdost angelegt. Die Grabsohle maß in der Nordsüdrichtung 2,60, in der Ostwestrichtung 2,40 m. An der Südseite erweiterte sich der Raum nach oben, wahrscheinlich in Stufen. Die untere Stufe konnte noch festgestellt werden, wenn auch der Übergang in den gewachsenen Kies nicht ganz deutlich war. Die Totenausstattung nahm die Osthälfte des Grabraumes ein, der Tote hatte ursprünglich im Westteil des Raumes gelegen (Abb. 37). Vom Skelett fanden sich indes nur noch einige weit zerstreute Reste (Abb. 38). Schädelteile lagen in dem Einfüllboden nach der Nordostecke zu. Sie deuten HAHNE

gestörter Grabteil

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A b b . 37. Grab 3, 1926

nach H. Grimm (Anhang I) auf einen jungen Mann im Alter von 20—25 Jahren. Der Tote war ursprünglich wohl ausgestreckt, Kopf im Norden, niedergelegt. Daß durch den Zusammenbruch der Abdeckung des Grabraumes und das Eindringen von Kiesmassen die Überreste umgelagert wurden, ist unwahrscheinlich, selbst wenn man annehmen wollte, daß der Tote erhöht in einem Bettgestell beigesetzt worden war, eine Annahme, gegen die die Lage der Sporen und der anschließenden Wadenbeinreste spricht (Abb. 40). Das Grab dürfte eher von Nordwest aus geöffnet worden sein, vielleicht noch mit Kenntnis der Lage des Toten, wobei man es auf wertvolle Ausstattungsstücke, die er bei sich trug, abgesehen hat, denn er war vielleicht reicher mit Gold ausgestattet als die übrigen Bestatteten. Eine Goldmünze und ein Goldfingerring waren bei dieser reichsten Grabausstattung von Leuna mindestens zu er-

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L e u n a , ein germanischer Bestattungsplatz der spätrömischen Kaiserzeit

warten, wenn nicht noch mehr. Eine Ausplünderung des Toten ist daher nicht von der Hand zu weisen. In der Grabrekonstruktion Abb. 39 ist angenommen, daß derTote nahe dem Boden der Kammer etwa auf einer Unterlage von Decken gelegen hat, auch die Beigaben waren auf dem Boden der Kammer aufgestellt und niedergelegt. Seitlich am rechten Arme lagen griffbereit Pfeil und Bogen. Die östliche Seite der Kammer war von der Geschirrausstattung eingenommen (Taf. XVII, 1). Im Nordostteil stand eine Gruppe von Gefäßen aus Ton und Glas, die Silberschale, der größere flache Bronzeteller mit Mittelrosette, darauf Bronzesieb und Schöpfgefäß, in der Nähe der Silberlöffel (Taf. XVII, 2). Im mittleren Teil das Holztablett, darauf und dabei der kleinere Bronzeteller, eine Tonschale und eine Tonschüssel, in der Nähe das Elfenbeinkästchen. In der Gegend des Tabletts wurden die meisten Tierknochen ge-

^J ( F *Schädelresie' Untetarme

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Abb. 38. Die im Füllboden verstreuten Skelettreste

funden, nach der Bestimmung von 0 . F. G A N D E K T : Teile eines Schweines von etwa 8 Monaten, Teile eines Spanferkels von etwa 3 Monaten und eines zweiten von etwa 2 Monaten, Teile von zwei Hähnen; Reste vom Hecht und drei Plötzen8). Ein Bronzebecken lind ein Brettspiel schließen sich der Tablettgruppe an. Funde

Silbersporenpaar mit Zubehör (26: 670q, r), Taf. XVIII, zur Gruppe der Nietsporen. Schenkel, aufsteigender Ast und unterer Fortsatz sind auf der Oberseite fünffach fazettiert und unterhalb der Nietplatten mit gepreßten, vergoldeten Silberblechstreifen geschmückt, die von geperlten Silberdrähten eingefaßt sind. Auf den Abschlüssen liegen ein schwach gewölbter vergoldeter Silberblechbuckel mit Silberperldrahteinfassung. Der eingesetzte Stachel zeigt eine kräftige Profilierung mit Einschnürungen über dem Basisteile und unterhalb des Spitzenkonus; Basis, Mittelteil und unterer Teil des Kegels tragen Querlinien. Der untere Fortsatz ist an seinem verbreitert abschließenden Rande mit vier Einschnitten versehen. Zu jedem der beiden Sporen gehören zwei Schnallen und zwei Riemenzungen, ferner ein knopfartiger Buckel. Die vier Schnallen aus Silber sind von gleicher Grundform und .Größe, mit einem Rahmeri, an dessen Basis Dorn und Beschlagplatte befestigt sind. Der Rahmen ist auf der Unterseite flach, auf der Oberseite dachförmig. Der Dorn ist bei flacher Unterseite leicht fazettiert und trägt über der Basis zwei Querlinien. Das Beschlagblech besteht aus einer Doppelplatte, zwischen die ein Riemen festgeklemmt und durch zwei Nieten mit rundlichen Köpfen an den unteren Ecken der Platte festgehalten werden konnte. Die drei besser erhaltenen Schnallenbeschlagplatten lassen erkennen, daß die untere Kante mit kurzen 8

) Näheres Anhang II. Beiträge GÄNDERT und WTTNDSCH.

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W A L T H E R SCHULZ

kleinen dichtstehenden Kerben besetzt ist. Zwei von diesen Schnallen sind dadurch weiter ausgeschmückt, daß die obere Beschlagplatte von zwei Reihen von je drei halbmondförmigen kleinen Öffnungen durchbrochen sind, durch die eine untergelegte vergoldete Platte sichtbar wird. Die Fläche zwischen den Durchbrechungen ist mit eingepunzten Punkten versehen.

Abb. 39. Bekonstruktionsversuch der Bestattung Grab 3, 1926

Abb. 40. Lage der Unterschenkel und der Sporen nach Fundskizzen von H. J. NIE HOFF

Abb. 41. Rekonstruktiòns versuche der Fußbekleidung

Auch die vier Riemenendstücke aus Silber sind in Form und Größe gleich, mit flacher Unterseite bei dreieckigem flachen Basisteile und flach abgedachter Zunge. Die untere Basiskante trägt feine, kleine, dichtgestellte Kerben; auf der Basisplatte sind ein Dreieck bildende Linien eingraviert. In den gespaltenen Basisteil konnte der Riemen eingeschoben und bei je zwei dieser Beschläge durch zwei bzw. drei Nieten, die ursprünglich halbrunde Köpfe hatten, festgehalten werden.

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Die zugehörenden zwei knopfartigen Zierbuckel haben als Unterlage eine Bronziescheibe mit zwei gegenüberliegenden kleinen Ansätzen. Diese Ansätze tragen silberne Nieten mit halbrundem Kopfe zur Befestigung des Buckels auf einer Unterlage. Auf der Scheibe ist der von einem silbernen Perldraht eingefaßte Buckel aus gepreßtem vergoldeten Silberblech durch einen Niet mit halbrundem Kopfe befestigt. (Über die auf Abb. 41 versuchte Rekonstruktoin siehe S. 48.) Zwei silberne Pfeilspitzen (26 : 670p), Taf. X I X , 1. Länge der größeren ursprünglich etwa 12,5, der kleineren 11,5 cm. Schlanker Schaftteil, deren zusammengehämmerte Tülle zwei Nietlöcher trägt. Um den Tüllenabschluß läuft eine von einer Linie eingefaßte Furche. Der obere Schaftteil ist vierkantig, auf beiden Seiten mit einer Reihe liegender Kreuzchen, der

42

Abb. 42—48. Keramik, Vi n. Gr.

untere Abschluß wird durch eine Furche markiert, die von zwei schmalen Rillen eingefaßt ist. Das Blatt mit einschwingenden Flügeln ist auf der Unterseite flach, auf der Oberseite flach abgedacht; auf beiden Seiten sind über dem Schaftansatze einen spitzen Winkel bildende Linienpaare eingerissen. Tongefäße

der Gefäßgruppe

im Nordostteile des

Raumes:

Große Fußschale (26: 670c), Taf. X X , 1 u. Abb. 42. Drehscheibenarbeit, grau bis hellbräunlichgrau, besonders im oberen Teil streifig geglättet. H. 18,5, Randdm. 22,5, Bodendm. 9,3 cm. Kleine Fußschale (26 : 670f), Taf. X X , 2 u. Abb. 43. Drehscheibenarbeit, dunkelgrau, zum Teil fleckig hellbräunlich. Streifig geglättet. H. 6,5, Randdm. 8, Bodendm. 4,6 cm. Faltenbecher (26: 670b), Taf. X X I , 1 u. Abb. 45. Drehscheibenarbeit mit sechs Eindellungen, hellgrau bis hellbräunlich, mit Glättstreifen, die zum Teil horizontal verlaufen, in den Eindellungen den Dellenrand begleiten. H. 19,5, Randdm. 8, Bodendm. 6,8 cm.

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WALTHER SCHULZ

Schüssel (26 : 670g), Taf. XXI, 3 u. Abb. 46, zu der Gruppe der Fußschüsseln, doch fehlt der Bodenteil, Drehscheibenarbeit. Hellrötlichbraune Unterschicht, graue bis dunkelgraue Oberfläche mit drei umlaufenden Rillen und Glättungsstreifen. Randdm. 19,2 cm. T o n g e f ä ß e auf und bei d e m T a b l e t t : Fußschale (26: 670d), Taf. XX, 3 u. Abb. 44, Drehscheibenarbeit, grau mit dunkleren Glättstreifen. H. bis 11,7, Randdm. 15, Bodendm. 7 cm. Schüssel (26 : 670h), Taf. XXI, 2 u. Abb. 47, zur Gruppe der Fußschüsseln, doch fehlt der Boden. Randdm. etwa 17,5 cm. Lage nicht sicher feststellbar. Kumpf (26: 670e), Taf. XXI, 4 u. Abb. 48, freihändig gearbeitet, fleckig bräunlich bis grauschwarz. H. bis 13, Randdm. 15,5, Bodendm. 8,5 cm. Bronzegeschirr

im Nordostteile

des

Raumes:

Bronzeteller (26 : 670k), Taf. XXII u. Abb. 49, mit angelötetem Standringe, die verhältnismäßig dünne Wandung brüchig und beschädigt, Randteil umgelegt mit nach oben verdickter Lippe. Die Mitte nimmt ein Rosettenmuster ein, eingefaßt von einem von Punktreihen außen

Abb. 49. BronzeteUer, V 4 n. Gr.

Abb. 49a. Mittelrosette, x/2 n. Gr.

Abb. 49b. Randprofil, »/in. Gr.

begrenzten Bande mit inschriftähnlichen Einschlägen. Drehstiftgrübchen auf der Innen- und Außenmitte. Der Standring ist angelötet. Randdm. 33, Standringdm. 12,5 cm. Auf dem Teller: Bronzekelle mit Einlagesieb (26 : 670m), Taf. XXIII, 2 u. Abb. 52. Kelle am Boden beiderseits mit Mittelgrübchen, auf der Unterseite umgeben mit Drehrillengruppen, diese auch an der Außenseite. Randdm. etwa 10, H. 3,7 cm. Griff mit seitlichen Fortsätzen und verbreitertem Abschlüsse, L. 11 cm. Sieb ursprünglich hineingepaßt. Mittelgrübchen auf Innenseite. Die Sieblöcher des Bodens bilden ein Rosettenmuster, am Wandteil drei übereinandergestellte Löcher wechselnd mit Einzellöchern, beiderseits eingefaßt von Lochreihen. Am Griffe fehlt der verbreiterte Abschluß, daher Griff länge 10,5 cm. Auf dem

Tablett:

Bronzeteller (26 : 6701), Taf. XXIII, 1 u. Abb. 51, mit Bodenring, gegossen, abgedreht, mit Riefen am umgelegten Rand, Mittelgrübchen auf der Unterseite, Innenfläche verzinnt. Randdm. 25, Dm. des Bodenringes 9,5 cm. Zwischen

Tablett

und

Brettspiel:

Bronzeschüssel (26 : 670j), Taf. XXIV u. Abb. 50, mit nach außen umgelegtem Randteil, dessen mit Einkerbungen versehene Lippe nach oben gerichtet ist. Standring eingepreßt,

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Randdm. 30, Standringdm. 11 ein. Grübchen in der Mitte der Innenseite. Außen unterhalb des Randes waren gegenständig je zwei blattförmige Attachen mit eingehängten Ringen angelötet, jetzt noch drei Attachen und einer der Ringe vorhanden, an der Stelle der vierten Attache ist die stark aufgetragene Lötmasse noch erhalten. Die Schüssel hat, nach Holzresten zu schließen, anscheinend eine Holzeinlage getragen, zu deren Pesthalten die Randeinkerbungen vielleicht dienten. Das besterhaltene Einlagestück, das dem Profile des Schüsselrandes entspricht, ist Taf. X X V I I I , 2 abgebildet. Silber- und Glasgefäße, zu der Geschirrgruppe

im Nordostteil:

Silberschale (26 : 670n), Taf. X X V , 1. Das Silber, wie bei dem des Grabes 2, 1917, etwas kupferhaltig. H. 8, Randdm. 12,5 cm. Beide Schalen stimmen in der Ausschmückung weitgehend überein und sind anscheinend mit den gleichen Werkzeugen behandelt. Die kleineren Dellen der unteren Zone der Schale von 1926 entsprechen in der Größe denen der oberen Zone der Schale von 1917, die oberen Dellen der Schale von 1926 der Bodendelle der Schale von 1917.

Glasbecher (26 : 670 Aa), Taf. X X V , 2 u. Abb. 54, glockenförmig, Glas hell durchscheinend, H. 10,5, Randdm. 10,5 cm. Hauptzierstreifen: eingeschliffene von Furchen umgebene Ovale, dazwischen senkrechte Furchen, an die sich oben und unten mit Gitterungen gefüllte, gleichfalls von breiten Furchen begrenzte Dreiecke anschließen. Darunter entsprechende Streifen, am Boden eingeschliffene Kreisdelle, die von einer breiten Furche eingefaßt ist. Reste eines hohen Glasbechers (26: 670i), Taf. X X V I , 1 u. Abb. 53. Glas dünn und helldurchsichtig mit aufgelegtem Blatt- und Rankenwerke und abgesetztem Fuße, von dem ein Randstück erhalten ist. Randdm. 7 cm 9 ). Glasschüssel (26 : 670 Ab), in kleine Bruchstückchen zertrümmert, nur ein Randrest konnte noch durch Eingipsen in seiner Form erhalten werden, Taf. X X V I , 2. Glas jetzt undurchsichtig hellschmutziggelblich. An Außenwandung abwechselnd breitere und schmalere, schräg gewundene Furchen in dichter Folge. Der Randteil ist nach außen gerichtet und am Rande etwas wulstig verstärkt. Nach freundlicher Auskunft von FREMERSDORF dürfte die Schüssel flach und von ovaler Form, also tablettartig gewesen sein. Holztablett (26: 670x^z), außer Holzresten die bronzenen Eckbeschläge erhalten (Taf. X I X , 4), die in ihrer Lagerung erkennen ließen, daß das Tablett 70 cm lang und 40 cm breit 9

) Bei SCHULZ, Haßleben, S. 50, irrtümlich als Reste eines Glashorns bezeichnet.

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WALTHER

SCHULZ

war. Aus der Breite der Beschläge geht hervor, daß es eine Stärke von 2 cm hatte. Das Tablett bestand nach der Untersuchung von v. Stokar, Köln, aus Lindenholzbrettern, deren Fügung noch an einer Ecke zu erkennen ist (Taf. X X V I I I , 4). Die rechtwinkligen Eckbeschläge aus Bronzeblech haben eine Schenkellänge von etwa 7 cm bei einer Breite von 2 cm. An der einen Seite sind die Schenkel 0,5 cm um die Tablettkante herumgelegt. Die Schenkel enden winklig mit seitlichen Ausschnitten. Die Schenkel waren mit ein oder zwei Bronzenägeln mit gerundetem Kopfe am Tablette befestigt. Silberlöffel (26 : 670o), Taf. X I X , 2, bei der Geschirrgruppe am Nordostteil. Gesamtlänge 12,8 cm, Stiel mit Rautenmuster und Einpunzungen geschmückt und in eine unverzierte Spitze auslaufend; Löffelschale abgesetzt, unsymmetrisch mit seitlich ausgezogenem Zipfel.

Abb. 53. Hoher Glasbecher, 26 : 670i, 1l!n.

Gr.

Abb. 54. Muster des Glasbechers, 2 6 : 670 Aa, '/„n.Gr.

Elfenbeinkästchen (26 : 670v), Taf. XXVI, 3, bei dem Tablette. L. 7,3, Br. 3,5 cm. Der Schiebdeckel ist nicht erhalten. Das Kästchen ist aus einem Stück gearbeitet und durch eine Querwand in ein quadratisches und ein rechteckiges Fach geteilt. Die Längswände sind schwach gewölbt und nach der Bodenfläche zu nicht scharf abgekantet. Die Rückwand ist stärker gewölbt, die Vorderwand flach. Von ihr aus konnte der in Nuten der Längswände und der Rückwand eingreifende Schiebedeckel eingeführt werden. An der Vorderwand ist eine Vorrichtung angebracht, die das Herausgleiten des Deckels verhindert (Abb. 55). Eine flach gewölbte mit drei Nägelchen an der Wand befestigte Silberplatte, durch deren Mitte eine Achse geführt ist, nimmt die Mitte der Außenseite ein. An ihr ist außen eine Handhabe befestigt, die beim Drehen über die Platte gleitet und eine Zunge an der Innenseite bewegt Diese greift bei aufrechter Einstellung in eine Querkerbe des Deckels ein. Spielbrett und Spielsteine (26: 670w), Taf. X X V I I . Die Spielsteine wurden zum Teil noch in ursprünglicher Lage aufgefunden (Taf. XXVII, 1), so daß aus der Steinsetzung die Größe

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der Spielfläche des Brettes zu errechnen ist. Diese hatte eine Seitenlänge von etwa 40 cm. Das Holzbrett war größtenteils vergangen, doch konnten in der Mitte der Spielsteinreihe noch Holzreste von einigen Centimetern Länge beobachtet werden. Dieses Holzstückchen, das sich unter dem 9. und 10. Spielstein der 18 in einer Reihe liegenden Steine fand, zeigte ursprünglich noch deutlich ein leicht eingerissenes Quadrat von 3 cm Seitenlänge (Tai. X X V I I I , 3). Danach dürfte die Spielfläche des Brettes in 1 3 x 1 3 = 169 Quadrate eingeteilt gewesen sein, was einer Seitenlänge von 39 cm entspricht. Zu dieser Quadrateinteilung gehören je 12 Linien. Das für die Rekonstruktion so wichtige Holzstück trägt auf der Rückseite einen mit einem Füllmuster versehenen Halbkreis, dessen eingerissene Linien mit Bronzefäden ausgelegt sind Taf. X X V I I , 4 u. Abb. 56). Diese Bronzeeinlage hat offenbar die Konservierung des um-

Abb. 55. Verschluß des Elfenbeinkästchens, 1 / 2 n. Gr.

Abb. 56. Ornament auf der Spielbrettunterseite, 1 / 1 n. Gr.

gebenden Holzes bewirkt. Daraus ist zu folgern, daß die Bronzeeinlage nur hier in der Mitte des Randes der Unterseite vorhanden war. Zur Ausdeutung des Befundes sei auf S. 65 verwiesen. Erhalten sind 59 flachgewölbte Spielsteine (26 : 670w), Taf. XXVII, 2 u. 3, von denen der größte einen Dm. von 2,6, der kleinste von 1,5 cm hat. Von den 27 schwarz erscheinenden Steinen bestehen die meisten aus undurchsichtigem Glasfluß, nur zwei ans dunklem Glas, das schwach bläulichgrün (flaschengrün) durchscheint, während ein Stein, soweit durchsichtig, flaschenbrann ist. 30 Steine sind undurchsichtig milchigweiß. Ein Stein ist zersetzt und bildet eine ockerfarbige Masse. Ein auffallend kleiner Stein, der in der Südwestecke des Brettes stand, ist dunkelbräunlich. 26 der Steine sind in der ursprünglichen Aufstellung längs der Südseite und an den beiden anschließenden Ecken gefunden worden. Sie waren so aufgestellt, daß je drei schwarze mit drei weißen Steinen abwechselten. Die Steine waren meist dicht nebeneinander gelegt, dichter als einer Einteilung von Quadraten mit 3 cm Seitenlänge entspricht, es lagen daher in einer Reihe 18 Steine. Erwähnt sei, daß Würfel nicht gefunden wurden, die vielleicht, falls sie aus Knochen bestanden, vergangen sind. Bronzering mit Zioinge (26: 670u), Taf. X X V I , 4, äußerer Dm. 4,5 cm. Die Enden der Zwinge sind zur Befestigung an einer Unterlage wohl aus Holz umgebogen. Die Stärke dieser Unterlage dürfte etwa % cm betragen haben. Vielleicht gehört der Ring zu einem Holzeimer. Er lag bei der Gefäßgruppe im Nordostteil des Grabes. Nadelstück aus Bronze (26 : 670Ax), Taf. X I X , 3, erhalten in Länge von 4,5 cm. Unter den Holzresten ist ein dünnes Belaystück (26: 670Ad), Taf. X X V I I I , 1, hervorzuheben, das nach Untersuchung von v. STOKAK die Bast- und Splintschicht eines Laubholzes ist. Es trägt eine Reihe eingerissener kleinerer und größerer Dreiecke, die wechselnd rot und dunkel (anscheinend blau) bemalt sind. Der rechtwinklige Abschluß des Stückes dürfte der ursprünglichen Form entsprechen. Nach dieser Ecke zu trägt das Holz eine flache gebogene Rille. Ob ein rundliches Loch als Befestigung des Holzbelages beabsichtigt ist, läßt sich nicht mit Sicherheit aussagen. Die Fundlage des Stückes ist nicht festzustellen. Zum Abschluß des Berichtes über das Grab sei noch aus der Untersuchung der Fischreste des Grabes von WUNDSOH (Anhang III) angeführt, daß die Bestattung wahrscheinlich im Herbst (September—Oktober) stattgefunden hat.

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WALTHEB SCHULZ

Grab 4 (Geborgen von 0 . F . G A N D E R T und Chr. A L B R E C H T am 13. 1. 1926), Abb. 57. E s ist unsicher, ob es zeitlich zum Bestattungsplatz gehört. Skelett eines untermittelgroßen, etwa 25—30 J a h r e alten Mannes. Funde Eisenschnalle (26 : 671 b), Abb. 58, nach Lage an der rechten Beckenseite zu einem Gürtel, Br. 6, Dornl. 4 cm. Bruchstück eines Eisenmessers (26: 671c), Abb. 59, mit abgesetzter Griffangel.

;

8-

58 Abb. 58. Eiscnsclinallc,

1

/ a n . Gr.

Abb. 59. Eisenmesserbruchstück rzu Grab 4, 1926, ' / , n . Gr.

Abb. 57. Grab 4, 1926

Grab 5 (Geborgen von F r . H O L T E R am 19. 3. 1926). Tiefe 85 cm mit gut erhaltenem Skelett eines etwa 30 J a h r e alten übermittelgroßen Mannes (Abb. 60), von Nordnordost nach Südsüdwest gerichtet. An der rechten Schulter fand sich eine Fibel. In der Gegend des linken Ellenbogengelenkes lagen spärliche unbestimmte Eisenreste (vielleicht von einem Messer?), nahe der linken H a n d Überreste eines Beutels, der anscheinend aus Leder bestanden h a t , seine Größe maß 9 x 4 cm. Hier fand sich der Schnallenrahmen. An der linken H a n d ein vergoldeter Bronzering.

Funde Fibel provinzialer Form mit ScharnierkonstruUion (26:672b), Taf. X X I X , 1, vergoldete Bronze mit Zwiebelknopf auf dem Bügel und kugeligen Endknöpfen an den Querbalken als Abschluß der bronzenen Scharnierachse. An der Basis dieser drei Knöpfe Ring mit Einkerbungen, ebenso ein Ring mit Einkerbungen als Abschluß des Bügels am Fußteile. Bügel hoch abgekantet mit schmalem Rücken, F u ß und Achsenhülse mehrflächig. Gesamtl. 6,25 cm. Bronzeschnallenrahmen (26: 672d), Taf. X X I X , 2. Der nicht erhaltene Schnallendorn aus Eisen. Basis des Rahmens ein gerader R u n d s t a b , der jederseits mit einem Wulste abschließt. Der bogenförmige Rahmenteil ist flach. Äußere Basisbreite 3,5 cm, äußere b Rahmenbreite am Dorn 2,8 cm. Vergoldeter Bronzefingerring (26:672 c), Abb. 61. Pferdeknoclien Abb. 60. Taf. X X I X , 3. Der sehr schmale, etwa nur 1 mm bei Grab 5, 1926 Grab 5 , 1 9 2 6 breite innere Teil verbreitert und verstärkt sich nach außen zu der oval abgegrenzten Mittelplatte von 6 rnm Breite mit Eingravierung; diese und weitere plastische Ausschmückung der Schauseite undeutlich. Innere Weite k n a p p 2cm. Ansammlungen von Pferdeknochen, Abb. 61. Nahe beieinander liegende Anhäufungen von Pferdeknochen, Schädel und ein Teil der Fußknochen über einer mit dunklem Boden ausgefüllter Grube, die bei einem oberen D m . von etwa 70 cm bis in eine Tiefe von 65 cm reichte

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(Abb. 61b). Westlich von dieser Gruppe, durch einen fundfreien Streifen getrennt, lag eine zweite Gruppe, offenbar gleichfalls in dunklem Boden, mit Beinknochen. Zu den Fragen, ob ursprünglich ein vollständiges Pferdeskelett vorlag, das zum Teil zerstört war, und ob die Knochen überhaupt zu der Bestattung gehören, sei auf die Ausführungen S. 44 verwiesen. Weitere Grabreste wurden im Laufe des Jahres 1926 von Vorarbeiter ERNST der Landesanstalt geborgen. Grabrest 6 Skelettreste eines Mannes im Alter von 25—30 Jahren mit schlecht verheiltem Bruche des linken Oberarmes. Dazu Reste von zwei Drehscheibengefäßen: Bruchstück einer dunkelgrauen profilierten Schale (26: 674b), Abb. 62, Drehscheibenarbeit, Ton hellgrau. Randdm. etwa 13 cm. Unterteil eines größeren Gefäßes (26:674 c), Taf. X X X , 3 u. Abb. 63, Oberfläche dunkelgraubraun, im Bruche graue Mittelschicht, die in rötlichbraunen Ton übergeht. Dm. des Fußringes 9 cm.

/

62

63 Grabrest 7 Abb. 62 und 63. Grab 6, 1926, 1 / i n . Gr. Reste des Skelettes eines Mannes im Alter von 20—25 Jahren. Bruchstücke einer Drehscheibenschale und einer Schüssel. Die Bruchstücke der profilierten kleinen Fußschale (26:675b), Taf. X X X , 4 u. Abb. 64, dunkelgrau, im Bruch hellgrau. Am oberen Teil eingeglättete wellenförmig verlaufende Horizontalstreifen. Bodendm. 6 cm. Bruchstücke einer Schüssel (26 : 675 c), Ton braungrau. Abb. 64. Grab 7,1926, V ä n. Gr. Grabrest 8 Nur eine schwache Bodenschicht des Grabes von 2 x 1 m Ausdehnung in Längsrichtung von Ost-West war in 1 m Tiefe unter dem Straßenniveau erhalten. Es wird angenommen, daß das Grab bereits früher bei Ausheben von Kies zerstört worden ist. Zerstreut fanden 66 sich die Knochen eines mittelgroßen Abb. 65 und 66. Grab 8, 1926, 1U n. Gr. Mannes im Alter von 20—30 Jahren, dabei Reste eines größeren Napfes und einer Drehscheibenschale. Die profilierte Fußschale (26 : 673b), Taf. X X X , ] u. Abb. 65, ließ sich nach den Resten ergänzen. Farbe dunkelgrau. H. etwa 11, Randdm. etwa 16, Bodendm. 6,5 cm. Kumpf (26 : 673c), Taf.XXX, 2 u. Abb. 66, nur in Bruchstücken erhalten, ergänzt, Rand eingezogen, schmutzig graubraun. H. etwa 10,5, Randdm. 11,5 cm.

\J3

Verschiedenes Nicht sicher zu welchem Grab: eine grünliche Glaskugel (26: 676b), Taf. X X X . 7, wie sie aus Grab 2 von 1917 vorliegt und eine Bernsteinkugel (26: 676c), Taf. X X X , 8. Bruchstück eines Faltenbechers (26 : 676a), Taf. X X X , 5, dunkelgrau mit Ansatz zu einer länglichen Delle. Tongefäßscherbe (26: 670Br), Taf. X X X , 6, hellziegelfarbig, bedeckt mit sich kreuzenden Rillen.

Die Grabfunde 1834 Bereits Jahrzehnte vorher waren bei Leuna offenbar auf demselben Bestattungsplatze ein Grab oder mehrere beim Kiesgraben entdeckt worden. In den Neuen Mitteilungen auf dem

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WALTHER SCHULZ

Gebiet historisch-antiquarischer Forschungen, herausgegeben vom Thüringisch-Sächsischen Geschichtsverein Bd. II, 1836, S. XV ist unter den Einsendungen für die Sammlung der Geräte aus heidnischer Vorzeit angegeben: ,,10. und 11. Der Königl. Wegebaumeister Herr Zahn zu Merseburg eine sehr schöne schwarze Urne und eine kleine metallene Schale, welche im Frühjahr 1834 in einer Kiesgrube bei Merseburg 8 Fuß tief dicht bei einander gefunden worden sind." Die Sammlung des Thüringisch-Sächsischen Geschichtsvereins ist von dem Provinzialmuseum in Halle übernommen worden. Der Verbleib der beiden genannten Gefäße ist aber hier nicht mehr festzustellen. In einer Anmerkung zu der Erwerbung ist gesagt: „Außer diesen beiden Gegenständen wurden an derselben Stelle auch zwei kleine Vasen von Glas mit erhabenen Verzierungen und der griechischen Aufschrift A K T A I O N gefunden. Beide Vasen sind Se. Exzellenz dem Königl. Geh. Staats-Minister und Minister des Innern und der Polizei von R o c h o w abgegeben worden." Die beiden Glasschalen gehören zu den Funden, die schließlich in das Britische Museum von London gelangt sind. Im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit Nürnberg N. F. 13, 1866 ist Sp. 116ff. über diesen Fund ausführlicher berichtet: „24) Einige höchst interessante Alterthümer, welche in der Gegend von Merseburg schon vor längerer Zeit gefunden, bisher in Privatbesitz waren, jetzt aber durch das Antiquitätengeschäft von Zschiesche und Köder in Leipzig erworben worden sind, dürften, nun zugänglich gemacht und zum Verkaufe ausgestellt, wohl geeignet sein, die Aufmerksamkeit der Sammler und Kenner auf sich zu ziehen. Nach einer älteren und schriftlichen Aufzeichnung wurden sämtliche noch zu besprechende Stücke bei dem Dorfe Leuna, % Stunde südlich von Merseburg, beim Ausgraben von grobem Kies, in einer Tiefe von 5—6 Fuß gefunden. Gedachtem Berichte nach stieß man zunächst auf das Skelett eines nach ärztlichem Urtheile ungefähr 30 Jahre alten Menschen, wovon aber gegenwärtig nur noch ein Stück der oberen Hirnschale und ein solches des Unterkiefers vorhanden ist, indem schon beim Ausgraben der größte Teil desselben zu gründe ging. In geringer Entfernung soll das Skelett mit 6 Gefäßen umstellt gewesen sein, die, mit Kies angefüllt, mehrere Geräthschaften enthielten. Drei dieser Gefäße sind Urnen von gebranntem Thon, wie sie häufig in jener Gegend an Begräbnisplätzen gefunden werden, wenn auch von ungemein zierlicher Arbeit und nicht gewöhnlicher Gestalt, die eine 8" hoch und 3%" im stärksten Durchmesser, die andere 534" hoch und 3%" im Durchmesser, die dritte ö 1 ^" hoch und im Durchmesser. Das vierte Gefäß ist eine sogenannte etrurische Schale von höchst gefälliger Form, schöner roter Farbe mit Verzierungen und von hellem Klange, 4%" in der Höhe und 9" im oberen Durchmesser. Die interessantesten Stücke aber sind zwei starke Glasschalen, von welchen die eine 5 y 2 " oberen Durchmesser und 3%" Höhe, die andere 9" Durchmesser und 4" Höhe hat, beide durchsichtig und opalisiert. Im Innern sind diese Schalen ganz glatt auf der äußeren Fläche aber verziert, und zwar ist auf der kleineren Schale die Scene eingeschnitten, wie Aktäon die Artemis überrascht, und, von dieser in einen Hirsch verwandelt, von seinen eigenen Hunden angefallen wird. Die beiden Namen APTEMIC und A K T A I O N sind in die Masse einpunktiert. So unvollkommen auch das Eingeschnittene erscheint, so erhält es doch, vom Innern der Schale aus betrachtet, Rundung und gefällige Formen. Die größere Schale zeigt nur eingegrabene Verzierungen. Unter den Geräthschaften befindet sich ein trefflich erhaltenes bronzenes Sieb nebst gleich großem Kessel, die zusammengehört zu haben scheinen. Auch ein defectes hölzernes Gefäß mit Metallbeschlägen, zu dem noch zwei einzelne Reifenstücke gehören, läßt sich in Zusammenhang mit letztgedachten Gegenständen bringen. Da der Boden des Fundortes aus grobem Kies bestand und bei gehörigem Abfluß des Wassers von der schiefen Oberfläche immer trocken erhalten wurde, ist sowohl die Erhaltung eines Restes des hölzernen Gefäßes als auch des Skelettes erklärlich. Nächstdem befinden sich noch unter den Geräthen 2 silberne Sporen mit kurzem, geradem Stachel (ungarisch) und 2 angeblich silberne Pfeilspitzen, eine kleine silberne Zange, mehrere Spangen, eine Gürtelschnalle und metallene Ringe. Gehören auch die gefundenen Gegenstände äugen-

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fällig verschiedenen Zeiten und Völkern an, so ist doch ein Auffinden derselben an einem und demselben Ort deshalb noch nicht zu bezweifeln, auch die Identität der Stücke verbürgt. Sehr zu bedauern wäre es, wenn diese seltsame Ausbeute vaterländischen Bodens deutschen Landen entführt und in die Fremde wandern sollte. Möchten Museen, denen Mittel zur Seite stehen, die Dinge prüfen und zu erhalten suchen." Etwa gleichzeitig erschien im Leipziger Tageblatt vom 4. 12. 1866 eine inhaltlich mit dem vorgenannten Bericht übereinstimmende Mitteilung von Otto Moser, wobei aber als Fundort „bei Markranstädt" angegeben ist. Auch dieser Bericht nennt die Gegenstände, er spricht dabei von vier Spangen. Noch einmal erwähnt der Anzeiger für Kunde der deutschen Vor' zeit N. F. 15, 1868, Sp. 148, die Funde aber ohne Hinweis auf die Veröffentlichung im Jahrgang 13, 1866 unter Bezugnahme auf die Illustrierte Zeitung (wohl Leipzig) Nr. 1292. „Bei Dürrenberg, unweit des Saaleufers, ist vor einiger Zeit ein heidnisches Grab geöffnet worden, dessen in antiquarischer und künstlerischer Hinsicht wertvolle Ausbeute aus zwei Glasschalen von griechischer Arbeit, einer prächtigen römischen Urne, zwei silbernen Sporen und einem kupfernen Feldkochgerät bestand. Diese Gegenstände wurden nach Leipzig gebracht, und die Eigentümer gaben sich die große Mühe diesen in der vaterländischen Erde gefundenen Alterthümern in Deutschland eine bleibende Stätte zu schaffen. Sie fanden jedoch keinen Abnehmer, und nun wandern die Antiquitäten für einen angemessenen Kaufpreis nach England." Auf Grund dieser Mitteilung ist ein kurzer Hinweis auf die angeblich Dürrenberger Funde bei L i s eh, Römergräber in Mecklenburg, Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde 35, 1870, S. 104 im Zusammenhange mit den Silbersporen von GKABOW gegeben. Im Jahre 1 8 6 7 sind die Funde mit der Sammlung von Felix SLADE in das Britische Museum von London gelangt10), wo sie seitdem aufbewahrt werden. Im Archiv des Landesmuseums ist über diesen Fund ein Schriftwechsel mit Professor KLOPFLEISCH aus dem Jahre 1879 erhalten, der durch die Aufdeckung entsprechender Gräber bei V o i g t s t e d t im Jahre 1 8 7 8 und durch die dortigen Ausgrabungen von KLOPFLEISCH veranlaßt worden ist. Damals sollte der Fund für eine Veröffentlichung abgezeichnet werden, was aber schließlich unterblieben ist. Auch hier ist ein Verzeichnis der Londoner Fundstücke gegeben, wobei indes nur zwei Bronzefibeln genannt sind. Die Verbindung Voigtstedt-Leuna findet sich auch in der „Wissenschaftlichen Beilage der Leipziger Zeitung" vom 18. 9. 1879 (Nr. 75) in einem Aufsatz von Otto MOSER: „Geöffnete Hermundurengräber". Der Leunaer Fund ist hier genau beschrieben, dazu erfahren wir noch die Fundumstände „dort wurde in der Nähe eines einzeln stehenden Gehöftes Grund zu einem Gebäude gegraben", wobei die Arbeiter auf das Grab stießen. Bei GÖTZE, HÖFER, ZSCHIESCHE ist der Fund S. 13 unter L e u n a aufgeführt, wozu unter Nachträgen S. 5 9 4 eine Berichtigung von Paul REINECKE gegeben ist. Der „Merseburger Korrespondent" bringt in der Ausgabe vom 6. November 1926 S. 5 einen Aufsatz: „Streifzüge durch die Heimatkunde. Leunaer Funde im Londoner Museum" von Paul STEPHAN im Anschluß an die Entdeckung der Gräber im Jahre 1 9 2 6 . Die hier vorliegenden Abbildungen nach photographischen Aufnahmen werden Herrn T. D. KENDRICK, Britisches Museum London, verdankt, der sie 1926 freundlichst zur Verfügung stellte. Nach diesen Abbildungen sei eine Übersicht über die Fundstücke gegeben. Taf. X X X I , 1 zeigt eine Zusammenstellung nach Felix SLADE, 1 8 6 7 : Drei von den vier in den Berichten genannten Fibeln aus Bronze oder Silber, Form entsprechend Almgren, Nordeuropäische Fibelformen Taf. VII, 175. Sie haben bandförmigen Bügel und winklig abschließenden Fuß, Endknöpfe an der Spiralachse, doch Unterschiede im einzelnen. Mindestens für die mit Perldraht geschmückte Fibel ist Silber anzunehmen. 1 0 ) Catalogue of the collection of Glass formed by Felix SLADE, London 1871. — Über den mir nicht zugänglichen Katalog siehe E . KBÜGEB, Der Telephos-Stein aus Arlon, in: Trierer Zeitschrift 4, 1929, S. 104, Anm. 12. — A. KISA, Das Glas im Altertum 1908, Bd. II spricht S. 660 bei Behandlung der Aktäonschale irrtümlich von einem Brandgrabe.

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Bronzegürtelschnalle, um deren mit Endknöpfen versehenen Achse sich der breite, flache, an den Ansatzstellen in Tierköpfe auslaufende Rahmen, der Dorn und die rechteckige Ansatzplatte, die drei Nieten zur Befestigung am Gürtel trägt, bewegen. Pinzette und Ohrlöffelchen wohl aus kupferhaltigem Silber11) mit profiliertem Kopfende und Durchlochung zum Aufhängen. Zwei Pfeilspitzen, wohl, wie die der übrigen Gräber, aus kupferhaltigem Silber. In der Gesamtform stehen sie den Spitzen aus Grab 1, 1926 am nächsten. Sporenpaar, wohl aus kupferhaltigem Silber. Die Sporen, die, wie die meisten aus Leuna, zu der Gruppe der Nietsporen gehören, kommen auch in der Gestalt des Stachels den Sporen des Grabes 1, 1926 am nächsten. Bruchstück eines Armringes aus Bronze. wohl rundstabig und offen, nach einer Skizze im Archiv des Landesmuseums, abwechselnd mit Strichgruppen und zwei bis drei liegenden Kreuzen verziert. Terrasigillataschale, Taf. XXXIII, 1, mit dicht gestellten quergekerbten Perlstabrippen unterhalb der Eierstabreihe. H. etwa 11, Randdm. etwa 21 % cm Fußbecher, Taf. XXXII, 1, wohl dunkelfarbig, auf Drehscheibe gearbeitet, Unterteil mit dicht gestellten Reihen von aus der Oberschicht herausgedrückten Warzen, die drei dreieckige Felder freilassen. Am Ansatz zur Schulter drei geknickte Henkel, Schulter dreifach gewuJstet, die Wulste von schmalen Leisten eingefaßt; Hals an Mündung ausladend. H. 22 cm. Auf Drehscheibe gearbeiteter dunkelfarbiger Fußbecher, Taf. XXXII, 2, mit vier aufsteigenden zungenförmigen Wülsten am Unterteil, die von einer Furche begleitet werden, dazwischen nach unten geöffnete Bögen aus Doppelfurchen, darüber quergekerbtes Band. Schulter zweifach gewulstet, auf dem unteren Wulste eine Doppellinie, auf dem oberen Dreiecke mit Strichfüllung. Schulterteil oben durch ein quergekerbtes Band abgeschlossen. Halsteil mit ausladender wulstiger Lippe. H. etwa 14, Randdm. etwa 8 cm. Freihändig gearbeiteter Topf, Taf. XXXII, 3, grobtonig, Rand gerade abgestrichen, unter dem Randteil eingezogen, um die Bauchweite ziehen sich zwei Reihen von Eindrücken. H. etwa 15, Randdm. etwa 16 cm. Glasschale, Taf. XXXIII, 2 u. Taf. XXXIV, 2, hell durchsichtig, weit geöffnet, an der Außenseite eingeschliffene Darstellung der Aktäonsage. Unter dem Rande, von der Bildfläche durch Rille getrennt, laufendes Bogenmuster. H. etwa 6, Randdm. etwa 12 cm12). Glasschale, Taf. XXXIV, 1, hell durchsichtig, weit geöffnet, obere Zone zwischen Rille drei Reihen kleiner länglich ovaler Einschliffe (Fazettenschliff), darunter Reihe kreisrunder Einschliffe, getrennt von I-Schliffen, nach dem Boden zu Fazettenschliff. H. etwa 9, Randdm. etwa 14 cm. Bronzekelle mit Einsatzsieb, Taf. XXXI, 2, Griffabschlüsse fehlen. H. der Kelle etwa 4, Dm. des Kellenrandes etwa 10% cm. Rest eines Eimers

mit Bronzereifen

u n d Bronzetragring mit Ansatzplatte, T a f . X X X I , 1.

Teil eines Ringes aus Bronzeblech Taf. XXXI, 1 unten Mitte, vielleicht Randbeschlag des Eimers ? Wenn auch in den Nachrichten über den Fund von 1834 nur von einem Grabe die Rede ist, so liegen wohl neben der reichen Ausstattung eines Mannes noch Beigaben aus einfacher ausgestatteten Frauengräbern vor, zu denen die ursprünglich vier Fibeln und auch das Armringstück gehören. n

) Es sei auf die Angaben über das Metall der Pinzette, der Pfeilspitzen und der Sporen im Anzeiger Nürnberg 1866 hingewiesen. la ) Über die Glasschalen: E. aus'M WBERTH, Römische Gläser, in: Bonner Jahrbücher H. 64, 1878, S. 127. Hinweis auf Figur 74 u. 75 bei SLADE, doch mit dem Irrtum, daß es sich um eine zweite Aktäonschale handele, die außer der „aus einem Grabe bei Merseburg" in das Britische Museum gelangt sei. — A. KISA wie Anm. 10, — E. KBÜOEB wie Anm. 10 S. 103ff., dazu Abb. der beiden Glasschalen.

Zusammenfassende und vergleichende Betrachtung B estattungssitte R e i c h a u s g e s t a t t e t e K ö r p e r g r ä b e r in M i t t e l d e u t s c h l a n d Die Leunaer Gräber gehören zu einer Gruppe reich ausgestatteter Körpergräber, die einzeln oder auch zu mehreren an verschiedenen Stellen im Gebiet westlich von der Saale im Laufe der Jahre aufgedeckt worden sind. Der Bestattungsbrauch ist der Erhaltung der reichen Totenausstattung günstig gewesen, denn wären die kostbaren Dinge aus Metall und Glas dem Scheiterhaufen übergeben worden, so wären nur unansehnliche Überreste zurückgeblieben. Tatsächlich kennen wir aus Brandgräbern verschmolzene Reste provinzialer Bronzegefäße und auch von Silberschmuck. Gehen wir aber unsere mitteldeutschen Brandgräber der spätrömischen Zeit durch, so erkennen wir, daß zwar manche kostbaren Stücke aus Silber mitgegeben wurden, die für Wohlhabenheit sprechen, es fehlen aber Goldgegenstände. Provinzialrömisches Bronzegeschirr, das auch in verschmolzenem Zustand noch erkennbar ist, ist in Leichenbrandgräbern seltener anzutreffen. Glasgefäße kommen anscheinend überhaupt nicht vor, denn die Glastropfen rühren wohl durchweg von verschmolzenen Glasflußperlen her. Vielleicht sind aber bei den Sippen, die die Sitte der Leichenverbrennung übten, diese Dinge nicht mitgegeben worden. Für Geschirr mag es zutreffen, doch daß der Goldschmuck etwa zurückgehalten wurde, falls er Eigentum des Trägers war, ist nicht anzunehmen. Wenn Goldschmuck nicht in den Gräbern der verbrennenden Sippen gefunden worden ist, so fehlte er offenbar bei ihnen. Die reicher ausgestatteten Urnengräber entsprechen also nur den Beerdigungsgräbern mit Silberausstattung. Zu der folgenden Zusammenstellung sei bemerkt, daß die angeführten Gräber im Reichtume der Ausstattung am meisten hervorragen, daß aber keine scharfe Grenze gegenüber den übrigen Bestattungen zu ziehen ist. Für Einordnung in die Gruppe der reichst ausgestatteten Gräber sei, um ein Kriterium zu finden, das Vorhandensein von Gold maßgebend, wobei sich ergibt, daß diesem die übrige Ausstattung, z. B. die Menge der Beigaben an eingeführtem Metallgeschirr und Glas, und mitunter auch die Ge- • räumigkeit des Grabes entspricht. Wo Bestattungsplätze vorliegen, wie in Leuna und Haßleben13), kommen neben reichst ausgestatteten Gräbern auch solche mit einfacherer Ausstattung vor. Zu den r e i c h s t e n G r ä b e r n , die denen von H a ß l e b e n und L e u n a nahe stehen, wenn auch nicht gleichkommen, gehören im mitteldeutschen Gebiete folgende Bestattungen (dazu Karte Abb. 67): E m e r s l e b e n , K r . O s c h e r s l e b e n . Zwei Gräber, Bestattung eines Mannes u nd einer Frau. 1941 aufgedeckt. In beiden Gräbern außer einheimischer Keramik provinzialrömischesBronzegeschirr, Silberschmuck und Silbergerät; im Männergrabe drei Pfeilspitzen aus Silber, eine aus vergoldeter Bronze; im Frauengrabe gewundener Goldarmreif von nordischem Typus und Goldfingerring. Im Munde beider Bestatteten ein Aureus. Mus. Halberstadt. Veröffentlichung in Jahresschrift Halle 36, 1952 S. 102 ff. 13 ) Nach Veröffentlichung der Haßlebener Gräter sind noch weitere aufgedeckt worden, darunter ein reich ausgestattetes Grab. A. M Ö L L E R in: Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit 10, 1934, S. 271 f.

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WALTHEB SCHULZ

G r o ß o e r n e r , Kr. E i s l e b e n . Frauengrab. H. GBÖSSLER in: Jahresschrift Halle 1, 1902. 182ff.; GÖTZE, HÖFEB, ZSOHIESOHE S . 46ff. Zeitlich zum Teil jüngere Gräber Mus. Halle, H. BUTSCHKOW in: Jahresschrift Halle 24, 1936, S. 231 ff. (Molmeck in Großoerner eingemeindet). — K. ZIEGEL in: Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit 12, 1936, S . 295ff. — K. ZIEGEL in: Germanenerbe 2, 1937, S . 137ff. Kr. E i s l e b e n , Helmsdorf oder Burgsdorf. Fundstücke, die auf ein oder mehrere reich ausgestattete Gräber hinweisen. Provinzialrömisches Geschirr. Goldfingerring von nordischem Typus (Abb. Haßleben Taf. 22,5) zum Teil Mus. Eisleben, Slg. Kerssenbrock. H. GBÖSSLER, Mansf. Blätter 16, 1902, S. lff. S.

Abb. 67, 1. Die Körpergräber des 4. Jahrhunderts ( X ) in dem durch Urnengräber des 3./4. Jahrhunderts bestimmten mitteldeutschen Siedlungsraume ( • ) Abb. 67, 2. Reich ausgestattete Körpergräber. 1 Emersleben, 2 Krottorf, 3 Großoerner, 4 Kr. Eisleben, 5 Trebitz, 6 Wansleben, 7 Leuna, 8 Weißenfels, 9 Flurstedt, 10 Voigtstedt, 11 Leubingen, 12 Haßleben, 13 Freienbessingen, 14 Dienstedt

V o i g t s t e d t , Kr. S a n g e r h a u s e n . Mehrere Bestattungen u. a. goldener Halsring, Staatl. Mus. Berlin. GÖTZE, HÖFEB, ZSCHIESCHE S. 149ff. L e u b i n g e n , Kr. K ö l l e d a . Eine Bestattung, u. a. goldener Halsring. Staatl. Mus. Berlin. GÖTZE, HÖFER, ZSCHIESCHE S . 1 0 9 f .

F l u r s t e d t , Kr. W e i m a r . Grabfund u. a. Aureus und Goldhalsring, verschollen. Außerdem gewundener Goldarmreif von nordischem Typus. Staatl. Mus. Berlin. GÖTZE, HÖFEB, ZSCHIESCHE S. 296, hier weiteres Schrifttum. — G. KÖRNEB in: Jahresschrift Halle 35, 1951, S. 149 ff. Von Grabfunden, die als reich ausgestattet bezeichnet werden können, wenn sie auch nicht zu den reichsten gehören, seien genannt:

L e u n a , ein germanischer Bestattungsplatz der spätrömischen Kaiserzeit

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Mit kleinerem Goldschmuck: K r o t t o r f , Kr. O s c h e r s l e b e n . Frauengrab, als Goldschmuck fünf aufgereihte Aurei des Postumus, Hälfte eines Verschlußstückes, kleines Büchschen mit Granulation (wohl Anhänger). REISCHEL in: Zeitschrift des Harzvereins 30, 1897, S. 455ff. Mit reichem Silber schmuck: W a n s l e b e n , Saalkr. Verschiedene Gräber, darunter Frau mit reichern Silberschmuck. Landesmus. Halle. GÖTZE, H Ö F E R , ZSCHIESCHE S. 4 2 . D i e n s t e d t , Kr. A r n s t a d t . Bestattung einer Frau, Silberschrnuck u. a. Halsring, reich geschmückte Silberbrosche. Mus. Jena. G . EICHHORN in: Zeitschrift für Ethnologie 4 0 , 1 9 0 8 , S . 9 0 2 f f . — GÖTZE, H Ö F E R , ZSCHIESCHE S . 2 6 2 f f .

F r e i e n b e s s i n g e n , K r . L a n g e n s a l z a . Frauengrab, Silberhalsring und reich geschmückte Silberbrosche. Mus. Halle. P. GRIMM in: Nachrichtenblatt für Deutsche Vorzeit 16, 1940, S. 526if. - W. SCHULZ in: Mitteldeutsche Volkheit 8, 1941, S . 16ff. Fund'plätze mit mehreren römischen Bromegefäßen: T r e b i t z bei W e t t i n , Saalkr. Landesmus. Halle. H . H A H N E U. G . KOSSINNA in: Nachrichten über deutsche Altertumsfunde 1 9 0 3 , S. 5 1 ff. — GÖTZE, H Ö F E R , ZSCHIESCHE S. 4 0 . W e i ß e n f e l s , B e u d e f e l d . Landesmus. Halle. GÖTZE, H Ö F E R , ZSCHIESCHE S . 3 6 6 . R e i c h a u s g e s t a t t e t e K ö r p e r g r ä b e r in w e i t e r e n G e b i e t e n Über den mitteldeutschen Raum hinaus richten wir unseren Blick zunächst auf die Körperbestattungen des gesamten Elbgebietes, das von Stämmen, die als Sweben zusammengefaßt werden, bewohnt wird. Hier sind wiederum zwei Räume zu nennen, in denen gleichfalls in dieser Zeit Beerdigungsgräber auftreten. Der eine ist der böhmische Raum, der andere das Gebiet nordöstlich von der unteren Elbe, Mecklenburg und Holstein. Aus B ö h m e n liegt trotz der mehrfach gefundenen Körperbestattungen bisher kein Grab vor, das im Reichtum der Ausstattung den Gräbern in Mitteldeutschland gleichkommt. Vielleicht sind noch derartige Bestattungen zu erwarten, daß sie aber doch nach Anzahl auch in Zukunft hinter dem Saaleraum zurückbleiben werden, darf bereits als gesichert gelten. Bemerkenswert ist ein reicheres Grab von Z i z e l i c e (Schieselitz)14), dessen Grabrauin 2 m lang und mehr als 1,50 in breit war. Oberhalb des Skelettes fand sich in der Grabgrube eine Steinlage. Die Tote lag hier in Richtung Nordost nach Südwest. Im allgemeinen gilt jedoch für Böhmen die West-Ostlage der Toten. In der Schmuckausstattung treten einige Silberbeigaben hervor, mehrere Tongefäße standen längs der nicht mehr erhaltenen Südost wand des Grabraumes, mitgegeben war ein Hahn. Eine reichere Schmuckausstattung enthielt auch das Grab von P r o s m y k y (Prosmik)15). In M e c k l e n b u r g sind die Grabfunde von Grabow und von H ä v e n mit Silberausstattung und provinzialrömischem Geschirr seit längerer Zeit bekannt16). Beziehungen zu unserer mitteldeutschen Gruppe lassen die Silbersporen von Grabow sowie der silberne Halsring mit birnenförmiger Öse von Häven erkennen, beides elbländische Sonderformen, die besonders unserer Saälegruppe eigen sind. Die Gräber von Häven waren, soweit beobachtet, von Nord nach Süd ausgerichtet, vier der Skelette waren mit Steinen überdeckt. Bei J e s e n d o r f , Kr. Wismar, nicht weit von Häven wurde 1939 ein Grab in 2 m Tiefe aufgedeckt17). Der 14

) M. WTODINGEB, in: Sudeta 1, 1925, S. 186ff.; Abbildung auch bei H. PREIDEL, Die Markomannen und Bayern, in: Beinerth, Vorgeschichte der deutschen Stämme II, 1940, Tai. 233. 15

16

) H. PREIDEL, wie Anm. 14 Taf. 238.

) R. BELTZ, Die vorgeschichtlichen Altertümer des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin 1910, S. 360ff. mit weiterem Schrifttum. 1? ) E. SCHULDT, Das spätrömische Grab von Jesendorf, Kr. Wismar, in: Hammaburg, Vor- und frühgeschichtliche Forschungen a. d. niederelbischen Raum 1, 1948, H. 3, S. 225ff. Es sind hier weitere Körperbestattungen angeführt mit mehr oder weniger reicher Ausstattung.

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WALTHEB

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Tote war hier von Westen nach Osten gerichtet, über dem Körper, mit Ausnahme des Schädels, lagen teilweise zentnerschwere Feldsteine, die auch seitlich den Körper einfaßten. Mit einer Geschirrausstattung von zwei Glasschalen, zwei Kellen mit Siebeinlage und drei Tongefäßen gehört das Grab zu den reicheren Gräbern. Ein Körpergrab von Woldegk in Mecklenburg Strelitz, das 1926 gefunden wurde18), hatte 3 m tief in einer Sandschicht gelegen, Steine sind hier nicht verwendet worden. Nach der Ausstattung mit zwei Pfeilspitzen aus silberhaltigem Metall liegt die Bestattung eines Mannes vor. Unter den Kleinbeigaben ist ein dickes rundes Goldplättchen, wohl Nachahmung einer Münze, hervorzuheben. Zur Geschirrausstattung gehörte ein Bronzebecken, ein Bronzesieb und eine Glasschale. Die Mitgabe von Pfeilspitzen spricht für Beziehung zu der mitteldeutschen Gruppe. An die elbländische Gruppe schließt sich auch das Grab von H e i l i g e n h a f e n , Ostholstein an, dessen Grabraum 3,80 X 1,10 m maß. Der Tote lag hier gestreckt in einem Holzsarge, auf dem, ähnlich wie bei Leuna Grab 2, 1917 ein Stein gelegen hatte. Ein Goldfingerring und eine durchlochte Goldmünze (Nachahmung eines Aureus des Antonius Pius) sind die Schmuckbeigaben, vier bronzene Eckbeschläge gehören zu einem Tablett oder eher einem Spielbrett. Zum Spielen dienten 58 weiße und schwarze Spielsteine, die reihenförmig angeordnet anscheinend in einem Holzkasten gelegen hatten, und ein Knochenwürfel. In einer fast 1 m langen Erweiterung am Fußende hat vermutlich ein Holzkasten gestanden, der einen Knochenkamm und einen kleinen Bronzering mit Zwinge enthielt. An Geschirr war nur ein Holzeimer mit Bronzebeschlägen vorhanden, es fehlt dagegen die Keramik19). Körperbeerdigungen in Süd- und Süd Westdeutschland zeigen zum Teil, besonders in der Keramik, Zusammenhänge mit den mitteldeutschen Gräbern, aber sie reichen nicht an die Ausstattungen hier heran20). Es seien vier Körpergräber von R e i c h e l s h e i m an der Horloff, östlich von Friedberg in Hessen genannt21), für die G. B E H R E N S die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts annimmt. Mit Leuna Grab 2, 1917 stimmt überein, daß am Kopfende des nordsüdlich gerichteten Skelettes eine Flasche stand, während die übrigen Gefäße am Fußende untergebracht waren. Eisennägel sprechen auch hier für einen Holzsarg. In geringer Höhe über der Mitte des Skelettes lag ein Sandsteinstück, also gleichfalls ähnlich dem Befunde des genannten Leunaer Grabes. Neuerdings weist J. W E R N E R auf Gräber der unter dem römischen Imperium stehenden führenden Familien der fränkischen Laeti in Nordfrankreich hin, bei denen er Übereinstimmung mit unseren mitteldeutschen Körpergräbern findet22). Doch besteht in deren Waffenmitgabe ein auffallender Unterschied. Wenden wir uns nun reich ausgestatteten Gräbern des Ostens zu, so sind zunächst die Grabfunde von Straze in der Westslowakei zu nennen, die unseren reichst ausgestatteten Gräbern zur Seite zu stellen sind. Es siedelten dort damals die westgermanischen Quaden, und tatsächlich lassen sich in den Bestattungen auch elbgermanische Zusammenhänge erkennen, während die Lage im Ostraum sich gleichfalls in der Ausstattung auswirkt23). 18 ) H. J. EGGERS, Das Körpergrab von Woldegk, Mecklenburg-Strelitz, in: Hammaburg 1, 1948/1949, H. 3, S. 230ff. 19 ) K. KERSTEN, Ein reiches Skelettgrab der Kaiserzeit aus Heiligenhafen, in: Nachrichtenblatt f. deutsche Vorzeit 18, 1942, S. 99. — Ders., Ein münzdatieites Körpergrab aus Heiligenhafen, in: Offa, Kiel9, 1951, S. 74ff. 20 ) W. SCHLEIERMACHER, Der obergermanische Limes und spätrömische Wehranlagen am Rhein, in: 33. Bericht d. röm.-germ. Kommission 1943/1950 (1951), S. 133ff. Hier Aufzählung von Germanengräbern des 4. Jahrhunderts im Limesgebiet mit und ohne Waffen, zum Teil mit Keramik, die unserer mitteldeutschen nahesteht. 21 ) G. BEHRENS, Frühgerraanische Funde aus der Friedberger Gegend, in: Germania 15, 1931, S. 255ff. 22 ) J. WERNER, Zur Entstehung der Reihengräberzivilisation, in: Archaeologia geographica 1, 1950, S. 23ff. s3 ) Dazu das Grab von 1932: E. BENINGER, Die germanischen Bodenfunde in der Slowakei 1937, S. 106ff., wobei auch auf die Verbindungen nach beiden Richtungen hingewiesen ist. — E. BENINGER, Die Quaden, in:

R E I N E R T H , V o r g e s c h i c h t e d e r d e u t s c h e n S t ä m m e I I , 1 9 4 0 , T a f . 2 9 8 , 2 9 9 . — L . F . ZOTZ i n : N a c h r i c h t e n b l a t t f .

deutsche Vorzeit 10, 1934, S. 264ff., dazu Berichtigung 11, 1935, S. 32. — Das Grab von 1939 Nachrichtenblatt f. deutsche Vorzeit 16, 1940, S. 150ff.

L . F . ZOTZ

in:

L e u n a , ein germanischer Bestattungsplatz der spätrömischen Kaiserzeit

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Im Bereiche der W a n d a l e n stehen an erster Stelle die unsere gesamten Funde an Reichtum übertreffenden Gräber von Sakrau (jetzt Zakrzow)24). Es sei hier nur darauf hingewiesen, daß diese Gräber anknüpfend an alte nordjütländisch-wandalische Überlieferung von einer gewaltigen Steinmauer umschlossen sind25). Zu dem wandalischen Bereich gehören weiter die beiden bedeutenden Funde von Czeke und von Ostropataka in der Slowakei26). Aus dem Weichselgebiet, dem Land der Goten, ist das Grab eines Mannes, waffenlos mit Sporen bei reicher Ausstattung, von Kommerau zu nennen, dessen 4,80 m lange von Nord nach Süd gerichtete Steinpackung den Anlagen von Sakrau vergleichbar ist27). Eine gewaltige Steinüberpackung, hier nach skandinavischer oder örtlicher Überlieferung unter einem Hügel, besaß auch das bereits geplünderte Körpergrab von P i l g r a m s d o r f , dessen in den gewachsenen Boden eingelassene Holzkammer 2 x 2 m maß28). Aus Wolhynien sei ein reicher, wohl gepidischer Grabfund von R u d k a , Kr. Krzemieniec, genannt, der sich in seiner Grabform, einem Schachte von 2,6 m Länge und 1,10 m Breite, den südöstlichen sarmatisch-gotischen Schachtgräbern anschließt. Auch hier war ein Mann waffenlos, aber mit Sporen und reicher Geschirrausstattung beigesetzt29). Weiter im Norden sind die dänischen Inseln mit den schon seit längerer Zeit bekannten Gräbern von Nordrup, V a l l ö b y , Varpelev und H i m l i n g ö j e und anderen auf Seeland, Sanderumgaard, Aarslev und anderen auf F ü n e n ein Mittelpunkt reichster Gräber, die hier mit Steinen überdeckt und ummauert sind30). Höher im Norden, in Skandinavien, führen reich ausgestattete Gräber Waffen, auch sind sie unter Hügeln angelegt31). Das Holzkammergrab wurde damals auch in Südschweden übernommen32). So stehen die mitteldeutschen Beerdigungsgräber in einem Zusammenhange mit weit ver- . breiteten Bestattungssitten der Zeit. Wie aber innerhalb des Saalegebietes bereits örtliche Unterschiede in Einzelheiten zu erkennen sind, treten Unterschiede noch stärker bei Durchmusterung der verschiedenen Landschaften und Stammesgebiete hervor, wobei die elbgermanischen Gruppen enger miteinander verbunden sind gegenüber denen der Ostgermanen und der dänischen Inseln. Bemerkenswert ist, daß die Gräber von S t r a z e in der Slowakei noch die westgermanischen Verbindungen der Quaden erkennen lassen, ferner, daß das Grab von H e i l i g e n h a f e n trotz seiner Lage an der Ostsee auf einer Landspitze, die sozusagen nach den dänischen Inseln hinzielt, eher zu den Elbgermanen Beziehungen hat. Die seeländischen Gräber sind entsprechend den Verkehrswegen längs der Oder zum Teil dem ostgermanischen Gebiet zugewandt, wie auch der römische Import östliche Handelsverbindungen neben den westlichen bezeugt33). Auf einen Einfluß seeländiseher Bestattungssitte wird es beruhen, daß 24

) W.

25

) M. JAHN,

Der Fund von Sackrau, Breslau 1887; der zweite und dritte Fund von Sackrau 1888. Die Wandalen, in: R E I N E R T H , Vorgeschichte der deutschen Stämme I I I , 1 9 4 0 , S. 9 8 7 f . , 1 0 0 0

GREMPLER,

dazu Taf. 410. 2e ) E. B E N I N G E B , Der Wandalenfund von Czeke-Cejkov, in: Annalen des naturhistorischen Museums in Wien 1931, S. 183ff.; hier weitere Literatur. 2? ) H . G Ü N T H E R , Der Goldfund von Kommerau, Kr. Schweiz, und G . K O S S I N N A , Das Reitergrab von Kommerau in Westpreußen, in: Mannus 14, 1922, S. lOOff. 28 ) D. BOHNSACK, Ein ostgermanisches Fürstengrab beiPilgramsdorf in Ostpreußen, in: Germanenerbe 2,1937, S. 258ff. — Ders. in: Altpreußen 3, 1938, S. 75ff. 29 ) E . P E T E R S E N , Ein reicher gepidischer Grabfund aus Wolhynien, in: Gothiskandza, Danzig, 3,1941, S.39ff. — Die polnische Literatur angefühlt bei H. J. E G G E R S , Der römische Import 1951, Nr. 2150. 30 ) Zusammenfassend J. B R Ö N D S T E D , Danmarks Oldtid III, Jernalderen. Schrifttumsangaben S. 362ff., besonders auch S. 365ff. Importfunde. — Vollständige Aufzählung auch bei H . J . E G G E R S (wie Anm. 29) Katalog S. 81 ff. 31 ) Zum Beispiel das reichste Grab Norwegens von A V A L D S N E S , Insel Karm0 im Rogaland: A . LORANGE, Sämlingen av norske oldsager i Bergens Museum 1876 S . 70ff. — H. SCHETELIG in: Prähistorische Zeitschrift 4, 1912, S. 354. 32 ) L I L L E J O R E D inBohuslän: E. T H O R D E M A N I N : F o r n v ä n n e n 19,1924, S. 284ff. —T. A R N E in: Actaarchaeologica 2, 1931, S. 300. 33 ) E . EKHOLM, Orientalische Glasgefäße in Skandinavien, in: Eurasia septentrionalis antiqua 10,1936, S. 61 ff.

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WALTHER

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die vier Gräber von H ä v e n in Mecklenburg mit Steinen überdeckt waren. Es sei dafür auf den Begräbnisplatz von N o r d r u p als Beispiel hingewiesen84), zumal da in Häven eine der seeländischen Prachtfibeln vorliegt, wie sie auch in Nortrup gefunden wurde. A u f n a h m e d e r B e s t a t t u n g s s i t t e in M i t t e l d e u t s c h l a n d Die im germanischen Gebiete im 4. Jahrhundert weit verbreiteten Körperbeerdigungen mit reicher Ausstattung, in Männergräbern auch Sporen, aber ohne Waffen, haben nun bereits bei verschiedenen germanischen Völkerschaften in der älteren römischen Zeit ihre Vorgänger35), ja es sind vielfach anscheinend die gleichen Völkerschaften, in denen die reichliche Grabausstattung in zwei Wellen angestiegen ist, deren erste im 1.—2. Jahrhundert, die zweite im 4. Jahrhundert gipfelt. Zu keiner Zeit haben an dieser Sitte die Germanen des WeserRheingebietes, also die Istväonen, Anteil. Innerhalb der größeren Bezirke wechselt mitunter die Landschaftslage. Im Wandalengebiet36) seien aus der zweiten Periode die reichen Gräber in der Slowakei und von Sakrau genannt, ihnen entsprechen in der älteren Zeit die Gräber von Gosla w i c e - W i c h u l l a und auch von Dembe bei Kaiisch. Es handelt sich hier um die Gebiete verschiedener Teilstämme, wobei die Gräber von Sakrau den Silingen zugeschrieben werden. Im westlichen Ostseegebiet verlagert sich diese Sitte vom Festland und den westdänischen Inseln nach Seeland37). Das untere Odergebiet führt in älterer römischer Zeit reiche und reichste Ausstattungen, so besonders bei Lübsow, Kr. Greifenberg, hier fehlen zwar auch in spätrömischer Zeit ni cht mit Silber ausgestattete Gräber, s o B i a l e c i r i o S l a w i e n s k i (früherBaienthin, Kr. Schlawe) und G r o n o w o D r a w s k i (früher Groß-Grünow, Kr.Dramburg), es mangelt aber an reichst ausgestatteten Bestattungen38). In dem Gebiet der Elbgermanen, das uns hier in erster Linie angeht, sind Körpergräber mit reicher Ausstattung in der älteren römischen Zeit seltener. So sind aus Mecklenburg „Römergräber", d. h. Gräber mit römischem Geschirr, bekannt39), jedoch ist in dem an erster Stelle hier zu nennenden Grabfunde von Hagenow der Tote verbrannt. Ein Körpergrab aus dem 2. Jahrhundert von Marwedel, Kr. Dannenberg40) zeigt einige Anklänge an unsere etwa 200 Jahre jüngeren Bestattungen. Der Tote ist von N nach S ausgerichtet, auch ihm ist römisches Bronzegeschirr mitgegeben, dazu zwei Trinkhörner, die im Gebrauch unseren Glas- und Silberbechern entsprechen. Die heimische Keramik ist durch zwei gut gearbeitete mit dem damals beliebten Rädchenmustern geschmückten Gefäßen vertreten. Zu der Ausstattung gehören weiter zwei Fibeln und andere Kleinbeigaben, darunter ein Sporn, es fehlt jedoch auch hier die Bewaffnung. Ein entsprechendes reich ausgestattetes Brandgrab von Apensen, Kr. Stade, führt gleichfalls einen Sporn aber keine Waffen41). Beide Gräber liegen im Siedlungsgebiete der Langobarden. Das Grab von Marwedel erinnert wieder in seiner Ausstattung auffallend an eine gleichzeitige Körperbestattung von Dollerup in Jütland42), hier allerdings ein Doppelgrab, das von W nach 0 gerichtet ist. In den Gräbern der Langobarden können wir im allgemeinen zur älteren römischen Zeit manche Übereinstimmungen 34

) H. PETERSEN, Nordiske Fortidsminder I, 1, 1890—1901, S. l f f . ) Zusammenstellung bei Chr. PESCHECK, Die frühwandalische Kultur in Mittelschlesien 1939, S. 13f., Anm. 5.

35 3

«) M . J A H N w i e A n m . 2 5 , S . 9 4 3 f f .

37

) J . BRÖNDSTED w i e A n m . 3 0 .

3S

) H. J. EGGERS, Das römische Einfuhrgut in Pommern, Beiheft zum Erwerbung»- und Forschungsbericht Stettin 1940. — Jetzt vollständige Übersicht bei H. J. EGGERS wie Anm. 29 Katalog S. 105ff. 39 ) Zusammenstellung bei R. BELTZ, wie Anm. 16, S. 342ff. 40 ) F. KRÜGER, Das Reitergrab von Marwedel. Festblätter des Museumsvereins für das Fürstentum Lüneburg Kr. 1, 1928. 41

42

) W . WEGEWITZ i n : M a n n u s 2 1 , 1 9 2 9 , S. 1 4 8 f f .

) O. V o s s u. M. 0RSNES-CHRISTENSEN, DerDollerupfund. Ein Doppelgrab aus der römischen Eisenzeit, in: Acta archaeologica 19, 1948, S. 209 ff.

L e u n a , ein germanischer Bestattungsplatz der spätrömischen Kaiserzeit

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in Bestattungssitte und Grabgut mit den mitteldeutschen Hermunduren erkennen. Gehen wir daher die Elbe aufwärts, so ist ein vergleichbarer Grabfund nur von S c h l a d i t z -Z wo chau Kr. Delitzsch, aus dem Ende des 1. Jahrhunderts zu nennen, der Rest eines Körpergrabes, aus dem römisches Bronzegeschirr, zwei Trinkhornendstücke und ein Messer erhalten geblieben sind43). Vielleicht macht sich hier wie bei den Langobarden ein Einfluß der Markomannen in Böhmen bemerkbar, wo auch Körpergräber mit römischen Bronzegeschirr, aber ohne so großen Bestattungsaufwand gefunden worden sind. Aas wandaliseh-hermunduiischen und niarkomannisch-hermundurischen Verbindungen sind wohl im Saalegebiet seit der späten Latenezeit vereinzelt auftretende Körperbeerdigungen ohne reiche Ausstattung zu erklären44). Einiges Bronzegeschirr und Terrasigillata ist hier aus Leichenbrandgräbern bekannt. Waffenausrüstung kommt, wie im gesamten Elbegebiete, in Urnengräbern vor. Das Grab von S c h l a d i t z - Z w o c h a u , das allein als früher Vorläufer der reichen Körperbeerdigungsgräber des Saalegebietes angesprochen werden könnte, liegt aber östlich von der Saale, also außerhalb des Raumes, aus dem diese bekannt geworden sind. Wenn in anderen Stammesgebieten, so im westlichen Ostseegebiete und auch bei den Wandalen, anscheinend Überlieferungen im Bestattungsbrauche bestehen, die die späteren Gräber mit den älteren verbinden, so ist ein derartiger Zusammenhang in Mitteldeutschland nicht nachweisbar. Die Körperbeerdigung ist in Mitteldeutschland also in spätrömischer Zeit, von neuem aufgenommen worden. Von den übrigen Germanengebieten abweichend sind hier Steineinbauten in den Gräbern meist nicht vorhanden. In Thüringen war das reiche Grab von L e u b i n g e n in Tiefe von 1,50 m mit einem größeren Sandstein abgedeckt, in.einem gleichfalls mit einer Platte abgedeckten Räume zu Häupten stand das Geschirr. Diese Abdeckungen und noch weniger die Steine, die über dem Bestatteten von Leuna Grab 2, 1917 lagerten, entsprechen den ost- oder nordgermanischen Steinpackungen. Aus Mangel an geeignetem Steinmaterial ist das Fehlen hier gewiß nicht zu erklären. Zusammenhang mit älterer Überlieferung ist auch nicht anzunehmen. So bleibt eine Selbständigkeit im Saalegebiet oder Einwirkung aus dem ferneren Südosten Europas übrig. Dort sind in der sarmatisch-gotischen Gruppe der Steppengebiete Bestattungen anzutreffen, wie wir sie aus Mitteldeutschland kennen, auch sind, wie in Leuna, sowohl Erdschachtgräber wie auch vereinzelt Holzkammern bekannt. Abgestufte Seitenwände finden sich gleichfalls bei den Sarmaten46). L a g e des B e s t a t t u n g s p l a t z e s Die Lage des Bestattungsplatzes von Leuna an einem Hang nach der Niederung zu kann als typisch für die entsprechenden Begräbnisstätten dieser Zeit, soweit Mitteldeutschland in Betracht kommt, gelten, wie ein Blick auf die Anlage von H a ß l e b e n und die weiteren Plätze Mitteldeutschlands mit reichen Körpergräbern zeigt. Sie sind keineswegs weit sichtbar auf Höhen angelegt, sondern liegen nach den Niederungen zu an Hängen. Die Lage der zugehörenden Siedlungen ist meist unbekannt. In den Bestattungsplatz von H a ß l e b e n reichte ein Siedlungsgelände mit Gruben hinein, deren Inhalt zeitlich den Grabfunden nahesteht, aber doch dem keramischen Materiale nach vor die Inanspruchnahme. des Geländes als Bestattungsplatz zu stellen ist. 80 m südlich von dem Bestattungsplatze wurde 1934 innerhalb einer Zone von wirr durcheinanderliegenden Löchern ein Ovalbau von 11 x8,60 m mit einer Mittelreihe von 5 Pfostenlöchern aufgedeckt46). 43 ) K. H. JACOB in: Jahrbuch des Mus. f. Völkerkunde Leipzig 3, 1908/09, S. 130ff. — K. H. J A C O B , Zur Prähistorie Nordwestsachsens 1911, S. 214. 44 ) Körperbeerdigungen mit Beziehung zu den Wandalen in der Spätlatenezeit: K. H. OTTO in; Jahresschrift Halle 33,1949, S. 120ff.; 34,1950, S. 142ff.; Beerdigungen aus dem 1. Jahrh., die wohl eher nach Böhmen weisen, Th. V O I G T in: Jahresschrift Halle 32, 1940, S . lOff. ") M. EBERT, Südrußland, in: Eberts Reallexikon der Vorgesch. XIII, S. 108.

" ) A . MÖLLER, w i e A n m . 1 3 , S . 2 7 1 f .

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WALTHEB SCHULZ

Was Sophus MÜLLER im Zusammenhange mit dem Bestattungsplatz von N o r d r u p auf Seeland ausführt 47 ), entspricht unseren Fundplätzen auf das Wort: „Die Fundstelle war eine flache, sanft ansteigende Feldmark, und kein Anzeichen verriet, daß hier im Altertum Gräber angelegt worden waren. Dies gilt auch von allen anderen Plätzen; man stößt bloß zufällig auf diese Gräber, und nur ihrem merkwürdigen Inhalt ist es zu verdanken, daß so viele von ihnen beachtet wurden und genauer untersucht werden konnten. Sie werden namentlich beim Kiesgraben entdeckt, da man bei gewöhnlichen Feldarbeiten nicht auf die oft tiefliegenden Gräber stößt. Übrigens scheint man vorzugsweise Kieslager, oft solche, die etwas ansteigen, wenn auch keineswegs immer eigentliche Hügel, zu Grabstätten gewählt zu haben, vermutlich weil derartige Strecken damals noch unkultiviert waren." Grabanlage In L e u n a lassen sich zwei Typen von Grabanlagen unterscheiden. Der eine ist der schmal rechteckige Grabraum mit Bergung des Toten in einer Brettumrahmung oder in einem Sarg. Die Hauptgeschirrgruppe war zu Füßen in dem Grabe untergebracht. Zu diesem Typus gehören das halbzerstörte Grab 1,1926 und das Grab 2,1917. Dieses gibt als besser erhaltenes Grab auch über Einzelheiten weitere Aufschlüsse. Es zeigt eine Begrenzung von Holzbalken in höherer Lage, vielleicht zum Abstützen des Schachtes. Weiter oben in der Füllerde fanden sich einzelne Steine, oberhalb des Kopfendes deutete ein kleines Pfostenloch auf einen senkrechten Pfahl. Die Geschirrgruppe zu Füßen hat nach der Annahme von NIKLASSON in einem Kasten gestanden. Zu Häupten fand sich ein liegender, vielleicht nachträglich umgestürzter Becher. Zu beachten ist, daß in beiden Gräbern der Kamm samt anderem Kleingerät wahrscheinlich ursprünglich in einem Beutel zu Füßen untergebracht war. Der zweite Grabtypus ist die geräumigere Kammer, die in Grab 1,1926 2,80 x 2 m maß, während Kammer 3, 1926 an der Grabsohle 2,60x2,40 m maß und an der Südseite wahrscheinlich in Stufen sich nach oben erweiterte. Bei Grab 1,1926, ließen sich noch an 3 Ecken die Spuren der Eckpfosten feststellen. Die Kammern waren jedenfalls mit Holz verkleidet, aber wohl nicht gedielt. In beiden Gräbern war der Tote längs der Westseite, gleichfalls in Nord-Südrichtung niedergelegt. Die Geschirrausstattung und das Spielbrett lagen in Grab 3, 1926 längs der Ostseite des Grabraumes. Die erhaltene Geschirrgruppe des Grabes 1, 1926 wurde seitlich zu Füßen des Toten gefunden. Da das Grab größtenteils zerstört war, läßt sich nicht mehr feststellen, ob weitere Beigaben neben dem Toten aufgestellt waren, doch ist bei der Größe der Kammer damit zu rechnen. Sämtliche vier reich ausgestatteten Gräber haben als gemeinsames Merkmal die Nord nach Süd nahekommende Richtung der Toten und die reiche Ausstattung von Eß- und Trinkgeschirr. Erhaltene Reste von Speisebeigaben fanden sich in Grab 2, 1917, Grab 2, 1926, und Grab 3, 1926. Die Geschirrausstattung hat auf dem Boden der Kammer gestanden. Die Toten waren in Kleidung mit Sporen aber ohne Waffen beerdigt. Silberne Pfeilspitzen zeugen für Ausstattung mit Pfeil und Bogen, über deren Bedeutung noch zu sprechen ist. Als bemerkenswerte Einzelheit seien die Mitgabe des Brettspieles in Grab 3, 1926, und die Goldmünze im Munde des Toten in Grab 2, 1917 genannt. Zunächst ist ein Vergleich mit der Bestattungssitte von H a ß l e b e n naheliegend. Gräber mit holzartiger Umkleidung sind hier nicht festgestellt, wohl sind schmalere Grabräume gefunden, die nach den Zeichnungen, die mir bei der Veröffentlichung zur Verfügung standen, an der westlichen Seite Ausweitungen für Gefäß mitgaben zeigen. Ob diese gezeichneten Umrisse dem der Grabwand entsprechen, sei dahingestellt48). Vielleicht hat dort der grobe Kies die " ) S. MÜLLER, Nordische Altertumskunde II, 1897, S. 102. ) Es könnte an Gräber mit Wandnischen gedacht werden, wie sie in spätrömischer Zeit im Provinzialgebiete des Itheinlandes festgestellt sind: W. HABEREY in: Germania 18, 1934, S. 274. — KOETHE in: Nachrichtenblatt f. deutsche Vorzeit 15,1939, S. 261, dazu Tat. G8,1. — In der Merowingerzeit Thüringens: Fr. HOLTER in: Jahresschrift Halle 12, 1935, S. 7 u. 9, dazu Abb. 3. 48

Leuna, ein germanischer Bestnttnngsplatz der spütrömisolien Kaisevzeit

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Feststellung einer schärferon Abgrenzung nicht ermöglicht. Diese Gräber VII, I X und XIV von Haßleben (SCHULZ, Haßleben, Texttafel 3, Abb. 3, 4, 5) sind dazu wesentlich ärmer an Gefäßen als unsere reich ausgestatteten Gräber. DasMännergrab IV (Schulz, Texttafel 3,2), das reichst ausgestattete Grab nach dem der „Fürstin", steht in der Größe des Grabraumes zwischen den schmalen Gräbern und den Kammern, es war 3 m lang aber nur 1,15 m breit. Hier war mehr Geschirr beigegeben, das aber, anders als bei den Gräbern von Leuna, seitlich des Kopfes nach der Westwand zu auf einer etwa 30 m höheren Kiesbank gestanden hat. Vergleichen wir noch die Anlage des „Fürstengrabes" von Haßleben mit der großen Kammer 3,1926, von Leuna, so fallen Übereinstimmungen und Unterschiede auf. An der Grabsohle hatte der Raum des Fürstengrabes noch eine Länge von 3 m und eine Breite von 1,90 m, da aber der Grabraum an der Ostseite mit zwei Stufen aufstieg, maß er oben etwa 3 m im Quadrat. Die Stufen führten also hier seitlich hinab, während sie bei Leuna zu Füßen angelegt waren. In beiden Gräbern war für den Toten der westliche Teil der Kammer bestimmt. In Haßleben fanden sich die Geschirrbeigaben aber nicht nur seitlich, sondern auch oberhalb des Kopfes der Toten in dem Nordteil der Kammer. Auch in Haßleben war, wie in Leuna, die gesamte Ausstattung auf den Boden gelegt und gestellt. Bedeckung mit Geweben, wie sie an Bronzegegenständen des Haßlebener Grabes beobachtet werden konnten, wurde aber in Leuna nicht festgestellt.. Gemeinsam ist beiden Bestattungsplätzen die Hauptrichtung NordSüd der Gräber. Silberne Pfeilspitzen sind auch dem reicher ausgestatteten Manne in Grab IV von Haßleben beigegeben, die Ausrüstung mit Pfeil und Bogen hat oberhalb des Kopfes gelegen, wo noch genügend Platz war. Es fehlt aber die Ausstattung mit Sporen. Da in Leuna,- soweit bestimmbar, nur Männergräber festgestellt sind, müssen die reicher ausgestatteten Frauen in einem anderen Teil des Friedhofs gelegen haben. In Haßleben überwiegen dagegen die reicher ausgestatteten Gräber von Personen weiblichen Geschlechtes, wozu noch Kindergräber kommen. Eine gewisse Trennung der Geschlechter ist also beiden Friedhöfen gemeinsam. Das Ergebnis des Vergleiches ist, daß bei allgemeiner Übereinstimmung der Bestattungssitte zweier Sippen doch Unterschiede im einzelnen festzustellen sind. Zu dem gleichen Ergebnis führt auch ein Vergleich mit weiteren mitteldeutschen Bestattungsstätten. Die beiden Gräber von E m e r s i e b e n sind angeblich in verschiedener Tiefe angelegt, die des Männergrabes soll nur 1,50 m betragen haben, für das Grab der Frau wird eine Tiefe von 3 m angegeben. Als Maße beider Gräber wird 2,80 x 2 m angegeben, Maße, die dem Grabe 1,1926 von Leuna entsprechen. Doch waren die Emer siebener Gräber von Westen nach Osten atisgerichtet. Bei dem besser beobachteten Frauengrab wurde auf dem Tonboden ein Sandbelag festgestellt, auch waren hier die Verfärbungen von zwei Eckpfosten und von Holzrahmen längs der Breitseiten zu erkennen. In beiden Gräbern war das Geschirr zu Füßen und seitlich des rechten Beines aufgestellt. Im Frauengrabe fanden sich einige Beigaben, nämlich zwei Silberlöffel und ein Tongefäß, an der rechten Seite des Oberkörpers, im Männergrab lag däs Pfeilbündel neben dem linken Arme. In der Lage der Beigaben besteht also keine Übereinstimmung mit den Gräbern von Leuna und Haßleben. Wiederum einige Sonderheiten hat die Bestattung von L e u b i n g e n aufzuweisen, dessen Ausrichtung nicht bekannt ist. Das Grab war 2 m lang und 50 cm breit, gehörte also zu den schmaleren Schachtgräbern. Auch hier lagen Fibelbruchstücke, wie die Fibel des Leunaer Grabes 2, 1917, zu Füßen des Bestatteten. Die Geschirrgruppe aber war zu Häupten in einem Sonderraum untergebracht. Der Grabraum sowie der Geschirraum waren von je einer Steinplatte bedeckt. Die Ausrichtung der Bestatteten von Nord nach Süd mit geringeren Abweichungen herrscht in mitteldeutschen Gräbern vor. Die West-Ostrichtung bzw. Ost-Westrichtung ist unter den reich ausgestatteten Gräbern nicht allein in E m e r s l e b e n festgestellt, sondern sie gilt auch für das Grab von K r o t t o r f , Kr. Oschersleben (angegeben Ost-Westrichtung), ferner wohl für das Grab von D i e n s t e d t , Kr. Arnstadt (das Gesicht „von Morgen gegen Abend") und

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für zwei Gräber von Trebitz, Saalkreis (West-Ost). Da das eine der Gräber von Trebitz der Wende zum 5. Jahrhundert angehört, leitet es zu der üblichen Grabausrichtung der Merowingerzeit über. Aus dieser Übersicht ist aber wieder zu erkennen, daß, wie in der Ausstattung des Grabes, so auch in der Grabrichtung, die doch gewiß durch Vorstellungen religiöser Art bestimmt war, eine Einheitlichkeit selbst im Saaleraum nicht besteht. Der in Stufen sich verengende Grabraum, der auch der Erleichterung der Ausschachtung diente (Leuna Grab 3 , 1 9 2 6 , und Haßleben, Grab der Fürstin), ist in Mitteldeutschland im 5. Jahrhundert bei der ausgeplünderten fürstlichen Bestattung von Großörner, Kr. Eis leben, bezeugt. Hier führten von der Südseite zwei Stufen in das 2,70 m tiefe Grab, so daß in 2,30 m Tiefe der Grabraum bei 2,10 m Seitenlänge quadratisch war, der sich dann durch die zweite Stufe 0,70 m über der Grundfläche auf 0,90 X 2 m verengte. Auch ein Grab des Friedhofes der Merowingerzeit von S t ö s s e n , Kr.Weißenfels, war in Stufen angelegt49). Der Grabraum dürfte niedrig abgedeckt gewesen sein50), es sind auch keine Hügel von einer Höhe aufgeschüttet worden, die noch heute im Gelände Spuren hinterlassen konnten. Der niedrigen Abdeckung entspricht die Niederlegung des Toten und seiner Ausstattung auf dem Grabboden. Vielleicht ist in den abgestuften Gräbern von Leuna und Haßleben in Höhe der unteren Stufe der Raum abgedeckt worden.

Beigaben Speise- oder Opferbeigaben Tierbeigäben im Grabe

Die Tierbeigaben von Leuna seien hier noch einmal zusammengestellt: Grab 2, 1917 Ferkel,Hahn, Huhn; Grab 2, 1926 Schwein etwa 10 Monate alt; Grab 3,1926 Schwein etwa 8 Monate, Ferkel etwa 3 Monate, Ferkel etwa 2 Monate alt, 2 Hähne, Hecht und 3 Plötzen. In H a ß l e b e n sind folgende Tierbeigaben beobachtet: Grab 8 „Fürstin" Schwein, Huhn, Hirsch, Ziege oder Schaf und wahrsch. Hecht; Grab 4 Schwein, Ziege oder Schaf, Huhn; Grab 15 Huhn; Grab 1931 (siehe SCHULZ, Haßleben,Nachtrag S . 51) Schwein, junges Schwein, Huhn; Grab 1934 (siehe Anmerkung 13) Huhn und junges Schwein. Der Bestand der mitgegebenen Tiere stimmt also in beiden Fundplätzen weitgehend überein. In dem ausgeraubten fürstlichen Grabe bereits des 5. Jahrhunderts von Großörner, Kr. Eisleben wurde Fisch und Gans festgestellt, es ist auch hier wohl möglich, daß ursprünglich das Schwein nicht fehlte. Seltener ist bisher die Mitgabe von Ziege oder Schaf in Grab 4 u. 8 von Haßleben. Aus dem Germanengebiete außerhalb Mitteldeutschlands seien noch folgende entsprechende Grabfunde angeführt. In dem Körpergrabe von Z i z e l i c e in Böhmen fanden sich Knochen eines Hahnes. Weitere Tierbeigaben sind von den dänischen Inseln bekannt. Das Grab von Sanderumgaard auf Fünen enthielt Ferkelknochen, ein Grab von Varpelev auf Seeland Ferkel und Barsch, nach älteren Bericht auch Graugans. In Nordrup auf Seeland waren einer Frau mehrere Lämmer und ein Ferkel mitgegeben. Die Lammitgabe ist auch bereits in in: Jahresschrift Halle 9 , 1 9 1 0 , S. 8 5 . ) Einen niedrigen Grabraum zeigen die mit Steinen abgedeckten Körpergräber aus Seeland, so von V a l l ö b y , Abb. bei C. E N G E L H A R D T in: Aarböger Kopenhagen 1873, S. 286; von V a r p e l e v , Abb. C. E N G E L H A R D T in: Aarböger 1877, S. 353; von N o r d r u p , Abb. H . P E T E R S E N wie Anm. 34, Fig. 6 , 1 u. H. — Für Sakrau wird indes nach der 1,75 m hohen Steinmauerung des ersten Grabes ein entsprechend hoher Innenraum angenommen. Auch Holzkammergräber in Bestattungsplätzen der späteren Merowingerzeit Westfalens sollen eine Raumhöhe von 1,50—1,75m gehabt haben (STIEREN in: Germania 14, 1930, S. 166ff.). Für ein Kammergrab der Karolingerzeit von Q u e d l i n b u r g hatte ich in Wandnischen einen Anhalt für eine etwa entsprechende Höhe der Raumeindeckung (W. SCHULZ in: Mannus, Ergänzungsband IV, 1925, S . 164f.). Unsere Gräber dürften aber eher der Rekonstruktion des Grabes aus dem 1. Jahrhundert u. Zr. von Goslawice (Abb. bei M. JAHN wie Anm. 25, S. 985) nahegekommen sein. 49

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) FÖRTSCH

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für zwei Gräber von Trebitz, Saalkreis (West-Ost). Da das eine der Gräber von Trebitz der Wende zum 5. Jahrhundert angehört, leitet es zu der üblichen Grabausrichtung der Merowingerzeit über. Aus dieser Übersicht ist aber wieder zu erkennen, daß, wie in der Ausstattung des Grabes, so auch in der Grabrichtung, die doch gewiß durch Vorstellungen religiöser Art bestimmt war, eine Einheitlichkeit selbst im Saaleraum nicht besteht. Der in Stufen sich verengende Grabraum, der auch der Erleichterung der Ausschachtung diente (Leuna Grab 3 , 1 9 2 6 , und Haßleben, Grab der Fürstin), ist in Mitteldeutschland im 5. Jahrhundert bei der ausgeplünderten fürstlichen Bestattung von Großörner, Kr. Eis leben, bezeugt. Hier führten von der Südseite zwei Stufen in das 2,70 m tiefe Grab, so daß in 2,30 m Tiefe der Grabraum bei 2,10 m Seitenlänge quadratisch war, der sich dann durch die zweite Stufe 0,70 m über der Grundfläche auf 0,90 X 2 m verengte. Auch ein Grab des Friedhofes der Merowingerzeit von S t ö s s e n , Kr.Weißenfels, war in Stufen angelegt49). Der Grabraum dürfte niedrig abgedeckt gewesen sein50), es sind auch keine Hügel von einer Höhe aufgeschüttet worden, die noch heute im Gelände Spuren hinterlassen konnten. Der niedrigen Abdeckung entspricht die Niederlegung des Toten und seiner Ausstattung auf dem Grabboden. Vielleicht ist in den abgestuften Gräbern von Leuna und Haßleben in Höhe der unteren Stufe der Raum abgedeckt worden.

Beigaben Speise- oder Opferbeigaben Tierbeigäben im Grabe

Die Tierbeigaben von Leuna seien hier noch einmal zusammengestellt: Grab 2, 1917 Ferkel,Hahn, Huhn; Grab 2, 1926 Schwein etwa 10 Monate alt; Grab 3,1926 Schwein etwa 8 Monate, Ferkel etwa 3 Monate, Ferkel etwa 2 Monate alt, 2 Hähne, Hecht und 3 Plötzen. In H a ß l e b e n sind folgende Tierbeigaben beobachtet: Grab 8 „Fürstin" Schwein, Huhn, Hirsch, Ziege oder Schaf und wahrsch. Hecht; Grab 4 Schwein, Ziege oder Schaf, Huhn; Grab 15 Huhn; Grab 1931 (siehe SCHULZ, Haßleben,Nachtrag S . 51) Schwein, junges Schwein, Huhn; Grab 1934 (siehe Anmerkung 13) Huhn und junges Schwein. Der Bestand der mitgegebenen Tiere stimmt also in beiden Fundplätzen weitgehend überein. In dem ausgeraubten fürstlichen Grabe bereits des 5. Jahrhunderts von Großörner, Kr. Eisleben wurde Fisch und Gans festgestellt, es ist auch hier wohl möglich, daß ursprünglich das Schwein nicht fehlte. Seltener ist bisher die Mitgabe von Ziege oder Schaf in Grab 4 u. 8 von Haßleben. Aus dem Germanengebiete außerhalb Mitteldeutschlands seien noch folgende entsprechende Grabfunde angeführt. In dem Körpergrabe von Z i z e l i c e in Böhmen fanden sich Knochen eines Hahnes. Weitere Tierbeigaben sind von den dänischen Inseln bekannt. Das Grab von Sanderumgaard auf Fünen enthielt Ferkelknochen, ein Grab von Varpelev auf Seeland Ferkel und Barsch, nach älteren Bericht auch Graugans. In Nordrup auf Seeland waren einer Frau mehrere Lämmer und ein Ferkel mitgegeben. Die Lammitgabe ist auch bereits in in: Jahresschrift Halle 9 , 1 9 1 0 , S. 8 5 . ) Einen niedrigen Grabraum zeigen die mit Steinen abgedeckten Körpergräber aus Seeland, so von V a l l ö b y , Abb. bei C. E N G E L H A R D T in: Aarböger Kopenhagen 1873, S. 286; von V a r p e l e v , Abb. C. E N G E L H A R D T in: Aarböger 1877, S. 353; von N o r d r u p , Abb. H . P E T E R S E N wie Anm. 34, Fig. 6 , 1 u. H. — Für Sakrau wird indes nach der 1,75 m hohen Steinmauerung des ersten Grabes ein entsprechend hoher Innenraum angenommen. Auch Holzkammergräber in Bestattungsplätzen der späteren Merowingerzeit Westfalens sollen eine Raumhöhe von 1,50—1,75m gehabt haben (STIEREN in: Germania 14, 1930, S. 166ff.). Für ein Kammergrab der Karolingerzeit von Q u e d l i n b u r g hatte ich in Wandnischen einen Anhalt für eine etwa entsprechende Höhe der Raumeindeckung (W. SCHULZ in: Mannus, Ergänzungsband IV, 1925, S . 164f.). Unsere Gräber dürften aber eher der Rekonstruktion des Grabes aus dem 1. Jahrhundert u. Zr. von Goslawice (Abb. bei M. JAHN wie Anm. 25, S. 985) nahegekommen sein. 49

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L e u n a , o'm germanischer Bestattungsplatz der spätrömischen Kaiserzeit

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älterer römischer Zeit in zwei Gräbern von I u e l l i n g e auf Lolland bezeugt, sie wird von Sophus M Ü L L E K als Opfer angesprochen51). Es läßt sich nun nicht entscheiden, ob die Zusammenstellung der Tierbeigaben in den beiden reichst ausgestatteten Gräbern von Leuna und Haßleben, Vierfüßler, Vogel und Fisch als Tiere der Erde, der Luft und des Wassers, lediglich drei Gänge eines festlichen Mahles sind, oder ob ihnen außerdem eine religiöse Bedeutung als Kultmahl zukommt, das wiederum auf antike Sitten hinweist51®). Pferdereste

Bemerkenswert ist der Fund von Teilen eines Pferdeskelettes, der im Zusammenhang mit Grab 5, 1926 gehoben wurde. Ich setze dabei voraus, daß diese Skeletteile mit dem Grab 5, 1926 in Verbindung zu bringen sind. Sind nur Teile des Pferdes dem Boden übergeben worden, so ist ein besonderer Opferbrauch anzunehmen, sollte ursprünglich das ganze Pferd vorhanden gewesen sein, so könnte es sich um Mitbestattung des Reitpferdes handeln. Die Grube unter den Schädelteilen spricht eher für die erstgenannte Auffassung. Da weder Mitbestattung von Pferden noch Vergrabung von einzelnen Teilen eines Pferdekörpers bisher in Mitteldeutschland in dieser oder der vorherigen Zeit bekannt ist, haben wir hier den ersten Nachweis einer Sitte, die in der Folgezeit öfter nachweisbar ist. Für die Wertschätzung des Reitens und damit des Pferdes in dieser Zeit spricht die Ausstattung des vornehmen Toten mit Sporen. Diese kommen bereits in Brandbestattungen der älteren römischen Zeit vor. Die Mitgabe eines Pferdezahnes wurde in einem Urnengrab von Prositz, Kr. Meißen festgestellt58). Die Angabe des T A C I T U S , Germania 47 zu den germanischen Bestattungssitten, daß auch das Pferd dem Manne auf den Scheiterhaufen folgte, könnte darin eine Bestätigung finden. Das gleiche gilt für das Grab der späteren Latenezeit von K r a g h e d e in Wendsyssel, Nordjütland53), neben dem in einer Grube die Bronzebeschlagteile eines Wagens und Knochen zweier Pferde geborgen wurden. Vereinzelte Pferdeknochen kommen mitunter in Gräbern der ersten Jahrhunderte vor54). Mitbestattung von unverbrannten Pferden in den eisten Jahrhunderten u. Zr. in der samländisch-natangischen Gräbergruppe führt bereits über das germanische Gebiet hinaus zu dem Stamme der Aisten56), während die benachbarten Goten der Weichselmündung diese Sitte nicht kannten. Wenn entsprechende Funde entgegen den Angaben des T A C I T U S in dieser Zeit im germanischen Gebiete bisher nicht häufiger beobachtet wurden, so könnte die Erklärung darin zu suchen sein, daß der Leichenbrand des Pferdes nicht mit dem Toten beigesetzt wurde. Eigentliche Reitergräber treten bei den Germanen erst seit dem 4. Jahrhundert auf. Ein Reitergrab eines Germanen in römischen Diensten aus K u f f e r n bei Herzogenburg, Niederösterreich gehört nach BENITTGER bereits der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts an56.) Der Zeit um 400 ist das 51) 51a )

S. MÜLLEK, Juellingefundet, in: Nordiske Fortidsminder II, 1, S. 11. Ein Leichenmahl ist auf einem der Grabbilder wiedergegeben, die der Sabaziospriester Vincentius in Rom

für seine Gattin Vibia in der Prätextat-Katakombe um die Mitte des 3. Jahrhunderts malen ließ. Hier sind als Speisen neben Brot und Pastete Geflügel, Hase und Fisch auf Schüsseln aufgetragen. Siehe HXJGO GRESSMANN, Die orientalischen Religionen im hellenistisch-römischen Zeitalter. 1930, S. 120 dazu Abb. 49. — In einer anderen Richtung sucht GÄNDERT im Anhang I I Beziehungen. Die Frage, wieweit Speisebeigabe oder Opfer anzunehmen ist, ist dort ausführlich behandelt. 52) 63 ) 54 )

Th. VOIGT in: Jahresschrift Halle 32, 1940, S. 99. S. MÜLLER, Oltidens Kunst in Danmark I I I , 1933, S. 37. — J.BRÖNDSTED wie Anmerk. 30, S. 44f. Hinweise bei H . JANKUHN, Gürtelgarnituren der älteren römischen Kaiserzeit im Samland. Königsberg

S. 41. — Im Siedlungsgebiete der Burgunder sind in F r a n k f u r t a . d . O . im Zusammenhang mit Totenverbrennungsstätten in einer Steinsetzung zwei Zähne eines Fohlens und unverbrannte Knochenreste (ob Pferd?)"gefunden worden. M. M. LIENAU in: Mannus 27, 1935, S. 427. 55 )

G. ENGEL, Aus ostpreußischer Vorzeit 1935, S. 78. — H . JANKUHN wie Anm. 54, S. 41.

56 )

J. BAYER in: Jahrbuch für Altertumskunde Wien I V , 1910, S. 214ff. — E . BENINGER, Der westgotiseh-

alanische Zug nach Mitteleuropa. Mannusbibl. Nr. 51,1931, S. 90.—Ders. in: Mitteilungen der anthropologischen Gesellschaft Wien 62, 1932, S. 92ff.

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wandalische Reitergrab von L u g i G o r o w s k i (früher Königsbruch, Kr. Guhrau) zuzuweisen57). BENINGER lehnt für das Grab von K u f f e r n einen Zusammenhang mit der Bestattungssitte asiatischer Reitervölker ab. Im Hinblick auf die vereinzelten älteren Nachweise und die Angabe des TACITUS ist es gewiß möglich, daß sich bei den Germanen diese Sitte ohne fremden Einfluß entwickelt hat. Immerhin ist das Aufkommen gerade in einer Zeit, in der die östlichen Germanenstämme in Beziehungen zu Reitervölkern traten und auch Einwirkungen festzustellen sind, doch zu beachten. So möchte ich auch annehmen, daß über die östlichen Wege des samländischen Bernsteinhandels die Mitbestattung von Pferden zu den Aisten gelangt ist. Der Befund von L e u na besitzt nun auffallende Parallelen im Südosten. Die gleiche Sitte kennen die Sarmaten des Kubangebietes58). Ebenso kommen bei den sarmatischen Jazygen im ungarischen Alföld Reste und Teile von Pferdeskeletten in Hügelgräbern vor59), so in dem Grabe mit dem bekannten Schildbuckel von H e r p a l y . Jünger ist eine wohl alanische, jedenfalls ungermanische Bestattung in Hügel II von S t r a z e in der Slowakei in der Nähe der germanischen Fürstengräber, in dem ein Pferdeschädel gefunden wurde. Das Grab gehört bereits der Wende des 4. zum 5. Jahrhundert an 60 ). Ein entsprechender Fund liegt aus dem Ostseegebiet vor. In dem Bestattungsplatz von V a r p e l e v fand sich nahe bei dem reich ausgestatteten Grab eine Ansammlung von Tierknochen u. a. mit einem Pferdeschädel61). Wenn auch hier der Zusammenhang mit der Bestattung nicht ganz sicher erscheint, so erhält gerade durch die Wiederholung eines solchen Falles sowohl für Va r p e l e v wie auch für L e u n a die Zugehörigkeit der Pferdeknochen zu der Bestattung eine erhöhte Wahrscheinlichkeit. Bemerkt sei dabei, daß V a r p e l e v zu den späten Bestattungsplätzen Seelands gehört, die in den Beigaben besonders südöstliche Verbindungen erkennen lassen. Goldobolus Der Aureus des Kaisers Tetricus (268—273) im Munde des in L e u n a Grab 2,1917 Bestatteten ist das einzigste in diesem Begräbnisplatz gefundene Goldstück, während in H a ß leben im Fürstengrabe als Obolus ein Aureus des Gallienus (253—268) als Hängeschmuck durchlochte Aurei des Hadrian (117—138) und des Antonius Pius (138—161), in dem Grabe 4 des reich ausgestatteten Mannes ein Aureus des Victorinus (265—268) und in dem Grabe des Jahres 1931 (SCHULZ, Haßleben, Nachtrag) ein Aureus des Laelianus (267) gefunden wurden. In einem Körpergrabe in Halle-Südost fand sich ein Denar des Commodus (180—192), Weitere Beigaben sind nicht bekannt, in dem reich ausgestatteten Grabe von F l u r s t e d t ein Aureus der Galliena Augusta. (260—268), dessen Lage unbekannt ist, das gleiche gilt von dem Aureus des Valerianus (253—260) in dem reich ausgestatteten Frauengrabe von L e u b i n g e n , Kr. Kölleda. Zu dem Grabfunde von K r o t t o r f im Kreise Oschersleben gehören 5 durchlochte Aurei des Postumus (258—267). Dazu kommt jetzt in dem Männergrabe und in dem Frauengrab von E m e r s l e b e n je ein durchlochter Aureus im Munde der Toten, und zwar bei dem Manne ein Aureus des Alexander Severus (222—235) bei der Frau ein Aureus des Postumus. Als Obolus ist auch das rundgeschnittene Goldplättchen in dem Grabe eines Kleinkindes von H a ß l e b e n (Grab 18) aufzufassen. Ein Grabfund von P ö ß n e c k - K ö s t r i t z , Thüringen, mit einem Solidus des Honorius (395—423) leitet zu den auch in Mitteldeutschland " ) E. PETERSEN, Neue wandalische Grabfunde aus dem 2.—4. Jahrh. 6. Das Reitergrab von Königsbruch, Kr. Guhrau, in: Altschlesien 4,1932, S. 154ff. Er setzt das Grab S. 160 in die erste Hälfte des 4. Jahrh., zweifellos zu früh, während H. ZEISS in: Altschlesien 7, 1937, S. 34ff. die erste Hälfte des 5. Jahrh. in Betracht zieht. 5S ) M. EBERT wie Anm. 45, S. 110. 5 9 ) M. PABDUCZ in: Dolgozatok 7, 1931, S. 175 u. 177. — Ders., Denkmäler der Sarmatenzeit Ungarns I I I . Archaeologia Hungarica 30, 1950, S. 235. 60 ) E. BENINGEB 1931 wie Anm. 56, S. 90.—Ders., Die germanischen Bodenfunde in der Slowakei 1937, S. 54. — J . NEUSTUPNY in: Obzor Praehistoricky 9, 1930/1935, S. 11 ff. 61 ) C. ENGELHABDT in: Aarböger, Kopenhagen 1877, S. 358.

L e u n a , ein germanischer Bestattungsplatz der spätrömischen Kaiserzeit

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nicht fehlenden Gräbern der Merowingerzeit mit Münzbeigabe über62), in Weimarer Gräbern als Schmuckstück, in einem Grabe von E r f u r t wiederum als Obolus im Munde des Toten. Der Reichtum römischer Goldmünzen in unseren spätrömischen Körperbestattungen übertrifft die übrigen germanischen Gebiete. Das Grab von H e i l i g e n h a f e n in Holstein enthielt eine durchlochte Goldmünze, Nachahmung eines Aureus des Antoninus Pius (138 bis 161), das von Woldegk in Mecklenburg ein Goldplättchen in Gestalt einer Münze. Unter den zahlreichen Körpergräbern der dänischen Inseln führen die Bestattungen von Aarslev auf Fünen eine Nachprägung des Geta (211—212), von Nyrup auf Seeland einen Solidus des Flavius Julius (337—350) und von Varpelev auf Seeland einen Aureus des Probus (276—282), während Silbermünzen häufiger sind63). Im ostgermanischen Gebiete barg das dritte Grab von Sackrau einen Aureus des Claudius Gothicus (268—270)und ein Holzkästchen mit eingefügter Goldmünze (Septimimus Severus 193—211), das zweite Grab von Osztröpataca eine Goldmünze der Herennia Etruscilla (248—251). In der Frage, auf welchem Wege der Brauch, der mit der Körperbestattung in Zusammenhang steht, nach Mitteldeutschland gelangte, möchte ich mich für eine östliche Herkunft durch Eiuwirkung von Seiten der Sarmaten und Goten entscheiden64). Sporen Sporen liegen aus den Gräbern 2, 1917, Taf. III, 1; 1 bis 3, 1926, Taf. X, 1, XIII, 3, XVIII und aus dem Grabe von 1834, Taf. XXXI, 1, vor. Sie tragen sämtlich zur Befestigung an einer Hackenkappe einen aufragenden Mittelast, wie er für die spätrömische Gruppe der Nietsporen im elbgermanischen Gebiete bezeichnend ist65). Mit Ausnahme des Sporenpaares aus Grab 1, 1926 gehören sie zu dieser Gruppe. Die Sporen des Grabes 1 aber können wir trotz ihrer Ähnlichkeit mit den übrigen nicht dazurechnen, da sie nicht mit Nieten an der Kappe befestigt waren, sondern Nägel mit gewölbten Köpfen durch die Abschlußscheiben der Schenkel und des Mittelastes geführt worden sind, die an der Innenseite der Kappe umgeschlagen sind; eine Befestigung, die anscheinend sonst nicht üblich gewesen ist. Bei den übrigen Sporen sind von der Innenseite durch die Kappe Nieten mit Plattköpfen geführt, die in den Abschlußscheiben der Sporen eingenietet sind. Die Sporen bestehen meist aus Silber, wohl auch die des Grabes 1834, nur die Sporen aus Grab 2, 1926 sind aus Bronze gearbeitet. Bei diesen letztgenannten sind die Abschlußscheiben des mehr gebogenen Schenkels und des aufsteigenden Astes mit wohl goldhaltigem Silber plattiert. Die Sporen der Gräber 2, 1917 und 3, 1926 tragen an den Abschlußscheiben aufgelötete Silberbuckel, die mit silbernem Perldraht umrahmt sind, und anschließend vergoldete Preßbleche gleichfalls mit Perldrahteinfassung, der Schmuck fehlt aber an den inneren Schenkeln des Sporenpaares aus Grab 2,1917. Den Sporen des Grabes von 1834 fehlt die Ausschmückung, es ist nicht sicher, ob sie verlorengegangen ist. Das silberne Sporenpaar von V o i g t s t e d t , Kr. Sangerhausen66) gehört gleichfalls zu den ausgeschmückten Sporen. Dem Sporn von Grabow 67 ) dagegen fehlt jetzt jeder Schmuck, auch Nieten sind nicht vorhanden. Die Stacheln der Silbersporen sind mehr oder weniger kunstvoll profiliert, sie bestehen aus dem Basisteil, durch Einschnürung getrennt dem gestreckt birnenförmigen Teil und der kleinen Konusspitze.. Der gestreckte Teil steigt kaum c2 ) J. WERNER, Münzdatierte austrasische Grabfunde. 1935. Katalog. °3) Zusammenstellungen bei St. BOLIN, Fynden av romerska mynt i det fria Germanien 1926. — H. J. EGGERS, Der römische Import, Gesamtkatalog. 64 ) Über den Brauch im allgemeinen und seine Herkunft; A. TOMASCHEK in Pauly-Wissowas Realencyclopädie d. classischen Altertumswissenschaft III, 1, 1897. Bestattung S. 342. — Sarmatischer Brauch: M. EBERT in: Prä-

historische Zeitschrift 5,1913, S. 48, 7 2 , 1 0 7 , 1 1 1 . — Ders. wie Anm. 45, S. 228. — M. PARDUCZ, 1950 wie Anm. 59.

— Gotisches Gräberfeld Cernjach6w: M. EBERT wie Anm. 45, S. 112. ° 5 ) M. JAHN w i e A n m . 3. CC

) GÖTZE, HÖFER, ZSCHIESCHE T a f . X I X , A b b . 2 8 2 , 283.

«') BELTZ wie Anmerk. 16. Taf. 63, Abb. 3.

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merklich einschwingend oder auch, wie bei dem Sporn von G r a b o w , stärker einschwingend auf. Die Sporen von L e u n a Grab 2, 1917 und Grab 2, 1926 tragen eine zweite Einschnürung unter der Konusspitze. Am kräftigsten profiliert ist das Sporenpaar aus Grab 3, 1926 mit fast kugeligem Mittelteil und Belebung mit mehreren leicht eingerissenen Rillen. Auch der untere Fortsatz ist bei diesem Sporenpaar durch mehrere Einschnitte geschmückt. — Das Sporenpaar aus Grab 1, 1926 mit Nagelbefestigung kann nicht als eine Vorform, sondern nur als eine Nebenform der Gruppe gelten, da die Nietsporen mit einer dritten Befestigung, die zu der Ausbildung des MitteJastes führte, schon im provinzialrömischen Gebiete vorliegen. Ein provinzialer Sporn entsprechend dem von M u r t e n in der Schweiz68) mag als Ausgangsform der mitteldeutschen Gruppe auch in der Dornbildung gedient haben. Ein entsprechendes Nietsporenpaar aus Eisen ist von T h a l e , Roßtrappe, Kr. Quedlinburg (Mus. Thale) bekannt, das wohl gleichfalls aus einem Körpergrabe stammt. Ein weiteres eisernes Sporenpaar von S y l d a Kr. Eisleben (Mus. Eisleben) schließt sich in der Profilierung des Stachöls an die Silbersporen von L e u n a Grab 1, 1926 und von V o i g t s t e d t an69). Es bleibt zu erörtern, wie die Schnallen, Riemenzungen und Zierknöpfe bei den Sporen des Grabes 3, 1926 Verwendung gefunden haben. Es liegen in zwei Garnituren vor: eine Schnalle mit geschmückter Beschlagplatte und eine solche mit schlichter Platte, ein Riemenendbeschlag mit drei Nieten, ein solcher mit zwei Nieten und ein Zierbuckel. Aus der Eundlage geht der Zusammenhang zwischen der Schnalle und dem dabeiliegenden Riemenendbeschlag nur zum Teil hervor (Abb. 40). Es lag, soweit beobachtet, eine Gruppe neben dem äußeren Sporenschenkel und eine neben dem inneren; ein Riemenendbeschlag war indes reichlich weit verschoben. Es ist anzunehmen, daß die verzierten Schnallen mehr nach der sichtbaren äußeren Seite getragen wurden. Schnallen und Zungen deuten auf ein Riemenwerk, das nach den Einsatzspalten der Zungen und der Beschlagplatten der Schnallen wenigstens nach den Enden zu recht dünn gewesen sein muß. Die Breite der Riemen hat nach der Breite der geschmückten Beschlagplatten etwa 1,5 cm betragen, während der Riemen der ungeschmückten Beschlagplatten um etwa 1 mm schmaler gewesen sein könnte. Nach den Zungen zu müssen die Riemenenden sich verschmälert haben. Von den Buckeln lag der eine nahe dem linken Sporn, der andere bei dem rechten, doch sind aus der Lagerung Schlüsse auf die Anbringung nicht zu ziehen. Die Rekonstruktion eines Sporenhalters für den Nietsporn ist bei J A H N nach 70 ZSCHTLLE - F O R R E R wiedergegeben ), dereinen Sporenhalter mit Riemenbefestigung annimmt. Wie die Metallteile des Grabes 3,1926 von L e u n a verwendet worden waren, dafür seien Fußbekleidungen spätrömischer Bildwerke herangezogen, zunächst die campagi des vornehmen Mannes auf dem Elfenbeindiptychon von M o n z a , die nach R. DELBRÜCK71) über dem Spann einen Querriemen tragen, der durch Ringe an den Ecken des Hackenleders befestigt ist. Für die Verwendung des Silberbuckels sind die campagi des Theodosius und seiner Umgebung, darunter seiner germanischen Leibwache, auf dem Missorium des Theodosius zu nennen72). Die ausgeschnittenen Schuhe sind auf dem Spann geschlossen und tragen in der Mitte einen ovalen mit Edelstein geschmückten Buckel. Die Rekonstruktionsversuche Abb. 41 vereinen mit der von F O E K E R die genannten spätrömischen Darstellungen. Wie aber die Funde zeigen, ist die Verwendung von Metallteilen ganz ungewöhnlich, im allgemeinen fehlen Schnallen für Schuhwerk oder Sporenhalter selbst bei ausgeschmückten Silbersporen,' die wir bereits als Luxussporen bezeichnen können und die wohl nicht für ständigen Gebrauch bestimmt waren. 6S

) M. J A H N wie Anmerk. 3, Abb. 84. ) Das bei JAHN wie Anmerk. 3 , S. 1 2 1 unter Nr. 6 3 5 , 5 3 6 genannte Eisensporenpaar von Schafstädt, Kr. Merseburg mit, Hakenenden, das aber in der Gesamtform unseren Nietsporen gleicht, trägt ebenfalls den bei den Silbersporen üblichen Stachel mit kleinem Konusabschluß. 70 ) M. JAHN wie Anmerk. 3, Abb. 24. — ZSCHIIXE-FORBEB, Der Sporn in seiner Formentwicklung I, 1891, Taf. II, 5, dazu die Berichtigung von JAHN, S. 59f. und S. 87. 71 ) E. DELBRÜCK, Die Konsulardiptychen, S. 244, dazu Taf. 63. 69

R. DELBRÜCK, S. 238, dazu Taf. 62.

L e u n a , ein germanischer Bestattungsplatz der spätrömischen Kaiserzeit

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Pfeilspitzen Pfeilspitzen wurden in folgenden Gräbern von Leuna gefunden: Grab 2, 1917 drei Spitzen Taf. III, 2; Grab 1, 1926 zwei Spitzen, Tai. X, 2; Grab 3, 1926 zwei Spitzen, Taf. XIX, 1; Grab des Jahres 1834 zwei Spitzen, Taf. XXXI, 1. Das Metall der Pfeilspitzen, vermutlich auch der Spitzen von 1834, ist Silber. Wo die Lage der Spitzen feststeht, fanden sie sich seitlich der rechten Hand des Bestatteten (Grab 2, 1 9 1 7 und Grab 3, 1 9 2 6 ) , hier waren also Pfeil und Bogen niedergelegt. Es sind zwei Hauptformen der Spitzen zu unterscheiden: die eine mit lanzettförmigem Blatt, zum Teil zur Rautenform neigend, und mit tütenartig zusammengebogener Tülle, die beiden Blatthälften gegeneinander deutlich oder andeutungsweise versetzt Grab 2, 1917, Grab 1, 1926, wohl auch Grab 1834; die zweite Form mit lang ausgezogenen und einschwingenden Flügeln, längerem Schaft und Ziermustern liegt allein in Grab 3, 1926 vor. Bereits das einzige reich ausgestattete Männergrab von H a ß l e b e n hatte drei silberne Pfeilspitzen mit rautenförmigem flachen Blatt und röhrenförmig zusammengebogener Tülle aufzuweisen (Abb. bei W. SCHULZ, Haßleben, Taf. IX, 2—4, wo auch S. 4 2 f. und S. 50 weitere Pfeilspitzenfunde aus Mitteldeutschland zusammengestellt sind). Dazu kommen jetzt aus dem Skelettgrab von Em er sieben, Kr. Oschersleben, drei silberne Spitzen und eine vergoldete Bronzespitze, die größer als die üblichen Pfeilspitzen sind, gleichfalls mit gestreckter Lanzettform des Blattes und gegeneinander versetzten Blatthälften. Außerhalb Mitteldeutschlands sind in dem reich ausgestatteten Grabe von Woldeck in Mecklenburg zwei Silberspitzen gefunden worden. Die Pfeilspitzen der elbländischen reich ausgestatteten Körpergräber sind Übertragungen verbreiteter Formen aus Bronze auf edleres Metall. Üblich ist allgemein die Lanzettform, mitunter mit versetzten Blatthälften73). Die Pfeilspitze mit schlanker Tülle und einschwingendem Widerhaken ist seltener. Besonders sei auf eine Bronzespitze mit wesentlich kürzerem Widerhaken hingewiesen, die neben den zwei lanzettförmigen mit versetzten Blatthälften in dem Grabe von L i t o m e r i c e gefunden wurde74). Im Moorfunde von Nydam sind unter den verschiedensten Formen auch die mit Widerhaken vertreten75). Nach M. J A H N gehen die Pfeilspitzen mit Widerhaken auf die entsprechenden Lanzenspitzen zurück76). Tatsächlich entsprechen die Pfeilspitzen aus Leuna Grab 3 , 1 9 2 6 der bei J A H N auf Abb. 9 5 wiedergegebenen Speerspitze von K a n n i k e g a a r d auf Bornholm in Einzelheiten der Form und der Ausschmückung. Pfeil und Bogen als Waffe wurden von den Germanen erst in spätrömischer Zeit aufgenommen77), gewiß unter Einwirkung der üblichen Waffe östlicher Reitervölker. Die häufigen Pfeilspitzen aus Eisen oder Bronze in Gräbern spätrömischer Zeit sind daher als Waffenausrüstung des einfachen Kriegers anzusehen. Wenn aber in unseren reich ausgestatteten Gräbern die wichtigsten Waffen, wie Lanze und Schwert und meist auch der Schild, fehlen78), ") J. KERN, Sudeta 5, 1929, S. 148ff. (Leitmeritz), hier S. 151 unter „Miniaturwaffen". - J. WERNER, Germania 22, 1938, S. 144ff. (Böckingen in Württemberg). Bezugnahme auf die mitteldeutschen Keilspitzen, ferner Ablehnung der Deutung der Leitmeritzer Spitzen als Miniaturlanzenspitzen). — P. REINECKE, Germania 18, 1934, S. 117ff. (Laisacker, Bayr. Schwaben, S. 119 über die Keilspitzen, gleichfalls unter Heranziehen der mitteldeutschen Stücke. Die Laisacker Pfeilspitzen haben schwache Mittelrippe). 74

76

) J. KERN wie Anmerk.

73.

) K. ENGELHARDT, Nydam Mosefund Taf. XII u. XIII. '•) M. JAHN, Die Bewaffnung der Germanen. Mannusbibl. Nr. 16, 1916, S. 87. ") M. J A H N , S. 87. - Die einer Pfeilspitze ähnliche Eisenspitze des Grabes von Z o 11 w i t z, B. v. RICHTHOFEN in: Altschlesien 3, 1930, S. 24ff., könnte wohl als Lanzenspitze gedient haben. ' 8 ) Als Aufnahme wurde in einem Körpergrabe von B i s c h l e b e n , Kr. Gotha, GÖTZE, H Ö F E R , ZSCHIESCHE, S. 234 u. Tafel X X I , 303ff., das u. a. eine Silbergürtelschnalle mit Goldblechüberzug und Almandinbelag enthielt, ein provinzialrömischer Bronzeschildbuckel gefunden. Der Schild gehört wohl zur Kriegerausrüstung, ist aber nicht zu den eigentlichen Waffen zu rechnen. — Bemerkenswert ist es, daß auch in den gut ausgestatteten Körpergräbern von A a s 0 und S o s u m auf Seeland ohne Bewaffnung Schildbuckel und Schildfessel aus Bronze gefunden worden sind (Angaben nach H. J. EGGERS, Der römische Import. Katalog Nr. 152, K.-Nr. 279).

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WALTHER SCHULZ

so können schon aus diesem Grunde nicht die Pfeilspitzen die Waffenausrüstung ausmachen. Ihre Herstellung aus Silber und die kunstvolle Ausgestaltung in Grab 3,1926 schließen es wohl aus, daß sie als Waffe benutzt wurden, die nicht in der Hand des Trägers bleibt, wie etwa eine Lanze oder ein Schwert, sondern verschossen wurde. Es ist auch zweifelhaft, ob eine Jagdausrüstung vorliegt. So bleibt noch eine dritte Möglichkeit. Silberpfeilspitzen finden sich gerade in Gräbern vornehmer Sippen, deren Grabausstattungen auf die Freuden des Lebens eingestellt sind, wie die Ausstattung für Speise und Trank und das Brettspiel bezeugen. Dem Zeitvertreib diente nach der nordischen Überlieferung auch das Bogenschießen. Das Schnitzen von Pfeilen und Herstellen von Bogen war eine Beschäftigung der jungen Edlen' 9 ). Für die Langobarden ist in der Lebensbeschreibung des heiligen Barbatus von Benevent der Brauch überliefert, zu Pferde im Galopp rückwärts auf ein ausgespanntes Fell zu schießen79®). Ein entsprechender Vorgang ist auf dem Goldhorn mit Runenschrift von Gallehus wiedergegeben (Abb. 68). Hier zielt der Schütze stehend auf eine Tierhaut, während die Nachbarbilder Spiele, wie Tanz und Waffentanz, darstellen dürften. Für sportliches Spiel haben aber nicht nur die silbernen Pfeilspitzen Verwendung gefunden, sondern wohl auch die Luxussporen, von denen ich annehme, daß sie nicht dem Alltag dienten. Schmuck Über den Schmuck der Zeit geben die Bestattungen von L e u n a wesentlich geringere Auskünfte als der Bestattungsplatz von H a ß l e b e n , da hier vor allem Frauen, in Leuna aber Männer beigesetzt waren. Besonders die Fibeln treten weit zurück, auch nur ein Armringbruchstück ist bekannt geworden, während goldene Fingerringe in zwei Gräbern vertreten sind. Die einfacheren Fibeln sowie der Armring gehören zu den Funden des Jahres 1834, die für eine reiche Männerausstattung sprechen, es wird auch in dem ältesten Bericht nur ein Skelettgrab genannt. Wie aber schon oben bemerkt, vermute ich, daß die ursprünglich vier Fibeln sowie der Armring nicht zu diesem Grabe, sondern wohl zu zwei einfacher ausgestatteten Frauengräbern gehören. Ein Hinweis auf prunkvolle Fibeln der Sippe von Leuna gibt aber ein Fibelpaar aus dem reichstausgestatteten Grab des nahe gelegenen Bestattungsplatzes von M e r s e b u r g - S ü d , von denen die eine auf Tai. X X I X , 4 abgebildet ist, eine Fibel, die zu der elbländischen Gruppe mit geschmückten Zierscheiben gehört. Sie trägt außerdem Preß bleche auf dem Fuße und auf einer rechteckigen Kopfplatte. Am nächsten steht ihr eine Fibel von Haßleben ohne Kopfplatte, die bei SCHULZ, Haßleben, Taf. 9 , 2 8 abgebildet ist. Ich möchte annehmen, daß sie aus der Edelmetallwerkstatt stammt, die für die Leunaer Sippe arbeitete. Fibeln Von den in Leuna gefundenen Fibeln seien zuerst die germanischer Herkunft behandelt. Die Fibeln des Fundes von 1834 gehören zu Almgrens Gruppe VI, 2, Abb. 175, die aus Bronze ") Rigsthula, Übertragung von F. GENZMEB, Sammlung Thüle, Veri. E. Diederich, Jena, Bd. 2, Edda Bd. 2, S. 117, Das Merkgedicht von Rig Strophe 36. ™a) Das Leben des heil. Barbatus im Martyrologium Romanum siehe UGHELLUS, Italia sacra Tom. VIII, femer J. BOLLAND, Acta sanctorum Februarii Tom. III. ~ Zur Erleichterung der Nachprüfung sei der Wortlaut hier nach UGHELLTJS Ausg. Rom 1662, Sp. 25f. wiedergegeben. Nach Schilderung der heidnischen Schlangenverehrung der Langobarden heißt es: verum etiam non longe a Beneventi moenibus devotissime sacrilegam colebant arborem, in qua suspendentes corium, cuncti, qui aderant, terga vertentes celerius equitabant calcaribus cruentantes equos, ut unus alteri possit praeire, atque in eodem cursu retrovertis manibus corium iaculabantur iaculatoque particulam modicam ex eo comedendi superstitiose accipiebant.

L e u n a , ein germanischer Bestattungsplatz der spätrömischeji Kaiserzeit

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oder Silber gearbeitet wurden und im Elbgebiete häufiger vertreten sind80). Bei einer der Fibeln ist die Ausschmückung mit Perldrähten zu erkennen. Sie sind, soweit sie aus Silber gearbeitet waren, wofür diese Ausschmückung spricht, keineswegs als geringwertiger Schmuck aufzufassen. Eine weitere Ausgestaltung dieser Serie zeigt die Fibel aus dem Grabe 1, 1926, Taf. I X , 1, aus Silber mit Zweirollenkonstruktion der Nadelfederung, Knöpfen an den Achsenenden und auf der Kopf mitte, die mit Perldraht geschmückt sind, Schmuckplatte auf Bügelmitte zur Aufnahme eines Glasflusses, Perldrähten auf Scheiben am Bügel. Die Schmuckplatte stellt sie zu der Gruppe von Fibeln, zu denen auch die schon erwähnten Fibeln von Merseburg-Süd und H a ß l e b e n , aber auch neben den reich ausgeschmückten Silberfibeln des Fürstengrabes (SCHULZ, Haßleben, Taf. 5,1 und 2), die eine der Goldfibeln (Haßleben, Taf. 1,5 und Taf. 4» 1) gehören, Prachtstücke einer Serie, die M A T T H E S als Schildfibeln bezeichnet81). Die typologische Einordnung der Leunaer Fibel habe ich früher untersucht82), wobei ich besonders der Entwicklung der rundlichen Kopfplatte nachgegangen bin und die Goldfibel von Sanderumgaard und Prunkfibeln von Sakrau als Fortbildungen herangezogen habe. Auch die Fußgestaltung dieser ost- und nordgermanischen Fibeln mit ihrem winkeligen Abschlüsse weisen auf Einfluß ausdem mittelgermanischen Elbgebiete hin83), wobeiderFuß der Fibel aus Grab 1, 1926 von Leuna mit der stärkeren Einsehwingung der Seiten eine vermittelnde Stellung zu den Sakrauer Goldfibeln einnimmt. Besonders nahe steht unserer Fibel die silberne Zweirollenfibel unbekannten Fundortes aus dem Nationalmuseum in Budapest. Ich kannte 1928 nur die zeichnerische Wiedergabe bei J. HAMPEL84) und habe sie S. 149 nur nebenbei erwähnt. Inzwischen habe ich diese Fibel im Original sehen können, außerdem ist jetzt auf die Wiedergabe nach photographischer Aufnahme bei Ilona K O V B I G hinzuweisen85). Auch die Fibel gehört zu der Gruppe mit kleiner Kopfplatte, um die ein Schmuckdraht gelegt ist, und ist typologisch die nächste Fortbildung der Fibel von Leuna, denn die Kopfplatte ist vergrößert und die Spiralen sind auseinandergerückt. Die Gesamtform ist der L e u n a e r Fibel gegenüber gedrungener. Die Mittelplatte ist viereckig und dürfte gleichfalls zur Aufnahme einer Auflage gedient haben. Da die ungarische Fibel damit der „Schildfibel" anzuschließen ist, ist ihre Beziehung zum mittelgermanischen Gebiete offensichtlich: Wo die Fibeln mit Bügel - bzw. Fußschild ihren Ausgang genommen haben, ist aber noch ungeklärt. Bei manchen elbländischen Stücken, besonders des nördlichen Gebietes, erscheinen die Plattenaufsätze und Ansätze jedoch als unorganisch zugefügtes Beiwerk. Ich möchte daher materiell und künstlerisch wertvollere Stücke, wie sie aus dem H a ß l e b e n e r Fürstengrabe vorliegen , an den Anfang der Gruppe stellen, wobei dieEdelsteinverwendung, wie auch die Anwendung feinster Techniken der Goldschmiedekunst durch das römische Kunstgewerbe beeinflußt ist. Solche Anregungen führender Werkstätten haben befruchtend gewirkt und das Aufkommen einer Serie hervorgerufen, bei der an Stelle des Goldes das Silber, an Stelle der Edelsteine Glasfluß trat. Die einfacheren Formen leben durch das vierte Jahrhundert bis in das fünfte fort86). 80) SCHULZ, Haßleben, Grab 1, Texttafel 4, 20; Grab 7, Tafel 9, 19; Grab 19, Tafel 11, 1 u. 10; aus verschiedenen Gräbern, Tafel 11, 11-13. — Zusammenstellung außer Almgren, S. 86f. W. MATTHES, Die nördlichen Elbgermanen in spätrömischer Zeit. Mannusbibl. Nr. 48,1913, S. 33, Listen S. 91ff., S. 100f. - F. KUCHENBÜCH, Die altmärkisch-osthannöveischen Sehalenurnenfelder in spätrömischer Zeit, in: Jahresschrift Halle 27, 1938, S. 35, Liste S. 86ff. - G. MILDENBERGEB, Die Brandgräber der spätrömischen Zeit im südlichen Mitteldeutschland (Dissertation Halle, bisher Maschinenschrift). 81) W. MATTHES wie Anmerk. 80, S. 35ff., lOlff. 82 )

B3)

W . SCHULZ wie Anmerk. 5.

Dasselbe gilt für die prunkvolle Goldfibel von Straze aus dem Gebiete der elbgermanischen Quaden, Abb. E. BENINGEB, 1940, wie Anmerk. 23, Tafel 299. M ) Altertümer des frühen Mittelalters in Ungarn III, 1905, Taf. 10, Abb. 2. " ) I. KOVBIG, Die Haupttypen der kaiserzeitlichen Fibeln in Pannonien. DissertationeS Pannonicae Serie II, Nr. 4, 1937, Taf. 40, 1. M ) Im 5. Jahrh. nach L. ZOTZ, in: Baltische Studien N. F. 41, 1939, S. 5. - BASTIAN, in: Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit 14, 1938, S. 45.

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WALTHER SCHULZ

Zwei weitere Fibeln ans Leuna sind provinzialrömischer Herkunft. Sie gehören zu den Scharnier-Dreiknopffibeln wie Almgren Tai. V I I I , 187, 190. Es sind die Fibeln aus Grab 2, 1917, Tai. I I , 1 und Grab 15,1926, Taf. X X I X , 1. Erstere steht Almgren 187 näher, wenn auch die Köpfe größer und gerundet sind. Auch unsere Fibel trägt noch am Bügel über dem Fußende eine Drahtumwicklung als Erinnerung ihrer Herkunft aus der germanischen Fibel mit umgeschlagenen Fuße. Ihre Einordnung in das 3. Jahrhundert ist anerkannt87). Die Fibel aus Grab 5, 1926 gleicht eher Almgren 190, hier ahmen die Kerben an der Basis der Knöpfe, deren mittlerer bereits die Zwiebelkopfform hat, geperlte Drähte nach. Sie ist also eine frühe Form der Zwiebelkopf fibeln und gehört nach der Einteilung von I. Kovrig (S. 125) dem Beginn der Phase 2 der Gruppe X I I I an. Da für diese das 4. Jahrhundert in Anspruch genommen wird (S. 128), kommt für die Leunaer Fibel die erste Hälfte des Jahrhunderts in Betracht. Diese provinzialrömische Gruppe ist sowohl im Rheinlande wie im Donaugebiete recht häufig, Fibel Almgren 187 besonders auch im Donaugebiete. Obwohl über die Herkunft unserer mitteldeutschen Stücke nichts Sicheres ausgesagt werden kann, ist bei der donauländischen Verbindung, für die auch die obengenannte Fibel des Museums Budapest spricht, eine Herkunft aus dem Donaulande erwägenswert. Über die Tragweise der Fibel gibt nur Grab 3, 1926 Aufschluß, wo sie an der rechten Schulter, offenbar zum Zusammenhalten des Mantels lag. Im Grabe 2, 1917 fand sich die Fibel zusammen mit dem Kamme am Fußende des Bestatteten. Da sie als Umhangverschluß diente, ist anzunehmen, daß dem Toten ein Umhang nicht angelegt worden ist. Die Lage der übrigen Fibeln von Leuna ist nicht bekannt. Fingerringe Fingerringe gehören in L e u n a zur Männerausstattung wie i n H a ß l e b e n zu der der Frauen. Soweit sich ihre Lage feststellen ließ, wurden sie an der rechten Hand getragen. Aus Grab 2, 1917, Tafel II, 2 und Grab 2,1926, Taf. X I I I , 1, liegen geschmückte Goldringevor, entsprechend dem des Grabes der Fürstin von Haßleben (SCHULZ, Haßleben, Taf. 1, 4 und Taf. 4, 2). Da solche wertvollen Ringe zur Ausstattung vornehmer Männer und Frauen gehören, ist es auffallend, daß das reichste Grab von Leuna 3, 1926 keinen Ring aufzuweisen hat; der Grund mag in einer Ausplünderung des Bestatteten zu suchen sein. Die Ringgruppe ist bereits bei SCHULZ, Haßleben, S. 35, behandelt worden. Wie der entsprechend verzierte Goldschmuck aus Haßleben sind auch die Leunaer Ringe heimische Arbeit. Der Ring des Grabes 2, 1917, der für eine jugendliche Person angefertigt worden war, ist etwas flüchtiger hergestellt gegenüber der höchst sauberen Goldschmiedearbeit des Grabes 2, 1926. Noch reicher ist der Haßlebener Goldring geschmückt, der aus der Werkstatt der Goldfibeln hervorgegangen sein dürfte. — Provinzialrömisch ist der Fingerring des Grabes 5, 1926, der wie die Fibel dieses Grabes aus vergoldeter Bronze besteht. Verwandte Ringe sind nach Fr. HENKEL in der ersten Hälfte bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts angefertigt worden88). G ü r t e l s c h n a l l e n aus S i l b e r und

Bronze

Es seien zunächst die Schnallen aus den Gräbern 2,1917, Taf. II, 6; 1, 1926, Taf. I X , 2, und aus den Funden von 1834, Taf. X X X I , 1, betrachtet, die eine gesonderte Achse tragen. Die Silberschnalle aus Grab 2, 1917, für die der weitausladende Rahmen bezeichnend ist, läßt sich mit einer Schnalle vergleichen, die E. BLUME unter den Formen des Oder-Passargegebietes der Stufe B jüngst (um 200 u. Zr.) abbildet89). Auch bei ihr bewegen sich der weit ausladende ") G. BEHRENS in: Mainzer Zeitschrift 14,1919, S. 2, besonders Anhang, S. 12ff. - I . KOVBIG wie Amnerk. 88, S. 125ff. M ) FR. HENKEL, Die römischen Fingerringe des Rheinlandes, 1918. Nahe stehen der Bronzering Taf. 36, Abb. 934 und der Goldring Taf. 4, Abb. 74. 88) E. BLUME, Die germanischen Stämme und die Kulturen zwischen Oder und Passarge, Mannusbibl. Nr. 8, 1912, Taf. IV, 55.

Leuna, ein germanischer Bestattungsplatz der spätrömischen Kaiserzeit

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Rahmen, der Dorn und die Beschlagplatte um eine Achse. Endknöpfe der Achse möchte ich für unsere Schnalle ursprünglich ebenfalls annehmen. Nur sind die Ansatzstellen des Bügels bei der ostdeutschen Schnalle noch näher zusammengerückt, und der Bügel bildet mehr ein Oval. Ebenso stehen Schnallen aus den Moorfunden von N y d a m und vom V i m o o r unserer Schnalle nahe90). Die Schnalle aus Grab 1, 1926 ist mit den bei BLUME unter den T y p e n der Stufe C abgebildeten Schnallen Taf. V , 48 und 52 zu vergleichen. Die Verbindung des Schnallenteils mit der Beschlagplatte mittels einer Achse ist auch hier vorhanden, der Bügel ladet nur schwach aus. Der Dorn der Leunaer Schnalle trägt aber eine plattenartige Verbreiterung für die ich keinen Vergleich kenne91). BLUME setzt die Formen der Stufe C in das 3. Jahrhundert. Von gleicher Konstruktion mit gesondert gearbeiteter Achse ist auch die kräftige Bronzeschnalle aus dem Leunaer Grab von 1834. Bei ihr ist die Ausbildung der Bogenabschlüsse zu Tierköpfen bemerkenswert. Die Gesamtgestalt des sich erweiternden Rahmens klingt noch etwas an die vorher genannte Schnalle an. Während die Tierköpfe unserer Schnalle senkrecht auf die Achse gerichtet sind, liegen sie meist in der Richtung der Achsen. Die senkrechte Stellung der Tierköpfe, die auch im Nydamfunde vertreten ist92), ist wohl als älter anzusehen. Eine Schnalle von P o g r e s s in Mecklenburg dürfte eine Mittelstellung einnehmen93). Sich anschließende Formen sind mehrfach in der Altmark vertreten 94 ). Diese stehen wieder mit der altsächsischen Gruppe in Verbindung, die A . PLETTKE zusammenfassend behandelt hat 95 ), der gleichfalls die Nydamer Schnalle an den Anfang stellt. Die Schnalle von L e u n a ist als Frühform der bis in das 5. Jahrhundert fortlebenden Schnallen wohl am Anfang des 4. Jahrhunderts oder bereits um 300 gearbeitet worden. — Bei der Schnalle Leuna, Grab 5, 1926, Taf. X X I X , 2, besteht der Rahmen aus Bronze, der Dorn aus Eisen. Abweichend von den vorgenannten Schnallen ist vor allem der geschlossene Rahmen, in dessen Basis der Dorn eingehängt ist. Schnallen mit geschlossenem Rahmen sind eine verbreitete Form seit der frührömischen Zeit. Die Wulste an den Ansätzen des Rahmenbogens machen aber den Eindruck, als ahmten sie die Endknöpfe der Achse nach. Ich möchte also in dieser Schnalle die Nachahmung einer Schnalle mit Achse sehen96). Für die Datierung ist zu bemerken, daß sie in dem Grabe zusammen mit der Fibel aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts gefunden worden ist. G e g e n s t ä n d e der

Körperpflege

Nach dem zahlreichen Vorkommen von Kämmen in Grabfunden dürften mindestens in den reicher ausgestatteten Gräbern von Leuna Kämme vorhanden gewesen sein, auch wo sie nicht gefunden wurden. K ä m m e sind bekannt aus Grab 2, 1917, Taf. I I , 7; Grab 1, 1926, Taf. I X , 3 und Grab 2, 1926. Es sind, wie in der Zeit üblich, Dreilagenkämme mit gerundetem Rücken. Die beiden besser erhaltenen Leunaer Kämme unterscheiden sich von den meisten aus Haßleben (SCHULZ, Haßleben, Taf. 12) darin, daß jene kein Ornament auf der Griffplatte tragen, sie schließen sich in ihrer Schmucklosigkeit, aber auch in ihrer Gesamtform am nächsten dem K a m m e aus Grab 4 von Haßleben, also aus einem Männergrabe, an. Es könnte danach angenommen werden, daß Frauen ornamentierte Kämme bevorC. ENGELHARDT, Nydam Mosefund 1865, Taf. I X , 57. - C. ENGELHARDT, Vimoor Mosefund 1869, Taf. X I I , 12, 14,15. M ) Vielleicht könnte die Abb. bei BLUME Taf. V, 51 herangezogen werden, deren Dorn im unteren Teile vierkantig ist. 92 )

C. ENGELHARDT wie Anmerk. 90, Taf. X , 53.

93 )

R . BELTZ wie Anmerk. 16, T a f . 63, 11.

94 )

FR. KUCHENBUCH wie Anmerk. 80, Taf. 32, 12-14, Taf. 8, 3, dazu Bemerkungen S. 44f.

96)

A. PLETTKE, Ursprung und Ausbreitung der Angeln und Sachsen, 1921, S. 33, siehe auch die Abb. Taf. 13, 19 (WESTERWANNA), mit noch senkrecht stehendem, aber um die Achse beißendem Kopf, die übrigen Abb. 18, 20, 21 mit Köpfen in der Verlängerung der Achse. »») Z. B . wie E . BLUME wie Anmerk. 89, Taf. V , 51, 52.

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WALTHER SCHULZ

zugten, doch steht der schmucklose Kamm aus dem Grabe der Fürstin damit nicht in Einklang. Zu dem reich ausgestatteten Leunaer Grab des Jahres 1834 gehören eine Pinzelte und ein Ohrlöffelchen, wahrscheinlich aus Silber, die ursprünglich an einem Ring getragen wurden. Entsprechende Garnituren mit Einhängering fanden sich in einem Körpergrab von Weißenf e l s - B e u d e f e l d (Landesmus. Halle) und in dem Männergrab von Emersleben(Mus. Halberstadt). Selbst eine einfachere Körperbestattung von Werdershausen Kr. Kothen (Mus. Kötlien) barg eine Garnitur aus Bronze. Im übrigen sind Pinzetten aus Bronze vereinzelt in Urnengräbern Mitteldeutschlands gefunden worden. Von Garnituren aus reich ausgestatteten Gräbern außerhalb Mitteldeutschlands sind an erster Stelle die goldenen Stücke des Grabes 1 von Sakrau zu nennen97), ferner die silbernen des Frauengrabes von Sanderumgaard 9 8 ). Der Pinzette von Leuna steht die des Nydamfundes am nächsten, da auch hier die Pinzette mit profiliertem Griffteil nur im unteren Teile gespalten ist99). Bronzenadeln Bronzenadeln fanden sich in Leuna in Grab 2, 1917, Taf. II, 5; Grab 2, 1926, Taf. X I I I , 2, und Grab 3, 1926, Taf. X I X , 3. Sie dürften als ein Gegenstand der Männerausstattung ein und dieselbe Bestimmung gehabt haben. Nur bei der Nadel Grab 2, 1926 ließ sich noch der Ansatz eines Öhres erkennen, der für die Bestimmung als Nähnadel spricht, entsprechend der Silbernadel der Fürstin von Haßleben (SCHULZ, Haßleben, Tai. V I I , 10). Es ist aber damit noch nicht gesagt, daß der Mann diese Nadel gleichfalls zum Nähen benutzte, auch nicht, daß die Nadeln der anderen Gräber als Öhrnadeln ergänzt werden müssen. In Grab 2, 1917 und Grab 2, 1926 lagen die Nadeln beim Kamm, vielleicht in einer Tasche. Der Gebrauch der Nadeln bleibt ungewiß.

Z u r F r a g e des G e b r a u c h s v o n

Eisengegenständen

Es seien hier zunächst die Eisenbeigaben des Grabes 4, 1926 von Leuna, das Messer und die Gürtelschnalle, genannt, obgleich es wahrscheinlich ist, daß das Grab einer späteren Zeit angehört. Auffallenderweise ist in reich ausgestatteten Gräbern von Leuna kein einziges Stück Eisen gefunden worden, das gleiche gilt auch für die übrigen verwandten Gräber nicht nur in Mitteldeutschland, sondern auch in den weiteren Gebieten. Es fehlen nicht nur die Eisenwaffen, sondern auch die wenigen Schildbuekel, die sich in einzelnen Gräbern fanden, bestehen ausnahmslos aus Bronze (siehe Anmerkung 78). Ich nehme daher an, daß der Verbannung des Eisens als Totenausstattung ein Sinn zugrunde liegt. Etwas Eisen, vielleicht der Rest eines Messers, dazu eine Bronzeschnalle, deren Achse aus Eisen bestand, enthielt nur das auch in der Ausstattung abweichende Grab 5, 1926 von Leuna. Geschirrausstattung Das Geschirr war in der Totenausstattung der Gräber von Leuna meist zu Gruppen vereint, Es stand auf dem Boden des Grabraumes zum Teil mit Unterlage, auf einem ovalen Bronzetablett in Grab 2,1926, auf einem Holztablett in Grab 3, 1926; hier stand auch einiges Geschirr auf einem Teller, ebenso nahm in Grab 2, 1917 ein Teller einen Teil des Geschirrs auf. Die eine der zwei Gruppen der Geschirrausstattung des Grabes 3, 1926 mit Silberbecher, zwei Glasbechern, einem hohen Tonbecher, Sieb und Schöpfkelle auf einem Bronzeteller diente als Trinkgeschirr; die andere Gruppe mit dem Tablett, dem Bronzeteller, zwei Schüsseln und einer Schale, dabei die Reste der Tierbeigaben und in der Nähe das Elfenbeinkästchen, vielleicht für Gewürz, enthielt das Eßgeschirr. »') W . GREMPLER wie Anmerk. 24, Taf. V, 17 u. 18. , a ) C. ENGELHABDT in: Aarböger, Kopenhagen 1877, S. 375, Abb. 35. »•) C. ENGELHABDT, 1865, wie Anmerk. 90, Taf. V, 4, 5.

L e u n a , ein germanischer Bestattungsplatz der spätrömischen Kaiserzeit

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Tongefäße Wie auch in den Gräbern von H a ß l e b e n setzt sich das Tongeschirr von Leuna aus Schalen, Bechern, Schüsseln und Kümpfen zusammen. Die auf Drehscheibe hergestellten Schalen sind feintonig, klingend gebrannt, Oberfläche hellbräunlich, hellgrau bis dunkelgrau und zum Teil streifig geglättet, mit niedrigem Fuße, weit geöffnetem Unterteile, gerundeter Schulter und ausschwingendem Halsteile. Sie stehen in der Gesamtform nahe, doch lassen sich zwei Hauptgruppen unterscheiden, die eine ohne Wulstprofilierurig, die für die zweite charakteristisch ist. Bei der ersten Gruppe (Taf. I, 2, XV, 3, XX, 2, 3) ist die Unterseite des Fußes eingewölbt, während die zweite Gruppe

71

72 Abb. 69—73. Drehscheibenkeramik aus Haßleben, 1 / 4 n. Gr.

(Taf. IV, 2, XII, 1, XIV, XV, 1, 2, XX, 1, XXX, 1) einen Fußring ausgebildet hat. Typologisch dürfte die zweite Gruppe aus der ersten hervorgegangen sein. Neigung zu Profilierungen ist bei zwei Gefäßen der ersten Gruppe zu erkennen, und zwar bei der Schale Taf. XV, 3, mit Furche unterhalb der Schulter und bei der Tai. I, 2, die eine leichte Wulstbildung unter der Randlippe zeigt. Das soll natürlich nicht besagen, daß nicht beide Typen nebeneinander hergingen. Unter den Schalen von Haßleben ist dieser Typus nicht vertreten, doch gehört eine der Drehscheibenschalen von W e i ß e n f e l s - B e u d e f e l d (abgebildet bei SCHULZ, Haßleben, Taf. 23, 2, links) dazu. Eine gewisse Verwandtschaft zeigen auch ältere Drehscheibengefäße aus dem Mittelrheingebiete, die UNVERZAGT zur Herleitung der Alzeyer und verwandter Keramik des 4. Jahrhunderts der Wormser Gegend abbildet100). Bei der zweiten Gruppe von Leuna, den stärker profilierten Schalen, mit Ausnahme der Schale Taf. XIV, ist der Schulterteil mit zwei Wülsten eingefaßt und dazu unter die wulstigen Randlippen ein zweiter Wulstring gelegt. Auch diese Schalen kommen in den verschiedensten Größen vor. In H a ß l e b e n liegt eine verwandte Schalengruppe vor (SCHULZ, Haßleben, Taf. 13, 4—12), gleichfalls mit zweitem Randwulst, bei der aber der kalottenförmige Unterteil durch einen Wulst oder Absatz schärfer vom oberen Teile sich absetzt (Abb. 69—72). Während diese thüringische Schalenform auch bei E r f u r t vertreten ist (SCHULZ, Haßleben, Taf. 23, 4), schließen sich der Leunaer Gruppe eine Drehscheibenschale aus einer der Körper beerdigungen desBestattungsplatzes vonMerseburg-Süd 1 0 1 ) und eine Schale aus R o i t z s c h 10

°) W. U N V E B Z A G T , Die Keramik des Kastells Alzey, 1916, S. 28, Abb. 17. ) Über die Schale von Merseburg und das weitere Fortbestehen der Form W. S. 158, dazu Taf. XXXIV, 1 u. 2. 101

SCHULZ

wie Anmerk. 1,

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W A L T H E B SCHULZ

bei Würzen102) an. Verwandt sind auch profilierte Schalen im Westen, die anscheinend jünger sind. Dies gilt für die späteren Formen der Wormser Keramik103) und für die Drehscheibenschalen des in E ß l e b e n bei Schweinfurt entdeckten Geschirrlagers, die aber wiederum ein lokales Eigengepräge tragen104). Anzureihen ist die Schale eines von Fr. Behn veröffentlichten Grabes von Trebur in Starkenburg105), das nach dem Kamme mit glockenförmigen Rücken trotz den zwei Fibeln mit umgeschlagenem Fuße eher der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts oder dessen Ausgange als dessen ersten Hälfte angehört. Besonders nahe steht diesen späten südwestdeutschen Gefäßen in Mitteldeutschland eine von mir in der Schumacher-Festschrift in Mainz 1930, S. 321, Abb. 2 wiedergegebene Schale von Wansleben, Saalkreis106) und eine von Weißenfels-Beudefeld 1 0 7 ). Die Schale von Leuna, Taf. XII, 1 nähert sich dieser Form durch das Fehlen eines Schulterteiles, sie trägt dazu als Sonderheit an dem Oberteil eingeglättete Muster. Das eingeglättete Muster, das auch bei dem Schalenbruchstück von Leuna 26:675 b, Taf. XXX, 4 zu erkennen ist, habe ich für donauländisch-südöstliche Beziehungen in Anspruch genommen108). Eine weitere Sonderform ist die große Schale, Taf. XIV, die keinen abgesetzten Fuß hat und durch den zweifach mit einem Absatz ausladenden Halsteil auffällt. Das Gefäß schließt sich bis zu diesem durch einen Wulst markierten Absatz eher der ersten Gruppe unserer Schalen an. Die Herkunft der Drehscheibenkeramik dieser Zeit ist umstritten, und manches neue Material ist inzwischen beigebracht worden. Daß für die entsprechende Keramik bei den Ostgermanen östliche Einwirkungen in erster Linie in Betracht kommen, hat W. M A T T H E S gezeigt109). Bei dem Vorkommen in Gebieten, die dem westlichen provinzialrömischen Gebiete am nächsten liegen, ist die Annahme der Einwirkung von dieser Seite auch nach M A T T H E S naheliegend. Auf solche Scheibenkeramik weist R . v. U S L A H hin110), der sich aber in der Herkunftsfrage hier nicht entscheidet. In seiner zusammenfassenden Arbeit111) erwägt er indes ein Fortleben der Latene-Drehscheibenkeramik über die ersten Jahrhunderte hinaus. Die latenezeitliche Keramik kennt bereits eingeglättete Muster. Sowohl für westliche Zusammenhänge wie auch für ein Fortleben latenezeitlicher Überlieferung in Mitteldeutschland würde zunächst an unsere Gruppe 1 anzuknüpfen sein, bisher fehlen aber noch zweifelfreie die Zeiten überbrückende Funde. Ist die Möglichkeit eines Fortlebens der Drehscheibenkeramik in Thüringen seit der Latenezeit zwar unsicher aber doch erwägbar, so gilt sie nicht für die nördlich anschließenden mittelgermanischen Gebiete, deren Schalenurnenfelder vereinzelt Drehscheibenschalen führen, die an die dortigen freihändig gearbeiteten Schalen anknüpfen und zum Teil wieder diese in der Ausgestaltung beeinflussen. Sie kommen im Braunschweiger Lande118), in der Altmark und in Osthannover vor113). Immer wieder erkennen wir stammlich und nach 1M

) R.BIRKE in: Die Fundpflege, Beilage zu den Mitteldeutschen Blättern für Volkskunde, Leipzig, 5,1937, S.6f. ) So die Schale UNVERZAGT wie Anmerk. 100, Abb. 18. — Eine Schale von diesem Typus führt auch ein von N - S gerichtetes Körpergrab aus L o r c h , das außer einem Terrasigillatateller eine auf Drehscheibe gearbeitete Flasche, entsprechend der eines Körpergrabes von W a n s l e b e n , Kr. Eisleben (Abb. SCHULZ, Haßleben, Taf. 24, 10), und zwei freihändig gearbeitete Gefäße, nämlich einen Kumpf und eine Fußschüssel (beide wie SCHULZ, Haßleben, Taf. 15) enthielt. SCHOPPA in: Germania 29, 1951, S. 158, Abb. 1. 1M ) G. GORK in: Bayrische Vorgeschichtsblätter 14, 1937, S. 90ff, dazu Taf. 21. 105 ) FR. BEHN in: Germania 22, 1938, S. 175ff., Abb. 3 u. 4. "«) W. SCHULZ in: Schumacher-Festschrift, Mainz 1930, S. 321, Abb. 2. 103

107

) A b b . SCHULZ, H a ß l e b e n , T a f . 2 3 , 2.

108

) W . SCHULZ w i e A n m e r k . 7.

109

) W . MATTHES i n : B r a n d e n b u r g i a 33, 1924, S. 8 1 f f .

110

) R. v. USLAR, Zur spätkaiserzeitlichen Drehscheibenkeramik in West- und Mitteldeutschland, in: Germania 19, 1935, S. 249ff. M ) R. v. USLAR, Westgermanische Bodenfunde des ersten bis dritten Jahrhunderts n. Chr. aus Mittel- und Westdeutschland, 1938, S. 83f. 112 ) G. THAERIGEN, Die Nordharzgruppe der Elbgermanen, 1939, S. 57 ff. U3

) FR. KUCHENBUCH w i e A n m e r k . 80, S . 1 8 f . -

G. KÖRNER, D e r U r n e n f r i e d h o f v o n R e b e n s t o r f , i n : D i e

Urnenfriedhöfe von Niedersachsen II, 3 u. 4, 1939, S. 134ff.

L e u n a , ein germanischer Bestattungsplatz der spätrömischen Kaiserzeit

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Töpferzentren geschiedene Eigenbildungen im gesamten Germanengebiete (so auch S C H U L Z , Haßleben, S. 38). Den Zusammenhang mit gleichzeitigen Formen der Leichenbrandurnen habe ich für zwei Gefäße aus Haßleben angenommen (SCHULZ, Haßleben, S . 39). M I L D E N B E R G E B ist geneigt, auch die kleineren Schalen der Beerdigungsgräber an die aus Leichenbrandgräbern bekannten Urnen anzuknüpfen114). Paul M E B T I N möchte in einer Keramikuntersuchung im Anschluß an einen Grabfund von B o b er au bei Liegnitz die mitteldeutsche Drehscheibenkeramik von Westen ableiten, andarerseits aber doch für das Glättmuster der Leunaer Schale einen gotischen Einfluß annehmen115). Für die von mir vertretene Annahme eines östlichen Zusammenhanges kann ich mich inzwischen auf A. A L F Ö L D I berufen, der meiner Auffassung unter Beibringung weiteren Materials zustimmt116). Die Germanen hatten jedenfalls damals die Möglichkeit, von verschiedenen Seiten her die Verwendung der Drehscheibe kennenzulernen. Zwei Terrasigillataschalen wurden in Leuna gefunden, in Grab 1, 1926, Taf. XI, 1, und im Grab des Jahres 1834,Taf. XXXIII, 1. Beide gehören der Form 37 bei Dragendorff an117). Für die Bestimmung der Herkunft der Schale aus Grab 1, 1926 sind der ankerförmige Ornamentsstempel, wie auch der Namensstempel des Töpfers der Formschüssel von Bedeutung. Dieser Ankerstempel ist unter dem Ornamentbestande der Rheinzaberner Töpferzentrale bekannt118). Der Name des Stempels RES (?) ist vielleicht als RESPECTINUS zu ergänzen119). Auch die Schale des Grabes 1834 mit Perlstabornament ist Rheinzaberner Herkunft120). Als weitere Gruppe seien die Fußbecher zusammengefaßt, die gleichfalls auf Drehscheibe gearbeitet sind. Nach ihrer Ausschmückung sind Becher mit horizontalen Schulterwulsten und Faltenbecher zu scheiden. Zu den Bechern mit Schulterwulsten gehört zunächst der Becher aus Grab 2,1917, Taf. IV, 1, gut gebrannt, grau im Ton, schwarz poliert, scharf gegliedert in den abgesetzten Fuß, den rundlichen Bauchteil mit zwei Schulterwulsten und den Halsteil. Die Becher des Grabes, 1834, Taf. XXXII, 1 u. 2, sind weiter ausgeschmückt. Beide sind Drehscheibenarbeit und im heimischen Geschmack nach dem Vorbilde freihändig gearbeiteter Keramik verziert. So trägt der etwas schief gearbeitete Becher, Taf. XXXII, 1, drei gewinkelte Henkel und am unteren Gefäßteil eine Bedeckung mit herausgedrückten Knubben, die dreieckige Felder freilassen. Die Bedeckung der Gefäßwand mit Knubben ist in der freihändig gearbeiteten Keramik eine beliebte Ausschmückung121), für freigelassene Dreieckfelder kenne ich zwar kein Beispiel, aber urngekehrt trägt ein Gefäß von Möritzsch, Kr. Merseburg,rmit Grübchen gefüllte dreieckige Flächen122). Kleine gewinkelte Henkel 114

) In Dissertation wie Anmerk. 80. ) P. MBBTIN in: Mitteilungen des GeSchichts- und Altertumsvereins zu Liegnitz 13, 1930/31, bes. S. 84ff. LLE ) A. ALFÖLDI, Funde aus der Hunnenzeit, in: Archaeologia Hungarica 9, 1932, S. 57. "') H. DBAGENDOBFF, Terra sigillata, in: Bonner Jahrbücher 96/97, 1895. U8 ) W. LUDOVICI, Stempelbilder römischer Töpfer aus meinen Ausgrabungen in Rheinzabern. Ankerzeichen: Stempel S. 211, Ornamentgeperlter Stab: S. 214, Ornament 133. 115

,19

) V g l . LUDOVICI, S . 133. -

G. REUBEL, R ö m i s c h e T ö p f e r i n R h e i n z a b e r n , 1912, S . 5 1 f., 1 0 2 u . A b b . T a f . I I :

Respectinus (a). Siehe jetzt W. LUDOWICI, Katalog VI meiner Ausgrabungen in Rheinzabern 1901=1914. Die Bildschüsseln der römischen Töpfer von Rheinzabern, Tafelband Aufl. 2, bearbeitet von HEINB. RICKEN, Speyer 1948. Hier sind Taf. 221 unter den Stempeln des Respectinus I folgende auch auf unserer Schale wiederkehrenden Muster vertreten: Anker (Abb. 9 Fund 10), gekerbter Stab, Eierstab mit links angelehnten Zwischenstäbchen; auch der Namenstempel sei angeführt. 120 ) Perlstabornament in Rheinzabern: LUDOVICI, S. 214, Ornament 140. - FB. SPBATEB, Die Pfalz unter den Römern, 1929, S. 137, Abb. 186, 3, Formschüssel. - Saalburg-Jahrbuch 2, 1911, S. 50, Abb. 11, aus Kastell Zugmantel. - R. KNOBB, Die verzierten Terrasigillata-Gefäße von Canstatt und Köngen-Grinario, 1905, Taf. XLV, 4. Eine entsprechende Schale aus dem Brandgrabe von Groß-Neuhausen, Kr. Weimar, in: Nachrichten über d e u t s c h e A l t e r t u m s f u n d e 11, 1 9 0 0 , S . 35, A b b . 2 u n d b e i GÖTZE, H Ö I E B , ZSCHIESCHE, T a f . X V I I I , 2 6 5 . 121

) R. v. USLAB wie Anmerk. 111, S. 38f. „Gruben mit seitlichem Wulst".

12a

) R . v . USLAB, T a f . 3, 5 .

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WALTHEB SCHULZ

kommen auch sonst in Mitteldeutschland mitunter an Urnen vor, in der Dreizahl sind sie nicht so häufig (als Beispiel Abb. 74) und gewiß von den Ostgermanen übernommen123), bei denen sie altüberliefert sind. Der zweite Becher des Grabes 1834, Taf. XXXII, 2, ist im unteren Teile mit senkrechten Wülsten ausgeschmückt, wie sie auch sonst an mitteldeutscher Keramik besonders seit dem 4. Jahrhundert auftreten 184 ). Gekerbte Einfassungsleisten sind gleichfalls häufig125). Für das Band schräg schraffierter Dreiecke sei auf die in Abb. 74 wiedergegebene Urne von H o l l e b e n , Kr. Merseburg (Mus. Merseburg), hingewiesen, die in der Wulstbildung zweifellos von Drehscheibenkeramik beeinflußt ist. Wulstbecher sind auch in H a ß l e b e n mehrfach vertreten, hier mit einem niedrigen, kalottenförmigen Unterteile, von dem der geschweifte Oberteil in drei oder mehr Wülsten aufsteigt (Abb. 73, auch W. SCHULZ, Haßleben, Taf. 14, 1—4, 6). Wir sehen auch an der Becherform, daß die Töpfereien der einzelnen Höfe für gleichartige Gefäße zwar verwandte aber doch voneinander in Form und Ausschmückung abweichende Typen entwickelthaben. Becher fehlen auch nicht als Leichenbrandbehälter in Urnenfriedhöfen, treten aber gegenüber den Schalenurnen weit zurück. Einige Becher aus mitteldeutschen Körpergräbern habe ich bereits zusammengestellt (SCHULZ, Haßleben, Taf. 24). Es kommen noch ein Becher aus dem Frauengrab von E m e r s l e b e n und einer aus M e r s e b u r g - S ü d hinzu, der eine verHolleben, Kr. Merseburg einfachte und flüchtigere Nachahmung des Leunaer Bechers, Taf. XXXII, 2 ist126). Aus Böhmen sei zu den von mir genannten Bechern (SCHULZ, Haßleben, S. 39, Anm. 4) noch ein Becher von C a k o v i c e (Tschakowitz) angeführt 127 ), der zu dem Becher von H a ß l e b e n , der bei SCHULZ, Haßleben, Taf. 14, 5, abgebildet ist, in dem gleichen Verhältnis stehen könnte, wie der Becher von Merseburg-Süd zu dem von Leuna. Becher aus dem Weser-Rheingebiete führt v. USLAK an128), die er in das 3. Jahrhundert stellt. Er hält die west- und nordwestdeutschen für die ältesten im germanischen Gebiete. Da der Becher provinzialrömischer Herkunft ist, so Hegt gewiß eine Übernahme zunächst in den germanischen Nachbargebieten nahe. Die mitteldeutschen Becher brauchen aber nicht von denen des Wesergebietes abzuleiten sein, sondern die neue Form wird um 300 unmittelbar provinzialen Vorbildern entnommen sein. Spätere freihändige Nachformungen unserer mitteldeutschen Becher mit gewulsteter Schulter treten hier und da im nördlichen Elbgebiet auf. Ein Becher von Stendal 1 2 9 ), Becher aus dem Urnenfeld von K u h b i e r , Westprignitz130) und der Becher aus Körpergrab 3 von H ä v e n in Mecklenburg131), der zwar keine Schulterwülste aber noch als Anklang an diese Horizontalgliederung des hochgezogenen Schulterteils trägt, könnten anzuschließen sein. 123

) Von den Ostgermanen überleitende Funde: W. SCHULZ in: Jahresschrift Halle 19, 1931, S. 62ff. Keramik, S. 74, Abb. 13, Taf. XV, 1, Taf. XVI,-1. - Auch Keramik von Merseburg-Süd: W. SCHULZ wie Anmerk. 1, Taf. XXXIV, 1. 1M

) Z. B. GÖTZE, HÖFEB, ZSCHIESCHE, Taf. XVIII, 270. - Auch R . v . USLAB, Taf. 11, 13 u. Taf. 52, 5 u. 9. ) E . v . USLAB, S. 31 „Wülste und Leisten". 1M ) W. SCHULZ wie Anmerk. 1, Taf. XXXV, 1. 127 ) B. SVOBODA in: Altböhmen und Altmähren 2, 1942, S.51 u. S. 47, Abb. 2, 4. - Ders. Cechy a rimske Imperium, Prag 1948, Taf. XVIII, 4. 128 ) B. v. USLAK wie Anmerk. 111 und Verbreitungskarte, Taf. 57, 5. 129 ) Fr. KUCHENBUCH wie Anmerk. 80, Taf. 23, 2. LSO ) W. MATTHES, Die Germanen in der Prignitz, Mannusbibl. Nr. 49, 1931, Taf. 49, 294, dazu Schildfibel, Taf. 53, 312, dazu Schildfibel. M ) R. BELTZ wie Anmerk. 16, Taf. 67, 56. 126

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L e u n a , ein germanischer Bestattungsplatz der spätrömischen Kaiserzeit

In L e u n a wurden Faltenbecher in Grab 1, 1917, Tai. I, 1, und Grab 3, 1926, Tai. XXI, 1, ferner das Bruchstück eines dritten Taf. XXX, 5 gefunden. Der Faltenbecher Taf. I, 1 im Ton grau, mit schwarzpolierter Oberschicht gleicht in der Oberflächenbehandlung dem Wulstbecher Taf. IV, 1. Ich möchte daher auch den Faltenbecher jetzt für einheimische Arbeit halten. Der hellgraue Becher mit eingeglätteten Streifen Taf. XXI, 1 schließt sich nach der Streifenglättung eher provinzialen Bechern des Donaulandes als des Rheinlandes an, wie ich bereits in meiner Bearbeitung von Haßleben, S. 51 im Anschluß an einen entsprechenden Becher aus dem dort nur als Nachtrag behandelten Grabe des Jahres 1931 bemerkte. Er wird in einer heimischen Werkstatt nachgeahmt worden sein, da die Streifenglättung in Leuna bei verschiedenen Drehscheibenschalen angewandt ist, wie aus den Abbildungen zu erkennen ist. Wir können danach zwei Typen einheimischer Faltenbecher unterscheiden, der erste schließt sich unmittelbar römischen Bechern an, der zweite gestaltet sie um, so Faltenbecher aus H a ß l e b e n (abgebildet bei SCHULZ, Haßleben, Taf. 14, 8, 9, 11). Eine Zusammenstellung in Mitteldeutschland gefundener Faltenbecher bilde ich Haßleben, Taf. 24, 1 - 4 , 8 ab132). Auf der Drehscheibe hergestellte Fußschüsseln seien angeschlossen. Es sind die Schüsseln aus Leuna Grab 1, 1917, Taf. I, 3; Grab 1, 1926, Taf. XII, 3, und Grab 3, 1926, Taf. XXI, 2 u. 3. Ihr Ton ist fein geschlemmt, mehr oder weniger fest gebrannt, Oberfläche stumpf graubräunlich bis grau, die Schüssel aus Grab Taf. I, 3 mit horizontalen Glättestreifeu außen und innen. Die Randlippe ist etwas verdickt. Der Fuß ist nur bei zwei der Schüsseln erhalten, er ist bei der auf Taf. I, 3 von innen ausgearbeitet und mit flachem Boden, bei der auf Taf. XII, 3 als Ring gebildet. Bei den sich in der Form gleichenden Schüsseln des Grabes Taf. XXI, 2 u. 3 ist die Wandung etwas gerundeter und schwingt nach dem Rande zu ein wenig aus. Als Nachahmung der Drehscheibenschüssel sehe ich die grobtonige rötlichbraune, nicht sehr sorgfältig freihändig gearbeitete FußscMssel aus Grab 2, 1917, Tai. IV, 4, an. In den Gräbern von H a ß l e b e n kommen auf Drehscheibe hergestellte und freihändig gearbeitete Schüsseln vor (SCHULZ, Haßleben, Taf. 15, 1—10, 12). Das Fürstengrab enthielt beide Formen. Die beiden Gräber von E m e r s l e b e n , die keine Drehscheibenkeramik haben, führten je eine Schüssel. In V o i g t s t e d t , Kr. Sangerhausen, ist eine Fußschüssel vertreten (GÖTZE, H Ö F E B , ZSCHIESCHE, Taf. 18, 264). In einfacher ausgestatteten Körpergräbern ist mitunter eine Schüssel die einzigste Keramikbeigabe133). In Urnenfriedhöfen dagegen wird die Schüssel als Leichenbrandbehälter nur ausnahmsweise verwandt134). Auch aus Körpergräbern Böhmens und Süd Westdeutschlands sind Schüsseln bekannt 135 ). Die freihändig gearbeitete Schüssel leitet in Ton und Machart zu dem Kumpf mit breitem Boden und eingezogenem Rande über, der in L e u n a in Grab 2, 1917, Taf. IV, 3; Grab 3, 1926, Taf. XXI, 4, und in Grab 8, 1926, Taf. XXX, 2 vertreten ist. Der Kumpf gehört zur gröbsten Hauskerarnik und ist seit der vorgeschichtlichen Zeit bis zur Merowingerzeit nachweisbar. Auch in H a ß l e b e n fehlt er nicht (Schulz, Haßleben, Taf. 15), in dem reichsten Frauengrab des Begräbnisplatzes von M e r s e b u r g - S ü d war lediglich ein Satz von Kumpfen und ähnlichen Gefäßen mitgegeben 136 ). Wie seine Langlebigkeit zeigt, muß er sich im Haus132 ) Bruchstück einer Faltenbechernachahmung auch in der Siedlung von R ö t h a , Sachgen: Sachsens Vorzeit 5, 1941, S. 73ff., Abb. 13.

W . JOBNS

in:

133 ) H a l l e - N i e t l e b e n (Landesmus. Halle 19: 757); B e n n d o r f , Kr. Merseburg, mit Strichverzierung (Mus. Merseburg); S c h k o p a u , Kr. Merseburg (Landesmus. Halle); E g e l n , Kr. Wanzleben, dazu Schale (Mus. Egeln). 134

) B e b e n s t o r f , Kr. Dannenberg, G. K Ö B N E B wie Anmerk. 113, Taf. 6 u. Abb. 49, dazu S. 136f.

135

) Kurze Zusammenstellung bei SCHULZ, Haßleben, S. 40. — Dazu aus B ö h m e n Grabfund von C a k o v i c e (Tschakowitz), B. SVOBODA 1942 wie Anmerk. 127, S. 49f. u. S. 47, Abb. 2, 5. - Aus S ü d w e s t d e u t s c h l a n d drei freihändig gearbeitete Schüsseln in den Gräbern von R e i c h e l s h e i m bei Friedberg in Hessen, siehe G. BEHR E N S wie Anmerk. 21. Auch das Grab von L o r c h enthält eine Schüssel, Siehe SCHOPPA wie Anmerk. 103. 136

) W. SCHULZ wie Anmerk. 1, Taf. X X X I I , 2.

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halt bewährt haben, als Leichenbrandbehälter im 4. Jahrhundert137) bezeugt er eine Nachlässigkeit in der Sorge um die Verwahrung des Leichenbrands, wobei anscheinend zuweilen nur ein Rest der Brandknochen aufbewahrt wurde. Der einfacheren Keramik schließen sich der weitmündige Topf mit Schulterbildung an, aus Grab 1, 1926, Tai. XII, 2 und aus dem Grabe des Jahres 1834, Tai. XXXII, 3, dessen Randlippe etwas sorgfältiger ausgearbeitet ist. Dieser Topf trägt um die Bauchweite zwei Reihen von Tupfen mit seitlichen Wülsten. Bei v. U S L A R sind auf Taf. 7 nicht nur in der Gesamtform, sondern auch in der Verzierung mit Tupfenreihen entsprechende Gefäße wiedergegeben, die auch häufiger zur Aufnahme des Leichenbrandes gebraucht wurden138). Zu dem Verzierungsmuster der Scherbe Taf. X X X , 6 eines Gefäßes unbekannter Form sei als Vergleich aus der gleichen Zeit eine Scherbe von Dobrichov-Trebickä in Böhmen genannt 139 ). Bronzegeschirr Von Bronzegeschirr provinzialrömischer Herkunft fanden sich in L e u n a Schöpfkelle mit Sieb in Grab 2, 1917, Taf. VI; Grab 3, 1926, Taf. XXIII, 2 und in dem Grabe von 1834, Taf. X X X I , 2; ein ovales Bronzetablett in Grab 2, 1926, Taf. XVI; urigeschmückte Bronzeteller in Grab 2,1917, Taf. VII, 1 und in Grab 3,1926, Taf. XXIII, 1, dieser mit Zinnüberzug auf der Innenfläche; ein größerer Bronzeteller mit Mittelrosette in Grab 3, 1926, Taf. X X I I ; eine Bronzeschüssel in Grab 3, 1926, Taf. XXIV. Es fehlen in Leuna einige Geschirrtypen, die in anderen Bestattungen Mitteldeutschlands nicht gar zu selten sind, so vermissen wir den Eimer vom Hemmoortyp. Daß Kellen mit Einlagesieb in drei Gräbern vertreten sind, entspricht deren häufigerem Vorkommen als Grabausstattung und zeugt von der Beliebtheit des Weingenusses 14°). Die in der Form und insbesondere in der Griffbildung übereinstimmenden Stücke unterscheiden sich durchweg in der Lochmusterung der Siebe. — Die zwei ungeschmückten Bronzeteller wie auch das Bronzetablett gehören zu den Typen, die vor allem ihren Weg nach Mitteldeutschland genommen haben141). Die hier gefundenen Bronzetabletts sind zum Vergleich auf Taf. X X X V zusammengestellt. Auch sie zeigen bei übereinstimmender Form, einschließlich der Umrisse der Handhaben, durchweg Unterschiede in der handwerklichen Ausführung der Gravierungsmuster, wenn auch bei der Handhabe die schon durch die Umrisse bestimmte Überlieferung der Ausschmückung mit Rankenornament und seitlichen Schwanenköpfen an der Basis beibehalten ist. Bei dem Tablett von V o i g t s t e d t , Kr. Sangerhausen, Taf. XXXV, 2, bei dem von den Handhaben aus die Umrandung fortsetzende Spitzen in die ovale Schale hineinragen, sind die üblichen Gravierungen nicht zu erkennen. Bei den übrigen Tabletts, auch dem von H a ß l e b e n (SCHULZ, Haßleben, Taf. 16,1 und Texttaf. 5, 5), trägt die Innenfläche ein der ovalen Form angepaßtes Linienornament, das bei dem Tablett von T r e b i t z , Saalkr., Taf. XXXV,1, als Umrahmung eines eingravierten Hasen dient. Bei dem zierlicheren, innen verzinnten Tablett von O s t e r n i e n b u r g , Kr. Kothen, Taf. XXXV, 3, laufen auch auf dem Randteil Radialstriche. Die verschmolzenen Reste aus dem Leichenbrandgrabe von W e s t e r e g e l n , Kr. Wanzleben, "') Zum Beispiel Et. K U C H E N B U C H wie Anmerk. 80, Taf. 22, 3 - 9 . - 6 . T H A E R I G E N wie Anmerk. 112, Taf. 15. - W. M A T T H E S wie Anmerk. 80, Taf. 3. - G. K Ö R N E B wie Anmerk. 113, .Abb. 68 u. Taf. 8. - Siehe auch die Bemerkung bei E. B E N I N G E R wie Anmerk. 56, S. 66 zu Abb. 26-28. 188 ) W. M A T T H E S wie Anmerk. 80, S. 9ff. leitet den „spätrömischen Topf", d. h. den groben Kumpf, von älteren Formen des weitmündigen Topfes mit Schulterbildung ab. Es handelt sich aber hier eher um zwei nebeneinander gehende Formen der Hauskeramik, die wir nicht nur nach ihrem Auftreten in Gräbern beurteilen dürfen. "•) B. SVOBODA, 1948 wie Anmerk. 127, Taf. XVIII, 1. 140 ) Siehe Zusammenstellung mitteldeutscher Funde bei SCHULZ, Haßleben, S. 50, dazu jetzt Frauengrab von E m e r s l e b e n . - H. J. EGGERS, Der römische Import 1951, Beilage 69, Typ 161. 141 ) SCHULZ, Haßleben, S. 50. - H. J. EGGERS, Beilage 47, Typ 117, „Bronzeteller mit mitgegossenem Fuß" und Beilage 51, Typ 121,.„ovale Bronzetabletts".

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lassen nur Ornamente der Handhabe erkennen. — Ein Sonderstück für Mitteldeutschland ist der größere Bronzeteller mit Mittelrosette auf dem Boden, Tai. XXII 142 ), der durch das Ornament entfernt an den prachtvollen Silberteller von H a ß l e b e n und an den diesem entsprechenden Silberteller von W e t t i n g e n im Aargau143) erinnert. Als Bronzeteller sei auch zum Vergleich ein Teller unbekannten Fundortes aus Pannonien im Nationalmus. Budapest herangezogen, der außer der Mittelrosette ein Randornament trägt 144 ). — Auch die Bronzeschüssel Taf. X X I V steht bisher allein. Die Attachen erinnern in der Form an die des Bronzebeckens von H a ß l e b e n , Abb. SCHULZ, Haßleben, Taf. 16, 3, 19,4. Verwandt ist eine Schüssel aus einem Grabe der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts von dem Gutshof von K ö l n - M e n gersdorf 1 4 5 ), die gleichfalls Kerbungen am Randabschluß trägt, so daß der Rand mit einer Art Perlstabornament abschließt. F. FREMERSDORF sieht daher auch in dieser Schüssel einen Vorläufer der fränkischen Bronzeschüsseln mit geperltem Rande. Bei unserer Schüssel ist der gekerbte Randabschluß aber aufgebogen, und das einem Perlstab ähnliche Ornament sitzt an der Außenseite. Trug die Schüssel ursprünglich eine Holzeinlage, so könnten die Kerben zum Festhalten der Einlage durch Eingreifen in den Holzrand gedient haben. Glasgefäße Es fanden sich Teile einer Glasschale mit Rippen am Unterteile in Grab 2, 1917, Taf. V, 2; Bruchstücke eines Glasbechers mit ovalem Schliffmuster in Grab 1. 1926, Taf. XI, 2; ein Glasbecher mit reichen Schliffmustern Taf. XXV, 2, ein hoher Glasbecher mit aufgelegtem Blatt- und Rankenwerk Taf. XXVI, 1, Teile einer Glasschüssel mit breitumgelegtem Rande und Furchenverzierung Taf. XXVI, 2 in Grab 3, 1926; Glasschale mit Scliliffmustern Taf. XXXIV, 1 und Glasschale mit Darstellung der Aktäonsage Taf. XXXIII, 2 u. Taf. XXXIV, 2 in dem Grabe des Jahres 1834. Alle Gefäße bestanden aus ungefärbtem Glase, das jetzt zum Teil milchig angelaufen ist. Sie stammen durchweg aus der Kölner Zentrale der Glasindustrie. Der unter dem Rande ein wenig eingezogene Glasbecher aus dem Grabe 3, 1926, Taf. XXV, 2, ist mit dem etwas höheren beuteiförmigen Becher aus K ö l n auch in der Verwandtschaft der Schliffmuster zu vergleichen, den S. LOESCHCKE abbildet146). „Kugelbecher" und verwandte Formen147) sind auch in unseren Gräbern am häufigsten 148 ). Die Glasschale mit Rippen am unteren Teile Taf. V, 2, ist in Mitteldeutschland unter den Fundgegenständen a u s B u r g s d o r f oder H e l m s d o r f , Kr.Eisleben, Taf. XXXVI, 2, und im Grabe von F r e i e n b e s s i n g e n Kr. Langensalza vertreten149). Diese Form wie auch der hohe Becher mit aufgelegtem Blatt- und Rankenwerk von Leuna Taf. XXVI, 1 gehören zu den Typen, die vor allem in das Ostseegebiet ausgeführt worden sind150). Das wertvollste Glasgefäß aus 14a ) Bei H. J. EGGERS, Beilage 48, Typ 118, „Bronzeteller mit angelötetem Fuße", der von Leuna gleichfalls als einzigstes Stück angeführt. 143 ) R. ZAHN, Die Silberteller von Haßleben und Äugst (Das Fürstengrab von Haßleben II), 1938, Taf. 26 und Taf. 30, 2. 144 ) A. RADNOTI, Die römischen Bronzegefäße von Pannonien. DissertationeS Pannonicae See. II. Nr. 6, 1938, Taf. 30, 6 u. Text S. 95f. 145 ) F. FREMERSDORF in Germania 12, 1928, S. 175, Abb. 3. - Ders., Der römische Gutshof Köln-Mengersdorf. Röm.-Germ. Forschungen 6, 1939, Taf. 53, 4. 146 ) S. LOESCHCKE, Die Sammlung Niehsen 1911, Taf. 27, Nr. 328. - Auch Chr. SIMONETT, Der römische Silberschatz aus Wettingen, in: Zeitschrift für schweizerische Archaeologie und Kunstgeschichte 8,1946, Taf. 3, 9. 14 ') FREMERSDORF, der in mehreren Veröffentlichungen über Köln diese Becher abbildet, erwähnt im Saalburg-Jahrbuch 9, 1939, S. 18, daß das Wallraff-Richartz-Museum in Köln 25 ganz erhaltene Becher dieser Form besitzt. 14S ) SCHULZ, Haßleben, S. 41 u. S. 50. - Jetzt über diese Formen H. J. EGGERS, Der römische Import 1951, Beilage 97, Typ 212-226, auch Karte 57. 14 ') Abb. in der S. 35 unter Freienbessingen genannten Literatur. 15 °) O. ALMGBEN bei A. KISA wie Anmerk. 10, S. 904ff. — Über die Rippenschalen jetzt H. J. EGGERS, Beilage 91, Typ 205-206. Über die hohen Glasbecher mit Blatt- und Rankenwerk Eggers, Beilage 86, Typ 189 bis 196 u. Beilage 87, Typ 197.

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mitteldeutschem Boden, die Aktäonschale des Leunaer Fundes von 1834, ist von E. K R Ü G E R in der Trierer Zeitschrift 4, 1929, S. 103 ff. gewürdigt worden. Hier werden Vergleichsstücke, meist ebenfalls mit Sagendarstellungen, aus K ö l n , S t r a ß b u r g und R e i m s genannt, die sämtlich aus einer Kölner Werkstatt in der Zeit um 300 hervorgegangen sind. Silberschalen Die beiden Silberschalen von Leu na Grab 2,1917, Taf. V, l,und Grab 3,1926, Taf. X X V , 1, sind in der Größe unterschieden, stimmen aber in Form und Ausschmückung überein. Sie gehören zu einer Gruppe getriebener Silberschalen und -becher, die aus einer gallischen Werkstatt stammen151). Besonders nahe stehen zwei gleichfalls nur in der Größe unterschiedene Schalen aus dem Schatze von M o n t c o r n e t , Dep. Aisne, im Britischen Museum London, Taf. X X X V I , l 1 5 2 ). Sie tragen neben den geometrischen Ornamenten Weinrankenmotive, wobei die Weintrauben als Punktdreiecke ähnlich dem Füllornamente unserer Leunaer Becher stilisiert sind. Der Schatzfund enthielt Münzen von Domitian bis Postumus (—276). Eine Silberschale gleicher Form mit verwandten Verzierungsmustern stammt aus dem Schatzfund von B a l l i n r e e s bei Coleraine in Irland mit Münzen von Constantin II. bis Honorius (—423)153). Die Kreise wechseln hier mit Bäumchenmotiven und anderen Mustern. Dieser Schale schließt sich die aus dem Schatzfund von Notre-Dame-d'Alen§on im Louvremuseum Paris an 154 ). M E R I A K S Abbildung eines entsprechenden Silberbechers aus dem verschollenen Silberschatz von W e t t i n g e n im Aargau ist jetzt durch die Veröffentlichung von Chr. SIMONETT zugleich mit der Originalabbildung, die Merian vorgelegen hat, zugänglich gemacht worden155). Der Becher, der unter dem ausladenden Rande etwas stärker eingeschnürt ist, ahmt einen Glasbecher nach, für den als Vergleich auch auf den Leunaer Glasbecher Taf. X X V , 2 verwiesen sei. Die Schalen von M o n t c o r n e t dagegen stehen, abgesehen von dem Rankenornament, in der Nachahmung von drei Fazettenreihen der Leunaer Glasschale, Taf. X X X I V , 1, näher. S i l b e r l ö f f el Das Grab 3, 1926 von Leuna enthielt einen Silberlöffel mit unsymmetrischer Schale, Taf. X I X , 2. Daß sich nur wenig Vornehme eines solchen Stückes verfeinerter Gesittung bedienten156), zeigt auch der Befund von H a ß l e b e n , wo nur in zwei Gräbern, dem Fürstengrabe und dem von 1934, ein Silberlöffel mitgegeben war. Um so auffallender ist es, daß das Frauengrab von E m e r s l e b e n sogar zwei Silberlöffel führt; einer derselben entspricht mit der häufigeren sich nach vorn verbreiternden Schale dem Löffel von Haßleben, der andere mit größerer Schale der Form unserer heutigen Löffel157). Zu diesen Löffeln gesellt sich noch einer aus Bronze mit ungeschmücktem, spitz zulaufenden Stiele von W u l f e r s t e d t , Kr. 151 ) H. J . EOGEBS, Der römische Import führt in Beilage 80 „getriebene Silberschälchen, Typ 179, Leuna" eine Schale aus einem der reich ausgestatteten Gräber von H a a g e r u p auf Fünen im Museum Kopenhagen an, von der mir eine Abbildung nicht bekannt ist. 152 ) H. B.WALTERS, Catalogue of the silver piate (Greek, Etruscan and Roman) in the British Museum London 1921, Taf. 29, 159 u. 160, dazu S. 38ff., hier weitere Schrifttumshinweise. 153 ) H. B. WALTERS, S. 52ff., Abb. 63. Ferner: B r i t i s h M u s e u m , A. Guide to the Antiquities of Roman Britain 1922, S. 73, Abb. 95. 154 ) Abgebildet bei André de RIDDER, Catalogue Sommaire des Bijoux AntiqueS Musee National du Louvre. Paris 1924, Taf. 27, Nr. 1966 mit palmettenähnlichen Motiven zwischen den Kreisen. Weitere verwandte Schalen sind unter Nr. 1965, 1967 (auch Taf. 27 abgebildet) und 1968 erwähnt. 165 ) Chr. SIMONETT wie Anmerk. 146, Abb. Taf. 3, 10, Taf. 4, 12, dazu S. 6 u. 7. 156 ) Um eine christliche Einwirkving der Eucharistie wird es sich bei unseren Funden nicht handeln, in der Merowingerzeit hat aber durch das arianische Königshaus auch diese Sitte Aufnahme gefunden, wie der Löffel mit christlichen Symbolen des Friedhofes von Weimar zeigt. 157 ) Uber die verschiedenen Löffelformen, die in den Hauptformen der Schalen in Mitteldeutschland vertreten sind, siehe C. F . JACKSON, The spoon and its history, in: Archaeologia, London 53, 1892, S. 107ff.

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Oschersleben, der, wie eine dort gefundene Silberfibel zu einer Körperbeerdigung gehören dürfte158). Löffelfunde in den Gräbern von Sakrau 189 ) und von Aarslev 1 6 0 ) zeigen gleichfalls die Wertschätzung des Silberlöffels als Ausstattung der Vornehmen. Elfenbeinkästchen Das zweigeteilte deckellose Elfenbeinkästchen des Grabes 3, 1926, Tafel X X V I , 3, stand bei dem mit Speisebeigaben gedeckten Tablett und diente vielleicht — unabhängig von der ursprünglichen Bestimmung — als Gewürzbehälter. Ursprünglich war es mit einem Schiebedeckel versehen, der durch eine besondere Vorrichtung vor dem Herausgleiten bewahrt wurde (Abb. 55). Für dieses Kästchen besitzen wir ein Vergleichsstück in einem Elfenbeinkästchen gleichen Formats, gleicher Inneneinteilung, gleichfalls mit Schiebedeckel und wahrscheinlich entsprechendem Verschluß aus einem Fund vom Kunibertkloster in K ö l n , das F R E M E R S D O R F als wohl heimische Arbeit des 3. Jahrhunderts anspricht161). Holzeimer Nur unter den Leunaer Funden von 1834 ist das Bruchstück eines Holzeimers mit Bronze beschlagen, Taf. X X X I , 1, erhalten, der sich von den übrigen bisher in Mitteldeutschland gefundenen Eimern in Einzelheiten unterscheidet. In der Anbringung der Handhabe, einem Tragring an der Wandung zwischen den Reifen, schließt er sich dem Eimer aus H a ß l e b e n Grab 1 an (SCHULZ, Haßleben, Taf. 18, 3). Hier ist aber der Tragring auf einer rautenförmigen Unterlage befestigt, deren Spitzen mit dem oberen und mittleren Reifen des ursprünglich dreireifigen Eimers verbunden sind. Ein weiterer Eimer von H a ß l e b e n führt die Tragringe am Rande (SCHULZ, Haßleben, Taf. 18, 1), er stammt mit dem sorgfältiger gearbeiteten Henkeleimer mit silbernen Metallteilen (SCHULZ, Haßleben, Taf. 18, 2) aus dem Fürstengrabe162). Die in Mitteldeutschland gefundenen Eimer können wir als einheimische Arbeiten ansehen, das gilt auch für den wertvolleren letztgenannten Eimer, dessen Henkelornament in den spitzwinklig gestellten Rillen an den Abschlüssen des bandförmigen Teils der Ausschmückung an den silbernen Pfeilspitzen des Grabes 3, 1926 von Leuna, Taf. X I X , 1, entspricht. Holztablett Ein Holztablett von 70 cm Länge und 40 cm Breite mit Bronzebeschlägen liegt aus dem Grab 3, 1926 von L e u n a vor, Taf. X I X , 4. Als Vergleich sind die Bronzebeschläge eines Tabletts aus dem Fürstengrabe von H a ß l e b e n zu nennen (SCHULZ, Haßleben, S., 11 und Taf. 19, Abb. 2). Gesicherte Tablettfunde sind mir weiter nicht bekannt. Brettspiel In dem Grabe 3, 1926 von L e u n a sind 59 Spielsteine erhalten, davon 30 weiße und 29 dunkle. Die Zahl entspricht ungefähr der des Männergrabes von E m e r s i e b e n mit 25 bis 27 weißen und 26 bis 27 farbigen, also etwa im ganzen 54 Steinen (die Unsicherheit der Anzahl ist hier durch Bruchstücke bedingt). 58 weiße und schwarze Steine enthält das Grab von H e i l i g e n h a f e n in Holstein163). Anzuschließen ist weiterhin der Befund des Grabes V a l l ö b y in: Zeitschrift f. vorgeSch. Museumsarbeit und Fundpflege, Halle Nr. 1, 1950, S. 10ff., Abb. wie Anmerk. 24, I. Fund, Taf. V, 2; III. Fund, Taf. VI, 3. leo ) Abb. zuletzt bei M . B . MACKEPRANG, Aarslev-Fundet, in: Fra Nationalmuseets Arbejdsmark, Kopenhagen 1940, S. 87ff., Fig. 15. 1 6 1 ) F . FRBMERSDOBI', Die Denkmäler des römischen Köln I, 1928, Taf. 140. 1,s ) Weiteres über Holzeimer mit Metallbeschlägen bei SCHULZ, Haßleben, S. 40, wozu noch das Eimerpaar aus dem Frauengrabe von Emersleben kommt. U 3 ) K . KERSTEN wie Anmerk. 19. 158 )

K.

SCHWARZ

" » ) GREMPLER

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auf Seeland164), dessen vollständige Gruppe aus 60 Steinen, davon 31 schwarze und 29 weiße, besteht. Die genannten Funde weichen also in der Zahl der Steine nicht wesentlich voneinander ab. Doch kennen wir auch Spiele mit weniger Steinen, so in N o r d r u p auf Seeland Grab A mit 41 Steinen, davon 18 aus rötlichem Glas und 23 Millefioristeine, das Grab J mit 40 Steinen, 15 schwarz und 25 weiß165). Hier stimmen also die Ausstattungen zweier Gräber eines Bestattungsplatzes in der Zahl der Steine etwa überein. Es nähert sich dieser Zahl die der Spielsteine aus dem Grabe I von S a k r a u mit 37 Steinen, davon 18 weiß und 19 schwarz, während S a k r a u I I I nur 14 weiße und 15 schwarze, also 29 Steine enthält 166 ). Diesem Grabe kommt die Ausstattung eines Sarkophaggrabes des 4. Jahrhunderts von W o r m s mit 29 Knochenspielsteinen gleich167). Mehr als ein Zufall scheint es auch zu sein, daß wiederholt in der einen Steingruppe ein überschießender ffi Stein vorhanden ist. Dagegen zeigen die beiden Gräber von Nord r u p bei fast entsprechender Gesamtzahl auffallendeUnterschiede in der Zahl der Einzelgruppen eines Spieles. Also hat eine allgemeine Regel nicht bestanden. MitErsatzsteinen ist wohl auch zu rechnen. Neu ist die Feststellung beim Grabe von H e i l i g e n h a f e n , daß die Steine anscheinend in einem Kästchen in Reihen zu je vier geordnet waren. Zu den Spielsteinen gehört das Spielbrett, das in der Regel nicht mehr erhalten geblieben ist168). Aus n Abb. 75. Spielbretter aus dem Vimoorfunde, V« - Gr. spätrömischer Zeit sind bisher die Bruchstücke von mindestens vier Spielbrettern im Funde von V i m o o r bekannt (Abb. 75)169). Der Fund von L e u n a trägt im Zusammenhange mit diesen Resten einiges zu der Kenntnis der Spielbretter und des Brettspiels der römischen Zeit bei. Das Brettspiel von V i m o o r Abb. 75, 1 ist in 18 Quadrate von etwa 2,5 cm Seitenlänge eingeteilt. Bei dem Brette von Leuna ist zwar die Zahl von nur 13 Quadraten erschlossen worden, aber es lagen auch hier 18 Steine in einer Reihe. Bemerkenswert ist, daß das erhaltene Spielbrett der Wikingerzeit aus dem G o k s t a d f u n d eine Einteilung von 15 Quadraten

aa

m

) C. ENGELHABDT.in: Aarböger, Kopenhagen 1873, S. 298. H. P E T E R S E N wie Anmerk. 34, Grab A, S. 8, Grab J, S. 12. " • ) GREMPLER wie Anmerk. 2 4 , Fund I, S . 1 5 zu Taf. VI, 7 ; Fund III, M

)

S. 9.

" ' ) G. KOSSINNA wie Anmerk. 27, S. 127. 1M ) Zu den archäologischen Nachweisen und dem Brettspiele in germanischer Zeit seien folgende Übersichten genannt: Fr. R O E D E R und B J . BJABNASON, Brettspiel, in: HoopS Reallexikon der germanischen Altertumskunde I, 1911-13, S. 311 ff. - H. W I L L E R S , Die römischen Bronzeeimer von Hemmoor. 1901, S. 93f. - J. P E T E R S E N , Bretspilet i Norge i forhistorisk tid, in: Oldtiden 4, 1914, S. 75ff. - G. KOSSINNA, wie Anmerk. 27. S. 122ff. P. STEINER, Römisches Brettspiel und Spielgerät aus Trier, in: Saalburg-Jahrbuch 9, 1938, S. 34ff. (besond. S . 36). - D. SELLING, Svenska Spelbräden frän Vikingatid, in: Fornvännen 35, 1940, S . 134ff. - S . G R I E G , Gjermundbufunnet, Oslo 1947, über Spielbretter S. 57ff. Nach F R . KRETSCHMER U. E . H E I N S U J S , Über einige Darstellungen altrömischer Rechenbretter, Trierer Ztschr. 20, 1951, 96ff., ist der von S T E I N E R behandelte Gegenstand des Trierer Bildwerkes ein Rechenbrett.

"•) O. ENGELHARDT 1869 wie Anmerk. 90.

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in einer Reihe hat, von denen möglicherweise jederseits ein Randquadrat abzurechnen ist, falls es ursprünglich von einer Umrahmung überdeckt wurde170). Die Spielbretter besaßen eine Holzurnrahmung, die wir auch bei unserem Spielbrett annehmen dürfen, so daß wir für das Spielbrett von Ecke zu Ecke gemessen zu der Länge der Spielsteinreihe von 39—40 cm noch einige Centimeter hinzunehmen müssen. Für die Brettbruchstücke von V i m o o r Abb. 75 ist nach den Abbildungen eine Seitenlänge einschließlich des Rahmens von etwa 48, 54 und 45 cm zu errechnen. Die Rahmenbreite beträgt bei diesen Brettern 3 bis 4 cm. Unser Brett schließt sich also in der Größe den Spielbrettern von V i m o o r an. Teile eines 40 cm messenden Holzrahmens, der vielleicht zu einem Spielbrett gehörte, wurden auch in dem Grabe von P i l g r a r n s d o r f gefunden 1 ' 1 ). Auch für Spielbretter in Wikingergräbern von B ir k a ließen sich Seitenlängen von 36 bis 40 cm (Grab 624) und etwa 50 cm (Grab 886) feststellen ,7a ). Es ist nun besonders bemerkenswert, daß das Brett von V i m o o r Abb. 75, 3 • > > • • ^ • X längs der Kante eine Reihe eingerissener Halbkreise trägt, deren mittelster etwa doppelt so Abb. 76. Rekonstruktion der Rückseite groß ist wie die übrigen. Ergänzen wir die Halbdes Spielbrettes von Leuna kreise längs des Randes und zählen sie zusammen, so ergeben sich sechs beiderseits des größeren Halbkreises in der Mitte, also 13 Halbkreise. Bei dem Brettbruchstück Abb. 75, 2 ist gleichfalls ein großer Halbkreis in der Mitte des Randes eingeritzt, an den sich ursprünglich sechs Kreise beiderseits angeschlossen haben. Nehmen wir nun an, daß an den ornamentierten Halbkreis der Rückseite des Brettes von Leuna sich beiderseits nichtornamentierte Halbkreise von demselben Durchmesser angeschlossen haben, so ergeben sich auch hier beiderseits sechs Halbkreise, wie der Rekonstruktionsversuch Abb. 76 zeigt. In der Literatur über Brettspiele ist meines Wissens noch nicht Abb. 77. Vom Runenhorn von Gallehus bei Tondern darauf hingewiesen, daß auch auf einem der Goldhörner von G a l l e h u s bei Tondern aus dem 5. Jahrhundert u. Zr. zwei Männer mit einem Spielbrette abgebildet sind. Ich gebe das Bild hier Abb. 77 wieder, da die Steine entsprechend dem Befunde von Leuna längs den Rändern des Brettes aufgestellt sind. Die Spielregeln dieser Brettspiele kennen wir nicht. Doch lassen die verschiedenen Funde erkennen, daß weiße und schwarze bzw. farbige Glasflußsteine dazu gehörten. Unser Leunaer Brett gibt einigen Aufschluß über die Aufstellung, wobei drei weiße und drei schwarze Steine abwechselnd nebeneinander gelegt waren. Sollte ein den Römern entlehntes Spiel angenommen werden, so ist auf das Spiel „ludus latrunculorum duodecim scripta" hinzuweisen, ein Zwölflinienspiel, das mit dem Puffspiel auf der Innenseite unseres Damebrettes zu vergleichen ist178). Es sei dabei bemerkt, daß auch die Einteilung in 13 Felder zugleich 170

) N . NICOLAYSEN,

Langskibet fra Gokstad ved Sandefjord 1 8 8 2 , Taf. VIII,

1.

- S.

GRIEG

wie Anmerk.

168,

Kg. 42b. wie Anmerk. 28. wie Anmerk. 168. 1,3 ) LAMER in: Pauly-Wissowas Realenzyklopädie des klass. Altertums, XIII, 2 Lusoria tabula § 42,43, S. 1979 ff. besonders § 54, 7a, S. 1999. M

) BONSACK

" 2 ) D.

SEIXING

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eine solche von 12 Linien ergibt. Ferner sei an die zwölf Halbkreise bzw. Kreise der Rückseite der Spielbretter erinnert, wenn der mittlere größere bzw. in Leuna ornamentierte Halbkreis nicht eingerechnet wird. Die Einteilung des Spielbrettes von Leuna in 13 Quadrate in einer Reihe könnte aber auch mit einem aus der Wikingerzeit überlieferten Spiele in Verbindung zu bringen sein, das hnefatafl genannt wird und auf quadratischen Feldern 12 gegen 13, die eine Partie weiß, die andere dunkel, gespielt wurde, wobei die Züge durch Würfel bestimmt wurden174). Es ist damit zu rechnen, daß zu dem Brettspiel ein Würfel gehörte, wie er in dem Grab von H e i l i g e n h a f e n gefunden worden ist. In dem Grab von Leuna könnte ein Knochenwürfel bei dem der Erhaltung von Knochen recht ungünstigen Boden bis zur Unkenntlichkeit zerstört sein. Zur p r o v i n z i a l r ö m i s c h e n E i n f u h r Die Frage, auf welche Weise die provinzialrömischen Gegenstände der Grabausstattungen in das Land gekommen sind, hatte ich bereits in der Bearbeitung der Haßlebener Funde aufgeworfen und dabei Handel und Beute in Rechnung gestellt, aber doch dem Handel den Vorzug gegeben (SCHULZ, Haßleben, S. 45). Die Bedeutung des alten Verbindungsweges von der Saale über Thüringen zum Mittelrhein spricht jedenfalls deutlich auch aas der Verbreitung der römischen Funde175), sei er für diese ein Handelsweg oder die Zugstraße von Kriegerscharen, die Beute heimbrachten. J. W E E N E R ist im Zusammenhange mit der Bearbeitung der im provinzialen Gebiete versteckten Geschirrschätze zu der Auffassung gekommen, daß der Bronzegeschirreichtum Mitteldeutschlands aus dem Beutegut der Germaneneinfälle zu erklären ist176). Inzwischen ist in den Jahren 1941 und 1942 tatsächlich auch in Mitteldeutschland, nämlich bei Grieben im Kreise Stendal, im alten Flußbett der Elbe ein Geschirrschatz gehoben worden, der in seiner Zusammensetzung und Erhaltung Depots der Provinz gleicht177). Er ist wohl beim Transport über die Elbe verlorengegangen. Diesen Fund mit zum Teil ausgeflicktem Geschirr möchte ich als eine Bestätigung für Beutegut betrachten. Nicht weit von Grieben ist übrigens bei Tangermünde schon vor längerer Zeit ein stark geflickter Bronzeeimer als Leichenbrandbehälter gefunden worden178). Wenn in unseren reich ausgestatteten Gräbern nicht so schadhafte Gegenstände als Ausstattung dienten179), so ist damit zu rechnen, daß Anführern die besten Teile der Beute zugekommen sein werden. Indeß sprechen leicht zerbrechliche Gläser und auch wohl das Brettspiel eher für eine geordnete Einfuhr. Vor allem aber erfordert der Gebrauch von römischem Geschirr für Mitteldeutschland nicht grundsätzlich eine andere Erklärung als für den Osten oder für das Ostseegebiet, Länder, bei denen nicht am Handelsimport gezweifelt wird. Neben Sondertypen provinzialen Geschirrs, die ihren Weg vor allem oder ausschließlich nach Mitteldeutschland nahmen, stehen die allgemein an Fürstensitzen bevorzugten Bronzegefäße, vor allem Schöpfkelle und Sieb, deren Gebrauch für den Weingenuß gewiß als standesgemäß galt. Ihr Erwerb wird wohl in Mitteldeutschland nicht dem Zufalle des "Erbeutens überlassen geblieben sein. Die Herkunft des in Mitteldeutschland gefundenen gemünzten Goldes, dessen älterer Zustrom mit Münzen des Tetricus abschließt, ist wie J. W E B N E R dargelegt 174

) B . BJABNASON wie Anmerk. 168, S. 314.

M

») Verbreitungskarten veranschaulichen diesen Weg besonders eindrucksvoll, So die Karte der Terrasigillataeinfuhr bei SELLING in: Kulturhistoriska Studier tillägnade Nils Äberg, 1938, S . 101 ff., oder die der Hemmooreimer bei J. W E B N E R in: Bonner Jahrbücher 140/141,1936, S . 359ff. - Jetzt auch H. J. EGGEBS, Der römische Import, einzelne der Karten, besonders Hauptkarte. lw ) J. WEBNEB, Die römischen Bronzegeschirrdepots des 3. Jahrhunderts und die mitteldeutsche Skelettgräbergruppe, in: Marburger Studien 1938, S. 259ff. 177 ) K. H. OTTO, Ein provinzialrömisches Bronzegeschirrdepot aus dem Elbtal bei Grieben, Kr. Stendal, in: Strena Prähistorica, Festgabe für M. Jahn, Halle 1948, S. 217 ff. 179

) HOLLMANN in: Zeitschrift für Ethnologie 17,1885, Verh. 335.

• l ") Falls nicht der fehlende Deckel des Elfenbeinkästchens aus Grab 3, 1926, und die abgebrochenen Griffe von Kelle und Sieb aus dem Grabe von 1834 dafür sprechen sollten.

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hat180), als Beute aus der Zeit der Sprengung des Limes und der Einfälle in Gallien zu erklären. Die Münzen waren im Hausschatze der an der Führung beteiligten Familien aufbewahrt, um zum Teil als Schmuckstücke getragen oder zu solchen umgearbeitet zu werden, aber auch um als Obolus für den Toten zu dienen. Der Fund von Öchlitz im Kreise Querfurt etwa 16 km westlich von Leuna mit 12 Goldmünzen, von denen leider nur noch bekannt ist, daß sich ein Aureus des Gordianus III (238—244) darunter befand, ist ein solcher später in Gefahrenzeiten vergrabener Schatz, der von dem Besitzer nicht wieder geborgen werden konnte.

Zeitbestimmung der Gräber Bei der Behandlung der Fundgegenstände wurden bereits Hinweise auf deren Zeitstellung gegeben, die bei Gegenständen einheimischer, germanischer Herkunft aus datierbaren Funden erschlossen worden ist, d. h. letzten Endes aus Funden in Gemeinschaft mit datierten römischen Gegenständen. Die Einfuhrstücke aus Leuna gehören nun größtenteils dem 3. Jahrhundert an, aber ihre Beweiskraft für die Zeit der Anlage der Gräber wird gemindert, da meist nicht zu entscheiden ist, wie lange sie gebraucht sein werden, bis sie als Totenausstattung in die Erde gelangten. Das gilt vor allem für das Geschirr, denn, soweit es aus Metall bestand, war es fast unbegrenzt haltbar; Glasgefäße dagegen dürften nur einem kürzeren Gebrauch ausgesetzt sein, um unbeschädigt als Beigabe zu dienen. Diese Dinge waren vielleicht auch nicht Eigentum eines einzelnen Sippenmitgliedes wie das, was zu Kleidung und Körperpflege gehörte. So ergeben sich Unsicherheiten für die Zeitbestimmung trotz aller Einfuhrstücke. Als Ausgangspunkt für eine Zeitbestimmung der Gräber diene das Grab des Jünglings 2, 1917. Es ist in Leuna das einzigste Grab, in dem ein Münzobolus gefunden wurde. Dieser Aureus des Tetricus hat bei der kurzen Regierungszeit des Kaisers von 268—273 Bedeutung als frühester Termin für die Bestattung. Doch wenn das Goldstück auch wie neu aussieht und nicht im Geldumlauf gewesen ist, so ist doch unbestimmbar, wie lange es im Schatze der Sippe aufbewahrt wurde, bis es als Totenmitgabe diente. Die in dem Grabe gefundene provinziale Silberfibel ist eine Arbeit des 3. Jahrhunderts, aber auch bei ihr ist nicht bestimmt, ob sie als neu aus der Werkstatt hervorgegangenes Stück in das Germanengebiet gelangt ist. Anders liegt es bei Beigaben heimischer Herkunft., die für den heranwachsenden Jüngling gearbeitet wurden und bestimmt nicht längere Zeit getragen worden sind, so daß die Zeit zwischen Anfertigung und Niederlegung kaum ins Gewicht fällt, vorausgesetzt indes, daß sie datierbar sind. Es sind die den Schuhen angepaßten Sporen und die zierliche Schnalle. Die Sporen stellt J A H N in das 4. Jahrhundert, für die Gürtelschnalle führt B L U M E S Datierung in das 3. Jahrhundert. Die provinzialrömischen und einheimischen Beigaben zusammen genommen werden auf die Zeit um 300 hinweisen181). Die Sporen des Grabes 1, 1926 stehen denen des Grabes 2, 1917 nahe, sie wurden von einem erwachsenen Manne unbestimmten Alters getragen. Das Gral) wird etwa der gleichen Zeit angehören. Zweirollenfibel und Form der Bronzeschnalle passen zu diesem Ansätze. Die Bronzesporen aas Grab 2, 1916 sind von Typus des Grabes 2, 1917, ebenso stehen die Goldfingerringe beider Gräber einander nahe, wenn auch die Ausführung des Ringes aus Grab 2, 1926 sorgfältiger ist. Das Lebensalter dieses Toten ist unbestimmt, aber er war zweifellos ein erwachsener Mann. Das reichste der Gräber, Grab 3,1926, steht dadurch in einer besonders nahen Beziehung zum Grab 2, 1917, daß sich in beiden Gräbern einander sehr ähnliche 1$0

) J. WEBNER wie Anmerk. 176, S. 264, Anhang IV, S. 267. - Auch W. KNAPKE in: Acta archaeologica 12, 1914, S. 100. 181 ) Die Beigabe einer provinzialen Fibel des 3. Jahrhunderts in Verbindung mit dem Aureus des Tetricus (268-273) würde wohl dazu führen können, für das Grab das letzte Viertel des 3."Jahrhunderts in Anspruch zu nehmen. — Ob der Fingerring für den Jüngling gearbeitet worden ist, erscheint mir bei seiner lichten Weite von 1,7—1,8 cm zweifelhaft.

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hat180), als Beute aus der Zeit der Sprengung des Limes und der Einfälle in Gallien zu erklären. Die Münzen waren im Hausschatze der an der Führung beteiligten Familien aufbewahrt, um zum Teil als Schmuckstücke getragen oder zu solchen umgearbeitet zu werden, aber auch um als Obolus für den Toten zu dienen. Der Fund von Öchlitz im Kreise Querfurt etwa 16 km westlich von Leuna mit 12 Goldmünzen, von denen leider nur noch bekannt ist, daß sich ein Aureus des Gordianus III (238—244) darunter befand, ist ein solcher später in Gefahrenzeiten vergrabener Schatz, der von dem Besitzer nicht wieder geborgen werden konnte.

Zeitbestimmung der Gräber Bei der Behandlung der Fundgegenstände wurden bereits Hinweise auf deren Zeitstellung gegeben, die bei Gegenständen einheimischer, germanischer Herkunft aus datierbaren Funden erschlossen worden ist, d. h. letzten Endes aus Funden in Gemeinschaft mit datierten römischen Gegenständen. Die Einfuhrstücke aus Leuna gehören nun größtenteils dem 3. Jahrhundert an, aber ihre Beweiskraft für die Zeit der Anlage der Gräber wird gemindert, da meist nicht zu entscheiden ist, wie lange sie gebraucht sein werden, bis sie als Totenausstattung in die Erde gelangten. Das gilt vor allem für das Geschirr, denn, soweit es aus Metall bestand, war es fast unbegrenzt haltbar; Glasgefäße dagegen dürften nur einem kürzeren Gebrauch ausgesetzt sein, um unbeschädigt als Beigabe zu dienen. Diese Dinge waren vielleicht auch nicht Eigentum eines einzelnen Sippenmitgliedes wie das, was zu Kleidung und Körperpflege gehörte. So ergeben sich Unsicherheiten für die Zeitbestimmung trotz aller Einfuhrstücke. Als Ausgangspunkt für eine Zeitbestimmung der Gräber diene das Grab des Jünglings 2, 1917. Es ist in Leuna das einzigste Grab, in dem ein Münzobolus gefunden wurde. Dieser Aureus des Tetricus hat bei der kurzen Regierungszeit des Kaisers von 268—273 Bedeutung als frühester Termin für die Bestattung. Doch wenn das Goldstück auch wie neu aussieht und nicht im Geldumlauf gewesen ist, so ist doch unbestimmbar, wie lange es im Schatze der Sippe aufbewahrt wurde, bis es als Totenmitgabe diente. Die in dem Grabe gefundene provinziale Silberfibel ist eine Arbeit des 3. Jahrhunderts, aber auch bei ihr ist nicht bestimmt, ob sie als neu aus der Werkstatt hervorgegangenes Stück in das Germanengebiet gelangt ist. Anders liegt es bei Beigaben heimischer Herkunft., die für den heranwachsenden Jüngling gearbeitet wurden und bestimmt nicht längere Zeit getragen worden sind, so daß die Zeit zwischen Anfertigung und Niederlegung kaum ins Gewicht fällt, vorausgesetzt indes, daß sie datierbar sind. Es sind die den Schuhen angepaßten Sporen und die zierliche Schnalle. Die Sporen stellt J A H N in das 4. Jahrhundert, für die Gürtelschnalle führt B L U M E S Datierung in das 3. Jahrhundert. Die provinzialrömischen und einheimischen Beigaben zusammen genommen werden auf die Zeit um 300 hinweisen181). Die Sporen des Grabes 1, 1926 stehen denen des Grabes 2, 1917 nahe, sie wurden von einem erwachsenen Manne unbestimmten Alters getragen. Das Gral) wird etwa der gleichen Zeit angehören. Zweirollenfibel und Form der Bronzeschnalle passen zu diesem Ansätze. Die Bronzesporen aas Grab 2, 1916 sind von Typus des Grabes 2, 1917, ebenso stehen die Goldfingerringe beider Gräber einander nahe, wenn auch die Ausführung des Ringes aus Grab 2, 1926 sorgfältiger ist. Das Lebensalter dieses Toten ist unbestimmt, aber er war zweifellos ein erwachsener Mann. Das reichste der Gräber, Grab 3,1926, steht dadurch in einer besonders nahen Beziehung zum Grab 2, 1917, daß sich in beiden Gräbern einander sehr ähnliche 1$0

) J. WEBNER wie Anmerk. 176, S. 264, Anhang IV, S. 267. - Auch W. KNAPKE in: Acta archaeologica 12, 1914, S. 100. 181 ) Die Beigabe einer provinzialen Fibel des 3. Jahrhunderts in Verbindung mit dem Aureus des Tetricus (268-273) würde wohl dazu führen können, für das Grab das letzte Viertel des 3."Jahrhunderts in Anspruch zu nehmen. — Ob der Fingerring für den Jüngling gearbeitet worden ist, erscheint mir bei seiner lichten Weite von 1,7—1,8 cm zweifelhaft.

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Silberschalen befanden, die gewiß zusammen in den Besitz der Sippe gelangten. Der etwa 20—25 Jahre alte Mann trug Sporen vom Typus des Grabes 2, 1917. In dem Grabe fand sich aber auch die Bronzeschüssel Tai. X X I V , die von Bedeutung sein könnte, wenn sie eine Form des 4. Jahrhunderts ist. Zu dem Grabe gehört ferner das sehr dünnwandige Fadenglas aus dem 3. Jahrhundert, für das bei seiner Zerbrechlichkeit kein allzulanger Gebrauch anzu nehmen ist. Auch dieses Grab führt in die Zeit um 300. Von den Funden des Jahres 1834 mit der Böstattung eines Mannes von etwa 30 Jahren sind die Fibeln, deren Zugehörigkeit zu dem reich ausgestatteten Grabe mir zweifelhaft erscheint, Typen des 4. Jahrhunderts, dasselbe gilt für die Gürtelschnalle mit den senkrecht zur Achse stehenden Tierköpfen. Die Sporen kommen in der Gestalt des Stachels denen des Grabes 1, 1926 am nächsten. Nach allem ist dieses Grab wohl dem Anfange des 4. Jahrhunderts zuzuweisen. Sämtliche genannten Gräber werden also spätestens den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts angehören182), zumal da die Bestatteten, für deren Lebensalter Anhalte vorliegen, kein hohes Alter erreicht haben. Anders steht es mit dem Grabe 5, 1926. Der Fingerring scheint zwar ein verhältnismäßig altes Stück provinzialer Herkunft zu sein, aber die ebenfalls provinziale Zwiebelkopffibel ist eine Arbeit des 4. Jahrhunderts. Mit diesem Grabe gelangen wir spätestens in die Mitte des 4. Jahrhunderts. Der vergoldete Fingerring und vor allem die vergoldete Fibel sprechen dafür, daß wir auch hier ein Mitglied der Sippe vor uns haben, die die reich ausgestatteten Gräber angelegt hat. Nur hat sich der Bestattungsbrauch geändert. Neu ist die Beigabe von Pferdeteilen, wiederum eine Einwirkung aus dem Südosten, die die Mitgabe von Pferden in unseren thüringischen Gräbern des 5. Jahrhunderts einleitet. Dagegen fehlen Sporen, Pfeilspitzen und vor allem die reichen Geschirrbeigaben. Bei dem übermäßigen Bestattungsaufwand, den man seit 300 den Toten schuldig war, mochte das kostbare Geschirr provinzialer Herkunft aufgebraucht worden sein, doch es fehlte auch heimische Keramik, so daß mit einer Änderung des Brauches zu rechnen ist. Zwischen diesem Grabe und denen mit reicher Ausstattung stehen die flacher gelegenen Gräber mit Beigabe einzelner guter Drehscheibengefäße. Ob das Grab 4, 1926 noch der alten Siedlergruppe angehört, ist nicht zu entscheiden, auch fehlen Zusammenhänge mit den Merowingerfunden in Leuna, die nicht einmal dem frühen Abschnitt dieser Periode angehören, so daß das Grab 5, 1926 das jüngste der fest bestimmbaren Gräber der Sippensiedlung von Leuna ist. Die Bestattungsplätze mit reich ausgestatteten Gräbern konnten bisher nirgends in Mitteldeutschland systematisch untersucht werden, so daß für das Ende der Belegung weder bei L e u n a noch bei einem anderen Fundplatz ein sicherer Anhalt gegeben ist. Für wenige Fundplätze ist eine Belegung über das 4. Jahrhundert hinaus bezeugt. Das gilt für den Bestattungsplatz von T r e b i t z bei Wettin, wo neben Gräbern mit reicher Ausstattung an provinzialem Bronzegeschirr, dessen Fundzusammenhang leider zum Teil nicht feststeht, ein Grab mit Drehscheibenschale mit Gittermuster, K a m m mit glockenförmigem Rücken und Fibel vom Niemberger Typus Stufe B gefunden wurde, das der Zeit um oder nach 400 angehören dürfte 183 ). Ein hervorragender Sippensitz hat bei G r o ß ö r n e r unweit Hettstedt gelegen, von dem aus Funden früherer Zeit u. a. der prächtige Goldfingerring mit Onyx herrührt (Abb. SCHULZ, Haßleben, Taf. 22.1). Bei späteren Grabungen wurden dazu außer Gräbern des 4. Jahrhunderts auch Bestattungen des 5. Jahrhunderts mit Beigabe von Pferden und Hunden gefunden, darunter das ausgeraubte Grab mit goldbelegter Trense und Goldarmring 184 ). 182) Für Haßleben war ich (SCHULZ, S. 25) zu dem Ergebnis gekommen, daß der Friedhof in der Zeit um 300 bestanden habe; „er wird schon am Ende des 3. Jahrhunderts angelegt gewesen sein und mag in das 4. Jahrhundert hineinreichen." Die Durchmusterung der Beigaben reich ausgestatteter Gräber von Leuna führt im Grunde zu dem gleichen Ergebnis. Jedenfalls sind die reich ausgestatteten Gräber von Leuna und Haßleben älter als die von Sakrau mit typologisch jüngeren Prunkfibeln. 1M ) H. HAHNE und G. KOSSINNA in: Nachrichten über deutsche Altertumsfunde 1903, S. 51 ff., Grab II. W. SCHULZ wie Anmerk. 7.

184)

Siehe S. 34 unter Großörner Literatuiangaben.

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Geschichtliches Zu d e n g e s e l l s c h a f t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e n Die durch ihre reiche Ausstattung von den üblichen Bestattungen sich unterscheidenden Gräber und Bestattungsplätze legen eine Betrachtung der daraus sprechenden gesellschaftlichen Verhältnisse nahe. Es ist ein glücklicher Zufall, daß im Jahre 1935 kaum einen Kilometer nordwestlich vom Bestattungsplatz von L e u n a gleichfalls am Hochufer zur Saaleniederung im Stadtgebiete von Merseburg eines der Gräberfelder aufgedeckt wurde, die die allgemein übliche Bestattungssitte veranschaulichen185). Es setzt bereits im 3. Jahrhundert mit Urnengräbern ein und ist bis in das 5. Jahrhundert belegt. Die Leichenverbrennung wird im 4. Jahrhundert durch die Körperbeerdigung abgelöst. Auch hier ist die Grabausstattung nicht einheitlich. Ein Frauengrab des 4. Jahrhunderts mit Körperbeerdigung ist reicher mit Schmuck und Geschirr bedacht. Einige Waffenstücke sind aus Urnen- und Skelettgräbern bekannt. Eine ganze Anzahl der Gräber aber ist beigabenlos. Wie hat sich nun die Nähe der Leunaer Siedlung mit ihren Bestattungsbräuchen ausgewirkt? Das genannte Frauengrab ist gewiß beeinflußt. Die Frau, die zwei reich geschmückte silberne mit Goldblech belegte Fibeln trug (Taf. XXIX, 4), war mit der stattlichen Zahl von 9 Tongefäßen bedacht, die zu Häupten und längs der linken Seite des Oberkörpers aufgestellt waren. Es handelt sich aber durchweg um handgearbeitete Kümpfe und ähnliche Gefäße. Drehscheibenkeramik wird erst im Laufe des 4. Jahrhunderts in dieser Siedlung aufgenommen und zeigt meist von der Leunaer Keramik abweichende Formen. Provinzialrömisches Geschirr fehlt vollständig. Die Begräbnisplätze von L e u n a und von M e r s e b u r g - S ü d bezeugen also zwei benachbart siedelnde Gemeinschaften, die sich in der Lebenshaltung unterscheiden. Der Gegensatz wird aber durch das genannte Frauengrab überbrückt, das in der lokalen Veröffentlichung als „Prachtgrab" bezeichnet wurde; es wird hier gewiß die wohlhabendste Frau des Dorfes bestattet sein. Auf engerem Räume von Leuna-Merseburg wird die oben für Mitteldeutsch land angeführte Beobachtung wieder bestätigt, daß es Bestattungen gibt, die zwischen den reichsten und den in üblicher Weise ausgestatteten Gräbern eine vermittelnde Stellung einnehmen. Es sei nun versucht, noch weiteren Anhalt für die gesellschaftlichen Verhältnisse zu gewinnen. In meiner Schrift „Staat und Gesellschaft in germanischer Vorzeit" (1926 S. 22f) habe ich mich der Auffassung von G. NECKEL angeschlossen1854), nach der die Besitzerreihe des Erbgutes innerhalb der Sippe adelig ist. Das Wort Adel ist von der Bezeichnung für Erbgut, althochdeutsch uodäl abzuleiten. Tacitus setzt für den Adeligen in lateinischer Übertragung passend das Wort ingenuus ein, denn genus bezeichnet ebenso wie adal das Geschlecht. Unter den Geschlechtern ragen wieder einige durch besondere Vornehmheit hervor, die Tacitus als nobiles bezeichnet, aus ihnen gehen die principes und reges hervor. R. MUCH186) erläutert das Wort princeps, das mit „Fürst" übersetzt zu werden pflegt, mit den Worten: „Der Begriffsumfang von x'rinceps ist sehr verschieden. Außer den Staatshäuptern in amtlicher Stellung — die Könige eingeschlossen — bezeichnet das Wort auch alle jene, die durch edle Abkunft, Macht ihres Sippenanhanges, Reichtum, Erfahrung, Kriegs: ruhrn oder andere geschätzte persönliche Eigenschaften eine gehobene, einflußreiche Stellung einnahmen." — Die üblichen Begräbnisplätze mit Leichenbrandurnen oder auch mit Körperbeerdigungen sind also die Totenstätten der Sippen als Siedlungsgemeinschaften, die die Gräber der Inhaber des Erbgutes, d. h. der Adeligen, mit einschließen. Ein solches Gräberfeld ist auch das v o n M e r s e b u r g - S ü d . Das reicher ausgestattete Frauengrab hier ist der Familie W . SCHULZ wie Anmerk. 1. LSSA) Q. NECKEL, Adel und Gefolgschaft, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache 41, 1916, S. 305ff. Wiederabdruck auch bei W. HEYDENKEICH und H. M. NECKEL, Vom Germanentum, ausgewählte Aufsätze und Vorträge von Gustav Neckel. Leipzig 1944, S. 139ff. 186 ) Die Germania des Tacitus, erläutert von E . MUCH, Heidelberg 1937, S. 140. 185 )

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des Adeligen in dieser Sippe zuzurechnen, dasselbe gilt für die Gräber mit Wafferiausstattung. Die Bestattungsplätze mit besonders hervorragender Ausstattung werden dann, naheliegend, den nobiles, den Vornehmen unter den Adeligen, zuzuweisen sein. So sind denn auch diese im Schrifttum als „Fürstengräber" bezeichnet worden, wobei vorausgesetzt wird, daß der über das übliche Maß hinausgehende Grabaufwand einer besonders hervorragenden Stellung des Bestatteten entspricht. Gegen die Berechtigung der Bezeichnung sind Bedenken erhoben worden: „Es ist schwer zu sagen, ob dem unzweifelhaften Vermögensunterschied in einem solchen Falle ein ständiger Vorrang entspricht", heißt es in bezug auf das Fürstengrab von H a ß l e b e n bei L. SCHMIDT187). Auch 01. R E D L I C H sagt in Hinblick auf die reich ausgestatteten Gräber der Rörnerzeit188) „Reich ausgestattete, aber waffenlose Gräber werden darum auch wohl eher reiche Bauern geborgen haben und dürften nicht so ohne weiteres als Fürstengräber bezeichnet werden"189). Die in Frage stehenden Gräber entsprechen meines Erachtens den altgermanischen Verhältnissen in der unter den Freien eine Standesgliederung noch nicht besteht. Aber wir können bereits in spätrömischer Zeit eine durch beginnendes Standesbewußtsein bedingte Loslösung von heimischer Überlieferung bei einzelnen Sippen in der Grabanlage und Totenausstattung erkennen. So werden die Bestattungssitten vornehmer Sippen auch über Grenzen des Stamrnesgebietes hinaus einander angeglichen. Wir dürfen dabei wohl an Versippungsgemeinschaften des hohen Adels durch Blutsverbindungen denken. Die Schmuckerzeugnisse, besonders die Goldfibeln, führender Höfe bei verschiedenen Völkerstämmen sind zwar einander verwandt (z.B. Fibeln von S a k r a u , H a ß l e b e n , Straße), aber in Einzelheiten unterschieden. Sie verraten eine Eigenständigkeit, die für eigene Goldschmiedewerkstätten spricht. Solche können sich aber nur, wie in der Völkerwanderungszeit, Fürstensitze leisten. Auch die Drehscheibenkeramik spricht für eigene Töpferwerkstätten, so in H a ß l e b e n und L e u n a , wobei die Erzeugnisse zunächst und im allgemeinen nicht über den Bedarf des Hofes hinausgingen. Der Reichtum an provinzialrömischem Bronzegeschirr, unter dem das Sieb und Schöpfgefäß zur Weinbereitung geläufig ist, der Besitz von Gläsern und selbst von silbernen Gefäßen ist Kennzeichen fürstlicher Hofhaltungen, die Handelsgut an sich zogen, und aus denen auch die Führer und Gefolgsherren der Kriegszüge hervorgingen, die Schatzungsgelder und reiche Beute heimbrachten. Vielleicht helfen uns hier die Angaben von Tacitus weiter, die wohl noch für das 4. Jahrhundert Geltung beanspruchen dürfen, zumal wenn sie durch den Befund in den reich ausgestatteten Gräbern erläutert werden können. TACITUS sagt Germania 15, daß die Fürsten (principes Gaben) als Ehrengeschenk erhielten und von benachbarten Stämmen gern Geschenke annahmen, wobei ausgewählte Pferde, hervorragende Waffen (magna arma), Brust- und Halsschmuck (phalerae iorquesque) besonders angeführt werden. Für diese Angabe kann, soweit der Schmuck in Betracht kommt, in mitteldeutschen Bestattungen der Goldschmuck nordgermanischer Herkunft als Erläuterung dienen. Wie das Üben im Bogenschießen, das Tummeln von Rossen und das Brettspiel nach dem Eddaliede Rigsthula Beschäftigung der Jarle war190), so pflogen nach Voluspä selbst die Götter, denen nichts aus Gold fehlte, des Brettspiels191) als ein Abbild königlicher Hofhaltung. ) L. SCHMIDT, Geschichte der deutschen Stämme bis zum Ausgang der Völkerwanderungszeit, mit Beiträgen Teil I I , 1 9 4 0 , S . 1 1 6 . 188 ) Cl. REDLICH, Erbrecht und Grabbeigaben bei den Germanen, in: Forschungen und Fortschritte 24,1948, S.180. 189 ) Diese Äußerung ist durch die Auffassung bestimmt, daß dem Toten lediglich Sein Eigentum, dieses aber auch vollständig mitgegeben Sei. Das Fehlen z. B. von Waffen bedeutet also, daß diese nicht zum Eigentum des Toten gehörten. Für die Grabausstattung der Merowingerzeit, die der Untersuchung von Cl. R E D L I C H im Zusammenhange mit den Volksgesetzen zugrunde liegt, wird diese Auffassung berechtigt Sein. Sie darf aber nicht verallgemeinert werden, zumal da es bei den Germanen schon vorgeschichtliche Überlieferung ist, wohl den Frauen den Schmuck, nicht aber den Männern die Waffen mitzugeben. 187

yon

1M

H . ZEISS.

) Wie Anmerk. 79, Strophe 42 nennt das Brettspiel. ) Wie Anmerk. 79, S. 36, Voluspä Strophe 8.

191

L e u n a , ein germanischer Bestattungspiatz der spätrömischeü Kaiserzeit

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Daß der in Leuna Grab 2, 1917 bestattete Jüngling bereits in jungen Jahren durch Wehrhaftmachen in die Gemeinschaft der Männer aufgenommen worden war19'2), darf aus seiner Ausstattung geschlossen werden, wenn wir auch die Waffen, entsprechend dem Bestattungsbrauche dieser Sippen, vermissen. Nach TACITXTS Germania 13 ist die frühzeitige Wehrhaftmachung ein Vorrecht bei hohem Adel (insignis nobilitas) oder großem Verdienste der Vorfahren. Cl. REDLICH hat gewiß Recht, wenn sie die Bestattungen als Gräber reicher Bauern anspricht. Ansehen und Reichtum wird sich unter den damaligen Verhältnissen nicht voneinander trennen lassen. Letzten Endes waren die Vornehmen, die Fürsten und selbst die Könige, reiche Bauern. W i r kommen also zu folgendem Ergebnis: wenn die Bezeichnung Fürst uur für die Vornehmen angewandt werden soll, die als principes besondere Befugnisse in ihrem Gau, vor allem in der Rechtsprechung, hatten, so ist es gewiß gewagt, aus unserem archäologischen Befunde eine solche Stellung herauslesen zu wollen. Wenn wir aber mit Fürstengräbern die Gräber des hohen Adels, der Nobilitas unter den Freien, bezeichnen, so werden dagegen kaum Bedenken bestehen. Ist nun die Absonderung einzelner Sippen eine Erscheinung der Zeit bei verschiedenen germanischen Völkerschaften, die zum Teil schon in der älteren römischen Zeit einsetzt, so kann auch in Mitteldeutschland eine Entwicklung in den gesellschaftlichen Verhältnissen angenommen werden, die nicht auf den Zuzug einer Herrengruppe von auswärts zurückzugehen braucht, wie ich ihn noch bei der Bearbeitung von Haßleben als wahrscheinlich ansah (SCHULZ, Haßleben, S. 46f.) 1 9 3 ). Es bleibt allerdings dann die Frage, wo die Gräber der Vorfahren dieser Sippen gelegen haben. In V o i g t s t e d t , K r . Sangerhausen, könnten sie vielleicht unter den Urnenbestattungen des 3. Jahrhunderts zu suchen sein, die dort gleichfalls in der Nähe aufgedeckt worden sind194), doch ist deren genauere Lage nicht mehr mit Sicherheit festzustellen. W i r müssen uns vorläufig damit begnügen, daß diese Frage mit dem uns zur Verfügung stehenden Fundmaterial für Mitteldeutschland bisher nicht zu lösen ist. Zur H e r k u n f t der

Bevölkerung

Sind wir oben bei der Behandlung der Bestattungssitte auch deren Aufnahme in Mitteldeutschland nachgegangen, ebenso bei der zusammenfassenden Betrachtung der Beigaben den kulturellen Zusammenhängen, so fragen wir weiter, was die Körperreste des Menschen selbst über die Herkunft der Bevölkerung aussagen. Die Bearbeitung von H . GRIMM in Anhang I zeigt, daß, soweit Aussagen gemacht werden können, die Bestatteten von L e u n a untermittelgroß (Grab 8, 1926 und das zeitlich nicht sicher bestimmbare Grab 4), mittelgroß (Grab 1, 1926) und üb er mittelgroß (Grab 5, 1926), nach dem Schädelindex mesokran (Grab 4, 1926 und Grab 5, 1926) und vermutlich dolichokran (Grab 3, 1926) waren. Das allerdings geringe Material bietet also keine besondere Abweichung von der zu erwartenden Norm. Anders liegen die Ergebnisse für H a ß l e b e n nach der Untersuchung von F r . WEIDENREICH195). Hier ist die Bevölkerung anthropologisch wesentlich uneinheitlicher. Der Schädel aus Grab 16 fällt, wie Weidenreich ausführt, aus dem Rahmen der übrigen, er ist brachykran und erinnert an die dinarische Form. Von den übrigen Schädeln ist der eine dolichokran, die andern sind mesokran und stehen zum Teil schon an der Grenze der Brachykranie. Der eine ist ausgesprochen langgesichtig, ein anderer kurzgesichtig, die übrigen halten die Mitte. Besonders bemerkenswert ist der Schädel der Fürstin, auch er ist mesokran, doch in l m ) Nach der Untersuchung von W. WACKERNAGEL, Die Lebensalter, Basel 1862, bes. S. 46ff., fiel das Alter der Wehrhaftmachung im allgemeinen etwa in das 20. Lebensjahr. " ' ) Hierzu G. MILDENBEBGKB, Zur Vorgeschichte des thüringischen Stammes, in: Forschungen und Fortschritte 24, 1948, S. 79ff. , M ) GÖTZE, HÖFER, ZSCHIESCHE, S. 150. - Es könnte sich aber auch hier um zwei Friedhöfe entsprechend denen von Leuna und Merseburg-Süd handeln. 1 M ) SCHULZ, Haßleben, Anhang von FR. WEIDENREICH, S. 53ff., besonders Zusammenfassung S. 57f.

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WALTHEB SCHULZ

der fliehenden Stirn, dein Augenbrauenrelief, der Form der Nase und der Augenhöhlen weicht er auffällig von den übrigen, besonders von den weiblichen, ab. Er zeigt deu anderen gegenüber einen fremdartigen Einschlag, der nach Weidenreich nach den Osten weisen dürfte. Auch die Untersuchung des Schädelmaterials der Körperbestattungen von H ä v e n durch A. SCHLIZ hat zu einem auffallenden Ergebnis geführt196). Von den Schädeln der neun Gräber die aus Grab 1 und 2 nach den Bezeichnungen von Schliz „ostindogermanisch", nicht „germanisch im Reihengräbersinn", 3 Mischung europäischer Rundkopfform mit „turanischer" Gesichtsbildung, ähnlich sind auch Schädel 5 und 9; Schädel 4, 6, 7 weisen auf „rasseechte Turanier". Als Ganzes besteht eine Typenmischung, „deren Heimat auf die pontische Küste weist, und an der die Germanen nur geringen Anteil haben". Die Untersuchung von G. ASMTJS bestätigt das Gesamtergebnis197). Diese Ergebnisse könnten wohl einer Zuwanderungshypothese günstig sein, die auch R . BELTZ für H ä v e n angenommen hat. Anthropologische Einschläge also, die nach Auffassung der Bearbeiter nach den Südosten Europas weisen, sind in H a ß l e b e n und besonders in H ä v e n auffallend. Da nun die gesamten Kulturverhältnisse unter anderem auch östliche Zusammenhänge erkennen lassen, die aber nicht die Annahme einer eingewanderten Herrenschicht rechtfertigen, sind Sippenverbindungen durch Blutsaufnahme zu erwägen, wobei den Goten auch eine anthropologische Vermittlung zufallen könnte. Es wird hierdurch wieder die Beobachtung bestätigt, daß gerade die vornehmen Geschlechter seit je dazu neigten, weitreichende Beziehungen anzuknüpfen. Zur E i n o r d n u n g in die g e s c h i c h t l i c h e n

Zusammenhänge

Das 4. Jahrhundert gehört in Mitteldeutschland zu einer Zeit, in der wir zur Feststellung der Zeitgeschichte allein auf die vorgeschichtlichen Quellen, d. h. auf die Bodenfunde, angewiesen sind. In den Geschirrbeigaben der Gräber wirken noch Ereignisse aus dem S.Jahrhundert nach, Beziehungen zu den Grenzen des römischen Imperiums im Rheinlande, seien sie friedlicher A r t in Handelsverbindungen, sei es daß das die Zukunft bestimmende Ereignis dieser Zeit, die Durchbrechung des Limes und Einfälle in die Provinz, an der gewiß mitteldeutsche Germanen beteiligt waren, noch in den Grabausstattungen nachwirkte. Die Münzbeigabe in Grab 2, 1917, ein Aureus des nur fünf Jahre in Gallien herrschenden Soldatenkaisers Tetricus, dessen Münzen wiederholt in Mitteldeutschland gefunden wurden, zeugt von den verworrenen Verhältnissen in der germanischen Einfällen ausgesetzten Provinz. Doch die in den Gräbern mit reicher Geschirrausstattung ruhenden Männer waren an diesen historischen Ereignissen des 3. Jahrhunderts selbst nicht beteiligt, sondern ihre Väter haben bereits die Schätze gesammelt, die ihren Nachkommen als Totenausstattungen dienten, während in deren Zeit noch nicht ein entsprechender Bestattungsaufwand üblich war. Die Schätze und das feine Geschirr sind also in den Höfen gut verwahrt gewesen, wobei Silber- und Goldmünzen auch das Material zu dem erhöhten Schmuckaufwande geliefert haben. Andere Beziehungen machten sich seit der Zeit um 300 geltend, zu den Provinzialgebieten an der Donau, von wo wohl die vergoldete Zwiebelkopffibel aus Grab 5, 1926 eingeführt worden ist, und auf die vielleicht auch die Anregung zur Gestaltung der Nietsporen zurückgeht. Die feinen technischen Verfahren der Edelmetallschmiede werden wohl gleichfalls dort ihren Ursprung haben. Weiter erkennen wir ini 4.'Jahrhundert zunehmende Einflüsse seitens der an die Donau grenzenden Sarmaten und vielleicht auch vom Gebiete des schwarzen Meeres her, wo damals 1M)

Bei R . BELTZ wie Aiimc-rk. 10, S. 362.

1 ! ")

G. ASMUS, Die vorgeschichtlichen rassischen Verhältnisse in Schleswig-Holstein und Mecklenburg. Kin Bei-

trag zur RassengeSchichtc des urgermanischen Raumes. Neumünster 1939, S. 72ff. — Sie entscheidet sich für eine gotische Einwanderung, wobei sie offen läßt, ob es sich um eine Blutsmischung oder nur um Anschluß fremder Bevölkerungsbestandteile handelt. I n dem Schädel 9 von H ä v e n könnte sogar ein rass'enmäßiger Zusammenhang mit der steinzeitlichen Bevölkerung Mecklenburgs auf Grund der Skelettfunde von O s t o r f bestehen. Eine südöstliche Herkunft bevorzugt aber die Verfasserin aus archäologischen Gründen.

L e u n a , ein germanischer Bestattungsplatz der spätrömischen Kaiserzeit

73

Goten und Sarmaten siedelten. Was war aber von diesen Sippen übrig geblieben, als im 5. Jahrhundert das Reich der Thüringer seinen Aufstieg nahm? Daß wir die Sippe von Leuna nicht einwandfrei bis in diese Zeit hinein verfolgen können, war schon in der Einleitung gesagt, das gleiche gilt für die Sippe von Haßleben. Die auffallend frühe Sterblichkeit, die in Leuna festgestellt wurde, könnte das Erlöschen der Sippe erklären. Für H a ß l e b e n wird von WEIDENBEICH im allgemeinen ein höheres Lebensalter angegeben, das wohl in dieser Zeit als normal anzusehen ist198), doch gehört auch hier wieder die Fürstin mit einem Lebensalter zwischen 20 und 30 Jahren zu den frühest gestorbenen Erwachsenen. Für Leuna ist die Frage zu stellen, ob etwa die Verstorbenen Opfer einer Seuche gewesen sind199), oder ob ein üppiges Leben zum frühen Verfall der Lebenskraft geführt hat200). Es ist ferner anzunehmen, daß mitteldeutsche Sippen zu den Germanengruppen gehörten, die dem Gebiete am M.ittelund Oberrhein zustrebten und in der neuen Gemeinschaft der Alemannen und vielleicht auch der Burgunden aufgegangen sind. Für den Sippenfriedhof von T r e b i t z bei Wettin läßt sich die Belegung bis um 400 oder in den Beginn des 5. Jahrhunderts feststellen. Noch weiter in das 5. Jahrhundert reicht der Bestattungsplatz von Großörner, Krs. Eisleben, der durch ein Fürstengrab aus der Mitte des 5. Jahrhunderts hervorragt. Hiermit aber gelangen wir in eine Zeit, in der das Reich der Thüringer seiner Blüte entgegenging. Zwar kennen wir solche Ausstattungen mit Mitgabe mehrerer Pferde und der mit Gold geschmückten Trense aus der folgenden Zeit des Thüringer Reiches nicht mehr. Seit der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts werden auch hier Friedhöfe nach Art der Reihengräberfelder üblich, beginnend mit dem von Reuden, Kr. Zeitz, dem sich die bekannten größeren und zeitlich weiter reichendenBestattungsplätze von W e i m a r , Obermöllern und Stössen, im Norden Mitteldeutschlands auch der von Schönebeck anschließen. Die Besitzungen des ersten historisch bezeugten Königs der Thüringer Bisin haben anscheinend da gelegen, wo die Ortsnamen Bösenburg und Besenstedt an ihn erinnern, nicht weit von den genannten Fundplätzen von T r e b i t z beiWettin und vonBurgörner. Da nun der Name der Thüringer als TORINGI zuerst in der Mulomedicina des VEGETIUS 3, 6, 3 am Ausgang des 4. Jahrhunderts

bezeugt ist und da anzunehmen ist, daß das Aufkommen des Namens nicht mit der zufälligen ersten Erwähnung, die sich auf Thüringer Pferde bezieht, zusammenfällt, können wir den Namen mindestens bereits im 4. Jahrhundert, d. h. in der Zeit der reich ausgestatteten Beerdigungsgräber voraussetzen. In dieser Zeit dürften wir mit dem Namen des auf mitteldeutschem Boden erwachsenen Reiches der Völkerwanderungszeit wohl ebenso die Anfänge der Staatsbildung annehmen; in einer Zeit, in der auch gesellschaftlich der Beginn der Auflösung altgermanischer Ordnung sich in dem Bestattungsbrauche kundtut. 18e) Nach WEIDENBEICH wie Anmerk. 195, S. 55f. Lebensalter der Fürstin „im 3. Lebensdezennium", der Bestatteten Grab 4 (Mann) 30-40, Grab 6 40, Grab 9 20, Grab 10 40-50, Grab 16 50, Grab o.Nr. etwa 40 Jahre, dazu Kindergräber. 199) So für das Gräberfeld der Zeit um 400 von Groß-Sürding wahrscheinlich. — L. F. ZOTZ, Die spätgermanische Kultur Schlesiens im Gräberfeld von Groß-Sürding, 1935, S. 43ff., besonders S. 56. 20°) Es sei darauf hingewiesen, daß bereits dem Jüngling Grab 2, 1917 ein vollständiges Weingeschirr mitgegeben war.

A N H A N G

I

Anthropologische Bemerkungen zu den Gräbern von Leuna (4. Jahrh. n. Ztr.) mit 20 Textabb. u. 2 Tafeln (XXXVII u. XXXVIII)

Von

H A N S GRIMM,

Berlin1)

I. Der Erhaltungszustand der mir zur Untersuchung überlassenen körperlichen Überreste aus den Gräbern von L e u n a ist so verschieden, daß es zweckmäßig ist, zunächst jedes Grab für sich zu schildern und erst dann eine zusammenfassende Betrachtung anzuschließen. Grab 1,1926 (26: 668a) Knochen von bleich-hellbrauner Farbe. Keine Schädelreste. Kleine Bruchstücke von Rippen und vom Becken. Ein Bruchstück des rechten Femurs läßt eine kräftige „Pilasterbildung" erkennen. Reste der Tibia und Fibula. Reste von Fußwurzelknochen, darunter je ein vollständiger Talus und Calcaneus (links). An letzterem ist die Facies articularis talaris distalis von der F. a. t. media getrennt. Grab 3, 1926 (26 : 670a) Knochen yon hellbräunlicher und hellgraubräunlicher Farbe, stark korrodiert, so daß z. B. an den Knochen der unteren Extremitäten die Compakta nur noch inselweise steht. Einige hauptsächlich aus Spongiosa bestehende Bruchstücke (Wirbelkörper oder Fußwurzelknochenreste ?) sind stellenweise dunkelgrün verfärbt. Vom Schädel, außer zahlreichen kleineren Bruchstücken, nur die linke Hälfte einer Calvaria, verdrückt und stark defekt, vorhanden (Taf. XXXVII, Abb. 1 und 2). Die Nähte des Schädels sind noch offen. In der Draufsicht (Norrna verticalis) ergibt sich eine Sphenoides- bis Ovoidesform. Die Vorderansicht (N. frontalis) zeigt kaum angedeutete Überaugenbögen und vermutlich hoch-rechteckige Augenhöhlen, die Seitenansicht (N. lateralis sinistra) eine ziemlich steile Stirn mit angedeuteten Tvhera frontalia. In der Pteriongegend stoßen die große Keilbeinschaufel und das Parietale in einer etwa 20 mm langen Naht zusammen. Die Nasenwurzel war vermutlich eingezogen. Die Basalansicht (ein Teil der rechten Maxilla ist erhalten) läßt an den leeren Alveolar flächen erkennen, daß im Leben auf der linken Seite des Zahnbogens noch sämtliche Zähne vorhanden waren. In den Alveolen stecken noch: P 1 und P 2 , M2 und M3, sämtlich nur ganz wenig abgekaut. Fünf lose Zähne sind gut erhalten. Auf dem Boden der rechten Oberkieferhöhle erhebt sich vor M3 eine kleine Scheidewand, auch am anderen Ende des Sinus maxillaris ist durch eine Leiste eine Kammerung angedeutet. Die Quernaht des Gaumens zeigt eine geringe Ausbiegung nach vorn. Die linke Vorderkante des Os palatinum liegt 2 mm weiter vorn als die rechte. — Die pars orbitalis des Stirnbeins zeigt auf der Innenseite sehr ausgeprägte Impressiones gyrorum und Juga cerebralia. Da J O S E T erst kürzlich gezeigt hat, daß eine völlige Übereinstimmung zwischen der Knochenkonfiguration auf der Innenseite der Schädelbasis und den Hirnwindungen bzw. -furchen besteht, liefert ein Gipsausguß der erhaltenen linken Fossa cranii frontalis eine genaue Wiedergabe vom Stirnpol der Facies basialis encephali (Taf. XXXVII, Abb. 3 und 4), die durch die Betonung der pars triangularis der unteren Stirnwindung und durch eine gewisse Kompliziertheit der Gyn orbitales — von der üblichen „H-Figur" abweichend — auffällt. — Vom Körperskelett sind nur wenig Reste vorhanden. Ein Bruchstück der linken Beckenhälfte gestattet einen großen Vertikaldurchmesser (55 mm) der Hüftgelenkspfanne festzustellen. Der Femur, links als Bruchstück erhalten, hat ein steil aufsteigendes Collum und mäßige !) Abt. für Anthropologie und Konstitutionsbiologie am Psychologischen Institut der Humboldt-Universität,

HANS GRIMM, Anthropologische Bemerkungen zu den Gräbern von Leuna (4. Jahrh. n. Ztr.)

75

Pilasterbildung besessen. Die größte Länge des Restes beträgt 356 mm. Aus dem Vergleich mit den Resten aus 26 : 672a läßt sich vermuten, daß der Oberschenkelknochen über 400 mm lang gewesen sein dürfte, wahrscheinlich annähernd die Länge wie die Stücke aus dem genannten Grab hatte. Grab 4,1926 (26:671a): Knochen von hellgelblich-grauer Farbe. Ein Cranium (Taf. XXXVII, Abb. 5 bis 8) mit korrodierter Oberfläche (Ätzspuren von Pflanzenwurzeln), besonders im Bereiche des Hinterhaupts. Defekte im Bereiche der Asteriongegend beiderseits, der Schläfenbeine beiderseits und der Augenhöhlen beiderseits, sowie beider Oberkieferhälften, links stärker als rechts. Am Unterkiefer fehlt der Gelenkfortsatz beiderseits, rechts außerdem der Processus muscularis. Sämtliche Schädelnähte in allen Partien mit Ausnahme der Pars obelica der Sut. sagittalis noch offen. Die Normo, verticalis zeigt eine Pentagonoidesform mit kegelförmiger Verschmälerung des Hinterhauptes. Die Jochbögen sind fast kryptozyg. Sehr deutliche Tubera parietalia. In der Norma frontalis ergibt sich eine deutliche Firstbildung am Hirnschädel. Die Tubera frontalia sind mäßig ausgebildet, die Überaugenbögen schwach ausgeprägt. Die Augenhöhlen haben einen niedrig-rechteckigen Umriß. Die Apertura piriformis ist mittelbreit. Der Oberkieferanteil des Gesichtsschädels wirkt auffällig schmal. Die Norma sagittalis sinistra läßt eine steile Stirn erkennen. Die größte Höhe der Schädelwölbung liegt im vorderen Drittel der Sagittalnaht. Stark ausladendes Hinterhaupt. Pteriongegend zerstört. Warzenfortsatz mittelgroß. Die N. lateralis dextra gestattet folgende Ergänzungen: Jochbogen relativ zart, in der Pteriongegend Scheitelbein und Keilbeinflügel in etwa 12 mm langer Naht zusammenstoßend. Nasenwurzel eingezogen. In der Norma occipitalis kann man eine leichte „Bombenform" und geringe Firstbildung feststellen. Das Muskelrelief des Planum wuchale ist schwach. Im Bereiche der linken und rechten Lambdanaht mehrere Nahtknochen zwischen 4mal 10 und 15mal 20 mm. Als auffälliger Befund muß eine deutliche quere Naht gelten, die die Squama occipitalis in einen oberen und unteren Schuppenanteil zerlegt. Die Norma basilaris zeigt ein ellipsoid gestaltetes Foramen occipitale magnum und noch einmal die starke „Zuspitzung" des Hinterhaupts. Der rechte Condylus occipitalis ist stärker gewölbt als der linke. Die Grista supramastoidea ist sehr schwach ausgebildet. Der Zahnbogen des Oberkiefers ist fast U-förmig, der Gaumen hoch und schmal. Die eröffnete rechte Oberkieferhöhle ist ungekammert. Die Mandibula zeigt ein deutliches Positivkinn und wenig steil aufsteigenden Ast links. Die Goniongegend links ist schwach ausgekrempt. Das Innenrelief des Corpus mandibulae ist sehr deutlich. Beiderseits ist im Bereiche der Prämolaren ein „Toms mandibularis" ausgebildet (Taf. XXXVIII, Abb. 2). Von den Zähnen fehlen im Oberkiefer I 1 und I 2 (mit dem Alveolarkamm ausgebrochen), P 1 links (nachträglich ausgefallen), M1 links (Alveole geschlossen) und die darauffolgenden Molaren (Maxilla abgebrochen). Rechts fehlt Ma (Alveole geschlossen). Im Unterkiefer fehlen rechts Mx (Alveole geschlossen) und I , , links (diese beiden Inzisiven nachträglich ausgefallen) und Mx (Alveole halb geschlossen). Die Zähne der rechten Seite sind viel stärker abgekaut als links. Es fällt die starke Schrägstellung der Abnutzungsflächen, vor allem beim 2. Prämolaren und Molaren rechts und beim 3. Molaren links auf (Taf. XXXVIII, Abb. 3). Herrn Oberarzt Dr. P L A T H N E K (Universitäts-Zahn- und Kieferklinik Halle/Saale) verdanke ich hierzu folgende Bemerkungen: „Soweit man das nach dem Foto (Taf. XXXVIII, Abb. 1) allein beurteilen kann, handelt es sich um ein kräftiges Gebiß eines ausgewachsenen Mannes, kariesresistent und infolge ausgiebiger funktioneller Beanspruchung mit starken Abrasionsflächen (siehe Eckzähne und Frontzähne), wie wir es auch heute noch ab und zu zu Gesicht bekommen. Die Okklusionslage ist infolge des sog. ,Kopfbisses' als besonders günstig zu beurteilen, da die Zähne vornehmlich in senkrechter Richtung beim Fehlen ungünstiger horizontaler Schubkräfte belastet werden. Damit stimmt auch überein das verhältnismäßig gut erhaltene paradentale Knochenbett. — Dieses ist in stärkerem Maße geschädigt an den letzten Molaren im rechten Ober- und im linken Unterkiefer. Diese paradentalen Schäden sind zum Teil direkt, zum Teil indirekt bedingt durch die Lücken im Gebiß, ebenso wie die belastungsmäßig bedingte besonders starke Schrägabrasio an einzelnen Molaren. Vermutlich hat auf der linken Seite der frühzeitige Verlust des 2. Molaren im Oberkiefer zu dem Herauswachsen und der Nichtabrasio des unteren 2. Molaren geführt. Zusammen mit dem Verlust des 1. unteren Molaren ist der starke Abschliff des unteren Weisheitszahnes entstanden. — Nicht klar ersichtlich ist aus den Fotos, ob die Nonokklusion des 1. rechten oberen Schneidezahnes und des rechten oberen 1. Prämolaren auf eine Impression oder etwa auf Kronenfraktur zurückzuführen ist. — Die Lücke von rechts unten 6

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Anhang I

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Abb. 1—4. Leuna, Femurquerschnitte unterhalb des Trochanter minor Abb. 5—8. Femurquerschnitte in der Diaphysenmitte. Von links nach rechts: 2 6 : 668a, 670a, 671a, 672a. Abb. 9, 10, 13 und 14. Dasselbe bei völkerwanderungszeitlichen Funden aus Berlin-Britz (n. Gbimm 1952). 9 und 13: Mann, 30—35 Jahre; 10 und 14: Mädchen, 16 Jahre Abb. 11, 12, 15 und 16. Tibiaquerschnitte bei den Funden aus Britz, oben: am unteren Ende der tuberositas tibiae, unten: Diaphysenmitte. 11 und 15: Mann, 30—35 Jahre; 12 und 16: Mädchen, 16 Jahre Abb. 17—20. Leuna, Querschnitte durch die Tibia in der Diaphysenmitte. Von links nach rechts: 26 : 668a, 670a, 671a, 672a

H A N S GRIMM,

Anthropologische Bemerkungen zu den Gräbern von Leuna (4. Jahrh. n. Ztr.)

77

macht übrigens durchaus den Eindruck einer gut verheilten ,Extraktionswunde', d. h. es sind auch die Wurzeln offenbar mit entfernt." Am Objekt ergibt sich, daß beim 1. Prämolaren rechts im Leben möglicherweise eine Karies bestanden h a t : nach lingual große Kavität. Werden die Zähne auf der rechten Seite zur Okklusion gebracht, so steht bereits der innere obere Schneidezahn dieser Seite zurück. Auch der Caninus links oben steht nach innen, noch weiter nach innen, ohne Okklusion, steht dann der 2. Prämolar links. Daß in der Lücke bei rechts unten 6 auch die Wurzeln fehlen, ist inzwischen auch röntgenologisch gesichert (Taf. X X X V I I I , Abb. 4). Der Oberschenkelknochen ist in dorsoventraler Richtung deutlich gekrümmt, er zeigt einen großen Trochanter minor und starke Pilasterbildung (Textabb. 7). Die Crista intertrochanterica ist besonders kräftig, die Halsstellung von geringer Steilheit. An den beiden Fersenbeinen ist die Facies articularis talaris distalis mit der F. a. t. media zu einer einheitlichen Gelenkfläche verschmolzen. Dabei ist der distale Anteil sehr schmal. Links ist die distale Gelenkfläche uneben, medial mit kleinen Randzacken versehen. Auch der mediale Rand der Facies articularis talaris proximalis erhebt sich zu einer Randleiste. Am rechten Fersenbein sind diese Veränderungen nur angedeutet. Grab 5,1926 (26: 672a) Knochen von hellbräunlicher Farbe, mit ziemlich glatter Oberfläche (einzelne Korrosionsstellen mit Ätzspuren von Pflanzenwurzeln). Kranium mit Defekten im Bereiche des Schläfenbeins und Gesichtsschädels (laterale Partien der Orbita und des Jochbogens) rechts und der Schädelbasis (Taf. X X X V I I , Abb. 9 bis 12). Beide Jochbogen zerbrochen. Die rechte Hälfte der Lambdanaht klafft stark. An der Mandibula ist der Gelenkkopf rechts abgebrochen. In der N. verticalis ergibt sich eine Ovoides-Form. Linkes Scheitelbein und linke Hinterhauptsschuppe sind stärker ausgewölbt. Der Nahtbefund ist eigentümlich: Die Sagittalnaht ist vollständig obliteriert, ebenso die Nähte im Bereich der Asterionpunkte. Alle übrigen Nähte sind dagegen noch offen. Im Bereiche des Bregma ist ein kleiner Nahtknochen von etwa 18 x 12 mm Größe eingefügt. Ein Foramen parietale rechts der Mittellinie. Schwache Phänozygie. In der Norma frontalis wirkt der Schädel hoch und schmal. Mäßige Firstbildung. Die Augenhöhlen sind hoch-rechteckig mit deutlich von medial oben nach lateral unten fallender Längsachse. Die Überaugenbögen sind mäßig ausgebildet. Die Apertura piriformis ist sehr schmal. Die N. lateralis sin. zeigt eine mäßig geneigte Stirn. Die größte Höhe der Schädelwölbung findet sich zwischen dem ersten und zweiten Viertel der Sagittalnaht. Zwischen Bregmapunkt und größter Höhe liegt eine geringe Einsattelung. Das Hinterhaupt ist stark gewölbt. Die Protuberantia occipitalis externa ist schwach ausgebildet. In der Pteriongegend stoßen Keilbeinschaufel und Scheitelbein in etwa 18 mm langer Naht zusammen. Die Nasenwurzel ist tief eingezogen, der Nasenstachel ist sehr kräftig und entspricht der Nr. 4 in Brocas Schema. Der Processus mastoideus ist mittelgroß, ebenso in der N. lateralis dextra. Die Anordnung der Nähte in der Pteriongegend ist die gleiche wie links, die Satura sphenoparietalis ist hier nur etwa 8 mm lang. I n der Norma occipitalis zeigt sich eine Hausform, beinahe schon Zeltform, die Firstbildung ist deutlich. Die N. basilaris läßt ein rhomboidisches Foramen occipitcäe magnum erkennen. Das Muskelrelief auf dem Planum nuchale ist mäßig ausgebildet, links kräftiger als rechts. Der Zahnbogen im Oberkieferist paraboloid. Die Transversalnaht im knöchernen Gaumen ist ohne größere Exkursionen (Typ A nach Stieda), rechts schwach nach vorn gekrümmt. Die Mandibula zeigt am rechten Unterkieferwinkel eine stark dunkelgrüne Verfärbung. Es besteht ein deutliches Positivkinn mit kräftigem Trigonum mentale. Das Gonion ist vor allem rechts deutlich ausgekrempt. Die Linea mylohyoidea ist scharf, rechts mehr als links, die Spinae mandibulae mäßig deutlich ausgebildet. Der Zahnbogen ist paraboloid, mit stark divergierenden Ästen. Von den Zähnen gingen im Leben verloren: M1 und Mj rechts, P 2 , M t , Ma links. Von Mx steckt noch eine Wurzel. Es sind nachträglich ausgefallen: I 1 , C, M3 links. Der dritte Molar rechts ist nur ganz schwach abgekaut, sonst ist eine starke Abkauung festzustellen. M2 rechts zeigt nach distal eine reiskorngroße Kavität. Das Kreuzbein ist stark gekrümmt, breit und hypobasal. Die Nähte zwischen den einzelnen Sakralwirbelkörpern, besonders 3 und 4, sind noch deutlich erkennbar. Der Oberschenkelknochen ist schlank, in dorsoventraler Richtung schwach gekrümmt, mit steil aufsteigendem Collum. Der kräftige Pilasterzug ist in mehrere Kanten aufgelöst.

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Anhang I

An den beiden Fersenbeinen sind wiederum die distale und die mittlere Facies articularis talaris miteinander verschmolzen. Grab 6, 1926 (26; 674a-d) Knochen von gelblichgrauer bis bräunlicher Farbe. Vom Schädel nur Bruchstücke. Nähte im Beginn der Obliteration. Zahnbogen breit, paraboloid. Die offene linke Oberkieferhälfte weist als kleine Besonderheit eine Scheidewand zwischen P 1 und P 2 von etwa 5 mm Höhe auf. Die rechte ist ungekammert. Vom linken Zahnbogen fehlt nur I 1 (nachträglich ausgefallen). Vom rechten Halbbogen sind nur die 3 Molaren und die angebrochene Alveole von P 2 erhalten. Die Zähne sind stark abgekaut. Die Clavicula zeigt eine sehr starke S-Schwingung. Auf einem Notizzettel ist „Oberarmbruch und Rippenbruch" vermerkt, jedoch ist ein Beleg für eine Rippenfraktur in dem Knochenmaterial nicht aufzufinden. Sehr interessant ist die Veränderung im proximalen Drittel des linken Humerus (Taf. X X X VIII, Abb. 5 bis 7). Der unterhalb des kräftigen Kopfes (mit einem sehr tiefen Sutern intertuberculari-s) sitzende Schaftteil ist verdickt und zeigt unregelmäßige Kalluswucherungen, die auf der Beugeseite mit Spangenbildungen eine tiefe Rinne überbrücken, die medial in Form eines Tunnels beginnt und lateral in Form eines Schlitzes endigt. Unterhalb dieses Kallus verläuft der Schaft nach medial und ventral abgebogen. Es handelt sich um eine in dislozierter Stellung verheilte Fraktur. Anhaltspunkte für die Wirkung einer Waffe oder für eine Osteomyelitis bestehen nicht 1 ). Grab 7, 1926 (26:675a) Knochen von hellbräunlicher Farbe. Bruchstücke des Schädels, 5 Wirbel, darunter der Atlas, Rippenbruchstücke, Reste beider Schulterblätter. Rest des rechten Femurs und des linken Humerus. Die Schädelnähte sind mit Ausnahme einiger in Obliteration befindlicher Teile der Sagittalnaht noch offen. In der rechten Maxilla ist der 3. Molar erst im Durchbruch, der 2. Molar ist erst schwach abgekaut. Der eben durchbrechende M3 zeigt zentral bereits eine Kavität. Vom Unterkiefer sind nur Bruchstücke und einige lose Zähne vorhanden. Der Oberschenkelknochen zeigt einen kurzen, dicken, wenig aufsteigenden Hals und sehr kräftigen Trochanter minor. Vom Humerusrest fehlen beide Epiphysen, das restliche Stück ist immer noch 246 mm lang. Grab 8, 1926 (26:673a) Knochen von hellgrau-brauner Farbe. Erhalten nur einige Bruchstücke vom. Hirnschädel, etwa 6 mm dick, mit Nahträndern, und vom Oberkiefer links sowie vom Korpus des Unterkiefers. Der Boden der linken Oberkieferhöhle ist ungekammert. Die Quernaht des Gaumens zeigt keine auffälligen Ausbiegungen. Die Mandibula zeigt ein sehr deutliches Positivkinn, dabei ist das Trigonum mentale nicht sehr deutlich abgesetzt. Die Innenseite des Corpus mandibulae hat ein mäßig ausgebildetes Relief, keine scharfe Linea mylohyoidea, nur mäßig hohe Spinae mandibulae. Die 24 Zähne aus den' kontrollierbaren Partien der Kiefer waren beim Tode des Individuums noch vorhanden. Der Eckzahn unten rechts und der 1. Schneidezahn oben links sind nachträglich ausgefallen. Lose sind noch vorhanden: die oberen Prämolaren und 1 oberer innerer Schneidezahn. Mit Ausnahme der 3. Molaren sind die Zähne stark abgekaut. Ferner sind vorhanden: 2 Wirbelkörperreste, das proximale Ende der rechten Fibula, Bruchstücke der Humeri (ohne proximale Epiphyse rechts, links nur 1 Diaphysenbruchstück). Von der IJlna ist das proximale Ende rechts vorhanden. Eine stark geschwungene Clavicula ist rechts erhalten geblieben. Die rechte Tibia ist zwar zerbrochen, aber in der ganzen Länge erhalten. Sie fällt durch eine besondere Schmalheit und eine schwache Krümmung nach innen auf (Textabb. 20). Von der linken Tibia liegt nur ein Rest der Diaphyse vor. II. Unter Zuhilfenahme der Zahlenangaben in Tabelle 1 und 2 lassen sich auf Grund der oben beschriebenen Merkmale folgende Diagnosen stellen: 1

) Herrn Oberarzt Dr. SCHRÖTER, Poliklinik des Zentralinstituts für Sozial- und Gewerbehygiene, BerlinRummelsburg, sei für die Beurteilung der Fraktur bestens gedankt.

H A N S GRIMM,

Anthropologische Bemerkungen zu den Gräbern von Leuna (4. Jahrh. n. Ztr.)

79

Tabelle 1: Schädelmaße Nr. des Maßes bei Martin

Bezeichnung des Maßes

1 5 7 8 9 10 11 12 13 16 17 23 24 25 26 27 28 . 29 30 31 45

ba - o eu - eu ft - ft au - au ast — ast mast — mast Breite d. foram. magn. ba.r- b (Umfang) g - op po po n o n^b

110 111 (148) (108)

b- 1 1-0 zy -

zy

n - gn n — pr

54

Nasenbreite n - ns

62

sta - ol enm - e n m kdl - kdl go-go id - gn Dicke d. Corp. mand. Dicke d. Corp. mand. i. Ber. d. for. ment. Asthöhe Astbreite

99 118 129 (107) 112 . 32 136 548 311 402 130 119 153 112

bol 1^0 n-b

55

69(3) 70 71

(103)

CO — CO

mf — ek Orbitalhöhe

-

195 94 38 152

g - op n — ba

47 48 51 52

63 65 66 69

26: 670

26: 671

Ii. (40,5) (31)

re. (37) (28) 26

26: 674

26: 675

191 101 35 147 93 121 (131) (112) (31) 139 537 312 390 136 123 131 116 113 102 (109) (65) Ii. (40,5) (35) 22 50,5 45

(44) (40)

Katalognummer 26: 26: 672 673

31

38,5 118,5

(97) 36 16 16

104 28

(33)

31

16 11 64,5

(40)

29 13 15

12

Grab 1, 1926 (26 : 668) Mann unbekannten Alters, mittelgroß (mindestens 168 cm). Grab 3, 1926 (26 : 670) Junger Mann, 20 bis 25 Jahre alt, unbekannter Standhöhe, vermutlich dolichokran. Grabé,

1926 (26 ; 671)

Mann, 25 bis 30 Jahre alt, untermittelgroß (etwa 163,5 cm), mesokran (Längenbreitenindex des Schädels = 77,9).

81

Anhang I Tabelle 2

Nr. des Maße bei Marti

Katalognummer Bezeichnung des Maßes

26: 668

26: 670 re. Ii.

26: 671

26: 672

1 3 4 7a

HUMERUS: ganze Länge obere Epiphysenbreite untere Epiphysenbreite Umfang der Mitte

320 47 63 68

1 3 4a 5a

RADIUS: größte Länge kleinster Umfang transversaler Durohm. d. Schaftmitte sagittaler Durchm. d. Schaftmitte . .

229 40 14 11,5

248 40 15 12

1 3 6 11 12

ULNA: größte Länge kleinster Umfang Breite des Olekranon dorsovolarer Durchmesser transversaler Durchmesser . . :

225 39 25,5 13,5 18,5

273 38 26,5 15,5 17,5

1 9 12

HÜFTBEIN: Beckenhöhe Darmbeinhöhe Darmbeinbreite

2 6 7 9 10 21 29

FEMUR: ganze Länge 4 5 5 (Brachst.) sagittaler Durchm. d. Diaphys.-mitte . . 32 transvers. Durchm. d. Diaphys.-mitte . 31 sagitt. Durchm. d. ob. Diaphys.-dritteis 32,5 transv. Durchm. d. ob. Diaphys.-drittels 27,5 größte Epikondylenbreite 125,5° Collo-Diaphysenwinkel

(318) 334 47 50 (61) 60 65 68

26: 673

26: 26: 674 675 re. Ii. re. Ii. re. Ii.

336 (48) 60 65 63

250 41 15 13

58

238 41 15,5 12

38 (26,5) 14 19

234 149 162

427 461 429 31 32 31 31 30 28,5 (32) 35 36,5 30,5 30 26,5 27,5 27 (79) 82 134° 127' 127,5° (28)

32)

1 3 6 8 9

TIBIA: ganze Länge proximale Epiphysenbreite distale Epiphysenbreite transvers. Durchm. d. t)iaphys.-mitte . sagittaler Durchm. d. Diaphys.-mitte . .

23 25

2 3 4(1

FIBULA: größter Durchmesser . kleinster Durchmesser obere Epiphysenbreite

16,5 10,5 25,5

1 2 3 12 13

TALUS Länge Breite Höhe Länge d. fac artic. calc. post, Breite d. fac artic. calc. post.

55 46 32,5 34 22

1 4 8 9 10

CALCANEUS: größte Länge Höhe mittlere Breite Länge d. fac. artic. post. Breite d. fac. artic. post.

85 47 45 35 22

352 77 53 22 29

380 79 51 24 23 30,5 30 78

50 44 30

76 42 42 30 25

80 43 42 31 25

460 32 28 32 27 82 128'

55 44 32,5 33 24

87,5 40,5 43 33 26

88 42,5 43 31,5 25

126°

358 77 47 20,5 34

HANS GRIMM, Anthropologische Bemerkungen zu den Gräbern von Leuna (4. Jakrh. n. Ztr.)

81

Grab 5, 1926 (26 : 672) Mann, 30 Jahre alt, übermittelgroß (etwa 170 cm), mesokran (Längenbreitenindex des Schädels = 77,0). Grab 6, 1926 (26 : 674) Mann, 25—30 Jahre alt, unbekannter Standhöhe. Grab 7, 1926 (26 : 675) Junger Mann, 20—25 Jahre alt, unbekannter Standhöhe. Grab 8, 1926 (26:673) Mann, 20—30 Jahre alt, untermittelgroß (164,5 cm). Es handelt sich also um eine relativ jugendliche Gruppe. Das mittlere Alter beträgt wenig über 25 Jahre 1 ). Die Menschen waren etwa mittelgroß, mit Schädeln mit mittlerer Langförmigkeit. Der Bau des Kopfes und des Rumpfes variieren offensichtlich. Die beiden einigermaßen vollständig erhaltenen Schädel sind zwar schmalstirnig (stenometop, transversaler Frontoparietalindex für 671 = 65,1, für 672 = 63,3), jedoch ist 671 chamaekran (Längenhöhenindex = 69,7), tapeinokran (Breitenhöhenindex = 89,5), hinterhauptsschmal (transversaler Parietookzipitalindex = 54,9) und parallelstirnig (Index aus kleinster und größter Stirnbreite = 84,0). 672 dagegen ist orthokran (Längenhöhenindex = 72,8), metriokran (Breitenhöhenindex = 94,5) und kugelstirnig (Index aus kleinster und größter Stirnbreite = 76,9). 671 ist chamaekonch (Orbitalindex = 75,6), 672 hypsikonch (Orbitalindex = 86,5)', dieses Individuum war auch brachystaphylin (breitgaumig, Längenbreitenindex des Gaumens = 85,6), wie übrigens 670, bei dem der Index 91,0 beträgt. Dazu war 672 auch leptorrhin (schmalnasig, Index = 43,5). Hinsichtlich des Femurquerschnittes verhalten sich nach (Textabb. 1 bis 4 und Tab. 3) die Knochen eurymer (670) bis platymer. Man vergleiche die sehr kräftigen Muskelmarken etwa mit dem fast runden und dünnen Querschnitt des grazilen Mädchens von Britz (Textabb. 10 und 14). Tabelle 3: Index

platymericus •

668 670 671

re. Ii. re. Ii.

672

84,7 93,8 75,7 75,4 88,5 84,4

Die Querschnittsverhältnisse der Tibia führen nach Textabb. 17 bis 20 und nach Tab. 4 bis zur Platyknemie. Tabelle 4: Index 671 672 673a

re. 92 re. 78,7 re. 60,3

cnemicus li. 76 li. 76,6

(euryknem) (euryknem) (platyknem)

Bei Einbeziehung des Grabes 17 : 452 (= 1917, Grab 3), von dem ein Skelett nicht erhalten ist, sinkt das Durchschnittsalter noch weiter. Nach freundlicher brieflicher Mitteilung von Prof. W. SCHULZ betrug die aus der Lage des Goldobulus im Munde und der Sporen an den Füßen zu vermutende Körperlänge etwa 150 cm, einem Alter von etwa 13 Jahren entsprechend. Die Zierlichkeit der Silbersporen weist allerdings auf ein noch niedrigeres Alter hin. Andererseits wurde dem Skelett aus dem bereits 1834 gefundenen Grabe, dessen Inhalt in das Britische Museum, London, gelangt ist, ein Alter von etwa 30 Jahren zugeschrieben. Rechnet man es ein, so bleibt es bei dem Durchschnittsalter von wenig über 25 Jahren.

82

Anhang I

Mit der Querschnittsform des Oberschenkelknochens scheint das Längenbreitenverhältnis des Sprungbeins in Beziehung zu stehen. Tab. 5 läßt vermuten, daß mit zunehmender Abweichung vom runden Querschnitt des Femurschaftes (fallender Index platymericus) infolge relativen Anwachsens des Querschnittsdurchmessers auch die Breite des Talus relativ größer wird. Tabelle 5 Nr. 672 668 671

Längenbreitenindex des Talus 80,0 83,7 88,0

Index platymericus 8 4 , 5 : 88,5 84,7 7 5 , 7 : 75,4

Seitdem E U L E R gezeigt hat, daß der Zahn und sein Halteapparat einschließlich des paradentalen Knochenbettes das feinste Reagens auf jede Veränderung im Stoffwechselgeschehen usw. bilden, bietet gerade das Studium der Gebiß Verhältnisse wichtige konstitutionswissenschaftliche Aufschlüsse. Die Karieshäufigkeit entspricht dem bisher Bekannten: DOERLICH fand in Mitteldeutschland aus der frühgeschichtlichen Zeit (Zeitwende bis 800 n. Ztw.) unter 552 Zähnen 15 kariöse = 2,72% mit einer unteren Mutungsgrenze 1 ) von 0,65% und einer oberen von 4,79%. Aus Leuna, 4. J h . n. Ztw., stehen uns 101 Zähne, darunter 3 von Karies befallene zur Verfügung. Die Karieshäufigkeit von 2,98% muß also hier zwischen einer unteren Mutungsgrenze von 0,61 und einer oberen von 13,03% liegen. Größenordnungsmäßig besteht also fast völlige Übereinstimmung. Ob das Material aus Leuna seinerzeit von DOERLICH mituntersucht worden ist, ist nicht zu ermitteln, da er keine genaueren Angaben über die Herkunft seines Materials macht, sondern nur die benutzten Sammlungen selbst nennt. III. Vergleichsmaterial ist nicht allzu reichlich vorhanden. W E I D E N R E I C H weist darauf hin, daß die Reihengräberschädel in Mitteldeutschland und im Gebiet nördlich und östlich der Elbe niedergesichtig sind, und reiht die von ihm bearbeitete „Haßleber Gruppe" dort ein. Sie enthielt ein dolichokranes Exemplar, sonst Mesokrane bis an die Grenze der Brachykranie. Ein männliches Skelett (Grab 16) war etwa 169 cm groß, das weibliche aus Grab 8 (sog. „Fürstengrab") etwa 165 bis 167 cm. Diese Gruppe hatte also wohl eine etwas größere Körperhöhe als die Leunaer. Gegenüber den Durchschnittsmaßen beider von H O L T E R beschriebener Männerschädel (XI und XIV) von Obermöllern aus der Zeit des alten Thüringens kennzeichnen die Durchschnittsmaße aus den Schädeln von Leuna einen kürzeren Schädeltypus von geringerem Horizontalumfang und ldeinerem Transversalbogen, von geringerer Obergesichtshöhe, mit kleinerer (vor allem niedrigerer) Augenöffnung, kürzerem und schmälerem Gaumen, geringerer Unterkieferwinkelbreite und Kinnhöhe. Größer als bei den Stücken aus Obermöllern ist nur die Hirnschädel- und Jochbogenbreite. Annähernde Gleichheit besteht in bezug auf den Horizontalumfang, den Mediansagittalbogen, die kleinste Stirnbreite und die Nasenöffnung. Auch gegenüber den Schädelresten eines Mannes aus einem völkerwanderungszeitlichen Grabe bei Britz (vgl. GRIMM, 1952) weisen — bei etwa gleichen Dimensionen der Augenöffnung — die Leunaer Schädel im Durchschnitt die geringere Stirnbreite, Obergesichtshöhe, Nasenbreite und Gaumenlänge auf. Größer als beim Britzer Fundstück ist nur die Gaumenbreite und die Nasenhöhe. Man gewinnt schon aus diesen metrischen Beziehungen den Eindruck, daß die Leunaer Gruppe bei aller Muskelkräftigkeit, die aus den Eigentümlichkeiten der großen Längsknochen ersichtlich wird (vgl. Textabb. 5 bis 8, besonders klobig ist der Femur bei 675-gewesen), doch eine für Männer ungewöhnliche Grazilität im Bau des Gesichtes aufgewiesen hat. Sie muß besonders auffällig gewesen sein bei 671, bei dem die Persistenz der fetalen Trennungslinie der Hinterhauptsschuppe (Sut. occipitalis transversa1), der hohe und sehr schmale Gaumen mit der mangelnden Okklusion der Zähne und schließlich die geringe Körperhöhe auf eine gewisse E n t ') Für k = 3, vgl. die bei WEBER 1948 abgedruckten v. ScHELLiNGSchen Tafeln. Die Zuverlässigkeit seiner

Schlüsse über die Häufigkeit der Karies hat DOERLICH weit überschätzt.

HANS GBIMM, Anthropologische Bemerkungen zu den Gräbern von Leuna (4. Jahrh. n. Ztr.)



83

Wicklungshemmung schließen lassen. In diesen Zusammenhang gehört noch, daß kleine arthrotische Veränderungen sich an den Fußwurzelknochen nachweisen lassen und ein Molar offenbar frühzeitig entfernt werden mußte, also auch früh sich „Aufbrauchskrankheiten" einstellten. H O L T E E hebt von Obermöllern die ausgeprägten Superziliarbögen hervor — bei Leuna sind sie nur mäßig ausgeprägt. Die Augenhöhlen werden als „rektangulär" geschildert — bei Leuna müssen sie, wie bei Britz I, als hoch- bis mittelhoch-rechteckig bei stark abgerundeten Ecken bezeichnet werden. Obermöllern hat stark „ausgekrempte" Unterkieferwinkel — bei Leuna sind sie nur mäßig ausgekrempt. Demgegenüber muß die in Haßleben bestattete „Fürstin" aus Grab 8, deren Reste von W E I D E N REICH bearbeitet wurden, ungleich derbere Züge getragen haben. Mit den stark ausgeprägten Augen brauenbögen, dem breiten und zugleich groben Mittelgesicht, der Chamaerrhinie (Nasalindex 56,6), der fliehenden Stirn usw. hebt sich der Typus der „Fürstin" deutlich von den zierlicheren Männern von Leuna ab. Zur Abrundung des Bildes wären, nachdem W. SCHULZ die Unterschiede in der materiellen Kultur zwischen den Bestattungsplätzen von Leuna und Merseburg-Süd hervorgehoben hat, Daten über die Merseburger Funde sehr erwünscht. Bisher stehen aber nur aus einem unveröffentlichten Manuskript von A. D E T E B I N G Angaben über die Schädel zur Verfügung, wobei der Untersucher sich leider auf Notizen über Erhaltungszustand, Geschlechts- und Altersgruppen diagnose, Umrißform in der Draufsicht und gelegentliche Erwähnung des einen oder anderen deskriptiven Merkmals, Schädellänge und -breite und den Index daraus beschränkt hat. Werden einfache variationsstatistische Methoden auf die 32 Schädel angewandt (männl., weibl. und fragl. zusammengefaßt wegen der Kleinheit der Serie), so ergibt sich ein Mittelwert des Längenbreitenindex von M = 75,7 bei einer quadratischen Streuung von a = ± 4,3 und einem mittleren Fehler von m = 0,76. Die beiden Schädel von Leuna (Grab 4 = 78,0; Grab 5 = 77,0) liegen also innerhalb der normalen Schwankungsbreite M ± a der Merseburger Serie, die von 71,4 bis 80,0 reicht. Der diagnostische Wert des Längenbreitenindex ist, wie E. F I S C H E R und seine Schüler in vielen Arbeiten zwischen 1923 und 1952 gezeigt haben, wegen der — nichterblichen — Umweltbeeinflußbarkeit der Schädelform hinsichtlich des Längenbreitenverhältnisses ohnehin beschränkt. Schmalgesichtigkeit, relativ hohe, fast quadratische Augenhöhlenöffnungen mit sehr schwachen Überaugenbögen, mäßig ausgekrempte Unterkieferwinkel und relativ schmale Nasenöffnungen gibt es, wie Abbildungen bei D E T E B I N G zeigen, auch bei (weiblichen ?) Vertretern der Merseburger Gruppe. Interessanter ist schon, daß die Alterszusammensetzung des Materials (Tab. 6) verhältnismäßig viele ältere Individuen nachweist. Tabelle 6 : Alterszusammensetzung der in Merseburg-Süd Bestattelen juvenil

Männlich Weiblich Fraglich Zusammen

juvenil bis adult

1 -

4

-

-

1

4

.

adult

1 5 1 7

adult bis matur

matur

1 3

2 6

-

-

4

8

matur bis senil 3 -

1 4

senil

1 2 1 4

Vorausgesetzt, daß nicht etwa in dem Bestreben, möglichst nur Schädel reifer Erwachsener zu bearbeiten, ein Weglassen jugendlicher Schädel erfolgt ist — hiergegen spricht ja die Einbeziehung wenigstens eines juvenilen Individuums — muß die in Merseburg bestattete Bevölkerungsgruppe gegenüber der Gruppe von Leuna ein viel höheres Durchschnittsalter gehabt haben. Das ist ein sozialbiologisch recht bedeutsamer Unterschied. Die eingehende Untersuchung der körperlichen Überreste aus Merseburg-Süd, unter denen sich übrigens als weiterer Nachweis primitiver Chirurgie auch ein Schädel mit einer kreisrunden Trepanation nahe der Bregmagegend findet, wird damit zu einer dringenden Notwendigkeit! J

) Auch Nr. 672 weist eine Verzögerung im Nahtschluß - bei vollständig obliterierter Sagittalnaht - auf.

Anhang I

84

S c h r i f t t u m DETERING, A., Unveröffentl. Manuskript a. d. Jahre 1936 (Landesanstalt f. Vorgeschichte, Halle/S.). DOERLICH, G., Die Zahnkaries im südlichen Kerngebiet Mitteldeutschlands. Med. Diss. Leipzig 1939. FISCHER, E . , GRIMM, H . ,

Zur Frage: Schädelform und Umwelt. Z. f. Morph, u. Antrop. 4 4 ,

Beobachtungen über den Tottis mandibularis. Z. f. Bassenkunde

51-61,

1952.

8, 3 3 7 - 3 3 9 , 1938.

GRIMM, H., Über spätgermanische Skelettreste aus Berlin-Britz und Berlin-Neukölln. Z. f. Morph, u. Anthrop. 44, 89-100, 1952. GRIMM, H., Oberarmbruch aus einem Grab der Völkerwanderungszeit. Natur u. Volk 82, 298=299, 1952. HOLTER, F. K. R., Das Gräberfeld bei Obermöllern aus der Zeit des alten Thüringens. Jahresschr. f. d. Vorgesch. d. sächs.-thür. Länder XII, H. 1, Halle 1925. JOSET, M., Über die Beziehungen zwischen den Reliefs der vorderen Schädelgrube und den Orbitalwindungen beim Menschen. Acta anatomica, Festschrift Corning 11, Fase. 1, 83-103, 1950. Zwei Bestattungsplätze bei Merseburg. Ein Beitrag zu den gesellschaftlichen Verhältnissen des 4. Jahrhunderts n. Ztr. Jschr. Mitteldeutsche Vorgeschichte 34, 154-164, mit Taf. X X X I I - X X X V , 1950.

SCHULZ, W . ,

WANNENMACHER, E . , Zivilisationsschäden und Gebiß. I n : ZEISS, H., und PINTSCHOVIUS, K . , Zivilisations-

schäden am Menschen. München 1940. F., Die Skelettreste aus den Gräbern von Haßleben. In: Haßleben. (Röm.-Germ. Forsch. 7.) Berlin 1933, S. 53-58.

WEIDENREICH,

SCHULZ, W . ,

Das Fürstengrab von

ANHANG II

Die Säugetier- und Vogelreste aus den Gräbern von Leuna mit 2 Tafeln (XXXIX u. XL) Von F . 0 . G ÄNDERT, Berlin

Tierbeigaben fanden sich in den Gräbern Nr. 2 von 1917, Nr. 2 von 1926 und Nr. 3 von 1926. Die zoologische Bestimmung hatte folgendes Ergebnis. Grab 2, 1917 (H. K. 17: 452r) enthielt Reste von einem Schwein (Spanferkel), einem Huhn und einem Hahn. Hausschwein Sus scrofa domesticus Rütimeyer (?) Vorhanden sind 43 Teile. Ihr Erhaltungszustand ist verschiedenartig. Dem jugendlichen Alter des Tieres entsprechend, sind die zarten Knochen vielfach beschädigt, die Epiphysen meistens abgefallen. 1. Schulterblatt (Scapula): rechts, distal stark beschädigt. 2. Oberarm (Humérus) : r., distales Gelenk (mit offenem Foramen supratrochleare). 3. Speiche (Radius): r., ohne Epiphysen. 4. Elle (TJlna): r., ohne Epiphysen. 5. Fußwurzelknochen (Ossa carpi oder tarsi) : 3 Stück, die im einzelnen nicht bestimmt wurden. 6. Mittelhand oder Mittelfuß (Ossa metacarpi oder metatarsi) : 1 Stück, eine Epiphyse. 7. Zehenknochen (Ossa manus): je zwei Ph. I, eine Ph. I I und eine Ph. I I I . 8. Oberschenkel (Femur): r., nur die distale Hälfte, ohne Epiphyse. 9. Zehenknochen (Ossa digiti pedis) : je zwei Ph. I, I I und I I I . 10. Brustwirbel (Vertebrae thoracicae): 5 Dornfortsätze. Ferner 5 Epiphysen und 3 kleine Epiphysenbruchstücke. 11. Rippen (Costae): 8r. s beschädigt; 2 Bruchstücke. Haushuhn Gallus gallus domesticus (Linné) $ Vorhanden sind 18 Teile, fast die Hälfte davon Wirbelbruchstücke. 1. Rabenschnabelbein (Os coracoideum) : links, distale Hälfte; r., etwa 2 / 3 des proximalen Teiles. 2. Schulterblatt (Scapula) : 1. und r. ; die distalen Enden fehlen. 3. Oberarm (Humérus): 1. nur das proximale Gelenk, gespalten; r. fast vollständig. 4. Oberschenkel (Femur) : 1. nur die distale Hälfte ; r. fast ùnbeschâdigt. 5. Wadenbein (Fibula) : r., vollständig bis auf die äußerste distale Spitze. Das Capitulum auffällig porös. 6. Halswirbel ( Vertebrae cervicales) : I, I I und I I I unvollständig ; V I bis I X : Bruchstück eine3 dieser Wirbel; X I I unvollständig. 7. Brustwirbel ( Vertebrae thoracicae) : I wenig beschädigt ; I I fast unversehrt ; die verknöcherte Brustwirbelsäule in beschädigtem Zustande. 8. Kreuzbein (Os lumbosacrale) : nur der vordere Teil. Haushuhn Gallus gallus domesticus (Linné)