Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln: Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Mitwirkung des Gläubigers bei der Vertragserfüllung unter besonderer Berücksichtigung der gegenseitigen Verträge [1 ed.] 9783428436330, 9783428036332

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Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln: Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Mitwirkung des Gläubigers bei der Vertragserfüllung unter besonderer Berücksichtigung der gegenseitigen Verträge [1 ed.]
 9783428436330, 9783428036332

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UWE HOFFEH

Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 29

Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln Eine rechtsvergleichende Untersuchung der Mitwirkung des Gläubigers bei der Vertrageerfüllung unter besonderer Berücksichtigung der gegenseitigen Verträge

Von

Dr. Uwe Hüffer UniYeroitltodozent

DUNCKER &

HUMBLOT I

BERLIN

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Hüffer, Uwe Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln : e. rechtsvergleichende Unters. d. Mitw. d. Gläubigers bei d. Vertragserfüllung unter bes. Berücks. d. gegenseitigen Verträge. - 1. Aufl. - Berlin : Duncker und Humblot , 1976. (Schriften zum Bürgerlichen Recht ; Bd. 29) ISBN 3-428-03633-6

Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1976 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlln 61 Prlnted in Germany

© 1976 Duncker

ISBN 3 428 03633 6

Vorwort Die Arbeit befaßt sich mit denjenigen Leistungsstörungen, die nicht vom Schuldner ausgehen, sondern in einem Verhalten des Gläubigers ihren Ursprung haben. Sie ist angeregt worden durch die auffällige Entscheidung des VII. Zivilsenats des BGH vom 16. 5. 1968 (BGHZ 50, 175); hier wird der Besteller einer Rechenanlage zur Zahlung des vollen Werklohns verurteilt, obwohl der Unternehmer die Anlage nicht hergestellt hatte, weil der Besteller nicht in der erforderlichen Weise durch Angabe von Daten mitgewirkt hatte. Der Bogen der Untersuchung spannt sich vom Gläubigerverzug als dem im BGB geregelten Fall einer Leistungsstörung durch Gläubigerhandeln über die positive Vertragsverletzung, die von der herrschenden Meinung auch hier herangezogen wird (Verletzung einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers), zu den §§ 320 ff. BGB, die den Gläubiger als Schuldner der Gegenleistung ansprechen, und zu den Fällen der Erfüllungsverweigerung. Dabei wird versucht, für das deutsche Recht aus einer vergleichenden Untersuchung des französischen, italienischen und englischen Rechts Nutzen zu ziehen. Die Arbeit wurde im Wintersemester 1973/74 von der Juristischen Fakultät in Heidelberg als Habilitationsschrift angenommen. Das Manuskript wurde im Frühjahr 1974 abgeschlossen; seither konnten Rechtsprechung und Schrifttum noch teilweise berücksichtigt werden. Zu danken habe ich meinem akademischen Lehrer Professor Dr. Hubert Niederländer für die vielfältige Förderung, die ich in den Jahren meiner wissenschaftlichen Ausbildung erfahren habe. Ihm und Professor Dr. Hermann Weitnauer, der sich gleichfalls des Habilitanden angenommen hat, gilt mein Dank weiter für manche Anregung und förderliche Kritik, mit der sie zu dieser Arbeit beigetragen haben. Heidelberg, im Januar 1975 Uwe Hüffer

Inhaltsverzeichnis Abkürzungen

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVI

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1. Hauptteil: überblick über die im deutschen Recht entwickelten Lösungen L Kapitel: Die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des BGB . . . . . . . . . . . . . .

7

1. Abschnitt : Das Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

I. Zum Begriff der mora creditoris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Theorienstreit über die rechtlichen Grundlagen der mora creditoris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Culpa-Theorie (S. 8). - 2. Die mora creditoris bei Friedrich Mommsen (S. 10). - 3. Die mora creditoris bei Kahler (S. 10).

7

2. Abschnitt: Die Praxis vor 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12

8

3. Abschnitt : Die Mitwirkung des Gläubigers in der Entstehungsgeschichte des BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2. Kapitel: Der Verzug des Gläubigers nach dem BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

1. Abschnitt : Die Rechtsstellung des Gläubigers nach den §§ 293 ff. BGB I. Die Voraussetzungen des Glä ubigerverzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick über die gesetzliche Regelung (S. 17). - 2. Gläubigerverzug und schuldhafte Pflichtverletzung des Gläubigers (S. 18). - 3. Verzug des Gläubigers und Leistungsfähigkeit des Schuldners (S. 20). - 4. Der Eintritt des Gläubigerverzugs beim gegenseitigen Vertrag (S. 22).

17 17

II. Die Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

2. Abschnitt : Die Bedeutung des Glä ubigerverzugs im Rahmen des gegenseitigen Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

I. Der Verzug des Gläubigers und der Anspruch des Schuldner s auf die Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 1. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 BGB) und der Verzug des Gläubigers (S. 25).- 2. Vorleistungspflicht des Schuldners und Verzug des Gläubigers (S. 27). - 3. Gläubigerverzug und Gefahrtragung, insbesondere: Der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung (S. 28). II. Die Liquidation des gegenseitigen Vertrags auf der Basis des Gläubigerverzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

VIII

Inhaltsverzeichnis

3. Kapitel: Der Gläubiger als Schuldner von Mitwirkungshandlungen in den §§ 433 Abs. II, 640 BGB, 375 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Die Rechtsfolgen des Pflichtverstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Die Klagbarkeit der Abnahmepflicht (S. 35). - 2. Klage auf Vornahme der Spezifikation? (S. 36). - 3. Die weiteren Sanktionen der Pflichtverletzung (S. 36). li. Der Umfang der dem Gläubiger in den §§ 433 Abs. li, 640 BGB auferlegten Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Abnahme und Mitwirkung beim Kaufvertrag (S. 37). - 2. Abnahme und Mitwirkung beim Werkvertrag (S. 39).

4. Kapitel: Die Mitwirkungspflicht des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abschnitt : Die Mitwirkungspflicht des Gläubigers in der Rechtspre-

chung

............................................................ I. Die Rechtsprechung des RG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41 41 41

li. Die Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Mitwirkung bei Erfordernis einer behördlichen Genehmi-

45

2. Abschnitt: Die Mitwirkungspflicht des Gläubigers im Schriftturn . . . . I. Das Ausbleiben von Mitwirkungshandlungen als Fall der Vertragsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . li. Mitwirkung, Obliegenheit, positive Vertragsverletzung . . . . . . . .

53

55

III. Die Anwendung der Schuldnerv erzugsregeln (Klees) . . . . . . . . . . . . IV. Die Anwendung der §§ 321, 326 BGB (Götz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57 57

gung (S. 45). - 2. Die Mitwirkung im Werkvertragsrecht (S. 49). III. Die Steigerung der Sanktionen; der Gläubiger als Schuldner . . 52

53

5. Kapitel: Die Gläubigermitwirkung im Reformschriftturn der dreißiger Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung 1. Teil: Französisches Recht 1. K apitel: Die Rechtsstellung des Glä ubigers n ach den Vorschr iften des

Code civil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1. Abschnitt: Die Artt. 1257-1264 C. civ.: "Offre de payernent" und

"consignation" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Rechtswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111. Abw eichendes Verfahren n ach Art. 1264 C. civ. . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vergleich d er Artt. 1257 ff. C. civ. mit den§§ 293 ff. BGB . . . . . . . .

61 61 61 62 63 64

Inhaltsverzeichnis

IX

2. Abschnitt: Die Rechtsstellung des Käufers und des Werkbestellers

65

2. Kapitel: Die Mitwirkung des Gläubigers bei Pothier und in der Jurisprudenz des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

1. Abschnitt: Die Mitwirkung des Gläubigers bei Pothier . . . . . . . . . . . . . .

67

2. Abschnitt: Die Mitwirkung des Gläubigers in der Jurisprudenz des 19. Jahrhunderts. Verschulden als Voraussetzung der Artt. 1257 ff. C. civ.? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

3. Kapitel: Die Bemühungen im Schrifttum um die Begründung einer Mitwirkungspflicht und eines Verzugs des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Abschnitt: Die Unzulänglichkeit des dem Schuldner durch die Artt.

1257 ff. C. civ. gewährten Interessenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

2. Abschnitt: Mitwirkungspflicht des Gläubigers und Gläubigerverzug bei Baroncea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3. Abschnitt: Die "Obligation de cooperation" bei Demogue . . . . . . . . . . . .

77

4. Abschnitt: Die Wirkung der Theorien von Baroncea und Demogue . .

79

4. Kapitel: Die Mitwirkung des Gläubigers im gegenseitigen Vertrag . . . .

81

1. Abschnitt: Die Pflicht zur Abnahme und Mitwirkung im Kauf- und

Werkvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

I. Abnahme und Mitwirkung im K aufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Pflicht des Käufers zur Abnahme (S. 81). - 2. Mit wir-

81

li. Abnahme und Mitwirkung beim Werkvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Pflicht zur Abnahme des hergestellten Werks (S. 84). 2. Die Pflicht zur Mitwirkung bei der Herstellung des Werks (S. 84).

83

kungshandlungen als Bestandteil der Abnahme (S. 81).

2. Abschnitt : Die Anwendung der allgemeinen Regeln über die Vertragshaftung bei Verletzung der Abnahme- oder Mitwirkungspflicht . . . . 86 I. Der Verzicht auf eine unmittelbar e Durchsetzung der Abnahmeoder Mitwirkungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 li. Die Anwendung des Art. 1184 C. civ. bei Verletzung der Abnahme- oder Mitwirkungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragsauflösung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung (S. 87).- 2. Die Zahlungsklage (Art. 1184 Abs. li C. civ.) (S. 89).

87

3. Abschnitt : Besonderheiten beim K au fvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die "resolution de plein droit" des Art. 1657 C. civ. . . . . . . . . . . . . li. Keine Möglichkeit des Selbsthilfeverkaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91 91 94

5. Kapitel: "Demeure du creancier", "Obligation de cooperation" und Art. 1184 C. civ. als Generalklausel vertraglicher Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abschnitt: Die Lehre Demogue's und die herrschende Meinung . . . .

95 95

2. Abschnitt : Die "Obligation de cooperation" als überflüssige Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

X

Inhaltsverzeichnis

2. Teil: Italienisches Recht 1. Kapitel: Die Rechtsentwicklung bis zu dem Inkrafttreten des Codice civile von 1942; Überblick über die gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . 1. Abschnitt: Die Rechtsentwicklung bis zu dem Inkrafttreten des Codice civile von 1942 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Regelung im Codice civile von 1865 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Die Meinungen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98 98 98 99

2. Abschnitt : Überblick über die Regelung im Codice civile von 1942 .. 100 2. Kapitel: Die "cooperazione" des Gläubigers in den Artt. 1206- 1217 cc 1. Abschnitt: Der Begriff der "cooperazione" . .. ... .. ..... . .... . .. . .. .. 2. Abschnitt: Zur Frage einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers . . .... I. "Correttezza" und "buona fede" . . . . ....... . . . . . . .. ..... .. . . .. II. Der Meinungsstand zur Mitwirkungspflicht des Gläubigers . . . . . . 1. Die Mitwirkung des Gläubigers bei Falzea (S. 107). - 2. Die Wirkung der Theorie Falzea's im Schrifttum (S. 109). - 3. Die Mitwirkung des Gläubigers in der Rechtsprechung (S. 112).

103 103 106 106 107

3. Abschnitt: Zu den Rechtsfolgen bei Ausbleiben der "cooperazione" .. 114 I. Der Schadensersatz nach Art. 1207 Abs. II cc ...... . . . . . . . .. . .. 114 II. Zur Beendigung der Verbindlichkeit .. . ... .. .. . .. .. ........... 116 3. Kapitel : Die Mitwirkung des Gläubigers im gegenseitigen Vertrag .. . . 1. Abschnitt: Ergänzung der Artt. 1206 ff. cc durch Abnahme- und Mitwirkungspflicht des Käufers und des Werkbestellers, deren Verletzung zur Anwendung des Art. 1453 cc führt? .. ... .... .. ........... I. Zur Frage einer Mitwirkungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zur Anwendung des Art. 1453 cc . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschnitt: Der Rückgriff auf die Artt. 1453 ff. cc als die allgemeine Regelung der Vertragshaftung . .. . . .. . . . .............. . ..... ... . . . I. Vertragsauflösung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung . . 1. Die Anwendung der Artt. 1453 ff. cc bei Fälligkeit der Gegenleistung (S. 123). - 2. Die Artt. 1453 ff. cc und die anfängliche Erfüllungsverweigerung (S. 123). II. Der Anspruch des Schuldners auf die vertragliche Gegenleistung 1. Die Zahlungsklage und die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (S. 126). - 2. Klage auf die noch nicht fällige Gegenleistung? (S. 127). - 3. Zahlungsanspruch und ergänzender Schadensersatz (S. 128). 3. Abschnitt: Besonderheiten bei Kauf- und Werkvertrag . ..... .. . .. . Die Vertragsauflösung nach Art. 1517 cc ............ . ...... . .. II. Vertragsauflösung und Entschädigung beim Werkvertrag . . .. ..

r:

4. Kapitel: Die "cooperazione" des Gläubigers und der Rückgriff auf Art.

118 118 119 120 122 123

126

128 128 129

1453 cc . .. . ............ . ....... . ..... . ...... . ........... .. ........... 132

Inhaltsverzeichnis

XI

3.Teil: Engtisches Recht

1. Kapitel: Das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers im Rahmen

des englischen Vertragsrechts . ........ . ..... . . . . . .......... . .. .. .. . .. 134 1. Abschnitt: Die Mitwirkung des Gläubigers und die Figur des "tender" 134

2. Abschnitt: "Co-operation", "prevention" und "implied term" .... . . .. 135 I. "Prevention" und "Co-operation" . . . ... ........... . ... .. .... . .. 136 II. "Co-operation" und "implied term" . . ......... . ..... . .. . .. . . . .. 137 3. Abschnitt: Das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers als Anwendungsfall der allgemeinen Regeln über die Vertragsverletzung . . 139

2. Kapitel: Der Schadensersatzanspruch des Schuldners bei Beendigung der Verbindlichkeit . ... ................ . . .. . . ........ . ... .. .. . .. . . .. . 141 1. Abschnitt: Die Gewährung des Schadensersatzanspruchs in Recht-

sprechung und Schrifttum ........... . .. ... .. . .. . . . ..... ... .. ..... . . 141 I . Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Die Makler-Fälle (S. 141). - 2. "Wrongful dismissal" (S. 143).3. "Tender of goods" (S. 144). - 4. Sonstige Fälle (S. 144). II. Das Schrifttum .............................. . ......... . .... .. . 146

2. Abschnitt: Schadensersatzpflicht des Gläubigers und Erfüllungsbereitschaft des Schuldners . . ...... . .. . ........... .. ..... ... .. . . .. . ... . . . 147

3. Kapitel : Der Anspruch des Schuldners auf das "quantum meruit" .... 150 1. Abschnitt: Kennzeichnung des Anspruchs und Abriß der historischen

Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 I. Die historische Entwicklung des Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 II. Vertragliches und quasi-vertragliches "quantum meruit" . . . . .... 152

2. Abschnitt: Der Anspruch auf das "quantum meruit" als Sanktion gegen den Gläubiger .......... . .... .. . . ... . .... .. . . ... . ... . . . . . . . . 153 I. Darstellung der Rechtsprechung ..... . . . ... . . . ... ..... .. . .. . .. 153 II. Die Auflösung des Vertrags als Voraussetzung des Anspruchs .. 155 1. "Rescission for breach" (S. 155). - 2. Das Verhältnis des "quantum meruit" zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung (S. 156).

III. Zur Rechtsnatur des Anspruchs auf das "quantum meruit" .... 156

XII

Inhaltsverzeichnis

4. Kapitel: Die Beurteilung der Schwere der Vertragsverletzung und die Grenzen der "implication" ......... . ................................ 158 1. Abschnitt: Zur Beurteilung der Wesentlichkeit der Vertragsverlet-

zung .. ............. . ..... . ............... . ........................ 158

2. Abschnitt: Die Grenzen einer "implication" bei Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers ................................. ........ . 159 I . Die Bedeutung der "implication" für die Annahme einer Vertragsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Il. Die "implication" in den einzelnen Fallgruppen ..... . ..... . .. . . 160 1. "Total prevention" (S. 160). - 2. Verzögerung der Schuldnerleistung durch Gläubigerhandlungen (S. 162).- 3. "Implied term" und "active co-operation" (S. 162). 3. Abschnitt: Die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung und die Grenzen der "implication" ...... .. ................... .. ...... . ...... . ... 164

5. Kapitel: Der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung ("action for an agreed sum") . . ..... .. ..... . . . .. . . . . . .. . . ... .. . ... ... .... ... . 166 1. Abschnitt: Vertragsbruch und "action for an agreed sum" .. .. . .. .. . 166

2. Abschnitt: Uneingeschränkte Verurteilung zur Gegenleistung als Rechtsfolge einer "prevention"? .... .. ... . .... . ... . .. . . . .. .. ........ I. Hinweise für eine uneingeschränkte Verurteilung zur Gegenleistung als Rechtsfolge einer "prevention" ... .. .............. . .. II. Darstellung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Würdigung der Rechtsprechung: Erbringung der eigenen Leistung ist Voraussetzung der erfolgreichen Zahlungsklage

168 168

170 171

3. Abschnitt: Keine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug . . . .... . .... 173 4. Abschnitt: Ergänzender Ersatz des Verzögerungsschadens bei Durchführung des Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4

6. Kapitel: Die Ansprüche des lieferbereiten Verkäufers nach dem Sale of Goods Act (1893) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schadensersatz wegen Nichterfüllung und Anspruch auf die Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Il. Hinterlegung und Selbsthilfeverkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schadensersatz nach sect. 37 S.G.A. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

176 176

177 177

7. Kapitel: Gläubigerverzug, "prevention", "Co-operation" und Gegenleistungsverpflichtung . . .. . .. . . . . . . . . .. . . . . .. . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . 179

Inhaltsverzeichnis

XIII

4.Teil: Zusammenfassende Betrachtung

1. Kapitel: Gläubigerverzug und Mitwirkungspflicht des Gläubigers

182

1. Abschnitt: Die beschränkte Funktion des Gläubigerverzugs ........ 182

2. Abschnitt: Die Lehren von der Mitwirkungspflicht des Gläubigers . . 184 2. Kapitel: Die Mitwirkung des Gläubigers als Problem des gegenseitigen

Vertrags ....... . ... . .... .... ..... . ........ . . .... ......... . .. . . ...... 186 1. Abschnitt: Das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers als Ver-

letzung des Gegenleistungsinteresses des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . 186

2. Abschnitt: Der Schutz des Gegenleistungsinteresses des Schuldners .. 188

I. Die Durchsetzung des Anspruchs auf die Gegenleistung . . . . . . . . 188 1. Die Bedeutung einer Vorleistungspflicht des Schuldners (S. 188). - 2. Der Anspruch auf die Gegenleistung und die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (S. 189). II. Vertragsauflösung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung .. 190 3. Kapitel: Thesen für die Behandlung der Mitwirkung des Gläubigers

im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

3. Hauptteil: Die Behandlung der Gläubigermitwirkung im deutschen Recht 1. Teil: Der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung 1. Kapitel: Der Schutz des Erfüllungsinteresses bei gleichzeitiger Fällig-

keit der vereinbarten Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 1. Abschnitt : Der Anspruch auf die Gegenleistung und die Einrede des nicht erfüllten Vertrags . . .. .. . . . . ...... .. .. ..... .. ... . ..... ...... . . 194 I. Der Fortbestand des Anspruchs auf die Gegenleistung . . . . . . . . . . 194 II. Das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers und die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 BGB) ......... .. . .. ... . . . . . 195 1. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags und der Gläubigerverzug (S. 195).- 2. "Verzicht" auf die Einrede? (S. 197).

2. Abschnitt : Der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung bei Unbestimmtheit der von ihm geschuldeten Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . 198 I. Spezifikationskauf und Wahlschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 II. Die Bestimmung des Leistungsinhalts nach § 315 BGB . . . . . . . . . . 199

XIV

Inhaltsverzeichnis

III. Die Bestimmung von Leistungsmodalitäten durch den Gläubiger 200 3. Abschnitt: Der Anspruch auf die Gegenleistung bei Erforderlichkelt einer behördlichen Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 I. Das Genehmigungserfordernis betrifft nur die Durchführung des Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 II. Das Genehmigungserfordernis betrifft den Vertrag selbst ... . . . 203 2. Kapitel : Der Schutz des Erfüllungsinteresses bei Vorleistungspflicht des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Abschnitt : Uneingeschränkte Verurteilung zur Gegenleistung (BGHZ 50, 175)? ........ ...... ........ . ..... . . .. .. ..... . ......... . .. . ..... 206 I. Mangelnde Fälligkeit als Gegenstand einer Einrede des Beklagten oder als Fehlen einer Anspruchsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . 207

II. Vorleistungspflicht des Schuldners und Vertragstreue des Gläubigers ......... . .. .... .... . . . . ... . .. . .. ..... .. ... . ...... ... ... 209 2. Abschnitt: Herstellung einer Pflicht zur Leistung Zug um Zug durch analoge Anwendung des § 321 BGB (Götz)? . . .. . . . ...... . .. .. .. .. .. 211 3. Abschnitt: Der Schutz des Erfüllungsinteresses des Schuldners auf der Basis des Gläubigerverzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Regelung in § 322 Abs. 11 und 111 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Anwendungsbereich des § 322 Abs. II und 111 BGB . .. . . . . . III. Gläubigerverzug und Preisgefahr, insbesondere § 324 Abs. 11 BGB

212 212 214 217

2. Teil: Vertragsauflösung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zugunsten des Schuldners (Schutz des L i quidationsinteresses)

1. Kapitel : Das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers als Fall der positiven Vertragsverletzung . . .. . . . .. . ... . .. .. .. . .......... .. ... . . . . 220 1. Abschnitt: Die Bejahung "echter Rechtspflicht" des Gläubigers unterhalb der Ebene vertraglicher Hauptpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

2. Abschnitt: Obliegenheitsverletzung und positive Vertragsverletzung 224 2. Kapitel: Der Schutz des Liquidationsinteresses durch Anknüpfung an den Gegenleistungsanspr uch bei Zug um Zug zu erfüllenden Verträgen 226 1. Abschnitt : Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 326 BGB ... . . . .. . . 226

I. Die Verletzung der Gegenleistungspflicht als Anknüpfungspunkt für die Abwicklung des Vertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 II. Ausbleiben der Leistung des Schuldners und Vertragstreue des Gläubigers . ... ... . . . ...... .. ............ .. .... . ...... . ........ 227

Inhaltsverzeichnis

XV

III. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags und das venire contra factum proprium ... .. ................. .. ........... . . . . . . . .... 230 2. Abschnitt: Die Behandlung einzelner Fälle . ........ . ...... .... .... I. Bloße Passivität des Gläubigers ..... . .... .. ........ . . . .... .. . II. Unzuverlässigkeit des Gläubigers .... .. ................ . . . ..... III. Erfüllungsverweigerung durch den Gläubiger ..................

232 232 233 234

3. Kapitel: Der Schutz des Liquidationsinteresses bei Verträgen mit Vorleistungspflicht des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Abschnitt: Der Schutz des Liquidationsinteresses auf der Basis des

Gläubigerverzugs .............................................. .... 236

2. Abschnitt: Der Schutz des Liquidationsinteresses des Vorleistungspflichtigen durch Anknüpfung an den Gegenleistungsanspruch ... . .. 238 I. Die unterschiedliche Bedeutung der Vorleistungspflicht für den Schutz des Erfüllungs- und des Liquidationsinteresses . . . . . . . . . . 238 II. Analoge Anwendung des § 326 BGB zugunsten des Vorleistungspflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 3. Abschnitt : Vorleistungspflicht des Schuldners und anfängliche Erfüllungsverweigerung des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 I. Zum Tatbestand der anfänglichen Erfüllungsverweigerung . . . . 241 Il. Die rechtliche Einordnung der anfänglichen Erfüllungsverweigerung .... . . ... . .... .. . . .. . . . ... . ....... .. . . . . . .. ... . .. .. ....... 242 4. Kapitel: Schadensersatz bei Genehmigungsbedürftigkeit des Vertrags, insbesondere culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245

3. Teil: M i t der Mitwi rkung des Gläubigers verbundene Fragen, die von dem Gegensei ti gkei tsverhältni s unabhängig sind 1. Kapitel: Verstöße des Gläubigers gegen die Pflicht, die Vermögenswerte

des Schuldners bei der Vertragsdurchführung zu schonen . .. ... .... 247

2. Kapitel: Mitwirkungspflicht des Gläubigers zum Schutz eines Leistungsinteresses des Schuldners? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 3. Kapitel: Die Mitwirkung des Gläubigers und die Beendigung der Verpflichtung des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

Schlußbetraclttung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Literaturverzeichnis

258

Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Sachverzeicltnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

Abkürzungen Den deutschsprachigen Abkürzungen wurden die Vorschläge von Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache auf der Grundlage der für den Btmdesgerichtshof geltenden Abkürzungsregeln, 2. Aufl. Berlin 1968, zugrunde gelegt. Die Abkürzungen ausländischer Zeitschriften wurden dem vom MaxPlanck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht zusammengestellten Zeitschriftenverzeichnis entnommen, abgedruckt in RabelsZ, Gesamtregister für Jahrgang 1 (1927) - 25 (1960) und Zeitschriftenverzeichnis, Berlin I Tübingen 1966, S. 114 ff. Den Kurzbezeichnungen der älteren englischen Entscheidungssammlungen liegt der "Index Chart issued for the English Reports", Edinburgh/London 1930, zugrunde. Im übrigen werden die üblichen Abkürzungen verwandt. Selbständig erschienenes Schrifttum ist grundsätzlich nur mit dem Namen des Verfassers zitiert; soweit ein Kurztitel verwandt werden mußte, ist dieser aus dem Schrifttumsverzeichnis ersichtlich.

Einleitung Das Problem Der Gläubiger ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Leistung des Schuldners anzunehmen und ihn durch Vornahme von Mitwirkungshandlungen zu unterstützen. Dieser Grundsatz liegt der in den §§ 293 ff. BGB enthaltenen Regelung des Gläubigerverzugs zugrunde1 ; nach ihr braucht der Gläubiger weder eine Vertragsauflösung durch den Schuldner noch eine Schadensersatzpflicht2 zu fürchten. Kohler konnte 1897 glauben, in dieser Regelung liege ein "gesetzgeberischer Sieg" 3 für seine Auffassung, daß der Gläubiger nur berechtigt sei, die Leistung anzunehmen oder bei ihr mitzuwirken4 • Kohler fügte hinzu, es sei "hier einer der Fälle gegeben, wo meine Postulate an die Jurisprudenz nicht von der Jurisprudenz, aber doch von der Gesetzgebung erfüllt worden sind" 5 • Schon ein flüchtiger Blick in das Schrifttum zeigt, daß der von Kohler behauptete Sieg nur ein scheinbarer Erfolg war. Die von ihm angesprochene Jurisprudenz trägt auch nach Inkrafttreten des BGB keine Bedenken, eine Pflicht des Gläubigers zur Mitwirkung anzunehmen. Nur ist nicht der Verzug des Gläubigers der dogmatische Gesichtspunkt, unter dem die Frage erörtert wird. Die Pflicht des Gläubigers zur Mitwirkung soll vielmehr aus einer Pflicht beider Vertragsparteien zu loyaler Zusammenarbeit bei der Erreichung des Vertragsziels folgen, die aus § 242 BGB abgeleitet wird6 ; die Bestimmung beherrsche nicht nur die Leistungspflicht des Schuldners, sondern das ganze Schuldverhältnis7. So erscheint eine Mitwirkungspflicht als "weitere Verhaltenspflicht", die über die Leistungspflicht hinausgehen und auch den Vgl. z. B. Staudinger I Werner, § 293, Vorbem., Rdn. 1. Der Aufwendungsersatz des § 304 BGB bedeutet nicht Schadensersatz. Vgl. dazu Mot., Bd li, S. 76, und Staudinger I Werner, § 304, Rdn. 2. 3 Vgl. AbR 13 (1897), 149, 150. 4 Vgl. dazu näher unten bei Fn. 22 ff. (1. Hauptteil). 5 Vgl. aao. (Fn. 3). 8 Vgl. Soergel I Siebert I Knopp,§ 242, Rdn. 148. 7 Vgl. nur Larenz, Bd I,§ 10 li (S. 105); Esser, Bd I, § 5 III (S. 24125). Art. 2 des Schweizer ZGB bestimmt ausdrücklich, daß "jedermann in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben" zu handeln hat, bringt also die beiderseitige Bindung an diesen Grundsatz schon im Wortlaut des Gesetzes zum Ausdruck. 1

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1 Hüffer

Einleitung

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Gläubiger treffen kann8 , oder als ein Fall der "Treu-, Schutz- und Fürsorgepflichten des Gläubigers" 9• Wird die Pflicht verletzt, so soll dies ein Fall der positiven Vertragsverletzung sein10 und wegen unzumutbarer Gefährdung des Vertragszwecks entweder zur Vertragsauflösung oder zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung führen. Der BGH schließlich hat den renitenten Gläubiger, der auf dem beharrte, was Kohler für sein Recht hielt, einer besonders harten Sanktion ausgesetzt: Das Gericht verurteilte den nicht zur Mitwirkung bereiten Besteller einer Abrechnungsanlage, dem Hersteller die vereinbarte Vergütung zu bezahlen, und überließ es dem Besteller, ob und wie er die noch gar nicht hergestellte Anlage erhielt, für die er bezahlen mußte11 • Eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers anzunehmen, wird offenbar allgemein für unproblematisch gehalten. Jedenfalls ist es bisher keiner Kritik begegnet, daß der Gläubiger zur Mitwirkung verpflichtet sein und der Verstoß gegen diese Pflicht eine positive Vertragsverletzung darstellen soll. Auch die Entscheidung des BGH, nach der ein nicht zur Mitwirkung bereiter Gläubiger dem sofortigen Gegenleistungsanspruch ausgesetzt sein soll, ist von der Kommentarliteratur widerspruchslos aufgegriffen worden12• Die Vorstellung einer bloßen Berechtigung des Gläubigers erweist sich in der Tat dann als unbefriedigend, wenn sein Verhalten in der Interessensphäre des Schuldners Auswirkungen hat, denen die mit dem Eintritt des Gläubigerverzugs verbundenen Rechtsfolgen nicht gerecht zu werden vermögen. Bei vordergründiger Betrachtung könnte man meinen, der Schuldner sei eher begünstigt als beschwert, wenn der Gläubiger die Leistung nicht haben wolle. Diese Betrachtungsweise würde jedoch außer acht lassen, daß beim gegenseitigen Vertrag infolge der synallagmatischen Verknüpfung der wechselseitigen Leistungsansprüche das Gegenleistungsinteresse des Schuldners in Frage steht, wenn der Gläubiger in Annahmeverzug gerät. So fragt sich, ob ein Teil im gegenseitigen Vertrag diesen dilatorisch behandeln kann, indem er die Leistung des anderen Teils nicht annimmt und ihm mit der Einrede des nicht erfüllten Vertrags(§ 320 BGB) begegnet, wenn er (d. h. der andere Teil) die ihm gebührende Gegenleistung verlangt; ob der Gläubiger bei Vorleistungspflicht des Schuldners den Vertrag Vgl. Larenz, Bd I,§ 2 I (S. 8). Vgl. Esser, Bd I, § 5 111 3 (S. 29130), der allerdings den Ausnahmecharakter hervorhebt. 10 Vgl. z. B. RG WarnR 1918 Nr. 137; RGZ 104, 15; RGZ 152, 119. 11 Vgl. BGHZ 50, 175. 12 Vgl. Palandt I Heinrichs, § 276, Anm. 7 e cc; Palandt I Thomas, § 642, Anm. 1; Soergel I Siebert I Ballerstedt, § 642, Rdn. 3, und§ 645, Rdn. 5. 8

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Einleitung

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blockieren kann, indem er die Vorleistung nicht annimmt und damit die Fälligkeit der von ihm geschuldeten Gegenleistung hinausschiebt. In einem weiteren Sinne kann das Gegenleistungsinteresse des Schuldners auch dadurch berührt sein, daß seine Leistungspflicht durch den Verzug des Gläubigers bei gleichbleibender Höhe der Gegenleistung erschwert, also das vereinbarte Austauschverhältnis zu seinem Nachteil verändert wird. Die Probleme, die durch das Ausbleiben von Mitwirkungshandlungen des Gläubigers im gegenseitigen Vertrag entstehen, haben nicht erst den BGH, sondern wiederholt schon das RG beschäftigt1 3 . Bedenken gegen die Annahme, der Gläubiger sei zur Mitwirkung bei der Leistung des Schuldners nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, bestehen in zwei Richtungen. Zunächst ist fraglich, ob Rechtsprechung und Schrifttum die Regelung des Gläubigerverzugs wirklich ausschöpfen, bevor sie eine Mitwirkungspflicht zur Lösung heranziehen. Die Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs sind in den §§ 300 ff. BGB nur zum Teil geregelt; gerade den Wirkungen des Gläubigerverzugs im gegenseitigen Vertrag hat der Gesetzgeber eine Vielzahl von Vorschriften gewidmet (vgl. §§ 322 Abs. II, 324 Abs. II, 615, 642, 643 BGB, in einem weiteren Sinne auch §§ 552, 645 BGB; §§ 726 Abs. II, 756, 765, 894 Abs. I S. 2 ZPO); hinzu treten die Fälle, in denen der Gesetzgeber, über die §§ 293 ff. BGB hinausgehend, eine Pflicht des Gläubigers bejaht hat (§§ 433 Abs. II, 640 BGB, 375 HGB). Die Wirkungen des Gläubigerverzugs im gegenseitigen Vertrag finden nicht immer gebührende Beachtung. So, wenn der BGH den Besteller einer Werkleistung trotz nicht erfüllter Vorleistungspflicht des Unternehmers zur Gegenleistung verurteilt, ohne § 322 Abs. II BGB auch nur zu erwähnen 14 • So soll § 615 BGB nach Esser mit der Regel brechen, "daß der Annahmeverzug zwar die Leistungsgefahr, nicht aber die Preisgefahr verlagert" 15 • Das ist mit § 324 Abs. II BGB unvereinbar. Bedenken gegen die Annahme, der Gläubiger sei zur Mitwirkung bei der Leistung des Schuldners verpflichtet, rechtfertigen sich weiter aus den Ergebnissen, zu denen diese Annahme führt, also aus den Sanktionen, mit denen der Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht belegt wird: In jedem der in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle geht es entweder um ein Rücktrittsrecht des Schuldners oder um eine Schadensersatzpflicht des Gläubigers wegen Nichterfüllung, ausnahmsweise auch um seine Verurteilung zu der noch nicht fälligen Gegenleistung 16 • Vgl. z. B. RG WarnR. 1918 Nr. 137; RGZ 104, 15; RGZ 152, 119. BGHZ 50, 175. 1s Bd li, § 78 I 2 (S. 154). 16 Vgl. dazu näher unten bei Fn. 188 ff. (1. Hauptteil). 13

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Einleitung

Der Vorwurf mangelnder Kooperationsbereitschaft verbindet sich nämlich sogleich mit dem einer Vertrauensverletzung, die auf eine unzumutbare Gefährdung des Vertragszwecks hinausläuft. Die Verletzung der Mitwirkungspflicht soll also die Folgen auslösen, die typischerweise mit der Nichterfüllung der im synallagmatischen Verhältnis stehenden Pflichten verbunden sind. Ist es aber nicht ein Widerspruch, daß man im Regelungsbereich der §§ 293 ff. BGB daran festhält, der Gläubiger sei weder verpflichtet, die Leistung anzunehmen noch bei ihrer Erbringung mitzuwirken, gleichzeitig aber aus § 242 BGB eine generelle Pflicht zur Mitwirkung ableitet und bei ihrer Verletzung die Rechtsfolgen eintreten läßt, die sich sonst mit dem Verstoß gegen eine vertragliche Hauptpflicht verbinden? Ist es nicht weiter widersprüchlich, daß zwar das Ausbleiben der in § 433 Abs. li BGB vorgeschriebenen Abnahme nicht ohne weiteres zur Anwendung des § 326 BGB führt 17, wohl aber der Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht die Wirkungen des § 326 BGB auslöst? Ist es nicht unvereinbar mit den §§ 642, 643 BGB, die an die §§ 293 ff. BGB anknüpfen, also gerade nicht von einer Pflicht des Werkbestellers ausgehen18, eine Mitwirkungspflicht des Bestellers beim Werkvertrag zu konstruieren? Widerspricht es nicht § 322 Abs. li BGB, den Besteller der Werkleistung uneingeschränkt zur Zahlung der Vergütung zu verurteilen, obwohl der Unternehmer seiner Vorleistungspflicht nicht nachgekommen ist? Die Untersuchung dieser Fragen betrifft zentrale Probleme des allgemeinen Schuldrechts. Es geht hierbei um den Bereich der Leistungsstörungen. Gläubigerverzug, positive Vertragsverletzung, Verletzung der Gegenleistungspflicht und Erfüllungszwang sind die rechtlichen Gesichtspunkte, unter denen die Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln zu würdigen sind. Mit dieser Umschreibung des Themas ist zugleich die Abgrenzung gegenüber benachbarten Fragestellungen gegeben. Die vorliegende Untersuchung ist kein Beitrag zum zivilrechtliehen Pflichtbegriff. Das Stichwort für eine derartige Abhandlung, die sich hauptsächlich mit dem von Reimer Schmidt in die allgemeine Zivilrechtsdogmatik eingeführten Obliegenheitsbegriff19 auseinandersetzen müßte, liefert Esser, indem er von einer "Konkurrenz der Obliegenheitssanktionen und des Erfüllungs- oder Schadensersatzanspruchs" spricht20 • Hier wird jedoch der Frage nachgegangen, ob sachgerechte Lösungen nicht 17 Vgl. statt aller Palandt I Putzo, § 433, Anm. 3 B. ts Vgl. Palandt I Thomas, § 642, Anm. 1. 19 Vgl. Schmidt, S. 102 ff., 104, 3011302, 3141315 : Die Obliegenheit ist eine Verbindlichkeit geringerer Zwangsintensität, die sich durch das Fehlen der Schadensersatzsanktion auszeichnet Vgl. dazu näher unten bei Fn. 90 ff. 2o Vgl. AcP 172 (1972), 97, 122.

Einleitung

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auch ohne Konstruktion einer Pflicht besonderen Inhalts wie der Mitwirkungspflicht oder besonderen rechtlichen Gepräges wie der Obliegenheit gefunden werden können. Die vorliegende Arbeit befaßt sich weiter nicht mit der neuerdings von Beuthien21 und Köhler22 eingehend behandelten Frage, welche Wirkungen Zweckerreichung und Zweckstörung auf das Schuldverhältnis haben. Denn dabei geht es in erster Linie um die Fälle, in denen das Interesse, das den Gläubiger zum Vertragsschluß bewegt hat, weggefallen oder unabhängig vom Leistungsverhalten des Schuldners verwirklicht worden ist. Typisch für die hier untersuchten Fälle ist jedoch die Situation, daß das objektiv verstandene Interesse des Gläubigers fortbesteht, der Gläubiger aber die Leistung des Schuldners aus anderen Gründen nicht mehr haben will. Dort ist zu klären, ob die Leistungspflicht des Schuldners erlischt (Unmöglichkeit?) und welche Wirkungen das auf seinen Gegenleistungsanspruch hat, hier ist die Frage zu beantworten, ob sich der Schuldner auf Grund des Gläubigerverhaltens von dem Vertrag lösen und Schadensersatz verlangen darf. Nur in einem Randbereich berühren sich die Problemkreise, nämlich dann, wenn die Leistung des Schuldners infolge des durch das Gläubigerverhalten bedingten Zeitablaufs unmöglich geworden ist. Neue Ansätze für die rechtliche Behandlung der Leistungsstörungen durch Gläubigerhandeln sind von einer rechtsvergleichenden Betrachtung zu erwarten. Denn sie kann erstens zeigen, ob eine Regelung des Gläubigerverzugs, wie sie in den§§ 293 ff. BGB enthalten ist, und damit der Begriff der "Gläubigerobliegenheit" 23 , für die Lösung der durch das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers entstehenden Probleme von Bedeutung ist. Denn das englische Recht kennt einen Verzug des Gläubigers im Sinne des deutschen Rechts nicht, und auch der Code civil beschränkt sich in den Artt. 1257 ff. auf die Regelung eines Hinterlegungsverfahrens. Eine rechtsvergleichende Betrachtung kann zweitens ergeben, wie sich diese Probleme behandeln lassen, ohne auf die positive Vertragsverletzung zurückzugreifen; denn die romanischen Rechte und auch das englische Recht kommen ohne sie aus. In die Betrachtung werden namentlich 24 das französische, das italienische und das englische Recht einbezogen. Der Verzicht auf die Untersuchung weiterer Rechtsordnungen, namentlich des nordamerikanischen Rechts, bedeutet nicht, daß diesen zu den Fragen der GläubigerZweckerreichung und Zweckstörung im Schuldverhältnis, passim. Unmöglichkeit und Geschäftsgrundlage bei Zweckstörungen im Schuldverhältnis, passim. 2s Vgl. z. B. Larenz, Bd I,§ 25 I (S. 280). 24 Das schweizerische und das Österreichische Recht werden nur gelegentlich herangezogen. 21

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Einleitung

mitwirkung nichts zu entnehmen wäre. Die Beschränkung rechtfertigt sich vielmehr aus Gründen der Übersichtlichkeit. Auch weisen die beiden romanischen Rechte untereinander und gegenüber dem englischen Recht in den für die Gläubigermitwirkung maßgeblichen Rechtssätzen so viele charakteristische Abweichungen auf, daß sie den Blick für die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten hinreichend erweitern. Eine Bestandsaufnahme des deutschen Rechts soll zeigen, wie sich der gegenwärtige Rechtszustand entwickelt hat (1. Hauptteil); dabei wird näher auf den Gläubigerverzug, insbesondere auf seine Wirkungen im gegenseitigen Vertrag, eingegangen. An die Bestandsaufnahme schließt sich die rechtsvergleichende Untersuchung an (2. Hauptteil). Auf dieser Basis wird versucht, für das deutsche Recht Lösungen zu erarbeiten (3. Hauptteil).

1. HAUPTTEIL

Uberblick über die im deutschen Recht entwickelten Lösungen 1. Kapitel

Die Rechtslage vor dem lnkrafttreten des BGB 1. Abschnitt

Das Schrifttum I. Zum Begriff der mora creditoris

Die Regelung, die die Stellung des Gläubigers in den §§ 293 ff. BGB erfahren hat, ist vor dem Hintergrund des Meinungsstreits zu sehen, der im gemeinen Recht über die Voraussetzungen und die Rechtsnatur der mora creditoris bestand. Die dem Wortsinn nach vorhandene Übereinstimmung zwischen der mora creditoris und dem Gläubigerverzug des heutigen Rechts darf jedoch nicht zu dem Schluß verleiten, die mora habe die gleiche Bedeutung wie der Verzug des Gläubigers im System des BGB 1• Kauf- und Werkvertrag sind nämlich für die Juristen des gemeinen Rechts nicht Gegenstand besonderer Regeln 2 • Das Unterlassen der Abnahme im Sinne der §§ 433 Abs. II, 640 BGB begründet vielmehr ebenso mora creditoris wie das Unterbleiben der Annahme bei anderen Verträgen. In der Terminologie des BGB ausgedrückt: Eine Unterscheidung zwischen Annahme und Abnahme gibt es nicht. Der stillschweigende Konsens in der gleichmäßigen Behandlung der unterbliebenen Leistungsannahme läßt sich zunächst damit belegen, daß die Quellenstelle, die meist den Ausgangspunkt der Argumentation für alle Fälle der mora creditoris bildet, einen Kaufvertrag zum Gegenstand hat3 • Weiter ergibt sich aus den Beratungen zum Dresdener Ent1 Entsprechendes gilt für das Begriffspaar mora accipiendi Annahmeverzug. 2 Vgl. dazu Heinz-Bommer, S. 45/46. 3 Vgl. Pomponius, D. 19, 1, 9: Si is, qui lapides ex fundo emerit, tollere eos nolit, ex vendito agi cum eo potest, ut eos tollat.

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1. Hauptteil: Überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

wurf, daß man von einem notwendigen Gleichlauf in der Behandlung des Käufers und anderer Gläubiger ausging. Es wurde nämlich die Frage erörtert, ob die Statuierung einer Annahmepflicht des Käufers nicht angesichts der mora accipiendi überflüssig sei. Man meinte, eine Verpflichtung des Käufers könne auch ohne besondere gesetzliche Anordnung nicht bestritten werden, weil die Verweigerung der Annahme die mora accipiendi auslöse und jede mora voraussetze, daß entgegen einer Vertragspflicht nicht geleistet werde4 • Von einer notwendigen Gleichbehandlung aller Gläubiger geht auch Kohler aus, der anders als der Dresdener Entwurf einen in der mora accipiendi liegenden Pflichtverstoß generell verneint5 • Seine Beispiele betreffen nämlich durchweg Kauf- und Werkverträge6 • Mora creditoris tritt nicht nur ein, wenn der Gläubiger die Leistung nicht annimmt. Mora creditoris liegt vielmehr auch vor, wenn er bei der Leistung des Schuldners nicht mitwirkt7. Das fast ausschließliche Interesse der Schriftsteller des gemeinen Rechts gilt aber den auf ein "dare" gerichteten Obligationen8 • Die Mitwirkungsprobleme verengen sich deshalb für sie: Ihnen geht es im Grunde nur um die unterbliebene Leistungsannahme. Die Frage, ob die mit der mora verbundenen Rechtsfolgen eine sachgerechte Lösung aller diesem Begriff zugeordneten Fälle ermöglichen, wird durch die Bemühungen um die dogmatische Einordnung dieses Rechtsinstituts verdrängt.

11. Der Theorienstreit über die rechtlichen Grundlagen der mora creditoris Es ist nach Inkrafttreten des BGB selbstverständlich geworden, daß der Gläubigerverzug nicht auf einem zu vertretenden Pflichtverstoß beruht. Für die mora creditoris gilt das nicht. Der Gedanke, daß der Gläubiger hinsichtlich der Leistungsannahme nur berechtigt, nicht verpflichtet sei, kam vielmehr erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts auf. 1. Die Culpa-Theorie Nach der sogenannten Culpa-Theorie in ihrer ursprünglichen Form hat der Schuldner gegen den Gläubiger einen Liberationsanspruch. Ihre ausführlichste Darstellung hat diese Ansicht bei v. Madai9 gefunVgl. dazu im einzelnen Heinz-Bommer, S. 46. Vgl. dazu näher unten bei Fn. 22 ff. 6 Vgl. IhJb 17 (1879), 261, 337 ff., 364/365. 7 Zu Mitwirkungsfällen vgl. Windscheid I Kipp, Bd II, § 345, 1 (S. 442, Fn. 4 a); Kohler, aaO., S. 364/365. 8 Vgl. z. B. v. Madai, S. 449 ff. 4

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1. Kap.: Die Rech t.slage vor dem lokrafttreten des BGB

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den. Er war der Ansicht, daß der Pflicht des Schuldners, die Leistung zu erbringen, eine Pflicht des Gläubigers entspreche, bei der Erfüllung der Verbindlichkeit mitzuwirken, namentlich, die ihm ordnungsgemäß angebotene Leistung anzunehmen. Wie grundsätzlich bei jeder Pflichtverletzung, so sei auch hier ein Verschulden des Gläubigers erforderlich, damit ihm die Pflichtverletzung zugerechnet werden könne. Leistungspflicht des Schuldners und Annahmepflicht des Gläubigers stehen nach dieser Ansicht auf einer Stufe, der Gläubigerverzug wird so zum Spiegelbild des Schuldnerverzugs. In abgeschwächter Form wird diese Theorie noch von Windscheid vertreten, der in seinen Pandekten zwar einen Anspruch des Schuldners auf Annahme der Leistung verneint, für den Eintritt der mora creditoris aber culpa des Gläubigers verlangt10• Die Culpa-Theorie hat über das Gebiet des deutschen Rechts hinausgewirkt. Sie hat im 19. Jahrhundert in den romanischen Rechten11 und namentlich auch in der Schweiz12 und in Österreich13 positive Aufnahme gefunden. Die mora creditoris als Spiegelbild der mora debitoris aufzufassen, wurde den Anhängern dieser Lehre durch verschiedene Definitionen nahegelegt, die die mora creditoris in früheren Jahrhunderten erfahren hatte14• Diese Auffassung entsprach auch der aus dem späten Naturrecht herrührenden systematischen Denkweise15, die sich bemühte, den Verzug des Schuldners und den des Gläubigers als Untergruppen eines einheitlichen Begriffs der mora auszuweisen. Gleichwohl ist die Entwick:lung offenbar nicht ohne Brüche verlaufen. Noch Höpfner erkannte 1790 dem Unterbleiben der Leistungsannahme nämlich keine selbständige Bedeutung zu; er ließ die mora creditoris erst mit der HinterVgl. S. 227 ff. Vgl. Bd II, § 345, 3 (bes. S. 447, Fn. 10). 11 Vgl. dazu unten, 2. H auptteil, bei Fn. 40 ff. und bei Fn. 219 ff. 12 Vgl. dazu v. Tuhr I Siegwart, § 65 IV. Ausführlich geht noch Oser in der 1. Auflage des Züricher Kommentars unter Darlegung des Meinungsstandes auf die Frage ein, vgl. Art. 91, Anm. IV, 1-7. 13 Vgl. Unger, Bd II, § 128 II 6, Fn. 39 (S. 545); Stubenrauch I Schuster I Schreiber, § 1419, Anm. I d; ausführlich v. Schey, S . 81 ff. Die lapidare Bestimmung in § 1419 ABGB ("Hat der Gläubiger gezögert, die Zahlung anzunehmen, so fallen die widrigen Folgen auf ihn.") läßt j ede Deutung zu. Klang I Gschnitzer, § 1419, Anm. I, sprechen d avon, daß der Inhalt der Vorschrift an Unbestimmtheit grenze. 14 Vgl. (alle zitiert nach v. Madai, S. 5): Salicetus, Tractatus de mora (Bd II, S. 123 Tractatuum doctorum juris): "Mora est delictum culpabile in debito solvendo, vel credito recipiendo commissum"; Johannes Saporta, Tractatus morae, Kap. 1, Nr. 5: "Mora est dilatio, culpa non carens debiti solvendi vel crediti recipiendi" ; Hotomannus, Tractatus de mora (ohne weitere Angabe) : "Mora est culpa praetermittendi officii in solvendo, recipiendov e debito, quae alteri damnosa est." 16 Vgl. dazu Wieacker, S. 3191320 (zu Christian Wolff). 9

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1. Hauptteil: Überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

legung einsetzen, wenn bewegliche Sachen den Schuldgegenstand bildeten16. Auf das römische Recht läßt sich die Culpa-Theorie ohnehin nicht zurückführen17• 2. Die mora creditoris bei Friedrich Mommsen Friedrich Mommsen hat eine Pflicht des Gläubigers zur Annahme der Leistung oder zur sonstigen Mitwirkung bei der Schulderfüllung als erster bestritten18. Durch das Schuldverhältnis werde dem Gläubiger eine "Herrschaft" eingeräumt. Ob er diese ausüben wolle oder nicht, stehe ihm frei. Da ein "Verschulden" des Gläubigers ohne eine durch ihn begangene Rechtsverletzung keine rechtlichen Wirkungen habe, könne es nicht Voraussetzung des Gläubigerverzugs sein10. Ganz auf ein subjektives Element mag Mommsen allerdings nicht verzichten. Die Nichtannahme soll nämlich nur dann verzugsbegründend sein, "wenn dieselbe in dem Willen des Gläubigers ihren Grund hat" 20. In einem späteren Abschnitt wird dem Willen des Gläubigers der "Casus" gegenübergestellt21 • Zufällige Annahmeverhinderung soll also die mora creditoris ausschließen. 3. Die mora creditoris bei Kohler Für die weitere Rechtsentwicklung sind Arbeiten Kohlers grundlegend geworden22. Mit Schärfe hat er sich gegen die Auffassung gewandt, daß der Gläubiger zur Annahme oder zur Vornahme sonstiger Mitwirkungshandlungen verpflichtet ist: "In der That ist jene Ansicht von der Mitwirkungspflicht des Gläubigers einer der fundamenthalsten Irrtümer in der Lehre des Obligationenrechts. Der Gläubiger ist nicht verpflichtet, die Leistung anzunehmen, es ist die Annahme ein Recht und nur ein Recht, keine Pflicht; sie steht auf gleicher Stufe, wie jede anderwärtige Benutzung eines Vermögensgutes23." 16 Vgl. S. 631. Zu den auf der gleichen Konzeption beruhenden Artt. 1257 ff. C.cic. vgl. im 2. Hauptteil bei Fn. 1 ff., 16. 17 In den Digesten ist lediglich von "per creditorem stare, quo minus accipiat" die Rede, vgl. Afr. D. 17, 1, 37; Cels. D. 19, 1, 38, 1; Ulp. D. 46, 3, 9. Vgl. zum klassischen römischen Recht Kaser, § 119 III (S. 517 f.); ders., RE XVI (1935), Art. Mora, Sp. 252, 272 ff.; Guarneri Citati, Ann.Sem.Giur. Palermo, Bd XI (1923), 161 ff. Im justinianischen Recht ließ man nach Guarneri Citati, aaO., S. 212 ff., 220, die mora des Gläubigers und die depositio des Schuldgegenstandes zusammenfallen (also ebenso wie bei Höpfner, S. 631, vgl. vorige Fn.). Zustimmend wohl Kaser, RE XVI (1935), Sp. 275. ts Vgl. S. 3, 133 ff. 19 Vgl. S. 134. 20 Vgl. S. 135. 21 Vgl. S. 161. 22 Vgl. zunächst die im folgenden zitierte Abhandlung in IhJb 17 (1879), 261. Kohler hat in späteren Arbeiten an seiner Auffassung festgehalten, vgl. namentlich seinen Aufsatz in AbR 13 (1897), 149, und dazu unten bei Fn. 75 ff.

1. Kap.: Die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des BGB

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Insoweit befindet sich Kohler in Übereinstimmung mit Friedrich Mommsen, dem er jedoch vorwirft, nicht alle Konsequenzen aus "dieser fundamentalen Wahrheit" gezogen zu haben. Für Kohler bedeutet der Gläubigerverzug schlicht Nichtannahme der rite angebotenen Leistung oder Nichtvornahme der für die Erfüllung durch den Schuldner erforderlichen Mitwirkungshandlungen24 • Er erkennt an, daß dem Schuldner in allen Fällen ein Mittel gegeben werden muß, sich von der Obligation zu befreien; es könne nicht im Belieben des Gläubigers stehen, die obligatorische "Verhaftung in das Unendliche zu verlängern" 25 • Dieses Mittel erblickt Kohler für das moderne Recht grundsätzlich in der Hinterlegung des Schuldgegenstandes26 • Bei den obligationes faciendi soll es der Erfüllung gleichstehen, wenn der Schuldner das tut, was er ohne Mitwirkung des Gläubigers tun kann27 • Werde die Tätigkeit nur innerhalb einer bestimmten Frist geschuldet, so sei mit deren Ablauf das Erfüllungssurrogat eingetreten28 • In den anderen Fällen sei ein Zwischenstadium zwischen dem bloßen Annahmeverzug und dem Erfüllungssurrogat möglich. Hier soll nur ein "die üblichen Rücksichten des Verkehrs schwer verletzender Verzug" 29 als Erfüllungssurrogat genügen und es namentlich auf ein energisches, aber erfolgloses Leistungsangebot ankommen. Kohler gibt dem Schuldner wegen seiner Aufwendungen die actio negotiorum gestorum, will ihm daneben auch die Vertragsklage, z. B. die actio venditi, zubilligen30• Ferner gehe die Gefahr zufälligen Untergangs der Sache mit Eintritt des Gläubigerverzugs vom Schuldner auf den Gläubiger über31 • Gegen Kohler haben sich namentlich v. Schey und Windscheid ausgesprochen. Zwar stimmt v. Schey Kohler insofern zu, als auch er meint, der Gläubiger als solcher sei zu nichts verpflichtet32• Doch treffe auch ihn die allgemeine, jedermann obliegende Pflicht, niemanden zu schädigen, wenn er mit der Verzögerung der Annahme die Schranken seines Rechts überschreite. Das aber sei der Fall, weil er mit der Ver23 Vgl. S. 267. Daß dies nicht nur für die Annahme der Leistung, sondern auch für die Mitwirkung bei der Leistung des Schuldners gelten soll, ergibt sich unmittelbar aus den von Kahler, S. 267/268, angeführten Beispielen. 24 Vgl. S. 267 ff. 25 Vgl. S. 272. 28 Vgl. S. 337 ff. 27 Vgl. S. 364. 28 Ob Kahler die Dinge so ansehen will, als sei die Leistung erbracht, oder ob er annimmt, daß mit Fristablauf Unmöglichkeit eintritt, ist nicht ganz deutlich. Da er von einem Erfüllungssurrogat spricht, ist jedoch das erstere naheliegend. 29 Vgl. S. 365. 30 Vgl. S. 377. 31 Vgl. S. 387 ff. 32 Vgl. S. 27.

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1. Hauptteil: Überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

weigerungder Annahme in die Rechtssphäre des Schuldners eingreife33• Soweit er unter dem Gebot des "neminem laede" stehe, sei er nur verantwortlich, wenn ihm auch eine culpa vorgeworfen werden könne34 • Windscheid 35 schließlich hat bis zuletzt gegen die Angriffe Kohlers daran festgehalten, daß nur eine "widerrechtlich e" Nichtannahme den Gläubigerverzu g begründe. Die Nichtannahme hält er für widerrechtlich, wenn die Annahme dem Gläubiger möglich war und ihm kein Entschuldigung sgrund zur Seite steht. Entscheidend ist für ihn, daß Nachteile ohne eindeutige gesetzliche Bestimmung nicht einem Schuldlosen auferlegt werden dürfen. Die ursprünglich von ihm vertretene Ansicht, daß der Schuldner ein Recht auf Annahme habe, hat Windscheid allerdings aufgegeben36• 2. Abschnitt

Die Praxis vor 1900 Die Gesetzgebungsp raxis stimmte mit der Culpa-Theorie des gemeinen Rechts überein. Das Preuß. ALR37, das Sächs. BGB38 und auch der dem 2. Buch des BGB zugrunde liegende Dresdener Entwurf39 gingen davon aus, daß der Gläubiger mit dem Unterlassen der Leistungsannahme gegen eine Pflicht verstieß und verlangten deshalb, daß der Gläubiger die Annahme oder sonstige Mitwirkung "ohne gerechten Grund" unterließ. Auf der anderen Seite gewährten sie dem Schuldner bei mora creditoris auch einen Schadensersatz anspruch40 • Von einer anderen Konzeption gingen allerdings die Verfasser des ADHGB bei der Beratung des jetzigen § 667 HGB aus, der die Bedeutung von Leistungshinde rnissen in der Person des Reisenden beim Passagiervertra g auf See regelt. In den ausführlichen Beratungen der Kommission hat die Culpa-Theorie keine Rolle gespielt; man orientierte sich vielmehr an Zweckmäßigke itserwägungen41 • Das dürfte sich indessen daraus erklären, daß die Verfasser des ADHGB hier nicht eine Frage der mora creditoris, sondern ein Unmöglichkeits problem gefunden haben42 • 33 34

35

so 37

Vgl. S. 102, 104 ff. Vgl. S. 104. Vgl. Windscheid I Kipp, Bd li, § 345, 3 (S. 4461447). Vgl. aaO., S. 447, Fn. 10. Vgl. §§ 98, 102, 103, 939, 940 I. 11 und dazu Förster I Eccius, S. 707 f.,

714 ff.

Vgl. §§ 746- 749. Vgl. Artt. 306, 308. 40 Vgl. Preuß.ALR §§ 102, 103, 940 I. 11 und dazu Förster I Eccius, S. 715; Sächs.BGB § 750; Dresdener Entwurf Art. 314. 41 Vgl. Lutz, Protokolle, Bd V, S. 2512 ff. 3s

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1. Kap.: Die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des BGB

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Der Einfluß der Arbeiten Kohlers auf die gerichtliche Praxis läßt sich am Beispiel der Rechtsprechung zum Spezifikationskauf zeigen. Nimmt der Käufer die Spezifikation nicht vor, so verstößt er damit nach dem heutigen § 375 HGB gegen eine Schuldnerpflicht, die sogar die Folgen der §§ 325, 326 BGB auslöst, also vertragliche Hauptpflicht ist. Das ADHGB enthielt eine entsprechende Bestimmung nicht; die Lösung mußte deshalb den allgemeinen Grundsätzen entnommen werden43 . Die Rechtsprechung des ROHG steht im Einklang mit der CulpaTheorie. Das ROHG erkannte an, daß der Käufer schon in Verzug kommt, wenn ihn der leistungsbereite Verkäufer vergeblich zur Spezifikation auffordert44 . Das Gericht nahm auch eine Pflicht des Käufers zur Spezifikation an45 , glaubte allerdings, dazu der Konstruktion eines dem Kaufvertrag beigefügten Nebenvertrags zu bedürfen. Für den Fall der Erfolglosigkeit der Vollstreckung des auf Abgabe der Spezifikationserklärung lautenden Urteils wurde dem Verkäufer Schadensersatz in Aussicht gestellt. Die Annahme einer Pflicht zur Spezifikation liegt auch einem weiteren Urteil des ROHG zugrunde, in dem der Käufer verurteilt wurde, die Spezifikation vorzunehmen und den vereinbarten Kaufpreis gegen Lieferung der spezifizierten Ware zu zahlen46. Im gleichen Sinne entschied das Appellationsgericht Celle 47 , das die Klage des Verkäufers auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung abwies, weil er zuvor versuchen müsse, den Anspruch auf Vornahme der Spezifikation klageweise durchzusetzen. Das RG nahm unter dem Einfluß Kohlers eine der Praxis des ROHG entgegengesetzte Stellung ein48 . Es verneinte nicht nur eine Pflicht zur 42 Bei Lutz, aaO., S. 2514 f., ist ausdrücklich von Unmöglichkeit die Rede. Man darf in § 667 HGB ein Seitenstück zu den §§ 324, 645, 649 BGB sehen. Eine dem jetzigen § 666 HGB (Verspätung des Reisenden) entsprechende Bestimmung stand nicht zur Diskussion. 43 Von Interesse ist in diesem Zusammenhang das Österreichische Recht, weil das von Österreich rezipierte ADHGB bis 1938 fortgalt. Der OGH gewährte in Übereinstimmung mit dem ROHG (vgl. die folgenden Fn.) dem Verkäufer einen klagbaren Anspruch auf Abgabe der Spezifikationserklärung; das Urteil war nach § 354 EO, also durch Geldstrafen und Haft, zu vollstrecken. Vgl. OGH, 1. 6. 1915, GIUNF. Nr. 7465=ZB1. 1915, 939=JB1. 1915, Nr. 41, und dazu Staub I Pisko, Art. 337, Vorbem., Anm. 44; Klang I Bettelheim, § 1062, Anm. 15. Seit 1938 gilt§ 375 des auch in Österreich in Kraft gesetzten HGB. In der Schweiz wird der Übergang des Spezifikationsrechts auch ohne gesetzliche Bestimmung angenommen, vgl. BGE 42 II 219 (1916); vgl. auch Bloch, SJZ 56 (1960), 7. 44 Vgl. ROHG 4, 144; 10, 274; 15, 146=SeuffArch. 31 Nr. 265; 18, 336. 45 Vgl. ROHG 16, 203 (auf partikularrechtliche Besonderheiten wird nur hinsichtlich der Vollstreckung Bezug genommen). 48 U. v. 1. 2. 1875 R. 61/75- ROHG 16, 2061207 (Fn.). 47 SeuffArch. 32 Nr. 96. 48 Vgl. RGZ 14, 243=SeuffArch. 41 Nr. 209.

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1. Hauptteil: überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

Annahme der angebotenen Leistung 49 , sondern auch eine Pflicht zur Spezifikation. Das Gericht führt unter Bezugnahme auf Kohler aus, die Annahme der Leistung sei lediglich ein Recht, nicht eine Pflicht des Gläubigers, zu deren Erfüllung er im Klagewege gezwungen werden könnte. Da die Spezifikation lediglich die Voraussetzung der Leistungsannahme bilde, könne der Käufer zu deren Vornahme nicht gezwungen werden 50 • Ob das RG von diesem Standpunkt später wieder abrücken wollte, bleibt unklar 51 • In dem einen Fall, in dem das RG dem Verkäufer einen klagbaren Anspruch auf Spezifikation zuerkannte 52 , handelte es sich jedenfalls um eine preußische Rechtssache; das Urteil wurde ausdrücklich auf § 215 I. 11 ALR53 gestützt. In einem weiteren Fall54 zeigte sich das RG immerhin in einem obiter dieturn bereit, im Falle einer vertraglichen Übernahme der Spezifikation einen klagbaren Anspruch auf Abgabe der Erklärung zu gewähren; eine solche vertragliche Übernahme ließe sich beim Spezifikationskauf wohl stets annehmen. Zu einer Entscheidung in diesem Sinne ist es jedoch infolge des Inkrafttretens des § 375 HGB nicht mehr gekommen. 3. Abschnitt

Die Mitwirkung des Gläubigers in der Entstehungsgeschichte des BGB In den Motiven zu § 254 des ersten Entwurfs, der dem § 293 BGB entspricht, wird ausdrücklich hervorgehoben, daß der Entwurf nicht von einer Pflicht des Gläubigers zur Annahme ausgehe und deshalb auch davon absehe, ein Verschulden des Gläubigers als Voraussetzung seines Verzugs zu statuieren55 • Für die Fälle, in denen der Schuldner bei der Leistung auf eine Mitwirkung des Gläubigers angewiesen ist, wird zwar in der Begründung zu§ 255 Abs. II, Nr. 2, 3 und Abs. III S. 2 (heute: §§ 295, 296 BGB) ausgeführt, daß bei Bestimmung eines Termins für diese Mitwirkung des Gläubigers auch ein wörtliches Angebot des Schuldners in Analogie zu der entsprechenden Bestimmung beim Vgl. außer der Entscheidung in Fn. 48 noch RGZ 5, 392 und RGZ 26, 213. Vgl. RGZ 14, 243, 247. 5 1 Den Eindruck, daß dies geschehen ist, erweckt die Darstellung von Oertmann, AcP 85 {1896), 202, 220/221, der für einen klagbaren Anspruch auf Spezifikation eintritt. 52 RGZ 26, 213. 53 Die Bestimmung lautet: "Ist der Verkäufer bereit, die Sache vertragsmäßig zu übergeben, so ist der Käufer sie sofort zu übernehmen schuldig." 54 RGZ 30, 97, 103. s5 Vgl. Mot., Bd II, S. 68/69. 49

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1. Kap.: Die Recht.slage vor dem Inkrafttreten des BGB

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Schuldnerverzug (§ 284 Abs. II BGB) überflüssig sei56 • Eine "eigentliche obligationsmäßige Verpflichtung des Gläubigers dem Schuldner gegenüber" sollte mit dieser Analogie jedoch nicht anerkannt werden57• Bei dem Anspruch des Schuldners auf Ersatz seiner Mehraufwendungen (§ 304 BGB, § 261 des Entwurfs) waren die Gesetzesverfasser nochmals veranlaßt, sich mit der Frage zu befassen, ob der Gläubiger zur Mitwirkung, insbesondere zur Annahme der Leistung, verpflichtet sei. Bei diesem Anspruch soll es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch handeln; der Schuldner werde vielmehr "kraft Gesetzes im Interesse des Gläubigers gleichsam als dessen negotiorum gestor" tätig58• Eine Pflicht des Gläubigers zum Schadensersatz führe nämlich dann zu Härten, wenn ihn kein Verschulden treffe. Eine andere Beurteilung könne nur von dem abgelehnten Standpunkt aus vertreten werden, nach dem der Verzug des Gläubigers auf einer Pflicht zur Annahme beruhe und ein Verschulden voraussetze50• Bei den Beratungen der zweiten Kommission wurden, wie die Protokolle ausweisen60 , die rechtlichen Grundlagen des Gläubigerverzugs nicht mehr diskutiert. Die Kommission beschränkte sich im wesentlichen auf redaktionelle Änderungen. Bedeutsamer ist allein die Einfügung des jetzigen § 299 BGB. Die Begründung für diese Einfügung zeigt, daß die zweite Kommission ganz auf dem Boden der von der ersten entwickelten Konzeption stand. Die Kommission erblickte nämlich in der neuen Bestimmung eine Milderung des Grundsatzes, "daß der Annahmeverzug ohne Verschulden des Gläubigers eintrete" 61 • Die Ausnahme, die bei Kauf- und Werkvertrag (§§ 433 Abs. II, 460 BGB) von dem den §§ 293 ff. BGB zugrunde liegenden Prinzip gemacht wird, wird in den Motiven mit bemerkenswerter Kürze behandelt. Zur Abnahmepflicht des Käufers (§ 459 des Entwurfs) heißt es62 , daß sie zweifellos in den meisten Fällen (gemeint ist wohl: nach dem Inhalt des Vertrags) gegeben sei; Schweigen des Gesetzes könne dahin mißverstanden werden, daß sie als naturale negotii verneint sei; im übrigen entspreche ihre Anerkennung einem praktischen Bedürfnis, das sich aus ähnlichen Bestimmungen anderer Gesetzgebungen63 mit Sicherheit Vgl. Mot., Bd II, S. 71. Vgl. aaO. 58 Vgl. Mot., Bd II, S. 76. Einen Fall der actio negotiorum gestorum contraria sehen hier schon Mommsen, S. 297/298, und Kahler, IhJb 17 (1879), 261, 377, der daneben aber auch die Kontraktsklage geben will. 59 Vgl. aao., S. 76. so Vgl. Prot., Bd I, S. 328-333. 81 Vgl. aaO., S. 330. 62 Vgl. Mot., Bd II, S. 318. 63 Nämlich: Preuß.ALR § 215 I. 11; ABGB § 1062; OR (1884), Art. 260. 56

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1. Hauptteil: Überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

ergebe64 • Zur Abnahmepflicht des Werkbestellers wird lediglich ausgeführt, daß sie in Analogie zur Abnahmepflicht des Käufers stehe65 • Ausführlicher gehen die Protokolle auf die Frage ein, weil bei den Beratungen der zweiten Kommission im Anschluß an einen Vorschlag Labands66 der Antrag gestellt worden war, die Bestimmung über die Abnahmepflicht des Käufers zu streichen67 • Die Argumente, mit denen dieser Antrag abgelehnt wurde, sind die schon in den Motiven enthaltenen; ein allgemeines Bedürfnis für eine Abnahmepflicht des Gläubigers bestehe nicht, die Folgen des Annahmeverzugs reichten jedoch nicht aus, um den Verkäufer hinreichend zu schützen68 • Bei der Abnahmepflicht des Werkbestellers wird die in den Motiven niedergelegte Auffassung korrigiert, sie stehe der Pflicht des Käufers gleich; denn anders als diese enthalte jene auch die Anerkennung des hergestellten Werks als vertragsgemäß 69• Den Materialien zum BGB ist also zu entnehmen, daß die Verfasser des Gesetzes bei der Regelung des Gläubigerverzugs von der Theorie Kohlers ausgegangen sind. Warum sie sich von der Culpa-Theorie im Prinzip getrennt und sie in wichtigen Ausnahmen wieder eingeführt haben, ist aber weder in den Motiven noch in den Protokollen näher begründet. Auch auf die Erwägungen zur Regelung des Passagiervertrags im ADHGB 7 o ist man nicht zurückgekommen, obwohl sich die Ablehnung der Culpa-Theorie damit hätte untermauern lassen. Der Hinweis auf das praktische Bedürfnis zeigt allerdings, daß man die These Kohlers, der Gläubiger sei ausschließlich berechtigt, nicht für zwingend begründet hielt. 84 In dieser Frage hat sich der Gesetzgeber getäuscht. Im Österreichischen Recht wird eine Abnahmepflicht des Käufers trotz § 1062 ABGB verneint, vgl. den Pienarbeschluß des OGH vom 12. 6.1907, JB Nr. 179, GlUNF. Nr. 3809=ZB1. 1907, 753; Klang I Bettelheim, § 1062, Anm. I 5; Kapfer, § 1062, Anm. 1, m. w . N. Ebenso wird eine Abnahmepflicht des Werkbestellers abgelehnt, vgl. Klang I Adler I Höller, § 1165, Anm. II 7; Riezler, RabelsZ 17 (1952), 522, 5571558. Im schweizerischen Recht ist die Frage trotz des Wortlauts von Art. 211 OR ("Der Käufer ist verpflichtet ... die gekaufte Sache ... anzunehmen") streitig. Das Schrifttum spricht sich überwiegend gegen eine Abnahmepflicht des Käufers aus, vgl. Becker, Art. 211, Anm. 5; Oser I Schönenberger, Art. 211, Anm. 3 und 8; Heinz-Bommer, S. 6 ff. Die Rechtsprechung scheint dagegen der Bejahung einer Pflicht des Käufers zuzuneigen, vgl. BGE 48 II 98, 103 (1922); BGE 59 II 305 (1933). Die entsprechende Frage für den Werkvertrag hat in der Schweiz keine nachweisbare Bedeutung erlangt, vgl. Riezler, aaO. es Vgl. Mot., Bd II, S. 490. 66 Vgl. Zusammenstellung der gutachtlichen Äußerungen Bd II, S. 2261227. 67 Vgl. Prot., Bd II, S. 50 (Antrag 2 b). us Vgl. Prot., Bd II, S. 53. eo Vgl. Prot., Bd II, S. 316. 1o Vgl. oben bei Fn. 41.

2. Kapitel

Der Verzug des Gläubigers nach dem BGB 1. Abschnitt

Die Rechtsstellung des Gläubigers nach den §§ 293 ff. BGB

I. Die Voraussetzungen des Gläubigerverzugs 1. Überblick über die gesetzliche Regelung

Gemäß § 293 BGB ist für den Eintritt des Gläubigerverzugs erforderlich und ausreichend, daß der Schuldner dem Gläubiger die Leistung erfolglos anbietet. Wie der Schuldner anzubieten hat, ist in den §§ 294, 295 BGB geregelt: Anstelle des grundsätzlich erforderlichen tatsächlichen Angebots (§ 294 BGB) genügt ein wörtliches Leistungsangebot dann, wenn der Gläubiger zuvor schon erklärt hat, daß er die Leistung nicht annehmen wird, oder wenn der Schuldner nicht leisten kann, ohne daß der Gläubiger eine Mitwirkungshandlung vornimmt (§ 295 S. 1 BGB). In diesem Fall entspricht dem Leistungsangebot die Aufforderung, die erforderliche Handlung vorzunehmen (§ 295 S. 2 BGB). Das Ausbleiben einer Mitwirkungshandlung und die Aufforderung, diese Handlung vorzunehmen, begründen also den Verzug des Gläubigers71. Die §§ 296 - 299 BGB enthalten Ausnahmen und Ergänzungen der §§ 293-295 BGB. Begünstigt wird der Gläubiger durch die §§ 297, 299 BGB: Er kommt nicht in Verzug, wenn der Schuldner außerstande ist, die Leistung zu bewirken (§ 297 BGB), oder wenn er nur vorübergehend verhindert ist, die Leistung anzunehmen, sofern er sich nicht auf eine bestimmte Leistungszeit einzurichten brauchte (§ 299 BGB). Erschwert wird die Rechtslage des Gläubigers durch die §§ 296, 298 BGB. Entsprechend der Regelung für den Schuldnerverzug in § 284 Abs. II BGB72 bedarf es eines Angebots überhaupt nicht, wenn für die Mitwirkungshandlung des Gläubigers eine Zeit nach dem Kalender 71 Vgl. dazu RGJW 1904, 168 Nr. 80; RGWarnR 1918 Nr. 177 (S. 261); auch Müller, Rvgl. HWB, Bd 6 (1938), Art. Schuldverhältnis, S. 272 ff., 309. 12 Vgl. dazu Mot., Bd II, S. 71.

2 Hüffer

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1. Hauptteil: überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

bestimmt ist oder wenn sich die Zeit nach einer vereinbarten Kündigung kalendermäßig berechnen läßt (§ 296 BGB)13 • Eine besondere Bestimmung für die Fälle, in denen der Schuldner nur Zug um Zug gegen eine Leistung des Gläubigers zu erfüllen braucht, ist schließlich in § 298 BGB enthalten: Der Gläubiger gerät auch dann in Verzug, wenn er zwar zur Annahme der ihm angebotenen Leistung bereit ist, aber die von ihm geschuldete Leistung nicht anbietet74 •

2. Gläubigerverzug und schuldhafte Pflichtverletzung des Gläubigers Die im gemeinen Recht mit der mora creditoris verbundene Frage, ob in dem Ausbleiben von Mitwirkungshandlungen des Gläubigers eine schuldhafte Vertragsverletzung liegen kann, hat das Gesetz bei der generellen Regelung des Gläubigerverzugs verneint und nur für einzelne Verträge in den §§ 433 Abs. II, 640 BGB, 375 HGB bejahend beantwortet. Im Gegensatz zu der umfassenden Konzeption der mora creditoris des gemeinen Rechts erfaßt der Gläubigerverzug der §§ 293 ff. BGB also nur einen Teil der Probleme, die mit dem Ausbleiben von Mitwirkungshandlungen des Gläubigers verbunden sind. In seiner zweiten größeren Arbeit zum Gläubigerverzug behauptete Kohler zwar, in der Regelung des BGB liege ein legislativer Sieg für seine jede Pflicht des Gläubigers ablehnende Auffassung75 • Für die nicht in sein System passende Regelung beim Kauf- und Werkvertrag entwickelte er eine eigenwillige Interpretation. Soweit das Gesetz beim Kauf- und Werkvertrag von einer Abnahme spreche, komme dem nicht die Bedeutung zu, daß der Käufer oder Besteller abnehmen müsse76• Eine Klage auf Grund der §§ 433 Abs. II, 640 BGB habe vielmehr eine Feststellungsfunktion. Es werde festgestellt, daß der Schuldner vertragsgemäß gehandelt hat. Diese richterliche Feststellung sei das Erfüllungssurrogat, das den Schuldner berechtige, die Gegenleistung zu verlangen77 • Wortlaut wie Entstehungsgeschichte des BGB beweisen jedoch, daß die §§ 433 Abs. II, 640 BGB Pflichten des Gläubigers statuieren78• Der Versuch Kohlers, auch unter der Herrschaft des BGB 73 Hat der Gläubiger die termingebundene Mitwirkungshandlung vorgenommen, so gelten für weitere erforderliche Mitwirkungshandlungen die §§ 293 - 295 BGB. 74 Vgl. dazu unten bei Fn. 102 ff. 75 Vgl. AbR 13 (1897), 149, 150. 7& Vgl. aao., s. 174 ff., 178, 240/241. 11 Vgl. aaO., S. 240 ff. 78 Die Konstruktion Kohlers ist auch unklar: Einerseits soll die Klage des Verkäufers oder Unternehmers Feststellungsfunktion haben, andererseits soll erst die richterliche Feststellung der Erfüllung gleichstehen, also rechtsgestaltende Wirkung besitzen.

2. Kap.: Der Verzug des Gläubigers nach dem BGB

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noch eine einheitliche Konzeption des Gläubigerverzugs zu begründen, hat sich deshalb zu Recht nicht durchgesetzt. Der Verzug des Gläubigers ist nach Inkrafttreten des BGB nur von Rosenberg eingehend untersucht worden79 • Für Rosenberg ist der Gläubigerverzug "das Unterlassen der zur Bewirkung der Leistung erforderlichen Mitwirkung des Gläubigers" 80• Ein Verschulden des Gläubigers sei nicht erforderlich81, sei nach zutreffender Ansicht auch im gemeinen Recht nicht erforderlich gewesen82• Stimmt Rosenberg insoweit mit Kohler überein, so unterscheidet er sich von ihm in der Behandlung der Abnahmepflicht bei Kauf- und Werkvertrag83• Unter ausdrücklicher Ablehnung der Ansicht Kohlers nimmt er nämlich insoweit klagbare Pflichten an84 • Die Auffassung Rosenbergs kann noch heute als repräsentativ für die allgemeine Meinung gelten. Die Ausführungen zu der Frage, welche Stellung im Schuldverhältnis der Gläubiger hat, sind in Lehrbüchern und Kommentaren zum Gläubigerverzug nicht sehr aufschlußreich. Sie erschöpfen sich nämlich in der Feststellung, daß ein Verschulden des Gläubigers nicht Voraussetzung seines Verzugs ist, weil den Gläubiger keine Pflicht zur Annahme trifft85, eine Formulierung, die sich die Rechtsprechung zu eigen gemacht hat86• Ähnliche Äußerungen finden sich auch im österreichischen87 und schweizerischen Rechts8, wo man die ursprünglich vertretene Culpa-Theorie89 im Anschluß an die Arbeiten Kohlers ebenfalls aufgegeben hat. Neuerdings wird aus den§§ 293 ff. BGB geschlossen, die Leistung des Schuldners anzunehmen und bei ihr mitzuwirken, sei Gegenstand einer Obliegenheit90• Mit der Verwendung dieses Begriffs verbindet sich IhJb 43 (1901), 141 ff. Vgl. aaO., S. 143. 81 Vgl. aaO., S. 143. 82 Vgl. aaO., S. 196 ff., bes. S. 201 ff. 83 Vgl. aaO., S. 245 ff. "' Vgl. aaO., S. 253. Insoweit ausdrücklich gegen Kohler auch Siber, S. 42. 8 5 Vgl. Enneccerus I Lehmann, § 57 II 4; Esser, Bd I, § 34 I (S. 216); Fikentscher, § 46 I (S. 223); Larenz, Bd. I, § 25 I (S. 280); Planck I Siber, § 293, Vorbem. 1; Staudinger I Werner, § 293, Vorbem., Rdn. 1. 86 Vgl. BGHZ 2, 20, 28. Das Gericht spricht sogar davon (aaO.), daß 1896 "die Erkenntnis, daß der Gläubigerverzug ohne Rücksicht auf Verschulden eintritt, bereits Allgemeingut der deutschen Rechtswissenschaft" gewesen sei. Vgl. dagegen Windscheid I Kipp, Bd II, § 345, 3. 87 Vgl. OGH JBl. 1951, 415; Klang I Gschnitzer, § 1419, Anm. II 4; Hasenöhr!, Bd II, § 84 II 2 c (S. 359 Fn. 54); Krasnopolski I Kafka, § 23 II (S. 123 ff.). 88 Vgl. Becker, Artt. 92-94, Anm. 4; v. Tuhr I Siegwart, § 65 I (S. 508); v. Büren, § 8 (S. 415). 89 Vgl. oben Fn. 12 und 13. 90 z. B. von Larenz, Bd I, § 25 I (S. 280) und Fikentscher, § 46 I (S. 223). 79

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1. Hauptteil: Überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

jedoch keine neue Auffassung über die Rechtsnatur des Gläubigerverzugs. Zwar soll der von Reimer Schmidt91 in die allgemeine Zivilrechtsdogmatik eingeführte Begriff eine Verbindlichkeit bezeichnen. Gemeint ist damit aber nicht eine Rechtspflicht im herkömmlichen Sinne, sondern eine Verbindlichkeit geringerer Zwangsintensität, die sich durch das Fehlen der Schadensersatzsanktion auszeichnet92 , für den Belasteten aber durch Androhung anderer Nachteile "eine Situation des rechtlichen Geratenseins" 93 entstehen läßt. Spricht man also von einer Obliegenheit, so ist damit im Ergebnis nur ausgedrückt, daß der in Verzug geratene Gläubiger die in den §§ 293 ff. BGB vorgesehenen Rechtsfolgen zu tragen hat. Der Gläubiger wird also auch nach dieser Auffassung nicht Schuldner von Mitwirkungshandlungen~4 • 3. Verzug des Gläubigers und Leistungsfähigkeit des Schuldners Die Frage nach der Verteilung von Sach- und Preisgefahr bei in der Sphäre des Gläubigers eintretenden Leistungshindernissen95 ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Nach§ 297 BGB schließt jedoch nicht nur eine endgültige, sondern auch eine zeitweilige Unmöglichkeit den Eintritt des Gläubigerverzugs aus. Der Gläubiger gerät nämlich dann nicht in Verzug, wenn der Schuldner nur zu dem nach den §§ 293-296 BGB maßgeblichen Zeitpunkt außerstande ist, die Leistung zu bewirken. Fraglich ist deshalb, ob die Leistungsfähigkeit des Schuldners im Sinne des § 297 BGB aufgehoben wird, wenn ihn der Gläubiger durch sein Verhalten an der Leistung hindert. Das Problem zeigt sich besonders deutlich, wenn der Schuldner für seine Leistung auf eine Mitwirkung des Gläubigers angewiesen ist, sei sie aktiv (der Gläubiger muß Zubehörteile oder Unterlagen liefern), sei sie passiv (der Gläubiger muß eine Tätigkeit des Schuldners auf seinem Grundstück dulden). Die Frage nach der Leistungsfähigkeit des 91 Die Obliegenheiten, passim. Zusammenfassend Soergel I Siebert I Schmidt, § 241, Vorbem., Rdn. 8, 9. Als Vorläufer Schmidts kann v. Buchka gelten, der zwar auf die rechtspsychologische Betrachtungsweise Schmidts verzichtet, aber die von ihm so genannte "indirekte Verpflichtung zur Leistung" im Ergebnis ebenso charakterisiert wie Schmidt die Obliegenheit, vgl. S. 1/2, 5, 819. 9 2 Vgl. S. 102 ff., 104, 3011302, 3141315. 93 Vgl. Soergel I Siebert I Schmidt, § 241, Vorbem., Rdn. 8. 94 Zum abweichenden Gebrauch des Begriffs der Obliegenheit in der Rechtsprechung des BGH vgl. unten bei Fn. 231 ff. es Vgl. dazu Beuthien, S. 230 ff.; eingehend auch Staudinger I Werner, § 293, Rdn. 2 ff.; grundlegend sind Arbeiten von Oertmann, AcP 116 (1918), 1, und LZ 1927, 1176. Vgl. ferner Esser, Bd I, § 34 111 (8. 219 ff.), und Larenz, Geschäftsgrundlage und Vertragserfüllung, S. 72 ff., 74. Aus der Rechtsprechung vgl. BGHZ 24, 91, 96. Eine Übersicht über den aktuellen Meinungsstand geben jetzt Erman I Battes, vor § 293, Rdn. 5 - 13.

2. Kap.: Der Verzug des Gläubigers nach dem BGB

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Schuldners stellt sich jedoch in jedem Fall des Gläubigerverzugs; denn selbst wenn der Schuldner so weit geleistet hat, daß der Gläubiger nur noch anzunehmen braucht (§§ 293, 294 BGB), kann er die versprochene Leistung letztlich doch nicht erbringen, wenn der Gläubiger eben diese Annahme unterläßt. Daß dies der Standpunkt des Gesetzes ist, ergibt sich aus §§ 362 Abs. I, 378 BGB: In der Hinterlegung der Schuldsache (§ 372 BGB) liegt keine "Leistung an den Gläubiger" (§ 362 Abs. I BGB); der Schuldner wird nur so gestellt, wie wenn er "an den Gläubiger geleistet hätte" (§ 378 BGB). Leistungsunfähigkeit des Schuldners anzunehmen, wenn er ohne die Mitwirkung des Gläubigers nicht erfüllen kann, wird durch den Unmöglichkeitsbegriff des BGB nahegelegt. Denn ohne die Mitwirkung des Gläubigers kann niemand leisten, die Unmöglichkeit ist eine objektive; bei der objektiven Unmöglichkeit kommt es aber nicht auf das Leistungsverhalten des Schuldners, sondern allein auf den Leistungserfolg an96• Kann der Schuldner den Leistungserfolg nicht herbeiführen, so erscheint der Gedanke an eine wenigstens zeitweilige Leistungsunfähigkeit als zwingend. Wollte man so argumentieren, so würde man jedoch übersehen, daß der an der Leistung des Schuldners ausgerichtete Unmöglichkeitsbegriff nicht auf § 297 BGB übertragen werden kann. Es ist kein Zufall, daß der Gesetzgeber in § 297 BGB nicht den Begriff der Unmöglichkeit verwendet, sondern davon spricht, daß der Schuldner "außerstande ist, die Leistung zu bewirken". Würde das Ausbleiben von Mitwirkungshandlungen des Gläubigers die Leistungsunfähigkeit des Schuldners auch dann bewirken, wenn der Gläubiger nur vorübergehend oder gar nicht an der Mitwirkung gehindert ist, dann würde sich der Gläubigerverzug in § 297 BGB selbst aufheben; denn das Ausbleiben von Mitwirkungshandlungen, das ihn begründet, würde stets zugleich zur Leistungsunfähigkeit des Schuldners führen, die ihn ausschließt. Es ist deshalb unzutreffend, wenn Staudinger I Werner97 behaupten, dem § 297 BGB liege der allgemeine Unmöglichkeitsbegriff zugrunde. Daß der Schuldner seine Leistung infolge des Ausbleibens der Mitwirkung nicht erbringen kann, steht dem Eintritt des Gläubigerverzugs jedenfalls dann nicht entgegen, wenn das Ausbleiben nur in einer vorübergehenden Behinderung des Gläubigers oder nur in einer mangelnden Mitwirkungsbereitschaft begründet ist98 • Der Schuldner ist also im Sinne des § 297 BGB zur Leistung imstande, wenn er seine Leistung ve Vgl. Wieacker, Festschrift f. Nipperdey, Bd I (1965), 783, 794/795. § 297, Rdn. 2. ee Zutreffend Kreß, Bd I , S. 473, Fn. 22. So anscheinend auch Gursky, AcP 173 (1973), 450, 454/455. . 97

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1. Hauptteil: überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

erbringen könnte, sofern der Gläubiger die ihm nicht endgültig unmöglichen Mitwirkungshandlungen vornehmen würde99 • Die aus dem Unmöglichkeitsrecht geläufige Unterscheidung zwischen Leistungshandlung und Leistungserfolg ist im Rahmen des § 297 BGB wenig hilfreich100• Zwar läßt sich sagen, daß der Schuldner nicht den Leistungserfolg herbeiführen, wohl aber das Leistungsverhalten zeigen konnte, wenn der Gläubiger die Leistung nur annehmen oder abholen muß101• Gläubigerverzug tritt jedoch darüber hinaus auch dann ein, wenn der Schuldner infolge des Gläubigerverhaltens nicht einmal alle versprochenen Leistungshandlungen vornehmen konnte (§ 295 S. 1, 2. Alt., BGB). Der Wortlaut des § 295 BGB läßt zwar eine einschränkende Auslegung zu; man könnte meinen, daß das Gesetz nur Mitwirkungshandlungen erfassen will, die mit der Herstellung oder Beschaffung des Leistungsgegenstandes nichts zu tun haben: Der Gläubiger stellt das Verpackungsmaterial nicht, das sich der Schuldner auch anderweitig beschaffen könnte, er erteilt keine Rechnung, er ruft die Ware nicht ab. Diese restriktive Auslegung entspräche jedoch nicht dem Sinn des Gesetzes. Das ergibt sich aus § 642 Abs. 1 BGB, wonach der Besteller eines Werks auch dadurch in Annahmeverzug kommen kann, daß er eine zur Herstellung des Werks erforderliche Handlung nicht vornimmt. Gläubigerverzug ist also auch dann möglich, wenn der Schuldner das geschuldete Leistungsverhalten nur teilweise zeigt, sofern für die ausgebliebenen Handlungen eine Mitwirkung des Gläubigers vorausgesetzt ist. Zusammenfassend ist festzustellen, daß es dem Eintritt des Gläubigerverzugs in den hier untersuchten Fällen nicht entgegensteht, wenn der Schuldner seine Leistung infolge des Gläubigerverhaltens nicht erbringen kann. Eine andere Beurteilung kann nur dann geboten sein, wenn die Leistung des Schuldners zeitlich fixiert ist. Auf diesen Fall ist unten im Zusammenhang mit § 324 Abs. II BGB näher einzugehen101a. 4. Der Eintritt des Gläubigerverzugs beim gegenseitigen Vertrag Für die §§ 293- 296 BGB spielt es keine Rolle, ob sich die Leistungspflicht des Schuldners aus einem gegenseitigen Vertrag oder aus ande99 Ein Ausschluß des Gläubigerverzugs durch Unmöglichkeit der Leistung kommt also nur dann in Betracht, wenn der Gläubiger endgültig nicht mitwirken kann. 100 Diese Unterscheidung wird von Beuthien, S. 245, herangezogen. 101 Anders Beuthien, aaO., der offenbar die Annahme der Leistung durch den Gläubiger als Bestandteil der Leistungshandlung des Schuldners ansehen will. Da mit der Annahme bereits der Leistungserfolg eintritt, geht bei dieser Auffassung die Abgrenzung zwischen Leistungshandlung und -erfolg verloren. 1ota Vgl. bei Fn. 134 ff.

2. Kap.: Der Verzug des Gläubigers nach dem BGB

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ren Rechtsgründen ergibt. Auch beim gegenseitigen Vertrag kommt der Gläubiger also in Verzug, wenn er die ihm rite angebotene Leistung nicht annimmt oder bei der Leistung des Schuldners nicht in der erforderlichen Weise mitwirkt. Darüber hinaus gerät der Gläubiger nach § 298 BGB dann in Verzug, wenn er zwar die ihm gebührende Leistung annehmen will, aber die von ihm geschuldete Leistung nicht anbietet. Die Vorschrift gilt für alle Verpflichtungen, die Zug um Zug zu erfüllen sind, namentlich also auch für die Fälle des Zurückbehaltungsrechts (§§ 273, 274 BGB) 102 • Das hauptsächliche Anwendungsgebiet des § 298 BGB ist jedoch der gegenseitige Vertrag. Hier bewirkt die Bestimmung eine Sicherung des Synallagma, indem sie den Gläubiger, der die Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung nicht gelten läßt, mit den Rechtsfolgen des Annahmeverzugs hinsichtlich der ihm gebührenden Leistung bedroht. Für den Schuldner folgt daraus vor allem, daß er nicht in Leistungsverzug gerät (§ 285 BGB) und der Gläubiger gegen ihn deshalb nicht nach § 326 BGB vorgehen kann, wenn er seine Leistung unterläßt. Der Gesetzgeber hat sich für § 298 BGB zutreffend auf das "Wesen derartiger Schuldverhältnisse" berufen103 ; aus der synallagmatischen Verknüpfung der Leistungen ergibt sich, daß der Leistungsanspruch des Gläubigers nicht isoliert behandelt werden darf. Unanwendbar ist § 298 BGB, soweit der Schuldner vorleistungspflichtig ist. Durch die Vorleistungspflicht wird das zwischen Leistung und Gegenleistung bestehende Austauschverhältnis in der Weise gelockert, daß der Schuldner nicht "nur gegen eine Leistung des Gläubigers zu leisten" hat; auf seinen Leistungsanspruch kann er sich vielmehr erst berufen, wenn er seine Vorleistung erbracht hat. Der Verkäufer eines Grundstücks, der sich zur Auflassung einen Monat nach Zahlung des Preises verpflichtet hat, gerät also nicht dadurch in Annahmeverzug, daß er dem zahlungsbereiten Käufer die Auflassung nicht anbietet. Die praktische Bedeutung der Unanwendbarkeit des § 298 BGB bei Vorleistungspflicht des Schuldners wird allerdings dadurch weitgehend aufgehoben, daß neben § 298 BGB die §§ 293 - 296 BGB anwendbar sind. Überhaupt sinkt dadurch der praktische Wert der Vorschrift104• Nimmt der Gläubiger die ihm angebotene Leistung 102 Zum Anwendungsbereich des § 298 BGB, der u. a. auch die Fälle der actio contraria umfaßt, vgl. Staudinger I Werner, § 298, Rdn. 3. 1os Vgl. Mot., Bd II, S. 73. 104 In der Rechtsprechung spielt § 298 BGB nur eine bescheidene Rolle: In allen Kommentaren wird zu dieser Bestimmung kaum eine Entscheidung angeführt. Planck I Siber, § 298, Anm. 1, halten die Bestimmung sogar für überflüssig, weil der seine Leistung nicht bewirkende Gläubiger das gerade auf Leistung Zug um Zug gerichtete Angebot des Schuldners nicht annehme (§ 293 BGB).- Vgl. zu§§ 295, 298 BGB aber Fikentscher, § 46 IV (S. 227).

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1. Hauptteil: Überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

nicht an, oder wirkt er nicht in der erforderlichen Weise mit, so ist der Umstand, daß er nicht zur Bewirkung der von ihm geschuldeten Gegenleistung bereit ist, für den Schuldner in diesem Zusammenhang nur dann von Interesse, wenn er diesen Umstand leichter beweisen kann als die Nichtannahme der rite angebotenen Leistung oder das Ausbleiben der Mitwirkung.

II. Die Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs Die Rechtsfolgen, die das Gesetz mit dem Eintritt des Gläubigerverzugs verknüpft, nehmen sich bescheiden aus, wenn man lediglich den 2. Titel des 1. Abschnitts betrachtet. Sie sind dort in den §§ 300 - 304 BGB enthalten. Gemäß § 300 Abs. I BGB haftet der Schuldner nur noch für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Bei der Gattungsschuld geht die Sach- und Leistungsgefahr auf den Gläubiger über, wenn er sie nicht schon vorher nach § 243 Abs. II BGB zu tragen hat (§ 300 Abs. II BGB)1°5 • Der Zinslauf wird unterbrochen (§ 301 BGB), Nutzungen braucht der Schuldner nur noch insoweit herauszugeben oder zu ersetzen, als er sie tatsächlich gezogen hat (§ 302 BGB). Von der Sorge für Immobilien kann er sich durch Besitzaufgabe befreien (§ 303 BGB)1°8 • Mehraufwendungen für das erfolglose Leistungsangebot, für die Aufbewahrung und Erhaltung der Schuldsache hat der Gläubiger zu ersetzen (§ 304 BGB)lo7. Das Bestreben des Gesetzgebers, allgemein geltende Vorschriften "vor die Klammer zu ziehen", hat bei dem Verzug des Gläubigers dazu geführt, daß die Bedeutung des Rechtsinstituts in dem ihm gewidmeten Gesetzestitel unklar bleibt. Die hauptsächlichen Folgen des Gläubigerverzugs sind in zwei Richtungen zu suchen: Der Verzug des Gläubigers gewährt dem Schuldner das Recht zur Hinterlegung und zum Selbsthilfeverkauf (§§ 373, 383 BGB, 373 ff. HGB), und er beeinflußt die Erfüllung und Liquidation gegenseitiger Verträge (§§ 322 Abs. II, 324 Abs. II, 615, 642, 643 BGB). Darauf ist im folgenden Abschnitt näher einzugehen.

105 Praktische Bedeutung hat die Vorschrift vor allem bei der Geldschuld, weil der Schuldner gemäß § 270 BGB die Versendungsgefahr zu tragen hat, vgl. Erman I Battes, § 300, Rdn. 5. Welchen Sinn § 300 Abs. II BGB hat, ist streitig, vgl. dazu Erman I Battes, § 300, Rdn. 4 ff., m. w. N. 108 Eine Nachwirkung des (in seinem Umfang allerdings zweifelhaften) gemeinrechtlichen Preisgebungsrechts, so ausdrücklich Prot., Bd II, S. 332; vgl. dazu Windscheid I Kipp, Bd II, § 346 (S. 450, Fn. 6). Zur Dereliktion berechtigt § 303 BGB nicht, vgl. Soergel I Siebert I Schmidt, § 303, Rdn. 1. 101 Vgl. dazu Mot., Bd II, S. 76.

2. Kap.: Der Verzug des Gläubigers nach dem BGB

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2. Abschnitt

Die Bedeutung des Gläubigerverzugs im Rahmen des gegenseitigen Vertrags I. Der Verzug des Gläubigers und der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung

1. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 BGB) und der Verzug des Gläubigers

Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags(§ 320 BGB) macht die Durchsetzung des einen Leistungsanspruchs von der Erfüllung des anderen abhängig; sie sichert damit die funktionell-synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung. Das BGB enthält keine Bestimmung über das Verhältnis zwischen Gläubigerverzug und Einrede des nicht erfüllten Vertrags. Die Verfasser des Gesetzes wollten dem Gläubiger die Einrede auch nach Eintritt der mora accipiendi gewähren; sie meinten nämlich, die Versagung der Einrede "müßte zu großen Härten namentlich in den Fällen führen, in welchen die mora accipiendi auf dem guten Glauben beruht, zur Annahme nicht verpflichtet zu sein" 108. Für den Gesetzgeber war also offenbar die Erwägung maßgeblich, daß mit der Aberkennung der Einrede die synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung aufgehoben wird und dieser Eingriff in den Vertrag zum Nachteil des Gläubigers dann nicht nur mit seinem Verzug gerechtfertigt werden kann, wenn dieser, wie nach dem BGB, ohne Rücksicht auf die Gründe der Verzögerung eintritt. Auch nach der herrschenden Meinung soll der Eintritt des Gläubigerverzugs nicht zum Verlust der Einrede des § 320 BGB führen 109. Teilweise wird hier jedoch recht formal argumentiert, der Verlust der Einrede sei unter den Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs (§§ 300 - 304 BGB) nicht aufgeführt110. Nach einer im Schrifttum vertretenen Mindermeinung111 geht die Einrede des § 320 BGB dagegen schon mit dem Eintritt des Gläubigerverzugs verloren. Zur Begründung wird teils angeführt, daß der Gläubiger durch das Angebot des Schuldners die 1os Vgl. Mot., Bd II, S. 201.

109 Vgl. RGZ 51, 368; 84, 230; 94, 311; Erman I Groepper, § 320, Anm. 3 a; Palandt I Heinrichs, § 320, Anm. 2 b; Staudinger I Kaduk, § 320, Rdn. 12; BGB-RGRK (Wilde),§ 320, Anm. 7. 110 Vgl. Staudinger I Kaduk, aaO. 111 Adler, Festschrift f. Zitelmann (1913), 9; neuerdings Kirn, JZ 1969, 325, 327; Gabius, NJW 1971, 866, 870 f. De lege ferenda in diesem Sinne auch Rabel, Bd I, § 19, 4 b (S. 135).

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1. Hauptteil: Überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

Möglichkeit erhält, auf die geschuldete Leistung zuzugreifen112, teils wird die uneingeschränk te Verurteilung aus Gründen der Praktikabilität gefordert, wobei eine materiell-rechtl iche Begründung für den Verlust der Einrede fehlt 113• Praktische Bedeutung hat die Frage nur für die Erfüllungsklage des Schuldners. Begehrt er Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder will er von dem Vertrag zurücktreten, so hilft ihm die herrschende Meinung mit dem Grundsatz, eigene Vertragstreue sei eine Voraussetzung der Einrede des nicht erfüllten Vertrags114• Dieser Gesichtspunkt wird später näher zu behandeln sein115• Für die Vollstreckung des Urteils auf Leistung Zug um Zug sind die

§§ 322 Abs. III, 274 Abs. II BGB und die §§ 726 Abs. Il, 756, 765, 894

Abs. I S. 2 ZPO maßgeblich. Der wesentliche Inhalt dieser Vorschriften besteht darin, daß die synallagmatisch e Verklammerun g von Leistung und Gegenleistung als Folge des Gläubigerverzu gs in der Zwangsvollstreckung aufgelöst wird. Sieht man von dem Sonderfall ab, daß die Leistung des Vollstreckungss chuldners in der Abgabe einer Willenserklärung besteht (§§ 726 Abs. Il, 894 Abs. I S. 2 ZPO), so gelten für die Vollstreckung folgende Grundsätze116 : Die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils ist ohne weiteres zu erteilen (§ 726 Abs. II ZPO). Erst vor Beginn der Vollstreckung ist von dem jeweiligen Vollstreckungso rgan zu prüfen, ob Gläubigerverzu g vorliegt (§§ 756, 765 ZPO). Bestand der Gläubigerverzu g bereits während des Erkenntnisverfa hrens, so kann der Beweis nach herrschender Meinung117 durch das Urteil selbst geführt werden, wenn sich der Gläubigerverzu g aus dem Tenor oder den Entscheidungsg ründen unzweideutig ergibt118 ; um sicher zu gehen, kann der Kläger mit der Leistungsklage die Klage auf Feststellung des Gläubigerverzu gs verbinden 119•

So Kirn, aaO., und S. 326 (li. Sp.). So Gabius, NJW 1971, 866, 870 f. 114 Vgl. nur Palandt I Heinrichs, § 320, Anm. 2 b; Staudinger I Kaduk, § 320, Rdn. 12; BGB-RGRK (Wilde), § 320, Anm. 10. 115 Vgl. im 3. Hauptteil bei Fn. 149 ff. 118 Zu der Frage eines Wegfalls des Gläubigerverzug s in der Vollstrekkungsinstanz vgl. im 3. Hauptteil bei Fn. 7 ff. 117 RG SeuffArch. 59 Nr. 149; RG JW 1909, 463; aus der jüngeren Rechtsprechung: LG Bonn, NJW 1963, 721; KGNJW 1972, 2052. Aus dem Schrifttum statt aller: Baumbach I Lauterbach, § 726, Anm. 3, und § 756, Anm. 3; Stein I Jonas I Münzberg, § 756, Anm. II. 11 8 Der im Tatbestand wiedergegebene Klageabweisung santrag genügt dafür nicht, zutr. KG aaO., gegen LG Bonn aaO. (beide vorige Fn.). Vgl. auch Zöller I Scherübl, § 756, Anm. 1. 119 Vgl. nur Stein I Jonas I Münzberg, § 726, Anm. III. 112

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2. Kap.: Der Verzug des Gläubigers nach dem BGB

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2. Vorleistungspflicht des Schuldners und Verzug des Gläubigers Die Wirkung des Gläubigerverzugs auf eine Vorleistungspflicht des Schuldners hat das Gesetz in § 322 Abs. II und III BGB geregelt. Danach kann der Schuldner auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung klagen, wenn sich der Gäubiger in Verzug befindet. § 322 Abs. II BGB gewährt eine Klage auf künftige Leistung 120 • Verlangt der vorleistungspflichtige Kläger gegenwärtige Leistung, so gehört zur Begründung der Klage die Behauptung, die Vorleistung erbracht zu haben 121 . Bei Versäumnis des Beklagten ist die Klage durch unechtes Versäumnisurteil abzuweisen, wenn sich die Vorleistungspflicht des Klägers aus seinem Vorbringen ergibt und er weder deren Erfüllung noch Gläubigerverzug des Beklagten (§ 322 Abs. II BGB) behauptet 122. Das der Klage stattgebende Urteil ist nach ganz herrschender Meinung123 entsprechend dem Wortlaut des § 322 Abs. II BGB zu tenorieren. Eine uneingeschränkte Verurteilung auf der Basis des Gläubigerverzugs wird von Gabius 124 befürwortet, der sich dafür auf Gründe der Praktikabilität beruft. Geht man von der herrschenden Meinung aus, so läßt die Verurteilung des Gläubigers zur Leistung nach Empfang der Gegenleistung die Vorleistungspflicht unberührt125 • Erst in der Zwangsvollstreckung darf die Vorleistungspflicht des Klägers vernachlässigt werden; im einzelnen bestehen hier freilich Meinungsverschiedenheiten. Nach herrschender Ansicht126 ist das nach § 322 Abs. II BGB ergangene Urteil entsprechend dem Urteil auf Leistung Zug um Zug (§ 322 Abs. I BGB) zu vollstrecken; man stützt sich dabei auf § 322 Abs. III BGB, der seiner Stellung nach auf beide Formen der eingeschränkten 120 Planck I Siber, § 320, Anm. 1 b; Staudinger I Kaduk, § 322, Rdn. 14; Stein I Jonas I Münzberg, § 726, Anm. III (Sonderfall des§ 259 ZPO). 121 Erman I Battes, § 322, Rdn. 3; Palandt I Heinrichs, § 322, Anm. 3 b; Staudinger I Kaduk,§ 322, Rdn. 11. A. M. noch RGZ 53, 63. 122 Staudinger I Kaduk, § 322, Rdn. 14. Eingehend dazu Kast, S. 64 ff., in Auseinandersetzung mit dem älteren Schrifttum (z. B. Planck I Siber, § 320, Anm.1 b). 123 RG SeuffArch. 59 Nr. 149; Erman I Battes, § 322, Rdn. 3; Planck I Siber, § 322, Anm. 2; Staudinger I Kaduk,§ 322, Rdn. 12. 124 NJW 1971, 866, 870 f. Vgl. dazu unten im 3. Hauptteil bei Fn. 95 ff. 125 Zutreffend Stein I Jonas I Münzberg, § 726, Anm. Ill. Unklar Kreß, S. 577, der einerseits meint, der Gegenleistungsanspruch des Vorleistungspflichtigen werde mit dem Annahmeverzug des anderen Teils fällig, andererseits aber einen Wegfall des Gläubigerverzugs berücksichtigen will (aaO., Fn. 37). 126 RG SeuffArch. 59 Nr. 149; RG Recht 1928 Nr. 785; KG NJW 1972, 2052; Palandt I Heinrichs, § 322, Anm. 3 b; Planck I Siber, § 322, Anm. 2 und 3; BGB-RGRK (Wilde), § 322, Anm. 3; Stein I Jonas I Münzberg, § 726, Anm. Ill.

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1. Hauptteil: überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

Verurteilung Anwendung findet. Für die Anwendung der§§ 726 Abs. II, 756, 765 ZPO darf deshalb zunächst auf das bereits Ausgeführte127 verwiesen werden. Da § 322 Abs. II BGB anders als § 322 Abs. I BGB den Gläubigerverzu g notwendig voraussetzt, ist eine auf gesonderte Feststellung des Gläubigerverzu gs gerichtete Klage hier allerdings überflüssig und mangels Rechtsschutzint eresses unzulässig128• Eine Mindermeinung nimmt zwar ebenfalls an, daß § 322 Abs. III BGB auch für das Urteil nach § 322 Abs. II BGB gilt, verlangt aber für die Vollstreckung ein nochmaliges, Annahmeverzu g begründendes Angebot, wobei wiederum keine Einigkeit darüber herrscht, ob das Angebot schon für die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung oder erst für die Vornahme von Vollstreckungsm aßnahmen erforderlich ist1 29• Grundsätzlich anderer Ansicht sind nur Staudinger I Kaduk 180• Nach ihnen setzt zwar der Erlaß des Urteils gemäß § 322 Abs. II BGB nur den Eintritt des Gläubigerverzu gs, seine Vollstreckung jedoch den Empfang der Gegenleistung voraus, der nach § 726 Abs. I ZPO zu beweisen sein soll. Die von der herrschenden Meinung vertretene Ansicht sei nämlich mit der in § 322 Abs. II BGB vorgesehenen Urteilsformel nicht vereinbar; auch sei nicht einzusehen, warum das Gesetz zunächst zwischen einer Verurteilung zur Leistung Zug um Zug und einer Verurteilung zur Leistung nach Empfang der Gegenleistung unterscheide, wenn beide Urteile in der Vollstreckung gleich zu behandeln sein sollten. 3. Gläubigerverzu g und Gefahrtragung, insbesondere: Der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung Der Gesetzgeber ist von dem Grundsatz ausgegangen, "daß bei allen gegenseitigen Verträgen der Schuldner bis zur Erfüllung die Gefahr (sc. die Preisgefahr) zu tragen habe" 181 • Dieser Grundsatz ist in § 323 BGB zum Ausdruck gekommen. Trägt der Gläubiger die Preisgefahr, so bedeutet dies, daß er bezahlen muß, obwohl er nichts erhält. Die Frage nach der Preisgefahr ist also nur dann zu stellen, wenn feststeht, daß der Gläubiger die Leistung des Schuldners nicht bekommt, daß er die Sach- oder Leistungsgefahr trägt. Der damit grundsätzlich durch die §§ 275, 279 BGB abgesteckte Rahmen der Gefahrtragungs regeln wird mit Eintritt des Gläubigerverzugs in zwei Richtungen erweitert: Nach § 300 Abs. I BGB hat Vgl. oben bei Fn. 116 ff. Zutreffend Gabius, NJW 1971, 866. 129 Vgl. dazu Rosenberg, § 175 IV 3 a; Wieczorek, § 756, Anm. BI b. Einen Überblick geben Stein I Jonas I Münzberg, § 726, Anm. III mit Fn. 32. 13o § 322, Rdn. 17 und 18. 1st Vgl. Mot., Bd li, S. 205. 121

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2. Kap.: DerVerzug des Gläubigers nach dem BGB

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der Schuldner während des Verzugs des Gläubigers nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. § 275 BGB ist also auch dann anwendbar, wenn dem Schuldner die Leistung infolge eines nicht als grob fahrlässig qualifizierbaren Verhaltens unmöglich wird. Dementsprechend kann sich bei Verzug des Gläubigers die Frage nach der Preisgefahr auch dann stellen, wenn der Schuldner die Unmöglichkeit nach der Grundregel des§ 276 BGB zu vertreten hätte 132 • Eine zweite Erweiterung folgt für die Gattungsschuld aus§ 300 Abs. II BGB. Weil danach die Leistungsgefahr mit dem Eintritt des Verzugs des Gläubigers auf diesen übergeht, wenn dies nicht schon vorher gemäß § 243 Abs. II BGB geschehen ist133 , ist in diesen Fällen nach der Preisgefahr zu fragen, obwohl der Schuldner gemäß §§ 243 Abs. II, 279 BGB von seiner Leistungspflicht nicht befreit sein würde. Wäre in diesen Fällen § 323 BGB anzuwenden, so würde der Verzug des Gläubigers nur die Bedingungen erleichtern, unter denen der Schuldner von seiner Leistungspflicht frei wird; hinsichtlich der Gegenleistung ginge er selbst leer aus. § 324 Abs. II BGB enthält jedoch eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 323 BGB und erhält dem Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung vorbehaltlich der in § 324 Abs. I S. 2 BGB vorgesehenen Abzüge, wenn die Unmöglichkeit während des Verzugs des Gläubigers eintritt. Mit dem Eintritt des Annahmeverzugs geht also die Preisgefahr unabhängig von den§§ 446, 447 BGB von dem Schuldner auf den Gläubiger über 134 • Der Gesetzgeber sah darin die "Konsequenz des in § 257 (heute: § 300 BGB) zum Ausdruck gelangten Gedankens" 135 • Gläubigerverzug und Unmöglichkeit der Leistung schließen einander aus 136 • Da § 324 Abs. I BGB aber den Eintritt von beiden voraussetzt, geht die Vorschrift grundsätzlich von einer zeitlichen Aufeinanderfolge von Gläubigerverzug und Unmöglichkeit aus 137 • Daraus darf allerdings nicht geschlossen werden, daß der Gläubigerverzug für die Unmög132 Vgl. Erman I Battes, § 324, Rdn. 5; Staudinger I Kaduk, § 324, Rdn. 53; Blomeyer, § 36 li 3 b (S. 217). 13 3 Vgl. dazu oben bei Fn. 105. 134 Zutreffend Fikentscher, § 44 III 1 f (S. 205). Daß die Regelung der Preisgefahr nicht in § 300 Abs. li BGB, sondern in § 324 Abs. li BGB enthalten ist, ist heute wohl unstreitig, vgl. z. B. Staudinger I Kaduk, § 324, Rdn. 45, 51 m. w. N. (anders noch die Vorauflage). 1as Vgl. Mot., Bd li, S. 208. 13 8 Vgl. RG Recht 1914 Nr. 2853; Erman I Battes, vor § 293, Rdn. 5; Staudinger I Werner, § 293, Rdn. 2. 137 Das Zeitmoment kommt in den Motiven deutlicher zum Ausdruck als in dem Gesetzeswortlaut. Die Rechtsfolge des § 324 Abs. li BGB soll eintreten, "wenn nach dem Eintritte des Gläubigerverzugs die Leistung in Folge eines vom Schuldner nicht zu vertretenden Umstandes unmöglich geworden ist". Vgl. Mot., Bd li, S. 208.

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1. Hauptteil: Überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

lichkeit kausal sein muß 138 • Das wäre nur dann erforderlich, wenn in dem Verzug des Gläubigers ein Fall des Vertretenmüssens im Sinne des § 324 Abs. I BGB läge. § 324 Abs. II BGB enthält jedoch als Gefahrtragungsfall einen gegenüber § 324 Abs. I BGB selbständigen Tatbestand. Zweifelsfragen ergeben sich, wenn die Leistung des Schuldners zeitbestimmt ist. Daß zunächst nur Gläubigerverzug und dann erst Unmöglichkeit eintritt, ist auch hier nicht ausgeschlossen 139 • Hat die Leistung des Schuldners nämlich nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern innerhalb einer bestimmten Frist zu erfolgen, so tritt am Anfang der Frist nur Gläubigerverzug und erst mit deren Ablauf Unmöglichkeit ein. Da der Verzug der Unmöglichkeit vorausgeht, ist hier§ 324 Abs. II BGB anwendbar. So gerät der Befrachter eines Schiffes in Gläubigerverzug, wenn er zu Beginn der Ladezeit (§ 567 Abs. I und II HGB) keine Ladung stellt; hat er bis zum Ablauf der Ladezeit oder einer vereinbarten Überliegezeit (§ 567 Abs. Ill HGB) nicht für Ladung gesorgt, so ist die Leistung des Verfrachters unmöglich geworden, weil er den ersten Teil seiner Leistung, die Übernahme der Ladung, nur für den abgelaufenen Zeitraum schuldet140 • Eine Unmöglichkeit, die dem Gläubigerverzug nachfolgt, ist auch dann anzunehmen, wenn es sich nicht um ein Termingeschäft handelt, die Leistung aber durch Zeitablauf derart verändert wird, daß sie nicht mehr als die bei Vertragsschluß erwartete und gewollte angesehen werden kann 141 • Wenn die Leistung nicht innerhalb einer bestimmten Frist, sondern zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen sollte und mit dem Verstreichen dieses Zeitpunkts unmöglich wird, so könnte man gegen die Anwendung des § 324 Abs. II BGB einwenden, hier komme es nicht zum Eintritt des Gläubigerverzugs, weil Verzug und Unmöglichkeit zeitlich zusammenfallen würden, ein Nebeneinander von Verzug und Unmöglichkeit aber ausgeschlossen ist. Eine solche Argumentation aus den Begriffen würde der Sache jedoch nicht gerecht. Wie oben ausgeführt, ist Kausalität zwischen Gläubigerverzug und Unmöglichkeit nicht erforderlich. Ist es aber gerade die Nichtannahme der Leistung, die infolge Zeitablaufs zur Unmöglichkeit führt, so wäre es widersinnig, us Zutreffend Staudinger I Kaduk, § 324, Rdn. 42. Vgl. auch BGH BB

1958, 392.

139 Zutreffend Kreß, Bd I, S. 476. Unklar Erman I Battes, vor § 293, Rdn. 15, und Staudinger I Werner, § 293, Rdn. 8, wonach einerseits Annahmeverzug ausgeschlossen, andererseits aber § 324 Abs. II BGB anwendbar sein

soll.

140 Vgl. den in BGHZ 11, 80 entschiedenen Fall. Die dort wesentliche Frage, unter welchen Voraussetzungen sich der Verfrachter vorzeitig von dem Vertrag lösen darf, kann hier offen bleiben. u1 Vgl. RGZ 94, 47.

2. Kap.: DerVerzug des Gläubigers nach dem BGB

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ausgerechnet diesen Fall aus dem Anwendungsbereich des § 324 Abs. li BGB herauszunehmen142. Unanwendbar ist § 324 Abs. li BGB dann, wenn die Unmöglichkeit bereits eintritt, bevor die vereinbarte Leistungszeit beginnt. Diesen Sachverhalt hat der BGH in einem kürzlich entschiedenen Fall angenommen143. Der Beklagte trat die von ihm gebuchte Ferienflugreise nicht an, weil das Einreiseland nach der Buchung dazu überging, ein Pockenschutzimpfzeu gnis zu verlangen, eines der Kinder des Beklagten aber nicht geimpft werden durfte. Impferfordernis und Impfhindernis stellten sich vor dem vereinbarten Abflugtermin heraus. Der Senat führt dazu aus144 : "In Annahmeverzug ist der Bekl. nicht gekommen, so daß hier nicht § 324 Abs. II BGB anzuwenden ist, ... ; denn nach § 297 BGB ist Annahmeverzug des Gläubigers zu verneinen, wenn die dem Schuldner obliegende Leistung unmöglich ist. So war es ... hier, als sich herausstellte, daß die Tochter des Bekl. zur Einreise nach Spanien ein Impfzeugnis brauchte, aber nicht geimpft werden durfte." Das in der Person des Gläubigers schon vor der Leistungszeit eingetretene Hindernis führt hier in Verbindung mit der Zeitbestimmtheit der Leistung (der Reiseveranstalter schuldet nur die Reise mit den vereinbarten Flugterminen) zu einer anfänglichen Unmöglichkeit, die § 324 Abs. li BGB in der Tat unanwendbar macht. Eine dem § 324 Abs. li BGB ähnliche Bestimmung hat der Gesetzgeber für den Dienstvertrag in § 615 BGB getroffen. Diese Vorschrift befreit den Dienstverpflichteten von der Nachleistungspflicht und gewährt ihm den Vergütungsanspruch , wenn der Dienstberechtigte mit der Annahme in Verzug kommt. Die in den Motiven zu § 615 BGB enthaltenen Ausführungen sind merkwürdig zwiespältig. Danach beruht die Vorschrift einerseits auf dem "Grundsatz, daß die Vorleistungspflicht des Dienstverpflichteten erfüllt ist, wenn er zur Dienstleistung im Stande ist und sich bereit erklärt hat" 145. Andererseits soll dies aber nicht ausreichen, "um die wirkliche (reelle) Dienstleistung annehmen zu können" 146. Auch soll einerseits Pflichterfüllung des Schuldners vorliegen, der Gläubiger aber andererseits doch in Annahmeverzug geraten. 142 Zutreffend Planck I Siber, § 324, Anm. 1 b. Vgl. auch Ermann I Battes, vor§ 293, Rdn. 15, und Staudinger I Werner, § 293, Rdn. 8. 143 BGHZ 60, 14=NJW 1973, 318=JZ 1973, 366 m. Anm. Medicus =VersR 1973, 318. 144 Vgl. aaO. (Ziff. 5 des Urteils). us Vgl. Mot., Bd II, S. 461. 148 Vgl. aaO.

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1. Hauptteil: Überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

Der Zwiespalt erklärt sich aus dem Bestreben der Gesetzesverfasser, den §§ 552, 615 BGB ein gemeinsames Prinzip zu unterlegen147• In den Motiven wird ausdrücklich hervorgehoben, "daß der zur Vorleistung verpflichtete Vermiether der Vorleistungspflicht durch den einseitigen Akt Genüge leistet, mittels welcher er dem Miether die vermiethete Sache ... zur Verfügung stellt, ... und daß jener einseitige Akt nicht blos als Erfüllung der Vorleistungspflicht wirkt, sondern die wirkliche (reelle) Erfüllung der letzteren enthält und demzufolge die Vorschriften über den Annahmeverzug nicht weiter in Betracht kommen können" 148 • Der Standpunkt der Motive kann in der Frage, wie die §§ 552, 615 BGB dogmatisch zu erklären sind, nicht binden. Wie die Verfasser des Gesetzes selbst einräumen, ist das von ihnen angenommene Prinzip nicht in das Gesetz aufgenommen worden149• Entgegen dem Standpunkt der Motive läßt sich § 615 BGB nicht aus einer Vorleistung des Dienstpflichtigen erklären; der Versuch, den §§ 552, 615 BGB ein gemeinsames Prinzip zu unterlegen, ist gescheitert. Während nämlich der Vermieter seine Leistung schon erbringt, indem er die Sache zum Gebrauch überläßt1 50, kann man vom Dienstpflichtigen nicht sagen, er erfülle, wenn er leistungsbereit sei und seine Leistungsbereitschaft anzeige. Der Gesetzgeber hat diesen Unterschied auch bemerkt, indem er bei§ 552 BGB von einer "wirklichen (reellen) Erfüllung" spricht, bei § 615 BGB eine "wirkliche (reelle) Dienstleistung" aber nicht annehmen will 151• Nur haben die Verfasser des Gesetzes aus 141 Vgl. Mot., Bd II, S. 399 f., 461. In den Motiven zu § 615 BGB wird § 552 BGB deutlicher erläutert als in den Motiven zu dieser Vorschrift selbst. 148 Vgl. Mot., Bd II, S. 461. 149 Vgl. Mot., Bd II, S. 461. 150 Anders die herrschende Meinung, die in § 552 BGB eine Sondervorschrift gegenüber § 323 BGB sieht, vgl. Esser, Bd II, § 70 II 2 (S. 109); Kreß, Bd I, S. 475; Erman I Schopp, § 552, Rdn. 1; Soergel I Siebert I Mezger, § 552, Rdn. 1, mit dem Zusatz, die Rechtslage sei ähnlich der in § 324 BGB geregelten; Staudinger I Kiefersauer, § 552, Rdn. 1. Wie hier außer den Motiven Larenz, Bd II, § 44 II b (S. 1371138). § 552 BGB regelt keinen Fall der Unmög-

lichkeit. Maßgeblich für die Entscheidung ist nicht der Unmöglichkeitsbegriff, sondern die Antwort auf die Frage, welche Leistung der Vermieter schuldet. In diesem Sinne konsequent ist die Ansicht von Kreß, der die Leistung des Vermieters in der Herbeiführung eines Erfolgs sieht, nämlich in der Ingebrauchnahme der Mietsache, vgl. Bd I, S. 475, Fn. 29, und Bd II, S. 113. Dieser Erfolg läßt sich im Falle des § 552 BGB nicht herbeiführen. Nach § 535 BGB schuldet der Vermieter aber nur die Überlassung der Sache zum Gebrauch, nicht die tatsächliche Ingebrauchnahme; der wirtschaftliche Zweck der Miete wird bei Kreß mit dem Inhalt der rechtlich geschuldeten Leistung verwechselt. Unhaltbar ist die Meinung von Staudinger I Kiefersauer, § 552, Rdn. 1, § 323 BGB sei anwendbar, weil dem Mieter (Gläubiger) die Ingebrauchnahme der Sache unverschuldet unmöglich wird. Hier werden die Unmöglichkeitsbegriffe kurzerhand vertauscht: Für § 323 BGB kommt es richtigerweise darauf an, ob die Leistung des Schuldners (Vermieters) unmöglich ist oder nicht.

2. Kap.: Der Verzug des Gläubigers nach dem BGB

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diesem Unterschied keine Folgerung gezogen. Ist die Leistung des Dienstpflichtigen, wie meistens, zeitlich absolut bestimmt, so tritt mit dem Ablauf der Leistungszeit Unmöglichkeit ein. Insoweit enthält § 615 BGB lediglich eine Wiederholung des bereits in § 324 Abs. II BGB ausgesprochenen Grundsatzes152. Nur in den Ausnahmefällen, in denen die Leistung nachholbar bleibt153, geht § 615 BGB über § 324 Abs. II BGB hinaus. § 645 BGB schließlich, den die Motive nur als Billigkeitsvorschrift zu rechtfertigen suchen, läßt sich ebenfalls als Gefahrtragungsregel auffassen154. Schon vor der Abnahme trägt der Besteller die (Teil-)Preisgefahr, soweit der Untergang oder die Unausführbarkeit des Werks auf seine Mitwirkung zurückzuführen ist. Die Vorschrift erklärt sich daraus, daß der Werkvertrag zwar im Ergebnis einen dem Kauf ähnlichen Leistungsaustausch bezweckt, aber bis zum Austausch ein dem Dienstvertrag ähnliches Dauerrechtsverhältnis begründet; die allein auf den Austausch zugeschnittenen §§ 323 ff. BGB reichen deshalb nicht aus. Mit § 324 Abs. II BGB hat § 645 BGB unmittelbar nichts zu tun; denn die Vorschrift setzt gerade keinen Gläubigerverzug voraus. Bei absoluten Fixgeschäften kann der ihr zugrunde liegende Rechtsgedanke jedoch, wie der BGH gezeigt hat155, in der Praxis zu einer Ergänzung des § 324 Abs. II BGB führen. II. Die Liquidation des gegenseitigen Vertrags auf der Basis des Gläubigerverzugs

Die Liquidation des gegenseitigen Vertrags, also der Rücktritt oder der Schadensersatz wegen Nichterfüllung, ist vom Gesetzgeber generell nur vorgesehen worden für den Fall der Verletzung im synallagmatischen Verhältnis stehender Hauptpflichten (§§ 325, 326 BGB). Eine Abwicklung auf Grund des Gläubigerverzugs kennt das Gesetz nur beim Werkvertrag. Hier werden dem Unternehmer zwar weder ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung noch ein Rücktrittsrecht eingeräumt; immerhin hat er aber Anspruch auf angemessene Entschädigung (§ 642 BGB) und ist zusätzlich (nicht alternativ)1 56 zur Kündigung des Vertrags berechtigt(§ 643 BGB). Vgl. Mot., Bd II, S. 461. Unrichtig Esser, Bd II, § 78 I 2 (S. 154), der § 324 Abs. II BGB übersieht, indem er ausführt, § 615 BGB durchbreche die "Regel, daß der Annahmeverzug zwar die Leistungsgefahr, nicht aber die Preisgefahr verlagert". Zutreffend Kreß, Bd I, S . 476; Larenz, Bd II, § 48 II b (S. 204). 1ss Vgl. die Beispiele bei Larenz, aaO. 154 Vgl. Esser, Bd II, § 80 I 2 (S. 173); Kreß, Bd II, S. 192; Larenz, Bd II, § 49 III a (S. 239/240). 155 BGHZ 60, 14 (Flugreise). 156 Vgl. nur Erman I Wagner,§ 643, Rdn. 1. 151

152

3 Hüffer

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1. Hauptteil: Überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

Der Gesetzgeber des BGB hat sich mit dem Erlaß dieser Vorschriften bewußt gegen die Annahme einer auf Gesetz beruhenden generellen Mitwirkungspflicht des Werkbestellers ausgesprochen. Der erste Entwurf des BGB enthielt nämlich eine dem jetzigen § 643 BGB entsprechende Bestimmung nicht. In den Motiven wird der Unternehmer wegen einer Vertragsauflösung ausdrücklich darauf verwiesen, eine Mitwirkungspflicht des Bestellers vertraglich zu vereinbaren157• Die Protokolle weisen aus, daß mit der Einfügung des jetzigen § 643 BGB nicht etwa beabsichtigt war, eine Mitwirkungspflicht des Bestellers von Gesetzes wegen anzuerkennen. Es heißt dort nämlich nur, "Der Besteller könne, wenn er im Annahmeverzuge sei, dem Unternehmer nicht zumuthen, sich auf unbestimmbare Zeit zur Ausführung des Werkes bereit zu halten" 158• Nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes kommt also ohne entsprechende vertragliche Vereinbarung eine Mitwirkungspflicht des Bestellers nicht in Betracht159• Diese Sonderregelung für den Werkvertrag erklärt sich, wie schon zu § 645 BGB ausgeführt160, aus der Eigenart dieses Vertrags als einer Kombination von Elementen eines Dauerschuldverhältnisses mit Vorleistungspflichtdes Unternehmers mit einem Zug um Zug (§ 641 BGB) durchzuführenden Austauschgeschäft. Einerseits verbietet es das Element des Dauerschuldverhältnisses, sich mit den Rechtsfolgen der §§ 300 ff. BGB zufrieden zu geben; andererseits kann eine dem § 615 BGB entsprechende Regelung nicht getroffen werden, weil das Ziel des Vertrags nicht eine Dienstleistung, sondern der Austausch des Werks gegen die Vergütung ist161•

157 Vgl. Mot., Bd II, S. 496/497: Mit dem Annahmeverzug kann "ein Erfüllungsverzug des Bestellers konkurrieren, wenn derselbe nach dem Inhalte des Vertrages dem Unternehmer gegenüber (als Schuldner) verpflichtet ist, in der erforderlichen Weise bei der Ausführung des Werkes mitzuwirken". Für diesen Fall wird auf § 369 Abs. II verwiesen, der dem § 326 Abs. II BGB entspricht. Vgl. dazu Mot., Bd. II, S. 210. 158 Prot., Bd II, S. 328. 159 Vgl. RGZ 53, 221 und RG SeuffArch. 76 Nr. 112= JW 1921, 460 mit zust. Anm. von Oertmann. 180 Vgl. oben bei Fn. 154. 181 Vgl. auch Mot., Bd II, S . 495/496: "Die erforderliche Abhilfe kann andererseits nicht dadurch getroffen werden, daß die für den Dienstvertrag getroffenen Bestimmungen des § 561 für anwendbar erklärt werden; denn der Werkvertrag ist in den maßgebenden Beziehungen, namentlich wegen der Untheilbarkeit des Werkes, ganz anders geartet wie der Dienstvertrag."

3. Kapitel

Der Gläubiger als Schuldner von Mitwirkungshandl ungen in den§§ 433 Abs. 11,640 BGB, 375 HGB Die Feststellung, daß die den §§ 293 ff. BGB zugrunde liegende Konzeption durch die §§ 433 Abs. II, 640 BGB, 375 HGB durchbrachen wird, nötigt dazu, die Tragweite dieser Durchbrechungen zu untersuchen. Denn denkbar wäre es, durch eine großzügige Auslegung dieser Bestimmungen einen großen Bereich der Mitwirkungshandlun gen des Gläubigers zu erfassen und dadurch das den §§ 293 ff. BGB zugrunde liegende Prinzip auszuhöhlen. Zu erörtern ist, welche Rechtsfolgen der Pflichtverstoß auslöst und welchen Umfang die dem Gläubiger auferlegten Pflichten haben.

I. Die Rechtsfolgen des Pflichtverstoßes 1. Die Klagbarkeit der Abnahmepflicht

Nach allgemeiner Meinung können Verkäufer und Werkunternehmer auf Abnahme klagen(§§ 433 Abs. II, 640 BGB)162• Beim Kaufvertrag rechtfertigt sich die Klage auf Abnahme aus folgender Erwägung: Der mit dem Unterbleiben der Abnahme eintretende Gläubigerverzug (§§ 293, 295 BGB) berechtigt den Verkäufer zwar, die Sache zu hinterlegen (§ 372 BGB) oder versteigern zu lassen (§ 383 BGB). Wenn der Käufer, wie meist, nicht nur nicht abnimmt, sondern auch den Preis nicht bezahlt, ist dieses Verfahren jedoch unpraktisch; könnte der Verkäufer nicht auch auf Abnahme klagen, so wäre er gezwungen, neben der Prozeßführung wegen des Zahlungsanspruchs noch das Hinterlegungs- oder Versteigerungsverfa hren zu betreiben. Beim Werkvertrag rechtfertigt sich die Klage schon daraus, daß der Unternehmer die in der Abnahme liegende Billigung des Werks163 gegen den Willen des Bestellers nur im Klageweg erreichen kann. 182 Vgl. nur RGZ 56, 173; 57, 105; Soergell Siebert/ Ballerstedt, § 433, Rdn. 87; Staudinger I Ostler,§ 433, Rdn. 153.

163 Nach der vermittelnden Formel der herrschenden Meinung enthält die Abnahme die Erklärung des Bestellers, daß er daß Werk als eine dem Vertrag im wesentlichen entsprechende Erfüllung anerkenne, vgl. RGZ 57, 337; 107, 339; RG DR 1944, 31; BGHZ 26, 337. Aus dem Schrifttum z. B. Soergell Siebert I Ballerstedt, § 640, Rdn. 3 ; Staudinger I Riedel, § 640, Rdn. 2, 3.

a•

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1. Hauptteil: Überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

2. Klage auf Vornahme der Spezifikation? Der Gesetzgeber hat die Spezifikation in § 375 HGB zum Gegenstand vertraglicher Hauptpflicht gemacht, indem er dem Verkäufer unter anderem die Rechtsbehelfe des § 326 BGB gewährt. Eine Klage auf Abgabe der Erklärung wäre jedoch als unzulässig abzuweisen, weil ihr das Rechtsschutzbedürfnis fehlte 164 • Die Gegenmeinung, die eine derartige Klage zulassen wollte 165 , ist überholt. Das HGB hat eine direktere Form der Rechtsdurchsetzung gewählt. Indem es die Befugnis des Käufers auf den Verkäufer übergehen läßt(§ 375 Abs. II HGB), gewährt es ihm die Möglichkeit, die Spezifikation durch eigene Handlung vorzunehmen und gibt ihm so ein Mittel an die Hand, das erstrebte Ergebnis einfacher und schneller zu erzielen als es mit Klage und anschließender Vollstreckung möglich wäre. Insoweit besteht eine Parallele zum Übergang des Wahlrechts bei der Wahlschuld (§ 264 BGB), wo ebenfalls eine Klage auf Ausübung des Wahlrechts nicht gegeben ist1 66 • 3. Die weiteren Sanktionen der Pflichtverletzung

Neben der direkten Durchsetzung des Anspruchs auf Abnahme der Leistung oder Abgabe der Spezifikationserklärung durch Klage oder Ersatzvornahme kommen als Sanktionen gegen den Gäubiger eine Vertragsauflösung zugunsten des Schuldners und Schadensersatzansprüche in Betracht. Für den Spezifikationskauf ist auch die Frage nach diesen weiteren Sanktionen in § 375 HGB geregelt. Da der Käufer nach § 375 Abs. I HGB verpflichtet ist, die erforderliche Bestimmung zu treffen, kann der Verkäufer gemäß § 286 BGB Ersatz des Verzögerungsschadens verlangen, wenn die Spezifikation verspätet vorgenommen wird. Er kann aber auch nach § 375 Abs. II HGB, § 326 BGB von der Durchführung des Vertrags Abstand nehmen, indem er entweder zurücktritt oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt. In den §§ 433 Abs. II BGB, 640 BGB ist dagegen nicht speziell geregelt, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn der Gläubiger die Kaufsache oder das Werk nicht abnimmt. Da auch diese Vorschriften Pflichten des Gläubigers begründen167 , kommt zunächst auch hier über die Rechts184 Vgl. Schlegelberger I Hefermehl, § 375, Rdn. 12, die allerdings die Möglichkeit eines Rechtsschutzbedürfnisses "in ganz außergewöhnlichen Fällen" offen lassen; HGB-RGRK (Würdinger I Röhricht), § 375, Anm. 20; OLG Dresden, OLGE 4, 227; OLG Jena, LZ 1914, 967. 18 5 Vgl. OLG Breslau, OLGE 11, 410. 186 Vgl. Soergel I Siebert I Schmidt, § 264, Rdn. 1. 167 Für den Kaufvertrag wurde das noch von Esser, 2. Aufl., § 102, 2 b bb, bestritten : Nur "Gläubigerpflicht", deren Verletzung nicht die Folgen des Leistungsverzugs auslöse. Esser hat diese Ansicht inzwischen aufgegeben, vgl. Bd li, § 62 III (S. 23).

3. Kap.: Der Gläubiger als Schuldner

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folgen des Gläubigerverzugs hinaus § 286 BGB zur Anwendung, können der Verkäufer oder Werkunternehmer also Ersatz des Verzögerungsschadens verlangen. Ob sie stattdessen von dem Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung beanspruchen können, hängt davon ab, ob sich die Abnahme als Gegenstand einer Hauptpflicht im Sinne des § 326 BGB qualifizieren läßt. Für die aus § 640 BGB folgende Abnahmepflicht wird diese Frage von der herrschenden Meinung 168 bejaht, für die Abnahme gemäß § 433 Abs. II BGB dagegen grundsätzlich verneint169• Es besteht jedoch Einigkeit darüber, daß auch die Abnahmepflicht des Käufers Hauptpflicht sein kann, sei es durch vertragliche Abmachung, sei es nach der Natur des Geschäfts 170 • Ist das der Fall, so kann auch der Verkäufer den Vertrag gemäß § 326 BGB auflösen oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. 11. Der Umfang der dem Gläubiger in den §§ 433 Abs. 11, 640 BGB auferlegten Pflichten

Soweit zur Durchführung des Vertrags Handlungen des Gläubigers erforderlich sind, die über die Entgegennahme der Leistung hinausgehen, liegt ein Weg, den Gläubiger zur Vornahme solcher Handlungen zu verpflichten, in einer großzügigen Auslegung des Begriffs der Abnahme. Man kann darunter nämlich auch die Vornahme solcher Handlungen verstehen, die erst die Voraussetzungen für die Entgegennahme der Sache schaffen sollen. 1. Abnahme und Mitwirkung beim Kaufvertrag Als Handlungen, ohne deren Vornahme der Verkäufer nicht liefern kann oder nach dem Vertrag nicht zu liefern braucht, werden meist die Ausübung des Wahlrechts bei der Wahlschuld (§§ 262 ff. BGB), Erklärung des Abrufs oder Spezifikation der Ware genannt171 • Aber auch Angabe des Bestimmungsorts der Ware, Bereitstellung von Transportmitteln oder Verpackungsmaterial, Beischaffung von Einfuhrgenehmigungen und Erledigung von Zollformalitäten gehören hierher. Bezieht man diese Handlungen in den Abnahmebegriff ein, so steht man zumindest mit dem kaufmännischen Verständnis dieses Wortes in Einklang, 188 Vgl. z. B. Staudinger I Riedel, § 640, Rdn. 4, 7, 13; anders aber Esser, Bd li, § 79 li 2 a (S. 169): Nebenpflicht. 188 Vgl. nur Palandt I Putzo, § 433, Anm. B; Staudinger I Ostler, § 433, Rdn. 147 u. 153. 170 Vgl. Staudinger I Ostler, aaO. Beispiele: Verkauf von Massenware (dazu RGZ 57, 112); Verkauf von Holz auf dem Stamm (dazu RG LZ 1926, 109); Verkauf ab Schiff. 171 Vgl. z. B. HGB-RGRK (Würdinger I Röhricht), § 373, Vorbem., Rdn. 221; Heinz-Bommer, S. 32133.

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1. Hauptteil: Überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

wonach die Abnahme die gesamten zur Vertragsdurchführung erforderlichen Handlungen des Käufers umfaßtl 72 • Ob die Vornahme solcher Handlungen der Abnahme im Rechtssinne zuzurechnen ist, war im älteren Schrifttum, wie heute noch im schweizerischen Recht173, streitig. Nach einer Meinung 174 war der Käufer gemäß § 433 Abs. II BGB verpflichtet, dem Verkäufer die Erfüllung der Ablieferungspflicht zu ermöglichen, also auch die oben beschriebenen Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, soweit nicht eine Sondervorschrift wie § 264 BGB eingreift. Teilweise wurde für diese Lösung deshalb ein praktisches Bedürfnis gesehen, weil Mitwirkungshandlungen als reine Hilfsmaßnahmen nicht selbständig klagbar seien 175 • Nach der anderen Ansicht 176 war unter Abnahme nur die körperliche Wegnahme der Sache zu verstehen, fielen also die Mitwirkungshandlungen, die die Leistung des Verkäufers vorbereiten sollen, nicht unter § 433 Abs. II BGB. Zwei Entscheidungen des RG haben der letztgenannten Auffassung zum Durchbruch verholfen. Im ersten Fall 177 wies das Gericht die Klage des Verkäufers auf Abnahme eines großen Postens gattungsmäßig bestimmter Spalierlatten ab, weil der Kläger nicht den gesamten Posten anbieten konnte, sondern nur zu der an sich vertragsmäßigen sukzessiven Lieferung in der Lage war. Das RG erklärte das für ungenügend, weil von einer Abnahme als gegenwärtiger körperlicher Hinwegnahme nur gesprochen werden könne, wenn die Kaufsache tatsächlich vorhanden sei. Daß der Verkäufer sie herstellen oder sich beschaffen könne, genüge nicht. Die den § 433 Abs. II BGB großzügiger interpretierende Gegenmeinung wird mit der Erwägung zurückgewiesen, daß damit der Bestimmung eine zu große Tragweite beigelegt werde178 • Diese Rechtsauffassung hat das RG in einer weiteren Entscheidung bestätigt 179 , hier allerdings darauf hingewiesen, daß neben der Abnahmepflicht eine besondere Mitwirkungspflicht bestehen könne. Auf dieser Basis rechtVgl. HGB-RGRK (Würdinger I Röhricht), aaO. Die Rechtsprechung ist für die Einbeziehung von Vorbereitungshandlungen, vgl. BGE 48 II 98 (1922); 59 II 305 (1933), das Schrifttum überwiegend dagegen. Einen Überblick gibt Heinz-Bommer, S. 2 ff. In Österreich wird eine Abnahmepflicht des Käufers ohnehin verneint, vgl. oben Fn. 64. Streitig ist hier nur, ob eine Pflicht zum Abruf angenommen werden kann, vgl. dazu Klang I Bettelheim, § 1062, Anm. I 5; Staub I Pisko, Art. 343, Anm. 17. 174 Vgl. Rosenberg, IhJb 43 (1901), 141, 265; Jacobi, IhJb 45 (1903), 259, 277; Adler, ZHR 71 (1912), 449, 457. 175 So Adler, aaO., S. 4571458. 176 Vgl. Staub I Heinichen, § 373, Vorbem., Anm. 71. 177 RGZ 56, 173. 178 Vgl. aaO., S. 178. 179 Vgl. RGZ 57, 105. 172

173

3. Kap.: Der Gläubiger als Schuldner

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fertige sich § 375 HGB; dort sei die Spezifikation neben der Abnahme als Gegenstand einer Schuldnerpflicht anerkannt180. Hinter der Formulierung des RG, mit der von ihm abgelehnten Meinung werde dem § 433 Abs. II BGB eine zu große Tragweite beigemessen, ist das Bestreben zu vermuten, eine pauschale Erweiterung des Pflichtenkreises des Käufers zu vermeiden. Indem das Gericht die Mitwirkung von der Abnahme unterschied, eine Mitwirkungspflicht aber nicht generell ausschloß, behielt es sich eine Prüfung von Fall zu Fall vor, ob eine Pflichtverletzung des Käufers oder nur Gläubigerverzug anzunehmen sei. Daß diese Intention durch die großzügige Bejahung der positiven Vertragsverletzung in ihr Gegenteil verkehrt wurde, wird unten darzulegen sein181. Heute ist nicht mehr streitig, daß die Abnahme im Sinne des § 433 Abs. II BGB die vorbereitenden Mitwirkungshandlungen nicht umfaßt182. Daß die Frage nach einer Mitwirkungspflicht völlig getrennt von der Abnahmepflicht gesehen wird, wird beispielhaft in einem Urteil des OLG München deutlich183. Das Gericht nahm an, daß es beim Bierlieferungsvertrag Hauptpflicht des Wirtes sei, die Lieferungen abzurufen, ohne den Bezug zur Abnahmepflicht auch nur zu erwähnen. Nur ausnahmsweise wird die Mitwirkung unter § 433 Abs. II BGB subsumiert, nämlich dann, wenn Mitwirkung und Abnahme eine Handlung bilden184. 2. Abnahme und Mitwirkung beim Werkvertrag

Im Gegensatz zum Kaufrecht ist der Versuch, Mitwirkungshandlungen der Abnahme zuzuordnen, für das Werkvertragsrecht nicht unternommen worden. Der Grund liegt darin, daß die Abnahme beim Werkvertrag nicht in gleicher Weise aufgefaßt werden kann wie beim Kaufvertrag. Während sie dort lediglich diejenige Handlung ist, durch die der Verkäufer den unmittelbaren Besitz des Kaufgegenstandes verliert und von der Sorge für ihn befreit wird {"auferre")185, hat die Ab180 Vgl. aao., s. 110. 181 Vgl. unten bei Fn. 116 ff. (3. Hauptteil). 182 Den Eindruck eines noch bestehenden Meinungsstreits erweckt die Darstellung von Heinz-Bommer, S. 32133. Vgl. dagegen Staudinger I Ostler, § 433, Rdn. 141; HGB-RGRK (Würdinger I Röhricht), § 373, Vorbem., Rdn. 221; Esser, Bd II, § 62 Ill (S. 23) : Nur um den Besitzwechsel soll es bei der Abnahme gehen. 183 NJW 1968, 1880. Auch Esser faßt den Abruf als Gegenstand einer "vertragstypischen Zusatzpflicht", nicht als Bestandteil der Abnahme auf, vgl. Bd II, § 62 III (S. 24). 184 Vgl. OLG Hamburg, SeuffArch. 67 Nr. 88: Bei Lieferung "frei Schiffsseite" gehört die Aufnahme in das Schiff zur Abnahme des Käufers. 185 Vgl. z. B. Soergel I Siebert I Ballerstedt, § 433, Rdn. 85, 86. Entschieden Rabel, Bd II, § 71, 1 (S. 75): Die Pflicht zur Abnahme bedeute, daß der Käufer dem Verkäufer die Waren "vom Halse schaffen" solle.

40

1. Hauptteil: Überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

nahme im Sinne des § 640 BGB eine Doppelnatur, indem sie nicht nur in der körperlichen Wegnahme besteht, wo eine solche möglich ist, sondern zugleich die Erklärung des Bestellers enthält, daß er das Werk als eine dem Vertrag im wesentlichen entsprechende Erfüllung anerkennt186. Die in dieser Erklärung zum Ausdruck kommende Billigung kann sich sinnvoll nur auf das hergestellte Werk oder wenigstens auf selbständiger Beurteilung fähige Werkteile beziehen187. Damit ist es ausgeschlossen, die vorbereitenden Mitwirkungshandlungen des Gläubigers, die dem Unternehmer die Herstellung erst ermöglichen sollen, der Abnahme zuzuordnen. Daß dies der Standpunkt des Gesetzes ist, ergibt sich auch daraus, daß es in den §§ 642, 643 BGB eine besondere Regelung der Mitwirkungshandlungen enthält, die aber, wie schon im Wortlaut des § 642 Abs. I BGB zum Ausdruck kommt, nicht auf dem Gedanken einer Pflicht des Gläubigers beruht.

186

So die vermittelnde Formel der herrschenden Meinung, vgl. nur BGHZ

26, 337; Staudinger I Riede!, § 640, Rdn. 2, 3. Die in Mot., Bd 11, S. 490, zum

Ausdruck gekommene Meinung, wonach die Abnahmepflicht des Werkbestellers nur eine der Abnahmepflicht des Käufers parallele Erscheinung ist, wurde schon in Prot., Bd 11, S. 316, korrigiert. 187 Zur Teilabnahme vgl. z. B. Soergel I Siebert I Ballerstedt, § 640, Rdn. 5.

4. Kapitel

Die Mitwirkungspflicht des Gläubigers 1. Abschnitt

Die Mitwirkungspflicht des Gläubigers in der Rechtsprechung

I. Die Rechtsprechung des RG Bei der Untersuchung der Frage, welche Handlungen von der Abnahmepflicht des Käufers nach § 433 Abs. II BGB umfaßt werden, ergab sich bereits, daß das RG neben der Abnahmepflicht eine besondere Mitwirkungspflicht des Gläubigers für möglich hielt188• Welche Rolle die Mitwirkungspflicht des Gläubigers in der Rechtsprechung spielt, soll im folgenden dargelegt werden. In seiner ersten einschlägigen Entscheidung hat das RG eine Pflicht des Gläubigers zur Mitwirkung noch vereint189 • Der Kläger sollte auf dem Grundstück der Beklagten eine Seilbahn errichten, wobei diese unter anderem durch Vornahme der Maurerarbeiten mitwirken sollte. Die Beklagte bestritt das wirksame Zustandekommen des Vertrags und verweigerte die Mitwirkung. Die auf § 326 BGB gestützte Schadensersatzklage wurde abgewiesen, weil das Werk nicht fertiggestellt sei und das Gesetz mit der in den §§ 642, 643 BGB getroffenen Regelung zeige, daß für diesen Fall die Anwendung des § 326 BGB ausgeschlossen sein solle. Nicht einmal erwogen wurde, ob in dem Verhalten der Beklagten eine positive Vertragsverletzung lag190• Der Gedanke, daß der Gläubiger zur Mitwirkung verpflichtet sei, setzte sich in der Folgezeit in einem ganz anderen Zusammenhang durch. Eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers wurde nämlich zunächst nicht angenommen, um ihn wegen Vertragsverletzung haftbar zu machen, sondern um ihm eigene Recht zu versagen. So wurde dem Mieter eine Kündigung nach § 542 BGB mit der Begründung nicht gestattet, er 188

Vgl. oben bei Fn. 179.

188

RGZ 53, 221.

1eo Das Urteil erging am 30. 12. 1902, die Abhandlung Staubs über die positive Vertragsverletzung in der Festschrift für den 26. Deutschen Juristentag erschien immerhin im September 1902. Das RG hat sich diese Lehre jedoch erst in dem Urteil RGZ 54, 98 (6. 3. 1903) zu eigen gemacht.

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habe seine Pflicht verletzt, den Vermieter bei der Behebung eines Mangels der Wohnung zu unterstützen191 . Die im Zusammenhang mit kriegswirtschaftlichen Lenkungsmaßnahmen eingeführten Genehmigungserfordernisse 192 ließen die Mitwirkungsfrage häufiger praktisch werden und führten zur Verfestigung des Gedankens, der Gläubiger sei verpflichtet, bei der Durchführung des Vertrags mitzuwirken. So führt das RG aus 193 : "Schuldner war die Beklagte (Verkäuferin). Ihr lag es also ob, dasjenige zu tun, was nötig war, um die Leistung zu ermöglichen. Dabei hatte allerdings der Kläger (Käufer) sie gern. § 242 BGB zu unterstützen, soweit dies nach Treu und Glauben von ihm zu fordern war. Er hätte also der Beklagten der Wahrheit gemäß bescheinigen müssen, daß die Ware durch ihn dem Heere zukommen würde, hätte ihr die vorhandenen urkundlichen Belege . . . zur Verfügung stellen, vielleicht auch die Anträge mitunterzeichnen müssen, wenn die Beklagte dies alles von ihm gefordert hätte." In dem Urteil findet sich jedoch nichts dazu, wie der Verstoß des Gläubigers gegen diese Pflicht rechtlich zu qualifizieren ist, und welche Folgen er nach sich zieht. Diesen Fragen brauchte das RG nicht nachzugehen, weil es schon der Schuldner unterlassen hatte, den erforderlichen Freigabeantrag zu stellen. Daß jedoch nach wie vor nur daran gedacht war, dem Gläubiger eine Rechtsausübung zu verwehren, zeigen die nachfolgenden Urteile. Aus dem Pflichtverstoß des Gläubigers, der einen erforderlichen "Belegschein" nicht besorgt hatte, wurde geschlossen, er könne sich gegenüber dem Schuldner nicht auf § 134 BGB berufen194. Wegen Verstoßes gegen diese Pflicht wurde die Schadensersatzklage eines nicht belieferten Käufers abgewiesen195 . In welchem Zusammenhang das RG den Pflichtverstoß des Gläubigers sieht, wird vollends deutlich, wenn das Gericht den Versuch des beklagten Schuldners, sich mit der Behauptung zu verteidigen, der klagende Gläubiger habe der Pflicht zuwidergehandelt, die erforderliche behördliche Genehmigung herbeizuführen, als Einrede der Arglist auffaßt196. Der begrenzte Zweck, dem Gläubiger die Geltendmachung von Rechten zu versagen, hat das RG jedoch nicht gehindert, die Mitwirkungspflicht des Gläubigers allgemein zu formulieren. Die Parteien sollen "eine gegenseitige Treupflicht dahin wahren müssen, daß sie alles in ihren Kräften stehende zu tun haben, um die Genehmigung herbeizuRG JW 1911, 359 Nr. 5; vgl. auch LG Saarbrücken, NJW 1956, 637. Vgl. dazu Kegel/ Rupp I Zweigert, S. 18 ff., 52 ff., und das von ihnen S. 18 - 20 nachgewiesene Schrifttum. 193 WarnR 1916 Nr. 155 (S. 243/244). 194 RG LZ 1918, 373. Vgl. dazu bei Fn. 207. 195 RGZ 97, 257. m RGZ 115, 35, 38. 191

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führen, und alles zu unterlassen haben, was dieser Genehmigung hinderlich sein könnte" 197 : Diese Pflicht soll sich nicht durch Auslegung des Einzelvertrags gemäß §§ 133, 157 BGB ergeben, sondern aus der Tatsache des Vertragsschlusses in Verbindung mit § 242 BGB herzuleiten sein1Ds. Die allgemeine Formulierung einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers macht es verständlich, daß diese Pflicht auch in ganz anderen Fällen und mit ganz anderen Rechtsfolgen angenommen wurde. Der Gedanke einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers wurde nämlich in das Werkvertragsrecht übertragen, offenbar, weil man die Regelung in den §§ 642, 643, 645 BGB als unzureichend empfand. In dem ersten Fall dieser Art199 hatte der Unternehmer den Vertrag, dessen Gegenstand das Bleichen von Verbandmull war, "gekündigt", weil der Besteller fortgesetzt weniger Verbandmull anlieferte als vereinbart, er aber in seiner Betriebsführung von pünktlicher und gleichmäßiger Anlieferung abhängig war. Das RG schloß zunächst die Anwendung des § 326 BGB aus, weil die §§ 642 ff. BGB Sonderregeln für die Mitwirkungshandlungen des Bestellers enthielten, konnte aber auch § 643 BGB mangels Fristsetzung des Unternehmers nicht anwenden. Die Lösung fand das Gericht in der Annahme der positiven Vertragsverletzung. Diese könne neben dem Annahmeverzug gegeben sein und sei dem Besteller vorzuwerfen, der mit seiner Handlungsweise den Vertragszweck gefährdet und damit dem Unternehmer das Festhalten am Vertrag unzumutbar gemacht habe. Vergleicht man die Entscheidung in diesem Fall mit der im Fall des gescheiterten Seilbahnbaus getroffenen200, so stellt man fest, daß sich das RG hier der positiven Vertragsverletzung bedient, um die in den §§ 642, 643, 645 BGB getroffene Regelung zu umgehen. Wenige Jahre später nahm das RG durch denselben VIII. Zivilsenat den gerade entgegengesetzten Standpunkt ein201 , kehrte also zu der ursprünglich vertretenen Auffassung zurück. Der Unternehmer hatte Zündladungskapseln zu bearbeiten, der Besteller die Rohlinge zu liefern. Weil diese Lieferungen ausblieben, verlangte der Unternehmer Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Das RG würdigte den Klagvortrag nur unter dem Gesichtspunkt des § 326 BGB und wies die Klage ab, weil die Lieferung dem Besteller nur als Gläubiger, nicht als 197 Vgl. RGZ 129, 357, 376. 198 Vgl. aaO. 199 RG WarnR 1918 Nr. 137. 200 RGZ 53, 221. Vgl. dazu oben bei Fn. 189. 201 RG SeuffArch. 76 Nr. 112= JW 1921, 460 (m. zustimmender Anm. von Oertmann).

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Schuldner obliege; damit sei die Anwendung des § 326 BGB wegen des Vorrangs der§§ 642 ff. BGB ausgeschlossen. Diese Entscheidung ist ein Einzelfall geblieben. Schon in dem nächsten Urteil202 wird sie nicht einmal erwähnt, sondern ausschließlich auf das in WarnR 1918 Nr. 137 wiedergegebene Erkenntnis Bezug genommen. Das Gericht bestätigt den dort eingenommenen Rechtsstandpunkt und gewährt einem Fuhrunternehmer, der Holz aus dem Wald abfahren sollte, das Recht, wegen positiver Vertragsverletzung von dem Vertrag zurückzutreten, weil der Auftraggeber ihm weder eine richtige Holzliste übergeben noch für den erforderlichen Weitertransport gesorgt hatte. Das RG ist noch einen Schritt weitergegangen. Es gewährte nicht nur ein Rücktrittsrecht, sondern hielt, ohne sich mit der Entscheidung in SeuffArch. 76 Nr. 112 auseinanderzusetzen, auch einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung für möglich, weil der Gläubiger nicht in der erforderlichen Weise mitwirkte203. Ein solcher Ersatzanspruch wurde auf der Grundlage der positiven Vertragsverletzung anerkannt, weil der Unternehmer das Baumwollgarn, das er für den Besteller verzwirnen sollte, von diesem nicht rechtzeitig und nicht in gleichmäßigen Mengen erhielt. In einem Einzelfall hat das RG schließlich eine Pflicht des Gläubigers wegen Unzumutbarkeit des ihm angesonnenen Verhaltens verneint204. Es hielt zwar grundsätzlich eine Pflicht des Käufers für denkbar, einem Wirtschaftsverband beizutreten, wenn der Verkäufer nach Vertragsschluß verpflichtet wird, nur Verbandsmitglieder zu beliefern, verneinte jedoch in dem konkreten Fall eine Beitrittspflicht als unzumutbar, weil der Käufer als Folge seines Beitritts wirtschaftliche Nachteile befürchten konnte. Wie sehr sich der Gedanke an eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers bereits in der Rechtsprechung des RG verfestigte, zeigt die letzte einschlägige Entscheidung des Gerichts205. Ein Werkvertrag über die Herstellung von Rasierpinsel-Griffen war nicht ausgeführt worden. Unmöglichkeit lag nicht vor. Bei der Verzögerung hatten mehrere Umstände zusammengewirkt. Teils waren sie von dem Unternehmer zu vertreten, teils fielen sie in den Bereich des Bestellers, der sich unter anderem weigerte, an einer erforderlichen Besprechung mit einer dritten Firma teilzunehmen. Das RG hielt die (hilfsweise) auf Ersatz des Verzugsschadens gestützte Klage des Bestellers nur insoweit für be202 203 204 205

RGZ RGZ RGZ RGZ

104, 15. 152, 119. 166, 134. 168, 321.

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gründet, als nicht dessen eigenes Verhalten für die Verzögerung ursächlich war. Anstatt festzustellen, daß der beklagte Schuldner die Verzögerung insoweit nicht zu vertreten habe (§ 285 BGB), ließ sich das RG auf die Argumentation des Berufungsgerichts ein, das aus § 242 BGB eine Mitwirkungspflicht des klagenden Gläubigers geschlossen hatte, und räumte lediglich als für das Ergebnis unschädlich ein, daß das Ausbleiben der Mitwirkung auch nur gemäß § 295 BGB zum Gläubigerverzug geführt haben könne206 • Die Mitwirkungspflicht des Gläubigers hatte sich also als Denkform bereits derart durchgesetzt, daß man darüber die gesetzeskonforme Lösung über die Anwendung des § 285 BGB aus den Augen verlor.

II. Die Rechtsprechung des BGH 1. Die Mitwirkung bei Erfordernis einer behördlichen Genehmigung

In der neueren Rechtsprechung hat sich in den Fällen, in denen die Mitwirkung des Gläubigers erforderlich ist, um eine vorgeschriebene behördliche Genehmigung zu erwirken, die Ausgangslage für die rechtliche Beurteilung gewandelt. Während es nämlich in den vom RG entschiedenen Genehmigungsfällen durchgängig nicht um die Wirksamkeit des Vertragsschlusses207 , sondern um die Beurteilung eines nachträglichen rechtlichen Leistungshindernisses ging, hat sich die neuere Rechtsprechung gerade mit der Behandlung solcher Verträge beschäftigen müssen, die infolge des Genehmigungserfordernisses schwebend unwirksam waren, weil sich dies Erfordernis nicht erst auf die zur Durchführung des Vertrags erforderlichen tatsächlichen Handlungen oder weiteren Rechtsgeschäfte, sondern schon auf den Abschluß des obligatorischen Vertrags bezog. Die praktisch wichtigsten Fälle eines Genehmigungserfordernisses in diesem Sinne sind: Veräußerung landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke oder von in diesem Sinne nutzbarem Moor- und Ödland (§§ 1, 2 GrdstVG); bestimmte Rechtsgeschäfte im Bereich des Außenhandels(§§ 7, 22, 44,46-49,52 AWV) 208 ; Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel (§ 3 WährungsG) 209 • Vgl. aao., S. 327 mit S. 331. Vereinzelt nimmt das RG Nichtigkeit des Vertrags gemäß § 134 BGB an, vgl. RGZ 102, 203. Ungereimt RG LZ 1918, 373 (oben Fn. 194): Auf die Behauptung des Gläubigers, der Vertrag verstoße gegen § 134 BGB, soll der Schuldner replizieren dürfen, der Gläubiger habe gegen die Mitwirkungspflicht verstoßen. Auf diese Weise wird die Nichtigkeit zum Gegenstand einer Einrede. 208 Eine Übersicht über die Genehmigungserfordernisse gibt Schulz, Anh. I zur ZuständigkeitsVO, S. 1030/1031, ohne jedoch zu unterscheiden, ob sich die Genehmigung auf das verpflichtende Rechtsgeschäft oder seine Durchführung bezieht. 20a Vgl. dazu Dürkes, S. 16 ff., 197 ff. 2oe 207

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Dagegen gehören nicht in diesen Zusammenhang: die Bodenverkehrsgenehmigung nach § 19 Abs. II Ziff. 1 BBauG, weil sie nur die Auflassung, aber nicht den Kaufvertrag betrifft210, die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts nach § 189 c AO, weil ihr Fehlen zwar Eintragungshinderni s ist, aber die Wirksamkeit von Kaufvertrag und Auflassung nicht berührt211 ; der Genehmigungsvorbe halt in § 10 Abs. I AWG in Verbindung mit der Einfuhrliste, der sich nicht auf den Einfuhrvertrag, sondern auf den tatsächlichen Vorgang der Einfuhr bezieht212, auf "das Verbringen von Sachen und Elektrizität aus fremden Wirtschaftsgebieten in das Wirtschaftsgebiet" (Legaldefinition der Einfuhr in § 4 Abs. II Ziff. 4 A WG). Die Frage, wie das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers zu qualifizieren ist, und welche Rechtsfolgen sich damit verbinden, hat die Rechtsprechung in Fällen aus dem Bereich des Außenhandels und vor allem des Währungsrechts beschäftigt. Daß der Gläubiger zur Mitwirkung verpflichtet ist, wird dabei nicht mehr in Frage gestellt. Problematisch sind nur noch die rechtliche Einordnung des Pflichtverstoßes und die Art des Schadensersatzes. Einige Entscheidungen sind unter der Herrschaft des MRG 53, des Vorgängers des AWG213 , ergangen. Das OLG Stuttgart214 nahm schwebende Unwirksamkeit eines ohne die erforderliche Einfuhrgenehmigung geschlossenen Vertrags an und verurteilte den Importeur, der es schuldhaft versäumt hatte, die erforderliche Genehmigung zu beschaffen, als Schadensersatz die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem geringeren Preis zu bezahlen, den der Verkäufer anderweitig erzielt hatte. Als für die Entscheidung unerheblich wurde die Frage offen gelassen, ob sich der Ersatzanspruch aus culpa in contrahendo oder aus positiver Vertragsverletzung ergebe. Die Annahme einer positiven Vertragsverletzung lasse sich rechtfertigen, indem man die Gebundenheit der Parteien an den schwebend unwirksamen Vertrag wie einen Vertrag selbst behandele. Der BGH215 hat die Frage, ob bei Fehlen der erforderlichen Einfuhrbewilligung Nichtigkeit oder schwebende Unwirksamkeit eintritt, offen 210 Überdies besteht das Genehmigungserforde rnis nicht, wenn die Parteien erklären, daß das Grundstück auch dann veräußert werden soll, wenn es nicht bebaut werden kann, vgl. BayObLG NJW 1966, 1414. m Vgl. BGHZ 5, 173, 179. 212 § 31 AWG, der schwebende Unwirksamkeit eines ohne die erforderliche Genehmigung geschlossenen Geschäfts vorsieht (vgl. dazu Langen, § 31 AWG, Rdn. 4), bezieht sich also nicht auf § 10 Abs. I AWG, sondern auf die angeführten Bestimmungen der AWV. 213 Vgl. dazu Langen, Teil B, Rdn. 2; Schulz, Einführung, Abschnitt A, Rdn. 20ff. 214 NJW 1953, 670.

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gelassen und einen Importeur wegen schuldhafter Verletzung der Pflicht, die erforderliche Bewilligung zu bewirken, zu Schadensersatz in Höhe des Erfüllungsinteresses verurteilt, und zwar unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo 216 • Im Fall einer fehlenden Devisengenehmigung hielt der BGH allerdings nur den Ersatz des Vertrauensschadens für angebracht, weil der mit dem unwirksamen Rechtsgeschäft erstrebte Erfolg auch nicht auf dem Weg des Schadensersatzes erreicht werden dürfe2 17. Größere praktische Bedeutung hat die Mitwirkung des Gläubigers im Zusammenhang mit der Genehmigungsbedürftigkeit nach § 3 WährungsG erlangt. In der Rechtsprechung spielen solche Fälle eine Rolle, in denen die vereinbarte Klausel von der zuständigen Landeszentralbank nicht genehmigt wird, in denen aber eine andere Klausel vereinbart werden kann, die entweder genehmigungsfrei ist (sogenannter Leistungsvorbehalt) 218 oder für die die Landeszentralbank die Erteilung der Genehmigung bereits in Aussicht gestellt hat. Die Interessenlage ist jedoch in diesen Fällen anders als in den bisher erörterten. Nicht um Schadensersatz in Geld geht es der klagenden Partei, sondern darum, die verabredete langfristige Bindung doch noch zustande zu bringen. Die Rechtsprechung entnimmt in diesen Fällen grundsätzlich dem schwebend unwirksamen Vertrag die Pflicht jedes Partners, einen Vertrag mit der entweder genehmigungsfreien oder genehmigungsfähigen Klausel abzuschließen. So entschied der BGH219 , daß sich der Mieter am Vertrag festhalten lassen müsse, obwohl die Landeszentralbank die Klausel, daß sich die Miete entsprechend den Bezügen eines Regierungsrats erhöhe, nur für den Fall genehmigt hatte, daß in ihr die Herabsetzung des Gehalts ebenso berücksichtigt werde wie die Erhöhung. Der Mieter sei gehalten, an der Beseitigung der schwebenden Unwirksamkeit mitzuwirken; dies sei ihm zumutbar, weil ihm eine Klausel des genehmigten Inhalts nur Vorteile bringe. In einer weiteren Entscheidung hat der BGH220 im Falle einer Geschäftsraummiete den Mieter für verpflichtet gehalten, mit dem Vermieter anstelle einer genehmigungsbedürftigen, aber LM MRG 53 Nr. 3. Ebenso OLG Hamm, MDR 1969, 306 (ohne Mitteilung des Sachverhalts). 217 BGHZ 18, 248, 252/253. 218 Vgl. zur Abgrenzung der Wertsicherungsklausel von dem Leistungsvorbehalt BGH LM § 3 WährungsG Nr. 13= NJW 1962, 1393; BGH LM § 3 WährungsG Nr. 15=WM 1964, 1325; BGH NJW 1969, 91 =BWNotZ 1969, 41; Dürkes, S. 18 ff., 165 ff.; Fögen, BB 1967, 738; Willms, BB 1970, 197. 219 LM § 3 WährungsG Nr. 10=NJW 1960, 523=MDR 1960, 304=BB 1960, 215

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LM § 3 WährungsG Nr. 17 = NJW 1967, 830=MDR 1967, 485=BB 1967,

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nicht genehmigungsfähigen Wertsicherungsklausel einen Leistungsvorbehalt zu vereinbaren, der dem Sinn, Zweck und Inhalt der vereinbarten Klausel so nahe gekommen wäre, daß er dem Interesse beider Parteien hinreichend gedient hätte. Nach diesem Urteil "entspricht es gefestigter Rechtsprechung 221 , daß die Vertragsparteien, die einen Vertrag mit einer Wertsicherungsklausel abgeschlossen haben, gehalten sind, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um eine notwendige Genehmigung herbeizuführen, und alles zu unterlassen, was dieser Genehmigung hinderlich sein könnte. Ein solcher Vertrag kann deshalb die Pflicht begründen, in eine Änderung der vereinbarten Klausel in eine solche mit genehmigungsfähigem oder nicht genehmigungsbedürftigem Inhalt einzuwilligen"222. Während der BGH in den angeführten Urteilen ohne weiteres auf eine Pflicht abstellt, die sich aus dem schwebend unwirksamen Vertrag ergeben soll, hat das OLG Hamburg 223 den Gedanken der Naturalrestitution bemüht. Es gab einem Grundstückseigentümer Recht, der vom Erbbauberechtigten einen höheren Erbbauzins verlangte, obwohl der Vertrag wegen fehlender Genehmigung einer Wertsicherungsklausel schwebend unwirksam war. Das Gericht nahm an, der Erbbauberechtigte sei auf Grund des geschlossenen Vertrags verpflichtet, einer Vertragsänderung zuzustimmen, nach der der Vertrag ohne die genehmigungsbedürftige Klausel zustande gekommen wäre. Da er dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, habe er in der Form Schadensersatz zu leisten, "daß er sich so behandeln lassen muß, als habe er der Vertragsänderung zugestimmt" 224 . Da der Erbbauvertrag nicht nur eine genehmigungsbedürftige W ertsicherungsklausel, sondern auch einen genehmigungsfreien Leistungsvorbehalt in Form einer Bodenwertklausel enthielt, brachte das OLG Harnburg diese Klausel zur Anwendung. Der BGH ist über diese Rechtsprechung noch einen Schritt hinausgegangen. Er hat die Verpflichtung, einen Vertrag mit einer zulässigen Klausel abzuschließen, auch in einem Fall angenommen, in dem der Schwebezustand bereits durch Versagung der Genehmigung beendet war225 • Diese Verpflichtung könne allerdings nicht ohne weiteres aus dem ursprünglichen Vertragsschluß gefolgert werden, da der Vertrag mit Versagung der Genehmigung nichtig werde226 • Das Gericht hält 221 Ältere Entscheidungen: BGH NJW 1957, 543=WM 1957, 401; OLG Nürnberg, WM 1959, 1251. 222 Vgl. LM, aaO., Bl. 851. 223 BB 1967, 735. 224 Vgl. aaO., re. Sp. 22s LM § 3 WährungsG Nr. 14. 228 Da der BGH vor Versagung der Genehmigung schwebende Unwirksamkeit annimmt, hätte er nach Versagung statt von Nichtigkeit von endgültiger Unwirksamkeit sprechen müssen.

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jedoch, ähnlich wie das OLG Hamburg, eine aus positiver Vertragsverletzung abzuleitende Schadensersatzp flicht dieses Inhalts für möglich227. Alternativ wird erwogen, entsprechend der unzulässigen Berufung auf einen Formmangel228, der Partei die Berufung auf die Nichtigkeit der Sicherungsklau sel als mißbräuchliche Rechtsausübung zu versagen und die Pflicht zum erneuten Vertragsschluß aus dem dann wirksamen Restvertrag zu begründen229. In der Rechtsprechung zur Wertsicherungs klausel wird also eine Pflicht jeder Vertragspartei angenommen, bei dem Zustandekomm en eines wirksamen Vertrags mitzuwirken; dies sogar dann, wenn der geschlossene Vertrag bereits endgültig unwirksam ist. 2. Die Mitwirkung im Werkvertragsre cht

Ebenso wie der BGH den vom RG entwickelten Grundsatz, daß der Gläubiger verpflichtet ist, bei der Herbeiführung einer behördlichen Genehmigung mitzuwirken, übernommen und auf die Fälle schwebender Unwirksamkeit des Vertrags übertragen hat, hat er auch die Rechtsprechung des RG zur Mitwirkung des Gläubigers beim Werkvertrag aufgegriffen und fortgesetzt. Nur in seiner Begriffsbildung ist das Gericht von der Obliegenheitsth eorie Reimer Schmidts beeinflußt worden230. Grundlegend ist die Entscheidung im Fall des Dampfers "Ouistreham" geworden231 . Die Klägerin schloß mit der Beklagten einen Chartervertrag, wonach sie das Schiff in New York anzudienen hatte, was auch geschah. Der ihr von der Beklagten bezeichnete Abiader erklärte, er habe mit der Sache nichts zu tun. Einem Verlangen der Klägerin, die Beladung bis zum nächsten Tag vorzunehmen oder eine Bankgarantie zu stellen, kam die Beklagte nicht nach. Die Klägerin erklärte den Chartervertrag für nicht erfüllt, zog das Schiff zurück und verlangte Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Der BGH erkannte die Schadensersatzp flicht der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletz ung an, weil sie durch die von ihr gezeigte Unzuverlässigk eit den Vertragszweck gefährdet und der Klägerin das Festhalten am Vertrag unzumutbar gemacht habe. Das Gericht nahm Vgl. LM, aaO., BI. 250. Vgl. dazu BGHZ 23, 249, 254 ff. m. w. N.; Gernhuber, Festschrift f. Schmidt-Rimple r (1957), 151. z2s Vgl. LM, aaO., BI. 251. 230 Vgl. dazu bei Fn. 91 ff. und im 3. Hauptteil bei Fn. 136 ff. 231 BGHZ 11, 80 = LM § 570 HGB Nr. 1= LM § 326 (H) Nr. 2=NJW 1954, 229 = JZ 1954, 238 (m. Anm. Lehmann) = MDR 1954, 158=BB 1954, 8=JuS 1961, 56 (rezensiert von Götz). Kritisch zu diesem Urteil Klang I Gschnitzer, § 918, Anm. E 2, Fn. 203. 227 228

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diesen Fall zum Anlaß, sich allgemein zum Kreis der Vertragspflichten zu äußern: "Zur Erfüllung einer Vertragsverbindlichkeit gehört alles, was aus dem Vertrag vom Vertragsschuldner verlangt werden kann. In diesem weiten Sinne umfaßt die Verbindlichkeit nicht nur alle Haupt- und Nebenpflichten, wie Vorbereitungs- und Obhutspflichten, Auskunfts- und Anzeigepflichten, Mitwirkungspflichten usw., sondern auch die sog. reinen "Gläubigerobliegenheiten", zu denen z. B. beim Werkvertrag die zur Herstellung des Werks erforderlichen Handlungen des Gläubigers (§ 642 BGB) zu zählen sind; derartige Handlungen sind "Sache des Gläubigers", ohne daß jedoch insoweit eine echte "Verpflichtung" entsteht. Jede schuldhafte Leistungsstörung, die durch eine Verletzung dieser im weitesten Sinne aufzufassenden "Vertragspflichten" den Vertragsgegner schädigt, begründet eine Verpflichtung zum Schadensersatz232." Ein weiterer vom BGH entschiedener Fall233 ist insofern ähnlich, als auch hier ein Befrachter nicht ablud. Er unterscheidet sich jedoch von dem Fall der "Ouistreham" in einem wesentlichen Punkt. Der Befrachter konnte nicht abladen, weil die Ladeanlage schadhaft war. Er bot deshalb dem Verfrachter Aufhebung des Vertrags ohne "Regreßpflicht" an. Der BGH konnte in diesem Verhalten keine positive Vertragsverletzung finden, die wesentlich genug gewesen wäre, dem vertragstreuen Teil einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung zu gewähren. Offenbar unter dem Eindruck der im Schrifttum an der "Ouistreham"Entscheidung geübten Kritik 234 hat sich das Gericht veranlaßt gesehen, den Sinn seiner Ausführungen zum Verhältnis zwischen Obliegenheit und positiver Vertragsverletzung zu präzisieren. Es führt dazu aus: "Die Nichterfüllung einer Obliegenheit, die keine Schuldnerleistung zum Inhalt hat, löst zwar als solche nicht die Folgen einer schuldhaften Forderungsverletzung aus. Es kann darin aber eine schuldhafte Nicht- oder Schlechterfüllung der allgemeinen Treupflicht jedes Vertragsteils liegen, deren Verletzung den ganzen Vertragszweck ernsthaft gefährdet235." Der BGH nimmt also gegenüber der erstgenannten Entscheidung eine Korrektur vor: Während es dort so scheint, als könne schon in der Mißachtung einer Obliegenheit eine positive Vertragsverletzung liegen, wird hier klargestellt, daß die Mißachtung einer Obliegenheit nicht ausreicht. Nur wenn darin gleichzeitig eine Verletzung "der allgemeinen Treupflicht jedes Vertragsteils" liegt, kommt nach dieser Entscheidung eine positive Vertragsverletzung in Betracht. In einem weiteren Urteil 236 , das die Voraussetzungen einer Kündigung des Werkvertrags durch den Unternehmer betrifft, kommt die Vgl. BGHZ 11, 83. VersR 1960, 693. m Vgl. dazu unten bei Fn. 265 ff. und im 3. Hauptteil bei Fn. 136 ff. 235 Vgl. aaO., S. 694.

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gleiche Vorstellung von einer Überlagerung des einer Vertragspartei als Gläubiger angesonnenen Verhaltens durch die allgemeine vertragliche Treupflicht zum Ausdruck. Nach diesem Urteil kann nämlich eine Kündigung durch den Unternehmer auch unabhängig von den Voraussetzungen der§§ 642, 643 BGB gerechtfertigt sein, wenn in dem Verhalten des Bestellers eine positive Vertragsverletz ung liegt, die das Festhalten am Vertrag unzumutbar macht. Einelex specialis enthalte § 642 BGB nur insoweit, als es sich um die Voraussetzunge n einer ordentlichen Kündigung des Unternehmers handle237 • Die letzte einschlägige Entscheidung des BGH238 bringt eine bemerkenswerte Weiterentwickl ung der bisherigen Rechtsprechung . Während nämlich bisher auf der Grundlage der positiven Vertragsverletz ung nur das Recht zur Vertragsbeendi gung und der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gewährt wurden, bejaht der BGH hier den Erfüllungsansp ruch des Unternehmers, obwohl er die Werkleistung, wenn auch auf Grund des Verhaltens des Bestellers, nicht erbracht hat. In dem Fall hatte die Beklagte mit der Klägerin einen Werklieferungs vertrag über die Herstellung einer Abrechnungsan lage geschlossen. Die Klägerin konnte die Arbeit an der Anlage nicht beenden, weil die Beklagte trotz Mahnung und Fristsetzung einige dazu erforderliche Daten nicht mitteilte. Die Klägerin verlangte Zahlung des "Kaufpreises". Die Beklagte verteidigte sich gegenüber der Klage unter anderem, indem sie bestritt, überhaupt aus dem Vertrag verpflichtet zu sein. Der BGH verurteilte "zur Zahlung des der Höhe nach unstreitigen Werklohns". Der erste Teil der Entscheidungsg ründe stützt sich unausgesproche n auf den Gedanken der anfänglichen Erfüllungsverweigerung. Fällig wäre der Werklohn erst bei der Abnahme gewesen (§§ 641 Abs. I, 651 Abs. I, S. 2, 2. Halbs.). Die fehlende Fälligkeit betrachtet der BGH jedoch ebenso wie das Ausstehen der Leistung des Unternehmers als Gegenstand eines Einrederechts des Bestellers und schneidet ihm diese Einreden ab, weil er das Bestehen einer Verpflichtung überhaupt bestritt und es widersinnig sei, "dem Besteller zu Lasten des Unternehmers Rechte zuzubilligen, deren Ausübung er von vornherein ablehnt" 239 • Im zweiten Teil der Entscheidungsg ründe sichert der BGH den so begründeten Erfüllungsansp ruch gegen den nahe liegenden Einwand ab, es handle sich nur um die Mißachtung einer Gläubigeroblieg enheit, wenn der Besteller die erforderlichen Daten nicht erarbeite und mitteile. Er knüpft dabei zunächst an die in der :3e BGH BB 1963, 160=Betr. 1963, 198.

Vgl. auch die Entscheidung des erkennenden Senats in BGHZ 50, 175. Dazu sogleich. 238 BGHZ 50, 175. :av v gl. aao., s. 177. 237

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1. Hauptteil: überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

"Ouistreham"-Entscheidung entwickelten Grundsätze an, ohne auf die Modifikation einzugehen, die diese in dem in VersR 1960, 693 wiedergegebenen Urteil gefunden haben, und fährt dann fort: "Diese Grundsätze gelten nicht nur dann, wenn der Unternehmer neben den Rechten aus den §§ 642 ff. BGB solche aus positiver Vertragsverletzung herleitet. . .. Vielmehr sind sie auch anzuwenden, wenn der Unternehmer Erfüllung verlangt (...). Die Interessenlagen unterscheiden sich insofern nicht von einander. Es wäre auch ein unerträgliches und mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarendes Ergebnis, wenn es dem Besteller freistehen sollte, durch willkürliche Nichterfüllung seiner Gläubigerobliegenheiten den Unternehmer zur Kündigung des Vertrags zu zwingen240."

III. Die Steigerung der Sanktionen; der Gläubiger als Schuldner Überblickt man die Rechtsprechung seit den ersten einschlägigen Entscheidungen des RG, so muß man feststellen, daß sich die Mitwirkungspflicht des Gläubigers in der Praxis durchgesetzt hat. Das RG hat seine zunächst ablehnende Haltung241 alsbald aufgegeben. Die Mitwirkungspflicht des Gläubigers hat dabei einen Funktionswandel erfahren. Während die Feststellung eines Verstoßes gegen die Mitwirkungspflicht zunächst dazu diente, dem Gläubiger die Geltendmachung von Rechten abzuschneiden242, wurde das Ausbleiben der Mitwirkung später als positive Vertragsverletzung aufgefaßt. Auch hier wurde das Ausbleiben der Mitwirkung zunächst jedoch nur durch den Verlust der Vertragsrechte (Rücktrittsrecht des Schuldners) sanktioniert243 • Noch das RG hat den nächsten Schritt getan und den Gläubiger zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verurteilt244 • Nachdem man im Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers den Verstoß gegen eine Vertragspflicht gefunden hatte, war es nur folgerichtig, bei dem noch nicht genehmigten und deshalb schwebend unwirksamen Vertrag einen Verstoß gegen die vorvertragliche Vertrauenspflicht, also eine culpa in contrahendo, anzunehmen245 • Für die Fälle wirksamen Vertragsschlusses ist dem BGH die Ersatzpflicht des Gläubigers bereits selbstverständlich geworden246 • Das Gericht geht noch einen Schritt weiter, indem es den Gläubiger zur Zahlung verurteilt und es uo Vgl. aaO., S. 179.

241 Vgl. RGZ 53, 221. Ebenso noch RG SeuffArch. 76 Nr. 112= JW 1921, 460 (m. zustimmender Anm. von Oertmann). 242 Vgl. RG JW 1911, 359 Nr. 5; RGZ 97, 257; RG LZ 1918, 373; RGZ 115, 35, 38. 243 Vgl. RG WarnR 1918 Nr. 137; RGZ 104, 15. zu Vgl. RGZ 152, 119. us Vgl. BGH LM MRG 53 Nr. 3; OLG Hamm, MDR 1969, 306. ue Vgl. BGHZ 11, 80; BGH VersR 1960, 693.

4. Kap.: Die Mitwirkung des Gläubigers

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ihm überläßt, ob und wie er die Gegenleistung des Schuldners überhaupt erhält 247 • Die Rechtsprechung ist also durch ein zunehmend rigoroseres Eingreifen in die Sphäre des Gläubigers gekennzeichnet. Der Gläubiger ist zum Schuldner der Mitwirkungshandlungen geworden. Folgerichtiger Abschluß dieser Entwicklung ist, daß die Fälle einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers vielfach unterscheidungslos mit denen einer Mitwirkungspflicht des Schuldners, die doch nur Bestandteil seiner Leistungspflicht ist, zusammengestellt werden24s. 2. Abschnitt

Die Mitwirkungspflicht des Gläubigers im Schrifttum Eine eingehende Untersuchung der Probleme, die durch das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers entstehen, fehlt bislang. Das Schrifttum hat sich im wesentlichen darauf beschränkt, die von der Praxis gefundenen Ergebnisse zu übernehmen. I. Das Ausbleiben von Mitwirkungshandlungen als Fall der Vertragsverletzung

Nur die von Staub "entdeckte" positive Vertragsverletzung 249 ermöglichte es, das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers als Vertragsverletzung zu verstehen und zu sanktionieren, ohne auf einschlägige gesetzliche Vorschriften zurückzugreifen. Die Bedeutung, die der positiven Vertragsverletzung in diesem Zusammenhang zukommt, ergibt sich unmittelbar aus der Rechtsprechung des RG250 • Sie wird auch aus einem Vergleich des deutschen mit dem Österreichischen Recht deutlich, das die Lehre Staubs nicht übernommen hat 251 • Bezeichnenderweise spielt in dieser Rechtsordnung auch die Mitwirkung als Gegenstand einer Pflicht des Gläubigers keine Rolle252 • Vgl. BGHZ 50, 175. Vgl. z. B. BGH LM § 3 WährungsG Nr. 17=NJW 1967, 830=MDR 1967, 485=BB 1967, 228. Als Leitsatz OLG Braunschweig, MDR 1956, 484 Nr. 440. ug Vgl. zunächst seine Abhandlung in der Festschrift für den 26. Deutschen Juristentag (1902), ferner die erweiterte Wiedergabe in der Monographie "Die positiven Vertragsverletzungen" (1904). Kritisch dazu im neueren Schrifttum Jakobs, S. 13 ff., 29. Vgl. auch im 3. Hauptteil bei Fn. 116 ff., 122 ff. !so Vgl. einerseits RGZ 53, 221 (vor Übernahme der Lehre Staubs), andererseits RG WarnR 1918 Nr. 137 (nach Übernahme). m Vgl. Klang I Gschnitzer, § 918, Anm. E (S. 472: Der Begriff der positiven Vertragsverletzung ist "systematisch wertlos"), und vor allem die Arbeiten von Schlesinger, ZBl. 44 (1926), 1, 401, 721. 252 Vgl. Klang I Gschnitzer, § 859, Anm. A IV; die Zusammenstellungen bei Kapfer, §§ 918 ff.; Schlesinger, aaO. (vorige Fn.), S. 740 ff. %47

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1. Hauptteil: Überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

Mit der gleichen Selbstverständlichkeit, mit der heute bei der Behandlung des Gläubigerverzugs die Behauptung aufgestellt wird, der Gläubiger sei als solcher zu nichts verpflichtet253 , wird bei der Erläuterung des Begriffs des Schuldverhältnisses und bei der Darstellung der positiven Vertragsverletzung von Mitwirkungspflichten des Gläubigers gesprochen. Diese erscheinen hier, je nach der gewählten Einteilung und Terminologie, als Unterfall der "Sicherungspflichten" 25\ als "Hilfspflichten" in einer Reihe mit Aufklärungs-, Anzeige- und Auskunftspflichten255, als "weitere Verhaltenspflichten", die über die Leistungspflicht hinausgehen und auch den Gläubiger treffen256 , oder als "Treu-, Schutz- und Fürsorgepflichten des Gläubigers" 257 . Welcher Gruppierung der Vorzug zu geben ist, mag auf sich beruhen. Festzuhalten bleibt, daß sich nach einmütiger Auffassung als Einzelausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben eine Pflicht des Gläubigers ergeben kann, bei der Leistung des Schuldners mitzuwirken258. Von jeher hat nur Kohler bestritten, daß der Gläubiger überhaupt zur Mitwirkung verpflichtet sein kann259. Eine bemerkenswerte Erscheinung ist es jedoch, daß die Mitwirkungspflicht im Rahmen der dem Schuldverhältnis entspringenden Pflichten einen festen Platz als eine der dort zu behandelnden Kategorien errungen hat. Es zeigt sich darin, daß sich die für überwunden gehaltene gemeinrechtliche Lehre von der Pflichtbindung des Gläubigers auch unter der Geltung des BGB gehalten hat, wenn auch mit einer wesentlichen Veränderung: Für die gemeinrechtliche Lehre stand der Liberationsanspruch des Schuldners auf einer Stufe mit dem Leistungsanspruch des Gläubigers260 • Für die heutige Lehre ist die Mitwirkungspflicht dagegen eine Pflicht unterhalb der Ebene vertraglicher Hauptpflicht, wie schon in der Terminologie ("Sicherungspflicht", "Hilfspflicht") zum Ausdruck kommt. In diesen Zusammenhang wird auch die Pflicht zur Herbeiführung einer behördlichen Genehmigung gestellt. Die Vorstellung einer Pflicht des Gläubigers, bei der Erlangung der Genehmigung mitzuwirken, beeindruckt derart, daß nicht einmal nach dem Objekt der GenehmiVgl. die Nachweise oben in Fn. 85. Vgl. Staudinger I Weber,§ 241, Rdn. 90, 99, 100; § 242, Rdn. A 857- 863. 255 So bei Soergel I Siebert I Knopp, § 242, Rdn. 104. 256 Vgl. Larenz, Bd I, § 2 I (S. 8). 257 Vgl. Esser, Bd I, § 5 III 3 (S. 29/30), allerdings unter Betonung des Ausnahmecharakters. 258 Ähnlich auch das neuere schweizerische Schrifttum, vgl. Merz, Art. 2, Anm. 261, 281; Gutzwiller I Deschenaux, § 18 IV; Heinz-Bommer, S. 65. 259 Vgl. oben bei Fn. 22 ff. 26 0 Vgl. oben bei Fn. 9 ff. 253

254

4. Kap.: Die Mitwirkung des Gläubigers

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gung (Vertrag oder Durchführungshandlungen) differenziert wird 261 • Ist das Ausbleiben der Genehmigung auf die schuldhafte Untätigkeit einer Partei zurückzuführen, so wird ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo gewährt, ohne daß unterschieden würde, ob die untätige Partei die erforderliche Genehmigung in ihrer Eigenschaft als Gläubiger oder als Schuldner des beabsichtigten Vertrags zu erwirken hatte 262 • Nur bei endgültiger Unwirksamkeit des Vertrags, also dann, wenn eine zu seiner Wirksamkeit erforderliche Genehmigung in unanfechtbarer Weise versagt ist, sollen die Rechtsfolgen unter dem Gesichtspunkt der nachträglichen Unmöglichkeit zu beurteilen sein (§§ 275, 323 BGB)263 ; dies namentlich dann, wenn das Verbot mit Genehmigungsvorbehalt erst nach Vertragsschluß erlassen wird264 • II. Mitwirkung, Obliegenheit, positive Vertragsverletzung Die Begründung, die der BGH seiner Entscheidung im Fall der "Ouistreham" 265 gegeben hat, ist im Schrifttum unterschiedlich aufgenommen worden. Einigkeit besteht jedoch über die Richtigkeit des Ergebnisses. Daraus wird erneut deutlich, daß man allgemein bereit ist, den Grundsatz der Pflichtlosigkeit des Gläubigers zugunsten einer Lehre vom Schuldverhältnis zurückzudrängen, die beide Vertragsteile mit Pflichten belastet. Im einzelnen lassen sich zwei Ansichten unterscheiden: Nach der einen liegt im Ausbleiben der Mitwirkung ohne weiteres eine positive Vertragsverletzung, nach der anderen ist die Mitwirkung Gegenstand einer Obliegenheit, die aber von einer allgemeinen Treupflicht überlagert wird. 261 Ausnahmen bilden HGB-RGRK (Godin), § 346, Anh., Anm. 19; Kegel/ Rupp I Zweigert, S. 59/60. Im übrigen besteht heute Einigkeit darüber, daß das Fehlen einer für das Rechtsgeschäft vorgeschriebenen Genehmigung, sieht man von dem Fall der Gesetzesumgehung ab, nicht zur Nichtigkeit, sondern zunächst zur schwebenden Unwirksamkeit des Vertrags führt, vgl. statt aller Soergel I Siebert I Hefermehl, § 134, Rdn. 26. 262 Palandt I Heinrichs, § 276, Anm. 6 b bb; Langen, § 31 AWG, Rdn. 26; Soergel I Siebert I Hefermehl, § 134, Rdn. 26. Für Annahme einer positiven Vertragsverletzung dagegen Heinrich Lange, Festschrift f. Schmidt-Rimpler (1957), 139, 145/146. Vgl. zu diesem Problemkreis auch Canaris, JZ 1965, 475. 263 Palandt I Heinrichs, § 275, Anm. 1 a; HGB-RGRK (Godin), § 346, Anh., Anm. 18; HGB-RGRK (Würdinger I Röhricht), § 373, Vorbem., Anm. 468; Schlegelherger I Hefermehl, § 361, Anh., Rdn. 73. 264 HGB-RGRK (Godin), § 346, Anh., Anm. 18. Mit ausdrücklicher Stellungnahme gegen RGZ 102, 203: Palandt I Heinrichs,§ 275, Anm. 1 a; HGB-RGRK (Würdinger I Röhricht),§ 373, Vorbem., Anm. 467. 265 BGHZ 11, 80.

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1. Hauptteil: überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

Für die Annahme einer Pflichtverletzun g spricht sich namentlich Köpcke aus266• Den Charterer soll eine Vorbereitungsp flicht treffen, deren Mißachtung eine positive Vertragsverletz ung darstellt. Unter einer Obliegenheit will Köpcke dagegen nur die Tatbestände des rechtlichen Geratenseins verstehen, d. h. solche "Verhaltensanf orderungen, die den Gegner im Falle der Nichtbefolgung weder zum Schadensersatz noch zu voller oder partieller Vertragsauflösu ng berechtigen" 267• Den Gedanken, daß die Mitwirkung des Gläubigers Gegenstand einer Obliegenheit ist, die von der allgemeinen Pflicht zu Vertragstreuern Verhalten überlagert wird, hat Heinrich Lehmann entwickelt268 • Er geht davon aus, daß die Nichtbeachtung einer Obliegenheit die Folgen einer schuldhaften Forderungsverl etzung nicht auslösen kann. Das schließe aber nicht aus, in der Mißachtung einer Obliegenheit zugleich ein den Vertragszweck gefährdendes Verhalten zu sehen und deshalb die Verletzung einer schuldrechtliche n Treupflicht anzunehmen. Insoweit ist Götz in seiner Rezension der Entscheidung des BGH der gleichen Ansicht269• Er meint, nur die Verletzung echter Rechtspflicht löse Schadensersatz ansprüche wegen Leistungsstörun g aus; Obliegenheiten seien keine echten Rechtspflichten270• Doch sei es möglich, daß die Mitwirkungsob liegenheit von der allgemeinen Pflicht zur Vertragstreue überlagert werde, in deren Verletzung eine Gefährdung des Vertragszwecks und damit eine positive Vertragsverletz ung gefunden werden könne271 • Auch Klees geht davon aus, daß es eine Obliegenheit des Gläubigers ist, die Mitwirkungsha ndlungen vorzunehmen. Komme er dieser Obliegenheit nicht nach, so seien in erster Linie die Vorschriften über den Gläubigerverzu g und die §§ 642 ff. BGB anzuwenden272 • Im Gegensatz zu Reimer Schmidt meint er jedoch, daß die Nichtbeachtung der Obliegenheit auch eine Schadensersatzp flicht auslösen könne, weil die Sanktionen nicht abschließend geregelt seien273• 248 S. 114, Fn. 104. Enneccerus I Lehmann, § 152 III, und Palandt I Heinrichs, § 276, Anm. 7 e cc, schließen sich der vom BGH geäußerten Ansicht ohne weiteres an. 267 Vgl. S. 114. 248 JZ 1954, 240. In sein Lehrbuch hat Lebmann diese Ansicht nicht übernommen, vgl. Fn. 266. Der Sache nach ebenso Larenz, Bd II, § 53 III c (S. 241, Fn. 1): In der Erfüllungsverweigerung liege nicht nur eine Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit, sondern auch eine positive Vertragsverletzung. 289 JuS 1961, 56. m Vgl. aaO., S. 57. 271 Vgl. aaO., S. 58. 272 Vgl. S. 214 ff. 273 Vgl. S. 214- 216.

4. Kap.: Die Mitwirkung des Gläubigers

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Reimer Schmidt selbst beschränkt sich in der von ihm besorgten Kommentierung darauf, die Auffassung des BGH als "generell nicht unbedenklich" zu bezeichnen274 • III. Die Anwendung der Schuldnerverzugsregeln (Klees)

Anders als die herrschende Meinung will Klees den Schadensersatzanspruch des Schuldners und sein Recht, den Vertrag aufzulösen, nicht auf Grund einer positiven Vertragsverletzung des Gläubigers annehmen. Vielmehr will er, von der französischen Lehre einer "demeure du creancier" 275 beeinflußt, die Grundsätze des Schuldnerverzugs anwenden, wenn der Gläubiger nicht in der erforderlichen Weise mitwirkt276 • Gegen die Annahme einer positiven Vertragsverletzung wendet sich Klees mit dem Argument, daß ein Bedürfnis "für eine echte Haftung des Gläubigers" nur ausnahmsweise bestehe, nämlich nur dann, wenn der Gläubiger konkrete Vermögensinteressen des Schuldners gefährdet habe277 • Deshalb müßten auch für die Rechtsfolgen einengende Grundsätze gelten. Da sich die Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit gedanklich einem Schuldnerverzug des Gläubigers nähere 278 , sei ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung oder ein Recht, sich von dem Vertrag loszusagen, grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen der §§ 326, 643 BGB oder des § 286 Abs. li BGB anzuerkennen 279 • IV. Die Anwendung der§§ 321, 326 BGB (Götz)

Götz geht zwar von der allgemeinen Pflicht zur Vertragstreue und damit von der positiven Vertragsverletzung aus, meint jedoch, in einer Anwendung der §§ 321, 326 BGB die speziellere und damit vorrangige Lösung sehen zu können280 • Anders als die herrschende Ansicht, die § 321 BGB nur eine Einrede entnimmt 28 1, meint Götz, die Vorschrift gewähre dem zunächst Vorleistungspflichtigen einen Anspruch auf Leistung Zug um Zug 282 • Komme der andere Teil dieser Verpflichtung Soergel I Siebert I Schmidt, § 275, Vorbem., Rdn. 37. Vgl. dazu im 2. Hauptteil bei Fn. 56 ff., 105 ff. 278 Vgl. S. 218 ff. 277 Vgl. S. 218. Klees spricht hier auch davon, daß die Obliegenheit zur Nebenpflicht erstarke. 278 Vgl. S. 218. 279 Vgl. S. 219 I 220. 280 JuS 1961, 56, 58/59. 281 Vgl. RGZ 53, 62; OLG Harnburg SeuffArch. 59 Nr. 54; KG SeuffArch. 72 Nr. 211; Erman I Battes, § 321, Rdn. 11; Palandt I Heinrichs, § 321, Anm. 3; BGB-RGRK (Wilde), § 321, Anm. 4; Staudinger I Kaduk, § 321, Rdn. 33, 34. 282 Wie Götz auch Larenz, Bd I, § 15 (S. 1561157). 274 275

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1. Hauptteil: Überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

nicht nach, so könne der zunächst vorleistungspflichtige Schuldner nach § 326 BGB vorgehen283 • Daß mit dem Wechsel von der positiven Vertragsverletzung zu § 326 BGB und damit von der Mitwirkungspflicht zur Gegenleistungspflicht der für die Lösung maßgebliche Anknüpfungspunkt verändert ist, wird von Götz nicht erörtert.

283 JuS 1961, 56, 59. Im Ergebnis ebenso Erman I Battes, § 321, Rdn. 11, die für den Erfüllungsanspruch und für § 326 BGB zu unterschiedlichen Lösungen kommen.

5. Kapitel

Die Gläubigermitwirkung im Reformschrifttum der dreißiger Jahre Die von Heinrich Lange284 und von Heinrich Stoll285 entwickelten Reformvorstellungen entsprachen ganz der Sicht des Schuldverhältnisses, die sich inzwischen auch ohne Gesetzesänderung durchgesetzt hat. Die von ihnen unterbreiteten Vorschläge hätten, wenn sie Wirklichkeit geworden wären, nur insofern eine klarstellende Funktion, als sie die Verdrängung des den§§ 293 ff. BGB zugrunde liegenden Prinzips durch die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben sichtbar gemacht hätten. Der Grundsatz, daß der Gläubiger nur Rechte, der Schuldner nur Pflichten hat, ist für Lange Bestandteil einer Konzeption des Schuldverhältnisses, die er durch übermäßigen Individualismus gekennzeichnet findet 286 • Mit dem dieser Konzeption zugrunde liegenden aktionenrechtlichen Denken will er brechen; an die Stelle von Ansprüchen und Gegenansprüchen soll die Einheit des Schuldverhältnisses treten, in dem die Parteien einander nicht als Vertragsgegner, sondern als Vertragsgenossen gegenüber stehen, "die im gemeinsamen Zusammenwirken das gemeinschaftlich gesetzte Ziel verwirklichen" 287 • Hieraus zieht er die Folgerung, daß der Verzug des Gläubigers wie der des Schuldners Schuldverletzung ist und in den Verletzungsfolgen gleichbehandelt werden muß 288 • Die Konzeption des Schuldverhältnisses, von der aus Stoll zu seinen Gesetzgebungsvorschlägen gelangt ist, ist die gleiche wie die Heinrich Langes. Auch für ihn ist das Schuldverhältnis ein Vertrauensverhältnis, das auf dem Gedanken der Parteiengemeinsamkeit beruht289 • Allerdings hat Stoll seinen Ausgangspunkt insofern präzisiert, als er in das Pflichtengefüge die von ihm entwickelte290 Unterscheidung zwischen 284 285 288 287 288 289 29o

Vom alten zum neuen Schuldrecht, 1934. Die Lehre von den Leistungsstörungen, 1936. Vgl. aaO., S. 10 ff. Vgl. aaO., S. 70. Vgl. vorige Fn. Vgl. aaO., S. 26. Vgl. AcP 136 (1932), 257.

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1. Hauptteil: Überblick über die im dt. Recht entw. Lösungen

Leistungs- und Schutzpflichten einführt; erstere sollen nur dem Schuldner, letztere Schuldner und Gläubiger obliegen, der Abwehr von Schädigungen dienen und von dem Vertrauensgedanken beherrscht sein, während für die Leistungspflicht der Austauschgedanke maßgeblich sein soll291 . Dementsprechend lautet § 15 des von Stoll vorgeschlagenen Gesetzentwurfs, der dem BGB als§ 292 a eingefügt werden sollte292 : "Macht sich der Schuldner oder der Gläubiger durch sein Schuldhaftes Verhalten, insbesondere durch Verletzung der Treuepflicht oder durch Verletzung von Schutzpflichten, eines so schweren Vertrauensbruches schuldig, daß dem anderen Teil die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann, so kann dieser vom Vertrag zurücktreten und Ersatz des Schadens verlangen, der ihm aus der Vertragsauflösung entsteht." Nur eine Klarstellung enthält nach der von Stoll gegebenen Begründung293 § 17 des Entwurfs, der im BGB nach § 303 eingeordnet werden sollte294 : "Liegt im Verzug des Gläubigers ein schwerer Vertrauensbruch, so kann der Schuldner vom Vertrag zurücktreten295."

291 Vgl. aaO., S. 27. 292 Vgl. aaO., S. 71. 293 Vgl. aaO., S. 72. 294 Vgl. vorige Fn. 295 Hier ist ein Verschulden des Gläubigers, anders als in § 15 des Entwurfs, nicht vorausgesetzt.

2. HAUPTTEIL

Rechtsvergleichung 1. Teil

Französisches Recht 1. Kapitel

Die Rechtsstellung des Gläubigers nach den Vorschriften des Code civil 1. Abschnitt

Die Artt. 1257 -1264 C.civ.: "Offre de payement" und "consignation"1 Eine dem deutschen Recht vergleichbare Regelung des Gläubigerverzugs enthält der Code civil nicht. Das Gesetz beschränkt sich in den Artt. 1257 ff. auf die Regelung eines Hinterlegungsverfahrens, das es dem Schuldner ermöglicht, sich von seiner Verbindlichkeit zu befreien.

I. Das Verfahren Art. 1257 C. civ. enthält in Abs. I die grundsätzliche Voraussetzung des Hinterlegungsverfahrens: Der Schuldner muß dem Gläubiger ein tatsächliches Angebot ("offre reelle") machen und der Gläubiger die Annahme dieses Angebots verweigern. Danach kann der Schuldner den Leistungsgegenstand hinterlegen, jedenfalls, soweit er in Geld besteht2 • Das von dem Schuldner einzuhaltende Verfahren hat der Code civil detailliert geregelt3 • Es beginnt mit dem tatsächlichen Angebot, dessen 1 Die ausführlichste Darstellung der in den Artt. 1257 ff. C.civ. enthaltenen Regelung gibt Jaubert im J .Cl.civil, auch unter Vergleichung mit dem deutschen Recht, vgl. Fasz. I, Nr. 14 ff.; ferner: Planiol I Ripert, Bd VII, Nr. 1207 ff.; Beudant I Lagarde, Bd VIII, Nr. 613 ff.; Aubry I Rau, Bd IV, § 322; Marty I Raynaud, Bd II, 1, Nr. 595 ff.; Carbonnier, Bd IV, Nr. 129. Aus dem deutschen Schrifttum vgl. die eingehenden Ausführungen von Klees, S. 143 ff. 2 Vgl. näher unten bei Fn. 10 ff. 3 Ein diesem Verfahren vorausgehendes sog. freundschaftliches Angebot, von dem Art. 1257 Abs. I, 1. Halbs. C.civ. seinem Wortlaut nach ausgeht, ist

62

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Französisches Recht

Wirksamkeitsvoraussetzungen in Art. 1258 C. civ. näher bestimmt sind. Schuldner und Gläubiger müssen geschäftsfähig sein (Art. 1258 Ziff. 1 und 2 C. civ.); die Schuldsumme muß mit den Nebenkosten angeboten werden (Art. 1258 Ziff. 3 C. civ.); die Leistungszeit muß eingetreten sein, wenn sie ausnahmsweise zugunsten des Gläubigers vereinbart worden ist, gleichfalls eine etwa ausgemachte Bedingung (Art. 1258 Ziff. 4 u. 5 C. civ.); das Angebot muß am vereinbarten Leistungsort abgegeben werden oder, wenn ein Leistungsort nicht ausdrücklich vereinbart worden ist, am Aufenthaltsort oder am Wohnsitz des Gläubigers (Art. 1258 Ziff. 6 C. civ.); schließlich kann der Schuldner das Angebot nicht selbst bewirken, er muß vielmehr durch eine Person öffentlichen Glaubens, einen "officier ministeriel", regelmäßig durch den Gerichtsvollzieher oder den Notar, anbieten lassen (Art. 1258 Ziff. 7 C. civ.). Wenn der Gläubiger das Angebot nicht annimmt, verfährt der Beamte gemäß Art. 812 C. proc.: Er fertigt ein Protokoll an, das den angebotenen Gegenstand bezeichnet und die Annahmeverweigerung des Gläubigers festhält. Jetzt erst kann der Schuldner den Gläubiger zum Hinterlegungstermin laden (Art. 1259 Ziff. 1 C. civ.); über die erfolgte Hinterlegung wird erneut ein Protokoll durch eine Person öffentlichen Glaubens angefertigt (Art. 1259 Ziff. 3 C. civ.), das dem Gläubiger, der am Hinterlegungstermin nicht teilgenommen hat, zusammen mit der Aufforderung, die hinterlegte Sache abzuholen, zuzustellen ist (Art. 1259 Ziff. 4 C. civ.). Erst damit ist das Verfahren abgeschlossen, dessen Kosten gemäß Art. 1260 C. civ. grundsätzlich der Gläubiger zu tragen hat. II. Die Rechtswirkungen Wird das geschilderte Verfahren nicht eingehalten, so treten Rechtswirkungen zugunsten des Schuldners nicht ein; das gilt namentlich für das nur wörtliche Angebot4 • Die Wirkungen des Verfahrens sind in Art. 1257 Abs. II C. civ. geregelt: Der Schuldner wird von seiner Leistungspflicht befreit, die Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache geht auf den Gläubiger über 5 ; nicht Voraussetzung der Hinterlegung und ihrer Wirkungen. Doch ist es dem Schuldner anzuraten; denn wenn der Gläubiger die förmlich angebotene Leistung sogleich annimmt, kann der Schuldner von ihm nicht gemäß Art. 1260 C.civ. die Verfahrenskosten ersetzt verlangen. Vgl. Planiol I Ripert, Bd VII, Nr. 1212 (S. 618); Aubry I Rau, Bd IV, § 322 (S. 306); Klees, S. 147. Es handelt sich hier um den Rechtsgedanken, der auch § 93 ZPO zugrunde liegt: Überflüssige Kosten soll derjenige tragen, der sie veranlaßt hat. 4 Vgl. Jaubert, aaO. (Fn. 1), Fasz. Il, Nr. 1 und 2, mit Nachweisen und Beispielen. 5 Die Schuldbefreiung ist freilich nur eine vorläufige, da der Schuldner die hinterlegte Sache im Rahmen der Artt. 1261 - 1263 C. civ. zurücknehmen kann.

1. Kap.: Die Rechtsstellung des Gläubigers nach dem C. civ.

63

ergänzend bestimmt Art. 1259 Ziff. 2 C. civ., daß bei einer Geldschuld die Zinspflicht des Schuldner endet. Streitig ist, ob diese Wirkungen erst mit der Hinterlegung eintreten oder ob sie, sofern die Hinterlegung nachfolgt, schon auf den Zeitpunkt des erfolglosen tatsächlichen Angebots vorverlegt werden. Eine Mindermeinung6, die sich an das Verständnis des Gläubigerverzugs in anderen Rechtsordnungen anlehnt, geht vom Wortlaut des Art. 1257 Abs. II, 1. Halbs. C. civ. aus: "Les offres reelles suivies d'une consignation liberent le debiteur; ... ;". Sie hält deshalb den Zeitpunkt des Angebots für maßgeblich. Die herrschende Lehre7 stellt dagegen auf die Zeit der Hinterlegung ab. Sie stützt sich dafür auf den Wortlaut des Art. 1257 Abs. II, 2. Halbs. C. civ. (" ... la chose ainsi consignee ... ")und des Art. 1259 Ziff. 2 C. civ. (" ... avec les interets jusqu'au jour du depot;"). Diese Lehre hat die besseren Gründe für sich8 • Der etwas unklare Wortlaut des Art. 1257 Abs. II, 1. Halbs. C. civ. läßt sich zwanglos deuten. Nicht das tatsächliche Angebot oder die Hinterlegung allein lösen die Befreiungswirkung und die sonstigen Folgen aus, sondern nur beide zusammen°, d. h. die Hinterlegung hat nicht die ihr sonst zukommenden Wirkungen, wenn das vorgängige, vom Code civil genau geregelte Angebotsverfahren nicht eingehalten ist.

III. Abweichendes Verfahren nach Art. 1264 C. civ. Die Artt. 1257 ff. C. civ. gelten uneingeschränkt für Geldschulden10• Hat der Schuldner dagegen eine bestimmte Sache zu leisten, so stellt Art. 1264 C. civ. teilweise andere Regeln auf. Der Schuldner hat den Gläubiger zur Abholung der Sache am Erfüllungsort - das ist regelmäßig der Wohnsitz des Schuldners (Art. 1247 C. civ.) - aufzufordern und kann sich, wenn der Gläubiger der Aufforderung nicht nachkommt, er aber den Lagerraum benötigt, den das geschuldete Gut einnimmt, vom Gericht zu einer anderweitigen Einlagerung ermächtigen lassen. Der wesentliche Unterschied zur Behandlung der Geldschulden liegt darin, daß dort der Schuldner zur Hinterlegung keiner richterlichen Ermächtigung bedarf (vgl. Art. 1259 C. civ.). Über die Behandlung der Gattungsschulden besteht keine einheitliche Meinung. Zwar ist man sich darin einig, daß sie dem Hinterlee

Vgl. Toullier, Bd VII, Nr. 221 ff. (S. 313 ff.); vgl. auch Trib.civ. Seine,

24. 1. 1952,D. 1952, somm. 31.

7 Vgl. Planioll Ripert, Bd VII, Nr. 1211 (S. 616); Ripert/ Boulanger, Bd li, Nr. 1259 (S. 562); Aubry I Rau, Bd IV, § 322, Fn. 25 (S. 303); Baudry-Lacantinerie I Barde, Bd XIII, Nr. 1628 (S. 719); Fuzier I Herman, Art. 1257, Anm. 32; Carbonnier, Bd IV, Nr. 129 (S. 479). 8 So auch, allerdings mit abweichender Begründung, Klees, S. 147. 9 Zutreffend Marcade, Bd IV, Nr. 731 (S. 558). to Vgl. Klees, S. 151.

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Französisches Recht

gungsverfahren zugänglich sind, doch ist nach herrschender Meinung auch auf die Gattungsschulden Art. 1264 C. civ. anzuwenden1 \ während eine Mindermeinung nur die Artt. 1257 - 1259 C. civ. heranziehen will12• Die beiden Ansichten unterscheiden sich im wesentlichen hinsichtlich des Zeitpunkts der Konkretisierung. Nach der herrschenden Meinung konkretisiert sich die Gattungsschuld schon mit Zustellung der Aufforderung, die Sache abzuholen, sofern der Schuldner die von ihm zur Leistung vorgesehene Sache in der Aufforderung hinreichend deutlich bezeichnet hat; nach der Mindermeinung soll die Konkretisierung dagegen erst mit der Hinterlegung erfolgen13• Wie weit die Artt. 1257 ff. C. civ. über die "obligations de donner" hinaus auch auf die "Obligations de faire" anzuwenden sind, ist gleichfalls streitig. Nach einer Ansicht ist ihre Anwendung schlechthin ausgeschlossen14. Nach anderer Meinung soll analog Art. 1264 C. civ. verfahren werden, wenn die Erfüllung gerade von der Mitwirkung des Gläubigers abhängt15• IV. Vergleich der Artt.1257 ff. C. civ. mit den§§ 293 ff. BGB Die Regelung des französischen Rechts unterscheidet sich von der des deutschen Rechts in einem charakteristischen Punkt: Während nach den §§ 293 ff. BGB schon das erfolglose Leistungsangebot Rechtswirkungen zum Nachteil des Gläubigers herbeiführt, sind im französischen Recht alle Wirkungen von der nachfolgenden Hinterlegung abhängig und treten auch erst in diesem Zeitpunkt ein. Daß diese Auffassung zur Zeit der Entstehung des Code civil nicht nur im französischen, sondern auch im deutschen Recht vertreten wurde, lehrt das Beispiel Höpfners, der zwar eine mora des Gläubigers dem Begriff nach kennt, ihren Beginn jedoch mit der Hinterlegung zusammenfallen läßtl6 • Da der Gläubigerverzug nach heutigem Verständnis dadurch gekennzeichnet ist, daß schon dem erfolglosen Leistungsangebot eine selbständige rechtliche Bedeutung zukommt, kann in den Artt. 1257 ff. C. civ. eine Regelung des Gläubigerverzugs nicht gefunden werden. u Vgl. Req., 26. 2. 1872, D.P. 1872, 1, 214; Planiol / Ripert, Bd VII, Nr. 1213 (S. 618); Marty I Raynaud, Bd II, 1, Nr. 599 (S. 636); Aubry I Rau, Bd IV, § 322 (S. 301); Ripert I Boulanger, Bd II, Nr. 1532 (S. 563). 12 Vgl. Baudry-Lacantinerie I Barde, Bd XIII, Nr. 1625 (S. 716 f.); Baroncea, S. 161. 1a Vgl. Klees, S. 152. 14 Vgl. Planiol/ Ripert, Bd VII, Nr. 1213 (S. 618); Marty I Raynaud, Bd II, 1, Nr. 599 (S. 636). 15 Vgl. Ripert I Boulanger, Bd II, Nr. 1532 (S. 562); Klees, S. 153; BaudryLacantinerie I Barde, Bd XIII, Nr. 1626 (S. 718 f.); Baroncea, S. 162 ff. 1s Vgl. S. 631. Vgl. dazu im 1. Hauptteil bei Fn. 16. Zur abweichenden Auffassung Pothier's vgl. im folgenden Kapitel bei Fn. 27 ff.

1. Kap.: Die Rechtsstellung des Gläubigers nach dem C. civ.

65

2. Abschnitt

Die Rerhtsstellung des Käufers und des Werkbestellers Da der Code civil dem erfolglosen Leistungsangebot des Schuldners keine allgemeine Wirkung beimißt, liegt für den von den §§ 433 Abs. II, 640 BGB, 375 HGB ausgehenden deutschen Juristen die Frage nahe, ob das Fehlen allgemeiner Regeln für das Kauf- und Werkvertragsrecht teilweise durch besondere Bestimmungen aufgewogen wird. Auch das ist jedoch nicht der Fall. Anders als das BGB in § 433 Abs. II, erwähnt der Code civil die Abnahmepflicht des Käufers in dem die Pflichten der Kaufvertragsparteien regelnden Art. 1582 nicht; Art. 1582 C. civ. stellt lediglich die Lieferpflicht des Verkäufers und die Zahlungspflicht des Käufers einander gegenüber. Jedoch lassen die Artt. 1608 und 1657 C. civ. den Schluß auf eine Abnahmepflicht des Käufers zu. Nach Art. 1608 C. civ. trägt nämlich der Käufer die Kosten der Abnahme; eine Pflicht, die Kosten einer Handlung zu tragen, zu deren Vornahme keine Verpflichtung besteht, ist schwer vorstellbar17• Art. 1657 C. civ. ordnet bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zugunsten des Verkäufers die Auflösung des Vertrags von Rechts wegen an, wenn der Käufer die Kaufsache nicht abnimmt1 8 . Auch das spricht dafür, daß der Käufer insoweit verpflichtet ist. Während die gesetzlichen Bestimmungen also immerhin den Schluß auf eine Abnahmepflicht des Käufers zulassen, hat der Spezifikationskauf und damit auch die Frage einer Spezifikationspflicht des Käufers weder im Code civil noch im Code de commerce eine Regelung gefunden. Auch das Schrifttum enthält nichts dazu19• Der Code civil kennt auch nicht den Begriff des Werkvertrags. Das Gesetz enthält unter der Überschrift "Du contrat de louage" in den Artt. 1708 ff. gleichermaßen Bestimmungen über Miete und Pacht, Dienst- und Werkvertrag, ist also im systematischen Aufbau von der locatio conductio des römischen Rechts beeinflußt20• In Art. 1708 C. civ. wird zwischen Sach- und Dienstmiete unterschieden, die in den Artt. 17 Aus Art. 1608 C.civ. schließen Beudant I Brethe de la Gressaye, Bd 11, Nr. 274 (S. 218), auf den Bestand einer Abnahmepflicht. 18 Vgl. zu Art. 1657 C.civ. eingehend unten bei Fn. 183 ff. 18 Vgl. die Darstellungen des Kaufrechts bei Planioll Ripert, Bd 10, bes. Nr. 298 ff. (Sonderformen des Kaufs beweglicher Sachen); Escarra I Rault I Hemard, S. 85 ff. (besondere Formen des Handelskaufs). Auch nichts bei Ferid, Bd I, 2 F 405 ff.; Rabe!, Bd II, § 73 II (S. 94 ff.). 20 Vgl. Aubry I Rau, Bd 5, § 361 (S. 1861187); Beudant I Rodiere, Bd 12, Nr. 173 (S. 187); Planiol l Ripert, Bd 11, Nr. 906 (S. 139); Riezler, RabelsZ 17

(1952), 522, 5231524. 5 Hüffer

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Französisches Recht

1709, 1710 C. civ. definiert und in Art. 1711 C. civ. weiter unterteilt werden. Die dem Werkvertrag gewidmeten Regeln sind unvollständig. Eine für alle Werkverträge geltende Regelung enthält das Gesetz überhaupt nicht. Es beschränkt sich in den Artt. 1782 - 1786 C. civ. auf Vorschriften über den Transportvertrag, ein Gebiet, das heute im wesentlichen dem Handelsrecht zugerechnet wird21 , systematisch jedoch dem Werkvertragsrecht angehört22 , und in den Artt. 1787- 1799 C. civ. auf Regeln über die Verträge mit bloßem Kostenvoranschlag oder mit Festpreisvereinbarung ("Des devis et des marches"), die heute jedoch allgemein auf den Werkvertrag angewandt werden23 • Die unvollständige Regelung macht es verständlich, daß der Code civil auch den Begriff der Abnahme nicht verwendet. In Art. 1788 C. civ. ist lediglich von einer "demeure de recevoir Ia chose" die Rede, in Art. 1790 C. civ. von einer "demeure de le (sc. l'ouvrage) verifier" und in Art. 1781 C. civ. von einer "verification" einzelner Werkteile. Aus der Verwendung des Begriffs "demeure" auf eine Pflicht des Gläubigers zu schließen, wäre nicht zwingend. Denn es ist gerade fraglich, ob "demeure" hier einen schuldhaften Pflichtverstoß oder nur eine objektive Verzögerung bezeichnen soll24• Die Vorschriften des Code civil geben also nicht nur in ihrem allgemeinen Teil, sondern auch bei der Regelung der einzelnen Verträge wenig Aufschluß über die Rechtsstellung, besonders über eine Pflichtbindung des Gläubigers.

Vgl. Aubry I Rau, Bd 5, § 373 (S. 399); Overstake, S. 89. Vgl. Riezler, aaO. (Fn. 20), S. 526. 23 Vgl. Riezler, aaO. (Fn. 20), S. 528. 24 So werden die Artt. 1788, 1790 C.civ. von Baroncea, S. 163 ff., gerade für einen nicht auf Pflichtverstoß beruhenden Gläubigerverzug in Anspruch genommen. 21

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2. Kapitel

Die Mitwirkung des Gläubigers bei Pothier und in der Jurisprudenz des 19. Jahrhunderts 1. Abschnitt

Die Mitwirkung des Gläubigers bei Pothier Pothier spricht mehrfach von einer "demeure du creancier" 25 • Dieser "demeure" liegt bei Pothier jedoch eine andere Konzeption zugrunde als die, von der die Verfasser des Code civil in den Artt. 1257 ff. ausgegangen sind. Nach der Lehre Pothier's hat das tatsächliche Angebot des Schuldners eine doppelte Funktion. Es hat einmal, wie nach den Artt. 1257 ff. C. civ., eine unselbständige Bedeutung als Voraussetzung der schuldbefreienden Hinterlegung 26 . Nach Pothier soll aber die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung der Sache schon in dem Zeitpunkt auf den Gläubiger übergehen, in dem er das Angebot zurückweist; auch soll schon das tatsächliche Angebot die Konzentration der Gattungsschuld bewirken 27 und bereits in diesem Zeitpunkt ein etwa schon eingetretener Schuldnerverzug geheilt werden28. Dem erfolglosen Angebot des Schuldners kommt also auch eine selbständige, von der Hinterlegung unabhängige Bedeutung zu, die ihm die Artt. 1257 ff. C. civ. gerade nicht beimessen. Eine Abkehr von der Lehre Pothier's haben die Verfasser des Gesetzes wohl nicht beabsichtigt. Denn daß in Art. 1257 C. civ. der Gefahrübergang ausdrücklich erwähnt wird, ist nur vor dem Hintergrund seiner Lehre verständlich. Nach dem Code civil ist diese Erwähnung überflüssig, da der Gefahrübergang ohnehin erst im Zeitpunkt der Hinterlegung, also der Befreiung des Schuldners, eintritt und bei Rücknahme der Sache aus der Hinterlegung auch nicht als selbständige 25 Vgl. Traite des obligations, Bd I, Nr. 144 (Ges. Schriften, Bd I, S. 125); Nr. 283 (Ges. Schriften, Bd I, S. 254); Traite des Obligations, Bd II, Nr. 574 (Ges. Schriften, Bd II, S. 70) u. Nr. 663 (Ges. Schriften, Bd II, S. 168). 26 Vgl. Traite des Obligations, Bd II, Nr. 574 (Ges. Schriften, aaO.). 27 Vgl. Traite des Obligations, Bd I, Nr. 283 (Ges. Schriften, aaO.). 2 8 Vgl. Traite des obligations, Bd I, Nr. 144 (Ges. Schriften, aaO.), und Bd II, Nr. 663 (Ges. Schriften, aaO.).

s•

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Französisches Recht

Wirkung bestehen bleibt (vgl. Artt. 1261 ff. C. civ.); mit der Rücknahme der Sache soll nämlich auch der Gefahrübergang rückwirkend entfallen29. Für Pothier dagegen ist die Hervorhebung des Gefahrübergangs sinnvoll, weil er schon vor der Schuldbefreiung durch Hinterlegung, nämlich mit dem erfolglosen Angebot, eintritt. Über die Gründe für die Abweichung vom System Potbiers kann man nur Vermutungen anstellen. Am wahrscheinlichsten ist, daß der Gesetzgeber die selbständige Bedeutung des tatsächlichen Angebots über seinem Bestreben, einen Jahrhunderte alten Streit zu entscheiden, verkannt hat. Bei diesem Streit ging es um den Endtermin der Verzinsungspflicht des Schuldners30• Der Gesetzgeber entschied ihn in dem Sinne, daß die Pflicht zur Zinszahlung nicht schon mit der Annahmeverweigerung des Gläubigers endet, sondern erst in dem Zeitpunkt, in dem der Schuldner das Kapital aus der Hand gibt, also mit der Hinterlegung. Ein Indiz für die Richtigkeit dieser Erklärung ist die Argumentation von Toullier, der die vom Code civil getroffene Entscheidung über das Ende der Verzinsungspflicht erst mit der Hinterlegung nicht akzeptieren will31• In seiner Gedankenführung geht er nämlich von einer selbstverständlichen Verknüpfung von Befreiungswirkung und Ende der Zinsleistungspflicht aus. Um das Ende dieser Pflicht auf den Augenblick des Angebots vorverlegen zu können, nimmt er an, daß auch die Befreiung des Schuldners schon mit dem Angebot eintritt, sofern die Hinterlegung nachfolgt32 • Ob die "demeure du creancier" für Pothier auf einem schuldhaften Pflichtverstoß beruht, ist streitig. Es wird behauptet, für ihn seien Gläubiger- und Schuldnerverzug zwei Seiten derselben Sache gewesen, er habe nur einen Verzug gekannt, der sich beim Gäubiger in der Nichtannahme der Sache äußere; folgerichtig meint man weiter, daß nach Pothier ein Verschulden des Gläubigers bei der Nichtannahme der Leistung Voraussetzung für eine wirksame Hinterlegung des Leistungsgegenstandes ist33 • Diese schon vom Crome34 bekämpfte Auffassung läßt sich nicht halten. Zwar spricht Pothier von einer "demeure du creancier"; von einem 29

Vgl. Fuzier I Herman, Art. 1261, Anm. 4; Aubry I Rau, Bd IV, § 322

(S. 304 f .). 30

287).

Eine Darstellung findet sich bei Toullier, Bd VII, Nr. 222-224 (S. 285-

Vgl. Bd VII, Nr. 225 ff. (S. 287 ff.). Vgl. aaO., Nr. 225 (S. 288): "Ce sont donc les offres reelles qui liberent le debiteur ..., parce que le paiement est cense effectue du moment ou le creancier l'a empeche de le faire ... Le debiteur est donc libere avant la consignation, et par consequent, les interets ont cesse de courir; . .. " Gegen die These von Toullier schon Marcade, Bd IV, Nr. 731. aa So zuletzt Klees, S. 150, m. w. N. 31

32

2. Kap.: Pothier und die Jurisprudenz des 19 Jh.

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Verschulden des Gläubigers, einer culpa oder faute, findet sich jedoch kein Wort. Die Stellen, die angeblich belegen, daß Pothier von einem Verschulden des Gläubigers ausgegangen ist, sind im Traite des Obligations, Bd I, Nr. 16935, Bd II, Nr. 547 36 und im Traite du contrat de vente, Nr. 291 37, enthalten. Im Obligationenrecht heißt es in Nr. 169: "Mais lorsqu'on ne peut lui reprocher que de la negligence, ces dommages et interets doivent s'estimer avec beaucoup plus de moderation, et ne doivent etre etendus qu'a ceux qui ont pu etre prevus lors du contrat, et auxquels le debiteur s'est expressement ou tacitement soumis." Hier ist zwar von einer "negligence" die Rede, aber nicht von einer "negligence" des Gläubigers, sondern des Schuldners, wie der einleitende Satz der Nr. 169 beweist: "Il nous reste a dire un mot des dommages et interets qui resultent du retard apporte par le debiteur a l'execution de son obligation" 38 • In Nr. 291 der Darstellung des Kaufrechts heißt es: "C'est une des Obligations qui naissent de la nature du contrat, que celle que contracte l'acheteur d'enlever les marchandises qui ont lui ete vendues. Lorsque par une sommation judiciaire, il a ete mis en demeure de satisfaire a cette Obligation, il est tenu des dommages et interets que le vendeur a soufferts depuis la sommation, par la privation de l'usage de ses magasins, greniers, caves et celliers qu'occupoient les marchandises vendues." Hier wird zwar der Gläubiger als Schuldner betrachtet. Das ergibt sich nicht nur aus der Verwendung des Begriffs "obligation", sondern auch aus der als Sanktion vorgesehenen Schadensersatzpflicht. Doch ist die Pflicht des Käufers, die Sache anzunehmen, ein Sonderfall39, von dessen Behandlung nicht ohne weiteres auf die allgemeine rechtliche Stellung des Gläubigers geschlossen werden kann. Aus der Stelle folgt lediglich, daß der Gläubiger nach der Auffassung Pothier's Träger von Pflichten sein kann, aber nicht, daß der Leistungspflicht des Schuldners generell eine Pflicht des Gläubigers zur Annahme der Leistung oder zur Mitwirkung bei der Durchführung des Vertrags entspricht. S. 188/189, Fn. 16 und 17. Vgl. Ges. Schriften, Bd I, S. 149. aa Vgl. Ges. Schriften, Bd II, S. 70. 37 Vgl. Ges. Schriften, Bd III, S. 226. as Vgl. aaO. (Fn. 35). 39 Vgl. dazu auch Crome, S. 185/186: Der Gläubiger kann zugleich Schuldner sein. Nur dieser Fall wird auch von Aubry I Rau, Bd V, § 356 (S. 96 ff.), behandelt, die von Klees, S. 158, Fn. 2, für den Gläubigerverzug in Anspruch genommen werden. Zur Abnahmepflicht des Käufers vgl. näher unten bei Fn. 118 ff. 34

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Französisches Recht

Die dritte Stelle - Nr. 574 des zweiten Teils des Obligationenrechts, in der Pothier die Voraussetzungen der wirksamen Hinterlegung behandelt und ausführt " ... , il faut ... que le creancier ait ete mis en demeure de recevoir par des offres valables qui lui aient ete faites", ist für die Annahme eines Verschuldenserfordernisses ohne jeden Beweiswert. Da die vorhergehenden Stellen nicht ergeben, daß Pothier für jeden Verzug, auch für den des Gläubigers, ein Verschulden voraussetzte, kann aus der Erwähnung des Verzugs nicht geschlossen werden, daß Verschulden Voraussetzung der wirksamen Hinterlegung sein soll. Festzuhalten bleibt also, daß Pothier, anders als die Artt. 1257 ff. C. civ., dem erfolglosen Leistungsangebot eine selbständige rechtliche Bedeutung beimaß, und daß der Nachweis, er habe für die dem Gläubiger nachteiligen Wirkungen einen schuldhaften Pflichtverstoß vorausgesetzt, nicht zu führen ist. 2. Abschnitt

Die Mitwirkung des Gläubigers in der Jurisprudenz des 19. Jahrhunderts. Verschulden als Voraussetzung der Artt.1257 ff. C. civ.? Die im gemeinen Recht entwickelte Theorie eines Liberationsanspruchs des Schuldners40 ist auch im französischen Recht nicht ohne Einfluß geblieben. Auch hier wurde der Gedanke entwickelt, daß nicht nur der Schuldner zur Erfüllung verpflichtet sei, vielmehr auch den Gläubiger eine Pflicht treffe, nämlich die, die Schuldbefreiung durch Entgegennahme der Leistung zu ermöglichen41 • Wie der Schuldner, so könne deshalb auch der Gläubiger in einen Verzug kommen, dessen Basis eine schuldhafte Pflichtverletzung sei. Im tatsächlichen Angebot der Leistung sei die Mahnung zu erblicken, die Rechtsfolgen würden durch entsprechende Anwendung der Artt. 1138, 1146, 1302 C. civ. bestimmt. Dabei sind gegenüber der Regelung der Artt. 1257 ff. C. civ. zwei wesentliche Unterschiede hervorzuheben: Erstens soll der Schuldner gegen den Gläubiger einen Anspruch auf Ersatz des ihm durch die Verzögerung erwachsenen Schadens haben42 • Zweitens werden nicht erst an die Hinterlegung, sondern schon an die Annahmeverweigerung des Gläubigers Rechtsfolgen geknüpft. Insbesondere wird versucht, ein dem Gefahrübergang auf den Gläubiger vergleichbares Resultat herbeizuführen, indem man nach Annahmeverweigerung durch den 40 Vgl. dazu im 1. Hauptteil bei Fn. 9 ff. u Vgl. Paget, S. 15 ff. 42 Vgl. Paget, S. 19; Demogue, Bd VI, Nr. 342 (S. 347); David, Rev.crit. 1939, 95, 100; vgl. auch Req., 26. 2. 1872, S. 1872, 1, 64.

2. Kap.: Pothier und die Jurisprudenz des 19 Jh.

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Gläubiger diesen nicht mehr durch die Beweislastregel des Art. 1147 C. civ. begünstigt, vom Gläubiger also den Nachweis verlangt, daß der Untergang des Leistungsgegenstandes nach der Annahmeverweigerung von dem Schuldner zu vertreten ist43 • Die praktische Bedeutung der Art. 1257 ff. C. civ. ist nach dieser Ansicht eingeschränkt. Trifft den Gläubiger ein Verschulden, so kann der Schuldner die für ihn günstigeren Rechtsfolgen der "demeure" geltend machen. Nur bei unverschuldeter Nichtannahme muß der Schuldner den Weg des förmlichen Angebots und der Hinterlegung beschreiten44 • Nur auf der gedanklichen Basis dieser Theorie konnte die Frage entstehen, ob auch die Artt. 1257 ff. C. civ. ein Verschulden des Gläubigers voraussetzen. Im neueren Schrifttum wird die Frage durchweg verneint45. Im älteren Schrifttum wird die Frage nicht für die Artt. 1257 ff. C. civ. in ihrer Gesamtheit behandelt, sondern nur anläßlich des Art. 1260 C. civ., also bei dem Kostenerstattungsanspruch des Schuldners, gestreift46 • Ob den beiläufigen Äußerungen, die "faute" des Gläubigers, der das Leistungsangebot des Schuldners zurückweist, unterwerfe ihn der Kostentragungspflicht47 , überhaupt die weitreichende Bedeutung beigemessen werden kann, daß ein Verschulden erforderlich sei, ist recht zweifelhaft. Jedenfalls bedeutet "faute" als rechtstechnischer Begriff nicht schlechthin dasselbe wie das deutsche "Verschulden"; im Gegenteil besteht weitgehende Einigkeit darüber, daß der Begriff das objektive Element des Pflichtverstoßes enthält4 s. Ob darüber hinaus das subjektive Element des Pflichtverstoßes überhaupt Begriffsinhalt ist, ist streitig 49. Die Trennung beider Elemente ist erst das Verdienst einer jüngeren Lehre, die den Begriff der "faute" für das Verschulden reserVgl. dazu Klees, S. 160. So indirekt Klees, S. 161/162. 45 Vgl. Planiol I Ripert, Bd VII, Nr. 1212 (S. 618); Ripert I Boulanger, Bd II, Nr. 1533 (S. 563). 48 Vgl. Toullier, Bd VII, Nr. 219 (S. 2811282). Entgegen der Annahme von Klees, S. 1481149, ist es nicht unbedingt widersprüchlich, die Verschuldensfrage nur hier zu erörtern. Denn der Anspruch auf Kostenerstattung läßt sich immerhin als Schadensersatzanspruch begreifen, dessen regelmäßige Voraussetzung Verschulden ist, während Befreiungswirkung, Gefahrübergang und Ende des Zinslaufs sich völlig unabhängig vom Verschulden sehen lassen. 47 Als typisch kann der Satz von Toullier, aaO., gelten: "La faute du creancier qui refuse des offres valables doit le soumettre aux frais." Es ist dies die einzige Erwähnung der "faute" an der einschlägigen Stelle. 48 Vgl. Planiol I Ripert, Bd VI, Nr. 377 (S. 491); Carbonnier, Bd IV, S. 233; Richter, S. 16, spricht von einem "objektiven Element". 49 Vgl. die Verfechter einer vertraglichen Garantiehaftung, namentlich Marton, Rev.trim.civ. 1935, 499, Nr. 15, 20, 21; aber auch schon Becque, Rev.trim.civ. 1914, 251, 285 ff. 43

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Französisches Recht

viert und den Pflichtverstoß als "inexecution" bezeichnet50• Schließlich wird der Inhalt des Begriffs dadurch verdunkelt, daß die jeweiligen Autoren ihn nicht immer in dem gleichen Sinn verwenden51• Der Code civil selbst52 und seine Entstehungsgeschichte bieten jedenfalls keinen Anhaltspunkt dafür, daß ein Verschulden des Gläubigers Voraussetzung für ein Vorgehen des Schuldners nach den Artt. 1257 ff. C. civ. ist. In den Vorarbeiten zum Code civil werden die strengen Anforderungen an das Vorgehen des Schuldners zwar damit motiviert, daß sichergestellt sein solle, daß der Gläubiger "est en faute", indem er die Annahme verweigere; hier ist jedoch nicht an ein individuelles Verschulden des Gläubigers gedacht. Die Stelle lautet: "Mais elle" (sc. la consignation) "n'intervient entre le creancier et le debiteur qu'en prenant toutes les precautions pour qu'il soit certain que le creancier est en faute d'avoir refuse les offres reelles qui lui ont ete faites 53." Ersichtlich sollen also die vom Schuldner einzuhaltenden Vorkehrungen sicherstellen, daß nur die unberechtigte Weigerung des Gläubigers getroffen wird; ihr Zweck ist also geradezu, die Prüfung des Verschuldens im Einzelfall überflüssig zu machen54 • Die Frage nach dem Verschulden wird durch die Frage nach der Einhaltung eines strengen, formgebundenen Verfahrens ersetzt. Darauf läuft im Ergebnis auch die These von Klees hinaus, der meint, daß den Artt. 1257 ff. C. civ. eine unwiderlegbare Verschuldensvermutung zugrunde liegt55• Jedoch bedarf es einer solchen Vermutung nicht; das gesetzgeberische Ziel muß nicht auch in der juristischen Konstruktion zum Ausdruck kommen.

Vgl. dazu Constantinesco, S. 29. Vgl. dazu Planiol I Ripert, Bd VI, Nr. 377 (S. 491); Segur, S. 61 ff. 52 Demgegenüber geht Art. 1137 C.civ. für die Ersatzansprüche des Gläubigers auf die Entlastungsmöglichkeiten des Schuldners ein, läßt also ein grundsätzliches Verschuldenserfordernis erkennen; vgl. Constantinesco, S. 222. Darstellung des Meinungsstreits über die "faute contractuelle" bei Mazeaud I Tune, Bd I, Nr. 653 - 703. 53 Vgl. Fenet, Bd XIII, S. 272; ähnlich das Zitat bei Crome, S. 189, Fn. 17. 54 Zutreffend schon Crome, aaO.: "Aber nirgends findet sich ein Anhalt, daß die culpa im Einzelfalle zu berücksichtigen sei." Der Zweck des Verfahrens wird allerdings nicht in allen Fällen erreicht; so ist eine mögliche Mangelhaftigkeit der Kaufsache in den Artt. 1257 ff. C.civ. nicht berücksichtigt. 55 Vgl. S. 151. so

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3. Kapitel

Die Bemühungen im Schrifttum um die Begründung einer Mitwirkungspf1icht und eines Verzugs des Gläubigers 1. Abschnitt

Die Unzulänglichkeit des dem Schuldner durch die Artt. 1257 ff. C. civ. gewährten Interessenschutzes Im Schrifttum herrscht Einigkeit darüber, daß die Regelung des Code civil den Interessen des Schuldners nur unzureichend gerecht wird56 • Am wenigsten befriedigend erscheint dem deutschen Juristen an der Regelung der Artt. 1257 ff. C. civ., daß der Übergang der Preisgefahr57 vom Schuldner auf den Gläubiger erst mit der Hinterlegung eintritt. Hier muß jedoch beachtet werden, daß sich das Gefahrtragungsproblem im französischen Recht anders stellt als im deutschen. Denn wenn der Schuldner wie beim Stückkauf zur Übereignung einer bestimmten Sache verpflichtet ist, gehen gemäß Art. 1138 C. civ. das Eigentum und auch die Preisgefahr grundsätzlich schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf den Gläubiger über58• In einem wichtigen Fallbereich schadet dem Schuldner das Fehlen eines Gläubigerverzugs also nicht. Läßt man bei der Gattungsschuld die Konzentration unter Anwendung des Art. 1264 C. civ. schon mit dem Realangebot und nicht erst mit der Hinterlegung eintreten59, so verschiebt sich auch hier das Gefahrtragungsproblem. Nimmt man hinzu, daß beim Werkvertrag nach Artt. 1788, 1790 C. civ. die Preisgefahr vom Unternehmer auf den Besteller übergeht, wenn er mit der Annahme oder mit der Prüfung des Werks in Verzug gerät, so erkennt man, daß die Gefahrtragungsregelung für den Schuldner nicht so ungünstig ist, wie sie auf den ersten Blick scheinen mag. Zu bedenken bleibt aber, daß der Schuldner die ihm günstigen Folgen nach den Artt. 1257 ff. C. civ. nur durch Einhaltung eines umständEingehend dazu Klees, S. 155 ff. Zur Sachgefahr vgl. Art. 1302 C.civ. 58 Vgl. Ripert I Boulanger, Bd II, Nr. 500 (S. 193); Ferid, Bd I, 2 C 161 (S. 516); Klees, S. 172. 60 Vgl. dazu oben bei Fn. 11. 58

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Französisches Recht

liehen Verfahrens zu erreichen vermag60• Davon abgesehen, sind zwei Gesichtspunkte besonders augenfällig, die den Schuldner belasten. Gemäß Art. 1258 Ziff. 5 C. civ. muß die Leistung am Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Gläubigers angeboten werden, sofern nicht ein anderer Erfüllungsort ausdrücklich vereinbart worden ist, während gemäß Art. 1247 C. civ. regelmäßiger Erfüllungsort die Wohnung des Schuldners ist61 • Zudem muß der Schuldner zunächst die Kosten des Verfahrens aufbringen. Wenn er auch gemäß Art. 1260 C. civ. einen Erstattungsanspruch gegen den Gläubiger hat, bleibt er doch mit dem Insolvenzrisiko belastet62 • Wegen dieser Mängel des in den Artt. 1257 ff. C. civ. vorgesehenen Verfahrens hat ein Teil der Lehre versucht, eine "demeure du creancier" zu begründen, die das Hinterlegungsverfah ren und seine Wirkungen ergänzen soll. Ein anderer Teil der Lehre hält eine "demeure du creancier" zwar für wünschenswert, sieht aber keine Möglichkeit, dieses Institut aus dem geltenden Recht abzuleiten6S, namentlich weil der Gesetzgeber durch die Regelung in den Artt. 1257 ff. C. civ. gerade zum Ausdruck gebracht habe, daß er Notwendigkeit und Berechtigung eines Verzugs des Gläubigers nicht anerkenne64• Über den Verzug hinaus ist auch eine Pflicht des Gläubigers angenommen worden, bei der Erfüllung des Schuldners mitzuwirken ("Obligation de cooperation"). Es handelt sich hierbei um den Versuch, die Gegenüberstellung von Gläubiger und Schuldner aufzulösen und durch ein vertragliches Gemeinschaftsverhä ltnis zu ersetzen65 • Aus der Pflichtbindung des Gläubigers ergibt sich auch für diese Lehre die Anerkennung eines Gläubigerverzugs. 2. Abschnitt Mitwirkungspflicht d es Gläubigers und Gläubigerverzug bei Baroncea

Baroncea erkennt eine Pflicht des Gläubigers an, bei der Erfüllung der Verbindlichkeit durch den Schuldner mitzuwirken. Rechtliche Basis der Mitwirkungspflicht des Gläubigers ist für Baroncea der von den so Vgl. Saleilles, Nr. 39 (S. 33 Fn. 2); auch Marty I Raynaud, Bd II, 1, Nr. 600. n Vgl. Planiol I Ripert, Bd VII, Nr. 1209 (S. 614). 6 2 Vgl. Mazeaud, Bd II, Nr. 840 (S. 737); David, Rev.crit. 1939, 95, 99. 63 So namentlich Saleilles, Nr. 38 (S. 32); Fuzier I Herman, Artt. 1257 ff., Anm. II (S. 397); Josserand, Bd II, Nr. 866 (S. 532). 6 4 So besonders Saleilles, aaO. (vorige Fn.). 6 5 Dieser Versuch wird namentlich unternommen von Demogue, Bd VI, Nr. 12 ff. (S. 17 f f .).

3. Kap.: Die Bemühungen im Schrifttum

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Parteien geschlossene Vertrag; die Pflichtverletzung des Gläubigers lasse den Schuldner nicht unberührt, weil er an der Erfüllung der Verbindlichkeit dasselbe Interesse wie der Gläubiger habe. Nur bei eigener Erfüllung könne er nämlich den Anspruch auf die Gegenleistung realisieren66 • Auch in den Fällen, in denen das Handeln des Gläubigers deliktischen Charakter besitze, überwiege die Bedeutung der Vertragsverletzung67 • Den Inhalt der Gläubigerpflicht erblickt Baroncea darin, daß der Gläubiger dem Schuldner die Erfüllung seiner Verbindlichkeit nicht erschweren dürfe68 • Eine solche Erschwerung liege darin, daß er ihm nicht die zur Erfüllung notwendigen Mittel zur Verfügung stelle oder in anderer Weise die erforderliche Mitwirkung verweigere69. In diesem Zusammenhang seien auch die Artt. 1257 ff. C. civ. zu sehen, die, wenn auch unvollkommen, diese allgemeine Verpflichtung zum Ausdruck brächten70 • Die dort vorgesehenen Rechtsfolgen beruhten nämlich letztlich nicht auf der Einhaltung bestimmter Formalitäten, sondern auf dem Verhalten des Gläubigers71 • Bei den Rechtsfolgen des Pflichtverstoßes unterscheidet Baroncea zwischen den Wirkungen, die unabhängig vom Gläubigerverzug eintreten72, und den Folgen, die mit der "demeure du creancier" verbunden sind73. Es sei zwar denkbar, alle erforderlichen Mitwirkungshandlungen des Gläubigers der Lehre von dem Annahmeverzug zuzuordnen. Die Logik verlange jedoch, zwischen der Verpflichtung, den Schuldner positiv bei der Erfüllung seiner Aufgabe zu unterstützen, und der Verpflichtung, das ordnungsgemäße Erfüllungsangebot nicht zurückzuweisen, zu unterscheiden74. Unabhängig vom Gläubigerverzug sind für Baroncea namentlich zwei Wirkungen von Bedeutung: Wenn die Nichterfüllung des Vertrags durch den Schuldner einen Schaden verursacht, der nicht allein auf eine "faute" des Schuldners zurückgeht, sondern auch eine "faute" des Gläubigers zur Ursache hat, so entfalle die Haftpflicht des ersteren oder sei doch gemindert75 , wenn er ein Verschulden des Gläubigers Vgl. Nr. 3 (S. 13) und Nr. 30 (S. 94). Vgl. Nr. 68 (S. 184). Damit ist die Erwägung Saleille's, die Pflichtverletzung des Gläubigers als Delikt zu bewerten (vgl. Nr. 43, S. 35) abgelehnt. es Vgl. Nr. 6 (S. 16). es Vgl. Nr. 7 (S. 18/19). 70 Vgl. Nr. 10 (S. 22). Vgl. auch ebenda, S. 21: Diese Verpflichtung des Gläubigers habe in Art. 44 OR a. E. Ausdruck gefunden. 71 Vgl. Nr. 5 (S. 15). 72 Vgl. Nr. 41 ff. (S. 127 ff.). 73 Vgl. Nr. 47 ff. (S. 133 ff.). 74 Vgl. Nr. 29 (S. 91). 1s Vgl. Nr. 43 (S. 129). 86

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76

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Französisches Recht

dartun könne76 • Hinzu trete als zweite Hauptwirkung, daß der Schuldner vom Gläubiger die Gegenleistung verlangen könne, ohne daß dieser ihm mit der Einrede des nicht erfüllten Vertrags zu begegnen vermöchte77 • Schadensersatz will Baroncea dem Schuldner unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerverzugs zusprechen, wobei er als Schadensersatzanspruch auch den Erstattungsanspruch des Art. 1260 C. civ. auffaßt78 • Bei der Frage, ob der Gläubigerverzug ein Verschulden voraussetzt, kommt er zu einer differenzierenden Aussage79• Für den Schadensersatz soll Verschulden erforderlich sein; allerdings spreche eine Vermutung für das Verschulden des Gläubigers80• Die sonstigen mit dem Gläubigerverzug verbundenen Wirkungen, namentlich der Gefahrübergang, sollen jedoch unabhängig von einem Verschulden des Gläubigers eintreten. Im Anschluß an Kohler81 hält es Baroncea für den entscheidenden Gesichtspunkt, daß vom Schuldner nicht mehr verlangt werden kann als das, wozu er sich verpflichtet hat, also nicht die Gefahrtragung über den vorgesehenen Leistungszeitpunkt hinaus82• Die Verbindung zu den Artt. 1257 ff. C. civ. stellt Baroncea in der Weise her, daß er ihren Anwendungsbereich auf Geld- und Gattungsschulden beschränkt; daß das Gesetz auf den Zeitpunkt der Hinterlegung abhebe, rechtfertige sich nämlich nur daraus, daß die bei diesen Schulden erforderliche Konkretisierung erst in diesem Augenblick eintrete83• Bei Stückschulden und bei der "obligation de faire", soweit dabei eine Mitwirkung des Gläubigers erforderlich ist, sei für eine Konkretisierung dagegen kein Raum. Deshalb bestehe auch kein Grund, die Wirkungen des Gläubigerverzugs erst in diesem Zeitpunkt eintreten zu lassen. Die Verzugswirkungen seien vielmehr schon an das erfolglose Leistungsangebot anzuknüpfen. Für die "obligation de faire" begründet Baroncea dies mit einer analogen Anwendung der Artt. 1788, 1790 C. civ.84•

78 77 78

Vgl. Nr. 67 (S. 182). Vgl. Nr. 44 (S. 131). Vgl. Nr. 61 (S. 166/167) : Art. 1260 C.civ. beruht auf dem Prinzip der

"responsibilitt~".

1v V gl. Nr. 65 (S. 176 - 178). 8o Vgl. Nr. 61 (S. 166/167). 8 1 IhJb 17 (1879), 261, und AbR 13 (1897), 149. 8! Vgl. S. 134 f., 150. 83 Vgl. S. 161. Anders die h. M. (Nachweise oben in Fn. 11). 84 Vgl. S. 163 ff.

3. Kap.: Die Bemühungen im Schrifttum

77

3. Abschnitt

Die "obligation de cooperation" bei Demogue Während Baroncea zwar von einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers ausgeht, dann aber die "demeure du creancier" in den Vordergrund rückt und, abgesehen von der Schadensersatzpflicht, einen objektiven Verzug des Gläubigers anerkennt, knüpft Demogue ausschließlich an einen schuldhaften Pflichtverstoß des Gläubigers an. Die Pflichten des Gläubigers bestehen nach ihm im wesentlichen darin, daß er dem Schuldner keine zusätzlichen Lasten aufbürden darf und ihm durch eigene Handlungen die Erfüllung der Verbindlichkeit ermöglichen, insbesondere zur Annahme der Leistung bereit sein muß85• Diese Pflichten sollen sich aus einer im allgemeinen Interesse liegenden Solidarität zwischen den Vertragspartnern ergeben; Ausdruck dieser Solidarität sei im Gesetz Art. 1134 Abs. 3 C. civ., der die Parteien zur Beachtung der "bonne foi" verpflichtet. Die Pflicht der Parteien zur Zusammenarbeit sei lediglich ein Aspekt des Grundsatzes, wonach "abus", also die mißbräuchliche Ausnutzung einer Rechtsstellung, verboten sei86 • Allerdings sei der Gläubiger nur zur Vornahme der Handlungen verpflichtet, deren Vornahme zur Erfüllung der Verbindlichkeit notwendig sei oder deren Unterbleiben die Erfüllung für den Schuldner in unnützer Weise erschwere87• Als Rechtsfolge eines Pflichtverstoßes des Gläubigers88 stellt Demogue zunächst negativ fest, daß das Unterbleiben der vom Gläubiger erwarteten Handlungen keinen Verzicht auf seine Forderung bedeute; doch sei der Schuldner berechtigt, die Erfüllung vorläufig einzustellen, soweit der Gläubiger ihn daran hindere89, sodaß dem Schuldner nicht der Vorwurf des Verzugs gemacht werden könne. Weiter sei der Gläubiger verpflichtet, dem Schuldner Schadensersatz wegen der Aufwendungen zu leisten, die er veranlaßt habe und die infolge seines Verhaltens unnütz geworden seien90 • Schließlich gehe auch die Gefahr eines zufälligen Untergangs der geschuldeten Sache auf den Gläubiger über, wenn der Schuldner ihn in Verzug gesetzt habe91 • Aus der Pflicht des Gläubigers, seine Mitwirkung bei der Erfüllung nicht zu verweigern, folgt für Demogue, daß der Gläubiger grundsätzlich "en faute" ist, w enn er dieser Verpflichtung nicht nachkommt92 • 85 88

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88 89 90

01

82

Vgl. Bd 6, Nr. 12 (S. 17). Vgl. aao., s. 18. Vgl. aaO., Nr. 13 (S. 19). Eine Zusammenfassung gibt Demogue, aaO., Nr. 338 bis (S. 369). Vgl. aaO., Nr. 13 (S. 19). Vgl. aaO., S. 20. Vgl. aaO. Vgl. aaO., vor Nr. 337 (S. 367).

78

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Französisches Recht

Allerdings sei der Schuldner für die "faute" des Gläubigers beweispflichtig; diesem obliege nämlich lediglich eine "obligation de moyen", nicht eine "obligation de resultat" 93 . Doch soll diese Beweislastverteilung nur dann gelten, wenn sich der Schuldner auf das Verhalten des Gläubigers beruft, um seiner eigenen, sonst begründeten Ersatzpflicht zu entgehen94 . Während die Lehre des 19. Jahrhunderts 95 sich allein mit dem Verzug befaßt und die Pflichtverletzung des Gläubigers nur als Hilfskonstruktion verwendet, um die Gleichstellung des Gläubigerverzugs mit dem Schuldnerverzug zu rechtfertigen, ist für Demogue die Nichtannahme der angebotenen Leistung nur ein Fall unter mehreren der unterlassenen Mitwirkung, ist für ihn die "demeure du creancier" nur die logische Folge einer Verletzung bestimmten Typs einer schon anderweitig begründeten Pflicht96. Ein Verzug des Gläubigers liegt nach Demogue stets vor, wenn der Schuldner die Erfüllung ordnungsgemäß anbietet und der Gläubiger die Annahme der Leistung ungerechtfertigt verzögert97 . Grundlage dieses Gläubigerverzugs ist wie beim Schuldnerverzug ein Pflichtverstoß: "Il (sc. der Gläubiger) sera en demeure aux memes conditions qu'un debiteur98." Allerdings soll sich der Gläubiger grundsätzlich nur durch den Nachweis höherer Gewalt entlasten können 99, eine Beschränkung, die im Zusammenhang mit der Lehre von der "obligation de resultat" zu sehen ist. Als Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs stellt Demogue Gefahrübergang, Unterbrechung des Zinslaufs und einen Schadensersatzanspruch des Schuldners heraus 100. Das Verhältnis der Artt. 1257 ff. C. civ. zur "demeure du creancier" begreift Demogue wie schon Saleilles101 als Verhältnis spezieller zu generellen Normen 102. Um der "demeure" einen Anwendungsbereich zu sichern, erblickt er in den Artt. 1257 ff. C. civ. jedoch anders als Saleilles eine abschließende Regelung nur für die "Obligations de donner"103; außerhalb dieses Bereichs sollen die von ihm gefundenen Grundsätze uneingeschränkte Geltung besitzen. 93

Vgl. aao., Nr. 337 bis (S. 368).

94 Vgl. aaO.

Vgl. dazu im vorigen Kapitel. Vgl. aaO., Nr. 339 (S. 371): "Quand le creancier est tenu l'execution de l'obligation, il peut etre mis en demeure." 97 Vgl. aao. 98 Vgl. aao., Nr. 339 (S. 372). o9 Vgl. Nr. 341 (S. 373). 1oo Vgl. Nr. 342 (S. 374). 101 Vgl. Nr. 38 (S. 32). Vgl. schon oben bei Fn. 63, 64. 1o2 Vgl. Nr. 339 (S. 372). 103 Vgl. aao. 95 98

a cooperer a

3. Kap.: Die Bemühungen im Schrifttum

79

4. Abschnitt

Die Wirkung der Theorien von Baroncea und Demogue Der Vorschlag Baroncea's hat kaum Beachtung gefunden. Lediglich Klees geht näher darauf ein. Eine objektive "demeure du creancier" im Sinne Baroncea's lehnt er ab104• Er meint, für eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Gläubigers ohne dessen Verschulden biete der Code civil keine Handhabe1os. Auch die von Demogue entwickelte Theorie hat nur wenig Wirkung geäußert. Wie Demogue so lehnt auch W eill die Konzeption, nach der Gläubiger und Schuldner einander isoliert gegenüber stehen, Recht und Pflicht als Gegenstücke zu verstehen sind, als überholt ab106• Zwischen den Vertragschließenden bestehe vielmehr eine Einheit, die sich in einer wechselseitigen Pflicht zur Zusammenarbeit ausdrücke und ihre gesetzliche Grundlage in Art. 1134 Abs. III C. civ. finde 107• Diese Pflicht rechtfertige auch die "demeure du creancier" 108• Ähnlich erkennt Fran~ois David eine Pflicht des Gläubigers an, die Lage des Schuldners durch sein Verhalten nicht zu erschweren, und folgert aus dieser Pflicht einen Gläubigerverzug trotz des Schweigen des Gesetzes109• Die Lehre Demogue's hat auch den Beifall von Mazeaud I Tune gefunden110. Sie meinen, der Gläubiger sei wie ein "bon pere de famille" zur Zusammenarbeit mit dem Schuldner verpflichtet, und erblicken in den Artt. 1657, 1888 ff., 1898 ff. 1947 ff. C. civ. Beispiele einer "obligation complementaire" des Gläubigers. Kritisch äußert sich dagegen Vouin111• Auch er bestreitet die Existenz von Mitwirkungspflichten allerdings nicht, meint aber, sie ergäben sich jeweils aus der Natur der Sache. Ihre Zusammenfassung unter einem Stichwort wie "collaboration" hält er für ein Beispiel sinnloser Begriffsbildung, ihre Anknüpfung an Art. 1134 Abs. III C. civ. für überflüssig. Die referierten Stellungnahmen im Schrifttum dürfen nicht zu dem Schluß verleiten, die "Obligation de cooperation" und die "demeure du creancier" hätten überwiegend die Billigung des Schrifttums gefunden112. Der größte Teil des Schrifttums und, soweit ersichtlich, auch die Vgl. S. 182- 187. Vgl. S. 183- 185. tos Vgl. Rev.crit. 1939, 203, 254. 1o1 Vgl. aaO., S. 254/255. 108 Vgl. aaO. 1o9 Vgl. Rev.crit. 1939, 95, 100. uo Vgl. Bd I, Nr. 704- 9. 111 Vgl. Nr. 72 (S. 135 - 137). 112 So aber Klees, S. 192. Vgl. dazu unten bei Fn. 209 ff. 104

105

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Französisches Recht

Rechtsprechung gehen nämlich auf die von Baroncea und Demogue entwickelten Theorien überhaupt nicht ein. So werden die Artt. 1257 ff. C. civ. erörtert, ohne daß den genannten Lehren auch nur ein Wort gewidmet wird113• So wird lapidar behauptet, daß der Schuldner über den in Art. 1260 C. civ. vorgesehenen Kostenersatz hinaus Ersatz des ihm durch die Annahmeverweigerung entstehenden Schadens verlangen kann, wenn dem Gläubiger eine "faute" zur Last fällt, wobei sich die Begründung für den Ersatzanspruch in dem Hinweis auf die "faute" erschöpft114 • Gelegentlich wird ein Recht des Schuldners auf Annahme der Leistung durch den Gläubiger behauptet, ohne daß sich der Autor mit der "obligation de cooperation" im Sinne Demogue's identifizierte115. Daß die theoretischen Bemühungen eine so geringe Resonanz gefunden haben, wird dadurch noch bemerkenswerter, daß die von ihrem Hauptvertreter Demogue in demselben Werk über das Obligationenrecht begründete Unterscheidung zwischen "Obligation de resultat" und "obligation de moyen" vom Schrifttum sogleich aufgenommen wurde und bahnbrechend gewirkt hat116. Das Schweigen des Schrifttums und der Rechtsprechung läßt sich also nicht damit erklären, daß die Theorie von der Mitwirkungspflicht des Gläubigers schlicht übersehen wurde. Fraglich ist allein, ob das Schweigen Zustimmung oder Ablehnung zum Ausdruck bringt, wobei zu unterscheiden ist, ob sich die Ablehnung nur auf die theoretische Ausformung der Lehre oder auch auf die von ihr erzielten praktischen Ergebnisse bezieht. Eine Antwort auf diese Frage kann jedoch erst gegeben werden, nachdem die praktischen Lösungen, die im Bereich des gegenseitigen Vertrags entwickelt worden sind, erörtert sind117•

113 Vgl. Planiol I Ripert, Bd VII, Nr. 1207 ff.; Beudant I La garde, Bd VIII, Nr. 613 ff. 114 Vgl. Req., 13. 7. 1881, S. 1883, 1, 272; Aubry I Rau, Bd IV, § 322 (S. 306); Marty I Raynaud, Bd II, 1, Nr. 600; Baudry-Lacantinerie I Barde, Bd XIII, Nr. 1634; Planiol I Ripert, Bd VII, Nr. 1212; de Page, Bd III, Nr. 502. 115 Vgl. Marty I Raynaud, Bd li, 1, Nr. 595; für den Werkvertrag auch Planiol I Ripert, Bd XI, Nr. 931. m Vgl. Bd IV, Nr. 599, 600 ; Bd V, Nr. 1237. Eingehend zu dieser Lehre Frossard, p assim. Weiterführend Starck, Nr . 1746 ff. (S. 525 ff.). 117 Vgl. dazu im 5. Kapitel.

4. Kapitel

Die Mitwirkung des Gläubigers im gegenseitigen Vertrag Für alle gegenseitigen Verträge geltende Grundsätze sind im französischen Recht, soweit es um die Mitwirkung des Gläubigers geht, nicht entwickelt worden. Man beschäftigt sich vielmehr ausschließlich mit Kauf- und Werkverträgen. Die hier an das Ausbleiben der Mitwirkung geknüpften Rechtsfolgen werden jedoch weitgehend dem Art. 1184 C. civ., also der Grundnorm des gegenseitigen Vertrags, entnommen. Den für den Kauf- und Werkvertrag entwickelten Grundsätzen kommt deshalb eine über diese selbst hinausreichende Bedeutung zu. 1. Abschnitt

Die Pflicht zur Abnahme und Mitwirkung im Kaufund Werkvertrag I. Abnahme und Mitwirkung im Kaufvertrag 1. Die Pflicht des Käufers zur Abnahme

Der Code civil trifft keine ausdrückliche Bestimmung über die Abnahmepflicht des Käufers. Jedoch lassen die Artt. 1608, 1657 C. civ. immerhin den Schluß auf eine Abnahmepflicht zu118• Rechtsprechung und Schrifttum erkennen deshalb ausnahmslos eine Pflicht des Käufers zur Abnahme der Kaufsache an119, die sie als notwendiges Gegenstück zur Lieferpflicht des Verkäufers begreifen12o. 2. Mitwirkungshandlungen als Bestandteil der Abnahme

Der Inhalt der Abnahmepflicht wird bestimmt, indem man die Lieferpflicht des Verkäufers untersucht und feststellt, welche Handlungen der Käufer noch vornehmen muß, damit der Vertrag durchgeus Vgl. dazu im 1. Kapitel bei Fn. 17 u. 18. Vgl. Civ., 2. 12. 1925, Gaz.Pal. 1926, 1, 293; Aubry I Rau, Bd V, § 356 (S. 96 ff.); Planiol I Ripert, Bd X, Nr. 142 ff. (S. 162 ff.); J.Cl.civ., Art. 1654- 1657, Fasz. Z-1, Nr. 190; Rep. Dalloz, Vente, Nr. 1521; Ferid, Bd I, 2 F 405 (S. 661). 120 Vgl. z. B. Planiol I Ripert, Bd X, Nr. 142 (S. 162): "L'obligation de prendre livraison est le corollaire de l'obligation de delivrance imposee au vendeur; ... "; Ferid, aaO. (vorige Fn.). 118

6 Hüffer

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Französisches Recht

führt ist; diese Handlungen sind Gegenstand der Abnahmepflicht121 • Daraus ergibt sich, daß es nicht möglich ist, die vom Käufer vorzunehmenden Handlungen generell zu bestimmen. Welche Handlungen er vornehmen muß, hängt vielmehr davon ab, wie die Vertragsparteien jeweils die notwendigen Maßnahmen unter sich aufgeteilt haben122• Aus der gegebenen Umschreibung des Inhalts der Abnahmepflicht folgt weiter, daß auch die Mitwirkung des Käufers bei der Vertragserfüllung des Verkäufers unter den Begriff der Abnahme fällt; denn wenn Gegenstand dieser Pflicht alle Maßnahmen des Käufers sind, die über die Leistungshandlungen des Verkäufers hinaus zur Vertragsdurchführung erforderlich sind, so sind auch die Mitwirkungshandlungen erfaßt. Im Schrifttum ist unstreitig, daß die Mitwirkung des Käufers nicht Gegenstand einer besonderen, von der Abnahmepflicht zu unterscheidenden Pflicht ist; wie selbstverständlich, werden die Mitwirkungshandlungen der Abnahme zugerechnet12a. Auch die Rechtsprechung betrachtet die Mitwirkung als Teil der Abnahme, und zwar mit der Begründung, die Mitwirkung des Käufers ermögliche erst die Lieferung durch den Verkäufer; sie sei daher als der erste Teilakt der Abnahme anzusehen. Mit dieser Begründung wurden der Abnahme zugerechnet: Das Schlagen des Holzes bei Verkauf von Holz auf dem Stamm124 ; die vereinbarte Zurverfügungstellung von Säcken, in denen die Ware transportiert werden sollte125 ; ebenso die Lieferung von Packleinwand126. Zur Abnahme wird jedoch nicht nur die Vornahme derartiger tatsächlicher Mitwirkungshandlungen gerechnet, sondern auch die Abgabe von Erklärungen des Käufers, die nicht schon im Vertrag festgelegte Modalitäten des Kaufs betreffen127• So wurde ein Verstoß gegen die Abnahmepflicht angenommen, weil der Käufer bei einem Versendungskauf nicht den Bestimmungsort angab12s, weil er nicht, wie vereinbart, den Liefertermin benannte129. 121 Vgl. Becque, Note, J.C.P. 1949, II, 5075. 122 Vgl. Becque, aaO. 123 Vgl. Aubry I Rau, Bd V, § 356 (S. 99); Planiol I Ripert, Bd X, Nr. 288

(S. 356 I 357); Rabel, Bd II, § 71 I (S. 72173). 124 Vgl. Trib. Vouziers, 10. 7. 1946, J .C.P . 1946, II, 3303, Note Geny; Nancy, 11. 3. 1947, J.C.P. 1947, II, 3869, Note Geny; Com., 9. 3. 1949, J .C.P . 1949, II, 5075, Note Becque; a. M. Bourges, 13. 7. 1943, J.C.P. 1944, II, 2534. Aus d em Schrifttum: Aubry I Rau, Bd V, § 356, Fn. 3- 3 (S. 98); Planiol/ Ripert, Bd X, Nr. 288 (S. 355) und Nr. 391 (S. 503); J.Cl.civ., Artt. 1654- 1657, Fasz. Z 1, Nr. 202; Geny, J.C.P. 1941, I, 396. 125 Vgl. Poitiers, 30. 3. 1925, Gaz.Pal. 1925, 1, 207; Dijon, 13. 12. 1927, Gaz.Pal. 1928, 1, 297. 126 Vgl. Trib.com. Nantes, 27. 12. 1926, Gaz.Pal. 1927, 1, 472. 127 Die Formulierung Rabels (Bd II, § 71, I, S. 75), unter Abnahme sei die "rein körperliche" Befreiung des Verkäufers von der Ware zu verstehen, ist deshalb für das französische Recht zu eng. Zu eng auch Ferid, Bd I, 2 F 406 (S. 661).

4. Kap.: Die Mitwirkung des Gläubigers im gegenseitigen Vertrag

83

Es erweist sich also, daß unter den Begriff der Abnahme praktisch bedeutsame Fälle der Gläubigermitwirkung subsumiert werden, daß also das französische Recht einen umfassenderen Abnahmebegriff kennt als das deutsche Recht in § 433 Abs. II BGB 130• In der so verstandenen Abnahmepflicht liegt eine wichtige Ergänzung der Artt. 1257 ff. C. civ. II. Abnahme und Mitwirkung beim Werkvertrag

Rechtsprechung und Schrifttum haben sich von der unvollständigen und unsystematischen Regelung gelöst, die der Werkvertrag im Gesetz gefunden hat131 • Man kennt heute einen "contrat d'entreprise" 132, der im wesentlichen dem Werkvertrag im deutschen Recht entspricht. Ein Werkvertrag liegt nach der herrschenden Meinung133 vor, wenn jemand sich verpflichtet, für einen anderen eine bezahlte Arbeit zu leisten, ohne sich in Abhängigkeit von ihm zu begeben134• Rechtsprechung und Schrifttum haben auch den Begriff der Abnahme, die "reception", entwickelt. Wie bei der Abnahme des deutschen Werkvertragsrechts, so steht auch bei der "reception" die Billigung des Werks im Vordergrund; sie ist diejenige Handlung, durch die der Besteller anerkennt, daß die Leistung des Unternehmers vertragsgerecht istl 35• Körperliche Abnahme, Besitzergreifung ist nicht notwendiger Bestandteil dieser Handlung. Sie kann auch in der bloßen Billigung bestehen, sei es, daß Billigung und Besitzergreifung zeitlich auseinanderfallen, sei es, daß nach der Natur der Werkleistung eine Besitzergreifung nicht möglich ist1a6.

Vgl. Req., 8. 11. 1926, S. 1927, 1, 31; Civ., 25. 6. 1936, Gaz.Pal. 1938, 2, 467. Vgl. Req., 22. 12. 1920, Gaz.Pal. 1921, 1, 215 = S . 1921, 1, 297. 130 V gl. im 1. Hauptteil bei Fn. 171 ff., 182. 131 Vgl. oben bei Fn. 20 ff. 132 So z. B. Beudant I Rodiere, Bd XII, Nr. 173 (S. 187); Planiol/ Ripert, Bd XI, Nr. 906 (S. 1391140); J.Cl.civ., Art. 1787, Fasz. H, Nr. 1 ff.; Riezler, RabelsZ 17 (1952), 522, 528. 133 Vgl. Aubry I Rau, Bd V, § 374, Fn. 1 - 2 (S. 3991400); Beudant I Rodiere, aaO. (vorige Fn.); Planiol/ Ripert, Bd XI, Nr. 907 (S. 1401141); J .Cl.civ., Art. 1787, Fasz. H, Nr. 21; Overstake, S. 90; Rechtsprechungsnachweise bei Planiol l Ripert, Bd XI, Nr. 773 ff. (S. 17 ff.). 134 Eine Mindermeinung stellt dagegen darauf ab, ob sich die Bezahlung nach der Arbeitszeit oder der Bedeutung der Arbeit richtet, vgl. z. B. Gaudemet, Note, S. 1912, 1, 449. 135 Vgl. Beudant I Rodiere, Bd XII, Nr. 195 (S. 2141215); Planiol/ Ripert, Bd XI, Nr. 931 (S. 169); J.Cl.civ., Art. 1787, Fasz. H, Nr. 136. 136 Vgl. Planioll Ripert, Bd XI, Nr. 931 (S. 1691170); J.Cl.civ., aaO. (vorige Fn.). 128

129

s•

84

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Französisches Recht 1. Die Pflicht zur Abnahme des hergestellten Werks

Da der Code civil den Begriff der Abnahme nicht kennt, konnte er auch eine Pflicht zur Abnahme nicht statuieren. Dennoch wird einhellig eine Abnahmepflicht des Bestellers angenommen, eine Pflicht, die sich nicht etwa nur auf das Element der Billigung in der Abnahme bezieht, sondern gerade auch auf die reale Befreiung des Unternehmers von seinem Werk137• Diese Pflicht des Bestellers, die sich auch auf einzelne Teile des Werks beziehen kann138, wird sogar als eine der Zahlungspflicllt gleichrangige "obligation principale" des Bestellers aufgefaßt139. Eine Begründung aus dem Gesetz fehlt; auch der Gesichtspunkt der Vertrauensverletzung wird für die Abnahmepflicht des Bestellers nicht herangezogen. 2. Die Pflicht zur Mitwirkung bei der Herstellung des Werks Wie schon zur Abnahme, so enthält der Code civil auch zur Mitwirkung keine Vorschriften. Anders als beim Kaufvertrag läßt sich die Mitwirkung des Bestellers auch nicht der Abnahmepflicht zuordnen, weil sich diese Pflicht hier wegen des in der Abnahme enthaltenen Elements der Billigung nur auf das hergestellte Werk bezieht, während eine Mitwirkungshandlung des Bestellers vor der Fertigstellung zu erfolgen hat. Die Mitwirkung kann also nur Gegenstand einer gegenüber der Abnahme selbständigen Pflicht sein. Die Mitwirkung des Bestellers ist kaum Gegenstand eingehender Erörterungen140• Unstreitig ist jedoch, daß er verpflichtet ist, dem Unternehmer die Werkleistung zu ermöglichen141 • Dem im Schrifttum142 dafür zusammengestellten Entscheidungsmaterial ist allerdings mit Vorsicht zu begegnen; durchweg handelt es sich dabei nämlich um Fälle, die, vom deutschen Recht her gesehen, ein mitwirkendes Verschulden des Gläubigers betreffen143 • Die Entscheidungen haben regelmäßig Fälle aus dem Frachtrecht zum Gegenstand. Aus der nahezu 137 Vgl. Beudant I Rodiere, Bd XII, Nr. 195 (S. 215); Planiol I Ripert, Bd XI, Nr. 931 (S. 170); J.Cl.civ., Art. 1787, Fasz. H, Nr. 133; aus deutscher Sicht: Riezler, RabelsZ 17 (1952), 522, 557; Klees, S. 189. 138 Vgl. Art. 1791 C.civ. und dazu Planiol/ Ripert, Bd XI, Nr. 931 (S. 170); J .Cl.civ., Art. 1787, Fasz. H, Nr. 137; Riezler, aaO. 139 Vgl. J.Cl.civ., Art. 1787, Fasz. H, Nr. 239. 140 Zutreffend Ferid, Bd I, 2 H 64 (S. 732). 141 Vgl. Jur.Cl.civ., Art. 1787, Fasz. H, Nr. 133 -135; Rep. Dalloz, Louage d'ouvrage et d'industrie, Nr. 68; Riezler, aaO., S. 556. Vgl. auch die folgenden Fußnoten. 142 Vgl. die Darstellung von Demogue, Bd VI, Nr. 12 ff. (S. 17 ff.); vgl. ferner das von Fuzier I Herman, Art. 1134, Nr. 124 - 152, zusammengetragene EntscheidungsmateriaL Vgl. auch Mazeaud I Tune, Bd I, Nr. 704- 9. 143 Entsprechend behandelt Starck, Nr. 2083, 2084 (S. 617) die "faute du creancier" nur als Entlastungsgrund.

4. Kap.: Die Mitwirkung des Gläubigers im gegenseitigen Vertrag

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unübersehbaren Rechtsprechung 144 seien beispielhaft genannt: das Schadhaftwerden der Ware infolge fehlerhafter Verladung durch den Absender 145, fehlender Begleitung beim Viehtransport146, Beladung eines Eisenbahnwaggons, dessen mangelnde Transporteignung der Absender erkennt und der Bahnverwaltung nicht anzeigt147, Beschädigung des transportierten Guts infolge fehlerhafter Verpackung148 • Daß diese Fälle der Mitwirkungspflicht des Gläubigers zugeordnet werden, liegt an Art. 103 C. com., der dem Frachtführer eine Garantiehaftung auferlegt, von der er sich nach dem Wortlaut des Gesetzes nur durch den Nachweis höherer Gewalt oder einer "vice propre" der transportierten Sache befreien kann. Die Pflicht des Gläubigers richtet also darauf, nicht durch eigene Handlungen die Garantiehaftung des Unternehmers auszulösen. Geschieht dies doch, so stellt die Rechtsprechung die "faute" des Absenders einer "vice propre" der transportierten Sache gleich und schließt damit die Ersatzpflicht des Unternehmers aus 149 • Sieht man von diesen auf Besonderheiten des französischen Rechts beruhenden Fällen ab, so bleiben nur wenige Entscheidungen zu nennen. Eine Eisenbahngesellschaft klagte auf Zahlung eines Standgeldes und Leistung von Schadensersatz, weil ein Waggon von der Zolldienststelle zur Grenzüberschreitung nicht zugelassen wurde und längere Zeit abgestellt werden mußte. Der Kassationshof verurteilte den beklagten Spediteur, weil bei den Wagenpapieren eine von ihm zu besorgende behördliche Bescheinigung fehlte 150• Verletzung einer Mitwirkungspflicht wurde auch in dem Fall angenommen, daß der Charterer das Schiff bei einer time-charter vor der vereinbarten Zeit aufgab und damit den Reeder zur vorzeitigen Übernahme zwang 151 ; ferner in dem Schulfall, daß jemand einem Schneider einen Pelzmantel zur Änderung übergab, aber zu der vereinbarten Anprobe nicht erschien 152 • Sehr eingehend dazu J.Cl.com., Artt. 103 - 104, Fasz. A, Nr. 144- 184. Vgl. Req., 17. 5. 1909, und 7. 7. 1909, beide S. 1910, 1, 185; Civ., 11. 6. 1913, 22. 12. 1913 und Req., 12. 11. 1919, alle S. 1920, 1, 327. Weitere Nachweise: J.Cl.com., Artt. 103- 104, Fasz. A, Nr. 147- 165. 14 6 Vgl. Req., 15. 3. 1909, S. 1910, 1, 185. 147 In diesem Fall findet grundsätzlich Schadensteilung statt. Diese Lösung ist nicht unbestritten, wird aber vom Kassationshof vertreten, vgl. Civ., 25. 6. 1941, S. 1941, 1, 192; Com., 28. 1. 1953, Gaz.Pal. 1953, 1, 402. Vgl. zu dieser Frage eingehend Radiere, Bd II, Nr. 879 ff. (S. 458 ff.); ferner dens., J.C.P. 1953, I, 1137; Sauvage, D. 1954, Doct., 23. 148 Vgl. Civ., 14. 2. 1894, S. 1898, 1, 362; zahlreiche weitere Nachweise in J.Cl.com., Artt. 103 - 104, Fasz. A, Nr. 169 ff. 149 Vgl. Req., 15. 3. 1909, S. 1910, 1, 185; Com., 13. 7. 1953, D. 1953, 644. 150 Civ., 12. 4. 1929, D. 1930, 1, 28. 151 Paris, 9. 11. 1927, Gaz.Pal. 1928, 1, 122. 152 Trib.civ. Bordeaux, 4. 11. 1908, D. 1910, 5, 19. 144

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Festzuhalten bleibt, daß die Mitwirkungspflicht des Bestellers beim Werkvertrag anerkannt ist, daß aber die meisten der hierher gezählten Fälle nach deutscher Auffassung unter § 254 BGB zu subsumieren sind. 2. Abschnitt

Die Anwendung der allgemeinen Regeln über die Vertragshaftung bei Verletzung der Abnahme- oder Mitwirkungspflicht I. Der Verzicht auf eine unmittelbare Durchsetzung der Abnahme- oder Mitwirkungspflicht Dem deutschen Juristen liegt die Frage nahe, ob und in welcher Weise die auf Abnahme und Mitwirkung gerichteten Pflichten notfalls gegen den Willen des Gläubigers durchgesetzt werden können. Dem französischen Juristen liegt diese Frage fern. Theoretisch ist eine auf Abnahme oder Vornahme der Mitwirkungshandlung gerichtete Klage möglich. Art. 1142 C. civ., wonach sich die Verpflichtung zu einem Tun oder Unterlassen im Fall der Nichterfüllung in eine Schadensersatzverbindlichkeit umwandelt, steht dem nur scheinbar entgegen. Die in der Formulierung mißglückte Ausprägung der Maxime "Nemo potest praecise cogi ad factum" verbietet lediglich den Eingriff in die Person oder in die persönliche Freiheit des Schuldners153. Auch ließe sich das Element der Billigung in der Abnahme beim Werkvertrag durch die richterliche Feststellung der Vertragsmäßigkeit der Unternehmerleistung ersetzen154. Schließlich könnte ein verurteilendes Erkenntnis im Wege der "astreinte" oder nach Art. 1144 C. civ., wenn dessen Voraussetzungen vorliegen, durchgesetzt werden155• Praktisch spielt die unmittelbare Durchsetzung aber weder bei der Abnahme noch bei der Mitwirkung eine Rolle. Eine Ausnahme gilt lediglich für die gleichermaßen auf Abnahme des Werks und Zahlung des Werklohns gerichtete Klage156• Der Satz Rabels, daß die Erfüllungsklage in Frankreich immer im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Zahlung erwähnt wird157, bewährt sich auch hier. 153 Vgl. Aubry I Rau, Bd IV, § 299 (S. 63164); Fuzier I Herman, Art. 1142, Nr. 3; Planiol I Ripert, Bd VII, Nr. 780 (S. 88 ff.); Starck, Nr. 2044 (S. 606); Zweigert I Kötz, Bd II, S. 170/171. 154 Vgl. Ferid, Bd I, 2 H 63 (S. 732). 155 Vgl. zu diesen Vollstreckungsmöglichkeiten J.Cl.civ., Artt. 1654- 1657, Fasz. Z-1, Nr. 222, mit Nachweisen; Starck, Nr. 2049 (S. 6071608); Enc. Dalloz, Obligations, Nr. 108 ff.; außerdem Tune, Festschrift f. Otto Riese (1964), 397; Zweigertl Kötz, Bd II, S. 171 ff. t56 Vgl. dazu im folgenden. 1s 1 Vgl. Bd II, § 72 II (S. 79, Fn. 45).

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II. Die Anwendung des Art. 1184 C. civ. bei Verletzung der Abnahme- oder Mitwirkungspflicht Kommt der Käufer oder der Gläubiger einer Werkleistung seiner Abnahme- oder Mitwirkungspflicht nicht nach, so ist das für den französischen Juristen ein Anwendungsfall des Art. 1184 C. civ. Nach Art. 1184 C. civ. ist der in seinen Rechten verletzte Vertragsteil nicht gezwungen, auf Vertragsauflösung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung überzugehen; er kann auch auf der Durchführung des Vertrags bestehen (Art. 1184 Abs. II C. civ.). Anders als das deutsche BGB geht der Code civil jedoch nicht von einem Primat des Erfüllungsanspruchs aus. Das entspricht auch der Praxis, die regelmäßig eine Vertragsabwicklung der zwangsweisen Vertragsdurchführung vorzieht. 1. Vertragsauflösung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung

Im Kauf- wie im Werkvertragsrecht kann der Schuldner bei Verstoß gegen die Abnahme- oa.er Mitwirkungspflicht nach einhelliger Meinung158 die richterliche Auflösung des Vertrags gemäß Art. 1184 C. civ. begehren. Ein Verschulden ist hierfür wie auch sonst nach der Rechtsprechung nicht erforderlich, während das Schrifttum die Bestimmung nur bei "inexecution fautif" anwenden will159. Praktische Bedeutung kommt der Frage in diesem Zusammenhang kaum zu, da es der Verkäufer oder Werkunternehmer in jedem Fall dem Käufer oder dem Besteller überlassen kann, sich zu entlasten160. Im Sinne der von Demogue begründeten Unterscheidung sind Abnahme und Mitwirkung also Gegenstand einer "Obligation de resultat" 161. Von größerem Interesse ist, daß nur die wesentliche Vertragsverletzung die Auflösung des Vertrags rechtfertigt1 62. Dem deutschen Juristen, der die Abnahmepflicht des Käufers als Nebenpflicht betrachtet, deren Verletzung dem Verkäufer regelmäßig nicht das Recht gibt, gemäß §§ 325, 326 BGB von dem Vertrag zurückzutreten, liegt deshalb 158 Vgl. für den Kaufvertrag: Aubry I Rau, Bd V, § 356 (S. 96197); Beudant I Brethe de la Gressaye, Bd XI, Nr. 275 (S. 2181219); PlanioliRipert, Bd X, Nr. 144 (S. 263); J.Cl.civ., Artt. 1654- 1657, Fasz. Z-1, Nr. 193. Für den Werkvertrag: Beudant I Rodiere, Bd XII, Nr. 200 (S. 220); Planiol l Ripert, Bd XI, Nr. 938 (S. 179); J .Cl.civ., Artt. 1795-1799, Fasz. J, Nr. 37. 159 Vgl. dazu Carbonnier, Bd IV, Nr. 80-83 (S. 272 ff., bes. S. 274). Eine Übersicht über den Meinungsstand gibt Landfermann, S. 39140. 160 Vgl. Planioll Ripert, Bd X, Nr. 289 (S. 358). 161 Vgl. Bd IV, Nr. 599, 600; Bd V, Nr. 1237. Kritisch dazu Planiol l Ripert, Bd VI, Nr. 378 ter (S. 499). 162 Vgl. dazu z. B. Req., 13. 2. 1934, Gaz.Pal. 1934, 1, 782; Req., 24. 1. 1939, Gaz.Pal. 1939, 1, 586; Constantinesco, S. 1661167; Cassin, Rev.trim. civ. 1945, 159; Landfermann, S. 35 ff., 53 ff. ; Zweigert I Kötz, Bd II, S. 198; Richter, S. 79, spricht von einem "weiten Ermessen" des französischen Richters.

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die Frage nahe, ob nicht im Wege richterlicher Ermessensausübung die Vertragsauflösung wegen Nichtabnahme in der Regel versagt wird. Diese Betrachtung wäre jedoch verfehlt. Zwar wird die Frage, nach welchen Kriterien die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung zu beurteilen ist, nicht einheitlich beantwortet 163. Doch besteht kein Streit darüber, daß die Verletzung der Abnahme- und Mitwirkungspflicht stets einen wesentlichen Verstoß gegen den Vertrag darstellt164. Mit der Vertragsauflösung allein ist dem vertragstreuen Teil regelmäßig nicht geholfen; er will auch Ersatz des ihm durch die Nichterfüllung entstandenen Schadens. Daß die "resolution judiciaire" und Schadensersatz nebeneinander bestehen können, ist allgemein anerkannt165. Es ist deshalb nur folgerichtig, daß die französischen Juristen auch bei der Verletzung der Abnahme- und Mitwirkungspflicht neben der Vertragsauflösung Schadensersatz wegen Nichterfüllung gewähren166. Näheres Interesse hat in Rechtsprechung und Schrifttum nur die Frage nach dem Umfang des Schadensersatzes zugunsten des Verkäufers gefunden. Bei der Schadensberechnung ist zu unterscheiden, ob der Verkäufer die Ware anderweitig veräußert hat oder nicht. Beim Verkauf an einen Dritten wird im allgemeinen der Unterschiedsbetrag zwischen dem erzielten und dem mit dem ursprünglichen Käufer vereinbarten Preis als Schadensersatz gewährt167. Unterbleibt ein solcher Verkauf, so ist der Unterschied zwischen dem vereinbarten Preis und dem Marktwert der Sache zu ersetzen168. Schwierigkeiten bereitet der Praxis dabei vor allem die Frage, welcher Stichtag bei der Ermittlung des Marktwerts zugrunde zu legen ist. Manche Entscheidungen stellen auf den Zeitpunkt ab, in dem der Verkäufer sich an das Gericht wendet169; andere halten den Augenblick für maßgeblich, in dem er gegen163 Nach einer auf Pothier zurückgehenden Ansicht, die Art. 10 EKG zugrunde liegt, ist die Frage nach dem hypothetischen Parteiwillen zu entscheiden. Eine jüngere Lehre unterscheidet dagegen objektiv zwischen einer "obligation essentielle" und einer "Obligation accessoire". Vgl. zu diesem Fragenkreis Carbonnier, Bd IV, Nr. 80 (S. 274); Constantinesco, S. 178 ff. 184 Vgl. Beudant I Brethe de la Gressaye, Bd XI, Nr. 273 (S. 217); Planioll Ripert, Bd X, Nr. 141 (S. 162); Rabel, Bd II, § 71 II (S. 76). 165 Vgl. zu dieser Problematik eingehend Weitnauer, in: Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung, S. 71 ff. tBB Für den Kaufvertrag vgl. die Nachweise in Fn. 167 -171; für den Werkvertrag vgl. Paris, 9. 11. 1927, Gaz.Pal. 1928, 1, 122; Rep. Dalloz, Louage d'ouvrage et d'industrie, Nr. 69; Riezler, RabelsZ 17 (1952), 522, 556. 167 Vgl. Aix, 23. 3. 1858, D. 1858, 2, 158; Douai, 25. 11. 1898, D. 1900, 2, 351; Req., 18. 5.1909, D. 1909, 1, 526; Planiol I Ripert, Bd X, Nr. 289 (S. 3581359); J.Cl.civ., Artt. 1654- 1657, Fasz. Z-1, Nr. 241. tss Vgl. Planiol I Ripert, Bd X, Nr. 289 (S. 359); J.Cl.civ., Artt. 1654- 1657, Fasz. Z-1, Nr. 242; die in den folgenden Fn. genannten Entscheidungen. teo Vgl. Trib.com. Fecamp, 21. 3. 1928, Gaz.Pal. 1928, 2, 139.

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über dem Käufer zu erkennen gibt, daß er den Vertrag nicht ausführen wi11170• Zutreffend wird auf den Zeitpunkt abgestellt, der für die Abnahme der Ware vorgesehen war, weil das Vermögen des Verkäufers um die Wertdifferenz, die er an diesem Tag erzielt hätte und auf die er kraft des Vertrags einen Anspruch hatte, geschmälert worden ist171 • 2. Die Zahlungsklage (Art. 1184 Abs. li C. civ.) a) Zahlungsklage und Hinterlegung Der Schuldner kann die Verurteilung des Gläubigers zur Zahlung des vereinbarten Preises oder der vereinbarten Vergütung erreichen, soweit die von ihm geschuldete Sache hinterlegungsfähig ist. Denn das Verhalten des Gläubigers, der die Schuldsache nicht annimmt, verstößt nicht nur gegen seine Vertragspflichten, sondern erfüllt zugleich die Voraussetzungen des Art. 1257 C. civ. Der Schuldner einer Sachleistung kann sich deshalb nach Art. 1264 C. civ. von seiner Verbindlichkeit befreien172 und die Gegenleistung einklagen. b) Die Zahlungsklage beim Werkvertrag Beim Werkvertrag kommt allerdings nur eine zugleich auf Abnahme und Zahlung gerichtete Klage in Betracht; denn der Werklohn wird erst mit der Abnahme fällig 173• Das in der Abnahme des Werks enthaltene Element der Billigung kann nicht durch Hinterlegung, sondern nur durch richterliche Feststellung ersetzt werden. Ein obsiegendes Urteil kann der Unternehmer nur erreichen, wenn er die vertragsgemäße Herstellung des Werks beweisen kann oder wenn sie unbestritten ist, wie in einem von dem Handelsgericht Bordeaux entschiedenen Fall174, in dem der Besteller verlangte, die reparierte Maschine eine Woche lang in seinen Betriebsräumen ausprobieren zu dürfen, ohne einen Anhaltspunkt dafür zu haben, daß die Reparatur nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden war175• Vgl. Trib.com. Le Havre, 20. 7. 1926, Gaz.Pal. 1926, 2, 491. Vgl. Douai, 1. 2. 1894, D.P. 1894, 2, 589; Req., 12. 7. 1922, Gaz.Pal. 1922, 2, 476; Req., 21. 7. 1924, Gaz.Pal. 1924, 2, 458; Trib.com. Le Havre, 8. 7.1929, Gaz.Pal. 1929, 2, 580; ebenso: Planiol/ Ripert, Bd X, Nr. 289 (S. 359) ; J.Cl.civ., Artt. 1654- 1657, Fasz.Z -1, Nr. 244. 112 Unstreitig, vgl. Aubry I Rau, Bd V, § 356 (S. 96197); Beudant I Brethe de la Gressaye, Bd XI, Nr. 275 (S. 2181219); Planiol/Ripert, Bd X, Nr. 144 110

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(S. 163).

11a Vgl. PlanioliRipert, Bd XI, Nr. 932 (S. 171); J.Cl.civ., Art. 1787, Fasz. H, Nr. 138, 140. 174 Trib.com. Bordeaux, 19. 3. 1884, Gaz.Pal. 1884, 2, Suppl. 105. m Aus dem Rahmen fällt das Urteil des Trib.civ. Bordeaux, 4. 11. 1908, D. 1910, 5, 19. Hier wurde der Beklagte verurteilt, einen Mantel so zu nehmen, wie ihn der Schuldner ohne die am Verhalten des Bestellers gescheiterte Anprobe geändert hatte. Das Recht, die Art und Weise der Werkausführung zu bestimmen, geht also von dem Besteller auf den Unternehmer über.

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Französisches Recht

Verletzt der Besteller eines Werks seine Pflicht zur Mitwirkung und verhindert er damit dessen Herstellung, so wird die Werklohnforderung des Unternehmers nicht fällig 176• Im Schrifttum wird pauschal behauptet, daß die Verletzung der Mitwirkungspflicht die allgemein bei Vertragsverletzung eintretenden Rechtsfolgen auslöstl77 • Man wird das jedoch nicht so verstehen dürfen, daß der Unternehmer die Werklohnforderung vor deren Fälligkeit erfolgreich einklagen kann. Da praktisch ohnehin nur die Vertragsauflösung und der Schadensersatz wegen Nichterfüllung eine Rolle spielen, ist der Verweis auf diese zu beziehen. Eine Entscheidung, die dem Unternehmer den Werklohn zuspricht, ohne daß das Werk hergestellt ist, ist jedenfalls nicht nachweisbar. c) Die Zahlungsklage und die Einrede des nicht erfüllten Vertrags Nur mit Vorbehalten läßt sich die Frage beantworten, ob der Schuldner den Weg der Hinterlegung beschreiten muß oder die ihm gebührende Gegenleistung auch so verlangen kann, ohne daß ihm der Gläubiger die Einrede des nicht erfüllten Vertrags entgegenhalten könnte. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags hat der Code civil nicht als allgemeinen Rechtsbehelf ausgestaltet; die französische Jurisprudenz findet jedoch in den Artt. 1612, 1613, 1653 C. civ. den Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes und gewährt generell dem das Recht, die von ihm geschuldete Leistung zu verweigern, der die ihm aus demselben Vertrag gebührende Leistung noch nicht erhalten hatl 78 • Die Bedeutung dieses Einrederechts sollte man jedoch nicht überschätzen. So spielt die Einrede in der Diskussion überhaupt keine Rolle, soweit es um die Sanktionen geht, die der Pflichtverstoß eines Vertragsteils nach sich zieht. Das gilt nicht nur für die Vertragsauflösung und den Schadensersatz wegen Nichterfüllung, sondern auch für den Anspruch auf Vertragsdurchführung nach Art. 1184 Abs. II C. civ. 179• Daß derjenige Vertragsteil, der durch das Unterbleiben seiner Mitwirkung die Erfüllung durch den anderen Teil verhindert hat, die Einrede nicht erheben kann, wenn er selbst auf Leistung in Anspruch genommen wird, ist für französische Juristen offenbar so selbstverständlich, daß die Frage kaum erörtert wird180• Eine Ausnahme bildet die Monographie von Pillebout, der in der Einrede ein Zwangsmittel sieht, das Vgl. die Nachweise in Fn. 173. Vgl. Rep. Dalloz, Louage d'ouvrage e d'industrie, Nr. 69; Riezler, RabelsZ 17 (1952), 522, 556. 178 Vgl. Planiol I Ripert, Bd VI, Nr. 438 ff. (S. 590 ff.) ; Starck, Nr. 2194, 2195 (S. 648); Ferid, Bd I, 2 C 121 (S. 507); Pillebout, Nr. 11 ff. (S. 6 ff.). 17& Vgl. z. B. Fuzier I Herman, Art. 1142, Nr. 1-4. 18° Vgl. Ferid, Bd I, 2 C 126 (S. 509). Auch Planiol I Ripert, Bd VI, Nr. 450, auf die sich Ferid in Fn. 61 bezieht, sagen zu der Frage nichts. 11e

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Nichterfüllung voraussetzt, und eine Nichterfüllung in diesem Sinne ausdrücklich verneint, wenn der Gläubiger die Leistung durch Ausbleiben von Mitwirkungshandlungen selbst verhindert hatl 81 • Daß die Frage trotzdem nur mit Vorbehalten beantwortet werden kann, hat seinen Grund in der praktischen Bedeutungslosigkeit des Zahlungsanspruchs, wenn der andere Teil die Abnahme oder die Mitwirkung verweigert. Die eigene Leistung im Wege der Vertragsauflösung zu behalten und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, wird als derart vorzugswürdig empfunden, daß die Zahlungsklage daneben keine Rolle spielt. d) Zahlungsanspruch und ergänzender Schadensersatz Hat der Schuldner die ihm gebührende Gegenleistung erlangt, so kann er zusätzlich noch Ersatz der Kosten verlangen, die ihm durch eine längere Aufbewahrung und Erhaltung der Sache entstanden sind 182 • 3. Abschnitt

Besonderheiten beim Kaufvertrag I. Die "resolution de plein droit" des Art. 1657 C. civ.

Art. 1657 C. civ. eröffnet dem Verkäufer die Möglichkeit, den Vertrag bei Verletzung der Abnahmepflicht aufzulösen, ohne das Gericht anrufen zu müssen, wie von Art. 1184 C. civ. vorgeschrieben. Daneben kann er wie bei der "resolution judiciaire" Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen; denn die Bestimmung will die Rechtsstellung des Verkäufers lediglich verbessern, indem sie von dem Erfordernis eines Gestaltungsurteils absiehtl 83 • Voraussetzung ist zunächst, daß eine bewegliche Sache verkauft ist. Jede bewegliche Sache genügt; trotz der Bezugnahme des Art. 1657 C. civ. auf verderbliche Waren, wie Lebensmittel, ist nicht erforderlich, daß der Verderb der Kaufsache droht, nicht einmal, daß sie durch die Verzögerung der Vertragsabwicklung eine Wertminderung erfahren kann 184, obwohl in diesen Gefahren der gesetzgeberische Grund der 181 Vgl. Pillebout, Nr. 231 (S. 225) : "L'inexecution qui resultera de ce defaut de collaboration ne met pas en jeu notre principe car elle n'est pas imputable au debiteur." 182 Vgl. Aubry I Rau, Bd V, § 356 (S. 100); Beudant I Brethe de la Gressaye, Bd XI, Nr. 275 (S. 218); J.Cl.Civ., Artt. 1654- 1657, Fasz. Z-1, Nr. 246. 183 Vgl. Planiol I Ripert, Bd X, Nr. 289 (S. 358); J.Cl.civ., Artt. 1654- 1657, Fasz. Z-1, Nr. 238. 184 Vgl. Paris, 16. 1. 1901, Gaz.Pal. 1901, 1, 377; Rabe!, Bd II, § 72 II (S. 91).

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Bestimmung liegt185 • Darüber hinaus werden auch solche Sachen zu den beweglichen gerechnet, die erst mit der Abnahme beweglich gemacht werden, wobei namentlich an den Verkauf von Holz auf dem Stamm und an ähnliche Fälle zu denken istl86• Weitere Voraussetzung für die Vertragsauflösu ng ohne richterliche Mitwirkung ist, daß die Parteien für die Abnahme einen Termin oder eine Frist vereinbart haben. Die ältere Lehre187 und zunächst auch die Rechtsprechung18 8 hielten eine einseitige Fristsetzung durch den Verkäufer, etwa im Rahmen einer Mahnung, für ausreichend. Heute ist man einhellig- und in Übereinstimmu ng mit dem Wortlaut des Gesetzes ("convenu") - der Ansicht, daß die Fristsetzung Vertragsbestandteil sein muß, wenn auch eine ausdrückliche Vereinbarung nicht erforderlich ist1su. Schließlich ist notwendig, daß das Unterbleiben der Abnahme auf eine Handlung oder Unterlassung des Käufers zurückzuführen istl 90 • Diese an sich selbstverständli che Feststellung muß deshalb getroffen werden, weil Art. 1657 C. civ. in der Fassung zu weit geraten ist, indem er die Vertragsauflösu ng schlechthin für den Fall vorsieht, daß die vereinbarte Zeit verstrichen ist, ohne daß die Abnahme erfolgte. Für den Verkäufer bedeutet das, daß er sich auf Art. 1657 C. civ. nur berufen kann, wenn er dem Käufer die Sache so, wie es seinen Vereinbarungen mit ihm entspricht, zur Verfügung gestellt hat191 • Keine Voraussetzung der Vertragsauflösu ng "de plein droit" ist dagegen, daß der Käufer das Unterbleiben der Abnahme verschuldet hat192• Ob und in welcher Form ihn ein Verschulden trifft, ist gleichgültig; nicht einmal durch den Nachweis höherer Gewalt vermag er sich zu entlasten193• So wurde entschieden, daß auch die durch den Kriegs185 Vgl. Beudant I Brethe de la Gressaye, Bd XI, Nr. 276 (S. 219); Planiol I Ripert, Bd X, Nr. 287 (S. 354). 1s6 Vgl. die Nachweise oben in Fn. 124. 187 Nachweise bei Aubry I Rau, Bd V, § 356, Fn. 3. 188 Vgl. Douai, 8. 1. 1846, S. 1846, 2, 252; Bordeaux, 8. 12. 1853, S. 1854, 2, 595. 189 Vgl. Civ., 17.12. 1879, S. 1880, 1, 217 = D.P. 1880, 1, 33; Req., 14. 4.1886, S. 1890, 1, 438; Aubry I Rau, aaO. (Fn. 187) ; Planiol I Ripert, Bd X, Nr. 288 (S. 356); J.Cl.civ., Artt. 1654- 1657, Fasz. Z-1, Nr. 208. 19o Vgl. Req., 8. 3. 1909, S. 1911, 1, 579; Req., 19. 10. 1920, S. 1921, 1, 311 = Gaz.Pal. 1920, 1, 562 = D.P. 1921, 1, 37; Civ., 16. 5. 1922, S. 1922, 1, 358; Aubry I Rau, Bd V, § 356 (S. 98); Planiol I Ripert, Bd X, Nr. 288 (S. 3561357); J.Cl.civ., Artt. 1654- 1657, Fasz. Z-1, Nr. 199. 191 Vgl. Planiol I Ripert, Bd X, Nr. 288 (S. 3561357). 192 Vgl. Aubry I Rau, Bd V, § 356 (S. 98); Fuzier I Herman, Art. 1657, Nr. 12; Planiol I Ripert, aaO. ; J.Cl.civ., Artt. 1654- 1657, Fasz. Z-1, Nr. 212/213; Req., 22. 12. 1920, D.P. 1921, 1, 37; Paris, 27. 11. 1926, D.H. 1927, 89. 193 Vgl. die Nachweise in Fn. 192.

4. Kap.: Die Mitwirkung des Gläubigers im gegenseitigen Vertrag

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ausbruch 1914 eingetretenen Verzögerungen, die dem Käufer die rechtzeitige Abnahme unmöglich machten, die Rechtsfolge des Art. 1657 C. civ. nicht ausschließen194. Geht man davon aus, daß sich die Vertragsauflösung aus dem wirklichen oder mutmaßlichen Parteiwillen rechtfertigt195, so ist es konsequent, auf ein Verschulden des Käufers nicht abzustellen. Denn dann geht es nicht darum, die Rechtsfolge einer schuldhaften Pflichtverletzung zu ermitteln, sondern nur darum, dem Parteiwillen gerecht zu werden. Liegen die genannten Voraussetzungen vor, so findet Art. 1657 C. civ. auch auf den Handelskauf Anwendung. Das ist allerdings nicht unstreitig. Ein Teil namentlich des älteren Schrifttums verneint die Anwendbarkeit196, weil der Conseil d'Etat bei den Beratungen des Code civil das im Text des Entwurfs enthaltene Wort "marchandises" aus Art. 1657 C. civ. gestrichen hat197. Die Rechtsprechung hat diese Bestimmung jedoch stets angewandt198• Dem folgt der überwiegende Teil des Schrifttums mit der zutreffenden Begründung, daß dem geltenden Gesetz keine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift zu entnehmen ist und daß der Normzweck-Befugnis des Verkäufers zu schneller anderweitiger Verfügung, um einen Wertverlust zu vermeiden- gerade bei Handelskäufen seine Berechtigung hat199• Die Wirkungen des Art. 1657 C. civ. treten nur zugunsten des Verkäufers ein und nur, wenn er es will200• Das bedeutet zunächst: Der berufen; wenn der Verkäufer den Vertrag durchführen will, so muß er sich dem fügen201• Es bedeutet weiter, daß der Verkäufer nicht gezwungen ist, nach Art. 1657 C. civ. vorzugehen; er kann auch nach Art. 1184 Abs. I C. civ. das Gericht anrufen, etwa, wenn er wegen der Fristvereinbarung Beweisschwierigkeiten befürchtet oder wenn er auf die Geltendmachung der Vertragsauflösung zunächst verzichtet hat, später aber wegen Fortdauer der mangelnden Erfüllungsbereitschaft des Käufers den Vertrag nicht mehr durchführen will202 • Hält der Verkäufer den Vertrag aufrecht, so ist er, sofern es sich um eine Stückschuld handelt, mit Ablauf der für die Annahme vereinbarVgl. Paris, 27. 11. 1926, D.H. 1927, 89. Vgl. Aubry I Rau, Bd V, § 356, Fn. 3 (S. 97). 196 Vgl. Pardessus, Bd II, Nr. 288; Escarra I Rault I Hemard, Bd I , Nr. 268. 197 Vgl. Planiol I Ripert, Bd X, Nr. 291 (S. 361). 198 Vgl. die Nachweise bei Planiol I Ripert, aaO., Fn. 5. 199 Vgl. Aubry I Rau, Bd V, § 356 (S. 99); Beudant I Brethe de la Gressaye, Bd XI, Nr. 276 (S. 220); Fuzier I Herman, Art. 1657, Nr. 1 u. 2; Planiol I Ripert, aaO.; J.Cl.civ., Artt. 1254- 1257, Fasz. Z-1, Nr. 198. 200 Vgl. Req., 17. 2.1903, D.P. 1903, 1, 191 ; Civ., 20.1.1908, D.P. 1908, 1, 125. 201 Vgl. die Nachweise in Fn. 200. 2o2 Vgl. Aubry I Rau, Bd V, § 356, Fn. 4 (S. 98). 194

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Französisches Recht

ten Zeit von der Gefahrtragung für die Sache befreit, ohne daß er den Käufer förmlich in Verzug setzen müßte; dieser soll aus seiner Pflichtverletzung keine Vorteile ziehen203. In diesem Übergang der Sachgefahr ist eine wesentliche Ergänzung der Artt. 1257 ff. C. civ. zu erblicken204. Daß der Vertrag nur aufgelöst ist, wenn der Verkäufer es will, bedeutet dagegen nicht, daß die Wirkung nur eintritt, wenn er eine entsprechende Erklärung abgibt. Zwar wird er dies regelmäßig tun; doch tritt die Wirkung unabhängig, "de plein droit" ein. Der praktische Unterschied besteht darin, daß der Verkäufer die Verfügungsbefugnis über die Ware - auch wenn er das Eigentum an den Käufer schon verloren hatte205 - nicht erst mit Zugang seiner Erklärung, sondern schon mit Ende der für die Abnahme vorgesehenen Zeit erlangt206. Die Vertragsauflösung des Art. 1657 C. civ. unterscheidet sich hierin vom Rücktritt der §§ 325, 326 BGB.

II. Keine Möglichkeit des Selbsthilfeverkaufs Anders als das deutsche Recht kennt der Code civil weder die Versteigerung hinterlegungsunfähiger Sachen noch den Selbsthilfeverkauf207. Der Verkäufer muß sich, wenn dem Vertrag nichts anderes zu entnehmen ist, mit den aufgezeigten Rechtsbehelfen begnügen. Praktisch ist der Mangel allerdings nicht schwerwiegend, da der Verkäufer den Vertrag nach Art. 1184 C. civ. auflösen lassen oder nach Art. 1657 C. civ. vorgehen kann und damit die Befugnis erlangt, die Kaufsache anderweitig zu veräußern.

203 Vgl. Trib.com. Alger, 24. 3. 1926, Gaz.Pal. 1926, 2, 87; Req., 20. 10.1026, S. 1926, 1, 361 = Gaz.Pal. 1927, 1, 72 = D.P. 1928, 1, 92; Aubry I Rau, aaO.; Planiol I Ripert, Bd X, Nr. 289 (S. 360); J.Cl.civ., Artt. 1654- 1657, Fasz. Z-1, Nr. 235. 204 Zutreffend Klees, S. 172, für Art. 1138 C.civ. 2os Vgl. J.Cl.civ., Artt. 1654- 1657, Fasz. Z-1, Nr. 2361237. 2oe Vgl. Aubry I Rau, Bd V, § 356 (S. 98). 207 Vgl. Rabel, Bd II, § 72 II 2 d (S. 83).

5. Kapitel

"Demeure du creancier", "ohligation de cooperation" und Art. 1184 C. civ. als Generalklausel vertraglicher Haftung 1. Abschnitt

Die Lehre Demogue's und die herrschende Meinung Wie oben dargelegt208, haben die "demeure du creancier" und die "obligation de cooperation" im Schrifttum nur wenig und in der Rechtsprechung keine Resonanz gefunden. Fraglich bleibt, wie dieses Schweigen zu bewerten ist. Als Zustimmung wird es von Klees aufgefaßt, der meint, auch den Teil der Lehre, der zu Gläubigerverzug und Gläubigermitwirkung keine allgemeine Aussage macht, für eine Pflicht des Gläubigers in Anspruch nehmen zu können, die Leistung entgegenzunehmen und die für die Erfüllung notwendige Mitwirkung nicht zu versagen209. Der Auffassung von Klees kann nicht gefolgt werden. Demogue und seine Anhänger haben versucht, den in der Praxis gefundenen Lösungen einen theoretischen Überbau zu geben. Diesen Überbau hat sich die herrschende Meinung jedoch nicht zu eigen gemacht. Die theoretische und praktische Bedeutung der Frage verbietet die Annahme, daß man mit der Bejahung einer über den Erstattungsanspruch des Art. 1260 C. civ. hinausgehenden Schadensersatzpflicht des Gläubigers210 gleichsam beiläufig die "obligation de cooperation" und die "demeure du creancier" gutheißen wolle211 . Besser als Klees hat Vouin die im Schrifttum vorherrschende Auffassung zum Ausdruck gebracht, indem er zwar einräumt, daß der Gläubiger Träger von Mitwirkungspflichten sein kann, gleichzeitig aber in der Lehre Demogue's ein Beispiel überflüssiger Begriffsbildung erblickt2t2. Daß die theoretische Konzeption einer "obligation de cooperation" nicht die Gefolgschaft der herrschenden Meinung findet, bedeutet nicht, Vgl. bei Fn. 112 ff. Vgl. S. 192. 210 Vgl. Req., 13. 7. 1881, S. 1883, 1, 272; Aubry I Rau, Bd IV, § 322 (S. 306); Marty I Raynaud, Bd II, 1, Nr. 600; Baudry-Lacantinerie I Barde, Bd XIII, Nr. 1634; Planiol I Ripert, Bd VII, Nr. 1212; de Page, Bd III, Nr. 502. 2 11 So aber Klees, S. 192. 2 12 Vgl. Nr. 72 (S. 135 - 137). 2os

209

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Französisches Recht

daß auch die praktischen Ergebnisse abgelehnt werden, zu denen die Anerkennung einer allgemeinen Mitwirkungspflicht des Gläubigers führt. Im Gegenteil entsprechen die für die praktisch wichtigen Fälle entwickelten Lösungen, nämlich die Abnahme- und Mitwirkungspflichten bei Kauf- und Werkvertrag, durchaus der Lehre Demogue's. Die herrschende Meinung begnügt sich jedoch mit solchen Einzellösungen für bestimmte Fallgruppen und verzichtet darauf, die Lösungen einem größeren theoretischen Konzept unterzuordnen. 2. Abschnitt

Die "obligation de cooperation" als überflüssige Konstruktion Die "obligation de cooperation" macht den Gläubiger zum Schuldner einer Pflicht bestimmten Inhalts. Zugespitzt formuliert ist für diese Lehre der Gläubigerverzug ein Schuldnerverzug auf der Gläubigerseite. Hierin liegt die Ursache für die geringe Resonanz, die diese Lehre gefunden hat. Denn anders als das deutsche Recht unterscheidet der Code civil nicht zwischen bestimmten Typen der Leistungsstörung, sondern knüpft in Art. 1184 C. civ. die Vertragsrechte schlicht an den Fall an, "ou l'une des deux parties ne satisfera point a son engagement". Die Lehre hat dafür den Zentralbegriff der "inexecution" entwickelt213, worunter jede Pflichtverletzung zu verstehen ist, auch, vom deutschen Recht her gesehen, die positive Vertragsverletzung 214 • Für eine Rechtsordnung, die von einem solchen Zentralbegriff ausgeht, ist die Einordnung der Vertragsverletzung unter einen bestimmten Typ der Leistungsstörung ohne wesentliche praktische oder theoretische Bedeutung. Vor diesem Hintergrund müssen die Regeln gesehen werden, die Rechtsprechung und Schrifttum für das Ausbleiben der Gläubigermitwirkung entwickelt haben und die namentlich im Kauf- und Werkvertragsrecht zur Anwendung kommen. Ausbleiben der Gläubigermitwirkung ist ein Fall der "inexecution" wie andere; eine besondere Systematisierung als Verstoß gegen eine "obligation de cooperation" oder als eine "demeure du creancier" erscheint als überflüssig. Auch Demogue hat Schwierigkeiten, die praktische Bedeutung des von ihm begründeten Instituts nachzuweisen, wie sich darin zeigt, daß er die Fälle der "faute de la victime" 215 der Mitwirkungspflicht zuordnet216• 21 3 Vgl. dazu Landfermann, S. 35/36. 214 Vgl. Landfermann, S. 36 ff.; Constantinesco, S. 29; Zweigert I Kötz, Bd II, S. 198. 215 Eine gesetzliche Bestimmung über das Mitverschulden enthält der Code civil nicht. Zur "faute de la victime" vgl. Ferid, Bd I, 2 B 100- 103 (S. 458/ 459); Keller, passim.

5. Kap.:" Demeure du creancier", "obl. de cooperation" u. Art. 1184

97

Indem Art. 1184 C. civ. auf eine nicht weiter bestimmte Nichterfüllung abstellt, ermöglicht er eine individualisierende Betrachtung, die darauf verzichten kann, die verletzte Pflicht jeweils scharf zu erfassen. Nur so ist es zu verstehen, daß das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers bei Kauf- und Werkverträgen ohne weiteres die Rechtsfolgen des Art. 1184 C. civ. auslöst. Die französische Jurisprudenz sieht das dem Vertrag zuwider laufende Verhalten des Gläubigers insgesamt und knüpft an seinen sichtbaren Ausdruck, das Ausbleiben der Abnahme oder der Mitwirkungshandlung, an. Eine Analyse dieses Verhaltens erfolgt nicht. So bleibt es offen, ob die Folgen des Art. 1184 C. civ. schon deshalb eintreten, weil der Gläubiger nicht mitwirkt, oder deshalb, weil stillschweigend davon ausgegangen wird, daß der fehlenden Bereitschaft zur Mitwirkung eine fehlende Bereitschaft zur Zahlung zugrunde liegt. Daß letzteres der Fall ist, kann nur vermutet und die Vermutung mit der Beobachtung begründet werden, daß der Gläubiger in keinem der entschiedenen Fälle die von ihm geschuldete Gegenleistung erbracht hat.

216

Vgl. die Beispiele in Bd VI, Nr. 14 (S. 20 ff.); Nr. 15 (S. 22/23).

7 Hüffer

2. Teil

Italienisches Recht 1. Kapitel

Die Rechtsentwicklung bis zu dem lokrafttreten des Codice civile von 1942; tJberblick über die gesetzliche Regelung 1. Abschnitt

Die Rechtsentwicklung bis zu dem Inkrafttreten des Codice civile von 1942

I. Die Regelung im Codice civile von 1865 Im Codice civile von 1865 hat die Mitwirkung des Gläubigers bei der Vertragserfüllung keine Regelung gefunden. Entsprechend dem Code civil beschränkt sich das Gesetz in den Artt. 1259 -1266 auf Vorschriften über eine Realofferte und die nachfolgende Hinterlegung. Diese Vorschriften stellen teilweise eine wörtliche Nachbildung des Code civil dar und haben mit ihm das Prinzip gemeinsam, dem Schuldner günstige Rechtsfolgen nicht schon an das erfolglose Leistungsangebot, sondern erst an die Hinterlegung anzuknüpfen217 • Hinzu treten gleichfalls dem französischen Gesetz entsprechende, verstreute Einzelbestimmungen wie etwa Art. 1635 cc (Frankreich: Art. 1788 C. civ.) über den Verzug des Werkbestellers bei der Abnahme des Werks und Art. 1637 cc (Frankreich: Art. 1790 C. civ.) über seinen Verzug bei der Billigung des Werks. Die Übereinstimmung, die zwischen dem Codice civile von 1865 und dem Code civil in dieser Einzelfrage besteht, kann nicht überraschen, da das italienische Gesetz dem französischen insgesamt weitgehend nachgebildet war218 • 217 Zum französischen Recht vgl. oben bei Fn. 7; zum italienischen Recht Scuto, S. 10: Die Artt. 1259 ff. cc machen den Verzug von der Hinterlegung abhängig. Vgl. ferner Natoli, Bd IV, S. 23; Cattaneo, Artt. 1206-1217, Vorbem., S. 2. 218 Vgl. nur Wieacker, S. 347 und S. 502; Cappelletti I Merryman I Perillo,

s. 46.

1. Kap.: Entwicklung bis 1942 u. Überblick über die ges. Regelung

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II. Die Meinungen im Schrifttum Unter dem Einfluß der Pandektenliteratur wird die Frage, ob der Schuldner einen Anspruch auf die Mitwirkung des Gläubigers hat,; namentlich im älteren Schrifttum meist mit der Frage verknüpft, ob ein Verschulden Voraussetzung des Gläubigerverzugs sei219 • Dabei gehen viele italienische Autoren des 19. Jahrhunderts ebenso wie die deutschen Pandektisten220 von der Vorstellung aus, daß der Gläubigerverzug ein Spiegelbild des Schuldnerverzugs sei, daß m. a. W. der Schuldner ein Recht auf Annahme der Leistung habe, das dem Erfüllungsanspruch des Gläubigers gleichwertig sei 221 • Diese Anschauung kann seit langem als überwunden gelten. Die Arbeiten Kohlers 222 fanden auch in Italien Aufnahme. Es setzte sich im Schrifttum223 und in der Rechtsprechung224 die Meinung durch, daß der Gläubiger lediglich ein Recht auf die Leistung habe und nicht verpflichtet sei, dem Schuldner die Leistung zu ermöglichen. Das war auch die Anschauung des Gesetzgebers des Codice civile von

1942. In der "Relazione del Ministro Guardasigilli" heißt es nämlich:

"Il creditore incorre in mora quando, indipendentemente da ogni sua coZpa .. ."22s. Der Gesetzgeber wollte also offenbar der auch den §§ 293 ff. BGB zugrunde liegenden objektiven Konzeption eines Gläubigerverzugs folgen.

219 Vgl. z. B. Giorgi, Bd II, S. 66, 117 ff. Die beiden Fragen werden auch verbunden von Barassi, Arch. giur. N.S. IV (1899), 36, vor allem 40 ff., und von Scuto, S. 102 ff. Einen überblick über das Schrifttum gibt Cattaneo, Artt. 1206- 1217, Vorbem., S. 9 ff. 220 Vgl. dazu oben bei Fn. 9 ff. (1. Hauptteil). 221 Vgl. dazu Giorgi, S. 66, und die Nachweise bei Barassi, aaO. (Fn. 219). 222 Vgl. dazu im 1. Hauptteil bei Fn. 22 ff. 223 Vgl. Barassi, aaO. (Fn. 219); Bellini, Riv.dir.civ. 1921, S. 27 ff., 33. Eine Sonderstellung nimmt hier Scuto, S. 102 ff., bes. S. 104/105, ein, nach dem zwar ebenfalls ein Recht auf Annahme durch den Gläubiger nicht gegeben ist, wohl aber, wie das Institut der Hinterlegung zeige, ein Recht auf anderweitige Schuldbefreiung. 224 Vgl. Cass., 5. 6. 1954, Foro it., Mass. 1954, Nr. 1828 = Giust.civ. 1954, 1304; App. Cagliari, 18. 11. 1957, Giust.civ., Rep. 1958, "Vendita", Nr. 276: In unserer Rechtsordnung ist eine Verpflichtung des Käufers, die Kaufsache anzunehmen, nicht vorstellbar. Anders wohl noch App. Roma, 30. 12. 1922, Foro it., Rep. 1923, "Vendita", Nr. 375. 225 Nr. 568 (zitiert nach Cattaneo, S. 135, Fn. 15).

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Italienisches Recht

2. Abschnitt Überblick über die Regelung im Codice civile von 1942 Der Gesetzgeber des geltenden Codice civile hat aus der Unzulänglichkeit der früheren Regelung 226 die Folgerungen gezogen. Er hat in den Artt. 1206- 1217 cc versucht, die mit der Mitwirkung des Gläubigers bei der Vertragserfüllung und ihrem vorübergehenden oder gänzlichen Ausbleiben verbundenen Probleme unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerverzugs (mora del creditore) zu erfassen und zu lösen. Die Artt. 1206 - 1217 cc bilden den letzten Abschnitt des II. Hauptteils über die Erfüllung der Obligation ("adempimento"). Sie sind damit in ihrer systematischen Einordnung deutlich abgesetzt von den Vorschriften über den Schuldnerverzug, die sich zwar in den Artt. 1218 ff. cc anschließen, aber den Beginn des III. Hauptteils über die Nichterfüllung der Obligation ("inadempimento") bilden. Während das BGB in den §§ 293 - 296 für den Eintritt des Gläubigerverzugs entscheidend auf das erfolglose Leistungsangebot abhebt, stellt Art. 1206 cc die ungerechtfertigte ("senza motivo legittimo") Annahmeverweigerung und das Ausbleiben einer erforderlichen Mitwirkung des Gläubigers gleichrangig nebeneinander. Der Gläubiger kommt auch in Verzug, wenn er "non compie quanto e necessario affinehe il debitore possa adempiere l'obbligazione". Im Ergebnis ist der Unterschied zum deutschen Recht allerdings nicht erheblich, weil auch im italienischen Recht, was dem Gesetzeswortlaut nicht unmittelbar zu entnehmen ist, vorausgesetzt wird, daß sich der Schuldner dem Gläubiger gegenüber wenigstens formlos bereit erklärt, seine Leistung zu erbringen227. Ein solches Angebot genügt auch nach § 295 BGB für den Eintritt des Gläubigerverzugs; denn das vorgeschriebene Angebot der Leistung kann nur die Erklärung der Leistungsbereitschaft sein, wenn der Schuldner ohne die Mitwirkung des Gläubigers zur Leistung nicht in der Lage ist. Daß Art. 1206 cc die ungerechtfertigte Annahmeverweigerung und das Ausbleiben einer erforderlichen Mitwirkung gleichrangig nebeneinander stellt, hat also im Vergleich mit dem deutschen Recht nur eine klarstellende Funktion. Was der Schuldner tun muß, um den Gläubiger in Verzug zu setzen, regeln die Artt. 1208, 1209, 1216, 1217 cc 228 • Die Artt. 1208, 1209 cc bem Zum französischen Recht vgl. oben bei Fn. 56, 60 ff., dazu und zum alten italienischen Recht Kritik bei Scuto, S. 9 ff. 227 Vgl. Ravazzoni, Mora del creditore, Nov.Dig.It. Bd X (1964), 901/902. 128 Eingehend dazu Distaso, Nr. 85 (S. 222), Nr. 86 (S. 223- 229), Nr. 91 (S. 233/234).

1. Kap.: Entwicklung bis 1942 u. überblick über die ges. Regelung

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handeln die Modalitäten des Leistungsangebots, wenn die Obligation bewegliche Gegenstände zum Inhalt hat, während für die Anwendung des Art. 1216 cc unbewegliche Sachen den Schuldgegenstand bilden müssen. Art. 1217 cc betrifft die auf ein Tun gerichteten Verbindlichkeiten. Hat der Schuldner den Gläubiger in Verzug gesetzt, so kann er nach den Artt. 1210- 1215 cc zur Hinterlegung oder zum Selbsthilfeverkauf schreiten und sich damit gegen den Willen des Gläubigers von seiner Verbindlichkeit befreien ("liberazione coattiva" oder "invito creditore"). Freilich ist der Schuldner nicht gezwungen, von diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen220. Die Wirkungen des Gläubigerverzugs sind in Art. 1207 cc genannt. Danach trägt der Gläubiger das Risiko nachträglicher, vom Schuldner nicht zu vertretender Unmöglichkeit der Leistung (Abs. I, S. 1). Der Zinslauf endet; Früchte der Sache, die der Schuldner nicht selbst zieht, sind von ihm nicht geschuldet (Abs. I, S. 2). Für das Ausbleiben der Gläubigermitwirkung am bedeutendsten ist Abs. III: Der Gläubiger ist nicht nur verpflichtet, die durch die Erhaltung und Aufbewahrung der Schuldsache entstehenden Kosten zu ersetzen (wie übrigens auch die des Angebots und der Hinterlegung, Art. 1215 cc), sondern er hat dem Schuldner Ersatz für die Schäden zu leisten, die diesem aus dem Gläubigerverzug erwachsen. Eine Vertragsauflösung wegen Gläubigerverzugs (entsprechend Art. 1453 cc) sehen die Artt. 1206 ff. cc jedenfalls nicht ausdrücklich vor. Gewiß lassen die Artt. 1206 ff. cc manche Fragen offen, auf die im folgenden einzugehen ist. Doch stellen sie gegenüber dem Gesetz von 1865 und der französischen Regelung insofern einen Fortschritt dar, als die Rechtsfolgen nicht erst an die Hinterlegung, sondern schon an das Verhalten des Gläubigers angeknüpft werden, sodaß der Abschnitt des Codice civile zu Recht mit "mora del creditore" überschrieben ist230. Ergänzungen der Artt. 1206 ff. cc durch Sonderbestimmungen für einzelne Verträge finden sich kaum. Namentlich enthält das italienische Recht wie schon das französische231 keine Regelung des Spezifikationskaufs. Zwar kennt das italienische Recht eine "specificazione" oder "individuazione" 232. Damit ist jedoch nicht die Bestimmungserklärung des Käufers gemeint233 , sondern die in Art. 1378 cc vorgesehene Konzen!29

Vgl. Distaso, Nr. 83 (S. 215).

230 Vgl. Natoli, Bd IV, S. 23/24; Cass., 22. 2. 1952, Foro it. 1952, I 820. m Vgl. oben bei Fn. 19. Vgl. Distaso, I contratti, Bd II, Nr. 336 ff. (S. 960 ff.); Greco/Cottino, Art. 1476, Anm. 2 (S. 96 ff.); Rubino, La compravendita, Nr. 132 (S. 387 ff.). 233 Verfehlt ist die wörtliche Übersetzung von Conte, Bd II, für den der Spezifikationskauf die "vendita con specificazione" oder "vendita con individuazione" ist. 132

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Italienisches Recht

tration der Gattungsschuld234 • Der Spezifikationskauf ist auch nicht unter der "vendita alternativa" zu verstehen, die nur eine Sonderform der in den Artt. 1285 ff cc geregelten Alternativobligation und deshalb dadurch gekennzeichnet ist, daß die Parteien den Kaufgegenstand gerade nicht als einheitlich auffassen, sondern von mehreren, von vornherein unterschiedenen Gegenständen ausgehen235 • An ergänzenden Normen ist für den Kaufvertrag nur Art. 1517 cc zu nennen, nach dem das erfolglose Angebot, die Kaufsache zu übergeben, zu einer Auflösung des Vertrags von Rechts wegen führen kann236 • Eine Ergänzung der Verzugsvorschriften kann auch in Art. 2237 Abs. II cc gefunden werden; danach ist der Unternehmer eines Werkvertrags "per giusta causa" berechtigt, bei Erstattung seiner Kosten und Vergütung der bis dahin geleisteten Tätigkeit von dem Vertrag zurückzutreten, wenn dieser eine geistige Leistung im Sinne des Art. 2230 cc zum Inhalt hat237 •

Vgl. die Nachweise in Fn. 232. Speziell zum Kaufvertrag vgl. Greco I Cottino, Art. 1470, Anm. 6 (S. 16); Rubino, La compravendita, Nr. 52 (S. 136), Nr. 135 (S. 409 ff.). Allgemein zur Alternativobligation Distaso, Nr. 347 ff. (S. 922 ff.). 236 Der Gesetzgeber hat sich offenbar an Art. 1657 C.civ. orientiert. m Vgl. zu diesen Bestimmungen näher unten bei Fn. 410 ff. !34

! 35

2. Kapitel

Die "cooperazione" des Gläubigers in den Artt. 1206-1217 cc 1. Abschnitt

Der Begriff der "cooperazione" Die von Art. 1206 cc umschriebene Tätigkeit des Gläubigers, deren Ausbleiben ihn in Verzug geraten läßt, wird als "cooperazione" bezeichnet238. Meist wird dieser Begriff nicht nur auf die Tätigkeit bezogen, die dem Schuldner die Herstellung des Leistungsgegenstandes erst ermöglicht, sondern auch auf die bloße Entgegennahme der geschuldeten Sache239 • Geht man von diesem weiten Begriff der "cooperazione" aus, so ist darunter jede Tätigkeit des Gläubigers zu verstehen, die es dem Schuldner ermöglicht, sich mittels Durchführung des Vertrags von der Verbindlichkeit zu befreien240. Die italienische Lehre mag sich mit dieser Umschreibung nicht zufrieden geben, sondern versucht eine weitere Präzisierung des Begriffs der "cooperazione". So will Falzea diesen Begriff verdeutlichen, indem er auf die einzelnen Stadien der Vertragsdurchführung abstellt241. Danach unterscheidet er drei Typen der Mitwirkung: Die Mitwirkung "preliminare all'adempimento", worunter z. B. die nähere Bezeichnung des Leistungsgegenstandes und der Leistungszeit, wenn sie dem Gläubiger vorbehalten sind, oder die Erteilung von Arbeitsanweisungen beim Dienst- oder Werkvertrag verstanden werden sollen242. Weiter kennt er die Mitwirkung "integrativo dell'adempimento", worunter die Entgegennahme des Leistungsgegenstandes zu verstehen sei, ohne daß es dabei der im deutschen Recht geläufigen 238 Vgl. Cass., 5. 6. 1954, Foro it., Mass. 1954, Nr. 1828 = Giust.civ. 1954, 1304; Cass., 12. 7. 1968, Mass.Giur.It. 1968, Nr. 2474 = Rep.Giur.It. 1968, "Obbl. e contr.", Nr. 35; App. Milano, 29. 3. 1957, Giust.civ., Rep. 1958, "Obbl. e contr.", Nr. 11. Aus dem Schrifttum z. B. Miccio, Artt. 1206- 1217, Nr. 1 (S. 163); Distaso, Nr. 78 (S. 203/204). 239 Umfassender Gebrauch des Begriffs z. B. bei Miccio, Artt. 1206-1217, Nr. 1 (S. 164); Distaso, Nr. 78 (S. 203); Falzea, S. 153 ff.; Cattaneo, S. 1; ebenso Cattaneo, Art. 1206, Anm. 2 (S. 19 ff.); Ghezzi, S. 29. 240 Etwa ebenso Natoli, Bd IV, S. 22; Cattaneo, Art. 1206, Anm. 1 B (S. 16). 241 Vgl. S. 153. ! 42 Vgl. S. 154 ff.

104

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Italienisches Recht

Unterscheidung zwischen Annahme und Abnahme bedürfe243 ; der Allwendungsbereich des Begriffs ist also weiter als der des § 293 BGB. Eine letzte Gruppe bildet nach Falzea die Mitwirkung "successivo all'adempimento", worunter im wesentlichen die Übergabe der Dokumente fällt, die die erfolgte Schuldbefreiung beweisen, vor allem die Erteilung einer Quittung (Art. 1199 cc) 244 • Diese von Falzea eingeführte Dreiteilung ist von Ghezzi übernommen worden245 • Mit dieser deskriptiven Kennzeichnung der "cooperazione" hat sich Cattaneo nicht zufrieden gegeben. Mit seiner Monographie beabsichtigt er vielmehr eine weitere Klärung des Begriffs, ein Unternehmen, dessen Nützlichkeit ihm Segni246 und Distaso247 bestätigt haben. Cattaneo geht davon aus, daß sich dem Art. 1206 cc ein gesetzliches Konzept der Gläubigermitwirkung entnehmen läßt. Deshalb prägt er die vorläufige Definition, daß Gläubigermitwirkung diejenige Tätigkeit ist, deren ungerechtfertigte Unterlassung die Vorschriften über den Gläubigerverzug anwendbar macht248• Es sei erforderlich, die verschiedenen Vorschriften über den Gläubigerverzug zu untersuchen und aus den unterschiedlichen Wirkungen des Verzugs auf die gemeinten Fallgestaltungen zu schließen249 • Die unterschiedlichen Wirkungen des Verzugs faßt Cattaneo in zwei Gruppen zusammen: Die eine Gruppe betreffe das Risiko, daß die Leistung unerbracht bleibe, die andere das Risiko, daß die Leistung zwar möglich bleibt, für den Schuldner aber erschwert wird. Der ersten Gruppe ordnet er Art. 1207 Abs. I cc zu, wonach der Gläubiger das Risiko zufälliger Unmöglichkeit trägt, der zweiten Gruppe das Recht des Schuldners, sich ohne Zutun des Gläubigers von der Verbindlichkeit zu befreien und Ersatz der ihm entstandenen Kosten und Schäden zu verlangen250• Von einer Mitwirkung des Gläubigers im technischen Sinne könne nur dann gesprochen werden, wenn wenigstens eine dieser Wirkungen als Folge der Unterlassung eintrete251 • Damit sei der Begriff der "cooperazione" jedoch noch nicht hinreichend gekennzeichnet; es müsse weiter festgestellt werden, welche Beziehung zwischen der Mitwirkung des Gläubigers und der Leistung des Schuldners bestehen müsse, damit das Ausbleiben der 243 244

245 248

340. 247 24s 249

250 251

Vgl. S . 159 ff. Vgl. S . 161/162. Vgl. S . 27 ff.

In einer Rezension der Arbeit von Cattaneo, Riv.dir.civ. 1966, I, 339,

Nr. 78 (S. 204). Vgl. S. 2. Vgl. S. 5/6. Vgl. S. 27 ff. Vgl. S. 74.

2. Kap.: Die "cooperazione" des Gläubigers in den Artt. 1206- 1217 cc 105

Mitwirkung als Ursache der Verhinderung, Verzögerung oder Erschwerung der Leistung betrachtet werden könne252 • Kennzeichen dieser Beziehung ist nach Cattaneo, daß die Handlung des Gläubigers nur den Zweck hat, den Schuldner bei der Erfüllung seiner Verbindlichkeit zu unterstützen, nicht aber, ein darüber hinausgehendes selbständiges Interesse des Schuldners an der Vornahme dieser Handlung zu befriedigen253. Die Ausführungen von Cattaneo haben den Beifall von Distaso gefunden, der gleichfalls davon ausgeht, daß dem Art. 1206 cc ein gesetzliches Konzept der Gläubigermitwirkung zugrunde liegt, und es auch für richtig hält, den Begriff der "cooperazione" den Artt. 1206 ff. cc zu entnehmen, ohne allerdings auf den Gedankengang Cattaneo's im einzelnen einzugehen254. Kritisch äußert sich dagegen Segni in seiner Rezension der Monographie von Cattaneo255 • Er meint, die von Cattaneo angestellten Überlegungen erlaubten nur, auszuschließen, daß Gläubigerverzug vorliegt, wenn keine der dafür vorgesehenen Rechtsfolgen eintrete. Das sei jedoch selbstverständlich und deshalb eine Beobachtung ohne Nutzen256 • Einen eigenen Lösungsvorschlag unterbreitet Segni nicht. Man wird Segni gegenüber Cattaneo zugeben müssen, daß es stets bedenklich ist, die Voraussetzungen eines Rechtsinstituts - hier den Begriff der "cooperazione" - an Hand seiner Rechtsfolgen definieren zu wollen. Der Einwand Segni's, nach der von Cattaneo gegebenen Definition müsse Gläubigerverzug auch dann vorliegen, wenn der Schuldner berechtigt von der Einrede des nicht erfüllten Vertrags (Art. 1460 cc) Gebrauch mache257, kann allerdings nicht überzeugen, da Cattaneo eine Mitwirkungshandlung nur dann annehmen will, wenn sie ausschließlich die Funktion hat, den Schuldner bei der Erfüllung seiner Verbindlichkeit zu unterstützen258 ; die Erbringung der Gegenleistung erfüllt diese Voraussetzung nicht. So verdienstlich grundsätzlich das Bestreben sein mag, den Mitwirkungsbegriff präzise zu erfassen, hat der darüber entstandene Meinungsstreit doch weithin nur eine theoretische Bedeutung. Namentlich gilt das für den Bereich derjenigen Mitwirkungshandlungen, die dem Schuldner die Bereitstellung des Leistungsgegenstandes oder seine Her252 253 254 255 256 257 258

Vgl. S. 111. Vgl. auch Cattaneo, Art. 1206, Anm. 1 B (S. 16). Vgl. S. 114. Vgl. Nr. 79 (S. 204). Riv.dir.civ. 1966, I, 339 ff. Vgl. aaO., S. 342. Vgl. aaO., S. 341. Vgl. S. 114, und dazu oben bei Fn. 253.

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stellung erst ermöglichen. Daß diese Handlungen unter den Begriff der "cooperazione" fallen, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Art. 1206 cc. 2. Abschnitt

Zur Frage einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers I. "Correttezza" und "buona fede" Nach Art. 1375 cc ist der Vertrag gemäß der "buona fede" durchzuführen, nach Art. 1175 cc haben Schuldner und Gäubiger ihr Verhalten nach den Regeln der "correttezza" einzurichten. Darunter soll ein Verhalten zu verstehen sein, das mit den Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens, insbesondere mit den "boni mores" in Einklang steht259• Eine klare Abgrenzung der "correttezza" gegenüber der "buona fede" ist nicht möglich; der Codice civile verwendet die Begriffe weitgehend synonym260 • Der für das französische Recht unternommene Versuch, eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers aus dem Verbot des "abus" und dem Gebot der "bonne foi" (Art. 1134 Abs. III C. civ.) abzuleiten261 , findet sich entsprechend im italienischen Recht, namentlich in der Monographie von Falzea262 • Dies und die Verwendung von Begriffen wie "obbligo di sicurezza" oder "obbligo di protezione" 263 könnte dem an § 242 BGB orientierten deutschen Juristen den Eindruck nahelegen, das italienische Recht kenne ebenso wie das deutsche eine wenigstens im Grundsatz unbestrittene Pflichtenlehre. Damit würden jedoch die theoretischen Bemühungen einiger Autoren und das tatsächliche Bild des italienischen Rechts verwechselt. Die Artt. 1175, 1375 cc haben eine sehr geringe praktische Bedeutung erlangt264 ; Begriffe wie "obligo di sicurezza" und "obbligo di protezione" sind der deutschen Lehre entlehnt und haben sich nicht durchgesetzt265 • Welche rechtliche Tragweite den Artt. 1175, 1375 cc überhaupt zukommt, ist noch weitgehend ungeklärt. So wird die "correttezza" teilweise nur als "criterio die valutazione" betrachtet266 ; von anderer Seite Vgl. Carusi, Correttezza, Enc.dir., Bd X (1962), 709 f., Nr. 1 (S. 709). Vgl. Miccio, Artt. 1173-1175, Nr. 9 (S. 50 ff.); Natoli, Bd I, Nr. 4 (S. 6). 261 Vgl. oben bei Fn. 86. 262 Vgl. unten bei Fn. 273. 263 Vgl. Carusi, Correttezza (Fn. 259), Nr. 3 (S. 711 ff.). 2 &4 Vgl. dazu Natoli, Bd I, Nr. 13 (S. 31). Auch die von Torrente bearbeitete Rassegna vermag nur wenige Entscheidungen nachzuweisen, vgl. Bd IV, 1 (1954), Art. 1175 (S. 7/8), und Erg.-Bd 1965, Art. 1175 (S. 6/7). 265 Vgl. z. B. die eingehende Kritik von Natoli, Bd I, Nr. 7- 12 (S. 13- 28). 266 Vgl. Cass., 16. 2. 1963, Foro it. 1963, I, 1769; Natoli, Bd I, Nr. 4 (S. 6). 259

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wird dagegen betont, sie sei Gegenstand eines "obbligo specifico" 267 • Überwiegend meint man, daß die "correttezza" nicht nur Gegenstand einer moralischen Pflicht, sondern einer Rechtspflicht ist268 ; Schadensersatz will der Kassationshof aber nur gewähren, wenn sich der Verstoß gegen die "correttezza" als Verletzung eines durch andere Vorschriften geschützten Rechts konkretisieren läßt 269 • Die zu den Artt. 1175, 1375 cc entwickelten Gedanken lassen sich also nicht mit der Konzeption des umfassenden Pflichtenkreises vergleichen, die auf Grund des § 242 BGB entwickelt worden ist. Die auf Grund dieser Bestimmungen von Falzea entwickelte Theorie hat jedoch bewirkt, daß die Ansicht, der Gläubiger sei hinsichtlich der Leistung des Schuldners nur berechtigt270 , von einem großen Teil des Schrifttums aufgegeben worden ist.

II. Der Meinungsstand zur Mitwirkungspflicht des Gläubigers 1. Die Mitwirkung des Gläubigers bei Falzea

Falzea legt dar, daß der begriffliche Widerspruch zwischen Recht und Pflicht des Gläubigers der Annahme einer Pflicht zur Mitwirkung nicht entgegensteht. Zwischen denselben Personen könnten nämlich verschiedene Rechtspositionen bestehen. Das Problem liege darin, den Bereich abzugrenzen, in dem der Gläubiger nur berechtigt sei; außerhalb dieses Bereichs könne auch der Gläubiger gebunden und Träger einer Pflicht sein 271 • Der Inhalt des Rechts des Gläubigers sei es, daß er die Leistung fordern oder nicht fordern, über sein Recht verfügen oder nicht verfügen könne, ohne daß ihn der Schuldner rechtlich hindern oder zwingen könnte. Damit vertrage sich jedoch die Annahme einer Pflicht, die Lage des Schuldners nicht zu erschweren 272 • Diese Pflicht sei nur Ausdruck der allgemeineren, aus Art. 1175 cc folgenden Pflicht, die Grenzen eines Rechts zu wahren 273 • Insoweit könne der Vgl. Distaso, Nr. 21 (S. 62 unten). Vgl. Miccio, Artt. 1173 - 1175, Nr. 9 (S. 50); Torrente, Bd IV, 1, S. 7; Distaso, Nr. 21 (S. 60); Cass., 16. 2. 1954, Foro it., Rep. 1954, "Obbl.contr." Nr. 207; Cass., 16. 2. 1963, Foro it. 1963, I, 1769. So wohl auch schon Bellini, Riv. dir.civ. 1921, S. 27 ff., der zwar grundsätzlich eine Mitwirkungspflicht ablehnt, dem Schuldner aber einen Schadensersatzanspruch gewähren will, wenn das Verhalten des Gläubigers gegen die "correttezza" verstößt, vgl. aaO., S. 51 ff., 55. 269 Cass., 16. 2. 1963 (Fn. 268): Kein Schadensersatzanspruch des Lieferers gegen den Belieferten, wenn der Belieferte bei Falschlieferung die Mitwirkung bei Rückgabe der Sache verweigert. 2 70 Vgl. oben bei Fn. 223, 224. 271 Vgl. S. 50/51. 272 Vgl. S. 52. Z73 Vgl. s. 54. 267 268

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Schuldner geschützt werden, ohne daß man in Widerspruch zu dem Forderungsrecht des Gläubigers gerate274 • Dessen Freiheitszone umfasse nämlich nicht den Mitwirkungsbereich; habe der Schuldner Anstalten zur Leistung getroffen, so müsse der Gläubiger mitwirken, um das Opfer des Schuldners nicht sinnlos zu machen und seine Belastung nicht fortdauern zu lassen275• Die Mitwirkung stelle sich so als Gegenstand einer Pflicht dar, die sich zwar in Intensität und Rang von der Leistungspflicht unterscheide, aber doch eine Verhaltenspflicht bleibe276• Eine Bestätigung dieses Ergebnisses findet Falzea namentlich in der Schadensersatzpflicht des Gläubigers (Art. 1207 Abs. II cc), weil diese typischerweise die Sanktion einer Rechtsverletzung sei277, und in der Möglichkeit des Schuldners, sich durch Hinterlegung von der Verbindlichkeit zu befreien, weil hierin für ihn die Möglichkeit liege, seinen Mitwirkungsanspruch zwangsweise durchzusetzen278 • Nachdem er festgestellt hat, daß die Mitwirkungspflicht vertraglicher Natur ist279 , wendet sich Falzea der Frage zu, wie das Verhältnis zwischen der Leistungspflicht des Schuldners und der Mitwirkungspflicht des Gläubigers zu beurteilen ist. Indem er das wirtschaftliche Gewicht der beiden Pflichten untereinander vergleicht, kommt er zu dem Ergebnis, daß die Bedeutung der Leistungspflicht bei weitem überwiegt. Sie bestimme die Natur des Schuldverhältnisses, ihr gegenüber habe die Mitwirkungspflicht nur eine ergänzende Funktion, nur einen sekundären Charakter280 • Die gleichzeitige Existenz zweier rechtlich geschützter Interessen schließe es also nicht aus, unter ihnen ein Rangverhältnis zu begründen281 • Dennoch bestehe insoweit eine Parallelität zwischen Gläubiger- und Schuldnerverzug, als beiden die Nichtbeachtung eines rechtlich geschützten Interesses des anderen Teils zugrunde liege282 • Obwohl Falzea im Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers einen Pflichtverstoß sieht, fordert er nicht in allen Fällen Verschulden, damit das Ausbleiben der Mitwirkung Rechtsfolgen zeitigt. Er verlangt es nämlich dann nicht, wenn sich der Schuldner auf das Verhalten des Gläubigers beruft, um sich von einer ihn sonst treffenden eigenen Vgl. S. 54/55. Vgl. S. 55. 276 Vgl. S. 57. 277 Vgl. S. 59 ff. 278 Vgl. S. 65 ff. 179 Vgl. S. 77. 280 Vgl. S. 77 ff. Falzea zeigt sich gerade in diesem Punkt merklich vom deutschen Schrifttum beeinflußt, vgl. S. 82, Fn. 113, wo von Nebenverpflichtung und HUfsleistung gesprochen wird. 2Bt Vgl. S. 81. 282 Vgl. S. 84 ff. 274

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Haftung zu entlasten, sofern das Leistungshindernis allein auf das Gläubigerverhalten zurückzuführen ist283 • Damit ist im wesentlichen der Bereich der Gefahrtragung erfaßt. Falzea begründet das damit, daß es für diesen Bereich in der Hauptsache auf die Schuldlosigkeit des Schuldners ankomme, die nicht unbedingt Schuldhaftigkeit des Gläubigers bedeuten müsse284 • Soweit sich der Schuldner dagegen auf die mora accipiendi berufe, um den Gläubiger haftbar zu machen, sei ein Verschulden erforderlich. Falzea ordnet diesen Bereich der Nichterfüllung von Verbindlichkeiten zu und argumentiert im wesentlichen mit der Schadensersatzpflicht des Art. 1207 Abs. II cc; doch trete nicht etwa nur diese Ersatzpflicht bei Verschulden ein, während die mora accipiendi davon unabhängig sei; die Ersatzpflicht sei vielmehr untrennbarer Bestandteil der mora, so daß auch ihre anderen Folgen, wie etwa die Pflicht zur Kostenerstattung, Verschulden voraussetzten285 • Die Schuldbefreiung gegen den Willen des Gläubigers, also namentlich die Hinterlegung, will Falzea wieder unabhängig vom Verschulden sehen, weil auch sie letztlich nur der Entlastung des Schuldners diene; doch könne dieser Gedanke nur dann zum Tragen kommen, wenn das Gesetz die Schuldbefreiung unabhängig vom Gäubigerverzug gestatte; sonst sei auch hier Verschulden notwendig, weil es eben Erfordernis der mora creditoris sei2B6. 2. Die Wirkung der Theorie Falzea's im Schrifttum Die Arbeit Falzea's hat das Schrifttum stark beeinflußt. Ihm haben sich so angesehene Autoren wie Ravazzoni, Miccio, Rubino und Greco I Cottino wenigstens teilweise angeschlossen. Während Miccio287 und Ravazzoni288 ebenso wie Falzea eine allgemeine Mitwirkungspflicht des Gäubigers konstruieren, behandeln die anderen das Problem für den Kauf- und Werkvertrag. So bejahen Rubino289 und Greco I Cottino290 eine Abnahmepflicht des Käufers, Rubino auch eine Mitwirkungspflicht des Werkbestellers291 • In der Frage eines Verschuldenserfordernisses sind auch jene zurückhaltender, die wie Falzea eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers an283 Vgl. S. 171 ff. Ähnlich für das französische Recht Baroncea, vgl. dazu oben bei Fn. 80 ff. 284 Vgl. S. 172 ff. 285 Vgl. S. 177 ff. 286 Vgl. S. 186 ff. 2 8 7 Vgl. Artt. 1206-1217, Nr. 2 (S. 164 ff., bes. S. 166/167). 288 Vgl. Nov.Dig.It., Bd X (1964), "Mora del creditore", S. 901 ff., 904. 289 La compravendita, Nr. 195 (S. 605 ff.). 290 Artt. 1498/1499, Anm. 6 (S. 270/271). zu L'appalto, Nr. 123 (S. 204/205), Nr. 312 (S. 547).

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nehmen. Am weitesten geht Ravazzoni292, der den Verzug des Gläubigers wegen dessen Schadensersatzpflicht (Art. 1207 Abs. II cc) als verschuldensahhängig ansieht. Von Falzea unterscheidet er sich jedoch darin, daß er die Befreiung des Schuldners von seiner Verbindlichkeit gänzlich vom Verschuldenserfordernis abgrenzen will. Auch Rubino nimmt nicht nur eine Abnahmepflicht des Käufers, sondern auch ein Verschuldenserfordernis an 293. Dagegen verneint Miccio, der Falzea in der Frage einer Pflicht zur Mitwirkung generell folgt, das Verschulden als notwendige Voraussetzung des Gläubigerverzugs; er folgert aus dem Wortlaut des Art. 1206 cc, seiner systematischen Stellung (getrennt von der verschuldensahhängigen Nichterfüllung des Schuldners, Artt. 1218 ff. cc) und aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes294 , daß die Artt. 1206 ff. cc vom Verschuldenserfordernis absehen295 ; damit will er jedoch nicht ausschließen, daß den Gläubiger im Einzelfall ein Verschulden treffen kann296. Unentschieden ist offenbar die Haltung von Greco I Cottino297 und Segni298, die zu der Verschuldensfrage nicht Stellung beziehen. Ein anderer Teil des Schrifttums verneint eine Pflicht des Gläubigers, bei der Schulderfüllung mitzuwirken. Hier ist zunächst Barassi zu nennen, der an seiner schon früher 299 geäußerten Meinung festhält und eine Pflicht des Gläubigers deshalb verneint, weil deren Annahme zum Verschuldenserfordernis führe und damit den Schuldner unbillig belaste, wenn den Gläubiger kein Verschulden treffe300. Gegen die Annahme einer Pflicht hat sich grundsätzlich auch Natoli ausgesprochen301. Ebenso haben sich namentlich Cattaneo und Ghezzi entschieden. Die Auseinandersetzung mit Falzea hat Cattaneo in seiner Monographie jedoch umgangen, indem er behauptet, auf der Basis des Gesetzes sei nur die Frage interessant, ob auf die Mitwirkung des Gläubigers die für die Obligation im technischen Sinne ("obbligazione") geltenden Normen anwendbar sind; der Versuch, ein umfassendes Konzept des Pflichtbegriffs zu entwickeln ("obbligo"), das das Verhalten von Gläu292 Nov.Dig.It., Bd X (1964), "Mora del creditore", S. 901 ff., 902. m Vgl. aaO. (Fn. 289), S. 607/608. 294 Relazione del Ministro Guardasigilli, Nr. 568 (vgl. dazu oben bei Fn.

225).

Artt. 1206- 1217, Nr. 5 (S. 171 ff.). Vgl. aaO., S. 175. 2 0 7 Artt. 1498- 99, Anm. 6 (S. 270). 298 Segni beschränkt sich auf kritische Anmerkungen zu den Ausführungen Cattaneos, vgl. Riv.dir.civ. 1966, I, 339, 342. 299 Vgl. Arch.giur., N.S. IV (1899), 36. ~oo Vgl. Bd III, S. 90 ff. 101 Vgl. Bd I, S. 70 f!. 295

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biger und Schuldner aufnehmen könnte, ist nach Cattaneo ohne Bedeutung302. Bei dieser Fragestellung ist es nicht verwunderlich, daß Cattaneo zu einer verneinenden Antwort kommt. Aus der Funktion, die der Verzug des Gläubigers nach dem Gesetz habe, ergebe sich, daß er nicht Schuldner einer Mitwirkungspflicht sein könne; dessen Funktion bestehe nämlich allein darin, dem Schuldner, der auch die durch den Gläubigerverzug erforderlich werdende Mehrtätigkeit schulde, die Kosten dieser Mehrtätigkeit abzunehmen 303 . Dabei wird der Schadensersatz des Art. 1207 Abs. II cc in der Form zum Kostenersatz gemacht, daß der Ausfall des Gewinns, der dem Schuldner aus dem sonst möglichen Abschluß anderer vorteilhafter Geschäfte zugeflossen wäre, als Kostenfaktor bei der Vertragserfüllung verstanden wird304. Für Cattaneo ist die Mitwirkung des Gläubigers nicht Gegenstand einer Pflicht, sondern einer Last305, d. h., der Gläubiger ist nur insoweit zur Mitwirkung gehalten, als er die ihm nachteiligen Folgen des Verzugs vermeiden und die Leistung des Schuldners erhalten wmsos. Ghezzi erkennt in seiner hauptsächlich dem Arbeitsrecht gewidmeten Untersuchung an, daß die von Falzea begründete Theorie einen erheblichen Fortschritt gegenüber der alten Gleichsetzung von Schuldnerund Gläubigerverzug darstellt307 und auch den logischen Widerspruch zwischen Recht und Pflicht des Gläubigers überwindet3°8 • Eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers lehnt er gleichwohl ab, weil der Schuldner durch die ihm in den Artt. 1206 ff. cc zuerkannten Behelfe in der Lage sei, sich selbst zu helfen; damit sei es ausgeschlossen, daß er auch noch eine Tätigkeit vom Gläubiger verlangen könne309. Ghezzi entscheidet sich deshalb wie Cattaneo für die Annahme einer Mitwirkungslast310 • Diejenigen Autoren, die eine Pflicht des Gläubigers zur Mitwirkung verneinen, verlangen für den Eintritt des Gläubigerverzugs auch kein 302 Vgl. S . 46. Kritisch dazu Segni in seiner Rezension, vgl. Riv.dir.civ. 1966, I 339, 342. Eingehend und differenziert setzt sich Cattaneo jetzt in seiner Kommentierung mit Falzea auseinander, vgl. Art. 1206, Anm. 8 (S. 45 ff.). Sein Hauptargument gegen Falzea ist auch hier, daß sich der Gläubigerverzug seiner Funktion nach dem Pflichtkonzept entzieht (S. 47). 303 Vgl. S. 47 ff., bes. S. 54. 304 Vgl. S. 52/53. 305 Vgl. S . 56 ff., 60. Ebenso jetzt in dem Kommentar, Art. 1206, Anm. 10 (S. 55 f.) . So auch Betti, Teil I, S. 63; Distaso, Nr. 80 (S. 206). Gegen die Annahme einer Last Falzea, S. 46 ff.; Miccio, Artt. 1206-1217 cc, Nr. 2 (S. 166); Ravazzoni, Nov.Dig.It., Bd I (1964), "Mora del creditore", S. 901 ff., 904. 305 Zum Begriff der Last vgl. Palermo, Nov.Dig.It., Bd II (1965), "Onere", s. 915, 916/917. 307 Vgl. S. 73. aos Vgl. S. 74. 309 Vgl. S . 75/76. 110 Vgl. S. 77 ff.

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Verschulden. Wie schon im älteren Schrifttum311 , so wird auch in den neueren Arbeiten darauf abgestellt, daß die Entlastung des schuldlosen Gläubigers zur unbilligen Belastung des erst recht nicht verantwortlichen Schuldners führe. So argumentiert Cattaneo, der diese These im neueren Schrifttum am eingehendsten begründet hat, Aufgabe der Artt. 1206 ff. cc sei es, bestimmte Risiken unter die Vertragsparteien zu verteilen. Verlange man ein Verschulden auf der Gläubigerseite, so laufe das bei untadeligem Verhalten beider Parteien darauf hinaus, den Schuldner mit dem Risiko zu belasten, weil es sich bei ihm realisiert habe. Das aber sei kein geeignetes Verteilungskriterium312 • Ähnlich stellt Ghezzi darauf ab, daß der einzige unbestreitbare Zweck des Instituts des Gläubigerverzugs darin liege, das Interesse zu schützen, das der Schuldner daran habe, nicht die nachteiligen Folgen der vom Gläubiger veranlaßten Verzögerung zu tragen 313• 3. Die Mitwirkung des Gläubigers in der Rechtsprechung

Welche Stellung die Rechtsprechung in diesem Meinungsstreit einnimmt, ist schwierig zu beurteilen, da einerseits im Schrifttum kaum Entscheidungen angeführt werden314, andererseits die Gerichte unter dem Zitierverbot des Art. 118 Abs. III der Ausführungsbestimmungen zum Codice di procedura civile stehen315• Soweit trotzdem feststellbar, hat sich die Rechtsprechung nach anfänglichem Schwanken gegen Falzea und für die Annahme einer Mitwirkungslast entschieden. Daß die Rechtsprechung von Falzea beeinflußt worden ist, zeigt eine Entscheidung des Kassationshofs316, in der ausgeführt wird, daß der Gläubiger, wenn er nicht zur Annahme der Leistung verpflichtet sein sollte, jedenfalls allgemein v erpflichtet sei, der Befreiung des Schuldners von seiner Verbindlichkeit keine Hindernisse in den Weg zu legen, weil die Verbindlichkeit für ihn einen Zustand der Unterwerfung darstelle. Sei die Mitwirkung des Gläubigers erforderlich, damit die Erfüllung stattfinden könne, so bereite der Gläubiger dem Schuldner Hindernisse, wenn er die erforderliche Mitwirkung verweigere. Man wird diese Entscheidung so interpretieren müssen, daß das Gericht su Vgl. Barassi, Archg.iur., N.S. IV (1899), S. 36 ff.; Scuto, S. 91 ff.; Bellini, Riv.dir.civ. 1921, 27 ff., 50. 312 Vgl. S. 129 ff. 313 Vgl. S. 83 ff. 314 Eine Ausnahme macht die von Torrente besorgte Rassegna (1954), Nr. 157 (S. 67), (1964), S. 110.

315 Die Bestimmung lautet: "In ogni caso deve essere omessa ogni citazione di autori giuridici." Zur Trennung zwischen Theorie und Praxis im italienischen Recht vgl. Luther, RabelsZ 36 (1972), 384, 386/387. 316 Cass., 5. 6. 1954, Giust.civ. 1954, II, 1303 = Foro it., Mass. 1954, Nr. 1828.

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zwar offen lassen wollte, ob gerade die Artt. 1206 ff. cc auf einem Pflichtverstoß des Gläubigers basieren, aber eine übergreifende, wohl aus Art. 1175 cc abgeleitete Mitwirkungspflicht anerkennen wollte317 • Ähnlich hat das Appellationsgericht Mailand318 eine "inadempienza" des Gläubigers, also die Nichterfüllung einer ihm obliegenden Pflicht, angenommen, wenn der Gläubiger solche Handlungen nicht vornimmt, ohne die der Schuldner seine Verbindlichkeit nicht erfüllen kann. In der Mehrzahl der Entscheidungen319 wird die Mitwirkung des Gläubigers jedoch als Gegenstand einer Last ("onere") bezeichnet, damit also die Annahme einer Mitwirkungspflicht zurückgewiesen. Mit besonderem Nachdruck ist das in der jüngsten einschlägigen Entscheidung geschehen320• Hinzu kommt, daß die Rechtsprechung für den Eintritt des Gläubigerverzugs offenbar auch kein Verschulden fordert. Das kann allerdings nur aus ihrem Schweigen geschlossen werden; die zu den Verzugsvoraussetzungen veröffentlichten Entscheidungen befassen sich nämlich ausschließlich mit objektiven Gründen, die den Verzugseintritt hindern könnten321 . Praktische Bedeutung hat ohnehin nur die Frage nach dem Gefahrübergang erlangt; hier kommt die Rechtsprechung dem Schuldner noch dadurch entgegen, daß sie auf das förmliche Angebot der Leistung (Art. 1208 cc) verzichtet322. Diese Entscheidungen rechtfertigen den Schluß, daß sich die Rechtsprechung die Theorie Falzea's nicht zu eigen gemacht hat323 • In einer so umstrittenen Frage wie der nach den Voraussetzungen des Gläubi317 Kaum vereinbar damit ist allerdings das Urteil Cass., 16. 2. 1963, Foro it. 1963, I, 1769, das Schadensersatz nur gewähren will, wenn sich der Verstoß gegen die "correttezza" als Verletzung eines durch andere Vorschriften geschützten Rechts konkretisieren läßt. Vgl. dazu oben bei Fn. 269. 318 App. Milano, 29. 3. 1957, Giust.civ., Rep. 1958, "Obbl. contr.", Nr. 11. 319 Vgl. Cass., 28. 9. 1968, Foro it. 1968, I, 2693, 2697; Cass., 14. 2. 1959, Foro it., Rep. 1959, "Competenza civile", Nr. 246; App. L'Aquila, 9. 7. 1954, Foro it., Rep. 1955, "Obbl.contr.", Nr. 248. Vgl. auch App. Cagliari, 19.11. 1957, Giust. civ., Rep. 1958, "Vendita", Nr. 276. 32o Cass., 28. 9. 1968 (vorige Fn.). 321 Vgl. die von Distaso, Nr. 84 (S. 220 ff.), angeführten Entscheidungen; auch Miccio, Artt. 1206-1217, Nr. 11 (S. 180/181), mit Nachweisen. 322 Vgl. App. Torino, 31. 7. 1950, Foro it., Rep. 1951, "Obbl.contr. ", Nr. 270; Cass., 16. 3. 1951, Foro it., Mass. 1951, Nr. 158; Cass., 6. 3. 1954, Giust.civ. 1954, 485; Cass., 11. 10. 1954, Giust.civ. 1954, II, 2354; Cass., 22. 2. 1957, Giust.civ., Mass. 1957, Nr. 637; Cass., 22. 2. 1958, Giust.civ., Mass. 1957, Nr. 637; Cass., 22. 2. 1958, Giust.civ., Rep. 1958, "Obbl.contr.", Nr. 363; vgl. auch Distaso, Nr. 89 (S. 232/233); Giorganni, Enc.dir., Bd XX (1970), "Inadempimento", S. 860, 861; Miccio, Artt. 1206-1217, Nr. 10 (S. 180). 323 Torrente spricht in seiner Rassegna allerdings von einer "devere di cooperazione del creditore", vgl. (1954), Nr. 157 (S. 67), (1964), S. 110. Die von ihm zitierten Entscheidungen rechtfertigen das jedoch nicht.

8 Hüffer

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gerverzugs kann nicht angenommen werden, daß die Gerichte stillschweigend von einem Pflichtverstoß des Gläubigers und einem Verschuldenserfordernis ausgehen. 3. Abschnitt

Zu den Rechtsfolgen bei Ausbleiben der "cooperazione" Unter den verschiedenen Rechtsfolgen, die sich mit dem Begriff der "mora del creditore" verbinden, ist bei Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers der Schadensersatz nach Art. 1207 Abs. II cc von besonderem Interesse. Weiter ist der Frage nachzugehen, ob den Artt. 1206 ff. cc auch eine Regelung der Beendigung der Verbindlichkeit des Schuldners entnommen werden kann. I. Der Schadensersatz nach Art. 1207 Abs. II cc

Unter der Herrschaft des Codice civile von 1865 war streitig, ob dem Schuldner gegen den Gläubiger ein Schadensersatzanspruch zustehe324 • Diese Frage hat der Codice civile von 1942 in Art. 1207 Abs. II cc bejahend beantwortet. Meinungsverschiedenheiten im Schrifttum in der Frage des Umfangs des dem Schuldner zu gewährenden Schadensersatzes sind allein dadurch bedingt, daß der Gesetzgeber dem Schadensersatzanspruch einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Aufbewahrung und Erhaltung der Sache an die Seite gestellt hat325• So will Cattaneo diese Aufwendungen, dem Wortlaut des Gesetzes folgend, aus dem Schadensersatzanspruch ausklammern326, während Ravazzoni sie in den Ersatzanspruch einbezieht und ihrer ausdrücklichen Erwähnung nur eine klarstellende Funktion zubilligt; sie solle klarstellen, daß der Schuldner zur Aufbewahrung und Erhaltung der Sache verpflichtet bleibt327• Auch wenn man die Kostenerstattung in den Schadensersatzanspruch einbezieht, muß man zugeben, daß die eigentliche Neuerung des Codice civile von 1942 in der Ersatzfähigkeit eines darüber hinaus gehenden Schadens liegt; ein Anspruch wegen der Kosten ließe sich nämlich ohnehin mit den Grundsätzen der auftraglosen Geschäftsführung begründen328. Der über die Kosten hinaus gehende Schaden soll der Entgang des Gewinns sein, den der Schuldner durch eine vergütete Tätig324 325 326

327 328

Dafür Giorgi, Bd VII, Nr. 285 (S. 341); dagegen Scuto, S. 147. Einen solchen Anspruch gewährt schon Bellini, Riv.dir.civ. 1921, 27, 47. Vgl. S. 98 ff. Vgl. Nov.Dig.It., Bd X (1964), "Mora del creditore", S. 901 ff., 903. Vgl. D'Amelio I Finzi, Artt. 1206- 1217, Anm. 5 (S. 81, Fn. 1).

2. Kap.: Die "cooperazione " des Gläubigers in den Artt. 1206 - 1217 cc

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keit zugunsten eines Dritten erzielt hätte, wenn er nicht infolge der Fortdauer der Verbindlichk eit daran gehindert worden wäre, diese Tätigkeit auszuüben 329• Für den deutschen Juristen verbindet sich im Vertragsrech t mit dem Begriff des entgangenen Gewinns meist die Vorstellung eines Schadensersa tzes wegen Nichterfüllu ng330 ; das ist jedoch nicht der Inhalt des Art. 1207 Abs. li cc, der vielmehr vom Fortbestand der Leistungsbez iehung ausgeht und nur den Schaden als ersatzfähig ansieht, der dem Schuldner gerade aus der Verzögerung der Leistung erwächst. Die Bestimmung ermöglicht es also nicht, die Vertragsliquidat ion im Wege des Schadensersa tzes zu wählen. Der Gesetzgeber hat damit anscheinend eine überflüssige, weil praktisch bedeutungslo se Regelung getroffen 331 • Weder Distaso in seiner sonst ins einzelne gehenden Zusammenst ellung der Rechtsprechu ng 332 noch Miccio 333 noch Torrente334 können eine Entscheidun g zur Schadensersatzpflicht des Gläubigers anführen; sie gehen auch nicht selbst auf die Frage ein. Auch diejenigen Autoren, die sich mit dieser Ersatzpflicht beschäftigen , können sich nicht auf Rechtsprechu ng stützen335 • Fragt man nach den Gründen, aus denen der Schadensers atzanspruch des Art. 1207 Abs. li cc keine praktische Bedeutung erlangt hat, so ist zunächst an den Kostenerstat tungsanspru ch zu denken. Ein sonst denkbarer Schadenspos ten ist damit bereits erfaßt. Einen entgangenen Gewinn in dem beschriebene n Sinne wird der Schuldner nur höchst selten nachweisen können. Daß man ihm mit Beweiserleic hterungen zu Hilfe käme, ist nicht ersichtlich. Der Schuldner muß also darlegen und beweisen, daß die Inanspruchn ahme seiner Person, seiner Hilfskräfte oder seiner Betriebsmitt el über den vorgesehene n Leistungszei tpunkt hinaus einen sonst möglichen günstigen Geschäftsabs chluß verhindert hat. 329 Vgl. Cattaneo, S. 98 ff.; Falzea, S. 285 f.; Natoli, Bd IV, S. 97; Ravazzoni, Nov.Dig.It., Bd X (1964), "Mora del creditore", S. 901 ff., 903. Cattaneo, Art. 1207, Anm. 8 (S. 121), spricht davon, daß nur das negative Interesse ersatzfähig sei. 330 Notwendig ist diese Verbindung freilich nicht. Entgangener Gewinn kann auch nach § 286 Abs. I BGB ersetzt werden (z. B.: Die Geschäftseröf fnung verzögert sich, weil das mit der Innenausstatt ung beauftragte Unternehmen in Verzug gerät). 331 Die einzige Entscheidung , in der von Gläubigerver zug und Schadensersatz gleichzeitig die Rede ist, ist Cass., 5. 6. 1954, Giust.civ. 1954, II, 1303 = Foro it., Mass. 1954, Nr. 1828. Hier wird der Ersatzanspruc h jedoch gerade nicht mit Art. 1207 cc begründet, sondern mit der Erwägung, daß der Gläubiger dem Schuldner keine Hindernisse in den Weg legen dürfe. Vgl. zu dieser Entscheidung schon bei Fn. 316. 332 Vgl. Nr. 79 ff. 333 Vgl. die Anmerkungen zu Artt. 1206-1217. 33 4 Vgl. Rassegna (1954), Nr. 162 ff. (S. 69 ff.), (1964), S. 112 ff. sss Vgl. die Nachweise in Fn. 329.

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Italienisches Recht

Praktisch kommen dafür nur die Fälle in Frage, in denen die gesamte Organisation des Schuldners durch die Vertragserfüllung in Anspruch genommen wird. Solche Fälle sind selten. Außerdem kommen sie nur im Rahmen gegenseitiger Verträge vor, was dem Schuldner die im folgenden Kapitel zu besprechende Möglichkeit eröffnet, über den Anspruch auf die Gegenleistung gegen den Gläubiger vorzugehen. II. Zur Beendigung der Verbindlichkeit

Der Schuldner kann sich durch Hinterlegung (Art. 1210 ff. cc) von seiner Verbindlichkeit befreien. Abgesehen davon, daß diese Möglichkeit dem Schuldner vielfach nicht zweckmäßig erscheinen wird, weil er damit seine Leistung aus der Hand gibt, ohne die ihm gebührende Gegenleistung zu erhalten, ist hier eine hinterlegungsfähige Sache Voraussetzung. Für alle anderen Fälle ist den Artt. 1206 ff. cc jedenfalls nicht ohne weiteres eine Regelung zu entnehmen, die es dem Schuldner erlaubt, seiner Verbindlichkeit ein Ende zu setzen. Lediglich Falzea und Natoli meinen, daß die Artt. 1206 ff. cc dem Schuldner der auf ein Tun gerichteten Verbindlichkeit die Möglichkeit gewähren, seine Verpflichtung zu beendigen. Zwar vermißt auch Falzea für die auf ein Tun gerichteten Verbindlichkeiten eine eingehende Regelung der Schuldbefreiung, wie sie das Gesetz mit der Hinterlegung für die Verschaffungspflichten enthalte336• Doch meint er, ein Recht des Schuldners auf Vertragsauflösung den Artt. 1207 Abs. III, 1217 cc entnehmen zu können337• Indem nämlich der Gläubiger nach Art. 1217 cc durch eine schlichte Aufforderung in Verzug gesetzt werde, werde Art. 1207 Abs. III cc nicht außer Kraft gesetzt. Die danach grundsätzlich erforderliche gerichtliche Bestätigung des Angebots ("sentenza di convalida") habe bei den auf ein Tun gerichteten Verbindlichkeiten nur eine andere Funktion als bei den Verschaffungspflichten. Beschränke sich die Wirkung der richterlichen Bestätigung dort auf den Eintritt sekundärer Folgen, die den Bestand der Verbindlichkeit noch unberührt ließen, so werde hier die Verbindlichkeit aufgelöst, sei die "sentenza di convalida" eine "risoluzione gindiziale" 338• Zweck der Vertragsauflösung sei es, dem Schuldner die Möglichkeit zurückzugeben, die dem Gläubiger versprochene Tätigkeit zugunsten eines anderen zu entfalten; insofern bestehe eine Ähnlichkeit zur Vertragsauflösung nach Art. 1453 cc339 • Auch Natoli befürwortet eine Vertragsauflösung durch das Gericht, will die auflösende Wirkung jedoch nicht der "sen336

337 338 839

Vgl. S. 108 ff. Vgl. S. 115 ff. Vgl. S. 116. Vgl. S. 117.

2. Kap.: Die "cooperazione" des Gläubigers in den Artt. 1206- 1217 cc 117

tenza di convalida" beimessen, sondern einem davon getrennt zu sehenden Gestaltungsurteil, das freilich mit der richterlichen Bestätigung des Angebots äußerlich zusammenfallen könne; eine Rechtsgrundlage für ein solches Gestaltungsurteil vermag Natoli allerdings nicht zu nennen340• Daß Falzea oder Natoli mit ihrer Meinung Gefolgschaft gefunden hätten, ist nicht ersichtlich341 • Sie verdient auch keinen Beifall. Eine Vertragsauflösung nur auf der Basis des Gläubigerverzugs wäre für das italienische Recht ein gesetzgeberisches Novum. Es muß deshalb angenommen werden, daß das Gesetz, hätte es diese Neuerung einführen wollen, sich einer weniger verschlüsselten Form bedient hätte. Einen zwingenden Hinweis auf eine Vertragsauflösung enthalten die Artt. 1207, 1217 cc jedenfalls nicht. Es ist deshalb gegen Falzea und Natoli anzunehmen, daß der Gesetzgeber bei den auf ein Tun gerichteten Verbindlichkeiten durch Art. 1217 cc lediglich die Modalitäten des Verzugseintritts durch Art. 1217 cc zugunsten des Schuldners erleichtern wollte. Das Gesetz erlaubt dem Schuldner also insoweit nicht, sich von seiner Verbindlichkeit zu befreien.

uo Vgl. Bd IV, S. 143/144. 341 Dagegen jetzt Cattaneo, Art. 1217, Anm. 12 (S. 269 ff.).

3. Kapitel

Die Mitwirkung des Gläubigers im gegenseitigen Vertrag Die "cooperazione", wie sie bisher behandelt worden ist, ist der rechtstechnische Begriff der Gläubigermitwirkun g im Sinne der Artt. 1206 ff. cc. Welche Beziehungen zwischen dem Ausbleiben dieser Mitwirkung des Gläubigers und dem Bereich der Vertragsverletzung bestehen, ist im italienischen Recht weitgehend ungeklärt. Die monographischen Bearbeitungen der Gläubigermitwirkun g von Falzea und Cattaneo sind in diesem Punkt, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, zu eng: Für Falzea liegt schon im Ausbleiben der Mitwirkung eine Pflichtverletzung342, so daß es ihm aus diesem Grund auf die Gegenleistungsverpflichtun g nicht mehr ankommt, für Cattaneo ist nur das den Artt. 1206 ff. cc zugrunde liegende normative Konzept von Interesse343. Erörtert wird nur die Frage, ob es der Gläubiger auch dann an der "cooperazione" fehlen läßt, wenn er zwar zur Leistungsannahme oder zur Mitwirkung bereit ist, aber die von ihm geschuldete und gleichzeitig fällige Gegenleistung nicht erbringen will; eine Frage, in der heute, abweichend vom deutschen Recht (§ 298 BGB), Einigkeit besteht, daß die bloße Weigerung, die Gegenleistung zu erbringen, den Gläubigerverzug nicht begründet344 • Im folgenden geht es jedoch umgekehrt darum, ob die Verweigerung der erforderlichen Mitwirkung nicht nur die Folgen des Gläubigerverzugs auslösen, sondern zugleich eine Vertragsverletzung darstellen kann. 1. Abschnitt Ergänzung der Artt. 1206 ff. cc durch Abnahme- und Mitwirkungspflicht des Käufers und des Werkbestellers, deren Verletzung zur Anwendung des Art.1453 cc führt? Im französischen Recht erfährt die unzulängliche Regelung der Artt. 1257- 1264 C. civ. eine Ergänzung durch die Pflicht des Käufers und des Werkbestellers, den Schuldner bei der Leistung zu unterstützen und m Vgl. S. 50 ff., und dazu oben bei Fn. 271 ff. 343 Vgl. S. 2, 46, und dazu oben bei Fn. 302. 344 Falzea, S. 158; Cattaneo, S. 121; vgl. auch Segni, Riv.dir.civ. 1966, I, 339, 340. AA. zum früheren Recht Scuto, S. 88 ff.

3. Kap.: Die Mitwirkung des Gläubigers im gegenseitigen Vertrag

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diese abzunehmen345 • Die Verletzung dieser Pflicht führt zur Anwendung des Art. 1184 C. civ. 346 • Allerdings mußte offen bleiben, ob dies auch dann der Fall ist, wenn der Gläubiger zur Gegenleistung bereit ist, also nur gegen die Pflicht zur Mitwirkung verstößt347 • Für das italienische Recht ist eine ähnliche Ergänzung der Artt. 1206 ff. cc zu erwarten. Zwar enthalten diese Bestimmungen eine Regelung des Gläubigerverzugs, die der Code civil nicht bietet; auch hebt Art. 1206 cc gerade auf das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers ab. Das, was der dem Art. 1184 C. civ. entsprechende Art. 1453 cc leistet, nämlich die Überleitung des Vertrags in das Liquidationsstadium, leisten die Artt. 1206 ff. cc jedoch nicht, weil der Gläubigerverzug weder zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung 348 noch zur Auflösung des Vertrags führt 349 • Auch könnte man aus Art. 1517 Abs. II cc, der dem Art. 1657 C. civ. nachgebildet ist, zumindest auf eine Abnahmepflicht des Käufers schließen. I. Zur Frage einer Mitwirkungspflicht

Die Meinung, daß der Käufer und der Werkbesteller zur Abnahme und zur Mitwirkung verpflichtet sind, wird im Schrifttum teilweise vertreten. So nimmt Falzea sogar ein "diritto principale" des Verkäufers auf Abnahme der Kaufsache an 350• Auch Rubino 351 und Greco I Cottino352 sprechen von einer Abnahmepflicht des Käufers, deren Verletzung zur Anwendung des Art. 1453 cc führen soll353 • Rubino 354 und Mirabelli355 bejahen auch eine Pflicht des Werkbestellers zur Mitwirkung und nehmen ein Auflösungsrecht des Unternehmers nach Art. 1453 cc an, wenn er infolge der Pflichtverletzung nicht in der Lage ist, die Werkleistung zu erbringen, ohne diese Auffassung jedoch im einzelnen zu begründen oder zu belegen. Trotz der gewichtigen Fürsprecher einer Pflicht des Käufers und des Werkbestellers zur Abnahme und Mitwirkung läßt sich nicht wie im 345 346 347 348

~ 49 350 351 352

Vgl. 4. Kapitel, 1. Abschnitt. Vgl. 4. Kapitel, 2. Abschnitt, II. Vgl. 5. Kapitel, 2. Abschnitt (nach Fußnote 216). Vgl. bei Fn. 329, 330. Vgl. bei Fn. 336 ff. Vgl. S. 115. La compravendita, Nr. 272 (S. 957). Artt. 1498 - 1499, Anm. 6 (S. 270); nichts hierzu aber in der Erl. zu

Art. 1517. 353 Vgl. Gardani, Nr. 395 (S. 624); Greco I Cottino, Art. 1514, Anm. 2 (S. 317). 354 Art. 1655, Anm. 7 b (S. 41); L'Appalto, Nr. 312 (S. 547). m Artt. 1671 - 1675, Anm. 1 (S. 452).

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Italienisches Recht

französischen Recht davon sprechen, daß diese Pflichten allgemein anerkannt sind und ihre Verletzung zur Anwendung des Art. 1453 cc führt. Anders als im französischen Recht wird die Frage einer Pflicht des Gläubigers bei Kauf- und Werkvertrag nämlich nicht unabhängig von dem Gläubigerverzug gesehen. Es handelt sich vielmehr nur um einen Teilaspekt des zu den Artt. 1206 ff. cc entstandenen Meinungsstreits. Hier und dort werden die gleichen Argumente verwandt; wer für eine Pflicht des Käufers und des Werkbestellers eintritt, bejaht sie auch generell358. Gegen eine Pflicht des Käufers und des Werkbestellers sind deshalb die gleichen Autoren anzuführen wie bei der Frage nach einer Pflicht zur "cooperazione" allgemein357• Gegen eine Pflicht wendet sich namentlich die Rechtsprechung 358• Das Appellationsgericht Cagliari359 hat ausdrücklich festgestellt, daß eine Abnahmepflicht des Käufers mit der italienischen Rechtsordnung unvereinbar sei; die Abnahme sei Gegenstand einer Last, deren Nichtbeachtung von der Nichterfüllung einer Pflicht wohl unterschieden werden müsse. Die Praxis und ein bedeutender Teil des Schrifttums erkennen also eine Pflicht des Käufers und des Werkbestellers zur Abnahme und zur Mitwirkung nicht an. 11. Zur Anwendung des Art. 1453 cc

Während für das französische Recht die Frage offen bleiben mußte, ob das Ausbleiben der Mitwirkung allein die Anwendung des Art. 1184 C. civ. rechtfertigt360, ist für das italienische Recht festzustellen, daß das Ausbleiben der Mitwirkung allein nicht zur Anwendung des Art. 1453 cc führen kann. Wer in dem Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers keine Pflichtverletzung sieht, muß die Anwendung der Artt. 1453 ff. cc von vornherein ablehnen. Denn nach dieser Auffassung kommt in den Artt. 1206 ff. cc gerade der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, den Schuldner trotz des Gläubigerverhaltens an der Leistungspflicht festzuhalten und ihm nur die zusätzlichen Risiken abzunehmen, die durch 356 Vgl. namentlich Rubino, La compravendita, Nr. 195 (S. 605 ff.). Auch bei Greco I Cottino, Artt. 1498 - 1499, Anm. 6 (S. 270/271) macht sich der Einfluß Falzeas deutlich bemerkbar. 357 Vgl. oben bei Fn. 299 ff. Jetzt ausdrücklich gegen eine Pflicht des Käufers oder Werkbestellers: Cattaneo, Art. 1206, Nr. 11 (S. 56 ff.). 358 Vgl. oben bei Fn. 319. 359 App. Cagliari, 18. 11. 1957, Giust.civ., Rep. 1958, "Vendita", Nr. 276. So auch Cass., 25. 2. 1953, Foro it., Rep. 1953, "Vendita", Nr. 283. 36o Vgl. 5. Kapitel, 2. Abschnitt, nach Fn. 216.

3. Kap.: Die Mitwirkung des Gläubigers im gegenseitigen Vertrag

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das Ausbleiben der Mitwirkung entstehen361 • Dieser Konzeption würde es zuwiderlaufen, wenn man dem Schuldner ein Recht auf Auflösung des Vertrags zuerkennen würde. Die Anwendung der Artt. 1453 ff. cc verträgt sich mit dieser Konzeption auch schon deshalb nicht, weil die Vertragsauflösung, in Übereinstimmung mit ihrem Sanktionscharakter, ein Verschulden des vertragsuntreuen Teils voraussetzt362, während diese Lehre den Gläubigerverzug gerade unabhängig vom Verschulden sehen will363• Die Artt. 1453 ff. cc anzuwenden, kann nur erwägen, wer im Unterlassen der erforderlichen Mitwirkung eine Pflichtverletzung sieht und deshalb auch ein Verschulden des Gläubigers verlangt. Insoweit in Übereinstimmung mit Art. 1184 C. civ., aber in charakteristischem Unterschied zu den §§ 325, 326 BGB, wird die Nichterfüllung nicht als Unmöglichkeit oder Verzug näher umschrieben, sondern nur unbestimmt davon gesprochen, daß ein Vertragsteil "non adempie le sue obbligazioni" (Art. 1453 Abs. I cc) 364; nur diejenige Nichterfüllung berechtigt nicht zur Vertragsauflösung, die, gemessen am Interesse des anderen Vertragsteils, lediglich geringe Bedeutung besitzt (Art. 1455 cc). Während jedoch Art. 1184 C. civ. weiter unbestimmt von der Nichterfüllung des "engagement" spricht, verwendet Art. 1453 cc den rechtstechnischen Begriff der "obbligazione". Daß die Mitwirkung des Gläubigers allenfalls Gegenstand eines "obbligo", nicht aber einer "obbligazione" ist, ist unstreitigsss. Daß das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers für die Anwendung des Art. 1453 cc nicht ausreicht, müssen daher auch diejenigen einräumen, die in diesem Ausbleiben eine Pflichtverletzung sehen. Art. 1453 cc anzuwenden, wird von Falzea nicht einmal erwogen366 ; stattdessen versucht er, eine richterliche Vertragsauflösung mit Art. 1217 cc zu rechtfertigen367• Zum Teil wird von denselben Autoren, die 381 Das ist die Grundthese, die z. B. das gesamte Buch von Cattaneo durchzieht. Gegen eine "risoluzione" schon Bellini, Riv.dir.civ. 1921, 27, 39. 362 So jedenfalls die herrschende Meinung, vgl. Auletta, S. 147 ff.; Cass., 30. 9.1953, Foro it., Rep. 1953, "Obbl.contr.", Nr. 291; Cass., 16. 7. 1954, Foro it., Rep. 1954, "Obbl.contr.", Nr. 258, 259; App. Firenze, 19.10. 1954, Foro it., Rep. 1955, "Obbl.contr."., Nr. 307; App. Firenze, 15. 6. 1964, Foro it. 1964, I, 1983. Zweifelnd Mirabelli, Artt. 1453-1455, Nr. 1 (S. 540 ff.). Dagegen Giorgianni, Enc.dir., Bd XX (1970), "Inadempimento", S. 860, 888. 3 63 Vgl. nur Cattaneo, S. 129 ff. au Vgl. dazu Scognamilio, S. 263; Landfermann, S. 104. 365 Gerade in der Ausbildung eines entsprechenden "obbligo" besteht das Anliegen der Arbeit von Falzea. Vgl. dazu Ghezzi, S. 66 ff., 72 ff.; Segni, Riv. dir.civ. 1966, I, 339, 342. 366 Vgl. S. 108 ff. 387 Vgl. oben bei Fn. 336 ff.

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Italienisches Recht

von einer Vertragsauflösung bei Nichtabnahme reden368, anerkannt, daß Artt. 1453, 1454 cc dann nicht in Frage kommen, wenn der Käufer zwar die Abnahme verweigert, aber den Preis bezahlt369• In diesem Sinne spricht sich auch die "Relazione" des Justizministeriums zum Codice civile aus370• Auch in einer von Gardani371 für die Vertragsauflösung bei Nichtabnahme zitierten Kassationsentscheidung372 ging es gerade um eine Klage des Verkäufers auf den Preis; von der Kaufsache hatte er sich durch eine nicht ordnungsgemäße Hinterlegung getrennt. Soweit trotzdem von einer Anwendung des Art. 1453 cc bei Verstoß gegen eine Abnahme- oder Mitwirkungspflicht gesprochen wird373, handelt es sich also lediglich um einen ungenauen Sprachgebrauch. Das Verhalten des Gläubigers wirdparspro toto genommen, im Ausbleiben der Mitwirkung nur der Ausdruck einer fehlenden Bereitschaft gefunden, die Gegenleistung zu erbringen. 2. Abschnitt

Der Rückgriff auf die Artt. 1453 ff. cc als die allgemeine Regelung der Vertragshaftung Aus dem bisher zu Art. 1453 cc Ausgeführten ist schon deutlich geworden, daß in der Praxis die Lösung der Fälle, in denen der Gläubiger die erforderlichen Mitwirkungshandlungen nicht vornimmt, den Artt. 1453 ff. cc entnommen werden kann, wenn der Gläubiger nicht nur seine Mitwirkung versagt, sondern auch die von ihm geschuldete Gegenleistung nicht erbringt374 • Dem Gläubiger der Gegenleistung räumt Art. 1453 cc das Recht ein, entweder auf Erfüllung oder auf Auflösung des Vertrags zu klagen; daneben kann er in beiden Fällen Schadensersatz verlangen (Art. 1453 Abs. I, 2. Halbs. cc). Ergänzend gewährt Art. 1454 cc die Möglichkeit, die Vertragsauflösung auch ohne Klage zu erreichen, nämlich durch eine schriftliche Fristsetzung mit Auflösungsandrohung, nach deren erfolglosem Ablauf der Vertrag von Rechts wegen aufgelöst ist. 368

Vgl. Greco/Cottino, Art. 1514, Anm. 2 (S. 317), und Art. 1517, Fn. auf

s. 332.

389 Vgl. außer Greco I Cottino (vorige Fn.) Rubino, La compravendita, Nr. 276 (S. 974). 370 Nr. 372 (zitiert nach Rubino, aaO.). m Vgl. Nr. 395 b (S. 624). 372 Cass., 18. 2. 1961, Giust.civ. 1961, I, 1013. 373 Vgl. die Nachweise in Fn. 353, 354, 355. 374 Vgl. dazu jetzt Cattaneo, Art. 1217, Anm. 13 (S. 274 ff.).

3. Kap.: Die Mitwirkung des Gläubigers im gegenseitigen Vertrag

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I. Vertmgsauflösung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung 1. Die Anwendung der Artt. 1453 ff. cc bei Fälligkeit der Gegenleistung

Mit der Vertragsauflösung nach den Artt. 1453 ff. cc wird der Schuldner von seiner Verbindlichkeit befreit; darüber hinaus kann er Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Praktisch treten deshalb die Artt. 1206 ff. cc, die nur zur Schuldbefreiung führen, hinter die Artt. 1453 ff. cc zurück375. Art. 1455 cc steht der Vertragsauflösung nicht entgegen. Auf das isoliert gesehene Ausbleiben der Mitwirkung bezieht sich die Bestimmung ohnehin nicht, weil es schon den Tatbestand der Artt. 1453, 1454 cc nicht ausfüllt376• Bleiben Mitwirkung und Gegenleistung aus, so läßt sich von vornherein nicht von einer geringen Bedeutung der Vertragsverletzung sprechen. In diesem Sinne dürfte sich auch die gelegentliche Äußerung im Schrifttum erklären377, es könne nicht als von geringer Bedeutung im Sinne des Art. 1455 cc angesehen werden, wenn der Gläubiger die erforderliche Mitwirkung unterlasse. Neben der Vertragsauflösung Schadensersatz zu gewähren, für dessen Bemessung die Artt. 1218 ff. cc maßgeblich sind, bereitet dem italienischen Recht ebensowenig Schwierigkeiten wie dem französischen378 • Damit sind zunächst die Fälle ausbleibender Mitwirkung beim Kaufvertrag erfaßt. Zwar enthalten die Artt. 1514 ff. cc Sonderregeln für den Kaufvertrag379 ; wie sich jedoch aus Art. 1517 Abs. 111, 2. Halbs. cc ergibt, wollen sie die Artt. 1453 ff. cc nicht verdrängen, sondern nur ergänzen380• Erfaßt ist weiter der Fall, daß der Besteller beim Werkvertrag nicht erklärt, er sei zur Abnahme bereit, eine Erklärung, von der zwar die Fälligkeit der Werklohnforderung abhängt (Art. 1665 Abs. V cc), deren Abgabe aber fingiert wird, wenn der Besteller das ihm zustehende Prüfungsrecht ohne billigenswerten Grund nicht ausübt oder das Ergebnis der Prüfung nicht mitteilt. 2. Die Artt. 1453 ff. cc und die anfängliche Erfüllungsverweigerung Wenn die nicht erbrachte Gegenleistung noch nicht fällig ist, ist nach dem bisher Ausgeführten Art. 1453 cc nicht anwendbar. Denn die An375 Natoli, Bd IV, S. 142, spricht davon, daß das Schuldbefreiungsverfahren gegenüber den Artt. 1453 ff. cc praktisch nur eine "ultima ratio" sei. 378 Vgl. dazu im vorhergehenden Abschnitt unter II. 377 Bei Mirabelli, Artt. 1453- 1455, Nr. 3 (S. 547), und bei Distaso, I contratti, Bd Il, Nr. 428 (S. 1190). Weitere Erklärungen oder Nachweise werden weder von Mirabelli noch von Distaso gegeben. 378 Vgl. oben bei Fn. 165. 379 Vgl. dazu unten bei Fn. 407 ff. 380 Vgl. Greco I Cottino, Art. 1517, Anm. 1 (S. 335).

124

2. Hauptteil: Rechtsvergleich ung- Italienisches Recht

knüpfung gerade an den Gegenleistungs anspruch setzt dessen Fälligkeit voraus. Nach den dargestellten Grundsätzen läßt sich namentlich der Fall nicht behandeln, daß der Besteller einer Werkleistung bei der Herstellung des Werks nicht mitwirkt und damit den Eintritt der Voraussetzung für die Fiktion des Art. 1665 Abs. III cc vereitelt. Da die herrschende Meinung im französischen Recht an die Verletzung der Mitwirkungspfl icht anknüpft, stellt sich für sie dieses Problem nicht381 . Das italienische Recht kennt jedoch das Institut der anfänglichen Erfüllungsverw eigerung ("dichiarazione di non volere adempiere fatta prima della scadenza del termine") 382. Zwar ist dieser Fall vom Wortlaut der Artt. 1218 ff., 1453 ff. cc nicht erfaßt. Ältere Entscheidungen haben diesem Gläubigerverha lten deshalb keine Bedeutung beigemessen383. Heute läßt sich jedoch eine ständige Rechtsprechung feststellen, die, über Art. 1219 Abs. II Ziff. 2 cc, nach dem eine schriftliche Weigerung des Schuldners nur bewirkt, daß der Gläubiger ihn nicht erst durch Aufforderung ("intimazione") oder gar durch schriftliche Mahnung ("richiesta") in Verzug zu setzen braucht, weit hinausgehend, eine vor Fälligkeit ausgesprochene Erfüllungsverw eigerung der Nichterfüllung gleichstellt und dem vertragstreuen Teil die entsprechenden Rechte, namentlich die Vertragsauflösu ng gemäß Art. 1453 cc, zugesteht384. Die Erfüllungsverw eigerung braucht nicht ausdrücklich zu erfolgen; sie kann dem Verhalten des Schuldners auch gegen seinen im Prozeß geäußerten Willen entnommen werden385. Zweifelhaft ist allein, ob der Schuldner seine Erklärung zurücknehmen kann, indem er die Leistung bis zum Zeitpunkt des Urteils doch noch erbringt. Der Rechtsprechung ist eine klare Stellungnahme zu dieser Frage nicht zu entnehmen, im Schrifttum wird sie überwiegend bejaht386. Wenn die Rechtsprechung zur Erfüllungsverw eigerung auch die Zustimmung der Mehrheit des Schrifttums findet387, so fehlt es doch nicht Vgl. oben bei Fn. 177. Eingehend dazu Distaso, Nr. 97 (S. 247 ff.). 383 App. Bologna, 7. 2. 1924, Rep.Giur.It. 1924, "Obbl.contr.", Nr. 131; App. Bologna, 8. 6. 1931, Rep.Giur.It. 1931, "Obbl.contr.", Nr. 56. Nachweise älterer Entscheidungen bei Distaso, Nr. 97 (S. 248). • 384 Vgl. nur aus den letzten Jahren Cass., 17. 2. 1965, Foro it., Mass. 1965, Nr. 265; Cass., 8. 10. 1963, Giur.it., Mass. 1963, 909 = Giust.civ. 1964, I, 651; Cass., 6. 10. 1962, Giur.it., Mass. 1962, 963; Cass., 19. 2. 1960, Giur.it. 1961, I, 1, 35. Zahlreiche weitere Nachweise bei Muraro, Riv.dir.civ. 1965, II, 140, 141, s8t

382

Fn.l.

385 Vgl. Cass., 17. 2. 1949, Giur.it. 1949, I, 1, 255: Jede Partei eines Kaufvertrags wirft der anderen Vertragsbruch vor. 386 Vgl. nur Distaso, Nr. 97 (S. 248/249). 387 Vgl. Muraro, aaO. (Fn. 384); mit wesentlicher Einschränkung auch Bianca, Art. 1218, Anm. 7 b (S. 15), der Schriftlichkeit der Erfüllungsverwe igerung verlangt.

3. Kap.: Die Mitwirkung des Gläubigers im gegenseitigen Vertrag

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an beachtlichen Gegenstimmen, die teils darauf abheben, vor Fälligkeit werde eben nichts geschuldet388 , teils behaupten, nach Vertragsschluß könne der Schuldner durch eine einseitige Willensäußerung nicht auf den Schuldinhalt einwirken380• Angesichts der gefestigten Rechtsprechung ist jedoch nicht damit zu rechnen, daß das Institut der anfäng~ichen Erfüllungsverweigerung aufgegeben wird. Einzuräumen ist lediglich, daß die theoretische Grundlage des Instituts bislang nicht hinreichend geklärt ist. Stimmen, die seine Basis, ähnlich wie die herrschende Meinung im deutschen Recht300, in der Verletzung einer Vertrauenspflicht sehen wollen301 , haben sich jedenfalls bis jetzt nicht durchsetzen können3D2 • Hat demnach auch das Institut der anfänglichen Erfüllungsverweigerung im italienischen Recht einen festen Platz, so läßt sich doch nicht mit Zuverlässigkeit sagen, ob ein solcher Fall auch dann angenommen wird, wenn der Gläubiger vor Fälligkeit seiner eigenen Leistungspflicht die erforderliche Mitwirkung verweigert und auf diese Weise zu erkennen gibt, daß er den Vertrag nicht durchführen will. Im Schrifttum scheint Muraro dieser Auffassung zuzuneigen303 • Doch ist, soweit ersichtlich, eine Entscheidung in einem solchen Fall nicht ergangen. So, wie sich die "dichiarazione di non volere adempiere" in ihrer praktischen Ausgestaltung darstellt, findet sich aber kein Gesichtspunkt, der dagegen spricht, in der Mitwirkungsverweigerung des Gläubigers eine solche Erklärung zu finden. Daß es dazu einer entsprechenden Auslegung des Gläubigerverhaltens bedarf, kann als Gegenargument nicht ins Feld geführt werden; denn die unverhohlene Erklärung, er wolle den Vertrag nicht halten, wird der Gläubiger ohnehin nur in den seltensten Fällen abgeben. Das italienische Recht bietet also einen Weg, an den Gegenleistungsanspruch auch dann anzuknüpfen, wenn die Gegenleistung noch nicht fällig ist. Nur ist nicht ersichtlich, daß dieser Weg bisher beschritten worden wäre. Auf mögliche Gründe dafür ist bei den Besonderheiten des Kauf- und Werkvertrags einzugehen3D4 •

Vgl. Mirabelli, Foro it. 1954, IV, 29. Vgl. Romano, Riv.dir.civ. 1965, !I, 607. 390 Vgl. dazu näher unten bei Fn. 205 ff. (3. Hauptteil). 391 Muraro, aaO. (Fn. 384), meint, der Gläubiger dürfe in seinem Vertrauen in den Leistungswillen des Schuldners nicht enttäuscht werden. 392 Vgl. Distaso, Nr. 97 (S. 252). 393 Vgl. die Aufzählung von Handlungen, deren Unterlassung auf eine Erfüllungsverweigerung hinauslaufen kann, aaO. (Fn. 384), S. 142 unten. 39' Vgl. unten im 3. Abschnitt. 388 389

126

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Italienisches Recht

II. Der Anspruch des Schuldners auf die vertragliche Gegenleistung 1. Die Zahlungsklage und die Einrede des nicht erfüllten Vertrags

Daß sich der Schuldner von seiner Verbindlichkeit nach den Artt. 1210, 1211 cc durch Hinterlegung befreien und dann die Gegenleistung verlangen kann, bietet keine Probleme. Fraglich ist jedoch, ob er den Anspruch auf die Gegenleistung auch ohne dies geltend machen kann, ohne daß ihm der Gläubiger die Einrede des nicht erfüllten Vertrags entgegenzuhalten vermag. Art. 1460 cc gewährt die Einrede des nicht erfüllten Vertrags für alle gegenseitigen Verträge, weicht jedoch in zwei wichtigen Punkten von der Regelung des deutschen Rechts (§ 320 BGB) ab. Wird die Einrede nämlich mit Erfolg erhoben, so führt das abweichend von § 322 BGB nicht zur Verurteilung zur Leistung Zug um Zug, sondern zur Abweisung der Klage als unbegründet. Teils wird dies aus der prozessualen Erwägung gefolgert, daß eine bedingte Verurteilung als Ausnahmefall nicht über die gesetzlich vorgesehenen Fälle hinaus zulässig sei3 95 , teils wird es mit der materiell-rechtlichen Konstruktion gerechtfertigt, daß die Einrede die Fälligkeit der Gegenleistung bis zur Bewirkung oder wenigstens bis zum Angebot der Leistung hinausschiebe 396 • Diese weitreichende Wirkung der Einrede wird zum Teil dadurch aufgewogen, daß der vertragstreue Teil sie nach Art. 1460 cc leichter entkräften kann als nach § 320 BGB. Während nach herrschender Meinung im deutschen Recht die Einrede nicht einmal mit Eintritt des Gläubigerverzugs verlorengeht 397, kann sie nach Art. 1460 cc schon mit einem Angebot der Leistung entkräftet werden, das nicht den Formvorschriften des Gläubigerverzugs (Artt. 1208 ff. cc) genügen muß 398 • Abweichend von§ 298 BGB kommt der Gläubiger andererseits dann nicht in Verzug, wenn er die Leistung annehmen will, ohne die von ihm geschuldete Gegenleistung zu erbringen 399 • Liegt das Ausbleiben der Mitwirkung also darin, daß der Gläubiger den Leistungsgegenstand nicht annimmt, so kann der Schuldner die Gegenleistung verlangen, wenn er seine Leistung nur anbietet, sofern dem Gläubiger nicht der Nachweis gelingt, daß das Angebot nicht ver395 Vgl. Auletta, S. 310; Realmonte, Enc.dir., Bd XIV (1965), "Eccezione di inadempimento", S. 222, Nr. 9 (S. 236). Teilweise abweichend das ältere Schrifttum, vgl. die Nachweise bei Realmonte, aaO., Fn. 71. 396 Vgl. D'Amelio/Finzi, Art. 1460, Anm. 6 D (S. 850). Vgl. auch Distaso, I contratti, Bd II, Nr. 441 (S. 1231): Der Vertragsteil "non puo ottenere l'adempimento della controprestazione", wenn die Einrede erfolgreich erhoben wird. 397 Zu § 298 BGB vgl. eingehend im 1. Hauptteil bei Fn. 102 ff. 398 Vgl. Mirabelli, Artt. 1460- 1462, Nr. 2 (S. 573); Cattaneo, S. 123, Fn. 18. 399 Vgl. Falzea, S. 158; Cattaneo, S. 121; vgl. auch Segni, Riv.dir.civ. 1966, I, S. 339, 340. A.A. Scuto, S. 88 ff. (zum früheren Recht).

3. Kap.: Die Mitwirkung des Gläubigers im gegenseitigen Vertrag

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tragsgemäß war400 • Das gilt auch für den Fall des Werkvertrags, sofern der Unternehmer das Werk hergestellt hat und die Abnahme von dem Besteller verweigert wird. Denn die "acettazione" des Bestellers, von der die Fälligkeit dt:r Vergütung abhängt (Art. 1665 Abs. V cc), wird nach Art. 1665 Abs. III cc fingiert401 • Daß hiernach dem erfüllungsbereiten und -fähigen Schuldner die Einrede aus Art. 1460 cc nicht mit Erfolg entgegengesetzt werden kann, stimmt damit überein, daß die Vorschrift Ausdruck des Grundsatzes "inademplenti non est adimplendum"ist402 , also gerade nicht den Vertragteil treffen will, der sich vertragstreu verhält und nur durch die andere Seite an der Vertragsdurchführung gehindert wird. Eine Bestätigung findet das Ergebnis schließlich in Art. 1460 Abs. II cc, nach dem die Einrede dann versagt wird, wenn die Leistungsverweigerung bei Berücksichtigung der Umstände gegen Treu und Glauben verstößt, womit nicht nur die etwaige Geringfügigkeit der Nichterfüllung des einen Teils (vgl. Art. 1455 cc), sondern das gesamte Verhalten der Vertragsparteien angesprochen ist403 • 2. Klage auf die noch nicht fällige Gegenleistung?

Ist die Fälligkeit der Gegenleistung durch eine Vorleistungspflicht des Schuldners aufgeschoben, so findet Art. 1460 cc keine Anwendung. Denn die Bestimmung setzt voraus, daß die Forderungen beider Vertragsteile gleichzeitig fällig sind. Hat einer von ihnen vorzuleisten, so fehlt es an einer Grundvoraussetzung des Art. 1460 cc404 • Da für diesen Fall keine besonderen Regeln gelten - eine dem § 322 Abs. II BGB entsprechende Bestimmung kennt das italienische Recht nicht - ist anzunehmen, daß hier der allgemeine Grundsatz Anwendung findet, wonach eine nicht fällige Leistung noch nicht verlangt werden kann; dies um so mehr, als man, wie bereits dargelegt, selbst im Falle des Art. 1460 cc zur Klagabweisung bereit ist. Für den Kaufvertrag findet das eine Bestätigung in Art. 1517 Abs. II cc. Dort sieht das Gesetz die Auflösung des Vertrags vor, wenn der 400 Vgl. dazu Distaso, I contratti, Bd II, Nr. 447 (8. 1242); Natoli, Bd I , S. 73; anders zum früheren Recht Bellini, Riv.cir.civ. 1921, 27, 43. 4o1 Vgl. schon oben nach Fn. 380. 402 Vgl. Distaso, I contratti, Bd II, Nr. 445 (S. 1236 ff.); Mirabelli, Artt. 1460- i462, Nr. 2 (S. 571). 403 Vgl. Realmonte, aaO. (Fn. 395), Nr. 7 (S. 230 ff.); Mirabelli, Artt. 14601462, Nr. 2 (S. 572); eingehend Distaso, I contratti, Bd II, Nr. 448 (S. 1243 ff.). 4°4 Das folgt schon aus dem Wortlaut des Art. 1460 Abs. I cc ("salvo ehe termini diversi per l'adempimento ... "). Eine Ausnahme wird für den Fall gemacht, daß für die Gegenleistung zwar ein späterer Fälligkeitstermin vereinbart, dieser aber im Zeitpunkt des Leistungsbegehrens bereits eingetreten ist. Vgl. Mirabelli, Artt. 1460- 1462, Nr. 2 (S. 571). Unklar Distaso, I contratti, Bd Il, Nr. 441 (S. 1230).

128

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Italienisches Recht

Käufer die ihm vor Fälligkeit des Preises angebotene Sache nicht annimmt405 ; von einer Durchsetzung des Zahlungsanspruchs ist keine Rede. Daß der Anspruch auf die Gegenleistung nicht durchgesetzt werden kann, gilt namentlich für den Werkvertrag, wenn schon die Herstellung des Werks am Verhalten des Bestellers scheitert; denn für die Fiktion des Art. 1665 Abs. III cc ist in diesem Fall kein Raum. Dieser Fall wird, soweit ersichtlich, weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung behandelt406. 3. Zahlungsanspruch und ergänzender Schadensersatz Art. 1453 Abs. I, 2. Halbs. cc stellt klar, daß auch bei Durchsetzung des Gegenleistungsanspruchs Schadensersatz verlangt werden kann. Praktisch bedeutet das hier, daß der Schuldner, der nicht nach Artt. 1206 ff. cc vorgehen will, nicht auf den in Art. 1207 Abs. II cc vorgesehenen Ersatz zu verzichten braucht. 3. Abschnitt

Besonderheiten bei Kauf- und Werkvertrag I. Die Vertragsauflösung nach Art. 1517 cc Art. 1517 cc regelt zwei Fälle407 • Abs. I der Bestimmung setzt voraus, daß eine Partei des Kaufvertrags ihre Hauptverbindlichkeit nicht erfüllt, die gleichzeitig mit der Verpflichtung der anderen Partei fällig wird, und daß diese andere Partei die von ihr geschuldete Leistung schon vor der Fälligkeit angeboten hat, um so ihre Erfüllungsbereitschaft zu beweisen. Kommt diese Vorschrift Käufer wie Verkäufer zugute, so kann sich auf Abs. II nur der Verkäufer berufen. Die Bestimmung verlangt, daß der Käufer die ihm zum vereinbarten Zeitpunkt angebotene Sache nicht annimmt, die Verpflichtung zur Zahlung des Preises aber noch nicht fällig ist. In beiden Fällen tritt die Vertragsauflösung von Rechts wegen ein, sofern sich die begünstigte Partei gegenüber der anderen innerhalb von acht Tagen darauf beruft (Art. 1517 Abs. III cc); der von Art. 1454 cc vorgesehenen Fristsetzung mit Auflösungsandrohung bedarf es also nicht. Vgl. näher im folgenden Abschnitt. Weder in der Literatur zu Artt. 1453 ff. cc noch in dem speziellen Schrifttum zum Werkvertrag. Riezler, RabelsZ 17 (1952), 522 ff. beschränkt sich auf den vieldeutigen Hinweis, daß in den romanischen Rechten "bei Unterlassung der gebotenen Mitwirkung des Bestellers die allgemeinen Regeln über Nichterfüllung von Verträgen und den Annahmeverzug" zur Anwendung kommen. ' 07 Vgl. zum Folgenden Greco/Cottino, Erl. zu Art. 1517 (S. 331 ff.); Rubino, La compravendita, Nr. 276 (S. 972 ff.). 405

406

3. Kap.: Die Mitwirkung des Gläubigers im gegenseitigen Vertrag

129

Art. 1517 cc muß im größeren Zusammenhang der anderen Behelfe des Verkäufers gesehen werden; das Gesetz kommt ihm nämlich nicht nur bei der Auflösung des Vertrags, sondern auch in anderen Beziehungen entgegen. Erscheint der Käufer nicht, um die Sache entgegenzunehmen, so kann sie der Verkäufer ohne weiteres hinterlegen (Art. 1514 cc); er braucht nicht nach den Artt. 1208 ff. cc vorzugehen. Entzieht sich der Käufer der Zahlungspflicht, so kann der Verkäufer die Sache für dessen Rechnung verkaufen lassen (Art. 1515 cc). Nimmt der Käufer die Sache nicht an, so hat der Verkäufer die Wahl, ob er nach Art. 1514 cc oder nach Art. 1517 cc vorgehen will. Beide Bestimmungen ergänzen die Artt. 1206 ff. cc. Aus der scharfen Sanktion des Art. 1517 Abs. II cc könnte man schließen, daß der Käufer entgegen denm oben Ausgeführten 408 Träger einer gerade aus dem Kaufvertrag erwachsenden Annahmepflicht ist. Der Wortlaut der Bestimmung und der Zusammenhang mit Art. 1517 Abs. I cc führen jedoch zu einer anderen Deutung. Aus dem Erfordernis des Abs. II, daß der Kaufpreis noch nicht fällig ist, folgt, daß der Gesetzgeber der Annahme der Kaufsache keine selbständige Bedeutung beimißt. Nach Fälligkeit soll der Verkäufer nämlich nach Abs. I wegen Nichtzahlung des Kaufpreises vorgehen. Danach bedeutet Abs. II nur eine zeitliche Vorverlegung der Vertragsauflösung: Der Verkäufer braucht nicht bis zur Fälligkeit des Preises zu warten, sondern kann sich gleich auf Vertragsauflösung berufen, eben weil zu erwarten steht, daß der Käufer, der die Sache nicht annimmt, sie auch nicht bezahlen wird. Damit stimmt überein, daß weder Abs. I noch Abs. II des Art. 1517 cc zur Anwendung kommt, wenn der Verkäufer zwar ausnahmsweise den Preis bezahlt, aber die Annahme verweigert; er bleibt in diesem Fall auf die Behelfe der Artt. 1206 ff., 1214 cc beschränkt409. Nicht auf eine Annahmepflicht des Käufers läßt Art. 1517 cc deshalb schließen, sondern im Gegenteil darauf, daß die Lösung in den Behelfen wegen Verletzung der Zahlungspflicht zu suchen ist. Will man das Konzept der anfänglichen Erfüllungsverweigerung auf diesen Fall übertragen, so läßt sich sagen, daß in der Verweigerung der Annahme eine vor Fälligkeit des Preises ausgesprochene Weigerung gefunden wird, diesen zu bezahlen. II. Vertragsauflösung und Entschädigung beim Werkvertrag

Eine einschlägige gesetzliche Bestimmung ist lediglich in Art. 2237 cc enthalten. Danach kann der Unternehmer bei Vorliegen eines billigenswerten Grundes ("per giusta causa") vom Vertrag zurücktreten. Im •os 40 9

Vgl. oben bei Fn. 350 ff. Vgl. oben bei Fn. 366 ff.

9 Hüffer

130

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Italienisches Recht

Rücktrittsfall hat er Anspruch auf Erstattung der ihm erwachsenen Kosten und auf eine Vergütung für die von ihm entfaltete Tätigkeit, bei deren Festsetzung der Nutzen zu berücksichtigen ist, den der Auftraggeber daraus gezogen hat. Im Schrifttum ist ausdrücklich anerkannt, daß eine "giusta causa" für den Rücktritt gegeben ist, wenn das notwendige Vertrauensverhältnis unter den Parteien gestört wird, und zwar auch auf der Seite des Unternehmers, wenn er in der Erfüllung seiner Leistungspflicht behindert wird 410 • Zu beachten ist jedoch, daß es sich bei Art. 2237 cc um eine Vorschrift mit engem Anwendungsbereich handelt. Sie betrifft nur die selbständige Arbeit im Sinne des Art. 2222 cc und setzt weiter voraus, daß diese Arbeit in der Erbringung einer geistigen Leistung besteht (Art. 2230 cc). Gemeint sind vor allem Verträge mit Rechtsanwälten, Ärzten, Architekten, Ingenieuren und vergleichbaren freiberuflich Tätigen 411 • Daß eine entsprechende Anwendung des Art. 2237 cc auf andere Verträge auch nur erwogen worden wäre, ist nicht ersichtlich412 • Da der Unternehmer auc.~ nicht nach den Artt. 1453 ff. cc vorgehen kann, wenn der Besteller schon das Entstehen einer fälligen Werklohnforderung verhindert, indem er erforderliche Mitwirkungshandlungen nicht vornimmt413 , bleibt zu fragen, wie dem Unternehmer in diesen Fällen geholfen werden kann, zumal die anfängliche Erfüllungsverweigerung hier offenbar keine Rolle spielt 414 • In der Praxis wird die Lösung nicht in einem Recht des Schuldners, sondern in der Reflexwirkung eines Rechts des Gläubigers, also des Bestellers der Werkleistung, gefunden, den Vertrag aufzulösen415 • Fälle dieser Art sind enthalten in Art. 1671 cc (Auflösungsrecht des Werkbestellers), in Art. 1685 cc (Auflösungsrecht des Absenders bei Güterbeförderung), in Artt. 1723, 1725 cc (Widerrufsrecht des Auftraggebers), in Art. 1738 cc (Widerrufsrecht des Absenders beim Speditionsvertrag), in Art. 2227 cc (Auflösungsrecht des Bestellers beim "contratto d'opera"), in Art. 2237 cc (Auflösungsrecht des Bestellers beim Vertrag über eine geistige Leistung), ferner in Art. 345 c. nav. (Auflösungsrecht des Reeders beim Heuervertrag), in Art. 432 c. nav. (Auflösungsrecht des Verfrachters bei Seefracht), schließlich in Art. 916 c. nav. (Auflösungsrecht des Luftreeders beim Arbeitsvertrag). 410 411 412 413 414

415

Vgl. Riva-Sanseverino, Art. 2237, Anm. 3 (S. 246). Vgl. Riva-Sanseverino, Art. 2229, Anm. 4 (S. 196). Vgl. Riva-Sanseverino, Art. 2227, Anm. 2 (S. 188). Vgl. oben bei Fn. 381 und 406. Vgl. oben nach Fn. 392. Vgl. Natoli, Bd IV, S. 142, der diese Lösung allerdings für verfehlt hält.

3. Kap.: Die Mitwirkung des Gläubigers im gegenseitigen Vertrag

131

Mit dem Auflösungsrecht des Gläubigers ist ein Gegenrecht des Schuldners notwendig verbunden, teils in Form eines Entschädigungsanspruchs, teils in Form eines Anspruchs auf partielle Vergütung, dessen Zweck es ist, den Schuldner nicht die nachteiligen Folgen des Gläubigerverhaltens tragen zu lassen. Auch diese Vorschriften bieten dem Schuldner also eine Möglichkeit, gegen den Gläubiger vorzugehen. Einigkeit besteht darin, daß die Erklärung des Gläubigers nicht formgebunden ist, also auch in einem schlüssigen Verhalten gefunden werden kann 416 • Ob die Weigerung, die erforderlichen Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, ein derartiges schlüssiges Verhalten ist, läßt sich allerdings nicht pauschal entscheiden. Erforderlich ist jedenfalls, daß das Verhalten des Gläubigers eindeutig ist, d. h., daß es den unbedingten Schluß auf seinen Willen zuläßt, den Vertrag aufzulösen417 • Wie das Verhalten des Gläubigers auszulegen ist, ist also Tatfrage. Kann es aber nur dahin aufgefaßt werden, daß er den ganzen Vertrag nicht mehr bestehen lassen will, so gelangt der Schuldner auch auf diese Weise nicht nur zur Vertragsauflösung, sondern auch zu einem Entschädigungs- oder Teilvergütungsanspruch.

416

Vgl. Mirabelli, Artt. 1671- 1675, Nr. 2 (S. 454, Fn. 5); Giannastasio, Nr.

175 (S. 285, Fn. 42). 417

g•

Zutreffend Giannastasio, Nr. 175 (S. 285).

4. Kapitel

Die "cooperazione" des Gläubigers und der Rückgriff auf Art. 1453 cc Die Regelung, die der Gläubigerverzug in den Artt. 1206 ff. cc gefunden hat, insbesondere die Hervorhebung, daß der Gläubiger auch in Verzug kommt, wenn er "non compie quanto e necessario affinehe il debitore possa adempiere l'obbligazione" (Art. 1206, 2. Alt. cc), und die in Art. 1207 Abs. II cc vorgesehene Schadensersatzpflicht, haben dazu geführt, daß die Frage einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers allgemein und nicht nur für Kauf- und Werkverträge behandelt wird. Diese Frage ist im italienischen Schrifttum noch nicht ausdiskutiert. Die Annahme eines bloßen Rechts des Gläubigers kann ebenso als überwunden gelten wie die Annahme einer auf Mitwirkung gerichteten Hauptpflicht. Doch hat sich bisher weder die Bejahung einer Last noch die einer auf Mitwirkung gerichteten Nebenpflicht durchsetzen können. Bezieht man jedoch die Rechtsprechung in die Betrachtung ein, so muß man feststellen, daß die von Falzea entwickelte Theorie auf die italienische Praxis im Ergebnis ebenso wenig gewirkt hat wie die von Demogue begründete "obligation de cooperation" auf die französische Jurisprudenz 418 • In Frankreich wie in Italien knüpft man an die Schuldnerstellung an, die sich aus der Gegenleistungspflicht ergibt (Artt. 1184 C. civ., 1453 cc). Im italienischen Recht wird das deutlicher als im französischen, weil die Praxis darauf verzichtet, eine Mitwirkungspflicht des Käufers oder des Werkbestellers anzunehmen. Daß man nicht versucht, für die Lösung eine Pflicht heranzuziehen, die dem Gläubiger gerade in dieser Eigenschaft obliegt, stimmt mit der geringen praktischen Bedeutung überein, die Art. 1175 cc und das Prinzip der "buona fede" erlangt haben. Das hängt mit der Verwendung von umfassenden Haftungstatbeständen zusammen. Auch insoweit auf der französischen Tradition beruhend, erfaßt Art. 2043 cc die deliktische Haftung nämlich mit einer Generalklausel, die die Fälle der Verletzung einer Schutz- und Obhutspflicht durchaus aufzunehmen vermag419. Auch im Bereich der Vertragshaftung arbeitet das italienische Recht mit einem umfassenden Begriff, nämlich dem der Nichterfüllung 4ts

419

Vgl. oben bei Fn. 112 ff., 208 ff. Vgl. de Cupis, Art. 2043, Nr. 4 (S. 287).

4. Kap.: Die "cooperazione" des Gläubigers und Art. 1453 cc

133

("inadempimento", vgl. Artt. 1218 ff., 1453 ff. cc). Eine positive Vertragsverletzung als Rechtsinstitut ist dem italienischen Recht daher fremd, folglich auch das Interesse gering, die Lehre von den Vertrauenspflichten als dem theoretischen Fundament dieses Instituts auszubilden. Solche Bestrebungen laufen nur darauf hinaus, die Vertragshaftung zu Lasten der deliktischen Haftung auszuweiten420 • Die Untersuchung des italienischen Rechts lehrt schließlich, daß die durch das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers entstehenden praktischen Fragen sich auch dann nicht mit den Regeln des Gläubigerverzugs lösen lassen, wenn man eine Schadensersatzpflicht des Gläubigers einführt (Art. 1207 Abs. li cc). Denn diese Neuerung im Codice civile von 1942 hat keine Resonanz in der Praxis gefunden. Den Schuldner nur wegen der Fortdauer der Verbindlichkeit zu entschädigen, reicht nicht aus; erforderlich ist es offenbar, auf die Vorschriften über die Nichterfüllung von Verträgen zurückzugreifen.

no Zur Abgrenzungsproblematik allgemein Miccio, Art. 2043, Nr. 3 (S. 788 ff.).

3. Teil

Englisches Recht 1. KapiteL

Das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers im Rahmen des englischen Vertragsrechts 1. Abschnitt Die Mitwirkung des Gläubigers und die Figur des "tender" Das deutsche und das italienische Recht (§§ 293 ff. BGB, Artt. 1206 ff. cc) kennen den Gläubigerverzug als Inbegriff von Regeln, die den Gläubiger gerade in dieser Eigenschaft ansprechen und sich dadurch von den Vorschriften über die Nichterfüllung von Verpflichtungen unterscheiden. Einen Gläubigerverzug in diesem Sinne kennt das englische Recht weder der Sache noch dem Begriff nach. Anders als im französischen Schrifttum421 , wird in der englischen Rechtsliteratur auch nicht versucht, Regeln über den Verzug des Gläubigers zu entwickeln. Auch ist nicht ersichtlich, daß man im englischen Recht solche Regeln überhaupt vermißt. Ansätze zu einem Gläubigerverzug im Verständnis der kontinentalen Rechte finden sich lediglich in der Figur des "tender". Dabei handelt es sich um die Offerte der geschuldeten Leistung unter strikter Beachtung der vereinbarten Leistungsmodalitäten422 • "Tender" spielt hauptsächlich bei Geldschulden eine Rolle423 und hat nur hier eine selbständige Bedeutung gegenüber den Regeln, die sich auf die Vertragsverletzung beziehen. Es ist als Verteidigungsmittel gegenüber der Zahlungsklage konzipiert ("plea of tender") und nur dann beachtlich, wenn zu dem "tender" ein "payment into court", also eine Art Hinterlegung, hinzutritt424 • Diese Rechtsfigur ist für das AusVgl. oben bei Fn. 65 ff. Vgl. Anson I Guest, S. 438/439; Chitty, Bd I, Nr. 1083 f .; Halsbury, Bd 8, "Contract", Nr. 289 (S. 169). Vgl. auch Müller, Rvgl. HWB, Bd 6 (1938), Art. Schuldverhältnis, S. 311. 423 Vgl. Chitty, Bd I, Nr. 1083. 421

422

1. Kap. : Die Mitwirkung des Gl. im Rahmen des engl. Vertragsrechts

135

bleiben von Mitwirkungshandlungen des Gläubigers ohne wesentliche Bedeutung. In seinen Wirkungen entspricht das "tender" etwa dem Hinterlegungsverfahren der Artt. 1257 ff. C. civ., mißt also der im Unterbleiben der Annahme zum Ausdruck kommenden fehlenden Bereitschaft zur Mitwirkung keine selbständige Bedeutung bei425 • Neben diesem "tender of payment" kennt das englische Recht allerdings auch ein "tender of acts" 426 • "Act" bedeutet in diesem Zusammenhang nicht nur ein Tun im Sinne der obligationes faciendi, sondern z. B. auch die Lieferung der Kaufsache427 • So wird dem "tender of payment" auch ein "tender of goods" gegenüber gestellt428 • Die mit dieser Form des "tender" verbundenen Rechtsfolgen werden jedoch den Regeln über die Vertragsverletzung entnommen429 • Die Zurückweisung des Angebots durch den Gläubiger ist erst unter dem Gesichtspunkt der "repudiation" von Interesse430 • "Tender of acts" oder "tender of goods" bewirkt also keinen Gläubigerverzug im Sinne der kontinentalen Rechtsordnungen. 2. Abschnitt "Co-operation", "prevention" und "implied term" Daß im englischen Recht der Gläubigerverzug als Rechtsinstitut fehlt, bedeutet nicht, daß das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers im englischen Recht keine Rolle spielt. Die Mitwirkung des einen Vertragsteils bei der Erfüllung durch den anderen ist nicht nur der Sache, sondern auch dem Begriff nach geläufig: Man spricht von "Co-operation" bei der Vertragserfüllung431 • 424 Kinnaird v. Trollope (1889), 42 Ch.D. 610. Vgl. Anson I Guest, S. 438 bei Fn. 4; Chitty, Bd I, Nr. 1084; Halsbury, Bd 8, "Contract", Nr. 289 (S. 169). 425 Vgl. dazu oben bei Fn. 16. 428 Ausdruck von Anson I Guest, S. 438. 427 Startup v. Macdonald (1843), 6 M. & G. 593, 610, 64 R.R. 810; Isherwood v. Whitmoore (1843), 11 M. & W. 347, 63 R.R. 624. Vgl. Anson I Guest, S. 438; Chitty, Bd I, Nr. 1084; Halsbury, Bd 8, "Contract", Nr. 289 (S. 169). 428 Nämlich von Cheshire I Fifoot, S. 465. 429 So wurde in dem "leading case" Startup v. Macdonald (Fn. 427) Schadensersatz wegen Nichterfüllung zugesprochen. 430 Zu allgemein formulieren Anson I Guest, S. 438: "the promisor may treat this refusal as a repudiation of the contract". Zutreffend Halsbury, Bd 8, "Contract", Nr. 289, Fn. t (S. 169): "A refusal to accept performance may be made in such a manner as to amount to a renunciation of the contract so as to entitle the promisor to treat the contract as at an end." 431 Vgl. z. B. Luxor (Eastbourne), Ltd. v. Cooper, (1941) A.C. 108, 118 per Viscount Sirnon L.C.; Samuels v. Davis, (1943) 1 K.B. 526 (C.A.), 527 per Scott L.J., 530 per DuParcq L.J.; A.V. Pounds & Co., Ltd. v. M.W. Hardy & Co. Inc., (1956) A.C. 588. 608 per Viscount Simonds.

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

"Contractual co-operation and the implied term" -diesen Titel hat Burrows seiner dem Mitwirkungsproblem gewidmeten Abhandlung gegeben 432 • Eine Untersuchung von Stoljar trägt die Überschrift: "Prevention and co-operation in the law of contract433 ." Mit den Begriffen "implied term" und "prevention" sind die Gesichtspunkte bezeichnet, unter denen im englischen Schrifttum das Mitwirkungsproblem gesehen wird, soweit es Interesse gefunden hat434 • I. "Prevention" und "Co-operation" Die "prevention" gehört in den Bereich des "estoppel" 435 • Wer sich auf "prevention" beruft, macht geltend, daß das Verhalten des anderen Vertragsteils Grund dafür ist, daß ein in seinen Verantwortungsbereich fallendes Ereignis nicht eingetreten ist436 • Die Behauptung einer "prevention" durch den anderen Vertragsteil kann ganz verschiedenen Zwecken dienen. Sie wird einmal gebraucht, um die Nichterfüllung der eigenen Leistungspflicht zu entschuldigen 437 • Mit dem Vorwurf der "prevention" kann sich aber auch die Behauptung verbinden, die eigene Leistung erbracht zu haben. Das durch den Gegner verhinderte Ereignis ist dann nicht die geschuldete Erfüllung, sondern der Eintritt einer zusätzlichen Voraussetzung, von der die Gegenleistung abhängig gemacht wurde. In diesem Fall wird also die "prevention" nicht als Verteidigungs-, sondern als Angriffsmittel gebraucht. Nur um diese Verwendung der "prevention" geht es im folgenden. Ein Beispiel für eine "prevention" in diesem Sinne bietet der Fall, daß der Käufer einer Maschine zunächst das Eigentum an ihr erwirbt, dann aber nicht die vereinbarte Prüfung ihrer Leistungsfähigkeit vornimmt und sich so seiner Zahlungspflicht entziehen will, weil eine bestimmte Leistung der Maschine bei einer Probearbeit als Voraussetzung der Zahlung vereinbart war438 ; oder der Fall, daß jemand Bau432 433

31 Mod.L.Rev. 390 (1968). 31 Can.B.Rev. 231 (1953).

4 3 4 Vgl. zutreffend Stoljar, aaO. (Fn. 433), S. 233: "the principle of cooperation has received little attention." Aus dem amerikanischen Schrifttum ist zu erwähnen: Patterson, 42 Colum.L.Rev. 903 (1942), bes. S. 928 ff. Im amerikanischen Recht wird der Ausdruck "constructive condition" der "implied condition" des englischen Rechts vorgezogen. Vgl. dazu Patterson, aaO., S. 929. 435 Vgl. Stoljar, aaO. (Fn. 433), S. 233, aber auch die skeptische Bemerkung in Colley v. Overseas Exporters (1919) Ltd. (1921), 126 L.T.R. 58, 61 per McCardie J. 438 Vgl. Stroud, Bd 3, S. 2286. 437 Vgl. z. B. Cort v. Ambergate Railway Co. (1851), 17 Q.B. 127. 438 So der Sachverhalt des "leading case" Mackay v. Dick (1881), 6 App.Cas.

251.

1. Kap.: Die Mitwirkung des Gl. im Rahmen des engl. Vertragsrechts

137

arbeiten vergibt, die Zahlung des Werklohns von dem Gutachten eines Architekten über die ordnungsgemäße Ausführung abhängig macht und schließlich die Erstellung dieses Gutachtens hintertreibt439 • Der Zusammenhang zwischen diesen Fällen der "prevention" und der "co-operation" wird hergestellt, indem man die "duty not to prevent" als unterste Stufe einer "general duty to co-operate" auffaßt440 , also das Unterlassen obstruierenden Verhaltens mit der aktiven Vornahme von Mitwirkungshandlungen zusammenstellt. II. "Co-operation" und "implied term" "The courts are most ready to imply a condition that each party undertakes to do all that is necessary to secure performance of the contract", heißt es bei Anson I Guest 441 • Für Burrows dienen die Fälle ausbleibender Mitwirkung des Gläubigers einer Untersuchung der Kriterien "by which the courts imply terms in contracts" 442 • Die "implication" ist das Mittel, durch das eine Pflicht des Gläubigers zur Mitwirkung begründet werden kann. Die "implication" einer "term" 443 hat die Aufgabe, die von den Parteien getroffene Vereinbarung auszulegen oder zu ergänzen. Eine klare Trennung zwischen der Vertragsauslegung und der Vertragsergänzung ist nicht möglich 444 • Zwar geht es in manchen Fällen nur darum, das von den Parteien bei redlicher Gesinnung offenbar Gewollte zur Geltung zu bringen. In anderen Fällen wird die "implication" jedoch nicht nur mit dem Parteiwillen, sondern auch mit objektiven Gesichtspunkten gerechtfertigt. Ganz aufgegeben ist der Par439 Dies sind die sogenannten ,.building cases", vgl. z. B. Batterbury v. Vyse (1863), 2 H. & C. 42, 8 L.T.R. 283. Vgl. zu dieser Fallgruppe Stoljar, aaO. (Fn. 433), S. 237 ff. 440 Vgl. Stoljar, aaO. (Fn. 433), S. 232. 441 S. 491. Ähnlich Chitty, Bd I, Nr. 666. 442 Vgl. 31 Mod.L.Rev. 390 (1968). 443 Der Begriff ,.term" wird hier seiner Neutralität halber dem des ,.promise" oder der "condition" vorgezogen. Während im amerikanischen Recht scharf zwischen "promise" und ,.condition" unterschieden wird (vgl. Corbin, § 627 (Bd 3 A, S. 12); Williston I Jaeger, § 665 (Bd 5, S. 132); Corbin, 28 Yale L .J. 739 (1919); Patterson, 42 Colum. L.Rev. 903 (1942); Montrose, 23 Mod.L.Rev. 434 (1960)), läßt sich im englischen Recht kein einheitlicher Sprachgebrauch feststellen (vgl. nur Montrose, aaO.). Im amerikanischen Recht verhindert der Ausfall einer ,.condition" den Rechtserwerb oder er bewirkt einen Rechtsverlust; eine ,.liability" wird jedoch nur durch den Bruch eines ,.promise" begründet (am schärfsten formuliert von Williston I Jaeger, aaO.). Im englischen Recht kann ,.condition" dagegen sowohl die Bedingung wie auch jene Art des ,.promise" bezeichnen, dessen Bruch der Vertragstreue Teil als ,.repudiation" auffassen darf. 444 Vgl. auch die Zusammenstellung von Fallgruppen durch Lüderitz, S.

386-390.

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

teiwille als Ausgangspunkt, wenn die "implication", wie in sect. 12-15 S.G.A. 445 , durch Gesetz erfolgt. Die unterschiedliche Funktion der "implication" kommt in den zwei unterschiedlichen "tests" zum Ausdruck, die sich für die Beurteilung der "implied terms" durchgesetzt haben. Entweder wird nämlich darauf abgestellt, daß die Vertragsparteien die Einfügung der "term" so notwendig beabsichtigt haben müssen, daß sie einem die Vertragsbestimmung anregenden "officious bystander" mit einem "Ja, natürlich" geantwortet hätten446, oder es wird für erforderlich gehalten, daß die Klausel "necessary for business efficacy" ist447 • Ersichtlich sind also für die "implication" einmal subjektive, das andere Mal objektive Gründe maßgeblich. Ein Teil des Schrifttums unterscheidet zwischen einer ,.implication by fact" und einer "implication by law" 44 B. Mit dieser Unterscheidung wird darauf abgehoben, auf welcher Grundlage eine im Wortlaut des Vertrags nicht enthaltene Bestimmung in ihn hinein gelesen wird. Erfolgt dies "by fact", so beruht der Vorgang auf dem vermuteten Willen der Parteien. Die Rechtsprechung zum vertraglichen "quantum meruit" und "quantum valebant" bietet dafür anschauliche Beispiele449 • Eine "implication by law" ist dagegen dadurch gekennzeichnet, daß es auf den Willen der Vertragsparteien nicht ankommt; sie erfolgt vielmehr von Rechts wegen. Diese offenbar von den der "implication" zugrunde gelegten verschiedenen Kriterien beeinflußte Ansicht mag zwar einem theoretischen Bedürfnis dienen. Mit der Praxis der Gerichte stimmt sie jedoch nicht überein450 , weil die Gerichte subjektive und objektive Gesichtspunkte nebeneinander berücksichtigen. So ist schon der "leading case" zu den "implied terms" 451 dadurch gekennzeichnet, daß das Gericht von "covenant in law" spricht, obwohl es gerade auf den vermuteten Parteiwillen abstellt, ferner dadurch, daß neben diesem subjektiven GesichtsVgl. z. B. sect. 12 S.G.A.: Implied undertaking as to title. Vgl. Hamlyn & Co. v. Wood & Co., (1891) 2 Q.B. 488, 491 per Lord Esher; Reigate v. Union Manufacturing Co. (Ramsbottom) Ltd., (1918) 1 K.B. 592, 605 per Scrutton L.J.; Shirlaw v . Southern Foundries Ltd., (1939) 2 K .B. 206 (C.A.), 227 per MacKinnon L .J. m Vgl. The Moorcock (1889), 14 P.D. 64, 68 per Bowen L.J.; Mona Oil Equipment Co. v. Rhodesia Railways Ltd., (1949) 2 All E.R. 1014, 1018 per Devlin J. 448 Vgl. dazu namentlich Treitel, S. 161 ff. 449 Vgl. unten bei Fn. 520. 450 Mit Ausnahme von Treitel (vgl. Fn. 448) bringen auch die Verfasser der Lehr- und Handbücher diese Unterscheidung nicht, vgl. Anson I Guest, S. 128 ff.; Cheshire I Fifoot, S. 129 ff.; Chitty, Bd I, Nr. 661 ff. 451 The Moorcock (1889), 14 P .D. 64. 445

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1. Kap.: Die Mitwirkung des Gl. im Rahmen des eng!. Vertragsrechts

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punkt auch die objektiven Gegebenheiten des Falles berücksichtigt werden. In den Entscheidungsgründen heißt es dazu: "Now, an implied warranty, or, as it is called, a covenant in law, as distinguished from an express contract or express warranty, really is in all cases founded on the presumed intention of the parties, and upon reason. The implication which the law draws from what must obviously have been the intention of the parties, the law draws with the object of giving efficacy to the transaction and preventing such a failure of consideration as cannot have been within the contemplation of either side; and I believe that if one were to take all the cases, and there are many, of implied warranties or covenants in law, it will be found that in all of them the law is raising an implication from the presumed intention of the parties with the object of giving to the transaction such efficacy as both parties must have intended that at allsuch events it should have452." Wenn auch für die "implication" nicht nur auf den Parteiwillen, sondern auch auf objektive Umstände abgestellt wird, steht doch fest, daß es sich hier nicht um die Bildung genereller Rechtssätze handelt. Bei der "implication" wird vielmehr auf den einzelnen Vertrag und die ihn begleitenden Umstände abgestellt. Da die Mitwirkung des Gläubigers Gegenstand einer "implied term" ist, bedeutet das, daß es einen Rechtssatz, nach dem der Gläubiger stets zur Mitwirkung verpflichtet wäre, nicht gibt. Die prinzipiell auf den einzelnen Vertrag zugeschnittene "implied term" kann sich freilich durch stetige Wiederholung der "implication" zu einer generellen "legal duty" verdichten453. Daß diese Tendenz zumindest für den Bereich der "prevention" besteht, kommt in den Worten von Lord Atkin zum Ausdruck454: "Personally I should not so much base the law on an implied term, as on a positive rule of the law of contract that conduct of either promisor or pormisee which can be said to amount to hirnself "of his motion" bringing about the impossibility of performance is in itself a breach." 3. Abschnitt

Das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers als Anwendungsfall der allgemeinen Regeln über die Vertragsverletzung Nimmt der Gläubiger die ihm durch eine "implied term" gebotene Mitwirkung nicht vor oder verstößt er gegen das Gebot, eine "prevention" zu unterlassen, so ist dieses Verhalten nicht Gegenstand besonderer Regeln. Wie schon im französischen und im italienischen Recht, S. 68 per Bowen L.J. Vgl. auch die von Lüderitz, S. 387/388 (Fn. 14 ff.), genannten Fälle. m Vgl. Southern Foundries (1926) Ltd. v. Shirlaw, (1940) A.C. 701, 717.

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453

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

ist die Antwort auf die durch das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers aufgeworfenen Fragen vielmehr den allgemeinen Grundsätzen über die Behandlung der Vertragsverletzung zu entnehmen. Im englischen Recht fehlt also nicht nur das Institut des Gläubigerverzugs455. Es gibt auch keinen Anspruch des Schuldners gegen den Gläubiger auf Vornahme der jeweils erforderlichen Mitwirkungshandlung, wie ihn das deutsche Recht in den §§ 433 Abs. II, 640 BGB kennt. Man wird darin auch eine Wirkung der, abgesehen von der Klage auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme, gegenüber jeder Verurteilung zu einer "specific performance" zurückhaltenden englischen Einstellung 456 sehen müssen. Daß der Schuldner den Gläubiger nicht auf Vornahme von Mitwirkungshandlungen verklagen kann, gilt ausnahmslos. Es gilt namentlich auch für den Spezifikationskauf, für den das englische Recht keine besonderen Regeln entwickelt hat; mangels endgültiger Bestimmung der Ware ist er notwendig ein "agreement to sell" anstelle eines "contract for sale" 457, und die Weigerung zu spezifizieren kann ebenso wie die Weigerung, die Ware abzunehmen, nur die allgemeinen Folgen der Nichterfüllung auslösen458. Eine positive Aussage über die rechtliche Behandlung der Gläubigermitwirkung wird nur durch die Untersuchung der vom Zahlungsanspruch bis zum quasikontraktliehen Ausgleichsanspruch reichenden "remedies" möglich, die dem vertragstreuen Teil wegen "breach of contract" zuerkannt werden können, wenn die andere Seite die erforderliche Mitwirkung unterläßt oder eine "prevention" begeht.

Vgl. dazu oben bei Fn. 422 ff. Vgl. die Ausführungen zur "action for agreed sum", unten bei Fn. 577 ff. m Vgl. Benjamin, S. 322 ff. 458 Vgl. Cort v. Ambergate Railway Co. (1851), 17 Q.B. 127; Rabel, Bd li, § 73 II (S. 95). 455

456

2. Kapitel

Der Schadensersatzanspruch des Schuldners bei Beendigung der Verhindlichkeit 1. Abschnitt

Die Gewährung des Schadensersatzanspruchs in Rechtsprechung und Schrifttum Der Anspruch auf Schadensersatz ist die praktisch wichtigste "remedy", die dem vertragstreuen Teil bei Verletzung durch den anderen zusteht459 • Ist die Vertragsverletzung von erheblicher im Gegensatz zu geringfügiger Bedeutung460 , so darf der vertragstreue Teil von der Durchführung des Vertrags Abstand nehmen461 und Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Diese Möglichkeit steht dem Schuldner im englischen Recht offen, wenn der Gläubiger erforderliche Mitwirkungshandlungennicht vornimmt. I. Die Rechtsprechung

Unter den Entscheidungen heben sich drei charakteristische Gruppen von den sonstigen Fällen ab: die "Makler-Fälle", die Fälle des "wrongful dismissal" und aus dem Kaufrecht das vergebliche "tender of goods". 1. Die Makler-Fälle Eine Reihe von Entscheidungen spricht dem Makler Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu, wenn der Auftraggeber den von dem Makler 459 Eine Darstellung des "breach of contract" ist im Rahmen dieser Untersuchung nicht beabsichtigt. Sie wäre überflüssig, weil sie in der gebotenen Kürze nicht mehr bieten könnte als einen Überblick, den schon andere rechtsvergleichende Arbeiten vermitteln. Vgl. Rheinstein, bes. S. 148 ff.; Zweigert/ Kötz, Bd II, S. 177 ff., 205 ff.; aus französischer Sicht: Constantinesco, bes. S. 111 f.; Gilson, passim. Die jüngsten englischen Darstellungen sind die von Anson I Guest, S. 482 ff., und von Treitel, S. 725 ff. 480 Diese an Cheshire I Fifoot, S. 502 ("vital as distinct from trivial importance") angelehnte Unterscheidung kann nur einer ganz ungefähren Kennzeichnung der wesentlichen Vertragsverletzung dienen. Es handelt sich hierbei um eine der schwierigsten Fragen des englischen Vertragsrechts. Einen Überblick geben Zweigert/ Kötz, Bd II, S. 207. Vgl. dazu näher unten bei Fn. 545 ff. 461 Anson I Guest, S. 482 ff., sprechen anschaulich von "discharge by breach". Der Sprachgebrauch ist jedoch nicht einheitlich.

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

benannten Käufer grundlos ablehnt und so den Eintritt der Voraussetzung für den Provisionsanspruch vereitelt462 • Die Begründung ist in diesen Fällen stets die gleiche: Der Vertrag enthalte eine .,implied term", daß der Auftraggeber den Makler nicht daran hindern werde, seine Provision zu verdienen, und diese .,implied term" sei verletzt. Es genügt deshalb, beispielhaft die Ausführungen von Maugham L. J. 463 wiederzugeben: .,In my opinion where a person is employed to do work on behalf of another, payment to be made on completion of the work, there is a necessary implication that the employer will not do anything to prevent the earning of the remuneration, unless at any rate he has some just excuse for his interference with the course of events obviously contemplated by both parties when they entered into the contract of employment....464." .,Coming now to the chief authorities, I would observe that there are a large number of cases in which the implication has been made that a defendant who is liable to pay money to a person employed by him upon a given event is not at liberty to do any act which prevents the other party from receiving the money ...465." "In my opinion the defendants, whithout just excuse, have broken the implied term of the contract of the employment, and there seems to be no reason for doubting in the circumstances that the proper measure of damages is the amount of the commission according to the seale ...466." Diese Rechtsprechung ist allerdings in ihrem Ergebnis überholt. Das House of Lords entschied nämlich467 , die Verpflichtung, der der Auftraggeber zuwider gehandelt haben solle, könne dem Maklervertrag nicht entnommen werden. Eine "implied term" des z. B. von Maugham L. J. behaupteten Inhalts sei regelmäßig nicht anzunehmen. Dennoch behält die Rechtsprechung zum Maklerrecht in diesem Zusammenhang Bedeutung. Denn daß der Verstoß gegen eine die Mitwirkung gebietende oder "prevention" verbietende "implied term" zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung führt, ist vom House of Lords 462 Letzte Entscheidungen in diesem Sinne: George Trollope and Sons v. Martyn Eros., (1934) 2 K.E. 436 (C.A.), und George Trollope and Sons v. Caplan, (1936) 2 K.E. 382 (C.A.). Vgl. zu dieser Fallgruppe Gower, 13 Mod.L.Rev. 491 (1950); Ivamy, (1951) Curr.Leg.Probl. 305; Stoljar, 31 Can.Ear Rev. 231, 243 ff. (1953). 463 In: George Trollope and Sons v. Martyn Eros. (vorige Fn.). 464 Vgl. aao., s. 456. 465 Vgl. aaO., S. 458. 466 Vgl. aao., s. 463. 467 Luxor (Eastbourne) Ltd. v. Cooper, (1941) A.C. 108. Trollope and Sons v. Martyn Eros. (Fn. 462) ist "overruled". Trollope and Sons v. Caplan (Fn. 462) wurde als "wrongly decided" bezeichnet, vgl. S. 122 per Viscount Sirnon L.C., S. 156 per Lord Romer. Kritisch zu Luxor (Eastbourne) Ltd. v. Cooper Stoljar, 31 Can.Ear Rev. 231 (1953), 243 ff., mit Hinweisen auf das amerikanische Recht in Fn. 53 auf S. 244.

2. Kap.: Der Schadensersatzanspruch des Schuldners

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nicht in Zweifel gezogen worden. Das Gericht wendet sich lediglich gegen die Annahme einer solchen "implied term" in den MaklerFällen468. 2. "Wrongful dismissal" Schadensersatz wegen Nichterfüllung wird auch in den Fällen vertragswidriger Entlassung eines Angestellten ("wrongful dismissal") gewährt469 • Nach englischer Auffassung sind auch diese Fälle der "prevention" zuzuordnen, weil die Kündigung des Dienstvertrags auch dann, wenn sie rechtswidrig erfolgt, den Vertrag beendet470, der Beschäftigte also durch die Kündigung daran gehindert wird, durch seine Tätigkeit die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs zu schaffen. "Leading case" für diese Gruppe ist eine Entscheidung des House of Lords von 1940471 • Das Gericht gab der Schadensersatzklage eines ehemaligen geschäftsführenden Direktors eines Unternehmens statt, der mit diesem einen auf zehn Jahre laufenden Anstellungsvertrag geschlossen hatte, aber schon nach zweijähriger Dienstzeit entlassen wurde, weil er mit schlechteren, in einem Fusionsvertrag enthaltenen Bedingungen nicht einverstanden war. Daß Grundlage des Schadensersatzanspruchs nach englischer Auffassung nicht einfach ein Verstoß gegen die Vergütungspflicht ist, wird aus der Tatsache deutlich, daß das Gericht472 sich für seine Entscheidung ausdrücklich auf das dieturn von Cockburn C. J. in Stirling v. Maitland473 bezog: "I look on the law to be that, if a party enters into an arrangement which can only take effect by the continuance of a certain existing state of circumstances, there is an implied engagement on his part that he shall do nothing of his own motion to put an end to that state of circumstances, under which alone the arrangement can be operate . .. If it is put to end by their own voluntary act, that is a breach of covenant for which the plaintiff may sue."

Vgl. dazu Burrows, 31 Mod.L.Rev. 390, 400 (1968). French v. Brooks (1830), 6 Bingh. 354, 130 E.R. 1316; Goodman v. Pocock (1850), 15 Q.B. 576; Southern Foundries (1926) Ltd. v. Shirlaw, (1940) A.C. 701; Denmark Productions Ltd. v. Boscobel, (1969) 1 Q.B. 699 (C.A.). Vgl. zu dieser Fallgruppe Stoljar, 31 Can.Bar Rev. 231 (1953), 249 ff. 470 Vgl. Southern Foundries (1926) Ltd. v. Shirlaw (Fn. 469), S. 722/723 per Lord Wright: "The servant or employee is in such a case effectively dismissed. His employment is terminated but the termination is wrongful, and the employer has to answer in damages ... No one, individual or company, can be compelled against his or their will, to employ a man, though, if the contract is broken, damages will have tobe paid." 471 Southern Foundries (1926) Ltd. v. Shirlaw (Fn. 469). 472 S. 717 per Lord Atkin. 473 (1864), 5 B. & S. 840, 852, 122 E.R. 1043, 1047. Vgl. dazu näher bei Fn. 556 ff. 488

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht 3. "Tender of goods"

Der Verkäufer kann Schadensersatz wegen Nichterfüllung in den Fällen verlangen, in denen der Käufer weder die ihm rechtzeitig und ordnungsgemäß angebotene Leistung annimmt noch den Preis bezahlt, also in den Fällen des bereits angesprochenen "tender of acts" oder "tender of goods", dessen Zurückweisung eine "repudiation" des Vertrags bedeutetm. "Leading case" ist Startup v. Macdonald 475 : Die Kläger hatten zehn Tonnen Öl an den Beklagten verkauft, lieferbar in den letzten vierzehn Märztagen. Der Beklagte betrachtete den Vertrag als nicht erfüllt, weil die Kläger das Öl nicht rechtzeitig angeboten hätten, nämlich erst am Samstag, 31. März, 20,30 Uhr. Das Gericht hielt diesen Einwand nicht für begründet, betrachtete das Angebot der Kläger als "valid tender" und gab der auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gerichteten Klage statt. Über den konkreten Fall hinaus wird die Rechtslage in den Entscheidungsgründen so dargestellt476: "In every contract by which a party binds hirnself to deliver goods or pay money to another he in fact engages to do an act which he cannot completely perform without the concurrence of the party to whom the delivery or the payment is to be made ... But the law considers a party, who has entered into a contract to deliver goods or pay money to another, as having substiantially performed it if he hastendered the goods or the money ..." Dieses Zitat darf allerdings nicht zu dem Schluß verleiten, der Verkäufer könne Zahlung des Preises verlangen, da "tender" der Erfüllung gleichstehe477 • Daß dies nicht der Fall ist, zeigt deutlich die Entscheidung Colley v. Overseas Exporters478 , die darüber hinaus einen weiteren Beleg für den Anspruch des Verkäufers auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung abgibt. 4. Sonstige Fälle Der Anspruch des Schuldners auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung spielt auch außerhalb der dargestellten Fallgruppen eine Rolle. So wurde der Klage auf Zahlung einer bestimmten Summe als Vergütung für die Überlassung eines Patentanteils stattgegeben, obwohl in dem Vertrag ausdrücklich vereinbart war, daß hinsichtlich der ZahVgl. bei Fn. 426 ff., 430. (1843), 6 Man. & G. 593, 64 "R.R. 810. Vgl. weiter Isherwood v. Whitmoore (1843), 11 M. & W. 347, 63 R.R. 624. 476 s. 610 per Rolfe B. 4 7 7 Vgl. dazu unten nach Fn. 602. 478 (1921) 3 K.B. 302. Zustimmend Chitty, Bd II, Nr. 1517. Eingehend zu dieser Entscheidung unten bei Fn. 608 ff. Vgl. weiter Karsales (Harrow) Ltd. v. Wallis, (1956) 1 W.L.R. 936. 474

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2. Kap.: Der Schadensersatzanspruch des Schuldners

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lungsmodalitäten noch eine Vereinbarung getroffen werden sollte, zu der sich die Beklagten nicht bereit fanden 479 • Das Gericht begründete seine Entscheidung alternativ. Die Beklagten schuldeten den eingeklagten Betrag entweder als Erfüllung "or have become liable to a claim of the same amount, as damages for wrongfully refusing to agree"'so. In einem wenig jüngeren Fall 481 beauftragte eine Gesellschaft einen Börsenmakler mit dem Verkauf ihrer Aktien, wofür ihm 100 Pfund sogleich bezahlt wurden; weitere 400 Pfund sollten ihm nach Unterbringung sämtlicher Aktien vergütet werden. Bevor der Makler die Papiere unterbringen konnte, löste sich die Gesellschaft auf, weil der Erwerb der vorgesehenen Betriebsgrundstücke scheiterte. Der Makler klagte wegen "breach of contract" und erhielt Schadensersatz in Höhe von 250 Pfund zugesprochen. Eine Kürzung gegenüber der vereinbarten Vergütung hielt das Gericht für angemessen, weil der Kläger bei dem ungewissen Schicksal der beklagten Gesellschaft, hätte sie fortbestanden, möglicherweise keine Aktien verkauft hätte. Ganz andere Umstände kennzeichnen einen von der Probate Division entschiedenen Fall, bei dessen Entscheidung gleichfalls der Gedanke der "prevention" herangezogen wurde: Die Kläger hatten sich, jeder für eine bestimmte Summe, verpflichtet, das aufgelaufene Schiff des Beklagten freizuschleppen. Das Unternehmen schlug fehl, weil die Schiffsbesatzung des Havaristen es versäumte, rechtzeitig den Anker zu lichten. Das Gericht gab den Klagen auf die vereinbarten Summen unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes statt482 • Nur obiter, aber recht deutlich, wurde die Schadensersatzfrage in Samuels v. Davis483 angeschnitten: "There is no doubt that, if a patient refuses to co-operate with the dentist and makes his task impossible, the dentist is entitled to treat the contract as repudiated and to claim damages 484." Einige weitere Entscheidungen gewähren dem Schuldner zwar nicht Schadensersatz, lassen aber doch den Schluß zu, daß dem Schuldner ein Ersatzanspruch wegen Nichterfüllung zustehen kann, wenn die Vertragsdurchführung an fehlender Mitwirkung des Gläubigers scheitert. So wurde in Fällen eines genehmigungspflichtigen Exportgeschäfts, Vgl. Hall v. Conder (1857), 2 C.B. (N.S.) 22, 140 E.R. 318. S. 40 (E.R. S. 326) per Williams J. 481 Inchbald v. The Western Neilgherry Coffee, Tea, and Cinchona Flantation Co. Ltd. (1864), 17 C.B. (N.S.) 733, 144 E.R. 293. 482 The Valsesia, (1927) P.D. 115. 4 83 (1943) 1 K.B. 526 (C.A.). Vgl. dazu auch bei Fn. 592. 4 84 S. 530 per DuParcq L.J. 479

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

das wegen Versagung der Genehmigung nicht abgewickelt werden konnte, die Schadensersatzklage zwar abgewiesen, weil das Gericht die Pflicht, für die Erteilung der Genehmigung zu sorgen, bei der klagenden Partei fand 485 . Unausgesprochen liegt den Entscheidungen jedoch der Gedanke zugrunde, daß der Käufer wegen Nichterfüllung Ersatz schulde, wenn er die Genehmigung zu erwirken habe. Auch Devlin J. geht in seiner eingehenden rechtlichen Würdigung eines Schiedsspruchs davon aus486, daß der Charterer eines Schiffes, der die vorgesehene Ladung nicht besorgen konnte, deshalb wegen Nichterfüllung des Chartervertrags ersatzpflichtig sein könne; zweifelhaft scheint lediglich die Frage, ob das Verhalten des Charterers so schwerwiegend ist, daß der Reeder deshalb von der Durchführung des Vertrags Abstand nehmen und das Schiff zurückziehen darf. Schließlich verdienen noch jene Urteile Erwähnung, in denen sich dicta des Inhalts finden, daß Vertragsbruch vorliegt, wenn ein Vertragsteil gegen die "implied term" verstößt, den anderen nicht an der Durchführung des Vertrags zu hindern; denn die regelmäßige Rechtsfolge dieses Vertragsbruchs ist Schadensersatz487, und wenn die Vertragsdurchführung verhindert wird, kommt nur Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Frage. Das letzte dieser dicta stammt von Lord Asquith: "In general, no doubt, it is true that a term is necessarily implied in any contract whose other terms do not repel the implication, that neither party shall prevent the other form performing it, and that a party so preventing the other is guilty of a breach488." 11. Das Schrifttum

In den Lehr- und Handbüchern wird die Frage nach dem Schadensersatzanspruch des Schuldners wegen Nichterfüllung mit bündigen Formulierungen bejaht. Nach Anson I Guest liegt in der "prevention" durch den "promisee" eine "repudiation" des Vertrags489. Ähnlich wird die "implied term of a contract that one party will not by his wrongful act disable the other from performing the contract" bei Halsbury als 485 H.O. Brandt & Co. v. H.M. Morris & Co. Ltd., (1917) 2 K.B. 784 (Pflicht auf Seiten des klagenden Käufers); A.V. Pound & Co. Ltd. v. M.W. Hardy & Co. Inc., (1956) A.C. 588 (Pflicht auf Seiten des klagenden Verkäufers). 486 Universal Cargo Carriers Corp. v. Citati, (1957) 2 Q.B. 401. 487 Treitel, S. 785: "A breach of contract is a civil wrong. The common law remedy for it is an action for damages ... " 488 William Cory & Son Ltd. v. London Corporation, (1951) 2 K.B. 476 (C.A.), 484. Vgl. weiter: Barque Quilpue Ltd. v. Brown, (1904) 2 K.B. 264 (C.A.), 271 per Vaughan Williams L.J. ; Mutzenbecher v. La Aseguradora Espanola, (1906) 1 K.B. 254, 261 per Goreil Barnes J. 489 Vgl. S. 491.

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Fall des "breach of contract", und zwar als "anticipatory breach", gebracht490. In der Verhinderung der Leistung des Schuldners wird also ein Verstoß gegen die eigene, noch nicht fällige Leistungspflicht gefunden. Als typisch können die Äußerungen bei Chitty und von Cheshire I Fifoot angeführt werden Bei Chitty heißt es lapidar: "If the promisee prevents performance of a condition precedent, the promisor is dispensed from further performance of the condition, and the promisee may be liable to an action for breach49t."

Und Cheshire I Fifoot meinen: "If a party to an entire contract performs part of the work that he has undertaken and is then prevented by the fault of the other party from proceeding further, the law does not allow him to be deprived of the fruits of his labour. He is entitled, of course, to recover general damages for breach of contract492."

Näheren Aufschluß gibt auch die einschlägige Aufsatzliteratur nicht. Nienaher bemerkt in seinem der Entscheidung White und Carter (Council) Ltd. v. McGregor493 gewidmeten Aufsatz494 nur beiläufig, eine Vertragsverletzung liege gleichermaßen vor, wenn eine Vertragspartei sich die eigene Leistung unmöglich mache oder die Leistung der anderen Partei verhindere495 • Auch für Stoljar ist der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung offenbar kein Problem496. Burrows497 bezweifelt zwar die schrankenlose Geltung des Prinzips, daß die "prevention" ihren Urheber als Vertragsbruch ersatzpflichtig mache, aber nur, weil das Ausbleiben der Mitwirkung nicht immer gegen eine übernommene Vertragspflicht verstoße, "prevention" deshalb manchmal erlaubt sei. Liegt aber eine Vertragspflicht vor, dann ist auch nach Burrows Schadensersatz wegen Nichterfüllung die Folge ihrer Verletzung. 2. Abschnitt

Schadensersatzpflicht des Gläubigers und Erfüllungsbereitschaft des Schuldners Leistung und Gegenleistung sind "conditions concurrent", das heißt, die Erbringung der eigenen Leistung muß mit der Gegenleistung zu490 Bd 8, "Contract", Nr. 342. 491 Bd I, Nr. 1255. 492

s. 462.

493 (1962) A.C. 413. 494 (1962) Camb.L.J. 213. m Vgl. aaO., S. 216. 496 31 Can.Bar Rev. 231 (1953). 497 31 Mod.L.Rev. 390, 398 ff. (1968). 10•

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

sammenfallen498 • "Breach of contract" entbindet zwar von der Erfüllung der eigenen Leistungspflicht; aus der wechselseitigen Abhängigkeit der Leistungspflichten folgt jedoch, daß die eigene Erfüllungsbereitschaft und -fähigkeit Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung sind 499 • Das ist so allgemein anerkannt, daß es in den Entscheidungen schon fast als selbstverständlich angesehen wird500 • Geht man von diesem Grundsatz aus, so liegt die Frage nahe, ob sich der Gläubiger gegenüber dem Schadensersatzanspruch des Schuldners darauf berufen kann, es fehle diesem an der Erfüllungsfähigkeit, da er den Vertrag ohne seine, des Gläubigers, Mitwirkung gerade nicht durchführen könne. Die Auffassung des englischen Rechts ist in diesem Punkt seit jeher eindeutig: Die eigene Erfüllungsfähigkeit braucht der Schuldner dann nicht darzulegen und zu beweisen, wenn es gerade der Gläubiger ist, der ihn an der Durchführung des Vertrags hindert. Das wird schon in der Entscheidung von Lord Mansfield, mit der die Lehre von den "conditions concurrent" begründet wurde, klar ausgeführt: "The party must shew that he was ready; but, if the other stops him on the ground of an intentionnot to perform his part, it is not necessary for the first to go farther, and do a nugatory act. Here, the draft was shewn to the defendant for his approbation of the form, but he would not read it, and, 498 Erstmals spricht Lord Mansfield von "covenants which are mutual conditions to be performed at the same time", vgl. Kingston v. Preston (1773), 2 Dougl. 690, 691, wiedergegeben in Jones v. Barkley (1781), 2 Dougl. 684, 99 E.R. 434. Zum älteren common law, das in der Kategorie einer Vorleistungspflicht der einen oder der anderen Vertragspartei dachte, vgl. Rheinstein, S. 194/195. Das bekannteste Beispiel für "conditions concurrent" enthält heute sect. 28 S.G.A. Vgl. zum Ganzen auch unten bei der Erörterung des Zahlungsanspruchs (Fn. 613 ff.). 499 Vgl. De Medina v. Norman (1842), 9 M. & W. 820, 60 R.R. 912; British and Beningtons Ltd. v. N.W. Cachar Tea Co., (1923) A.C. 48. Ferner Anson I Guest, S. 492; Chitty, Bd I, Nr. 1263; Treitel, S. 676; Rheinstein, S. 197. Die Erfüllungsbereitschaft und -fähigkeit wird vielfach nicht als "condition concurrent", sondern als "condition precedent" bezeichnet, vgl. z. B. British and Beningtons Ltd. v. N.W. Cachar Tea Co., aaO. Das ist insofern folgerichtig, als in diesen Fällen bereits feststeht, daß es nicht zur Vertragsdurchführung kommt, die Betonung der gleichzeitigen Fälligkeit der Leistungspflichten also überflüssig ist. 500 Vgl. aber z. B. Startup v. Macdonald (1843), 6 Man. & G. 593, 64 R.R. 810, wo Wert darauf gelegt wird, daß der auf Schadensersatz klagende Verkäufer die Ware ordnungsgemäß angeboten hatte. Daß dieser Gesichtspunkt nicht immer deutlich wird, liegt auch daran, daß die eigene Erfüllungsbereitschaft und -fähigkeit im Klagvortrag nicht ausdrücklich behauptet werden müssen. Vgl. 0. 18, r. 7 (4) der Rules of the Supreme Court: "A statement that a thing has been done or that an event has occurred, being a thing or event the doing or occurrence of which, as the case may be, constitutes a condition precedent necessary for the case of a party is to be implied in his pleading" (Sturge, S. 59). Vgl. auch Rheinstein, S. 197.

2. Kap.: Der Schadensersatzanspruch des Schuldners

149

upon a different ground, namely, that he means not to pay the money, discharges the plaintiff501 ." Dieser Grundsatz ist seither fester Bestandteil der Rechtsprechung5o2, seine Richtigkeit auch im Schrifttum anerkannt503• Daß der Schuldner seine Leistung infolge des Verhaltens des Gläubigers nicht zu erbringen vermag, steht also seinem Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung nicht entgegen.

Jones v. Barkley (1781), 2 Dougl. 684, 694, 99 E. R. 434. Hotharn v. East India Co. (1787), 1 T.R. 638, 99 E.R. 1295; Cort v. Ambergate Railway Co. (1851), 17 Q.B. 127; Braithwaite v. Foreign Hardwood Co., (1905) 2 K.B. 543 (C.A.); In re Bayley-Worthington and Cohen's Contract, (1909) 1 Ch. 648; British and Beningtons Ltd. v. N.W. Cachar Tea Co., (1923) A.C. 48. 503 Vgl. Chitty, Bd I, Nr. 1263; Treitel, S. 677/678. 501

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3. Kapitel

Der Anspruch des Schuldners auf das "quantum meruit" Der Schuldner ist nicht darauf angewiesen, "damages" zu verlangen. Statt Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu wählen, kann er auch das "quantum meruit" begehren, wenn er seiner Verpflichtung infolge des Verhaltens des Gläubigers nicht nachkommen kann. Die Klage, manchmal auch als "action for work and labour done" bezeichnet504 , richtet sich auf eine angemessene Vergütung. Der Kläger wird nicht so gestellt, als ob der Vertrag erfüllt worden wäre, sondern so, als ob der Vertrag nicht geschlossen worden wäre 505, eine Unterscheidung, die an die zwischen dem positiven und dem negativen Vertragsinteresse im deutschen Recht erinnert. Sind Sachen an den Beklagten übereignet worden, so findet der Anspruch auf das "quantum meruit" ein Pendant in dem Anspruch auf das "quantum valebant", also in einer Forderung auf Ersatz ihres Wertessou.

1. Abschnitt

Kennzeichnung des Anspruchs und Abriß der historischen Entwicklung I. Die historische Entwicklung des Anspruchs Die Besonderheiten des Anspruchs auf das "quantum meruit" erschließen sich aus seiner historischen Entwicklung. Die Klage wurde zunächst in den Fällen gewährt, in denen der Kläger an den Beklagten eine Leistung erbracht hatte, ohne daß dafür eine ziffernmäßig bestimmte Vergütung vereinbart worden war. Prototyp war der Bewirtungsvertrag: Aus "debt" konnte der Gastwirt nicht klagen, weil es an einer zahlenmäßigen Festlegung des Schuldbetrags fehlte 507 , aus "asz. B. von Winfield, 63 L.Q.Rev. 35 (1947). So ausdrücklich Anson I Guest, S. 530. Vgl. auch Heyman v. Darwins Ltd., (1942) A.C. 356, 398 per Lord Porter. 506 Vgl. statt aller Goff I J ones, S. 3401341; Rheinstein, S. 36, 206. 507 Zu den Voraussetzungen der "action of debt" vgl. aus dem neueren Schrifttum Anson I Guest, S. 9 ff.; eingehend Holdsworth, Bd III, S. 420 ff. 504

505

3. Kap.: Der Anspruch des Schuldners auf das "quantum meruit"

151

sumpsit" auch nicht, weil der Gast es nicht ausdrücklich auf sich genommen hatte, für die Bewirtung auch zu bezahlen508 . Die Zahlungspflicht wurde durch "implication" begründet509 . Erstmals 1609 wurde der Klage eines Gastwirts mit der Begründung stattgegeben, der Gast habe nach den Umständen des Falles stillschweigend versprochen, für den Wert der Speisen zu bezahlen: quantum valebant510. Diese Klage hat einem begreiflichen praktischen Bedürfnis entsprochen. Sie setzte sich sogleich durch 511 und wurde auf die Vergütung für geleistete Tätigkeiten ausgedehnt, wenn die Zahlung einer bestimmten Summe nicht vereinbart war: quantum meruit512 . Während dieser ursprüngliche Anwendungsbereich des "quantum meruit" dadurch gekennzeichnet ist, daß einem wirksamen Vertragsschluß kein klagbarer Anspruch entspringt, geht es in einem weiteren Anwendungsbereich darum, daß ein wirksamer Vertrag entweder von vornherein nicht besteht oder weggefallen ist. In diesen Fällen wird, im Anschluß an die Entscheidung Lord Mansfield's in Moses v. Macferlan513, der Anspruch auf das "quantum meruit" auf quasi-kontraktlieher Grundlage gewährt. Das gilt zunächst für den von Anfang an nichtigen gegenseitigen Vertrag 51 4, aber auch für die Fälle, in denen der Schuldner seine Leistung teilweise erbracht hat und dann durch eine erhebliche Vertragsverletzung des anderen Teils berechtigt wird, von der Durchführung des Vertrags Abstand zu nehmen 515 .

508 So wurde die Klage des Wirtes abgewiesen in Young and Ashburnham's Case (1587), 3 Leo. 161, 74 E.R. 606. 509 Der Weg zu dieser "implication" war durch die erstmalige Annahme eines "implied assumpsit" in Slade's Case (1602), 4 Co.Rep. 94 a, 94 b, 76 E.R. 1077, frei geworden. Prägnant dazu Smith I Thomas, S. 122: "Progress was made in consequence of the approval given in Slade's Case to the implication of a promise to pay a debt due under a prior agreement. As a promise might be implied where an actionable debt did exist, why should not a promise be implied where an actionable debt ought to exist but in fact did not because no sum certain had been agreed? No insurmountable objection appeared." 510 Warbrooke v. Griffin (1610), 2 Brownl. & Golds. 254, 123 E.R. 927. 511 Vgl. dazu Holdsworth, Bd III, S. 447; Rheinstein, S. 36/37. Beide m. w.

N.

Vgl. Holdsworth und Rheinstein, jeweils aaO. (1760), 2 Burr. 1005, 97 E.R. 676. Vgl. 2 Burr. 1008, 97 E.R. 678: "If the defendant be under an Obligation, from the ties of natural justice, to refund; the law implies a debt, and gives this action, founded in the equity of the plaintiff's case, as it were upon a contract ("quasi ex contractu", as the Roman law expresses it)." 514 Leading case: Craven-Ellis v. Canons Ltd., (1936) 2 K.B. 403 (C.A.). 515 Vgl. dazu näher im folgenden Abschnitt. 512

313

152

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

II. Vertragliches und quasi-vertragliches "quantum meruit" Ansprüche auf das "quantum meruit" können also auf Vertrag oder auf Quasi-Kontrakt beruhen516 • In der ursprünglichen Anwendung auf Verträge, in denen die Gegenleistung nicht ziffernmäßig bestimmt ist, handelt es sich um vertragliche Ansprüche517 ; als Reaktion auf einen Vertragsbruch ist das "quantum meruit" dagegen quasi-kontraktlich518 , oder, mit einem moderneren Ausdruck, der "restitution" 519 , also dem Bereicherungsrecht, zuzuordnen. Diese Unterscheidung schlägt sich darin nieder, daß das Gericht für eine Verpflichtung auf das "quantum meruit" in den Vertragsfällen Anhaltspunkte für eine stillschweigende Vereinbarung der Parteien finden muß, während die Vereinbarung der Parteien in den quasikontraktliehen Fällen eine bloße Fiktion ist, die von dem Gericht unabhängig von den Vorstellungen der Parteien, also auch gegen ihren Willen, vorgenommen werden kann. Im Sinne der im Schrifttum teilweise vertretenen Unterscheidung handelt es sich in den Fällen der ersten Gruppe um eine "implication by fact", in denen der zweiten Gruppe um eine "implication by law" 520 • Nicht nur für die Frage nach der Maßgeblichkeit des Parteiwillens ist die Unterscheidung zwischen Vertrag und Quasi-Kontrakt wesentlich, sondern auch für die sonstigen Voraussetzungen des Anspruchs. Während bei dem vertraglichen Anspruch auf das "quantum meruit" grundsätzlich die Leistung vollständig erbracht sein muß, für die eine Bezahlung versprochen wurde521 , geht es bei dem quasi-kontraktliehen "quantum meruit" gerade darum, daß der Schuldner durch die Vertragsverletzung des anderen Teils berechtigt wird, von der Durchführung des Vertrags Abstand zu nehmen; sein Anspruch auf die Vergütung ist also dem Grunde nach davon unabhängig, wie weit die bereits vorgenommenen Handlungen die versprochene Leistung darstellen. Die unterschiedslose Anwendung der Figur des "implied agreement" ist für die zahlreichen Unklarheiten und Zweifelsfragen verantwortlich, mit denen das Gebiet des "quantum meruit" belastet ist 522 • Für das 518 Vgl. Anson I Guest, S. 528 ff., 607 ff.; Evans, 29 Mod. L.Rev. 608 (1966); Winfield, 63 L.Q.Rev. 35 (1947), und dens., Quasi-contracts, S. 51 ff. 617 Vgl. dazu namentlich Winfield, 63 L.Q.Rev. 35 (1947). 518 Unstreitig, vgl. die Nachweise in Fn. 516. 519 Vgl. dazu Gaff, 24 Mod.L.Rev. 85 (1961). Im amerikanischen Recht hat sich der Ausdruck "restitution" durchgesetzt, vgl. nur das Restatement of the Law of Restitution. 52o Vgl. dazu oben bei Fn. 448 ff. 521 Vgl. Sumpter v. Hedges, (1898) 1 Q.B. 673 (C.A.); Vigers v. Cook, (1919) 2 K.B. 475 (C.A.); Hoenig v. Isaacs, (1952) 2 All E.R. 176 (C.A.).

3. Kap.: Der Anspruch des Schuldners auf das "quantum meruit"

153

Folgende ist nur das quasi-kontraktliehe "quantum meruit" von Bedeutung, so daß weder auf die Intentionen der Parteien noch auf die Vollständigkeit der Schuldnerleistung abzustellen ist. 2. Abschnitt

Der Anspruch auf das "quantum meruit" als Sanktion gegen den Gläubiger

I. Darstellung der Rechtsprechung Die praktische Bedeutung des quasi-kontraktliehen Entschädigungsanspruchs bleibt hinter der des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung zurück. Das gilt namentlich für das "quantum valebant", das fast nur bei Teillieferungen in Betracht kommt. Zugesprochen wurde das "quantum valebant" in dem Prozeß Bartholomew v. Markwick523 • Die Kläger hatten an den Beklagten Möbel verkauft; die Hälfte des Kaufpreises war bar zu begleichen, für den Rest sollten Wechsel mit sechs Monaten Laufzeit begeben werden. Nach der ersten Teillieferung verlangten die Kläger die vereinbarte Zahlung, worauf es zwischen den Parteien zum Streit kam und der Beklagte den Vertrag "kündigte". Das Gericht entschied, die Verkäufer dürften den Vertrag wegen seiner Verletzung durch den Käufer als erledigt betrachten und hinsichtlich der Teilleistung das "quantum valebant" verlangen. "Leading case" für das "quantum meruit" ist der Fall Planche v. Colburn524 geworden. Der Kläger hatte sich verpflichtet, für ein Honorar von 100 Pfund einen Beitrag zu schreiben, der in einer von den Beklagten veröffentlichten, periodisch erscheinenden Reihe, "The Juvenile Library", publiziert werden sollte. Nachdem er für seinen Beitrag Vorarbeiten unternommen und auch einen Teil geschrieben hatte, stellten die Beklagten das Erscheinen der "Juvenile Library" ein. Der ausdrücklich auf "quantum meruit" gestützten Klage wurde in Höhe von 50 Pfund stattgegeben Bei der rechtlichen Einordnung dieses Anspruchs zeigte das Gericht noch Unsicherheit: Tindal C. J. bezeichnet den zugesprochenen Be522 Am klarsten dazu Winfield, 63 L.Q.Rev. 35, 40/41 (1947): "The chief source of confusion was the theory that the obligation in what we now style quasi-contract was based on an "implied contract". A natural consequence of this was a tendency to overlook the fact that this term had two different meanings ... " 523 (1864), 15 C.B. (N.S.) 711, 143 E.R. 964. 524 (1831), 8 Bingh. 14, 131 E.R. 305.

154

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

trag als "damages" 525 , während Gaselee J . von einer "remuneration for the part of the work he had executed" spricht526 und Bosanquet J. von einer rechtlichen Einordnung ganz absieht527 • Um einen Geschäftsbesorgungs vertrag ging es in De Bernardy v. Harding 528• Der Kläger sollte als Agent des Beklagten tätig werden und Karten für Sitzplätze verkaufen, die der Beklagte zur Besichtigung des Leichenzugs des verstorbenen Duke of Wellington errichtete. Nachdem dem Kläger bereits Kosten entstanden waren, aber bevor er mit dem Verkauf begonnen hatte, teilte ihm der Beklagte mit, er wolle die Karten selbst verkaufen. Der Kläger verwies deshalb an ihn herantretende Interessenten an den Beklagten. Dieser kam zwar für die Auslagen des Klägers auf, weigerte sich aber, die von diesem geleisteten Dienste zu vergüten. Das Gericht gab der Klage unter dem Gesichtspunkt des "quantum meruit" statt. Die Entscheidung Prickett v. Badger529 ist deshalb bemerkenswert, weil das Gericht in diesem Fall erstmals ausspricht, daß der Anspruch auf das "quantum meruit" auf einer "implication by law" beruht und der Parteiwille zu seiner Begründung nicht erforderlich ist: "It is insisted on the present occasion, that the Lord Chief Baron should have left it to the jury whether under the circumstances a contract for reasonable remuneration was to be implied. It seems to me, however, that that is a question of law, and not a question for the jury530."

In dem Fall Lodder v. Slowey531 hatte sich der Kläger verpflichtet, Bauarbeiten bis zu einem bestimmten Termin fertigzustellen, konnte diesen Termin aber aus Gründen, die der Beklagte zu vertreten hatte, nicht einhalten. Der Beklagte übernahm die Fortführung der unvollständig gebliebenen Arbeiten selbst. Das Judicial Committee hielt den Anspruch auf das "quantum meruit" für begründet: "Their Lordships also agree with the learned judges as to the proper measure of damages, or (more accurately) as to the right of the respondent to treat the contract as at an end and sue for work and labour done instead of suing for damages for breach of the contract532 ." 525 Die Stelle ist in 131 E.R. 305 nicht enthalten, vgl. jedoch Cheshire I Fifoot, Cases, S. 476. 528 Das Urteil von Gaselee J. ist in 131 E.R. 305 nicht abgedruckt, vgl. aber Cheshire I Fifoot, Cases, S. 477. 527 8 Bingh. 16, 131 E.R. 306; Cheshire I Fifoot, aaO. 528 (1853), 8 Exch. 822, 91 R.R. 787. 529 (1856), 1 C.B. (N.S.) 296, 140 E.R. 123. 53 0 1 C.B. (N.S.) 306/307, 140 E.R. 127 per Crowder J . 531 (1904) A.C. 442. 532 S. 453 per Lord Davey.

3. Kap.: Der Anspruch des Schuldners auf das "quantum meruit"

155

Schließlich ist in diesem Zusammenhang der Fall Craven-Ellis v. Canons Ltd 533 zu nennen, in dem der Kläger zwar der beklagten Gesellschaft seine Dienste auf Grund eines von Anfang an nichtigen Vertrags erbrachte. Die Ausführungen zur Rechtsgrundlage des Anspruchs gelten aber gleichermaßen für den Fall erheblicher Vertragsverletzung: "In my judgement, the obligation to pay reasonable remuneration for the work done when there is no binding contract between the parties is imposed by a rule of law, and not by an inference of fact arising from the acceptance of services or goods. It is one of the cases referred to in books on contracts as obligations arising quasi ex contractu, of which a weil known instance is a claim based on money bad and received53 4 ."

II. Die Auflösung des Vertrags als Voraussetzung des Anspruchs 1. "Rescission for breach" Begeht eine Partei eine wesentliche Verletzung des Vertrags, so entsteht dadurch zunächst ein Schwebezustand. Die andere Partei kann entweder auf der Durchführung des Vertrags beharren535 oder sich auf Grund der Verletzung für die "rescission" entscheiden. "Rescission" bezeichnet dabei den Rücktritt vom Vertrag wegen Nichterfüllung536 • Will der vertragstreue Schuldner vom Gläubiger das "quantum meruit" verlangen, so muß er sich für die Auflösung des Vertrags entschieden und diese Entscheidung zum Ausdruck gebracht haben537 • In Smith's Leading Cases heißt es dazu klar538 : "It is an invariably true proposition, that, whereever one of the parties to a special contract not under seal has, in an unqualified manner, refused to perform bis side of the contract, or has disabled hirnself from performing it by bis own act, the other party has thereupon a right to elect to rescind it, and may, on doing so, immediately sue on a quantum meruit for anything which he bad done under it previously to the rescission."

Verfehlt wäre jedoch die Annahme, daß die "rescission" durch eine ausdrückliche Erklärung erfolgen muß. Es genügt vielmehr, daß der Schuldner auf das "quantum meruit" klagt, sofern sein außergerichtliches Verhalten mit diesem Begehren in Einklang steht. Aus der Entscheidung Planche v. Colburn wird das deutlich ; es heißt dort539 : 633

(1936) 2 K.B. 403 (C.A.).

S. 412 per Greer L.J. 535 Vgl. näher unten bei Fn. 581 ff. 538 Der Begriff ist vieldeutig. Er kann auch etwa die Anfechtung des Vertrages bezeichnen, vgl. sect. 1 und 2 (2) des Misrepresentation Act (1967) und dazu Atiyah I Treitel, 30 Mod. L.Rev. 369, 370 (1967). 537 Vgl. Anson I Guest, S. 529; Winfield, Quasi-contracts, S. 51/52. 538 2 Smith's Leading Cases, 1, S. 16 (zitiert nach Crowder J. in Prickett v. Badger (1856), 1 C.B. (N.S.) 296, 306, 140 E.R. 123, 127). 5 3 9 (1831), 8 Bingh. 14, 16, 131 E.R. 305, 306 per Tindal C.J. 534

156

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

"It distinctly appeared that the work was finally abandoned; and the jury found that no new contract had been entered into. Under these circumstances the Plaintiff ought not lose the fruit of his labour; . .. "

Ersichtlich wird nicht auf die Abgabe einer Erklärung, sondern auf die von dem Kläger geschaffenen tatsächlichen Verhältnisse abgestellt. 2. Das Verhältnis des "quantum meruit" zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung

Aus dem Gedanken der "rescission" folgt, daß das "quantum meruit" und der Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur alternativ gewährt werden. Der Schuldner kann entweder den vertraglichen Rechtsbehelf ergreifen und Schadensersatz verlangen, oder das Vertragsverhältnis als beendet ansehen und das "quantum meruit" begehren. Er kann sich aber nicht gleichzeitig außerhalb des Vertrags stellen und doch vertragliche Ansprüche geltend machen. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten hat er also ein Wahlrecht ("election"), das er zugunsten des einen oder des anderen Anspruchs ausüben muß.

III. Zur Rechtsnatur des Anspruchs auf das "quantum meruit" Anson I Guest meinen, in einer wissenschaftlich durchgebildeten Rechtsordnung wäre der Anspruch auf das "quantum meruit" dem Schadensersatzrecht zugeordnet540• Für Maugham L. J. ist die Frage, ob der zugesprochene Betrag als "quantum meruit" oder als Schadensersatz anzusehen ist, im wesentlichen eine solche der Nomenklatur541 • Weder der einen noch der anderen Auffassung ist zuzustimmen. Der Hinweis von Anson I Guest ist insofern richtig, als die Annahme eines Quasi-Kontrakts für das englische Recht die einzige Möglichkeit bietet, unabhängig von dem im Vertrag zum Ausdruck kommenden Parteiwillen einen Anspruch zu begründen. Auch eine wissenschaftlich durchdrungene Rechtsordnung wie die deutsche kennt jedoch neben dem Schadensersatz nach den §§ 325, 326 BGB für geleistete Dienste einen Vergütungsanspruch in § 346 BGB, der sich am gemeinen Wert orientiert542 und nicht als Schadensersatzanspr uch aufgefaßt werden kann. Das "quantum meruit" läßt sich nicht in die Nähe des Schadensersatzes rücken. Sein Anwendungsbereich ist gerade dadurch gekennzeichnet, daß der Vertrag scheitert. Es könnte deshalb nur um Schadens540

V gl. S. 528.

541

Vgl. George Trollope and Sons v. Martyn Bros., (1934) 2 K.B. 436 (C.A.),

542

Vgl. nur Palandt I Heinrichs, § 346, Anm. 3.

462.

3. Kap.: Der Anspruch des Schuldners auf das "quantum meruit"

157

ersatz wegen Nichterfüllung gehen. Beim "quantum meruit" wird aber gerade nicht auf die Nichterfüllung abgehoben, sondern eine Vergütung für die erbrachte Teilleistung gewährt. Gerade aus diesem vom Schadensersatz unterschiedlichen Anknüpfungspunkt ergibt sich der praktische Nutzen, den der Anspruch auf das "quantum meruit" heute noch hat. Eine darauf gerichtete Klage empfiehlt sich nämlich gerade in den Fällen, in denen der Nachweis eines Nichterfüllungsschadens schwierig ist oder überhaupt nicht erbracht werden kann. Der Anspruch hat einen über die Fälle ausbleibender Gläubigermitwirkung hinausreichenden Anwendungsbereich. Daß er aber auch gerade in diesen Fällen eine angemessene Entschädigung des Schuldners ermöglicht, zeigen die Entscheidungen Planche v. Colburn543 und Lodder v. Slowey544 deutlich.

543 Vgl. oben bei Fn. 524. su Vgl. oben bei Fn. 531.

4. Kapitel

Die Beurteilung der Schwere der Vertragsverletzung und die Grenzen der "implication" Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung und der Anspruch auf das "quantum meruit" haben im negativen Sinne gemeinsam, daß der Vertrag nicht durchgeführt wird. Positiv setzen beide Ansprüche eine wesentliche Verletzung des Vertrags voraus. Nur diese berechtigt nämlich den Schuldner, seine Leistung einzustellen ("discharge by breach", "rescission for breach").

1. Abschnitt

Zur Beurteilung der Wesentlichkeit der Vertragsverletzung Auf die allgemeine Problematik der Abgrenzung der wesentlichen von der unwesentlichen Vertragsverletzung kann hier nur in Kürze eingegangen werden545 • Es ist das Bestreben einer umfangreichen Literatur546 und Judikatur547 , Kriterien für die Beurteilung der Schwere der Vertragsverletzung zu gewinnen. Eine Zusammenfassung gibt Treitel548 : "Thus it is said that the effects of a breach depend (at least sometimes) on whether it is "fundamental" or "goes to the root of the contract"; on whether it "substiantially" deprives a party of what he contracted for; on whether promises are "independent" or "concurrent"; on whether the performance of one party's promise is a "condition precedent" to the liability of the other; or on whether the breach is one of "condition" or only one of "warranty". 545 Einen Überblick geben Zweigert I Kötz, Bd li, S. 207 ff. Treitel, 30 Mod.L.Rev. 139 (1967) bemerkt dazu: "One of the most perplexing problems in the English law of contract concerns the remedies which one contracting party has in the event of the other's failure to perform in accordance with the contract. . . . The conceptual apparatus which has been built up for these purposes is formidable and confusing." 546 Vgl. außer Treitel (vorige Fn.): Lord Devlin, (1966) Camb.L.J. 192; Montrose, 15 Can.Bar Rev. 309 (1937); Montrose, (1964) Camb.L.J. 60, 254; Reynolds, 79 L.Q.Rev. 534 (1963); Guest, 77 L.Q.Rev. 98, 327 (1961); Stoljar, 69 L.Q.Rev. 485 (1953); Rheinstein, S. 194 ff. 547 Vgl. nur aus der neueren Rechtsprechung die eingehenden Stellungnahmen in Universal Cargo Carriers Corp. v. Citati, (1957) 2 Q.B. 401, per Devlin J ., und in Hong Kong Fir v. Kawasaki Kisen Kaisha, (1962) 2 Q.B. 26 (C.A.), vor allem das Urteil von Diplock L.J. 548 Vgl. 30 Mod.L.Rev. 139 (1967).

4. Kap. : Schwere d. Vertragsverletzung u. Grenzen der "implication"

159

Während mit der traditionellen Unterscheidung zwischen "condition" und "warranty" 549 auf die Natur der verletzten Vertragsbestimmung abgestellt wird, heben Umschreibungen wie "fundamental" oder "goes to the root of the contract" 550 auf die Auswirkungen ab, die das verletzende Verhalten auf den Vertrag hat. Einigkeit besteht aber jedenfalls wohl darin, daß das Abgrenzungsproblem nicht mit rein formalen Unterscheidungen zu lösen ist551 • Im amerikanischen Recht wird heute schon durch die Terminologie deutlich gemacht, daß es entscheidend auf das Gewicht der Vertragsverletzung ankommt552 • Auffallenderweise ist die Frage, ob und in welchen Fällen gerade der Gläubiger, indem er die erforderliche Mitwirkung nicht erbringt, so erheblich in den Vertrag eingreift, daß der Schuldner berechtigt ist, die eigene Erfüllung einzustellen und vom Gläubiger Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder das "quantum meruit" zu verlangen, bisher weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung angeschnitten worden. Als wäre das selbstverständlich, wird davon ausgegangen, daß im Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers eine Vertragsverletzung von hinreichender Bedeutung liegt. Die Gründe dafür sind in einer restriktiven Handhabung der "implied term" zu suchen. 2. Abschnitt

Die Grenzen einer "implication" bei Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers I. Die Bedeutung der "implication" für die Annahme einer Vertragsverletzung Daß der Gläubiger es an der erforderlichen Mitwirkung fehlen läßt, ist für sich allein genommen rechtlich unerheblich. "The allegation of 549 Für deren Beibehaltung Lord Devlin, (1966) Camb.L.J. 192. Vgl. zu dieser Unterscheidung Rheinstein, S. 194 ff.; Stoljar, 69 L.Q.Rev. 485 (1953); Montrose, 15 Can.Bar Rev. 309 (1937). 650 Diese Wendung ist vielgebraucht, vgl. z. B. Universal Cargo Carriers v. Citati, (1957) 2 Q.B. 401, 430 per Devlin J., und vor allem den "leading case" Mersey Steel and Iron Co. Ltd. v. Naylor, Benzon & Co. (1884), 9 App.Cas. 434, 443 per Lord Blackburn. Vgl. dazu aber auch das dieturn von Lord Sumner in Bank Line Ltd. v. Arthur Capel & Co., (1919) A.C. 453, 459, von Treitel, 30 Mod.L.Rev. 139, 155 (1967), als "masterly understatement" bezeichnet: "The phrase "goes to the root of the contract", like most metaphors, is not nearly as clear as it seems." 551 Vgl. nur Zweigert I Kötz, Bd II, S. 209. 552 Vgl. Restatement, Contracts, § 274, wo die "condition" des englischen Rechts als "material failure of performance" erscheint, deren Bedeutung in § 275 durch Beispiele erläutert wird; "breach of warranty" wird als "breach of contract" umschrieben (§ 314). Wo von "condition precedent" gesprochen

160

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

prevention is only circumlocution", stellt Devlin J. fest553. Hindert der Gläubiger den Schuldner, sei es durch Tun oder Unterlassen, an der Erfüllung seiner Verpflichtung, so kann das gegen ihn nur dann Rechtsfolgen auslösen, wenn er mit diesem Verhalten gegen eine Vertragsbestimmung verstößt. So heißt es anschaulich in dem Grundsatzurteil Luxor (Eastbourne) Ltd. v. Cooper55 \ mit dem die auf "prevention" gestützte Schadensersatzklage einer Maklerfirma abgewiesen wurde: "Thus, when it is said in the present case that the appellants (Auftraggeber) prevented the respondents (Maklerfirma) from completing the contract (Kaufvertrag), it must be shown that the appellants broke some term of the contract between them and the respondents. The appellants cannot be hold liable on the ground of prevention where all that happened was that they did, or omitted to do, something which, as between themselves and the respondents, they were free to do or to omit to do555. " Ist die Mitwirkung des Gläubigers nicht ausdrücklich vereinbart ("express term"), so kann sie nur Gegenstand einer "implied term" sein. Ob sich das Verhalten des Gläubigers als Vertragsverletzung darstellt oder nicht, hängt also davon ab, in welchen Grenzen die Gerichte zu der erforderlichen "implication" bereit sind.

II. Die "implication" in den einzelnen Fallgruppen Der Inhalt der "implied term" kann je nach den Umständen des Falles unterschiedlich sein. Braucht der Gläubiger lediglich, wie in den "prevention cases", einen bestimmten, dem Schuldner günstigen Sachverhalt aufrecht zu erhalten, so wird von ihm nur verlangt, solche Handlungen zu unterlassen, die diesen Zustand beenden oder doch stören würden. In anderen Fällen genügt ein Unterlassen nicht; es ist vielmehr eine positive Handlung erforderlich, die erst die Voraussetzungen für die Leistung des Schuldners schafft ("active Co-operation"). Der unterschiedliche Inhalt der "implied term" wirkt sich auf die Bereitschaft aus, mit der sie angenommen wird. 1. "Total prevention"

Die für die "prevention cases" maßgebliche, in verschiedenen anderen Entscheidungen556 bestätigte und auch vom Schrifttum aufgegriffene557 Regel ist von Cockburn C. J. formuliert worden: wird, ist die aufschiebende Bedingung gemeint (vgl. 17 A C.J.S., Contracts, §§ 337 ff.), mit "warranty" wird das selbständige Gewährleistungsversprechen bezeichnet (vgl. 17 A C.J .S., Contracts, § 342). 653 Vgl. Mona Oil Equipment & Supply Co. v. Rhodesia Railways Ltd., (1949) 2 All E.R. 1014, 1017. 554 (1941) A.C. 108. Vgl. dazu schon oben bei Fn. 467. 555 S. 148/149 per Lord Wright.

4. Kap.: Schwere d. Vertragsverletzung u. Grenzen der "implication" 161 "I look on the law to be that, if a party enters into an arrangement which can only take effect by the continuance of a certain existing state of circumstances, there is an implied engagement on his part that he shall do nothing of his own motion to put an end to that state of circumstances, under which alone the arrangement can be operative558."

Die für die "implication" entwickelten verschiedenen "tests" 559 führen hier zu demselben Ergebnis. Eine Vertragsbestimmung, die dem Gläubiger die Vornahme von Handlungen untersagt, die den Vertrag undurchführbar machen, müssen die Parteien bei Abschluß des Vertrags als selbstverständlich vorausgesetzt haben, da ihr Vertragsschluß sonst keinen Sinn hätte. Daß der Vertrag ohne eine solche Bestimmung der "business efficacy" entbehrt, kommt schon in den Worten "circumstances under which alone the arrangement can be operative" zum Ausdruck. So ist das Prinzip, daß auf eine "prevention" hinauslaufende Handlungen durch eine "implied term" verboten sind, auch nicht angegriffen worden. Es ist jedoch bemerkenswert, wie eng Cockburn C. J. die Voraussetzungen und den Inhalt der "implied term" begrenzt hat. Es genügt nach seinen Worten nicht, daß die Leistung für den Schuldner erschwert wird. Erforderlich ist vielmehr, daß der Vertrag nur bei Fortbestand bestimmter Bedingungen durchgeführt werden kann, und die "implied term" verbietet nur die Vornahme solcher Handlungen, die diese Bedingungen beseitigen. Es fehlt in der Rechtsprechung auch nicht an einem weiteren restriktiven Moment. Mit dem Prinzip, daß "prevention" unzulässig ist, konkurriert nämlich der Grundsatz freier wirtschaftlicher Betätigung. Die Rechtsprechung gestattet nicht nur, daß der Auftraggeber beim Maklervertrag das Entstehen des Provisionsanspruchs verhindert 560 ; sie erlaubt auch, daß der Anspruch auf Teilhabe am laufenden Geschäftsgewinn durch vorzeitige Aufgabe des Unternehmens entwertet wird 561 • Im Ergebnis bedeutet das, daß den "circumstances under which alone the arrangement can be operative" doch ein Ende gesetzt werden darf. Selbst die von Cockburn C. J. eng formulierte Regel erfährt also eine Durchbrechung zur Wahrung der wirtschaftlichen Entschlußfreiheit562 • 55 6 Vgl. Rhodes v. Forwood (1876), 1 App.Cas. 256; Ogdens Ltd. v. Nelson, (1905) A.C. 109; French & Co. Ltd. v. Leeston Shipping Co. Ltd., (1922) 1 A.C. 451; Southern Foundries (1926) Ltd. v. Shirlaw, (1940) A.C. 701. 55 7 Vgl. z. B. Anson I Guest, S. 491; Chitty, Bd I, Nr. 666; Treitel, S. 166/167. 558 Stirling v. Maitland (1864), 5 B. & S. 840, 852, 122 E.R. 1043, 1047. Vgl. schon oben bei Fn. 473. 659 Vgl. dazu oben bei Fn. 446, 447. 660 Vgl. Luxor (Eastbourne) Ltd. v. Cooper, (1941) A.C. 108, und dazu bei Fn. 467, 554. 561 "Leading case" ist Rhodes v. Forwood (1876), 1 App. Cas. 256. 562 Diesen Gesichtspunkt hat Burrows herausgearbeitet, vgl. 31 Mod.L.Rev. 390, 401 (1968).

11 Hüffer

162

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

2. Verzögerung der Schuldnerleistung durch Gläubigerhandlungen Die von Cockburn C. J. formulierte "implied term" erfährt eine Ergänzung in dem von Vaughan Williams L. J. niedergelegten Grundsatz: "There is an implied contract by each party that he will not do anything to prevent the other party from performing the contract or to delay him in performing it. I agree that generally such a term is by law imported into every contracts8s." Auch diese "implied term" hat einen begrenzten Inhalt; nicht jede Erschwerung der Schuldnerleistung wird verboten, sondern nur die Vornahme von Handlungen, die zu einer Verzögerung dieser Leistung führen. Daß eine "implied term" dieses Inhalts angenommen werden kann, wird zwar von niemandem bestritten. Doch hat sie weit weniger Zustimmung gefunden als das Verbot der "total prevention"; im Gegenteil wird vor einer großzügigen Anwendung gewarnt 564 • Das schon im Fall der "total prevention" spürbare Widerstreben, eine Vertragspartei durch eine "implied term" an der freien Wahrnehmung ihrer wirtschaftlichen Interessen zu hindern, wird hier noch deutlicher: "The decisions show a reluctance to imply the term, especially where the party was just pursuing bis own business interests and carrying on profitmaking activities which happened to clash with the plaintiff's interest585." Das kommt am klarsten darin zum Ausdruck, daß die von Vaughan Williams L. J. niedergelegte "implied term" nur in einer Entscheidung angewandt worden istsss. 3. "Implied term" und "active co-operation" Das Bestreben der Rechtsprechung, möglichst jede Vertragspartei ihre wirtschaftlichen Interessen frei wahrnehmen zu lassen, soweit sie sich nicht durch ausdrücklich abgegebene Erklärungen gebunden hat, wird noch deutlicher, wenn es nicht nur um das Unterlassen obstruierenden Verhaltens, sondern um die positive Vornahme von Mitwirkungshandlungen geht. So hebt schon Lord Blackburn darauf ab, ob die Vornahme der Mitwirkungshandlung für die Vertragspartei notwendig ist: "Where in a written contract it appears that both parties have agreed that something shall be done, which cannot effectually be done unless both Vgl. Barque Quilpue Ltd. v. Brown, (1904) 2 K.B. 264, 271. Nämlich von Vaughan Williams L.J. (vorige Fn.) selbst. Vgl. ferner Burrows, 31 Mod.L.Rev. 390, 402 (1968). 56s Vgl. Burrows, aaO. (vorige Fn.). 588 Nämlich in City of Dublin Steam Packet Co. v. R. (1908), 24 T.L.R. 798, 801 per Farwell L.J. 563

584

4. Kap.: Schwere d. Vertragsverletzung u. Grenzen der "implication" 163 concur in doing it, the construction of the contract is that each agrees to do all that is necessary to be done on his part for the carrying out of that thing, though there may be no express words tothat effect587." Die Beschränkung der "implied term" auf ein für das Funktionieren des Vertrags unerläßliches Mindestmaß wird in einem Urteil von Devlin J. noch deutlicher: "I can think of no term that can properly be implied other than one based on the necessity for co-operation. It is, no doubt, true that every business contract depends for its smooth working on co-operation, but in the ordinary business contract, and apart, of course, from express terms, the law can enforce co-operation only in a limited degree - to the extent that is necessary to make the contract workable. For any higher degree of COoperation the parties must rely on the desire that both of them usually have that the business should get done568." Großzügiger zeigt sich lediglich Viscount Sirnoncis in einem obiter dictum: "It may well seem strange that in a world in which restrictions upon export are a commonplace, the elementary precaution is not taken of providing that any necessary licence should be got by one or the other of the parties. In the absence of such a provision I am not prepared to accept the view that the obligation in all circumstances lies on the buyer. I would not, however, question that, assuming the obligation to be with the seller, the buyer must co-operate by telling him the destination of the contract goods and otherwise as may be reasonabte 569 ." Zwar darf man diese eher beiläufige Äußerung von Viscount Simonds, die ohne Auseinandersetzung mit den Urteilen von Lord Blackburn und Devlin J. erfolgt ist, nicht ohne weiteres dahin verstehen, daß er die Mitwirkung stets schon dann zum Gegenstand einer "implied term" machen will, wenn sie nur "reasonable" ist570• Immerhin kommt aber in seinen Worten ein weniger strenger Standpunkt zum Ausdruck als er von Lord Blackburn und Devlin J. vertreten wird. Der Aussagewert der wiedergegebenen Formulierungen ist jedoch beschränkt. Denn die entscheidende Frage ist gerade, wann die Mitwirkung zur Durchführung des Vertrags notwendig, wann sie derart "reasonable" ist, daß sie vom Gläubiger verlangt werden kann. Immerhin läßt sich zeigen, daß die an den Gläubiger gestellten Anforderungen nicht hoch sind. In dem Fall Mona Oil Equipment Co. v. Vgl. Mackay v. Dick (1881), 6 App. 251, 263. Vgl. Mona Oil Equipment Co. v. Rhodesia Railways Ltd., (1949) 2 All E.R. 1014, 1018. 568 Vgl. A.V. Pound & Co. Ltd. v. M.W. Hardy & Co. Inc., (1956) A.C. 588, 608. 570 Vgl. dagegen auch Reigate v. Union Manufacturing Co. (Ramsbottom), (1918) 1 K.B. 592; British Movietonews Ltd. v. London and District Cinemas Ltd., (1952) A.C. 166. 567

568

u•

164

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

Rhodesia Railways Ltd. 571 hatte der beklagte Käufer zwar durch eine Anweisung an seinen Agenten die Voraussetzungen für die mit dem Verkäufer vereinbarte Zahlung gegen Lieferung geschaffen, diesen aber über die erfolgte Anweisung bewußt im Unklaren gelassen und so bewirkt, daß der Verkäufer, in dem irrigen Glauben, die andere Seite wolle den Vertrag nicht erfüllen, seinerseits nicht lieferte. Ob ein deutsches Gericht sichangesichtsdieses Verhaltens mit den Worten "Unfortunately for the plaintiffs, the desire . . . to do business with them evaporated ... " 572 begnügt und die Klage abgewiesen hätte, muß bezweifelt werden. Aufschlußreich ist auch ein Vergleich der Entscheidung im Falle Universal Cargo Carriers v. Citati573 mit der vom BGH getroffenen Entscheidung im ähnlichen "Ouistreham-Fall" 574 : In beiden Fällen machte der Charterer unzutreffende Angaben über die Person des Abladers. Der Gedanke, daß er damit eine allgemeine Vertrauenspflicht verletzt habe und der Verfrachter schon deshalb berechtigt sei, das Schiff zurückzuziehen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, wird von dem englischen Richter nicht einmal erwogen. Im Ergebnis muß man Burrows zustimmen, der sich im Schrifttum als einziger mit den Grenzen einer Pflicht zur Mitwirkung näher befaßt hat und die im englischen Recht gestellten Anforderungen von den Erfordernissen der "bona fides" abgrenzt: "While it (sc. the law) goes a little beyond absolute "necessity" - as to be sensible it must - it stops short of demanding co-operation merely because that would be reasonable. The English law does not require a degree of conduct equivalent to the Roman "good faith". By and large, the motto seems to be "each man for himself", and a party is not required to interrupt his own activities merely to help the other if he sees him getting into difficulties 575 ." 3. Abschnitt

Die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung und die Grenzen der "implication" Die Frage, ob die Vertragsverletzung von wesentlicher Bedeutung ist, spielt, wie oben dargelegt, in den Fällen keine Rolle, in denen die Mitwirkung des Gläubigers ausbleibt. Die Ausführungen zur "implication" ergeben, daß sich das aus der restriktiven Handhabung der den Gläubiger zur Mitwirkung verpflichtenden "implied term" erklärt. 67t 572

573 574

575

(1949) 2 All E.R. 1014, 1018. Vgl. aaO., S. 1018 per Devlin J. (1957) 2 Q.B. 401. BGHZ 11, 80. 31 Mod.L.Rev. 390, 404 (1968).

4. Kap.: Schwere d. Vertragsverletzung u. Grenzen der "implication" 165 Wird die Mitwirkung des Gläubigers nur in den Fällen verlangt, in denen der Vertrag ohne sie nicht durchgeführt werden kann, so ist klar, daß es einer Erörterung der Schwere der Vertragsverletzung nicht bedarf. Führt das Ausbleiben der Mitwirkung zum Scheitern des Geschäfts, so liegt stets eine wesentliche Vertragsverletzung vor, gleichgültig, welcher der Theorien über die Bedeutung der Vertragsverletzung man folgt: Die Mitwirkung ist Gegenstand einer "condition", ihr Ausbleiben "goes to the root of the contract". Einen indirekten Beweis für die Richtigkeit dieser Erklärung liefert die Entscheidung Universal Cargo Carriers Corp. v. Citati576 • Hier stellte sich das Problem, ob ein Charterer, der nicht für Ladung sorgen kann, sich gegenüber dem Verfrachter einer so wesentlichen Vertragsverletzung schuldig macht, daß dieser berechtigt ist, das Schiff schon vor Ablauf der Liegezeit zurückzuziehen und so den Vertrag scheitern zu lassen. Aber: Für Ladung im vereinbarten Zeitpunkt zu sorgen, war Gegenstand einer "express", nicht einer "implied term". Das Problem konnte deshalb nicht schon dadurch vermieden werden, daß man die Voraussetzungen einer "implication" verneinte.

578

(1957) 2 Q.B. 401.

5. Kapitel

Der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung ("action for an agreed sum") 1. Abschnitt

Vertragsbruch und "action for an agreed sum" Beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung wie bei der Gewährung des "quantum meruit" wird davon ausgegangen, daß der Vertrag nicht zur Durchführung kommt. Zu erörtern bleibt, ob der vertragstreue Teil sich den Vertragsbruch seines Partners in dem Sinne aufzwingen lassen muß, daß er nur diese auf Liquidation des Vertrags zielenden Behelfe ergreifen kann, oder ob er auf der Durchführung des Vertrags bestehen und die ihm geschuldete Gegenleistung beanspruchen darf. Daß die Erfüllungsklage "at law" überhaupt nicht gegeben ist und auch "in equity" nur unter bestimmten Voraussetzungen in Form der "specific performance" gewährt wird 577 , steht dem Anspruch auf die Gegenleistung dann nicht entgegen, wenn diese die Zahlung einer vertraglich fixierten Geldsumme zum Inhalt hat. Für darauf gerichtete Ansprüche gewährte das common law seit jeher die "action of debt" 578 ; die Equity-Gerichte verneinten für derartige Klagen sogar ihre Zuständigkeit579. Im heutigen englischen Recht ist die Klage auf Zahlung einer bestimmten Summe eine Selbstverständlichke it580• Hat also der Schuldner gegen den nicht zur Mitwirkung bereiten Gläubiger einen Geldanspruch, so kommt eine Klage auf die Gegenleistung in Betracht. Da die Mitwirkung des Gläubigers meist bei einer Sachleistung erforderlich ist, für die der Schuldner eine Vergütung in Geld beanspruchen kann, ist der Gegenleistungsanspr uch bei Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers nicht ohne weiteres ausgeschlossen. 577 Vgl. nur Anson I Guest, S. 531 ff.; Rheinstein, S. 138 ff.; Zweigert I Kötz, Bd II, S. 177 ff. 578 Vgl. Anson I Guest, S. 9110; Rheinstein, S. 132. 579 Dowling v. Betjemann (1862), 2 J. & H. 544, 134 R.R. 332. Vgl. auch Fry I Northcote, § 84 (S. 39). 580 So gewährt das House of Lords in White and Carter (Council) Ltd. v. McGregor, (1962) A.C. 413, den Erfüllungsanspruch, ohne mit einem Wort auf die "specific performance" einzugehen. In Overstone Ltd. v. Shipway, (1962) 1 W.L.R. 117, wird der Anspruch auf Zahlung einer bestimmten Summe gleichfalls anerkannt. Vgl. auch Treitel, S. 832 ff. ("action for an agreed sum").

5. Kap.: Der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung

167

Der auf eine bestimmte Summe gerichtete Zahlungsanspruch wäre nur von geringem praktischen Wert, wenn die eine Vertragspartei der anderen den "breach of contract" in dem Sinne aufzwingen könnte, daß sich mit der Vertragsverletzung die Zahlungspflicht sogleich auflöste und durch eine Schadensersatzpflicht ersetzt würde. Diese offenbar dem Bereich der "specific performance" entlehnte Vorstellung ist zwar verbreitet, aber irrig 581 • Das zeigt mit schlagender Deutlichkeit ein vom House of Lords entschiedener Fall582 : Die Kläger betrieben ein Reklameunternehmen; der Beklagte hatte durch einen Vertreter den Auftrag erteilt, über drei Jahre hinweg für die von ihm betriebene Großgarage durch Anschläge an dafür bestimmten öffentlich•en Tafeln zu werben. Der Beklagte widerrief den Auftrag grundlos noch am Tage des Vertragsschlusses. Die Kläger ließen sich da·:auf nicht ein und führten den Vertrag durch. Ihrer auf Zahlung des Vertragspreises gerichteten Klage wurde stattgegeben, weil die "repudiation" des Beklagten für sich genommen ohne Wirkung sei. Sie räume den Klägern zwar das Recht ein, von der Durchführung des Vertrags abzusehen und Schadensersatz zu verlangen, zwinge s!.e aber nicht dazu. Allgemein läßt sich das Verhältnis zwischen der "action for an agreed sum" und den anderen Rechtsbehelfen wegen "breach of contract" dahin umschreiben, daß der vertragstreue Teil ein Wahlrecht hat583• Läßt er sich auf die Vertragsverletzung nicht ein, so behält er 581 Vgl. Langford & Co. v. Dutch, (1952) S.C. 15 (zitiert nach und "overruled" durch die in Fn. 582 genannte Entscheidung). Gegen diese Vorstellung mußten sich englische Richter immer wieder zur Wehr setzen, vgl. z. B. Heyman v. Darwins Ltd., (1942) A.C. 356, 361 per Viscount Sirnon L.C., und Goiding v. London & Edinburgh Insurance Co. Ltd. (1932), 43 Ll.L.Rep. 487, 488 per Scrutton L.J.: "I have never been able to understand what effect the repudiation of one party has unless the other party accepts the repudiation" (zitiert nach Viscount Sirnon L.C., aaO.). Verfehlt auch Larenz, Bd I, § 24 I, S. 269, vor Fn. 1: "Anders ats im engLischen Recht hat der Gläubiger grundsätzlich den Erfüllungsanspruch, der ihm auch neben einem etwaigen Schadensersatzanspruch, solange er diesen nicht geltend gemacht hat oder zurückgetreten ist, wahlweise verbleibt." 582 White and Carter (Council) Ltd. v. McGregor, (1962) A.C. 413, 78 L.Q.Rev. 263 (1962). Bei Zweigert I Kötz, Bd II, S. 211, ist das Wesentliche dieses Urteils nicht erfaßt. Die Entscheidung ist auf Kritik gestoßen, vgl. Goodhart, 78 L.Q.Rev. 263 (1962); Anson I Guest, S. 482 Fn. 4: reserviert auch die Besprechung durch Treitel, S. 733/734. Ob ein amerikanisches Gericht ebenso entschieden hätte, ist zumindest zweifelhaft. Vgl. Restatement, Contracts, sect. 338, comment c: Nach der Vertragsverletzung darf der vertragstreue Teil nicht "unreasonably" mit der Erfüllung fortfahren. Vgl. auch Williston I Jaeger, §§ 1298, 1299, und Corbin, § 983. 583 Vgl. außer White and Carter (Council) Ltd. v. McGregor (vorige Fn.): Hirji Mulji v. Cheong Yue Steamship Co. Ltd., (1926) A.C. 497, 509 per Lord Sumner; Goiding v. London & Edinburgh Insurance Co. Ltd. (1932), 43 Ll.L.Rep. 487, 488 per Scrutton L.J.; Heyman v. Darwins Ltd., (1942) A.C. 356, 361 per Viscount Sirnon L.C. Vgl. auch Universal Cargo Carriers Corp. v. Citati, (1957) 2 Q.B. 401. Aus dem Schrifttum vgl. nur Anson I Guest, S. 483; Chitty, Bd I, Nr. 1243; Treitel, S. 731 (m. w. N.).

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

den Zahlungsanspruch. Auf der anderen Seite hat dann der vertragsuntreue Teil die Möglichkeit, seine Verpflichtung doch noch zu erfüllen584. Der vertragstreue Teil übernimmt das Risiko einer jetzt erst eintretenden "frustration" des Vertrags 585 . Läßt sich dagegen der vertragstreue Teil auf die Vertragsverletzung ein, so verliert er den Zahlungsanspruch und kann statt der Zahlung Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder das "quantum meruit" verlangen. Entscheidend für das Schicksal des Zahlungsanspruchs ist also letztlich nicht die Vertragsverletzung, sondern die darauf erfolgende Reaktion des vertragstreuen Teils. 2. Abschnitt

Uneingeschränkte Verurteilung zur Gegenleistung als Rechtsfolge einer "prevention"?

I. Hinweise für eine uneingeschränkte Verurteilung zur Gegenleistung als Rechtsfolge einer "prevention" Grundsätzlich werden die Voraussetzungen und Modalitäten der Zahlungspflicht durch den Vertrag bestimmt, "but may be implied", wenn es an einer vertraglichen Bestimmung fehlt 586 . Generell läßt sich sagen, daß bei Fehlen einer ausdrücklichen Vertragsbestimmung der Zahlungsanspruch nur von dem erhoben werden kann, der die von ihm geschuldete Leistung erbracht hat587 . So ist für den Kaufvertrag gesetzlich bestimmt, daß die Preisklage erst gegeben ist, wenn die Ware in das Eigentum des Käufers übergegangen ist 5B8 • Wenn danach auch die "action for an agreed sum" regelmäßig die Erfüllung der eigenen Leistungspflicht voraussetzt, so könnte doch auf Grund einer "prevention" eine andere Beurteilung geboten sein. Die Entscheidung White and Carter (Council) v. McGregor 589 kann allerdings nicht in diesem Sinne ausgelegt werden. Denn die Besonderheit dieses Falles besteht gerade darin, daß der klagende Schuldner seine Leistung ohne die Mitwirkung des Gläubigers erbringen konnte und auch erbrachte. Andere Äußerungen in der Rechtsprechung könnten 584 Vgl. nur Heyman v. Darwins Ltd., (1942) A.C. 356, 361 per Viscount Sirnon L.C. 585 "Klassischer Fall": Avery v. Bowden (1855), 5 E. & B. 714, 119 E.R. 647 (Befreiung durch Ausbruch des Krimkriegs). s8s Vgl. Halsbury, Bd 8, "Contract", Nr. 354 (S. 209). 587 Hughes v. Lenny (1839), 5 M. & W. 183, 151 E.R. 79; vgl. Halsbury, aaO. (Fn. 586). 588 Sale of Goods Act (1893), sect. 49(1). Vgl. dazu Colley v. Overseas Exporters, (1921) 3 K.B. 302, und Chalmers I Mark, S. 156 ff. 589 (1962) A.C. 413.

5. Kap.: Der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung

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jedoch so aufgefaßt werden, daß der vertragstreue Teil gegen den anderen ohne weiteres statt der Schadensersatzforderung den Erfüllungsanspruch erheben könnte. So wurde der Klage auf Zahlung der Vergütung für die Überlassung eines Patentanteils stattgegeben, obwohl iu dem Vertrag ausdrücklich vereinbart war, daß hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten noch eine Vereinbarung getroffen werden sollte, zu der sich die Beklagten nicht bereit fanden 590• In den Entscheidungsgründen heißt es: "If the agreement as to the mode of payment is a condition, the defendants, by refusing to enter into any agreement, have rendered the performance of it impossible, and have either placed the plaintiff in the same position as if there had been no condition, ... or have become liable to a claim of the same amount, as damages for wrongfully refusing to agree591 ."

Wenn man die Erfüllung der eigenen Verbindlichkeit als "condition" im Sinne dieses Urteils ansehen könnte, ergäbe sich für den Schuldner ein Erfüllungsanspruch. Daß das möglich ist, scheint Scott L. J. in einem obiter dieturn anzunehmen, das er anläßlich der (erfolgreichen) Zahlungsklage eines Zahnarztes niederlegte. Es heißt dort592 : "On the other hand, if a patient makes it impossible for the dentist to complete his work successfully, the fault must rest with the patient and leave the dentist entitled to recover the agreed remuneration for the work which he has done, or would have done, but for the failure of co-operation on the part of the patient." Hill J . führt in einer seerechtliehen Entscheidung aus: "I doubt very much whether the plaintiffs ... can say that they must be treated as if they had performed the contract.... I find a difficulty in saying that anybody can recover a lump sum to be paid in respect of a completed work when, in fact, that work has not been completed. But if the plaintiffs were prevented from completing it by the negligence of those on board the ship ... they are entitled to damages for the breach ... of the shipowners' obligations .. .593." Die vorsichtige Äußerung des Richters läßt erkennen, daß er zwar einen Rechtssatz dieses Inhalts nicht für richtig hält, daß aber in seiner Vorstellung andere eine derartige Meinung vertreten. Auch im Schrifttum finden sich Äußerungen, die dahin ausgelegt werden können, daß das Ausbleiben erforderlicher Mitwirkungshandlungen dem Gläubiger das Recht abschneidet, sich auf die Nichtleistung des anderen Teils zu berufen. So heißt es bei Halsbury: 59° 591 592 503

Hall v. Conder (1857), 2 C.B. (N.S.) 22, 140 E.R. 318. S. 40 per Williams J. Samuels v. Davis, (1943) 1 K.B. 526 (C.A.), 527. Vgl. auch Fn. 483. The Valsesia, (1927) P.D. 115, 119.

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

"The performance of a condition precedent is excused where the other party has prevented its performance....594." Und Stoljar schreibt: "... if the promisor595 prevents the happening of the condition, he will fall under an immediate duty of performance (usually of payment) as if no condition had ever qualified his promise ..."586 • Der Widerspruch zwischen den grundsätzlichen Voraussetzungen der "action for an agreed sum" einerseits, den referierten Äußerungen in Rechtsprechung und Schrifttum andererseits macht es erforderlich, auf das Verhältnis zwischen Zahlungsanspruch und "prevention" näher einzugehen.

II. Darstellung der Rechtsprechung In einer Reihe von Entscheidungen wurde einer Zahlungsklage wegen "prevention" durch den Gegner stattgegeben, die nach dem Wortlaut des Vertrags nicht begründet war597 • Eine nähere Untersuchung dieser Entscheidungen zeigt jedoch, daß sie für einen Zahlungsanspruch des Sachleistungsschuldners, der seiner Verpflichtung selbst noch nicht nachgekommen ist, nicht in Anspruch genommen werden können. In dem schon erwähnten Fall Hall v. Conder598 hatte der Kläger seine Leistung, nämlich die Übertragung eines hälftigen Patentanteils auf die Beklagten, bereits erbracht. Es stand allein die in dem Vertrag vorgesehene Vereinbarung über die Modalitäten der Zahlungspflicht aus. In dem Prozeß Cleary v. McAndrew599 ging es darum, daß der klagende Seefrachtführer die Ladung zwar beförderte, aber infolge einer Bd 8, "Contract", Nr. 338 (S. 200). Der Begriff ist hier auf den Gläubiger als Schuldner der Gegenleistung bezogen. 696 Vgl. 31 Can.Bar Rev. 231 (1953), 232. 597 Hall v. Conder (1857), 2 C.B. (N.S.) 22, 140 E.R. 318; Cleary v. McAndrew (1863), 2 Moore P.C. (N.S.) 216, 141 R.R. 45; Batterbury v . Vyse (1863), 2 H. & C. 42, 159 E.R. 19; Stirling v. Maitland (1864), 5 B. & S. 840, 122 E.R. 1043; Mackay v. Dick (1881), 6 App.Cas. 251. Der Umfang des von Stoljar, 31 Can.Bar Rev. 230 (1953), und von Burrows, 31 Mod.L.Rev. 390 (1968), zitierten Entscheidungsmaterials darf nicht den Eindruck erwecken, daß die "action for an agreed sum" in Verbindung mit der "prevention" eine überragende praktische Rolle spielt. Die meisten Klagen sind auf Schadensersatz oder auf das "quantum meruit" gerichtet oder betreffen die Situation, daß sich der Schuldner einer Sachleistung gegen Kürzungen seines Vergütungsanspruchs wehrt (z. B. Holme v. Guppy (1838), 3 M. & W. 387, 150 E.R. 1195; Macintosh v. The Midland Counties Ry. Corp. (1845), 14 M. & W. 548, 153 E.R. 592). 59 8 (1857), 2 C.B. (N.S.) 22, 140 E.R. 318. Vgl. bei Fn. 590. ;uu (1863), 2 Moore P.C. (N.S.) 216, 141 R.R. 45. 594

595

5. Kap.: Der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung

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von dem Verfrachter zu vertretenden Beschlagnahme nicht an den Bestimmungsort bringen konnte. Der Anspruch auf Zahlung der Fracht wurde ihm zuerkannt. In Batterbury v. Vyse600 konnte der auf Zahlung klagende Bauunternehmer beweisen, daß er seine Leistung ordnungsgemäß erbracht hatte, und daß der beklagte Auftraggeber die zur Voraussetzung des Vergütungsanspruchs gemachte Bescheinigung eines Architekten in "collusion" mit diesem zurückhielt. Der Fall Stirling v. Maitland601 ist durch besondere Umstände gekennzeichnet. Der Kläger hatte die Schulden bezahlt, die ein Versicherungsagent bei seinem Unternehmen hatte, und war dafür Partner in der Agentur geworden mit der mit dem beklagten Unternehmen getroffenen Abrede, daß der Agenturvertrag nicht gekündigt werden dürfe; widrigenfalls sei der von dem Kläger geleistete Betrag an diesen zurückzuzahlen. Das beklagte Unternehmen kündigte zwar nicht, übertrug aber das gesamte Geschäft auf eine andere Versicherungsgesellschaft, womit der Agenturvertrag hinfällig wurde. Der auf Zahlung gerichteten Klage wurde stattgegeben, weil " . .. there is an implied engagement on his part that he shall do nothing of his own motion to put an end to that state of circumstances, under which alone the arrangement can be operative". Schließlich Mackay v. Dick602 : Die Parteien eines Kaufvertrags hatten den Kaufpreisanspruch davon abhängig gemacht, daß die verkaufte Maschine (ein dampfgetriebener Bagger) bei einem Test eine bestimmte Mindestleistung erzielte. Der Verkäufer lieferte und übereignete die Maschine, der Käufer fand sich jedoch zu dem vereinbarten Test nicht bereit. Er wurde zur Zahlung verurteilt, weil er den Eintritt der Voraussetzungen seiner Zahlungspflicht vereitelt hatte. III. Würdigung de1· Rechtsprechung: Erbringung der eigenen Leistung ist Voraussetzung der erfolgreichen Zahlungsklage Die referierten Entscheidungen haben eines gemeinsam: Der auf Zahlung klagende Teil hatte die von ihm geschuldete Leistung bereits erbracht; sie unterscheiden sich deshalb gerade in dem maßgeblichen Punkt von dem Fall des Schuldners, der seine Leistung wegen Ausbleibens der Mitwirkung des Gläubigers nicht erbringen kann, und beweisen deshalb keineswegs, daß dieser Schuldner ohne Rücksicht auf seine Leistung Zahlung verlangen kann. Trotz der Äußerungen, die eoo (1863), 2 H. & C. 42, 159 E.R. 19. 6ot (1864), 5 B. & S. 840, 122 E.R. 1043. 6o2 (1881), 6 App.Cas. 251.

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2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

dies zu belegen scheinen, kommt nach englischem Recht ein Zahlungsanspruch nur für den in Betracht, der die von ihm geschuldete Leistung erbracht hat. Daß dies die Auffassung des Hause of Lords ist, ist in der Entscheidung White and Carter (Council) Ltd. v. McGregor 603 deutlich geworden. Bei der Würdigung dieses Urteils darf man sich nicht dadurch täuschen lassen, daß das Gericht die "action for an agreed sum" in dem konkreten Fall als gegeben ansah; denn das hat seinen Grund allein in der Besonderheit, daß der Kläger seine Leistung auch ohne die Mitwirkung des Gegners erbringen konnte und erbrachte604 • Von ebenso großer Bedeutung wie die Zuerkennung des Zahlungsanspruchs ist die von dem Gericht vorgenommene Einschränkung, daß die Wahl, an den vertraglichen Leistungspflichten festzuhalten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, dann nicht offen sei, wenn der Kläger seine Leistung nicht ohne die Mitwirkung des anderen Teils erbringen könne 605 • In diesem Fall muß sich der vertragstreue Teil die Abwicklung über das Schadensersatzrecht aufzwingen lassen 606 • Damit steht auch die Rechtsprechung zum Dienstvertrag in Einklang, die bei "wrongful dismissal" nur Schadensersatz gewährt 607 ; denn bei diesem besonderen Typ der "prevention" ist offenkundig, daß der Schuldner der Dienstleistung diese nicht ohne die Mitwirkung des Gläubigers erbringen kann. Die englische Rechtsprechung läßt auch die Gegenprobe zu. In einem von der King's Bench Division entschiedenen Fall608 klagte der lieferwillige und -fähige Verkäufer auf Zahlung des Preises und wurde abgewiesen, weil das Eigentum an den Waren in dem f. o. b. geschlossenen Vertrag nicht auf den Käufer übergegangen war, der sich außerstande (1962) A.C. 413. Vgl. auch Chitty, Bd I, Supplement 1966, Nr. 1383: "The circumstances were unusual, in that there was nothing which the respondent had to do or accept in order to enable the appellants to complete their performance of the contract." 6os Vgl. S. 428 per Lord Reid. 606 Man muß deshalb Treitel, S. 8331834, und Mayne I McGregor, Supplement 1966, Nr. 149, in ihren letztlich zustimmenden Würdigungen des Urteils Recht geben. Zustimmend auch die Besprechung von Furmstone, 25 Mod.L.Rev. 364 (1962). Reserviert dagegen die Besprechung von Goodhart in 78 L.Q.Rev. 263 (1962). Vgl. dort auch zum amerikanischen Recht. Ablehnend Cheshire I Fifoot, S. 527/528. Der Entscheidung folgt das Gericht in Anglo-African Shipping Co. v. Mortner, (1962) 1 Ll.L.Rep. 81 (zitiert nach Mayne I McGregor, aaO.). 607 Vgl. zuletzt Denmark Productions Ltd. v. Boscobel Productions Ltd., (1969) 1 Q.B. 699 (C.A.), 726 per Salmon L.J. Vgl. dazu schon oben bei Fn. 469 ff. 6os Colley v. Overseas Exporters (1919) Ltd. (1921), 126 L.T.R. 58. 603

604

5. Kap.: Der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung

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zeigte, für den erforderlichen Schiffsraum zu sorgen. Dem ausdrücklich auf die Entscheidung Mackay v. Dick 609 gestützten Klagvortrag begegnete MacCardie J. mit der Feststellung, daß in jenem Fall das Eigentum übergegangen sei und sowohl nach sect. 49 (1) S. G. A. (1893) wie auch nach dem früheren englischen Recht eine Klage auf den Preis nur Erfolg haben könne, wenn der Eigentumsübergang erfolgt sei: "A clear distinction exists between cases where the default of the buyer has occured after the property has passed and cases where that default has been before the property has passed. To the former cases Mackay v. Dick may be applied on appropriate facts. To the latter cases Mackay v. Dick does not apply so as to enable the seller to recover a price as distinguished from damages for breach of contract. To hold that Mackay v. Dick applies where the property has not passed would lead to extraordinary results 610 ." In diesem, im Schrifttum mit Zustimmung611 zitierten Urteil wird also als entscheidungserheblich angesehen, ob der auf die Gegenleistung klagende Schuldner seine Verpflichtung bereits erfüllt hat oder nicht. Dem Schuldner ist also die "action for an agreed sum" nicht schon deshalb versagt, weil der Gläubiger durch sein Verhalten den Vertrag aufkündigt. Doch ist der Anspruch auf Zahlung nur gegeben, wenn der Schuldner seine Leistung ohne die Mitwirkung des Gläubigers erbringen kann und auch erbringt. Damit scheidet der Zahlungsanspruch als "remedy" für die hier untersuchten Fälle aus. Zutreffend bemerken deshalb Anson I Guest: "In some Situations, where performance has thus been prevented by the promisee, the contract is taken as satisfied and the promisor can sue for the full remuneration or price. But in most cases he will be forced to accept the repudiation and sue for damages, since the contract cannot be fulfilled without the Co-operation of the party in default 612 ." 3. Abschnitt

Keine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug Dem deutschen Juristen stellt sich die Frage, ob nicht wenigstens eine eingeschränkte Verurteilung zur Zahlung, nämlich Zug um Zug gegen Erbringung der eigenen Leistung, in Betracht kommt. Denn §§ 320, 322 BGB gewähren nicht nur die Einrede des nicht erfüllten Vertrags, sondern machen zugleic..."_ deutlich, daß der Anspruch auf die Gegenleistung, wenn auch einredebehaftet, ohne die eigene Leistung bereits besteht und klageweise geltend gemacht werden kann. 609 61o 611 612

(1881), 6 App.Cas. 251. Vgl. 126 L.T.R. 58, 60. Vgl. Anson I Guest, S. 491. Vgl. S. 491.

174

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

Das englische Recht kennt eine derartige Verurteilung zur Leistung Zug um Zug nicht. Zwar hat sich im Anschluß an die grundlegende Entscheidung Lord Mansfield's in Kingston v. Preston613 der Gedanke durchgesetzt, daß die Erfüllung der eigenen Leistungspflicht nicht schlechthin "condition precedent" für das Geltendmachen von Vertragsansprüchen ist; die Erfüllung der wechselseitigen Leistungspflichten soll vielmehr "condition concurrent" sein614 • Daraus folgt für das englische Recht aber lediglich, daß der vertragstreue Teil Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder das "quantum meruit" verlangen kann, ohne seine Leistung erbracht zu haben615 • Eine bedingte Verurteilung des Gläubigers zur Gegenleistung wird aus dem Gedanken der "condition concurrent" nicht abgeleitet. Das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers vermag also weder zu einer uneingeschränkten noch zu einer eingeschränkten Verurteilung zur Gegenleistung zu führen. 4. Abschnitt

Ergänzender Ersatz des Verzögerungsschadens bei Durchführung des Vertrags Es ist denkbar, daß der Gläubiger die erforderliche Mitwirkungshandlung zwar schließlich vornimmt, dem Schuldner aber aus der Verzögerung ein Schaden erwächst, der unabhängig von der vereinbarten Gegenleistung bestehen bleibt. Bei der Beantwortung der Frage, ob der Schuldner Ersatz dieses Schadens verlangen kann, ist davon auszugehen, daß das englische Recht, da es nicht tatbestandsbildend zwischen den einzelnen Typen der Vertragsverletzung unterscheidet, den Leistungsverzug nur als einen Anwendungsfall der allgemeinen Grundsätze über die Vertragsverletzung betrachtet616 • Das bedeutet, daß ein Schadensersatzanspruch neben dem Erfüllungsanspruch in Betracht kommt, weil die Kumulation verschiedener "remedies" nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist617 • 813 (1773), 2 Dougl. 690, 691, wiedergegeben in Jones v. Barkley (1781), 2 Dougl. 684, 99 E.R. 434. 614 Vgl. z. B. sect. 28 S.G.A. (1893):"Unless otherwise agreed, delivery of the goods and payment of the price are concurrent conditions ..." 815 Vgl. dazu schon oben bei Fn. 498 ff. So spricht sect. 28 S.G.A. (1893) von "concurrent conditions", während sect. 50 den Verkäufer auf Schadensersatz verweist, wenn er nicht vorgeleistet hat. 616 Vgl. nur Rheinstein, S. 202 ff. 817 So kann sich z. B. der Verkäufer bei Verzögerung der Lieferung dem Erfüllungs- und dem Schadensersatzanspruch des Käufers ausgesetzt sehen, vgl. Chalmers I Mark, S. 168/169, m. w. N. Vgl. ferner Treitel, S. 730 ("injunction" und "damages").

5. Kap.: Der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung

175

Schon bei der Behandlung der Grenzen der "implication" 618 wurde festgestellt, daß die praktische Bedeutung der von Vaughan Williams L. J. entwickelten Regel, wonach keine Vertragspartei die andere in der Weise behindern darf, daß ihre Erfüllung verzögert wird 619 , nicht groß ist. Es lassen sich nur zwei Entscheidungen auffinden. Eine "implied term" im Sinne von Vaughan Williams L. J. wurde in einem Fall angenommen, in dem die klagende Schiffahrtsgesellscha ft sich vertraglich zur Postbeförderung verpflichtet hatte und die ihr zugesagte Pier nicht ordnungsgemäß benutzen konnte, weil die Beklagte diese auch anderen Schiffen überließ620 • Stoljar621 berichtet noch einen weiteren Fall622 : Der Kläger hatte sich verpflichtet, für die Beklagten während des Sommers eine Wasserleitung zu verlegen. Die Arbeit zog sich bis in den Winter hinein, weil die Beklagten die Grundstücke nicht rechtzeitig zur Verfügung stellten. Der Kläger verlangte und erhielt Schadensersatz wegen der Kosten, die ihm durch die Verteuerung der Arbeitskräfte und des Baumaterials während des Winters entstanden waren. Demgegenüber vermissen Mayne I McGregor für den Bauvertrag schlechthin einschlägige Entscheidungen623 • Den Vertrag durchzuführen und Ersatz eines Verzögerungsschade ns zu verlangen, ist also nicht ausgeschlossen. Die geringe praktische Bedeutung dieses Wegs erklärt sich aus dem zur "action for an agreed sum" Ausgeführten. Da der Schuldner die Gegenleistung nur verlangen kann, wenn er vorgeleistet hat, wird ihm meist mehr an einem Schadensersatz wegen Nichterfüllung als an einer Durchführung des Vertrags liegen. So wird im Schrifttum die Frage nach der Leistungszeit stets unter dem Gesichtspunkt erörtert, ob ihre Nichteinhaltung dazu berechtigt, von dem Vertrag Abstand zu nehmen624 •

Vgl. oben bei Fn. 563 ff. Vgl. Barque Quilpue Ltd. v. Brown, (1904) 2 K .B. 264, 271. 620 City of Dublin Steam Packet Co. v. R. (1908), 24 T.L.R. 798. 0 2 1 31 Can.Bar Rev. 231, 238 (1953). 622 Bush v . The Trustees of the Town and Harbour of Whitehaven (1888), 52 J.P. 392 (zitiert nach Stoljar, aaO.). 623 Vgl. Nr. 560. 624 Vgl. z. B. Anson I Guest, S. 439 ff.; Treitel S . 720 ff. 6 1B 819

6. Kapitel

Die Ansprüche des lieferbereiten Verkäufers nach dem Sale of Goods Act (1893) Die Regelung, die die Rechtsstellung des Verkäufers im Sale of Goods Act erfahren hat, bringt gegenüber dem common law, wie sich teilweise schon aus den bisherigen Ausführungen ergibt, keine Neuerungen. I. Schadensersatz wegen Nichterfüllung und Anspruch auf die Gegenleistung Der zentrale Rechtsbehelf des Verkäufers ist der Anspruch auf "damages for non-acceptance" nach sect. 50 (1) S.G.A. (1893): "Where the buyer wrongfully neglects or refuses to accept and pay for the goods, the seller may maintain an action against him for damages for non-acceptance." Daß es sich bei diesen "damages" um einen Ersatz wegen Nichterfüllung handelt, folgt aus sect. 50 (3) des Gesetzes: "Where there is an available market for the goods in question the measure of damages is prima facie to be ascertained by the difference between the contract price and the market or current price . ..625." Der Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises wird, wie schon oben ausgeführt626 , in sect. 49 (1) S.G.A. nur für den Fall gewährt, daß das Eigentum an der Kaufsache bereits auf den Käufer übergegangen ist: "Where, under a contract of sale, the property of the goods has passed to the buyer, and the buyer wrongfully neglects or refuses to pay for the goods according to the terms of the contract, the seller may maintain an action against him for the price of the goods." Ist das Eigentum noch nicht auf den Käufer übergegangen, so ist, sieht man von dem Sonderfall eines unabhängig von der Lieferung vereinbarten Zahlungstermins ab (sect. 49 (2) S.G.A.), der Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung der einzige Rechtsbehelf des Verkäufers627 • 625 Eingehend zur Schadensberechnung Mayne I McGregor, Nr. 423 ff. (S. 382 ff.). 626 Vgl. oben bei Fn. 608 ff., insbesondere Colley v. Overseas Exporters

(1919) Ltd. (1921), 126 L.T.R. 58. 627 Vgl. Chalmers I Mark, S. 162; Schmitthoff, S. 171, 173.

6. Kap.: Sale of Goods Act (1893)

177

Hat der Verkäufer dem Käufer Eigentum und Besitz verschafft, so ist er grundsätzlich auf den Zahlungsanspruch beschränkt628 • Eine Ausnahme gilt insoweit, als sich die Anwendungsbereiche von sect. 49 (1) und sect. 50 (1) S.G.A. überschneiden. Hat der Käufer Eigentum und Besitz erlangt, unterläßt oder verweigert er aber die "acceptance", so kann der Verkäufer wählen, ob er die Kaufpreisforderung verfolgen oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen will629• Wie sich aus sect. 35 S.G.A. ergibt, bedeutet dabei "acceptance" ein Verhalten, aus dem zu entnehmen ist, daß der Käufer die Kaufsache als vertragsgemäß anerkennt6ao. Il. Hinterlegung und Selbsthilfeverkauf

Das englische Recht kennt die Hinterlegung der Kaufsache als Erfüllungssurrogat nicht631 • Der Hinterlegung Vergleichbares gibt es überhaupt nur bei Geldschulden in Form des "payment into court" 632 • Das Fehlen dieses Rechtsinstituts wird jedoch durch eine großzügige Gewährung des Rechts zum Selbsthilfeverkauf ("resale") aufgewogen. Nach Sect. 39 (1 c) und sect. 48 (3) S.G.A. kann der Verkäufer nämlich nicht nur bei verderblichen Waren, sondern bei jeder endgültigen Zahlungsverweigerung des Käufers zum Selbsthilfeverkauf schreiten und zusätzlich Ersatz eines ihm verbleibenden Schadens verlangen633• Dazu gehören auch die durch den Selbsthilfeverkauf entstehenden Kosten634 • III. Schadensersatz nach sect. 37 S.G.A.

Sect. 37 S.G.A. gibt dem Verkäufer einen Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens: "When the seller is ready and willing to deliver the goods, and requests the buyer to take delivery, and the buyer does not within a reasonable time after such request take delivery of the goods, he is liable to the seller for any loss occasioned by his neglect or refusal to take delivery, and also for a reasonable charge for the care and custody of the goods: Provided that nothing in this section shall affect the rights of the seller where the neglect or refusal of the buyer to take delivery amounts to a repudiation of the contract." Vgl. Benjamin, S. 829; Schmitthoff, S. 171. Vgl. Schmitthoff, S. 171; Atiyah, S. 205. Zu weit formulieren Chalmers I Mark, S. 162: "Where the property has passed he may sue either for the price or for damages for non-acceptance." 630 Vgl. dazu Schmitthoff, S. 142 ff. Zur Bedeutung der "acceptance" im Rahmen der Mängelrüge vgl. Rabel, Bd II, § 94, 1 (S. 210/211). 6at Vgl. Rabel, Bd II, § 72, 2 (S. 81). 632 Vgl. dazu oben bei Fn. 423 ff. 633 Vgl. dazu Rabel, Bd li, § 72 li (S. 82/83). 634 Vgl. R.V. Ward Ltd. v. Bignall, (1967) 1 Q.B. 534 (C.A.), 544: Kosten des Inserats zugesprochen. 628

6 29

12 Hüffer

178

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

Diese Vorschrift, die sich auf den ersten Blick wie eine Zusammenfassung der §§ 286, 304, 433 Abs. li BGB liest, erfährt eine entscheidende Einschränkung ihres Anwendungsbereichs dadurch, daß der Ersatzanspruch nur wegen solcher Schäden und Aufwendungen gegeben ist, die nach dem Eigentumsübergang vom Verkäufer auf den Käufer entstehen. Im Wortlaut der Bestimmung kommt das allerdings nicht zum Ausdruck. Es ist jedoch die einhellige Auffassung des Schrifttums635 und stimmt auch damit überein, daß in dem einzigen entschiedenen und auch veröffentlichten Fall636, dessen rechtliche Behandlung zum Vorbild der Norm gedient hat637 , das Eigentum bereits übergegangen war 638 . Nur bei dieser Interpretation steht sect. 37 mit sect. 49 und 50 S.G.A. in Einklang, da nach sect. 49 der Kaufpreis nur nach Eigentumsübergang verlangt werden kann, ein nur ergänzender Schadensersatz ohne den Kaufpreis aber sinnlos ist. Es ist erklärlich, daß sect. 37 S.G.A. keine nennenswerte praktische Bedeutung besitzt. Zwar erscheint der Eigentumsübergang ohne "delivery" nach der in den sect. 17 und 18 S.G.A. enthaltenen Regelung 639 jedenfalls dann als möglich, wenn nicht ein entgegenstehender Wille einer Vertragspartei festzustellen ist 640 • Doch zwingt das Gesetz den Verkäufer, der bei dem Vertrag stehen bleiben und nur Ersatz des Verzögerungsschadens verlangen will, das Risiko einer Vorleistung auf sich zu nehmen. Will der Verkäufer dieses Risiko vermeiden, so bleibt ihm nur, nach sect. 50 S.G.A. Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen.

635 Vgl. Chitty, Bd II, Nr. 1494; Halsbury, Bd 34, "Sale of Goods", Nr. 176, Fn. m (S. 114); Schmitthoff, S. 149; Benjamin, S. 750, und Chalmers I Mark, S. 137, begnügen sich mit einem Hinweis auf die in der folgenden Fn. genannte Entscheidung. 836 Greaves v. Ashlin (1813), 3 Camp. 426, 14 R.R. 771. 837 "If the buyer does not carry away the goods bought within a reasonable time, the seller may charge him warehouse room; or he may bring an action for not removing them, should he be prejudiced by the delay", S. 427 per Lord Ellenborough C.J. Vgl. dazu Benjamin, S. 750, Fn. c; Halsbury, Bd 34, "Sale of Goods", Nr. 176, Fn. m (S. 114). 838 "In this case the notice given to fetch away the goods could not discharge the defendant (= Verkäufer) from his contract, nor ernpower him to sell the property of the plaintiff (= Käufer)", S. 427 per Lord Ellenbarough C.J. 839 Vgl. dazu v. Caemmerer, RabelsZ 12 (1938/39), 675, 680 ff., der allerdings ungenau von einer "Übereignung durch Kaufvertrag" spricht (S. 681). Mo Die moderne Praxis ist mit der Annahme eines Eigentumsübergangs auf Grund bloßer Vereinbarung sehr zurückhaltend: "The governing rule, however, is in section 17, and in modern times very little is needed to give rise to the inference that the property in specific goods is to pass only on delivery or payment", per Diplock, L.J. in R.V. Ward Ltd. v. Bignall, (1967)

1 Q.B. 534 (C.A.), 545.

7. Kapitel

Gläubigerverzug, "prevention", "co-operation" und Gegenleistungsverpflichtung Da das englische Recht einen Gläubigerverzug im Sinne der kontinentalen Rechtsordnungen nicht entwickelt hat641 , konnte hier von vornherein nicht, wie im gemeinen Recht, in einem Teil des französischen Schrifttums und in den Artt. 1206 ff. cc, der Versuch unternommen werden, das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers unter dem Gesichtspunkt des Gläubigerverzugs zu behandeln. Für das englische Recht ist das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers vielmehr ohne weiteres ein Fall der Vertragsverletzung, und zwar speziell der Verletzung des gegenseitigen Vertrags; außerhalb dieses Rahmens hat sich das Mitwirkungsproblem nicht gestellt. Die Begründung einer Vertragspflicht erfolgt durch "implication", wobei es hier gleichgültig ist, ob die "implication" einer "term" der Auslegung oder der Ergänzung des Vertrags zuzuordnen ist642 • Wird also das Verbot der "prevention" oder das Gebot der "Co-operation" in den Vertrag impliziert, so bedeutet das nichts anderes als die Begründung einer Pflicht, obstruierende Handlungen zu unterlassen oder bei der Schulderfüllung mitzuwirken. Andererseits soll der Verstoß gegen diese Pflicht geeignet sein, die Ansprüche wegen Nichterfüllung des Vertrags auszulösen. Berücksichtigt man die geringe praktische Bedeutung der eine bloße Verzögerung verbietenden "implied term" 643, so muß man, wie auch für die anderen untersuchten Rechtsordnungen, feststellen, daß die Begründung der Ersatzansprüche wegen Nichterfüllung geradezu der typische Zweck der "implication" ist. Die für den deutschen Juristen naheliegende Frage, ob die mit dem Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers verbundenen Sanktionen wirklich an dieses Ausbleiben oder an eine Verletzung der Gegenleistungspflicht angeknüpft werden, stellt sich dem englischen Juristen nicht. Denn mit der traditionellen Unterscheidung zwischen Vgl. oben bei Fn. 421 ff. Vgl. oben bei Fn. 443 ff. eu Vgl. oben bei Fn. 563 ff., 619 ff. 641

e42

12°

180

2. Hauptteil: Rechtsvergleichung- Englisches Recht

"condition" und "warranty" wird nicht auf die Art der verletzten Pflicht, sondern auf die Natur der verletzten Vertragsbestimmung abgestellt644, und die modernen Versuche, die Bedeutung der Vertragsverletzung zu erfassen, differenzieren gleichfalls nicht innerhalb der Vertragspflichten, sondern stellen auf die Auswirkungen der Vertragsverletzung ab, wie die Formel "goes to the root of the contract" zeigt645 . Daß der Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht auch unter diesen Gesichtspunkten nicht erörtert wird, liegt an der restriktiven Handhabung der "implication" 646. Wenn die dem englischen Recht nicht entsprechende Frage, an die Verletzung welcher Vertragspflicht die Sanktionen angeknüpft werden, gleichwohl gestellt wird, um der Untersuchung des common law auch insoweit ein Ergebnis für das deutsche Recht abzugewinnen, so kann es nicht überraschen, daß eindeutige Stellungnahmen selten sind. Ganz klar wird zwischen der Vornahme der Mitwirkungshandlung und der Erfüllung der Gegenleistungspflicht in dem oben647 wiedergegebenen Urteil von Lord Mansfield unterschieden: "Here, the draft was shewn to the defendant for his approbation of the form, but he would not read it, and, upon a different ground, namely, that he means not to pay the money, discharges the plaintiff648." Prüfung der Zeichnung als Mitwirkungshandlung und Zahlung der Vergütung sind also für Lord Mansfield zwei verschiedene Gesichtspunkte; nur der Verstoß gegen die Vergütungspflicht "discharges the plaintiff" 649. Bei Halsbury wird der Verstoß gegen die "implied term of a contract that one party will not by his wrongful act disable the other from performing the contract" als Fall des "anticipatory breach" behandelt650. "Anticipatory" kann die Vertragsverletzung nur sein, wenn sie sich nicht auf die Mitwirkungspflicht, sondern auf die noch nicht fällige Gegenleistungspflicht bezieht. Größeres Gewicht als dieser bei Halsbury nicht näher begründeten Zuordnung zum "anticipatory breach" kommt der Regelung zu, die die Vgl. oben bei Fn. 549. Vgl. oben bei Fn. 550. 646 Vgl. oben nach Fn. 575. u1 Vgl. bei Fn. 501. 648 Jones v. Barkley (1781), 2 Dougl. 684, 694, 99 E.R. 434. 649 Es mag Zufall sein, bleibt aber bemerkenswert, daß diese Unterscheidung gerade von Lord Mansfield als einem Kenner des civil law stammt (vgl. nur Zweigert I Kötz, Bd I, S. 245), der die Gedanken des civil law nicht nur bei der Entwicklung des "law merchant" verwandte. Vgl. z. B. Moses v. Macferlan (1760), 2 Burr. 1005, 97 E.R. 676 (Begründung des Quasi-Kontrakts). 65o Vgl. Bd 8, "Contract", Nr. 342. 644

845

7. Kap.: Gl.-Verzug, "prevention", "co-operation" u. Gegenleistung

181

Mitwirkung des Käufers im Sale of Goods Act gefunden hat650 a. Nach sect. 50 (1) S.G.A. reicht die "non-acceptanc e" für den Schadensersatz wegen Nichterfüllung nicht aus; der Käufer muß auch die Zahlung unterlassen oder verweigern. Damit stimmt auch sect. 37 S.G.A. überein. In dieser Bestimmung geht das Gesetz nämlich davon aus, daß der Kaufpreis gezahlt wird, und gewährt nur ergänzenden Ersatz, nämlich des Verzögerungssc hadens. Nur für den Fall "where the neglect or refusal of the buyer to take delivery amounts to a repudiation of the contract" werden dem Verkäufer die weiter reichenden Ansprüche wegen Nichterfüllung vorbehalten. Ein zuverlässiges Urteil würde durch diese Belege allein nicht ermöglicht. Betrachtet man jedoch die Entscheidungen , in denen Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder das "quantum meruit" bei "prevention" oder Ausbleiben der "Co-operation" gewährt worden ist, so stellt man fest, daß sich der Beklagte durch sein Verhalten stets auch der Gegenleistungs pflicht entziehen wollte. Nimmt man hinzu, daß die "implication" so restriktiv gehandhabt wird, daß, von den seltenen Verzögerungsfä llen abgesehen, eine Pflicht zur Mitwirkung ohnehin nur in Frage kommt, wenn der Vertrag ohne die Mitwirkung scheitert, so ist die Feststellung gerechtfertigt, daß das Ausbleiben von Mitwirkungshandlung en allein die Rechtsfolgen der Nichterfüllung des Vertrags nicht auszulösen vermag; es muß hinzukommen, daß der Gläubiger auch die Gegenleistung nicht erbringt.

ssoa

Vgl. dazu im vorigen Kapitel.

4. Teil

Zusammenfassende Betrachtung 1. Kapitel

Gläubigerverzug und Mitwirkungspflicht des Gläubigers 1. Abschnitt

Die beschränkte Funktion des Gläubigerverzugs Die rechtsvergleichende Betrachtung beweist, daß der Gläubigerverzug, wie er in den §§ 293 ff. BGB oder in den Artt. 1206 ff. cc geregelt ist, keinen unverzichtbaren Bestandteil einer Rechtsordnung bildet. Im französischen651 und im englischen Recht652 kommt man ohne den Gläubigerverzug aus. Wohl aber kennen alle Rechtsordnungen eine Schuldbefreiung durch Erfüllungssurrogate. Als solche Surrogate kommen in Betracht: die Hinterlegung der Schuldsache, die Versteigerung hinterlegungsunfähiger Sachen mit anschließender Hinterlegung des Erlöses, der Selbsthilfeverkauf. Die Hinterlegung der Schuldsache haben sowohl das deutsche als auch die romanischen Rechte geregelt (§§ 372 BGB, 373 Abs. I, 374 HGB; Art. 1257 C. civ.; Artt. 1210, 1514 cc). Das englische Recht kennt die Hinterlegung immerhin für den praktischen Hauptfall, nämlich für Geldschulden, in Form des "payment into court" 653 • Die Versteigerung hinterlegungsunfähiger Sachen mit anschließender Hinterlegung des Erlöses ist nur in Deutschland und Italien vorgesehen(§§ 383 BGB, 374 HGB; Art. 1211 cc). Ein Erfüllungssurrogat in Form des Selbsthilfeverkaufs kennt nur das deutsche Recht in § 373 Abs. II- IV HGB. Das französische Recht kennt den Selbsthilfeverkauf überhaupt nicht654 • Das italienische und das englische Recht sehen zwar den Selbsthilfeverkauf vor (Art. 1515 m Vgl. nach Fn. 15. Vgl. bei Fn. 421. 853 Vgl. bei Fn. 424.

852

854

Zutreffend Rabel, Bd II, § 72 II (S. 83).

1. Kap.: Gläubigerverzug u. Mitwirkungspflicht des Gläubigers

183

cc; sect. 48 (3) S.G.A.), fassen ihn aber nicht als ein auf Gläubigerverzug folgendes Erfüllungssurrogat auf, sondern ordnen ihn den Rechtsbehelfen wegen Verletzung der Zahlungspflicht des Käufers zu855• Von dem Erfordernis endgültiger Zahlungsverweigerung macht das englische Recht nur bei dem Verkauf verderblicher Ware eine Ausnahme (sect. 48 [3] S.G.A.). Treten dem Gläubiger nachteilige Wirkungen wie nach den Artt. 1257 C. civ. erst mit der Hinterlegung ein, so läßt sich von einem

Gläubigerverzug nicht sprechen, weil das Unterbleiben der Annahme oder das Ausbleiben von Mitwirkungshandlungen nicht selbst Rechtsfolgen auslöst. Andererseits darf aus der Regelung des BGB, die in den §§ 293 ff. die Erfüllungssurrogate ganz ausklammert, nicht geschlossen werden, Gläubigerverzug und Erfüllungssurrogate könnten unabhängig voneinander gesehen werden. Daß sie zusammengehören, bringt das italienische Recht deutlich zum Ausdruck, indem es die Hinterlegung und die Versteigerung hinterlegungsunfähiger Sachen mit anschließender Hinterlegung des Erlöses im Rahmen des Gläubigerverzugs regelt (Artt. 1210, 1211 cc). Wenn man den Verzug des Gläubigers und die Möglichkeit des Schuldners zu ersatzweiser Erfüllung im Zusammenhang sieht, ergibt sich, daß der Gläubigerverzug nur eine ergänzende Aufgabe hat. Der Gläubigerverzug will dem Schuldner lediglich die mit der Verzögerung der Schulderfüllung verbundenen Nachteile abnehmen oder das Entstehen solcher Nachteile verhindern, bis er sich durch ersatzweise Erfüllung von der Verbindlichkeit befreit hat oder bis ihm der Gläubiger die Leistung doch noch ermöglicht. Das gilt zunächst für die in den §§ 293 ff. BGB selbst vorgesehenen Rechtsfolgen. Nachteile sollen dem Schuldner durch die §§ 301- 304 BGB abgenommen werden656 ; die Gefahrtragungsregel in § 300 BGB soll das Entstehen von Nachteilen verhindern. Während sich diese Vorschriften ausschließlich mit der Leistung des Schuldners befassen, geht es in den §§ 322 Abs. II, 324 Abs. II BGB um die dem Schuldner gebührende Gegenleistung. Die ergänzende Funktion der Gläubigerverzugsregeln bezieht sich hier nicht auf die Befreiung des Schuldners von seiner Verbindlichkeit, sondern auf die Durchsetzung des Gegenleistungsanspruchs. Wie die §§ 300 ff. BGB geht auch § 322 Abs. II BGB von der Durchführung des Vertrags aus und will dem Schuldner gerade diese ermöglichen; die Vorschrift nimmt ihm insofern einen aus dem Verzug des Gläubigers 655

Dieser Unterschied kommt nicht deutlich heraus bei Rabe!, Bd II,

§ 72 II (S. 82/83). Vgl. noch oben bei Fn. 633.

858 Auch Art. 1207 Abs. II cc hat eine nur ergänzende Funktion, da die Bestimmung nur Ersatz des Schadens gewährt, der gerade durch die Verzögerung bedingt ist, vgl. bei Fn. 329 ff.

184

2. Hauptteil: Zusammenfassende Betrachtung

folgenden Nachteil ab, als sie ein Hindernis für die Durchsetzung des Gegenleistungsanspruchs als unbeachtlich erklärt. Demgegenüber enthält § 324 Abs. II BGB eine Ergänzung des § 300 BGB, will also die Entstehung eines Nachteils für den Schuldner (Verlust des Gegenleistungsanspruchs gemäß § 323 Abs. I BGB) verhindern. Da die Vorschriften über den Gläubigerverzug grundsätzlich von der Durchführung des Vertrags ausgehen, ist ihnen nichts zu der Frage zu entnehmen, ob und wie der Vertrag im Wege des Rücktritts oder des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung abzuwickeln ist. Eine Ausnahme enthalten insoweit nur die §§ 642, 643 BGB, die der Besonderheit des Werkvertrags (längerfristige Bindung der Parteien vor dem Austausch der Leistungen) Rechnung tragen. 2. Abschnitt

Die Lehren von der Mitwirkungspflicht des Gläubigers In allen untersuchten Rechtsordnungen finden sich Versuche, eine Pflicht des Gläubigers zu begründen, bei der Leistung des Schuldners mitzuwirken. Mit der Annahme dieser Pflicht werden jedoch verschiedene Ziele verfolgt. Soweit die Praxis und die ihr folgende herrschende Meinung in den jeweiligen Rechtsordnungen eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers annehmen, verbinden sie mit deren Verletzung die für die Nichterfüllung gegenseitiger Verträge typischen Rechtsfolgen, also das Recht zur Vertragsauflösung und den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Im deutschen Recht geschieht das, indem man in dem Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht eine unzumutbare Gefährdung des Vertragszwecks findet657• Im französischen und englischen Recht bedarf es einer solchen Konstruktion nicht, weil das französische Recht mit einem generellen Begriff der Nichterfüllung arbeitet (Art. 1184 C. civ.)658 und das englische Recht nicht auf einen bestimmten Typ der Leistungsstörung abstellt659 • Im italienischen Recht hat sich der Gedanke, der Gläubiger sei zur Mitwirkung verpflichtet, ohnehin nicht d urchgesetzt660 • Soweit die Mitwirkungspflicht des Gläubigers in der Theorie eine Rolle spielt, verfolgen die Autoren ein anderes Ziel als die Praxis. Am deutlichsten wird das in den Arbeiten von Demogue und Falzea als den 657 Vgl. nur die Rechtsprechungsübersicht im 1. Hauptteil, 4. Kap., 1. Ab" schnitt. &58 Vgl. bei Fn. 213, 214. m Vgl. bei Fn. 545 ff. 88o Vgl. bei Fn. 299 ff., 319 ff.

1. Kap.: Gläubigerverzug u. Mitwirkungspflicht des Gläubigers

185

beiden Hauptvertretern einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers. Die Frage der Vertragsauflösung spielt bei Demogue überhaupt keine Rolle661 • Von Falzea wird sie zwar aufgegriffen, aber unter dem Gesichtspunkt der Hinterlegung behandelt662 ; auch für die auf ein Tun gerichteten Verbindlichkeiten zieht er nur eine dem Art. 95 OR entsprechende Vertragsauflösung nach Gläubigerverzugsregeln in Betracht (Artt. 1207 Abs. III, 1217 cc) 663 • Von einem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung des gesamten Vertrags ist bei beiden nicht die Rede664 • Sie und die ihnen folgenden Teile des Schrifttums665 haben sich also zwar die Lehre von den aus dem Vertrauensverhältnis der Parteien folgenden Pflichten zunutze gemacht, haben daraus aber nicht die Folgerung gezogen, daß die Verletzung dieser Pflichten die für die Nichterfüllung des gegenseitigen Vertrags typischen Rechtsfolgen auslöst. In dieser Form bezweckt die Lehre von der Mitwirkungspflicht des Gläubigers lediglich, die Artt. 1206 ff. cc auf eine theoretische Basis zu stellen (Falzea) oder eine "demeure du creancier", verbunden mit Fällen aus dem Verwirkungsbereich (Demogue), zu begründen. In dieser Form ist die Lehre von der Mitwirkungspflicht des Gläubigers von der Praxis nirgends übernommen worden666 • Der Grund ergibt sich aus der Funktion, die eine so verstandene Mitwirkungspflicht allenfalls haben kann. Sie kann nämlich nur den Zweck verfolgen, dem Schuldner die Leistung zu ermöglichen, zielt also ebenso wie die Vorschriften über den Gläubigerverzug auf das Leistungsinteresse des Schuldners ab, also auf sein Interesse, die Schuld los zu werden. Die Rechtsfolgen, die bei Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach der herrschenden Meinung667 eintreten, dienen aber, gleichgültig, ob es sich um die Vertragsauflösung oder um den Schadensersatz wegen Nichterfüllung handelt, dem Schutz des Gegenleistungsinteresses des Schuldners, also seinem Interesse, die Gegenleistung zu erhalten oder die eigene Leistung jedenfalls nicht ohne die Gegenleistung zu erbringen.

881 Nur zur vorläufigen Einstellung der Leistung soll der Schuldner berechtigt sein, vgl. bei Fn. 87. 862 Vgl. bei Fn. 278. 863 Vgl. bei Fn. 337 ff. 664 Vgl. bei Fn. 88 und bei Fn. 277. 665 Vgl. bei Fn. 106 ff., 287 ff. 866 Vgl. bei Fn. 112 ff., 208 ff., 319 ff. 667 Vgl. Fn. 657 ff.

2. Kapitel

Die Mitwirkung des Gläubigers als Problem des gegenseitigen Vertrags 1. Abschnitt

Das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers als Verletzung des Gegenleistungsinteresses des Schuldners Die Frage, ob der Gläubiger zur Mitwirkung verpflichtet ist, wird im Schrifttum generell diskutiert und nicht auf die gegenseitigen Verträge beschränkt668 • Die Länderberichte zeigen jedoch, daß die mit dem Stichwort "Mitwirkung des Gläubigers" bezeichneten Probleme sich in der Praxis ausschließlich im Rahmen von gegenseitigen Verträgen stellen. So betreffen alle zu diesem Fragenkreis ergangenen deutschen Entscheidungen gegenseitige Verträge669• In Frankreich spielt die Frage einer Mitwirkungspflicht überhaupt nur bei Kauf- und Werkverträgen eine Rolle670• Die italienische Rechtsprechung hat die Frage einer Mitwirkungspflicht nur für den Kaufvertrag und den Dienstvertrag erwogen671. In der englischen Praxis geht es um Kauf-, Werk-, Dienst- oder Maklerverträge672• Die Frage, warum sich das Problem in der Praxis auf gegenseitige Verträge beschränkt, ist leicht beantwortet: Dem Gläubiger, der einseitig von dem Schuldner etwas zu erwarten hat, ist daran gelegen, dem Schuldner die Leistung durch seine Mitwirkung zu ermöglichen; deshalb kommen hier Fälle versagter Mitwirkung nicht vor. Daß die Frage einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers bisher nur im Rahmen von gegenseitigen Verträgen praktisch geworden ist, bedeutet noch nicht unbedingt, daß sich das Problem auf solche Verträge beschränkt. Jedoch verknüpft die herrschende Meinung in jeder Rechtsordnung, wie schon oben dargelegt673 , mit dem Verstoß gegen die Mit888 Vgl. im 1. Hauptteil bei Fn. 249 ff., im 2. Hauptteil bei Fn. 65 ff., 271 ff., 441 ff. 668 Vgl. Fn. 657. 67o Vgl. bei Fn. 118 ff., 137 ff. 671 Vgl. bei Fn. 316 ff. 672 Vgl. bei Fn. 462 ff. a1a Vgl. bei Fn. 657 ff.

2. Kap.: Die Mitwirkung des GI. als Problem des gegens. Vertrags

187

Wirkungspflicht die für die Verletzung der Gegenleistungspflich t typischen Rechtsfolgen. Es sind offenbar Vertragsauflösung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung die Rechtsbehelfe, die erforderlich sind, um das beeinträchtigte Interesse des Schuldners zu schützen. Das zeigt sich auch darin, daß sowohl in den romanischen Rechten wie im englischen Recht auf eine direkte Durchsetzung der Mitwirkungspflicht, soweit man sie überhaupt annimmt, verzichtet wird. Ein klagbarer Anspruch auf Abnahme, wie ihn das deutsche Recht in den §§ 433 Abs. II, 640 BGB kennt674 , wird im französischen Recht nicht gewährt, obwohl die Mitwirkungspflicht des Gläubigers gerade dort einen breiten Anwendungsbereich einnimmt675 • Auch diejenigen italienischen Autoren, die eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers bejahen, wollen diese Pflicht nicht etwa im Wege von Klage und Vollstreckung durchsetzen. Sie geben sich vielmehr mit den in den Artt. 1207 ff. cc vorgesehenen Rechtsfolgen zufrieden. Am deutlichsten wird das bei Falzea, der in der schuldbefreienden Hinterlegung das Zwangsmittel zur Durchsetzung des von ihm bejahten Anspruchs auf Annahme der Leistung sieht676 • Dem englischen Rechtsdenken ist die Durchsetzung einer "obligation of co-operation" ohnehin fremd; die direkte Durchsetzung einer solchen Pflicht wird nirgends erwogen677 • Schließlich kommt auch im deutschen Recht die Klage auf Abnahme praktisch nur in Verbindung mit der Zahlungsklage vor. Nimmt man die geschilderten Beobachtungen zusammen - praktische Bedeutung der Mitwirkungsfrage nur im gegenseitigen Vertrag, keine Durchsetzung der Mitwirkungspflicht, stattdessen Eintritt der für die Verletzung der Gegenleistungspflich t typischen Rechtsfolgen bei Ausbleiben der Mitwirkung -, so ergibt sich, daß das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers ein Problem speziell des gegenseitigen Vertrags ist. Nur vordergründig geht es um die Vornahme der Mitwirkungshandlung. In Wirklichkeit wird ihr Ausbleiben nur als sinnfälliger Ausdruck des Wegfalls der eigenen Leistungsbereitschaf t des Gläubigers gewertet. Es geht also darum, dem vertraglich begründeten Interesse des Schuldners an der ihm gebührenden Gegenleistung Rechnung zu tragen. Indirekt erkennt das auch die herrschende Meinung im deutschen Recht an, indem sie bei Ausbleiben der Mitwirkung von einer unzumutbaren Gefährdung des Vertragszwecks spricht678 ; denn worin sollte für den Schuldner der Vertragszweck liegen, wenn nicht darin, die vereinbarte Gegenleistung zu erlangen? &14

875 876 677 8 78

Vgl. im 1. Hauptteil bei Fn. 162 ff. Vgl. Fn. 670. Vgl. bei Fn. 278. Vgl. nach Fn. 455. Vgl. z. B. RG WarnR. 1918 Nr. 137; RGZ 104, 15.

188

2. Hauptteil: Zusammenfas sende Betrachtung 2. Abschnitt

Der Schutz des Gegenleistungsinteresses des Schuldners Daß es bei Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers darum geht, dem Interesse des Schuldners an der ihm gebührenden Gegenleistun g Rechnung zu tragen, bedeutet nicht, daß ihm die Gegenleistun g notwendig zuzusprechen ist679 • Dem Gegenleistun gsinteresse des Schuldners Rechnung zu tragen, bedeutet vielmehr, daß man der synallagmatischen Verknüpfun g von Leistung und Gegenleistun g Rechnung tragen muß. Das kann heißen, daß dem Schuldner die Gegenleistun g zuzusprechen ist. Es kann aber auch sein, daß dem Vertragsbruc h des Gläubigers mit der Vertragsaufl ösung oder mit einem Schadensers atzanspruch wegen Nichterfüllu ng zu begegnen ist. Bevor diese Möglichkeite n im einzelnen untersucht werden, ist festzustellen, daß in der Praxis Vertragsaufl ösung und Schadensers atz wegen Nichterfüllu ng die doxpinierend e Rolle spielen. In der deutschen Rechtsprechu ng ist die Erfüllung des Gegenleistun gsanspruchs nur in dem der jüngsten einschlägige n Entscheidun g des BGH zugrunde liegenden Fall verlangt worden 680 • Das ist keine Besonderhei t der Fälle ausbleibende r Mitwirkung des Gläubigers, sondern deckt sich mit der allgemeinen Beobachtung , daß der vertragstreu e Teil bei erheblichen Störungen in der Durchführun g des Vertrags meist das Interesse daran verliert und sich für die Liquidation des Vertrags entscheidet. Der von dem deutschen Gesetzgeber als Regelfall vorgesehene Erfüllungsan spruch ist praktisch zur Ausnahme geworden 681 • Grundsätzlic h bleibt jedoch der Erfüllungsan spruch einer der möglichen Rechtsbehelf e des Schuldners, und teilweise sind von seinen Voraussetzu ngen auch die Rechte wegen Nichterfüllu ng abhängig. I. Die Durchsetzun g des Anspruchs auf die Gegenleistun g 1. Die Bedeutung einer Vorleistungs pflicht des Schuldners

Die Länderberic hte zeigen, daß dem Schuldner weder in den romanischen Rechten 682 noch im englischen Recht683 die Gegenleistun g zugesprochen wird, wenn er seinerseits vorleistungsp flichtig ist und dieser Pflicht, sei es auch infolge des Verhaltens des Gläubigers, nicht nachSo offenbar BGHZ 50, 175. BGHZ 50, 175. 681 Zutreffend dazu Zweigert I Kötz, Bd II, S. 166 ff. &82 In den romanischen Rechten werden nur der Schadensersa tz wegen Nichterfüllung und die Vertragsauflö sung erwogen, vgl. bei Fn. 158 ff., nach Fn. 180, bei Fn. 375 ff., nach Fn. 394. &83 Vgl. dazu sogleich im Text. 679

680

2. Kap.: Die Mitwirkung des Gl. als Problem des gegens. Vertrags

189

gekommen ist. Der BGH steht allein mit seiner Entscheidung, in der er sich über die Vorleistungspflicht des Schuldners hinweggesetzt hat684 . Die untersuchten ausländischen Rechtsordnungen kennen auch keine dem § 322 Abs. II BGB entsprechende Regelung. Besonderes Interesse kommt in diesem Zusammenhang dem englischen Recht zu. Danach sind die Voraussetzungen der Zahlungsklage nur gegeben, wenn der Schuldner seine Leistung ausnahmsweise ohne die Mitwirkung des Gläubigers erbringen konnte und erbracht hat; wird der Schuldner durch den Gläubiger an der Erfüllung seiner Verbindlichkeit gehindert, so kann er nur wegen "breach of contract" vorgehen 685 . Vom Standpunkt des deutschen Rechts aus betrachtet, gilt dieser Grundsatz nicht nur bei Vorleistungspflicht des Schuldners, sondern auch bei gleichzeitiger Fälligkeit von Leistung und Gegenleistung. Der deutsche Jurist könnte deshalb dazu neigen, in der Versagung des Gegenleistungsanspruchs nicht eine Wirkung der Vorleistungspflicht, sondern der Einrede des nicht erfüllten Vertrags zu finden. Diese Auffassung wäre jedoch verfehlt, weil die Erfüllung der eigenen Verbindlichkeit nach englischer Auffassung stets Voraussetzung für den Anspruch auf die Gegenleistung ist. Soweit es um dessen Durchsetzung geht, hält man an der Vorstellung der "condition precedent" fest, die ursprünglich alle Vertragsrechte von der Erfüllung der eigenen Verbindlichkeit abhängig machte6B6. Der Vergleich mit dem englischen Recht zeigt also deutlich, daß die Meinung des BGH, es sei "ein unerträgliches und mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarendes Ergebnis", wenn der Besteller eines Werks den Unternehmer zur Kündigung des Vertrags zwingen könne 687 , in anderen Rechtsordnungen nicht geteilt wird. 2. Der Anspruch auf die Gegenleistung und die Einrede des nicht erfüllten Vertrags Die Frage, ob der Gläubiger den Vertrag dilatorisch behandeln kann, indem er den Schuldner daran hindert, seine Leistung zu erbringen, und ihm, wenn er sein Gläubigerrecht ausüben will, mit der Einrede des nicht erfüllten Vertrags begegnet, stellt sich für das englische Recht nicht, da einerseits ein Gegenleistungsanspruch für den Schuldner nicht in Betracht kommt, wenn er seine Verbindlichkeit nicht erfüllt, andererseits in dem Verhalten des Gläubigers ohne weiteres 684 685 688 887

BGHZ 50, 175. Vgl. bei Fn. 606. Vgl. bei Fn. 613 ff. Vgl. BGHZ 50, 175, 179.

190

2. Hauptteil: Zusammenfassende Betrachtung

ein Vertragsbruch liegt, der den Schuldner zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung berechtigt688. In den kontinentalen Rechtsordnungen ist die Einrede des nicht erfüllten Vertrags ein anerkanntes Rechtsinstitut. Die moderneren Zivilgesetze gewähren diese Einrede allgemein (§ 320 BGB, Art. 82 OR, Art. 1460 cc); wo sie, wie in Frankreich und Österreich, nur bei einzelnen Verträgen ausdrücklich gewährt wird, ist doch unstreitig, daß es sich um eine aus der synallagmatischen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung notwendig folgende und deshalb bei allen gegenseitigen Verträgen gegebene Einrede handelt689. Im französischen und italienischen Recht neigt man offenbar zu der Ansicht, daß derjenige Vertragsteil die Einrede nicht mit Erfolg erheben kann, der den anderen Teil daran hindert, seine Leistung zu erbringen690. So genügt nach italienischem Recht für den Verlust der Einrede selbst ein formloses Leistungsangebot des Schuldners, das den anderen Teil nicht einmal in Gläubigerverzug versetzt691 ; dabei ist aber zu berücksichtigen, daß die erfolgreich erhobene Einrede zur Abweisung der Klage führen würde, weil eine § 322 BGB entsprechende Regelung fehlt 692. Angesichts der Bedeutungslosigkeit der Erfüllungsklage in der Praxis muß letztlich offen bleiben, ob die Einrede nur für die Liquidation des Vertrags kein Hindernis bilden soll, oder ob sie auch dann vernachlässigt werden darf, wenn der Schuldner die Gegenleistung verlangt. II. Vertragsauflösung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung Verstößt der Gläubiger gegen seine Vertragspflichten, so ist der Schuldner nicht gezwungen, die Gegenleistung um den Preis zu verlangen, daß seine eigene Leistungspflicht erhalten bleibt. Er kann auch auf die Durchführung des Vertrags verzichten und Vertragsauflösung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Fraglich ist, ob das auch dann gilt, wenn die erforderliche Mitwirkung des Gläubigers ausbleibt. Im deutschen Recht wird die Frage dann bejaht, wenn das Verhalten des anderen Teils (Gläubiger) zu einer unzumutbaren Gefährdung des Vertragszwecks führt. Für das französische Recht spielt die Gegenleistungsverpflichtung in diesem Zusammenhang keine wesentliche Vgl. Fn. 686 und bei Fn. 459 ff. Zum französischen Recht vgl. bei Fn. 178. Zum Österreichischen Recht Gschnitzer, S. 55 ff. 890 Vgl. bei Fn. 180, 400. eu V gl. bei Fn. 398. 192 V gl. nach Fn. 394. 888 889

2. Kap.: Die Mitwirkung des Gl. als Problem des gegens. Vertrags

191

Rolle, da die Nichterfüllungsfolgen in den praktischen Hauptfällen beim Kauf- und Werkvertrag jedenfalls vordergründig schon bei Verletzung der Mitwirkungspflicht eintreten693 • Im übrigen würde es keine Schwierigkeiten bereiten, wegen Verletzung der Gegenleistungspflicht nach Art. 1184 C. civ. vorzugehen. Dagegen bilden für das italienische Recht, das ohne Mitwirkungspflicht des Gläubigers auskommt, die Vertragsauflösung nach Art. 1453 cc und der Schadensersatz nach den Artt. 1218 ff. cc den praktischen Lösungsweg, indem auf die Verletzung der Gegenleistungspflicht zurückgegriffen wird694 • Daß der Schuldner im englischen Recht bei "prevention" durch den Gläubiger Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann, ergibt sich bereits aus dem oben Ausgeführten695• Bei der Untersuchung der verschiedenen Rechtsordnungen fällt auf, daß in allen Fällen die von dem Gläubiger geschuldete Gegenleistung nicht erbracht war, wenn die Gerichte bei Ausbleiben der Mitwirkung Schadensersatz wegen Nichterfüllung gewährt oder das Recht zur Vertragsauflösung anerkannt haben696• Diese Beobachtung harmoniert mit der These, daß es bei Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers um den Schutz des Gegenleistungsinteresses des Schuldners geht697 • Weiter ist festzuhalten, daß sich keine Entscheidung findet, die dem Schuldner die Liquidation des Vertrags gestattet, wenn er selbst einer Vorleistungspflicht nicht nachgekommen ist. Das englische Recht kann dagegen nicht angeführt werden, weil man hier gerade für Vertragsauflösung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung die Vorstellung einer "condition precedent" aufgegeben hat698 •

Vgl. bei Fn. 118 ff. Vgl. bei Fn. 375 ff. 895 Vgl. bei Fn. 688. 898 Vgl. die Rechtsprechungsübersicht im 1. Hauptteil, 4. Kapitel, 1. Abschnitt; im 2. Hauptteil bei Fn. 166 ff., 378 ff., 462 ff. 897 Vgl. bei Fn. 667, 678. 898 Vgl. bei Fn. 498. 893

894

3. Kapitel

Thesen für die Behandlung der Mitwirkung des Gläubigers im deutschen Recht Die Rechtsvergleichung kann für das deutsche Recht keine Detailergebnisse liefern. Sie vermag nur die Richtung anzugeben, welche die Untersuchung der Fragen nehmen muß, die durch das Ausbleiben von Mitwirkungshandlungen des Gläubigers entstehen. Für das deutsche Recht sind deshalb auf Grund der rechtsvergleichenden Betrachtung Thesen zu formulieren, deren Richtigkeit sich in einer Untersuchung des deutschen Rechts erst erweisen muß. Mit diesem Vorbehalt darf auf Grund der bisherigen Untersuchung behauptet werden: I. Das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers ist in der Praxis so gut wie ausschließlich ein Problem des gegenseitigen Vertrags. II. Mit der Annahme einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers läßt sich nur das Interesse des Schuldners schützen, seine Leistung zu erbringen. III. Bleibt die Mitwirkung des Gläubigers aus, so geht es darum, das Interesse des Schuldners an der Gegenleistung zu schützen. IV. Bei dem Schutz des Gegenleistungsinteresses ist weiter zu unterscheiden, ob der Schuldner Erfüllung begehrt, also den Anspruch auf die Gegenleistung durchsetzen will, oder ob er den Vertrag liquidieren will, sich also für den Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder für den Rücktritt vom Vertrag entscheidet. V. Will der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung durchsetzen, so ist weiter zu unterscheiden, ob der Vertrag Zug um Zug zu erfüllen ist oder ob der Schuldner vorleistungspflichtig ist. Ist der Schuldner vorleistungspflichtig und hat er seine Verbindlichkeit noch nicht erfüllt, so kann er die Gegenleistung nicht verlangen. VI. Auch hinsichtlich der Vertragsauflösung und des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung (Vertragsliquidation) ist an den Anspruch auf die Gegenleistung anzuknüpfen.

3. Kap.: Thesen

193

VII. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags steht der Vertragsliquidation nicht entgegen, wenn der Gläubiger selbst den Schuldner an der Erfüllung seiner Verbindlichkeit hindert. VIII. Auch für die Vertragsliquidation ist zu unterscheiden, ob der Schuldner vorzuleisten hat oder zur Leistung Zug um Zug verpflichtet ist.

13 Hüffe r

3. HAUPTTEIL

Die Behandlung der Gläubigermitwirkung im deutschen Recht 1. Teil

Der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung 1. Kapitel

Der Schutz des Erfüllungsinteresses bei gleichzeitiger Fälligkeit der vereinharten Leistungen Unterläßt der eine Teil des gegenseitigen Vertrags (Gläubiger) die Vornahme von Mitwirkungshandlungen, so fragt sich, wie dieses Verhalten auf den Gegenleistungsanspruch des anderen Teils (Schuldners) einwirkt. Dabei kommt der Frage besonderes Gewicht zu, ob der Gläubiger, der seine Mitwirkung versagt, dem Leistungsverlangen des Schuldners noch mit der Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 BGB) begegnen kann. 1. Abschnitt Der Anspruch auf die Gegenleistung und die Einrede des nicht erfüllten Vertrags

I. Der Fortbestand des Anspruchs auf die Gegenleistung Versagt der Gläubiger seine Mitwirkung bei der Leistung des Schuldners, so verliert der Schuldner dadurch nicht den Anspruch auf die Gegenleistung. Das gilt auch dann, wenn er ohne die Mitwirkung des Gläubigers außerstande ist, die eigene Leistung zu erbringen. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Versagen der Mitwirkung nur Gläubigerverzug begründet1 oder ob sich der Gläubiger darüber hinaus von dem Vertrag lossagen will. 1 Daß der Schuldner ohne die Mitwirkung des Gläubigers nicht leisten kann, hindert den Eintritt des Gläubigerverzugs dann nicht, wenn dem Gläubiger die Vornahme der Mitwirkungshandlungen nicht endgültig unmöglich ist. Vgl. dazu eingehend im 1. Hauptteil bei Fn. 95 ff., 99.

1. Kap.: Erfüllungsinteresse bei gleichzeitiger Fälligkeit der Leistungen

195

Für den deutschen Gesetzgeber, der von der Durchsetzung des Erfüllungsanspruchs als dem Regelfall ausgegangen ist2, war der Fortbestand dieses Anspruchs so selbstverständlich, daß er keine entsprechende ausdrückliche Bestimmung in das BGB aufgenommen hat 3• Daß der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung nicht durch das Ausbleiben von Mitwirkungshandlungen des Gläubigers verlieren kann, folgt mittelbar aus den §§ 322 Abs. I und II, 274 Abs. II BGB in Verbindung mit den §§ 726 Abs. II, 756, 765, 894 Abs. I S. 2 ZPO. Die dort vorgesehene Auflösung der synallagmatischen Klammer 4 verfolgt den Zweck, dem Schuldner die Durchsetzung des Gegenleistungsanspruchs in der Zwangsvollstreckung zu ermöglichen; daß dieser Anspruch trotz Ausbleibens der Gläubigermitwirkung fortbesteht, ist also notwendig vorausgesetzt.

II. Das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers und die Einrede des nicht erfüllten Vertrags(§ 320 BGB) 1. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags und der Gläubigerverzug Daß der Gläubiger den Schuldner nicht zwingen kann, auf die Durchsetzung des Gegenleistungsanspruchs zu verzichten, besagt nichts zu der Frage, ob der Schuldner die Gegenleistung weiterhin nur Zug um Zug gegen die eigene Leistung (§ 320 BGB) verlangen darf oder ob der Gläubiger, der seine Mitwirkung versagt, damit die Einrede des nicht erfüllten Vertrags verliert. Die Einrede aus § 320 BGB schon wegen Gläubigerverzugs zu versagen, ist mit der in den §§ 322 Abs. I und Ill, 274 Abs. II BGB; §§ 726 Abs. II, 756, 765, 894 Abs. I S. 2 ZPO getroffenen Regelung unvereinbar. Angesichts der genannten Vorschriften läßt sich nicht ernsthaft bestreiten, daß die synallagmatische Klammer nach dem Gesetz nicht schon im Urteilsspruch, sondern erst in der Zwangsvollstreckung aufgelöst wird 5 • Darin liegt keine "doppelbödige Verfahrensweise" 6 , sondern eine gegenüber der uneingeschränkten Verurteilung vorzugswürdige Regelung. Der Vorteil, den die gesetzliche Regelung dem zur Näher Zweigert I Kötz, Bd 11, S. 166 ff. Das Beispiel des englischen Rechts, das dem Schuldner der Sachleistung die Zahlungsklage nur für den Fall offen hält, daß er seine Leistung ohne die Mitwirkung des Gläubigers erbringen konnte und erbracht hat (vgl. dazu im 2. Hauptteil bei Fn. 603 ff.), beweist indessen, daß sich der Gegenleistungsanspruch des zur eigenen Leistung außerstand gesetzten Schuldners nicht von selbst versteht. 4 Vgl. dazu im 1. Hauptteil bei Fn. 116 ff. und bei den folgenden Fn. 6 So auch die ganz herrschende Meinung, vgl. schon im 1. Hauptteil bei Fn. 109 ff. Auf die prozessualen Vorschriften hebt namentlich RG SeuffArch. 59 Nr. 149 (S. 265) zutreffend ab. 1 So Kirn, JZ 1969, 325, 327. 2

3

13°

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3. Hauptteil: Dt. Recht- Anspruch auf die Gegenleistung

Leistung Zug um Zug Verurteilten bringt, ergibt sich aus Folgendem: Erklärt sich der Vollstreckungsschuldner gegenüber dem Gerichtsvollzieher, für den der Gläubigerverzug durch das Urteil nachgewiesen ist (§ 756 ZPO), zur Vornahme der erforderlichen Handlungen (§§ 293 ff. BGB) und zur Gegenleistung (§ 298 BGB) bereit, so entfällt der Gläubigerverzug. Der Gerichtsvollzieher kann jetzt nicht vollstrecken, bevor er dem Schuldner die ihm gebührende Leistung angeboten hat (§ 756 ZP0)1. § 756 ZPO und § 298 BGB führen also zu dem Ergebnis, daß der Beklagte zwar seine Leistung erbringen muß, aber nur im Austausch gegen die ihm gebührende Leistung. Würde dagegen uneingeschränkt verurteilt, so würde es dem Beklagten nichts nützen, wenn er das den Gläubigerverzug begründende Verhalten aufgäbe. Er würde seine Leistung verlieren und müßte zusehen, ob und wie er die Gegenleistung - etwa seinerseits im Wege der Prozeßführung und Vollstreckung- erhielte8 • Die Frage, wie sich der Vollstreckungsschuldner notfalls wehren kann, wenn die Vollstreckungsorgane den Wegfall des Gläubigerverzugs nicht berücksichtigen, hat bisher wenig Aufmerksamkeit gefunden. Die im Schrifttum gegebenen Antworten sind unterschiedlich; teils will man mit §§ 732, 768 ZP09 , teils mit einer analogen Anwendung des § 767 ZPO helfen10• Beide Ansichten überzeugen indessen nicht. Gegen die Anwendung der §§ 732, 768 ZPO spricht, daß die vollstreckbare Ausfertigung, sieht man von dem Sonderfall der Vollstreckung einer Willenserklärung ab, ohne weiteres zu erteilen ist11 ; insoweit kommt es weder auf das Bestehen noch auf den Wegfall des Gläubigerverzugs an. In dem Vortrag des Vollstreckungsschuldners, nach Wegfall des Gläubigerverzugs dürfe nicht ohne erneutes Angebot der ihm gebührenden Leistung vollstreckt werden, liegt jedoch eine das Verfahren betreffende Einwendung. Als Rechtsbehelf bietet sich deshalb die Erinnerung nach§ 766 ZPO an12 • Daß das der Vollstreckung 7 Insoweit zutreffend Kast, S. 102 ff. Wie hier offenbar auch RG SeuffArch. 59 Nr. 149 (S. 265): "Solange also dieser Annahmeverzug des Schuldners dauert, kann der Gläubiger das Urteil ebenso vollstrecken lassen, wie wenn der Schuldner zur Leistung schlechthin verurteilt wäre; ... " 8 Nicht zu verkennen ist, daß der geschilderte Austausch im Fall des § 765 ZPO nicht durchgeführt werden kann. Das steht den Ausführungen des Textes jedoch nicht entgegen. Ist keine Mittelsperson (hier der Gerichtsvollzieher, sonst etwa eine treuhänderisch tätig werdende Bank) vorhanden, so bereitet der Zug-um-Zug-Austausch häufig Schwierigkeiten; man denke nur an die Fälle unterschiedlichen Leistungsorts. 9 Stein I Jonas I Münzberg, § 726, Anm. III. 1o Kast, S. 103 ff., mit eingehender Begründung. 11 Vgl. dazu schon im 1. Hauptteil bei Fn. 116 ff. 12 Die Anwendung des § 766 ZPO führt auch zu einer einheitlichen Behandlung zusammengehöriger Fälle. So ist nach § 766 ZPO vorzugehen, wenn der Gerichtsvollzieher den Vollstreckungsauftrag ablehnt, weil ihm

1. Kap.: Erfüllungsinteresse bei gleichzeitiger Fälligkeit der Leistungen

197

zugrunde liegende Urteil oder ein besonderes Feststellungsurteil Gläubigerverzug ausweist, steht der Anwendung des § 766 ZPO nicht entgegen; denn das Urteil kann einen zur Zeit seines Erlasses bestehenden Gläubigerverzug nicht perpetuieren13. Da § 766 ZPO anwendbar ist, ist hier für eine analoge Anwendung des § 767 ZPO kein Raum. Als Zwischenergebnis bleibt demnach festzuhalten, daß die Einrede aus § 320 BGB nicht schon mit dem Eintritt des Gläubigerverzugs verlorengeht. 2. "Verzicht" auf die Einrede? Im Fall der Datenverarbeitungsanlage14 hat der BGH gemeint, es sei "widersinnig", einer Vertragspartei die Einrede aus § 320 BGB zu Lasten der anderen Partei zu gewähren, wenn sie die Ausübung dieses Rechts von vornherein ablehne. Dabei hat das Gericht den entscheidenden Gesichtspunkt übersehen. Er liegt darin, daß es nach dem Willen des seinerseits die Erfüllung verweigernden Bestellers gerade nicht zur Durchführung des Vertrags kommen sollte. Die Annahme, daß der Besteller auch für den schließlich eingetretenen Fall erfolgreiche Erfüllungsklage des Unternehmers - auf die Einrede gleichsam verzichtet habe, ist lebensfremd und findet in dem zur Entscheidung stehenden Sachverhalt keine Stütze. Anders kann die Rechtslage zu beurteilen sein, wenn die vertragstreue Partei nicht Erfüllung, sondern Schadensersatz wegen Nichterfüllung begehrt, also den Vertrag liquidieren will. In diesen Zusammenhang gehört der Satz, nur diejenige Vertragspartei könne die Einrede aus § 320 BGB erheben, die selbst vertragstreu seP 5 ; zum Teil wird § 320 BGB geradezu als Konkretisierung des § 242 BGB aufgefaßt16. Auf die damit verbundenen Fragen ist unten näher einzugehen17. Der BGH jedenfalls scheint Fragestellungen aus diesem Bereich unbesehen auf die Erfüllungsklage übertragen zu haben. Demgegenüber bleibt festzuhalten: Verlangt der Schuldner Erfüllung, also die Gegenleistung, so bleibt dem Gläubiger die Einrede erhalten, gleichgültig, wie er sich zu dem Vertrag stellt. Der Schuldner, der Gläubigerverzug durch das Urteil nicht hinreichend nachgewiesen scheint (dazu KG NJW 1972, 2052), oder wenn auf der anderen Seite der Schuldner vorbringen will, die ihm angebotene Leistung sei nicht ordnungsgemäß (Stein I Jonas I Münzberg, § 757, Anm. III; Zöller I Scherübl, § 756, Anm. 1). 13 Davon scheint Kast, S. 103, auszugehen. 14 BGHZ 50, 175, 177. 15 Vgl. Palandt I Heinrichs, § 320, Anm. 2b; Staudinger I Kaduk, § 320, Rdn. 12; BGB- RGRK (Wilde), § 320, Anm. 10. 16 Vgl. Palandt I Heinrichs, aaO. (abzulehnen). 17 Vgl. unten bei Fn. 147 ff., 169 ff.

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3. Hauptteil: Dt. Recht- Anspruch auf die Gegenleistun g

der die Gegenleistun g verlangt, beharrt auf der Durchführun g des Vertrags; dann muß er aber auch selbst zum Leistungsaus tausch bereit sein. Würde man den Gläubiger uneingeschr änkt zur Gegenleistun g verurteilen, dann würde man es ihm überlassen, ob und wie er die Leistung des Schuldners erhält. Das liefe auf eine Vorleistungs pflicht des Gläubigers hinaus und wäre mit dem Gedanken einer Zug um Zug zu erfüllenden Leistungspfl icht unvereinbar . 2. Abschnitt

Der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung bei Unbestimmtheit der von ihm geschuldeten Leistung Die Mitwirkung des Gläubigers kann nicht erst bei der Durchführun g des Vertrags, sondern schon bei der Feststellung des Inhalts der Schuldnerleistung erforderlich sein. Hängt von dieser Feststellung auch der Umfang der Gegenleistun g ab, so kann der Schuldner bei der Durchsetzung seines Anspruchs vor Schwierigke iten stehen. Unter dem Gesichtspunkt der Unbestimmt heit des Schuldinhalt s kommen vier Fallgruppen in Betracht: der Spezifikatio nskauf (§ 375 HGB), die Wahlschuld (§ 262 BGB), die Leistungsbe stimmung gemäß § 315 BGB und die Bestimmung von Leistungsmo dalitäten durch den Gläubiger. I. Spezifikation skauf und Wahlschuld

Beim Spezifikatio nskauf kann der Verkäufer die Zahlungskla ge nicht erheben, solange seine Lieferverpfl ichtung und der davon abhängige Umfang der ihm gebührenden Gegenleistun g nicht bestimmt sind 18. Der in § 375 Abs. II HGB vorgesehene Übergang des Bestimmung srechts erlaubt es ihm jedoch, die erforderliche Bestimmung selbst vorzunehmen19. Nicht undenkbar, wenn auch, soweit ersichtlich, bisher ohne praktische Bedeutung ist eine entsprechend e Gestaltung bei der Wahlschuld, nämlich dann, wenn auch die Gegenleistun g je nach der von dem Gläubiger gewählten Schuldnerlei stung verschieden ist. Das Gesetz bietet hier in § 264 Abs. II BGB die gleiche Lösung wie bei dem Spezifikatio nskauf20 • 18 Der Gedanke an eine Klage auf den Mindestkaufp reis ist heute allgemein aufgegeben, vgl. Schlegelherge r I Hefermehl, § 375, Rdn. 26; jetzt auch HGB-RGRK (Würdinge,1." I Röhricht), § 375, Anm. 22 (anders noch Würdinger in der Vorauflage, § 375, Anm. 15, mit mühsamer Konstruktion ). 19 Vgl. zu diesem auch der Prozeßökonom ie dienenden Weg HGB-RGRK (Würdinger I Röhricht), § 375, Anm. 13 und 20. 20 Obwohl der Gläubiger Schuldner der Gegenleistun g ist, kann nicht nach § 264 Abs. I BGB vorgegangen werden. Es handelt sich hinsichtlich der Gegenleistung nur um einen Reflex des Wahlrechts, das dem Gläubiger in dieser Eigenschaft und nicht als Schuldner zusteht.

1. Kap.: Erfüllungsinteresse bei gleichzeitiger Fälligkeit der Leistungen

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In der Frage, ob der Gläubiger zur Abgabe der Bestimmungs- bzw. Wahlerklärung nur berechtigt oder auch verpflichtet ist, hat das BGB keine einheitliche Linie eingehalten. Während § 375 Abs. I HGB eine solche Verpflichtung ausdrücklich ausspricht, enthalten die §§ 262 ff. BGB eine entsprechende Bestimmung nicht. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, daß der Wahlberechtigte nicht verpflichtet ist, die Wahl vorzunehmen21 • Von praktischer Bedeutung ist die Frage infolge des Übergangs des Bestimmungs- oder Wahlrechts für die Durchsetzung des Gegenleistungsanspruchs jedoch nicht. II. Die Bestimmung des Leistungsinhalts nach§ 315 BGB Bedeutung kann die Frage nach einer Pflicht des Gläubigers bei der Bestimmung des Leistungsinhalts nach § 315 BGB erlangen. Hier hat das Gesetz nicht den Weg gewählt, das Bestimmungsrecht bei Säumnis des Berechtigten auf den anderen Teil übergehen zu lassen; vielmehr wird die Erklärung des Berechtigten durch gerichtliche Entscheidung ersetzt (§ 315 Abs. Ill a. E. BGB). Das gilt auch dann, wenn die Leistungsbestimmung durch den Gläubiger zu erfolgen hat22 • Schwierigkeiten ergeben sich, wenn nicht ein billiges Ermessen, sondern, in dem durch § 138 BGB gegebenen Rahmen23 , ein Belieben des Gläubigers für die Leistungsbestimmung maßgeblich sein soll; denn wohl ist eine gerichtliche Ermessensentscheidung möglich24 , Aufgabe des Gerichts kann es aber nicht sein, stellvertretend für die Partei sein Belieben walten zu lassen. Versagt hier die durch§ 315 Abs. Ill BGB vorgesehene Lösung, so ist dem Schuldner nur zu helfen, wenn der Gläubiger gezwungen werden kann, die erforderlichen Erklärungen abzugeben, und zwar im Wege des § 888 ZPO. Es ist schwer vorstellbar, daß dieser Fall je erhebliche praktische Bedeutung erlangen wird. Hängt aber auch die Fixierung der Gegenleistung von der Leistungsbestimmung durch den Gläubiger ab, so ist immerhin denkbar, daß sich der Gläubiger der Erfüllung seiner Vertragspflicht dadurch zu entziehen sucht, daß er die erforderliche Erklärung nicht abgibt. Den Weg des § 888 ZPO kann der Schuldner nur beschreiten, wenn der Gläubiger zur Abgabe der Erklärung verpflichtet ist; denn sonst 2t 22

9.

Vgl. Mot., Bd II, S. 8. Vgl. Palandt I Heinrichs, § 315, Anm. 3 a; Staudinger I Kaduk, § 315, Rdn.

23 Vgl. dazu Staudinger I Kaduk, § 315, Rdn. 7 a. Sittenwidrigkeit ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Bestimmung über das Maß der Leistung ganz von der Willkür des Gläubigers abhängt. 2 c Zum richterlichen Ermessen nach § 315 BGB vgl. namentlich NeumannDuesberg, JZ 1952, 705.

200

3. Hauptteil: Dt. Recht- Anspruch auf die Gegenleistung

vermag der Schuldner den erforderlichen Titel nicht zu erlangen. Die herrschende Meinung25 verneint eine entsprechende Pflicht des Gläubigers und hat damit grundsätzlich Recht, weil das Interesse des Schuldners, seine Leistung zu erbringen, nur ausnahmsweise (§§ 433 Abs. II, 640 BGB) geschützt wird. Auch daß bei Unbestimmtheit des Schuldinhalts weder hinterlegt noch versteigert werden kann (§§ 372, 383 BGB), ist kein Argument für eine Pflicht des Gläubigers, da der Schuldner bei Unbestimmtheit seiner Verpflichtung überhaupt keine Vorkehrungen für die Leistung zu treffen braucht26 • Der Gesetzgeber wollte im Widerspruch zu seiner bei der Wahlschuld geäußerten Auffassung, aber in Übereinstimmung mit § 375 Abs. I HGB, eine Pflicht der jeweils zur Leistungsbestimmung berechtigten Partei, also auch des Gläubigers, annehmen27 • Diese Pflicht ist dann zu bejahen, wenn von der Bestimmung des Gläubigers indirekt auch der Umfang der von ihm geschuldeten Gegenleistung abhängt. Würde man auch in diesem Fall eine Pflicht des Gläubigers verneinen, so würde man nicht nur die Leistungsbestimmung, sondern die Durchführung des Vertrags überhaupt von seinem Belieben abhängig machen. Dies Ergebnis wäre aber damit unvereinbar, daß der Gläubiger im gegenseitigen Vertrag zugleich Schuldner ist. In diesem Ausnahmefall ist also eine Pflicht des Gläubigers zur Abgabe der erforderlichen Erklärung und damit eine Mitwirkungspflicht anzunehmen28 •

III. Die Bestimmung von Leistungsmodalitäten durch den Gläubiger Nach einhelliger Meinung29 fällt unter § 315 BGB nicht nur die inhaltliche Bestimmung des Leistungsgegenstands, sondern auch die Bestimmung von Modalitäten der Leistung, vor allem von Zeit und Ort, wenn diese einem der Vertragschließenden vorbehalten ist. Für die Bestimmung der Leistungsmodalitäten ist in der Regel nicht das billige, sondern das freie Ermessen des Gläubigers maßgeblich, 25 Vgl. z. B. Erman I Groepper, § 315, Anm. 6 a; BGB-RGRK (Wilde), § 315, Anm. 4; RG JW 1912, 386; "im Zweifel" Enneccerus I Lehmann, § 5 I 1 c. Anders aber Palandt I Heinrichs, § 315, Anm. 3 a. Widersprüchlich Staudinger I Kaduk, § 315, Rdn. 11 a : Eine Pflicht des Gläubigers soll nicht gegeben sein, wohl aber eine positive Vertragsverletzung, wenn die Bestimmungser~ klärung nicht innerhalb angemessener Frist abgegeben wird. 28 Solange die Bestimmungserklärung nicht abgegeben ist, ist die Leistung des Schuldners auch nicht fällig, vgl. dazu OLG Braunschweig, OLGZ 1966, 15. Ist die Bestimmungserklärung abgegeben, so ist dem Schuldner noch eine angemessene Frist einzuräumen, damit er sich auf die Leistung einstellen kann; in diesem Rahmen hat er eine Verzögerung nicht zu vertreten (§ 285 BGB). 27 Vgl. Mot., Bd 11, S. 192. 28 Das auf Klage des Schuldners ergehende Urteil ist Leistungsurteil, nicht, wie im Fall des § 315 Abs. III S. 2 BGB, GestaltungsurteiL

1. Kap.: Erfüllungsinteresse bei gleichzeitiger Fälligkeit der Leistungen 201

so daß nach dem zu§ 315 BGB Ausgeführten grundsätzlich eine Pflicht des Gläubigers anzunehmen ist. Das gilt jedoch nicht für die Vereinbarung eines Abrufs. Wird die Ware innerhalb einer vereinbarten oder einer nach § 242 BGB zu bestimmenden Frist nicht abgerufen, so wird die Lieferung auch ohne Erklärung des Abrufs fällig 30• Zwar bedeutet die Vereinbarung eines Abrufs, daß die Bestimmung der Leistungszeit dem Gläubiger überlassen ist. Dieses Recht ist ihm jedoch nicht schrankenlos eingeräumt; übt er es nicht aus, so gilt wieder die nur für die vereinbarte oder die angemessene Abruffrist außer Kraft gesetzte Regel des § 271 BGB. Ist die Leistung des Verkäufers danach fällig, so ist er nicht gehindert, Zahlung Zug um Zug gegen Leistung der Kaufsache (§ 322 BGB) zu verlangen31 • Die Gegenmeinung, die eine Klage auf Abruf für gegeben hält32, bleibt den Nachweis schuldig, welchen Nutzen eine auf Erklärung des Abrufs gerichtete Klage neben Hinterlegung und Selbsthilfeverkauf (§§ 372, 383 BGB, 373, 374 HGB) einerseits, der Zahlungsklage andererseits haben soll33. 3. Abschnitt

Der Anspruch auf die Gegenleistung bei Erforderlichkeit einer behördlichen Genehmigung Ist eine behördliche Genehmigung erforderlich, dann muß man unterscheiden, ob sich das Genehmigungserford ernis auf den Vertrag selbst oder nur auf die Vornahme solcher Handlungen bezieht, die zur Erfüllung des Vertrags notwendig sind. Nur auf Grund dieser meist nicht getroffenen Unterscheidung34 läßt sich die Frage beantworten, ob der Schuldner die Gegenleistung verlangen kann. 29 Vgl. z. B. BGB-RGRK (Wilde), § 315, Anm. 1, und Staudinger I Kaduk, § 315, Rdn. 2, beide m. w. N. Ausführlich RG HRR 1940 Nr. 352. Alleinige

Bestimmung durch den Schuldner allerdings bei ganz untergeordneten Modalitäten, zutreffend Larenz, Bd I, § 8 I a. 30 Vgl. Palandt I Putzo, § 433, Anm. 3 B; Baumbach I Duden, §§ 3731374, Anm. 2 C (nach Ablauf der Frist Lieferung auf Ankündigung) ; Zander, GruchBeitr. 52 (1908), 304, 324 ff. 31 Zutreffend Palandt I Putzo, § 433, Anm. 3 B. 32 Staudinger I Ostler, § 433, Rdn. 75; HGB-RGRK (Würdinger I Röhricht), § 373, Vorbem., Anm. 222; obiter RGZ 56, 173, 178 und RGZ 57, 105, 1091110. Staudinger I Ostler berufen sich auf RG Recht 1918 Nr. 477 und RG Recht 1923 Nr. 869. Recht 1918 Nr. 477 ist ein Fehlzitat, die zweite Entscheidung betrifft lediglich die (zutreffend verneinte) Frage, ob der Käufer den Lieferanspruch verliert, wenn er die Abruffrist ungenutzt verstreichen läßt. 33 Die Klage wäre deshalb nicht als unbegründet, sondern schon als unzulässig abzuweisen; denn es fehlt nicht nur der materiell-rechtliche Anspruch, sondern schon das Rechtsschutzbedürfnis . 34 Vgl. im 1. Hauptteil bei Fn. 261.

202

3. Hauptteil: Dt. Recht- Anspruch auf die Gegenleistung

I. Das Genehmigungserfordernis betrifft nur die Durchführung des Vertrags Betrifft das Genehmigungserfordernis nur die zur Durchführung des Vertrags erforderlichen Handlungen, so ist die Wirksamkeit des Vertrags, sieht man von dem Fall der Gesetzesumgehung ab35, nicht fraglich. Da der Vertragsschluß gerade nicht betroffen ist, kommt§ 134 BGB nicht zur Anwendung36• Nichtigkeit nach § 306 BGB kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil auch bei einem von Anfang an bestehenden Genehmigungserfordernis nicht anfängliche, sondern nachträgliche Unmöglichkeit vorliegt, wenn die Genehmigung versagt wird. Für die Beurteilung ist nämlich nicht auf die von Anfang an bestehende Ungewißheit, sondern auf die nachträglich eintretende Gewißheit abzustellen. Das ist heute in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt37• Ist die Genehmigung nicht versagt, sondern holt sie der Gläubiger, der sie zu erwirken hat, nicht ein, oder läßt er dem Schuldner nicht die notwendige Unterstützung zuteil werden, wenn dieser den Genehmigungsantrag zu stellen hat38, so läge ein venire contra factum proprium vor, wenn er der Erfüllungsklage des anderen Teils (Schuldner) mit dem Einwand begegnen wollte, daß der Schuldner seinerseits nicht ohne Genehmigung leisten könne39 ; denn es ist allein auf sein Verhalten zurückzuführen, daß das Leistungshindernis nicht ausgeräumt ist. Der Gläubiger ist also zur Gegenleistung, z. B. zur Zahlung des Kaufpreises, zu verurteilen. Die Ungewißheit, ob die Genehmigung erteilt wird, ob also z. B. der Verkäufer liefern kann, steht dem nicht entgegen, weil die Zug-um-Zug-Klammer erhalten bleibt40 • Ist die Genehmigung versagt, oder kann sie jedenfalls nicht mehr erteilt werden, so liegt ein Fall nachträglicher Leistungsstörung vor. Die herrschende Meinung erkennt das an, indem sie die Anwendung Vgl. im 1. Hauptteil, Fn. 261. Zutreffend Palandt I Heinrichs, § 275, Anm. 9 b. Verfehlt ist die Auffassung von Kegel I Rupp I Zweigert, S. 59160, nach denen der Vertrag selbst von einem Einfuhr- oder Ausfuhrverbot ergriffen wird, wenn er "in große Nähe zu dem verbotenen tatsächlichen Vorgang" gerät. Es besteht keine Veranlassung, die Nichtigkeit auf Grund eines derartig verwaschenen Kriteriums auszudehnen. Zu der von ihnen erwogenen Anwendung des § 306 BGB neben § 134 BGB vgl. sogleich im Text. 37 Vgl. RGZ 149, 348, 349; RG HRR 1936, Nr. 388; BGHZ 37, 233, 240 = NJW 1962, 1715; PalandtiHeinrichs, § 275, Anm. 9 b ; HGB-RGRK (Würdingerl Röhricht), § 375, Vorbem., Anm. 468. A. M. Clasen, NJW 1965, 429. Als in der Rechtsprechung ungeklärt wird die Frage noch von Kegel I Rupp I Zweigert, S. 51, bezeichnet. as Vgl. RG WarnR. 1916 Nr. 155. 39 Der BGH hat mit diesem Gedanken sogar gearbeitet, nachdem die Genehmigung bereits versagt war, vgl. LM § 3 WährungsG Nr. 14 (auf Bl. 251). «o Vgl. dazu oben nach Fn. 4. as

38

1. Kap.: Erfüllungsinteresse bei gleichzeitiger Fälligkeit der Leistungen 203

der§§ 275, 323 BGB befürwortet41 • Damit ist jedoch nur der Fall erfaßt, daß die Genehmigung infolge eines von keinem der Vertragsteile zu vertretenden Umstands versagt wird. Hat der Gläubiger die Umstände zu vertreten, die zur Versagung der Genehmigung führen, etwa weil während seiner dilatorischen Behandlung des Vertrags die für die Genehmigung maßgeblichen Vorschriften verschärft worden sind oder weil er für die Erteilung der Genehmigung erforderliche persönliche Zuverlässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt, so kann der Schuldner trotz nachträglicher Unmöglichkeit gemäß § 324 Abs. I BGB weiterhin die Gegenleistung, allerdings abzüglich des Ersparten (§ 324 Abs. I S. 2 BGB), beanspruchen42 • Für das Ergebnis ist es gleichgültig, ob man in diesem Zusammenhang von einer Obliegenheit des Gläubigers spricht43 oder von einer Pflicht, den Vertragszweck zu fördern und seine Gefährdung zu unterlassen44 • In jedem Fall erweist sich, daß die Konstruktion einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers für die Durchsetzung des Anspruchs auf die Gegenleistung überflüssig ist. II. Das Genehmigungserfordernis betrifft den Vertrag selbst Bezieht sich das Genehmigungserfordernis nicht erst auf die zur Durchführung des Vertrags erforderlichen Handlungen, sondern auf den Vertrag selbst, so ist die Rechtslage grundsätzlich anders. Ohne Erteilung der Genehmigung ist der Vertrag unwirksam45 • Es liegt auch kein Fall nachträglicher Unmöglichkeit vor, wenn die Genehmigung versagt wird; die Befreiung von den Leistungspflichten nach §§ 275, 323 BGB würde nämlich voraussetzen, daß solche Pflichten zunächst wirksam entstanden sind. Entgegen einer teilweise im Schrifttum vertretenen Auffassung46 gilt das auch dann, wenn sich das Genehmigungserfordernis zeitlich zwischen Abschluß und Durchführung des Vertrags schiebt. Hat das Verbotsgesetz keine Rückwirkung, so berührt es die Wirksamkeit des bereits erfolgten Vertragsschlusses nicht. Wirkt das Verbotsgesetz auf den Vertragsschluß zurück, und ist diese Rückwir41 Vgl. Palandt I Heinrichs, § 275, Anm. 9 b; HGB-RGRK (Würdinger I Röhricht), § 373, Vorbem., Anm. 468; Schlegelherger I Hefermehl, § 361, Anh., Rdn. 73. 42 Vgl. zur Anwendung des§ 324 BGB in diesem Fall BGH NJW 1969, 837, und Palandt I Heinrichs, § 275, Anm. 9 b. 43 So namentlich Staudinger I Kaduk, § 324, Rdn. 6. 44 So die Rechtsprechung, vgl. RGZ 166, 134, 147; BGHZ 38, 187, 192; vgl. auch Palandt I Heinrichs, § 324, Anm. 2 b. 45 Nichtigkeit ist nicht anzunehmen, vgl. z. B . Palandt I Heinrichs, § 275, Anm. 9 a; Soergel I Siebert I Hefermehl, § 134, Rdn. 26. Gesetzliches Beispiel für schwebende Unwirksamkeit:§ 31 AWG. 46 Vgl. Palandt I Heinrichs, § 275, Anm. 1 a; HGB-RGRK (Würdinger I Röhricht),§ 373, Vorbem., Anm. 467.

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3. Hauptteil: Dt. Recht- Anspruch auf die Gegenleistu ng

kung verfassung srechtlich zulässig47 , so hat der Vertrag von Anfang an keine Wirksamk eit erlangt, sind also keine Leistungsp flichten begründet worden, die nachträglic h wegfallen können4 s. Aus einem unwirksam en Vertrag kann sich der Anspruch auf die Vertragsle istung nicht ergeben, wobei es insoweit keine Rolle spielt, ob der Vertrag noch schwebend unwirksam oder, nach Versagung der Genehmig ung, endgültig unwirksam ist. Bei dieser Sachlage ist es verständlic h, daß der BGH in seiner Rechtsprec hung zu§ 3 Währungs G49 eine Pflicht beider Vertragste ile annimmt, zum Abschluß eines wirksamen Vertrags zusammen zuwirken. In diesem Ausnahme fall ist eine Mitwirkun gspflicht in der Tat unentbehrl ich, da nur über diese Pflicht ein wirksamer Vertrag und damit eine Leistungsp flicht begründet werden kann. Für den Schuldner folgt diese Pflicht schon aus der von ihm, wenn auch schwebend unwirksam , übernomm enen Erfüllungs pflicht. Verpflicht et er sich vorbehaltl ich behördlich er Genehmig ung zur Leistung, so übernimm t er damit auch die vorvertrag liche Pflicht, seine Leistung rechtlich zulässig zu machen. Für den Gläubiger gilt nichts anderes, da auch er Schuldner, nämlich der Gegenleist ung, ist, und sich der Erfüllung dieser Pflicht nicht nach Belieben entziehen kann. Das Ausgeführ te gilt auch dann, wenn die Genehmig ung versagt und der geschlosse ne Vertrag dadurch endgültig unwirksam geworden ist, solange sich das mit dem Vertragssc hluß angestrebt e Ziel noch erreichen läßt50• Denn die aus § 242 BGB folgende vorvertrag liche Pflicht, für die erforderlic he Genehmig ung zu sorgen, bleibt von der Unwirksamkeit des Vertrags unberührt . Das Genehmig ungserford ernis und damit die Unwirksam keit erfassen die Pflichten zum Leistungsa ustausch, nicht aber die Treupflich ten, die sich schon aus der Tatsache des Kontrahie rens ergeben. Korrekter und einfacher ist es deshalb, unmittelbar an die fortbesteh ende Mitwirkun gspflicht anzuknüpf en, anstatt, wie der BGH5 t, die Lösung auf dem Umweg über eine Schadense rsatzpflicht aus positiver Vertragsve rletzung und die Naturalres titution zu suchen. Für den Fall, daß das Genehmig ungserford ernis den Vertrag selbst erfaßt und der Gläubiger nach den maßgeblic hen Vorschrift en bei der 47 Zur verfassungs rechtlichen Problemati k der Rückwirku ng von Gesetzen vgl. BVerfGE 7, 89, und (anders d azu) BVer wG NJW 1960, 1588; ferner Maunz I Dürig, Art. 2 Abs. I, Anm. 47, und Art. 20, Anm. 87 (namentlich Fn.

4).

48 Heute wird man sich dafür nicht mehr, wie RGZ 102, 203, auf Nichtigkeit nach § 134 BGB berufen. 49 Vgl. im 1. Hauptteil bei Fn. 219 ff. 50 Wie in dem der Entscheidu ng BGH LM § 3 WährungsG Nr. 14 zugrunde liegenden Fall. 51 Vgl. aaO. (vorige Fn.), auf BI. 250.

1. Kap.:

Erfüllungsinteresse bei gleichzeitiger Fälligkeit der Leistungen 205

Erlangung der Genehmigung mitzuwirken hat, ist also eine darauf gerichtete vorvertragliche Pflicht anzuerkennen. Diese ist auch im Klageweg durchsetzbar 52 • Will der Schuldner diesen Weg nicht beschreiten, so kommt für ihn mangels wirksamen Vertrags nur ein Schadensersatzanspruch wegen culpa in contrahendo in Betracht, der im Zusammenhang mit dem Schutz des Abwicklungsinteresses behandelt werden soll53 •

52 Vgl. dazu RGZ 121, 157 (Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung der Mitwirkungspflicht). 53 Vgl. dazu unten bei Fn. 213 ff.

2. Kapitel

Der Schutz des Erfüllungsinteresses bei Vorleistungspflicht des Schuldners 1. Abschnitt

Uneingeschränkte Verurteilung zur Gegenleistung (BGHZ 50, 175)? Der BGH hat mit seiner Entscheidung im Fall der Datenverarbeitungsanlage54 die Frage aktuell werden lassen, ob der eine Teil des gegenseitigen Vertrags (Gläubiger) ohne Einschränkung zur Gegenleistung zu verurteilen ist, obwohl der andere Teil (Schuldner) vorzuleisten hat und der Vorleistungspflicht infolge des Verhaltens des Gläubigers nicht nachgekommen ist. Unter welchen Voraussetzungen die Vorleistungspflicht eines Vertragsteils anzunehmen ist, braucht hier nicht im einzelnen untersucht zu werden 55 . Die Vorleistungspflicht eines Teils kann bei allen Typen des gegenseitigen Vertrags auftreten; sie kann auf Gesetz 56 oder auf Vertrag beruhen57. Dem BGH hat sich die Frage im Fall eines Werkvertrags gestellt. Nach § 641 Abs. I BGB ist die Vergütung erst bei der Abnahme des Werks zu entrichten; der Unternehmer muß also das Werk vertragsgemäß herstellen(§ 640 Abs. I BGB), bevor er die Gegenleistung verlangen kann, und ist damit vorleistungspflichtig58• BGHZ 50, 175. Vgl. dazu Gabius, NJW 1971, 866, 868 f.; Kast, S. 56 f. 58 Vgl. §§ 551, 614, 641 BGB, §§ 64, 65, 87 c HGB. 67 Beispiele für eine Vorleistungspflicht des Käufers: Lieferung "cif", "Kasse gegen Dokumente", Nachnahme-Kauf, Vereinbarung eines Akkreditivs; für Vorleistungspflicht des Verkäufers: "zahlbar nach Eintreffen der Ware." 58 So die ganz h. M. Vgl. BGHZ 50, 175, 176; RGZ 171, 287, 301; OLG Nürnberg, OLGZ 1967, 405; OLG Karlsruhe, MDR 1967, 669; Erman I Wagner, § 641, Anm. 1; Palandt I Thomas, § 641, Anm. 1 b ; Soergel I Siebert I Ballerstedt, § 641, Rdn. 1. Daß der Unternehmer hinsichtlich der Herstellung des Werks vorleistungspflichtig ist, wird von Kast, S. 80181 (Fn. 282), bezweifelt, weil der Unternehmer regelmäßig nicht zur Herstellung, sondern zur Verschaffung des Werks verpflichtet sei. Das ist nicht zutreffend. Zwar schuldet der Unternehmer im Gegensatz zum Dienstpflichtigen einen bestimmten Erfolg; das rechtfertigt es jedoch nicht, die für die Herbeiführung des Erfolgs erforderliche Tätigkeit in den Bereich bloßer Vorbereitungshandlun54

55

2. Kap.: Erfüllungsinteresse bei Vorleistungspflicht des Schuldners

207

Das Gericht hat den Gläubiger zur Gegenleistung verurteilt, obwohl der Schuldner seine Vorleistungspflicht nicht erfüllt hatte59• Wie in der Übersicht über die Rechtsprechung näher dargelegt60 , erreicht der BGH die Verurteilung zur Gegenleistung, indem er in der Berufung des Gläubigers auf das Ausbleiben der Vorleistung eine "Einrede mangelnder Fälligkeit" sieht und dem Gläubiger diese Einrede ebenso versagt wie die des nicht erfüllten Vertrags. Jedenfalls im Ergebnis hat die Entscheidung die Zustimmung des Schrifttums gefunden61 • Die Ausführungen zur Einrede des nicht erfüllten Vertrags62 haben bereits ergeben, daß die Entscheidung insoweit unrichtig ist. Da die Einrede dem Erfüllungsbegehren stets entgegen gehalten werden kann, kommt selbst bei Wegfall der Vorleistungspflicht allenfalls eine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug in Betracht. Im folgenden bleibt deshalb zu prüfen, ob der "an sich" Vorleistungspflichtig e unter Umständen die Gegenleistung Zug um Zug gegen die eigene Leistung verlangen kann.

I. Mangelnde Fälligkeit als Gegenstand einer Einrede des Beklagten oder als Fehlen einer Anspruchsvoraussetz ung Hat der Schuldner vorzuleisten, so ist die Fälligkeit der Gegenleistung aufgeschoben, bis die Vorleistung bewirkt ist. Das ergibt sich aus § 322 Abs. II BGB, der eine Klage auf künftige Leistung gewährt63• Daß die Fälligkeit der Gegenleistung aufgeschoben wird, bis die Vorleistung erbracht ist, leugnet auch der BGH nicht, indem er von einer "Einrede der mangelnden Fälligkeit" spricht64 • Dem Gericht kann jegen zu verweisen (so aber Kast, aaO.). Ein so verstandener Werkvertrag wäre in weiten Bereichen nur noch Kauf einer künftigen Speziessache. Davon geht das Gesetz, wie namentlich die für ein Dauerschuldverhältnis typischen Kündigungsbefugnisse der §§ 643, 649 BGB zeigen, nicht aus. Nicht stichhaltig wäre auch das Argument, in der Herstellung des Werks liege keine Leistung im Sinne zweckgerichteter Vermögensvermehrun g, also auch keine Vor-Leistung. Das liefe auf eine Verabsolutierung des für das Bereicherungs- und Erfüllungsrecht maßgeblichen Leistungsbegriffs hinaus. Der Leistungsbegriff des BGB ist jedoch nicht einheitlich; hier kommt es nicht auf den Leistungserfolg, sondern auf das Leistungsverhalten des Unternehmers an. 59 BGHZ 50, 175. 60 Vgl. oben bei Fn. 238 ff. (1. Hauptteil). 81 Vgl. Palandt I Thomas, aaO. ; Palandt I Heinrichs, § 320, Anm. 4 b; Soergel I Siebert I Ballerstedt, § 642, Rdn. 3, § 643, Rdn. 5; Rietschel, Anm. zu BGH LM § 645 Nr. 2. Auch die Kritik von Larenz, Bd II, § 53 III (S. 241, Fn. 1), gilt lediglich der Annahme des BGH, bei Verletzung einer Obliegenheit seien dieselben Rechtsbehelfe zu gewähren wie bei Verletzung einer Vertragspflicht. 82 Vgl. oben nach Fn. 4, bei Fn. 14 ff. ea Näher dazu im 1. Hauptteil bei Fn. 120 ff. 84 BGHZ 50, 175, 177.

208

3. Hauptteil: Dt. Recht- Anspruch auf die Gegenleistung

doch darin nicht gefolgt werden, daß der Beklagte, der sich auf die mangelnde Fälligkeit der von ihm geschuldeten Leistung beruft, eine Einrede erhebt, gleichgültig, ob man den Einredebegriff hier im materiell-rechtlichen oder im prozessualen Sinne versteht65 • Vielmehr macht der Beklagte das Fehlen einer Anspruchsvoraussetzung geltend, deren Vorliegen der Kläger zu behaupten und zu beweisen hat; es handelt sich also um ein Klageleugnen. Daß die Fälligkeit zu den Anspruchsvoraussetzungen gehört, ergibt sich schon aus § 271 Abs. II BGB: Vor dem Eintritt der Fälligkeit kann der Gläubiger die Leistung nicht verlangen. Es folgt weiter aus dem zu§ 322 Abs. II BGB Ausgeführten: Wenn das Gesetz für den Fall des Annahmeverzugs eine Klage auf künftige Leistung vorsieht, dann gibt es damit zu erkennen, daß der vorleistungspflichtige Vertragsteil gegenwärtige Leistung nicht verlangen kann. Der Auffassung des BGH, das Ausbleiben der Vorleistung und damit die mangelnde Fälligkeit werde einredeweise geltend gemacht, liegt eine unkritische Anwendung der zu § 271 BGB entwickelten sogenannten Einwandstheorie66 zugrunde, die sich gegen die von Stölzel entwickelte Leugnungstheorie67 durchgesetzt hat. Danach ist die Behauptung einer von der gesetzlichen Regel des § 271 Abs. I BGB abweichenden Vereinbarung ein selbständiges Verteidigungsmittel, für dessen Voraussetzungen der Schuldner die Beweislast trägt. Hauptargument dieser Auffassung ist, man dürfe dem "faulen" Schuldner keine bequeme Ausflucht bieten, indem man den Gläubiger auf Grund bloßer Behauptungen des Schuldners damit belaste, das Fehlen von § 271 Abs. I BGB entgegenstehenden Vereinbarungen zu beweisen68 • Dieser Auffassung ist zuzustimmen, nicht nur wegen dieses praxisnahen Arguments, sondern auch auf Grund der Erwägung, daß § 271 Abs. I BGB Ausdruck eines typischen Parteiwillens ist und derjenige einen Ausnahmetatbestand geltend macht, der Abweichendes behauptet69 • Das bedeutet beispielsweise, daß der auf die Gegenleistung verklagte Gläubiger, der sich mit der Behauptung verteidigt, eine Vorleistung des klagenden Schuldners sei vereinbart, einen selbständigen Einwand erhebt und für seine Behauptung beweispflichtig ist. Vgl. dazu statt aller Jahr, JuS 1964, 125, 1281129 m. w. N. Vgl. dazu Stein I Jonas I Schumann I Leipold, § 282, Anm. IV 6 ; Staudinger I Werner, § 271, Rdn. 18m. w. N.; Palandt I Heinrichs,§ 271, Anm. 1 b . 67 Vgl. ZZP 35 (1906), 1, 15; Recht 1901, 503 und 1902, 571. Die Praxis hatte sich ursprünglich der Lehre Stölzels angeschlossen, vgl. RGZ 68, 305 = JW 1908, 430 Nr. 1 = LZ 1908, 538 Nr. 16; RG WarnR. 1910 Nr. 11. Ebenso OLG Braunschweig, OLGE 15, 126; anders OLG K önigsberg, OLGE 5, 144. 68 Vgl. Palandt I Heinrichs und Staudinger I Werner, jeweils aaO. 69 Zutreffend Nastelski, JuS 1962, 289; vgl. dazu auch Rosenberg, Die Beweislast, S. 294 ff. (zu den dispositiven Normen). 65 66

2. Kap.: Erfüllungsinteresse bei Vorleistungspflicht des Schuldners

209

Ist die Abrede einer Vorleistung aber bewiesen oder beruht die Vorleistungspflicht auf Gesetz (z. B. § 641 BGB)1°, so steht fest, daß eine Klage auf gegenwärtige Leistung des anderen Vertragsteils die erfolgte Vorleistung voraussetzt. Wendet dieser Teil ein, die Vorleistung sei nicht erbracht, so geht es nicht um eine "Einrede mangelnder Fälligkeit", sondern um das Fehlen einer Anspruchsvoraussetz ung. Auch das Argument, man dürfe dem "faulen" Schuldner keine bequeme Ausflucht bieten, büßt seine Überzeugungskraft ein, wenn die Vorleistungspflicht des Klägers festgestellt ist. Darum geht es hier und darum ging es in dem vom BGH entschiedenen Fall. Daß der BGH fälschlich von einer "Einrede der mangelnden Fälligkeit" spricht, ist kein bloßes Vergreifen im Ausdruck. Denn nur dadurch, daß er die mangelnde Fälligkeit zum Gegenstand einer Einrede des Beklagten macht, schafft er die Möglichkeit, die mangelnde Fälligkeit der verlangten Gegenleistung der nicht erfolgten Zug-um-ZugLeistung gleichzustellen und dem Fehlen der Fälligkeit mit dem gleichen Argument zu begegnen wie der Einrede des nicht erfüllten Vertrags, nämlich, daß es widersinnig sei, dem Besteller Rechte zuzubilligen, die er gar nicht ausüben wolle. Daß dies Argument bereits gegenüber der Einrede aus § 320 BGB versagt, wenn Erfüllung begehrt wird, wurde schon festgestellt7 1• Da der Mangel der Fälligkeit Fehlen einer Anspruchsvoraussetz ung auf Seiten des klagenden Unternehmers bedeutet und nicht Gegenstand eines Einrederechts des beklagten Bestellers ist, fällt diese Argumentation vollends in sich zusammen. II. Vorleistungspflicht des Schuldners und Vertragstreue des Gläubigers

Gegen das bisher Ausgeführte könnte eingewandt werden, das Argument, die mangelnde Fälligkeit sei nicht Gegenstand eines Einrederechts, besitze nur formalen Charakter. Wenn man auch nicht eine Einrede versagen könne, die es nicht gebe, so sei dies doch eine überwindbare Konstruktionsgrenze . Denn es lasse sich in der Sache dasselbe Ergebnis erreichen, indem man die Vorleistungspflicht unter Verzicht auf die Einrede-Konstruktio n entfallen lasse. So wird von einem Teil des Schrifttums unter pauschalem Rückgriff auf § 242 BGB behauptet, die Vorleistungspflicht setze Vertragstreue des anderen Teils voraus, namentlich die Fähigkeit und die Bereitschaft, die eigene Leistung zu erbringen72. Vgl. dazu oben Fn. 58. Vgl. oben nach Fn. 4, bei Fn. 14 ff., 62. 72 Vgl. Palandtl Heinrichs, § 320, Anm. 4 b; Staudinger I Kaduk, § 320, Rdn. 21 a. Auch RGZ 66,427. 10 71

14 Hüffer

210

3. Hauptteil: Dt. Recht- Anspruch auf die Gegenleistung

Mit einer derart allgemeinen Formulierung kann man den Problemen der Vorleistungspflicht nicht gerecht werden. Es sind nämlich zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden: die Klage des Vorleistungspflichtigen, der diese Pflicht noch nicht erfüllt hat, auf die Gegenleistung, und gerade umgekehrt die Klage des Gläubigers, der selbst nicht leistungsfähig oder -bereit ist, auf die Vorleistung. Der vorleistungspflichtige Verkäufer, der auf den Preis klagt, obwohl er die Ware nicht geliefert hat, und der Käufer, der die Ware von dem Vorleistungspflichtigen verlangt, obwohl er nicht zahlen kann oder auch will, dürfen nicht auf eine Stufe gestellt werden. Nur in dem zweiten Fall kann erwogen werden, § 242 BGB anzuwenden, und zwar wiederum in der Form des Rechtsmißbrauchs, soweit nicht § 321 BGB als speziellere Vorschrift eingreift73 • Es kann ein widersprüchliches und deshalb unzulässiges Verhalten sein, von dem vertragstreuen Teil die Vorleistung zu verlangen, wenn man die eigene "Nach"-Leistung nicht erbringen kann oder will. In dem hier allein interessierenden Fall einer Klage des Vorleistungspflichtigen vermag dieser Gesichtspunkt aber nicht weiterzuhelfen. Daß der Gläubiger die Vorleistung nicht verlangen kann, bedeutet nicht, daß jetzt dem Schuldner unter Wegfall der Vorleistungspflicht ein Anspruch auf die Gegenleistung gewährt wird. Das Institut des Rechtsmißbrauchs hat grundsätzlich eine verbietende, aber keine rechtsbegründende Funktion. Anderes kann nur dann in Betracht kommen, wenn, wie bei der unzulässigen Berufung auf einen Formmangel, die unzulässige Rechtsausübung dem anderen Teil gerade die Rechte abschneiden würde, die er bei einem mit Treu und Glauben in Einklang stehenden Verhalten des Vertragspartners hätte 74 • Ein Recht, sofort die Gegenleistung zu verlangen, hätte der vorleistungspflichtige Schuldner aber gerade nicht, wenn der Gläubiger seinerseits leistungsfähig und -bereit wäre, sein Verhalten also mit Treu und Glauben übereinstimmte. Eine andere Lösung wird entgegen der Ansicht des BGH75 auch von Staudinger I RiedeF 6 nicht befürwortet. Sie führen zwar aus, der Unternehmer sei auf die Rechtsbehelfe der §§ 642, 643 BGB nicht angewiesen, sondern könne auch auf die Vergütung klagen; unter der Rdn. 6, auf die dann verwiesen wird, wird dies jedoch mit der Einschränkung versehen, "falls es nach Nachholung der Gläubigerhandlung zur Herstellung des Werkes kommt". 73 74

1s 78

Vgl. dazu unten bei der Auseinandersetzung mit Götz, JuS 1961, 56, 59. Vgl. dazu z. B. Soergel I Siebert I Knopp, § 242, Rdn. 338 ff. Vgl. BGHZ 50, 175, 179. § 642, Anm. 2 a.

2. Kap.: Erfüllungsinteresse bei Vorleistungspflicht des Schuldners

211

Die Auffassung des BGH erweist sich also auch dann als verfehlt, wenn man von der mißglückten Einredekonstruktion absieht77 • Ohne die Vorleistung erbracht zu haben, kann der Schuldner die Gegenleistung nicht erlangen. Wie weit ihm mit § 322 Abs. li BGB zu helfen ist, wird noch zu prüfen sein78 • 2. Abschnitt

Herstellung einer Pflicht zur Leistung Zug um Zug durch analoge Anwendung des § 321 BGB (Götz)? Nicht zu der vom BGH angenommenen uneingeschränkten Verurteilung des Gläubigers zur Gegenleistung, sondern zur Ablösung der Vorleistungspflicht des Schuldners durch Zug um Zug zu erfüllende beiderseitige Leistungspflichten führt der Vorschlag von Götz, § 321 BGB analog anzuwenden 79 • Das gilt freilich nur dann, wenn man mit Götz80 gegen die herrschende Meinung 81 annimmt, daß § 321 BGB nicht nur ein Leistungsverweigerungsrecht, sondern die Berechtigung verleiht, die Gegenleistung Zug um Zug gegen die eigene Leistung zu verlangen. Diese Auslegung des § 321 BGB ist unzutreffend. Zwar entsteht ein Schwebezustand, wenn der Schuldner das Leistungsverweigerungsrecht ausübt, und auch wenn er diesen Schwebezustand durch das ihm von der herrschenden Meinung nach § 242 BGB gewährte Rücktrittsrecht82 beendet, können ihm Nachteile entstehen, weil es nach dieser Lösung weder zu einer Vertragsdurchführung noch zu einer Vertragsabwicklung im Wege des Schadensersatzes kommt. Wenn man aber daraus folgert, der Schuldner müsse die Gegenleistung Zug um Zug gegen die eigene Leistung verlangen können, so stellt man zu einseitig auf die Interessen des Vorleistungspflichtigen ab. Das gilt auch für das von Larenz vorgebrachte Argument, in der Übernahme der Vorleistungspflicht liege eine Kreditgewährung 83• Der Vermögensverfall des Schuldners der Gegenleistung kann es rechtfertigen, daß der Vorleistungspflichtige seine Leistung und damit den zugesagten "Kredit" zurück77 Gegen den Wegfall der Vorleistungspflicht auch Kast, S. 82, der die Frage aber nur unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs prüft. 78 Vgl. unten im 3. Abschnitt. 79 JuS 1961, 56, 58/59. 80 Ebenso Larenz, Bd I, § 15 (S. 156/157); Soergel I Siebert I Schmidt, § 321, Rdn. 5; Kast, S. 71 ff. 81 Vgl. RGZ 53, 62; OLG Harnburg SeuffArch. 59 Nr. 54; KG SeuffArch. 72 Nr. 211; ErmaniBattes, § 321, Rdn. 11; Palandt/Heinrichs, § 321, Anm. 3; BGB-RGRK (Wilde), § 321, Anm. 4; Staudinger I Kaduk, § 321, Rdn. 33, 34. 82 Vgl. die Nachweise in der vorigen Fn. 83 Bd I, § 15, S. 156.

14•

212

3. Hauptteil: Dt. Recht- Anspruch auf die Gegenleistung

hält oder sich der Erfüllung seiner Verpflichtung durch Rücktritt ganz entzieht. Gewährt man aber darüber hinaus einen Anspruch auf Erfüllung Zug um Zug, so legt man dem Gegenleistungspflichtigen eine Leistungspflicht auf, die er in dieser Form gerade nicht übernommen hat, gibt dem Vorleistungspflichtigen also nicht nur das Recht, seine "Kreditzusage" zurückzunehmen, sondern das Recht, eine Leistung zu verlangen, die ihm in dieser Form nicht versprochen ist. Die andere Meinung, die "den Grundgedanken des § 321 BGB" nicht "lediglich auf den Fall der Verteidigung" 84 beschränken will, gibt dem Vorleistungspflichtigen also zu viel. Schließlich kann eine unbillige, etwa mit der clausula rebus sie stantibus abzumildernde Härte nicht darin gefunden werden, daß der Schuldner das Risiko auf sich nehmen muß, an einen Kreditunwürdigen zu leisten, wenn er die Gegenleistung erlangen will. Denn dieses Risiko hat er mit der Vorleistungspflicht vertraglich übernommen. Auch unabhängig von der Frage, wie § 321 BGB auszulegen ist, ist die von Götz vorgeschlagene Analogie im Hinblick auf § 322 Abs. II und III BGB abzulehnen. Das Gesetz kennt diese Lösung, verwirklicht sie aber erst in der Zwangsvollstreckung und beläßt dem Gläubiger die Möglichkeit, die Vorleistungspflicht durch Aufgabe seines die Vertragsdurchführung hindernden Verhaltens wieder in Kraft zu setzen85• Soweit der Anwendungsbereich von § 322 Abs. II und III BGB reicht, läßt sich also nicht von einer Lücke sprechen, die durch Analogie zu schließen wäre. Auch der Vorschlag von Götz kann also nicht dazu führen, die Vorleistungspflichtaußer Betracht zu lassen. 3. Abschnitt

Der Schutz des Erfüllungsinteresses des Schuldners auf der Basis des Gläubigerverzugs I. Die Regelung in § 322 Abs. II und III BGB

Gemäß § 322 Abs. II BGB kann der vorleistungspflichtige Schuldner auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung klagen, wenn er den Gläubiger in Annahmeverzug gesetzt hat, wobei unter "Leistung" hier die dem Schuldner gebührende Gegenleistung des Gläubigers zu verstehen ist86• Da das der Klage stattgebende Urteil gemäß § 322 Abs. III BGB nach den für das Urteil auf Leistung Zug um Zug maßgeblichen 84 85

88

Formulierungen von Kast, S. 72. Vgl. dazu im einzelnen im folgenden Abschnitt. Vgl. dazu zunächst im 1. Hauptteil bei Fn. 120 ff.

2. Kap.: Erfüllungsinteresse bei Vorleistungspflicht des Schuldners

213

Grundsätzen87 zu vollstrecken ist, kann der Vorleistungspfl ichtige die Gegenleistung erzwingen, wenn der andere Teil im Gläubigerverzu g verharrt. In diesem Sinne ermöglicht das Gesetz den Schutz des Erfüllungsinteresses auf der Basis des Gläubigerverzu gs. Zu einem anderen Ergebnis führt nur die bisher vereinzelt gebliebene Ansicht von Staudinger I Kaduk88• Ihre Meinung läuft darauf hinaus, daß der Vorleistungspfl ichtige die ihm gebührende Gegenleistung nur erhält, wenn er zuvor seiner Verpflichtung nachgekommen ist. Löst man sich einmal von § 322 BGB, so ist einzuräumen, daß diese Lösung durchaus möglich ist. Nur muß man sich dann die weitere Frage stellen, welchen Sinn eine Verurteilung des Gläubigers zur Gegenleistung noch haben soll, wenn der vorleistungspfli chtige Schuldner das Urteil praktisch nicht gegen den Willen des Gläubigers vollstrecken kann. De lege ferenda folgt deshalb aus der Ansicht von Staudinger I Kaduk, daß § 322 Abs. II BGB zu streichen ist. Dafür spräche auch, daß die komplizierte Regelung des Gesetzes keine große praktische Bedeutung erlangt hat und daß das französische, italienische und englische Recht ausweislich der rechtsvergleich enden Betrachtung ohne eine solche Regelung auskommen89• Nach geltendem Recht ist die Ansicht von Staudinger I Kaduk jedoch verfehlt. Welche Wirkung das nach § 322 Abs. II BGB ergehende Urteil nach der Vorstellung der Gesetzesverfass er haben soll, ergibt sich aus dem Text des 1. Entwurfs. In § 365 Abs. I des 1. Entwurfs waren § 322 Abs. I und II BGB nämlich zusammengefaß t. Sowohl für das Urteil auf Leistung Zug um Zug wie auch für das Urteil auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung hieß es dann in § 365 Abs. II: "Ist eine solche Verurteilung erfolgt, so kann der Kläger die ihm gebührende Leistung ohne vorherige oder gleichzeitige Bewirkung der ihm obliegenden Leistung im Wege der Zwangsvollstreckung fordern, wenn und solange der Beklagte sich im Verzuge der Annahme befindet90. " Das Gemeinte wird auch deutlich aus der in der Fußnote zu § 365 des

1. Entwurfs vorgesehenen Ergänzung der ZPO, wonach für das nach § 365 Abs. I ergehende Urteil die vollstreckbare Ausfertigung "ertheilt

wird ohne den Nachweis, daß der Beklagte die ihm gebührende Leistung empfangen hat oder im Verzuge der Annahme sich befindet" 91 • Die Gesetzesverfass er haben die vom Vorleistungspfl ichtigen günstige Regelung mit der Erwägung gerechtfertigt, daß das Hinterlegungsr echt Vgl. den Bericht im 1. Hauptteil bei Fn. 126 ff. § 322, Rdn. 17 und 18. Dargestellt im 1. Hauptteil bei Fn. 130. 89 Vgl. im 2. Hauptteil bei Fn. 682 ff. eo Amtliche Ausgabe, S. 81. 81 Vgl. amtliche Ausgabe, S. 80/81. 87

88

214

3. Hauptteil: Dt. Recht- Anspruch auf die Gegenleistung

in vielen Fällen nicht zum Ziel führt92 • Bei der 2. Lesung war mit der anderen Fassung des § 365 keine sachliche Änderung beabsichtigt93• Im geltenden § 322 BGB kommt der klare Wille des Gesetzgebers, nicht nur den Erlaß des Urteils, sondern auch die Durchführung der Zwangsvollstreckung von der Erfüllung der Vorleistungspflicht unabhängig zu machen, darin zum Ausdruck, daß der Verweis auf § 274 Abs. II BGB sich nicht an § 322 Abs. I BGB anschließt, sondern in einem selbständigen dritten Absatz enthalten ist. Wenn schon nicht die Stellung des Abs. Ill allein94, so ergibt jedenfalls die Stellung in Verbindung mit der Entstehungsgeschichte, daß der Vorleistungspflichtige seinen Anspruch auf die Gegenleistung durchsetzen kann, ohne die von ihm geschuldete Leistung zuvor erbracht zu haben. Auf der anderen Seite ist es aber verfehlt, aus der vollstreckungsrechtlichen Regelung den Schluß zu ziehen, § 322 Abs. II BGB lasse zwar nicht seinem Wortlaut, aber seinem Sinn nach die uneingeschränkte Verurteilung zur Gegenleistung zu95• Hier sind die gleichen Bedenken geltend zu machen wie gegen eine uneingeschränkte Verurteilung im Fall des § 322 Abs. I BGB96 • Eine uneingeschränkte Verurteilung würde die Vorleistungspflicht des Klägers im Urteilsspruch aufheben und dem Beklagten die Möglichkeit nehmen, den Wegfall des Gläubigerverzugs entsprechend dem zur Vollstreckung des Urteils auf Leistung Zug um Zug Ausgeführten geltend zu machen. Der Beklagte kann also durch Aufgabe seines den Gläubigerverzug begründenden Verhaltens die Wirkungen der Vorleistungspflicht wiederherstellen97• Darin liegt der von Staudinger I Kaduk98 vermißte Unterschied zwischen einer Verurteilung nach§ 322 Abs. I und II BGBuu. II. Der Anwendungsbereich des § 322 Abs. II und III BGB

§ 322 Abs. II BGB gilt für alle gegenseitigen Verträge. Die Vorschrift ist aber auf solche Geschäfte zugeschnitten, in denen der Vorleistungspflichtige seine Leistung tatsächlich zurückhalten kann: Der Verkäufer kann die Ware auf Lager nehmen, wenn der Käufer sie nicht annimmt. Besteht die vom Schuldner zu erbringende Vorleistung gerade darin, daß er dem Gläubiger für eine gewisse Zeit seine Einrichtungen zur Vgl. Mot., Bd. II, S . 203. So ausdrücklich Prot., Bd I, S. 631. 94 In diesem Sinne Planck I Siber, § 322, Anm. 3. 95 So jedoch Gabius, NJW 1971, 866, 870 f. Dazu schon im 1. Hauptteil bei Fn. 124. 98 Vgl. oben bei Fn. 5 ff. 97 Vgl. auch Kast, S. 107. 9B § 322, Rdn. 18. 99 Bedenklich unter diesem Gesichtspunkt RG Recht 1928 Nr. 785. 92

93

2. Kap.: Erfüllungsinteresse bei Vorleistungspflicht des Schuldners

215

Verfügung stellt, wie beim Charter- oder Lagervertrag, so kann ihm § 322 Abs. II BGB nicht helfen. Der Schuldner steht vor der Alternative, die Vorleistung zu erbringen und den Anspruch auf die Gegenleistung zu behalten oder seine Leistungsbereitschaft zu widerrufen und damit den Vertrag scheitern zu lassen, sodaß ein Erfüllungsanspruch nicht mehr in Betracht kommtl00. Zwischen diesen Fällen steht der vom BGH entschiedene (Rechenanlage)101. Einerseits kann der Unternehmer die Herstellung des Werks vorläufig einstellen; andererseits ist der vereinbarte Leistungsaustausch aber ohne die Mitwirkung des Bestellers ebensowenig möglich wie beim Lager- oder Chartervertrag. Die verschiedenen denkbaren Fallgestaltungen führen zu der Frage, ob für die Anwendung des § 322 Abs. II BGB nur diejenigen Fälle in Betracht kommen, in denen der Schuldner seine Leistung parat hat und dem vereinbarten Leistungsaustausch nichts im Wege steht, oder ob auch diejenigen Fälle des Gläubigerverzugs ausreichen, in denen der Schuldner ohne die Mitwirkung des Gläubigers nicht leisten kann. Das Gesetz differenziert in § 322 Abs. II BGB nicht ausdrücklich zwischen den verschiedenen Arten des Gläubigerverzugs. Auch der Zweck der Vorschrift ermöglicht es nicht, schlechthin zugunsten der einen oder der anderen Interpretationsmöglichkeit zu entscheiden. Der Zweck des § 322 Abs. II BGB ist, den Leistungsaustausch auch gegen den Willen des Gläubigers zu ermöglichen. Deshalb liegt der Gedanke nahe, daß der Schuldner zum Leistungsaustausch in der Lage sein muß, weil die Bestimmung ihre Aufgabe sonst nicht erfüllen könne102. Zwingend ist dieser Schluß jedoch nur für die Fälle, in denen die Leistung des Schuldners (z. B. Beförderung, Lagerhaltung) nicht zu einem späteren Zeitpunkt erbracht werden kann. In anderen Fällen, wie in dem vom BGH entschiedenen Fall der Rechenanlage103, könnte man argumentieren, der Leistungsaustausch werde gerade dadurch herbeigeführt, daß man die Gegenleistung vom Gläubiger erzwinge; denn für seine erzwungene Gegenleistung werde er nun die Leistung des Schuldners haben wollen und ihm diese durch Vornahme der erforderlichen Mitwirkungshandlungen ermöglichen. Das Gesetz sichert den Leistungsaustausch gegen den Willen des Gläubigers aber gerade in der Weise, daß es in § 322 Abs. III BGB die vollstreckungsrechtliche Gleichbehandlung des Urteils auf Leistung Zug um Zug und des 100 Eindrucksvolles Beispiel ist der "Ouistreham"-Fall, BGHZ 11, 80; vgl. aber auch BGH VersR 1960, 693. 101 BGHZ 50, 175. 102 So der Gedankengang von Kast, S. 83 f. 103 BGHZ 50, 175.

216

3. Hauptteil: Dt. Recht- Anspruch auf die Gegenleistung

Urteils auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung vorsieht104 • Diese Gleichbehandlung ist nur gerechtfertigt, wenn auch vergleichbare tatsächliche Verhältnisse vorliegen. Das bedeutet am Beispiel des Werkvertrags: Der Unternehmer kann erst dann gegen den Besteller nach § 322 Abs. li BGB vorgehen, wenn er das versprochene Werk hergestellt hat. Verhindert der Besteller schon dessen Herstellung, so löst das zwar die Folgen der §§ 642, 643, 645 BGB aus; den Werklohn kann der Unternehmer aber nicht verlangen. In dem vom BGH entschiedenen Fall der Rechenanlage105 durfte die Gegenleistung also auch nicht gemäߧ 322 Abs. li BGB zugesprochen werden 106 • Die Voraussetzung des Gläubigerverzugs ist demnach in § 322 Abs. li BGB nicht in dem umfassenden Sinne der§§ 293 ff. BGB zu verstehen 107• Andererseits ist es nicht gerechtfertigt, die Fälle schlechthin auszuklammern, in denen der Gläubiger gemäß § 295 BGB in Verzug gerätl 08 • Muß der Gläubiger die Schuldsache z. B. abholen, so hindert das ein Urteil auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung nicht. Nur die Fälle sind auszuscheiden, in denen sich der Austauschzweck überhaupt nicht mehr erreichen läßt (zeitbedingte Schuldnerleistung) oder in denen die Schuldsache noch gar nicht vorhanden ist (so insbesondere bei der Herstellung eines Werks). Da ein uneingeschränkter Wegfall der Vorleistungspflicht aus den oben dargelegten Gründen nicht in Betracht kommt und auch § 322 Abs. li BGB nicht in allen Fällen anwendbar ist, ergibt sich als Fazit, daß das Interesse des vorleistungspflichtigen Schuldners, die Gegenleistung zu erlangen, nicht durchgängig geschützt ist. Der Vorleistungspflichtige muß grundsätzlich seine Leistung erbracht haben, bevor er die Gegenleistung verlangen kann. Verbessert wird seine Stellung durch§ 322 Abs. li BGB, der aber voraussetzt, daß der Schuldner seine Leistung wenigstens parat hat. Mit diesen Beschränkungen geschieht dem vorleistungspflichtigen Schuldner kein Unrecht; sie stellen nur die Konsequenzen dar, die sich aus der Übernahme der Vorleistungspflicht ergeben109•

Näher dazu im 1. Hauptteil bei Fn. 126 ff. und oben bei Fn. 86 ff. BGHZ 50, 175. 106 Im Ergebnis ebenso Kast, S. 83/84. 107 Vgl. dazu, insbes. zu § 295 BGB, im 1. Hauptteil bei Fn. 71, 100 ff. 108 So aber wohl Kast, S. 84, der Verzug im Sinne des§ 295 BGB schlechthin für nicht ausreichend hält. 109 Ob dem Schuldner beim Schadensersatz wegen Nichterfüllung entgegenzukommen ist, ist im folgenden Teil zu erörtern. 104

105

2. Kap.: Erfüllungsinteresse bei Vorleistungspflicht des Schuldners

217

III. Gläubigerverzug und Preisgefahr, insbesondere § 324 Abs. II BGB Eine andere Beurteilung ist geboten, wenn feststeht, daß die Vorleistung nicht mehr erbracht werden kann. In diesem Fall hängt die Durchsetzung des Gegenleistungsanspruchs allein davon ab, wer das Risiko der Unmöglichkeit zu tragen hat. Die damit aufgeworfene Frage nach der Gegenleistungs- oder Preisgefahr stellt sich zwar nicht nur in den Fällen einer Vorleistungspflicht; sie hat aber gerade hier praktische Bedeutung, weil der Schuldner, der sich von seiner Vorleistungspflicht ohne die Mitwirkung des Gläubigers nicht befreien kann, seine Leistung schon aus Gründen betrieblicher Organisation regelmäßig nur für eine begrenzte Zeit verspricht; das gilt insbesondere, wenn seine Leistung in der Bereitstellung von Einrichtungen oder Personal besteht. Daß die Leistung des Schuldners durch ihre Verzögerung unmöglich werden kann, ist eine geläufige Beobachtung110• Dabei wird die Leistung jedoch vom Standpunkt des Gläubigers aus betrachtet. Der systematische Standort solcher Beobachtungen ist deshalb die Abgrenzung zwischen Schuldnerverzug und Unmöglichkeit; es geht hier um das Problem des absoluten Fixgeschäfts. Die Frage ist jedoch auch vom Standpunkt des Schuldners aus von Bedeutung. Unterläßt der Gläubiger die Vornahme von Mitwirkungshandlungen, so begründet dieses Verhalten zwar zunächst nur den Verzug des Gläubigers. Weiterer Zeitablauf kann aber zur Unmöglichkeit führen, und zwar auch dann, wenn eine zeitliche Begrenzung für die Leistung des Schuldners nicht ausdrücklich vereinbart ist. Entscheidend kommt es darauf an, ob das dem Schuldner angesonnene Verhalten noch die von ihm versprochene Leistung ist. Das wird z. B. regelmäßig nicht der Fall sein, wenn der Reeder einen vor dem zweiten Weltkrieg in Auftrag gegebenen Schiffsbau, der wegen kriegswirtschaftlicher Maßnahmen nicht durchgeführt werden konnte, nach über zehn Jahren ausgeführt sehen will; wenn der Befrachter den Schiffsraum, der ihm für den Mai zugesagt war, im Juni in Anspruch nehmen will; oder wenn der Mieter eines Kraftfahrzeugs dieses erst am nächsten Tag benutzen will. Im einzelnen wird man bei der Bestimmung der Leistungspflicht des Schuldners auf den Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit nicht verzichten können. Hat der Gläubiger durch das Unterlassen von Mitwirkungshandlungen zunächst seinen Verzug und dann die Unmöglichkeit der Leistung herbeigeführt, so behält der Schuldner gemäß § 324 Abs. II BGB den um die von ihm ersparten Aufwendungen gekürzten Anspruch auf die 110

Vgl. statt aller Esser, Bd. I, § 49 I (S. 347 f.).

218

3. Hauptteil: Dt. Recht- Anspruch auf die Gegenleistung

Gegenleistung111. Wenn auch mit teilweise von § 324 Abs. II BGB abweichenden tatbestandliehen Voraussetzungen, bezwecken weiter die §§ 552, 615, 645 Abs. I S. 2 BGB einen Schutz des Vorleistungspflichtigen112. In zwar vergröbernder, aber wohl zulässiger Verallgemeinerung läßt sich feststellen: Die §§ 324 Abs. II, 552, 615, 645 Abs. I S. 2 BGB schaffen in wesentlichen Teilbereichen einen Ausgleich zwischen dem Gläubiger, der von seinen Vertragsrechten keinen Gebrauch macht, und dem vorleistungspflichtigen Schuldner, der deshalb nicht die volle Gegenleistung verlangen kann. Die Entscheidung des BGH im "Flugreise-Fall"113 liefert ein Beispiel dafür, daß dieser Ausgleich in der Praxis zu angemessenen Ergebnissen führen kann.

111 Vgl. im einzelnen zu den Voraussetzungen des § 324 Abs. II BGB im 1. Hauptteil bei Fn. 131 ff., 136 ff. m Näher dazu im 1. Hauptteil bei Fn. 145 ff. m BGH VersR 1973, 273. Dazu im 1. Hauptteil bei Fn. 143 ff.

2. Te i 1

Vertragsauflösung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zugunsten des Schuldners (Schutz des Liquidationsinteresses) Die Fälle, in denen der Schuldner als Gläubiger der Gegenleistung den Erfüllungsanspruch durchsetzen will, treten in der praktischen Bedeutung hinter die Fälle zurück, in denen er Vertragsauflösung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung begehrt114• Schon daraus wird deutlich, daß der Schuldner meist ein Interesse an der Liquidation des Vertrags hat, wenn die Mitwirkung des Gläubigers ausbleibt. Dieses Liquidationsinteresse erklärt sich aus der durch das Verhalten des Gläubigers entstehenden Unsicherheit. Vielfach kann der Schuldner nicht beurteilen, ob der Gläubiger die Mitwirkung nur deshalb unterläßt, weil er bei unverminderter eigener Leistungsfähigkeit das Interesse an der Vertragsdurchführung verloren hat, oder ob sein Verhalten darauf zurückzuführen ist, daß er die von ihm geschuldete Gegenleistung nicht erbringen kann. So ist denkbar, daß der Gläubiger Leistungsfähigkeit vortäuscht, um seinen Kredit nicht zu gefährden, möglich ist aber auch, daß er sich hinter einer angeblichen Leistungsunfähigkeit versteckt, um den Vertragspartner von der Durchführung des Vertrags abzubringen. Vielfach wird der Schuldner sich auch schon deshalb für die Vertragsabwicklung entscheiden, weil die erzwungene und damit verspätete Gegenleistung für ihn nicht denselben Wert hPsitzt wie die rechtzeitig erfolgte Gegenleistung115 • Aus diesen Gründen ist mit der herrschenden Meinung und namentlich mit der Praxis davon auszugehen, daß Wege gefunden werden müssen, die zur Verwirklichung des Liquidationsinteresses führen.

Vgl. dazu schon im 2. Hauptteil bei Fn. 681. Auf diesen Gesichtspunkt weist zutreffend Leser hin, vgl. Festschrift f. Rheinstein, Bd II (1969), 643, 654. 114

115

1. Kapitel

Das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers als Fall der positiven Vertragsverletzung 1. Abschnitt

Die Bejahung "echter Rechtspflicht" des Gläubigers unterhalb der Ebene vertraglicher Hauptpflicht Die herrschende Meinung im deutschen Recht, insbesondere die Rechtsprechung, erblickt im Ausbleiben der Mitwirkung einen Fall der positiven Vertragsverletzung, indem sie die Pflicht jedes Vertragsteils, das Vertrauen des anderen in die Vertragstreue des Partners nicht durch eine Gefährdung des Vertragszwecks zu erschüttern, als verletzt annimmt116 • Die herrschende Meinung ist damit entgegen der Auffassung Kohlers wieder zu der gemeinrechtlichen Vorstellung einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers zurückgekehrt. Sie unterscheidet sich von dieser Vorstellung jedoch darin, daß für sie die Mitwirkung nicht Gegenstand einer der Erfüllungspflicht des Schuldners gleichrangigen Hauptpflicht, sondern einer unterhalb dieser Ebene bestehenden Nebenpflicht ist. Damit ist die Entwicklung, die das deutsche Recht in der Frage einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers genommen hat, Bestandteil der umfassenderen Prozesse der Herausbildung des Schuldverhältnisses im weiteren Sinne und der positiven Vertragsverletzung. Anders als zur Zeit der Entstehung des BGB 117, ist die Unterscheidung zwischen dem Schuldverhältnis im engeren Sinne und dem im weiteren Sinne heute allgemein geläufig118 • Man hat erkannt, daß sich das 118 Vgl. namentlich die Rechtsprechungsübersicht im 1. Hauptteil, 4. Kapitel, 1. Abschnitt. Aus dem Schrifttum z. B. Enneccerus I Lehmann, § 152 III; Palandt I Heinrichs, § 276, Anm. 7 e cc. 117 Wenn die Verfasser des BGB auch ausdrücklich davon abgesehen haben, den Begriff des Schuldverhältnisses zu definieren (vgl. Mot., Bd Il, S. 2; vgl. auch Windscheid I Kipp, Bd Il, § 251, S. 8 ff.), so gingen sie doch von der Vorstellung eines Schuldverhältnisses im engeren Sinne aus. Sie wollten nämlich lediglich die römische obligatio eindeutschen, die zwar über den Wortsinn hinaus nicht nur die Verpflichtung, sondern auch die aus ihr folgende Berechtigung bezeichnen kann (vgl. Paulus, D. 44, 7, 3, und Scaevola, D. 44, 7, 30 und dazu Windscheid I Kipp, Bd Il, § 251, S. 7, Fn. 3), stets aber nur auf die Leistungsbeziehung abhebt.

1. Kap.: Das Ausbleiben der Mitwirkung als pos. Vertragsverletzung

221

Schuldverhältnis nicht notwendig in der Leistungsbeziehung erschöpft, sondern auch zahlreiche Nebenpflichten umfaßt, und auch in seinem zeitlichen Bestand nicht unbedingt von der Begründung oder der Fortdauer der Leistungsbeziehung abhängig ist. Wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung hat Siber mit seiner These erlangt, daß das Schuldverhältnis "ein zur Erzeugung von Einzelrechten geeigneter Organismus" sei119• Die Lehre vom Schuldverhältnis im weiteren Sinne kann zwar die vielfältigen, die Leistungsbeziehung begleitenden Nebenpflichten unter einen Begriff bringen. Sie gibt jedoch keine Auskunft darüber, welche Pflichten die eine oder die andere Vertragspartei zu erfüllen hat, sondern setzt eine anderweitige Begründung der Pflichten voraus. Diese Lehre kann also eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers nicht begründen; sie kann nur den Rahmen bezeichnen, in den diese Pflicht einzufügen wäre, wenn sie sich anderweitig rechtfertigen ließe. Die Frage, ob der Gläubiger zur Mitwirkung verpflichtet ist, läßt sich auch nicht deshalb bejahen, weil man das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers als positive Vertragsverletzung erfassen und sanktionieren kann. Zwar soll die Berechtigung der positiven Vertragsverletzung als einer Formengruppe von Leistungsstörungen hier nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen werden. Die positive Vertragsverletzung generell durch andere Konstruktionen ersetzen zu wollen, ist schon deshalb sinnlos, weil diesem Rechtsinstitut auf Grund einer jahrzehntelangen, vom größten Teil des Schrifttums120 wenigstens nicht grundsätzlich angegriffenen Praxis gewohnheitsrechtlicher Rang zukommt121. Darüber hinaus sind die bisher unternommenen Versuche, ohne die positive Vertragsverletzung auszukommen122, gescheitert. Man muß sich aber gegenwärtig halten, daß die positive Vertragsverletzung nicht der Unmöglichkeit und dem Verzug als dritter Typ der Leistungsstörung an die Seite gestellt werden kann. Unmöglichkeit und Verzug sind vom Gesetzgeber bewußt als möglichst genau umrissene Störungs118 Manche wollen mit dem Begriff Schuldverhältnis sogar nur die über den Einzelanspruch hinausgehende Beziehung zwischen den Parteien bezeichnen, vgl. Planck I Siber, § 241, Vorbem. I 1 b; Staudinger I Weber, § 241, Einl., Rdn. C 4. 119 Vgl. Planck I Siber, § 241, Vorbem. I 1 a. 120 Vgl. z. B. die Darstellungen von Esser, Bd I, § 52 V- VII (S. 380 ff.); Fikentscher, § 47 (S. 229 ff.); Larenz, Bd I, § 24 I (S. 266 ff.); ferner Palandt I Heinrichs, § 276, Anm. 7, und Erman I Battes, § 276, Rdn. 87 ff., beide m. w. N. 121 Vgl. RGZ 106, 26; Soergel I Siebert I Schmidt, § 275, Vorbem., Rdn. 37; Larenz, Bd I § 24 I a (S. 270); Köpcke, S. 1331134; Götz, JuS 1961, 56, 57, Fn. 8. 122 Vgl. Himmelschein, AcP 135 (1932), 255; dens., AcP 158 (1959160), 273; Wicher, ebenda, S. 297. Grundsätzliche Kritik auch bei Stoll, AcP 136 (1932),

257.

222

3. Hauptteil: Dt. Recht- Vertragsauflösung u. Schadensersatz

typen ausgeformt worden 123. Die Entdeckung der positiven Vertragsverletzung hat demgegenüber dazu geführt, daß ein offenes System der Leistungsstörungen entwickelt wurde, das Unmöglichkeit und Verzug nur noch als einzelne, wenn auch besonders charakteristische Störungsformen kennt124. Das kommt in der negativen Umschreibung zum Ausdruck, wonach eine positive Vertragsverletzung dann anzunehmen ist, wenn eine schuldhafte Pflichtverletzung weder als Unmöglichkeit noch als Verzug qualifiziert werden kann und auch nicht von den gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften erfaßt wird 125. Das ist keine Definition, sondern eine GeneralklauseP 26 ; denn es bleibt offen, wie die verletzte Pflicht ermittelt werden127 und welche Rechtsfolgen ihre Verletzung jeweils auslösen soll. Konsequent wird von der positiven Vertragsverletzung gelegentlich sogar als von einer "sonstigen Forderungsverletzung"128 oder als von einem "Grundtatbestand" der Vertragsverletzung129 gesprochen. Die Verletzung einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers läßt sich also zwar in das System der Leistungsstörungen im Schuldverhältnis einfügen. Da in diesem System aber mit einem inhaltlich nicht bestimmten Pflichtbegriff gearbeitet wird, besagt diese Möglichkeit nichts zu der Frage, ob eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers wirklich besteht und ob es erforderlich ist, sie anzunehmen, um angemessene Ergebnisse zu erzielen. Im Gegenteil: Die Bejahung einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers ist Bedenken ausgesetzt. Diese ergeben sich teilweise schon aus dem bisher Ausgeführten. Angesichts der generalklauselartigen Umschreibung der positiven Vertragsverletzung kann es diesem Rechtsinstitut wie auch der Behandlung der einzelnen Fallgruppen nur förderlich sein, wenn die Charakteristika der jeweiligen Gruppe festgestellt werden und die Gruppe aus der positiven Vertragsverletzung herausgenommen wird, wenn sich anderweitig sachgerechte Lösungen finden lassen; das gilt insbesondere für die Pflicht der Parteien, zur Errei12 3 Durch den Streit in der französischen Doktrin des 19. Jahrhunderts, wann sich der Erfüllungsanspruch in eine Schadensersatzforderung umwandle (vgl. dazu Zachariä I Crome, Bd li, §§ 299, 308; heute ist die Frage praktisch ohne Bedeutung, vgl. Zweigert I Kötz, Bd li, S. 199), sahen sich die Gesetzesverfasser veranlaßt, die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung möglichst genau zu regeln, vgl. Mot., Bd li, s. 49. 124 Anschaulich BGHZ 11, 80, 84. m Vgl. nur Köpcke, S. 11/12; Palandt I Heinrichs,§ 276, Anm. 7 a cc. 120 Vgl. nur Soergel I Siebert I Schmidt, § 275, Vorbem., Rdn. 32; HGBRGRK (Würdinger I Röhricht),§ 373, Vorbem., Anm. 482. 121 Vgl. die Kritik von Planck I Siber, §§ 275-292, Vorbem. I 3 a. 12s Vgl. Köpcke, S. 11/12. 129 Vgl. BGHZ 11, 80, 83; Palandt I Heinrichs,§ 276, Anm. 7 a cc.

1. Kap.: Das Ausbleiben der Mitwirkung als pos. Vertragsverletzung

223

chung des gemeinsamen Vertragszwecks zusammenzuwirken130• Bedenklich ist weiter, daß die doch unterhalb der Ebene vertraglicher Hauptpflicht liegende Mitwirkungspflicht des Gläubigers in den Rechtsfolgen so behandelt wird, als ob er gegen eine Hauptpflicht verstoßen hätte131• Schließlich kann nicht übersehen werden, daß die den §§ 293 ff. BGB zugrunde liegende gesetzgeberische Entscheidung gegen eine Pflicht des Gläubigers, den Schuldner bei seiner Leistung zu unterstützen, unterlaufen wird, wenn man in dem Ausbleiben der Mitwirkung generell eine positive Vertragsverletzung und damit doch einen Pflichtverstoß sieht. Die aufgezeigten Bedenken werden auch durch den Vorschlag von Klees, bei Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers die §§ 286 Abs. II, 326 BGB anzuwenden132, nicht gegenstandslos. Seinem Vorschlag liegt die richtige Erkenntnis zugrunde, daß die Anwendung der positiven Vertragsverletzung wegen der fehlenden tatbestandliehen Umschreibung das Risiko in sich birgt, Vertragsauflösung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu unbedenklich zu gewähren. Seine Ansicht kann trotzdem nicht überzeugen. Klees vermeidet das von ihm erkannte Risiko nicht, indem er die Vorschriften über den Schuldnerverzug anwendet. Ebenso wie die herrschende Meinung knüpft er die Rechtsfolgen an das Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers an, indem er darin eine Pflichtverletzung erblickt. Die Vorschriften über den Schuldnerverzug sanktionieren jedoch nicht die Verletzung einer Mitwirkungspflicht, sondern der Leistungspflicht. Deshalb geht auch das von Klees vorgebrachte Argument fehl, gedanklich nähere sich das Ausbleiben der Mitwirkung einem Schuldnerverzug des Gläubigers133 ; selbst wenn die Mitwirkung Gegenstand einer Pflicht ist, ist es doch nicht die verzögerliche Behandlung dieser Pflicht, die den Schuldnerverzug begründet. Entsprechendes gilt für die Gefährdung konkreter Vermögensinteressen des Schuldners durch den Gläubiger, die nach Klees im Gegensatz zu einer sonstigen Störung der Vertrauensbeziehung zwischen den Parteien die Vertragsabwicklung rechtfertigen soll134• Das beim Schuldnerverzug verletzte Vermögensinteresse ist das Leistungsinteresse, auf das man nicht ohne Widerspruch in der Argumentation abstellen kann, wenn man nicht auf die dem Schuldner gebührende Leistung des Gläubigers, sondern auf das Ausbleiben der Mitwirkung abhebt. 130 131

132 133 134

Vgl. die Kritik in HGB-RGRK (v. Godin), § 346, Anm. 20 (S. 72). Vgl. im 2. Hauptteil bei Fn. 657 ff., 673. Vgl. S. 218 ff. Vgl. aaO. Vgl. aaO.

224

3. Hauptteil: Dt. Recht- Vertragsauflösung u. Schadensersatz

Daß sich die "demeure du creancier", die Klees bei seinem Lösungsvorschlag offenbar als Vorbild gedient hat, im französischen Recht gerade nicht durchgesetzt hat, sondern theoretische Bemühung geblieben ist, wurde oben dargelegt135• 2. Abschnitt

Obliegenheitsverletzung und positive Vertragsverletzung Der BGH erzielt keinen Fortschritt in der Erfassung und Behandlung der Mitwirkungsfälle, indem er mit dem Obliegenheitsbegriff arbeitet. Der von Schmidt entwickelte Obliegenheitsbegriff kann zur Lösung der Fälle ausbleibender Mitwirkung des Gläubigers nichts beitragen, weil die bei Verstoß gegen die Mitwirkungsobliegenheit eintretenden Rechtsfolgen nur die des Gläubigerverzugs sind136, die einen Schutz des Abwicklungsinteresses gerade nicht ermöglichen. Daß der Obliegenheitsbegriff hier ohne Nutzen ist, erklärt sich aus Ausgangspunkt und Zielsetzung der von Schmidt angestellten Untersuchung. Schmidts Ausgangspunkt ist der Streit um den Obliegenheitsbegriff in § 6 VVG137, sein Ziel, die dazu entwickelte Voraussetzungstheorie138 und Verbindlichkeitstheorie139 durch eine Neubegründung des Obliegenheitsbegriffs zu überwinden. Deshalb beschränkt er sich darauf, die Obliegenheit als Verbindlichkeit minderer Zwangsintensität zu erklären, ohne der Frage nachzugehen, wie die zur sachgerechten ProblemVgl. im 2. Hauptteil bei Fn. 208 ff. Mehr wird von Schmidt nicht behauptet, wenn er sagt, die Folgen des Verzugs des Gläubigers übten auf diesen einen "teleologischen Rechtszwang minderer Intensität" aus, die Leistung anzunehmen. Vgl. S. 147. Die dem Gläubiger nachteiligen Folgen seines Verzugs sollen es ihm geraten erscheinen lassen, seine Mitwirkung nicht zu versagen. Vgl. dazu schon im 1. Hauptteil bei Fn. 90 ff. 137 Ausgangspunkt des Streites ist das Bemühen, den Versicherungsschutz nicht durch eine unkritische Anwendung des § 278 BGB zu entwerten. Kommentare und Lehrbücher lesen sich heute so, als sei die Anwendbarkeit des § 278 BGB nur eine Konsequenz der jeweiligen zur Rechtsnatur der Obliegenheit vertretenen Meinung (vgl. z. B. Bruck I Möller, § 6, Anm. 11, 54 ff.; Prölss I Martin, § 6, Anm. 7, 8). Das RG ging die Frage zunächst anders an: In den ersten einschlägigen Urteilen (RGZ 58, 346; 62, 192) wird die Anwendbarkeit des § 278 BGB mit der Begründung verneint, dem Versicherungsnehmer habe gegenüber dem Versicherer keine Pflicht oblegen; von einer Obliegenheit ist erst in RGZ 102, 215 die Rede, der Rechtscharakter hier noch offengelassen. Für die Begriffsbestimmung der Obliegenheit hat das RG die zu§ 278 BGB gewonnenen Erkenntnisse erst in RGZ 133, 117, 122 verwandt. 138 Dafür namentlich die Rechtsprechung, vgl. die Entscheidungen in der vorigen Fn. und BGHZ 24, 378. Aus dem Schrifttum z. B. Kisch, Bd II, S. 178 ff., 511, 515 f.; Bd III, S. 329 ff. 139 Engagierter Vertreter ist Ehrenzweig, vgl. S. 147 ff. Heute wird die Verbindlichkeitstheorie vor allem vertreten von Prölss I Martin, § 6, Anm. 4; Koenig, S. 136 ff. 13 5

136

1. Kap. : Das Ausbleiben der Mitwirkung als pos. Vertragsverletzung

225

Iösung erforderlichen, mit der Obliegenheit gerade nicht verbundenen Sanktionen aus dem Gesetz abgeleitet werden können. Ob sein nicht durch die Voraussetzungen, sondern durch die Rechtsfolgen gekennzeichneter Obliegenheitsbegriff für die Pflichtenlehre des Zivilrechts fruchtbar ist, mag auf sich beruhen140. Für die konkreten Fragen aus dem Bereich der Vertragsverletzung ist mit diesem Begriff jedenfalls nichts gewonnen, weil er infolge seiner fehlenden tatbestandsmäßigen Umschreibung keine Entscheidung darüber ermöglicht, wann nur Obliegenheit und wann daneben oder auch stattdessen "echte" Rechtspflicht mißachtet ist. Die Wertlosigkeit des Obliegenheitsbegriffs zumindest in diesem Zusammenhang zeigt sich am deutlichsten darin, daß der BGH zwar von einer Obliegenheit spricht, sich aber nicht an die von Reimer Schmidt vorgenommene Begrenzung der Rechtsfolgen hält. Im Falle "Ouistreham"141 und im Fall der Abrechnungsanalge142 werden die Obliegenheiten, legt man die Unterscheidung Reimer Schmidts zugrunde, zu den "echten" Rechtspflichten gezählt, indem mit ihrer Verletzung die gewöhnlichen Folgen des Verstoßes gegen sonstige Verbindlichkeiten, mindestens - im Falle "Ouistreham" - eine Schadensersatzpflicht verbunden sein sollen. Wenn der BGH die Obliegenheitsverletzung auf diese Weise zur positiven Vertragsverletzung macht, so ist nicht einzusehen, warum er überhaupt mit dem Begriff der Obliegenheit arbeitet. Die von Schmidt immerhin erzielte terminologische Gliederung des Pflichtbegriffs geht auf diese Weise jedenfalls verloren. Die Vermengung von Obliegenheitsverletzung und positiver Vertragsverletzung wird vom BGH zwar im Erzverladungsfall143 vermieden. Dadurch wird jedoch die Überflüssigkeit des Obliegenheitsbegriffs in Fällen dieser Art nur noch deutlicher; denn für die Entscheidung ist allein die Verletzung der allgemeinen Treupflicht wesentlich, die die Obliegenheit überlagern soll. In allen Fällen hätte es am Ergebnis nichts geändert und wäre in der Begründung klarer gewesen, wenn der BGH auf den Obliegenheitsbegriff ganz verzichtet hätte144.

140 Ballerstedt, ZHR 121 (1958), 78, hält den Nachweis der dogmatischen Ergiebigkeit für geführt. Skeptisch Esser, AcP 154 (1955), 49. Ablehnend Prölss, VersW 1953, 476. 141 BGHZ 11, 80. u2 BGHZ 50, 175. 143 VersR 1960, 693. 144 Vgl. auch die von Lehmann, JZ 1954, 240, und Götz, JuS 1961, 56, vorgetragene Kritik.

15 Hü!f er

2. Kapitel

Der Schutz des Liquidationsinteresses durch Anknüpfung an den Gegenleistungsanspruch bei Zug um Zug zu erfüllenden Verträgen 1. Abschnitt

Grundsätzliche Anwendbarkeit des § 326 BGB I. Die Verletzung der Gegenleistungspflicht als Anknüpfungspunkt für die Abwicklung des Vertrags Der zutreffende Kern der herrschenden Meinung liegt darin, daß sie dem Schuldner als Gläubiger der Gegenleistung den Weg zum Rücktritt und zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung offenhält. Der dafür eingeschlagene Weg, Annahme einer Mitwirkungspflicht und positive Vertragsverletzung, erweist sich jedoch aus den oben dargelegten Gründen145 als bedenklich. Da die herrschende Meinung zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder zum Rücktritt vom Vertrag kommt146 , liegt es nahe, die Lösung durch Anwendung des § 326 BGB zu erreichen, weil die erstrebten Rechtsfolgen durch diese Vorschrift angeordnet werden. Man kann gegen die Anwendung des § 326 BGB einwenden, daß diese Vorschrift die Verletzung einer Hauptpflicht voraussetzt, während es hier um unterbliebene Mitwirkung gehe. Von einem rein theoretischen Standpunkt aus ist dieser Einwand zutreffend. Es ist nämlich immerhin denkbar, daß der Gläubiger zwar zahlen will und trotzdem erforderliche Mitwirkungshandlungen nicht vornimmt. In der praktischen Rechtsanwendung kommt dieser Fall jedoch nicht vor. Selbst bei Vorleistungspflicht des Gläubigers läßt sich die Mitwirkungsfrage nicht isoliert von der Zahlungspflicht sehen. Hat der Gläubiger bereits gezahlt, so ist ihm regelmäßig auch daran gelegen, die Leistung des Schuldners zu erhalten. Will er die Leistung des Schuldners aber ausnahmsweise nicht, so wird er deren Vertragswidrigkeit behaupten und entweder den Preis zurückfordern oder, wenn möglich, Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Umgekehrt stellt sich für den Schuldner, der bereits im Besitz der Gegenleistung ist, die Frage nach Schau& Vgl. 1. Kapitel, 1. Abschnitt. ue Vgl. im 2. Hauptteil bei Fn. 657 ff., 673.

2. Kap. : Schutz d. Liquidationsinte resses b. Zug-um-Zug-Le istungen

227

densersatz oder Rücktritt regelmäßig nicht, weil er sein Vertragsziel bereits erreicht hat. Stehen die Leistungen beider Vertragsteile noch aus, so ist in der mangelnden Bereitschaft des Gläubigers, bei der Leistung des Schuldners mitzuwirken, auch der Ausdruck einer fehlenden Zahlungsbereits chaft zu finden. Denn der Gläubiger wird für eine Leistung nicht bezahlen wollen, wenn er sie, soweit es von ihm abhängt, nicht erhalten wird. Ob der Gläubiger versucht, den Schuldner zu behindern, weil er nicht bezahlen will, oder ob er die Mitwirkung aus anderen Gründen unterläßt und nicht bezahlt, weil er die Leistung nicht erhält, ist eine Frage der Motivation des Gläubigerverhaltens und für die Anwendung des § 326 BGB unerheblich.

11. Ausbleiben der Leistung des Schuldners und Vertragstreue des Gläubigers Nach allgemeiner Meinung kann die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 BGB) dem Eintritt des Schuldnerverzu gs und damit der Grundvorausse tzung des § 326 BGB entgegenstehen147 • Für die Durchsetzung des Gegenleistungs anspruchs wurde oben dargelegt148, daß es nicht gerechtfertigt ist, dem Gläubiger die Einrede abzuschneiden, weil er seine Mitwirkung bei der Leistung des Schuldners versagt. Entscheidende Bedeutung kommt deshalb der Frage zu, ob für die Liquidation des Vertrags, also für Rücktritt und Schadensersatz wegen Nichterfüllung, eine andere Beurteilung zulässig und geboten ist. In Rechtsprechung und Schrifttum besteht Übereinstimmu ng, daß der vertragsuntreue Teil die Einrede nicht erheben kann149• Die dafür gewählten Formulierungen sind allerdings teilweise mißverständlich . Der Satz, die eine Partei des gegenseitigen Vertrags könne in Verzug kommen, wenn die andere Partei bereit und imstande ist, ihre Leistung zu erbringen150, ließe sich im Sinne des § 297 BGB verstehen151 • Noch mehr wird der Gedanke an den Gläubigerverzu g von denjenigen nahegelegt, die verlangen, daß die Partei, die sich auf den Verzug der anderen beruft, die von ihr geschuldete Leistung in vollständiger Form 147 Es mag hier offen bleiben, ob der Verzug schon durch das bloße Bestehen der Einrede oder erst durch ihre Geltendmachung ausgeschlossen wird. Eine übersieht über den Meinungsstand gibt z. B. Larenz, Bd I, § 23 I c 2 (S. 256 f.). Vgl. dazu auch unten bei Fn. 172 f:L 148 Vgl. bei Fn. 5 ff. 149 Vgl. zunächst die Nachweise oben in Fn. 15. 150 Vgl. RGZ 126, 280, 285; 151, 304, 311; Palandt I Heinrichs, § 284, Anm. 2; BGB-RGRK (Wilde),§ 320, Anm. 13, § 326, Anm. 8; HGB-RGRK (Würdinger/ Röhricht),§ 373, Vorbem., Anm. 301. 151 D. h .: Es könnte ausreichen, daß der Schuldner zur Leistung imstande wäre, wenn der Gläubiger mitwirken würde. Vgl. dazu im 1. Hauptteil bei Fn. 95ff.

15°

228

3. Hauptteil: Dt. Recht- Vertragsauflösung u. Schadensersatz

angeboten hat152• Eine Untersuchung der einschlägigen Entscheidungen zeigt jedoch, daß es auch hier nicht um den Gläubigerverzug, sondern um den Gesichtspunkt der Vertragstreue geht. In den vom RG entschiedenen Fällen war die Leistung des Schuldners bereits im wesentlichen erbracht153• Der Schuldner hatte schon vorgeleistet; die noch ausstehenden Leistungshandlungen stellte er ein, weil der Gläubiger keine Anstalten traf, die von ihm geschuldete Gegenleistung, das Entgelt, zu erbringen. Hier erhebt also der Gläubiger die Einrede aus § 320 BGB, obwohl er selbst nicht leistet und damit den Schuldner veranlaßt, die von diesem schon ins Werk gesetzte Leistung nicht zuende zu bringen. In dem vom BGH entschiedenen Fall154, in dem der Schuldner gerade nicht vorgeleistet hatte155, verlangt das Gericht zwar entweder die Vorleistung oder wenigstens das Angebot der Leistung in vollständiger Form; abgestellt wird aber gleichfalls nicht auf den Gläubigerverzug, der sich aus der Nichtannahme des Angebots ergäbe, sondern ausdrücklich auf die Vertragsuntreue dessen, der selbst nicht leistetl56• Diese Entscheidung des BGH könnte den Gedanken nahelegen, dem Schuldner, der ohne die Mitwirkung des Gläubigers nicht leisten kann, sei der Weg zur Liquidation des Vertrags über einen Schuldnerverzug des Gläubigers versperrt; denn das, was der BGH verlangt, kann dieser Schuldner gerade nicht: die Leistung in vollständiger Form anbieten. Bei der Beurteilung der Verzugsvoraussetzungen im gegenseitigen Vertrag ist jedoch zu unterscheiden, ob es um die synallagmatische Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung geht oder ob der Schuldner vorleistungspflichtig ist. Diese Unterscheidung, deren Bedeutung sich schon bei der Behandlung des Erfüllungsanspruchs herausstellte157, wird vom BGH nicht getroffen; in dem von ihm unter dem GesichtsEsser, Bd I, § 49 IV (S. 353); Larenz, Bd I, § 23 I c (S. 258); BGH NJW LM § 320 Nr. 9. Vollständiges Angebot verlangt laut BGH aaO. auch BGH VIII ZR 222/59 vom 9. 11. 1960. An der angegebenen Fundstelle NJW 1961, 361, ist dieser Teil des Urteils jedoch nicht abgedruckt. 153 RGZ 126, 280: Der Schuldner hatte das Patent, das Gegenstand des Vertrages war, bereits übertragen; zu erbringen war noch eine - nur beweisende - beglaubigte Abtretungserklärung. RGZ 151, 304: Kaufvertrag über ein Grundstück. Die Veräußerer hatten dem Erwerber bereits den Besitz überlassen und ein rechtskräftiges Urteil gegen ihn erwirkt, das ihn zur Entgegennahme der Auflassung verpflichtete. 15 ~ BGH NJW 1966, 200 = LM § 320 Nr. 9. 155 Der eine Teil sollte eine Grundschuld ablösen, der andere Teil eine Hypothekengewinnabgabe entrichten. Da der Teil, der die Grundschuld ablösen sollte, überhaupt nichts unternommen hatte, war es jedenfalls richtig, daß sich der BGH mit der im Prozeß behaupteten Leistungsfähigkeit und -bereitschaft nicht zufrieden gab. 158 Vgl. NJW 1966, 200, 201 (li. Sp.): "Das Berufungsgericht hat sonach das Vorbringen des Beklagten über die eigene Vertragsuntreue der Klägerin zu Unrecht als nicht erheblich angesehen." 157 Vgl. oben bei Fn. 63 ff. 152

1966, 200 =

2. Kap.: Schutz d. Liquidationsinteresses b. Zug-um-Zug-Leistungen

229

punkt des § 320 BGB beurteilten Fall war der Schuldner vorleistungspflichtig158. Hier geht es aber zunächst nur um die synallagmatische Verknüpfung und damit um die Einrede des nicht erfüllten Vertrags 159 • Auf den ersten Blick mag es überzeugend scheinen, wenn man sagt, nur eine Vertragstreue Partei könne der anderen vorhalten, ihre Leistung noch nicht erbracht zu haben. Der Gesichtspunkt der Vertragstreue ist jedoch zu allgemein. Das beweisen gerade die Entscheidungen, die im Schrifttum in diesem Zusammenhang in erster Linie angeführt werden160• Die beiden ersten Urteile des RG zu dieser Frage161 betreffen Fälle, in denen der auf Zahlung des Werklohns verklagte Besteller die Abnahme des Werks wegen dessen Mangelhaftigkeit abgelehnt hatte; in beiden Fällen wurde das Bestehen des behaupteten Mangels festgestellt. Einem Besteller, der ein mangelhaftes Werk zurückweist, kann aber nicht Vertragsuntreue vorgeworfen werden. In einem weiteren Urteil 162 wird, soweit es veröffentlicht ist, nicht mitgeteilt, ob die Abnahmeverweigerung durch den Besteller berechtigt war, und in einem anderen 163 wird nur ein mitwirkendes Verschulden des Bestellers an der Entstehung des Mangels in Betracht gezogen. Lediglich in einer Entscheidung, deren Sachverhalt unbekannt ist, wird der Begriff der Vertragstreue wenigstens erwähnt. Es heißt dort: "Die bloß aufschiebende Einrede aus § 320, auf die sich nur der vertragstreue Kontrahent berufen kann, und endgültige Weigerung der Annahme der Gegenleistung wegen angeblicher Vertragswidrigkeit stehen in unversöhnlichem Widerspruch 164 ." Aus den angeführten Entscheidungen folgt, daß es für die Versagung der Einrede des nicht erfüllten Vertrags nicht unbedingt auf eigene Vertragsuntreue ankommt. Durch sein Verhalten kann der auf Zahlung in Anspruch Genommene die Einrede auch dann verlieren, wenn ihm ein Verstoß gegen seine Vertragspflichten nicht vorgeworfen werden kann. Deshalb ist es nicht richtig, wenn im Schrifttum in diesem Zusammenhang besonderes Gewicht darauf gelegt wird, daß der Gläu158 Zwischen Verträgen mit Zug-um-Zug-Leistungen und Verträgen mit Vorleistungspflicht des eines Teils wird schon von BGH NJW 1963, 1149 = WM 1963, 476 nicht hinreichend unterschieden. 159 Zu Verträgen mit Vorleistungspflicht des Schuldners vgl. im folgenden Kapitel. 18° RGZ 58, 173; RG JW 1906, 333 Nr. 9; RG WarnR. 1908 Nr. 296; RGZ 69, 381; RG WarnR. 1910 Nr. 326. 181 RGZ 58, 173; RG JW 1906,333 Nr. 9. 182 RG WarnR. 1910 Nr. 326. 183 RGZ 69, 381. 164 RG WarnR. 1908 Nr. 296.

230

3. Hauptteil: Dt. Recht- Vertragsauflösung u. Schadensersatz

biger die von ihm geschuldete Gegenleistung verweigertl 65 • Vertragsuntreue mag vorliegen, wenn einem Teil die Einrede abgeschnitten wird; den entscheidenden Gesichtspunkt bildet sie jedoch nicht.

III. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags und das venire contra factum proprium Anzuknüpfen ist nicht an die Weigerung des Gläubigers, die von ihm geschuldete Gegenleistung zu erbringen, sondern an seine Weigerung, die Leistung des Schuldners anzunehmen oder sie diesem zu ermöglichen166. Das kommt auch in der Rechtsprechung des RG zum Ausdruck. So heißt es schon in dem ersten einschlägigen Urteil, der die Annahme der Leistung endgültig ablehnende Kontrahent sei "darauf angewiesen, seinen Einreden eine derartige Gestalt zu geben, daß auf Grund derselben eine endgültige Regelung der Rechtsverhältnisse stattfinden kann" 167 ; und gerade das Urteil, in dem auch von einer Vertragsuntreue die Rede ist, stellt auf den Gegensatz zwischen der "bloß aufschiebenden Einrede aus§ 320" und der "endgültigen Weigerung der Annahme" ab16B. Daraus ergibt sich der entscheidende Gesichtspunkt. Nicht auf eine Vertragsuntreue des Gläubigers kommt es an, sondern auf seine Erklärung, bei dem Vertrag nicht stehen bleiben zu wollen, sei sie berechtigt oder unberechtigt. Mit dieser Erklärung schafft der Gläubiger einen Tatbestand, auf den sich der Schuldner einstellen darf: Er braucht nicht mehr damit zu rechnen, daß der Gläubiger seine Leistung will. Erhebt der Gläubiger jetzt die Einrede des nicht erfüllten Vertrags, so kommt er im Gegensatz zu seinem früheren Verhalten doch wieder auf die Leistungspflicht des Schuldners zurück, indem er seine Leistung von der Erbringung der Schuldnerleistung abhängig macht. Das stellt einen Mißbrauch des durch § 320 BGB gewährten Rechts dar, und zwar in der speziellen Form des venire contra factum proprium169. Wohl erfährt also § 320 BGB eine Modifikation durch § 242 BGB, aber nicht durch eine pauschale Anwendung dieser Bestimmung170 , sondern durch die Berücksichtigung eines speziellen Gesichtspunkts. Diesem ist der BGH näher gekommen als das Schrifttum, wenn er es als "wi165 So aber Palandt I Heinrichs, § 320, Anm. 2 b; BGB-RGRK (Wilde), § 320, Anm. 10. Unentschieden Staudinger I Kaduk, § 320, Rdn. 12, die gleicher-

maßen auf die Weigerung abstellen, die eigene Leistung zu erbringen und die des anderen Teils anzunehmen. 166 Zutreffend Erman I Battes, § 320, Rdn. 6. 187 RGZ 58, 173, 176. 188 RG WarnR. 1908 Nr. 296. 189 Vgl. dazu RGZ 170, 203; OGHZ 1, 217; BGHZ 32, 273, 279; Soergell Siebert I Knopp, § 242, Rdn. 228. 170 Wie bei Staudinger I Kaduk, § 320, Rdn. 10.

2. Kap.: Schutz d. Liquidationsinteresses b. Zug-um-Zug-Leistungen

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dersinnig" bezeichnet, einer Vertragspartei Rechte zuzubilligen, die sie erklärtermaßen gar nicht ausüben wi11170a. Festzuhalten bleibt: Der Gläubiger, der die erforderliche Mitwirkung versagt, kann dem Schuldner nicht mit der Einrede des § 320 BGB begegnen, wenn dieser nach § 326 BGB vorgeht; denn er darf nicht einerseits dem Schuldner die Leistung unmöglich machen, andererseits aber wieder auf die Leistungspflicht des Schuldners zurückkommen. Wenn der Schuldner den Vertrag liquidieren will, ist also eine andere Beurteilung des § 320 BGB geboten, als wenn er die Gegenleistung begehrt. Darin liegt kein Widerspruch, sondern nur die Konsequenz daraus, daß hier auf den Leistungsaustausch verzichtet wird171 • Fraglich bleibt noch die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Nach herrschender Meinung hindert schon das bloße Bestehen der Einrede des nicht erfüllten Vertrags den Eintritt des Verzugs172• § 320 BGB soll also auch dann zu beachten sein, wenn sich der in Anspruch genommene Vertragsteil nicht darauf beruft. Das bedeutet, daß der nach§ 326 BGB vorgehende Vertragsteil Tatsachen behaupten und notfalls beweisen muß, aus denen sich ergibt, daß seine Forderung nicht einredebehaftet ist. Setzt der eine Teil den anderen außerstande, seine Leistung zu erbringen, indem er erforderliche Mitwirkungshandlungen nicht vornimmt, so gehört also, wenn man von der herrschenden Meinung ausgeht, zur Klagebegründung dieses anderen Teils der Vortrag der Tatsachen, aus denen sich ergibt, daß die Erhebung der Einrede rechtsmißbräuchlich wäre. Auch diese Auffassung ist jedoch darauf zurückzuführen, daß nicht klar zwischen den Fällen einer Vorleistungspflicht des Klägers und dem eigentlichen Anwendungsbereich des § 320 BGB unterschieden wird. Die Fälligkeit gehört zur Klagebegründung, weil sie, wie oben eingehend dargelegt173, Anspruchsvoraussetzung ist. Soweit es jedoch nur um die synallagmatische Verknüpfung geht, ist die Fürsorge, die die herrschende Meinung dem Beklagten zuteil werden läßt, übertrieben: Der Beklagte kann sich darauf berufen, daß seine Leistung von einer Gegenleistung abhängig ist, er muß es nicht. Einer lebensnahen Auffassung entspricht es, daß sich der Beklagte entscheidet und diese Entscheidung kundmacht, indem er sich entweder auf § 320 BGB beruft oder nicht. Folgt man dieser Meinung, so gehört der Vortrag der Tatsachen, die den Rechtsmißbrauch hinsichtlich der Einrede des § 320 uoa BGHZ 50, 175, 177.

Vgl. oben nach Fn. 17. Vgl. BGH NJW 1966, 200 m. w. N.; Schrifttumsangaben oben in Fn. 150, 152. 173 Vgl. 1. Teil, 2. Kap., 1. Abschnitt (Fn. 64 ff.). 171

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3. Hauptteil: Dt. Recht- Vertragsauflösung u. Schadensersatz

BGB ergeben, nicht zur Begründung der Klage; der Kläger kann vielmehr abwarten, ob die Einrede erhoben wird, und sich dagegen mit dem Einwand des Rechtsmißbrauchs zur Wehr setzen. Große praktische Bedeutung kommt der Frage allerdings nicht zu; der auf Zahlung verklagte Gläubiger wird sich in aller Regel schon außerhalb des Prozesses auf das Ausbleiben der ihm gebührenden Leistung berufen haben, und der nach § 326 BGB klagende Schuldner wird der Erhebung der Einrede regelmäßig durch eine vollständige Sachverhaltsdarstellung zuvorkommen. Sieht man von dem unproblematischen Fall ab, daß die Nachfrist gesetzt und die Ablehnung angedroht ist, so ist hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen des § 326 BGB zwischen drei möglichen Sachverhalten zu unterscheiden. Zunächst ist denkbar, daß der Gläubiger, auf die fällige Gegenleistung angesprochen, in reiner Passivität verharrt. Möglich ist aber auch, daß er nicht nur seiner Verpflichtung nicht nachkommt, sondern sich darüber hinaus unzuverlässig zeigt, so z. B., wenn er den anderen Vertragsteil durch wahrheitswidrige Angaben hinhalten will174• Schließlich kann der Gläubiger sich weigern, seine Verpflichtung zu erfüllen: Er leugnet das Zustandekommen des Vertrags, beharrt auf einem ungerechtfertigt erklärten Rücktritt oder macht seine Leistungsbereitschaft abhängig von zusätzlichen Leistungen des anderen Teils, zu denen dieser nicht verpflichtet ist. 2. Abschnitt

Die Behandlung einzelner Fälle I. Bloße Passivität des Gläubigers Verharrt der Gläubiger in bloßer Passivität, erklärt sich der Käufer also z. B. auf die Aufforderung des Verkäufers, die Ware abzurufen oder den Versandort anzugeben, überhaupt nicht, so kann der Verkäufer nicht ohne weiteres wegen Verzugs mit der Kaufpreisforderung zurücktreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Vielmehr muß er, wie in § 326 BGB vorgesehen, eine Nachfrist setzen und die Ablehnung der Gegenleistung androhen. Zwar entsteht durch die Passivität des Gäubigers Unsicherheit über seine Bereitschaft, den Vertrag zu erfüllen. Gerade diese Unsicherheit soll aber erst durch die Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung beseitigt werden. Darüber hinaus wird durch diese Erfordernisse namentlich der Schuldner der Gegenleistung geschützt, und dessen Interesse an der Durchführung des Vertrags kann nicht schon deshalb verneint werden, weil er durch sein Verhalten Zweifel an seiner Vertragstreue rechtfertigt. Solange 17'

So in BGHZ 11, 80, allerdings bei Vorleistungspflicht des Schuldners.

2. Kap.: Schutz d. Liquidationsinteresses b. Zug-um-Zug-Leistungen 233

eine Möglichkeit besteht, den Gläubiger durch Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung zu vertragstreuem Verhalten zu bewegen, muß dieser Versuch unternommen werden 175 • II. Unzuverlässigkeit des Gläubigers Verhält sich der Gläubiger nicht nur passiv, sondern erweckt er den Eindruck der Unzuverlässigkeit, z. B., indem er falsche Angaben macht, das Material, das der Schuldner verarbeiten soll, in unzulänglicher Qualität oder in vertragswidrigen Mengen anliefert, oder kann er für den gecharterten Dampfer keine Ladung besorgen, so soll in der erwiesenen Unzuverlässigkeit eine Gefährdung des Vertragszwecks liegen, die dem vertragstreuen Teil das Festhalten an dem Vertrag unzumutbar macht1 76• Die pauschale Anwendung der Formel von der unzumutbaren Gefährdung des Vertragszwecks läßt jedoch wiederum die nötige Unterscheidung zwischen Verträgen mit Zug um Zug-Leistung und Verträgen mit Vorleistungspflicht des Schuldners vermissen177 • Hier kann die Frage nur lauten, ob es zurnutbar ist, eine Nachfrist zu setzen und die Ablehnung der Gegenleistung anzudrohen178 • Diese Frage ist grundsätzlich zu bejahen. Mit der Regelung des § 326 BGB zeigt der Gesetzgeber gerade, daß auch Unzuverlässigkeit des anderen Vertragsteils nicht ohne weiteres dazu berechtigt, von der Durchführung des Vertrags Abstand zu nehmen. Denn erhebliche Unzuverlässigkeit zeigt schon, wer auf eine Mahnung oder zum vereinbarten Termin nicht leistet (§ 284 BGB). Gerade für diesen Fall hat aber der Gesetzgeber die zusätzlichen Erfordernisse des § 326 BGB aufgestellt. Die durch diese Regelung angestrebte Klarheit in der Frage, ob der Vertrag nicht doch noch durchgeführt wird, wird auch durch eine manifeste Unzuverlässigkeit nicht geschaffen. Eine teilweise andere Beurteilung kann nur ausnahmsweise geboten sein, nämlich dann, wenn das Verhalten des Gläubigers derart ist, daß dem Schuldner nicht zugemutet werden kann, überhaupt noch etwas mit ihm zu tun zu haben. Praktisch kommen dafür grob illoyale Verhaltensweisen wie erhebliche Beleidigungen und körperliche Angriffe in Betracht179 • Diese Fälle sind jedoch nicht dem § 326 BGB, sondern 175

Vgl. RGZ 90, 317; 102, 266; BGH WM 1957, 1344; Staudinger I Kaduk,

§ 326, Rdn. 34.

Vgl. die allgemeinen Formulierungen in BGHZ 11, 80, 86. So sind Fälle mit Vorleistungspflicht betroffen in den Entscheidungen RG WarnR. 1918 Nr. 137; RGZ 104, 15; 152, 119; BGHZ 11, 80; BGH BB 1963, 160 = Betr. 1963, 198; BGHZ 50, 175. 178 Vgl. zu Verträgen mit Vorleistungspflicht im folgenden Kapitel. 179 Bei einem Güterumsatzgeschäft, das ein besonderes Vertrauensverhältnis weder begründet noch voraussetzt, ist eine Beleidigung regelmäßig 178

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3. Hauptteil: Dt. Recht- Vertragsauflösung u. Schadensersatz

dem § 242 BGB zuzuordnen. Stellt sich der vertragstreue Teil auf den Standpunkt, mit dem anderen Teil nichts mehr zu tun zu haben, so wäre es widersprüchlich, wenn er den mit dem Vertragsschluß angestrebten Gewinn noch im Wege des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung mitnehmen wollte180• Einen solchen Anspruch kann der Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit auch dogmatisch nicht begründen; die Unzumutbarkeit kann es rechtfertigen, daß an sich gebotene Handlungen, nämlich die zur Erfüllung des Vertrags erforderlichen, nicht vorgenommen werden; eine anspruchsbegründende Funktion kommt ihr jedoch nicht zu. Der von der Rechtsprechung gewählten Konstruktion eines Rücktritts wegen positiver Vertragsverletzung181 bedarf es zur Beendigung der Leistungspflicht nicht, wenn die Erfüllung unzumutbar geworden ist. III. Erfüllungsverweigerung durch den Gläubiger

Das Ausbleiben erforderlicher Mitwirkungshandlungen kann Ausdruck der ernstlichen und endgültigen Weigerung des Gläubigers sein, die von ihm geschuldete Leistung zu erbringen. In diesem Fall ist die Lage insofern anders als bei bloßer Unzuverlässigkeit des Gläubigers, als er durch sein Verhalten nicht Ungewißheit über die Vertragsdurchführung schafft, sondern gerade die Gewißheit herbeiführt, daß der Vertrag, von der Möglichkeit zwangsweiser Durchsetzung abgesehen, nicht erfüllt wird. Auch hier ist mit § 326 BGB auszukommen182• Die Gegenmeinung, die nicht nur die anfängliche, sondern auch die bei Fälligkeit erklärte Erfüllungsverweigerung als positive Vertragsverletzung behandeln will183, verdient keine Zustimmung. ohne rechtliche Bedeutung für den Vertrag, vgl. RGZ 102, 408; BGH LM

§ 276 (Hd) Nr. 1.

180 Die herrschende Meinung nimmt hier zwar einen Fall der positiven Vertragsverletzung an, vgl. z. B. Palandt I Heinrichs, § 276, Anm. 7 e bb. In der Praxis hat bisher jedoch nur der Rücktritt, nicht der Schadensersatz eine Rolle gespielt, vgl. RGZ 102, 408; 140, 378; RG DR 1939, 1441. Eine andere Frage ist es, ob der Vertragstreue Teil Ersatz eines von der Vertragsdurchführung unabhängigen Schadens verlangen kann, wenn ihm dieser durch das die Unzumutbarkeit begründende Verhalten entsteht. Wenn ein Vertragsteil geschäftsschädigende Behauptungen über den anderen verbreitet, wenn er die Ware in interessierten Händlerkreisen grundlos schlecht macht, so kann darin ein Verhalten liegen, das der positiven Vertragsverletzung zuzuordnen ist und ihren Urheber ganz unabhängig von dem durch die Nichterfüllung entstehenden Schaden ersatzpflichtig macht. Allgemeine Meinung, vgl. nur Staudinger I Kaduk, § 325, Rdn. 21. Doch dürfen die Pflichtanforderungen auch hier nicht überspannt werden, vgl. dazu BGH LM § 276 (Hd) Nr. 1. 181 Vgl. die Nachweise in der vorigen Fn. 182 Für Anwendung des § 326 BGB Larenz, Bd I, § 22 II b (S. 261), Medicus, § 14 IV 1 c (S. 133). Wohl auch Esser, Bd I, § 52 VI 4 (S. 386). Vgl. auch RGZ 102, 266.

2. Kap.: Schutz d. Liquidationsinteresses b. Zug-um-Zug-Leistungen 235

Schon eine zweckgerichtete Auslegung des § 326 Abs. I BGB 184 ergibt, daß es einer Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung nicht bedarf. Erklärt nämlich der Gläubiger, die von ihm geschuldete Gegenleistung nicht erbringen zu wollen, so sind die in § 326 Abs. I BGB vorgesehenen Erklärungen funktionslos. § 326 BGB gibt jeder Partei des gegenseitigen Vertrags, so weit sie aus ihm berechtigt ist, ein Gestaltungsrecht, indem sie zwischen der Durchsetzung des Vertrags und seiner Umwandlung in ein Abwicklungsverhältnis wählen kann 185 • Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung haben die Aufgabe, dem anderen Teil anzukündigen, daß sich sein Vertragspartner für das Abwicklungsverhältnis entscheiden werde, wenn er nicht seinerseits erfülle, und ihm damit die Möglichkeit zu geben, die Umwandlung in ein Abwicklungsverhältnis abzuwenden. Eine solche Ankündigung ist überflüssig, wenn sich der andere Teil schon erklärtermaßen für die Abwicklung entschieden hat. Auf die Frage, ob die Erfüllung des Vertrags für den Schuldner trotz des Gegenleistungs-Verzugs des Gläubigers noch von Interesse ist (§ 326 Abs. II BGB) kommt es in Fällen dieser Art nicht mehr an. Der Schuldner kann sich also damit begnügen, die Weigerungserklärung des Gläubigers zu beweisen 185 ... Der künstlichen Konstruktion, der sich das RG zunächst bedient hat, daß nämlich mit der Erfüllungsverweigerung auf die Nachfristsetzung "verzichtet" werde 186, bedarf es demnach ebensowenig wie eines unmittelbaren Rückgriffs auf das Prinzip von Treu und Glauben187 • Der Vorwurf der treuwidrigen Ausübung eines Rechts geht ins Leere, da der die Erfüllung verweigernde Teil ohnehin kein Recht auf eine Nachfrist im Sinne des§ 326 BGB hat. § 326 BGB erlaubt also auch eine sachgerechte Behandlung der Erfüllungsverweigerung, jedenfalls, soweit sie nach Eintritt der Fälligkeit der geschuldeten Leistung erfolgt.

183 So z. B. Staudinger I Kaduk, § 326, Rdn. 184; Hadding, JuS 1969, 407; auch BGHZ 49, 56, 59. 184 Larenz spricht von einer "teleologischen Reduktion", vgl. Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 369 ff. 185 Vgl. dazu Leser, Festschrift f. Rheinstein, Bd II (1969), S. 643, 646 Fn. 15, auch 656. 185 a. Auch Fikentscher, § 45 III 1 d (S. 216), und § 45 III 2 c (S. 219) meint, der vertragstreue Teil brauche sich die Frage nach dem Interesse am Leistungsaustausch nicht gefallen zu lassen, will aber gleichwohl § 326 Abs. II BGB analog anwenden. Die Lösung ist indessen, wie dargelegt, schon Abs. I zu entnehmen. 188 Vgl. RGZ 51, 347; 52, 150; 53, 11; 53, 161. Dazu Leser, Festschrift f. Rheinstein, Bd II (1969), S. 643, 648. 18 7 Wie er von Staudinger I Kaduk, § 326, Rdn. 190, vorgenommen wird.

3. Kapitel

Der Schutz des Liquidationsinteresses bei Verträgen mit Vorleistungspflicht des Schuldners Es bleibt zu untersuchen, ob die bisher gefundenen Ergebnisse auch dann Bestand haben, wenn der Schuldner zur Vorleistung verpflichtet ist. Die herrschende Meinung hat den Grundsatz, eine "unzumutbare Gefährdung des Vertragszwecks" sei als positive Vertragsverletzung nach § 326 BGB zu behandeln, gerade in den Fällen angewandt, in denen eine Partei des gegenseitigen Vertrags vorleistungspflichtig ist188• Ihr ist einzuräumen, daß das Gesetz dem vorleistungspflichtig en Schuldner nur wenig entgegenkommt. Schon der Erfüllungsanspruch ist nach § 322 Abs. II BGB nicht in allen Fällen durchsetzbar189• Eine Vertragsauflösung bei gleichzeitiger Gewährung einer angemessenen Entschädigung sieht das Gesetz in den §§ 642, 643 BGB nur für den Werkvertrag vor. Eine unmittelbare Anwendung des § 326 BGB ist ausgeschlossen, weil die Vorschrift Verzug voraussetzt, die Gegen· Ieistung aber erst fällig wird, wenn der Schuldner seine Vorleistung erbracht hat190 • 1. Abschnitt

Der Schutz des Liquidationsinteresses auf der Basis des Gläubigerverzugs Nicht an den Anspruch auf die Gegenleistung, sondern unmittelbar an das Ausbleiben der Gläubigermitwirkun g knüpfen die §§ 642, 643 BGB an, die als Ergänzung zu den§§ 300 ff. BGB aufzufassen sind191• Mit dieser Regelung ist vielfach auszukommen, weil die Fälle, in denen der Gläubiger die Durchführung des Vertrags verhindert, prak· tisch gerade bei Werkleistungen des Schuldners vorkommen192 • Dabei kann der Unternehmer von der in § 643 BGB vorgesehenen Fristsetzung 188 So in RGZ 54, 98; RG WarnR. 1918 Nr. 137; RGZ 104, 15; 152, 119; BGHZ 11, 80; BGH BB 1963, 160 = Betr. 1963, 198; BGHZ 50, 175. 189 Vgl. dazu 1. Teil, 2. Kapitel, 3. Abschnitt. 190 Vgl. im 1. Teil, 2. Kapitel, 1. Abschnitt. 191 Vgl. dazu im 1. Hauptteil bei Fn. 156 ff. 192 Vgl. die Nachweise in Fn. 188.

3. Kap.: Schutz d. Liquidationsinteresses b . Vorleistungspflicht

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absehen, wenn sich der Besteller endgültig weigert, erforderliche Mitwirkungshandlungen vorzunehmen. Sie ist hier ebenso leere Form wie bei § 326 BGB. Die Fristsetzung ist überflüssig, weil der Unternehmer dem Besteller, der den Vertrag durch seine Weigerung scheitern lassen will, seine Kündigungsabsicht nicht mehr mitzuteilen braucht: Der Besteller hat sich selbst gegen die Durchführung des Vertrags entschieden. Unberührt bleibt die schon in den Motiven193 vorgesehene Möglichkeit, die Pflicht des Bestellers zur Mitwirkung vertraglich zu vereinbaren. Auf diese Weise kann der Schuldner auch das Interesse schützen, das er möglicherweise daran hat, seine Leistung zu erbringen. Kommt der Gläubiger einer vertraglich begründeten Mitwirkungspflicht nicht nach, so wird regelmäßig, wie gleichfalls schon in den Motiven zum Ausdruck gebrachtl 94, ein Fall des § 326 BGB vorliegen. Denn die vertragliche Vereinbarung hat ihren Grund gerade darin, daß die Parteien der Mitwirkung des Gläubigers eine besondere Bedeutung beimessen. Fällt das Interesse des Schuldners am Leistungsaustausch195 infolge des Verhaltens des Gläubigers weg, so bedarf es nach § 326 Abs. II BGB keiner Nachfrist. Das kann namentlich dann der Fall sein, wenn die Leistung des Schuldners durch das Ausbleiben der Mitwirkung bei gleichbleibender Gegenleistung wesentlich erschwert wird. So hätte sich möglicherweise der vom RG entschiedene Verbandmull-Fall196 lösen lassen: Stellt der Schuldner sein gesamtes Unternehmen in den Dienst des Gläubigers, so betrifft das Ausbleiben der Mitwirkung nicht nur eine einzelne Vorleistung des Schuldners, sondern seine wirtschaftliche Existenz. Geht der Gläubiger auf einen solchen Vertrag ein, so kennt er die Bedeutung seiner Mitwirkung. Regelmäßig wird unter solchen Umständen eine vertragliche Mitwirkungspflicht anzunehmen sein, auch wenn eine ausdrückliche Erklärung in diesem Sinne nicht vorliegt. Eine generelle Lösung der Probleme, die durch das Ausbleiben von Mitwirkungshandlungen des Gläubigers entstehen, ist jedoch weder in den §§ 642, 643 BGB noch in der Möglichkeit zu finden, eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers im Einzelfall vertraglich zu vereinbaren. Es bleibt die Frage, wie das Liquidationsinteresse des Vorleistungspflichtigen zu schützen ist, wenn es an einer vertraglichen Vereinbarung fehlt und die §§ 642, 643 BGB nicht weiter helfen, sei es, daß es Vgl. Mot., Bd II, S. 496. Vgl. Mot., aao. 195 Gerade auf das Interesse des Schuldners am Leistungsaustausch, nicht auf das isoliert betrachtete Interesse an der Gegenleistung kommt es an, vgl. nur Staudinger I Kaduk, § 326, Rdn. 171 ff. 198 WarnR 1918 Nr. 137. 19s

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3. Hauptteil: Dt. Recht- Vertragsauflösung u. Schadensersatz

sich nicht um einen Werkvertrag handelt, sei es, daß der Werkunternehmer nicht mit "angemessener" Entschädigung, sondern nur mit Schadensersatz wegen Nichterfüllung hinreichend geschützt ist. 2. Abschnitt

Der Schutz des Liquidationsinteresses des Vorleistungspflichtigen durch Anknüpfung an den Gegenleistungsanspruch I. Die unterschiedliche Bedeutung der Vorleistungspflicht für den Schutz des Erfüllungs- und des Liquidationsinteresses Das Verhalten des Gläubigers kann nicht dazu führen, dem Schuldner die Gegenleistung zu gewähren, wenn er seine Vorleistungspflicht noch nicht erfüllt hat; das wurde oben eingehend dargelegt197 • Es liegt deshalb nahe, auch für den Schutz des Liquidationsinteresses anzunehmen, daß sich der Schuldner nicht auf den Gegenleistungsanspruch berufen kann. Hier ist jedoch eine andere Beurteilung geboten als für den Schutz des Erfüllungsinteresses. Verlangt der Schuldner Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder tritt er von dem Vertrag zurück, so beruft er sich zwar auf die ihm noch nicht zustehende Gegenleistung. Er will aber die Gegenleistung nicht tatsächlich erhalten und damit die vereinbarte zeitliche Reihenfolge der Leistungen umkehren. Mit der Entscheidung für Rücktritt oder Schadensersatz will er vielmehr das ursprüngliche Schuldverhältnis in dem Sinne umgestalten, daß die Vertragsbeziehungen beider Parteien endgültig bereinigt werden, wobei die ursprünglich vorgesehenen Leistungen entweder überhaupt nicht erbracht werden (Rücktritt) oder im Rahmen einer Schadensberechnung nach der hier praktisch allein in Betracht kommenden Differenztheorie nur noch die Bedeutung unselbständiger Rechnungsposten haben. Findet der vorgesehene Leistungsaustausch nicht statt, so ist es nicht mehr gerechtfertigt, auf die dafür vereinbarte zeitliche Reihenfolge abzustellen. Es ist deshalb nicht widersprüchlich, für den Schutz des Erfüllungsinteresses zu verlangen, daß die Vorleistung erbracht ist, aber für den Schutz des Liquidationsinteresses von dieser Voraussetzung abzusehen.

II. Analoge Anwendung des § 326 BGB zugunsten des Vorleistungspflichtigen Mit der Feststellung, daß es nicht widersprüchlich ist, die Bedeutung der Vorleistung für das Erfüllungsinteresse und für das Liquidationsinteresse unterschiedlich zu beurteilen, ist nicht die Frage beantwortet, 187

Vgl. nach Fn. 108.

3. Kap.: Schutz d. Liquidationsinte resses b. Vorleistungspflic ht

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ob und wie sich ein Recht des Vorleistungspfl ichtigen, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder von dem Vertrag zurückzutreten, nach dem BGB begründen läßt. Dabei soll hier von dem Fall anfänglicher Erfüllungsverw eigerung noch abgesehen werden198• Im Einklang mit der Grundthese, daß es bei Ausbleiben erforderlicher Mitwirkungsha ndlungen des Gläubigers praktisch um dessen Gegenleistungs verpflichtung geht, ist zu untersuchen, ob nicht auch das Liquidationsint eresse des vorleistungspfli chtigen Schuldners durch Anwendung des § 326 BGB zu schützen ist. Das Problem, das die Anwendung des § 326 BGB hier bietet, liegt in dem Verzugserforde rnis. Denn solange der Schuldner seiner Vorleistungspflicht nicht nachgekommen ist, ist die Gegenleistung des Gläubigers nicht fällig. Die mit der Verzugsvorauss etzung gezogene Konstruktionsg renze läßt sich jedoch überbrücken. Dafür kommen zwei Wege in Betracht: Man kann versuchen, dem Gläubiger den Einwand mangelnder Fälligkeit ebenso abzuschneiden wie die Einrede des nicht erfüllten Vertrags. Man kann aber auch in § 326 BGB den Ausdruck eines umfassenderen, nicht auf den Verzug beschränkten Rechtsgedankens finden und für bestimmte Fälle von dem Verzugserforde rnis und damit von der Fälligkeit überhaupt absehen. Von diesen beiden Möglichkeiten scheint zunächst die erste näher liegend. Der Versuch, dem Gläubiger den Einwand mangelnder Fälligkeit abzuschneiden, den der BGH fälschlich für den Erfüllungsansp ruch des Vorleistungspfl ichtigen unternommen hat199, läßt sich hier mit dem Satz plausibel machen, daß es letztlich nicht darauf ankommen könne, ob die Gegenleistung nicht vollfällig (Frage der Einrede aus § 320 BGB) oder nicht fällig sei200• Auch läßt sich hier ebenso mit dem Verbot des venire contra factum proprium arbeiten wie bei der Einrede des nicht erfüllten Vertrags: Der Gläubiger, der die Leistung des Schuldners verhindert, handelt widersprüchlich , wenn er sich gegenüber dem Schuldner, der den Vertrag liquidieren will, auf das Ausbleiben dieser Leistung beruft201• Der von der herrschenden Meinung, wenn auch in einem anderen rechtlichen Zusammenhang ("unzumutbare Gefährdung des Vertragszwecks " 202), herangezogene Gedanke der Unzumutbarkei t Vgl. dazu im folgenden Abschnitt. BGHZ 50, 175, 177. 200 Die Unterscheidung zwischen Fälligkeit und Vollfälligkeit ist von Siber, SZ 29 (1908), 47, 109 ff., begründet worden, der den Begriff der Vollfälligkeit allerdings nur im Zusammenhang mit dem Mahnungserford ernis entwickelt. 201 Unerheblich ist hier, daß die mangelnde Fälligkeit nicht den Gegenstand einer Einrede bildet. Auch eine günstige Rechtslage kann in unzulässiger Weise ausgenutzt werden. Vgl. dazu z. B. BGHZ 16, 337; 29, 10; 45, 182. 202 Vgl. die Nachweise in Fn. 657, 673 (2. Hauptteil). 198

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3. Hauptteil: Dt. Recht- Vertragsauflösung u. Schadensersatz

könnte hier gleichfalls weiterhelfen: Die Vorleistung könnte für den Schuldner durch das Verhalten des Gläubigers unzumutbar werden. Trotzdem soll hier nicht die Lösung versucht werden, dem Gläubiger den Einwand mangelnder Fälligkeit abzuschneiden. Das liefe nämlich darauf hinaus, die bis zur erfolgten Vorleistung noch nicht fällige Gegenleistung als "quasi-fällig" zu betrachten und damit § 326 BGB als Verzugsregelung anwendbar zu machen. Damit würde das Ausbleiben von Mitwirkungshandlungen des Gläubigers in ein Lösungsschema gepreßt, das nicht paßt. Verhindert der Gläubiger die Vorleistung, dann verzögert er nämlich nicht - wie beim Verzug - die fällige Gegenleistung. Er setzt mit seinem Verhalten früher ein, indem er seine Leistung erst gar nicht fällig werden läßt. Dieser Besonderheit wird man gerecht, wenn man den oben aufgezeigten zweiten Lösungsweg beschreitet und versucht, für die Liquidation des Vertrags von dem Verzugserfordernis und damit auch von der Fälligkeitsfrage ganz abzusehen. Der Gedanke, § 326 BGB auch ohne Verzug anzuwenden, mag zunächst überraschend wirken, weil die Bestimmung doch Verzug voraussetzt. Dadurch wird jedoch nur die unmittelbare Anwendung der Vorschrift ausgeschlossen. Der analogen Anwendung des § 326 BGB stünde das Verzugserfordernis nur dann entgegen, wenn die Liquidation des gegenseitigen Vertrags gerade eine spezifische Verzugsfolge wäre. Das ist aber nicht der Fall. Der bloße Verzug führt nicht zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder zum Rücktritt vom Vertrag. Er begründet für den vertragstreuen Teil nur das Recht, den Vertrag in das Liquidationsstadium überzuleiten. Dabei ist die Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung das Mittel, die durch die Verzögerung der Leistung entstehende Ungewißheit über die Durchführung des Vertrags zu beseitigen und die Gewißheit zu schaffen, daß es nicht zur Erfüllung des Vertrags kommen wird. Darin liegt der einer Verallgemeinerung fähige Grundgedanke des § 326 BGB: Erregt ein Teil des gegenseitigen Vertrags Zweifel, ob es zur Vertragsdurchführung kommen wird, so ist der andere Teil berechtigt, ihn auf die Nichterfüllung festzulegen und statt der Durchführung die Liquidation des Vertrags zu wählen. Demgegenüber ist die Voraussetzung des Verzugs austauschbar. Im Verzug liegt nur ein charakteristischer und praktisch besonders wichtiger Fall von Ungewißheit über die Vertragsdurchführung. Die mangelnde Erfüllungsbereitschaft kann sich auch aus anderen Verhaltensweisen ergeben, namentlich auch daraus, daß ein Teil des gegenseitigen Vertrags bei der Vorleistung des anderen Teils nicht mitwirkt.

3. Kap.: Schutz d. Liquidationsinteresses b. Vorleistungspflicht

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Es bleibt die Frage, ob auch in diesem Fall analoger Anwendung des § 326 BGB eine Nachfrist mit Ablehnungsandrohu ng erforderlich ist. Die Antwort ergibt sich im wesentlichen schon aus dem bisher Ausgeführten. Weil es gerade darauf ankommt, daß der vertragstreue Teil hinsichtlich des Scheiterns der Durchführung des Vertrags Gewißheit schafft, muß grundsätzlich eine Nachfrist mit Ablehnungsandrohu ng gesetzt werden. Freilich ist der Inhalt der Nachfrist hier ein anderer als bei der unmittelbaren Anwendung der Vorschrift: Der Vorleistungspflichtige kann den Gläubiger nicht auffordern, die nicht fällige Gegenleistung binnen bestimmter Frist zu erbringen. Vielmehr ist dem Gläubiger eine Frist zur Aufgabe seines obstruierenden, die Vertragsdurchführung in Zweifel setzenden Verhaltens zu bestimmen. Eine Ausnahme von dem Erfordernis der Nachfrist gilt auch hier im Rahmen des § 326 Abs. II BGB; dafür kommen vor allem die schon oben203 angesprochenen Fälle in Betracht, in denen die Leistung des Schuldners durch das Verhalten des Gläubigers in der Weise erschwert wird, daß die Gegenleistung dazu nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis steht. Der praktische Vorzug der analogen Anwendung des § 326 BGB liegt gerade darin, daß der Vorleistungspflichtig e durch die Nachfrist und die Drohung, die Durchführung des Vertrags als gescheitert anzusehen, auf einfache Weise klare Verhältnisse schaffen kann. Ist die Frist fruchtlos abgelaufen, so ergibt sich das Recht des Vorleistungspflichtigen, den Vertrag zu liquidieren, aus analoger Anwendung des § 326 BGB, ohne daß man noch auf den allgemeineren Gedanken des venire contra factum proprium abstellen müßte. Auf die von der herrschenden Meinung verwandten, schwer präzisierbaren Begriffe der allgemeinen Vertragstreue und der unzumutbaren Gefährdung des Vertragszwecks kann vollends verzichtet werden. Das Liquidationsinteress e des Vorleistungspflichtig en ist also durch analoge Anwendung des § 326 BGB zu schützen. Eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers anzunehmen, erweist sich auch hier als überflüssig. 3. Abschnitt

Vorleistungspflicht des Schuldners und anfängliche Erfüllungsverweigerung des Gläubigers

I. Zum Tatbestand der anfänglichen Erfüllungsverweiger ung Eine anfängliche Erfüllungsverweiger ung liegt vor, wenn ein Teil des gegenseitigen Vertrags sich schon vor der Fälligkeit der von ihm geschuldeten Leistung weigert, seine Verpflichtung zu erfüllen. Ein 2oa

Vgl. bei Fn. 195, 196.

16 Hüffer

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3. Hauptteil: Dt. Recht- Vertragsauflösung u. Schadensersatz

solcher Fall ist gegeben, wenn der Gläubiger die Gegenleistung schon endgültig verweigert, bevor der Schuldner seiner Vorleistungspflicht nachgekommen ist. Die anfängliche Erfüllungsverweigerung hat eine von dem Ausbleiben erforderlicher Mitwirkungshandlungen unabhängige Bedeutung. Der Gläubiger kann die Erfüllung seiner Leistungspflicht nämlich auch bei Verträgen verweigern, die der Schuldner ohne seine Mitwirkung zu erfüllen vermag204• Praktisch wichtig ist die anfängliche Erfüllungsverweigerung jedoch gerade in den hier untersuchten Fällen. Wer behauptet, der Vertrag sei gar nicht zustande gekommen, oder er sei wirksam von ihm zurückgetreten oder habe ihn angefochten, sieht keine Veranlassung, dem anderen Teil eine Leistung zu ermöglichen, die er gar nicht haben will. Wenn man weiter fragt, welche Beweggründe den Gläubiger veranlassen, seine Mitwirkung zu versagen, so wird der Zusammenhang zwischen der Erfüllungsverweigerung und dem Ausbleiben der Mitwirkung noch deutlicher. Vereinfachend kann man nämlich feststellen: Der Gläubiger wirkt nicht mit oder nimmt nicht ab, weil er nicht bezahlen will. In der Weigerung, Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, ist deshalb vielfach die Erfüllungsverweigerung hinsichtlich der geschuldeten Gegenleistung zu sehen. II. Die rechtliche Einordnung der anfänglichen Erfüllungsverwei gerung Die rechtliche Einordnung der anfänglichen Erfüllungsverweigerung bereitet Schwierigkeiten. Der Gesetzgeber des BGB hat den Fall, daß eine Verpflichtung verletzt werden kann, bevor sie fällig ist, nicht bedacht. Die Rechtsprechung205 und ein Teil des Schrifttums206 sehen in der anfänglichen Erfüllungsverweigerung nicht die Verletzung der Leistungspflicht, sondern den Verstoß gegen die schon mit dem Vertragsschluß begründete, von der Fälligkeit der Leistung unabhängige allgemeine Pflicht zu vertragstreuem Verhalten. In der anfänglichen Erfüllungsverweigerung soll danach eine positive Vertragsverletzung liegen, weil durch die Verweigerung der Vertragszweck in unzumutbarer Weise gefährdet werde und die erforderliche Vertrauensgrundlage erschüttert sei. Auch die von Rabel207 begründete, am Vorbild des 20' Das wohl deutlichste Beispiel dafür liefert der englische Fall White and Carter (Council) Ltd. v. McGregor, (1962) A.C. 413. Vgl. dazu im 2. Hauptteil namentlich bei Fn. 582. 205 RGZ 57, 106; 93, 286; 149, 401; RG Recht 1910 Nr. 37; BGH BB 1958, 541; vgl. auch BGHZ 50, 175. 208 Vgl. namentlich Larenz, Bd I, § 24 I (S. 268, Fn. 4). Ferner die Kommentarliteratur: Palandt I Heinrichs, § 276, Anm. 7 c aa; Staudinger I Kaduk, § 325, Rdn. 22; BGB-RGRK (Wilde), Anh. zu § 326, Anm. 9.

3. Kap.: Schutz d. Liquidationsinteresses b. Vorleistungspflicht

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englischen Rechts orientierte Meinung stellt jedenfalls nicht in erster Linie auf die Verletzung der Leistungspflicht ab. Entscheidend soll sein, daß sich der Vertragsteil, der die Erfüllung verweigert, selbst gebunden hat; ein Abgehen von seiner Erklärung stelle ein venire contra factum proprium dar208• Der Vertragstreue Teil kann sich demnach auf die Erklärung einstellen und den anderen Teil darauf festlegen. Keine der beiden Ansichten vermag zu überzeugen. Mit der von Rabel begründeten Lehre ist gegen die wohl herrschende Meinung einzuwenden, daß es gekünstelt und überflüssig ist, auf die Verletzung einer neben der vertraglichen Hauptpflicht bestehenden allgemeinen Treupflicht abzustellen, wenn die Erfüllung der Hauptpflicht glatt verweigert wird. Andererseits ist aber die Konstruktion Rabels nicht ausreichend. Rabel verzichtet darauf, die anfängliche Erfüllungsverweigerung in das System der Leistungsstörungen nach dem BGB einzufügen. Mit dem Gedanken des venire contra factum proprium läßt sich nur begründen, daß der Vertragsteil, der selbst die Erfüllung verweigert, nicht wieder auf die Leistungspflicht des anderen Teils zurückkommen darf. Zu einem Schadensersatzanspruch führt dieser Gesichtspunkt aber nicht, es sei denn, daß man der Weigerungserklärung das Versprechen unterlegen wollte, Schadensersatz zu leisten, falls sich die Weigerung, die eigene Leistung zu erbringen, als unberechtigt herausstellen sollte. Darin läge jedoch eine Fiktion, die im BGB keine Grundlage findet. Die Nachteile der dargestellten Ansichten vermeidet die vermittelnde Auffassung von Leser209• Nach ihm ist die Erfüllungsverweigerung zwar eine Leistungsstörung, aber eine solche eigenen Typs. Die Negation der vertraglichen Hauptpflicht bedarf, so meint Leser zu Recht, keiner Steigerung oder Absicherung durch Annahme zusätzlicher Pflichten mehr. Diese Auffassung grenzt die Erfüllungsverweigerung von der positiven Vertragsverletzung ab und führt über die Annahme einer Leistungsstörung zu einem Schadensersatzanspruch, ohne der Fiktion eines Schadensersatzversprechens zu bedürfen210• Es muß jedoch weiter gefragt werden, wie sich diese Leistungsstörung in die Regelung des BGB einordnen läßt. Mit der im vorigen Abschnitt begründeten analogen Anwendung des § 326 BGB ist die Antwort auf diese Frage im wesentlichen schon gegeben. 207 Bd I, S. 382 ff. Ihm haben sich angeschlossen: Blomeyer, § 30 II 2 b; v. Caemmerer, NJW 1956, 569; Esser, Bd I,§ 52 VI 4 (S. 386). 2os Vgl. die Nachweise in der vorigen Fn. 209 Festschrift für Rheinstein, Bd II (1969), S. 643, 653 ff. 210 Vgl. schon meine Fallbesprechung in JuS 1970, 454.

16*

244

3. Hauptteil: Dt. Recht- Vertragsauflösung u. Schadensersatz

Da die Verzugsvoraussetzung in § 326 BGB, wie dargelegt211 , austauschbar ist, kann die Vorschrift auch hier entsprechend angewandt werden. Während bei dem "schlichten" Ausbleiben von Mitwirkungshandlungen des Gläubigers zunächst Ungewißheit über die Durchführung des Vertrags entsteht, schafft der die Gegenleistung verweigernde Gläubiger sogar selbst Gewißheit, daß es nicht zur Erfüllung des Vertrags kommen wird, wenn man von der Möglichkeit der Zwangsvollstreckung absieht (§§ 322 Abs. li und III, 274 Abs. li BGB, §§ 726 Abs. li, 756, 765 ZPO). Wenn der eine Teil des gegenseitigen Vertrags schon bei Ungewißheit über die Erfüllung durch den anderen Teil die Liquidation des Vertrags wählen darf, so muß das erst recht gelten, wenn schon feststeht, daß es allenfalls im Zwangswege zur Erfüllung kommen wird. Es bleibt zu erwägen, ob bei anfänglicher Erfüllungsverweigerung eine Nachfrist mit Ablehnungsandrohung erforderlich ist. Hierfür ist an das oben212 hinsichtlich der nachträglichen Erfüllungsverweigerung Ausgeführte anzuknüpfen. Hat sich der Gläubiger bereits erklärtermaßen entschieden, seine Verpflichtung nicht zu erfüllen, so läge in der Nachfrist eine leere Form. Die Ankündigung des Schuldners, auch seinerseits von der Durchführung des Vertrags Abstand nehmen zu wollen, ist hier funktionslos und deshalb überflüssig. Das Interesse des vorleistungspflichtigen Schuldners an einer Liquidation des Vertrags ist also in jedem Fall durch analoge Anwendung des § 326 BGB zu schützen. Da die Erfüllungsverweigerung nicht ausdrücklich erklärt werden muß, wird man in vielen Fällen eine konkludent erklärte Weigerung annehmen und deshalb, wie dargelegt, ohne Nachfrist auskommen können. Die Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung behält jedoch eine praktische Bedeutung für die Fälle, in denen das Verhalten des Gläubigers nicht eindeutig ist. Sie kann hier einem Sicherheitsbedürfnis des Schuldners dienen, der den Tatbestand der Erfüllungsverweigerung nicht zu beweisen braucht, wenn eine von ihm gesetzte Nachfrist fruchtlos abgelaufen ist.

211

Vgl. nach Fn. 202. Für analoge Anwendung des§ 326 BGB auch Medicus,

§ 14 IV 1 c (S. 133), jedoch ohne nähere Begründung. 212 Vgl. bei Fn. 182 ff.

4. Kapitel

Schadensersatz bei Genehmigungsbedürftigkeit des Vertrags, insbesondere cuJpa in contrahendo Erwirkt der Gläubiger eine behördliche Genehmigung nicht, oder unterläßt er es, den Schuldner dabei in der erforderlichen Weise zu unterstützen, so ist auch für den Schutz des Liquidationsint eresses zu unterscheiden, ob sich das Genehmigungse rfordernis auf den Vertrag selbst oder nur auf die zu seiner Durchführung erforderlichen Handlungen bezieht2 ts. In letzterem Fall gilt nichts Besonderes: Der Schuldner kann in der beschriebenen Weise nach § 326 BGB vorgehen; die Vorschrift findet unmittelbare oder analoge Anwendung, je nachdem, ob der Vertrag eine Vorleistungspfl icht des Schuldners begründet oder nicht. Wird dagegen eine zum Vertragsschluß selbst erforderliche behördliche Genehmigung nicht erteilt, so kommt ein wirksamer Vertrag nicht zustande. Auf eine Vorleistungspfl icht des Schuldners kommt es deshalb nicht an. Auch läßt sich streng genommen nicht von einem Liquidationsint eresse des Schuldners sprechen. Immerhin haben diese Fälle mit den bisher behandelten gemeinsam, daß auch hier der Schuldner ein legitimes Schadensersatzi nteresse haben kann. Da es an einer wirksam begründeten Vertragspflicht fehlt, kann Schadensersatz jedoch nur auf Grund einer culpa in contrahendo gewährt werden. Vereinzelt wird zwar auch eine positive Vertragsverletzung erwogen, wobei der durch den Vertragsschluß entstehende Schwebezustan d der vertraglichen Bindung selbst gleichgesetzt wird214 • Daß damit ein dogmatischer Fortschritt erzielt wäre, ist jedoch nicht ersichtlich; zwar besteht zwischen den Parteien selbst dann eine Rechtsbeziehung, wenn später die erforderliche Genehmigung versagt wird; selbst wenn der geschlossene Vertrag endgültig unwirksam ist, kann ihn die Rechtsordnung nicht als nullum behandeln215• Dieses Rechtsverhältnis ist aber gerade dadurch gekennzeichnet, daß die Parteien Vgl. oben bei Fn. 34 ff. Vgl. OLG Stuttgart, NJW 1953, 670; Heinrich Lange, Festschrift f. Schmidt-Rimpler (1957), 139, 145/146. 21s Vgl. dazu Canaris, JZ 1965, 475. 21s

214

246

3. Hauptteil: Dt. Recht- Vertragsauflösung u. Schadensersatz

eine wirksame vertragliche Bindung erst hervorbringen wollten, und wird deshalb besser der culpa in contrahendo zugeordnet216 • Ein Anspruch aus culpa in contrahendo gegen den Gläubiger setzt jedoch voraus, daß dieser schuldhaft gegen eine Pflicht verstoßen hat. Diese Pflicht ist die schon oben bei der Durchsetzung des Erfüllungsanspruchs für den Fall, daß der Vertrag selbst genehmigungsbedürftig ist, bejahte Pflicht, bei der Erlangung der behördlichen Genehmigung in der erforderlichen Weise mitzuwirken217 • Da eine Pflicht zur Gegenleistung wegen Unwirksamkeit des Vertrags gerade nicht entstanden ist, kann nicht an diese, sondern muß an die Hilfspflicht angeknüpft werden, deren Ziel es war, die Vertragspflicht selbst zustande zu bringen. Hinsichtlich des Umfangs der aus culpa in contrahendo begründeten Ersatzpflicht ist der Zweck des dem Genehmigungserford ernis zugrunde liegenden gesetzlichen Verbots zu beachten. Soll z. B. nur der Import einer bestimmten Ware verhindert werden, so bestehen keine Bedenken, den Importeur wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht zu Schadensersatz in Höhe des Erfüllungsinteresses zu verurteilen 218 ; denn die dadurch bedingte Kapitalbewegung ist nicht verboten. War dagegen eine Devisengenehmigun g erforderlich, so darf der mit dem unwirksamen Geschäft erstrebte Erfolg auch nicht auf dem Weg des Schadensersatzes erreicht werden. Würde man in einem solchen Fall das positive Interesse zusprechen, so müßte gerade die verbotene Kapitalbewegung vorgenommen werden. Es kann deshalb nur der Ersatz des Vertrauensschadens in Betracht kommen 219 • Hätte auch dieser von dem Verbotszweck erfaßt werden sollen, so hätte man den Vertrag ohne Genehmigungsvorbe halt verbieten müssen.

2te Zutreffend Langen, § 31 AWG, Rdn. 26; Soergel I Siebert/ Hefermehl, § 134, Rdn. 26; OLG Hamm, MDR 1969,306.

Vgl. nach Fn. 48. Vgl. BGH LM MRG 53 Nr. 3; auch OLG Hamm, MDR 1969, 306 (ohne Mitteilung des Sachverhalts). 219 Vgl. BGHZ 18, 248, 252/253. 211

21s

3. Te i 1

Mit der Mitwirkung des Gläubigers verbundene Fragen, die von dem Gegenseitigk eitsverhältnis unabhängig sind Die Untersuchung hat bisher weitgehend die These bestätigt, daß bei Ausbleiben der Mitwirkung des Gläubigers das Gegenleistungs interesse des Schuldners in Frage steht und daß sich sachgerechte Problemlösung en durch Anknüpfung an den Gegenleistungs anspruch finden lassen. Zu erörtern bleibt, ob eine Mitwirkungspfl icht des Gläubigers zur Lösung von Problemen anzunehmen ist, die von dem Gegenseitigkeit sverhältnis unabhängig sind. 1. KapiteL

Verstöße des Gläuhigers gegen die Pflicht, die Vermögenswe rte des Schuldners bei der Vertragsdurch führung zu schonen Ein Schaden kann dem Schuldner nicht nur dadurch entstehen, daß der Gläubiger Mitwirkungsha ndlungen nicht vornimmt. Er kann ihm auch gerade aus der Vornahme der Gläubigerhandl ung erwachsen, wenn der Gläubiger dabei die nach den Umständen gebotene Rücksicht auf die mit der Vertragsdurchf ührung in Kontakt kommenden Güter des Schuldners außer acht läßt. Ein gesetzliches Beispiel dafür enthält § 694 BGB: Der Hinterleger gibt die Sache in Verwahrung; infolge ihrer gefahrdrohende n Beschaffenheit, die er wenigstens hätte kennen müssen und die dem Verwahrer nicht bekannt war, entsteht diesem ein Schaden220• Fälle dieser Art können bei allen Vertragstypen auftreten: Arbeiter des Käufers, der die Transportfässer zu stellen hat, beschädigen beim Abladen der Fässer Einrichtungen des Verkäufers221• Der Charterer eines Schiffes deklariert eine Ladung Bisulfat als Steinsalz; durch die ätzende Wirkung des Bisulfats wird das Schiff beschädigt222. Der Absender füllt die Warenbegleitpa piere falsch aus; in220 Erblickt man in der Verwahrung einen Realkontrakt, so liegt hier ein Fall der culpa in contrahendo vor, vgl. RGZ 107, 362; Palandt I Thomas, § 694, Anm. 1. 221 Einen umgekehrten Fall ähnlichen Sachverhalts entschied OLG Ha.mburg, LZ 1908, Sp. 872.

248

3. Hauptteil: Dt. Recht- Vom Synallagma unabhängige Fragen

folgedessen wird der Eisenbahnwaggon an der Grenze von Zollbediensteten angehalten, muß bis zur Klärung des Sachverhalts abgestellt werden und kann von dem Eisenbahnunternehmen nicht genutzt werden223 . Der Mieter läßt die von ihm bezogene Wohnung verwahrlosen224. Diese hier nur beispielhaft genannten Verhaltensweisen des Gläubigers stellen Pflichtverletzungen dar. Allenfalls scheinbar handelt es sich dabei aber um die Verletzung einer Mitwirkungspflicht. Es geht hierbei nämlich um die Fälle, in denen ein Partner bei der Durchführung des Vertrags mit den Rechtsgütern des anderen in Berührung kommt. Meist wird es der Schuldner sein, der dabei den Gläubiger schädigt: Die vom Verkäufer unzureichend verstaute Maschine reißt sich los und beschädigt den Aufbau des zum Transport benutzten Lkw des Käufers; der von dem Hauseigentümer bestellte Elektroinstallateur verursacht durch unvorsichtiges Hantieren mit der Lötlampe einen Brand225 ; der Angestellte einer Wach- und Schließgesellschaft stiehlt aus dem Laden, zu dem er die Schlüssel hat 226 . Eine andere rechtliche Beurteilung wird nicht schon dadurch geboten, daß es der Gläubiger ist, der in die Rechtssphäre des Schuldners eindringt. In dem einen wie in dem anderen Fall geht es um den Schutz des Interesses, daß die bereits vorhandenen Rechtsgüter unversehrt bleiben, also um das Erhaltungsinteresse. Auch wenn das Erhaltungsinteresse nicht des Gläubigers, sondern des Schuldners in Frage steht, wird dieses nicht durch eine Mitwirkungspflicht, sondern durch die Obhutspflicht227 oder, im Sinne der genaueren Terminologie Köpckes 228 , durch die Schonungspflicht geschützt. Der Begriff der Mitwirkungspflicht ließe sich auch so definieren, daß die fehlerfreie, die Rechtsgüter des Schuldners beachtende Vornahme der Mitwirkungshandlung eingeschlossen ist. Eine derartige Definition wäre jedoch nicht sachgerecht. Denn sie würde einerseits dem Umstand nicht Rechnung tragen, daß es in diesen Fällen um den Schutz des Erhaltungsinteresses geht, für das die Mitwirkung des Gläubigers keine spezifische Bedeutung hat, und würde andererseits m Beispiel von Köpcke, S. 93, und Storke, BB 1958, 362. m Ein vom französischen Kassationshof entschiedener Fall, vgl. Civ.,

12. 4. 1929, D. 1930, 1, 28.

224 Zu der Frage, ob der Mieter überhaupt verpflichtet ist, die Wohnung zu beziehen, vgl. Staudinger I Werner, § 293, Vorbem., Rdn. 4. 22s Vgl. RG WarnR. 1911 Nr. 168. 226 Vgl. die Beispiele aus der Judikatur bei Köpcke, S. 92 ff. 227 Wohl der übliche Begriff, vgl. z. B. Staudinger I Werner, § 293, Vorbem., Rdn. 4. 228 S. 79180. Es handelt sich um einen Unterfall der von Köpcke, aaO., so genannten "Kontaktschädigung".

1. Kap. : Verstöße gegen die Schonungspflicht

249

den Begriff der Mitwirkungspflicht, bei dem es doch um die Frage geht, ob der Gläubiger dem Schuldner die Durchführung des Vertrags zu ermöglichen hat, mit einer Gruppe anders gelagerter Fälle belasten. Nicht einer Pflicht zur Mitwirkung sind diese Fälle zuzuordnen, sondern sie bilden zusammen mit der Sicherungspflicht des Gläubigers, die diesen trifft, wenn ihn der Schuldner zur Vertragserfüllung in seinem Verantwortungsbereich aufsucht 229 , eine Gruppe, können also weder die Notwendigkeit einer Mitwirkungspflicht noch eine Bedeutung der Gläubigermitwirkung außerhalb des gegenseitigen Vertrags belegen.

229 Vgl. dazu Köpcke, aaO., mit Rechtsprechungsübersicht, S . 81 ff. Gesetzliches Beispiel ist § 618 BGB.

2. Kapitel

Mitwirkungspflicht des Gläubigers zum Schutz eines Leistungsinteresses des Schuldners? Das Interesse des Schuldners kann nicht nur darauf gerichtet sein, eine vereinbarte Gegenleistung zu erlangen, sondern auch gerade darauf, seine Leistung zu erbringen. Fälle dieser Art sind in vielfältiger Weise denkbar und nicht auf den Bereich der gegenseitigen Verträge beschränkt. Der Fall, daß jemand einen Pkw verleiht, weil er ihn auf einer Auslandsreise nicht benutzen, aber auch die Kosten für die Unterstellung in einer Garage nicht aufbringen will, ist hier ebenso zu nennen wie der Schulfall des Künstlers, dem es nicht nur um seine Gage, sondern auch um die Erhaltung oder Steigerung seines Renommees geht230• Überhaupt ist ein Interesse des Schuldners, seine Leistung zu erbringen, dann gegeben, wenn er mit ihr eine über den Einzelvertrag hinausgehende Werbewirkung hervorrufen will231 • Da es in diesen Fällen nicht nur um ein Interesse des Schuldners an der Gegenleistung geht, könnte aus ihnen ein Argument gegen die These abgeleitet werden, daß das Ausbleiben der Mitwirkung ein spezifisches Problem des gegenseitigen Vertrags ist. Das setzt jedoch voraus, daß das Leistungsinteresse des Schuldners generell durch eine Pflicht des Gläubigers geschützt wird, die erforderlichen Mitwirkungshandlun gen vorzunehmen. In beschränktem Umfang wird das Leistungsinteresse des Schuldners durch die §§ 433 Abs. II, 640 BGB gewahrt. Denn diese Bestimmungen geben dem Schuldner einen Anspruch darauf, von der Sorge für die Sache und dem damit verbundenen Einsatz eigener wirtschaftlicher Mittel, wie Lager- und Transportraum, befreit zu werden. Daß sich das Interesse des Werkunternehmers im Fall des § 640 BGB noch dadurch verstärkt, daß er mit der Abnahme die Anerkennung seines Werks als der Hauptsache nach vertragsmäßiger Leistung erhält232, kann in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben; denn daraus rechtfertigt sich lediglich die hier nicht interessierende Verstärkung der Abnahmepflicht zur vertraglichen Hauptpflicht233• Vgl. Planck I Siber, § 293, Vorbem. 2 a. Weitere Beispiele bei Planck I Siber, aaO. 232 Vgl. nur RGZ 110, 408; BGH JuS 1968, 139; Palandt I Thomas, § 640, Anm.l. 230

231

2. Kap.: Mitw.-pflicht wegen Leistungsinteresses des Schuldners?

251

Nach der Konzeption des Gesetzes enthalten die §§ 433 Abs. li, 640 BGB jedoch Ausnahmen von dem den §§ 293 ff. BGB zugrunde liegenden Prinzip, daß der Gläubiger nicht verpflichtet ist, dem Schuldner die Leistung zu ermöglichen. Wer die Zahl der Ausnahmen vergrößern oder gar das Prinzip außer Kraft setzen will, hat zunächst den Nachweis eines praktischen Bedürfnisses zu erbringen. Ein solches Bedürfnis ist bisher offenbar nicht entstanden. Der Versuch, einen etwa durch Klage und Vollstreckung durchsetzbaren Mitwirkungsanspruch des Schuldners zu konstruieren, ist außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 433 Abs. li, 640 BGB bisher nicht unternommen worden 234 • Auch dem Schuldner Schadensersatz wegen verzögerter Vornahme von Mitwirkungshandlun gen, vergleichbar dem § 286 BGB, zuzuerkennen, ist de lege lata nicht erwogen worden, obwohl man doch den Gläubiger im Rahmen der positiven Vertragsverletzung als Träger einer Pflicht behandelt. Eine solche Schadensersatzpflich t des Gläubigers ist allerdings im Reformschrifttum für den Fall vorgeschlagen worden, daß den Gäubiger an der Verzögerung ein Verschulden trifft235 • Abgesehen von der Frage, welchen Inhalt dieses Verschulden des Gläubigers haben soll 236 , muß sich dieser Vorschlag das Beispiel des italienischen Rechts entgegenhalten lassen. Der in Art. 1207 Abs. li cc vorgesehene Schadensersatzanspr uch des Schuldners wegen Verzugs des Gläubigers ist in der Praxis ohne Resonanz geblieben237 • Ein praktisches Bedürfnis für eine generelle Mitwirkungspflicht des Gläubigers besteht also offenbar nicht. Das ist dann verständlich, wenn man sich klar macht, daß als ersatzfähiger Schaden über die durch den Verzug bedingten Mehraufwendungen hinaus, die § 304 BGB ohnehin erfaßt, praktisch nur der Gewinn in Betracht kommt, der dem Schuldner dadurch entgeht, daß er dem Gläubiger länger verpflichtet bleibt als nach dem Vertrag vorgesehen. Gerade für die wichtigsten Fälle, die hier denkbar sind, steht dem Schuldner aber ohnehin nach den 233

So jedenfalls die herrschende Meinung, vgl. z. B. Staudinger I Riede!,

§ 640, Rdn. 4, 7, 13. Anders Esser, Bd li, § 79 li 2 a (S. 169).

234 Die das gesamte Buch von Falzea durchziehende und auch im Titel ("liberazione coattiva") zum Ausdruck kommende These, die Hinterlegung sei das Zwangsmittel zur Durchsetzung eines Mitwirkungsanspruchs, verwischt nur die Grenzen des Begriffs der Zwangsvollstreckung und verdient deshalb keinen Beifall. 2as Vgl. Heinrich Lange, S. 70. 236 Zum sogenannten untechnischen Verschulden vgl. namentlich Zeuner, JZ 1966, 1. Vielfach wird im Anschluß an Zitelmann, S. 152 f., 166 f., von einem "Verschulden gegen sich selbst" gesprochen. Ein Verschulden, dem keine Pflichtwidrigkeit zugrunde liegt, kann aber keine Schadensersatzpflicht begründen. Konsequent in diesem Punkt Heinrich Lange (vorige Fn.), der den Gegensatz zwischen Recht des Gläubigers und Pflicht des Schuldners durch eine beiderseitige Pflichtbindung ersetzen will, vgl. S. 10 ff., 70. 237 Vgl. im 2. Hauptteil bei Fn. 331 ff.

252

3. Hauptteil: Dt. Recht- Vom Synallagma unabhängige Fragen

§§ 286, 433 Abs. II, 640 BGB ein Schadensers atzanspruch zu. Selbst an der praktischen Bedeutung dieses Ersatzanspru chs sind nach der Untersuchung, die Heinz-Bomm er der Annahmepli cht des Käufers nach Art. 211 OR gewidmet hat, Zweifel angebracht238 •

Daß ein praktisches Bedürfnis, das Leistungsint eresse des Schuldners durch Anerkennun g einer generellen Mitwirkungs pflicht des Gläubigers zu schützen, nicht besteht, besagt allerdings noch nichts zu der Behandlung des Ausnahmefa lls, in dem der Schuldner ein solches Interesse hat und geltend machen will. Für diesen Fall gilt jedoch, daß dem Interesse des Schuldners nicht schon von Gesetzes wegen Schutz zuteil werden kann. Die notwendig generelle gesetzliche Regelung kann nur solche Parteiinteres sen schützen, die mit dem Vertrag typischerwei se verbunden sind. Für den Schutz eines atypischen Individualinteres ses zu sorgen, ist nicht Aufgabe des Gesetzes, sondern der Vertragspart ei selbst. Der Schuldner, der ein von der Gegenleistun g unabhängige s Interesse hat, seine Leistung zu erbringen, ist also darauf verwiesen, dieses Interesse in die vertragliche Regelung einzubeziehe n und insoweit, was möglich ist 239 , eine Pflicht des anderen Teils oder eine Vertragsstra fe zu vereinbaren. Von einer generellen Mitwirkungs pflicht des Gläubigers, die das Leistungsint eresse des Schuldners schützt und der Gläubigermi twirkung eine über den gegenseitige n Vertrag hinausreiche nde Bedeutung beilegen würde, kann demnach nicht die Rede sein. Es bleibt vielmehr bei dem den §§ 293 ff. BGB zugrunde liegenden und auch von Rechtsprechu ng und Schrifttum240 vertretenen Prinzip, daß der Gläubiger mangels vertragliche r Vereinbarun g und mangels besonderer gesetzlicher Anordnung nicht verpflichtet ist, dem Schuldner die Erbringung seiner Leistung zu ermöglichen.

238

239

Vgl. S. 77 ff., 90. Vgl. nur Planck I Siber, § 293, Vorbem. 2 a; Enneccerus I Lehmann, § 57

III (S. 246).

24o Vgl. RG Recht 1924 Nr. 14; RGZ 123, 338, 340; OGHZ 3, 85, 88. Aus dem Schrifttum z. B.: BGB-RGRK (Nastelski), § 293, Anm. 1, § 304, Anm. 2; PalandtiHein richs, § 300, Anm. 1; § 304, Anm. 1; StaudingeriW erner, § 293, Vorbem., Rdn. 9, § 300, Rdn. 1, § 304, Rdn. 2.

3. Kapitel

Die Mitwirkung des Gläubigers und die Beendigung der Verpflichtung des Schuldners Ein Argument gegen die These, daß es sich bei der Mitwirkung des Gläubigers um ein Problem speziell des gegenseitigen Vertrags handelt, könnte schließlich daraus abgeleitet werden, daß es nicht im Belieben des Gläubigers stehen kann, die Verpflichtung des Schuldners zu verlängern. Daß dem Schuldner ein Mittel gegeben werden muß, sich von seiner Verbindlichkeit zu befreien, ist stets anerkannt worden, auch von denen, die eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers ablehnen241. Während der Schuldner beim synallagmatischen Vertrag über seinen Anspruch auf die Gegenleistung vorgehen kann242 , müssen bei den nicht gegenseitigen Verträgen andere Wege gefunden werden. Der Gesetzgeber hat diese Frage gesehen und die gemeinrechtliche Lösung einer Preisgabe der Sache243 durch die Hinterlegung (§§ 372 BGB, 373 HGB) und die Versteigerung hinterlegungsunfähiger Sachen (§ 383 BGB) ersetzt, wenn eine bewegliche Sache den Schuldgegenstand bildet. Ergänzend wurde von der Kommission für die 2. Lesung der jetzige § 303 BGB eingefügt, der nach dem erklärten Willen der Kommission244 das gemeinrechtliche Preisgebungsrecht für Grundstücke245 beibehält, weil eine Hinterlegung nicht möglich ist, und eine Versteigerungsbefugnis nicht besteht. Schwierigkeiten kann die Beendigung der Verpflichtung des Schuldners demnach nur in den Fällen bereiten, in denen Hinterlegung oder Versteigerung nicht in Betracht kommen 246 • Zwei Fälle sind hier auszuscheiden, weil das Gesetz dem Schuldner ausdrücklich eine Kündigungsbefugnis einräumt, nämlich der Werkvertrag (§ 643 BGB) und der Auftrag (§ 671 BGB). Eine Ersatzpflicht wegen Vgl. z. B. Kohler, JhJb 17 (1879), 261, 272. Vgl. dazu im 2. Teil, passim. 243 Vgl. dazu Windscheid I Kipp, Bd li, § 346, Fn. 6, m. w. N. 244 V gl. Prot., Bd li, S. 332. 245 Eingetragene Schiffe oder Schiffsbauwerke sind den Grundstücken seit der DurchfVO vom 21. 12. 1940 zum SchiffsRG gleichgestellt. 246 Ein nicht verallgemeinerungsfähiger Sonderfall ist der in RGZ 60, 160 entschiedene: Der Verkäufer von Kuxen stellte diese der Gewerkschaft nach § 130 PreußAllgBergG zur Verfügung, weil er sich angesichts des Annahme- und Zahlungsverzugs des Käufers anderweitig nicht von der Haftung für Zubußen befreien konnte. 241

24 2

254

3. Hauptteil: Dt. Recht- Vom Synallagma unabhängige Fragen

Kündigung zur Unzeit nach § 671 Abs. II S. 2 BGB braucht der Beauftragte nicht zu fürchten, wenn seine Kündigung ihren Grund im Ausbleiben der Gläubigermitwirkung hat; ernstliche Behinderung in der Ausführung des Auftrags ist ein wichtiger Grund im Sinne der Bestimmung247. Bei Leihe, Darlehen und Verwahrung, also nach traditioneller Auffassung248 bei den Realkontrakten, ist die Rechtslage insofern anders, als die §§ 598 ff., 607 ff., 688 ff. BGB keine Vorschrift enthalten, die es dem Schuldner ermöglicht, sich von der Verbindlichkeit zu befreien, wenn der Gläubiger von dem Vertrag keinen Gebrauch macht. Geht man von einem Realkontrakt aus, so löst sich das Problem allerdings dadurch von selbst, daß ohne Entgegennahme der Leihsache oder der Darlehenssumme oder ohne Übergabe der Sache an den Verwahrer eine wirksame Verpflichtung des Schuldners gar nicht zustande kommt, die Frage der Schuldbefreiung sich also auch nicht stellen kann. Auch wenn man die Lehre vom Realkontrakt ablehnt249, kommt man in der Praxis durchgängig zu demselben Ergebnis. Denn diese Verträge haben jedenfalls insofern ein besonderes Gepräge, als ein Wille der Parteien zu vertraglicher Bindung regelmäßig erst angenommen werden kann, wenn die Sache hingegeben wird250. Die Hingabe behält also die Funktion eines äußeren Merkmals für die Umwandlung einer noch unverbindlichen Zusage in einen bindenden Vertrag. Ist ein wirksamer Vertragsschluß ausnahmsweise ohne reale Hingabe anzunehmen, so muß es dem Schuldner ermöglicht werden, seine Verpflichtung zu beenden, auch wenn das Gesetz darüber keine Bestimmung trifft. Dem Schweigen des historischen Gesetzgebers kann nichts Gegenteiliges entnommen werden; er hat den Empfänger der Leistung nämlich nur in seiner Eigenschaft als Schuldner der Rückgabepflicht gesehen; die Möglichkeit, daß dieser als Gläubiger von seinen Vertragsrechten keinen Gebrauch macht, ist von ihm noch nicht erfaßt worden25t. 247 Vgl. Staudinger I Nipperdey, § 671, Rdn. 19, die allerdings in erster Linie an die in der Sphäre des Beauftragten eintretenden Hindernisse denken. 248 So insbesondere die Rechtsprechung des RG, vgl. RGZ 71, 113, 117; 86, 323, 324. Darstellung des Meinungsstandes bei Staudinger I Kaduk, Einl. zu §§ 305 ff., Rdn. 60. 249 Dulckeit, Festschrift f. Fritz Schulz, Bd I (1951), 171, spricht vom Realkontrakt als von einem nur noch historisch zu erklärenden und systematisch in keiner Weise mehr zu rechtfertigenden Rückstand. Gegen den Realkontrakt auch Esser, Bd li, § 75 2 (S. 136) (zur Leihe), § 86 I 2 (S. 209) (zum Darlehen), anders aber § 84 li 1 (S. 199) (zur Verwahrung). Ohne Einschränkung gegen den Realkontrakt Larenz, Bd I, § 5 (S. 55/56). zso So auch Esser, Bd li, § 75, 2 (S. 136) (für die Leihe).

3. Kap.: Mitwirkung des GI. u. Beendigung der Schuldverpflichtung

255

Die angemessene Lösung liegt in der Begründung eines Kündigungsrechts analog §§ 604, 609, 696 BGB252 • Wenn diese Vorschriften auch voraussetzen, daß die Mitwirkung des Gläubigers bereits erfolgt ist, so ist doch jedenfalls insoweit eine Übereinstimmung der Interessenlagen gegeben, als der Schuldner in jedem Fall nicht eine immer währende Verpflichtung übernehmen soll. Hinsichtlich einer Kündigungsfrist, wie sie §§ 604 Abs. II, 609 Abs. II BGB vorsehen, ist zu beachten, daß sich aus den Abmachungen der Vertragsparteien ergeben kann, daß es der Einhaltung einer Kündigungsfrist überhaupt nicht bedarf253 • Die Beendigung der Schuldverpflichtung läßt sich also auch bei den nicht synallagmatischen Verträgen erreichen, ohne daß es dazu der Konstruktion einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers bedürfte. Auch das Erfordernis der Schuldbeendigung ist deshalb kein Gesichtspunkt, der eine über den gegenseitigen Vertrag hinausreichende Bedeutung einer Mitwirkungspflicht des Gläubigers belegen könnte.

251 Vgl. Mot., Bd li, S. 305/306 (zum Darlehen), S. 444 (zur Leihe), S. 569/ 570 (zur Verwahrung). 252 Ähnlich ist die Rechtslage bei der (zulässigen) Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor Arbeitsaufnahme, vgl. dazu BAG 16, 204. 253 Das kann z. B. bei einem Gefälligkeitsdarlehen geringer Höhe der Fall sein, vgl. Palandt I Putzo, § 609, Anm. 3 b.

Schlußbetrachtung Kohler meinte, Recht und Pflicht des Gläubigers schlössen einander aus, und folgerte daraus die logische Unhaltbarkeit eines gegen den Gläubiger gerichteten Befreiungsanspruchs254 • Damit hat er es seinen Gegnern leicht gemacht. Denn mit der Erkenntnis, daß neben den vertraglichen Leistungspflichten weitere Pflichten bestehen, war der logische Widerspruch zwischen Recht und Pflicht des Gläubigers ausgeräumt. Die Möglichkeit, eine Pflicht des Gläubigers logisch unangreifbar zu begründen, führte dazu, daß man diesen auch durch die Lehre Staubs nahegelegten Weg beschritt255 , ohne zu prüfen, ob die Mitwirkungspflicht der richtige Anknüpfungspunkt für die erstrebten Rechtsfolgen, nämlich Vertragsauflösung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung, ist. Es führt auch nicht weiter, die Mitwirkung des Gläubigers als Gegenstand einer Obliegenheit oder einer Last zu bezeichnen. Wenn man damit auch eine Pflicht des Gläubigers ablehnt, so bewegt man sich doch insofern auf der gleichen gedanklichen Grundlage wie die Befürworter dieser Pflicht, als man die Mitwirkungshandlung zum Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung macht. Die rechtsvergleichende Betrachtung führt zu der These, daß bei der Lösung an die Gegenleistungspflicht des Gläubigers anzuknüpfen ist. Die Untersuchung hat ergeben, daß dieser Weg auch für das deutsche Recht der richtige ist. Die Anknüpfung an die Gegenleistungspflicht führt durchgängig zu sachgerechten Ergebnissen. Das deutsche Recht schützt die Interessen des Schuldners sogar insofern vollständiger als ausländische Rechtsordnungen, als es in § 322 Abs. II BGB auch dem vorleistungspflichtigen Schuldner erlaubt, seinen Anspruch auf die Gegenleistung durchzusetzen, wenn er seine Leistung wenigstens parat hat. Die auf Grund der Rechtsvergleichung aufgestellte These, der Schuldner könne die Gegenleistung nicht verlangen, wenn er vorleistungspflichtig sei und seine Verbindlichkeit noch nicht erfüllt habe, muß insoweit relativiert werden. An eine Pflicht des Gläubigers zur Mitwirkung ist nur ganz ausnahmsweise anzuknüpfen, nämlich dann, wenn der Vertrag ohne die Mitwirkung des Gläubigers nicht funktionsfähig wird, sei es, daß er unwirksam ist (so bei Genehmigungsbedürftigkeit des Vertragsschlus254

2ss

Vgl. IhJb 17 (1879), 261, 267 ff. Kritisch dazu schon Siber, S. 41. Vgl. dazu Ghezzi, S. 73174.

Schlußbetrachtung

257

ses), sei es, daß er wegen Unbestimmthei t des Schuldinhalts nicht durchgeführt werden kann. Darin liegt kein Widerspruch zu der grundsätzlich befürworteten Anknüpfung an die Gegenleistungsp flicht des Gläubigers. Denn in diesen Ausnahmefällen wird nur die Konsequenz daraus gezogen, daß die Gegenleistungs pflicht noch nicht besteht oder nach Inhalt oder Umfang noch nicht festliegt. Mit der Feststellung, daß für die Lösung auf die Gegenleistungs pflicht des Gläubigers abzuheben ist, wird ohnehin nicht bestritten, daß sich durch den Vertragsschluß beide Parteien zur gegenseitigen Loyalität verpflichten. Daß Gläubiger und Schuldner einander als nur berechtigt oder nur verpflichtet gegenüber stehen, ist eine zu Recht überwundene Vorstellung. Es ist jedoch allzu kurzschlüssig, der Loyalitätspflicht der Parteien zugleich die Lösung konkreter Fälle zu entnehmen. Soweit die Regeln über das Synallagma ausreichen, ist der Rückgriff auf das Prinzip von Treu und Glauben verfehlt. Daß man diesen Rückgriff zu leichtfertig vornimmt, ist Ursache für die Konturenlosigkeit der positiven Vertragsverletz ung. Dieses Rechtsinstitut kann nur gewinnen durch den hier unternommene n Versuch, solche Fälle auszugliedern, deren Lösung schon durch andere gesetzliche Regeln oder durch Zuordnung zu einem speziellen Institut, wie dem der anfänglichen Erfüllungsverw eigerung, ermöglicht wird.

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Entscheidungsverzeichnis Die römische Zahl bezeichnet den Hauptteil ("E" bedeutet: Einleitung), die arabischen Ziffern nennen die Fußnote, in der oder bei der die Entscheidung zu finden ist. Vollständige Angabe der Parallelfundstellen ist nicht beabsichtigt; soweit sie während der Untersuchung bekannt wurden, sind sie angegeben.

I. Deutschland 1. ReichsobeThandelsgeTicht

22. 11. 1871 14. 6. 1873 25. 11. 1874 10. 12. 1874 1. 2. 1875 27. 10. 1875

ROHG 4, 142 ROHG 10, 274 ROHG 15, 146 = SeuffArch. 31 Nr. 265 ROHG 16, 203 nicht veröffentlicht, vgl. Bericht in ROHG 16, 206 (Fn.) ROHG 18, 331

I 44 I 44 I 44 I 45 I 46 I 44

2. ReichsgeTicht

25. 10. 1881 24. 11. 1885 24. 6. 1889 27. 5. 1892 27. 5. 1902 28. 5. 1902 11. 7.1902 4. 11. 1902 21. 11. 1902 9. 12. 1902 18. 12. 1903 30. 12. 1902 6. 3. 1903 22. 12. 1903 16. 2. 1904 23. 2. 1904 22. 4. 1904 27. 5.1904 28. 6. 1904 18. 2. 1905 21. 12. 1905 27. 3. 1906 28. 10. 1907

RGZ 5, 392 RGZ 14, 243 = SeuffArch. 41 Nr. 209 RGZ 26, 213 RGZ 30,97 RGZ 51,347 RGZ 51, 367 RGZ 52,150 RGZ 53,11 RGZ 53,62 RGZ 53, 161 RG SeuffArch. 59 Nr. 149 RGZ 53, 221 RGZ 54,98 RGZ 56, 173 RG JW 1904, 168 Nr. 8 RGZ 57, 105 RGZ 57, 337 RGZ 58, 173 RGZ 58, 342 RGZ 60, 160 RGZ 62, 190 RG JW 1906, 333 Nr. 9 RGZ 66,425

I 49 I 48, 49,50 I 49, 52 I 54 III 186 I 109 III 186 III 186 I 121, 281, III 81 III 186 I 117, 123,126, III 5, 7 I159, 189,200,241,250 I 190, III 188 I 162,177,178, III 32 I71 I 110, 162, 170, 179, III 32, 205 I 163 III 160, 161, 167 III 137 III 246 III 137 III 160, 161 III 72

Entscheidungsverzeich nis 3. 3. 1908 28. 4. 1908 9. 10. 1908 3. 5. 1909 3. 7. 1909 3. 11. 1909 26. 11. 1909 28. 6. 1910 3. 2.1911 17. 2.1911 30. 1. 1912 23. 2.1914 10. 7.1914 15. 3. 1915 7. 4.1916 12. 6.1917 23. 11. 1917 16. 4. 1918 14. 6. 1918 28. 6. 1918 17. 9.1918 15. 10. 1918 29. 1. 1919 6. 12. 1919 11. 1. 1921

RG WarnR. 1908 Nr. 296 RGZ 68, 305 = JW 1908, 430 Nr. 1 = LZ 1908, 538 Nr. 16 RGZ 69,381 RGZ 71,113 RG JW 1909, 463 RG WarnR. 1910 Nr. 11 RG Recht 1910 Nr. 37 RG WarnR. 1910 Nr. 326 RG WarnR. 1911 Nr. 168 RG JW 1911, 359 Nr. 5 RG JW 1912, 386 RGZ 84, 228 RG Recht 1914 Nr. 2853 RGZ 86,323 RG WarnR. 1916 Nr. 155 RGZ 90,317 RG LZ 1918, 373 RG Recht 1918 Nr. 477 RG WarnR. 1918 Nr. 137

27. 5. 1921 31. 5. 1921 10. 6. 1921 1. 10. 1921 27. 1. 1922

RG WarnR. 1918 Nr. 177 RGZ 93,285 RGZ 94,45 RGZ 94,309 .R GZ 97,257 RG SeuffArch. 76 Nr. 112 = JW 1921, 460 RGZ 102,203 RGZ 102,215 RGZ 102,262 EGZ 102,408 RGZ 104,15

20. 6. 1922 29. 11. 1922 9. 7. 1923 5. 10. 1923 28.11.1923 24. 4. 1925 23. 10. 1925 22. 1. 1927 24. 2. 1928 16. 5. 1928 27. 2. 1929 14. 12.1929 7. 7. 1930 19. 6. 1931 27. 5. 1933 27. 11. 1935 29. 11. 1935 10. 12. 1935 12. 6. 1936

RG Recht 1923 Nr. 869 RGZ 106, 22 RGZ 107, 339 RG Recht 1924 Nr. 14 RGZ 107,357 RGZ 110,404 RG LZ 1926, 109 RGZ 115, 35 RG Recht 1928 Nr. 785 RGZ 121, 154 RGZ 123, 338 RGZ 126, 280 RGZ 129,357 RGZ 133, 117 RGZ 140, 378 RGZ 149,348 RG HRR 1936, Nr. 388 RGZ 149,401 RGZ 151,304

III 160, 164, 168 III 67 III 160, 163 III 248 I 117 III 67 III 205 III 160, 162 III 225 I 191,242 III 25 1109 I 136 III 248 I 193, III 38 III 175 I 194, 207, 242 III 32 E 10, 13, I 199, 243, 250, II 678, III 177, 188, 196 I71 III 205 I 141 I 109 I 195,242 I 159, 201, 241 I 207, III 48 III 137 III 182 III 179, 180 E 10, 13, I 202, 243, II 678, III 177, 188 III 32 III 121 I 163 III 240 III 220 III 232 I 170 I 196, 242 I 126, III 99 III 52 III 240 III 150, 153 I 197, 198 III 137 III 180 III 37 III 37 III 205 III 150, 153

271

272 4. 9. 1936 4. 5. 1939 21. 12. 1939 10. 2.1941 14. 8.1941 4. 12. 1942 26. 8. 1943

Entscheidungsverzeichnis RGZ 152, 119 RG DR 1939, 1440 RG HRR 1940 Nr. 352 RGZ 166, 134 RGZ 168,321 RGZ 170, 203 RGZ 171, 297 = DR 1944, 31

E 10, 13, I 203, 244, III 177, 188 III 180 III 29 I 204, III 44 I 205,206 III 169 I 163, III 58

3. Oberster Gerichtshof für die Britische Zone

7. 10. 1948 23. 11. 1949

OGHZ 1, 217 OGHZ 3, 85

24. 7. 1957

BVerfGE 7, 89

III 169 !II 240

4. Bundesverfassungsgericht

III 47 5. Bundesgerichtshof

17. 4. 1951 25. 5. 1951 15. 2. 1952 13. 11. 1953

25. 1. 1955 18. 2. 1955 13. 11. 1955 29. 1. 1957 5. 2. 1957 11. 4. 1957 13. 6. 1957 28. 6. 1957 22. 1. 1958 6. 2. 1958 11. 2. 1958 3. 12. 1958 17. 12.1959 9. 5. 1960 20. 6. 1960 9. 11. 1960 4. 6. 1962 20. 6. 1962 31. 10. 1962 15. 11. 1962

BGHZ 2, 20 BGH LM § 276 (Hd) Nr. 1 BGHZ 5,173 BGHZ 11, 80 = LM § 570 HGB Nr. 1 = LM § 326 (H) Nr. 2 = NJW 1954, 229 = JZ 1954, 238 = MDR 1954, 158 = BB 1954, 8 = JuS 1961, 56 BGH LM MRG 53 Nr. 3 BGHZ 16,334 BGHZ 18,248 BGH NJW 1957, 543 = WM 1957,401 BGHZ 23, 249 BGHZ 24,91 BGHZ 24,378 BGH WM 1957, 1342 BGH BB 1958, 54 BGHZ 26,337 BGH BB 1958, 393 BGHZ 29,6 BGH LM § 3 WährungsG Nr. 10 = NJW 1960, 523 = MDR 1960, 304 = BB 1960, 118 BGHZ 32,273 BGH VersR 1960, 693 BGH NJW 1961, 361 BGH LM § 3 WährungsG Nr. 13 = NJW 1962, 1393 BGHZ 37, 233 = NJW 1962, 1715 BGHZ 38,187 BGH BB 1963, 160 =

I 86

III 179, 180

I 211 I 140, 231, 232, 246, 265,

III 100, 124, 129, 141, 174, 176, 177, 188

I 215, 245, III 218 III 201 I 217, III 219 I 221 I 228 I 95 III 138 III 175 III 205 I 163, 186 I 138 III 201 I 219

III 169 I 233, 235, 246, III 100, 143 111 152 I 218 III 37 III 44

Entscheidungsverzeich nis 13. 3. 1963 15. 5. 1963 23. 11. 1964 26. 10. 1965 25. 2. 1966 25. 1. 1967 18. 9. 1967 15. 11. 1967 12. 1. 1968 16. 5. 1968

7. 2. 1969 30. 11. 1972

Betr. 1963, 198 BGH NJW 1963, 1149 = WM 1963,476 BGH LM § 3 WährungsGNr.14 BGH LM § 3 WährungsG Nr. 15 = WM 1964, 1325 BGH NJW 1966, 200 = LM § 320 Nr. 9 BGHZ 45, 179 BGH LM § 3 WährungsG Nr. 17 = NJW 1967,830 = MDR 1967, 485 = BB 1967, 228 BGH JuS 1968, 139 BGHZ 49,56 BGH NJW 1969, 91 = BWNotZ 1969, 41 BGHZ 50,175

BGH NJW 1969, 837 BGHZ 60, 14 = NJW 1973, 318 = JZ 1973, 366 = VersR 1973, 318

273

I 236, III 177, 188 III 158 I 225, 226, 227, 229,

III 39, 50, 51

I 218

III 152, 154 - 156, 172 III 201 I 220, 222, 248

III 232 III 183

I 218

E 11, 14, I 237- 240, 247, II 679, 680, 684, 687, III 14, 54, 58, 59, 64, 75, 101, 103, 105, 142, 170 a, 188, 199, 205 III 42

I 143, 144, 155, III 113

6. Bundesarbeitsgericht

22. 8. 1964

BAG 16, 204

III 252

7. Bundesverwaltungsge richt

9. 5. 1960

NJW 1960, 1588

III 47

8. Bayerisches Oberstes Landesgericht

21. 1. 1966

NJW 1966, 1414

I 210

9. Oberlandesgerichte

Braunschweig Breslau Celle (Appellationsgericht) Dresden Harnburg

18 Hüffer

18. 6. 1907 23. 3. 1956 21. 10. 1965 25. 9. 1905 27. 11. 1874

OLGE 15, 125 MDR 1956, 484, Nr. 440 OLGZ 1966, 15 OLGE 11,410 SeuffArch. 32 Nr. 96

III 67 I 248 III 26 I 165 I 47

3. 12. 1901 14. 10. 1902 14. 3. 1908 24. 10. 1911 5. 1. 1967

OLGE 4, 224 SeuffArch. 59 Nr. 54 LZ 1908, 872 SeuffArch. 67 Nr. 88 BB 1967, 735

I 164 I 281, III 81 III 221 I 184 I 223, 224

274

Entscheidungsverzeichnis

Hamm

11. 11. 1968

MDR 1969, 306

Jena KG

14. 3. 1914 2. 4. 1917 4. 2. 1972

LZ 1914, 967 SeuffArch. 72 Nr. 211 NJW 1972, 2052

Karlsruhe Königsberg München Nürnberg

13. 10. 1966 19. 1. 1902 24. 5. 1968 30. 6. 1959 13. 1. 1967 25. 9. 1952

MDR 1967, 669 OLGE 5, 144 NJW 1968, 1880 WM 1959, 1251 OLGZ 1967, 405 NJW 1953, 670

Stuttgart

I 216, 245, III 216, 218 I 164 I 281, III 81 I 117, 118, 126, III 12 III 58 III 67 I 183 I 221 III 58 I 214, III 214

10. Landgerichte

Bann Saarbrücken

7. 12. 1962 23. 11. 1955

NJW 1963, 721 NJW 1956, 637

1117,118 I 191

II. Frankreich 1. Kassationshof

26. 2. 1872 17. 12. 1879 13. 7. 1881 14. 4. 1886 14. 2. 1894 17. 2. 1903 20. 1. 1908 8. 3. 1909 15. 3. 1909 17. 5. 1909 18. 5. 1909 7. 7. 1909 11. 6. 1913 22. 12. 1913 12. 11. 1919 19. 10. 1920 22. 12. 1920 16. 5. 1922 12. 7. 1922 21. 7. 1924 2. 12. 1925 20. 10. 1926 8. 11. 1926 12. 4. 1929 13. 2. 1934 25. 6. 1936 24. 1. 1939

D.P. 1872,1,214 = S.1872, 1, 64 S. 1880, 1, 217 = D.P. 1880, 1, 33 s. 1883, 1, 272 s. 1890,1,438 s. 1898, 1, 362 D.P. 1903, 1, 191 D.P. 1908, 1, 125 s. 1911, 1, 579 s. 1910, 1, 185 s. 1910, 1, 185 D. 1909, 1, 526 s. 1910, 1, 185 s. 1920, 1, 327 s. 1920, 1, 327 s. 1920, 1, 327 S. 1921, 1, 311 = Gaz.Pal. 1920, 1, 562 = D.P. 1921, 1, 37 Gaz.Pal. 1921, 1, 215 = S. 1921, 1, 297 = D.P. 1921, 1, 37 s. 1922, 1, 358 Gaz.Pal. 1922, 2, 476 Gaz.Pal. 1924, 2, 458 Gaz.Pal. 1926, 1, 293 S. 1926, 1, 361 = Gaz.Pal. 1927, 1, 72 = D.P. 1928, 1, 92 s. 1927, 1, 31 D. 1930, 1, 28 Gaz.Pal. 1934, 1, 782 Gaz.Pal. 1938, 2, 467 Gaz.Pal. 1939, 1, 586

II 11,42 II 188 II 114,210 II 189 II 148 II 200 II200 II 190 II 146,149 II 145 II 167 II 145 II 145 II 145 II 145 II 190 II 129, 192 II 190 II171 II171 II 119 II203 II 128 II 150, III 223 II 162 II 128 II 162

275

Entscheidungsverzeichnis 25. 9. 28. 13.

6. 1941 3. 1949 1. 1953 7. 1953

s. 1941, 1, 192 J.C.P. 1949, 11, 5075 Gaz.Pal. 1953, 1, 402 D. 1953, 644

· II 147 II 124 II 147 II 149

2. Berufungsgerichte

Aix Bordeaux Bourges Dijon Douai Nancy Paris Poitiers

23. 3. 1858 8. 12. 1853 13. 7. 1943 13. 12. 1927 8. 1. 1846 1. 2. 1894 25. 11. 1898 11. 3. 1947 16. 1. 1901 27. 11. 1926 9. 11. 1927 30. 3. 1925

D. 1858, 2, 158

s. 1854, 2, 595

J.C.P. 1944, II, 2534 Gaz.Pal. 1928, 1, 297 s. 1846, 2, 252 D.P. 1894, 2, 589 D. 1900, 2, 351 J.C.P. 1947, II, 3869 Gaz.Pal. 1901, 1, 377 D.H. 1927,89 Gaz.Pal.1928, 1, 122 Gaz.Pal. 1925, 1, 207

II 167 II 188 II 124 II 125 II 188 Il171 II 167 II 124 II 184 II 192, 194 II 151 II 125

3. Andere Gerichte

Trib.com. Alger Trib.com. Bordeaux Trib.civ. Bordeaux Trib.com. Fecamp Trib.com. Le Havre Trib.com. Nantes Trib.civ. Seine Trib. Vouziers

24. 3. 1926

Gaz.Pal. 1926, 2, 87

II 203

19. 3.1884

Gaz.Pal. 1884, 2, Suppl. 105 D. 1910, 5, 19

II 174 II 152, 175

21. 3. 1928

Gaz.Pal. 1928, 2, 139

II 169

20. 7. 1926

Gaz.Pal. 1926, 2, 491

II 170

8. 7. 1929 27. 12. 1926

Gaz.Pal. 1929, 2, 580 Gaz.Pal. 1927, 1, 472

II171 II 126

24. 1. 1952

D. 1952, somm. 31

II6

10. 7. 1946

J.C.P. 1946, 1I, 3303

II 124

4. 11. 1908

111. Italien 1. Kassationshof

17. 16. 22. 25.

2. 1949 3. 1951 2.1952 2. 1953

30. 9. 1953 16. 2. 1954 6. 3. 1954 5. 6. 1954

18•

Giur.it. 1949, I, 1, 255 Foro it., Mass. 1951, Nr. 158 Foro it. 1952, I, 820 Foro it., Rep. 1953, "Vendita", Nr. 283 Foro it., Rep. 1953, "Obbl.contr.", Nr. 291 Foro it., Rep. 1954, "Obbl.contr.", Nr. 207 Giust.civ. 1954, 485 Foro it., Mass. 1954, Nr. 1828 = Giust.civ. 1954, II, 1303

II 385 II 322 II 230 II 359 II 362 II 268 II 322 II224,238,316,331

276 16. 7.1954 11. 10. 1954 22. 2. 1957 22. 2. 1958 14. 2. 1959 19. 2. 1960 18. 2. 1961 6. 10. 1962 16. 2. 1963 8. 10. 1963 17. 2.1965 12. 7. 1968 28. 9. 1968

Entscheidungsverzeichnis Foro it., Rep. 1954, "Obbl.contr.", Nr. 258, 259 Giust.civ. 1954, II, 2354 Giust.civ., Mass. 1957, Nr. 637 Giust.civ., Rep. 1958, "Obbl.contr.", Nr. 363 Foro it., Rep. 1959, "Competenza civile", Nr. 246 Giur.it. 1961, I, 1, 35 Giust.civ. 1961, I, 1013 Giur.it., Mass. 1962, 963 Foro it. 1963, I, 1769 Giur.it., Mass. 1963, 909 = Giust.civ. 1964, I, 651 Foro it., Mass. 1965, Nr. 265 Mass.Giur.It. 1968, Nr. 2474 = Rep.Giur.It. 1968, "Obbl. e contr.", Nr. 35 Foro it. 1968, I, 2693

II362 II 322 II 322 II 322 II 319 II 384 II 372 II 384 II 266, 268, 269, 317 II 384 II 384 II 238 II 319, 320

2. Berufungsgerichte

Bologna

7. 2. 1924 8. 6. 1931

Cagliari

18. 11. 1957

Firenze

19. 10. 1954

L'Aquila

15. 6. 1964 9. 7. 1954

Milano

29. 3. 1957

Roma

30. 12. 1922

Torino

31. 7. 1950

Rep.Giur.It. 1924, "Obbl.contr.", Nr. 131 Rep.Giur.It. 1931, "Obbl.contr.", Nr. 56 Giust.civ., Rep. 1958, "Vendita", Nr. 276 Foro it., Rep. 1955, "Obbl.contr.", Nr. 307 Foro it. 1964, I, 1983 Foro it., Rep. 1955, "Obbl.contr.", Nr. 248 Giust.civ., Rep. 1958, "Obbl. e contr.", Nr. 11 Foro it., Rep. 1923, "Vendita", Nr. 375 Foro it., Rep. 1951, "Obbl.contr.", Nr. 270

IV. Osterreich Oberster Gerichtshof

12. 6. 1907 1. 6. 1915

3. 1. 1951

JB Nr. 179, GIUNF. Nr. 3809 = ZBI. 1907, 753 GIUNF. Nr. 7465 = ZBl. 1915, 939 = JBl. 1915 Nr. 41 JBI. 1951, 415

I 64 I 43 I 87

II 383 II 383 II 224, 319, 359 II 362 II 362 II 319 II 238, 318 II 224 II 322

277

Entscheidungsverzeichnis V. Schweiz Bundesgericht 20. 5. 1916 27. 2. 1922 13. 9. 1933

BGE 4211 219 BGE 48 II 98 BGE 59 li 305

I 43 I 64, 173 I 64, 173

VI. Großbritannien und Commonwealth Anglo-African Shipping Co. v. Mortner, (1962) 1 Ll. Rep. 81 Avery v. Bowden (1855), 5 E. & B. 714, 119 E. R. 647 In re Baley-Worthington and Cohen's Contract, (1909) 1 Ch. D. 648 Bank Line Ltd. v. Arthur Capel & Co., (1919) A.C. 453 Barque Quilpue Ltd. v. Brown, (1904) 2 K.B. 264 (C.A.) Bartholomew v. Markwiek (1864), 15 C.B. (N.S.) 711, 143 E.R. 964 Batterbury v. Vyse (1863), 2 H. & C. 42, 8 L.T.R. 283, 159 E.R. 19 Braithwaite v. Foreign Hardwood Co., (1905) 2 K.B. 543

11606 li 585 II 502 II 550

11 488, 563, 564, 619

li 523 li 439, 597, 600

(C.A.)

II 502

2 K.B. 784

II 485

H. 0. Brandt & Co. v. H. M. Morris & Co. Ltd., (1917) British and Beningtons Ltd. v. N. W. Cachar Tea Co., (1923) A.C. 48 British Movietonews Ltd. v. London and District Cinemas Ltd., (1952) A.C. 166 Bush v. The Trustees of the Town and Harbour of Whitehaven (1888), 52 J.P. 392 City of Dublin Steam Packet Co. v. R. (1908), 24 T.L.R. 798 Cleary v. McAndrew (1863), 2 Moore P .C. (N.S.) 216, 141 R.R. 45 Colley v. Overseas Exporters (1919) Ltd., (1921) 3 K .B . 302, 126 L.T.R. 58 Cort v. Ambergate Railway Co. (1851), 17 Q.B. 127 Craven-Ellis v. Canons Ltd., (1936) 2 K.B. 403 (C.A.) De Bernardy v. Harding (1853), 8 Exch. 822, 91 R.R. 787 De Medina v . Norman (1842), 9 M. & W. 820, 60 R.R. 912 Denmark Productions Ltd. v. Boscobel, (1969) 1 Q.B. 699 (C.A.)

Dowling v. Betjemann (1862), 2 J . & H. 544, 134 R.R. 332 French v. Brooks (1830), 6 Bingh. 354, 130 E.R. 1316 French & Co. Ltd. v. Leeston Shipping Co. Ltd., (1922) 1 A.C. 451 George Trollope and Sons v. Caplan, (1936) 2 K.B. 382 (C.A.)

George Trollope and Sons v. Martyn Bros., (1934) 2 K.B. 436 (C.A.) Goiding v. London & Edinburgh Insurance Co. Ltd. (1932), 43 Ll.Rep. 487

II 499, 502 li 570 II 622

11566,620 II 597, 599 II 435, 478, 588, 608, 610, 626 II 437, 458, 502 II 514, 533, 534 II 528 II 499 II 469, 607 II 579 II 469

II 556 II 462,467 II 462- 467, 541 II 581, 583

278

Entsclreidungsverzeichnis

Goodman v. Pocock (1850), 15 Q.B. 576 Greaves v. Ashlin (1813), 3 Camp. 426, 14 R.R. 771 Hall v. Condor (1857), 2 C.B. (N.S.) 22, 140 E.R. 318 Hamlyn & Co. v. Wood & Co., (1891) 2 Q.B. 488 Heyman v. Darwins Ltd., (1942) A.C. 356 Hirji Mulji v . Cheong Yue Steamship Co. Ltd., (1926) A.C. 497 Hoenig v. Isaacs, (1952) 2 All E.R. 176 (C.A.) Holme v. Guppy (1838), 3M. & W. 387, 150 E.R. 1195 Hong Kong Fir v. Kawasaki Kisen Kaisha, (1962) 2 Q .B. 26 (C.A.) Hotharn v. East India Co. (1787), 1 T.R. 638, 99 E.R. 1295 Hughes v. Lenny (1839), 5 M. & W. 183, 151 E.R. 79 Inchbald v. The Western Neilgherry Coffee, Tea and Cinchona Plantation Co. Ltd. (1864), 17 C.B. (N.S.) 733, 144 E.R. 293 Isherwood v . Whitmoore (1843), 11M. & W. 347, 63 R.R. 424 Jones v. Barkley (1781), 2 Dougl. 684, 99 E.R. 434 Karsales (Harrow) Ltd. v . Wallis, (1956) 1 W.L.R. 936 Kingston v. Preston (1773), 2 Dougl. 690, 99 E.R. 437 Kinnaird v. Trollope (1889), 42 Ch.D. 610 Langford & Co. Ltd. v. Dutch, (1952) S.C. 15 Lodder v. Slowey, (1904) A.C. 442 Luxor (Eastbourne) Ltd. v. Cooper, (1941) A.C. 108 Macintosh v. The Midland Counties Ry. Corp. (1845), 14 M. & W. 548, 153 E.R. 592 Mackay v. Dick (1881), 6 App.Cas. 251 Mersey Steel and Iron Co. Ltd. v. Naylor, Benzon & Co. (1884), 9 App.Cas. 434 Mona Oil Equipment Co. v. Rhodesia Railways Ltd., (1949) 2 All E.R. 1014 The Moorcock (1889), 14 P.D. 64 Moses v. Macferlan (1760), 2 Burr. 1005, 97 E.R. 676 Mutzenbecher v. La Aseguradora Espanola, (1906) 1 K.B. 254 Ogdens Ltd. v. Nelson, (1905) A.C. 109 Overstone Ltd. v. Shipway, (1962) 1 W.L.R. 117 Planche v. Colburn (1831), 8 Bingh. 14, 131 E.R. 305 A. V. Pound & Co. Ltd. v. M. W. Hardy & Co. Inc., (1956) A.C. 588 Prickett v. Badger (1856), 1 C.B. (N.S.) 296, 140 E.R. 123 Reigate v. Union Manufacturing Co. (Ramsbottom) Ltd., (1918) 1 K.B. 592 Rhodes v. Forwood (1876), 1 App.Cas. 256 Samuels v. Davis, (1943) 1 K.B. 526 (C.A.) Shirlaw v . Southern Foundries (1926) Ltd., (1939) 2 K.B. 206 (C.A.) Slade 's Case (1602), 4 Co.Rep. 94a, 94b, 76 E.R. 1077

II 469 II 636- 638 II 479, 590, 591, 597,598 II 446 II 505, 581, 583, 584 II 583 II 521 II 597 II 547 II 502 II 587 II 481 II 427,475 II 498, 501, 613, 648

II 478

II 498, 613

II 424 II 581 II 531, 532, 544 II 431, 467, 554, 555,561 II 597

II 438, 567, 597,

602,609

II 550

II 447, 553, 568, 571,572 II 447, 451, 452 II 513, 649

II 488

II 556 II 580 li 524 - 527, 539, 543 II 431, 485, 569 II 529, 530, 538

II 446,570 li 556, 561 11431,483,48~592

II 446 II 509

Entscheidungsverzeichnis Southern Foundries (1926) Ltd. v. Shirlaw, (1940) A.C. 701 Startup v. Macdonald (1843), 6 M. & G. 593, 64 R.R. 810 Stirling v. Maitland (1864), 5 B. & S. 840, 122 E.R. 1043 Sumpter v. Hedges, (1898) 1 Q.B. 673 (C.A.) Universal Cargo Carriers Corp. v. Citati, (1957) 2 Q.B. 401 The Valsesia, (1927) P.D. 115 Vigers v. Cook, (1919) 2 K.B. 475 (C.A.) Warbrooke v. Griffin (1610), 2 Brownl. & Golds. 254, 123 E.R. 927 R. V. Ward Ltd. v. Bignall, (1967) 1 Q.B. 534 (C.A.) White and Cartcr (Council) Ltd. v. McGreogr, (1962) A.C. 413 William Cory & Son Ltd. v. London Corporation, (1951) 2 K.B. 476 (C.A.) Young and Ashburnham's Case (1587), 3 Leo. 161, 74 E.R. 606

279 II 454, 469- 472, 556 II 427, 429, 475, 476,500 li 473, 558, 597,601 li 521 li 486, 547' 550, 573,576,583 II 482,593 I1 521 II 510 II 634 li 493, 580, 582, 583,589,603,605, III 204 II 488 II 508

Sachverzeichnis Abnahmepflicht - d. Käufers u. Werkbestellers - - im dt. R. 7 f., 15 f., 18, 35 - - im engl. R. 140 - - im franz. R. 65 f., 81, 83 f. - - im ital. R. 109 ff., 118 ff. - - im österr. und schweiz. R. 16 Fn. 64 - u. Mitwirkungshandlungen - - im dt. R. 37 ff., 39 ff. - - im franz. R. 81 ff. - Rechtsfolgen bei Pflichtverstoß - - im dt. R. 35 ff. - - im franz. R. 86 f., 91 ff. Abruf - im dt. R. 37, 39, 201 - im franz. R . 82 acceptance 176 f. action for an agreed sum - u. eigene Leistungspflicht 168 ff., 171 ff. - u. prevention 168 ff. - u. specific performance 166 f. - u. Vertragsbruch 166 ff. action of debt 166 Analogie - zu § 326 238 ff. A nnahmeverzug (s. Gläubigerverzug) Aufwendungsersatz - im dt. R. 1, 24 - im ital. R. 101, 114 f.

consignation 61 ff. (s. auch Hinterlegung) co-operation - active co-operation 162 ff. - u. Gegenleistungspflicht 179 ff. - u. implication 137 ff. - u. prevention 136 f. cooperation, obligation de - u. Art. 1184 C. civ. 95 ff. - b. Baroncea 74 ff. - b. Demogue 77 ff., 79 f. - überflüssige Konstruktion 96 f., 132 cooperazione - u. Art. 1453 ee 132 f. - Beendigung d. Schuld b. Ausbleiben der- 116 ff. - Begriff 103 ff. - Schadensersatz nach Art. 1207 Abs. II cc 114 ff. correttezza 106 f. culpa in contrahendo 46 f ., 55, 205, 245 ff. Culpa-Theorie 8 ff., 12 f., 16, 19

Beendigung der Schuldverpflichtung (s. auch Hinterlegung, Selbsthilfeverkauf) - im dt. R. 24, 33, 253 ff. - b. Falzea u. Natoli 116 f. breach of eontract (s. condition u. warranty; repudiation; rescission; Vertragsverletzung) buona fede 106 f.

Einrede des nicht erfüllten Vertrags - im dt. R. 25 f., 51, 194 ff. - im engl. R. 147 f., 173 f. - im franz. R. 90 f . - im ital. R. 126 f. - u. Anspruch auf die Gegenleistung 189 f., 194 ff. - Darlegungs- u. Beweislast 231 ff. - u. Gläubigerverzug 25 f., 195 ff. - Mißbrauch 230 - u. Schuldnerverzug 227 ff. - u. venire contra factum proprium 230 ff. - Verzicht 197 f.

condition - concurrent 147 f., 174 - preceden t 148, 174 - u . warranty 158 f.

demeure du creancier - u. Art. 1184 C. civ. 95 ff. - b . Baroncea 74 ff., 79 f. - b. Demogue 77 ff. - b . Pothier 67 ff. - überflüssige Konstruktion 96

Sachverzeichnis Einwandstheorie 208 Erfüllungsinteresse - u . Analogie zu § 321 211 - Ausbleiben der Mitwirkung als Verletzung 186 f. - u. Einrede d. nicht erfüllten Vertrags 189 f., 194 ff. - b. Erfordernis behördl. Genehmigung 201 ff. - u. Gläubigerverzug 212 ff. - b. Unbestimmtheit d. Schuldnerleistung 198 ff. - b. Vorleistungspflicht d. Schuldners 188 f., 206 ff. - Verzicht 197 f. Erfüllungsverweigerun g, anfängliche - u. Analogie zu § 326 243 f. - im ital. R. 123 ff. - u. pVV 242 f. - Tatbestand 241 f. - u. venire contra factum proprium 242 f. Erfüllungsverweigerun g, nachträgliche 234 f. Entschädigung d. Unternehmers b. Werkvertrag 33 f., 236 f. faute, Begriff der - 71 f. Fälligkeit, mangelnde (s. auch Vorleistungspflicht) - Einrede o. Fehlen einer A.-voraussetzung 207 ff. - d. Gegenleistung b. Vorleistungspflicht d. Schu. 207 Gegenleistungsinteres se d. Schuldners (s. Erfüllungsinteresse, Liquidationsinteresse) Gegenleistungspflicht - als Anknüpfungspunkt f. d. Liquidation d. Vertrags 226 ff. Gegenseitiger Vertrag (s. auch Einrede d. nicht erfüllten Vertrags, Erfüllungsinteresse, Gegenleistungspflicht, Liquidationsinteresse) - Ausbleiben d. Mitwirkung als Problem d.- 186 ff. - Eintritt d. Gläubigerverzugs b. 25 ff. Genehmigung, behördliche - z. Abschluß d. Vertrags 54 f., 203 ff. - u. Anspruch d. Schu. auf d. Gegenleistung 201 ff.

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- Außenwirtschaftsrech t 46 f. - u. cic 245 ff. - z. Durchführung d. Vertrags 54 f., 202 f. - Kriegswirtschaft 42 - Nichtigkeit o. Unwirksamkeit d. Vertrags 202 f. - Wertsicherungsklause ln 47 ff., 204 Generalklausel - Art. 1184 C. civ. als - vertragt Haftung 95 f. - Art. 1453 cc als - vertragl. Haftung 132 f. Gestaltungsrecht in§ 326 235, 240 Gläubigerverzug - im dt. R. 17 ff., 24 ff., 182 ff. - im engl. R. 134 f., 179 ff., 182 ff. - im franz. R. 61 ff., 64, 73, 182 ff. - im ital. R. 98 ff., 100 ff., 107 ff., 182 ff. - beschränkte Funktion 182 ff. - u. Einrede des nicht erfüllten Vertrags 25 ff., 227 f. - u . Gefahrtragung 28 ff., 217 f. - u. Leistungsfähigkeit d. Schu. 20 ff. - u. Mitwirkung d. Gläubigers 17 f., 20 ff. - u. mora creditoris 7 f. - u. Obliegenheit 19 - u. Schadensersatz (s. dort) - u. schuldhafte Pflichtverletzung d. Gläubigers 18 ff. - Schutz d. Liquidationsinteresses 236 ff. - u. Verschulden (s. dort) - als Voraussetzung bei § 322 II 214 ff. - beim Werkvertrag 33 f. Hinterlegung - im dt. R. 24, 182, 253 - im engl. R. 177, 182 - im franz. R. 61 ff., 182 - im ital. R. 101, 116, 182 implication - Bedeutung f. d. Annahme einer Vertragsverletzung 159 ff., 164 f. - u. co-operation 137 ff. - Funktion u. Arten 137 f. - Grenzen b . Mitwirkung d . Gläubigers 159 ff. implied term (s. implication)

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Sachverzeichnis

Kündigung - d. Werkvertrags d. Unternehmer 33 f., 236 f. Klagbarkeit (s. auch Abnahmepflicht) - d. Abnahmepflicht 35 - d. Pflicht zur Spezifikation? 36 Leistung Zug um Zug (s. Einrede d. nicht erfüllten Vertrags; Zwangsvollstreckung) Leugnungstheorie 208 Liberationsanspruch 8, 70, 54, 99 liberazione coattiva 101 Liquidationsinteresse - Schutz d. - b. Gläubigerverzug 236 ff. - Schutz d. - b. Vorleistungspflicht 236 ff., 238 ff. - Schutz d. - b. Zug-um-Zug-Leistungen 226 ff. Makler-Fälle - im engl. R. 141 ff. Mitwirkung d. Gläubigers (s. auch cooperation, co-operation, cooperazione) - u . Abnahmepflicht (s. dort) - u. anfängliche Erfüllungsverweigerung - - im dt. R. 241 ff. - - im ital. R. 123 ff. - u. Anwendung d. allgemeinen Regeln über d. Vertragsverletzung - - im dt. R. (s. Erfüllungsinteresse, Liquidationsinteresse) - - im engl. R. 139 ff., 179 ff. - - im franz. R. 86 ff., 96 ff. - - im ital. R. 120 f., 122 ff., 132 f. - u. Anwendung d. Schuldnerverzugsregeln 57, 223 - Ausbleiben als Symptom mangelnder Zahlungsbereitschaft 226 f. - b . Erlangung behördl. Genehmigung 42, 46 f., 47 ff., 204, 245 ff. - als Gegenstand vertragl. Vereinbarung 252 - u. Gläubigerverzug (s. dort) - b. d. Herstellung d. Werks - - im dt. R. 34, 49 ff. - - im franz. R. 84 ff. - - im ital. R. 109 ff., 128 - u. Leistungsinteresse d. Schu. 250 ff.

- u. Obliegenheit (s. auch dort) 49 ff., 55 ff., 224 ff. - Pflicht d. Gläubigers (s. auch pVV) - - im dt. R. 8 ff., 14 ff., 41 ff., 53 ff., 184 ff., 220 ff. - - im engl. R. 137 f., 139 f., 179 ff., 184 ff. - - im franz. R. 67 ff., 70 ff., 77 ff., 79 f., 96 f., 132, 184 ff. - - im ital. R. 106 ff., 119, 132, 184 ff. - als Problem d. gegens. Vertrags 186 ff. - u. pVV 41, 43, 53 ff., 220 ff. - im Reformschrifttum 59 - Voraussetzung eigener Rechtsausübung 41 f., 52 mora accipiendi (s. m. creditoris) mora creditoris (s. auch Culpa-Theorie, Liberationsanspruch) - Begriff 7 f. - b. Kohler 10 ff. - b. Mommsen 10 - rechtliche Grundlagen 8 ff. - als Spiegelbild d. mora debitoris 9f. mora del creditore (s. Gläubigerverzug) Nachfrist des§ 326 - Entbehrlichkeit 234 f., 244 - Erforderlichkeit 232 ff., 241 obbligazione - u. obbligo 110 f., 121 Obliegenheit - Begriff 224 - u. Gläubigerverzug 19 - u. Mitwirkung d. Gläubigers 55 ff. - u. pVV 224 f. offre de payement 61 ff. Passivität d . Gläubigers 232 f. payment into court 134 f., 182 positive Vertragsverletzung (s. auch Vertragszweck, Gefährdung d.) - u . anfängl. Erfüllungsverweigerung 242 f. - Berechtigung 221 f. - u. Lehre vom Schuldverhältnis 221 - u. Mitwirkungspflicht d. Gläubigers 41, 43 f., 53 ff., 220 ff. - u. nachträgl. Erfüllungsverweigerung 234 f.

Sachverzeichnis - u. Obliegenheitsverletzung 224 f. - im System d. Leistungsstörungen 222

- Verletzung d. Schonungspflicht 247 ff. prevention - Begriff 136 f. - total prevention 160 ff. - u. Vertragsverletzung 159 f., 179 ff. - u. Verurteilung zur Gegenleistung 168 ff. quantum meruit - historische Entwicklung 150 f. - Rechtsnatur 156 f. - als Sanktion gegen den Gläubiger 153 ff. - Verhältnis zum Schadensersatz weg. Nichterfüllung 156 - vertragliches u. quasi-vertragliches 152 f.

- Voraussetzungen d. Anspruchs 155 f. Realkontrakte 254 f. Rechtspflicht, echte 220 ff. repudiation 135, 144, 166 f. rescission for breach 155 f. resolution - judiciaire 88 - de plein droit (b. Kauf) 91 ff. Rücktritt vom Vertrag - weg. Nichtabnahme 36 f. - weg. Nichtvornahme d. Spezifik8tion 36 Sale of Goods Act 138, 176 ff. Schadensersatz - weg. Gläubigerverzugs - - im dt. R. 1, 12, 60, 251 - - im franz. R. 71 Fn. 46 - - im ital. R. 114 ff. - weg. Nichterfüllung - - b. Nichtabnahme - - - im dt. R. 36 f. - - - im engl. R. 176 f . - - - im franz. R. 87 ff. - - - im ital. R. 118 ff. - - b . Nichtmitwirkung - - - im dt. R. (s. auch Liquidationsinteresse) 44, 47, 49 ff., 190 f. - - - im engl. R. 141 ff., 147 ff. , 156, 176, 190 f. - - - im franz. R. 87 ff., 190 f.

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- - - im ital. R. 118 ff., 123 ff., 190 f. - nach sect. 37 S.G.A. 177 f . Schonungspflicht 247 ff. Schuldnerverzug - austauschbar b. § 326 240 - u. Einrede d. nicht erfüllten Vertrags 227 ff. Schuldverhältnis - i. e. S. und i. w. S. 220 f. Selbsthilfeverkauf - im dt. R. 24, 182 f. - im engI. R. 177, 182 f. - im franz. R. 94, 182 f. - im ital. R. 101, 182 f. specific performance 140, 166 f. Spezifikationskauf - im dt. R. 13 f., 36 f., 198 - im engl. R. 140 im franz. R. 65 - im ital. R. 101 f. - im österr. u. schweiz. R. 13 Fn. 43 Synallagma, funktionelles - Auflösung in d. Zwangsvollstrekkung 26, 195 ff. tender - of acts 135, 144 - Begriff u. Funktion 134 f. - of goods 135, 144 Unmöglichkeit - b. Versagung behördl. Genehmigung 202 f. - b. zeitbestimmter Leistung 30 ff., 217 f.

Urteil nach § 322 Abs. II - Voraussetzungen 214 ff. - Zwangsvollstreckung 27 f., 212 ff. Unbestimmtheit der Leistung - Bestimmung v. Modalitäten d. den Gläubiger 200 f. - Richter!. Bestimmung 199 f. - Spezifikationskauf u. Wahlschuld 198 f. Unzuverlässigkeit d. Gläubigers 233 f. venire contra factum proprium - u. anfängl. Erfüllungsverweigerung 242 f. - u. Einrede d. nicht erfüllten Vertrags 230 ff. Verschulden

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Sachverzeichnis

- als Voraussetzung d. Gläubigerverzugs (s. auch Culpa-Theorie) - - im gemeinen Recht 8 ff. - - in d. franz. Jurisprudenz d. 19. Jh. 70 ff. - - im ital. R. 108 ff. Versteigerung hinterlegungsfähiger Sachen - im dt. R. 182 - im franz. R. 94 - im ital. R. 182 Vertragsauflösung (s. Liquidationsinteresse, Mitwirkung d. Gläubigers, Schadensersatz) Vertragstreue, eigene - b. Einrede d. nicht erfüllten Vertrags 26, 197, 227 ff. Vertragsverletzung, wesentliche - im dt. R. (s. Vertragszweck) - im engl. R. 158 f., 164 f. - im franz. R. 87 f. - im ital. R. 123 Vertragszweck, Gefährdung d . 2, 43. 49, 51, 56, 187, 190, 220, 222 f., 233 f .. 242 Vorleistungspflicht - u. Anspruch auf d. Gegenleistung 188 f.

- u. Gläubigerverzug 27 - u. Klage auf d. Gegenleistung d. Gläubigers - - im dt. R. 27, 188 f., 206 ff., 212 ff. - - im engl. R. 168 ff. - - im franz. R. 90 f. - - im ital. R. 127 f . - Schutz d . Liquidationsinteresses 236 ff. - Tenorierung d. Urteils nach § 322 II 27 - u . Vertragstreue d. Gläubigers 209 ff. - Vollstreckung d. Urteils nach § 322 II 27 f ., 212 ff. - d. Werkunt ernehmers 206 f. m . Fn. 58 Wahlschuld 198 f. wrongful dismissal 143 ff. Zeitbestimmtheit d. Leistung - u. Unmöglichkeit 30 ff. Zwangsvollstreckung - d. Urteils nach § 322 Abs. I 26. 195 ff. - d. Urteils nach § 322 Abs. II 27 f. , 212 ff.